Anja Szypulski Gemeinsam bauen – gemeinsam wohnen
VS RESEARCH
Anja Szypulski
Gemeinsam bauen – gemeinsam wohnen Wo...
138 downloads
1136 Views
3MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Anja Szypulski Gemeinsam bauen – gemeinsam wohnen
VS RESEARCH
Anja Szypulski
Gemeinsam bauen – gemeinsam wohnen Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Dortmund, 2004
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Christina M. Brian / Anita Wilke Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-6047-0
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner 2004 an der Universität Dortmund eingereichten und angenommenen Dissertationsschrift. Ein empirisches Forschungsvorhaben ist ohne das Interesse und die Unterstützung der Interviewpartner/innen nicht möglich. Ich danke daher allen Interviewpartner/innen in den Selbsthilfesiedlungen und den beteiligten Wohnungsunternehmen/Trägern für die Offenheit gegenüber dem Forschungsvorhaben und die Unterstützung, ebenso den vielen Studierenden, die in Lehrforschungsprojekten und zahlreichen Seminaren Forschungsfragen diskutiert und zur Weiterentwicklung beigetragen haben. Mein herzlicher Dank gilt Ruth Becker und Sigrid Metz-Göckel (Universität Dortmund), die die Arbeit kontinuierlich unterstützt haben. Daneben gibt es zahlreiche Personen, die die Arbeit durch anregende Hinweise und Kommentare und freundschaftliche Anteilnahme geduldig und unterstützend begleitet haben: Sabine Brendel, Martin Krämer, Kornelia Steinhardt, Birgit Kasper und meinen Eltern. Anja Szypulski
V
Inhaltsverzeichnis 1. I. 1.
Einleitung ............................................................................................................... 1 Wohnwandel - im Spannungsfeld von Individualisierung, Vergemeinschaftung und Geschlechterverhältnis.............................................. 7 Das Individualisierungskonzept ........................................................................... 8 1.1. Grundannahmen des Individualisierungstheorems ...................................... 10 1.2. Die Individualisierung von Lebenslagen und Lebenswegen: Freisetzung aus Geschlechtslagen und Familie............................................ 12 1.3. Individualisierung und Formen der Re-Integration...................................... 16 1.4. Zusammenfassung........................................................................................ 20
2.
Der Wandel von Familie und Geschlechterverhältnis ..................................... 22 2.1. Familie im Wandel: Soziale Netze, Haushaltsstrukturen und Lebensformen............................................................................................... 22 2.2. Geschlechterverhältnis und innerfamiliale Arbeitsteilung........................... 35
3.
Neue Wohnformen - zwischen Individualisierung und Vergemeinschaftung............................................................................................ 40 3.1. Gemeinschaft als Thema der (Stadt-)Soziologie und ihre Bedeutung für das Wohnen .................................................................................................. 41 3.2. Neue Wohnformen: Wohnprojekte als Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungsprozesse?................................................................................ 47
4.
Fazit: Gemeinschaftliches Wohnen in einer individualisierten Gesellschaft? ........................................................................................................ 57
II. Eigenheim und Wohnungspolitik....................................................................... 61 1. Zwischen Wunsch und Realität: Wohnpräferenzen in Deutschland ............. 61 2. Das Eigenheim: Wohneigentum in der Bundesrepublik Deutschland........... 66 2.1. Entwicklung und Verteilung des Wohneigentums....................................... 66 2.2. Eigentumsbildung durch Selbsthilfe in Arbeiterhaushalten......................... 73 2.3. (Familien-)Soziologische Aspekte des Projekts Wohneigentum ............. 75 3. 4. 5.
Wohnungspolitik und die Wohneigentumsförderung ..................................... 77 Legitimationen und Leitbilder der Wohnungspolitik: Die Eigenheimideologie ....................................................................................... 81 Finanzierung und Wohneigentumsförderung .................................................. 90 5.1. Die Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum: Das Problem der Eigenkapitallücke ......................................................................................... 90 5.2. Die Wohneigentumsförderung auf Bundes- und Landesebene.................... 99 VII
5.2.1. Die Eigenheimzulage ........................................................................ 99 5.2.2. Die Förderung der Bildung selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung ................................... 102 5.2.3. Die soziale Wohneigentumsförderung in Nordrhein-Westfalen..... 103 6.
Fazit: Wege zum Wohneigentum ..................................................................... 106
III. Selbsthilfe im Wohnungsbau ............................................................................ 109 1. Historische Wurzeln der baulichen Selbsthilfe............................................... 110 1.1. Die Genossenschaftsbewegung.................................................................. 110 1.2. Die Siedlerbewegung ................................................................................. 114 2.
Aktuelle Untersuchungen zur Selbsthilfe im Wohnungsbau ........................ 120 2.1. Formen der Selbsthilfe: Begriffsklärungen................................................ 121 2.2. Untersuchungen zur Selbsthilfe im Wohnungsbau: ein Überblick............ 122 2.3. Wesentliche Forschungsergebnisse............................................................ 127 2.3.1. Rahmenbedingungen von Selbsthilfe-Projekten............................. 127 2.3.2. Selbsthilfe und Finanzierung .......................................................... 131 2.3.3. Motive der Selbsthelfer/innen......................................................... 135 2.3.4. Familie und Arbeitsteilung.............................................................. 136 2.3.5. Arbeitsbelastung durch die Selbsthilfe ........................................... 138 2.3.6. Nebenwirkung: Die Förderung des Nachbarschaftsgedankens... 140
3.
Zwischenfazit: Selbsthilfe als Instrument der Wohnungspolitik?................ 141
IV. Die IBA Emscher Park und die Projektreihe Einfach und selber bauen 145 1. Die Projektidee Einfach und selber bauen.................................................. 147 2. Die Selbsthilfe-Projekte und ihre Organisation ............................................. 151 2.1. Projektbeschreibungen ............................................................................... 151 2.2. Organisatorische Rahmenbedingungen der Projektreihe Einfach und selber bauen . ............................................................................................. 162 V. Entwicklung der Forschungsfragestellungen ................................................. 165 VI. Methodischer Ansatz und empirisches Material............................................ 169 1. Leitfaden-Interviews ......................................................................................... 169 2. Fragebogen-Erhebung ...................................................................................... 173 VII.Verborgene Realitäten: Ergebnisse der empirischen Erhebungen .............. 177 1. Das soziale Bild der Baufamilien ..................................................................... 177 1.1. Die Altersstruktur der Befragten................................................................ 177 VIII
1.2. Anzahl und Alter der Kinder...................................................................... 179 1.3. Art und Umfang der Berufstätigkeit .......................................................... 181 2.
Warum ein Selbsthilfe-Projekt? Motivationen............................................... 185 2.1. Entscheidungsdimensionen: Beweggründe für Hausbau und Selbsthilfe in der Fragebogen-Erhebung .......................................................................... 186 2.2. Motivbündel die Interviewergebnisse ..................................................... 190 2.2.1. Der Wunsch nach etwas Eigenem ............................................... 190 2.2.2. Finanzielle Dimensionen................................................................. 192 2.2.3. Sicherheit der Mittel - Sicherheit des Trägers ................................ 194 2.2.4. Die Beschränktheit des Wohnungsmarktes und die Suche nach Alternativen..................................................................................... 195 2.2.5. Spontane Entscheidung: Eigentlich wollten wir gar nicht bauen 196 2.2.6. Besonderheit des Projekts: Wohnqualität ....................................... 197 2.2.7. Die Selbsthilfe an sich..................................................................... 198 2.3. Fazit: Selbsthilfe ist kein Selbstzweck....................................................... 198
3.
Der Planungs- und Bauprozess ........................................................................ 201 3.1. Baubetreuung und Organisation des Bauprozesses in der FragebogenErhebung .................................................................................................... 202 3.2. Planung und Organisation aus der Sicht der Interviews ............................ 207 3.2.1. Projekt A: Formen der Selbstorganisation als Kompensation von Betreuungsdefiziten......................................................................... 207 3.2.2. Projekt B: Eine funktionsfähige Leitung ........................................ 211 3.2.3. Projekte C und D: Leistungsdruck und Stundenängste ............... 213 3.2.4. Projekt E: Intermediäre Institution.................................................. 216 3.3. Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozesse ............................................. 217 3.4. Fazit: Grundprobleme der Organisation..................................................... 220
4.
Finanzierung und Förderung ........................................................................... 221 4.1. Die Kosten des Hauses............................................................................... 222 4.2. Die Förderung der Baufamilien ................................................................. 224 4.3. Vorhandenes Eigenkapital.......................................................................... 224 4.4. Finanzierungsstruktur und Selbsthilfeertrag .............................................. 227 4.5. Monatliche Belastung der Baufamilien...................................................... 228 4.6. Finanzierung und soziale Dynamik in den Interviews............................... 232 4.6.1. Die Unterschiede in der Finanzierung sind Wahnsinn" ................ 233 4.6.2. Ohne Förderung unrealistisch...................................................... 233 4.6.3. Konfliktpotential: Zu viel Kohle ................................................ 234 4.6.4. Die Vergabe der Häuser .................................................................. 235 4.7. Fazit: Finanzielle Inhomogenität der Zielgruppe als Konfliktpotenzial .... 236 IX
5.
Die Selbsthilfe-Tätigkeit.................................................................................... 237 5.1. Umfang, Vergütung und zeitliche Organisation der Selbsthilfe aus der Sicht der IBA ................................................................................. 238 5.2. Planung und Realisierung der Selbsthilfe Ergebnisse der FragebogenErhebung .................................................................................................... 241 5.3. Unterstützungssysteme: Wer leistete die Selbsthilfe? ............................... 244 5.4. Innerfamiliale Arbeitsteilung während der Bauzeit ................................... 247 5.4.1. Berufstätigkeit der Baufamilien ...................................................... 248 5.4.2. Innerfamiliare Arbeitsteilung während der Bauzeit........................ 249 5.4.3. Kinderbetreuung.............................................................................. 252 5.4.4. Vor- und Nachteile der Arbeitsteilungen ........................................ 253 5.4.5. Das war eine Baustelle für Männer Zur Konstruktion von Ausschlussmechanismen................................................................. 257 5.4.6. Schlussfolgerungen: Die Stabilisierung traditioneller Arbeitsteilung? ............................ 258
6.
(Arbeits-)Belastung Wie wird die Selbsthilfe reflektiert? .......................... 259 6.1. Allgemeine Einschätzung - War die Bauzeit stressig? .............................. 260 6.2. Wesentliche Stressfaktoren: Zeit und Dauer, Konflikte auf der Baustelle und in der Familie ...................................................................................... 263 6.3. Körperliche Belastung und Folgen für die Gesundheit.............................. 269 6.4. Fazit: Bis an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hinaus ................. 272
7.
Arbeiten und Wohnen in der Gemeinschaft ................................................... 273 7.1. Gemeinschaftlich bauen und arbeiten ........................................................ 273 7.1.1. Gute Zusammenarbeit, aber keine feste Gemeinschaft Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung ............................................ 274 7.1.2. Von Wir haben Spaß gehabt dabei... zu es war hinterher nicht mehr zu ertragen Interviewergebnisse............................... 277 7.2. Wohnen in der Gemeinschaft..................................................................... 284 7.2.1. Gemeinschaft im Zusammenleben: Gemeinschaftshäuser ............. 284 7.2.2. Nachbarschaftlicher Kontakt nach der Bauzeit in den Interviews.. 298
8.
Schluss-Reflexionen der Baufamilien .............................................................. 302 8.1. Wohnzufriedenheit ..................................................................................... 303 8.2. Reflexion der Baufamilien: Würden Sie es noch einmal machen? ........ 311 8.2.1. Überwiegend positive Einschätzung in den Fragebögen ................ 311 8.2.2. Interviews .................................................................................... 312 8.3. Was würden sie ändern?............................................................................. 319
VIII. Schlussbetrachtungen ..................................................................................... 323 Literatur..................................................................................................................... 333 X
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Haushaltstypen früheres Bundesgebiet 1972 (23 Mio. Haushalte) ................. 30 Abb. 2: Haushaltstypen Deutschland 2000 (38,1 Mio. Haushalte) .............................. 31 Abb. 3: Wohneigentumsquoten in Europa 2001 (in %) ............................................... 67 Abb. 4: Wohneigentumsquote nach Bundesländern 2002 (in %)................................. 69 Abb. 5: Gladbeck, Rosenhügel ................................................................................... 151 Abb. 6: Recklinghausen-Hochlar................................................................................ 153 Abb. 7: Luftaufnahme Herten ..................................................................................... 153 Abb. 8: Gelsenkirchen-Bismark: Straßenansicht........................................................ 154 Abb. 9: Gelsenkirchen-Bismark: Blick in die Hausreihe ........................................... 155 Abb. 10: Luftbild Bergkamen..................................................................................... 156 Abb. 11: Duisburg- Hagenshof: Blick auf die Gärten ................................................ 157 Abb. 12: Luftaufnahme Duisburg-Hagenshof ............................................................ 158 Abb. 13: Luftaufnahme Lünen-Brambauer ................................................................ 159 Abb. 14: Lünen-Brambauer: Innenhof........................................................................ 159 Abb. 15: Entscheidung für Hausbau (Angaben in %) ................................................ 186 Abb. 16: Gründe für den Hausbau (Angaben in %) ................................................... 187 Abb. 17: Warum haben Sie sich für ein Selbsthilfe-Projekt entschieden?................. 188 Abb. 18: Wozu hat die Wohnungsbaugesellschaft in Gesprächen vor Beginn des Hausbaus Ihrer Meinung nach beigetragen? (absolute Häufigkeiten)....... 202 Abb. 19: Arbeit auf der Baustelle allgemeiner Ablauf (Angabe in Prozent)........... 204 Abb. 20: Arbeit auf der Baustelle Anleitkräfte........................................................ 205 Abb. 21: Arbeit auf der Baustelle Bauleitung/Architekten ..................................... 206 Abb. 22: Haben Sie sich bei der Gestaltung der Siedlung mehr Mitbestimmung gewünscht? (Angaben in Prozent) ............................................................... 218 Abb. 23: Vorhandenes Eigenkapital der Baufamilien ................................................ 225 Abb. 24: Monatliche finanzielle Belastung der Baufamilien (Angaben in DM)........ 230 Abb. 25: Einschätzung der monatlichen Belastung durch den Hausbau .................... 231 Abb. 26: Wie viele Selbsthilfe-Stunden (Rohbau und Innenausbau) sollten Sie laut Wohnungsgesellschaft leisten? ............................................................. 241 Abb. 27: Geplante und gearbeitete Selbsthilfestunden............................................... 242 Abb. 28: Begründungen für zusätzliche Selbsthilfestunden: Wir haben mehr gearbeitet, (absolute Häufigkeiten)................................... 243 Abb. 29: Selbsthilfestunden der Helfer und Helferinnen (Anzahl der Nennungen) .. 246 Abb. 30: Selbsthilfeplanung der Helfer und Helferinnen (Angaben in %) ................ 246 Abb. 31: Arbeitsteilung während der Bauzeit: Mitarbeit auf der Baustelle ............... 249 Abb. 32: Arbeitsaufteilung während der Bauzeit: Allgemeine Aufgaben (Angaben in %) ............................................................................................ 250 Abb. 33: Situation der Kinder während der Bauzeit................................................... 256 Abb. 34: Einschätzung der Bauzeit (Angaben in %) .................................................. 260 XI
Abb. 35: Die Situation während der Bauzeit (Angaben in Prozent)........................... 264 Abb. 36: Spannungen in der Partnerschaft während der Bauzeit (Angaben in %) .... 267 Abb. 37: Einschätzung der körperlichen Anstrengungen während der Bauzeit......... 270 Abb. 38: Zusammenarbeit auf der Baustelle während der Bauzeit ............................ 275 Abb. 39: Haben Sie meistens mit den gleichen Selbsthelfern zusammengearbeitet? 276 Abb. 40: Haben Sie unter den Selbsthelfern neue Bekanntschaften geschlossen? .... 277 Abb. 41: Wie finden Sie die Idee eines Gemeinschaftshauses? (Angaben in %) ...... 285 Abb. 42: Wie haben Sie den Bau des Gemeinschaftshauses erlebt? (Anzahl der Nennungen in den Siedlungen mit Gemeinschaftshaus) ......... 286 Abb. 43: Wie wird das Gemeinschaftshaus genutzt? (Anzahl der Nennungen) ........ 287 Abb. 44: Lünen: Innenhof mit Gemeinschaftshaus .................................................... 290 Abb. 45: Bergkamen: Gemeinschaftsfläche und Blick auf Gemeinschaftshaus..... 292 Abb. 46: Gemeinschaftshaus in Bergkamen ........................................................... 292 Abb. 47: Duisburg: Gemeinschaftshaus ..................................................................... 293 Abb. 48: Innenhof in Herten ....................................................................................... 294 Abb. 49: Wohnsituation der Kinder............................................................................ 305 Abb. 50: Einschätzung von Grundrisszuschnitt und Belichtung ................................ 306 Abb. 51: Einschätzung des Wohnumfeldes ................................................................ 307 Abb. 52: Einschätzung von Siedlung und Nachbarschaft .......................................... 309 Abb. 53: Lünen: Blick auf die Gärten mit Terrasse oder Wintergarten ..................... 310 Abb. 54: Gesamteinschätzung der Baufamilien: Würden Sie aus heutiger Sicht betrachtet noch einmal bauen? (Angaben in %) .......................................... 311 Abb. 55: Aufgeben in der Bauzeit: Wenn Sie sich in die Bauzeit zurückversetzen, haben Sie in dieser Zeit daran gedacht, aufzugeben? (Angaben in %) ....... 312
XII
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Die Entwicklung der Eigentumsquote im früheren Bundesgebiet ..................... 66 Tab. 2: Anteil privater Haushalte mit Wohneigentum nach Haushaltsgröße ................. 69 Tab. 3: Haushalte in Eigentümerwohnungen nach sozialrechtlicher Stellung des........... Haushaltsvorstands in Prozent (alte Bundesrepublik).......................................... 73 Tab. 4: Übersicht: Legitimationen und kritische Betrachtung der ................................... Wohneigentumsbildung ........................................................................................... 83 Tab. 5: Preise, Grundstücks- und Baukosten pro qm in deutschen Großregionen ........ 93 Tab. 6: Beispiel Finanzierungsplan und Annuitäten einer Eigenheimfinanzierung ...... 96 Tab. 7: Beispielrechnung der monatlichen Belastung..................................................... 106 Tab. 8: Übersicht: Einsparungspotenzial der Selbsthilfe ................................................ 132 Tab. 9: Die Projektreihe "Einfach und selber bauen" im Überblick ............................. 160 Tab. 10: Rücklauf Fragebögen ........................................................................................... 174 Tab. 11: Altersstruktur in Interviews, Fragebögen und Durchschnitt aller Projekte (nach Angaben der IBA) ...................................................................................... 178 Tab. 12: Kinderanzahl zu Baubeginn: Interviews, Fragebögen und Durchschnitt aller Projekte nach Angaben der IBA ................................................................ 179 Tab. 13: Alter der Kinder zu Baubeginn in den Interviews und der FragebogenErhebung .............................................................................................................. 180 Tab. 14: Interviews: Umfang Berufstätigkeit nach Geschlecht ..................................... 181 Tab. 15: Fragebogen: Umfang der Berufstätigkeit nach Geschlecht ............................ 182 Tab. 16: Kreuztabelle Berufstätigkeit Mann/Partner und Berufstätigkeit Frau/Partnerin ........................................................................................................ 183 Tab. 17: Kreuztabelle Berufstätigkeit Frau und Kinderanzahl ...................................... 183 Tab. 18: Berufstätigkeit im Durchschnitt aller Projekte nach Angaben der IBA ........ 184 Tab. 19: Grundstückvergabe und Grundstückskosten nach Angaben der IBA ........... 222 Tab. 20: Beispiele für die Zusammensetzung der Gesamtkosten nach Angaben der IBA ................................................................................................................... 223 Tab. 21: Eigenkapital der BewohnerInnen nach Angaben der IBA .............................. 227 Tab. 22: Finanzierungsstruktur der Eigenheime nach Angaben der IBA ..................... 227 Tab. 23: Selbsthilfeertrag nach Angaben der IBA........................................................... 228 Tab. 24: Beispiel Finanzierungskosten ............................................................................. 228 Tab. 25: Vergleich Miete vorher und gesamte aktuelle monatliche Belastung ........... 229 Tab. 26: Umfang und Vergütung der Selbsthilfeleistungen nach Angaben der IBA .. 243 Tab. 27: Helfer eingeplant tatsächliche Helfer ............................................................. 245 Tab. 28: Verteilung der Berufstätigkeit in Interviews und Fragebogen-Erhebung ..... 248 Tab. 29: Vergleich Wohnraum vorher und aktuell .......................................................... 309 Tab. 30: Würden Sie es noch einmal machen? ................................................................ 313
XIII
Abkürzungsverzeichnis BAGS BBR BMBau BMFSFJ EigZulG GEWOS IfS IBA ILS IRS LB LBS LEG MBW MFJFG MSWKS WOBauP WoFG Vhw
Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales Hamburg Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Eigenheimzulagengesetz Gesellschaft für Wohnungsbau- und Siedlungswesen Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik Internationale Bauausstellung Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung Landesinstitut für Bauwesen des Landes NRW Landesbausparkasse Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen (alt) Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Wohnungsbauprogramm Wohnraumförderungsgesetz Deutsches Volksheimstättenwerk e. V.
XV
1.
Einleitung
Wohnen im Wandel in den letzten Jahrzehnten haben sich aufgrund eines gesellschaftlichen Strukturwandels auch Wohnverhalten und Wohnbedürfnisse verändert. In den wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskussionen zur Zukunft des Wohnens werden insbesondere drei Tendenzen hervorgehoben: 1. Die demographischen Veränderungen, die mit den Stichworten Bevölkerungsrückgang, Alterung und Internationalisierung der Gesellschaft charakterisiert werden können. Dies hat massive Auswirkungen auf die Verteilung der Arbeit und die sozialstaatlichen Absicherungssysteme. 2. Die Ablösung der Familie als Normalform menschlichen Zusammenlebens in Richtung einer Pluralisierung von Lebensformen und Wohnbedürfnissen. 3. Die Veränderungen der Arbeitswelt. Im Zuge einer Flexibilisierung von Arbeitszeiten und orten rücken Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammen. Ebenso kann durch die zunehmende Arbeitslosigkeit davon ausgegangen werden, dass dem Wohnen eine stärke Bedeutung für die Gestaltung des Lebensalltags zukommt (Schader-Stiftung 2002). Empirischer Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Anfang der 1990er Jahre von der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park entwickelte Projektreihe Einfach und selber bauen. Im Rahmen dieser Reihe wurden von 1994 bis 2000 sieben Siedlungen in organisierter Gruppenselbsthilfe in Nordrhein-Westfalen realisiert. Das Ziel der Projektreihe bestand darin, jungen Familien mittlerer und unterer Einkommensschichten durch die Kombination von Selbsthilfe und kostengünstigem Bauen einen neuen Weg zum Wohneigentum zu ermöglichen. Im Mittelpunkt standen dabei nicht die klassischen Eigenheimer, sondern Schwellenhaushalte, die sich Wohneigentum ohne besondere Förderungen nicht leisten könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen angewandt: Kostengünstiges und ressourcenschonendes Bauen, Bauen in der Gruppe und Selbsthilfe als Eigenkapitalsersatz. Kern der Projektidee war der Einsatz von organisierter Gruppenselbsthilfe der Baufamilien, die durch Eigenleistung (Muskelhypothek) das notwendige Eigenkapital ersetzen und zur Reduzierung der Finanzierungskosten beitragen konnte. Die Selbsthilfe-Siedlungen werden von der IBA als Initiatorin als ein innovatives Konzept im Wohnungsbau bzw. der Wohnungsversorgung von Familien bezeichnet. Die Projektreihe verfolgt das Ziel, soziale Ungleichheit beim Zugang zu Wohneigentum einerseits und der Vereinzelung von Familien beim Bau andererseits aufzufangen. Die organisierte Gruppenselbsthilfe spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie stellt eine besondere Form der Selbsthilfe dar, in der die Gruppe der Baufamilien unter Anleitung 1
gemeinsam alle Häuser erstellt. Die Selbsthilfe dient in diesem Zusammenhang neben der Schaffung des (finanziellen) Zugangs auch der Herstellung gemeinschaftlicher Bezüge. Alle Projekte verfolgen einen starken Gemeinschafts- und Nachbarschaftsgedanken, der auch in gemeinschaftlichen Einrichtungen zum Ausdruck kommt. Die vorliegende Arbeit verfolgt die Frage, wie die Projektstrategie der erhebliche Einsatz baulicher Selbsthilfe zur Wohneigentumsbildung und zur Entwicklung nachbarschaftlicher Netzwerke aus der Perspektive der beteiligten Baufamilien nach Abschluss der Bauphase bilanziert wird. Dabei wird der Forschungsstand zu den zentralen Merkmalen der Einfach und selber bauen Projekte aufgearbeitet, indem drei Zugänge gewählt werden: Das Individualisierungskonzept als Erklärungshorizont des gesellschaftlichen Wandels, die Wohneigentumsbildung und die Selbsthilfe. Die individualisierungstheoretischen Annahmen werden in Bezug auf die Ausgestaltung der Geschlechterverhältnisse, der Veränderungen der Lebensformen und der Bedeutung von gemeinschaftlichen Wohnformen analysiert. Die derzeitige Gesellschaft befindet sich in einem grundlegenden Strukturwandel, der durch einen Prozess der zunehmenden Herauslösung der Individuen aus traditionellen Bezügen und Einbindungen gekennzeichnet ist (Beck 1986). Diese Freisetzungsprozesse werden in der wissenschaftlichen Diskussion unterschiedlich bewertet. Hervorgehoben wird, dass die Freisetzung aus alten Traditionen auch neue Zwänge und Abhängigkeiten hervorgerufen hat und dass damit erhebliche Risiken und Brüche der individuellen Lebensführung verbunden sind. Diese Prozesse werden für die Geschlechter unterschiedlich beschrieben. Festzuhalten ist jedoch, dass die Freisetzungsprozesse für Frauen die Erweiterung von Lebensmöglichkeiten und Handlungsspielräumen (jenseits der Familienrolle) bedeuten und dies ebenfalls Konsequenzen für die Wohnweisen in der Gesellschaft hat. Im Hinblick auf Entwicklung der Lebens- und Wohnformen bedeutet diese ambivalente Freisetzung der Individuen ein Spannungsfeld zwischen einer als negativ bezeichneten Individualisierung (Herauslösung aus traditionellen Bindungen, Isolation, Anonymität, keine soziale Einbindung) und der Frage nach neuen Möglichkeiten einer soziale Einbindung (Re-Integration) auf der Ebene des Wohnens. Der durchaus kontrovers diskutierten Annahme einer zunehmenden Vereinsamung und Isolierung von Individuen steht eine soziale Praxis gegenüber, die vielfältige neue Zusammenschlüsse im Wohnen aufzeigt: Neue Wohnformen und Wohnprojekte, die Gemeinschaft im Zusammenwohnen praktizieren. Ein wesentliches Element dieser neuen Nachbarschaften sind Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozesse. Die stadtsoziologischen Forschungen zeigen eine wachsende Anzahl neuer Wohnprojekten auf, die diesem in der Sozio-
2
logie beschriebenen Trend der Vereinzelung entgegen zu wirken versuchen (Novy 1989, Brech 1999). Auch die Prozesse der Wohneigentumsbildung unterliegen einem gesellschaftlichen Wandel. Den Umgang einer Gesellschaft mit Risiken prägt die Höhe der Wohneigentumsquote in einem Land, so das Ergebnis einer neueren Untersuchung (Behring/Helbrecht 2002). Selbstgenutztes Wohneigentum kann vor einem individualisierungstheoretischen Hintergrund als Absicherung gesellschaftlicher Risiken verstanden werden (Vermögensbildung, Altersversorgung). Entscheidendes Kennzeichen des Zugangs zu Wohneigentum ist die soziale Selektivität. Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen sind häufig von der Eigentumsbildung abgeschlossen, da ihnen das notwendige Eigenkapital fehlt. Der Besitz von Wohnraum gilt in Deutschland als ein gesellschaftlich akzeptiertes und erstrebenswertes Ziel. Gesellschaftlicher Erfolg wird oftmals am Besitz von Wohnraum - am ehesten und pointiertesten in der Form eines freistehenden Einfamilienhauses - gemessen. Das Streben nach dem eigenen Heim ausschließlich auf menschliche Grundbedürfnisse zurückzuführen, geht jedoch an den sozialhistorischen Bedingungen dieser Verhaltensdispositionen vorbei (Elias 1979). Zu fragen ist in diesem Zusammenhang, in welchem Maße individuelle Wünsche (nach einem eigenen Heim) gesellschaftlich hergestellte sind. Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Strukturwandels kann sich die Bedeutung von Wohneigentum jedoch auch wandeln. Folgt man neueren Theorien, so verliert Eigentum im Zuge eines massiven Wertewandels und den Folgen der Globalisierung an Wert. Nicht mehr das materielle Eigentum, sondern der schnelle Zugang zu Informationen und Netzwerken wird zum zentralen Wert (Rifkin 2002). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, welche sozialen Gruppen weiterhin an der Eigentumsbildung festhalten. Als ein traditioneller Weg, Wohneigentum zu bilden, gilt die Selbsthilfe. Bauliche Selbsthilfe ist historisch eng mit den genossenschaftlichen Zielen (Selbstbestimmung und Selbstverwaltung) verknüpft. Die Mitarbeit am eigenen Hausbau gilt auch heute noch gerade in ländlichen Regionen als selbstverständlich. Die Selbsthilfe im Wohnungsbau verbindet beide vorgestellten Argumentationsstränge, die Frage nach gemeinschaftlichem Wohnen als soziale Einbindung und die Eigentumsbildung. So stellt die Mitarbeit auf der Baustelle wohl die direkteste Form von Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozessen dar, die als grundlegend für die Entwicklung funktionierender Nachbarschaften gesehen werden (Siebel 1999). Die Selbsthilfe bietet die Möglichkeit, das notwendige Eigenkapital durch Eigenarbeit zu ersetzen und damit Schwellenhaushalten den Zugang zu Eigentum zu ermöglichen.
3
Diese Arbeit zeigt auf, welche Entwicklungen in der Forschung zur Bedeutung gemeinschaftlicher Wohnformen vorhanden sind und verknüpft diese mit den Ergebnissen der Studien zu Wohneigentum und Selbsthilfe. Es besteht ein Defizit an Wissen über die Prozesse, Rahmenbedingungen und Erfahrungen von gemeinschaftlichen Wohnformen, der Bildung von Wohneigentum und der Selbsthilfe in ihrer Doppelfunktion als Weg zur Eigentumsbildung und der Schaffung von Gemeinschaft. Es gilt, dieses Defizit aus einer soziologischen Perspektive zu erforschen und auf der Grundlage von empirischen Daten zu einer Erweiterung des Wissens beizutragen. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: In Kapitel I wird der theoretische Hintergrund skizziert. Dabei werden die individualisierungstheoretischen Annahmen vor dem Hintergrund der Forschungsliteratur kritisch diskutiert und in ihrer Bedeutung für die Ausgestaltung der Geschlechterverhältnisse, der Veränderungen der Lebensformen und des Wohnens als Re-Integrationsebene beleuchtet. Die theoretischen Konzepte werden auf der Grundlage der vorliegenden empirischen Forschungsliteratur im Hinblick auf ihre Gültigkeit überprüft (Kapitel I.2.2, I.2.3 und I.3). In Kapitel II wird der Forschungsstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen zu selbstgenutztem Wohneigentum dargestellt. Die Ergebnisse lassen auf ein Beharrungsvermögen der Eigentumsnorm schließen. Aus diesem Grund lässt sich die Frage nach der Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Eigentum und der Realität der Eigentumsverteilung in der Bundesrepublik nicht einfach beantworten. Es muss vielmehr differenziert gefragt werden, welche wohnungspolitischen Rahmenbedingungen und Förderinstrumente die Wohneigentumsbildung in den letzten Jahrzehnten begleitet haben (Kapitel II.3) und welche Leitbilder und Legitimationen hinter dem Wunsch nach Eigentum stehen (Kapitel II.4). In Kapitel III wird die Entwicklung des Konzepts Selbsthilfe skizziert, der aktuelle Forschungsstand zur baulichen Selbsthilfe aufgearbeitet und mit Bezug auf das Fallbeispiel dargestellt. Als Überleitung zu dem empirischen Teil der Arbeit dokumentiert das Kapitel IV das Konzept der IBA-Projektreihe Einfach und selber bauen sowie die Auswertung der vorhandenen Erhebungen zu den Selbsthilfesiedlungen der IBA. Daran anschließend erfolgt in Kapitel V die Präzisierung der Forschungsfragestellungen. Das methodische Vorgehen der Untersuchung wird in Kapitel VI. erläutert. Die Auswertung des empirischen Materials (Interviews und Fragebögen) erfolgt auf der Grundlage eines themengeleiteten Kategoriensystems. Entlang der empirischen Ergebnisse wird nach den Erfahrungen der Familien gefragt, die an den Selbsthilfeprojekten teilgenommen haben (Kapitel VII.). So wird auf der Basis der empirischen Untersuchung den Fragen nachgegangen, vor welchem Hintergrund sich Familien zu dem 4
Schritt der Eigentumsbildung durch Selbsthilfe entscheiden. Welche Rolle spielt dabei der Gemeinschaftsaspekt (gemeinsam Bauen und Wohnen, Gemeinschaftseinrichtungen). Wie gestaltet sich dieses Projekt in der konkreten organisatorischen Umsetzung? Weiter wird nach den Gestaltungsmöglichkeiten der Familien und den finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen gefragt. Die hier vorgestellten Erfahrungen der Baufamilien und die in ihnen deutlich werdenden Handlungsmuster und Strategien repräsentieren eine bestimmte Form der Aneignung und individuellen Verarbeitung des Bauprozesses. Die Arbeit schließt mit einem Resümee der Ergebnisse der empirischen Analysen im Hinblick auf die in den theoretischen Ausführungen im ersten Teil der Arbeit aufgeworfenen Fragen. Auf dieser Basis werden Schlussfolgerungen für die Praxis von Wohnungspolitik und Selbsthilfe entwickelt.
5
I.
Wohnwandel - im Spannungsfeld von Individualisierung, Vergemeinschaftung und Geschlechterverhältnis
In den letzten Jahrzehnten hat sich ein tief greifender gesellschaftlicher Wandel in den westlichen industrialisierten Gesellschaften vollzogen. Dieser Strukturwandel berührt alle wesentlichen Bereiche moderner Gesellschaften: demographische Entwicklung, Flexibilisierung der Arbeitswelt, Formen des Zusammenlebens sowie politische und wirtschaftliche Entwicklungen im Kontext von Globalisierung. Insbesondere die demographische Entwicklung sowie die Pluralisierung von Lebensformen, verbunden mit der abnehmenden Bedeutung der Familie als "Normalform" menschlichen Zusammenlebens, und die Tendenz einer fortschreitenden Singularisierung Entwicklungen, die in einem engen Zusammenhang mit weitreichenden Veränderungen im Geschlechterverhältnis stehen - sind für das Wohnen von Bedeutung. Wohnen wird im Kontext meiner Arbeit als ein gesellschaftliches und soziales Phänomen betrachtet, das historisch veränderbar ist und sich in Abhängigkeit von der sozialen und gesellschaftlichen Situation gestaltet und entwickelt. Die rein funktionale Ausrichtung des modernen Wohnens, wie sie Häußermann und Siebel (1996) im Idealtypus des modernen Wohnen nachzeichnen, verliert mehr und mehr an Bedeutung. Flexibilität, um die Wohnverhältnisse an die sich schnell ändernden Lebensverhältnisse anzupassen, steht im Mittelpunkt neuer Wohnbedürfnisse, ebenso der Wunsch nach der Einbindung in eine Gemeinschaft bzw. eine gemeinschaftliche Orientierung des Wohnens. Selbst- und fremdinitiierte Wohnprojekte nehmen in den letzten Jahren kontinuierlich zu (Brech 1999). Das Bedürfnis nach einer stabilen, vertrauten und verlässlichen Nachbarschaft ist eine starke Motivation für das Entstehen von sozial orientierten Wohnprojekten. Der Wunsch nach Gemeinschaft und die Betonung einer funktionierenden, stabilen Nachbarschaft sind vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen nicht selbstverständlich. Weshalb entsteht diese Orientierung und erfolgen diese Zusammenschlüsse? Wie lassen sie sich konzeptionell erfassen und einordnen? Um dies zu verstehen, ist es notwendig, die Analysen der modernen Gesellschaft zu betrachten. "Gesellschaftsdiagnosen", die den sozialstrukturellen Wandel der Gesellschaft konzeptionell zu fassen versuchen und die diese z. B. als Erlebnis-, Wissens-, Kommunikations-, Informations- oder Risikogesellschaft und individualisierte Gesellschaft begrifflich charakterisieren, gab es in den letzten Jahren viele. Die Vielfalt der Labels zeigt die Schwierigkeit, gesellschaftliche Veränderungen in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit auf einen Begriff zu bringen. Das Theorem der Individualisierung, Anfang der 1980er Jahre von Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim formuliert, war eines der ersten Konzepte, mit dem versucht wurde, den sich dynamisierenden gesell7
schaftlichen Wandel westlicher Industriegesellschaften begrifflich und theoretisch zu fassen. In gesellschaftstheoretischen Debatten wurde und wird die Individualisierungsthese vielfältig rezipiert, kritisiert und empirisch untersucht und erlangte als ein gesellschaftliches Deutungsmuster eine breite Resonanz. Man kann daher von einer Etablierung des zeitdiagnostischen Leitbegriffs der individualisierten Gesellschaft sprechen (Schroer 2001, Ebers 1995). Im Folgenden wird daher das Konzept der Individualisierung als Erklärungshorizont der gesellschaftlichen Veränderungen herangezogen und im Hinblick auf den Wandel in den Geschlechterverhältnissen, der Wohn- und Lebensformen und der Entstehung gemeinschaftsorientierter Wohnprojekte untersucht.
1.
Das Individualisierungskonzept
Individualisierung ist ein vieldeutiger Begriff, der in der Soziologie an der Schnittstelle unterschiedlicher Denktraditionen angesiedelt ist. Übereinstimmung hinsichtlich des inhaltlichen Verständnisses von Individualisierung besteht am ehesten darin, dass damit die Erlangung von Autonomie über die Art der Lebensgestaltung gemeint ist (Neckel 1993: 70). Auf einer allgemeinen Ebene thematisiert Individualisierung damit den Prozess der zunehmenden Abnahme einer gesellschaftlichen Steuerung zugunsten einer Zunahme individueller Selbststeuerung. Mit dem Begriff der Individualisierung greift Ulrich Beck eine Problemstellung auf, die die Soziologie seit ihren Anfängen beschäftigt hat. In der soziologischen Klassik wird Individualisierung auf Prozesse der gesellschaftlichen Differenzierung zurückgeführt. Die Klassiker (z. B. Simmel, Tönnies, Dürkheim oder Weber) verknüpfen mit der Individualisierung immer auch die Frage nach den Folgen für die gesellschaftliche Integration. Die Frage nach Auflösung oder Weiterbestehen gemeinschaftlicher Bezüge und traditioneller Lebenszusammenhänge war somit Gegenstand der sich bildenden soziologischen Wissenschaft. Die soziologischen Klassiker beschreiben sozialstrukturelle Veränderungen im Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft, die derzeit aktuellen Analysen beleuchten diese Entwicklung innerhalb der Moderne. In diesem Zusammenhang sind zwei Phasen der Individualisierung zu unterscheiden: Erstens die Phase eines primären Individualisierungsschubs, der in der soziologischen Klassik als eine Unterscheidung zwischen vormodernen und modernen Gesellschaften im Sinne einer prinzipiellen Freisetzung der Menschen aus vormodernen Bindungen und Zwängen erfasst wird; die zweite Phase wird in der aktuellen soziologischen Diskussion als eine Phase sekundärer Individualisierungsschübe innerhalb der Moderne thematisiert (Ebers 1995: 26). Im Rahmen modernisierungstheoretischer Annahmen über die Entwicklung der westlichen Gesellschaften wird insbesondere von Ulrich Beck (1983, 1986) und Elisabeth Beck-Gernsheim (1994) ein neuer Vergesellschaftungsmodus dargestellt, bei dem die 8
einzelnen Gesellschaftsmitglieder weiter aus traditionalen, kollektiven Bindungen herausgelöst und zu den kleinsten sozialen Einheiten der Vergesellschaftung gemacht werden. In den aktuellen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen wird der Prozess der Individualisierung sehr unterschiedlich gesehen und gewertet. Markus Schroer (2001) identifiziert in seiner umfassenden Analyse klassischer und aktueller Individualisierungstheoretiker drei zu unterscheidende Hauptstränge in der Diskussion um Individualisierung. Er spricht von einer negativen Individualisierung wenn die Zerstörung der gemeinschaftsbildenden Bezüge im Vordergrund der Gesellschaftsanalyse steht. Die gesellschaftlichen Veränderungen werden hier zugespitzt charakterisiert als Anomie, Desintegration oder Isolierung. Es wird jedoch ebenfalls die Gefahr von Disziplinierungs- und Standardisierungsprozessen für das Individuum gesehen (Weber, Adorno, Foucault). Die Position der positiven Individualisierung betont demgegenüber die Chancen und Potenziale des Individualisierungsprozesses im Sinne einer Steigerung der individuellen Autonomie (Durkheim, Parsons, Luhmann). Neben Georg Simmel und Norbert Elias wird Ulrich Beck schließlich als ein Vertreter der ambivalenten Individualisierung bezeichnet, der beide Pole der Diskussion, die Chancen und Risiken der Individualisierung in den Blick nimmt (Schroer 2001). Diese Argumentationslinie stellt Individualisierung als einen in sich ambivalenten und widersprüchlichen Prozess dar, in dem nicht nur die Folgen der Individualisierung ambivalent sind, sondern auch der Individualisierungsprozess selber. Freilich kann Individualisierung sowohl Gefährdungen des Individuums mit sich bringen etwa durch Disziplinierungs-, Uniformierungs- und Standardisierungsprozesse als auch zur Gefährdung des sozialen Zusammenhalts etwa durch Atomisierungsprozesse, Solidaritätsschwund und Orientierungslosigkeit führen. (Schroer 2001: 12) Unabhängig von der positiven, negativen oder ambivalenten Deutung der Folgen der Individualisierung bedeutet der Individualisierungsprozess auch, dass ein Vergesellschaftungsmodus durch einen anderen ersetzt wird. Damit bedeutet Individualisierung in erster Linie nicht eine Auflösung, sondern eine Veränderung der Sozialstruktur (Ebers 1995: 27). In diesem Sinne wird in den gesellschaftstheoretischen und empirischen Analysen der modernen Gegenwartsgesellschaft herausgestellt, dass die Moderne nicht einfach durch eine Zerstörung aller gemeinschaftlichen Bindungen und traditioneller Lebenszusammenhänge gekennzeichnet ist, sondern dass sich in ihr auch neue Gemeinschaftsbezüge in Form posttraditionaler Gemeinschaften (Neckel 1993: 79) herausgebildet haben.
9
Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die Grundannahmen des von Beck und Beck-Gernsheim vertretenden Individualisierungstheorems skizziert. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf dem Bereich der alltagspraktischen Lebensführung, der hier als Individualisierung der Lebenslagen und Lebenswege thematisiert wird. Ein zweiter Schwerpunkt der theoretischen Darstellung und Erörterung liegt auf der möglichen Entstehung neuer Gemeinschaftsbezüge im Sinne der Re-Integration. Beide Themenbereiche sind im Hinblick auf meinen empirischen Forschungsgegenstand Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe und gemeinschaftliches Wohnen von Familien von besonderer Bedeutung. 1.1. Grundannahmen des Individualisierungstheorems Die Thesen von Ulrich Beck zur Risikogesellschaft und insbesondere zur Individualisierung der Lebenslagen und Lebenswege haben eine breite Rezeption nicht nur in der Wissenschaft gefunden. In der Analyse gesellschaftlicher Wandlungsprozesse ist das Individualisierungskonzept zu einem zentralen Begriff geworden. Beck entwickelt sein Individualisierungstheorem im Kontext der Diskussion um soziale Ungleichheit. Er benutzt den Begriff der Individualisierung, um einen neuen Vergesellschaftungsmodus, einen Wandel im Verhältnis von Individuum und Gesellschaft zu beschreiben. Es geht ihm dabei insbesondere um die Analyse der sozialstrukturellen Bedingungen der Entfaltung von Individualisierung in einer spezifischen gesellschaftlichen Situation. Beck versteht Individualisierung als eine historisch-soziologische und eine gesellschaftsgeschichtliche Kategorie, die beschreibt, was mit den Menschen geschieht (Beck 1991: 40). Individualisierung erfasst damit auch die Veränderung von Lebenslagen und Biographiemustern. Kennzeichnend für die gesellschaftliche Entwicklung nach Beck ist der Übergang von der klassischen Industriegesellschaft zu einer industriellen Risikogesellschaft.1 In seiner theoretischen Leitidee der reflexiven Modernisierung verfolgt Beck zwei Argumentationslinien: Erstens den Übergang von einer traditionalen Logik der Reichtumsverteilung zu einer sich abzeichnenden Logik der Risikogesellschaft und zweitens den Prozess der Individualisierung der Lebenslagen und Lebenswege der Menschen sowie der Institutionen der klassischen Industriegesellschaft (Ebers 1995: 270). Für die Fragestellung dieser Arbeit ist insbesondere der zweite Argumentationsstrang von Bedeutung und auf diesem wird im weiteren Verlauf der Schwerpunkt der Darstellung liegen. 1
10
Beck bezieht sich in der Darstellung der historischen Entwicklung auf ein idealtypisch gezeichnetes Gegenbild von traditioneller Industriegesellschaft. Diesen Wandel diagnostiziert Beck als einen epochalen Bruch mit tief greifenden Folgen für die Lebensführung und Alltagsbewältigung der Individuen (vgl. hierzu kritisch Friedrichs 1998).
Im Prozess der reflexiven Modernisierung erfolgt eine vielfältige Ausdifferenzierung der industriegesellschaftlichen Schlüsselbegriffe. Gleichzeitig lösen sich die lebensweltlichen Erfahrungszusammenhänge auf und die Menschen werden aus den Lebensformen und tradierten Selbstverständlichkeiten freigesetzt: ... gesellschaftliche, biographische und kulturelle Risiken und Unsicherheiten, die in der fortgeschrittenen Moderne das soziale Binnengefüge der Industriegesellschaft soziale Klassen, Familienformen, Geschlechtslagen, Ehe, Elternschaft, Beruf und die in sie eingelassenen Basisselbstverständlichkeiten der Lebensführung ausgedünnt und umgeschmolzen haben. (Beck 1986: 115). Es werden hier drei Freisetzungs- und Unsicherheitsebenen benannt: soziale Klasse, Familie und das Geschlechterverhältnis. Der Individualisierungsprozess ist für Beck in sich widersprüchlich, da mit der Freisetzung gleichzeitig die Entstehung neuer Abhängigkeiten verbunden ist. Diese entstehen im Kontext einer Vereinheitlichung und Standardisierung von Existenzformen und sind verbunden mit neuartigen politischen Kontroll- und Einflusschancen. Individuallagen werden insbesondere abhängig von Wirtschafts- und Arbeitsmarktkonjunkturen, da Beck den Arbeitsmarkt als Schlüssel zur Lebenssicherung sieht (Beck 1986: 214). Andererseits wandeln sich die biographischen Optionen in Richtung einer Pluralisierung der Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten: Die Normalbiographie wird zu einer Wahl- und Bastelbiographie (Beck 1986: 217); die Selbstverwirklichung wird zu einem kulturell vorgegebenen Zwang. (Beck-Gernsheim 1990: 75) In den aktuellen Individualisierungsprozessen sieht Beck einen neuen Modus der Vergesellschaftung. Um diesen präziser zu erfassen, skizziert er ein Individualisierungsmodell, in dem sich die Individualisierung in drei Dimensionen entfaltet: Herauslösung aus historisch vorgegebenen Sozialformen und -bindungen im Sinne traditionaler Herrschafts- und Versorgungszusammenhänge (Freisetzungsdimension), Verlust von traditionalen Sicherheiten im Hinblick auf Handlungswissen, Glauben und leitende Normen (Entzauberungsdimension) und womit die Bedeutung des Begriffes gleichsam in ihr Gegenteil verkehrt wird eine neue Art der sozialen Einbindung (Kontroll- und Reintegrationsdimension). (Beck 1986: 206) Herauslösung, Stabilitätsverlust und soziale (Wieder)Einbindung stellen demnach die drei Momente von Individualisierung dar. Dieses analytische Modell wird von Beck weiter ausdifferenziert, indem er zwischen der objektiven Lebenslage und dem subjektiven Bewusstsein (Identität) unterscheidet. Mit dem letzteren ist die Frage nach dem subjektiven Umgang der Menschen in Verhalten und Bewusstsein mit den sich wandelnden objektiven Lebenslagen und -bedingungen gemeint (Beck 1986: 207).
11
Beck identifiziert drei Kristallisationspunkte für die Freisetzungen in der Gegenwartsgesellschaft: Zum ersten ist dies die Freisetzung aus sozialen und kulturellen Klassenbindungen im Reproduktionsbereich bei Beibehaltung wesentlicher sozialer Ungleichheiten. Diese Wandlungen sind für Beck beschreibbar anhand der Veränderungen von Familienstrukturen, Wohnverhältnissen, räumlichen Verteilungen und Nachbarschaftsbeziehungen. Der zweite Punkt betrifft die Individualisierung der Frauen, also Freisetzung aus der Eheversorgung. Die dritte Freisetzungsdimension bezieht sich auf den Produktionsbereich: die Flexibilisierung der Erwerbsarbeitszeit, verbunden mit einer Dezentralisierung des Arbeitsortes (Beck 1986: 208f.). 1.2. Die Individualisierung von Lebenslagen und Lebenswegen: Freisetzung aus Geschlechtslagen und Familie Lange gewachsene und tradierte Strukturen, die individuelle Lebensgestaltungsmöglichkeiten oft begrenzt und eingeschränkt haben, lösen sich nach Beck auf zugunsten flexibler, relativ rasch veränderbarer und nicht an vorgegebenen traditionellen Normen orientierter Lebenszusammenhänge. An die Stelle der Stände, Schichten und Klassen treten individualisierte Existenzformen und Existenzlagen, die die Menschen dazu zwingen, sich selbst um des eigenen materiellen Überlebens willens zum Zentrum ihrer eigenen Lebensplanungen und Lebensführungen zu machen (Beck 1986: 116). Doch für das Individuum ist die soziale Klasse nicht der einzige soziale Zusammenhang, der sich auflöst. Neben der Durchsetzung von Individualisierungsprozessen am Arbeitsmarkt und in den Strukturen sozialer Ungleichheit werden die Individualisierungsprozesse auch in anderen Grundelementen der klassischen Industriegesellschaft deutlich: in der Kleinfamilie und im Geschlechterverhältnis. Die geschlechtsspezifische Rollenverteilung Karin Hausen (1976) nennt sie die polarisierten Geschlechtscharaktere ist für Beck die Basis der Industriegesellschaft. Dies setzt sich in dem Modell der bürgerlichen Kleinfamilie fort: Ohne Kleinfamilie keine Industriegesellschaft in ihrer Schematik von Arbeit und Leben (Beck 1986: 174). Die Zuordnung von Mann zu Öffentlichkeit und Produktion sowie der Frau zu Privatheit und Reproduktion ist ein zentrales Ordnungsprinzip der bürgerlichen Gesellschaft. Die daraus resultierende ungleiche Lage der Geschlechter steht nach Beck im Widerspruch zu den universalistischen Prinzipen der Moderne. Diese geschlechtsspezifische Arbeits- und Rollenverteilung wird durch die steigende weibliche Erwerbstätigkeit, höhere Bildung und Qualifikation der Frauen und einen allgemeinen Bewusstseinswandel in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zunehmend in Frage gestellt. Die Familienstruktur beginnt sich aufzulösen, weil die bisher vom Individualisierungsprozess ausgeschlossenen Frauen ebenfalls von ihm erfasst werden. Der vorher 12
nur für den Mann reservierte Individualisierungsprozess weitet sich nun auch auf die Lebenslagen von Frauen aus. Erst in der zweiten Individualisierungsphase werden somit auch die Frauen teilweise aus den traditionellen Weiblichkeitszuweisungen und der Ehe- und Hausarbeitsversorgung freigesetzt. Auch der weibliche Lebenslauf individualisiert sich. Möglichkeiten und Zwänge einer selbstentworfenen Biographie (Beck-Gernsheim 1986: 223) wirken nun für beide Geschlechter.2 Innerhalb der Familien kann dadurch eine angespannte Situation entstehen, denn damit gemeinsames Leben in der Familie stattfinden kann, müssen zwei individualisierte Biographien samt den damit verbundenen Erwartungen, Anforderungen und Zwängen miteinander vereinbart werden; es entsteht der Typus der Verhandlungsfamilie auf Zeit (Beck 1986: 118). Die Individualisierung verlängert sich so nach Beck also bis in die Familie hinein. Damit beginnen sich auch die Formen des Zusammenlebens zu verändern. Die Priorität von Familienorientierung vor der Individualbiographie kehrt sich um und es entsteht eine Ausdifferenzierung und Pluralisierung von Lebensformen (Beck 1986: 189, 195). Dieser Freisetzungsprozess aus der traditionellen Familie ist verbunden mit einem Verlust an Sicherheit und Geborgenheit. Der Individualisierungsschub in den weiblichen Normalbiographien eröffnet neue Handlungsräume, neue Entscheidungsmöglichkeiten und neue Lebenschancen für Frauen. Gleichzeitig ergibt dies aber auch neue Unsicherheiten, Konflikte und Zwänge. Elisabeth Beck-Gernsheim machte bereits 1983 darauf aufmerksam, dass der Individualisierungsprozess für Frauen unvollständig bleibt. Sie sind einerseits nicht mehr so selbstverständlich wie früher über das Familiendasein und den Mann als Ernährer definiert, aber sie sind andererseits noch immer weit mehr als die Männer für Familienaufgaben zuständig und weit weniger über eine eigenständige Arbeitsmarkt- und Berufsexistenz abgesichert. Dieses Nichtmehr und Noch-nicht erzeugt zahlreiche Widersprüche im weiblichen Lebenszusammenhang. (Beck-Gernsheim 1983: 309) Für beide Geschlechter gilt jedoch die mit der Individualisierung verbundene Eigenverantwortlichkeit der Individuen und der Zwang, Entscheidungen zu treffen. Jeder und jede muss sich aus den vorgegebenen Bausätzen biographischer Kombinationsmöglichkeiten (Beck 1986: 217) seine/ihre individuelle Biographie basteln. Beck bezieht sich dabei auf die notwendige Eigenleistung der Individuen bei der Gestaltung ihres Lebenslaufs. Den Zwang zu Entscheidungen und die Folgen von NichtEntscheidungen muss das Individuum selbst tragen. Das macht, so Schroer, die Ambivalenz der Individualisierung aus. Obwohl dem Einzelnen permanent Entscheidungen abverlangt werden, können ihm die Ressourcen und Kompetenzen fehlen, diese Ent2
Zur Kritik an der These der nachgeholten Individualisierung von Frauen vgl. Knapp 2001: 26; zum Verhältnis Individualisierungsthese und Frauen- und Geschlechterforschung vgl. Oechsle/Geissler 2004.
13
scheidungen tatsächlich zu treffen (Schroer 2001: 412). Unabhängig davon aber werden dem Individuum alle Ereignisse des individuellen Schicksals als Folgen individueller Entscheidungen zugerechnet. Monika Wohlrab-Sahr spricht daher im Kontext der Individualisierung von einem veränderten gesellschaftlichen Zurechnungsmodus in Richtung Selbstverantwortung und Selbststeuerung. Es geht also bei Individualisierung nicht allein um Varianz und individuelle Verschiedenheit als solche, sondern auch um die Frage, wie diese Varianz erklärt und zugerechnet wird. (Wohlrab-Sahr 1997: 27) Eine Kehrseite der Freisetzungsprozesse mit der Zunahme individueller Wahlfreiheit ist der individuelle Sicherheitsverlust eines Menschen. Wie sieht nun vor diesem Hintergrund der Wandel im Geschlechterverhältnis aus? Elisabeth Beck-Gernsheim und Ulrich Beck (1990: 23f.) kommen zu einer widersprüchlichen Einschätzung der gegenwärtigen Lage von Männern und von Frauen. Einerseits haben sich in den Bereichen Sexualität, Bildung und Recht weitreichende Veränderungen vollzogen, denen jedoch andererseits eine Konstanz im Verhalten der Männer und in den sozialen Lagen von Frauen und Männern (vor allem auf dem Arbeitsmarkt und im Bereich der sozialen Sicherung) gegenüber steht. Ein ähnlich widersprüchliches Bild zeigt sich innerhalb der Familie und im Privatleben. Die Freisetzung aus den ständischen Rollenzuweisungen der Geschlechter betrifft nie nur eine Seite die Frau. Sie kann nur so weit erfolgen, wie auch die Männer (Hervorhebung im Original, A. S.) ihr Selbstverständnis und ihr Verhalten ändern. Dies wird nicht nur an den neu errichteten Sperren zum Beschäftigungssystem deutlich, sondern auch entlang der anderen Achse traditionaler Frauenarbeit: Alltagsarbeit, Kinderarbeit, Familienarbeit. (Beck 1986: 169) Der Vorgang einer Neuaushandlung von Arbeitsformen und Arbeitszuweisungen wird nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch zwischen den Geschlechtern ausgehandelt und betrifft insbesondere den Bereich der weiblich-familialen Versorgungsarbeit (Beer 1992) und die Gestaltung von Paarbeziehungen. In einer Studie zu Geschlechtsnormen in Paarbeziehungen gehen Koppetsch und Maier3 von der Grundannahme aus, dass die privaten Beziehungen zwischen den Geschlechtern, in größerem Ausmaß als in der Individualisierungstheorie von Beck und Beck-Gernsheim angenommen, durch Geschlechtsnormen reguliert werden. Geschlechtsnormen verstehen sie als eine latente Struktur der Beziehungsregulierung. Die moderne individualisierte Partnerschaft wird ihrem Anspruch nach auf persönlicher Beziehung und nicht auf Geschlechtsrollen begründet. Die Gestaltung der Partnerschaft, die Bewältigung der häuslichen Pflichten und die Betreuung von Kindern wer-
3
14
In dem DFG-Projekt Geschlechtsnormen in Paarbeziehungen im Milieuvergleich wurden 27 Paare aus dem individualisierten, dem familistischen und dem traditionalen Milieu interviewt (vgl. Koppetsch/Burkart 1999, Koppetsch/Maier 1998).
den Gegenstand individueller Aushandlungen. Damit sinkt die Bereitschaft das eigene Verhalten als Resultat geschlechtsspezifischer Praxis und Zuschreibungsprozessen wahrzunehmen: Diese (Geschlechtsnormen, A. S.) werden in dem Maße, in dem Frauen wie Männer ihre Lebenslagen als Resultat ihrer individuellen Entscheidungen begreifen, aus dem alltäglichen Interpretationsvorrat verbannt, d. h. sie werden zunehmend unsichtbarer. (Koppetsch/Maier 1998: 145) Die Befreiung aus geschlechtsständischen Zuschreibungen sollte nach Ansicht dieser Autorinnen eher als eine Leitvorstellung (Ideal) begriffen werden, nicht als ein realer Prozess der Gleichberechtigung. Die Individualisierung konstituiert zwar einerseits einen Zwang zur individuellen Gestaltung der Paarbeziehung und der weiblichen Biographie, die weitgehend ohne Einschränkungen durch traditionelle Geschlechtervorgaben erfolgen kann. Die Wirkungsweisen von Geschlechtsnormen werden jedoch auf der Ebene des Faktischen, der partnerschaftlichen Praxis, nicht außer Kraft gesetzt (Koppetsch/Maier 1998: 145). Diese Einschätzung von Koppetsch/Maier steht meines Erachtens im Widerspruch zu der Darstellung von Beck und Beck-Gernsheim. Zwar ist in ihrer Analyse die Bestimmung der Geschlechtsrollen als konstitutives Strukturmerkmal der Industriegesellschaft positiv hervorzuheben, doch weist die Individualisierungsthese m. E. deutliche Defizite hinsichtlich des Verständnisses der Geschlechterverhältnisse auf. Koppetsch/Maier arbeiten erstens die mangelnde Berücksichtigung milieuspezifischer Differenzen in den Geschlechterbeziehungen und zweitens die Konstanz weiterhin bestehender latenter Normen in Paarbeziehungen und deren individuelle Zurechnung als Kritikpunkte individualisierungstheoretischer Annahmen heraus. Es handelt sich bei den beschriebenen Individualisierungstendenzen in den Geschlechterbeziehungen nach Ansicht der beiden Autorinnen demnach um einen Wandel in der Leitvorstellung in Richtung einer gleichberechtigten individualisierten Partnerschaft, die nicht gleichzusetzen ist mit einem faktischen Wandel in den Geschlechterbeziehungen. Sie kommen in ihrer Analyse der Widersprüche zwischen normativen Ansprüchen und der Alltagspraxis in Partnerschaften in unterschiedlichen Milieus zu dem Ergebnis, dass nur im individualisierten Milieu der Anspruch auf eine gleichberechtigte Partnerschaft auf der Basis einer von Geschlechtsrollen freigesetzten Subjektivität erhoben wird, während im traditionalen und im familistischen Milieu herkömmliche Geschlechtsrollenarrangements nach wie vor als selbstverständlich gelten. (Koppetsch/Maier 1998: 152) Das heißt, dass in allen drei von Koppetsch/Maier herausgearbeiteten Milieus die konkrete Alltagspraxis komplex und widersprüchlich ist (vgl. hierzu detaillierter Koppetsch/Burkhart 1999). Diese Einschätzung des sozialen Wandels im Geschlechterverhältnis (Wandel in den Leitvorstellungen, nicht aber als sozialer Fakt) erscheint mir 15
nachvollziehbarer. Daraus ergeben sich eine Reihe von Fragen und Annahmen für meinen empirischen Forschungsgegenstand. (1) Zum einen wäre genauer zu klären, inwieweit der Wandel im Leitbild der Geschlechterbeziehungen (egalitäre Partnerschaft) auf der Ebene der konkreten Alltagspraxis der Arbeitsteilungen in Partnerschaften mit einem faktischem Wandel übereinstimmt. Dieser Frage wird im Kapitel I.2.3 auf der Basis empirischer Daten nachgegangen. (2) Wesentlich für die Untersuchung der Selbsthilfeprojekte ist darüber hinaus nicht nur die Arbeitsteilung innerhalb der Familie, sondern auch die Arbeitsteilung auf der Baustelle. Als individualisierte Leitvorstellung könnte man in diesem Zusammenhang formulieren, dass allen Familienmitgliedern in gleicher Weise die Arbeit auf der Baustelle ermöglicht wird bzw. für alle gleich selbstverständlich ist. Wird dies als Leitvorstellung wirksam, wäre auf der Grundlage der Ergebnisse von Koppetsch/Maier die Annahme zu formulieren, dass die Wirkung von Geschlechtsnormen auch im Bereich des Bauens nach wie vor dominieren, sich allerdings die Zurechnungsmechanismen verändert haben. Demnach wäre nicht davon auszugehen, dass eine explizite Arbeitsteilung auf der Baustelle vorhanden ist (im Sinne eines Ausschlusses von Frauen), sondern latente Geschlechtsnormen die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern strukturieren. 1.3. Individualisierung und Formen der Re-Integration In der Sicht Ulrich Becks zerstört Individualisierung nach und nach die traditionellen Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und wirft damit den Einzelnen immer stärker auf sich selbst zurück. Dadurch entsteht die Chance, ein eigenständiges Leben führen zu können oder zumindest führen zu wollen. Andererseits wird durch diese Herauslösung aus traditionellen Bindungen auch der schützende Halt von Kontakten, Beziehungen und Strukturen verloren. Der Freisetzungsprozess wird also mit einem Verlust von Sicherheit und Geborgenheit erkauft. Wesentlich wird in diesem Zusammenhang die Frage nach den Folgen der Individualisierung für die gesellschaftliche Integration. Diese Frage wird in der Auseinandersetzung mit dem Individualisierungstheorem kontrovers diskutiert. So wird Beck vorgeworfen, mit der Ebene der Re-Integration die zwei anderen Ebenen (Herauslösung und Verlust traditioneller Sicherheiten) durch die Möglichkeit der sozialen (Wieder-)Einbindung aufzuheben (Junge 1998). Je nach Interpretation der Individualisierungsthese (positive Autonomie oder negative Anomie) wird die Frage nach der Möglichkeit der gesellschaftlichen Integration als äußert problematisch angesehen. Dies erfolgt vor dem Hintergrund einer weit verbreiteten Krisen16
diagnostik und betont die Desintegration als einen Schlüsselbegriff der modernen Entwicklung (z. B. Heitmeyer 1997). Individualisierung bedeutet in der Perspektive Heitmeyers die Auflösung gewachsener Lebensformen und traditionaler Sozialbeziehungen, was zu Desintegration und schließlich zu zunehmend unkontrollierter Gewaltausübung führen kann (Heitmeyer 1994: 382). Meines Erachtens ist jedoch eher von einer ambivalenten Deutung der Individualisierungsprozesse auszugehen, in der andere Entwicklungstendenzen an Bedeutung gewinnen. Doch Individualisierung mit Vereinzelung, erweiterte Handlungsspielräume mit der Auflösung des Sozialen und die verstärkten Selbstbezüge der Individuen mit dem Verlust von Solidarität gleichzusetzen, wird den widersprüchlichen und ambivalenten Formen der Individualisierung nicht gerecht. (Schroer 2001: 452) Es lässt sich so ein umfassender Gestaltwandel sozialer Beziehungen beobachten: Neue Formen von Familien, Beziehungen und politischen Zusammenhängen entstehen, die bisher noch nicht in feste Konturen gegossen sind. Generell wird die Individualisierung in dieser Perspektive als ein Modus der Vergesellschaftung begriffen und somit der Individualisierung selber schon eine gesellschaftsintegrierende Kraft zugeschrieben (Ebers 1995, Schroer 2001). Das Neue an dem Beckschen Individualisierungstrend sind die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. ... an die Stelle von Ständen treten nicht mehr soziale Klassen, an die Stelle sozialer Klassen tritt nicht mehr der stabile Bezugsrahmen der Familie. Der oder die einzelne selbst wird zur lebensweltlichen Reproduktionseinheit des Sozialen. (Beck 1986: 119) Im Mittelpunkt der Argumentation von Beck steht demnach ein selbstbezogenes Individuum, das sich nicht mehr in erster Linie durch die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen definiert, sondern durch die Bezüge zu sich selbst. Beck hält es allerdings durchaus für möglich, dass es jenseits der individualisierten Lebensformen und Lebenslagen zur Entstehung neuer sozio-kultureller Gemeinsamkeiten (Beck 1986: 119) kommen kann, die sich etwa in Bürgerinitiativen oder sozialen Bewegungen niederschlagen können. Statt isolierter Individuen sieht Beck die Schaffung neuer sozialer Beziehungs- und Kontaktformen als eine mögliche Perspektive; allerdings müssen diese nun vom Individuum selbst hergestellt werden. Individualisierung kann heißen: NichtBeziehung, soziale Isolation; aber auch selbst gewählte und selbstgebaute Netzwerke von Bekanntschafts-, Nachbarschafts- und Freundschaftsbeziehungen (Beck 1986: 138). Damit würden neuartige Formen der gesellschaftlichen Re-Integration unter den Bedingungen der Individualisierung hergestellt. Die Frage nach den Möglichkeiten und dem Charakter neuer Gemeinschaften und die Wiederverankerung des Einzelnen in selbst gewählten Gemeinschaftsformen werden mehr und mehr zu einem Hauptdis-
17
kussionspunkt der Individualisierungsdebatte (Schroer 2001: 405), zu dem bislang jedoch nur wenige Untersuchungen vorliegen.4 Betrachtet man die empirischen Befunde im Hinblick auf Umfang und Intensität der vorhandenen Kontakte, Bindungen und Beziehungen, so liegt das Maß an Kontakten weit höher als es in den theoretischen Vorstellungen angenommen wird, die von einem Verlust der Solidarität und der ersatzlosen Auflösung von Bindungen ausgehen. "Nach diesen Befunden bedeutet Individualisierung vor allem mehr Selbstbestimmung und keineswegs automatisch den deklassierenden Zerfall sozialer Zusammenhänge. So widerlegen Erhebungen wie die von Hans Bertram (1994) die Singvogeltheorie vom Aussterben der Familiennetze (...)." (Vester 1997: 104) Die neu entstehenden sozialen Bindungen, zu denen sich die Individuen nunmehr freiwillig zusammenfinden, bleiben unentdeckt, wenn ausschließlich die negativen Folgen von Individualisierung in den Blick genommen werden (Schroer 2001: 456). Das Neue am Charakter der sozialen Beziehungen unter Individualisierungsbedingungen scheint ihre kürzere Dauer zu sein: Bis auf weiteres (Baumann 1993), nichts Langfristiges (Sennett 1998). Auf der Grundlage der dargestellten Diskussion zur Einbindungs- oder ReIntegrationsdimension ist es für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit notwendig, das Verhältnis von Individualisierung und Vergemeinschaftung zu klären. Jenseits der polarisierenden Diagnosen eines Bindungszerfalls oder eines unveränderten Fortbestehens sozialer Muster interpretiere ich Beck in Richtung eines Gestaltwandels sozialer Beziehungsmuster. Dieser Wandel vollzieht sich nicht bruch- oder problemlos. Die These eines Verlustes von Gemeinschaftsbeziehungen lässt sich insofern bestätigen, als dass einzelne Individuen beim Aufbau stabiler Beziehungen zunehmend auf sich selbst zurückgeworfen sind. Auch existieren zunehmend weniger verbindliche Verhaltensmodelle (z. B. die Ehe), die den Aufbau von Netzwerken anleiten und vorstrukturieren. Martin Diewald (1991)5, der die These vom Verlust oder von der Liberalisierung von Gemeinschaft in Bezug auf soziale Netzwerke und Unterstützungskonzepte untersucht, kommt zu einem Ergebnis, das diese ambivalente Deutung der Individualisierungsthese bestätigt: in vielen Fällen ein Fortbestehen stabiler (familiärer) Netzwerke, aber auch Bevölkerungsgruppen (z. B. ältere Menschen und kinderlose Paare), die von sozialer Isolation und Einsamkeit bedroht sind. Aus der Perspektive meiner Arbeit
4
Ansatzpunkte finden sich etwa in der Lebensstilforschung, in der Lebensstilgruppen als (neue) soziale Einheiten interpretiert werden (z. B. Sacher 1998).
5
Gegenstand der Studie von Diewald (1991) ist die Frage, wie Menschen in der Bundesrepublik sozial eingebunden sind in Familie, Verwandtschaft, Freundschaften und sonstige Beziehungen und welche Hilfeleistungen über diese Beziehungen jeweils transportiert werden.
18
muss hier gefragt werden, welche Rolle das Wohnen in dem aufgezeigten Spannungsfeld von Individualisierungs- und Vergemeinschaftungstendenzen spielt. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Wohnen und Wohnformen spielte im Kontext der Individualisierungsdiskussion bislang keine wesentliche Rolle. Thematisiert wurde der Wohnwandel vorrangig in stadtsoziologischen Diskussionen, in der Wohnungswirtschaft und der Wohnungspolitik.6 Wohnen wird jedoch im Zusammenhang mit den Anforderungen einer weitgehend individualisierten Lebensführung eine immer wichtigere Rolle spielen (Brech 1999). Ich gehe von der These aus, dass sich auch die Bedeutung des Wohnens unter den Voraussetzungen des sozialstrukturellen Wandels weiter wandeln wird und eine zunehmend wichtige Dimension der sozialen Einbindung darstellt. Beck thematisiert diese Re-Integrationsdimension ebenfalls unter dem Stichwort selbstgewählte und selbstgebaute Netzwerke von Nachbarschaftsbeziehungen (Beck 1986: 138). Insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt7 kann davon ausgegangen werden, dass dem Wohnen für viele Menschen eine zunehmende Bedeutung in der alltäglichen Lebensführung zukommen wird und dass die Schaffung geeigneter Wohnformen wie auch die Gestaltung des Wohnens zunehmend unter den Vorzeichen der Entwicklung gemeinschaftlicher Bezüge organisiert werden wird. In diesem Zusammenhang von Vergemeinschaftung und Wohnen werden verschiedene Ansätze zur Bedeutung von Wohnen interessant. Zum einen wird Wohnen ebenfalls zu einem Bereich, in dem die Wahlmöglichkeiten zugenommen haben, wenn auch in Abhängigkeit von sozialen, ökonomischen und kulturellen Ressourcen. "Als Teil der in dieser Zeit auf vielen persönlichen und gesellschaftlichen Ebenen angewachsenen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung des eigenen Lebens wird das Wohnen für einen großen Teil der Bevölkerung zu einem wählbaren, wenn auch nicht gänzlich wahlfreien Element der individuellen Lebensgestaltung." (Flagge 1999: 7) Zum anderen bedeutet dies in Bezug auf die Frage der sozialen Einbindung, dass auch aktiv neue soziale Netze auf der Ebene des Wohnens hergestellt werden (können). Dies thematisiert Michael Andritzky, indem er das gemeinschaftliche Wohnen als eine Antithese zur weiter fortschreitenden Individualisierung (Andritzky 1999: 670) charakterisiert. Seiner Ansicht nach finden die Ambivalenzen der Individualisierung einen Gegenpol im Wohnen. Wohnen stellt demnach ein kompensatorisches Moment dar,
6
Eine Ausnahme stellt die von der Schader-Stiftung 2001 durchgeführte und dokumentierte Tagung zur Zukunft des Wohnens dar.
7
Hierunter können durchaus unterschiedliche Tendenzen benannt werden: zunehmende (Langzeit-) Arbeitslosigkeit, aber auch eine Annäherung von Wohnen und Arbeiten.
19
in dem die nachgezeichnete Auflösung traditioneller Strukturen und Bindungen auf der Ebene des Wohnens neu (und vielleicht auch anders) hergestellt werden. 1.4. Zusammenfassung Es lässt sich festhalten, dass die Individualisierungsthese in den verschiedenen speziellen Soziologien auf eine breite Resonanz gestoßen ist und eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen auf den unterschiedlichsten Feldern angeregt hat, z. B. familiale und nichtfamiliale Lebensformen, Kindheit und Jugend sowie Lebenslauf und Biographie. Einerseits bestätigen die Untersuchungsergebnisse häufig die These eines aktuellen Individualisierungsschubs, andererseits führen sie zu wichtigen Veränderungen dieser zentralen These, indem z. B. geschlechts-, kohorten- oder auch milieuspezifische Differenzierungen herausgestrichen werden und auch auf gegenläufige Tendenzen aufmerksam gemacht wird (vgl. Friedrich 1998). Ein zentrales Ergebnis ist, dass Individualisierungstendenzen nicht für alle Bevölkerungsschichten gleich zutreffen, sondern in verschiedenen sozialstrukturellen Zusammenhängen (Milieus) eine unterschiedliche Bedeutung haben (vgl. Vester 1997). Das bedeutet, dass die Ausdrucksund Bewältigungsformen und das Ausmaß, in dem Individualisierungsprozesse zum Tragen kommen, sehr different sein können. Es sollte deutlich geworden sein, dass die Folgen gesellschaftlicher Strukturveränderungen bis in die Bereiche alltäglicher Lebensführung reichen und diese als durchaus ambivalent zu begreifen sind. Den Chancen selbstbestimmter Lebensführung stehen die damit verbundenen (Entscheidungs-)Zwänge gegenüber, aber auch die nach wie vor ungleich verteilten Ressourcen und Zugangsmöglichkeiten zur Realisierung von Entscheidungsoptionen. Zentraler Aspekt der Freisetzung und Herauslösung aus traditionellen Bindungen ist die notwendige Eigeninitiative und Freiwilligkeit, mit der neue Beziehungsmuster hergestellt werden oder eben nicht. Dies zeigt sich im Bereich der familialen und nichtfamilialen Lebensformen und in der Gestaltung der Wohnverhältnisse und Wohnformen. Mit Blick auf meinen empirischen Forschungsgegenstand sollen im Folgenden die sich aus der theoretischen Diskussion ergebenen Fragen hinsichtlich der drei Bezugspunkte (1) Wandel der Familie und der familiären Netzwerke, (2) Wandel im Geschlechterverhältnis und (3) Wohnen als Lebensbereich, in dem (neue) gemeinschaftliche Bezüge entstehen können, konkretisiert werden. (1) Die Auflösung der traditionellen Familie als stabiler Bezugsrahmen ist eine entscheidende Annahme des Individualisierungskonzepts. In dem von mir untersuchten Fallbeispiel sind jedoch Familien die zentrale Zielgruppe der Selbsthilfeprojekte. Ist diese wohnungspolitische Ausrichtung und Fokussierung auf die Familie vor dem Hintergrund individualisierungstheoretischer Annahmen nach wie vor sinnvoll? Dies soll durch einen Blick auf die Verteilung der Lebensformen in der amt20
lichen Statistik geklärt werden (Kapitel I.2.2.). Die Einbindung in ein funktionsfähiges Unterstützungsnetzwerk ist für die Bewältigung des Eigenheimbaus in organisierter Gruppenselbsthilfe eine zentrale Voraussetzung. Vor dem Hintergrund meiner Annahme, dass sich die Muster sozialer Beziehungen gewandelt haben und an das Vorhandensein von Ressourcen (z. B. Bildung, Arbeit) gebunden sind, ist für die Untersuchung der Selbsthilfeprojekte zu fragen, ob die beschriebenen Freisetzungstendenzen mit der Auflösung (familiärer) Netzwerke einhergehen oder ein funktionsfähiges Unterstützungssystem bei der Bewältigung der Arbeiten im Zusammenhang mit dem Hausbau zum Vorschein kommt (Kapitel I.2.1 sowie in Kapitel VII.5 im empirischen Teil der Arbeit). (2) Die Einschätzung des sozialen Wandels im Geschlechterverhältnis ist in den theoretischen Auseinandersetzungen widersprüchlich. Entgegen einem faktischen Wandel in Richtung eines egalitär ausgestalteten Geschlechterverhältnisses gehen einige Autor/innen (Koppetsch/Maier 1998, Koppetsch/ Burkhart 1999) von einem Wandel im Leitbild aus. Vor diesem Hintergrund wäre zu klären, inwieweit der Wandel im Leitbild der Geschlechterbeziehungen (egalitäre Partnerschaft) auf der Ebene der konkreten Alltagspraxis der Arbeitsteilungen in Partnerschaften mit einem faktischen Wandel übereinstimmt (Kapitel I.2.3). In der Analyse des Fallbeispiels im empirischen Teil der Arbeit wird enger gefragt, und zwar in Bezug auf die geschlechtliche Arbeitsteilung in der Alltagspraxis des Bauens (Kapitel VII.5). (3) In Bezug auf die angenommene Einbindungsdimension Wohnen rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie sich individualisierte Nachbarschaften konstituieren. Ist weiterhin von einer räumlichen Nähe auszugehen oder verändern sich die Konstitutionsprozesse? Wer bildet Gemeinschaften auf der Ebene des Wohnens? Sind es traditionelle Familienformen oder die neuen Haushaltstypen? Welche Formen nehmen Gemeinschaften im Wohnen an und welche Funktionen nehmen sie wahr? Diesen Fragen wird zum einen in Kapitel III am Beispiel der neuen Wohnformen auf der Basis der vorhandenen Sekundärliteratur nachgegangen. Zum anderen sind diese Fragen zur Entwicklung von gemeinschaftlichen Wohnformen zentrale Forschungsfragen für die Analyse der empirischen Ergebnisse in Kapitel VII.7. Die untersuchten Selbsthilfeprojekte stellen dabei eine besondere Form der Gemeinschaftsbildung dar, da sie durch die gemeinsam geleistete Selbsthilfe eine direkte Form der Beteiligung und Mitbestimmung wahrnehmen konnten.
21
2.
Der Wandel von Familie und Geschlechterverhältnis
Die Veränderungen unserer Gesellschaft erstrecken sich auch auf die Lebensformen und Lebensstile. In dem Zusammenhang von Wertewandel und Individualisierung (z. B. haben persönliche Selbstverwirklichung und Kommunikation an Bedeutung gewonnen) entwickelten sich die Lebensstile der Menschen auseinander. Als bisherige Tendenzen lassen sich eine Pluralisierung von Lebensformen, die Individualisierung der Lebensführung und eine Ausdifferenzierung von Lebensstilen ausmachen (Hradil 2001). In den Sozialwissenschaften wurde bereits Mitte der 1980er Jahre die Veränderungen der Haushaltsformen thematisiert. Im Mittelpunkt stand die als kritische bezeichnete Zunahme der Ein-Personenhaushalte im städtischen Kontext (Hradil 1998). In engem Zusammenhang damit gewann die Familienforschung an Bedeutung, die sich auf die Entwicklungen der Kleinfamilie sowie die Veränderungen der Funktionen der Familie und des Familienbegriffs konzentrierte (vgl. Nave-Herz 1992). Vor dem Hintergrund der Individualisierungsdiskussion sind zwei Aspekte des Wandels von Familie bedeutsam. Erstens geht es um die Frage, in welche Richtung der Wandel von Familie verläuft und welche Bedeutung Familie in der zukünftigen Gesellschaft einnehmen wird. Damit verbunden ist immer auch die Frage nach dem Verlust oder dem Erhalt der traditionellen familiären Beziehungsmuster. Die Institution Familie übernimmt eine Reihe von Funktionen, wobei die sozialen Beziehungen in der Familie als wesentlich für die Einbindung und Stabilität von Individuen (emotionale Stabilisierung) gesehen werden. Dieses wird vor dem Hintergrund einer zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft als bedroht angesehen. Mit der Frage nach der Veränderung von familialen und nicht-familialen Lebensformen ist also auch die Frage nach der sozialen Einbindung gestellt. Beiden Aspekten der Diskussion soll hier nachgegangen werden. Als zentral für den Wandel von Familie wird die Veränderung der gesellschaftlichen Rolle von Frauen (steigende Erwerbsbeteiligung, Bildung etc.) angenommen. Daraus resultiert so die Annahme ebenfalls eine Veränderung der innerfamilialen Rollenstrukturen. Ob sich diese Veränderungen in den Ergebnissen empirischer Untersuchungen feststellen lassen, wird im dritten Teil dieses Kapitels untersucht. 2.1. Familie im Wandel: Soziale Netze, Haushaltsstrukturen und Lebensformen Das in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts allgemein verbindliche Grundmuster des familialen Zusammenlebens, die bürgerliche Familie, beginnt sich aufzulösen. Die klassische Kleinfamilienstruktur ist gekennzeichnet durch die Institution der Ehe und eine ausgeprägte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung: eine nichterwerbstätige Mutter, die ausschließlich für Kindererziehung und Haushalt zuständig ist und der erwerbstätige Vater, der die Versorgung der Familie sicherstellt. Aktuell ist die Klein22
familie nicht mehr die vorherrschende Norm und bestimmende Erwartungshaltung bezogen auf das Zusammenleben der Geschlechter, sondern eine Lebensmöglichkeit unter anderen. Insbesondere für Frauen scheint sie nicht mehr der einzig erstrebenswerte Lebensentwurf zu sein. Die Kernfamilie als die "Normalwohnform" ist historisch sehr jung, sie hat sich erst im 18. Jahrhundert als bürgerliches Gegenmodell zum Adel herausgebildet. Im 19. Jahrhundert ist die Kernfamilie als ideale Wohnform zur Verbesserung der Wohnverhältnisse propagiert worden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende, mehr und mehr alle Schichten umgreifende normative Orientierung am Leitbild der bürgerlichen Familie feststellen. Insbesondere in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts war sie die Standardwohnform schlechthin. Dagegen entwickelten sich mit den Wohngemeinschaften und den verschiedenen Formen des Alleinwohnens Alternativen, die das Spektrum möglicher Wohnformen wieder weiter ausdifferenzierten (Häußermann 1999: 18f). Der Kern der Veränderung liegt in der Abnahme der zentralen Wohn- und Lebensform der Familie. Die soziale Einheit des Zusammenlebens ist immer seltener die Familie. Neben und anstatt der Familie entwickeln sich so genannte "neue Haushaltstypen". Darunter versteht man Alleinstehende (Singles), nichteheliche Lebensgemeinschaften, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, Alleinerziehende, Patchwork-Familien und Wohngemeinschaften (vgl. hierzu Beck-Gernsheim 2000). Historisch betrachtet sind tatsächlich nur die Wohngemeinschaften eine neue Lebensform. Zahlreiche familienhistorische Untersuchungen belegen, dass es vor und zu Beginn der Industrialisierung eine außerordentliche große Vielfalt familialer Lebensformen gegeben hat (Rosenbaum 1982). Allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten die Wahrnehmung und Bewertung dieser Lebensformen verändert. Wurden früher die Lebensformen am Maßstab der vorherrschenden Lebensform, der Kernfamilie, gemessen, so symbolisieren die Begrifflichkeiten für die neuen Lebensformen heute Eigenständigkeit und Gleichwertigkeit. Mit der Pluralisierung von Lebensformen haben sich auch die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung stark ausdifferenziert. Da Wohnen bislang eng an die sozialstrukturellen Indikatoren Einkommen und Haushaltsgröße gebunden war, standen bis Mitte der 1980er Jahre Schicht- und Familienkonzepte im Zentrum der Forschungen. Um die veränderten Wohnbedürfnisse aufzuzeigen, werden seit Ende der 80er Jahre Lebensstilkonzepte in der Stadt- und Regionalplanung angewendet. Es lässt sich festhalten, dass die unterschiedlichen Wohnbedürfnisse und -präferenzen der Bevölkerung nicht mehr nur durch objektive Faktoren wie Einkommen, Bildungsstand, Beruf, Lebensphase und Haushaltsform oder auch das verfügbare Wohnungs- und Infrastrukturange23
bot bestimmt sind, sondern "auch durch die subjektive Wahrnehmung und Bewertung dieser Faktoren und ihrer Umsetzung in Lebensstile und Milieus" (Spiegel 2000: 201). Mit Lebensstil und Milieu sind neue Ansätze entwickelt worden, um den Wandel der sozialen Differenzierungen angemessen erfassen zu können. Im Kontext von Wohnen bedeutete dies den Versuch, den Zusammenhang von Lebensweise und Wohnbedürfnissen mit Hilfe von Lebensstilansätzen zu analysieren.8 Wie gestalten sich nun vor dem Hintergrund einer zunehmenden Individualisierung die Beziehungsmuster in der Familie? In der Lesart der negativen Individualisierung wird eine Zersetzung der tradierten Lebens- und Beziehungsformen durch die Ausbildung der modernen Industriegesellschaften angenommen, ohne dass gleichwertige neue Beziehungsstrukturen an deren Stelle getreten seien. Insbesondere familiale, verwandtschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen seien in ihrem Umfang eingeschränkt und in ihrer Bedeutung geschwächt worden. Wie oben bereits dargestellt, hat sich gegen diese Sichtweise jedoch zunehmend eine Gegenthese etabliert, die den Wandel sozialer Beziehungen eher als einen Struktur- und Funktionswandel begreift und ein Fortbestehen stabiler und funktionierender Netzwerke behauptet. Diese Beziehungen sind so weist Diewald (1991) auf der Grundlage einer empirischen Analyse nach anders organisiert und haben andere Aufgaben zu erfüllen. Dies bedeutet seiner Ansicht nach keine Schwächung der funktionalen Bedeutung informeller Beziehungen, sondern eher eine Verschiebung des Aufgabenspektrums. Er weist jedoch darauf hin, dass sich Gruppen identifizieren lassen, die erhebliche Defizite an Kontakten und Unterstützungsbeziehungen aufweisen. Es handelt sich dabei um die Gruppe der älteren Ledigen, der kinderlosen Paare und der Verwitweten. Dieser tendenziell steigende Teil der Bevölkerung ist somit von sozialer Isolation, dem Empfinden von Einsamkeit und mangelnden Bewältigungsressourcen bedroht (Diewald 1991: 255). Marbach/Mayr-Kleffel weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich die Netzwerke in Abhängigkeit von Einkommen und Bildung unterscheiden, wer über mehr Einkommen und Bildung verfügt, hat sowohl mehr Helfer/innen als auch mehr Kontaktpartner/innen (1988: 286).
8
24
Beispiele dafür sind die Untersuchungen von Dangschat/Blasius 1994, Herlyn/Scheller/Tessin 1994 und Schneider/Spellerberg 1999. Schneider/Spellerberg bezeichnen Lebensstile als eine sozialstrukturelle Kategorie, die die (erwachsene) Bevölkerung in homogene, sich deutlich von einander unterscheidbare Gruppen einteilen kann. Als zentrale Merkmale werden dabei Werthaltungen, Geschmacksrichtungen und Freizeitverhalten angesehen (ebd.: 78). In Abgrenzung zum Milieubegriff, der auf die relativ beständigen Werthaltungen und Grundhaltungen eines Menschen zielt, bezieht sich der Lebensstilbegriff eher auf die äußerlich beobachtbaren Verhaltensroutinen der Menschen (Hradil 2006: 5). Zur aktuellen durchaus kritischen Diskussion der Reichweite von Milieustudien vgl. ebd.: 4ff.
Aufschluss über Ausmaß und Häufigkeiten von sozialen Beziehungen innerhalb der Familie können die Ergebnisse von Netzwerkanalysen geben.9 Ein netzwerktheoretischer Zugang begreift Familie als ein Netzwerk von gelebten sozialen Beziehungen. "Über netzwerktheoretische Zugänge lassen sich die Strukturen sozialer Kontakte und Beziehungen in Familien heute verhältnismäßig leicht darstellen" (Bertram/Kreher 1996: 22). Bei der Analyse der Beziehungsmuster bietet es sich an, vor allem familiale Beziehungsmuster zu untersuchen, die seit Max Weber mit der Familie verbunden werden. Hier handelt es sich um die gemeinsame Mahlzeit und gemeinsame (freizeitorientierte) Aktivitäten außerhalb des Berufs. Bertram/Kreher ergänzen diese Beziehungsmuster mit Bezug auf Parsons um die Elemente "Persönliches miteinander besprechen" und "enge emotionale Beziehungen zu jemanden zu entwickeln" (Bertram/Kreher 1996: 23). Die AutorInnen kommen zu dem Ergebnis, dass man nicht von Brüchen im Beziehungsmuster des Lebensverlaufs sprechen kann. Betrachtet man die Kontakthäufigkeit zwischen den Mitgliedern der Kernfamilie (Eltern, Kinder, Partner und Geschwister) und der erweiterten Familie (Großeltern), erscheint die Differenzierung zwischen Kernfamilie und erweiterter Familie in der Familienforschung nicht gerechtfertigt (Bertram/Kreher 1996: 25). Diese Differenzierung gibt die Variationen der Beziehungen im Lebensverlauf in Abhängigkeit von den Kindern, dem Lebensalter der Eltern und anderen Verwandten nicht wieder. Die Großeltern haben in diesen Untersuchungen eine größere Bedeutung hinsichtlich der Kontakthäufigkeit als die Geschwister und stellen damit die Differenzierung zwischen Kernfamilie und erweiterter Familie in Frage. Als entscheidenden Unterschied zwischen Ledigen und Verheirateten arbeiten die AutorInnen heraus, dass die Beziehungsmuster der Ledigen in der Herkunftsfamilie verbleiben, die Verheirateten dagegen mit der eigenen Familie einen neuen Beziehungskontext aufbauen. Betrachtet man den Bereich der Gefühle, so dominieren bei Verheirateten die Kinder und Partner; Eltern, Geschwister, Verwandte und Freunde spielen in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle (Bertram/Kreher 1996: 25). Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung ist die Tatsache, dass der Auszug der Kinder aus dem Elternhaus ("Empty-nest"-Phase) nicht das Ende der familialen Entwicklung bedeutet. Durch die Zunahme der Lebenszeit für einen größeren Teil der Bevölkerung werden Generationsbeziehungen (zwischen alt gewordenen Kindern und
9
Zur kritischen Auseinandersetzung mit Konzepten und Definitionen von Netzwerken und Netzwerkanalyse vgl. Diewald 1991: 60ff.
25
ihren sehr alt gewordenen Eltern) eine zunehmend größere Rolle spielen.10 Bertram (1996: 11) spricht in diesem Zusammenhang von dem Modell der multilokalen Mehrgenerationenfamilie. Die neueren familiensoziologischen Konzepte sind daher durch eine veränderte Betrachtung von Familien gekennzeichnet: es werden nicht mehr nur die in einem Haushalt lebenden Personen werden betrachtet, sondern auch partnerschaftlichen und familialen Beziehungen jenseits die Grenzen eines Haushalts in den Blick genommen. Aussagen über die Größe bzw. das Beziehungspotenzial familialer Netzwerke ermöglichen die Ergebnisse der 1996 und 2002 durchgeführten Alterssurveys.11 Der Umfang verwandtschaftlicher Beziehungen wird anhand der Wohnentfernungen und der Kontakthäufigkeit zwischen den Generationen untersucht. Es wird ebenfalls gefragt, in welcher Weise die familialen Beziehungen auch unterstützenden Charakter haben (Transfers und Hilfeleistungen). In der zweiten Erhebungswelle 2002 gaben fast drei Viertel der befragten Eltern an im gleichen Ort wie mindestens eins ihrer Kinder zu wohnen, nur 7,2 Prozent der Kinder wohnten weiter als 2 Stunden entfernt. (Hoff 2006: 252f.). Zugenommen hat im Vergleich zu 1996 der Anteil der Eltern, deren Kinder nicht am selben Ort leben (ebd. 254). Mehr als der Hälfte der befragten Eltern gaben 2002 an, täglich Kontakt zu mindestens einem ihrer Kinder zu haben, fast 90 % der Eltern haben einmal die Woche oder öfter Verbindung zu den Kindern. Wie Hoff aufzeigt, lässt sich zwischen 1996 und 2002 ein deutlicher Rückgang der maximalen Kontakthäufigkeit feststellen. Dies Ergebnis steht in einem engen Zusammenhang mit der Erhöhung der Wohnortentfernung (ebd.: 268). Der Alterssurvey geht ebenfalls der Frage nach, wie sich die Generationen innerhalb der Familie wechselseitig unterstützen und stellt eine klare Differenzierung zwischen finanziellen Transfers und instrumentellen Hilfeleistungen fest. So gaben im Bereich der finanziellen Hilfen knapp ein Drittel der befragten Eltern an, ihre Kinder im letzten Jahr unterstützt zu haben. Dagegen waren sie selber in deutlich geringerem Umfang (2002 7,5 %) Empfänger von finanzieller Unterstützung (ebd.: 274). Monetäre Transfers verlaufen schwerpunktmäßig von der Eltern- zur Kindgeneration, instrumentelle Hilfen jedoch (z. B. Enkelbetreuung, Haushaltshilfe, Pflege der Eltern) werden häufi10
11
26
Bertram/Kreher führen hier den Begriff "Generationensolidarität" ein und schlagen vor, die Funktionserweiterung der Familie neben der Sozialisationsfunktion und der Regnerationsfunktion so zu benennen. Diese Funktion wird ihrer Ansicht nach eine zunehmende Rolle als Kernelement familialer Beziehungen spielen (Bertram/Kreher 1996: 26). Ziel des Alterssurveys ist eine umfassende Beobachtung der Lebensumstände von Menschen in der zweiten Lebenshälfte; untersucht wurden die Lebensbereiche Bildung, Arbeit, Familie und Freizeit (vgl. TeschRömer u. a. 2006). Für meine Arbeit ist insbesondere der Wandel von intergenerationalen Familienziehungen interessant (vgl. dazu Hoff 2006).
ger von den Kindern für ihre Eltern geleistet). Insgesamt konnte festgestellt werden, dass Menschen in der zweiten Lebenshälfte deutlich mehr Unterstützung an Andere leisten als sie selbst in Anspruch nehmen. Neben der Unterstützung spielt auch das subjektive Gefühl enger Verbundenheit mit der eigenen Familie eine Rolle. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben 1996 an, dass sie die Beziehung zu ihrer Familie als gut oder sehr gut einschätzen. Diese Wertschätzung ist bis 2002 noch gestiegen, hier gaben ca. 80 Prozent der Befragten eine gute bis sehr gute Familienbeziehung an (Hoff 2006: 264). Darüber hinaus berichten 94 Prozent der Befragten über ein sehr enges oder enges Verhältnis zu ihren erwachsenen Kindern, mehr als zwei Drittel sogar ein sehr enges Verhältnis (Hoff 2006: 266). Es kann festgehalten werden, ... dass die übergroße Mehrheit der Eltern-KindBeziehungen in der zweiten Lebenshälfte durch ein Gefühl enger oder sogar sehr enger Verbundenheit charakterisiert werden. Daran hat sich in den vergangenen sechs Jahren nichts geändert. Der von Menschen in der zweiten Lebenshälfte wahrgenommene Zusammenhalt innerhalb von Familien wird also durch ein hohes Maß an Stabilität und Kontinuität gekennzeichnet. (Hoff 2006: 266). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Entwicklung der sozialen Beziehungen in familialen Netzwerken keine Auflösungstendenzen widerspiegelt, sondern sich ein lebensverlaufstheoretisches Muster von gelebten Beziehungen zwischen Familienmitgliedern abzeichnet. Zwei Elemente bestimmen vorrangig die Gestaltung von familialen Beziehungen: Das Lebensalter und das Vorhandensein von Kindern. Sobald Kinder vorhanden sind, bleiben sie bis ins hohe Alter die wichtigste Bezugsgruppe. Die tiefgreifende Veränderung des Individuums zu seiner Familie sehen Bertram/Kreher in der Entwicklung von lebenslangen Beziehungen zwischen den Generationen (Generationensolidarität), ohne dass diese unter einem Dach leben müssen (1996: 30). Um die Veränderungen in den Haushaltsstrukturen und die Entwicklung der familialen und nichtfamilialen Lebensformen nachzuzeichnen, wird im Folgenden ein Blick auf die statistischen Daten des Mikrozensus geworfen. Wandel der Haushaltsstrukturen und Lebensformen im Spiegel der Statistik Wer gehört zur Familie? Auch auf dem Feld der Statistik erweist sich die Beantwortung dieser Frage als nicht einfach. Heidenreich/Nöthen zeigen die Problematik der amtlichen Statistik bzw. des Mikrozensus auf, der lange Zeit vorrangig am Familienkonzept und an der Erfassung durch Haushalte orientiert war. Entsprechend des (dahinter liegenden) Familienkonzepts lassen sich demnach drei Familientypen ausmachen: Ehepaare ohne Kinder, Ehepaare mit Kind(ern) und Alleinerziehende mit und ohne Lebenspartner/in. Im Jahr 1975 wurden 86,2% der vorhandenen Haushaltsformen durch die statistische Erfassung dieser Familientypen abgedeckt, ausgeblendet wurden 27
demnach Einpersonenhaushalte und Personen in Mehr-Personen-Haushalten, die weder mit einem/einer Ehepartner(in) noch mit einem ledigen Kind zusammenwohnten. Der Anteil der Personen, die durch das Familienkonzept nicht abgedeckt werden können, machte im Jahr 2000 23,5% aus. Dem wurde die die Einführung des Lebensformen-Konzeptes im Mikrozensus (vgl. Statistisches Bundesamt 2005) begegnet, das neben den oben genannten Gruppen zusätzlich gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften berücksichtigt.12 Ein weiterer Problembereich der amtlichen Statistik liegt in der haushaltsbezogenen Erfassung und Auswertung der Lebensformen. Dieser liegt das HaushaltseinheitenKonzept zugrunde, das einen Haushalt als "jede zusammenwohnende und eine wirtschaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft sowie Personen, die alleine wohnen und wirtschaften" (Statistisches Bundesamt 2001: 12) definiert. Eine Reihe empirischer Studien, insbesondere im Bereich der netzwerkorientierten Ansätze, zeigt jedoch auf, dass alltägliche Beziehungen Haushaltsgrenzen überschreiten (können). Partnerschaften, die zwar gemeinsam wohnen, aber getrennte Haushalte angeben, werden nicht als Lebensgemeinschaften erfasst. Dies gilt ebenso für Partnerschaften in getrennten Wohnungen, da die Grundlage für die statistische Erfassung von Partnerschaften das "gemeinsame Wohnen und Haushalten" ist (Heidenreich/Nöthen 2002: 34). Dies bedeutet, dass die Haushaltsstrukturen nur bedingt für Aussagen über Kontaktmuster und soziale Bindungen herangezogen werden können. Wohn- und Lebensformen wandeln sich stetig. So beruhen die heutigen Wohnformen weitgehend auf langfristigen Entwicklungstendenzen. Durch den Wandel innerhalb der Familie und der Entstehung neuer Haushaltstypen erfolgt eine Veränderung der gesamten Wohnverhältnisse. Wirft man einen Blick auf die Familiengründungen und entwicklungen lassen sich in Bezug auf Eheschließungen, Ehescheidungen und die Geburtenentwicklung markante Veränderungen feststellen. Die Heiratsentwicklung ist durch zwei wesentliche Tendenzen gekennzeichnet: Das Heiratsalter ist angestiegen und die Elternschaft erfolgt immer später im Lebensalter. Insgesamt wird nicht nur später, sondern auch seltener geheiratet. Immer weniger Ehen sind Erstehen. Es steigt der Anteil derjenigen, die ledig bleiben. Von dieser Entwicklung sind Männer stärker betroffen als Frauen. 1998 waren knapp 18% der 40- bis 44-Jährigen Männer ledig.
12
28
Haushalt, Lebensform und Familie sind unterschiedliche soziale Kategorien. Die Familie ist durch enge Verwandtschaftsbeziehungen gekennzeichnet, insbesondere durch die Eltern-Kind-Beziehung. Familienformen können grundsätzlich verschiedenen Formen von Eltern-Kind-Gemeinschaften darstellen. Der Begriff der Lebensform bezieht sich auf die Struktur der privaten sozialen Beziehungen von Individuen. Das Statistische Bundesamt definiert den Begriff folgendermaßen: Unter Lebensformen werden hier relativ stabile Beziehungsmuster der Bevölkerung im privaten Bereich verstanden, die allgemein mit Formen des Alleinlebens oder Zusammenlebens (mit oder ohne Kinder) beschrieben werden können (Nietmeyer/Voit 1995: 437). Die Familie lässt sich danach als eine spezielle Lebensform kennzeichnen.
Bei Frauen beträgt der Anteil der Ledigen im selben Alter 11% (Engstler/Menning 2003: 60). Die Scheidungshäufigkeit der Ehen hat seit den 1970er Jahren erheblich zugenommen und sich in den letzten Jahren auf einem hohen Niveau stabilisiert. Sieht man von kurzen Unterbrechungen ab, so sinkt die Geburtenzahl in Deutschland seit Mitte der 1960er Jahre. Im Vergleich zu den europäischen Staaten hat Deutschland eine niedrige Geburtenrate (1,34 Kinder pro Frau) und eine hohe Kinderlosenquote, allerdings kamen im Jahr 2000 in Italien (1,25), Griechenland (1,30) und Spanien (1,22) weniger Kinder zur Welt als in Deutschland (Hradil 2004: 52). Für die jüngeren Generationen werden zwei Tendenzen des generativen Verhaltens festgestellt: In zunehmender Anzahl wird entweder ganz auf Kinder verzichtet oder sich für zwei und mehr Kinder entschieden. Das Alter der Frauen bei der Geburt des ersten Kindes hat sich seit 1980 um ca. vier Jahre nach oben verschoben, es lag 2000 bei verheirateten Frauen im Westen durchschnittlich bei 29 Jahren (Engstler/Menning 2003: 76). Die langfristigen soziodemographischen Entwicklungstendenzen lassen sich mit den Begriffen "Singularisierung" und "Pluralisierung" beschreiben. Als Singularisierung bezeichnet man die stetige Zunahme der Einpersonenhaushalte. Die Zahl der Haushalte allgemein nimmt neben dem Bevölkerungswachstum durch die Verkleinerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße stark zu. Waren es um 1900 etwa 12 Millionen Haushalte in Deutschland, so sind es 2004 39,1 Millionen Haushalte. Die Haushaltsgröße ist dabei kontinuierlich zurückgegangen. Lag die durchschnittliche Haushaltsgröße 1900 bei 4,5 Personen je Haushalt, so hat sie sich 1991 bereits auf 2,27 verringert und liegt 2004 bei 2,12 Personen je Haushalt (Statistisches Bundesamt 2005: 11). Auch für die Zukunft lässt sich diese Tendenz annehmen. Die Singularisierungstendenz bezieht sich auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Sie betrifft auf der einen Seite vor allem die 25- bis 35-Jährigen und auf der anderen Seite die Älteren, ab 55 Jahren, die aufgrund von Verwitwung und Scheidung in diese Wohnform geraten sind (Hradil 1998). Es lässt sich dabei eine ungleiche Verteilung der Geschlechter feststellen. Während bei den Jüngeren beide Geschlechter relativ gleichgewichtig vertreten sind, sind die älteren Alleinlebenden hauptsächlich Frauen. Auch die regionale Verteilung der Einpersonenhaushalte ist unterschiedlich, sie finden sich überwiegend im städtischen Bereich. Unter der zweiten soziodemographischen Entwicklungstendenz, der "Pluralisierung", versteht man die Ausdifferenzierung der Haushalts-, Familien- und Lebensformen, die unter dem Begriff neue Haushaltsformen oder -typen zusammengefasst werden. Unter der Pluralisierungstendenz können folgende soziale Prozesse zusammengefasst werden: Das Aufkommen neuer Haushaltstypen (z. B. patchwork-families), die verstärkte Diversifizierung im Sinne einer Verschiebung der quantitativen Gewichte der ver29
schiedenen Lebensformen, eine zunehmende Anzahl weiblicher Haushaltsvorstände (Mutter-Kind-Familien, alleinwohnende Frauen) sowie den häufigeren Wechsel zwischen verschiedenen Haushalts- und Familienformen im Verlauf der Gesamtbiographie (Glatzer 2001, Peukert 1999). Die Zusammensetzung der (Privat)Haushalte Die Struktur der Privathaushalte hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Im Vergleich zu 1972 zeigt sich, dass die nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern damals nicht in der Statistik erscheinen. Auffällig ist, dass der Anteil der Alleinerziehenden von 5,5% im Jahr 1972 auf 5,8% im Jahr 2000 leicht zurückgegangen ist. Ebenfalls zurückgegangen ist der Anteil der Haushalte mit drei und mehr Generationen von 3,3% auf 0,8%. Der Hauptanteil des Rückgangs der Haushalte mit Kindern ist jedoch bei den Ehepaaren mit Kindern festzustellen. Hier ist der Anteil der Haushalte von 38,9% auf 25,2% gesunken. Allerdings handelt es sich hier um die Bezugsgröße der Haushalte, im Jahr 2000 lebt weiterhin die Mehrzahl der Bevölkerung (54%) in Haushalten mit Kindern (Engstler/Menning 2003: 35). Abb. 1: Haushaltstypen früheres Bundesgebiet 1972 (23 Mio. Haushalte)
Sonstige Haushalte ohne Kinder; 1,1% Einpersonenhaushalte von Frauen; 18,6%
Ehepaare mit Kindern; 38,9 %
Einpersonenhaushalte von Männern; 7,6% Nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne Kinder; 0,5% Ehepaare ohne Kinder; 22,9% Haushalte mit 3 und mehr Generationen; 3,3%
Alleinerziehende; 5,5% Familien mit nicht mehr ledigen Kindern; 1,5%
(Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus zit. nach Engstler/Menning 2003: 34)
30
Abb. 2: Haushaltstypen Deutschland 2000 (38,1 Mio. Haushalte)
Sonstige Haushalte ohne Kinder 1% Ehepaare mit Kindern 25%
Einpersonenhaushalte von Frauen 21%
Nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern 1% Einpersonenhaushalte von Männern 15%
Nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne Kinder 4%
Alleinerziehende 6%
Familien mit nicht mehr ledigen Kindern 1% Ehepaare ohne Kinder 25% Haushalte mit drei und mehr Generationen 1%
(Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus zit. nach Engstler/Menning 2003: 34)
Bei den Mehrgenerationenhaushalten handelt es sich fast ausschließlich um Haushalte, in denen zwei Generationen leben. Nur in 0,8% der Haushalte wohnen mindestens drei Generationen, also Großeltern, Eltern und Kinder. Wie Engstler/Menning aufzeigen, handelt es sich bei den Familien mit Kindern im Haushalt in rund 79% der Fälle um Ehepaare, knapp 16% fallen auf Alleinerziehende und nur 6,2 gehören zu den Lebensform der nichtehelichen Lebensgemeinschaften (2003: 39). Betrachtet man die Entwicklung der Haushalte ohne Kinder, so lässt sich eine deutliche Zunahme feststellen. Der Anteil der Haushalte ohne Kinder ist im früheren Bundesgebiet von 1972 bis 2000 von 50,6% auf 66,2% gestiegen. Der Anstieg ist im Wesentlichen auf die Zunahme der Einpersonenhaushalte zurückzuführen, insbesondere auf die Zunahme der alleinlebenden Männer. Der Anteil der Ehen ohne Kinder ist nahezu konstant geblieben. Betrug er 1972 23%, so waren es 2000 24,8 % aller Haushalte. Nach Engstler/Menning besteht diese Gruppe zu drei Vierteln aus älteren Ehepaaren, deren Kinder den Haushalt bereits verlassen haben. Er weist darauf hin, dass es sich bei den "kinderlosen" Haushalten mit BewohnerInnen im Alter ab Mitte 50 wohl
31
überwiegend um Eltern in der "empty-nest" Phase handelt. Allerdings nimmt der Anteil "echter" kinderloser Haushalte zu (Engstler/Menning 2000: 43). Als Alleinerziehende werden hier alle allein erziehenden Mütter und Väter mit noch ledigen Kindern unter 27 Jahren ohne weitere Personen im Haushalt gefasst. Die Zahl der Alleinerziehenden ist seit 1975 in Westdeutschland um etwa 50 Prozent gestiegen auf 1,77 Mio. im Jahr 2000. 85,5% dieser Familien sind Mutter-Kind-Familien, häufig nach dem Scheitern einer Ehe. Nur 14,5% der Alleinerziehenden sind allein erziehende Väter. Im Vergleich zu früheren Jahren lässt sich eine Verschiebung in den Entstehungsgründen feststellen, immer seltener führt der Tod eines (Ehe-)Partners und immer öfter das Scheitern einer Ehe/Partnerschaft zur Bildung einer Ein-Eltern-Familie (Engstler/Menning 2003: 40). Nichteheliche Lebensgemeinschaften werden als eine Hausgemeinschaft von zwei unverheiratet zusammenlebenden Personen verschiedenen Geschlechts mit einem Mindestalter von 18 Jahren (Voit 1993: 194) definiert. Seit 1996 werden die nichtehelichen Lebensgemeinschaften im Mikrozensus durch eine direkte Frage nach einem privaten Haushalt, in dem unverheiratete Lebenspartner gemeinsam wohnen und wirtschaften, erfasst. Die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kinder hat seit 1972 (0,5%) bis 2000 (3,9%) zwar enorm zugenommen, insgesamt fällt jedoch mit 3,9% nur ein kleiner Teil aller Haushalte auf diese Lebensform (EngstlerMenning 2000: 45). Diese Lebensform wird überwiegend von jüngeren (kinderlosen) Paaren gelebt. Sie ist jedoch nicht nur eine typische Lebensform in der Anfangsphase der Paarbildung und der Familienentwicklung, sondern gewinnt auch als eine Lebensform nach dem Scheitern einer Ehe an Bedeutung. Der Anteil der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kinder an allen nichtehelichen Lebensgemeinschaften betrug in den letzten zehn Jahren im früheren Bundesgebiet um die 80% und hat eine leicht sinkende Tendenz. Für das Jahr 2000 weist der Mikrozensus für das frühere Bundesgebiet 76,7% (neue Länder 51,5%) der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kind und 23,3% (neue Länder 48,5%) mit Kind oder Kindern auf. Bei 21% der nichtehelichen Lebensgemeinschaften leben allein erziehende Mütter mit ihren Kindern und einem Lebenspartner zusammen. Lediglich bei 7,2% handelt es sich um allein erziehende Väter mit Kind(ern) und einer Partnerin. Der Anteil der Lebensgemeinschaften, in der beide PartnerInnen ein Kind einbringen, liegt mit 1,3% sehr niedrig (Heidenreich/Nöthen 2002: 30). Die nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern machten 2000 einen Anteil von 1,1% der Haushalte aus. Insgesamt leben nur 4,3% der westdeutschen Paare mit Kindern unverheiratet zusammen, in Ostdeutschland liegt der Anteil mit 12,8% deutlich höher (Engstler/Menning 2000: 46).
32
Das 1996 im Mikrozensus eingeführte Fragekonzept zu Lebenspartnerschaften ermöglicht durch ihre geschlechtsneutrale Formulierung auch die Erfassung gleichgeschlechtlicher Paare. Allerdings weist der Vergleich zwischen der Erhebung und den Werten der seit 1986 bestehenden Schätzungen erhebliche Differenzen auf, die auf Schwierigkeiten der Erhebung (sensible Thematik) hinweisen. Der Mikrozensus weist für das Jahr 2004 rund 56.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften aus, nach dem Schätzkonzept gab es 2004 mit 160.000 fast dreimal so viele gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Trotz der erheblichen Unterschiede lässt sich bei beiden Konzepten ein leichter Anstieg der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften aufzeigen (Statistisches Bundesamt 2005: 22). Unter Einpersonenhaushalten versteht man Personen im Erwachsenenalter, die einen eigenen Haushalt führen. Der Begriff allein wohnend bezieht sich nur auf die Wohnform, da über die Wohnform hinaus nichts über die sozialen Beziehungen der Personen ausgesagt wird. Entscheidend für die Zuordnung zur Kategorie "allein wohnend" ist nicht der Familienstand (ledig, verheiratet, geschieden und verwitwet), sondern die Haushaltsform. Allein wohnend schließt also soziale Beziehungen und Partnerschaften nicht aus. Seit 1925 ist die Anzahl der Einpersonenhaushalte absolut und relativ kontinuierlich gestiegen. 1972 lebten 14% der volljährigen Bevölkerung allein, 2000 waren es bereits 16,7%. 36,5% aller Haushalte sind Einpersonenhaushalte. Die Gruppe der Alleinlebenden unterscheidet sich stark nach Alter und Geschlecht. Es lassen sich zwei Tendenzen ausmachen. Zum einen geht es um eine Zunahme der Anzahl hochbetagter Frauen, zum anderen lässt sich eine Zunahme bei den jüngeren Alleinlebenden feststellen. Im Jahr 2000 lebten knapp zwei Drittel aller Frauen ab 75 Jahren allein im Haushalt. Bei der zweiten Gruppe der Alleinlebenden, den Jüngeren, lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen. Liegt der Schwerpunkt bei alleinlebenden Frauen bei den unter Dreißigjährigen, so ist die Wahrscheinlichkeit des Alleinlebens bei Männern zwischen 30 und Mitte 40 gestiegen. Wesentliche Gründe für den Anstieg jüngerer Alleinlebender sind die Verlängerung der Ausbildungszeiten, Veränderungen in der Paarbildung und die Aufschiebung der Familiengründung (Engstler/Menning 2003: 50). Im Kontext von Meldungen über den "Zerfall der Familie" und die zunehmenden Vereinzelungstendenzen sind die Lebensformen von Kindern ebenfalls Thema der Individualisierungsdiskussion. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung wächst die überwiegende Mehrheit der minderjährigen Kinder bei ihren verheiratet zusammenlebenden Eltern auf - im Jahr 2004 waren es 81% der 12,5 Mio. minderjährigen Kinder in Westdeutschland. 14 % (22% im Osten) der Kinder wuchsen bei einem allein erziehenden Elternteil auf und 5% (16% Ost) in einer Lebensgemeinschaft. Der Anteil der 33
bei Ehepaaren lebenden Kinder ist jedoch in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Im früheren Bundesgebiet hat sich der Anteil der bei Ehepaaren lebenden Kinder unter 18 Jahren von 93,4% im Jahr 1972 auf 83,9% im Jahr 2000 verringert. Fast die Hälfte der minderjährigen Kinder wuchs mit einer Schwester oder einem Bruder auf, ein Viertel der Kinder ohne Geschwister (Statistisches Bundesamt 2005: 27f.). Wohngemeinschaften gelten als wirkliche neue Haushaltstypen, obwohl das Zusammenleben von nichtverwandten Personen zum Beispiel auch in Klöstern oder beim Schlafgängerwesen vorkam. Spiegel definiert Wohngemeinschaften als "gemeinsamen Haushalt von mindestens drei Erwachsenen mit oder ohne Kinder, die in der Regel nicht miteinander verwandt sind" (Spiegel 1986: 132). Ein wesentliches strukturelles Merkmal ist die gemeinsame Haushaltsführung der Mitglieder. In den 1960er Jahren wurden Wohngemeinschaften als revolutionäre Gegenbewegung zu der bürgerlichen Kleinfamilie propagiert. Wohngemeinschaften wurden als bewusste politische Lebensform gegen die als repressiv bezeichnete Familie gegründet. Mit dieser "Kommunenbewegung" verbanden sich theoretisch begründete sozialrevolutionäre Absichten. In der weiteren Entwicklung entfernten sich Wohngruppen von der politischen Zielsetzung und wurden mehr und mehr pragmatische Lösungen zur Wohnraumversorgung insbesondere jüngerer Erwachsener. Die Wohngemeinschaften vollzogen "eine pragmatische Wendung ins Alltägliche" (Schülein 1990). Mit der "Zweck-WG" nahm die Zahl der Wohngemeinschaften immer mehr zu. Spiegel schätzt für das Jahr 1980 eine Zahl von ca. 200.000 bis 450.000 in Wohngemeinschaften lebenden Personen (Spiegel 1986: 133).13 Die soziale Zusammensetzung der Wohngemeinschaften hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten verändert. Anfang der 1980er Jahre lag das Durchschnittsalter der vorwiegend ledigen und in Ausbildung befindlichen Erwachsenen bei 25 Jahren. Inzwischen ist das Durchschnittsalter angestiegen und ein Teil der WG-Mitglieder lebt auch nach Abschluss einer Ausbildung in dieser Lebensform (Peukert 1999: 97).14 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ausdifferenzierung von Haushaltsund Wohnformen Symptom eines gesellschaftlichen und ökonomischen Wandels ist. Das Spektrum der Haushalts- und Familienformen ist aber auch heute noch durch die Dominanz familialer und ehelicher Lebensformen geprägt; die nichtfamilialen Lebensformen bleiben in der Minderheit. Es lassen sich jedoch deutliche Veränderungstendenzen feststellen. Neben die Normalfamilie (verheiratetes Paar mit Kindern) sind zunehmend andere Familienformen getreten (nicht-eheliche oder gleichgeschlechtliche 13
14
34
Auch hier gibt es Probleme mit der Statistik. Für 1970 wurden die familienfremden Mitglieder von Mehrpersonenhaushalten als WG herangezogen. Hier können und sind auch nichteheliche Lebensgemeinschaften enthalten (Häußermann 1999: 15). Einen Überblick über Forschungsarbeiten zum Thema Wohngemeinschaften gibt Bertels 1990, vgl. auch Haider 1984.
Lebensgemeinschaften, Patchwork-Familien, Ein-Elternfamilien etc.). Immer noch ist die Familiengründung das Ziel vieler, aber sie findet in einem höheren Alter statt und immer öfter außerhalb der Ehe. Daneben wächst der Anteil der kinderlosen Bevölkerung und insbesondere in den Städten nimmt der Anteil der Ledigen und Alleinwohnenden zu. Die Mehrheit dieser Singles wohnt zwar alleine, lebt aber nicht alleine. Diese Form des living apart together wird von einigen Autoren für den Familientyp der Zukunft gehalten. Kommunikation und Interaktion innerhalb informeller Netzwerke bleiben jedoch in Städten und ländlichen Regionen gleichermaßen überwiegend familienzentriert (Bertram 1994). 2.2. Geschlechterverhältnis und innerfamiliale Arbeitsteilung Neben dem Prozess der Ausdifferenzierung und Pluralisierung von Lebensformen ist die Ausgestaltung dieser Lebensformen, insbesondere im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis, für die vorliegende Arbeit von Bedeutung. Wie bereits deutlich wurde, sind viele der im Kontext von Individualisierung beschriebenen Veränderungsprozesse entscheidend durch den sozialen Wandel im Geschlechterverhältnis beeinflusst worden. Im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Emanzipationsprozesse steht seit Beginn des 20. Jahrhunderts der Zugang von Frauen zu Bildung und zum Arbeitsmarkt. Dieser Prozess der nachgeholten Individualisierung von Frauen bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass damit eine neue Arbeitsteilung gesellschaftlich etabliert wurde. Da die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als eine gesellschaftliche Strukturkategorie eine zentrale Bedeutung für das Verhältnis der Geschlechter hat, ist es wichtig, die alltagspraktische Gestaltung der Arbeitsteilung in familialen und nichtfamialen Lebensformen zu analysieren. Ausgangspunkt meiner Überlegungen zum sozialen Wandel der Geschlechterverhältnisse sind die in Kapitel 1.2 dargestellten Überlegungen, dass es sich bei der Idee der individualisierten gleichberechtigten Partnerschaft im Wesentlichen um eine semantische Leitvorstellung handelt (Koppetsch/Maier 1998, Koppetsch/ Burkhart 1999). Dies bedeutet, dass die Geschlechtsnormen auf einer faktischen Ebene weiterhin gültig sind und sich dementsprechend Hinweise auf eine deutlich geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Partnerschaften finden lassen müssten. Gleichzeitig ist von einer Diskrepanz zwischen Anspruch und alltagspraktischer Gestaltung in einer Partnerschaft auszugehen.15
15
Koppetsch/Maier gehen von einer milieuspezifischen Ausprägung des Leitbildes und der Alltagsgestaltung in Partnerschaften aus. Sie zeigen auf, dass nur im individualisierten Milieu der Anspruch einer gleichberechtigten Partnerschaft besteht, hingegen im traditionalistischen und familistischen Milieu herkömmliche Geschlechtsrollenarrangements nach wie vor selbstverständlich sind (1998: 152).
35
In den letzten Jahren haben Studien zur Arbeitsverteilung in Partnerschaften zugenommen. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen steht die Frage nach den Faktoren, die die Entwicklung egalitärer Muster partnerschaftlicher Arbeitsteilung behindern oder fördern. In Zeitbudgetstudien16 wurde analysiert, wie sich der Zeitaufwand für Hausarbeit und Erwerbstätigkeit zwischen den Geschlechtern verteilt. Ein weiterer Forschungsansatz untersucht die geschlechtsspezifische Verteilung der einzelnen Tätigkeiten der innerfamilialen Arbeit. Erst seit den 90er Jahren wird auch die Arbeitsteilung in nichttraditionalen Familien- und Lebensformen untersucht. Vorher war die Forschung weitgehend auf die innerfamiliale Arbeitsteilung bei Ehepaaren beschränkt (Künzler 1999). Keddi/Seidenspinner (1991) sehen in der ungleichen Verteilung der häuslichen Arbeit einen Indikator für die soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Nach Ansicht der Autorinnen lässt sich zwar seit den 1980er Jahren ein neues gesellschaftliches Leitbild egalitärer Arbeitsteilung feststellen, die faktische Umsetzung in der alltäglichen Lebensführung ist jedoch nicht gegeben. Trotz Debatten über die Pluralisierung der Lebensformen zeigen die Ergebnisse empirischer Untersuchungen, dass es sich bei der traditionellen geschlechtsspezifischen innerfamilialen Arbeitsteilung um ein stabiles Muster handelt. Bettina Langfeldt untersucht auf der Grundlage der Daten des Familiensurveys aus dem Jahr 2000, ob familienfreundliche Arbeits(zeit)arrangements eine egalitäre innerfamiliale Arbeitsteilung begünstigen (2002: 202). Grundlage der Untersuchung sind in einem gemeinsamen Haushalt lebende Paare. Ein wesentlicher Analyseaspekt ist der Umfang der häuslichen Arbeitszeit, der sich bei den Geschlechtern unterschiedlich verteilt. Ebenso wirkt sich der Einfluss der eigenen Erwerbsarbeitssituation auf das Hausarbeitsvolumen bei Frauen und Männern unterschiedlich aus. Bei den befragten Männern ist eine Steigerung der Hausarbeitszeit nur dann zu verzeichnen, wenn ihre Erwerbsarbeitzeit drastisch sinkt. Bei den Frauen ist dagegen eine deutliche Abhängigkeit des Hausarbeitsvolumens von der Erwerbsarbeit (Vollzeit, Teilzeit) festzustellen. Insgesamt liegt des Hausarbeitsvolumen der Vollzeit erwerbstätigen Frauen dennoch deutlich über dem der erwerbstätigen Männer (Langfeldt 2002: 204f.). Der Einfluss der Erwerbsarbeit der Partnerin auf die Mitarbeit und den zeitlichen Umfang der männlichen Tätigkeiten der Vollzeit erwerbstätigen Männer im Haushalt erweist sich als gering. Dies trifft umso mehr zu, wenn Kinder im Haushalt vorhanden sind. Trotz der insgesamt leicht wachsenden Beteiligung der Männer am Haushalt bestehen
16
36
So hat das Statistische Bundesamt 1991/92 die erste repräsentative Zeitbudgeterhebung durchgeführt, die 2001/02 wiederholt wurde. Gegenstand der Erhebungen war die aktuelle Zeitverwendung in Deutschland (vgl. BMFSFJ/Statistisches Bundesamt 2003).
nach wie vor männliche Präferenzen für bestimmte Haushaltsbereiche (Langfeldt 2002: 210). Auch in der Untersuchung von Anina Mischau u.a. (1998) war der Familienstand kein Auswahlkriterium, es wurden Partnerschaftsfrauen befragt (Frauen in einer Partnerschaft mit und ohne Kinder). Sowohl die alltagspraktische Verteilung der Arbeiten als auch die erwünschte Verteilung wurde erhoben. Die verschiedenen Tätigkeiten (Arbeiten für das Kind/die Kinder, Wohnung saubermachen und Putzen, Wäsche waschen, Kochen, Abspülen und Abtrocknen, Einkaufen) wurden differenziert betrachtet. Die Kinderbetreuung liegt überwiegend in den Händen der Frauen, ebenso die anderen Arbeitsbereiche. Ausnahmen sind in den Tätigkeitsfeldern Abspülen/Abtrocknen und Einkaufen zu beobachten, in denen immerhin zu 32,6% und 40,1% die Aufgaben gemeinsam erledigt werden (Mischau u. a. 1998). In dieser Studie zeigt sich, dass vollerwerbstätige Frauen mit der größten Unterstützung des Partners rechnen können. Der Einfluss von Bildung, Einkommen und Alter ist bei den Tätigkeiten jedoch unterschiedlich. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass je weniger Einkommen Frauen haben, desto mehr die Tätigkeiten im Haushalt vollständig von ihnen übernommen werden. Alter und Bildung scheinen eher eine Rolle bei der Frage nach der Zufriedenheit zu spielen. Je jünger und gebildeter Frauen sind, desto unzufriedener sind sie mit einer ungleichgewichtigen Arbeitsteilung. Die Autorinnen haben auch ausgewählte männliche Arbeitsbereiche (Reparaturen im Haus/in der Wohnung und KFZ reparieren und pflegen) in den Blick genommen. In beiden Bereichen werden diese Tätigkeiten überwiegend vom Partner übernommen (68,2% und 63,6% der Fälle) und die Frauen sind mit dieser Arbeitsteilung weitgehend zufrieden (Mischau u. a. 1998: 348f.). Zusammenfassend fällt auf, dass es nach wie vor typisch weibliche und typisch männliche Aufgaben im Haushalt gibt. Dies widerspricht der individualisierungstheoretischen Annahme einer egalitären Partnerschaft (Beck/Beck-Gernsheim 1990). Gleichzeitig bestätigen die angeführten Studien die andauernde Gültigkeit von Geschlechtsnormen und einen Wandel in erster Linie nur auf der Ebene des Leitbildes. Am ehesten erhalten vollzeiterwerbstätige Frauen bei der häuslichen Arbeit Unterstützung durch ihren Partner und können Arbeiten an Dritte abgeben. Umgekehrt erhalten nicht erwerbstätige und teilzeiterwerbstätige Frauen in der Tendenz die geringste Überstützung durch den Partner. Auch in der Zeitbudgeterhebung von 2001/02 bestätigt sich, dass die Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen eine partnerschaftlich ausgeglichenere Arbeitsteilung in Familienhaushalten mit Kindern (Meier/Küster/Zander 2004: 124) fördert. Aber auch wenn beide Partner vollzeiterwerbstätig sind, ist der Anteil der von der Frau geleisteten Haus- und Betreuungsarbeit nach wie vor höher. 37
Die traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt wird durch Kinder noch verstärkt, trotz bzw. unabhängig von einer Erwerbstätigkeit der Frau und auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften (Keddi/Seidenspinner 1991: 181). Auch bei Paaren, die zuvor partnerschaftlich organisiert waren, zeigt sich mit der Geburt eines Kindes eine stärkere geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Paare im Übergang zur Elternschaft sind daher eher der Gefahr einer Traditionalisierung bzw. Retraditionalisierung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ausgesetzt. Es bleibt alles in allem die ernüchternde Feststellung, dass das Bild der Neuen Väter oder der Neuen Partnerschaft zwischen Frau und Mann in erster Linie wohl noch immer ein Wunschbild ist, während die Realität eine andere Sprache spricht. (Mischau u. a. 1998: 351) Die Hauptlast der Eltern- und Hausarbeit liegt also nach wie vor bei den Frauen, während die meisten Männer nur symbolische (oder graduelle) Beiträge im Haushalt und in der Kinderbetreuung leisten. Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich verändert. Bereits die im Herbst 1985 von Sigrid Metz-Göckel und Ulla Müller veröffentlichte repräsentative empirische Studie Der Mann kam zu dem Ergebnis, dass sich an den alten Zuständigkeiten für Haushalt und Kinder wenig oder gar nichts geändert hat. Entsprechend gilt die mehrheitliche Akzeptanz der Hausmann-Rolle nur für die anderen Männer (Metz-Göckel/Müller 1985: 63). Auch die Ergebnisse der aktuellen Zeitbudgetstudie des Statistischen Bundesamtes bestätigen diese Tendenz. Insgesamt hat die Zeitbelastung der Frauen für Hausarbeit im Vergleich zu der Erhebung von 1991/92 abgenommen (Verringerung um 21 Minuten)17 und der Anteil, den Männer an der Hausarbeit (insbesondere Kochen und Einkaufen) leisten, hat um 14 Minuten täglich zugenommen. Eine detaillierte Analyse zeigt jedoch auf, dass es insgesamt weniger Männer sind, die sich überhaupt täglich an der Hausarbeit beteiligen. Diejenigen allerdings, die das tun, beteiligen sich mit einem deutlich höheren Zeiteinsatz als in der Vergangenheit. (Meier/Küster/Zander 2004: 120) Frauen, das betont auch der 7. Familienbericht der Bundesregierung nachdrücklich, leisten demnach nach wie vor den größten Teil der Haus- und Betreuungsarbeit (BMFSFJ 2006: 91f.). Besondere Erwartungen werden an nichteheliche Lebensgemeinschaften im Hinblick auf das Rollenverhalten und die Arbeitsteilung im Haushalt gerichtet. Zu der Frage, ob nichteheliche Lebensgemeinschaften - im Gegensatz zur Ehe - eine egalitäre Arbeitsteilung eher ermöglichen, sind widersprüchliche Ergebnisse vorhanden. Künzler geht auf der Grundlage einer neueren Untersuchung davon aus, dass die Unterschiede hin-
17
38
Kultureller Wandel, Rückgang der Kinderzahlen und Entwicklungen im Bereich der Haushaltstechnik werden wesentliche Faktoren für diesen Rückgang angenommen (Pinl 2004: 23).
sichtlich der Arbeitsteilung nicht signifikant sind (Künzler 1998).18 Wie Glatzer aufzeigt, erfolgt eine innovative Rollenübernahme in starker Abhängigkeit von der Wohnform, also vor allem bei nichtehelichen Paaren, die getrennt voneinander wohnen. Insgesamt kommt er zu dem Schluss, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften eine gerechtere Verteilung der Hausarbeit anstreben, aber in der Realität oft auf Schwierigkeiten stoßen und dann doch häufig einem traditionalen Muster der Arbeitsteilung folgen (Glatzer 1998: 23). Es zeigt sich ein Spannungsfeld von einer wachsenden Zustimmung zu egalitären Diskursen und Einstellungen einerseits und einer ungleichen Praxis andererseits. Dies lässt sich bereits bei Jugendlichen nachweisen: So beteiligen sich weibliche Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren bereits deutlich mehr an der täglichen Hausarbeit in der Familie als männliche Jugendliche. Diese Differenz vergrößert sich bei den 20- bis 23-Jährigen und mehr noch bei den 24- bis 29-Jährigen zu einem deutlichen Ungleichgewicht. Hier zeigt sich, dass der Umfang der von Männern angegebenen Hausarbeitszeit nahezu unverändert bleibt, bei den Frauen jedoch erheblich ansteigt (Knothe 2002: 129). Die ungleiche Beteiligung an Hausarbeit und Kinderbetreuung setzt bereits in jungen Jahren ein und verschärft sich noch in den folgenden Jahren, wobei der Geburt des ersten Kindes offenbar eine Katalysatorfunktion zukommt (Knothe 2002: 132). Keddi/Seidenspinner untersuchen neben der Arbeitsteilung auch die geschlechtsspezifischen Entscheidungsstrukturen in Paarbeziehungen. Im Gegensatz zur Arbeitsteilung überwiegen bei den Zuständigkeiten für Entscheidungen eher gemeinsame oder abwechselnde Zuständigkeiten. Die Autorinnen weisen jedoch darauf hin, dass sich zwei sehr unterschiedliche Entscheidungsebenen abbilden: Die Ebene des Bewältigens der Alltagsanforderungen (alltägliche Aufgaben) und die Ebene der gravierenden Entscheidungen wie größere Anschaffungen, Wohnungssuche, Schulwahl, berufliche Veränderungen etc. Auf der Ebene der Alltagsanforderungen entscheiden Frauen zu einem relativ hohen Anteil allein. Hier hat die Frau die Entscheidung über alltäglich anfallende Aufgaben und damit die Hauptverantwortung für das alltägliche Funktionieren des familialen Zusammenlebens. Bei den so genannten gravierenden Entscheidungen sieht die Struktur anders aus, hier liegt ein Schwerpunkt auf gemeinsam getroffenen Entscheidungen (Keddi/Seidenspinner 1991: 172). Insgesamt lässt sich sagen, dass der zeitlichen Höherbelastung der Frauen und ihrer Hauptverantwortung für Haushalt und Familie eine ausgeprägte geschlechtsspezifische innerfamiliale Entscheidungsstruktur entspricht. 18
Eine frühere Untersuchung geht dagegen davon aus, dass die Chancen für eine gleichberechtigte Arbeitsteilung in nichtehelichen Lebensgemeinschaften höher sind als in der Institution Ehe (Meyer/Schulze 1988). Ebenso machen Keddi/Seidenspinner (1991: 173) bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften eine starke Tendenz zu einer Entlastung der Frauen und zu einer Gleichverteilung der Hausarbeit aus.
39
Der Blick auf die empirische Praxis hat die These von Koppetsch/Maier bestätigt, den durch Individualisierungsprozesse hervorgerufenen Wandel der Geschlechterbeziehungen vornehmlich als einen Wandel in den Leitvorstellungen zu begreifen. Es zeigt sich ein Spannungsfeld zwischen einer wachsenden Zustimmung zu egalitären Diskursen und Leitbildern im Geschlechterverhältnis und einer weiterhin durch Ungleichheit geprägten sozialen Praxis. Diese Ungleichheit zeigt sich so Koppetsch/Burkhart (1999) selbst im individualisierten Milieu, bei dem sie im Zusammenhang mit der Realisierung des Gleichheitsanspruchs von einer Illusion der Emanzipation sprechen. Familie und die ungleiche innerfamiliäre Arbeitsteilung ist offensichtlich im Vergleich zu anderen Lebensbereichen durch eine größere Resistenz gegenüber Modernisierungsprozessen charakterisiert (Geissler/Oechsle 2000). Die Frage nach der innerfamilialen bzw. der partnerschaftlichen Rollen- und Arbeitsteilung spielt vor dem Hintergrund von neuen Wohn- und Lebensformen eine besondere Rolle. Die neuen Wohnformen drücken einen Wunsch nach egalitären Wohnformen aus (Spiegel 1986). Dies gilt allgemein, aber besonders für Frauen. Bei der Analyse des Fallbeispiels der Projektreihe Einfach und selber bauen wird daher ein besonderer Augenmerk auf die Gestaltung der innerfamilialen Arbeitsteilung gelegt. Da die Reiheneigenheime in diesen Projekten von den beteiligten Familien zum großen Teil in Selbsthilfe erbaut werden, wird auch der Bauprozess unter dem Aspekt der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in den Blick genommen. Vor dem Hintergrund der dargestellten Ergebnisse zu Arbeitsteilungen in Partnerschaften lässt sich jedoch davon ausgehen, dass die Alltagspraxis der Familien von einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung geprägt ist, was sich somit auch in einer ungleichen Praxis im Bauprozess widerspiegelt. Der Frage, ob sich diese Annahmen zur Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern in einer Ausnahmesituation wie dem Hausbau bestätigen oder außer Kraft gesetzt werden, wird in der Analyse des Fallbeispiels nachgegangen.
3. Neue Wohnformen - zwischen Individualisierung und Vergemeinschaftung Aktuell wird die Frage von nachbarschaftlichen Netzwerken auf der gesellschaftstheoretischen Ebene, wie oben dargelegt wurde, im Zusammenhang mit Individualisierungskonzepten diskutiert. Wesentliche Aspekte sind dabei die Veränderungen der Lebens- und Wohnformen vor dem Hintergrund eines massiven gesellschaftlichen Strukturwandels. Der erste Teil dieses Kapitels behandelt Gemeinschaft und Nachbarschaft im Kontext stadtsoziologischer Diskussionen. Eine Annäherung an die aktuellen Formen und Funktionen von gemeinschaftlichen Wohnformen als ein Moment der sozialen Einbindung erlaubt der Bereich der alternativen Wohnprojekte bzw. der
40
neuen Wohnformen, zu denen im zweiten Teil des Kapitels empirische Befunde dargelegt werden. 3.1. "Gemeinschaft" als Thema der (Stadt-)Soziologie und ihre Bedeutung für das Wohnen Das Thema Gemeinschaft bzw. Auflösung von Gemeinschaft wird in der Stadtsoziologie im Kontext von Urbanisierung diskutiert. Eine zentrale Fragestellung ist hier, ob und inwiefern der Prozess der Urbanisierung einen Verlust von Gemeinschaft impliziert. Urbanisierung bezeichnet zwei Dimensionen: Zum einen den räumlichen Prozess der Konzentration der Bevölkerung in städtischen Regionen; zum anderen die Herausbildung einer spezifischen städtischen Lebensweise. Nach Hartmut Häußermann bedeutet "Gemeinde, verstanden als eine über gemeinsame Werte integrierte Gemeinschaft, (...) mehr als einen bestimmten Ort; der Begriff umschreibt auch eine bestimmte Qualität von Beziehungen." (Häußermann 2001: 507f). Die Soziologie gibt nach Einschätzung von Häußermann und Siebel (1994) drei unterschiedliche Antworten auf die Frage der Beziehung zwischen Urbanisierung und Gemeinschaft. Nach Ansicht der Autoren lässt sich von Desintegration sprechen, wenn die Gemeinschaftsbildung in großen, dicht bevölkerten Gebieten zerstört wird; zweitens von Persistenz, wenn ein Gefühl von Gemeinschaft innerhalb der Nachbarschaften oder Quartieren auch großer Städte überlebt und drittens von einem Wandel von Gemeinschaft als einer Veränderung von gemeinschaftlichen Beziehungen durch Urbanisierungsprozesse. Einer der ersten Soziologen, der das Problem der Desintegration thematisierte, war 1887 Ferdinand Tönnies (1855-1936). Mit seiner dichotomischen Gegenüberstellung zweier Systeme, der Gemeinschaft und der Gesellschaft, rückte er die negativen Folgen der Urbanisierung in den Vordergrund. Urbanisierung war für ihn gleichbedeutend mit dem Wandel von Gemeinschaft zu Gesellschaft. Das Modell für Gemeinschaft stellten dabei kleine Städte dar, die ein enges (soziales) Netzwerk von gemeinsamen Traditionen, Zielen und Werte bildeten. Mit der Vorstellung einer Gesellschaft dagegen war in seiner Sicht die städtische industrielle Gesellschaft verbunden, die gekennzeichnet war durch einen Verlust der persönlichen Bindungen und Beziehungen und den formalen Zusammenhalt durch Organisation und Märkte. Tönnies beschreibt die städtische Gesellschaft als eine hoch spezialisierte Gesellschaft, die von sozialer Distanz geprägt ist. In seiner Analyse rückt der Verlust von nachbarschaftlicher und familiärer Solidarität in den Mittelpunkt der Betrachtung (Tönnies 1887). Auch Georg Simmel (1858-1918) sieht in den unpersönlichen, sachlichen Beziehungen ein Charakteristikum des großstädtischen Lebens. Als bestimmende Faktoren nennt er die Größe und Dichte des städtischen Zusammenlebens, Markt, Geldwirt41
schaft und Arbeitsteilung. Im Gegensatz zu Tönnies stehen bei ihm jedoch nicht nur der Verlust von nachbarschaftlichen Beziehungen aufgrund von Urbanisierungsprozessen im Vordergrund, sondern auch die Möglichkeit einer Zunahme von Freiheit und Individualität. Die festgestellte soziale Distanz und Entfremdung in großstädtischen Zusammenhängen kann seiner Ansicht nach also auch zu einer größeren Toleranz gegenüber individuellen Unterschieden und persönlichen Eigenarten im Zusammenleben beitragen. Simmel hebt die Ambivalenzen der Urbanisierung im Gegensatz zur zeitgenössischen Großstadtkritik deutlich hervor (Simmel 1903). Dies ist umso erstaunlicher, als es unter dem Eindruck einer ungeheuren Urbanisierungswelle geschieht. Wie u. a. Häußermann aufzeigt, haben die Gedanken Simmels Eingang in die Stadtforschung gefunden und waren dort sehr einflussreich (Häußermann 2001: 509). In der historischen Betrachtung der Gemeinschaftsbildung zieht Häußermann eine direkte Linie zu dem in den 1920er und 1930er Jahren in Chicago durchgeführten Stadtforschungsprogramm. Die "Chicagoer Schule" um Robert Park untersuchte die mit der zunehmenden Auflösung der lokalen Bindungen und Gemeinschaften verbundenen Gefahren. Die Autoren der Studie heben die soziale Kontrolle als eine wesentliche Funktion der dörflichen Gemeinschaften und der Familie hervor. In großstädtischen Zusammenhängen sehen sie diese soziale Kontrollfunktion, die den Individuen Schranken und Hindernisse auferlegt, schwinden. Die Folgen seien, so Park, Burgess und McKenzie, unmoralisches, abweichendes Verhalten und eine Zunahme der Kriminalität (Park/Burgess/McKenzie 1925). Sie weisen jedoch darauf hin, dass auch in der Großstadt Gemeinschaften, "communities", existieren, die Orte sind, in denen Menschen ähnlicher Herkunft und mit ähnlichen Werten leben. Diese räumlich abgegrenzten Gebiete bilden so etwas wie "Dörfer in der Stadt", Gebiete, die durch eigene Normen, Traditionen und Verhaltensmuster geprägt sind. Diese These von einer Aufrechterhaltung enger sozialer Beziehungen in städtischen Vierteln oder Quartieren in großen modernen Städten wurde Ende der 1960er Jahre in soziologischen Untersuchungen bestätigt. Es wurde festgestellt, dass sich die sozialen Beziehungen in benachteiligten Quartieren von denjenigen der übrigen städtischen Gebiete unterscheiden. Diese Quartiere wurden im Kontext von Stadtentwicklungspolitik zu Sanierungsgebieten und damit zum Gegenstand soziologischer Untersuchungen. Es wurde nachgewiesen, dass diese Quartiere ein funktionierendes nachbarschaftliches (Unterstützungs-)Netzwerk besaßen und sich in ihnen ein spezifisches Milieu herausgebildet hatte (vgl. Zapf 1969, Gude 1971). Wie Häußermann herausstreicht, bilden sich solche Strukturen besonders häufig in Quartieren, in denen unterschiedliche Kulturen zusammenleben, die in besonderer Weise auf "die Solidarität ihrer Fami-
42
lien und ihrer ethnisch-kulturellen Netzwerke angewiesen sind" (Häußermann 2001: 511). Aber nicht nur in diesen Quartieren findet die Soziologie Hinweise auf das Überleben gemeinschaftlicher Strukturen. Nicht mehr ausschließlich die gemeinsame Herkunft oder die räumliche Nähe stellt in einer städtischen Umwelt Gemeinschaft her, sondern auch gemeinsame Interessen, Berufe oder anderes. Die Bevölkerungsgröße und -dichte einer Großstadt und damit auch die Differenziertheit der Bevölkerung kann so auch neue Formen der sozialen Bezüge herstellen und neue Gemeinschaftsformen herausbilden. Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen den Beziehungskontakten in kleineren Gemeinden und jenen in Städten. Die größere Zahl unmittelbarer sozialer Kontakte (in Gemeinden) wird als ganzheitliche Kontakte bezeichnet. Die sozialen Kontakte in Städten, die unabhängig von der räumlichen Nähe sind, werden als segmentäre Kontakte charakterisiert (ebd.). Häußermann und Siebel (1996) weisen darauf hin, dass alle analytische Blicke der Soziologie auf den Zusammenhang von Urbanisierung und Gemeinschaft (Desintegration, Persistenz und Wandel) ihre Berechtigung haben und in unterschiedlicher Weise, abhängig von der Betrachtungsweise der Forscherin, bestehen können. In einem anderen Zusammenhang tauchte die Frage nach Gemeinschaft in den 1960er Jahren als Gegenstand stadtsoziologischer Forschung wieder auf. Das Thema Nachbarschaft berührt ähnliche Aspekte und wurde intensiv diskutiert (vgl. z. B. Hamm 1973, Bahrdt 1968, Klages 1968). "Nachbarschaft" avancierte in den 60er/70er Jahren zu einem zentralen stadtsoziologischen Forschungsfeld mit großer Bedeutung. Im Kontext der Stadterweiterungsplanungen nahm Nachbarschaft "als Form ortsgebundener Sozialbeziehungen" (Häußermann/Siebel 1994: 377) einen besonderen Stellenwert ein. Nachbarschaft als ein Konzept funktionierender Sozialbeziehungen vor Ort, direkt vor der Haustür, wurde als wesentliche Planungsgrundlage für (Neubau-)Siedlungen betrachtet.19 Im Zuge der Stadterweiterungsplanungen der 1960er Jahre, in den viele Siedlungen neu geplant und evaluiert wurden, spielte die Frage nach einer möglichen räumlichen Herstellung von nachbarschaftlichen Bezügen in der Stadtplanung eine wichtige Rolle. Demgegenüber stand eine Reihe von Untersuchungen, die in der Tradition der konservativen Kulturkritik der Jahrhundertwende standen und einen Funktionsverlust, eine Reduktion bzw. eine Erosion von Nachbarschaft feststellten. In dieser Sichtweise wurde die festgestellte Reduktion nachbarschaftlicher Beziehungen (und ein gleichzeitiger Rückzug ins Private) als ein Zeichen für die zunehmende Anonymität und Isolation in 19
1973 kennzeichnet Hamm die Bedeutung von Nachbarschaft anhand der beiden Merkmale räumliche Nähe und soziale Interaktion (Hamm 1973: 14).
43
den Großstädten interpretiert. Dieser Entwicklung sollte in der Planung von Neubausiedlungen entgegen gewirkt werden. Dahinter stand die Annahme, dass sich eine Gemeinschaft quasi "natürlich" aus der räumlichen Nähe des Wohnens und der Infrastruktur entwickeln, dass Nachbarschaft "gebaut" werden könnte. Nachbarschaft wurde somit als "planerisch herstellbares soziales Konstrukt behandelt" (ebd.: 379). Die Ergebnisse der Studien zur Nachbarschaftsentwicklung zeigen jedoch übereinstimmend eine "Erosion von engen sozialen Beziehungen auf lokaler Basis" (ebd.: 378). Die Veränderung der Formen von Nachbarschaft und deren Einschätzung im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung, bestätigt sich auch in späteren Untersuchungen (vgl. Engelhard 1986, Diewald 1991). Die an einen Ort gebundenen Sozialbeziehungen lösen sich mehr und mehr auf, andere Sozialbeziehungen entstehen. Ein wichtiges Ergebnis der Forschungsarbeiten, z. B. von Engelhard und Diewald, ist jedoch, dass die veränderten Nachbarschaftsbeziehungen nicht zwangsläufig mit Unzufriedenheit betrachtet werden. Im Gegenteil, die Funktionen von Nachbarschaft haben sich gesellschaftlich bedingt verändert und werden in dieser Veränderung als angemessen beurteilt. Die Notwendigkeit zu engen solidarischen Beziehungen, wie sie etwa Hamm (1973) in Bezug auf die Verpflichtungen zu gegenseitigen Hilfeleistungen vormoderner Gesellschaften oder den solidarisch geprägten Arbeiterwohnquartieren des 19. Jahrhundert beschreibt, haben sich gewandelt. Die Nachbarschaftsforschung wurde von der empirischen Netzwerkforschung abgelöst. Diese zeigt auf, dass die Großstadt keineswegs nur durch Anonymität und Isolation gekennzeichnet ist. Die bereits in der Nachbarschaftsforschung festgestellte Erosion von lokal gebundenen Beziehungen und Kontakten wird in Bezug auf großstädtische Lebenssituationen bestätigt. Durch die Verfügbarkeit von (privaten und öffentlichen) Verkehrsmitteln und Kommunikationsmitteln ist eine lokale Beschränkung oder Konzentration von Beziehungsnetzen nicht mehr notwendig. Der Raumbezug von sozialen Netzwerken verändert sich. Die Kriterien der Beziehungsherstellung verändern sich ebenfalls. Nicht mehr die räumliche Nähe des Beieinanderwohnens ist ein Auswahlkriterium für Kontakt, sondern die auf Wahlfreiheit beruhende persönliche Auswahl aufgrund ähnlicher Interessen, Werte, Arbeitsbezüge etc. (vgl. Keupp/Röhrle 1987). Damit können Kontakte, die als einengend, sozial kontrollierend etc. empfunden werden, auch abgewählt werden. Die mit einer engen lokalen Gemeinschaft möglicherweise verbundenen negativen Aspekte der sozialen Kontrolle und Intoleranz können so mit einer eigenständigen Wahl der Kontaktnetze wegfallen. In der Netzwerkforschung wird untersucht, welche Faktoren Einfluss auf die Struktur und die Inhalte von Netzwerken haben. Die Stellung im Lebenszyklus und die Zugehörigkeit zu sozialen Schichten stellen sich als die wesentlichen Faktoren der Netz44
werkbildung heraus. Das bedeutet für verschiedene Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedliche Lebenssituationen hinsichtlich der Dichte von Netzwerken und der Reichweite von Netzwerkkontakten sowie der Möglichkeit, diese herzustellen (z. B. Kinder und alte Menschen). Ein ganz wesentlicher Punkt der Netzwerkforschung ist jedoch die Verbindung mit der Ungleichheitsforschung: "Struktur, Intensität und Nutzen sozialer Netze bezeichnen eine neue Dimension sozialer Ungleichheit" (Häußermann/Siebel 1994: 379). Damit wird deutlich, dass die lokal gebundene Nachbarschaft nicht für alle Stadtbewohner und -bewohnerinnen gleich an Bedeutung verloren hat. Vielfältige und intensive Netzwerkkontakte stellen eine Art soziales Kapital dar. Je höher der sozioökonomische Status einer Person ist, desto weniger ist dieses Kapital durch lokale Nachbarschaften bestimmt. Umgekehrt bedeutet es für Menschen, die nur über wenig Kommunikations- und Mobilitätsmöglichkeiten verfügen, eine Angewiesenheit auf die lokal vorhandenen sozialen Netze. Daneben zeichnen sich Tendenzen zu einer individuellen Konstruktion von sozialen Netzen auf der Basis von gemeinsamen Lebensstilen ab. Was wird nun aus der Gemeinschaft im Zuge der Individualisierung? Die Diskussion um Nachbarschaft und Gemeinschaft im Kontext von Urbanisierung ist häufig von einem Dualismus geprägt: Der Annahme einer funktionierenden Nachbarschaft im dörflichen Kontext steht die Annahme großstädtischer Isolation und Anonymität gegenüber.20 Diese entfremdete Lebensform ist in den Großstädten mehr oder weniger ausgeprägt (auch hier gibt es "Inseln" der Gemeinschaft, communities, z. B. in Quartieren), aber die Isolation in der Großstadt ist eine grundlegende (Vor-) Annahme der soziologischen Betrachtungsweise. Ob einerseits jedes Dorf eine funktionsfähige Nachbarschaft besitzt, oder andererseits in Städten ausgeprägte Quartiersbezüge festzustellen sind, liegt erst einmal außerhalb der grundsätzlichen Dualität. Gemeinschaft/Nachbarschaft als Grundlage dörflichen Zusammenlebens wird in der Forschungsliteratur überwiegend positiv konnotiert, Großstadt im negativen Sinn mit Isolation und Entfremdung. Die von Simmel für das großstädtische Leben aufgezeigte Dimension der zunehmenden Freiheit und Individualität wird in dieser Diskussion nicht benannt. Ein weiterer Punkt der stadtsoziologischen Diskussion betrifft die territoriale Gebundenheit von Gemeinschaft, die sich in der soziologischen Diskussion als ein zentrales 20
Auf den Zusammenhang von Großstadtkritik und einer Nachbarschaftsideologie hat bereits Hamm (1973) aufmerksam gemacht. Als zeitgenössische Antworten auf die Großstadtkritik zu Anfang des 20. Jahrhunderts können Howards Konzept der Gartenstadt und das Planungskonzept der neighbourhood-units von Perry genannt werden (vgl. Hamm 1973, Bertels 1990).
45
Charakteristikum von Gemeinschaft herausgebildet hat. Damit verbunden war auch die Annahme, dass Unterschiede in der Lebensweise zwischen Stadt und Land existieren. Allerdings lassen sich Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse auch auf dem Land oder in einem Dorf beobachten. Mit der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte sind einige Grundannahmen der soziologischen Theoretiker um die Jahrhundertwende obsolet geworden.21 In den 1970er Jahren erkannte man, dass die Unterschiede zwischen Stadt und Land nicht zwingend waren, denn durch die gesellschaftliche Entwicklung fand eine zunehmende Angleichung zwischen städtischen und ländlichen Lebensformen statt. Individualisierung und Modernisierung ließen sich also auch in ländlichen Strukturen wieder finden. Nach einer Phase der Homogenisierung und Angleichung von städtischen und ländlichen Lebensformen stellen Häußermann und Siebel nun wieder eine verstärkte Differenzierung auf der Basis von Lebensstilen fest.22 Bezogen auf den Aspekt der nachbarschaftlichen Beziehungen vor dem Hintergrund von Individualisierungsprozessen werden hier mehrere Implikationen deutlich. Nachbarschaft ist nicht mehr selbstverständlich vorhanden, sondern wird zu einer individuell zu erbringenden Leistung. Bei der Herstellung von nachbarschaftlichen Netzwerken der bewussten Inszenierung (Häußermann 1999: 18) ist nicht mehr die räumliche Nähe ausschlaggebend, sondern ähnliche Lebensverhältnisse und Einstellungen. "Nachbarschaft verschwindet also keineswegs, sondern nimmt neue Formen an. War früher Nachbarschaft eher eine räumliche Tatsache, die sich sozial organisiert hat, so beruht sie heute eher auf sozialer Nähe, die sich räumlich organisiert hat." (Häußermann/Siebel 1994: 379) Die Voraussetzung der sozialen Nähe/Homogenität lässt ähnliche Ansprüche an Gemeinschaft vermuten. Ebenso wie sich die Lebensformen und Lebensstile weiter ausdifferenzieren, werden sich auch so meine Annahme die Ansprüche und Inhalte von gemeinschaftlichem Wohnen ausdifferenzieren. Dies geschieht allerdings vor dem Hintergrund unterschiedlicher materieller und sozialer Ressourcen. So haben nicht alle sozialen Gruppen die gleichen Voraussetzungen zur eigenständigen Inszenierung von nachbarschaftlichen Netzwerken und auch nicht das gleiche Interesse daran.
21
In Untersuchungen wurde festgestellt, dass gesellschaftliche Merkmale nicht automatisch mit Orten (Lokalitäten) verbunden werden können. Häußermann und Siebel (1994) beschreiben diesen Prozess in mehren Etappen: Die Anfänge der Stadtsoziologie erfolgten unter dem Eindruck einer massiven Urbanisierungswelle und folgten z. B. in der Großstadtkritik oder Zivilisationskritik einem negativen Eindruck der Entwicklung (Kulturpessimismus, Verlust von Gemeinschaftsbeziehungen). Die Gefahren der Moderne wurden hervorgehoben, die Herausbildung einer städtischen Lebensweise und der Unterschied zu ländlichen Lebensformen untersucht.
22
Es schließt sich also eine zunehmende Heterogenisierung von Lebensformen an, die die Autoren im Anschluss an Ulrich Beck mit dem Begriff der "reflexiven Modernisierung" bezeichnen.
46
Wie sehen nun die aktuellen Formen und Funktionen von Gemeinschaft und Nachbarschaft aus? Lassen sich in neueren empirischen Untersuchungen Aussagen zu diesen Punkten finden? Eine Annäherung an diese Fragen erlaubt der Bereich der alternativen Wohnprojekte bzw. der neuen Wohnformen, zu denen im folgenden Kapitel empirische Befunde dargelegt werden. 3.2. Neue Wohnformen: Wohnprojekte als Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungsprozesse? In den letzten 30 Jahren hat sich in Deutschland und den europäischen Nachbarländern ein Wandel der Lebens- und Wohnformen vollzogen. Neben die traditionelle Familie ist eine Vielzahl unterschiedlicher Formen des Zusammenlebens getreten. Dies war Gegenstand des vorhergehenden Kapitels. Wie haben sich nun diese Veränderungen der Lebensformen im Wohnen, den Wohnformen und den Vorstellungen vom Wohnen niedergeschlagen? Im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel haben sich in den 1980er und 90er Jahren hauptsächlich in den Städten neue Milieus mit spezifischen Lebensstilen herausgebildet. Damit einhergehend entwickelte sich eine Vielfalt von Wohnformen, die seit einigen Jahren unter dem Begriff "neue Wohnformen" zusammengefasst werden. In einer der wenigen bislang vorhandenen empirischen Studie zu Wohnprojekten arbeitet Joachim Brech (1999) zwei Merkmale der neuen Wohnformen heraus: Gemeinschaft und Partizipation. Der isolierten Kleinfamilie oder dem Singlehaushalt steht der Zusammenschluss mehrerer Haushalte gegenüber. Die Motive und Zielsetzungen des Zusammenschlusses sind vielfältig. Das zweite Merkmal der neuen Wohnformen liegt in der partizipativen Entwicklung und Gestaltung des Alltagslebens. Der Wunsch nach Mitbestimmung und Gestaltungsspielraum muss so Brech auch als Kritik am öffentlich geförderten Wohnungsbau verstanden werden (vgl. ebd.: 84f). Viele der entstandenen Wohnprojekte können auch als "Themenwohnen" bezeichnet werden, ein Begriff, der ebenfalls in der neueren Diskussion verwendet wird. Neben der gemeinschaftlichen Ausrichtung verfolgen viele der Projekte ein programmatisches Ziel, ein Thema, z. B. Wohnen mit Kindern, ökologisches Wohnen, FrauenWohnen usw. Diese Bezeichnungen können sowohl eine ausgrenzende Wirkung haben als auch eine Öffnung beinhalten oder intendieren. Unabhängig davon verweisen die programmatischen Ausrichtungen auf eine Vielzahl differenzierter Wohnwünsche und Bedürfnisse, die auf dem Wohnungsmarkt keinen angemessenen Platz finden. In der Vielfalt der Projekte23 werden Lebenszusammenhänge und Ansprüche thematisiert und 23
Einen Überblick über realisierte Projekte, ihre Organisations- und Trägerformen geben Brech 1990, Breckner 1995 und Stattbau 2002 für Hamburg, Wohnbund 2005 zum nachbarschaftlichen Wohnen in SchleswigHolstein, allgemeine Informationen bietet das Forum Gemeinschaftliches Wohnen (www.fgwa.de). Zu dem
47
realisiert, denen weitreichende gesellschaftliche Veränderungen zu Grunde liegen. Die Diskussion über alternative Wohnprojekte begann in den 1980er Jahren, als wie wir oben bereits gesehen haben neue Haushaltsformen in relevanten Größenordnungen auftraten. Die Entwicklung neuer Haushaltstypen wurde als Ausdruck einer Differenzierung von Lebensformen und Ansprüchen gesehen. Diese gesellschaftlich bedingten Veränderungen spiegelten sich auch in veränderten Anforderungen an die Organisation und die räumliche Gestaltung des Wohnens wider (Häußermann 1999). Die Grundlagen einer an dem Idealtypus der Familie ausgerichteten Wohnungspolitik wurden und werden zunehmend brüchiger und in Frage gestellt. Trotz dieser Entwicklungen dominieren wie Brech aufzeigt - bereits in den 1980er Jahren die familialen Wohnprojekte. Dies ändert sich auch in der aktuellen Bestandsaufnahme nicht. Brech beschreibt die Diskussionen der 1990er Jahre unter den Stichworten Gemeinschaftssinn und Alltagshilfen. Der gesellschaftliche Strukturwandel ist ein dominantes gesellschaftliches Thema geworden und damit wird die Integration in einen überschaubaren Lebenszusammenhang, in verlässliche soziale Netzwerke, die sich wegen der Veränderung des Arbeitslebens im privaten Bereich bilden, (...) zu einer für viele Menschen existentiellen Frage (Brech 1999: 88). Je mehr die Bedeutung der Familie als die wichtigste Lebensform abnimmt, desto mehr wächst ihre Bedeutung vor dem Hintergrund der zunehmenden Unsicherheit öffentlicher Versorgungssysteme. In der Sicht Brechs wird Familie als Antwort auf die Risiken eines individualisierten Lebens angesehen.24 Allerdings reicht die einzelne Familie nicht aus, um die gewachsenen Anforderungen zu bewältigen. Eine mögliche Lösung ist der Zusammenschluss mehrerer Familien und/oder der Aufbau einer "Ersatzfamilie" oder Wahlverwandtschaft. Neben eine milieustrukturierte Gesellschaft treten so Brech familiendominierte Nachbarschaftsformen. Damit verändern sich auch die räumlichen Anforderungen: Kleinere Siedlungseinheiten mit deutlich abgegrenzten privaten Zonen werden nachgefragt.
24
48
wachsenden Bereich der Altenwohnprojekte vgl. die Publikationen des Bundesmodellprogramms Selbstbestimmt Wohnen im Alter (BMFSFJ 2001), MSWKS 2004 und die sozialwissenschaftlichen Analysen einzelner Projekte bei Henckmann 1999 und Osterland 2000. Zu Frauenwohnprojekten vgl. MBW 1997 und Becker 2002, zu europäischen Beispielen vgl. Brech 1989, Steinberg 1996 und MCCamant/Durrett 1994, wobei letztere auch US-amerikanische Beispiele anführen. Der kommunitaristische Ansatz der Familie als Keimzelle der Gesellschaft und die Idee des Zusammenschlusses mehrerer Familien zur Förderung der Gemeinschaftsbildung trifft nach Brech auch in der deutschen Gesellschaft auf Resonanz (Brech 1999: 88). Vgl. dazu Etzioni 1995.
Entwicklungslinien der Wohnprojekte und Ergebnisse der Studien zu neuen Wohnformen Ende der 1980er Jahre haben sich die Publikationen zum Thema neue Wohnformen gehäuft. Klaus Novy zeigt die Diskussionen um die neuen Wohnformen auf und weist auf Defizite hin. Er hebt als zwei Hauptschwerpunkte der Debatte in den 1980er Jahren das "kosten- und flächensparende Bauen" und die "bauliche Selbsthilfe" hervor. Diese Diskussion sei allerdings im Wesentlichen von Architekten und Planern geführt worden (Novy 1989: 56). Eine von ihm angeführte empirische Analyse der Wohngruppenprojekte, die er allerdings nicht weiter belegt, weist seiner Ansicht nach darauf hin, dass diese Projekte von Jungakademikern (und darunter wiederum Jungfamilien) dominiert werden (Novy 1989: 57). In den letzten zehn Jahren hat sich dieses Bild verändert. Die Studie von Brech weist auf eine Ausweitung der Lebensformen hin, wie z. B. Alleinerziehende und Familien mit behinderten Kindern, die ebenfalls verstärkt im Projektbereich vertreten sind. Die Zielgruppen der Wohnprojekte scheinen sich verschoben zu haben: Waren es in den 1980er Jahren eher mittelständische Familien, die zum Teil auch mit gesellschaftsveränderndem Anspruch ihre Wohnvorstellungen umsetzten, so haben sich die Zielgruppen neuer Wohnformen ausgeweitet und weiter ausdifferenziert. Eigentumsorientierte Projekte sind nach wie vor Gruppen vorbehalten, die die entsprechenden finanziellen Grundlagen vorweisen können. Mit der Öffnung des geförderten Wohnungsbau für Wohngruppenprojekte, wie es beispielsweise in Hamburg in den 1990er Jahren geschah, können sich jedoch auch andere Nutzergruppen Zugang zu neuen Wohnformen schaffen (Schendel 2002: 27).25 Inwieweit dies unabhängig von individuell vorhandenen finanziellen Grundlagen geschehen kann, lässt sich jedoch mit dem vorhandenen Material nicht beantworten. In den letzten zehn Jahren kann von einem Anstieg der Wohnprojekte gesprochen werden. Wurden 1990 in einer Studie des Bundesministeriums zu neuen Wohnformen 220 Projekte ermittelt, so stieg die Zahl der mit der gleichen Erhebungsmethode ermittelten Projekte auf 537 in der Studie von Brech (1999: 148). Zahlreiche alternative Wohnprojekte sind im Zusammenhang mit der sich in den 80 Jahren entwickelten breiten Selbsthilfebewegung entstanden (z. B. der Hausbesetzerszene in deutschen Großstädten).26
25
Für Wohngruppenprojekte im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau ist dies allerdings mit Auflagen verbunden. So mussten die Mietpreisbindung und die Einkommensgrenzen eingehalten werden (Schendel 2002: 27).
26
Die Selbsthilfebewegung kann als Teil der sozialen Bewegung verstanden werden (Vilmar/Runge 1986). Im Kontext von Wohnen ist die Entstehung von Mieter- und Stadtteilinitiativen von besonderer Bedeutung. Dirk Schubert spricht in diesem Zusammenhang von dem Entstehen einer neuen sozialen Bewegung Anfang der 80er Jahre mit dem Fokus auf Sanierung, Wohnungspolitik und Mieterfragen (Schubert 1992: 36). Vgl. auch Kapitel III.4.
49
Wirft man einen Blick auf die bereits realisierten Wohnprojekte27 auf der Basis ihrer Entstehungsjahre, ergibt sich folgendes Bild: 14 Projekte sind in den 70er Jahren entstanden, bis auf eine Ausnahme handelt es sich hier um familiale Projekte. In den 80er Jahren entstanden 119 Projekte, darunter die überwiegende Mehrheit (96) familiale Projekte. Seit 1990 wurden 204 Projekte realisiert, die Zahl der familialen Projekte ist jedoch mit 97 Projekten konstant geblieben. In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der realisierten Wohnprojekte erheblich zugenommen, der Anteil der familialen Projekte ist jedoch zurückgegangen. Es lässt sich eine breite Ausdifferenzierung der Projekttypen beobachten. Obwohl es schwierig erscheint, da die Typen der Projekte sehr vielfältig und differenziert sind, hat Brech die von ihm untersuchten Projekte gegliedert. Er unterscheidet familiale Projekte, Projekte älterer Menschen, geschlechtsspezifische Wohnformen, Wohnen Behinderter, Jugendwohnen, Wohnformen von MigrantInnen und Wohnprojekte für Obdachlose (Brech 1999: 91). Über die Hälfte der Grundgesamtheit der untersuchten Projekte (303 von 537 Projekten) gaben an, familienorientiert zu wohnen. Der Anteil von Alleinerziehenden innerhalb der Familienprojekte liegt bei 36,4%. Ein weiterer Schwerpunkt der Wohnprojekte liegt auf dem Wohnen im Alter. Ein Drittel der familienorientierten Projekte nennt auch diese Verknüpfung von Wohnformen. Bezogen auf die Gesamtzahl der Projekte ist ein Anteil von 12,7% der Projekte Altenprojekte. Innerhalb dieser Kategorie ist eine Spannbreite der Projekte von Mehrgenerationenwohnen bis hin zum betreuten Wohnen vertreten. Unter der Kategorie Jung und Alt zusammen finden sich 18 Projekte. 6% der Projekte definieren sich als geschlechtsspezifisches Wohnen, wobei die Mehrheit mit 29 Projekten bei den Frauen- und Lesbenwohnprojekten liegt.28 Innerhalb dieser Kategorie gaben 20 Projekte an, dass dort Alleinerziehende mit ihren Kindern leben. In der Grundgesamtheit werden insgesamt 157 Projekte (30%) für Alleinerziehende genannt. Allerdings werden die meisten der alleinerziehenden Projekte unter der Kategorie der familialen Projekte genannt. Auf die Problematik der Kategorisierung von Frauenwohnprojekten weist auch Ruth Becker (2002) hin. Die von ihr vorgelegte Dokumentation der in der Bundesrepublik von 1978 bis 1998 entstandenen Frauenwohnprojekte erfasste insgesamt 45 Projekte (davon 39 fertig gestellte Projekte und
27
28
50
Brech unterscheidet in seiner Untersuchung verschiedene Phasen nach dem Stand der Realisierung: bezogen (339 Projekte), in der Bauphase (8), in Planung (129), in Konzeption (4) und gescheitert (10 Projekte) (Brech 1999: 102). Offen bleibt an dieser Stelle, ob sich unter den geschlechtsspezifischen Wohnprojekten auch Männerwohnprojekte befinden.
sechs in Vorbereitung).29 Becker unterscheidet vier verschiedene Projekttypen: autonome Frauenwohnprojekte (13), Wohnprojekte für allein erziehende Frauen (18), Wohnprojekte für ältere und alte Frauen (3) und Projekte des frauengerechten Wohnungsbaus (11). Die leichte Konzentration innerhalb der Frauenwohnprojekte auf die Zielgruppe der Alleinerziehenden, die Brech herausfand, wird durch die Dokumentation von Becker unterstützt und ergänzt um einen differenzierteren Blick auf Geschichte, Inhalte und Ausrichtung von Frauenwohnprojekten allgemein. Idee und Konzepte von Frauenwohnprojekten entstanden im Kontext der Frauenbewegung bereits in den 70er Jahren. Erste Projekte wurden in den 80er Jahren umgesetzt. Vergleichbar zu der quantitativen Entwicklung von Wohnprojekten allgemein, erfolgte auch der Durchbruch der Frauenwohnprojekte erst in den 90er Jahren. 30 Insgesamt 71 Projekte nennen die Integration von Behinderten als ein Projektziel. Darunter sind 13 Wohnprojekte, die sich ausschließlich dem Wohnen für Behinderte widmen. 10 Projekte geben die Versorgung von Obdachlosen mit Wohnraum als ihr vorrangiges Ziel an. Obdachlosen soll die Möglichkeit zum gemeinschaftlichen Wohnen untereinander gegeben werden. Insgesamt benennen 55 Projekte das Problem der Wohnungslosigkeit und schaffen in ihrem Projekt Wohnraum für diese Gruppe. Zwar nennen insgesamt 61 Projekte eine multikulturelle Ausrichtung, doch haben nur 6 Projekte explizit das Zusammenleben von Deutschen mit AusländerInnen angegeben. Als letzte Kategorie führt Brech das Wohnen Plus auf. Hier werden insgesamt 24 Projekte aufgeführt, die eine Kombination von Projekttypen vertreten: 12 Projekte Wohnen und Arbeiten, acht Wohnen und Soziales, drei Wohnen ohne Auto und ein Projekt Wohnen und Kultur. Laut Brech spielt die Selbsthilfe beim Bauen in den Wohnprojekten nur eine marginale Rolle. Es geben aber 201 Projekte an, Selbsthilfe zu leisten. Diese Selbsthilfeleistungen beziehen sich in erster Linie auf die Mitarbeit bei der Planung und Organisation und bei der späteren Bewirtschaftung. Beides sind ebenfalls zentrale Bereiche, wenn es um die Möglichkeiten der Partizipation geht (Brech 1999: 101). In engem Bezug zur Frage der Selbsthilfe steht die Bauform der Projekte: Neubau 52,5% (282), Altbau 22,7% (122), Umnutzung (Konversion von Kasernen, Fabriken, Bauernhöfen) 7,5% (40) und Kombination der Bauformen 8,0% (43). Fast zwei Drittel der Neubauprojekte sind familiale Projekte, bei den Altbauten machen die Familienprojekte die Hälfte aus. 29
Die Dokumentation beschränkt sich auf städtische Frauenwohnprojekte, Projekte im ländlichen Raum sind nicht einbezogen worden (Becker 2002: 95).
30
Innerhalb der Frauenbewegung identifiziert Becker zwei Konzepte von Frauenwohnprojekten: Zum einen die Projekte, die beispielhaft zeigen sollten, wie ein feministischer Wohnungsbau, der Frauen als Nutzerinnen in den Mittelpunkt stellt, für familiales Wohnen aussehen könnte (...). Zum Zweiten gab es die Projekte, die Wohnraum von und ausschließlich für Frauen schaffen wollten. (Becker 2002: 90)
51
Ebenso vielfältig wie die Zielsetzungen und die Erscheinungsformen der Wohnprojekte sind auch die Organisationsstrukturen und die Rechts- und Finanzierungsformen der Projekte.31 Die häufigste genannte Rechtsform ist mit 44,9% die Miete, Genossenschaften machen mit 13,2% nur einen geringen Anteil aus. Die Wohnprojekte im Eigentum verteilen sich auf unterschiedliche Rechtsformen. Leider sind aus der Studie keine spezifischen Aussagen ablesbar (z. B. der Anteil von Wohneigentum an den familialen Projekten). In Bezug auf die Zielgruppenorientierung lässt sich jedoch festhalten, dass die familialen Projekte nach wie vor den größten Anteil unter den Wohnprojekten ausmachen. Allerdings wurde die Tendenz zur Ausdifferenzierung auch im Hinblick auf die Familie deutlich: Unter den familialen Projekten befanden sich zu mehr als einem Drittel Projekte von Alleinerziehenden (Brech 1999: 95). Die Auflösung der bürgerlichen Kleinfamilie als dominanter Lebensform zeigt sich so auch auf der Ebene von Wohnprojekten, auch hier werden die Formen von Familie vielfältiger. Die hohe Anzahl von familialen Wohnprojekten lässt darauf schließen, dass die Einbindung in Wohnprojekte für Eltern und Kinder auch eine Stabilisierung der Familienverhältnisse bedeuten könnte (Brech 1999: 95). Wie Brech am Beispiel eines Projektes in Rüsselsheim aufzeigt, können die Wohnprojekte auch als "Heimat-Inseln" fungieren, auf deren Basis ein anderer Umgang mit den vermehrten Mobilitätsanforderungen der Arbeitswelt (global player) gefunden werden kann. Eine einzelne Familie wäre diesen Mobilitätsanforderungen unter Umständen nicht gewachsen, ein Familienverbund in einem Wohnprojekt schon. Vor dem gleichen Hintergrund können die Zusammenschlüsse von mehreren Familienhaushalten als Chance gesehen werden, Frauen mit Kindern eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Gemeinschaft braucht einen Ort: Gemeinschaftsräume Von den 537 befragten Projekten in der Studie von Brech gaben knapp die Hälfte der Projekte (257) an, einen Gemeinschaftsraum zu haben oder zu planen (Brech 1999: 101). Vor dem Hintergrund der angenommen sozialen Bedeutung von Gemeinschaftseinrichtungen für das Gelingen von Wohnprojekten erscheint dies als eine relativ geringe Anzahl. In Forschung und Praxis von Wohnprojekten werden Gemeinschaftsräume übereinstimmend als ein identitätsstiftendes Element gemeinschaftlichen Wohnens gesehen (Andritzky 1999, Steinberg 1996). Bislang existieren jedoch nur wenige Untersuchungen, die sich mit Funktionen, Gestaltung und Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen in Wohnprojekten oder Siedlungen beschäftigen. Wie Steinberg 31
52
Hierunter fallen das individuelle Grundstückseigentum (8,8%) und Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) mit 6%, verschiedene Formen der Personengemeinschaft (GbR 5.8%, Vereine 2,2%), Genossenschaften (13,2%) und Mietwohnverhältnisse mit 44,9% (Brech 1999: 102f).
für Gemeinschaftswohnanlagen in Dänemark (Bofællesskaber)32 aufzeigt, basieren Gemeinschaftseinrichtungen dort auf einer langen Wohnbautradition und -kultur. Im Gegensatz zu vielen deutschen Einrichtungen ist in Dänemark die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen häufig nicht auf Freizeitinteressen beschränkt, sondern umfasst ebenfalls notwendige Alltagsfunktionen wie Kinderbetreuung, Waschen, Essen usw. (Steinberg 1996: 68). Auch unabhängig von Wohnprojekten wurden und werden Gemeinschaftsräume auch in (Groß-)Wohnsiedlungen eingerichtet. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Annahme, dass das Vorhandensein eines Ortes für gemeinschaftliche Aktivitäten eine positive Wirkung auf die (Wieder-)Entfaltung des sozialen Lebens in einer Siedlung hat.33 Bärsch und Simbringer (2001) untersuchen dies aus der Perspektive der Wohnungsunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Hinsichtlich der Funktionen stellen sie fest, dass Gemeinschaftsräume ein Instrument der sozialen Intervention oder Vorsorge darstellen können; sie können aber auch ein Qualitätsmerkmal modernen zielgruppenorientierten Bauens auf Quartiersebene sein (Bärsch/Simbringer 2001: 338). Bei knapp einem Viertel der Wohnungsunternehmen in Nordrhein-Westfalen sind Gemeinschaftsräume vorhanden. Dies ist angesichts der Eigentümerstrukturen des deutschen Wohnungsbestandes, in dem private Haushalte die größte Vermietergruppe bilden, als ein nur geringer Anteil anzusehen.34 Die Unternehmen sehen die Vorteile überwiegend im sozialen Nutzen der Gemeinschaftseinrichtungen. Wesentliches Ergebnis ist meines Erachtens, dass ... Nutzungshäufigkeit, positive Identifikation und nachbarschaftliche Ausstrahlungseffekte bei erfolgreich selbst verwalteten Einrichtungen deutlich höher liegen und damit auch größere Effekte für die Entwicklung einer sozialen Gemeinschaft erbringen können. (Bärsch/Simbringer 2001: 350) Da die Selbstverwaltungsquote der Gemeinschaftseinrichtungen jedoch sehr niedrig ausfällt nur ein gutes Viertel wird durch die BewohnerInnen selbst verwaltet scheint eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg von Gemeinschaftsräumen nur bedingt gegeben zu sein. Die Studie zu neuen Wohnformen (Brech 1999) macht keine Aussagen zu der Frage, ob die untersuchten Projekte selbst- oder fremdinitiiert entstanden sind.
32
In der wörtlichen Übersetzung bedeuten Bofællesskaber Wohngemeinschaften. Sie bestehen aus mehreren unabhängigen Wohneinheiten, die sich um ein Gemeinschaftshaus gruppieren (Steinberg 1996:11). In Anlehnung an die Bofællesskaber prägen McCamant/Durrett (1994: 12) den Begriff cohousing, der im deutschen Sprachgebrauch für das Zusammenleben unterschiedlicher sozialer Gruppen verwendet wird.
33
Zu notwendigen Rahmenbedingungen für Gemeinschaftseinrichtungen (bauliche und organisatorische Anforderungen sowie Finanzierungsstrategien) vgl. Hartmann/Schelensky 1994, die diese Fragen anhand von Beispielprojekten erörtern.
34
Über zwei Drittel des Wohnungsbestandes in der Bundesrepublik ist Eigentum privater Haushalte und weniger als 25% der Wohnungen sind im Eigentum von Wohnungsgesellschaften, Bund und Kommunen und der unternehmerischen Wohnungswirtschaft (vgl. Becker 2005: 1300).
53
Neue Gemeinschaften: Sicherheit, Überschaubarkeit und Entlastung Den "Wunsch nach Gemeinschaft" identifiziert Brech als das Hauptmotiv der privaten Eigentumsprojekte. Bei den Mietprojekten, die im Wesentlichen von Wohnungsunternehmen durchgeführt wurden, ist der Wunsch zentral, vor allem Familien eine neue soziale Einbindung zu ermöglichen. Es gibt eine hohe Zahl der Mietwohnungsprojekte unter den neuen Wohnformen. Brech führt diese auf die soziale Funktion der Projekte zurück, da sich andernfalls soziale Institutionen (z. B. Caritas, Diakonisches Werk, Pfarrgemeinden oder kommunale Bauträger) nicht so stark engagieren würden. Soziale Aktivitäten bilden ein Charakteristikum vieler Wohnprojekte. Dadurch entstehen neue Partnerschaftsformen zwischen der öffentlichen Verwaltung und privaten Initiativen. Dies kann im Ergebnis auch bedeuten, "... daß jetzt soziale Gruppen erstmals als Bauherren und Baufrauen auftreten können. Soziale Gruppen, denen in der Vergangenheit nur der anonyme soziale Wohnungsbau oder ein teurer Privatmarkt offenstand, können sich nun der Erfüllung von Gemeinschaftsträumen zuwenden" (Brech 1999: 140). Wie gestaltet sich nun dieser Wunsch nach Gemeinschaft in den Wohnprojekten? Brech konstatiert in diesem Zusammenhang ein wachsendes Bedürfnis nach überschaubaren Gemeinschaften: "Es besteht der Wunsch nach der kleinen überschaubaren Einheit, nach Verinselung, Abschottung, Heimat, Rückzug, größerer Sicherheit und unmittelbarer persönlicher Fürsorge. Die Projekte suchen deshalb nach Abgrenzung und Einheit." (Brech 1999: 135) Dies zeigt sich auch in der räumlichen Gestaltung der Projekte. Die beliebteste Bauform ist der Wohnhof, der eine (schützende) Abgrenzung nach außen gewährleistet und im Inneren eine gemeinschaftliche Nutzung (z. B. Garten) ermöglicht. Brech führt diesen Wunsch nach Überschaubarkeit und Sicherheit auf eine zunehmende Verunsicherung und Überforderung durch den alle Lebensbereiche berührenden strukturellen Wandel zurück. Die Familie als kleinste Einheit reicht nicht aus (oder ist nicht vorhanden), um den Verlust von emotionaler und sozialer Sicherheit aufzufangen und mit der Vielfalt der Optionen und Anforderungen der Arbeitswelt zurechtzukommen. Wohnen übernimmt in diesem Kontext eine besondere Funktion und Bedeutung. "Wohnen wird so, das zeigen die Neuen Wohnformen, zu einer viele Lebensbereiche fokussierenden Formel" (Brech 1999: 134). Dies gilt insbesondere in eher von Abhängigkeiten gekennzeichneten Lebensphasen wie Kindheit und Alter. Hermann Voesgen (1992) hebt in diesem Zusammenhang vor allem die Entlastungsfunktion von Wohnprojekten hervor. Die gemeinschaftliche Erledigung bestimmter Haushaltsfunktionen (z. B. Kinderbetreuung, Kochen, Einkauf etc.) wird als eine spürbare Alltagserleichterung wahrgenommen. Diese Kooperationen im Wohnbereich können insbesondere berufstätige Frauen entlasten. Wesentlichstes 54
Merkmal dieser Kooperationsbeziehungen ist das Prinzip der Gegenseitigkeit. Damit einher geht das Interesse an engerer Kommunikation (Voesgen 1992: 71). Die Wohnwünsche und -bedürfnisse der Mehrzahl der Projekte weichen in einigen Punkten von den Prämissen in der Stadtplanung und im Wohnungsbau ab. Dies gilt vielleicht überraschenderweise auch für den Punkt "soziale Mischung" von Wohngebieten. Bei der Untersuchung der alternativen Wohnprojekte wird der Wunsch nach Segregation, also der Wunsch nach einer homogenen (sozialen) Einheit sehr deutlich ausgesprochen: "Es besteht der Wunsch nach Segregation in einer Gruppe Gleichgesinnter. Die gleiche Gesinnung konstituiert die Gemeinschaft mehr als die soziale Herkunft." (Brech 1999: 135) Diese Tendenz zur Homogenisierung wird von vielen Gruppen als notwenige Voraussetzung des gemeinschaftlichen Wohnens gesehen (Voesgen 1992). Häußermann (1999) macht darauf aufmerksam, dass auch die teilweise sehr aufwändigen Partizipations- und Planungsprozesse indirekt eine Selektionsfunktion wahrnehmen können. Vom Eigensinn und Gemeinsinn: Schlussfolgerungen Insgesamt lässt sich aus den Untersuchungen eine Ablösung der alternativen Wohnprojekte von politischen Zielen ablesen. Waren die ersten Projekte (z. B. Kommune 1) klar durch politische Dimensionen geprägt, geht es den Projekten der 90er Jahre eher um die Bewältigung konkreter Alltagsprobleme: (Wohn-) Sicherheit, Überschaubarkeit des Lebensumfeldes, Entlastung und Orientierung. Die Beispiele neuer Wohnformen aus den neunziger Jahren unterscheiden sich von den dargestellten älteren Wohnprojekten vor allem durch ihre Vielschichtigkeit, Heterogenität und Pragmatik. (...) Zwar verfolgen fast alle Projekte den Ansatz des gemeinschaftlichen Wohnens sozusagen als Antithese zur weiter fortschreitenden Individualisierung , setzen dabei aber zum Teil ganz spezielle Akzente, die den eigenen Bedürfnissen entsprechen ... (Andritzky 1999: 670) Politische Motive im Sinne gesellschaftsverändernder Perspektiven werden nicht thematisiert. Viele der Projekte haben eine inhaltliche oder thematische Ausrichtung (z. B. ökologisches Wohnen), aber im Vergleich zu der Entstehungsgeschichte der alternativen Wohnprojekte hat sich der Bezug zur Politik verändert. Insbesondere bei den familialen Projekten dominieren konkrete Alltagsprobleme. Die Gruppierungen finden in der Regel über diese Alltagsprobleme zusammen und konstituieren keine soziale Bewegung, wie es z. B. mit der Selbsthilfe- und Hausbesetzerszene der Fall war. Darin drückt sich eine allgemeine Tendenz der neunziger Jahre aus, nämlich eine Wendung von komplexen gesellschaftlichen Problemstellungen hin zu partikularen Denk- und Handlungsansätzen. (Andritzky 1999: 671)
55
Folgt man dieser Einschätzung, lässt sich eine Tendenz hinsichtlich der Entwicklung von Wohnprojekten ausmachen: Eine Wende zum Pragmatischen und Partikularen, die sich in der überwiegenden Alltagsorientierung gemeinschaftlicher Wohnprojekte spiegelt. Trotz der oben festgestellten weitgehenden Alltagsorientierung der Wohnprojekte werden die neuen Wohnformen auch im Kontext von sozialer Stadtentwicklung diskutiert. In dieser Diskussion geht es weniger um aktive politische Bestrebungen von Wohnprojekten als vielmehr um ihre (impliziten) sozialen und kulturellen Beiträge zur Stadtentwicklung. Wohnprojekte, so die These von Becher/Bura (2002), haben nicht nur Auswirkungen auf die Lebens- und Wohnsituation der Personen, die in ihnen leben, sondern beeinflussen auch ihr Wohnumfeld. Unter dem Stichwort Solidarische Stadt werden in diesem Zusammenhang zwei Aspekte hervorgehoben: Die Integration benachteiligter Gruppen und Projekte (z. B. Alleinerziehende, Obdachlose etc.) sowie die Bildung oder Unterstützung von stabilen Nachbarschaften und ihre Wirkung gegen Ausgrenzung. Wohnprojekte verbinden in hohem Maß Eigen- und Gemeinsinn. (Becher/Bura 2002: 11)35 Stellt man die Frage nach einer Innovationsbilanz (Breckner 1999) von Wohnprojekten, so werden die Antworten vielfältig ausfallen. Eine Grundfunktion von Wohnprojekten liegt in der Schaffung von in der Regel preiswertem und sicherem Wohnraum zur Selbstnutzung. Sie bieten häufig ökologische Alternativen (ressourcenschonendes Bauen und Wohnen). Der Flexibilisierung von Wohnbedürfnissen tragen sie Rechnung, indem häufig andere Räume geplant werden und in den letzten Jahrzehnten eine Reihe qualitätsvoller Grundrissalternativen entstanden. Wohnprojekte haben maßgeblich zu der Entstehung einer neuen stark partizipativ ausgerichteten Planungskultur und der Entstehung einer neuen Generation genossenschaftlicher Trägerformen36 beigetragen (Breckner 1999, Behrens/Bura 2002). Schon lange wird eine konsequente Förderung und Unterstützung von Wohnprojekten gefordert, um den Übergang von Ausnahme(projekten) zur Regel(förderung) zu vollziehen und den trotz zunehmender Akzeptanz nach wie vor vorhandenen Realisierungsproblemen von Wohnprojekten zu begegnen. Die von Wohnprojekten geleisteten wesentlichen Beiträge zur sozialen Konsolidierung menschlichen Zusammenlebens sollten honoriert werden. Dies bedeutet eine Veränderung der in der Regel auf einen einzelnen Haushalt ausgerichteten Förderbedingungen, flexible Regelungen und Mitbestimmung bei der 35
Vgl. dazu auch Fedrowitz/Gailing 2003, die die Potenziale gemeinschaftlicher Wohnprojekte als Strategie sozialer und ökologischer Stadtentwicklung analysieren. Zur Bedeutung neuer Wohnformen für die kommunale Wohnungspolitik vgl. Arlt/Bartholomäi 1996 und Selle/Sutter-Schurr 2002.
36
Hierunter fallen z. B. kleine Nutzergenossenschaffen und größere Dach- und Mietergenossenschaften (vgl. Bura 2002, Behrens/Bura 2002).
56
Neubesetzung von Wohnungen im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau, die Öffnung gegenüber alternativen Mietmodellen,37 und die Unterstützung der Projekte in der Planungs- und Realisierungsphase durch intermediäre Institutionen und Betreuungseinrichtungen (z. B. Stattbau in Hamburg und Berlin, Wohnbundberatung NRW). Wesentliche Rahmenbedingungen können dabei durch die Kommunen geschaffen werden: Beratung und Angeboten für Baugemeinschaften, Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Grundstücken, dem Instrument der Anhandgabe38 von Grundstücken für Wohnprojekte, Vermittlung von Wohnprojektinteressierten etc.39
4. Fazit: Gemeinschaftliches Wohnen in einer individualisierten Gesellschaft? Ausgangspunkt der vorangegangenen Darstellungen war die Frage danach, wie sich die als ambivalent beschriebenen Folgen der Individualisierung im Bereich der alltäglichen Lebensführung abbilden. Als zentrale Bereiche wurden dabei die Pluralisierung der Lebensformen, die Einbindung in soziale Netzwerke, die Frage nach dem Wandel im Geschlechterverhältnis sowie das gemeinschaftliche Wohnen als einen Aspekt des Wohnwandels in den Blick genommen. Die klassische Kernfamilie als dominante Form des Zusammenlebens nimmt ab zugunsten offener und flexibler Formen des Zusammenlebens, seien es familiale oder nicht familiale Lebensformen. Allerdings ist nicht von einem Ende der Familie auszugehen. Immer noch lebt die Mehrheit der Bevölkerung in einem familiären Zusammenhang und ist in ein sich ebenfalls wandelndes familiäres Netzwerk eingebunden, das jedoch immer weniger auf verbindliche Verhaltensmodelle zurückgreifen kann, die den Aufbau von Netzwerken anleiten und vorstrukturieren. Die Bewertung der Ausdifferenzierung und Heterogenisierung von Lebensformen hängt stark von dem Bezugspunkt der Analyse ab. Historisch betrachtet, war die Gesellschaft von einer Vielfalt von Lebensformen geprägt (Rosenbaum 1982), die sich in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf die Familie als zentrale Lebensform eingeengt hat, um sich in den folgenden Jahren wieder auszudifferenzieren. Verändert haben sich die subjektiven Motive und die gesellschaftliche Anerkennung dieser Lebensformen als eigenständig 37
Dies kann bedeuten, dass ein Wohnprojekt im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau die Miete nicht für eine Wohneinheit, sondern für das gesamte Gebäude entrichten kann. Wie das notwendige Geld für die Wohnkosten innerhalb des Wohnprojektes aufgebracht bzw. verteilt wird, entscheidet das Projekt eigenständig (Information aus einem Expertengespräch mit einer Vertreterin des Wohnprojekts Budenzauber in Hamburg).
38
Die Anhandgabe eines städtischen Grundstücks bedeutet in Hamburg eine Reservierung für einen bestimmten Zeitraum (in der Regel für ein Jahr) für ein Wohnprojekt, das in dieser Zeit die Planung (und Finanzierung) realisieren kann.
39
Vgl. dazu als Beispiel das alternative Baubetreuungsprogramm in Hamburg: Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) u. a. 1994 und Fedrowitz/Gailing 2003: 99f.
57
und gleichwertig. Neu ist insbesondere, dass Frauen sich bewusst dafür entscheiden können, alleine und selbständig zu leben und dies auch als eine individuelle, selbstbestimmte Antwort auf die Ablehnung der traditionellen Frauenrolle zu verstehen ist wie es etwa Martina Löw (1994) in ihrer Untersuchung von allein lebenden Frauen in Deutschland aufzeigt. Für den Bereich der Geschlechterverhältnisse (Freisetzung) lässt sich zwar ein tief greifender Wandel der Geschlechterbeziehungen konstatieren (Bildung, Erwerbstätigkeit, Qualifikation, Lebensformen), für den Bereich der Partnerbeziehungen und der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern kann jedoch festgehalten werden, dass es sich dabei vornehmlich um einen Wandel im Leitbild handelt. Wenn auch die Veränderungen der Lebensformen eng mit dem Wandel im Geschlechterverhältnis verbunden sind (individuelle Emanzipationsprozesse, Aufgabe traditioneller Lebensformen von Frauen), so greifen diese Prozesse nicht auf der Ebene der Gestaltung von Paarbeziehungen. In Bezug auf die Ausgestaltung von Partnerschaftsmodellen zeigt sich, dass die soziale Praxis dem individualistischen Leitbild einer egalitären Partnerschaft widerspricht. Dabei lassen sich auch hinsichtlich der Idee einer egalitären Partnerschaft deutliche milieuspezifische Differenzen feststellen: nur im individualistischem Milieu ist dieses Leitbild vorhanden, in den anderen Milieus ist von einer Stabilität der herkömmlichen Geschlechterrollenarrangements auszugehen (Koppetsch/Burkhart 1999). In den neuen Wohnformen werden Geschlechterverhältnisse auf unterschiedliche Weise thematisiert. Es finden sich auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchungen keine Hinweise auf eine Aufhebung der geschlechtlichen Arbeitsteilung in Wohnprojekten. Zwar wird die Entlastungsfunktion gerade von Frauen mit Kindern angesprochen, auch im Hinblick darauf, der Frau eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen (Voesgen 1992, Häußermann 1999). Dies geschieht jedoch nicht auf der Basis einer Neuverteilung der häuslichen Arbeit zwischen den Geschlechtern, sondern so lassen zumindest die wenigen empirischen Befunde vermuten durch eine gegenseitige Entlastung der Frauen aus den im Wohnprojekt zusammengeschlossenen Familien (Schneider 1992). In den letzten Jahren sind vermehrt geschlechtsspezifische Wohnprojekte entstanden. Diese nehmen bislang noch einen geringen Anteil (6%) an den gesamten Wohnprojekten ein und sind hauptsächlich durch Frauen- und Lesbenwohnprojekte geprägt. Insgesamt zeichnet sich ab, dass sich in den 1980er Jahren insbesondere Familien zu neuen Wohnformen zusammenschließen. Familiale Projekte stellen den größten Anteil an den neuen Wohnformen. Seit den 1990er Jahren lässt sich eine Veränderung feststellen: der Anteil nichtfamilialer Projekte steigt ständig (Brech 1999). Räumliche Nähe bleibt für solche Lebensformen wichtig, die über wenig Ressourcen verfügen und 58
deren Mobilität eingeschränkt ist (z. B. alte Menschen oder Alleinerziehende). Dies gilt auch für bestimmte Lebenszyklen wie die Familienphase. In diesen Lebenssituationen ist die räumliche Nähe von sozialen Beziehungen und Unterstützungsnetzwerken zur Alltagsbewältigung notwendig. Die Herstellung nachbarschaftlicher Netzwerke ist immer mehr zu einer individuell zu erbringenden Leistung geworden. Gemeinschaftliche Bezüge werden auf der Grundlage einer sozialen Nähe, einer Gemeinschaft Gleichgesinnter hergestellt und ergeben sich nicht mehr selbstverständlich aus der räumlichen Nähe. Als Funktionen der gemeinschaftlichen Wohnprojekte werden vorrangig Entlastungsfunktionen (z. B. Kinderbetreuung, Einkauf) in der Bewältigung der gestiegenen Anforderungen des Lebensalltags genannt. Hilfe- und Unterstützungsleistungen werden nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit gewährt (Voesgen 1992). Als weitere Funktionen gemeinschaftlicher Zusammenschlüsse auf der Ebene des Wohnens werden Kommunikation und Sicherheit genannt. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die neuen Nachbarschaften (...) so ein funktionales Äquivalent für die sich ausdünnenden sozialen Netze auf Basis der Verwandtschaft bilden (können). (Häußermann 1999: 18) Welche Rolle dabei die verfügungsrechtlichen Merkmale (Miete, Eigentum) des Wohnens spielen, geht aus den bisherigen Untersuchungen zu neuen Wohnformen nicht hervor. Hier sind durchaus unterschiedliche Ansätze denkbar. Der Frage, wie sich das Verhältnis zwischen Individualisierung und Wohneigentum gestaltet, wird im folgenden Kapitel nachgegangen.
59
II. Eigenheim und Wohnungspolitik Beim Wunsch nach einem Eigenheim geht es um Prozesse der Wohneigentumsbildung im Kontext von Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik. Wie kommt dieser Wunsch zustande? Welche Zuschreibungen werden mit der Vorstellung von Wohneigentum verbunden? Welche Voraussetzungen und Bedingungen zur Bildung von Wohneigentum schafft die Wohnungspolitik? Am Beginn des Kapitels steht die Frage, wie sich der Wunsch nach einem Eigenheim gestaltet. Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklung und Verteilung von Wohneigentum wird zunächst zu diskutieren sein, welche Rahmenbedingungen die Wohnungspolitik zur Bildung von Wohneigentum schafft. Hierzu werfe ich einen Blick auf die Entwicklung der Wohnungspolitik seit 1945 und auf die aktuelle Ausgestaltung wohnungspolitischer Leitbilder, im Mittelpunkt steht dabei die Auseinandersetzung mit der Eigenheimideologie. Schließlich analysiere ich Aspekte der Wohneigentumsfinanzierung und schließe mit einem Überblick über die Förderungsinstrumente auf Bundes- und Landesebene.
1.
Zwischen Wunsch und Realität: Wohnpräferenzen in Deutschland
Das Wohnen im Eigentum ist eines der zentralen Lebensziele der deutschen Bevölkerung. Umfrageergebnisse haben dies seit der Nachkriegszeit immer wieder bestätigt. Der Eigentumswunsch richtet sich hauptsächlich auf das freistehende Einfamilienhaus, wobei dessen Beliebtheit seit den 1960er Jahren noch zugenommen hat. Die Analyse von Wohnwünschen anhand von Umfragen wird in den sozialwissenschaftlichen und stadtsoziologischen Diskussionen kritisch betrachtet (Häußermann/Siebel 1996). Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Wohnwünsche, die reale Wohnsituation und deren subjektive Wahrnehmung häufig in einem paradoxen Zusammenhang (Schneider/Spellerberg 1999: 165) stehen. So lässt sich einerseits eine deutliche Diskrepanz zwischen den Wohnwünschen und der realen Wohnsituation von Befragten feststellen, andererseits ist die geäußerte Zufriedenheit der Befragten mit ihrer realen Wohnsituation hoch (Datenreport 2006).40 Festzuhalten bleibt, dass die Abfrage von Wohnpräferenzen sich auf vorgestellte, nicht auf tatsächlich bestehende bzw. erlebte Wohnumwelten bezieht und ein Unterschied zwischen einem Wunschbild und der tatsächlichen Umsetzung in eine veränderte 40
Als Erklärungen für diesen paradoxen Zusammenhang werden die Dissonanztheorie und die Vergleichsgruppentheorie herangezogen. Die sozialpsychologische Dissonanztheorie (Festinger 1978) geht davon aus, dass die Diskrepanz zwischen der realen Wohnsituation und Wunschvorstellungen auf Dauer gering gehalten wird durch die (resignative) Anpassung der Bedürfnisse an die tatsächlichen Verhältnisse. Die Vergleichsgruppentheorie geht von einer Bewertung der eigenen Wohnverhältnisse vor dem Hintergrund des Vergleichs mit der Wohnsituation des Freundes-, Bekannten- oder Kollegenkreises aus (vgl. hierzu detaillierter Häußermann/Siebel 1996: 217-220).
61
Wohnsituation besteht. Auch der Wunsch als erfragte subjektive Bedürfnisorientierung ist keine Konstante. Die geäußerten Wohnwünsche sind Produkt und Erfahrungen, in denen sich widerspiegelt, was den Befragten durch die öffentliche Wohnungspolitik, das Angebot auf dem Wohnungsmarkt und ihre ökonomischen Möglichkeiten nahegelegt wird (Häußermann/Siebel 1996: 223). Ein zentrales Ergebnis dieser Befragungen ist die fast vollständige Gleichsetzung der prioritär gewünschten Wohnform des Einfamilienhauses mit der Rechtsform des Wohneigentums. In den Wunsch nach einem Einfamilienhaus gehen somit nicht nur Assoziationen hinsichtlich des Wohnens ein (z. B. Wohnen im Grünen, größere Wohnfläche und Einflussnahme auf die Gestaltung), sondern auch die mit dem Eigentum verknüpften Vorstellungen (z. B. Wohnsicherheit und ökonomische Sicherheit durch Vermögensbildung). Für drei von vier Bundesbürgern ist das Einfamilienhaus nach wie vor die bevorzugte Wohnform (Jokl 1990: 56). Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Emnid-Instituts, das die Bundesbürger und Bundesbürgerinnen 1989 zum dritten Mal (nach 1969 und 1974) nach ihrer Meinung über ihre bevorzugte Wohnform befragte. Dabei ging es um die gewünschte Wohnform unter (realistischer) Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten. Das Einfamilienhaus hat in den vergangenen Jahren noch deutlich an Beliebtheit gewonnen. 1969 haben sich 64% der Befragten für ein Einfamilienhaus entschieden, 1989 ist der Anteil auf 75% gestiegen. Betrachtet man die unterschiedlichen Formen des Einfamilienhauses (Bungalow, Reihenhaus und Terrassenhaus), so steht das freistehende Einfamilienhaus in der Liste der bevorzugten Wohnformen an erster Stelle. Die Beliebtheit des Reihenhauses hat nachgelassen (von 15% 1969 auf 11% 1989). Sowohl das Hochhaus als auch drei- bis viergeschossige Wohnblöcke sind nicht mehr gefragt. Bestätigt wird dies durch die Befunde einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage von 199641, in der die Attraktivität des freistehenden Ein- bzw. Zweifamilienhaus mit 66% (Ost) und 73% (West) hervorgehoben wurde. An zweiter Stelle folgt ein Haus mit drei bis vier Wohnungen, erst danach folgen Reihenhäuser und größere Mehrfamilienhäuser (Böltken/Schneider/Spellerberg 1999: 142). Vor dem Hintergrund soziodemographischer Daten zeigt sich, dass das freistehende Einfamilienhaus sich bei allen Gruppen der höchsten Beliebtheit erfreut. Eine Ausnahme bilden da nur die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. Das Alter spielt bei der Beliebtheit des Einfamilienhauses (fast) keine Rolle. Am beliebtesten ist das Einfamilienhaus (mit 83%) in der Altersgruppe der 50-64jährigen, aber auch die 3041
62
Die Umfrage wurde im Rahmen der Mehrthemenumfrage der Sozialwissenschaften realisiert. Die Fallzahl beträgt in Ost n=1000 und West n=2000. Vgl. Böltken/Schneider/Spellerberg 1999 und Schneider/Spellerberg 1999.
49jährigen wünschen sich zu 78% das Einfamilienhaus. Die Beliebtheit bei Personen mittleren Alters wird mit der Familiengründung und dem Aufwachsen der Kinder begründet. Das Einfamilienhaus erfreut sich jedoch auch bei den über 65-Jährigen mit 71% großer Beliebtheit und selbst bei Jugendlichen ist dieser Wunsch schon in hohem Ausmaß vorhanden (Jokl 1990: 56). Die Ergebnisse der Emnid-Untersuchung hinsichtlich der Aufgliederung nach Berufsgruppen zeigen, dass sich Hausfrauen zu einem hohen Anteil (85%) für ein Einfamilienhaus entscheiden (davon 45% für ein freistehendes). Dies wird damit begründet, dass sich dieser Personenkreis im Gegensatz zu den erwerbstätigen Befragten überwiegend zu Hause aufhält und daher auch in besonderem Maße von den Vorteilen dieser Wohnform profitiert. Allerdings steht diese Wohnform auch bei den Arbeitern mit 71% an erster Stelle (Jokl 1990: 57). Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden in einer anderen Untersuchung festgestellt. In einer Mieterbefragung der Universität Hannover kommen die Autoren Wiedmann/Walsh zu dem Ergebnis, dass der Wunsch nach Wohneigentum von Männern stärker formuliert wird. Über die Hälfte (54%) der Befragten mit Wohneigentumswunsch waren Männer, deren prozentual stärkerer Wunsch, Wohneigentum zu erwerben, war statistisch signifikant. (Wiedmann/Walsh 2000: 80) Auch bei der Frage nach den Kriterien beim Wohneigentumserwerb und nach der bevorzugten Wohnform weisen die Autoren auf der Grundlage ihrer empirischen Erhebung Unterschiede zwischen den Geschlechtern nach. Frauen bewerten das Wohnumfeld bzw. die Lage der Wohnung/des Hauses als wichtiger, Männer hingegen eher die Infrastruktur der Wohngegend. Hinsichtlich der bevorzugten Wohnform von Frauen und Männern wird hier allerdings unabhängig vom beruflichen Status bestätigt, dass Frauen deutlich häufiger zum Haus tendieren als Männer (62% vs. 38%). Die in den Befragungen erhobenen Wohnwünsche lassen sich darüber hinaus nach Haushaltstypen und dem ökonomischen Potential der Haushalte differenzieren. Am Beispiel Nürnbergs wurde dies Anfang der 1990er Jahre untersucht. Die Erhebung bestätigt den Wunsch nach Eigentum bei allen Mehrpersonenhaushalten, am stärksten bei den in der Erhebung als traditionell bezeichneten Haushaltstypen (Familien mit Kindern und Ehepaare über 45 Jahre). Haushalte mit Kindern geben überdurchschnittlich häufig an, Wohneigentum erwerben zu wollen (Gilges/Schaefer 1993: 44). Obwohl der Eigentumswunsch bei Haushalten mit Kindern am deutlichsten ausgeprägt ist, wird er auch bei den neuen Haushaltstypen (nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne Kinder, Alleinerziehende, Wohngemeinschaften) geäußert. Bei beiden Gruppen
63
dominiert im Gegensatz zu den Alleinlebenden der Wunsch nach einem (freistehenden) Ein- oder Zweifamilienhaus (Gilges/Schaefer 1993: 45). Dies wird ebenfalls in der Wohnstandortpräferenz deutlich: Haushalte mit Kindern geben die Außenbezirke als bevorzugten Wohnstandort an, Haushalte ohne Kinder präferieren die Innenstadt oder die Innenstadtnähe. Betrachtet man den Zusammenhang zwischen Wohnwünschen und Finanzkraft der Haushalte, so stellt sich heraus, dass gerade die finanzstarken Kleinhaushalte (Alleinlebende und kinderlose Paare) Etagenwohnungen, häufig Eigentumswohnungen in der Innenstadt bevorzugen. Dagegen haben finanzschwache Haushalte häufig den Wunsch nach einem freistehenden Haus oder einem Reihenhaus, können es aber in der Regel nicht finanzieren (Gilges/Schaefer 1993: 47). Die dargestellten Ergebnisse der Wohnwunschbefragungen zeigen, dass trotz sozialstruktureller Ungleichheit der Wunsch nach einem Einfamilienhaus im Eigentum weit verbreitet ist. Es lassen sich abgesehen von einem Schwerpunkt im Hinblick auf Mehrpersonenhaushalte mit Kindern keine weiteren eindeutigen Präferenzen feststellen. Dies bestätigt sich auch in einer Untersuchung der Ausgestaltung von Wohnbedürfnissen nach Lebensstilen: der Wunsch der meisten Lebensstilgruppen richtet sich auf das freistehende Ein- bzw. Zweifamilienhaus (Schneider/Spellerberg 1999: 173). Eine mögliche Erklärung für die Ausprägung von Wohnpräferenzen ist der Zusammenhang von Wohnpräferenzen mit bisherigen Wohnerfahrungen. Wohnalternativen, die man nicht aus eigener Erfahrung kennt, werden eher negativ beurteilt (Häußermann/Siebel 1996: 220). Dies verweist auf einen engen Zusammenhang von der erlebten Wohnqualität und den Wohnstandards im Elternhaus, die im Sinne einer Sozialisationshypothese einen prägenden Einfluss auf die späteren Wohnpräferenzen der Kinder haben können. Die Wohnpräferenzen stehen in Zusammenhang mit dem Wohnbedarf und variieren im Lebenslauf. Hierbei kommt es vor allem auf die familiale Lage und die Haushaltsgröße an. Heirat und Familienbildung können mit dem Wunsch nach dem Wechsel in das Wohneigentum verknüpft sein. Die Präferenzen für Wohneigentum können demnach bei Haushalten mit Kindern besonders ausgeprägt sein. Wesentlich in diesem Zusammenhang erscheint mir der Hinweis von Erika Spiegel, die zu dem Schluss kommt, dass die Wohnform des Einfamilienhauses für Familien wichtiger ist als der Rechtsstatus Eigentum. Da Einfamilienhäuser bislang jedoch nur selten als Mietobjekte angeboten werden, ist die Eigentumsbildung ein Weg, die bevorzugte Wohnform zu erreichen (Spiegel 2000: 208). Die Existenz von Kindern kann sich allerdings in zwei Richtungen auf den Prozess der Eigentumsbildung auswirken. Zum einen können Kinder besondere Motive zum Erwerb von Wohneigentum begründen, da kinderfreundliche Wohnverhältnisse in Miet64
wohnungen u. U. schwerer zu realisieren sind. Zum anderen stellen Kinder jedoch auch eine besondere finanzielle Belastung dar, die den Erwerb von Wohneigentum erschweren könnte (Wagner/Mulder 2000: 57). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Einfamilienhaus von der Mehrheit der Bevölkerung als die ideale Wohnform angesehen wird. Trotz der allgemeinen Dominanz dieses Wunsches lassen sich doch Differenzierungen feststellen: Alter, Lebensphase und Lebensstil, Erwerbsverlauf und insbesondere die familialen Situation können Wohnwünsche unterschiedlich gestalten. Die Vorzüge des Einfamilienhauses und die Motive für die Schaffung von Wohneigentum sind vielfältig. Freistehende Einfamilienhäuser bieten im Durchschnitt mehr Wohnfläche und mehr Freiraum (Garten, Terrasse etc.) als andere Wohnformen. Wohneigentum ermöglicht Selbstbestimmung und Unabhängigkeit vom Vermieter und bedeutet für viele langfristige Wohnsicherheit. Die Selbstverwirklichungs- und Aneignungsspielräume werden größer als bei anderen Wohnformen eingeschätzt. In ökonomischer Hinsicht gilt die Investition in Wohneigentum nach wie vor als sichere Geldanlage, und die Bedeutung des selbstgenutzten Wohneigentums als eine Säule der Altersversorgung nimmt zu (Siebel 2000b, Harlander 2001). Somit wird von einem Großteil der Bevölkerung eine Wohnform bevorzugt, die aus ökonomischen und ökologischen Gründen als umstritten gilt. Probleme der Wohnungsversorgung können durch den Bau von Einfamilienhäusern nur bedingt gelöst werden, denn gerade die Problemgruppen auf dem Wohnungsmarkt bestehen aus finanziell schwächeren Haushalten in Ballungsgebieten, die sich Wohneigentum in der Regel nicht leisten können. Darüber hinaus ist das Einfamilienhaus am Stadtrand seit Jahrzehnten Gegenstand ökologischer und städtebaulicher Kritik. Es ist die energie- und flächenverbrauchendste Wohnform, es führt zur Zerstörung der stadtnahen Erholungsgebiete, zur Zersiedlung und Versiegelung der Landschaft, und seine Bewohner vermehren die schädlichste Form der Mobilität, den Pkw-Verkehr. (Häußermann/Siebel 1996: 231) Die im Kontext von Suburbanisierung diskutierten ökologischen und sozialen Probleme (Funktionsverlust der Innenstädte, Zersiedelung usw.) haben zu der Entwicklung von Strategien und Konzepten nachhaltiger und Ressourcen schonender Siedlungsund Stadtentwicklung geführt. Der Wunsch nach Eigentum steht in der Bundesrepublik in einem deutlichen Missverhältnis zur tatsächlichen Eigentumsquote. Dies gilt insbesondere für die Bewohner und Bewohnerinnen der Großstädte. Aber auch hier äußert die Mehrzahl der Befragten den Wunsch nach einem Eigenheim. Wie sieht nun die Realität der Wohn- bzw. Eigentumsverhältnisse aus?
65
2.
Das Eigenheim: Wohneigentum in der Bundesrepublik Deutschland
2.1. Entwicklung und Verteilung des Wohneigentums Den Traum vom eigenen Heim kann in Deutschland immerhin die Hälfte der Bevölkerung (52% der Einwohner/innen im Jahr 2003) verwirklichen. Die Eigentumsquote hier definiert als der Anteil der Eigentümerhaushalte an allen Haushalten liegt 2002 bei 42,2% (Mikrozensus 2002). Im historischen Verlauf ist diese haushaltsbezogene Eigentumsquote kontinuierlich gestiegen (vgl. Tab. 1). Obwohl die Zahl der Personen je Haushalt in diesem Zeitraum gesunken ist, wohnen seit den 1950er Jahren immer mehr Personen im Eigentum. Weil die Haushalte mit selbstgenutzten Wohneigentum in der Regel größer sind als Mieterhaushalte, liegt die personenbezogene Wohneigentumsquote höher als die haushaltsbezogene Quote. 42 Tab. 1: Die Entwicklung der Eigentumsquote im früheren Bundesgebiet 1 Jahr
1957 1960
1965
1968
1972
1978
1987
1993
1998
2002
Prozent
28,8 32,3
31,3
35,1
33,5
36,1
37,8
41,6
43,6
44,1
1
Haushalte in Eigentümerwohnungen
(Quelle: Kurz 1999: 4, BBR 2004: 80)
Blickt man dagegen auf die wohnungsbezogene Selbstnutzerquote (der Anteil der vom Eigentümer selbst genutzten Wohnungen an allen Wohnungen) ergibt sich eine deutlich andere Einschätzung: der Anteil der von ihren Eigentümer/innen bewohnten Wohnungen an allen Wohnungen lag 1950 bereits bei 39,1 %. Es lässt sich also von einer im historischen Verlauf stabilen Selbstnutzerquote sprechen. Seit Beginn der 1990er Jahre ist die Eigentumsquote im früheren Bundesgebiet von 41,6% (1993) auf 44,1% (2002) angestiegen. In den neuen Ländern und Berlin-Ost liegt die Eigentumsquote 2002 mit 33,8% immer noch deutlich niedriger als im Westen. Mit dieser Eigentumsquote bildet Deutschland im europäischen Vergleich zusammen mit der Schweiz das Schlusslicht. In Italien, Irland und Spanien liegen die Eigentumsquoten um 25 bis 45 Prozentpunkte höher (vgl. Abb. 3).
42
66
Braun und Pfeiffer differenzieren zwischen einer haushaltsbezogenen und der personenbezogenen Eigentumsquote und machen darauf aufmerksam, dass aufgrund unterschiedlicher Datenquellen und Stichproben widersprüchliche Eigentumsquoten existieren (Braun/Pfeiffer 2004).
Abb. 3: Wohneigentumsquoten in Europa 2001 (in %)
100 90 76
80 70 60 50 40
36
53
55,7
59
NL
Frankreich
Finnland
70
71
GB
Italien
82
41
30 20 10 0 CH
D
Portugal
Irland
(Quelle: EUROCONSTRUCT/ Ifo Institut zit. nach BBR 2004: 79)
Die Gründe für die im internationalen Vergleich niedrige Wohneigentumsquote sind vielfältig. Für die Expertenkommission Wohnungspolitik kommt Malznetter (1994) zu dem Ergebnis, dass städtebauliche und demographische Rahmenbedingungen ebenso wie ökonomische und wohnungspolitische Faktoren zu einer weiterhin geringen Eigentumsquote in Deutschland beitragen. Die Kosten für den Erwerb von Wohneigentum werden im internationalen Vergleich als sehr hoch eingeschätzt. Bauland ist in Deutschland knapp und teuer und die Baukosten liegen hier höher als in anderen Ländern. Dies hängt zum Teil mit den hohen Qualitätsansprüchen der Bauherren und den Baustandards zusammen. Die niedrige Eigentumsquote in Deutschland hängt neben bauhistorischen Entwicklungen Deutschland ist beispielsweise durch einen hohen Anteil von Mietwohnungen im Geschosswohnungsbestand charakterisiert - auch mit der Siedlungsweise nach Gemeindegröße zusammen. So ist etwa das innerstädtische Reihenhaus in anderen Ländern wesentlich stärker verbreitet. In allen Ländern Europas variiert der Anteil an Wohnungseigentum mit der Gemeindegröße (Malznetter 1994).43 Eine weitere Erklärung für die im historischen Verlauf erstaunlich stabile Selbstnutzerquote liegt nach Behring/Helbrecht in der Etablierung eines funktionsfähigen, attraktiven und durch das Mietrecht sicheren Mietwohnungsmarktes. In der Phase des Wiederaufbaus nach 1945 wurden hauptsächlich Mietwohnungen gebaut, um die Wohnungsversorgung sicherzustellen (vgl. Kapitel II.3) und damit ein Grundstein für
43
Ebenfalls in diese Richtung argumentiert Sydow, der die Orientierung der bundesdeutschen Wohneigentumsquote an den internationalen Eigentumsindikatoren kritisiert. Er zählt eine Reihe von Faktoren auf, die die internationale Vergleichbarkeit der Quoten beeinträchtigt: Haushaltsgröße, Mietpreisrecht und Wohnungsbauförderung sowie Baustandards und Bau- und Baulandpreise (Sydow 1997).
67
die Entstehung der heutigen Mietergesellschaft gelegt (Behring/Helbrecht 2002: 160). Zudem bestanden und bestehen in Deutschland starke soziale Unterschiede beim Zugang zu Wohneigentum. Aber auch Wohnungseigentümer sind keine homogene Gruppe, sondern sie unterscheiden sich nach Motiven und Lebensstilen. Darüber hinaus existieren in Deutschland deutliche regionale Unterschiede. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie sich die Verteilung von Wohneigentum gestaltet und wer nach Staatsangehörigkeit, Alters-, Einkommens-, und Berufsgruppen Eigentum bildet. Wohneigentumsbildung von Migrantinnen und Migranten Ausländische Staatsangehörige stellten 2001 mit mehr 7,3 Mio. einen Anteil von knapp 9% an der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Der Anteil der Migranten und Migrant/innen, die in Deutschland Wohneigentum erworben haben, steigt in den letzten Jahren kontinuierlich. Während 1995 6% der in Deutschland lebenden Migrant/innen Wohneigentum erworben haben, lag der Anteil der ausländischen Eigentümerhaushalte im Jahr 2002 bereits bei 15,5% (Ausländerbericht 2005: 117). In Nordrhein-Westfalen stieg insbesondere der Anteil türkischer Hauseigentümer/innen durch den Verkauf von Häuser ehemaliger Werkssiedlungen deutlich an: von 16% im Jahr 1999 auf 28% 2003 (ILS 2003). Im Kontext der soziologischen Beschäftigung mit der Wohnsituation von Migrant/innen wird die Wohneigentumsbildung häufig als ein Zeichen für eine berufliche Etablierung gesehen. Die Eigentumsbildung bedeutet eine langfristige Investition und wird daher als ein Ausdruck einer dauerhaften Bleibeabsicht interpretiert (ILS 2003, Firat/Laux 2003).
Regionale Verteilung Die Eigentumsquote weist in den einzelnen Bundesländern erhebliche Unterschiede auf, besonders in den Ballungsgebieten ist die Wohneigentumsquote gering. Die Wohneigentumsquote liegt bis auf wenige Ausnahmen in den Kernstädten unter 25%. Haushalte, die Wohneigentum erwerben wollen, wandern meist in kleinere Gemeinden ab, die nach wie vor die höchsten Eigentumsquoten aufweisen. Dabei geht es nicht nur um den Wunsch, ins Grüne zu ziehen, sondern auch um die in ländlichen Regionen niedrigeren Bodenpreise (Jokl/Zehnder 2001, Jessen/Simon 2000). Allerdings sind die Eigentumsquoten in den Kernstädten in den letzten Jahren stärker als in den Umlandkreisen gestiegen, die Kernstädte scheinen demnach wieder attraktiver für die Wohneigentumsbildung zu werden (BBR 2004: 83).
68
Abb. 4: Wohneigentumsquote nach Bundesländern 2002 (in %) 12,5 21,3
Hamburg
30,5 Bremen
34,5 35,4
Nordrhein-Westfalen
38,7 39,1 39,6
Brandenburg
41,3 Hessen
44,4 48,4
Bayern
48,4 48,9
Niedersachsen
50,5 55,2
Saarland
55,9 0
10
20
30
40
50
60
(Quelle: BBR 2004: 83)
Verteilung nach Haushaltsgrößen und Familienstand Durch die Struktur der Haushalte wird der Wohneigentümeranteil stark geprägt. Generell steigt die Eigentumsquote mit der Größe der Haushalte. Einpersonenhaushalte sind mit einem Anteil von 23,8% im Jahr 2003 nur relativ selten WohneigentümerInnen. Schon bei Haushalten mit zwei Personen steigt der Eigentümeranteil stark auf 47,1% an. Bei fünf oder mehr Personen-Haushalten steigt der Eigentümeranteil weiter auf 75,1% (vgl. Tab. 2). Tab. 2: Anteil privater Haushalte mit Wohneigentum nach Haushaltsgröße Haushaltsgröße
1993
2003
Einpersonenhaushalte
23% 23,8%
Zweipersonenhaushalte
45% 47,1%
Haushalte mit fünf und mehr Personen
61% 75,1%
(Quelle: Ulbrich 2000: 301, Deckl/Krebs 2004: 222)
Obwohl der Anteil der EigentümerInnen in großen Haushalten seit 1978 leicht zurückgegangen ist, verfügen Haushalte mit fünf oder mehr Personen nach wie vor über die höchste Wohneigentumsquote (Ulbrich 2000: 301). Der oben beschriebene Trend der mit der Haushaltsgröße steigenden Eigentumsquoten ist auch bei den Paarhaushalten mit Kindern festzustellen: Die Eigentumsquote wächst von 51% bei Paaren mit einem Kind auf 77% bei Paaren mit drei und mehr Kindern (Kott/Krebs 2004: 774). Im Vergleich mit den anderen Haushaltstypen weisen Paare mit Kindern mit 57,7% den 69
höchsten Eigentümeranteil auf, die Differenz zu Paarhaushalten ohne Kinder (53,6%) ist jedoch verhältnismäßig gering (Deckl/Krebs 2004: 223). Nimmt man nur die Ehepaare in den Blick, dann sind Ehepaare ohne Kinder sogar zu einem deutlich höheren Anteil mit Wohneigentum ausgestattet als Familien mit Kindern (Ulbrich 2000: 301). Unter den Haushalten mit Kindern sind auch Alleinerziehende vertreten. Der Anteil von allein erziehenden Wohnungseigentümern fällt mit 19,2% im Jahr 2003 nach wie vor sehr niedrig aus (Deckl/Krebs 2004: 222). Entscheidend ist hier die Frage nach dem Familienstand: Wohneigentum scheint eine Domäne von Ehepaaren zu sein. Ehepaare besaßen 1993 zu 65% Hauseigentum. 45% der Ehepaarhaushalte waren zu dem Zeitpunkt kinderlos, wobei 62% dieser Haushalte im selbstgenutzten Wohneigentum lebten. 25% aller Ehepaarhaushalte hatten ein Kind und 21% hatten zwei Kinder. Davon lebten jeweils 69% im Wohneigentum. Nur 6% bzw. 2% der Ehepaarhaushalte hatten drei bzw. vier Kinder, wovon jeweils 75% bzw. 68% im Wohneigentum lebten (Ostermeier/Blossfeld 1998: 41). Dass Ehepaare Wohneigentum anstreben, erscheint vor dem Hintergrund der finanziellen Möglichkeiten durchaus plausibel. Ehepaare können durch das Zusammenlegen ihrer jeweiligen Ressourcen die finanziellen und immateriellen Belastungen, die mit dem Erwerb von Wohneigentum entstehen, leichter tragen. Der Erwerb von Wohneigentum ist darüber hinaus ähnlich wie die Ehe in der Regel als ein langfristiges Projekt angelegt. Die meist langfristige Bindung an Wohneigentum wird durch die ebenfalls auf Langfristigkeit angelegte Verbindung der Ehe anscheinend erleichtert und gefördert. Mit der Eheschließung ist außerdem oft auch eine Familiengründung verbunden. Mit Kindern gibt es einen höheren Bedarf an Wohnfläche und Entfaltungsmöglichkeiten, der aus der Sicht der Familien in den eigenen vier Wänden besser als in einer Mietwohnung gedeckt werden kann (Kurz 1999: 17). Das Motiv, ein eigenes Haus zu erwerben, ist bei Familien mit einer größeren Zahl von Kindern besonders stark, weil für sie ein Haus mit Garten besonders geeignet ist und sie große Probleme haben, eine entsprechende (Miet-) Wohnung zu finden. Einfamilienhäuser werden in Deutschland bislang selten als Mietobjekte angeboten.44 Dies zeigt, dass Eigentumsbildung eng mit persönlichen Lebensentwürfen verbunden ist. 44
70
Die Wohnverhältnisse von Eigentümer- und Mieterhaushalten unterscheiden sich hinsichtlich der Größe und der Anzahl der bewohnten Räume. Die durchschnittliche Wohnfläche von Eigentümerhaushalten betrug 1998 im früheren Bundesgebiet 120 qm (im Osten 106 qm), die der Mieterhaushalte lag dagegen bei nur 71 qm (im Osten bei 61 qm). Auch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Räume unterscheidet sich erheblich. Eigentümerhaushalte bewohnen im Durchschnitt 4,5 Räume (im Osten 4,1 Räume). Mieterhaushalte haben durchschnittlich 2,7 Räume im früheren Bundesgebiet zur Verfügung (im Osten 2,6 Räume) (Münnich 1999: 217). Margot Münnich macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass Mieter und Mieterinnen zwar in der Regel kleinere Wohnungen als Eigentümerhaushalte bewohnen, der Anteil der Kinderzimmerfläche, bezogen auf die Gesamtwohnfläche, jedoch in Mieterhaushalten größer ist als in Eigentümerhaushalten (Münnich 1999: 219).
Altersstruktur Die Eigentumsquote steigt mit zunehmendem Alter an und erreicht mit 54,5% in der Altersgruppe der 55- bis unter 65-Jährigen ihren Höchstwert. Bei den über 70-Jährigen sinkt die Eigentumsquote wieder ab (70-80 Jährigen 39,3%). Jüngere Haushalte sind dagegen weit weniger häufig Wohneigentümer: In der Alterstufe zwischen 25 und 35 Jahren lag der Schwerpunkt der Erwerber von Wohneigentum bei 21,3% und bei den unter 25-Jährigen nur bei 3,6. Erst ab der Altersgruppe 35 bis unter 45 Jahren liegt der Eigentümeranteil mit 45% über dem Durchschnitt (Ergebnisse der EVS 2003, Deckl/Krebs 2004: 223). Zwischen 1993 und 2003 hat in den alten Ländern vor allem ein Zuwachs der Eigentumsquote bei den älteren Haushalten stattgefunden. Zurückgeführt wird diese Entwicklung im Wesentlichen auf den Kohorteneffekt: Danach wachsen Haushalts-Generationen, die in jüngeren Jahren Wohneigentum gebildet haben, in die älteren Haushaltsklassen hinein, während die älteren Haushalte mit niedriger Eigentumsquote vermehrt sterben. (BBR 2004: 80f.) Laut Ulbrich betrug das Durchschnittsalter der Erwerber selbstgenutzten Wohneigentums in Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1987 bis 1990 38 Jahre (Ulbrich 1993: 18). Diese Verteilung deutet auf einen Zusammenhang der Eigentumsbildung mit Lebenslauf und Lebensphasen hin. Eine Wohnbiographie wird üblicherweise als Mieter begonnen und nach einer beruflichen Etablierung, verbunden mit einem steigenden und stabilen Einkommen oder Erbe, erfolgt der Übergang ins Wohneigentum (Häußermann/Siebel 1996: 237). In der Untersuchung von Wagner/Mulder zeigt sich, betrachtet man den Kohortenprozess, dass der Wechsel ins Wohneigentum relativ gleichmäßig über eine Alterspanne vom 20. bis zum 50. Jahr vollzogen wird, obwohl die Übergangsraten zu Beginn des vierten Lebensjahrzehnts ein Maximum erreichen. Demnach wird man in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen Wohneigentümer und keineswegs durchgängig und typischerweise am Beginn des Familien- und Erwerbsverlaufs (Wagner/Mulder 2000: 57).
71
Verteilung nach Einkommen Betrachtet man die Wohneigentumsquote in Verbindung mit dem Haushaltseinkommen, so lässt sich feststellen, dass Haushalte mit geringem Einkommen deutlich seltener Wohnungseigentümer sind als Haushalte mit höheren Einkommen. Mit zunehmender Höhe des Einkommens steigt auch der Anteil der Haushalte mit Wohneigentum. Die sozialen Unterschiede beim Zugang zu Wohneigentum verstärkten sich in den letzten Jahrzehnten. Laut Ulbrich ist die Wohneigentumsquote im untersten Einkommensquintil in den Jahren 1978 bis 1987 von 32,3% auf 29,9% gefallen und liegt bis 1993 mit 30% weiterhin konstant niedrig. Dagegen ist die Wohneigentumsquote im obersten Einkommensquintil von 43,8% im Jahr 1978 auf 51,5% im Jahr 1987 bzw. auf 56% im Jahr 1993 gestiegen (Ulbrich 1993, 2000: 301). Diese Tendenz setzt sich bis 2004 fort: Im oberen Quintil ist die Eigentumsquote weiter kontinuierlich auf 55,4% gestiegen; im untersten Quintil ist die Quote dagegen weiter auf 26,2% gefallen (Datenreport 2006: 493). Auffällig ist der Zusammenhang zwischen Einkommen und Haushaltsgröße: Am stärksten ausgeprägt sind die Abstufungen nach dem Einkommen bei den größeren Haushalten. So ergab sich bei Haushalten mit 5 oder mehr Personen von untersten bis zum obersten Einkommensquintil ein Anstieg der Wohneigentumsquote von 32% auf 85%. (Ulbrich 2000: 301). Besonders ungleich bezogen auf die Einkommensschichten ist das Wohneigentum in den Städten verteilt. Hier können nur 10% der Haushalte im untersten Einkommensquintil Wohneigentum nutzen, während im obersten Einkommensquintil der Anteil bei 38,8% liegt. In den Städten beträgt der Abstand zwischen den Quintilen fast das Vierfache, während er im Bundesdurchschnitt weniger als das Doppelte beträgt. Noch größere Unterschiede sind bei Haushalten mit Kindern festzustellen. Auch sie können im untersten Einkommensquintil nur zu 10% Wohneigentum nutzen, sind aber im obersten Quintil immerhin zu 64% Wohnungseigentümer in der Stadt (Ulbrich 2000: 302). Eigentumsbildende Haushalte haben höhere Einkommen. Die Abstände beim Einkommen zwischen Eigentümer/innen und Mieter/innen haben sich seit 1965 vergrößert. Der Abstand des durchschnittlichen Einkommens von Haushalten, die Wohneigentum erworben haben, lag 1978 um durchschnittlich 54% höher als das Einkommen von Mieterhaushalten. Bis 1988 ist der Einkommensunterschied auf 102% gestiegen (Häußermann/Siebel 1996: 241).
72
Verteilung nach sozialrechtlicher Stellung Die Differenzierung nach sozialrechtlicher Stellung der Wohnungseigentümer zeigt, dass seit 1957 Selbstständige (mit einem Anteil von 64,6%) bis in die 90er Jahre am häufigsten im Eigentum wohnen. In den letzten Jahrzehnten scheint sich hier ein leichter Rückgang anzudeuten. Bei den abhängig Beschäftigten ist eine Zunahme der Eigentümerhaushalte seit den 50er Jahren festzustellen. Lag der Anteil der abhängig Beschäftigten 1957 bei 19,3%, so stieg er bis 1998 auf 42,5% an. Tab. 3: Haushalte in Eigentümerwohnungen nach sozialrechtlicher Stellung des Haushaltsvorstands in Prozent (alte Bundesrepublik) 1957 1960 1965 1968 1972 1978 1987 1993 1998* Selbständige 64,6 67,5 66,8 69,1 66,7 67,1 64,7 61,5 60,4 Beamte/ 19,31 21,8 22,3 27,0 28,7 35,5 41,2 42,6 42,5 Angestellte Arbeiter 26,4 27,2 32,3 31,3 34,1 35,7 35,5 35,0 Nichter25,6 28,5 28,1 31,3 30,2 31,5 31,0 39,9 43,1 werbstätige 28,8 32,3 31,3 35,1 33,5 36,1 37,8 41,6 42,6 Insgesamt 1
Inkl. Arbeiter
*West
(Quelle: Kurz 2000: 29)
Bis in die 1970er Jahre lebten Arbeiterhaushalte etwas häufiger in Wohneigentum als Beamte oder Angestellte. Seit den 80er Jahren stagniert die Wohneigentumsquote bei Arbeiterhaushalten bei ca. 35%, während die Eigentumsquote bei Beamten/ Angestellten auf 42,5% angestiegen ist (vgl. Tab. 3). Nach den Ergebnissen der Einkommensund Verbrauchsstichprobe 2003 stellen Angestelltenhaushalte und Rentnerhaushalte die größten Gruppen unter den Wohneigentümern. Als drittgrößte Gruppe werden Arbeiterhaushalte genannt (Kott/Krebs 2004: 776). Der vergleichsweise hohe Anteil von Wohneigentum bei Arbeitern erscheint erklärungsbedürftig, da Arbeiterhaushalte im Durchschnitt ein deutlich niedrigeres Erwerbseinkommen als Angestellte und Beamte haben. Neben dem Einkommen spielen hier offensichtlich noch andere Faktoren der Eigentumsbildung eine Rolle. Im folgenden Abschnitt geht es um die besonderen Bedingungen der Eigentumsbildung von Arbeiterhaushalten und die von ihnen eingesetzten Strategien, die die Eigentumsbildung trotz vergleichsweise niedriger Einkommen ermöglichen. 2.2. Eigentumsbildung durch Selbsthilfe in Arbeiterhaushalten Neben der Möglichkeit des Erbes und des marktförmigen Erwerbs von Hauseigentum spielt der Einsatz von baulicher Selbsthilfe bei Arbeiterhaushalten eine große Rolle. Wie eine Reihe von empirischen Untersuchungen vor allem für den ländlichen Raum aufgezeigt hat, verfolgen Arbeiterhaushalte bei Eigentumserwerben eine komplexe Strategie (Jessen u. a. 1988, Petrowsky 1993). Diese Strategie zeichnet sich dadurch 73
aus, dass informelle Ressourcen genutzt werden. Dies bedeutet neben dem Einsatz von Eigenarbeit die Maximierung des Haushaltseinkommens durch Überstunden, die Arbeit aller Haushaltsmitglieder, Einsatz von wenig Fremdkapital und deshalb niedrige Zinsbelastungen. Häußermann/Siebel bezeichnen dies als eine marktferne Strategie und einen investiven Lebensstil der Arbeiterhaushalte. Ein investiver Lebensstil bezeichnet eine Haushaltsorganisation, in der alle verfügbaren Ressourcen auf den Erwerb des eigenen Hauses ausgerichtet sind. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch haushaltsübergreifende Zusammenhänge: das mögliche Grundsstückserbe, die Mithilfe von Verwandten und Bekannten beim Bau des Hauses und vielfältige Formen informeller Austauschprozesse (Häußermann/Siebel 1996: 259). Diese Art der Eigentumsbildung hat demnach als Voraussetzung die Zugehörigkeit zu einem stabilen (und leistungsfähigen) sozialen Netz, das nur über lokal gebundene, längerfristige Verbindungen aufgebaut werden kann. Dies setzt zudem Sesshaftigkeit voraus: Ein Arbeiter baut dreißig Jahre an seinem Haus: erst das des Schwagers, dann das des Nachbarn, dann mit deren Hilfe sein eigenes, und schließlich hilft er noch dem Sohn. (Häußermann/Siebel 1996: 260) Petrowsky macht darauf aufmerksam, dass Hauseigentum und Familie einen außergewöhnlich engen Zusammenhang bilden. Hauseigentum wird überwiegend von Familien angestrebt. Er vertritt die These, dass auch in kapitalistischen Gesellschaften die familiare Reproduktion in Form der Hauswirtschaft erfolgt, und dass das Hauseigentum bessere Bedingungen für die Reproduktion der Familie bietet. Die von ihm untersuchten Arbeiterhaushalte sind in intensive soziale Netze eingebunden und erhalten dadurch Zugang zu Ressourcen von Nicht-Haushaltsmitgliedern. Dies bezeichnet Petrowsky als produktive Funktion von Hauseigentum und nimmt dies als eigentlichen Grund (an), weshalb das Hauseigentum über Generationen hinweg nach der Familiengründung immer wieder angestrebt wird (Petrowsky 1993: 180). Insbesondere für Arbeiterfamilien wird mit dem Hauseigentum nicht nur ein Haus erworben, sondern damit vermittelt, ökonomische Potenziale (z. B. Selbsthilfe beim Bau, in der Nebenerwerbslandwirtschaft) zu nutzen und soziale Verhaltensweisen zu pflegen, die über Generationen weitergegeben werden. Inwieweit diese Ergebnisse auch auf Familienhaushalte allgemein ausgedehnt werden können, ist weitgehend offen bzw. nicht untersucht. Interessant ist jedoch einerseits die vom Autor aufgezeigte Verbindung von Hauseigentum und nichtmarktförmigen Strategien, die im Kapitel III ausführlicher thematisiert werden. Andererseits wird am Beispiel von Arbeiterhauseigentum aufgezeigt, welche Motive und Verbindungen an das Hauseigentum geknüpft sind. Hauseigentum erscheint als integraler Bestandteil der Lebenszusammenhänge der untersuchten Arbeiterfamilien. Um den Hauserwerb realisieren zu können, ist die Einbindung in ein 74
hauptsächlich familiäres Beziehungsnetz notwendig. Durch das Hauseigentum werden diese Beziehungsnetze vertieft und an die nächste Generation weitergegeben; eine Voraussetzung dafür ist die Immobilität dieser Haushalte. Das Hauseigentum bekommt dadurch einen symbolischen Wert: es steht für den Familienzusammenhalt, für die Verankerung des Familiengedächtnisses (Petrowsky 1993: 49, Steinrücke/ Schultheis 1998: 13). Dazu kommt die besondere Bedeutung des Erbes. Für die Familien, die erben, bedeutet das geerbte Wohneigentum eine wesentliche vertikale, d. h. zwischen den Generationen, und horizontale Achse eines sozialen Netzes, die möglichst nicht gefährdet werden darf (Ostermeier/Blossfeld 1998: 51). Die Vererbung des Wohneigentums nimmt demnach auch eine Schlüsselstellung im Rahmen familialer Reproduktionsstrategien ein. Über die Attraktivität bzw. Aktualität dieses Modells des Hauserwerbs bestehen unterschiedliche Ansichten. Die Untersuchung von Petrowsky befasst sich ausschließlich mit Arbeiterfamilien. Die für sie festgestellte Form des Eigentumserwerbs bezieht sich schwerpunktmäßig auf den ländlichen Bereich und auf immobile Bevölkerungsschichten. Für mobile Arbeiterfamilien wird der Hauserwerb als sehr schwierig beschrieben, da das familiale und ortsgebundene Netz der Familien fehlt. Karin Kurz differenziert die Ergebnisse zu Arbeiterhaushalten und Eigentum weiter aus, indem sie auf Unterschiede des Zugangs zu Wohneigentum innerhalb der Arbeiterfamilien hinweist. Ungelernte Arbeiter haben weit geringere Chancen, Wohneigentum zu erwerben als Facharbeiter (Kurz 2000). 2.3. (Familien-)Soziologische Aspekte des Projekts Wohneigentum Das Projekt Wohneigentum ist unter soziologischen Gesichtspunkten aus einer Reihe von Gründen relevant. Nach der Darstellung von Karin Kurz sind insbesondere drei Aspekte für die soziologische Betrachtung von Wohneigentum bedeutsam: die Entwicklung der Wohlfahrts- und Vermögensposition von Haushalten, die mögliche Beeinflussung oder Veränderung der durch den Arbeitsmarkt produzierten sozialen Ungleichheitsstrukturen durch Wohneigentum und die Bedeutung von Wohneigentum für die Prägung der Lebensläufe (Kurz 2000: 27). Neuere Untersuchungen des Übergangs ins Wohneigentum befassen sich mit Fragen nach der zeitlichen Verortung im Lebenslauf, den sozialstrukturellen Determinanten des Übergangs ins Wohneigentum und der Verteilung von Wohneigentum.45
45
Vgl. die Analysen von Wagner/Mulder 2000, Kurz 2000 und Ostermeier/Blossfeld 1998. Eine Einführung in das Thema und einen Überblick über wichtige Fragestellungen und Ergebnisse geben Häußermann/Siebel 1996. Die familiensoziologisch orientierte Forschung beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Wohneigentum und Ehestabilität (Ostermeier/Blossfeld 1998 und Kalter 1999). Zur Eigentumsbildung von Arbeiterhaushalten und zu Determinanten der intergenerationalen Weitergabe von Wohneigentum vgl. Petrowsky
75
Das Eigenheim stellt heute im Gegensatz zu früher die Wohnform von gut der Hälfte der deutschen Bevölkerung dar. Der Erwerb oder Bau von Wohneigentum ist in der Nachkriegszeit für immer mehr Menschen zu einer bedeutsamen Statuspassage im Lebenslauf geworden; so wird das Eigenheim auch heute noch als Ausdruck einer gelungenen Biographie verstanden. Die Bedingungen und Konsequenzen des Wohneigentums im Lebenslauf sind daher zum Gegenstand einer Reihe von empirischen Analysen geworden. Die Realisierung des Eigentumswunsches ist vor allem von stabilen Lebensverhältnissen abhängig. Dafür sind vorhersagbare Einkommens- und Familienverhältnisse wesentlich, aber auch die Gesundheit, ein Lebensstil, der höhere Anspar- bzw. Tilgungsraten erlaubt, und eine weitgehende regionale Immobilität. Der Wohneigentumserwerb findet daher vorrangig in der Phase der Familienbildung statt (Ostermeier/Blossfeld 1998: 42). In der Untersuchung von Ostermeier/Blossfeld wird dem spezifischen Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Ehescheidung nachgegangen. Wohneigentümer so das Ergebnis der Studie führen weit stabilere Ehen als Mieter. Dies wird darauf zurückgeführt, dass Eigentümer scheinbar eher in der Lage sind, längerfristige Selbstbindungen einzugehen. Im Falle einer Erbschaft wird dieser Effekt noch verstärkt, denn das geerbte Wohneigentum hat eine besondere symbolische Bedeutung. Es repräsentiert die soziale Einbettung in Familien- und Verwandtschaftsnetze und bildet eine Achse zwischen den Generationen (Ostermeier/Blossfeld 1998: 50). Dieses Ergebnis bestätigt sich in der Mannheimer Scheidungsstudie, nach der Eigentum als eine ehespezifische Investition einen eigenständigen Einfluss auf die Stabilität einer Ehe besitzt. In theoretischer Hinsicht wird damit eine zentrale These des familienökonomischen Ansatzes bestätigt, der zufolge die Stabilität einer Ehe mit dem Ausmaß der ehespezifischen Investitionen zunimmt (Kalter 1999). Eine empirische Analyse zu der Frage, in welcher Weise Familiengründung und sozioökonomische Ressourcen den Übergang in das Wohneigentum beeinflussen, kommt zu dem Ergebnis, dass der Hausbesitz der Eltern es den Kindern erleichtert oder ermöglicht, selbst Wohneigentümer zu werden. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die Eltern die Kinder durch Schenkungen oder Erbe und auch beim Hauskauf finanziell unterstützen, es findet also ein Transfer von Vermögen zwischen den Generationen statt (Wagner/Mulder 2000: 46). Wohnwerte können jedoch auch über Sozialisationswirkungen (Wohnerfahrungen) zwischen den Generationen weitergegeben (Kurz 1999: 29). Darüber hinaus ist der Wechsel zu Wohneigentum eng mit den Faktoren Heirat, Bildungsniveau, der Erwerbsdauer und (negativ) dem Grad der Urbanisierung verbunden (Wagner/Mulder 2000: 57). 1993 und Kurz 2000. Zum Vergleich des Eigentumserwerbs in Deutschland und den USA vgl. Clark/Deurloo/Dieleman 1997.
76
Daraus kann folgendes Fazit gezogen werden: Die Wohneigentumsbildung ist eine Frage des Einkommens und der Haushaltsgröße, der persönlichen Einstellung und des Lebensstils (vgl. Scheider/Spellerberg 1999). Aufgrund des kontinuierlichen Anstiegs der haushaltsbezogenen Eigentumsquote im Zeitverlauf kann man insgesamt von einem Erfolg der Eigentumsförderung sprechen. Trotz des Anstiegs der Eigentumsquote bestehen nach wie vor starke soziale Unterschiede beim Zugang zum Wohneigentum. Die Eigentumsbildung konzentriert sich auf die einkommensstarken Haushalte, und die sozialen Unterschiede haben sich in den letzten Jahrzehnten noch verstärkt. Die Schwellenhaushalte scheinen es zunehmend schwerer zu haben, Eigentum zu bilden (Ulbrich 2000). Auch das Alter der Eigentümer, das im europäischen Vergleich mit durchschnittlich 38 Jahren vergleichsweise hoch ausfällt, hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Obwohl die Eigentumsquote insgesamt gestiegen ist, verteilt sich der Zuwachs nicht gleichmäßig auf alle Generationen: vor allem die zahlenmäßig starke Generation der heute 60 bis 69-Jährigen hat aufgrund günstiger Rahmenbedingungen in den 1960er und 70er Jahren Wohneigentum gebildet und damit zum Anstieg der Eigentumsquote beigetragen. Ein großer Anteil der jüngeren Haushalte wohnt zur Miete, da die ökonomischen Rahmenbedingungen in den 1980er und 90er Jahren (u. a. Anstieg der Grundstückspreise und Baukosten) eine Bildung von Wohneigentum erschwerten (Braun/Pfeiffer 2004: 10). Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass die Sozialstrukturen auch intergenerationale Effekte haben: durch einen Vermögens- und Verhaltenstransfer haben Kinder von Wohneigentümern eine höhere Möglichkeit zur Wohneigentumsbildung. Nun sind die einkommensschwachen Haushalte und junge Familien mit Kindern die zentralen Zielgruppen der staatlichen Förderung. Wie hat sich die staatliche Wohneigentumsförderung in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Wie gestaltet sie sich aktuell? Welche Ziele werden mit der Eigentumsförderung verbunden?
3. Wohnungspolitik und die Wohneigentumsförderung Die Förderung von Wohneigentum ist historisch wie aktuell ein zentrales wohnungspolitisches Ziel. In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg wurde die Förderung des individuellen Wohneigentums von allen Parteien befürwortet. Die Erfahrungen der Nachkriegszeit ließen das Eigenheim besonders attraktiv erscheinen. So bot ein kleines Haus doch Möglichkeiten der Selbstversorgung durch einen Garten, war weniger vom Bombenkrieg betroffen, konnte schnell wieder aufgebaut bzw. bewohnbar gemacht werden und galt nach der Währungsreform als wertbeständigste Investitionsform (Schulz 1988: 412). Das individuelle Wohnungseigentum hatte in der Nachkriegszeit bei allen Parteien einen hohen Stellenwert, obwohl die wohnungspolitische Praxis in den ersten Nach77
kriegsjahren vorwiegend auf den Mietwohnungsbau gerichtet war. Das erste Wohnungsbaugesetz von 1950 nannte das Eigenheim nur als eine der förderungswürdigen Bauformen neben der Mietwohnung (§ 16, I. WoBauG). Das Eigenheim wurde im ersten Wohnungsbaugesetz demnach nicht privilegiert gefördert. In den folgenden Jahren wurde eine intensive wohnungspolitische Diskussion um die Wohneigentumsförderung geführt. Im Vordergrund standen dabei katholische Kreise in der CDU, die eine massive Agitation für das Eigenheim begannen (Schulz 1988: 416). Ein Protagonist dieser Diskussion war der CDU-Politiker Paul Lücke, der ab 1957 als Wohnungsbauminister ein wohnungspolitisches Konzept verfolgte, das Wohnungspolitik mit Familienpolitik gleichsetzte und in dem das individuelle Wohneigentum eine besondere Rolle spielte. Wohnungspolitik bedeutete für Lücke Politik für die Wohnbedürfnisse der kinderreichen Familien. Das von ihm geforderte Familienheim ist idealtypisch in einem freistehenden, selbstgenutzten Einfamilienhaus mit Wirtschaftsteil und Nutzgarten verwirklicht. Die Vorstellung von einem kinder- und familienfreundlichen Eigenheim entsteht unter Rückgriff auf großstadtkritische Elemente. Der Kontrast zwischen gefährlichem, ungesundem Mietskasernenmilieu in der Stadt und dem ordentlichen, gesunden Leben in einem Haus im Grünen unterstreicht dieses Konzept. Lückes Eigenheimkonzept räumte Selbsthilfe und Selbstversorgung im Rahmen der allgemeinen Lebensführung eine große Priorität ein. Der Idealfall dieses Konzeptes war die mit Eigenleistung und Nachbarschaftshilfe erstellte Kleinsiedlung, die ihre Selbstversorgung durch Garten und Kleintierhaltung ermöglichte (vgl. Kap. III). In gesellschaftspolitischer Perspektive wurde das Eigenheimkonzept durch die Schaffung und Streuung von individuellem Eigentum als Stabilisierung der gesellschaftlichen Ordnung verstanden. Dahinter stand der Gedanke, die Sicherung des sozialen Friedens durch die Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen und der Zufriedenheit und Selbstbestimmung des Einzelnen zu fördern (Schulz 1988: 419). Die Wohnungspolitik hatte in den 1950er Jahren drei Pfeiler: die Förderung der Bildung von Wohneigentum durch Privathaushalte, den sozialen Wohnungsbau, und ab 1968 die finanzielle Unterstützung von Niedrigverdienern durch das Wohngeld (Häußermann/Siebel 1996: 146). Mit der Wohnungsbaunovelle von 1953 wurde der Bau von Eigenheimen gegenüber dem Mietwohnungsbau bereits prinzipiell begünstigt. Der Untertitel des zweiten Wohnungsbaugesetzes (1956), Wohnungs- und Familienheimgesetz, weist darauf hin, dass neben der Wohnbauförderung weitere Ziele an Bedeutung gewannen. Im Zentrum stand dabei die Förderung von Eigenheimen im Rahmen der Familienpolitik (§ 1 Die Förderung des Wohnungsbaus soll überwiegend der Bildung von Einzeleigentum [Familienheimen] und eigengenutzten Eigentumswohnungen dienen), aber auch die 78
Aspekte der Vermögensbildung und der qualitativen Versorgung traten in den Vordergrund. Damit wurde eine wichtige eigentumspolitische Komponente in der Wohnungsgesetzgebung verankert (Zimmermann 2002: 333).46 In der Nachkriegszeit richtete sich die Eigentumsförderung zunächst auf den Neubau von Wohnraum und wurde erst 1977 auf den Erwerb von Gebrauchtwohnungen ausgedehnt. Betrachtet man die Entwicklung im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, so zeigt sich, dass der Eigenheimbau, später auch der Bau von Eigentumswohnungen im Laufe der Jahrzehnte zum wichtigsten Bestandteil des sozialen Wohnungsbaus wurde. Bis in die 60er Jahre wurden überwiegend Mietwohnungen gebaut. Mit der Einführung des zweiten Förderwegs im sozialen Wohnungsbau 1965/66 wurden die Einkommensgrenzen um 40% über die im ersten Förderweg gültigen angehoben. Dieser Förderweg kam zunehmend dem Eigenheimbau zugute. In der Folgezeit verlagerte sich die Förderung im sozialen Wohnungsbau mehr und mehr auf den zweiten Förderungsweg und auf die Förderung von Wohneigentumsmaßnahmen. Machten Ende der 1950er Jahre Eigenheime und Eigentumswohnungen ein Viertel der öffentlichen Förderung aus, so wuchs ihr Anteil bis Mitte der 70er Jahre auf knapp die Hälfte und machte im Jahr 2001 zwei Drittel der Förderung aus.47 Unter den im Rahmen des Sozialen Wohnungsbau geförderten Eigentumsmaßnahmen entfällt nur ein geringer Teil auf Eigentumswohnungen, der größte Anteil besteht aus Ein- und Zweifamilienhäusern (BBR 2004: 47). In wohnungspolitischer Hinsicht wurde diese Verschiebung mit der Filteringtheorie und den damit verbunden, äußert umstrittenen Sickereffekten begründet, die der Wohnungsversorgung einkommensschwacher Haushalte zugute kommen sollten.48 Diese Haushalte, so wurde bereits in den Zielsetzungen des 2. Wohnungsbaugesetzes deutlich, bestehen in der Regel aus Familien. Der soziale Wohnungsbau verfolgt also eine besondere Form der Förderung der Eigentumsbildung für Familien und grenzt damit andere Haushaltsformen (z. B. Alleinerziehende oder auch Alleinstehende) aus (Becker 1990).49 Seit 1989 wurde die soziale Wohnbauförderung um den dritten Förderweg und eine einkommensorientierte Förderung erweitert.
46
Zur detaillierten Darstellung der Wohnungspolitik in der Nachkriegszeit vgl. Beyme 1999: 83-113.
47
Allerdings sind die Bewilligungszahlen seit Mitte der 1990er Jahre stark zurückgegangen. Wurden 1994 noch 160.000 Wohnungen gefördert, waren es 2001 lediglich 38.408 Wohnungen (BBR 2004: 46).
48
Die Filteringtheorie geht davon aus, dass die Wohnungsversorgung der einkommensschwachen Haushalte durch die Förderung der Eigentumsbildung der einkommensstarken Haushalte verbessert wird. Die einkommensstarken Haushalte ziehen aus Mietwohnungen in ihr neues Eigentum um und setzen dadurch Umzugsketten in Gang, in deren Verlauf zunehmend Mietwohnungen für die einkommensschwächeren Haushalte frei werden (vgl. kritisch dazu Häußermann/Siebel 1996: 148f.).
49
Dies gilt auch für die Vergabe von Sozialwohnungen. Ruth Becker (1990) untersuchte die dort bestehenden Ausgrenzungsmechanismen in Bezug auf den Familienstatus (junge Ehepaar, Alleinstehende und Alleinerziehende), das Einkommen und die Vergabepraktiken von Sozialwohnungen in den 1980er Jahren.
79
Insgesamt wurden von 1950 bis 2001 in den alten Bundesländern rund 8,7 Millionen Sozialwohnungen gefördert. Davon waren rund 5,8 Millionen Miet- und nur knapp 2,9 Millionen Eigentumswohnungen. Allerdings ist der Sozialwohnungsbestand inzwischen auf 1,9 Millionen Wohnungen geschrumpft (2003 in den alten Bundesländer), das sind knapp 7% des Wohnungsbestands (11% der Mietwohnungen), wobei der verbliebenen Bestand regional sehr ungleich verteilt ist. (Becker 2005a: 1301) Die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums hat in den vergangenen Jahrzehnten auf unterschiedlichen Ebenen stattgefunden. Die Förderung der Wohneigentumsbildung erfolgte zum einen, wie dargestellt, über die direkte Förderung im Rahmen der verschiedenen Förderwege des sozialen Wohnungsbaus, zum anderen über die indirekte Förderung durch Steuervorteile bei der Einkommensteuer (bis 1986 § 7b EStG, bis 1995 §10e EStG) und die Förderung durch Vorteile bei anderen Steuerarten (Grundsteuer, Vermögensteuer, Erbschaftssteuer). Als ein Grundprinzip der Eigentumsförderung bis 1996 kann trotz vielfältiger Änderungen festgehalten werden, dass die BezieherInnen hoher Einkommen durch die Gewährung von Steuervergünstigungen bevorzugt wurden und umso mehr Steuervorteile durch Bildung von Wohneigentum hatten, je höher ihr Einkommen war. Durch die Einführung einer einkommensunabhängigen Kinderkomponente im Jahr 1987 wurde die mit der Eigentumsförderung verbundene soziale Umverteilungswirkung so Ruth Becker abgemildert (Becker 2005a: 1307). Die Eigentumsförderung wurde 1996 auf die progressionsunabhängige Eigenheimzulage umgestellt, die nach einigen Änderungen und umfassenden Diskussionen zum 1. Januar 2006 abgeschafft wurde. Auf die inhaltliche Ausgestaltung dieses Instruments werde ich in Kapitel II.5.2 eingehen. Die Eigenkapitalsbildung wurde und wird durch die Bausparförderung unterstützt. Bausparverträge werden zum einen steuerlich begünstigt, zum anderen werden in Abhängigkeit von der Einkommenshöhe Wohnungsbauprämien gezahlt. Die einzelnen Instrumente haben dabei unterschiedliche Gewichtung und zahlreiche Veränderungen erfahren (Zehnder 2001, Jokl/Zehnder 2001). Im Folgenden werde ich auf die mit der Wohneigentumsbildung verbundenen wohnungspolitischen Legitimationen und Leitbilder eingehen, um die Hintergründe der dargestellten Politikstrategien zu beleuchten. Anhand der Geschichte der Wohnungspolitik, die der Förderung des Wohneigentums seit der Nachkriegszeit einen hohen Stellenwert eingeräumt hat, wird deutlich, in welchem Maße die individuellen Wünsche nach einem Eigenheim auch gesellschaftlich hergestellte Wünsche sind. Welche Intentionen damit verfolgt werden und welche Vorstellungen mit dem eigenen Heim verbunden werden, sind Gegenstand des folgenden Kapitels.
80
4. Legitimationen und Leitbilder der Wohnungspolitik: Die Eigenheimideologie Die Familienorientierung der Wohneigentumsbildung ist über die Jahrzehnte hinweg konstant geblieben. Auch das bereits von Friedrich Engels angesprochene Argument der gesellschaftlichen Stabilisierung durch die Bindung von Arbeitern an Grund und Boden50 wurde als Motiv einer eigentumsbedingten Verstetigung und Verbesserung von Lebenslagen in der Konsolidierungsphase der Bundesrepublik immer wieder formuliert. Eigentum wurde als ein Schutzschild gegen kollektivistischen Sozialismus gesehen. Nach 1970 gewannen verschiedene Argumente zur Förderung von Wohneigentum an Bedeutung. Zum einen wurde die Vorstellung vertreten, Eigentum fördere die Individualität des Menschen und sei eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe an der Gesellschaft. Weiter wurde auch die vermögenspolitische Bedeutung von Wohneigentum hervorgehoben (Zimmermann 2001). Allerdings sind in der Zeit nach 1970 auch eigentumskritische Positionen formuliert worden. Zwei prominente Beispiele sind der Stadtsoziologe Hans Paul Bahrdt und der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich. Bahrdt stellte in seinem Buch Humaner Städtebau die Frage, ob das eigene Haus wirklich die Freiheitschancen des Menschen vergrößert (Bahrdt 1968: 73). Der Vorstellung von Eigentum als einem Garanten der (persönlichen) Freiheit stellte er die sehr großen finanziellen Belastungen und Risiken des Eigenheimerwerbs gegenüber. Er betonte die weitreichenden Konsequenzen des Hauskaufs oder Baus: jahrzehntelange Abzahlungspflichten, einen daraus resultierenden Zwang zu einem sparsamen Lebensstil und die in der Regel weite Entfernung der Eigenheime von kultureller Infrastruktur und kommt zu einer insgesamt sehr negativen Einstellung zum Eigenheim. Diese Einschätzung wird von Mitscherlich geteilt. In seiner Abhandlung Über die Unwirtlichkeit der Städte greift er den mit der suburbanen Lebensweise im Einfamilienhaus verbunden Rückzug ins Private an (Mitscherlich 1965). Die Probleme der Vereinzelung und der sozialen Isolation in den neuen Wohngebieten, in denen nachbarschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen fehlen, werden auch aktuell noch diskutiert. In Bezug auf die suburbane Lebensweise allgemein stellt Harlander fest, dass ... in den letzten Jahren auch verstärkt die Zweifel an dem damit verknüpften, in sozialer Hinsicht so wenig gemeinschaftshaltigen suburbanen Lebensmodell (wachsen). (Harlander 2001: 12)
50
In seiner Schrift Zur Wohnungsfrage diskutierte Engels bereits 1872 das Argument, dass Hausbesitz zur Verbürgerlichung der Arbeiterklasse und damit zur Befriedung revolutionärer Tendenzen beitrage.
81
Bourdieu spitzt diese Betrachtung zu, indem er das Eigenheim auf mehrfache Art und Weise als Falle bezeichnet (Bourdieu 1998: 21). In seiner Analyse der Wünsche, Erfahrungen und Enttäuschungen mit dem Kauf von Wohneigentum in Frankreich arbeitet er die Funktionsweisen des Eigenheims heraus. Der Hauskauf impliziert in der Sicht Bourdieus eine Stabilität und Dauerhaftigkeit von Beziehungen, Arbeitsverhältnissen etc., die aktuell immer weniger gegeben ist. Darüber hinaus hat das Eigenheim die Tendenz, nach und nach zum Ort der Fixierung aller Besetzungen und Investitionen zu werden. (Bourdieu 1998: 22). Dies bedeutet eine Domestizierung der Wünsche und Vorhaben (ebd.) und damit einen verstärkten Rückzug ins Private bzw. eine Fixierung aufs Private. Hinzu kommen die in der Regel langen Fahrzeiten und die Isolation z. B. vom kulturellen Leben, die mit dem suburbanen Eigenheim verbundenen sind. Entspricht die (Wohn-)Realität nicht den mit dem Hauskauf verbundenen Wunschvorstellungen, werden die Wünsche und die Zufriedenheit aufgrund massiver ökonomischer Zwänge so Bourdieu an die Realität angepasst. Diesen kritischen Analysen der Eigentumsbildung und deren Folgen steht eine Konstanz der familienpolitischen und gesellschaftsstabilisierenden Bedeutung von Wohneigentum als einem wesentlichen Argument der Förderung gegenüber. Eine zu Beginn der neunziger Jahre eingesetzte wohnungspolitische Expertenkommission stellte fest: Darüber hinaus wird die Erhöhung der Selbstnutzerquote als prinzipiell wünschenswert angesehen, weil das Erleben von Eigentum und der Gewinn an Unabhängigkeit im eigenen Heim Lerneffekte in Gang setzt, die für den Zusammenhalt des Gemeinwesens nützlich sind, eine Bejahung der Gesellschaftsordnung und eine größere Unabhängigkeit bei Einkommens- und Arbeitsplatzverlust und somit eine geringere Neigung zur Radikalisierung. Als erwünscht angesehen wird auch eine höhere Sparquote der selbstnutzenden Eigentümer. (Expertenkommission 1994: 58) In der aktuellen Diskussion über die Gestaltung und Förderung von Wohneigentum werden unterschiedliche, miteinander verbundene Diskussionsstränge thematisiert (vgl. Tab. 4). In der Auseinandersetzung um die Vorteile von Wohneigentum ist deutlich geworden, dass es im Wesentlichen nicht um das Eigentum an sich geht, sondern um (Wohn-)Vorteile, die damit verbunden werden. Dazu gehörten das Wohnen im Grünen, selbstbestimmtes Wohnen, die finanzielle Absicherung etc. Allerdings können viele der mit Wohneigentum verbundenen Vorstellungen auch unabhängig von der Wohnform Eigentum verwirklicht werden (vgl. Siebel 2000b). Insbesondere die Verfügungsrechte über eine Wohnung oder ein Haus können unabhängig vom Eigentum ausgeweitet und verändert werden.
82
Tab. 4: Übersicht: Legitimationen und kritische Betrachtung der Wohneigentumsbildung Funktionen der Wohneigentumsbildung Demokratietheoretische Förderung der Individualität Funktion von Eigentum Förderung der Teilhabe an der Gesellschaft Vermögenspolitische Argumente
Sparzwang, Vermögensbildung, Alterssicherung
Effektivität des Mitteleinsatzes
Sickereffekte Konzentration auf bedürftige Zielgruppen (durch die Eigenheimzulage)
Wohneigentumsbildung als Motor der Stadtentwicklung
Soziale Stabilität für benachteiligte Stadtteile, Nachbarschaftspotential (BBR 2003a, Dangschat 2000)
Kritik Ökologische Kriterien/ städtebaulichen Leitbilder
Landschaftszersiedelung, Flächenverbrauch, Entmischung und Funktionsverlust der Innenstädte
Finanzielle Risiken
Verschuldung, Insolvenzen, Zwangsversteigerungen
Kritik an der suburbanen Lebensweise
Rückzug ins Private (Bahrdt, Mitscherlich), Zweifel am in sozialer Hinsicht so wenig gemeinschaftshaltigen suburbanen Lebensmodell (Harlander 2001)
Eigenheim als Falle (Bourdieu 1998)
Der Hauskauf impliziert die Stabilität und Dauerhaftigkeit der Personen, Beziehungen, Arbeitsverhältnisse etc., die aktuell immer weniger gegeben ist. Domestizierung der Wünsche und Vorhaben.
(Quelle: Eigene Zusammenstellung)
Eine zentrale Forderung im Kontext der Eigentumsdiskussion ist die gleichberechtigte bzw. bevorzugte Förderung des Erwerbs im Bestand. Betrachtet man die Entwicklung der Eigentumsförderung, zeigt sich, dass der Bestandserwerb erst seit den 70er Jahren gefördert wurde und bis zum Jahr 2003 im Rahmen der Eigenheimzulage nur mit der Hälfte der Neubauförderung gefördert wurde. Im Zuge der Neuregelung des Eigenheimzulagegesetzes 2003 wurde auf die Kritik an der geringeren Bestandsförderung mit einer Gleichstellung von Neubau- und Bestandsförderung reagiert (vgl. Kapitel II.5.2). Insbesondere in den Diskussionen um die weitere Entwicklung und Gestaltung der Wohnbauförderung in den neuen Ländern ist die Bestandsförderung ein zentrales Thema,51 das aber ebenso für das gesamte Bundesgebiet gilt. Die Förderung im Bestand ist mit Blick auf den Mietwohnungsmarkt auch kritisch zu betrachten. Zwar reduziert diese Förderung die Zersiedlung und die Umlandabwanderung, aber durch die 51
Vgl. den Bericht der Expertenkommission zum Wohnungswirtschaftlichen Strukturwandel in den neuen Bundesländern (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2000).
83
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (wie es verstärkt erfolgt ist) reduziert sich das Angebot an (preisgünstigen) Mietwohnungen und es kommt zu Verdrängungsprozessen (Gentrification) wie sie beispielsweise Monika Alisch (1993) und Jens Dangschat (1988) nachgezeichnet haben. Wirft man einen Blick auf die ideologischen Inhalte, die mit der Vorstellung von Wohneigentum verbunden sind, so lässt sich feststellen, dass sich einige in den letzten Jahrzehnten geändert haben. Konstant geblieben ist allerdings die Verknüpfung von Wohneigentum mit Familie: ein Haus im Grünen wird nach wie vor als das Ideal für das Leben mit Kindern angesehen. Ebenso konstant bzw. sogar noch gewachsen ist die Bedeutung von Wohneigentum für die Vermögensbildung und die Altersicherung. Was sich jedoch geändert hat, wenn auch nur subtil, sind die Begründungen für die gesellschaftliche Bedeutung von Eigentum bzw. Eigentümern. Stand früher die gesellschaftsstabilisierende Bedeutung von Eigentum im Vordergrund der Argumentationen (neben der Familienförderung), so wird Eigentum heute im Kontext von sozialer Stadtentwicklung thematisiert und die möglicherweise besseren Aneignungschancen von Eigentümern vor dem Hintergrund sozialer Stabilisierungen diskutiert. Wohneigentum wird hier ähnlich wie die bereits seit Jahrzehnten in Großbritannien geführten Diskussionen um den Zusammenhang von Wohneigentum und politischer Einstellungen (Saunders 1990) als Ausdruck einer spezifischen Einstellung der Eigentümer gegenüber seinem Eigentum, aber auch gegenüber seiner Wohnumgebung gesehen. Wohneigentümer zeigen, so die verbreitete Meinung, eine erhöhte Verantwortlichkeit gegenüber ihrer Wohnung/Haus und dem Wohnumfeld. Sie sind, so der Umkehrschluss, sozial stabil und können somit als Faktoren der sozialen Stabilität in einem benachteiligten Stadtviertel gelten. Wohneigentum wird heute als Motor von Stadterneuerungsprozessen diskutiert. Die vielfältigen Probleme, die im Kontext von sozialräumlichen Segregationsprozessen und den Auseinandersetzungen um benachteiligte Stadtteile oder Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf52 diskutiert werden, können, so Dangschat (2000), durch mehr Wohneigentum in den Städten vermindert werden. Allerdings müsse das Wohneigentum durch Mitbestimmungsprozesse und aktive Nachbarschaften gekennzeichnet sein. Damit könnten Wohneigentümer auch in städtischen Problemgebieten bei den Erneuerungsprozessen der sozialen Stadt ein zentrales Unterstützungs- und Anschubelement darstellen. Bei dieser positiven Einschätzung des Wohneigentums als Stabilitätsfaktor bleiben allerdings einige Fragen offen: Lassen sich Belege für die soziale Stabilität von Wohneigentümern finden oder ist diese Ansicht eher Bestand52
84
So der Titel des Bund-Länder-Programms Soziale Stadt, das seit 1999 bundesweit in ca. 300 Projekten integrierte Handlungsansätze in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf umsetzt.
teil einer modernisierten Eigentumsideologie? Und welche Haushalte sind es, die in benachteiligten Gebieten durch ihr gutes Vorbild und außergewöhnliches Engagement positive Wirkungen entfalten und letztlich Integrationsleistungen für eine Gesamtstadt erbringen sollen? Eine vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Auftrag gegebene Studie untersucht mögliche Zielgruppen der Eigentumsbildung in benachteiligten Stadtvierteln und die notwendigen Voraussetzungen der Eigentumsbildung sowie deren Auswirkungen (BBR 2003a).53 Die Ergebnisse der Studie sind m. E. als ambivalent einzuschätzen. Die AutorInnen betonen, dass das Instrument der Wohneigentumsbildung stabilisierende Effekte haben kann, wenn bestimmte Grundvoraussetzungen (z. B. zusätzliche unterstützende Maßnahmen, Schutz vor Verdrängungsprozessen) erfüllt sind (BBR 2003a: 75). Positive Effekte der Eigentumsbildung lassen sich besonders an Kindertagestätten und Schulen feststellen, hier kann es zu zeitweiligen positiven Veränderungen durch die neuen Haushalte und zu einer Verbindung der Lebenswelten von Eigentümern und Mietern kommen. Die Käufer von Neubauimmobilien engagieren sich in der Regel deutlich mehr und zielstrebiger als andere BewohnerInnen für die Belange ihrer Kinder oder für die Verbesserung der eigenen Wohnsituation (BBR 2003a: 61). Es lässt sich jedoch auch die Tendenz beobachten, dass sich in den neuen Eigenheimgebieten Lebenswelten unabhängig von dem übrigen Stadtteil entwickeln: Eigenheimerwerber grenzen sich eher gegenüber benachbarten Wohnanlagen und den Stadtteilen ab. Sie repräsentieren andere Lebensstile und nehmen missbilligend wahr, dass sich die benachbarten Mietwohnungsbestände im Erscheinungsbild und in Bezug auf Sauberkeit und Ordnung z. T. stark von der eigenen Neubausiedlung unterscheiden. (...) Die Nachbarschaften innerhalb der Neubaumaßnahmen sind relativ homogen und scheinen gut zu funktionieren. Die sozialen Unterschiede zwischen den Eigenheimbesitzern und den Bewohnern der benachbarten Mietwohnungsbestände sind demgegenüber relativ groß. (BBR 2003a: 61) Dieses Ergebnis der Entwicklung getrennter Lebenswelten muss im Hinblick auf die Umwandlungsmaßnahmen differenziert werden. Die Studie zeigt auf, dass die nachbarschaftlichen Kontakte in Umwandlungsmaßnahmen am positivsten sind und dadurch stabilisierende Effekte zu erzielen sind. Allerdings wird diese positive Entwicklung der nachbarschaftlichen Kontakte von den (neuen) EigentümerInnen deutlicher wahrgenommen. Problematisiert wird im Kontext der Umwandlungsmaßnahmen der Statuswechsel vom Mieter zum selbstnutzenden Eigentümer. Dieser bedeutet für den Wohnungskäufer eine erhebliche Veränderung der Verantwortlichkeiten und der An53
In der Studie wurden 21 Eigentumsmaßnahmen untersucht, dabei lag der Schwerpunkt mit 13 Maßnahmen bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, nur acht der untersuchten Projekte waren Neubaumaßnahmen.
85
forderungen, die an ihn gestellt werden. Der Statuswechsel zum selbstnutzenden Eigentümer führt nach den Ergebnissen der Studie bei vielen zunächst zu einer Überforderung, ...nicht zuletzt, weil sie das Maß der Eigenverantwortlichkeiten nicht kannten oder falsch eingeschätzt haben. (BBR 2003a: 66). Die Wohneigentumsbildung in benachteiligten Stadtvierteln so zeigt die Studie auf birgt deutliche Risiken. Mögliche negative Effekte der Eigentumsbildung können die erhöhte Fluktuation durch Verunsicherung und Verdrängung der Mieter und die Destabilisierung von Nachbarschaften durch die Verstärkung des sozialen Gefälles sein. Darüber hinaus unterliegen Schwellenhaushalte durch die Eigentumsbildung einem überdurchschnittlich hohen Insolvenzrisiko, das bei einer unvorhergesehenen Veränderung der Lebenssituation (z. B. Arbeitslosigkeit) zu einer starken finanziellen Belastung des Haushalts führen kann. Die Gefahr eines Wertverlustes der Immobilie aufgrund der Lage in einem benachteiligten Stadtgebiet ist besonders hoch (BBR 2003a: 75f.). Bei einer Umwandlungsmaßnahme kommen zwei weitere Aspekte hinzu: die neuen Einzeleigentümer tragen das Kostenrisiko der Instandhaltung der Wohnanlage und durch den Verkauf von sozial gebundenen Mietwohnungen wird der Wohnraum für Haushalte mit niedrigem Einkommen weiter reduziert (BBR 2003a: 76). In gewisser Weise ist die Diskussion um die Stabilisierung benachteiligter Stadtviertel eine weitere Variante des Leitbilds der sozialen Mischung, das seit Jahrzehnten in der Planung propagiert wird. Waren es bislang deutsche Mittelstandsfamilien mit zwei Kindern, die als Garanten des sozialen Friedens in Wohngebieten herangezogen wurden, verlagert sich dieses Leitbild nun auf (selbstnutzende) Wohneigentümer. Da hauptsächlich Familien Wohneigentum bilden (vgl. II.2.1), haben sich die Inhalte des Leitbilds nur graduell verschoben, hinzugekommen ist das Merkmal Eigentum. Insgesamt ist auf der Grundlage der vorgestellten Studie zur Wohneigentumsbildung in benachteiligten Stadtvierteln zu konstatieren, dass sich zwar durch Wohneigentum durchaus Potenziale erschließen können (am deutlichsten im Engagement für die Bildungseinrichtungen der Kinder), dem aber auch Grenzen und Risiken gegenüber stehen. So werden zum einen die Abgrenzungs- und Abschottungstendenzen der neuen Wohneigentümer geschildert und resümiert, dass funktionierende Nachbarschaften auf einer kleinräumigen sozialen Homogenität beruhen sollten. Auch der Statuswechsel in Umwandlungsmaßnahmen geht weder an den neuen Wohnungseigentümern (Gefahr der finanziellen und sozialen Überforderung) noch an den im Mieterstatus verbleibenden Nachbarn (mögliche Konflikte und Gefahr der Verdrängung) spurlos vorüber. In die vorgestellten Überlegungen der sozialen Stabilisierung durch Eigentumsbildung geht m. E. ein gewisses Maß an ideologischer Überhöhung ein, das so nicht gerechtfer-
86
tigt ist. Die Auswirkungen von Wohneigentumsbildung sind vielschichtig und von den vorhandenen Rahmenbedingungen abhängig. Aus der Sicht der Kommunen spielt neben der möglichen Stabilisierung von benachteiligten Quartieren durch Wohneigentumsbildung jedoch noch eine weitere Überlegung eine entscheidende Rolle. Der Förderung des Wohneigentums in Kernstädten und Ballungsräumen wird sowohl aus steuerlichen Gründen wie auch aus sozialen und siedlungsstrukturellen Gründen eine hohe Bedeutung zugemessen, da sie der Abwanderungen von Haushalten entgegenwirkt. In der Einschätzung vieler Kommunen kann damit der Zersiedlung und der Entmischung von städtischen Wohnquartieren begegnet werden (vgl. Echter/Brühl 2004).54 In diesem Zusammenhang wird ebenfalls die Eigentumsbildung von MigrantInnen diskutiert, die sowohl die soziale Selektivität von Abwanderungsprozessen verhindern als auch zur Stabilisierung benachteiligter Quartiere beitragen soll. Die vom Institut für Landes- und Stadtentwicklung erstellte Studie konstatiert einen Nachholbedarf der Eigentumsbildung von MigrantInnen (ILS 2003: 11), aber auch hier werden mögliche Risiken der Wohneigentumsbildung vernachlässigt. Die Konstanz der Einschätzung und Bewertung von Wohneigentum und die vielfältigen Zuschreibungen an (selbstnutzende) Wohneigentümer erstaunt vor dem Hintergrund eines massiven gesellschaftlichen Wandels, der sowohl die Arbeitswelt als auch Wohn- und Lebensformen berührt und durch einen deutlichen Wertewandel begleitet wird. Folgt man der These von Jeremy Rifkin (2000), so ist von einem Verschwinden des Eigentums auszugehen. Er konstatiert den Übergang von der Idee des Privateigentums als gesellschaftsstrukturierende Kraft zu der Idee des Zugangs (access). Nicht mehr das materielle Eigentum zählt, sondern der rasche Zugang zu Informationen und Netzwerken. Der Wandel von einem Regime des Besitzens, das auf der Vorstellung von weit gestreutem Eigentum basiert, zu einem des Zugangs, das die kurzfristige und begrenzte Nutzung von Vermögenswerten sichert, die von Anbieternetzwerken zur Verfügung gestellt werden ... (Rifkin 2000:13) Rifkin beschäftigt sich mit dieser These in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen des angloamerikanischen Raumes. In Bezug auf das Wohnen analysiert er die Ablösung von Eigentumsrechten und den Zugang zu Wohnarrangements am Beispiel der gated communities.55 Die BewohnerInnen dieser Anlagen sind in der Regel Eigen54
Dies geschieht trotz der Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zu den Prozessen der Stadt-UmlandWanderungen, die festgestellt haben, dass die Motivation der Haushalte für den Wegzug aus der Stadt nicht allein und nicht unbedingt vorrangig in dem Willen zur Eigentumsbildung liegt (vgl. z. B. Heitkamp 2002).
55
Rifkin definiert gated communities als abgeschlossene Wohnsiedlungen, in denen Menschen mit gemeinsamen Interessen leben. Häufig sind diese Siedlungen durch Mauern und Zäune von der Umgebung abgeschlossen und der Zugang ist durch eine Kontrolle von Sicherheitsleuten erschwert (Rifkin 2000: 155).
87
tümer ihrer eigenen Wohneinheiten und Miteigentümer der gemeinschaftlichen Bereiche (z. B. Grünflächen, Tennisanlagen). Als ein zentrales Charakteristikum von gated communities stellt Rifkin heraus, dass im Unterschied zu konventionellen Siedlungen kein öffentlicher Raum existiert. Auch die Eigentums- und Besitzrechte der BewohnerInnen werden in den gated communities häufig durch Vertragsvereinbarungen außer Kraft gesetzt. Hier sieht Rifkin entscheidende Veränderungen im Hinblick auf die Eigentumsrechte: der Besitz des Hauses tritt hinter der Möglichkeit zurück, an einem bestimmten Lebensstil teilzuhaben. Die in gated communities repräsentierte Gemeinschaft und soziale Netze werden so in der Einschätzung Rifkins zu einer Ware, in die man sich einkaufen kann. Das (Wohn-)Eigentum soll geschützt werden, indem man mit Gleichgesinnten zusammen wohnt. Als äußerst problematisch sieht Rifkin die Tendenz, dass gated communities öffentliche Räume und Grundrechte eleminieren. Damit werden seiner Ansicht nach die Grundvoraussetzungen demokratischer Gesellschaften in Frage gestellt, ebenso wie die Ausübung demokratischer Grundrechte (Rifkin 2000: 164). Wesentlich erscheint mir im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der Eigentumsideologie der Hinweis Rifkins, dass die Idee des Privateigentums von einem System des öffentlichen Eigentums und der öffentlichen Rechte begleitet wird.56 Die Idee vom Verschwinden des Eigentums stößt auch in den hiesigen Debatten auf Resonanz. In den Diskussionen um den allgemeinen Wertewandel wird auf eine veränderte Einstellung zum materiellen Eigentum aufmerksam gemacht. Doris Lucke zeichnet eine Veränderung der Funktionen von Eigentum in einer von Individualisierungstendenzen geprägten Gesellschaft nach. Mit verbreiteten Pluralisierungs- und Individualisierungstendenzen und auch was das Eigentum betrifft, sinkender Bindungsbereitschaft ist weiterhin davon auszugehen, dass ehemals (neben dem Beruf) zentrale Positionierungs-, Prestige- und Statusdemonstrationsfunktionen des Eigentums zusehends von einstellungs- und verhaltensprägenden sowie identitätsstiftenden Merkmalen erfüllt werden, die nur noch vermittelt besitzabhängig sind. Besitzprestige wird durch Verwendungsprestige teilweise ersetzt. Nicht mehr Eigentum an sich, sondern zunehmend dessen informierte Verwendung und kompetente, nicht unbedingt ostentative Darstellung prägen die soziale Stellung der Gesellschaftsmitglieder. (...) Damit werden nicht nur Wertverschiebungen von materiellen zu immateriellen Eigentumsarten ins Bewusstsein gerückt, sondern auch die traditionell hohe Wertschätzung des Geldbesitzes durch den Zeit-, Informations- oder Ideenbesitz relativiert. (Lucke 1998: 150) Die Funktion von (Wohn-)Eigentum als Symbol des gesellschaftlichen Aufstiegs und des erarbeiteten Status verändert sich im Zuge des Wertewandels zunehmend zuguns56
88
Der Frage, ob sich diese Tendenzen auch auf die Entwicklungen in der Bundesrepublik übertragen lassen, kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Ingesamt überwiegt m. E. der Eindruck, dass gated communities in Deutschland eher als eine Randerscheinung betrachtet werden.
ten einer identitätsstiftenden Funktion bzw. zur Darstellung eines spezifischen Lebensstils (BBR 2004: 16). Auf einer anderen Ebene beschäftigen sich Behring/Helbrecht mit dem Zusammenhang von Wohneigentumsbildung und Individualisierung. Auf der Basis einer vergleichenden Untersuchung der Prozesse der Wohneigentumsbildung in europäischen Staaten entwickeln die Autorinnen ein theoretisches Konzept zur Erklärung der Wohneigentumsbildung. Sie gehen davon aus, dass ein Wechselverhältnis zwischen der Höhe der Eigentümerquote und dem Umgang mit den Risiken von Individualisierungsprozessen in einem Land besteht (Behring/Helbrecht 2002: 183). Auf der Grundlage der ambivalenten Deutung des Individualisierungsprozesses (positiv besetzte Freisetzung und gleichzeitige Verunsicherung und Risiken) sehen sie einen Zusammenhang zwischen der Wahl der Wohnform und dem gesellschaftlichen Umgang mit Individualisierungsrisiken. Der Grundgedanke ihrer Argumentation steht in einem engen Zusammenhang mit den zu Beginn dargelegten Annahmen über den Bereich des Wohnens als Ebene der sozialen Einbindung. Behring/Helbrecht gehen davon aus, dass die Absicherung von Risiken länderspezifisch unterschiedlich gestaltet ist. Für Länder mit einer niedrigen Eigentumsquote (also auch Deutschland) konstatieren sie eine Reintegration der Individuen durch den Aufbau staatlicher Sicherungssysteme (Behring/ Helbrecht 2002: 185). Dies hat Konsequenzen für die Wahl der Wohnform: Wenn das soziale Netz das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung in einem Land genügend befriedigt, kann sich ein privater Haushalt auch für eine Mietwohnung entscheiden. (Behring/Helbrecht 2002: 186) Eine zweite Möglichkeit des Umgangs mit Risiken sehen sie in der kleinteiligen Absicherung durch private Gemeinschaften oder dem Einzelnen. Daraus resultieren zwei Strategien zur Risikobewältigung: der Verbleib im Familienverbund und die Absicherung durch Vermögensbildung in Form von Wohneigentumsbildung zur Selbstnutzung. Insgesamt gilt: Je mehr Individualisierungsrisiken gesamtgesellschaftlich gelöst werden, umso geringer ist die existenzsichernde Neigung der privaten Haushalte, Wohneigentum zur Selbstnutzung zu schaffen. Je weniger der Staat gesamtgesellschaftlich Verantwortung für die Absicherung von Lebensrisiken übernimmt, umso mehr findet eine Reintegration der Individuen in kleinen privaten, sozialen Gemeinschaften statt. (Behring/Helbrecht 2002: 190) Wohneigentumsbildung, so ist deutlich geworden, geschieht vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und ist in ein vielfältiges Bedingungsgefüge eingebunden. Dazu zählen die Ausgestaltung des Wohnungsmarktes und der Wohnungspolitik, aber auch die kulturellen Einstellungsmuster der Bevölkerung (Mentalität). Behring/Helbrecht stellen für Deutschland die weit verbreitete Mentalität ein Haus für 100 Jahre fest (Behring/Helbrecht 2003: 350). Diese kulturellen Deutungsmuster 89
sind die Grundlage für die in diesem Kapitel diskutierte Eigenheimideologie und schaffen gleichzeitig Realitäten, wie z. B. die ökonomischen Vorteile durch die staatliche Eigenheimförderung. Die zum Alltag gewordenen Geisteshaltungen, Mentalitäten und Gewohnheiten (Habitus) eines Landes sind soziale Konstrukte. Sie sind routinisiert und wirken unhinterfragt (...). (Behring/Helbrecht 2002: 171) Die Eigentumsbildung ist jedoch nicht ohne Risiken. Dies gilt insbesondere für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die heute die vorrangige Zielgruppe staatlicher Förderung bilden. Im folgenden Kapitel wird auf der Basis vorhandener Studien ein Blick auf die Finanzierungsstrukturen der Wohneigentumsbildung und deren Veränderungsprozesse sowie der damit verbundenen Probleme und Risiken geworfen. Anschließend werden die Förderinstrumente der Wohneigentumsbildung vorgestellt.
5. Finanzierung und Wohneigentumsförderung 5.1. Die Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum: Das Problem der Eigenkapitallücke Die Fähigkeit zur Eigentumsbildung bestimmt sich aus der Relation von verfügbarem Einkommen und laufenden Kosten. Ebenfalls eine Rolle spielen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie regelmäßige Einkommenszuwächse, ein möglichst niedrige bzw. feste Zinsen für Hypotheken etc. Die Entscheidung darüber, ob ein Haushalt die zum Erwerb von Hauseigentum notwenigen Mittel aufbringen kann, wird in einer Finanzierungsberechnung getroffen. Hier wird geprüft, ob der Anteil vom Haushaltseinkommen, der nach Abzug der Kosten für die Eigentumsbildung übrig bleibt, noch ausreicht, um eine normale Lebensführung zu gewährleisten. Die Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum setzt sich im Regelfall aus vier Komponenten zusammen: •
Eigenkapital (Erbschaft, Sparguthaben, Barvermögen, Bausparguthaben usw.)
•
Eigenleistung (Selbst- oder Nachbarschaftshilfe beim Bau oder sonstigen Sachwerten, z. B. das Grundstück)
•
Fremdkapital (grundbuchgesicherte Darlehen (Hypotheken) von Banken und Sparkassen, aber auch von Lebensversicherungen sowie Bauspardarlehen von Bausparkassen)
•
Öffentliche Förderung (z. B. Eigenheimzulage, staatliche Förderung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Einhaltung bestimmter Einkommensgrenzen) Entscheidende Voraussetzung der Eigentumsbildung ist das vorhandene Eigenkapital, das auch aus Eigenleistungen bestehen kann.
90
Bei aller Diskussion um eine möglichst effiziente Förderung nach dem Erwerb des Wohneigentums sollte man nicht vergessen, dass nur derjenige in den Genuss dieser Förderung kommen kann, der überhaupt in der Lage ist, Wohneigentum zu erwerben. Die beste Finanzierungsförderung nutzt aber nicht, wenn die Basis für die Finanzierung ausreichendes Eigenkapital nicht vorhanden ist. Dies gilt ganz besonders für die Schwellenhaushalte (...). (Jokl 1995: 84) In der Finanzierung selbstgenutzten Wohneigentums erfüllt Eigenkapital eine Reihe von Funktionen: Das Eigenkapital dient als Basis einer Langfristfinanzierung und hat den Charakter einer Kreditsicherheit. Es dient darüber hinaus als ein Instrument der Risikobegrenzung und als ein Ausweis der Bonität des Kreditnehmers (Kofner 2004: 64). Jeder Euro mehr Eigenkapital bedeutet automatisch weniger Fremdkapitalbedarf und damit auch eine niedrigere finanzielle Belastung. Wie Häußermann (2005: 357) am Beispiel einer Modellrechnung der Zeitschrift Capital aus dem Jahr 1987 aufzeigt, können die Gesamtkosten für ein Objekt bei einem Kaufpreis von 189.178 Euro auf 460.163 Euro (Kaufpreis plus Verzinsung der dafür aufgenommenen Kredite) ohne vorhandenes Eigenkapital steigen. Bei 30% Eigenkapital reduzieren sich die Gesamtkosten die Belastung bei einem Zeitraum von 30 Jahren auf 368.130 Euro, bei 50 % vorhandenem Eigenkapital auf 311.888 Euro. Die Gesamtkosten werden durch einen hohen Eigenkapitalanteil also deutlich reduziert. Für Haushalte mit niedrigem Einkommen ist dies von entscheidender Bedeutung, da die jahrelange Zins- und Tilgungszahlungen das Haushaltseinkommen stark belastet. Ein Eigenkapitalsanteil ist notwendig, da in der Regel keine 100% Finanzierung über Fremdmittel möglich ist. Fremdkapital wird in Deutschland üblicherweise nur im Rahmen von 60% des Beleihungswertes57 der Immobilie im Rahmen der ersten Hypothek zur Verfügung gestellt. Neben der ersten Hypothek besteht die Möglichkeit über Bauspardarlehen bis zu weiteren 20% des Beleihungswertes als Hypothek aufzunehmen (Kofner 2004: 64f.). Im Gegensatz zu anderen Ländern ist in Deutschland ein relativ hoher Eigenkapitalsanteil (mindestens 20 bis 30% des Beleihungswertes) zur Finanzierung von Wohneigentum üblich und notwendig. Laut Jokl/Zehnder hat der Abbau der Förderung (insbesondere die Einschränkungen der Bausparförderung) die Eigenkapitalbildung in den vergangenen Jahren negativ beeinflusst. Sie stellen fest, dass der Anteil der so genannten Spontanerwerber, d. h. Erwerber, die nicht vorgespart haben, zugenommen hat. Insgesamt ist der Eigenkapitalsanteil von fast 50% in den 70er Jahren auf 38% Ende der 80er Jahre gefallen und das Durchschnittsalter der Erwerber mit 38 Jahren unver-
57
Der Beleihungswert ist ein dauerhafter (auf die gesamte Laufzeit des Darlehens bezogener) Wert, von dem erwartet wird, dass er auch dann am Markt erzielbar ist, wenn das Grundstück bzw. die Immobilie bei Zahlungsschwierigkeiten des Darlehensnehmers kurzfristig freihändig verkauft oder zwangsversteigert werden muss. (Kofner 2004: 80)
91
ändert hoch (Jokl/Zehnder 2001: 411).58 Diese Tendenz bestätigt sich in aktuellen Untersuchungen, so zeigen die Erhebungen des Verbands der Deutschen Hypothekenbanken (VDH) einen deutlichen Rückgang der Eigenmittelquote von 35% im Jahr 1995 auf 27% durchschnittlichen Eigenkapitalanteil im Jahr 2002 (Schätzl 2003: 369). In der vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Auftrag gegebenen Studie zur Eigentumsförderung im Sozialen Wohnungsbau liegt der Eigenkapitalanteil beim Neubau zwischen 18% und 33% (IFS/advis 2003: 6). Die geförderten Haushalte bringen durchschnittlich zwischen 21 und 27% Eigenkapital und Eigenleistung ein. Die Bankkredite bewegen sich in der Regel zwischen 40 und 50% der Gesamtleistung, und die Förderung trägt zwischen 25 und 40% zur Finanzierung bei. Die Belastung aus Zins und Tilgung, die Kreditbelastungsquote59, liegt in den alten Bundesländern zwischen 34 und 39% (IFS/advis 2003: 10). Die in der VDH-Studie erhobene Kreditbelastungsquote liegt im Durchschnitt bei 33%, ist also mit der Kreditbelastung aus der Eigentumsbildung im sozialen Wohnungsbau durchaus vergleichbar. Allerdings zeigt ein Blick auf die Finanzierungsstrukturen nach Einkommensklassen, dass der Anteil an Eigenmitteln im untersten Einkommensquartil (bis 2.501 Euro) mit 29% höher ausfällt als bei den Spitzenverdienern (26%). Gleichzeitig liegt die Kreditbelastung trotz des höheren Eigenmittelanteils bei der untersten Einkommensgruppe mit 35% am höchsten (Schätzl 2003: 372). Diese unterschiedliche Belastungsverteilung in Abhängigkeit vom Einkommen entspricht auch der Verteilung der Mietzahlungen. Im Jahr 1998 musste ein Mieterhaushalt in den alten Bundesländern durchschnittlich 24,5% seines Haushaltsnettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aufbringen. Es sind jedoch große Unterschiede in der Mietbelastung bei einer Differenzierung der Haushalte nach ihrem Einkommen festzustellen: Haushalte, denen monatlich zwischen 500 und 1.250 Euro zur Verfügung stehen, wenden im früheren Bundesgebiet knapp 35% für die Miete auf (Winter 1999: 864).
58
Die Bausparförderung wurde 1996 verbessert: die begünstigten Höchstbeträge und die Einkommensgrenzen wurden angehoben und damit der Einkommensentwicklung in den vergangenen Jahren Rechnung getragen.
59
Die Kreditbelastungsquote weist das Verhältnis zwischen der Gesamtbelastung aus Fremdmitteln für Zinsund Tilgung zu dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen aus (Schätzl 2003: 372).
92
Kosten des Wohneigentums Die Kostenelemente von Wohneigentum setzen sich im Wesentlichen aus den Baulandpreisen, Baukosten und Nebenkosten und den Finanzierungskosten zusammen. Die Preisentwicklung von Wohneigentum verläuft regional höchst unterschiedlich, ebenso wie bei dem Mietpreisniveau sind auch bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen erheblich Preisunterschiede im Bundesgebiet festzustellen. Bezogen auf Preisniveau und Entwicklungstrend ist zurzeit eine immer ausgeprägtere Regionalisierung des Marktes für Einfamilienhäuser zu beobachten (Feldmann 2002). Ein Eigenheim mit mittlerem Wohnwert und rund 125 qm kostet in Dresden und im Ostteil Berlins knapp 190.000 Euro. Das gleiche Haus kostet in Hamburg bereits 280.000 Euro, in Köln 300.000 und in München rund 470.000 Euro (Leutner/Famira 2003). Aus dem Vergleich der Objektwerte in der VDH-Erhebung geht sowohl ein Süd-NordGefälle als auch ein West-Ost-Gefälle hervor. Die Objektwerte in Süddeutschland liegen mit 276.550 Euro deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Tab. 5: Preise, Grundstücks- und Baukosten pro qm in deutschen Großregionen Großregion Gesamtpreis Grundstückskosten Baukosten in Euro (Euro/qm) (Euro/qm) Norddeutschland 237.327 102 1.212 Zentraldeutsch280.548 175 1.362 land Süddeutschland 328.746 240 1.633 Ostdeutschland 224.493 79 1.193 (Quelle: VDH Eigenheim-Erhebung 2002, zit. nach Schätzl 2003: 370)
Obwohl das kosten- und flächensparende Bauen inzwischen einen nicht unbedeutenden Stellenwert einnimmt, liegen die Hauspreis-Einkommensrelationen in Deutschland nach den Umfragen des Verbandes Deutscher Hypothekenbanken (VDH) bei 6-7: 1 und damit im europäischen Vergleich sehr hoch.60 Dies gilt trotz leichter Schwankungen seit den 1980er Jahren. Die Baukosten für Ein- und Zweifamilienhäuser in Westdeutschland stiegen zwischen 1995 und 1997 stark an. Danach sind die Baukosten deutlich gesunken und liegen 2002 10% unter den Kosten von 1997 (BBR 2004: 31). Der Kaufpreis für eine Doppelhaushälfte in Deutschland, so die Ergebnisse des Mikrozensus 2002, liegt im Durchschnitt bei dem 5,6-fachen des jährlichen Nettoeinkommens (BBR 2004: 79). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Schätzl: Da
60
Die Hauspreis-Einkommensrelation liegt nur in wenigen westeuropäischen Ländern auf einem vergleichbar hohen Niveau, in den anderen Ländern, z.B. Spanien, Italien, England oder Schweden bewegen sich die Relationen zwischen 3:1 und 4:1 (Schätzl 2003: 373). Die hohen Ansprüche an das Wohneigentum sind nicht nur eine große finanzielle Hürde. Sie wirken auch sozial selektiv. Das unterste Einkommensquintil musste Anfang der 90er Jahre im Durchschnitt 8,1 Jahreseinkommen für den Erwerb eines Eigenheims aufwenden, das reichste Fünftel nur das 4,4 fache. (Häußermann/Siebel 1996: 232)
93
der Anstieg der Objektwerte zwischen 1999 und 2002 hinter dem Einkommensanstieg zurück geblieben ist, lässt sich jüngst eine gewisse Reduktion der Hauspreiseinkommensrelation von 6,9:1 (1999) auf 6,3:1 (2002) feststellen. (Schätzl 2003: 373) Die Finanzierung des Wohneigentums erfolgt in Form von Darlehen, für die es je nach Zins und Tilgung unterschiedliche Arten gibt. In Bezug auf die Zinsgestaltung, lassen sich zwei Darlehensarten unterscheiden: Das Festzinsdarlehen, in dem Zinsen über einen bestimmten Zeitraum oder die gesamte Laufzeit festgeschrieben werden und damit die Belastungen über lange Zeiträume kalkulierbar machen. Bei zinsvariablen Darlehen wird der Zins jeweils an die Zinsentwicklung des Geldmarktes gekoppelt, wobei Ober- oder Untergrenzen festgelegt werden können (Kühne-Büning u. a. 2005: 481). Veränderungen des Zinsniveaus können zu großen Belastungssprüngen bei der Eigentumsfinanzierung führen:61 Für die Möglichkeiten der Wohneigentumsbildung hat die Höhe der Hypothekenzinsen eine enorme Wirkung: Bei einem Zinssatz von 7,0% kann ein Haushalt bei einer monatlichen Belastung von 1.000 Euro einen Kredit mit einer Laufzeit von 30 Jahren in Höhe von ca. 150.000 Euro finanzieren. In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase (5%) kann er bei gleichem Aufwand einen Kredit von ca. 185.000 Euro finanzieren. (BBR 2004: 33) Die Entwicklung der beiden anderen wesentlichen Kostenelemente Baukosten und Baulandpreise hatte in den vergangenen Jahren, so die Einschätzung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, einen deutlich geringeren Einfluss auf die Finanzierung von Wohneigentum als die Zinsentwicklung (BBR 2004: 34). Einsparungen und Senkung der Kosten Die notwendige Eigenleistung der Baufamilien kann neben dem Eigenkapital auch in Form eines bereits erworbenen Grundstücks, in Form bereits vorhandener Baustoffe und durch die eigene Arbeitskraft (Selbsthilfe oder Eigenarbeit) eingebracht werden. Die Gesamtkosten eines Bauvorhabens setzen sich zusammen aus: Grundstückskosten, Erschließungskosten, Bauwerkskosten, Kosten für die Außenanlagen, Baunebenkosten und Finanzierungskosten (vgl. Beierlorzer/Boll 1998: 43). Um die Kosten des Hausbaus zu reduzieren und damit die Zugangsschwelle für Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen zu senken, werden verschiedene Ansätze diskutiert. Ansätze des kosten- und flächensparenden Bauens sind in den letzten Jahren deutlich mehr umgesetzt worden und sind beispielsweise in Nordrhein-Westfalen zentraler Bestandteil der wohnungspolitischen Strategien. Es gibt eine Vielzahl von möglichen Sparmaßnahmen, z. B. den Verzicht auf einen Keller, Carports statt Garagen, gemein61
94
Die Zinsen für Hypothekarkredite sanken in den 1990er Jahren kontinuierlich. Nach dem Tiefstand mit 5,1% effektivem Jahreszins (bei einer Zinsbindung von zehn Jahren) im Jahr 1999 kam es im Jahr 2000 zu einem kurzfristigen Anstieg auf 6,5%. Danach sind die Zinsen wieder deutlich gesunken (BBR 2004: 33).
same Planung der Gebäude etc. (vgl. dazu LB 2002: 20-66). Hohen Einfluss auf die Gesamtkosten haben die Grundstücks- und Finanzierungskosten. Durch die Kombination verschiedener Fördermöglichkeiten wie der Eigenheimzulage, die zurzeit niedrigen Hypothekenzinsen, Fördermittel im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung und die Umsetzung der Grundsätze des kosten- und flächensparenden Bauens kann eine tragbare Finanzierung aufgestellt werden. Die monatliche Belastung muss dann nicht notwendigerweise höher sein als die Miete für eine vergleichbare Wohnung (Großmann 1999). Das eigentliche finanzielle Problem liegt vielmehr oft darin, dass ein solcher Finanzierungsplan gar nicht erst zustande kommt, weil das erforderliche Eigenkapital nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Allein für den Kauf eines Grundstückes (z. B. in einem Ballungsgebiet, 250 Euro/qm, 250qm Größe) wären bereits 62.500 Euro zu finanzieren, für die entsprechend bereits 12.500 Euro (20%) Eigenkapital erforderlich wäre. Dazu kommt das für den Bau erforderliche Eigenkapital. Hier kommt das Erbbaurecht als ein wesentlicher Vorteil zum Tragen. Das Erbbaurecht ist das im Grundbuch eingetragene Recht, auf einem Grundstück ein Haus zu errichten und zu unterhalten. Ein Erbbauberechtigter kann jedoch mit dem Grundstück verfahren wie ein Eigentümer (z. B. beleihen, vererben, verkaufen) soweit nicht im Erbbaurechtsvertrag Beschränkungen festgelegt sind. Das Erbbaurecht wird für eine bestimmte Zeitdauer, häufig 99 Jahre, festgelegt. Der Vorteil für die Baufamilien liegt darin, dass kein Geld für den Grundstückskauf bei einem Kreditinstitut aufgenommen werden muss (die Zins- und Tilgungsleistungen dafür entfallen). Stattdessen zahlt man einen jährlichen oder monatlichen Erbbauzins, auch Erbpacht genannt. Gewöhnlich wird dieser Zinssatz auf der Grundlage des Grundstückswertes mit 4 bis 6% festgelegt (LB 2002: 49). Der Vorteil der Erbrechtspacht liegt darin, dass die finanziellen Belastungen für die Baufamilien auf einen längeren Zeitraum gestreckt werden und die Anfangsbelastung gering ist. Das Landesinstitut für Bauwesen (LB) macht jedoch darauf aufmerksam, dass es nicht sinnvoll ist, ein Erbbaurecht mit einem Zinssatz zu erwerben, der auch beim Grundstückskauf anfallen würde (LB 2002: 49). Das durch eine Erbbaupacht gesparte Eigenkapital (und die gesparten Tilgungsraten) ist allerdings nur unter der Voraussetzung gespart, dass die Kreditinstitute die ungeminderte Werthaltigkeit von Objekten auf Erbbaurechtsgrundstücken akzeptieren (Großmann 1999: 422). Dies ist nach Einschätzung von Großmann nicht immer der Fall.62 62
Die Bedeutung von Erbbaurechten als Instrument zur Senkung der Baukosten und Erhöhung der Wohneigentumsquote wird in Deutschland nach Einschätzung von Experten bisher unterschätzt. Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Städtetag im Jahr 1998 eine Umfrage unter seinen Mitgliedsstädten über die Bedeutung des Erbbaurechts in der kommunalen Praxis durchgeführt. ...ist der Deutsche Städtetag der Auffassung, dass die Vergabe von Erbbaurechten langfristig für die Städte als ein wichtiges Instrument der Bodenpolitik
95
Vergleich Wohneigentum und Miete Der Vorteil von Wohneigentum im Vergleich zur Miete wird nach Laux (1997) erst bei einer langfristigen Betrachtung sichtbar, insbesondere nach der Tilgung der lang laufenden Baudarlehen. Der Autor nimmt daher einen Berechnungszeitraum von 35 Jahren an.63 In seiner Beispielfinanzierung liegt die monatliche Belastung durch die Finanzierungskosten inklusive Instandhaltungspauschale bei 2.333 DM, zusätzlich müssten dann noch Nebenkosten berücksichtig werden (vgl. Tab. 6). In den ersten acht Jahren der Tilgung wird die Eigenheimzulage in Höhe von 5.000 DM jährlich angenommen (Stand 1997 für Alleinstehende oder Verheiratete ohne Kinder bei Einhaltung der Einkommensgrenzen). Wird die Eigenheimzulage auf die monatliche Belastung umgelegt, so verringern sich die monatlichen Aufwendungen um 416 DM auf 1.917 DM. Mit dem Wegfall der Eigenheimzulage nach acht Jahren ist ein deutlicher Belastungssprung festzustellen, die monatlichen Aufwendungen steigen auf 2.350 DM. Tab. 6: Beispiel Finanzierungsplan und Annuitäten einer Eigenheimfinanzierung Betrag DM Zins % Tilgung % Annuität % I. Hypothek Bauspardarlehen Eigenkapital (20%) Summe
240.000 80.000 80.000 400.000
6 4,5 -
1 7,5 -
7 12 -
Annuität DM 16.800 9.600 26.400
(Quelle: Laux 1997: 487)
Erst nach der Ablösung des Bauspardarlehens im 11. Jahr sinkt die Belastung langsam ab, bis nach 35 Jahren der Eigentümer schuldenfrei ist (Laux 1997: 488). Im Vergleich mit den angenommenen Mietzahlungen (1,5% Trend bei den Mieten) kommt Laux auf der Grundlage der Beispielrechung zu dem Schluss, dass die Aufwendungen des Mieters (jährliche Kaltmiete) bis zum Jahr 28 die Aufwendungen des Eigentümers unterschreiten. Bei einem Vergleich der Wohnkosten zwischen Mieter- und Eigentümerhaushalten bei nicht lastenfreien Immobilien stellt sich das Wohnen im Eigentum demnach als deutlich kostenintensiver dar. Im weiteren Verlauf kehrt sich der Trend um, der Eigentümer ist nach 35 Jahren schuldenfrei und braucht nur noch die Bewirtschaftungskosten aufzubringen. Vom 4. Jahrzehnt an ist der Eigentümer im Vergleich zum Mieter eindeutig im Vorteil (Laux 1997: 489). Das Ergebnis der vorgestellten Modellrechnung bestätigt sich in anderen Untersuchungen: langfristige Vermögensrechnungen sehen Wohneigentümer nach langjäh-
und außerdem insbesondere für junge Familien eine interessante Variante der Eigenheimförderung ist (Articus 1999: 427). 63
96
Die Beispielrechnung von Laux erfolgt in DM und wird hier so wiedergegeben.
rigem Konsumverzicht im Vergleich zu Mieterhaushalten zumeist im Vorteil (Pfeiffer/Braun 1995: 38f., Jokl/Zehnder 2001: 395ff). Diese Einschätzungen sind jedoch aufgrund der Vielzahl der hier einwirkenden Variablen sehr unsicher und setzen zudem auch kaum planbare Entwicklungen wie eine positive Wertentwicklung der Immobilien, eine kontinuierliche Beschäftigungssituation und eine hohe Familienstabilität voraus. In der aktuellen Diskussion steht zwar immer mehr die Funktion von Wohneigentum als Ergänzung der Altersvorsorge im Mittelpunkt, allerdings wird die Bedeutung des Wohneigentums für die Altersicherung vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt auch zunehmend kritisch diskutiert (Müller 2003). Risiken der Wohneigentumsbildung Ob Probleme bei der Zahlungsfähigkeit der durch die Eigentumsbildung verschuldeten Haushalte auftreten, hängt davon ab, wie groß der finanzielle Spielraum im Haushaltsbudget ist, die bei der Belastungsberechnung berücksichtigt wurde. Wenn das Haushaltsbudget bis an die Belastungsgrenze für die Finanzierung des Wohneigentums eingesetzt wurde, kann jede negative Änderung Zahlungsunfähigkeit verursachen. Häußermann/Siebel stellen für die 1980er Jahre eine Zunahme von prekären Finanzierungen fest, bei denen die Belastung des Haushaltsbudgets so hoch angesetzt war, dass jede Störung zu Zahlungsproblemen führen musste. Haushalte mit niedrigem Einkommen und ohne Eigenkapital gehen zwangsläufig das höchste Risiko ein, hoch im Sinne der Wahrscheinlichkeit des Scheiterns, hoch aber auch im Sinne der relativen Kosten. (Häußermann/Siebel 1996: 255). Kritisch betrachtet werden muss, dass die Zahl der Insolvenzen in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zugenommen hat (Münnich 1999). Dies setzt sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre fort, seit sich 1996 mit der Einführung der Eigenheimzulage der Kreis der Förderbegünstigten deutlich ausgeweitet wurde. Von einem allerdings niedrigen Ausgangsniveau zu Beginn der 1990er Jahre ist die Zahl der Anträge auf Zwangsversteigerungen im Zeitraum von 1995 bis 2000 bundesweit um 34% gestiegen. Die Zahl der Zwangsversteigerungen erreichte im ersten Halbjahr 2001 nach Angaben der Argetra GmbH mit 40.060 Terminen einen vorläufigen Höhepunkt (www.bbr.bund.de). Eine Studie zu Zahlungsschwierigkeiten von Wohneigentümern (Höbel u. a. 2004) weist jedoch darauf hin, dass diese Zahlen differenziert zu betrachten sind. Neben Anträgen auf Zwangsversteigerungen selbstgenutzten Wohneigentums beinhalten die Zahlen auch Versteigerungen von Grundstücke, Gewerbeimmobilien und Wohnimmobilien. Selbstgenutzte Eigentumswohnungen und Eigenheime machen 2001 nur 41% der Anträge aus; der Anteil ist demnach seit Mitte der 1980er Jahre von 54% deutlich gesunken. Die Autorinnen dieser Studie kommen zu dem Schluss, dass trotz gestiege97
ner Zwangsversteigerungsverfahren nur eine sehr geringe Zwangsversteigerungsquote vorhanden ist: Im Jahr 2000 waren bundesweit lediglich 0,2% der Wohneigentümer mit Restschulden von Zwangsversteigerungen betroffen. (Höbel u. a. 2004: 13) Eine in vielen Regionen verringerte Nachfrage nach Wohnimmobilien führt jedoch dazu, dass in einer steigenden Zahl von Zwangsversteigerungsverfahren im Jahr 2000 nur rund 60% der ermittelten Verkehrswerte erreicht wurden. Für die betroffenen Eigentümer steigt damit das Risiko, die Hypotheken durch den Verkauf nicht abdecken zu können und mit Restschulden aus einer Zwangsversteigerung herauszugehen (Höbel 2004: 13). Als wesentlichen Grund für das Auftreten von Zahlungsschwierigkeiten nennt die Studie Einkommensminderungen. Die betroffenen Haushalte wiesen im Vergleich ein unterdurchschnittliches Haushaltseinkommen auf, hatten weniger Eigenkapital zur Verfügung und gerieten aufgrund des engen finanziellen Spielraums des Haushaltsbudgets leichter in Zahlungsschwierigkeiten (Höbel 2004: 14). Dies zeigt, dass der Wunsch nach Haus- und Grundbesitz, insbesondere nach einem Eigenheim, häufig unter Überschätzung des finanziell Möglichen realisiert wird. Viele private Haushalte erkaufen den Besitz durch langjährige Verschuldung und damit einhergehende Einschränkungen beim privaten Verbrauch. Das Kreditausfallrisiko ist bei Haushalten mit niedrigem Einkommen überdurchschnittlich hoch, da Veränderungen in Bezug auf die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers schnell dramatische Auswirkungen haben können. Der überwiegende Teil der Ausfälle von Hypothekendarlehen bei Privathaushalten hat seine Ursache in plötzlichen Einkommenseinbußen, die bei 60 bis 70% der Betroffenen durch Arbeitslosigkeit oder Trennung von Lebensgemeinschaften ausgelöst werden (BBR 2001: 4).64 Im folgenden Teil wird die Finanzierung und Wohneigentumsförderung auf Bundesebene und für das Land Nordrhein-Westfalen dargestellt und analysiert. Die Ausgestaltung der Förderung auf Länderebene ist für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung, da die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park durchgeführten Selbsthilfe-Projekte in Nordrhein-Westfalen gefördert wurden.
64
98
Zu den Gründen der Überschuldung, dem Insolvenzverfahren und den Instrumenten der Wohneigentumssicherung vgl. Dübel/Pfeiffer 1999 und Höbel u. a. 2004.
5.2. Die Wohneigentumsförderung auf Bundes- und Landesebene 5.2.1.
Die Eigenheimzulage
Die steuerrechtliche Wohnungsbauförderung ist zum 1. Januar 1996 neu geregelt worden. Die bis dahin gültigen Abschreibungsmöglichkeiten nach § 10e EStG (ab 1987) begünstigten die Bezieher hoher Einkommen. An die Stelle dieser Förderung ist eine von der Steuerprogression unabhängige Eigenheimzulage getreten. Das neue Gesetz zur Förderung selbstgenutzten Wohneigentums verfolgt die Ziele einer sozial gerechteren Verteilung und soll vor allem jungen Familien mit niedrigem Einkommen, so genannten Schwellenhaushalten, die Eigentumsbildung ermöglichen. Wer ein Haus baut, erhält über den Zeitraum von acht Jahren 5% der Herstellungsund Anschaffungskosten einer Wohnung inklusive Grundstückskosten bzw. maximal 5000 DM (2.556 Euro) jährlich. Bei der Anschaffung einer gebrauchten Wohnung beträgt der Förderungsgrundbetrag jährlich 2,5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens sind es 2500 DM (1.278 Euro). Ergänzend wird eine jährliche Kinderzulage in der Höhe von 1500 DM (767 Euro) pro Kind gezahlt. Voraussetzung für die Gewährung der Eigenheimzulage ist die Einhaltung von Einkommensgrenzen. Die Einkommen im Jahr und Vorjahr der Antragsstellung sind maßgeblich. Bis zum 31. Dezember 1999 durften (zusammen veranlagte) Ehepaare in zwei Jahren nicht mehr als 480.000 DM und Ledige nicht mehr als 240.000 DM verdienen. Das Steuerentlastungsgesetz hat den potentiellen Empfängerkreis der Eigenheimzulage weiter eingegrenzt. Ab 2000 ist der Gesamtbetrag der Einkünfte innerhalb des Zweijahreszeitraums für Ehepaare von 480.000 DM auf 320.000 DM (163.614 Euro) und für Ledige von 240.000 auf 160.000 DM (81.807 Euro) gesenkt worden. Allerdings werden die Einkommensgrenzen für jedes im Haushalt lebende Kind (für das Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag gewährt wird) um 60.000 DM (30.678 Euro) erhöht. In der Neuregelung zu Beginn des Jahres 2004 sind die Einkommensgrenzen weiter abgesenkt worden (70.000 und 140.000 Euro), und als entscheidende Änderung ist die Förderung von Neubau und Bestand gleichgestellt worden durch die Absenkung der Neubauförderung auf die Höhe der Bestandsförderung. Für Neubauten gibt es jetzt demnach nur noch maximal 1.250 Euro im Jahr eine Reduzierung der Förderung um mehr als die Hälfte. Auch die Förderung im Bestand wurde auf diesen Betrag angeglichen. Hinzu kommt eine Kinderzulage von 800 Euro pro Kind (www.bmvbw.de). Auch für die Anschaffung von Genossenschaftsanteilen wird eine Eigenheimzulage gewährt. Der Wert der erworbenen Genossenschaftsanteile muss nach der aktuellen Regelung mindestens 5.000 Euro betragen. Der Förderungsgrundbetrag beträgt dann jährlich 3% der Bemessungsgrundlage, höchstens 1.200 Euro. Die Kinderzulage beträgt für jedes Kind 250 Euro (www.bmvbw.de). 99
Im Eigenheimzulagegesetz war ein bestimmter ökologischer Standard mit einer Förderung verbunden und schaffte Anreize für ressourcen- und energiesparendes Bauen. Bis zur Neuregelung zu Beginn des Jahres 2004 wurde eine Öko-Zulage in folgenden zwei Fällen gewährt: für den Einbau heizenergiesparender Einrichtungen, insbesondere Wärmepumpen und Solaranlagen (§ 9 Abs. 3 EigZulG) und den Neubau bestimmter Niedrigenergiehäuser (§ 9 Abs. 4 EigZulG). Für Energieeinsparungen bei Neu- und Altbauten wurden bis zu 500 DM jährlich (zwei Prozent von maximal 25.000 DM) gezahlt. Der Neubau eines Niedrigenergiehauses wurde mit 400 DM jährlich, unabhängig von Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, gefördert. Dem Gesetz zur Abschaffung der Eigenheimzulage entsprechend wird die Eigenheimzulage für Neufälle (Antrag auf Baugenehmigung oder notarieller Kaufvertrag nach dem 31. Dezember 2005) ab dem 1. Januar 2006 nicht mehr gewährt. Wie sieht nun die Einschätzung und Bewertung der Eigenheimförderung aus? Mit der Neuregelung der steuerlichen Förderung selbstgenutzten Wohneigentums zum 1. Januar 1996 verfolgte die Bundesregierung die Ziele einer sozial gerechteren Förderung, einer verstärkten Wohneigentumsbildung der so genannten Schwellenhaushalte (insbesondere von Familien mit Kindern) und einer verstärkten Vermögensbildung inklusive einer Stärkung der Altersvorsorge. Um die Wirkungen der neuen Förderung einzuschätzen, setzte die ARGEBAU Ministerkonferenz 2001 eine Arbeitsgruppe ein. Die Arbeitsgruppe sollte die Wirkung der Eigenheimzulage im Hinblick auf das Verhältnis Neubau- und Bestandsförderung, die räumliche Zielgenauigkeit und die soziale Verteilungswirkung untersuchen (BBR 2002a). Die Eigenheimzulage hat nach dem Bericht der Arbeitsgruppe deutlich zur Belebung der Wohneigentumsbildung beigetragen. Im Jahr 2000 betrug das Volumen der ausgezahlten Zulagen aus den Zusagejahren 1996-2000 insgesamt 13,4 Mrd. DM (BBR 2002a: 4). Wirft man einen Blick auf die Aufteilung der Förderungen, so zeigt sich, dass 2,6 Mio. Grundförderungen und knapp 1,5 Mio. Kinderzulagen gewährt wurden. Die Zulagen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen liegen mit 20.000 Förderungen sehr niedrig. Die Öko-Zulagen erreichen dem gegenüber immerhin die Anzahl von 293.000 Förderungen, was in Relation zur Grundförderung ebenfalls als niedrig angesehen werden muss. Die Genossenschaftszulagen machten nur 0,8% der Grundförderungen aus. In 84% der Förderung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen wurden zugleich Kinderzulagen ausgezahlt. Die Einführung der Förderung nach § 17 EigZulG führte zunächst zu einer Vielzahl von Neugründungen eigentumsorientierter Genossenschaften. Die Mehrzahl der Neugründungen bis Ende 1998 (97 von 144) ist tatsächlich auf die Förderung durch das EigZulG zurückzuführen. Die restlichen Genossenschaften entstanden infol100
ge der Privatisierungspflicht des Altschuldenhilfegesetzes sowie durch Übernahme von Wohnungen aus der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft (BBR 2002a: 5). Die Grundförderung bei Neubau bzw. bei Erwerben aus dem Bestand in jährlichen Raten über acht Jahre ist die Basiskomponente der Wohneigentumsförderung. Mehr als drei Viertel der Grundförderung entfielen auf Eigentumsmaßnahmen in den alten Bundesländern. Die Hälfte aller Grundförderungen entfallen auf Erwerbe aus dem Bestand. Etwa 44% wurden für Neubaumaßnahmen ausgegeben, knapp 6% der Grundförderungen entfallen auf Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen. Betrachtet man die alten Bundesländer, so bildet die Eigentumsbildung im Bestand mit 52% der Grundförderung eine knappe Mehrheit gegenüber den Neubaumaßnahmen mit 43% (Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen 5%). Es zeigt sich insgesamt der große Stellenwert von Bestandserwerben in den alten Bundesländern. In den neuen Ländern hat die Neubauförderung in Relation zu den Bestandsfällen ein höheres Gewicht. Die Anzahl der Familien mit Kindern sank von 1996 bis 2000 von 13,2 Mio. auf 12,8 Mio. (-2,7%), während die Zahl der Einpersonenhaushalte um 4,2% stieg. Familien mit Kindern stellen in der Bundesrepublik ein Drittel aller Haushalte. Die Analyse der Kinderzulagen zeigt, dass in 58% aller Förderfälle eine oder mehrere Kinderzulagen ausgezahlt wurden. Differenziert man nach Neubau und Bestandserwerb, so wird deutlich, dass die Neubauförderung mit 62% mehr Kinderzulagen in Anspruch nehmen als die Bestandsförderung mit 54%. Es zeigt sich also eine deutlich höhere Bedeutung der Kinderkomponente im Neubau. Allerdings wurde auch in mehr als der Hälfte der Fälle bei Bildung von Wohneigentum im Bestand eine Kinderzulage gewährt. Dies weist auf familienpolitische Relevanz auch der Bestandsförderung hin (BBR 2002a: 11) Das Durchschnittsalter der Empfänger der Grundförderung liegt im Neubau bei 39,3 und im Bestand bei 39,4 Jahren. Damit liegt es geringfügig unter dem Durchschnittsalter der Ersterwerber in den Vorjahren. Tendenziell, so die Ergebnisse der Untersuchung der Empfänger der Eigenheimzulage, bevorzugen junge Haushalte (unter 30 Jahre) den Erwerb aus dem Bestand, was angesichts niedrigerer Einkommen und günstigerer Erwerberpreise erklärlich ist. Die höheren Anteile der 30- bis 40Jährigen im Neubau in Verbindung mit dem Ergebnis, dass über die Hälfte der Zulagenempfänger Kinder haben, deutet darauf hin, dass es sich um Eigentümer in der Phase der Familiengründung bzw. -erweiterung handelt (BBR 2002a: 12). In der Einschätzung von Grossmann hat dieses Gesetz die Eigenheimförderung transparenter gemacht und dadurch die Berechenbarkeit der Finanzierung erleichtert. Das Ziel der
101
Bildung von Wohneigentum für junge Familien ist dadurch erreicht worden (Grossmann 2001: 19).65 5.2.2.
Die Förderung der Bildung selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung
Mit der Reform des Wohnungsbaurechts trat zum 1. Januar 2002 das Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (WohnraumförderungsgesetzWoFG) in Kraft. Mit dem Gesetz zur Reform des Wohnbaurechts wird der bisherige soziale Wohnungsbau zur neuen sozialen Wohnraumförderung weiterentwickelt und auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. Die Bundesländer haben entsprechende Bestimmungen über die Voraussetzungen und die Durchführung des Gesetzes erlassen. Neben den Grundsätzen der Mietwohnraumförderung gehört auch die Bildung selbstgenutzten Wohneigentums zu den Aufgaben der sozialen Wohnraumförderung. Söfker/Burger begründen die Eigentumsförderung: da sie für die Versorgung bestimmter Haushalte eine besonders geeignete, dauerhafte Lösung darstellt. Oftmals kann sie aus Sicht der Förderung auch kostengünstiger als die Versorgung mit Mietwohnraum sein. (Söfker/Burger 2001: 11) Im Gesetz zur sozialen Wohnraumförderung kommt der Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung eine Ergänzungsfunktion zur Eigenheimzulage zu. Die im Kontext dieser Arbeit wesentlichen Veränderungen der Wohneigentumsförderung im sozialen Wohnungsbau betreffen die Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung, die Einkommensgrenzen und die Ausgestaltung der Fördermodelle auf Länderebene. Hinsichtlich der Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung ist festzuhalten, dass es um die gezielte Unterstützung von Haushalten geht, die aus unterschiedlichen Gründen auf Hilfe bei ihrer Wohnraumversorgung angewiesen sind. Die Förderung der Bildung selbstgenutzten Wohneigentums erfolgt bevorzugt für Familien und andere Haushalte mit Kindern sowie für Haushalte, bei denen aufgrund einer Behinderung eines Haushaltsangehörigen ein besonderer baulicher Bedarf besteht (§ 8 Abs. 1 WoFG) und die unter Berücksichtigung ihres Einkommens und der Eigenheimzulage die Belastungen des Baus oder Erwerbs von Wohnraum ohne soziale Wohnraumförderung nicht tragen können. Durch die Festlegung von Einkommensgrenzen wird die Zielgruppe der sozialen Wohneigentumsförderung näher bestimmt. Die Einkommensgrenzen der förderberechtigten Haushalte liegen für einen Einpersonenhaushalt bei 12.000 Euro (23.470 DM) und für einen Zweipersonenhaushalt bei 18.000 Euro (35.205 DM) Jahresein-
65
Zur Einordnung der Eigenheimzulage in die Wohneigentumsförderung allgemein und deren wohnungspolitische Einschätzung vgl. Kofner 2004: 141f.
102
kommen. Für jedes Kind erhöht sich die Einkommensgrenze um 4.600 Euro (§ 9 Abs. 2 WoFG). Das Bundesrecht räumt den Ländern die Möglichkeit ein, durch eine Rechtsverordnung Abweichungen von den Einkommensgrenzen festzulegen. Damit erhalten die Länder die Möglichkeit, die örtlichen und regionalen Wohnungswirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen und einen zielgenauen Einsatz der Fördermittel zu realisieren (Söfker/Burger 2001: 12). Im Zusammenhang mit der Einkommensermittlung kommt der neuen Regelung über den Begriff der Haushaltsangehörigen in § 18 WOFG Bedeutung zu. Grundlage ist, dass die betreffenden Personen eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führen. Zu den berücksichtigungsfähigen Haushaltsangehörigen gehören den gewandelten gesellschaftlichen Anschauungen entsprechend auch die Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes und die Partner einer sonstigen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft (Söfker/Burger 2001: 12). Im Rahmen des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung können ebenfalls Maßnahmen bevorzugt werden, bei denen Bauherren in Selbsthilfe tätig werden oder bei denen Mieter von Wohnraum Leistungen erbringen, durch die sie im Rahmen des Mietverhältnisses Vergünstigungen erlangen (§12 Abs. 1 WoFG). Selbsthilfe wird dabei definiert als Arbeitsleistungen, die vom Bauherrn selbst, seinen Angehörigen oder anderen unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit erbracht werden. Eine zusätzliche Förderung für den notwendigen Mehraufwand kann laut WoFG gewährt werden, wenn es sich um organisierte Gruppenselbsthilfe-Maßnahmen handelt (§12 Abs. 2 WoFG). 5.2.3.
Die soziale Wohneigentumsförderung in Nordrhein-Westfalen66
Die Förderung von Wohnungseigentum ist ein wichtiger Bestandteil des Wohnungsbauprogramms des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Haushalt von 1998 standen dafür Fördermittel von 811 Mio. DM zur Verfügung. In den folgenden Jahren sind die Fördermittel deutlich angestiegen. Wie bereits im Vorjahr sollen auch im Jahr 2003 insgesamt 13.5000 Wohnungen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen gefördert werden. Schwerpunktmäßig wird dabei das Wohneigentum mit rund 8.300 Einheiten gefördert. Vorgesehen ist für die Eigentumsmaßnahmen ein Mittelaufwand von 510 Millionen Euro. Durch die regional differenzierten Förderangebote für die Eigentumsförderung konnte ein deutlicher Anstieg geförderter
66
Zu den Förderbedingungen vgl. die Broschüre des Ministeriums für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen: Die Eigentumsförderung NRW, Stand: 1998 und MSWKS 2002. Die z. T. nicht mehr aktuellen Förderbedingungen des Landes NRW werden ausführlich dargestellt, da die im empirischen Teil analysierten Baufamilien nach diesen Bedingungen gefördert wurden.
103
Eigentumsmaßnahmen in Ballungszentren erreicht werden (Wohnungsbauprogramm 2003).67 Adressaten der Förderung sind Haushalte mit geringem Einkommen, die sich am Wohnungsmarkt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Die Vergabe der Fördermittel ist an fest definierte Einkommensgrenzen gebunden. Ob eine künftige Baufamilie Landesmittel in Anspruch nehmen kann, ist vom Einkommen aller Haushaltsmitglieder abhängig. Gefördert wird nur, wer mindestens 15% bei kinderreichen Familien und jungen Ehepaaren 10% der Gesamtkosten als Eigenleistung erbringt. Eigenleistungen sind eigene Geldmittel, der Wert von Sachleistungen, der Wert des eigenen Baugrundstücks, die Selbsthilfe und Eigenkapital-Ersatzdarlehen und Familien-Zusatzdarlehen. Bei Gruppenbaumaßnahmen sind mindestens 10% der Baukosten als Selbsthilfe zu erbringen. Es gibt vier verschiedene Fördermodelle (A1-A4)68, die insbesondere auf Familien mit Kindern ausgerichtet sind. Sie berücksichtigen die individuellen Verhältnisse der Baufamilie und sind daher nach Art und Höhe der Mittelvergabe unterschiedlich. Ergänzt werden die Fördermodelle durch gesonderte Zuschläge: • Zusätzliche Baudarlehen für den Ballungsraum (Regionalbonus: aktueller Stand 25.000 Euro in Ballungskernen und in solitären Verdichtungsgebieten, 10.000 Euro in Ballungsrandzonen). • Zusätzliches Baudarlehen bei flächensparendem Bauen in Ballungskernen etc., wenn die Geschoßflächenzahl von 0,8 nicht unterschritten wird, in der Höhe von 10.000 DM (Öko-Bonus 5.000 Euro). • Zusätzliches Baudarlehen, wenn durch den Umzug eine Sozialwohnung mit noch mindestens 5jähriger Bindung frei wird, in der Höhe von 10.000 DM (SozialBonus 5.000 Euro). • Familienzusatzdarlehen (abhängig von der Anzahl der Kinder). • Eigenkapitalersatzdarlehen. Ein Schwerpunkt innerhalb der Eigentumsförderung des Landes ist die Förderung von Gruppenbaumaßnahmen. Dies sind Bauvorhaben, die unter einer einheitlichen Planung und Durchführung mindestens sechs Eigenheime erstellen. Für den Träger einer solchen Maßnahme ist es möglich, vor Beginn sicherzustellen, ob die Mittel für diese Maßnahme zur Verfügung stehen (Reservierung). Grundsätzlich ist nur die Baufamilie eines selbst errichteten Eigenheims Berechtigte auf Wohnungsbauförderung, nicht der Träger. Bei einer Trägermaßnahme erhält der Träger die Fördermittel für den bereits 67
Bei der Förderung selbstgenutzten Wohneigentums in Ballungskernen und solitären Verdichtungsgebieten dürfen die oben genannten Einkommensgrenzen des § 9 Abs. 2 WoFG in Verbindung mit § 1 VO WoFG NRW um bis zu 30 v. H. überschritten werden (WoBauP 2003).
68
Nach dem Stand 2002 gibt es drei Fördertypen, vgl. MSWKS 2002: 12.
104
feststehenden Bewerber. Durch die Möglichkeit einer Mittelreservierung vor Beginn der Bauphase können die Baufamilien von einer größeren Sicherheit bei der Gewährung der beantragten Mittel ausgehen. Zusätzlich zu den angeführten Darlehensmöglichkeiten ist eine steuerliche Förderung durch die Eigenheimzulage möglich. Um die Belastung nach Wegfall der Eigenheimzulage des Bundes acht Jahre nach Bezugsfertigkeit aufzufangen, hat die Baufamilie die Möglichkeit, neben dem öffentlichen Baudarlehen zusätzlich ein zinsgünstiges Aufwendungsdarlehen in Höhe von 26.400 DM zu beantragen, das ratenweise im Verlauf von 10 Jahren ausgezahlt wird. Die Auszahlung beginnt mit dem Fortfall der Zahlungen der Eigenheimzulage. Voraussetzung ist, dass zu diesem Zeitpunkt die dann maßgebliche Einkommensgrenze des sozialen Wohnungsbaus eingehalten wird. Damit die finanziellen Belastungen, die durch den Bau eines Hauses entstehen, nicht die Existenzgrundlage der Baufamilie gefährden, wird die Tragbarkeit der Belastung geprüft. Mit dem Antrag auf Bewilligung der Wohnungsbaumittel ist eine so genannte Lastenberechnung vorzulegen. In dieser sind die Bau- oder Erwerbskosten aufzuführen, die beabsichtigte Finanzierung darzustellen sowie die Kapitalkosten (Zinsen, Verwaltungskostenbeiträge, Tilgung) und die Bewirtschaftungskosten zu berechnen. Nach Abzug aller laufenden Kosten müssen zum Lebensunterhalt monatlich mindestens 1.450 DM (aktuell 820 Euro) für einen Zweipersonenhaushalt zuzüglich 400 DM (205 Euro) für jede weitere Person verbleiben. Hierbei werden Kindergeld, ein eventueller Lastenzuschuss nach dem Wohngeldgesetz und ein Teilbetrag der steuerlichen Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz von 400 DM (213 Euro) pro Monat angerechnet.69 Die folgende Tabelle 7 zeigt die Belastungsrechnung bei einer Familie mit zwei Kindern.
69
Mit der Einführung des Wohnraumförderungsgesetzes im Jahr 2002 wurden die Zielgruppen, die Fördermodelle und die Einkommensgrenzen der Eigentumsförderung leicht verändert. In Nordrhein-Westfalen werden Haushalte mit mindestens einem Kind und/oder einem schwerbehinderten Angehörigen gefördert. Die förderberechtigten Haushalte erhalten ein Baudarlehen (Grundbetrag und Kinderbonus) dessen Höhe vom Einkommen abhängig ist. Es gibt drei verschiedene Fördermodelle. Die Förderung Typ 1 und Typ 2 unterscheiden sich bezüglich der Einkommensgrenzen gemäß § 9 Abs. 2 WoFG (Typ 1 bis zu 85 v. H. und Typ 2 bis zu 100 v. H.). Es wird eine Förderpauschale von 37.500 bzw. 26.500 Euro gewährt. Dazu kommen ein Kinderbonus von 5000 Euro (Typ 1) bzw. 2000 Euro (Typ 2) für jedes Kind. Darüber hinaus ist es möglich, ein Eigenheimzulagedarlehen in der Höhe von 16.000 Euro zu erhalten. Das Eigenheimzulagedarlehen kann als Eigenkapitalersatzdarlehen anerkannt werden. Das Fördermodell Typ 3 bezieht sich auf die Förderung von Wohneigentum in Ballungskernen und solitären Verdichtungsgebieten. Um das Wohneigentum in der Stadt zu fördern, können die förderberechtigten Haushalte die Einkommensgrenzen bis zu 30 v. H. überschreiten. Der Darlehenspauschalbetrag beträgt hier 25.500 Euro (MSWKS 2002: 12f.).
105
Tab. 7: Beispielrechnung der monatlichen Belastung Euro Zinsen/Tilgung in % Hypothek Baudarlehen Grundbetrag Kinderbonus Regionalbonus Eigenheimzulagedarlehen Eigenleistung Finanzierungsmittel insgesamt Belastung Summe Kapitalkosten Summe Instandhaltungskosten Betriebskosten Lfd. Aufwendungen jährlich Belastung monatlich
107.000
6,0 /1
Lfd. Aufwendungen in Euro 7.490
37.500 10.000 25.000 16.000 34.500 230.000
0,5 /1 0,5 /1 0,5 /1 15,97
563 150 375 2.556
11.134 852 2.532 14.518 1.210
(Quelle: MSWKS 2002: 25)
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Eigentumsförderung ist ein Eigenkapitalsanteil von in der Regel mindestens 10% bis 15% der Gesamtkosten, den die Familien in die Finanzierung einbringen müssen und der nach wie vor für viele Familien eine große Hürde auf dem Weg zum Eigentum bedeutet. Die Beispielrechnung zeigt auf, welche Bedeutung das im Rahmen der Eigenheimförderung vergebene zinsverbilligte Baudarlehen (0,5% im Vergleich zu 6,0% Zins) für die monatliche Belastung der Familie hat.
6. Fazit: Wege zum Wohneigentum Wohnwunsch Nummer eins ist das Einfamilienhaus, sprich das Eigenheim. In der Wohnrealität können sich aufgrund zahlreicher Förderinstrumente ca. 52% der Bevölkerung Wohneigentum (Wohnung oder Haus) leisten. Die haushaltsbezogene Eigentumsquote ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen; die Förderung der Wohneigentumsbildung der privaten Haushalte stellt nach wie vor ein zentrales Ziel der Wohnungspolitik dar. Wenn das Wohnen im Eigentum im Hinblick auf Vermögensbildung und Wohnqualität Vorteile beinhaltet, so ist doch die damit verbundene Eigenheimideologie insgesamt auch kritisch zu beurteilen. Insbesondere die (Wohn-)Vorteile des Einfamilienhauses sind nicht an die Verfügungsform Eigentum gebunden. Nicht zuletzt sind durch die jahrzehntelange Förderung des individuellen Wohneigentums ökonomische Realitäten entstanden, die ebenfalls vom Wohneigentum wieder abgekoppelt werden könnten. Wohnpolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik und insofern gestaltet sie die Rahmenbedingungen der Eigentumsbildung und beeinflusst diese maßgeblich. 106
Deutlich geworden ist, dass hauptsächlich Familien Eigentum bilden. Das Durchschnittsalter liegt mit 38 Jahren bzw. 39,4 Jahren der Geförderten der Eigenheimzulage vergleichsweise hoch. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass sich die Familiengründung generell in den letzten Jahrzehnten deutlich zeitlich nach hinten verlagert hat. Die Wege zum Eigentum und die Bedeutung des Eigentums sind je nach sozialer Lage und Lebensstil unterschiedlich. Neben dem Erbe, das hauptsächlich Haushalten zugute kommt, die bereits Hauseigentum besitzen, kann ein Haus auf dem Markt erworben werden oder durch den Einsatz von Selbsthilfe (und der Hilfe von Verwandten, Freunden etc.) im Wesentlichen außerhalb des Marktes erbaut werden. Für Haushalte mit niedrigerem Einkommen ist es in den letzten Jahrzehnten zunehmend schwerer geworden, Wohneigentum zu erwerben. Dies liegt zum einen an den hohen Bau- und Grundstückskosten, zum anderen an dem notwendigen Eigenkapital. Diese Haushalte tragen häufig aufgrund des engen finanziellen Spielraums auch die Risiken der Eigentumsbildung (Zwangsverkauf). Untersuchung der Eigentumsbildung bei Arbeiterhaushalten verweisen auch auf marktferne Strategien bei der Bildung von Wohneigentum. Die untersuchten Haushalte verfolgen einen investiven Lebensstil und richten ihre gesamten Kapazitäten (Geld, Überstunden, Selbsthilfe) auf den Hausbau. Dies gelingt, weil die Haushalte in ein funktionsfähiges soziales Netz eingebunden sind, das den Hausbau tatkräftig unterstützt und erst möglich macht. Dieses Netz setzt allerdings stabile und vor allem regional gebundenen Familien- und Sozialkontakte voraus. Dieser Weg ermöglicht auch Haushalten mit niedrigem Einkommen den Eigentumserwerb. Bei (städtischen) Haushalten bzw. bei mobilen Haushalten kann dieser Weg zum Eigentum wenn überhaupt nur bedingt, funktionieren. Haushalte, die einen individualisierten Lebensstil verfolgen, sind nicht in die gleichen Netze und Unterstützungsnetzwerke eingebunden. Hier ist der Weg zum Eigentum in der Regel nur über den Markt möglich. Der Staat unterstützte die Eigentumsbildung für Familien mit einem niedrigen Einkommen bei der Eigentumsbildung bis zum Jahr 2006 durch eine steuerliche Förderung (die Eigenheimzulage) und zinsgünstige Darlehen. Die Voraussetzung für die Eigentumsbildung das Eigenkapital wird jedoch nicht unterstützt (sieht man einmal vom Bausparen und von der Möglichkeit ab, ein Eigenheimzulageersatzdarlehen aufzunehmen). Diese Hürde ist für viele Familien, die an der Schwelle zur Eigentumsbildung stehen, schwer zu nehmen. Es ist fraglich, in welchem Maße sie auf Unterstützungsnetzwerke und Eigenarbeit zurückgreifen können. Allerdings haben auch sie die grundsätzliche Möglichkeit, durch Selbsthilfe den notwendigen Eigenkapitalsanteil zu erwirtschaften.
107
III. Selbsthilfe im Wohnungsbau Die bauliche Selbsthilfe ist ein Weg insbesondere für einkommensschwache Haushalte , den Zugang zum Wohneigentum zu ermöglichen. Häufig wird übersehen, dass die Mitarbeit späterer Nutzer und Nutzerinnen an ihren Wohnungen und Häusern bereits in der vorindustriellen Zeit eine selbstverständliche Praxis war. Im Zuge der industriellen Revolution und der damit verbundenen Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung veränderte sich die Bedeutung der baulichen Selbsthilfe. Vor allem in ländlichen Regionen und bei Arbeiterhaushalten ist die Selbsthilfe beim Hausbau jedoch auch aktuell noch weit verbreitet. In städtischen Zonen stellt sich die Bedeutung der baulichen Selbsthilfe allerdings anders dar. Die aktuellen Diskussionen über die Bedeutung der baulichen Selbsthilfe konzentrieren sich im Wesentlichen auf zwei Fragestellungen: Der Beitrag der Selbsthilfe als ein Mittel zur Wohnungsversorgung (insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen) und Selbsthilfe als Mittel, gemeinschaftliche Bezüge herzustellen. Die Diskussion über Potenziale und Grenzen baulicher Selbsthilfe ist nicht neu, sie wird bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts geführt. Um diese Prozesse nachzuvollziehen, ist es notwendig, über einen eng gefassten Selbsthilfebegriff in der Bedeutung baulicher Eigenleistungen hinaus zu gehen. In der historischen Betrachtung beinhaltete Selbsthilfe vielfältige Formen der Selbstorganisation, die meist aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen sind. Historisch wie aktuell spielte die Selbsthilfe im Wohnungsbau (insbesondere in den Städten) immer dann eine Rolle, wenn die Wohnungsversorgung generell oder die einzelner Bevölkerungsgruppen Defizite aufwies. Die Einschätzung der Selbsthilfe ist je nach politischer Blickrichtung unterschiedlich, zumindest aber als ambivalent zu bezeichnen. "Dabei hat Selbsthilfe historisch keinen guten Ruf; zumindest nicht aus der verlängerten Sicht der Betroffenen, denen Selbsthilfe als schlechter Ersatz für weggefallene Formen der Versorgung zugemutet wurde." (Novy 1983: 22) Der Abbau sozialstaatlicher Leistungen wird häufig mit dem Verweis auf Selbsthilfe oder in der aktuellen Diskussion auf bürgerschaftliches Engagement (Zivilgesellschaft) gerechtfertigt. Das Kapitel zeichnet die Entwicklung der historischen Auseinandersetzungen um die (bauliche) Selbsthilfe im Kontext von Arbeiterbewegung und Bürgertum nach und weist auf die ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hin, unter denen Selbsthilfe zustande kam. Der historische Rückblick ist als ein Beitrag zum Verständnis der aktuellen (politischen) Probleme in diesem Bereich zu verstehen. Er dient der präziseren Begriffsbestimmung und kontextualisiert die Selbsthilfebe109
strebungen/-initiativen. Im zweiten Teil dieses Abschnitts werden die seit den 70er/80er Jahren neu belebten Elemente der Diskussion um die Selbsthilfe aufgegriffen und empirische Ergebnisse zur Einzel- und Gruppenselbsthilfe vorgestellt und diskutiert.
1.
Historische Wurzeln der baulichen Selbsthilfe
Selbsthilfe beim Wohnungsbau ist ein Thema, das im historischen Rückblick verbunden wird mit der Industrialisierung, der Entstehung der sozialen Frage in den Städten und mit der Geschichte der Arbeiter- und der Genossenschaftsbewegung.70 Selbsthilfe und Genossenschaften diese beiden Begriffe sind historisch fest miteinander verknüpft. Die Betrachtung von baulicher Selbsthilfe ist nicht nur der Blick auf vorhandene Selbsthilfepotenziale, sondern auch auf politische Strategien und organisierte Bewegungen. Selbsthilfe im Genossenschaftskontext kann neben der konkreten Arbeit auf der Baustelle auch Selbstbestimmung Selbstorganisation und Selbstverwaltung beinhalten.71 Eine zentrale Rolle spielt die Arbeit am eigenen Haus in der Siedlerbewegung, die in den 30er Jahren Selbsthilfe im Konzept der Kleinsiedlungen als zentralen Baustein verankerte. Beide Bewegungen werden im Folgenden kurz skizziert. 1.1. Die Genossenschaftsbewegung In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts kam es zu einer verstärkten Wohnungsnot in den Städten. Der wirtschaftliche Aufschwung führte zu einer Zunahme der Beschäftigten in der Industrie und zu einem massiven Anstieg der Wohnbevölkerung. Die Möglichkeiten, Wohnraum zu finden, erwiesen sich als äußert beschränkt. Große Teile der Arbeiterschaft waren nicht in der Lage, die für das Wohnen notwendigen Kosten aufzubringen und mussten in sehr beengten, gesundheitsgefährdeten Wohnbedingungen leben (vgl. z. B. das Schlafgängerwesen). Erste Ansätze zu Wegen aus der Wohnungsnot kamen aus dem Bürgertum. Die Idee des genossenschaftlichen Wohnungsbaus für Arbeiter war Mitte des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen im fortschrittlichen Bürgertum verankert. Ein Beispiel dafür ist der Genossenschaftstheoretiker Victor Aimé Huber (1800 bis 1869)72, der seine Vorstellung, durch den Einsatz von baulicher Selbsthilfe das Wohnungselend der Arbeiter70
Zur Genossenschaftsbewegung und zur Entstehung einer Gemeinwirtschaft vgl. Novy/Prinz 1985, Mersmann/Novy 1991 und Mersmann/Bärsch 1995.
71
Deutlich wird dies bei den Konsumgenossenschaften, später bei den Wohnungsgenossenschaften. Hier bedeutete Selbsthilfe die Selbstverwaltung, Mitarbeit bei der Gartengestaltung und -pflege und Mitbestimmung bei Nachbesetzungen der Wohnungen etc.
72
Der christlich-staatskonservative Huber ist der Verfasser der für die deutsche Genossenschaftsdebatte wichtigen Schrift "Die Selbsthülfe der arbeitenden Klassen durch Wirtschaftsvereine und innere Ansiedlung" (1848). Im Mittelpunkt seiner sozialpolitischen Überlegungen steht der Fabrikarbeiter, der allerdings mit der reinen Selbsthilfe überfordert ist und Unterstützung von der Oberschicht benötigt (Novy/Prinz 1985: 36).
110
schaft abzuschaffen, aus England und Frankreich mitbrachte. Sein Gedanke, eigentumslose Arbeiter durch Eigenleistung zum Hauseigentümer zu machen, kann als ein zeitgenössisches Phänomen betrachtet werden. Die kapitalistische Gesellschaftsausrichtung wurde auch auf die Bestrebungen übertragen, mit denen man das Wohnungselend bekämpfen wollte. Eigentum bedeutete Sicherheit, Erfolg etc., also mussten, um das Elend zu bekämpfen, auch Arbeiter Eigentum erlangen. Die genossenschaftliche Organisation der Selbsthilfe war eine Variante, dies zu erreichen. Die ersten gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaften waren demnach keine reinen Selbsthilfeorganisationen der Arbeiterschaft, sondern wurden von bürgerlichen Reformern initiiert und verwaltet. Die angestrebten Zielgruppen waren die unteren Schichten der Arbeiterschaft. Allerdings versperrte das Auswahlkriterium Sparfähigkeit gerade den eigentlich Bedürftigen den Zugang zu Wohnraum (Mersmann/Bärsch 1995: 96). In der Arbeiterschaft kam es in dieser Zeit zur Entwicklung kollektiver Selbsthilfeformen. Ausgangspunkt der baulichen Selbsthilfe war die spontane Reaktion von Arbeitslosen und Wohnungssuchenden auf ihre soziale Situation. Erste Arbeitersiedlungen entstanden auf genossenschaftlicher Basis. Allerdings stellte sich heraus, dass der Bau von Wohnungen ohne Unterstützung (finanzieller Art, Grundstücke, Arbeitsmaterialien etc.) auf Dauer nicht möglich war. Es wurden daher andere Organisationsformen gesucht bzw. Wohnungs- oder Baugenossenschaften entstanden aus der Umwandlung bisher bestehender Organisationen. Mit der Einführung der staatlichen Sozialgesetzgebung (1881) begann sich ein stärkeres Engagement des Staates auch im Wohnungsbau abzuzeichnen. Diese Entwicklung wurde durch das neue Genossenschaftsgesetz von 1889 noch unterstützt. Vor diesem Hintergrund ist die Gründungswelle der Genossenschaften um die Jahrhundertwende zu sehen. Die Gewerkschaften schlossen sich erst später und nach und nach an73. 1888 gab es reichsweit lediglich 20 Wohnungsgenossenschaften, bis 1914 stieg die Anzahl der Wohnungsgenossenschaften auf 1400 an. Sie errichteten über 100.000 Wohnungen (Mersmann/Bärsch 1995: 96). Die Übertragung des in der Arbeiterbewegung und der Genossenschaftsbewegung vertretenen Gedankens der wirtschaftlichen Selbsthilfe (der z. B. in den Konsumgenossenschaften sehr erfolgreich praktiziert wurde) auf den Wohnungsbau bzw. die Wohnraumbeschaffung erwies sich aufgrund der besonderen Eigenschaften des Gutes "Wohnung" als äußert schwierig. Eine Wohnung ist im Vergleich mit anderen Gütern sehr teuer und dementsprechend schwer zu finanzieren. Die Beschaffungsbedingungen 73
Zur durchaus konfliktreichen Haltung der Gewerkschaften gegenüber der Genossenschaftsbewegung vgl. Novy 1983.
111
hinsichtlich Boden, Finanzierung, Förderung und Baurecht sind komplex und für Laien nur schwer zu durchschauen. Wie Mersmann/Novy vor diesem Hintergrund aufzeigen, hat es "reine Selbsthilfe im Bereich der Wohnungssuche nie gegeben. Ohne Hilfe von außen bei der Organisation und Finanzierung war eine Wohnungsversorgung 'von unten' nicht möglich" (Mersmann/Novy 1991: 53). Novy (1983) konstatiert um die Jahrhundertwende eine verbandspolitische Spaltung des deutschen Genossenschaftswesens zwischen der mittelständisch-besitzindividualistischen und der sozialreformerischen Richtung. Die erste Richtung strebte die Privatisierung des Hauseigentums an, um die Lage der Mitglieder durch Eigentumsbildung zu verbessern. Die sozialreformerisch ausgerichteten Genossenschaften hielten demgegenüber am gebundenen Gemeinschaftseigentum fest und sahen in den Genossenschaften eine Alternative zur privaten Wohnungswirtschaft und zum (kapitalistischen) Privateigentum (Novy 1983 154). Weimarer Republik Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war geprägt durch akuten Wohnungsmangel und massenhafte Arbeitslosigkeit. In dieser Situation, in der weder Privatwirtschaft noch staatliche Maßnahmen in Gang kamen, griffen viele zur Selbsthilfe. Es kam zu einer einmaligen Gründungswelle von Selbsthilfeinitiativen, vor allem genossenschaftlicher Art. Bezogen auf die Wohnraumversorgung entstanden innerhalb weniger Jahre einige tausend Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaften. Beim Bau von Wohnungen wurde in großem Maße Eigenarbeit in Gruppenselbsthilfe (als "Muskelhypothek") eingesetzt (Novy/Prinz 1985: 82). Bei der Gruppenselbsthilfe schließen sich einzelne Bauherren zusammen, um gemeinsam ihre Häuser zu bauen. Diese Mitarbeit in den Wohnungsbau- und Siedlungsgenossenschaften diente der Selbstversorgung mit Wohnraum. Neben anderen Wohnungssuchenden schlossen sich auch Gewerkschaftsmitglieder zusammen und gründeten Wohnungsgenossenschaften. Ein anderer Zweig der Genossenschaftsbewegung waren die arbeitslosen Bauarbeiter, die 1919 die ersten Bauproduktivgenossenschaften gründeten. Bis zum Höhepunkt der Gründungswelle der Bauproduktivgenossenschaften 1922 entstanden in Deutschland 207 Betriebe.74 Diese Selbstorganisation von arbeitslosen Bauarbeitern und Wohnungslosen wurde von den Gewerkschaften unterstützt. In der Inflationszeit stellte sich dies jedoch als eine nicht mehr gangbare Lösung heraus. Durch den Mangel an Kapital- und Organisationserfahrung sowie das Fehlen eines organisierten Absatzmarktes scheiterten die
74
Auch in anderen europäischen Ländern kam es zu Gründungen von Baubetrieben, vgl. zum europäischen Gildensozialismus Novy 1983: 41 und Harris 1999a und 1999b.
112
meisten Bauproduktivgenossenschaften. Sie wurden als "Bauhütten" in GmbHs umgewandelt (Mersmann/Bärsch 1995: 104). Wohnreform Laut Novy und Prinz gelang es, viele der Selbsthilfeinitiativen in eine umfassende Reformstrategie einzubinden, welche wirtschaftsreformpolitische Experimente und wohnreformerische Ansätze enthielt. Ein neues Wohnleitbild entstand: "das Wohnen in der Gemeinschaft aufgrund tragender Gemeinsamkeiten" (Novy/Prinz 1985: 102). Anders als in der Vorkriegszeit entstanden nun die meisten Siedlungsgründungen durch geschlossene Gruppen (z. B. Berufsgruppen, Gewerkschaftsrichtungen, Familien mit Kindern etc.), deren Unterschiedlichkeit sich ebenfalls in der architektonischen Vielfalt in der Siedlungsgestaltung widerspiegelte. Wohnen in einer Genossenschaft zeichnete sich durch mehrere Charakteristiken aus. Gewohnt wurde in dauerhaftem Gemeinschaftseigentum mit genossenschaftlicher Selbstverwaltung. Gemäß den Genossenschaftsprinzipien (Identitätsprinzip, Förderprinzip, Demokratieprinzip)75 wurden neben sozialen und kulturellen Einrichtungen auch Formen der Bewohner/innenbeteiligung geschaffen. Novy bezeichnet (Bau-) Genossenschaften als Orte neuer Lebensformen, die zur Entwicklung des "neuen Menschen" beitragen. Seiner Ansicht nach setzt dies einen freiwilligen Zusammenschluss von annähernd homogenen Personengruppen oder Gleichgesinnten voraus. "Sollen Gruppen ihr eigener Bauherr oder auch nur ihr eigener Verwalter werden, so müssen schon tragende Gemeinsamkeiten vorhanden sein. (...) Genossenschaftliche Bewohnergruppen bildeten sich entlang lebensbestimmender Gemeinsamkeiten kultureller, politischer oder berufsständischer Art." (Novy 1983: 145) Die Entwicklung einer genossenschaftlichen Lebenskultur spiegelt sich in den zahlreichen Gemeinschaftseinrichtungen. In Teilen kamen dazu lebensreformerische und ökologische Ansätze. In der ersten Hälfte der Weimarer Republik entstanden eine Vielzahl von wohnungspolitischen Initiativen (Baugenossenschaften und gemeinnützige Wohnungsgesellschaften). Die Selbsthilfeorganisationen im Bereich des Wohnungsbaus erhielten staatliche Unterstützung in Form von Subventionen und steuerlichen Privilegierungen. So wurde 1924 beispielsweise die Hauszinssteuer als zweckgebundene Sondersteuer eingeführt, die die Neubauproduktion wirksam subventionierte (Marahrens 1988: 19f.). Dies ändert sich drastisch mit dem Zusammenbruch der Wirtschaft Anfang der 30er Jahre, der eine Massenarbeitslosigkeit zur Folge hatte. Die Weltwirtschaftskrise führte zu einem Bruch der Lebens- und Wohnleitbilder. Der Wohnungsbau brach zu-
75
Zur detaillierten Beschreibung der Prinzipien s. Mersmann/Novy 1991, S. 31-33.
113
sammen, der Staat zog sich aus der direkten Wohnbauförderung zurück, und die in den vorherigen Jahrzehnten entwickelten Normen und Wohnstandards wurden drastisch gesenkt. An die Stelle der Reformsiedlungsprojekte traten (wilde) Erwerbslosensiedlungen mit z. T. Primitivhäusern, die häufig in Selbsthilfe erstellt wurden. In den Selbsthilfeorganisationen der Arbeiterschaft in diesen Siedlungen entstanden häufig vielfältige informelle Hilfsformen für Bedürftige: z. B. Sozial- und Notfonds, Notküchen, Sammelaktionen für notleidende Mitglieder der Genossenschaften. 1.2.
Die Siedlerbewegung
Mit dem Konzept der vorstädtischen Kleinsiedlung griff die staatliche Wohnungspolitik während der Weltwirtschaftskrise bereits "gebaute Realitäten" auf. Sogenannte "wilde Siedlungen", von Arbeits- und Wohnungslosen in Selbsthilfe errichtet, waren in den 1920er Jahren an den Stadträndern als Antwort auf Wohnungsnot und Versorgungsschwierigkeiten entstanden. Wie Novy für die Stadt Wien beschreibt, ging die Siedlerbewegung aus vereinzelten Versuchen der Kleingärtner hervor, in ihren Gärten Wohnhütten zu bauen. Die Siedlergenossenschaften bauten Häusergruppen von Einfamilienhäusern. Die Bauarbeit wurde zum Teil von den Siedlern selber neben der Erwerbsarbeit geleistet, zum Teil durch Bauproduktivgenossenschaften (Novy 1983: 25). Gleichzeitig mit dem Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau der 1920er Jahre und der Abschaffung der direkten Wohnungsbausubventionen (in Form von Hauszinssteuer und Krediten) wurde das Konzept der Selbsthilfe im Siedlungsbau, insbesondere für Erwerbslose, aktiviert. Im Jahr 1931 wurde die Hauszinssteuer um 20% gesenkt und später den Hauseigentümern die Möglichkeit zur Ablösung der Hauszinssteuer durch die einmalige Zahlung eines Pauschalbetrages gegeben. Darüber hinaus wurde die Zweckbindung der Hauszinssteuer (Wohnungsbau und Mietunterstützung) aufgehoben (Schäfer 1985: 4). Nach Einschätzung von Schäfer vollzog sich damit der Rückzug des Staates aus der direkten Wohnungsbauförderung. Als Ersatz für den Subventionsabbau interpretiert Schäfer die Propagierung und Förderung der vorstädtischen Kleinsiedlung. Im Konzept der Kleinsiedlung verpflichteten sich die Siedler zur Selbsthilfe beim Bauen und zur landwirtschaftlichen bzw. ernährungswirtschaftlichen Verwendung des Landes (Garten und Kleintierzucht). Aus diesen Gründen wurden die Kleinsiedlungsvorhaben von wohnungspolitischer Seite nicht nur als wohnungswirtschaftliche Maßnahme, sondern auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bezeichnet. Durch die eigenständige Produktion von Nahrungsmitteln sollte den Siedlern der Lebensunterhalt erleichtert werden. Angesichts der geringen staatlichen finanziellen Mittel, die für den Aufbau der Kleinsiedlungen zur Verfügung gestellt wurden, bekamen allerdings nur wenige Siedler diese Möglichkeit. 114
In der ersten Phase der staatlichen Förderung des Kleinsiedlungsprogramms Anfang der 30er Jahre wurde die finanzielle Belastung der Siedler durch eine Reihe von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen niedrig gehalten. Zur staatlichen Unterstützung gehörten u. a. Reichsdarlehen, kommunale Baulandbeschaffung und die Vergabe der Grundstücke in Erbpacht (Schäfer 1985: 8). Der hohe Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und die günstigen Rahmenbedingungen des Kleinsiedlungsprogramms führten dazu, dass es für die zur Verfügung stehenden Siedlerstellen eine Vielzahl an Bewerbern gab. In der nachfolgenden Zeit verschlechterten sich die Finanzierungsbedingungen zunehmend. Die Idee der Kleinsiedlung verband eine Reihe unterschiedlichster Vorstellungen miteinander. Das agrarromantische Ideal einer kleinbäuerlichen Lebensweise (Bezug zur Natur, familiäres Zusammenleben) wurde vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise als gesellschaftliche "Gesundungs-"perspektive angesehen. Als Alternative zur Industrialisierung propagierte man die landwirtschaftliche Produktion in kleinen überschaubaren Einheiten und die kleinbäuerliche Lebensweise. Der Kleinsiedlung wurden "höhere Werte" zugeschrieben. Sie diente damit einerseits als "Notbehelf" vor dem Hintergrund der steigenden Wohnungslosen- und Arbeitslosenzahlen, andererseits als neue Lebensform (Schäfer 1985: 18f). Die Zielgruppe der Siedlerbewegung waren schwerpunktmäßig kinderreiche Familien. Die Siedlergemeinschaften beruhten auf dem Selbsthilfeprinzip, das unterschiedliche Bereiche umfasste: Selbsthilfe beim Bauen und Selbsthilfe beim späteren Aus- und Umbau der Siedlungshäuser.76 Durch die gemeinsam geleistete Selbsthilfe ergaben sich unter den Siedlern bereits vor dem Einzug soziale Kontakte. Die Siedlerstellen wurden erst nach Fertigstellung der Rohbauarbeiten verlost um sicherzustellen, dass überall die gleiche Bauqualität herrschte und das Eigeninteresse der Siedler zu dämpfen. Als eine zweite gemeinschaftsfördernde Maßnahme neben der Selbsthilfe nennt Hafner die landwirtschaftliche Schulung der zukünftigen BewohnerInnen der Siedlung. Hier hebt er insbesondere die Rolle der Frauen hervor: "Bereits in der Bauphase, während die Männer noch mit dem Bau der Häuser beschäftigt waren, wurden die Siedlerfrauen in verschiedenen Kursen und Schulungen auf ihren zukünftigen Aufgabenbereich vorbereitet." (Hafner 1996: 569) Dies macht den Anspruch der Siedlerbewegung deutlich, durch Gartenbau und Kleintierzucht die Ernährung der Siedlerfamilien sicherzustellen und gibt einen Hinweis auf die besondere Bedeutung, die den Siedlerfrauen in diesem Kontext zukam.
76
Die zukünftigen Bewohner übernahmen Teilbauleistungen wie Grab-, Beton-, Maurer-, Schreiner- und Malerarbeiten. Die restlichen Gewerke wurden meist an örtliche Handwerksunternehmen vergeben (Hafner 1996: 567).
115
Ein Problem bei der in den Kleinsiedlungen sozialpolitisch orientierten Selbsthilfeförderung bestand in der Auswahl der geeigneten Siedler. Sie mussten einerseits qualifiziert sein, um fehlende finanzielle Mittel durch Eigenarbeit zu ersetzen. Andererseits sollten sie erwerbslos sein. Die Siedlerauswahl erhielt eine den Selbsthilfeprojekten innewohnende Eigendynamik, insofern als dass für den Hausbau besonders qualifizierte Personen (z. B. arbeitslose Bauhandwerker oder andere Facharbeiter) bevorzugt wurden (Schäfer 1985: 24). Reichten die Qualifikationen der Siedler nicht aus und mussten Facharbeiter von außen hinzugezogen werden, verteuerte sich der Bau erheblich. Novy sieht die Rahmenbedingungen der Siedlerbewegung in vier wesentlichen Elementen: der Mobilisierung der Siedlerarbeit, der Einführung von Ersatzbauweisen, der Entwicklung neuer Finanzierungsverfahren und der kommunalen Bodenpolitik (Novy 1983: 49). Mit den Siedlungen wurden Modelle zwischen dem anonymen Mietverhältnis (in Mietskasernen) und dem unverbundenen Einzeleigentum entwickelt und umgesetzt. Das für diese Reformsiedlungen typische Wohnleitbild war die sozial-kulturelle Siedlungsgemeinschaft mit eigenen Selbstverwaltungseinrichtungen. Nationalsozialismus In der ersten Phase der nationalsozialistischen Wohnungspolitik (1933-1935) wurde der Kleinsiedlungsbau weitergeführt. Es änderten sich aber in der Folge die Zielsetzungen, Zielgruppen und die regionale Verteilung der Siedlerstellen in Richtung kleinere Gemeinden und dünn besiedelte Land- und Grenzgebiete. In den Siedlungsgedanken wurde eine Mischung aus rassistischen, autoritären und nationalistischen Gedanken aufgenommen und integriert (Wiederverwurzelung mit dem Boden, der Heimaterde). Die Heimstätte entwickelte sich zu einem wichtigen Bestandteil nationalsozialistischer Familienpolitik. Mit den veränderten ideologischen Zielsetzungen veränderten sich auch die Zielgruppen. Statt für arbeitslose Menschen wurden die Siedlungen für den Mittelstand geöffnet. Parteizugehörigkeit, "Tüchtigkeit" und "Rassenzugehörigkeit" wurden zu maßgeblichen Vergabekriterien (Hafner 1996, Harlander 1995). Durch die Öffnung der Heimstättenbewegung für den (vollbeschäftigten) Mittelstand änderte sich auch die Bedeutung des Gartens, der nicht mehr als Existenzsicherung durch Nebenerwerbslandwirtschaft notwendig war. Die mit dem Nationalsozialismus erfolgte Veränderung der förderungswürdigen Zielgruppe des Kleinsiedlungsbaus (vom Erwerbslosen zum Stammarbeiter) schloss die sozioökonomisch Benachteiligten de facto aus. Damit verlor die Selbsthilfe ihre "sozialpolitische Funktion des Ausgleichs von Versorgungsdefiziten" (Marahrens 1988: 26). Gleichzeitig erzeugte diese Verschiebung auch immanente Widersprüche bei der Ausgestaltung und Durchführung der baulichen Selbsthilfe, die auch heute noch Be116
standteil der Auseinandersetzungen um diese sind: Voll Erwerbstätigen steht nur ein beschränktes Zeitbudget zur Selbsthilfe beim Hausbau zur Verfügung. Für die 1930er und 1940er Jahre bedeutete dies, zusätzlich zur Regelarbeitszeit von 48 Stunden und in einzelnen Branchen durch die Aufrüstungsanstrengungen deutlich mehr Arbeitsstunden, die Arbeit beim Hausbau zu leisten. Dies führte in vielen Fällen dazu, dass einige Gewerkearbeiten an professionelle Bauarbeiter vergeben werden mussten, mit dem Resultat, dass die Baukosten stiegen. Qualifizierte Industriearbeiter waren in der damaligen wirtschaftlichen Situation nur schwer zu ersetzen. Durch die doppelte Belastung der Selbsthilfe und der Erwerbsarbeit wurde die Gesundheit und letztlich das Arbeitsvermögen bedroht. Die Betriebe reagierten darauf mit verschiedenen Lösungsversuchen: Beurlaubung der Arbeiter für die Zeit des Hausbaus, Arbeitgeberkredite und die Einstellung von zusätzlichen Handwerkern (Schäfer 1985: 30). Nach 1945: Der Wiederaufbau Angesichts des großen Wohnraummangels nach dem Zweiten Weltkrieg war die (bauliche) Selbsthilfe eine alltägliche Selbstverständlichkeit. "Die Wiederherstellung der zerstörten Wohnbauten in Selbsthilfe wurde zu einem Symbol der Wiederaufbauanstrengungen" (Schäfer 1985: 31). Aufgrund ihrer faktischen Bedeutung bekam die Selbsthilfe im I. WoBauG einen besonderen Stellenwert: "Beim Neubau von Wohnungen ist in erster Linie der Bau von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Kaufeigenheimen zu fördern; dabei sind Bauvorhaben, die unter erheblichem Einsatz von Selbsthilfe durchgeführt werden, zu bevorzugen" (§ 19, Abs.2, I. WoBauG). Die Ankurbelung der Wohnungsbautätigkeit wurde zu einer der wichtigsten Aufgaben von Bund und Ländern. Dazu sollten alle verfügbaren Ressourcen herangezogen werden, auch die Selbsthilfe. Die Förderung der Selbsthilfe war jedoch an die Rechtsform des Eigentums gebunden. Selbsthilfe wurde zur Voraussetzung für mittlere und untere Einkommensschichten, um sich überhaupt Wohneigentum leisten zu können. Dies galt insbesondere für ländliche Regionen und Kleinstädte, in den Großstädten verhinderten auf der einen Seite steigende Bodenpreise, Verteuerungen von Material und handwerklichen Leistungen und auf der anderen Seite die geringe Sparfähigkeit den Zugang zum Wohneigentum trotz möglicher Selbsthilfe und öffentlicher Mittel. Es gibt keine Angaben zum quantitativen Umfang der in Selbsthilfe erstellten Eigenheime und zum Umfang der betreuten Selbsthilfeleistungen. Schäfer, der sich auf Monographien von Unternehmen stützt, die sich der betreuten Selbsthilfe gewidmet haben, kommt zu dem Schluss, "(...) daß das Angebot an Selbsthilfebetreuung eine Größenordnung erreichte, die im Rahmen des sogenannten Familienheimbaus wohnungswirtschaftlich relevant
117
war und außerdem rationelle kostensparende Organisations- und Bautechniken erlaubte." (Schäfer 1985: 36) Neben einer Vielzahl von Wohnformen (Schlichtwohnungen und Übergangsheime, sozialer Wohnungsbau als Mietwohnung und Eigenheim) entstanden in der Nachkriegszeit auch Kleinsiedlungen, die den Selbsthilfegedanken betonten. Die Siedlungen wurden häufig in organisierter Gruppenselbsthilfe unter der Betreuung und Anleitung eines Trägers erstellt. Soziale Zielgruppen des Kleinsiedlungsbaus waren nun in erster Linie Ausgebombte und Flüchtlinge. Unterstützt wurde die Siedlungsprogrammatik insbesondere durch die Kirchen, die in der Nachkriegzeit eine intensive Bautätigkeit entfalteten. Aufgrund des fehlenden Eigenkapitals spielte die Selbsthilfe bei fast allen Kleinsiedlungen in der Funktion als Eigenkapitalsersatz eine maßgebliche Rolle. Daneben wurde der baulichen Selbsthilfe auch ein erzieherischer Effekt zugeschrieben. Nach Einschätzung von Harlander (1993) wurde die Selbsthilfe in diesem Zusammenhang häufig als ein ideologisch überhöhter Ansatz gesehen. Damit verbunden war die Hoffnung auf eine erzieherische Wirkung und die Bindung an die Siedlerstelle. Für die effektive Durchführung der organisierten Gruppenselbsthilfe betont Harlander die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der organisierten Betreuung durch Träger, die im Hinblick auf Abwicklung, Betreuung, Einsparungsmöglichkeiten etc. gute Arbeit leisteten. Ein Vergleich der Organisation des Selbsthilfeprozesses bei verschiedenen Trägern zeigt große Unterschiede in allen Aspekten der Organisation (Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten, Aufteilung der Gewerke, Bewertung der Arbeitsleistung etc.). Harlander zeichnet die zeitgenössische Diskussion um den möglichen Umfang der Selbsthilfearbeiten und der geeigneten Gewerke nach. Er kommt zu dem Schluss, dass die Selbsthilfeanteile bei den meisten Projekten (bei einer Bauzeit von 18 bis 24 Monaten) zwischen 1500 und 2500 Arbeitsstunden lagen. Dadurch konnten Einsparungen bis zu 25% der Herstellungskosten (ca. 40% der Baukosten) erreicht werden (Harlander 1993: 1311). Für die 1950er Jahre kommt er auf einen Selbsthilfestundensatz von zwei DM bei einem Stundeneinsatz von 1500 bis 2500 Stunden insgesamt. Die Umstände der geleisteten Selbsthilfe (evtl. keine Erwerbstätigkeit) sind dabei zu berücksichtigen. Darüber hinaus war die Motivation und Einsatzbereitschaft der Siedler mangels Alternativen in dieser Phase sehr hoch. Mit dem Wirtschaftswunder der 1950er Jahre rückte der Gedanke der Selbsthilfe und der Selbstversorgung durch die Siedlerstelle in den Hintergrund. Die Phase der aktiven Kleinsiedlungsförderung war daher relativ kurz und führte zu einer eher bescheidenen Zahl (bis 1952 ca. 50.000) neu geschaffener Siedlerstellen (Harlander 1993: 1310). Die schon gegen Ende der Weimarer Republik deutlich gewordene und in der Zeit des 118
Nationalsozialismus fortgesetzte Entwicklung, die Selbsthilfe aus den eng mit der Arbeiter- und Genossenschaftsbewegung und (Gegen-)Kultur verwobenen Wurzeln zu lösen, setzt sich in der Nachkriegszeit fort. Die Selbsthilfepraxis in der Bundesrepublik bis in die 70er Jahre ist geprägt von "...dem stetigen Bedeutungsverlust der Formen kollektiver Selbsthilfe nach 1945 sowie der dazu parallel verlaufende Prozeß der Einbindung individueller Selbsthilfe in die Eigenheimförderung" (Marahrens 1988: 31). Zusammenfassung Selbsthilfe im Kontext der Genossenschaftsbewegung bedeutet über die konkrete Arbeit hinaus Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Selbstverwaltung. Der Versuch, sich ohne den Markt oder weitgehend am Markt vorbei mit Wohnungen zu versorgen, stieß jedoch an seine Grenzen. Anders als beispielsweise bei den wirtschaftlichen Selbsthilfeorganisationen, den Konsumgesellschaften, waren Wohnungen ohne öffentliche Unterstützung nicht herzustellen. Mit den genossenschaftlichen Ansätzen war aber mehr verbunden als die reine Wohnungsversorgung. Es ging um Solidarität und gegenseitige Unterstützungsleistungen. In vielen der genossenschaftlichen Arbeitersiedlungen kam dies durch gemeinschaftliche Einrichtungen zum Ausdruck. Viele der beschriebenen Selbsthilfeinitiativen entstanden aus einer massiven gesellschaftlichen Notsituation (Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit) heraus. In der Weimarer Republik wurden die Selbsthilfeorganisationen im Bereich des Wohnungsbaus in die staatliche Unterstützung eingebunden (Siedlerbewegung). Neben der reinen Versorgung mit Wohnraum entstand ein neues Wohnleitbild, das geprägt war durch gemeinschaftliches Wohneigentum (Genossenschaft), der Schaffung sozialer und kultureller Einrichtungen und Formen der Bewohner/innenbeteiligung. Viele der Siedlungen waren in diesem Sinne Reformsiedlungen. In der weiteren Entwicklung zog sich der Staat aus der direkten Wohnungsbauförderung zurück. Die Politik verlagerte sich auf die Propagierung der Kleinsiedlung. In der Nachkriegszeit wurde (bauliche) Selbsthilfe als Reaktion auf die Notsituation eingesetzt. Selbsthilfe war ein selbstverständlicher Bestandteil des Wiederaufbaus. Die Förderung von Selbsthilfe wurde im Wohnungsbaugesetz verankert, bezog sich jedoch auf die Förderung von Eigenheimen (allerdings außerhalb des Siedlungskonzepts). Diese Koppelung von Selbsthilfe und Eigenheim (Eigentum), also der Einsatz baulicher Selbsthilfe bei der Errichtung des individuellen Wohneigentums, hat sich bis in die heutige Zeit erhalten. Der weitergehende Anspruch von Selbstbestimmung und Selbstverwaltung aber ist in großen Teilen verloren gegangen.
119
2. Aktuelle Untersuchungen zur Selbsthilfe im Wohnungsbau Die Auslöser der neueren Selbsthilfediskussion waren die "Instandbesetzer", bei denen jedoch der politische Anspruch im Vordergrund ihrer Forderungen stand. Anfang der 80er Jahre entstand in der Bundesrepublik (besonders in Berlin und Hamburg) im Zuge der Hausbesetzerbewegung auch eine breite Selbsthilfebewegung.77 Ziele dieser Bewegung waren die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum, von langfristig sicheren und günstigen Mieten und von selbstbestimmten Wohnen. Damit verbunden war ebenfalls ein gewisser Anspruch an das Zusammenleben in der Gemeinschaft, der sich aus den politischen Zielvorstellungen (antikapitalistische Ausrichtung) ergab. Wie Marahrens beschreibt, wollten sie "eine soziale und kulturelle Autonomie und versuchten mit der Selbsthilfe, die materiellen Bedingungen zu ihrer Verwirklichung herzustellen" (Marahrens 1988: 34). Sie knüpften damit explizit an die Traditionen der Arbeiterbewegung an. Die Selbsthilfegruppen leisteten häufig Pionierarbeit in ökologischer Hinsicht und im Hinblick auf eine behutsame, sozial orientierte Stadtteilentwicklung. Selbsthilfe im Kontext der Instandbesetzung von Gebäuden fand in den großen Städten in Altbaubeständen statt. Viele der in Selbsthilfe von den Bewohnern und Bewohnerinnen modernisierten und instandgesetzten Häuser und Wohnungen wurden aus rechtlichen Gründen in Form einer Genossenschaft, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als Verein organisiert. Die Gründung eines Vereins oder einer Genossenschaft verhinderte dabei die Bildung von individuellem Eigentum. Viele der Selbsthelfer/innen wären lieber Mieter/innen geblieben, mussten aber nach den SelbsthilfeRichtlinien eine Rechtsform gründen.78 Es gibt jedoch auch Projekte, in denen von Mietern Selbsthilfemaßnahmen durchgeführt wurden. Allerdings sind die rechtlichen Konstruktionen meist sehr kompliziert und von Kompromissen geprägt. Marahrens bezeichnet den Bereich der Instandsetzung und Modernisierung als "Mieterselbsthilfe", die rechtlich nicht abgesichert ist.79 Ein Verein in Berlin (Ohlauer Straße 37) hat das Verwaltungsproblem folgendermaßen gelöst: Der Mieterverein schließt einen Erbpachtvertrag über 33 Jahre mit dem Bezirk ab. An den Erbpachtvertrag ist die Instandsetzung und Modernisierung 77
78 79
Vgl. dazu die Berichte verschiedener Berliner Projekte auf der Tagung "Die Zukunft der Selbsthilfe" 1984 in Berlin im Rahmen der Internationalen Bauausstellung, zur Entwicklung in Berlin Kuckuck/Wohlers 1990, zu Hamburg Stattbau 2002. 1982 wurde z. B. in Berlin ein Programm zur Förderung der Selbsthilfe aufgelegt. Es besteht die Möglichkeit, dass die von den Mietern geschaffenen Verbesserungen des Wohnwertes einer Wohnung beim Auszug nicht finanziell abgelöst werden bzw. allein dem Besitzer der Wohnung zugute kommt. Auf der Grundlage einer Vielzahl von Praxiserfahrungen im Bereich der Mieterselbsthilfe sind in den letzten Jahren Lösungsmodelle entstanden, wie etwa die Mustervereinbarung Modernisierung durch Mieter. Zu der Diskussion Anfang der 90er Jahre vgl. Schönefeldt 1990. Weeber u.a. geben eine aktuelle Übersicht der möglichen vertraglichen Regelungen (1999: 74ff).
120
des Hauses gekoppelt. Die Mitglieder des Vereins sind Mieter/innen geblieben (Kuckuck/Wohlers 1990). Ebenfalls in der Diskussion und praktischen Umsetzung sind Projekte, die in baulicher Selbsthilfe Wohnungen und Arbeit beschaffen wollen. Neben den neuen Selbsthilfebereichen bestehen auch weiterhin die traditionellen Formen der Selbsthilfe: der vorrangig finanziell motivierte Bau eines Eigenheims in ländlichen Regionen und kleinen Städten. Da in diesen Gebieten der Grundstückspreis noch verhältnismäßig niedrig liegt, kann durch die Übernahme von Selbsthilfeleistungen am Bau ein vergleichsweise hoher Anteil der Gesamtbaukosten eingespart werden. Darüber hinaus sind auf dem Lande eher die notwendigen sozialen Strukturen tragfähige Nachbarschafts- und Verwandtschaftsbeziehungen, die auf Gegenseitigkeit beruhen vorhanden (vgl. Jessen u. a. 1988, Petrowsky 1993). Darüber hinaus sind ebenfalls seit Anfang der 80er Jahre eine Reihe von Selbsthilfemaßnahmen in städtischen Gebieten und unter Anwendung verschiedenen Formen der Selbsthilfe (Einzel- und Gruppenselbsthilfe) und verschiedener Trägermodelle entstanden. Diese Maßnahmen waren überwiegend Selbsthilfeprojekte mit dem Ziel der Bildung von Wohneigentum im Neubau. Auf dem Anwendungsbereich der baulichen Selbsthilfe im Eigenheimbau liegt auch der Schwerpunkt der folgenden Darstellung. Nach einer genaueren begrifflichen Klärung der verschiedenen Formen der Selbsthilfe werden die empirischen Untersuchungen zur Selbsthilfe im Eigenheimbau dargestellt und im Hinblick auf die für meine Fragestellung bedeutsamen Ergebnisse analysiert. 2.1.
Formen der Selbsthilfe: Begriffsklärungen
Die Selbsthilfe ist im Eigenheimbau nichts Ungewöhnliches und in unterschiedlichen Varianten anzutreffen. Am häufigsten findet sich die individuelle Selbsthilfe (Einzelselbsthilfe), in der Regel mit Unterstützung durch Freunde, Verwandte und Nachbarn. Diese Form der Selbsthilfe wird in eigener Regie vom Bauherrn organisiert und soll die finanzielle Belastung senken oder mehr Komfort für das gleiche Geld ermöglichen. Neben der Einzelselbsthilfe ist auch ein Zusammenschluss von Bauinteressenten möglich, die dann in Gruppenselbsthilfe gemeinsam ihre Häuser errichten. Bei beiden Formen gibt es die Variante der individuellen Selbsthilfe, die die Organisation des Baus in eigener Verantwortung meint, und die betreute Selbsthilfe, bei der die Organisation und Betreuung des Hausbaus von einem Träger übernommen wird. Selbsthilfe ist sowohl in der Rohbauphase als auch im Ausbau (Innenausbau) möglich. • Individuelle Einzelselbsthilfe Die Arbeit auf der Baustelle wird ohne Anleitung in Eigenregie von der Baufamilie durchgeführt. Einzelselbsthilfe kann zum einen die sogenannten Finisharbeiten (Anstrich, Tapeten, Fußbodenbelag, Bepflanzung) umfassen, zum anderen auch bei Roh121
bauarbeiten und bestimmten Ausbaugewerken (Innenwände setzen, verputzen, verfliesen etc.) geleistet werden (LB 2002). • Organisierte Einzelselbsthilfe Auch hier baut jede Familie nur ihr eigenes Haus. Gemeinsam organisiert ist in dieser Form der Selbsthilfe die Betreuung der Selbsthelfer/innen. Ein Bauleiter (oder Polier) leitet die Familien an und überwacht den Bauprozess. Die für die Betreuung und Anleitung anfallenden Kosten verringern den erarbeiteten Selbsthilfewert. • Individuelle Gruppenselbsthilfe Die Gruppenselbsthilfe bietet eine Möglichkeit, einzelne Bauinteressenten zu einer Baugruppe zusammenzuschließen. Die notwendigen Bauleistungen werden dann gemeinschaftlich erbracht. Das bedeutet im Unterschied zur Einzelselbsthilfe, dass alle Selbsthelfer/innen an allen Häusern gemeinsam arbeiten. In diesen Projekten bilden Baufamilien auf eigene Initiative eine Baugemeinschaft. • Organisierte Gruppenselbsthilfe Hier werden mehrere Baufamilien in Gruppen zusammengefasst und bauen gemeinsam unter fachlicher Anleitung und Kontrolle. Die Gruppe der Baufamilien wird durch einen Träger (z. B. eine Wohnungsbaugesellschaft) betreut, der den Baufamilien einen bestimmten Selbsthilfewert garantiert. Der Wert der erbrachten Selbsthilfeleistungen abzüglich der Betreuungskosten fließt in die Finanzierung der Baumaßnahme ein. Die Teilnehmer/innen einer solchen Baumaßnahme sind vertraglich gebunden. Die Gruppenselbsthilfe ist meist auf den Rohbau konzentriert, der Ausbau erfolgt dann in Einzelselbsthilfe durch jede Baufamilie. Die Träger übernehmen teilweise auch zusätzliche Leistungen, wie z. B. Gewährleistung und Vorfinanzierungen, die bei Bauvorhaben in Gruppenselbsthilfe schwieriger zu bewerkstelligen sind. 2.2. Untersuchungen zur Selbsthilfe im Wohnungsbau: ein Überblick Der Schwerpunkt der empirischen Untersuchungen der baulichen Selbsthilfe liegt in den 1980er Jahren. Analysiert wurden in erster Line Neubaumaßnahmen, wobei alle Organisationsformen der Selbsthilfe (Einzel- und Gruppenselbsthilfe) im Mittelpunkt der Betrachtung standen. Hinsichtlich der regionalen Verteilung steht häufig die Selbsthilfe in Verdichtungsgebieten im Vordergrund, da die ländliche Selbsthilfe meist individuell organisiert ist, eine lange Tradition hat und in der Regel wenig organisatorische Probleme aufweist. Die Auseinandersetzungen um die bauliche Selbsthilfe wird Mitte der 1980er Jahre nach Ansicht einiger Autoren hauptsächlich im Bau- und Architekturbereich geführt. Eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Selbsthilfe, die Fragen nach der Entstehungsgeschichte von Projekten, den Motiven der Handelnden, den Gruppen122
prozessen und den Belastungen der Selbsthelfer beinhalten könnte, findet nur in Randbereichen statt.80 Dies hat sich bis heute nicht wesentlich verändert. Die Fragestellungen, die in den empirischen Studien verfolgt werden, konzentrieren sich auf die wohnungspolitische Bedeutung baulicher Selbsthilfe. Zentrale Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die Selbsthilfe einen Beitrag zur Wohnungsversorgung leisten und damit zum Abbau der Engpässe der städtischen Wohnungsmärkte beitragen kann (Schäfer 1985). Über die reine Wohnversorgung hinausgehend soll auch eine Verbesserung der Wohnverhältnisse durch die Selbsthilfe bewirkt werden. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob durch bauliche Selbsthilfe der späteren Nutzer und Nutzerinnen die Wohnsituation einkommensschwacher und sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen verbessert werden kann (Marahrens 1988). Darüber hinaus werden auch nicht-ökonomische Ansprüche der Selbsthilfe thematisiert: mögliche gemeinschaftsbildende Effekte der Gruppenselbsthilfe, Selbsthilfe als Mittel zur Selbstverwirklichung des Individuums sowie die Gruppenselbsthilfe als gesellschaftsveränderndes Potential (Marahrens 1988: 8). Selbsthilfe gewinnt also als ein Instrument der Wohnungsversorgung an Bedeutung, sowohl in allgemeiner Hinsicht, aber auch insbesondere für Gruppen mit niedrigen Einkommen. Der baulichen Selbsthilfe wird demnach eine sozialpolitische Verteilungsfunktion zugeschrieben, die allerdings vor dem Hintergrund einer Debatte um das Subsidaritätsprinzip auch kritisch reflektiert wird. Wenig problematisiert wird dagegen, dass die Selbsthilfe vorwiegend an die Eigentumsbildung gekoppelt wird, insbesondere an das (freistehende) Einfamilienhaus. Die damit verbundene Konzentration auf traditionelle Kernfamilien als Zielgruppen der Selbsthilfemaßnahmen ist erst in jüngster Zeit auch als Ausgrenzung anderer Haushaltstypen in den Blick geraten (IRS 1998). Die Wohnungspolitik des Bundes und der Länder sieht die organisierte Gruppenselbsthilfe als eine der geeignetsten Maßnahmen, die Eigentumsbildung junger Familien mit Kindern zu fördern, für die das eigene Haus als Wohnform besonders geeignet erscheint (LEG 1987, Jäger 1998). Dies wurde durch die Ergebnisse eines Forschungsvorhaben der 1980er Jahre in den alten Bundesländern bestätigt, die zeigten, dass sich die organisierte Gruppenselbsthilfe besonders bei der Schaffung von Wohneigentum durch jüngere Familien mit mittleren und geringern Einkommen bewährt (BMBau 1991). Betrachtet man nun die konkreten Forschungsvorhaben, so fällt auf, dass sich diese auf alle Formen der Selbsthilfe beziehen und eine vergleichsweise kleine empirische Basis
80
Vgl. dazu Deimer/Jaufmann 1985 und 1986.
123
haben. Schäfer und Geelhaar untersuchten acht Baufamilien, die in Einzel- und Gruppenselbsthilfe Eigenheime (im Rohbau und/oder im Ausbau) erstellt haben. Die Fallauswahl erfolgte anhand einer Typenbildung, in der verschiedene Kombinationen von Selbsthilfeorganisationen berücksichtigt wurden. Bei den ausgewählten Fallbeispielen handelt es sich um Familien, die die Selbsthilfe informell organisierten und deren Helfer sich aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis rekrutierten (Schäfer 1985, Geelhaar 1985). Als Ergebnis ihrer Analyse bringen sie Vorschläge zur Neugestaltung der Selbsthilfepraxis, wobei sich Geelhaar auf die planerischen und organisatorischen Aspekte der Selbsthilfe-Maßnahmen konzentriert und Schäfer die wohnungspolitischen Rahmenbedingungen und die Fördermodalitäten in den Blick nimmt. Die Studie von Marahrens bezieht sich auf 31 sekundäranalytisch untersuchte Selbsthilfeprojekte im Wohnungsneubau. Er stellt fest, dass viele Projekte wenig bis gar nicht dokumentiert sind (oder werden) und es oft nur schwer möglich ist, Berichte, Dokumentationen etc. zu bekommen. Bei diesen Projekten handelt es sich zum großen Teil um Baumaßnahmen in Einzelselbsthilfe, d. h. die späteren Nutzer arbeiteten allein oder mit Hilfe weiterer Personen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis ausschließlich am eigenen Haus. Die Selbsthilfeleistungen wurden sowohl im Rohbau als auch im Ausbau (Innenausbau) geleistet, teilweise wurde nur der Ausbau in Selbsthilfe erbracht. Eine eigene empirische Erhebung nimmt der Autor am Beispiel der Langen Reihe in Bremen vor, einem Gruppenselbsthilfeprojekt, in dem sieben Baufamilien wissenschaftlich begleitet wurden. Eine Untersuchung der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Nordrhein-Westfalen beschreibt seit 1980 ein verstärktes Interesse an der Durchführung von Gruppenselbsthilfe-Maßnahmen. Die LEG hat bis 1987 in NRW 160 fertig gestellte Familienheime in 17 Gruppenvorhaben gebaut. Die Kombination der Gruppenvorhaben mit den Elementen des kosten- und flächensparenden Bauens, so ein Ergebnis dieser Untersuchung, hat sich als nicht realisierbar erwiesen. Zwar war bei den beteiligten Familien eine hohe Bereitschaft zu Selbsthilfeleistungen vorhanden, doch richteten sich diese Bemühungen neben den Einsparungsmöglichkeiten auch auf eine gehobene Bausubstanz und Ausstattung der Häuser. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass beide Angebote (Gruppenselbsthilfe und kosten- und flächensparendes Bauen) unterschiedliche Adressaten haben und daher nicht kombinierbar seien (LEG 1987). In den 1990er Jahren verschiebt sich die Diskussion um die bauliche Selbsthilfe weiter in Richtung der organisierten Gruppenselbsthilfe. Neuere Beispiele für den Siedlungsbau in organisierter Gruppenselbsthilfe sind die Siedlungen Einfach und selber bauen, die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park durchgeführt wurden. In dem Zeitraum von 1993 bis 1998 wurden sieben Siedlungen in der Kombi124
nation von organisierter Gruppenselbsthilfe und kosten- und flächensparendem Bauen erstellt. Diese Selbsthilfeprojekte werden als Fallbeispiel im zweiten Teil meiner Arbeit ausführlich analysiert und dargestellt. Im Kontext dieser Maßnahmen gab es eine Reihe von Veröffentlichungen, die ebenfalls dort diskutiert werden (Beierlorzer/Boll 1998, Beierlorzer 1996 und 1999, Goerke 2001, IBA 1998, Kirbach 1999, Novy 1999). In den neuen Bundesländern wurden Ende der 1990er Jahre eine Reihe von Eigentumsmaßnahmen in organisierter Gruppenselbsthilfe durchgeführt und vom Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) wissenschaftlich begleitet. Nach der Wende und der Wiedervereinigung bestand Anfang der 90er Jahre in den neuen Bundesländern eine äußerst angespannte Wohnungssituation. Neben der Unterstützung bei der Sanierung der vorhandenen Bestände spielte in den wohnungspolitischen Strategien die Neuschaffung von Wohnraum und die Erhöhung der Eigentumsquote eine besondere Rolle. Ein Mittel, dies zu erreichen, sah die Bundesregierung in der organisierten Gruppenselbsthilfe für junge Familien mit niedrigem Einkommen. Gleichzeitig sollte damit die Eigeninitiative im Wohnbereich und die Bildung aktiver Nachbarschaften gefördert werden. Im Jahr 1993 stellte die Bundesregierung insgesamt 82,5 Millionen DM für Maßnahmen der organisierten Gruppenselbsthilfe (Neubau und Sanierung) zur Verfügung. Das Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) untersuchte im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitforschung elf Modellvorhaben über einen Zeitraum von vier Jahren. Ähnlich wie beim allgemeinen Eigenheimbau überwogen traditionell geprägte Siedlungsvorhaben. Initiativmaßnahmen, d. h. von den Baufamilien selbst initiierte Projekte und Sanierungsvorhaben konnten wegen der Förderbedingungen für Familien nur wenig berücksichtigt werden. Die Verbindung zum kosten- und flächensparenden Bauen, die in den alten Bundesländern zunehmend an Gewicht gewonnen hatte, trat in den neuen Ländern bei keinem Vorhaben in den Vordergrund. Die Begleitforschung hatte das Ziel, die Wirkungen der unterschiedlichen Verfahrensweisen und Organisationsformen der organisierten Gruppenselbsthilfe aufzuzeigen und Optimierungsvorschläge zu entwickeln. Die Studie (IRS 1998) legte demnach einen Schwerpunkt auf Organisationsfragen der Gruppenselbsthilfe (rechtliche Form, finanzielles Einsparpotenzial, Beratungs- und Betreuungsverfahren) und auf die baulich-technische Gestaltung (Frage nach für Laien geeignete Bauweisen und bautechnischen Verfahren). Obwohl mit der Hausbesetzerbewegung die bauliche Selbsthilfe zunehmend auch im Mietwohnungsbau bzw. in der Sanierung und Modernisierung von Altbauten eingesetzt wurde, gibt es nur wenige Publikationen zur Selbsthilfe im Mietwohnungsbau. 125
Günstige Miete, Wohnsicherheit und Mitgestaltungsmöglichkeiten sind unter Mietern und Mieterinnen weit verbreitete Wünsche. Um Mietern und Mieterinnen die Möglichkeit zu geben, Eigeninitiative und Eigenleistung bei der Umsetzung ihrer Wohnbedürfnisse und Wohnwünsche umzusetzen, wurde zum Beispiel das Konzept des vereinfachten, ausbaufähigen Wohnungsbaus geschaffen (Weeber u. a. 1999: 36). Es ist eine Variante, zum einen günstige Mietpreise und zum anderen mehr Gestaltungsspielraum zu ermöglichen. Aktuell in der Diskussion sind die Möglichkeiten der Selbsthilfe im genossenschaftlichen Wohnungsbau. Genossenschaften werden für eine unmittelbare Beteiligung der Mitglieder am Bau und Betrieb der Wohnungen aufgrund ihrer Geschichte und Rechtsform geradezu als prädestiniert angesehen. Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung sind die tragenden Ideen. Die bestehenden Altgenossenschaften sind bislang nur wenig im Arbeitsgebiet der baulichen Selbsthilfe tätig. Immer häufiger kommt es daher zur Gründung neuer Kleingenossenschaften für SelbsthilfeProjekte, aber auch zu neuen Organisationsformen wie den Dachgenossenschaften. Genossenschaftliche Selbsthilfe-Projekte werden heute weniger im Kontext der großen Altgenossenschaften realisiert, sondern vielmehr im Rahmen der sogenannten selbstnutzenden Kleingenossenschaften (Weeber u.a. 1999, Stattbau 2002). Die Untersuchung von Mersmann/Bärtsch (1995) geht auf die Geschichte der Selbsthilfe in der DDR ein und zeigt Potenzial für aktuelle Selbsthilfeleistungen in Wohnungsgenossenschaften der neuen Länder auf (vgl. auch Weiske 1995). Genossenschaften erhalten auch im Kontext von Mieterprivatisierungen und als geeignete Trägerform für Wohnprojekte und neue Wohnformen eine neue Bedeutung. Im Kontext der vorliegenden Arbeit spielt die Genossenschaft als Trägerform keine Rolle, da das Fallbeispiel die IBA Emscher Park Projektreihe Einfach und selber bauen als selbstgenutztes individuelles Wohneigentum umgesetzt wurde. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Selbsthilfe im Wohnungsneubau schwerpunktmäßig bei der Erstellung von selbstgenutzten Eigentumsobjekten eingebracht wird. Die bauliche Selbsthilfe im Mietwohnungsbau bildet dagegen eher eine Ausnahme. Sie wurde in den letzten Jahren in den großen Städten und in den neuen Bundesländern zunehmend im Rahmen von Altbausanierungen eingesetzt. In der aktuellen Debatte rückt die Frage nach genossenschaftlicher Selbsthilfe in den Vordergrund. Diskutiert wird die Organisationsform der Genossenschaft als besonders geeignet für Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Nutzer/innen. Die Einsatzmöglichkeiten der baulichen Selbsthilfe werden im genossenschaftlichen Mietwohnungsbau gesehen, aber auch in neuen Wohnformen, die sich zunehmend häufiger in der Form der selbstnutzenden Kleingenossenschaft organisieren. Darüber hinaus sind 126
Selbsthilfe und Genossenschaften auch bei Mieterprivatisierungen wichtige Themen (z. B. Riwetho in Oberhausen). 2.3.
Wesentliche Forschungsergebnisse
Bei der Forschung über bauliche Selbsthilfe rücken entsprechend der verfolgten Fragestellungen die Fragen der Finanzierung sowie der Rahmenbedingungen und Ziele in den Mittelpunkt der Betrachtung. Weiter werden die Motive der Selbsthelfer und Selbsthelferinnen, ihre Belastungen durch den Hausbau und die Arbeitsteilung in der Familie untersucht. 2.3.1. Rahmenbedingungen von Selbsthilfe-Projekten Experten schätzen, dass bei etwa zwei Drittel aller neu gebauten Einfamilienhäuser von den Bauherren in irgendeiner Form Selbsthilfeleistungen erbracht werden. Für die alten Bundesländer schätzt man, dass seit 1945 ca. 40.000 Familieneigenheime in Gruppenselbsthilfe errichtet wurden. In der DDR war kein Eigenheimbau ohne Selbsthilfe vorstellbar. Oft hatten also Bauherren, die Selbsthilfe leisteten, gar keine andere Wahl. Bei einer 1984 durchgeführten Umfrage unter Selbsthelfern gaben 38% der Befragten an, dass ihr angespartes Eigenkapital nicht für eine Finanzierung des restlichen Kapitalbedarfs durch die Bank ausgereicht hätte (GEWOS 1985: 93). Dies wird durch die InfratestUntersuchung Anfang der 80er Jahre unterstützt. Die Eigenkapitalquote ist im Verlauf der 70er Jahre zwar gesunken, sie fällt jedoch mit 42,7% (...) zum Ende der Dekade immer noch überraschend hoch aus. Dieses lässt sich u. a. durch den hohen Selbsthilfeanteil am Eigenkapital erklären. So bringen beispielsweise 80% der Bauherren von Ein- und Zweifamilienhäusern, die in eigener Regie gebaut haben, zur Kostensenkung Eigenleistungen auf. Diese Haushalte finanzierten schätzungsweise 40% ihres Eigenkapitals durch Selbsthilfeleistungen. (Höflich-Häberlein/Weissbarth 1982: 621) Die überwiegende Mehrheit des Baus von Ein- und Zweifamilienhäusern wird demnach mit einem nicht unerheblichen Selbsthilfeanteil realisiert. Soziale Zielgruppen der Selbsthilfe-Projekte Die GEWOS-Studie stellt für die 1980er Jahre ein leicht unterdurchschnittliches Einkommensniveau fest (GEWOS 1985:52). Bei den sogenannten Mittelstandsprojekten, die häufig von Akademikern durchgeführt wurden, ging es dagegen nicht in erster Linie um eine Kostenreduzierung, sondern um Selbstbestimmung und Realisierung bestimmter Wohnformen. Eine Reihe von Projekten wurde mit Familien durchgeführt, deren Einkommen die Grenzen des § 25 II. WoBauG nicht überschritten. Bei Projekten mit besonderer Unterstützung der Kommunen wurden die Zugangsbedingungen 127
noch weiter eingeschränkt, z. B. durch die Konzentration auf kinderreiche und junge Familien. Bei der Auswahl der Bewerber werden ebenfalls bestimmte Gruppen benachteiligt: Alte Leute und Behinderte haben kaum eine Chance, bei der Selbsthilfe mitzuwirken, da sie immer noch als Betätigungsfeld körperlich Gesunder und Kräftiger gilt wie es der gängige Begriff der Muskelhypothek suggeriert. (Marahrens 1988: 55). Bei den in der Begleitforschung der IRS-Studie untersuchten Modellvorhaben in den neuen Bundesländern81 handelte es sich bei 97% der Beteiligten um traditionelle Familien. Alleinerziehende waren nur verschwindend gering vertreten (5 von 105 Teilnehmenden), das Gleiche gilt auch für generationsübergreifende Baufamilien (nur in drei Fällen vorhanden). Die Autoren der Studie führen diese Ein- bzw. Beschränkung der Zielgruppen auf traditionelle Familien zu großen Teilen auf die Förderbedingungen und Förderprioritäten der einzelnen Bundesländer zurück (IRS 1998: 22).82 Bezogen auf das Alter der Selbsthelfer und Selbsthelferinnen stellt Marahrens für die 1980er Jahre fest, dass sich die Zusammensetzung fast ausschließlich auf die Altergruppe zwischen 25 und 45 Jahre konzentrierte. Sie entsprach damit im Wesentlichen der Alterstruktur der eigentumsbildenden Haushalte allgemein, mit der Ausnahme, dass die über 45-Jährigen beim herkömmlichen Hauskauf noch ein Fünftel ausmachen, bei der Selbsthilfe jedoch kaum beteiligt waren. Diese Ergebnisse werden auch in den neuen Bundesländern bestätigt. In den Modellvorhaben lag das durchschnittliche Alter im Jahr 1997 bei den männlichen Erwachsenen bei 40 Jahren und bei den weiblichen Erwachsenen bei 38 Jahren. Etwa zwei Drittel der Baufamilien waren zwischen 31 und 40 Jahre alt und entsprachen damit dem in Deutschland üblichen Einstiegsalter in das Wohneigentum (IRS 1998: 22). Die Ziele der organisierten Gruppenselbsthilfe Neben dem vorrangigen Ziel, Wohneigentum für bestimmte Bevölkerungsschichten zu schaffen, wurden mit der organisierten Gruppenselbsthilfe noch eine Reihe weiterer sozialer und wirtschaftlicher Ziele verfolgt. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten beim Planen und Bauen werden in Selbsthilfe-Projekten größer eingeschätzt als in konventionellen Baumaßnahmen. Die schon gegen Ende der 1970er Jahre häufig diskutierte Nutzer/innenbeteiligung hat so in Gruppenselbsthilfe-Projekten eine größere Chance zur Durchsetzung. Damit verbunden wird häufig die Möglichkeit gesehen, durch die 81
Wissenschaftlich begleitet wurden elf Modellvorhaben in allen neuen Ländern. Mit einer Ausnahme handelte es sich um Neubauprojekte, die Größe der Selbsthelfergruppen lag dabei zwischen vier und 34 Baufamilien (IRS 1998: II).
82
Die Förderung von eigenständigen Wohnungen für Familienangehörige ist in der Regel ausgeschlossen. Generationsübergreifendes Wohnen ist demnach nur in einem gemeinsamen Haushalt möglich.
128
aktive Mitarbeit in der Selbsthelfergruppe die Einbindung in eine dauerhafte, belastbare Nachbarschaft zu ermöglichen. Die Selbsthilfe schafft im Idealfall eine enge Bindung an das selbst erbaute Haus und an die daran beteiligten anderen Selbsthelfer, den zukünftigen Nachbarn. Die LEG beschreibt positive Effekte der Selbsthilfe auf der Ebene der Städte und Gemeinden in der Stabilisierung von Wohnquartieren: (...) denn die Mitglieder der Selbsthilfegruppe haben gelernt, Initiative zu entwickeln, Probleme selbst anzupacken und dazu das Netz der nachbarschaftlichen Beziehungen zu nutzen. Selbsthelfer sind daher weit entfernt von einer passivfordernden Versorgungsmentalität. (LEG 1987: 21) Ein Selbsthilfe-Projekt so die Hoffnung ist nicht mit der Fertigstellung der Häuser beendet. Die erworbenen sozialen Fähigkeiten sollen in die Gestaltung der Siedlung, aber auch darüber hinausgehend in das gesamte Wohnquartier eingebracht werden. Dies soll insofern anregend auf die Bewohner und Bewohnerinnen eines solchen Quartiers wirken, als dass ebenfalls in Eigeninitiative Verbesserungen an der baulichen Substanz, Entrümpelung etc. vorgenommen werden. Die in Selbsthilfe-Projekten beobachtete Stabilität soll sich positiv auf die Nachbarschaft auswirken. Diskutiert wurde sogar die Nutzbarmachung der Leistungsbereitschaft der Selbsthelfer nach Ende der Baumaßnahme für die Schaffung öffentlicher Einrichtungen im Wohnumfeld (LEG 1987). Neben den beschriebenen sozialen Zielen der Gruppenselbsthilfe werden auch wirtschaftliche Ziele verfolgt. Das zentrale Anliegen der baulichen Selbsthilfe wird in der Einsparung von Baukosten gesehen. Die Höhe der Einsparungsmöglichkeiten ist abhängig von der Bausubstanz (Neubau oder Bestand), der Eigentumsform und der Organisationsform der Selbsthilfeleistungen. Bei Modernisierungsmaßnahmen im Bestand erstreckt sich die Selbsthilfeleistung in der Regel auf die Fertigstellung der Oberflächen (Anstrich- und Belegarbeiten) in Einzelselbsthilfe. Der erzielbare Einspareffekt kann hier nach Auffassung der LEG nur gering sein. Die organisierte Gruppenselbsthilfe erlaubt dem gegenüber die Einsparung hoher Beträge (um die 20% der Gesamtkosten), da die Selbsthilfeleistungen bereits im Rohbau einsetzen können (LEG 1987: 20f.). Bei der Diskussion der wirtschaftlichen Effekte auf das Baugewerbe und die Wohnungswirtschaft wird hervorgehoben, dass die häufig geäußerten Nachteile der Selbsthilfe (Schwarzarbeit und Verlust von Aufträgen) nicht zutreffen. Obwohl das Prinzip der Selbsthilfe auf der Substitution gewerblicher (Bau-)Leistungen durch Eigenleistung beruht, ist der Effekt einer solchen Maßnahme als grundsätzlich positiv einzuschätzen. In einer Selbsthilfemaßnahme bauen häufig Familien, die sonst ihren Hauswunsch nicht hätten realisieren können (GEWOS 1985).
129
Trägermodelle und Organisation von Selbsthilfemaßnahmen Im Konzept der organisierten Gruppenselbsthilfe wird die Betreuung und Anleitung in der Regel durch einen Projektträger (z. B. Wohnungsunternehmen oder Baufirma) übernommen. Die übliche Rollenverteilung (Bauherr, Bauleitung, ausführendes Unternehmen) wird durch die veränderte Organisationsstruktur abgewandelt. Der Träger übernimmt häufig Planung, Baustellenleitung und auch finanzielle Vorleistungen. Die Häuser gehen meist erst nach Ende der Maßnahme in den Besitz der Familien über. Die Bauherren werden in diesen Projekten zu Bauhelfern und stehen unter der Leitung eines Poliers. Die notwendigen Selbsthilfeleistungen sind über Vereinbarungen geregelt. Die gearbeiteten Stunden werden in Form eines Baukontos oder eines Stundenbuchs festgehalten. Dieses Konzept stellt besondere Anforderungen an Träger, Architekten und Bauleitung. Der Träger übernimmt in der Regel die technische und finanzielle Betreuung der Maßnahme und stellt die Anleitungskraft. Die Anleitung sollte sowohl in baulicher Hinsicht als auch im Hinblick auf Gruppenprozesse kompetent und erfahren sein. Für die beteiligten Architekten bedeutet eine Selbsthilfemaßnahme die verstärkte Einbindung der Familien in Planungsprozesse. Inwieweit tatsächlich Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Planung und Ausführung bestehen, wird in den einzelnen Projekten sehr unterschiedlich beurteilt. Im Vorfeld der Selbsthilfeprojekte sollte eine intensive Beratung bezüglich der finanziellen Voraussetzungen und der zu leistenden Selbsthilfestunden erfolgen. Die realistische Einschätzung des möglichen Selbsthilfepotenzials der jeweiligen Familien ist entscheidend für den Erfolg des Projektes. In älteren Veröffentlichungen zu Selbsthilfemaßnahmen wird die Zusammensetzung der Gruppe der Baufamilien als eine wesentliche Voraussetzung der Maßnahme angesprochen. Einige Träger gehen von der Annahme aus, dass die Zusammensetzung der Gruppe gesteuert werden muss, d. h. es sollten genügend Personen mit handwerklichen Qualifikationen vorhanden sein (LEG 1987). Neuere Publikationen betonen, dass für jeden Personenkreis Arbeit auf einer Selbsthilfebaustelle vorhanden ist und keine handwerklichen Kenntnisse vorhanden sein müssen (Jäger 1998). Übereinstimmend wird von einer notwendigen Schulung der Baugruppe in technischer und in gruppendynamischer Hinsicht gesprochen. Die technische Schulung erfolgt in einigen Fällen durch die Einweisung in bestimmte handwerkliche Tätigkeiten, z. B. Mauern. Im Hinblick auf die Gruppendynamik wird der Aufbau einer demokratischen Entscheidungskultur eingefordert. Die Gruppenmitglieder übernehmen im Bauprozess bestimmte Funktionen, wie beispielsweise Obmann oder Gruppensprecher/in. Die gegenseitigen Verpflichtungen zur Selbsthilfe werden vertraglich geregelt.
130
Im Zusammenhang mit Selbsthilfeprojekten wird häufig von einer Verlängerung der Bauzeit gesprochen. Als Richtwert gilt eine konventionelle Bauzeit von etwa einem Jahr. Die untersuchten Projekte haben eine große Spannbreite in der Bauzeit, die von sieben Monaten bis zu 36 Monaten reicht. Im Durchschnitt geht man jedoch von einer vernünftigen Obergrenze für die Bauzeit von maximal zwei Jahren aus (LEG 1987). Allerdings entstehen durch die Verlängerung der Bauzeit in der Regel zusätzliche Kosten aufgrund notwendiger Zwischenfinanzierungen. Als wesentliche Rahmenbedingung für das Gelingen von Selbsthilfemaßnahmen wurde die Unterstützung von Städten und Gemeinden identifiziert. Die unterstützende Begleitung durch die betreffende Kommune kann z. B. durch den Nachweis geeigneter, kostengünstiger Baugrundstücke, der Subventionierung der Grundstückspreise, die Vergabe von Gründstücken im Wege des Erbbaurechts sowie Information und Beratung erfolgen (IRS 1998: 33). 2.3.2. Selbsthilfe und Finanzierung Finanzielle Aspekte stehen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betrachtung der Selbsthilfe im Wohnungsbau. Untersucht werden zwei Themenkomplexe: das Einsparpotential durch Selbsthilfe und die Rolle der Eigenleistung in der Gesamtfinanzierung des Hausbaus. Die finanztechnische Funktion der Selbsthilfe lässt sich definieren als Eigenkapitalersatz bzw. Einsparungsmöglichkeit, um die teuren Fremdmittel zu reduzieren. Bei einer herkömmlichen Hausfinanzierung wird der größte Teil der Baukosten durch die Aufnahme von Fremdmitteln auf dem Kapitalmarkt bzw. bei Bausparkassen abgedeckt. Das Einbringen von Selbsthilfe verfolgt das Ziel, über eine Reduktion der Fremdmittel eine Verminderung der monatlichen Belastung zu erreichen. Die monatliche Belastung der Haushalte setzt sich zusammen aus dem Schuldendienst für aufgenommenes Fremdkapital (Finanzierungskosten) und einer Betriebs- und Instandhaltungspauschale. Die reinen Baukosten eines Gebäudes (Roh- und Ausbau) umfassen ca. 60 bis 70% der Gesamtkosten. Bei geringeren Grundstückspreisen, etwa in ländlichen Gebieten, liegt der Anteil der Baukosten noch höher. Etwa die Hälfte der Baukosten sind Materialkosten. Damit entfallen ca. 30% der Gesamtkosten auf den Lohnanteil der reinen Baukosten. Hier liegt das größte Einsparungspotential der Selbsthilfe (Marahrens 1988). Als Nebeneffekte der Gruppenselbsthilfe entstanden in einigen Projekten auch Kostenvorteile wie z. B. die Verringerung der Planungskosten für mehrfach gebaute Objekte und die Ersparnis durch gemeinsamen Materialeinkauf. Von den Einsparungen müssen die Kosten der Betreuung abgezogen werden. Der Träger hat durch die Betreuung und 131
Steuerung der organisierten Gruppenselbsthilfe zusätzliche Aufwendungen (Einsatz eines Poliers oder Fachbauleiters und die Koordination der Baustelle). Die Grenzen des Selbsthilfevolumens werden vor allem durch den Anteil der Lohnkosten an den reinen Baukosten bestimmt. Generell kann der Umfang der Selbsthilfeleistungen sehr unterschiedlich ausfallen. Selbsthilfe kann sich sowohl auf den Rohbau als auch auf den Ausbau und die Baunebenleistungen erstrecken. Marahrens weist auf einen deutlichen Unterschied zwischen betreuten und nicht betreuten Projekten hin. In betreuten Maßnahmen war Selbsthilfe in den Bereichen Bauplanung, Bauleitung, Beschaffung und finanzielle Abwicklung kaum möglich. Der Wert der Selbsthilfeleistung ist nach § 36 II. WoBauG Eigenleistung durch Selbsthilfe mit dem Betrag als Eigenleistung anzuerkennen, der gegenüber den üblichen Kosten der Unternehmerleistung erspart wird. (...) Zur Selbsthilfe gehören die Arbeitsleistungen, die zur Durchführung eines Bauvorhabens ... von den Bauherren selbst, von seinen Angehörigen (und) von anderen unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit erbracht werden (§36, II. WoBauG). Die Angaben zu möglichen Einsparungspotenzialen der baulichen Selbsthilfe sind sehr heterogen (vgl. Tab. 8). Problematisch ist darüber hinaus, dass aufgrund unterschiedlicher Bezugsgrößen die Angaben nur bedingt vergleichbar sind. Tab. 8: Übersicht: Einsparungspotenzial der Selbsthilfe Autor(in) Anteil der Selbsthilfe an den Erwirtschaftete Kosten Beträge Schäfer Von ca. 30% bis 50% des Wertes (1985) von Bauwerk und Außenanlagen (ohne Baunebenkosten) Marahrens 36% bis 43% der Kosten von Bauüber 100.000 DM (1988) werk, Außenanlagen und Baunebenkosten LEG 1/4 bis 1/3 der Gesamtkosten 55.000 DM bis (1987) 80.000 DM durchschnittlich 70.000 DM IRS durchschnittlich 17% der Gesamt39.438 DM bis (1998) kosten 84.263 DM
Stundensätze Durchschnittlich 30 DM
20 DM bis 26 DM, durchschnittlich 22,30 DM Durchschnittlich 15 DM
(Quelle: eigene Zusammenstellung nach den angegebenen Autoren)
In der Einzelfallstudie von Schäfer lagen die durch die Selbsthilfe erreichten Einsparpotenziale sehr hoch. Dies ist zum Teil auf die Kriterien der Fallauswahl zurückzuführen, da gezielt Projekte ausgewählt wurden, die möglichst viel Selbsthilfeleistungen erbracht haben. Der Selbsthilfeanteil reichte von ca. 30% bis 50 % des Wertes von Bauwerk und Außenanlagen (ohne Baunebenkosten). Einer der untersuchten Fälle beschränkte die Selbsthilfe auf Ausbaumaßnahmen und kam auf eine 132
Einsparung von 16,4% der reinen Baukosten. Der durchschnittliche Stundensatz liegt bei ca. 30 DM (Schäfer 1985: 150). Die LEG dokumentiert ein 1980 durchgeführtes Selbsthilfeprojekt und kommt zu etwas niedrigeren Werten. Die von ihnen errechneten Selbsthilfewerte liegen zwischen 55.000 und 80.000 DM. Das bedeutet für den Stundenwert eine Schwankung zwischen 20 und 26 DM in unterschiedlichen Bauabschnitten. Der durchschnittliche Selbsthilfeertrag lag demnach bei 70.000 DM und einem durchschnittlichen Stundenwert von 22,30 DM. Auf ein ebenfalls hohes Einsparungspotential der Selbsthilfe kommt Marahrens am Beispiel eines Projektes in Bremen. Die Kosteneinsparungen lagen über 100.000 DM und umfassten zwischen 36% und 43% der Kosten von Bauwerk, Außenanlagen und Baunebenkosten. Die Bauzeit lag im Bremer Projekt zwischen 18 und 20 Monaten (Marahrens 1988: 153). Diese vergleichsweisen hohen Stundensätze für die geleistete Selbsthilfe lassen sich in neueren Projekten nicht bestätigen. Die IRS kommt bei den Maßnahmen 1997 auf einen durchschnittlichen Stundensatz von 15 DM. Insgesamt lag die Kostenersparnis in den Modellvorhaben der neuen Bundesländer im Durchschnitt bei 17% der Gesamtkosten (IRS 1998: 77). Anteile von 30% der Gesamtkosten konnten nur erarbeitet werden, wenn viele Helfer und Helferinnen vorhanden waren oder die Selbsthelfer über besondere Qualifikationen verfügten. Die durchschnittlichen Eigenleistungen lagen zwischen 39.438 DM und 84.263 DM (ebd.). Die Einsparmöglichkeiten durch Selbsthilfe hängen von der Anzahl der geleisteten Stunden ab. Die Frage, wie viele Stunden eine Familie am Hausbau mitarbeiten kann, beschäftigt Forschung und Praxis seit den 1980er Jahren. Die Stunden werden in der Regel für ein Jahr berechnet, auch wenn die Bauzeit von Selbsthilfeprojekten durchschnittlich höher liegt. Die Berechnung der möglichen Arbeitsstunden geht von einem berufstätigen Selbsthelfer aus, der regelmäßig nach seiner regulären Berufstätigkeit Stunden auf der Baustelle leistet, die freien Samstage und seinen Jahresurlaub einsetzt. Die Schätzungen reichen von jährlich 1.100 Stunden (Peters 1984: 36) bis zu 1.500 Stunden (LEG 1987:39) und mehr. Marahrens kommt auf 1.600 Stunden im Jahr (vier Stunden pro Tag plus zehn Stunden samstags ergibt eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden und vier Wochen Urlaub mit täglich acht Stunden) als maximale Selbsthilfeleistung eines einzelnen Selbsthelfers (Marahrens 1988: 74). Diese Schätzung dürfte nach den berichteten Praxiserfahrungen eindeutig zu hoch liegen. Wenn Helfer und Helferinnen auf der Baustelle mitarbeiten, erhöht sich die Zahl der möglichen Selbsthilfestunden. Im Gegensatz zu den neueren Maßnahmen beschreibt Marahrens, dass bei einigen Projekten nur in Ausnahmefällen unbezahlte Helfer mit133
arbeiteten. In einigen der von ihm untersuchten Projekte war der Helfereinsatz sogar untersagt. In einigen Projekten waren Helfer/innen von der Rohbauphase ausgeschlossen, konnten aber bei dem individuellen Innenausbau eingesetzt werden. Die Mehrzahl der Helfer/innen kam aus dem Bekanntenkreis (Nachbarn und Kollegen), aus der eigenen Verwandtschaft stammten deutlich weniger (Marahrens 1988: 82). In dem von Schäfer untersuchten Beispiel zog die Gruppe ebenfalls kaum Helfer/innen von außen hinzu, weshalb das Arbeitskräftepotential beschränkt war. Dies bedeutete in der Regel eine Verlängerung der Bauzeit, die sich nach Schäfer bis zu drei Jahren hinziehen konnte (Schäfer 1985: 106). Die Annahme, dass ein geringer Eigenkapitalanteil zu einer entsprechend höheren Selbsthilfeleistung führen würde, hat sich in der Analyse von Marahrens nicht bestätigt. Die Selbsthilfeanteile waren bei Selbsthelfern mit geringem Eigenkapital genauso hoch wie bei Selbsthelfern mit hohem Kapitalanteil (Marahrens 1988: 91). Bei mittlerem Einkommen ist die Erwerbstätigkeit der (Ehe-)Frau trotz Kostenreduzierung durch Selbsthilfe eine Bedingung für den Einstieg ins Wohneigentum. Diese Bedingung steht allerdings im Widerspruch zu der wohnungspolitischen Forderung, dass ein Eigenheim gerade Familien mit Kleinkindern ermöglicht werden sollte (Schäfer 1985: 162). Ein wichtiger Aspekt ist die Frage, inwieweit die Selbsthilfe zur Senkung der monatlichen Belastung beitragen kann. In der Bremer Studie erhöhte sich die monatliche Belastung durch die Wohnkosten um durchschnittlich 518 DM (Marahrens 1988: 158). Die monatlichen Wohnkosten in den Modellvorhaben der neuen Bundesländer weisen eine Spanne von 630 DM bis zu 2.400 DM und lagen durchschnittlich bei 1.330 DM (IRS 1998: 89). Das entsprach bei ca. zwei Drittel der Haushalte einer üblichen Belastung mit Wohnkosten von Haushalten mit mittleren und höheren Einkommen und wurde von den Familien als tragbar angesehen. Ein Teil der Baufamilien mit niedrigem Einkommen hat jedoch auch überdurchschnittlich hohe Wohnkosten, so wurden Wohnkosten von 50 bis nahezu 90 Prozent des Familieneinkommens angegeben (IRS 1998: 89). Dies führte zu hohen Belastungen des Haushaltseinkommens und weist in einigen Fällen auf eine massive finanzielle Überlastung hin. Eine dauerhafte Finanzierung der Häuser wird dadurch in Frage gestellt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in einigen Jahren eine Belastungssteigerung durch den Anstieg von variablen Zins- und Tilgungsleistungen zu erwarten ist und sich dadurch und durch den Wegfall der Eigenheimzulage nach acht Jahren erhebliche Mehrbelastungen ergeben werden (IRS 1998: 92).
134
2.3.3. Motive der Selbsthelfer/innen In den sozialwissenschaftlichen Studien zu Selbsthilfeprojekten zeigt sich, dass der Entscheidung, ein Haus zu bauen, nicht ein ausschlaggebendes Motiv, sondern ein Bündel von Motiven zugrunde liegt. Ein Eigenheim so Marahrens wird vorwiegend aus zwei Gründen angestrebt: Verbesserung der Wohnqualität in quantitativer und qualitativer Hinsicht sowie finanzielle Attraktivität des Eigentums (Marahrens 1988: 98). Seiner Ansicht nach unterscheiden sich Selbsthelferhaushalte in dieser Hinsicht nicht von anderen wohneigentumsbildenden Haushalten. Das wichtigste Motiv zum Hausbau in Selbsthilfe sind die finanziellen Einsparungsmöglichkeiten. Der Wunsch nach einem eigenen Haus wird häufig als ein Wert an sich angesehen, der nur noch konstatiert, aber nicht mehr nach seinen Bestimmungsgründen hinterfragt wird. Das Motiv, durch den Hausbau eine sichere Kapitalanlage zu schaffen und die eigene Versorgung im Alter abzusichern, bestätigt sich laut Marahrens nicht. Auch der oft genannte Stolz auf etwas Eigenes wurde in dieser Untersuchung allenfalls als eine positive Begleiterscheinung bewertet. Der Autor stellt dem gegenüber zwei zentrale Motivationsstränge heraus: der Wunsch nach mehr Verfügungsrechten über den Wohnraum und finanzielle Gründe. Letztere beruhen auf dem Gedanken, dass man für sich selbst zahlt. Aus diesem Grund sind die Familien bereit, einen größeren finanziellen Aufwand in Kauf zu nehmen. Abweichend von der Einschätzung Marahrens ist das Motiv für sich selbst zu zahlen m. E. durchaus als Vermögensbildung der Haushalte anzusehen. Marahrens stellt fest, dass ein wesentlicher Grund für den Hausbau bei den von ihm untersuchten Haushalten in bestimmten, stark negativ bewerteten Merkmalen der bisherigen Wohnung liegt. Dazu zählen zum einen die geringe Wohnungsgröße und der schlechte Wohnungszuschnitt, zum anderen Gründe, die in den strukturellen Bedingungen eines Mietverhältnisses liegen (z. B. Angst vor Kündigungen und Mieterhöhungen) (Marahrens 1988: 127). Gegenüber der bisherigen Wohnung wurden vor allem größere Wohnungen mit einem besseren Ausstattungsstandard in einem anderen Wohnumfeld gewünscht. In der Untersuchung des IRS wurde die Eigentumsbildung als ein Grund für die Umzugsentscheidung mit 9% überraschend wenig angegeben. Das Haus als ein Statussymbol und eine finanzielle Absicherung für den späteren Lebensabschnitt spielte allerdings in den vertiefenden Gesprächen eine Rolle, in denen die Sicherung einer langfristig kostengünstigen Wohnsituation hervorgehoben wurde (IRS 1998: 39). Für die meisten Familien war der ausschlaggebende Grund für das Bauen in Selbsthilfe der große finanzielle Vorteil durch Eigenarbeit. Marahrens stellt ein instrumentelles Verhältnis zur Gruppenselbsthilfe fest. Diese Form wurde vorrangig unter finanziellen 135
Gesichtspunkten gewählt (der Bau wird durch die Gruppenorganisation billiger) und die Gruppenselbsthilfe als eine mögliche Organisationsform gesehen. Die konzeptionelle Vorstellung der Architekten, gemeinsames Planen und Bauen als kollektiven Lernprozess zu begreifen und die gemeinschaftsbildenden Perspektiven zu betonen, trat bei den Selbsthelfer-Familien eindeutig in den Hintergrund. (Marahrens 1988: 139) 2.3.4. Familie und Arbeitsteilung Die Selbsthilfe am Bau bezieht die ganze Familie mit ein und muss daher schon in der Vorbereitungsphase bedacht werden. Es werden jedoch in den vorhandenen Berichten kaum Angaben über die Mitarbeit der Familienangehörigen gemacht. In der Regel lag die eigentliche Arbeit auf der Baustelle in den Händen der Männer. Dies ist aus der Sicht der LEG begründet durch die Tradition der organisierten Selbsthilfe und der gesellschaftlichen Verbreitung der familiären (geschlechtsspezifischen) Rollenverteilung. In den Untersuchungen von Schäfer und Marahrens wird diese Einschätzung bestätigt. Marahrens geht davon aus, dass Frauen durchgängig weniger auf der Baustelle tätig waren und identifiziert eine Reihe von Gründen für diese Arbeitsteilung. Ein wesentlicher Aspekt der Arbeitsteilung scheint die Stellung der Familie im Lebenszyklus zu sein. Der Eigenheimbau findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem die Familie stark mit der Erziehung der noch verhältnismäßig kleinen Kinder beschäftigt ist. Diese Aufgabe liegt nach wie vor traditionell in den Händen der Frauen. Darüber hinaus hat Marahrens festgestellt, dass in den von ihm untersuchten Projekten die Frauen von der Mitarbeit auf der Baustelle durch ihre Männer teilweise ausgeschlossen wurden. Als Begründungen wurden angeführt: Frauen haben solche harte Arbeit nicht nötig, sie haben keine handwerklichen Kenntnisse und durch die Mitarbeit der Frauen gäbe es nur Ärger und Streit (Marahrens 1988: 85f). In der Studie von Marahrens arbeitete keine der Frauen während der Rohbauphase auf dem Bau mit. Bis auf eine Ausnahme akzeptieren die Frauen den Ausschluss von den Bauarbeiten. Lediglich eine Frau mit handwerklichen Kenntnissen und schon großen Kindern wollte bereits beim Rohbau mitarbeiten. Diese Gruppe hatte jedoch die Regel, dass nur eine Person pro Haus arbeiten sollte und alle weiteren Helferleistungen der gesamten Gruppe zugute kommen würden (Marahrens 1988: 179). Im Innenausbau wurden Frauen verstärkt aktiv. In der Beobachtung von Marahrens halfen sie in der Regel bei einfachen Arbeiten (Aufräumen, Saubermachen, Handlangerdienste). Allerdings wird in seinen Zitaten deutlich, dass bei den Frauen zum einen ein großes Engagement bestand und zum anderen ein deutliches Potenzial, auch anspruchsvollere Arbeiten erledigen zu wollen. Er kommt zu dem Fazit:
136
Somit führte die von der Gruppe praktizierte bauliche Selbsthilfe sicherlich bei einem Teil der Beteiligten zu einer Verfestigung traditioneller Familienstrukturen (...) und zur Aufrechterhaltung der familieninternen Arbeitsteilung .... (Marahrens 1988: 181) Die gewohnte und bisher als funktional empfundene Arbeitsteilung setzte sich somit auch während der Bauzeit in der Familie fort und bewahrte alle Familienmitglieder vor der Notwendigkeit, ein neues Rollenverhalten einüben zu müssen. Diese Arbeitsteilung wird jedoch nicht nur kritisiert, sondern auch als sinnvoll empfunden. In der Dokumentation der LEG wird die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als eine notwendige oder zumindest doch sinnvolle Grundlage für den Hausbau in Selbsthilfe angesehen: Wenn mehrere Mitglieder einer Familie an der Baustelle mitarbeiten wollen, gefährdet dies den Leistungsausgleich mit den anderen Familien, wo meist nur einer mitarbeiten kann. Noch häufig fällt diese Aufgabe dem Mann zu, während die Partnerin sinnvollerweise die familiären Aufgaben und die Zuarbeit für Baustelle (Versorgung, Fahrten und Botengänge) übernimmt. (LEG 1987: 30) In der Arbeit von Schäfer wird der zeitliche Aufwand der Ehefrauen genauer untersucht. Der Autor stellt fest, dass die Einbindung der Frauen in die Bauarbeit erheblich war. Viele von ihnen erbrachten ein Viertel und mehr Leistungen im Vergleich zu ihren Ehemännern. Nicht darin enthalten war die zusätzliche Arbeit in der Familie und im Haushalt durch die Bautätigkeit wie z. B. Waschen, Nähen und Verpflegung. Zusätzlich dazu wurden von den Frauen Aufgaben übernommen, die sonst vom Mann erledigt wurden. Frauen waren demnach einer vierfachen Belastung ausgesetzt: Kinder, Haushalt, Beruf und Bauarbeit. Das heißt, dass die Frauen trotz ihrer baulichen Abstinenz (Schäfer 1985) eine erhebliche Belastung getragen haben. Den obigen Ausführungen zur Mitarbeit der Frauen auf der Baustelle widerspricht die Studie des IRS. In den Modellvorhaben der neuen Bundesländer beobachteten die Autoren eine gleichwertige Zusammenarbeit von Männern und Frauen auf der Baustelle. In der Regel waren Frauen auch bei den körperlich anstrengenden Tätigkeiten beteiligt. Richtet man den Blick jedoch auf die Organisation der familiären Tätigkeiten, so zeigt sich auch hier eine weitgehend traditionelle Aufgabenteilung. Den Hauptteil der Versorgung und der Betreuung der Kinder wird von den Frauen, von weiblichen Jugendlichen oder Helferinnen aus der Familie, z. B. Großmüttern, geleistet (IRS 1998: 59f.). Im weiteren Verlauf seiner Studie geht Schäfer der Frage nach, in welcher Weise die Bauzeit die Binnenbeziehungen innerhalb der Familie beeinflusst hat. Die Selbsthilfe beim Bau galt als Männersache.
137
Unter dem Aspekt der ehelichen Rollenverteilung kann das bedeuten, dass die Selbsthilfe ein Mittel zur Stärkung der Rolle des Mannes als Versorger der Familie darstellt. (Schäfer 1985: 125) Der Hausbau in Selbsthilfe stellt sich in dieser Perspektive als ein Modell aufwertender Selbstverwirklichung des Mannes dar. Der Hausbau kann jedoch auch ein Feld der ehelichen Kooperation sein. Dies erfordert allerdings bestimmte familienstrukturelle Voraussetzungen. Im Sample von Schäfer war dies der Fall bei einem kinderlosen Ehepaar, die beide Vollzeit berufstätig waren und gleichviel verdienten. Betrachtet man die Situation der Kinder während der Bauzeit, so ist von einem deutlichen Interessenkonflikt auszugehen. Gerade in einer intensiven Betreuungs- und Erziehungsphase der Kinder ist der Vater durch die Arbeitsbelastung auf der Baustelle häufig abwesend. 2.3.5. Arbeitsbelastung durch die Selbsthilfe In allen Berichten über bauliche Selbsthilfe wird auf die große physische und psychische Belastung der Selbsthelfer und ihrer Familien hingewiesen. Diese Angaben werden jedoch in den seltensten Fällen präzisiert. Schäfer konstatiert, dass die von ihm untersuchten Baufamilien keine Alternative zur Selbsthilfe sahen, die Selbsthilfeleistungen also unabdingbar waren, um das gewünschte Eigenheim zu bekommen. Diese Sichtweise kann eine kritische Wahrnehmung der Belastung verhindern. Eine empirische Erhebung der Belastung war abgesehen von einer Ermittlung des Zeitaufwandes dadurch erschwert (Schäfer 1985: 109). Was macht nun die Belastung aus? Der immense Zeitaufwand für die Arbeit auf der Baustelle wird an erster Stelle genannt. Zeit für sich selbst oder für die Familie bleibt kaum, von sozialen Kontakten über die Familien hinaus ganz zu schweigen. Die zeitliche Belastung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst: der Dauer der Bauzeit, den geleisteten Selbsthilfestunden und die Art der Arbeitsteilung in der Familie. Die Bauzeit der untersuchten Projekte variiert je nach Organisationsform der Baustelle und dem verfügbaren Zeitbudget der Selbsthelfer zwischen 13 Monaten und drei Jahren. Schäfer geht von einer durchschnittlichen wöchentlichen (Selbsthilfe)Arbeitszeit von 20 Stunden aus. Dies bedeutet immerhin einen Zeitaufwand, der 50% der beruflichen Arbeitszeit ausmacht (Schäfer 1985: 121). Das Hauptproblem der Männer bestand in der Vereinbarung der beruflichen Arbeit mit der Arbeit auf der Baustelle. Dies konnte durch unregelmäßige Arbeitszeiten oder Schichtarbeit erschwert werden. Die Bauzeit fällt in der Regel in eine Phase im Familienzyklus, in der die Kinder ihre Eltern zeitlich am meisten beanspruchen. Durch die Bauarbeit kommen auf die Frauen eine Reihe zusätzlicher Arbeiten zu, z. B. Behördengänge und sonstige Besorgungen, und auch die Hausarbeit wurde durch den Hausbau umfangreicher.
138
Aus den zeitlichen Belastungen ergeben sich auch Belastungen oder Konfliktsituationen in anderen Bereichen während der Bauzeit. Schäfer benennt als weitere Belastungsfelder die Einschränkung der Freizeit und der sozialen Kontakte sowie mögliche Konflikte in der Familie und auf der Baustelle (Helfer, Gruppe etc.). Er zeigt auf, dass die Selbsthelfer zum Teil bewusste Strategien entwickelten um diese Belastungen zu reduzieren (Schäfer 1985: 89). Die Strategien der Selbsthelfer im Umgang mit den Einschränkungen sind je nach der Vorerfahrung mit solchen Situationen unterschiedlich. Waren Erfahrungen mit Bausituationen (oder Nebenerwerbstätigkeiten) vorhanden, so gelang es den Bauherren, ihnen wichtige Freizeittermine trotzdem wahrzunehmen. In anderen Fällen konzentrierte sich das alltägliche Leben vollständig auf den Hausbau. Konflikte in der Familie zwischen den Ehepartnern oder mit den Kindern aufgrund der häufigen Abwesenheit des Mannes während der Bauzeit können ebenfalls zu erheblichen Belastungen führen. Neben der Familie ist auch die Baustelle ein möglicher konfliktträchtiger Ort (Probleme untereinander, mit den Helfern oder mit Bauhandwerkern). Die Auswirkungen auf die Familie werden zwar von allen Autoren konstatiert, aber durchaus unterschiedlich eingeschätzt und bewertet. In der Einschätzung von Marahrens konnten die Familienmitglieder die häufige Abwesenheit des Vaters gut verkraften, allenfalls kleinere Kinder litten teilweise darunter. Insgesamt lässt sich also zu den durch die Eigenarbeit auf der Baustelle auftretenden Belastungen sagen, dass diese von den Betroffenen als gar nicht so gravierend empfunden wurden. (...) Diese subjektive Wahrnehmungsweise dürfte aber durch die Gratifikation des fertigen Hauses stark beeinflusst worden sein. (Marahrens 1988: 90) Dagegen zeigt die Untersuchung des IRS auf, dass insbesondere Familien mit Kindern den Einfluss der Bauzeit auf die Familie als negativ bewerten. Es gab jedoch auch Familien, die den Bauprozess als positiven Einfluss auf die Familie ansahen. Die neue Aufgabe wurde als Stärkung der Partnerschaft und des Familienzusammengehörigkeitsgefühl bewertet und insgesamt als Bereicherung empfunden (IRS 1998: 61). Ein weiterer Belastungsfaktor ist die körperlich sehr anstrengende Bauarbeit. Bei der Arbeit auf dem Bau ergaben sich witterungsbedingte körperlichen Belastungen und körperlich anstrengende Arbeiten (z. B. Transport und Heben von schweren Baumaterialien). Aus Kostengründen verzichteten viele Selbsthilfeprojekte auf den Einsatz von arbeitssparenden Maschinen und ersetzten fehlende Maschinen durch Handarbeit. Die Bewertung der körperlichen Belastung durch die Bauherren selber fiel in der Studie von Schäfer ambivalent aus. Einige hatten keine Probleme damit und empfanden die körperliche Arbeit sogar als angenehm (Trimm-Dich-Aktion). Andere benötigten
139
eine Gewöhnungszeit und kamen dann gut mit der körperlichen Belastung klar. Einem Teil der Selbsthelfer fiel die körperliche Arbeit jedoch sehr schwer. Bei der subjektiven Reaktion auf körperliche Belastungen lässt sich eine Anpassung an den Zwang zum Bauerfolg beobachten, die schon während der Bauzeit dazu führen kann, dass gesundheitliche Schäden verleugnet werden. (Schäfer 1985: 137) Auf den Umgang der Selbsthelfer mit den Belastungen gibt es nur wenige Hinweise. In der Studie von Schäfer wird darauf hingewiesen, dass die Arbeit auf der Baustelle zwar als sehr schwer, aber für die meisten als durchaus tragbar empfunden wurde. Allerdings wurde die Arbeit zu Beginn der Bauphase als gut erträglich eingeschätzt, gegen Ende der Rohbauphase dagegen als immer unerträglicher. Interessanterweise bezeichneten die Frauen die physischen Anstrengungen für ihre Männer als sehr viel härter als jene selbst (Marahrens 1988: 175); d. h. es ist eine geschlechtsspezifische Wahrnehmung der körperlichen Belastung feststellbar. Insgesamt wird die subjektive Einschätzung der Baufamilien in Fragen der Belastung problematisiert. In der Regel sind Baufamilien befragt worden, die das SelbsthilfeProjekt erfolgreich abgeschlossen haben Familien, die den Bauprozess abgebrochen haben, wurden nicht befragt. Die Autoren heben hervor, dass durch den Erfolg die Sichtweise auf die Belastungen der Bauzeit relativiert werden können, sie verblassen in der Erinnerung. 2.3.6. Nebenwirkung: Die Förderung des Nachbarschaftsgedankens Durch die gemeinsame Arbeit am Bau so die Vorstellung vieler Forscher und Forscherinnen und Planer und Planerinnen haben die Baufamilien Gelegenheit, sich bereits vor dem Einzug intensiv kennen zu lernen und damit eine gute Basis für nachbarschaftliche Beziehungen entstehen zu lassen. Zweifellos ist die Gelegenheit zum Kennenlernen in dem Modell der organisierten Gruppenselbsthilfe ein integraler Bestandteil. Ob dies jedoch zu der Entstehung von intensiven Gemeinschaftsbezügen beiträgt, ist kritisch zu hinterfragen. Dieser Aspekt erscheint wie eine Modernisierung des Siedlergedankens. Ging es in der Bauphase um die Einübung solidarischen Verhaltens in der Selbsthilfegruppe, so geht es nach der Fertigstellung des Bauprojekts um die dauerhafte Sicherung oder Pflege einer intakten Nachbarschaft. Der Siedlergedanke richtet sich ausschließlich an Familien und sieht nicht weiter überraschend das eigene Haus (mit Grundstück) als Idealform familiengerechten Wohnens (LEG 1987). Gegen die häufig aufgestellte Behauptung, dass Gruppenselbsthilfe eine gute Basis für lang anhaltende engere nachbarschaftliche Beziehungen sei, bezieht Schäfer deutlich Stellung. Er weist auf die Ergebnisse früherer sozialwissenschaftlicher Unter140
suchungen hin. Diese zeigten, dass ein wesentliches Element beim Zustandekommen enger nachbarschaftlicher Beziehungen die gemeinsame Not- bzw. Pioniersituation ist (Klages 1958, Hamm 1973). Auch die Beziehungen in einer Gruppenselbsthilfemaßnahme haben eine vorwiegend funktionelle Bedeutung, die nach Fertigstellung des Hauses wegfällt bzw. ihre Intensität verlieren kann (Schäfer 1985: 125). Wirft man einen Blick auf die beschriebenen Gruppenprozesse während und nach der Bauzeit, scheint sich diese Einschätzung zu bestätigen. Der Kontakt nach den Rohbauarbeiten ging bei einigen Selbsthilfemaßnahmen schlagartig zurück, alle waren nun in Einzelselbsthilfe mit dem Innenausbau beschäftigt. Als Problembereiche in den Gruppenprozessen während der Bauzeit werden die Angst vor möglicher Cliquenbildung und eine mögliche Hierarchisierung innerhalb der Gruppe entlang der vorhandenen handwerklichen Qualifikationen und des Arbeitsvermögens (Verteilung der Arbeitsaufgaben) beschrieben. Wie bei den Ausführungen zur Arbeitsteilung bereits deutlich wurde, waren die Frauen nicht Teil der Selbsthelfer-Gruppe. Sie wurden teilweise von den Rohbauarbeiten ausgeschlossen und haben insgesamt eher im Innenausbau auf der Baustelle gearbeitet. Durch diese Form der Arbeitsteilung waren die Frauen von den Gruppenprozessen zumindest zu Beginn der Maßnahme häufig ausgeschlossen. Eine Ausnahme stellen dabei die Modellvorhaben in den neuen Bundesländern dar, die von einer gleichberechtigten Teilnahme der Frauen berichten. Das Ergebnis der Selbsthilfe wird übereinstimmend als gut bezeichnet. Die Qualität der in Selbsthilfe entstehenden Häuser ist in der Regel überdurchschnittlich gut. Die Selbsthelfer bauen in ihrem eigenen Interesse und sind daran interessiert, ihr Eigentum so solide und wertvoll wie möglich zu erstellen. In den Untersuchungen der 1980er Jahre werden die hohe Wohnzufriedenheit und die hohe Stabilität in den in Selbsthilfe erstellten Siedlungen herausgestellt. Keine Aussagen gibt es bislang dazu, ob dies auch für die aktuellen Baumaßnahmen zutrifft.
3.
Zwischenfazit: Selbsthilfe als Instrument der Wohnungspolitik?
Die Bilanz der durchgeführten Selbsthilfemaßnahmen im Hinblick auf die oben angeführten Forschungsfragen ist ambivalent. Die quantitative Bedeutung der Selbsthilfe ist gering, einen substanziellen Beitrag zur Wohnungsversorgung kann sie demnach nur in einem sehr beschränkten Marktsegment leisten. Zur Wohnungsversorgung von sozialen Problemgruppen scheint sie jedoch nicht geeignet zu sein, da die Selbsthilfe große Arbeitspotenziale erfordert, die Menschen in Notsituationen nicht zur Verfügung stehen. Die darüber hinaus angestrebte Zielgruppe der jungen Familien hat sie ebenfalls nur bedingt erreicht. Das Durchschnittsalter der Familien ist vergleichbar mit 141
dem Bundesdurchschnitt der eigentumsbildenden Haushalte. Speziell junge Familien in ihrer Gründungsphase haben die Selbsthilfeprojekte demnach nicht angesprochen. Gleichzeitig kommt die einseitige Ausrichtung der Selbsthilfemaßnahmen auf traditionelle Familien vor dem Hintergrund der zunehmenden Differenzierung von Lebensformen zunehmend in die Kritik. Dies spiegelt sich auch in der kritischen Auseinandersetzung mit den aktuellen Förderprogrammen wider, die die Festlegung auf familiale Wohnformen durch ihre Förderpolitik in großen Teilen zementieren. Generell lässt sich feststellen, dass die organisierte Gruppenselbsthilfe von allen Beteiligten ein hohes Maß an Engagement und Einsatzbereitschaft erfordert. Dies gilt nicht nur für die Baufamilien und die Träger der Maßnahme, sondern auch für die Kommunen. Ohne die Unterstützung von Städten und Gemeinden sind solche Projekte schwer durchführbar. Die unterstützende Begleitung durch die betreffende Kommune ist eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung, z. B. durch den Nachweis geeigneter, kostengünstiger Baugrundstücke, der Subventionierung der Grundstückspreise und die Vergabe von Gründstücken im Wege des Erbbaurechts. Aber auch die Organisation des Bauablaufs und die kompetente Betreuung und Anleitung durch einen Träger haben sich als entscheidende Faktoren für das Gelingen eines Selbsthilfeprojekts herausgestellt (IRS 1998). Auf der Grundlage der Analyse von sieben Selbsthilfeprojekten werden im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit unterschiedliche Betreuungs- und Anleitungsformen und deren (kritische) Einschätzung aus der Sicht der Baufamilien in den Blick genommen. Obwohl der Erfolg der Selbsthilfemaßnahmen sowohl von der Politik als auch von den beteiligten Baufamilien soweit bisher überhaupt erhoben durchaus positiv gesehen wird, sind meiner Ansicht nach zwei grundsätzliche Prämissen dieser Maßnahmen zu problematisieren. Vor dem Hintergrund der im letzten Kapitel aufgezeigten Eigenheimideologie ist die gängige Koppelung von Selbsthilfe und Wohneigentum problematisch. Die Selbsthilfeansätze im (genossenschaftlichen) Mietwohnungsbau, die zurzeit eine nur wenig beachtete Randerscheinung darstellen, sollten stärker gefördert werden. Dazu gehört auch die Entwicklung neuer Verfügungsformen im Wohnbereich (Weeber u. a. 1999). Bezogen auf die von der Politik formulierten Zielgruppen der einkommensschwachen Familien gilt es zweitens zu fragen, ob es für Haushalte mit geringem finanziellen Spielraum überhaupt sinnvoll ist, Wohnungseigentum zu bilden. Der Hausbau ist verbunden mit einer enormen Arbeitsbelastung und in einigen Fällen auch mit einer kaum tragbaren monatlichen finanziellen Belastung (vgl. Kap. II). Zudem gehen Haushalte mit geringem finanziellem Spielraum mit dem Hausbau ein beträchtliches Risiko ein, das beispielsweise im Falle eines Arbeitsplatzverlustes auch zu einem Verlust des Hauses und einer langfristigen Verschuldung führen kann. Im Zu142
sammenhang mit diesen Fragen wird in der Analyse meines Fallbeispiels erörtert, wie sich die Finanzierung und die monatliche Wohnkostenbelastung in den untersuchten Selbsthilfeprojekten gestaltet und wie der Hausbau im Hinblick auf die Zufriedenheit vor dem Hintergrund einer massiven Belastungssituation reflektiert wird. Die Selbsthilfe, insbesondere die Gruppenselbsthilfe, ist eng mit dem Begriff der Gemeinschaft verbunden: Gemeinschaft der Selbsthelfer/innen im Hinblick auf das gemeinsame Ziel, den Hausbau; Gemeinschaft aber auch nach der Bauzeit in stabilen nachbarschaftlichen Netzwerken. Diese enge Verknüpfung geht meines Erachtens zu weit bzw. weist auf eine ideologische Überhöhung (Harlander 1993) der mit der Selbsthilfe verbundenen Ansprüche hin. Zwar bietet die Gruppenselbsthilfe tatsächlich die Gelegenheit, die zukünftigen Nachbarn während der Bauzeit (gut oder vielleicht sogar zu gut) kennenzulernen. Damit ist jedoch noch nichts über die weitere Entwicklung der Nachbarschaft nach der Bauzeit gesagt. Die Möglichkeit der Gemeinschaftsbildung durch Selbsthilfe wird auch in der Literatur durchaus kritisch reflektiert. Allerdings zeigt die Selbsthilfe in der genossenschaftlichen Tradition auch ein Potential an Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsmöglichkeiten. Insofern kann sie als ein wichtiges Element bürgerschaftlichen Engagements/demokratischer Entwicklungsprozesse angesehen werden. Offen bleibt in vielen Fällen, wie sich der gemeinsame Bauprozess konkret gestaltet, welche Hemmnisse einer positiven Gemeinschaftsentwicklung entgegenwirken und welche Faktoren diese fördern. Dies gilt ebenso für die Entwicklung der Projekte nach der Bauzeit. Welche Rolle spielen Gemeinschaftseinrichtungen bei der Etablierung eines nachbarschaftlichen Zusammenlebens? Diesen Fragen wird in der Analyse der Selbsthilfeprojekte meines Fallbeispiels nachgegangen. Insgesamt muss konstatiert werden, dass es nur wenige (wissenschaftliche) Untersuchungen zur organisierten Gruppenselbsthilfe gibt. Die vorhandenen Analysen bieten eine schmale empirische Basis, die durch die Untersuchung der im Rahmen der IBA Emscher Park durchgeführten Projektreihe Einfach und selber bauen erweitert werden soll. Die sowohl quantitative (Fragebogen) wie qualitative (Interviews) Erhebung baut auf den dargestellten Ergebnissen zur baulichen Selbsthilfe auf. Im folgenden Kapitel (IV) werden die Gruppenselbsthilfeprojekte hinsichtlich ihrer Zielsetzung, Rahmenbedingungen und der Einordnung in den Kontext der Internationalen Bauausstellung dargestellt. Die Entwicklung und Konkretisierung meiner Forschungsfragestellungen schließt sich in Kapitel V an; die methodische Vorgehensweise erläutert Kapitel VI. Die Analyse und Interpretation der Untersuchungsergebnisse erfolgt in Kapitel VII anhand einer thematischen Strukturierung, die sich an den Forschungsfragen orientiert.
143
IV. Die IBA Emscher Park und die Projektreihe Einfach und selber bauen Die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park war ein auf zehn Jahre befristetes Strukturprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen. Ihrem Selbstverständnis nach hat sich die IBA Emscher Park als eine regionale Entwicklungsstrategie verstanden, als Werkstatt für die Zukunft von Industrieregionen (IBA Emscher Park 1996). Ziel war es, für das Ruhrgebiet eine Zukunftsperspektive in der Form eines neuen qualitativen Entwickungsmodells zu entwickeln, ohne mit dem dortigen montanindustriellen Erbe zu brechen. Die IBA fand von 1989 bis 1999 im nördlichen Ruhrgebiet statt. Ihr Planungsgebiet umfasste 803 Quadratkilometer und 17 Städte mit ca. 2,1 Mio. Einwohnern und Einwohnerinnen. Ihrem Leitbild einer nachhaltigen Regionalentwicklung entsprechend, hat die IBA eine Vielzahl von Projekten und Aktivitäten zur Erneuerung der alten Industrieregion initiiert, entwickelt und begleitet.83 Zur Erfüllung dieser äußerst komplexen Aufgabe wurden sechs Handlungsfelder definiert: Wohnen, Gewerbe, Landschaft, Umbau des Emschersystems, Industriedenkmale und soziale und kulturelle Initiativen. Ihre Arbeitsschwerpunkte hatte die IBA in den Bereichen Pflege und Gestaltung von Landschaft und Freiräumen, Umgang mit Wasser, Qualität von Gewerbe und Dienstleistungsstandorten, Erhalt von Industriedenkmälern und historischen Arbeitersiedlungen sowie Experimente mit neuen Wohnformen und neuen Formen der Nutzerbeteiligung. Neben den inhaltlichen Aspekten sollten auch neue Verfahren der Planung und Steuerung erprobt werden.84 Dem Arbeitsschwerpunkt Wohnen und Stadtentwickung und der Entwicklung wohnungspolitischer Konzepte gilt die Aufmerksamkeit dieser Arbeit: In der Zeit von 1989 bis 1999 wurden 2500 Wohnungen in rund 20 Neubauprojekten erstellt, die besondere städtebauliche und architektonische Qualitäten besaßen. Der Neubau von Siedlungen wurde in einigen Bereichen mit der Reaktivierung städtisch integrierter Brachflächen verbunden (z. B. Gartenstadtsiedlung Seseke-Aue in Kamen, Küppersbusch-Gelände in Gelsenkirchen, die Reaktivierung der Zeche Holland und Zechenbrache Prosper III, Siedlung "Im Ziegelgrund" in Recklinghausen etc.). Diese Siedlungen und Wohnprojekte thematisieren ökologisches Bauen, BewohnerInnenbeteiligung sowie soziale Qualitäten und sind häufig Teil komplexer Stadtentwicklungsprojekte im nördlichen Ruhrgebiet (Beierlorzer 1996: 191). Unter den Wohnprojekten befinden sich auch kleinere, zielgruppenbezogene Wohnprojekte mit sozialem oder thematischem Profil, wie z. B. Frauen planen bauen in Bergkamen, Wohnprojekt für Allein83
84
Im Finale der IBA 1999 wurden 120 Projekte präsentiert (vgl. IBA Emscher Park 1999). Zur Organisationsstruktur der IBA vgl. Siebel 2000a. In diesem Zusammenhang entstanden eine Vielzahl von Forschungsarbeiten vgl. etwa Kilper 1999 und BBR 1999.
145
erziehende in Recklinghausen-Süd,85 neue Wohnsiedlung in Herne (Umsiedlungsmaßnahme), Wohnen im Alter auf der ehemaligen Zeche Holland etc. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Wohnprojekte ist die Initiierung von Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozessen, die aus Sicht der IBA die besondere soziale Qualität des Wohnungsbaus charakterisieren. In die gleiche Richtung geht die Einrichtung von Wohnergänzungseinrichtungen und Gemeinschaftsräumen, die in allen Wohnprojekten geschaffen wurden (Beierlorzer 1996: 195). Neben den beschriebenen Aktivitäten im Bereich des Wohnungsneubaus hat die IBA Anfang der 90er Jahre die Projektreihe "Einfach und selber bauen" entwickelt. In dieser Maßnahme wurden im Zeitraum von 1994 bis 2000 sieben Siedlungen im Ruhrgebiet in organisierter Gruppenselbsthilfe errichtet.86 Diese Projekte sollten ein "Impuls für qualitätsvollen Siedlungsneubau und Beitrag für eine soziale Wohnungsversorgung" darstellen (IBA Emscher Park 1998: 5). Die Projektidee entstand vor dem Hintergrund einer Neueinschätzung der Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungsbaus in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in der Emscher Region. Zwei Faktoren spielen dabei eine wesentliche Rolle: Die Frage des Bauens am Stadt- und Siedlungsrand und der Nachholbedarf in der Emscher-Region bezogen auf die Wohneigentumsbildung (Beierlorzer 1996: 198). Im folgenden Kapitel wird in einem ersten Schritt die Projektidee Einfach und selber bauen und die damit verbundenen Positionen/Absichten dargestellt. In einem zweiten Schritt werden die Selbsthilfewohnprojekte (Größe, bauliche Gestaltung etc.) beschrieben. Dies stellt die Grundlage für die darauf folgende Darstellung der Forschungsfragestellungen und der empirischen Erhebungen in den Selbsthilfe-Projekten dar.
85
Zu Themenfeld IBA und Frauen allgemein vgl. Becker/Greiwe/Pohlmann-Rohr 2000; zu den Frauenwohnprojekten der IBA vgl. Novy 1999.
86
Ursprünglich war eine achte Siedlung in Selm (Münsterland) geplant, die jedoch nach Einschätzung der IBA wegen der mangelnden Nachfrage in der ländlichen Region nicht realisiert wurde.
146
1.
Die Projektidee "Einfach und selber bauen"
87
Die IBA-Projektreihe Einfach und selber bauen greift die Probleme der Wohnungsversorgung auf und entwickelt im Rückgriff auf traditionelle Selbsthilfe- und (Arbeiter-)Siedlungskonzepte ein neues Konzept der sozialen Wohnungsversorgung. Im Kern geht es dabei um die Versorgung unterer Einkommenschichten mit bezahlbarem und qualitätsvollem Wohnraum. Die Qualität der Wohnungen bezieht sich jedoch nicht nur auf den Wohnraum, sondern ebenso auf Freiraum- und Wohnumfeldqualitäten. Diese Wohnqualitäten sieht die IBA Emscher Park in idealer Weise in kleinen, gartenstädtisch geprägten Siedlungen mit der eigentumsähnlichen Wohnform des Hauses mit Garten umgesetzt.88 Henry Beierlorzer formuliert das Ziel der Projektstrategie Einfach und selber bauen: Siedlungen bauen mit architektonischem Anspruch, mit Eigenheimen für kleine Leute, mit Beiträgen zu ressourcenschonendem Bauen sowie als Grundlage für Nachbarschaft und soziale Gemeinschaft in der Stadt (Beierlorzer 1999: 66). Die Idee ist, jungen Familien mittlerer und unterer Einkommenschichten durch eine Kombination von Selbsthilfe und kostengünstigem Bauen einen neuen Weg zum Wohneigentum zu ermöglichen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht die klassischen Eigenheimer, sondern Schwellenhaushalte, die sich den Sprung ins Wohneigentum ohne besondere Förderungen nicht leisten könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen angewandt: kostengünstiges und ressourcenschonendes Bauen, Bauen in der Gruppe und Selbsthilfe als Eigenkapitalsersatz. Kern der Projektidee ist der Einsatz von organisierter Gruppenselbsthilfe der Baufamilien, die durch Eigenleistung (Muskelhypothek) das notwendige Eigenkapital ersetzen und zur Reduzierung der Finanzierungskosten betragen können. Das Finanzierungskonzept: Selbsthilfe als Eigenkapitalersatz Die Projektstrategie Einfach und selber bauen greift in ihrem Finanzierungskonzept ein gravierendes Zugangsproblem zum Eigenheimerwerb auf. Grundlage jeder Wohneigentumsfinanzierung ist das notwendige Eigenkapital von mindestens 15% der Baukosten. Bei vielen Haushalten mit Kindern und geringem Einkommen ist der notwendige Eigenkapitalsanteil jedoch nicht oder noch nicht vorhanden. Die Baufamilien in den Einfach und selber bauen-Projekten hatten die Möglichkeit, einen wesentlichen
87
88
Die Selbsthilfe-Projekte sind in einer Broschüre der Internationalen Bauausstellung dargestellt (IBA Emscher Park 1998). Darüber hinaus hat das Landesinstitut für Bauwesen NRW in Zusammenarbeit mit der IBA Emscher Park ein Handbuch zur Projektreihe "Einfach und selber bauen" herausgegeben (Beierlorzer/Boll 1998). Vgl. weiter Kirbach 1999, Beierlorzer 1996 und 1999, speziell zu Duisburg-Hagenshof vgl. Goerke 2001, zu Lünen-Brambauer vgl. Novy 1999. Zum Konzept der Gartenstadt und dessen Bedeutung für die Entwicklung von Wohn- und Siedlungskonzepten der IBA vgl. Zlonicky 1999 und Scholz 2000.
147
Teil des Eigenkapitals durch Selbsthilfe zu ersetzen. Dadurch wird der durch die Selbsthilfe erwirtschaftete Finanzierungsbeitrag neben dem üblichen Fremdkapital der Banken und der Eigenheimförderung des Landes Nordrhein-Westfalen zu einem zentralen Bestandteil der Finanzierung. Beierlorzer geht von einem durchschnittlich zu erwirtschaftenden Selbsthilfeanteil von 30.000 DM89 aus. Dies gelingt nach Ansicht der IBA nur, wenn die bauliche Selbsthilfe bereits im Rohbau einsetzt und einen erheblichen Stundenaufwand der Baufamilien von durchschnittlich etwa 1.500 bis 2.000 Arbeitstunden umfasst. Die Selbsthilfestunden wurden von den Baufamilien nach Feierabend, an Wochenenden und im Urlaub gearbeitet (Beierlorzer 1999: 66). Die Einfach und selber bauen-Projekte wurden in organisierter Gruppenselbsthilfe durchgeführt. Ein Träger übernahm dabei die professionelle Betreuung der Baumaßnahme in kaufmännischer (finanzielle Beratung und Abrechnung) und technischer Hinsicht. Die Gruppe der Baufamilien wurde beim Hausbau durch den Träger angeleitet und betreut und arbeitete gemeinsam an allen Häusern der Siedlung. Soziale Wohnungsversorgung Die Kombination von kosten- und flächensparendem Bauen und Gruppenselbsthilfe ermöglicht aus der Sicht der IBA die Erschließung eines neuen Marktsegments im Eigenheimbereich: die Sozialmieterhaushalte. Auch geringverdienende Haushalte erhalten durch die bauliche Selbsthilfe eine Zugangsmöglichkeit zum Wohneigentum. Allerdings sind, so Beierlorzer, die Projekte nicht mit dem klassischen Eigenheimmarkt zu vergleichen. Sie sind vielmehr eine Variante zur Versorgung für Familienhaushalte im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau. Es handelt sich nicht um Alternativen zum Eigenheim, sondern um Alternativen zur Geschossmietwohnung. (Beierlorzer 1999: 67) Die Wohnflächen und Ausstattung der vergleichsweise kleinen Reihenhäuser orientieren sich an den Wohnflächenobergrenzen des öffentlich geförderten Mietwohnungsbaus. Um tatsächlich eine Alternative zur (Sozial-)Mietwohnung darzustellen, werden Wohnkosten angestrebt, die mit denen einer Mietwohnung vergleichbar sind. Daher dürfen die Gesamtkosten des Bauvorhabens die Kostenschwelle von 320.000 DM nicht überschreiten. Dies bedeutet Gesamtkosten um 3.000 DM pro qm Wohnfläche.90 Als entscheidene Vorzüge dieser Projekte hebt Beierlorzer die Wohnform des eigenen Hauses mit Garten und die dauerhafte Wohnperspektive hervor (ebd.). Voraussetzung einer erfolgreichen Realisierung des Projektprinzips ist auf Seiten der Kommunen eine 89
Im Handbuch zur Projektentwicklung wird ein durchschnittlicher Selbsthilfeanteil von 25.000 bis 35.000 DM angegeben (Beierlorzer/Boll 1998: 10).
90
Dies entspricht etwa 1.700 bis 1.800 DM Baukosten (Bauwerkskosten) pro qm Wohnfläche (Beierlorzer/Boll 1998: 14).
148
aktive Baulandpolitik hinsichtlich der Bereitstellung geeigneter Grundstücke und des Grundstückspreises. Darüber hinaus müssen die Effekte des kostensparenden Bauens und der Gruppenselbsthilfe ohne Zwischengewinne direkt an die Nutzer und Nutzerinnen weitergegeben werden. Nachbarschaft und Gemeinschaft Als Gegenbild zum individualisierten Wohnen am Stadtrand vertritt die Projektstrategie die soziale Siedlungsidee Wohnen in einer guten Nachbarschaft und Gemeinschaft. Über die Beteiligung der Baufamilien und den intensiven Bauprozess in der organisierten Gruppenselbsthilfe entsteht, so die IBA, die soziale Gemeinschaft bereits beim Zusammenarbeiten. "Durch die Organisation der baulichen Selbsthilfe in der Gruppe wird über die professionelle Abwicklung von Baumaßnahmen hinaus ein hohes Maß an Nachbarschaft und Siedlungszusammenhang bei den Bauherren entwickelt. Selbsthilfeprojekte der Reihe Einfach und selber Bauen bilden damit die direkteste Form von Beteiligungsansätzen im Wohnungsbau." (Beierlorzer 1996: 199) In allen Projekten wurden darüber hinaus Gemeinschaftshäuser oder Gemeinschaftsflächen (Grünflächen oder Spielbereiche) als Siedlungsmitten umgesetzt, die als kommunikative Treffpunkte auch ein Stück räumlicher Identität der neuen Siedlungen sind (IBA Emscher Park 1998: 9). Die gemeinschaftlichen Einrichtungen und Flächen sind auch als ein Ausgleich für die begrenzten Flächen innerhalb des individuellen Hauses und Gartens angelegt und sollen zu einer deutlichen Qualitätssteigerung des Wohnumfeldes und der Nachbarschaft beitragen. Die Aufgaben der Siedlergemeinschaft sind auch nach Bezug der Häuser und vor allem in der Nutzungsphase nicht beendet. Die gemeinsame technische Infrastruktur (Haustechnikzentralen) und die gemeinschaftlichen Wege, Plätze und Grünflächen müssen durch die Siedlergemeinschaft instandgehalten, gepflegt und verwaltet werden. Die grundstücksrechtliche Aufteilung der Siedlungen erfolgt nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Dadurch werden Notar- und Vermessungskosten gespart und die Anlage der gemeinschaftlichen Erschließung sowie der Ver- und Entsorgung erleichtert (Beierlorzer/Boll 1998: 50). Durch diese Maßnahmen sollen die Einfach und selber bauen - Siedlungen Grundlagen für Nachbarschaft und soziale Gemeinschaften in der Stadt bilden.
149
Siedlungskonzept und Elemente des kosten- und ressourcenschonenden Bauens Im Mittelpunkt der Projektstrategie steht somit nicht der Bau von einzelnen, kostengünstigen Reihenhäusern, sondern die Entwicklung kleiner Gartenstadtsiedlungen in der Tradition des Arbeitersiedlungsbaus im Ruhrgebiet. Diese Siedlungen aus einem Guß stehen für eine besonders "hohe Wohnqualität im Haus mit eigenem Eingang und kleinem Garten, in einer überschaubaren Nachbarschaft" (IBA Emscher Park 1998: 5). Die Projektstrategie Einfach und selber bauen ist im Kern jedoch ein städtisches Bau- und Wohnkonzept. Mit städtebaulich geschlossenen Siedlungen, kompakten Bauweisen, Reihenhausstrukturen und einer gebündelten Erschließung bieten die Projekte Alternativen zum Geschosswohnungsbau und zur Zersiedlung der Stadtränder durch Eigenheime. Die Siedlungen werden über Stichstraßen erschlossen, die den Charakter von Wohnwegen haben. Die Stellplätze, in der Regel im Verhältnis 1:1, werden möglichst dezentral konzentriert, um ein autofreies Siedlungsinneres zu erreichen. Die Autostellplätze werden als offene Stellplätze oder als begrünte Carport-Anlagen gestaltet. Die Siedlungskonzepte wurden über Wettbewerbsverfahren ausgewählt und beinhalten eine Reihe ressourcenschonender Maßnahmen. Einige der Siedlungen wurden in Holzbauweise erstellt, alle entsprechen dem Niedrigenergiehausstandard und realisieren einen naturnahen Umgang mit Regenwasser (Nutzung oder Versickerung) in den Siedlungsgebieten. Als Elemente des kostengünstigen Bauens wurden neben den vielen Einzelaspekten kostenoptimierter Gebäudeplanung im Wesentlichen drei Maßnahmen umgesetzt: Verzicht auf einen Keller und Ersatz durch Neben- und Abstellräume im Haus oder auf dem Grundstück, gemeinsame Technikzentralen für Heizung, Strom und Wasserversorgung und Optimierungen im Bereich der Hausinstallation sowie Erschließung und Entwässerung (IBA Emscher Park 1998: 11). Die Reihenhäuser zeichnen sich durch einen guten Grundrisszuschnitt aus, der es ermöglicht, auch mit den vom öffentlich geförderten Mietwohnungsbau üblichen 80 bis 100 qm Wohnfläche auszukommen. Die Gebäudegrundrisse basieren auf wenig tiefen und dafür breiteren Häuser und haben gleich große nutzungsneutrale Schlafräume und möglichst geringe Flur- und Entschließungsflächen. Die Grundrisse sind in der Regel flexibel angelegt, so dass die Baufamilien Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Raumaufteilung nutzen können (Beierlorzer/Boll 1998: 55ff).
150
Zusammenfassung In der Projektreihe Einfach und selber bauen greift die IBA mit der Eigentumsorientierung den zentralen Wohnwunsch vor allem familienorientierter Haushalte auf. Sie thematisiert damit zugleich auch den wesentlichen Motor der Suburbanisierungsprozesse mit den bekannten negativen Effekten. Um der Zersiedlung entgegen zu wirken, setzt die IBA auf die Entwicklung von verdichteten Siedlungskonzepten am Standrand, die konsequent Maßnahmen des kostensparenden und ressourcenschonenden Bauens einsetzen. Um den Wohnwunsch vom eigenen Haus auch für Familien mit niedrigem Einkommen realisierbar zu machen, wurde der Einsatz von baulicher Selbsthilfe geplant. Durch die Wiederbelebung des Konzepts der organisierten Gruppenselbsthilfe rückt der Eigenheimbau somit auch für untere Einkommenschichten in den Bereich des Möglichen. Der Einsatz von baulicher Selbsthilfe in einem nennenswerten Umfang bereits beim Rohbau ermöglicht den Ersatz von Eigenkapital durch die Selbsthilfe und trägt damit zu einer sozialen Wohnungsversorgung (von Familien) bei. Durch den gemeinsamen Bauprozess und die Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen soll darüber hinaus die Entstehung nachbarschaftlicher Netzwerke und gemeinschaftsorientierter Wohnformen gefördert werden.
2.
Die Selbsthilfe-Projekte und ihre Organisation
2.1. Projektbeschreibungen Gladbeck, Rosenhügel Als eine der letzten Siedlungen wurden in Gladbeck ab 1998 43 Reihenhäuser errichtet, aufgeteilt in sieben Gebäudezeilen. Die Reihenhäuser haben ein Pultdach, wurden in konventioneller Mauerwerksbauweise erstellt und sind nicht unterkellert. Alle Reihenhäuser haben im Gegensatz zu den restlichen Projekten einen Balkon im Obergeschoss. Abb. 5: Gladbeck, Rosenhügel
(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 28)
151
Die Erschließung der Siedlung ist kleinteilig, verkehrsberuhigt und geprägt durch Bäume und Grünbereiche. Zwischen dem zentral gelegenen Platz und der Grünfläche liegt ein kleines Gemeinschaftshaus. In der Siedlung wurden vier Haustypen mit unterschiedlicher Wohnfläche (96, 98, 110 und 111 qm) realisiert. Die Hausbreiten liegen zwischen 6,65 m und 7,50 m; die Haustiefen bei lediglich ca. 10 Metern. Die äußere Gestaltung der Häuser ist festgelegt; einen Spielraum haben die Baufamilien bei der Gestaltung des Hausinneren. Jeweils ein Stellplatz (Carport) ist auf dem Grundstück oder in unmittelbarer Nähe angeordnet. Die Häuser entsprechen dem Niedrigenergiehaus-Standard und werden durch eine gemeinschaftliche Heizzentrale versorgt. Die Regenwasserableitung und -versickerung erfolgt über ein Rinnen- und Muldensystem (vgl. IBA 1998). Recklinghausen-Hochlar, Holthoffstraße Bei diesem Selbsthilfe-Projekt handelt es sich um den Neubau von Einfamilienreihenhäusern in konventioneller Mauerwerksbauweise mit Holzfassade. Das Projekt wurde im Jahr 2000 fertig gestellt. Die Siedlung besteht aus 37 Reihenhäusern und einem Gemeinschaftshaus. Erschlossen wird die Siedlung über eine Schleife von der Holthoffstraße. Die Stellplätze für die Autos (Carports mit Dachbegrünung) werden an den beiden Siedlungseingängen konzentriert. Dadurch erhält die Straße durch die Siedlung den Charakter eines Wohnweges. Der westliche Straßenabschnitt wird zu einem Nachbarschaftsplatz als Siedlungsmitte gestaltet, am dem das Gemeinschaftshaus steht. Die Reihenhäuser sind nicht unterkellert und haben als Ersatz für den Kellerraum neben den Hauseingängen ebenerdige Abstellräume. Für die Reihenhäuser wurden sechs Haustypen mit unterschiedlichen Größen (von 88 qm bis 111 qm) entwickelt. Die Häuser haben relativ breite Achsmaße, um die gute Belichtung der Räume zu gewährleisten. Die Häuser entsprechen dem Niedrigenergiehausstandard und sind konsequent nach Süden orientiert. Eine zentrale Heizanlage im Gemeinschaftshaus versorgt die Siedlung mit Energie für Heizung und Warmwasser. Die Dächer der Reihenhäuser sind begrünt und führen dadurch zu einer deutlichen Reduzierung des Niederschlagswassers. Der Rest des Niederschlagswassers wird auf dem Grundstück versickert. Die Siedlung erhielt den BDA-Preis Auszeichnung guter Bauten 2000 und den Bauherrenpreis 2002 der Aktion Hohe Qualität tragbare Kosten. (vgl. LB 2002: 10f., IBA 1998)
152
Abb. 6: Recklinghausen-Hochlar
(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 34)
Selbsthilfeprojekte Herten, Feldstraße In dem kleinsten Projekt der Reihe Einfach und selber bauen wurden in organisierter Gruppenselbsthilfe 20 Einfamilienreihenhäuser in Holzbauweise errichtet.91 Die Gebäude wurden als teilvorgefertigte Holzrahmenkonstruktion von einer norwegischen Holzbaufirma aufgestellt. Die Siedlung ist als eine kinderfreundliche Hofanlage mit einem Spielplatz konzipiert. Der autofreie Hof als städtebauliche Figur verbindet die Bewohner und Bewohnerinnen miteinander und bietet Platz für gemeinsame Aktivitäten, allerdings ist kein Gemeinschaftshaus vorhanden. Abb. 7: Luftaufnahme Herten
(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Blossey)
91
In einem zweiten Bauabschnitt werden auf dem angrenzenden Grundstück weitere elf Reihenhäuser errichtet.
153
Die Autos parken vor dem Innenhof auf einem eigenen Grundstück. Die Wege zu den Häusern sind gepflasterte Privatwege. Alle Hauseingänge sind zum Hof ausgerichtet und vielen Häusern sind Holzveranden vorgelagert. Die Farbgestaltung der Häuser orientiert sich an den von Kindern verwendeten Grundfarben (Rot, blau, grün und gelb). Es sind zwei unterschiedliche Haustypen errichtet worden, 92 qm und 111 qm, beide mit einer Ausbaureserve von 33 qm im Dachgeschoss. Die Grundrisse wurden den verschiedenen Bedürfnissen der Baufamilien angepasst. Eine gemeinschaftliche Heizzentrale versorgt die gesamte Siedlung mit Energie für Heizung und Warmwasser. Die Gebäude sind als Niedrigenergiehäuser konzipiert. Das Projekt wurde auf Initiative der Stadt Herten und dem Kinderbüro ProKids entwickelt. ProKids betreute und moderierte in Zusammenarbeit mit dem Träger auch den Bauprozess (vgl. LB 2002: 14f., IBA 1998, Kirbach 1999). Gelsenkirchen-Bismark, Laarstraße/Sellmannsbachstraße Die Siedlung besteht aus sechs Doppelhäusern und 22 Reihenhäusern, aufgeteilt in fünf Gebäudezeilen. Anstelle einer Unterkellerung befinden sich Abstellräume im Haus selbst und vor dem Haus. Jede Hausgruppe hat eine gemeinsame Zentrale für die Heizungsanlage. Zu jeder Wohnung gehört ein Carport am Rand der Siedlung. Die (Schmetterlings-)Dächer der Häuser sind begrünt. Die Häuser wurden in Holzrahmenkonstruktion erstellt und die Holzfassade wurde farblich in verschiedenen Blautönen gestaltet. Es handelt sich um Niedrigenergiehäuser. Die Bestandteile der Holzhäuser wurden auf der Baustelle durch die Baufamilien vorgefertigt und dann aufgestellt. Abb. 8: Gelsenkirchen-Bismarck: Straßenansicht
(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Vollmer )
154
Das Gemeinschaftsgrundstück befindet sich am Ende der letzten Reihe. Es ist kein Gemeinschaftshaus vorhanden. Das Grundstück an der Seite ist als kleiner Steingarten gestaltet, das Grundstück am Ende als Spielplatz. Pläne für die Gestaltung eines gemeinschaftlichen Grillplatzes sind nicht auf die Zustimmung der BewohnerInnen gestoßen. Es sind fünf verschiedene Haustypen gebaut worden, die sich in der Wohnfläche z. T. jedoch nur geringfügig unterscheiden. Das kleinste Haus hat ca. 78 qm² Wohnfläche (drei Häuser), es sind insgesamt zehn Häuser zwischen 84 und 88 qm² vorhanden, sieben Häuser mit 92,68 qm² und acht große Häuser mit 104,2 qm². Die erste Reihe zur Straße besteht aus sechs Doppelhäusern (vgl. Foto oben). Diese Häuser haben ihre Abstellräume (Bergings)92 direkt neben dem Haus. Bei den anderen Häusern befinden sich die Kellerersatzräume neben den Carports, die entlang der Straße angebracht sind. Die zweite und dritte Hausreihe sowie die vierte und fünfte Reihe haben einen gemeinsamen schmalen Eingangsweg, der nur wenig Licht in die Hauseingänge lässt. Dazu liegen die Eingänge nach innen versetzt. Zusätzlich zu den Abstellräumen haben alle Häuser ein Gartenhaus. Zwischen den privaten Gärten sind Gartenwege angelegt worden. Alle Gebäude erfüllen den Niedrigenergiehausstandard. Das umgesetzte Regenwasserkonzept beinhaltet begrünte Dächer, unversiegelte Flächen und Versickerungsrigolen (vgl. IBA 1998). Abb. 9: Gelsenkirchen-Bismark: Blick in die Hausreihe
(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Vollmer) 92
Der Begriff der Bergings für die Kellerersatzräume verweist auf niederländische Vorbilder.
155
Die Siedlungen in Gelsenkirchen und in Lünen wurden von dem gleichen Träger und in identischer Bauweise erstellt. Die Anordnung der Häuser auf dem Grundstück und die Gestaltung der Freiflächen differieren jedoch beträchtlich (s.u.). Bergkamen, Hubert-Biernat-Straße Der Baubeginn in Bergkamen war im Frühsommer 1996. Es waren zunächst 21, später 22 Häuser geplant, die dann auch gebaut wurden. Zusätzlich entstanden auf dem Grundstück zwölf Geschossbauwohnungen, die von einer Firma erstellt wurden und als Eigentumswohnungen verkauft werden sollten. Die Häuser sind seit Mai/Juni 1997 fertig gestellt. Abb. 10: Luftbild Bergkamen
(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Lippsmeier)
Die 22 Reihenhäuser und 12 Geschosswohnungen befinden sich auf einem Flurstück, eine zentrale Heizungsversorgung befindet sich in dem Geschossbau. Die Reihenhäuser sind in fünf Gebäuderiegeln nach Süden und Westen ausgerichtet. Das Grundstück liegt in einer Ecksituation zwischen Straße und Wald. Alle Gebäude wurden in konventioneller Mauerwerksbauweise mit vorgezogenem Pultdach errichtet. Die Häuser sind nicht unterkellert, neben dem Hauseingang und im Garten befinden sich Abstellund Kellerersatzräume. Zu jeder Wohnung gehört ein Autostellplatz. Die erforderlichen Stellplätze wurden im (öffentlichen) Straßenraum einer angrenzenden Straße untergebracht. Die Stellplätze wurden mit Hecken und Bäumen von den öffentlichen Verkehrsflächen abgegrenzt. Es wurden drei Haustypen mit 80 qm, 92 qm und 110 qm gebaut. Die Reihenhäuser wurden mit überdurchschnittlich breiten Achsmaßen und unter Verzicht tragender Innenwände konzipiert. Daraus ergaben sich verschiedene mögliche Grundrissvarianten. Alle Häuser haben eine vorgelagerte, überdachte Veranda als Übergang zur öffentlichen Fläche. Im vorderen Bereich der Siedlung an einem dreieckigen Gemeinschaftsplatz liegt ein überdachtes, an den Seiten offenes Gebäude, das als Gemeinschaftshaus der Siedlung fungiert. Das Projekt erhielt den Bauherren156
preis 1998 und die Auszeichnung gutes Bauen des Bundes Deutscher Architekten (vgl. IBA 1998). Duisburg-Hagenshof, Taunusstraße Die Siedlung besteht aus 52 Häusern und sechs Eigentumswohnungen, die in Massivbauweise erstellt wurden. Das städtische Grundstück wurde in Erbpacht an die Baufamilien vergeben. Die Häuser wurden in verschiedenen Bauabschnitten fertig gestellt, und entsprechend zog sich auch die Bezugszeit über einen längeren Zeitraum hin. Am Zugang zur Strasse befinden sich offene Sammelstellplätze für die Autos (ein Stellplatz pro Wohneinheit). Die Siedlung wird durch eine Straße mit Wendehammer erschlossen. Auf eine direkte Zufahrt vor jedes einzelne Haus wurde verzichtet, um die Verkehrsfläche und die Versiegelung zu reduzieren. In einem Nebengebäude (im Winkel zwischen den Hauszeilen) hat jedes Haus einen Abstellraum als Ersatz für den fehlenden Keller. In diesen Räumen wurden auch der gemeinsame Hausanschluss und die Heizzentrale mit Warmwasserversorgung für die Hausgruppe untergebracht. Abstellraum und Freifläche sowie der Wohnweg sind gemeinschaftliches Eigentum jeder Hausgruppe, teils mit gemeinschaftlichem Nutzungsrecht, teils (bei Stellplätzen und Abstellräumen) mit individuellem Sondernutzungsrecht. Zentrum der Siedlung ist ein baumbestandener Platz entlang der Straße, an dem das Gemeinschaftshaus liegt. Die in der Mitte der Siedlung liegende Freifläche ist als Ergänzung des privaten Gartens gedacht. Abb. 11: Duisburg- Hagenshof: Blick auf die Gärten
(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Bremer)
In der Siedlung in Duisburg wurden zwei Reihenhaustypen mit 85 qm bzw. 95 qm für Familien mit drei bis fünf Personen gebaut. Als Orientierungswerte für die Woh157
nungsgrößen wurden die Wohnflächenobergrenzen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus zugrunde gelegt. Während die Außengestaltung im Sinne eines homogenen Erscheinungsbildes der Siedlung von den Architektinnen verbindlich festgelegt wurde, konnte der Grundriss der Häuser individuell angepasst werden. Die Häuser erreichen durch passive Energiegewinnung aufgrund der Südausrichtung, durch Wärmeschutzverglasung und hochwertige Dämmung den Niedrigenergiehausstandard. Die Pultdächer der Häuser sind begrünt, und durch eine offene Versickerung des Regenwassers in einem Muldensystem können kommunale Abwassergebühren reduziert werden (vgl. Goerke 2001, IBA 1998). Abb. 12: Luftaufnahme Duisburg-Hagenshof
(Quelle: IBA 1998: 24)
Lünen-Brambauer, Am Calversbach Die Siedlung in Lünen ist Teil eines größeren Neubaugebietes und besteht aus 30 Holzreihenhäusern, die sich um einen gemeinschaftlichen Innenhof gruppieren. Auf diesem Platz in der Mitte der Siedlung befindet sich das Gemeinschaftshaus und ein Spielplatz.Da die Autostellplätze (Carports) am Rand der Siedlung untergebracht sind, ergibt sich ein autofreies Siedlungsinneres. Realisiert wurden Reihenhäuser in vier unterschiedlichen Größen: 84, 93, 104 und 122 qm Wohnfläche. Die Grundrisse der Reihenhäuser sind flexibel nutzbar. Die Gebäude sind nicht unterkellert und haben Abstellräume im Haus und im Garten.
158
Wie auf der Luftaufnahme (vgl. Abb. 13) zu erkennen ist, grenzen die Gartenhäuser die individuellen Gärten der oberen Gebäuderiegel von der gemeinschaftlichen Fläche im Innenhof der Siedlung ab. Im unteren Gebäuderiegel dienen die Gartenhäuser als Sichtschutz nach außen. Bei der Gestaltung der Häuser und Gärten hatten die Baufamilien die Option zwischen einem Wintergarten und/oder einer Terrasse (vgl. Abb. 14). Abb. 13: Luftaufnahme Lünen-Brambauer
(Quelle: IBA 1998: 32)
Ebenso wie in Gelsenkirchen wurden die Häuser in einer vor Ort gefertigten Holzrahmenkonstruktion ausgeführt. Die Holzstulpschalung ist farbig unterschiedlich lasiert, und die Häuser haben ein Schmetterlingsdach. Alle Gebäude erfüllen den Niedrigenergiehaus-Standard und werden durch ein benachbartes Blockheizkraftwerk beheizt. Abb. 14: Lünen-Brambauer: Innenhof
(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Lippsmeier)
159
160
160
(Quelle: Eigene Darstellung nach IBA Emscher Park 1998 und Beierlorzer/Boll 1998)
Angaben laut Beierlorzer/Boll 1998: 18
1
Duisburg-Hagenshof, Taunusstr.
Gelsenkirchen-Bismarck, Laarstr./Sellmannsbachstr. Projektgröße 22 Hauseinheiten in Gruppenselbst- 52 Hauseinheiten (plus 5 Eigen- 28 Hauseinheiten hilfe und 12 Geschosswohnungen, tumswohnungen) die durch Unternehmer erstellt wurden Konstruktionsart Konventioneller Mauerwerksbau Konventioneller Mauerwerksbau Holztafelbauweise mit Vorfertigung in der Gebäude und Holzbauweise einer "Zeltfabrik" in Gruppenselbsthilfe der Kellerersatzräume (Bergings) Wirtschaftliche Landesentwicklungsgesellschaft das familiengerechte Heim, dfh THS TreuHandStelle Essen Baubetreuung NRW, Dortmund Siedlungsbau GmbH Bauzeit 14 bis 19 Monate 14 bis 20 Monate 13 bis 17 Monate Organisation der Bauleitung der Architekten in Koope- der Baubetreuer hat die SH orga- THS in Kooperation mit den Architekten, Selbsthilfe ration mit den Polieren der Baufir- nisiert, abgewickelt und übernahm stellte entsprechende Fachkräfte ein men, Einbeziehung ortsansässiger auch die 5-jährige Gewährleistung, Bauleiter hat Baufamilien zu Handwerksfirmen Gruppen zus.gestellt, Hausgrößen 3 Typen ( 81 qm, 92 qm und 110 2 Typen (84,5 qm und 95,5 qm) kleine Reihenhäuser 77 qm, mittlere mit qm) 83-91qm, große mit 102 qm Gesamtkosten Zwischen 250.000 und 323.000 DM 226.000 und 249.000 DM zwischen 240.000 und 322.000 DM Grundstückspreis 110 DM/qm Erbpacht (zu 4%) 165 DM/qm 150 DM/qm (zzgl. Erschlie- (15 DM/qm) (15,75 DM/qm) (40 DM/qm) 1 ßung)
Bergkamen, Hubert-Biernat-Str.
Tab. 9: Die Projektreihe "Einfach und selber bauen" im Überblick
161
THS TreuHandStelle Essen
11 bis 15 Monate
THS in Kooperation mit den Architekten, stellte entsprechende Fachkräfte ein
4 Größen: 84, 93, 104, 122 qm
zwischen 246.000 und 334.000 DM Erbpacht (4 %) 150 DM/qm (50 DM/qm)
Wirtschaftliche Baubetreuung
Bauzeit
Organisation der Selbsthilfe
Hausgrößen
Gesamtkosten
154 DM/qm (93 DM/qm) Erbpacht (4 %) 290 DM/qm (70 DM/qm)
161
4 Haustypen (96 qm, 98 qm, 110 und 111 qm)
durch den Projektträger
Fertigstellung 1999
Erbpacht 6 DM/qm (87 DM/qm)
das familiengerechte Heim, dfh Siedlungsbau GmbH
42 Hauseinheiten konventioneller Mauerwerksbauweise
Gladbeck, Rosenhügel
308.200 bis 336.200 DM
37 Hauseinheiten konventionelle Mauerwerks-bauweise mit Gründächern und Holzfassade Wohnungsbau- und Betreuungsgesellschaft Recklinghausen Fertigstellung 1999
RecklinghausenHochlar, Holfhoffstr.
Das familiengerechte Heim, dfh Siedlungsbau GmbH 9 bis 10 Monate, Fertigstellung ab 1997 durch die dfh, Baubetreuer durch den Projektträger vor Ort, durch Vorfertigung konzentrierte sich die SH auf Gründungsarbeiten sowie End- und Innenausbau 6 Haustypen (88, 100 und 2 Typen, 92 und 111qm, haben eine Ausbaureserve 105-111 qm) von ca. 35 qm im Dachgeschoß 293.000 und 326.000 DM
20 Hauseinheiten Holztafelbauweise mit industriell vorgefertigten Elementen
Herten, Feldstraße
(Quelle: Eigene Darstellung nach IBA Emscher Park 1998 und Beierlorzer/Boll 1998)
Grundstückspreis (zzgl. Erschließung)
30 Hauseinheiten Holztafelbauweise mit Vorfertigung in einer "Zeltfabrik" in Gruppenselbsthilfe
Projektgröße Konstruktionsart
Lünen-Brambauer, Am Calversbach
2.2. Organisatorische Rahmenbedingungen der Projektreihe Einfach und selber bauen Zielgruppen und Auswahl der Familien Die Projekte richteten sich an die Zielgruppe Familien mittlerer und unterer Einkommensschichten. Neben dem Eigenkapitalanteil und den üblichen Fremdmitteln konnten auch Mittel der (sozialen) Eigentumsförderung in Nordrhein-Westfalen zur Finanzierung des Hausbaus eingesetzt werden. Um die Fördermittel des Landes zu erhalten, mussten jedoch Einkommensgrenzen eingehalten werden. Die finanziellen Voraussetzungen zur Beantragung der öffentlichen Mittel waren nicht zwingend für die Teilnahme an den Projekten. In den Projekten bauten in unterschiedlich hohen Anteilen auch Baufamilien mit, die jenseits der Einkommensgrenzen der öffentlichen Förderung lagen oder ausreichendes Eigenkapital mitbrachten. In dem kinderfreundlichen Projekt in Herten wurden die Familien von der Kinderorganisation ProKids nach bestimmten Kriterien (z. B. Alter und Anzahl der Kinder, Wohnsituation der Familie) ausgewählt. Hierzu erstellte das Kinderbüro ein Bewertungsraster, in dem mit Hilfe eines Punktesystems entschieden wurde, welche Familien aufgenommen wurden. Eine wesentliche Teilnahmevoraussetzung der Projektreihe Einfach und selber bauen war die Bereitschaft der Baufamilien, allein oder mit Helfern und Helferinnen Selbsthilfe in der Gruppenmaßnahme zu erbringen. Die Höhe der zu leistenden Selbsthilfestunden war abhängig von dem vorhandenen Eigenkapital. Abgesehen von den Vorgaben der Träger hing die Anzahl der zu leistenden Selbsthilfestunden jedoch von den individuellen finanziellen Voraussetzungen ab. Familien mit geringem Eigenkapital leisteten in den Projekten also deutlich mehr Selbsthilfe als Familien mit einem höheren Eigenkapitalanteil. Darüber hinaus war in einigen Projekten ein Mindeststundensatz vorgeben. In Lünen und Gelsenkirchen betrug das zu leistende Stundenminimum beispielsweise 800 Stunden. Diese Stunden dienten der Sicherstellung des Bauablaufs und sollten von allen Familien geleistet werden, unabhängig von der individuellen Finanzierung, die bei einigen Familien eine wesentlich höhere Stundenzahl voraussetzte. In den Projekten, in denen nicht alle Häuser bereits zu Beginn der Maßnahme verkauft waren, lockerten sich die Zugangsbedingungen für die später einsteigenden Familien. In Einzelfällen war es möglich, nur wenig oder keine Selbsthilfe zu erbringen und diese durch Eigenkapital zu ersetzen. Dies war z. B. in Bergkamen bei einigen Familien der Fall. Auch in anderen Projekten haben einige Familien ihr Stundensoll aus unterschiedlichen Gründen nicht geleistet und mussten daher das Finanzdefizit bezahlen. Im Vorfeld der Baumaßnahme wurde von den Baubetreuern der Selbsthilfe-Projekte eine intensive Finanzierungsberatung durchgeführt. Einkommen, Ersparnisse, bereits 162
vorhandene Kreditbelastungen etc. wurden bis ins Detail geprüft; ebenso die Möglichkeit, die Fördermittel des Landes und die Eigenheimzulage des Bundes zu beantragen. Das Finanzierungskonzept wurde dann durch die Selbsthilfestunden ergänzt. Die Abschätzung der realisierbaren Selbsthilfestunden war ein zentraler Bestandteil der Finanzierungsberatung. Finanzierungskonzept Im Finanzierungskonzept der "Einfach und selber bauen"-Projekte stellt die Selbsthilfe ein zentrales Instrument dar. Familien, deren Eigenkapital deutlich unter 15% der Gesamtkosten liegt, haben die Möglichkeit, die Finanzierungslücke durch eine Eigenleistung in Form von Selbsthilfe zu schließen. Für die Zielgruppe der IBA-Projekte, Familien mit geringem Einkommen, reichte der durch die Selbsthilfe erwirtschaftete Eigenanteil jedoch nicht aus, um eine Finanzierung abzusichern. Hier war eine Kombination von Selbsthilfe und öffentlichen Fördermitteln in Form von zinsgünstigen Baudarlehen notwendig. Das Land Nordrhein-Westfalen fördert den Ersterwerb und den Bau von Eigentumsmaßnahmen zur Selbstnutzung (vgl. Kap. II.3.4). Ein Schwerpunkt innerhalb der Eigentumsförderung des Landes ist die Förderung von Gruppenbaumaßnahmen. Dies sind Bauvorhaben, die unter einer einheitlichen Planung und Durchführung mindestens sechs Eigenheime erstellen. Für den Träger einer solchen Maßnahme ist es möglich, vor Beginn sicherzustellen, ob die Mittel für diese Maßnahme zur Verfügung stehen (Reservierung). Durch die Möglichkeit einer Mittelreservierung vor Beginn der Bauphase konnten die Baufamilien von einer größeren Sicherheit bei der Gewährung der beantragten Mittel ausgehen. Organisierte Gruppenselbsthilfe Trägermodelle Für die Gruppenselbsthilfe sehen die Finanzierungsbedingungen des Landes zwei Fördermöglichkeiten vor: Die Bauherrengemeinschaft und das Trägermodell für feststehende Bewerber. In der Einfach und selber bauen Projektreihe wurde das Trägermodell angewandt. Der Träger baut die Häuser in diesem Falle auf fremde Rechnung und muss die Gesamtkosten der Objekte in der tatsächlich angefallenen Höhe nachweisen und abrechnen. Im Rahmen dieses Trägermodells erhält der Träger den Bewilligungsbescheid für feststehende Bewerber. Er schließt mit den betroffenen Familien Bewerberverträge ab, und die Bewilligungsbescheide werden mit den im II. Wohnungsbaugesetz (§§ 54 ff.) vorgeschriebenen Auflagen versehen. Die organisierte Gruppenselbsthilfe unterscheidet sich grundlegend von Formen individueller Eigenarbeit bei der Errichtung von Eigenheimen. Sie umfasst neben der wirtschaftlichen Baubetreuung der Projekte durch die jeweiligen Träger auch die Architektenleistungen von der Planung bis zur Bauleitung sowie die fachliche Anleitung und 163
Betreuung der Baufamilien während der Bauzeit. Durch die organisierte Gruppenselbsthilfe ist der für die Finanzierung notwendige Selbsthilfeanteil gewährleistet. Darüber hinaus übernimmt der Träger der organisierten Gruppenselbsthilfe die Gewährleistung gemäß BGB für 5 Jahre auf alle Bauleistungen, einschließlich der Selbsthilfeleistungen in diesen Baumaßnahmen (vgl. Kap. III). Die Selbsthilfeleistungen werden auf der Grundlage von vor Baubeginn ermittelten Kostenvoranschlägen oder anhand ortsüblicher Durchschnittspreise oder vorliegender Ausschreibungsergebnisse berechnet. Von dem so kalkulierten Wert der Eigenarbeit müssen die Material- und Betreuungskosten abgezogen werden. Der durchschnittliche Wert einer Selbsthilfestunde ergibt sich dann im Verhältnis zu den insgesamt geleisteten Selbsthilfestunden über alle Gewerke und alle Selbsthelfer und Selbsthelferinnen, unabhängig von ihrer Qualifikation. Während der Bauzeit wird für jede Baufamilie ein Stundenbuch geführt, in dem die geleisteten Selbsthilfestunden der Familie und ihrer Helfer und Helferinnen verzeichnet werden (Beierlorzer/Boll 1998: 80).
164
V. Entwicklung der Forschungsfragestellungen Insgesamt bleiben trotz der vorliegenden Daten und Dokumentationen der Projektreihe Einfach und selber bauen viele Fragen offen. Das von der IBA herausgegebene Projekthandbuch vertritt die Perspektive der Baubetreuung und der Akteure, die mit der Planung, Betreuung und Durchführung beauftragt waren. Die Sicht der Baufamilien auf den Bauprozess und ihr Siedlungsprojekt fehlt in der dortigen Darstellung. Meine eigene empirische Erhebung stellt daher den Perspektivenwechsel hin zu den Betroffenen in den Mittelpunkt der Analyse. In ihr geht es in erster Linie um die Sichtweise der Baufamilien auf den Bauprozess; es gilt, deren Erfahrungen, Eindrücke, subjektiven Deutungen und Einschätzungen zu erfragen, um die mit diesem Projekt gemachten Erfahrungen auch von dieser Seite zu vervollständigen. Die vorliegende Arbeit verfolgt die Frage, wie die Projektstrategie der erhebliche Einsatz baulicher Selbsthilfe als Eigenkapitalersatz aus der Perspektive der beteiligten Baufamilien nach Abschluss der Bauphase bilanziert wird und inwieweit die darüber hinaus von der IBA angelegten Ziele der sozialen Wohnungsversorgung, der Mitbestimmung und der sozialen Gemeinschaftsbildung aus Sicht der betroffenen Baufamilien umgesetzt wurden. Meine Untersuchung baut auf dem vorhandenen Material der IBA auf (vgl. Beierlorzer/Boll 1998). Dieses wird in der Darstellung der hier vorgestellten empirischen Ergebnisse als Vergleichsgrundlage zu einzelnen Themenbereichen herangezogen. In Anlehnung an die Befunde des theoretischen Teils werden die Forschungsfragestellungen im Folgenden präzisiert. Der Einsatz baulicher Selbsthilfe beim Bau eines Eigenheims ist vor allem in ländlichen Regionen ein auch heute noch alltägliches Phänomen. Das historisch vielfältig praktizierte Konzept der organisierten Gruppenselbsthilfe im Wohnungsbau gewinnt erst in den letzten Jahren wieder verstärkt an Bedeutung (IRS 1998). Das Konzept der Projektreihe Einfach und selber bauen richtet sich an junge Familien mit niedrigem Einkommen zur Verbesserung ihrer Wohnungssituation. In dieser Ausrichtung werden meines Erachtens zwei Problemkreise deutlich: Die Anzahl der zu leistenden Selbsthilfestunden hängt von dem vorhandenen Eigenkapital ab, das die Familien in die Finanzierung einbringen können. Dies ist in der Regel bei jungen Familien jedoch gar nicht oder in nicht ausreichendem Maße vorhanden. So ist davon auszugehen, dass die Familien eine erhebliche Stundenanzahl arbeiten müssen, um die Finanzierung sicherzustellen. Gerade Familien mit (kleinen) Kindern könnte es jedoch schwerfallen, in einer arbeitsintensiven Familienphase parallel zu einer normalen Erwerbstätigkeitssituation die für die Finanzierung des Hausbaus notwendigen Selbsthilfestunden zu erbringen. Die Arbeitsbelastung durch die Familiensituation und Vollerwerbstätigkeit verschärft sich in der Bauzeit durch die in der Regel hohe (zwischen 1.500 und 2.000 Stunden 165
nach Kalkulationen der IBA) Selbsthilfebelastung zu einer extrem belastende Situation. Wie gehen die Baufamilien mit dieser Extremsituation um? Für meine Arbeit resultieren daraus zwei Fragekomplexe. a.) Erstens die Frage danach, welche Faktoren bei der Arbeitsbelastung der Baufamilien eine Rolle spielen und welche Strategien sie entwickeln, um mit dieser Extremsituation umzugehen. Untersucht werden die möglichen körperlichen und psychischen Belastungen während der Bauzeit und mögliche sonstige Stressfaktoren im Bauprozess. b.) In der Extremsituation Hausbau wird zweitens die Frage relevant, wie die Baufamilien die anfallenden Tätigkeiten in Beruf, Familie und Hausbau organisieren und aufteilen. In den Blick genommen werden insbesondere die Rolle der Frau bei der Arbeit im Bauprozess und auf der Baustelle und die Formen der innerfamilialen Arbeitsteilung. Wie in bisherigen Untersuchungen deutlich wurde, ist die Einbindung der Frauen in die mit dem Hausbau verbundene Arbeit zwar erheblich, von der konkreten Mitarbeit auf dem Bau sind sie jedoch weitgehend ausgeschlossen. Der Annahme einer auch aktuell noch vorhandenen baulichen Abstinenz der Frauen (Schäfer 1985) wird in meiner Erhebung nachgegangen. In engem Zusammenhang damit stehen die Formen der innerfamilialen Arbeitsteilung. Wie wirken sich die enormen Belastungen der Bauzeit auf die Beziehungen und Arbeitsteilungen innerhalb der Familie aus? Welche Muster der innerfamilialen Arbeitsteilungen bilden sich heraus? Meine Arbeit verfolgt hier die These einer Re-Traditionalisierung der geschlechtspezifischen Arbeitsteilung durch den Hausbau, die sich sowohl auf die Mitarbeit auf dem Bau als auch auf die Muster der Arbeitsteilung in der Familie bezieht. Die Organisation, Gestaltung und Abrechnung der baulichen Selbsthilfe bildet einen weiteren Erhebungsschwerpunkt. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen zum einen die formalen Aspekte der Organisation: Wie erfolgt die Organisation der Gruppenselbsthilfe durch den Träger? Wer übernimmt die Anleitung der Baufamilien auf der Baustelle und wie gestaltet sich diese? Vor dem Hintergrund der in der Literatur formulierten Annahme, dass durch die Gruppenselbsthilfe der Baufamilien neue Nachbarschaften und soziale Gemeinschaften entstehen können, wird auch die Frage nach der Gestaltung des konkreten Prozesses der Zusammenarbeit auf der Baustelle bedeutsam. Welche Faktoren spielen bei der Arbeit in einer Baugruppe eine Rolle, welche sozialen (Gruppen-)Dynamiken entstehen und wie werden diese bewertet? Betrachtet wird auch die Zeit nach dem Hausbau insbesondere unter dem Aspekt, wie sich die nachbarschaftlichen Kontakte nach der Bauzeit entwickeln. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Gemeinschaftsräume und 166
Gemeinschaftsflächen, da sie von der IBA als gemeinschaftsfördernd und -unterstützend angesehen werden. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch die Spielräume, die den Baufamilien in Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozessen eingeräumt werden. Mitbestimmung und Beteiligung machen einen Teil der sozialen Qualität des Wohnens aus und können ebenfalls fördernd in Richtung Gemeinschaftsbildung wirken (Bärsch/Simbringer 2001). Die Erhebung geht daher der Frage nach, inwieweit und in welchen Bereichen Mitbestimmungsmöglichkeiten bei den Baufamilien vorhanden waren und wie zufrieden die Baufamilien damit sind. In der Forschung zu neuen Wohnformen und Wohnprojekten wurde der Wunsch nach Gemeinschaft als ein Hauptmotiv konstatiert (Brech 1999, Häußermann 1999). Spielt dies bei den Selbsthilfe-Projekten auch eine Rolle? Oder steht nicht vielmehr der (gesellschaftlich konstruierte) Wunsch nach einem Eigenheim, wie er in den Forschungen zu Wohneigentum und Wohnwünschen deutlich geworden ist, im Vordergrund der Entscheidung für diese Projekte? In der vorliegenden Untersuchung wird daher nach den Motiven für den Hausbau und die Entscheidung für ein Selbsthilfe-Projekt gefragt. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Individualisierung der Lebensbereiche und einer Herauslösung aus traditionellen Bindungen bietet die organisierte Gruppenselbsthilfe einen möglichen Ersatz für den angenommenen Rückgang familiärer und nichtfamiliärer Netzwerke, die traditionell (besonders bei Arbeiterhaushalten) den Hausbau unterstützten. Der Zusammenschluss einer Gruppe von Familien könnte die Nachteile einer städtischen Lebensweise hinsichtlich der Eingebundenheit in Netzwerke wechselseitiger Unterstützung aufwiegen. Da sich die Baufamilien in der Regel vorher nicht kannten, und die Selbsthilfe-Projekte nicht als selbst- sondern als fremdinitiierte Maßnahmen entstanden, kann man von einer künstlichen Herstellung eines solidarischen Zusammenhangs sprechen. Ist eine solche Zwangsgemeinschaft mit dem Ziel des Hausbaus auch langfristig tragfähig? Lassen sich bei den Baufamilien darüber hinaus Hinweise auf ein tragfähiges soziales Unterstützungssystem (Familie, Freunde, Arbeitskollegen) finden, die den Hausbau aktiv mittragen? Ein zentrales Moment der Projektreihe Einfach und selber bauen ist die Finanzierung des Hausbaus. Mit der Möglichkeit, Eigenkapital durch Selbsthilfe zu ersetzen, greifen die Projekte eine Zugangsbarriere insbesondere geringverdienender Haushalte zum Wohneigentum auf. Die Bestandteile der Finanzierung (Eigenkapital, Förderung, Selbsthilfeertrag und die monatliche Belastung der Baufamilien durch den Hausbau) werden anhand der vorliegenden Daten analysiert. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Frage nach der subjektiven Einschätzung der Belastung durch die Baufamilien. Abschließend wird nach der Bewertung und Gesamteinschätzung der Baufamilien gefragt. Wie hoch bewerten sie die Wohnzufriedenheit in ihrem neuen Haus und der 167
Siedlung? Welche Kritikpunkte und Änderungsvorschläge formulieren sie? Wie wägen sie den erheblichen Aufwand der Selbsthilfe gegen das Ergebnis ab?
168
VI. Methodischer Ansatz und empirisches Material In der empirischen Untersuchung der Projektreihe "Einfach und selber bauen" wurden qualitative (Leitfaden-Interviews) und quantitative (Fragebogen-Erhebung) Methoden kombiniert. Das Konzept der Untersuchung folgt demnach einem zweistufigen Verfahren. Der Durchführung von Interviews in fünf der sieben Siedlungen folgte in einem zweiten Schritt eine Fragebogen-Vollerhebung in allen sieben Selbstbau-Siedlungen.
1.
Leitfaden-Interviews
Um die Erfahrungen der Baufamilien als eine komplexe soziale Realität in den Blick nehmen zu können, führte ich in fünf der bereits fertig gestellten Siedlungen strukturierte Leitfaden-Interviews93 durch. Qualitative Leitfaden-Interviews eröffnen die Möglichkeit, im Rahmen eines von der Interviewerin eingebrachten, nur lose strukturierten Interviewleitfadens relativ frei über die für die Untersuchung relevanten Themenbereiche zu sprechen. Den Befragten wird hier ein breiter Spielraum der Strukturierung und Äußerung subjektiver Deutungen eingeräumt. Es werden daher keine Antwortkategorien vorgegeben. Ziel der strukturierten Leitfadeninterviews ist es eher, "richtigen" Variablen zu finden, als deren quantitativen Ausprägungen und Beziehungen zu analysieren. Insofern hatten die Interviews auch explorativen Charakter und dienten dazu, das Untersuchungsfeld zu erschließen. Der Aufbau des Leitfadens erfolgte anhand verschiedener Themenfelder, zu denen im Verlauf des Interviews immer wieder vertiefend nachgefragt wurde. Die Themenfelder wurden auf der Grundlage der Analyse von Sekundärliteratur, des vorhandenen Materials der IBA zu den Selbsthilfeprojekten und der Expertengespräche entwickelt. Der Interviewleitfaden und Kontaktaufnahme in den Siedlungen Der Interviewleitfaden orientierte sich an den dargestellten Forschungsfragen und umfasste neben soziodemographischen Daten (Alter, Berufstätigkeit, Kinderzahl und Alter) die Themen: • • • • • • •
93
Gründe für den Hausbau Innerfamiliäre Arbeitsteilung während der Bauzeit Organisation und Ablauf des Bauprozesses Mitbestimmung Unterstützungssysteme (Helfer und Helferinnen) Zusammenarbeit auf der Baustelle und nachbarschaftliche Kontakte Einschätzung der (körperlichen und psychischen) Belastung
Zur Einordnung und Abgrenzung strukturierter Leitfaden-Interviews innerhalb des breiten Spektrums qualitativer Interviews vgl. Hopf 1991.
169
• Finanzierung (Eigenkapital, Fördermittel, monatliche Belastung) • Gesamteinschätzung (Wohnzufriedenheit/ retrospektive Beurteilung). Der Kontakt zu den Siedlungen wurde über die jeweiligen Träger der Bauvorhaben hergestellt. Im Vorfeld der Interviews wurden Expertengespräche mit je einem Vertreter der drei Bauträger und einem Vertreter der IBA Emscher Park durchgeführt94. Zusätzlich zu den Expertengesprächen konnte durch den Kontakt mit den Trägern bereits vorhandenes Material (technische Beschreibungen, Vertragsmuster, Selbsthilfevereinbarungen etc.) gesammelt werden, welches später in die Auswertung einfloss. In allen Siedlungen gab es Siedlungssprecher/innen, die von den Baufamilien bereits zu Beginn der Bauzeit gewählt wurden und als Ansprechpartner/innen für die Gruppe und nach außen fungierten. Über die Sprecher/innen konnte ein erster Kontakt zur jeweiligen Siedlung hergestellt werden. Die Sprecher/innen wurden über das Forschungsvorhaben informiert, machten es in der Siedlung bekannt und halfen, Interviewpartner und -partnerinnen zu finden. Auswahl der Befragten für die Leitfaden-Interviews Vor dem Hintergrund, dass die Höhe des vorhandenen Eigenkapitals, die Anzahl und das Alter der Kinder, Art und Umfang der Berufstätigkeit beider (Ehe-)Partner und die Anzahl der geleisteten Selbsthilfestunden entscheidende Faktoren bei der Durchführung und späteren Einschätzung eines Selbsthilfeprojektes sind, sollten die befragten Familien ein möglichst breites Spektrum dieser Faktoren abbilden. Da keine Daten über die Baufamilien vorlagen (und aus Datenschutzgründen auch nicht zu erhalten waren), war es nur teilweise möglich, die Auswahlkriterien im Vorfeld eines Interviews abzuklären. In der Regel kamen die Kontakte zu den Interviewten über die Siedlungssprecher/innen zustande, darüber hinaus durch Weiterempfehlung an Nachbarn und Freunde in den Siedlungen (Schneeballverfahren). Durch eine intensive Suche nach Interviewpartnern und -partnerinnen und die große Kooperationsbereitschaft der Baufamilien in den Selbsthilfe-Siedlungen ist es gelungen, sowohl Extremfälle hinsichtlich der Verteilung der genannten Faktoren als auch eine breite Variation unterschiedlicher Fälle in das Interviewsample einzubeziehen. Auf diese Weise war es möglich, die Variationsbreite und Unterschiedlichkeit des Untersuchungsfeldes zu erschließen (Flick 1995).
94
Die Befragung der Experten gestaltete sich schwieriger als gedacht. Nur in einem Fall konnte problemlos ein Interviewtermin vereinbart werden. In den restlichen Fällen gelang es nur nach beharrlichem Nachfragen, die Interviews durchzuführen. Keiner der Experten war bereit, das Interview auf Band aufnehmen zu lassen. Die Auswertung der Experteninterviews erfolgt daher auf der Grundlage von nach dem Interview erstellten Gesprächsprotokollen. Die Expertengespräche orientierten sich ebenfalls an einem Leitfaden (vgl. Meuser/Nagel 2002) und dienten zur Ergänzung der Sichtweisen auf die Projektreihe.
170
Von den durchgeführten 30 Interviews wurden 27 ausgewertet.95 Die Interviews verteilen sich wie folgt auf die Projektstandorte: Herten (5), Duisburg (4), Bergkamen (7), Gelsenkirchen (6) und Lünen (5). Im Standort Duisburg gab es Probleme, Interviewpartner/innen zu finden. Dies lässt sich zum einen auf die schon länger zurückliegende Fertigstellung des Projektes zurückzuführen, zum anderen darauf, dass Duisburg bereits Gegenstand einer Evaluation war und viele Familien daher nicht zu einem erneuten Interview bereit waren. Trotz zahlreicher Versuche, Kontakte herzustellen, blieb die Anzahl der Interviews im Vergleich zu den anderen Projektstandorten gering. 96
Durchführung der Leitfaden-Interviews
Entscheidend bei der Durchführung der Interviews war es, die Gesprächsbereitschaft der Interviewpartner und -partnerinnen zu erhalten und zu fördern. Da ich davon ausgehe, dass die Bauzeit als ein wichtiges biographisches Ereignis von Mann und Frau jeweils unterschiedlich erlebt wird, sollten beide (Ehe-)Partner befragt werden. Da es von Seiten der Baufamilien aus Zeitgründen nicht möglich war, beide getrennt zu befragen, wurden die Interviews mit beiden (Ehe-)Partnern gleichzeitig durchgeführt.97 Die Interviewsituation war in der Regel durch eine besondere Gesprächsdynamik gekennzeichnet, da die Antworten auf Fragen häufig unterschiedlich ausfielen und dadurch im Interview Diskussionen über bestimmte Probleme und Einschätzungen entstanden. Diese Gesprächsdynamik wurde als Möglichkeit gesehen, die verschiedenen Perspektiven innerhalb der Familie auszuleuchten, als "Bereicherung" begriffen und in die Auswertung mit einbezogen. In den Gesprächen zeigte sich allerdings eine deutliche Rollenverteilung zwischen Mann und Frau. In zwei Fällen hat die Frau selbst auf eine direkte Anfrage nicht geantwortet, sondern die Frage durch Blickkontakt an den Mann weitergegeben. Die Gesprächsanteile waren insgesamt deutlich ungleich verteilt. Auch in Gesprächen, in denen die Frauen engagiert am Gespräch teilgenommen haben, war ein klarer Unterschied in den Gesprächsanteilen zwischen Männern und Frauen zugunsten des Mannes festzustellen. Die Interviews fanden in den (selbst erbauten) Häusern der Baufamilien statt und dauerten zwischen einer und drei Stunden. In zwei Dritteln der Fälle waren die Kinder anwesend und mussten je nach Alter zwischendurch versorgt werden. In einer Familie haben die älteren Kinder am Interview teilgenommen und ebenfalls Fragen beantwortet. In einigen Familien war für das Interview ein Raum (und Zeit) im Alltag 95
Die restlichen drei Interviews wurden nicht ausgewertet, da sich die Interviewten nicht mit einer Tonbandaufnahme einverstanden erklärten. Darüber hinaus war es in zwei dieser Fälle nicht möglich, eine Interviewsituation herzustellen, die es erlaubt hätte, den Leitfaden abzufragen.
96
Zu den in Interviewsituationen strukturell angelegten Problemen vgl. Hopf 1978.
97
Eine Ausnahme bildeten zwei Familien, in denen ausschließlich die Frauen befragt wurden.
171
der Familie geschaffen worden. Es traten keine wesentlichen Störungen auf, beide Interviewpartner/innen standen zur Verfügung. In der Mehrzahl der Fälle wurde der Interviewtermin jedoch in den bereits vollen Alltag hineingeplant. Dies bedeutete eine Ablenkung durch Kinder, Haustiere etc. Einige der Familien boten mir an, ihr Haus zu besichtigen. Sie schilderten und zeigten neben baulichen Problemen auch voller Freude die als positiv erlebte Wohnumgebung (Kinderzimmer, Terrasse, Garten etc.). Die Gesprächsdynamik war teilweise sehr emotional geprägt. Der Hausbau, von manchen als eine schwere Zeit charakterisiert, hat bei einigen der Befragten Verbitterung, Zorn, Wut oder Enttäuschung hervorgerufen bzw. hinterlassen. Diese emotionale Grundstimmung nahm Einfluss auf den Verlauf des Gesprächs. Einigen war es wichtig, die für sie entscheidenden Eindrücke und Informationen an andere weiterzugeben. Die Gespräche hatten jedoch auch für die Befragten selbst in einigen Fällen eine Entlastungsfunktion und stellten einen Anlass dar, sich über ihre Erfahrungen und Einschätzungen auszutauschen. In der Regel wurde das in dem Gesprächsleitfaden enthaltene Themenspektrum im Interviewverlauf abgedeckt. Nur der Themenbereich Finanzierung konnte nicht immer hinreichend vertieft werden, da zum Teil die Befragten nicht bereit waren, sich näher dazu zu äußern. Um die Interviewerin während des Gesprächs zu entlasten, den Gesprächsfluss nicht zu stören und um dokumentierbares Material für die Auswertung zu erhalten, wurden alle Interviews auf Tonband aufgenommen. Auswertung der Leitfaden-Interviews In einem ersten Schritt wurden alle Tonbandaufnahmen transkribiert. Dabei wurden die Gespräche wörtlich übertragen. Um Übertragungsfehler zu vermeiden, wurden alle Transkriptionen durch eine zweite Person überprüft. Für die weitere Auswertung wurde nach zwei Ansätzen verfahren: zum einen wurden für alle interviewten Baufamilien stichwortartige Kurzportraits (Fallanalysen) erstellt, in denen die wichtigsten Angaben der Befragten zu Alter, Berufstätigkeit, geleisteten Selbsthilfestunden etc. zusammengefasst wurden. Ergänzt wurden diese Portraits zweitens durch Profile der SelbsthilfeProjekte, die Organisation, bauliche Gestaltung und Besonderheiten der jeweiligen Standorte zusammenfassten. Die detaillierte Auswertung der Interviews erfolgte anhand eines thematischen Kategoriensystems, dessen Kategorien an die Themenstruktur des Interviewleitfadens angelehnt waren, mit dem Textanalyseprogramm MAX (vgl. Kuckartz 1992). Die Auswertungskategorien wurden in Anlehnung an den Leitfaden entwickelt. Die wörtlichen und sinngemäßen Äußerungen der Befragten zu bestimmten Themenbereichen wurden fallübergreifend zusammengestellt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlicher 172
heraustreten zu lassen. Diese themenbezogenen Zusammenstellungen bildeten die wichtigste Basis der Auswertung.
2.
Fragebogen-Erhebung
Die Fragebogen-Erhebung wurde im Frühjahr 2000 in allen sieben SelbsthilfeProjekten der IBA Emscher Park durchgeführt. Es handelt sich um eine standardisierte, postalische Einzelbefragung von Baufamilien, die in den Projekten wohnen und in organisierter Gruppenselbsthilfe gebaut haben. Vor der Versendung des Fragebogens wurden die Siedlungssprecher/innen der Siedlungen über die geplante Erhebung in Kenntnis gesetzt und gebeten, darüber in der Siedlung zu informieren. Dem Fragebogen waren ein Begleitschreiben und ein frankierter Rückumschlag beigefügt. Dem Versand des Fragebogens folgte vier Wochen später ein Erinnerungsschreiben. Der Aufbau der Fragebögen Der Fragebogen wurde auf der Grundlage der Interview-Ergebnisse in der Absicht erstellt, diese Ergebnisse durch eine Vollerhebung der am Bauprozess beteiligten Familien in den sieben Projektstandorten auf eine breitere empirische Basis zu stellen und zu verifizieren. In den Fragebögen wurden die soziodemographischen Daten der Baufamilie erhoben; sie enthielten darüber hinaus Fragen zu folgenden Themenkomplexen: • • • • •
Finanzierung (Eigenkapital, Fördermittel) Entscheidungsfindung und Gründe für den Hausbau und für die Selbsthilfe Organisation des Bauprozesses und Mitbestimmungsmöglichkeiten Einschätzung der Belastungen Zusammenarbeit während der Bauzeit und nachbarschaftliche Kontakte nach der Bauzeit • Innerfamiliäre Arbeitsteilung während der Bauzeit • Einschätzung der Wohnzufriedenheit und des Projekts allgemein. Durchführung der Fragebogen-Erhebung Es handelt sich um eine Vollerhebung der Familien, die an der Gruppenselbsthilfe und dem Bauprozess auch tatsächlich teilnahmen. Insofern wurden nicht alle Familien angeschrieben, die in den Projekten zu dem Zeitpunkt der Erhebung wohnten (231), sondern nur die Familien, die nach meinem Informationsstand an dem Selbsthilfeprojekt beteiligt waren. Daher weicht die Grundgesamtheit der Befragung (vgl. Tab. 2) von der Grundgesamtheit der gebauten Häuser ab. In Herten richtete sich die Befragung nur an die Familien des ersten Bauabschnitts, da der zweite Bauabschnitt zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht fertig gestellt war. In Duisburg stand ein Haus zum Zeitpunkt der Erhebung leer. In Recklinghausen haben nach Angaben des Siedlungs173
sprechers an der organisierten Gruppenselbsthilfe nur 21 Familien teilgenommen, die restlichen Häuser wurden erst später verkauft oder teilweise vermietet. Ähnlich war die Situation in Bergkamen, denn von den 22 Hauseinheiten waren laut Siedlungssprecherin nur 15 Familien an der Selbsthilfe beteiligt, der Rest der Häuser wurde später vergeben oder steht noch zum Verkauf. In Lünen haben 28 Familien mitgebaut, zwei Häuser wurden nach Abschluss der Bauzeit vergeben. Von den 43 Häusern in Gladbeck standen zwei zum Zeitpunkt der Befragung leer und eine Familie war gerade eingezogen. Tab. 10: Rücklauf Fragebögen Ort Grundgesamtheit der Befragung Bergkamen Duisburg Gelsenkirchen Gladbeck Herten Lünen Recklinghausen Gesamt
15 (22)98 51 (52) 28 (28) 40 (43) 20 (20) 28 (30) 21 (37) 203 (232)
Rücklauf absolut 5 19 9 18 8 19 10 N=89
in % 33,3 37,3 32,1 47,5 40,0 67,9 47,6 43,8
Auffällig sind die vergleichsweise hohen Rücklaufquoten aus Lünen (67,9%), Recklinghausen und Gladbeck. In den beiden letztgenannten Siedlungen wurden keine Interviews im Vorfeld der Fragebogen-Erhebung durchgeführt. Das Forschungsvorhaben war in der Siedlung daher noch nicht bekannt, und es bestanden keine persönlichen Kontakte in den Siedlungen. Demnach kann die Bereitschaft zur Teilnahme und das Interesse an einer Untersuchung der Selbsthilfeprojekte in Recklinghausen und Gladbeck als hoch eingeschätzt werden. Im Gegensatz dazu sind die Siedlungen Bergkamen, Herten und Gelsenkirchen mit der absoluten Rücklaufanzahl nur gering vertreten. Einen zahlenmäßigen Schwerpunkt bilden die großen Projekte Duisburg und Gladbeck, aber auch Lünen aufgrund der höchsten Rücklaufquote. Dies ist bei der Auswertung der Daten zu berücksichtigen.99
98
Die Zahlen in Klammer bezeichnen die Hauseinheiten der Siedlungen.
99
Der Rücklauf der Fragebogen-Untersuchung beträgt N=89 Fragebogen. Die Anzahl der Fälle bei den einzelnen Fragen wird mit n angegeben (z. B. n=86, 3 fehlend).
174
Auswertung der Fragebogen-Erhebung Die Auswertung der Fragebögen erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS. Die offenen Fragen wurden zusammengestellt und als Text ausgewertet. Da die Fragen des standardisierten Fragebogens auf der Basis der Interviewergebnisse generiert wurden, werden die jeweiligen Ergebnisse im Folgenden gemeinsam und entlang der untersuchten Themenfelder dargestellt. In der Regel erfolgt die Darstellung der Ergebnisse aus den verschiedenen Datenquellen anhand der Gliederung a) Ergebnisse aus der IBA-Befragung (soweit vorhanden), b) Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung und c) Ergebnisse der qualitativen Interviews.
175
VII. Verborgene Realitäten: Ergebnisse der empirischen Erhebungen 1.
Das soziale Bild der Baufamilien
Die Gruppenselbsthilfe-Projekte waren von der IBA für die Zielgruppe junger Familien mit einem niedrigen bis mittleren Einkommen konzipiert. Um die Zusammensetzung der untersuchten Baufamilien genauer zu bestimmen und mit der von der IBA intendierten Zielgruppe zu vergleichen, wurden in beiden Erhebungsschritten soziodemographische Daten abgefragt. Zur Einordnung des Interviewsamples und der Fragebogen-Erhebung werden die von der IBA angegebenen Daten zur Sozialstruktur aller Projekte der Einfach und selber bauen Projektreihe als Vergleichsgrundlage herangezogen (vgl. Beierlorzer/Boll 1998). 1.1. Die Altersstruktur der Befragten Das Alter der Interviewten (beide Ehepartner) liegt bei Baubeginn im Durchschnitt bei 35,6 Jahren. Differenziert man nach Geschlecht, so liegt der Altersdurchschnitt der interviewten Frauen mit 34,6 Jahren zwei Jahre niedriger als der der Männer mit 36,6 Jahren. Die Altersspanne reicht bei den interviewten Männern von 31 bis 47, bei den Frauen von 26 bis 45 Jahren. Bei einem Blick auf die Altersverteilung lässt sich jedoch festhalten, dass Herten mit 33,4 Jahren den niedrigsten Altersdurchschnitt bei den Interviewten aufweist und Duisburg mit einem Durchschnittalter von 39,1 Jahren den höchsten. Während sich die Altersstruktur im Durchschnitt aller Projekte deutlich auf die Altersstufen der 31- bis 35-Jährigen und der 36- bis 40-Jährigen konzentriert, ist die Altersverteilung in dem Interviewsample trotz einer ebenfalls vorhandenen Mehrheit in den genannten Altersstufen insgesamt breiter gestreut (ein hoher Anteil an bis 35-Jährigen und der 4145 bzw. 4650-Jährigen, vgl. Tab 11). Dies lässt sich teilweise auf die methodische Anlage des Interviewsamples zurückführen, in dem ein breites Spektrum der Familien (in diesem Fall der Altersstufen) abgedeckt werden sollte.
177
Tab. 11: Altersstruktur in Interviews, Fragebögen und Durchschnitt aller Projekte (nach Angaben der IBA) Alter Interviews Fragebögen Durchschnitt (n=54)100 (n=159)101 aller Projekte* > 30 11,1% 28,3% 10,7 % Jahre 31-35 Jahre 44,4% 34,6% 42,1 % 36-40 Jahre 22,2% 22,6% 31,5 % 41-45 Jahre 18,6% 10,1% 11,3 % 46-50 Jahre 3,7% 2,5% 3,1 % <50 Jahre 0% 1,9% 0,6 % Gesamt 100% 100% 100% * Die Angaben der IBA beziehen sich auf das Alter des Haushaltsvorstandes, Werte nicht für alle Hauseinheiten
(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 12)
In der Fragebogen-Erhebung liegt das Durchschnittsalter insgesamt bei 34,4 Jahren, bei den Männern bei 35,5 Jahren und bei den Frauen ebenfalls knapp zwei Jahre niedriger bei 33,4 Jahren. Bei einem Vergleich dieser Zahlen mit dem Interviewsample lässt sich feststellen, dass der Altersdurchschnitt in der Fragebogen-Erhebung um 1,2 Jahre niedriger liegt. An der Fragebogen-Erhebung haben also demnach deutlich mehr jüngere Familien teilgenommen. Im Hinblick auf die Zielsetzung der Projektreihe, insbesondere jungen Familien einen Weg zu Wohneigentum zu ermöglichen, kann von einem Erfolg gesprochen werden, denn mit einem Durchschnittsalter von 34,4 Jahren in der Fragebogen-Erhebung (bzw. 35,6 Jahren in den Interviews) liegen die Familien deutlich unter dem durchschnittlichen Alter der Erwerber selbstgenutzten Wohneigentums, das in den Jahren 1987 bis 1990 bei 38 Jahren (Ulbrich 1993: 18) und bei den Empfängern der Eigenheimzulage 1996 bis 2000 durchschnittlich bei 39,3 Jahren lag (BBR 2002a: 12). Betrachtet man als weitere Indikatoren zur Einordnung der Familien das Heiratsalter und das durchschnittliche Alter bei der Geburt des ersten Kindes, so wird deutlich, dass die Baufamilien erst einige Jahre nach der Familiengründung den Hausbau umsetzten.102
100
Es wurden 27 Interviews mit (Ehe)Paaren durchgeführt, und die Altersangaben beziehen sich auf das Alter des Mannes und der Frau.
101
Die Angaben zum Alter bei Baubeginn wurden im Fragebogen nach Geschlecht getrennt abgefragt. Es antworteten 79 Männer (n=79, 10 fehlend) und 80 Frauen (n=80, 9 fehlend).
102
Das Alter der Frau bei der Geburt des ersten Kindes lag 2000 in der Bundesrepublik bei durchschnittlich 29 Jahren (BMFSFJ 2003: 76). Das Heiratsalter hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich nach hinten verschoben und lag 2000 in Westdeutschland bei Männern bei 31,3 Jahren und bei Frauen bei 28,5 Jahren (BMFSFJ 2003: 65).
178
1.2. Anzahl und Alter der Kinder Die Anzahl der in den Familien vorhandenen Kinder ist ein wichtiges Kriterium für die Förderung der Selbsthilfe-Projekte. Die Verbindung von Anzahl und Alter der Kinder zum Zeitpunkt des Baubeginns ist darüber hinaus ein wesentlicher Faktor zur Charakterisierung der Familiensituation in der Bauphase. Der angestrebten Zielgruppe entsprechend hatten in dem Interviewsample die 27 Familien zu Baubeginn insgesamt 56 Kinder. Zum Zeitpunkt des Baubeginns der Projekte geben in der Fragebogen-Erhebung 85 Familien in den acht Projektstandorten insgesamt 182 Kinder an. In zwei Fällen (Recklinghausen und Gladbeck) gibt es (Ehe-) Paare ohne Kinder. Tab. 12: Kinderanzahl zu Baubeginn: Interviews, Fragebögen und Durchschnitt aller Projekte nach Angaben der IBA Interviews Fragebogen Durchschnitt (n=27) (n=85) aller Projekte* Keine Kinder 2,3% 1,0 % 1 Kind 26,0% 16,5% 12,5 % 2 Kinder 48,1% 50,6% 60,1 % 3 Kinder 22,2% 25,9% 20,9 % 4 Kinder 3,7% 4,7% 5,1 % 5 Kinder 0,5 % Gesamt 100% 100% 100% * Werte nicht für alle Hauseinheiten
(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 12)
Ein deutlicher Schwerpunkt in der Projektreihe liegt bei den Familien mit zwei Kindern. Die durchschnittliche Kinderanzahl aller Projekte liegt nach Angaben der IBA bei 2,3 Kindern je Haushalt (Beierlorzer/Boll 1998: 12). In den Interviews und Fragebögen liegt diese Zahl bei 2,1 Kindern je Haushalt etwas niedriger. Allerdings verweisen die Angaben der Familien in beiden Samples darauf, dass die Phase der Familiengründung in einigen Familien zu Baubeginn noch nicht abgeschlossen war.103 Zum Alter der Kinder liegen von Seiten der IBA keine Angaben vor. Da das Alter jedoch von entscheidender Bedeutung für die Betreuungssituation der Kinder und die Organisation des Bauablaufs ist, wurde in den Interviews und der FragebogenErhebung nach dem Alter der Kinder zu Baubeginn gefragt (vgl. Tab. 13).
103
Zum Zeitpunkt der Interviews (1998) haben drei Familien weitere Kinder bekommen. In der FragebogenErhebung (2000) wird in 13 Fällen auf später geborene Kinder hingewiesen.
179
Tab. 13 Alter der Kinder zu Baubeginn in den Interviews und der Fragebogen-Erhebung Altersstufen Anzahl Interviews Anzahl Fragebogen 0-2 Jahre 11 (19,6%) 51 (28,0%) 3-4 Jahre 12 (21,4%) 33 (18,1%) 5-6 Jahre 8 (14,3%) 22 (12,1%) 7-8 Jahre 8 (14,3%) 18 (9,9%) 9-10 Jahre 7 (12,5%) 16 (8,8%) 11-12 Jahre 3 (5,4%) 11 (6,0%) 13-14 Jahre 5 (8,9%) 10 (5,5%) 15-16 Jahre 1 (1,8%) 8 (4,4%) 17-18 Jahre 6 (3,3%) über 18 Jahre 1 (1,8%) 7 (3,9%) Gesamt 56 182 (Quelle: Interviews und Fragebogen-Erhebung)
In beiden Samples liegt ein deutlicher Schwerpunkt in der Altersverteilung der Kinder auf den 0- bis 6-Jährigen. In den Interviews liegt der Anteil der bis 6-Jährigen bei 55,3%, in der Fragebogen-Erhebung mit 58,2% noch höher. In vielen Familien befanden sich demnach zu Beginn der Bauzeit die Kinder im betreuungsintensivsten Alter, denn die Einbindung der Kinder in pädagogischen Einrichtungen erfolgt in der Regel erst ab einem Alter von drei Jahren (Kindergarten) bzw. ab 6 Jahren (Schule).
180
1.3. Art und Umfang der Berufstätigkeit Art und Umfang der Berufstätigkeit sind vor dem Hintergrund der Selbsthilfeprojekte in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Der Umfang der Berufstätigkeit der (Ehe-) Partner beeinflusst die für die Selbsthilfe auf dem Bau verfügbare Zeit entscheidend mit. Zugleich kann die Art der ausgeübten Berufstätigkeit (Qualifikation und Art der Beschäftigung) einen Hinweis auf die in den Familien vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen geben, die für die Bauarbeit von Nutzen sein können. Erfragt wurden in den Interviews und in den Fragebögen die Art und der Umfang der ausgeübten Berufstätigkeit aller erwachsenen ProjektteilnehmerInnen. Dabei wurden Männer und Frauen getrennt gefragt. Laut Aussagen aus den Interviews war die Mehrzahl der Männer Vollzeit berufstätig. Bei den Frauen verteilte sich das anders: Nur eine Frau war Vollzeit berufstätig (Krankenschwester, zu der Zeit allerdings in Erziehungsurlaub). Knapp die Hälfte der Frauen war Teilzeit berufstätig (wobei die Anzahl der geleisteten Stunden stark variierte), knapp die andere Hälfte war nicht berufstätig, bzw. bezeichnete sich als Hausfrau. In dieser Gruppe befand sich eine Frau nach eigenen Angaben in einer Ausbildung, eine zweite war arbeitslos (vgl. Tab. 14). Tab. 14: Interviews: Umfang Berufstätigkeit nach Geschlecht
Berufstätigkeit
Mann
Vollzeit Teilzeit Gejobbt nicht berufstätig Gesamt
25 2 27
Frau 1 13 13 27
(Quelle: Interviews)
Vor dem Hintergrund der in den Projekten geleisteten Selbsthilfe beim Hausbau ist die Frage danach bedeutsam, ob in den beteiligten Familien handwerkliche Kenntnisse vorhanden waren, die es ihnen ermöglichten, die notwendigen Selbsthilfestunden leichter und effektiver abzuarbeiten. Um der Beantwortung der Frage nach vorhandenen handwerklichen Kenntnissen näher zu kommen, erfolgt ein Blick auf die ausgeübten Berufe bzw. die Berufsausbildung der Interviewten: Die Berufstätigkeiten der Frauen umfasst ein weites Spektrum: (Hausfrau), Tagesmutter, Krankenschwester, Arzthelferin, Erzieherin, Diplom Pädagogin, Diplom Psychologin, Steuerfachangestellte, Dozentin, Friseurin, Aushilfe, Einzelhandelskauffrau und Gaststättenfachfrau. Geht man von der angegebenen Berufstätigkeit aus, lassen sich bei den befragten Frauen keine handwerklichen Ausbildungen oder Kenntnisse vermuten. 181
Bei den interviewten Männern sieht es schon anders aus: In 19 von insgesamt 27 Fällen haben die Interviewten eine handwerkliche Ausbildung und/oder waren auch in diesem Beruf tätig (z. B. Elektriker, Schlosser, Monteur, Tischler, Schreiner und Techniker). In acht Fällen war keine handwerkliche Ausbildung vorhanden (Postbeamter, Lehrer, Angestellter, Sozialpädagoge, Krankenpfleger, MTA, Kaufmann und Beamter). Insgesamt kann bei den interviewten Männern in der Mehrzahl der Fälle aufgrund der beruflichen Qualifikation von fundierten handwerklichen Kenntnissen und Erfahrungen ausgegangen werden. Andererseits sagt die nicht vorhandene berufliche Qualifikation im handwerklichen Bereich bei dem geringeren Teil der Gesamtgruppe jedoch weder bei den Frauen noch bei den Männern etwas über die tatsächlich vorhandenen handwerklichen Kenntnisse oder Vorerfahrungen aus. Dieser Eindruck hinsichtlich des Umfangs der Berufstätigkeit wird bestätigt von Ergebnissen aus der Fragebogen-Erhebung: Die befragten Männer sind in der überwiegend Mehrzahl Vollzeit berufstätig, nur jeweils ein Mann ist Teilzeit berufstätig oder hat gejobbt. Vor dem Hintergrund des Hausbaus und der damit verbundenen finanziellen Belastung ist es eher erstaunlich, dass vier der Männer zum Zeitpunkt der Befragung nicht berufstätig waren. Unter der Kategorie "nicht berufstätig" gibt ein Befragter "Rentner", ein anderer "Hausmann" an. In den Familien, in denen der Mann nicht berufstätig war, haben zwei Frauen Vollzeit gearbeitet (Krankenschwester, Diplom Pädagogin), eine Frau hat Teilzeit gearbeitet (Köchin) und eine weitere hat gejobbt (Lageristin). Tab. 15: Fragebogen: Umfang der Berufstätigkeit nach Geschlecht Berufstätigkeit Gesamt Prozent Berufstätigkeit Mann/Partner Frau/Partnerin Vollzeit 83 93,3 Vollzeit Teilzeit 1 1,1 Teilzeit hat gejobbt 1 1,1 Hat gejobbt nicht berufstätig 4 4,5 nicht berufstätig Gesamt 89 100,0 Gesamt
Gesamt 8 13 5 63 89
Prozent 9,0 14,6 5,6 70,8 100,0
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)
Mehr als zwei Drittel der befragten Frauen sind nach eigenen Angaben nicht berufstätig, wobei die Tätigkeit von den Frauen mit den unterschiedlichsten Inhalten gefüllt wird: z. B. Studium, Hausfrau, Mutter, Erziehungsurlaub, Finanzverwalterin und Gärtnerin. Das restliche Drittel der befragten Frauen hat überwiegend in Teilzeit gearbeitet, nur 9% der befragten Frauen waren Vollzeit beschäftigt und 5,6% der Frauen haben gejobbt.
182
Tab. 16: Kreuztabelle Berufstätigkeit Mann/Partner und Berufstätigkeit Frau/Partnerin Berufstätigkeit Berufstätigkeit Frau/Partnerin Mann/Partner Vollzeit Teilzeit hat gejobbt nicht berufstätig Gesamt Vollzeit 5 12 4 62 83 Teilzeit 1 1 hat gejobbt 1 1 Nicht berufstätig 2 1 1 4 Gesamt 8 13 5 63 n= 89 (Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)
Die Berufstätigkeit der Frau ist im Wesentlichen komplementär zu der des Mannes angelegt, d. h. die Hauptversorgungsfunktion der Familie nimmt in der überwiegenden Zahl der Fälle der Mann wahr. Nur acht Frauen waren laut Fragebogen-Sample Vollzeit berufstätig, davon waren in fünf Fällen beide (Ehe-)Partner Vollzeit berufstätig. Bei zwei von diesen Fällen handelte es sich um (Ehe-)Paare ohne Kinder. Nur in Ausnahmefällen, wenn der Partner arbeitslos oder Teilzeit beschäftigt war, erfolgte die Versorgung der Familie über die volle Berufstätigkeit der Frau. Die Berufstätigkeit der Frau korreliert eng mit der Anzahl und dem Alter der vorhandenen Kinder, wie die folgende Tabelle belegt. Die Frage nach der ausgeübten Berufstätigkeit wurde in der Fragebogen-Erhebung nur von 55 Männern und 50 Frauen beantwortet. Ähnlich wie in dem Interviewsample übt über die Hälfte der Männer (29) einen handwerklichen Beruf (Elektriker, Techniker, Tischler, Schweißer, Monteur, Heizungsbauer, Gerüstbauer, Schlosser etc.) aus. Neun Männer sind als Beamte tätig (Polizei-, Post-, Feuerwehr- und Justizbeamte), sieben arbeiten in pädagogischen bzw. medizinischen Berufsfelder, weitere vier Befragte im kaufmännischen Bereich, zwei im Bereich Datenverarbeitung, ein Mann arbeitet als Konditor. Tab. 17: Kreuztabelle Berufstätigkeit Frau und Kinderanzahl Berufstätigkeit keine Kinder 1 Kind 2 Kinder 3 Kinder Frau/Partnerin Vollzeit 3 1 2 1 Teilzeit 1 9 hat gejobbt 2 3 nicht berufstätig 5 35 14 Gesamt 3 7 48 18
4 Kinder 1 3 6 10
Gesamt 8 13 5 60108 86
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=86, 3 fehlend)
Von den befragten 89 Frauen haben 23 die Frage nach der ausgeübten Berufstätigkeit mit Hausfrau und Mutter beantwortet. Neun der Frauen arbeiten im medizinischen 108
In drei Fällen war in den Fragebögen keine Angabe zur Anzahl der Kinder vorhanden. Dadurch erklärt sich die Differenz zu der in Tab. 16 und Tab. 17 angegebenen Zahlen der nicht berufstätigen Frauen.
183
Bereich (Arzthelferin, Krankenschwester, Hebamme, PTA), sieben Frauen üben pädagogische Berufe aus (Sozialarbeiterin, Diplom Pädagogin, Erzieherin und Sozialpädagogin) und vier der Frauen sind als Kauffrau tätig. Darüber hinaus arbeitet eine Frau als Dipl. Ing. und jeweils eine Frau als technische Angestellte, Köchin, Lageristin, Putzfrau und Kellnerin. Zwei Frauen geben an, zum Zeitpunkt der Befragung eine Ausbildung (Studium und Ausbildung) zu absolvieren. Lassen sich auch hier keine Schlüsse auf die tatsächlich vorhandenen handwerklichen Kenntnisse der Baufamilien schließen, so ist doch aufgrund der Tatsache, dass über die Hälfte der befragten Männer in einem handwerklichen Beruf ausgebildet und darin auch tätig sind und eine Frau als Diplom-Ingenieurin arbeitet, davon auszugehen, dass in über der Hälfte der Baufamilien fundierte handwerkliche Kenntnisse und Erfahrungen vorhanden waren. Der Anteil der Baufamilien, bei denen eine handwerkliche Qualifikation vorhanden ist, fällt in dem Interviewsample und der Fragebogen-Erhebung unterschiedlich hoch aus. Während von den Interviewten ca. 70 % der Männer einen handwerklichen Beruf ausübten, waren es laut Aussagen in der Fragebogen-Erhebung nur knapp über 50%. Dies kann vermutlich auf die vergleichsweise hohe Anzahl von fehlenden Werten (34) in der Fragebogen-Erhebung zurückgeführt werden. In den Angaben der IBA zum Beruf der Baufamilien im Durchschnitt aller Projekte fällt der Anteil an Arbeitern und Facharbeitern mit 65,4% ebenfalls hoch aus (vgl. Tab.18). Tab. 18: Berufstätigkeit im Durchschnitt aller Projekte nach Angaben der IBA109 Beruf Durchschnitt aller Projekte Arbeiter 20,4 % Facharbeiter 45,4 % kaufmännische Berufe 14,2 % soziale Berufe 4,9 % Akademiker 2,8 % Beamter 7,8 % Selbständige 1,2 % Haufrau 3,1 % (Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 12)
Im Hinblick auf die Zielsetzung der Projektreihe Einfach und selber bauen lässt sich festhalten, dass in den Projekten die Zielgruppe der jungen Familien erreicht wurde. Bei den Baufamilien liegt der Altersdurchschnitt deutlich unter dem durchschnittlichen Alter der Erwerber selbstgenutztem Wohneigentums. Die Altersgrenze der Eigen109
Aus dieser Darstellung geht nicht klar hervor, ob durchgängig beide Ehepartner aufgenommen worden sind. Auffällig ist jedoch der geringe Anteil an Hausfrauen im Vergleich zu den Interview- und Fragebogenergebnissen.
184
tumsbildung ist hier also deutlich nach unten verschoben (vgl. Kap. II). Dies bestätigt sich auch im Vergleich mit Projekten der organisierten Gruppenselbsthilfe in den neuen Bundesländern. Hier liegt das Durchschnittsalter bei 40 (männlich) und 38 (weiblich) Jahren (IRS 1998: 22). Die Familien haben mit 2,3 (IBA-Durchschnitt) bzw. 2,1 Kindern (Interviews und Fragebögen) je Haushalt verhältnismäßig viele Kinder. Der Altersschwerpunkt der Kinder bei Baubeginn liegt auf den bis 6-jährigen Kindern. Es handelt sich demnach um Familien kurz nach der Familiengründungsphase. Die Projektidee ist aus dieser Perspektive als gelungen zu bezeichnen. Es entstanden so hauptsächlich Siedlungen mit einer ähnlichen demographischen Haushaltsstruktur und entsprechend zu erwartenden Wellen des Alterns und der Familienzyklen. Betrachtet man die beruflichen Tätigkeitsfelder der Baufamilien, so lässt sich resümieren, dass über die Hälfte der Männer in handwerklichen Berufsfeldern ausgebildet und tätig sind. Vor dem Hintergrund der in Kapitel III analysierten Fachliteratur zur Selbsthilfe entspricht dies zum einen der in vielen Fällen als notwenig angesehenen Vorraussetzung zur Durchführung von Selbsthilfeprojekten und zum anderen auch der beobachteten Praxis. In Bezug auf die Verteilung der Berufstätigkeit zwischen Mann und Frau lässt sich eine überwiegend traditionelle Arbeitsteilung konstatieren. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist die Frau für die finanzielle Haupt-Versorgung der Familie zuständig. Diese Verteilung korreliert auch eng mit dem Alter der Kinder, die sich in der Bauzeit überwiegend in einem betreuungsintensiven Alter befanden.
2.
Warum ein Selbsthilfe-Projekt? Motivationen
Die Initiatoren gingen in ihren Vorannahmen für die Planung der Selbsthilfe-Projekte davon aus, nicht vorhandenes Eigenkapital durch Selbsthilfe zu ersetzen. Als Zielgruppe wurden dann auch vorrangig junge Familien mit Kindern und geringem Einkommensniveau definiert. Die Entscheidung für eines der untersuchten Projekte wird daher häufig mit finanziellen Gesichtspunkten begründet. Oft erfolgte die Verführung über die einzigartige Möglichkeit, nur hierüber überhaupt den Traum vom eigenen Heim für die Kinder realisieren zu können (Beierlorzer 1999: 68). Dabei wird von Seiten der IBA betont, dass die Reihenhäuser eine Alternative zur Sozialwohnung darstellen, nicht zu einem normalen Wohneigentum. Ebenso wird die besondere Wohnqualität der Siedlungsprojekte hervorgehoben: Wohnen in einem Haus mit eigenem Eingang und einer guten (Siedlungs-) Adresse. Diese Annahmen wurden von der IBA jedoch nicht empirisch untersucht. In diesem Abschnitt wird daher der Frage nachgegangen, welche Gründe die Baufamilien für ihre Teilnahme an den Bauprojekten angeben. In den Interviews wird die Frage nach den Gründen für den Hausbau in der Eingangsfrage abgehandelt. Im weiteren Verlauf des Interviews wurde nach den Entschei185
dungsgründen für ein Selbsthilfe-Projekt gefragt. Die Fragebogen-Erhebung folgte dieser Struktur; dabei wurden auf der Grundlage der Interviewergebnisse für die Fragebogen-Erhebungen drei Fragen konzipiert: Der Stellenwert des Hausbaus in der Lebensplanung, die Gründe für den Hausbau und die Entscheidung für die Selbsthilfe. 2.1. Entscheidungsdimensionen: Beweggründe für Hausbau und Selbsthilfe in der Fragebogen-Erhebung Die Entscheidung, ein Haus zu bauen, wurde von mehr als einem Drittel der befragten Familien als eine lange vorhandene Absicht bezeichnet. Dies deutet darauf hin, dass sich diese Familien bereits länger mit dem Wunsch, ein Haus zu bauen (oder zu kaufen) auseinandergesetzt haben und u. U. den möglichen Hausbau bereits geplant bzw. vorbereitet haben (z. B. durch Ansparen von Kapital). Der Hausbau war so lässt sich schießen ein Bestandteil ihres Lebensplans. Ein weiteres Drittel der Familien bezeichnet die Teilnahme an den Selbsthilfeprojekten als eine spontane Entscheidung. Eine spontane Entscheidung lässt im Gegensatz zu der oben formulierten Absicht auf keine Vorbereitung des Hausbaus schließen. Allerdings sagt diese Antwort nichts über einen vielleicht vorhandenen Wunsch der Familien nach einem eigenen Haus aus. Als eine Gelegenheit, vorhandene Wohnungsprobleme zu lösen, wird der Hausbau von einem Fünftel der Befragten charakterisiert. 7,9% der Befragten haben mehrere Antworten angegeben (vgl. Abb. 15). Abb. 15: Entscheidung für Hausbau (Angaben in %) 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
37,1 33,7
20,2 7,9 1,1 lang vorhandene Absicht
spontane Entscheidung
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)
186
günstige Gelegenheit, unsere Wohnungsprobleme zu lösen
mehrere Antworten
keine Angabe
Vor dem Hintergrund der im ersten Teil der Arbeit dargestellten Wohnwunschbefragungen (vgl. Kap. II.1) ist festzustellen, dass die vorhandene Absicht zum Hausbau mit 37,1% der befragten Familien vergleichsweise niedrig ausfällt bzw. eine Diskrepanz zwischen den erhobenen Wohnwünschen besteht (ca. 75% der Bevölkerung wünscht sich ein eigenes Haus, vgl. Jokl 1990) und der Umsetzung in eine lang vorhandene Absicht. Dies ist m. E. darauf zurückzuführen, dass viele der befragten Baufamilien in den Selbsthilfeprojekten aufgrund ihrer sozialen Situation keine Chancen zur Realisierung ihres Hauswunsches sahen und ihn daher nicht in ihre Lebensplanung einbezogen. Bei der Frage nach den Gründen für den Hausbau (vgl. Abb.16) zeigt sich ein deutlicher Schwerpunkt bei dem Wunsch nach einem eigenen Haus. An zweiter Stelle steht der Wunsch nach mehr Freiraum durch einen eigenen Garten. Die mögliche Absicherung im Alter durch Hauseigentum wurde von den Familien an dritter Stelle genannt. Mit einigem Abstand folgt die Unabhängigkeit vom Vermieter. Weitere Gründe, die Probleme des Wohnungsmarktes (Wohnungsversorgung) und des Mieterverhältnisses thematisieren, werden von den Familien in der Fragebogen-Erhebung nur wenig genannt. Abb. 16: Gründe für den Hausbau (Angaben in %) Wir wünschten uns ein eigenes Haus
22,1
Durch einen eigenen Garten mehr Freiraum
21
Absicherung im Alter
19,5
Unabhängigkeit vom Vermieter
17,6
Schwierig, eine bezahlbare Wohnung zu finden
7,5
Schwierig, mit Kindern eine (Miet)Wohnung zu finden
5,2
Wir befürchteten ein Mieterhöhung
3
4,1
Sonstiges
0
5
10
15
20
25
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, 2 fehlend, Mehrfachantworten)
187
Die unter dem Punkt sonstige Gründe für den Hausbau genannten Angaben lagen schwerpunktmäßig auf der Wohnsituation der Kinder: Kinderanzahl, das fehlende kindgerechte Umfeld und die durch Familienzuwachs zu klein gewordene Wohnung. Darüber hinaus wurden finanzielle Gründe genannt: Kosten senken durch Muskelhypothek und ein bezahlbar(es) Haus sowie Aspekte der Wohnsicherheit und der Wohnqualität genannt. Bei der Entscheidung für ein Selbsthilfe-Projekt stehen finanzielle Gründe mit Abstand im Vordergrund. Mit 49 % der Antworten wird der Ersatz des fehlenden Eigenkapitals durch die Selbsthilfe beim Bau genannt. Die Möglichkeit, die zukünftigen Nachbarn durch die gemeinsame Bauzeit kennen zulernen, wurde mit 20,3 % der Antworten angegeben. Als etwa gleichwertig wird mit 20,9% die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung des eigenen Hausbaus angegeben (vgl. Abb. 17). Abb. 17: Warum haben Sie sich für ein Selbsthilfe-Projekt entschieden?
Sonstiges; 9,8%
zukünftigen Nachbarn kennenlernen; 20,3%
Hausbau aktiv mitgestalten; 20,9%
Eigenkapital ersetzen; 49,0%
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, 2 fehlend, Mehrfachantworten)
15 der Befragten führten unter der Kategorie "Sonstiges" weitere Gründe für die Entscheidung für ein Selbsthilfe-Projekt an. Knapp die Hälfte davon (sieben Familien) geben hier finanzielle Gründe an. Dabei werden Aspekte aufgezählt, die bereits vorher in anderen Fragen und Items thematisiert wurden, wodurch der Eindruck entsteht, dass es den Familien wichtig war, die finanziellen Beweggründe außerhalb der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten genauer zu erläutern. Im Mittelpunkt der Statements steht die Finanzierbarkeit des Hauses ("bezahlbar", "günstiger Preis", "Eigenkapital erhöhen"). Dazu trägt auch die Inanspruchnahme der Fördermittel des Landes bei. Neben der Finanzierung wird von den Familien ein zweites Motivbündel genannt: Die Wohn188
lage bzw. die Wohn- und Wohnumfeldqualität. Dabei war die bauliche Selbsthilfe nicht ausschlaggebend, u. U. ist die Entscheidung für dieses Projekt sogar trotz der Notwendigkeit, Selbsthilfe zu leisten, gefallen. So formulierte eine Familie ihre Entscheidungsfindung als negativen Ausschluss: "vernünftiges Haus war nicht finanzierbar". Was diese Familie unter "vernünftigem Haus" versteht, lässt sich aus dieser Aussage nicht ableiten. Auf der Grundlage des vorhandenen Materials lässt sich jedoch vermuten, dass der fehlende Keller, die als klein eingeschätzten Grundstücke, die "einfache" Bauweise etc. eine Rolle bei dieser Einschätzung spielen könnten. Die Wohnqualität in den Siedlungen spielte bei drei weiteren Familien eine große Rolle bei der Entscheidung für das Selbsthilfe-Projekt. Auch hier wird die Wohnlage als positiver Aspekt angesprochen ("zentrale ruhige Lage"), aber auch die Holzbauweise und ökologische Standards sowie die insgesamt "hohe Attraktivität von Haus, Siedlung und Umgebung" werden von einzelnen Familien als zentrale Aspekte der Entscheidung genannt. Neben der ökologischen Bauweise wurden in diesem Zusammenhang die "Grundrissplanung" und die "kinderfreundliche Planung" hervorgehoben. Zur Wohnqualität gehören auch die Kontaktmöglichkeiten, die von einer Familie als Entscheidungsgrund angegeben wurde ("unsere Freunde (haben) hier auch gebaut haben"). Der Wunsch mit Gleichgesinnten zusammenzuwohnen, gab in diesem Fall den Ausschlag. Die hier aufgeführten Gründe decken sich größtenteils mit den unter Sonstiges bei der Frage nach dem Hausbau angegebenen Gründen; dabei ist kein direkter Bezug zum Bauen in Selbsthilfe zu erkennen. Ein weiteres Motivbündel, nämlich "Neue Erfahrungen machen" und "Freude am Bauen" wurde von zwei Familien als Entscheidungskriterien für ein Selbsthilfeprojekt angegeben. In eine etwas andere Richtung geht die Anmerkung dieses Mannes110: 1. Weil ich den Makel, dass ich zwei linke Hände hätte, loswerden wollte - mit Erfolg! 2. Weil ich mal die Grenzen meiner Belastbarkeit kennen lernen wollte! 3. Weil ich mal in einer richtigen Männergesellschaft leben wollte (wenn ich schon keine Bundeswehr erlebt habe)!(030)111 Das Selbsthilfe-Projekt wird hier als persönliche Herausforderung (als Mann) auf verschiedensten Ebenen gesehen. Es bietet die Möglichkeit, sich handwerkliche Kenntnisse anzueignen und damit die persönlichen Fähigkeiten auf einer fast professionellen Ebene zu erweitern. Gleichzeitig wird es als eine Herausforderung gesehen, 110
Laut Fragebogen ist der Mann Vollzeit als Altenpfleger berufstätig, seine Frau ist Diplom Sozialarbeiterin und war während der Bauzeit nicht berufstätig. Sie haben zwei Kinder im Alter von sieben und elf Jahren. Die Familie hat nach eigenen Angaben bis zu 50.000 DM Eigenkapital eingebracht, und insgesamt 1.600 Selbsthilfestunden (1300 OGS, ca. 300 ESH) gearbeitet. Als Grund für den Hausbau geben sie unter Sonstiges an, dass Freunde mitgebaut haben.
111
Die Quellenangabe bei Zitaten aus der Fragebogen-Erhebung gibt die Nummer des Fragebogens an.
189
durchzuhalten und sich den ungewohnten körperlichen und psychischen Anforderungen tatsächlich gewachsen zu zeigen. Die dritte Herausforderung ist die Erlangung von Anerkennung in der "Männergesellschaft". Eine Baustelle wird damit zu einem Ort der Männergesellschaft, in dem eigene Regeln herrschen, wie beispielsweise in der Bundeswehr. Aber diese Gesellschaft bietet, so lässt sich vermuten, auch etwas Wertvolles, das die Anstrengungen lohnt: ein Identitätsangebot durch Zugehörigkeitsgefühle und eine damit verbundene Solidarität (unter Männern). Die "Selbsthilfe als letztes Abenteuer", ein Begründungsmuster, das in dem Untersuchungsmaterial nur an dieser Stelle so deutlich thematisiert wird. 2.2. Motivbündel die Interviewergebnisse Wie sehen nun die interviewten Baufamilien die Gründe für ihre Teilnahme an den Bauprojekten? Die Entscheidung für eines der untersuchten Projekte wird häufig mit finanziellen Gesichtspunkten begründet, aber auch andere Beweggründe sind vertreten. In den meisten Fällen waren keine isolierten und damit eindeutigen Gründe zu erkennen, sondern es handelte sich meist um Motivbündel. Im Folgenden werden die in den Interviews genannten wesentlichen Beweggründe für die Teilnahme an den Selbsthilfe-Projekten herausgearbeitet. 2.2.1.
Der Wunsch nach etwas Eigenem
Als zentraler Beweggrund zeigt sich in den Interviews der Wunsch nach einem eigenen Haus. Dieser Traum von etwas Eigenem liegt anderen Motivationssträngen zugrunde bzw. ist mit diesem verflochten. Im Unterschied zu den Aussagen der Fachliteratur wird dieser Wunsch explizit jedoch nur vergleichsweise selten formuliert, von insgesamt 27 Familien äußerten nur sechs Interviewte diesen Wunsch ausdrücklich als einen Grund für den Einstieg in die Projekte. Von denjenigen, die das explizit formulieren, wird ein schon lange bestehender Wunsch formuliert, etwas Eigenes zu haben. Teilweise wird der Wunsch konkreter ausgestaltet als "freistehendes Haus" oder in Bezug gesetzt zu der familiären Umgebung: Also auf die Idee, ein Haus zu bauen, sind wir schon lange gekommen. Meine Eltern haben ein eigenes Haus, die Geschwister haben ein eigenes Haus. Wir wollten es eigentlich auch schon immer haben. War finanziell natürlich nicht machbar (...). (Frau Erdmann) 112 In Verbindung mit der beschriebenen Wohnungssuche kommen einige der interviewten Familien zu dem Schluss, für den hohen Mietpreis etwas zu kaufen. Die monatlichen finanziellen Belastungen werden dann als eine Investition betrachtet und nicht als
112
Die Interviews wurden sprachlich geglättet und die persönlichen Angaben anonymisiert. Die Namen sind frei erfunden.
190
Ausgaben, von denen der Vermieter profitiert, nicht die Mieter. Wesentlich erscheint hier, dass die monatlichen Belastungen vergleichbar mit den Mietpreisen sind. Im Gegensatz zu einer Mietwohnung wird das eigene Haus in vielerlei Hinsicht als ein Gewinn betrachtet: das Eigentum stellt einen dauerhafter Wert dar, der an die Kinder vererbt werden kann. In vielen Interviews ist Wohneigentum darüber hinaus auch verbunden mit der Vorstellung von einem eigenen Garten. Eine Mietwohnung kann ich schlecht vererben und alles was ich an Miete zahle, bekomme ich auch schlecht zurück. Wir machen auf jeden Fall nur Plus. Wir können uns ja nur verbessern. Allein schon der Garten, die Terrasse nach hinten raus. Eigentum als solches natürlich der Grundgedanke (...). (Herr Böll) In finanzieller Hinsicht wird die Wohneigentumsbildung nicht in allen Fällen als ein Vorteil gesehen. Der folgende Interviewpartner stellt seinen Wunsch, ein eigenes Haus zu haben, über die finanziellen Gründe. Nach den Angaben des Befragten zahlt die Familie für das Haus monatlich mehr an Belastung als vorher an Miete und hat so deutlich höhere Ausgaben. Der Wunsch nach etwas Eigenem wird in dieser Aussage zum Hauptgrund der Entscheidung, der den Nachteil die monatlichen Mehrausgaben ausgleicht. Allerdings sind die finanziellen Bedingungen dieses Projektes auch für diesen Interviewten die Voraussetzung, sich diesen Wunsch überhaupt erfüllen zu können. Er nimmt dafür aus seiner Sicht finanzielle Nachteile in Kauf. "Nicht aus finanziellen Gründen. Nein, da stehen wir uns ja schlechter, sage ich jetzt mal. Nein, ganz einfach nur weil ich das wollte, also ein Haus, ja? Also es ist ja zu 90% aller Menschen der Wunsch da, ein eigenes Haus zu haben. Ich gehöre zu den 90% und aufgrund dessen ... ich habe ja schon immer mit dem Gedanken gespielt (...)." (Herr Keller) Der starke Wunsch nach dem eigenen Haus wird jedoch in den Selbsthilfeprojekten durch die Form der Organisation der Eigentumsverhältnisse in gewisser Hinsicht konterkariert. Die Familien haben formal kein eigenes Haus, sondern eine Eigentumswohnung gebaut, da die Siedlungen als Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) organisiert sind. Dies hat nach Angaben der Initiatoren vorrangig finanzielle Gründe, da aufgrund der gemeinschaftlichen Versorgungseinrichtungen und Erschließungskosten deutliche Einsparungen erzielt werden können. Vor dem Hintergrund der zentralen Motivbündel der Familien, in denen der Wunsch nach einem eigenen Haus eine große Rolle spielte, stellt diese Form der Organisation für einige Familien ein Problem dar. (...) das man uns bis zum Schluss in dem Glauben gelassen hat, dass man wirklich ein eigenes Haus hatte und eben kurz vor der Unterschrift erfahren, dass das eigentlich nur eine Eigentumswohnung ist. (...) also ich hätte es nicht gemacht. Denn ich war eigentlich davon ausgegangen, dass ich mir ein eigenes Haus kaufe. (Herr Bach)
191
Uns wurde dann irgendwann mitgeteilt, dass das verwaltungstechnisch erstmal so gehandhabt wird, das seien Eigentumswohnungen. (...) Da habe ich gesagt, das gibt es doch gar nicht. Das ist hier mein Haus. Nein, vor dem Gesetz wird das als Eigentumswohnung gehandhabt. (...) das war eine Unverschämtheit. (Herr Schneider) Diese heftigen Reaktionen auf die Information, anstatt eines Hauses eine Eigentumswohnung gekauft zu haben, verdeutlichen wie stark der Wunsch nach einem eigenen Haus ist. Aus den Reaktionen lässt sich schließen, dass es für viele der interviewten Familien einen wesentlichen Unterschied macht, ob sie in einer (selbstgebauten) Eigentumswohnung oder in einem Reihenhaus wohnen. Ein Haus ermöglicht in der Wahrnehmung der Baufamilien mehr Freiheit, Unabhängigkeit und Ungestörtheit. Die notwendige Kommunikation zwischen den Besitzer/innen von Eigentumswohnungen und der Zwang zur Verständigung sind in einer Wohneigentümergemeinschaft nach WEG deutlich höher als in einem Einfamilienhaus. Dies ist allerdings von den Initiatoren durchaus gewollt, da durch das Siedlungskonzept mit den Gemeinschaftsflächen und häusern ebenfalls eine Notwendigkeit zu gemeinsamer Verständigung und nachbarschaftlichem Umgang gegeben ist. Obwohl diese verwaltungstechnische Lösung starke finanzielle Vorteile für die Baufamilien bedeutet (z. B. gemeinsame Erschließung und Heizzentrale), erleben viele der Familien dies als einen Widerspruch zum Traum vom eigenen Haus, für dessen Verwirklichung sie große Anstrengungen in Kauf genommen haben. Insgesamt zeigt sich, dass der Traum vom eigenen Haus bei vielen der interviewten Familien vorhanden ist und dieser Wunsch bei vielen Familien ausschlaggebend für die Beteiligung an den Selbsthilfeprojekten war. Der Wunsch nach etwas Eigenem ist eng mit weiteren Beweggründen verflochten. 2.2.2.
Finanzielle Dimensionen
Die Mehrheit der Familien weist darauf hin, dass es ihnen ohne die Selbsthilfe nicht möglich gewesen wäre, ein Eigenheim zu finanzieren. Dabei werden verschiedene Aspekte als bedeutsam hervorgehoben. Bei einigen Familien war kein oder nur wenig Eigenkapital vorhanden. Hier übernimmt das durch die Selbsthilfe erwirtschaftete Kapital den Ersatz des für die Finanzierung notwendigen Eigenkapitals. Der organisierte Einsatz der eigenen Arbeitskraft ermöglicht in diesen Fällen erst den Eigenheimbau, ohne Selbsthilfe wäre er nicht möglich gewesen. Dies entspricht den Intentionen der Initiatoren, die die finanziellen Aspekte als die wesentlichen Beweggründe der Baufamilien hervorheben, aber auch den Ergebnisse der Studien zu Selbsthilfe, die in diesem Zusammenhang von einer Schwellenüberwindungsfunktion sprechen (Marahrens 1988, Gewos 1985: 27). Bei den meisten der interviewten Familien werden finanzielle Gründe für die Teilnahme an den Selbsthilfeprojekten aufgezeigt, es werden je192
doch auch noch andere mit der Finanzierung im Zusammenhang stehende Aspekte genannt. Einige der Interviewten betonen den Zeitfaktor, der bei ihnen eine Rolle gespielt habe. Die Selbsthilfe ermöglicht das Bauen zu einem früheren Zeitpunkt in der Lebensplanung, da das Ansparen des notwendigen Eigenkapitals noch längere Zeit gedauert hätte. Wie es die Selbsthelferin Frau Arndt formuliert: "Statt ein paar Jahre noch sparen, wollten wir das abarbeiten." Eine weitere Familie konstatiert, dass sie noch vier bis fünf Jahre hätten warten müssen, bis sie genügend Eigenkapital angespart hätten. Nicht nur der Ersatz von Eigenkapital, sondern auch die Finanzierung generell wird in Verbindung zu der Selbsthilfe gesehen. Der Selbsthilfe-Anteil trägt dazu bei, die Finanzierungskosten zu reduzieren und damit auch die monatlichen Belastungen niedrig zu halten. Die dadurch langfristige Finanzierbarkeit des Eigenheims war für diesen Interviewpartner der ausschlaggebende Grund, das Projekt zu beginnen. "Nein wir hatten uns auch schon bemüht, wir hatten auch geguckt nach einem Haus oder nach einer Eigentumswohnung, bloß das ist ja nicht finanzierbar. Das ist also unter den Voraussetzungen, weil ich finanziell immer ein bisschen vorsichtig gewesen bin, (...). Es war für mich oder für uns eine Möglichkeit, an Eigentum zu kommen unter vernünftigen Bedingungen, von der finanziellen Seite natürlich, so was für uns also hieß, dass ich als Alleinverdiener jetzt ... klar meine Frau arbeitet noch mit, aber generell als Alleinverdiener mit einer Belastung, die meiner Miete entsprechend oder ähnlich war bei normaler Arbeitszeit also tragbar ist." (Herr Bayer) Unter diesen Bedingungen erscheint es Herrn Bayer möglich, das Finanzierungsrisiko eines Eigenheims einzugehen. Ausgehend von einer unsicheren Arbeitssituation muss das Haus auch von einem Gehalt ohne Überstunden finanziert werden können. Es ist nicht möglich, wesentlich mehr an monatlicher Belastung für ein eigenes Haus aufzubringen, als es der vorherigen Miete entspricht. Dies weist darauf hin, dass die Mietbelastungen bereits an der Grenze der finanziellen Möglichkeiten der Familie lagen und eine Mehrbelastung ohne (wesentliche) Einschränkungen des Lebensstandards nicht möglich wäre. Die aktuelle Lebenssituation und der Lebensstandard der Familien sind ebenfalls Themen, die von den Befragten angesprochen werden. Eine junge Familie mit Kindern hat in der Regel nur wenig Gelegenheit, früh das notwendige Eigenkapital anzusparen, da das Gehalt noch nicht entsprechend hoch ist und eine Reihe von Ausgaben für den Lebensunterhalt und die Kinder notwendig sind. "Das geht einfach nicht in jungen Jahren. (...) Wir sind knapp über die 30. Man möchte ja auch leben. Man kauft sich ein Auto, man kauft hier und mal da was. Man fährt mal in Urlaub. Dann haben wir das Kind gehabt, da war für uns sowieso klar, wir haben nur eine Möglichkeit. Wir sagen spöttisch, selber bauen macht Spaß." (Herr Böll) 193
Der alltägliche Lebensstandard darf in der Einschätzung dieses Interviewten nicht unter der Bausituation leiden. Aus diesem Auszug wird deutlich, dass die Selbsthilfe zu diesem Zeitpunkt als einzige Möglichkeit gesehen wird, zu einem Haus zu kommen. Gleichzeitig wird angedeutet, dass eine konventionelle Art des Hausbaus (ohne Selbsthilfe) vorzuziehen wäre. Die Selbsthilfe wird als notwendiges Übel gesehen, in Kauf genommen und umgewertet: "Wir sagen spöttisch, selber bauen macht Spaß". Das bedeutet, dass die Familie aus ihrer Sicht keine andere Wahl hat, um zu diesem Zeitpunkt - zu einem Haus zu kommen. Sie ist aus finanziellen Gründen gezwungen, Eigenleistung in Form von Selbsthilfe zu erbringen. 2.2.3.
Sicherheit der Mittel - Sicherheit des Trägers
Ein zentraler Bestandteil des Finanzierungskonzepts der Projektreihe war je nach individueller finanzieller Situation der Baufamilien die Beantragung der öffentlichen Mittel und damit verbunden die Einhaltung der Einkommensgrenzen der Bewerberfamilien. Da der Förderungskorridor sehr eng war, konnte ein zweites Familieneinkommen, beispielsweise das der Ehefrau, dazu führen, dass die Einkommensgrenze überschritten wurde und die Familie nicht förderberechtigt war. Auf diese Situation geht das folgende Zitat ein. "Also für mich war vorrangig finanziell eigentlich, dass hier die garantierten Landesmittel waren. Wenn ich normalerweise ein Bauvorhaben habe, kann ich die zwar beantragen, habe sie aber nicht, d. h. es ist nicht garantiert. Während das hier, da wusste ich 100%ig sind die Landesmittel da, dafür kann ich aufhören zu arbeiten. Da stehe ich nicht hinterher da, habe keinen Job und dann eben halt auch nicht die öffentlichen Mittel." (Frau Erdmann) Dieser Interviewauszug verdeutlicht zwei Aspekte: Die Sicherheit der beantragten Landesmittel und in Abhängigkeit davon, die Entscheidung, den eigenen Arbeitsplatz aufzugeben, um diese Mittel zu erhalten. Da der Träger vor Beginn der Maßnahme klären konnte, ob für das Projekt Mittel des sozialen Wohnungsbaus vorhanden waren113, hatten die Baufamilien die größtmögliche Sicherheit hinsichtlich der beantragten Mittel. Vor diesem Hintergrund konnte Frau Erdmann eine risikolose Entscheidung hinsichtlich ihres Arbeitsplatzes treffen. Neben den Landesmitteln spielten für einige Familien auch der Ruf und die Kompetenz der beteiligten Akteure eine Rolle bei der Entscheidung. Die allgemeine Unsicherheit des Baugeschehens, die Gefahr, letztlich doch mehr für ein Haus zahlen zu müssen, wurde durch die Beteiligung bekannter und als seriös eingeschätzter Akteure verringert.
113
Für Gruppenbaumaßnahmen war eine Reservierung der Landesmittel (zinsgünstige Darlehen) möglich.
194
"Von der Finanzierung her war es wirklich dann interessant und für mich war auch wichtig, eigentlich persönlich, ja dass da der Bauträger dahinter stand, die Stadt da auch letztendlich dahinter stand, dass das alles doch schon einen sicheren Eindruck machte, während man ja, wenn man heute baut, da sind so viele Faktoren, die eine Rolle spielen, also Unsicherheit, wo nachher der Preis hingeht und (...) man hatte ja wirklich einen Preis, es wurde genau definiert, und gesagt so, da ist alles mit enthalten, ob nun Grunderwerbssteuer und Bereitstellungszinsen und was auch immer (....)." (Herr Baum) Das mit dem Bauen verbundene Risiko unvorhergesehener Preissteigerungen wurde durch die beteiligten Akteure in der Sicht von Herrn Baum minimiert. 2.2.4.
Die Beschränktheit des Wohnungsmarktes und die Suche nach Alternativen
Die Entscheidung für den Bau eines Hauses erfolgt nicht unabhängig von wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Als ein mit dem Motivbündel Finanzierbarkeit eng verflochtener zentraler Beweggrund wird aus den Aussagen der Interviewten der Hausbau als Alternative zur Wohnungssuche deutlich. Den Wunsch nach Veränderung der Wohnsituation nennen fast alle Interviewten, als Grund wird von vielen der beschränkte Wohnraum aufgrund der angestiegenen Kinderzahl angegeben. In zwei Fällen werden Schwierigkeiten mit den Vermietern/ Nachbarn erwähnt, die durch die Kinder verursacht werden. "Der Wohnraum war eng. Die drei Jungs haben sich ein großes Kinderzimmer geteilt und da haben wir schon gesehen, dass da ja ein gewisses Konfliktpotential heranwuchs. Ja, und dann war auch der Wunsch gewesen, sich zu verändern." (Frau Müller) Die Wohnungssuche wird von den Befragten als ein schwieriges und zeitaufwendiges Unternehmen geschildert. Kriterien bei dieser Suche waren zum einen die Größe der Wohnung (ein Kinderzimmer für jeden) und der monatliche Mietpreis. Auf dem Wohnungsmarkt sind nach Aussagen vieler der interviewten Familien nur wenige Wohnungen überhaupt verfügbar und dazu unverhältnismäßig teuer. Neben dem Mietpreis wird auch das Vorhandensein von Kindern als ein weiteres Problem bei der Wohnungssuche genannt. "Ich könnte also für das was ich jetzt hier im Moment aufbringen muss, keine Wohnung mieten mit meinen drei Kindern. (...) Also mit einer 5-köpfigen Familie eine vernünftige Wohnung zu finden, das ist ja fast unmöglich. Kriegt man ja gar nicht. Entweder kriegt man sie nicht, weil sie keine Kinder wollen, das ist das erste, war oben drüber steht. Und meistens sind die auch unheimlich teuer noch. Ist ja wirklich teuer, nicht? Zur Miete." (Frau Kamp) Gerade für Familien gestaltet sich die Wohnungssuche auf einem ohnehin schon engen Wohnungsmarkt schwierig, dies wird von einigen der interviewten Familien themati-
195
siert. Auch der Preis für die aktuell bewohnte Wohnung kann aus Sicht der Familien durch Mieterhöhungen und die Ausgleichsabgabe114 unverhältnismäßig steigen. 2.2.5.
Spontane Entscheidung: "Eigentlich wollten wir gar nicht bauen"
Auf der Suche nach Alternativen ergab sich für einige Familien der Hausbau als eine unerwartete Möglichkeit. Die Einschätzung "Eigentlich wollten wir gar nicht bauen" wurde von einigen InterviewpartnerInnen genannt. Damit verbunden werden zwei Aspekte: die finanziellen Gründe, wie sie oben bereits ausgeführt wurden und die Besonderheiten des jeweiligen Projekts. "Wir haben immer so gesponnen, ein Haus wäre klasse. Wir haben nie daraufhin gespart. Wir haben nie gesagt, so jetzt machen wir Bausparverträge. Wir bauen irgendwann in 10 Jahren. Nein, Unsinn, das kam ganz spontan. Zack und jetzt." (Herr Schneider) Im Gegensatz zu dem oben formulierten Zeitfaktor wird hier die spontane Entscheidung in den Mittelpunkt gestellt. In dem Zitat wird deutlich, dass zwar der Gedanke, selber zu bauen, vorher nicht thematisiert wurde, aber über eine ideale zukünftige Wohnsituation nachgedacht wurde (ein Haus wäre klasse). Erst in dem Moment, als die Familie von dem Selbsthilfe-Projekt erfahren hat, wurde der Hausbau zu einer konkreten Möglichkeit, nahm die Idee des eigenen Hauses Gestalt an und wurde realisierbar. In dem folgenden Zitat ist der Anstoß zum Bauen in der konkreten Ausgestaltung des Projektes zu finden. Die Vorteile des Selbsthilfeprojekts eine geschlossene nachbarschaftlich orientierten Siedlung im Gegensatz zu anonymen Wohnverhältnissen, die Gemeinschaftsanteile sowie die besondere Bauweise der Holzhäuser und die Kinderfreundlichkeit der Projekte überzeugten diese Familie zum spontanen Einstieg in das Projekt. "Eigentlich wollten wir gar nicht bauen. Ursprünglich hatten wir vorher noch mal so gesagt, erstmal so eine Eigentumswohnung kaufen, und dann haben wir das gelesen, dass dieses Projekt hier starten soll, und das fanden wir sehr interessant, weil halt so eine geschlossene Siedlung gebaut werden sollte. Holzhäuser fanden wir sehr interessant und ja halt weil es so eine komplette Siedlung wird und jeder ein bisschen Platz hat und viele Kinder da sind und die Kinder zusammen spielen können." (Frau Nickel) Die Entscheidung zu bauen, fiel in diesem Fall spontan, aber auch hier wird die vorherige Orientierung auf Wohneigentum mit dem beabsichtigten Kauf einer Eigentumswohnung deutlich formuliert. Als Auslöser für die Entscheidung benennt Frau Nickel die besondere (Wohn-)Qualität der Siedlungsprojekte.
114
Bewohnt die Familie eine Sozialwohnung und übersteigt das Familieneinkommen die zulässigen Einkommensgrenzen, muss eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden.
196
2.2.6.
Besonderheit des Projekts: Wohnqualität
Die Besonderheiten der Bauvorhaben waren in einigen Fällen entscheidend für dieses Selbsthilfe-Projekt. Gerade von Familien, die unter finanziellen Gesichtspunkten auch anders hätten bauen können, werden andere Qualitäten der Projekte als Entscheidungsgründe hervorgehoben. Dazu gehören die Anlage der Siedlungsstandorte und die Bauweise. Es wird in geschlossenen Siedlungen gebaut, die Nachbarschaft ist begrenzt und vorher bekannt. Durch den gemeinsamen Bauprozess können intensive Kontakte zwischen den Baufamilien entstehen. Die Häuser werden nach ökologischen Gesichtspunkten gebaut, d. h. es sind Niedrigenergiehäuser, es gibt Wasserversickerungskonzepte, Carports etc. Von besonderer Bedeutung sind die erwarteten und gewünschten nachbarschaftlichen Kontakte hinsichtlich der Kinder. In allen untersuchten Siedlungen wohnen bis auf drei Paare nur Familien mit Kindern, und die Siedlungen sind kinderfreundlich gestaltet (Spielplatz etc.). Die Kinder gut versorgt zu wissen, ist ein leitender Beweggrund bei der Entscheidung für das Projekt Hausbau. Dies zeigt sich auch in der FragebogenErhebung, in der die Verbesserung der Wohnsituation der Kinder ebenfalls als ein starkes Motiv genannt wird. Ein eigenes Zimmer für jedes Kind, Spielfläche direkt am Haus, Kinder als Spielgefährten, die Nachbarn als Unterstützung im Alltag, das sind Kriterien, die von den Familien genannt werden und deren Umsetzung sie von den Siedlungskonzepten erwarten. "... der einzige Grund eben, dass es finanziell geklappt hat, ist es eben nicht gewesen, sondern auch die Tatsache, wie das Ganze hier sich gestaltet. Sprich Holzhaus, Niedrigenergiehaus, Anschluss an gleichaltrige Familien mit entsprechenden Kindern usw., also kinderfreundliche Siedlung. Das trägt also alles schon ein bisschen dazu bei, dass wir gesagt haben, das ist unser Ding hier." (Herr Koch) Der besondere Charakter der Projekte wurde verstärkt durch die Aufnahmeverfahren in die Projekte, das in großen Teilen ein Auswahlverfahren nach bestimmten Kriterien war. Die Begeisterung und Euphorie für ein Projekt wurde davon jedoch nicht beeinträchtig, im Gegenteil, in einigen Fällen noch verstärkt. "Das klingt so toll und wir waren dann immer mehr angetan von dem Gedanken und haben die Unterlagen dann studiert und gesagt, ja, das ist schon eine tolle Sache, und wenn wir dabei sind ... es war wirklich so, dass man sagen muss, man hat das nicht gekauft wie viele andere Dinge, dass man sagt, so, das möchte ich gerne haben, das kaufe ich. Das war ja echt ein Auswahlverfahren. Nachher wurde gesagt, Sie dürfen. Sie dürfen dran teilnehmen." (Herr Baum)
197
2.2.7.
Die Selbsthilfe an sich
Einige der interviewten Baufamilien thematisieren die Zufriedenheit und den Stolz auf das Erreichte und eine andere Einstellung zu einem Haus, das man im Wesentlichen selber gebaut hat. Es sind hauptsächlich die Männer, die das betonen. Als ein Entscheidungsgrund wird die eigene Arbeit auf dem Bau in den Interviews nicht genannt. Es wird im Gegenteil darauf verwiesen, dass die Eigenleistung finanzielle Gründe hat und insbesondere die Menge der geleisteten Stunden von der finanziellen Situation abhängig ist. "Und Selbsthilfe ist eigentlich nur, weil wir kein Spargut haben oder einen Bausparvertrag haben. Und aufgrund dessen sicher, ich sage mal, wenn wir jetzt das Startkapital gehabt hätten, dann hätte ich wahrscheinlich trotzdem hier gearbeitet, aber ich hätte nicht diese Menge gemacht, die ich hier gemacht habe in dem Haus." (Herr Keller) Dieser Interviewte hätte auch mit Eigenkapital auf dem Bau gearbeitet, aber den Umfang der Arbeit erheblich reduziert. Auch das folgende Zitat hebt die Selbstverständlichkeit der Mitarbeit beim eigenen Hausbau hervor, problematisiert jedoch gleichzeitig den großen Umfang der Selbsthilfestunden. "Aber die Selbsthilfe ... also ein bisschen hätte ich schon selber gemacht, aber nicht das ganze Jahr so intensiv, wenn es nicht auch finanziell nötig gewesen wäre. Da hätte ich schon lieber ein paar Stunden abgegeben. Aber selbst so war es genau an der Grenze und das wäre sonst wirklich zu knapp geworden. Also bis jetzt ... die Endabrechnung ist ja noch nicht genau da, ob wir nicht noch was nachbezahlen müssen, ob das Geld überhaupt reicht." (Herr Feld) Neben der thematisierten Normalität beim Hausbau mitzuarbeiten, betonen beide Interviewten die Grenzen der Mitarbeit. Bis auf wenige Ausnahmen war die Möglichkeit, selber auf dem Bau mitzuarbeiten, kein Entscheidungsgrund für die Projekte. Selbstverwirklichung oder Selbstbestimmung durch Selbsthilfe wurden nicht thematisiert. 2.3. Fazit: Selbsthilfe ist kein Selbstzweck In der überwiegenden Anzahl der Fälle waren keine isolierten und damit eindeutigen Motive zu erkennen, sondern es handelte sich meist um Motivbündel. Den meisten Interviewaussagen liegt der Wunsch nach Eigentum zugrunde. Dieses wird durch die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung bestätigt. Der Wunsch ist bereits vorhanden und wird nicht durch das Projekt hervorgerufen. Das Selbsthilfeprojekt bietet jedoch einen Anstoß und eine Gelegenheit zur Verwirklichung des Traums von einem eigenen Haus. Durch die Selbsthilfe werden auch Schwellenhaushalte angesprochen, die vorher den Hausbau aus finanziellen Gründen als unrealistisch betrachtet hatten. Die Selbsthilfeprojekte bieten einen überschaubaren Rahmen, innerhalb dessen der Hausbau aufgrund festgelegter bestimmter Bedingungen und Regeln überschaubar und rea198
lisierbar erscheint. Dies bezieht sich vor allem auf das finanzielle Risiko, das mit dem Bau eines Hauses verbunden ist. Der Wunsch nach einem Eigenheim äußert sich in zwei Richtungen. Ein Teil der Familien verbindet damit das Für sich selbst -zahlen, worauf bereits Maharens (1988) verwiesen hat. Diese Familien wurden auch dadurch angesprochen, dass die monatliche Belastung laut Initiatoren ähnlich hoch sein sollte wie die Miete einer vergleichbaren Wohnung. Für eine zweite Gruppe von Familien ist die monatliche Belastung nicht das entscheidende Kriterium, vielmehr steht hier im Vordergrund, dass die Familien etwas Eigenes haben, auch wenn es teurer ist als vorher. Diese Familien sind gerne bereit, für ein eigenes Haus eine zusätzliche Belastung in Kauf zu nehmen so lange sie in einem tragbaren Rahmen bleibt. Paradoxerweise handelt es sich bei den in Selbsthilfe erstellten Siedlungen nicht um Eigenheime im klassischen Sinn. Die Siedlungen sind aus Kostenersparnisgründen als Wohneigentümergemeinschaften (WEG) organisiert. Rechtlich sind somit die Häuser als Eigentumswohnungen einzustufen. Die Interviewzitate haben gezeigt, dass diese Organisationsform (trotz der damit verbundenen Kostenvorteile) dem häufig emotional besetzten Wunsch nach einem Eigenheim in vielen Fällen diametral entgegensteht. Die Selbsthilfe ist ein Weg, den Hausbau zu ermöglichen. Für die Mehrheit der an den Selbsthilfeprojekten beteiligten Familien ist sie unter den aktuellen Förder- und Finanzierungsbedingungen der einzige Weg, zu diesem Zeitpunkt ein eigenes Haus zu bauen. Die Mehrzahl der Familien hat die Gelegenheit, an einem Selbsthilfeprojekt teilzunehmen, daher hauptsächlich aus finanziellen Gründen ergriffen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung, in denen mit 49% der Ersatz von Eigenkapital als Grund für den Einstieg in ein Selbsthilfeprojekt genannt wurde. Ohne die Selbsthilfe, so das Fazit der Baufamilien, wäre der Hausbau nicht möglich gewesen. Damit deckt sich die Intention der IBA mit den Hauptmotiven der Beteiligten. Das Ziel, gering verdienenden jungen Familien auf diesem Weg zu Wohneigentum zu verhelfen, scheint erreicht. Die bauliche Selbsthilfe erfüllt damit in zweifacher Hinsicht eine Schwellenüberwindungsfunktion: als Eigenkapitalsersatz und als Reduzierung der langfristigen monatlichen Belastung. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass mit Wohneigentum bestimmte Vorstellungen verbunden werden: Der Wunsch nach etwas Eigenem impliziert mehrere mögliche Motive. Die Baufamilien heben die Wohn- und Wohnumfeldqualitäten der Siedlungen hervor, insbesondere für die Kinder. Die Besonderheiten der Projektreihe Einfach und selber bauen, die genau auf diese Qualitätsaspekte zielen, stellen für einige Familien also einen wesentlichen Beweggrund für die Teilnahme dar. Diese Qualitäten scheinen jedoch für die Familien eng mit dem Eigentumsgedanken verbunden zu sein. Aller199
dings erfolgt die Entscheidung für Wohneigentum vor dem Hintergrund der Situation auf dem Wohnungsmarkt. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum (Wohnungsgröße, Lage und Mietpreis) wird von vielen Familien als äußerst schwierig beschrieben. Pierre Bourdieu (1998) spricht in diesem Zusammenhang von der Entwicklung von Dispositionssystemen (für Eigentum oder Miete), die maßgeblich durch den Wohnungsmarkt beeinflusst werden.115 Insgesamt können in Abweichung von den wissenschaftlichen Untersuchungen zur Selbsthilfe einige Veränderungen hinsichtlich der Beweggründe konstatiert werden: Zwar lassen sich auch aus diesem Material keine eindeutigen, isolierten Beweggründe für die Teilnahme an den Selbsthilfeprojekten ableiten, jedoch weichen die hier genannten Gründe an einigen Punkten von den Ergebnissen bzw. Annahmen anderer Studien ab. Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung wurden in den 1980er Jahren als starke Motive der Mitarbeit auf der Baustelle genannt. In der vorliegenden Untersuchung werden diese Gründe jedoch nur in der Fragebogen-Erhebung (20,9% Hausbau aktiv mitgestalten) formuliert. Auch das Motiv der Eigentumsbildung als Alterssicherung wird von den Befragten (weder in den Interviews noch in der FragebogenErhebung) besonders hervorgehoben. Dies erstaunt insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um selbstgenutztes Wohneigentum als Säule der Alterssicherung. Stattdessen werden in der vorliegenden Untersuchung vorrangig finanzielle Gründe als ausschlaggebend für die Teilnahme an den Selbsthilfeprojekten genannt. Wenn auch in anderen Punkten Differenzen zu den Studien aus den 1980er Jahren besteht, so stimmen in diesem Punkt die genannten Ergebnisse mit den Studien überein (Schäfer 1985, Maharens 1988, LEG 1987). Der Vorrang finanzieller Gründe wird vor dem Hintergrund verständlich, dass ein Hausbau für Schwellenhaushalte, zu denen ein Großteil der befragten Familien gehört, ein enormes finanzielles Risiko darstellt. Gerade für gering verdienende Familien ist es überlebenswichtig, eine seriöse und langfristig tragbare Finanzierung aufzustellen, damit das Risiko der Überschuldung, Insolvenz und letztlich die Gefahr eines Hausverlustes ausgeschlossen werden kann.
115
...die Neigung bestimmen, das Wohnproblem so zu lösen, dass man entweder Eigentümer oder vielmehr Mieter wird. Dabei darf nicht übersehen werden, dass diese Dispositionssysteme nur in Bezug auf eine bestimmte Marktlage wirksam werden und ebenso nur in Abhängigkeit von den institutionellen Bedingungen des Zugangs zu diesem Markt, d. h. vor allem von den verschiedenen Formen öffentlicher Unterstützungen. (Bourdieu 1998: 135)
200
3.
Der Planungs- und Bauprozess
Das Konzept der Organisierten Gruppenselbsthilfe (OGS) ist gegenüber der üblichen Rollenverteilung beim Hausbau (Bauherr, Bauleitung, ausführendes Unternehmen) durch eine veränderte Organisationsstruktur gekennzeichnet. Im Trägermodell übernimmt der Träger die wirtschaftliche und technische Betreuung der Baumaßnahme für eine bereits feststehende Gruppe von Baufamilien. Darüber hinaus ist die Bereitstellung einer technischen Anleitung auf der Baustelle zur Durchführung der baulichen Selbsthilfe ein zentraler Bestandteil der Betreuung durch den Träger. Das Betreuungsunternehmen (Träger) sollte in der Lage sein, die Baufamilien bei der Erbringung ihrer Selbsthilfearbeiten durch Beratung und Anleitung zu unterstützen sowie die von den einzelnen Familien erbrachten Leistungen zu bewerten und zu verrechnen.116 Im Rahmen der Projektreihe Einfach und selber bauen waren die Baufamilien bei der Projektentwicklung der Grupppenbaumaßnahmen nicht eingebunden. Vielmehr wurden die Architekten der verschiedenen Siedlungen über von der IBA initiierte eingeschränkte Architektenwettbewerbe ermittelt. Basis für die Beurteilung der Arbeit der Architekten war eine selbsthilfegerechte Planung, damit war auch die Organisation der Gruppenselbsthilfe eine zentrale Planungsaufgabe. Neben einer realistischen Einschätzung des Selbsthilfeumfangs des Gesamtprojekts waren die Architekten auch für die fachliche Anleitung der in Gruppenselbsthilfe zu erstellenden Gewerke zuständig (Beierlorzer/Boll 1998: 37). Die Betreuung umfasst neben der wirtschaftlichen (Selbsthilfeabrechnung) auch die technische Seite (Baustellenausstattung, Bauablauf, Organisation der Gruppenselbsthilfe), entscheidend ist die Betreuung vor Ort in der Person eines Selbsthilfepoliers. Die OGS verlangt von allen beteiligten Akteuren ein besonderes Engagement und zusätzlichen Zeit- und Organisationsaufwand. Das Betreuungsunternehmen muss die Selbsthilfearbeit der Baufamilien in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht koordinieren und abrechnen. Es handelt sich also um eine komplexe Organisationsstruktur. Die Aufgaben sind umfangreich, so ist beispielsweise der Polier der Definition nach nicht nur für die technische Anleitung (technische Kompetenz) der Baufamilie zuständig, sondern auch für einen funktionierenden Gruppenprozess innerhalb der Gruppe der Baufamilien (soziale Kompetenz). Der Betreuer/Träger übernimmt aus der Sicht der IBA auch eine auf das Sozial- und Gemeinwesen bezogene Arbeit, dazu zählt die Zusammenführung der Baufamilien zu einer Gemeinschaft, beispielsweise durch regelmäßige Besprechungen und die Wahl eines Siedlungssprechers (Beierlorzer/Boll 1998: 36). 116
Zu den Anforderungen an das Betreuungsunternehmen und den gesetzlichen Grundlagen vgl. Beierlorzer/Boll 1998: 31f.
201
Vor diesem Hintergrund wurde in den Interviews und der Fragebogen-Erhebung nach dem Ablauf des Bauprozesses, der Rolle der einzelnen Akteure und auftretenden Problemen gefragt. Die in den Interviews angesprochenen Problemfelder wurden in der Fragebogen-Erhebung teilweise bestätigt. Sie bezogen sich schwerpunktmäßig auf Rolle und Aufgaben der am Bauprozess beteiligten Akteure (Träger, Anleitkraft, Bauleitung/Architekt/innen). Ebenfalls erhoben wurde die Frage nach den Gestaltungsspielräume und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Baufamilien. Die Interviewergebnisse vertiefen die genannten Problemfelder und verdeutlichen strukturelle Schwierigkeiten der Gruppenselbsthilfe.
3.1. Baubetreuung und Organisation des Bauprozesses in der Fragebogen-Erhebung In der Fragebogen-Erhebung wurden wesentliche Bereiche der Organisation der Gruppenselbsthilfemaßnahmen untersucht. Dabei handelte es sich im Einzelnen um die Betreuung der Baufamilien durch den jeweiligen Träger im Vorfeld der Baumaßnahme, die Beurteilung der allgemeinen Ablauforganisation der Arbeit auf der Baustelle und die Einschätzung der Anleitungskräfte vor Ort sowie der Bauleitung der Selbsthilfeprojekte durch die Baufamilien. Die Betreuung der Baufamilien vor Baubeginn Der Bauträger übernahm im Rahmen der wirtschaftlichen Betreuung die Beratung bei der Erstellung von Finanzierungskonzepten und Förderanträgen sowie bei der Beschaffung von Fremdmitteln etc. Ein zentraler Bestandteil dieser Beratung ist die Anzahl der für die Finanzierung des Hauses notwendigen Selbsthilfestunden. Abb. 18: Wozu hat die Wohnungsbaugesellschaft in Gesprächen vor Beginn des Hausbaus Ihrer Meinung nach beigetragen? (absolute Häufigkeiten)
umfassende Finanzierungsberatung
71
zur Finanzierung notwendige SH-Stunden
59
Klärung machbarer SH-Stunden
23
Aufklärung über die Belastung
22
Sonstiges
11 0
10
20
30
40
50
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, 2 fehlend, Mehrfachantworten)
202
60
70
80
Die für die Zielgruppe der IBA-Projektreihe besonders wichtige Finanzierungsberatung der Betreuungsunternehmen wird weit überwiegend als umfassend und gut bezeichnet. Da nach den Ergebnissen einer aktuellen Studie zur Eigentumsförderung im sozialen Wohnungsbau die meisten Fördernehmer ohne umfangreiche Beratung nicht in der Lage sind, die Förderung zu beantragen, ist der positiven Bewertung der Betreuungsunternehmen eine besondere Bedeutung beizumessen.117 Integraler Bestandteil des Finanzierungskonzeptes sind die in Selbsthilfe zu leistenden Stunden. Auch zu diesem Punkt war die Beratung der Träger aus der Sicht der Baufamilien mehrheitlich (59 Nennungen) gewährleistet. Allerdings wird die ebenso bedeutsame Klärung der Frage, wie viele Selbsthilfestunden eine Familie realistisch in der Bauzeit abarbeiten kann, nur von einem Viertel der Befragten als Beitrag der Träger gesehen. Auch wird die meiner Ansicht nach für den Erfolg eines Selbsthilfeprojektes zentrale Aufklärung über die mit der baulichen Selbsthilfe verbundene Belastung nur bei einem knappen Viertel der Befragten bestätigt. Unter dem Punkt Sonstiges haben elf Familien geantwortet. Die Unterstützung der Bauträger im Vorfeld wurde subjektiv unterschiedlich erlebt. Positiv erwähnt wurden die zusätzliche Informationen und Unterstützung in den Bereichen Bauweise und Standards, die Beantragung der öffentliche Mittel und Förderungen, und die Klärung, dass wegen einer vorliegenden Behinderung keine Selbsthilfestunden zu leisten sind. Andere Familien fühlten sich nicht unterstützt (wenig Hilfestellung) und zu wenig über die konkrete Umsetzung der Selbsthilfe informiert. Ablauforganisation der Arbeit auf der Selbsthilfebaustelle Die hier abgefragten Items wurden aus den in den Interviews benannten Problemen generiert. Sie zielen auf Störungen in der Ablauforganisation auf der Baustelle. Verzögerungen wurden als problematisch beurteilt, weil sie in der Konsequenz zu einer Verlängerung der Bauzeit führen konnten. Dies bedeutete nicht nur eine längere Selbsthilfebelastung, sondern auch mögliche finanzielle Nachteile. Bauverzögerungen können die Arbeitsplanung der Familien empfindlich stören, ein bereits genommener Urlaub (z. B. zum Fenstereinbauen) kann beispielsweise aufgrund von Verzögerungen nicht voll für die Selbsthilfe genutzt werden.
117
Die Förderrichtlinien der Eigentumsförderung wirken überwiegend in hohem Maße überfrachtet und kompliziert. (IFS/advis 2003: 12)
203
Abb. 19: Arbeit auf der Baustelle allgemeiner Ablauf (Angabe in Prozent) 1,1 19,5
Verzögerungen des Baus waren selten
36,8 42,5
9,2 46
die erforderlichen Werkzeuge waren vorhanden
41,4 3,4
1,2 es waren immer genügend Arbeitskräfte auf der Baustelle
12,8 58,1 27,9
0
10
20 trifft nicht zu
30 trifft teilweise zu
40
50 trifft zu
60
70
trifft voll zu
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, n=87, n=86)
Verzögerungen, so die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung, waren die Regel. Nimmt man die beiden unteren Ausprägungen zusammen, so bestätigten mit 79,3% zwei Drittel der Befragten Verzögerungen im Bauprozess. Inwieweit diese auf tatsächlich vorhandene Organisationsmängel zurückgehen oder Teil eines normalen Bauprozesses sind, lässt sich aus dem Untersuchungsmaterial nicht klar ableiten. Wie bereits deutlich wurde, ist die Organisation einer Gruppenselbsthilfemaßnahme äußerst komplex. Es gilt, das notwendige Material und den Baufortschritt mit den Selbsthilfe leistenden Familien abzustimmen. Da viele Selbsthelfer/innen berufstätig sind, findet die Arbeit auf der Baustelle in der Regel ab 16.00 Uhr und am Wochenende (außer Sonntags) statt. Allerdings sind aufgrund von Schichtdiensten, Urlaub und der Mitarbeit von (nicht berufstätigen) Frauen auch tagsüber Selbsthelfer/innen auf der Baustelle. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Vorhandensein genügender Arbeitskräfte für bestimmte Bauaufgaben eines hohen Organisationsaufwandes in der Regel des Poliers bedarf. Nach Aussagen der Baufamilien in der FragebogenErhebung scheint dies teilweise gut gelungen zu sein (58,1%). Allerdings ist es auch in einem guten Fünftel der Fälle nicht gelungen (27,9% trifft nicht zu). Insgesamt scheint die Ablauforganisation auf der Baustelle ein Bereich zu sein, in dem aus der Sicht der Baufamilien deutliche Verbesserungen vor allem im Hinblick auf die Vermeidung von Verzögerungen notwendig sind.
204
Anleitung durch den Polier Die konkrete Ablauforganisation vor Ort hängt in starkem Maße von der Person der Anleitkraft (Polier) ab, die die Arbeit der Selbsthelfer/innen strukturiert. In der Regel waren ein bis zwei Anleitkräfte vor Ort tätig. Der Polier machte die Arbeitspläne, teilte die Selbsthelfer/innen ein und leitete sie an. Neben seiner fachlichen Kompetenz war in der Arbeit mit 20 bis 50 Baufamilien auch eine ausgeprägte soziale Kompetenz in den Bereichen Gruppendynamik, Anleitung von Laien etc. notwendig. Ein gutes Drittel der Baufamilien bestätigt dem Polier soziale Kompetenz im Umgang mit den Baufamilien und für immerhin 48,8% der Befragten traf dies teilweise zu. Bei der Beantwortung dieser Frage zeigen sich deutliche projektspezifische Unterschiede. So ist in drei Projekten eine deutlich negativere Einschätzung des Poliers festzustellen als in den restlichen fünf Projekten. Es ist anzunehmen, dass die Einschätzung der Baufamilien einerseits stark von der Persönlichkeit des Poliers sowie der Gruppendynamik im Projekt abhängt. Abb. 20: Arbeit auf der Baustelle Anleitkräfte 5,80% 29,1%
der Polier konnte gut mit Leuten umgehen
48,80% 16,30%
17,20% 50,6%
der Polier war erreichbar
29,90% 2,30%
27,60% 41,4%
der Polier war fachlich kompetent
28,70% 2,30%
0%
10% trifft nicht zu
20%
30%
trifft teilweise zu
40% trifft zu
50%
60%
trifft voll zu
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=86, n=87, n=87)
Bei der Einschätzung der fachlichen Kompetenz fällt das Urteil deutlich positiver aus: In 69% der Fälle (trifft zu und trifft voll zu) wurden dem Polier die fachliche Kompetenz zugesprochen. Diese Frage scheint unabhängig von der persönlichen Eignung behandelt worden zu sein. Nur in einem Projekt wurde mit zwei Nennungen trifft nicht zu angegeben. 205
Die Erreichbarkeit des Poliers ist für den Fortschritt der Bauarbeiten in vielen Fällen eine wesentliche Voraussetzung. Je nach Organisationsmodell (vgl. unten) war die ständige Anwesenheit auf der Baustelle unterschiedlich ausgeprägt. Allerdings wird die Erreichbarkeit des Poliers überwiegend als gut einschätzt: Für insgesamt 67,8% der Befragten trifft dies zu bzw. voll zu. Knapp 30% schätzen die Erreichbarkeit nur als teilweise gegeben ein. Bauleitung/Architekten Die Bauleitung vor Ort wurde in der Regel von dem Polier ausgeübt. In einigen Fällen übernahm das Architekturbüro die Bauleitung. Bemängelt wurden in den Interviews hauptsächlich die unklare Verteilung der Entscheidungskompetenzen, der mangelnde Informationsfluss und die Zusammenarbeit mit den Architekt/innen. In der Fragebogen-Erhebung bestätigt sich dieser Eindruck. Der Informationsaustausch zwischen der Bauleitung und der Gruppe der Selbsthelfer/innen wird in 26,4% als nicht funktionierend beschrieben und in der Mehrzahl der Nennungen (54,1%) als teilweise funktionierend. Dies kann zu Schwierigkeiten in der Weitergabe notwendiger Informationen bezüglich der Weiterarbeit auf der Baustelle führen, aber auch Folgen haben im Hinblick auf die Einbindung der Baufamilien in Entscheidungsprozesse. In der Literatur zu Selbsthilfeprojekten wird die Durchführung regelmäßiger Baubesprechungen empfohlen. Diese wurden auch in den Einfach und selber bauenProjekten in unterschiedlicher Intensität durchgeführt. Allerdings waren die Baubesprechungen so lassen sich die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung interpretieren nicht ausreichend, um eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Bauleitung/Träger und den Baufamilien zu etablieren. Abb. 21: Arbeit auf der Baustelle Bauleitung/Architekten
Informationsfluss zwischen Bauleitung und Selbsthelfern funktionierte
1,1
Zusammenarbeit zwischen Bauleitung und Architekten funktionierte
1,2
18,4 54 26,4
7,1 45,9 45,9
0
10 trifft nicht zu
20
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, n=85)
206
30
trifft teilweise zu
40 trifft zu
50 trifft voll zu
60
Auch die Zusammenarbeit zwischen Bauleitung und Architekt/innen beurteilen die Baufamilien als überwiegend nicht oder nur teilweise gelungen. Hier ergibt sich ein deutlicher Handlungsbedarf zur Verbesserung des organisatorischen Ablaufs, der Etablierung tragfähiger Kommunikationsstrukturen und gegenseitiger Absprachen der Leitungsverantwortlichen in Richtung einer größeren Transparenz auf der Baustelle. 3.2. Planung und Organisation aus der Sicht der Interviews Die Organisierte Gruppenselbsthilfe (OGS) erfordert einen hohen Organisationsaufwand durch die Betreuung der Baufamilien. Der grobe Rahmen der OGS wurde bereits skizziert: kaufmännische und technische Betreuung durch den Träger und Anleitung der Baufamilie vor Ort durch einen Polier. Die konkrete Durchführung der Organisation und Betreuung der Gruppenselbsthilfe gestaltete sich jedoch durchaus unterschiedlich bei den untersuchten Projekten. Daher werden im folgenden Abschnitt die spezifischen Organisationsmodelle von den fünf Selbsthilfe-Projekten, in denen Interviews durchgeführt wurden, vorgestellt. 3.2.1.
Projekt A: Formen der Selbstorganisation als Kompensation von Betreuungsdefiziten
Dieses Selbsthilfe-Projekt hatte im Gegensatz zu den anderen Projekten ein besonderes Organisationsmodell, in dem die Gruppenselbsthilfe über eine (Bau-)Firma betreut wurde. Neben den Reihenhäusern, die in Gruppenselbsthilfe errichtet werden sollten, war der Bau von zwölf Geschossbauwohnungen durch eine Baufirma auf dem gleichen Flurgrundstück geplant. Zu Baubeginn waren nicht alle Häuser verkauft und auch zum Interviewzeitpunkt standen sieben der Häuser noch leer. Die Häuser sind seit Mai/Juni 1997 fertig gestellt, an den Außenanlagen wurde danach noch gearbeitet. Zu Baubeginn waren nur elf Familien an dem Projekt beteiligt. Diese relativ kleine Gruppe von Baufamilien baute alle 22 Häuser im Rohbau. Dies führte dazu, dass viele Familien mehr Stunden als geplant gearbeitet haben, da sonst die Häuser nicht fertig geworden wären. Die Organisation der Selbsthilfe-Baustelle erfolgte zum einen über den Architekten, der den Bauleiter stellte (ein Architekt aus dem Architekturbüro). Die Anleitung der Baufamilien vor Ort erfolgte über die Firma, die auch den Geschossbau erstellte. Die kaufmännische Betreuung übernahm der Träger.118 Dieses Organisationsmodell erwies sich an einigen Stellen als problematisch für den Ablauf des Bauprozesses.
118
Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass der Träger zwar Anfang der 80er Jahre einige Maßnahmen in organisierter Gruppenselbsthilfe durchführte (vgl. LEG 1987), jedoch aktuell keine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Erfahrungen in diesem Bereich hatte.
207
Die Häuser wurden in konventioneller Mauerwerksweise erstellt. Zur Vorbereitung der Baufamilien veranstaltete der Bauunternehmer vor Beginn des Baus einen Einführungskurs im Mauern. Da sind wir zu diesem Werk hingefahren, dann hat man uns das gezeigt, wie man das zu handhaben hat mit diesem gezahnten Stein und so eine kleine Schulung gegeben. (...) im Prinzip haben wir das alles hier auf der Baustelle gelernt. (Herr Vogel) Die Baufirma stellte einen Polier zur Verfügung, der parallel zu der Arbeit an den Geschossbauwohnungen die Selbsthelfer und Selbsthelferinnen betreuen sollte. Im Unterschied zu den anderen Selbsthilfe-Projekten ist hier laut Angaben der Baufamilien nur eine vergleichsweise geringe Betreuungszeit pro Haus eingeplant worden, da der Polier durch seine Mitarbeit an dem Geschossbau zwei Funktionen gleichzeitig zu erfüllen hatte. Mit der Firma (...), die haben uns den Polier zur Seite gestellt. Der hat dann auch mal gesagt, hört mal Jungs, das und das müsst ihr so machen, bei den Ecken setzen und so, da hat der dann schon mit ausgemessen und ausgelotet mit einem Nivelliergerät, dass wir das auch ordentlich hinbekommen haben. Obwohl, da hätten wir uns eigentlich ein bisschen mehr Unterstützung gewünscht. Es war geplant ursprünglich, dass der Polier pro Haus 16 Stunden zur Verfügung steht und er hat also, wenn wir das so hochgerechnet haben, maximal 20 Stunden für alle 22 Häuser zur Verfügung gestanden. (Herr Vogel) Das bedeutet, dass der Polier den Hauptteil seiner Arbeitszeit für den Geschossbau verwendete. Die Arbeitzeit auf einer Selbsthilfebaustelle unterscheidet sich von einer normalen Baustelle. In der Regel waren die Selbsthilfebaustellen von 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr aktiv und dies auch am Samstag. Da viele der Selbsthelfer tagsüber arbeiteten, lag die Hauptarbeitszeit bei vielen der Selbsthilfe-Projekte von 16.00 bis 21.00 Uhr werktags, und der Samstag war der Hauptarbeitstag. D. h. das Betreuungsmodell Baufirma bedeutete also auch, dass die Baustelle gerade dann nicht betreut wurde, wenn die meisten Selbsthelfer und Selbsthelferinnen anwesend und tätig waren. Zwar war der Polier im Verlauf der Bauzeit drei- bis viermal am Samstag anwesend, das war jedoch aus Sicht der Baufamilien nicht ausreichend. Die Anleitung lief hier so, dass wir glücklicherweise viele Leute hatten, die Frühschicht, Mittagschicht, Nachtschicht hatten und die haben teilweise morgens hier gearbeitet, und wenn wir nachmittags gekommen sind, dann haben wir von denen praktisch die Neuheiten erfahren, und ab und zu haben wir natürlich auch mal den Polier gesehen (...). Zu Anfang hatten wir einen guten Polier. Der hat uns dann mal den einen Handgriff gezeigt, oder wenn irgendwas verkehrt war, hat er das am nächsten Morgen dem Arbeitstrupp gesagt. (...) Die Vermessung mussten wir dann teilweise auch selber vornehmen, wo jetzt ein Fenster hinkommt, wo eine Tür, weil ja nachmittags keiner mehr da war. (Herr Bach)
208
Die Betreuungskapazität durch einen erfahrenen Handwerker vor Ort war demnach deutlich eingeschränkt. Der Polier wurde neben den beiden Aufgaben, die er zeitgleich erfüllen sollte - im Verlauf des Bauprozesses anscheinend häufiger abgelöst. Die Baufamilien hatten daher nur zu bestimmten Zeiten einen ansprechbaren Betreuer zur Verfügung und waren dadurch meiner Ansicht nach gezwungen, ein gutes Kommunikationssystem innerhalb der Baufamilien aufzustellen, um die Informationen über den Fortgang des Bauvorhabens schnell und zuverlässig weiterzugeben. Darüber hinaus entwickelten die Baufamilien rasch eigene Zuständigkeiten für den Bauablauf, die Materialbestellungen etc. ... wir waren hinterher soweit, wir haben unsere Steine selber bestellt, als wir gemauert haben, wir haben für den Trockenbau die Platten selber bestellt, das Ständerwerk selber bestellt, weil er nicht aus dem Quark kam. Das ist so die Sache, wo wir uns echt geärgert haben. Es hieß immer, Sie kriegen eine Anleitung. Ja und die Anleitung mussten wir uns selber holen. (Herr Meyer) Die Arbeit auf der Selbsthilfebaustelle begann vor der Arbeit am Geschossbau. Die Interviewten schildern, dass zu Beginn der Bauzeit nur wenige Geräte, kein Wasser und kein Strom vorhanden waren und die Geräte erst angeliefert wurden, als der Bauunternehmer die Arbeit an dem Geschossbau aufnahm. Schwierigkeiten in der Abstimmung zwischen Selbsthelfern und Bauleitung bzw. Polier zeigten sich auch in der Materialbeschaffung. Alle Baufamilien schildern anschaulich, dass es zu Beginn häufig zu Verzögerungen aufgrund der verspäteten Lieferung notwendiger Baumaterialen kam. Im Verlauf der Bauzeit haben die Baufamilien diese Aufgabe mit übernommen, um sicher zu sein, dass das erforderliche Material rechtzeitig angeliefert wurde. Wenn wir da nicht Eigeninitiative gezeigt hätten in Bezug darauf, dass wir die Materialien selber bestellt hätten, dann hätten wir auch wieder eine Riesenzeitspanne dazwischen gehabt, bis die Materialien gekommen wären. (Herr Vogel) Diese Form der Selbstorganisation dehnte sich auch auf andere Bereiche aus. Für die Abrechnung der Selbsthilfestunden ist eine genaue Buchführung über die geleisteten Stunden notwendig. In den anderen Projekten wurde dies auf der Baustelle in der Regel vom Polier durchgeführt. In diesem Projekt übernahmen die Selbsthelfer diese Funktion. Wir hatten einen, der hatte die Oberaufsicht hier bei uns, der war auch aus unseren Reihen gewählt, der dann die Stundenzettel gegenzeichnen musste. Bei dem hat man sich dann angemeldet, oder wenn er nicht da war, war der Stellvertreter da und wir waren eigentlich auch so, ja wir haben keinen übers Ohr gehauen oder so etwas, sondern wir haben uns dann auch gegenseitig die Zettel unterschrieben und abgehakt und auch im Anwesenheitsbuch dann eingetragen, wer wann da gewesen ist, dass man das überhaupt nachvollziehen konnte (...) Wir haben dann alle unsere Zettel abgegeben und selber hat man sich das kopiert. Man hatte dann auch einen Überblick, ob man jetzt langsam seine Stunden erreicht hatte oder nicht. (Herr Vogel) 209
Die Baustelle wurde von der Berufsgenossenschaft zweimal stillgelegt, da die Sicherheitsvorschriften (bestimmte Ausstattung mit Gerüsten) nicht eingehalten wurden. Diese Gerüste wurden von der Baufirma nur unzureichend bereitgestellt. Zweimal ist die Baustelle stillgelegt worden, weil von der Berufsgenossenschaft welche da waren (...). Die Firma, die das Projekt begleitet hat, wo auch die Poliere herkamen, die haben mal eben nicht genug Schutzgerüste zur Verfügung gestellt. Und wir haben dann immer so provisorisch aufgebaut und da mussten drei Bohlen (...) an der Seite hoch sein und wir hatten immer nur zwei Bohlen zur Verfügung. Ja und wenn die von der Berufsgenossenschaft hier waren, die haben uns von der Baustelle runtergeholt und dann stand das erstmal wieder, bis dann erstmal diese Lieferung mit den neuen Bohlen wieder da war. Und hier vor Ort hatten wir kein Telefon, dass man im Architekturbüro anrufen konnte und dann sagen konnte, hört mal zu, wir brauchen ganz dringend Bohlen. (...) Die Baustelle ist stillgelegt worden. (Herr Vogel) Neben den beschriebenen Engpässen an Material trugen auch diese Geschehnisse hinsichtlich der Sicherheitsvorschriften zu einer Verzögerung des Baus bei. Von Seiten des Trägers wurden jedoch auch Anstrengungen unternommen, die Kommunikation zwischen Selbsthelfer/innen und der Bauleitung allgemein zu fördern. So organisierte der Träger einige Zeit nach Beginn der Baumaßnahme regelmäßig einmal im Monat eine Versammlung, in der der Ablauf des Bauprozesses und die weitere Vorgehensweise besprochen wurden. Im Rohbau verlief die Gemeinschaftsarbeit nach Aussagen der interviewten Baufamilien gut. Sobald die Häuser im Rohbau standen, hat sich jede Familie jedoch auf ihr Haus konzentriert. Von einer der Baufamilien, die wenig Helfer und Helferinnen hatte, wird dieses problematisiert, da viele der Arbeiten im Innenausbau nicht allein bewältigt werden konnten und nun keinerlei Betreuung oder Anleitung mehr zur Verfügung stand. Das war sowieso so ein bisschen auch eine Lücke zwischen Theorie und dann der praktischen Umsetzung. Solange der Rohbau war, lief das also mit der Gemeinschaftsarbeit recht gut. Da ging es auch mit der Betreuung (...) und das war einfach relativ klar, was gemacht werden sollte, und sobald dann die Häuser standen, war es dann eben doch sehr so, dass sich jeder dann auf sein Haus stürzte und geguckt hat, dass er das fertig kriegte. Auch verständlicherweise, weil das war so ja, sagen wir mit der Betreuung durch die einzelnen Firmen nicht immer ganz so, wie es eigentlich vorgesehen war (...). (Frau Foss) Es entsteht der Eindruck, dass die Fertigstellung der Häuser im Wesentlichen in Einzelselbsthilfe erfolgte. Familien, die in dieser Endphase nicht mehr auf die Hilfe von Verwandten oder Bekannten zurückgreifen konnten und deren handwerkliche Kenntnisse eventuell nur eingeschränkt vorhanden waren, standen somit vor einer schwierigen Situation.
210
Insgesamt ist es den Baufamilien auf eine beeindruckende Weise gelungen, die Schwierigkeiten und Probleme der spezifischen Projektorganisation zu kompensieren. Dabei haben meines Erachtens eine Reihe von Faktoren eine Rolle gespielt: Die Baugruppe war mit 11 Familien sehr klein und überschaubar. Dies bedeutete für alle Familien, dass sie mehr Selbsthilfestunden gearbeitet haben (und arbeiten mussten), um die Häuser überhaupt aufzustellen. Die Familien hatten sich aufgrund der Initiative der späteren Siedlungssprecherin bereits vor Beginn der Bauzeit getroffen und kennen gelernt. Der Gruppenzusammenhalt wurde von allen interviewten Familien als sehr gut dargestellt. Die häufige Abwesenheit des Poliers wurde durch einige Selbsthelfer kompensiert, die fundierte handwerkliche Kenntnisse besaßen und in der Gruppe eine Leitungs- und Betreuungsfunktion einnahmen. Die Verantwortung für den Bauprozess war in diesem Projekt bei allen Teilnehmenden sehr stark ausgeprägt. 3.2.2.
Projekt B: Eine funktionsfähige Leitung
Diese Siedlung besteht aus 52 Häusern und 6 Eigentumswohnungen, die in Massivbauweise erstellt wurden. Das städtische Grundstück wurde in Erbpacht an die Baufamilien vergeben. Das Projekt war das erste in der Reihe Einfach und selber bauen und insofern ein Modellprojekt. Es ist das größte der in diesem Rahmen realisierten Projekte. Die Häuser sind daher in verschiedenen Bauabschnitten fertig gestellt worden und entsprechend hat sich auch die Bezugszeit über einen längeren Zeitraum hingezogen. Dieses Projekt wurde wie das Projekt E von einem Bauträger betreut, der langjährige Erfahrungen im Bereich der Organisierten Gruppenselbsthilfe mitbrachte. Der Bauträger stellte den Polier vor Ort und dieser übernahm die Bauvorbereitung und Durchführung. Die Organisation des Projektes war idealtypisch geregelt: In Zusammenarbeit mit den Architekten wurde dem Polier vor Ort die Bauleitung übertragen. Er teilte die Baufamilien ein, koordinierte die Bauarbeiten und übernahm die Beauftragung der von Unternehmen auszuführenden Arbeiten. Der Bauleiter (Polier) hatte in diesem Projekt zwei Helfer, die ihn unterstützten. Die Einteilung der Baufamilien war bei der Größe des Projekts eine schwierige Aufgabe, denn die Baustelle war groß und schwer zu beaufsichtigen. Im Zusammenhang mit der Größe des Projekts und der Einteilung der Baufamilien wird von den Interviewten ein grundlegendes Problem thematisiert. Zu Beginn der Maßnahme standen alle Baufamilien (und ihre Helfer/innen) zur Arbeit zur Verfügung. Gegen Ende der Bauzeit, insbesondere wenn wie in diesem Projekt in verschiedenen Bauabschnitten gebaut wurde, waren in vielen Fällen nur noch die Familien vor Ort, denen die noch zu bauenden Häuser gehörten. Die anderen Selbsthelfer hatten ihre Stunden bereits abgearbeitet. 211
Das heißt, wir sind um 4 Monate dann verzögert worden, weil eben am Ende die Leute nicht mehr da waren. Wir mussten Reihe für Reihe arbeiten, das heißt es wurde nicht eher hier weitergearbeitet, bevor die Reihe, die laut Plan dran ist, fertig ist. (...) Ja gut, wir haben mit diesem Enthusiasmus vielleicht das Chaos reingebracht. Wir sind hier mit 40 Mann reingestürzt. Wir wollen arbeiten, wir wollen arbeiten. Gib mir die Schaufel, ich will arbeiten. (...) wenn ich jetzt den Leuten Arbeit gebe, verfahre ich so und soviel Stunden und dann irgendwann sind die Leute fertig (...) heute mache ich meine zweitletzte Stunde und dann gehe ich Hause (...). Und dann komme ich erst in einem halben Jahr, die Schlüssel zu holen. (Herr Asche) Dieses Problem wurde noch dadurch verschärft, dass der Polier vom Träger bereits für das nächste Projekt eingeteilt wurde und nicht mehr in der gesamten Zeit zur Verfügung stand, damit waren die letzten Familien in dieser Situation auf sich allein gestellt. Dies bedeutet nicht nur eine zeitliche Verzögerung der Fertigstellung, sondern auch einen finanziellen Nachteil. Die oben zitierte Familie gibt an, dass sie durch die bauliche Verzögerung vier Monate länger Bauzeitzinsen zahlen musste. Insgesamt ist die Beurteilung der Betreuung vor Ort jedoch bemerkenswert gut. Die meisten der befragten Familien äußerten sich zufrieden mit der Betreuung. Dies ist umso bemerkenswerter als die Voraussetzungen bei einem Projekt dieser Größe hinsichtlich des zu leistenden Betreuungsaufwandes als außerordentlich schwierig zu bezeichnen sind. Auffällig erscheint, dass von den befragten Familien weder Kommunikationsprobleme untereinander oder mit der Bauleitung berichtet werden noch Kritik hinsichtlich der von der Leitung zu leistenden Aufgaben (Materialbeschaffung etc.) formuliert wurden. Das hier praktizierte Organisationsmodell scheint im Gegensatz zu Projekt A tatsächlich eine funktionsfähige Leitung und Organisation installiert zu haben. Die einzelnen Selbsthelfer/innen, so mein Eindruck, fühlten sich nicht verantwortlich für den Ablauf des gesamten Projekts, sondern nur für ihre Selbsthilfestunden. Das Projekt war aufgrund der Größe für den Einzelnen nicht überschaubar, und die zu regelnden Aufgaben wurden von der Bauleitung erledigt. In gewisser Weise bedeutete dies eine Entlastung der Baufamilien, gleichzeitig jedoch auch, dass die Identifikation mit dem Projekt und den beteiligten Familien nicht in dem Maße wie in anderen Projekten vorhanden war. Die Familien waren abgekoppelt von dem Gesamtablauf, die Beteiligung erfolgte punktuell in der Arbeit auf der Baustelle. Im Vergleich zu einigen anderen Projekten kam es nicht zu einem Zuständigkeitsgefühl (Übernahme von Verantwortung) für das gesamte Projekt. Zugleich gestaltete sich die Arbeit für die Familien dadurch eher überschaubarer, weil sie nur die unmittelbar für sie wichtigen Dinge in den Blick genommen haben.
212
3.2.3.
Projekte C und D: Leistungsdruck und Stundenängste
Beide Projekte wurden vom gleichen Träger durchgeführt. Sie unterscheiden sich zwar in der Anordnung der Häuser und Grundstücke, haben aber die gleiche Bauweise. Es sind Holzhäuser, deren Bestandteile auf der Baustelle durch die Baufamilien vorgefertigt und dann aufgestellt wurden. Die Ausgangsbedingungen für die beiden Projekte waren von den organisatorischen Rahmenbedingungen weitgehend gleich: gemeinsamer Träger, Architekt und Bauleitung. Es existierten jedoch zwei bedeutsame Unterschiede im Hinblick auf die Zahl der Baufamilien zu Baubeginn und die finanziellen Rahmenbedingungen des Projektes. In Projekt C war die Zahl der Baufamilien nahezu vollständig, und alle waren an dem Bauprozess beteiligt. In Projekt D sind die 30 Häuser überwiegend mit ca. 20 bis 24 Familien gebaut worden. Ein gravierender Unterschied lag darüber hinaus in der Art des Grundstückserwerbs. Das erste Projekt musste das Grundstück von der Stadt für 75 Euro pro qm kaufen, das zweite konnte über den Träger einen Erbpachtzins von 4% in Anspruch nehmen. Die beiden Projekte wurden nahezu zeitgleich durchgeführt: Baubeginn April (bzw. Mai)119 1996 und August 1996. Wie ein Vertreter des Trägers feststellt, waren zu Beginn des Bauvorhabens alle Beteiligten sehr euphorisch und engagiert. In Projekt C haben die Familien in den ersten fünf Monaten 18 Häuser erstellt und einige vorbereitende Arbeiten erledigt. In der restlichen Bauzeit (Bezug der Häuser war von August bis November 1997) wurden bei gleicher Arbeitszeit nur noch die restlichen 10 Häuser gebaut (Expertengespräch). Die Organisation der beiden Bauvorhaben weist im Vergleich zu den anderen Projekten eine spezifische Konstellation auf: Da der zuständige Architekt aus Süddeutschland kam, wurde die Bauleitung an ein Baubüro vor Ort delegiert. Die Anleitkräfte, in der Regel zwei, wurden jedoch von dem Träger eingestellt, der dafür extra Leute engagiert hatte. Nach Einschätzung des Bauträgers ist diese Form der Organisation als schwierig zu charakterisieren, da es zu Loyalitätskonflikten der Anleitkräfte zwischen der Bauleitung und dem Träger gekommen sei. Die Anleitkräfte haben vor Ort auch die Aufgabe, darauf zu achten, dass die Selbsthilfestunden der Baufamilien effektiv und kostengünstig eingesetzt werden. In Projekt C habe man zu viel Zeit für das Aufstellen der Häuser gebraucht. Diesen Arbeitsschritt hätte man so rückblickend die Einschätzung des Trägers in diesem Fall besser an eine Firma gegeben (Expertengespräch). Auch aus der Sicht der Baufamilien werden in diesem Projekt grundlegende Probleme mit der Person der Anleitkraft und der Verteilung der Entscheidungskompetenzen
119
In dem ersten Projekt kam es zu einer Verzögerung des Baubeginns um einen Monat.
213
thematisiert. In Projekt C waren zu Beginn der Baumaßnahme zwei Poliere vor Ort. Im Verlauf der Bauzeit wurde einer der beiden Anleitkräfte von dem Träger entlassen, da sich die Baufamilien über ihn beschwerten. Zwei Anleitkräfte sind immer wichtig. Damit die eine Anleitkraft der anderen auf die Finger schaut. Damit es da keine Klüngeleien gibt, keine Klübchenbildung. Dann denke ich, eine Anleitkraft oder im Beruf die Vorarbeiterin, wenn man so und so viele Menschen unter sich hat, die müssen für ein gutes Betriebsklima sorgen. Und nicht zusehen, dass da noch immer weiter gestichelt wird. (...) da gab es gewisse Siedler, auch jetzt noch, die mehr Siedler sind als unsereiner. (...) Die haben Informationen, an die wären wir nie drangekommen. (Herr Müller) In diesem Zitat wird die wahrgenommene Ungleichbehandlung der Baufamilien thematisiert. Die Person des Poliers wird dargestellt als jemand, der die vorhandenen Unstimmigkeiten zwischen den Selbsthelfern nicht schlichten konnte, im Gegenteil sogar noch weiter verstärkte, indem er Unterschiede in der Informationsweitergabe machte. Von Herrn Müller wird in dem Interview weiter angesprochen, dass die Verteilung der Arbeiten nach Sympathie und Antipathie erfolgte. Vor dem Hintergrund, dass viele Selbsthelfer in diesem Projekt Handwerker waren und Herr Müller keine handwerklichen Vorkenntnisse besaß, ist diese Einschätzung unter Umständen zu relativieren, schließlich könnte die Einteilung der Tätigkeiten auch nach der vorhandenen handwerklichen Qualifikation erfolgt sein. Deutlich wird jedoch, dass in diesem Projekt ein Unterschied in der Behandlung der Baufamilien wahrgenommen wird und der Polier in der Sicht dieser Baufamilie diese Unterschiede im Gegensatz zu seinem Auftrag im Projekt verstärkte anstatt ihnen entgegen zu wirken. Eine andere Familie formulierte den Eindruck der Überlastung bzw. Überforderung der Anleitung. Meiner Meinung nach war das einfach zuviel, der war überlastet mit der Baustelle. Wenn der mit 28, es waren ja teilweise mehr als 28 Hobby-Handwerker hier. Einige hatten Helfer mit, wenn mal die Baustelle gut besucht war, da waren es 30, 40 Hobbybastler, die von jedem ein bisschen Ahnung haben wollten, im Endeffekt aber keine Ahnung hatten, und die wurden dann auf die Bauten losgelassen. Eine Anleitkraft alleine sollte dann die ganze Baustelle überwachen, die war dann überfordert. Dadurch konnte er sich dann teilweise gar nicht mehr die Mühe machen. (Herr Dorn) Die konkrete Anleitung von allen Baufamilien und ihren Helfern war in der Einschätzung von Herrn Dorn durch eine Anleitkraft nicht zu leisten, da neben der Betreuung und fachkundigen Anleitung der Selbsthelfer/innen der Bauablauf organisiert und koordiniert werden musste.
214
Im Grunde kann man sagen, es liegt nicht nur an den Anleitkräften, ich sage mal der Bauträger und das Ingenieurbüro hat sich das unheimlich leicht gemacht. Wir haben unseren Mann da vorne, der macht das schon. Der wird das schon irgendwie hinkriegen. So einfach ist das alles aber gar nicht. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, dann muss Rücksprache genommen werden und die Kompetenz, die war im Anfang nicht gegeben. (Herr Schneider) Aus der spezifischen Konstellation von Anleitung, Träger und Bauleitung resultierte eine unklare Verteilung der Entscheidungskompetenzen, die aus der Sicht der Baufamilien deutliche Nachteile hatte. Dies zeigte sich, wie in den anderen Projekten bereits angesprochen, z. B. bei der Einteilung der Arbeitskräfte auf der Baustelle. Zu Beginn der Bauzeit waren alle Familien auf der Baustelle und standen unter dem Druck, ihre Selbsthilfestunden abzuarbeiten. Gegen Ende blieben häufig nur die Familien übrig, deren Häuser noch nicht fertig gestellt waren. Thematisiert werden in diesem Zusammenhang zu Beginn der Bauphase auch Stundenängste: Das Problem ist, dass am Anfang unheimlich viele Leute sich aufgeregt haben, um Gottes Willen, ich kriege meine Stunden nicht zusammen. (...) es ist halt so gewesen, dass am Anfang nicht so viel Arbeit zu bewältigen war und dann je mehr man zur Mitte kam, um so mehr wurde es. Und dann wurde es immer weniger. Man kann im Grunde wie einen Berg betrachten und dann ganz im Anfang war halt nicht so viel Arbeit da und da hatten die Leute wirklich Angst, ihre Stunden nicht voll zukriegen. Und dann irgendwann, so nach Mitte der Bauzeit, waren die Jungs alle zu Hause, weil die ihre Stunden voll hatten. (Herr Deppe) Zu Beginn der Bauphase führte dies teilweise zu Konflikten mit dem Polier, der nicht genug Arbeit für alle Familien und ihre Helfer/innen hatte. Es ist jedoch in keinem Projekt tatsächlich der Fall gewesen, dass über die Bauzeit hinweg zu wenig Arbeit für die Baufamilien vorhanden war und diese Probleme hatten, die Selbsthilfestunden zu erfüllen. Als ein weiteres zentrales Problem in diesen beiden Projekten wurde die mangelnde Kommunikation benannt. Zwar wurden regelmäßige Siedlerbesprechungen abgehalten, aber die Informationsweitergabe von der Bauleitung an die Baufamilien, aber auch der Baufamilien untereinander wurde als mangelhaft kritisiert. Alles, was hier schief gelaufen ist oder nicht zur Zufriedenheit erledigt worden ist oder geändert werden musste, hatte nur einen Hintergrund. Der eine wusste es und hat es mit nach Hause genommen. (...) und dann hatte nur noch einer das Wissen im Kopf, der hat es dann im Stille-Post-Verfahren anders rübergebracht, und dann gab es Schwierigkeiten (...). Das ist einfach nur ein reines Kommunikationsproblem. Ob mit der Bauleitung, ob mit den verantwortlichen Architekten oder Planern oder auch mit den Nachbarn. Das sind einfach nur Schwierigkeiten, man spricht nicht drüber. (Herr Böll)
215
3.2.4.
Projekt E: Intermediäre Institution
Dieses Projekt ist mit 20 Häusern die kleinste Siedlung der IBA-Projektreihe. Die Häuser sind in Holzbauweise erstellt worden, jedoch wurden die vorgefertigten Teile im Unterschied zu den anderen Projekten in Holzbauweise angeliefert und von einer Firma aufgestellt. Die Selbsthelfer/innen haben das Betonfundament gegossen und den Innenausbau gemacht. Die Bauzeit war in diesem Projekt vergleichsweise kurz, es wurde neun Monate gebaut. Alle 20 Häuser waren verkauft. Das städtische Grundstück wurde im Wege des Erbbaurechts an die Baufamilien weitergegeben. Die Organisationsstruktur dieses Projektes wurde erweitert. Neben der üblichen Konstruktion von Bauträger, Polier und Architekt war eine intermediäre Institution (ProKids) an dem Projekt beteiligt. Um die Kinderfreundlichkeit des Projektes zu gewährleisten, wurde die kommunale Einrichtung ProKids als beratende und begleitende Institution für den Bauprozess hinzu gezogen.120 Sie war bereits im Vorfeld der Baumaßnahme an dem Auswahlverfahren der Familien beteiligt und hat Kriterien für kinderfreundliches Wohnen erarbeitet, was auch die Gestaltung der Außenanlagen und des Wohnumfeldes mit einschloss. Darüber hinaus wurde während der Bauzeit regelmäßig samstagnachmittags eine Kinderbetreuung angeboten. ProKids hat die Versammlungen moderiert, eine Vermittlerrolle bei Konflikten eingenommen und stand auch für innerfamiliäre Probleme als Ansprechpartner zur Verfügung. Nach Einschätzung des Trägers hat die Institution gute familienpädagogische Arbeit geleistet und betreut auch das Projekt in Gladbeck (Expertengespräch). Die Familien haben sich grundsätzlich positiv dazu geäußert. Die Kosten für die familienpädagogische Betreuung und die Moderation wurden auf die Familien umgelegt (500 Euro pro Familie). Im Gegensatz zu vorhergehenden Projekten wurde in diesem Projekt die fachliche Kompetenz der Anleitkraft hervorgehoben. Also eigentlich war die ganze Zeit nur einer da. Der, sag ich jetzt mal, fachlich wohl alles drauf hatte. Der hat wirklich alles vermitteln können, worauf es ankam. Für den Innenausbau hatte man dann nachher noch einen zweiten Mann mit engagiert, der kam aus dem Holzbereich, aus dem Holzverarbeitungsbereich (...) und insofern war das also ein richtiger Holzwurm haben wir immer gesagt Spezialist, der einem unheimlich viele Tricks dann auch gezeigt hat. (Herr Baum) Die Weitergabe der Informationen erfolgte hier im Schneeballsystem unter den Baufamilien und funktionierte nach Angaben der Baufamilien zufriedenstellend. Auch in diesem Projekt waren zu Baubeginn Probleme mit der Abarbeitung der Selbsthilfestunden zu verzeichnen. Im Gegensatz zu anderen Projekten wurde hier je120
ProKids, Kinderinteressen in der Stadt, ist ein Informations-, Beratungs- und Planungsbüro zum Thema Kinderinteressen der Stadt Herten. Es handelt sich hierbei um eine Dienstleistungsgesellschaft, die der städtischen Gesellschaft PROSOZ angegliedert ist.
216
doch von dem Polier entschieden, dass in der Anfangsphase nur Helfer/innen auf der Baustelle arbeiten dürfen, wenn der spätere Hauseigentümer ebenfalls anwesend war. Zum Ende der Bauzeit hatten die Familien ihre notwendigen Stunden gearbeitet und zu diesem Zeitpunkt durften nach Angaben der befragten Familien auch wieder Helfer und Helferinnen alleine auf der Baustelle arbeiten. ... also dieser Bauarbeiter, der hat einfach gesagt, nein, keine Helfer, wenn derjenige, der beteiligt ist, nicht dabei ist. Das war aber in einer Engphase, als diese Panik um die Stunden da war, denn später zum Ende hin, als viele ihre Stunden hatten und keiner mehr was machen wollte, da durften auf einmal hier irgendwelche Onkel, Tanten, Großväter auch völlig alleine vor sich hinpusseln. (Frau Sand) Die Begrenzung des Einsatzes von Helfer/innen zu Baubeginn scheint in diesem Projekt dazu beigetragen zu haben, dass die Panik um die Stunden vergleichsweise gut gelöst werden konnte (wenn dies auch im Einzelfall zu Problemen geführt haben mag, z. B. wenn ein Bauherr krank wurde und keine Helfer/innen für ihn arbeiten konnten). Der Polier regelte auch den gemeinsamen Übergang vom Rohbau zum Innenausbau. Es hat auch Querelen zwar gegeben untereinander, aber das fand ich sehr gut von dem Träger. Der Polier hatte alle Schlüssel. Und erst, als alle Häuser ungefähr einen Stand hatten, kriegte jeder den Schlüssel für sein Haus, dass er innen loslegen konnte, also Elektro und Fußböden und tapezieren, dass also nicht die, deren Haus zufällig als erstes gebaut wurde, dann nur noch im eigenen Haus verschwinden konnten. Das haben viele zwar mokiert, (...) aber ich persönlich fand das klasse. (Frau Sand) Dieses deutliche und organisierende Vorgehen des Poliers wird von den Baufamilien unterschiedlich beurteilt, v. a. aber diejenigen Familien, deren Häuser zuletzt erstellt wurden, beurteilten diese Regelung positiv, da sie sicherstellte, dass ausreichend viele Familien bis zur Fertigstellung des letzten Rohbaus auf der Baustelle waren. 3.3. Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozesse Die Beteiligung der Baufamilien während des Bauprozesses ist durch den Einsatz der organisierten Gruppenselbsthilfe als hoch einzuschätzen. Die regelmäßige Anwesenheit auf der Baustelle, die Teilnahme an Siedlerbesprechungen etc. gewährleisten eine kontinuierliche Beteiligung während des Bauprozesses. Allerdings ist in den vorherigen Ausführungen deutlich geworden, dass diese Beteiligungsformen als nicht ausreichend eingeschätzt werden. So wurde der Wunsch geäußert, Vertreter der Baufamilien an den Gesprächen der Bauleitung teilnehmen zu lassen und vor allem besser informiert zu werden. Die Frage der Mitbestimmung spielte in dem Konzept der IBA eine zentrale Rolle. Zwar erfolgte die Planung in allen sieben Selbsthilfesiedlungen aus Kostengründen über typisierte Häuser, dennoch wurde von der IBA eine intensive Mitwirkung der Baufamilien in allen Phasen des Bauprozesses angestrebt (Beierlorzer/Boll 1998: 67). 217
Art und Umfang der geplanten Spielräume für die Beteiligung der Baufamilien und deren Bewertung wurde von der IBA auf der Grundlage der vorhandenen Projektdaten ausgewertet. Als Hauptkonfliktpunkte zwischen der Planungsvorgabe und den Wünschen der Baufamilien werden die Außenanlagen, die Ausbau- bzw. Anbaumöglichkeiten und die individuellen Gestaltungsvorstellungen benannt. Im Ergebnis bewerten die Autoren jedoch die Baufamilien als weitgehend zufrieden mit den eingeräumten Gestaltungsspielräumen. Aus der Sicht der Träger wird der zusätzliche Betreuungsaufwand durch die Planungsbeteiligung hervorgehoben (Beierlorzer/Boll 1998: 69). Die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung kommen zu einer anderen Einschätzung der Mitbestimmungsmöglichkeiten (vgl. Abb. 22). So geben nur 2,3% der Baufamilien keinen Wunsch nach mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten an. Dagegen wünschen sich 42% der Baufamilien deutlich mehr Mitbestimmung (ja, trifft voll zu), 27,3% trifft zu und 19,3% trifft eher zu. Die Analyse der Interviewaussagen ermöglicht einen differenzierteren Blick auf die Frage der Mitbestimmung. Es können zwei Bereiche unterschieden werden: die Innengestaltung der Häuser (Grundrisse und Ausstattung) und die Außengestaltung der Gebäude und Außenanlagen. Aufgrund der Hauskonstruktionen (tragende Wände) hatten die Familien in den einzelnen Siedlungen unterschiedlich große Innengestaltungsmöglichkeiten. Abb. 22: Haben Sie sich bei der Gestaltung der Siedlung mehr Mitbestimmung gewünscht? (Angaben in Prozent)
45
42
40 35 27,3
Prozent
30 25 19,3
20 15 10 5
2,3
3,4
nein, trifft nicht zu
2
5,7
0 3
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)
218
4
5
ja, trifft voll zu
Auch wenn die Veränderungsoptionen hinsichtlich der Grundrisse in einigen Projekten eher gering waren, äußerten viele der Interviewten eine große Zufriedenheit mit der Raumgestaltung und der Raumnutzung. Wobei ich sagen muss, dass die Aufteilung der Räume optimal ist. (...) also es ist schon von der Architektur her, von der Innenarchitektur, von der Planung, vom Grundriss ist das Klasse. (Herr Schneider) Einige Familien betonen, dass ihnen der Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Grundrissgestaltung vorher bekannt war. Insgesamt wird jedoch die Mitbestimmung bei der Gestaltung der Außenanlagen als deutlich zu gering kritisiert. ... bei dem Grundriss des Hauses war es natürlich recht eingeschränkt. Bloß das weiß ich natürlich auch im Vorfeld, auf was ich mich da einlasse und was für Entscheidungsmöglichkeiten ich da habe. Bloß die Entscheidungsmöglichkeiten nachher, mit der Außengestaltung, mit der Farbe der Häuser oder der Beleuchtungseinrichtung, da waren die Möglichkeiten da, und die hätte man nutzen können, wenn man eine Gruppe gewesen wäre. Wenn man da also wirklich verstärkt als Gruppe auftritt, und dann auch noch seine Interessen durchsetzt, hat man alle Möglichkeiten der Welt. (Herr Bayer) Herr Bayer thematisiert die Bedeutung der Gruppe der Baufamilien und ihrer Einflussnahme auf den Gestaltungsspielraum. Wenn sich alle zusammenschließen, waren die Chancen größer, Änderungen gegen die Vorgaben der Architekten oder Träger durchzusetzen. Aber auch eine funktionsfähige Gruppe hatte nicht immer Erfolg, wie sich am Beispiel der Weggestaltung in Duisburg zeigt, denn hier waren alle Baufamilien bereit, für die Pflasterung der Wege (statt Granulat) zusätzlich zu zahlen. Obwohl die Gemeinschaft der Selbsthelfer/innen gemeinsam für eine Änderung der Pläne votierte, wurde dies von dem Träger aus Kostengründen abgelehnt. Neben der Gefahr möglicher Kostensteigerungen lässt sich ein weiterer Grund einheitliche Außendarstellung - für die mangelnde Flexibilität im Umgang mit Änderungswünschen der Außenanlagen benennen. Auch von außen, ... da haben wir nicht viel zu reden gehabt, weil die Architekten, die haben diese Siedlung entworfen und haben einen Preis gewonnen damit. Die wollten sich das auch nicht kaputt machen lassen, dieses Erscheinungsbild der Siedlung durch zu viele Abweichungen, die dann hinterher kommen. Ist ja auch verständlich irgendwo. (Herr Stein) ... die Wahnvorstellung von dem Architekten war immer so, der eine nimmt dann so eine spätbarocke Lampe, der nächste wieder so eine neuzeitliche und der andere macht wieder einen auf Enterprise und da haben wir gesagt, das verstehen wir. Das wollen wir auch nicht. Wir haben gesagt, wir bringen alle Leute dazu, die gleiche Lampe zu nehmen. (Herr Koch) Die detaillierten Planungen der Architekten ließen in den meisten Fällen keine oder nur marginale Änderungen der Außenanlagen zu. Wie aus den Zitaten deutlich hervorgeht, nahmen die Baufamilien diesen Konflikt wahr und akzeptierten die Vorgabe ei219
ner einheitlichen Gestaltung. Viele der Familien schlugen jedoch vor, für Türen, Außenlampen, Farben etc. mehrere Auswahlmöglichkeiten zu bieten und dann in der Gruppe der Selbsthelfer/innen die Entscheidung für eine der Möglichkeiten zu treffen. 3.4. Fazit: Grundprobleme der Organisation Als Ergebnis der Fragebogen-Erhebung kann festgehalten werden, dass insbesondere die mangelnde Zusammenarbeit zwischen der Bauleitung vor Ort und den Architekt/innen kritisiert wird. Als entscheidendes Defizit in der Ablauforganisation auf der Baustelle werden von den Familien die Verzögerungen des Bauprozesses benannt, die für diese weitreichende Konsequenzen haben können. Die Qualität der Anleitung durch das Betreuungsunternehmen wird von den Baufamilien differenziert eingeschätzt: die fachliche Kompetenz des Poliers wird nachdrücklich bestätigt, auch die Erreichbarkeit ist bis auf wenige Ausnahmen gegeben. Die soziale Kompetenz wird hingegen nur bei ca. einem Drittel der Baufamilien als ausreichend vorhanden bewertet. Das Problem der Stundeneinteilung zu Beginn und im Verlauf der Bauzeit wird in allen Projekten thematisiert. Zu Anfang eines Projektes sind alle Baufamilien voll Euphorie und wollen arbeiten, gegen Ende lässt die Motivation nach, auch sind die notwendigen Stunden dann abgearbeitet. In einigen der Projekte hat dies zu Problemen bzw. Konflikten der Baufamilien untereinander geführt, teilweise auch zu konkreten Nachteilen für die Familien (Verzögerungen der Fertigstellung, längere Zahlung von Bauzeitzinsen), da wegen mangelnden Selbsthelfer/innen v. a. gegen Ende deren Häuser nicht so schnell wie geplant errichtet werden konnten. Grundsätzlich tritt dieses Problem in allen Projekten auf, allerdings wurde es z.B. in Projekt E entschärft, in dem eine Firma die Häuser aufstellte. In den Projekt A und D haben die Familien einen Weg gefunden: Die Solidarität mit den anderen Familien war anscheinend so groß, dass viele Familien mehr Stunden als geplant gearbeitet haben, damit alle Häuser fertig gestellt werden konnten. Wenn alle Familien in den Häusern mit dem Innenausbau beschäftigt sind, tritt das Problem der Fertigstellung bei den Außenanlagen, Gemeinschaftshaus etc. auf, dieses wird aber nicht als so gravierend eingeschätzt, da es keine konkreten Nachteile für einzelne Familien darstellt, sondern die Gemeinschaft betrifft. Abgesehen von dem Modell Firma als Anleitung sind die vorgestellten Organisationsmodelle in der Grundstruktur sehr ähnlich. In der konkreten Umsetzung eines Projektes hängt viel von den Qualifikationen und sozialen Qualitäten der beteiligten und verantwortlichen Personen ab. Ein Träger mit Erfahrung hat so lässt sich vermuten auch erfahrenes Personal. In diesen Projekten kam es nicht oder nur selten zu Konflik220
ten wegen der Anleitungskräfte (Erfahrung in Gruppendynamik). Die Konstellation mit der Firma scheint ungeeignet, da keine verbindliche Betreuungsverantwortlichkeit geregelt wurde. Die Konstellation mit Architekt, Träger und Bauleitung entspricht im Wesentlichen einem konventionellen Bauprozess, in dem sich die Kommunikation ebenfalls unter Umständen schwierig gestalten kann. Hier sind allerdings noch die Baufamilien zu berücksichtigen, die die Organisationsmängel auffangen und tragen müssen. Die individuelle Last gestaltet sich durch die emotionale und finanzielle Verbindung zu dem Bau meines Erachtens schwerer als die Bewältigung einer Verzögerung durch eine Handwerksfirma: Zeitverzögerungen im Planungs- oder Bauablauf haben weitaus deutlichere negative Auswirkungen auf die Projekte der Organisierten Gruppenselbsthilfe als auf andere Bauvorhaben, da die Arbeitszeit das Kapital der Baufamilien ist. Auftretende Probleme müssen deshalb schnell gelöst werden und erfordern die Zusammenarbeit aller Beteiligten. (IRS 1998: 103). Die Betreuung und Anleitung durch die Betreuungsunternehmen waren eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung der Gruppenselbsthilfe, sie wurden jedoch in ihrer Umsetzung von den Baufamilien deutlich kritisiert. Vor diesem Hintergrund scheint eine gezielte Verbesserung der Organisation und Betreuung, insbesondere im Bereich der Beratung und Anleitung der Familien am Bau und beim Baustellenmanagement notwendig. Dies bedeutet zum einen die Etablierung einer funktionsfähigen Kommunikationsstruktur sowohl innerhalb der Leitungsfunktionen (Träger, Architekt/in, Bauleitung/Polier) als auch zwischen Leitung und Baufamilien. Auch die Informationsweitergabe innerhalb der Baufamilien sollte institutionalisiert werden, damit sichergestellt ist, dass alle Baufamilien die gleichen Informationen erhalten. Zum anderen muss die Bedeutung der fachlichen und insbesondere sozialen Qualifikationen der Anleitkraft als ein zentraler Faktor entsprechende Konsequenzen für die Auswahl des Anleitpersonals haben.
4.
Finanzierung und Förderung
In dem Finanzierungskonzept der "Einfach und selber bauen"-Projekte stellt die Selbsthilfe als Muskelhypothek ein zentrales Instrument dar. Bei dem Bau eines Hauses ist es notwendig, einen Teil der benötigten Finanzmittel als Eigenkapital einzubringen, worüber junge Familien und Familien mit geringem bis mittlerem Einkommen häufig nicht verfügen. Im Rahmen des Projektes haben die Familien, deren Eigenkapital deutlich unter 15% der Gesamtkosten liegt, die Möglichkeit, die Finanzierungslücke durch eine Eigenleistung in Form von Selbsthilfe zu schließen. Ein seriöses Finanzierungskonzept muss darüber hinaus auch eine tragbare monatliche Belastung der Baufamilien ermöglichen. Neben dem Eigenkapital sind daher auch die Fra221
gen nach den langfristigen Wohnkosten und den Kosten der Finanzierung entscheidend. Für die Zielgruppe der IBA-Projekte reicht der durch die Selbsthilfe erwirtschaftete Eigenanteil jedoch nicht aus, um eine Finanzierung abzusichern. Hier ist eine Kombination von Selbsthilfe und öffentlichen Fördermitteln in Form von zinsgünstigen Baudarlehen notwendig. Die Finanzierungsstruktur der Selbsthilfeprojekte setzte sich also aus der öffentlichen Förderung (Wohnungsbaufördermittel), den Eigenmitteln und den Fremdmitteln zusammen, was sich je nach Baufamilien unterschiedlich gestaltete. Die Förderung der Baufamilien mit öffentlichen Mitteln war abhängig von den Richtlinien der Landesförderung, den Einkommensverhältnissen und dem Haushaltstyp (vgl. Kap. II). 4.1. Die Kosten des Hauses Die entscheidende Voraussetzung für die Durchführung kostengünstigen Bauens ist die Verfügbarkeit geeigneter Grundstücke. In den sieben Selbsthilfeprojekten waren es zum großen Teil die Kommunen, die geeignete Grundstücke bereitgestellt haben. In vier Projekten wurde das Grundstück in Erbpacht vergeben. Tab. 19: Grundstückvergabe und Grundstückskosten nach Angaben der IBA Projekt Grundstücksgeber Grundstückspreis Zzgl. Erschließung Bergkamen Stadt Bergkamen 110 DM/qm 15 DM/qm Duisburg Stadt Duisburg Erbpacht (4%): 165 15,75 DM/qm DM/qm Gelsenkirchen Stadt Gelsenkirchen 150 DM/qm 40 DM/qm Gladbeck VEBA-Immobilien 154 DM/qm 93 DM/qm AG Herten Stadt Herten Erbpacht: 6 DM/qm 87 DM/qm Lünen THS Essen Erbpacht (4%): 150 50 DM/qm DM/qm Recklinghausen Stadt Erbpacht (4%): 290 70 DM/qm Recklinghausen DM/qm Durchschnitt aller Projekte 183 DM/qm 52 DM/qm (Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 18)
Die Honorierung der wirtschaftlichen und technischen Betreuung stellt einen weiteren Kostenfaktor dar. Die Honorierung der wirtschaftlichen Betreuung erfolgt auf der Basis der Baukosten ohne Baunebenkosten.121 Das Honorar beträgt bei Baukosten bis 250.000 DM einen Prozentsatz von 3,4%. Dieser Satz erhöht sich um 0,5% bei der Betreuung von Eigenheimen und um weitere 1,5%, wenn für den Bau eines Familienheimes oder einer eigengenutzten Eigentumswohnung Selbsthilfe in Höhe von mehr 121
Die Honorierung der wirtschaftlichen Betreuung für Eigenheimmaßnahmen im öffentlich geförderten Wohnungsbau ist im § 8 der II. Berechnungsverordnung (II. BV) geregelt.
222
als 10% der Baukosten geleistet wird (§8 II.BV). Bei den Selbsthilfeprojekten Einfach und selber bauen ist daher von einem Prozentsatz von 5,4% der Baukosten als Honorar für die wirtschaftliche Betreuung auszugehen (vgl. Beierlorzer/Boll 1998: 39). Unter die technische Betreuung fallen die Architektenleistungen und Kosten für die Betreuung und Anleitung der organisierten Gruppenselbsthilfe. Die Honorierung Architektenleistungen sind in der II.BV im § 16 HOAI festgelegt.122 Die Kosten für die Organisation der Gruppenselbsthilfe sind Bestandteil der in Gruppenselbsthilfe erstellten Gewerke und werden gesondert vertraglich vereinbart (Beierlorzer/Boll 1998: 40). Die Gesamtkosten für wirtschaftliche und technische Betreuung schwanken in den Selbsthilfeprojekten in Abhängigkeit vom Grundstückspreis und der Größe der Häuser zwischen 239.246 DM und 336.200 DM. Tab. 20: Beispiele für die Zusammensetzung der Gesamtkosten nach Angaben der IBA Gelsenkirchen Lünen Gladbeck 77 qm 104 qm 111 qm Reihenhaus Reihenhaus Reihenhaus Grundstück 45.736 DM 15.445 DM1 30.100 DM Herrichten/Erschließen 7.039 DM 14.234 DM 18.100 DM Bauwerk 139.534 DM 176.093 DM 220.000 DM Außenanlagen 14.037 DM 21.560 DM 30.000 DM Baunebenkosten (zzgl. 32.900 DM 43.703 DM 38.000 DM Finanzierungskosten) Gesamtkosten 239.246 DM 271.055 DM 336.200 DM 1
Grundstücke in Erbpacht
(Quelle: Eigene Darstellung nach Beierlorzer/Boll 1998: 92ff.)
Die reinen Baukosten (Bauwerkskosten) liegen in den dargestellten Beispielen zwischen ca. 1.700 DM und 1.980 DM pro qm Wohnfläche. Die von der IBA ausgerechneten Kosten liegen am niedrigsten in Lünen mit 1.650 DM/qm und am höchsten in Herten mit 2.050 DM/qm Wohnfläche. Die durchschnittlichen Bauwerkskosten der Selbsthilfeprojekte werden mit 1.800 DM/qm angegeben (Beierlorzer/Boll 1998: 81). Das Landesinstitut für Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen geht von Baukosten eines kostengünstigen Einfamilien-Reihenhauses zwischen ca. 1.740 DM (870 Euro) bis 2.260 DM (1.130 Euro) aus (LB 2002: 24). Die Baukosten der Projektreihe Einfach und selber bauen sind demnach als niedrig einzustufen. Dies bestätigt auch der Vergleich mit den Organisierte Gruppenselbsthilfemaßnahmen in den neuen Bundesländern, die mit 2.090 DM bis 2.202 DM pro Quadratmeter Wohnfläche deutlich höher lagen (IRS 1998: 79).
122
II. BV, § 16 HOAI, Honorarzone III, Mindestsatz und unter Berücksichtigung der Abschläge für Wiederholungsfälle gemäß § 22 HOAI (vgl. Beierlorzer/Boll 1998: 39f.).
223
4.2. Die Förderung der Baufamilien Selbst beim Einsatz von Eigenleistung in Form der Selbsthilfe ist der Hausbau für viele Familien aufgrund der hohen Finanzierungskosten nur möglich, wenn sie die zinsgünstigen Baudarlehen des Landes in Anspruch nehmen können. Die Vergabe der Fördermittel ist an fest definierte Einkommensgrenzen gebunden. Ob eine künftige Baufamilie Landesmittel in Anspruch nehmen kann, ist vom Einkommen aller Haushaltsmitglieder abhängig. Damit die finanziellen Belastungen, die durch den Bau eines Hauses entstehen, nicht die Existenzgrundlage der Baufamilie gefährden, wird die Tragbarkeit der Belastung geprüft. Mit dem Antrag auf Bewilligung der Wohnungsbaumittel ist eine sogenannte Lastenberechnung vorzulegen. In dieser sind die Bauoder Erwerbskosten aufzuführen, die beabsichtigte Finanzierung darzustellen sowie die Kapitalkosten (Zinsen, Verwaltungskostenbeiträge, Tilgung) und die Bewirtschaftungskosten zu berechnen. Nach Abzug aller laufenden Kosten müssen zum Lebensunterhalt monatlich mindestens 1.450 DM (aktuell 820 Euro) für einen Zweipersonenhaushalt zuzüglich 400 DM (205 Euro) für jede weitere Person verbleiben. Über 80% der Baufamilien (83,9%) gaben in der Fragebogen-Erhebung an, dass sie Fördermittel des sozialen Wohnungsbau des Landes Nordrhein-Westfalen zur Finanzierung des Hausbaus in Anspruch genommen haben. 16,1% der befragten Familien haben nach eigenen Angaben keine Fördermittel bekommen. Diese 14 Familien teilen sich auf die folgenden Projekte auf: Duisburg und Lünen jeweils zwei Familien, Gladbeck und Recklinghausen jeweils fünf Familien, in Herten, Gelsenkirchen und Bergkamen keine. Die Höhe der bewilligten Fördermittel ist je nach Familie sehr unterschiedlich und bewegt sich zwischen 10.000 DM am unteren Ende bis zu 115.000 DM maximale Förderung. 4.3. Vorhandenes Eigenkapital Ein Blick auf die Höhe des vorhandenen Eigenkapitalanteils der Baufamilien anhand der Angaben der IBA zeigt folgendes Bild: Im Durchschnitt aller Projekte liegt der vorhandene Eigenkapitalsanteil bei 32,3% bis 10.000 DM, bei 40,4% zwischen 10.000 DM und 40.000 DM und 27,4% der Familien haben im Durchschnitt über 40.000 DM Eigenkapital eingebracht (vgl. Tab.16). Allerdings ist die Verteilung bezogen auf die Projektstandorte sehr unterschiedlich. So haben in Bergkamen laut vorliegenden Angaben 44,4% der Familien über 50.000 DM Eigenkapital eingebracht. Es folgen die Projekte in Gladbeck und Herten, bei denen der Eigenkapitalsanteil bei ca. einem Viertel der Familien über 50.000 DM liegt. Dagegen haben in Duisburg und Lünen nur 3,8% bzw. 4,2% der Familien über 50.000 DM in die Finanzierung eingebracht.
224
Auffällig für den Standort Duisburg ist der hohe Anteil der Familien (36,5%), die nach den vorliegenden Angaben kein Eigenkapital eingesetzt haben. Darüber hinaus hat ca. ein Fünftel der Familien bis 10.000 DM Eigenkapital eingebracht. Mehr als die Hälfte der Familien in Duisburg konnte demnach nur einen sehr geringen bis gar keinen Eigenkapitalsanteil in die Finanzierung einfließen lassen. In Recklinghausen liegt der Anteil der Familien ohne Eigenkapital demgegenüber nur bei 13,3%, in Gladbeck mit 5,9% noch niedriger. In den restlichen vier Projekten haben alle Familien mit vorhandenem Eigenkapital zur Finanzierung beigetragen, allerdings in deutlich unterschiedlichem Ausmaß (vgl. Tab. 16). Aus den genannten Zahlen wird deutlich, dass ein großer Teil der Baufamilien auf die Selbsthilfe angewiesen war, um die für die Förderung und Finanzierung erforderlichen Eigenmittel von 15% der Baukosten aufzubringen. Dieses Ergebnis wird in der Fragebogen-Erhebung deutlich bestätigt. Im Vergleich zu den Daten der IBA zeigt sich jedoch ein Unterschied: laut der Fragebogen-Erhebung sind deutlich mehr Familien mit einem Eigenkapitalanteil von bis zu 100.000 DM ausgestattet (5,1% der Befragten), und immerhin 9% der Familien hat über 100.000 DM in die Finanzierung eingebracht. Bei der Differenzierung nach Orten zeigt sich, dass fünf Familien in Gladbeck bis 100.000 DM und darüber in die Finanzierung eingebracht haben. In Bergkamen hat eine Familie bis 100.000 DM und eine Familie über 100.000 DM Eigenkapital angegeben. Abb. 23: Vorhandenes Eigenkapital der Baufamilien
9
über 100.000 DM
5,1
bis 100.000 DM
7,7
bis 75.000 DM
38,5
bis 50.000 DM
39,7 bis 25.000 DM
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Prozent
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=80, 9 fehlend)
225
226
Werte nicht für alle Hauseinheiten
(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 12)
1
Eigenkapital 0 bis 10.000 11,1 % 10.000 - 20.000 11,1 % 20.000 - 30.000 22,2 % 30.000 - 40.000 40.000 - 50.000 11,1 % über 50.000 44,4 % Einkommen (brutto im Jahr) bis 50.000 DM 22,2 % 50.000 bis 60.000 DM 22,2 % 60.000 bis 70.000 DM 44% % über 70.000 DM 11,1 %
Bergkamen1 32,1 % 14,3 % 7,1 % 14,3 % 14,3 % 17,9 % 3,6 % 32,2 % 50,0 % 14,2 %
36,5 % 21,2 % 11,5 % 5,8 % 15,4 % 5,8 % 3,8 % 17,5 % 30,0 % 32,5 % 20,0 %
Duisburg Gelsenkirchen
Tab. 21: Eigenkapital der BewohnerInnen nach Angaben der IBA
k. A.
5,9 % 8,8 % 14,7 % 11,8 % 11,8 % 20,5 % 26,5 %
Gladbeck
1
5,0 % 45,0 % 35,0 % 15,0 %
10,0 % 20,0 % 15,0 % 20,0 % 10,0 % 25,0 %
Herten
1
8,3 % 33,3 % 29,2 % 29,2 %
37,5 % 25,0 % 12,5 % 8,3 % 12,5 % 4,2 %
Lünen
k. A.
13,3 % 13,3 % 33,4 % 13,3 % 20,0 % 6,7 %
Reckling1 hausen
11,3 % 33,1 % 36,8 % 18,8 %
8,3 % 24,0 % 12,8 % 14,4 % 13,2 % 12,9 % 14,5 %
Durchschnitt aller Projekte
4.4. Finanzierungsstruktur und Selbsthilfeertrag Die Tabelle 22 zeigt die Zusammensetzung des Finanzierungskonzepts der "Einfach und selber Bauen"-Reihe. Übliche Finanzierungsmodelle (in der Regel mit Eigen- und Fremdkapital) werden in diesem Projekt durch die Inanspruchnahme von Wohnungsbaufördermitteln und den durch die Selbsthilfe erwirtschafteten Betrag ergänzt. Zu dem Projekt in Bergkamen liegen leider keine Angaben vor. Tab. 22: Finanzierungsstruktur der Eigenheime nach Angaben der IBA WohnungsEigenkapital Selbsthilfe baufördermittel Bergkamen k. A. k. A. k. A. Duisburg 30,4 % 6,2 % 12,1 % Gelsenkirchen 25,2 % 10,1 % 9,6 % 24,4 % 11,7 % 10,2 % Gladbeck1 Herten 32,1 % 12,0 % 9,3 % 30,6 % 6,9 % 9,5 % Lünen1 27,7 % 10,5 % 8,9 % Recklinghausen1 Durchschnitt 28,4 % 9,6 % 9,9 % aller Projekte
Fremdmittel k. A. 51,3 % 55,1 % 54,5 % 46,6 % 53,0 % 52,9% 52,2 %
1 Werte nicht für alle Hauseinheiten
(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 11)
Im Durchschnitt der Projekte decken der Eigenkapitalsanteil (9,6%) und der Anteil der Selbsthilfe (9,9%) zusammen 19,5% der Kosten. Der Anteil der Wohnungsbauförderung liegt mit 28,4% vergleichsweise hoch, die Fremdmittel machen im Durchschnitt dann noch 52,2% der Finanzierung aus. Am niedrigsten ist der Anteil der Fremdmittel mit 46,6% in Herten, am höchsten mit 55,1% in Gelsenkirchen und in Gladbeck (54,5%). Diese Verteilung hängt zusammen mit dem Anteil des Eigenkapitals und den Wohnungsbaufördermitteln, die beide in Herten mit 12% und 32,1 % am höchsten ausfallen. Entsprechend niedrig liegt der Anteil der Wohnungsbaufördermittel in Gelsenkirchen (25,2%) und Gladbeck (24,4%). Vergleichsweise niedrig fällt der Eigenkapitalsanteil in Duisburg (6,2%) und Lünen (6,9%) aus. Der durchschnittliche Anteil des in die Finanzierung eingebrachten Eigenkapitals inklusive Selbsthilfe (19,5%) liegt im Vergleich mit herkömmlichen Wohneigentumsfinanzierungen deutlich niedriger (27% Eigenkapital in der VDH-Erhebung, Schätzl 2003). Auch im sozialen Wohnungsbau liegt der durchschnittliche Eigenkapitalsanteil mit 21 bis 27% noch deutlich höher als in den Selbsthilfeprojekten. Auch die Belastung durch Kredite liegt mit 52,2% deutlich über dem Durchschnitt der sozialen Wohnraumförderung (40-50%) (vgl. IfS/advis 2003).
227
Den höchsten Anteil der Selbsthilfe an der Finanzierung hat das Projekt in Duisburg mit 12,1% erwirtschaftet. Gladbeck steht mit 10,2% an zweiter Stelle, wohingegen in Recklinghausen der Selbsthilfeanteil mit 8,9% am niedrigsten liegt. Der Ertrag, der in Selbsthilfe erbrachten Leistungen, fällt in den Projekten unterschiedlich aus. Pro Quadratmeter Wohnfläche wurden von 251 DM bis zu 322 DM von den Familien erwirtschaftet. Tab. 23: Selbsthilfeertrag nach Angaben der IBA Selbsthilfeertrag Durchschnittlicher Selbsthilfe(DM/qm Wfl.) wert je Wohneinheit (DM) Bergkamen 251,24.897,Duisburg 331,29.248,Gelsenkirchen 328,30.300,- 1 Gladbeck 252,32.500,- 1 Herten 256,29.882,Lünen 284,- 1 27.600,- 1 1 Recklinghausen 322,29.065,- 1 Durchschnitt 291,29.070,aller Projekte 1
Werte geschätzt
(Quelle: Eigene Darstellung nach Beierlorzer/Boll 1998: 80f.)
Die Höhe des Selbsthilfeertrags kann über Ausschreibungsergebnisse oder kalkulierte Baukosten ermittelt werden. In der Selbsthilfeordnung eines Trägers ist die Bewertung und Berechung der Selbsthilfeleistung genau festgelegt (vgl. THS 1996: 5). 4.5. Monatliche Belastung der Baufamilien Entscheidend für die Finanzierbarkeit des Hauses sind nicht nur die Baukosten, sondern auch die monatlichen Belastungen der Baufamilien durch den Hausbau (Finanzierungskosten etc.). Tab. 24: Beispiel Finanzierungskosten Alle Werte in TDM Kaufpreis EK GSH ESH Zw.Su Förder. mittel 262,00 262,00 232,00 232,00 232,00
82,40 5,00 10,00 11,30
22,48 26,83 26,83 25,69 16,09
12,60 11,90 13,20 6,90 8,70
35,08 38,73 40,02 32,59 24,79
103,00 103,00 57,60 -
Mtl. Belastung Erb- Fremdm. bauzins DM DM 137,99 177,83 130,65 603,83 113,00 1.055,52 117,77 639,99 123,55 1.010,50
Summe DM 315,82 734,48 1.168,52 757,76 1.134,05
(Quelle: dfh, Einfach und selber bauen, Duisburg-Hagenshof)
Die monatliche Belastung (Kaltmiete) liegt je nach Eigenkapital (EK), Gruppenselbsthilfeanteil (GSH), Einzelselbsthilfeanteil (ESH) und Wohnungsbaufördermitteln in den Beispielrechnungen zwischen 316 und 1.169 DM. Neben der Höhe des vorhan228
denen Eigenkapitals stellen die zinsgünstigen Fördermittel des Landes NRW den zentralen Faktor dar, der die monatliche Belastung entscheidend bestimmt. Dies bestätigt die Schlussfolgerung von Marahrens, der aufzeigt, dass die Unterschiede in den monatlichen Belastungen nur zu einem geringen Maß auf die unterschiedlich hohen Fremdkapitalanteile in der Finanzierung zurückgeführt werden können, sondern auf die Inanspruchnahme von Fördermittel (z. B. sozialer Wohnungsbau) und auf steuerliche Entlastungen (Marahrens 1988: 164). Deutlich werden in der Aufstellung ebenfalls die erheblichen Unterschiede der monatlichen Wohnkostenbelastung in dieser Siedlung. Tab. 25: Vergleich Miete vorher und gesamte aktuelle monatliche Belastung Orte Gesamtmiete vorher1 aktuelle monatliche (Mittelwert) Belastung2 (Mittelwert) Bergkamen 726,66 DM 1525,33 DM Duisburg 907,33 DM 1385,60 DM Gelsenkirchen 778,33 DM 1748,33 DM Gladbeck 958,00 DM 1675,26 DM Herten 1041,66 DM 1724,66 DM Lünen 1043,12 DM 1742,00 DM Recklinghausen 1175,70 DM 1888,30 DM Durchschnitt der 996,97 DM 1660,72 DM Projekte
Differenz 798,67 DM 478,27 DM 965,00 DM 717,26 DM 683,54 DM 698,88 DM 712,60 DM 663,75 DM
Abgefragt wurde die monatliche Gesamtmiete des vorherigen Wohnverhältnisses einschließlich aller Nebenkosten, ohne Heizkosten. Setzt sich zusammen aus Zinsen und Tilgung der Bankkredite, Zinsen für öffentliche Mittel, Zahlung an Verwalter falls vorhanden, sonstige Nebenkosten (ohne Heizkosten). 2
(Quelle: Fragebogen-Erhebung n=85, n=72)
In der Fragebogen-Untersuchung wurden die Wohnkosten vor dem Hausbau und die aktuellen finanziellen Belastungen erhoben (vgl. Tab. 26). Bei einem Vergleich der vorherigen Wohnkosten mit den aktuellen finanziellen Belastungen der Baufamilien wird deutlich, dass die Kosten insgesamt erheblich gestiegen sind, jedoch auch die Wohnungsgröße zugenommen hat. Durchschnittlich zahlen die Baufamilien im Monat 663,75 DM mehr. Die durchschnittliche Gesamtmietbelastung vor dem Hausbau zeigt eine ortsspezifisch unterschiedliche Ausprägung der Mietpreise. Die monatliche Belastung durch den Hausbau umfasst im Fragebogen die Angaben zu Zinsen und Tilgung für Bankkredite, Zinsen für öffentliche Mittel, eventuelle Zahlung an Verwalter und die sonstigen Nebenkosten (ohne Heizkosten). Wirft man einen Blick auf die Verteilung der finanziellen Belastungen, so zeigt sich, dass der Hauptanteil der Befragten (29,2%) eine monatliche finanzielle Belastung von 1.600-1.800 DM angibt (vgl. Abb. 24).
229
Abb. 24: Monatliche finanzielle Belastung der Baufamilien (Angaben in DM) 2400-2600
1,4
2200-2400
1,4 13,9
2000-2200 9,7
1800-2000
29,2
1600-1800 23,6
1400-1600 1200-1400
12,5 8,3
1000-1200 0
5
10
15
20
25
30
35
Prozent
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=72, 17 fehlend)
Eine Belastung über 2.200 DM pro Monat geben nur zwei Befragte (2,8%) an. Auf der Grundlage des Vergleichs der Wohnkosten vor und nach dem Hausbau lässt sich demnach eine deutliche Kostensteigerung feststellen. Wie schätzen nun die Baufamilien diese erhöhte monatliche Belastung ein? Über 75% der Befragten schätzt die mit dem Hausbau verbundene monatliche Belastung als tragbar (53%) bis problemlos tragbar (22,1%) ein (vgl. Abb. 25). Nur ein knappes Viertel der Befragten gibt Einschränkungen an oder beschreibt die finanzielle Belastung als "an der Grenze der Belastbarkeit" (5,8%). Diese Frage sagt nicht unbedingt etwas über die tatsächliche finanzielle Belastung aus, sondern sie gibt die subjektive Einschätzung der Baufamilien wieder. Wirft man einen Blick auf das vorhandene Eigenkapital der Familien, das im Vergleich mit anderen Bauvorhaben erstaunlich niedrig liegt, erstaunt die positive Einschätzung der finanziellen Belastung, denn die monatliche Gesamtbelastung ist im Durchschnitt der Projekte erheblich angestiegen.
230
Abb. 25: Einschätzung der monatlichen Belastung durch den Hausbau 53,4
60 50
Prozent
40 30
19,3
21,6
20
5,7
10 0 problemlos tragbar
tragbar
mit Einschränkungen tragbar
an der Grenze
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)
Dieser Widerspruch in der Einschätzung der finanziellen Belastungen der Baufamilien stimmt mit den Ergebnissen der Studie von Marahrens (1988) überein. Er zeigt auf, dass die Wohnkostenbelastung durch den Hausbau deutlich gestiegen ist und diese Belastungssteigerung in einem eklatanten Widerspruch zu der Aussage der Befragten steht, dass ihre Wohnkostenbelastung nicht viel höher liegen würde als die bisherige Miete. Diese zusätzlichen Belastungen werden jedoch von den Baufamilien ebenfalls als durchaus tragbar und angemessen angesehen. In den Interviewaussagen finden sich Hinweise auf die Hintergründe der subjektiven Einschätzungen der Baufamilien hinsichtlich ihrer monatlichen Wohnkostenbelastung. Deutlich wird eine Verbindung zu den zentralen Beweggründen des Hausbaus: etwas Eigenes zu haben, Miete an sich selber zahlen. Selbst wenn ich 300 Mark mehr zahle im Monat. Würde mich auch nicht belasten. Weil ich genau weiß, das ist ja für uns. Das schenk ich keinem Vermieter, der ab und zu mal alle 10 Jahre eine neue Badewanne einbauen muss dafür, sondern das ist eben für uns. (Herr Böll) Neben der Eigentumsorientierung spielt bei der subjektiven Einschätzung der Wohnkosten auch die Vorstellung eine Rolle, dass sich die finanziellen Belastungen mit der Zeit reduzieren. Den fallenden Kosten für das eigene Haus wird ein unberechenbarer Wohnungsmarkt gegenüber gestellt, in dem die Mietpreise stetig steigen. Natürlich ist das für uns jetzt ein größerer finanzieller Aufwand. Wir haben vorher bezahlt 900 Mark Sozialwohnung, 900 Mark mit Garage warm, da war es jetzt natürlich eine Steigerung, und das merkt man schon an dem Portemonnaie, das ist richtig, aber auf der anderen Seite sage ich mir, ich weiß jetzt, was ich ... also bei mir, bei uns sieht das so aus, mit den Jahren wird meine Belastung kleiner. Was auf dem freien Wohnungsmarkt abgeht ... (Herr Müller)
231
4.6. Finanzierung und soziale Dynamik in den Interviews Die geschilderten finanziellen Voraussetzungen zur Beantragung der öffentlichen Mittel waren nicht zwingend für die Teilnahme an den Projekten. In den Projekten bauten in unterschiedlich hohen Anteilen auch Baufamilien mit, die jenseits der Einkommensgrenzen der öffentlichen Förderung lagen oder ausreichendes Eigenkapital mitbrachten. Eine wesentliche Teilnahmevoraussetzung jedoch war die Bereitschaft der Baufamilien, allein oder mit Helfern Selbsthilfe in der Gruppenmaßnahme zu erbringen. Die Höhe der zu leistenden Selbsthilfestunden ist abhängig von dem vorhandenen Eigenkapital. Darüber hinaus war in einigen Projekten ein Mindeststundensatz vorgeben.123 Diese Stunden sollten von allen Familien geleistet werden, unabhängig von der individuellen Finanzierung, die bei einigen Familien eine wesentlich höhere Stundenanzahl voraussetzte. In Projekten, in denen nicht alle Häuser bereits zu Beginn der Maßnahme verkauft waren, lockerten sich die Zugangsbedingungen für die später einsteigenden Familien. So war es dann möglich, auch eine geringere Stundenzahl als das festgelegte Minimum zu arbeiten etc. In einigen Fällen war es jedoch auch möglich, keine Selbsthilfe zu erbringen und diese durch Eigenkapital zu ersetzen. Dies war z. B. in Bergkamen bei einigen Familien der Fall. Auch in anderen Projekten haben einige Familien ihr Stundensoll nicht absolviert und das Defizit bezahlt. Abgesehen von den Vorgaben der Träger hing die Anzahl der zu leistenden Selbsthilfestunden von den individuellen finanziellen Voraussetzungen ab. Familien mit geringem Eigenkapital leisteten in den Projekten in der Regel also deutlich mehr Selbsthilfe als Familien mit einem höheren Eigenkapitalsanteil. Die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen der Baufamilien (und die daraus resultierenden differenten monatlichen Belastungen) führten zu sozial heterogenen Gruppen sowie sozialen Spannungen, die die Zusammenarbeit und die nachbarschaftlichen Kontakte maßgeblich beeinflusst haben. Diese werden von den Befragten vor allem in den Interviews benannt. Im Folgenden werden die von den Interviewten benannten Konfliktpunkte im Zusammenhang mit der aus der Finanzierung entstehenden Dynamik dargestellt.
123
In Lünen und Gelsenkirchen betrug das Stundenminimum nach Angaben der befragten Baufamilien 800 Stunden, in Duisburg und Herten 1.300 Stunden.
232
4.6.1.
"Die Unterschiede in der Finanzierung sind Wahnsinn"
Drei Faktoren spielen bei den Differenzen der monatlichen Belastung durch den Hausbau eine Rolle: die Höhe des vorhandenen Eigenkapitals, die Anzahl der geleisteten Selbsthilfestunden, aber insbesondere die Höhe der im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erhaltenen Fördermittel. Wie in Kap. 4.4 gesehen, differierte die Höhe des vorhandenen Eigenkapitals erheblich. Von wenigen tausend Mark bis zu über 100.000 DM konnten die Familien als Eigenleistung einbringen. Hierzu ist anzumerken, dass die Angaben der Baufamilien gegenüber dem Träger nicht zwangsläufig den real vorhandenen Mitteln entsprechen müssen, eine Abweichung nach oben ist möglich. Eine Interviewpartnerin teilte mit, dass sie nur das für die Finanzierung notwendige Eigenkapital angegeben habe, das darüber hinaus vorhandene Kapital "geht die nichts an". Sie verweist auf andere Familien in ihrer Siedlung, bei denen es ähnlich sei. Auf die unterschiedlichen Regelungen bezüglich der Selbsthilfe-Stunden habe ich bereits hingewiesen. Viele der Baufamilien haben mehr Stunden gearbeitet, als in der Planung kalkuliert waren. Dies ist teilweise durch arbeitstechnische Notwendigkeiten begründet. So ließen sich beispielsweise mit einem festgelegten Stundenminimum von 800 Stunden pro Familie in Lünen die Häuser nicht fertig stellen. Eine Erhöhung der Selbsthilfe-Stunden erfolgte bei vielen Familien in dieser Siedlung vor dem Hintergrund, die Häuser (schnell) fertig stellen zu wollen. Die Tätigkeiten, die von den Familien nicht geleistet wurden, mussten dann von Firmen übernommen werden. Das bedeutete eine zusätzliche Belastung des engen Kostenrahmens der Projekte. 4.6.2.
"Ohne Förderung unrealistisch"
Die Einkommensvoraussetzungen für die Bewilligung der öffentlichen Mittel sind nach oben und unten begrenzt. Das Einkommen muss unter den vorgegebenen Grenzen liegen, aber nach Abzug der anfallenden Belastungen noch mindestens 1.450 DM für zwei Personen (und für jede weitere 400 DM) betragen. Die Enge des Förderungskorridors kritisiert eine Familie als einen Nachteil der staatlichen Förderung. Die Frau, die als Krankenschwester Teilzeit berufstätig war, gab zu Beginn der Bauphase ihre Berufstätigkeit auf, damit die Familie öffentliche Mittel bekommen konnte. Die Bewilligung des Baudarlehens war für die Familie eine entscheidende Voraussetzung, Wohneigentum zu bilden, denn "nur mit den Stunden kommt man auch nicht weit". Allerdings wird es als schwierig beschrieben, eine Familie mit drei Kindern (und dem Haus) von einem Verdienst zu unterhalten. Ein weiterer Interviewpartner kommentiert seine Selbsthilfeleistung als allein nicht ausreichend zur Finanzierung des Hausbaus:
233
"...wir haben jetzt durch unsere Stundenleistung 26.000 Mark erwirtschaftet, im Prinzip nur, in Anführungsstrichen, weil wenn man jetzt sieht, die Masse für den Aufwand, der erbracht werden muss, ist es nicht das Ausschlaggebende, was meine Finanzierung dann jetzt nach unten drückt." (Herr Bayer) Das Ausschlaggebende für eine tragbare monatliche Belastung ist eine hohe staatliche Förderung bzw. eine Kombination von Selbsthilfe und staatlicher Förderung. Es gab auch Fälle, in denen die Familien ein zu geringes monatliches Einkommen oder zu wenig Eigenkapital für die Beantragung der Förderung hatten. Einige der Familien mussten trotz der Selbsthilfeleistung bis Baubeginn noch Geld aufbringen, das als Eigenkapital in die Finanzierung einfließen konnte. Eine Familie reduzierte beispielsweise die monatlichen Ausgaben um den Gewerkschaftsbeitrag, damit das monatliche Einkommen ausreichte. "...waren wir eine von den zwei Familien, bei denen es sehr knapp war. (...) Aber dadurch waren wir einfach bis auf den letzten Pfennig wirklich ausgereizt. Und wir hatten dann wirklich noch irgendwie 20 Mark Unterdeckung, wie man das so schön nennt." (Frau Sand) Diese Familie war darauf angewiesen, auch tatsächlich alle für die Finanzierung kalkulierten Selbsthilfestunden zu leisten, da eine Nachfinanzierung aufgrund der schon sehr knappen Finanzlage äußerst schwierig gewesen wäre. Als ein weiterer Kritikpunkt wird von den interviewten Familien die Berechnungsgrundlage der öffentlichen Mittel genannt. Es wird darauf hingewiesen, dass man keine Fördermittel bekommen habe, da das Gehalt des Mannes zeitweise wegen Überstunden zu hoch gelegen habe. Nun gäbe es keine Überstunden mehr, aber die monatlichen Belastungen seien durch die Kosten der Fremdmittel sehr hoch. Es wird kritisiert, dass keine Korrektur der auf der Grundlage des durch Überstunden berechneten finanziellen Hintergrunds erfolgt. 4.6.3.
Konfliktpotential: "Zu viel Kohle"
In allen Projekten sind Familien dabei, die jenseits der Einkommensgrenzen der sozialen Förderung liegen und Familien, die unabhängig davon einen großen Eigenkapitalsanteil mit einbringen. "Wir haben auch Leute hier, die im Grunde hier gar nichts zu suchen haben. Von der finanziellen Seite, von der sozialen Struktur her haben die überhaupt nichts zu suchen. Weil die einfach zuviel Kohle haben." (Herr Schneider) Die gewünschte Voraussetzung der Gemeinschaft ähnlich finanzielle Verhältnisse wird hier thematisiert. Im Konzept der organisierten Gruppenselbsthilfe werden an diesem Punkt die gegenseitigen Abhängigkeiten sehr deutlich. Zum einen müssen ausreichend Leute auf der Baustelle genügend lange arbeiten, damit die Häuser fertig werden. Wer genug Geld hat, kann die Stunden allerdings auch einfach bezahlen. Zum 234
anderen sollte die Arbeit mit hoher Motivation und effektiv erfolgen, da von der Leistungsfähigkeit der Gruppe die Höhe des Stundenlohns aller abhängt. Wer handwerkliche Qualifikationen oder Vorkenntnisse hat, kann schneller und produktiver arbeiten. Die genannten Aspekte wie vorhandenes Kapital und handwerkliche Qualifikationen sind bei der Betrachtung der Dynamik einer Selbsthilfegruppe von Bedeutung. Auch die Geschlechterdimension spielte hier eine Rolle, wobei der Leistungsdruck bei beiden Geschlechtern bestand. Unter dem Gesichtspunkt der Produktivität kritisiert ein Mann die Arbeit einer Reihe von Frauen in seinem Projekt. "Fünf Frauen tragen ein Brett, was vielleicht insgesamt drei Kilo wiegt. Kein Scherz. Das tragen die von hier bis da hinten, statt dass sie gleich fünf nehmen, dann hätte jeder drei Kilo, das wäre okay. (...) Das sind dann fünf Frauen, die pro Stunde 15 Mark kriegen, netto." (Herr Schneider). In seiner Kritik geht es nicht um eine generelle Ablehnung der Arbeit von Frauen, sondern um die Frauen, die aus seiner Sicht nur Stunden machen wollten, nicht ernsthaft gearbeitet haben und damit den Stundenlohn für die ganze Gruppe verringern. Eben dieses Leistungsprinzip kritisiert auch ein weiterer Interviewpartner. Die Selbsthilfestunden sollten nicht so in den Vordergrund gestellt werden. "(...) aber die Finanzierungen sind auch so unterschiedlich, dass derjenige, dessen Finanzierung nicht so gut ist, natürlich darauf bedacht ist, dass die Arbeitsleistung der anderen natürlich auch relativ hoch ist. Damit der Stundensatz, der ja noch variabel ist, der ja auch noch nach oben gehen kann, da nicht auf einmal in den Keller geht." (Herr Bayer) Motivation und Leistungsbereitschaft der Familien werden in Relation zu dem finanziellen Hintergrund gesehen. Letztlich so wird deutlich geht es nicht primär um den tatsächlichen finanziellen Hintergrund einer Familie, sondern um die gegenseitige Abhängigkeit bei der Erbringung der Selbsthilfestunden und die damit verbundene Höhe des Stundenlohns. 4.6.4.
Die Vergabe der Häuser
Auch die Kriterien der Häuservergabe sollten aus Sicht der Interviewten stärker an soziale Bedingungen geknüpft sein. In einem Projekt kam es zu Problemen, als eine Familie nach Baubeginn abgesprungen ist und das Haus neu vergeben wurde. Es war ein großes Haus, d. h. geplant für eine Familie mit drei Kindern. Die nachgerückte Familie hat jedoch nur zwei Kinder. Das hat unter den Nachbarn, von denen einige aufgrund von Familienzuwachs gerne das Haus gewechselt hätten, zu Unstimmigkeiten geführt. Gleichzeitig wird diese Familie von einigen Interviewten als zu wohlhabend für das Projekt eingeschätzt. Die Kriterien der Hausvergabe werden als nicht transparent kritisiert und in Zusammenhang mit einer angenommenen besseren finanziellen Situation der Familie gebracht. Von Trägerseite wurde dagegen argumentiert, dass 235
man Probleme hatte, das Haus zu verkaufen. Der Unmut in der Siedlung führte in diesem konkreten Fall zu Beschädigungen des Hauses. Es wurden Leitungen durchschnitten und eine Wand eingetreten. Inwieweit dies noch auf andere Ursachen zurückzuführen ist, lässt sich aus dem Interviewmaterial nicht entnehmen. 4.7. Fazit: Finanzielle Inhomogenität der Zielgruppe als Konfliktpotenzial Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Anteil der Familien, die kein oder Eigenkapital bis 10.000 DM in die Finanzierung des Hausbaus eingebracht haben, bei ca. einem Drittel der Baufamilien liegt. Betrachtet man die Finanzierungsstruktur der Selbsthilfeprojekte, so liegt der durchschnittliche Eigenkapitalanteil mit 9,6% ebenfalls sehr niedrig. Durch den erwirtschafteten Selbsthilfeanteil von durchschnittlich 9,9% steigt der gesamte Anteil der Eigenmittel auf 19,5% an. Im Vergleich zu herkömmlichen Finanzierungen (ca. 27%) und auch zu Finanzierungen im sozialen Wohnungsbau (21-27%) liegt der Eigenkapitalanteil in der Projektreihe Einfach und selber bauen damit deutlich niedriger. Insgesamt kann also davon ausgegangen werden, dass die Zielgruppe der Familien mit geringem und mittlerem Einkommen erreicht worden ist und die Selbsthilfe in vielen Fällen den Zugang zum Wohneigentum erst ermöglichte. Die finanzielle Ausgangssituation der Baufamilien gestaltete sich jedoch im Einzelfall sehr unterschiedlich, und daraus resultierten ein unterschiedlich hohes Selbsthilfevolumen und eine große Spannbreite in der monatlichen Wohnkostenbelastung. Gemeinschaft, Zusammenarbeit auf der Baustelle, gegenseitige Unterstützung bei der Erreichung eines gemeinsamen Ziels (des Hausbaus) all dies wird immer wieder mit den finanziellen Voraussetzungen der Familien und den Rahmenbedingungen der Projekte in Zusammenhang gebracht. Diese Verbindung ist nicht zufällig, schließlich handelt es sich um ein Selbsthilfeprojekt für Schwellenhaushalte. Der Hausbau erfolgt für viele Familien vor einer schwierigen finanziellen Ausgangssituation, die von Knappheit geprägt ist. Die Selbsthilfe dient dazu, das notwendige Eigenkapital zu erarbeiten, Grundstücks- und Wohnfläche der Häuser sind aus Kostenspargründen begrenzt. Die Ausgangssituation ist grundsätzlich von einem Mangel (an Geld) geprägt. Durch die organisierte Gruppenselbsthilfe entsteht eine Situation des gegenseitig aufeinander Angewiesenseins, eine Abhängigkeit von den anderen Baufamilien: nur zusammen können sie die Häuser erstellen und den Wunsch nach dem eigenen Haus erfüllen. Diese Abhängigkeit ist in gewisser Hinsicht auch eine finanzielle Abhängigkeit. Viele Familien sind darauf angewiesen, die Selbsthilfestunden für ihre Finanzierung zu leisten, die vorgesehenen Bauarbeiten auch tatsächlich auszuführen und dabei einen akzeptablen Stundenlohn zu erreichen. Familien, die nur Stunden absitzen, nicht richtig oder zu langsam arbeiten, können den Stundenlohn aller beteiligten Familien nach unten drücken und damit die Finanzierung gefährden. Ausschlaggebend ist dabei nicht 236
in erster Linie die unterschiedliche finanzielle Belastung, sondern die Situation der Knappheit bei zugleich gegenseitiger Abhängigkeit in der Bauzeit, wo jede Störung und jedes Ungleichgewicht auch eine finanzielle und für manche Familien gar eine existenzielle Dimension annimmt. Interessant ist das Ergebnis zur subjektiven Einschätzung der monatlichen finanziellen Belastung durch den Hausbau. Die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen der Familien (Eigenkapital, Einkommen, Förderung) führten zu sehr unterschiedlichen Belastungen, die jedoch im Ergebnis häufig höher waren als die Wohnkostenbelastung vor dem Hausbau. Trotzdem geben viele Familien an, dass die Belastung gut oder ohne Probleme tragbar sei. Die Interpretation verdeutlichte, dass viele der Baufamilien die Wohnkosten als angemessen für ein eigenes Haus bewerten. Für dieses Eigene sind sie bereit, mehr zu bezahlen und empfinden dies nicht als Einschränkung oder Belastung. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass viele Familien sich hinsichtlich der Wohnfläche und Ausstattung (Garten) im Vergleich zur vorherigen Wohnsituation verbessert haben.
5.
Die Selbsthilfe-Tätigkeit
Durch die prekäre finanzielle Situation vieler Baufamilien ist davon auszugehen, dass eine hohe Anzahl an Selbsthilfestunden gearbeitet werden muss, um die Finanzierung zu sichern. Darüber hinaus so ist in den Analysen der finanziell motivierten sozialen Dynamiken im vorhergehenden Kapitel deutlich geworden besteht dadurch in vielen Projekte ein hoher Leistungsdruck, durch effektive und schnelle Arbeit einen hohen Stundensatz zu erwirtschaften. Der Umfang der Selbsthilfeleistungen, die erwirtschaftete Höhe des Stundensatzes und deren Vergütung werden daher im Folgenden anhand der IBA-Angaben dargestellt. Bei der Betrachtung der Selbsthilfe-Tätigkeit muss differenziert werden zwischen den in der Planung vorgesehenen Selbsthilfestunden und deren Realisierung in der Bauzeit. Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang sind Helfer und Helferinnen, die die Baufamilien unterstützen. Vor dem Hintergrund des im ersten Teil der Arbeit dargestellten Funktionswandels der familiären und freundschaftlichen Netzwerke ist zu fragen, ob stabile und verlässliche Unterstützungssysteme bei den Baufamilien vorhanden waren und ob sich diese eher aus der Familie oder dem Freundes- und Bekanntenkreis zusammensetzten. Der Hausbau ist ein Projekt, das die ganze Familie betrifft, aber arbeitet auch die ganze Familie (Frauen und Männer) auf der Baustelle mit? In den Untersuchungen zur baulichen Selbsthilfe der 80er Jahre wird eine bauliche Abstinenz der Frauen konstatiert. Demgegenüber zeigt sich in der aktuelleren Untersuchung des IRS eine gleich237
berechtigte Arbeits(ver)teilung. Wie sieht es in den als innovativ angelegten IBAProjekten aus? Dieser Frage wird im letzten Teil dieses Kapitels nachgegangen.
5.1. Umfang, Vergütung und zeitliche Organisation der Selbsthilfe aus der Sicht der IBA Kern der Projektidee Einfach und selber bauen ist der Ersatz von Eigenkapital durch den Einsatz von Selbsthilfe im Roh- und Innenausbau. Die organisierte Gruppenselbsthilfe unterscheidet sich dabei grundlegend von Formen individueller Eigenarbeit bei der Errichtung von Eigenheimen. Im ersten Fall arbeiten die Selbsthelfer/innen im Team an jeweils einer Häusergruppe und haben dadurch die Möglichkeit, ihren Arbeitseinsatz zu effektiveren. Darüber hinaus übernimmt der Träger der organisierten Gruppenselbsthilfe die Gewährleistung gemäß BGB für 5 Jahre auf alle Bauleistungen, einschließlich der Selbsthilfeleistungen in diesen Baumaßnahmen. Es muss gewährleistet sein, dass die Baufamilien die Selbsthilfeleistung am Bau erbringen können, die zur Deckung ihrer Eigenleistung notwendig ist (Beierlorzer/Boll 1998: 62). Der Umfang der möglichen Selbsthilfe hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: dem Gesamtumfang der Selbsthilfe in einem spezifischen Projekt und der realistischen Einschätzung der von der einzelnen Baufamilie zu leistenden Selbsthilfestunden. Aus der Sicht der IBA besteht einerseits die Gefahr einer Überforderung der Selbsthelfer und Selbsthelferinnen durch eine zu hoch geplante Stundenzahl. Dies hängt andererseits mit einer meist zu hohen Einschätzung der Arbeitsstunden mithelfender Freunde und Verwandte zusammen (Beierlorzer/Boll 1998: 76). In einer Gesamtbauzeit, die 15 bis 18 Monate nicht überschreiten sollte, kann und sollte eine Person nach Einschätzung der IBA nicht mehr als 800 bis 1000 Stunden im Jahr leisten (inklusive Urlaubszeiten als Bauzeiten). Es liegt in der Verantwortung der Baubetreuung, dass der in die Finanzierung einfließende Gruppenselbsthilfewert auch in der baulichen Praxis gewährleistet werden kann. Die Selbsthilfeleistungen werden auf der Grundlage von vor Baubeginn ermittelten Kostenvoranschlägen oder anhand ortsüblicher Durchschnittspreise oder vorliegender Ausschreibungsergebnisse berechnet. Von dem so kalkulierten Wert der Eigenarbeit müssen die Material- und Betreuungskosten abgezogen werden. Der durchschnittliche Wert einer Selbsthilfestunde ergibt sich dann im Verhältnis zu den insgesamt geleisteten Selbsthilfestunden über alle Gewerke und alle Selbsthelfer und Selbsthelferinnen, unabhängig von deren Qualifikation. Die tatsächlich erwirtschaftete Höhe des Stundensatzes hängt nach Ansicht der IBA von einer Reihe von Faktoren ab: Neben handwerklichen Fachkenntnissen und Vorerfahrungen können Größe und Harmonie der Gruppe ausschlaggebende Faktoren sein. Darüber hinaus kann der Wert der Selbsthilfestunden von Schäden durch Vandalis238
mus, Baufehler etc., vom Wetter, aber auch von der Baukonstruktion und der Qualität der Anleitung und Betreuung abhängen (Beierlorzer/Boll 1998: 81). Für die Kalkulation wurde in den Selbsthilfe-Projekten von einem durchschnittlichen Mindeststundensatz von 15 DM ausgegangen. Die folgende Tabelle (Tab. 27) gibt einen Überblick über den Umfang der in organisierter Gruppenselbsthilfe (OGS) geleisteten Selbsthilfestunden im Rohbau, der Einzelselbsthilfe (ESH) der Baufamilien im Innenausbau der Häuser sowie dem tatsächlich erwirtschafteten Betrag insgesamt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es sich teilweise um geschätzte Werte bzw. um Soll-Werte handelt. Die Stundensätze liegen in den unterschiedlichen Projekten eng beieinander. Bergkamen hat als einziges Projekt im Durchschnitt mehr Stunden in ESH geleistet als in der OGS. Die in OGS geleisteten Stunden liegen hier mit 486 weit unter dem Durchschnitt aller Projekte (1100 Stunden). Die Projekte Einfach und selber bauen haben durchschnittlich etwa 29.000 DM Selbsthilfewert erwirtschaftet, dies bedeutet einen Anteil von 12,4% der Baukosten. In Herten fällt der Anteil der Selbsthilfe an den Baukosten mit 9,8% am niedrigsten aus, in Gelsenkirchen mit 17,7% am höchsten. Es lässt sich hier ein Zusammenhang zwischen den Selbsthilfeteilen und der Bauweise vermuten. Während in Herten der Rohbau mit extern vorgefertigten Holzrahmenbauten erstellt wurde, fertigten die Familien in Gelsenkirchen vor Ort die Holzrahmen in einer Zeltfabrik an (Beierlorzer/Boll 1998: 83f). Allerdings wurde diese Bauweise auch in Lünen angewandt, wo der Selbsthilfeanteil mit 12,8% jedoch dem Durchschnitt der Projekte entspricht. Der hier erwirtschaftete Selbsthilfewert und der Anteil an den Gesamtkosten liegt unterhalb der Untersuchungsergebnisse der Studie des Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung, die von einem durchschnittlichen Selbsthilfeanteil von 17% an den Gesamtkosten ausgeht (IRS 1998: 84).124 Die in dieser Studie erhobenen Eigenleistungen liegen zwischen 39.438 DM und 84.263 DM und damit deutlich höher als der Selbsthilfewert in den Einfach und selber bauen Projekten (24.897 DM bis 32.500 DM). Der durch die Selbsthilfe erarbeitete Eigenkapitalsanteil war in vielen Fällen die Zugangsbedingung zur Wohneigentumsbildung. Ohne das erforderliche Eigenkapital wären eine Finanzierung und damit der Hausbau nicht möglich gewesen. In den Baufamilien, in denen ausreichend Eigenkapital vorhanden war, diente die Selbsthilfe häufig dazu, die Ausstattung des Hauses zu erhöhen (z. B. durch den Bau eines Wintergartens).
124
Anteile von 30% der Gesamtkosten konnten in den Modellvorhaben in den neuen Bundesländern nur erarbeitet werden, wenn viele Helfer und Helferinnen vorhanden waren oder die Selbsthelfer/innen über besondere Qualifikationen verfügten (IRS 1998: 84).
239
240
2
3
OGS=Organisierte Gruppenselbsthilfe
Werte geschätzt (Soll-Wert); nur besondere Architektenleistungen; einschl. Polier und Baustelleneinrichtung
(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 80)
1
GSH=Gruppenselbsthilfe ESH=Einzelselbsthilfe
Bergkamen Duisburg Gelsen- GladKirchen beck GSH: Arbeitsstunden (Ø) je Erwerber- 486 1.215 1.1601 1.4001 familie Std. errechneter Ertrag der GSH je Std. (DM) 15,01 15,18 15,001 15,001 Wert der GSH (Ø) je Wohneinheit (DM) 7.294 18.437 17.4001 21.2501 Wert der ESH (Ø) je Wohneinheit (DM) 17.603 10.811 12.9001 11.2501 Selbsthilfewert Gesamt (DM) 24.897 29.248 30.3001 32.5001 Anteil der Selbsthilfe an den Bauwerks- 14,9/10,8 16,8/13,1 19,5/17,7 15,8/12,0 kosten/ Baukosten (in %) 1 1 Abgerechneter technischer Betreuungs- 2.1962 3 3 8.480 9.630 9.5003 aufwand für OGS (DM)
Tab. 26: Umfang und Vergütung der Selbsthilfeleistungen nach Angaben der IBA
Recklinghausen 1.2241 15,001 18.3601 10.7051 29.0651 16,9/10,9
Herten Lünen 1.0201 15,001 15.3001 12.3001 27.6001 17,0/12, 8 8.6703
1.285 15,04 19.482 10.400 29.882 12,5/9, 8 8.2253
15,04 16.790 12.280 29.070 16,2/12,4
Durchschnitt aller Projekte 1.100
5.2. Planung und Realisierung der Selbsthilfe Ergebnisse der FragebogenErhebung Bei der Betrachtung des abgeschlossenen Bauprozesses wird deutlich, inwieweit die Planung und Realisierung der Selbsthilfe-Stunden übereinstimmen. In der FragebogenErhebung wurde die Differenz zwischen beiden erhoben und danach gefragt, aus welchen Gründen die Selbsthelfer und Selbsthelferinnen möglicherweise mehr oder weniger gearbeitet haben als vorher geplant. Die Frage nach der geplanten Anzahl von Selbsthilfe-Stunden wurde von 83 Familien beantwortet.121 Vier Familien gaben an, dass sie keine Vorgabe durch die Baubetreuung hatten. Das von den Baufamilien angegebene Minimum der zu leistenden Stunden lag bei 100, das Maximum bei 2.500 Stunden.122 Über 1.500 Stunden wurde immerhin noch von16,9% der befragten Familien angegeben (vgl. Abb. 26). Abb. 26: Wie viele Selbsthilfe-Stunden (Rohbau und Innenausbau) sollten Sie laut Wohnungsgesellschaft leisten? 35 32,5 30
Prozent
25
22,9
20 16,9 15 9,6
10 6 4,8
3,6
5
2,4 1,2 0 bis 500
500-750
750-1000
1000-1250 1250-1500 1500-1750 1750-2000 2000-2250 über 2250
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=83, 4 keine Vorgabe, 2 fehlend) Geht man von den oben dargestellten Annahmen der IBA aus, so liegt nur etwa ein Drittel der befragten Familien mit einer geplanten Stundenzahl bis 1.000 Stunden im Rahmen der von einer Person realistisch zu leistenden Arbeitsstunden. Zwei Drittel der Familien haben im Vorfeld der Baumaßnahme deutlich mehr Selbsthilfestunden ge-
121
Im Durchschnitt aller Projekte lag die Stunden-Vorgabe zur Finanzierung bei 1.229 Stunden.
122
Bei einem Drittel der Familien lag die Vorgabe durch den Bauträger zwischen 1.250 und 1.500 Stunden.
241
plant und wie ein Blick auf die Realisierung zeigt auch deutlich mehr Stunden tatsächlich gearbeitet.123 Abb. 27: Geplante und gearbeitete Selbsthilfestunden weniger Stunden als geplant; 11,3%
mehr Stunden als geplant; 88,8%
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=80, 9 fehlend)
Die überwiegende Mehrheit (88,8%) der Baufamilien hat nach eigenen Angaben mehr Stunden als geplant gearbeitet. Nur neun Familien (11,3%) geben an, weniger Selbsthilfe-Stunden geleistet zu haben. In Lünen und Gelsenkirchen haben alle befragten Familien mehr gearbeitet, in Duisburg und Gladbeck hat jeweils nur eine Familie weniger gearbeitet. In Bergkamen haben von fünf Familien zwei weniger als geplant gearbeitet, in Herten zwei von sieben und in Recklinghausen drei von sieben Familien. Da davon ausgegangen werden kann, dass im Vorfeld der Maßnahme die zur Finanzierung notwendigen Selbsthilfestunden zu Grunde gelegt wurden, stellt sich die Frage, warum viele der Familien mehr Stunden auf der Baustelle gearbeitet haben, als es finanziell vielleicht notwendig gewesen wäre. Bei der Frage nach den Begründungen für die Mehrarbeit auf der Baustelle nannten die Familien an erster Stelle (51 Nennungen), dass sie sonst nicht fertig geworden wären. Die Fertigstellung der Häuser lag demnach zu einem großen Teil in der Verantwortung der Familien bzw. die Vergabe von Arbeiten an Handwerker hätte eine Erhöhung der Kosten bedeutet, die die Familien vermeiden wollten.
123
Die Anzahl der gearbeiteten Selbsthilfestunden bewegt sich in den interviewten 27 Familien zwischen 500 und 3.500 Stunden, wobei das obere und untere Extrem nur von jeweils einer Familie angeben wurde. Im Mittel lagen die Selbsthilfestunden bei 1.580 Stunden.
242
Die Reduzierung der finanziellen Belastung durch die Selbsthilfearbeiten steht mit 37 Nennungen an zweiter Stelle. Allerdings wurden in einigen Fällen auch zusätzliche Ausstattungsmöglichkeiten durch einen erhöhten Selbsthilfeanteil finanzierbar. Die Einhaltung des Einzugstermins war für 20 weitere Familien, die bereits ihre Wohnung gekündigt hatten, ein Grund dafür, mehr Selbsthilfestunden zu arbeiten. 16 Familien geben an, dass alle anderen auch mehr gearbeitet haben. Abb. 28: Begründungen für zusätzliche Selbsthilfestunden: Wir haben mehr gearbeitet, (absolute Häufigkeiten)
51
weil wir sonst nicht fertig geworden wären weil wir damit die finanzielle Belastung senken konnten
37
weil alle anderen auch mehr gearbeitet haben
16
weil wir unsere Wohnung gekündigt hatten
20 14
sonstiges
0
10
20
30
40
50
60
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=73, 16 fehlend, Mehrfachantworten)
Unter dem Punkt Sonstiges haben mit 14 Familien vergleichsweise viele der Befragten geantwortet. Die Mehrarbeiten ergaben sich zum Teil aus der Organisation des Bauvorhabens. Da in einigen Projektstandorten zu Beginn der Baumaßnahme nicht alle Häuser vergeben waren, haben die vorhandenen Familien alle Rohbauten erstellt und dabei mehr Stunden als angenommen gearbeitet. Die gegenseitige Abhängigkeit der Baufamilien wird von einigen thematisiert: beim letzten Haus haben kaum noch Bauherren geholfen (011), weil andere sonst nicht fertig geworden wären (017), weil viele ihre angegebenen Stunden nicht mehr geleistet haben (062). Bauverzögerungen und der Wunsch, den Baufortschritt zu beschleunigen thematisieren zwei Familien. Eine weitere unterstreicht die finanzielle Notwendigkeit, den Hausbau abzuschließen: weil die doppelte Belastung (Miete u. Hypothek) nicht mehr tragbar war, da wir nicht im August 98, sondern erst Februar 99 einziehen konnten (084). Die Möglichkeit, durch Einzelselbsthilfe den Standard der Ausstattung zu erhöhen, ist bei drei Familien ein Grund zur Mehrarbeit gewesen. Damit verbunden waren für zwei Familien Freude und Spaß an der handwerklichen Tätigkeit. 243
Nur neun Familien haben angegeben, weniger als ihre geplanten Selbsthilfestunden geleistet zu haben. Dabei spielten die von mir vermuteten Gründe Verletzungen auf der Baustelle, Bauverzögerungen und ausfallende Kinderbetreuung nur eine marginale Rolle. Die Items weil eines unserer Kinder krank wurde und weil einer von uns krank wurde sind beide mit jeweils zwei Nennungen vertreten. Unter dem Punkt Sonstiges haben alle neun Familien weitere Gründe angeführt. Eine Schwangerschaft hat die Stunden einer Familie reduziert, genügend Eigenkapital war ein weiterer Grund. Auf die hohe Arbeitsbelastung gehen drei der Familien ein: berufliche Arbeitszeit ist sehr lang (027), weil uns das Ende der Arbeitsbelastung wichtiger war als das restliche Geld (031) und weil wir uns speziell beim Innenausbau zu viel vorgenommen hatten (085). Eine Familie leistete weniger Selbsthilfe-Stunden als geplant, weil sie bei der Einzelselbsthilfe keine Helfer und Helferinnen mehr hatten. Als einen wesentlichen Grund für die Reduzierung der Selbsthilfestunden formulieren die Baufamilien hier die Überlastung durch die Arbeitsanforderungen. 5.3. Unterstützungssysteme: Wer leistete die Selbsthilfe? Bei vielen Familien war der Einsatz von Helfern und Helferinnen eine entscheidende Voraussetzung, die für die Finanzierung notwendigen Selbsthilfe-Stunden abzuarbeiten. Die Unterstützung der Familien während der Bauzeit erfolgte auf unterschiedlichen Ebenen. Ein zentraler Bereich war die Hilfe durch die Mitarbeit auf der Baustelle. In den Projekten wurde die Mitarbeit von Helfer/innen unterschiedlich geregelt. In einem Projekt war beispielsweise festgelegt, dass Helfer und Helferinnen während der ersten Bauphase nur in Anwesenheit der Baufamilien mitarbeiten konnten. In der Regel war die Mitarbeit von Helfer/innen jedoch kein Problem und wurde nicht speziell geregelt, die von ihnen geleisteten Stunden wurden der jeweiligen Baufamilien gutgeschrieben. Als ebenso wichtig hat sich auch die Unterstützung von Helfer/innen in den Bereichen der Kinderbetreuung, Mithilfe im Haushalt etc. herausgestellt, um der Familie (bzw. insbesondere der Frau) den Rücken freizuhalten. Der Einsatz von Selbsthilfe beim Hausbau ist in ländlichen Regionen weit verbreitet. Dazu zählt auch der Einsatz von gegenseitigen Hilfeleistungen innerhalb eines breiten sozialen Netzes (Familie, Nachbarn, Freunde etc.). Für städtische Regionen geht man jedoch davon aus, dass sich sowohl Familien- als auch nachbarschaftliche Netzwerke ausdünnen. In diesem Zusammenhang wurde in der Erhebung die Frage verfolgt, wie sich die Helfer und Helferinnen der Baufamilien zusammensetzen. Konnten sich die Familien auf ein vorwiegend familiäres Netzwerk stützen oder traten andere Bindungen, z. B. zu Arbeitskollegen, in den Vordergrund? In der Studie von Schäfer (1986) wird die Form der Organisierten Gruppenselbsthilfe als eine Möglichkeit dargestellt, nicht vorhandene, aber für einen Bauprozess notwendige Mitarbeiter zu ersetzen. Das 244
Modell der Gruppenselbsthilfe als Ersatz für einen fehlenden Helferkreis konnte in den untersuchten Projekten jedoch nur selten festgestellt werden, die meisten der befragten Familien konnten auf Helfer und Helferinnen während des Bauprozesses zurückgreifen. Mit 58,4% der Befragten haben mehr als die Hälfte der Baufamilien angegeben, Helfer und Helferinnen bei der Organisation der Selbsthilfe-Stunden eingeplant zu haben. Der Anteil der Familien, die tatsächliche Unterstützung durch Helfer/innen hatten, liegt noch deutlich höher.124 Tab. 27: Helfer eingeplant tatsächliche Helfer Tatsächliche Gesamt Helfer Ja Nein Helfer eingeplant Ja 49 3 52 Nein 20 17 37 Gesamt 69 20 89 (Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)
Wer zählte nun zu den Helfer und Helferinnen? An erster Stelle stehen nach Angaben der Baufamilien Familienangehörige (42 Nennungen), vor allem der Vater/ Schwiegervater (38 Nennungen). Freunde und Bekannte werden 31 Fällen genannt. Entgegen meiner Annahme, dass die Mutter/Schwiegermutter eine bedeutsame Rolle bei der Kinderbetreuung übernimmt, wird sie von den Baufamilien nur mit sieben Nennungen erwähnt. Sie steht damit noch hinter den Arbeitskollegen (neun Nennungen). Zur Unterstützung des Hausbaus wird nach den Ergebnissen der Fragebogen-Erhebung überwiegend das familiäre Netzwerk der Familien herangezogen. Daneben nehmen Freunde und Bekannte ebenfalls eine wesentliche Unterstützungsfunktion wahr. Die Anzahl der von den Helfern und Helferinnen geleisteten Stunden liegt im Durchschnitt der Projekte bei 422 Selbsthilfe-Stunden. Auf diese Frage haben nur 67 der Familien geantwortet. Wie in den Interviews bereits deutlich wurde, könnte dies daran liegen, dass viele Familien die Anzahl der Selbsthilfe-Stunden spontan (ohne in Unterlagen nachzusehen) nicht kennen.
124
In der Studie des IRS haben 83% der Baufamilien angegeben, mit weiteren Helfer/innen, meist Familienangehörigen, Freunden oder Kollegen auf der Baustelle gearbeitet zu haben: Dabei reichte die Spanne von nur einem bis zu elf regelmäßigen Helfern, wobei in der Regel ein bis fünf Helfer zur Verfügung standen. (IRS 1998: 53)
245
Abb. 29: Selbsthilfestunden der Helfer und Helferinnen (Anzahl der Nennungen) 16
15 14
12
10
9
9 8
8
8
6
5 4
4 4
2 2
2
1
0
bis 100
100-200
200-300
300-400
400-500
500-600
600-700
700-800
800-900 900-1000
über 1000
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=67, 22 fehlend)
Ein deutlicher Schwerpunkt der von Helfer/innen geleisteten Selbsthilfe-Stunden liegt bis 500 Stunden. Immerhin 49 Familien geben den Anteil der von Helfer/innen geleisteten Stunden bis 500 an. Darunter fallen bis 100 Stunden bei 15 Familien auch viele Helfer/innen mit einem geringen Stundenpotential. Der Rest der von Helfer/innen geleisteten Stunden verteilt sich bis 1.000 Stunden. Zwei Familien haben angegeben, dass ihre Helfer/innen 1.714 bzw. 2.000 Stunden gearbeitet haben. Die Stundenzahlen hängen auch von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Helfer/innen ab, die im Fragebogen nicht erhoben wurden. Auch bei dem Einsatz von Helfer und Helferinnen auf der Baustelle zeigt sich eine Differenz zwischen Planung und Realisierung der Selbsthilfestunden. Abb. 30: Selbsthilfeplanung der Helfer und Helferinnen (Angaben in %)
keine Angabe; 8,8 mehr als geplant; 39,7 wie geplant; 32,4 weniger als geplant; 19,1
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=68, 21 fehlend)
246
Knapp ein Drittel der Helfer/innen hat wie geplant gearbeitet, und knapp 40% der befragten Familien haben angegeben, dass ihre Helfer/innen mehr als geplant gearbeitet haben. Da bei den Baufamilien knapp 90% angeben, mehr Stunden als geplant gearbeitet zu haben, lässt sich in Bezug auf den Einsatz von Helfern feststellen, dass sich die Erhöhung der Arbeitsstunden nur zu einem Teil auf den Umfang der Helferstunden ausgewirkt hat. Dies bedeutet in einem Umkehrschluss, dass die zusätzlich zur Planung geleisteten Stunden von mehr als der Hälfte der Familien alleine getragen wurden. Insgesamt haben über 70% der Befragten genauso viel oder mehr Hilfeleistungen als ursprünglich angenommen in Anspruch nehmen können. Die Hilfebilanz fällt damit zunächst einmal durchaus positiv aus. Allerdings musste knapp ein Fünftel der Familien auf Unterstützung durch Helfer/innen verzichten. Auf die Frage, aus welchen Gründen die Helfer/innen nicht wie geplant gearbeitet haben, haben 40 Familien geantwortet. Die hier genannten Gründe spiegeln im Wesentlichen die von den Baufamilien selbst angegebenen Ursachen für die Differenzen zwischen Planung und Realisierung wider. Als Gründe für den fehlenden Helfereinsatz werden schwerpunktmäßig individuelle Probleme der Helfer/innen genannt (Krankheit, eigener Umzug, Zeitmangel), aber auch die Belastungen durch die bauliche Selbsthilfe werden hervorgehoben (die Arbeiten waren zu anstrengend, Differenzen mit dem Bauleiter, zu große Belastung). Eine Familie weist darauf hin, dass die für die Helfer/innen zu entrichtenden Versicherungsbeiträge an die Berufsgenossenschaft zu hoch gewesen seien. Damit wird ein wichtiger Kostenfaktor angesprochen, der aus der Sicht dieser Familie den Wert der Selbsthilfeleistungen der Helfer vermindert. Die Kosten für die Versicherung liegen aus der Sicht dieser Baufamilie höher als der durch die Arbeit erwirtschaftete Betrag des Helfers oder der Helferin. 5.4. Innerfamiliale Arbeitsteilung während der Bauzeit Aufgrund der prekären finanziellen Situation der meisten Baufamilien kam der Selbsthilfe auf dem Bau eine besonders große Bedeutung zu. Daraus ließe sich hypothetisch schließen, dass in der Familie alle verfügbaren Ressourcen für die Mitarbeit an dem eigenen Haus herangezogen wurden. Auch die (Ehe-)Frau würde in dieser Perspektive einen Anteil der Selbsthilfestunden übernehmen. Ob dies die übliche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die immer noch in großen Teilen besteht, außer Kraft gesetzt hat, ist die Forschungsfrage, die hier verfolgt wird. Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist, wie der Bauprozess von der Familie organisiert wurde. Wie gestaltete sich die innerfamiliale Arbeitsteilung? Wie wurde die Mitarbeit auf der Baustelle geregelt? Aus Untersuchungen zur Arbeitsteilung in Partnerschaften ist bekannt, dass die Arbeiten im Haushalt noch weitgehend geschlechtsspezifisch aufgeteilt sind. Die zeitliche Belastung von Frauen durch Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung 247
liegt nach wie vor deutlich über der Gesamtbelastung der Männer (vgl. Kap. I.2.3). Die traditionelle Arbeits- und damit auch Rollenteilung im Haushalt wird durch Kinder i. d. R. drastisch verstärkt und dies trotz bzw. unabhängig von einer Erwerbstätigkeit der Frau (Keddi/Seidenspinner 1991: 181). Was passiert nun in einer Extremsituation wie dem Hausbau, in der alle verfügbaren Ressourcen auf ein Ziel hin gebündelt werden müssen? Werden dabei traditionelle Muster der Arbeitsteilung aufgebrochen und entwickeln sich neue egalitäre Muster partnerschaftlicher Arbeitsteilungen oder werden im Gegenteil die traditionellen Muster in dieser stark belasteten Situation verstärkt und stabilisiert? Da ein wesentlicher Faktor der Arbeitsteilung zwischen den (Ehe-) Partnern die Berufstätigkeit der Paare ist, wird zuerst ein Blick auf die geschlechtsspezifische Verteilung der Berufstätigkeit gerichtet. 5.4.1.
Berufstätigkeit der Baufamilien
Die Verteilung der Berufstätigkeit der Frauen weicht in der Fragebogen-Erhebung von den Interviewergebnissen ab, so war der Anteil der Teilzeit berufstätigen Frauen in dem Interviewsample doppelt so hoch. Zwei Drittel der befragten Familien gaben in der Fragebogen-Erhebung an, dass die Frauen nicht berufstätig sind; der Anteil der nicht berufstätigen Frauen im Interviewsample fällt dagegen mit knapp über der Hälfte deutlich niedriger aus (vgl. Tab. 28). Tab. 28: Verteilung der Berufstätigkeit in Interviews und Fragebogen-Erhebung Voll Teilzeit nicht berufstätig Berufstätigkeit Mann Interviews 25 2 (92,6%) (7,4%) Berufstätigkeit Mann Fragebogen83 2 4 Erhebung (93,3%) (2,2,%) (4,5%) Berufstätigkeit Frau Interviews 2 11 14 (7,4%) (40,7%) (51,9%) Berufstätigkeit Frau Fragebogen8 18 63 Erhebung (9%) (20,2%) (70,8%)
Gesamt 27 89 27 89
(Quelle: Interviews n=27, Fragebogen-Erhebung n=89)
Im qualitativen Untersuchungsteil wurden 27 Familien in fünf Projekten befragt. Von den 27 Familien waren 25 Männer voll berufstätig, zwei Männer (beide Elektriker) waren zuständig für die Familienarbeit. Bei den Frauen ist die Verteilung unterschiedlich: 14 Frauen waren nicht berufstätig und ausschließlich zuständig für die Familienarbeit125, 13 Frauen waren berufstätig, davon zwei Frauen in Vollzeit und elf Frauen in Teilzeit. Die Erwerbstätigkeit ist zum Teil auf die staatlichen Förderbedingungen zurückzuführen, denn die Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus geben eine deutliche Grenze vor, wodurch doppeltverdienende Paare aus dem Förderrahmen fal125
Darunter sind zwei Frauen, die zu Baubeginn ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben hatten.
248
len können. Hier wird sichtbar, dass die Einkommensgrenzen gerade für teilzeitbeschäftigte Frauen ein großes Problem darstellen. Das Abwägen der Finanzierung des Hausbaus gegen die eigene Berufstätigkeit erscheint problematisch. "...das Problem ist, um die Bauförderung zu bekommen, dürfen Sie nur ein gewisses Einkommen haben. Und da ich halbtags berufstätig war (...). Da lagen wir drüber. (...) In der heutigen Arbeitsmarktlage seinen Beruf aufzugeben, muss man sich wirklich überlegen. Wir haben hin und her gerechnet, und dann habe ich meinen Beruf aufgegeben, mit der Verpflichtung, die nächsten zwei bis drei Jahre nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen." (Frau Müller) Die Erwerbstätigkeit konzentrierte sich in der Mehrzahl der Fälle auf die Männer, die damit vorrangig für die finanzielle Absicherung der Familie zuständig waren. In zwei Familien waren die Frauen voll berufstätig und die Männer erwerbslos bzw. zuständig für Familienarbeit. Zu Beginn der Bauzeit veränderte sich in diesen beiden Familien allerdings die Form der Arbeitsorganisation. Die Frauen übernahmen die Familienarbeit (aufgrund von Schwangerschaft und Arbeitslosigkeit) und die Männer die Bauarbeit; sie arbeiteten quasi "Vollzeit" auf der Baustelle. 5.4.2.
Innerfamiliare Arbeitsteilung während der Bauzeit
In der Fragebogen-Erhebung wurden dazu zwei Punkte erhoben: die Mitarbeit auf der Baustelle und die Arbeitsteilung in der Familie während der Bauzeit. Die Mitarbeit der erwachsenen Mitglieder der Baufamilien auf der Baustelle gestaltete sich unterschiedlich. Es zeichnen sich jedoch klare Tendenzen bei der Aufteilung der SelbsthilfeArbeit innerhalb der Familien ab. Der größte Anteil der Familien (48,5%) gibt an, dass nur der Mann auf der Baustelle gearbeitet hat. In 43,8 % der Familien haben beide auf der Baustelle gearbeitet, der Mann jedoch den größeren Anteil der Stunden geleistet. Nur 6,8% der Familien gibt an, dass die Selbsthilfestunden von beiden gleich erbracht wurden (vgl. Abb. 31). Abb. 31: Arbeitsteilung während der Bauzeit: Mitarbeit auf der Baustelle nur meine Frau/Partnerin hat am Bau gearbeitet
0
nur mein Mann/Partner hat am Bau gearbeitet
48,3
wir haben beide etwa gleich viel am Bau gearbeitet
6,8
wir haben beide am Bau mitgearbeitet, aber meine Frau/Partnerin hat mehr Stunden gearbeitet
1,1
wir haben beide am Bau mitgearbeitet, aber mein Mann/Partner hat mehr Stunden gearbeitet
43,8 0
10
20
30
40
50
60
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)
249
Von einer baulichen Abstinenz der Frauen, wie sie in Studien der 1980er Jahre postuliert wurde, kann auf der Grundlage der Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung nicht mehr gesprochen werden. So haben mehr als die Hälfte der befragten Frauen in unterschiedlicher Intensität auf der Baustelle mitgearbeitet. Wirft man jedoch einen Blick auf den Anteil der Frauen an den Selbsthilfestunden, so differenziert sich der Umfang der Mitarbeit deutlich geschlechtsspezifisch. Abb. 32: Arbeitsaufteilung während der Bauzeit: Allgemeine Aufgaben (Angaben in %) Frau
Mann
gemeinsam
andere Personen
100 86,5
90
86,5
84,7 80 70 60 50 42,5
40,9
36
40
33,7 25,3
30
25 24,7
23
22,7
20 12,4
7,1 8,2
10
13,5
11,4
9,2 5,6
0
0
1,1
0
0
et c.
n
r
e äg el de nb Bo
Ko
or di na
tio
ns
Sc hr ift
ve
au fg a
rk
be
eh
ge än en g hö rd Be
im n ite Ar be
Ki
nd
er b
et
H au
re u
sh
un g
al t
0
(Quelle: Fragebogen-Erhebung n=89)
Kinderbetreuung und die Arbeit im Haushalt sind während der Bauzeit eindeutig die Aufgabe der Frau. Das Aussuchen von Material und Ausstattung für das neue Haus wird in der Mehrzahl der befragten Familien gemeinsam erledigt. Auch die notwendigen Behördengänge werden hauptsächlich gemeinsam bewältigt. Der mit dem Bauprozess verbundene Schriftverkehr und deutlicher noch die Koordinationsaufgaben sind hingegen Aufgabe des Mannes. Allerdings ist die Aufgabenverteilung hier nicht so stark ausgeprägt wie bei den Frauendomänen Kinderbetreuung und Hausarbeit. Betrachtet man die Interviews hinsichtlich der Arbeitsteilung auf der Baustelle, ergibt sich ein ähnliches Bild. So haben alle befragten Männer Selbsthilfestunden auf der Baustelle geleistet, jedoch nur 15 der befragten Frauen, immerhin über die Hälfte der 250
Befragten. Wirft man einen genaueren Blick auf Art und Umfang der Frauenarbeit auf der Baustelle, lässt sich diese in drei Kategorien differenzieren: volle Mitarbeit, teilweise Mitarbeit und keine Mitarbeit. In 12 Familien haben die Frauen nicht auf der Baustelle mitgearbeitet. Von den 15 mitarbeitenden Frauen leisteten sechs Frauen in etwa gleich viel Arbeit wie ihr Partner. Neun Frauen arbeiteten nach eigenen Aussagen teilweise auf dem Bau mit. Dieses bedeutet, dass die Frauen hauptsächlich samstags, gegen Ende der Bauzeit und im Innenausbau tätig waren. Die geleisteten Arbeitsstunden variieren bei dieser Gruppe stark. Je nach Blickwinkel ist dies nun unterschiedlich zu bewerten: Nimmt man die beiden ersten Kategorien (volle und teilweise Mitarbeit) zusammen, so haben mehr als die Hälfte der Frauen auf der Baustelle mitgearbeitet. Jedoch haben, unabhängig von der konkreten Mitarbeit auf dem Bau, alle beteiligten Frauen eine Vielzahl von Arbeiten erledigt, ohne die der Bauprozess nicht möglich gewesen wäre. Hierunter fallen beispielsweise auch Arbeiten wie der Schriftverkehr oder die Vorbereitung des Innenausbaus. Es geht mir hier jedoch vorrangig darum, einen Blick auf die Baustelle zu werfen. Wovon hängt nun die Mitarbeit auf der Baustelle ab? Es liegt nahe, die Antwort in der Berufstätigkeit und in der Anzahl der Kinder zu suchen. Von den sechs Frauen, die voll auf dem Bau mitgearbeitet haben, waren fünf nicht berufstätig und eine Frau seit zwei Jahren als Aushilfe tätig. Vier der Frauen haben ein Kind (im Alter zwischen fünf und zehn Jahren), eine Frau hat zwei Kinder (neun und zwölf Jahre) und eine Frau hat drei Kinder (sieben, elf und fünfzehn Jahre). Bei den Familien mit mehr als einem Kind sind die Kinder im schulpflichtigen Alter. Von den neun Frauen, die teilweise auf dem Bau mitgearbeitet haben, sind sieben Frauen Teilzeit berufstätig und nur zwei nicht berufstätig. Dies zeigt, dass Berufstätigkeit an sich kein Hindernis für die Mitarbeit auf dem Bau darstellt. Sicher bietet eine Teilzeitbeschäftigung bessere Voraussetzungen als eine Vollzeitstelle, da die Verantwortung für Haushalt und Kinder nach wie vor schwerpunktmäßig bei den Frauen liegt. Von den zwölf Frauen, die nicht auf der Baustelle mitgearbeitet haben, waren acht nicht berufstätig und vier Frauen Teilzeit berufstätig. Sieben Familien haben zwei Kinder, drei Familien haben drei Kinder, jeweils eine Familie hat eins bzw. vier Kinder. Sehen wir oben, dass die volle Mitarbeit der Frauen während der Bauzeit schon mit der Berufstätigkeit zusammenhing (die Mehrzahl der Frauen ist nicht berufstätig), so wird an den Familien mit strikter Arbeitsteilung deutlich, dass die Berufstätigkeit der Frau und auch die Kinderanzahl an sich nicht die entscheidenden Faktoren waren, von denen die Mitarbeit dieser Frauen auf der Baustelle abhing. Denn obwohl in dieser Gruppe zwei Drittel der Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgingen, waren sie während der Bauzeit eindeutig zuständig für die Organisation der Familienarbeit. Ich vermute 251
daher, dass zwei wesentliche Faktoren bei der Organisation der Arbeitsteilung eine Rolle spielen: Zum einen die Frage nach dem Alter der Kinder126 und der Kinderbetreuung, zum anderen eine bewusste Entscheidung für diese Arbeitsteilung, auch wenn es vielleicht anders möglich gewesen wäre. Als Gründe für diese Entscheidung ist eine schon vorher vorhandene strikte Arbeitsteilung denkbar, vielleicht auch eine Distanz der Frauen zu der beim Bau eines Hauses notwendigen Art der Arbeit. 5.4.3.
Kinderbetreuung
Die zuverlässige Versorgung der Kinder während der Bauzeit ist eine zentrale Voraussetzung für die Mitarbeit der Frauen auf der Baustelle. Die Kinderbetreuung während der Bauzeit lag in der Verantwortung der Baufamilien. So organisierten bis auf einen Träger (in der Regel Wohnungsbaugesellschaften) die Projekte keine gemeinsame Kinderbetreuung. Eine Ausnahme stellte eine Wohnungsbaugesellschaft dar, die in Zusammenarbeit mit einem Verein (ProKids) samstags eine Kinderbetreuung anbot, was nach den Aussagen der Interviewten eine Doppelfunktion erfüllen sollte: die Möglichkeit des Kennenlernens der Frauen (und Kinder) sowie das Angebot einer Kinderbetreuung, um den Frauen zu ermöglichen, samstags auf der Baustelle mitzuarbeiten. Das Angebot der Kinderbetreuung sahen alle als eine sehr wichtige Hilfestellung an. Allerdings beschrieben die befragten Frauen die Betreuung als nicht ausreichend. So reichte die Anzahl der Betreuungskräfte für eine eigenständige Betreuung nicht aus. Die Mütter konnten ihre Kinder nicht einfach in der Betreuung lassen und auf die Baustelle gehen, waren also nicht wirklich freigestellt von der Kinderbetreuung. In dieser Hinsicht wurden die Treffen als unzureichend charakterisiert. Je nach Alter der Kinder waren zum einen öffentliche Einrichtungen (Schule, Tagesstätten etc.) und zum anderen insbesondere Familienmitglieder (Großeltern, Schwestern etc.) bei der Betreuung der Kinder von entscheidender Bedeutung. Waren die Kinder regelmäßig und verlässlich untergebracht, nutzten einige Frauen diese Zeit, um auf der Baustelle zu arbeiten. In der Rohbauphase wurde die Baustelle für Kinder als zu gefährlich beschrieben. Die Kinder wurden also nicht mit auf die Baustelle genommen. Dies veränderte sich vielfach im Innenausbau: Einige Frauen beschreiben, dass sie im Innenausbau mitarbeiten konnten, da die Kinder mit im neuen Haus waren. "Wir hatten auch schon zwei Frauen dabei, die mitgebaut haben, die es aber rein vom Beruflichen und von den Kindern her konnten. Das ist ja das Problem dabei gewesen. Hier sind ja fast nur junge Familien mit kleinen Kindern, und wer da nicht die Möglichkeit hat, sein Kind abzugeben, der muss halt zusehen, wie er das
126
In den zwölf Familien waren in acht Fällen ein oder mehrere Kinder unter sechs Jahre alt. In fünf Fällen waren ein oder mehrere Kinder jünger als drei Jahre.
252
anders organisiert. Da bleibt meistens bei den Rohbauarbeiten dann die Frau zu Hause." (Frau Meyer) 5.4.4.
Vor- und Nachteile der Arbeitsteilungen
Die Extremsituation "Bauen" führt zu unterschiedlichen Modellen der Arbeitsteilung und auch zu unterschiedlicher Zufriedenheit mit diesen Modellen. Wurde vor Beginn der Bauzeit eine traditionelle Arbeitsteilung in der Familie praktiziert, hing es entscheidend von äußeren Faktoren ab, ob diese traditionelle Arbeitsteilung auch während der Bauzeit beibehalten wurde. Die äußeren Faktoren betreffen die Anzahl der zu leistenden Selbsthilfestunden und die Möglichkeiten, Hilfeleistungen von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten in die Kalkulation einzubeziehen. Waren die Rahmenbedingungen günstig, d. h., konnte es der Mann (mit Hilfe anderer) vorrangig alleine schaffen, die Selbsthilfestunden abzuarbeiten, wurde die traditionelle Arbeitsteilung in vielen Fällen beibehalten. Als Begründung dafür nannten die Befragten den Wunsch nach Aufrechterhaltung der familiären Normalität bzw. Stabilität durch ein geregeltes Familienleben während der Bauzeit. Sie wollten während der Bauzeit einen "Ruhepol" aufrechterhalten, insbesondere für die Kinder. Waren die finanziellen und anderen Voraussetzungen nicht so günstig, löste sich das traditionelle Muster mehr und mehr auf, da eine Person nicht in der Lage war, allein die notwendigen Selbsthilfestunden abzuarbeiten. Waren zudem keine oder nur wenige Helfer und Helferinnen vorhanden, übernahmen die Frauen einen großen Anteil der Selbsthilfestunden auf dem Bau. Voraussetzung war hier die Unterbringung der Kinder. Diese Form der Arbeitsteilung ergab sich jedoch klar aus der finanziellen Notwendigkeit bzw. aus dem massiven finanziellen und damit existenziellen Druck. Eine Frau drückt es so aus: "Alleine hätte er die Stunden nicht geschafft. Wir hatten keine Hilfe, wir haben die Stunden ganz alleine gemacht." (Frau Weber) Dieses Arbeitsmuster folgte dann der eingangs dargestellten Extremsituation, in der traditionelle Muster außer Kraft gesetzt werden und alle verfügbaren (Arbeits-)Kräfte auf das Ziel des Hausbaus konzentriert werden. Dies scheint jedoch nur im Falle absoluter finanzieller Notwendigkeit der Fall gewesen zu sein. Wie sieht es nun bei den Familien mit anderen Modellen der Arbeitsteilung aus? Zwei Interviewpartnerinnen formulieren eine vor der Bauzeit gleichberechtigte Rollenverteilung. Durch den Hausbau seien die Frauen in die Hausfrauenrolle gegangen oder auch gedrängt worden. Die Bewertung dieser "erzwungenen" Arbeitsteilung während des Hausbaus erfolgte in den Familien insbesondere auf Seiten der Frauen auf unterschiedliche Weise. Einerseits bildete sich ein Modell der "pragmatischen Akzeptanz" heraus, in dem die Haus-, Berufs- und Bauarbeit pragmatisch nach Machbarkeit zwischen den Partnern verteilt wird. Daraus resultiert die Zuständigkeit der Frauen für 253
Hausarbeit, Kinderversorgung, teilweise auch Teilzeitberufstätigkeit und bestimmte Tätigkeitsbereiche im Kontext des Hausbaus, und die Zuständigkeit der Männer für die (Vollzeit-) Berufsarbeit und die Arbeit auf der Baustelle (Selbsthilfestunden). In diesem Modell wird eine Person (in der Regel der Mann) für die Zeit des Hausbaus von den Tätigkeiten im Reproduktionsbereich vollständig freigestellt, um den massiven Anforderungen der Selbsthilfe zusätzlich zur normalen Berufstätigkeit gewachsen zu sein. Dieses Modell wird rein pragmatisch bewertet, da diese Form der Arbeitsteilung für beide Partner notwendig erscheint, um die gestiegenen Arbeitsanforderungen zu bewältigen. Gleichzeitig wird dieser Zustand als temporäre Ausnahme wahrgenommen und es kann nach Beendigung des Hausbaus wieder zu einer anderen Form der Arbeitsteilung zurückgekehrt werden. Interessant erscheint mir, dass diese Form der Arbeitsteilung auch von zwei Familien praktiziert wurde, deren Frauen vor Beginn der Bauzeit Vollzeit berufstätig und deren Männer für Haushalt und Kinder zuständig waren. An der Reaktion der befragten Frauen wird deutlich, dass es sich auch hier um eine pragmatische Lösung handelt; beide Frauen sahen die Arbeitsteilung während der Bauzeit nicht als etwas Problematisches an. Allerdings waren sie nach wie vor für die finanzielle Versorgung der Familie zuständig (Arbeitslosengeld und Schwangerschaft). Die zu Beginn der Bauzeit arbeitslosen Männer übernahmen den Hausbau quasi als Vollzeiterwerbstätigkeit. Bei diesen Frauen ist kein Interesse an einer Mitarbeit auf der Baustelle festzustellen, sie übernahmen den Reproduktionsbereich. Diese besondere Form der Arbeitsorganisation während der Bauzeit wurde sicherlich dadurch begünstigt, dass die beiden Männer eine handwerkliche Ausbildung hatten und ihre Kompetenzen somit in besonderer Form in die Arbeit auf der Baustelle einbringen konnten. Beide erarbeiteten eine große Anzahl Selbsthilfestunden und trugen somit maßgeblich zur Finanzierung bei. Die Reifizierung von bisher geübter Praxis stellt einen Sonderfall im "pragmatischen Modell" dar. Neben der Bewertung als "pragmatische Akzeptanz" machten einige Familien deutlich, dass sie unter der traditionellen Arbeitsteilung auch gelitten haben. Die Einschätzung dieser Form der Arbeitsteilung ist negativ geprägt, man kann von einer "erzwungenen Arbeitsteilung" sprechen. "Man ist einfach durch diese Phase so extrem in diese Rollenspezifika gedrängt worden. Ob man es wollte oder nicht." (Frau Thomas) Dieses wurde gerade bei Familien thematisiert, deren familiäre Arbeitsorganisation vor Beginn der Bauzeit als gleichberechtigt charakterisiert wurde. Wenn eine strikte Arbeitsteilung zwischen den Partnern besteht, kann man von zwei unterschiedlichen Parts sprechen, die sie in der Bauzeit einnehmen. Dies kann dazu führen, dass ein Austausch
254
über die jeweilige Situation (auf dem Bau oder zu Hause) nicht mehr möglich ist. Auch eine Änderung der Arbeitsteilung erscheint unmöglich. "Mittlerweile sehe ich das mit Humor und denke, mein Gott, ich hatte auch so genug zu tun, aber weil wir dadurch in das typische Klischee rein geraten sind. Das war dann auch gar nicht möglich, weil ich gar nicht den Ablauf kannte, mal zu sagen, weißt Du was, jetzt bleibst du mal einen Tag bei den Kindern, ich geh mal. Und das hätte ich persönlich mir manchmal gewünscht. Komm, lass mich lieber die Platten an die Wand schrauben und mal einen kinderfreien Tag machen." (Frau Thomas) Durch die Form der Arbeitsteilung bildete sich eine Routine heraus, die einen Rollentausch erschwerte bzw. aus der Sicht der Beteiligten unmöglich machte. Die Rollentrennung wurde so über die Bauzeit hinweg zementiert und von dieser Familie als belastend empfunden. Einige Familien beschrieben die durch die Extremsituation Hausbau "erzwungene" traditionelle Arbeitsteilung als einschränkend. Insbesondere der Zusammenhalt der Familie bzw. die Einschränkung der Kontaktmöglichkeiten der Väter zu ihren Kindern wurde bei dieser Form der Arbeitsteilung als ein schwerwiegendes Problem geschildert. "Und von daher war es dann für uns blöd an der Stelle, dass ja eine absolute Trennung war zwischen Familie und Haus. Also, die Kinder haben ganz oft gesagt, der Papa baut sein Haus, und wir haben den also gar nicht gesehen." (Frau Thomas) Aus der Sicht der Kinder wird der Hausbau hier vollständig mit dem Vater identifiziert. Weder die Mutter noch die Kinder hatten in dieser Familie einen Anteil am Bauprozess. Die Fragebogen-Erhebung bestätigt diese Einschätzung im Hinblick auf die Zeitproblematik (vgl. Abb. 33). Während der Bauzeit so geben 52,3% der Familien an war häufig keine Zeit, um sich mit der Familie und den Kindern zu beschäftigen; bei 12,8% der Befragten war sehr häufig/immer keine Zeit für die Familie. Bei der detaillierten Frage nach der Zeit, die die Väter mit ihren Kindern während der Bauzeit verbringen konnten, zeigt sich eine Polarisierung der Antworten. Die Extreme nie und sehr häufig wurden mit jeweils 7,1% angegeben; die restlichen Antworten verteilen sich mit je 42,9% auf selten und häufig keine Zeit für die Kinder.
255
Abb. 33: Situation der Kinder während der Bauzeit 100%
7,1
12,8 80%
42,9 60%
52,3
40% 42,9 20%
0%
30,2
4,7
7,1
blieb keine Zeit für Kinder und die Familie
sahen die Väter ihre Kinder fast nicht mehr
nie
selten
häufig
immer/sehr häufig
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=86, n=84)
Bei vielen Familien existierten jedoch Mischformen der Arbeitsteilung. Einige Frauen waren Teilzeit berufstätig und haben besondere Muster innerfamilialer Arbeitsteilung gefunden. Sie trugen diese Mischformen auch in die Arbeit auf der Baustelle (beispielsweise Mitarbeit auf der Baustelle vormittags, wenn die Kinder in der Schule/im Kindergarten waren oder Mitarbeit am Samstag). Als Vorteil wurde hier gesehen, dass man selber am Hausbau mitwirken kann, also an einer wichtigen biographischen Station auch aktiv vor Ort beteiligt ist. Die Familie ist in diesen Mischformen mehr in die Bauarbeiten mit einbezogen. Eine Entfremdung zwischen zwei Welten, wie sie oben beschrieben wurde, entsteht hier nicht (oder nicht in diesem Ausmaß). Allerdings sind auch hier die Finanzierungsnotwendigkeiten die Grenze der "angenehmen" Mitarbeit. Sobald nicht ausreichend Helfer und Helferinnen vorhanden sind, müssen die Kinder abgegeben werden, damit die Frauen auf der Baustelle mitarbeiten können. Wenn diese Mitarbeit ein bestimmtes Maß überschreitet, wird sie in ihren Auswirkungen als negativ für die Kinder angesehen und daher nur aus finanzieller Notwendigkeit heraus akzeptiert.
256
5.4.5.
Das war eine Baustelle für Männer Zur Konstruktion von Ausschlussmechanismen
Die Mitarbeit der Frauen auf der Baustelle hängt so wurde in den vorhergehenden Abschnitten deutlich von der allgemeinen Arbeitsteilung in der Familie und den Möglichkeiten der Kinderbetreuung ab. Allerdings lassen sich in den Interviewaussagen auch Hinweise für einen Ausschluss der Frauen von der Selbsthilfe auf der Baustelle durch die Organisation finden. In der Konstruktion von Mechanismen, die Frauen von einer direkten Mitarbeit am Bau ausschließen, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Die Arbeit auf der Baustelle scheint nach wie vor ein männerdominierter Bereich zu sein, dies gilt in besonderer Weise für die Rohbauarbeiten. Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Art der Arbeitsgestaltung auf der Baustelle war die Organisation der Baustelle durch den Träger der Baumaßnahme und seinen Vertreter vor Ort, den Polier. Von Trägerseite wurde durchgängig angemerkt, dass Frauen von der Arbeit auf dem Bau keinesfalls ausgeschlossen waren, die Träger folgern, dass dies wohl eher eine Entscheidung der Frauen gewesen sei. Allerdings war die Situation auf dem Bau aus der Sicht der befragten Frauen eine andere: Der Rohbauprozess (Bodenarbeiten, Betonieren, Mauern etc.) wurde eindeutig und ausschließlich als Männerarbeit verstanden. Zugleich verliefen die Ausschlussprozesse und -mechanismen in den Selbsthilfe-Projekten auch unterschiedlich. So war die Mitarbeit von Frauen in zwei Projekten auch in der Rohbauphase selbstverständlich, in den drei anderen Projekten waren Frauen anscheinend ebenso selbstverständlich vom Rohbau ausgeschlossen. In der Wahrnehmung der interviewten Frauen äußerte sich das folgendermaßen: "Es hieß zuerst, Frauen sollten nicht beim Mauern helfen." (Frau Meyer) "Nein, für Frauen war Arbeit verboten." (Frau Markus) "...und ich hatte so die Illusion, dass ich selber auch mit Hand anlegen kann. Und auch was machen kann, und das war im Grunde gar nicht bezweckt. Das war eine Baustelle für Männer bis zu dem Zeitpunkt, wo es um das Streichen der Außenfassade ging, weil da wohl die Männer zu wenig Lust hatten." (Frau Thomas) Beim Innenausbau änderte sich dies vielfach. Da waren Frauen deutlicher an den Arbeiten beteiligt. Meiner Ansicht nach wird gerade in diesen widersprüchlichen Wahrnehmungen der Betreuungsunternehmen auf der einen Seite und der Frauen auf der anderen Seite ein Konstruktionsprozess deutlich, in dem Geschlecht für den Bauprozess Bedeutung zugewiesen wird. In den offiziellen Rahmenbedingungen der Selbsthilfeprojekte war die Mitarbeit von Frauen nach Angaben der Träger vorgesehen (Expertengespräche). Die Organisation der Baustelle erfolgte jedoch vor Ort durch den Polier, einen Bauhandwerker, der in einigen Projekten selbstverständlich davon ausging, dass Frauen am Rohbau nicht beteiligt sind. Dies verweist auf das Vorhandensein latenter Geschlechternormen im Baugewerbe, die zwar in einigen Projekten auch 257
in der Rohbauphase außer Kraft gesetzt werden konnten, aber in den restlichen Projekten Frauen durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen effektiv von den Rohbauarbeiten ausschloss. 5.4.6.
Schlussfolgerungen: Die Stabilisierung traditioneller Arbeitsteilung?
Es lässt sich feststellen, dass die Ausnahmesituation Hausbau eine extreme Form der Arbeitsteilung in der Familie hervorrufen kann und traditionelle Rollenklischees verstärkt werden können. Diese Form der Arbeitsteilung erscheint in fast der Hälfte der befragten Familien als die einzige Möglichkeit, den Bauprozess sinnvoll zu organisieren und zu bewältigen. Problematisch erscheint daran, dass der Hausbau ein wichtiges biographisches Ereignis darstellt, das getragen ist von vielen positiven Erlebnissen und dem Stolz, "etwas geschafft zu haben". Von diesen Erfahrungen sind einige Frauen aufgrund der extremen Form der Arbeitsteilung ausgeschlossen. Auch die Identifikation mit dem Projekt, der Einbezug in die (Bau-)Gemeinschaft, der durch die gemeinsame Arbeit gefördert wird, kann von vielen Frauen erst nach dem Einzug nachgeholt werden. Die extreme Trennung in die zwei Welten Hausbau und Familie kann zu Entfremdung zwischen (Ehe-) Partnern und zwischen Vätern und Kindern führen. Deutlich wird jedoch auch, dass einige Familien ihre eher egalitär ausgerichteten Muster der innerfamilialen Arbeitsteilung auf den Bauprozess übertragen konnten. Durch günstige (finanzielle) Ausgangsbedingungen, eine starke Unterstützung durch Familienangehörige bei der Arbeit auf der Baustelle oder bei der Kinderbetreuung war es einigen Frauen möglich, voll oder teilweise auf der Baustelle mitzuarbeiten. Wesentlich waren dabei auch die Rahmenbedingungen der Organisation der Baustelle und die Einstellung des Baustellenleiters in dem jeweiligen Projekt, damit die Frauen ihre Arbeitsleistungen bereits im Rohbau mit einbringen konnten. In Bezug auf die in der IBA-Projektreihe avisierte Zielgruppe junge Familien mit Kindern ist die Bauphase nicht optimal geregelt. Die Zuständigkeit für die Betreuung von Kindern bleibt in der Verantwortung der Familie, die zusätzlich zur Erwerbstätigkeit und zur Arbeit auf der Baustelle auch die Kinderbetreuung regeln muss. Die Familienphase wird damit in der Organisation der Baustelle (der Selbsthilfeprojekte allgemein) nicht berücksichtigt, obwohl gerade junge Familien mit Kindern die zentrale Zielgruppe der IBA-Projektreihe darstellten. Die in der Literatur angesprochene Möglichkeit, dass in der Gruppe der Baufamilien eine gemeinsame Kinderbetreuung organisiert und diese Betreuungsarbeit auch als Selbsthilfestunden gezählt wird, kam meiner Kenntnis nach in keinem der Projekte vor. In den Interviews wurde vereinzelt gegenseitige Unterstützung angesprochen, aber keine organisierte Hilfestellung. 258
Diese mangelnde Aufmerksamkeit ist meines Erachtens vor dem Hintergrund zweier Aspekte zu betrachten. Bauarbeit ist zumindest in der Rohbauphase immer noch Männerarbeit. Die Mitarbeit der Frauen auf der Selbsthilfebaustelle war nicht in allen Projekten erwünscht bzw. selbstverständlich. Darüber hinaus kostet Kinderbetreuung Geld, eine äußerst knappe Ressource gerade in diesen Projekten.
6.
(Arbeits-)Belastung Wie wird die Selbsthilfe reflektiert?
Im vorherigen Kapitel wurde der teilweise sehr große Arbeitsaufwand in den Selbsthilfeprojekten deutlich. Die Bauzeit lässt sich auf dieser Grundlage als eine Zeit extremer Belastung für die Baufamilien charakterisieren. Die Initiatoren der Selbsthilfeprojekte thematisieren dies im Zusammenhang mit den Anforderungen der am Bauprozess beteiligten Akteure: Die Selbsthelfer und Selbsthelferinnen sollten über ausreichend verfügbare regelmäßige Freizeit und Unterstützung im Privatbereich während der Bauzeit und Belastbarkeit (physisch/psychisch durch Doppelbelastung) verfügen (Beierlorzer/Boll 1998: 66). In den Studien zur baulichen Selbsthilfe werden unter dem Aspekt der Belastung der enorme Zeitaufwand sowie der körperliche Einsatz hervorgehoben. Aus den zeitlichen Belastungen können sich Konfliktsituationen in den Bereichen Freizeit/soziale Kontakte und Familie ergeben. Die schwere körperliche Bauarbeit wird von den befragten Familien sehr unterschiedlich eingeschätzt; die Umstände des Hausbaus mit dem Zwang zum Bauerfolg können jedoch auch wie Schäfer herausgefunden hat - zu einer Verleugnung möglicher gesundheitlicher Schäden führen (Schäfer 1986: 137). Die empirische Erhebung der Belastung wird in der Forschungsliteratur durchgängig als problematisch charakterisiert. Da der Einsatz von Selbsthilfe in vielen der hier untersuchten Fällen unabdingbare Voraussetzung für den Hausbau ist, scheint ein kritischer Blick aus der Sicht der Baufamilien auf deren Belastung nur schwer möglich. Um einen genauen Eindruck der Arbeitsbelastung zu erhalten, wurden in den Interviews und der Fragebogen-Erhebung verschiedene Belastungsfaktoren erfragt. Darunter fallen zum einen die zeitlichen und körperlichen Belastungsmomente durch die Selbsthilfetätigkeit, aber auch die von den Baufamilien darüber hinaus benannten Stressfaktoren. Es wird die Frage verfolgt, welche Dimensionen von den Baufamilien im Zusammenhang mit Stress thematisiert werden und wie diese vor dem Erfahrungshintergrund der Familien zustande kommen. Ebenfalls in den Blick genommen werden mögliche (durch die Belastung entstandene) Konfliktsituationen auf der Baustelle und in der Familie. Neben einer detaillierten Darstellung der oben genannten Stressfaktoren liegt ein weiterer Schwerpunkt der Analyse auf der Frage, wie die durch Hausbau und Selbsthilfe verursachten Belastungen minimiert werden können. 259
6.1. Allgemeine Einschätzung - War die Bauzeit stressig? Ausgehend von der in der Literatur vertretenen Annahme, dass die Bauzeit geschlechtsspezifisch unterschiedlich wahrgenommen wird (vgl. Marahrens 1988), wurde in den Interviews und der Fragebogen-Erhebung die Einschätzung von Männern und Frauen getrennt erhoben. Diese Annahme hat sich jedoch in der FragebogenErhebung nicht bestätigt, denn beide (Ehe-)Partner bezeichnen die Bauzeit gleichermaßen als eine stressige Zeit. Abb. 34: Einschätzung der Bauzeit (Angaben in %) 100
94,3
90 80 70 Prozent
60 50 40 30 20 5,7
10
0
0
die Bauzeit war nur für den Mann stressig
die Bauzeit war nur für die Frau stressig
0 die Bauzeit war für uns beide stressig
die Bauzeit war nicht stressig
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)
Im Gegensatz zu den Ergebnissen der Fragebogen-Erhebung werden in einigen Interviews geschlechtsspezifisch unterschiedliche Einschätzungen der Bauzeit formuliert. Ein Interviewpartner betont, dass doch eher seine Frau mehr Stress gehabt habe, da sie die ganze Zeit alleine mit den Kindern zurechtkommen musste. Dagegen meinen zwei Interviewpartnerinnen, dass die Belastung alleine auf den Schultern ihrer Männer gelegen hätte: "Nur für Dich war es mehr Belastung." (Frau Engel) Für sie sei das Leben normal weitergelaufen, sie habe alles gemacht, was sie vorher auch gemacht hätte. In die gleiche Richtung geht die Antwort von Frau Thomas auf die Frage nach Stress während der Bauzeit: "Eigentlich nicht." Für ihren Mann schilderte sie die Situation anders. Er sei ununterbrochen unterwegs gewesen und habe gesundheitliche Folgeerscheinungen gehabt, da er zu viel gearbeitet habe. Sie hingegen war nicht berufstätig zum Zeitpunkt des Eigenheimbaus und kümmerte sich um ihre beiden Kinder.127
127
Frau Thomas beschreibt Stress bei anderen Frauen, weil diese ihre Kinder nicht abgeben konnten. Sie selber habe Glück gehabt und ihre Kinder bei ihrer Mutter gelassen. So sei sie in der Lage gewesen, Entscheidungen über die Gestaltung des Hauses vorzubereiten, einzukaufen und zur Baustelle zu fahren etc. Auf der Bau-
260
Die Einschätzung der Bauzeit als eine stressige Zeit teilt mit 94,3% die überwiegende Mehrheit der Baufamilien in der Fragebogen-Erhebung (vgl. Abb. 34). Dies ist wegen der grundlegenden Voraussetzungen der Projekte, die Selbsthilfestunden neben einer (in großen Teilen) Vollzeitberufstätigkeit abzuarbeiten, nicht überraschend. Interessant bzw. außergewöhnlich sind die fünf Familien, die die Bauzeit anscheinend ganz anders erlebten und beurteilen. Wirft man einen genaueren Blick auf diese Familien, so stellen sich eine Reihe möglicher positiver Rahmenbedingungen für diese Einschätzung heraus: In einer der Familien leisteten beide (Ehe-)Partner aufgrund einer Behinderung keine Selbsthilfestunden. Ihre Finanzierung ist durch vorhandenes Eigenkapital von über 100.000 DM gesichert. Ebenfalls einen hohen Eigenkapitalsanteil (über 100.000 DM) brachte die zweite Familie ein. Sie arbeitete trotz einer Vorgabe von 1.000 Selbsthilfestunden nach eigenen Angaben nur 350 Stunden, davon mit 335 Stunden den Hauptteil in Einzelselbsthilfe. Die dritte Familie hat 500 Stunden auf der Baustelle gearbeitet, wobei sie bei knapp der Hälfte von Helfern und Helferinnen (230 Stunden) unterstützt wurde. Bei allen drei Familien waren die Männer laut Fragebogen Vollzeit berufstätig, die Frauen waren nicht berufstätig. Die vierte Familie, die die Bauzeit als nicht stressig bezeichnet, hat 1.050 Selbsthilfestunden gearbeitet, also viel Zeit auf der Baustelle verbracht. Der Hauptteil der Stunden wurde allerdings in Einzelselbsthilfe gearbeitet (1.010 Stunden), der Anteil der von Helfer und Helferinnen erbrachten Stunden lag bei 350. Der Mann war Rentner und zum Zeitpunkt der Befragung 65 Jahre alt. Die Frau war in Teilzeit als Köchin beschäftigt. Der Betreuungsaufwand für Kinder fiel aufgrund deren Alters (32 und 36 Jahre) weg. Nur der Mann hat nach eigenen Angaben auf der Baustelle gearbeitet. Als Rentner entfällt für ihn die Notwendigkeit, die Berufstätigkeit mit der Arbeit auf der Baustelle zu vereinbaren, und damit auch ein wesentliches Stressmoment. Die fünfte Familie passt in kein Erklärungsraster. Die Familie hat 1.100 Stunden auf der Baustelle gearbeitet. Zum Zeitpunkt der Befragung hat die Familie vier Kinder im Alter von zwei, vier, sechs, acht Jahren. Da das vierte Kind zu Baubeginn geboren wurde, war die Frau während der Bauzeit im Erziehungsurlaub. Der Mann hat auf der Baustelle gearbeitet. Die Bedingungen für eine stressfreie Bauzeit scheinen bei dieser Familie nicht gegeben zu sein, trotzdem schätzen sie diese so ein. Da keine weiteren Angaben vorliegen, kann über die Gründe für die positive Einschätzung nichts weiter ausgesagt werden.
stelle selber hat sie nicht mitgearbeitet. Sie hat zu Hause vorbereitende Arbeiten erledigt, z. B. Gardinen genäht, Fliesen ausgesucht etc.
261
Bei der Betrachtung dieser Beispiele werden Stress mindernde Faktoren deutlich: • die geringe Anzahl der geleisteten Selbsthilfestunden, vorwiegend in ESH, • ein hoher Eigenkapitalanteil, • die nicht berufstätige (Ehe-)Frau, • vorhandene Unterstützungssysteme (Helfer und Helferinnen), • keine Berufstätigkeit des Mannes (Rentner). Die genannten Faktoren, die die Einschätzung von Stress beeinflussen, werden in der Auswertung der Interviews bestätigt, ergänzt und weiter ausgeführt. Alle der 27 interviewten Baufamilien sprechen davon, dass die Bauzeit ihres in Selbsthilfe erstellten Hauses eine "stressige" Zeit war (und in Teilen auch jetzt noch ist). Stress im Sinne von (Über-)Belastung, (Über-)Anstrengung, erhält unter der Perspektive eines Hausbaus mit Selbsthilfe noch einige weitere Dimensionen. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, wenn es um die Einschätzung einer Situation als belastend geht. Außer den oben genannten wurden in den Interviews noch die folgenden Faktoren erwähnt: • Alter und Anzahl der Kinder • Schwangerschaft und Krankheiten /Unfälle in der Familie • Ausfall von Helfern und Helferinnen • berufliche Tätigkeit, die kaum Zeit lässt (z. B. Montage, Dienstreisen) • Entfernung der Baustelle vom Wohnort • Konflikte innerhalb der Familie • Konflikte auf der Baustelle: Organisation, Betreuung und andere Familien • Immense Zeitbelastung: Arbeit rund um die Uhr • Dauer der Bauzeit • Körperliche Belastung Die wesentlichen der genannten Faktoren werden im Folgenden auf der Grundlage der Interviewaussagen und den Ergebnissen der Fragebogen-Erhebung weiter ausgeführt. Dabei differenziert der Text zwischen den psychischen und physischen Belastungsfaktoren. Im Kapitel 6.2 wird den zentralen Stressfaktoren im Zusammenhang mit der zeitlichen und psychischen Belastung nachgegangen, im Kapitel 6.3 werden die körperlichen Belastungen analysiert.
262
6.2. Wesentliche Stressfaktoren: Zeit und Dauer, Konflikte auf der Baustelle und in der Familie Immense Zeitbelastung: Arbeit rund um die Uhr Was war an der Arbeit auf der Baustelle belastend? Eine Antwort auf die Frage liegt nicht in den konkreten Selbsthilfearbeiten, sondern in der Struktur der Projekte und ihren Bedingungen. "Arbeit rund um die Uhr" ist hier das Stichwort, denn jeder Tag und jede freie Stunde wurde von vielen Familien auf der Baustelle verbracht, da dies der einzige Weg war, die Selbsthilfestunden zu schaffen. Mit zunehmendem Einsatz von Helfern und Helferinnen verringerte sich die Arbeit, die die einzelne Familie zu leisten hatte. Fiel jedoch jemand von den Helfern aus, wurde der Druck für die Familie größer. Die ununterbrochene Beschäftigung mit dem Hausbau, sei es beim Arbeiten auf der Baustelle, beim Aussuchen der Fliesen etc., beim Anfertigen von Zeichnungen und Bestellungen wurde von allen Familien als große Belastung empfunden. Der Urlaub von einem oder zwei Jahren wurde auf der Baustelle verbracht. In zwei Projekten wurde zusätzlich eine Nachtwache eingerichtet, in der immer zwei Selbsthelfer/innen tätig waren. Je nach sonstiger beruflicher Belastung wurde wenig geschlafen und vor und nach der beruflichen Arbeit auf dem Bau gearbeitet, d. h. die Arbeit auf der Baustelle findet parallel zu dem normalen täglichen Leben und eben auch den beruflichen Anforderungen statt. Im Extremfall bedeute dies "zwei volle Stellen" zu haben. Die Situation stellt einen Ausnahmezustand dar, der über einen begrenzten Zeitraum hinweg als erträglich beschrieben wird. Weitet sich die Bauzeit jedoch aus, bedeutet dies auch eine Verlängerung des Ausnahmezustandes, der als nicht tragbar empfunden wird: Das ging alles schon ziemlich an das Limit, würde ich sagen. (Herr Böll), Ja, die Nerven waren angekratzt. (Frau Böll)
263
Abb. 35: Die Situation während der Bauzeit (Angaben in Prozent) 27 50,6
hatte man keine Freizeit mehr
18 4,5
4,5 33,7
war die Belastung einfach zuviel
48,3 13,5
59,6 32,6
wurde Samstag den ganzen Tag am Bau gearbeitet
7,9 0
25 50
Arbeit rund um die Uhr
13,6 11,4 0
10
20
nie
30
selten
40
häufig
50
60
70
sehr häufig
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)
Die Bauzeit ist charakterisiert durch zu wenig oder keine Freizeit, da die verfügbare Zeit auf der Baustelle verbracht wird. Das Problem ist einfach, dass wir in 9 Monaten Bauzeit 1.800 Arbeitsstunden hier verbracht haben. Pro Haus. Und wenn man sich überlegt, dass 1.800 Stunden ein ganzes Arbeitsjahr sind, ein reguläres, wir haben also ganz normal gearbeitet, unsere Zeit plus die zusätzliche Zeit hier auf der Baustelle, dass man also zwei volle Stellen praktisch hatte plus Wochenende, ja also, Feiertage oder so was kannten wir in diesen 9 Monaten nicht. (...) Und wenn wir nicht auf der Baustelle waren, dann wurde aber zu Hause soviel erledigt, Zeichnungen gemacht oder Aufstellungen gemacht, Bestellungen fertig gemacht und im Grunde genommen hatte man überhaupt keine Zeit für sich. (Herr Sand) Die Dauer der Bauzeit Die Dauer der Bauzeit ist ein entscheidender Stressfaktor: Eine kurze Bauzeit die Belastungen zu konzentrieren und leichter handhabbar zu machen. Also ich habe auch von Projekten gehört, die über zwei Jahre gedauert haben oder so. Also da weiß ich nicht, ob ich das dann noch genauso sagen würde. Weil, da war jetzt einfach auch die Schmerzgrenze erreicht. (Herr Arche) Bei Befragten, deren familiäre Situation sich schwierig gestaltet, kann es auch zu einer anderen Sichtweise auf die Dauer der Bauzeit kommen. Wenn die Stundenzahl zu hoch ist, andere Umstände dazu kommen, wie beispielsweise eine Schwangerschaft, kleine Kinder, Krankheiten, und ein wesentlicher Punkt Ausfall von Helfern und 264
Helferinnen dann wird die Bauzeit als zu kurz erlebt. In einem aus dieser Perspektive dann viel zu kurzen Zeitraum drängen sich die Anforderungen und werden als Ballung und Überforderung erlebt. Diese Familien wünschen sich dann eher eine längere Bauzeit um "in Ruhe" alles erledigen zu können. Konkreter und zentraler Belastungsfaktor sind die Anzahl der in Selbsthilfe zu leistenden Stunden. Diese sind in den fünf Projektstandorten und auch in den einzelnen Familien unterschiedlich. Die Anzahl der Stunden bildet m. E. den Kern der Frage nach einer bewältigbaren Arbeitseinteilung. Je nach finanzieller Lage der Baufamilien oder Projektstruktur schwankt die Anzahl der Selbsthilfestunden zwischen 800 und 3.000. Auch die Bauzeit variiert zwischen 9 und 18 Monaten. Das ist auch für so ein Projekt entscheidend, denke ich mir mal, für die Bewohner oder zukünftigen Bewohner und ... wir haben es gesehen. Viele haben gesagt, wesentlich länger dürfte so eine Phase nicht dauern. Das ist ja doch schon Beanspruchung der ganzen Familie, ob das nun die Männer sind, die praktisch da ihre komplette Freizeit und nach der Arbeitszeit das ganze Wochenende verbracht haben, und dann die Frauen, die auf die Kinder in der Regel aufgepasst haben, ob man da ein Jahr durchzieht oder zwei Jahre. Das ist schon ein Riesenunterschied. (Herr Baum) Belastungen durch Konfliktsituationen auf der Baustelle Allerdings wird die direkte Arbeit auf der Baustelle nur selten als Stress bezeichnet. Teilweise wird die körperliche Anstrengung hervorgehoben, weil man es nicht gewöhnt sei, z. B. Schubkarren zu schieben, Betonarbeiten zu erledigen etc. Die Arbeit an sich war jedoch klar eingegrenzt und abzuarbeiten. Die (Rahmen-) Bedingungen auf der Baustelle waren schon eher Anlass für Stress. Probleme mit dem Bauträger und dem Architekten, Schwierigkeiten bei der Betreuung auf der Baustelle und Verzögerungen des Bauprozesses, all das wurde als erhebliche Belastung bezeichnet. Es war stressig, aber eigentlich hat es einem nicht viel ausgemacht. Zumindest nicht das Jahr, bis es so alles einigermaßen fertig war, bis man hier drin kleinere Sachen machen konnte, also es war ... Der einzige Stress war zwischen uns und dem Bauträger und den Architekten. Das war der Stress. (Herr Engel) Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, der Ablauf des Bauprozesses, die Qualität der Betreuung und das Baustellenmanagement können eine Reihe von möglichen Stresselementen beinhalten. Probleme mit dem Bauträger und Architekten bedeuten in der Regel zusätzlichen Schriftverkehr und Gesprächstermine zur Klärung. Schwierigkeiten bei der Betreuung können den Arbeitsablauf hemmen, da viele der befragten Familien auf Anleitung und Betreuung angewiesen waren. Darüber hinaus ist die Bauleitung zuständig für die Planung und Abwicklung des gesamten Projektes und daher verantwortlich für termingerechte Materialbestellung etc. Auch hier kann die Ursache für Verzögerungen und Leerlaufzeiten im Bauprozess liegen. Neben der Baustellenleitung 265
wird auch die Zusammenarbeit mit den anderen Baufamilien als mögliche Stressfaktoren benannt. Ansonsten vom Arbeitsstress her muss ich sagen nein. Ich hatte mit der Arbeit weniger Stress als mit den Leuten hier. (Herr Schneider) Auslöser möglicher Konflikte bei der Zusammenarbeit können unterschiedliche handwerkliche Kenntnisse, nicht eingehaltene Absprachen und der durchgängig erhebliche Leistungsdruck sein. Konfliktfeld Familie und Partnerschaft Abhängig davon, wie die Familien den Bauprozess organisieren, leisten beide Partner oder nur der Mann die Selbsthilfestunden. In der Regel leistet der Mann den Hauptteil der Stunden, und die Frau ist zuständig für die Organisation des täglichen Lebens und die Kinderbetreuung sowie dafür, Entscheidungen für den Innenausbau vorzubereiten. Bei einigen Familien arbeitete die Frau ebenfalls auf der Baustelle mit. Nur bei sehr wenigen übernahm die Frau einen gleich großen Anteil an den Selbsthilfestunden. Die Art der Belastung wird in den unterschiedlichen Modellen auch unterschiedlich erlebt und bewertet. Als belastend an dieser Situation wird hauptsächlich von Männern hervorgehoben, dass keine Zeit bleibe, sich zu entspannen und auszuruhen. Dies bedeute auch, dass das Familienleben in dieser Zeit zu kurz kommt und keine Zeit für die Kinder bleibe. Für die Zeit des Eigenheimbaus sind viele der Frauen allein zuständig, die Familiensituation aufrecht zu erhalten. "Alleinerziehend und verwaist" werden von ihnen als Stichworte genannt. Durch die Arbeitsbelastung und die Situation auf der Baustelle wird die Situation in der Familie während der Bauzeit häufig als gereizt und angespannt beschrieben. Also das war so, ja das hat Stress gemacht und das hat sich auch auf Familie und so klar ausgewirkt. Also weil er dann eben ... wenn er nach Hause kam, war er geladen und kurz vor der Explosion, weil, es ist doch wirklich einiges schief gelaufen. Das ist bei ihm aufgrund dieser ... also die Betreuung war einfach nicht so ... wie das vorgesehen war. (Frau Foss) Die Aufgabe, die Alltagssituationen reibungslos zu organisieren und eine gute Familienstimmung aufrechtzuerhalten, fiel eindeutig den Frauen zu. Sie waren dafür zuständig, die Schwierigkeiten und Probleme, die in der Bauzeit anfielen, aufzufangen und ihren Männern einen familiären Hintergrund zu schaffen, der es ihnen erst ermöglichte, diese außergewöhnliche Arbeitsbelastung zu bewältigen.
266
Bei uns war es zwischendurch mal so weit, dass ich gesagt habe, mein Gott, wofür das alles. Dafür, dass wir jetzt keine Familie mehr sind? Jetzt haben wir ein wunderbares Haus, aber was wir vorher eigentlich waren, worauf wir stolz waren, das ist kaputt. Mittlerweile ist das wieder unter einem ganz anderen Blickwinkel, weil sich jetzt wirklich alles so langsam beruhigt hat und sich wirklich auch alles wieder aufbaut und auch wieder Familienleben möglich ist. (Frau Sand) Unter den enormen Anstrengungen der Bauzeit leidet das Familienleben. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Kinder, deren Bedürfnisse während der Bauzeit häufig zurückgestellt werden. Zum anderen kann auch die Beziehung zwischen den (Ehe-) Partner auf eine harte Belastungsprobe gestellt werden. Ich habe mir oft gedacht, wenn eine Partnerschaft schon vor so einem Bau instabil ist, dann kann das auch echt in die Brüche gehen. Weil das ist schon eine enorme Belastung (...). (Frau Schneider) Ich sage mal, von der physischen Belastung her ist das kein Thema. Das kann jeder schaffen. Von der psychischen Belastung her, das ist individuell bedingt. Das kann man so nicht sagen. Wir haben Schwierigkeiten gehabt, wir haben uns richtig gefetzt, und das hat manchmal richtig gescheppert (...). (Herr Schneider) In den Interviews wurden mögliche Spannungen in Familie und Partnerschaft vereinzelt angesprochen. In der Fragebogen-Erhebung gaben jedoch nur 3,4% der befragten Familien an, dass die Bauzeit sehr häufig bzw. 14,8% häufig zu Spannungen in der Partnerschaft geführt hat. Abb. 36: Spannungen in der Partnerschaft während der Bauzeit (Angaben in %)
3,4 führten die hohen Belastungen zu Spannungen in der Partnerschaft
14,8 51,1 30,7
0
10
20
nie
30
selten
häufig
40
50
60
sehr häufig
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)
Sonstige Stressfaktoren Der Innenausbau wurde wegen des verstärkten Zeitdrucks als Belastung empfunden. Bei vielen Familien stand der Einzugstermin fest, die Bauzeit verzögerte sich, die Wohnung war bereits gekündigt, und so musste der Innenausbau unter großem Zeitdruck erfolgen. Bei einigen Familien verzögerte sich der Einzugstermin derart, dass die Möbel zwischen gelagert werden mussten, die Kinder bereits in der neuen Schule 267
waren und täglich gefahren werden mussten, die Familien auseinander gerissen wurden, der Mann bereits in dem Haus wohnte (u. U. ohne Wasser, Strom etc.) und die Arbeiten beendete, während der Rest der Familie bei Verwandten und Freunden unterkam. Die schlimmste war die ganze Endphase und das, weil das ganz am Ende war, das hat man noch am besten im Kopf. Da waren unendlich lange Tage und verdammt kurze Nächte waren das. Ich bin manchmal um 12 nach Hause gekommen, nachts und um 4 musste ich wieder aufstehen und arbeiten gehen. (Herr Asche) Der Einzug und die Zeit danach aber wurden nicht bei allen als Endpunkt der Belastung und Bauzeit erlebt. Mit dem Einzug waren die Unruhe, das Chaos und auch die Arbeit nicht automatisch vorbei, denn in vielen Projekten waren die Arbeiten noch nicht abgeschlossen und die Familien lebten teilweise in Provisorien (Baustufen, keine Türen etc). Die Hoffnung, mit dem Einzug in ein fertiges Haus zu kommen und die Unruhe der Bauzeit hinter sich zu lassen, erfüllt sich für die meisten Familien nicht sofort. Auf dem Grundstück sind häufig noch Handwerker, die Arbeiten beenden, viele Dinge sind noch unabgeschlossen. Das Finden des Familienlebens nach einem Ausnahmezustand wird von einer Interviewpartnerin als sehr belastend in dieser Zeit beschrieben: Nur wie gesagt, was das Anstrengendste war, da noch mal die Kraft zu schöpfen, für sich in seinen eigenen vier Wänden auf die Reihe zu kommen und in das alltägliche Leben wieder zurückzufinden. Das, finde ich, war - und wir sind jetzt eine kleine Familie - also für mich nah an der Grenze. (Frau Feld) Neben den Belastungen durch die Arbeit, die Arbeitszeiten, den Folgen für das Familienleben, die Kinder und auch die Beziehung zwischen den Partnern werden in den Interviews noch zwei weitere Stressfaktoren thematisiert, die in unterschiedlicher Weise mit Angstgefühlen verbunden sind: die finanziellen Belastungen und die Absicherung der Baufamilien gegen Unfälle etc. Die Kredite, die für den Bau des Hauses aufgenommen worden sind, werden von einigen Familien als eine beunruhigende Verantwortung empfunden. Vor allem man denkt immer, man ist nicht gut aufgehoben und man kann nachts wirklich nicht schlafen. Das geht ja um solche Summen, sage ich mal. Man ist ja nicht alleinstehend. Man hat Verantwortung, man hat Kinder, und das geht um so viele Sachen eigentlich, finde ich. Man kriegt wirklich Angst da. Man denkt, mein Gott, was machst du denn, wenn irgendwas jetzt sein sollte. (Frau Vogel) In zwei Projektstandorten spielte die Frage nach der Versicherung der Baufamilien eine große Rolle. Die Versicherung sei nicht eindeutig abgeklärt und man habe Angst, im Falle eines Unfalls nicht richtig abgesichert zu sein. Die Arbeit auf der Baustelle wurde als unfallanfällig beschrieben. Ein schwerer Unfall in einem Projektstandort und die Schwierigkeiten der betroffenen Familie mit der Versicherung scheint diese Ängste zu bestätigen. 268
Was ich schlimmer fand, war eigentlich, mein Mann hat hier auf der Baustelle einen schweren Unfall gehabt und wir haben also bis jetzt im Juni Unsicherheit gehabt, inwieweit die Unfallversicherung zum Tragen kam, obwohl wir das im Vertrag abgesichert hatten, musste erst mit Rechtsanwalt und allem gegen die Gesellschaft vorgegangen werden, bevor da eine Absicherung erfolgte. Das sind natürlich Sachen, die empfinde ich als gravierend, weil, es hätte genauso gut - er hatte jetzt die Wirbelsäule gebrochen, er hat einen bleibenden Schaden, und es hätte genauso gut sein können, dass er überhaupt nicht mehr laufen konnte und dann hätte ich eigentlich da gestanden als Sozialfall, und das nur, weil ich mich auf so etwas verlassen hatte. Und das sind Sachen, die empfinde ich als gravierend, dass das also wirklich eine Zumutung war. (...) Das ist also auch ein Bleibeschaden. Das wird uns also auch ewig an diese Selbstbaumaßnahme erinnern. (Frau Erdmann) Die von einigen Interviewten berichteten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Unfallversicherung könnten darauf zurückzuführen sein, dass die Zuständigkeit der Versicherungsträger nicht geklärt war. Die gesetzliche Regelung schreibt vor, dass die Selbsthelfer/innen grundsätzlich versichert sein müssen. Ein beitragsfreier gesetzlicher Unfallschutz besteht für die Baufamilie und ihre Helfer/innen bei öffentlich geförderten Eigentumsvorhaben des ersten Förderwegs (Versicherungsträger: GuVV). Die Arbeitsleistung der Helfer/innen muss dabei unentgeltlich erbracht werden. Wenn das Bauvorhaben nicht im 1. Förderweg gefördert wird, müssen die Helfer/innen in der gesetzlichen Unfallversicherung der Berufsgenossenschaft versichert werden (vgl. BMBau 1998: 74ff.). Die Höhe der Versicherungsbeiträge für die Helfer/innen richtet sich nach der Art der Tätigkeit und dem zeitlichen Umfang der Mitarbeit und bedeutet für die nicht öffentlich geförderten Baufamilien zusätzliche Kosten. 6.3. Körperliche Belastung und Folgen für die Gesundheit Die Auswirkungen der Bauzeit auf die Gesundheit der Baufamilien stehen im Vordergrund dieses Abschnitts. In den Blick genommen werden die körperlichen Belastungen, die sich neben der Berufstätigkeit aus der Arbeit auf der Baustelle ergeben. Die Bauarbeit kann als körperlich sehr anstrengende Arbeit charakterisiert werden. In fast allen Selbsthilfe-Projekten wurde auf den (kostenintensiven) Einsatz von Maschinen verzichtet und diese durch arbeitsintensive Handarbeit ersetzt. In der FragebogenErhebung wurden mögliche gesundheitliche Probleme aufgrund der Bautätigkeit nur selten thematisiert (vgl. Abb. 37). Die überwiegende Mehrheit der Baufamilien konstatiert nie (39,8%) oder selten (44,3%), dass die Bauzeit zu gesundheitlichen Problemen geführt habe. Immerhin insgesamt 15,9% nahmen gesundheitliche Probleme wahr und führten sie auf die (körperlichen) Anstrengungen während der Bauzeit zurück.
269
Abb. 37: Einschätzung der körperlichen Anstrengungen während der Bauzeit
2,3 führten die körperlichen Anstrengungen zu gesundheitlichen Problemen
13,6 44,3 39,8
0
10 nie
20 selten
30 häufig
40
50
sehr häufig
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)
In den Interviews werden körperliche Beschwerden und Beeinträchtigungen eher kursorisch erwähnt und dies insbesondere von den befragten Frauen. Die interviewten Männer redeten von sich aus selten darüber, erst auf Nachfrage werden bestimmte körperliche Probleme näher beschrieben. Insofern bestätigten sich in den Interviews die Ergebnisse der Studie von Marahrens (1988: 175), der eine nach Geschlecht differenzierte unterschiedliche Wahrnehmung der physischen Anstrengungen feststellt. Die Darstellung gesundheitlicher Beeinträchtigungen hat dabei eine große Spannbreite. Sie reichte von ungewohnter körperlicher Arbeit, die jedoch ohne größere Probleme zu bewältigen war, bis hin zu Mangelerscheinungen, Krankheiten und Unfällen. Die ungewohnte körperliche Arbeit wurde in der Regel als ein Gewöhnungsprozess beschrieben, in dessen Verlauf sich die körperliche Belastungsfähigkeit steigerte. Na gut, da war natürlich die körperliche Anstrengung, weil man es nicht gewohnt ist. Ich bin im kaufmännischen Bereich tätig, und mir haben abends dann schon die Finger gekribbelt vom stundenlangen Schubkarrenschieben. (Herr Baum) Insbesondere beim Transport und Heben von schweren Baumaterialien leisteten die Familien viele Arbeitsstunden. Witterungsbedingte Belastungen (Kälte, Regen etc.) erschwerten die Arbeit auf der Baustelle. Gegen Ende der Bauzeit wurden die körperlichen Belastungen von den Familien deutlicher wahrgenommen und führten in einigen Fällen zu formulierten Mangelerscheinungen und Erschöpfungszuständen. (...) also er hatte zeitweise zum Schluss hin Mangelerscheinungen, dass er nachts wach wurde und taube Arme hatte und taube Finger hatte. Er sagt, ich werde wach und als ob die Hand mir nicht mehr gehört. (...) Ich hatte dann den Arzt gefragt, und der sagte, das sind einfach Mangelerscheinungen. Magnesium, Eisen, also ich sollte ihn mal morgens damit voll pumpen (...). (Frau Thomas) 270
Die Dauer der Belastungen spielte in der Einschätzung der Familien eine wichtige Rolle. Da in der Regel nur der Sonntag als arbeitsfreier Tag zur Regeneration zur Verfügung stand, bestanden für die Familien in der Bauzeit nur wenige Möglichkeiten zur Erholung. Und wenn man dann ... nach diesem Jahr, das was hier so im Rohbau etc., was wir da so gebaut haben, war man fertig. Der Körper war einfach ausgelaugt. Deswegen waren dann auch noch so Frustphasen, wo wir alle gesagt haben, wir machen nichts mehr. (Herr Vogel) Parallel zum Innenausbau mussten die Gemeinschaftsanlagen und u. U. das Gemeinschaftshaus in Gruppenselbsthilfe erstellt werden. In diesem Zusammenhang wurde häufig (auch von Trägerseite) die hierfür fehlende Motivation der Familien erwähnt, die jedoch vor dem Hintergrund der massiven Arbeitsbelastung verständlich wird. Die in dem Zitat beschriebenen Frustphasen lassen eher eine weitgehende Erschöpfung vermuten als einen Motivationsmangel. In den Interviews werden eine Reihe von körperlichen Belastungssymptomen berichtet. In einigen Fällen kam es bei den Männern zu Krankheiten (z. B. Gürtelrose, Lungenentzündung, Bandscheibenvorfall), und auch bei Frauen und Kindern wird körperliche Erschöpfung thematisiert. (...) hatte während der Bauphase dann auch noch einen Bandscheibenvorfall und fiel auch noch 6 Wochen aus. (...) Und nach drei Wochen war er überhaupt nicht mehr zu halten und ich sage, wenn Du zur Baustelle gehst, musst Du auch arbeiten gehen. Wie willst Du das machen? Das ist ja nicht nur die Baustelle. (Frau Sand) Durch den extremen Druck in der Bauphase ist der Fall von Herrn Sand keine Seltenheit. Herr Sand arbeitete in einem Projekt mit neun Monaten Bauzeit, und ohne seine Anwesenheit konnten auch seine Helfer/innen nicht auf der Baustelle arbeiten. Krankheit war ein Luxus, den sich die Familien in der Regel nicht leisten konnten. Neben krankheitsbedingten Beeinträchtigungen wurden in den Interviews auch Verletzungen durch Unfälle auf der Baustelle beschrieben. Nein, es sind nur kleinere Sachen passiert, die sind aber nicht der Rede wert. Es musste keiner ins Krankenhaus oder so. Wir haben zwar gefährliche Situationen erlebt hier, sind aber alle glimpflich ausgegangen. Wenn man auf den Gerüsten arbeitet, dann kann es schon mal sein, dass diese Querstangen, die als Brüstung dienen, dass die nicht ganz fest sind. Wenn man sich dann drauf verlässt, dann kann man schon mal abstürzen, aber der Kollege, der wollte sich dann auch anlehnen, ist dann runter gefallen, konnte sich aber dann noch halten. 5 m Höhe. Aber ist auch schon mal hier in den Häusern, dass eine Regipsplatte von oben runterkommt, ist auch passiert, aber ... Es ist keiner zu Schaden gekommen. (Herr Stein) Zwar sind bis auf eine Ausnahme keine schweren Unfälle passiert, aber kleinere Zwischenfälle waren an der Tagesordnung.
271
6.4. Fazit: Bis an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hinaus Die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung zeigen, dass nur ein geringer Teil der Baufamilien (4,5%) die Belastung sehr häufig als zu hoch einschätzte. Für ein Drittel der Familien war die Belastung häufig zuviel (vgl. Abb. 35). Gesundheitliche Probleme aufgrund der mit dem Bau verbundenen körperlichen Anstrengungen konstatieren nur knapp 16% der Baufamilien. Diese Ergebnisse scheinen die eingangs skizzierten Erhebungsschwierigkeiten zu bestätigen. In den Interviews zeigt sich jedoch ein differenziertes Bild, dort wird eine Vielzahl von Stressfaktoren genannt. Alle interviewten Familien thematisieren, dass sie während der Bauzeit auf unterschiedliche Weise an die Grenze ihrer Belastbarkeit gestoßen sind. Diese waren zum einen die Dauer der Bauzeit und die damit verbundene immense Arbeitsbelastung, die als Ausnahmesituation aufgrund des enormen Zeitdrucks und der hohen zeitlichen wie körperlichen Belastungen von allen Beteiligten als starke Belastung wahrgenommen wurde. Diese lang andauernde Ausnahmesituation mit dem weitgehenden Fehlen von Erholungszeit oder Zeit für die Familie konnte zu Konflikten in der Familie (Vernachlässigung von Kindern auf Seiten der Männer bzw. die Situation als Alleinerziehende auf Seiten der Frauen) und in der Partnerschaft führen. Weitere, eher emotionale Stressfaktoren waren durch die stets vorhandenen Ängste und Sorgen hinsichtlich der finanziellen Belastung sowie möglicher fehlender (finanzieller und sozialer) Absicherung gegenüber (Arbeits-)Unfällen auf der Baustelle festzustellen. Als ein weiterer wichtiger Stressfaktor benannten die Baufamilien die starke körperliche Belastung und die damit verbundenen Folgen für die Gesundheit. In den Interviews fiel aber auf, dass dies von Frauen und Männern unterschiedlich wahrgenommen und vor allem beschrieben wurde; es waren vornehmlich die Frauen, die den Punkt der körperlichen Belastungsgrenze ihrer Männer und die Beeinträchtigung durch Verletzungen auf der Baustelle ansprachen. Daraus kann geschlossen werden, dass die Struktur des Bauprozesses eine familiäre und berufliche Situation verlangt, die reibungslos funktionieren muss. Kamen zu der normalen Bausituation noch weitere Schwierigkeiten wie Krankheiten, Ausfall von Helfern und Helferinnen sowie Konflikte auf der Baustelle hinzu, waren Krisen vorprogrammiert und die Arbeit konnte nur unter zusätzlichen und damit enormen Anstrengungen der ganzen Familie weitergeführt werden.
272
7.
Arbeiten und Wohnen in der Gemeinschaft
Mit den Siedlungsprojekten entstehen gebaute Räume, die sich jedoch nicht auf eine gebaute Umwelt reduzieren lassen, sondern die von den Bewohner/innen ebenfalls sozial hergestellt werden müssen. Über diese soziale Konstruktion von Räumen können durch Aneignungsprozesse auch soziale Beziehungen entstehen. Ein zentraler Aspekt der wohnungspolitischen Konzepte der Internationalen Bauausstellung stellt die soziale Qualität des Wohnens dar. Nicht nur eine Wohnung, sondern Wohnen soll entstehen. Dies geschieht zum einen auf der Grundlage einer guten Gebrauchsarchitektur (z. B. nutzungsneutrale Räume, Garten, Siedlungsidentität durch individuelle Wohnungszugänge), zum anderen durch Angebote für die Gemeinschaft (Beierlorzer 1996: 193ff). In den Selbsthilfeprojekten wird die Entwicklung von tragfähigen Nachbarschaften und sozialen Netzwerken in einem engen Zusammenhang zu der Selbsthilfetätigkeit der beteiligten Familien gesehen. Neben Mitbestimmungsprozessen bei der Planung und im Bauprozess haben die Familien aus Sicht der IBA durch die Gruppenselbsthilfe eine direkte Beteiligungsmöglichkeit: Das Selberbauen in der Gruppe ist die direkteste Form der Nutzerbeteiligung und Grundlage der Gemeinschaftsbildung (Beierlorzer 1999: 69, vgl. auch Siebel 1999). Die gemeinsame Arbeit an den Eigenheimen ermöglicht intensive Kontakte zwischen den Familien vor dem Einzug, bietet die Identifikation mit einem gemeinsamen Ziel dem Aufbau der Siedlung und stellt damit im Prinzip eine gute Grundlage für ein nachbarschaftliches Wohnen nach dem Ende der Bauzeit dar. Dieser Prozess der Gemeinschaftsbildung soll durch die Einrichtung von Gemeinschaftsflächen und -häusern gefördert und unterstützt werden. Insbesondere drei Bereiche des Arbeiten und Wohnens in der Gemeinschaft stehen im Mittelpunkt der folgenden Betrachtung: Das gemeinschaftlich organisierte Arbeiten während der Bauzeit in Form der organisierten Gruppenselbsthilfe, die Einschätzung und der Umgang mit den Gemeinschaftseinrichtungen sowie die Entwicklung des nachbarschaftlichen Kontakts nach der Bauzeit. 7.1. Gemeinschaftlich bauen und arbeiten Den Hintergrund meines Interesses bildet die These, dass über die Herstellung von Räumen auch soziale Beziehungen entstehen können. Unter diesem Aspekt wird die Gruppenselbsthilfe häufig auch wie ich meine sehr idealisierend als gemeinschaftsbildend gesehen. Auch wenn der Bauprozess als gemeinsame Leidensgeschichte (Beierlorzer 1999: 69) bezeichnet wird, entstehen in ihr so die IBA soziale Netze und nachbarschaftliche Solidarität. Aber wie beurteilen dies die Baufamilien in den Projekten? In den Ergebnissen der Erhebungen wurde deutlich, dass sich die 273
Selbsthilfeprojekte im Hinblick auf die Zusammenarbeit während des Bauprozesses und die nachbarschaftlichen Kontakte in den einzelnen Projekten völlig unterschiedlich entwickelt haben. Die beiden Aspekte der Zusammenarbeit und des nachbarschaftlichen Kontakts hängen eng zusammen, da die Art und Weise, wie die Zusammenarbeit von den Selbsthelfern gestaltet wird, in einem großen Ausmaß ebenfalls die Qualität der späteren Kontakte in der Siedlung bestimmt. Die Interviewten bieten auf die Frage nach den nachbarschaftlichen Beziehungen häufig Erklärungsmuster für das Gruppenklima, für Konflikte etc. an. Die Nachbarschaftssituation ist auf diese Weise eng mit der Atmosphäre in der Bauzeit verbunden, obwohl die Extreme (sowohl sehr gute als auch sehr schlechte Erfahrungen) nach Fertigstellung der Siedlungen von vielen der interviewten Familien abgeschwächt werden. Dies ist verständlich, da schon in der letzten Phase der Bauzeit die Gruppenarbeit zugunsten der Einzelselbsthilfe in den eigenen Häusern zurückgeht. Hier fängt ein "Rückzug ins Private" bereits an, der sich nach dem Einzug fortsetzt. Eventuelle Konflikte verschwinden damit nicht, aber das direkte und unmittelbare "Aufeinander-Angewiesensein" der Bauzeit ist nicht mehr gegeben und dadurch werden eine Reihe von Konflikten entschärft. Auch im Hinblick auf einen guten Zusammenhalt der Gruppe ist zu beobachten, dass die gemeinsame Erfahrung im alltäglichen Leben verblasst. Das heißt jedoch nicht, dass die Erfahrungen während der Bauzeit gleichgültig wären, im Gegenteil, sie prägen immer noch entscheidend den Umgang der Familien miteinander. 7.1.1.
Gute Zusammenarbeit, aber keine feste Gemeinschaft Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung
Insgesamt, so die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung, kann die Zusammenarbeit auf der Baustelle als überwiegend positiv gekennzeichnet werden. Zwei Drittel der befragten Baufamilien bezeichnen die Zusammenarbeit als weitgehend harmonisch. In gut 60% der Selbsthilfeprojekte fanden während der Bauzeit gemeinsame Aktivitäten statt; man hat sich gegenseitig geholfen, und die unterschiedlichen Kenntnisse wurden zum Nutzen aller eingesetzt. Nur die Frage nach der Entwicklung einer festen Gemeinschaft durch die Zusammenarbeit weicht von der insgesamt positiven Beurteilung der Baufamilien ab. Hier haben nur 8% der Baufamilien trifft voll zu angegeben, und 28,4% trifft zu. Diese Einschätzung ist im Wesentlichen bei drei Projekten anzutreffen. Die Kategorie trifft teilweise zu wurde mit 45,4% am häufigsten genannt. Hier liegen die ortspezifischen Schwerpunkte bei zwei Projekten. Als eindeutig nicht zutreffend bezeichnet mit 77,8% nur ein Projekt die Frage nach der Entwicklung einer Gemeinschaft, drei weitere Projekte haben mit jeweils um die 20% geantwortet und ein Projekt liegt bei 10% der Nennungen. Es lässt sich demnach feststellen, dass, ob274
wohl die Zusammenarbeit grundsätzlich positiv bewertet wird, dies nicht zwangsläufig zu einer Gemeinschaftsbildung beiträgt. Die Gemeinschaftsbildung wird von den einzelnen Projekten sehr unterschiedlich beurteilt. Abb. 38: Zusammenarbeit auf der Baustelle während der Bauzeit die unterschiedlichen Fähigkeiten/Kenntnisse wurden zum Nutzen aller eingebracht
man hat sich gegenseitig geholfen
mit einigen gab es heftigen Streit
während der Bauzeit gab es gemeinsame Aktivitäten
die unterschiedlichen handwerklichen Kenntnisse haben zu Spannungen geführt
durch die Zusammenarbeit auf dem Bau ist eine feste Gemeinschaft entstanden
manche konnten nicht zusammenarbeiten
es waren zu viele Baufamilien
Die Zusammenarbeit zwischen den Baufamilien verlief weitgehend harmonisch
0% trifft nicht zu
trifft teilweise zu
20% trifft zu
40%
60%
80%
100%
trifft voll zu
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)
Die in der Frage nach der Zusammenarbeit auf der Baustelle verwendeten Items wurden auf der Grundlage der vorhandenen Studien zur Selbsthilfe und den Interviewaussagen entwickelt. Die in die Formulierung der Items eingegangenen Vorannahmen in Bezug auf die Faktoren, die bei der Einschätzung der Zusammenarbeit eine Rolle spielen (z. B. Größe des Projekts, Unterschiede in den handwerklichen Qualifikationen), bestätigen sich nicht bzw. nur in Teilen. Die Größe des Selbsthilfeprojekts hat auf den Verlauf und die Gestaltung der Bauarbeit keinen entscheidenden Einfluss ausgeübt, so die überwiegende Mehrheit der befragten Familien. Auch die Vermutung, dass es in 275
der Bauzeit aufgrund des enormen Drucks der Baufamilien zu Auseinandersetzungen und Streit kommen könnte, hat sich nicht bestätigt. Für über die Hälfte der Familien (55,7%) trifft dies nicht zu. Allerdings geben 38% der Familien an, mit manchen der anderen Selbsthelfer und Selbsthelferinnen nicht zusammenarbeiten zu können (für immerhin 49,4% trifft dies teilweise zu). Persönliche Sympathien und Antipathien spielen demnach in den Projekten eine große Rolle. Dies müsste sich in der Art der Arbeitsgestaltung widerspiegeln (vgl. Abb. 39). Die unterschiedliche Verteilung handwerklicher Kompetenzen hat nach den Ergebnissen der Fragebogen-Erhebung demgegenüber nur einen geringen Einfluss auf die Form und die Beurteilung der Zusammenarbeit. Nur für 5,7% der Familien trifft dies zu bzw. für 6,8% trifft es voll zu. Abb. 39: Haben Sie meistens mit den gleichen Selbsthelfern zusammengearbeitet?
häufig gewechselt; 20,70%
vorwiegend mit den gleichen ; 26,40%
mal so, mal so; 52,90%
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)
Auf die Frage nach der Zusammensetzung der Selbsthelfergruppen ergibt sich folgendes Bild: Über die Hälfte der Befragten hat die Zusammenarbeit den Erfordernissen der Baustelle (z. B. sind aufgrund verschiedener Arbeitszeiten nicht immer alle Familien gleichzeitig anwesend) angepasst und keine stabilen oder geschlossenen Gruppen für die gesamte Bauzeit gebildet. Nur ein gutes Viertel hat vorwiegend mit den gleichen Selbsthelfern gearbeitet. Dies geschah wohl vor allem dann, wenn Gruppen mit einer spezifischen Qualifikation gebildet wurden, die dann in allen Häusern eine bestimmte Tätigkeit erledigt haben. Als weiterer Indikator für den Zusammenhang von organisierter Gruppenselbsthilfe und Gemeinschaftsbildung wurde die Frage nach der Qualität der entstandenen Beziehungen herangezogen. Bei 43,2% der Familien entstanden oberflächliche Beziehungen durch die Bauzeit und bei etwas mehr Familien (44,3%) entstanden enge Bekanntschaften/Freundschaften.
276
Abb. 40: Haben Sie unter den Selbsthelfern neue Bekanntschaften geschlossen?
mehrere Angaben
nur Arbeitsbeziehungen
3,4%
9,1%
oberflächliche Bekanntschaften
43,2%
enge Bekanntschaften/Freundschaften
44,3%
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)
Dies widerspricht zum Teil den Ergebnissen der oben genannten Items. Fast die Hälfte der Familien hat durch den gemeinsamen Hausbau Freunde oder enge Bekannte gefunden, während die Frage nach der Gemeinschaftsbildung nur ein gutes Drittel der Familien positiv beantwortete. Im Unterschied zu der Gemeinschaftsbildung, die die Selbsthelfer/innengruppe als Ganzes betrifft, beziehen sich Freundschaften nur auf konkrete (Einzel-)Personen. 7.1.2.
Von Wir haben Spaß gehabt dabei... zu es war hinterher nicht mehr zu ertragen Interviewergebnisse
In den Interviews berührt die Frage nach der Zusammenarbeit zwei Bereiche: Sie bezieht sich zum einen auf die inneren Bedingungen der Gruppenbildung (Zusammensetzung, Konflikte etc.) und zum anderen auf die äußeren Bedingungen (Organisationsformen, Leitung etc.). Zu den inneren Bedingungen der Gruppenbildung Probleme, Reibereien, Abstimmungsschwierigkeiten innerhalb der Selbsthelfergruppe gab es in allen Projekten, allerdings wurde die Arbeitsatmosphäre in vier von fünf Projekten als gut bezeichnet. Hier ist es den Baufamilien gelungen, eine arbeitsfähige Gruppe herzustellen. In einem Projekt hat sich das Gruppenklima derartig ungünstig entwickelt, dass massive Konflikte auftraten und Schwierigkeiten innerhalb der Selbsthilfegruppe als zentraler Stressfaktor genannt wurden ("Ich hatte mit der Arbeit weniger Stress als mit den Leuten"). Dieses Projekt wird getrennt im Anschluss an die vier anderen behandelt. 277
Die Interviewten aus vier Projekten beschreiben die Zusammenarbeit in ihrer Gruppe als gelungen. Als zentral wird von allen die gute Gemeinschaft hervorgehoben. Auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten hat die Familien zusammengeschweißt ("an einem Strang ziehen"). Die Zusammenarbeit habe weitgehend gut funktioniert, man habe alle Nachbarn bereits sehr gut kennen gelernt. Die unterschiedlichen Kompetenzen der Einzelnen wurden als bereichernd und als Erleichterung empfunden ("einem fällt immer etwas ein"), man konnte sich aufeinander verlassen. Dieses setzt sich in der späteren Nachbarschaft fort, die Hilfsbereitschaft untereinander wird als groß beschrieben. Einige der Interviewten heben ebenfalls hervor, dass sie Spaß gehabt haben, also die Bauzeit auch positive Erfahrungen hinsichtlich der Gruppenerlebnisse geboten hat. So können aus diesen Projekten alle Interviewten mit der Frage nach dem schönsten Erlebnis etwas anfangen. Sie erinnern sich gerne an das gemeinsame Grillen, Eisessen und die gemeinsamen Feste. "Wenn ich das mit vorher vergleiche, in dem 6-Familien-Haus hat Regina glaube ich schon 7 Jahre gewohnt, und die kennt die Leute oder kannte die Leute nicht so gut wie wir hier mittlerweile unsere Nachbarn kennen. Das ist also schon ein Unterschied. Gerade das finde ich auch sehr positiv. Also man findet immer jemanden, mit dem man über irgendwas reden kann. Auch wenn jemand mal Probleme hat, man sieht ihm das an, wird auch darauf angesprochen. Das ist manchmal vielleicht auch ein bisschen zu öffentlich, also privat geht dann auch ein bisschen verloren. Aber im Großen und Ganzen ist das eher positiv." (Herr Feld) Hier werden die nachbarschaftlichen Beziehungen im Vergleich zur vorherigen Wohnsituation dargestellt. Die Beziehungen sind durch die gemeinsame Bauphase entstanden und verhindern anonyme oder durch Isolation gekennzeichnete Wohnverhältnisse. Miteinander zu reden, auch über Probleme, ist ein zentrales Merkmal der Beziehungen untereinander. Die Vertrautheit und das enge Zusammenleben der Familien können in einigen Fällen allerdings auch zu Nähe-Distanz-Problemen führen: "also privat geht dann auch ein bisschen verloren". Die Gemeinschaft beim Bauen hat trotz positiver Beurteilung jedoch auch ihre Grenzen. Einige der Interviewten wiesen darauf hin, dass man nicht mit allen befreundet sein könne und dass einige Leute nicht zusammen arbeiten konnten. Die Gruppengröße wird als ein wichtiges Kriterium für ein angenehmes Gruppenklima genannt. So war es in einigen Projekten üblich, Kleingruppen zu bilden, die dann für den Verlauf der Bauzeit zusammenarbeiteten. In dem mit 52 Familien größten Projekt berichten alle Interviewten von der Schwierigkeit, die Vorstellungen aller in ein Projekt zu integrieren. Die Gruppengröße hat auch zu anderen Formen des Kennenlernens geführt: man kannte nicht alle Familien, sondern nur den Teil, der gerade mit einem zusammen gebaut hat. Die Äußerungen zum Gruppenklima in diesem Projekt sind distanzierter, ebenso wie die Äußerungen 278
zum Träger, wobei der längere zeitliche Abstand seit der Fertigstellung hierbei ebenfalls eine Rolle spielen dürfte. Zwischen Frauen und Männern lassen sich in den Schilderungen dieses Geschehens Differenzen beobachten. Insgesamt ist festzustellen, dass Frauen an einigen Bereichen der Zusammenarbeit/der Gemeinschaft nicht teilnehmen (können). Da viele Frauen nicht auf der Baustelle mitarbeiten, sind sie auf andere Gelegenheiten, Kontakte zu knüpfen, angewiesen. Die vier Projekte haben dafür unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten gefunden. In allen Projekten haben sich die Baufamilien vor Baubeginn getroffen, um sich kennen zu lernen. Einige Frauen haben dann nach Baubeginn gemeinsame Nachmittage für Mütter und Kinder organisiert, damit sich gerade auch die Kinder treffen können. Nur in einem Projekt ist dies in einer institutionalisierten Form geschehen. In den anderen Projekten wurde das von den Frauen selbst organisiert. Das folgende Zitat soll als ein Beispiel noch einmal die positiven Aspekte der gemeinschaftlichen Arbeit, aber auch die Schwierigkeiten der Bauzeit und ihre Belastungen verdeutlichen: "Das Schöne ist ja, wir haben trotzdem unseren Spaß gehabt dabei. Die Leute, die hier Schulter an Schulter gekämpft haben, die haben sich also tatsächlich näher kennen gelernt, haben eine unheimliche Gemeinschaft so von der Nachbarschaft, die schon klasse ist. Das ist natürlich jetzt alles, können wir sagen, das war eine furchtbare Zeit, zwei Jahre wie im Gefängnis hier, aber das hat auch schon Spaß gemacht." (Frau Koch) Trotz der widrigen Umstände durch die Arbeit beschreibt die Interviewte Situationen, in denen sie Spaß hatten. Die Selbsthelfer/innen sind gemeinsam gegen Widrigkeiten angetreten, haben diese "Schulter an Schulter" bekämpft, und dabei ist eine Gemeinschaft herausgekommen, die "klasse", wenngleich auch unheimlich ist. Die Bauzeit wird als ein Gefängnis beschrieben. Gefängnis heißt: unter Ausschluss von Öffentlichkeit, Isolierung und Separierung von einem als "normal" und "frei" empfundenen Leben. Es wird ein Gegensatz konstruiert zwischen der Bauzeit als Gefängniszeit auf der einen und dem Nicht-Inhaftier-Sein auf der anderen Seite. Obwohl die Selbsthelfer/innen in der Bauzeit wie in einem Gefängnis zusammen waren nämlich ohne dass sie sich die Zellgenossen/Gruppenmitglieder aussuchen konnten hatten sie Spaß. Zu den äußeren Bedingungen Die gute Stimmung untereinander bedeutet nicht, dass es keinen Stress oder Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit gab. In den Interviews wird häufig als Problem die Zusammenarbeit mit der Organisation, der Leitung und in einem Fall die Architektin genannt ("der einzig miese Punkt hier war die Architektin"). 279
In zwei Projekten werden Probleme mit dem Träger hervorgehoben, so wurden in diesen Projekten eine Reihe von Häusern erst nach Fertigstellung des Rohbaus verkauft. Dies bedeutete für die Baufamilien einen Mehraufwand an Arbeit, da sie mit einer kleinen Gruppe alle Häuser aufstellten. In einem Projekt trat der Konflikt auf, dass die "Nachrücker-Familien" ihre Eigenleistung im Innenausbau erbringen konnten und nicht für die Gemeinschaft arbeiten mussten. Die Siedlungssprecher betonen, dass dies für den Gruppenzusammenhalt ein großes Problem darstellte, vor allem, da der Träger dies mit der Gruppe nicht abgesprochen habe. Man fühlte sich benachteiligt und hatte das Gefühl, die schwere (undankbare) Arbeit für die später eingestiegenen Familien mitgeleistet zu haben. Diese Familien in die Gruppe zu integrieren wurde als schwierig beschrieben. In dem zweiten Projekt wurde der solidarische Zusammenhalt der Baufamilien ausschließlich vor dem Hintergrund der massiven Probleme mit dem Träger beschrieben. Die Organisation des Bauvorhabens wird in verschiedenen Bereichen als mangelhaft beurteilt. Es kam zu Verzögerungen, da Geräte und Material fehlten. Die Betreuung und Anleitung wurde in diesem Projekt von einer Firma übernommen und von den Interviewten übereinstimmend als unzureichend bezeichnet. In dem Kontakt zwischen der Gruppe der Baufamilien und dem Träger kam es zu Auseinandersetzungen, da die Familien Mängelbeseitigungen etc. einklagten. Der Zusammenschluss und die große Solidarität der Gruppe sind m. E. auch durch diese Schwierigkeiten begründet. Hier entsteht der Eindruck, dass in der Gruppe selber keine Probleme entstehen konnten, da alle auf den außen stehenden Träger verlagert wurden. Unabhängig von der projektspezifischen Ausprägung der Zusammenarbeit zwischen den Baufamilien wurde in den Interviews deutlich, dass die Anleitkraft, der Polier, eine wichtige Funktion für den Gruppenprozess hat. Je nach Erfahrungshorizont und Persönlichkeit hat die Anleitung maßgebliche Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der Zusammenarbeit und der Arbeitsatmosphäre. Die innere Dynamik einer Baugruppe und deren (organisatorische) Rahmenbedingungen lassen sich nicht immer trennscharf voneinander unterscheiden. Daher wird in den folgenden beiden Abschnitten auf zwei zentrale Problemfelder hinsichtlich der Gestaltung der Zusammenarbeit der Baufamilien während der Bauzeit eingegangen. Diese wurden jeweils in einem Projekt besondern hervorgehoben, sind jedoch in abgeschwächter Form ebenfalls in den restlichen Projekten thematisiert worden.
280
"Das eigentliche Problem war die soziale Struktur" Massive Spannungen zwischen den Familien beeinträchtigten das Bauvorhaben in dem oben bereits thematisierten problematischen Projekt. Das Ausmaß dieser negativen Entwicklung ist überraschend. In diesem Standort werden in den Interviews fast ausschließlich Aussagen zu Konflikten, Spannungen etc. gemacht. Bestenfalls kommen noch neutrale Aussagen vor, wie beispielsweise "wir haben unsere Arbeit gemacht" oder "aus Streitereien haben wir uns raus gehalten". In dem Projekt kam es zu einer Gruppenspaltung, es haben sich Untergruppen gebildet, die dann im Wesentlichen zusammengearbeitet haben. Die Atmosphäre beim Bauen ist charakterisiert durch Unstimmigkeiten, persönliche Antipathien zwischen den Baufamilien bis hin zu massiven Konflikten, die zu Auseinandersetzungen, teilweise mit Anwälten, führten. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Die organisierte Gruppenselbsthilfe setzt eine funktionierende Zusammenarbeit voraus und ist gekennzeichnet durch große gegenseitige Abhängigkeiten. Die Gruppe der Selbsthelfer ist eine zufällig zusammengesetzte Gruppe, deren Mitglieder sich nur zum gemeinsamen Zweck des Hausbaus zusammenschließen. Die Kriterien für die Aufnahme in die Gruppe sind jedoch so unterschiedlich bzw. haben sich im Verlauf der Vorbereitung und Planung der Projekte immer weiter verändert und ausgeweitet (auch Familien, die keine Fördermittel bekommen etc.), so dass die soziale Zusammensetzung der Gruppe nicht homogen ist. Die sozialen Differenzen sind im Hinblick auf den Bauprozess in organisierter Gruppenselbsthilfe im Wesentlichen in zwei Bereichen von Bedeutung: Die unterschiedliche ökonomische Situation der Baufamilien führte erstens in diesem Projekt zu einer unterschiedlich hohen Anzahl von zu leistenden Selbsthilfestunden. Wer mehr Geld hatte, musste nicht so viele Stunden arbeiten. Die Mindeststundengrenze in diesem Projekt ist mit 800 Stunden im Vergleich niedrig angesetzt und viele Familien haben ihre Stundenzahl erhöht, da die Arbeit an den Häusern mehr Zeit in Anspruch nahm. Wer "nur" das Stundenminimum arbeitete, trug daher gegen Ende der Baumaßnahme zu einem personellen Engpass bei. "Das eigentliche Problem war die soziale Struktur hier. Weil sich ganz schnell rauskristallisiert hat, wer mit wem kann und dass sich Klübchen gebildet haben, dann wurde gegeneinander gehetzt. Der eine oder andere schlecht gemacht und so weiter und so fort. Es war hinterher nicht mehr zu ertragen. Es war echt soweit, dass man sich kaum noch gegrüßt hat mit manchen Leuten." (Herr Schneider) Die interne Gruppenbildung ist in der Darstellung von Herr Schneider verbunden mit der Abgrenzung und Diffamierung der jeweils anderen Gruppenmitglieder. Er thematisiert die Gründe für diese Abgrenzungen nicht, gibt aber einen Erklärungsansatz für die aufgetretenen Probleme, es liege an der "sozialen Struktur". Aus seiner Sicht sind die sozialen Differenzen, die nicht weiter ausgeführt werden, das Ausschlaggebende 281
für die durch Konflikte gekennzeichnete Entwicklung des Bauprojekts. Die Probleme in der Selbsthilfegruppe eskalierten derart, dass nicht mehr miteinander gesprochen wurde und "es war hinterher nicht mehr zu ertragen". Die sozialen Differenzen bestehen zweitens auch im Hinblick auf die Qualifikationen der Selbsthelfer. Eine handwerkliche Ausbildung oder Vorerfahrung erleichterte die Arbeit auf der Baustelle und führte zu einem produktiven Arbeitseinsatz. Diejenigen Selbsthelfer, die keine oder nur geringe Erfahrungen in diesem Bereich hatten, waren auf Anleitung angewiesen. Die in sehr unterschiedlichem Ausmaß vorhandenen handwerklichen Kompetenzen wurden in diesem Projekt im Zusammenhang mit dem erwirtschafteten Stundenlohn gesehen, der in Abhängigkeit von der Arbeitsleistung aller berechnet wird. Es ging also nicht nur darum, seine Stunden abzuarbeiten, sondern auch möglichst viel zu schaffen in der Zeit, damit der Stundenlohn steigen konnte. Durch eine solche Einstellung kann ein massiver Leistungsdruck entstehen, der hier zu Konflikten und Spannungen führte. In der Einschätzung des Siedlungssprechers dieses Projektes ist die Fixierung auf die Arbeitsleistung der Einzelnen auf die geleisteten Stunden und ihren Wert die wesentliche Ursache für die aufgetretenen Probleme in der Baufamiliengruppe. Da die finanziellen Voraussetzungen unterschiedlich waren, war nicht bei allen Familien die Notwendigkeit vorhanden, einen hohen Stundenlohn zu erwirtschaften und sich damit auch keinem so hohen Leistungsdruck auszusetzen. "Das ist jetzt auch so, dass natürlich die Sachen, die Nachbarn, die dann in der Zeit auch regelmäßig in Urlaub gefahren sind und nur ihre Pflichtstunden absolviert haben, indem sie die Schubkarre so langsam wie irgend möglich über die Baustelle geschoben haben, auch natürlich noch bis heute dann irgendwie so ein schlechten Beigeschmack haben, wenn man sie trifft. Das bleibt eigentlich und das ist auch nicht gut für eine Nachbarschaft." (Frau Erdmann) Die Bauzeit ist eine Ausnahmesituation, alle anderen Aktivitäten werden in der Bauzeit dem Ziel des Hausbaus untergeordnet. In dem Zitat wird deutlich, dass sich in der Ausnahmesituation des Bauprozesses eine ganz eigene Normalität entwickelt. In dieser Normalität ist es üblich, mehr Stunden zu arbeiten als das mögliche Minimum. Eine Familie, die "nur ihre Pflichtstunden" absolvierte, fällt aus dieser Normalität heraus. Ebenso von Bedeutung ist die Art und Weise, in der die Arbeitsleistung erbracht wird. Es geht nicht darum, die Stundenzahl voll zu bekommen, sondern in dieser Zeit das Meistmögliche zu schaffen. Arbeit ohne Identifikation hat in einer Selbsthilfebaumaßnahme keinen Platz.
282
"Wir haben für die Gemeinschaft gearbeitet, und die haben für sich gearbeitet" In einem Projekt sind eine Reihe von Häusern erst verkauft worden, nachdem der Rohbau bereits fertig war, d. h. einige Familien wurden erst nach der Rohbauzeit Mitglieder der Baugruppe. Hier wurde als Problem die Arbeitsteilung innerhalb der Baufamiliengruppe zwischen den beiden Phasen (Rohbau und Innenausbau) thematisiert. Die "alte" Gruppe von Baufamilien hatte teilweise die Stundenanzahl beträchtlich erhöht, um alle Häuser fertig zu stellen. Die "neuen" Familien, die erst nach Abschluss der Rohbauphase dazu kamen, konnten (und mussten) ihren Selbsthilfeanteil im Innenausbau erwirtschaften. Dies wurde von einem Teil der Baufamilien aus verschiedenen Gründen als ungerecht empfunden. "... die Leute, die jetzt noch einziehen, die isolieren ihre Häuser selber, weil die Häuser ja schon stehen. Die können ja keine andere Arbeit mehr machen. Und die kriegen für diese ... also die Arbeit schaffen sie mit Hilfe in 3, 4 Monaten und kriegen dafür an Geld fast soviel gutgeschrieben wie wir wirklich für ein Jahr Arbeit." (Herr Feld) Der Zeitaufwand für die Selbsthilfe ist um vieles geringer so die Einschätzung dieses Selbsthelfers wenn nur die Arbeit im Innenausbau zu bewältigen ist. Außerdem ist der Innenausbau im Gegensatz zur organisierten Gruppenselbsthilfe witterungsunabhängig, betrifft nur das eigene Haus und wird in der Regel in Einzelselbsthilfe geleistet. Diese Arbeit wird daher als leichter und angenehmer angesehen und ermöglicht es in der Einschätzung von Herr Feld, eine vergleichbare Eigenleistung zu erwirtschaften. Dies widerspricht allerdings dem Konzept der Projektreihe Einfach und selber bauen, die eine zur Finanzierung ausreichende Eigenleistung nur in der Kombination des Einsatzes von Selbsthilfe im Rohbau und Innenausbau gewährleistet sieht. Mit der Beschränkung auf den Innenausbau und damit auf Einzelselbsthilfe im Gegensatz zu der Gruppenselbsthilfe in der Rohbauphase ist ein weiterer Konfliktpunkt verbunden. Die für die Siedlungsgemeinschaft geleistete Arbeit, wie beispielsweise die Gestaltung der Außenanlagen, wurde nur von einem Teil der Baufamilien geleistet. "... und die kamen und sind sofort in ihre Häuser gegangen und konnten weitermachen. Ohne bei uns noch einen Finger krumm zu machen. Und das ist nicht ... wir haben für die Gemeinschaft gearbeitet, und die haben für sich gearbeitet und kamen wesentlich später ..." (Frau Koch) Ebenso wie der im vorherigen Abschnitt dargestellte Leistungsdruck der Selbsthelfer/innen ist auch die Arbeit für die Gemeinschaft eine der Grundvoraussetzungen der organisierten Gruppenselbsthilfe. Obwohl das vorrangige Ziel der Bau des eigenen Hauses ist, arbeiten die Baufamilien gemeinsam an der Fertigstellung aller Häuser (und der Außenanlagen). Dieses wird akzeptiert, so lange sich alle Familien daran beteiligen. Familien, die erst nach Fertigstellung des Rohbaus zu der Gruppe der Baufamilien stoßen, profitieren von der Arbeit der anderen. Das, so formuliert es Frau 283
Koch implizit, widerspricht der Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit in den Selbsthilfeprojekten. Die Arbeit im Innenausbau des Hauses, die alle Familien neben dem Rohbau leisten müssen, wird als eine individuelle Arbeit angesehen. Um Teil der Gemeinschaft zu sein, muss jedoch auch Arbeit für die Gemeinschaft geleistet worden sein. Diese Einschätzung verweist auf die prekäre Balance, die die Baufamilien unter großem Druck und wenig (finanziellen, zeitlichen und sozialen) Ressourcen halten müssen. 7.2. Wohnen in der Gemeinschaft Die Bauzeit ist beendet, die Familien sind eingezogen. Wie gestaltet sich nun das nachbarschaftliche Leben in den Siedlungen? Bleiben die in der Bauzeit geknüpften Kontakte zwischen den Baufamilien bestehen oder verändern sie sich? Eines der Ziele des Konzepts der Projektreihe "Einfach und selber bauen" war die Schaffung von tragfähigen nachbarschaftlichen Strukturen durch die Einrichtung von Gemeinschaftsflächen und -häusern. Haben diese Gemeinschaftseinrichtungen aus Sicht der Baufamilien tatsächlich einen positiven Einfluss auf das Siedlungsleben? 7.2.1.
Gemeinschaft im Zusammenleben: Gemeinschaftshäuser
Ein wesentlicher Ausgangspunkt der Projektreihe "Einfach und selber bauen" ist die Gemeinschaftsorientierung, die in dem Konzept einer geschlossenen Siedlung, der Gruppenselbsthilfe und in den zur gemeinschaftlichen Nutzung vorgesehenen Anlagen zum Ausdruck kommen. Hintergrund dieser Konzeption ist der Gedanke, dass eine funktionierende Nachbarschaft den Kern des sozialen Gebrauchswerts im Wohnungsbau darstellt und nur selten von alleine entsteht. Der Prozess der Gemeinschafts- oder Nachbarschaftsbildung kann durch die gemeinsam durchgeführte Gruppenselbsthilfe und andere Bedingungen, beispielsweise ein Gemeinschaftshaus, gemeinschaftliche Aufgaben etc., gefördert werden. Die rechtliche Gestaltung der Projekte ist trotz des Eigenheimcharakters (Haus mit Garten) in der Regel als Wohnungseigentümergemeinschaften (nach dem Wohnungseigentumsgesetz - WEG) organisiert. Zusätzlich zu der hier üblichen Unterscheidung in Sondereigentum am Wohnhaus und den Anteilen des Gemeinschaftseigentums am Grundstück werden in den Kauf-/Teilungsverträgen differenziertere Regelungen hinsichtlich Sondernutzungsrechten und Eigentumsanteilen getroffen. Im Gegensatz zu "normalen" Eigenheimgebieten verlangt diese rechtliche Konstruktion die dauerhafte Regelung von Gemeinschaftsaufgaben durch alle Nachbarn einer Siedlung. Diese Gemeinschaftsaufgaben beziehen sich in der Regel auf die vier Bereiche Gemeinschaftsräume und -häuser, Gemeinschaftsflächen im Freiraum, Haustechnik und die äußere Gestaltung der Gebäude. Diese Aufgaben können innerhalb der Siedlungsgemein284
schaft und in Eigeninitiative geregelt werden, sie können auch professionell vergeben werden (vgl. Beierlorzer/Boll 1998: S. 87ff.). Im Folgenden geht es in erster Linie um die Frage, wie die Baufamilien zu den in vier Projekten vorhandenen Gemeinschaftshäusern (Bergkamen, Duisburg, Lünen und Recklinghausen) und den Gemeinschaftsflächen in den anderen drei Projekten stehen. Werden die mit der Konzeption verbundenen Vorstellungen, dem gemeinschaftlichen Leben einen Ort zu geben und es damit zu fördern, von den Baufamilien aufgegriffen und umgesetzt? Da einige Projekte zum Befragungszeitpunkt erst vor kurzer Zeit fertig gestellt wurden, können hinsichtlich der Umsetzung bislang nur wenige Erfahrungen berichtet werden. Alle Befragten der Fragebogen-Erhebung wurden nach ihrer grundsätzlichen Einschätzung zu dem Konzept eines Gemeinschaftshauses gefragt. Da die Gruppe der Baufamilien in der Regel das Gemeinschaftshaus in Gruppenselbsthilfe erstellten, wurde auch die Frage nach dem Bauverlauf aufgenommen. Darüber hinaus sind die Aspekte der Nutzung des Gemeinschaftshauses, der Spannbreite der möglichen Nutzungsarten und die organisatorischen Regelungen einzelner Projekte in der Fragebogen-Erhebung von Bedeutung. Abb. 41: Wie finden Sie die Idee eines Gemeinschaftshauses? (Angaben in %) 60 50 35,6
40
26,5
30 23 20
14,9
10 0 sehr gut
gut
weniger gut
nicht gut
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=86, 3 fehlend)
Die Meinungen zu einem Gemeinschaftshaus sind gespalten, 50,6% der Familien finden die Idee gut bis sehr gut, wobei der Schwerpunkt mit 35,6% auf "gut" liegt. Die restlichen Befragten verteilen sich fast gleichmäßig auf "weniger gut" (23%) und "nicht gut" (26,4%). Bei der Beurteilung der Idee lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein eines Gemeinschaftshauses in einer Siedlung und der positiven Einschätzung feststellen. Nur neun der Familien, in deren Siedlung kein Gemeinschaftshaus vorhanden ist, finden die Idee gut oder sehr gut. Umgekehrt verhält es sich mit den 52 Familien, die ein Gemeinschaftshaus haben: von denen finden fast die Hälfte (25 Familien) die 285
Idee gut und neun Familien finden sie sehr gut. Insgesamt beurteilt mit mehr als einem Viertel doch ein beachtlicher Teil der Familien das Konzept des Gemeinschaftshauses als nicht gut. Der Bau des Gemeinschaftshauses musste zusätzlich zu der Arbeit an den eigenen Häusern geleistet werden. Diese Arbeit für die Gemeinschaft hatte möglicherweise eine andere Qualität als die Arbeit an den eigenen Häusern. Wie wurde diese Zusatzarbeit in den Bauprozess integriert und wie erlebten die Baufamilien den Bau des Gemeinschaftshauses? Abb. 42: Wie haben Sie den Bau des Gemeinschaftshauses erlebt? (Anzahl der Nennungen in den Siedlungen mit Gemeinschaftshaus) der Bau des Gemeinschaftshauses zog sich über einen zu langen Zeitraum hin
30
24
der Bau des Gemeinschaftshauses war eine unnötige Belastung
21
9
Sonstiges
13
0
5
10
15
20
25
30
35
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=50, 2 fehlende Werte, Mehrfachantworten)128
In allen Siedlungen wurde das Gemeinschaftshaus zum Ende der Bauzeit errichtet. Die Fertigstellung verzögerte sich in allen beteiligten Siedlungen. Dieser Punkt wird in der Befragung am häufigsten genannt. Unter Sonstiges wurde betont, dass das Gemeinschaftshaus (immer) noch nicht fertig gestellt und daher auch nicht nutzbar sei. Dies heben Familien aus allen Projektstandorten mit Gemeinschaftshaus hervor. In Bezug auf die Finanzierung betont eine Familie, dass das Gemeinschaftshaus das Projekt unnötig verteuere.
128
Die Grundgesamtheit bei dieser Frage lag bei n=52. In Bergkamen, Duisburg, Lünen und Recklinghausen wurde ein Gemeinschaftshaus gebaut, in den restlichen drei Projektstandorten nicht.
286
Über die Nutzung des Gemeinschaftshauses entscheiden ausschließlich die Baufamilien. Bei der Durchführung der Interviews stellte sich heraus, dass einige der Familien bereits Ideen entwickelt hatten, wie das Gemeinschaftshaus genutzt werden könne. In der Fragebogen-Erhebung wurde abgefragt, ob diese Vorüberlegungen in der Nutzungsphase tatsächlich umgesetzt wurden und ob weitere Nutzungsmöglichkeiten entwickelt wurden. Abb. 43: Wie wird das Gemeinschaftshaus genutzt? (Anzahl der Nennungen)
das Haus ist bislang nicht fertiggestellt
30
das Haus wird bislang kaum/nicht genutzt
22
es besteht eine Nutzungsordnung, die Zeiten, Kosten etc. regelt
21
das Haus wird für Feste genutzt
20
im Gemeinschaftshaus findet eine selbstorganisierte Kinderbetreuung statt
1
Sonstiges
9
0
5
10
15
20
25
30
35
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=52, Mehrfachantworten)
Auch bei der Frage nach der Nutzung des Gemeinschaftshauses wird die NichtFertigstellung problematisiert, gefolgt von der mangelnden Nutzung, die 21,4% der Antworten ausmacht. Hier wird deutlich, dass die Nutzung bzw. Nichtnutzung des Gemeinschaftshauses stark ortsabhängig ist. Bei beiden Items macht Duisburg mit 15 bzw. 13 Nennungen den Hauptteil der Antworten aus. In Duisburg wird das Haus praktisch nicht genutzt. Auch in Bergkamen wird es selten genutzt. Eine Nutzungs- oder Hausordnung für das Gemeinschaftshaus besteht in Lünen (17 Nennungen). In Recklinghausen gibt es eine Hausordnung, die Nutzungsordnung wird noch geregelt. Die Nutzungsarten werden unter Sonstiges ergänzt um die Punkte: "Tanzen, Sport, Spielen, Versammlungen". Vor dem Hintergrund der Interviewaussagen, die die Kinderbetreuung als eine zentrale Nutzungsmöglichkeit des Gemeinschaftshauses hervorhoben, war die faktisch nicht vorhandene Kinderbetreuung (1 287
Nennung) in der Fragebogen-Erhebung überraschend. Auf der Grundlage der Fragebogen-Erhebung kann man schließen, dass dies nicht oder bislang nicht umgesetzt wurde. Auch hier wird unter Sonstiges angemerkt, dass in Bergkamen kein Haus vorhanden ist, sondern nur ein Unterstand. Für die Situation in Duisburg konstatiert eine Familie: "das Haus wird wahrscheinlich nie genutzt werden" (014). In der Fragebogen-Erhebung wurde ebenfalls nach den Gründen gefragt, warum das Gemeinschaftshaus aus der Sicht der Baufamilien nicht genutzt wird. Die genannten Gründe sind je nach Standort unterschiedlich. In Bergkamen betreffen sie in erster Linie die mangelnde Ausführung und Ausstattung des Gebäudes: "weil es bisher kein Haus, sondern nur ein offener Unterstand ist" (009), "weil es mangelhaft ist, einfacher Betonboden, der sehr uneben ist" (001). In Recklinghausen wird ebenfalls die Nichtfertigstellung festgestellt: "es ist noch immer nicht fertig gestellt und dient noch als 'Bauhaus'" (058), während in Lünen der Schwerpunkt der Kritik auf dem Baustandard und der Größe liegt: "schlechte Schallisolierung, zu klein, mehr als 30 Personen sind unmöglich" (083). Der Projektstandort Duisburg ist mit 12 von 19 Nennungen am häufigsten vertreten. Auch hier ist die Bauweise und Ausstattung ein Thema: "keine Wärmedämmung nur Holztore, die nicht dicht schließen Deckenhöhe viel zu hoch" (014). Dazu kommen als zu teuer eingeschätzte Heiz-, Strom- und Wasserkosten. Die Zuständigkeit für das Gemeinschaftshaus ist unklar: "keiner fühlt sich zuständig" (011). Dies wird zum einen auf die Größe des Projekts mit 52 Familien zurückgeführt, zum anderen auf Mängel in der Organisation: "hatten keinen Ansprechpartner zur Fertigstellung" (011), "keine Unterstützung bei Gründung eines Trägervereins" (035). Eine Familie fasst es zusammen: "Unser Gemeinschaftshaus ist eine unmögliche Architektur und viel zu teuer. Es ist noch nicht fertig und entwickelt sich zu einer enormen finanziellen Belastung, bei so vielen Familien gibt es ständig Streit wegen des Gemeinschaftshauses." (012) Bei der Betrachtung der Fragebogen-Ergebnisse und der Interviewaussagen ist es zentral, darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaft in den Projekten eine von außen konstruierte ist. Die Initiierung der Projekte erfolgte durch die Internationale Bauausstellung bzw. durch den jeweiligen Träger und die Kommune. Die Familien wurden für die Projekte rekrutiert und lernten sich erst in der Vorbereitungs- und Planungsphase kennen. Das sie verbindende gemeinsame Interesse richtete sich (vorerst) ausschließlich auf den Hausbau. Der Bau eines Gemeinschaftshauses oder die Einrichtung von Gemeinschaftsflächen war in allen Projekten ein fester Bestandteil der Planung. Die Baufamilien hatten nur eingeschränkte Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen. Die zusätzlichen Kosten wurden auf die Familien umgelegt und waren Bestandteil der Finanzierung. Die Kosten für das Gemeinschaftshaus oder die Flächen mussten also nicht nur zusätzlich von den Familien getragen werden, auch der Bau wurde von ihnen 288
in der Regel im Rahmen der Gruppenselbsthilfe erstellt. Die Gemeinschaft hat also ihren Preis: zusätzliche Kosten und zusätzliche Arbeitsstunden. Für die Zielgruppe der jungen Familien mit geringem Einkommen, die sich in den meisten Fällen den Hausbau aufgrund äußert knapper finanzieller Ressourcen nur über den (massiven) Einsatz von Selbsthilfe leisten können, ist dies eine zusätzliche schwere Last. Die bereits vorhandene Knappheit an Zeit und Geld wird durch den Bau des Gemeinschaftshauses noch verstärkt. Insofern kann man von dem Gemeinschaftshaus auch als einem Paradox sprechen: Familien, denen wenig Ressourcen zur Verfügung stehen, sollen noch mehr für die Gemeinschaft aufbringen. Die Einrichtung eines Gemeinschaftshauses setzt in der Regel voraus, dass ein gemeinsames Interesse der beteiligten Familien vorhanden ist. In den Selbsthilfeprojekten wurde diese Maßnahme von oben verordnet; es handelt sich hier um eine von außen konzipierte Gemeinschaft. Bei Familien, deren vorrangiges Interesse in dem Wunsch nach etwas Eigenem liegt, ist nicht zwangläufig von einem Interesse an einer Gemeinschaft auszugehen. Der Wunsch nach (Wohn-)Eigentum und Individualisierungstendenzen sind u. U. nicht kompatibel zu einem unter historisch anderen Umständen entstandenen Gemeinschaftsgedanken. Gemeinschaft wird heute wieder neu aktuell, aber ist die Form eines Gemeinschaftshauses vielleicht eher ein veralteter Gedanke? Im Folgenden werden die Gemeinschaftshäuser und deren Beurteilung auf der Grundlage der Interviewaussagen dargestellt und analysiert. Gemeinschaftshaus in Lünen-Brambauer In dem Projektstandort Lünen befindet sich das Gemeinschaftshaus in der Mitte der kreisförmig angelegten Siedlungsanlage. Zum Zeitpunkt der Erhebung ist das Gemeinschaftshaus noch nicht fertig gestellt. Die "schleppende" Fertigstellung ist ein Kritikpunkt aller Interviewten, wobei nicht deutlich wird, ob die Fertigstellung in Gruppenselbsthilfe oder durch beauftragte Handwerker erfolgen soll. In dem ersten Fall liegt die Verantwortung für die Fertigstellung der Arbeiten bei der Gruppe, im zweiten Fall bei dem verantwortlichen Baubetreuer. Ich kann da so gar nichts zu sagen, weil, es ist ja einfach auch noch nicht fertig und ich kenne auch nur die Planungen und jetzt im Augenblick fehlen noch (...). Sehr schleppend. Andererseits ist der Geist, da so gemeinschaftlich drin zu arbeiten eben so ... das ist auch noch mal wieder so ein Zusammenraufen, ein Streichen von Freizeit im Prinzip. Das dauert dann, denke ich, auch noch ein bisschen länger. (Frau Feld) Aus den Interviews geht nicht klar hervor, wo die Gründe für die schleppende Fertigstellung liegen. Es wird angedeutet, dass nach dem Einzug und der Fertigstellung der eigenen Häuser keine Kraft mehr für andere Arbeiten mehr vorhanden ist, die Familien sind erschöpft. Sich nach den enormen Anstrengungen der Bauzeit wieder als Gruppe 289
zu finden und die Arbeit am Gemeinschaftshaus zu beenden, bedeutet einen großen Kraftaufwand. Frau Feld charakterisiert diesen Prozess als ein Streichen von Freizeit. Freizeit ist während der Bauzeit zu einem sehr seltenen und daher kostbarem Gut geworden und auch nach dem Einzug in die Häuser nur wenig vorhanden. Sie dient der Entspannung und der (gesundheitlichen) Regeneration, beides Dinge, die die Baufamilien nach den Anstrengungen der Bauzeit dringend benötigen. Abb. 44: Lünen: Innenhof mit Gemeinschaftshaus
(Foto: Grützner 2007)
Die Größe des Gemeinschaftshauses ist ein Kritikpunkt. Zur Unterbringung von 30 Familien, das sind etwa 120 Personen, ist das Gemeinschaftshaus zu klein. Allerdings wird von den Baufamilien auch problematisiert, dass mit einem größeren Haus auch höhere Kosten anfallen würden (Herstellung und Nebenkosten). Alle befragten Familien werten den Bau des Gemeinschaftshauses jedoch als positiv. Es hat sich bereits eine Gruppe gebildet, die eine Nutzungsordnung erarbeitet und über verschiedene Nutzungsmöglichkeiten (Sport, Spielraum für Kinder, Bastelabende, Skatgruppe, Raum für Feste und Versammlungen) nachdenkt. Das Gemeinschaftshaus bietet neben einem Gruppenraum auch ein Gästezimmer, dessen Nutzen von den Baufamilien ganz unterschiedlich beurteilt wird. "Von der Planung her ist es teilweise auch ein bisschen überflüssig. Zum Beispiel wird da ein komplettes Gästezimmer eingerichtet, wobei sich kaum jemand hier in
290
der Siedlung vorstellen kann, wer da wirklich mal übernachtet, weil die meisten ja schon Platz genug haben (...)." (Frau Feld) Eine sechsköpfige Familie findet demgegenüber die Möglichkeit, Gäste außerhalb des eigenen Hauses unterzubringen, sehr sinnvoll. Der Bau des Gemeinschaftshauses war in diesem Projekt ein fester Bestandteil der Planung und wurde von den Familien nicht zur Disposition gestellt. Ja, es ist einfach mit drin im Hauspreis. Insofern, wir konnten uns das nicht aussuchen. Das war von Anfang an dabei und da, denke ich, kann ich auch nur die Vorteile sehen. Von der Planung her ist es teilweise auch ein bisschen überflüssig. (...) Aber sonst, so um sich mal gemeinsam zu treffen und die Kinder spielen zu lassen, finde ich das eine schöne Sache. (Herr Feld) Im Hinblick auf das eingangs beschriebene Paradox lässt sich für Lünen feststellen, dass die Familien sich von vorneherein auf den Bau des Gemeinschaftshauses eingestellt haben und dies weder im Bauverlauf noch nach Beendigung der Bauzeit in Frage gestellt haben. Es war für sie ein selbstverständlicher Bestandteil der Konzeption, und sie sehen das Gemeinschaftshaus grundsätzlich positiv. In diesem Projekt hat demnach die von oben verordnete Gemeinschaft funktioniert, allerdings mit einer schleppenden Fertigstellung aufgrund der Erschöpfung der Baufamilien. Haus der Mitte in Bergkamen In Bergkamen war das Gemeinschaftshaus als ein "Haus der Mitte" Bestandteil der Werbung durch den Träger. In der Planungsphase war vorgesehen, das Gemeinschaftshaus zu Beginn der Bauzeit zu erstellen und es dann als Aufbewahrungsort für Material und Werkzeug und als Umkleide- und Aufenthaltsmöglichkeit für die Selbsthelfer und Selbsthelferinnen zu nutzen. Von Trägerseite wurde diese Planung nach Aussage eines Verantwortlichen aus logistischen Gründen129 geändert und das Gemeinschaftshaus erst nach Erstellung der Eigenheime errichtet.
129
Aus Sicht des Baubetreuers wurde in dem Expertengespräch erläutert, dass die notwendigen Maschinen (Kran etc.) und das Material auf dem Grundstück sonst nicht hätten transportiert werden können.
291
Abb. 45: Bergkamen: Gemeinschaftsfläche und Blick auf Gemeinschaftshaus
Abb. 46: Gemeinschaftshaus in Bergkamen
(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Lippsmeier)
(Foto: Grützner 2007)
Auch die konkrete Gestaltung des Hauses wich von der Planung ab: statt eines geschlossenen Hauses wurde ein Unterstand ohne Fenster errichtet, der zu zwei Seiten teilweise offen ist. Auf die Änderungen in der Ausführung des Gemeinschaftshauses (Unterstand mit Option zum Ausbau) durch den Projektträger reagieren die Interviewten mit Enttäuschung über die aus ihrer Sicht nicht eingehaltenen Zusagen. Gegenüber der Planung wurde der Zeitpunkt der Erstellung verschoben und die Form des Gemeinschaftshauses verändert, offensichtlich ohne Rücksprache und ohne Mitspracherecht der Baufamilien. "Und da waren doch einige Leute schon sehr frustriert, dass es nicht fertig geworden ist und dass es jetzt irgendwie mit den Kosten ja nicht ganz geklärt ist, wie das jetzt fertig gemacht werden soll, wie das überhaupt läuft, und das war schon ein bisschen enttäuschend, weil ja es eben immer als Gemeinschaftshaus gehandelt worden ist." (Frau Foss) Auch in dieser Siedlung ist das Gemeinschaftshaus nicht fertig gestellt und es besteht Unklarheit, wer die restlichen Arbeiten erledigt und wie die anfallenden Kosten verteilt werden. Die Option zum Ausbau (z. B. den Unterstand mit Seitenwänden schließen) verlagert die Entscheidung über die weitere Vorgehensweise und die damit verbundenen Kosten und Arbeit jedoch von der Seite des Baubetreuers auf die Baufamilien. In der jetzigen Form sei das Gemeinschaftshaus nicht nutzbar, so eine Interviewpartnerin, es sei eine "Bretterbude"; die Möglichkeiten der Nutzung seien witterungsabhängig, bei Regen oder Kälte sei der Unterstand nicht zu gebrauchen. Nach der Bauphase sind die BewohnerInnen auf selbst definierte Nutzungsformen verwiesen. Es bestehen Überlegungen, den Unterstand auszubauen und beispielsweise mit einer Theke oder einer Küche auszustatten. Als sinnvolle Nutzungsmöglichkeit wird das Gemeinschaftshaus als Ort für die Eigentümerversammlungen genannt. Aber über Sinn und Nutzen des Gemeinschaftshauses bestehen innerhalb der Siedlung verschiedene Ansichten. 292
"Ja gut, es gibt in einer anderen Siedlung solche Gemeinschaftshäuser und so wie man hört, funktionieren die da sehr schlecht. Die Leute kommen damit einfach nicht klar. Ich finde es eine relativ überflüssige Sache, muss ich ehrlich sagen." (Herr Engel) Gemeinschaftshaus in Duisburg Eine ähnliche Situation besteht in Duisburg, wo das Gemeinschaftshaus als Bestandteil des Vertrages zwischen Träger und Baufamilien gebaut wurde. Hier wurde jedoch gemeinsam mit den Baufamilien über das Gemeinschaftshaus entschieden. In der Bauphase gab es eine Auseinandersetzung über die Gestaltung des Hauses, und es wurde über den Bau des Hauses abgestimmt. Es waren nur sehr wenige Familien für den Bau des Gemeinschaftshauses, da es jedoch Vertragsbestandteil war, wurde der Rohbau fertig gestellt. Offensichtlich, so meine Vermutung, bestand die Übereinstimmung, dass der Träger sich in diesem Fall an die vertraglich festgelegten Vereinbarungen hält. Der Innenausbau des Gemeinschaftshauses war bis zum Untersuchungszeitpunkt nicht abgeschlossen. Der Innenausbau muss von den Baufamilien selbst durchgeführt und finanziert werden. Die Reaktionen der Befragten nehmen hauptsächlich das notwendige Geld für den Innenausbau in den Blick. "Man braucht dafür Geld, und keiner will das Geld dafür geben ..." (Herr Asche). In den Äußerungen steht dem notwendigen Geld kein konkreter Nutzen entgegen, der viele Baufamilien motivieren könnte, für den Ausbau zu bezahlen. Abb. 47: Duisburg: Gemeinschaftshaus
(Foto: Grützner 2007)
293
Einige Familien versuchen, aus dem Haus etwas zu machen, die anderen kritisieren dies und sind nicht bereit etwas zu investieren, sei es Zeit oder Geld. Das unfertige Haus wird im Gegensatz zu der eigentlichen Intention der Förderung von Gemeinschaft in dieser Siedlung eher als Anlass zu Auseinandersetzungen wahrgenommen. "Das ist eine Katastrophe. Das ist nur ein Grund zum Streit zwischen den Nachbarn." (Herr Markus) Siedlungsmitte ohne Gemeinschaftshaus in Herten In Herten war ein Gemeinschaftshaus in der Mitte der Siedlungsanlage geplant. Auf Beschluss der Baufamilien wurde die Planung verändert, da dieses Haus nicht in die Gesamtkonzeption passe. Das Gemeinschaftshaus war in der gleichen Höhe wie die Eigenheime geplant und die Baufamilien fanden dies in der Mitte der Anlage nicht angemessen. Im Gegensatz zu Duisburg konnte gegen den Bau des Gemeinschaftshauses von der Gruppe der Baufamilien entschieden werden. Es ist zu vermuten, dass hier eine einstimmige Entscheidung vorlag, während in Duisburg einige Familien für den Bau waren. Der Verlauf und das Ergebnis dieses Entscheidungsprozesses verweist auf eine große Flexibilität des Trägers. Die Baubetreuung ist an dieser Stelle auf die Wünsche der Baufamilien eingegangen und hat nicht auf der Durchsetzung ihrer Planung beharrt. Der gewonnene Platz wurde als Gemeinschafts- und Spielfläche für Kinder genutzt. Einige Familien bedauern, dass sie kein Gemeinschaftshaus haben. "Nein, leider nicht. Das haben wir nicht. Das wäre schön, wenn wir so etwas hätten." (Frau Stein) Abb. 48: Innenhof in Herten
(Foto: Grützner 2007)
294
Aus den Äußerungen wird deutlich, dass nicht die Entscheidung gegen das Gemeinschaftshaus nachträglich in Frage gestellt, sondern dass ein Ort für die Gemeinschaftsaktivitäten als sinnvoll und wünschenswert erachtet wird. Der Wunsch nach einem Gemeinschaftshaus entsteht aufgrund einer funktionierenden Nachbarschaft. Allerdings sind Wunsch und Realisierung zwei unterschiedliche Dinge, denn wenn der Träger in Herten auf dem Bau bestanden hätte, hätte die Einstellung der Familien zum Gemeinschaftshaus auch anders ausfallen können (siehe Projekt Duisburg). Einige InterviewpartnerInnen berichten, dass die Gruppe geplant habe, ein Gemeinschaftshaus an einer anderen Stelle auf dem Grundstück zu bauen. ... weil, es wurde auch unheimlich hoch veranschlagt, dieses Gemeinschaftshaus, und die Männer haben so viel alleine gebaut und haben hinterher gesagt, also wenn wir irgendwann einmal ein Gemeinschaftshaus haben wollen, dann werden wir das also hinten in der Ecke bauen, wo es also erstmal nicht auffällt, und (...) wenn es mal schlechte Tage sind, wollen wir es dann auch so bauen, dass man die Türen öffnen kann und wie so ein praktisch vergrößertes Gartenhaus. In der Art, aber das wollen die Männer dann irgendwann dann alleine bauen. (Frau Thomas) Grundsätzlich, so wird hier deutlich, ist nicht der Ort das Entscheidende für gemeinschaftliche Aktivitäten, sondern der Wunsch, gemeinschaftliche Aktivitäten durchzuführen. In Herten sind bereits einige Feste gemeinsam geplant und durchgeführt worden. "Wenn wir uns treffen, treffen wir uns meistens draußen. Wir haben auch so ein Zelt mal gekauft, wir bauen das auch schon mal auf, wenn das im Sommer doch nach Regen aussieht, dann kann man da auch sitzen." (Frau Stein) Es geht auch ohne Haus, aber ein Haus ist unter bestimmten Voraussetzungen (Witterung) ebenfalls sinnvoll. Daher besteht der Plan, selber ein Gemeinschaftshaus zu bauen. Inwieweit zu diesem Plan Bedenken bestehen, z. B. hinsichtlich der Kosten und Arbeit, geht aus den Interviews nicht hervor. In diesem Standort gibt es ein reges gemeinschaftliches Leben, das selber einen Ort findet oder sich schafft, nachdem sie die Familien gemeinsam gegen den Bau eines Gemeinschaftshauses entschieden haben. Gemeinsamer Treffpunkt in Gelsenkirchen In Gelsenkirchen war kein Haus, sondern ein gemeinsamer Treffpunkt (Grillplatz) geplant. Der Grillplatz wurde auf allgemeinen Wunsch der Baufamilien in einen Spielplatz umgewandelt. Die Entscheidung gegen einen gemeinschaftlichen Treffpunkt tragen alle Baufamilien. Auch in diesem Projekt zeigt der Träger die Flexibilität, auf die Wünsche der Familien einzugehen und die Planung zu verändern. Die Begründungen für die Ablehnung eines gemeinschaftlichen Treffpunkts beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte. Zum einen wird hervorgehoben, dass in der Gruppe nur wenige Gemeinsamkeiten vorhanden sind. 295
"(...) wir sind an sich doch alle realistisch in der Siedlung. Es weiß eigentlich jeder, dass wir nicht so viele Gemeinsamkeiten haben, dass wir unbedingt ein gemeinsames Fest noch machen wollen." (Frau Erdmann) Der Bauprozess hat in diesem Projekt eher zu Konflikten geführt und keine Grundlage für ein gemeinschaftlich orientiertes Nachbarschaftsleben ermöglicht. Nach Abschluss der Bauphase besteht, so können wir dem Zitat entnehmen, kein Wunsch nach Aktivitäten, die die gesamte Gruppe betreffen. Der Kontakt zu einzelnen Familien wird dagegen bewusst gestaltet und beschränkt. In diesem Sinn argumentiert ein Interviewpartner, dass die Nachbarschaft funktioniere und keines gemeinsamen Treffpunktes bedürfe. "Wir pflegen also auch nachbarschaftliche Beziehungen hier zu anderen Nachbarn. Nicht zu jedem. Das begrenzen wir ganz bewusst und da kommt man eigentlich prima klar." (Herr Böll) Konflikthafte Beziehungen, die im Verlauf der Bauzeit entstanden sind, haben diese Siedlergruppe in verschiedene Lager unterteilt. Nachbarschaft funktioniert aufgrund dessen nur noch reihenweise, nur mit den Nachbarn, die direkt nebenan, in der gleichen Reihe wohnen, oder mit denen man sich während der Bauzeit gut verstanden hat. Innerhalb der gesamten Gruppe ist es bislang nicht möglich gewesen, wegen der Konflikte als Gruppe zu agieren. Hier ist der Wunsch nach gemeinsamen Aktivitäten, wie beispielsweise in Herten oder auch Lünen, nicht vorhanden. Die Ablehnung eines Grillplatzes hat u. U. noch dazu einen ganz praktischen Grund: Alle Familien haben einen eigenen Garten und sind nicht bereit, das Grillen auf einen gemeinschaftlich genutzten und in gewisser Weise öffentlichen Platz zu verlegen. Allerdings ist ein Grillplatz nicht auf diese eine Funktion festgelegt und hätte auch als allgemeiner Treffpunkt dienen können. Fazit Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich der Umgang mit den Gemeinschaftshäusern in den Selbsthilfeprojekten unterschiedlich gestaltet, es jedoch in allen ein Problem darstellt. In einigen Projekten stand die Entscheidung für den Bau eines Gemeinschaftshauses zur Disposition, und in zweien wurde dagegen entschieden. In den Projekten, in denen die Entscheidung unumstritten war, gestaltete sich der Prozess der Fertigstellung problematisch. Die vorhandenen Gemeinschaftshäuser waren zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht gebrauchsfähig, wobei in einem Fall das Gemeinschaftshaus bereits seit mehreren Jahren in einem unfertigen Zustand war. In der Projektreihe Einfach und selber bauen geht es um das Minimale: kleine Häuser, kleine Grundstücke und geringe Kosten. Mit dem Bau und der Unterhaltung eines Gemeinschaftshauses wird den beteiligten Familien eine zusätzliche Leistung abverlangt, die unter den Bedingungen der Selbsthilfe eher zu einer von außen aufoktroyierten Last 296
wird. Dies zeigt sich deutlich in den Realisierungsschwierigkeiten der einzelnen Projekte. Der im Kontext von genossenschaftlichen Traditionen und Wohnreform entstandene Gemeinschaftsgedanke wird in diesen Projekten in moderne Lebensverhältnisse transportiert und dies in der Kombination mit Eigentum. Der Wunsch nach Eigenem konkurriert dabei mit der Ideologie der Gemeinschaft. Die Ergebnisse der FragebogenErhebung zeigen deutlich, dass der Wunsch nach einem Gemeinschaftshaus bei der knappen Mehrzahl der Familien vorhanden war, insofern lag die IBA mit der Konzeption richtig. In der Realisierung sind dem jedoch aufgrund der Belastbarkeit der Familien eindeutige Grenzen gesetzt. Daher ist meiner Ansicht nach unter diesen Bedingungen nicht davon auszugehen, dass alle Baufamilien Interesse und Engagement an einem gemeinschaftlich genutzten Ort haben bzw. entwickeln. Wenn das Gemeinschaftshaus erst nach dem Einzug in die Eigenheime gebaut wird, verzögert sich der Bau erfahrungsgemäß. Dies ist verständlich, da die Baufamilien eine sehr anstrengende Bauzeit hinter sich haben und Zeit und Energie fehlen, direkt an einem Gemeinschaftshaus weiterzubauen. Der Nutzen eines Gemeinschaftshauses ist darüber hinaus vielen Familien unklar. Meines Erachtens ist aber genau das die Voraussetzung für ein Gemeinschaftshaus: das gemeinsame Nutzungsinteresse, der Wunsch nach gemeinschaftlicher Aktivität. Wie in dem Hertener Projekt deutlich wurde, ist dieser Wunsch, mehr noch als nur ein Ort, Voraussetzung für gemeinschaftliche Aktivitäten. Das Engagement und die Beteiligung sind in allen Gruppen unterschiedlich. Dies ist m. E. nicht als problematisch zu sehen und kann sich im Laufe der Zeit auch verändern. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Kosten des Gemeinschaftshauses (Geld und Arbeit) nicht zusätzlich zu dem Hausbau von den Familien geleistet werden können, sondern beispielsweise durch Landesmittel gefördert werden müssten. Um den Einstieg in das gemeinschaftliche Wohnen zu erleichtern, wäre es sinnvoll, wenn das Gemeinschaftshaus nach Abschluss der Bauphase bereits fertig gestellt ist. In der Studie zu Gemeinschaftshäuser in Nordrhein-Westfalen kommen Bärsch und Simbringer (2001) zu dem Schluss, das im Umgang mit Gemeinschaftseinrichtungen in Deutschland etwa im Gegensatz zu Dänemark wenig Erfahrungen vorhanden sind und daher eine Begleitung der Bewohner und Bewohnerinnen sinnvoll sei. Dies wäre meiner Ansicht nach auch auf Selbsthilfeprojekte und Wohneigentumsmaßnahmen anzuwenden.
297
7.2.2.
Nachbarschaftlicher Kontakt nach der Bauzeit in den Interviews
Als ein wichtiger Aspekt bei der Untersuchung der Wohnzufriedenheiten und Wohnverhältnisse wird die Nachbarschaft angesehen (s. o.). Die Bedeutung einer funktionierenden Nachbarschaft liegt in erster Linie im Kommunikationsbereich und (gegenseitigen) Hilfeleistungen. Schneider/Spellerberg (1999:219) weisen darauf hin, dass in den alten und neuen Bundesländern die engen Nachbarschaftskontakte von Anfang der 90er Jahre bis 1997 zurückgegangen sind. Die Autorinnen ordnen diese Entwicklung in eine schon seit den 70er Jahren beobachtete Tendenz ein, nach der die direkte Nachbarschaft kontinuierlich an Bedeutung verliert. Allerdings gilt dies für die verschiedenen sozialen Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß (vgl. Kap. II.3). Die in der Forschung zu Nachbarschaftskontakten erwähnten Funktionen, Kommunikation und Hilfeleistungen werden auch in den Interviews betont. Die Beurteilung des nachbarschaftlichen Zusammenhalts der Siedlung geschieht vor dem Hintergrund der Erlebnisse während der gemeinsamen Bauzeit. Daher fallen auch bei diesem Punkt die Einschätzungen der Baufamilien je nach Projektstandort unterschiedlich aus. Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass trotz der häufig sehr kritischen Bewertung der Gruppenselbsthilfe und der Gemeinschaftseinrichtungen die Gesamteinschätzung der Nachbarschaft in fast allen Fällen positiv bis sehr positiv ausfällt. So eine Nachbarschaft, ja wie man sie von früher noch kennt Die in den Interviews gemachten Äußerungen zum nachbarschaftlichen Leben beziehen sich in ihrer Einschätzung auf ein Idealbild von Nachbarschaft: wie es früher einmal war. Als wichtige Bestandteile dieses Idealbildes nennen die Familien die Überschaubarkeit der Siedlung und dass man jeden kennt. Es ist auf jeden Fall zu befürworten, solche Projekte sind einfach klasse, weil hier wird was geschaffen, was es eigentlich gar nicht mehr gibt heutzutage, so eine Nachbarschaft, ja wie man sie von früher noch kennt, wo jeder jeden kennt und auch die Kinder kennen sich alle. Wo gibt's denn so etwas noch? Die Neubaugebiete, die kaufen irgendein Haus, die ziehen dann da ein irgendwann ... (Herr Stein) Die Selbsthilfesiedlungen werden den konventionellen Neubausiedlungen gegenüber gestellt, in denen sich die Nachbarn erst nach dem Einzug wenn überhaupt kennen lernen. Die Überschaubarkeit und die persönlichen Beziehungen zwischen den Nachbarn verleihen der Siedlung einen quasi familiären Charakter. Hier kannst du hinkommen wo du willst, komm rein und setz dich hin und willst Du was trinken und das ist eine Großfamilie, sagen wir mal. So haben wir uns das vorgestellt, wie es früher war. Das ist ja jetzt ein Wohnhof, und so war's ja früher auch, dass sich alle getroffen haben, abends vor dem Haus unter Bäumen oder was und haben geredet oder Fernsehen oder Radio oder Federballspielen und so etwas. (Herr Jordan) 298
Unterstützt wird die Herstellung von Beziehungen und Kontakten durch die bauliche Gestaltung der Siedlungen, die in vielen Fällen um eine Gemeinschaftsfläche herum angelegt sind. Der so entstandene Wohnhof ermöglicht es, zwanglos Kontakte herzustellen und gemeinsame Aktivitäten spontan zu organisieren. Auch Herr Jordan stellt einen Bezug zu dem Idealbild früherer nachbarschaftlicher Beziehungen her. Er vermittelt den Eindruck, sich so eine ideale Nachbarschaft für das Selbsthilfeprojekt vorgestellt und gewünscht zu haben. Insgesamt werden Wohnatmosphäre und Lebensqualität in den Siedlungen durch das Vorhandensein von persönlichen Beziehungen deutlich verbessert. Ich meine, ich kann so eine Sache natürlich nicht vergleichen mit einem Hausbau in einer konventionellen Art und Weise. Ich kenne hier jeden meiner Nachbarn. Man spricht auch miteinander. Man hilft sich auch untereinander, jetzt die direkten Nachbarn zum Beispiel. So, und dass ist natürlich auch eine ganz andere Atmosphäre und eine ganz andere Lebensqualität als so anonym in irgendeinem Wohnhaus. (...) Also von der Warte her ist da schon mehr mit Gemeinschaft als bei vielen anderen Sachen. (Herr Bayer) Gemeinsame Aktivitäten, Kontaktmöglichkeiten und Hilfeleistungen Gemeinsame Aktivitäten und Hilfeleistungen sind je nach Projekt in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden. Der Ausgangspunkt der Nachbarschaftsentwicklung ist für alle Siedlungen gleich: alle Selbsthelfer/innen kennen sich von der Bauzeit. Diese Tatsache wird je nach Verlauf der Bauzeit unterschiedlich bewertet. ... also ich finde, es hat unheimlich viel gebracht. Man lernt die Leute wirklich auch kennen, zu der Zeit. Nicht nur mal so unter schönem Wetter, sondern auch bei (...) Zank, Streit oder irgendwie so etwas ... doch das hat also mit geholfen. (Frau Thomas) In der Sicht von Frau Thomas legt die gemeinsame Bauzeit, trotz möglicher Konflikte, den Grundstein für nachbarschaftliche Beziehungen. Hilfeleistungen sind durchgängig eine Selbstverständlichkeit in den Siedlungen, zumindest für die direkten Nachbarn. Auch von gegenseitiger Kinderbetreuung und einem gemeinsamen car-sharing wird in den Interviews berichtet. Einige Siedlungen haben ein schwarzes Brett zur Nachrichtenübermittlung innerhalb der Siedlung, denn auch nach dem Ende der Bauzeit sind gemeinschaftlich Aufgaben wie z. B. die Pflege der Grünflächen zu erledigen. Nikolausfeiern, Sommerfeste oder Vatertagstouren sind nur einige der gemeinsamen Aktivitäten, die stattfinden. Neben organisierten Aktivitäten sind es jedoch die alltäglichen Begegnungsmöglichkeiten oder Rückzugsräume, die von den Familien geschätzt werden. Das ist auch der Vorteil hier, wenn ich halt meinen Kaffee nicht alleine trinken möchte nach der Arbeit, wenn man einfach jemand braucht, um ein bisschen zu quasseln, dann setze ich mich mit einer Tasse Kaffee nach vorne. Da kommt schon 299
irgendwer. Wenn ich aber meine Ruhe haben will, dann setze ich mich halt nach hinten. (Herr Arche) Eine wichtige Voraussetzung für den nachbarschaftlichen Kontakt stellt demnach die individuelle Wahlmöglichkeit dar. Durch die bauliche Gestaltung der Siedlung liegt der eher öffentliche Eingangsbereich von Herrn Arche zum Wohnhof, hinten liegt die private Terrasse mit Garten. Auch nach Abschluss der Bauarbeiten werden gemeinsame Treffen, wie z. B. ein Kegelabend der Männer beibehalten. Auf die unterschiedliche Einbindung der Frauen in die durch die Bauzeit entstandenen Kontakte wurde bereits hingewiesen. ...aber das haben wir nach dem Umzug erst möglich gemacht, dass wir Frauen gesagt haben, jetzt können die Männer mal die Kinder hüten und wir hauen mal ab. Wir sind dann einfach mal zusammen essen gegangen. (...) Das haben wir beibehalten, so alle paar Monate ... irgendwie so in verschiedenen Abständen gehen wir dann mal essen oder anschließend auch mal tanzen und die Männer haben ihre Kegelabende beibehalten. (Frau Sand) Mit dem Umzug in das neue Haus entstehen also auch neue Netzwerke, die von den Frauen selbst initiiert werden. Wie lange diese regelmäßigen Aktivitäten Bestandteil der nachbarschaftlichen Kontakte bleiben, ist unsicher. In dem bereits Anfang der 90er Jahre fertig gestellten Projekt lösten sich diese gemeinsamen Treffen nach einiger Zeit auf. Probleme der Intimität: Nähe und Distanz Treten während der Bauzeit Konflikte unter den Baufamilien auf, so kann es nach der Bauzeit schwierig sein, nachbarschaftliche Kontakte aufzubauen. Die Bauzeit wurde von den befragten Familien als ein Ausnahmezustand, eine Extremsituation erlebt. Gerade die Intensität des Kennenlernens durch die gemeinsam geleistete Selbsthilfe kann zu Problemen bei der Rückkehr in den normalen Alltag führen. "Hier kennt man alle und man hat sich kennen gelernt, ob man wollte oder nicht. Man hat sie (...) teilweise so intim kennen gelernt, so würde man ja nie seinen Nachbarn ... So, und jetzt hat man diesen Menschen aber anderthalb Jahre wirklich bis ins tiefste Innerste hineingeleuchtet, ja und das macht das Zusammenleben natürlich dann auch wieder etwas schwieriger. Weil man sich so gut kennt. Und wir verfahren jetzt wirklich so, wir sagen nach rechts guten Tag und sagen nach links guten Tag. Und das reicht auch. Denn wir haben festgestellt, zuviel Intimität geht auf Dauer nicht gut." (Frau Müller) Durch die übergroße Nähe und Intimität während der Bauzeit hat diese Familie das Bedürfnis, im Alltag eine Distanz herzustellen und einen oberflächlichen Kontakt zu pflegen. Auch in dem Fall von Familie Sand wird darauf geachtet, ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz aufrechtzuerhalten. So engen Kontakt haben wir zu drei, ja drei Ehepaaren, mit denen wir uns auch abends schon mal zusammensetzen oder auch zusammen grillen, eben einmal die 300
direkten Nachbarn und zwei andere Familien, wo einfach Interessen ähnlicher gelagert sind (...) Ich hoffe nur, dass es so bleibt, dass es nicht mal eben zu eng wird und dadurch dann auch Probleme gibt, weil, das haben wir in einem anderen Wohngebiet mal kennen gelernt, dass wir mit 8, 9 Ehepaaren Kontakt hatten und dann eine Scheidung war und dann ging das Chaos los. Und von daher habe ich eher so die Bedenken gehabt, dass es zu eng wird, die Distanzlosigkeit zu groß wird, und das ist also nicht. (Frau Sand) Von eher distanzierten Kontakten wird auch von einigen anderen Familien berichtet. Dort tritt die gemeinsame Bauzeit in den Hintergrund und unverbindliche Nachbarschaftsbeziehungen gestalten den Alltag. Die Grenzen der Gemeinschaft Die Schwierigkeiten der Balance zwischen Nähe und Distanz in den Beziehungen zwischen den Familien nach dem Ende der Bauzeit verweisen bereits auf eine deutliche Grenze der Gemeinschaft. Eine weitere liegt in dem potentiell konfliktreichen Umgang mit den Gemeinschaftsflächen und -einrichtungen. Einige der interviewten Familien berichten über Auseinandersetzungen in der Pflege der Gärten etc. Auch wenn es um die Gestaltung des eigenen Hauses geht, stehen bei einigen Familien individuelle Einzelinteressen vor dem Gemeinschaftsinteresse. Das wird immer so schön hingestellt, Gemeinschaft, Gemeinschaft. Irgendwann legt sich das und dann sind das 28 Einzelkämpfer. (Herr Dorn) Am deutlichsten wird dies in der Frage, wie die Selbsthilfeprojekte mit Ansprüchen an den Träger umgehen, beispielsweise bei Baumängeln. In der Bauzeit waren in der Regel alle Baufamilien von organisatorischen Problemen gleich betroffen. Nach dem Ende der Bauzeit werden die Problemlagen wieder individueller und auch die Lösungswege werden es zunehmend. Allerdings erfolgt das nicht unreflektiert: Wir haben jetzt den Punkt erreicht, wo wir eigentlich dann ... wo wir jetzt ein bisschen Probleme haben mit der Gemeinschaft. Sonst war es immer so, dass wir immer gesagt haben, wenn so eine Sache alle angeht, dann haben wir gemeinschaftlich ein Schreiben verfasst und das wurde praktisch von allen mitgetragen. Jetzt geht es leider darum, das teilweise in bestimmten Häusern solche Baumängel auftreten, dass die z. B. beim Gutachten jetzt vom Bauträger (...) haben ermitteln wollen, ob denn das tatsächlich unzumutbar ist. Wenn man z. B. das Laufgeräusch des Nachbarn an der Treppe hört. Wenn jetzt nebenan jemand hoch- und runtergeht, dass man das hier so extrem mitbekommt, dass man sich belästigt fühlt. Das wurde dann auch auf Drängen dann auch gemacht, so ein Gutachten nach DIN, richtig mit Meßmethode und mit allem, was dazugehört. Und Sinn der Übung war nachher, dass raus kam, das ist doch alles im Toleranzbereich. Und jetzt geht's halt darum, wie können wir die Leute unterstützen, oder können wir die überhaupt unterstützen als Gruppe, dass wir gesagt haben, also wir empfinden dieses Geräusch wohl ein bisschen, aber lange nicht so stark wie ihr, können wir jetzt mit euch in ein Boot setzen, zum Rechtsanwalt gehen und eine Gruppenklage machen. Da hört 301
das irgendwo dann auf, dass man jetzt sagen muss, da muss dann jeder für sich auch kämpfen oder so. (Herr Koch) Fazit: Perspektiven der Gemeinschaft? Die Selbsthilfeprojekte haben gute Voraussetzungen für eine funktionsfähige Nachbarschaft und dies sowohl hinsichtlich der bereits vorhandenen Beziehungen als auch in Bezug auf die Gemeinschaftsanlagen. Durch die Bauzeit entsteht ein intensiver Kontakt zwischen Familien, die sich vorher nicht kannten. Das gemeinsame, unter erheblichen Anstrengungen erreichte Ziel des eigenen Hauses schafft einen Bezugspunkt für positive wie auch für negative Beziehungen. Erfahrungsgemäß schwächt sich die Intensität des nachbarschaftlichen Kontakts nach Ende der Bauzeit ab. Wie sich die Nachbarschaft in einem Projekt weiterentwickelt hängt m. E. von Begegnungsräumen und individuellen Rückzugsmöglichkeiten ab. Ein Gemeinschaftshaus kann diese Begegnungsstätte bieten, ist aber kein Garant für nachbarschaftliche Kontakte. Abhängig von Gruppendynamik und gemeinsam erlebter Bauzeit werden die Gemeinschaftsangebote genutzt und auch entsprechend positiv oder negativ bewertet. Letzteres lässt sich v. a. im Projekt Duisburg erkennen, in dem das Gemeinschaftshaus von den meisten Familien weder akzeptiert noch genutzt wird. Hier sind deutliche Grenzen der Gemeinschaft zu erkennen. "Fehl- bzw. nicht beraten sind die Projekte, die sich aufwendige Gemeinschaftsanlagen oder Erschließungshöfe baulich leisten, die dann in der Praxis nicht oder schlecht genutzt werden. Diese werden dann leicht zu Denkmälern enttäuschter Erwartungen. Wirkliche Wohngruppenprojekte definieren sich weniger baulich als in der Form des alltäglichen Zusammenlebens, im Aufbau informeller Nachbarschaftshilfe nach innen und außen." (Novy 1989: 59) Klaus Novy macht darauf aufmerksam, dass die gebaute Gemeinschaft einen Rückfall hinter bereits erreichte Privatheits-, Rückzugs- und Anonymitätsansprüche bedeuten kann. Daher müssen die haushaltsübergreifenden Lebenszusammenhänge besonders auf die Balance von Privatheitsmöglichkeit und Nachbarschaftsoption achten (Novy 1989: 60).
8.
Schluss-Reflexionen der Baufamilien
In den vorangegangenen Kapiteln wurde die Innensicht der Baufamilien und ihre Erfahrungen mit dem komplexen Prozess "Bau eines Eigenheims" und den damit verbundenen Chancen und Problemen dargestellt und analysiert. Wie schätzen die Baufamilien vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen nun das Gesamtprojekt ein? Wie werden die in vielen Bereichen deutlich gewordenen Ambivalenzen und Widersprüche von ihnen im Nachhinein bewertet? Diesen Fragen wird im Folgenden anhand der Bereiche Wohnzufriedenheit, Gesamteinschätzung (Würden Sie es noch einmal ma302
chen?) und der Frage nach Änderungsvorschlägen und notwendigen Rahmenbedingungen nachgegangen. 8.1. Wohnzufriedenheit Die Frage nach der Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Wohnsituation ist ein komplexer Bereich, dessen empirische Erfassung sich problematisch gestaltet. Die Zusammenhänge, aus denen heraus Bedürfnisse artikuliert werden, sind kompliziert. Die erfragbaren subjektiven Einstellungen sind häufig das Ergebnis eines Vergleichs zwischen Erwartungen und Wirklichkeit, wobei unterschiedliche soziale Gruppen divergente Standards anlegen. Wie wir aus der Zufriedenheitsforschung wissen, besteht eine Tendenz zur (resignativen oder aktiven) Anpassung der Wünsche an die aktuelle Wohnsituation und daraus resultierend eine steigende Zufriedenheit mit der Wohnsituation (dies ist insbesondere von der Wohndauer abhängig).130 Der Rechtstatus stellt im Zusammenhang mit der Wohnzufriedenheit (mit dem Wohnort) einen der signifikanten Faktoren dar. Nach der Untersuchung von Schneider/Spellerberg sind Eigentümer zufriedener als Mieter, was die Autorinnen auf ihre größere emotionale und mentale Bindung an den Wohnort zurückführen (Schneider/Spellerberg 1999: 209). In ihrer Untersuchung finden sie heraus, dass der Rechtsstatus den wichtigsten Einfluss auf die Gestaltung der Nachbarschaftskontakte hat. "Eigentümer pflegen ein deutlich intensiveres Nachbarschaftsverhältnis als Mieter" (Schneider/Spellerberg 1999: 280). Es wird dabei jedoch nicht unterschieden zwischen Haus- und Wohnungseigentümern, was vor dem Hintergrund der Organisation der Selbsthilfe-Projekte als Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) eine wichtige Differenzierung wäre. Ein interessantes Ergebnis der Studie von Schneider/Spellerberg ist, dass Haushalte mit Kindern in der Einschätzung der Zufriedenheit nicht besonders hervorstechen, obwohl ihnen allgemein ein besonders enger Nachbarschaftskontakt, der über die Kinder vermittelt sei, zugesprochen wird. Um die Zufriedenheit mit der Wohnsituation ermitteln zu können, wurden verschiedenen Faktoren der Wohnsituation erhoben. Ein wesentlicher Punkt das wurde im vorherigen Kapitel deutlich ist das nachbarschaftliche Miteinander in der Siedlung. Als ein weiterer Indikator für die Wohnzufriedenheit wurde in der Fragebogen-Erhebung nach einer allgemeinen Einschätzung der Wohnsituation und einer differenzierten Einschätzung bezogen auf Ausstattungsmerkmale der Wohnungen und des Wohnumfeldes (Freiraumgestaltung und Siedlungslage) gefragt.
130
Prägnant zusammengefasst: "Die Abfrage eines Wunsches erfasst nur einen momentanen Status quo, der das Ergebnis teilweise schmerzhafter Prozesse resignierter Anpassung sein kann." (Häußermann/Siebel 1996: 219), vgl. auch Bourdieu 1998.
303
Allgemeine Einschätzung der aktuellen Wohnsituation: Die Frage nach der allgemeinen Einschätzung der Familien bezieht sich auf einen Vergleich zwischen der vorherigen und der aktuellen Wohnsituation. Die allgemeine Einschätzung der aktuellen Wohnsituation ist weit überwiegend positiv. Der Hausbau wird als eine große Verbesserung der Wohnsituation gesehen. Mit 78,7% hat die überwiegende Mehrheit der Baufamilien angegeben, dass sich ihre Wohnsituation sehr verbessert hat. 16,9% der Familien beschreiben ihre Wohnsituation als "etwas verbessert". Nur drei Familien haben eine Verschlechterung angegeben, darunter fallen zwei Familien aus Lünen ("etwas verschlechtert") und eine Familie aus Bergkamen ("sehr verschlechtert"). Welche Bereiche tragen nun in der subjektiven Einschätzung der Baufamilien zu dieser verbesserten Wohnsituation bei? Neben den Vorteilen der neuen Wohnsituation für Kinder werden bei den Befragten in den Interviews die Themen Hausgestaltung, Wohnumfeld und Nachbarschaft dargestellt. Ein differenzierter Blick auf die Faktoren, die die Wohnsituation näher beschreiben, macht deutlich, dass insbesondere die deutliche Verbesserung der Wohnsituation der Kinder zu einer positiven (Gesamt-) Einschätzung führt. Wohnsituation der Kinder Da die Konzeption der Projektreihe Einfach und selber bauen von einer geschlossenen und gemeinschaftsorientierten Siedlungsgestaltung ausgeht, sind in allen Projekten gemeinsame Grünflächen und Spielplätze vorhanden. Je nach Anlage der Siedlung entsteht z. B. in Herten und Lünen ein geschützter, autofreier Raum im Siedlungsinneren, der sowohl gute und sichere Spielmöglichkeiten für Kinder bietet, als auch den Eltern eine problemlose Beaufsichtigung ermöglicht.
304
Abb. 49: Wohnsituation der Kinder 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Die Kinder haben ausreichend Platz im Die Kinder können gut draußen spielen Haus trifft nicht zu
trifft teilweise zu
trifft zu
trifft voll zu
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n= 85, n=86)
Das Gelingen der Siedlungsanlage spiegelt sich in der sehr positiven Einschätzung der Baufamilien hinsichtlich der Wohnsituation ihrer Kinder wider. Die Räumlichkeiten für Kinder im Haus werden nur von zwei Familien (aus Duisburg) als nicht ausreichend bezeichnet und zehn Familien charakterisieren sie als nur teilweise ausreichend. Die Verteilung nach Orten zeigt, dass insbesondere in Gladbeck und Herten die Raumfrage in der Einschätzung der Baufamilien sehr gut gelöst wurde.131 Das Vorhandensein von Spielflächen und -möglichkeiten für Kinder wurde insgesamt noch positiver als die Wohnsituation im Haus beurteilt. Die Ausprägung trifft nicht zu wurde von keiner Familie genannt, und knapp 90% der Befragten beurteilt die Möglichkeit für Kinder, draußen zu spielen, als gut bis sehr gut. Auch in den Interviews bestätigt sich diese Einschätzung und wird noch um einige Aspekte erweitert. Wichtig ist danach nicht nur das Angebot an Spielflächen, sondern auch der sich in der Siedlung fast selbstverständlich ergebende Kontakt zu anderen Kindern. "Und vor allen Dingen für die Kinder hier ist es wirklich ein Paradies. Die haben alle Freundschaften hier geschlossen und die sind jeden Tag eigentlich draußen, rennen draußen herum und sind am Spielen. Es ist ganz toll." (Frau Vogel) Einige der interviewten Frauen heben hervor, dass die Beaufsichtigung der Kinder von der Küche (oder anderen Räumen) des Reihenhauses erfolgen kann und sich so der Betreuungsaufwand für die Eltern reduziert habe. Durch die Überschaubarkeit der
131
Gladbeck: trifft zu 41,2% und trifft voll zu 58,8% der Nennungen. In Herten haben 25% der Familien die Ausprägung trifft zu und 75% trifft voll zu angegeben.
305
Selbsthilfeprojekte und die Tatsache, dass sich alle Familien gut kennen, hat sich in einigen Siedlungen meist in den kleineren eine gegenseitige Aufmerksamkeit und Verantwortung für die Kinder in Nachbarschaft entwickelte. Die benachbarten Familien haben ebenso ein Auge auf die Kinder wie die Eltern selber: jede/r weiß, wo die Kinder hingehören. Einschätzung des Grundrisszuschnitts und der Belichtung In der Konzeption der IBA war der gute Grundrisszuschnitt der Häuser ein integraler Bestandteil der Projektreihe Einfach und selber bauen. Da die Reihenhäuser im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet wurden, hatten sie weniger Wohnfläche (80 bis 110 qm) als die üblichen Eigenheime. Daher war es wichtig, die Wohnfläche gut zu organisieren und durch einen Garten und ein kinderfreundlich gestaltetes Wohnumfeld zu ergänzen (Beierlorzer/Boll 1998: 55). Vor diesem Hintergrund wurde in der Fragebogen-Erhebung nach der Beurteilung der Grundrisse und der Belichtung der Häuser gefragt. Abb. 50: Einschätzung von Grundrisszuschnitt und Belichtung 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Der Grundriss des Hauses ist gut geplant trifft nicht zu
trifft teilweise zu
Die Räume im Haus sind hell
trifft zu
trifft voll zu
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, n=89)
Die Gestaltung der Häuser, die Helligkeit der Räume und den Grundriss, sehen die Familien überwiegend als gelungen an. Bei der Planung des Grundrisses liegt der Schwerpunkt der Antworten mit 50,0% bei "trifft zu", die Ausprägung "trifft voll zu" 306
haben 21,6% der befragten Familien angegeben. Nur vier Familien beurteilen den Grundrisszuschnitt negativ; sie verteilen sich auf Duisburg (3) und Gladbeck (1). Ein knappes Viertel der Familien hat angegeben "trifft teilweise zu". Bezogen auf die Belichtung der Räume gibt es nur in Gelsenkirchen eine Negativnennung. Der Schwerpunkt der Nennungen liegt mit 44,9% auf einer sehr guten Beurteilung. Die Differenzierung nach Projektstandorten zeigt für Recklinghausen (90% der Nennungen trifft voll zu) und Herten (75% trifft voll zu) eine überdurchschnittlich gute Bewertung. Einschätzung des Wohnumfeldes Die Bemessung der Wohnqualität ist nicht nur auf die Wohnung beschränkt, sondern berücksichtigt ebenfalls die Einbindung der Wohnung in das Umfeld und dessen Infrastruktur sowie Ergänzungsangebote. Die Gestaltung des Wohnumfelds trägt dementsprechend maßgeblich zur Wohnzufriedenheit bei. In der Fragebogen-Erhebung wurden zwei Bereiche abgefragt: die Beurteilung des direkten Wohnumfeldes in der Siedlung und die infrastrukturelle Einbindung. Abb. 51: Einschätzung des Wohnumfeldes 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Es gibt genügend Privatsphäre in der Siedlung
Es gibt genügend Fläche zur Begegnung
trifft nicht zu
Es gibt eine gute Anbindung an den ÖPNV
trifft teilw eise zu
trifft zu
Es gibt gute Einkaufsmöglichkeiten
trifft voll zu
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n= 88, n=89)
Durch die vergleichsweise kleinen privaten Grundstücke und die Gemeinschaftsflächen stellte sich die Frage nach dem Vorhandensein von Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre in den Selbsthilfeprojekten und deren Einschätzung durch die Baufamili-
307
en. Ingesamt sehen nur wenige Familien (8%) eine voll genügende Privatsphäre in den Siedlungen gewährleistet. Bei der Frage nach genügend Begegnungsflächen zeichnet sich eine deutliche Differenzierung nach Projektstandorten ab. Während in Duisburg, Gelsenkirchen und Gladbeck in unterschiedlichen Anteilen die Ausprägungen trifft nicht zu und trifft teilweise zu genannt wurden, konzentrieren sich die Antworten der restlichen Projektstandorte auf eine positive Beurteilung. Die Begegnungsflächen werden mit über 60% in Bergkamen, Recklinghausen und Herten als voll genügend bewertet. Im Durchschnitt der Projekte liegt der Schwerpunkt mit 50% auf trifft zu. Insgesamt liegt die durchschnittliche Bewertung der ÖPNV-Anbindung bei gut (46,1%) bis sehr gut (32,6%). In Bergkamen und Herten wird die ÖPNV-Anbindung ausschließlich als gut bis sehr gut bezeichnet; in Duisburg, Gladbeck und Lünen gibt es jeweils eine Negativnennung. Auch die Einkaufsmöglichkeiten werden im Durchschnitt der Projekte als gut (42,7%) und sehr gut (22,5%) bewertet. Allerdings beurteilt Herten die Einkaufsmöglichkeiten mit 50% der Nennungen als schlecht, ebenso Gladbeck wenn auch mit deutlich weniger Nennungen (15,8%). Am positivsten werden die Einkaufsmöglichkeiten in Bergkamen beurteilt. Einschätzung von Siedlung und Nachbarschaft Ein wesentliches Ziel der Projektreihe lag in der Entwicklung einer funktionsfähigen Nachbarschaft, die durch Gruppenselbsthilfe und Gemeinschaftseinrichtungen gefördert werden sollte. Ein geschlossenes Siedungskonzept und die Projektidee sollten eine Siedlungsidentität entstehen lassen (Beierlorzer/Boll 1998). Im Durchschnitt der Projektstandorte schätzt über die Hälfte der Familien (55,1%) die Nachbarschaft als gut ein. Mit einem sehr guten Nachbarschaftsgefühl charakterisieren 10,1% der Familien ihre Wohnsituation. Bei der Differenzierung nach Orten ist auffällig, dass sich in Gelsenkirchen (eine vergleichsweise hohe Anzahl Familien nannte mit jeweils einem Drittel trifft nicht zu und trifft teilweise zu) eine eher negative Einschätzung der nachbarschaftlichen Bezüge abzeichnet (vgl. Abb. 52). In Duisburg liegt der Schwerpunkt der Antworten auf trifft teilweise zu (47,4%). Dies könnte zum einen auf die Projektgröße (52 Wohneinheiten) zurückgeführt werden, zum anderen auf die Unterteilung des Bauprozesses in verschiedene Bauabschnitte. Zeitlich versetzte Bauabschnitte können dazu führen, dass sich Untergruppen bilden, die während der Bauzeit hauptsächlich zusammenarbeiten und später als direkte Nachbarn auch den engsten Kontakt haben. Die positivste Beurteilung der Nachbarschaft findet sich in Bergkamen, Herten und Recklinghausen.
308
Abb. 52: Einschätzung von Siedlung und Nachbarschaft 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Das Nachbarschaftsgefühl ist gut trifft nicht zu
trifft teilw eise zu
Wir sind stolz auf die Siedlung trifft zu
trifft voll zu
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)
Die Antwortverteilung auf die Frage nach dem Stolz auf die Siedlung weicht von der der anderen Items ab, bei der die Mehrheit in der Regel deutlich bei trifft zu liegt. Die Verneinung und die volle Zustimmung haben jeweils 14,6% der Familien genannt. Die Ausprägung trifft zu liegt mit 39,3% etwas über trifft teilweise zu (31,5%). Vergleich der vorherigen Wohnsituation und der aktuellen Wohnsituation Als Vergleichsindikatoren der vorherigen und der aktuellen Wohnsituation wurden in der Fragebogen-Erhebung Wohnfläche, Anzahl der Zimmer und ein vorhandener Garten herangezogen. Obwohl die Wohnfläche der Reihenhäuser innerhalb der Grenzen des öffentlich geförderten Mietwohnungsbaus liegt, zeigt sich bei einem Vergleich mit der vorherigen Wohnsituation eine Zunahme der Wohnfläche um durchschnittlich 21,33 qm. Den Familien stehen im Durchschnitt 1,2 mehr Zimmer zur Verfügung. Tab. 29: Vergleich Wohnraum vorher und aktuell Vorher Aktuell Differenz (Mittelwert) (Mittelwert) Wohnraum (qm) 79,63 100,67 21,33 Anzahl der Zimmer 3,60 4,80 1,20 (Quelle: Fragebogen-Untersuchung n=89)
Die Anzahl der Zimmer hat sich für 35,7% um ein Zimmer und für ein Viertel der Familien sogar um zwei Zimmer erhöht. Was das Ausstattungsmerkmal Garten betrifft, so hat sich die Mehrzahl der Familien verbessert: nur 34.9% der Familien hatten in ihrer vorherigen Wohnung einen Garten, aber alle Familien geben an, jetzt einen Garten zu haben.
309
Abb. 53: Lünen: Blick auf die Gärten mit Terrasse oder Wintergarten
(Foto: IBA)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Wohnsituation der Baufamilien nach eigener Einschätzung deutlich verbessert hat. Dies lässt sich an einer Zunahme der Wohnfläche (um durchschnittlich 21 qm), der Anzahl der Zimmer (1,2 Zimmer mehr) und vor allem am Garten festmachen. Besonders hervorgehoben wird in den Interviews die Verbesserung der Wohnsituation der Kinder durch ein eigenes Kinderzimmer und ausreichende Spielflächen in der Siedlungsanlage. Darüber hinaus hat sich die Betreuungssituation der Kinder durch die räumliche Nähe von Spielflächen und Wohnung sowie der gegenseitigen Verantwortung der Familien deutlich verbessert. Das Nachbarschaftsgefühl wird von zwei Drittel der Familien in der Fragebogen-Erhebung als gut bzw. sehr gut charakterisiert, allerdings zeigen sich bei diesem Aspekt deutliche Unterschiede zwischen den Projektstandorten. Die für funktionierende Nachbarschaftsbeziehungen notwendige Balance zwischen Begegnungs- und individuellen Rückzugsräumen scheint insgesamt eher zugunsten der Begegnungsmöglichkeiten auszufallen. Das Vorhandensein von ausreichender Privatsphäre wird von den Familien zurückhaltender beurteilt: nur weniger als 10% sehen diese voll gewährleistet. Bewertet man die Aussagen der Befragten zusammenfassend, zeigt sich insgesamt eine hohe Zufriedenheit mit der Wohnsituation und dem Wohnumfeld; die Negativpunkte sind jeweils projektspezifisch begründet. Somit lässt sich sagen, dass bezüglich der Wohnzufriedenheit das Gesamtkonzept der IBA aufgegangen ist.
310
8.2. Reflexion der Baufamilien: Würden Sie es noch einmal machen? Wie schätzen die Baufamilien vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen und nach Abschluss des Bauprozesses nun das Gesamtprojekt ein? Wie werden die in vielen Bereichen deutlich gewordenen Ambivalenzen und Widersprüche im Nachhinein bewertet? 8.2.1. Überwiegend positive Einschätzung in den Fragebögen Die skalierte Abfrage, ob die Familien noch einmal bauen würden, ermöglicht den Familien eine feinere Abstimmung der Antwort, allerdings verlangt sie auch eine Festlegung ohne die Möglichkeit zu bieten, Einschränkungen zu formulieren. Im Vergleich zu den Interviewergebnissen (ja bei 51,9%) fällt die Zustimmung zu der Projektreihe in der Fragebogen-Untersuchung deutlicher aus. Nimmt man die oberen beiden Kategorien zusammen, würden rund drei Viertel der Familien (75,4%) auf jeden Fall oder eher wieder bauen. 12,4% bewegen sich im Mittelfeld und ebenfalls 12,4% würden eher nicht oder auf keinen Fall noch einmal bauen (vgl. Abb.54). Abb. 54: Gesamteinschätzung der Baufamilien: Würden Sie aus heutiger Sicht betrachtet noch einmal bauen? (Angaben in %) 70
60,7 60
50
40
30
14,6
20
10
7,9
4,5
auf keinen Fall
2
12,4
0
3
4
auf jeden Fall
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)
Diejenigen, die auf jeden Fall noch einmal bauen würden, stimmen zahlenmäßig fast mit denen überein, die auf die Frage, ob sie jemals daran gedacht haben aufzugeben, mit "nie" geantwortet haben (66,7%). Immerhin 11,7% der befragten Familien haben angegeben, dass sie häufig oder sehr häufig daran gedacht haben, aufzugeben (vgl. Abb. 55). 311
Abb. 55: Aufgeben in der Bauzeit: Wenn Sie sich in die Bauzeit zurückversetzen, haben Sie in dieser Zeit daran gedacht, aufzugeben? (Angaben in %) 80 70
74,1 66,7 59,3
60 50 40
29,1
30
22,6 16,5
20
7,1
10
8,2
5,8
5,8 3,6
1,2
0
nie
selten Gesamt
häufig Mann
sehr häufig
Frau
(Quelle: Fragebogen-Erhebung, Mann n=85, Frau n=86)
Die sich in den Interviews abzeichnende, nach Geschlechtern unterschiedliche Einschätzung des Bauprozesses bestätigt sich in den Ergebnissen zu dieser Frage. Männer stellten den Verlauf des Bauvorhabens deutlich weniger in Frage als Frauen. 74,1 % der befragten Männer und nur 59,3% der Frauen haben "nie" ans Aufgeben gedacht. Folgerichtig haben umgekehrt deutlich mehr Frauen (5,8%) "sehr häufig" ans Aufgeben gedacht. Knapp 30% der Frauen hat "selten" ans Aufgeben gedacht, allerdings nur 16,5% der Männer. 8.2.2.
Interviews
Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Bedürfnisforschung (vgl. Kap. II.1) sind die Antworten auf die Frage "Würden Sie es noch einmal machen, würden Sie noch einmal bauen?"132 als eher überraschend einzuschätzen (vgl. Kap. 8.1). Wenn man vor dem Wissen der Zufriedenheitsforschung nun davon ausgeht, dass die Entscheidung für den Hausbau und der Bauprozess in Form von organisierter Selbsthilfe im Nachhinein eher als positiv eingeschätzt wird, um die damit verbundenen enormen Anstrengungen zu rechtfertigen, haben vergleichsweise viele Familien auf diese Frage mit "nein" geantwortet.
132
Hier wird danach gefragt, ob die Familien mit ihren jetzigen Erfahrungen an einem ähnlichen Projekt teilnehmen würden.
312
Tab. 30: Würden Sie es noch einmal machen? Projekte ja nein offen Herten 4 1 Lünen 3 2 Bergkamen 3 3 1 Duisburg 2 1 1 Gelsenkirchen 2 3 1 Gesamt 14 9 4 (Quelle: Interviews n=27)
Da fast alle Familien in ihren Antworten eine Vielzahl von Aspekten und Gründe dafür oder dagegen benannt und ihre Entscheidung im Gespräch sorgfältig abgewogen haben, ist eine Systematisierung der Antworten schwierig. Um die Tendenz der Einschätzung der Baufamilien zu den Selbsthilfe-Projekten herauszuarbeiten, wurden die Antworten in die Kategorien "ja", "nein" und "offen" eingeteilt. Von insgesamt 27 InterviewpartnerInnen antworteten 14 Familien mit ja, wir würden es noch einmal machen (12 davon mit Einschränkungen, ja, aber), neun Familien mit "nein" und vier Familien waren unentschieden ("offen"). Wirft man einen Blick auf die Verteilung der Antworten nach Projektstandorten, so ist festzustellen, dass soweit sich das bei einer so geringen Stichprobe sagen lässt Herten in der Einschätzung des Projektes eindeutig positiv ist. Lünen erscheint überwiegend positiv, Bergkamen unentschieden, in Duisburg wirkt die Einschätzung eher positiv. In Gelsenkirchen überwiegend als einzigem Projektstandort die "nein" Antworten (vgl. Tab. 30). Im Folgenden werden die Begründungen und Problemwahrnehmungen aus den Interviews wiedergegeben. Die Darstellung folgt dabei den Antwortkategorien. "Ja" und "ja, aber..." Von den 14 positiven Antworten waren nur zwei ohne Einschränkungen, in den restlichen Antworten wurden neben ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu den SelbsthilfeProjekten auch deutliche Kritikpunkte (wie z. B. die Organisation des Bauprozesses) formuliert. Die Begründungen für die Einschränkungen waren vielfältig. Darüber hinaus wurden jedoch auch viele positive Aspekte thematisiert. Die Interviewzitate zeigen einen Einschätzungsprozess auf, der in vielen Fällen von Ambivalenzen und Widersprüchen gekennzeichnet ist. "Wohnen wie im Urlaub", so sieht Frau Thomas ihre aktuelle Wohnsituation. Im Vergleich zu vorher hebt sie hervor, dass ihre Kinder nun draußen spielen gehen können, ohne dass sie dabei sein muss. Die Anlage der Siedlung mit der Gemeinschaftsfläche und dem Spielplatz in der Siedlungsmitte ermöglicht es allen BewohnerInnen, aus der Küche ihrer Häuser, diese Flächen im Blick zu behalten. Gleichzeitig liegt die Spiel313
fläche in dem geschützten und zur Straße hin abgeschlossenen Innenraum der Siedlung und bietet so genügend Schutz für die Kinder. "... ich bin hier immer so wie auf Urlaub, habe ich das Gefühl. So viel Freizeit auch für mich alleine jetzt, wo ich sagen würde, die Kinder sind jetzt draußen, ich sehe die nicht, ich höre die nicht. Ich hätte das Haus fünfmal rauf und runter putzen können. Und wo man früher nie die Zeit dazu hatte. Wir hatten an der bewohnten Hauptstraße gewohnt. Ich hätte die Kinder nie alleine rauslassen können. (...) ich musste mitgehen und auf sie aufpassen. Und hier ist das nicht so. Die machen die Tür auf und raus." (Frau Thomas) Die neue Wohnsituation in dem Selbsthilfe-Projekt bedeutet nicht nur für die Kinder einen Freiheits- und Selbständigkeitsgewinn, sondern auch für die Betreuungsperson (vornehmlich die Mutter). Zeit, die sonst durch die Beaufsichtigung der Kinder gebunden war, kann nun für (Haus-)Arbeit oder sogar für Freizeitaktivitäten genutzt werden. In den Ausführungen von Frau Thomas wird deutlich, dass sie dies als große Entlastung und als eine Bereicherung ihres Wohn- und Lebensalltags empfindet. Die positive Veränderung der Lebenssituation der Kinder steht bei ihrer Einschätzung des Selbsthilfe-Projektes im Vordergrund. "Also ich könnte nichts Negatives darüber sagen. Auch wenn man jetzt im Vorfeld dann weiß, die Bauphase und dieses Alleinsein mit den Kindern, und der Mann dann unter Stress und so, aber das wird im nach hinein, wenn man hier wohnt, ist das alles wieder vergessen. Also sollte man es auf jeden Fall tun. Und ich denke, man kann den Kindern hier so viel Freiheiten bieten, die man ihnen nirgendwo anders geben kann."(Frau Thomas) Die Schwierigkeiten der Bauzeit werden ins Verhältnis zu der positiven Einschätzung der aktuellen Wohnsituation gesetzt und diese wiegt in der Einschätzung von Frau Thomas die vorangegangen Belastungen wieder auf. Die Abwägung der Anstrengungen gegen das Ergebnis fällt auch bei Frau Müller letztlich positiv aus. Ihre Einschätzung hat sich im Verlauf des Interviews verändert. Zu Beginn hat sie, ähnlich wie ihr Mann, vorrangig die enormen Anstrengungen der Bauzeit in den Blick genommen. Im Gesprächsverlauf veränderte sich dann ihre Einschätzung des Prozesses. "Ich hätte gesagt: doch, das ist mir die Sache wert. Doch, das war mir wirklich die Sache wert. Die anderthalb Jahre sind um, die sind vorbei, die sind unter der Rubrik Erlebtes abgehakt. Und doch, ich weiß wofür. Ich wohne jetzt schön, finde ich. Wiegt alles andere im nach hinein auf. Für mich persönlich." (Frau Müller) Die im Zitat ausgedrückte Zufriedenheit mit der aktuellen Wohnsituation lässt die Anstrengungen der Bauzeit im Nachhinein als sinnvoll und notwendig erscheinen. Sie deutet an, dass es zwar nicht leicht war, sie aber ihr Ziel deutlich vor Augen hatte und mit dem Ergebnis der Anstrengungen zufrieden ist. Beide Interviews weisen auf einen Rationalisierungsprozess der Bauzeit hin, der das mühevoll erreichte Ergebnis (das eigene Haus) in den Vordergrund der Betrachtung rückt und die Anstrengungen legitimiert. 314
In der Reflexion darüber, ob sie noch mal bauen würden, spielen auch finanzielle Gründe eine Rolle. Die Thematisierung der finanziellen Situation hat verschiedene Dimensionen, so wird die Selbsthilfe als Eigenkapitalsersatz angesprochen: "Das ist wirklich bares Geld. Sonst kommt man nie an ein Haus" (Herr Stein) und als optimale Möglichkeit für Leute, die "nicht so das Geld auf der Tasche haben" (Herr Bach). Damit stehen der Zugang zum (Wohn-)Eigentum und die Zugangsbedingungen im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Selbsthilfe eröffnet Wege zum Wohneigentum und Perspektiven für den Lebensalltag, die sonst in der Einschätzung der Baufamilien nicht möglich gewesen wären. Darüber hinaus gehende Betrachtungen des finanziellen Aspektes sind in den Interviews selten. Herr Baum ist da eine Ausnahme: "Wenn ich mir überlege, dass ich in der Zeit ja dann 30.000 Mark eingespart habe, das sind 1.300 und 600 Stunden an Einzelarbeiten, also das sind insgesamt knappe 30.000 Mark gewesen, die wir an Eigenleistung erbringen konnten. Wenn ich mir dann ausrechne, dass man ungefähr das Dreifache in seinen 30 Jahren zurückzahlt, dann hab ich 100.000 Mark gespart, dann wäre es bei diesem derzeitigen Zinssatz zwar möglich gewesen, aber ob es dann erstrebenswert gewesen wäre, wenn man die Gelegenheit hat zu bauen, glaube ich nicht. Das einzige, wofür ich mich jetzt im Nachhinein entschieden hätte, dass ich dann gleich gesagt hätte, 800 Stunden schaffe ich, ohne dass ich große Probleme kriege, und dann mache ich das. So wurde es doch schon manchmal recht eng." (Herr Baum) Diese differenzierte Darstellung der finanziellen Ersparnis durch die Selbsthilfestunden zeigt eine intensive Auseinandersetzung, die weiter geht, als es viele Baufamilien in den Interviews formulieren. Für diese Familie, so kann man dem Zitat entnehmen, wäre es wahrscheinlich auch ohne die Selbsthilfe möglich gewesen zu bauen, wenn auch an der Grenze der finanziellen Belastbarkeit. Die Einschätzung von Herrn Baum deutet darauf hin, dass die Arbeitsbelastung durch die Selbsthilfestunden die Grenzen der Belastbarkeit erreicht bzw. überschritten hat. Aber das stellt seine positive Einschätzung des Projekts nicht in Frage, er würde es wieder machen, nur die Belastung durch die Arbeit auf der Baustelle auf ein für ihn realistisches Maß reduzieren. Das frühe und intensive Kennenlernen der zukünftigen Nachbarn wird bei der Einschätzung des Projektes von einer Familie als ein bedeutsamer Aspekt erwähnt. "Wenn wir irgendwo ein Haus gebaut hätten, hätten wir, glaube ich, nie die Nachbarn so schnell und so gut kennen gelernt wie hier." (Herr Feld) Diese Familie spricht den Wunsch nach einem vertrauten nachbarschaftlichen Umfeld vor dem Hintergrund anderer Erfahrungen in ihrem familiären Umfeld an. Der nachbarschaftliche Kontakt wird hier als ausschlaggebender Faktor für die positive Einschätzung formuliert. Auch andere Familien berichten von der besonderen Qualität der nachbarschaftlichen Netzwerke, die durch die Bauzeit entstanden sind. "Weil wir so schon soviel Schönes auch erlebt haben in der Zeit, mit Feiern, die auf einmal abends entstanden sind. (...) dann haben wir die tollsten Feiern gehabt, wir 315
haben hier auf Brettern gesessen und auch im Dreck gesessen irgendwo, aber es war so, das sind so Sachen, die so zusammengeschweißt haben so am Anfang auch. Und da denke ich heute noch so zurück, was wir gelacht haben in dieser Zeit."(Frau Thomas) Ein gemeinsames Ziel vereint die unterschiedlichen Baufamilien in diesem Projekt und "schweißt zusammen". Die gemeinsame Anstrengung hat auch Spaß gemacht und daran wird gerne zurückgedacht. Im aktuellen Lebensalltag sehen die Kontakte u. U. anders aus, Beziehungen unter den Familien haben sich in die eine oder andere Richtung entwickelt. Die Erfüllung eines Traumes, so sieht Herr Jordan den Bau seines Hauses: "Ich habe mein Haus jetzt stehen, das war immer mein Traum gewesen". Er würde es jederzeit wieder machen, nur sei er langsam zu alt dazu, es sei eher ein Projekt für junge Leute mit jungen Großeltern, die mithelfen könnten. Nicht der Traum, aber die besondere Wertschätzung des "Eigenen" taucht in den Interviews als Bewertungskriterium von drei Familien auf. Dabei geht es einmal um die Vorteile eines (Reihen-)Hauses mit Terrasse und Garten, aber es scheint auch eine Rolle zu spielen, dass es sich um Wohneigentum handelt. "Ich bin ganz zufrieden. Ich bin froh, dass wir das gemacht haben. Ich sage, das ist das Eigene, das ist ja doch was anderes, wenn man nachher schön im Sommer im Garten sitzen und direkt auf die Terrasse gehen kann, ist ja etwas Herrliches." (Frau Mersmann) Die Familie hat vorher in einer Dachwohnung gelebt und genießt nach Aussagen der Frau besonders den direkten Zugang zum Garten. Genossen wird auch, so zeigt das Interview, das Besitzgefühl, dass dem Garten noch eine besondere Qualität gibt. Eine andere Familie hebt den Stolz auf die eigene Leistung, auf das Selberbauen hervor. "Wenn ich von einer Luxusvilla hier einziehe, mache ich keinen Schnitt. Wenn ich aber von einer ganz normalen Mietwohnung komme und mit öffentlichen Mitteln gefördert, mit Eigenleistung, mit Muskelhypothek, sprich mit wenig Fremdmitteln und einer vernünftigen Baubetreuung eine vernünftige Siedlergemeinschaft mit Eigentum bauen kann, macht das echt stolz. Das bringt ein Wohlgefühl irgendwo. Kann ich nur jedem empfehlen. (Herr Böll) Hier wird der Hausbau unter schwierigen Bedingungen als eine besondere Leistung und Herausforderung gewertet, die Stolz auf das Erreichte hervorbringt. Einige Familien thematisieren deutliche Kritikpunkt an den Selbsthilfe-Projekten, die jedoch einer grundsätzlich positiven Einschätzung nicht widersprechen. Die Arbeit des Bauträgers und insbesondere der Bauleitung wird als wesentlich für den Erfolg eines Projektes angesehen. Aus Sicht der Befragten sollten beide Erfahrungen in diesem Bereich vorweisen können, und die Bauleitung muss darüber hinaus besondere Qualifikationen besitzen, um den Bauprozess optimal betreuen zu können. Ein anderer Aspekt 316
der Organisation der Baumaßnahmen ist die Frage der Mitbestimmung, die hier als unzureichend kritisiert wird. "Ja. Doch, würde ich auf jeden Fall noch mal machen. Was ich da sicherlich anders machen würde von Anfang an, mehr darauf achten, dass die Eigentümer bezüglich der Detailplanung da etwas mehr Mitspracherecht hätten." (Herr Nickel) Zwei der Familien sprechen die Arbeit in der Gruppe von Selbsthelfern als Kritikpunkte an. Dabei geht es einmal um die (handwerkliche) Kompetenz der Selbsthelfer und Selbsthelferinnen. "Ich würde es noch mal machen, aber unter anderen Voraussetzungen. Zum Beispiel mit den ganzen Leuten, mit denen wir hier gearbeitet haben, da würde ich verschiedene Leute raussuchen und mit denen Haus für Haus fertig machen. (...) wir haben verschiedene Leute dabei gehabt, die haben uns dann einen Tag mal geholfen, dann waren sie drei Tage krank. Deswegen, wenn ich so etwas noch mal machen würde, dann nur mit ausgesuchten Leuten." (Herr Mersmann) In dem folgenden Zitat wird unterschieden zwischen der Arbeit für die Gemeinschaft und der Arbeit nur für uns. Diese Familie hatte Schwierigkeiten, ihr Haus fertig zustellen, da gegen Ende der Baumaßnahme nur noch wenige Familien in der Gruppenselbsthilfe tätig waren. "Ich würde sagen, vielleicht nicht in so einer Gemeinschaft. Wenn, dann würde ich sagen, dass das eben nur ein einzelnes Haus wäre und dann halt praktisch nur für uns. Denn mein Mann hat ja auch viel in anderen Häusern gearbeitet. (...) unsere Häuser wurden zuletzt erstellt, und wir begannen auch natürlich dann zuletzt mit dem Innenausbau, und das war dann schon so, dass nur wenige Leute noch da waren, weil die anderen schon in ihren eigenen Häusern gearbeitet haben. Das war halt so. Konnte man denen auch nicht verübeln, das ist ganz klar." (Frau Stein) Es erscheint einfacher und vielleicht auch gerechter aus der Sicht von Frau Stein, "nur für uns" zu bauen. Die Investition in die Gemeinschaft hat sich in diesem Fall nicht rentiert. Die Bauzeit wird als Ausnahmesituation charakterisiert, aus der heraus man wieder einen Weg ins "normale" Leben finden musste. "Vielleicht, dass man sich auch selber irgendwie ein Märchenschloss wünscht, und es klappt nicht" - Begründungen für Nein In den Begründungen für "nein, ich würde es nicht noch einmal machen" werden einige der oben genannten Aspekte wieder aufgegriffen, allerdings anders bewertet, und sie führen zu einer negativen Gesamteinschätzung. Bei der Bewertung der Projekte spielt die gemeinsame Arbeit in der Selbsthilfe-Gruppe eine besondere Rolle. "Also ich würde so ein Projekt nicht noch mal machen. Ich würde jederzeit mein Haus wieder bauen, jederzeit, auch selbst machen. Aber ich würde das nie mehr in so einer Gruppe machen." (Herr Schneider) Die Bautätigkeit an sich wird von Herrn Schneider nicht in Frage gestellt, sondern die gemeinsame Arbeit in einer Selbsthelfergruppe. Die gegenseitigen Abhängigkeiten, 317
notwendigen Abstimmungsprozesse und Konfliktpotenziale führen in diesem Fall zu einer Ablehnung der Gruppenselbsthilfe. In eine andere Richtung geht die Bewertung von Herrn Engel. "...wenn ich es heute noch mal machen oder angeboten bekäme, zu den Bedingungen, die hier am Ende herauskamen, da würde ich es nicht mehr machen. Da würde ich wirklich drei Jahre länger warten oder vier. Weil, was man also hier für die Arbeit, die man macht, rausbekommt, ist sehr wenig. Da haben wir einen Stundensatz von etwa 15 Mark rausbekommen. (...) Es war gar keine Betreuung. Ich muss sagen im Nachhinein, diese Selbsthilfesache war eigentlich ein Reinfall." (Herr Engel) Thematisiert wird hier in erster Linie der als zu niedrig eingeschätzte Stundenlohn, der in keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung steht. In engem Zusammenhang damit spricht Herr Engel die fehlende Betreuung an. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist die enorme Arbeitsbelastung, die auf vielerlei Arten von den Baufamilien angesprochen wird. Die Bauzeit wird als eine Lebensphase gesehen, in der man alle Bedürfnisse dem Hausbau unterordnen (opfern) musste. "Probleme gibt es immer, aber nicht mehr so extrem sich opfern. (...) Vor allem, alles leidet ja auch darunter. Das war ja ein Jahr lang nur Stress sage ich mal. Und die Familie und die Beziehung, es leidet alles darunter, dass muss man ganz offen sagen. Und ich denke, noch mal alles mitmachen möchte ich nicht." (Frau Vogel) Der Hausbau verursachte in der Sicht von Frau Vogel viel Leid, dass sie nicht noch einmal erleben möchte. Auch in der Bilanz von Herrn Asche und Frau Koch war der Aufwand von Nerven und Kraft in Relation zu dem Ergebnis zu groß. Nein, das kostet zuviel Nerven und Kräfte. Würde ich nicht noch mal machen. Und wenn ich damals das gewusst hätte, was ich heute weiß, würde ich die Finger davon lassen. (...) Miete zahlen und weiter wohnen. (...) ja das war ziemlich stressig und hat mich wirklich viel Power gekostet. (...) aber heute nach zwei Jahren, wo man schon bisschen Abstand hat, sage ich, okay, einmal habe ich es gemacht, und Gott sei dank brauche ich es kein zweites Mal tun." (Herr Asche) "Das war mir einfach viel zu viel Arbeit. Ich meine, wenn man so mittendrin ist, das macht auch Spaß, ganz klar, es war auch schön und wir verstehen uns, das ist alles in Ordnung. Aber ich finde, der Aufwand war zu groß, den wir leisten mussten. Das war einfach viel zu viel. Das war halt hinterher so, wo ich gedacht habe, Mensch, heute sind meine letzten OGS-Stunden und das war so, dass ich bis ein Uhr arbeiten wollte und um halb 1 hab ich gesagt, nein, wenn ich mich jetzt nicht hinsetze, dann kippe ich um. Dann war es das. Also soweit würde ich dann nicht mehr gehen." (Frau Koch) In dem folgenden Zitat wird das Ergebnis der Anstrengungen näher in den Blick genommen. Nach Ende der Bauzeit und dem Wegfall der Belastungen stellt sich für Frau Erdmann heraus, dass das Haus (und die Siedlung) nicht ihren Vorstellungen entsprechen.
318
"Ich glaube, dass das auch den großen Frust ausmacht, dass wir jetzt praktisch, wo die Belastung nicht mehr so da ist, sehen, dass es nicht so geworden ist, wie wir es gehofft haben. Vielleicht, dass man sich auch selber irgendwie ein Märchenschloss wünscht, und es klappt nicht." (Frau Erdmann) Der Traum vom eigenen Haus hat sich zwar erfüllt, aber ein Märchenschloss ist es trotz aller Anstrengungen nicht geworden. Dieses Zitat macht als Zusammenfassung zwar den Stolz über das eigene Haus und die damit verbundene eigene Leistung deutlich; zugleich wirft es auch einen Blick auf die Kritikpunkte und nicht erfüllten Erwartungen, die das gesamte Projekt zu einer großen Anstrengung werden ließen und diese Baufamilien zu der abschließenden Einschätzung kommen lässt, dies nicht noch einmal machen zu wollen. 8.3. Was würden sie ändern? In der Fragebogen-Erhebung haben 68 Familien auf die Frage geantwortet "Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit Sie heute noch einmal bauen würden In den Antworten auf die Fragen haben die Befragten deutliche Bedingungen formuliert, unter denen sie solch eine Bauform noch mal durchführen würden. Hier geben die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung deutlichere Hinweise als die Ergebnisse aus den Interviews. Daher im Folgenden die Bedingungen aus Sicht der Baufamilien. In den Antworten werden in der Regel mehrere Bedingungen bzw. eine Verschränkung verschiedener Voraussetzungen angesprochen. • Träger/Bauleitung/Organisation ist mit 27 Nennungen der zentrale Kritikbereich mit einem komplexen Bündel von Faktoren, die zu dem Gelingen des Projektes beitragen. Der Träger wird von 12 Familien kritisiert. Angemerkt werden die fehlende gute Anleitung und Betreuung, dass Nicht-Ernstnehmen der Baufamilien als Akteure und der mangelnde Informationsfluss sowie die Organisation der Selbsthilfe. Die Überschreitung der geplanten Bauzeit ist ein wesentlicher Kritikpunkt für fünf Familien. Unter den Punkt Organisation fällt die Forderung nach Mitarbeit aller Baufamilien, bis das letzte Haus fertig gestellt ist. In eine ähnliche Richtung geht die Anmerkung, dass zu Beginn der Baumaßnahme alle Häuser vergeben sein sollten (Anzahl Häuser = Käufer), damit nicht wenige Familien alle Häuser bauen müssen. Eine verbesserte Finanzierungsberatung wird nur von einer Familie gefordert. • Genügend Eigenkapital: Insgesamt 18 Familien thematisieren das mangelnde Eigenkapital in unterschiedlicher Form. Zwei Familien geben ausreichende Geldmittel (ironisch: "Lottogewinn") als Bedingung für einen Hausbau an, drei Familien würden nur noch "schlüsselfertig" bauen. Die Problematik der fehlenden oder nicht ausreichenden finanziellen Mittel wird in fünf Fällen direkt mit der Notwendigkeit 319
der Selbsthilfe in Verbindung gebracht. Diese Familien würden "keine Selbsthilfe" mehr leisten wollen. D. h. diese Befragten äußerten sehr deutlich als Bedingung ausreichend vorhandenes Eigenkapital. • Kritik am Haus und/oder am Siedlungsmodell: Insgesamt zehn Familien kritisieren das Haus. Die Qualität des Hauses wird von vier Familien angesprochen ("Geräuschübertragung", Baumängel, Qualität insgesamt "billig"). Die restlichen sechs Familien kritisieren in Teilen gerade die Besonderheiten der "Einfach und selber bauen"-Reihe: Keller und Dachboden fehlen, sie möchten mehr Wohnfläche (fehlendes Arbeitszimmer) und ein freistehendes Haus, kein "Gründach", einen größeren Garten, eine Garage und die Möglichkeit, mit dem Auto bis zum Haus zu fahren. • Mitbestimmung: Der Wunsch nach mehr Mitbestimmung wird von sechs Familien formuliert. Dies bezieht sich insbesondere auf die Planung, hier wird konkret die Möglichkeit der Mitbestimmung bei Fenstern, Wegen, der Außengestaltung der Häuser und der Siedlung erwähnt. In einem engen Zusammenhang damit steht die Forderung nach Transparenz. • Transparenz: In einem der Interviews wird herausgestellt, dass die Information über die konkrete Planung des Hauses und vorhandene Entscheidungsspielräume als sehr wichtig einzuschätzen ist, damit die Familie in der Lage ist, ein Bild oder eine Vorstellung von dem Haus zu entwickeln und auf dieser Basis Veränderungswünsche und Veränderungsmöglichkeiten zu durchdenken und Entscheidungen zu treffen. Es geht also darum, schon vor Beginn des Hausbaus eine möglichst große Transparenz von Planung und Durchführung von Seiten der Projektleitung herzustellen. Betont wird ebenfalls, dass die beteiligten Akteure (Architekten/Träger) Erfahrungen mit Selbsthilfe-Projekten haben sollten. • Gruppenselbsthilfe: Problematisiert wird die Gruppenselbsthilfe von fünf Familien, die so nicht wieder bauen würden ("nicht mehr in dieser Form", "keine SHGruppe"). Die Möglichkeit, in Einzelselbsthilfe zu arbeiten, sehen zwei Familien als praktikablen Weg an. • Wohnungseigentümergemeinschaft: Zwei Familien problematisieren die Eigentumsform, statt Einzeleigentum sind die Projekte als Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) organisiert. Eine weitere Familie schreibt "nie wieder Gemeinschaftseigentum!". • Kinderbetreuung: Zwei Familien geben eine "organisierte" und "problemlose" Kinderbetreuung als Bedingung an, wieder in solch einer Form zu bauen. In einem
320
Fall wird dies verbunden mit dem Wunsch nach einer "strukturierten sozialen Begleitung" des Bauvorhabens. In Verbindung mit dem Ergebnis, dass 60,7% der Befragten "auf jeden Fall" noch einmal bauen würden, sind die formulierten Bedingungen, unter denen die befragten Baufamilien noch einmal in solch einem Projekt bauen würden, überwiegend negativ bzw. kritisch aufgefallen. Zwar haben nicht alle Familien diese Frage beantwortet, doch ist es meiner Einschätzung nach nicht sehr wahrscheinlich, dass ausgerechnet die "zufriedenen" nicht geantwortet haben, ich würde eher davon ausgehen, das gerade diese Gruppe ihre Zufriedenheit herausstreicht. Vergleicht man diese Ergebnisse mit denen der Interviews, so sind die problematisierten Bereiche im Wesentlichen deckungsgleich. Fazit: Die Ergebnisse zur Wohnzufriedenheit sind sehr deutlich positiv: insgesamt ist die Wohnzufriedenheit der Befragten hoch, wobei allerdings unterschiedliche Einschätzungen zu einzelnen Punkten festzuhalten sind: So wird von der großen Mehrheit (vor allem von den Frauen) eine deutliche Verbesserung der Wohn- und Betreuungssituation der Kinder formuliert; als gut wird der Grundriss, die Helligkeit der Räume und die neue Nachbarschaft in der Siedlung beschrieben. Insbesondere der Vergleich zwischen der alten und neuen Wohnsituation führt die meisten der Befragten zu einer deutlich positiven Aussage, die durch die objektiven Bedingungen (Vergrößerung der Wohnfläche, Vorhanden-Sein von Garten) unterstrichen wird. Bei einer genaueren Betrachtung (Ja, aber...) werden jedoch die erlebten Anstrengungen, Differenzen und Belastungen der Bauzeit, die in dieser Projektreihe zu eine besonders starken Belastung der Baufamilien durch die notwendige Einzel- und Gruppenhilfe führte, nicht negiert, sondern deutlich ausgedrückt. Dass dies auch in der Betrachtung im Nachhinein und auf der Grundlage des Stolzes, es geschafft zu haben, immer noch so deutlich von den Befragten so formuliert wurde, verdeutlicht die enormen Anstrengungen, die mit dieser Projektreihe von den Baufamilien gefordert wurde. Diese Anstrengungen und mit dem Projekt verbundenen Schwierigkeiten (Notwendigkeit der Gruppenselbsthilfe, mangelnde Absprachen mit dem Bauträger sowie fehlende Mitbestimmungsmöglichkeiten) lässt einige wenige dann auch zum dem Schluss kommen, es nicht noch einmal machen zu wollen. Es ist genau diese Ambivalenz, die in den Antworten (der Fragebogen-Erhebung wie den Interviews) zum Vorschein kam und sich in der Schlussfrage Würden Sie es noch einmal machen? wie in einem Brennglas zentriert und dabei die positiven wie auch negativen Seiten der Projektidee Einfach und selber bauen aus Sicht der Betroffenen wiedergibt.
321
VIII. Schlussbetrachtungen Der empirische Blick auf die verborgenen Realitäten des Bauprozesses zeigt ein komplexes Geflecht von Beweggründen, Belastungssituationen, Gemeinschaftsbeziehungen und vielfältigen Strategien im Umgang mit der Ausnahmesituation Hausbau. Das Konzept der Projektreihe Einfach und selber bauen hat sich hinsichtlich der angestrebten Zielgruppen, des Finanzierungskonzeptes, der Wohnqualität und in Teilen der Gemeinschaftsbildung bestätigt. Die Wohnzufriedenheit der Baufamilien in den Selbsthilfesiedlungen ist hoch, fast alle der Familien geben an, ihre Wohnsituation deutlich verbessert zu haben. Doch die genaue Betrachtung der empirischen Ergebnisse eröffnet eine weitere Perspektive auf die Selbsthilfe. So erscheint das Projekt des Eigenheimbaus in organisierter Gruppenselbsthilfe in erster Linie als ein zu viel: eine Überforderung und Überlastung der Baufamilien, die vor dem Hintergrund einer prekären finanziellen Ausgangssituation unter erheblichem Leistungsdruck standen, die notwendigen Selbsthilfestunden abzuarbeiten. Die Organisationsform der Gruppenselbsthilfe ermöglicht zwar die gegenseitige Unterstützung der Baufamilien, erzeugt jedoch gleichzeitig massive gegenseitige Abhängigkeiten. Der Stundenlohn aller Baufamilien hängt von der Produktivität und Effektivität der Arbeit auf der Baustelle ab. Familien mit einer besseren finanziellen Ausstattung haben die Möglichkeit, sich von der Selbsthilfe freizukaufen bzw. sind nicht in dem Maße auf einen hohen erwirtschafteten Stundenlohn angewiesen wie die restlichen Familien. Dies hat in fast allen Projekten zu sozialen Spannungen geführt. Thematisiert wurden in diesem Zusammenhang Fragen nach der sozialen Gerechtigkeit und nach der Zusammensetzung der Gruppe der Baufamilien.
Selbsthilfe vor dem Hintergrund von Individualisierung und Wohnwandel Versucht man die Selbsthilfeprojekte in den eingangs dargestellten Kontext von Wohnwandel und Individualisierung einzubetten, kommt man zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Zielgruppen der Projekte junge Familien erscheinen vor dem Hintergrund einer zunehmenden Pluralisierung von Lebensformen und Ausdifferenzierung von Lebensstilen als unzureichend. Andere Lebensformen werden so von Eigentumsbildung und gemeinschaftlichem Wohnen ausgegrenzt. Gleichzeitig wird damit eine Ausrichtung der Wohnungspolitik fortgeschrieben, die bereits seit den 1950er Jahren durch eine Konzentration auf die traditionelle Familie gekennzeichnet ist. Andererseits hängt der Erfolg der Selbsthilfeprojekte in großem Ausmaß von der Eingebundenheit in ein funktionsfähiges soziales Netzwerk ab. Wird auf der theoretischen Ebene durchaus ambivalent diskutiert, ob bzw. inwieweit soziale Netzwerke sich im Zuge fortschreitender Individualisierungsprozesse auflösen, 323
so zeigen die empirischen Ergebnisse, dass mehr als die Hälfte der Baufamilien die Unterstützung eines tragfähigen Netzwerks zur Verfügung hatte. Dabei waren es in erster Linie Familienmitglieder, die auf der Baustelle einen wesentlichen Anteil der Arbeit übernahmen, an zweiter Stelle standen Freunde und Bekannte. Die Unterstützung durch Helfer/innen war umso wichtiger, da die Anzahl der Selbsthilfestunden nur bei wenigen Baufamilien realistisch von einer Person zu bewältigen war. Wichtiges Ergebnis ist jedoch auch, dass die Einbindung in ein verlässliches Beziehungsnetzwerk eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des Hausbaus darstellt. Von einem Ersatz der Netzwerke durch die Gruppe der Selbsthelfer/innen eine der Ausgangshypothesen ist demnach nur in wenigen Fällen auszugehen. Dies galt zudem nur für die Rohbauphase, der Innenausbau wurde in der Regel als individuelle Selbsthilfe gehandhabt, da waren die Familien wieder auf Helfer/innen außerhalb der Selbsthilfegruppe angewiesen. Für die Familien, die sich nur auf die Baugruppe stützen konnten, war der Bauprozess nur unter sehr großen Anstrengungen zu bewältigen. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Pluralisierung der Lebensformen scheint es angebracht, die Zielgruppen für Selbsthilfeprojekte zu erweitern. Es ist jedoch fraglich, ob die geschilderte Belastungssituation durch den Hausbau auch außerhalb der Familie bewältigt werden kann. Der Hausbau in Selbsthilfe setzt eine Dreifachbelastung voraus: Beruf, Familie und Baustelle. Dies ist beispielsweise von einer alleinerziehenden Frau nur schwer zu leisten. Familien scheinen demgegenüber aufgrund ihrer inneren Organisationsstruktur und der Möglichkeit auf familiäre Netzwerkressourcen zuzugreifen am Besten geeignet, die Belastungen zu bewältigen. Die Projektidee erscheint an dieser Stelle nicht als innovatives Konzept der Wohnraumversorgung, sondern eher als ein traditionelles Projekt. Die Ausrichtung an traditionellen Strukturen zeigt sich ebenfalls bei der Frage der innerfamiliären Arbeitsteilung und der Arbeitsteilung auf der Baustelle. Die Bewältigung der Ausnahmesituation Hausbau setzt in vielen Fällen eine traditionelle innerfamiliale Arbeitsteilung voraus, in der die Frau auf Hausarbeit und Kinderbetreuung verwiesen und der Mann für Beruf und Baustelle zuständig ist. Die Anlage der Selbsthilfeprojekte trägt somit deutlich zu einer Stabilisierung traditionaler Arbeitsteilung bei. Von einem innovativen Projekt im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit kann demnach nicht gesprochen werden. Im Gegenteil, das Projekt liegt mit seiner Re-Traditionalisierung der Geschlechterverhältnisse voll im Trend. Auch die staatlichen Förderbedingungen rekurrieren auf die nach wie vor vorhandene Geschlechterungleichheit. Durch die Festlegung von Einkommensgrenzen und die in der Regel höheren Gehälter der Männer sind einige der Frauen durch die Förderungslogik vor die Entscheidung gestellt worden, ihren Beruf aufzugeben, um die Fördermittel zu erhalten. Bezogen auf die Arbeitsteilung in der Fami324
lie und auf der Baustelle muss also ein anhaltendes Gewicht von Deutungsmustern der Geschlechterdifferenz konstatiert werden. Die Selbsthilfeprojekte sind demzufolge in vielerlei Hinsicht traditionelle Projekte: Die Zielgruppen sind traditionelle Zweielternfamilien, funktionierende soziale Netzwerke und eine traditionelle innerfamiliale Arbeitsteilung sind Voraussetzung einer erfolgreichen Bewältigung der Belastungen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich zwei wesentliche Handlungsfelder: • Reduzierung der Belastung: Um Selbsthilfeprojekte für eine Vielfalt familiärer Lebensformen zu öffnen, ist es notwendig, die Belastung durch den Bauprozess deutlich zu reduzieren. Ebenfalls nötig wäre eine Form der Kinderbetreuung, die sicherstellt, dass auch Alleinerziehende an den Projekten teilnehmen können. Darüber hinaus wäre die Kinderbetreuung für alle Familien bzw. Frauen eine Chance, am Bauprozess aktiver teilzunehmen. • Selbsthilfe und Geschlechtersensibilität: Bezogen auf die Selbsthilfe-Projekte wäre eine aktive Stützung der Beteiligung von Frauen im Bauprozess notwendig und sinnvoll gewesen. Dies hätte erstens das Angebot oder die Unterstützung einer Kinderbetreuung vorausgesetzt bzw. die Anrechnung der Kinderbetreuung als Selbsthilfestunden und zweitens eine veränderte Einstellung von Baubetreuern und Polieren vor Ort. Eine geschlechtersensible Schulung der Baustellenleitung kann dazu beitragen, Frauen nicht bereits im Vorfeld von der Arbeit auf der Baustelle (insbesondere im Rohbau) auszuschließen und damit eine aktive Teilhabe der Frauen an der biographisch bedeutsamen Station der Eigentumsbildung zu ermöglichen. Um die innerfamiliare Arbeitsteilung zu verändern, sind die Sicherstellung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und eine Änderung der Förderlogik, die bislang häufig dazu führt, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit wegen der Fördermittel aufgeben, notwendig.
Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe Der Wunsch nach etwas Eigenem der zentrale Beweggrund der Familien war die Wohneigentumsbildung. Durch die Kombination von Selbsthilfe, kosten- und flächensparendem Bauen und dem Einsatz von Fördermitteln ist die Eigentumsbildung auch für Familien mit mittlerem und unterem Einkommen möglich geworden. Die organisierte Gruppenselbsthilfe hat für die Familien ohne Eigenkapital eine Schwellenüberwindungsfunktion erfüllt und den Zugang zum Wohneigentum ermöglicht. Der entscheidende Finanzierungsbaustein ist auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse jedoch nicht die Selbsthilfe, sondern die öffentlichen Fördermittel. Es stellt sich daher m. E. die Frage, warum die Fördermittel nicht um den in Selbsthilfe erwirtschafteten Betrag aufgestockt werden, um den Familien die extreme Belastung durch die Selbst325
hilfestunden zu ersparen bzw. den Selbsthilfeanteil auf ein von der jeweiligen Familie realistisch zu bewältigendes Maß zurückzustufen. Ruth Becker hat dieses Eigenkapitalsurrogat bereits 1998 vorgeschlagen (Becker 1998: 265). Die Erfahrungen der Baufamilien haben deutlich gezeigt, wie knapp die Finanzierungsmodelle zum Teil kalkuliert waren und ebenfalls eindrücklich auf den engen Zusammenhang mit den zu leistenden Selbsthilfestunden hingewiesen. Die Arbeit auf der Baustelle war das Kapitel der Baufamilien, wurde jemand krank, konnte im Extremfall die Finanzierung des Hausbaus kippen. Die empirischen Ergebnisse verweisen auf die Notwendigkeit einer soliden (unabhängigen) Finanzierungsberatung sowie einer realistischen Einschätzung der zu leistenden Selbsthilfestunden. Der Wunsch zur Eigentumsbildung entsteht bei vielen Familien vor dem Hintergrund der gewünschten Verbesserung der Wohnsituation, die auf dem Wohnungsmarkt nicht zu erfüllen ist. In dem Wohnungsmarktsegment der preisgünstigen größeren Wohnungen für Familien besteht nach wie vor eine deutliche Knappheit. Als weiteren wesentlichen Bestandteil der Wohnsituation beschreiben die Familien die strukturellen Nachteile eines Mietverhältnisses: keine Verfügungsrechte, mögliche Preissteigerungen, Gefahr einer Kündigung. Vor diesem Hintergrund wird der Wunsch nach Wohneigentum geäußert. Voraussetzung für die Eigentumsbildung sind u. a. eine stabile Lebenssituation und konstante und steigenden Einkommensperspektiven. Für Schwellenhaushalte stellt sich die Wohneigentumsbildung schwieriger dar: Die Risiken sind größer, da häufig nur wenig Eigenkapital vorhanden ist und gleichzeitig sind die Alternativen auf dem Mietwohnungsmarkt ebenfalls teuer und häufig unattraktiv. Schwellenhaushalte, so Häußermann (2005), haben also was die Wohnqualität angeht am meisten zu gewinnen. Umgekehrt tragen sie das größte Risiko. Im Euphoriediskurs Wohneigentum wird dies häufig übersehen. Das die Wohneigentumsbildung bei (Schwellen)Haushalten ein beträchtliches Finanzierungsrisiko darstellt, wird erst in den letzten Jahren im europäischen Forschungsdiskurs zunehmend thematisiert. Eine neuere Studie zu Zwangsversteigungen in Deutschland (Höbel 2004 u. a.) zeigt Wege im Umgang mit Risiken auf: Begleitung, Beratung, Ausfallgarantien etc. Gleichzeitig stellt sich jedoch auch die Frage, ob die von den Baufamilien geäußerten Wohnbedürfnisse nicht auch in anderen (Eigentums-)Formen realisiert werden können. Die Eigentumsbildung wird aktuell im Zusammenhang mit den besseren Aneignungschancen von Eigentümern gegenüber Mietern diskutiert. Bekannt ist jedoch auch, dass Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozesse der Bewohner und Bewohnerinnen die Aneignung des Wohnumfeldes und die individuellen Beiträge zur Erhaltung und Pflege der Wohnquartiere ebenso fördern. In der Diskussion um die Vorteile von Wohneigentum wurde herausgearbeitet, dass viele der Vorteile nicht an die Rechtsform Eigen326
tum gebunden sind. So ist beispielsweise auch eine andere Regelung der Verfügungsrechte in Mietwohnungen oder in gemeinschaftlichen Eigentumsformen (Genossenschaften) denkbar. Wohnungspolitisch bedeutsam erscheinen die folgenden Handlungsfelder: • Entkopplung von Selbsthilfe und Eigentum: Die Förderung von Selbsthilfe im Miet- und genossenschaftlichen Wohnungsbau kann sowohl einen Teil der thematisierten Wohnbedürfnisse erfüllen (z. B. langfristige Wohnsicherheit in der Genossenschaft) als auch durch Mitbestimmung und Beteiligungsprozesse dazu beitragen, Aneignungsprozesse zu fördern, nachbarschaftliche Bezüge herzustellen und damit die Wohnqualität zu verbessern. • Instrumente der Wohneigentumssicherung: Um den häufig unterschätzen Risiken der Wohneigentumsbildung von Schwellenhaushalten zu begegnen, ist die Untersuchung und der Einsatz von Instrumenten der Wohneigentumssicherung notwenig. Hierzu zählen insbesondere der Verbraucherschutz bei Finanzierungsberatungen, ein Schuldenmanagement sowie die Möglichkeit der Nachfinanzierung in Einzelfällen in der sozialen Wohnraumförderung (Höbel u. a. 2004).
Selbsthilfe: Konkurrenz zwischen Eigentum und Gemeinschaft Die Anzahl der geleisteten Selbsthilfestunden lag bei der Mehrheit der Familien deutlich über dem als machbar angesehenen Limit. Dies führte zu einer extremen Belastungssituation, die sich auf Familie und Partnerschaft auswirkte und in einigen Fällen auch gesundheitliche Folgen hatte. Diese Überlastung wirkte sich in vielen Fällen kontraproduktiv auf die Gemeinschaftsbildung aus, die ebenfalls erklärtes Ziel der IBA-Projektreihe war. Die Entwicklung nachbarschaftlicher Bezüge erfolgt in einem engen Zusammenhang zu dem Verlauf des Bauprozesses. Treten in der Bauzeit (massive) Störungen und Konflikte auf, so wirken diese auch nach Ende der Bauzeit nach. Die Zusammensetzung der Gruppe der Baufamilien hinsichtlich ihrer finanziellen Ressourcen spielte ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entwicklung nachbarschaftlicher Bezüge. Die vorhandenen sozioökonomischen Unterschiede haben in einigen der untersuchten Selbsthilfeprojekte aufgrund der gegenseitigen finanziellen Abhängigkeiten zu Spaltungen und Störungen der gemeinschaftlichen Beziehungen geführt. Die IBAProjekte sind in erster Linie Eigentumsprojekte, keine Nachbarschafts- oder Gemeinschaftsprojekte. Unter bestimmten Rahmenbedingungen hier die extremen Belastung der Familien durch die Selbsthilfe auf der Baustelle kann es zu einer Konkurrenz von Eigentumsbildung und Gemeinschaft kommen. Die Analyse der Beweggründe zur Teilnahme an den Projekten zeigt neben dem grundlegenden Wunsch, Eigentum zu bilden, auch die Wertschätzung der Wohn327
qualität in den Selbsthilfesiedlungen. Als entscheidende Kriterien der Wohnqualität formulieren die Baufamilien den geschlossenen Siedlungscharakter, die kinderfreundliche Gestaltung des Wohnumfelds und die Möglichkeit, alle Nachbarn vor dem Einzug kennen zu lernen. Die Entwicklung nachbarschaftlicher Kontakte ist demnach ein wichtiges Kriterium der Wohnqualität. In den Selbsthilfeprojekten wird dies durch die Einrichtung von Gemeinschaftsflächen und Gemeinschaftshäusern unterstützt. Die Interpretation der Untersuchungsergebnisse zu diesem Punkt zeigt, dass die Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen sehr unterschiedlich gehandhabt wird. In vielen Fällen sind die Gemeinschaftshäuser auch nach Ende der Bauzeit noch nicht fertig gestellt. Dies wird vor dem Hintergrund verständlich, dass die Baufamilien trotz ihrer von Knappheit gekennzeichneten Ausgangssituation die Gemeinschaftseinrichtung sowohl bauen als auch finanzieren müssen. Auch hier lässt sich ein zu viel feststellen: eine zusätzliche Investition von Zeit und Geld in die Gemeinschaft führt zu einer weiteren Überforderung der Familien. Trotz der schwierigen Ausgangssituation zeigt sich in vielen Projekten eine funktionsfähige Nachbarschaft. Die Zusammenarbeit der Familien in der Bauzeit führt dazu, dass sich die Familien intensiv kennen lernen, und daraus entsteht in der Mehrzahl der Fälle ein nachbarschaftlicher Kontakt nach der Bauzeit. Wesentlich erscheinen dabei zwei Aspekte: Zum Einen muss in der Siedlung die Balance zwischen gemeinschaftlichen Begegnungsflächen und privaten Rückzugsmöglichkeiten gegeben sein, und zum Anderen ist für die Gemeinschaftsbildung hauptsächlich Interesse und Engagement der Familien Voraussetzung, nicht der gemeinsame Ort in Form in eines Gemeinschaftshauses. Die empirischen Befunde bestätigen darüber hinaus die Wichtigkeit von Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozesse für die Gemeinschaftsbildung, die jedoch in den Selbsthilfeprojekten aufgrund der damit verbundenen Kosten nur eingeschränkt vorhanden waren. Betrachtet man den Aspekt der Gemeinschaftsbildung vor dem Hintergrund der im ersten Teil der Arbeit dargestellten Individualisierungsdiskussion, so lassen sich vor allem zwei Argumente festhalten. Neben der Eigentumsbildung war ein wesentlicher Beweggrund, an dem Selbsthilfeprojekt teilzunehmen, das Interesse, mit Menschen zusammen zu leben, die man kennt und die sich in einer ähnlichen Lebenssituation befinden (Familien mit Kindern). Die Selbsthilfeprojekte können so als eine Form der Vergemeinschaftung auf der Ebene des Wohnens bezeichnet werden. Sie ersetzen jedoch nicht generell wegfallende familiäre Netze, sondern treten neben diese und ergänzen sie um lokal gebundene Nachbarschaften, die gerade in der Familienphase nach wie vor eine entscheidende Bedeutung haben. Auf der Grundlage der empiri-
328
schen Ergebnisse ist die Optimierung des Bauprozesses das wesentliche Handlungsfeld in Bezug auf die konkrete Umsetzung der Selbsthilfeprojekte: • Organisation des Bauprozesses verbessern: Kritisiert werden von den Baufamilien in erster Linie das Baustellenmanagement und die Qualität von Betreuung und Anleitung. Mängel in der Organisation der Baustelle führten häufig zu Verzögerungen des Bauprozesses, was für die Familien teilweise gravierende Folgen hatte. Neben einer Optimierung des Bauablaufes ist die Etablierung einer funktionsfähigen Kommunikationsstruktur eine zentrale Voraussetzung für einen reibungslosen Bauablauf. Die Informationsweitergabe bezieht sich sowohl auf interne Leitungsstrukturen (Träger, Bauleitung, Architekt) als auch auf die Kommunikation zwischen Leitung und Baufamilien und innerhalb der Gruppe der Baufamilien. • Doppel-Qualifikation der Anleitung im Bauprozess: Eine entscheidende Rolle im Bauprozess nimmt der Polier ein. Fachliche Kompetenz und Erreichbarkeit wurden bis auf wenige Ausnahmen bestätigt, die teilweise fehlende soziale Kompetenz und die faktische Überforderung wurden kritisiert. Die Bedeutung des Poliers für die Entstehung einer arbeitsfähigen Selbsthilfegruppe und der Gruppendynamik wird bislang von den Betreuungsunternehmen unterschätzt. Der Polier sollte in dieser Hinsicht besser qualifiziert sein und darüber hinaus durch weitere Anleitkräfte unterstützt werden. • Gleichmäßige Organisation der anfallenden Bautätigkeit:. In allen Projekten wurde darauf hingewiesen, dass gegen Ende der Bauzeit zu wenige Familien für die Erstellung der restlichen Häuser auf der Baustelle waren. Die Stundenaufteilung über die Dauer der Bauzeit sollte gleichmäßig erfolgen. Dazu ist eine detaillierte Aufklärung der Baufamilien über den Bauverlauf notwendig. Generell wird die wirtschaftliche Beratung der Betreuungsunternehmen positiv bewertet. Es besteht jedoch ein Defizit hinsichtlich der Information über die tatsächlich realisierbaren Selbsthilfestunden und der Aufklärung über die Belastungssituation der Bauzeit allgemein. • Mitbestimmungsmöglichkeiten ausweiten: Die Mitbestimmungsmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume der Baufamilien werden insbesondere bei der Außengestaltung der Gebäude und der Außenanlagen als zu eingeschränkt kritisiert. Hier müssen Wege gefunden werden, das Spannungsfeld zwischen individuellen Gestaltungswünschen und der städtebaulichen Forderung eines einheitlichen Siedlungsbildes zugunsten der Baufamilien zu verändern.
329
Ausblick Die im Kontext der Individualisierungsdiskussionen konstatierte Zunahme der Wahlmöglichkeiten ist für gering verdienende Familien auf dem Wohnungsmarkt nicht vorhanden. In dem Segment der preisgünstigen großen Wohnungen gibt es zurzeit nur wenig Handlungsspielraum. Vor diesem Hintergrund erscheint die Eigentumsbildung als ein (oder der einzige?) Weg zu adäquaten Wohnbedingungen. Ob die mit dem Eigentum verbundene Vorstellung von Wohnsicherheit vor dem Hintergrund einer finanziell knappen Kalkulation und nicht geringen finanziellen monatlichen Belastungen tatsächlich greift, werden erst die folgenden Jahre zeigen. Insgesamt werden die Risiken der Eigentumsbildung für Schwellenhaushalte m. E. unterschätzt. Auch die Bedeutung des Wohneigentums für die Altersicherung wird vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt zunehmend kritisch diskutiert (Müller 2003). Es zeichnet sich somit ein deutlicher Forschungsbedarf ab: die Analyse der Wohneigentumsbildung (insbesondere von Schwellenhaushalten) vor dem Hintergrund der Veränderung von gesellschaftlichen und städte- und wohnungsbaupolitischen Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang sind Fragen nach der Ausgestaltung von Sicherungsinstrumenten, der Förderung der Eigenkapitalbildung und die mögliche Bedeutung des Wohneigentums als Altersvorsorge von Bedeutung. Die vorliegende Arbeit hat die Motive der Eigentumsbildung von Baufamilien analysiert. Offen geblieben ist dabei das Zustandekommen und die Verortung des Motivs (Wohn-) Eigentum. Um diese Frage zu beantworten, wäre es sinnvoll, nachfolgende Untersuchungen stärker auf die Zusammenhänge zwischen Wohnerfahrungen/ Wohnbiographien und dem Wunsch nach Eigentum auszurichten. Hier bietet sich ein generationsübergreifender Ansatz an, ähnlich wie er bereits bei der Analyse der Eigentumsbildung von Arbeiterhaushalten durchgeführt wurde (Petrowsky 1993). Die enge und fast selbstverständliche Verknüpfung der Wohnform (Einfamilienhaus) mit der Rechtsform (Eigentum) wäre durch die Förderung anderer Wohn- und Eigentumsformen entgegen zu wirken. Zu denken ist hier insbesondere an die Genossenschaften, die durch die Orientierung auf gemeinschaftliches Eigentum einen dritten Weg anbieten. Erste Ansätze hat die Bundesregierung mit der Einberufung der Expertenkommission Wohnungsgenossenschaften im Jahr 2002 (www.bmvbw.de) und dem inzwischen abgeschlossene Forschungsfeld des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus Modelle genossenschaftlichen Wohnens - Erschließen von Genossenschaftspotenzialen bereits angeregt. Dabei stehen neben der besonderen Rechtsform auch die Bedeutung von Genossenschaftsanteilen in der Altersvorsorge sowie die Potenziale von Selbstbestimmungs- und Beteiligungsprozessen zur Diskussion, die vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um bürgerschaftliches Engagement und 330
Zivilgesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen. In diesem Zusammenhang kann man auch die (bauliche) Selbsthilfe interpretieren. In einer gesellschaftlichen Situation, die gekennzeichnet ist von einem immer weiter fortschreitenden Rückzug des Staates aus sozialstaatlichen Sicherungssystemen, gewinnen Eigeninitiative, Selbsthilfepotenziale, gegenseitige Unterstützung eine für viele Menschen existenzielle Bedeutung. Dabei kann es jedoch nicht um eine ausschließliche Delegation sozialstaatlicher Verantwortung gehen Selbsthilfe im Wohnungsbau als ein Weg zur Stärkung der Eigeninitiative und zur Bildung aktiver Nachbarschaften benötigt entsprechende Rahmenbedingungen.
331
Literatur Achterberg, Gerhard; Gajewski, Karl-Heinz (1986): Möglichkeiten, Grenzen und Erfolge beim Bau von Eigenheimen in Selbsthilfe. Stuttgart. Albrow, Martin (1998): Auf Reisen jenseits der Heimat. Soziale Landschaften in einer globalen Stadt. In: Beck, Ulrich (Hg.): Kinder der Freiheit. 4. Aufl., Frankfurt a. M., S. 288-314. Alisch, Monika (1993): Frauen und Gentrification. Der Einfluss von Frauen auf die Konkurrenz um den innerstädtischen Wohnraum. Wiesbaden. Andritzky, Michael (1999): Balance zwischen Heim und Welt. Wohnweisen und Lebensstile von 1945 bis heute. In: Flagge, Ingeborg (Hg.): Geschichte des Wohnens, Bd. 5, 1945 bis heute: Aufbau, Neubau, Umbau. Wüstenrot-Stiftung, Deutscher Eigenheimverlag e.v. Ludwigsburg, Stuttgart, S. 615-806. Apitzsch, Christa (1995): Der preiswerte Weg zum Eigenheim - Selberbauen in organisierter Gruppenselbsthilfe. In: EuroBau (6), Nr. 3, S. 41-46. ARGE Arbeitsgemeinschaft Kirchhoff und Jacobs Hamburg (Hg.) (1988): Querschnittsuntersuchung Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Endbericht. Hamburg. Arlt, Monika; Bartholomäi, Reinhart (1996): Neue Wohnformen Herausforderung an die kommunale Wohnungspolitik. In: Dieckmann, Jochen; Hintzsche, Burkhard (Hg.): Wohnungspolitik für Städte, Gemeinden und Kreise. Köln, S. 43-70. Articus, Stephan (1999): Erbbaurechte in der kommunalen Praxis. In: Der Langfristige Kredit, H. 13, S. 426-427. Bärsch, Jürgen; Simbringer, Angelika (2001): Aus dem Privaten ins Öffentliche. Eine empirische Untersuchung über Gemeinschaftsräume in Wohnsiedlungen. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt, S. 338-350. Bahrdt, Hans Paul (1968): Humaner Städtebau. Hamburg. Baumann, Zygmunt (1993): Wir sind wie Landstreicher Die Moral im Zeitalter der Beliebigkeit. In: Süddeutsche Zeitung 16./17.11.1993, S. 17. Becher, Britta; Bura, Josef (2002): Gemeinschaftliche Wohnformen für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, Soziale Stadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S.11-16. Beck, Ulrich (1983): Jenseits von Klasse und Stand. Soziale Ungleichheiten, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten. In: Kreckel, Reinhard (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Göttingen, S. 35-74. Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a. M. Beck, Ulrich (1991): Der Konflikt der zwei Modernen. In: Zapf, Wolfgang (Hg.): Die Modernisierung moderner Gesellschaften. Verhandlungen des 25. Deutschen Soziologietages. Frankfurt a. M./New York, S. 40-53. 333
Beck, Ulrich; Beck-Gernsheim, Elisabeth (1990): Das ganz normale Chaos der Liebe. Frankfurt a. M. Beck, Ulrich; Beck-Gernsheim, Elisabeth (1993): Nicht Autonomie, sondern Bastelbiographie. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 22, H.3, S. 178-187. Beck, Ulrich; Beck-Gernsheim, Elisabeth (1994): Individualisierung in modernen Gesellschaften - Perspektiven und Kontroversen einer subjektorientierten Soziologie. In: Ders.; Diess. (Hg.): Riskante Freiheiten. Individualisierung in modernen Gesellschaften. Frankfurt a. M., S. 10-39. Beck, Ulrich; Sopp, Peter (Hg.) (1997): Individualisierung und Integration. Neue Konfliktlinien und neuer Integrationsmodus? Opladen. Becker, Ruth (1981): Grundzüge der Wohnungspolitik in der BRD seit 1949. In: Arch+, Nr. 57/58. Aachen, S. 13-21. Becker, Ruth (1990): Die herrschende Wohnungspolitik ein Mittel zur Stabilisierung patriachaler Herrschaft. In: Platz nehmen oder Raum greifen. Standorte und Perspektiven feministischer Planung. Arbeitsberichte des Fachbereichs Stadtplanung und Landesplanung, Heft 86, S. 28-38. Becker, Ruth (1997): Im Labyrinth der Wohnungspolitik. Anmerkungen zu Mieten, Belastungen, Förderungsmodellen und Subventionsformen - Ist der soziale Wohnungsbau obsolet geworden? In: Roscher, V.; Stamm, P. (Hg.): Wohnen in der Stadt - Wohnen in Hamburg: Leitbild - Stand - Tendenzen. Hamburg, S. 80-97. Becker, Ruth (1998): Eigenarbeit Modell für ökologisches Wirtschaften oder patriarchale Falle für Frauen? In: Bierter, Willy; Winterfeld, Uta von (Hg.): Zukunft der Arbeit - welcher Arbeit? Berlin/Basel/Boston, S. 259-293. Becker, Ruth (2002): Bewegtes Wohnen: Zur Verräumlichung und Veralltäglichung von Frauenbewegung in Frauenwohnprojekten. In: Schäfer, Eva; Fritzsche, Bettina; Nagode, Claudia (Hg.): Geschlechterverhältnisse im sozialen Wandel. Interdisziplinäre Analysen zur Geschlecht und Modernisierung. Opladen, S. 87-118. Becker, Ruth (2005a): Wohnungswesen. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, S. 1298-1303. Becker, Ruth (2005b): Wohn- und Lebensformen. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, S. 12951298. Becker, Ruth; Greiwe, Ulla; Pohlmann-Rohr, Birgit (2000): IBA-Emscher Park und die Frauen Relevanz gleichstellungspolitischer Forderungen und frauengerechter Planungsansätze in Strategien, Verfahren und öffentliche Präsentationen der IBAEmscher Park. Bericht über ein Forschungsprojekt. Dortmund. Beck-Gernsheim, Elisabeth (1983): Vom Dasein für andere zum Anspruch auf ein Stück eigenes Leben. In: Soziale Welt, H.3, S. 307-340. Beck-Gernsheim, Elisabeth (1986): Von der Liebe zur Beziehung? In: Berger, J. (Hg.): Die Moderne Kontinuitäten und Zäsuren. Göttingen, S. 209-233.
334
Beck-Gernsheim, Elisabeth (1992): Arbeitsteilung, Selbstbild und Lebensentwurf. Neue Konfliktlagen in der Familie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 44, H. 2, S. 273-291. Beck-Gernsheim, Elisabeth (2000): Was kommt nach der Familie? Einblicke in neue Lebensformen. 2. durchgesehene Aufl., München. Beer, Ursula (1992): Das Geschlechterverhältnis in der Risikogesellschaft. Überlegungen zu den Thesen von Ulrich Beck. In: Feministische Studien, 10. Jg., Nr. 1, S. 99-105. Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS); Lawaetz-Stiftung; Stattbau; Stadtentwicklungsbehörde (STEB) (Hg.) (1994): Selber Wohnen Anders machen. Das alternative Baubetreuungsprogramm in Hamburg. Darmstadt. Behrens, Tobias (2002): Stadterneuerung, Bauen und Beschäftigungsförderung. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, Soziale Stadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 31-34. Behrens, Tobias; Bura, Josef (2002): Neue Wohnungsbaugenossenschaften in Hamburg. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, Soziale Stadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 20-24. Behring, Karin; Helbrecht, Ilse (2002): Wohneigentum in Europa. Ursachen und Rahmenbedingungen unterschiedlicher Wohneigentümerquoten in Europa. Hg. v. der Wüstenrot-Stiftung. Ludwigsburg. Behring, Karin; Helbrecht, Ilse (2003): Mieter oder Selbstnutzer in Europa? Ursachen der unterschiedlichen Eigentümerquoten in ausgewählten europäischen Staaten. In: BBR (Hg.) (2003a): Wohneigentum. Informationen zur Raumentwicklung, H.6, S. 343-353. Beierlorzer, Henry (1996): Wohnungsbau im nördlichen Ruhrgebiet. In: Centrum Jahrbuch Architektur und Stadt, S. 191-197. Beierlorzer, Henry (1999): Einfach und selber bauen. Selbstbausiedlungen für soziales Wohnen, Nachbarschaft und Baukultur in der Stadt. In: Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim; Ganser, Karl (Hg.): Siedlungskultur. Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park. Braunschweig/Wiesbaden, S. 64-69. Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim u. a. (1998): Einfach und selber bauen. Ein Handbuch zur Entwicklung von Selbstbausiedlungen. Hg. v. Landesinstitut für Bauwesen des Landes NRW. Aachen. Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim; Ganser, Karl (Hg.) (1999): Siedlungskultur. Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park. Braunschweig/ Wiesbaden. Bertels, Lothar (1990): Gemeinschaftsformen in der modernen Stadt. Opladen. Bertram, Hans (Hg.) (1995): Das Individuum und seine Familie. Lebensformen, Familienbeziehungen und Lebensereignisse im Erwachsenenalter. Opladen. Bertram, Hans; Kreher, Simone (1996): Lebensformen und Lebensverläufe in diesem Jahrhundert. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 42/96, S. 18-30. 335
Bertram, Hans (1998): Lebensformen, städtische und ländliche. In: Häußermann, Hartmut (Hg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, S. 115-122. Beyme, Klaus von (1999): Wohnen und Politik. In: Flagge, Ingeborg (Hg.) (1999): Geschichte des Wohnens, Bd. 5, 1945 bis heute: Aufbau, Neubau, Umbau. Wüstenrot-Stiftung, Deutscher Eigenheimverlag e.v. Ludwigsburg, Stuttgart, S. 81-152. Birlem, Thorsten (1989): Experimenteller Wohnungs- und Städtebau. Kosten- und flächensparendes Bauen und organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Dokumentation der Modellvorhaben. BMBau. Bonn. Blomeyer, Gerhard (1990): Zwischen Utopie und Wohnungsnot. Stand und Zukunft der baulichen Selbsthilfe. Berlin. Böltken, Ferdinand; Schneider, Nicole; Spellerberg, Annette (1999): Wohnen Wunsch und Wirklichkeit. Subjektive Prioritäten und subjektive Defizite als Beitrag zur Wohnungsmarktbeobachtung. In: Informationen zur Raumentwicklung, H. 2, S. 141-156. Bourdieu, Pierre (1996): Die Praxis der reflexiven Anthropologie. In: Bourdieu, Pierre; Wacquant, Loïc J. D. : Reflexive Anthropologie. Frankfurt a. M., S. 251294. Bourdieu, Pierre (1998): Ein Zeichen der Zeit. In: Bourdieu, Pierre u. a: Der Einzige und sein Eigenheim. Schriften zu Politik und Kultur 3, Hg. v. Magareta Steinrücke, Hamburg, S. 17-25. Braun, Reiner; Pfeiffer, Ulrich (2004): Haushalts- und Personenbezogene Wohneigentumsquoten in Deutschland. Empirica Forschungspapier, Auftraggeber LBS Bundesgeschäftsstelle. Berlin. Brech, Joachim (1989): Neue Wohnformen in Europa. Berichte des 4. Internationalen WOHNBUND-Kongresses. Darmstadt. Brech, Joachim (1999): Ein Wandel im Wohnen in der Zeit des Umbruchs. Eine Studie zu Neuen Wohnformen. In: Wüstenrot-Stiftung (Hg.): Neue Wohnformen im internationalen Vergleich. Stuttgart/Berlin/Köln, S. 81-160. Breckner, Ingrid (1995): Innovative Handlungsansätze im Wohnbereich. Informationen über Projekte, Träger und Initiativen in Deutschland und Europa. Dortmund. Breckner, Ingrid (1999): Wohnprojekte. Luxus für wenige oder gesellschaftlicher Bedarf? In: Info für gemeinschaftliches und selbstbestimmtes Wohnen, Nr. 4, S. 1-2. Bührmann, Andrea; Diezinger, Angelika; Metz-Göckel, Sigrid (2000): Arbeit, Sozialisation, Sexualität: Zentrale Felder der Frauen- und Geschlechterforschung. Opladen. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (1999): Projektorientierte Planung das Beispiel IBA Emscher Park. Informationen zur Raumentwicklung, H. 3/4, Bonn. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (2001): Hemmnisse der Wohneigentumsbildung. Forschungen, Heft 106, Bonn.
336
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg) (2002a): Bericht zur Inanspruchnahme der Eigenheimzulage in den Jahren 1996-2000. Arbeitsgruppe Wirkungsanalyse Eigenheimzulage des Ausschusses für Wohnungswesen der ARGEBAU. Bonn. Bundesamt für Bauwesen und Raumordung (BBR) (Hg.) (2002b): Wohneigentumsbildung und Stadterneuerung in den neuen Bundesländern. Forschungen Heft 107. Bonn. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg) (2003a): Potenziale der Wohneigentumsbildung für die soziale Stabilität von Stadtvierteln. Forschungen, Heft 110. Bonn. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (2003b): Wohneigentum. Informationen zur Raumentwicklung, H. 6. Bonn. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (2004): Wohnungsmärkte in Deutschland. Ergebnisse der regionalisierten Wohnungsmarktbeobachtung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Berichte Bd. 18. Bonn. Bundesgeschäftsstelle der Landesbausparkassen (LBS) (Hg.) (2002): Mieter oder Eigentümer wer wird stärker gefördert? Studien zur Wohnungs- und Vermögenspolitik. Bearb. v. Reiner Braun, Ulrich Pfeiffer (empirica). Berlin. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hg.) (2001): Gemeinschaftliches Wohnen im Alter. Workshop in Hannover. Bundesmodellprogramm Selbstbestimmt wohnen im Alter, Dokumentation Nr. 8. Berlin. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hg.) (2003): Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Berlin. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2006): Familien zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik. 7. Familienbericht. Berlin. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend; Statistisches Bundesamt (Hg.) (2003): Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung der Bevölkerung in Deutschland 2001/02. Wiesbaden. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.) (1990): Gruppenbezogene Wohneigentumsformen. Schriftenreihe "Forschung", Heft Nr. 480. Bonn. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.) (1991): Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus: Kosten- und flächensparendes Bauen und organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Berlin. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.) (1992): Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus: Alte Menschen und ihr Wohnquartier. Berlin. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.) (1993): Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus: Wohnsituation Alleinerziehender. Berlin. 337
Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.) (1995): Mitarbeiten Mitgestalten. Wohneigentum möglich machen. Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Bonn. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.) (1998): Ein Haus gemeinsam bauen ... Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Bonn-Bad Godesberg. Bundesministerium für Senioren, Frauen und Familie (1997): Brücken zwischen Jung und Alt. 158 Projekte - Initiativen - Aktionen. Bonn. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (2000): Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern. Bericht der Kommission. Berlin. Bura, Josef (2002): Stattbau Hamburg Neue Qualitäten für das Planen, Bauen und Wohnen. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, Soziale Stadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 8-10. Burkart, Günter (1998): Individualisierung und Elternschaft. Eine empirische Überprüfung der Individualisierungsthese am Beispiel USA und ein Systematisierungsvorschlag. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Individualisierungsthese. Opladen, S. 107142. Clark, W.A.; Deurloo, M.C.; Dielemann, F.M. (1997): Entry to Home-ownership in Germany: Some Comparisons with the United States. In: Urban Studies, Vol. 34, No 1, S. 7-19. Dangschat, Jens (1988): Gentrification: Der Wandel innenstadtnaher Wohnviertel. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Soziologische Stadtforschung. Sonderheft 29 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Opladen, S. 272-292. Dangschat, Jens (2000): Perspektiven des Wohneigentums bei der Diskussion über eine soziale Stadt. In: vhw-Forum Wohneigentum, Heft 6, S. 211-218. Dangschat, Jens; Blasius, Jörg (Hg.) (1994): Lebensstile in den Städten. Konzepte und Methoden. Opladen. Datenreport 2002. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Hg. v. Statistischen Bundesamt. Berlin. Datenreport 2006. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Hg. v. Statistischen Bundesamt. Berlin. Deckl, Silvia; Krebs, Thomas (2004): Ausstattung mit Gebrauchsgütern und Wohnsituation privater Haushalte. Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003. In: Wirtschaft und Statistik 2, S. 209-227. Deimer, Klaus; Jaufmann, Dieter (1985): Selbsthilfe im Eigenheimbau. Einige Aspekte aus sozialwissenschaftlichem Blickwinkel. In: Gemeinnütziges Wohnungswesen, Nr. 2, S. 60-65. Deimer, Klaus; Jaufmann, Dieter (1986): Kommunen als Partner? Bauliche Selbsthilfe und kommunale Strategien zur sozialpolitisch orientierten Förderung von Wohneigentum. In: Gemeinnütziges Wohnungswesen, Nr. 5, S. 218-223. 338
dfh-Siedlungsbau GmbH, das familiengerechte Heim (o. J.): Einfach und selber Bauen in organisierter Gruppenselbsthilfe. Duisburg-Hagenshof. Unveröffentlichtes Papier, Worms. Dieckmann, Andreas; Engelhardt, Henriette (1995): Die soziale Vererbung des Scheidungsrisikos. In: Zeitschrift für Soziologie, Heft 3, S. 215-218. Diewald, Martin (1991): Soziale Beziehungen: Verlust oder Liberalisierung? Soziale Unterstützung in Netzwerken. Berlin. Dowling, Robyn (1998): Gender, Class and Home Ownership: Placing the Connections. In: Housing Studies, Vol. 13, No. 4, S. 471-486. Dorp, Erich von (1982): Möglichkeiten und Grenzen der baulichen Selbsthilfe. In: Informationsdienst, Nr. 14, S. 237-239. Dübel, Achim; Pfeiffer, Ulrich (1999): Stützung der Wohneigentumsbildung durch Sicherungsinstrumente ein internationaler Vergleich. Endbericht. Im Auftrag des Bundesministeriums für Raumordnung, Städtebau und Bauwesen. Stuttgart. Echter, Claus-Peter; Brühl, Hasso (2004): Förderung von Wohneigentum in deutschen Städten. Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin. Elias, Norbert (1979): Über den Prozess der Zivilisation. Sozio- und psychogenetische Untersuchungen. 2 Bde. Frankfurt a. M. (Erstausgabe Basel 1939). Eggert, Petra (1999): Schaffung von Wohneigentum für breite Schichten der Bevölkerung. Deutschland und England im Vergleich. Bochum. Engelhard, Jutta-Beate (1986): Nachbarschaft in der Großstadt. Neuere Initiativen, dargestellt am Beispiel der Stadt Münster. Münster. Engels, Friedrich (1872): Zur Wohnungsfrage. In: MEW 18 (1973). Berlin, S. 209287. Engstler, Heribert; Menning, Sonja (2003): Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Lebensformen, Familienstrukturen, wirtschaftliche Situation der Familien und familiendemographische Entwicklung in Deutschland. Erweiterte Neuaufl. Bonn. Enquete-Kommission Schutz des Menschen und der Umwelt Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung (1998): Konzept Nachhaltigkeit. Vom Leitbild zur Umsetzung. Abschlussbericht. Bonn. Etzioni, Amitai (1995): Die Entdeckung des Gemeinwesens. Ansprüche, Verantwortlichkeiten und das Programm des Kommunitarismus. Stuttgart. Expertenkommission Wohnungspolitik (1994): Wohnungspolitik auf dem Prüfstand. Bericht der Expertenkommission Wohnungspolitik. Bonn. Fedrowitz, Micha; Gailing, Ludger (2003): Zusammen wohnen. Gemeinschaftliche Wohnprojekte als Strategie sozialer und ökologischer Stadtentwicklung. Dortmund. Feldmann, Gerhard (2002): Der Markt der Eigenheime und Mietwohnungen. In: Immobilien und Finanzierung, H. 09, S. 258-261. Festinger, Leon (1978): Theorie der kognitiven Dissonanz. Stuttgart. 339
Firat, Serap; Laux, Hans Dieter (2003): Wohneigentumsbildung von Migranten ihre Bedeutung für die räumliche und individuelle Eingliederung am Beispiel der türkischen Bevölkerung in Köln. In: BBR (2003b): Wohneigentum. Informationen zur Raumentwicklung, H. 6. Bonn, S. 389-400. Flagge, Ingeborg (Hg.) (1999): Geschichte des Wohnens, Bd. 5, 1945 bis heute: Aufbau, Neubau, Umbau. Wüstenrot-Stiftung, Deutscher Eigenheimverlag e. v. Ludwigsburg, Stuttgart. Flick, Uwe (1996): Qualitative Forschung. Theorie, Methoden, Anwendung in Psychologie und Sozialwissenschaften. 2. Aufl. Hamburg. Flick, Uwe; Kardorff, Ernst v.; Keupp, Heiner u. a. (Hg.) (1991): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. München. Friedrichs, Jürgen (Hg.) (1998): Die Individualisierungsthese. Opladen. Fromm, Dorit (1991): Collaborative Communities. Cohousing, central living, and other new forms of housing with shared facilities. New York. Geelhaar, Frank (1985): Wohnungsversorgung durch Selbstbau. Selbsthilfe beim Eigenheimbau. Planerisch-organisatorische Voraussetzungen für eine veränderte Selbsthilfepraxis. Darmstadt. Geissler, Birgit; Oechsle, Mechthild (2000): Die Modernisierung weiblicher Lebenslagen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 31-32, S. 11-17. Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (Hg.) (1992): Wohneigentum in Deutschland. Erarb. vom GdW-Fachausschuss Wohneigentum und Eigentumsverwaltung. Köln. Gesellschaft für Wohnungsbau- und Siedlungswesen GEWOS (1985): Auswirkungen der Selbsthilfe im Eigenheimbau auf die Bauwirtschaft. Schriftenreihe Bau- und Wohnungsforschung des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Bonn. Gilges, Martina; Schaefer, Rainer (1993): Wohnzufriedenheit, Wohnpräferenzen und ihre Umsetzung in kommunale Wohnungspolitik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 8-9, S. 43-52. Glatzer, Wolfgang (1998): Nichteheliche Lebensgemeinschaften. Zwischen konventionellen und alternativen Lebensformen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 53/98, S. 17-25. Glatzer, Wolfgang (2001): Neue Wohnformen für Junge und Alte. Haushaltstechnisierung in der Generationenperspektive. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt, S. 216-227. Goerke, Peter (2001): Selbsthilfesiedlung Duisburg-Hagenshof. In: Harlander, Tilmann (Hg.): Villa und Eigenheim. Suburbaner Städtebau in Deutschland. Wüstenrot Stiftung, Stuttgart/München, S. 482-491. Grossmann, Dirk (2001): Fünf Jahre Erfahrungen mit der Eigenheimzulage. In: Der Langfristige Kredit, H. 11, S. 382-384. 340
Großmann, Achim (1999): Das Erbbaurecht als Instrument der Wohneigentumspolitik. In: Der Langfristige Kredit, H. 13, S. 422-425. Grueneke, Detlef (1990): Erfahrungen mit Selbsthilfeprojekten. In: Bauwelt, 1993 (84), Nr. 28/29, S. 1506-1511. Gurney, Craig M. (1999): Pride and Prejudice: Discourses of Normalisation in Public and Private Accounts of Home Ownership. In: Housing Studies, Vol. 14, No. 2, S. 163-183. Habermann-Nieße, K.; Klehn, K. (1996): Soziale Gruppenbauvorhaben in Niedersachsen. Ein Leitfaden. Hg. v. Niedersächsischen Sozialministerium, Hannover. (Institut für Wohnpolitik und Stadtökologie e. V. ) Häußermann, Hartmut (1999): Neue Haushalte - Wohnformen zwischen Individualisierung und Vergemeinschaftung. Neue Lebensstile - neue Haushaltstypen. In: Wüstenrot-Stiftung (Hg.): Neue Wohnformen im internationalen Vergleich. Stuttgart/Berlin/Köln, S. 12-21. Häußermann, Hartmut (2001): Städte, Gemeinden und Urbanisierung. In: Joas, Hans (Hg.): Lehrbuch der Soziologie. Frankfurt/New York, S. 506-532. Häußermann, Hartmut (2005): Wohnen soziologisch betrachtet. In: Kühne-Büning, Lidwina; Nordalm, Volker; Steveling, Lieselotte (Hg.): Grundlagen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. 4. überarb. u. erw. Aufl. Hamburg, S. 345-372. Häußermann, Hartmut; Petrowsky, Werner (1988): Hauseigentum, Mobilität und Belegschaftsstruktur. Eine Fallstudie bei Werftarbeitern in Bremen von 1900 bis heute. In: Schildt; Axel; Sywottek, Arnold (Hg.): Massenwohnung und Eigenheim: Wohnungsbau und Wohnen in der Großstadt seit dem Ersten Weltkrieg. Frankfurt a. M./New York, S. 63-91. Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (1994): Gemeinde- und Stadtsoziologie. In: Kerber, Harald; Schmieder, Arnold (Hg.): Spezielle Soziologien. Problemfelder, Forschungsbereiche, Anwendungsorientierungen. Hamburg, S. 363-387. Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (1996): Soziologie des Wohnens. Eine Einführung in Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens. Weinheim/München. Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (2000): Wohnverhältnisse und Ungleichheit. In: Harth, Annette; Scheller, Gitta; Tessin, Wulf (Hg.): Stadt und soziale Ungleichheit. Opladen, S. 120-140. Häußermann, Hartmut; Oswald, Ingrid (2001): Wohnungseigentum? Nicht geschenkt! Zur Wohnungsprivatisierung in Russland. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 30, H. 1, S. 65-78. Hafner, Thomas (1996): Eigenheim und Kleinsiedlung. In: Kähler, Gerd (Hg.): Geschichte des Wohnens, Bd. 4, 1918-1945: Reform, Reaktion, Zerstörung. Wüstenrot-Stiftung. Ludwigsburg/ Stuttgart, S. 557-598. Hamm, Bernd (1973): Betrifft Nachbarschaft. Gütersloh. Hamm, Bernd (1998): Nachbarschaft. In: Häußermann, Hartmut (Hg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, S. 172-181. 341
Harlander, Tilman (1993): Gruppenselbsthilfe, Kleinsiedlungsförderung und Wohnungsbau in der Nachkriegszeit. In: Bauwelt, H. 24, S. 1308-1311. Harlander, Tilman (1995): Zwischen Heimstätte und Wohnmaschine. Wohnungsbau und Wohnungspolitik in der Zeit des Nationalsozialismus. Basel/Berlin/Boston. Harlander, Tilman (1997): Notwohnen und Selbsthilfe in der Großstadtperipherie der 20er und 30er Jahre. Beispiele aus Österreich, Deutschland, Italien und Griechenland. In: Zimmermann, Clemens (Hg.): Europäische Wohnungspolitik in vergleichender Perspektive 1900 - 1939. Stuttgart, S. 60-84. Harlander, Tilman (1999): Wohnen und Stadtentwicklung in der Bundesrepublik. In: Flagge, Ingeborg (Hg.): Geschichte des Wohnens. Bd. 5, Von 1945 bis heute: Aufbau, Neubau, Umbau. Wüstenrot-Stiftung. Ludwigsburg/Stuttgart, S. 233-418. Harlander, Tilmann (2001): Einleitung. In: Ders. (Hg.): Villa und Eigenheim. Suburbaner Städtebau in Deutschland. Wüstenrot Stiftung, Stuttgart/München, S. 11-16. Harris, Richard (1999a): Aided Self-help Housing, a Case of Amnesia: Editor's Introduction. In: Housing Studies, Vol. 14, No. 3, S. 277-280. Harris, Richard (1999b): Slipping through the Cracks: The Origins of Aided Self-help Housing, 1918-53. In: Housing Studies, Vol. 14, No. 3, S. 281-309. Hartmann, Thomas; Schelensky, Birgit (1994): Gemeinschaftseinrichtungen Elemente des Bauens für Familien. In: Brech, Joachim; Drum, Manfred; Wohnbund; Urbanes Wohnen (Hg.): Bauen für Familien: kostengünstig, ökologisch, nachbarschaftlich. Darmstadt, S. 157-185. Hausen, Karin (1976): Die Polarisierung der Geschlechtscharaktere Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben. In: Conze, Werner (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Stuttgart, S. 363-393. Heidenreich, Joachim; Nöthen, Manuela (2002): Der Wandel der Lebensformen im Spiegel des Mikrozensus. In: Wirtschaft und Statistik, 1/2002, S. 26-38. Heitkamp, Thorsten (2002): Motivlagen der Stadt-Umland-Wanderung und Tendenzen der zukünftigen Wohnungsnachfrage. In: BBR (Hg.): Perspektiven der Wohnungsmärkte. Informationen zur Raumentwicklung. H. 3, S. 163-172. Henckmann, Antje (1999): Aufbruch in ein gemeinsames Altern. Neue Wohnformen im Alter. Opladen. Henderson, Susan R. (1999): Self-help Housing in the Weimar Republic: The Work of Ernst May. In: Housing Studies, Vol. 14, No. 3, S. 311-328. Herlyn, Ulfert (1985): Wie wohnen Familien heute? In: Franke, Lutz (Hg.): Menschlich wohnen. Frankfurt/New York, S. 48-59. Herlyn, Ulfert; Scheller, Gita; Tessin, Ulf (1994): Neue Lebensstile in der Arbeiterschaft? Eine empirische Untersuchung in zwei Industriestädten. Opladen. Herre, Klaus (1990): Facharbeiter-Notstand in der Bauwirtschaft fördert Partnerschaft beim Eigenheim-Bau. Selbstbau zeigt interessante Lösungsansätze. In: Selbstbau, Nr. 1, S. 12-13.
342
Höbel, Regiona; Kloth, Melanie; Berendt, Ulrike (2004): Zahlungsschwierigkeiten von Wohneigentümern. InWis-Bericht-Nr. 32, Bochum.. Höber, Andrea; Ganser, Karl (Hg.) (1999): IndustrieKultur: Mythos und Moderne im Ruhrgebiet. Im Rahmen der IBA Emscher Park. Essen. Höflich-Haberlein, Lisa; Weissbarth, Reinhold (1982): Ohne Fleiß kein Preis. Ergebnisse der Infratest-Studie Die Eigentumsbildung im Wohnungsbau. In: Bundesbaublatt, H.9, S. 621-623. Hoff, Andreas (2006): Intergenerationale Familienbeziehungen im Wandel. In: TeschRömer, Clemens; Engstler, Heribert; Wurm, Susanne (Hg.): Altwerden in Deutschland. Sozialer Wandel und individuelle Entwicklung in der zweiten Lebenshälfte. Wiesbaden, S. 231-288. Holtmann, Eberhard; Schaefer, Rainer (1996): Wohnen und Wohnungspolitik in der Großstadt. Eine empirische Untersuchung über Wohnformen, Wohnwünsche und kommunalpolitische Steuerung in Nürnberg. Opladen. Hopf, Christel (1978): Die Pseudo-Exploration Überlegungen zur Technik qualitativer Interviews in der Sozialforschung. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 7, H. 2, S. 97-115. Hopf, Christel (1991): Qualitative Interviews in der Sozialforschung. Ein Überblick. In: Flick, Uwe; Kardoff, Ernst v.; Keupp, Heiner u. a. (Hg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. München, S. 177-182. Horx, Matthias (2002): Zwischen Konvention und Innovation Wandel des Wohnens. In: Wüstenrot Stiftung (Hg.): Wohnbauen in Deutschland. Stuttgart/Ludwigsburg, S. 207-213. Hradil, Stefan (1998): Die Seismographen der Modernisierung. Singles in Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 53/98, S. 9-16. Hradil, Stefan (2001): wohn:wandel Strukturwandel. Einführung in den Kongress. In: Schader-Stifung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt, S. 10-22. Hradil, Stefan (2004): Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich. Wiesbaden. Hradil, Stefan (2006): Soziale Milieus eine praxisorientierte Forschungsperspektive. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 44-45, S. 3-10. Huinink, Johannes (1999): Ist die Familie noch zu retten? Anmerkungen zur Zukunft familialer Lebensformen. In: Jugendhilfe 37, S. 2-11. Huinink, Johannes; Wagner, Michael (1998): Individualisierung und die Pluralisierung von Lebensformen. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Individualisierungsthese. Opladen, S. 85-106. Initiativkreis Emscherregion e. V. (Hg.) (1994): IBA Inspektion von Unten. Strukturwandel im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park: Eine Strategie? Essen. Initiativkreis Emscherregion e. V. (Hg.) (1997): ...zum stand der dinge ... Strukturwandel im Ruhrgebiet. Dialoge zur regionalen Entwicklung. Essen. 343
Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes NRW (ILS) (2003): Potenziale der Wohneigentumsbildung von Migrantinnen und Migranten in benachteiligten Stadtteilen. Dortmund. Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) (1996): Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Dokumentation der Fachtagung Mitgestalten - Mitarbeiten - Wohneigentum möglich machen, 1995. Erkner. Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS ) (1998): Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau in den neuen Bundesländern. Erkner. Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS); adwis (2003): Eigentumsförderung im Sozialen Wohnungsbau Förderpraxis, Zielgruppenerreichung, Perspektiven. Kurzfassung. Im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (1996): Positionspapier "Ökologisches Planen und Bauen". Fortschreibung 1996. Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (Hg.) (1996): Werkstatt für die Zukunft von Industrieregionen. Memorandum 1996-1999. Gelsenkirchen. Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (1998): Einfach und selber bauen. Siedlungen in der Tradition der Gartenstadt. Eigenheime für "kleine Leute". Eine Zwischenbilanz. Dokumentation. 2. Aufl. Gelsenkirchen. Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (1999): Katalog der Projekte. Gelsenkirchen. Jäger, Helga (1998): Hausbaugemeinschaft Hettstadt: verbandliches Engagement für familienfreundliches Wohnen; ein Modellprojekt des Familienbundes der Deutschen Katholiken. Hg. v. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Stuttgart/Berlin/Köln. Jessen, Johann; Siebel, Walter; Siebel-Rebell, Christa; Walther, Uwe-Jens; Weyrather; Irmgard (1988): Arbeit nach der Arbeit. Schattenwirtschaft, Wertewandel und Industriearbeit. Opladen. Jessen, Johann; Simon, Christina (2000): Urbanes Wohnen - Wohnen im Eigentum? In: vhw-Forum Wohneigentum, Heft 3, S. 86-92. Jessen, Johann; Simon, Christina (2001): Städtebau - Vom eigenen Haus mit Garten zum suburbanen Wohnquartier. In: Harlander, Tilmann (Hg.): Villa und Eigenheim. Suburbaner Städtebau in Deutschland. Wüstenrot Stiftung, Stuttgart/München, S. 350-381. Jokl, Stefan (1990): Wohnwünsche der Bundesbürger: Einfamilienhaus bleibt Favorit. In: Der Langfristige Kredit, H. 2, S. 56-57. Jokl, Stefan (1995): Steuerrecht und Wohneigentum: Reformvorschläge zur steuerlichen Wohneigentumsförderung. Referate und Statements des 30. Königsteiner Gesprächs am 4./5. Mai 1995. Bonn. Jokl, Stefan; Zehnder, Andreas (2001): Wohneigentumsbildung Wünsche, Forderungen, Grenzen. In: Jenkis, Helmut W. (Hg.): Kompendium der Wohnungswirtschaft. 4. erg. Aufl., München/Wien, S. 392-418. 344
Kähler, Gerd (Hg.) (1996): Geschichte des Wohnens. 1918 - 1945. Reform Reaktion Zerstörung. Stuttgart Kalter, Frank (1999): The Ties that Bind Wohneigentum als ehespezifische Investition. In: Klein, Thomas; Kopp, Johannes (Hg.): Scheidungsursachen aus soziologischer Sicht. Familie und Gesellschaft, Bd. 2, Würzburg, S. 255-270. Keddi, Barbara; Seidenspinner, Gerlinde (1991): Arbeitsteilung und Partnerschaft. In: Bertram, Hans (Hg.): Die Familie in Westdeutschland. Stabilität und Wandel familialer Lebensformen. Opladen, S. 159-192. Keupp, Heiner; Röhrle, Bernd (Hg.) (1987): Soziale Netzwerke. Frankfurt a. M. Keupp, Heiner (1995): Solidarisch und doch frei. Für eine kommunitäre Individualität. In: Psychologie Heute, Juli, S. 50-55. Keupp, Heiner (2001): Jeder nach seiner Façon. Lebensformen und Identitäten im Wandel. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt, S. 265-275. Kecskes, Robert (1997): Sozialräumlicher Wandel in westdeutschen Großstädten. Ursachen, Folgen, Maßnahmen. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Städte in den 90er Jahren. Demographische, ökonomische und soziale Entwicklungen. Opladen/Wiesbaden, S. 213-244. Kilper, Heiderose (1999): Die Internationale Bauausstellung Emscher Park. Eine Studie zur Steuerungsproblematik komplexer Erneuerungsprozesse in einer alten Industrieregion. Opladen. Kirbach, Roland (1999): Jede freie Minute auf der Baustelle. Wie zwanzig Familien mit Hilfe des Prinzips "Einfach und selber bauen" zu Eigenheimen kamen. In: Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim; Ganser, Karl (Hg.): Siedlungskultur. Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park. Braunschweig/Wiesbaden, S. 7075. Klages, Helmut (1968): Der Nachbarschaftsgedanke und die nachbarschaftliche Wirklichkeit in der Großstadt. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz. Knapp, Gudrun-Axeli (2001): Dezentriert und viel riskiert: Anmerkungen zur These vom Bedeutungsverlust der Kategorie Geschlecht. In: Diess.; Wetterer, Angelika (Hg.): Soziale Verortung der Geschlechter. Gesellschaftstheorie und feministische Kritik. Münster. S. 15-62. Knothe, Holger (2002): Junge Frauen und Männer zwischen Herkunftsfamilie und eigener Lebensform. In: Cornelißen, Waltraud u. a. (Hg): Junge Frauen junge Männer. Daten zur Lebensführung und Chancenungleichheit. Eine sekundäranalytische Auswertung. Opladen, S. 89-134. Koppetsch, Cornelia; Maier, Maja S. (1998): Individualisierung ohne Gleichheit? Zur aktuellen Lage des Geschlechterverhältnisses. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Indivdiualisierungs-These. Opladen, S. 143-164. Koppetsch, Cornelia; Burkart, Günter (1999): Die Illusion der Emanzipation. Zur Wirksamkeit latenter Geschlechtsnormen im Milieuvergleich. Konstanz.
345
Kott, Kristina; Krebs, Thomas (2004): Haus- und Grundbesitz und Immobilienvermögen privater Haushalte. Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003. In: Wirtschaft und Statistik 7, S. 770-782. Krätke, Stefan (1988): Gemeinwirtschaft ohne Zukunft? Erfahrungen und Perspektiven "sozialer Baubetriebe". Hamburg. Krings-Heckemeier, U.; Dübel, A. u. a. (1994): Mehr Wohneigentum für mittlere Einkommensschichten. Strategien einer effizienteren Förderung. Bonn Kuckartz, Udo (1992): Textanalysesystem für die Sozialwissenschaften. Einführung in MAX und TEXTBASE ALPHA. Stuttgart. Kuckuck, Anke; Wohlers, Heike (1990): Selbsthilfe. Ansichten und Aussichten. Hg. v. der Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung Berlin (S.T.E.R.N.), Berlin. Kühne-Büning, Lidwina; Nordalm, Volker; Steveling, Lieselotte (Hg.) (2005): Grundlagen der Wohnungs- und Immoblienwirtschaft. 4. Aufl. Hamburg. Künzler, Jan (1999): Arbeitsteilung in Ehen und Nichtehelichen Lebensgemeinschaften. In: Klein, Thomas; Lauterbach, Wolfgang (Hg.): Nichteheliche Lebensgemeinschaften. Analysen zum Wandel partnerschaftlicher Lebensformen. Opladen, S. 235-268. Künzler, Jan; Walter, Wolfgang (2001): Arbeitsteilung in Partnerschaften. Theoretische Ansätze und empirische Befunde. In: Huinink, Johannes; Strohmeier, Klaus Peter; Wagner, Michael (Hg.): Solidarität in Partnerschaft und Familie. Zum Stand familiensoziologischer Theoriebildung. Würzburg, S. 185-218. Kurz, Karin (1999): Soziale Ungleichheiten beim Erwerb von Wohneigentum. Analysen für die Geburtskohorten 1930, 1940, 1950. Sonderforschungsbereich 186 der Universität Bremen, Arbeitspapier Nr. 63. Bremen. Kurz, Karin (2000): Soziale Ungleichheiten beim Übergang zu Wohneigentum. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 29, Heft 1, S. 27-43. Kuthe, C.; Mermagen, W.; Schepers, A. (1993): Gemeinsam Bauen - Gemeinsam Wohnen. Rechtliche und finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten für Gruppenprojekte im Neubau. 2. Aufl., Darmstadt. Lamnek, Siegfried (1989): Qualitative Sozialforschung. Bd. 2, Methoden und Techniken. München. Langfeldt, Bettina (2002): Innerfamiliale Arbeitsteilung keine Gleichstellung männlicher und weiblicher Zeit in Sicht. In: Kramer, Caroline (Hg.): FREI-Räume und FREI-Zeiten: Raum-Nutzung und Zeit-Verwendung im Geschlechterverhältnis. Baden-Baden, S. 201-216. Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen für Städtebau, Wohnungswesen und Agrarordnung (LEG) (1987): Familienhausbau in Gruppenselbsthilfe. Dokumentation des Organisationsmodells der LEW NRW. Hg. v. Minister für Stadtentwicklung, Wohnung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Bonn. Landesinstitut für Bauwesen des Landes NRW (LB) (Hg.) (2002): Ratgeber Preiswert Wohneigentum schaffen. Im Auftrag des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Überarb. Aufl. Aachen. 346
Laux, Hans (1997): Die alte Frage neu gestellt: Was ist günstiger Bauen/Kaufen oder Mieten? In: Der Langfristige Kredit, H. 15, S. 486-490. Leutner, Bernd; Famira, Andrea (2003): Dilemma und Chance: Die TopEight- Städte. In: Bundesbaublatt, 3, S. 16-20. Löw, Martina (1994): Raum ergreifen. Alleinwohnende Frauen zwischen Arbeit, sozialen Beziehungen und der Kultur des Selbst. Wissenschaftliche Reihe Band 56. Bielefeld. Lucke, Doris (1998): Eigentum/Eigentumsordnung. In: Schäfers, Bernhard; Zapf Wolfgang (Hg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Opladen, S. 145153. Maltznetter, Walter (1994): Internationaler Vergleich von Wohneigentumsquoten. In: Wohnungspolitik auf dem Prüfstand, Materialband Bonn, S. 12-52. Marahrens, Walter (1988): Selbsthilfe als Instrument der Wohnungspolitik? Möglichkeiten und Beschränkungen der Selbsthilfe im Wohnungsneubau unter besonderer Berücksichtigung der städtischen Wohnungsmärkte. Frankfurt a. M./Bern/New York/Paris. Mayring, Philipp (1996): Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Denken. 3. Aufl. Weinheim. McCamant, Kathryn; Durrett, Charles (1994): Cohousing. A Contemporary Approach to Housing Ourselves. 2. überarb. Aufl. Hong Kong. Meier, Uta; Küster, Christine; Zander, Uta (2004): Alles wie gehabt? Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und Mahlzeitenmuster im Zeitvergleich. In: Statistisches Bundesamt (Hg.): Alltag in Deutschland. Analysen zur Zeitverwendung. Forum der Bundesstatistik, Bd. 43. Bonn, S. 114-130. Mersmann, Arno; Novy, Klaus (1991): Gewerkschaften, Genossenschaften, Gemeinwirtschaft. Hat eine Ökonomie der Solidarität eine Chance? (Gewerkschaften in Deutschland, Bd. 9). Köln. Mersmann, Arno; Bärsch, Jürgen (1995): Wohnungsgenossenschaften. Leben durch Selbsthilfe. Wirtschaftliche Bedeutung und Weiterentwicklung der Selbsthilfepotentiale von Wohnungsgenossenschaften in den neuen Bundesländern. Köln. Metz-Göckel, Sigrid (2000): Sozialisation der Geschlechter: Von der Geschlechterdifferenz zur Dekonstruktion der Geschlechterdualität. In: Bührmann, Andrea; Diezinger, Angelika; Metz-Göckel, Sigrid: Arbeit, Sozialisation, Sexualität: Zentrale Felder der Frauen- und Geschlechterforschung. Opladen, S. 103-116. Metz-Göckel, Sigrid; Müller, Ulla (1985): Der Mann. Brigitte-Untersuchung. Hamburg. Meuser, Michael; Nagel, Ulrike (2002): ExpertInneninterviews vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. In: Bogner, Alexander; Littig, Beate; Menz, Wolfgang (Hg.): Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Opladen, S. 71-94.
347
Mezler, Johannes (1985): Auswirkungen der Selbsthilfe im Eigenheimbau auf die Bauwirtschaft. Schriftenreihe 04 "Bau- und Wohnforschung" des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft 04.111, Bonn-Bad Godesberg. Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (1987): Familienhausbau in Gruppenselbsthilfe. Dokumentation des Organisationsmodells der LEG NRW. Düsseldorf. Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (1997): Frauen bauen. Düsseldorf. Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes NordrheinWestfalen (MSWKS) (2003): Wohnungsbauprogramm 2003 (WOBauP). RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport vom 05.02.2003. Düsseldorf. http://www.mswks.nrw.de/download/Wbp03Entwurf.pdf. Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes NordrheinWestfalen (MSWKS) (2004): Wohnen im Alter. Neue Wohnmodelle in NordrheinWestfalen. Düsseldorf. Mischau, Anina; Blättel-Mink, Birgit; Kramer, Caroline (1998): Innerfamiliale Arbeitsteilung - Frauen zwischen Wunsch und Wirklichkeit. In: Soziale Welt, H. 49, S. 333-354. Mitscherlich, Alexander (1965): Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden. Frankfurt. Mühlbauer, Walter; Brech, Joachim (1999): Rationalisierung und gewerkeübergreifende Fertigung in integrativen Planungs- und Produktprozessen - Eine neue Qualität im Wohnungsbau. Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stuttgart. Müller, Edda (2003): Der verunsicherte Nachfrager. Vermögensbildung, Altersvorsorge und Wohneigentum aus der Sicht des Verbraucherschutzes. In: vhw, 4, S. 189191. Müller, Hans-Ulrich (1991): Familie und Wohnen. Wohnung und Wohnumfeld. In: Bertram, Hans (Hg.): Die Familie in Westdeutschland. Opladen, S. 311-349. Müller, Sebastian; Herrmann, Rita (Hg.) (1999): Inszenierter Fortschritt die Emscherregion und ihre Bausausstellung. Bielefeld. Münnich, Margot (1999): Haus- und Grundbesitz sowie Wohnverhältnisse privater Haushalte in Deutschland. Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998. In: Wirtschaft und Statistik, H. 3, S. 210-220. Nave-Herz, Rosemarie (1992): Familie. In: Reinhold, Gerd (Hg.): Soziologie-Lexikon. München, S. 156-159. Nave-Herz, Rosemarie (1998): Die These über den Zerfall der Familie. In: Friedrichs, Jürgen; Lepsius, Rainer; Mayer, Karl Ulrich (Hg.): Die Diagnosefähigkeit der Soziologie. Opladen, S. 286-315. Neckel, Sighard (1993): Die Macht der Unterscheidung. Beutezüge durch den modernen Alltag. Frankfurt a. M. 348
Neitmann, Iris (2000): Entstehung von Urbanität durch Partizipation. In: vhw-Forum Wohneigentum, Heft 3, S. 107-110. Niemeyer, Franz; Voit, Hermann (1995): Lebensformen der Bevölkerung 1993. In: Wirtschaft und Statitik, H. 6, S. 437-445. Novy, Beatrix (1999): Euphorie und Normalität nachbarschaftlicher Gemeinschaftsprojekte. Geschichten aus drei Siedlungen. In: Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim; Ganser, Karl (Hg.): Siedlungskultur. Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park. Braunschweig/Wiesbaden, S. 92-97. Novy, Klaus (1983): Genossenschafts-Bewegung. Zur Geschichte und Zukunft der Wohnreform. Berlin. Novy, Klaus; Prinz, Michael (1985): Illustrierte Geschichte der Gemeinwirtschaft. Wirtschaftliche Selbsthilfe in der Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1945. Berlin/Bonn. Novy, Klaus (1989): Neue Haushaltsformen, neue Lebensstile und die Suche nach den neuen Bauherren. In: Brech, Joachim (Hg.): Neue Wohnformen in Europa. Berichte des 4. Internationalen WOHNBUND-Kongresses. Darmstadt, S. 41-70. Oberhauser, Alois (2001): Familienorientierte Wohneigentumsförderung. Modell einer zielgerichteten Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums. In: Jenkis, Helmut W. (Hg.): Kompendium der Wohnungswirtschaft. 4. erg. Aufl., München/Wien, S. 419-438. Oechsle, Mechthild; Geissler, Birgit (2004): Modernisierungstheorien: Anregungspotenziale für die Frauen- und Geschlechterforschung. In: Becker, Ruth; Kortendiek, Beate (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden, S. 196-203. Osterland, Astrid (2000): Nicht allein und nicht ins Heim. Alternative: Alten-WG. Paderborn. Ostermeier, Marion; Blossfeld, Hans-Peter (1998): Wohneigentum und Ehescheidung. Eine Längsschnittsanalyse über den Einfluß gekauften und geerbten Wohneigentums auf den Prozeß der Ehescheidung. In: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, Jg. 23, H. 1, S. 39-54. Ostner, Ilona (1997): Familie und Zivilgesellschaft. In: Schmals, Klaus M.; Heinelt, Hubert (Hg.): Zivile Gesellschaft. Entwicklung, Defizite und Potentiale. Opladen, S. 369-384. Park, Robert; Burgess, Ernest W.; McKenzie, Roderick D. (1984): The City. Suggestions for Investigation of Human Behavior in the Urban Environment. Chicago (im Original 1925). Peuckert, Rüdiger (1999): Familienformen im sozialen Wandel. 3. völlig überarb. u. erweiterte Aufl. Opladen. Peters, Heinz (1984): Selbsthilfe am Bau. Vorbereitung, Organisation, Bewertung. Wiesbaden/Berlin. Petrowsky, Werner (1993): Arbeiterhaushalte mit Hauseigentum. Die Bedeutung des Erbes bei der Eigentumsbildung. Bremen. 349
Pfeiffer, Ulrich; Braun, Rainer (1995): Wohneigentum und Familie. Endbericht im Auftrag der Wüstenrot Stiftung Deutscher Eigenheimverein e.V., Ludwigsburg. Stuttgart. Pfeiffer, Ulrich (2002): Das Eigenheim zwischen Ökosünde und Wachstumsmotor. Empirica paper Nr. 63. Berlin. Pfeiffer, Ulrich; Braun, Reiner (2006): Eigenheimförderung in Europa. Was Deutschland von anderen Ländern lernen kann. Köln. Pfeil, Elisabeth (1950): Großstadtforschung. Bremen. Pinl, Claudia (2004): Wo bleibt die Zeit? Die Zeitbudgeterhebung 2001/2002 des Statistischen Bundesamtes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 32, S. 19-25. Redder, U.; Vogel, W. (1996): Genossenschaftswesen. Neue Wege der Wohneigentumsbildung. In: Bundesbaublatt, H. 8, S. 589-604. Reulecke, Jürgen (Hg.) (1997): Geschichte des Wohnens. 1800 - 1918: Das bürgerliche Zeitalter. Band 3. Stuttgart. Riege, Marlo (1993): Der soziale Wohnungsbau. Sein Beitrag und seine Grenzen für eine soziale Wohnungspolitik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 8-9, S. 32-42. Rifkin, Jeremy (2000): Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden. Frankfurt a. M. Rosenbaum, Heidi (1982): Formen der Familie. Untersuchungen zum Zusammenhang von Familienverhältnissen, Sozialstruktur und sozialem Wandel in der deutschen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. Ruck, Michael (1988): Die öffentliche Wohnbaufinanzierung in der Weimarer Republik. In: Schildt; Axel; Sywottek, Arnold (Hg.): Massenwohnung und Eigenheim: Wohnungsbau und Wohnen in der Großstadt seit dem Ersten Weltkrieg. Frankfurt a. M./New York, S.150-200. Saunders, Peter (1990): A Nation of Home Owners. London Schader-Stiftung (Hg.) (2001): wohn:wandel Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt. Schader-Stiftung (Hg.) (2001): Kommentiertes Programmheft zu wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt. Schäfer, Heiner (1985): Wohnungsversorgung durch Selbstbau. Selbsthilfe beim Eigenheimbau - Soziale Voraussetzungen und ihre wohnungspolitische Bedeutung. Darmstadt. Schätzl, Ludwig (2003): Finanzierungsstrukturen der Wohneigentumsbildung 2002. VDH-Erhebung unter Einbeziehung der Großbanken. In: BBR (Hg.): Wohneigentum. Informationen zur Raumentwicklung, H.6, Bonn, S. 367-375. Scheller, Gitta (2003): Ostdeutsche Ehen und Familien im Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Re-Traditionalisierung. In: beiträge zur feministischen theorie und praxis. 26. Jg., H. 62, S. 29-43.
350
Schendel, Reiner (2002): Finanzierung von Wohnprojekten in Hamburg. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, soziale Stadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 25-30. Schmidt, Manfred G. (2001): Wohneigentum als Äquivalent sozialstaatlicher Sicherung? In: Schader-Stiftung (Hg.): Kommentiertes Programmheft zu wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt, S. 63-70. Schneider, Nicole; Spellerberg, Annette (1999): Lebensstile, Wohnbedürfnisse und räumliche Mobilität. Opladen. Schneider, Norbert (1996): Nichtkonventionelle Lebensformen - Zwischen Individualisierung und Institutionalisierung. In: Zeitschrift für Frauenforschung, 4, S. 12-24. Schneider, Norbert; Rosenkranz, Doris; Limmer, Ruth (1998): Nichtkonventionelle Lebensformen. Entstehung, Entwicklung, Konsequenzen. Opladen. Schneider, Ulrike (1992): Neues Wohnen alte Rollen? Der Wandel des Wohnens aus der Sicht der Frauen. Pfaffenweiler. Schönefeld, Ludwig (1990): Die bauliche Selbsthilfe braucht Anstöße. Selbsthilfe im Mietwohnungsbau mit verschiedenen Trägermodellen im Kontext der Wohnungspolitik. In: Gemeinnütziges Wohnungswesen, 1990 (43), Nr. 4, S. 160-162. Scholten, Ulrich (1999): Die Förderung von Wohneigentum. Beiträge zur Finanzwissenschaft, Bd. 8. Tübingen. Scholz, Brigitte (2000): Siedlungen bauen im Rahmen der IBA Emscher Park. In: Hüchtker, Sybille; Scholz, Brigitte; Selle, Klaus; Sutter-Schurr, Heidi u.a. (Hg.): Siedlungen bauen, Quartiere entwickeln. Beispiele aus der Praxis. Dortmund, S. 31-48. Schubert, Dirk (1992): Gretchenfrage Hafenstraße. Wohngruppenprojekte in Hamburg. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, H. 4, S. 34-43. Schülein, Johann August (1985): Wohnen in der Gemeinschaft. In: Franke, Lutz (Hg.): Menschlich wohnen. Frankfurt/New York, S. 60-74. Schuh, Jürgen (1989): Kollektives Wohnen. Eine vergleichende Untersuchung in- und ausländischer Beispiele. Schriftenreihe/Gesamthochschule Kassel, FB Architektur, 17. Darmstadt. Schulz, Günther (1988): Eigenheimpolitik und Eigenheimförderung im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Schildt; Axel; Sywottek, Arnold (Hg.): Massenwohnung und Eigenheim: Wohnungsbau und Wohnen in der Großstadt seit dem Ersten Weltkrieg. Frankfurt a. M./New York, S. 409-439. Schulz, Günther (1997): Wohnungspolitik in Deutschland und England 1900-1939. Generelle Linien und ausgewählte Beispiele. In: Zimmermann, Clemens (Hg.): Europäische Wohnungspolitik in vergleichender Perspektive 1900 - 1939. Stuttgart, S. 153-165. Selle, Gert (1993): Die eigenen vier Wände. Zur verborgenen Geschichte des Wohnens. Frankfurt a. M./New York.
351
Selle, Klaus; Sutter-Schurr, Heidi (2002): Die Wiederentdeckung der neuen Träger. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, soziale Stadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 54-55. Siebel, Walter (1999): Soziale Qualitäten des Wohnens. In: WohnBund-Beratung NRW (Hg.): Wohnung, Siedlung, Quartier. Entwicklungen, Projekte und Perspektiven für soziales Wohnen. Dortmund, S. 176-181. Siebel, Walter (2000a): Die Internationale Bauausstellung Emscher-Park. Vortrag auf der Sitzung Stadt- und Regionalsoziologie am 22.10.99 in Gelsenkirchen. In: Nachrichtenblatt zur Stadt- und Regionalsoziologie, 14. Jg., Nr. 2, S. 12-18. Siebel, Walter (2000b): Qualität des Wohnens - Anmerkungen eines Soziologen. In: vhw-Forum Wohneigentum, Heft 3, S. 105-106. Simmel, Georg (1995): Die Großstädte und das Geistesleben. In: Rammstedt, Otthein: Georg Simmel Gesamtausgabe. Bd. 7: Aufsätze und Abhandlungen 1901-1908. Frankfurt a. M. S. 116-131(im Original 1903). Söfker, Wilhelm; Burger, Pia (2001): Das Gesetz zur Reform des Wohnungsbaurechts. Teil 1. In: Bundesbaublatt, H. 8, S. 10-15. Spiegel, Erika (1986): Neue Haushaltstypen. Entstehungsbedingungen, Lebenssituation, Wohn- und Standortverhältnisse. Frankfurt/New York. Spiegel, Erika (2000): Haushaltsformen und Lebensstile im Lebensverlauf - Wohnund Standortbedürfnisse und -präferenzen. In: Harth, Annette; Scheller, Gitta; Tessin, Wulf (Hg.): Stadt und soziale Ungleichheit. Opladen, S.197-216. Stadt Bergkamen in Zusammenarbeit mit IBA Emscher Park (Hg.) (1995): Einfach und selber Bauen Bergkamen City. Dokumentationen. Gelsenkirchen. Stadt und Regionalforschung (Hg.) (2001): Einfamilienhaus und verdichtete Wohnformen eine Motivenanalyse. Endbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Wien. Statistisches Bundesamt (Hg.) (2001): Fachserie 1 "Bevölkerung und Erwerbstätigkeit", Reihe 3 "Haushalte und Familie 1999", Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (Hg.) (2002): Statistisches Jahrbuch. Berlin. Statistisches Bundesamt (Hg.) (2005): Leben und Arbeiten in Deutschland. Ergebnisse des Mikrozensus 2004. Wiesbaden. Stattbau Hamburg (2002) (Hg.): Wohnprojekte Baugemeinschaften Soziale Stadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg. Steinberg, Gernot (1996): Wohnungspolitik, Wohnungswirtschaft, alternative Wohnprojekte in Dänemark. Dortmund. Steinrücke, Margareta; Schultheis, Franz (1998): Vorwort. In: Bourdieu, Pierre u. a: Der Einzige und sein Eigenheim. Schriften zu Politik und Kultur 3, Hg. v. Magareta Steinrücke, Hamburg, S. 7-16. Strauss, Anselm; Corbin, Juliet (1996): Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim. 352
Stürmer, Bernd (1999): Größe, Belegung und Alterstruktur der Eigentümer- und Mietwohneinheiten. In: Wirtschaft und Statistik, H. 12, S. 952-958. Sturm, Gabriele (1993): Die Hälfte der Planung? Das Beispiel der Beteiligung von Frauen an (Wohn-)Projekten der Internationalen Bauausstellung Emscher Park. In: Müller, Sebastian; Schmals, Klaus M. (Hg.): Die Moderne im Park? Ein Streitbuch zur Internationalen Bauausstellung im Emscherraum. Dortmund, S. 133-148. Sydow, Manfred (1997): Wohnungseigentumspolitik und Eigentumsquote. Relativierung einer Relation. In: Die Wohnungswirtschaft, H. 10, S. 672-676. Szypulski, Anja (2004): Verborgene Realitäten: Selbsthilfe und innerfamilale Arbeitsteilung. Empirische Ergebnisse aus der IBA Projektreihe Einfach und selber bauen. In: Bauhardt, Christine (Hg.): Räume der Emanzipation. Wiesbaden, S. 163178. Szypulski, Anja (2006): Home ownership for young families through self-help housing. A traditional concept newly rediscovered. In: Doling, John; Elsinga, Marja (Hg.): Home ownership. Getting in, getting from, getting out. Part II. Amsterdam, S. 93-108. Tesch-Römer, Clemens; Engstler, Heribert; Wurm, Susanne (Hg.): Altwerden in Deutschland. Sozialer Wandel und individuelle Entwicklung in der zweiten Lebenshälfte. Wiesbaden Theimer, Andreas; Thiemer, Beate (1997): Wohnungsmarkt und Wohnungsversorgung. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Städte in den 90er Jahren. Demographische, ökonomische und soziale Entwicklungen. Opladen/Wiesbaden, S. 245-270. Tönnies, Ferdinand (1991): Gemeinschaft und Gesellschaft - Grundbegriffe der reinen Soziologie. Darmstadt (im Original 1887). Ulbrich, Rudi (1993): Wohnungsversorgung in der Bundesrepublik Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 8-9, S. 16-31. Ulbrich Rudi (2000): Wohnungsversorgung. In: Häußermann, Hartmut (Hg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. 2. Aufl. Opladen, S. 290-312. Vaskovics, Laszlo A. (Hg.) (1997): Familienleitbilder und Familienrealitäten. Opladen Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen e.V. (Hg.) (2002): Zukunft des Wohnens. Perspektiven für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Rheinland und Westfalen. Ein Gutachten im Auftrag des VdW Rheinland Westfalen, Bochum. Vester, Michael (1997): Soziale Milieus und Individualisierung. Mentalitäten und Konfliktlinien im historischen Wandel. In: Beck, Ulrich; Sopp, Peter (Hg.): Individualisierung und Integration. Neue Konfliktlinien und neuer Integrationsmodus? Opladen, S. 99-123. Villmar, Fritz; Runge, Brigitte (1986): Auf dem Weg zur Selbsthilfegesellschaft? Essen. Voesgen, Hermann (1989): Stunden der Nähe - Tage der Distanz. Zum Verhältnis von Distanz und Nähe in Wohngruppen. In: Brech, Joachim (1989): Neue Wohnformen 353
in Europa. Berichte des 4. Internationalen WOHNBUND-Kongresses. Darmstadt, S. 94-107. Voesgen, Hermann (1992): Selbstgewählte Nachbarschaften.Gemeinsam wohnen in Hausgemeinschaften und Wohngruppen. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, H. 2,S. 68-74. Vom Dorp, Erich (1982): Möglichkeiten und Grenzen der baulichen Selbsthilfe. Wohneigentum, Städtebau und Siedlungsentwicklung - Hemmnisse und Konsequenzen. In: Informationsdienst und Mitteilungsblatt des Deutschen Volksheimstättenwerks, 1982 (36), Nr. 14, S. 237-239. Wagner, Michael; Mulder, Clara (2000): Wohneigentum im Lebenslauf. Kohortendynamik, Familiengründung und sozioökonomische Ressourcen. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 29, Heft 1, S. 44-59. Weeber, Rotraut; Weeber, Hannes; Kleebaur, Sabine u. a. (1999): Eigenleistung beim Bauen. Wie Eigentümer und Mieter sich am Bau ihrer Wohnung beteiligen können. Bauforschung für die Praxis, Bd. 49, Stuttgart. Weiske, Christine (1995): Bauliche Selbsthilfe in den neuen Ländern - Geschichte und gegenwärtige Situation. In: Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (Hg.): Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Dokumentation der Fachtagung, Erkner, S. 11-20. Wiedmann, Klaus-Peter; Walsh, Gianfranco (2000): Informationsverhalten und Einstellungen von Kunden beim geplanten Kauf von Wohneigentum. In: Der Langfristige Kredit, H. 3, S. 79-82. Winter, Horst (1999): Wohnsituation der Haushalte 1998. Ergebnisse der Mikrozensus-Ergänzungserhebung. Teil 2: Haushalte und ihre Mieten. In: Wirtschaft und Statistik, H. 11, S. 858-865. Wischermann, Clemens (1997): Mythen, Macht und Mängel: Der deutsche Wohnungsmarkt im Urbanisierungsprozeß. In: Reulecke, Jürgen (Hg.): Geschichte des Wohnens, Bd. 3, 1800 bis 1918 Das bürgerliche Zeitalter. Stuttgart, S. 333-502. WohnBund-Beratung NRW (1999a): Kooperation zwischen Wohngruppen und Wohnungsbauunternehmen. Ein Leitfaden für die gemeinsame Realisierung von neuen Wohnformen. Bochum. WohnBund-Beratung NRW (1999b): Wohnung - Siedlung - Quartier. Entwicklungen, Projekte und Perspektiven für soziales Wohnen. Dortmund. Wohnbund e. v. (Hg.) (2005): Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein. Wohnbund-informationen 2 u. 3. München. Zapf, Katrin (1999): Haushaltsstrukturen und Wohnverhältnisse. In: Flagge, Ingeborg (Hg.): Geschichte des Wohnens, Bd. 5, 1945 bis heute: Aufbau, Neubau, Umbau. Wüstenrot-Stiftung, Deutscher Eigenheimverlag e. v. Ludwigsburg, Stuttgart, S. 563-614. Zehnder, Andreas J. (2000): Ist die Wohneigentumspolitik in die Defensive geraten? In: Der Langfristige Kredit, H. 8, S. 268-270.
354
Zehnder, Andreas J. (2001): Fünfzig Jahre Wohneigentum. In: Der Langfristige Kredit, H. 11, S. 378-382. Zimmermann, Clemens (1997): Wohnen als sozialpolitische Herausforderung. Reformerisches Engagement und öffentliche Aufgaben. In: Reulecke, Jürgen (Hg.): Geschichte des Wohnens, Bd. 3, 1800 bis 1918 Das bürgerliche Zeitalter. Stuttgart, S.503-636. Zimmermann, Clemens (2001): Wohnungspolitik - Eigenheime für alle? In: Harlander, Tilmann (Hg.): Villa und Eigenheim. Suburbaner Städtebau in Deutschland. Wüstenrot Stiftung, Stuttgart/München, S. 330-349. Zlonicky, Peter (1999): Warum es Sinn macht, die Gartenstadt immer wieder neu zu erfinden. In: Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim; Ganser, Karl (Hg.): Siedlungskultur. Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park. Braunschweig/Wiesbaden, S. 34-39.
Verzeichnis der Internetadressen www.bbr.bund.de/wohnungswesen/wohneigentum/zahlung.htm (zugegriffen am 15.12.2003) www.bmvbw.de/Eigenheimzulagegesetz-.457.htm (zugegriffen am 21.06.2004) www.bmvbw.de/Anlage 19996/Kurzfassung.pdf (zugegriffen am 04. 07.2004) www.destatis.de/basis/d/bauwo/wositab4.htm (zugegriffen am 20.02.2004) www.destatis.de/basis/d/bauwo/wositab6.htm (zugegriffen am 20.02.2004) www.destatis.de/basis/d/bauwo/wositab7.htm (zugegriffen am 20.02.2004)
355