Chicago Band 10
Falsches Spiel
Die wilden Zwanziger. In den USA herrscht Prohibition, doch eine ›tro cken gelegte‹...
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Chicago Band 10
Falsches Spiel
Die wilden Zwanziger. In den USA herrscht Prohibition, doch eine ›tro cken gelegte‹ Nation konsumiert mehr Alkohol als jemals zuvor. Für den Nachschub sorgen gut organisierte Gangsterbanden, gegen die die Polizei einen vergeblichen Kampf führt. Nicht zuletzt, weil auch sie oft mit am Alkoholschmuggel verdient. Die Sitten sind rau und ein Men schenleben zählt wenig, wenn es um viele Dollars geht. Die Gangster bosse unterhalten ihre Privatarmeen von Killern und leben selbst wie Könige. In Chicago versucht der Privatdetektiv Pat Connor nicht zwischen die Fronten zu geraten und trotzdem der Gerechtigkeit Geltung zu ver schaffen. Um aber in diesem Haifischbecken zu überleben, muss man selbst auch die Zähne zeigen. * Von wegen Windy City - den ganzen ereignislosen Tag lang schon lag eine dumpfe Hitze über der Stadt, wie ein riesiger, feuchter Lappen. Seit Stunden sah es nach einem Gewitter aus, doch anscheinend war auch die Atmosphäre von der allgemeinen Trägheit angesteckt und zu faul für eine Entladung. Jede einzelne Minute schlich auf Zehenspitzen vorbei, sodass es fast an ein Wunder grenzte, dass es irgendwann doch Abend wurde. Ich sah nur eine Möglichkeit, diesem Tag ein halbwegs sinnvolles Ende zu verpassen und zwar mit einem kräftigen Schluck. Mit dieser Idee war ich nicht allein. Dunkys Speakeasy war so voll wie selten am frühen Abend. Der mächtige Ventilator an der Decke verquirlte Zigarettenqualm und halblaut geführte Gespräche und Dun kys Glatze glänzte noch etwas mehr als sonst. Angesichts der Tem peratur, die hier drin herrschte, war das nicht weiter erstaunlich. Ich schob meinen Hut in den Nacken, lockerte die Krawatte und sah zu, wie Dunky den Whiskey über die Eiswürfel goss. Ich hatte nichts wei ter sagen müssen, Dunky wusste auch so, was ich jetzt brauchte. »Hab gerade einem von dir erzählt«, quetschte er anstatt einer Begrüßung hervor. »Hoffentlich nichts Gutes«, knurrte ich. 4
Dunky verzog keine Miene. »Er musste noch mal weg. Hat aber gesagt, dass er wiederkommt.« »Und wer ist es?« Ich gab Acht, dass die Eiswürfel den Inhalt mei nes Glases nicht zu sehr verdünnten. Das Tempo, in dem sie schmol zen, war das einzig Rasante an diesem Tag. »Weiß ich nicht so genau«, brummte Dunky. »Ich hab den hier noch nie gesehen. Heißt Fromsett oder so ähnlich. Ziemlich gut geklei det, kobaltblauer Anzug, dunkelblaues Hemd, messerscharf gefaltetes Einstecktuch.« »Und wieso hast du so einem von mir erzählt?« Ich schob Dunky mein Glas zu, damit er es noch einmal füllte. »Er hat gefragt, ob ich einen kenn, dem zu trauen ist.« Dunky grinste mich treuherzig an. »Hätte ich ihn da etwa zur Polizei schicken sollen?« Wenn das ein Witz sein sollte, dann war er so ausgeleiert wie zehn Jahre alte Hosenträger. Dunky erwartete aber wohl auch nicht, dass ich lachte. Er kümmerte sich um andere Gäste und ich konzentrierte mich weiter darauf, meinen Whiskey vor der Verwässerung zu retten. Mit einer weiteren Lucky sorgte ich dafür, dass die Luft um mich her um nicht zu durchsichtig wurde. »Da ist er wieder«, brummte Dunky und deutete Richtung Ein gang. Ich hielt es nicht für nötig, mich umzudrehen. Wenn schon je mand nach Feierabend was von mir wollte, hatte er sich das hoffent lich gut überlegt. »Das ist Pat Connor«, stellte Dunky mich vor, als der Typ an den Tresen trat. »Matthew Fromsett«, stellte er sich mir daraufhin vor. Um ehrlich zu sein, er war mir auf Anhieb durch und durch unsym pathisch. Tiefschwarzes, sehr dichtes und pomadisiertes Haar, Ge sichtszüge wie nach dem Vorbild einer antiken Statue gemeißelt. Ich finde, es hat etwas Lächerliches, wenn Männer zu gut aussehen. Viel leicht sind die ja in einem Theater am richtigen Platz, als jugendliche Helden und strahlende Liebhaber. Aber im richtigen Leben machen sie doch eine eher alberne Figur. 5
»Du nimmst doch auch noch einen?«, stellte Dunky eine komplett überflüssige Frage, bevor er nach einem Glas für Fromsett auch mei nes noch einmal füllte. Dann wandte Dunky sich wieder anderen zu, vermutlich, weil er diskret sein wollte. »Hab gehört, Sie sind zuverlässig«, eröffnete Fromsett das Ge spräch. Ich blies den Rauch meiner Zigarette links an dem Schönling vor bei. Und dort, rechts von seinem Kinn, gab es doch einen kleinen Ma kel. Ein relativ großer Leberfleck, geformt wie eine Niere. »Das kommt immer drauf an.« »Und worauf?« Er grinste breit. »Das sage ich Ihnen erst, wenn ich weiß, worum es geht.« Ich fand, der Schönling könnte allmählich zur Sache kommen. Als Nächstes machte er einen Fehler. Er fingerte nämlich zwei Grants aus seiner Jacketttasche und ließ sie zwischen seinen Fingern knistern. Aber auch hundert Dollar waren für mich kein Argument, solange ich nicht wusste, wofür ich sie bekommen sollte. »Käuflich bin ich eher selten«, knurrte ich und griff ebenfalls in die Innentasche meines Jacketts. »Und wenn Sie wirklich was von mir wollen, dann finden Sie hier meine Bürozeiten.« Ich schnipste ihm meine Karte zu und hoffte, ihn damit loszuwerden. Jedenfalls für diesen Abend. Wenn er wirklich in mein Büro kommen würde und wenn das, was er für hundert Dollar von mir erwartete, nicht allzu ehrenrührig wäre, konnte ich mir vorstellen, doch noch mit mir reden zu lassen. Mit dieser Reaktion hatte Fromsett wohl nicht gerechnet. Er glotz te mich an, als sei er das Kaninchen und ich die Schlange. »Na, seid ihr euch einig geworden?« Dunky hoffte wohl, ein Ge schäft angebahnt zu haben. Fromsett warf einige Münzen auf den Tresen und ging. Kein Gruß, nichts. Meine Karte hatte er aber eingesteckt. »Ein ziemlich arroganter Schnösel«, fasste ich meine Eindrücke zusammen und wies mit dem Kinn auf mein wieder einmal leeres Glas. »Seit wann kannst du es dir leisten, so wählerisch zu sein?« Dun ky kam zum Glück auf den Gedanken, das geschmolzene Eiswasser wegzukippen, bevor er zur Flasche griff. 6
*
Als ich am nächsten Morgen gegen elf in mein Büro in der Loop kam, fühlte sich meine Zunge an wie eine alte verfilzte Socke. Womöglich sollte ich auch wählerischer sein, wenn es um Whiskey ging? Betty Meyer, die mir halbtags ihre Dienste als Sekretärin zur Ver fügung stellte, tat so, als habe sie ausnahmsweise mal etwas anderes zu tun als ihre Fingernägel zu lackieren. Sie hämmerte wie wild auf der alten Underwood herum. Aber sobald ich die Tür aufstieß, hörte sie damit auf und da kam mir ihr Arbeitseifer dann doch wie eine In szenierung vor. Ich warf meinen Hut auf das Sofa rechts von der Tür und die Ja cke gleich hinterher. Das Gewitter war nämlich noch immer nicht nie dergegangen und die Luft fühlte sich an wie flüssiges Blei. »Morgen, Chef!« Betty fand das passende Lächeln zu ihrer Begrü ßung und gleich darauf in ihrer Handtasche eine Zigarette. »Ist schon jemand hier gewesen?« Ich setzte mich an meinen Schreibtisch gegenüber der Tür. Die Fenster links und rechts davon waren geöffnet, doch was von draußen hereinkam, hatte mit Luft we nig zu tun. »Hier?«, echote Betty. Sie zog dabei die Brauen zu Halbkreisen nach oben und aus ihrer Stimme sprach ungläubige Verwunderung. Ganz so, als habe dieses Büro noch nie ein anderer betreten als sie oder ich oder früher einmal der gute Joe Bonadore. »Wo sonst«, raunzte ich sie an. »Und was ist mit Kaffee?« »Kaffee ist kein Problem«, behauptete sie und stand sogar auf, um mir eine Tasse zu bringen. »Wen erwarten wir denn?« Schon wie der diese kugelrunden Augen. Glaubte sie etwa, auf diese Weise intel ligent auszusehen? »Nicht Sie, ich«, meinte ich kurz angebunden. Der erste Schluck von dem heißen Kaffee ließ mich die Raumtemperatur ein paar ange nehme Sekunden lang kühler empfinden. 7
Betty gab jetzt die Beleidigte und hämmerte wieder auf der Schreibmaschine herum. Es ging also wirklich zu wie in einem richtigen Büro, als jemand anklopfte und gleich darauf auch schon eintrat. Fromsett war mir jetzt genauso unsympathisch wie am Abend zu vor, obwohl er sich bei Tageslicht als ein doch nicht mehr ganz tau frischer Romeo entpuppte. »Darf ich Platz nehmen?« Ich deutete wortlos auf den Stuhl auf der anderen Seite meines Schreibtischs. Ich fragte mich, wieso Fromsett bei der Hitze einen Kof fer mit sich herumschleppte. Er stellte ihn nicht ab, sondern legte ihn auf seine Oberschenkel, sobald er Platz genommen hatte. Dann legte er seine manikürten Hände darauf. Betty wirkte irritiert, was sich dadurch äußerte, dass sie zu tippen aufhörte. Sie sah mich fragend an und wies mit dem Kinn erst auf die Kaffeekanne, dann auf unseren Besucher. Ich schüttelte den Kopf. Wozu diesem eitlen Fatzke Kaffee anbieten? »So und worum geht es denn nun?« Um zu unterstreichen, dass ich ihm meine Zeit nur begrenzt zur Verfügung stellen wollte, klopfte ich mit einem Stift auf den Tisch. »Darum.« Er strich mit den Händen über den Koffer. Hellbraunes Kalbsleder, nicht mehr ganz neu, aber gut gepflegt. Das Ding war mit einem Schloss versehen. »Was ist damit?« Weil ich an ihm vorbei sah, bemerkte ich, dass Betty wohl einen ganz anderen Eindruck von ihm hatte als ich. Dass sie aufstand und sich am Schrank zu schaffen machte, konnte nur ei nen Grund haben - sie wollte Fromsett auf ihre ausgeprägten Kurven aufmerksam machen. Klar, der Typ wirkte auf Frauen. »In dem Koffer sind wichtige Papiere«, fuhr Fromsett fort. Er schaffte es irgendwie, mich anzusehen, dabei aber auch so nach Betty zu schielen, dass sie es bemerkte. »Verwechseln Sie mich jetzt vielleicht mit einem Boten?«, blaffte ich ihn an. Denn ich ging natürlich davon aus, dass dieser Koffer an einen Ort gebracht werden sollte, den Fromsett selbst nicht aufzusu chen wünschte, aus welchen Gründen auch immer. Gelegentlich hatte ich solche Aufträge durchaus schon angenommen. Und Bettys entsetz 8
ter Blick erinnerte mich unzweideutig daran, wie schlecht die Kassen lage war. Aber irgendetwas an diesem Fromsett provozierte mich ein fach. »Auf Ihrer Karte steht was anderes.« Fromsett setzte ein Don-Gio vanni-Lächeln auf. Dann holte er zwei Scheine hervor, die große Ähn lichkeit mit den Grants von gestern Abend hatten. »Ich möchte Ihnen den Koffer anvertrauen. Vorläufig für zwei Tage. Er enthält Papiere, die für mich sehr wichtig sind.« »Wäre da nicht ein Schließfach billiger?«, blieb ich noch immer in der Reserve. Betty sah mich an, als zweifle sie an meinem Verstand. Klar, sie hatte wie üblich nur ihren Wochenlohn im Sinn. Und ihr war bewusst, dass nach dem bisherigen Verlauf der Woche die dreißig Dollar kei neswegs gesichert waren. »Billiger vielleicht«, erwiderte Fromsett. Wieso wollte er nicht be merken, wie abweisend ich zu ihm war? »Aber wie gesagt, der Inhalt dieses Koffers ist von einiger Bedeutung für mich. Und da ich derzeit sehr beschäftigt bin, möchte ich ihn einfach in zuverlässiger Obhut wissen.« Er beugte sich so weit nach vorn, über den Koffer hinweg, dass er die Dollarnoten auf meinem Schreibtisch ablegen konnte. Mein üblicher Tagessatz betrug 25 Dollar - Geld, für das ich etwas zu tun pflegte. Und nun so viel Kohle, bloß um einen Koffer bei mir abzustellen? »Ich nehme Ihnen den Koffer mal ab«, griff jetzt Betty ein und wandte sich mit einem beflissenen Lächeln Fromsett zu. »Dann sitzen Sie doch bequemer!« Sie hatte wirklich seltsame Vorstellungen von den Aufgaben einer Sekretärin. Entweder tat sie zu wenig, oder, wie in diesem Moment, zu viel. »Danke, das ist sehr nett.« Fromsett war sofort bereit, sich von seinem Koffer zu trennen. Nur wusste Betty natürlich nicht, wohin mit dem guten Stück. So verfrachtete sie ihn erst einmal auf den Schreibtisch links von mir. Seit Joes unfreiwilligem Ableben wurde er mehr und mehr zu einem Ab stellplatz. »Zwei Tage also?«, ließ ich mich nun doch erweichen. 9
»Zwei Tage, ja, länger dürfte es eigentlich nicht dauern«, bestä tigte Fromsett und lächelte ausnahmsweise mal nicht. »Und Sie müs sen mir natürlich garantieren, dass niemand erfährt, dass der Koffer jetzt bei Ihnen ist. Er darf auch keinem anderen ausgehändigt wer den.« Wieso zählte er Selbstverständlichkeiten auf? Hielt er mich für ei nen Idioten? Oder war er selber einer? Ich tendierte zu Letzterem. Vermutlich hatten seine übertriebenen äußeren Vorzüge dazu geführt, dass er seine Gehirnmasse noch gar nicht entdeckt hatte. »Geht in Ordnung, Mister Fromsett.« Ich beugte mich über den Tisch, um die Dollarnoten an einen weniger exponierten Ort zu brin gen. Gleichzeitig signalisierte ich Fromsett dadurch, dass ich den Auf trag angenommen hatte. Betty kapierte es schneller als er, sie seufzte und lächelte und fä chelte sich mit der Zeitung von gestern frische Luft zu. »Vielleicht lassen Sie mich noch wissen, wo ich Sie im Notfall er reichen kann?«, schlug ich meinem neuen Mandanten vor. »Das wird nicht nötig sein, ich weiß ja, wo ich Sie finde.« Fromsett stand auf, warf noch einen Blick auf den Koffer und tippte sich dann an die Hutkrempe. »Bis bald also!« Mir ersparte er sein Lächeln, aber Betty bekam dafür gleich eine doppelte Portion davon, bevor er ziem lich eilig verschwand. Betty sprang auf, der Koffer zog sie magisch an. »Manchmal ver stehe ich Sie wirklich nicht, Chef! Sie hätten Mister Fromsett ja beina he vergrault!« »Aber eben doch nur beinahe.« Auch ich stand auf, um mir den Koffer genauer anzusehen. Als ich ihn hochnahm, war er leichter, als ich erwartet hatte. Aber wohin nun mit ihm? »In Joes Schrank vielleicht?«, schlug Betty vor. »Da ist ja sonst nichts mehr drin.« Joes Schrank schien mir als Aufbewahrungsort so gut wie jeder andere Platz in diesem Büro. Denn wann kam hier schon mal jemand rein? Und selbst wenn, wieso hätte dieser Jemand sich über einen Kof fer wundern sollen? 10
Ich überließ es Betty, das Ding zu verstauen. Dann rief ich Bren don an. Eigentlich war es Zeit, um ans Mittagessen zu denken. Aber aus irgendeinem Grund erreichte ich den Sportreporter nicht an sei nem Platz in der Chicago Tribune. Womöglich schaute er ja den White Socks beim Training zu. »Ich hab ja dann eigentlich Feierabend«, machte Betty mich auf merksam. »Soll mir recht sein«, versetzte ich. »Aber erst in zehn Minuten. Nur falls noch jemand kommt; ich bin gleich wieder zurück.« Damit griff ich nach der Jacke, den Hut ließ ich liegen. Der war nicht nötig, um mir ein paar Häuser weiter ein Sandwich zu holen. Denn ohne Brendon essen zu gehen, dazu hatte ich an diesem Tag keine Lust. Und wenn schon nicht Brendon, dann sollte mir doch die Zeitung Gesellschaft leisten, für die er arbeitete. Betty war schon zum Abmarsch fertig, als ich zurückkam. »Jetzt brauchen Sie mich doch nicht mehr? Ach ja, es war keiner hier, der was von uns gewollt hätte.« Ihr Grinsen war eindeutig unverschämt. Sobald sie draußen war, genehmigte ich mir einen Schluck aus der Flasche, die sich ganz unten in dem Schrank links vom Fenster befand. In der Flasche befand sich eindeutig Bourbon. Nur eben sehr warmer Bourbon. Aber doch ganz gut geeignet, um das Sandwich hinunter zuspülen. Dann befasste ich mich mit der Chicago Tribune und zwar vor al lem mit jenen Seiten, auf denen Brendons Kollegen den Polizeibericht zu mehr oder weniger langen Artikeln verarbeiteten. Denn wenn ich schon mit der Verwahrung eines Koffers Geld verdiente, dann hätte ich doch gern gewusst, was er enthielt. Gar etwas, das einem Mitbürger unserer Stadt abhanden gekommen war? Ich ließ keinen Artikel aus, wurde aber nicht fündig. Eigentlich hat te ich das auch nicht erwartet. Einem wie diesem Fromsett traute ich so etwas wie Raub einfach nicht zu. Wenn der überhaupt etwas unter nehmen musste, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, dann setzte er dafür garantiert seine Wirkung bei Frauen ein. Gut möglich, dass der Koffer tatsächlich nur Papiere enthielt, wie er gesagt hatte. 11
Liebesbriefe zum Beispiel, stellte ich mir vor, die er demnächst zu einer kleinen Erpressung benutzen wollte. Aber sollte ich mich deswegen aufregen und den Moralapostel spielen? Jede Frau, die so einem Typen auf den Leim ging, fragte ja wohl auch nicht nach Moral. Und war damit selber schuld an den Fol gen. Offenbar sah das Wetter die Sache genauso. Denn jetzt entlud sich endlich das seit gestern über der Stadt hängende Gewitter. Ich nahm jedenfalls die frische Brise, die endlich ins Büro wehte, als Zu stimmung. Dann wartete ich nur noch ab, bis es nicht mehr ganz so heftig regnete, um zu meinem Plymouth zu gehen und den Arbeitstag für beendet zu erklären. * Am nächsten Tag traf ich schon kurz nach zehn Uhr im Büro ein. Betty war immerhin anwesend, wenn auch hauptsächlich mit sich selbst be schäftigt. Sie malte sich bei offener Tür im Bad die Lippen rot an. Ich beachtete sie nicht weiter und warf zuerst einen Blick in Joes Schrank. Der Koffer stand natürlich noch da. »Haben Sie gedacht, ich hätte den geklaut?« Betty war mit ihrer Verschönerungsaktion fertig und grinste mich an. »Guten Morgen auch, Chef! Kaffee?« »Wäre nett.« »Ach ja, es ist einer da gewesen«, ließ Betty mich wie nebenbei wissen. »Vor zehn Minuten erst. Ich hab mich ja bemüht, ihn noch ein bisschen länger hinzuhalten, aber...« »Was hat er gewollt?«, unterbrach ich ihren Roman. »Hat er mir nicht gesagt.« Betty schmollte jetzt. »Etwas hinterlassen, eine Karte zum Beispiel?« Wieso spuckte sie immer dann zu wenig aus, wenn es wichtig war? Sie schüttelte den Kopf. »Aber er kommt wieder. Hat er jedenfalls gesagt. Wobei ich mich schon frage, wieso der ausgerechnet zu uns gekommen ist. Der sah eigentlich aus, als könnte er sich was anderes als so 'ne Klitsche leisten.« 12
Meinte sie damit ihren Arbeitsplatz? Ich beschloss, der Sache nicht auf den Grund zu gehen. »Und wo Sie jetzt da sind«, fuhr sie fort, als wäre da ein Zusam menhang, »kann ich ja vielleicht gehen? Ich hab Zahnschmerzen, schon den ganzen Morgen. Und wo hier ja sowieso nichts weiter zu tun ist...« »Gehen Sie schon!«, knurrte ich sie an. An den Zahnarzt glaubte ich nicht so recht. Hätte sie sich seinetwegen den Mund so blutrot ge malt? In diesem Moment klingelte das Telefon und Betty hielt es an scheinend für ihre Pflicht, den Hörer abzunehmen. »Ja, natürlich erin nere ich mich an Sie! Ist ja schließlich erst ein paar Minuten her und...« Wer immer da am anderen Ende sprach, es war offenbar jemand, dem Betty auch zu langatmig war. »Ja, selbstverständlich ist der Chef jetzt da.« Betty übergab mir den Hörer. »Der Typ, der vorhin hier gewesen ist«, zischte sie mir da bei zu. »Pat Connor«, meldete ich mich und legte dabei die Beine auf den Schreibtisch. »Na endlich! Ich hab mich schon gefragt...« »Moment mal!« Ich nahm die Beine wieder herunter. »Wie wär's, wenn Sie mir erst mal Ihren Namen sagen?« »Hat Ihnen das Ihre Mitarbeiterin nicht gesagt?« »Also, ich geh dann!«, flüsterte die von dem Anrufer total falsch eingeschätzte Betty. »Dazu ist sie leider noch nicht gekommen«, versetzte ich im Ton eines Mannes, der viel zu tun hat. »Das ist das richtige Stichwort!« Der Mann lachte kurz auf. »Nach dem ich vorhin vergeblich bei Ihnen war, wollte ich nun vorschlagen, dass Sie gleich zu mir kommen. An den Tatort gewissermaßen.« »Für fünfundzwanzig plus Spesen pro Tag«, konterte ich, um we nigstens diesen Punkt gleich zu klären. »Und natürlich nur, wenn Sie mir endlich verraten, wer Sie sind.« 13
»Am besten, Sie schreiben gleich mit. Das Buckingham Building sagt Ihnen doch etwas? Van Buren Ecke South Michigan Avenue?« »Ich lebe schon 'ne ganze Weile in dieser Stadt«, knurrte ich. »Und hoch genug ist das Haus ja.« Es zählte zu den neueren Wolken kratzern unserer Stadt und jedes Kind wusste, wo es sich befand. Wie so riet mir der Typ dann mitzuschreiben? Fanden jetzt nur noch Ekel pakete den Weg zu mir? »Ach ja, mein Name«, fiel ihm nun doch endlich ein. Es verstri chen aber noch ein paar Sekunden, bevor er ihn nannte. »Derace Kingsley.« Nach all dem Theater war klar, dass er davon überzeugt war, der Name sage mir was. Tat er aber nicht. Ich konnte schließlich nicht jeden kennen, der es in die Klatschspalten geschafft hatte. »Könnten Sie das vielleicht buchstabieren?«, beschloss ich, ihn ein bisschen zu ärgern. Was immer sich hinter dem Namen verbergen mochte, sonder lich ausgefallen war er nicht. Erst schwieg er verblüfft, dann tat er brav, worum ich ihn gebeten hatte. »Okay«, fiel ich ihm ins Wort, noch bevor er fertig war. »In einer guten Stunde könnte ich bei Ihnen sein.« »So spät erst? Ich dachte...« »Schneller geht es nicht. Wenn Ihnen das nicht passt...« Ich hatte das Gefühl, den richtigen Ton gefunden zu haben. »Doch, natürlich, es passt«, versicherte er denn auch prompt. Danach legte ich den Hörer auf, ließ mir aber gleich eine Verbin dung zu Brendon machen. Vom Buckingham Building aus war es kaum weiter zu Henry's Steak Diner als von meinem Büro aus. Und vielleicht hätte Brendon ja heute Zeit, sich dort mit mir zum Mittagessen zu tref fen. Brendon meldete sich mit einem dröhnenden Lachen. Er schien sich riesig zu freuen, als ich mich meldete. »Weißt du es schon? Die White Socks haben gewonnen!« Deshalb also war er so begeistert, mit mir hatte das gar nichts zu tun. Es kam mir wieder einmal seltsam vor, wie ein gestandener Mann 14
so aus dem Häuschen kommen konnte, nur wegen eines Baseball spiels. Aber immerhin, Brendon sagte zu, zum Essen zu kommen. »Und vielleicht kannst du ja mal herauskriegen, wer sich hinter folgenden Namen verbirgt?« Ich nannte ihm den von Fromsett ebenso wie den von Kingsley. Brendon war dergleichen gewöhnt, ich hatte sogar das Gefühl, dass er mir solche Informationen richtig gern ver schaffte. Vielleicht war das Stolz auf seine Position und die damit ver bundenen Zugriffsmöglichkeiten, oder auch nur Sentimentalität? Denn Brendon war mit meinem alten Herrn befreundet gewesen. »Du weißt nicht, wer Kingsley ist?« Brendon lachte schon wieder. »Das ist nun wirklich eine Bildungslücke. Und mindestens einen Bour bon wert.« »Den sollst du kriegen«, versprach ich. * Eine erste Ahnung davon, wer sich hinter diesem Namen verbarg, be kam ich dann aber schon etwas früher. Ich hatte gedacht, Derace Kingsley habe das Buckingham Building einfach als Treffpunkt ge nannt, um mich dann wer weiß wohin zu führen. Also hielt ich, dort eingetroffen, nach einem Mann Ausschau, der nicht nach einem Tou risten aussah. Aber woran erkannte ich nun so eindeutig, wer Tourist war und wer nicht? Ich hätte mit Kingsley irgendein Erkennungszeichen verein baren müssen. Oder wartete er in der Eingangshalle auf mich? Ein Zerberus von Portier in gold-betresster Livree hinderte mich daran, sie zu betreten. »Wohin wollen Sie?« »Ich bin hier verabredet.« Ich versuchte, an dem vierschrötigen Mann vorbei einen Blick ins Innere zu erhaschen. »Und mit wem?«, setzte er sein Verhör fort. Ich nannte eher automatisch den Namen Kingsley, ging dann aber davon aus, dass dies sinnlos sei. »Derace Kingsley hat gar nicht gesagt, dass er Besuch erwartet«, meinte der Portier stirnrunzelnd. 15
In diesem Moment begriff ich dreierlei. Ich hatte erstens mein Ho norar viel zu niedrig angesetzt, weil Kingsley zweitens hier wohnte. Und ich musste drittens dem Livrierten gegenüber eine andere Tonart anschlagen. »Melden Sie mich doch einfach bei ihm an«, schlug ich vor, so freundlich, wie man mit kleinen Kindern spricht. »Ich hab näm lich nicht allzu viel Zeit.« Der Portier betrachtete mich prüfend von Kopf bis Fuß. Zu wel chem Ergebnis er kam, erfuhr ich nicht. Denn noch bevor er mit seiner Prüfung fertig war, kam ein Mann auf uns zu. Er war etwa sechs Fuß zwei Zoll groß und drahtig wie eine Stahlfeder. Stahlgrau waren seine Augen, mit Fünkchen eines kalten Lichts darin. »Pat Connor?« Der Portier erkannte die Stimme sofort und ließ aufgeregt sein Ge sicht herumschnellen. »Ah, Mister Kingsley! Der Mann hier hat ge sagt... Aber ich kann ja nicht jeden...« »Schon gut, Wallace.« Kingsley schob den Portier beiseite und reichte mir seine Hand. »Freut mich, dass Sie gekommen sind. Wenn Sie mir bitte folgen? Mein Apartment befindet sich fast ganz oben, im vierundzwanzigsten Stock.« Ich folgte Kingsley und musste den Eindruck korrigieren, den ich mir von ihm am Telefon gemacht hatte. Sein sandfarbener Anzug war ebenso maßgeschneidert wie die Schuhe aus fast weißem, sichtlich weichem Leder. Da fragte sich wirklich, wie ich den Fehler mit meinem Tageshonorar wieder ausbügelte. Seine ausgesucht höflichen Manieren deuteten darauf hin, dass es nicht so einfach sein würde, mit ihm um zugehen. Der Boy, der den Fahrstuhl bediente, war ein Schwarzer, er trug dieselbe Livree wie der Portier. Auch er begrüßte meinen neuen Klien ten respektvoll. Und während der Fahrstuhl nach oben zuckelte, un terhielten sich die beiden übers Wetter. An den Knöpfen in der Fahr stuhlkabine erkannte ich, dass dieses Gebäude insgesamt sechsund zwanzig Stockwerke hoch in den Himmel ragte. »So, da wären wir!« Der Boy öffnete die Tür im vierundzwanzigs ten Stock. In dem flauschigen Teppich auf dem Flur versank man bis zu den Knöcheln. Ich sah, dass drei Türen von dem Flur abgingen. An keiner 16
gab es ein Namensschild - wer hier wohnte, legte Wert auf Diskretion. Kingsley steuerte die Tür ganz links an. Da es keine Fenster gab, fiel das künstliche Licht aus mehreren Kristalllüstern auf uns herunter. Vor der Tür blieb Kingsley stehen. Sein stahlgrauer Blick durch bohrte mich fast. Wieso schloss er nicht auf? Die Tür war ziemlich ramponiert. »Ein Einbruchsversuch?«, folger te ich. »Fast richtig.« Nun öffnete er die Tür. Anscheinend hatte er ge wollt, dass ich sah, dass sie beschädigt war. »Es war nur kein Ver such.« Nach dem leicht dämmrigen Kunstlicht im Flur wirkte das Licht in der Wohnung geradezu beißend hell. Es fiel durch jede Menge Fenster, die vor allem einen Zweck hatten - jedem, der hier rausschaute, sollte die Luft wegbleiben. Ja, die Aussicht war großartig. Aber deshalb hatte mich Kingsley bestimmt nicht hierher gebeten. Ich folgte ihm in eine Art Salon voller antiker Möbel, wo er vor ei nem Tresor stehen blieb. Er war geöffnet und auch an ihm waren deutliche Beschädigungen zu erkennen. »Der Tresor wurde ausgeräumt«, murmelte ich und ließ offen, ob das eine Frage oder eine Feststellung war. »Sehr gut!« Kingsleys Stimme schnarrte plötzlich und ich ahnte, dass er sich über mich lustig machte. »Das hat sogar die Polizei fest gestellt. Aber das war dann leider auch schon alles.« Er war also unzufrieden mit meinen einstigen Kollegen, begriff ich. »Und was ist gestohlen worden?« Kingsley seufzte und ging zu einem massiven Schreibtisch vor ei nem der Fenster. Auf seiner spiegelblank polierten Fläche befand sich nichts als ein Telefon, ein Aschenbecher aus schwerem Kristall und ein goldenes Feuerzeug. Auch eine Schreibgarnitur war vorhanden. »Set zen Sie sich doch!«, forderte er mich auf, während auch er Platz nahm. Die Stühle sahen aus, als kämen sie direkt aus einem Museum, weshalb ich erwartete, sie seien unbequem. Ich täuschte mich. Gleich darauf wurde ich noch einmal angenehm überrascht. Denn Kingsley öffnete eine Tür des Schreibtischs und beförderte zwei Gläser und eine 17
Flasche Bourbon heraus. Es war nicht irgendeine Flasche. Maker's Mark - es war lange her, dass ich dieses exquisite Erzeugnis aus Ken tucky irgendwo gesehen hatte. Als ich mir, um den Genuss vollkommen zu machen, auch noch gleich eine Lucky ansteckte, hätte ich fast vergessen, weshalb ich hier war. Mit solch einem Bourbon in der Hand, ganz Chicago unter mir... Kingsleys Stahlaugen holten mich in die Wirklichkeit zurück. »Im Tresor befand sich der Familienschmuck. Ich habe Ihnen hier schon eine Aufstellung gemacht.« Aus einer Schublade beförderte er ein dicht beschriebenes Blatt Papier zutage. »Bei den Zahlen handelt es sich um Schätzpreise, der wahre Wert dürfte weitaus höher liegen.« Ich warf einen Blick auf die Summe, die ganz unten stand. Mir wurde schwindlig. »Es sind allesamt Erbstücke, manche wurden in Europa gefertigt«, fuhr Kingsley fort. »Ich bin natürlich sofort zur Polizei gegangen. Aber dort ermittelt man seit Wochen ohne jedes Ergebnis. Und nun drängt die Zeit.« Er seufzte und nahm einen winzigen Schluck aus seinem Glas. Da ich weniger zurückhaltend gewesen war, war meines schon leer. Ich stellte es auf den Schreibtisch und Kingsley füllte es gleich noch einmal. Maker's Mark ist meiner Ansicht nach der beste Bourbon überhaupt. Von einer sehr dezenten herben Süße, ohne die aufdringli chen Honigaromen der meisten anderen Sorten. »Meine Mutter kommt demnächst von einer Reise zurück«, sprach Kingsley weiter. »Wenn sie erfährt, dass der Familienschmuck gestoh len wurde - das überlebt sie nicht. Verstehen Sie meine Lage?« Das tat ich durchaus. Fragte sich nur, wie ich ihm meine Lage er klärte, zumindest, was das Honorar betraf. Aber Kingsley hatte eben wirklich sehr gute Umgangsformen. Er schob mir zwei Franklins zu. »Genügt das für zwei Tage?« Es war exakt achtmal so viel, wie ich ihm als Tagessatz genannt hatte. Aber Kingsley war höflich genug, sich daran nicht mehr zu erin nern. »Spesen werden Sie sicher extra berechnen«, vermutete er. »Wenn Sie den Schmuck rechtzeitig auftreiben und mir zurückbringen, 18
ist natürlich zusätzlich eine Belobung drin. Sagen wir zehn Prozent des geschätzten Werts?« Er wies auf die Liste. Die Summe hatte sechs Stellen. Und zwar vor dem Komma. Ich blinzelte kurz, um mir nichts anmerken zu lassen. Als ich die Augen wieder öffnete, hatte ich das Gefühl, das Haus würde schwanken. »Ich werde mal sehen, was ich machen kann«, versprach ich so lässig wie möglich. »Zu welcher Tageszeit ist denn hier eingebrochen worden?« »Das ist so ziemlich das Einzige, das feststeht.« Kingsley seufzte. »Ich habe die Wohnung um zehn Uhr verlassen, da war alles noch da. Als ich dann kurz nach zwölf wiederkam, stand die Wohnungstür offen. Und der Tresor war leer. Am helllichten Tag also.« Mir fiel der Zerberus unten ein. Der ließ doch keinen Fremden ins Haus! Kingsley schien zu erraten, was mir durch den Kopf ging. »Wallace kennt nicht alle Hausangestellten oder Handwerker. Nicht alle Mieter nehmen es mit diesen Dingen so genau. Und wenn es einer wirklich darauf anlegt, irgendwo rein zu kommen...« Er seufzte. »Wer wusste denn, dass sich der Schmuck im Tresor befand?«, fragte ich weiter. »Niemand außer mir natürlich«, erwiderte Kingsley leicht aufbrau send. Aber er hatte sich rasch wieder unter Kontrolle. »Wer immer hier eingebrochen ist, hat es auf gut Glück getan. Und dann gleich einen Volltreffer gelandet.« So groß, schien es mir, war das Glück nun auch wieder nicht. Konnte man nicht in jedem Apartment hier einiges von nicht unbe trächtlichem Wert vermuten? »Sie trinken doch noch einen Schluck?« Kingsley war ein aufmerk samer Mann. Ich nickte. »Sie sollten dem Portier Bescheid sagen, dass ich für Sie arbeite. Damit er nicht einen Aufstand macht, wenn ich ins Haus will. Und das muss ich. Um die Nachbarn zu befragen.« »Wenn Sie sich davon etwas versprechen?« Kingsley lächelte et was geringschätzig. »Das hat die Polizei schon versucht. Und nichts er fahren.« 19
»Nun, vielleicht kommt es ja darauf an, welche Fragen man stellt«, versetzte ich kühl. Wenn ich was nicht leiden kann, dann sind das Ratschläge, wie ich meinem Beruf nachzukommen habe. Kingsley erkannte seinen Fehler. »Schon gut. Dann sind wir uns also einig?« Plötzlich hatte er es ziemlich eilig. Er ließ mir kaum Zeit, mein Glas zu leeren und nach den Dollarnoten zu greifen. »Ich gehe mit Ihnen runter«, kündigte er an. »Was für Leute sind denn Ihre Nachbarn?«, erkundigte ich mich auf dem Weg zum Fahrstuhl. Kingsley zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe sie noch nie gesehen. Und ich lege auch keinen Wert darauf.« Derselbe Boy wie vorhin öffnete die Fahrstuhltür. »Haben Sie ei nen Kollegen?«, fragte ich ihn. Er antworte erst, als Kingsley zustimmend nickte. »Ja. Aber George ist immer nachts hier. Ich am Tag.« Mit ihm, notierte ich mir in Gedanken, würde ich also auch reden müssen. Aber natürlich nicht, solange Kingsley dabei war. Dieser ver wickelte den Boy jetzt in ein Gespräch über Baseball. Sport und Wetter - ob es zwischen zwei so verschiedenen Leuten wohl noch andere The men gab, mit denen sich die Liftfahrt herumbringen ließ? * Ich traf später als angekündigt, aber sehr aufgekratzt in Henry's Steak Diner ein. Brendon begrüßte mich so lautstark, wie es nun mal seine Art war. Er hatte schon ein erstes Glas geleert und für mich auch schon eines bestellt. Als ich danach griff, dachte ich mit einer gewissen Ehrfurcht an die Flasche in Kingsleys Schreibtisch. Ob ich so etwas je wieder zu trinken bekommen würde? »Schmeckt dir das etwa nicht?« Brendon war ein Fuchs, dem so leicht nichts entging. »Doch, natürlich«, behauptete ich. Es war ja auch in jedem Fall besser als nichts. 20
Dann orderten wir unsere Steaks und ich erinnerte Brendon an den kleinen Auftrag, den ich ihm erteilt hatte. »Was diesen Fromsett betrifft, kann ich dir leider nicht weiterhel fen.« Er steckte sich eine neue Zigarre zwischen die fleischigen Lippen. »Zu dem war auch in unserem Archiv nichts zu finden.« »Schade«, erwiderte ich und sah ein, dass ich da Dunky wohl noch etwas auf die Pelle rücken müsste. »Und Kingsley, alter Junge, sagt dir das wirklich nichts?« Brendon sah mich listig an und paffte gleichmäßig große Wolken vor sich hin. »Hätte ich dich sonst gefragt?« Auch wenn es mir manchmal auf die Nerven ging, wie Brendon sich wichtig machte, es gehörte eben zum Spiel. »Holz!«, rief Brendon triumphierend. »Der Urgroßvater hat es noch selber gefällt. Der Nächste hatte dann schon eine Fabrik. Und inzwischen ist das ein Konzern - Möbel. Die Kingsleys zählen zu den Ersten, die in diesem Sektor die Massenproduktion eingeführt haben. Schätzungsweise in jedem zweiten amerikanischen Wohnzimmer steht etwas von Kingsley.« »In meinem nicht«, bemerkte ich zu meiner Entschuldigung. »Et wa in deinem?« Brendon grinste. »Ich hab so wenig wie du etwas, das ich als Wohnzimmer bezeichnen würde. Aber das macht den Kingsleys inzwi schen auch nichts mehr aus. Keiner aus der Sippe hat es noch nötig, wirklich zu arbeiten. Wobei Sippe etwas übertrieben ist. Die Familie besteht nur noch aus zwei Personen: Mutter und Sohn. Er dürfte schon auf die vierzig zugehen. Aber geheiratet hat er noch nicht.« Brendon kicherte in sich hinein. »Die Alte soll ein richtiger Drachen sein. Viel leicht hat sie ihm ja die Lust aufs andere Geschlecht verdorben.« »Willst du damit andeuten, dass Kingsley junior vom anderen Ufer ist?«, hakte ich nach. »Das nun auch wieder nicht. Er hält sich immer wieder mal eine Freundin. Vielleicht ist er ja auch nur zu klug, um zu heiraten, was?« Brendon lachte wieder dröhnend und sah mich viel sagend an. »Das hätte er dann mit dir und mir gemein.« 21
Mehr aber auch nicht, ergänzte ich im Stillen. Als das Essen ge
bracht wurde, bestellte ich noch mal zwei Gläser und kündigte Bren don an, dass ich heute bezahlen würde. Es kam ja nicht jeden Tag vor, dass ich so gut bei Kasse war. Aber das wollte Brendon nicht zulassen. »So weit kommt es noch!«, wehrte er ab. »Was würde denn dein Vater sagen?« Einen Moment lang schwiegen wir und dachten daran, dass er gar nichts mehr sagen konnte, seit er gemeinsam mit meiner Mutter in dem Grab auf dem Saint Andrew's Cemetery draußen lag. Dann be fassten wir uns mit den Steaks auf unseren Tellern. Sie waren genauso blutig, wie wir sie beide am liebsten mochten. »Und jetzt würde ich natürlich gern wissen, was du mit den Kings leys zu tun hast.« Mit dieser Frage Brendons hätte ich rechnen müs sen. »Und wie dieser Fromsett ins Spiel kommt.« Ich winkte ab. »Reiner Zufall. Tagelang ist gar nichts passiert und dann zwei Aufträge nacheinander.« »Deshalb also deine gute Laune.« Brendon grinste verschmitzt. »Und Vorschuss hast du wohl auch schon gekriegt, was?« Wollte er nun doch eingeladen werden? Ich sah mich nach der Kellnerin um. * Zurück im Büro, ließ ich mich erst einmal mit Captain Morgan C. Holly field verbinden. Mit Einbruch und Raub hatte der Leiter der Mordkom mission zwar nichts zu tun. Aber er war mir noch eine Gefälligkeit schuldig und konnte ja vielleicht den zuständigen Kollegen dazu brin gen, mir ein paar Auskünfte zu erteilen. »Beim Raub hängen nur Idioten rum«, versuchte er mich abzu wimmeln. »Sie vertrödeln Ihre Zeit, Connor. Um welche Sache geht es denn?« Wenn er nichts rausrückte, wollte ich ihm auch nichts auf die Nase binden. »Das würde ich gern mit dem Zuständigen bereden.« »Mann, Sie sind heute aber zugeknöpft!« Wenn Hollyfield lachte wie jetzt, ahnte man auch am Telefon, dass es mindestens 110 Kilo 22
waren, die da in Bewegung versetzt wurden. »Gut, ich will mal nicht so ein. Aber vergessen Sie nicht meine Warnung: Das sind alles Idioten beim Raub!« Ich notierte mir den Namen Fielding. Verbinden konnte mich Hol lyfield nicht, weshalb ich auflegte und noch einmal die Vermittlung um Hilfe bat. Es dauerte eine Weile, bis sich jemand mit bellender Stimme meldete. Ich verstand kaum, dass das Gejaule Fielding bedeuten soll te. Als ich ihm meinen Namen nannte und auch gleich sagte, dass ich ein Privatdetektiv sei, lachte er dreckig. »Aber Mister Connor, meinen Sie, das wäre mir nicht bekannt? Ich war damals schon dabei, als Sie...« »Schon gut«, fiel ich ihm ins Wort. Ich hatte keine Lust, mir seine Version der Umstände anzuhören, die damals dazu führten, dass mei ne Karriere bei der Polizei beendet wurde. »Sie erinnern sich doch si cher an den Einbruch bei Kingsley.« »Ach du meine Güte, ja!« Er klang wirklich wie ein jaulender Hund. »Eine sehr rätselhafte Sache, dieser Einbruch. Aber wir haben nicht das Geringste herausfinden können. Aber es trifft ja wenigstens keinen Armen, nicht?« Er glaubte wohl zu lachen, während das unan genehm hohe Geräusch in meinen Ohren wie das Fiepen eines Hundes klang. »Haben Sie die Nachbarn befragt?«, wollte ich wissen. »Nun ja, soweit sie dazu bereit waren. Bedenken Sie, die Bewoh ner dieses Hauses...« Er hat also keinen befragt, folgerte ich, während er drauf los schwadronierte über den Zusammenhang von Einkommen und An stand. Anscheinend war er selbst jetzt noch beeindruckt von dem Reichtum, der in den Apartments des Buckingham Building zu Hause war. Noch etwas ging mir durch den Kopf. War nicht davon auszuge hen, dass der verschwundene Schmuck versichert war? Ich hatte ver gessen, Kingsley danach zu fragen. Also holte ich es jetzt nach. Fielding ließ wieder sein Fiepen hören. »Ja, natürlich gibt es da ei ne Versicherung.« Ich ließ mir den Namen der Gesellschaft nennen und notierte ihn. 23
»Aber es ist nicht, was Sie jetzt vielleicht denken«, fuhr Fielding fort. »Kingsley hat es absolut nicht nötig, eine Versicherung zu betrü gen. Die sind ja auch bereit zu bezahlen, nach der üblichen Frist. Aber Kingsley will das Geld gar nicht. Es geht ihm wirklich um den Schmuck. Beziehungsweise um seine Mutter. Vor der scheint er richtig Angst zu haben.« Fielding begann, mir seine Küchenpsychologie vom Seelenleben reicher, nicht mehr ganz junger Männer vorzutragen. Weil mich das nicht interessierte und anderes von Fielding auch nicht mehr zu erwar ten war, beendete ich das Gespräch rasch. Nur der Form halber telefonierte ich dann auch noch mit der Ver sicherung. Der Mann war zunächst eher zugeknöpft, bestätigte dann aber alles, was Fielding gesagt hatte. Es schien ihn zu freuen, dass Kingsley einen Privatdetektiv auf die Sache angesetzt hatte. »Mal se hen, wer erfolgreicher ist, Sie oder wir!«, nahm er es von der sportli chen Seite. »Wobei wir ja dieselben Interessen haben, nicht wahr? Es geht um den Schmuck, nicht um Geld. Wenn Sie da also etwas heraus finden sollten, was auch für uns von Interesse sein könnte, wäre es nett, wenn Sie uns das wissen lassen.« Genau das würde ich nicht tun, das stand für mich jetzt schon fest. Und dieselben Interessen hatten wir auch nicht. Das anteilige Honorar, das Kingsley mir in Aussicht gestellt hatte, bedeutete für mich garantiert mehr als die Einsparung der Police für die Versiche rung. Doch all das ging den Mann von der Versicherung nichts an. Lei der hatte er keine weiteren Informationen, oder er rückte sie mir ge genüber einfach nicht heraus. Ich vermutete Letzteres. Denn wenn jemand so betont von gemeinsamen Interessen faselt, hat der nach meinen Erfahrungen meist nur seinen eigenen Vorteil im Sinn. So nahm auch dieses Gespräch ein rasches und nicht gerade er folgreiches Ende. Ich merkte, dass die Luft schon wieder zäh wie hei ßer Gummi war. Alles in allem regte das nicht zu kreativem Denken an. So beschloss ich, es für heute einfach sein zu lassen. Erzwingen lässt sich bekanntlich nichts. Bevor ich das Büro verließ, warf ich noch einen Blick in Joes Schrank. Der Koffer stand noch immer da. Die zwei Tage, 24
von denen Fromsett geredet hatten, waren fast vorbei. Ob der Schön ling also morgen wieder auftauchte und das Ding an sich nahm? * Den frühen Arbeitsschluss machte ich am nächsten Tag wett, indem ich schon kurz nach acht Uhr morgens im Buckingham Building eintraf. Ich kannte zwar die Lebensgewohnheiten reicher Leute nicht so ge nau, aber vielleicht standen manche ja doch früh auf. Von Wallace, dem Portier, erhoffte ich mir da ein paar Aufschlüsse. Er erinnerte sich immerhin an mich und Kingsley schien ihm auch entsprechende Anweisungen gegeben zu haben. Aber besonders freundlich war der Türsteher trotzdem nicht. »Ich werde dafür bezahlt, dass ich wachsam bin und diskret«, be lehrte er mich und betonte das letzte Wort. »Das mit dem Wachsamsein hat ja nicht so gut geklappt«, bohrte ich ein bisschen in seiner Wunde. »Sonst würde der Schmuck jetzt noch immer in Mister Kingsleys Tresor liegen, nicht wahr?« Prompt schrumpfte der Riese auch etwas zusammen. »Ich kenne die Lebensgewohnheiten der Mieter gar nicht so genau«, wand er sich dennoch. Sechsundzwanzig Stockwerke, auf jedem drei Wohnungen, das er gab insgesamt die Zahl von achtundsiebzig Mietern. Mir war absolut nicht danach, an ebenso vielen Türen anzuklopfen und jedes Mal be stimmt nicht unbedingt freundlich empfangen zu werden. So verfiel ich auf eine andere Idee. »Wenn ich mich da drüben hinsetze, das ist doch sicher okay?« Ich wies auf eine Sitzgruppe genau gegenüber von der Loge des Portiers. »Meinetwegen«, brummte er und bestimmt nahm er sich vor, mich keine Sekunde lang aus den Augen zu lassen. Dabei hatte ich mit ihm ungefähr dasselbe vor. Ich wollte mir ein fach einen Eindruck verschaffen, ob es wirklich unmöglich war, unbe merkt an Wallace vorbei ins Haus zu kommen. Und zum anderen hatte ich von dem Sessel aus die ganze Eingangshalle im Blick, auch die 25
Fahrstuhltür. Es würde mir also nicht entgehen, wenn einer der Mieter kam oder ging. Eine ausgesprochen energie- und schweißsparende Idee an einem so heißen Tag, so schien es mir. Der Sessel war mehr als bequem und als ich mir eine Lucky anzündete, dachte ich unwillkürlich an die Fla sche Whiskey oben in Kingsleys Wohnung. Davon jetzt einen guten Schluck in einem Glas und mein Arbeitsplatz wäre perfekt. Bald stellte ich fest, dass Wallace ziemlich viel zu tun hatte. Es war offenbar die Stunde der Dienstboten, manchmal erschienen gleich drei auf einmal. Auch Lieferanten von Delikatessengeschäften begehrten Einlass. Wallace überprüfte jedes Mal in einer Kladde, ob der Betref fende dort verzeichnet war, dann erst ließ er die Leute passieren. Also war es gar nicht so schwer, ihn da ein bisschen abzulenken. Zumal er, wenn es sich um Frauen handelte, sogar einen gewissen Charme ent wickelte und manchmal länger mit ihnen quatschte, als nötig war. Nachdem ich mir das eine Stunde lang angeschaut hatte, stand für mich fest, dass Wallace eher für die Illusion von Sicherheit sorgte. Denn natürlich konnte auch er seine Augen nicht überall haben. Wenn es einer wirklich darauf anlegte, kam der leicht an ihm vorbei und zum Fahrstuhl. Während dieser ganzen Zeit hatte sich kein einziger der betuchten Mieter des Hauses blicken lassen. Der Liftboy fiel mir ein und da es sowieso an der Zeit war, mir mal die Beine zu vertreten, beschloss ich, ihn auch gleich zu befragen. Er reagierte erschrocken, als ich ihn ansprach. »Kennen Sie alle Leute, die mit Ihnen im Lift fahren?« Er schüttelte den Kopf. »Das sind viel zu viele. Außerdem ist es der Job von Wallace, die zu überprüfen.« Seine Antwort leuchtete mir ein. »Und an dem Tag, an dem bei Mister Kingsley eingebrochen wurde - war da irgendetwas Besonde res?« Er senkte die Augen. »Selbst wenn, ich weiß es nicht. Da hab ich nicht gearbeitet.« Also noch eine Niete. 26
»Kann ich jetzt wieder? Oben ruft jemand nach mir.« Er wies auf ein blinkendes Licht über dem Knopf mit der Nummer zwanzig. Ich nickte und schlenderte zu Wallace hinüber. Der hatte im Mo ment nichts zu tun. Und anscheinend hatte er sich bereits etwas an mich gewöhnt, so erklärte ich mir jedenfalls seine Gesprächigkeit. »Die meisten Apartments sind zurzeit gar nicht bewohnt«, ließ er mich wissen. »Wenn es so heiß ist in der Stadt, halten sich die Leute lieber auf dem Land auf.« »Und all die Dienstboten?«, wandte ich ein. »Die kommen trotzdem, es muss ja alles sauber gehalten wer den.« Wallace nahm Haltung an. Der Grund war ein schon älterer, ausgesprochen elegant gekleideter Herr. »Ist Post für mich gekommen, Wallace?«, sprach er den Portier an. Da hatte ich also endlich einmal tatsächlich einen Bewohner des Hauses vor mir! »Einen Moment, Sir.« Wallace verschwand in seiner Kabine und kam mit einem dicken Stapel Briefe zurück. Der elegante Herr steckte Wallace einen Schein zu, dann machte er sich auf den Weg zum Fahrstuhl. Ich wollte ihm folgen. Doch Walla ce gab mir ein Zeichen. »Mister Greenwood war wochenlang nicht hier«, flüsterte er mir zu. »Er kommt eben erst von einer Reise zurück.« »Ganz ohne Gepäck?«, brachte ich meine Zweifel zum Ausdruck. »Natürlich nicht ohne Gepäck«, belehrte Wallace mich ziemlich von oben herab. Da betrat auch schon ein Kofferträger die Halle. Auf einer kleinen Karre schob er mindestens drei Gepäckstücke vor sich her. In diesem Moment traf der Fahrstuhl wieder unten ein. Der ele gante ältere Herr stand wartend davor. Aber nicht er zog meine Auf merksamkeit auf sich, sondern das Wesen, das nun die Kabine verließ. Eine Hausbewohnerin, das schloss ich nicht nur aus dem kurzen, freundlichen Nicken, das sie und der ältere Herr austauschten. Sie war auch genauso sorgfältig gekleidet, wie man es in solchen Apartments bestimmt sein muss. Das blassgelbe Kostüm war auf Figur gearbeitet und diese Figur war so beschaffen, dass ich sofort einen trockenen 27
Mund bekam. Die Kanten des zusammengefalteten Tuchs in der Brust tasche sahen scharf genug aus, um damit Brot zu schneiden. Ihr einzi ger Schmuck war ein Kettenarmband. Das dunkle Haar war in der Mit te gescheitelt und fiel in sorgsam gepflegten Wellen bis auf ihre Schul tern. Sie hatte glatte, elfenbeinfarbene Haut und große dunkle Augen. Im Moment blickten sie ziemlich kühl drein, aber ich konnte mir vor stellen, dass sie zur rechten Stunde und am rechten Ort ziemlich warm werden konnten. Was dieser Frau aber ihren ganz besonderen Reiz verlieh, war die Tatsache, dass sie nicht mehr ganz jung war. Mitte dreißig vielleicht, so schätzte ich sie. Mit Mitte zwanzig sah so ziemlich jede Frau gut aus, da gehörte nicht viel dazu. Erst in diesem Alter, in dem sich schon erste Fältchen um die Augen ankündigten, bewies sich wahre Schön heit. Eine Schönheit schon ganz kurz vorm Verblühen und dies gepaart mit dem Wissen einer erfahrenen Frau - die Wirkung war ziemlich ü berwältigend. Sehenswert war es auch, wie sie ging. Eine kleine Spur lasziv vielleicht, so als zögere sie bei jedem Schritt auf ihren hochha ckigen Schuhen. Aber dabei hielt sie sich doch sehr gerade. Und die Art, wie sie den Kopf dabei ganz leicht zur Seite neigte, verlieh ihr et was hinreißend Mädchenhaftes. »Das ist Miss Adrienne Almore«, raunte mir Wallace zu. Auch er war gegen die Ausstrahlung dieser Frau nicht immun, sein Lächeln reichte von einem Ohr zum anderen. »Sie reden von mir?«, kam sie auf uns zu. Ich beschloss, nicht darauf zu warten, dass Wallace mich vorstell te, sondern tat es selbst. Nachdem ich meinen Namen und meinen Beruf genannt hatte, lachte sie leise. »Oh, dann arbeiten Sie wohl für Mister Kingsley?«, vermutete sie und sah mich unverwandt an. Klug war sie also auch noch. Oder zumindest gut informiert. O der... Ich konnte in diesem Moment nicht sonderlich klar denken. »Wenn Sie vielleicht einen Moment Zeit für mich hätten?« Ich wies auf die Sitzgruppe. 28
Sie schien davon nicht sehr angetan zu sein. »Ich wollte eigentlich eben ein bisschen raus. Noch sind die Temperaturen erträglich. Viel leicht begleiten Sie mich in den Grant Park hinüber?« Eine Frau wie sie hätte ich vermutlich überallhin begleitet. Bevor wir das Haus verließen, sah ich noch aus dem Augenwinkel, dass Wal lace uns grinsend nachschaute. Oder war er einfach nur neidisch? Draußen hielten wir uns links und bogen schon nach wenigen Schritten von der Michigan Avenue wiederum nach links in den Jack son Drive ein. Er führte direkt zum North Lake Shore Drive und zwar zu der Stelle, an der sich der Yachthafen befand. Aber so weit waren wir noch nicht. Miss Almore ging sehr lang sam. Vom Michigan See wehte eine leise Brise herauf, wodurch ihr Haar in eine sachte Bewegung geriet und ihr Parfüm den Weg in mei ne Nase fand. Der Duft war geeignet, meine Denkfähigkeit gleich noch etwas mehr einzuschränken. »Sie wissen also von dem Einbruch bei Mister Kingsley«, flüchtete ich mich in ein möglichst sachliches Gespräch. »Wie sollte ich das nicht wissen?« Ihre Mundwinkel zuckten leicht. »Gelegentlich erinnert er sich ja noch an mich. Und wo er nun in Panik ist, weil seine Mutter demnächst zurückkommt und der Schmuck ver schwunden...« Sie beendete den Satz nicht, sondern lachte leise und auf eine Art, aus der nicht eben großes Mitgefühl sprach. »Sie kennen Mister Kingsley demnach etwas besser?«, umschrieb ich meine Vermutung diskret. »Besser, als mir lieb ist«, versetzte sie in verblüffender Offenheit. »Was meinen Sie, wieso ich im Buckingham Building wohne? Ich bin seine Ex.« Ich schluckte. »Sie waren mit ihm verheiratet?« »Aber nein, so weit ist es nicht gekommen. Vergessen Sie nicht die Frau Mama!« Wieder lachte sie. »Der war ich natürlich nicht stan desgemäß genug. Und Derace war nicht Manns genug, sich gegen sie durchzusetzen. Ein Muttersöhnchen, wie es im Buche steht.« Die Ver achtung, mit der sie die Lippen verzog, stand ihr ausgezeichnet. »So bald ich es begriff, habe ich vorgesorgt. Jeder muss schließlich sehen, wo er bleibt.« Auch das kehlige Lachen, das sie jetzt ausstieß, gefiel 29
mir. »Derace faselte da noch von Heirat. Ich wusste aber schon, dass es dazu nie kommen würde. Und ehrlich gesagt, nachdem ich ihn so gut kannte, lag mir auch gar nicht mehr so viel daran. An einem A partment im Buckingham Building dagegen schon. Und für ihn ist das ja nur ein Klacks.« Ihre Offenheit kündete von einer höchst realistischen Weltsicht. Auch das gefiel mir gut. »Aber Sie haben noch Kontakt mit ihm?« »Nach Möglichkeit versuche ich das zu verhindern.« Sie warf mir einen flüchtigen, dabei sehr unergründlichen Blick zu. »Es ist schreck lich langweilig, wenn ein Mann sich stundenlang über seine Mutter beschwert. Und dann doch von ihrem Rockzipfel nicht loskommt. Aber zum Glück hält er sich ja eher selten in der Stadt auf.« Mir fiel die Bemerkung von Wallace ein. »Er lebt auf dem Land?« »Nein, dafür ist er nicht der Typ.« Wieder dieses kehlige Lachen. »Aber die Familie besitzt eine Villa. Weiter nördlich am Lake Shore Drive.« So langsam wir auch die Straße entlang schlenderten, ereichten wir nun doch die Uferpromenade. Da blieb die schöne Adrienne ste hen. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen? Ich bin drüben im YachtClub verabredet. Zum Familienschmuck kann ich Ihnen leider nichts weiter sagen.« Sie reichte mir nicht die Hand, aber dafür fiel der Glanz ihrer Au gen eindeutig schon wärmer aus als zu Beginn. »Kann ich vielleicht trotzdem noch mal mit Ihnen sprechen?«, rief ich ihr gerade noch rechtzeitig nach. Sie überquerte schon die Straße und wandte den Kopf nach mir um. »Sie wissen ja, wo ich wohne!« Als sie weiterging, hob sie noch kurz die Hand zu einem koketten Winken. Oder machte sie sich lustig über mich? Aber war ihr letzter Satz nicht fast schon eine Aufforderung gewe sen? Ich starrte ihr nach und dass mir jetzt so heiß wurde, lag nicht an der Außentemperatur. Obwohl die nun, wo es gegen Mittag ging, auch immer höher kletterte. * 30
Als ich dann im Büro eintraf, machte sich meine Halbtagskraft Betty schon wieder einmal zum Gehen fertig. »Ist Fromsett hier gewesen?«, wollte ich als Erstes von ihr wissen. Entweder holte der seinen Koffer nun wieder ab, oder er zahlte noch einmal dafür, dass er mein Büro zur Gepäckaufbewahrung missbrauch te. »Nö, der nicht.« Betty strich ihren engen Rock glatt. Die paar Stunden, die sie bei mir abgesessen hatte und dazu die Hitze hatten ihm nicht unbedingt gut getan. »Aber so 'ne Frau war hier und hat nach dem Koffer gefragt.« »Eine Frau?« »Hab ich doch gesagt«, wurde Betty pampig. »Typ blonder Engel, wenn Sie wissen, was ich meine.« Sie grinste geringschätzig. Ich folgerte daraus, dass sie hübscher gewesen war als Betty. Und ihre Haare von Natur aus blond und nicht dank der Hilfe von Wasser stoff, wie bei meiner Sekretärin. »Und, hatte die auch einen Namen?«, drängte ich sie. »Den hat sie bestimmt.« Betty grinste mich treuherzig an. »Aber mir hat sie ihn nicht verraten.« »Und was wollte sie nun?« »Na, den Koffer!« Betty tat so, als sei ich begriffsstutzig. »Und?« Ich setzte mich endlich und lockerte meine Krawatte. »Nichts und. Natürlich hab ich ihr den Koffer nicht gegeben. Da könnte ja jeder kommen, oder?« Betty wartete unübersehbar auf ein Lob. Ich tat so, als merkte ich das nicht und nickte nur. »Und sonst?« Sie sah mich erwartungsvoll an. »Sonst nichts«, erwiderte ich. »Haben Sie jetzt nicht Feierabend?« Bettys Blick sollte mich wohl treffen wie ein vergifteter Pfeil. Ich reagierte nur insofern darauf, dass ich meinen Blick von ihr abwandte. Gleich darauf machte sie die Tür denn auch von draußen zu, unnötig laut. Erst einen Schluck, sagte ich mir. Das Zeug war so warm wie ges tern. Aber ganz ohne Denkhilfe kam ich jetzt einfach nicht aus. Mir war 31
klar, dass ich während des Gesprächs mit Adrienne Almore nicht auf der Höhe meiner geistigen Fähigkeiten gewesen war. Eine dumpfe Ahnung sagte mir immerhin, dass sie eine Bemerkung gemacht hatte, die mir nützlich sein konnte. Ich erinnerte mich gut an den kurzen Moment, in dem etwas in meinem Kopf aufgeblitzt war. Aber gleich darauf hatte ein Lächeln von ihr diesen Blitz gelöscht. Ich setzte auf eine Erleuchtung beim zweiten Glas. Dass ausge rechnet jetzt das Telefon klingelte, passte mir gar nicht. Ich war doch kurz davor, mich an einen wichtigen Hinweis zu erinnern, den mir Ad rienne Almore ohne jede Absicht gegeben hatte! Es war dann auch noch ausgerechnet Hollyfield, der sich meldete. Wenn der Leiter der Mordkommission derart freundlich war, konnte das nur eines bedeuten. »Ich hoffe doch, das Gespräch mit meinem Kollegen Fielding hat Ihnen weitergeholfen?«, bestätigte er mich auch schon. Denn natürlich spielte er damit darauf an, dass diesmal ich ihm etwas schuldig sei. »Ich brauche Ihre Hilfe, Pat«, wurde er auch schon konkret. Meinen Vornamen benutzte er auch nur bei solchen Gelegenheiten. »Passt gerade gar nicht gut«, blieb ich erst einmal in Reserve. »War aber ziemlich wichtig.« Er legte eine sehr lange Pause ein. Also musste ich wohl den nächsten Satz liefern in diesem Spiel. »Worum geht es denn?« Hollyfield atmete auf. »Na also! Der Mann ist tot, übel zugerichtet. Und in dem Zustand befindet er sich schon seit gestern. Was das heißt, bei der Hitze, muss ich Ihnen nicht weiter ausmalen. Wir haben ihn heute Vormittag gefunden.« Ich schwieg. Hollyfield sollte selber ausspucken, was er von mir wollte. »Da ist also erstens die Hitze und zweitens die Art, wie man ihn ins Jenseits befördert hat.« Hollyfield stieß hörbar die Luft aus. »Es ist nicht leicht, den Typen zu identifizieren. Bei uns ist er noch nicht ak tenfällig geworden.« »Aber ist das nicht eine Aufgabe für Ihre tüchtigen Mitarbeiter, zum Beispiel für einen wie Lieutenant Quirrer?« Ich feixte vor mich 32
hin. Denn Quirrer war alles andere als eine Leuchte und das wusste auch sein Chef. »Ach, lassen wir das doch«, erwiderte Hollyfield denn auch ge quält. »Das Problem ist sowieso etwas anders gelagert. Aber das kann ich Ihnen am Telefon beim besten Willen nicht sagen. Wie wäre es, wenn wir uns in der Taverna Roma treffen?« Dass ich noch nicht gegessen hatte, sprach dafür, den Vorschlag anzunehmen. Hollyfield bevorzugte dieses italienische Restaurant in der South Peoria, was ich allerdings nicht nachvollziehen konnte. Aber vielleicht hatte das ja weniger mit der Qualität des Essens zu tun als damit, dass Hollyfield auf der Gehaltsliste vom ›Cardinale‹ stand, dem Chef des italienischen Syndikats. »Connor, nun lassen Sie mich doch nicht so zappeln!«, drängte er. »Haben Sie vergessen, dass...« »Ist ja schon gut«, fiel ich ihm seufzend ins Wort. »Ich werde da sein, in einer knappen halben Stunde.« »Na also!« Hollyfield lachte befreit auf und beendete das Ge spräch. Sein Lachen sollte ich wohl als Dankeschön nehmen. Ich legte den Hörer auf und meine Beine auf dem Schreibtisch ab. Und als ich dann nach einer Lucky fingerte, geschah es. Der Blitz flackerte wieder in meinem Kopf auf. Hatte Miss Almore da nicht von einer Villa gespro chen? Nicht einmal so weit entfernt vom Buckingham Building? Ich pfiff durch die Zähne. Denn wieso deponierte einer den Fami lienschmuck im Tresor eines Apartments, wenn es da einen Familien sitz gab, garantiert bestens bewacht und gesichert durch Zäune? Ich machte mir eine Notiz, dass ich mir die Adresse dieser Villa besorgen musste. Vielleicht sogar von Adrienne Almore?, schoss es mir durch den Kopf. Es wäre immerhin ein ganz handfester Grund, um sie noch ein mal aufzusuchen. Und hatte sie mich dazu nicht regelrecht aufgefor dert? Plötzlich war ich richtig guter Dinge. Ich schloss das Büro sorgfäl tig ab, eingedenk des Koffers im Schrank. Als ich dann auf die South Franklin trat, schlug mir die Hitze entgegen wie ein feuchter Sandsack. 33
Aber nicht einmal das störte mich im Moment. In meinem Plymouth, den ich auf dem Hof abgestellt hatte, herrschten Temperaturen wie in der Vorhölle. Ich kurbelte alle Fenster herunter und während der gan zen Fahrt in die South Peoria konnte ich nicht aufhören zu grinsen. * Hollyfield verspeiste gerade einen riesigen Teller mit Spagetti und ei ner unappetitlich aussehenden Sauce, als ich in der Taverna eintraf. Als Abkömmling der Iren, der anderen großen Volksgruppe, die In Chi cago heimisch geworden war, würde ich wohl nie verstehen, wie ei nem diese pappigen Nudelgerichte schmecken konnten. »Connor, setzen Sie sich!«, rief Hollyfield mit weit ausholender Geste. »Sie haben doch bestimmt auch noch nicht gegessen?« Ein Kellner kam mit einer Karte, aber die interessierte mich nicht. Ich bestellte dasselbe wie immer, wenn ich hier war: die Art von gro ßem belegtem Brot nämlich, die die Makkaronis als Pizza bezeichnen. Dass es hier, zumindest in Anwesenheit Hollyfields, nichts Vernünftiges zu trinken gab, wirkte sich sowieso mäßigend auf meinen Appetit aus. »Erzählen Sie mir doch schon mal, worum es eigentlich geht.« Mit einer seltsam kindlich anmutenden Geste wischte sich Holly field mit der riesigen Serviette, die er sich um den Hals gebunden hat te, den Mund ab. »Um ehrlich zu sein, genau das weiß ich nicht so recht. Da ist 'ne Leiche, gut. Normalerweise ermitteln wir in so einem Fall. Aber da ist nun diese Anweisung von ganz oben.« Deutlicher wurde er nicht, aber das war auch nicht nötig. Er mein te den Polizeichef. Für Hollyfield rangierte der noch höher als der liebe Gott. Vielleicht ja deshalb, weil der derzeitige Polizeichef sich gewiss in vielem von Hollyfield unterschied, aber doch eine Gemeinsamkeit hatte - nämlich gewisse Beziehungen zum italienischen Syndikat. So etwas konnte man Gott meines Wissens nicht nachsagen. »Niedrig hängen sollen wir die Sache, so heißt es.« Er stöhnte und schob seinen geleerten Teller beiseite. 34
»Warum lassen Sie die Sache dann nicht auf sich beruhen?«, frag te ich. »Eine Leiche mehr oder weniger, seit wann kommt es darauf an in dieser Stadt?« Hollyfield reagierte überraschend heftig. »Verdammt noch mal, ein paar Prinzipien habe schließlich auch ich! Außerdem würde ich wenigs tens gern wissen, wer der Tote ist. Wie gesagt, er scheint bislang kein Kunde von uns gewesen zu sein. Wo kommen wir denn hin, wenn jetzt auch noch ganz Unbeteiligte...« Er verstummte, weil der Kellner den Brotfladen für mich brachte. In meine Tasse füllte er schon wieder nur Kaffee. Wieder einmal wun derte ich mich über Hollyfield. Einen Rest von Ehrgefühl leistete er sich also doch noch. Für den Leiter der Mordkommission, der obendrein auch noch eine Familie hatte, grenzte das in diesen Zeiten schon so ziemlich an Luxus. Und genau das nahm mich irgendwie immer wieder auch für ihn ein. »Wo wurde der Tote denn gefunden?« Mit der Frage signalisierte ich, dass ich bereit war, Hollyfield aus seiner Verlegenheit zu helfen. Er dankte es mir mit einem Grinsen, gefolgt von einem ächzenden Stöhnen. Schweißperlen rannen über sein fleischiges Gesicht mit den etwas traurigen Hamsterbacken. »Unten auf der South-Side. Wa shington Park.« Ich kannte die Gegend. Dort befanden sich all die Lokale, in denen seit kurzem die Musiker gefeiert wurden, die Jazz spielten. »Und wie?«, hakte ich nach. Hollyfield verzog das Gesicht. »Der Schuss ins Herz hätte eigent lich reichen müssen. Ein zweiter hat ihm die obere Hälfte des Gesichts weggepustet. Also 'n ziemliches Kaliber. Am besten, Sie schauen sich das mal selber an.« »Er liegt jetzt im Gerichtsmedizinischen Institut?«, fragte ich nach. »An jedem anderen Ort dieser Stadt wäre er bei dem Wetter schon...« Er beendete den Satz nicht, verzog aber angewidert das Ge sicht. Ich nickte und starrte nachdenklich an Hollyfield vorbei. »Und was wollen Sie eigentlich wissen?« 35
»Nun, nur das Übliche.« Er bemühte sich um sein treuherzigstes Lächeln. »Wer ist der Mann und warum musste er daran glauben? Es sind ja doch immer dieselben Fragen, nicht wahr?« »Und was könnte der Grund sein, dass man an höherer Stelle nicht an einer Aufklärung interessiert ist?« Ich sagte mir, dass etwas Misstrauen hier durchaus am Platz war. An Größenwahn litt ich so we nig wie an Selbstüberschätzung. Und wenn man so weit oben be stimmte Dinge im Dunkeln lassen wollte, musste ich vorsichtig sein. Es war nie sinnvoll, gewissen Leuten in die Quere zu kommen. »Das wüsste ich auch gern«, knurrte Hollyfield. »Aber Sie wissen ja, wie das ist in meiner Position. Manchmal sind mir da einfach die Hände gebunden. Sie dagegen sind ein freier Mann.« Es gefiel mir nicht, dass Hollyfield mir derartige Komplimente machte. Eine strikte Ablehnung allerdings war sicher auch nicht rat sam. Ich entschloss mich also, die berühmte gute Miene zum bösen Spiel zu machen - und es, was mich betraf, schleunigst zu beenden. Ich würde mir diese Leiche ansehen und dann eben nichts raus finden. Hollyfield würde mir nicht nachweisen können, dass ich es gar nicht erst versucht hatte. »Dann bin ich mal so frei und gehe jetzt«, nahm ich grinsend das Stichwort auf. Ich tat, als wolle ich nach dem Kellner winken. Hollyfield hinderte mich wie erwartet daran. »Sie sind selbstver ständlich mein Gast, Pat! Und... Ich meine, ich will ja nicht aufdringlich sein, aber...« »Ich fahre da jetzt sofort hin«, beendete ich sein Gestammel. »Und sobald ich was rauskriege, melde ich mich natürlich bei Ihnen.« Damit verabschiedete ich mich. Dass ich vor dem Besuch im Ge richtsmedizinischen Institut noch irgendwo anzuhalten gedachte, um einen Schluck zu bekommen, musste ich Hollyfield ja nicht auf die Na se binden. Aber wie sonst sollte ich den Pizzageschmack endlich los werden? Auf dem Weg zurück in die Loop würde es nicht schwer sein, mir einen Geschmacksverbesserer zu beschaffen. * 36
Kühl war es ja in der Gerichtsmedizin. Aber dennoch beneidete ich die Leute hier nicht um ihren Job. Ständig nur an Toten herumzu schnippeln, gesund konnte das nicht sein. Hollyfield hatte anscheinend schon angekündigt, dass ich kommen würde. Was mich nicht wenig ärgerte. Hatte er mich nicht einen freien Mann genant? Als solcher hätte ich seine Bitte ja wohl auch ablehnen können. »Ich bringe Sie in den Kühlraum«, erklärte sich der kleine, wuseli ge Mann bereit. Er hatte sich als Smith vorgestellt und war kein Arzt, sondern nur ein Gehilfe. »Hat man den Toten schon obduziert?«, wollte ich wissen. »Nein, das war in dem Fall nicht nötig«, erwiderte Smith mit ei nem feinen Lächeln in dem zerknitterten Gesicht. »Sie werden gleich selber sehen, was ich meine.« Er ging voran in den Kühlraum. Unwillkürlich atmete ich flacher, wie immer, wenn ich hierher kam. Dabei war hier mit irgendwelcher Geruchsbelästigung gar nicht zu rechnen. Klimaanlage nannte sich das, worauf das Institut so stolz war und was seit kurzem dafür sorg te, dass in jedem Raum exakt die Temperatur herrschte, die man dort haben wollte. Im Kühlraum herrschten bestimmt nicht viel über null Grad. Mit weißen Laken abgedeckt und säuberlich in Regalen gestapelt, sah man gar nicht sofort, um was es sich handelte. Smith zog an ei nem dieser Regale und schob gleichzeitig das Laken ein Stück weit zurück. Hollyfield hatte den Zustand ganz gut beschrieben. Die obere Hälfte des Gesichts existierte einfach nicht mehr. Dort, wo der Schädel jetzt endete, klebte schwärzlicher Schorf, Der Anblick war nicht gerade angenehm und ließ mich erst einmal instinktiv das Gesicht abwenden. Und dann dauerte es nur noch einen kleinen Moment, bis mein Gehirn verarbeitete, was meine Augen längst gesehen hatten. Das nierenförmige Muttermal neben dem Kinn kannte ich ebenso wie diese wie in Stein gemeißelten vollen Lippen. Auch wenn sich das Fehlen der oberen Gesichtshälfte längst nicht so gut ausnahm wie bei einer anti ken Büste, so hatte ich doch eindeutig den Schönling vor mir: Matthew Fromsett. 37
»Der hat bestimmt mal richtig gut ausgesehen«, ließ sich Smith vernehmen. »Frauen sind ganz wild auf solche Typen. Natürlich nur, solange sie noch lebendig sind.« Ich sah keinen Grund, ihm zu widersprechen. Stattdessen wandte ich mich ab. »Sie kennen den Mann also auch nicht«, folgerte Smith hieraus. Mit einem leisen Seufzen zog er der Leiche wieder das weiße Tuch über den Kopf und schob sie wieder zurück. Ich wartete nicht, bis er damit fertig war. »Ich finde allein raus«, verabschiedete ich mich. Mir war ziemlich kalt und das lag nicht an der frostigen Raumtemperatur. Wieso wurden Hollyfield von ganz oben Er mittlungen untersagt, wenn es sich um einen Nobody wie diesen Fromsett handelte? Diese Frage kreiste durch meine Gehirnwindungen. Die Hitze draußen auf dem Wacker Drive traf mich, als würde mir jemand eine schwere Eisentür vor die Birne knallen. Das war meinem Versuch, ein paar Dinge zu verstehen, alles andere als förderlich. In meinem Plymouth steckte ich mir zuerst einmal eine Lucky an. Dann versuchte ich, eine Art Bestandsaufnahme zu machen. Fromsett war, zumindest laut Hollyfield, ein unbeschriebenes Blatt. Aber wieso hatte sich dann jemand die Mühe gemacht, ihn so großkalibrig ins Jenseits zu befördern? Und wieso durfte Hollyfield nicht seinen üblichen Ermitt lungsapparat in Gang setzen? Blieb eine weitere Frage: Was ging mich das alles eigentlich an? Fromsett war von Anfang an nicht mein Typ gewesen. War es nicht am besten, ich ließ Hollyfield in ein, zwei Tagen wissen, meine Recher chen hätten nichts ergeben? Andererseits handelte es sich eindeutig um Mord. Und zwar an ei nem Mandanten von mir. Denn Fromsetts Koffer stand immer noch bei mir im Büro. Ich startete den Motor und fuhr genau dorthin. Nichts sprach dagegen, mich erst einmal mit diesem Koffer zu befassen und mir dann anschließend bei Dunky ein paar Informationen zu holen samt einem kräftigen Schluck. * 38
Wenn ich diesen Entschluss ein paar Sekunden schneller gefasst hätte, hätte ich die Lady vermutlich nicht verpasst. Ich sah sie aus dem Haus kommen, während ich auf den Hof fuhr, um dort den Plymouth zu par ken. Und obwohl Betty sie ja nur äußerst knapp beschrieben hatte, war mir sofort klar, dass sie das sein musste, die sich nach dem Koffer erkundigt hatte. Typ blonder Engel, damit hatte Betty ausnahmsweise mal wirklich ins Schwarze getroffen. Ich beeilte mich also, aber bis ich aus dem Wagen raus und an der Tür war, hatte sich die engelsgleiche Erscheinung schon wieder verflüchtigt. Ob sie schon wusste, dass Fromsett nicht mehr unter der Hitze zu leiden hatte wie wir anderen? In welcher Beziehung sie wohl zu ihm stand? In einer, die ihr womög lich sogar Ansprüche auf den Koffer verschafften? Bis ich oben im zweiten Stock war, hatte ich zumindest auf die letzte Frage eine Antwort gefunden. Fromsett hatte die Lady nie er wähnt. Also musste ich mich auch von der schieren Existenz des blon den Engels nicht davon abhalten lassen, den Koffer zu öffnen. Im Büro sorgte ich dann erst einmal dafür, dass sich der Ventilator in Bewegung setzte. Für wirkliche Kühlung taugte er nicht, aber das leise rotierende Geräusch verschaffte mir immerhin die Illusion davon. Dann warf ich Hut und Jackett wie üblich auf das Sofa rechts von der Tür, lockerte die Krawatte und ging zum Schrank. Ich nahm den Koffer heraus und setzte ihn auf Joes Schreibtisch ab. Das Schloss stellte kein großes Problem dar. Dafür war meine Smith & Wessen ganz gut ge eignet. Wie üblich lag sie in der Schublade meines Schreibtischs, un terwegs war ich mit dem Ding nicht so gern. Aber nun tat es mir gute Dienste, zwei gezielte Schläge und schon sprang das Schloss auf. Viel enthielt der Koffer wirklich nicht und schon gar nicht irgend welche Papiere, wie Fromsett behauptet hatte. Der Beutel war aus dunkelblauem Samt und wurde oben einfach mit einer Kordel zusam mengehalten. Als ich ihn in die Hand nahm, war er sehr viel schwerer, als ich erwartet hatte. Und es klirrte. Ich kam auf den Gedanken, die Tür sicherheitshalber abzuschlie ßen. Ganz und gar unmöglich war es ja doch nicht, dass ausgerechnet jetzt jemand zu mir wollte. Und ich wollte, was den Inhalt des dunkel blauen Samtbeutels anging, vorläufig keine Mitwisser. Endlich löste ich 39
die Kordel und leerte den Beutel aus. Es war Schmuck. Billige Klunker, hätte ich eigentlich vermutet, wobei ich zugeben muss, dass ich von Hochkarätigem nicht viel verstehe. Aber so viel Gefunkel legte tatsäch lich zunächst den Gedanken nahe, das alles könne nur Tinnef sein. Denn anderenfalls wären es Diamanten gewesen, manche sogar erbsengroß. Und wie die anderen Steine alle hießen, wusste ich gar nicht. Ob all das Blech tatsächlich Edelmetall war? Ich schwitzte gleich noch etwas mehr. Erst einen Schluck, be schloss ich und griff nach der Flasche in meinem Schreibtisch. Und dabei auch gleich nach der Liste, die mir Kingsley gegeben hatte. Lag der Verdacht nicht auf der Hand? Wobei es natürlich schon ein ver dammt seltsamer Zufall sein musste, dass der eine Mandant danach suchte, was mir der andere in Verwahrung gab. Mit dem Glas in der Hand und einer Lucky zwischen den Lippen verglich ich das, was auf Kingsleys Liste stand, mit dem, was da auf Joes Schreibtisch funkelte. Und ob nur das nun passte oder nicht - ich fand jede Menge Übereinstimmungen. Ein solches Vermögen auf mei nem Schreibtisch machte mich natürlich nervös. Also stopfte ich alles wieder in den blauen Samtbeutel zurück, verfrachtete diesen im Koffer und den dann wieder im Schrank. Vielleicht gelang es mir ja, klarer zu denken, wenn ich das Geschmeide nicht so direkt vor Augen hatte. Was sprach dagegen, wenn ich Kingsley das Familienblech brachte und die versprochene Provision kassierte? Wie ich daran gekommen war, musste Kingsley nicht erfahren. So wenig wie Hollyfield, dass ich die Leiche mit dem halben Gesicht kannte. Mit der Belohnung, die Kingsley mir m Aussicht gestellt hatte, könnte ich ohne weiteres daran denken, das Büro für einige Zeit zu schließen. Raus aufs Land bei der Hitze, so wie das derzeit jeder machte, der es irgendwie einrichten konnte. Und mit der Summe, die mir da winkte, konnte auch ich es einrichten. Die Hitze der Nachmittagsstunde war bestens geeignet für solch eine Träumerei. Aber dann schien mir doch, dass ich dabei etwas aus den Augen verlor. Und zwar Fromsett. War er schlicht und einfach ein Dieb? War er deshalb abgeknallt worden, womöglich in Kingsleys Auf trag? Aber wie passte es dann dazu, dass der Polizeichef nicht wissen 40
wollte, wer die Leiche mit dem nierenförmigen Muttermal war? Lohnte sich so viel Pflichtvergessenheit für einen kleinen Gauner? Und womöglich tat ich damit ja sogar Fromsett Unrecht. Hätte er nicht besser versucht, die Klunker über einen Hehler loszuschlagen, anstatt sie bei mir zu deponieren? Der blonde Engel fiel mir ein. Ich hoffte, er würde bald noch ein mal den Weg zu mir finden. Und könnte mir dann vielleicht sagen, was es da für eine Verbindung gab zwischen Kingsley und Fromsett. Wirk lich nur die zwischen einem Dieb und seinem Opfer? Ich hatte Kings leys stählernen Blick vor mir und ungeachtet all seiner Eleganz konnte ich mir ganz gut vorstellen, dass er auch mit einem Revolver in seiner Hand ganz leidlich umzugehen wusste. Aber wieso sollte er Fromsett umlegen, wenn es ihm doch um den Familienschmuck ging? Wenn Kingsley Fromsett gekannt hätte, ihn gar verdächtigte - hätte er mir dann nicht einen Hinweis auf ihn gegeben? Je länger ich nachdachte, desto klarer wurde mir, dass nicht nur Fromsett ein Rätsel für mich darstellte, sondern Derace Kingsley eben falls. Was sprach also dagegen, wenn ich mir eine Verbindung in sein Apartment im Buckingham Building machen ließ? Da oben im vierund zwanzigsten Stock war ja die Hitze vielleicht erträglicher. Zumal, wenn dann noch eine Flasche Maker's Mark auf dem Tisch stand. Der Frau bei der Vermittlung hörte man an, dass sie auch lieber ir gendwo auf dem Land gewesen wäre. Sie schleppte sich so mühsam voran wie ein uralter Kahn in einem morastigen Sumpf. »Einen Mo ment bitte«, versprach sie endlich. Der Moment dehnte sich wie ein Gummiband. Und dann auch noch vergeblich. »Tut mir leid«, ächzte die Stimme, »dort meldet sich niemand.« Es tat mir ja durchaus Leid, die Dame noch länger zu belästigen. Aber es musste sein. »Dann versuchen Sie es doch bitte mal beim Por tier.« Wieder ließ sie mich ziemlich lange warten, aber diesmal klappte es. Natürlich war einer wie Wallace jederzeit auf dem Posten! Er schien sich fast zu freuen, als ich mich meldete. »Nein, Mister Kingsley ist derzeit nicht da.« 41
Das wusste ich ja bereits. »Aber er hat hier was deponiert für Sie«, schob der Wachhund nach. »Einen Umschlag.« Besser als nichts, sagte ich mir. Und noch besser wäre es natür lich, wenn dieser Umschlag ein paar Scheine enthielte. Kingsleys An zahlung hatte ja nur zwei Tage umfasst. Und wo der Auftrag nun tat sächlich in Arbeit auszuarten begann, wäre es nicht schlecht, wenn er mein Honorar nicht vergaß. »Ich komme später vorbei«, beschied ich Wallace und wollte schon auflegen. Dann aber fiel mir noch etwas ein. »Wie ist das mit Miss Almore? Ist sie zu Hause?« »Nachmittags eigentlich immer«, vertraute mir Wallace an und ich hörte aus seiner Stimme den Stolz heraus, so gut mit den Angewohn heiten der Lady vertraut zu sein. »Soll ich Sie mit ihr verbinden?« »Nicht nötig«, lehnte ich ab. Denn schließlich konnte ich mich von Adrienne Almore so gut wie als eingeladen betrachten. Da brauchte ich doch die Vermittlerdienste von Wallace nicht! Wider Erwarten hatte ich nun, Hitze hin oder her, plötzlich doch noch ein recht volles Programm für den Nachmittag. Dunky musste bis zum Abend warten. Mit ein paar Händen voll kaltem Wasser ins Ge sicht machte ich mich so frisch, wie es unter den Umständen nur mög lich war. * Als ich am Buckingham Building eintraf, fühlte ich mich nicht nur wie ein nasser Lappen, vermutlich sah ich auch so aus. »Wie frisch aus dem Wasser gezogen«, konnte es sich der Haus hund namens Wallace nicht verkneifen, mich darauf hinzuweisen. Ich überhörte die Bemerkung. »Sie wollten mir doch geben, was Mister Kingsley für mich hinterlassen hat.« Wallace holte den nicht sehr großen Umschlag und ließ mich den Empfang quittieren. »Und wenn Sie mich jetzt bitte bei Miss Almore anmelden?« Ich legte so viel Kälte in meine Stimme, dass es eigentlich hätte genügen 42
müssen, um die Schweißtropfen auf meiner Stirn verschwinden zu las sen. Aber immerhin, Wallace verstand die Tonart. Er grinste zwar reich lich anzüglich, griff aber gleich zum Telefon. »Miss Almore erwartet sie«, ließ er mich dann wissen. »Sie wohnt im...« »Weiß ich«, knurrte ich und versuchte durch Fingerdruck festzu stellen, was der Umschlag enthielt. Es fühlte sich ganz nach einigen Scheinen an. Dabei ging ich zum Fahrstuhl. Auch heute wirkte der Boy ängstlich, als er mich sah. Was ich auch tat, ich konnte ihn in keine Unterhaltung verwickeln, nicht mal in eine übers Wetter. Vermutlich sah er in einem privaten Ermittler den verlängerten Arm der Polizei und reagierte deshalb so abweisend auf mich. Ein schwarzer Junge hatte mit allem, was nur entfernt nach Poli zei aussah, wahrscheinlich keine guten Erfahrungen gemacht. Es schien mir endlos lange zu dauern, bis wir den zwanzigsten Stock erreichten. Als ich den Fahrstuhl verließ, fiel mir ein, dass es ja auf jeder Etage drei Wohnungen gab. Und vermutlich hatte man auch hier auf Namensschilder verzichtet. Hinter welcher Tür also würde mich Adrienne Almore erwarten? Ich zerbrach mir deswegen ganz unnötig den Kopf. Die Tür rechts vom Fahrstuhl stand weit offen. Wenn das kein Zeichen war, dass ich hier erwartet wurde! Ich war so nervös, dass ich mich räusperte. »Kommen Sie ruhig rein«, forderte mich Adriennes kehlige Stimme auf. Ich zögerte nicht länger. Sie kam mir in einer Art Safari-Kostüm entgegen, schneeweißes Leinen. Die oberen Knöpfe der Bluse standen offen. Das dunkle Haar trug sie heute hochgesteckt und auf Strümpfe hatte sie, wie ich auf den zweiten Blick sah, einfach verzichtet. Dafür steckten ihre sehenswerten Füße mit den blassrot lackierten Nägeln in kompliziert geflochtenen hochhackigen Sandalen. Bis auf einen eher unauffälligen Perlenring an der linken Hand war sie ohne jeden Schmuck. Und ich hatte verdammt noch mal schon lange keine Frau mehr gesehen, die das so wenig brauchte wie Adrienne. 43
In der großzügig geschnittenen Wohnung standen alle Türen offen und überall herrschte gedämpftes Licht. Sie hatte die Jalousien herun tergelassen. »Sonst fühlt man sich hier oben wie in einer Sauna«, meinte sie und ging mir in einen Raum voran, der sparsam, aber sehr effektvoll möbliert war. Nur zwei weiße Ledersessel, ein niedriger Glastisch. Ich fragte mich flüchtig, ob diese Möbel aus der Kingsleyschen Produktion stammten. Eher nicht, so wie Brendon mir diese Massenproduktion be schrieben hatte. Auf einem Sideboard aus weißem Schleiflack stand ein silbernes Tablett, auch der Kübel darauf war aus Silber. Außer jeder Menge Eis würfel enthielt er eine Flasche Champagner. »Wenn Sie die bitte öffnen würden?«, bat Adrienne mich mit ei nem liebenswürdigen Lächeln und nahm auf einem der beiden Sessel Platz. »Ich dachte, bei der Hitze trinkt sich Champagner angenehmer als Whiskey.« Ich widersprach ihr nicht und öffnete die Flasche mit einem leisen Plopp. Ihr Lächeln deutete ich so, dass ich auch gleich die beiden Glä ser füllen sollte, die ebenfalls schon bereitstanden. »Sieht fast so aus, als hätten Sie mich erwartet«, bemerkte ich mit leisem Spott - etwas an dieser Frau vermittelte mir das Gefühl, dass sie eine Art Kellner in mir sah. Was ich nie weniger gern sein wollte als in diesem Moment. Sie sagte nichts auf meine Bemerkung und als ich ihr das Glas reichte, streifte ich flüchtig ihre Hand. Sie fühlte sich bemerkenswert kühl an. Überhaupt verströmte Miss Almore heute etwas sehr Eisiges. Sie prostete mir schweigend zu. »Kommen Sie gut voran mit Ihren Ermittlungen?«, fragte sie nach einem ersten Schluck. Ich war etwas irritiert durch ihre Beine. Sie hatte sie übereinander geschlagen und mir fiel auf, wie schlank und ausnehmend gut geformt sie waren. Die Haut über den erstaunlich gut ausgebildeten Muskeln schimmerte wie mattes Elfenbein. »Es geht so«, erwiderte ich ausweichend. »Leider ist Mister Kings ley derzeit unerreichbar. Zumindest für mich.« Ich legte eine Pause ein, um ihr die Chance zu geben, etwas zu sagen. Aber sie schien dazu keine Lust zu haben. 44
»Neulich haben Sie da was erwähnt«, setzte ich die bislang ent täuschend einseitige Unterhaltung fort. »Diese Villa - wo genau befin det sie sich?« »Wenn Sie hoffen, Derace dort anzutreffen, können Sie sich den Weg dorthin sparen«, meinte sie. »Erhasst die Villa und hält sich dort nur auf, wenn seine Mutter da ist.« »Könnte ich trotzdem die Adresse erfahren?« Meine Hartnäckigkeit schien sie zu ermüden. Jedenfalls runzelte sie die Stirn und seufzte leise. »Aber ja, ich schreibe sie Ihnen nachher auf.« Vielleicht ermüdete ich sie gar nicht, sondern langweilte sie? Das wäre noch schlimmer gewesen. Jetzt fragte sich nur, welches Thema ich anschneiden musste, um die schöne Adrienne endlich aus ihrer Re serve zu locken. Ich versuchte es, indem ich noch mal auf unseren ge meinsamen Bekannten zu sprechen kam. »Womit vertreibt sich Derace Kingsley denn so die Zeit? Ich meine natürlich, wenn seine Mutter nicht da ist.« Da begann sie glucksend zu lachen und sie sah mich mit einem kränkend mitleidigen Blick an. »Sie glauben wohl, ich gehöre zu den Frauen, die nichts lieber tun, als über einen verflossenen Verehrer zu reden? Glauben Sie mir, nichts ist uninteressanter. Zumal wenn es ein so leicht durchschaubarer Mann ist wie Derace.« Mir blieb wohl nur übrig, sie ein bisschen zu provozieren. »Ich ver stehe gut, dass es Sie ärgert, ihn mit immer neuen Freundinnen he rumziehen zu sehen.« Als sie nun lachte, klang es, als käme es wirklich von Herzen. Mit einem sichtlich belustigten Blick sah sie mich an. »Wieso sollte mich das ärgern? Ein Mann wie Derace hat keiner Frau viel zu geben. Außer Geld natürlich. Für alles andere fehlt es ihm an Verstand, an Fantasie und auch an Verkommenheit. Der ewig gut erzogene Junge, verstehen Sie?« Sie entspannte sich etwas, lehnte sich weit im Sessel zurück und sah mich noch immer an. »Ich hab dafür gesorgt, dass ich kriege, was einer wie er einer Frau überhaupt geben kann«, fuhr sie fort. »In der Wohnung hier lässt es sich aushalten, zusammen mit dem kleinen mo natlichen Scheck. Alles andere an ihm interessiert mich nicht mehr.« 45
Ihr Selbstbewusstsein war wirklich bemerkenswert. Nun kam ich mir nicht wie ein Kellner vor, sondern wie der sprichwörtliche kleine Junge. Ich überspielte es, indem ich aufstand und unsere Gläser noch einmal füllte. Das erste Glas hatte bei ihr dafür gesorgt, dass ein sanf tes Rosa über dem Elfenbeinweiß ihres Gesichts schimmerte. Es stand ihr gut. »Was interessiert Sie dann eigentlich?«, entschloss ich mich zu ei nem direkteren Vorgehen. »Vielleicht geben Sie mir ja mal einen klei nen Tipp.« »Am besten wäre, Sie würden das selbst herausfinden.« Was sie da sagte, war dem Wortlaut nach nicht gerade entgegen kommend. Ihr Tonfall allerdings schon. Nur brachte es mich doch ziemlich aus dem Konzept, wie sie mich jetzt mit ganz unverhohlenem Interesse anschaute. Keine Frage, sie wollte mit mir spielen. »Ich muss zugeben, dass meine Fantasie gelegentlich zu wünschen übrig lässt.« »Dann machen wir doch mal ein kleines Spiel«, schlug sie lebhaft vor. Offenbar hatte der Champagner doch eine gewisse Wirkung auf sie. »Wo gehöre ich denn Ihrer Meinung nach hin?« »Vielleicht an einen Roulettetisch?«, schlug ich vor, wie aus der Pistole geschossen. Es war einfach das Erste, das mir in den Sinn kam. Meine Antwort schien sie immerhin zu amüsieren, sie lachte schallend. »Da wäre ich ja dann an der Seite von Derace! Nein, Mister Connor, der Schuss ging nun wirklich nicht ins Schwarze.« »Ich glaube, ich bin auf dem Gebiet wenig talentiert«, erwiderte ich und überlegte, wie zu bewerten sei, was sie da angedeutet hatte. Derace Kingsley ein Spieler? Es passte zu der Vorstellung, die ich von ihm hatte, so wenig wie ein Kamel vor eine Droschke. Wie um alles in der Welt bekam ich Adrienne dazu, sich etwas ausführlicher zu diesem Thema zu äußern, ohne mir ihre Gunst völlig zu verscherzen? »Ich sehe, Sie sind doch nicht an mir interessiert, sondern nur an Derace«, stellte sie mit einem spöttischen Lächeln fest. »Nicht wahr, nur das beschäftigt Sie? Der elegante Mister Kingsley ein Spieler, das geht über Ihre Vorstellungskraft.« Sie lachte leise. »Und genau das soll es ja auch. Es ist ein heimliches Laster. Der einzige Freiraum, den er 46
sich von seiner Mutter ertrotzt hat - als schmutziges kleines Geheimnis sozusagen. Wie ein kleiner Junge, der nur heimlich an der Schokolade nascht. Sind Sie jetzt zufrieden?« Ziemlich abrupt stand sie auf. Sie verschwand in einem der Ne benzimmer und ich hörte, dass sie telefonierte. Was sie sagte, verstand ich nicht und es dauerte auch nicht lange, bis sie zurückkam. »Ich glaube, das war es dann.« Sie setzte sich nicht mehr. Das war ein Rauswurf erster Klasse, dämmerte es mir. »Jedenfalls für heute, Mister Connor. Ich erwarte nämlich gleich noch Besuch.« Sie ging mir in den Flur voran und als ich ihr wohl oder übel folg te, tauchte ich in eine sanfte Wolke von Parfüm ein. Es war ein ande res als neulich. »Vielleicht war das heute ja einfach nicht unser Tag«, bemerkte ich, schon fast an der Tür. Irgendwie war es mir wichtig, vielleicht doch noch Terrain gutzumachen. »Schon möglich.« Ihre Mundwinkel zuckten, aber ich sah trotzdem das leise Feuer in ihren Augen. »Und solange noch nicht aller Tage Abend ist...« Sie beendete den Satz mit einem gurrenden Lachen, das mir ziemlich weiche Knie verschaffte. Und sie steckte mir einen Zettel zu. »Die Adresse der Kingsleys auf der North-Side«, erklärte sie auf meinen fragenden Blick hin. »Die wollten Sie doch haben.« Gleich darauf war ich draußen. Diesmal war ich dem Liftboy gera dezu dankbar für sein eingeschüchtertes Verhalten. Es half mir, mein ramponiertes Selbstbewusstsein wieder etwas zu glätten. * Im Auto tröstete ich mich dann damit, dass der Besuch bei Adrienne Almore ja dennoch ein Erfolg gewesen war. Nicht nur wegen dieser Adresse, die hätte ich zur Not auch anderweitig beschaffen können. Aber an die Information, dass Derace Kingsley ein Spieler war, wäre ich ohne Adrienne nicht so leicht gekommen. War das endlich eine Spur? 47
Der Himmel über Chicago sah jetzt gegen Abend aus, als habe er sich in grauen, hitzeflirrenden Staub aufgelöst und der Asphalt schien kurz davor zu stehen, sich in matschigen Brei zu verwandeln. Ich be schloss, nun sofort zu Dunky zu fahren, irgendwas musste aus ihm über Fromsett herauszuquetschen sein. Seit ich wusste, welchem heimlichen Laster der ehrenwerte Mr. Kingsley frönte, wurde ich das Gefühl nicht mehr los, dass Fromsett und er in einer Beziehung mitein ander standen, die nicht nur mit dem Schmuck im Koffer zu tun hatte. Denn als Spieler konnte ich mir auch Fromsett gut vorstellen. Die Backofentemperatur machte die Autofahrer anscheinend ner vös, es wurde ständig gehupt und riskant überholt. Und es herrschte ziemlich reger Feierabendverkehr. Ich fragte mich, wieso die Leute es alle so eilig hatten. Zu Hause erwartete sie schließlich derselbe schwü le Dampf wie in ihren Büros. Und während der Fahrt mit offenen Fens tern entstand immerhin eine Andeutung von Wind. Als ich zu Dunky kam, herrschte dort ebenfalls eine gereizte Stim mung. Als Wirt versuchte er das für sich zu nutzen, indem er die Glä ser noch schneller nachfüllte als sonst. Auch ich musste nicht lange warten, bis ein Bourbon auf rasch flüssig werdendem Eis vor mir stand. »Was gibt es denn Neues?«, versuchte ich Dunky in ein Gespräch zu ziehen. Er zuckte die Schultern. »Viel zu tun, wie du siehst.« Er wuselte emsig hinter seinem Tresen herum. Ich ließ die eine oder andere Lucky in Rauch aufgehen und den Whiskey in meinem Magen sich mit Champagner vermischen. Beim zweiten Glas bat ich Dunky, einen Moment zu bleiben. »Es geht um diesen Fromsett, du weißt schon...« »Gar nichts weiß ich«, fiel er mir sofort ins Wort. »Hab nur gehört, dass er jetzt tiefgekühlt wird.« Wie üblich war Dunky also bestens informiert. Gewisse Dinge ver breiteten sich einfach sehr schnell in der Stadt. Ich nickte. »Tja, viel leicht ist das bei diesem Wetter gar nicht so schlecht. Aber ich wusste gern, was er vorher war.« 48
Dunky verdrehte die Augen. »Ich hab den Kerl an dem Tag doch zum ersten Mal gesehen! Solche Typen interessieren mich nicht. Die tragen doch alles, was sie haben, in den Spielsalon. Und verprassen, was sonst noch bleibt, mit irgendwelchen Miezen.« Ich grinste Dunky versöhnlich an und ließ die Reste der Eiswürfel in meinem Glas klirren. »Ein Spieler also! Hatte ja fast selber schon so 'n Gefühl.« Ich verschwieg Dunky, dass es eher eine Hoffnung gewe sen war. »Dann verrate mir doch noch, wo sich solche Leute derzeit treffen.« »Solche Leute?«, brummte Dunky. »Die etwas besser Gestellten«, präzisierte ich. »Die nicht bei jedem Spiel in 'ne Schlägerei verwickelt werden wollen.« Dunky stöhnte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Die angesagten Schuppen sind derzeit doch alle auf der South-Side. Seit sich dort alles um Jazz dreht... Ich an deiner Stelle würd mal im Lee Side Club fragen. Noch einen?« Er wies auf mein Glas. In der Hitze schien sich der Inhalt schneller als sonst zu verflüchtigen. »Ja, noch einen«, stimmte ich zu. Und dann behelligte ich Dunky nicht weiter. Nachdem dieser Tag doch eine beachtliche Menge ziemlich unerwarteter Einsichten ge bracht hatte, schien es mir, ich musste meine grauen Zellen nicht wei ter anstrengen. Den anderen Gästen schien es inzwischen so ähnlich zu gehen. Nirgends mehr fiel ein lautes Wort und die vorhin noch so gereizten Gespräche plätscherten jetzt so träge dahin, dass man sich fast an einem gemächlich fließenden Bach wähnen konnte. Durch den Dunst des Zigarettenrauchs betrachtet und beflügelt vom Whiskey, war das Leben alles in allem doch gar nicht so schlecht. So verließ ich das Speakeasy irgendwann ziemlich aufgeräumt. Mit der Dunkelheit war es doch ein kleines bisschen kühler geworden, viel leicht ja auch nur etwas weniger heiß. Ich war schon fast bei meinem Plymouth und suchte in der Jacketttasche nach dem Schlüssel, als sich eine Gestalt aus einer unbeleuchteten Tür schälte. Ich nahm sie zu nächst nur aus den Augenwinkeln wahr. In dem Moment, als ich mei nen Wagen erreicht hatte, bohrte mir aber dieselbe Gestalt etwas in den Rücken. Ich tippte auf einen 38er. 49
»Finger weg von Miss Almore, ist das klar?«, zischte der Kerl mir zu. »Und desgleichen von Miss Graham.« Eine Dame dieses Namens war mir gar nicht bekannt. Außerdem fand ich es doch reichlich unverfroren, was dieser Typ sich da mitten auf einer ziemlich belebten Straße herausnahm. Und außerdem war er einen guten Kopf kleiner als ich. »Und wenn nicht?« Mit so einer Frage hatte er wohl nicht gerechnet und schon gar nicht damit, dass ich mich blitzschnell zu ihm umdrehte und dabei meinen rechten Arm hochriss. Und zwar mit so großem Nachdruck, dass ihm seine Knarre entglitt und scheppernd auf das Pflaster fiel. Sie schlidderte noch ein paar Meter weiter, er hechtete hinterher. Eine gewisse Flinkheit konnte man ihm nicht absprechen und fast sah es elegant aus, wie er sich nach dem Revolver bückte, ihn an sich nahm und dann schon wieder weiter rannte. Zu einem Wagen hin, der mit laufendem Motor nur ein paar Meter vor meinem Plymouth stand. Es war ein ziemlich eleganter Schlitten, ein Packard, wie ich erkannte, als er davonbrauste. Ganz sicher war ich mir nicht, so schnell wie das alles ging. Aber ich war mir fast sicher, im Fond des Wagens Derace Kings ley erkannt zu haben. Ich fand, dass der Tag nun alles in allem fast schon etwas zu er eignisreich gewesen war. Nichts weiter als einfach nur Ruhe wollte ich jetzt und fuhr auf direktem Weg zu meinem Apartment in der North Clark Street. * »So früh schon?«, begrüßte mich Betty Meyer reichlich mokant und fä chelte sich mit einem ungeöffneten Brief Luft zu. Früh war es wirklich noch, kaum zehn Uhr. Ich ignorierte Betty erst einmal und vergewisserte mich, dass der Koffer noch auf seinem Platz stand. »War ja nicht so gemeint«, brachte sich Betty wieder ins Spiel. »Vielleicht Kaffee?« »Wär nicht schlecht«, nahm ich das Versöhnungsangebot an. »War zufällig schon jemand hier?« 50
Betty schüttelte den Kopf. »Auch nicht die Blonde?«, hakte ich nach. So wenig sympathisch, wie diese Frau Betty neulich gewesen war, hielt ich es glatt für mög lich, dass sie sie mir einfach unterschlug. »Wieso sollte die noch mal kommen?«, plusterte sich Betty auf. »Der habe ich doch klipp und klar gesagt, dass hier für sie nichts zu holen ist! Schon gar kein Koffer.« »Womöglich doch«, entfuhr es mir. Eigentlich hatte ich nur ein bisschen zu laut gedacht. Als Betty mich nun mit offenem Mund an starrte, verriet ich ihr, was geschehen war. »Matthew Fromsett jeden falls kann den Koffer gar nicht mehr abholen. Den hab ich gestern in der Gerichtsmedizin getroffen. Und er sah gar nicht mehr gut aus. Und auch nicht mehr sehr beweglich.« Ich zündete mir eine Lucky an und beobachtete, wie helles Entset zen aus Bettys Augen kroch. Klar, ihr hatte Fromsett auch gefallen, er hatte nun mal einen Schlag weg bei Frauen. »Er ist wirklich tot?«, kreischte sie. »Wer hat das getan? Und wa rum? Mein Gott, dann habe ich ja womöglich einen Fehler gemacht!« Sie wartete eine mögliche Antwort von mir gar nicht ab, sondern spe kulierte selber drauflos. »Vielleicht hätte ich der Blonden den Koffer ja doch geben sollen! Wieso hat sie nicht einfach gesagt, dass Fromsett sie schickt?« Sie war aufgesprungen und lehnte sich mit den wohl ge rundeten Hüften gegen den Schreibtisch. Auch ihre Hände fanden dort Halt. »Was meinen Sie, Chef, hab ich da einen Fehler gemacht?« Sie sah aus, als würden ihr gleich die Tränen kommen, weshalb ich begütigend eine Hand hob. »Haben Sie ihr gegenüber den Namen Fromsett erwähnt?« »Aber natürlich nicht, er ist doch unser Mandant!«, empörte sie sich. Dann nahmen ihre Gedanken auch schon eine andere Richtung, ein bisschen erinnerte sie mich im Moment wirklich an ein aufgeregt schnatterndes Huhn. »Oder die Blonde steckt selber dahinter, was meinen Sie? Und als ich ihr den Koffer nicht gegeben hab, ist sie wü tend geworden und hat...« Sie stockte und fingerte aus ihrer Handta sche auf dem Schreibtisch eine Zigarette. Ihre Hand zitterte leicht, als 51
sie ein Streichholz anriss und dann inhalierte sie den Rauch richtig gierig. »Und hat dann was?«, versuchte ich sie auf die Spur ihres abge brochenen Gedankens zurückzubringen. Ganz auszuschließen war es ja nie, dass auch Bettys Gehirnmasse einmal etwas Brauchbares produ zierte. »Ach, was weiß ich!« Sie schniefte und auch durch den Rauch ih rer Zigarette hindurch sah ich deutlich das Glitzern in ihren Augen. »Ausgerechnet Matthew Fromsett! Und was wird dann jetzt aus sei nem Koffer?« Ich sagte mir, dass es bestimmt besser war, wenn sie nicht erfuhr, was er enthielt. Das würde sie nur unnötig nervös machen und From sett womöglich in ein noch besseres Licht tauchen. Nämlich in das von erbsengroßen Diamanten. Betty war bestimmt nicht die Frau, die so was nicht schwach machte. »Den lassen wir erst einmal da, wo er ist«, ließ ich sie wissen. »Und wenn die Blonde doch noch mal hier auf taucht, dann sorgen Sie dafür, dass sie so lange bleibt, bis ich auch hier bin. Oder dass sie uns wenigstens ihren Namen verrät.« »Und dann gebe ich ihr den Koffer?« Ein kaum verhaltenes Schluchzen bebte in Bettys Stimme und versetzte auch ihren Busen in Wallung. »Auf gar keinen Fall!«, erwiderte ich lauter, als unbedingt nötig war. War Betty jetzt nicht schon lange genug bei mir, um zu wissen, dass in unserem Gewerbe gelegentlich Leichen vorkamen? Nicht, dass mir das besonders angenehm gewesen wäre. Aber so war es nun mal, jede Branche hat eben auch ihre Schattenseiten. Das Klingeln des Telefons brachte genau im richtigen Moment wieder etwas mehr Normalität zurück ins Büro. Betty wischte sich über die Augen, holte tief Luft, dann drückte sie ihre Zigarette aus und nahm den Hörer ab. »Pat Connor, private Ermittlungen. Betty Meyer am Apparat«, meldete sie sich. »Ja, natürlich, Captain Hollyfield, er ist da.« Ich fand, sie hätte durch einen kurzen Blickkontakt erst einmal rauskriegen können, ob ich für Hollyfield wirklich da sein wollte. Aber nun war es zu spät. Ich nahm ihr den Hörer ab. »Morgen, Captain, 52
was gibt es denn?« Natürlich wusste ich genau, wieso der Leiter der Mordkommission anrief. Aber ich war mir noch nicht ganz schlüssig, was ich ihm sagen wollte und was nicht. Deshalb versuchte ich Zeit zu gewinnen. »Ärger gibt es, wie immer«, knurrte Hollyfield am anderen Ende der Leitung. Sein cholerisches Temperament kannte ich zur Genüge. »Aber das geht Sie nichts an. Verraten Sie mir lieber, was Sie raus gefunden haben inzwischen.« »Raus gefunden?«, stellte ich mich dumm. »Connor, nun lassen Sie schon die Mätzchen! Ich weiß schließlich, dass Sie in der Gerichtsmedizin waren, wie es abgemacht war, übri gens gerade noch rechtzeitig. Inzwischen wurde die Leiche schon weggeschafft. Möchte wirklich wissen, wieso das alles so eilig ist.« »Ach, das meinen Sie!« Es machte mir Spaß, den Begriffsstutzigen zu spielen. Aber Hollyfield verstand heute einfach keinen Spaß. »Kommen Sie zur Sache, Connor! Ich rieche es förmlich, dass Sie was wissen.« Aufgebracht wie er war, hatte ich den Endruck, es wäre nicht falsch, ihm einen Brocken hinzuschmeißen, wenigstens einen kleinen. »Viel weiß ich nicht. Ein absolut unbeschriebenes Blatt, genau wie Sie gesagt haben, Captain. Matthew Fromsett. Haben Sie den Namen schon jemals gehört?« Auf die Antwort musste ich eine Weile warten. Vermutlich durch forstete Hollyfield angestrengt sein Gehirn. »Nein, hab ich nicht«, brummte er dann und er wirkte dabei fast erleichtert. »Na, sehen Sie, da geht es Ihnen wie jedem«, entgegnete ich. »Keiner hat den Namen jemals gehört. Ich hab den Eindruck, man sollte ihn am besten vergessen.« »Und das ist alles?« Hollyfield wirkte verblüfft. »Mehr kann ich leider nicht sagen«, versicherte ich so verbindlich wie nur möglich. »Aber selbstverständlich erfahren Sie es zuerst, falls mir da doch noch etwas zu Ohren kommen sollte.« Er reagierte mit einem Fluch, den er aber so nuschelnd aussprach, dass ich ihn nicht unbedingt verstehen musste. Natürlich glaubte er mir kein Wort. »Sonst noch was, Hollyfield?« 53
»Ach, gehen Sie doch zum Teufel!« »Dem haben Sie es aber gegeben«, kommentierte Betty mit zu friedenem Grinsen. Dann erst fiel ihr wieder ein, dass es auch in die sem Telefongespräch um den von ihr so heftig beklagten Tod von Mat thew Fromsett gegangen war. Ihr Blick trübte sich wieder. »Ermittelt Hollyfield in der Sache?« »Ganz und gar nicht«, ließ ich sie wissen. »Dann tun wir das?« Ihr Blick wurde wieder lebhaft. »Wieso sollten wir?« »Aber der Koffer, was wird nun aus dem?«, glaubte sie mich erin nern zu müssen. »Das klären wir, wenn die Blonde noch einmal kommt.« »Und wenn sie das nicht tut?« Ich war aufgestanden, um zum Schrank zu gehen. Betty folgte mir. »Tut sie bestimmt«, gab ich mich überzeugter, als ich es tatsäch lich war. Dann holte ich das kleine Schloss aus meiner Hosentasche, das ich am Morgen schon besorgt hatte. Betty machte kugelrunde Augen und wieder einmal spannte sie ih re sorgsam gezupften Brauen zu Brückenbögen. »Sie haben den Koffer geöffnet, Chef?« Es klang ganz nach einem Vorwurf. »Das Schloss war defekt«, log ich so plump, dass sie es merken musste. »Chef, was ist denn drin?«, bedrängte sie mich auch prompt. Ihre Neugier ließ sie alles Mögliche vergessen, auch ihr Entsetzen über das Ableben des Kofferbesitzers. »Nichts, was für Sie von Interesse wäre«, kanzelte ich sie einiger maßen grob ab. Ich erreichte damit, was ich wollte. Beleidigt wandte sich Betty ab und ich konnte das von mir selbst zerstörte Schloss un behelligt durch das neue ersetzen. * Zum Mittagessen traf ich mich mit Brendon in Henry's Steak Diner. Ich hatte es vorgeschlagen und infolgedessen ging er davon aus, dass ich wie üblich eine Information von ihm wollte. Dummerweise wusste ich 54
aber nicht, worin diese bestehen könnte. So dümpelte unser Gespräch lange vor sich hin wie ein Schiff mit auf Halbmast gesetzten Segeln bei Windstille im Brackwasser. Brendon war ziemlich lange geduldig und befasste sich mit dem Whiskey in seiner Tasse und der unvermeidlichen Zigarre. Während wir uns die Steaks einverleibten, erzählte er mir wie so oft alles Mögli che über die White Socks, das mich noch weniger interessierte als sonst. Erst als wir unsere Teller leer geputzt hatten und mit einem weiteren Bourbon nachspülten, verlor er die Geduld. »Verdammt noch mal, Pat, jetzt spuck es doch endlich aus! Ich kann dir nur helfen, wenn ich weiß, worum es geht.« »Das weiß ich ja selber nicht so genau«, entgegnete ich ganz of fen. »Es ist nur, dass ich ein flaues Gefühl im Magen bekomme, wenn ich ein paar Fakten zusammenbringe.« »Das wäre zum Beispiel?«, drängte Brendon. »Du warst doch neulich so gut informiert über diese Möbelbauer familie«, begann ich auf gut Glück. »Du meinst die Kingsleys?« Ich nickte. »Genauer gesagt ihn. Den Sohn also. Der so furchtbar unter der Fuchtel seiner Mutter steht.« »Was ist mit ihm?« »Tja, genau das ist die Frage.« Ich führte die Tasse zum Mund. »Könntest du dir vorstellen, dass einer wie er doch die eine oder ande re Schwäche hat?« »Klar!« Brendon lachte dröhnend. »Irgendwas muss er ja anstel len mit seinem vielen Geld.« »Als Spieler zum Beispiel?«, wurde ich etwas deutlicher. »Klar, warum nicht.« Zunächst war Brendon noch ganz arglos. Dann aber kniff er seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Das tat er oft, wenn ihm ein überraschender Zusammenhang aufging, oder doch etwas, das er dafür hielt. »Verdammt, Pat, lass die Finger da von!« Ich musste den Ahnungslosen nicht spielen, ich war es ja wirklich. »Wovon?« 55
Brendon schnaufte heftig. »Dass die Syndikate da derzeit ziemlich aktiv sind, wird auch dir schon zu Ohren gekommen sein. Die teilen sich das Geschäft mal wieder neu auf. Seit auf der South-Side in den Jazzlokalen so viel los ist, läuft da unten auch manches andere wie ge schmiert.« Er sah mich viel sagend an. »Halt dich da raus, ja?« Er war manchmal geradezu rührend um mich besorgt. Mir ging in dessen durch den Kopf, dass hier ja womöglich der Grund dafür liegen konnte, weshalb Hollyfield nicht ermitteln sollte im Fall Fromsett. Da er ja auch ein Spieler gewesen war, schien mir das nahe zu liegen. Aber vage war die Angelegenheit immer noch. »Hörst du mir zu, Pat?«, drang Brendons väterlich besorgte Stim me an mein Ohr. »Du weißt, wie viel Geld mit Glücksspiel zu machen ist. Und wenn sich da zwei um das größte Stück vom Kuchen streiten, sind die dabei alles andere als zimperlich.« Er machte eine Pause und zündete sich eine neue Zigarre an. Auch dabei ließ er mich nicht aus den Augen. »Womit befasst du dich derzeit eigentlich genau? Ich weiß, du redest darüber nicht gern, aber... Da ist noch was anderes als die Sache mit Kingsley, nicht?« »Ja«, gab ich zu. »Aber vermutlich bloß eine Abrechnung unter eher kleinen Lichtern.« Womöglich wollte ich mich selbst damit ebenso beruhigen wie Brendon. Von wer weiß woher wehte mich plötzlich ein neuer Gedanke an. Was, wenn die Klunker in meinem Büro doch nicht echt waren? Wenn Fromsett womöglich darauf spekuliert hatte, ich würde den Koffer öff nen - und den Inhalt dann Kingsley zurückgeben? Konnte es wirklich Zufall sein, dass beide gleichzeitig um meine Dienste gebeten hatten? Vielleicht hatte Fromsett mich benutzen wollen. Wenn Kingsley seinen Schmuck zurückbekam und zwar billige Nachbildungen und dies von mir, während Fromsett den echten Schmuck anderswo verscherbelte... »Pat, du gefällst mir gar nicht«, ließ sich Brendon knurrend ver nehmen. »Wieso kommst du heute Abend nicht einfach mal mit zu einem Spiel der White Socks? Ich bin sicher, das würde dich auf ande re Gedanken bringen.« »Heute Abend?« Ich tat so, als würde ich den Vorschlag ernsthaft in Erwägung ziehen. »Ja, wieso eigentlich nicht. Aber jetzt fällt mir ein, 56
was ich dich fragen wollte. Kennst du nicht zufällig einen, der was von Schmuck versteht?« Brendon sah mich an, als hätte ich ihm einen unsittlichen Antrag gemacht. Dass er mir da einen Tipp geben konnte, hatte ich ja auch gar nicht erwartet. Aber es hatte ihn doch auf andere Gedanken ge bracht und nichts anderes hatte ich bezweckt. »Brauchst du etwa ein Geschenk für eine kleine Freundin?« Er lachte schallend. »Tut mir Leid, aber damit kenne ich mich absolut nicht aus. Aber frag doch deine Sekretärin. Betty kennt sich mit sol chen Dingen doch bestimmt aus!« Er zwinkerte mir zu und winkte dann noch einmal dem Kellner, um für Nachschub zu sorgen. * Nach dem Essen fuhr ich ins Büro zurück. Ich wollte mir endlich Klar heit verschaffen über das, was ich hatte. Und das war einerseits nicht viel, andererseits ein Beutel voller Klunker. Waren sie echt oder nicht? Natürlich gab es Juweliere, die so etwas zweifelsfrei feststellen konn ten. Und ich tat damit nichts als ganz gewöhnliche Ermittlungsarbeit. Nach dem Gespräch mit Brendon beruhigte mich diese Vorstellung ir gendwie. Ich parkte den Plymouth wie üblich auf dem Hof und diesmal traf ich gleichzeitig mit der Blonden an der Tür ein. Sie wirkte schrecklich nervös. »Bitte schön!« Ich lächelte sie an und stieß die Tür auf, um ihr den Vortritt zu lassen. Sie sah aus, als wolle sie gleich wieder den Rückzug antreten. »Ich vermute, Sie wollen zu mir«, fuhr ich fort. »Woher wissen Sie das?« Ihre Stimme wirkte so gehetzt wie der Blick, mit dem sie sich im Flur umsah. Etwa nach einer Fluchtmöglich keit? »Pat Connor«, stellte ich mich ihr vor. »Meine Sekretärin hat mir erzählt, dass Sie schon mal da waren.« Das schien sie etwas zu beruhigen. Auf ziemlich hochhackigen Schuhen und mehr als sehenswerten Beinen stand sie neben mir im 57
Lift. Ich verstand, was Betty so gegen sie eingenommen hatte - aus Bettys Sicht. Sie war nicht sehr groß, zierlich und bemerkenswert gut gewachsen. Und sie strahlte etwas aus, das bei Männern unweigerlich an ihren Beschützerinstinkt appellierte. Ich machte da keine Ausnah me. Allerdings hatte ich gewisse Erfahrungen mit solchen Frauen und nahm mir vor, meinen Verstand nicht gänzlich auszuschalten. Während ich oben im zweiten Stock die Bürotür aufschloss, lehnte sie sich an die Wand und entzündete sich dabei mit nervösen Gesten eine Zigarette. Ihre jadegrünen, ziemlich dunklen Augen standen in einem aparten Kontrast zur Blässe ihres schmal geschnittenen Gesichts und den fast weißblonden Haaren, die ihr in einer weichen Innenrolle bis auf die Schultern fielen. Ich betrat das Büro zuerst und hielt ihr wieder die Tür auf. »Neh men Sie doch Platz.« Ich wies auf einen Stuhl. Aber sie blieb stehen und sah sich suchend um. »Ich komme nur, um den Koffer zu holen«, stieß sie hervor. »Hm«, brummte ich ausweichend. »Ich weiß, dass Matthew ihn bei Ihnen deponiert hat«, fuhr sie geradezu flehentlich fort. »Ich war gleich dagegen. Er weiß nicht, wor auf er sich da eingelassen hat.« Ich setzte mich und fingerte nach einer Lucky. Zweierlei stand jetzt schon fest. Sie hatte Matthew Fromsett gekannt. Und sie wusste nicht, dass er nicht mehr lebte. »Geben Sie mir den Koffer, Mister Connor!«, wiederholte sie. »Sonst kommt es zu einer Katastrophe!« Ich verbarg mein Gesicht hinter einer Rauchwolke. Die Situation gefiel mir gar nicht. Musste ich ihr jetzt nicht sagen, dass die Katastro phe bereits eingetreten war? Denn so würde sie die Nachricht von Fromsetts Tod ja garantiert aufnehmen. »Wann haben Sie Mister Fromsett denn zuletzt gesehen?« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und setzte sich endlich doch auf den Stuhl auf der anderen Seite meines Schreibtischs. »Das ist schon ein paar Tage her. Aber was tut das zur Sache?« »Leider mehr, als Sie denken.« Mir schien, es hatte keinen Sinn, ihr die Tatsachen vorzuenthalten. 58
»Was wollen Sie damit sagen?« Obwohl das fast nicht möglich schien, wurde sie noch etwas blasser. Ihre Hände umklammerten die Handtasche so fest, dass sich ihre Fingerknöchel bläulich verfärbten. »Leider nichts sehr Angenehmes«, erwiderte ich behutsam. »In welchem Verhältnis stehen Sie denn zu ihm?« Sie schluckte. »Wir wollen heiraten.« Es kam fast tonlos über ihre Lippen. Das Problem wurde also immer größer. Wie brachte ich ihr bei, dass sie Witwe geworden war und das noch vor der Hochzeit? Die Kleine tat mir wirklich Leid. »Was ist mit Matthew?«, stieß sie hervor und ihre Stimme erinner te jetzt an zerspringendes Glas. »Sagen Sie es mir endlich!« Sie sprang auf. Auch ich erhob mich und ging auf sie zu. »Ich würde Ihnen das wirklich gern ersparen. Er ist tot. Erschossen.« Weitere Einzelheiten schenkte ich mir. Ich sah, wie sich maßloses Erstaunen auf ihrem Gesicht abzeich nete. Dann sackten ihre Beine unter ihr weg. Gerade noch rechtzeitig fing ich sie auf. Sie war wirklich bewusstlos geworden. Ich legte sie auf dem Sofa gegenüber ab und betrachtete sie ratlos. Was stellte ich nun mit ihr an? Vielleicht war ja ein Kaffee hilfreich. Ich braute etwas möglichst Starkes zusammen. Als ich dann zu ihr zurückkam, hatte sie ihre Position nicht verändert, aber ihre Augen wieder geöffnet. Aber nahm sie mich deshalb auch wahr? Ihr Atem ging flach. »Trinken Sie das!« Ich hielt ihr die Tasse hin. Aber sie reagierte nicht. Mir fiel auf, dass ich noch nicht einmal ihren Namen kannte. Dann bückte ich mich nach ihrer Handtasche, die auf den Boden gefallen war. Bis ich wieder hochkam, hatte sie sich aufgesetzt. Sie griff nach der Handtasche und holte eine Schachtel Pall Mall heraus sowie ihre Zigarettenspitze. Erleichtert über diese Reaktion, gab ich ihr Feuer. Sie inhalierte sehr tief und starrte an mir vorbei. Ich hielt ihr die Kaf feetasse hin. 59
Aber sie trank nicht. Da erinnerte ich mich an die Flasche in mei nem Schreibtisch. Ob ihr ein kräftiger Schluck jetzt nicht eher wieder auf die Beine half? Sie hatte nichts dagegen, dass ich die Tasse in ihrer Hand mit ei nem Glas vertauschte und diesmal trank sie auch. Sofort kehrte die Farbe in ihr Gesicht zurück. Erleichtert atmete ich auf. Jetzt erst be merkte ich, wie stickig die Luft im Raum war. So öffnete ich die Fens ter. Es dauerte nur wenige Sekunden und ich hörte, wie sie wohl das Glas auf dem Boden abstellte. Aber bis ich mich wieder umdrehte, fiel bereits die Tür hinter ihr ins Schloss. »Aber Miss!«, rief ich verdattert. »So warten Sie doch!« Ich ging zur Tür und hörte, wie ihre Absätze durchs Treppenhaus klapperten. »Miss?« Sie reagierte nicht. Und um ganz ehrlich zu sein, ich war durchaus froh darüber. Denn ihre Reaktion hatte mich in ein Gefühl der Hilf losigkeit gestürzt, das ich absolut nicht mochte. Ich schloss die Tür also wieder und dann sah ich die Karte auf dem Boden liegen. Sie war wohl aus ihrer Handtasche gefallen. So erfuhr ich doch noch, wie sie hieß. Shirley Graham, so jeden falls stand es auf dieser Karte. Und ich erinnerte mich auch sofort dar an, dass ich den Namen Graham vor gar nicht langer Zeit schon gehört hatte. Und zwar von dem Typen, der mir auf der Straße mit seiner Knarre zu nahe gekommen war. Er hatte Adrienne Almore in einem Zug mit dieser Graham genannt. * Gegen Abend fuhr ich dann auf die South-Side. Durch eine höchst er freuliche Laune des Wetters war plötzlich Wind aufgekommen, vom Michigan-See her blies er die hitzige Dunstglocke weg, die seit Tagen über der Stadt gebrütet hatte. So war die Fahrt zum Lee Side Club richtig angenehm. Ich parkte absichtlich ein gutes Stück entfernt da von, um mir ein bisschen die Beine zu vertreten. An der Straße reihte sich ein Jazzlokal ans andere und immer wieder flog mir eine Melodie zu. Ich war nicht allein unterwegs, die Gegend lockte Vergnü 60
gungssüchtige in Scharen an. Vor dem Lee Side Club drängelten sich teure Limousinen wie Rinder vor einer Tränke. Ein Doorman musterte mich kritisch, ließ mich dann aber passie ren. Die Schönen und Reichen unserer Stadt, die derzeit vorzugsweise hier verkehrten, waren bereits zahlreich versammelt und auf den meis ten Tischen stand eisgekühlter Champagner. Flüchtig wehte mich die Erinnerung an Adrienne Almore an. Ob sie gelegentlich auch hier ver kehrte? »Sir, haben Sie einen Tisch bestellt?«, sprach mich ein befrackter Kellner an. So wie er mich ansah, schien er die Antwort bereits zu ken nen. »Nein«, bestätigte ich ihn und wies zu dem spiegelblank polierten Tresen links von mir. »Ich bleibe nur auf einen Schluck.« Er erlaubte es mir mit einem gönnerhaften Kopfnicken. Von dem Mann hinter der Bar bekam ich dann meinen Whiskey und die erwünschte Information. Er nannte mir drei Spielsalons und alle waren ganz in der Nähe. So ließ ich meinen Bourbon nicht alt wer den, legte einen Schein auf den Tisch und verließ das noble Etablisse ment auch bald wieder. In den Spielsalons verfuhr ich nach derselben Methode. Ich steu erte jedes Mal sofort die Bar an, bestellte mir etwas zu trinken und verwickelte die Barkeeper in ein Gespräch. Irgendwann ließ ich dann den Namen Fromsett fallen. Die Reaktionen fielen erstaunlich identisch aus. Man nickte und lächelte. »Sie sind an einer gepflegten Partie Po ker mit Mister Fromsett interessiert?« »War schon möglich«, räumte ich ein. »Mister Fromsett ist heute nicht da. Aber wenn Sie nach hinten gehen, finden Sie gewiss andere Partner.« An anderen Partnern war ich allerdings nicht interessiert. Aber im merhin, Fromsett war hier überall bestens bekannt und alle schienen ihn zu mögen. Da war ich also endlich einen Schritt weiter. Dadurch ermutigt, ließ ich dann einen nächsten Versuchsballon steigen und fragte nach Derace Kingsley. Wieder fielen die Reaktionen erstaunlich einhellig aus. Natürlich war auch Mr. Kingsley überall bestens bekannt. Aber man schien den vermögenden Alleinerben des Möbelimperiums 61
verblüffenderweise nicht sonderlich zu schätzen. War das nicht ein auffallender Kontrast im Vergleich mit einem Nobody wie Matthew Fromsett? Auch Mr. Kingsley, so erfuhr ich, habe sich seit längerem nicht se hen lassen. Und endlich erfuhr ich, von einem Mann, der neben mir seinen Whiskey leerte und der meinem Gespräch mit dem Mann hinter dem Tresen wohl gefolgt war, noch ein höchst aufschlussreiches De tail. »Kingsley hat inzwischen in den meisten Spielsalons Hausverbot«, ließ mich der noch ziemlich junge und gut gekleidete Typ grinsend wis sen. »Wenn Sie wirklich spielen wollen, würde ich an Ihrer Stelle ande re Partner vorziehen.« Damit löste er sich vom Tresen und ver schwand. Ich musste nicht lange grübeln, was diese Information zu bedeu ten hatte. Derace Kingsley ein Falschspieler? Es erschien mir einiger maßen absurd. Einer wie Kingsley hatte das doch nicht nötig! Bei einem weiteren Glas versuchte ich, diesen Widerspruch aufzu lösen. Es gelang mir allerdings nicht. Aber konnte ich mit dem Ergeb nis meines Ausflugs nicht schon zufrieden sein? Morgen war schließlich auch noch ein Tag. Ich zahlte also und wollte schon gehen, als sich aus den Rauchwolken im Hauptraum, in dem ein Roulettetisch stand, eine schmale Gestalt löste. Dass ich Shirley Graham so schnell wieder sehen würde, hatte ich nicht erwartet – und schon gar nicht hier. Wo bei es ja eigentlich nahe lag, wo sie doch mit Matthew Fromsett liiert gewesen war. Vermutlich war es ein Vorteil, dass ich zwar sie sehen konnte, sie aber nicht mich, dank eines Pfeilers, der mich zur Hälfte vor ihr verbarg. So trat sie nur ein paar Schritte von mir entfernt an den Tre sen und bestellte sich einen Gin. Im Vergleich zu heute Nachmittag wirkte sie erfreulich gefasst. Als ich sie ansprach, zuckte sie nur ganz leicht zusammen. »'n Abend, Miss Graham.« Ihr etwas verkrampftes Lächeln sollte wohl einen Gruß ersetzen. 62
»Ich fand es schade, dass Sie vorhin so plötzlich gegangen sind«, fuhr ich fort. »Umso besser trifft es sich nun, dass wir uns hier noch mal über den Weg laufen.« »Tja, die Welt ist klein«, flüchtete sie sich in einen Gemeinplatz. »Sie sind öfter hier?«, versuchte ich die Konversation nicht abrei ßen zu lassen. »Wenn es sich so ergibt.« Sie trank mit kleinen, mechanischen Gesten, so als schlucke sie eine Medizin. »Ich würde gern noch mal mit Ihnen über den Koffer reden«, gab ich dem Gespräch eine etwas konkretere Wendung. Da sah sie mich zum ersten Mal an, wieder mit diesem gehetzten Blick wie am Nachmittag vor meinem Büro. Aber gleich darauf warf sie den Kopf zurück, stieß ein seltsam schrilles kleines Lachen aus und sah wieder an mir vorbei. »Über welchen Koffer?« Wie sollte ich das nun deuten? »Hören Sie, wenn es Ihnen lieber ist, wir können anderswo darüber reden«, schlug ich ihr vor. »Ich möchte nicht anderswohin und ich möchte nicht reden«, ver setzte sie kühl. »Schon gar nicht über einen Koffer. Wenn Sie mich jetzt bitte...« Weiter kam sie nicht, denn nun drängte sich ein Mann zwischen sie und mich. Er gab sich, als bemerke er nicht, dass er störte und bestellte mit herrischer Stimme etwas zu trinken. Da er mindestens einen Kopf größer war als ich, konnte ich mit Sicherheit ausschließen, dass es derselbe Typ war, der mir neulich den Lauf seiner Knarre in den Rücken gedrückt hatte. Trotzdem schien es mir da eine Verbin dung zu geben. Denn Shirley Graham nützte sein Erscheinen dazu, sich wieder einmal abrupt zu entfernen. Außerdem fiel mir auf, dass sie nicht bezahlt hatte, das erledigte der Typ neben mir für sie. Bevor er sich mit seinem Glas wieder entfernte, warf er mir einen kurzen Blick zu. Wie er dabei grinste, gefiel mir nicht. Unter diesen Umständen schien es mir geraten zu sein, nun wirk lich zu gehen. Ich zahlte und ging langsam zum Ausgang. Dabei achte te ich darauf, ob mir jemand folgte. Es war nicht der Fall, was mich aufatmen ließ. 63
*
»Morgen, Chef!«, rief Betty mir zu, als ich am nächsten Tag ins Büro kam. Sie redete exaltierter als sonst und außerdem rollte sie ziemlich auffällig die Augen und wies mit dem Kinn Richtung Sofa. Als ich die Tür schloss, sah ich den Grund für ihr Benehmen. Ad rienne Almore saß dort auf dem Sofa, mit elegant übereinander geleg ten Beinen. Sie trug eine leuchtend rote Jacke über dem Sommerkleid aus cremeweißem Chintz und blies Rauchkringel in die Luft. »Guten Morgen, Pat«, sprach sie mich an, in einem so vertrauli chen Ton, dass Betty natürlich sofort hellhörig wurde. Und ich ziemlich nervös. Dabei kam Adrienne mir im Grunde wie gerufen, setzte ich doch darauf, dass sie mir einige Fragen in Bezug auf Derace Kingsley beantworten könnte. Aber wieder einmal verwirrte sie mich. »Guten Morgen, Miss Almore«, erwiderte ich und wusste sofort, dass meine Förmlichkeit weder auf Adrienne noch auf Betty sonderlich überzeugend wirken würde. »Nett, Sie zu sehen.« Sie nickte, als hörte sie aus meinen belanglosen Worten einen tie feren Sinn heraus. »Ich war zufällig in der Gegend hier unterwegs«, sagte sie dann. »Da bekam ich Lust auf einen Kaffee und auf Ihre fan tasielosen Fragen.« Sie lächelte mich spöttisch an. Betty fiel der Unterkiefer herunter. Zum Glück war sie aber noch nicht auf die Idee gekommen, Adrienne Kaffee anzubieten. Ich sorgte dafür, dass dies auch so blieb. »Dann kommen Sie doch«, schlug ich vor. »Ich wollte sowieso noch mal weg.« Das war frei erfunden und ich sah, wie Betty zu einer empörten Bemerkung ansetzte. »Gehen wir?«, drängte ich und verschwendete keinen Blick auf meine Sekretärin. Als Adrienne aufstand, setzte sie erneut eine Wolke eines ziemlich verwirrenden Parfüms frei. Ich stand schon an der Tür. »Aber Chef!«, rief Betty. »Und überhaupt...« Ihr blieb richtig die Spucke weg. »Wann kommen Sie denn wieder?« »Das sehen Sie dann schon«, knurrte ich sie an. 64
Bis wir unten auf der Straße waren, kam Adrienne sogar auf den Gedanken, sich bei mir einzuhängen. War ihr bewusst, wie sehr sie mich mit dieser ja nur scheinbar selbstverständlichen Geste verwirrte? Oder legte sie es sogar genau darauf an? Ich tat mein Möglichstes, um meine grauen Zellen ins Spiel zu bringen. »Sie wollen also wieder mal mit mir über Derace reden?«, fragte sie mit einem Lächeln. »Richtig, fast hätte ich es vergessen!« Ich schritt betont schnell aus, das Café, das ich für geeignet hielt, befand sich zwei Blocks ent fernt. »Dann fragen Sie endlich«, versetzte sie. »Damit wir das hinter uns haben und zu anderem kommen können.« Zu anderem? Was wollte sie damit andeuten? Herrgott noch mal, mein Gehirn schien schon wieder zu schrumpfen. »Was wissen Sie über Deraces Spielgewohnheiten?«, kam ich zur Sache. »Haben Sie ihn manchmal begleitet?« Sie lachte leise. »Da muss ich Sie enttäuschen. Ich bevorzuge an dere Spiele.« Anscheinend legte sie es darauf an, jeder Bemerkung einen dop pelten Sinn zu geben. »Dann also zurück zu Derace.« Ich ging noch etwas schneller. Sie folgte mir mühelos, trotz ihrer hohen Absätze. »Das ist eine eher traurige Geschichte«, meinte sie, lächelte aber ganz fröhlich dabei. »Derace kann einfach nicht spielen, wenn Sie wis sen, was ich meine.« »Erklären Sie es mir sicherheitshalber«, bat ich. »Für ihn ist das kein Spiel, sondern Ernst«, fuhr sie leichthin fort. »Eine richtige Krankheit, verstehen Sie? Er spielt nicht, weil er sich vergnügen möchte, sondern weil er spielen muss.« »Und die Frau Mama weiß wirklich nichts davon?«, meldete ich gewisse Zweifel an dem an, was sie letztes Mal behauptet hatte. »Krankhafte Spieler haben die Neigung, öfter zu verlieren als zu ge winnen. Das geht dann mitunter an die Substanz des Besitzes.« »Ich gehörte zum Glück nie so eng zur Familie, dass ich dazu Ge naueres sagen könnte«, erklärte Adrienne. »Vorstellbar ist natürlich manches.« 65
»Zum Beispiel?«, hakte ich nach. »Nun, zum Beispiel dass die Frau Mama das Laster ihres Sohnes durchaus kennt. Aber so tut, als wusste sie nichts davon.« »Aber müsste sie sich nicht Sorgen machen? Auch das größte Ver mögen ist mitunter rasch verspielt.« Adrienne lachte kehlig. »Wer sagt denn, dass Derace freien Zugriff auf das Vermögen hat? Es gab da gelegentlich hässliche Szenen. Aber in diesem Punkt hatte ich sogar Verständnis für Mistress Kingsley.« »Und auch ein gewisses Eigeninteresse«, ergänzte ich im Gedan ken an das Apartment und Adriennes monatlichen Scheck. »Stimmt«, gab sie ganz offen zu. »Aber was das betrifft, so wird das von einem Angestellten der Familie geregelt. Derace muss sich nicht selbst darum kümmern.« »Lassen Sie mich sehen, wie weit meine Fantasie reicht. »Könnte es sein, dass Sie Teil eines gewissen Arrangements sind? Wenn Derace nicht in der Villa draußen ist, dann soll seine Mutter glauben, er sei mit Ihnen zusammen?« »Ja, so könnte man das sehen«, bestätigte Adrienne lächelnd. »Was natürlich dadurch den Schein von Anstand und Moral er hält«, spann ich den Faden weiter, »dass Derace ein eigenes Apart ment im Buckingham Building hat. Auf solche Dinge legt Mistress Kingsley doch sicher einigen Wert?« »Stimmt, das tut sie.« Adrienne schmunzelte. »Aber in Wirklichkeit braucht Derace das Apartment als Tarnung für seine Spielsucht«, fuhr ich fort. »Von der die Mama zwar weiß, die sie aber glaubt, teils durch Ignorieren, teils durch eine gewisse Kon trolle hinnehmen zu können.« »Stimmt ebenfalls«, bestätigte Adrienne. Ich schwieg einen Moment. Wir waren jetzt fast schon bei dem Café und ich bedauerte es ein bisschen, so sehr von Derace in An spruch genommen zu sein. Andernfalls hätte ich die Blicke genießen können, die man uns zuwarf. Anscheinend gaben wir ein ziemlich att raktives Paar ab. »Und diese Kontrolle«, ging ich noch einen Schritt weiter, »sieht so aus, dass die Frau Mama ihm nur eine begrenzte Menge Geld zur 66
freien Verfügung lässt. Weil sie hofft, so den Schaden in Grenzen zu halten.« Adrienne lachte leise. »Sie haben sehr viel mehr Fantasie, als man Ihnen auf den ersten Blick ansieht.« Nun mussten wir die Straße überqueren, das Café befand sich auf der anderen Seite. In dem Café hatten sich um diese Zeit überwiegend ältere Damen eingefunden, die sich bei Kaffee und Kuchen von ihren Einkäufen er holten. Eine weißgeschürzte Kellnerin geleitete uns an einen Tisch. »So, das Thema Derace hätten wir dann ja wohl erledigt«, meinte Adrienne vergnügt, als sie sich setzte. Sie sah mich unverwandt an. Ihre dunklen Augen hatten heute einen bernsteinfarbenen Glanz sowie die Fähigkeit, mir Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. »Und wenn ich das nicht so sehe?«, hielt ich dagegen. »Dann rede ich Ihnen das aus!« Sie lachte. »Können Sie eigentlich segeln?« Die Frage überraschte mich. »Nein. Wäre das wichtig?« »Nicht unbedingt«, erwiderte sie. »Zumal ich segeln kann. Und heute wäre das Wetter dafür ideal. Genau die richtige Brise.« Die Kellnerin brachte uns den bestellten Mokka. »Sie besitzen also ein Segelboot?«, fragte ich und beobachtete fasziniert, wie Adrienne Zucker in der winzigen Tasse verrührte. Sie hatte auch auffallend schöne Hände, was mir bislang ganz entgangen war. Fast beneidete ich den Löffel in ihrer Hand. »Ich nicht, aber die Familie Kingsley«, entgegnete Adrienne. »De race benutzt es nur selten. Ich kann davon Gebrauch machen, wenn mir danach ist. Und heute...« Sie stockte und ließ etwas wie einen Schleier über ihre Augen fallen. »Heute wäre mir sehr danach. Zum Beispiel mit Ihnen.« »Ich zweifle doch stark daran, ob ich einen geeigneten Bootsmaat abgeben würde«, wandte ich ein. »Ach, Sie sind einfach zu bescheiden!« Der Schleier vor ihren Au gen hob sich wieder. Ich sah ihr an, wie sie von einem Moment auf den anderen inner lich wieder auf Distanz ging. Was ich nicht wenig bedauerte. Doch an 67
dererseits gab es niemanden, der ohne entsprechende Gegenleistung Schecks auf mich ausstellte. »Vielleicht holen wir das mit dem Segeln ja ein anderes Mal nach.« Sie straffte sich, warf einen Blick auf die Uhr an ihrem Handge lenk und leerte dann den letzten winzigen Schluck Kaffee. Dann stand sie auf und reichte mir ihre Hand. »Viel Erfolg.« Damit ging sie. Natürlich fragte ich mich, wobei sie mir Erfolg wünschte. Und einen unangenehmen Moment lang hatte ich das Ge fühl, dass Adrienne mit mir spielte - und dabei womöglich mit Derace als Partner. Als ich gezahlt hatte und zum Büro zurückging, hielt ich das aber doch für eher unwahrscheinlich. Adrienne war für solche Din ge zu direkt, auch zu abgeklärt. Denn bei Derace ging es für sie um finanzielle Dinge und sie war eindeutig eine Frau, die dabei kein Risiko einging. Sie liebte ihr Apartment und schätzte die Freiheiten, die ein regelmäßiger Scheck ihr erlaubte. * Betty telefonierte, als ich das Büro betrat. Noch bevor ich ihr irgendein Zeichen geben konnte, gab sie meine Ankunft bekannt. »Sie haben Glück, eben kommt er rein.« Nicht gerade begeistert nahm ich ihr den Hörer ab. Hollyfield mel dete sich. »Connor, ich hab nicht viel Zeit«, bellte er ins Telefon. »Kann es sein, dass Sie mir noch was erzählen wollten? Etwas, das mit Fromsett zu tun hat?« »Nicht, dass ich wüsste«, entgegnete ich und nahm endlich den Hut ab. Ich legte ihn auf meinen Schreibtisch und neben ihn dann meine Füße. »Sie enttäuschen mich, Connor!«, blaffte der Leiter der Mord kommission. »Und ich verstehe Sie nicht«, stellte ich mich stur. Verwechselte mich Hollyfield mit einem aus seiner Truppe? In diesem Ton jedenfalls erreichte er bei mir nichts. 68
»Es gibt da eine Anzeige.« Als er weiter sprach, hatte er wohl sei nen Fehler selber bemerkt und bemühte sich um eine etwas höflichere Tonart. »Und zwar gegen Fromsett.« »Wen interessiert das noch, wo er doch tot ist?«, wandte ich ein. Hollyfield hatte keine Lust, darauf einzugehen. »Es ist eine Anzei ge wegen Diebstahl.« »Seit wann fällt so was denn in Ihr Ressort?«, brachte ich mein Erstaunen zum Ausdruck. »Seit wann geht Sie das was an?«, zahlte es mir Hollyfield mit gleicher Münze zurück. »Und was soll er gestohlen haben?«, zeigte ich mich nun doch et was zugänglicher. Hollyfield brummte etwas Unverständliches. »Ich hätte wetten können, dass Sie das schon wüssten!«, schob er dann nach. »Schmuck. Ziemlich wertvoll. Familienbesitz, Sie verstehen?« Einige Alarmklingeln setzten sich in meinem Kopf in Gang, was ich Hollyfield aber nicht verriet. »Also 'ne Versicherungssache?«, fragte ich stattdessen. »Ja, klar, das auch.« Hollyfield seufzte. »Irgendwie seltsam, fin den Sie nicht auch? Es hat schon was, so einen Diebstahl einem anzu hängen, dem man deshalb nichts mehr anhaben kann. Irgendwie ge nial, so kommt es mir vor.« »Und wer hat Anzeige erstattet?«, fragte ich ohne große Hoff nung, darauf eine Antwort zu bekommen. Hollyfield lachte denn auch nur grimmig. »Vielleicht schmückt sich ja längst jemand anderes mit diesen Klunkern«, schlug ich vor. Hollyfield verstand mich falsch. Aber genau das hatte ich ja auch beabsichtigt. »Spucken Sie es endlich aus, Connor! Hatte er einen Partner?« Wenn, dann eher eine Partnerin. Aber wieso sollte ich das Holly field auf die Nase binden? Zumal ich an die Sache mit dem Diebstahl immer weniger glaubte. »Tut mir wirklich Leid, Captain, aber das weiß ich nicht. Als ich Fromsett gesehen habe, fehlte ihm nicht nur ein Part ner, sondern auch die Hälfte seines Gesichts.« 69
Daraufhin wurde Hollyfield so wütend, dass er einfach den Hörer auflegte. »Stimmt das denn?«, sprach Betty mich an, mit den wieder mal vor Entsetzen kugelrunden Augen. »Was meinen Sie?« Ich lockerte meine Krawatte und ließ eine Zi garette zwischen meine Zähne wandern. »Na, das mit... mit dem Gesicht«, brachte sie stockend hervor. »Das haben Sie mir noch gar nicht gesagt.« »Weil ich Sie schonen wollte.« Ich blickte sie treuherzig an. Trau erte sie dem Schönling wirklich noch immer nach? »Wie gemein«, murmelte sie und ließ offen, ob sie damit den Zu stand meinte, in dem Fromsett diese Welt hatte verlassen müssen, oder die Aufrichtigkeit meiner Schonungsabsicht bezweifelte. Sie tat mir fast ein bisschen Leid. Und deshalb schlug ich ihr vor, mich gleich zu begleiten. »Wohin?«, fragte sie wenig begeistert. »Zu einem Juwelier.« Ich stand auf und ging zu dem Schrank, in dem der Koffer stand. Betty schaute mich verständnislos an. »Keine Angst!« Ich lachte. »Ich will Ihnen keinen Verlobungsring kaufen.« Als ich den Koffer auf Joes Schreibtisch stellte, ihn aufschloss und ihm dann den blauen Samtbeutel entnahm, erwachte ihr Interesse. Wie magisch angezogen stand sie auf. »Ist ja nett, dass Sie mich endlich doch ein bisschen einweihen«, murmelte sie. Ich löste die Kordel und griff in den Beutel. Was mir als Erstes in die Finger geriet, zog ich heraus. Es waren zwei Ringe, sie ähnelten sich zum Verwechseln. Der Reif des einen war allerdings gelblich, der andere von einem stählernen Weiß. Auf beiden glitzerte ein geradezu lächerlich großer Stein. Umgeleitet über das offen stehende Fenster brach sich ein Sonnenstrahl in ihnen und löste ein Funkelfeuerwerk aus. Betty schrie erschrocken. 70
»Keine Angst«, beruhigte ich sie. »So groß, wie die Dinger sind, können sie ja nur aus Glas sein.« Ich steckte den Beutel wieder in den Koffer, verschloss ihn und brachte ihn auf seinen Platz zurück. »Wollen Sie vielleicht mal einen anprobieren?«, schlug ich Betty grinsend vor. Sie schüttelte fast erschrocken den Kopf. »Ich werde mich hüten! Was, wenn die doch echt sind?« »Sind sie bestimmt nicht«, beharrte ich. »Aber um das eindeutig festzustellen, suchen wir jetzt einen Juwelier auf. Und anschließend könnten wir ja auch etwas essen gehen, was meinen Sie?« Ich ließ die Ringe in meine Hosentasche gleiten. Sie waren die unauffälligsten Stü cke der Kollektion. Betty wirkte noch immer nicht sehr begeistert. »Aber mit diesen Ringen, einfach so in der Hosentasche«, wandte sie ein, »ich weiß ja nicht, ob es mir da schmeckt.« Ich schüttelte den Kopf. »Betty, diese Ringe lagen seit Tagen in Ihrer unmittelbaren Nähe und Sie haben sich nicht daran gestört!« »Kunststück, ich wusste ja auch nichts davon!«, schnaubte sie und gab mir damit mal wieder einen aufschlussreichen Beweis von den Untiefen weiblicher Logik. »Ich nehme doch an, Sie kennen einen Juwelier?«, appellierte ich an ihren Sachverstand. »Einen, der sich darauf versteht, Original und Fälschung zu unterscheiden.« »Warum gehen Sie nicht gleich zu Pittman's auf dem Washington Boulevard oder zu Merkam & Cie. In der Madison Street?«, fragte Bet ty nicht ohne Grund. »Weil ich vermeiden will, dass mir unangenehme Fragen gestellt werden. Der Schmuck ist wahrscheinlich bekannt wie ein bunter Hund. Schließlich sind das nicht ein paar einfache Klunker. Deshalb wäre mir ein einfacher Juwelier lieber, der vielleicht den Schmuck nicht kennt, oder zumindest keine dummen Fragen stellt.« »Davon gibt es in der South-Side mehr als genug«, meinte Betty. Sie schaute dann noch ein paar Mal zwischen mir und dem Schrank hin und her. Gut möglich, dass sie sich vorzustellen versuchte, wie viele von solchen Steinen der blaue Beutel noch enthielt. Und vielleicht er schien es ihr deshalb geraten, mich lieber doch zu begleiten, mit nur 71
zwei von den Dingern in ihrer unmittelbaren Nähe. Möglich war auch, dass es ihr schmeichelte, dass ich, was den Juwelier betraf, ihre Hilfe brauchte. Oder es war auch nur schlicht und einfach die Aussicht auf ein Mittagessen, die sie ihre Bedenken über Bord werfen ließ. »Okay, Chef, gehen wir!« Sie griff schon nach Jacke und Handta sche. Noch einmal schaute sie nervös auf den Schrank. »Und wenn das Zeug doch echt ist?« Ich grinste sie an. »Na, dann schenke ich Ihnen natürlich einen Ring!« * Es war eines jener eher schmuddeligen Geschäfte, die es auf der South-Side so häufig gibt. Man sah solchen Läden eigentlich schon von außen an, dass der Handel mit Pretiosen aller Art nur einen tarnenden Vorwand für ganz andere Geschäfte abgab. »Haben Sie eigentlich Ihre Waffe dabei?«, fragte Betty, als wir den Plymouth direkt vor dem Geschäft geparkt hatten und ausstiegen. Sie schien sich ziemlich unbehaglich zu fühlen, was sich darin äußerte, dass sie sich ständig ihre Lippen mit der Zunge befeuchtete. »Natürlich nicht«, erwiderte ich. »Sicher ist sicher, Sie kennen doch mein Motto.« Dass ich zusätzlich auch noch grinste, trug mir ei nen empörten Augenaufschlag von ihr ein. Der längliche Raum war völlig überfrachtet mit Schränken, die größtenteils aus Schubladen bestanden. Ein abgetretener Teppich in verblassenden Farben zwischen Braun und Violett sah aus, als diene er einzig als Staubfänger. Vor den Schränken waren Vitrinen aufgereiht, mit so schlierig verschmierten Glasscheiben, dass man die dahinter präsentierten Schmuckstücke kaum erkennen konnte. Ein durchdrin gender, dennoch kaum zu identifizierender Geruch hatte sich wie eine schwere Wolke über alles gelegt. Der Mann trat so leise aus einer Tür ziemlich weit hinten, dass Betty erschrocken aufschrie und ihre Finger in meinen Arm krallte, als er uns ansprach. Er sah auch wirklich nicht gerade erfreulich aus mit dem pockennarbigen Gesicht und den stechenden Augen. Sein dunkler 72
Anzug glänzte an vielen Stellen verdächtig und auf der dunkelroten Krawatte über einem nicht sehr sauberen Hemd glaubte ich Fettfle cken zu erkennen. Umso überraschender war die sanfte freundliche Stimme, mit der er uns ansprach. »Womit kann ich dienen? Setzen Sie sich doch.« Er wies auf einige zerschlissene Polsterstühle, die einen halbhohen Tisch umstanden. »Vielleicht ein Glas Wasser, Madam?« »Danke, nein«, erwiderte ich an Bettys Stelle. »Wir haben nicht viel Zeit.« Ich griff in meiner Hosentasche nach den beiden Ringen und legte sie auf den Tisch. Seine Oberfläche war mit einem abgegriffenen Samt bespannt, dessen ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erahnen war. »Es sind Erbstücke«, lieferte ich dem Mann die hoffentlich ausrei chende Erklärung dazu. »Und jetzt wüssten wir gern, ob sie was wert sind.« »Ja, die Zeiten sind schlecht.« Er verzog die seltsam schmalen Lippen zu einem verständnisvollen Lächeln. »Aber einen Moment wird es schon dauern, das zu überprüfen. Sie gestatten doch?« Er nahm von einem Regal in seiner Reichweite eine kleine Schale sowie eine Pinzette. Und damit legte er die Ringe in die Schale. Seiner Mimik war nicht zu entnehmen, ob ihm bereits der bloße Augenschein etwas über den Wert des Schmucks sagte. »Aber sicher«, ermunterte ich ihn. Dann erhob er sich und verschwand in einem der hinteren Räume. »Und wenn wir den nie wieder sehen?«, fragte Betty misstrauisch. »Das wäre dann Pech«, gab ich zu. »Gleichzeitig aber auch fast schon ein Beweis.« »Weil die Dinger dann echt wären?«, bewies Betty, dass sie gele gentlich durchaus mitdenken konnte. »So ähnlich.« Ich fingerte nach einer Zigarette, Betty folgte mei nem Beispiel und ich gab ihr und mir Feuer. »Ehrlich gesagt mache ich mir nicht viel aus Schmuck«, glaubte sie mir dann gestehen zu müssen. »Ist er echt, muss man ständig fürchten, ihn zu verlieren. Und im anderen Fall...« Sie verstummte, denn nun ging die Tür auf. 73
Zwei Männer kamen herein, beide mittleren Alters und ohne be sondere Kennzeichen. Mal davon abgesehen, dass sie beide ziemlich kräftig wirkten. Die Muskeln ihrer Oberarme waren drauf und dran, den straff gespannten Stoff ihrer Jacketts platzen zu lassen. Sie unter hielten sich lebhaft miteinander und steuerten so selbstverständlich die hintere Tür an, als täten sie das alle Tage. Als sie an uns vorbeigingen, nickten sie nur kurz und ziemlich von oben herab. »Wenn ich wüsste, dass Sie Ihre Knarre dabei hätten, wäre mir wirklich wohler«, maulte Betty, als die beiden verschwunden waren. Dann stand sie auf und tat so, als sei sie plötzlich doch am Inhalt der Vitrinen interessiert. Ich versuchte das Verrinnen der Zeit durch ein paar weitere Ziga retten zu beschleunigen. Außer, dass einmal eine nicht mehr ganz tau frische Brünette mit einem ziemlich großen Hund an der Leine aus der hinteren Tür kam und den Laden verließ, geschah nicht viel. »Wir hätten vielleicht erst was essen gehen sollen«, bemerkte Betty nervös. »So auf nüchternen Magen...« Sie brach den Satz ab, weil nun der Ledergesichtige wieder erschien. Die Schale mit den Rin gen balancierte er vor sich her, als enthielte sie kochend heiße Brühe. Betty blieb hinter mir stehen, während er sich umständlich setzte. »Und, wie ist nun Ihr Eindruck?«, fragte ich. »Tja, gespalten«, erwiderte er und seufzte. »Es ist wirklich eigen artig. Dieser Ring hier ist eine höchst billige Fälschung. Man sieht das schon daran, dass der Schliff des Steins...« »Ersparen Sie uns Einzelheiten, von denen wir sowieso nichts ver stehen«, fiel ich ihm ins Wort. »Was ist mit dem anderen Ring?« Er lehnte sich zurück, starrte aber weiterhin auf die Schale. »So etwas ist mir ehrlich gesagt noch nie unter die Lupe gekommen«, murmelte er dann. »Der Reif ist aus hochkarätigem Platin und der Di amant... So eine Qualität ist äußerst selten. Und bearbeitet wurde der Stein, wenn mich nicht alles täuscht, von einem wahren Meister. Er war in Antwerpen ansässig, im letzten Jahrhundert war sein Ruf...« Ich gebe zu, dass auch mir etwas flau wurde. Dass es Betty nicht gut ging, hörte ich daran, dass ihre Atmung sich beschleunigte. »Der eine Ring ist also echt und der andere nicht?«, fasste ich das verblüf 74
fende Ergebnis so einfach zusammen, wie es mir als Laie auf diesem Gebiet wohl zustand. »Genauso ist es, Sir«, bestätigte der Juwelier. »Wenn Sie für die ses selten schöne Stück einen Käufer suchen sollten... Einfach zu fin den wäre der nicht.« Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »A ber ich könnte Ihnen natürlich unter gewissen Umständen bei der Su che behilflich sein.« Als er seinen Blick endlich von dem Schmuck löste und mich an starrte, sah ich sehr deutliche Dollarzeichen in seinen Augen. »Oh Gott!«, schickte Betty einen Stoßseufzer zur rissigen Zimmer decke. »Auch was den genauen Wert angeht, müsste ich erst Erkundun gen einholen«, fuhr der Mann fort. »Aber ich würde mal grob schät zen...« »Ist schon gut«, fiel ich ihm rasch ins Wort. »Wir denken sowieso nicht an einen Verkauf. Wie gesagt, es sind Erbstücke.« Als ich nach den beiden Ringen griff und sie wieder in meiner Ho sentasche verschwinden ließ, leckte sich der Juwelier die Lippen und in seinen Augen erkannte ich eine Mischung aus Gier und Bedauern. »Komm, Betty, wir gehen!« Ich stand auf und fasste nach ihrem Arm. Er zitterte etwas. »Wer hätte das gedacht, die gute Tante Louise!«, setzte ich das Spiel der unerwarteten Erbschaft fort. »Nun komm doch, Liebling!« Auf dem Weg zur Tür stolperte Betty mehrmals über ihre eigenen Füße. Der Juwelier folgte uns. »Falls Sie es sich doch noch anders ü berlegen, es wäre mir eine Ehre, Ihnen behilflich zu sein.« Er quetsch te sich an uns vorbei, um uns in ziemlich übertriebener Beflissenheit die Tür aufzureißen. »Wir werden darüber nachdenken«, versprach ich. Dann erlebte ich die von Auspuffgasen geschwängerte Straße als pure Wohltat. Betty schien sich nicht so schnell zu erholen, sie hing an meinem Arm wie ein nasser Sack. Erst als ich sie auf den Beifahrersitz schob, entspannte sie sich etwas. Als ich ebenfalls einstieg, glimmte bereits eine Zigarette in ihrem Mundwinkel. 75
»Da hätten wir uns das Mittagessen ja nun redlich verdient«, be merkte ich und wollte schon starten. »Ja, das kann man wohl sagen.« Betty stieß hörbar die Luft aus. »Einen Moment noch.« Wilde Entschlossenheit sprach aus dem Blick, mit dem sie mich anschaute. »Geben Sie mir den Ring«, verlangte sie dann. »Ach, so plötzlich sind Sie doch interessiert?«, fragte ich einiger maßen verblüfft. Aber ich tat ihr den Gefallen und griff in meine Ho sentasche. Natürlich erwartete ich, dass sie nach dem wertlosen Imitat greifen wurde. Zu meiner nicht gelinden Überraschung griff sie aber nach dem anderen Ring. Sie probierte ihn an mehreren Fingern aus, am Mittel finger ihrer linken Hand passte er ganz gut. »Wieso das jetzt?«, hoffte ich auf eine Erklärung. Betty lehnte sich grinsend zurück. »Ist einfach sicherer so, Chef. Jedenfalls für mein Gefühl. Denn wer würde schon glauben, dass je mand wie ich ein Vermögen am Finger trägt? Und wo gehen wir jetzt essen?« Sie legte ihre beringte Hand auf die Tasche auf ihrem Schoß und starrte sie unverwandt an. Diesmal, ich müsste es zugeben, hatte Bettys Logik durchaus et was für sich. Trotzdem staunte ich darüber, wie schnell sie von ängstli cher Verzagtheit zu etwas wie Tollkühnheit fand. »Ich dachte, in Hen ry's Steak Diner«, gab ich ihr die gewünschte Auskunft und startete. »Um diese Zeit dürfte auch Brendon dort anzutreffen sein. Ich würde gern mit ihm reden.« * Brendon trafen wir zwar nicht an, aber die Steaks schmeckten uns dennoch. Betty begleitete mich anschließend noch ins Büro, wenn auch nur, um den Ring wieder loszuwerden. Bei Henry's Steak Diner hatte er ihr einen spöttischen Blick des Kellners eingetragen, die Größe des Steins war für ihn wohl eine hinreichende Aussage über seine Wertlosigkeit. Ich hatte erwartet, Betty sei neugierig, nun auch den 76
übrigen Inhalt des Samtbeutels zu sehen. Aber sie war daran nicht interessiert. »Bloß nicht, ich hab jetzt Feierabend«, ließ sie mich wissen. »Und ich will mich nicht unnötig aufregen. Was passiert denn jetzt mit dem Zeug?« Ich sagte daraufhin nichts, schließlich kannte ich die Antwort sel ber noch nicht. Wie viele von den Klunkern waren wohl echt? Und wer hatte für diese Mischung aus Tinnef und wirklich Wertvollem gesorgt? Und zu welchem Zweck? Darüber grübelte ich, als Betty gegangen war und ich zuschaute, wie die leichte Brise von draußen Fangen spielte mit den Rauchwölk chen, die ich aufsteigen ließ. Der Anblick war geeignet, mich an ein Segelboot denken zu lassen, ich auf den Planken, Adrienne mit den Tauen beschäftigt. Ich stellte fest, dass mich die Verkehrung der sonst üblichen Rollen im Zusammenhang mit ihr kein bisschen störte. Als Nächstes ärgerte ich mich darüber, dass Derace Kingsley sich nicht mehr blicken ließ. Auch wenn die Scheine, die er mir über Walla ce hatte zukommen lassen, im Moment noch durchaus als ausreichendes Honorar gelten konnten, fand ich es doch etwas kränkend, wie wenig Interesse er am Fortgang meiner Ermittlungen zeigte. Und stand nun nicht die Rückkehr seiner Mutter unmittelbar bevor? Das müsste ihn doch eigentlich nervös machen. Ich erinnerte mich endlich an die Karte von Shirley Graham. Dar auf war eine Telefonnummer verzeichnet und ich bat die Vermittlung, mich zu verbinden. Zu meiner Überraschung gelang das sogar. Shirley meldete sich mit einer Stimme, die entweder verschlafen klang oder nach Tränen. Als ich sie um ein Treffen bat, zeigte sie dazu wenig Lust. »Ich verstehe Sie nicht«, versuchte ich, sie doch noch herumzu kriegen. »Eigentlich müssten Sie doch daran interessiert sein, dass der Mord an Matthew Fromsett aufgeklärt wird.« »Würde er davon wieder lebendig werden?«, hielt sie dagegen. »Das nicht«, gab ich zu. »Aber ich könnte endlich einen Auftrag beenden. Und mir liegt manchmal an einer gewissen Ordnung der Din ge.« 77
Ich palaverte noch eine ganze Weile herum, bis sie mich unter brach. »Also gut. Kommen Sie an die Uferpromenade am MichiganSee. Sagen wir am Burnham Park, in einer halben Stunde.« Sie legte auf und ich begriff, dass ich mich sofort auf den Weg machen müsste, wenn ich pünktlich sein wollte. Ich verließ das Büro und fuhr die Monroe Street Richtung Osten, bis zur Michigan Avenue. Von dort kam ich in südlicher Richtung auf den Lake Shore Drive, wo ich nach einigen Blocks links in den E. Waldren Drive abbog und dann auch gleich parkte. Man spürte hier noch deutlicher die Brise vom See her als im Büro und wieder schweiften meine Gedanken kurz zu Ad rienne ab. Es war wirklich genau der richtige Tag, um am Wasser zu sein – noch besser, gar keine Frage, wäre es auf dem Wasser. Ich warf mir das Jackett über die Schultern, rückte den Hut in den Nacken und hatte dabei ganz deutlich das Knattern von Segeln im Wind in den Ohren. Auf der Uferpromenade herrschte das übliche Durcheinander von Kindern und ihren Erzieherinnen, von Hunden, die von meist älteren Männern ausgeführt wurden und gelangweilten Halbwüchsigen beider lei Geschlechts. Shirley Graham wartete schon, sie lehnte an dem Ge länder, das die Promenade zum Wasser hin begrenzte und blinzelte gegen die Sonne. Sie entdeckte mich sofort und kam auf mich zu. Das Kostüm aus einem dunkel changierenden Stoff war bestimmt zu warm für den Tag, aber vielleicht trug sie es ja, weil der düstere Farbton ihr als Witwenbekleidung passend erschien. Außerdem machte sich der Kontrast zu ihrer hellen Haut und dem weißblonden Haar wirklich gut. Auch heute wirkte sie sehr zerbrechlich, aber sie bewegte sich ziemlich flott und sprach mich mit entschiedener Stimme an. »Ich hab nicht viel Zeit. Was wollen Sie wissen?« Es war in etwa das Tempo, an dem auch mir lag. Wir setzten uns in nördlicher Richtung in Bewegung. »Private Spielsalons, Sie wissen schon. Wo trifft man sich derzeit, wenn es um richtig viel geht? Sie kennen sich da doch bestimmt aus.« »Früher schon«, gab sie zu. »Wobei ich da nie gern war. Nur we gen Matthew. Und nun, wo ihm genau das passiert ist, was ich immer befürchtet habe...« Sie beendete den Satz nicht. Der Wind brachte ihr 78
sorgfältig frisiertes Haar immer wieder durcheinander. Ich fand, es stand ihr gut, wenn ihr einzelne Strähnen ins Gesicht fielen. Sie wirkte dann nicht ganz so streng. »Was wissen Sie über den Inhalt des Koffers, den Ihr Verlobter bei mir deponiert hat?«, kam ich zur nächsten Frage. »Genug, um zu wissen, dass er ihn nicht hätte annehmen dür fen«, murmelte sie. »Der Familienschmuck der Kingsleys schien Ihnen zu heiß zu sein?«, schoss ich etwas ab, was hoffentlich ein Treffer war. Und was für einer. Erst blieb sie abrupt stehen, dann begann sie beinahe zu rennen. »Mit Kingsley ist nicht zu spaßen, das habe ich Matthew immer gesagt«, stieß sie hervor. »Derace ist krank, spielsüch tig und...« Sie hüstelte. »Natürlich verliert so einer ständig. Und Dera ce verlor immer mehr jedes Maß. Als er dann den Schmuck gesetzt hat... Matthew hätte das Spiel abbrechen müssen, ich habe ihn so sehr darum gebeten. Vielleicht hätte er ja sogar auf mich gehört. Aber Kingsley hat einfach nicht locker gelassen. Und Matthew war der Mei nung, mit dem Schmuck könnten wir dann... Naja, richtig gut leben.« Sie lächelte bitter. »Er wollte ihn so lange bei Ihnen lassen, bis er ei nen Käufer gefunden hätte.« Shirley ging noch immer sehr rasch und ich war so beschäftigt ge wesen ihr zuzuhören, dass mir erst jetzt auffiel, dass wir bereits auf der Höhe des Yacht-Clubs waren. Das schränkte meine Konzentration vorübergehend etwas ein. Aber so wichtig war es eigentlich gar nicht mehr, was Shirley jetzt noch sagte. Am liebsten hätte ich es gar nicht gehört, derlei Geständnisse machten mich immer verlegen. »Ich habe Matthew wirklich geliebt und er mich auch. Wir hätten den blöden Schmuck nicht gebraucht, um glücklich zu sein.« Mühsam verhaltene Tränen ließen ihre Stimme dunkler als sonst klingen. »Hat sich Ihr Verlobter denn davon überzeugt, dass es wirklich der Familienschmuck war und nicht billige Imitate?«, fragte ich und riss endlich meinen Blick vom Yacht-Club los. »Natürlich hat er das«, entgegnete Shirley und griff nach einem Taschentuch. »Und natürlich war das alles echt, ich bitte Sie! An Dera 79
ce Kingsley ist nicht viel dran, mal abgesehen vom Familienvermögen. Aber das ist so echt, wie Matthew nun tot ist.« Sie putzte sich die Nase. Dann fiel auch ihr die Nähe des YachtClubs auf und sie wurde mit einem Mal nervös. »Ich muss jetzt ge hen«, erklärte sie hastig. »Mehr kann ich Ihnen sowieso nicht sagen. Höchstens vielleicht noch eine Warnung. Derace ist ein Trottel, aber auch so einer kann gefährlich werden. Das hat er mit Matthew bewie sen.« Sie war plötzlich in so großer Eile, dass sie ging, ohne sich zu verabschieden. Ich sah ihr einen Moment nach, dann schlenderte ich weiter. Als mich eine Stimme ansprach, die ich sofort als die von Adrienne Almore erkannte, war ich beinahe nicht überrascht. »So ein Zufall, Pat!« Sie verließ soeben den Yacht-Club. Ihr Hemdblusenkleid aus gelb und weiß gestreifter Seide malte die Kontu ren ihres Körpers nach. »Haben Sie heute etwa doch Lust auf eine Segelpartie?« Langsam kam sie auf mich zu. »Ich hab dran gedacht«, gab ich zu. »Ich hab gar nicht gewusst, dass Sie Shirley kennen«, fuhr sie fort und ihre Mundwinkel zuckten leise. Offenbar hatte sie Shirley und mich vom Yacht-Club aus beobachtet. »Sie war eine meiner Nachfolgerinnen bei Derace. Aber klug genug, um ihn schnell zu durchschauen. Ja, die Kleine ist wirklich nicht übel.« Sie sprach mit einem gewissen Respekt. »Etwas naiv vielleicht«, ergänzte sie nachdenklich. »Auf die finanzielle Seite hat sie keinerlei Gewicht gelegt. Aber sie ist eben noch sehr jung. Und wo sie sich dann in diesen Fromsett verliebt hat...« Adrienne lach te leise. »Für den guten Derace war das ein schlimmer Schlag. Er woll te nicht begreifen, dass sie ihm diesen Niemand vorzog.« Wieder einmal fiel es mir nicht leicht, wenigstens ein Minimum meiner Gehirnmasse zu aktivieren, während Adrienne so verwirrend dicht neben mir ging. Ich tat mein Bestes und fragte mich, ob Matthew einfach deshalb hatte sterben müssen? Weil er Kingsley eine Gespielin ausgespannt hatte? Irgendwie war ich im Moment einfach nicht schnell genug, um alle Fakten zusammenzubringen. »Schauen Sie mal zurück«, forderte sie mich da auf. »Was sagen Sie zu diesem Paar?« 80
Ich blieb stehen und drehte mich um. Derace Kingsley erkannte ich sofort. Und die Frau an seiner Seite, in deren Begleitung er dem Yacht-Club zustrebte, konnte nur seine Mutter sein. Zwei Köpfe kleiner als er, aber doppelt so breit. Und im Vergleich zu der Energie, die von der Matrone ausging, glich der sonst so elegante und selbstbewusste Derace einem schwanzwedelnden Hündchen. »So ein Mann kann einem eigentlich nur Leid tun«, entfuhr es mir unwillkürlich. Adrienne ließ wieder einmal ihr kehliges Lachen hören. »Ist so was denn wirklich ein Mann?« Wir standen an der Stelle der Uferpromenade, an der man in die E. Randolph Street gelangte. Und dort wurde ich zum zweiten Mal in nerhalb kürzester Zeit und für meinen Geschmack diesmal noch unnö tiger als eben ziemlich überstürzt verabschiedet. Aber immerhin reichte mir Adrienne zuvor noch ihre Hand. »Morgen soll der Wind mindestens so gut sein wie heute.« Wieder einmal gelang ihr das Kunststück, eine Art Schleier vor ihren dunklen Augen niedergehen zu lassen. »Ich werde morgen jedenfalls auf dem Wasser sein. Rufen Sie mich doch an, wenn Ihnen auch danach sein sollte.« Damit ging sie. Und im selben Moment fügten sich ziemlich viele Dinge in meinem Kopf endlich doch auf eine Weise zusammen, dass es mir durchaus möglich schien, am nächsten Tag Zeit für eine Segelpar tie zu finden. * Danach fuhr ich ins Büro zurück und ließ mich mit Hollyfield verbinden. Der Leiter der Mordkommission hatte anscheinend seinen melancholi schen Tag, was ich aus den Seufzern schloss, mit denen er seine Be grüßung einrahmte. »Ich wollte Ihnen ein Treffen vorschlagen«, begann ich. »In ei nem gewissen Apartment des Buckingham Building.« »Zu welchem Zweck, Connor?«, ächzte er. 81
»Sie könnten dort einen Mörder festnehmen«, hoffte ich, ihm eine Freude zu machen. »Das Motiv war einerseits Eifersucht. Aber ande rerseits ist er ein notorischer Falschspieler. Aber weil am Ende auch das nicht mehr geholfen hat, kam er zuletzt noch auf die Idee, seine Versicherung zu betrügen.« »Connor, hören Sie auf, ich möchte mit der Sache Fromsett nicht mehr behelligt werden!«, stöhnte Hollyfield. »Der Kerl war dumm ge nug, etwas zu weit nach oben zu wollen. Und er hat dummerweise auf die falschen Leute gesetzt. Seit die Iren jetzt im Glücksspiel die Nase vorn haben...« »Tut mir leid, Hollyfield, aber das sehe ich anders. Kann schon sein, dass Fromsett etwas zu weit oben mitspielen wollte. Aber umge legt hat ihn ein anderer. Der Name Kingsley sagt Ihnen doch etwas?« Auch wenn ich Hollyfield nicht sah, bekam ich doch mit, wie jetzt förmlich ein Ruck durch ihn ging. »Sind Sie sicher, Connor?« Seine Stimme war heiser. Offenbar fiel eine zentnerschwere Last von ihm ab. Denn bei Kingsley war zumindest eines ausgeschlossen - er hatte mit keinem der beiden Syndikate zu tun. »Kommen Sie einfach zum Buckingham Building«, wiederholte ich meine Einladung. »Ich bringe alles mit, was vielleicht noch nötig ist, um den Junior zum Reden zu bringen. Und wenn Sie mir einen Ge fallen tun wollen - lassen Sie Quirrer im Stall.« Spätestens jetzt gelang es mir doch, Hollyfield aufzuheitern. Er lachte dröhnend und kündigte an, in einer halben Stunde am verlang ten Ort zu sein. Mir blieb Zeit genug, um mich mit einem ordentlichen Schluck zu stärken und noch ein paar Puzzlesteine in meinem Kopf an den richti gen Ort zu bringen. In gewisser Weise stieg meine Achtung vor Kings ley etwas. Keine Frage, er hatte in mehr als einer Hinsicht falsch ge spielt. Aber dies doch ziemlich raffiniert. Vielleicht war das sein Fehler gewesen und er hatte sich in den so kunstvoll ausgelegten Schlingen am Ende doch nur selber verfangen. Ich holte den Koffer aus dem Schrank. Inzwischen war ich davon überzeugt, dass bis auf jenen einen Ring alles gefälscht war, was sich darin befand. Den echten Familienschmuck hatte Kingsley längst ver 82
spielt und dies, beziehungsweise die Aussicht auf den mütterlichen Zorn, hatte ihn dazu bewogen, alles auf eine Karte zu setzen. Er selbst hatte vermutlich für die Einbruchspuren am Tresor und an der Woh nungstür und für Fälschungen gesorgt, um seiner Mutter die Illusion zu erhalten, der Familienschatz sei noch vorhanden. Denn diesen hatte er bestimmt im nächsten Spiel schon gesetzt und verloren. Und dann hatte ihn der Spielteufel bewogen, auch diese Fälschungen ein zusetzen, in einem Spiel mit Fromsett. Als er den falschen Schmuck im Spiel an ihn verloren hatte, war er davon ausgegangen, gegen einen Niemand wie Fromsett leichtes Spiel zu haben. Er wollte die Fälschun gen unbedingt wiederhaben, um sich Ärger mit seiner Mutter zu erspa ren. Die wäre ja auch nie im Leben auf die Idee gekommen, die Echt heit der Klunker anzuzweifeln. Und müsste ein kleiner Detektiv wie ich nicht beeindruckt sein, wenn ein Mann wie Kingsley ihn um Hilfe bat? Dann hatte Kingsley begriffen, dass ihm auch Adrienne Almore und Shirley Graham gefährlich werden konnten. Sie wussten zu viel über ihn und hätten mir Hinweise auf sein heimliches Laster geben können. Endlich verließ ich das Büro und fuhr los. Hollyfield stritt sich be reits mit Wallace herum, als ich am Buckingham Building eintraf und den unsäglichen Quirrer hatte er mir natürlich nicht erspart. Der Lieutenant grinste mir dümmlich entgegen. »Na, wird Ihnen die Sache mal wieder zu heiß?« Ich ignorierte ihn und wandte mich an Wallace. »Ist Mister Kings ley schon da?« Es ärgerte Hollyfield sichtlich, dass ich bei dem Wachhund mehr erreichte als er. Beinahe freundlich lächelte Wallace mich an. »Nein, aber er hat für heute sein Kommen angekündigt.« Ich nickte und forderte Hollyfield auf, mit mir zu der Sitzgruppe zu kommen. Von dort hatten wir den Eingang gut im Blick und auch das, was sich davor abspielte. Lange mussten wir nicht warten, bis die gro ße Limousine vorfuhr, ein cremefarbener Caddy. Im Fond saßen Mut ter und Sohn Kingsley, sie redete heftig auf ihn ein. Als er es endlich schaffte auszusteigen, schien er unter den mütterlichen Worten um mindestens einen Kopf geschrumpft zu sein. Er wartete, bis der Caddy weiterfuhr, dann betrat er das Haus. Als er zuerst Quirrer sah, dann 83
auch Hollyfield und mich mitsamt dem Koffer, verstand er, dass sein Spiel beendet war. Er sah aus, als könne er es gar nicht erwarten, mit seiner Beichte zu beginnen. Und vielleicht war es ja gar nicht erstaun lich, dass ihn dies in gewisser Weise zu erleichtern schien. Womöglich waren ein paar Jahre Knast für ihn ja weniger schlimm, als unter der Fuchtel seiner Mutter zu stehen? Wobei sich natürlich noch fragte, ob ihm ein guter Anwalt den Ge fängnisaufenthalt nicht ersparen würde - die Frau Mama würde sich da ja bestimmt nicht lumpen lassen... Aber das mussten nicht meine Sorgen sein. Während Quirrer Kingsley abführte, überlegte ich, in welchem Geschäft ich wohl solche Schuhe bekam, wie man sie auf Segelbooten trug. Und eine helle Hose dazu wäre bestimmt auch nicht schlecht. Ende
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