Andreas Rausch Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung
VS RESEARCH
Andreas Rausch
Erleb...
106 downloads
2382 Views
5MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Andreas Rausch Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung
VS RESEARCH
Andreas Rausch
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2010
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Marianne Schultheis VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18079-3
f ür Stefanie
Danksagung
Die vorliegende Arbeit widmet sich der betrieblichen Seite der Dualen Ausbildung in Deutschland und hier speziell dem Lernort Arbeitsplatz. Nicht zuletzt aufgrund eigener Erfahrungen im Rahmen meiner Ausbildung zum Bankkaufmann wuchs das Interesse, sich dem forschungsseitig stark vernachlässigten Lernen am Arbeitsplatz zuzuwenden. Inspiriert von den Unterrichtsstudien zum Selbstorganisierten Lernen der Forschergruppe um Detlef Sembill wurden in mehreren Teilstudien die Erlebens- und Lernprozesse von Auszubildenden am Arbeitsplatz und die subjektiven Lehr-Lerntheorien des Ausbildungspersonals analysiert, um lernförderliche Einflussfaktoren am Arbeitsplatz zu identifizieren. Auch wenn eine Dissertation definitionsgemäß eine Einzelleistung ist, wäre die vorliegende Arbeit ohne die Unterstützung einer Vielzahl von Personen nicht möglich gewesen. An vorderster Stelle danke ich Herrn Professor Dr. Detlef Sembill sowohl für die Freiheit, meine Interessen im Rahmen meiner Promotion zu verwirklichen, und die stets konstruktiven Rückmeldungen als auch für die über die nüchternen Anforderungen einer Promotionsordnung weit hinausreichende Ausbildung am Lehrstuhl. Mein großer Dank gilt zudem Frau Professor Dr. Sabine Hochholdinger, die als Mitglied meiner Promotionskommission und Zweitkorrektorin stets wertvolle Hinweise und aufmunternde Worte parat hatte. Beiden möchte ich ausdrücklich auch für die schnelle Erstellung der Gutachten danken. Zudem gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Hans-Peter Blossfeld, der als drittes Mitglied der Promotionskommission tätig war. Danken möchte ich ferner all meinen Kolleginnen und Kollegen am Bamberger Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, die mit inhaltlichen Anregungen und Rückmeldungen, organisatorischer Entlastung und mentaler Unterstützung gerade gegen Ende der Erstellung dieser Arbeit maßgeblich zu deren Gelingen beigetragen haben. Besonders hervorzuheben sind meine lieben Kollegen Frau Kristina Dreyer, Herr Marc Egloffstein, Frau Julia Warwas und – die „gute Seele“ des Lehrstuhls – Frau Klara Günther. Ein besonderer Dank gilt Professor Dr. Jürgen Seifried, der mir in der Zeit unserer Zusammenarbeit in Bamberg und darüber hinaus stets Freund und Mentor war und ist. Ebenso danke ich meinen lieben Freunden Anja Müller und Oliver Hermsen für das Aufspüren zahlreicher Fehlerchen.
VIII
Danksagung
Zum Gelingen der Arbeit trugen auch zahlreiche engagierte Studierende bei, die mich bei den zugrunde liegenden Studien, der Literaturverwaltung, durch Korrektur lesen oder Formatierungsarbeiten tatkräftig unterstützten. Auch wenn hier nicht alle fleißigen Helfer aufgeführt werden können, möchte ich Einige doch namentlich nennen. Mein Dank gilt Herrn Matthias Hechenberger, Frau Marianne Kreitmeier, Frau Laura Mayer, Frau Elisabeth Stangl, Frau Kristina Thiel und Frau Inga Wolf. Die empirische Feldforschung ist stets auf kooperationswillige Praxispartner angewiesen. Die vorliegende Arbeit wäre nicht möglich gewesen, ohne die Aufgeschlossenheit einiger entscheidender Personen. Stellvertretend für eine Vielzahl hilfsbereiter Partner möchte ich insbesondere Frau Petra Krüger für das entgegengebrachte Vertrauen und das inhaltliche Interesse danken. Zudem gilt mein großer Dank allen Auszubildenden, ausbildenden Fachkräften und hauptberuflichen Ausbildern, die sich an den Studien beteiligt haben. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Teilnahme beruhte auf Freiwilligkeit und stellte teilweise eine zusätzliche zeitliche Belastung dar. Und schließlich möchte ich meinen Eltern für ihr beharrliches Vertrauen und ihre stete Unterstützung in allen Belangen danken. Mein größter Dank gilt meiner Frau Stefanie, der ich gerade in der Endphase der Fertigstellung viel zugemutet habe und die mich trotz allem stets liebevoll unterstützte, mir Mut zusprach und nicht zuletzt auch zahlreiche inhaltliche Anregungen gab. Dir, liebe Steffi, ist diese Arbeit gewidmet. Bamberg, im Dezember 2010 Andreas Rausch
Inhalt
Danksagung.................................................................................................. VII Inhaltsverzeichnis...........................................................................................IX Abbildungsverzeichnis ..................................................................................XV Tabellenverzeichnis.................................................................................. XVIII 1
Ausgangslage und Problemstellung ........................................................... 1 1.1 Die „Wiederentdeckung“ des Arbeitsplatzes als Lernort............................ 1 1.2 Forschungsbedarfe zum Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung.......................................................................................................... 3 1.3 Eingrenzung des Untersuchungsfeldes, Fragestellungen und Methodik der Studie.......................................................................................... 6 1.4 Theoretische Verortung der Arbeit ................................................................ 7 1.5 Aufbau der Arbeit.............................................................................................. 8
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz...................11 2.1 Handlungsbegriff und angrenzende Konstrukte ........................................ 11 2.1.1 Handeln, Verhalten und Performanz ........................................................... 11 2.1.2 Tätigkeit, Handlung und Operation ............................................................. 12 2.1.3 Handeln, Denken, Lernen und Entwicklung .............................................. 14 2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells........................................................................................... 16 2.2.1 Begriffsverwendungen und -abgrenzungen im Bereich kognitiver, emotionaler und motivationaler Phänomene.............................................. 17 2.2.1.1 Kognition und Affekt – Versuch einer Minimaldefinition ....................... 20 2.2.1.2 Präzisierung emotional-affektiver Konstrukte anhand ihrer Bewusstseinsnähe ............................................................................................ 23 2.2.1.3 Emotional-affektive Trait-Komponenten ................................................... 29 2.2.1.4 Grundbedürfnisse, Motive, Motivation und Intention.............................. 31 2.2.2 Wechselwirkungen kognitiver, emotionaler und motivationaler Prozesse des Wahrnehmens, Denkens und Handelns............................... 40
X
Inhalt
2.2.2.1 Handlungssituation und Situationswahrnehmung...................................... 40 2.2.2.2 Erwartungs-mal-Wert-Theorien und Motivationsgenese in Handlungsprozessen ....................................................................................... 42 2.2.2.3 Kognitive Grundlagen des Handelns ........................................................... 48 2.2.2.4 Appraisal-Theorien und Emotionsgenese in Handlungsprozessen......... 52 2.2.3 Aktualgenese des Handelns – Entwurf eines integrativen Modells......... 65 2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln............................ 70 2.3.1 Handlungstheoretische Ansätze dispositionaler Handlungsvoraussetzungen............................................................................................... 71 2.3.2 Subjektive Theorien als Beschreibungsansatz individueller Handlungsvoraussetzungen ........................................................................... 73 2.3.3 Deckungsbereiche mentaler Modelle und subjektiver Theorien.............. 77 2.3.4 Bezüge zur aktuellen Diskussion des Kompetenzbegriffs........................ 78 2.3.4.1 Nominaldefinitionen der Kompetenz und Abgrenzungen....................... 79 2.3.4.2 Domänenspezifität als Merkmal des Kompetenzbegriffs ......................... 81 2.3.4.3 Empirische Näherungen an den Kompetenzbegriff.................................. 83 2.3.4.4 Vernachlässigung emotional-motivationaler Grundlagen des Handelns 87 2.3.4.5 Realistisches Selbstbild als Bestandteil von Kompetenz ........................... 89 2.3.5 Arbeitsdefinition des Kompetenzbegriffs ................................................... 90 2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln................................. 92 2.4.1 Bewusstseinsnähe von Lernprozessen ......................................................... 93 2.4.1.1 Lernen durch Problemlösen .......................................................................... 96 2.4.1.2 Lernen als Routinisierung und Reflexion von Routinen ........................... 99 2.4.1.3 Zusammenschau erörterter Prozesse des Kompetenzerwerbs .............. 102 2.4.2 Einfluss subjektiver Lerntheorien............................................................... 104 2.4.3 Emotional-affektive Verarbeitung von Feedback im Lernprozess........ 105 2.5 Zum Verhältnis von Kompetenzerleben und Kompetenzerwerb......... 108 3 Erlebensqualitäten und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung................................................................... 111 3.1 Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung ................. 112 3.1.1 Systematisierungsansätze zum Verhältnis von Lernen und Arbeiten ... 113 3.1.2 Idealtypische Funktionen des Arbeitsplatzes als Lernort........................ 116 3.1.3 Verortung des Arbeitsplatzes in einer ökologischen Systemsicht auf die betriebliche Ausbildung................................................................... 117 3.1.4 Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung...................................................................................................... 122 3.2 Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen .............. 126 3.2.1 Das Job-Demand-Control-Support-Model (Karasek)............................. 126 3.2.2 Die Affective-Events-Theory (Weiss & Cropanzano)............................. 128 3.2.3 Das Job-Characteristics-Model (Hackman & Oldham) .......................... 131
Inhalt
XI
3.2.4 Die Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan) im Arbeitskontext........ 134 3.2.5 Zwischenfazit: Konvergenz der Zielgrößen, Kongruenz der Einflussfaktoren und zentrale Bedeutung der Erlebensqualität............. 137 3.3 Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben ......................... 138 3.3.1 Erlebens- und lernförderliche Merkmale von Arbeitsaufgaben............. 139 3.3.2 Einschränkungen zur Erlebens- und Lernförderlichkeit von Aufgabenmerkmalen..................................................................................... 143 3.3.3 Interaktionsqualität im Arbeitsprozess ...................................................... 145 3.4 Das betriebliche Ausbildungspersonal als (Mit-)Gestalter der Arbeitssituation.............................................................................................. 148 3.4.1 Ausbildungsbeteiligte und deren Funktionsbereiche ............................... 148 3.4.2 Pädagogisches Handeln am Arbeitsplatz ................................................... 151 3.5 Der Lernort Arbeitsplatz aus Sicht der Auszubildenden ........................ 158 4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz .............................................................................................. 161 4.1 Notwendigkeit einer prozessnahen Datenerhebung und Restriktionen des betrieblichen Feldes....................................................... 161 4.2 Prozessnahe Arbeitssituationsanalyse mittels Tagebuch-Methodik ...... 165 4.3 Ausgewählte Referenzstudien...................................................................... 170 4.3.1 Tagebuchstudien zur Erlebensqualität am Arbeitsplatz .......................... 170 4.3.2 Tagebuchstudien zum Lernen am Arbeitsplatz (Göttinger Forschergruppe)............................................................................................. 173 5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen..177 5.1 Forschungsfragen und Übersicht der durchgeführten Studien.............. 177 5.2 Konzeption der Pilotstudie.......................................................................... 180 5.2.1 Untersuchungsfeld, Design und Stichprobe der Pilotstudie................... 180 5.2.2 Fragebogeninstrumente der Pilotstudie ..................................................... 182 5.2.2.1 Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften (EEH) ............................... 183 5.2.2.2 Retrospektive Erfassung der Motivation und Motivationsbedingungen (AEH)...................................................................................... 185 5.2.2.3 Retrospektive Erfassung der betrieblichen Ausbildungssituation (AEH).............................................................................................................. 189 5.2.3 Tagebuch-Methodik im Rahmen der Pilotstudie ..................................... 192 5.2.3.1 Erfassung von Tätigkeiten im Arbeitstagebuch der Pilotstudie............. 192 5.2.3.2 Tagesrückblick im Arbeitstagebuch der Pilotstudie................................. 194 5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel ........................... 195 5.3.1 Beschreibung des Untersuchungsfeldes..................................................... 195 5.3.1.1 Arbeits- und Ausbildungsbedingungen im Einzelhandel........................ 196 5.3.1.2 Der Ausbildungsansatz im untersuchten Unternehmen ......................... 198
XII
Inhalt
5.3.2 Untersuchungsdesign und Stichprobe der Hauptuntersuchung im Einzelhandel................................................................................................... 199 5.3.2.1 Untersuchungsdesign und Stichprobe der Tagebuchstudie im Einzelhandel................................................................................................... 200 5.3.2.2 Untersuchungsdesign und Stichprobe der Interviewstudie im Einzelhandel................................................................................................... 202 5.3.3 Fragebogeninstrumente der Hauptuntersuchung..................................... 203 5.3.3.1 Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften (EEH) ............................... 204 5.3.3.2 Erfassung der Motivation und Motivationsbedingungen (EEH und AEH) ........................................................................................... 207 5.3.3.3 Retrospektive Erfassung der betrieblichen Ausbildungssituation (EEH und AEH) ........................................................................................... 212 5.3.4 Tagebuch-Methodik der Hauptuntersuchung........................................... 215 5.3.4.1 Identifikation von Tätigkeitstypen im Vorfeld der Tagebuchstudie ..... 215 5.3.4.2 Erfassung von Tätigkeiten im Arbeitstagebuch........................................ 218 5.3.4.3 Tagesrückblick im Arbeitstagebuch............................................................ 221 5.3.5 Konstruktinterviews mit Ausbildungsbeteiligten ..................................... 222 6 Empirische Befunde ................................................................................227 6.1 Die Analyseverfahren im Überblick ........................................................... 228 6.2 Befunde der Pilotstudie ................................................................................ 231 6.2.1 Befunde auf Tätigkeitsebene (Tagebuchdaten)......................................... 232 6.2.1.1 Erleben von Arbeitstätigkeiten in der betrieblichen Ausbildung........... 232 6.2.1.2 Eigeninitiative Übernahme von Tätigkeiten.............................................. 235 6.2.1.3 Interessens- und befindensförderliche Tätigkeitsmerkmale ................... 237 6.2.1.4 Lernförderliche Tätigkeitsmerkmale........................................................... 239 6.2.1.5 Erleben am Arbeitsplatz in Abhängigkeit von Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr ..................................................................................... 242 6.2.2 Zusammenhänge zwischen Tätigkeitsebene (Tagebuchdaten) und Personenebene (Standardfragebögen)........................................................ 245 6.2.2.1 Erleben am Arbeitsplatz und retrospektive Einschätzung der Ausbildungssituation .................................................................................... 247 6.2.2.2 Erleben am Arbeitsplatz und retrospektive Einschätzung der Motivation und Motivationsbedingungen ................................................. 250 6.2.2.3 Individuelle Dispositionen und Erleben am Arbeitsplatz....................... 254 6.2.3 Zentrale Befunde der Pilotstudie ................................................................ 256 6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel ......................................... 259 6.3.1 Motivationale Lage im Vergleich zur Pilotstudie (Benchmark) ............. 260 6.3.2 Tätigkeitsfelder der Einzelhandelsauszubildenden im betrachteten Unternehmen ................................................................................................. 262 6.3.3 Emotional-motivationales Erleben am Arbeitsplatz................................ 266
Inhalt
6.3.3.1 6.3.3.2 6.3.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.5.1 6.3.5.2 6.3.5.3 6.3.6 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.3.1 6.4.3.2 6.4.3.3 6.4.4 6.4.5
XIII Erleben unterschiedlicher Tätigkeitsfelder ................................................ 268 Eigeninitiative Übernahme von Tätigkeiten.............................................. 270 Interessens- und befindensförderliche Tätigkeitsmerkmale ................... 272 Lernen im Arbeitsprozess ............................................................................ 274 Zusammenhänge zwischen Tätigkeitsebene (Tagebuchdaten) und Personenebene (Standardfragebögen)........................................................ 283 Prozessnahe und retrospektive Einschätzung von Tätigkeitsmerkmalen ..................................................................................... 284 Erleben am Arbeitsplatz und retrospektive Einschätzung der Motivation und Motivationsbedingungen ................................................. 285 Individuelle Dispositionen und Erleben am Arbeitsplatz....................... 291 Zentrale Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel ......................... 293 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel.......................................... 297 Tätigkeitsfelder des Ausbildungspersonals................................................ 297 Lernverständnis und Ausbildungsziele aus Sicht der Ausbildungsbeteiligten........................................................................................................ 299 Betreuung von Auszubildenden am Arbeitsplatz..................................... 300 Merkmale guter Betreuung (Soll-Vorstellungen)...................................... 301 Betreuungsansatz der ausbildenden Fachkräfte (Ist-Situation) .............. 303 Individualisierung der Betreuung ................................................................ 306 Zufriedenheit der Auszubildenden und Verbesserungspotenziale aus Sicht aller Ausbildungsbeteiligten ........................................................ 308 Zentrale Befunde der Interviewstudie........................................................ 309
7 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................313 7.1 Erarbeitung eines Rahmenmodells des Lernens am Arbeitsplatz.......... 313 7.2 Überblick der Studien, Zusammenfassung der Befunde und Implikationen für die Praxis ................................................ 315 7.2.1 Überblick der durchgeführten Studien....................................................... 315 7.2.2 Zusammenfassung der empirischen Befunde ........................................... 317 7.2.3 Implikationen für die Praxis ........................................................................ 321 7.3 Empirische Zugänge im Rückblick und Forschungsausblick................. 323 7.3.1 Empirische Zugänge zum Erleben und Lernen am Arbeitsplatz im Rückblick................................................................................................... 323 7.3.2 Forschungsausblick ....................................................................................... 325 Literatur .........................................................................................................327 Anhang...........................................................................................................367
XIV
Inhalt
Hinweis Im Verlauf der Arbeit wird mehrfach auf den Anhang verwiesen. Dieser steht auf den Internetseiten des Verlages zum Download zur Verfügung.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1-1: Abb. 1-2: Abb. 2-1: Abb. 2-2: Abb. 2-3: Abb. 2-4: Abb. 2-5: Abb. 2-6: Abb. 2-7: Abb. 2-8: Abb. 2-9: Abb. 2-10: Abb. 2-11: Abb. 2-12: Abb. 2-13: Abb. 2-14: Abb. 2-15: Abb. 2-16: Abb. 2-17: Abb. 2-18: Abb. 3-1: Abb. 3-2: Abb. 3-3: Abb. 3-4: Abb. 3-5:
Aktualgenese der Performanz und Ontogenese der Kompetenz........... 8 Zu konkretisierendes Rahmenmodell ......................................................... 9 Modell der hierarchisch-sequenziellen Handlungsregulation................ 14 Emotional-affektive Konstrukte und deren Beziehung ......................... 29 Rubikon-Modell der Handlungsphasen ................................................... 37 Bedürfnis, Motiv, Interesse und Absicht ................................................. 39 Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie.......................... 39 Kontinuum der Selbstbestimmung, Motivations- und Regulationsformen ....................................................................................... 44 Arten von Erwartungen nach Ereignis-Stadien im Motivierungsprozess ........................................................................................................... 47 Verarbeitungsebenen der Stimulus Evaluation Checks.......................... 58 Appraisal-Prozessmodell............................................................................. 61 Interaktionen zwischen Zeit, Verarbeitungsebene und Handlungsstationen......................................................................................................... 66 Entwurf eines allgemeinen Handlungsprozessmodells ......................... 67 Vorgehensweise in der Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff ............................................................................................................. 70 Übersicht geläufiger Attributionsbegriffe im Kontext der Kompetenzdiskussion .............................................................................................. 86 Arbeitsdefinition des Kompetenzbegriffs im engeren und weiteren Sinn................................................................................................. 91 Phasen des Bewusstseins von Lernprozessen und Lernresultaten ...... 93 Typologie des Lernens anhand von Bewusstseinsnähe und zeitlichem Fokus........................................................................................... 96 Quellen problemlösender Handlungsentwürfe ....................................... 98 Typisierte Darstellung des Wirkungsgeflechts aus Handlungsprozessen und Handlungsgrundlagen .................................................... 103 Klassifizierungen des Verhältnisses von Lernen und Arbeiten in der dualen Ausbildung .......................................................................... 115 Systemsicht betrieblicher Ausbildung ..................................................... 119 Strukturmodell der Arbeits- und Lernsituation ..................................... 123 Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz ........................................ 124 Dynamische Version des Job-Demand-Control-Modells.................... 127
XVI Abb. 3-6: Abb. 3-7: Abb. 3-8: Abb. 3-9:
Abbildungsverzeichnis
Makrostruktur der Affective-Events-Theory ........................................ 130 Job-Characteristic-Model .......................................................................... 133 Die Selbstbestimmungstheorie im Arbeitskontext .............................. 135 Synopse erlebens- und lernförderlicher Merkmale von Arbeitsaufgaben....................................................................................................... 140 Abb. 3-10: Matrix der Lernbedingungen am Arbeitsplatz...................................... 147 Abb. 4-1: Beschreibungsdimensionen von Tagebuchverfahren in der Psychologie.................................................................................................. 166 Abb. 5-1: Exemplarische Tätigkeitseinträge im Arbeitstagebuch der Pilotstudie ............................................................................................................ 194 Abb. 5-2: Stichprobenstruktur der Interviewstudie im Einzelhandel .................. 203 Abb. 5-3: Eingabemaske zur Erfassung einer Tätigkeit im internetbasierten Arbeitstagebuch.......................................................................................... 219 Abb. 5-4: Auswahl spezifischer Tätigkeiten im Tagesabschluss des Arbeitstagebuchs ..................................................................................................... 222 Abb. 6-1: Retrospektiv eingeschätzte Motivation in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf ....................................................................................... 260 Abb. 6-2: Retrospektiv eingeschätzte Bedürfnisbefriedigung und die begleitenden Empfindungen in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf........ 261 Abb. 6-3: Absolute und nach Dauer gewichtete Häufigkeit der Tätigkeitstypen ............................................................................................................. 263 Abb. 6-4: Nach Dauer gewichtete Verteilung der Tätigkeitskategorien auf Basis von Tagebuchdaten und retrospektive Einschätzung der Verteilung .................................................................................................... 265 Abb. 6-5: Erlebensunterschiede nach Tätigkeitskategorie..................................... 269 Abb. 6-6: Anzahl der kodierten Aussagen zur Selbst- und Fremdeinschätzung der Rolle ausbildender Fachkräfte ........................................................... 303 Abb. 7-1: Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz ........................................ 314 Abb. A-1: Persönlichkeitseigenschaften in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf ............................................................................................................. 368 Abb. A-2: Persönlichkeitseigenschaften in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr 369 Abb. A-3: Retrospektiv eingeschätzte Motivation in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf ....................................................................................... 370 Abb. A-4: Retrospektiv eingeschätzte basic need-Befriedigung und die begleitenden Empfindungen in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf........ 371 Abb. A-5: Retrospektiv eingeschätzte Motivation in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr .......................................................................................... 372 Abb. A-6: Retrospektiv eingeschätzte basic need-Befriedigung und die begleitenden Empfindungen in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr .......... 373 Abb. A-7: Retrospektiv eingeschätzte Merkmale des betrieblichen Lernumfeldes und Lernarrangements in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf. 374
Abbildungsverzeichnis
Abb. A-8:
XVII
Retrospektiv eingeschätzte Merkmale der betrieblichen Lernaufgaben in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf ......................................... 375 Abb. A-9: Retrospektiv eingeschätzte Merkmale des betrieblichen Lernumfeldes und Lernarrangements in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr ... 375 Abb. A-10: Retrospektiv eingeschätzte Merkmale der betrieblichen Lernaufgaben in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr .................................. 376
Tabellenverzeichnis
Tab. 5-1: Tab. 5-2: Tab. 5-3: Tab. 5-4a: Tab. 5-4b: Tab. 5-5a: Tab. 5-5b: Tab. 5-6a: Tab. 5-6b: Tab. 5-7a: Tab. 5-7b: Tab. 5-8: Tab. 5-9: Tab. 5-10a: Tab. 5-10b: Tab. 5-11: Tab. 5-12:
Übersicht der eigenen Studien zum Lernen am Arbeitsplatz ............. 179 Stichprobe der Pilotstudie......................................................................... 181 Untersuchungsdesign der Pilotstudie ..................................................... 182 Skalenbeschreibung im Bereich Persönlichkeitseigenschaften (Pilotstudie) ................................................................................................. 183 Skalenkennwerte im Bereich Persönlichkeitseigenschaften (Pilotstudie) ................................................................................................. 184 Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung von Varianten der Lernmotivation (Pilotstudie).............................................................. 185 Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung von Varianten der Lernmotivation (Pilotstudie) .................................................................... 186 Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung der basic needsBefriedigung und erlebter Emotionen (Pilotstudie).............................. 187 Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der basic needsBefriedigung und erlebter Emotionen (Pilotstudie).............................. 188 Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen (Pilotstudie)............................................................... 189 Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen (Pilotstudie).............................................................................. 191 Standardisierte Items zur Beschreibung von Tätigkeiten im Arbeitstagebuch der Pilotstudie .............................................................. 193 Untersuchungsdesign der Tagebuchstudie im Rahmen der Hauptuntersuchung im Einzelhandel................................................................. 201 Skalen im Bereich Persönlichkeitseigenschaften (Hauptuntersuchung)................................................................................. 205 Skalenkennwerte im Bereich Persönlichkeitseigenschaften (Hauptuntersuchung)................................................................................. 206 Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung von Varianten der Lern-Motivation (Eingangserhebung der Hauptuntersuchung) .. 208 Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der basic needsBefriedigung und erlebter Emotionen (Eingangserhebung der Hauptuntersuchung) .................................................................................. 209
Tabellenverzeichnis
Tab. 5-13:
XIX
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung von Varianten der Lernmotivation (Ausgangserhebung der Hauptuntersuchung).... 210 Tab. 5-14: Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der basic needsBefriedigung und erlebter Emotionen (Ausgangserhebung der Hauptuntersuchung) .................................................................................. 211 Tab. 5-15a: Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen (Hauptuntersuchung)......................................................... 213 Tab. 5-15b: Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen (Hauptuntersuchung)......................................................... 214 Tab. 5-16: Im Arbeitstagebuch der Hauptuntersuchung vorgegebene Tätigkeitstypen............................................................................................ 216 Tab. 5-17: Standardisierte Items der Tätigkeitserfassung im Arbeitstagebuch.... 220 Tab. 5-18: Kategorien, Operationalisierungshinweise und Ankerbeispiele für oberflächen- vs. tiefenorientiertes Lernverständnis sowie Oberflächen- vs. Tiefenziele der Ausbildung seitens der Ausbildungsbeteiligten..................................................................................................... 224 Tab. 5-19: Kategorien, Operationalisierungshinweise und Ankerbeispiele zur Kodierung der Rolle der ausbildenden Fachkraft (Pate) in der Selbstsicht und in der Fremdsicht von Auszubildenden...................... 225 Tab. 5-20: Beobachterübereinstimmung der Kodierungen in Kategorien subjektiver Theorien (Cohens kappa) ....................................................... 226 Tab. 6-1: Übersicht der eigenen Studien zum Erleben und Lernen am Arbeitsplatz ................................................................................................. 227 Tab. 6-2: Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der standardisierten Tätigkeitsitems ............................................................... 233 Tab. 6-3: Merkmale der Tätigkeiten in Abhängigkeit von deren eigeninitiativer Übernahme (Dummyvariable)................................................ 236 Tab. 6-4: Schrittweise multiple Regression zur Erklärung der situationalen Interesses ..................................................................................................... 237 Tab. 6-5: Binäre logistische Regression zur Erklärung der Auswahl einer Arbeitstätigkeit als befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) ............................................................................ 239 Tab. 6-6: Tätigkeitsmerkmale in Abhängigkeit von deren Auswahl als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) ...................... 240 Tab. 6-7: Binäre logistische Regression zur Erklärung der Auswahl einer Arbeitstätigkeit als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable)........................................................................................ 241 Tab. 6-8: Mittelwertunterschiede der standardisierten Tätigkeitsitems hinsichtlich Ausbildungsberuf.................................................................. 243 Tab. 6-9: Mittelwertunterschiede der standardisierten Tätigkeitsitems hinsichtlich Ausbildungsjahr (Querschnitt)............................................ 244
XX Tab. 6-10: Tab. 6-11: Tab. 6-12: Tab. 6-13: Tab. 6-14: Tab. 6-15: Tab. 6-16: Tab. 6-17: Tab. 6-18: Tab. 6-19: Tab. 6-20: Tab. 6-21: Tab. 6-22: Tab. 6-23: Tab. 6-24: Tab. 6-25: Tab. 6-26:
Tabellenverzeichnis
Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsitems................................... 246 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung des betrieblichen Lernumfeldes und Lernarrangements............................................................................... 248 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Merkmale betrieblicher Lernaufgaben .............................................................................................. 249 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Bedürfnisbefriedigung und begleitender Empfindungen ..................................................................... 251 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Motivationsausprägung.................... 253 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Motivationsausprägung.................... 255 Einfluss des Ausbildungsberufs auf die retrospektiv eingeschätzte Motivation (Varianzanalyse) ..................................................................... 262 Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der standardisierten Tätigkeitsitems ............................................................... 267 Merkmale der Tätigkeiten in Abhängigkeit von deren eigeninitiativer Übernahme (Dummyvariable)................................................ 271 Schrittweise multiple Regression zur Erklärung der situationalen Interesses ..................................................................................................... 272 Binäre logistische Regression zur Erklärung der Auswahl einer Arbeitstätigkeit als befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) ............................................................................ 274 Merkmale der Tätigkeiten in Abhängigkeit von deren Auswahl als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) ...................... 276 Binäre logistische Regression zur Erklärung der Auswahl einer Arbeitstätigkeit als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable)........................................................................................ 277 Schrittweise multiple Regression zur Erklärung der wahrgenommenen Lernförderlichkeit von Arbeitstätigkeiten ..................... 278 Faktorladungen, Kommunalitäten, Eigenwerte, Varianzaufklärung und Faktorkorrelationen der Hauptkomponentenanalyse mit Oblimin-Variation über ausgewählte Tätigkeitsitems........................... 280 Induktiv ermittelte Kategorien, Ankerbeispiele und Häufigkeiten der Begründungen zur Auswahl der lernförderlichsten Tätigkeit im Tagesabschluss ..................................................................... 282 Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsitems............................ 283
Tabellenverzeichnis
Tab. 6-27: Tab. 6-28: Tab. 6-29: Tab. 6-30: Tab. 6-31:
Tab. 6-32: Tab. 6-33: Tab. 6-34: Tab. 6-35: Tab. 6-36: Tab. 6-37: Tab. 7-1: Tab. A-1: Tab. A-2: Tab. A-3: Tab. A-4: Tab. A-5: Tab. A-6:
XXI
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Tätigkeitsmerkmale .......................... 284 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Motivationsausprägung.................... 286 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Bedürfnisbefriedigung und begleitender Empfindungen ..................................................................... 287 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und dem Delta (Δ) retrospektiver Motivationseinschätzungen zwischen Eingangs- und Ausgangserhebung .......................................................... 289 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und dem Delta (Δ) retrospektiver Einschätzung der Bedürfnisbefriedigung sowie begleitender Empfindungen zwischen Eingangsund Ausgangserhebung ............................................................................. 290 Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems, Interessen und Persönlichkeitseigenschaften ............................................................ 292 Tätigkeitsfelder der hauptberuflichen Ausbilder und ausbildenden Fachkräfte (Paten) ...................................................................................... 298 Lernverständnis und Ausbildungsziele aus Sicht der Ausbildungsbeteiligten..................................................................................................... 299 Förderliche Bedingungen des Lernens im Arbeitsprozess .................. 300 Merkmale guter Betreuung am Arbeitsplatz aus Sicht der Ausbildungsbeteiligten...................................................................................... 302 Aufgabenbereiche, Sichtweisen zu Lernen und Lehren sowie Ausbildungsziele des Ausbildungspersonals .......................................... 310 Übersicht der eigenen Studien zum Erleben und Lernen am Arbeitsplatz ................................................................................................. 316 Einfluss des Ausbildungsberufs auf die retrospektiv eingeschätzte Motivation (Varianzanalyse) ..................................................................... 370 Einfluss des Ausbildungsberufs auf die retrospektiv eingeschätzte basic need-Befriedigung und erlebte Emotionen (Varianzanalyse).... 372 Einfluss des Ausbildungsjahres auf die retrospektiv eingeschätzte Motivation (Varianzanalyse) ..................................................................... 373 Einfluss des Ausbildungsjahres auf die retrospektiv eingeschätzte basic need-Befriedigung und erlebte Emotionen (Varianzanalyse).... 374 Einfluss des Ausbildungsjahres auf die retrospektiv eingeschätzten Merkmale der Lern- und Arbeitsaufgaben (Varianzanalyse) ............... 376 Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzter Bedürfnisbefriedigung, begleitender Empfindungen und Motivationsausprägungen .............................................................................................. 378
XXII Tab. A-7: Tab. A-8: Tab. A-9: Tab. A-10: Tab. A-11: Tab. A-12: Tab. A-13:
Tabellenverzeichnis
Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzten Merkmalen der Ausbildungssituation und Motivationsausprägungen .................... 379 Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften, retrospektiv eingeschätzter Motivation und Motivationsbedingungen ...... 380 Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und retrospektiv eingeschätzten Merkmalen der Ausbildungssituation .... 381 Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzter Bedürfnisbefriedigung, begleitender Empfindungen und Motivationsausprägungen .............................................................................................. 384 Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzten Arbeitsmerkmalen und Motivationsausprägungen ............................................ 385 Zusammenhänge zwischen Motivation, Bedürfnisbefriedigung und begleitenden Empfindungen sowie Interessen und Persönlichkeitseigenschaften .................................................................... 386 Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzten Aufgabenmerkmalen, Interessen und Persönlichkeitseigenschaften................... 388
1
1.1
Ausgangslage und Problemstellung
Die „Wiederentdeckung“ des Arbeitsplatzes als Lernort
Die Fähigkeit und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen wird als Schlüsselfaktor des zukünftigen Arbeits- und Lebenserfolges jedes Einzelnen und als Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft betrachtet (Achtenhagen & Lempert 2000, 11; Sembill 2000, 80; Baethge, Buss & Lanfer 2003, 90). Allerdings wirft die begriffliche Konstruktion Fragen nach deren Umsetzung auf. Da eine Alternative des Nicht-Lernens im normalen Lebensumfeld nicht denkbar sei, schlussfolgert Heid (2000), dass die Forderung nach lebenslangem Lernen nur in Bezug auf formelle (Weiter)Bildungsprozesse Bestand habe (ebd., 22). Andererseits meint lebenslanges Lernen gerade nicht die endlose Teilnahme an institutionalisierten Bildungsprozessen (Sembill 2000, 76).1 Anstelle der zeitlichen Erstreckung des Lernens, wie sie die Formulierung lebenslanges Lernen suggeriert, scheint vielmehr ein lebensweites Lernen gemeint (Kirchhöfer 2004, 56). In den vergangenen Jahren greift diesbezüglich der auf Dewey zurückreichende Begriff des informellen Lernens Platz, wodurch insbesondere der Lernort Arbeitsplatz vermehrt in den Fokus des Interesses rückt. Der Arbeitsbegriff selbst ist in seiner historischen Verwendung zumeist negativ konnotiert. Nach biblischer Überlieferung ist Arbeit keine Erfindung des Menschen, sondern eine ihm auferlegte Mühsal (Kutscha 2008, 333f.). Die etymologische Entstehung des Wortes verweist dabei ursprünglich auf Ackerbau, welcher als schwere körperliche Arbeit – im Schweiße des Angesichts – möglichst auf untere soziale Schichten delegiert wurde (Dedering 1996, 41). Neben dieser ursprünglichen Wortbedeutung als Mühe, Plage, Kraftaufwand etc. zur Sicherung des Lebensunterhalts verweist unter anderem Lewin (1920) auf das zweite Gesicht der Arbeit als eigener Lebenswert und damit auf die sinnstiftende Bedeutung von Arbeit als Wirkungsund Gestaltungsfeld (ebd., 11f.). Ähnlich stellt Freud heraus, dass die Bedeutung der Berufsarbeit zur Erfüllung sublimierter Bedürfnisse hinter ihrer Bedeutung zur Existenzsicherung nicht zurückstünde (1930, 438 zitiert nach Kleinbeck 1974, 11).
1
Während lebenslanges Lernen zumeist positiv konnotiert ist, sprechen Geissler & Orthey in ihrer pointierten Streitschrift „Der große Zwang zur kleinen Freiheit“ nicht zu Unrecht von einer Verdammung zu lebenslänglichem Lernen (1998, 72ff.).
A. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
1 Ausgangslage und Problemstellung
Nicht zuletzt weisen die demoralisierenden Wirkungen anhaltender Arbeitslosigkeit2 darauf hin, dass die beruflich organisierte Erwerbstätigkeit nach wie vor nicht nur als Quelle gesellschaftlichen und individuellen Wohlstands, sondern auch als Medium sozialer Integration und persönlicher Entfaltung fungiert (Lempert 2006b, 78). Arbeit schafft somit nicht nur gegenständliche Resultate, sondern führt stets auch zu Selbstveränderungen des arbeitenden Menschen (Hacker & Skell 1993, 28; Frese & Zapf 1994, 326; Lempert 2006b, 77). Das Bemühen um Qualifizierung zur Verbesserung der Lebens- und Erwerbssituation lässt sich geschichtlich sehr weit zurückverfolgen und geht mit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und der damit verbundenen Entstehung von Berufen einher (Lipsmeier 1978, 87; Kutscha 2008, 333ff.). Im Hinblick auf die historische Entwicklung der beruflichen Bildung scheint es zunächst angebracht, die Entdeckung des informellen Lernens zu relativieren, denn die Erkenntnis, dass berufliche Kompetenz auch – oder sogar vornehmlich – am Arbeitsplatz erworben wird, scheint keinesfalls neu, wie historische Abrisse zeigen (vgl. Collins, Brown & Newman 1989, 453; Lipsmeier 1996, 205; Nieuwenhuis & van Woerkom 2007, 66). Bereits Dewey weist darauf hin, dass die Formalisierung von Bildungsprozessen im Grunde als Ersatz oder Ergänzung eines ursprünglichen Lernens durch Teilhabe an einer gemeinschaftlichen Praxis eingeführt wurde (Gonon 2002, 17), wie sie in Deutschland bspw. kennzeichnend für die Berufsbildung im mittelalterlichen Zunftwesen war (Münch & Kath 1973, 19; Lipsmeier 1996, 205; Candy & Mathews 1998, 14; Schanz 2001, 150; Streumer & Kho 2006, 5ff.; Sonntag & Stegmaier 2007, 22; Tynjälä 2008, 143). Die Beschleunigung der technologischen Entwicklungen und das Zusammenwachsen internationaler Märkte führten mit fortschreitender Industrialisierung zu einem erhöhten einzelbetrieblichen Produktivitäts- und Rentabilitätsdruck, der auf die Befreiung der Produktionsprozesse von kurzfristig unproduktiven Funktionen, wie Qualifizierung, drängte. Der resultierenden Gefahr einer fehlenden Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte wurde auf zweierlei Art begegnet: Durch Ausrichtung der Arbeitsorganisation auf nicht qualifizierte Kräfte (Taylorisierung) und durch Herausbildung eines eigenständigen Berufsbildungssystems (Drexel & Welskopf 1994, 296). Institutionalisierte, vom Produktionsbereich getrennte Berufsbildungsmaßnahmen weisen neben zahlreichen Vorteilen auch einige nicht zu vernachlässigende Nachteile auf: Sie sind mit hohen Kosten verbunden (je nach Art und Finanzierung der Bildungsmaßnahme zu Lasten der Gesellschaft, einzelner Betriebe oder der Individuen), inhaltlich relativ unflexibel, führen oft zu Motivationsdefiziten und Transferproblemen, weisen ggf. eine Lernbarriere für Lernentwöhnte auf und sind kein vollständiger Ersatz für eine berufliche Sozialisation (ebd., 295f.). Eine Rückbesinnung auf das der zünftigen Erziehung zugrunde liegende Prinzip des 2
Zur Wirkung von Arbeitslosigkeit sei exemplarisch auf die nach wie vor aufschlussreiche soziografische Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ (Jahoda, Lazarsfeld & Zeisel 1933/2000) verwiesen.
1.2 Forschungsbedarfe zum Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung
3
Lernens durch Teilhabe am und Mitwirken im gemeinsamen Arbeits- und Lebensalltag (Pätzold 2000, 73) findet sich in neueren Ansätzen situierten Lernens wieder (Billett 1995, 21; vgl. Cognitive Apprenticeship nach Collins, Brown & Newman 1989; Communities of Practice nach Lave & Wenger 1991). So ist die fortwährende Wiederentdeckung des Lernorts Arbeitsplatz (Kloas 1992, 196; Georg 1996a, 654; Dehnbostel & Nowak 1999, 6; Dehnbostel 2005, 143) in einem ersten Zugriff dahingehend zu begrüßen, dass sie dem vorherrschenden, auf Bildungsinstitutionen beschränkten Lernverständnis (Holzkamp 1993, 11f.) entgegenwirkt und die Forderung einer Reintegration von Arbeiten und Lernen unterstreicht (Georg 1996a, 654; Lempert 2000, 146; Ellström 2001, 421; Schaper 2004, 199; Wittwer 2006, 401). Intention und Qualität der Diskussion scheinen jedoch unterschiedlich ausgeprägt. Während bildungspolitische Tendenzen zu verzeichnen sind, Versäumnisse in grundlegenden Bildungsbereichen mit dem Verweis auf nachgelagerte, alternative Lernformen zu bagatellisieren (Geißler 1994, 647; Heid 2000, 23), dienen ähnliche Argumente pädagogisch legitimierten Einsparungen in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung (Lempert 1974, 61; Münch 1990, 164; Görs, Goltz & Iller 1994, 21; Schiersmann & Remmele 2002, 6f.; Pätzold 2004, 83; Röben 2006, 19) und bergen die Gefahr einer Reduzierung auf eine betriebsspezifische Anpassungsqualifizierung on-the-job (vgl. Dehnbostel 1996, 13; Drexel 1998, 60). Eine zum Teil apodiktische Mystifizierung (vgl. Franke 1999, 491; Bosch 2000, 235; Harteis 2002, 3) der Vorzüge informellen Lernens leistet diesen Gefahren zusätzlich Vorschub. Dabei ist der nahezu trivialen Feststellung, dass Arbeitsprozesse auch Lernpotenziale eröffnen, entgegenzusetzen, dass Arbeitsplätze nicht per se immer lernförderlich sind (Dehnbostel 1992, 18; Billett 1995, 24; Kutscha 1996, 114; Gruber 1999, 147ff.; Simons 2004, 105). Schließlich sei „die bloße Existenz beruflicher Schulen ... schon ein Hinweis auf die pädagogische Insuffizienz des Berufslebens“ (Lempert 1974, 58). Angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte stellt Bosch (2000, 265) mit Recht fest, dass Rückschritt und Fortschritt in der Diskussion um den Lernort Arbeitsplatz dicht beieinander liegen. 1.2
Forschungsbedarfe zum Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung
Wenngleich die Mitarbeit in betrieblichen Leistungserstellungsprozessen im Vergleich zu intentionalen Lehr-Lern-Arrangements – seien diese schulisch, inner- oder außerbetrieblich – in der Regel den größeren zeitlichen Umfang der beruflichen Erstausbildung einnimmt (Lempert 1974, 57; Blossfeld 1991, 92; Greinert 1995, 131; Gabriel & Schneider 1996, 174; Kutscha 1996, 114; Pätzold, Klusmeyer, Wingels & Lang 2003, 26; Baethge, Solga & Wieck 2007, 14) und in seiner Bedeutung eher wieder zunimmt (Sonntag, Stegmaier, Müller, Baumgart & Schaupeter 2000, 1;
4
1 Ausgangslage und Problemstellung
Pätzold 2008, 321f.), ist der Forschungsstand zum Lernen am Arbeitsplatz in der Ausbildung nach wie vor als defizitär anzusehen (Kell 1989, 9; Beck 2005, 549). Bereits 1990 wies die Senatskommission für Berufsbildungsforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) darauf hin, dass gerade auch das Lernen im Arbeitsprozess zu berücksichtigen sei, wenn berufliche Bildungsprozesse umfassend analysiert werden sollen (ebd., 79f.). Trotz der steigenden Relevanz des Lernorts Arbeitsplatz beschränkt sich das Forschungsinteresse in der deutschsprachigen Berufs- und Wirtschaftspädagogik vorwiegend auf berufliches Lernen in schulischen Settings (Gonon 2002, 317; Diettrich & Vonken 2009, 14). Anhand einer Analyse der in den zentralen Kommunikationsmedien der berufs- und wirtschaftspädagogischen Disziplin veröffentlichten Beiträge zeigen Diettrich und Vonken, dass seit dem Jahr 2000 nur 23 von 197 Beiträgen in der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (ZBW) und (immerhin) etwa ein Drittel der 194 Beiträge der Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (bwp@) überhaupt betriebliche Themen umfassen (2009, 5). Gründe für die Vernachlässigung der betrieblichen Ausbildung liegen insbesondere im schwierigen Feldzugang, in der Heterogenität und Intransparenz des betrieblichen Feldes, dem teilweise geringen Interesse an einer Pädagogisierung des Arbeitsplatzes und auch schlicht in der Angst vor schlechten Ergebnissen (Münch 1990, 167f.; Volpert 1994b, 292; Diettrich & Vonken 2009, 7ff.). Als weitere denkbare Hemmnisse nennen die letztgenannten Autoren zudem forschungspolitische Gründe sowie ein Karrierekalkül des wissenschaftlichen Nachwuchses, der seine Stellung in einer von Schulorientierung geprägten Disziplin sucht. Die Kombination aus erschwertem Feldzugang und geringer Anerkennung in der Fachdisziplin spiegelt sich in einem traditionellen Dilemma des erziehungswissenschaftlichen Umgangs mit dem Thema Lernen im Arbeitsprozess wieder: „Jede (Arbeits-)Pädagogik, die sich der Optimierung von Lernprozessen für die Erfüllung vorgegebener Arbeitsaufgaben widmete, setzte sich dem Verdacht aus, pädagogische Normen zu verraten; andererseits setzte sich jeder Versuch, diese Normen zum Maßstab der Bewertung von betrieblichen Arbeits- und Lernprozessen zu machen, dem Ideologieverdacht aus und blieb damit praktisch irrelevant“ (Georg 1996a, 639). Eine defizitäre Forschungslage zum Lernen im Arbeitsprozess wird zudem auch international festgestellt: „Research on workplace learning is shortterm, patchy and unsystematic“ (Boud, Freeland, Hawke & McDonald 1998, 125) „... [and] limited in quantity“ (De Jong 1996, 462). So erstaunt es insgesamt nicht, dass sich ein Großteil der (Ratgeber-)Literatur auf programmatische Verkündung lernförderlicher Merkmale von Arbeitsplätzen beschränkt und eine ‚empirische Prüfung’ selten über die Zufriedenheitsbekundungen der Kooperationspartner hinausgeht. Über die generell zu geringe Anzahl an empirischen Forschungsarbeiten hinaus sind zudem folgende inhaltliche Desiderata festzuhalten:
1.2 Forschungsbedarfe zum Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung
5
(1) Lernförderlichkeit von Arbeitsplätzen: Für die Berufsbildungsforschung werden insbesondere Studien zur Förderlichkeit von Arbeitsplätzen für Lern- und Sozialisationsprozesse gefordert (Kell 1989, Dehnbostel 1996, 16; Sloane 2000, Seifried 2006, 373), die zur empirischen Klärung der dem Arbeitsplatz zugeschriebenen Doppelfunktion als Arbeits- und Lernort (Münch & Kath 1973, 19) beitragen. Baitsch (1998) bemängelt, dass in Studien zum Lernen in der Arbeitssituation gerade das Lernen durch die Aufgabenbearbeitung selbst oft ausgeblendet bleibt (ebd., 307). Wenngleich vereinzelt bemerkenswerte Forschungsarbeiten vorliegen, ist in Anbetracht der großen Heterogenität von Lern- und Arbeitsbedingungen in Unternehmen ein deutlicher Mangel an Replikationsstudien festzustellen (Beck 2005, 553). Grundsätzlich können drei Typen von Studien unterschieden werden, die – vereinfacht dargestellt – die folgenden Fragestellungen aufgreifen: a) Hypothesengenerierend: Welche relevanten Einflussfaktoren des Lernens am Arbeitsplatz lassen sich identifizieren? b) Hypothesenprüfend: Wirken die als relevant erachteten Einflussfaktoren tatsächlich in der erwarteten Art und Weise? c) Evaluativ: Sind die als relevant erachteten lernförderlichen Bedingungen vorhanden? Ausschließlich hypothesenprüfende und insbesondere rein evaluative Studien führen dabei oft zu einer eingeschränkten Sicht für alternative Erklärungsmuster (Harteis & Gruber 2004, 256), was dem skizzierten Feld nicht gerecht wird. (2) Emotional-motivationales Erleben in der Arbeit: Gerade emotionale Prozesse in der beruflichen Ausbildung sind mit einigen Ausnahmen bislang kaum Gegenstand der empirischen Forschung (Zaib 2001, 32), wenngleich aus Studien der Lehr-LernForschung (auch im Bereich der beruflichen Bildung) wiederholt die Bedeutsamkeit emotionalen Erlebens für gelingende Lehr-Lern-Prozesse aufgezeigt wurde (vgl. Studien der Forschergruppe um Sembill). Disziplinübergreifend wird zudem ein Mangel an hierzu notwendigen Prozessanalysen festgestellt (Baitsch & Frei 1980, 77; van Buer 1989, 170; Kannheiser 1992, 17f.; Rheinberg & Donkoff 1993, 117; Weiss & Cropanzano 1996, 1f.; Wild & Krapp 1996, 196f.; Baitsch 1998, 303; Timmermann 2001, 120; Zaib 2001, 40; Brief & Weiss 2002, 299; Fisher 2002, 5; Weiss 2002, 55; Rheinberg 2004; Schmitz 2006, 434; Nickolaus 2007, 14; Sonntag & Stegmaier 2007, 93). Kannheiser (1992) spricht diesbezüglich von einem „erlebensbezogenen Defizit“ (1992, 16). So ist zu ermitteln, wie Auszubildende ihre Lernund Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz erleben und welche Faktoren dieses Erleben beeinflussen (Baeriswyl & Kovatsch-Guldimann 2002, 192; Gasche & Behrens 2002, 224). Gleiches gilt konsequenterweise für das Ausbildungspersonal.
6
1 Ausgangslage und Problemstellung
(3) Einfluss des Ausbilderhandelns: Obwohl ihrem Handeln große Bedeutung für das Lehr-Lern-Geschehen beigemessen wird, sind gerade „... die betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder in unseren Forschungsakten immer noch ein nahezu unbeschriebenes Blatt“ (Beck 2005, 548; vgl. auch Zaib 2001, 42; Wittwer 2006, 401; Witt 2009, 99; Falk & Zedler 2009, 20). So ist bspw. von Interesse, wie Ausbilder3 die Lern- und Arbeitsbedingungen der Auszubildenden einschätzen (Baeriswyl & Kovatsch-Guldimann 2002, 193), inwieweit sich diese Einschätzungen mit denen der Auszubildenden decken (Gasche & Behrens 2002, 224) und mit welchen Zielen und Maßnahmen sie auf die Ausbildungsbedingungen einwirken (Marsick & Watkins 1990, 247). Dies gilt umso mehr, da die Ausbildung „... zunehmend in die Hände nebenberuflicher Ausbilder bzw. ausbildender Fachkräfte gelegt wird, die in der Regel keinerlei berufspädagogisch-formale Qualifikationen mitbringen“ (Pätzold 2008, 324). 1.3
Eingrenzung des Untersuchungsfeldes, Fragestellungen und Methodik der Studie
Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt im Bereich des arbeitsgebundenen Lernens, das durch die Identität von Arbeitsort und Lernort gekennzeichnet ist (Dehnbostel 1992, 12f.; vgl. Kapitel 3.1.1) und somit sowohl das Lernen im Arbeitsprozess als auch Unterweisungsprozesse am Arbeitsplatz umfasst. Korrespondierend mit den im vorangegangenen Kapitel aufgezeigten Desiderata werden mit der vorliegenden Forschungsarbeit folgende Fragenkomplexe bearbeitet: (1) Mit welchen Tätigkeiten sind Auszubildende am Arbeitsplatz betraut? (2) Wie erleben Auszubildende die von ihnen durchgeführten Arbeitstätigkeiten? (3) Welche Einflussgrößen begünstigen bzw. hemmen das Lernen im Arbeitsprozess? (4) Welche Sichtweisen auf das Lernen im Arbeitsprozess, die Ziele der Ausbildung und das pädagogische Handeln des Ausbildungspersonals haben die Ausbildungsbeteiligten (Auszubildende, Ausbilder und ausbildende Fachkräfte)? Zur Bearbeitung der Fragestellungen wurden mittels quantitativer und qualitativer Methoden mehrere (Teil-)Studien durchgeführt. In Kooperation mit einem Unternehmen der Telekommunikationsbranche wurde eine Studie durchgeführt, an der 3
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Verlauf der Arbeit auf die Nennung der jeweils weiblichen Form verzichtet. Wenn von dem Auszubildenden die Rede ist, so sind weibliche Auszubildende dennoch stets mitzudenken.
7
1.4 Theoretische Verortung der Arbeit
sich ca. 50 angehende Kaufleute im Einzelhandel im ersten Ausbildungsjahr beteiligten. Neben standardisierten Fragebögen zur Einschätzung individueller Dispositionen, Merkmalen der Lern- und Arbeitsbedingungen, Motivation etc. kam über einen Zeitraum von 6 Wochen ein teilstandardisiertes Lern- und Arbeitstagebuch zum Einsatz. Ein ähnliches Untersuchungsdesign lag einer vorherigen Pilotstudie zugrunde, um Erfahrungen mit dem Instrumentarium zu sammeln und Vergleichswerte für Benchmarks zu gewinnen. In einer weiteren (Teil-)Studie im Telekommunikationsunternehmen wurden 10 Einzelhandelsauszubildende, deren 10 Mentoren (ausbildende Fachkräfte) sowie 5 hauptberufliche Ausbilder anhand von Konstruktinterviews zu ihren Sichtweisen auf das Lernen am Arbeitsplatz befragt. Das Mixed Methods-Design (Johnson & Onwuegbuzie 2004) ermöglicht die Bearbeitung der o. a. Forschungsfragen aus unterschiedlichen Perspektiven. Zudem sind die oben aufgeworfenen Forschungsfragen noch um die forschungsmethodische Frage nach der Eignung von Arbeitstagebüchern zur Erforschung des Erlebens und Lernens am Arbeitsplatz zu ergänzen. 1.4
Theoretische Verortung der Arbeit Das, was uns am wertvollsten ist am wahrhaft gebildeten Menschen, entwickelt sich nur beim wirklichen Handeln (Kerschensteiner 1904, 14).
Der Handlungsbegriff ist im Rahmen einer Auseinandersetzung mit beruflichen Lehr-Lern-Prozessen in mehrfacher Hinsicht von zentraler Bedeutung (vgl. auch Schurer 1984). Einerseits stellen kompetentes Handeln (Performanz) bzw. die hierfür notwendigen individuellen Handlungspotenziale (Kompetenz) die zentralen Zielgrößen beruflicher Bildung dar. Dies wird bspw. auch in der handlungstheoretischen Fundierung arbeitspsychologischer Modelle der Arbeitstätigkeit deutlich (vgl. Sonntag 2007; Nerdinger, Blickle & Schaper 2008). Andererseits bilden Handlungsprozesse gleichermaßen die Grundlage jeden Kompetenzerwerbs oder anders ausgedrückt: „Handeln kann letztlich nur durch Handeln gelernt werden“ (Arnold & Münch 2000, 97). „Fähigkeiten entwickeln bzw. erhalten sich durch jene Tätigkeiten, für deren Erfüllung sie Voraussetzung sind“ (Hacker 1995, 298). Gleichsam spricht Gruber von „... Erfahrung Haben durch Erfahrung Machen“ (1999, 216). Im Rahmen der Aktualgenese von Performanz stellt Kompetenz somit eine aktuelle Inputqualität und im Rahmen der Ontogenese eine langfristige Outputqualität von Handlungsprozessen dar (vgl. Frei 1982, 115). Abbildung 1-1 stellt den beschriebenen Zusammenhang grafisch dar. Für den Bereich des Lernens am Arbeitsplatz spannen sich die aufgezeigten Wechselwirkungen
8
1 Ausgangslage und Problemstellung
somit in einem Kontinuum zwischen der Bewältigung alltäglicher Handlungserfordernisse und dem langfristigen Kompetenzerwerb im Sinne beruflicher Sozialisation auf. Dem Fokus der vorliegenden Arbeit entsprechend beziehen sich Ausführungen zu Aktualgenese und Ontogenese auf den beruflichen Kontext.
Abbildung 1-1:
Aktualgenese der Performanz und Ontogenese der Kompetenz (in Anlehnung an Frei 1982)
Ansätze, die eine Integration dieser beiden Blickwinkel vornehmen, finden sich selten. Als Fundament einer solchen grand unified theory werden so genannte Handlungstheorien betrachtet, da ihnen das Potenzial zugesprochen wird, die Ganzheitlichkeit des psychischen Geschehens als Wechselwirkung zwischen Kognition, Emotion und Motivation sowie zwischen Person und Umwelt zu erfassen (Rubinstein 1973/1981, 74; Schurer 1984, 19; Dörner 1985a, 85; Frese & Zapf 1994, 325; Funke 2003, 95ff.; Sonntag 2007, 41). Als Hauptthesen von Handlungstheorien halten König und Volmer (2000) fest, dass Menschen (1) aufgrund der einer Situation beigemessenen Bedeutung handeln und (2) sich auf Basis ihrer Erfahrungen ein Bild von ihrer Wirklichkeit machen (ebd., 18ff.). Um die Entwicklung der Handlungstheorie hat sich insbesondere die deutschsprachige Arbeitspsychologie um Hacker, Volpert, Oesterreich (um nur einige Autoren zu nennen) verdient gemacht, während das diesbezügliche Interesse im angloamerikanischen Bereich geringer ausgeprägt ist (Frese & Zapf 1994, 273). Neben den Arbeiten von Lewin sowie dem viel beachteten Werk von Miller, Galanter und Pribram (1960) kommt ferner der sowjetisch geprägten Tätigkeitspsychologie um Rubinstein, Vygotski, Galperin, Leont’ev, Oschanin etc. eine bedeutende Rolle zu (Frese & Zapf 1994, 273). 1.5
Aufbau der Arbeit
Der Aufbau des theoretischen Teils der Arbeit lässt sich anhand des in Abbildung 1-2 dargestellten Rahmenmodells verdeutlichen. Wichtige Stationen sind die Entwicklung eines allgemeinen Handlungsprozessmodells, die Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff und mit dem Erwerb von Kompetenz sowie die spezifi-
9
1.5 Aufbau der Arbeit
schen Einflüsse der Arbeits- bzw. Ausbildungssituation. Eine detaillierte Beschreibung folgt unten.
Abbildung 1-2:
Zu konkretisierendes Rahmenmodell (in Anlehnung an Straka 1984, 658f.; Straka & Macke 2008, 591)
Das zweite Kapitel widmet sich ausführlich der oben beschriebenen Wechselwirkung zwischen Performanz und Kompetenz. Nach der notwendigen Vorklärung und Abgrenzung einiger Grundbegriffe (Kapitel 2.1) stellt die Entwicklung eines integrativen Handlungsmodells einen ersten Schwerpunkt des zweiten Kapitel dar (Kapitel 2.2). Sodann wird auf Basis einer Analyse dispositionaler Handlungsgrundlagen eine Arbeitsdefinition des Kompetenzbegriffs vorgestellt (Kapitel 2.3). Kapitel 2.4 setzt sich mit der Ontogenese von Kompetenz auseinander, bevor in Kapitel 2.5 ein Zwischenfazit gezogen wird. Die Unterscheidung zwischen State- und TraitKomponenten des Handelns und Lernens, die durchgehende Berücksichtigung der Bewusstseinsnähe der Prozesse sowie der Einfluss emotional-motivationalen Erlebens stellen den roten Faden der Vorgehensweise dar. In Anlehnung an Lauckens Entwicklung der naiven Verhaltenstheorie (1974) bleibt die Analyse zunächst rahmentheoretisch, d. h. auf einem Abstraktionsniveau, das die spätere Anwendung in konkreteren Kontexten möglichst widerspruchsfrei zulässt (ebd., 24). Das dritte Kapitel widmet sich den spezifischen Rahmenbedingungen des Lernens am Arbeitsplatz. Die Auseinandersetzung mit der Stellung und Bedeutung des Arbeitsplatzes innerhalb der dualen Berufsausbildung führt zu einem allgemeinen Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Kapitel 3.1). Es folgt eine Analyse von Zielgrößen und korrespondierenden Einflussfaktoren in Modellen zur Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen (Kapitel 3.2). Kapitel 3.3 beinhaltet eine Auseinandersetzung mit der Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben, bevor in Kapitel 3.4 das betriebliche Ausbildungspersonal näher betrachtet und dessen pädagogisches Handeln erörtert wird. Kapitel 3.5 verdeutlicht die Sicht von Auszubildenden auf den Lernort Arbeitsplatz.
10
1 Ausgangslage und Problemstellung
Das vierte Kapitel setzt sich mit methodischen Aspekten der Analyse von Erlebensqualität und Lernpotenzialen am Arbeitsplatz auseinander. Der Forderung nach prozessnahen Erhebungsverfahren (Kapitel 4.1) folgt die Beschreibung der Tagebuch-Methodik (Kapitel 4.2), bevor in Kapitel 4.3 ausgewählte Referenzstudien vorgestellt werden. Im fünften Kapitel werden zunächst die forschungsleitenden Fragestellungen begründet. Es folgt eine Kurzübersicht der durchgeführten Studien (Kapitel 5.1). Im weiteren Verlauf des Kapitels werden Untersuchungsdesigns, Stichproben und Erhebungsinstrumente der Teilstudien detailliert dargestellt. Kapitel 5.2 befasst sich mit der Pilotstudie (Industrieunternehmen). Kapitel 5.3 beschreibt die Tagebuchstudie sowie die Interviewstudie im Einzelhandel (Telekommunikationsdienstleister). Im sechsten Kapitel finden sich die empirischen Befunde. Kapitel 6.1 dient zunächst der Vorstellung der verwendeten Analyseverfahren. Kapitel 6.2 stellt die Befunde der Pilotstudie dar, Kapitel 6.3 beinhaltet die Ergebnisse der Tagebuchstudie im Einzelhandel und Kapitel 6.4 widmet sich den Befunden der Interviewstudie. Zusammenfassungen der zentralen Erkenntnisse der einzelnen Studien finden sich jeweils am Ende des entsprechenden Teilkapitels. Das siebte Kapitel bildet den Abschluss der Arbeit. Zunächst werden die zentralen Stationen des theoretischen Teils der Arbeit noch einmal rekapituliert (Kapitel 7.1). Es folgt eine integrierte Darstellung der Befunde aus allen durchgeführten Studien (Kapitel 7.2). Kapitel 7.3 stellt die hieraus resultierenden Handlungsempfehlungen zur Diskussion. Schließlich werden in Kapitel 7.4 die empirischen Zugänge zum Erleben und Lernen am Arbeitsplatz einem kritischen Rückblick unterzogen und einige Empfehlungen für weitere Forschungsarbeiten zur Diskussion gestellt.
2
Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, ein allgemeines Handlungsmodell zu entwickeln, das kognitive, emotionale und motivationale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt (Aktualgenese der Performanz; Kapitel 2.2), um auf dessen Basis der Frage nachzugehen, welche individuellen Handlungsvoraussetzungen (Kompetenz) das Handeln beeinflussen (Kapitel 2.3) und wie sich schließlich die Handlungsvoraussetzungen ihrerseits durch Handeln verändern (Ontogenese der Kompetenz; Kapitel 2.4). 2.1
Handlungsbegriff und angrenzende Konstrukte
In einem ersten Zugang ist zu klären, was unter Handeln zu verstehen ist und wie sich der Handlungsbegriff hinsichtlich des mit ihm verbundenen Erkenntnisinteresses von angrenzenden Konstrukten unterscheidet (Kapitel 2.1.1). Sodann erfolgen erste Einordnungen aus aktualgenetischer (Kapitel 2.2.2) und ontogenetischer Perspektive (Kapitel 2.2.3), die im späteren Verlauf des zweiten Kapitels weiter ausdifferenziert werden. 2.1.1
Handeln, Verhalten und Performanz
Der Begriff des Verhaltens meint ursprünglich4, d.h. im Sinne des den Begriff prägenden Behaviorismus, jede intersubjektiv beobachtbare Aktivität eines lebenden Organismus, wobei explizit keine Trennungslinie zwischen Mensch und Tier gezogen wird und weder Introspektion noch Bewusstseinsinterpretationen durch den Beobachter von Interesse sind (Watson 1913, 248). Im Begriff des Handelns sind dagegen stets innere psychische Konzepte mitgedacht, die sich einer direkten Beobachtung entziehen (Häcker & Stapf 1998, 348, 922). Von bloßem Verhalten hebt sich Handeln insbesondere durch seine Intentio4
Die in der Folgezeit teilweise zu verzeichnende Ausweitung des Verhaltensbegriffs auf Erlebensprozesse (Denken, Wollen usw.) macht eine genaue Abgrenzung zum Handlungsprozess unmöglich (Häcker & Stapf 1998, 922) und wird in dem der Arbeit zugrunde liegenden Verständnis nicht weiter verfolgt.
A. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
12
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
nalität bzw. die subjektive Sinnzuweisung ab (Weber 1960, 5f.; Leont’ev 1975/1977, 34; von Cranach, Kalbermatten, Indermühle & Gugler 1980, 77; Hofer 1981, 159; Dörner 1985, 74; Groeben 1986, 71; Hurrelmann 1986/2001, 160; Oesterreich & Volpert 1987, 45; Pekrun 1988, 19; Esser 1999, 194). Handeln stellt als zielgerichtetes Verhalten eine Unterkategorie (im Sinne einer Teilmenge) des allgemeinen Verhaltensbegriffs dar (Groeben 1986, 71; Hurrelmann 1986/2001, 75). Die einer Handlung zugesprochenen inneren Prozesse machen deutlich, dass die Unterscheidung zwischen Verhalten und Handeln ganz wesentlich vom Erkenntnisinteresse des Beobachters abhängt (Graumann 1980, 25). Der Rückschluss aus dem Verhalten einer Person auf deren Handlung(en) und Handlungsziele erfolgt – auch durch die Person selbst – interpretativ, weshalb der Handlungsbegriff auch als Interpretationskonstrukt zu bezeichnen ist (Lenk 1978; Groeben 1986, 72). Dieser ständige Interpretationsbedarf stellt sowohl im alltäglichen Leben als auch im Forschungsprozess eine hohe diagnostische Anforderung dar (Lewin 1926a, 309), zumal auch Unterlassungen als Handlungen zu interpretieren sind (Weber 1960, 5f.; Lenk 1978, 296; Hofer 1981, 159; von Cranach 1994, 83). Performanz bzw. Leistung bezeichnet „... Ergebnis und Vollzug einer Tätigkeit, die mit Anstrengung und gegebenenfalls Selbstüberwindung verbunden ist und für die Gütemaßstäbe anerkannt werden, die also beurteilt wird“ (Klafki 1996, 228). Nach Heckhausen (1974) zeichnet sich Leistungshandeln dadurch aus, dass es der handelnden Person in erster Linie darum geht, einen Gütemaßstab zu erreichen oder zu übertreffen, den sie für verbindlich hält (Rheinberg 1993, 440; vgl. auch Pekrun & Jerusalem 1996, 3). Kuhl unterscheidet drei Leistungsbegriffe, wobei Leistung3 dem hier vorgestellten Leistungsbegriff, Leistung1 dem Verhaltensbegriff und Leistung2 dem Handlungsbegriff entspricht (Kuhl 1982, 77). Zudem ist festzuhalten, dass sich Leistungen (im hier vorgestellten Verständnis) zeitgleich mit dem gezeigten Verhalten einstellen können, unmittelbar danach oder erst nach längeren Zeitperioden (Schmidt & Kleinbeck 2004, 893). 2.1.2
Tätigkeit, Handlung und Operation
Wurden die Begriffe Handeln und Handlung im vorangegangenen Kapitel synonym benutzt, so erfolgt nun eine Präzisierung, indem Handeln den Vollzug der Handlung meint, während Handlung als sozial definierte Einheit des Handelns betrachtet wird (von Cranach 1994, 71). Handlungen werden als „kleinste psychologische Einheit der willensmäßig gesteuerten Tätigkeit“ (Hacker 2005, 69) aufgefasst und lassen sich anhand ihrer Ziele voneinander abgrenzen (vgl. Situationswechsel nach Beck 1996 in Kapitel 2.2.2.1). Ähnlich vertritt Oesterreich im Rahmen seiner rekursiven Definition von Handlung und Konsequenz die Auffassung, dass Handlungen als Ausschnitte aus einem Aktivitätsfluss durch die möglichen Konsequenzen definiert
2.1 Handlungsbegriff und angrenzende Konstrukte
13
sind, zu denen sie führen, und Konsequenzen wiederum durch die mit ihnen gegebenen Handlungsmöglichkeiten definiert sind (Oesterreich 1981, 160f.).5 Der Begriff der Tätigkeit meint dagegen eine höhere Aggregationsstufe, in die einzelne Handlungen eingebettet sind (Leont’ev 1975/1977, 34; Frei 1982, 104; von Cranach 1994, 69). Als Tätigkeiten werden Vorgänge bezeichnet, mittels derer der Mensch seine Beziehung zu Aufgaben, anderen Menschen und seiner Umwelt verwirklicht (Rubinstein 1973/1981, 75; Hacker 2005, 52) und die an individuellen Motiven ausgerichtet sind. Mit Handlungen werden hingegen konkrete Ziele verfolgt, die als geeignet für eine Motivbefriedigung angesehen werden (Leont’ev 1975/1977, 34). So kann ein und dieselbe Handlung der Realisierung unterschiedlicher Tätigkeiten dienen und ein und dieselbe Tätigkeit durch unterschiedliche Handlungen realisiert werden (ebd., 35). Bei der Analyse von Handlungen ist daher zu berücksichtigen, welchen Tätigkeiten sie jeweils zugeordnet sind (Volpert 1987, 6; Frieling & Sonntag 1999, 51f.). Als Operationen6 werden unselbstständige Bestandteile von Handlungen bezeichnet, die deren Realisierung dienen. Handlungen beziehen sich auf Ziele; Operationen beziehen sich auf die vorgefundenen Bedingungen. Bleibt also ein Ziel gleich, während sich die Bedingungen ändern, so ändern sich lediglich die Operationen (Leont’ev 1975/1977, 36). Die Resultate von Operationen werden jedoch im Gegensatz zu Handlungen nicht bewusst als Ziel antizipiert, sondern an den gegebenen Rahmenbedingungen ausgerichtet und müssen nicht zwingend bewusst sein (von Cranach, Kalbermatten, Indermühle & Gugler 1980, 24, Aebli 1980, 19; Dörner 1985, 75; Volpert 1987, 6f.; Hacker 2005, 69). Diese Beziehung wird auch in der so genannten zyklischen Einheit deutlich, welche die idealtypischen Phasen eines Handlungsprozesses umfasst: (1) Zielbildung, (2) Generierung eines Aktionsprogramms in Form einer Folge von Transformationen, (3) Durchführung des Aktionsprogramms und (4) Abgleich von Ausgangs- und Zielzustand, der darüber entscheidet, ob der Zyklus erneut einsetzt oder beendet wird bzw. (5) zum nächsten Unterziel / Teilzyklus voranschreitet (Hacker 1973 et passim; Volpert 1974, 22f.; Oesterreich 1981, 9ff.).7 Jede einzelne Operation kann wiederum in eine zyklische Einheit zur Erreichung eines Teilziels zerlegt werden und jede zyklische Einheit 5
6 7
Eine solche rekursive Definition ist dabei deshalb unschädlich, da sie weder zirkulär noch unendlich ist. Ersteres würde verlangen, dass jede Folgekonsequenz der vorangegangenen Ausgangskonsequenz immer identisch wäre, und Unendlichkeit ist schon durch die begrenzten Energieressourcen des Handelnden ausgeschlossen (Oesterreich 1981, 160f.). Dörner spricht anstelle von Operationen in diesem Zusammenhang von Aktionsschemata (1985, 79f.), während Volpert den Begriff Transformation benutzt (1982, 41). Die Begriffe werden im Folgenden je nach Autor benannt und synonym verwendet. In ähnlicher Weise beschreiben die TOTE-Einheit (Test-Operate-Test-Exit) nach Miller, Galanter & Pribram (1960) sowie die VVR-Einheit (Vergleich-Veränderung-Rückkopplung) nach Hacker den zyklischen Verlauf der Handlungsregulation. Eine Übersicht der Strukturierung der Handlungsregulation zahlreicher Autoren bietet DULISCH (1986, 65).
14
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
kann ihrerseits Teil einer übergeordneten zyklischen Einheit zur Verfolgung eines höheren Ziels sein (Tomaszewski 1978, 76). Abbildung 2-1 verdeutlicht die hieraus resultierende hierarchisch-sequenzielle Handlungsregulation (Z = Ziel; T = Transformation). Frese und Zapf (1994) merken hierzu an, dass für den Beobachter nur das ausführende Verhalten (geschwungene Pfeile) sichtbar ist (ebd., 282; vgl. Handlung als Interpretationskonstrukt in Kapitel 2.1.1).
Abbildung 2-1:
Modell der hierarchisch-sequenziellen Handlungsregulation (in Anlehnung an Hacker 1978, 88f.; Volpert 1982, 41ff.)
Konkrete Beispiele für hierarchisch-sequenzielle Handlungsregulationen finden sich bei Oesterreich (1981, 11), Sembill (1992, 100) oder Hacker (2005, 207ff.). 2.1.3
Handeln, Denken, Lernen und Entwicklung
Während Handlungen stets Ausführungscharakter haben, stellen Denkprozesse eine Vorbereitungsetappe und/oder einen untrennbar mit einer Handlung verbundenen Aspekt dar (Rubinstein 1973/1981, 75f.; Herv.: A.R.). Dennoch weisen Denken
2.1 Handlungsbegriff und angrenzende Konstrukte
15
und Handeln eine grundsätzliche Strukturgleichheit auf, die nach Leont’ev „... eine der bedeutendsten Erkenntnisse der modernen Psychologie“ (1975/1977, 33) darstellt. So ist Denken als inneres Tun, inneres Probehandeln, mentales Handeln, geistiges Durchspielen bzw. gedankliche Vorausschau möglicher Ereignisse zu interpretieren (Marx 1867/2006, 209f.8; Freud 1911/1964, 233; Galperin 1967, 33; Weber 1960, 5f.; Aebli 1980, 22f.; Volpert 1982, 48; Dulisch 1986, 42f.; Klix 1992, 74f.; von Cranach 1994, 83 u. a.). „Die eigentliche Existenzform des Denkens ist das Handeln“ (Hacker 2005, 532). Während aktualgenetisch somit das Denken dem Handeln vorausgeht und dieses begleitet, entwickelt sich das Denkvermögen (im Sinne verfügbarer Handlungsschemata) aus ontogenetischer Perspektive in Kontinuität aus dem praktischen Handeln (Lompscher 1972, 9; Aebli 1980, 13; ebd., 26; Volpert 1994a, 54; vgl. Rubinstein 1973/1981, 76; Leont’ev 1975/1977, 33). Lernen entspricht daher dem mit (Probe-)Handeln verbundenen Ausbau und Aufbau von dispositionell verankerten Handlungspotenzialen (Lompscher 1972, 9; Aebli 1981, 347; Schurer 1984, 12) und formt damit zugleich die Persönlichkeit (Hacker 1978, 54). In Anlehnung an Frei (1982) sind auch der Erhalt und die Verfestigung von Handlungspotenzialen in die Definition mit einzuschließen (vgl. auch Erhaltungslernen nach Hacker & Skell 1993, 28). Zudem rückt Frei von der alltagssprachlich positiven Konnotation des Lernbegriffs ab und verdeutlicht am Beispiel der „erlernten Hilflosigkeit“ (Seligman 1975), dass Lernen im hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis auch dysfunktional sein (Frei 1982, 107), d.h. zur dauerhaften Senkung der Performanz führen kann, ähnlich wie es auch Deweys Begriff der mis-educative experience (Dewey 1938/1997, 51) nahe legt. In Anlehnung an geläufige Lerndefinitionen, welche die erfahrungsbasierte Verhaltensänderung betonen (vgl. Gagné 1977/1980, 16; Zimbardo & Gerrig 2004, 243), können Handeln und Denken als Erfahrung i. S. e. Prozesses bezeichnet werden, wobei Handeln i. d. R. auf Denken basiert und Denken i. d. R. auf Handeln bezogen ist (vgl. Probehandeln). Die Summe der Lernprozesse eines Individuums ist als dessen Entwicklung zu bezeichnen und die schwierigsten Performanzen, die ein Individuum gerade noch erbringen kann, als dessen Entwicklungsstand (Aebli 1981, 347; ebd., 352; vgl. auch Oerter 2007) bzw. als Erfahrung i. S. e. Produkts. Persönlichkeitsentwicklung wird „... verstanden als die individuelle, in Interaktion und Kommunikation mit Dingen wie mit Menschen erworbene Organisation von Merkmalen, Eigenschaften, Einstellungen, Handlungskompetenzen und Selbstwahrnehmungen eines Menschen auf der Basis der natürlichen Anlagen und als Ergebnis der Bewältigung von Entwicklungs- und Lebensaufgaben“ (Hurrelmann 1986/2001, 71). Entwicklung als 8
„Was aber den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet ist, daß er die Zelle im Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war“ (Marx 1867/2006, 209).
16
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Prozess (Erfahrung machen) meint den Erwerb eines erweiterten, differenzierteren und verlässlicheren Weltbildes, das es der sich entwickelnden Person ermöglicht, ihre Umwelt besser zu erkennen, zu erhalten oder umzubilden (Bronfenbrenner 1981, 44). Entwicklung als Ergebnis (Erfahrung haben) eines über längere Zeiträume ausgedehnten Wollens und Handelns in den Grenzen der Umwelt und der eigenen Kapazitäten stellt sich – hier auf ontogenetischer Ebene – wiederum als Modell der Verschachtelung hierarchisch-sequenzieller Regulationsebenen (vgl. Abbildung 2-1 in Kapitel 2.1.2) dar (Silbereisen 1986, 31f.). Somit stellen die Begriffe Denken, Lernen und Entwicklung drei verschiedene Betrachtungsweisen für das Werden des Menschen dar (Aebli 1981, 348). Hinsichtlich der Lern- und Entwicklungspotenziale von Erfahrungsprozessen gibt es jedoch wesentliche Unterschiede zwischen bloßem Probehandeln und Handeln. Als charakteristisch für Handeln im Gegensatz zu Probehandeln ist festzuhalten: • Die Beziehungsstiftung zwischen den Handlungsteilnehmern9 (Personen, Informationen, Gegenständen) wird real und erhält Ernstcharakter. • Annahmen über Handlungsteilnehmer verlieren ihren hypothetischen Charakter und werden empirisch. • Für die Durchführung steht nur begrenzte Zeit zur Verfügung (Sembill 1984, 123; 1992, 102). Da nur die Beobachtung und Wahrnehmung des Vollzugs und der Resultate den Wahrheitsanspruch der hypothetischen Handlungsplanung überprüfbar machen, bleiben auch die Lern- und Entwicklungspotenziale eines bloßen Probehandelns hypothetisch (Schurer 1984, 28f.). Erst beobachtbare Performanzen liefern die informative Rückkopplung zur Ziel- und Wegauswertung (Oesterreich 1981, 71f.), die wiederum eine zuverlässige(re) Selbst- und Fremdbeurteilung von Lernen und Entwicklung erst ermöglicht (vgl. auch Kapitel 2.4.3). 2.2
Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
Als Ergebnis einer Synopse nennt Hofer folgende charakteristische Elemente von Handlungstheorien (1981, 161f.): (a) Der Handelnde verfügt über eine SollVorstellung und (b) diagnostiziert einen Ist-Zustand, der mit diesem verglichen wird. (c) Im Falle einer Diskrepanz sucht er nach Handlungsalternativen und (d) entscheidet sich für eine Alternative, die als zielführend und akzeptabel – etwa in 9
Aebli (1980, 105) definiert Handlungselemente im abstrakten Sinn als Bedingungen, Materialien, Hilfsmittel, Werkzeuge oder andere Personen, die zu Handlungsteilnehmern werden, sofern sie eine Bedeutung für die Handlung erhalten.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
17
Bezug auf Aufwand und/oder Nebenfolgen – beurteilt wird. (e) Die ausgewählte Handlungsalternative wird realisiert und (f) die Handlung abgeschlossen, wenn ein anschließender Zustandsvergleich das Auflösen der Diskrepanz anzeigt. Ähnliche Annahmen liegen den „Stationen der Handlungsorganisation“ bei Dörner (1989, 67) oder auch dem „Modell des Grundprinzips geplanten Handelns“ bei Sembill (1984, 111; 1992, 109) zugrunde. Handeln umfasst dabei stets kognitive, emotionale und motivationale Aspekte gleichermaßen (Rubinstein 1973/1981, 74; Dörner 1985a, 75; Pekrun 1988, 18; Sembill 1992, 54; Lazarus 1999, 3). Diese Verwobenheit von in psychologischen Teildisziplinen meist isoliert betrachteten Phänomenen erschwert ein lineares Vorgehen bei der Erarbeitung eines Handlungsprozessmodells. Der Aufbau des vorliegenden Kapitels sieht daher drei Iterationsstufen vor, in denen die Auseinandersetzung mit kognitiven, emotionalen und motivationalen Phänomenen jeweils unterschiedliche Ziele verfolgt. Kapitel 2.2.1 dient in erster Linie der Begriffsklärung, Kapitel 2.2.2 beleuchtet die Wechselwirkungen der Prozesse aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven und Kapitel 2.2.3 dient schließlich der Integration in ein Handlungsprozessmodell. 2.2.1
Begriffsverwendungen und -abgrenzungen im Bereich kognitiver, emotionaler und motivationaler Phänomene
Ansätzen der Handlungstheorie wird ein Integrationspotenzial i. S. e. grand unified theory zugeschrieben (Schurer 1984, 19; Dörner 1985a, 85; Funke 2003, 95ff.). Allerdings sind insbesondere die in den 70er und frühen 80er Jahren entstandenen Handlungsmodelle der (nur teilweise berechtigten) Kritik einer Überbetonung des Kognitiven ausgesetzt (Volpert 1980, 20; Oesterreich 1981, 21; Frei 1982, 46; Holzkamp 1993, 167ff.). Dies ist im Wesentlichen auf folgende Ursachen zurückzuführen: 1) Operatordoktrin: Analog zur Entwicklung erster intelligenter Computerprogramme in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde auch menschliches Denken und Problemlösen zunächst als eine Aneinanderreihung elementarer Operatoren gesehen, die einen unerwünschten Ausgangszustand in einen erwünschten Zielzustand überführt (Dörner 1982, 27). Als Beispiel dieser Computer-Metapher (Volpert 1987, 7ff.; Gadenne & Oswald 1991, 4f.) kann das Modell des General Problem Solver (Newell & Simon 1972) angesehen werden. Aber auch die Grundstruktur der TOTE-Einheit (Test, Operate, Test, Exit) von Miller, Galanter und Pribram (1960/1973, 25f.), die neben der russischen Tätigkeitspsychologie als wesentliche Wurzel der Handlungsregulationstheorie zu nennen ist (Volpert 1994a, 7), bedient sich der Computer-Metapher.
18
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Als früher Kritiker des Postulats einer emotionsfreien Informationsverarbeitung ist Dörner zu nennen, der auch den Begriff der Operatordoktrin prägte (Dörner 1982, 36).10 Ähnliche Kritik äußert sich im Begriff des kognitiven Taylorismus (Schmidt & Wendrich 1980, 73), der die Zerlegung komplexer Handlungsprozesse in immer feinere und subjektunabhängige Operationen anprangert. Emotion, so Kritiker dieser Bewegung, wird dabei „... als bedauerliche Unvollkommenheit einer ansonsten perfekten kognitiven Maschine“ (Scherer 1981, 306) angesehen.11 Diese Sichtweise prägte – ausgehend von Plato – die vergangenen 2000 Jahren westlicher Philosophie (Forgas, Wyland & Laham 2006, 4). 2) Universalitätsanspruch des Kognitionsbegriffs: Aufgrund der Verwendung eines wenig differenzierten und sehr weit gefassten Kognitionsbegriffs12 werden emotional-motivationale Aspekte zwar nicht als solche gekennzeichnet, aber teilweise implizit eingeschlossen. So stellen im Rahmen einiger zentraler kognitiver Theorien der Psychologie (bspw. kognitive Dissonanz, kognitive Kontrolle oder kognitive Handlungstheorie) gerade emotionale und motivationale Aspekte – teilweise unter Verwendung alternativer Bezeichnungen – wesentliche Inhalte des Theoriegebildes dar (Scherer 1981, 308). An anderer Stelle werden emotional-motivationale Aspekte explizit als Teilbereich der Kognition aufgefasst (vgl. Schurer 1984, 37). Diese begriffliche Unschärfe scheint der allgemeinen Euphorie im Zuge der kognitiven Wende geschuldet (Kleinginna & Kleinginna 1985, 470; Weiner 1987, 30; Lazarus 1991b, 13), da „... es leider zur Mode [wurde], das Adjektiv kognitiv für so ziemlich jeden Beitrag zu verwenden, den man durch dieses Adelsprädikat aufzuwerten trachtete“ (Dörner 1985b, 172;
10 Die hier geäußerte Kritik an der so genannten Computer-Metapher richtet sich dabei gerade nicht gegen die von der Forschergruppe um Dörner entwickelten Computersimulationen im Rahmen der PSITheorie, die insbesondere den emotionalen und motivationalen Aspekten des Handelns große Bedeutung beimessen. 11 Während Emotionen lange Zeit zumeist nur unter psychopathologischer Perspektive als Störgröße in Lern- und Leistungsprozessen betrachtet wurde, widmet sich gerade der seit Mitte der 90er Jahre aufkeimende Forschungsbereich der Positiven Psychologie (Seligman & Csikszentmihalyi 2000) explizit positiv besetzten Emotionskonstrukten wie Wohlbefinden, Glück, Zufriedenheit etc. (Frank 2007, 4). Zudem sprechen sich auch Neurowissenschaftler verstärkt für die Berücksichtigung emotionalmotivationaler Aspekte aus: „Wir werden das Denken nicht begreifen können, wenn wir Emotion und Motivation beiseite lassen“ (LeDoux 2002/2006, 233). 12 So definiert bspw. Neisser in seinem viel beachteten Werk „Cognitive Psychology“ den Begriff Kognition als „... alle jene Prozesse, durch die der sensorische Input umgesetzt, reduziert, weiter verarbeitet, gespeichert, wieder hervorgeholt und schließlich genutzt wird“ und schließt explizit Begriffe wie „... Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung, Behalten, Erinnerung, Problemlösen und Denken“ mit ein (Neisser 1967/1974, 19). Nur selten Erwähnung findet die Aussage Neissers, wonach andere Standpunkte ebenso legitim und notwendig sind (ebd.) und mindestens zur Erklärung höherer geistiger Prozesse eine Integration der kognitiven und der dynamischen (Motivations-)Psychologie nötig sei (ebd., 350).
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
19
Herv. i. O.; vgl. auch Groeben 1988, 17).13 Wenngleich zahlreiche Ansätze im Bereich der Emotionspsychologie zumeist auch kognitive Aspekte beinhalten und überwiegend kompatibel erscheinen, mahnt Scherer, dass diese sich vom „ideologischen Glorienschein“ (Scherer 1988, 120; Übers.: A.R.) des unzutreffenden Labels der kognitiven Theorien befreien müssen. 3) Primat der Kognition: Differenziertere Ansätze erkennen emotionale und motivationale Prozesse zwar grundsätzlich als eigenständige Phänomene an (auch dies ist nicht unproblematisch, wie noch zu zeigen sein wird), stufen deren Bedeutung jedoch zumeist als der Kognition nachrangig ein (Scherer 1981, 309; Kuhl 2000, 113; zur Kritik an der Kognitivisierung der Motivationspsychologie vgl. Aeschbacher 1983, 147). Als weiterer Beleg ist die teils hitzig geführte Kognitions-Emotions-Debatte in Folge des 1980 unter dem Titel „Feeling and Thinking Preferences Need No Inferences“ veröffentlichten Artikels von Zajonc anzusehen, der das Primat der Kognition in Frage stellte und damit – wie sein größter Widersacher später einräumt – eines der ungelösten Probleme der Psychologie in den Fokus rückte (Lazarus 1999, 7). Mandl und Huber (1983a, 2) wie auch Scherer (1988, 98f.) stellen fest, dass als Reaktion auf die o. a. Vorrangstellung der Kognition in der Folgezeit zahlreiche Emotionsdefinitionen vorgelegt wurden, in denen die Überschneidungsbereiche zu kognitiven Phänomenen nun nahezu gänzlich dem Emotionsbegriff zugeordnet wurden und somit die definitorische Grenze – einem Pendel gleichend – zur anderen Seite hin ausschlug. Ein isoliertes emotionales Konstrukt ist jedoch ebenso zu kritisieren (Sembill 1992, 54). Aufgrund der Verwobenheit von Kognition und Emotion ist es kaum möglich, umfangreiche Definitionen eines Aspekts zu formulieren, ohne sich gleichzeitig der anderen zu bedienen (Ciompi 2005, 47). Dies zeigt der folgende Versuch, disjunkte Minimaldefinitionen für Kognition und Emotion zu finden, der insbesondere dazu dient, die Überschneidungsbereiche aufzudecken.
13 Als Beispiel für eine sehr weite Auslegung des Kognitionsbegriffs kann der Eintrag in Dorschs Psychologischem Wörterbuch gesehen werden, der Kognition definiert „... als Sammelname für alle Vorgänge oder Strukturen, die mit dem Gewahrwerden und Erkennen zusammenhängen, wie Wahrnehmung, Erinnerung (Wiedererkennen), Vorstellung, Begriff, Gedanke, aber auch Vermutung, Erwartung, Plan und Problemlösen“ (Häcker & Stapf 1998, 441; ähnlich auch bei Mandl & Huber 1983a, 3f., die zudem feststellen, dass „die Definitionen von Kognition ... nicht strittig [erscheinen]“). Sembill (1992) unterscheidet dagegen Kognition im weiteren Sinn, die alle psychischen Aspekte des Denken und Handelns umschließt, und Kognition im engeren Sinn, welche neben den emotionalen und motivationalen nur einen der drei untrennbar miteinander verwobenen Aspekte des psychischen Geschehens darstellt (ebd., 106; ebd., 118).
20 2.2.1.1
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Kognition und Affekt – Versuch einer Minimaldefinition
Für den Bereich der Emotionen spricht Pekrun von einem Sprachchaos babylonischen Ausmaßes (Pekrun 1988, 96; vgl. Scherer 1981, 306; Mandl & Huber 1983a, 4; Roth 1989, 3; Forgas 2000, 5f.). Aus noch aufzuzeigenden Gründen erscheint es sinnvoll, eine Minimaldefinition an den Begriff des Affekts zu knüpfen, wenngleich auch dieser nicht einheitlich definiert ist. Die Verwendung des Affektbegriffs im Rahmen der vorliegenden Arbeit orientiert sich zunächst an dem durch Freud geprägten Begriffsverständnis eines teils bewussten, teils unbewussten Gefühlszustands (Plutchik 1985, 197) und ist von der alltagssprachlichen Verwendung des Wortes abzugrenzen (vgl. Otto, Euler & Mandl 2000, 12ff.).14 Eine hilfreiche Affektdefinition auf dieser Basis liefert Ciompi: „Ein Affekt ist eine von inneren oder äußeren Reizen ausgelöste, ganzheitliche psychophysische Gestimmtheit von unterschiedlicher Qualität, Dauer und Bewusstseinsnähe“ (Ciompi 1997, 67; 2005, 50). Daraus folgt, dass man immer in irgendeiner Weise affektiv gestimmt ist. Gerade die scheinbar affektneutralen Zustände sind als durch entspannte, mittlere Gestimmtheiten zu charakterisierende, spezifische, weitgehend unbewusste Affektlagen aufzufassen, die aber dennoch – oder sogar gerade – bedeutsame Auswirkungen auf unser Denken haben. Ferner folgt aus der definitorischen Ganzheitlichkeit der psycho-physischen Gestimmtheit, dass man immer nur in einer affektiven Grundstimmung sein kann, die sich aus einer subtilen Gemengelage zusammensetzt. Mischstimmungen, Stimmungslabilität oder Ambivalenzen erscheinen somit entweder als ganzheitliche Affektlagen eigener Prägung oder als rasche Wechsel zwischen unterschiedlichen Affektlagen (Ciompi 1997, 69). Die Kennzeichnung einer Affektlage als Essenz einer subtilen Gemengelage wirft die Frage nach den Elementen dieser Gemengelage auf. Hier scheint es angebracht, die bei Ciompi nur implizit vorgenommene Unterscheidung zwischen Affekt und Affektlage weiter aufzugreifen. Während die oben angeführte Affektdefinition vielmehr einer bilanzierenden Affektlage entspricht, kann Affekt im engeren Sinn in Anlehnung an Kuhl als „... nicht bewußtseinspflichtiger, nicht-repräsentationaler (d. h. subkognitiver), von höheren kognitiven Bewertungsprozessen nicht notwendigerweise beeinflußter Prozeß bezeichnet [werden], der bei Auftreten bestimmter Auslösebedingungen Annäherungsverhalten (vermittelt durch positiven Affekt) oder Meidungsverhalten (vermittelt durch negativen Affekt) bahnt“ (Kuhl 2001, 110). Beckmann und Heckhausen sprechen in diesem Zusammenhang von affektiven Reaktionen, die eine grundlegende (basale) Bewertung vornehmen (Beckmann & Heckhausen 2006b, 106; zum bewertenden Charakter von Affekten bzw. Emotio14 Alltagssprachlich wird Affekt als eine meist kurz andauernde, heftige Gemütsbewegung bzw. als Zustand außergewöhnlicher seelischer Anspannung verwendet, der einhergeht mit starken Ausdrucksbewegungen (Laucken 1974, 157f.; Duden Fremdwörterbuch 1997, 35; Duden Recht 2007) und ist zumeist negativ konnotiert.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
21
nen siehe auch Sembill 1992, 16; Frijda 1994, 199; Abele 1995, 14; Schmalt 1996, 242f.; Plutchik 2005, 129). Ciompi postuliert im Rahmen seines Modells der Affektlogik (1982 et passim) folgende Operatorwirkungen von Affekten: • Affekte sind die entscheidenden Energetika15 des Denkens und Handelns mit antreibenden oder bremsenden Wirkungen. • Affekte bestimmen laufend den Fokus der Aufmerksamkeit und beeinflussen damit ständig die geltenden Denk- und Handlungshierarchien. • Affekte beeinflussen die Speicherung und Mobilisierung von kognitiven Elementen im Gedächtnis (bevorzugte Speicherung und Erinnerung von Kognitionen, deren emotionale Färbung der aktuellen Affektlage entspricht). • Affektiv ähnlich gefärbte Kognitionen haben die Tendenz, sich zu umfassenderen kognitiven Strukturen zu verbinden16 (Ciompi 2005, 52f.). Während Affekte im engeren Sinn also unbewusste Bewertungen bzw. Evaluationen17 einer Vielzahl innerer oder äußerer Reize darstellen, bezeichnet die Affektlage eine ganzheitliche psycho-physische Gestimmtheit in Form einer Bilanzierung zahlreicher Einzelaffekte unterschiedlicher Bewusstseinsnähe. Der Begriff der Kognition meint intern repräsentierte Entitäten von tatsächlichen oder fiktiven Sachverhalten (Pekrun & Jerusalem 1996, 3) der äußeren oder inneren Welt (Kuhl 2000, 116), die am ehesten als Einheiten von und Netzwerke aus Objekten, Vorgängen und Zuständen zu umschreiben sind („cognitive content“, Lazarus 1994b, 209). Kognitionen bezeichnen damit alle Wahrnehmungsund Gedächtnisinhalte, ohne dass hiermit deren Bewusstseinspflichtigkeit oder Bewusstseinsfähigkeit vorausgesetzt wäre. Die teilweise anzutreffende Eingrenzung des Kognitionsbegriffs auf Bewusstsein und bewusste Prozesse, wie sie bspw. Aebli vornimmt18, wird ausdrücklich verneint, d. h. Kognitionen können sowohl bewusst als auch unbewusst sein (Schmalt 1996, 242; Lazarus 1999, 10). 15 Um Vorwürfen esoterischer Gemeinplätze vorzubeugen, macht Ciompi (2007) deutlich: „Mit Energie sind hier primär nicht irgendwelche mysteriösen, feinstofflichen Lebensenergien gemeint, sondern ganz gewöhnliche biochemische Energien, die mit der Nahrung aufgenommen und anschließend im Körper ... verbraucht werden“ (ebd., 19). Hier zeigt sich eine Entsprechung zu den Erregungsmustern im Rahmen der Bewusstseinssteuerung. 16 Eine neurophysiologische Entsprechung findet sich im so genannten Assembly-Modell, wonach Objekte im visuellen Kortex durch Verbände (Assemblies) von synchron aktiven Neuronen repräsentiert werden. Für diese Zeitkodierungshypothese als möglichen Bindungsmechanismus finden sich mittlerweile zahlreiche experimentelle Befunde (Engel 2005, 220ff.). 17 Zur Verwendung des Begriffs Evaluation im Rahmen basaler Bewertungsprozesse stellen Leventhal und Scherer (1987) heraus, dass dieser bedauerlicherweise einen kognitivistischen Beigeschmack habe, aber in Ermanglung geeigneter Alternativbegriffe beibehalten werde (ebd., 14). 18 Aebli sieht den Begriff der Kognition als den höheren Formen menschlichen Denkens vorbehalten und grenzt sogar die bewusste Wahrnehmung davon aus: „... die einfachsten kognitiven Prozesse, die wir noch nicht Denken nennen, ... nichts anderes als ein bewusstes, d. h. aufmerksames Wahr-
22
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Kognition als Inhalt scheint dabei ohne Affekt nicht erklärbar, da die Auswahl relevanter Repräsentationen aus dem unendlichen Angebot der äußeren und inneren Welt nur auf Grundlage einer Bewertung möglich ist (LaBar & LeDoux 2003, 52). Affekte stellen somit die an Kognitionen geknüpften Bewertungsinformationen dar, derer es bedarf „... for the sake of signaling states of the world that have to be responded“ (Frijda 1988, 354; vgl. Affect-as-Information-Ansatz: Schwarz 1990; Clore 1994; Clore & Storbeck 2006; Clore & Huntsinger 2007, 397; Storbeck & Clore 2008, 1830ff.). Somit sind auch Affekte nicht ohne Kognition definierbar, da sich eine Bewertung stets auf irgendwelche mehr oder minder abstrakten Wahrnehmungsobjekte der äußeren oder inneren Welt beziehen muss (Dörner 2008, 562; Storbeck & Clore 2008, 1828). Die Frage, inwieweit dieser Bewertungsprozess, d. h. die Zuordnung von Affekten und Kognitionen, schließlich als unbewusster kognitiver Prozess (vgl. Lazarus 1994b, 214f.) – „in the service of emotions“ (Plutchik 1980, 12) – oder als affektiver Prozess zu bezeichnen ist, hängt im Wesentlichen von der bevorzugten Begriffsverwendung ab.19 Hierin liegt auch der Kern des Disputs zwischen Lazarus und Zajonc, da die offensichtlich abweichenden Begriffsverständnisse nicht hinreichend expliziert wurden (vgl. Kleinginna & Kleinginna 1985, Plutchik 1985, Leventhal & Scherer 1987, 6; Davidson & Ekman 1994, 234; Ciompi 1997, 65; Lazarus 1999, Mandl & Reiserer 2000, 103f.; Kappas 2006, 954). Wenn Wahrnehmung die Transformation physikalischer oder chemischer Reize aus der Innen- und Außenwelt in psychisch verarbeitbare Information darstellt (Schaub 2008, 61), dann setzen Affekte in der Tat Kognitionen in Form von Input-Reizen voraus (LeDoux 1994b, 222). Zajonc dagegen verneint die Beteiligung kognitiver Inhalte, indem er Sinneseindrücke („pure sensation”) aus der Klasse der Kognitionen ausschließt, und lehnt die Beteiligung kognitiver Prozesse ab, da er Bewertungen nicht als minimale Verarbeitung der Sinneseindrücke („minimal mental work on sensory input”) betrachtet (1984, 118), was Lazarus sehr wohl tut (Lazarus & Smith 1988, 281). Die Debatte dreht sich somit im Wesentlichen um das Label kognitiv (Buck 2000, 45). Ebenso erweist sich auch der Disput um das Primat von Emotion (Zajonc) oder Kognition (Lazarus) aus einer dynamischen Perspektive20 heraus als „... Scheinproblem, welches man am besten ignorieren sollte“ (Plutchik 2005, 130) und das Kuhl als „... HenneEi-Diskussion aus der Zeit linear-kausalen Denkens“ (2001, 61) bezeichnet. Kogninehmen und Handeln [darstellen] ... Es schließt durchaus Informationsverarbeitung in sich. Von kognitiven Prozessen zu sprechen, wäre jedoch übertrieben“ (Aebli 1980, 20). 19 So definiert Abele (1995) Affekt „... als mildeste und punktuelle Form der Emotionen“ (ebd., 14), die sich auf direkte, unmittelbare und meist intuitive Bewertungen von Sachverhalten bezieht und führt anhand eines Klammerzusatzes den Begriff „cognitive evaluations“ als englischsprachiges Äquivalent an (ebd., 14). 20 Die Notwendigkeit einer dynamischen Perspektive begründet sich schon darin, dass man sich zu jedem wachen Zeitpunkt (1) in einer mehr oder minder intensiv ausgeprägten Affektlage und (2) zugleich in einem ständigen Handlungs- und Wahrnehmungsstrom (vgl. Kapitel 2.2.1) befindet.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
23
tionen und Emotionen sollten vielmehr als ein „kontinuierlicher Fluss in einer permanenten Rückkopplungsschleife“ (Ulich 1982, 26) verstanden werden (vgl. Plutchik 1985, 198; Sembill 1992, 134), wie auch Lazarus rückblickend klarstellt (1999, 8) und zugleich Zajonc vorwirft, Kognition und Affekt zu isolieren und Kognition mit Bewusstsein gleichzusetzen (ebd., 10).21 Der Wert des Disputs zwischen Lazarus und Zajonc liegt rückblickend nicht in der Klärung der durch sie aufgeworfenen Fragen, sondern in der Anregung weiterer Fragen zum Verhältnis zwischen Kognition und Emotion (Leventhal & Scherer 1987, 25). Während begriffsanalytische Versuche, die Überlappungsbereiche zwischen Kognition und Emotion zu beseitigen, schnell an ihre Grenzen stoßen (Pekrun & Jerusalem 1996, 4), scheint die weitaus wichtigere Frage zu sein, auf welcher Ebene die Informationsverarbeitung stattfindet (Leventhal & Scherer 1987, 16; Scherer 1994b, 227). Lazarus fokussiert hierbei eher Phänomene bewussten Emotionserlebens, wohingegen Zajonc auf den unbewussten, bewertenden Charakter des hier eingeführten Affektbegriffs abstellt (Ellsworth 1994a, 194f.; Lewis 2000, 265; Mandl & Reiserer 2000, 103). Allerdings bedürfen diese Phänomene einer expliziten Unterscheidung (Leventhal & Scherer 1987, 7). Für eine weitere Differenzierung emotional-affektiver Phänomene scheint es daher angebracht, Bewusstseinsfähigkeit und Bewusstseinspflichtigkeit als Kriterien zu berücksichtigen. 2.2.1.2
Präzisierung emotional-affektiver Konstrukte anhand ihrer Bewusstseinsnähe
Bewusstsein wird als „... Zustand des Erkennens von inneren Ereignissen und der äußeren Umwelt“ (Zimbardo & Gerrig 2004, 205) bezeichnet und kann in drei Ebenen eingeteilt werden: (1) Die grundlegende Ebene stellt das Gewahrwerden einer inneren und äußeren Welt dar und kann als Wahrnehmung bezeichnet werden. (2) Die zweite Ebene stellt eine Spiegelung dessen dar, was uns bewusst ist, und hebt somit die Beschränkung auf reale Objekte und gegenwärtige Ereignisse auf. (3) Die dritte Ebene umfasst das Gewahrwerden von sich selbst als bewusstes, reflexives Individuum und wird auch als Selbst-Bewusstsein bezeichnet (ebd., 205; vgl. Roth 1999, 1957). 21 Vgl. auch Leventhal (1982): „Zajonc’s argument is only sensible if cognition is defined as conscious, propositional thinking, or conscious recognition. All other cognition, such as perceptual categorization and non-conscious cognitive enrichment are, by his definition, non-cognitive” (ebd., 831). „In summary, Zajonc uses an arbitrary definition of cognition when he argues for a separation of cognition and emotion“ (ebd., 833).
24
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Bewusstseinsinhalte stellen eine spezielle – nämlich die bewusste – Kategorie von Kognitionen dar. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die so genannte Bewusstseinsenge, wonach zu ein und demselben Zeitpunkt nur wenige kognitive Entitäten Gegenstand des Bewusstseins sein können und Bewusstseinsprozesse ferner relativ langsam und energieintensiv ablaufen (Gadenne 1996, 21; Tisdale 1998, 30; Birbaumer & Schmidt 2006). Engel (2005) nennt vier Voraussetzungen für ein funktionierendes Wahrnehmungsbewusstsein: (1) Wachheit i. S. e. hinreichenden allgemeinen Aktivierungsniveaus, (2) Vorverarbeitung von sensorischen Signalen zu strukturierten und kohärenten Repräsentationen22, (3) Selektion besonders relevanter sensorischer Daten23 und (4) ein funktionierendes Arbeitsgedächtnis24, das die Kurzzeitspeicherung von Erlebnisdaten ermöglicht (ebd., 220f.). Vieles spricht dafür, dass die Bewusstseinsschwelle dann überschritten wird, wenn eine (unbewusste!) Bewertung in Form biochemischer und bioelektrischer Erregungsmuster einen gewissen Schwellenwert überschreitet (Berlyne 1966, 252; Sembill 1992, 150; Roth 1999; Birbaumer & Schmidt 2006).25 In den klassischen Eisberg-
22 Bewusstseinsprozesse resultieren stets aus vorbewusster (subliminaler) Informationsverarbeitung (Birbaumer & Schmidt 2006, 498). Hier sei exemplarisch auf das Modell hypothesengeleiteter Perzeption (HYPERCEPT) der Forschergruppe um Dörner verwiesen (Schaub 1993, 86ff.; Dörner 2008a, 144ff.). 23 Nach Berlyne (1966) wird der einströmende unbewusste Informationsfluss anhand der Vergleichsvariablen Neuigkeit, Ungewissheit, konzeptuellem Konfliktgehalt und Komplexität hinsichtlich seines Anregungspotenzials (arousal potential) eingeordnet (Berlyne 1966, 252). 24 Bewusstsein setzt ein „Protokoll des eigenen Denkens, Wollens, Fühlens und Handelns“ (Tisdale 1998, 6; vgl. Dörner 1996, 145; vgl. auch Kluwe 1996, 164) voraus. „Das Individuum muß ... nicht nur in der Lage sein, Vergangenes wieder aufleben zu lassen, indem es das Protokoll der eigenen Aktivitäten aufruft, sondern es muß darüber hinaus die Fähigkeit besitzen, die Inhalte dieses Protokolls zu analysieren, sie in Beziehung zueinander und zu den angestrebten Zielen zu setzen, mit Alternativen zu vergleichen“ (Tisdale 1998, 6). Zudem sind i. d. R. (Re)Konstruktionsprozesse notwendig, da das Protokoll der eigenen Aktivitäten Lücken aufweisen kann und dadurch einer reinen Rekapitulation nicht zugänglich ist (Kluwe 1996, 164; Tisdale 1998, 7). 25 Bewusstseinsfähig sind ausschließlich Hirnprozesse (oder salopp: Inhalte) des assoziativen Kortex (Schläfen-, Scheitel- und Stirnlappen). Die für die Auswahl von Bewusstseinsinhalten unabdingbaren Aktivitäten subkortikaler Zentren wie Hippocampus, Amygdala und Formatio reticularis sind jedoch grundsätzlich unbewusst (Roth 1999, 1957f.; Isen 2003, 57f.; Birbaumer & Schmidt 2006). Die im Hirnstamm gelegene und mit allen Teilen des Kortex verbundene Formatio reticularis spielt bei der Auswahl von Bewusstseinsinhalten eine entscheidende Rolle (Aufsteigendes Reticuläres Aktivierendes System; ARAS), wobei mittels rhythmischer Erregung des Thalamus der Bewusstseinsgrad und durch affektive Tönung von Sinneseindrücken die Aufmerksamkeit gesteuert wird (vgl. Roth 1999; Birbaumer & Schmidt 2006). Solche Erregungen (Arousal) sind als Freisetzung und Aktivierung von Energie, die eine ausreichend hohe Stoffwechselaktivität bedingen (Roth 1999, 1959), zu verstehen
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
25
Modellen des Bewusstseins wird eine klare Linie im Sinne einer 0/1-Entscheidung zwischen Bewusstem und Unbewusstem postuliert, die jedoch in neueren Ansätzen zugunsten eines Prozesses des Gleitens zwischen verschiedenen Abstufungen des Bewusstseins aufgegeben wird (Tisdale 1998, 33), so dass vielmehr ein Kontinuum zwischen den Polen bewusst und unbewusst angenommen wird oder wenigstens im gestaltpsychologischen Sinne26 zwischen Figur und Grund unterschieden werden kann (Gadenne 1996, 21). Während Handeln prinzipiell Bewusstsein unterstellt und unbewusste Routinen als Bestandteile umfasst (vgl. Kapitel 2.1.2), weisen Cohen, Dunbar & McClelland (1990) auf Grundlage der Passung von empirischen Daten und Simulationsmodellen darauf hin, dass auch hier eher ein Kontinuum der Automatisierung anzunehmen ist (ebd., 357f.). Aufgrund des erhöhten Energieverbrauchs bewusster Prozesse und der damit verbundenen Bewusstseinsenge steht höheren Handlungsebenen umso mehr Kapazität zur Verfügung, je stärker untergeordnete Teilhandlungen bzw. Operationen routinisiert sind, d. h. (zumindest teilweise) unbewusst erfolgen (Gadenne & Oswald 1991, 10; Birbaumer & Schmidt 2006, 498). Andererseits ermöglichen Bewusstseins- und Reflexionsprozesse erst das Aufbrechen von Routinen und damit die Entkopplung starren Reiz-ReaktionsVerhaltens (vgl. hierzu Kapitel 2.4.1). Die weiter oben in Anlehnung an Ciompi eingeführte Affektlage soll im Weiteren definitorisch als unbewusst betrachtet werden. Für die bewusste Erlebenskomponente dient der von Sembill eingeführte Begriff der Emotionalen Befindlichkeit: „Emotionale Befindlichkeit kann als emotional-motivational geprägtes, subjektives und situationsspezifisches Erleben eines Zustandes“ (Sembill 1992, 118) bzw. „... als selbst-eingeschätzter Systemzustand verstanden werden“ (ebd., 130). Gemeinsam sind den Begriffen der Affektlage und der emotionalen Befindlichkeit (1) die Ganzheitlichkeit im Sinne einer Bilanzierung, (2) der Einbezug physiologischer Zustände und (3) der State-Charakter. Der Unterschied ist in der Bewusstseinsnähe zu sehen. Während Affektlagen im Folgenden als unbewusst aufgefasst werden, unterstellt Emotionale Befindlichkeit mindestens Bewusstseinsfähigkeit. Diese Unterscheidung ist aus forschungsmethodologischer Sicht relevant, da nur bewusste Zustände, die im gestaltpsychologischen Sinn zumindest Grund-Charakter besitzen, der Introspektion zugänglich und damit günstigstenfalls auch verbalisierbar sind (vgl. Hacker 1978, 107; von Cranach, Kalbermatten, Indermühle & Gugler 1980, 83). Zudem erhalten sie durch die innere oder äußere Aufforderung zur Introspektion Figurund ebenso maßgeblich an Speicherung und Abruf von Erinnerungen beteiligt (LeDoux 2002/2006, 181; vgl. auch Birbaumer & Schmidt 2006, 495ff.). 26 Das Figur-Grund-Verhältnis bezeichnet das Sich-Abheben einer gesehenen Figur vom Hintergrund, der zwar auch gesehen wird, aber hinsichtlich der Aufmerksamkeit zurücktritt. Die Figur hat Form, während der Grund sich formlos und kontinuierlich hinter der Figur ausbreitet. Je stärker sich die Figur abzeichnet, desto mehr tritt der Grund zurück. Der Grund ist jedoch immer Bezugsgrundlage für die Figur (Metzger 1954, zitiert nach Abele 1995, 15).
26
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Charakter, wodurch sie nicht mehr dasselbe Phänomen darstellen. Deshalb können tatsächliche Affektlage und (berichtete) emotionale Befindlichkeit voneinander abweichen (vgl. Russell 1980, 1176; Frijda 1993, 357; van Reekum & Scherer 1997, 261f.). Während auf subkognitiver Ebene im Wesentlichen zwei Basisaffekte auszumachen sind (positiv/negativ; gut/schlecht; Lust/Unlust etc.), ermöglichen kognitive Prozesse die Entstehung differenzierter Emotionen (Kuhl 2001, 621).27 Affektive Erregungen als physiologische Basiskomponente des Reaktionssystems (response system) stellen somit eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für das Entstehen von Emotionen dar (Ortony & Turner 1990, 317; ebd., 320; ebd., 327f.). Diese Interpretation steht im Einklang mit Befunden zum Neo-Assoziationismus28, der implizite, basale, organismische Bewertungsinstanzen unterstellt (Beckmann & Heckhausen 2006a, 84), die kein bewusstes Zutun verlangen (Ito & Cacioppo 2000, 674). Diese automatische Klassifizierung nahezu jedes Wahrnehmungsinhalts in einfache Kategorien wie gut und schlecht (Bargh 1994, 19) wird als eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen eines bewussten Erlebens betrachtet (Bargh, Chaiken, Raymond & Hymes 1996, 123).29 Dem Affect-as-Information-Ansatz zufolge drängen affektive Bewertungen in das Bewusstsein, um eine besondere subjektive Relevanz der Wahrnehmungsinhalte zu signalisieren (Clore 1994; Clore & Storbeck 2006; Clore & Huntsinger 2007, 397; Storbeck & Clore 2008, 1830ff.).30 27 Kuhl (2001) setzt Kognition im Wesentlichen mit Bewusstsein gleich bzw. beschränkt sie auf die „höheren kognitiven Ebenen“. Statt von „subkognitiver Ebene“ und „kognitiven Prozessen“ müsste in Anlehnung an das hier zugrunde gelegte Begriffsverständnis von unbewussten und bewussten Prozessen gesprochen werden. 28 Während der klassische Assoziationismus als strukturalistisch, mechanistisch und statisch kritisiert wird (Schiefele 1996, 26), gesteht der Neo-Assoziationismus dem Individuum affektive und kognitive Prozesse zu, welche die starre Reiz-Reaktion-Koppelung aufheben (Beckmann & Heckhausen 2006a, 84) und dadurch eine aktive, bewusste Regulation zulassen (Berkowitz 1993, 35f.). Diese Abkehr von behavioristischem Stimulus-Response-Verhalten findet sich auch in der sowjetisch geprägten Tätigkeitspsychologie: Der Mensch vermag „... seine Beziehungen zur Umwelt auch in nichtstereotypen, und sogar in einmaligen Situationen, in solchen, in denen die phylogenetisch oder ontogenetisch festgelegten Beziehungen des Typs S-R versagen, zu regulieren. Die Regulation einer derartigen Situation von hohem Variabilitätsgrad erfordert eine höhere Verhaltensorganisation, die auf einem anderen Prinzip beruht als die einfachen assoziativen Verbindungen. Die höchste Form des Verhaltens ist das Zielverhalten, das auf das Erreichen eines bestimmten Endzustandes hin gerichtet ist“ (Tomaszewski 1978, 18). 29 Unstrittig scheint auch aus neurowissenschaftlicher Sicht, dass affektive Bewertungen als Funktion des limbischen Systems einen ganz wesentlichen Einfluss auf Wahrnehmungs-, Denk-, Handlungs- und Lernprozesse ausüben (LeDoux 2002/2006). Eine vertiefte Auseinandersetzung mit neurophysiologischen Erkenntnissen würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Entsprechende Verweise erfolgen, dort wo sie notwendig und zielführend erscheinen, mittels Fußnoten. 30 Dies entspricht im Wesentlichen der Betrachtungsweise von Emotionen als interruption i. S. e. Handlungsunterbrechung mit anschließender Aufmerksamkeitslenkung wie sie bereits von Hebb (1949), Pribram (1967) oder Mandler (1975) postuliert wurde (vgl. Scherer 1981, 309). Während Emotionen in früheren Theorien unter dem Aspekt der disruption (Störung) gesehen wurden, werden Emotionen
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
27
Vom Sammelbegriff Emotion im Rahmen der Trias aus Kognition, Emotion und Motivation sind daher Emotionen im engeren Sinn herauszuheben (vgl. Mandl & Huber 1983a, 5), welche (1) kognitiv repräsentierte und der sprachlichen Beschreibung zugängliche Gefühle wie Ärger, Freude, Trauer, Stolz etc. umfassen (Scherer 1986, 146; Kuhl 2001, 110; ebd., 618), die (2) in der Regel als besonders intensiv, gerichtet und bewusstseinspflichtig definiert werden (vgl. Otto, Euler & Mandl 2000, 12ff.) und (3) sich erst in der Ontogenese auf Grundlage der Basisaffekte im Säuglings- und Frühkindesalter entwickeln (Holodynski 1999, 34). Emotionen im engeren Sinn haben einen der Person bewussten Anlass und stellen im Sinne der gestaltpsychologischen Figur-Grund-Metapher Figur-Phänomene dar (Abele 1995, 15; Rosenberg 1998, 250). Somit handelt es sich um bewusste Kognitionen mit der Besonderheit ihres reflexiven und emotionalen Inhalts (Kuhl 2001, 641). „Thus, emotions or feelings are conscious products of unconscious processes“ (LeDoux 1994a, 57; vgl. auch Scherer 1994b, 229). In ähnlicher Weise definiert Pekrun (1988) emotionales Erleben als Substrat der drei Komponenten (a) emotionsspezifischer Kognitionen, (b) physiologischer Aktivierung und Ausdrucksmotorik31 und (c) nicht bewusstseinsfähiger, zentralnervöser Prozesse (ebd., 99), wobei die letztgenannte Komponente dabei dem oben eingeführten Affektbegriff zuzuordnen ist.32 Insofern ist der Begriff des Affekts der allgemeinere, als jede Emotion einen affektiven Zustand mit einschließt, aber nicht jeder Affekt zu einer Emotion wird (Kuhl 2001, 123; vgl. auch Scherer 1994b, 230). Eine in diesem Zuin der Denktradition Darwins als konstruktiv betrachtet, da sie Menschen adäquate Reaktionen auf komplexe Situationen erlauben und somit das Überleben sichern (Smith & Kirby 2000, 83). 31 Ausdrucksreaktionen in Folge von Emotionen signalisieren die Bewertung eines wahrgenommenen Ereignisses und dienen damit – beabsichtigt oder nicht – der besseren Interpretation und Prognose von Handlungstendenzen in sozialen Interaktionen (Scherer 1994a, 130). 32 Eine der populärsten Komponentendefinitionen geht auf eine inhaltsanalytische Verdichtung von 101 Emotionsdefinitionen durch Kleinginna & Kleinginna (1981, 355) zurück: „Emotion ist ein komplexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Faktoren, das von neuronal/hormonalen Systemen vermittelt wird, die (a) affektive Erfahrungen, wie Gefühle der Erregung oder Lust/Unlust, bewirken können; (b) kognitive Prozesse, wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen, Klassifikationsprozesse, hervorrufen können; (c) ausgedehnte physiologische Anpassung an die erregungsauslösenden Bedingungen in Gang setzen können; (d) zu Verhalten führen können, welches oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist“ (übersetzt durch Mandl & Huber 1983a, 7). Ähnliche Komponentendefinitionen finden sich bspw. bei Lazarus, Kanner & Folkman (1980, 198), Scherer (1981, 309), Pekrun (2000, 335) oder auch bei Ulich (2003, 49f. in Anlehnung an Mesquita & Frijda 1992). Wegge arbeitet in einer Synopse von Emotionsdefinitionen folgende wesentliche Komponenten heraus (2004, 675): a) Erlebenskomponente (bewusste Wahrnehmung der Emotion), b) physiologische Komponente (Änderung zentral- und periphernervöser Prozesse) und c) Verhaltenskomponente (Mimik, Gestik, Vokalisation etc.).
28
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
sammenhang ebenfalls häufig anzutreffende Unterscheidung ist die zwischen Emotion und Stimmung (mood), wobei Letztere – wenngleich ebenfalls uneinheitlich definiert – in den Ansätzen einiger Autoren der o. a. emotionalen Befindlichkeit nahe steht: „waking consciousness is experienced as a continuous stream of affect, such that people are always experiencing some type of mood” (Watson & Clark 1994, 90; Herv. i. O.). In der deutschsprachigen Literatur werden die Begriffe Befindlichkeit und Stimmung daher teilweise als Synonym zum englischen Begriff mood verwendet (Abele-Brehm & Brehm 1986, 209). Während intensive Emotionen im engeren Sinn nur zeitweise auftreten, kann die Stimmung (bzw. emotionale Befindlichkeit) eine milde Form einer solchen Emotion annehmen, bspw. als negative Stimmung in Form leichter Verärgerung anstelle von Wut oder in Form positiver Stimmung anstelle von Freude (Watson & Clark 1994, 90). Neben der geringeren Intensität und der tendenziell längeren Dauer von Stimmungen hebt Weiss (2002, 24; in Anlehnung an Frijda 1993) ferner die Unbestimmtheit (diffuseness) von Stimmungen hervor, da sie im Gegensatz zu Emotionen nicht auf konkrete Objekte oder Ereignisse bezogen sind (vgl. auch Abele-Brehm & Brehm 1986, 209). Das heißt nicht, dass es solche Auslöser nicht gäbe, sondern dass diese nicht ins Bewusstsein treten. „They [moods] exist more as background affective states“ (Weiss 2002, 24). So sehen auch Otto, Euler und Mandl (2000) im Ausmaß an Objektbezogenheit ein wenig umstrittenes Kriterium zur Verortung von Stimmungen und Emotionen auf einem grundlegenden Kontinuum emotionaler Prozesse (ebd., 13). Fallen aus der o. a. Definition der Emotion im engeren Sinn somit die konkrete Ausprägung, die Intensität und die Gerichtetheit heraus, so bildet das Residuum das zuvor beschriebene Konstrukt der emotionalen Befindlichkeit. Die Gesamtheit der Emotionen (Emotionen im weiteren Sinn) umfasst daher „... die Qualität des Zustandes des psychophysischen Systems und dessen Abbildung im Erleben“ (Becker, Oldenbürger & Piehl 1987, 433), das sich in einem Kontinuum zwischen emotionaler Befindlichkeit und diskreten Emotionen (im engeren Sinn) aufspannt. Abbildung 2-2 gibt einen Überblick über die eingeführten emotionalaffektiven Konstrukte und deren Beziehung und verdeutlicht damit die Begriffsverwendung im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit.33
33 Zwar steht die eingeführte Begriffsverwendung – wie aufgezeigt – im Einklang mit zahlreichen Autoren, doch finden sich in der einschlägigen Literatur aufgrund des Fehlens allgemeingültiger Definitionen auch zahlreiche andere Abgrenzungen. Während sich den Affekten im engeren Sinn neurophysiologische Korrelate in Form von biochemischen und bioelektrischen Erregungsmustern zuordnen lassen, sind die weiteren Konstrukte als zunehmend hypothetisch anzusehen.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
Abbildung 2-2:
29
Emotional-affektive Konstrukte und deren Beziehung (eigene Darstellung)
An dieser Stelle soll nicht der Eindruck entstehen, emotional-affektive Phänomene seien als von Motivation oder Kognition unabhängig zu betrachten. Im weiteren Verlauf des zweiten Kapitels, insbesondere in Kapitel 2.2.2.4, wird die Untrennbarkeit deutlich hervorgehoben. Zunächst werden weitere Begriffe eingeführt, die für eine integrative Betrachtung notwendig sind. Alle in Abbildung 2-2 aufgeführten Konstrukte sind als State-Variablen aufzufassen, wobei die emotionalen Konstrukte aufgrund der durch die höhere Bewusstseinsnähe bedingten niedrigeren Verarbeitungsgeschwindigkeit von höherer Persistenz sein dürften. 2.2.1.3
Emotional-affektive Trait-Komponenten
Mit den Begriffen Emotion und Affekt verbindet man neben dem situativen momentanen Zustand häufig auch dispositionale Reaktionstendenzen (Wild, Hofer & Pekrun 2006, 208). Als Beispiele für emotionale Konstrukte mit dispositionalem Charakter führen Otto, Euler und Mandl (2000) Temperament, affektive Einstellung, affektiver Stil, emotionaler Trait und Persönlichkeitseigenschaften mit emotionalem Kern auf (ebd., 14). Insbesondere der Affektbegriff wird in der Literatur häufig auch als Trait-Konstrukt aufgefasst bzw. mit diesen vermengt, wenn keine
30
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
explizite Unterscheidung zwischen Affekt und Affektivität getroffen wird (Brief & Weiss 2002, 299). Watson und Clark (1994) definieren trait affect bzw. emotional trait (die Begriffe werden explizit synonym verwendet) als „stable individual differences in the tendency to experience a corresponding mood state“ (ebd., 92). Als Beispiel wird trait of fearfulness (Ängstlichkeit) aufgeführt, die eine Tendenz zum Erleben von fear (Angst) beinhaltet. Als wichtigste übergeordnete emotionale Trait-Konstrukte erachten die Autoren „... the dispositional counterparts of Negative and Positive Affect“ (ebd., 92). Eine weitere Differenzierung inhaltlich korrespondierender Emotionen, Stimmungen und Temperamente (als Trait-Konstrukte) findet sich bei Gray und Watson (2001, 38). In Studien zum Big-Five-Ansatz der Persönlichkeitseigenschaften finden Costa und McCrae (1980 et passim) hohe Zusammenhänge zwischen negative trait affect und Neurotizismus sowie positive trait affect und Extraversion (1980, 675; McCrae & Costa 1987, 87). Brief und Weiss (2002) plädieren gar für eine synonyme Verwendung der Begriffspaare negative Affektivität und Neurotizismus sowie positive Affektivität und Extraversion (ebd., 284). Die bisher beschriebene Wirkungsrichtung emotionaler Traits entspricht der (1) top-down-Perspektive: Trait-Komponenten der Emotion drücken sich in der relativ stabilen Tendenz aus, dass bestimmte Klassen situationaler Anreize bestimmte Erlebenszustände erzeugen (Lazarus, Kanner & Folkman 1980, 197; Lazarus 1994a, 79; Rosenberg 1998, 249; Rusting 1998, 169). Sie stellen stabile Muster von Werten, Überzeugungen und Selbstverpflichtungen dar, die das situationale Erleben beeinflussen (Lazarus, Kanner & Folkman 1980, 197). Ein anderer Kausalzusammenhang drückt sich in der (2) bottom-up-Perspektive aus: Situational ausgelöste Emotionen wirken in zweifacher Weise auf die künftige Situationswahrnehmung. Sie benötigen einige Zeit zum Abklingen und sie hinterlassen kumulativ Spuren, die sich langfristig als Trait-Komponenten manifestieren (Brandstätter 1991, 209). Auch wenn Affekte und Emotionen per definitionem kurzlebig und mitunter starken Schwankungen unterworfen sind (Schimmack, Oishi, Diener & Suh 2000, 655), kann das mittlere Niveau, um das sie sich bewegen, individuell verschieden sein (Diener & Lucas 2000, 326). Diesen dispositionellen Kern, der sich empirisch als das mittlere Erlebensniveau ergibt, bezeichnen Diener und Lucas als subjektives (emotionales) Wohlbefinden (subjective well-being bei Diener, Suh, Lucas & Smith 1999, 276; subjective emotional well-being bei Diener & Lucas 2000, 326; Übers.: A.R.). Im Strukturmodell von Becker wird in ähnlicher Weise unterschieden zwischen aktuellem Wohlbefinden, welches das momentane Erleben einer Person meint, und habituellem Wohlbefinden, das Urteile über aggregierte Erlebenszustände der letzten Wochen oder Monate im Sinne allgemeiner oder bereichsspezifischer Lebenszufriedenheit beinhaltet (Becker 1991, 14ff.; vgl. auch Schallberger 2000, 38). Das habituelle Wohlbefinden im Sinne von mittel- bis langfristiger Zufriedenheit kommt somit dem o. a. englischsprachigen subjective (emotional) well-being nach Diener et al.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
31
gleich. Das aktuelle Wohlbefinden weist hohe Übereinstimmung mit dem eingeführten Konstrukt der Emotionalen Befindlichkeit auf. Den dargestellten Ansätzen ist gemein, dass Trait-Komponenten der Emotion retrospektiv als Folge einer Sequenz von State-Komponenten definiert werden. Sowohl die top-down- als auch die bottomup-Perspektive erscheinen plausibel: Fortgesetzte Erlebensqualitäten bestimmter Prägung werden auf lange Sicht habitualisiert (Ontogenese) und längerfristige Dispositionen prägen das aktuelle Erleben (Aktualgenese) (vgl. Rosenberg 1998, 254).34 Meta-Analysen verweisen auf eine breite Palette von Dispositionen, die mit dem Wohlbefinden einer Person korrelieren, wenngleich stets betont wird, dass situationale Einflussfaktoren den größeren Einfluss auf das aktuelle Befinden ausüben (Costa & McCrae 1980, 676f.; DeNeve & Cooper 1998, 222). 2.2.1.4
Grundbedürfnisse, Motive, Motivation und Intention
Die im vorangegangenen Kapitel erläuterten emotionalen Trait-Komponenten stellen Erlebenstendenzen in bestimmten Situationen dar. Zur Prognose von Handlungstendenzen in bestimmten Situationen wendet man sich Motiven zu, die ebenfalls als Traits definiert sind. Motive umfassen zeitlich überdauernde Ziele, die sich auf eine bestimmte Klasse positiv bewerteter Repräsentationen beziehen (Rheinberg 2004, 17; Kleinbeck 2006, 270; Wild, Hofer & Pekrun 2006, 212). Gängige Begriffsdefinitionen gehen dabei im Wesentlichen auf McClelland zurück: „A motive becomes a strong affective association, characterized by an anticipatory goal reaction and based on past association of certain cues with pleasure and pain“ (McClelland 1951, 466). Sie äußern sich in einer bevorzugten Wahrnehmung passender Handlungs- und Erlebnischancen und einer erhöhten Ansprechbarkeit durch die passenden Anreize (Rheinberg 2004, 68). In diesem Zusammenhang sind explizite Motive – definiert als selbstattribuierte Selbstbilder, Werte und Ziele – von impliziten Motiven zu unterscheiden. Sowohl die Anregung eines impliziten Motivs als auch dessen Umsetzung im Handeln entziehen sich – wenigstens teilweise – der Selbstwahrnehmung (Leont’ev 1975/1977, 87; Brand 1978, 221; Kuhl 2001; 555; Rheinberg 2004, 68) und müssen nicht zwingend mit selbstattribuierten Motiven übereinstimmen (McClelland, Koestner & Weinberger 1989; Kuhl 2001, 533; Brunstein 2006, 236f.; Rheinberg 2008, 193f.).35 „In der aktuellen Situation werden dem Menschen 34 Unklar bleibt indes, ob Trait-Komponenten eher als Moderatorvariable auf den Einfluss aktueller emotionaler Befindlichkeit wirken oder ob aktuelle Befindlichkeiten eher als Mediatorvariable zwischen Trait-Komponenten und zukünftigem Erleben zu sehen sind (Rusting 1998, 190). Auch hier erscheinen grundsätzlich beide Modellierungen plausibel und einander nicht ausschließend. 35 Aus neuropsychologischer Sicht verortet man implizite Motive eher in stammesgeschichtlich älteren Teilen des Gehirns, welche für die emotionale Verarbeitung zuständig sind (bspw. dem limbischen System), wohingegen explizite Motive in jüngeren Regionen des Neokortex lokalisiert werden (Scheffer 2009, 30f.).
32
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
die Ziele bewußt, die Motive werden ihm nicht bewußt: ... Zwar fällt es uns nicht schwer, einen Grund für unser Handeln zu nennen, doch die Gründe sind keineswegs immer ein Hinweis auf das wirkliche Motiv der Handlung“ (Leont’ev 1975/1977, 87). Untersuchungen zeigen, dass die Kongruenz zwischen expliziten und impliziten Motiven das Wohlbefinden steigert, während Inkongruenz mit gesundheitlichen Beschwerden einhergeht (Scheffer 2009, 31). In der o. a. Motivdefinition werden Parallelen zu ähnlichen Konstrukten wie Trieben, Bedürfnissen, Werten oder Interessen deutlich, die nur unscharf voneinander abzutrennen sind (Häcker & Stapf 1998, 103), wobei Triebe und (primäre) Bedürfnisse zumeist der Phylogenese zugeschrieben werden, während Werte und Interessen stärker ontogenetisch akzentuiert sind, d. h. als erlernt aufgefasst werden. Zudem weisen Interessen eine Gegenstandsspezifität36 auf (Krapp 1992, 298), während Motive auf unspezifischere Klassen bevorzugter Erlebenszustände ausgerichtet sind und diesbezüglich große Ähnlichkeit mit Werten aufweisen, deren normative Selbstverpflichtung als Abgrenzungskriterium hervorgehoben wird (Bilsky 2009, 49). In ihrer Wirkung auf die Aktualgenese des Handelns weisen Motive, Werte und Interessen jedoch Ähnlichkeiten auf, die in Lewins Begriff der Quasi-Bedürfnisse deutlich werden. Sowohl Triebbedürfnisse i. S. v. physiologischen Primärbedürfnissen wie Hunger, Durst etc. (Lewin 1926b, 350) „... als auch Quasi-Bedürfnisse äußern sich typisch darin, daß sich gewisse Dinge oder Ergebnisse mit Aufforderungscharakter [i. S. e. aktivierenden Anreizes (Lewin 1926a, 317)] angeben lassen, deren Begegnung die Tendenz zu bestimmten Handlungen nach sich zieht“ (Lewin 1926b, 355). Dadurch werden innere Spannungszustände mittels Bedürfnisbefriedigung ausgeglichen (ebd., 356). Solche abgeleiteten Bedürfnisse, zu denen Lewin in späteren Publikationen auch das Interesse zählt (Lewin 1931/1974, 3), stellen somit einen „fixierten Aufforderungscharakter“ (Lewin 1926b, 362) oder mit Graumann (1960) „... die funktionelle Eigentümlichkeit motivational verfestigter Perspektiven“ (ebd., 177) dar. Diese zielgerichteten Dispositionen bleiben so lange latent, bis sie durch (innere oder äußere) Reize aktiviert werden (Atkinson 1964/1975, 473). „Alles was Lustgefühle in uns hervorrufen kann, ist in besonderer Weise geeignet, unser Interesse zu wecken und unser Handeln zu bestimmen“ (Ach 1910, 16). Wahrnehmungs-, Denk- und Lernprozesse erhalten dadurch einen funktionalen Charakter, da sie den durch Motive bestimmten Zwecken dienen (Dörner 1985, 73; Herv. i. O.). Das wichtigste psychologische Grundbedürfnis bzw. Basismotiv37 sehen Vertreter der Handlungstheorien im Streben nach und Aufrechterhalten von Kontrolle bzw. 36 Gegenstände des Interesses können durch konkrete Objekte, thematische Bereiche des Weltwissens oder durch bestimmte Klassen von Tätigkeiten definiert sein, die kognitiv repräsentiert sind, so dass die Person über ein gegenstandsspezifisches Wissen verfügt, welches sich in der Regel zunehmend ausdifferenziert (Krapp 2006, 281). 37 Die Abgrenzung zwischen den Konstrukten Motiv und Bedürfnis ist keineswegs eindeutig. So sieht bspw. Heckhausen (1980, 24) Motive als den Bedürfnissen übergeordnet.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
33
Bestimmtheit im Sinne einer passiven Kontrolle aufgrund von Vorhersagbarkeit (Dörner 1982, 32; Oesterreich 1981, 147; Volpert 1982, 52; Dörner 2008b, 98). Zwar hat kurzfristig immer die Erhaltung von Kontrolle den Vorrang, doch ist diese langfristig ohne Weiterentwicklung gefährdet (von Cranach & Bangerter 2000, 224). Insofern erklärt sich hierdurch auch die menschliche Neugier und das inhärente Streben nach Erweiterung der Kompetenzen (Dörner 2008b, 98). Analogien im Bereich der Motivationspsychologie sind in der zentralen Annahme des Strebens nach Selbstwirksamkeit im Sinne einer Präferenz für Verhaltens-Ereignis-Kontingenzen zu sehen (White 1959, 329; DeCharms 1968, 269; Bandura 1977, 203f.; Heckhausen & Heckhausen 2006a, 2), wohingegen soziologische Handlungstheorien zumeist das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit bzw. Wertschätzung38 in den Vordergrund stellen (Esser 1999, 125). Little, Hawley, Henrich und Marsland (2002) argumentieren auf Basis eines ressourcenorientierten Ansatzes, dass das Grundbedürfnis nach sozialer Eingebundenheit evolutorisch auf der Funktion sozialer Gruppen beruht, den Ressourcenmangel Einzelner zeitweilig aufzufangen. Die Gruppenzugehörigkeit impliziert dabei eine wechselseitige Bereitstellung von Ressourcen (ebd., 395). Eine Integration der Grundbedürfnisse erfolgt im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Self-Determination-Theory; vgl. Ryan & Deci 2002). In Anlehnung an Hulls (1943) Definition physiologischer Grundbedürfnisse39 werden drei grundlegende psychologische Basisbedürfnisse (basic needs) postuliert, die als evolutionsbedingt betrachtet werden und gewisse Gemeinsamkeiten mit den intensiv erforschten Big Three der Motivationsforschung (Scheffer 2009, 31) – Leistungs-, Anschluss- und Machtmotiv40 – aufweisen (Kuhl 2001, 533; Rheinberg 2008, 151): • Bedürfnis nach Kompetenzerleben: Kompetenzerleben bezieht sich auf die Erfahrung eigener Wirksamkeit in der Interaktion mit der sozialen Umwelt und der Möglichkeit, die eigenen Kompetenzen zu nutzen und zu erweitern. • Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit: Das Streben nach sozialer Eingebundenheit bezieht sich auf Zugehörigkeit zu und Akzeptanz durch andere Individuen und Gruppen. • Bedürfnis nach Autonomieerleben: Autonomie bezieht sich auf den Wunsch, sich selbst, d. h. eigene Interessen, Werte etc. als Ursache eigenen Handelns zu erleben. Anstelle völliger Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen ist hierbei jedoch 38 Verwandte oder synonyme Begriffe sind bspw. Affiliationsbedürfnis, soziales Bindungsgefühl, Geselligkeitsbedürfnis, Gesellungstrieb, Streben nach Legitimität, okayness, Legitimationsbedürfnis (Rost 2001, 219). 39 „... when any of the commodities or conditions necessary for individual or species survival are lacking, or when they deviate materially from the optimum, a state of primary need is said to exist” (Hull 1943, 17; Herv. i. O.). 40 Über Anzahl und Ausprägung von Motiven herrscht indes keine Einigkeit. So findet Schumacher (2002) in aufwendigen Unterrichtsanalysen fünf empirisch unterscheidbare Grundmotive.
34
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
vielmehr eine „relative Autonomie“ (Krapp & Ryan 2002, 63) gemeint (Deci & Ryan 1985a; Ryan & Deci 2002, 7f.). Im Rahmen dieses Theoriegefüges wird angenommen, dass die situationale Befriedigung der drei Grundbedürfnisse das inhärente menschliche Explorationsverhalten fördert und somit zur Suche nach neuen Herausforderungen führt, um die eigenen Kompetenzen und Interessen zu nutzen und zu erweitern, d. h. zu lernen („need for psychological growth“, Ryan & Deci 2000, 70; 2002, 3; vgl. Lernmotiv bei Schumacher 2002). Motivation wird allgemein definiert als die „... aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg 2004, 17; 2008, 15), der auch in der Vermeidung bzw. Beseitigung eines negativ bewerteten Zustands liegen kann (Heckhausen & Heckhausen 2006a, 2; Rheinberg 2006, 331; 2008, 15). Motivationale Prozesse beziehen sich somit auf die Zielbildung und Regulation menschlichen Handelns (Becker, Oldenbürger & Piehl 1987, 433). Rheinberg zufolge sind „... handlungstheoretische Modelle krass zweckorientiert konzipiert“ (2008, 145), da sich Handeln ausschließlich „... von der Instrumentalität leiten [lässt], die es für das Eintreten erwünschter oder das Nicht-Eintreten unerwünschter Folgen hat“ (Heckhausen 1980, 59). Dem Handeln selbst wird dabei oft ein negativer Vollzugsanreiz zugeschrieben (Rheinberg 2006, 331): Kurzfristig unangenehme Handlungen werden aufgrund langfristig angenehmer Folgen durchgeführt (vgl. auch Miller, Galanter & Pribram 1960/1973, 63). Jedoch kann auch der Vollzug einer Handlung selbst positive Anreize haben, was insbesondere bei Freizeitaktivitäten zu beobachten ist. Anreizkonstellationen müssen folglich hinsichtlich ihres Zweckanreizes (Instrumentalität) und ihres autotelischen Vollzugsanreizes betrachtet werden (Rheinberg 1989, 99f.; 2006, 332ff.; 2008, 140ff.).41 Dies führt zu der Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Motivation, die jedoch von verschiedenen Autoren sehr unterschiedlich vorgenommen wird (Rheinberg 2008, 153). Eine Auswahl unterschiedlicher Ansätze in Anlehnung an Rheinberg (2006, 2008) soll dies verdeutlichen: • Woodworth (1918) verwendet intrinsisch in Bezug auf Tätigkeiten, deren Anreiz im Vollzug selbst liegt (Woodworth, 1918, 70 zitiert nach Rheinberg 2006, 333), wohingegen sich extrinsische Motivation auf das bezieht, „...was der Tätigkeit als beabsichtigter Effekt nachfolgt“ (Rheinberg 2006, 333). • Schiefele (1996) ergänzt, dass Tätigkeiten meist an oder mit einem bestimmten Gegenstand verrichtet werden, so dass ein bestimmter Vollzugsanreiz nicht nur 41 Analog zu den Ausführungen zu impliziten Motiven gilt auch für autotelische Anreize, dass diese oft nicht bewusst sind. Bei der Verfolgung eines attraktiven Ziels, wird bspw. leicht übersehen, dass auch schon die zielführende Tätigkeit hoch attraktiv sein kann (Rheinberg 2006, 332).
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
35
durch die Tätigkeit, sondern auch durch ein spezifisches Gegenstandsinteresse (mit)bestimmt sein kann. • Heckhausen (1976, 2006) sieht Handeln dann als intrinsisch motiviert, wenn Handlung, Ergebnis und Folgen dem gleichen Thema angehören, wobei gerade die Feststellung der Gleichthematik schwierig sei (Rheinberg 2008, 149f.). • Deci & Ryan (1993) sprechen in Anlehnung an DeCharms (1968) von intrinsisch motiviert, wenn das Handeln selbstbestimmt (im Gegensatz zu von außen kontrolliert) ist. Diesem selbstbestimmten Handeln liegen wiederum die Grundbedürfnisse (basic needs) nach Autonomieerleben, Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit zugrunde (s. o.). Da eine strikte Polarisierung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation zu erheblichen Problemen in der Motivationspsychologie geführt hat (Prenzel 1996, 13), wird das im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie der Motivation postulierte „systematisch geordnete Spektrum psychologisch differenzierbarer Formen von Lernmotivation42“ (Prenzel, Kramer & Drechsel 2001, 38) als Vorteil betrachtet (Kritik hierzu: Rheinberg 2006, 334; 2008, 150f.; Scheja 2009). Ferner berücksichtigt der Ansatz sowohl Anreize der Handlungsfolgen als auch Anreize des Handlungsvollzugs (Deci & Ryan 1993, 224; Prenzel 1996, 13). Das von Deci und Ryan (1985a et passim) postulierte Kontinuum motivationaler Zustände von Amotivation über verschiedene Formen der extrinsischen Motivation im Sinne einer abnehmenden Fremdbestimmung bis zur intrinsischen Motivation auf Basis von Selbstbestimmung (Deci & Ryan 1985a, 138ff.) wurde durch Prenzel um eine zweite, orthogonale Dimension ergänzt, welche das Ausmaß der Inhalts- und Tätigkeitsanreize erfasst. Während sich intrinsisch motiviert auf autotelische Tätigkeitsanreize bezieht, wird diese zweite Dimension noch um den motivationalen Zustand interessiert erweitert, der den aktuellen Person-Gegenstands-Bezug erfasst (Prenzel 1996, 13f.).43 Aus ontogenetischer Perspektive wird angenommen, dass sich extrinsisch motiviertes Handeln durch Prozesse der Internalisierung und Integration in selbstbestimmtes Handeln überführen lässt (Deci & Ryan 1985, 138ff.; 1993, 227; vgl. Kapitel 2.2.2.2), weshalb die Selbstbestimmungstheorie gerade im pädagogischen Bereich große Beachtung findet (Rheinberg 2006, 335).
42 Im Zuge der Ergänzung der Selbstbestimmungstheorie der Motivation um die Person-GegenstandsKonzeption des Interesses wurde aufgrund der Nähe zu pädagogischen Fragestellungen ein besonderes Augenmerk auf die Lernmotivation gelegt, wodurch der Ansatz seine Allgemeingültigkeit für Handlungsprozesse jedoch nicht verliert. 43 In späteren Publikationen wurde eine linear ansteigende Anordnung der motivationalen Zustände innerhalb der beiden Achsen präferiert (Prenzel 1997, 35), was bei genauerer Betrachtung einer Verschmelzung der Achsen und damit einer Rückführung in ein eindimensionales Modell entspricht, da dem Ausmaß der Selbstbestimmung und dem Ausmaß der Inhalts- und Tätigkeitsanreize nun ein simultanes Ansteigen unterstellt wird.
36
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Zum Verhältnis zwischen Emotion (hier verstanden als unspezifischer Sammelbegriff für emotional-affektive Phänomene) und Motivation stellt Kuhl (2001) zusammenfassend fest, dass Emotionen als Bewertung bedürfnisbezogener Soll-IstDiskrepanzen unmittelbar das Erleben prägen und mittelbar das Spektrum möglicher Wahrnehmungs- und Handlungsalternativen einschränken. Motivationszustände wirken dagegen unmittelbar auf das Handlungsspektrum und mittelbar auf die Wahrnehmung und das Erleben (ebd., 618; Herv. i. O.). Nach Dörner (1985) sind Motivationen ethogenetische Kräfte, die ein Verhalten erzeugen, und Emotionen ethoplastische Kräfte, welche die Form des Verhaltens bestimmen (ebd., 168f.). Zudem weisen auch Motivation und Kognition Überschneidungsbereiche auf, da das Spektrum möglicher Wahrnehmungsinhalte und Handlungsalternativen in Form bewusster oder unbewusster Repräsentationen materialisiert sein muss, so dass einige Autoren bei Motivation auch von „Wunsch- oder Absichtskognitionen“ (Pekrun & Jerusalem 1996, 4) sprechen. Zwar stellen potenzielle Handlungsziele somit kognitive Repräsentationen dar, doch sind diese wiederum erst durch emotional-affektive Bewertungen erklärbar: „There is no reason, other than an affective one, to prefer any goal whatever over some other. Cognitive reasoning may argue that a particular event could lead to loss of money or health or life, but so what?“ (Frijda 1994, 200). Für ein Wesen, das keine Wertunterscheidungen vornimmt, wäre intentionales Handeln bedeutungslos (Lewis 1946/1962, 3). Bewertungen potenzieller Handlungsziele sind alleine jedoch noch nicht handlungswirksam. Zum tatsächlichen Handlungsziel werden sie erst „... mit der Vornahme, der Absicht oder dem Willen, dieses Ziel durch eigenes Tun auch herbeizuführen“ (Hacker 1978, 98; 1983, 5; vgl. Schmidt & Kleinbeck 1999a, 291). Dieser Ansatz geht auf die Würzburger Schule der Willenspsychologie (vgl. Ach 1910) zurück. Erst in den 60er Jahren wurde der Ansatz zunächst implizit im Rahmen der Goal-Setting-Theory (vgl. Locke & Latham 1994)44 und seit den 80er Jahren unter explizitem Rückbezug in den Arbeiten von Kuhl, Heckhausen und Gollwitzer unter dem Begriff Volition wieder aufgegriffen (Schmidt & Kleinbeck 1999a, 291f.). Eng verbunden mit dem Begriff der Volition ist das Rubikon-Modell45 der Handlungsphasen, das die sequenzielle Perspektive des Willensaktes verdeutlicht: Die motivationale Phase der Identifikation und Bewertung alternativer Handlungspläne tritt 44 Zudem rückte der Begriff der Intention im gleichen Zeitraum in den Blickpunkt der Sozialpsychologie. Da zunehmend Unzufriedenheit über die niedrigen Korrelationen zwischen Einstellungen und Verhalten laut wurde, sah man das Konstrukt der Intention als zwischen Einstellung und Verhalten positioniert (vgl. Gollwitzer & Malzacher 1996, 430f.; weitere Entwicklung und Kritik an gleicher Stelle). 45 Am 11. Januar des Jahres 49 v. Chr. hatte sich der spätere römische Kaiser Julius Caesar mit den Worten "Alea iacta est" ("Der Würfel ist geworfen") entschlossen, mit seinen Legionen den Rubikon, einen kleinen Fluss in Italien, zu überschreiten. Damit hatte er sich endgültig für einen Krieg entschieden. Von nun an setzte er zielstrebig alles daran, den Krieg zu gewinnen. Die vorangegangene Phase des Zauderns und Abwägens war damit endgültig vorbei (Schumacher 2001, 2).
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
37
mit Überschreitung des Rubikons über in eine volitionale Phase, die sich der Umsetzung eines bestimmten Handlungsplans (Intention) widmet (vgl. Heckhausen & Gollwitzer 1986, 1071f.). Der Rubikon markiert den Übergang von der realitätsorientierten Motivationsphase zur realisierungsorientierten Volitionsphase (Rheinberg 2008, 185). Abbildung 2-3 verdeutlicht diese sequenzielle Perspektive der Volition.
Abbildung 2-3:
Rubikon-Modell der Handlungsphasen nach Heckhausen & Gollwitzer 1986 (Erweiterte Darstellung in Anlehnung an Schumacher 2001, 5)
Zur sequenziellen Perspektive der Volition tritt eine imperative Perspektive hinzu. Eine Absicht (i. S. v. Lewins Vornahme) stellt die Selbstverpflichtung dar, ein bestimmtes Ziel erreichen zu wollen, welches sodann durch volitionale Prozesse gegen konkurrierende Zielalternativen abgeschirmt wird (Kuhl 1987, 284; Sokolowski 1996, 402f.). Damit einher geht eine qualitativ fokussierte Aufmerksamkeitslenkung auf relevante Sachverhalte der gewählten Handlungsalternative (vgl. Selektionsfunktion der Aufmerksamkeit nach Schaub 2008, 64), während die in der motivationalen Phase größere Breite der bewussten Sachverhalte (vgl. Orientierungsfunktion der Aufmerksamkeit; ebd.) quantitativ sinkt. Den verworfenen Alternativen kommt keine Aufmerksamkeit mehr zu (Hacker 1978, 99), um so genannte Nachentscheidungskonflikte zu vermeiden (Kuhl 2001, 144).46 Eine Absicht ist i. d. R. auf 46 So erweist sich die Modellierung von Absichten bspw. in Simulationsstudien der theoretischen Psychologie als unverzichtbar, da ohne ein entsprechendes Konstrukt das Aufrechterhalten von Handlungen nicht gelingt und stattdessen hochfrequente Verhaltensoszillationen zu verzeichnen sind (vgl. Dörner 2008a, 457ff.).
38
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
das Erreichen von Zwischenzielen i. S. v. Quasi-Bedürfnissen gerichtet, welche mit übergreifenden und überdauernden echten Bedürfnissen zusammenhängen (Heckhausen 1980, 178). Darüber hinaus umfasst eine Absicht (i. S. v. Lewins Vorsatz) auch die Speicherung von Gelegenheits- und Tätigkeitsbestimmungen, d. h. die Festlegung der Art und Weise der Zielrealisierung, die durch volitionale Prozesse im passenden Augenblick aufgerufen wird (Gollwitzer & Liu 1996, 236f.; Gollwitzer & Malzacher 1996, 456; Sokolowski 1996, 402f.; Rheinberg 2008, 186f.).47 Der Willensbegriff schließt somit neben der Verwirklichung aktueller Ziele auch die Bildung und Anwendung hoch integrierter, impliziter und nicht bewusstseinspflichtiger Zielrepräsentationen mit ein (Kuhl 2001, 133), welche strukturell dem Modell der hierarchisch-sequenziellen Handlungsregulation (vgl. Kapitel 2.1.2) ähneln. Dem Konzept eines solchen Intentionsgedächtnisses kommt auch in der PSI-Theorie der Forschergruppe um Dörner zentrale Bedeutung zu (Dörner 1986, 929ff.; Stäudel 1987, 45). Absichten stellen hier bewusste oder unbewusste Einheiten dar, die Informationen über eine Soll-Ist-Diskrepanz hinsichtlich der Motiv-Bedürfnis-Lage, deren Wichtigkeit und Dringlichkeit, einen mehr oder minder ausdifferenzierten Plan zu deren Beseitigung, Informationen über Umsetzungsgelegenheiten, eigene Umsetzungsfähigkeiten und den geschätzten Zeitbedarf sowie Informationen über die Entstehung der Absicht enthalten können. Sie müssen jedoch nicht immer alle diese Komponenten vollständig und konkret enthalten, sondern können auch diffuser – bspw. als Wünsche oder Sehnsüchte – vorliegen. Letztlich wird jedoch jede Handlung von einer oder mehreren Absicht(en) initiiert, in Gang gehalten und kontrolliert, wobei Bewusstsein oder andere höhere Prozesse für das Entstehen und Bestehen einer Absicht nicht notwendig sind (Tisdale 1998, 47ff.; Schaub 2001, 128). „Für größere Zeitabstände existieren Entwicklungsziele, die oft über Monate und Jahre entfernt liegen. Die Intention, solche Ziele zu erreichen, muß also über lange Zeitstrecken hinweg aufrechterhalten werden“ (Oerter 2001, 101). Bewusst oder unbewusst vorgehaltene Absichten sind somit wiederum als personale Voraussetzungen für Handlungsprozesse zu betrachten, in denen sie aktiviert werden. „Handlungen sind gewissermaßen Intentionen in Aktion“ (Brandstädter & Greve 1999, 190; zur „Intentionalität als Kernmerkmal von Handlungstheorien“ siehe Gerstenmaier 2009, 174ff.). Abbildung 2-4 gibt einen Überblick über die eingeführten Trait-Konstrukte Bedürfnis, Motiv, Interesse und Absicht, deren Reihung hier anhand abnehmender Stabilität und zunehmender Spezifität vorgenommen wird. 47 Während das Konstrukt des Vorsatzes eher mit der Position von Ach übereinstimmt, berücksichtigt das Konstrukt der Absicht die Position Lewins, der die bei Ach postulierte automatische Koppelung kritisiert und seinerseits Vornahmen als Quasi-Bedürfnisse im weiter oben erläuterten Sinn betrachtet, die auch durch alternative Befriedigungshandlungen erfüllt werden können (Lewin 1926b, 334ff.). Im Zentrum der Kontroverse standen Befunde der so genannten Wiederaufnahmeforschung und deren Interpretation (für einen Abriss der Kontroverse vgl. Heckhausen 1987; Gollwitzer & Liu 1996). Die Varianten Vorsatz und Vornahme werden im Weiteren unter den synonym verwendeten Begriffen Absicht bzw. Intention subsumiert.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
Abbildung 2-4:
39
Bedürfnis, Motiv, Interesse und Absicht (eigene Darstellung)
Rein episodische Motivationsmodelle, die unterstellen, dass jede neue Situation völlig unabhängig von vorangegangenen Motivationsprozessen und Handlungstendenzen wahrgenommen und bewertet wird, sind Vereinfachungen, die den Experiment-Episoden im Labor, aber nicht dem alltäglichen Aktivitätsfluss entsprechen (Heckhausen 1980, 632). Absichten entstehen und verfestigen sich in Folge motivationaler Prozesse. Werden bereits vorliegende Absichten in einer spezifischen Situation aktiviert, so bewirken sie dagegen ein Überspringen oder Verkürzen motivationaler Abwägungsprozesse. In diesem Sinne lässt sich Handeln als „Generierung, Ausarbeitung und Verwirklichung von Absichten“ (Franke 1989, 136) verstehen. Dies soll durch die in Abbildung 2-5 erweiterte Version des Grundmodells der klassischen Motivationspsychologie verdeutlicht werden.
Abbildung 2-5:
Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie (vgl. Rheinberg 2008, 70); erweitert um volitionale Prozesse der Absichtsgenese, -speicherung und -aktivierung (eigene Darstellung)
40 2.2.2
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Wechselwirkungen kognitiver, emotionaler und motivationaler Prozesse des Wahrnehmens, Denkens und Handelns
Nach der Klärung und Abgrenzung notwendiger Begrifflichkeiten im vorangegangenen Kapitel besteht der zweite Iterationsschritt in der Analyse der bereits angedeuteten Wechselwirkungen kognitiver, emotionaler und motivational-volitionaler Prozesse. Die Analyseeinheit dieser dynamischen Perspektive bildet die durch das Handlungssubjekt wahrgenommene Situation, der sich das folgende Teilkapitel widmet. 2.2.2.1
Handlungssituation und Situationswahrnehmung
Situationen sind als Einheiten menschlichen Lebens gekennzeichnet, die anhand gewisser Schwellen von dem, was dazu gehört, und dem, was nicht dazu gehört, zu unterscheiden sind (Thomas 1969, 55). Sie existieren nicht als objektive außerindividuelle Sachverhalte, sondern als subjektive Erlebenseinheiten (Izard 1977, 10; Tomaszewski 1978, 31; Beck 1996, 91ff.; Esser 1999; Beckmann & Heckhausen 2006b, 106). Eine Situation erhält ihre individuellen Bedeutungsinhalte durch die auf Grundlage situativer Reizgegebenheiten angestoßene Repräsentation der gegenwärtigen Lage (Beckmann & Heckhausen 2006a, 93), wobei diese situativen Reize ihre Quelle nicht ausschließlich außerhalb des Organismus haben, sondern vielmehr auch innere Reize des Organismus enthalten (ebd., 74). „Any normal experience is an interplay of objective and internal conditions. In their interaction, they form what we call a situation“ (Dewey 1938/1997, 42). Interindividuell unterschiedlich ausgeprägte Motiv-Bedürfnis-Lagen führen daher zu unterschiedlichen Bewertungen (Heckhausen & Rheinberg 1980, 17). Dennoch kann das interindividuelle Substrat einer Situation über entsprechende Objektivierungsverfahren bestimmt (Arnold 1981, 419) und zur deskriptiven Abgrenzung einzelner Handlungen und ihrer Beschreibung herangezogen werden (Esser 1999, 190f.). Sowohl die Wahrnehmung externer Umgebungsfaktoren als auch die Selbstwahrnehmung beruhen dabei nicht nur auf dem passiven Erleben eingehender Sinnesreize (Bottom-up-Komponente; Schaub 2008, 62), sondern vielmehr auf einer aktiven und selektiven inneren Konstruktion und Rekonstruktion (Esser 1999, 164; Top-down-Komponente bei Schaub 2008, 62; Intake statt Input bei Aebli 1980, 90; Selektivität der Aufmerksamkeit bei Carver & Scheier 1981; vgl. auch Ausführungen zu Bewusstsein und Selbstreflexion in Kapitel 2.2.1.2). Die Selektion derjenigen Wahrnehmungsinhalte der inneren und äußeren Welt (Objekte, Vorgänge, Gedanken
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
41
etc.), die in das Bewusstsein gelangen, erfolgt wenigstens teilweise48 durch Aufmerksamkeit, welche sich sowohl nach physikalischen als auch nach semantischen Merkmalen sensorischer Reize richtet (Gadenne 1996, 21; ebd., 102). Um die beschränkten Verarbeitungsressourcen (vgl. Bewusstseinsenge, Kap. 2.2.1.2) sinnvoll zu nutzen, steuert der Prozess der Aufmerksamkeit die Wahrnehmung hinsichtlich der subjektiven Bedeutsamkeit (Schaub 2008, 64).49 Ein im Bereich Human Factors50 weit verbreitetes Modell der Situationswahrnehmung ist die Situation Awareness Theory von Endsley (Matthews, Davies, Westermann & Stammers 2000, 144; Schaub 2008, 67), in der drei Prozesse unterschieden werden, die aufeinander aufbauen: (1) Wahrnehmung des Zustands, der Merkmale und der Dynamik der als relevant eingeschätzten Situationselemente, (2) Verstehen der Situation durch Abgleich der wahrgenommenen Situationselemente mit mentalen Modellen des Langzeitgedächtnisses und (3) Prognose zukünftiger Situationszustände auf Basis der Verstehensprozesse. Auf Grundlage dieser Wahrnehmungsebenen werden sodann Handlungsentscheidungen getroffen, die wiederum auf die Umweltzustände rückwirken und zu einer veränderten Situationswahrnehmung führen (Endsley 1988, 97f.; 1995, 36f.). Zur Beschreibung von Situationen nennt Beck sechs Dimensionen (1996, 92ff.): (1) Zeitdimension: Zeitliche Erstreckung einer Situation, die inter- und intrapersonell variiert und durch die Ausrichtung und Dauer der Aufmerksamkeit auf einen Sachverhalt oder einen Handlungsvorgang gesteuert wird. (2) Raumdimension: Subjektiv wahrgenommener Raum, der ebenfalls an die Aufmerksamkeit gebunden ist (Beispiele: am Schreibtisch, im Büro, in Bamberg etc.). (3) Gegenstandskonstellation: Aus den nahezu beliebig vielen Gegenständen, die in einer Situation objektiv zur Wahrnehmung zur Verfügung stehen, erfolgt eine thematische Auswahl anhand zugrunde liegender, nicht zwingend bewusster Intentionen, welche die Aufmerksamkeit steuern. (4) Begriffliche Konzepte: Die dem Subjekt verfügbaren begrifflichen Konzepte schränken die wahrnehmbare Gegenstandskonstellation weiter ein (zweiter 48 Aufmerksamkeit impliziert in jedem Fall Bewusstsein, doch gibt es umgekehrt auch Bewusstseinsinhalte, denen keine besondere Aufmerksamkeit zukommt (Gadenne & Oswald 1991, 10; Gadenne 1996, 100). 49 Wenngleich Inhalte der Aufmerksamkeit bewusst sind, verlaufen Teilprozesse der Auswahl und Verarbeitung der Wahrnehmungsinhalte weiterhin unbewusst: (1) Die Wahrnehmung des Anreizes kann unbewusst sein, (2) die Interpretation und Kategorisierung eines Anreizes kann unbewusst erfolgen und (3) die tatsächlichen Auslöser emotional-motivationaler Erlebenszustände können unbewusst bleiben, wodurch Fehlattributionen begünstigt werden (Bargh 1994, 7ff.). 50 Human Factors ist eine interdisziplinäre Forschungsrichtung mit den Zielen (1) des Erkenntnisgewinns über den Menschen als Ressource und begrenzenden Faktor im System Mensch und Technik und (2) der Bereitstellung von Anwendungswissen für Problemlösungen in der Praxis. Dabei legt Human Factors im Gegensatz zur klassischen Ergonomie den Fokus mehr auf kognitive, motivationale und emotionale Leistungen und Fähigkeiten (Badke-Schaub, Hofinger & Lauche 2008, 7).
42
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Filter51). Je reichhaltiger der Fundus an aktivierbaren Konzepten, desto größer der Möglichkeitsraum der individuellen Situationskonstitution. (5) Aktualisierte Rolle(n): Erwartungsbündel, die im Kalkül des Subjekts repräsentiert sind (z.B.: Sohn, Freund, Schüler etc.). (6) Bewertungsdimension: Affektive Tönung und Energetisierung des subjektiven Geschehens aufgrund individueller Einstellungen, Werthaltungen und Geltungs- bzw. Realisierungsansprüche. Solange die dimensionalen Ausprägungen konstant bleiben, befindet sich ein Individuum in ein und derselben Situation. Zum Wechsel zwischen Situationen stellt Beck heraus, dass diese nicht durch Änderungen der Dimensionen, sondern durch Veränderungen der Intentionen ausgelöst werden: „Variationen auf den Dimensionen sind Folgen, nicht Ursachen von intentionalen Variationen“ (Beck 1996, 94). Intentions- und Aufmerksamkeitswechsel können dabei sowohl durch innere (eigenaktive) als auch durch äußere (interaktionale) Einwirkungen hervorgerufen werden (ebd., 94). 2.2.2.2
Erwartungs-mal-Wert-Theorien und Motivationsgenese in Handlungsprozessen
Im Rahmen der Situationswahrnehmung treten potenzielle Handlungsziele hervor, deren Eintretenswahrscheinlichkeiten nach Auffassung des Individuums durch dessen Handeln beeinflusst werden können (Hacker 1982, 19; Austin & Vancouver 1996, 338; Schmidt & Kleinbeck 1999a, 292; Kuhl 2000, 113; 2001, 150; Kleinbeck 2006, 256). Ziele werden hinsichtlich ihres Beitrags zur Befriedigung der Motive bzw. Bedürfnisse ausgewählt (Leont’ev 1975/1977, 34; Dörner 1985a, 76; Pekrun 1988, 19). Zur Beschreibung und Unterscheidung von Handlungszielen nennt Kleinbeck (2006) zusammenfassend sieben Dimensionen: (1) Wert eines Ziels: Entsprechend der persönlichen Zielhierarchie können Ziele mehr oder weniger wertvoll sein. Ihre Attraktivität steigt, wenn mit ihrer Verwirklichung im Handeln gleichzeitig auch Ziele höherer Ordnung erreicht werden können. (2) Zielschwierigkeit: Die Schwierigkeit einer Zielerreichung bemisst sich in der Regel nach ihrer Position auf einem Kontinuum zwischen leicht und schwer. 51 Für den Fall, dass Wahrnehmungen in Situationen nicht mit dem eigenen Bild der Welt und den daran geknüpften Erwartungen übereinstimmen, kann es bspw. zu einer unbewussten affirmativen Informationssammlung (selektive Aufnahme derjenigen Informationen, die in das eigene Weltbild passen) oder zur aktiven Informationsabwehr (Wahrheitsleugnung oder -herabsetzung) kommen (Dörner 2008b, 103; vgl. Ausführungen zu Deformationen des Denkens in Kapitel 2.2.2.3).
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
43
(3) Zielspezifität: Spezifische Ziele beinhalten klar definierte Leistungsergebnisse und sind damit handlungswirksamer als vage Ziele, die ein breites Spektrum an Leistungsergebnissen zulassen. Ziele können somit auf verschiedenen Abstraktionsebenen betrachtet werden: “… at the most general level they are expressed as values, that is, what the person views as desirable and undesirable; at an intermediate level as the goals that people say are important to them; and at the most concrete level as actual activities that people are engaged in“ (Lazarus & Folkman 1987, 156). (4) Zielbindung: Eine starke Zielbindung bewirkt, dass Ziele über einen längeren Zeitraum verfolgt werden und auch bei Hindernissen beibehalten werden. Im Konzept der Zielbindung werden Überschneidungen zu Absichten bzw. Intentionen (vgl. Kapitel 2.2.1.3) deutlich. (5) Zeitperspektive: Auf einem Kontinuum kann zwischen proximalen (zeitnahen) und distalen (zeitfernen) Zielen unterschieden werden. Distale Ziele liegen weit in der Zukunft, können nur über Zwischenziele erreicht werden und nehmen oft eine hohe Position in der persönlichen Zielhierarchie ein. Proximalen Ziele, die ein zur Erreichung distaler Ziele nötiges Zwischenziel darstellen, wird Instrumentalität zugesprochen.52 (6) Bewusstseinsgrad: Während Handlungszielen zumeist definitorisch Bewusstseinspflichtigkeit unterstellt wird, können mindestens zwei Arten unbewusster Ziele unterschieden werden: Zum einen sind dies automatisierte Teilziele (vgl. Kapitel 2.1.2) und zum anderen Ziele zur Verwirklichung unbewusster Motive (vgl. Kapitel 2.2.1.4). (7) Zielkomplexität: Die Komplexität von Zielen beschreibt den Grad der Vernetzung zwischen Hauptziel, Unterzielen und Handlungskomponenten53 (Kleinbeck 2006, 257ff.; ähnlich auch Frese & Zapf 1994, 275f.; Sevincer & Oettingen 2009, 42). In alltäglichen Situationen sind Handlungsziele oftmals fremd gesetzt (Kleinbeck 2006, 262). Zwar ergeben sich hierdurch nicht zwingend Unterschiede zu selbst gewählten Zielen (ebd., 262)54, doch dürften der Wert eines Ziels und die Zielbindung 52 Es liegt nahe, dass distale Ziele nur dann aufrechterhalten werden können, wenn eine entsprechend starke Zielbindung vorhanden ist. 53 Insbesondere die Zielkomplexität verlangt ein sorgfältiges Abwägen aller Haupt-, Neben- und Folgeeffekte potenzieller Handlungen hinsichtlich ihrer nachhaltigen Berücksichtigung aller Bedürfnisse innerhalb der Präferenzordnung (Tenbruck 1978, 116f.), da aufgrund der komplexen MotivBedürfnis-Lagen i. d. R. zahlreiche Handlungsziele zur Befriedigung mehrerer Motive gleichzeitig in Frage kommen (Miller, Galanter, Pribram 1960/1973, 93; Dörner 1985, 73). 54 In experimentellen Studien finden Hollenbeck, Williams und Klein (1989) einen Interaktionseffekt zwischen dem Ursprung eines Ziels (selbst gesetzt vs. fremd gesetzt) als situationalem Einflussfaktor und der Ausprägung des allgemeinen Leistungsmotivs (hoch vs. niedrig) als personalem Faktor: Während die Übernahme fremd gesetzter Ziele unabhängig vom Leistungsmotiv zu einer Zielbin-
44
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
(s. o.) umso geringer sein, je größer die Diskrepanz zu eigenen Motiv-BedürfnisLagen ausfällt. Die Integration fremd gesetzter Ziele wird im Rahmen der organismic integration theory (Teilbereich der Selbstbestimmungstheorie der Motivation; Deci & Ryan 1985a et passim) aufgegriffen.55 Werden bestimmte Verhaltensweisen durch bedeutsame Personen(gruppen) eingefordert, belohnt oder vorgelebt, so neigen Individuen aufgrund ihres Strebens nach einer kohärenten Selbst- und Weltsicht dazu, die ursprünglich extern vorgegebenen Verhaltensweisen bzw. deren zugrunde liegende Ziele und Werte zu internalisieren (Deci & Ryan 1985a, 130f.; Ryan 1995, 405ff.; Krapp & Ryan 2002, 61ff.; Ryan & Deci 2002, 14ff.; zur Kritik an der Selbstbestimmungstheorie siehe Scheja 2009). Dieser Internalisierungsprozess kann durch die Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit unterstützt werden (Ryan 1995, 409; zu den Grundbedürfnissen siehe Kapitel 2.2.1.4). Abbildung 2-6 zeigt das Kontinuum der Integration externer Ziele und Werte sowie Stufen dieses Internalisierungsprozesses.
Abbildung 2-6:
Kontinuum der Selbstbestimmung, Motivations- und Regulationsformen (in Anlehnung an Deci & Ryan 1985a, 133ff.; Ryan, Kuhl & Deci 1997, 714; Ryan & Deci 2000, 72; 2002, 16ff.)
dung auf mittlerem Niveau führt, fühlen sich Teilnehmer mit hoch ausgeprägtem Leistungsmotiv signifikant stärker ihren selbst gesetzten Zielen verpflichtet. Beide Gruppen weisen eine höhere Zielbindung auf, wenn die Ziele öffentlich gemacht werden (ebd., 22). 55 Ryan (1995, 401) gibt einen Überblick über historische Vorläufer und verwandte Ansätze.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
45
Handlungsziele dienen einerseits der maximalen Befriedigung der extrinsischen oder intrinsischen Motivation (Maximierung des Werts), werden jedoch zugleich auch hinsichtlich ihrer Erreichbarkeit in einer gegebenen Situation ausgewählt (Dörner 1985, 76), was in dem bei Kleinbeck aufgeführten Merkmal der Zielschwierigkeit besonders deutlich wird, aber ebenso in den Merkmalen der Zielspezifität, Zielkomplexität und der Zeitperspektive eine Rolle spielt. Neben den Handlungsanreizen sind somit erwartete Eintrittswahrscheinlichkeiten als zweite Determinante der Handlungssteuerung zu berücksichtigen (Kuhl 2001, 259). Die aus unterschiedlichen Ansätzen stammenden Begriffspaare Valenz und Potenz (Lewin 1936), Wert und Erwartung (Atkinson 1964/1975) sowie Wert und Möglichkeit (Tomaszewski 1978) weisen hohe Übereinstimmung auf56, so dass Heckhausen (1980) feststellt, dass es wohl keine neuere Motivationstheorie gibt, die nicht in ihren Grundzügen dem Modelltyp der Erwartungs-mal-Wert-Theorien entspräche, und dass auch unabhängig voneinander entstandene Ansätze auf diesen Modelltyp konvergierten (ebd., 216). Noch heute wird Modellen diesen Typs das größte Gewicht innerhalb der Motivationsforschung zugesprochen (Krapp & Hascher 2009, 378). Allen Ansätzen ist gemein, dass eine situationale Ausgangslage dahingehend analysiert wird, (1) wie vorgefundene Handlungssituationen hinsichtlich der Befriedigung oder Bedrohung von Bedürfnis- bzw. Motivlagen einzuschätzen sind und (2) für wie wahrscheinlich eine erfolgreiche Durchführung der Handlungsmöglichkeiten eingeschätzt wird, so dass neben den situationalen Anreizen auch die positive Bewertung der eigenen Kompetenz als wichtige motivationale Ressource für das primäre Kontrollstreben aufgefasst wird (Heckhausen & Heckhausen 2006b, 400). Zudem zeichnet sich die Erwartungs-mal-Wert-Konzeption durch eine hohe Integrationskraft zur Aufnahme von Befunden anderer ‚konkurrierender’ Ansätze aus (Six & Kleinbeck 1989, 356; Herv. i. O.).57 Je nach zeitlicher Gerichtetheit können Erwartungen im Sinne vorwärtsgerichteter (zukunftsbezogener) Ursache-WirkungsRelationen und Attributionen im Sinne rückwärtsgerichteter (vergangenheitsbezogener) Ursache-Wirkungs-Relationen unterschieden werden, die in ihrer Struktur als repräsentierte Ereignissequenzen jedoch identisch sind (Pekrun 1988, 68ff.).
56 Auch die Instrumentalitätstheorie nach Vroom (1964), Banduras Unterscheidung von Wirksamkeitsund Ergebniserwartung (1977, 193) oder die bei Sembill (1992, 106) als zentral erachtete Zielrelevanz der Reize und die prospektiven Bewältigungsmöglichkeiten können hier angeführt werden. 57 Allerdings gibt es auch Kritik an solchen Ansätzen. So weist McClelland darauf hin, dass es sich um eine missbräuchliche Erweiterung des Motivationsbegriffs handele, da dieser ursprünglich nur die unter Ziffer (1) genannte Anregung eines Motivs meine: „Motivation properly refers to an aroused motive, but they have broadened it to mean excitatory potential, which is determined partly by the aroused motive and partly by probability of success, incentive value, and other variables“ (McClelland 1985, 812).
46
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Eine Differenzierung verschiedener Erwartungskomponenten erfolgt im Rahmen der erweiterten Erwartungs-mal-Wert-Theorie58 von Heckhausen anhand der vier Ereignis-Stadien im Motivierungsprozess (1) Situation, (2) Handlung, (3) Ergebnis und (4) Folgen. Die Situations-Ergebnis-Erwartung (SE) bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, mit der eine gegenwärtige Lage ohne eigenes Zutun zu einem künftigen Ergebniszustand führt, und entspricht somit der Beurteilung der Unterlassungsalternative (vgl. Kapitel 2.1.1). Handlungs-Ergebnis-Erwartungen (HE) bezeichnen dagegen die subjektive Einschätzung, die Situation durch eigene Handlungen in gewünschter Weise zu ändern. Die Handlungs-bei-Situation-Ergebnis-Erwartung (HSE) umfasst den subjektiven Wahrscheinlichkeitsanteil, mit dem äußere, variable Umstände die resultierende Handlungs-Ergebnis-Erwartung erhöhen oder verringern. Die Ergebnis-Folge-Erwartung (EF) bezeichnet die Instrumentalität, die nicht unmittelbar beeinflusst werden kann (Heckhausen 1977a, 287f.; 1980, 621f.).59 Intrinsische Motivation kann in dieser Modellsprache als ein thematisches Zusammenfallen von Handlung, Ergebnis und Folgen interpretiert werden (Heckhausen & Rheinberg 1980, 20ff.). „Das Handeln hat irgendwie unmittelbare Rückwirkungen (Ergebnisse), die selbst immer wieder von als anreizend, lustvoll oder sonst wie erlebten Folgen begleitet sind, die Handeln (Wahrnehmen, Denken und Tun) unentwegt in Gang halten, motivieren“ (ebd., 20). Das in Kapitel 2.2.1.4 eingeführte Konstrukt der Intention (bzw. Absicht) findet auch in der Basisstruktur menschlicher Handlungen bei Pekrun Berücksichtigung (1988, 71). Konsequenterweise führt Pekrun Handlungskontroll-Erwartungen ein (synonym: Intentionskontroll-Erwartung; in früheren Publikationen auch: Absichts-Handlungs-Erwartung). Gemeint ist ein Vertrauen in die eigene Willenskraft, d. h. die Überzeugung, „... daß eigene Zielvorstellungen sich in Intentionen umsetzen lassen, also in konkrete, als selbstverpflichtend erlebte Handlungspläne, die das auszuführende Verhalten sowie die notwendigen Situationsbedingungen und Zeitpunkte der Verhaltensrealisierung spezifizieren“ (Pekrun 1988, 71f.). Abbildung 2-7 gibt das um die von Pekrun vorgeschlagene Handlungskontroll-Erwartung erweiterte Modell nach Heckhausen wieder.
58 Etwa zeitgleich zur Publikation der erweiterten Erwartungs-mal-Wert-Theorie von Heckhausen legte auch Hofer ein sehr ähnliches Modell vor, das sich speziell auf Lehrerhandeln bezieht (Hofer 1977, 20). 59 Die Unterscheidung von Ergebnis (performance) und Folge (outcome) verdeutlicht Bandura am Beispiel eine Hochsprungwettbewerbs: Ein Sprung über 1.83 Meter stellt das Ergebnis dar, während die Folgen dieses Ergebnisses materieller (Trophäe, Preisgeld etc.), sozialer (Anerkennung, Applaus etc.) und/oder selbstreaktiver (Selbstzufriedenheit etc.) Art sein können (Bandura 1988, 40).
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
Abbildung 2-7:
47
Arten von Erwartungen nach Ereignis-Stadien im Motivierungsprozess (Heckhausen 1977a, 287f.; 1980, 621f.; erweitert in Anlehnung an Pekrun 1988, 71ff.; Erweiterung durch Kursivschrift und Strichelung hervorgehoben)
Den Erwartungen liegen Überzeugungen spezifischer Ursachen zugrunde. Externale Ursachen können Unterstützung oder Behinderung durch andere Akteure, Zufall etc. sein. Internale Ursachen sind beispielsweise die eigene Fähigkeit und Anstrengungsbereitschaft (Heckhausen 1977a, 287f.; 1980, 621f.; vgl. auch Carver & Scheier 1981, 214). Anhand der Lokalisierung von Ursachen zwischen external und internal unterscheidet Luhmann auf einem Kontinuum, ob ein Verhalten mehr als Erleben (Selektivität wird der Welt zugerechnet) oder mehr als Handeln (Selektivität wird dem handelnden System zugerechnet) anzusehen ist (Luhmann 1978, 237). Sind Eintretenswahrscheinlichkeiten von Ergebnissen und Folgen in einer gegebenen Situation dagegen ausschließlich von externalen Ursachen abhängig, d. h. völlig unabhängig von den (Re-)Aktionen einer Person, so gilt die Situation als unkontrollierbar und es liegt keine als Handlung definierbare Aktivität vor (Oesterreich 1981, 163; vgl. Esser 1999, 38). Kontrolle bezieht sich darauf, in welchem Maß das Auftreten der vom Handelnden zielgerichtet angestrebten Ereignisse von seinen eigenen Handlungen abhängig ist. Die Kenntnisse eines Handelnden über die Abhängigkeiten der Zielerreichung von gewählten Handlungsalternativen werden als Kontrollkompetenz bezeichnet (Oesterreich 1981, 26). Die Kontrollkompetenz hängt somit davon ab, wie gut die innere Repräsentation des Handlungsfeldes dem tatsächlichen Handlungsfeld entspricht (ebd., 51f.). Die Antizipation erfolgt durch geistiges Durchspielen (Probehandeln; vgl. Kap. 2.1.3) auf Grundlage früherer eigener oder fremdvermittelter Erfahrungen (Oesterreich 1981, 57). Von objektiver Kontrolle und Kontrollkompetenz abzugrenzen sind die subjektiven Einschätzungen dieser Größen durch die handelnde Person, die bei Oesterreich als Kontrollmeinung (Einschätzung der Eintretenswahrscheinlichkeit einer – möglicherweise unbekannten – optimalen Handlungs-
48
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
alternative) und Kompetenzmeinung (Einschätzung der eigenen Handlungsalternative(n) in Relation zur Kontrollmeinung) bezeichnet werden (ebd. 53f.). In der Sprachregelung der Forschergruppe um Dörner wird das subjektive Zutrauen, welches eine Person in ihre Fähigkeit hat, mit einer Situation fertig werden zu können, als aktuelle Kompetenz bezeichnet (Dörner, Reither & Stäudel 1983, 69). Dieser Begriff findet auch in der vorliegenden Arbeit Verwendung und erfährt im Folgenden eine Ausdifferenzierung. 2.2.2.3
Kognitive Grundlagen des Handelns
Handlungsentwürfe basieren auf Erfahrungen (hier: Erfahrungen i. S. e. Produkts, vgl. Kapitel 2.1.3). In jeder Situation, mit der unser Gehirn konfrontiert ist, erfolgt zunächst eine Überprüfung des Gedächtnisses um festzustellen, ob bereits fertige Lösungen vorliegen, die dann – ohne größeren Energieverbrauch für die Aufmerksamkeit – herangezogen werden (Roth 1999, 1959f.). Gedächtnisrepräsentationen, die eine solche Routine ermöglichen, bezeichnet Dörner als Aktionsschemata, die mindestens folgende Bestandteile beinhalten (Dörner 1985, 79):60 • Input-Subschema: Informationen über die Merkmale derjenigen Sachverhalte, auf die eine bestimmte Handlung anwendbar ist. • Output-Subschema: Informationen über (Teil-)Operationen, die durchgeführt werden müssen, damit der „Input-Sachverhalt“ in das gewünschte Resultat überführt wird. • Erwartungssubschema: Informationen über die zu erwartenden Ergebnisse der Aktion. Ähnlich modelliert Oesterreich Gedächtnisinhalte als Netz erinnerbaren Handelns (NEH-Modell), das aus erinnerbaren Operationen (vgl. Output-Subschema) besteht, welche erinnerbare Anfangssituationen (vgl. Input-Subschema) und Zielsituationen (vgl. Erwartungssubschema) verknüpfen (Oesterreich 1994, 36ff.). Der Abruf von Routinen entspricht somit der unbewussten Suche nach einer zielführenden Kette von Aktionsschemata. Es wird geprüft, ob es ein Aktionsschema gibt, dessen InputSubschema auf die gegebene Situation passt und dessen Erwartungssubschema dem angestrebten Ziel entspricht (Dörner 1985, 80; vgl. „Resonanzprozess“ bei Oesterreich 1994, 43f.). Dieser Vorgang realisiert die im Rahmen der Situation Awareness (Kapitel 2.2.2.1) als dritte Ebene bezeichnete Prognose bzw. die Handlungs-ErgebnisErwartung in der Terminologie nach Heckhausen (vgl. Abbildung 2-7). Für vorange60 Zur Vermeidung begrifflicher Konfusion werden die im Aktionsschema enthaltenen Bestandteile abweichend von der Originalquelle nicht ebenfalls als Schemata, sondern als Subschemata bezeichnet.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
49
hende Prozesse des Verstehens scheint es nahe liegend anzunehmen, dass nach solchen Schemata gesucht wird, deren Erwartungssubschema auf die gegebene IstSituation passt, um anhand der Input- und Output-Subschemata auf die Entstehensgründe der Situation zurück zu schließen. Hier wird die von Pekrun (1988) postulierte Strukturgleichheit zwischen Erwartungsüberzeugungen und Kausalattributionen deutlich (ebd., 70: vorwärtsgerichtete vs. rückwärtsgerichtete Ursache-WirkungsRelationen; vgl. Kapitel 2.2.2.2). Insbesondere bei der Analyse vorgefundener Situationen ist anzunehmen, dass im Output-Subschema nicht primär eigene Operationen, sondern vielmehr auch Wirkungszusammenhänge jenseits der eigenen Eingriffsmöglichkeiten enthalten sind, die den auf externalen Ursachen beruhenden Erwartungen bei Heckhausen entsprechen (vgl. Abbildung 2-7). Von den oben beschriebenen Aktionsschemata der eigenen Handlungsmöglichkeiten unterscheidet Dörner daher Geschehnisschemata als zeitlich indizierte Ereignissequenzen (Dörner 2008a, 187ff.; vgl. scripts in behavior vs. scripts in understanding nach Abelson 1981, 719). Ferner stellen Wahrnehmungsinhalte der ersten Ebene des Situation-AwarenessAnsatzes sensorische Schemata in Form kohärenter Repräsentationen (ohne zeitliche Indizierung) dar, wie sie bereits im Zusammenhang mit dem Wahrnehmungsbewusstsein in Kapitel 2.2.1.2 beschrieben wurden. Somit ergeben sich folgende Parallelen zwischen den Ebenen bei Endsley, den Gedächtnisschemata der Forschergruppe um Dörner und den Erwartungen bei Heckhausen: • Sensorische Schemata ermöglichen die Situationswahrnehmung. • Geschehnis- und Aktionsschemata ermöglichen das Verstehen und die Prognose. Die Prognose von external verursachten Ereignissen erfolgt vorzugsweise61 auf Grundlage von Geschehnisschemata, wohingegen die Prognose internal verursachter Ereignisse auf Aktionsschemata beruht. • Die Handlungs-bei-Situation-Ergebnis-Erwartung erfordert eine Kombination der Schemata und dürfte den Regelfall darstellen. Schemata können einerseits in Form von Ketten angeordnet sein, so dass das Erwartungssubschema eines Aktionsprogramms zugleich das Inputsubschema eines anderen Aktionsprogramms ist (Dörner 1985a 80). Andererseits können sie auch hierarchisch geordnet sein, wobei übergeordnete Schemata untergeordnete erwartungsgeleitet kontrollieren und globaler sind, d. h. größere Unbestimmtheit im Sinne enthaltener Leerstellen erlauben (Lantermann 1983, 258 in Anlehnung an das Konzept der Scripts nach Abelson 1981). Ein solches Geflecht von Schemata entspricht dem Modell der hierarchisch-sequenziellen Handlungsregulation nach Hacker (1973; vgl. Abbildung 2-1 in Kapitel 2.1.2) und beinhaltet zugleich die Zielela61 In sozialen Situationen wird auch die Prognose external verursachter Ereignisse auf Aktionsschemata beruhen, wenn diese einem Interaktionspartner zugeschrieben werden, da man i. d. R. unterstellen wird, dass andere Personen über ähnliche Aktionsschemata verfügen.
50
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
boration, d.h. die Konkretisierung von Zielen in Teil- und Zwischenziele (Dörner 2008b, 101) unterschiedlichen Bewusstseinsgrades (vgl. Bewusstseinsgrad von Handlungszielen nach Kleinbeck 2006 in Kapitel 2.2.2.2). Dörner weist daher explizit darauf hin, dass Ziele folglich nicht isoliert im Gedächtnis stehen, sondern in Geschehnis- und Aktionsschemata eingebettet sind, die zu ihnen hin- oder von ihnen wegführen (Dörner 2008a, 448). Die Gesamtheit des durch die Gedächtnisstrukturen der sensorischen, der Geschehnis- und der Aktionsschemata realisierten Wissens wird als epistemische Kompetenz (Dörner 1976, 27ff.; 1982, 32; 1985a, 84; 2008a, 445) oder auch als Weltsicht (Dörner 2006, 622) bezeichnet. Die richtige Weltsicht liegt vor, wenn in einer gegebenen Handlungssituation der Weg zu einem erwünschten Zielzustand bereits bekannt ist und nur erinnert werden muss (ebd., 621). Handlungssituationen dieser Art werden als Aufgabe bezeichnet und sind von Problemen abzugrenzen (Dörner 1976, 10). Ein Problem liegt definitionsgemäß dann vor, wenn die epistemische Kompetenz (Weltsicht) nicht ausreicht, d. h. Lösungswege zur Erreichung eines erwünschten Zielzustands nicht bekannt sind (Dörner 1976, 10; 2006, 621). Hier kommt erneut die Subjektivität der Situationswahrnehmung zum Vorschein: Was für die eine Person ein Problem darstellt, kann für eine andere Person eine Aufgabe sein (Dörner 1976, 10; Dörner & Kaminski 1988, 392). Liegen in einer Handlungssituation noch keine fertigen Lösungen vor, dann kann eine Leistung nur unter bewusster, gerichteter Aufmerksamkeit (Roth 1999, 1960; vgl. auch Schaub 2008, 65), d. h. mittels problemlösenden Denkens erbracht werden (Dörner 2006, 623). Ein solches Denken stellt einen Produktionsprozess dar, der Pläne und Weltsichten der epistemischen Gedächtnisstruktur generiert und verändert (ebd., 621ff.). Hierin zeigt sich erneut das Wechselspiel aus Aktualgenese (Performanz auf Grundlage der Weltsicht) und Ontogenese (Entwicklung der Weltsicht als Folge von Performanz).62 Da zielführende epistemische Strukturen in Problemsituationen definitorisch fehlen, könnte in einem ersten Zugriff das komplette Handlungsfeld mittels wahllosen Probierens exploriert werden, um zufällig auf eine Lösung zu stoßen (VersuchIrrtum-Vorgehen). Dies ist jedoch energie- und zeitintensiv und im Falle der Irreversibilität von Operationen auch riskant.63 In einer zweiten Näherung könnte das Versuch-Irrtum-Vorgehen als Denken i. S. v. internem Probehandeln (vgl. Kapitel 2.1.3) erfolgen (Dörner 1985a, 80), um negative Effekte realer Fehlversuche zu vermeiden. Effizienter wird dieses Vorgehen dann, wenn anstelle eines beliebigen 62 Detaillierte Ausführungen zu Kompetenz und Kompetenzerwerb folgen in Kapitel 2.3, während der Fokus des vorliegenden Kapitels zunächst auf der Aktualgenese der Performanz liegt. 63 In Problemsituationen, in denen Probieren dagegen wenig energie- und zeitintensiv ist und Operationen jederzeit reversibel sind (z.B. bei so genannten Streichholzproblemen), erscheint ein Handeln nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip als geeignete Variante (Dörner 1988, 395). Normalerweise stellt das Versuch-und-Irrtum-Prinzip aber die Ultima Ratio dar (Dörner 2008a, 511).
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
51
Probierens Heuristiken, d. h. systematische Konstruktionsverfahren (Finderegeln) angewendet werden (Dörner 1976, 27). Die Gesamtmenge solcher Verfahren und ihre Organisation im Gedächtnis eines Handelnden werden als heuristische Struktur bezeichnet (ebd., 27). Sie resultieren aus Erfahrungen im Umgang mit Unbestimmtheit (Dörner 1985a, 84). Das situationsspezifische Zutrauen in die eigene Fähigkeit, neue Lösungswege finden zu können, stellt die heuristische Kompetenz dar (Dörner 1976, 27ff.; 1982, 32; 1985a, 84; bei Dörner 2008a, 408f. abweichend als allgemeine Kompetenz bezeichnet). Epistemische und heuristische Kompetenz bilden gemeinsam die aktuelle Kompetenz: Sie beschreibt das subjektive Zutrauen einer Person in ihre Fähigkeit, mit der gegebenen Situation fertig werden zu können (Dörner 1976, 27ff.; 1982, 32; 1985a, 84). Neben den Zielhierarchien subjektiver Motiv-BedürfnisLagen im Rahmen der Wert-Komponente der Motivation kommt der aktuellen Kompetenz somit die entscheidende Rolle im Rahmen der Erwartungs-Komponente der Motivation zu. Hier zeigt sich die enge Verbindung zwischen Motivation und Kognition bei der Regulation von Handlungen (Schmidt & Kleinbeck 1999a, 291). Eine niedrige aktuelle Kompetenz entspricht somit einem wahrgenommenen Kontrollverlust, der zu erhöhter emotionaler Anspannung führt (Dörner 1982, 32). In solchen Stresssituationen greifen (überwiegend unbewusste) Maßnahmen des Kompetenzschutzes (Flucht in die Bestimmtheit, Dörner 1976, 18ff.; vgl. auch ego defences, Plutchik 1980, 24ff.), welche sich negativ auf die Qualität der Handlungsregulation auswirken können (Hacker 2005, 730). Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Überschneidungsfreiheit sind als beobachtbare Deformationen des Denkens zu nennen: Wahrnehmungsabwehr, Dekonditionalisierung des Planungsprozesses, ballistisches oder kategoriales Denken, Einkapselung, Methodismus, verminderte Neben- und Folgewirkungsanalysen, Immunisierung gegen Kritik, sinkende Tendenz zur Selbstreflexion (Dörner 2008b, 100ff.; für eine umfängliche Auflistung möglicher Fehler in komplexen Handlungssituationen siehe Schaub 1993, 53f.). Insbesondere eine verminderte Selbstreflexion eröffnet die Gefahr thematischen Vagabundierens oder einer Flucht in die Bestimmtheit (Dörner 2000, 46).64 Positive Emotionen wirken sich dagegen günstig auf Problemlöseprozesse aus. Sie fördern nach gegenwärtigem Stand der Forschung explorative Herangehensweisen, ohne jedoch ein systematisches, analytisches Vorgehen zu behindern (Fredrickson 1998, 315; Isen 2000, 417ff.). Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die o. g. Deformationen nicht generell als Fehler, sondern als durchaus probate Mittel zur Ausrichtung des Handelns auf unterschiedliche Komplexitätsprofile zu betrachten sind. Sie dienen der Aufrechterhaltung einer generellen Handlungsfähigkeit (Dörner 2008b, 111; Hacker & Weth 2008, 87). Hier sind auch selbstwertdienliche Attributionen (self-serving bias) zu nennen, die sich aus Sicht des neutralen Beobachters als 64 Aus kognitionspsychologischer Sicht sind Phänomene dieser Art dadurch erklärbar, dass ein intensives Emotionserleben aufgrund seiner kognitiven Repräsentanz Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses beansprucht und damit die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Pekrun 2000, 344)
52
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
systematischer Fehler darstellen, es der handelnden Person jedoch erlauben, sich weiterhin für kompetent zu halten (Schwarzer & Schwarzer 1982, 76). Diese innere Vernunft affektiv-emotionaler Prozesse wird in den Appraisal-Theorien der Emotionsgenese deutlich. 2.2.2.4
Appraisal-Theorien und Emotionsgenese in Handlungsprozessen
In Kapitel 2.2.1.2 wurde dargestellt, dass Emotionen dann entstehen, wenn die affektive Erregung ein Ausmaß erreicht, das Bewusstseinsprozesse in Gang setzt. Emotionen stellen somit Signalmechanismen dar, die auf die Notwendigkeit bewusster Verarbeitung hinweisen. Dies geschieht zu Lasten höheren Energieverbrauchs, ermöglicht aber zugleich das Außerkraftsetzen starrer Routinen (Scherer 1994b, 230). Beginnend mit den Arbeiten von Magda B. Arnold in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts stellen die so genannten Appraisal-Theorien den derzeit dominanten theoretischen Zugang zur Emotionsgenese dar (Smith, David & Kirby 2006, 85)65, der auch empirischen Prüfungen standhält (Siemer, Mauss & Gross 2007, 599). Die Kernannahme dieser Klasse von Theorien besagt, dass unterschiedliche Appraisals (im Sinne von Bewertungen, Beurteilungen, Einschätzungen) unterschiedliche Emotionen hervorrufen (Frijda & Zeelenberg 2001, 141). Ähnlich wie die in Kapitel 2.2.1.2 als fließend betrachteten Übergänge der Bewusstseinsnähe werden auch die Bewertungsprozesse auf einem Kontinuum „... from relatively simple, automatic, and less cognitive to relatively complex, potentially modifiable, and more cognitive“ (Ellsworth 1994b, 154) betrachtet. Hinsichtlich der Kataloge zu bewertender Kriterien ist eine erstaunliche Konvergenz der Ansätze verschiedener Autoren festzustellen (Smith & Kirby 2000, 87), was zumindest für eine hohe Augenscheinvalidität der Ansätze spricht (van Reekum & Scherer 1997, 260). Analog zu den Erwartungs-mal-Wert-Modellen der Motivationspsychologie betonen auch die den Appraisal-Theorien zuzuordnenden Modelle die Elaboration der subjektiven Relevanz und die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten. Emotionen entstehen und bestehen aus der permanenten Wechselwirkung zwischen der Person und denjenigen Umweltausschnitten, die als bedeutsam für ihre Motiv-Bedürfnis-Lagen eingeschätzt werden (Lazarus, Kanner & Folkman 1980, 195; ebd., 198; Lazarus & Folkman 1987, 145; Scherer 1994b, 227ff; 1999, 637): „Only the recognition that we have something to gain or lose, that is, that the outcome of a transaction is relevant to 65 Kappas stellt heraus, dass mit Bezug auf die Zajonc-Lazarus-Debatte zu Unrecht angenommen wird, Zajonc sei ein Gegner von Appraisal-Theorien, da es sich – wie in Kapitel 2.2.1.1 aufgezeigt – eher um unterschiedliche Begriffsdefinitionen handele. In diesem Zusammenhang stellt er ferner fest, dass das im Rahmen von Appraisal-Theorien häufig benutzte Label der „kognitiven Theorie der Emotion“ eher schade als nütze (Kappas 2006, 953ff.). Dieser Einschätzung ist mit Verweis auf Kapitel 2.2.1 zuzustimmen.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
53
goals and well-being, generates an emotion“ (Lazarus 1991a, 354). Subjektive Relevanz und Emotionsgenese sind daher untrennbar miteinander verbunden (Lazarus 1994b, 211; Emmons 1996, 313).66 Im Rahmen des transaktionalen Stressmodells nach Lazarus werden drei Phasen der Bewertung unterschieden (vgl. Lazarus, Kanner & Folkman 1980, 193f.; Lazarus & Folkman 1987, 145ff.; Lazarus 1991a, 361; 1994b, 210): • Primary Appraisal: Bewertung der Relevanz für Motiv-Bedürfnis-Lagen bzw. das Wohlbefinden, die drei fundamentale Ergebnisse kennt: (1) irrelevant für das Wohlbefinden, (2) angenehm-positiv oder (3) stressrelevant, wobei Letzteres wiederum vier Formen annehmen kann: (3a) Schädigung, die bereits eingetreten ist, (3b) Bedrohung hinsichtlich zukünftiger Schädigung, (3c) Herausforderung, die einen potenziellen Ertrag beinhaltet und (3d) Benefit Appraisal: Bewertung des potenziellen Ertrags.67 • Secondary Appraisal: Bewertung der eigenen Ressourcen und aktuellen Handlungsalternativen in stressrelevanten Situationen. • Reappraisal: Neubewertung, die zwei Formen annehmen kann: (1) Informationsaufnahme zur Bewertung veränderter Person-Umwelt-Beziehungen und (2) Bewertung der inneren Stressbewältigung. Trotz der durch die Benennung der Bewertungsphasen suggerierten Reihenfolge muss die zweite Bewertungsphase nicht zwingend nach der ersten Bewertungsphase stattfinden, da auch Inhalte der zweiten Phase einen großen Einfluss auf die Situationsbewertung haben (Lazarus, Kanner & Folkman 1980, 193): „Secondary appraisal is a crucial supplement to primary appraisal since harm, threat, challenge, and benefit depend also on how much control we think we can exert over outcomes“ (Lazarus & Folkman 1987, 146). Der Prozesscharakter des Ansatzes wird auch durch die dritte Phase (reappraisal) unterstrichen, die dem kontinuierlichen Überwachen eigenen Handelns und äußerer Effekte (problemorientiertes Vorgehen) sowie der Stress66 Kritik an diesem Postulat stammt bspw. von Ulich, der bemängelt, dass sich die gegenwärtige Emotionspsychologie nahezu ausschließlich mit den Bezügen zwischen Emotion und Handlungsbereitschaften beschäftige, obwohl dies nur auf eine geringe Anzahl von Gefühlszuständen zuträfe, „... nämlich auf solche, die mit der aktiven Verfolgung bestimmter Handlungsziele zusammenhängen, die auf die Steigerung des Wohlbefindens und auf die Bewältigung von Problemen abzielen“ (2003, 47f.). Der Einwand verliert m. E. seine Berechtigung, wenn man die aktive Verfolgung von Handlungszielen auf die passive Kontrolle von Zielerreichungsgraden ausweitet, die auch auf die Beibehaltung aktuellen Wohlbefindens ausgerichtet sein kann. Handlungsbereitschaften implizieren ja gerade, dass nicht zwingend beobachtbares Handeln (Verhalten) daraus folgt. 67 Die Bewertung eines potenziellen Ertrags (benefit appraisal) wurde erst in Lazarus & Folkman 1987 aufgenommen, mit dem Ziel, das Stressmodell auf allgemeine Emotionen auszuweiten: „... to expand the system to one dealing more broadly with emotion“ (ebd., 145).
54
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
bewältigung und innerer Effekte (emotionsorientiertes Vorgehen) dient. Primary Appraisal umfasst motivationale, secondary Appraisal kognitive und Reappraisal emotionale Komponenten der Situationsbewältigung. Die Aussage, dass Emotionen immer kognitive Aktivitäten beinhalten, aber kognitive Aktivitäten und Motivation nicht zwingend Emotionen umfassen (Lazarus 1999, 12), erscheint hier nachvollziehbar, da sich Lazarus auf Emotionen im engeren Sinn konzentrierte und nicht – wie bspw. Zajonc, Ciompi oder Clore et al. – auf Affekte (vgl. Kapitel 2.2.1.2). Nicht bewusstseinsfähige Affekte sind jedoch mit allen Phasen verknüpft: (1) Sie beeinflussen die Auswahl und Festlegung von Zielen, (2) sie drängen auf zielgerichtetes Handeln und (3) dienen als Rückmeldung über den Status der Zielerreichung (Emmons 1996, 313). Einen ähnlichen Ansatz zur Erklärung der Emotionsgenese liefert Scherer (1981 et passim), der eine Liste von Stimulus Evaluation Checks (SECs) vorlegt, welche sich mit Ansätzen zahlreicher anderer Autoren weitgehend deckt (Scherer 1988, 92ff.). Die Liste umfasst fünf Prüfschritte: (1) Neuartigkeit, (2) Angenehmheit, (3) Zielrelevanz, (4) Bewältigungsfähigkeit und (5) Normvereinbarkeit (Scherer 1981, 312ff.). Im Gegensatz zu Lazarus vertritt Scherer die Auffassung, dass die dargestellten Prüfschritte immer sequenziell, jedoch in Bruchteilen von Sekunden, durchlaufen werden (Scherer 1981, 312; 1986, 148; Leventhal & Scherer 1987, 14). Dies wird einerseits auf den logischen Aufbau zurückgeführt und weist andererseits eine strukturelle Übereinstimmung mit der phylogenetischen und ontogenetischen Entwicklung von Emotionen auf (Scherer 1987, 24). Im Folgenden werden die Prüfschritte des SECModells dargestellt und um Anknüpfungspunkte zu ähnlichen Ansätzen ergänzt. Ad (1): Neuartigkeit stellt nach Scherer weniger auf die Veränderung äußerer und innerer Reize ab, sondern auf die Abweichung von erwarteten Reizkonstellationen (Scherer 1988, 95). Plötzlichkeit, Vertrautheit und Vorhersagbarkeit werden als Unterpunkte („subchecks“) aufgeführt, so dass insgesamt der Überbegriff Unerwartetheit als treffendere Bezeichnung erscheint. Unerwartetheit ist somit als fehlgeschlagener unbewusster Abgleich von Wahrnehmungen (sensorischer Schemata) und Gedächtnisschemata zu definieren.68 Dieser erste Prüfschritt dient somit der Aufmerksamkeitslenkung (Scherer 1988, 95) und stellt eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Emotionen dar (Scherer 1981, 312f.). So bezeichnet Ellsworth Neuheit als „... arguably the major entry point to the world of emotions“ (Ellsworth 1994b, 151; Herv. i. O.).69 68 Hier wird nochmals deutlich, dass auch auf der elementarsten Ebene auch (unbewusste) kognitive Inhalte eine Rolle spielen (Frijda 1994, 200f.; vgl. Kapitel 2.2.1.1). „Familiar stimulus patterns must be stored in the form of schemata before the familiarity-unfamiliarity of new events can be assessed by matches at this level“ (Leventhal & Scherer 1987, 17; vgl. auch Kuhl 1983, 20). 69 Ob dieser erste Prüfschritt schon ausreicht, um Emotionen – in Abgrenzung zu bloßen Schreckreflexen („startle“; vgl. Zajonc) – zu erzeugen, wird von Scherer wiederholt bezweifelt (Scherer 1994b, 230). In Übereinstimmung mit Lazarus wird Emotionsgenese stets mit Zielrelevanz verbunden, die gemäß SEC-Modell erst im dritten Prüfschritt Beachtung findet. Schlüssig scheint jedoch die Inter-
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
55
Ad (2): Angenehmheit. Im zweiten Prüfschritt wird beurteilt, ob es sich um einen positiven oder negativen Reiz handelt, d. h. ob Lust- und Unlust-Signale auftreten, die wiederum zu den zentralen Verhaltenstendenzen der Annäherung oder Vermeidung führen und Rückmeldung hinsichtlich Belohnung oder Bestrafung beinhalten (Scherer 1981, 313). Scherer nennt als Beispiel den beim Anblick oder Riechen verdorbener Lebensmittel ausgelösten Ekel, der als angeborenes Warnsignal dient (Scherer 1987, 17) und somit als reiner Reflex noch keine Emotion im engeren Sinn darstellt (Leventhal & Scherer 1987, 17). Die Beurteilung erfolgt i. d. R. unbewusst und automatisch (Scherer 1981, 313; 1994b, 230; Bargh 1994, 19) und entspricht damit den affektiven Wertungen bei Ciompi: „Affektive Wertungen teilen die begegnende Wirklichkeit aufgrund der Erfahrung in potenziell Angenehmes und Unangenehmes, Harmloses und Gefährliches etc. ein“ (Ciompi 2007, 26). Die Notwendigkeit einer Erfahrungsgrundlage verdeutlicht zudem, dass auch diese basale Einordnung wenigstens ein Minimum an Weltwissen erfordert (Scherer 1987, 16; 1988, 97; Clore 1994, 182). Ad (3): Zielrelevanz. Im dritten Prüfschritt erfolgt die Bewertung eines Reizes hinsichtlich dessen Bedeutung für die komplexe Hierarchie originär eigener (egozentrischer) und fremder Ziele, wobei Letztere aufgrund sozialer Grundbedürfnisse wiederum internalisierte eigene (empathische) Ziele darstellen können (vgl. Internalisierungsprozess im Rahmen der organismic integration theory in Kapitel 2.2.2.2). Dabei wird überprüft, ob sich die Eintretenswahrscheinlichkeit eines Ziels verbessert oder verschlechtert hat (Scherer 1987, 17f.; 1988, 99ff.), d. h. ob eine Veränderung der Situations-Ergebnis-Erwartung (nach Heckhausen; vgl. Kapitel 2.2.2.2) stattgefunden hat. In Abgrenzung zum vorherigen Prüfschritt können auch originär angenehme Reize eine Planausführung unterbrechen und damit im Sinne der Zielrelevanz hinderlich sein (Scherer 1981, 313; 1987, 20). Schließlich erfolgt eine über die Bewertung der Angenehmheit hinausreichende Beurteilung der Handlungsnotwendigkeit (Scherer 1987, 19) und der Dringlichkeit, die sich aufgrund (a) schwindender Handlungsalternativen, (b) des Ausmaßes der Zielgefährdung sowie (c) des Wertes der verfolgten Ziele ergibt (Scherer 1988, 102). Insgesamt weisen die ersten drei Prüfschritte des Ansatzes nach Scherer große Ähnlichkeit mit dem primary appraisal nach Lazarus auf. Ad (4): Bewältigungsfähigkeit. Anschließend erfolgt eine Prüfung der Bewältigungsfähigkeit, die zunächst eine Kausalattribution hinsichtlich der Herkunft eines Reizes beinhaltet (Scherer 1981, 314; vgl. „causation subcheck“, Scherer 1986, 147). Ein Reiz kann intern durch die handelnde Person oder extern durch andere Personen oder pretation, dass plötzlich eintretende Situationen mit subjektiv geringer Eintretenswahrscheinlichkeit eine Verletzung des Bestimmtheitsstrebens darstellen, das als eines der zentralen Bedürfnisse betrachtet wird (vgl. auch Kapitel 2.2.1.3). Somit wäre umgehend auch der dritte Prüfschritt betroffen (SCHERER 1987, 15). Letztlich dürfte die Frage, inwieweit Überraschung bereits als Emotion zu bezeichnen ist, jedoch von nachrangiger Bedeutung sein (SCHÜTZWOHL 2009, 583).
56
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Dinge verursacht und entweder kontrolliert (beabsichtigt) oder unkontrolliert (unbeabsichtigt) erfolgen (Weiner 1987, 25f.; „answers to why questions“, ebd., 22). Mit Blick die in Kapitel 2.2.2.3 aufgezeigten kognitiven Strukturen verlangt die Ursachenzuschreibung somit das Auffinden und die Auswahl kohärenter Geschehnisund Aktionsschemata, deren Erwartungs-Subschemata mit dem aktuellen sensorischen Schema übereinstimmen. Auch im Rahmen motivationspsychologischer Modelle wird der einer Situation innewohnenden Ursachenstruktur für Erfolg und Misserfolg große Bedeutung beigemessen (Heckhausen 1980, 620). Die Kenntnis der Ursachen eines Reizes stellt auch eine Voraussetzung für die Bewertung der Bewältigungsmöglichkeiten im Rahmen der Emotionsgenese dar (Scherer 1981, 314; 1988, 98). Die Bewertung der Bewältigungsmöglichkeit umfasst des Weiteren die Einschätzung der (objektiven) Kontrollierbarkeit und der subjektiven Einflussmöglichkeit (Scherer 1988, 103). Diese Teilschritte entsprechen somit den bei Oesterreich verwendeten Begriffen der Kontrollmeinung und Kompetenzmeinung (vgl. Kapitel 2.2.2.2) und Letztere wiederum der aktuellen Kompetenz nach Dörner (vgl. Kapitel 2.2.2.3). Sie ermöglichen somit eine Einschätzung der Handlungs-bei-SituationErgebnis-Erwartung im Sinne Heckhausens (vgl. Abbildung 2-7). Ferner ist die Notwendigkeit einer Anpassung der inneren Zielhierarchie und Gedächtnisschemata abzuschätzen (Scherer 1986, 147; 1988, 103). Die Einschätzung der Bewältigungsfähigkeit weist damit insgesamt eine hohe Übereinstimmung mit dem secondary appraisal nach Lazarus auf. Ad (5): Normvereinbarkeit. Der letzte Prüfschritt betrifft die Kompatibilität zu erwartender Handlungsresultate mit extern gegebenen kulturellen Konventionen, den Normen sozialer Gruppen oder den Erwartungen bedeutsamer Einzelpersonen sowie die Kompatibilität mit internalisierten Erwartungen als Teil des Selbstkonzepts (Scherer 1981, 314; 1986, 147; 1988, 103). Dieser Aspekt unterstreicht den sozialen Charakter jeglichen Handelns. Auch wenn scheinbar nur ein isolierter Akteur betrachtet wird, kann dieser nur über symbolische Interaktion oder Kommunikation zu einem stabilen Welt- und Selbstbild gelangen (Esser 1999, 167; Herv. i. O.; vgl. auch „balancierende Identität“ nach Krappmann 1979; Self Discrepancy Theory nach Higgins 1987; Konzept der relativen Autonomie in Kapitel 2.2.1.3). Menschen reagieren emotional auf Ereignisse, die (1) ein positives Selbstbild unterstützen oder bedrohen, (2) das aktuelle Selbstbild bekräftigen oder in Frage stellen und (3) die Entfaltung erwünschter oder unerwünschter Selbstbilder befördern oder verhindern (Leary 2003, 777; vgl. auch Carver, Sutton & Scheier 2000, 744).70 70 Der Modifikation des Modells zum so genannten Component Process Model of Emotion (Scherer 2001) kommt hier keine gesonderte Beachtung zu, da es sich im Wesentlichen um eine Restrukturierung der oben dargestellten Prüf- und Teilprüfschritte („subchecks“) handelt, diese jedoch weder inhaltlich noch hinsichtlich der Reihenfolge substanzielle Änderungen aufweisen. Im Wesentlichen werden die ersten beiden Prüfschritte auf Neuartigkeit und Angenehmheit zusammengefasst und um eine erste Einschätzung der Ziel-/Bedürfnisrelevanz ergänzt (Relevanz). Die verbleibenden Teilprüfschritte der
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
57
Das hochfrequente Durchlaufen der Prüfschritte erfüllt die Funktion einer ständigen Reizkontrolle (Scherer 1994b, 230). Jeder neue Prüfschritt muss dabei konsequenterweise zu einem rekursiven Aufruf des gesamten Bewertungsprozesses führen (vgl. Sander, Grandjean & Scherer 2005, 322; Brosch & Scherer 2009, 451), da als Ergebnis jedes Prüfschrittes jeweils weitere Informationen in Form von „affective states“ (Scherer 1994b, 230) vorliegen (vgl. auch reappraisal bei Lazarus), die ggf. zu Änderungen der Aufmerksamkeitslenkung, des emotionalen Erlebens, der motivationalen Ausrichtung und der kognitiven Verarbeitung führen. Allen Prüfschritten des Konzepts der Stimulus Evaluation Checks (SEC) nach Scherer liegen sowohl affektive als auch kognitive Prozesse zugrunde (sofern Kognition nicht mit Bewusstsein gleichgesetzt wird; vgl. Kapitel 2.2.1.2). Wichtiger als die Frage, inwieweit die Prüfschritte eher kognitiver oder eher affektiver Natur sind, erscheint jedoch die Ebene der Verarbeitung. Leventhal (1982) schlägt in seinem Perceptual Motor Model drei Verarbeitungsebenen vor: (1) Sensumotorische Verarbeitungsebene: Einfache, meist angeborene Reflexe ohne Bezug zu komplexen Situationsund Bewältigungserwartungen, (2) Schematische Verarbeitungsebene: Prototypische, abstrakte Assoziationen, die in konkreten, erregungsintensiven Situationen erlernt, aber unbewusst und automatisch aufgerufen werden, (3) Konzeptuelle Verarbeitungsebene: Bewusste Repräsentation, Interpretation und Verarbeitung (Leventhal 1982, 824ff.). Ähnlich kategorisierte Verarbeitungsebenen nennen Hacker (1978, 104) und Kuhl (1983), deren Ansätze bei Sembill (1992, 133ff.) integriert werden, sowie Rasmussen (1983). Leventhal und Scherer (1987) nehmen eine Integration des Stimulus Evaluation Checks Models und des Perceptual Motor Models vor, indem sie Prüfschritte und Verarbeitungsebenen orthogonal anordnen und somit jedem der fünf Prüfschritte des Scherer-Modells eine sensumotorische, schematische und konzeptuelle Ebene zuordnen. Anders Sembill (1992), der bei der Integration eine parallele Anordnung des SEC-Modells nach Scherer und der Verarbeitungsebenen nach Hacker und Kuhl vornimmt. Die Prüfschritte auf Neuartigkeit und Angenehmheit werden der automatisierten Regulationsebene bzw. der Verarbeitung physikalischer Reizmerkmale zugeordnet, die Prüfung der Zielrelevanz der wissensbasierten bzw. begrifflichsemantischen und schematischen Ebene und die Prüfschritte auf Bewältigungsfähigkeit und Normvereinbarkeit der intellektuellen bzw. propositionalen Ebene (ebd., 133ff.). Während man durchaus für die Beschränkung der Neuheits- und Zielrelevanzprüfung bilden nun unter dem Label Folge ein eigenständiges Bewertungsziel. Die übrigen Prüfschritte werden unverändert als Bewertungsziele Bewältigungspotenzial und normative Bedeutsamkeit beibehalten. Zur Verdeutlichung dient die folgende Auflistung aus Scherer (2001, 94) bzw. Brosch und Scherer (2009, 446f.): (1) Relevanz: Wie relevant ist ein Ereignis für mich oder meine soziale Gruppe? (2) Folge: Was sind die Folgen oder Konsequenzen eines Ereignisses und wie beeinflussen diese mein aktuelles Wohlbefinden sowie aktuelle oder distale Ziele? (3) Bewältigungspotenzial: Wie gut kann ich mit den Konsequenzen umgehen oder mich ihnen anpassen? (4) Normative Bedeutsamkeit: Welche Bedeutung hat das Ereignis für mein Selbstkonzept und meine sozialen Normen und Werte?
58
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Angenehmheitsprüfung auf automatisierte (nämlich affektive) Prozesse argumentieren kann (s. o.), erscheint die strikte Ebenenzuordnung im Bereich der weiteren Prüfschritte m. E. als zu eng gefasst. Plausible Beispiele für unbewusste, automatisierte oder auch intellektuell herausfordernde Zielrelevanzprüfungen sowie für sensumotorische oder schematische Prüfungen der Bewältigungsfähigkeit und Normvereinbarkeit erscheinen nahe liegend (vgl. Abbildung 2-8). Eine Lösung läge in der Annahme, dass höhere Ebenen die jeweils niedrigeren Ebenen stets umfassen, wie bspw. bei HACKER (1978, 105) angedeutet ist. Abbildung 2-8 gibt den integrierten Ansatz nach Leventhal und Scherer (1987) wieder, wie er auch in zahlreichen Folgepublikationen der Forschergruppe um Scherer unverändert aufgeführt wird (vgl. Scherer 1987, 11; 1988, 115; 1994b, 228; 2001, 103; Sander, Grandjean & Scherer 2005, 321). Die hier dargestellte Übersicht ist mit zusätzlichen Erläuterungen aus Leventhal & Scherer (1987) sowie mit eigenen Ergänzungen versehen, wobei insbesondere eine Zuordnung emotionalaffektiver Konstrukte zu den Verarbeitungsebenen und zusätzlich – in Anlehnung an Sembill (1992, 133ff.) – eine Zuordnung der Bewusstseinsnähe nach Hacker (1978) erfolgt.
Abbildung 2-8:
Verarbeitungsebenen der Stimulus Evaluation Checks (nach Leventhal & Scherer 1987, 17; eigene Ergänzungen kursiv)
Zudem legt die in Kapitel 2.2.1.2 anhand der Bewusstseinsnähe hergeleitete Unterscheidung zwischen nicht bewusstseinsfähigen Affekten und Affektlage sowie be-
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
59
wusstseinsfähiger emotionaler Befindlichkeit und bewusstseinspflichtigen Emotionen im engeren Sinn eine Zuordnung der genannten Konstrukte zu den drei Verarbeitungsebenen nahe. In ähnlicher Weise findet sich eine solche Zuordnung auch bei Scherer, der die Ergebnisse der Prüfschritte als affective states bezeichnet, die noch nicht notwendigerweise auch eine Emotion herbeiführen (Scherer 1994b, 230). Scherer, Dan und Flykt (2006) unterscheiden zudem explizit zwischen Affektforschung, die sich vornehmlich mit Fragen genereller (Un-)Angenehmheit von Stimuli sowie deren Erregungspotenzial (arousal) beschäftigt, und Emotionsforschung, die sich speziell auf diskrete Emotionen (hier: Emotionen im engeren Sinn) bezieht (Scherer, Dan & Flykt 2006, 110; vgl. auch Unterscheidung zwischen molekularen und molaren Appraisal-Theorien bei Roseman & Smith 2001, 14). Emotionen entstehen diesem Modell zufolge, wenn die sensumotorische Verarbeitungsebene nicht ausreicht, um eine Situation zu bewältigen, und dadurch schematische oder konzeptuelle Verarbeitungsprozesse im Sinne energieaufwendiger Notfallprogramme (Scherer 1994b, 230) erforderlich werden (Leventhal & Scherer 1987, 17) Die entspricht einem bottom-up-Prozess: „This process is responsible for signaling to the organism that attention needs to be focused upon an external event in order to further specify the results of the rather coarse unspecific analysis performed at the lower level“ (van Reekum & Scherer 1997, 278). Darüber hinaus werden top-down-Prozesse angenommen, welche die Art und Weise des ‚Abtastens der Umgebung’ (Scherer nutzt die Metapher einer stets rotierenden Radar-Antenne; 1994b, 230) durch die unteren Ebenen beeinflussen. Hierdurch kommen auch die in Appraisal-Theorien lange Zeit vernachlässigten dispositionalen Einflüsse zum Tragen, die individuelle Unterschiede in der Bewertung gleicher Situationen erklären (van Reekum & Scherer 1997, 280).71 „In consequence, the appraisal performed at low levels might well be influenced by higher level processes such as the monitoring of the current concerns and goals of the individual. ... Thus, whatever is active in working memory determines which stimuli will be selected for further processing“ van Reekum & Scherer 1997, 279; vgl. Intake bei Aebli 1980).72 Ebenso unterscheiden Kirby und Smith im Rahmen ihres auf der Weiterentwicklung von Lazarus (1990) und am Vorgehen von Leventhal und Scherer (1987) 71 Einen explizit relationalen, d. h. personale und situationale Faktoren beinhaltenden Ansatz stellt auch Lazarus im Rahmen einer Weiterentwicklung des o. a. Appraisal-Modells vor. Dieses Modell wird jedoch nicht gesondert dargestellt, da der im Weiteren aufzuzeigende Ansatz nach Smith und Kirby hierauf aufbaut. 72 Dieser Sowohl-als-auch-Ansatz steht im Einklang mit Erkenntnissen der Neurowissenschaft: Während mit Verweis auf die Filterfunktion des Thalamus („Tor zum Bewusstsein“) und die Bewertungsfunktion der Amygdala („Mischpult der Gefühle“) das Primat der Emotion (bzw. des Affekts) im Sinne Zajoncs Unterstützung erfährt, gibt es ebenso Hinweise für eine direkte Informationsweitergabe vom Thalamus an den (präfrontalen) Kortex, welcher wiederum Bewertungen im limbischen System (hier: Amygdala und Hippocampus) auslöst, was als Primat der Kognition im Sinne von Lazarus interpretiert werden kann (vgl. LeDoux 1996/2006).
60
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
orientierten Appraisal-Modells zwei Formen der Informationsverarbeitung: (1) Assoziative Verarbeitung, welche die schnelle, parallele und unterschwellige Aktivierung eines Systems assoziierter Gedächtnisinhalte (Priming73) umfasst und (2) schlussfolgerndes Denken (Reasoning) als langsame und aufmerksamkeitsintensive, dafür aber bewusst kontrollierte und flexiblere Verarbeitung (Smith & Kirby 2000, 91; 2001a, 129; 2001b, 86).74 In Abgrenzung zu Leventhal und Scherer wird die dort vorgenommene Zuordnung von Informationsklassen zu den Verarbeitungsprozessen als zu restriktiv aufgefasst: „... we believe that anything that can be represented in memory is potentially accessible to associative, or automatic processing“ (Smith & Kirby 2000, 102), während das Gegenteil allerdings nicht der Fall ist, da ReasoningProzesse nur auf semantisch kodierte Informationen zugreifen können (ebd., 95). Für die Darstellung nach Leventhal und Scherer (vgl. Abbildung 2-8) bedeutete dies, dass die unteren Verarbeitungsprozesse auch Verarbeitungsinhalte der oberen Ebenen umfassten. Abbildung 2-9 stellt das Modell von Smith und Kirby dar, das im Folgenden näher erläutert wird.
73 “Priming refers to the incidental activation of knowledge structures, such as trait concepts and stereotypes, by the current situational context“ (Bargh, Chen & BURROWS 1996, 230). 74 Zwar postulieren die Autoren durchaus eine dritte Verarbeitungsform auf der Ebene automatischer Reflexe, die ohne Aktivierung assoziierter Gedächtnisinhalte auskommt und damit an Zajoncs „startle“ erinnert, doch kommt dieser Form der Informationsverarbeitung bei Smith und Kirby nur eine untergeordnete Rolle zu. Die verbleibende Zweiteilung weist deutliche Parallelen zur Unterscheidung zwischen unbewusstem/intiutiv-erfahrungsbasiertem und bewusstem/analytisch-rationalem Denkstil nach Epstein auf (vgl. Epstein, Pacini, Denes-Raj & Heier 1996, 391). Einschränkend muss jedoch ergänzt werden, dass Epstein Emotionen der unbewussten und Logik/Rationalität der bewussten Sphäre zuteilt, was nicht in Einklang mit der hier mehrfach begründeten Vernetztheit von Kognition und Emotion steht, die sich sowohl auf bewusste als auch auf unbewusste Phänomene bezieht.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
61
a) ergänzt auf Grundlage von Erläuterungen von Smith & Kirby, b) modifiziert hinsichtlich der Begriffsverwendung in der vorliegenden Arbeit und c) erweitert um (1) Zuordnungen gebräuchlicher Gedächtnismodelle (vgl.
Baddeley 2003; Roth 2001, 167; Scherer 2001, 104), (2) den Hinweis auf das Stimulus Evaluation Check-Model nach Scherer sowie (3) die Bewusstseinsschwelle in Anlehnung an Abb. 2-2 in Kapitel 2.2.1.2.
Abbildung 2-9:
Appraisal-Prozessmodell (erweiterte Darstellung in Anlehnung an Smith & Kirby 2000, 92; 2001a, 130; 2001b, 85)
Im Folgenden werden Elemente des Modells erläutert, Kernannahmen des prozessualen Ablaufs gemäß Smith und Kirby skizziert sowie Modifikationen hinsichtlich der Begriffsverwendung dargestellt und eigene Erweiterungen begründet: • Über assoziative Verarbeitung und Reasoning hinaus wird ein direkter Weg angenommen, der bspw. auftretenden Schmerz auch ohne Einbezug der vorge-
62
•
•
•
•
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
nannten Verarbeitungswege an Appraisal-Detektoren weitergibt. Da diesem Verarbeitungsweg von den Autoren nur eine untergeordnete Bedeutung zugesprochen wird, wurde der entsprechende Pfeil abweichend von der Originalquelle gepunktet dargestellt. Ein zentrales Kennzeichen des Modells liegt in der Annahme so genannter Appraisal-Detektoren, die eine kontinuierliche Überwachung verschiedener Informationsquellen auf mögliche Appraisal-Informationen vornehmen. AppraisalDetektoren nehmen dabei keine eigene Evaluation der Person-UmweltBeziehung vor, sondern sammeln die bereitgestellten Informationen, die sodann integriert werden. Dies entspricht der Bilanzierung zu einer ganzheitlichen psycho-physischen Gestimmtheit im Sinne der in Kapitel 2.2.1.2 eingeführten Affektlage (in der Abbildung nach Smith & Kirby wird an deren Stelle appraisal outcomes aufgeführt). Durch die Aktivierung assoziativer Gedächtnisinhalte werden ebenso die mit ihnen assoziierten Bedeutungen passiv bereitgestellt und durch die AppraisalDetektoren dann aufgenommen, wenn ihr Aktiviertheitsgrad eine gewisse Schwelle überschreitet. Auf diese Weise können vollständige Bewertungen früherer Erfahrungen schnell und automatisch aktiv werden und diese können wiederum ausdifferenzierte emotionale Reaktionen unmittelbar hervorrufen. Eine Gedächtnisklasse, der hierbei eine besondere Rolle zukommt, stellen Intentionen dar, die ebensolche Bündel vollständiger Bewertungen darstellen und bei ihrer Aktivierung einen großen Einfluss auf das Handeln ausüben (vgl. Kapitel 2.2.1.4). Eine sehr wichtige Annahme besteht darin, dass die o. g. Schwelle, bei deren Überschreitung Appraisal-Informationen aus der assoziativen Verarbeitung den Appraisal-Detektoren zugänglich werden, geringer ist, als diejenige Schwelle, bei deren Überschreitung Appraisal-Informationen und assoziierte Gedächtnisinhalte in den Fokus der Aufmerksamkeit bzw. in das Arbeitsgedächtnis drängen. Durch diese Annahme wird ermöglicht, dass relevante Situationsmerkmale, die zunächst unbewusst bleiben, über die unbewusste Aktivierung von Gedächtnisinhalten emotionale Reaktionen auslösen, so dass das erste Anzeichen für die persönliche Relevanz einer Situation in einer Änderung der emotionalen Befindlichkeit liegt. Über die bewusste Verarbeitung im Rahmen des Reasoning können assoziativ ausgelöste Appraisals, die dissonant erscheinen, aufgegriffen und modifiziert werden. Hierdurch werden neue Verbindungen zwischen aktuellen Situationen und früheren Erfahrungen erzeugt oder die mit früheren Erfahrungen verknüpften Bedeutungszuweisungen einer Neubewertung unterzogen. Die Ergebnisse dieser Interpretation und Reinterpretation emotionsauslösender Situationen werden gespeichert und somit zukünftig der assoziativen Verarbeitung zugänglich. Durch diesen Lern-Mechanismus wird das Emotionssystem in die La-
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
63
ge versetzt, hoch differenzierte und informationsreiche Signale bereitzustellen, welche für die motivationale Ausrichtung des Handelns als notwendig erachtet werden. • Den Prozesscharakter verdeutlichen die beiden eingezeichneten FeedbackProzesse: (1) Ist die Affektlage ausreichend intensiv, so überschreitet sie die Schwelle (vgl. Abb. 2-2 in Kapitel 2.2.1.2), drängt in das Bewusstsein und stellt somit die Grundlage bewusstseinsfähiger emotionaler Befindlichkeit und/oder bewusstseinspflichtiger Emotionen im engeren Sinn dar (bei Smith & Kirby wird an dieser Stelle lediglich subjective affect aufgeführt, der vollständig innerhalb der Aufmerksamkeit dargestellt wird). Diese Emotionen im weiteren Sinn beeinflussen wiederum die bewusste Informationsverarbeitung (Reasoning), wodurch sich ein Kreislauf ergibt. Ähnlich formuliert Sembill, dass emotionale Befindlichkeit „... sowohl als Auslöser, Begleiterscheinung und / oder Folge dieser kognitiven Prozesse i. e. S. auftreten [kann]“ (1992, 118; vgl. auch Kannheiser 1992, 169). (2) Die Rückkopplung über affektives Priming verdeutlicht, dass die in Folge von Appraisals evozierten Affektlagen, physiologischen Aktivitäten (inklusive der Ausdruckmotorik; eigene Ergänzung in Anlehnung an Kuhl 1983, 19; Pekrun 1988, 99; Izard 1993, 73f.) und Handlungstendenzen als interne Reize wiederum eine unbewusste Aktivierung assoziierter Gedächtnisinhalte und damit weitere Appraisals bewirken können, die dann ggf. bewusste Emotionen auslösen können. „Appraisals may be causes of emotions, components of emotions, and consequences of emotions“ (Roseman & Smith 2001, 15). Eine ähnliche Rückkopplung liegt bereits dem von Kuhl (1983) vorgeschlagenen Modell zugrunde, auf das auch Sembill (1992) zurückgreift. Doch tritt in der vorliegenden Modellierung nach Smith und Kirby das Zusammenspiel zwischen bewusster und unbewusster Verarbeitung deutlicher zum Vorschein. • Bottom-up-Prozesse in der o. a. Definition nach van Reekum und Scherer finden sich in diesem Modell wieder, in dem die assoziative Verarbeitung zu Affektlagen führt, welche über die linke Feedbackschleife in das Bewusstsein drängen. Top-down-Prozesse entstehen, wenn Reasoning-Prozesse über die rechte Feedbackschleife zu einem affektiven Priming führen. Bereits im Rahmen der Handlungstheorie der Forschergruppe um von Cranach wurde postuliert, dass die Ergebnisse der an Bedürfnissen, Motiven, Interessen etc. ausgerichteten IstSoll-Abgleiche in Form bewusster Emotionen und unbewusster Affekte somit einerseits die Ziele einer Handlung bestimmen und sich andererseits auch auf die unbewusste Selbstregulierung auswirken (von Cranach, Kalbermatten, Indermühle & Gugler 1980, 82).75 75 Eine neurophysiologische Entsprechung findet diese Betrachtungsweise in der von LeDoux (1996/2006) vorgenommenen Unterscheidung zwischen „high road“ (entspräche dem linken Kreislauf) und „low road“ (rechter Kreislauf inklusive der Reflexe).
64
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
• Anschlussfähigkeit an das SEC-Modell nach Scherer: Die automatisierte und parallelisierte Rückkopplung (rechter Bereich der Abbildung) ist durch das Stimulus Evaluation Checks-Model nach Scherer abbildbar. Durch Überschreitung eines Schwellenwerts kann dieser Rückkopplungsprozess in den Bereich bewusster Verarbeitung (linker Bereich der Abbildung) drängen, wenn ausreichend starke Appraisals vorliegen. Emotionen stellen somit zwar Reaktionen auf wahrgenommene Reize dar, doch sind es nicht die Reize selbst, die diese Reaktionen auslösen, sondern die Bedeutungszuweisungen, die ein Reiz hinsichtlich persönlicher Ziele, individueller Überzeugungen, Erwartungen und Fähigkeiten etc. erfährt (Smith & Kirby 2000, 86; vgl. affektive Imprints in kognitiven Strukturen bei Ciompi 1997 oder auch somatische Marker bei Damasio 1996). Das jeweilige (Quasi-) Bedürfnis (Sollwert) und das momentane Angebot bedürfnisbefriedigender Situationsmerkmale (Istwert) bestimmen dabei maßgeblich die emotionale Befindlichkeit, die als Regelgröße fungiert (Kuhl 2001, 452). Eine positive emotionale Befindlichkeit dürfte dabei insbesondere durch die Befriedigung der in Kapitel 2.2.1.4 dargestellten Basisbedürfnisse nach Kompetenzerleben, Autonomieerleben und sozialer Eingebundenheit begünstigt werden (Krapp 1992, 313). „Humans are built to respond to the things that matter, and the way humans do it is by emotion“ (Ellsworth 1994b, 150). Affektlage und emotionale Befindlichkeit als ständig mitlaufende Informationen über die Gesamtlage sind unentbehrlich für die Handlungsregulation, da sie in ihrer seismographischen Funktion den (antizipierten oder eingetretenen) Erfolg oder Misserfolg der Motiv-Bedürfnisbefriedigung rückmelden (Sembill 2003, 186; vgl. auch Scherer 1981, 311; von Cranach & Kalbermatten 1982, 68; Dörner 1985a, 73; Stäudel 1985, 90ff.; Kannheiser 1992, 169; Carver, Sutton & Scheier 2000, 747; Stein, Trabasso & Liwag 2000, 436; vgl. insbesondere auch feelings as information nach Schwarz 1990 und affect as information nach Clore & Storbeck 2006). Komplexe Motiv-Bedürfnis-Konstellationen und vielfältig relevante Reize erfordern ein solches Bewertungssystem, das die notwendige Aufmerksamkeitslenkung und Prioritätensetzung erst ermöglicht (Scherer 1981, 311) und Komplexität reduziert (Ciompi 2007, 26). Smith und Kirby bezeichnen Emotionen daher als „... sophisticated well-being monitor and guidance system that serves both attention-regulatory and motivational functions“ (2000, 90; Herv. i. O.). Dieser ständige Überwachungsprozess dient darüber hinaus der Integration interner und externer Informationen zu kohärenten Repräsentationen und ermöglicht dadurch Lernen (Scherer 1994a, 130; vgl. auch Schneider 1992, 410). Auch die phylogenetische Koevolution von Emotionalität und Intellekt spricht für eine integrative Sichtweise: „Wenn Gefühle die Ruinen archaischer, präintellektueller Verhaltenssteuerungen wären, dann fällt es schwer einzusehen, wieso sie sich mit der Entwicklung des Intellekts nicht zurückgebildet, sondern fortentwickelt haben“ (Dörner 2008a, 555; vgl. Plutchik 2001, 348). Erst durch Emotionen inklusive ihrer kogniti-
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
65
ven Komponente gelingt die Entkopplung starrer Reiz-Reaktions-Schemata (Scherer 1981, 310; 1994a, 130; Clore 1994, 183). Die kontinuierliche Bewertung von Wahrnehmungen und die Vorhersagbarkeit von Situationsverläufen erlauben die interne Simulation und Bewertung alternativer Handlungsoptionen und somit adäquates Handeln. „Das Aktivieren eines Handlungsschemas ist immer auch das Ergebnis von Bewertungsprozessen” (Seifried & Sembill 2005, 657). Emotionen formen das Handeln: Sie beeinflussen Situationsanalyse, Zielelaboration, Prognose, Entscheidung und Kontrolle (Dörner 2008b, 111). „Hence, emotions are the synapses of motivational life, joining thinking and acting“ (Weiner 1987 21f.; vgl. auch Warburton 1988, 214; Izard 1977, 10). Sie sind notwendige Entscheidungshilfen (Gigerenzer & Selten 2001, 9), da „... alles, was Vernunft und Gegenstand als Ratschläge ‚erteilen’, für den, der die eigentliche Handlungsentscheidung trifft, emotional akzeptabel sein muss. ... Die Chance der Vernunft ist es, mögliche Konsequenzen unserer Handlungen so aufzuzeigen, dass damit starke Gefühle verbunden sind“ (Roth 2004a, 23). 2.2.3
Aktualgenese des Handelns – Entwurf eines integrativen Modells
Das auf Basis der vorangegangenen Ausführungen zu entwickelnde Handlungsmodell orientiert sich am Modell des Grundprinzips geplanten Handelns nach Sembill (1984, 111; 1992, 109). Angestrebt wird die bei Sembill (1992) im Text angedeutete Verknüpfung der makroskopischen Sicht des Handlungsmodells mit der mikroskopischen Sichtweise kognitiver, motivationaler und emotional-affektiver Prozesse (ebd., 149ff.). Als Näherung wird im Folgenden zunächst das Handlungsmodell von Eraut (2000, 129) vorgestellt, das in Auseinandersetzung mit Phänomenen non-formaler Lernprozesse und impliziten Wissens entstand. Auf einer höheren Aggregationsstufe als die zuvor aufgezeigten Appraisal-Modelle betrachtet Eraut Stationen des Handlungsprozesses und unterscheidet hierbei in ähnlicher Weise wie Hacker (1978), Rasmussen (1983), Leventhal und Scherer (1987) sowie Sembill (1992) drei Verarbeitungsebenen hinsichtlich ihrer Bewusstseinsnähe. Abbildung 2-10 gibt die Übersicht von Eraut, ergänzt um die Ebenenbezeichnungen nach Leventhal und Scherer (1987) und die Handlungsphasen nach Heckhausen und Gollwitzer (1986), wieder. Zudem wurde die metakognitive Perspektive aus der bei Eraut postulierten Linearität herausgenommen, da die hierunter gefassten Aspekte der Handlungskontrolle in jeder Handlungsphase auftreten können (vgl. Stexkes 1991, 113 in Anlehnung an Stratenwerth: antizipative, begleitende und resultative Handlungskontrolle).
66
Abbildung 2-10:
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Interaktionen zwischen Zeit, Verarbeitungsebene und Handlungsstationen (adaptiert von Eraut 2000, 129; 2007, 407; ergänzt um die Ebenenbezeichnungen nach Leventhal & Scherer 1987 und die Handlungsphasen nach Heckhausen & Gollwitzer 1986; Ergänzungen kursiv)
Es ist herauszustellen, dass die Handlungsphasen in Abbildung 2-10 keinesfalls die einzelnen Prüfschritte des Appraisal-Prozesses in Abbildung 2-8 ersetzen, sondern als „gröbere“ Einheiten eher Bündel zahlloser, unbewusst ablaufender SEC-Sequenzen umfassen. Zwar werden Verarbeitungsebenen unterschiedlicher Bewusstseinsnähe berücksichtigt, jedoch keine Aussagen zu deren Wechselwirkungen getroffen. Zudem ist das Rubikon-Modell der Handlungsphasen erkennbar, nicht jedoch die Wirkung bereits vorhandener Absichten sowie deren Entstehung. Das integrierte Modell in Abbildung 2-11 hebt den Prozesscharakter des Handelns hervor und berücksichtigt weitere, in den vergangenen Kapiteln erläuterte Ansätze. Aufgrund der Grenzen grafischer Darstellbarkeit und im Sinne einer Komplexitätsreduktion werden nur die tragenden Aspekte der jeweiligen Ansätze berücksichtigt, doch steht das Modell im Einklang mit den aufgeführten Ansätzen, wie im Folgenden erläutert wird.
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
67
Dunkelgraue Hinterlegung: Beobachtbare Oberflächenstruktur, aber eingeschränkte Interpretierbarkeit. Hellgraue Hinterlegung: Der Selbstreflexion zugänglich, aber u. U. nicht vollständig verbalisierbar. Weiße Hinterlegung: Durch gezielte Aufmerksamkeitslenkung der Selbstreflexion teilweise, aber keinesfalls vollständig zugänglich; zusätzlich erschwerte Verbalisierbarkeit.
Abbildung 2-11:
Entwurf eines allgemeinen Handlungsprozessmodells (eigene Darstellung als Synopse der vorangegangenen Ausführungen)
Die Abbildung kann zunächst als eine um 90° gegen den Uhrzeigersinn gedrehte und horizontal gespiegelte Version des Appraisal-Prozessmodells nach Smith & Kirby (vgl. Abb. 2-9) gelesen werden. So stehen auch im hier präsentierten Handlungsmodell die im vorangegangenen Kapitel ausführlich erläuterten AppraisalProzesse im Zentrum. Sie ermöglichen eine ständige Rückmeldung darüber, welche Prozesse gerade gut laufen und daher keiner bewussten Zuwendung bedürfen und wo Probleme auftauchen, die einer bewussten Bearbeitung bedürfen. Dies begründet ihre Darstellung zwischen bewusstseinspflichtigen Prozessen schlussfolgernden Denkens (oberer Bereich der Abbildung) und nicht bewusstseinspflichtigen und/oder nicht bewusstseinsfähigen Prozessen der assoziativen Verarbeitung (unterer Bereich der Abbildung). Auf diese Weise korrespondieren in allen Handlungsphasen bewusste und unbewusste Prozesse, die jeweils mittels Aufmerksamkeit respektive assoziativer Wahrnehmung gelenkt werden, welche die Filterfunktionen
68
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
bei der Auswahl des äußeren und inneren Reizangebots im Sinne von Aeblis Intake verwirklichen (angedeutet durch die geschwungenen Pfeile). Auf die Darstellung einer dritten Ebene zwischen unbewussten und bewussten Prozessen (vgl. perzeptivbegriffliche Ebene bei Hacker 1978, 104; regel-basierte Ebene bei Rasmussen 1983, 258; schematische Ebene bei Leventhal & Scherer 1987, 17; intuitive Ebene bei Eraut 2000, 129) wird aus Komplexitätsgründen verzichtet, zumal ohnehin von fließenden Übergängen auszugehen ist (vgl. Ausführungen zur Bewusstseins-„Schwelle“ in Kapitel 2.2.1.2).76 Bottom-up-Prozesse werden realisiert, indem Stimulus-EvaluationChecks ausreichend intensive Affekte auslösen, um die Schwellen zum Bewusstsein zu überschreiten (angedeutet durch das Rautensymbol; vgl. auch Abb. 2-2). Topdown-Prozesse bewirken ein durch bewusste Verarbeitung ausgelöstes affective priming, das die assoziative Wahrnehmung und Verarbeitung auf unbewusster Ebene beeinflusst (vgl. auch Modell von Smith & Kirby in Kapitel 2.2.2.4). Darüber hinaus können besonders intensive Affektlagen unmittelbar zu autonomen Ausdrucksreaktionen wie bspw. Schreckreflexen führen. Die Phasen der Zielbildung und Planung realisieren Erwartungs-mal-WertTheorien (vgl. Kapitel 2.2.2.2). Während auf unbewusster Ebene Bewertungsprozesse kontinuierlich, parallel und in hoher Geschwindigkeit ablaufen, führt eine ausreichend starke Soll-Ist-Diskrepanz zwischen vorgefundener Situation und eigener Motiv-Bedürfnis-Lage zu einer bewussten Zielelaboration, wobei jedoch wenigstens korrespondierende Teilziele auf einer hierarchisch untergeordneten Ebene weiterhin unbewusst abgeleitet werden (vgl. Modell der hierarchisch-sequenziellen Handlungsorganisation; Kapitel 2.1.2). Gleiches gilt für die Handlungsplanung, die ausschließlich aus Routinen im Sinne nicht bewusstseinspflichtiger Operationen (vgl. unreflektiertes Reagieren in Abbildung 2-10) bestehen kann, aber selbst im Falle komplexer Problemlöseprozesse auch solche Routinen mit einschließt. Die Bewertungen von Zielen und Handlungsplänen stehen dabei in einem ständigen Wechselspiel, da antizipierte Haupt-, Neben- und Folgeeffekte geplanten Handelns wiederum einem Soll-Ist-Abgleich hinsichtlich der Motiv-Bedürfnis-Lagen unterzogen werden. Ebenfalls im Handlungsmodell berücksichtigt sind volitionale Prozesse, die sich in mehrfacher Hinsicht äußern. Zum einen erfolgt mit dem Überschreiten des Rubikons im Rahmen der bewussten Entscheidungsphase eine Selbstverpflichtung auf ein konkretes Ziel. Mit dieser Absichtsgenese gehen eine Fokussierung der Aufmerksamkeit und eine Abschirmung gegenüber konkurrierenden Zielen bzw. eine 76 Eine Zweiteilung mit fließenden Übergängen liegt bspw. der auf Kahneman und Tversky (1972) basierenden two systems theory of information processing zugrunde (Harteis & Gruber 2008, 73) und findet sich gleichermaßen bei einigen Autoren der sowjetischen Tätigkeitspsychologie (vgl. Tomaszewski 1978, 65f.). Ebenso unterscheiden Epstein und Mitarbeiter im Rahmen der cognitive-experiential selftheory (CEST) nur zwei parallele, interaktive Verarbeitungsmodi hinsichtlich ihrer Bewusstseinsnähe (Epstein, Pacini, Denes-Raj & Heier 1996, 391).
2.2 Aktualgenese der Performanz – Grundzüge eines allgemeinen Handlungsmodells
69
Lenkung der assoziativen Wahrnehmung einher (gestrichelter Pfeil von der Entscheidungs- zur Wahrnehmungsphase). Zudem können Absichten gemeinsam mit Zielvorstellungen und Handlungsroutinen bereits als Gedächtnisstruktur vorliegen und in adäquat erscheinenden Situationen aktiviert werden (gestrichelter Pfeil von der Wahrnehmungs- zur Entscheidungsphase). Ist dies der Fall, so wird die Zielbildungsphase und – je nach „Vollständigkeit“ und „Passung“ der gespeicherten Absicht – ggf. auch die Planungsphase in der gegebenen Situation übersprungen (vgl. Kapitel 2.2.1.4). Es wird deutlich, dass sowohl bewusste als auch unbewusste Prozesse fortwährend auf kognitive Strukturen des Langzeitgedächtnisses zugreifen. Andererseits ist aber herauszustellen, dass ohne affektive Bewertungen (im Sinne der durch das limbische System ausgelösten biochemischen/-elektrischen Erregungsmuster) kein Handeln möglich wäre (vgl. Kapitel 2.2.2.4). Das gesamte Modell stellt einen Kreislauf aus Handlungssituation und Handeln dar (vgl. rekursive Definition von Handlung und Konsequenz in Kapitel 2.1.2). Die Prozessphasen der Wahrnehmung, Zielbildung und Planung realisieren dabei das innere Probehandeln (vgl. Kapitel 2.1.3), das nicht linear ablaufen muss. Eine qualitativ einschneidende Veränderung des Prozesses erfolgt mit der Entscheidungsphase, die jedoch nicht unmittelbar auch zur Umsetzung führen muss. Da jedes Handeln aufgrund der damit verbundenen Haupt-, Neben- und Folgeeffekte zu einer Veränderung der äußeren und inneren Reizkonstellation führt, die im Rahmen der Situationswahrnehmung wiederum hinsichtlich ihrer subjektiven Bedeutsamkeit bewertet wird (vgl. reappraisal gemäß Lazarus; Kapitel 2.2.2.4), kommt das Modell aufgrund der Kreislaufdarstellung ohne eine gesonderte Darstellung der bei einigen Autoren anzutreffenden Kontrollphase (postaktionale Phase bei Heckhausen & Gollwitzer 1986; Effektkontrolle bei Dörner 1989/2000; metakognitive Prozesse bei Eraut 2000) aus. Abschließend sollen im Vorgriff auf den vierten Abschnitt einige erste Erkenntnisse hinsichtlich des empirischen Zugangs festgehalten werden: • Der Selbstbeobachtung sind lediglich bewusste Verarbeitungsprozesse zugänglich (hellgraue Bereiche in Abbildung 2-11), wobei diese größtenteils flüchtig, d. h. nicht dauerhaft erinnerbar, und zudem aufgrund (sprach- und/oder subjektbedingt) begrenzten Ausdrucksvermögens nur eingeschränkt verbalisierbar sind. So bleibt der Handlungsbegriff auch für den Handelnden selbst ein Interpretationskonstrukt (vgl. Kapitel 2.1.1). • Durch eine gezielte (innere oder äußere) Aufforderung zur Selbstreflexion können Aspekte der unbewussten Verarbeitung bewusst und ggf. auch verbalisierbar werden. Jedoch ist dies einerseits schon aufgrund der Vielzahl und Geschwindigkeit unbewusst ablaufender Prozesse und andererseits aufgrund der Kapazitäts- und Geschwindigkeitsbegrenzung des Bewusstseins nur sehr eingeschränkt möglich. Zudem stellt die erzwungene Selbstreflexion einen erheblichen
70
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Eingriff dar, so dass wiederum nur eingeschränkte Rückschlüsse auf natürliche Handlungsprozesse ermöglicht werden (vgl. Kapitel 2.2.1.2). • Handlungssituationen und Performanz (dunkelgraue Bereiche in Abbildung 211) erscheinen der Fremdbeobachtung zwar oberflächlich zugänglich, allerdings nicht hinreichend interpretierbar, da sowohl das Konstrukt der Situation als auch der Handlungsbegriff bereits definitorisch subjektive Aspekte seitens des Handelnden implizieren (vgl. zum Handlungsbegriff Kapitel 2.1.1; zum Situationsbegriff Kapitel 2.2.2.1). Dies wirft insbesondere Probleme hinsichtlich eines Rückschlusses auf Kompetenzen im Sinne personaler Einflussfaktoren des Handelns auf, die im folgenden Abschnitt erörtert werden. 2.3
Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
Das im vorangegangenen Kapitel entwickelte Handlungsmodell betrachtet ausschließlich State-Komponenten des Handlungsprozesses, wenngleich in der Genese des Modells bereits zahlreiche handlungsrelevante Trait-Komponenten wie Motive, Gedächtnisschemata und Absichten aufgegriffen wurden. In den folgenden beiden Kapiteln ist zu klären, (1) welche personalen Einflussfaktoren (i. S. v. Kompetenz) den Erfolg des Handelns beeinflussen und (2) wie sich ebendiese personalen Einflussfaktoren im Zuge der Ontogenese (i. S. v. Kompetenzerwerb) verändern. Abbildung 2-12 verdeutlicht den Fortgang der Argumentation.
Abbildung 2-12:
Vorgehensweise in der Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
2.3.1
71
Handlungstheoretische Ansätze dispositionaler Handlungsvoraussetzungen
In Kapitel 2.2.2.3 wurden in Anlehnung an Dörner verschiedene Gedächtnisschemata eingeführt, die in ihrer Gesamtheit die epistemische Struktur bzw. das Weltbild einer Person darstellen und Parallelen zu einigen verwandten Konzepten aufweisen (Scripts nach Abelson 1981; Netz erinnerbaren Handelns (NEH) nach Oesterreich 1994). Ansätze dieser Art werden zumeist unter dem Sammelbegriff mentale Modelle subsumiert, die ein relativ stabiles Gefüge von Wissen meinen, das eine Person bezüglich eines Realitätsausschnittes gebildet hat. Wahrnehmung, Denken und Handeln erfolgt stets unter Nutzung und Manipulation dieser internen Repräsentationen (Schmidt 2007, 854; vgl. Probehandeln in Kapitel 2.1.3).77 Eine ausführlichere Beschreibung eines solchen Ansatzes liefert bspw. Hacker (1978) anhand des auf Oschanin zurückgehenden Operativen Abbildsystems (OAS). Operative Abbildsysteme (OAS) umfassen ein „... mehr oder weniger differenziertes, anschaulichvorstellungsmäßiges oder abstrakt-gedankliches, klar bewußtes und verbalisierbares oder randbewußt und sprachfern gegebenes, Zustände und Verläufe der Möglichkeit nach gleichermaßen einschließendes ‚Bild’ ...“ eines Realitätsausschnittes (Hacker 1978, 82f.). An diesem Abbild orientieren sich die Bewertung erfasster Zustände, das Kalkül von Maßnahmen und das Handeln (ebd., 82f.), indem das handlungsvorbereitende Probehandeln auf diesem inneren Abbild operiert (Hacker 1996, 769). Zudem beinhalten diese relativ stabilen OAS auch die Sollwerte, an denen das Handeln ausgerichtet wird (vgl. auch Kapitel 2.2.2.3: Ziele als inhärente Bestandteile der epistemischen Kompetenz nach Dörner). Sind diese nicht ausreichend ausgebildet, so ist eine Tätigkeit nur durch zeitaufwendige, fehleranfällige und beanspruchende fortwährende Vergleiche mit externen Soll-Ist-Vorgaben möglich. Die Güte eines Handlungsergebnisses (i. S. v. Performanz; vgl. Kapitel 2.1.1) hängt somit – zumindest in dem Maße, in dem sie durch den Handelnden beeinflussbar ist – ganz wesentlich von der Angemessenheit des zugrunde liegenden OAS ab (Hacker 1978, 83), da OAS subjektive Abbilder sind, die nicht notwendig der Realität entsprechen müssen (Hacker 1996, 770; vgl. auch Kapitel 2.2.2.3 zur 77 Tomaszewski (1978) stellt heraus, dass die Idee ‚mentaler Modelle’ eine sehr alte, auf Plato zurückreichende Tradition habe und nennt Kant, Wundt, Ach, Selz, Weber und andere als Anhänger dieser Idee. Die äußerst vielfältige Terminologie zur Beschreibung solcher Modelle dürfe dabei nicht über deren Ähnlichkeit hinwegtäuschen. „In Wirklichkeit aber geht es um sehr ähnliche Mechanismen. Hier eine sicherlich unvollständige Liste der am häufigsten verwendeten Termini, um die inneren, das menschliche Verhalten steuernde Modelle zu charakterisieren: Bilder, Vorstellungen, maps, Modelle, Muster, Vorbilder, Beispiele, Begriffe, Begriffssysteme, Urteile, Meinungen, Ansichten, Hypothesen, Überzeugungen, Wissen, Weltanschauung, Fiktionen, Tagträume, ‚Mythen’, Vorurteile, Regeln, Normen, Prinzipien, Programme, Projekte, Pläne, Erwartungen, Einstellungen (sets), Haltungen (attitudes), Hoffnungen, Befürchtungen, Strategien, Handlungsstile, Lebensstile, Wertsysteme, Standards, Stereotype, Schemata, dynamische Schemata, Orientierungsschemata, antizipierende Schemata, operative Schemata, Konstrukte usw.“ (Tomaszewski 1978, 86).
72
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Richtigkeit der Weltsicht nach Dörner). Doch auch auf erheblichen Fehlannahmen beruhende mentale Modelle werden in einer konsistenten und systematischen Weise angewendet (Vosniadou 1992, 350). In einem Beitrag zur Enzyklopädie der Psychologie bevorzugt Hacker 1996 den Begriff der handlungsleitenden psychischen Abbilder (HAB). Dies geschieht mit dem Ziel einer „... Abgrenzung von der weiten und vagen Bezeichnung jeder psychischen Abbildung eines außerhalb und unabhängig vom Bewußtsein existierenden Sachverhalts als mentales Modell“ (Hacker 1996, 771), welche sich zu einem diffusen Modegegenstand der kognitiven Psychologie entwickelt habe (ebd., 770). HAB werden definiert als relativ überdauernde stabile Wissensgefüge über einen handlungsbezogenen Realitätsbereich, die mit Bezug auf die Handlungsdurchführung entstehen und in einer Tendenz zu deren Umsetzung resultieren. Der Abbildbegriff steht in Abgrenzung zum tatsächlichen abgebildeten Realitätsausschnitt und unterstreicht mithin die Subjektivität. Das Adjektiv psychisch anstelle von mental „... beabsichtigt, keine Eingrenzungen hinsichtlich der Bewusstheit bzw. Verbalisierbarkeit vorzunehmen“ (ebd., 771), da viele Tätigkeiten von Regelsystemen gelenkt werden, ohne dass diese bewusst sind, noch zwingend jemals bewusst erworben wurden (ebd., 780f.). Die relative Beständigkeit der HAB dient wiederum zur Abgrenzung gegenüber kurzfristigen im Prozess der Handlung beteiligten Abbildern, deren situativer Aufbau wiederum durch HAB unterstützt wird und deren Handlungsergebnisse (Ist-Werte) anhand eines Vergleichs mit den in HAB repräsentierten Zielen (Soll-Werte) bewertet werden (ebd., 771).78 HAB umfassen ferner alle Handlungsphasen, wobei – wie bei den Ausführungen zu OAS – eine besondere Betonung auf beständigen Zielen als „relativ invariante Sollgrößen“ (ebd., 771) liegt, ohne die zielführendes Handeln nicht möglich ist. (Teil-)Zielhierarchien, deren Prüfkriterien und Nebenbedingungen müssen gespeichert werden, um längerfristige Tätigkeiten zielgerichtet zu verwirklichen. Diese prospektive Gedächtnisleistung ist gemäß Hacker ebenso unerlässlich wie der retrospektive Aspekt und wird explizit mit dem Konstrukt des Absichtsgedächtnisses nach Dörner (vgl. Kapitel 2.2.1.4) in Verbindung gebracht (ebd., 776f.; Herv.: A.R.). Ferner wird deutlich, dass HAB sowohl Fakten (z.B. Ergebniseigenschaften) als auch Vorgänge (z.B. Handlungsalternativen zur Zielerreichung) umfassen, „... wobei diese Unterscheidung objektiv fließend und für kontrastive Gegenüberstellungen – etwa im Sinne deklarativ versus prozedural – wenig geeignet ist“ (ebd., 772). Ebenfalls wie für OAS wird auch für HAB herausgestellt, dass deren Richtigkeit, Angemessenheit und Differenziertheit die Güte der an ihnen orientierten Denk- und Handlungsprozesse bestimmt und handlungsleitenden psychischen Abbildern (HAB) somit eine Prognose- und Erklärungsfunktion für Leistungen zukommt (ebd., 773). 78 Diese Unterscheidung zwischen dem State-Charakter situationaler Handlungsprozesse und dem Trait-Charakter dispositionaler Handlungsvoraussetzungen spiegelt zugleich die unterschiedlichen Perspektiven von Kapitel 2.2.2.3 und dem vorliegenden Kapitel wider.
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
73
Hackers Beschreibungen operativer Abbildsysteme (OAS) bzw. handlungsleitender psychischer Abbilder (HAB) erinnern an Ansätze aus dem Bereich subjektiver Theorien, wenngleich diese in den Schriften Hackers nicht rezipiert werden. Das folgende Kapitel gibt die Kernaussagen entsprechender Ansätze wieder und zeigt Parallelen auf. 2.3.2
Subjektive Theorien als Beschreibungsansatz individueller Handlungsvoraussetzungen
In einem ersten Zugriff können subjektive Theorien als komplexe Aggregate der Selbst- und Weltsicht beschrieben werden, denen eine (zumindest implizite) Argumentationsstruktur zugrunde liegt und Handlungswirksamkeit zugesprochen wird (Groeben & Scheele 1982, 16; Mandl & Huber 1983b, 98; Groeben, Wahl, Schlee & Scheele 1988, 19; Dann 1994, 166f.). Der Ansatz subjektiver Theorien geht auf die Forschergruppe um Groeben zurück und unterstellt in Anlehnung an Kellys „manthe-scientist“ (1955, 4), dass für das Handeln naiver Alltagsmenschen grundsätzlich dieselben Bestimmungsmerkmale gelten wie für das Handeln von Wissenschaftlern, nämlich Hypothesengenerierung und -prüfung (Groeben & Scheele 1977, 48). Diese Annahme liegt auch dem epistemologischen Menschenbild zugrunde, das den Ausgangspunkt des Forschungsprogramms Subjektive Theorien (FST) darstellt. Es unterstellt dem Alltagsmenschen als Erkenntnisobjekt die gleichen Merkmale wie dem Wissenschaftler als Erkenntnissubjekt: Sprach- und Kommunikationsfähigkeit, Reflexivität und potenzielle Rationalität, Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit (Groeben & Scheele 1977, 22ff.; 2002, 191f.).79 Als weitere Vorläufer des FST werden insbesondere Heider (1958/1977) und Laucken (1974) genannt (Mandl & Huber 1983b, 99). Der weiten Definition (zur engen Definition s. u.) subjektiver Theorien wird daher ein großes Integrationspotenzial hinsichtlich ähnlicher Ansätze wie der personal-constructtheory (Kelly), naiven Verhaltenstheorie (Laucken), impliziten Persönlichkeitstheorie (Hofer) u. a. bescheinigt (Mandl & Huber 1983b, 98f.; Groeben 1988, 19ff.; Groeben & Scheele 2002).80 Der Grundgedanke dieser Ansätze verweist auf die handlungsleitende Funktion subjektiver (bzw. naiver oder impliziter) Theorien (Dann 1983, 83) und erscheint gemäß Heckhausen „... verblüffend evident: Wenn der Handelnde 79 Das Menschenbild eines „relativ autonomen Subjekts der eigenen Handlungen in der ihn umgebenden Welt“ findet sich auch in der Denktradition der sowjetisch geprägten Tätigkeitspsychologie (Tomaszewski 1978, 16). In ähnlicher Weise fordert Sembill „... eine Persönlichkeitsvorstellung, welche die gleichzeitige Berücksichtigung emotionaler, motivationaler und kognitiver Prozesse impliziert und den überlegten Umgang mit Komplexität, Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Polyvalenz ermöglicht“ (Sembill 1994, 258). 80 Die Auffassungen darüber, welcher Begriff der allgemeinere sei, gehen auseinander. Ziegler verwendet subjektive Theorien als Oberbegriff (2006, 525f.). Dann bevorzugt in neueren Publikationen (im Bereich subjektiver Theorien von Lehrenden) den Sammelbegriff (Lehrer-)Kognitionen (2008, 177). Seifried wählt den Begriff der Sichtweisen (2009, 26).
74
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
seine Lage jeweils naiv-theoretisch beurteilt und danach handelt, dann muß man berücksichtigen, nach welchen naiv-theoretischen Grundsätzen er urteilt, um sein Handeln besser erklären zu können“ (Heckhausen 1976, 6; vgl. auch Heider 1977, 14 zitiert nach Seifried 2009, 39). Adjektive wie naiv oder implizit sind dabei keineswegs abwertend zu verstehen (Achtenhagen, Heidenreich & Sembill 1975, 582; Wahl 1981, 173), sondern verweisen auf den vorwissenschaftlichen Status, der diesen auch als Alltagstheorien bezeichneten Theorien zugeschrieben wird, weil die enthaltenen Argumentationsstrukturen keiner systematischen und methodisch kontrollierten Prüfung unterworfen werden und die betreffenden Theorien weniger differenziert sind (Dann 1983, 79; Ziegler 2006, 528).81 Dennoch besitzen sie ähnliche strukturelle Eigenschaften wie wissenschaftliche Theorien und erfüllen für den Alltagsmenschen analoge Funktionen wie wissenschaftliche Theorien. Sie dienen der subjektiven Erklärung, der subjektiven Prognose und der subjektiven Technologie (Groeben & Scheele 1982, 19ff.), wenngleich ihre Realitätsadäquanz im Einzelnen zu prüfen ist (Groeben, Wahl, Schlee & Scheele 1988, 21).82 Der Begriff Technologie unterstreicht dabei die Anwendungsperspektive (Schreier & Groeben 1999, 27). Subjektive Theorien umfassen somit Handlungswissen, d. h. ein Wissen darüber, 81 Die Unterscheidung zwischen subjektiven/naiven und wissenschaftlichen Theorien entspricht im Kern der von Argyris und Schön (1974, 7) eingeführten Unterscheidung zwischen espoused theories (verordnete Theorien) und theories in use (gebräuchliche Theorien). Die Tatsache, dass diese Theorieklassen in der Regel diskrepant sind, führt ERAUT darauf zurück, dass espoused theories in Bildungskontexten entwickelt werden, als Grundlage der Beurteilung von Professionalität dienen und das Selbstverständnis sowie die Außendarstellung eines Berufsbildes prägen, wohingegen theories in use in Auseinandersetzung mit den Notwendigkeiten der Praxis entwickelt werden, überwiegend implizit bleiben und zum Schutz der eigenen Professionalität und des Berufsbildes nicht offen kommuniziert werden (ERAUT 2000, 123). Experten neigen teilweise dazu, ihr eigenes, aus der Praxis entwickeltes Erfahrungswissen als defizitär zu betrachten (COLLINS, GREEN & DRAPER 1985). Sie empfinden entsprechende Befragungssituationen entsprechend belastend und suchen – bewusst oder unbewusst – nach logisch begründeten Antworten (Berry 1987, 147f.), welche eher dem ‚Buchwissen’ der espoused theories entsprechen. Die der Handlungssteuerung unter Zeit- und Orientierungsdruck zugrunde liegenden subjektiven Theorien unterscheiden sich daher teilweise erheblich von den in Befragungssituationen genannten Theorien zur nachträglichen Erklärung oder Rechtfertigung (Wahl 1981, 174). Es ist anzunehmen, dass diese Unterschiede wiederum auf subjektiv-theoretischen Annahmen über externe Normen basieren (vgl. Dann 1983, 83). 82 Die grundsätzliche Überlegenheit wissenschaftlicher Theorien gegenüber subjektiven Theorien wird dabei durchaus in Frage gestellt (Dann 1983, 79). So weist Heckhausen in pointierter Weise auf den Glücksfall hin, dass sich wissenschaftliche Lerntheorien behavioristischer Prägung nie rein und unverfälscht in der alltäglichen, naiven Verhaltenstheorie niederschlugen, da sie im Widerspruch zum gesunden Menschenverstand lebensweltlicher Erfahrung standen (1976, 5). Schließlich scheitert ein adäquater Einsatz wissenschaftlicher Theorien im Alltag auch am hierfür nötigen Orientierungsaufschub, der im alltäglichen zwischenmenschlichen Zusammenleben nicht gegeben ist, da der Alltagsmensch fortwährend und in sich ständig ändernden Situationen bestehen muss (Laucken 1974, 219). Insofern sind „... naive Verhaltenstheorie[n] in ganz ausgezeichneter Weise geeignet ..., die alltägliche und allgegenwärtige Aufgabe der raschen und unkomplizierten Orientierung ... zu bewältigen (ebd., 221), wenngleich ihr Einsatz (i. d. R.) mit einer geringeren Prognosesicherheit einhergeht (ebd., 220).
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
75
was in bestimmten Situationen zu tun ist, um ein spezifisches Ziel zu erreichen. „Es hat also die Form von Situations-Handlungs-Folge-Erwartungen“ (Dann 1994, 168f.; vgl. Kapitel 2.2.2.2). Dabei stellen sie idealisierte Handlungsprinzipien dar, die beschreiben, was man eigentlich tun sollte oder hypothetisch tun wird. Wenngleich situationale Einflussfaktoren einer direkten Verwirklichung entgegenstehen können (Dann 1983, 83), wird hieraus deutlich, dass subjektive Ziele im Sinne erwünschter oder unerwünschter Ereignisse inhärente Bestandteile subjektiver Theorien sind (Dann 1994, 166). Darüber hinaus spricht Dann den subjektiven Theorien eine gegenstandskonstituierende Funktion zu, die eine Situationsdefinition im Sinne einer gegliederten und geordneten Wahrnehmung der Realität überhaupt erst ermöglicht (1983, 82; 1994, 166; vgl. auch Hofer 1981, 163). Zusammenfassend nennen König und Volmer (2000) subjektive Konstrukte, subjektive Diagnosehypothesen, subjektive Ziele, subjektive Erklärungshypothesen und subjektive Strategien als Bestandteile subjektiver Theorien (ebd., 141). Ihre handlungsleitende Wirkung bezieht sich somit auf die Situationsbeurteilung, die Einschätzung von Handlungsmöglichkeiten und Bewertung der erzielten Handlungsergebnisse (Wahl 1981, 173f.; primary appraisal, secondary appraisal und reappraisal nach Lazarus; Kapitel 2.2.2.4). Das Selbstbild, das eine Person in eine Situation mit einbringt, ist dabei stets als Determinante des Einschätzungs- und Bewältigungsprozesses mitzudenken (Schwarzer & Schwarzer 1982, 71). Die eingangs aufgeführten Definitionsbestandteile Weltbild und Selbstbild dürften somit nur idealtypisch zu unterscheiden sein, da anzunehmen ist, „... dass ein sehr großer Teil der vermeintlich umweltbezogenen Aussagen über einen starken Selbstbezug verfügt“ (ebd., 69). Die subjektive Verfügbarkeit von Bewältigungshandlungen beruht einerseits auf ihrer objektiven Verfügbarkeit und andererseits auf den allgemeinen und spezifischen Überzeugungen von der eigenen Person (ebd., 73). Subjektive Theorien ermöglichen in ihrer Gesamtheit schnelle, ökonomische und subjektiv als der Situation wie auch der eigenen Person angemessen eingeschätzte Reaktionen und erhöhen somit die Orientierungs- und Verhaltenssicherheit (Laucken 1974, 216ff., Wahl 1981, 173; Dann 1983, 83; Sembill 1999, 154; Oerter 2007, 122; Sembill & Seifried 2009, 346). Hinsichtlich der State- vs. Trait-Perspektive werden subjektive Theorien überwiegend dem Bereich relativ stabiler Traits zugeordnet (Dann 1983, 80), die von momentanen, bewussten Repräsentationen abzugrenzen sind, welche „... allenfalls [eine] aktuelle Manifestation oder Vergegenwärtigung subjektiver Theorien ... sein können“ (Dann 1994, 166). Dabei wird eine Hierarchie subjektiver Theorien unterstellt, wonach mit zunehmender Generalisierung der Argumentationsstruktur die zeitliche Stabilität und damit die Widerstandsfähigkeit gegenüber Widersprüchen in der Realität oder gegenüber Interventionsversuchen steigt (Schwarzer & Schwarzer
76
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
1982, 69f.).83 Für den ähnlich akzentuierten Begriff der Sichtweisen stellen Sembill und Seifried (2009) fest, dass diese erfahrungsbasiert sind und aus einer Verdichtung bzw. einer Übergeneralisierung von Erlebtem resultieren (ebd., 346), so dass auch subjektive Theorien nicht nur das Handeln beeinflussen, sondern Handeln und Handlungsergebnisse langfristig auch auf die Entstehung, Aufrechterhaltung und Veränderung subjektiver Theorien zurückwirken (Ulich 1982, 88; Dann 1983, 85f.). Ferner ist davon auszugehen, dass neben dem eigenen Handeln auch kulturelle und institutionelle Einflüsse bestimmte subjektive Theorien über langfristige Sozialisationsprozesse beeinflussen (Dann 1994, 172). Am oberen Ende dürfte der Entwicklungsspielraum allerdings zunehmend begrenzt und durch grundlegende relativ veränderungsresistente Persönlichkeitsanteile, wie Werthaltungen, Einstellungen oder Menschenbilder, vorgegeben sein (Dann 1983, 86). Seifried (2009) weist in einer Synopse einschlägiger Studien auf die Domänenspezifität subjektiver Theorien hin (ebd., 50f.), die laut Alisch (1982) auch als Abgrenzungsmerkmal zu Konstrukten wie Weltanschauungen dient (ebd., 47). Hier wären ergänzend auch die o. g. Konstrukte wie Werthaltungen, Einstellung oder Menschenbilder zu nennen, die somit nicht mehr in den unmittelbaren Definitionsbereich subjektiver Theorien fallen, sehr wohl aber „... über subjektive Betroffenheit, Interessen, Zielund Wertbezüge sowie Identitätsbelange ...“ (Ulich 1982, 86) die Ausprägung subjektiver Theorien beeinflussen. In einem State-Trait-Kontinuum liegen die Grenzen des Konstrukts der subjektiven Theorie folglich einerseits am Übergang zu situationsspezifischen, konkreten und flüchtigen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmustern andererseits am Übergang zu langfristigen und teilweise genetisch erworbenen Persönlichkeitseigenschaften. Hinsichtlich der Bewusstseinsnähe subjektiver Theorien wird zwischen der bislang zugrunde gelegten weiten Definition und einer von Groeben et al. präferierten engen Definition unterschieden. In der engen Definition wird unter anderem gefordert, dass subjektive Theorien in Dialog-Konsens-Verfahren84 aktualisierbar (im Sinne von abrufbar) und rekonstruierbar sind (Groeben 1988, 22). Kritik an der methodischen Verengung der Definition übt insbesondere Dann (1994, 166f.): So erscheine es unter der Prämisse, dass subjektive Theorien vollständig rekonstruierbar sein müssen, nicht mehr sinnvoll, von einer impliziten Argumentationsstruktur zu sprechen. Dann unterstreicht, dass subjektive Theorien „... teilweise implizit (z.B. nicht bewusstseinsfähige Selbstverständlichkeiten und unreflektierte Überzeugun83 Schwarzer und Schwarzer (1982) sehen subjektive Theorien daher auf einem Kontinuum zwischen State und Trait angesiedelt. Zwar ist die Argumentation schlüssig, doch birgt sie die Gefahr begrifflicher Konfusionen, so dass subjektive Theorien im weiteren Verlauf der Arbeit als relativ überdauernde (dispositionale) Handlungsvoraussetzungen aufgefasst werden. 84 Die Rekonstruktion subjektiver Theorien sollte im Dialog mit dem Forscher erfolgen, d. h. „... beide in einer argumentativen Auseinandersetzung und Verständigung um eine angemessene Beschreibung der subjektiven Theorie des Erkenntnis-Objekts zu bemühen“ (Schlee 1988, 25).
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
77
gen), teilweise aber dem Bewußtsein des Handelnden zugänglich [sind]“ (ebd., 166) und spricht sich damit für die weite Fassung des Konstrukts aus. Ferner werden aufgrund der definitorischen Verknüpfung von Konstrukt und Erhebungsmethode (Dann spricht gar von „Methodendogmatismus“; 1983, 89; ähnlich auch König 2002, 56) etwaige Messfehler zum Bestandteil der Definition, obgleich einerseits nicht explizierbare Bestandteile denkbar sind und andererseits Explikations- und Erschließungsfehler im Erhebungsverfahren keinesfalls auszuschließen sind (Dann 1983, 88). Zudem ginge das o. g. Integrationspotenzial verloren, da gerade den nicht bewusstseinsfähigen Einflussfaktoren auch im Rahmen verwandter Ansätze eine bedeutende Rolle zukommt.85 Eine Beschränkung auf reflektiertes, bewusstes Handeln bzw. ein Ausklammern nicht bewusstseinsfähiger Routinen und Automatismen „... dürfte bei der Entwicklung einer allgemeinen Handlungstheorie eher unzweckmäßig sein“ (Dann 1983, 84), so dass in der vorliegenden Arbeit die weite Fassung subjektiver Theorien beibehalten wird. 2.3.3
Deckungsbereiche mentaler Modelle und subjektiver Theorien
Bei genauerer Betrachtung werden ausgeprägte Gemeinsamkeiten zwischen dem Ansatz der subjektiven Theorien (in der weiten Begriffsfassung) und den unter dem Sammelbegriff mentale Modelle subsumierten Konzepten nach Hacker und Dörner (vgl. Kapitel 2.3.1) deutlich, die im Folgenden stichpunktartig zusammengestellt sind: • Beide Ansätze unterstellen ein auf Erfahrungen basierendes Weltbild, das alle Handlungsphasen (inklusive notwendiger Wahrnehmungsprozesse) beeinflusst, dessen Komponenten jedoch nicht als isoliert voneinander zu betrachten sind. • Die übergeordneten Funktionen eines solchen Weltbilds liegen im Erhalt oder im Aufbau eines positiven Selbstbilds in Form von Orientierungs- und Verhaltenssicherheit, Selbstwerterhaltung und -optimierung bzw. dem Streben nach Kompetenzerleben und ggf. Maßnahmen des Kompetenzschutzes. • Beide Ansätze unterstreichen, dass die jeweiligen Weltbilder subjektiv sind und nicht notwendigerweise einer „objektiven“ Prüfung standhalten. • Beide Ansätze fokussieren die Trait-Komponente eines solchen Weltbilds, das jedoch Einfluss auf die Prozessebene ausübt, da es „Wahrnehmungs- und 85 So weisen subjektive Theorien ohne die Beschränkung auf Bewusstseinsfähigkeit bspw. auch deutliche Parallelen zum Konstrukt des impliziten Wissens auf, das sich gemäß des durch Eraut erweiterten Models von Dreyfus und Dreyfus (1986) in nicht bewusstseinspflichtigen Wahrnehmungs-, Handlungs-, Entscheidungs- und Kontrollroutinen äußert (Eraut 2000, 127; vgl. Abb. 16 in Kapitel 2.2.3). „These rules may or may not be explicit or capable of reasoned justification, but their distinctive feature is that of being tacit at the moment of use“ (ebd., 127).
78
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Handlungsschablonen“ vorgibt, deren „Leerstellen“ situationsspezifisch gefüllt werden. • Beide Ansätze unterstellen bewusstseinsfähige und nicht bewusstseinsfähige Anteile. • Zudem wird ein hierarchischer Aufbau unterstellt, wobei „höhere“ Komponenten weniger kontextspezifisch, dafür jedoch veränderungsresistenter sind. • Beide Ansätze postulieren die Integration von Zielgrößen und stehen damit zugleich dem Absichtsbegriff der Forschergruppe um Dörner nahe (Absicht als bewusste oder unbewusste Informationseinheit aus Soll-Ist-Diskrepanzen, mehr oder minder ausdifferenzierten Handlungsplänen, Umsetzungsgelegenheiten, eigene Umsetzungsfähigkeiten etc.; vgl. Kapitel 2.2.1.4). Der beiden Ansätzen gegenüber geäußerte Kritikpunkt einer Verengung auf kognitive Aspekte ist nach eingehender Literaturstudie nicht aufrecht zu erhalten. Lediglich das Label kognitiv, das beiden Ansätzen historisch bedingt anhaftet, legt diese Vermutung nahe, was jedoch m. E. eher auf eine irreführende Verwendung des Kognitionsbegriffs zurückzuführen ist (vgl. Kapitel 2.2.1). Vertreter beider Ansätze unterstreichen – zumeist explizit – die Bedeutung emotional-motivationaler Aspekte des Handelns. 2.3.4
Bezüge zur aktuellen Diskussion des Kompetenzbegriffs
Das Konstrukt der Kompetenz bzw. der Handlungskompetenz86 hat sich in den vergangenen Jahren als Sammelbegriff für ein „... Konglomerat aus den Elementen Wissen, Fähigkeiten/Fertigkeiten, Motiven und emotionalen Dispositionen” (Kaufhold 2006, 106) etabliert und wird als eine Umschreibung dessen verstanden, was einen Menschen wirklich handlungsfähig macht (Bernien 1997, 24). „Wann immer ... eine menschliche oder organisationelle Eigenschaft besonders hervorgehoben werden soll, wird sie mit dem Prädikat ‚kompetent’ versehen“ (Vonken 2005, 9). Da es aber vermutlich kein psychologisches Konstrukt gibt, dem nicht entsprechende Vertreter eine direkte oder indirekte Handlungsrelevanz zuschreiben würden (Hacker 1996, 771)87, ist entgegen des Postulats von Erpenbeck und von Rosenstiel – „Nicht alles ist Kompetenz“ (2003, XXX) – somit zunächst zu fragen, ob nicht doch alles Kompetenz ist. So definieren Spencer, McClelland und Spencer (1994) Kompetenz als „any individual characteristic that can be reliably measured, counted and 86 Der Begriff der Handlungskompetenz stellt bei Lichte betrachtet einen Pleonasmus dar, unterstreicht jedoch den Handlungsbezug der Kompetenz und wird daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Synonym zum Kompetenzbegriff verwendet. 87 Schließlich ist es das erklärte Ziel psychologischer Forschung, menschliches Verhalten zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen, zu kontrollieren und zu verbessern (Zimbardo & Gerrig 2004, 5).
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
79
that can be shown to differentiate superior from average performers” (ebd., 6). Allerdings läuft der Kompetenzbegriff bei einem solch breiten Verständnis auch Gefahr, zur Leerformel zu werden (Schmid & Dinkelmann 2007, 23). Im Folgenden werden einige Aspekte der gegenwärtigen Kompetenzdebatte sowie angrenzender Themenfelder diskutiert, die in eine Arbeitsdefinition des Begriffs (siehe Kapitel 2.3.5) münden. 2.3.4.1
Nominaldefinitionen der Kompetenz und Abgrenzungen
Kaufhold arbeitet in ihrer Dissertationsschrift auf Grundlage einer Synopse zahlreicher Kompetenzdefinitionen vier allgemeine Merkmale der Kompetenz heraus, die in der wissenschaftlichen Diskussion als weitgehend konsensfähig anzusehen sind: (1) Handlungsbezug: Kompetenz äußert sich in der Bewältigung von Handlungssituationen (Kaufhold 2006, 22). (2) Situations- und Kontextbezug: Da schon die Situationswahrnehmung eine subjektive Konstruktionsleistung darstellt, sind Performanzen stets im Zusammenhang mit dem situationalen Kontext zu betrachten (ebd., 23f.; vgl. auch Kapitel 2.2.2.1 sowie Schlussfolgerungen in Kapitel 2.2.3), was auch die Frage nach der Dimensionierung bzw. Domänenspezifität der Kompetenz aufwirft. (3) Subjektbezug: Kompetenz ist eine an das Subjekt gebundene Kategorie (ebd., 24). (4) Veränderbarkeit von Kompetenz: Aufgrund des Subjektbezugs der Kompetenz ist von einer Entwicklungsfähigkeit der Kompetenz auszugehen. Handlungs- und Situationsbezug implizieren, dass die jeweiligen Rahmenbedingungen diese Entwicklung beeinflussen, wobei auch Kompetenzverluste und -verschiebungen mitzudenken sind (ebd., 24; vgl. Kapitel 2.1.3). Trotz der nach wie vor uneinheitlichen Begriffsverwendung wird in der jüngeren Vergangenheit die Nominaldefinition nach Weinert zumindest als Referenz-Zitat angesehen (Klieme 2004, 13). Weinert definiert Kompetenz als „... die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001a, 27f.). Vom Kompetenzbegriff abzugrenzen sind so genannte Qualifikationen, die klar zu umreißende und überwiegend kognitiv akzentuierte Anforderungsbündel darstellen, welche in der Regel in formalisierten Lehr-Lern-Prozessen erworben, anhand von Prüfungen festgestellt und in Zertifikaten verbrieft werden (Reetz 1999,
80
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
38; Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XI; Vonken 2006, 13; Gnahs 2007, 22).88 Der Kompetenzbegriff ist demgegenüber breiter angelegt. Er berücksichtigt neben kognitiven Aspekten auch motivationale und emotionale Aspekte, die sich je nach Autor in Bestandteilen wie Motiven, Einstellungen, Werthaltungen, Normen, Interessen etc. äußern (Frei, Duell & Baitsch 1984, 31f.; Hurrelmann 1986/2001, 161f.; Weinert 2001a, 27f.; Rychen & Salganik 2003, 43; Frey & Balzer 2003, 150; Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXXI; Kaufhold 2006, 23), und weist somit (meist ungeklärte) Überschneidungen mit Konstrukten der Persönlichkeitseigenschaften auf (Corsten 2001, 78). Im berufsbildenden Bereich wird das Konzept der Kompetenz verwendet, um Fragen der Tüchtigkeit und Mündigkeit bzw. der Verknüpfung von beruflicher Qualifikation und Persönlichkeitsentwicklung stimmig zu fassen (Achtenhagen 2004, 21; Evers, Müller & Winter 2008, 607). Kompetenz steht damit der Ganzheitlichkeit und dem Subjektbezug des Bildungsbegriffs nahe (Vonken 2005, 44; Pätzold 2006, 73; Reinisch 2006, 259). Ohne die historisch bedingten und teilweise ideologisch geführten Diskussionen um den Bildungsbegriff zu transportieren (Gnahs 2007, 23), rücken mit der Kompetenzdebatte die Persönlichkeit und der Begriff der Selbstorganisation wieder in den Mittelpunkt (Reetz 1999, 39; Vonken 2005, 52; Evers, Müller & Winter 2008, 607). So bezeichnen Erpenbeck und von Rosenstiel Kompetenz als „... Selbstorganisationsdispositionen physischen und psychischen Handelns, wobei unter Dispositionen die bis zu einem bestimmten Handlungszeitpunkt entwickelten inneren Voraussetzungen zur Regulation der Tätigkeit verstanden werden“ (Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXIX). Das Erkenntnisinteresse bei der Begriffsbestimmung Selbstorganisation ist in diesem Zusammenhang auf die Offenheit der künftigen Handlungsmöglichkeiten gerichtet. Der Handelnde sieht sich einer Vielzahl vorab nicht festgelegter Handlungsmöglichkeiten gegenüber, die alternative Handlungsstrategien und Kontrollprozesse zulassen (Kirchhöfer 2004, 73; North, Friedrich & Lanz 2005, 616). Dabei sind zwei Dimensionen des Begriffs der Selbstorganisation zu unterscheiden: „Der Prozess ist selbstorganisiert im Sinne dem jeweiligen Subjekt zugehörig, ... und der Prozess verläuft selbstorganisatorisch im Sinne der dem Prozess innewohnenden Dynamik, die aus den Wechselwirkungen der Elemente dieses Prozesses resultiert“ (Kirchhöfer 2004, 74; Herv.: A.R.). Ähnlich unterscheidet Göbel (1998, 21) zwischen Ordnung von selbst (autogen), die der selbstorganisatorischen Dimension entspräche, und selbstbestimmter Ordnung (autonom), die der selbstorganisierten Dimension entsprä88 Insofern scheint die bei Timmermann (2001, 107) vorgenommene Zuordnung von Qualifikation zu Output und späterem Arbeitshandeln zu Outcome schlüssig, wobei der so definierte Outcome folglich auf Kompetenzen basiert, die Qualifikationen durchaus umschließen können. Der von Mertens (1974) geprägte Begriff der Schlüsselqualifikationen ist vom hier eingeführten Begriff der Qualifikation wiederum zu trennen und aufgrund des Subjektbezugs eher dem heute vorherrschenden Kompetenzverständnis zuzuordnen (Reetz 1991, 29; 1999, 39; Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XI; Reinisch 2006, 259).
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
81
che (zitiert nach Sembill & Seifried 2006, 97). Die selbstorganisatorische Dimension bezieht sich somit auf innerpsychische Prozesse der Aktualgenese des Handelns, wie sie in Kapitel 2.2 erläutert wurden. Die selbstorganisierte Dimension bezieht sich dagegen auf Situationsmerkmale, die als vorgegebenes Ausmaß an Handlungsspielräumen bestimmen, inwieweit die o. a. Selbstorganisationsdispositionen überhaupt aktiviert werden müssen bzw. dürfen (Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XI; vgl. auch Kapitel 2.3.3). Einen Ansatz zur Komplexitätsreduktion des Kompetenzbegriffs stellen so genannte Kompetenzstrukturmodelle dar, die eine Aufspaltung in einzelne Kompetenzfacetten bzw. Teilkompetenzen vorsehen (Klieme, Maag-Merki & Hartig 2007, 12). Eines der prominentesten Strukturmodelle ist die von Roth vorgeschlagene Unterscheidung von Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz (Roth 1971/1976, 180), die in ähnlicher Weise auch vom Deutschen Bildungsrat (1974, 49ff.) übernommen wurde und Eingang in die Rahmenlehrpläne für den berufsbezogenen Unterricht der Kultusministerkonferenz (KMK 2007, 11) gefunden hat. Exemplarisch kann auch der Beitrag Berufliche Handlungskompetenz im Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik angeführt werden, in dem Pätzold eine Vierteilung in Fach-, Personal-, Methoden und Sozialkompetenz aufführt und sogleich einräumt, dass eine solche Aufteilung in Kompetenzbereiche zwar pragmatisch erscheint, jedoch stets künstlich bleibt (2006, 73f.; vgl. auch Sonntag 1996, 57). 2.3.4.2
Domänenspezifität als Merkmal des Kompetenzbegriffs
Während sich die pädagogisch-psychologische Diagnostik lange Zeit mit generalisierten, kontextunabhängigen kognitiven Leistungskonstrukten beschäftigte, welche trotz neuer Begrifflichkeiten an tradierte Ideen formaler Bildungstheorien und vermögenspsychologischer Konstrukte erinnern (Schmid & Dinkelmann 2007, 23), bezieht sich das Kompetenzkonstrukt i. d. R. auf spezifische Anforderungs- und Tätigkeitsbereiche (Bernien 1997, 20). Ein notwendiger Bestandteil jeder Kompetenzdefinition ist daher die Frage „kompetent wofür?“ (Klieme, Maag-Merki & Hartig 2007, 6). Der Zielbereich eines Kompetenzkonstrukts muss einerseits hinreichend konkret sein, um eine valide Messung zu ermöglichen, sollte andererseits auch nicht zu eng gefasst sein, „... da sonst einfaches Sachwissen oder isolierte Fertigkeiten unnötigerweise als Kompetenzen etikettiert werden“ (Klieme, Maag-Merki & Hartig 2007, 8; vgl. auch Bernien 1997, 18f.; Winther & Achtenhagen 2008, 520). Eine hieraus entstehende Systematik würde „... zwangsweise so umfassend und komplex, dass sie unweigerlich zu einem Bildungs-Taylorismus führen würde“ (Weiß, 1999, 442; vgl. auch die pointierten Ausführungen Hackers zum „Puddingkochvermögen“, 2005, 77). Dies erinnert an das von Zabeck formulierte SchlüsselqualifikationenDilemma, wonach die Bestimmung der Granularität der Schlüsselqualifikationen als
82
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Optimierungsaufgabe aufzufassen ist (Zabeck 1991, 57) und konkrete Inhaltsbereiche anzugeben sind, um einem Rückfall in formale Bildungstheorien entgegenzuwirken (Dubs 2006, 198).89 So zeigen bspw. Befunde der Problemlöseforschung, dass Problemlösefähigkeit – und damit das ihr nahe stehende Konstrukt der Methodenkompetenz – nicht unabhängig von der betreffenden Domäne ist (Röben 2004, 15). Auch im Bereich der Expertiseforschung wird Handlungskompetenz über die Leistungen gekennzeichnet, die Experten im Bereich ihrer Tätigkeit, also in ihrer Domäne, erbringen können (Gruber, Harteis & Rehrl 2006, 193; Herv.: A.R.). Den Diskussionsstand zur Granularität des Domänenbegriffs fasst Achtenhagen (2007) wie folgt zusammen: • Eine Domäne ist mehr als nur ein Handlungstyp in eng begrenzten Situationen (z. B. Verbuchen von Beschaffungen) oder ein eng begrenzter Ausschnitt aus einem Ausbildungsplan (z. B. Sortieren von Beschaffungsvorgängen) • Eine Domäne ist gleich oder weniger als das Handlungs- und Wissensspektrum eines Ausbildungsberufs oder der Ziel- und Inhaltsbereich eines berufsspezifischen Unterrichtsfachs. • Während für die Allgemeinbildung nach lebensnahen Aufgaben gesucht wird, stehen für die Berufsbildung lebensreale Aufgaben und Anforderungen zur Verfügung. • Ein Bündel solcher lebensrealer Aufgaben, die sich auf die Handlungs- und Orientierungsfähigkeit in einem Berufsfeld beziehen (z. B. Controlling, Dienstleistungsmarketing etc.), könnte als Domäne umschrieben werden (Achtenhagen 2007, 485 sowie die dort zitierte Literatur). Der Domänenbegriff als Bündel lebensrealer Aufgaben entspricht einer handlungsorientierten Deutung, welche – in Abgrenzung zu einem eher kognitiven, engen Domänenverständnis im Sinne einer Wissensstruktur – Domänen als Handlungskontexte auffasst, deren Grenzen von der jeweiligen Berufs- oder Fachgruppe definiert werden (Sloane 2008, 501). Bereits in Kapitel 2.1.2 wurde dargestellt, dass bei der Analyse von Handlungen zu beachten ist, welchen übergeordneten Tätigkeiten diese dienen. Um Rückschlüsse auf die Handlungskompetenz zu ermöglichen, scheint es für berufliche Domänen daher angebracht, zunächst berufstypische Arbeitstätigkeiten und deren Anforderungen zu identifizieren. Dies kann mittels einer Inhaltsanalyse der einschlägigen Ordnungsmittel (insbesondere KMK-Rahmenlehrpläne und Ausbildungsordnungen) erfolgen, welche sich in exemplarischen Analysen jedoch als eher ungeeignet erweisen (vgl. Breuer 2005, 26). Alternativ können 89 Aufgrund der zahlreichen Parallelen der Diskussionen verwundert es nicht, dass der Kompetenzbegriff auf dem besten Wege ist, „... eine begriffliche Karriere zu machen, wie sie der Begriff der Schlüsselqualifikationen seit den siebziger Jahren aufweisen kann“ (Vonken 2005, 37; vgl. auch Reinisch 2006, 259).
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
83
Arbeitsanalysen und Expertenbefragungen zur Ermittlung berufspraktischer Anforderungen herangezogen werden (z.B. Bremer & Haasler 2004; Zbinden-Bühler & Volz 2007; vgl. auch Achtenhagen & Winther 2009, 4). 2.3.4.3
Empirische Näherungen an den Kompetenzbegriff
Der Kompetenzbegriff wurde wesentlich durch den Sprachwissenschaftler Noam Chomsky beeinflusst, der zu Beginn der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts im Rahmen seiner Theorie der generativen Grammatik explizit zwischen Sprachkompetenz und Sprachperformanz unterscheidet (Chomsky 1965/1970, 14). Diese Unterscheidung beruht auf der Alltagserfahrung, dass die menschliche Sprache mit grundsätzlich begrenzten Mitteln grundsätzlich unbegrenzte Äußerungen hervorbringen könne, die dennoch intersubjektiv übereinstimmend interpretiert werden könnten (Frei 1982, 42ff.). Als verallgemeinerbare Implikation dieses Kompetenzverständnisses ist festzuhalten, dass das notwendige Medium zur Beurteilung von Kompetenz stets die beobachtbare Performanz ist, womit jedoch unweigerlich Probleme des empirischen Zugangs verbunden sind: Während Kompetenzen komplexe Tiefenstrukturen darstellen, ist jede Performanz-Sequenz in ihrer Oberflächenstruktur linear strukturiert und dadurch prinzipiell mehrdeutig (Chomsky 1965/1970, 30ff.; Frei 1982, 51). Kompetenz ist daher stets eine Attribution aufgrund (selbst- und/oder fremd-)beobachteter und beurteilter Performanz (Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XI), obwohl Performanz keine bijektive (umkehrbar eindeutige) Funktion von Kompetenz ist. Berücksichtigt man zusätzlich Kompensationsmöglichkeiten zwischen Teilkompetenzen (Lang-von Wins 2003, 587; Hacker 2005, 77), so erscheint ein Rückschluss von beobachteter Performanz auf ebendiese Teilkompetenzen als schwierig (vgl. auch Vonken 2006, 21f.). Alternativ dient die Messung von Persönlichkeitseigenschaften als Kompetenzindikator, da sie zumindest als (un-)günstige Voraussetzungen für die Entwicklung spezifischer Kompetenzen erachtet werden (Lang-von Wins 2003, 598). Dennoch bleibt umstritten, ob und wie Persönlichkeitsfaktoren und (berufliche) Handlungskompetenz zusammenhängen (Kauffeld & Frieling 2004, 67). Somit kann unterschieden werden, ob sich die Attribution von Kompetenz auf die Messung von Persönlichkeitseigenschaften oder auf die Bewältigung von Anforderungssituationen bezieht. Erpenbeck und von Rosenstiel (2003) unterscheiden hierzu zwischen subjektzentriertem Betrachtungsfokus (Eigenschaftsdiagnostik) und handlungszentriertem Betrachtungsfokus (Verhaltensdiagnostik) (ebd., XXX). Analog werden auch im Rahmen der Machbarkeitsstudie für ein „Berufsbildungs-PISA“ zwei empirische Zugänge identifiziert:
84
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
• Bestimmung externer Tätigkeiten: Situationen bzw. Aufgaben und Anforderungen, die im derzeitigen und vermutlich zukünftigen Beruf/Berufsfeld charakteristisch sind. • Bestimmung interner Bedingungen: z. B. Wissen, Können, Motivation, Werte, Metakognition etc., die für die Expertise in einem bestimmten Beruf/Berufsfeld kennzeichnend sind (Baethge, Achtenhagen, Arends, Babic, Baethge-Kinsky & Weber 2006, 29). Wenngleich eine Beobachtung der Performanz im natürlichen Arbeitsumfeld aus verschiedenen Gründen problematisch erscheint (Lang-von Wins 2003, 597; Achtenhagen & Baethge 2007, 61f.; Achtenhagen & Beck 2007, 12), herrscht überwiegend Konsens, dass Kompetenzen auch in Testsituationen möglichst handlungszentriert, d. h. über konkrete Anforderungen, Aufgaben oder Problemstellungen i. S. v. Arbeitsproben zu erfassen sind (Bernien 1997, 19; Weiß, 1999, 482; Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XI; Straka 2003, 3; Breuer 2005, 25; Sloane & Dilger 2005, 6; Kaufhold 2006, 41; Achtenhagen 2007, 486; Schmid & Dinkelmann 2007, 24; Lehmann-Grube & Nickolaus 2009, 63).90 Je stärker sich domänenspezifische Merkmale der subjektiven und sozialen Handlungsräume realer Handlungssituationen auch in den zu diagnostischen Zwecken geschaffenen Handlungssituationen wiederfinden, desto stärker ähnelt die in diesen Situationen gezeigte Performanz derjenigen in der realen Domäne, d. h. desto valider sollte eine auf dieser Performanz beruhende Attribution von Kompetenz sein (vgl. Sembill 1992, 110; Lang-von Wins 2003, 597; Breuer 2005, 25; vgl. auch real world tasks der Forschergruppe um Shavelson; vgl. Klein, Benjamin, Shavelson & Bolus 2007, 21). Dennoch haftet einer vom realen Anwendungsbereich separierten Prüfung unweigerlich der Charakter einer Sondersituation an (Weiß 1999, 459). Zudem ist bei der Gestaltung von Testszenarien darauf zu achten, Handlungssituationen inhaltlich so zu gestalten, dass Kompetenz auch tatsächlich gefordert ist und zur Anwendung kommen kann (Kaufhold 2006, 24). Normierte und Position für Position abzuarbeitende Prüfungssituationen verlangen dagegen eine Performanz, die einem mechanisch abgeforderten Prüfungshandeln entspricht. Die in kleinschrittigen Prüfungssituationen sichtbaren Wissens- und Fertigkeitspositionen sind dabei bestenfalls als Qualifikationen zu bezeichnen (Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XI). Erpenbeck und von Rosenstiel unterscheiden diesbezüglich zwischen einer Attribution auf Grundlage konvergent-anforderungsorientierter Handlungssituationen, die unter handlungszentriertem Betrachtungsfokus lediglich eine 90 Dies erscheint schon deshalb angeraten, da die Gesamtheit der zur Bewältigung von Anforderungen sowie zur Regulation des eigenen Handelns und der damit verbundenen Folgeabschätzungen befähigenden Dispositionen teilweise verborgen, nicht beschreibbar und unbewusst ist (Bernien 1997, 24f.), ähnlich wie dies für Handlungsprozesse (vgl. Kapitel 2.2.3) sowie für mentale Modelle und subjektive Theorien (zsf. Kapitel 2.3.3) dargestellt wurde.
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
85
Attribution von Qualifikationen zulässt, und divergent-selbstorganisativer Handlungssituationen, welche die Grundlage einer Attribution von Kompetenz bilden (Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXX). Insofern stellt sich das Konstrukt der Kompetenz angesichts der vorgeschlagenen Systematik als Ausmaß fremdattribuierter domänenspezifischer Problemlösefähigkeit dar. Abbildung 2-13 gibt in Anlehnung an die zuvor skizzierte Synopse von Erpenbeck und von Rosenstiel (2003, XXX) die hieraus entstehende Matrix wieder, die einerseits der Abgrenzung des Kompetenzbegriffs gegenüber anderen Konstrukten dient und andererseits empirische Näherungen verdeutlicht.
86
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
1 Pawlik 1976, 13ff. und Schuler 2000, 67 (zitiert nach Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXIX; vgl. Schuler 1989, 406ff.) 2 Steyer & Eid 2001, 99ff. (zitiert nach Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXVIII) 3 Pekrun 2000, 335 (eigene Ergänzung) 4 Pekrun 1988, 37f. (eigene Ergänzung) 5 Hacker 2005, 660 6 Hacker 1973, 500 (zitiert nach Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXIX) 7 Teichler 1995, 501 (zitiert nach Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXIX; vgl. auch Reetz 1999, 38) 8 Schuler 2000, 228 (zitiert nach Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXVIII) 9 eigene Ergänzung
Abbildung 2-13:
Übersicht geläufiger Attributionsbegriffe im Kontext der Kompetenzdiskussion (in Anlehnung an Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XXX; Sekundarzitate und eigene Ergänzungen gemäß Fußnoten)
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
87
Vordergründig scheinen konvergent-anforderungsorientierte Situationen dem Aufgabenbegriff und divergent-selbstorganisative Situationen dem Problembegriff nach Dörner (vgl. Kapitel 2.2.2.3) zu entsprechen. Jedoch ergäbe sich sodann folgendes Paradox: Die auf umfangreicher Erfahrung in einer Domäne basierenden epistemischen Strukturen führten dazu, dass gerade sehr erfahrene Personen auch anspruchsvolle Handlungssituationen lediglich als Aufgabe wahrnähmen, die aus ihrer subjektiven Sicht folglich keine Problemlösefähigkeit erforderte. Somit würde es für kompetentere Personen zunehmend unmöglich, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen. Die Unterscheidung nach Erpenbeck und von Rosenstiel ist daher nur dann zielführend, wenn die Grenze zwischen konvergent-anforderungsorientierten und divergent-selbstorganisativen Situationen nicht der subjektiven Wahrnehmung des Handelnden unterliegt (wie in Kapitel 2.2.2.3 nach Dörner), sondern an einer extern definierten und möglichst akzeptierten Standardnorm festgemacht wird (zur Kompetenzmessung mittels Arbeitsproben vgl. auch Achtenhagen & Baethge 2007, 61). Zudem ist Kompetenz als dimensionales Konstrukt definiert, das zwischen der Abwesenheit (Inkompetenz) und der vollständigen Existenz ihrer konstituierenden Merkmale unterschiedliche Ausprägungsgrade aufweisen kann (Bergmann 2004, 20; Vonken 2006, 22; Klieme, Maag-Merki & Hartig 2007, 5), was wiederum eine Vergleichbarkeit voraussetzt. Die notwendige Setzung von Kompetenzniveaustufen im Rahmen der Testentwicklung kann präskriptiv (bspw. anhand einschlägiger Ordnungsmittel) oder empirisch bspw. durch Orientierung an einer Normstichprobe erfolgen.91 Im Ergebnis bleibt jedoch die Unklarheit darüber bestehen, ob eine bestimmte Kompetenzstufe aufgrund epistemischer oder heuristischer Kompetenz erreicht wurde (Kompensationseffekt von Teilkompetenzen; vgl. Lang-von Wins 2003, 587; Hacker 2005, 77). Eine Operationalisierung erscheint noch schwieriger, wenn in den folgenden Kapiteln emotional-motivationale Grundlagen und Selbstkonzepte als Teilbereiche der Kompetenz berücksichtigt werden. 2.3.4.4
Vernachlässigung emotional-motivationaler Grundlagen des Handelns
Im Rahmen weit gefasster Kompetenzdefinitionen, wie sie bspw. Erpenbeck und von Rosenstiel oder Weinert vertreten (vgl. Kapitel 2.3.4.1), wird eine Verbindung der Bereiche des Könnens und des Wollens propagiert, so dass auch Handlungsziele Bestandteil der Kompetenz sind und die Kombination „kompetent sein und nicht wollen“ keine zulässige Aussage darstellt (Vonken 2005, 53).92 Wissen stellt somit 91 Methodisch setzen genau hier die so genannten Rasch-Modelle an, die eine simultane Schätzung der durchschnittlichen Item-Schwierigkeit und der individuellen Bewältigungsfähigkeit zulassen. 92 Dies spricht für empirische Zugänge auf Basis divergent-selbstorganisativer Handlungssituationen (vgl. Abb. 17) mit ausreichendem Handlungs- und Entscheidungsspielraum bzw. auf Basis komplexer Probleme im Sinne Dörners (vgl. Kapitel 2.2.2.3). Denn je ziel-, weg- und ergebnisoffener diese
88
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung des Handelns dar (von Cranach & Bangerter 2000, 229). Dieser Aspekt scheint gerade im beruflichen Kontext von großer Bedeutung: So sind umfängliche Handlungssequenzen (i. S. v. Tätigkeiten; vgl. Kapitel 2.1.2) i. d. R. an distalen Zielfestlegungen der Organisation ausgerichtet, doch werden einzelne (Teil-)Handlungen anhand persönlicher Standards bewertet (Nerdinger 1995, 139). Dies wird besonders im arbeitspsychologischen Begriff der persönlichen Initiative (personal initiative) deutlich, der ein proaktives, eigeninitiatives und problemlösendes Arbeitshandeln meint, das durch selbst gewählte, organisationskonforme Ziele sowie weit reichende Antizipation und Planung gekennzeichnet ist (Fay & Frese 2001, 98). Empirische Studien belegen die Bedeutsamkeit solchen Handelns: „Work performance has usually been seen to be simply performance on work tasks. Our results suggest that an active approach to work tasks is important as well“ (ebd., 120). Für extraproduktives, d. h. über die formalen Anforderungen hinausgehendes Arbeitsverhalten hat sich der Begriff des Organizational Citizenship Behavior (OCB) etabliert (Nerdinger, Blickle & Schaper 2008, 447). Das Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass jede Organisation über die Befolgung formaler Verhaltensregeln hinaus auf die alltägliche, nicht kodifizierte Kooperation und Hilfsbereitschaft, auf Gesten des guten Willens und Altruismus ihrer Mitglieder angewiesen ist (Smith, Organ & Near 1983, 653). Es handelt sich dabei um ein produktives Arbeitsverhalten, das weder aufgrund formaler Rollenvorschriften einklagbar noch extrinsisch durch erwartete betriebliche Belohnungen motiviert, sondern vielmehr selbstbestimmt, intrinsisch motiviert ist (Nerdinger, Blickle & Schaper 2008, 448).93 Bedeutsam für berufliches Handeln sind daher nicht nur zertifizierbare, explizite Wissensbestände (i. S. v. Qualifikationen), sondern Kompetenzen, die darüber hinaus „... (i) nichtexplizites Wissen in Form von Emotionen, Motivationen, Einstellungen, Fähigkeiten, Erfahrungen und Willensantrieben sowie (ii) zu Emotionen und Motivationen verinnerlichte (interiorisierte) Werte und Normen“ (Erpenbeck & von Rosenstiel 2003, XII) enthalten. Auch Hacker (1996 et passim) unterstreicht als einen zentralen Befund seiner Studien im Bereich der Expertiseforschung, dass Ziele bzw. Intentionen zentrale Expertisemerkmale sind (Hacker 1996, 10; 2005, 814). Wenn Kompetenz nach Frey und Problemszenarien gestaltet sind, desto eher erfordern bzw. ermöglichen sie die Berücksichtigung des Wollens. Folgt man einem solchen Begriffsverständnis, so stellt sich die Frage, inwieweit die vorherrschenden Operationalisierungen in Large-Scale-Assessments (PISA, TIMSS etc.) nicht eher dem Bereich der weiter oben definierten Qualifikationen zuzuordnen wären. Komplexere Problemszenarien werden derzeit von den Forschergruppen um Achtenhagen und Nickolaus in Vorbereitung eines Large-Scale-Assessments im berufsbildenden Bereich (VET-LSA) entwickelt und erprobt (vgl. Achtenhagen & Winther 2009; Nickolaus, Gschwendtner & Geissel 2008). 93 Als ähnliche Konzepte extraproduktiven Verhaltens sind über die genannten Konzepte hinaus noch zu nennen: prosoziales Verhalten, eigenverantwortliches Verhalten, Commitment, contextual performance, organizational spontaneity, Intrapreneurship, freiwilliges Arbeitsengagement etc. (Neuberger 2006, 60).
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
89
Balzer beschreibt, inwieweit jemand “... eine Absicht, ein Ziel oder einen Zweck unter Beachtung von Handlungsprinzipien, Werten, Normen und Regeln, mit Bezug auf konkrete, die jeweilige Handlungssituation bestimmende Bedingungen, zu erreichen vermag” (2005, 33), dann sind folglich die der Absichtsgenese zugrunde liegenden individuellen Wertehierarchien und Motiv-Bedürfnis-Lagen als Bestandteil der Kompetenz hinzuzudenken. Nach Frei stellen Kompetenzen die Verkörperung von Intentionen (hier als unspezifischer Sammelbegriff für Bedürfnisse, Motive, Ziele etc. verwendet) dar, die sich ontogenetisch in einem gewissen Vorlauf gegenüber der Kompetenz entwickeln und sich dabei – so es die materiellen Umstände erlauben – zunehmend von den existentiellen Bedürfnissen entfernen (Frei 1982, 105f.). Befunde aus der Expertiseforschung zeigen, dass sich Domänenexperten insbesondere durch die Bereitschaft auszeichnen, sich häufiger komplexen Problemsituationen auszusetzen (Selbsterklärung der Zuständigkeit schlecht definierter, neuer Arbeitsaufgaben). Dadurch schaffen sie sich ein umfangreiches Erfahrungsfeld, das größere Lernpotenziale birgt (Bergmann 2000, 141). Eine domänenübergreifende Tendenz zur Auseinandersetzung mit problemhaltigen Situationen kommt in der allgemeinen Persönlichkeitseigenschaft des Bedürfnisses nach kognitiv stimulierenden Aufgaben (need for cognition) zum Ausdruck (Cacioppo, Petty, Feinstein, Blair & Jarvis 1996). Zudem erweist sich auch die Persönlichkeitseigenschaft Gewissenhaftigkeit gemäß Muck (2006) als valider Prädiktor für proaktives, eigeninitiatives Arbeitshandeln (ebd., 545), begünstigt zugleich aber auch eine lernhinderliche Selbsttäuschung (self-deception) in Form unbewussten Kompetenzschutzes (Martocchio & Judge 1997, 769; zu Maßnahmen des Kompetenzschutzes vgl. Kapitel 2.2.2.3). Die genannten Beispiele verweisen auf die fließenden Übergänge zwischen domänenspezifischer Kompetenz und allgemeinen Persönlichkeitseigenschaften. 2.3.4.5
Realistisches Selbstbild als Bestandteil von Kompetenz
Handlungserfahrungen führen auf Dauer zu einem reflektierten Selbstbild in Form einer inneren Konzeption der handlungsrelevanten Vorstellungen, Einstellungen, Bewertungen, Urteile und Einschätzungen (Hurrelmann 1986/2001, 167). Ein solches Selbstbild entsteht aus der Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Selbstreflexion eigener Handlungskompetenzen und ist idealerweise realistisch und positiv getönt (ebd., 168ff.). Hierbei handelt es sich stets um individuelle Beurteilungen situativer Gegebenheiten, die auch von individuellen Attributionsmustern abhängig sind (Heckhausen 1980, 620). So macht es bspw. etwas für die Selbstbewertung aus, ob die Aufgabe als zu leicht, zu schwer, vorwiegend fähigkeits-, anstrengungs- oder zufallsabhängig erscheint (ebd., 620). „Wenn ein Mensch viele erfreuliche Erfahrungen gemacht hat und wenn er viele dieser Erfahrungen persönlichen Vorzügen zuschreiben kann, wird sein Selbstvertrauen gestärkt“
90
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
(Brandstätter 1991, 218). Das Selbstbild stellt somit den dispositionalen Kern der von Dörner als State-Variable definierten aktuellen Kompetenz (vgl. Kapitel 2.2.2.3) dar. Ähnliche Konstrukte sind die Trait-Selbstwirksamkeitserwartung nach Bandura (1977) oder auch das Selbstkonzept der Forschergruppe um Shavelson (Shavelson, Hubner & Stanton 1976). In einer Metaanalyse über 114 Studien mit mehr als 21.000 Untersuchungsteilnehmern erweisen sich entsprechende Konstrukte als zuverlässiger Prädiktor für arbeitsbezogene Leistungen (Stajkovic & Luthans 1998, 246). Ferner begünstigt ein positives Selbstbild auch den weiteren Kompetenzerwerb: Es fördert proaktives Verhalten, das Setzen ambitionierter Ziele und höhere Risikobereitschaft, was wiederum weitere Lernpotenziale eröffnet (Eraut 2004c, 52). Kompetenz umfasst also nicht nur die objektiv vorhandenen mentalen Modelle (vgl. Kapitel 2.3.1), sondern darüber hinaus auch das entsprechend positive Selbstbild ebendieser Merkmale (vgl. auch Kapitel 2.3.2). „Das Prädikat handlungskompetent ist nur dann akzeptabel, wenn die Bedingungen objektive und subjektive Kompetenz sowie Kongruenz der Kompetenzen gemeinsam erfüllt sind“ (Sembill 1992, 114; vgl. auch Flothow 1991, 176; Weiß 1999, 480). Können und Wollen sind keine hinreichenden Kriterien der Kompetenz, wenn das nötige Zutrauen in die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten (zu Unrecht) nicht gegeben ist (vgl. Sembill 1992, 106; Kuhl 1992, 106). 2.3.5
Arbeitsdefinition des Kompetenzbegriffs
Als Resümee der vorangegangenen Ausführungen sind folgende Kernbereiche personaler Handlungsvoraussetzungen herauszustellen, die jedoch nicht als disjunkt aufzufassen, sondern vielmehr als idealtypische Akzentuierungen eines komplexen Aggregats zu verstehen sind: (1) Kontextspezifische Intentionen auf Basis von individuellen Wertehierarchien, Motiven und Bedürfnissen (emotional-motivational akzentuierter Bereich; Wollen). (2) Kontextspezifische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten (kognitiv akzentuierter Bereich; objektive Kompetenz; Weltbild; Können). (3) Kontextspezifische Selbstkonzepte in Bezug auf (1) und (2) (sozial akzentuierter Bereich; subjektive Kompetenz; Selbstbild; Zutrauen). Es darf zudem angenommen werden, dass Erwerb, Ausprägung und Anwendung dieser Handlungsvoraussetzungen wiederum durch handlungsfernere und kontextunspezifischere (d. h. allgemeinere) Persönlichkeitseigenschaften beeinflusst werden. Hierunter sind bspw. Intelligenz, die so genannten Big Five (Neurotizismus, Extra-
2.3 Kompetenz als personale Voraussetzung von Handeln
91
version, Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit)94, allgemeine Selbstwirksamkeit, Ausprägungen allgemeiner Leistungs-, Macht- und Anschlussmotive etc. zu nennen.95 So berichten Tett, Jackson und Rothstein (1991) aus einer Meta-Analyse von 97 Stichproben (Gesamtsample: n = 13.521) nach doppelter Minderungskorrektur96 beachtliche mittlere Zusammenhänge zwischen den Big Five und der Arbeitsleistung in Höhe von .155 ≤ rmind.doppelt ≤ .326, wobei Neurotizismus einen negativen Zusammenhang (rmind.doppelt = -.223) aufweist (ebd., 726).97 Über die kontextspezifische Kompetenz im engeren Sinn hinaus stellen Persönlichkeitseigenschaften daher einen Teilbereich der Kompetenz im weiteren Sinn dar. Abbildung 2-14 stellt die personalen Einflussfaktoren des sukzessiv zu entwickelnden Rahmenmodells grafisch dar.
Abbildung 2-14:
Arbeitsdefinition des Kompetenzbegriffs im engeren und weiteren Sinn
94 „Wohl kaum ein Persönlichkeitsmodell hat in den letzten Jahrzehnten so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie die sog. Big Five. Hintergrund des Modells ist ... ein methodisches Vorgehen nach dem psycho-lexikalischen Ansatz“ (Kanning 2009, 194). 95 Berufsbezogene Persönlichkeitseigenschaften, wie sie bspw. im Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP; Hossiep & Paschen 2003) erfasst werden, stellen eine arbeitsweltspezifische Konkretisierung allgemeiner Persönlichkeitseigenschaften (bspw. Big Five) dar. Ferner ist die berufliche Selbstwirksamkeit (Abele, Stief & Andrä 2000) als arbeitsweltspezifische Konkretisierung des auf Bandura zurückgehenden Selbstwirksamkeitsbegriffs anzusehen. 96 Die Minderungskorrektur von Korrelationen dient deren Vergleichbarkeit in unterschiedlichen Stichproben, indem unterschiedlich hohe Messfehler (Reliabilitäten) berücksichtigt werden. Dazu wird der unkorrigierte r-Wert durch die Wurzel aus dem Produkt der Reliabilitäten von Prädiktor und Kriterium geteilt. Die Korrelation wird hierdurch aufgewertet (Bühner 2006, 135f.; Herv.: A.R.). 97 Weitere Befunde, die sich speziell auf den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und der Arbeitsleistung von Verkaufspersonal beziehen, finden sich in Kapitel 5.3.1.1 im Rahmen der Beschreibung des Untersuchungsfelds Einzelhandel.
92 2.4
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
Ein Definitionsmerkmal von Kompetenz besteht in deren grundsätzlicher Veränderlichkeit (vgl. Kapitel 2.3.4.1). Diese Veränderlichkeit bezieht sich insbesondere auf die o. a. Kompetenz im engeren Sinn, gilt aber auf lange Sicht ebenso für relativ stabile Persönlichkeitsmerkmale bzw. deren variable Anteile. Kompetenzentwicklung ist somit die Folge von Lern- und Entwicklungsprozessen (Reetz 1999, 38f.; zu Lernen und Entwicklung vgl. auch Kapitel 2.1.3), die eine „... Veränderung von subjektiven Potentialen – das heißt von Mustern des Wahrnehmens und Deutens sowie der kognitiven und emotionalen Verarbeitung von (objektiven) Umweltbedingungen [und] des hierauf bezogenen (reaktiven) Verhaltens und (aktiven sowie interaktiven) Handelns [umfassen]“ (Lempert 2000, 129f.). Unter der Perspektive des Forschungsprogramms Subjektive Theorien lässt sich Lernen als die Neu- und Umkonstruktion subjektiver Theorien begreifen (Schlee 1998, 68).98 In Analogie zur Veränderung wissenschaftlicher Theorien (vgl. Kuhn 1967) unterscheidet Schlee auch bei der Veränderung subjektiver Theorien zwischen drei auf einem Kontinuum anzusiedelnden Modellen: (1) Das kumulative Modell entspricht dem Erwerb neuen Wissens als Ergänzung bereits vorhandenen Wissens. (2) Das evolutionäre Modell meint die Entwicklung konkurrierender Teiltheorien, von denen sich die erklärungsstärkere durchsetzen wird. (3) Das revolutionäre Modell beschreibt einen radikalen Wandel der Sichtweisen und Einstellungen, die gleichbedeutend mit tief greifenden Persönlichkeitsänderungen sind. Derlei Veränderungen gehen häufig mit Orts-, Kultur- und/oder Statuswechseln einher. In konkreten Lebensvollzügen ist davon auszugehen, dass die drei idealtypischen Veränderungsmodelle nicht eindeutig zu trennen, sondern vielmehr als ineinander verwoben zu betrachten sind (ebd., 68f.; vgl. auch Groeben & Scheele 1977, 95f.). Analog unterscheiden Hacker und Skell (mit Verweis auf Norman 1982) den Zuwachs, die Verfeinerung und die Neuordnung verhaltenswirksamen Gedächtnisbesitzes (1993, 21). Sowohl im Bereich schulischen Lernens als auch in der Entwicklung beruflicher Expertise wird dem evolutionären Modell bzw. der Verfeinerung die größte Bedeutung zugeschrieben (Boshuizen & Schmidt 1992, 179; Bromme & Tillema 1995, 266; Stern 2006, 49; Oerter 2007 122). Subjektive Theorien entstehen und verändern sich aufgrund von Erfahrungen (i. S. e. Prozesses; vgl. Kapitel 2.1.3), die stets eine Auseinandersetzung mit der Umwelt auf Basis der bereits vorhandenen Erfahrungen (i. S. e. Produkts; vgl. Kapitel 2.1.3) sind. Die Entstehung und Veränderung dieser Erfahrungsbasis muss dabei nicht unbedingt bewusst erfolgen (Schwarzer & Schwarzer 1982, 70), so wie auch die dispositionalen Handlungsvor98 Ebenso wird im Rahmen der so genannten Conceptual Change Theories Wissenserwerb als die Restrukturierung der zugrunde liegenden Konzeptionen (Vorstellungen i. S. v. Weltbildern) aufgefasst (Vosniadou 1992, 347), die sich in der Veränderungsmessung von Konstrukten wie Wissen oder Überzeugungen operationalisieren lässt (Murphy & Alexander 2008, 584).
2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
93
aussetzungen unbewusst sein können (vgl. Kapitel 2.3.3). Differenziert man zusätzlich anhand des Zeitpunkts des Bewusstwerdens von Lernprozessen und Lernresultaten zwischen vor, während und nach dem Lernen, so ergibt sich – inklusive der Variante des Unbewusstbleibens – die in Abbildung 2-15 dargestellte 16-Felder-Matrix denkbarer Kombinationen nach Simons (2005, 41ff.).99
Abbildung 2-15:
Phasen des Bewusstseins von Lernprozessen und Lernresultaten (Simons 2005, 43)
Im Folgenden werden zunächst bewusste und unbewusste Lernprozesse unterschieden (Kapitel 2.4.1). Im Anschluss daran wird Lernen als bewusstes Problemlösen beschrieben (Kapitel 2.4.1.1), bevor mit Lernen als Routinisierung und Lernen als Selbstreflexion von Routinen Verschiebungen auf der Bewusstseinsebene diskutiert werden (Kapitel 2.4.1.2). Kapitel 2.4.1.3 dient einer Gegenüberstellung der dargestellten Lernprozesse. Abschließend werden Einflüsse subjektiver Lerntheorien (Kapitel 2.4.2) und Aspekte der Feedbackverarbeitung (Kapitel 2.4.3) erörtert. 2.4.1
Bewusstseinsnähe von Lernprozessen
Inwieweit ein Lernprozess bereits im Vorfeld als solcher wahrgenommen wird, äußert sich in der einer Handlungssituation vorausgehenden Absicht. Auf Basis der jeweils dominanten Absicht unterscheiden verschiedene Autoren zwischen Lernund Arbeitssituationen (Kell 1989, 16ff.) bzw. zwischen selbstgerichtetem Lernhandeln und umweltgerichtetem Arbeitshandeln (Dulisch 1986, 43; Achtenhagen, Tramm, Preiß, 99 Allerdings scheinen nicht alle Kombinationen in gleichem Maße interpretierbar. So fällt es bspw. schwer, Beispiele für einen zu keinem Zeitpunkt bewussten Lernprozess (erste Zeile) zu konstruieren, in dessen Verlauf das Lernresultat bewusst wird (dritte Spalte). Dies könnte lediglich dann der Fall sein, wenn bspw. ein auf institutionalisierte Lernprozesse und -resultate verengtes Lernverständnis vorläge, wie es Eraut (2000, 119; 2004b, 249) aus Interviewstudien berichtet.
94
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Seemann-Weymar, John & Schunk 1992, 83) bzw. Lern- und Arbeitstätigkeiten (Lompscher 1981, 441; Schurer 1984, 58f.; Hacker & Skell 1993, 18). In Lernsituationen bzw. beim Lernhandeln ist die Absicht dominant, die Situation bewusst und zielgerichtet zur Veränderung der eigenen Person zu nutzen (Kell 1989, 16). Volpert (1974) spricht hierbei von Handeln in zweiter Dimension, dessen Ziel die unmittelbare oder mittelbare Verbesserung weiterer Handlungen ist (ebd., 10). In der englischsprachigen Literatur ist hierzu oft die Bezeichnung deliberate learning gewählt, womit ebenfalls auf die Intentionalität verwiesen wird (Doornbos, Bolhuis & Simons 2004, 264). In Arbeitssituationen wird dagegen die Veränderung der materiellen oder sozialen Umwelt als dominantes Anliegen wahrgenommen, wenngleich die Unterscheidung als Kontinuum aufzufassen ist, das auch eine Gleichzeitigkeit (als Idealfall) nicht ausschließt (Kell 1989, 16). Verschiebungen auf dem Kontinuum zwischen Lern- und Arbeitssituationen gehen folglich mit dem Wechsel der zugrunde liegenden Handlungsziele bzw. Absichten einher (vgl. Situationswechsel nach Beck 1996 in Kapitel 2.2.2.1). Hierbei ist zu betonen, dass es stets um die Lernziele des handelnden Subjekts geht und nicht um etwaige Lehrziele anderer an der Situation beteiligter Personen (Simons 2000, 28f.). Lernen kann jedoch, gleichgültig welche ursprünglichen Ziele dem Handeln zugrunde lagen, grundsätzlich von jeglichem Handeln ausgehen, sofern es mit dauerhaften Rückwirkungen auf die Gedächtnisstrukturen verbunden ist. Dies begründet sich in dem handlungstheoretischen Postulat, wonach jeder Handlungsverlauf auf Basis interner Repräsentationen antizipiert und gesteuert wird. Diese inneren Abbilder nehmen im Verlauf der Handlung den Charakter von Hypothesen an, deren Realitätsangemessenheit je nach Erfolg oder Misserfolg zu Verfestigungen, Um- oder Neustrukturierungen führt (Dulisch 1986, 149). Der Lerner erhält subjektiv bedeutsame Informationen, die eine Weiterentwicklung seiner Kompetenz ermöglicht (Achtenhagen, Tramm, Preiß, Seemann-Weymar, John & Schunck 1992, 83; Eraut 2000, 134). Somit wird über die Strukturgleichheit von Handeln und Denken (vgl. Kapitel 2.1.3) hinaus auch die Strukturgleichheit von Handeln und Lernen deutlich (Volpert 1974, 108). Inwieweit dieser Prozess des Kompetenzerwerbs einer begleitenden und/oder nachträglichen Reflexion unterliegt, spiegelt sich in der Unterscheidung zwischen informellem und beiläufigem Lernen nach Marsick & Watkins (1990, 12) wieder. Von bewusstem informellem Lernen sprechen die Autorinnen, wenn Handlungsprozesse auch als Lernprozesse wahrgenommen und reflektiert werden, während beiläufiges Lernen das unbewusste und unreflektierte „Nebenprodukt“ (ebd., 12; vgl. auch Dulisch 1986, 149; Eraut 2004b, 250; Simons 2005, 49) eines konkreten Handlungsvollzugs darstellt. Der Grad der Reflexion wird als Kontinuum aufgefasst und beiläufiges Lernen als (unreflektierter) Sonderfall des informellen Lernens betrach-
2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
95
tet (Marsick & Watkins 1990, 12; Watkins & Marsick 1992, 290).100 Berings, Doornbos und Simons (2006) verwenden hierfür den Begriff des spontanen Lernens (spontaneous learning), das anhand fehlender Lernabsicht vom o. a. deliberate learning abgegrenzt wird (ebd., 333). Eraut (2004b) schlägt eine Typologie informellen Lernens anhand des Bewusstseinsgrades des Handelns vor (ebd., 250): (1) Deliberative learning steht hier als Klammer für bewusstseinspflichtige Planungs-, Entscheidungs- und Problemlöseprozesse, die sowohl dem Ziel des Lernens (vgl. Lernhandeln) als auch dem Ziel der Anwendung (vgl. Arbeitshandeln) dienen können. Es handelt sich somit um eine begriffliche Ausweitung des o. a. deliberate learning, das die Verfolgung bewusster Lernziele meint (Lernhandeln) um bewusstseinspflichtiges Arbeitshandeln als „... engagement in deliberative activities such as planning and problem solving, for which there is a clear work-based goal with learning as a probable by-product” (Eraut 2004b, 250; Herv.: A.R.). (2) Reactive learning bezeichnet bewusstseinsfähige Lernprozesse, die spontan und ungeplant erfolgen. (3) Implicit learning bezeichnet nicht bewusstseinsfähige Lernprozesse, die in jedem Erfahrungsprozess (zusätzlich) auftreten können. „Most learning from experience has some implicit aspects, and … awareness of explicit learning does not mean that implicit learning is not also taking place” (Eraut 2004b, 250). Die Typologie entspricht den in Kapitel 2.2.2.4 dargestellten Bewusstseinsebenen nach Leventhal und Scherer bzw. Hacker (vgl. Abbildung 2-8) und findet sich als zweipoliges Kontinuum auch in dem in Kapitel 2.2.3 dargestellten allgemeinen Handlungsmodell wieder (vgl. Abbildung 2-11). In diesem Zusammenhang wurde für Handlungsprozesse herausgestellt, dass bewusstes Handeln stets auch unbewusste Anteile umfasst, so wie Eraut dies im obigen Zitat auch für Lernprozesse postuliert (vgl. auch Dewey 1938; Berry 1987, 145; Hacker 1996a, 781).101 Als Beispiel für dieses beiläufige bzw. implizite Lernen nennt Simons (2000) die Internalisierung der Unternehmenskultur in Gesprächen mit Kollegen (ebd., 28). Hier werden Bezüge zur Sozialisationsforschung und Entwicklungspsychologie deutlich (Dulisch 1986, 149; Livingstone 1999, 68; ; vgl. auch Internalisierungsprozess im Rahmen der organismic integration theory in Kapitel 2.2.2.2), wobei im deutschsprachigen Raum insbesondere Lempert hervorzuheben ist, der „... am Beispiel der Soziali100 Definitionen und Abgrenzungen formellen und informellen Lernens sind jedoch keineswegs einheitlich. Ansätze anderer Autoren, die sich stärker am Lernortkonzept als am Handlungsbegriff orientieren, werden im dritten Kapitel aufgegriffen und verglichen. 101 „There is some kind of continuity in any case since every experience affects for better or worse the attitudes which help decide the quality of further experience, by setting up certain preference and aversion, and making it easier or harder to act for this and that end“ (Dewey 1938/1997, 37). „Die Regeln wurden oftmals auch nicht anfänglich bewußt erworben und dann allmählich psychisch automatisiert, sondern von Anfang an unbewußt angeeignet“ (Hacker 1996a, 781).
96
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
sation in der Arbeit erstmals auf die ... akkommodativen Tendenzen eines primär assimilativen Arbeitshandelns aufmerksam machte“ (Schurer 1991, 134f.; vgl. Lempert 1979, 89). Abbildung 2-16 zeigt eine adaptierte und um Begriffsverwendungen weiterer Autoren ergänzte Matrixdarstellung nach Eraut (2004b, 250), in der zusätzlich nach dem zeitlichen Fokus des zugrunde liegenden Handelns unterschieden wird und somit konkrete Beispiele für die von Simons (2005) lediglich konzeptionell vorgeschlagene zeitliche Perspektive (vgl. Abbildung 2-15) aufgezeigt werden.
1 2 3
vgl. Bewusstseinsebenen nach Leventhal & Scherer (1987) vgl. Bewusstseinsebenen nach Hacker (1978, 104) vgl. Bewusstseinsebenen nach Eraut (2000, 129)
Abbildung 2-16:
Typologie des Lernens anhand von Bewusstseinsnähe und zeitlichem Fokus (in Anlehnung an Eraut 2000, 116; 2004b, 250; Übers.: A.R.)
Analog zum entwickelten Handlungsmodell (vgl. Abbildung 2-11 in Kapitel 2.2.3) lassen sich somit auch die dem Lernen zugrunde liegenden Handlungen auf einem Kontinuum zwischen Problemlösen und Routinehandeln verorten. 2.4.1.1
Lernen durch Problemlösen
Problemsituationen zeichnen sich dadurch aus, dass die Umsetzung von Intentionen nicht gelingt bzw. zu scheitern droht (Funke 2003, 99). Die epistemische Kom-
2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
97
petenz (das Weltbild) reicht zur Bewältigung der aktuellen Situation nicht aus, so dass heuristische Verfahrensweisen zum Auffinden bislang unbekannter Handlungsentwürfe zum Einsatz kommen (vgl. Kapitel 2.2.2.3). Problemlösendes Denken erfolgt, um Lücken in einem Handlungsplan zu füllen, der nicht routinemäßig eingesetzt werden kann. Dazu wird eine gedankliche Repräsentation erstellt, die den Weg vom Ausgangs- zum Zielzustand überbrückt (vgl. Probehandeln in Kapitel 2.1.3). Der Hinweis auf fehlende Handlungsroutinen verweist – in Abgrenzung zu reproduktiven Prozessen der Aufgabenbearbeitung – auf den konstruktiven Charakter des Problemlösens und macht zugleich „... auch deutlich, dass große Teile dieses Denkens (nicht alle!) Bewusstheit voraussetzen“ (Funke 2003, 25). Dörner unterscheidet je nach Problemhaltigkeit der Handlungssituation drei verschiedene Wege zur Umsetzung einer Absicht: (1) Aufruf von Automatismen als feste, im Langzeitgedächtnis gespeicherte und bewährte Verhaltensweisen, (2) Geplantes Handeln auf Basis einer Rekombination vorhandenen Wissens mit (noch) unsicherem Wirkungsgrad und (3) Exploration als gezielte Entwicklung neuer Handlungsentwürfe (Dörner 2008a, 478ff.). Dörner bezieht sich hierbei auf das Regulationsebenenmodell von Rasmussen (1983, 258), das eine Unterscheidung von fertigkeitsbasiertem102 (skill-based), regelbasiertem (rule-based) und wissensbasiertem103 (knowledge-based) Handeln vorsieht. Als charakteristisch für Problemlöseprozesse erachtet er den ständigen Wechsel der Ebenen, den er bildhaft als Auf- und Absteigen auf der Rasmussen-Leiter bezeichnet (Dörner 2008a, 510). Im Rahmen explorativen Vorgehens entstehen neue Handlungsentwürfe durch Denken als planerische Kombination vorhandener Schemata auf Basis unsicherer Annahmen und durch exploratives Handeln als Sammeln realer Erfahrungen (Dörner 2008a, 478f.). Als günstige Voraussetzungen für das Aneignen zweckmäßiger HAB (handlungsleitende psychische Abbilder, vgl. Kapitel 2.3.1) nennt Hacker an erster Stelle „... ein aktiv-erkundendes, hypothesenbildendes und hypothesenprüfendes Erlernen von Tätigkeiten“ (1996a, 785). Das Sammeln realer Erfahrungen im Handlungsfeld kann aber auch als passives Erkunden im Sinne einer Beobachtung anderer Handlungssubjekte erfolgen (Dörner 2008a, 507). Ferner können zwei weitere Formen der Informationsbeschaffung ergänzt werden: Bidirektionale Kommunikation mittels direkter Befragung anderer Personen (vgl. auch Dörner 2008a, 676) und Recherche in kodifizierten Problemlösungen (z. B. Handbücher, 102 Während Dörner die Übersetzung fähigkeitsbasiert wählt, scheint fertigkeitsbasiert (vgl. Übersetzung von Schmidt 2007, 853) auch im Hinblick auf die Begriffsdefinition von Fertigkeiten „als automatisierte Tätigkeitskomponenten“ nach Hacker sowie Erpenbeck und von Rosenstiel (vgl. Abbildung 2-13 in Kapitel 2.3.4.3) passender: „Skill-based behavior represents a sensory-motor performance ... which take place without conscious control as smooth, automated, and highly integrated patterns of behavior“ (Rasmussen 1983, 258). 103 Zu Recht weist Dörner darauf hin, dass der Ausdruck wissensbasiertes Verhalten hier eine Fehlbezeichnung ist, da das vorhandene Wissen ja gerade nicht ausreicht (Dörner 2008a, 509f.).
98
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Hilfefunktionen, Dienstanweisungen, Montageanleitungen etc.104) im Sinne unidirektionaler Kommunikation (vgl. Hofinger 2008, 133). Zur Klassifizierung der verschiedenen Informationsquellen dienen die Ausführungen von Hacker und Skell, wonach Lernen durch die Auswertung vorgängig gesammelter Erfahrungen oder die Auswertung gedanklich vorweggenommener Handlungsvorstellungen möglich ist und der Gedächtnisbesitz in beiden Fällen aus der Auswertung eigenen Handelns oder dem gedanklich nachvollzogenen Handeln anderer Personen erwächst (1993, 21). Abbildung 2-17 zeigt eine eigene Klassifizierung und Ergänzung der bei Dörner genannten Varianten explorativen Vorgehens, die im Folgenden erläutert wird.
Abbildung 2-17:
Quellen problemlösender Handlungsentwürfe (eigene Darstellung und Ergänzung in Anlehnung an Hacker & Skell 1993, 21 und Dörner 2008a)
Zunächst ist herauszustellen, dass Probehandeln auf einem eigenen Modell der Realität (in Abbildung 2-17 oben links) sowohl den Ausgangs- als auch den Endpunkt allen problemlösenden Denkens darstellt. Hier spiegelt sich die ‚RasmussenLeiter’ wider: Die Feststellung, dass keine geeigneten Handlungsroutinen vorliegen, führt zu bewussten Konstruktionsversuchen zielführender Handlungsentwürfe und stellt somit den Ausgangspunkt dar. Reicht jedoch eine Manipulation des eigenen Modells nicht aus, müssen neue Informationen in das eigene Modell integriert werden. Dazu stehen folgende Informationsquellen zur Verfügung: 104 Hierunter könnten auch verbale Belehrungen gefasst werden, die ebenfalls Problemlösungen anderer Personen enthalten, sich von den anderen Beispielen jedoch durch ihre Flüchtigkeit unterscheiden. Ein passives Belehrtwerden bei fehlender Rückmeldung aus eigenaktiver Betätigung wird zudem als eher ungünstige Voraussetzung für den Erwerb von HAB gesehen (HACKER 1996a, 785).
2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
99
• Experimentieren: Durch versuchsweises Einwirken in das Handlungsfeld und/oder Beobachtung eigendynamischer Prozesse in Handlungsfeldern werden Erfahrungen ermöglicht, deren Interpretationen der Erweiterung, Änderung, Verfeinerung und/oder Prüfung des eigenen mentalen Modells dienen.105 • Passives Beobachten: Die Erweiterung, Änderung, Verfeinerung und/oder Prüfung des eigenen mentalen Modells basiert auf der Interpretation des Problemlöseverhaltens anderer Personen im Handlungsfeld. • Befragung und Recherche: Im Unterschied zu den beiden vorgenannten Informationsquellen handelt es sich hierbei nicht um direkte Praxiserfahrungen, sondern um die von anderen Personen kommunizierten Realitätsabbildungen, die wiederum der Erweiterung, Änderung, Verfeinerung und/oder Prüfung des eigenen mentalen Modells dienen. Letztlich dienen alle o. a. Informationsquellen der Verbesserung des eigenen mentalen Modells (der subjektiven Theorie) und der daraus generierbaren Handlungsentwürfe (Probehandeln). Die aufgeführten Quellen problemlösender Handlungsentwürfe sind m. E. als vollständig aufzufassen, sofern mögliche Kombinationen ebenfalls berücksichtigt werden. Reicht die Erweiterung, Änderung, Verfeinerung und/oder Prüfung des eigenen mentalen Modells schließlich aus, um die Problemsituation zu bewältigen und ist die Modifikation des mentalen Modells (der subjektiven Theorie) von Dauer, so ist von Lernen zu sprechen. Das Individuum steigt – um im Bild der Rasmussen-Leiter nach Dörner zu bleiben – eine Sprosse hinab und bewältigt die Situation zukünftig durch geplantes Handeln ohne weitere Exploration. Lernen als Veränderung der Handlungsgrundlagen kann aber auch darin bestehen, dass erfolglose Problemlöseversuche gespeichert und in Zukunft vermieden werden (vgl. negatives Wissen; Gartmeier, Bauer, Gruber & Heid 2008). Darüber hinaus können die Bewertungen der Ist-Soll-Diskrepanz dahingehend geändert werden, dass ein Problem schlicht wegdefiniert wird. Im letzteren Fall verändern die Lernprozesse den emotional-motivational akzentuierten Bereich der Handlungsgrundlagen (vgl. Kapitel 2.3.5). 2.4.1.2
Lernen als Routinisierung und Reflexion von Routinen
Werden konkrete Handlungsentwürfe wiederholt in die Tat umgesetzt, so findet eine allmähliche Routinisierung statt, die einem weiteren Absteigen auf der RasmussenLeiter entspricht. Bereits Ach (1910) hebt hervor, dass der Mensch ein Gewohnheitstier 105 Die reine Beobachtung des Geschehens in eigendynamischen Handlungsfeldern kann hier als Überprüfen der Unterlassensalternative verstanden werden.
100
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
sei, da der Handlungsablauf zumeist rein assoziativ erfolge. „Auch die Handlungen, welche ursprünglich auf einen energischen Willensakt zurückgehen, werden durch die Wiederholung in ihren einzelnen Abschnitten durch Assoziationen verbunden und verlaufen dann infolge der Übung automatisch“ (Ach 1910, 16; vgl. Ciompi 2007, 27f.106). Routinebildung führt dazu, dass aus einer früher selbstständigen Handlung mittels Automatisierung eine Operation, d. h. ein unselbstständiger, nicht bewusstseinspflichtiger Bestandteil einer übergeordneten Handlung wird (vgl. hierarchisch-sequenzielle Handlungsregulation in Kapitel 2.1.2). Ursprünglich echte Entscheidungsleistungen werden durch reine Abruffunktionen ersetzt (Franke 1999, 496; vgl. Abbildung 2-5 in Kapitel 2.2.1.4). Dies führt zu einer Entlastung des kapazitätsbegrenzten Bewusstseins (vgl. Kapitel 2.2.1.2). Die gewonnene Kapazität kann dazu eingesetzt werden, dass entweder die Planungsweite der gegenwärtigen Handlungssituation zunimmt oder dass situationsfremde Inhalte – z. B. weitere Einträge des Intentionsgedächtnisses (vgl. Kapitel 2.2.1.4) – in das Bewusstsein rücken (Hacker 1978, 107; Dulisch 1986, 61ff.; Hacker & Skell 1993, 73; Oesterreich 1994, 208f.; Ciompi 2007, 27f.; Dörner 2008a, 483f.). Zudem können die frei gewordenen Ressourcen auch für Explorationsphasen oder die Reflexion des eigenen Handelns (s. u.) genutzt werden und dienen somit einer weiteren Kompetenzentwicklung (Bergmann 2000, 140; Simons 2005, 47; Stern 2006, 48). So wird in der Expertiseforschung betont, dass neben der Fähigkeit, auf neue Anforderungen flexibel reagieren zu können, auch verfügbare Routinen wichtige Bestandteile der Handlungskompetenz von Experten darstellen (Gruber, Harteis & Rehrl 2006, 193; vgl. auch Eraut 2000, 126) und allgemein als Voraussetzung komplexer Selbstregulationsprozesse angesehen werden (Hacker 1996b, 6ff.; Tisdale 1998, 40f.; Fitzsimons & Bargh 2004, 152). Experten verfügen über ein umfangreiches Repertoire bedeutungshaltiger Muster, die sehr rasch erkannt, bewertet, reproduziert und angemessen in eigene Problemlöseprozesse integriert werden können (zusammenfassend: Reimann 1998, 344 sowie die dort zitierte Literatur). „Die Orientierung auf die bewusste Regelnutzung stört oder zerstört die expertenhaft aufgeführte Tätigkeit meist sogar“ (Hacker 1996a, 781). Um schnell und effizient auf Umgebungseinflüsse reagieren zu können, ist es nötig, wünschenswert und normal, dass ein Großteil der Wahrnehmungs- und Handlungsmuster automatisiert ist: „Well-learned goals, along with motor programs, sensory programs, emotional programs, self-schemas, judgmental processes, procedural knowledge, long-term memories, and the like, do not operate in the forefront of awareness and do not require effortful conscious monitoring or supervisory control. They emerge when situationally activated or primed. Conscious, goal-guided self-regulation and auto106 „Es geht darum, Denk- und Verhaltensweisen, die wir zunächst einmal mit großem emotionalem Aufwand mühsam erlernen mussten, nach und nach so gut einzuschleifen, dass sie schließlich mit minimaler Energie ... funktionieren“ (Ciompi 2007, 27f.).
2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
101
maticity therefore operate in concert, as complementary processes. And neither one is necessarily more ‘rational’ than the other” (Karoly 1999, 270). Andererseits bergen derlei Automatismen auch die Gefahr starren ReizReaktions-Verhaltens inklusive stereotyper Bewertungsmuster (Kuhl 2001, 259). Erst die gezielte Selbstreflexion ermöglicht ein Hinterfragen von routinisierten Handlungsentwürfen (Nieuwenhuis & van Woerkom 2007, 73). Dieses Auftauen, Labilisieren bzw. Veränderlichmachen verfestigter psychischer Regulationsgrundlagen (Gewohnheiten, Fertigkeiten, Überzeugungen etc.) und ihrer äußerlichen Festlegungen (Arbeitsanweisungen, organisatorische Regelungen etc.) sehen Hacker und Skell (1993) als Voraussetzung für die Überwindung etwaiger Lernblockaden, die aufgrund bereits vorhandener, defizitärer Handlungsgrundlagen bestehen können (ebd., 20). Dazu muss sich das Handlungssubjekt zunächst über die naivtheoretische Natur seiner intuitiven Wahrnehmungs- und Handlungsmuster gewahr werden sowie einen Bedarf zu deren Erweiterung, Änderung oder Verfeinerung erkennen (Vosniadou 1992, 356).107 Es erscheint jedoch fraglich, ob die durch Routinisierung frei werdenden Bewusstseinsressourcen automatisch zu einer erhöhten Reflexion des Handelns genutzt werden oder ob Wahrnehmungs- und Handlungsroutinen nicht vielmehr mit verringerter Selbstreflexion einhergehen. Letzteres liegt insofern nahe, als die Reduzierung des Bewusstseinsgrades der handlungsleitenden Situationswahrnehmung und Handlungsplanung zugleich den Bewusstseinsgrad der Rückmeldungsprozesse und Kontrollergebnisse verringert: Ziele, die der Mensch nicht in seinem Bewusstsein erfasst, sind auch nicht Bestandteil von bewusst vollzogenen Soll-Ist-Vergleichen (Dulisch 1986, 61; vgl. auch Ausführungen zum Begriff Operation in Kapitel 2.1.2). Folglich ist ein gewisser Grad an Bewusstseinsfähigkeit sowohl die Voraussetzung für eine Verbesserung als auch für die Verantwortbarkeit bestehender Wahrnehmungs- und Handlungsroutinen (Eraut 2000, 134). Implizites Wissen birgt immer dann Gefahren, wenn eine unangemessene Übergeneralisierung von Wahrnehmungs- und Handlungsmustern stattfindet, ohne dass diese Unangemessenheit – bspw. durch Misserfolgsrückmeldungen – in das Bewusstsein drängt. Im Rahmen von Lehrprofessionalität fordern Sembill und Seifried daher die Reflexionsfähigkeit und Verantwortbarkeit der dem pädagogischen Handeln zugrunde liegenden Absichten und Sichtweisen (vgl. auch Helmke 2005, 53). Ebenso vermerkt Reinisch zur Professionalität, dass diese aus zwei widersprüchlichen Elementen besteht: Der Anwendung universeller Regeln und dem Verstehen des je besonderen Falls (Reinisch 2009, 34). Dies entspricht der dritten Stufe (der echten Expertise) des integrativen Modells des
107 In einer Meta-Analyse zu Ansätzen des Conceptual Change zeigen Murphy und Alexander (2008), dass Interventionen, die am Vorverständnis der Teilnehmer ansetzen, den größeren Einfluss auf deren Wissen und Überzeugungen ausüben als solche, die lediglich die Präsentation wissenschaftlicher Inhalte ohne Bezug zum individuellen Vorverständnis präsentieren (ebd., 612).
102
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
Expertiseerwerbs nach Reimann (1998, 358ff.), in dem sich auch bislang aufgezeigte Formen des Lernens verorten lassen (siehe Klammerzusätze): • Erste Stufe der Expertise: Das Handeln beruht auf der Suche in umfangreichem Wissensrepertoire (erreichbar durch bewusstes Problemlösen und implizites Lernen). • Zweite Stufe der Expertise: Das Handeln wird zunehmend routinierter und an Prototypen orientiert (erreichbar durch Routinisierung). • Dritte Stufe der Expertise: Das Handeln wird zusätzlich orientiert an spezifischen Ausnahmefällen (erreichbar durch Reflexion von Routinen). Dem Erwerb von Handlungskompetenz ist somit neben der fortschreitenden Routinisierung zugleich eine stete Gegenbewegung in Form einer Reflexion routinisierten Handelns und implizit erworbenen Wissens dienlich. Ähnlich fordert Ellström (2006, 50) eine Balance zwischen adaptive learning, das etwa der hier erörterten Routinisierung entspricht, und development learning, das bewusste Problemlöse- und Reflexionsprozesse umfasst. 2.4.1.3
Zusammenschau erörterter Prozesse des Kompetenzerwerbs
Zusammenfassend vollzieht sich Kompetenzerwerb sowohl über die Erweiterung der bewussten und unbewussten Regulationsgrundlagen als auch über Verschiebungen in ihrer Bewusstseinsnähe. „Veränderungen der psychischen Regulation der Tätigkeiten können gleichzeitig in verschiedenen und scheinbar sogar widersprüchlichen Richtungen erfolgen“ (Hacker & Skell 1993, 18). Während der wiederholte Abruf nicht bewusstseinsfähiger Routinen das Erhaltungslernen fördert, führt die wiederholte Bearbeitung von Aufgaben (in Abgrenzung zu Problemen; vgl. Kapitel 2.2.2.3) zur Herausbildung ebensolcher Routinen. Die Zweckmäßigkeit der routinisierten Handlungsgrundlagen vorausgesetzt, führt dies zu einer schnelleren und weniger energieaufwändigen Situationsbewältigung (Effizienzsteigerung). Die Entwicklung neuer Wahrnehmungs- und Handlungsmuster durch problemlösendes Handeln und/oder durch die in allen Handlungsebenen enthaltenen impliziten Lernprozesse führt – wiederum die Zweckmäßigkeit der erworbenen Handlungsgrundlagen vorausgesetzt – zu einer Ausweitung der Handlungsfähigkeit auf zuvor nicht bewältigbare Situationen (Effektivitätssteigerung). Selbstreflexion dient dabei dem kritischen Hinterfragen der Zweckmäßigkeit von Handlungsgrundlagen, wobei als Vorbedingung die auf einem Kontinuum zu denkende Bewusstseinsfähigkeit der Handlungsgrundlagen wenigstens marginal gegeben sein muss. Abbildung 2-18 stellt eine typisierte Zusammenschau des aufgezeigten Wirkungsgeflechts zwischen Handlungsprozessen (durchgezogene Linie) und Handlungsgrundlagen unterschied-
2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
103
licher Bewusstseinsnähe dar. Das Kontinuum zwischen bewusstem problemlösenden Handeln und unbewusstem Routinehandeln (links) ist als Fortsetzung des allgemeinen Handlungsmodells zu sehen (Abb. 2-11 in Kapitel 2.2.3), wobei der gepunktete Pfeil verdeutlicht, dass Handlungsprozesse höherer Bewusstseinsebenen stets auch solche darunter mit einschließen (umgekehrt gilt dies nicht). Auch die Handlungsgrundlagen lassen sich auf einem Kontinuum hinsichtlich ihrer Bewusstseinsnähe einordnen (vgl. Kapitel 2.3.3), wenngleich zumeist drei Abstufungen hervorgehoben werden (vgl. Rasmussen-Leiter). Die Prozesse der Routinisierung und Selbstreflexion sind nicht, wie man aufgrund der Anordnung vielleicht vermuten könnte, auf einer Ebene mittlerer Bewusstseinsnähe verortet, was insbesondere für Selbstreflexion keinen Sinn machen würde. Ihre Stellung in Abbildung 2-18 resultiert aus ihrer vermittelnden Funktion zwischen unterschiedlichen Ebenen, welche die gegenläufige Aufwärts- oder Abwärtsverschiebung von Handlungsgrundlagen realisieren (vgl. auch Eraut 2000, 124, Ellström 2006, 50).
Abbildung 2-18:
Typisierte Darstellung des Wirkungsgeflechts aus Handlungsprozessen und Handlungsgrundlagen (eigene Darstellung)
Mit Verweis auf Tomaszewski nennt Hacker (2005) ebenfalls vier Veränderungsprozesse der Regulationsgrundlagen, die eine augenfällige Übereinstimmung mit den in Abbildung 2-18 verorteten Prozessen besitzen:
104
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
• „Sensibilisierung von Sinnessystemen“ (Hacker 2005, 739ff.) entspricht etwa dem hier beschriebenen mit Handlungsroutinen verbundenem impliziten Lernen (vgl. Kapitel 2.4.1), • „Psychische Automatisierung“ (ebd., 741ff.) entspricht dem hier beschriebenen Lernen als Routinisierung (vgl. Kapitel 2.4.1.2), • „Verbalisierung“ (ebd., 752ff.) entspricht dem hier beschriebenen Lernen als Selbstreflexion (vgl. Kapitel 2.4.1.2) und • „Intellektuelle Durchdringung“ (ebd., 755) entspricht dem hier beschriebenen Lernen als Problemlösen (vgl. Kapitel 2.4.1.1). Abschließend ist hervorzuheben, dass Handeln – auch problemlösendes Handeln – nicht per se auch zu Lernen führt. Selbst unter Zugrundelegung eines weit gefassten Lernverständnisses, das neben dem Aufbau auch die Routinisierung und den Erhalt von Handlungsgrundlagen einschließt, ist denkbar und nicht unrealistisch, dass einzelne, isoliert betrachtete Handlungen die dispositionellen Handlungsgrundlagen völlig unberührt lassen. So stellt Lernen aus handlungstheoretischer Sicht eine Veränderung von Handlungsgrundlagen dar (vgl. Kapitel 2.1.3), jedoch ist Handeln aus lerntheoretischer Sicht lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Lernen (Straka 1998, 97). 2.4.2
Einfluss subjektiver Lerntheorien
Aufgrund der dem handelnden Subjekt unterstellten Reflexivität (vgl. epistemologisches Menschenbild; vgl. Kapitel 2.3.2) spielt bei der Veränderung subjektiver Theorien eine spezielle Kategorie dieser Theorien eine besondere Rolle. Diese wird als subjektive Lerntheorie bzw. als „naive Theorie des reflexiven Subjekts über die Veränderung der eigenen Kognitionen/Reflexionen/Theorien“ (Groeben & Scheele 1977, 97) bezeichnet. Ähnlich akzentuiert ist der Begriff der epistemologischen Überzeugungen: Sie betreffen die Theorien und Überzeugungen, die Individuen im Hinblick auf Wissen und dessen Erwerb haben (Hofer & Pintrich 1997, 88). Sie stellen naive Theoriegeflechte dar, welche Kausalerklärungen enthalten, die auf Denkprozesse einwirken (ebd., 118). Zwar herrscht kaum Einigkeit über die Definition des Konstrukts, über eine eventuelle Domänenspezifität oder über Verbindungen zu anderen Konstrukten der Kognitions- und Motivationsforschung (ebd., 89), doch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Informationen über die epistemologischen Überzeugungen der an Lehr-Lern-Prozessen Beteiligten dabei helfen, Lernen und Lehren besser zu verstehen (ebd., 133). So wird Lernen in der naiven Theorie und im Sprachgebrauch der Handlungssubjekte i. d. R. mit formellem Lernen in Bildungsinstitutionen gleichgesetzt. Selbst bewusstseinspflichtige Problemlöseprozesse am Arbeitsplatz werden selten als Lernen, sondern vielmehr als normaler Bestand-
2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
105
teil des Arbeitslebens wahrgenommen (Eraut 2004b, 249f.). Dies wirkt nicht nur einer Reflexion von Lernprozessen beim Arbeitshandeln eher entgegen, sondern erschwert auch die Erforschung des Lernens am Arbeitsplatz. So empfehlen Berings und Poell (2005), das Wort Lernen in Item-Formulierungen zum Lernen am Arbeitsplatz zu vermeiden (ebd., 3). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine im Rahmen von Forschungsprojekten angestoßene Reflexion des Lernens im Arbeitsprozess gleichzeitig auch eine lernförderliche Wirkung entfalten dürfte. Dieses Problem wird in Kapitel 4.1 erörtert. 2.4.3
Emotional-affektive Verarbeitung von Feedback im Lernprozess
Allgemein formuliert ist Feedback als Information darüber zu verstehen, inwieweit vergangenes Handeln als angemessen zu beurteilen ist (Ilgen, Fisher & Taylor 1979, 351) bzw. inwieweit sich jemand einem Ziel genähert hat (Walsh, Ashford & Hill 1985, 25). Feedback ist damit ein relationales Konstrukt, das ohne vorherige Ziele nicht interpretierbar ist (Hacker & Skell 1993, 160f.; Frese & Zapf 1994, 279). Ziele organisieren und lenken Handlungen, während Rückmeldungen eine Kontrolle des Fortschritts auf dem Weg zum Ziel erlauben (Schmidt & Kleinbeck 1999a, 297). Solche Rückmeldungen resultieren aus metakognitiven Prozessen, die den gesamten Handlungsprozess begleiten und idealerweise schon in der Planungsphase (Probehandeln) ein gedankliches Vorwegnehmen von Rückmeldungen (Feedforward) erlauben (Hacker & Skell 1993, 164). Sie variieren auf einem Kontinuum bewussten bis unbewussten Überwachens möglicher Diskrepanzen zwischen wahrgenommenen Ist-Mustern und erwarteten bzw. angestrebten Soll-Mustern (vgl. Eraut 2000, 129; Abbildung 2-10 in Kapitel 2.2.3). In Kapitel 2.2.2.4 wurde ausführlich erläutert, wie unbewusste Appraisal-Prozesse fortlaufend Reize der äußeren und inneren Welt hinsichtlich ihrer Unerwartetheit, Angenehmheit, Zielrelevanz, Bewältigungsmöglichkeit und Normvereinbarkeit bewerten, im Falle von Diskrepanzen die Schwelle zum Bewusstsein überschreiten und damit die emotionale Befindlichkeit beeinflussen oder Emotionen im engeren Sinn (zur Unterscheidung siehe Kapitel 2.2.1.2) auslösen: Nicht bewusstseinsfähige Affekte beeinflussen die Auswahl und Festlegung von Zielen, drängen auf zielgerichtetes Handeln und dienen als Rückmeldung über den Status der Zielerreichung (Emmons 1996, 313). Der emotionalen Befindlichkeit kommt dabei eine seismographische Funktion zu, die den (antizipierten oder eingetretenen) Erfolg oder Misserfolg der Motiv-Bedürfnisbefriedigung rückmeldet und für die Handlungsregulation unentbehrlich ist (Sembill 2003, 186; vgl. auch Scherer 1981, 311; von Cranach & Kalbermatten 1982, 68; Dörner 1985a, 73; Stäudel 1985, 90; ebd., 100; Kannheiser 1992, 169; Carver, Sutton & Scheier 2000, 747). Dies setzt jedoch voraus, dass Handlungsziele und deren Merkmale – die Soll-Muster der Handlung – für einen Vergleich zur Verfügung stehen. Daher sind Handlungs-
106
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
ziele zugleich wichtige Lernziele (Hacker & Skell 1993, 164; zu Stufen der Internalisierung externer Ziele in die eigene Motiv-Bedürfnis-Werte-Struktur siehe Ausführungen der Selbstbestimmungstheorie der Motivation in Kapitel 2.2.2.2108). Während Feedback in Form handlungsführender Rückmeldungen für die Verrichtung bereits erlernter Handlungen erforderlich ist (Hacker & Skell 1993, 165), stellt es nach Ansicht zahlreicher Autoren auch eine notwendige Bedingung des Kompetenzerwerbs dar (Ashford & Cummings 1983, 375; Eraut 2000, 134), was durchaus plausibel erscheint: Unerwartet109 negative Rückmeldungen führen zu intrapersonalen Konflikten110, da sie die Orientierungs- und Verhaltenssicherheit gefährden und Leidensdruck erzeugen, der sich in einer entsprechend negativen emotionalen Befindlichkeit oder negativen Emotionen im engeren Sinn (Ärger, Wut, Enttäuschung etc.; vgl. Kapitel 2.2.1.2) äußert. Sie stellen die eigene Kompetenz (Intentionen, Sichtweisen und Selbstkonzept; vgl. Kapitel 2.3.5) in Frage bzw. drängen auf Erweiterung, Änderung, Verfeinerung und/oder eingehendere Prüfung der individuellen Handlungsgrundlagen. Unerwartet positive Rückmeldungen sprechen hingegen für die Angemessenheit und das Beibehalten der gezeigten Handlungsweise, deren Erfolgsaussichten vorher – sonst wäre die positive Rückmeldung nicht unerwartet gewesen – mit Unsicherheit behaftet waren. Sie wirken sich positiv auf die emotionale Befindlichkeit aus und führen je nach Intensität zu positiven Emotionen im engeren Sinn (Stolz, Freude etc.). Das generelle Streben nach positivem Erleben spricht dafür, die gezeigte Handlungsweise auch zukünftig beizubehalten. Die über Affekte und Emotionen vermittelten Lust- und Unlustsignale wirken somit als Lernsignale zur langfristigen Speicherung bestimmter Lust-bringender bzw. Unlustvermeidender Gedächtnisinhalte (Dörner 2008a, 413). Kompetenzerwerb hängt somit immer mit der subjektiven Bedeutsamkeit der erlebten Episoden zusammen (Gruber 1999, 149). 108 Hierin zeigen sich die Vorteile intrinsisch motivierten Handelns: Internalisierte Ziele erlauben ein energiesparenderes Handeln. Bei extrinsisch motiviertem Handeln müssen hingegen ständig fremde Ziele im Bewusstsein gehalten und bearbeitet werden. Im Falle von starken Widersprüchen zu eigenen Zielen kommt es zudem zu energieaufwändigen Konflikten, die mit negativen Emotionen einhergehen. 109 Die Einschränkung auf unerwartet negative Rückmeldungen ist insofern wichtig, als dass negative Rückmeldungen angesichts einer auch selbst als negativ bewerteten Performanz (bspw. nach Leichtsinnsfehlern) durchaus erwartungskonform sind und das Weltbild gerade nicht in Frage stellen, sondern – im Gegenteil – bestärken. Die Unerwartetheit einer negativen Rückmeldung setzt indes voraus, dass eine positive, neutrale oder gar keine Rückmeldung erwartet wurde. 110 vgl. hierzu konzeptueller Konflikt nach Berlyne: „Conceptual conflict ... is conflict between incompatible symbolic response patterns, that is, beliefs, attitudes, thoughts, ideas“ (Berlyne 1966, 255; zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen conceptual conflict und cognitive dissonance nach Festinger, incongruity nach Tannenbaum und cognitive imbalance nach Abelson siehe Berlyne 1966, 272). Lernen wird in diesem Zusammenhang als konfliktreduzierende Einstellungsänderung betrachtet (ebd.). Ähnlich wie die Maßnahmen des Kompetenzschutzes nach Dörner erörtern auch Abelson und Festinger bereits konfliktreduzierende Maßnahmen, die der (ggf. ungerechtfertigten) Beibehaltung der eigenen Einstellung dienen (Berlyne 1966, 260f.).
2.4 Ontogenese der Kompetenz als Folge von Handeln
107
Hinsichtlich der o. a. Notwendigkeit von Rückmeldungen für Lernprozesse ist allerdings zu ergänzen, dass interne Rückmeldungen in Form von Affektlagen und emotionaler Befindlichkeit in jedem wachen Moment gegeben sind, auch wenn diese zeitweise eine scheinbar neutrale Ausprägung einnehmen (vgl. Kapitel 2.2.1.1). Erwartungskonforme Ereignisse werden daher kaum bewusst wahrgenommen (Stiensmeier-Pelster & Heckhausen 2006, 361). Gerade das Handeln unter solchen unauffälligen Befindlichkeiten dürfte aber nicht unerheblich zu implizitem Lernen, Routinisierung und langfristigen Sozialisationsprozessen beitragen.111 Salopp formuliert gilt: Keine Rückmeldung ist auch eine Rückmeldung. Enthalten Rückmeldungen über ihre oben erläuterte Funktion als reine Erfolgsoder Misserfolgsrückmeldung zusätzliche Informationen, die über das bisherige Handlungswissen des Feedbackempfängers hinausgehen, so werden sie selbst zum Lerngegenstand und können der gezielten Verbesserung zukünftigen Handelns dienen (Ilgen, Fisher & Taylor 1979, 351; Hacker & Skell 1993, 161f.). Hier zeigen sich Parallelen zu den in Problemlöseprozessen identifizierten Informationsquellen (vgl. Kapitel 2.4.1.1). Dabei ist es hilfreich, verschiedene Feedbackquellen zu unterscheiden (Ilgen, Fisher & Taylor 1979, 350f.): (1) Feedback von anderen Personen, die das Verhalten des Feedbackempfängers beobachtet haben und die Performanz beurteilen können. In Arbeitsumgebungen sind dies typischerweise Vorgesetzte, Kollegen oder auch Kunden. (2) Feedback aus der Aufgabenbearbeitung: Hierbei können unmittelbare, aufgrund der Beschaffenheit der Aufgabe ersichtliche Leistungsrückmeldungen und mittelbare, im Rahmen des Aufgabendesigns künstlich eingerichtete (augmented) Leistungsrückmeldungen (z. B. Signaltöne bei Maschinen, erklärende Fehlermeldungen in Software etc.) unterschieden werden. Letztere dienen meist als sofortiger Hinweis (quickened feedback; vgl. auch Verlaufsrückmeldung vs. Resultatsrückmeldung bei Hacker & Skell 1993, 166; Frese & Zapf 1994, 279) auf andernfalls zeitlich verzögerte Rückmeldungen (vgl. Ausfall der Kontrolle aufgrund von Totzeiten; Dörner 2008b, 109). (3) Feedback durch die handelnde Person selbst: Das Ausmaß, in dem eigene Standards als Rückmeldung dienen können, hängt dabei vom Umfang der Erfahrungen (kontextspezifisches Weltbild) ab und wird durch ein positives kontextspezifisches Selbstbild verstärkt. Erfolgen inhaltlich unvereinbare Rückmeldungen aus verschiedenen Quellen, so wird die subjektive Glaubwürdigkeit der Quelle einen großen Einfluss darauf haben, wie mit der Rückmeldung umgegangen wird. Die Glaubwürdigkeit einer Quelle 111 Handlungssituationen begünstigen eine erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung, wenn die Bedingungen der äußeren Realität in Einklang mit den persönlichen Bedürfnissen und Interessen eines Menschen gebracht werden können (Hurrelmann 1986/2001, 159).
108
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
hängt wiederum davon ab, ob ihr (1) kontextspezifische Kompetenz (Expertise; Soll-Komponente), (2) notwendiges Wissen über die Performanz des Handelnden (Ist-Komponente) und (3) Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben wird (Ilgen, Fisher & Taylor 1979, 351). Letzteres spricht gegen soziale Feedback-Quellen, wenn diese im Verdacht stehen, mit der Rückmeldung manipulative Absichten zu verfolgen (Schmidt & Kleinbeck 2004, 914). Dies zeigen auch Befunde von Greller und Herold (1975), wonach die eigene Person als zuverlässigste Feedbackquelle eingeschätzt wird (zitiert nach Ilgen, Fisher & Taylor 1979, 353). Ein bewusstes oder unbewusstes Ignorieren oder Umdeuten diskrepanter Rückmeldungen aus der Umgebung ist zudem als Maßnahme des Kompetenzschutzes zu interpretieren (Wahrnehmungsabwehr, affirmative Informationssammlung, Immunisierung gegen Kritik, sinkende Tendenz zur Selbstreflexion; Dörner 2008b, 102ff.; vgl. Kapitel 2.2.2.3). Diese Manipulation von Prämissen, Wahrnehmungen, Hypothesen und Fakten dient – zumindest kurzfristig – der Aufrechterhaltung der Orientierungs- und Verhaltenssicherheit (Sembill 2007, 67) und dürfte mit der Stabilität eines positiven kontextspezifischen Selbstbildes (hoher subjektiver Kompetenz) zusammenhängen, wenngleich dieses bei dauerhaft diskrepanten Rückmeldungen langfristig gefährdet ist. Ferner spielt die Variable Zeit eine Rolle, denn um aufwändige bewusstseinpflichtige Prozesse der Selbstreflexion zu vermeiden, dürfte das Ausmaß tolerierter Diskrepanzen unter Zeitdruck deutlich höher sein (Eraut 2007, 407; vgl. auch Laucken 1974, 219; Folgen von Zeitdruck sind bspw. Reduktionismus und Dekonditionalisierung; Dörner 2008b, 107). Arbeitsplatzspezifische Befunde zu Feedbackprozessen werden in Kapitel 3.3.3 aufgezeigt. 2.5
Zum Verhältnis von Kompetenzerleben und Kompetenzerwerb
Aus dem Streben nach Orientierungs- und Verhaltenssicherheit und positivem Erleben könnte man schließen, dass Problemsituationen grundsätzlich meidenswert sind. Dies erweist sich jedoch aus mindestens zwei Gründen als Trugschluss: (1) Tenbruck verweist auf die Paradoxie, dass sich Erfolgssicherheit und Ertragswert (Erwartungs-mal-Wert) nicht zugleich optimieren lassen. In dem Maße, in dem erfolgssichere Handlungsmuster aufgebaut werden, entwertet sich subjektiv der Ertrag (Tenbruck 1978, 112). Aus zunehmender Erfahrung in einer bestimmten Domäne folgt eine schleichende Verschiebung der Referenzwerte, die zu höheren Anforderungen an das eigene Handeln führt (Carver & Scheier 2000, 56). „Der Handelnde bezahlt die Erfolgssicherheit mit Monotonisierung und Gratifikationsverfall“ (Tenbruck 1978, 112; vgl. auch Hacker 2005, 257).112 Die Grundbedürfnisse 112 Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen psychologischen und physiologischen Bedürfnissen, da das Verschieben des Referenzpunktes bzw. der Gratifikationsverfall für Letztere nur eingeschränkt zutrifft (Tenbruck 1978, 113).
2.5 Zum Verhältnis von Kompetenzerleben und Kompetenzerwerb
109
nach Kompetenz (Bestimmtheit, Vorhersagbarkeit etc.) und Kompetenzerwerb erscheinen also konfliktär, was jedoch aufgrund ihrer Wechselwirkung nur vordergründig der Fall ist: Das Aufsuchen von Unsicherheit macht sich für den Organismus langfristig bezahlt, denn es führt zu einer Vermehrung seines Wissens über die Umwelt und damit zu einer langfristigen Verbesserung seines Aktionsrepertoires (Spitzer 2004, 151).113 „Das Streben nach Lust impliziert also das Streben nach Unlust“ (Dörner 2008a, 417; vgl. auch „Pleasure of Uncertainty“ nach Wilson, Centerbar, Kermer & Gilbert 2005). Positiver Affekt scheint das Resultat kleinerer Diskrepanzen, negativer Affekt dagegen die Folge größerer Diskrepanzen zu sein (McClelland, Atkinson, Clark & Lowell 1953 zitiert nach Berlyne 1960/1974, 254). Erstrebenswert erscheint daher ein mäßiger Grad an Ungewissheit bzw. ein mittleres Erregungsniveau114 (Berlyne 1960/1974, 259). So besteht bspw. auch eine wichtige Voraussetzung für die als Flow115 bezeichnete positive Erlebensqualität gerade darin, dass sich Anforderungen und Fähigkeiten etwa im Gleichgewicht und auf subjektiv hohem Niveau bewegen116, wodurch sich eine Entwicklungsdynamik in Richtung zunehmenden Kompetenzgewinns ergibt (Csikszentmihalyi & Schiefele 1993, 211ff.). (2) Ständige Veränderungen in der Realität sowie der etwaige Verfall eigener Realitätsabbildungen i. S. v. Vergessen, Verlernen etc. erzeugen einen natürlichen Druck zur ständigen Prüfung und Weiterentwicklung eigener mentaler Modelle. Je sicherer Orientierung und Verhalten sind, desto weniger scheinen Modellierungen erforderlich. Die nachlassende Modellpflege verschlechtert jedoch dessen Erklä113 Diese Wechselwirkung scheint auch neurophysiologisch verankert, da erlebte Unsicherheit das Belohnungssystem des Gehirns aktiviert. Während positive Erwartungen eine phasische Erregung dopaminerger Neuronen des Mittelhirns bewirken, die umso stärker ausfällt, je höher die Eintretenswahrscheinlichkeit des positiven Reizes eingeschätzt wird, erzeugt Unsicherheit eine langsam ansteigende, tonische Erregung derselben Neuronen, welche auch zu einer Aufmerksamkeitssteigerung führt. Eine schnelle und heftige Belohnung erfolgt somit bei Eintreten eines erlernten positiven Reizes, eine langsam ansteigende Belohnung dagegen in unbestimmten Situationen, die Lernchancen erst eröffnen (Spitzer 2004, 146ff.). Ein leichter, anregender Stress wirkt durchaus lernförderlich, da hierbei der Neuromodulator Noradrenalin ausgeschüttet wird, der in geringen Dosen das Gehirn allgemein aufnahmebereit macht. Lernen sollte daher als positive Anstrengung empfunden werden (Roth 2004b, 503). 114 Nach Berlyne (1966) wird ein einströmender Informationsfluss unbewusst anhand der Vergleichsvariablen Neuigkeit, Ungewissheit, konzeptuellem Konfliktgehalt und Komplexität bewertet und hinsichtlich seines Anregungspotenzials (arousal potential) eingeordnet (Berlyne 1966, 252). Hier werden Parallelen zu den in Kapitel 2.2.2.4 erläuterten Appraisal-Modellen deutlich. 115 „Flow bezeichnet im Wesentlichen ein holistisches, d. h. mehrere Komponenten umfassendes, Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit“ (Csikszentmihalyi & Schiefele 1993, 209) und steht dem Konstrukt der intrinsischen Motivation nahe (ebd., 208). Als Komponenten des FlowErlebens sind zu nennen: (1) Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein, (2) Zentrierung der Aufmerksamkeit auf einen beschränkten Umweltausschnitt, (3) Selbstvergessenheit und (4) Ausüben von Kontrolle über Handlung und Umwelt (ebd., 210). 116 Eine weitere Bedingung des Flow-Erlebens sind interessanterweise eindeutige und sofortige Rückmeldungen aus der Tätigkeit selbst (Csikszentmihalyi & Schiefele 1993, 211; vgl. Kapitel 2.4.3).
110
2 Aktualgenese der Performanz – Ontogenese der Kompetenz
rungs- und Prognosekraft und erzeugt Leidensdruck (Sembill 1996, 61f.; 1999, 154) aufgrund der im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Diskrepanzen zwischen Realitätsabbildung (subjektive Theorie, Sichtweise, mentales Modell etc.) und erlebter Realität (bzw. Rückmeldungen aus dieser). Werden diese Diskrepanzen langfristig durch Maßnahmen des Kompetenzschutzes (unbewusste Selbsttäuschung) überspielt (vgl. Kapitel 2.4.3), so bleibt irgendwann nur noch der revolutionäre Modellwechsel sensu Kuhn (1967; vgl. Kapitel 2.4). Langfristig gesünder, weil emotional weniger belastend, scheinen sukzessive kumulative Anpassungen des eigenen Welt- und Selbstbildes oder evolutionäre Modellwechsel wie bei Sembill (1999, 157f.) dargestellt. „Die Orientierungs- und Verhaltenssicherheit prinzipiell zu gefährden, wäre töricht, sie immer wieder ... zu irritieren, scheint aber im Sinne einer Zukunftssicherung unabdingbar zu sein“ (Sembill 1996, 62; 1999, 155; 2007, 67).
3
Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Im vorangegangenen Kapitel wurden das Verhältnis von Handeln und Lernen, deren Voraussetzungen und Folgen sowie die besondere Bedeutung emotionalmotivationaler Aspekte herausgearbeitet. Im vorliegenden Kapitel erfolgt eine stärkere Fokussierung auf das Handeln, Lernen und Erleben am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung. Nach Hacker (1978 et passim) ist Arbeit durch folgende psychologisch relevanten Eigenschaften charakterisiert, welche die Ausführungen des vorangegangenen Kapitels zusammenfassen: Arbeit ist eine bewusste, auf das Verwirklichen von Ergebnissen gerichtete Tätigkeit, die (soweit möglich) im Ziel vorweggenommen wird und damit vor dem Handeln bereits ideell gegeben ist. Sie wird in Absichten (Intentionen) willensmäßig auf das bewusste Ziel hin reguliert. In jeder Tätigkeit gibt es zudem auch unbewusste, automatisch regulierte Prozesse, die teilweise nicht bewusstseinsfähig sind. Arbeit verändert nicht nur die Umwelt, sondern entfaltet zugleich eine beabsichtigte oder unbeabsichtigte persönlichkeitsformende Wirkung, die nicht auf die Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten beschränkt ist, sondern auch den Charakter, die Einstellungen etc. betrifft (Hacker 1978, 54; 1995 39; 2005, 47f.). Die psychische Regulation der Arbeitstätigkeit umfasst dabei (1) die Zielbildung bzw. Zielübernahme, (2) die Orientierung über situationale Ausführungsbedingungen und persönliche Arbeitserfahrung, (3) das Entwerfen und Beurteilen von Handlungsplänen, (4) die Entscheidung für einen Handlungsplan sowie (5) das Kontrollieren als rückkoppelnder Vergleich (Hacker 1995, 38). Arbeitshandeln stellt somit eine Konkretisierung des allgemeinen Handlungsprozessmodells (vgl. Kapitel 2.2.3) dar. Lernen tritt an Arbeitsplätzen daher in vielfältiger Weise auf, wobei beiläufiges, nicht als pädagogischer Prozess organisiertes Lernen dabei einen weitaus bedeutenderen Umfang einnehmen dürfte als eigens für Ausbildungszwecke organisierte Lerntätigkeiten, die zielgerichtet und absichtsvoll zur Erweiterung der Leistungsvoraussetzungen durchgeführt werden (Hacker & Skell 1993, 28; Greif & Kluge 2004, S. 752; Berings, Doornbos & Simons 2006, 333). Arbeitsgebundenes Lernen (zur Begriffsabgrenzung siehe Kapitel 3.1) spielt dabei gerade im Rahmen der Erstausbildung eine wichtige Rolle, da die für das zukünftige Arbeiten notwendigen Kompetenzen größtenteils noch zu erwerben sind.
A. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
112
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Im weiteren Verlauf des Kapitels erfolgt zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Lernort Arbeitsplatz, dessen Funktionen und Bedeutung im Rahmen der beruflichen Erstausbildung (Kapitel 3.1), bevor in Kapitel 3.2 Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen dargestellt und verglichen werden. Kapitel 3.3 widmet sich der Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben. Kapitel 3.4 wendet sich dem betrieblichen Ausbildungspersonal im Rahmen der Erstausbildung zu. Das dritte Kapitel schließt mit einer Betrachtung des Lernorts Arbeitsplatz aus Sicht der Auszubildenden. 3.1
Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung
Der wohl prominenteste Differenzierungsansatz zum Verhältnis von Lernen und Arbeiten in der Erstausbildung stützt sich auf den Begriff des Lernorts, wenngleich der Lernortbegriff keineswegs unumstritten ist. Mit der Einführung des Begriffs in den Empfehlungen der Bildungskommission 1974 wurde ein Lernort definiert als „... eine im Rahmen des öffentlichen Bildungswesens anerkannte Einrichtung [...], die Lernangebote organisiert“ und durch den Zusatz ergänzt, dass es sich „... nicht allein um räumlich verschiedene, sondern in ihrer pädagogischen Funktion unterscheidbare Orte ...“ handle, die eine pädagogisch-didaktische Eigenständigkeit aufweisen (Deutscher Bildungsrat 1974, 69). Kritik wandte sich zunächst gegen eine pädagogische Sinnverarmung und Neutralisierung des Pädagogischen, welche sich in einer Reduktion auf instrumentelle Funktionen und eine Unterbewertung der existenziellen Bedeutung dieser Sozialgebilde für den Einzelnen äußere (Dörschel 1974, 25), sowie gegen eine in der Folgezeit nicht mehr beherrschbare Lernortzersplitterung (Grüner 1980, 627).117 Der letztgenannte Kritikpunkt trifft insbesondere für den betrieblichen Lernort zu, der vielmehr als Lernortkombination aus Arbeitsplatz, Lehrwerkstatt, betrieblichen Bildungszentren etc. zu sehen ist (Münch, Müller, Oesterle & Scholz 1981, 613ff.). Die Senatskommission für Berufsbildungsforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterscheidet diesbezüglich zwischen Lernorten als organisatorische Einheiten, an denen Lernprozesse stattfinden, und Institutionen wie Schule, Betrieb und überbetriebliche Ausbildungsstätte, in denen unterschiedliche Lernorte wie bspw. Lehrwerkstätten eingerichtet sein können (1990, 76). Hinsichtlich der gestiegenen Bedeutung zentraler (über)betrieblicher Lernorte (Schanz 2001) sprechen einige Autoren bereits seit längerer Zeit von einem „trialen“ (Meier & Spreth 2003, 13) oder „pluralen“ (Münch 1985, 16; Kutscha 1992, 146ff.; Steiner 2007, 21) Ausbildungssystem. Trotz zahlreicher Kontroversen haben sich sowohl der Begriff des dualen Systems als auch der Lern117 Eine dezidierte Erörterung definitorischer Mängel in der Begriffseinführung des Deutschen Bildungsrats liefert zudem Beck (1984).
3.1 Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung
113
ortbegriff durchgesetzt (Kraus 2008, 114). Die explizite Kennzeichnung außerschulischer Settings als sekundäre, d. h. nicht dem Primat der Pädagogik unterliegende, Lernorte stellt Münch (1985) zufolge „... einen wichtigen pädagogischen Merkposten dar“ (ebd., 10). 3.1.1
Systematisierungsansätze zum Verhältnis von Lernen und Arbeiten
An den Lernortbegriff anknüpfend unterscheidet Dehnbostel (1992 et passim) drei Varianten arbeitsbezogenen Lernens, die auf das Verhältnis von Lernort und Arbeitsplatz als Diskriminierungsmerkmal abzielen. Arbeitsplatzorientiertes Lernen findet demnach an zentralen Lernorten wie Schulen oder Bildungszentren statt, die zwar vom Arbeitsplatz getrennt sind, an denen der Arbeitsplatzbezug jedoch didaktisch im Vordergrund steht. Arbeitsplatzverbundenes Lernen liegt vor, wenn der Lernort eine räumliche und arbeitsorganisatorische Nähe zum Arbeitsplatz aufweist, wie dies bspw. bei Qualitätszirkeln oder Lernstätten der Fall ist. Sind Lernort und Arbeitsplatz identisch, so liegt arbeitsplatzgebundenes Lernen vor (Dehnbostel 1992, 12f.; 1996, 20; 2001, 55f.). In ähnlicher Weise wird in der Personalpsychologie und Erwachsenenbildung zwischen Training on-the-job, near-the-job und off-the-job unterschieden (Tippelt & Hoh 2001, 158; Weinert 2004, 717). Die von Dehnbostel gewählte Bezeichnung Varianten des Lernens erscheint insofern irreführend, da es sich inhaltlich um eine Klassifizierung von Umweltbedingungen des Lernens handelt, nicht jedoch um eine Unterscheidung von Lernprozessen (Kirchhof & Kreimeyer 2003, 216). Letztere müsste sich vielmehr auf die Unterscheidung intrapersoneller Verlaufsqualitäten beziehen, wie sie bspw. in Kapitel 2.4.1.3 aufgezeigt wurden. So weist Beck schon hinsichtlich des Lernortbegriffs pointiert darauf hin, dass der einzige Ort des Lernens der menschliche Körper sein kann (Beck 1984, 257). Entgegen den Ausführungen in Kapitel 2.4.1 orientiert sich auch die Definition informellen Lernens gerade im deutschsprachigen Bereich am Lernortbegriff. Informelles Lernen wird dabei häufig definiert als „... auf alles Selbstlernen bezogen, das sich in unmittelbaren Lebens- und Erfahrungszusammenhängen außerhalb des formalen Bildungswesens entwickelt“ (Dohmen 2001, 25). Anders als in Kapitel 2.4.1 wird hier keine Unterscheidung anhand der Bewusstseinsnähe vorgenommen, sondern eine weitere Klassifizierung nach objektiv unterscheidbaren Umgebungsfaktoren vorgeschlagen. Dies führt jedoch dazu, dass eine Auflistung von Lernorten um alle denkbaren Lebens- und Erfahrungszusammenhänge zu ergänzen wäre: „Versteht man unter Lernen durch Erfahrung entstandene, relativ überdauernde Verhaltensänderungen, so ist offenbar ein ‚Lernort’ zunächst nicht mehr und nicht weniger als ein ‚Ort’, an dem Erfahrungen gemacht werden können. So gesehen wäre dann dass ‚Leben’ in allen seinen Formen und Ausprägungen der Lernort schlechthin, und in der Tat ist es dies auch“ (Münch 1985, 9; Herv. i. O.). Gleichzei-
114
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
tig wird in der Definition informellen Lernens nach Dohmen als entscheidendes Definitionskriterium universal verneinend ausgeschlossen, dass dieses auch innerhalb des Bildungswesens stattfinden kann. Legt man jedoch – wie Münch im obigen Zitat – ein weit gefasstes Lernverständnis zugrunde (vgl. auch Kapitel 2.1.3), so scheint diese Definition zu kurz zu greifen: „Perhaps the greatest of all pedagogical fallacies is the notion that a person learns only the particular thing he is studying at the time. Collateral learning in the way of formation of enduring attitudes, of likes and dislikes, may be and often is much more important than the spelling lesson or lesson in geography or history that is learned“ (Dewey 1938/1997, 48). Informelles Lernen – im Sinne des von Dewey verwendeten collateral learning – findet somit auch in formellen Settings statt (Eraut 2000, 133; Kirchhof & Kreimeyer 2003, 216; vgl. auch Kapitel 2.4.1). Zu Recht weist Straka (1999) darauf hin, dass unter Zugrundelegung einer Definition, wie sie Dohmen herausarbeitet (s.o.), dagegen eher von Lernen unter den Bedingungen informeller Organisation zu sprechen sei (Straka 1999, 166; 2000, 23). Auch Jarvis (1987) stellt diese Unterscheidung unmissverständlich heraus: „... it is important to highlight the fact that formal, non-formal and informal are used here to refer to situations, not to types of learning nor types of education” (ebd., 70). Formale Situationen zeichnen sich seiner Kategorisierung zufolge durch enge organisationale Rahmenbedingungen und hierarchische Strukturen aus, non-formale Situationen sind weniger durch derlei Vorgaben geprägt und informale Situationen unterliegen keinen offiziellen, gleichwohl aber verdeckten Konventionen. Allerdings wird die individuelle Wahrnehmung und Klassifizierung sozialer Situationen durch die Akteure variieren (ebd., 68ff.). Mit ansteigendem Organisationsgrad sinkt die Selbstkontrolle des Lerners, welche von Simons (2000) als zentrales Differenzierungsmerkmal hervorgehoben wird (ebd., 32f.). Hinsichtlich des Lernens am Arbeitsplatz weist Harteis (2002) zu Recht darauf hin, dass hier eine weitere Differenzierung zwischen Organisationsgrad des Arbeitens und Organisationsgrad des Lernens vorzunehmen wäre, „... da zwar der Vollzug der Arbeitsaufgaben und innerbetrieblichen Funktionen hochgradig organisiert sein dürfte, nicht jedoch die Ermöglichung von Lernprozessen“ (ebd., 26). Abbildung 3-1 stellt die hier skizzierten Differenzierungsansätze den in Kapitel 2.4.1 dargestellten Ansätzen gegenüber.
3.1 Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung
Abbildung 3-1:
115
Klassifizierungen des Verhältnisses von Lernen und Arbeiten in der dualen Ausbildung (eigene Darstellung)
Auf der linken Seite der Abbildung sind Klassifizierungsansätze aufgeführt, die sich auf äußere, objektiv bestimmbare Merkmale der Lern- und Arbeitsumgebung beziehen, während die beiden rechten Spalten auf die subjektive Wahrnehmung, Intentionalität und Bewusstseinsnähe des Lernprozesses seitens der Akteure abstellen. Die in der Mitte der Abbildung dargestellten Ausprägungen des wahrgenommenen Organisationsgrades einer Lern- bzw. Arbeitsumgebung können grundsätzlich auf alle objektiven Ausprägungen zutreffen, was durch die durchgezogenen vertikalen Linien verdeutlicht wird.118 Gleiches gilt für die Beziehung zwischen Organisationsgrad und den aus Kapitel 2.4.1 übernommenen Klassifizierungsansätzen. Zwei Beispiele sollen mögliche Kombinationen verdeutlichen: 118 Interessant erscheinen in diesem Zusammenhang die raumtheoretischen Überlegungen zum Lernortbegriff von Kraus (2008). Die von der Autorin in Anlehnung an sozial- und kulturwissenschaftliche sowie philosophische Diskussionen vorgeschlagene Raum-Metapher löst den Lernortbegriff aus seiner rein institutionellen Verortung, unterstreicht die Subjektivität und den Prozesscharakter sozialer Räume, erinnert somit an den Situationsbegriff (vgl. Kapitel 2.2.2.1) und stellt damit eine Brücke zwischen den in Abbildung 2-1 getrennten Spalten dar.
116
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
• In einer Unterweisung am Arbeitsplatz dürfte ein Auszubildender vermutlich eher Lern- als Arbeitsziele verfolgen. • Ein Auszubildender, der im Rahmen des Berufsschulunterrichts kein Lernziel verfolgt, sondern einen Arbeitsauftrag des Lehrers lediglich bearbeitet, um Sanktionen zu vermeiden, befände sich dagegen in einer Arbeitssituation, da eine Veränderung der Umwelt, nicht jedoch eine Veränderung der eigenen Person angestrebt wird. Dass dabei dennoch implizit auch die von der Lehrkraft(!) beabsichtigten Lernprozesse angestoßen werden, bleibt indes zu hoffen. Einige der zwischen den Spalten in Abbildung 3-1 denkbaren Kombinationen mögen häufiger vorfindbar sein, eine strikte Zuordnung entspräche jedoch eher dualistischem Denken (Simons 2000, 31), das sowohl eine saubere Begriffsverwendung als auch die Analyse des Lernens am Arbeitsplatz erschwert. 3.1.2
Idealtypische Funktionen des Arbeitsplatzes als Lernort
Münch und Kath (1973) stellen zu Recht heraus, dass Arbeitsplätze auch ohne berufspädagogische Intentionalität, d. h. ohne pädagogisch reflektierte Auswahl, Gestaltung und Betreuung übertragener Arbeitstätigkeiten, dennoch auch berufspädagogische Funktionalität erfüllen können. Die Resultate sind dabei auf einem Kontinuum zwischen abgrenzbaren Lernprozessen und allgemeiner Persönlichkeitsentwicklung zu verorten, d. h. sie „... reichen von der beiläufigen Aneignung von Kniffs, Tricks und komplexen Methoden bis hin zu unterschwellig und unbemerkt stattfindenden Sozialisationsprozessen“ (Baitsch 1998, 276; vgl. auch Eraut 2004a, 206f.). Münch und Kath (1973) führen acht didaktische Funktionen des Arbeitsplatzes auf, die jedoch hinsichtlich ihres Realisierungsgrades durchaus unterschiedlich ausfallen (ebd., 23ff.; kursiv in Klammern: erläuternde Anmerkungen aus dem Text): • Lernen beruflicher Fertigkeiten (Gesamtheit motorischer, kognitiver und affektiver Fähigkeiten) • Orientierung über den Arbeitsplatz (auch über Praktika zu erwerben) • Motivation für arbeitsplatzexternes Lernen (wachsende Einsicht in die Notwendigkeit theoretischer Inhalte und deren Verknüpfung mit der Praxis) • Funktionale und applikative Integration arbeitsplatzbezogener Lerninhalte (flexibler Transfer auf andere Bereiche und somit Erwerb allgemeiner Problemlösefähigkeit) • Verantwortungsentwicklung (über Gewöhnung an Verantwortung in der Ernstsituation) • Geläufigkeitstraining (bspw. Einarbeitungszeit; erfolgt bei risikoreichen Arbeitsplätzen i. d. R. an gesonderten Lernorten oder unter besonderer Anleitung)
3.1 Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung
117
• Physiologische Gewöhnung (insbesondere bei extremen Arbeitsbedingungen) • Regeneration des Kenntnis- und Erfahrungsstandes (Reflexion über so genannte Sekundärarbeitsorte wie bspw. der Betrieb für den Berufsschullehrer, der Klassenraum für den Schulleiter oder das Labor für den Internisten) Wie Münch und Kath (1973) stellen auch Franke und Kleinschmitt (1987) fest, dass es zunächst schwierig ist, Lernergebnisse anzugeben, die nicht prinzipiell auch fernab des Arbeitsplatzes erreicht werden könnten. Als Exklusivziele des Arbeitsplatzes vermuten Letztere die schnelle Verwertbarkeit des Erlernten nach Abschluss der Ausbildung, die Integration und Strukturierung des an anderen Lernorten erworbenen Wissens aufgrund der Handlungsrelevanz, die Internalisierung von betrieblichen Normen, Wertvorstellungen und Rollenerwartungen sowie den Erwerb der alltäglichen Fachsprache (Franke & Kleinschmitt 1987, 4). Neben (1) der Informationsfunktion über die Anforderungen, die der o. g. Orientierung entspricht, und (2) der Funktion als Medium des Lernens, der alle weiteren Punkte von Münch und Kath zuzuordnen sind, nennt Franke (1993, 86f.) darüber hinaus (3) die Funktion des Arbeitsplatzes als Bewährungsinstanz zur Überprüfung des Gelernten durch Anwendung. In Kapitel 2.1.3 wurde bereits herausgestellt, dass Lern- und Entwicklungspotenziale durch beobachtbare Performanzen den hypothetischen Charakter des Probehandelns verlieren und dadurch eine Beurteilung von Lernen und Entwicklung erst ermöglichen. Dies unterstreicht die Funktion des Arbeitsplatzes als Bewährungsinstanz. 3.1.3
Verortung des Arbeitsplatzes in einer ökologischen Systemsicht auf die betriebliche Ausbildung
Wie in Kapitel 2.2.2.1 für den allgemeinen Situationsbegriff verdeutlicht, sind Situationen nicht als objektive außerindividuelle Sachverhalte zu verstehen, sondern als subjektive, intentional gesteuerte Erlebenseinheiten. Jedoch sind individuelle Definitionen von Situationen nicht beliebig, sondern von strukturellen Gegebenheiten der verschiedenen Umwelten beeinflusst (Kell 1984, 32). Entsprechend wird die Arbeitssituation definiert als „... die Beschreibung eines Arbeitssystems, und zwar zum einen als Ergebnis einer Erhebung der realen Gegebenheiten, und zum anderen als subjektive Wahrnehmung desselben Arbeitssystems durch die in ihm arbeitenden Menschen“ (Elias, Gottschalk & Staehle 1982, 2). Die Determinanten konkreter Arbeitssituationen sind daher – zumindest theoretisch – in umweltbezogene und subjektbezogene Bedingungsfaktoren zu unterteilen (Dedering 1996, 53f.). Um Einflussfaktoren der Umwelt zur identifizieren und zu kategorisieren, wird in Anlehnung an Kell & Kutscha (1983, 200) sowie insbesondere Kell (1989, 12) im Folgenden eine Systemsicht der betrieblichen Ausbildung auf Basis der von Bronfenbrenner entwickelten Ökologie der menschlichen Entwicklung (1981) vorgeschla-
118
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
gen, wie sie in der Vergangenheit bereits von anderen Autoren aufgegriffen und teilweise modifiziert wurde (z. B. van Buer 1999, 26; Sloane 2006a, 612). Ähnlich dem der Arbeit zugrunde liegenden Lernverständnis fasst Bronfenbrenner (1981) den Begriff Entwicklung sehr weit „als dauerhafte Veränderung der Art und Weise, wie die Person die Umwelt wahrnimmt und sich mit ihr auseinandersetzt“ (ebd., 19) sowie als „Prozess, durch den die sich entwickelnde Person erweiterte, differenziertere und verläßlichere Vorstellungen über ihre Umwelt erwirbt“ (ebd., 44). Die Umwelt wird dabei als ein Satz ineinander geschachtelter Systeme definiert, deren innerste Ebene den unmittelbaren Lebensbereich der sich entwickelnden Person darstellt. Diese innerste Ebene - das Mikrosystem - ist ein Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen, welche die in Entwicklung begriffene Person in einem gegebenen Lebensbereich erlebt. Eine besondere Betonung erhält hierbei die Erlebenskomponente, indem Bronfenbrenner hervorhebt, dass nicht nur die objektiven Eigenschaften der Umwelten relevant sind, sondern auch die Art und Weise, wie diese Eigenschaften von der jeweiligen Person wahrgenommen werden (vgl. auch Subjektivität der Situationswahrnehmung in Kapitel 2.2.2.1). Ein Mesosystem umfasst die Wechselbeziehungen zwischen den Lebensbereichen, an denen die sich entwickelnde Person aktiv beteiligt ist und stellt somit eine Kombination von Mikrosystemen dar, die formelle und informelle Beziehungen zwischen den Lebensbereichen eines sozialen Netzwerks umfasst. Unter Exosystemen werden dagegen Lebensbereiche verstanden, an denen das betrachtete Subjekt nicht selbst beteiligt ist, in denen aber Ereignisse stattfinden, die beeinflussen, was in seinem Lebensbereich geschieht. Das Makrosystem schließlich bezieht sich auf die grundsätzliche formale und inhaltliche Ähnlichkeit der Systeme niedrigerer Ordnung einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Weltanschauungen und Ideologien (Bronfenbrenner 1981, 38ff.). Eine dynamische Sichtweise eröffnen ökologische Übergänge, die als Wechsel der Rolle und/oder des Lebensbereiches aufgefasst und in späteren Publikationen gemeinsam mit dem Lebenslauf (definiert als Kette von Übergängen) dem Chronosystem zugeordnet werden (Bronfenbrenner 1990, 77). Abbildung 3-2 stellt eine Adaption der Systemsicht Bronfenbrenners für die betriebliche Ausbildung dar, die im Folgenden erläutert wird.
3.1 Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung
Abbildung 3-2:
119
Systemsicht betrieblicher Ausbildung in Anlehnung an Bronfenbrenner (1981, 1990) sowie weitere im Text genannten Autoren
Im Zentrum der Systemsicht steht der Auszubildende als sich entwickelndes Subjekt, das die objektiven Umgebungsfaktoren des Mikrosystems (der Mikrosysteme) im Zuge seiner Wahrnehmung einer subjektiven Redefinition unterzieht. Im Unterschied zur Adaption durch die o. a. Autoren wird hier nur die betriebliche Seite der Ausbildung betrachtet, die ihrerseits in Anlehnung an die o. a. Systematisierung nach Dehnbostel in verschiedene Mikrosysteme untergliedert ist. Da der Fokus der vorliegenden Arbeit auf dem Mikrosystem Arbeitsplatz (arbeitsgebundenes Lernen i. S. v. Dehnbostel) liegt, sind die übrigen Mikrosysteme in Abbildung 3-2 lediglich der Vollständigkeit halber und als Restkategorie zusammengefasst dargestellt (gestrichelte Linien). Das Mikrosystem Arbeitsplatz und auch die anderen genannten Mikrosysteme (mit Ausnahme überbetrieblicher Ausbildungszentren) werden vom Mesosystem Ausbildungsbetrieb umfasst. Besondere Relevanz für den Arbeitsplatz als Lernort in der betrieblichen Ausbildung dürfte insbesondere von der produktionsorientierten Aufbau- und Ablauforganisation und von unternehmenskulturellen Aspekten ausgehen. So variieren die Lernpotenziale am Arbeitsplatz unter anderem hinsichtlich der Trägerschaft, der Branche, der Größe, des Grades der Arbeitsteilung/-zerlegung
120
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
und hinsichtlich der einzelnen Abteilungen eines Betriebs beträchtlich (Lempert 1974, 66; Franke & Kleinschmitt 1987, 21). Ferner spielen auf Mesoebene das vorherrschende Lern- und Fehlerverständnis, die Ausbildung am Arbeitsplatz betreffende Entscheidungen des Bildungsmanagements sowie das Ausbildungspersonal eine wichtige Rolle. Ziel dieses Ausbildungssystems ist es, „... das Handeln des Auszubildenden im Handlungsraum Arbeitsplatz durch handlungsvorbereitende, handlungsbegleitende, nachbereitende und arbeitorganisatorische Maßnahmen zu stimulieren und zu unterstützen“ (Franke & Kleinschmitt 1987, 19). Parallel zur Unterscheidung zwischen Lern- und Arbeitshandeln auf der Mikroebene des Arbeitsplatzes (vgl. Kapitel 3.1.1) kann auf Mesoebene des ausbildenden Betriebs zwischen Ausbildungssystem und Produktionssystem unterschieden werden. Hinsichtlich der Berücksichtigung des Ausbildungspersonals liegt ein inhaltlicher Unterschied zu den Adaptionen anderer Autoren (s. o.) in der Interpretation des Exosystems. Während die vorgenannten Autoren das Exosystem als Ebene gesellschaftlicher Subsysteme (Bildungssystem und Beschäftigungssystem) verstehen, die in der Hierarchie zwischen Meso- und Makrosystem angesiedelt sind, wird das Exosystem hier als ein Mikrosystem von Bezugspersonen verstanden.119 Einfluss auf die Lernprozesse der Auszubildenden dürfte hierbei gerade von den Lernund Arbeitsbedingungen des Ausbildungspersonals ausgehen (Achtenhagen 2001, 123), das sowohl hauptberufliche Ausbilder, aber – wie noch zu zeigen sein wird – insbesondere ausbildende Fachkräfte umfasst. Die Mikrosysteme des Ausbildungspersonals (aus Sicht der Auszubildenden: Exosysteme) sind ebenfalls überwiegend dem Mesosystem Ausbildungsbetrieb zuzuordnen, können im Falle außerbetrieblicher Weiterbildungen aber auch andere Mesosysteme betreffen. Das Makrosystem umfasst gesellschaftliche, wirtschaftliche, technologische und bildungsbezogene Rahmenbedingungen, die wiederum Einfluss auf die in ihm genesteten Systeme ausüben. In den genannten Adaptionen des Modells werden hierunter Strukturen der Gesellschaft, des Staates und der Kultur(en) sowie Weltanschauungen, Lebenstile, Normen und ferner Vorstellungen, Theorien und Ideologien über die Bedeutung von Arbeit und Bildung und über die Beziehung von Lernen und Arbeiten aufgeführt (Kell 1989, 12; van Buer 1999, 26), die in einer polaren Spannung zwischen ökonomischen und pädagogischen Zielen stehen (Kell 2006, 461). Aus einer produktionsorientierten Perspektive auf den Arbeitsplatz definieren Karg und Staehle (1982) – mit Verweis auf den sozio-technischen Systemansatz des Londoner Tavistock Institute of Human Relations – die Makrostruktur der Arbeitssituation als den in einer Gesellschaft historisch vorzufindenden Entwicklungsstand von Produktionsbedingungen, der unter anderem folgende Elemente umfasst: techni119 Diese Interpretation liegt m. E. näher an der Intention Bronfenbrenners, der bei der Betrachtung der Umweltsysteme eines Kindes als beispielhaftes Exosystem den Arbeitsplatz der Eltern nennt (1981, 42).
3.1 Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung
121
scher Entwicklungsstand, Qualifikationsstruktur der Arbeitnehmer, Situation auf verschiedenen Märkten, Kosten- und Einkommensstrukturen und Bewusstseinsstand der Betroffenen. Diese Struktur – interpretiert und vermittelt durch das industrial relations system (Arbeitgeber, Gewerkschaften und Staat) – definiert den Spielraum möglicher Ausprägungen untergeordneter Systeme (Karg & Staehle 1982, 22). Arbeitstätigkeiten sind in ihren wesentlichen Merkmalen gesellschaftlich bestimmt, auch wenn sie im Einzelfall isoliert ausgeführt werden. Sie sind stets auch auf Bedürfnisse anderer Menschen bezogen und gewinnen daraus einen ausschlaggebenden Teil ihres Sinns (Hacker 1978, 54; 2005, 47f.). Die gesellschaftlichen Ziele (Makroebene) werden über Ziele der Organisation (Mesoebene) vermittelt. Daraus resultiert, dass Ziele im Rahmen von Arbeitstätigkeiten (Mikroebene) grundsätzlich vorgegeben sind (Hacker 1978, 117), aber je nach Spezifität (vgl. Kapitel 2.2.2.2) Spielraum für eigene Interpretationen und ggf. weitere individuelle Ziele eröffnen, die aus Sicht der Organisation erwünscht oder unerwünscht sein können (Sonnentag, Fay & Frese 2004, 251). Die berufliche Leistung von abhängig Beschäftigten ist als Beitrag zu den Zielen einer Organisation definiert (Marcus & Schuler 2006, 434) und als wesentliches Kriterium des Handelns in Organisationen anzusehen (Sonnentag, Fay & Frese 2004, 282).120 In der Mikrostruktur der Arbeitssituation spiegelt sich zugleich auch das herrschende Verhältnis von Lernen und Arbeiten, dessen dualistische Ausprägung ihren Höhepunkt in Ansätzen des scientific management (Taylor 1911) findet. Die hierbei vorgesehene strikte Trennung zwischen Planung und Ausführung auf Ebene der Arbeitsorganisation zielt einseitig auf Effizienzsteigerung durch Routinisierung ab und begrenzt die Lern- und Entwicklungsförderlichkeit des Großteils der Arbeitsplätze damit bewusst auf ein Minimum (Nieuwenhuis & van Woerkom 2007, 66).121 Unter Bedingungen der Taylorisierung wird das o. a. Spannungsverhältnis zwischen ökonomischen und pädagogischen Zielen auch auf der Mesoebene im konfliktären Verhältnis zwischen Produktionssystem und Ausbildungssystem deutlich. Die Verortung der Arbeitsorganisation auf dem Konti120 Insbesondere Zielspezifität (klar definierte vs. vage Ziele), Zielperspektive (zeitnahe vs. zeitferne Ziele) und Zielkomplexität (Umfang enthaltener und ggf. kontradiktischer Teilziele) entscheiden darüber, inwieweit das Ergebnis einer Arbeitsaufgabe eindeutig bewertbar ist. 121 Bereits etwa 150 Jahre vor dem Siegeszug des scientific management merkte Adam Smith nach Besichtigung der Fließproduktion einer Nadelmanufaktur an, dass „... der Mensch, dessen ganzes Leben mit der Verrichtung einer kleinen Zahl von einfachen Handgriffen erfüllt ist, deren Wirkungen immer genau die gleichen sind, keinerlei Möglichkeit zur Übung seiner Intelligenz oder seiner Erfindungsgabe in der Suche nach einem Mittel hat, das Schwierigkeiten aus dem Wege räumen soll, die ja doch niemals auftreten. Deshalb wird ihm diese Tätigkeit zur Gewohnheit, und er wird im Allgemeinen so beschränkt, wie es ein menschliches Wesen nur werden kann“ (zitiert nach Friedmann 1953, 266). Ebenso wie Individuen (vgl. Kapitel 2.5) sind auch Organisationen auf ein Wechselspiel zwischen Modellnutzung (Performanz, Effizienz, Rendite) und Modellerwerb (Kompetenzerweiterung, Effektivität, Nachhaltigkeit) angewiesen. Ausschließlich auf Effizienz ausgerichtete Organisationsformen wie das Taylor-System sind nur kurzfristig erfolgreich. Auf lange Sicht führen dynamische Umwelten dazu, dass das Organisationsmodell nicht mehr passt und (ökonomischer) Leidensdruck entsteht.
122
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
nuum zwischen Taylorismus/Fordismus und autonomer (Gruppen-)Arbeit wird demzufolge als wichtigster Kontextfaktor für die Lernhaltigkeit von Arbeitsplätzen betrachtet (Tynjälä 2008, 141; vgl. auch Hacker 1995, 18). Während der Hauptweg zur Beeinflussung der Arbeitstätigkeiten daher über die Gestaltung der Auftrags- und Ablauforganisation, der Arbeitsteilung und Arbeitskombination auf Mesoebene führt (Hacker 2005, 140), können Lernpotenziale vorfindbarer Arbeitsplätze durch arbeitspädagogische Maßnahmen gefördert werden. Sonntag, Stegmaier und Jungmann (1998) unterscheiden diesbezüglich zwischen der arbeitsstrukturalen Komponente, die sich auf die Gestaltung von Arbeitsaufgaben und Ausführungsbedingungen bezieht, und der instruktionalen Komponente, die sich auf die pädagogische Unterstützung in der Auseinandersetzung mit Arbeitsaufgaben bezieht (ebd., 339). 3.1.4
Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung
Wissenserwerb (Lernhandeln) und Wissensanwendung (Arbeitshandeln) sind beim Lernen am Arbeitsplatz miteinander verbunden. Die aus dem Produktionsprozess resultierenden Arbeitsanforderungen sind zugleich auch Lerngegenstand (Schaper 2004, 201f.). Als Lerngegenstand bezeichnet Achtenhagen (1984) das Handlungsoder Erkenntnisobjekt bzw. den Prozess, auf dessen Erfassung, Durchdringung, Aneignung und/oder Beherrschung sich das Lernhandeln bezieht (ebd., 145; dort zitiert nach Wienold 1975). Die Gesamtheit der Handlungsanforderungen und Handlungsbedingungen bildet die Lernumwelt und deren subjektive Wahrnehmung bezogen auf eine zeitlich abgrenzbare Handlungseinheit wird als Lernsituation bezeichnet (Achtenhagen, Tramm, Preiß, Seemann-Weymar, John & Schunk 1992, 85). Das Lernpotenzial eines Arbeitsprozesses definiert Hacker (2005) als Gesamtheit der objektiven Lernanforderungen, denen zugleich motivationsförderliche Wirkung zukommt (ebd., 760; vgl. auch Frieling, Bernard, Bigalk & Müller 2006, 42). Situationsbezogen definieren Baitsch und Frei (1980) das Qualifizierungspotenzial122 der Arbeit als „die (statistische) Wahrscheinlichkeit, dass sich in einer konkreten Arbeitssituation Qualifizierungsprozesse ereignen“ (ebd., 34). Dieses Potenzial wird wiederum als Resultante von personenseitigen Einflussfaktoren und arbeitsseitigem Qualifizierungsangebot betrachtet. Das arbeitsseitige Qualifizierungsangebot umfasst alle Merkmale eines Arbeitsauftrags einschließlich aller Ausführungsbedingungen, die zu Lernprozessen führen können (Baitsch & Frei 1980, 34ff.). Zur weiteren Differenzierung der Ausführungsbedingungen dienen die Strukturmodelle der Arbeits- und Lernsituation nach Stratenwerth (1978 et passim). 122 Angesichts der in Kapitel 2.3.4.1 getroffenen Unterscheidung zwischen Kompetenz und Qualifikation wird anstelle des von Baitsch und Frei gewählten Begriffs im Weiteren der allgemeinere Begriff Lernpotenzial beibehalten.
3.1 Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung
123
Abbildung 3-3 zeigt eine zusammengefasste Darstellung der Arbeits- und Lernsituation, die jeweils als Spezifikationen eines allgemeinen Modells der Handlungssituation zu verstehen sind.
Abbildung 3-3:
Strukturmodell der Arbeits- und Lernsituation (in Anlehnung an Stratenwerth 1978, 292ff.; 1988, 127ff.; Stexkes 1991, 110ff.)
Eine Integration (1) des im zweiten Kapitel entwickelten Handlungsprozessmodells (siehe Kapitel 2.2.3), (2) der Arbeitsdefinition des Kompetenzbegriffs (siehe Abbildung 2-11 in Kapitel 2.3.5) und (3) der im vorangegangenen Kapitel aufgezeigten Systemsicht betrieblicher Ausbildung führt zum Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz (Abbildung 3-4). Aufgrund der Grenzen grafischer Darstellbarkeit ist in Abbildung 3-4 lediglich ein Verweis auf das Handlungsprozessmodell enthalten. Es ist im mittleren Pfeil Handlungsprozesse mitzudenken.
124
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Abbildung 3-4:
Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz (eigene Darstellung)
Das Modell stellt eine Zusammenfassung der bisherigen Ausführungen dar und berücksichtigt die von Hacker (1995, 16f.) für Arbeitsanalysen als notwendig erachteten Bereiche der Arbeitsprozesse (vgl. Handlungsprozessmodell; Abbildung 2-11 in Kapitel 2.2.3), der Ausführungsbedingungen der Arbeit (vgl. Systemsicht; Abbildung 3-2 in Kapitel 3.1.3) sowie der Leistungsvoraussetzungen von Arbeitenden
3.1 Der Lernort Arbeitsplatz in der beruflichen Erstausbildung
125
(vgl. Arbeitsdefinition des Kompetenzbegriffs; Abbildung 2-14 in Kapitel 2.3.5) und deren beabsichtigte und unbeabsichtigte Veränderungen als Auswirkungen von Arbeit (vgl. Kapitel 2.4). Während die Arbeitsorganisation auf Leistungserstellung ausgerichtet ist und maßgeblich die nicht beabsichtigten Lernpotenziale am Arbeitsplatz beeinflusst (vgl. arbeitsstrukturale Komponente nach Sonntag, Stegmaier und Jungmann 1998), zielt der Einfluss des (Aus-)Bildungsmanage-ments bewusst auf die Steigerung von Lernpotenzialen an Arbeitsplätzen ab (vgl. instruktionale Komponente nach Sonntag, Stegmaier und Jungmann 1998). Insgesamt greift das Modell alle von Hoff (1986) genannten Wechselwirkungen zwischen sozialen Umwelt- und psychischen Persönlichkeitsstrukturen im Rahmen beruflicher Sozialisation auf (Zusammenfassung nach Lempert 2006a, 414f.): a) Die objektive Außenseite sozialer Interaktionen, d. h. externe Anforderungen, Erwartungen und Zumutungen, mit denen die Individuen konfrontiert werden, und reale Bedingungen, unter denen diese Imperative zu erfüllen sind, in einzelnen Situationen, Kollektiven, Institutionen, Bereichen usw. (vgl. situationaler Handlungskontext in Abbildung 3-4), b) ihre Wahrnehmung und Deutung durch die (Inter-)Akteure (vgl. Handlungsprozessmodell in Kapitel 2.2.3), c) ihre jeweilige (individuelle) emotionale und kognitive Verarbeitung, bis hin zu Vorstellungen künftiger (äußerer) Ereignisse und Zustände, auch zu Entwürfen eigener (Re-)Aktionen (vgl. Handlungsprozessmodell in Kapitel 2.2.3), d) das kurzfristig (aktualgenetisch) hervorgerufene individuelle (eher umweltbestimmte) Verhalten oder (darüber hinaus personbestimmte) Handeln, das auf die Umwelt sei es stabilisierend, sei es verändernd zurückwirkt (vgl. Arbeitsresultat als Outcome in Abbildung 3-4), und e) die im Vollzug dieser Prozesse langfristig (ontogenetisch) ausgebildeten individuellen bzw. subjektiven Muster sozialen Wahrnehmens, Deutens, Fühlens, Denkens und Agierens (vgl. Lernresultat als Outcome und personale Handlungsvoraussetzungen in Abbildung 3-4). Dabei stellen (a) und (e) die interagierenden sozialen und psychischen Strukturen (Situation und Person) dar und (b), (c) und (d) die Prozesse ihrer Interaktion (Lempert 2006a, 415). Im weiteren Verlauf des Kapitels wird untersucht, unter welchen Bedingungen die aufgezeigten Prozesse erfolgreich verlaufen, wobei zunächst zu klären ist, was in diesem Zusammenhang unter erfolgreich zu verstehen ist.
126 3.2
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen
Empirische Untersuchungen zur Wirkung von Arbeit und Ansätze zur Gestaltung von Arbeitsplätzen orientieren sich – je nach wissenschaftlicher Disziplin – an recht unterschiedlich anmutenden Zielvorstellungen, die sich grob in folgende Kategorien einteilen lassen (ähnlich: Frese 1982, 212; Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit): • Erlebensqualität (State-Perspektive): aktuelles Wohlbefinden, Reduktion von Belastungserleben, Förderung von Flow-Erleben, Arbeitsmotivation123 etc. • Arbeitshandeln (State-Perspektive): proaktives, extraproduktives und prosoziales Arbeitsverhalten, Organizational Citizenship Behavior, Intrapreneurship etc. • Einstellung (Trait-Perspektive): Arbeitszufriedenheit, organisationale Identifikation, Commitment etc. • Entwicklung (Trait-Perspektive): Persönlichkeitsentwicklung, Interessensentwicklung, positives Selbstkonzept, Erhalt der psychischen und physischen Gesundheit etc. Bei genauerer Betrachtung der verfolgten Ziele werden allerdings mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede sichtbar (vgl. auch Nieuwenhuis & van Woerkom 2007, 72). Bereits im Hinblick auf die Ausführungen im zweiten Kapitel drängen sich einige Zusammenhänge auf: So scheint es durchaus plausibel, dass sich eine fortgesetzt positive Erlebensqualität am Arbeitsplatz (aktuelles Wohlbefinden; emotionale Befindlichkeit) (1) in überdauernden positiven Einstellungen zum Arbeitsplatz (habituelles Wohlbefinden) niederschlägt, (2) wünschenswertes Arbeitsverhalten motiviert und (3) höhere Lernpotenziale eröffnet. Exemplarisch sollen die Gemeinsamkeiten im Folgenden anhand einiger Ansätze verdeutlicht werden. 3.2.1
Das Job-Demand-Control-Support-Model (Karasek)
Auf der Basis umfangreicher Studien zur Erklärung zunehmender kardiovaskulärer Erkrankungen in westlichen Industrienationen arbeitet Karasek (1979) das JobDemand-Control-Modell heraus, das auf die Passung von Anforderungen und Handlungskontrolle am Arbeitsplatz abstellt. Die positivsten Wirkungen werden – ähnlich wie im Flow-Ansatz von Csikszentmihalyi – im Passungsbereich hoher Anforderungen und großer Eingriffsmöglichkeiten gesehen. Diesen aktivierenden Arbeitssituationen (active jobs) wird hohes Motivations- und Lernpotenzial zugeschrieben, das 123 Je nach Definition und insbesondere in Abhängigkeit vom empirischen Zugang wäre die Arbeitsmotivation ggf. der Trait-Perspektive zuzuordnen, da zumeist retrospektive Zufriedenheitsurteile erhoben werden.
3.2 Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen
127
als desirable stress bezeichnet wird (Theorell & Karasek 1996, 10) und damit an den positiv besetzten Eustress nach Selye (1981, 171) erinnert. Auch LePine, LePine und Jackson (2004) unterscheiden in Anlehnung an Lazarus und Folkman (1987, 145) zwischen Stresserleben aufgrund von Herausforderung (challenge stress) und Stresserleben aufgrund von Hindernissen (hindrance stress). Anhand von Strukturgleichungsanalysen auf Basis einer Stichprobe von knapp 700 Studierenden zeigen die Autoren, dass sich challenge stress positiv und hindrance stress negativ auf die Lernmotivation auswirken (LePine, LePine & Jackson 2004, 888). Dem Job-Demand-Control-Modell zufolge führt die Kombination aus hohen Anforderungen und niedriger Kontrolle zu Belastungserleben (high strain) und langfristig erhöhtem Krankheitsrisiko (Theorell & Karasek 1996, 23). Abbildung 3-5 zeigt die postulierten Zusammenhänge inklusive ihrer Wechselwirkung mit Trait-Komponenten auf. Danach führen aktivierende Arbeitssituationen zu Motivation, Lernprozessen und auf Dauer zu einem positiveren Selbstbild, das wiederum das Belastungserleben verringert. Im unteren Kreislauf führt dauerhaftes Belastungserleben zu anhaltender Erschöpfung, die ein Umgehen und Vermeiden von lernwirksamen Herausforderungen bewirkt (Theorell & Karasek 1996, 11). Die mit jedem Kreislauf verbundene Hemmung des gegenläufigen Kreislaufes entspricht somit einer positiven Rückkopplung (Selbstverstärkung) in Form von Aufwärts- bzw. Abwärtsspiralen.
Abbildung 3-5:
Dynamische Version des Job-Demand-Control-Modells (Theorell & Karasek 1996, 12)
128
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Bezüglich des Verhältnisses von State- und Trait-Komponenten wird im Job-DemandControl-Modell sowohl die bottom-up- als auch die top-down-Perspektive berücksichtigt (vgl. Kapitel 2.2.1.2). Johnson und Hall (1988) schlagen eine Erweiterung des Modells um soziale Unterstützung vor, die insbesondere geeignet sei, die in Abbildung 3-5 skizzierte Abwärtsspirale zu durchbrechen. Diese Erweiterung führt schließlich zur Bezeichnung Demand-Control-Support-Modell. Im Wesentlichen werden zwei Parallelen zu den Ausführungen in Kapitel 2 deutlich: Wohlbefinden und Lernen werden durch identische Umgebungsfaktoren befördert und diese Umgebungsfaktoren stehen wiederum in Zusammenhang mit der Befriedigung der basic needs (vgl. Kapitel 2.2.1.4): Kompetenzerleben aufgrund hoher Anforderungen (job demand), Autonomieerleben im Sinne von Eingriffsmöglichkeiten (job control) und soziale Einbindung bzw. soziale Unterstützung (social support). Eine Analyse von 19 Interventionsstudien zur Reduktion des Belastungserlebens in belastungsintensiven Berufen zeigt, dass die Erhöhung von Partizipationsmöglichkeiten, eine offene hierarchieübergreifende Kommunikation und eine lernorientierte Einstellung zu Stress Schlüsselfaktoren zur Minderung des Belastungserlebens sind und tendenziell die Produktivität erhöhen (Karasek 2004, 446). In einer Fragebogenstudie auf Basis des DemandControl-Support-Modells finden Van Yperen und Hagedoorn (2003) in ihrer Stichprobe (Krankenhauspersonal) zudem einen zusätzlichen positiven Einfluss sozialer Unterstützung auf die intrinsische Motivation (ebd., 345). Anhand zweier Studien mit Arbeitnehmern unterschiedlicher Unternehmen (n1 = 78; n2 = 106) zeigen Daniels, Boocock, Glover, Hartley und Holland (2009) mittels Experience-SamplingMethode (Selbstauskünfte zu vier Befragungszeitpunkten an insgesamt fünf Arbeitstagen), dass der Zusammenhang zwischen Problemlösen und positivaktiviertem Erleben durch das mit dem Problemlösen verbundene Lernen mediiert wird, nicht jedoch der Zusammenhang zwischen Problemlösen und Angsterleben. Dabei spielt es keine Rolle, ob Probleme durch selbstständiges Experimentieren oder durch Befragung von Kollegen gelöst werden (ebd, 1011). Weitere differenzierte Befunde zum Job Demand-Control(-Support)-Modell finden sich im Überblicksartikel von van der Doef und Maes (1999). 3.2.2
Die Affective-Events-Theory (Weiss & Cropanzano)
Auch in der Arbeitszufriedenheitsforschung fokussiert man in den vergangenen Jahren stärker das konkrete situationale Erleben. Als heiliger Gral der Forschungsbemühungen gilt dabei die Varianzaufklärung der Arbeitsleistung (Weiss & Cropanzano 1996, 50)124, doch weisen zahlreiche Meta-Analysen lediglich moderate 124 Als mit der Arbeitszufriedenheit verbundene Zielgröße ist neben der Arbeitsleistung auch der Erhalt der psychischen Gesundheit mitzudenken (Bergmann & Wardanjan 1999, 25). Eine jüngere Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und psychischer Gesundheit berück-
3.2 Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen
129
Zusammenhänge und zudem hohe interne Variationen auf (Brayfield & Crockett 1955: r = .15; Vroom 1964: r = .14; Petty, McGee & Cavender 1984: r = .31; Iaffaldano & Muchinsky 1985: r = .17; Six & Eckes 1991: r = .19; Judge, Thoresen, Bono & Patton 2001: r = .30; Carr, Schmidt, Ford & DeShon 2003: r = .18). Während Arbeitszufriedenheit konzeptionell dem Konstrukt der Motivation nahe steht (Fischer 1989, 28; Six & Kleinbeck 1989, 379), wird sie empirisch zumeist in Form retrospektiver Gesamturteile erhoben (Kannheiser 1992, 17f.), die sich – „wohl eher unabsichtlich“ (Wegge 2007, 275) – ausschließlich auf die kognitive125 Einstellungskomponente beziehen (Brief & Weiss 2002, 284). In Anbetracht dieser Operationalisierung gibt es nach Weiss und Cropanzano (1996) jedoch kaum einen vernünftigen Grund, höhere Zusammenhänge anzunehmen: „One is hard pressed to develop a rationale for why a worker’s overall evaluation of his or her job should in any way influence how hard he or she works on the job, what strategies he or she employs when doing the job or any of the other factors which affect task performance“ (ebd., 51). Die in der Arbeitszufriedenheitsforschung mittlerweile weit verbreitete Affective-Events-Theory von Weiss und Cropanzano stellt im Gegensatz zu rein statischen, einstellungsbasierten Konzepten das schwankende emotional-affektive StateErleben in den Mittelpunkt der Betrachtung. Zur Erklärung der Erlebensqualität werden personale Einflussfaktoren wie emotionsrelevante Dispositionen und situationale Einflussfaktoren in Form von Arbeitsereignissen berücksichtigt, wobei deren Wahrnehmung wiederum durch Dispositionen moderiert wird. Allgemeine Arbeitsplatzmerkmale machen gewisse Arbeitsereignisse und das mit ihnen verbundene Erleben mehr oder weniger wahrscheinlich und üben somit einen indirekten (affektiven) Einfluss auf die Einstellung zur Arbeit aus. Darüber hinaus unterliegen sie aber auch der direkten Bewertung, welche die kognitive Komponente der Arbeitseinstellung beeinflusst. Letztere entspricht dabei der Arbeitszufriedenheit, wie sie durch klassische Fragebogeninstrumente erhoben wird. Die Autoren erklären ferner, dass kognitiv basiertes Verhalten (judgment driven behavior) durch ebendiese Arbeitszufriedenheit beeinflusst wird, aber affektiv basiertes Verhalten, zu dem auch die tägliche Arbeitsleistung zählt, direkt aus der Erlebensqualität folgt, ohne sichtigt 485 Studien mit mehr als 250.000 Befragten. Die korrigierten Korrelationskoeffizienten unterstreichen die Bedeutsamkeit der Arbeitszufriedenheit für Burnout (r = .478), Selbstwertgefühl (r = .429), Depression (r = .428) und Angst (r = .420). Die positiven Vorzeichen basieren auf einer Konvertierung der Korrelationskoeffizienten durch die Autoren. Burnout ist hier also als Abwesenheit von Burnout zu interpretieren (Faragher, Cass & Cooper 2005). 125 Die Begriff kognitiv wird hier – entgegen der Begriffsverwendung in der vorliegenden Arbeit (vgl. Kapitel Kapitel 2.2.1) – als bewusst, analytisch oder abwägend verstanden. Zufriedenheit wird hier als langfristiger Outcome in Folge eines bewussten, abwägenden und positiv ausgehenden Vergleichs angestrebter Ziele und vorgefundener Realitäten aufgefasst (Fischer 1989, 28). Dieses Urteil unterliegt sozialen Einflüssen (z. B. dem Image des Berufs/des Arbeitgebers, dem sozialen Vergleich von Verdienst, Arbeitszeiten etc.) und folgt somit eher der Frage, wie zufrieden man eigentlich vernünftigerweise sein sollte (vgl. hierzu van Reekum & Scherer 1997, 261).
130
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
von allgemeinen Einstellungen beeinflusst zu sein (Weiss & Cropanzano 1996, 12).126 Abbildung 3-6 gibt die erläuterten Zusammenhänge wieder.
Abbildung 3-6:
Makrostruktur der Affective-Events-Theory (Weiss & Cropanzano 1996, 12; in Anlehnung an Wegge 2007, 276)
Der vorgestellte Ansatz verdeutlicht „... das komplexe Zusammenspiel von Merkmalen der Arbeit, emotionsauslösenden Ereignissen bei der Arbeit, affektiven Persönlichkeitsdispositionen, arbeitsbezogenen Überzeugungen und Werten der Person und sozialen Einflussfaktoren“ (Wegge 2007, 275f.) und hat sich in zahlreichen, methodisch z. T. recht aufwändigen Studien bestätigt (ebd., 275).127 Die zusätzliche 126 Mit der postulierten Unabhängigkeit affektiven Verhaltens von der Arbeitszufriedenheit (als überdauernde Einstellung) entscheiden sich die Autoren für eine einseitige bottom-up-Perspektive der Entstehung emotional-affektiver Traits (vgl. Kapitel 2.2.1.2). Es erschiene aber durchaus plausibel, ebenso eine top-down-Perspektive zu berücksichtigen, in der die Arbeitszufriedenheit auch als Persönlichkeitsdisposition zu berücksichtigen wäre. 127 So konnten auch Quarstein, McAfee und Glassman (1992) – einem ähnlichen Ansatz folgend – zeigen, dass emotionsauslösende Ereignisse (occurrences) zusätzlich zu allgemeinen Merkmalen der Arbeit (characteristics) eine inkrementelle Varianzauflösung aufweisen (1992, 869ff.). Die zugrunde gelegte Situational Occurrences Theory of Job Satisfaction der o. g. Autoren weist im Kern große Ähnlichkeit mit der Affective Events Theory von Weiss und Cropanzano auf, erlangte aber nie deren Popularität. Wegge führt in seinem lesenswerten Übersichtsbeitrag einige Studien auf, die ebenfalls auf eine di-
3.2 Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen
131
Berücksichtigung des emotional-affektiven Erlebens in der Arbeit hilft nicht nur dabei, zusätzliche Varianzanteile von Arbeitszufriedenheitsurteilen aufzuklären, sondern ermöglicht auch eine deutlich höhere Varianzaufklärung des Arbeitsverhaltens (Brief & Weiss 2002, 296ff.; Wegge 2007, 277). Interessanterweise entspricht der untere Teil der Abbildung dem Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie (vgl. Kapitel 2.2.1.4): Motivation (hier: affektives Erleben) entsteht aus dem Zusammenspiel von Person und Situation und beeinflusst die Handlungsstile. Die Affective Events Theory wird als grundlegend für die Arbeitszufriedenheitsforschung angesehen und liefert nicht nur „... eine beachtenswerte Plattform für die lange überfällige Integration der Arbeitszufriedenheitsforschung mit der Emotionsund Stressforschung“ (Wegge & van Dick 2006, 12)128, sondern verdeutlicht bei genauerer Betrachtung ebenso die Parallelen zur Motivationsforschung. 3.2.3
Das Job-Characteristics-Model (Hackman & Oldham)
Einer der prominentesten Ansätze zur Arbeitsgestaltung ist das Job-CharacteristicsModel nach Hackman und Oldham, dessen Ziel darin liegt, eine Reihe wünschenswerter Outcomes wie hohe Qualität der Arbeitsleistung, hohe intrinsische Motivation, hohe Arbeitszufriedenheit und niedrige Fluktuation und niedriger Absentismus theoretisch wie auch empirisch auf spezifische Merkmale der Aufgabengestaltung zurückzuführen. Die Verbindung zwischen Aufgabenmerkmalen und Outcomes wird auch in diesem Modell in der Erlebensqualität gesehen. Die Autoren betrachten drei Erlebenszustände als entscheidend (Hackman & Oldham 1975, 162f.; 1976, 255f.; 1980, 72ff.): • Erlebte Bedeutsamkeit der eigenen Arbeitstätigkeit: „The degree to which the individual experiences the job as one which is generally meaningful, valuable, and worthwhile” (ebd. 1975, 162; 1976, 256). • Erlebte Verantwortung für die Ergebnisse der eigenen Arbeitstätigkeit: „The degree which the individual feels personally accountable and responsible for the results of the work he or she does” (ebd.1975, 162; 1976, 256). • Wissen um die aktuellen Resultate, vor allem die Qualität der eigenen Arbeit: „The degree to which the individual knows and understands, on a continuous basis, how effectively he or she is performing the job” (ebd.1975, 162f.; 1976, 257).
rekte Wirkung affektiver Erlebnisse (affective reactions) auf das kognitiv basierte Verhalten (judgment driven behaviors) schließen lassen (2004, 704). 128 Scharfe Kritik äußert Wegge berechtigterweise an der Randnotiz bei Weiss und Cropanzano, wonach sowohl negative als auch positive Emotionen die Leistung zumeist stören würden (2004, 707).
132
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Die Erlebensqualität wird dem Modell zufolge wiederum beeinflusst von den so genannten Kerndimensionen der Arbeit: • Anforderungsvielfalt: „The degree to which a job requires a variety of different activities in carrying out the work, which involve the use of a number of different skills and talents of the employee” (Hackman & Oldham 1975, 161; 1976, 257; 1980, 78). • Ganzheitlichkeit der Aufgabe: „The degree to which the job requires completion of a whole and identifiable piece of work that is, doing a job from the beginning to end with a visible outcome” (ebd. 1975, 161; 1976, 257; 1980, 78). • Bedeutsamkeit der Aufgabe: „The degree to which the job has a substantial impact on the lives or work of other people whether in the immediate organization or in the external environment” (ebd. 1975, 161; 1976, 257; 1980, 79). • Autonomie: „The degree to which the job provides substantial freedom, independence, and discretion to the employee in scheduling the work and in determining the procedures to be used in carrying it out“ (ebd. 1975, 162; 1976, 258; 1980, 79). • Rückmeldung aus der Aufgabenerfüllung: „The degree to which carrying out the work activities … provides the individual with direct and clear information about the effectiveness of his or her performance“ (ebd. 1975, 162; 1976, 258; 1980, 80). Während die drei erst genannten Kerndimensionen der Arbeit kompensatorisch auf die erlebte Bedeutsamkeit wirken, stellen die übrigen beiden Arbeitsmerkmale sowie die mit ihnen verbundenen Erlebenszustände notwendige Voraussetzungen zur Förderung der Outcomes dar (Hackman & Oldham 1975, 160; 1976, 258; 1980, 81). Abbildung 3-7 verdeutlicht das postulierte Wirkungsgefüge inklusive der Moderatorvariablen aus dem Bereich personaler Dispositionen gemäß der ausführlicheren Darstellung in Hackman und Oldham (1980, 82f.).
3.2 Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen
Abbildung 3-7:
133
Job-Characteristic-Model (Hackman & Oldham 1980, 90)
Eine Meta-Analyse auf Basis von ca. 200 Studien bestätigt die grundsätzlichen Annahmen, wenngleich die fünf Aufgabenmerkmale sich nicht als unabhängige Dimensionen erweisen. Zudem sprechen die Befunde für die Zusammenfassung des Bedeutsamkeits- und Verantwortungserlebens. Die Beziehungen zwischen Aufgabenmerkmalen und Erlebenszuständen sind entsprechend diffuser als im theoretischen Modell angenommen. Insbesondere das Aufgabenmerkmal Rückmeldung beeinflusst nicht nur das Wissen über Resultate, sondern auch das Bedeutsamkeitsund Verantwortungserleben. Ernüchternd erscheint der Befund, dass die Mediatorstellung der Erlebenszustände zwischen Aufgabenmerkmalen und Outcomes zwar für Motivation und Arbeitszufriedenheit, nicht jedoch für die Arbeitsleistung nachweisbar ist (Fried & Ferris 1987, 313f.). Aus Inhaltsanalysen der Studien schließen die Autoren, dass geringe Effekte in Interventionsstudien zumeist auf nicht gelingende Umsetzungen der Arbeitsrestrukturierungen zurückzuführen sind und somit auf Probleme des Change Managements verweisen (ebd., 315). Als Moderatoren der in Abbildung 3-7 aufgezeigten Wirkungskette werden neben dem Ausmaß des Bedürfnisses nach Selbstentfaltung (growth need strength) auch Wissen und Kenntnisse angenommen, da anspruchsvolle Arbeitsaufgaben nur dann zu positiven Erlebenszuständen und intrinsischer Motivation führen, wenn sie trotz der Anforderungen auch bewältigt werden können (Hackman & Oldham 1980, 82ff.). Es geht somit auch hier im Wesentlichen um die Passung von Anforderungen und Fähigkeiten (vgl. auch Flow, Job-Demand-Control etc.). Ferner wird so ge-
134
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
nannten Kontextfaktoren eine moderierende Position beigemessen (ebd., 86ff.), die inhaltlich den Hygienefaktoren bei Herzberg (1968/2003, 90) entsprechen. Die positive Ausprägung dieser Faktoren, zu denen bspw. Unternehmenskultur, Vorgesetzte, Kollegen, Bezahlung, Arbeitsplatzsicherheit etc. gehören, führt nicht zu Zufriedenheit, beugt aber Unzufriedenheit vor. Hierin kommt die kognitive Vergleichskomponente der Affective-Events-Theory von Weiss und Cropanzano (vgl. Kapitel 3.2. 2) zum Ausdruck, die sich insbesondere auf die Arbeitszufriedenheit und damit verbundene Entscheidungen zu Fluktuation und Absentismus auswirken dürfte und nur in geringem Umfang auf die Motivation und die mit ihr verbundene Arbeitsleistung, die stärker von der Erlebensqualität abhängt. Diese Annahme wird auch durch eine Meta-Analyse der Befragungen durch das Meinungsforschungsinstitut Gallup bestätigt, in die Angaben von knapp 200.000 Mitarbeitern aus etwa 8.000 Unternehmen in 21 Branchen eingingen. Wenn die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse nicht gelingt und somit das Wohlbefinden gering ist, werden monetäre Anreize wichtiger, doch wirken diese eher auf den Verbleib im Unternehmen als auf die Arbeitsleistung (Harter, Schmidt & Keyes 2002, 219). 3.2.4
Die Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan) im Arbeitskontext
Die an mehreren Stellen des zweiten Kapitels vorgestellte Selbstbestimmungstheorie der Motivation nach Deci und Ryan beansprucht universelle Gültigkeit für unterschiedliche Lebensbereiche und damit auch für den Arbeitskontext (Deci & Ryan 1985a, 293ff.) und wird von einigen Autoren als Meta-Theorie zur Integration weiterer arbeits- und organisationspsychologischer Motivationstheorien aufgefasst (Sheldon, Turban, Brown, Barrick & Judge 2003, 385). Inhaltlich steht sie dem JobCharacteristics-Model (vgl. Kapitel 3.2.3) nahe. Als entscheidende Erlebenszustände werden die Befriedigung der Basisbedürfnisse nach Autonomieerleben, Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit betrachtet (vgl. Kapitel 2.2.1.4), die ihrerseits zu Internalisierung extrinsischer Motivation und damit (1) zu Verhaltensänderungen, (2) zu höherer Performanz speziell bei problemhaltigen und kreativen Aufgaben, (3) zu Arbeitszufriedenheit, (4) zu positiven Arbeitseinstellungen, (5) zu Organizational Citizenship Behavior (vgl. Kapitel 2.3.4.4) und (6) zu psychologischem Wohlbefinden (Trait) führen. Ähnlich dem im Job-Characteristics-Model nach Hackman und Oldham postulierten Bedürfnis nach Selbstentfaltung (growth need) wird ein inhärentes menschliches Explorationsstrebens (need for psychological growth, Ryan & Deci 2000, 70; 2002, 3) unterstellt, welches zugleich das zugrunde liegende Menschenbild verdeutlicht: „Self-determination theory begins with the philosophical assumption that people are proactive, growth oriented, and have the capacity for self-regulation“
3.2 Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen
135
(Deci 1996, 222).129 Im Unterschied zum Ansatz von Hackman und Oldham, in dem interindividuelle Unterschiede im Ausmaß des Selbstentfaltungsbedürfnisses angenommen werden, geht die Selbstbestimmungstheorie davon aus, dass die drei Basisbedürfnisse in gleicher Form auf alle Menschen zutreffen und lediglich das Ausmaß von deren situativer Befriedigung zu berücksichtigen ist (Gagné & Deci 2005, 337). Gleichwohl werden Kausalitätsorientierungen (causality orientations) als dispositionale Faktoren unterstellt, die interindividuell unterschiedlich ausgeprägte Tendenzen zu autonomer Selbstregulation, fremdgesteuerter Kontrolle oder Handlungsvermeidung/Hilflosigkeit/Fatalismus umfassen und durch frühkindliche Sozialisation geprägt sind. Unabhängig vom Unterstützungspotenzial der Arbeitsumgebung führen unterschiedliche Kausalitätsorientierungen aufgrund ihrer Filterfunktion zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung von Autonomieerleben, Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit (Deci & Ryan 1985b, 111f.; Gagné 2003, 203). Abbildung 3-8 gibt das angenommene Wirkungsgefüge wieder, dass in mehreren empirischen Studien – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß – bestätigt wurde (Deci, Connell & Ryan 1989; Baard, Deci & Ryan 2004).
Abbildung 3-8:
Die Selbstbestimmungstheorie im Arbeitskontext (in Anlehnung an Baard, Deci & Ryan 2004, 2061; Gagné & Ryan 2005, 347)
129 Die Theorie steht damit in der Tradition der so genannten Y-Theorien des Managements nach McGregor (1960), die im Gegensatz zu den X-Theorien ein positives Menschbild (proaktiv, leistungsorientert etc. statt faul, veränderungsresistent etc.) zugrunde legen (Deci & Ryan 1985a, 295).
136
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Van Woerkom (2006) modelliert in ihrem Ansatz zum Lernen am Arbeitsplatz Motivation explizit als Befriedigung der basic needs nach Deci und Ryan und unterstellt ihr ebenfalls eine Mediatorenrolle zwischen verschiedenen Arbeitsmerkmalen der Mikro- und Mesoebene und der Variable des critically reflective behavior at work als Zielgröße. Critically reflective behavior at work ist hierbei definiert als eine Reihe miteinander verbundener Aktivitäten des Individuums, die auf die Analyse, Optimierung und Innovation von Arbeitsabläufen abzielen (Van Woerkom 2006, 289). Es wird daher als eine Variante des informellen Lernens on-the-job angesehen (ebd., 295) und enthält folgende Komponenten (ebd., 290ff.; eigene Übersetzung): gezielte Reflexion eigenen Arbeitshandelns, Lernen von Fehlern, aktives Einbringen von Ideen und Visionen, kritisches Hinterfragen geltender Normen, aktives Einholen von Feedback, Experimentierfreude, Bereitschaft, sein Wissen mit anderen zu teilen sowie das Wissen um den eigenen Arbeitsmarktwert und das gegenwärtige Zufriedenheitsausmaß. Hinsichtlich der Einflussgrößen nimmt die Autorin auch explizit Bezug auf das Job-Demand-Control-Modell von Karasek (vgl. Kapitel 3.2.1) und berücksichtigt ferner Selbstwirksamkeit und vielfältige Arbeitserfahrungen (variance of experience) als personale Einflussfaktoren (ebd., 294ff.).130 Harteis, Bauer, Festner und Gruber (2004) spannen zudem theoretische Bezüge zwischen der Selbstbestimmungstheorie der Motivation und der Lernkultur von Unternehmen auf. Ihre Befragung von 160 Mitarbeitern bestätigt die angenommene Struktur und zeigt – entgegen der formulierten Hypothese, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen Mitarbeitern mit und ohne Führungsfunktionen gibt (ebd., 138ff.). In einer Querschnittstudie mit ca. 1.300 befragten Mitarbeitern erweist sich die Befriedigung der basic needs in jeweils leicht unterschiedlicher Gewichtung als relevanter Prädiktor berufsbezogener Leistung, berufsbezogener Interessen und psychischer Gesundheit (Keddi 2008, 218ff.). In einer Studie von Bauer und Mulder (2006) zeigt sich – wie auch in vielen anderen Studien zur Selbstbestimmungstheorie, dass die basic needs (insbesondere Autonomie- und Kompetenzerleben) keine unabhängigen Faktoren bilden, was jedoch weder konzeptionell vorgesehen noch intuitiv zu erwarten sei (Bauer & Mulder 2006, 515). 130 Empirisch erweisen sich bei van Woerkom nur die Partizipationsmöglichkeiten (Arbeitsmerkmal) und Selbstwirksamkeit (Persönlichkeitsmerkmal) als aussagekräftige Prädiktoren. Der geringe Beitrag weiterer Arbeitsmerkmale zur Varianzaufklärung des kritisch-reflexiven Arbeitsverhaltens wird darauf zurückgeführt, dass kritisch-reflexives Arbeitsverhalten inhaltlich dem double-loop-Lernen nach Argyris und Schön nahe steht und daher stärker an Persönlichkeitseigenschaften wie Selbstwirksamkeit gebunden ist als das in den meisten Ansätzen verfolgte single-loop-Lernen (van Woerkom 2006, 304f.). Einschleifen-Lernen (auch Einzelschleifen-Lernen; single-loop-learning) bezeichnet den Einsatz und ggf. die Veränderung von Handlungsstrategien zur Erreichung vorgegebener Ziele. Doppelschleifen-Lernen (double-loop-learning) meint dagegen – verkürzt dargestellt – das kritische Hinterfragen der Ziele, Werte und Normen. Deutero-Lernen bzw. Lernen zweiter Ordnung – das sei der Vorständigkeit halber ergänzt – bezieht sich auf das Entdecken sowie zielgerichtete Nutzen von Werteund Normentwicklungen (Argyris & Schön 1999, 35ff.).
3.2 Modelle der Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen
3.2.5
137
Zwischenfazit: Konvergenz der Zielgrößen, Kongruenz der Einflussfaktoren und zentrale Bedeutung der Erlebensqualität
Aus der Vielzahl von Theorien und Modellen zum Zusammenhang von Arbeitsplatzmerkmalen und Wirkungen der Arbeit wurden hier nur exemplarisch einige besonders weitverbreitete Ansätze vorgestellt. Trotz unterschiedlicher theoretischer Herkunft zeigen sich zahlreiche Gemeinsamkeiten der vorgestellten Ansätze. (1) Zentrale Stellung der Erlebensqualität: Den Ansätzen ist gemein, dass die Erlebensqualität (emotionale Befindlichkeit) eine zentrale Position zwischen der Wahrnehmung der Arbeitssituation und den resultierenden Zielgrößen einnimmt. (2) Konvergenz von Zielgrößen: Eng verbunden mit dem erstgenannten Punkt ist die Konvergenz der Zielgrößen. Arbeitsverhalten, arbeitsrelevante Einstellungen, Interessen und Persönlichkeitsentwicklung weisen sowohl in den Modellierungen als auch im Spiegel empirischer Befunde deutliche Zusammenhänge auf.131 (3) Kongruenz der Einflussfaktoren: Auf Basis einer umfangreichen Recherche empirischer Studien zum Zusammenhang von Arbeitsmerkmalen und wünschenswerten Zielgrößen (psychische Gesundheit, Selbstvertrauen, Intelligenz, Moralbewusstsein, soziale Kompetenz, internale Kontrolle, intrinsische Motivation, Kreativität und Erweiterung fachlicher Qualifikationen) kommen Ulich und Baitsch (1987) zu dem Schluss, dass die Befunde trotz unterschiedlicher Herkunft und schwieriger Vergleichbarkeit praktisch ausnahmslos eine ähnliche Tendenz aufweisen: „Geringe Restriktivität in arbeitsplatz- und berufsbezogenen Dimensionen korreliert positiv mit als vorteilhaft bewerteten Ausprägungen psychologischer Dimensionen“ (Ulich & Baitsch 1987, 509). Diese Forderungen gehen im Wesentlichen auf Bestrebungen zur Humanisierung der Arbeit zurück, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts unter der Bezeichnung Human-Relations-Bewegung als Reaktion auf zunehmende Mechanisierung von Arbeitsprozessen nach dem Vorbild der wissenschaftlichen Betriebsführung Taylors einsetzten (vgl. Friedmann 1953). Im Kern wird die Minderung eines rein repetitiven Charakters der Arbeit zugunsten von mehr Mitbestim131 Kritik erscheint indes an der in einigen Ansätzen postulierten Monokausalität angebracht. Während in Kapitel 2 mehrfach das Wechselspiel aus Aktualgenese und Ontogenese hervorgehoben wurde, konzentrieren sich die hier dargestellten arbeitsplatzbezogenen Ansätze zumeist nur auf die Ontogenese: Personale Dispositionen wirken gemeinsam mit situationalen Faktoren auf die Aktualgenese ein, die über längere Zeitperioden hinweg zur Ontogenese anderer personaler Dispositionen führt, deren Rückwirkung auf die künftige Aktualgenese nicht weiter berücksichtigt wird. Eine Ausnahme bildet das Job-Demand-Control-Modell nach KARASEK. Trotz der gebotenen Sparsamkeit von Modellierungen sollten unikausale Determinationsabläufe zugunsten von sich wechselseitig beeinflussenden Denkmodellen aufgegeben werden (SIX & KLEINBECK 1989, 397f.).
138
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
mung und Mitgestaltung am Arbeitsplatz gefordert, um eine Verknüpfung von Arbeiten und Lernen zu fördern (Rebmann, Tenfelde & Uhe 2005, 167). Dabei stoßen Programme zur De-Taylorisierung auf der Mikroebene des Arbeitsplatzes allerdings oft auf Probleme, wenn hierdurch Inkonsistenzen mit Strukturen höherer Ordnung auftreten (Karasek 2004, 450). Hier wird erneut die in Kapitel 3.1.3 aufgezeigte Wirkkette deutlich: Makrosystem Gesellschaft Mesosystem Unternehmen Mikrosystem Arbeitsplatz. Der Einfluss der Arbeitssituation auf das handelnde Subjekt erfolgt einerseits unmittelbar auf der Mikro-Ebene (bspw. in der Wahrnehmung vorgegebener Arbeitsaufgaben) und andererseits zunehmend indirekt über organisationale Merkmale der Meso-Ebene (vgl. Karg & Staehle 1982, 22), weswegen Arbeitsanalysen stets fließende Übergänge zur Organisationsdiagnose aufweisen (Hacker 1995, 18). 3.3
Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben
Arbeitsaufgaben – als Schnittpunkt zwischen Organisation und Individuum – entstehen im Leistungserstellungsprozess durch Selbstauswahl oder Übernahme eines entsprechenden Auftrags von Vorgesetzten oder (potenziellen) Kunden und stellen die psychologisch relevantesten Arbeitsbedingungen dar (Hacker 1978, 58; 2005, 52; Franke & Kleinschmitt 1987, 15; Volpert 1987, 14; Schmidt & Kleinbeck 2004, 895; Ulich 2005, 198). Mit der Übernahme des objektiven Arbeitsauftrags wird dieser zur subjektiv redefinierten bzw. realisierten Arbeitsaufgabe (Hackman 1969, 118; Hacker 1978, 58; 2005, 76). Eine Arbeitsaufgabe ist definiert als vierstellige Relation aus (1) dem zu verändernden Arbeitsgegenstand (Objekte, Personen, Vorgänge etc.), (2) den Zielen dieser Veränderung, (3) den Bedingungen, unter denen die Veränderung vorzunehmen ist (materielle und soziale Arbeitsumgebung und Arbeitshilfen) und (4) dem Subjekt, das die Änderungen vornimmt (Hacker 2005, 52f.). In der Regel kommt noch eine Zeitvorgabe hinzu, die explizit im Rahmen der Aufgabenübertragung genannt oder implizit in der Natur der Aufgaben (bspw. aufgrund von Kundenerwartungen in Verbindung mit hoher Komplexität) gegeben sein kann (Eraut 2000, 128f.). Im Folgenden werden die aus theoretischen Arbeiten und empirischen Befunden als erlebens- und lernförderlich betrachteten Merkmale von Arbeitsaufgaben zusammengetragen (Kapitel 3.3.1) und im Anschluss kritisch reflektiert (Kapitel 3.3.2).
3.3 Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben
3.3.1
139
Erlebens- und lernförderliche Merkmale von Arbeitsaufgaben
Um das Lernen in der Arbeit zu ermöglichen, ist es erforderlich, die Arbeit selbst als einen offenen Problemraum zu gestalten, der die erforderliche Lern- und Handlungsbereitschaft immer wieder neu herausbildet (Lappe 2006, 81). Auf diese Weise werden die Arbeitstätigkeiten zugleich zu Lerntätigkeiten und Arbeitsaufgaben zu Lernaufgaben (Sonntag 1996, 51). In zahlreichen Publikationen finden sich Übersichten lernförderlicher Arbeitsmerkmale, die auf eigenen empirischen Studien, Synopsen empirischer Studien und/oder theoriebasierten Herleitungen beruhen. Abbildung 3-9 ist daher als Meta-Synopse der Übersichten verschiedener Autoren zu betrachten, ohne jedoch Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Als Zielgrößen nennen die zitierten Autoren – in absteigender Häufigkeit – das Lernpotenzial der Arbeitsaufgabe (10), die Persönlichkeitsentwicklung (8), Motivation (5), Arbeitsleistung (3) und den Erhalt der psychischen Gesundheit (3). Hinsichtlich der Einflussfaktoren wurden nur Aussagen und Befunde zu konkreten Merkmalen der Arbeitsaufgaben berücksichtigt, nicht jedoch allgemeine Einflüsse, die der organisationalen Ebene zuordenbar sind (wie bspw. Einkommen bei Ulich & Baitsch 1987, Teilnahme an Weiterbildung, regelmäßige Mitarbeitergespräche und strategische Ausrichtung der Arbeitsorganisation bei Harteis 2002 oder Partizipation als Ausmaß der Mitbestimmung von Mitarbeitern im Rahmen der Arbeitsorganisation bei Frieling, Bernard, Bigalk und Müller 2006, 51).
140
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Aufgabenmerkmal Synonyme und Beschreibung [Quellen] Herausforderung [1] [2] [3] [5] [6] [8] [9] 10] [11] [12] [13]
Spielraum [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [10] [12] [13]
Vielfalt [1] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [12] [13]
Interaktion [1] [4] [5] [6] [10] [12] [13]
Vollständigkeit [2] [3] [6] [8] [9]
Bedeutsamkeit [1] [5] [6] [7] [11]
Rückmeldung [1] [3] [8] [13]
Zeitelastizität [4] [6] [12] [13]
Abbildung 3-9:
Angenommene Wirkungen und Wechselwirkungen
Regulationserfordernisse, die bewusste Problemlöseprozesse bedingen; Schwierigkeit; abhängig von den individuellen Kompetenzen des Handelnden (vgl. Abgrenzung zwischen Aufgabe und Problem; Kapitel 2.2.2.3)
Kompetenzerleben (wenn Herausforderungen gerade noch bewältigt werden können)
Regulationschancen; Tätigkeitsspielraum; Freiheitsgrade bei der Zielbildung, Planung, Entscheidung und Kontrolle; Gestaltbarkeit; Auswahl der Aufgabe selbst als höchste Form des Spielraums
Autonomieerleben und Voraussetzung zur Bewältigung von Regulationserfordernissen und Vermeidung von Stresserleben
Abwechslungsreichtum; entspricht der Breite des hierarchisch-sequenziellen Handlungsmodells; vgl. Kapitel 2.1.2)
Verhindert langfristige Routinisierung und damit Monotonie; Voraussetzung für dauerhaftes Herausforderungsniveau und Vollständigkeit
Kommunikationserfordernisse und Kommunikationsmöglichkeiten; Interaktionsspielraum; Erfahrungsaustausch; arbeitsbezogene Sozialkontakte
Erleben sozialer Eingebundenheit; macht Rückmeldungen wahrscheinlicher; Voraussetzung für die Beobachtung und Befragung anderer Personen bei der Entwicklung neuer Handlungsentwürfe (vgl. Kapitel 2.4.1.1)
Ganzheitlichkeit; Planung, Durchführung und Kontrolle; entspricht der Tiefe des Voraussetzung für das Ausmaß an hierarchisch-sequenziellen HandlungsBedeutsamkeit und Spielraum modells; vgl. Kapitel 2.1.2) Sinnhaftigkeit; individueller, organisatoriKompetenzerleben; soziale Einscher und/oder gesellschaftlicher Nutgebundenheit (i. S. v. etwas zugezen; Übertragung von Verantwortung; traut bekommen, dazugehören) Ernstcharakter (möglichst zeitnahe) Information über die Qualität des eigenen Handelns aus der Aufgabe selbst oder dem sozialen Umfeld (vgl. Kapitel 2.4.3)
Kompetenzerleben; Voraussetzung für die Regulation und die Vollständigkeit; Voraussetzung für die Entwicklung neuer Handlungsentwürfe auf Basis eigenen Handelns (vgl. Kapitel 2.4.1.1)
Zeitlicher Spielraum; Zeitpuffer; Planbarkeit von Zeitabläufen; Abwesenheit von Zeitdruck
Autonomieerleben; Voraussetzung für Problemlösen und Reflexion; Teilaspekt von Spielraum; Vermeidung von Stresserleben
Synopse erlebens- und lernförderlicher Merkmale von Arbeitsaufgaben (Fortsetzung auf der nächsten Seite)
141
3.3 Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben
Aufgabenmerkmal Synonyme und Beschreibung [Quellen] Transparenz [1] [4] [9]
Störungsfreiheit [3] [4] [5]
Angenommene Wirkungen und Wechselwirkungen
Durchschaubarkeit, Berechenbarkeit, Vorhersagbarkeit der Folgen eigenen Handelns in der Wechselwirkung mit der Organisation
Kompetenzerleben; Voraussetzung für die Nutzbarkeit von Handlungsspielräumen
Vermeidung unnötiger und unvorhersehbarer Störungen des Handlungsablaufs; Hindernisse können als a) informatorische oder b) motorische Erschwerungen oder c) Unterbrechungen durch Personen oder Arbeitsmitteldefekte auftreten.
Erhalt des Kompetenz- und Autonomieerlebens; Vermeidung von Stresserleben (entspricht damit etwa einem ‚Hygienefaktor’ gemäß Herzberg)
Berücksichtigte Quellen: [1] Hacker & Skell 1993; Hacker 1995, 2005: handlungstheoretische Herleitung; teilweise Befunde [2] Volpert 1987: Handlungstheoretische Herleitung; Bezug zu Sozialisationsstudien [3] Frese & Zapf 1994: Handlungstheoretische Herleitung; teilweise Befunde [4] Dunckel 1996: Handlungstheoretische Herleitung; Entwicklung eines Arbeitsanalyseverfahrens [5] Ulich & Baitsch 1987; Baitsch 1998: Synopse auf Basis verschiedener Theorien und Studien [6] Ulich 1991; 2005: Synopse auf Basis verschiedener Theorien [7] Sonntag 1996: Synopse auf Basis verschiedener Studien [8] Sonntag & Stegmaier 2007: insbesondere Synopse empirischer Studien [9] Franke & Kleinschmitt 1987: umfangreiche Interviewstudie mit Ausbildungsbeteiligten [10] Harteis 2002: Delphi-Studie zu lernförderlichen Arbeitsmerkmalen [11] Billett 1995: theoretische Herleitung auf Basis sozialkonstruktivistischer Ansätze situierten Lernens [12] Eraut 2004: Synopse einiger, weniger empirischer Studien [13] Frieling, Bernard, Bigalk & Müller 2006: Handlungstheorie; umfangreiche Synopse empirischer Studien und Entwicklung eines Fragebogeninstruments zur Erfassung von Lernförderlichkeit
Abbildung 3-9:
Synopse erlebens- und lernförderlicher Merkmale von Arbeitsaufgaben (Fortsetzung)
In der Verdichtung der Quellen wurde versucht, ähnliche Merkmalsnennungen zu disjunkten Kategorien zusammenzufassen, doch zeigt sich anhand der angenommenen Wechselwirkungen, dass die Aufgabenmerkmale in engem Zusammenhang zueinander stehen. Sicherlich könnten in der Synopse weitere Quellen berücksichtigt werden, doch deutet das Ausmaß an inhaltlicher Übereinstimmung auf eine grundsätzliche Konvergenz hin. Dies erweckt den Eindruck eines gesicherten Wissensbestands, was
142
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
jedoch nicht unbedingt der Fall sein muss, da die Quellen sowohl in der theoretischen Herleitung als auch hinsichtlich der zitierten empirischen Befunde große Überschneidungen und damit redundante Schlussfolgerungen aufweisen. Die theoretischen Erwägungen gehen fast vollständig auf die Handlungstheorie und zum Großteil direkt auf Hacker zurück. Auch das Job-Characteristics-Model nach Hackman und Oldham (vgl. Kapitel 3.2.3) sowie das Job-Demand-Control-Model nach Karasek (vgl. Kapitel 3.2.1) inklusive der einschlägigen Befunde nehmen eine prominente Stellung ein, so dass die meisten der in Abbildung 3-9 aufgeführten Quellen ihrerseits auf dieselben Quellen zurückgreifen. Dies kann günstigstenfalls als soziale Validierung betrachtet werden, könnte jedoch ebenso als naturalistischer Fehlschluss gedeutet werden. Auch die Synopsen empirischer Befunde beziehen sich meist auf wenige identische Studien – allen voran auf die einflussreichen Untersuchungen von Kohn und Schooler (1983).132 Zudem wird in manchen Übersichten lediglich aufgeführt, welche Einflussfaktoren berücksichtigt wurden, doch bleiben die konkreten Befunde teilweise unklar. So stellt Kohn (1985) zwar fest, dass der grundsätzliche Einfluss der Arbeit auf die Persönlichkeit als erwiesen zu betrachten ist (ebd., 45), doch bleiben die relevanten Merkmale und deren Wirkung im Einzelnen empirisch größtenteils ungeklärt. Die umfangreiche Studie von Frieling und Mitarbeitern liefert bspw. interessante Hinweise auf die Heterogenität der Arbeitsplätze innerhalb eines Industriezweigs (Frieling, Bigalk, Gösel & Müller 2007, 43ff.). Jedoch stellt die evaluativ-querschnittlich angelegte Studie keinen Beweis dafür dar, dass die erhobenen Arbeitsmerkmale tatsächlich die vermutete lernförderliche Wirkung entfalten, geschweige denn, dass diese Merkmale die alleinigen und/oder wichtigsten Einflussfaktoren sind (vgl. Gefahr des confirmation bias quantitativer Studien; Johnson & Onwuegbuzie 2004, 19). Die explorativen Studien von Franke und Kleinschmitt (1987) sowie Harteis (2002) zeigen indes, dass auch die befragten Untersuchungsteilnehmer ähnliche Merkmale der Lernförderlichkeit nennen, was – quasi als Außenkriterium – für die Wirksamkeit spricht. Insgesamt ist zu konstatieren, dass der Bestand empirisch gesicherten Wissens zum Lernen am Arbeitsplatz einerseits große Lücken aufweist, andererseits aber die Befunde der wenigen Studien – ähnlich wie die in Kapitel 3.2 aufgezeigten theoretischen Ansätze – trotz großer methodischer Vielfalt inhaltlich konvergieren. Zahlreiche empirische Studien, auch neueren Datums, tragen Frieling, Bernard, Bigalk und Müller (2006) sowie Sonntag und Stegmaier (2007) zusammen.
132 „We believe that we have shown, more definitively than has ever been shown before, that the relationship between occupational conditions and psychological functioning is reciprocal: Occupational conditions both affect and are affected by psychological functioning. ... Here is clear evidence that one important facet of social structure – the substantive complexity of work – directly affects adult personality“ (Kohn & Schooler 1983, 122). „Die Ergebnisse der Forschungsgruppe um Kohn können schwerlich überschätzt werden“ (Baitsch 1998, 289).
3.3 Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben
3.3.2
143
Einschränkungen zur Erlebens- und Lernförderlichkeit von Aufgabenmerkmalen
Geringes Lernpotenzial (bis hin zur Dequalifizierung) und negative Erlebensqualität (bis hin zu langfristigen Beeinträchtigungen) werden nach Hacker (1995) den folgenden Merkmalsausprägungen zugeschrieben, die als Negativausprägungen der o. a. förderlichen Merkmale zu verstehen sind (Klammerzusätze verweisen auf die entsprechenden Merkmale in Abbildung 3-9): • Arbeitsaufgaben, die überwiegend nur Automatismen erfordern und hohe Konzentrationsanforderungen bei geringen geistigen Verarbeitungserfordernissen stellen (fehlende Herausforderung i. S. v. intellektuellen Regulationserfordernissen), • fremdbestimmtes Arbeitstempo und Zeitdruckerleben (fehlende Zeitelasitizität), • fremdbestimmte Vorgehensweise (keine Freiheitsgrade; fehlende Vollständigkeit), • kein erkennbarer Beitrag zu einem ganzheitlichen Ergebnis (fehlende Bedeutsamkeit), • kurzzyklische Wiederholungen gleichartiger Verrichtungen (fehlende Vielfalt), • sozial isolierte Arbeit (fehlende Interaktionsmöglichkeit) und • keine ausreichende Rückmeldung (fehlende Vollständigkeit) (ebd., 301). Arbeitstätigkeiten sind somit je nach Ausprägung und Zielgröße als Lern- und Verlernfeld zu begreifen (Sonntag 1996, 50f.). Allerdings kann hieraus nicht geschlossen werden, dass der Einfluss der genannten Arbeitsmerkmale auf Erlebensqualität und Lernpotenzial durchgehend positiv linear sind. Die im vorangegangenen Kapitel skizzierten Forschungslücken sind diesbezüglich auch um theoretische Unsicherheiten zu ergänzen. So kann sich der gegenüber arbeitsplatzfernen Lernorten oft gepriesene Vorteil des Ernstcharakters der Arbeitssituation (vgl. Bedeutsamkeit in Abbildung 3-9) durchaus auch nachteilig darstellen: Die als förderlich eingeschätzte Bedeutsamkeit einer Arbeitsaufgabe kann bei sehr hoher Ausprägung mit Nervosität und Versagensangst einhergehen und verhindert ein für Lernprozesse günstiges Explorationsverhalten. Aufgrund der Quantitäts- und Qualitätserfordernisse des Leistungserstellungsprozesses wird ein Lernen aus Fehlern kaum toleriert (Lempert 1974, 60f.). Auch erfahrene Arbeitnehmer geben an, dass das Lernen mittels Versuch und Irrtum in ihrem alltäglichen Lernen am Arbeitsplatz keine große Rolle einnimmt (Felstead, Fuller, Unwin, Ashton, Butler, Lee & Walters 2004, 26). Für Ausbildungszwecke erscheint es daher angebracht, den üblichen Druck des betrieblichen Arbeitsalltages (zumindest zeitweise) zu mindern, um ein Ausprobieren von
144
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Verhaltensweisen zu ermöglichen, ohne dass dabei Fehler massive Folgen haben oder bestraft werden (Stäudel 2008, 97). Plausible Einwände nennt Gruber (1999) auch bezüglich des Aufgabenmerkmals Vollständigkeit. So sei die Meinung, eine komplexe Tätigkeit müsse in einer Form erlernt werden, die der letztendlichen Ausübung der Tätigkeit entspricht, nicht uneingeschränkt haltbar. Eine (zu) frühe Vollständigkeit von Aufgaben kann zu massiver Überforderung (oder gar Gefährdung) führen, wichtige Teilaspekte der Aufgabe ausblenden und mit unzureichendem Feedback einhergehen, was wiederum mit Schwierigkeiten beim Identifizieren etwaiger Fehlerquellen verbunden ist (Gruber 1999, 147; ähnlich auch Hacker 1996a, 785ff.). Ferner setze die motivationsförderliche Wirkung komplexer Herausforderungen voraus, dass bereits ein gegenstandsspezifisches Interesse vorhanden ist (Gruber 1999, 148). Auch das Merkmal der Zeitelastizität kann sich ins Gegenteil verkehren, wenn diese in Verbindung mit geringer Herausforderung sehr hoch ist und daraus ein subjektives Langeweileempfinden resultiert. Zudem ist eine paradoxe Beziehung zwischen Kompetenzerwerb und subjektiv sinkender Herausforderung und geringerem Handlungsspielraum hervorzuheben: Auf Basis von Rückmeldungen werden objektiv vorhandene Freiheitsgrade immer weiter reduziert bis hin zu einem subjektiven one best way (Franke 1999, 496). Die fortdauernde Erfüllung einer bestimmten Arbeitsaufgabe führt dabei zu einer (mindestens partiell) hochgradigen Routinisierung/Automatisierung sensumotorischer und intellektueller Regulationsprozesse (vgl. Kapitel 2.4.1.2). Ursprünglich echte Entscheidungsleistungen werden durch reine Abruffunktionen ersetzt (ebd., 496) und führen zu geringerer Erlebensqualität (Absinken des Autonomie- und Kompetenzerlebens). Wie in Kapitel 2.5 herausgestellt, führt die durch Erfahrungen gewonnene Erfolgssicherheit zu Monotonisierung und Gratifikationsverfall. Diese Gefahr besteht dort, wo Personen lange Zeit an der gleichen Arbeitsstelle verbleiben und diese Arbeitsplätze nicht natürlichen Veränderungsprozessen (bspw. voranschreitender Technologie) unterliegen. Letztlich stellen alle aufgezeigten Relativierungen auf das Anregungsniveau ab, das ein Optimum im mittleren Bereich zwischen Über- und Unterforderung erreicht (vgl. Kapitel 2.5; vgl. auch Weinert 2004, 282f.). Insofern sind für den Großteil der in Abbildung 3-9 genannten Merkmale im hohen Ausprägungsbereich negative Grenznutzen und somit wenigstens in diesen Grenzbereichen nicht-lineare Zusammenhänge anzunehmen, wie sie bspw. schon im so genannten Yerkes-DodsonGesetz (1908), dem umgekehrt u-förmigen Zusammenhang zwischen Aktivation und Leistung, zum Ausdruck kommen.
3.3 Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben
3.3.3
145
Interaktionsqualität im Arbeitsprozess
Neben der Interaktionskomponente als Aufgabenmerkmal (vgl. Abbildung 3-9 in Kapitel 3.3.1) erstreckt sich die Interaktionsqualität auch auf die grundsätzliche Verfügbarkeit von Ansprechpartnern und deren Bereitschaft und Fähigkeit, ihr Wissen zu teilen (Billett 1995, 24; 2001, 35), sowie auf das allgemeine Arbeitsklima. Die Qualität der am Arbeitsplatz verfügbaren Interaktionen ist eine Schlüsselgröße für Lernprozesse. In der Studie Informelles Lernen in modernen Arbeitsprozessen geben 90% der 110 befragten IT-Betriebe an, dass die Möglichkeit zur Kommunikation mit Kollegen wichtig (= höchste vorgegebene Ausprägung) ist, wodurch sich die Kommunikationsmöglichkeiten nach Einschätzung der Unternehmensvertreter mit Abstand als wichtigster Einflussfaktor erweisen (Dehnbostel, Molzberger & Overwien 2003, 74f.). Interaktionsmöglichkeiten im Arbeitsprozess erlauben gerade neuen Mitarbeitern das Beobachten von und den Austausch mit erfahrenen Mitarbeitern, wodurch der implizite Erwerb von schwer kodifizierbaren Wahrnehmungs-, Handlungs- und Entscheidungsroutinen ermöglicht wird (Eraut 2009, 12). So zeigen Moon und Na (2009) anhand von Befragungen in kleinen und mittleren Unternehmen, dass formales Lernen im Arbeitskontext in erster Linie von organisationalen Steuerungsgrößen, wie insbesondere differenzierten Beurteilungs- und Vergütungssystemen, abhängig ist (R2 = .234), während informelles und beiläufiges Lernen in der genannten Studie vorwiegend durch eine offene Kommunikationskultur auf der Mikroebene des Arbeitsplatzes gefördert wird (R2 = .305 bzw. .284; Moon & Na 2009, 333). Eine vertrauensvolle, respektvolle und offene Atmosphäre fördert diese Kommunikation, wodurch sich eine gemeinsame Praxis auf Basis ähnlicher mentaler Modelle einstellt, die ihrerseits wieder die Kommunikation erleichtert (Hofinger 2008, 145). Auf Basis von Befragungsergebnissen von 86 Ausbildern und 727 zugehörigen Auszubildenden des technisch-gewerblichen Bereichs ermitteln Baeriswyl und Wandeler (2007) mehrebenenanalytisch einen statistisch signifikanten Effekt pädagogischer Interaktion (Vertrauen gewinnen, ein offenes Ohr haben, Selbstständigkeit ermöglichen etc.; Einschätzung durch die Auszubildenden) auf die Abschlussnote der Auszubildenden (ebd., 54ff.). Sie stellen ferner fest: „Dass ein solches Konstrukt bei der Vorhersage einer Abschlussnote signifikant wird, deutet darauf hin, was für eine starke Rolle die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Lernenden und Ausbildenden für den Ausbildungserfolg spielt. Respektive, dass eine gute zwischenmenschliche Beziehung mit einer qualitativ guten Ausbildung einhergeht“ (Baeriswyl & Wandeler 2007, 56; weitere Ergebnisse der Studie folgen in Kapitel 3.4.2). Für Auszubildende sind insbesondere zeitnahe Leistungsrückmeldungen von besonderer Bedeutung, da sie eine wichtige Bedingung für Lernprozesse sind (vgl. Kapitel 2.4.3). Ashford fand in einer Befragung von ca. 300 Mitarbeitern eines amerikanischen Versorgungsunternehmens heraus, dass Novizen signifikant häufiger
146
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Feedback suchen (sowohl Monitoring als auch Inquiry; s. o.) als erfahrene Mitarbeiter, obwohl beide Gruppen den Nutzen von Feedback gleichermaßen positiv einschätzen. Die gefundenen Unterschiede im Suchverhalten führt die Autorin darauf zurück, dass Rückmeldungen aus Sicht von Novizen Unbestimmtheit vermindern, aber für erfahrene Mitarbeiter potenziell Unbestimmtheit vermehren und somit deren Kompetenzerleben beeinträchtigen können (Ashford 1986, 477f.; vgl. auch Kapitel 2.4.3). Der positive Beitrag expliziter Ergebnisrückmeldungen lässt jedoch nach, wenn die zu bearbeitenden Aufgaben kontinuierliche, tätigkeitsimmanente Informationen zum Leistungsstand bieten (Schmidt & Kleinbeck 1999a, 297), so dass eine eigenständige Kontrolle in Form von Monitoring ermöglicht wird (Ashford & Cummings 1983, 379). Monitoring als Feedback-Strategie umfasst (1) das bewusste Berücksichtigen von Erfolgs- bzw. Misserfolgshinweisen aus der Arbeitstätigkeit selbst, (2) den Vergleich des eigenen Handelns mit dem anderer Organisationsmitglieder bei der Erledigung ähnlicher Arbeitsaufgaben und (3) die Beobachtung der Reaktionen anderer Organisationsmitglieder auf das eigene Handeln (ebd., 380f.). Unter arbeitspädagogischen Gesichtspunkten schlagen Hacker und Skell (1993) vor, Auszubildenden zunächst zusätzliche (künstliche) Rückmeldungen zu geben, die im Lauf der Zeit sukzessive abzubauen sind, um langfristig ein eigenständiges Monitoring anhand tätigkeitsimmanenter Rückmeldungen zu fördern (Hacker & Skell 1993, 170). Da Monitoring jedoch stets eine subjektive Interpretation auf Basis ggf. selektiver Wahrnehmung darstellt, eröffnet eine (zu frühe) Beschränkung auf MonitoringStrategien die Gefahr systematischer Verzerrungen, welche zu einem übertrieben positiven oder negativen Selbstbild führen können (Ashford & Cummings 1983, 392). Ein direktes Erbitten von Feedback (Inquiry-Strategie) könnte dieser Gefahr zwar entgegenwirken, doch entsteht hierbei das Risiko, dass die Bitte um Rückmeldung als Zeichen der Schwäche und Unsicherheit ausgelegt wird (ebd., 393) und infolgedessen zu einem Verlust von Kompetenzerleben führt. In experimentellen Settings zeigen Levy, Albright, Cawley und Williams (1995), dass das aktive Einholen von Feedback (feedback seeking behavior) in einer nichtöffentlichen, persönlichen und vertrauensvollen Atmosphäre signifikant häufiger durchgeführt wird als in einer öffentlichen Atmosphäre, wie sie bei Leistungsrückmeldungen in Organisationen üblich ist (1995, 33). Zudem zeigt ein Längsschnittvergleich, dass der Wunsch nach Feedback langfristig absinkt, wenn nur öffentliches Feedback möglich ist (ebd., 34). Während soziale Unterstützung in zahlreichen theoretischen Ansätzen und empirischen Studien als Prädiktor für positives Erleben dient, stellen Staw, Sutton und Pelled (1994) die Hypothese auf, dass – umgekehrt – positive Stimmung auch die soziale Unterstützung durch andere fördert. Eine positive Ausstrahlung des Unterstützten führt dabei auch zu positiven Emotionen beim Unterstützer. Schlecht gelaunte Menschen hingegen rufen negative Emotionen bei den potenziellen Helfern hervor und werden deshalb eher gemieden (ebd., 55). In einer Feldstudie mit zwei Erhebungszeitpunkten im Abstand von eineinhalb Jahren (272 Mitarbeitern
147
3.3 Erlebens- und Lernförderlichkeit von Arbeitsaufgaben
aus drei Organisationen) bestätigt sich die Kausalhypothese, wenngleich mit Einschränkungen (ebd., 61). Je nachdem, wie Auszubildende von ihren Kollegen wahrgenommen werden, können daher die Verfügbarkeit von Ansprechpartnern und der Zugang zu Expertise für verschiedene Auszubildende am gleichen Arbeitsplatz stark divergieren (Eraut 2004c, 51). Zusammenhänge zwischen den Merkmalen übertragener Arbeitsaufgaben und Merkmalen der Interaktionsqualität werden in der Matrix von Bauer, Rehrl und Harteis (2007) deutlich, die den Autoren als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Fragebogeninstruments zur Erfassung der Lernkultur dient (Abbildung 3-10). Die Zuordnung der Aufgaben- und Interaktionsqualitäten zu den einzelnen basic needs ist hierbei weniger strikt zu interpretieren, als die Tabelle dies andeutet (ebd., 33). Befriedigung der basic needs
Qualität der Aufgaben
Qualität der Interaktion
Unterstützung des Autonomieerlebens
• Ganzheitlichkeit (Vollständigkeit) • Freiheitsgrade (Spielraum)
• Vorgesetzter ermöglicht
Unterstützung des Kompetenzerlebens
• • • •
Unterstützung der sozialen Eingebundenheit
Abbildung 3-10:
Transparenz Komplexität (Herausforderung) Veränderungen (Vielfalt) Reflexionsmöglichkeit (Zeitelastizität)
• Interaktions- und Kooperationserfordernisse
Autonomie
• Wertschätzung des eigenen Beitrags
• Gegenseitige Unterstützung
• Konstruktives Feedback • Respekt vor den Gefühlen anderer
• Gegenseitiges Vertrauen • Informelle Kontakte
Matrix der Lernbedingungen am Arbeitsplatz (Bauer, Rehrl & Harteis 2007, 34; kursive Ergänzungen entsprechen den Merkmalsbezeichnungen in Abbildung 3-9 in Kapitel 3.3.1)
Da nicht nur die Gestaltung der sozialen Beziehungen, sondern auch die Auswahl und Übertragung von Arbeitsaufgaben maßgeblich vom zuständigen Ausbildungspersonal beeinflusst werden, kommt dieser Personengruppe eine entscheidende Bedeutung bei der Gestaltung von Ausbildungsqualität am Arbeitsplatz zu (Zedler 2009, 13).
148 3.4
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Das betriebliche Ausbildungspersonal als (Mit-)Gestalter der Arbeitssituation
Während die meisten im vorangegangenen Kapitel aufgezeigten Einflussfaktoren ausbildungsunspezifisch sind, d. h. das Erleben und Lernen aller Mitarbeiter betreffen, wurde bereits an mehreren Stellen deutlich, dass dem Ausbildungspersonal als Mitgestalter der Arbeitssituation eine bedeutende Rolle zukommt. Neben der arbeitsstrukturalen Komponente des Lernpotenzials (Sonntag, Stegmaier und Jungmann 1998; vgl. Kapitel 3.1.3) obliegt dieser Personengruppe die Realisierung der instruktionalen Komponente (ebd.). Diese Komponente verkörpert den Einfluss des (Aus-)Bildungsmanagements (Mesoebene) auf den Arbeitsplatz (Mikroebene; vgl. Abbildung 3-4 in Kapitel 3.1.4). Der Gestaltungsspielraum wird jedoch ebenso von arbeitsorganisatorischen und unternehmenskulturellen Gegebenheiten beeinflusst (Sloane 2009, 8). Im Folgenden ist zunächst zu klären, wie sich die keineswegs homogene Gruppe des Ausbildungspersonals zusammensetzt und welche Funktionen ihnen zukommen. Im Weiteren werden das Handeln und die Handlungseffekte dieser Akteure untersucht. 3.4.1
Ausbildungsbeteiligte und deren Funktionsbereiche
An das betriebliche Ausbildungspersonal knüpfen sich unterschiedlichste Rollenerwartungen (definiert als Satz von Verhaltensweisen, die mit einer Stellung assoziiert werden; vgl. Bronfenbrenner 1981, 41). Gasche und Behrens (2002) identifizieren die Rollen des Fachexperten, des Vermittlers, des Vorgesetzten und des Arbeitsgestalters (ebd., 221). Die mit diesen Rollenanforderungen konfrontierte Personengruppe in Betrieben ist keinesfalls homogen. Ausbilder im engeren Sinne sind Personen, die ausdrücklich mit Ausbildungsaufgaben beauftragt sind und offiziell als Ausbilder gegenüber der zuständigen Stelle benannt werden (§ 36 Abs. 2 i. V. m. § 34 Abs. Nr. 9 BBiG). Sie müssen den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes folgend, persönlich und fachlich geeignet sein (§§ 29 und 30 BBiG) und gemäß Basiskommentar zum Berufsbildungsgesetz auch „... wirklich ausbilden und nicht nur gelegentlich ‚nach dem Rechten sehen’“ (Lakies & Nehls 2007, 210). Die Anzahl der in Deutschland gemeldeten Ausbilder/innen über alle Ausbildungsbereiche hinweg belief sich im Jahr 2006 auf knapp 756.000 (Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2008, 187). Die Gruppe der offiziell gemeldeten Ausbilder (AEVO) ist nach dem zeitlichen Umfang der Ausbildertätigkeit in haupt- oder nebenberufliche Ausbilder zu differenzieren. Nach Schätzungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) sind rund 94% nur nebenberuflich als Ausbilder tätig (Bahl & Diettrich 2008, 10) und sehen sich damit einer Doppelrolle zwischen pädagogischen Anforderungen der Ausbildungstätigkeit und arbeitsorga-
3.4 Das betriebliche Ausbildungspersonal als (Mit-)Gestalter der Arbeitssituation
149
nisatorischen Leistungsanforderungen ausgesetzt, die auch und besonders für ausbildende Fachkräfte zutrifft (Pätzold 2000, 72; Baeriswyl & Kovatsch-Guldimann 2002, 189; Bahl & Diettrich 2008, 11). Zudem werden hierin Probleme der Abgrenzung zwischen nebenberuflichen Ausbildern und ausbildenden Fachkräften deutlich, die sich lediglich an der offiziellen Meldung bei den zuständigen Stellen (bspw. IHK) festmachen lässt. Eine weitere Rolle sehen Kutt und Stiehl (1979) in der des Ausbildungsleiters, der unter anderem für die Ausbildungsplanung, Organisation und Verwaltung (ebd., 24), d. h. nicht nur für die Ausführung, sondern insbesondere für die Gestaltung des Bildungsmanagements auf Mesoebene verantwortlich ist. Entsprechend hat sich hierfür der Begriff des (betrieblichen) Bildungsmanagers etabliert, deren Anzahl auf 4.000 bis 8.000 Personen geschätzt wird (Arnold 1997, 194f.). Der Ausbilderbegriff im weiteren Sinne schließt auch ausbildende Fachkräfte (Ausbildungsbeauftragte gem. § BBiG) mit ein, die neben ihrer beruflichen Tätigkeit mit Teilaufgaben der Ausbildung betraut werden (Ulmer & Gutschow 2009, 48). Alternative Bezeichnungen sind Ausbildungsbeauftragte, Ausbildungsgehilfen, Paten, Mentoren, Coaches etc., wobei mit den letztgenannten Bezeichnungen gewisse Vorstellungen über deren pädagogisches Handeln verbunden sind (vgl. Kapitel 3.4.2). Cramer (2004) empfiehlt, insbesondere jüngere Mitarbeiter/innen mit Ausbildungsaufgaben zu beauftragen und die Auswahl vom persönlichen Interesse der Mitarbeiter/innen abhängig zu machen (ebd., 88). Eine Befragung von rund 5.000 Fachkräften aus 1.600 Betrieben durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zeigt, dass Fachkräfte – je nach Branche – in bis zu 50% der Fälle ungefragt mit Ausbildungsaufgaben betraut werden und ihnen in ca. 40% ein Angebot unterbreitet wird, wobei „dahingestellt bleiben [mag], wie leicht ein Mitarbeiter ein solches Angebot hätte ablehnen können“ (Schmidt-Hackenberg 1999, 26). Die Auswahl erfolgt, den Angaben der Betriebe zufolge, nach Berufserfahrung, Zuverlässigkeit und pädagogischem Geschick (ebd., 19f.). Etwa jede vierte ausbildende Fachkraft ist unter 30 Jahre alt und etwa die Hälfte von ihnen sind zugleich Vorgesetzte in ihrem Arbeitsbereich (ebd., 24). Im kaufmännischen Bereich geben 95% der Betriebe an, dass die ausbildenden Fachkräfte so gut mit den Auszubildenden klar kommen, dass die verantwortlichen Ausbilder kaum eingreifen müssen (ebd., 21). 48% der ausbildenden Fachkräfte erklären, dass sie nur bei gegebenem Anlass Gespräche mit dem verantwortlichen Ausbilder führen. Weitere 36% berichten über unregelmäßige Gespräche (ebd., 60). Abhängig von der Betriebsgröße betreuen ausbildende Fachkräfte etwa 2 bis 7 Auszubildende pro Jahr, wobei der wöchentliche Zeitaufwand für die Betreuung von knapp der Hälfte der Befragten mit wenigen Stunden, von etwa einem weiteren Drittel der Befragten mit bis zu einem Viertel der Arbeitszeit angegeben wird (ebd., 49). Zu ihren Aufgaben zählen die ausbildenden Fachkräfte (in absteigender Reihenfolge; ebd., 55): Wissen vermitteln (96% im kfm. Bereich), die Arbeit erläutern, die Arbeit auswählen, Auszubildende motivieren, bei Planung und Durchführung hel-
150
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
fen, Arbeitsausführung beobachten, Arbeitsergebnisse bewerten und den Auszubildenden beurteilen (80% im kfm. Bereich; Liste ab hier gekürzt). Als nützlich erachten sie Erfahrungsaustausch mit Kollegen (40% im kfm. Bereich), Beratung durch Ausbilder/Ausbildungsleitung, Fortbildung über Ausbildungsfragen, Beispiele verschiedener Ausbildungsmethoden, Information über Rechtsfragen in der Ausbildung und Tipps zum Umgang mit Jugendlichen (23%; ebd., 62). Die positive Meinung über das Ausbilden (ebd., 64) bestätigt die von Cramer (2004, 84) postulierten Motivations- und Entwicklungspotenziale einer Ausbildungstätigkeit. Ausbildende Fachkräfte können hierbei notwendige Kompetenzen für weitere Ausbildungs- und Führungspositionen erwerben. Zudem geben 60% der Befragten an, durch das Ausbilden auch selbst fachlich auf dem Laufenden zu bleiben. Dies spricht auch für die von Franke (1999) vermerkte selbstreflexive Wirkung des Erklärens: „Gerade diese Maßnahme zwingt die Fachkraft, in der Diskussion mit dem Auszubildenden Erklärungen und Begründungen für das Tun abzugeben, sich mit alternativen Vorgehensweisen auseinanderzusetzen usw.“ (ebd., 497). Trotz der häufig wahrgenommenen Doppelbelastung aus normaler Arbeit und Ausbildung äußern sich mit Ausbildungstätigkeiten betraute Personen zufriedener mit ihrer Tätigkeit als andere Arbeitnehmer und zudem auch ihrerseits weiterbildungsaktiver (Bausch & Jansen 1995, 22f.). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ausbildende Fachkräfte eventuell gerade aufgrund ebendieser Zufriedenheit und Weiterbildungsbereitschaft mit Ausbildungsaufgaben betraut werden könnten. Eine umfangreiche Auszubildendenbefragung (n = 3.757) aus dem Jahr 1989 zeigt, dass auch die Auszubildenden mit deren Leistung zufrieden sind. Ausbildende Fachkräfte erhalten signifikant bessere Noten als – in absteigender Reihenfolge der Zufriedenheitswerte – hauptberufliche Ausbilder, Vorgesetzte und Berufsschullehrer (Feller 1998, 380). Die obigen Ausführungen suggerieren, dass die Personengruppe der ausbildenden Fachkräfte klar abgegrenzt ist. In Beobachtungsstudien zum Lernen am Arbeitsplatz bei jungen Ingenieuren, Buchhaltern und Krankenschwestern zeigt sich jedoch, dass Hinweise, Feedback und gezielte Unterweisungen am Arbeitsplatz wesentlich öfter und umfangreicher von Kollegen erfolgen, die zufällig gerade zugegen sind, als von offiziell bestimmten Ansprechpartnern (Mentoren), die es in allen untersuchten Organisationen gab (Eraut 2007, 412f.). Es stellt sich also durchaus die Frage, ob nicht jeder Kollege potenziell eine ausbildende Fachkraft ist. Schätzungen über die Anzahl ausbildender Fachkräfte beruhen noch immer auf Hochrechnungen einer BIBB/IAB-Erhebung (Selbstauskünfte) von 1991/1992 und belaufen sich auf 5.3 Mio. Personen bzw. 16% aller Beschäftigen in der BRD (Bahl, Blötz, Niethen & Schwerin 2009, 3). Angesichts der o. a. Studien von Eraut muss davon ausgegangen werden, dass die immense Anzahl an ausbildenden Fachkräften auch in den jeweiligen Unternehmen deutlich unterschätzt wird bzw. der genaue Personenkreis ausbildender Fachkräfte dem Unternehmen selbst dann unbekannt ist, wenn es offizielle Mentorenprogramme gibt. Insofern scheint der von Schmidt-
3.4 Das betriebliche Ausbildungspersonal als (Mit-)Gestalter der Arbeitssituation
151
Hackenberg et al. (1999) gewählte Buchtitel Ausbildende Fachkräfte – die unbekannten Mitarbeiter in mehrfacher Hinsicht gerechtfertigt. Die einleitend skizzierte Wiederentdeckung des Lernorts Arbeitsplatz führt dazu, dass ausbildenden Fachkräften in den Abteilungen zunehmende Bedeutung bei der direkten Betreuung von Auszubildenden zukommt (Cramer 2004, 88), während haupt- und nebenberufliche Ausbilder in stärkerem Maße mit organisatorischen und koordinierenden Aufgaben betraut (Kirpal & Tutschner 2008, 12) und damit der Gefahr einer Abkopplung von aktuellen Entwicklungen in der betrieblichen Praxis ausgesetzt sind.133 Bahl und Diettrich (2008) halten in Bezug auf diese von Wittwer bereits 1987 aufgestellte These fest, dass das offizielle Ausbildungspersonal heute kaum noch den Anspruch an sich stelle, mit dem beschleunigten Technologiewandel Schritt zu halten. Stattdessen werde eine stärkere Differenzierung zwischen den Akteuren angestrebt und die Ausbildung so früh wie möglich in die eigentlichen Arbeitsprozesse verlagert (ebd., 9). Bereits in der o. a. BIBB/IAB-Erhebung von 1991/1992 gaben nur ca. 25% der offiziellen Ausbilder an, dass Erziehen, Lehren, Ausbilden, beratend Helfen zu ihren Haupttätigkeiten gehöre (Bausch 1997, 57). Die Beurteilung Dehnbostels (1992), Aufgaben und Funktionen des hauptberuflichen Ausbilders bezögen sich in Anbetracht der zunehmenden Dezentralisierung zukünftig in stärkerem Maß auf Lehr- und Lernprozesse an realen Arbeitsaufgaben und in realen Arbeitsprozessen (ebd., 16), mag normativ gerechtfertigt sein, scheint aber der Praxis nicht zu entsprechen. Zwar ist eine zunehmende Bedeutung des Lernorts Arbeitsplatz zu verzeichnen, doch zeigt sich vielmehr die von Sloane (2006b) vermutete Aufgabenteilung zwischen organisatorisch-institutionellem Bildungsmanagement (makrodidaktische Aufgaben) in Händen offizieller Ausbilder und pädagogisch-didaktischer Umsetzung (mikrodidaktische Aufgaben) durch Ausbildungsbeauftragte (ebd., 486; Sloane 2009, 7). Der Planungs-, Koordinations- und Kooperationsbedarf zwischen den betrieblichen Lernorten und Hierarchien nimmt in Folge dieser Entwicklungen entsprechend zu (Dehnbostel 1996, 21; Sloane 2009, 6) und die Rolle der ausbildenden Fachkräfte bleibt ambivalent: „Die beruflich-fachliche Tätigkeit der ausbildenden Fachkräfte bleibt ökonomisch zweckbestimmt, ihre arbeits- und berufspädagogische Tätigkeit ist hingegen einem umfassenden Berufsbildungsanspruch verpflichtet“ (Dehnbostel 1992, 16). 3.4.2
Pädagogisches Handeln am Arbeitsplatz
Im Rahmen der EUROTRAINER-Studie durch das Institut für Technik und Bildung (ITB) der Universität Bremen wurden 280 Experten aus 29 europäischen 133 Aus einer Fallstudie berichtet Röben (2006), dass im untersuchten Unternehmen die gelegentlichen Hospitationen hauptberuflicher Ausbilder an ausbildungsrelevanten Arbeitsplätzen spöttisch als ‚Abenteuerurlaub’ bezeichnet wurden (ebd., 19).
152
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Ländern zu den Anforderungen an das betriebliche Bildungspersonal befragt. Als Kernbereiche konnten Fachkompetenz (arbeitsrelevante technische Fähigkeiten und Fertigkeiten), pädagogische, didaktische und soziale Kompetenz sowie Managementkompetenz identifiziert werden (Kirpal & Tutschner 2008, 10f.), die als typische Anforderungsmuster anzusehen sind. Sloane (2009) schlägt ein Matrixmodell erforderlicher Kompetenzen vor, dass pädagogisch-didaktische Fachkompetenz i. S. e. Fachdidaktik der Domäne, Humankompetenz i. S. e. Fähigkeit zur Selbstreflexion und Sozialkompetenz i. S. v. Kommunikations- und Teamfähigkeit umfasst. In jedem der genannten Bereiche sind wiederum Methoden- und Lernkompetenz, Sprach- und Textkompetenz und ethische Kompetenz als normative Einstellung zu verorten (ebd., 11f.). Im Feld der an der Berufsausbildung beteiligten pädagogischen Kräfte ist das betriebliche Ausbildungspersonal jedoch am weitesten vom Ziel der Professionalisierung entfernt (Georg 1996b, 832). Ihr pädagogisches Handeln ist als weitgehend vorprofessionell zu bezeichnen (Wittwer 2006, 403) Während eine berufs- und arbeitspädagogische Mindestqualifikation hauptberuflicher Ausbilder/innen in der Regel durch eine Prüfung gemäß Ausbildereignungsverordnung (AEVO) nachzuweisen ist134, sind ausbildende Fachkräfte zumeist nicht pädagogisch ausgebildet (Dehnbostel 1992, 16f.; Hacker & Skell 1993, 16; Euler 1999, 16; Schaper 2004, 205; Falk & Zedler 2009, 22). In der Praxis ist zudem die Meinung weit verbreitet, man benötige zur Menschenführung im Betrieb lediglich pädagogisches Geschick bzw. Fingerspitzengefühl, und das könne man ohnehin nicht lernen (Pätzold 2000, 73). Insgesamt werden die pädagogischdidaktischen Kompetenzen des betrieblichen Ausbildungspersonals als defizitär eingeschätzt, wie folgende – überspitzte – Darstellung Volperts (1994) aufzeigt: „In Pädagogenkreisen hält sich dabei die Annahme, jene Qualifizierer hätten ein implizites Modell des Lehr-Lern-Prozesses, welches an den Nürnberger Trichter erinnere. Ich habe hier meine Zweifel. Denn selbst jener Trichter beinhaltet noch eine Annahme über den Vorgang des Lernens. Das, was in den Köpfen der hier Kritisierten zu finden ist, ist meist noch viel einfacher. Man versucht, den ‚Lerngegenstand’ in irgendeiner Weise (meist recht holprig und unstrukturiert) zu formulieren ... und glaubt dann, irgendein Automatismus (oder auch ein Wunder) bewirkte, daß sich das selbe im Kopfe der solchermaßen Geschulten abbildet ..., daß sich jenes unsystematische und schwer verständliche Gestammel im Kopf des Belehrten seltsam klärt und strukturiert ... und dieser Belehrte auch noch lernt, mit jenen Geräten konkret umzugehen, denen seine Liebe nicht gilt, wohl aber die des Instruktors“ (Volpert 1994b, 291f.). 134 Die vorübergehende Aussetzung der Nachweispflicht erwies sich einer Studie des BIBB zufolge als wenig erfolgreich hinsichtlich einer quantitativen Ausweitung des Ausbildungsplatzangebots, aber als äußerst nachteilig hinsichtlich der Ausbildungsqualität (Berufsbildungsbericht 2008, 34f.).
3.4 Das betriebliche Ausbildungspersonal als (Mit-)Gestalter der Arbeitssituation
153
Jegliches didaktisches Handeln ist – ob explizit oder implizit – auf gewisse Vorstellungen von Lernen und Lehren angewiesen (Schurer 1991, 137). Gemeint sind hiermit subjektive Lehrtheorien (vgl. auch subjektive Lerntheorien; Kapitel 2.4.2), die bewusst oder unbewusst erworben und angewendet werden und damit eine konzeptionelle Nähe zum Begriff des Erziehungsstils aufweisen (Lukesch 1981, 113). Als Oberbegriff zahlreicher nur unscharf abgrenzbarer Konstrukte, die dem Lehrhandeln zugrunde liegen (epistemologische Überzeugungen, lerninhaltsspezifische Überzeugungen, Lehr-Vorstellungen, Lern-Vorstellungen, subjektive Theorien und implizite Persönlichkeitstheorie) plädiert Seifried für den Begriff Sichtweise (Seifried 2009, 105), der im Kern eine Übergeneralisierung von Erfahrungen beschreibt, die allen o. g. Konstrukten gemein ist (Sembill & Seifried 2009, 346). In der Regel wird folgender Wirkungszusammenhang (oder Variationen davon) angenommen: Subjektive Lehr-Lern-Theorien der Lehrenden Pädagogisches Handeln Subjektive Lehr-Lern-Theorien der Lernenden Lernerfolg der Lernenden (Hofer 2001, 372; Müller 2003, 80; Helmke 2005, 52f.; Reinisch 2009, 39; Seifried 2009, 29). Bezüglich der Ausprägung der subjektiven Lehr-Lern-Theorien wird i. d. R. ein Kontinuum zwischen einem behavioristisch-instruktionalem und einem konstruktivistischen Pol angenommen. „Zum einen findet man die Überzeugung, dass Lernen vorwiegend durch Wissensvermittlung der Lehrkraft stattfindet (transmissive lerntheoretische Überzeugung). Dem steht die Auffassung gegenüber, dass Lernen eine aktive Konstruktion des Lernenden darstellt (konstruktivistische Lerntheorien)“ (Kunter, Klusmann & Baumert 2009, 157 sowie dort zitierte Literatur). Empirische Befunde aus der Unterrichtsforschung weisen überwiegend darauf hin, dass subjektive LehrLern-Theorien konstruktivistischer Prägung bei Lehrern einen positiven Einfluss auf die Lernprozesse der Schüler haben (bspw. Seifried 2009, 342), doch ist die Forschungslage nicht eindeutig (Künsting, Billich & Lipowsky 2009, 660), was teilweise auch auf die Heterogenität der Untersuchungsdesigns und Schwächen in den Erhebungsmethoden zurückgeführt wird (Pauli & Reusser 2009, 683). Eine der wenigen größeren Studien im betrieblichen Bildungsbereich, die sowohl subjektive Theorien von Ausbildern als auch Auszubildendenmerkmale berücksichtigt und damit Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Sichtweisen zulässt, stammt aus einer Teilstudie des Programms Qualitätsmerkmale und ihre Wirkung in der betrieblichen Berufsausbildung (QuWibB) des schweizerischen Leading House Qualität der beruflichen Bildung. Aus zwei Erhebungszeitpunkten liegen – bereinigt um fehlende und nicht zuordenbare Werte – Befragungsergebnisse von 86 Ausbildern und 727 zugehörigen Auszubildenden des technisch-gewerblichen Bereichs vor (Baeriswyl, Wandeler & Oswald 2006, 16). Mittelwertvergleiche auf Basis vorangegangener Clusterbildung lassen zusammenfassend den Schluss zu, dass Ausbilder, die bereits zu Beginn der Ausbildung von konstruktivistischen Ausbildungsformen überzeugt sind, motivierendere und lernwirksamere Ausbildungssituationen gestalten als solche, die ihren Auszubildenden erst in der letzten Phase der Ausbildung konstrukti-
154
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
vistische Ausbildungsformen zumuten (ebd., 95f.). Regressionsanalysen mit der Abschlussnote als abhängige Variablen führen zu den Prädiktoren (1) Lehr-LernKonzeption der Ausbilder, (2) Berufserfahrung der Ausbilder, (3) berufspädagogische Ausbildung sowie (4) konstruktives Lernklima, die gemeinsam 31% der Varianz erklären (R2korr.; ebd., 99), wenngleich die aus der Datenstruktur angezeigten Mehrebenenanalysen weniger eindeutige Befunde liefern (Baeriswyl & Wandeler 2007, 55ff.). Bemerkenswerter Weise übt die Variable Berufserfahrung im Regressionsmodell einen negativen Einfluss aus, was die o. a. Empfehlung bekräftigt, eher jüngere Mitarbeiter mit Ausbildungsaufgaben zu betrauen. In einer Pilotstudie der Forschergruppe um Rebmann zur Analyse epistemologischer Überzeugungen betrieblicher Ausbilder werden 52 an der Ausbildung im kaufmännischen Bereich beteiligte Personen anhand eines standardisierten Fragebogens (Epistemic Belief Inventory nach Schraw, Bendixen & Dunkle 2002) untersucht. Die epistemologischen Überzeugungen der Befragten liegen im mittleren Bereich (zwischen den Polen naiv und weit entwickelt), wobei insbesondere die Dimension Geschwindigkeit weit entwickelt ist: Ausbilder sind der Überzeugung, dass Lernen ein allmählicher Prozess ist, der sich nicht ad hoc vollzieht. Zudem zeigt sich, dass Berufsanfänger/innen eher optimistischere, differenziertere epistemologische Überzeugungen aufweisen als ihre erfahreneren Kollegen/innen, was gemäß der Autorinnen auf die Möglichkeit einer rekursiven Entwicklung verweist (Müller, Rebmann & Liebsch 2008, 112ff.). In einer Studie von Leidner (2001), in der 42 nebenberufliche Ausbilder im Handwerk interviewt wurden, zeigt sich, dass nahezu alle Befragten ihr pädagogisches Handeln an eigenen Ausbildungs-, Berufs- und Arbeitserfahrungen orientieren. Weder betriebliche Ausbildungspläne noch spezifische Bedürfnisse der Auszubildenden spielen eine Rolle (ebd. 126ff., 143ff.; vgl. auch Noss 2000, 190). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangten bereits Arnold (1983) sowie Pätzold und Drees (1989), wobei die Befragten bei Pätzold und Drees zusätzlich von einer „natürlichen pädagogischen Begabung“ (ebd., 138) ausgehen und pädagogische Weiterbildungsmaßnahmen als nutzlos, weltfremd und träumerisch bezeichnen (ebd., 142). Während sich makrodidaktisch tätige Ausbilder also vom Anspruch der Fachkompetenz lösen (s. o.), verneinen mikrodidaktisch tätige Ausbilder die Notwendigkeit pädagogisch-didaktischer Kompetenzen. Sieht Scheer (1978) – knapp 10 Jahre nach Verabschiedung des Berufsbildungsgesetztes – in der Tendenz, nebenberufliche Ausbilder durch hauptberufliche Ausbilder abzulösen, ein Zeichen der Professionalisierung betrieblicher Bildung (ebd., 270), so sind die gegenwärtigen Tendenzen folglich als Deprofessionalisierung zu deuten. Insgesamt findet man zum pädagogischen Handeln betrieblichen Ausbildungspersonals eine Vielzahl normativer Auseinandersetzungen mit der neuen Rolle des Ausbilders (Coach, Lernberater, Lernprozessbegleiter etc.), jedoch ist – im Vergleich zum Lehrerhandeln in schulischen Settings – ein erheblicher Mangel an empirischen Studien festzustellen (Beck 2005, 548; Witt 2009, 99). In einem beschreibenden
3.4 Das betriebliche Ausbildungspersonal als (Mit-)Gestalter der Arbeitssituation
155
Zugriff ist zunächst festzustellen, dass die Vier-Stufen-Methode – Vorbereiten, Vormachen/Erklären, Nachmachen und Erklären lassen, selbstständiges Anwenden (vgl. Eding 1992, 600) – Befragungen zufolge nach wie vor dominant ist, während neuere Ausbildungskonzepte zwar zunehmen, aber nach wie vor lediglich Leuchtturmcharakter besitzen (Feldhoff, Jacke & Simoleit 1995, 223ff.; Feller 1998, 371; Harris, Willis, Simons & Collins 2001, 268; Pätzold 2008, 324). Die Vier-StufenMethode wird dabei als dem Behaviorismus nahe stehend und infolgedessen als defizitär eingeschätzt. Kritik an diesem didaktischen „Fossil“ (Eding 1992) bzw. diesem „zu minimierenden Relikt“ (Feldhoff, Jacke & Simoleit 1995, 228) richtet sich in erster Linie gegen die der Blackbox-Metapher folgenden Ausblendung der Lernerperspektive (Schurer 1984, 312f.), weniger jedoch gegen „... das pädagogisch durchaus sinnvolle Prinzip des Vormachens und Nachmachens an sich“ (ebd., 316). In der Tat ist anzumerken, dass bspw. die als konstruktivistisch geltenden Ansätze des Cognitive Apprenticeship nach Collins, Brown und Newman (1989) und der Communities of Practice nach Lave und Wenger (1991) ihre Wurzeln ebenfalls im ImitatioPrinzip der Handwerksausbildung haben. Auf Basis ihrer Studie mit 456 angehenden Bankkaufleuten kommen Rosendahl, Fehring und Straka (2008) zu dem Schluss, dass die Förderung des Erlebens von Kompetenz, Autonomie und sozialer Einbindung im betrieblichen Kontext besonders dann gelingt, wenn eine „... Anleitung gemäß den Prinzipien eines bereits vor der Formalisierung der Berufsausbildung praktizierten Meister-Lehrling-Ansatzes erfolgt: Modellhaftes Vorführen durch Meister, Anleiten und strukturiertes Unterstützen sowie schrittweise Rücknahme der Unterstützung“ (ebd., 211). Diesen Ablauf ordnen die Autoren explizit dem Ansatz des Cognitive Apprenticeship zu (ebd., 211). In einer quasi-experimentellen Feldstudie135 von Stegmaier (2000) tragen insbesondere die didaktischen Maßnahmen des Scaffoldings und Coachings als Elemente des Cognitive Apprenticeship zur Varianzaufklärung des Kompetenzerwerbs von Auszubildenden im technischgewerblichen Bereich bei (ebd., 174; vgl. auch Schaper 2004, 217f.). Coaching meint hierbei die Unterstützung der Auszubildenden mit Hinweisen, Vorschlägen und/oder Übernahme von Teiltätigkeiten. Scaffolding meint die sukzessive Reduktion dieser Unterstützung in Abhängigkeit vom Kompetenzniveau der Auszubildenden. Sie stellen gemeinsam mit kognitivem Modellieren (Erklären durch den Ausbilder), Artikulation (tätigkeitsbegleitende Verbalisierung durch den Auszubildenden), Reflexion (tätigkeitsnachgeordnete Evaluation durch den Auszubildenden) und Exploration (Eröffnung von Handlungsspielräumen) die Kernelemente des Treatments dar (Stegmaier 2000, 149). Bagusat (1998) zeigt in ihrer Studie mit etwa 100 angehenden Versicherungskaufleuten, dass lernerzentrierte Lehrmethoden wie Diskussion, Gruppenarbeit und Fallbeispiele positiv zum situationalen Interesse (auf Basis des 135 Für eine Kurzübersicht der unterschiedlichen Treatments in Experimental- und Kontrollgruppe siehe auch Schaper (2004, 209). Ausführliche Handreichungen zur Schulung des Ausbildungspersonals liefern Sonntag, Stegmaier, Müller, Baumgart und Schaupeter (2000).
156
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
Motivationsfragebogens der Forschergruppe um Prenzel) beitragen. Traditionelle Lehrformen wie Anweisung, Frontalunterricht und Vortrag mindern dagegen das Interesse der Auszubildenden. Diese Wirkung erscheint insbesondere deshalb bedeutsam, da sich die motivationale Ausprägung als signifikanter Prädiktor des Ausbildungserfolgs erweist (ebd., 134). Die Operationalisierung mikrodidaktischer Maßnahmen und deren Verortung in einem Kontinuum behavioristischer vs. konstruktivistischer Methoden scheinen angesichts der aufgezeigten Studien keinesfalls geklärt. Insbesondere die einseitige Dämonisierung der Vier-Stufen-Methode scheint diskussionswürdig. Ein grundsätzlicheres Problem in der betrieblichen Ausbildungspraxis scheint jedoch im generellen Betreuungsmangel am Arbeitsplatz und der damit verbundenen Fokussierung auf einfache Routineaufgaben zu liegen, wie im Folgenden gezeigt wird. Als Ziel des pädagogischen Handelns der ausbildenden Fachkräfte identifiziert Leidner (2001) an erster Stelle die Selbstständigkeit der Auszubildenden, die insbesondere damit begründet wird, dass eigenverantwortlich arbeitende Auszubildende zur Arbeitsentlastung der Fachkraft beitragen (ebd., 277). Ähnliche Befunde liefert eine Studie von Harris, Willis, Simons und Collins (2001), in der teilstrukturierte Tiefen-Interviews mit 21 ausbildenden Fachkräften im Baugewerbe durchgeführt wurden (ebd., 273). Der Wunsch, Auszubildende möglichst schnell in das Tagesgeschäft einzubinden, findet sich auch in Untersuchungen von ausbildenden Fachkräften im kaufmännischen Bereich (Keck 1995, 309ff.; Noss 2000, 183) und wird mit dem in zahlreichen Studien geäußerten Zeitdruck begründet (SchmidtHackenberg 1999, 43; Noss 2000, 182; Leidner 2001, 186ff; Harris, Willis, Simons & Collins 2001, 273). Diese Fokussierung auf betriebsspezifisches Anwendungswissen entspricht verständlicherweise auch den Ausbildungszielen der Unternehmen: In einer Befragung von Personal- und Ausbildungsverantwortlichen aus ca. 3.000 Ausbildungsbetrieben durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wurde die Qualifikation von Nachwuchskräften, die den betrieblichen Anforderungen entsprechen, als wichtigster Ausbildungsgrund genannt (Wenzelmann, Schönfeld, Pfeifer & Dionisius 2008, 10). Allerdings erscheint eine Einarbeitung von Auszubildenden in komplexe Arbeitsbereiche aus Perspektive ausbildender Fachkräfte nur dann lohnend, wenn dies vergleichsweise schnell gelingt, so dass die Auszubildenden weitere Arbeiten selbstständig übernehmen und somit zu einer weiteren Arbeitsentlastung beitragen können. Als zeitökonomische Lehrmethode wird hierzu insbesondere die o. a. VierStufen-Methode gesehen (Feldhoff, Jacke & Simoleit 1995, 229). Zudem dürfte die Zeitrendite umso höher sein, je länger Auszubildende in der betreffenden Abteilung sind. Dieses implizite Begründungsmuster scheint angesichts der Doppelrolle ausbildender Fachkräfte (vgl. Kapitel 3.4.1) durchaus plausibel. Es entspricht dem in Kapitel 2.5 skizzierten Konflikt zwischen Modellnutzung und Modellbildung bzw. „short-term priority of the work and long-term priority of learning“ (De Jong 1996,
3.4 Das betriebliche Ausbildungspersonal als (Mit-)Gestalter der Arbeitssituation
157
459) mit dem Unterschied, dass die Entscheidung hier nicht primär vom betrachteten Handlungssubjekt (dem Auszubildenden), sondern im Wesentlichen von der ausbildenden Fachkraft getroffen wird. So verwundert es nicht, dass kritische Tätigkeitsbereiche, in denen mögliche Fehler zu schwerwiegenden Konsequenzen führen können und die einer längeren Einarbeitung bedürften, Auszubildenden nur selten anvertraut werden (Noss 2000, 191). Eine temporäre Entlastung ausbildender Fachkräfte erschiene hier hilfreich (De Jong 1996, 459). Die Übertragung komplexerer Tätigkeiten scheint aber zudem auch einer inneren Differenzierung durch die ausbildenden Fachkräfte zu unterliegen. Je mehr Eigeninitiative Auszubildende zeigen, desto eher erhalten sie weiter reichende Lernmöglichkeiten (Keck 1995, 179). Eine Studie aus dem Handwerksbereich spricht ebenfalls für diesen Matthäus-Effekt136: Je leistungsstärker Auszubildende eingeschätzt werden, desto lernförderlicher sind die ihnen übertragenen Aufgaben (Kutscha 1996, 114). In Interviewstudien zum Lernen im Arbeitsalltag zu Beginn der Ausbildung (befragt wurden 41 angehende Industriekaufleute und 69 Auszubildende im gewerblich-technischen Bereich) betonen die Jugendlichen ihre grundsätzliche Lernbereitschaft und das innere Bedürfnis, gute Leistungen zu erbringen. Allerdings gelingt es ihnen aufgrund der noch geringen Erfahrung zu Beginn der Ausbildung kaum, diese Bedürfnisse durch Eigeninitiative zu befriedigen. Eine korrespondierende Befragung ausbildender Fachkräfte zeigt jedoch auch hier, dass diese ihr Ausbildungsengagement gerade vom gezeigten Interesse und der Eigeninitiative der Auszubildenden abhängig machen (Grieger 1985, 9). Auf Basis einer längsschnittlichen Befragung von 456 angehenden Bankkaufleuten zeigen Rosendahl, Fehring und Straka (2008), dass die Beziehung zwischen betrieblichen Ausbildungsbedingungen und der Zielgröße Ausbildungsinteresse nahezu vollständig durch die Erlebensqualität (operationalisiert als Befriedigung der basic needs) vermittelt wird (ebd., 210). Es entsteht somit die Gefahr eines Stillstandes, wenn Auszubildenden ihre mangelnde Erfahrung als fehlendes Interesse ausgelegt wird und ihnen infolgedessen lern- und interessensförderliche Aufgaben vorenthalten werden. Die Erklärungs- und Prognosekraft der impliziten Persönlichkeitstheorien ausbildender Fachkräfte wird dadurch – i. S. e. self-fulfilling prophecy – bestätigt (vgl. auch Pygmalion-Effekt; Rosenthal 1975). Diskrepanzen zwischen Realitätsabbildung (subjektive Theorie, Sichtweise, mentales Modell etc.) und erlebter Realität (bzw. Rückmeldungen aus dieser) treten aus Sicht der ausbildenden Fachkräfte nicht auf, so dass kein Anlass zur Modifikation des internen Modells besteht (vgl. Kapitel 2.5). So beklagen viele Auszubildende, dass Lernchancen am Arbeitsplatz nicht genutzt werden, Routinetätigkeiten im Vordergrund stehen und sie keine Möglichkeit zum selbstständigen Arbeiten haben (Kutscha 1996, 114). Neben der falschen Berufs136 „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.“ (Matthäus 25, 29).
158
3 Erlebensqualität und Lernpotenziale am Arbeitsplatz in der betrieblichen Erstausbildung
wahl sind ausbildungsfremde Tätigkeiten, geringer Handlungsspielraum und ungenügende Betreuung die Hauptgründe für einen Ausbildungsabbruch seitens der Auszubildenden (Hecker 2000, 65; vgl. auch Ausbildungsreport 2007, 24f.). Dabei verdeutlichen die Aussagen der Jugendlichen in der Studie von Grieger (1985), dass bei ausreichend hohen Anforderungen und gutem Arbeitsklima auch Arbeiten, die (noch137) als uninteressant eingeschätzt werden, dennoch positiv wahrgenommen werden (Grieger 1985, 9). Insgesamt fällt auf, dass limitierte Lernpotenziale, Unzufriedenheit und Ausbildungsabbruch im Kern auf die Nichtbefriedigung der basic needs zurückgeführt werden (vgl. Kapitel 3.2.5). In Interviewstudien mit Auszubildenden unterschiedlicher Betriebe und Ausbildungsberufe (allesamt gewerblichtechnisch) arbeiten Kühnlein, Müller und Paul-Kohlhoff (1982) die Merkmale a) Selbstständigkeit (vgl. Autonomieerleben), b) die Erkennbarkeit von Lernfortschritten (vgl. Kompetenzerleben) sowie c) die Sinnhaftigkeit bzw. den Ernstcharakter der Arbeitsaufgaben und die damit verbundene soziale Anerkennung (vgl. Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit) als gemeinsame Ansprüche an betriebliche Lernorte heraus (ebd., 12). Für den Ausbildungskontext von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang der Befund von Keddi (2008; vgl. Kapitel 3.2.4), wonach soziale Eingebundenheit gerade für jüngere Mitarbeiter mit kürzerer Berufs- bzw. Unternehmenszugehörigkeit von höherer Bedeutung ist (ebd., 224). Trotz der teilweise bedenklichen Befunde soll hier einer Stigmatisierung des betrieblichen Ausbildungspersonals nicht das Wort geredet werden. Zu Recht prangern Bahl und Diettrich (2008, 13) wie auch Zedler (2009, 12ff.) die geringe gesellschaftliche Wertschätzung betrieblicher Bildung und das mangelnde Bewusstsein für die Bedeutung des betrieblichen Ausbildungspersonals an. Der Eingangs zitierten Stellungnahme Volperts ist zu entgegnen, dass bei aller berechtigten Kritik die faktischen Resultate betrieblicher Ausbildungsbemühungen nicht grundsätzlich gegen die gängige Praxis sprechen. Dies wird auch im Urteil der Auszubildenden deutlich. 3.5
Der Lernort Arbeitsplatz aus Sicht der Auszubildenden
Trotz der o. a. Kritik erfährt der Arbeitsplatz als Lernort eine hohe Wertschätzung seitens der Auszubildenden. Dies zeigt sich bspw. in den Befunden der Untersuchung von Leistungen, Motivation und Einstellungen der Schülerinnen und Schüler in den Abschlussklassen der Berufsschulen (ULME III). Die Jugendlichen aller Ausbildungsberufe versichern rückblickend, vor allem durch die betrieblichen Ausbildungsanteile solides fachliches Wissen und Können erworben zu haben (Seeber 2007, 63). Auch Feller (1998) berichtet, dass die Auszubildenden den Lernort Arbeitsplatz hinsichtlich der 137 Die Befriedigung der basic needs – hier: Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit – wird als eine günstige Voraussetzung für das Wecken situationalen Interesses und die langfristige Habitualisierung von Interessen angesehen (vgl. Kapitel 2.2.1.4).
3.5 Der Lernort Arbeitsplatz aus Sicht der Auszubildenden
159
als berufsrelevant erachteten Lernziele im Rückblick als weitaus bedeutsamer einschätzen (ebd., 373f.). Gleiches gilt für die Studie von Kutscha und Mitarbeitern (Kutscha 1996, 114). Seeber (2007) führt diese Einschätzung darauf zurück, dass die unmittelbare Verwertbarkeit der erworbenen Kompetenzen und damit auch das Erleben von Kompetenz stärker durch die betrieblichen Ausbildungsinhalte und -situationen bestimmt werden als durch schulische Ausbildungsinhalte. Am Lernort Schule werden dagegen auch langfristige Bildungs- und Entwicklungsziele verfolgt, deren ‚Rendite’ ggf. nur indirekt wirksam wird (Seeber 2007, 63). Die retrospektive Wertschätzung der Lernresultate am Arbeitsplatz ist insofern interessant, da die Lernprozesse am Arbeitsplatz zu einem großen Teil implizit verlaufen (vgl. Kapitel 2.4.1) und nicht als solche wahrgenommen werden (Straka 2001, 164f.; Eraut 2004b, 249; Simons 2005, 44; Tynjälä 2008, 134). Gleichwohl drückt sich das höhere Lernpotenzial auch in den im Vergleich zur Berufsschule günstigeren Motivationslagen am Arbeitsplatz aus. Eine zweijährige Längsschnittstudie mit ca. 1.500 technisch-gewerblichen Auszubildenden zeigt, dass sowohl die motivationalen Ausprägungen als auch die Befriedigung der basic needs am Lernort Arbeitsplatz signifikant günstiger ausfallen als in der Berufsschule, während das betriebliche Bildungszentrum dazwischen zu verorten ist (Sembill & Scheja 2008, 190f.; Scheja 2009, 180f.). Über ähnliche Befunde berichten auch Prenzel und Drechsel (1996, 224f.) sowie Wild und Krapp (1996, 102) auf Basis kleinerer Stichproben. Eine Befragung von ca. 3.000 österreichischen Jungfachkräften zur emotionalen Befindlichkeit von Jugendlichen im Lehrbetrieb und in der Berufsschule (Schneeberger 1990) fördert ebenfalls Vorteile des Lernorts Betrieb gegenüber der Berufsschule hinsichtlich der basic needs zutage, wie anhand der folgenden Items (Auswahl) deutlich wird: Gefühl, etwas geschafft zu haben (61% im Betrieb vs. 31% in der Berufsschule), Gefühl der Selbstständigkeit (54% vs. 15%), Gefühl der Langeweile (8% vs. 33%), erlebte Sinnlosigkeit (9% vs. 21%) (ebd., 576). Das relativ einheitliche Bild der dargestellten Befunde darf jedoch nicht über die Heterogenität der betrieblichen Ausbildungsbedingungen hinwegtäuschen. Im folgenden Kapitel wird mit der Tagebuchmethodik ein empirischer Zugang vorgestellt, der Rückschlüsse auf die spezifischen Ursachen der unterschiedlichen Ausprägung von Erlebensqualität und Lernförderlichkeit ermöglicht. Die Befunde ausgewählter Studien in Kapitel 4.3 sind inhaltlich als Ergänzung der bisherigen Ausführungen zu sehen.
4
Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
Der Fokus des folgenden Kapitels ist auf empirische Zugänge zur Erforschung des Erlebens und Lernens am Arbeitsplatz gerichtet und dient dabei insbesondere der Begründung und theoretischen Grundlegung des Einsatzes von Tagebüchern zur prozessnahen Arbeitssituationsanalyse. Ausgewählte Referenzstudien auf Basis von Tagebüchern bilden sodann den Übergang zum empirischen Teil der vorliegenden Arbeit. 4.1
Notwendigkeit einer prozessnahen Datenerhebung und Restriktionen des betrieblichen Feldes
Die wesentliche Herausforderung der Analyse des Lernens am Arbeitsplatz erwächst aus der unbewussten, impliziten bzw. beiläufigen Natur des Großteils dieses Lernens. Die Wahl des Forschungsinstrumentariums ist daher als erfolgskritisches Entscheidungsfeld zu betrachten. In einem Review empirischer Studien finden Berings, Doornbos und Simons (2006) ausschließlich Fragebogen- und InterviewStudien (ebd., 340).138 Allgemeine Gründe hierfür werden in der Verfügbarkeit und Akzeptanz der Instrumente und der strukturierten Darstellbarkeit der Befunde gesehen. Zudem spricht die Erreichbarkeit einer großen Stichprobe für Fragebogeninstrumente. Mit der Einschränkung kleinerer Stichproben erscheinen den Autoren Interviewstudien besser geeignet, um auch implizite Lernprozesse wenigstens teilweise zu reflektieren. Die Konfrontation mit Lernresultaten, Beobachtungsdaten, Prozessdokumentationen etc. kann diesen Reflexionsprozess unterstützen (ebd., 354). Sawchuk (2009) betrachtet in seinem Review die Methodengruppe aus Fallstudien, ethnographischen Studien und Interviewstudien als dominant und führt dies auf den induktiv-explorativen Charakter dieser Methoden zurück, die in einem relativ neuen Forschungsfeld, wie dem des informellen Lernens in der Arbeit, damit durchaus angemessen sind (ebd., 326). Im Gegensatz zur o. a. Einschätzung von Berings, Doornbos und Simons (2006) stellt Sawchuk (2009) heraus, dass die Refle138 Allerdings ist die Anwendung der Selektionskriterien nicht im Detail nachvollziehbar. So bleibt bspw. offen, warum die im Text zitierte Studie von Noss (2000) nicht in das Ergebnistableau aufgenommen wurde.
A. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
162
4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
xion informellen Lernens in Interviews keineswegs ein einfacher Forschungszugang sei, da entsprechende Begrifflichkeiten je nach sozialer Schicht und Bildungsbiografie sehr unterschiedliche Assoziationen hervorrufen (ebd., 326f.; vgl. auch Eraut 2004b, 249; vgl. auch Kapitel 2.4.2 zum Einfluss subjektiver Lerntheorien). Exemplarisch für die Gruppe der Fragebogenstudien führt Sawchuk (2009) Large-ScaleBefragungen zur Bedeutung informellen Lernens an, die er deutlich von der dritten Gruppe, den situationalen Mikro-Analysen, abgrenzt. Während sowohl Interviewals auch Fragebogenstudien auf retrospektiven Einschätzungen der Befragten beruhen, versuchen Mikro-Analysen, Einblicke in den Lernprozess mittels Erhebung von Prozessdaten zu eröffnen (ebd., 328). Allerdings sind solche Prozessanalysen selten zu finden (Baitsch 1998, 303; Sonntag & Stegmaier 2007, 93). So kritisiert Hacker (1980) ein „... Ausweichen in die Befragung über Arbeitstätigkeiten an Stelle von Arbeitstätigkeitsstudien“ (ebd., 12f.; Herv.: A.R.). Ebenfalls bereits vor 30 Jahren forderten Baitsch und Frei (1980) zur Erforschung von Lernprozessen in der Arbeitstätigkeit eine Ergänzung rein retrospektiver Befragungen um „unkonventionellere Methoden“ (ebd., 77). Auch Forschungsarbeiten zum emotional-affektiven Erleben am Arbeitsplatz bedienen sich nahezu ausschließlich retrospektiver Einschätzungen typischen Erlebens über mehrere Wochen oder Monate (Fisher 2002, 5). Vordergründig betrachtet scheinen Befragte kaum Schwierigkeiten zu haben, verallgemeinerte und über längere Zeiträume hinweg aggregierte Selbstauskünfte zu geben. Zahlreiche Studien zeigen jedoch, dass aggregierte Erlebensdaten und retrospektive Einschätzungen lediglich 36–58% gemeinsame Varianz aufweisen (ebd., 5).139 Kannheiser (1992) spricht bezüglich der arbeitspsychologischen Forschungspraxis daher von einem „erlebensbezogenen Defizit“ (1992, 16). Zusammenfassend differenziert Brandstätter (1981) folgende Defizite retrospektiver Urteile: (1) Ein Summenurteil über variierende Erlebnisse längerer Zeiträume ist kaum zu leisten140, (2) soziale 139 Robinson und Clore (2002) führen dies auf Basis experimenteller Befunde und neurowissenschaftlicher Erkenntnisse auf zwei unterschiedliche Gedächtnissysteme zurück. Während kurzfristige Emotionserinnerungen dem genaueren episodischen Gedächtnis (Hippocampus) entstammen, greifen längerfristige Bilanzierungen auf das semantische Gedächtnis (Neocortex) zurück, fallen deutlich allgemeiner aus und entsprechen somit eher einem dispositionalen Selbstbild (ebd., 212f.). Für das episodische Gedächtnis nennen die Autoren einen Zeitraum von etwa 2 Wochen, wobei auch dies nur für intensivere Emotionen im engeren Sinn (vgl. Kapitel 2.2.1.2) gelten dürfte. Für jährliche Arbeitszufriedenheitsbefragungen bedeutete dies, dass man eher erhebt, inwieweit sich der Befragte selbst im Allgemeinen als ‚zufriedene Person’ einschätzt. 140 Die Konstruktion plausiblen Befindens anstelle der Rekonstruktion tatsächlichen Befindens zeigt sich bspw. darin, dass in retrospektiven Befragungen zum Befinden im Wochenverlauf der Montag zumeist als Tiefpunkt benannt wird, obgleich sich dies in höher-frequenten Tagesbefragungen der gleichen Stichprobe nicht bestätigt (Schallberger 2000, 52). Zeitlich engmaschige Erhebungen versuchen, diese verzerrenden Erinnerungseffekte weitgehend auszuschließen (Brandstätter 1991, 191; van Reekum & Scherer 1997, 261; Diener, Suh, Lucas & Smith 1999, 278; Hascher & Edlinger 2009, 108; Mauss & Robinson 2009, 213).
4.1 Notwendigkeit einer prozessnahen Datenerhebung und Restriktionen des betrieblichen Feldes
163
Normen zur Preisgabe von (Un-)Zufriedenheit verzerren die Ergebnisse, (3) die Antwortvorgaben schränken die zu erwartenden Ergebnisse ein, falls die vorgegebenen Kategorien nicht denjenigen der Befragten entsprechen und als größtes Problem wird hervorgehoben, (4) dass man über traditionelle Zufriedenheitsurteile nichts über die speziellen Ursachen und Ereignisse erfährt, die bestimmte Emotionen hervorrufen (ebd., 63f.). Der letztgenannte Kritikpunkt wurde bereits in Kapitel 3.2.2 als Ausgangspunkt der Affective-Events-Theory von Weiss und Cropanzano (1996) dargestellt. Ferner werden retrospektive Zufriedenheitsurteile eher ad-hoc konstruiert und sind daher auch durch situationale Merkmale der Erhebungssituation beeinflusst (Wegge 2004, 697). Brief, Butcher und Roberson (1995) zeigen in einer quasi-experimen-tellen Feldstudie unter anderem, dass positive Stimmungsinduktion zum Zeitpunkt der Erhebung (in der Experimentalgruppe mittels Kaffee und Gebäck) die Arbeitszufriedenheitsurteile steigen lässt (1995, 58). Ähnliche Defizite gelten auch für die Lehr-Lern-Forschung, wenn Rheinberg und Donkoff (1993) feststellen, „... dass man sich bislang kaum darum gekümmert hat, was der motivierte Lerner genau macht, wenn er das tut, was er ‚Lernen’ nennt“ (ebd., 117). Allerdings sind hier in den vergangenen Jahren einige Studien zu verzeichnen, die genau dieser Fragestellung nachgehen. Diese bedienen sich einer zeitlich engmaschigen Erhebung von Erlebenszuständen nach dem Vorbild der Experience Sampling Method (ESM) der Forschergruppe um Csikszentmihalyi (vgl. Csikszentmihalyi, Larson & Prescott 1977; Csikszentmihalyi & Larson 1987).141 Exemplarisch sei hier auf die „Prozessanalysen Selbstorganisierten Lernens“ der Forschergruppe um Sembill verwiesen. Der Unterricht wurde jeweils videografiert und die Schüler-Schüler-Interaktion mittels Tischmikrofonen aufgezeichnet. Um Einblicke in die Erlebensprozesse der Schüler zu erlangen, wurde als Variante der Experience Sampling Method (ESM) die Continuous State Sampling Method (CSSM) entwickelt (Sembill, Wolf, Wuttke, Santjer & Schumacher 1998; Sembill 2004; Sembill, Seifried & Dreyer 2008). Hierbei werden die Lernenden mittels elektronischer Eingabegeräte (PDA) in fünf- bis zehnminütigen Abständen aufgefordert, Angaben zum emotionalen, motivationalen und kognitiven Erleben zu machen. Die Kopplung von subjektiven Erlebensdaten und beobachteten Kontextbedingungen bietet aufschlussreiche Erkenntnisse über die beim Wissenserwerb vermittelnden emotio141 ESM-Studien verfolgen das Ziel, ökologisch valide Daten zu erheben, indem Probanden in ihrem natürlichen Umfeld in (un)regelmäßigen Abständen aufgefordert werden, Angaben zur aktuellen Situation und ihrem aktuellen Erleben zu machen. Während zunächst nur die Aufforderung elektronisch erfolgte und sodann Papierbögen auszufüllen waren, ermöglichen so genannte Personal Digital Assistants (PDAs) heutzutage auch die Dateneingabe (Sembill, Seifried & Dreyer 2008, 70ff.). Zu Unrecht wird die Entwicklung des Verfahrens zumeist alleine der Forschergruppe um Csikszentmihalyi zugerechnet. Sieht man von der medialen Umsetzung ab, sind entsprechende Ansätze bereits bei Flügel (1925) sichtbar. Abrisse der historischen Entwicklung finden sich bei Hormuth (1986) und Brandstätter (1981), die ihrerseits maßgeblich zur Weiterentwicklung der Methode beigetragen haben.
164
4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
nalen, motivationalen und kognitiven Prozesse (Sembill, Wuttke, Seifried, Egloffstein & Rausch 2007, 8). Situationale Schwankungen stellen im Rahmen von Prozessanalysen keine unkontrollierbaren Störgrößen mehr dar, sondern werden zur Zielvariable und bieten bei zeitlicher Kopplung mit Kontextvariablen die Möglichkeit, die Ursachen situationaler Erlebensunterschiede zu identifizieren (vgl. Rausch, Scheja, Dreyer, Warwas & Egloffstein 2010, 201ff.). Übertragen auf betriebliche Kontexte entspricht eine solche Kopplung von subjektiver Innen- und objektiver Außensicht den arbeitspsychologischen Verfahren der dualen Arbeitssituationsanalyse, die eine gleichzeitige Berücksichtigung vorgegebener Arbeitssituationen und subjektiv wahrgenommener Arbeitssituationen vorsieht (Karg & Staehle 1982, 26; zur subjektiven Redefinition der Arbeitssituation vgl. auch Kapitel 3.1.3 und 3.1.4).142 Allerdings bleiben auch Arbeitsanalyseverfahren zumeist auf Querschnittserhebungen beschränkt, die auf der einmaligen Anwendung von Beobachtungs- und Befragungsinstrumenten basieren, da Restriktionen des Feldes den detaillierten Prozessanalysen entgegenstehen. Die Erfassung der subjektiven Erlebenskomponente mittels elektronischer Eingabegeräte erscheint grundsätzlich denkbar, wenngleich strikte zeitliche Taktungen in einigen Berufsfeldern nicht praktikabel sind (Schallberger 2000, 30; Hektner, Schmidt & Csikszentmihalyi 2007, 35). Sachbearbeitung im kaufmännisch-verwaltenden Bereich oder Werkstattfertigung im gewerblich-technischen Bereich dürften geeignete Felder sein, während Dienstleistungen am Kunden oder Fließfertigung einer solchen Erhebung entgegenstehen. Als Modifikationen könnten eine weniger engmaschige Erhebung oder die Möglichkeit des vorübergehenden Ausschaltens der Erfassungsgeräte in Betracht gezogen werden. Als weitaus kritischer erweist sich jedoch die beschriebene Erfassung objektiver Kontextbedingungen mit Hilfe von Video- und Audioaufnahmen. • Bild- und Tonmitschnitte sind im betrieblichen Feld aus Datenschutzgründen meist ausgeschlossen (insbesondere wenn Betriebsgeheimnisse, Kundendaten und/oder Kunden direkt betroffen sind). 142 Hierbei ist deutlich herauszustellen, dass objektive und subjektive Arbeitssituationsanalyse nicht zwingend mit so genannten objektiven oder subjektiven Erhebungsmethoden korrespondieren: „Objektive Instrumentarien untersuchen interindividuell gültige Formen des Arbeitshandelns und deren Bedingungen. Sie sind damit für die Ableitung allgemeiner Gestaltungshinweise oder die verallgemeinernde Bewertung von Gestaltungsmaßnahmen geeignet. Subjektive Instrumentarien dagegen untersuchen individuelle Variationen im Arbeitshandeln und deren Bedingungen. Sie sind daher immer dann mit heranzuziehen, wenn es um konkrete Gestaltungsmaßnahmen für bestimmte Personen geht. Mit der Konzeption eines objektiven oder subjektiven Instrumentariums ist nun aber keineswegs gleichzeitig auch die Wahl einer objektiven oder subjektiven Erhebungsmethode vorgegeben. Objektive Erhebungsmethoden (Beobachtung) und subjektive Erhebungsmethoden (Fragebögen, Interviews) sollten vielmehr in beiden Arten der Arbeitsanalyse integriert angewendet werden“ (Gablenz-Kolakovic, Krogoll, Oesterreich & Volpert 1982, 217).
4.2 Prozessnahe Arbeitssituationsanalyse mittels Tagebuch-Methodik
165
• Zudem sind Videomitschnitte nur in solchen betrieblichen Einsatzfeldern praktikabel, in denen die Arbeitstätigkeiten der Akteure keine ständigen Ortswechsel aufweisen (bspw. dauerhafte Büroarbeitsplätze), so dass fest installierte Kamerapositionen möglich sind. • Selbst unter den o. a. Bedingungen erlauben die Videodaten insbesondere im kaufmännisch-verwaltenden Bereich aber vermutlich nur eingeschränkte Hinweise auf die objektive Arbeitssituation, wenn nicht eine parallele Speicherung aller Computeraktivitäten erfolgt (automatisierte Protokollierung mittels LogDateien). Das Problem besteht schlicht darin, dass aus den Videodaten keine konkreten Arbeitstätigkeiten identifizierbar sind. Eine mögliche Alternative wäre die Methode des lauten Denkens, die jedoch ihrerseits mit erheblichen Nachteilen verbunden ist (Hacker 2005, 580). Angesichts des ohnehin als schwierig eingeschätzten Zugangs zum betrieblichen Feld (Frieling & Sonntag 1999, 59; Diettrich & Vonken 2009, 7) bilden derlei Studien somit die Ausnahme. Als praktikables Verfahren zur dualen und prozessorientierten Arbeitssituationsanalyse im betrieblichen Feld wird im folgenden Kapitel die Tagebuch-Methodik vorgestellt. 4.2
Prozessnahe Arbeitssituationsanalyse mittels Tagebuch-Methodik
Die Tagebuch-Methodik bezeichnet ein Datenerhebungsverfahren, bei dem vorher festgelegte Ereignisse, Verhaltensweisen und Urteile nach bestimmten Richtlinien zum gegebenen Zeitpunkt vom Probanden selbst protokolliert werden (Laireiter & Thiele 1995, 132). Tagebücher stellen somit eine Möglichkeit der direkten und systematischen Erhebung von Erlebensqualitäten und ihren Auslösebedingungen in Feldstudien dar (Hascher & Edlinger 2009, 108f.). Zur Beschreibung unterschiedlicher Tagebuchvarianten in der psychologischen Forschung nennen Laireiter und Thiele (1995, 132) die in Abbildung 4-1 aufgeführten Dimensionen. Die rechte Spalte der Tabelle enthält weitere Erläuterungen aus der angegebenen Quelle (ebd., 132ff.). Eigene Ergänzungen stehen kursiv in Klammern.
166 Dimension
4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
Ausprägungen
Erläuterungen
Ereignisse, VerhalAufzeichnungsten, Interaktionen, gegenstände: Gefühle etc.
Der Aufzeichnungsgegenstand gibt dem Tagebuch i. d. R. seinen Namen (hier: Arbeitstagebuch)
Papier & Bleistift, AufzeichnungsComputer, Tonträmethoden: ger
Während Papier & Bleistift-Verfahren die Regel sind, bieten computergestützte Verfahren ökonomische Vorteile. Tonbandaufnahmen (wie bspw. lautes Denken) wiesen dagegen die ökonomischen Nachteile einer aufwendigen Transkription und inhaltsanalytischen Auswertung auf.
Methodische Merkmale:
Grad der Strukturiertheit, Anzahl der Items, Komplexität des Verfahrens, methodische Elaboriertheit etc.
Länge und Komplexität entscheiden über die Dauer der Bearbeitung und beeinflussen daher Motivation, Compliance und Akzeptanz des Verfahrens. Zudem ist zwischen voll- und teilstandardisierten Tagebüchern zu unterscheiden, d. h. hinsichtlich der Möglichkeit, zusätzliche freie Aufzeichnungen zu vermerken, mit denen wiederum der Aufwand einer inhaltsanalytischen Auswertung verbunden ist.
Ausfertigungsmodalität:
Einzel- vs. Doppeltagebuch
Doppeltagebücher weisen die Besonderheit auf, dass zwei Personen unabhängig voneinander Protokolle führen, die im Nachgang verglichen werden.
Steuerungseinheiten:
Bei zeitgebergesteuerten Verfahren erfolgt eine durch den Forscher bestimmte Aufforderung zur Protokollierung (z. B. im zweistündigen Turnus). Zeiteinheiten, Inter- Bei Intervallsteuerung wird eine Bilanzierung verlangt (z. B. Tagesrückblick), die eine Variante der retrospektiven valle, Ereignisse Selbstaufzeichnung darstellt. Ereignisgesteuerte Aufzeichnungen werden durch das Auftreten der Kriteriumsvariable (z. B. soziale Interaktion, Schmerz etc.) ausgelöst.143
Zeitliche Distanz zwischen Ereignis und Aufzeichnung:
Abbildung 4-1:
Unmittelbare vs. verzögerte Aufzeichnung
Zeitgebergesteuerte Verfahren verlangen zumeist eine unmittelbare Aufzeichnung, wohingegen bei Ereignissteuerung eine Aufzeichnung meist so rasch wie möglich nach dem Ereignis erfolgen soll, damit dieses durch die Aufzeichnung nicht gestört wird. Je nach Erkenntnisinteresse können Verzögerungen mehr oder weniger geduldet sein.
Beschreibungsdimensionen von Tagebuchverfahren in der Psychologie (Laireiter & Thiele 1995, 132ff.)
143 Hascher und Edlinger (2009) wählen in ihrem Überblicksartikel inhaltlich identische Formen der Steuerung, die jedoch anders bezeichnet werden (ebd., 108): Time-sampling entspricht der Zeitsteuerung bei Laireiter und Thiele (1995). Event-sampling entspricht am ehesten der o. a. Intervallsteuerung, wenngleich im (Tages-)Rückblick weniger eine Bilanzierung aller Ereignisse als die Protokollierung besonders relevanter Ereignisse gemeint ist. In den Dimensionen nach Laireiter und Thiele wäre dies auch als ereignisgesteuerte Erhebung mit verzögerter Aufzeichnung zu interpretieren. Situation-based sampling meint inhaltlich das bei Laireiter und Thiele als Ereignissteuerung bezeichnete Verfahren.
4.2 Prozessnahe Arbeitssituationsanalyse mittels Tagebuch-Methodik
167
Aus Abbildung 4-1 wird zum einen die Variationsbreite der Tagebuch-Methodik deutlich und zudem erscheinen auch die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen ESM- und CSSM-Verfahren hierunter subsummierbar: So stellt das CSSM-Verfahren ein vollstandardisiertes, computergestütztes, zeitgebergesteuertes Erlebenstagebuch dar. Das von Brandstätter (1977 et passim) entwickelte Verfahren des Time-Sampling-Diary (TSD) sieht dagegen eine teilstandardisierte Erhebungsform mit offenen Antworten auf vorgegebene Fragen vor (z. B. Beschreibung des emotionalen Erlebens anhand ein oder zwei selbst gewählter Adjektive, Angabe von Gründen für das emotionale Erleben etc.) und erlaubt – je nach Fragestellung – auch eine ereignisgesteuerte Erhebung (Brandstätter 2007, 319ff.). Hinsichtlich des Zeitbezugs gilt für alle Verfahren, dass auch zeitlich punktuelle Erhebungen gemäß Instruktion zwar auf den Augenblick abzielen, sich aber i. d. R. auf einen Zeitraum von 5 bis 15 Minuten beziehen (Debus 2000, 413f.). Somit erfassen auch die beschriebenen Verfahren i. d. R. retrospektive Einschätzungen, allerdings mit der Besonderheit des kürzeren Bezugszeitraums bei hoher Messwiederholungsrate (Rausch, Scheja, Dreyer, Warwas & Egloffstein 2010, 201). Eine sicherlich aufschlussreiche Unterscheidung zwischen prospektiv (vor der Tätigkeit), prozessbezogen (während der Tätigkeit) und retrospektiv (nach der Tätigkeit) auftretenden Emotionen (vgl. Pekrun & Jerusalem 1996, 7) und deren getrennte Erhebung erhöhen Länge und Komplexität eines Tagebucheintrags enorm und dürften damit zu Lasten der Akzeptanz führen. In der arbeits- und organisationspsychologischen Forschung haben ähnliche Verfahren der Selbstaufschreibung im Rahmen von Zeitbudgetanalysen eine lange Tradition und dienen im Unterschied zu psychologischen Tagebuchverfahren in erster Linie der objektiven Arbeitssituationsanalyse. Zeitbudgetanalysen erfordern eine lückenlose Protokollierung von Tagesabläufen und zielen damit auf interindividuelle sowie berufs- und arbeitsplatzspezifische Unterschiede in Tätigkeitsschwerpunkten ab. Die Eintragungen basieren i. d. R. auf zuvor aus Interviews, Stellenbeschreibungen etc. gewonnenen Tätigkeitskatalogen. Diese Tätigkeitskataloge sollten a) eine Anzahl von zehn Tätigkeitskategorien nach Möglichkeit nicht überschreiten, um den Überblick für die Befragten zu erleichtern, b) möglichst erschöpfend sein, so dass die Restkategorie Sonstiges 5% nicht überschreitet, c) möglichst trennscharf sein, um eine rasche und eindeutige Zuordnung zu erleichtern und d) die Möglichkeit zusätzlicher Erläuterungen durch die Befragten vorsehen. In der Erhebungsphase ist je nach Komplexität des Erhebungsbogens mit einem täglichen Arbeitsaufwand von 20-30 Minuten zu rechnen, wobei eine Erhebungsdauer von 1014 Tagen als ausreichend betrachtet wird. Während die verantwortliche Einbindung der Mitarbeiter in den Forschungsprozess einerseits mit Motivationspotenzialen verbunden ist, haben andere Studien gezeigt, dass zusätzliche (monetäre) Anreize die Datenqualität verbessern helfen (Frieling & Sonntag 1999, 68f.; König & Volmer 2000, 176ff.; Brauchler 2007, 1141ff.).
168
4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
Über reine Zeitbudgetanalysen hinaus werden komplexere Tagebuchverfahren in betrieblichen Einsatzfeldern zunehmend auch zur Analyse der Erlebensqualität eingesetzt (vgl. exemplarische Studien in Kapitel 4.3.1). Zur Analyse von Lernprozessen in der Arbeit werden entsprechende Verfahren ebenfalls als gewinnbringend eingeschätzt (Baitsch & Frei 1980, 77; Berings, Doornbos & Simons 2006, 352; vgl. exemplarische Studien in Kapitel 4.3.2), wenngleich hierzu nur wenige Studien vorliegen. Die Kombination aus selbst- und umweltbeschreibenden Items stellt somit ein Verfahren der dualen Arbeitssituationsanalyse dar. Aufgrund der zusätzlichen Komplexität solcher Erhebungsinstrumente besteht bei einer lückenlosen Erfassung ganzer Tagesverläufe, wie sie in Zeitbudgetanalysen vorgesehen ist, die Gefahr der Reaktanz, die sich in geringer Beteiligung oder gar in Sabotage äußern kann. In jedem Fall sind jedoch Aspekte einer methodenbedingten Reaktivität zu beachten (vgl. Fahrenberg & Myrtek 2001, 687ff.), denn die durch prozessnahe Erhebungen induzierte Selbstaufmerksamkeit stellt zugleich auch einen Eingriff in das Prozessgeschehen dar und kann dieses atypisch verändern (Scheier & Carver 1977, 633f.; Vollmeyer & Rheinberg 2003, 293; Brandstätter 2007, 325): (1) Die Aufforderung zur ständigen Reflexion bindet zusätzliche Ressourcen (vgl. Bewusstseinsenge in Kapitel 2.2.1.2) und kann daher leistungsmindernd hinsichtlich der eigentlichen Tätigkeit wirken. Diese Beeinträchtigung dürfte jedoch geringer ausfallen, wenn zeitverzögerte Erfassungen nach Abschluss einer Tätigkeit (anstelle tätigkeitsbegleitender bzw. -unterbrechender Erhebungen) vorgesehen werden. (2) Andererseits könnte die direkte Reflexion auch dazu führen, dass Tätigkeiten systematischer ausgeführt werden, als dies ohne den Reflexionsauftrag der Fall wäre (vgl. Abbildung 2-10 in Kapitel 2.2.3). Mit Verweis auf mehrere Tagebuchstudien stellen Spörer und Brunstein (2006) heraus, dass ein „Lerntagebuch demzufolge nicht nur eine Erhebungsmethode, sondern auch eine metakognitive Lernhilfe [darstellt]“ (ebd., 155; vgl. auch Gläser-Zikuda & Hascher 2007, 9ff.). Ähnliche Befunde liefern die Studien von Landmann und Schmitz (2004) sowie Winter, Hofer und Fries (2008). Diese „Doppelfunktion für Forschung und Praxis“ (Hascher 2007, 301) stellt aus forschungsmethodischer Sicht ein Problem dar. So scheint eine Orientierung an Zeitbudgetstudien hinsichtlich der Vorgabe von Tätigkeitskategorien und zusätzlicher Angaben der Situationsbeschreibung sinnvoll, während die für eine lückenlose Aufzeichnung notwendige hohe Taktung der Messzeitpunkte gründlich bedacht werden sollte. Sieht man zudem eine Ereignissteuerung vor, so ist mit der folgenden Limitation zu rechnen:
4.2 Prozessnahe Arbeitssituationsanalyse mittels Tagebuch-Methodik
169
(3) Bei Selbstauswahl repräsentativer Tätigkeiten (anstelle lückenloser Vollerhebung oder zeitgesteuerter Zufallserhebung) sind bewusste oder unbewusste Verzerrungen der protokollierten Tätigkeitsschwerpunkte nicht auszuschließen. Bei der Datenauswertung und -interpretation sind ferner folgende Punkte zu beachten: (4) Die aus Tagebuchstudien gewonnenen Tätigkeitsinformationen weisen vermutlich keine Ergodizität auf, d. h. es dürfte aufgrund interindividuell unterschiedlicher Wahrnehmungsmuster und Motiv-Bedürfnis-Lagen durchaus einen Unterschied machen, ob bspw. ein Tätigkeitstyp in einer bestimmten Abteilung 20 Mal von ein und derselben Person protokolliert wird oder von 20 verschiedenen Personen. (5) Hinsichtlich der Bewertung einzelner Tätigkeiten sind Halo-Effekte nicht auszuschließen, so dass bspw. positive Erlebensqualitäten während einer Tätigkeit auf weitere positiv konnotierte Eigenschaften ausstrahlen können. (6) Befragte fühlen sich teilweise einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, d. h. sie suchen nach logisch nachvollziehbaren Zusammenhängen, welche aber nicht den wahren Umständen des jeweiligen Handelns entsprechen (Berry 1987, 148; van Reekum & Scherer 1997, 261; Hacker 2005, 580). (7) Im Hinblick auf die im zweiten Kapitel mehrfach betonte Unterscheidung zwischen bewusstseinspflichtigen, bewusstseinsfähigen und nicht bewusstseinsfähigen Prozessen im Wahrnehmen, Denken und Handeln ist ferner herauszustellen, dass grundsätzlich nur solche Prozesse erfassbar sind, die der Introspektion zugänglich (d. h. wenigstens bewusstseinsfähig sind) und zudem auch verbalisierbar sind (Scherer 2005, 322; Brandstätter 2007, 325; Mauss & Robinson 2009, 213; vgl. Abbildung 2-11 und abschließende Bemerkungen in Kapitel 2.2.3). Trotz der aufgezeigten Fallstricke und Restriktionen in der Konzeption und Interpretation entsprechender Studien liefert die Tagebuchmethodik aufschlussreiche Einblicke in ablaufende Prozesse. Zumeist wird eine Ergänzung durch weitere Erhebungsverfahren (Fragebogen, Interview etc.) vorgeschlagen (Berings, Doornbos & Simons 2006, 352ff.; Brandstätter 2007, 325). Standardisierte Fragebögen werden hierbei i. d. R. zur Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften (traits) oder globaler Einschätzungen (z. B. Arbeitszufriedenheit) und Interviews bspw. zur Analyse von Kausalbeziehungen (aus Perspektive der Befragten) eingesetzt. Ein Vorteil dieses multimethodischen Vorgehens ist die Vermeidung so genannter common method variance (Grandey, Tam & Brauburger 2002, 50), d. h. die Vermeidung
170
4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
von Zusammenhängen, die lediglich auf identische Erhebungsverfahren zurückzuführen sind. 4.3
Ausgewählte Referenzstudien
Im Folgenden werden vier Tagebuchstudien im Arbeitskontext skizziert, die sich mit Fragestellungen der Erlebensqualität (Kapitel 4.3.1) und der Lernpotenziale (Kapitel 4.3.2) beschäftigen. Die Darstellung beschränkt sich auf zentrale Fragestellungen, Eckdaten des Untersuchungsdesigns und der Stichprobe, eine Beschreibung des Tagebuchinstruments und zentrale Befunde. Die Studien dienen einerseits als Beispiele der zuvor erläuterten Tagebuch-Methodik und andererseits als Ergänzung der in Kapitel 3 aufgezeigten Befunde zu Erlebensqualität und Lernpotenzialen am Arbeitsplatz. 4.3.1
Tagebuchstudien zur Erlebensqualität am Arbeitsplatz
Brandstätter und Gaubatz (1997) berichten über eine Studie zum emotionalen Erleben an einem neuen Arbeitsplatz. Neben der allgemeinen Entwicklung der Erlebensqualität im Laufe der ersten sechs Monate interessierten insbesondere persönlichkeits- und geschlechtsspezifische Einflussfaktoren. An der Studie beteiligten sich – nach Stichprobenbereinigung aufgrund unvollständiger Daten – 17 Männer und 13 Frauen, wobei 20 Personen, davon 6 Frauen, ihren Arbeitsplatz gerade gewechselt hatten, während es sich für 10 Personen um den Berufseinstieg handelte. Neben der Fragebogenerhebung zahlreicher Persönlichkeitseigenschaften und berufsbiografischer Angaben stand das Befindenstagebuch im Zentrum der Studie, das in vier Perioden, jeweils 10 Tage lang zu Beginn des ersten, zweiten, dritten und sechsten Monats am neuen Arbeitsplatz, zu führen war. Nach Zufallsprinzip wurden die Teilnehmer sechsmal täglich und unabhängig davon, ob sie gerade arbeiteten oder Freizeit hatten, aufgefordert, einen Eintrag in das als Time-Sampling-Diary (vgl. Kapitel 4.2) konzipierte Tagebuch vorzunehmen. Rechnerisch ergibt sich eine Gesamtzahl von 7.200 Eintragungen (die genaue Anzahl ist in der Quelle nicht genannt). Zu jedem Protokollzeitpunkt war ein Blatt auszufüllen, das folgende Fragen enthielt (ebd., 20): 1) 2) 3) 4)
Wie fühle ich mich gerade? (–– / – / 0 / + / ++) Wie kann ich meine momentane Stimmung (mit bis zu drei Eigenschaftswörtern) genauer beschreiben? Warum fühle ich mich so? Wo bin ich?
4.3 Ausgewählte Referenzstudien
5) 6) 7)
171
Was tue ich? Wer ist noch anwesend? Wie frei fühle ich mich in der Wahl meiner augenblicklichen Tätigkeit? (unfrei, eher unfrei, eher frei, frei)
Die inhaltsanalytische Auswertung konzentriert sich insbesondere auf Angaben der Frage 3 hinsichtlich des Zeitaspekts der Emotionsauslösung (Erinnerungen, aktuelle Erfahrungen oder Erwartungen), hinsichtlich des befriedigten oder frustrierten Motivs, hinsichtlich der attribuierten Fähigkeiten oder Fähigkeitsmängel, die zu Erfolg oder Misserfolg geführt haben. Letztere stehen wiederum in enger Beziehung zur Schwierigkeit der Zielerreichung, die aus Frage 5 geschlossen wird (ebd., 20). Als zentrale Befunde sind herauszustellen, dass eine Person-Umwelt-Passung (die Deckung von Motiven und Motivbefriedigung) generell förderlich für das Wohlbefinden ist und das Wohlbefinden bzw. Unbehagen in der Anfangsphase besonders häufig auf eigene Fähigkeiten bzw. Fähigkeitsmängel und auf das Verhalten von Kollegen zurückgeführt wird. Frauen attribuieren dabei anfängliche Misserfolge häufiger und Erfolge seltener intern als Männer. Zudem steht bei Frauen durchwegs das Anschlussmotiv stärker im Vordergrund. Überraschenderweise war das Wohlbefinden extrovertierter (emotional stabiler) Personen nicht anfangs, sondern erst ab dem zweiten Monat höher als das Wohlbefinden introvertierter (emotional labiler) Personen (Brandstätter & Gaubatz 1997, 18). Auf Basis dieser (und weiterer) Befunde empfehlen die Autoren, das Selbstvertrauen neuer Mitarbeiter zu stärken, die Integration in die Arbeitsgruppe zu erleichtern und den sozialen Rückhalt zu erhöhen (ebd., 29). Ebenfalls mit Hilfe der Tagebuch-Methodik führen Grandey, Tam und Brauburger (2002) eine Untersuchung auf Basis der Affective Events Theory (vgl. Kapitel 3.2.2) durch, um situationale und personale Bedingungen der Emotionsauslösung am Arbeitsplatz zu erfassen. An der Studie beteiligten sich, nach Bereinigung der Stichprobe, 36 in Teilzeit (bis zu 20 Stunden pro Woche) arbeitende Studierende. Die Hälfte der Teilnehmer war im Dienstleistungs- und Verkaufsbereich tätig, 44 % waren weiblich und 43 % der Befragten 18 Jahre alt. Ergänzend wurden auch hier im Vorfeld Persönlichkeitseigenschaften und biografische Angaben mittels standardisierter Fragebögen erhoben und im Nachgang der Tagebuchphase zudem auch Arbeitszufriedenheit und Arbeitsplatzwechselabsichten (ebenfalls via Fragebogen) erfasst. Im Unterschied zur o. a. Tagebuchvariante der Forschergruppe um Brandstätter handelte es sich bei Grandey et al. um ein ereignisgesteuertes Tagebuch. Die zu protokollierenden Ereignisse waren darüber definiert, dass sie starke Emotionen auslösten. Unmittelbar im Anschluss an das Ereignis war ein einseitiges Formular auszufüllen, das neben der freien Beschreibung des Ereignisses die Einschätzung von 16 Emotionsitems vorsah und zudem anhand von 3 Items erfragte,
172
4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
inwiefern der Emotionsausdruck während des Ereignisses bewusst verfälscht wurde, d. h. inwieweit die Tätigkeit als Emotionsarbeit144 zu bezeichnen ist. Die Teilnehmer protokollierten in der zweiwöchigen Tagebuchphase durchschnittlich etwa 5 emotional bewegende Ereignisse. Insgesamt lagen 169 Einträge zur Auswertung vor (Grandey, Tam & Brauburger 2002, 38ff.). Die Analysen zeigen, dass zwischenmenschliche Konfliktsituationen mit Kunden (43 %), Kollegen (32 %) und mit Vorgesetzten (25 %) die maßgeblichen Ursachen für erlebten Ärger sind (ebd., 48). Das Erleben von Stolz basiert dagegen auf externer Anerkennung guter Leistung (41 %), der inneren Gewissheit, gute Leistung erbracht zu haben (21 %), dem Gefühl, gemocht und sozial akzeptiert zu werden (14 %), sowie der Möglichkeit, das eigene Können unter Beweis zu stellen (14 %) (ebd., 49). Hier wird insbesondere die in Kapitel 2.2.1.4 dargestellte Bedeutung der Grundbedürfnisse nach Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit deutlich. Das Vortäuschen von Emotionen tritt bevorzugt bei Ärger über Kunden, weniger bei Ärger über Kollegen auf (ebd., 51). Hinsichtlich der Person-Umwelt-Passung zeigt sich in der vorliegenden Stichprobe, dass Teilnehmer mit ausgeprägter positiver Affektivität eher mit kundennahen Tätigkeiten betraut sind und Teilnehmer mit ausgeprägter negativen Affektivität seltener solche Jobs in Dienstleistungs- und Verkaufsbereichen ausüben. Insgesamt ist positive Affektivität nur schwach mit dem Auftreten positiver Emotionen korreliert (r = .25, p < .07), während negative Affektivität signifikant mit negativen Emotionen einhergeht (r = .38, p < .01). Negative Affektivität erweist sich dabei als starker Prädiktor für Angsterleben (r = .49, p < .01), als guter Prädiktor für Traurigkeit (r = .37, p < .05) und als schwacher Prädiktor für Ärger (r = .26, p < .06; ebd., 44). Positive Emotionen sind in ihrer Gesamtheit kein Prädiktor für Arbeitszufriedenheit, doch sind negative Emotionen (insbesondere Traurigkeit) ein Prädiktor für Arbeitsplatzwechselabsichten (ebd., 44). Interessanterweise erweist sich Angsterleben als positiver Prädiktor für retrospektive Arbeitseinstellungen (hohe Arbeitszufriedenheit und geringe Arbeitsplatzwechselabsichten). Gründe hierfür werden in Suppressionseffekten aufgrund von Multikollinearität vermutet (ebd., 51). Alternativ könnte der Zusammenhang auch damit erklärt werden, dass Teilnehmer aufgrund des Zwangs zur Protokollierung stark emotionaler Ereignisse (Scheinerwerb im Rahmen des Psychologiestudiums), aber in Ermangelung echter Angsterlebnisse auch solche Episoden auswählten, die nur mit leichter Nervosität einhergingen und daher eher einem optimalen Anregungsniveau (vgl. Kapitel 2.5) entsprachen.
144 „Unter Emotionsarbeit versteht man emotionale Anpassungsleistungen, die ein Arbeitnehmer als Teil seiner Arbeitstätigkeit erbringen muss. Der planvolle Umgang mit Emotionen als Arbeitsanforderung ergibt sich aus einer asymmetrischen Interaktion mit Kunden ... und ist vor allem im Dienstleistungsbereich anzutreffen: Vom Betroffenen wird ‚Berufsfreundlichkeit’ erwartet – und das über Stunden und gegenüber jedem (= gelerntes Lächeln)“ (Wiessmann 2007, 484).
4.3 Ausgewählte Referenzstudien
4.3.2
173
Tagebuchstudien zum Lernen am Arbeitsplatz (Göttinger Forschergruppe)
In der Göttinger Arbeitsgruppe um Achtenhagen entstanden zwei bemerkenswerte Tagebuchstudien zum Lernpotenzial an kaufmännischen Arbeitsplätzen von Keck (1995) und Noss (2000), die im Folgenden kurz skizziert werden sollen. Keck (1995) führt seine Untersuchung in einem mittelständischen Industrieunternehmen durch und befragt 8 angehende Industriekaufleute (4 weibliche und 4 männliche Auszubildende) (ebd., 221). Das in einem Zeitraum von vier Wochen eingesetzte Tagebuch erfüllte vier Funktionen: (1) Möglichst lückenlose Erfassung der Gesamtausbildungszeit inklusive ausbildungsfremder Tätigkeiten und Leerzeiten, (2) möglichst objektive Beschreibung der Arbeitstätigkeit (überwiegend offene Antworten in den Spalten: Arbeitsaufgabe, Arbeitsschritte, Arbeitsobjekte, notwendige Arbeitsunterlagen, Arbeitsmittel, Zusammenarbeit) und des individuellen Umgangs (überwiegend offene Antworten in den Spalten: Probleme bei Aufgabendurchführung, Hilfe anderer Personen, Sachhilfen bei der Problemlösung), (3) subjektive Einschätzung (standardisierte Einschätzung auf einer fünf- bis sechsstufigen Likertskala: Interesse, Neuartigkeit, Schwierigkeit, Lernmöglichkeit) und (4) Angabe des Zeitumfangs der jeweiligen Tätigkeit, um Tätigkeitsschwerpunkte analysieren zu können (ebd., 186ff.). Die Auszubildenden erfassten insgesamt 920 Aufgaben, von denen 676 als originäre Arbeitsaufgaben eingestuft und anhand eines Kodierschemas inhaltsanalytisch 7 Anforderungskategorien zugeordnet wurden (Auswerterübereinstimmung: 92 %), während die übrigen Aufgaben bspw. aus betriebsinternem Unterricht, Ausbildungsgesprächen, Leerzeiten oder abteilungsfremden Aufgaben bestanden (ebd., 203; ebd., 223f.). Auf Basis einer ersten Auswertung hinsichtlich der Tätigkeitsschwerpunkte und der subjektiven Einschätzung durch die Auszubildenden kommt Keck zu folgendem Zwischenfazit: • Zwar dominieren einfache, standardisierte Arbeitsaufgaben, doch es werden durchaus auch anspruchsvollere Aufgaben übertragen. • Ausbildungsgespräche spielen eine untergeordnete Rolle. • Auszubildende haben abgesehen von einfachen kaufmännischen Aufgaben ein insgesamt hohes Interesse an den Arbeits- und Lerngegenständen. • Die übertragenen Aufgaben sind meist bereits bekannt und dürften die Auszubildenden weitgehend unterfordern. • Im Vergleich zu pädagogisch akzentuierten Ausbildungssituationen schreiben die Auszubildenden den betrieblichen Arbeitssituationen in Abhängigkeit von deren Anforderungsniveau nur begrenzt Lernmöglichkeiten zu (ebd., 226f.). Bei der Analyse auftretender Probleme (n = 140) und deren Bewältigung (vgl. auch Kategorisierung der Quellen problemlösender Handlungsentwürfe; Abbildung 2-17 in Kapitel 2.4.1.1) wird deutlich, dass ausnahmslos auf die Hilfe des Sachbearbeiters
174
4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
(der ausbildenden Fachkraft) zurückgegriffen wird und weitere Sachhilfen wie alte Akten, Handbücher, eigene Notizen etc. sehr selten und lediglich als Ergänzung herangezogen werden. Hier zeigt sich die besondere Bedeutung der ausbildenden Fachkraft (ebd., 242). Die Befunde der Zusammenhangsanalysen zwischen dem formalen Anforderungsniveau (7 Stufen gemäß inhaltsanalytischer Auswertung) und den subjektiven Einschätzungen der Neuartigkeit, der Schwierigkeit, des Interesses sowie des Lernpotenzials werden wie folgt zusammengefasst: • Einfache kaufmännische Tätigkeiten werden als Unterforderung erlebt, die mit geringem Interesse einhergehen. Anspruchsvolle Tätigkeiten fördern hingegen das Interesse. • Das Lernpotenzial steht in engem Zusammenhang mit dem formalen Anforderungsniveau, der erlebten Schwierigkeit und dem persönlichen Interesse. Die Neuartigkeit spielt eine geringere Rolle. • Interindividuelle Unterschiede verweisen auf den Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften. • Das Lern- und Arbeitstagebuch inklusive des 7-Stufen-Modells des Anforderungsniveaus erweisen sich als valides Instrument zur Analyse von Lernrestriktionen und Lernpotenzialen an kaufmännischen Arbeitsplätzen in der Ausbildung (ebd., 263f.). Auf die Darstellung der zahlreichen weiteren Analysen und deren Befunde muss hier aus Platzgründen verzichtet werden. Zudem sei vermerkt, dass das Lern- und Arbeitstagebuch zwar den Kernbereich der Studie darstellt, weitere interessante Befunde aber auch aus den ergänzenden Interviews mit Auszubildenden und ausbildenden Fachkräften sowie aus der quantitativen Befragung stammen (zum Untersuchungsdesign vgl. Keck 1995, 185). In methodischer Anlehnung an das oben skizzierte Projekt entstand am Göttinger Seminar für Wirtschaftspädagogik eine weitere Tagebuchstudie im Rahmen des DFG-Projekts „Fördermöglichkeiten selbstgesteuerten Lernens am Arbeitsplatz – Untersuchungen zur Ausbildung von Bank- bzw. Sparkassenkaufleuten“ (Ac35/141). Aus dem komplexen Untersuchungsdesign der Studie (Noss 2000, 95) soll wiederum das Lern- und Arbeitstagebuch im Zentrum der Darstellung stehen, das die bei Keck (1995) genannten Funktionen erfüllte (s. o.) und inhaltlich weitgehend unverändert übernommen wurde (Noss 2000, 97ff.). Allerdings wurde das Tagebuch in zwei Teile unterteilt. Der erste Teilbogen umfasste die Arbeitsaufgabe, die Arbeitsschritte und -objekte, notwendige Arbeitsunterlagen sowie die Arbeitsmittel. Dieser Bogen war nur dann auszufüllen, wenn im Lauf der Protokollierung eine neue Arbeitsaufgabe auftrat. Auf bereits protokollierte Aufgaben konnte bei erneutem Auftreten verwiesen werden. In diesen Fällen war nur der zweite Teilbogen auszufüllen, der die Spezifika der jeweiligen Arbeitssituation in drei Bereichen um-
4.3 Ausgewählte Referenzstudien
175
fasste: (1) Die objektive Beschreibung umfasste die Zeit, die eigenständige Übernahme der Aufgabe (Ja/Nein), die Nennung der Arbeitsaufgabe (als Referenz auf den ersten Teilbogen) und etwaige Zusammenarbeit (vier Antwortvorgaben). (2) Der individuelle Umgang bestehend aus Problemen (7 Antwortvorgaben), Hilfen anderer Personen (5 Antwortvorgaben) und Sachhilfen (9 Antwortvorgaben). (3) Der letzte Bereich des zweiten Teilbogens betraf die subjektive Einschätzung des Interesses, der Neuartigkeit, der Schwierigkeit und der Lernmöglichkeit (ebd., 97ff.). An der Tagebucherhebung beteiligten sich 13 angehende Bank- und Sparkassenkaufleute (6 weibliche und 7 männliche Auszubildende), die im Zeitraum der Erhebung in unterschiedlichen Geschäftsstellen des Kreditinstituts und unterschiedlichen internen Abteilungen (Wertpapier-, Auslands- sowie Kreditabteilungen) tätig waren. Die Auszubildenden protokollierten 2.777 Tätigkeiten an 344 erfassten Tagen (Noss 2000, 115). Das 7-Stufen-Modell zur Klassifizierung des formalen Anforderungsniveaus wurde zu einem 10-stufigen Modell erweitert. Die Kodierer-Übereinstimmung lag bei 94 % (ebd., 117ff.). 79.6 % der Einträge ließen sich dem Kategoriensystem der Arbeitstätigkeiten zuordnen, während die restlichen Einträge Lesetätigkeiten (3.5 % der Gesamtzeit), internen Unterricht und ganztätige Seminare (11.8 % der Gesamtzeit), Ausbildungsgespräche (3.9 % der Gesamtzeit) und Ähnliches betrafen (ebd., 122). Zusammenfassend bestätigen sich die Befunde von Keck (1995), wonach mit steigendem formalen Anforderungsniveau die subjektiven Einschätzungen der Neuartigkeit, des Interesses, der Schwierigkeit und der Lernmöglichkeiten tendenziell positiver ausfallen (Noss 2000, 127). Tätigkeiten mittleren Anforderungsniveaus werden je nach individuellem Abteilungsdurchlauf teilweise bereits als Routineaufgaben wahrgenommen und gehen dementsprechend mit geringerer subjektiver Schwierigkeit und geringeren Lernmöglichkeiten einher. Dennoch werden sie im Vergleich zu Tätigkeiten geringeren Anforderungsniveaus als überdurchschnittlich interessant wahrgenommen. Die Tätigkeiten höheren Anforderungsniveaus werden den Auszubildenden eher selten übertragen (ebd., 147), behalten aus deren Sicht aber auch dann ihre Neuartigkeit und Lernrelevanz, wenn die Auszubildenden bereits Erfahrungen mit deren Umgang machen konnten (ebd., 130). Zudem lassen die Befunde darauf schließen, dass insbesondere der Kundenkontakt hohe Lernpotenziale beinhaltet (ebd., 167). Beim Auftreten von Problemen greifen die Auszubildenden in dieser Studie nur in etwa 50 % der Fälle auf Fachkräfte zurück und lösen ca. 40 % der Probleme alleine (ebd., 163). Sachhilfen werden in ca. 60 % aller Problemfälle (zusätzlich) hinzugezogen, wobei Recherchen im EDV-System (ca. 29 %), in laufenden Akten (ca. 15 %), in eigenen Aufzeichnungen (ca. 12 %) und in abgelegten Akten (ca. 11 %) die Spitzenpositionen einnehmen (Mehrfachnennung möglich) (ebd., 165). Auch hier muss aus Platzgründen auf die Darstellung weiterer Detailbefunde verzichtet werden. Insgesamt weisen die Befunde von Keck (1995) und Noss (2000) zahlreiche Gemeinsamkeiten auf, doch kommen beide Autoren zu dem Schluss, dass es das
176
4 Arbeitstagebücher als prozessnahes Erhebungsinstrument am Arbeitsplatz
Lernpotenzial kaufmännischer Arbeitsplätze nicht gibt, da die Bedingungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Auszubildenden und von der jeweiligen Abteilung und Betreuung stark variieren (Keck 1995, 406; Noss 2000, 197f.). Beide Studien verdeutlichen indes das Potenzial der Tagebuch-Methodik zur Analyse dieses Lernpotenzials.
5
Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Mit dem Arbeitsplatz als Lernort in der dualen Ausbildung wendet sich die vorliegende Arbeit einem berufs- und wirtschaftspädagogischen Kernthema zu, das – wie in den Abschnitten 1.2, 3.3.1 und 3.4.2 dargelegt wurde – eher durch theoretische und teils normative Auseinandersetzungen denn durch empirische Evidenz gekennzeichnet ist. Als Zielgrößen der Ausbildung am Arbeitsplatz wurden Erlebensqualität und Lernpotenziale herausgearbeitet, die ihrerseits von Merkmalen übertragener Arbeitsaufgaben, von der angebotenen und genutzten Betreuung sowie von personalen Lernervoraussetzungen abhängen. Mit der Tagebuch-Methodik wurde im vorangegangenen Kapitel ein Forschungszugang vorgestellt, der insbesondere Einblicke in das Prozessgeschehen erlaubt. Im vorliegenden Kapitel werden zunächst die Forschungsfragen präzisiert, bevor im weiteren Verlauf die im Rahmen des Forschungsprojekts durchgeführten Studien und verwendeten Instrumente dargestellt werden. 5.1
Forschungsfragen und Übersicht über die durchgeführten Studien
Im Fokus der explorativen Untersuchung stehen vier Fragenkomplexe, die im Weiteren näher erläutert werden: (1) Mit welchen Tätigkeiten sind Auszubildende am Arbeitsplatz betraut? (2) Wie erleben Auszubildende die von ihnen durchgeführten Arbeitstätigkeiten? (3) Welche Einflussgrößen begünstigen bzw. hemmen das Lernen im Arbeitsprozess? (4) Welche Sichtweisen auf das Lernen im Arbeitsprozess, die Ziele der Ausbildung und das pädagogische Handeln des Ausbildungspersonals haben die Ausbildungsbeteiligten (Auszubildende, Ausbilder und ausbildende Fachkräfte)? Ad (1): Aufgrund der Heterogenität betrieblicher Arbeits- und Lernbedingungen ist zunächst zu erfassen, mit welchen Tätigkeiten die Auszubildenden der betrachteten Stichprobe(n) am Arbeitsplatz betraut sind. Hierbei erscheint weniger die einA. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
178
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
zelne Tätigkeit, sondern vielmehr die Verteilung von Tätigkeiten auf Tätigkeitsklassen (bspw. Routinetätigkeiten vs. Problemlösetätigkeiten) von Relevanz. Es ist anzunehmen, dass die Verteilung hinsichtlich solcher Tätigkeitsklassen interindividuelle Unterschiede aufweist, die abhängig sind vom jeweiligen Arbeitsplatz (bspw. von abteilungsspezifischen Tätigkeitsschwerpunkten) und von Persönlichkeitseigenschaften des jeweiligen Auszubildenden sowohl bei der Selbstwahl von Arbeitstätigkeiten (bspw. Selbstwirksamkeitserwartungen) als auch bei der Übertragung von Arbeitstätigkeiten durch die ausbildenden Fachkräfte (bspw. wahrgenommenes Interesse des Auszubildenden, Extraversion etc.). Ad (2): Das individuelle Erleben von Arbeitstätigkeiten äußert sich in der wahrgenommenen Ausprägung verschiedener Aufgabenmerkmale, die in engem Zusammenhang mit der Befriedigung der basic needs stehen (vgl. Abbildung 3-9 in Kapitel 3.3.1). Auch hier ist zu erwarten, dass Persönlichkeitseigenschaften der Auszubildenden die Wahrnehmung der Tätigkeiten moderieren. Gleichwohl sollten aggregierte Erlebensdaten zur Varianzaufklärung der Veränderung retrospektiver Zufriedenheitsurteile beitragen können. Ad (3): Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage des Zusammenhangs zwischen dem wahrgenommenen Lernpotenzial und weiteren Merkmalen der Arbeitstätigkeit. Vor dem Hintergrund der Ausführungen in der einschlägigen Literatur ist die Vermutung plausibel, dass Aufgabenmerkmale wie Herausforderung, Spielraum, Aufgabenvielfalt, Interaktion etc. (vgl. Abbildung 3-9 in Kapitel 3.3.1) und Aspekte der Betreuung am Arbeitsplatz (Hilfestellung, Rückmeldung etc.; vgl. Kapitel 3.4.2) zur Varianzaufklärung des wahrgenommenen Lernpotenzials beitragen. Neben der Wahrnehmung der Auszubildenden im Arbeitsprozess sind auch die Soll-Vorstellungen aller Ausbildungsbeteiligten (hauptberufliche Ausbilder, ausbildende Fachkräfte und Auszubildende) von Interesse. Ad (4): Von Interesse ist ferner, welche allgemeine Sichtweisen die Ausbildungsbeteiligten hinsichtlich des Lernens am Arbeitsplatz haben (Oberflächen- vs. Tiefenorientierung) und welche Ausbildungsziele sie für verfolgenswert erachten (Oberflächen- vs. Tiefenziele). Im Fokus dieses Fragenkomplexes stehen auch das Verhältnis zwischen hauptberuflichen Ausbildern und ausbildenden Fachkräften hinsichtlich ihrer jeweiligen Tätigkeitsschwerpunkte sowie die konkrete Ausgestaltung des pädagogischen Handelns und dessen Effekte (Ist-Situation). Alle Fragenkomplexe werden zu unterschiedlichen Anteilen sowohl mit quantitativen als auch mit qualitativen Methoden bearbeitet. Eine solche Triangulation erscheint dem explorativen Charakter der Arbeit angemessen und dient darüber hinaus dem Ziel, forschungsmethodische Erkenntnisse für die Konzeption zukünftiger Studien zum Erleben und Lernen am Arbeitsplatz zu gewinnen. Hierzu ist insbesondere die Eignung des teilstandardisierten Arbeitstagebuchs zu diskutieren, da es sich hierbei um einen relativ selten genutzten empirischen Zugang handelt.
5.1 Forschungsfragen und Übersicht über die durchgeführten Studien
179
Tabelle 5-1 liefert einen ersten Überblick der durchgeführten Studien, die im weiteren Verlauf des Kapitels im Detail dargestellt werden. Tabelle 5-1:
Übersicht der eigenen Studien zum Lernen am Arbeitsplatz
Studie
Untersuchungsfeld & Stichprobe Untersuchungsdesign & Methode
(1) Tagebuchstudie (Pilot)
Unternehmen der Automobilzuliefererbranche 63 angehende Industriekaufleute, Industriemechaniker und Mechatroniker unterschiedlicher Ausbildungsjahrgänge (geschichtete Stichprobe) Daten aus der Prozesserhebung: 62 Auszubildende; 935 Tätigkeiten an 230 Arbeitstagen (bereinigt)
(2a) Tagebuchstudie
Eingangserhebung (EEH): Biografische Daten, berufliche Interessen, Selbstwirksamkeitserwartungen, Persönlichkeitseigenschaften (Big Unternehmen der TelekommunikaFive), retrospektive Einschätzung der tionsbranche Lern- und Arbeitssituation, der 51 angehende Einzelhandelskaufleu- Motivation und der Befriedigung der te (KiE) im ersten Ausbildungsjahr basic needs Daten aus der Prozesserhebung: 18 Prozesserhebung (PEH): ArbeitstaAuszubildende; 557 Tätigkeiten an gebuch; Erhebungszeitraum: sechs 123 Arbeitstagen (bereinigt) Wochen Ausgangserhebung (AEH): wie EEH; außer berufliche Interessen; zusätzlich: Zufriedenheit
(2b) Interviewstudie
Unternehmen der Telekommunikationsbranche (vgl. Tagebuchstudie 2a) zehn Auszubildende KiE, deren zehn ausbildende Fachkräfte (Paten) und fünf hauptberufliche Ausbilder, die jeweils zwei dieser Tandems betreuten
Eingangserhebung (EEH): Biografische Daten, Selbstwirksamkeitserwartungen, Persönlichkeitseigenschaften (Big Five) Prozesserhebung (PEH): Arbeitstagebuch; Erhebungszeitraum: eine Woche Ausgangserhebung (AEH): retrospektive Einschätzung der Lern- und Arbeitssituation, der Motivation und der Befriedigung der basic needs
60- bis 90minütige Konstruktinterviews zu subjektiven Lehr-Lerntheorien, Ausbildungszielen, Lernen und Betreuung am Arbeitsplatz, der Rolle ausbildender Fachkräfte, Zufriedenheit und Verbesserungsvorschlägen
180
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Die über eine reine Deskription hinausgehenden Analysen im vorliegenden Kapitel sind nicht als Vorgriff auf die in Kapitel 6 zu berichtenden Befunde zu sehen, sondern dienen den Zielen, Rückschlüsse auf die Güte der verwendeten Erhebungsinstrumente zu ziehen und allgemeine Beschreibungen der Stichproben und Teilstichproben zu liefern. 5.2
Konzeption der Pilotstudie
Das Erkenntnisinteresse der Pilotstudie lag auf dem Erleben des Arbeitsprozesses und die daraus resultierende Motivationslage. Zudem diente sie der Sammlung erster Erfahrungen mit der Tagebuch-Methodik. Auf Basis dieser Erfahrungen (vgl. Kapitel 5.2.3) wurde das Tagebuchinstrument für die Tagebuchstudie im Einzelhandel weiterentwickelt. Zudem können die erhobenen Daten im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Vergleichsgrößen hinsichtlich der Motivationslage herangezogen werden. 5.2.1
Untersuchungsfeld, Design und Stichprobe der Pilotstudie
Die Pilotstudie fand in einem Industrieunternehmen der Autormobilzuliefererbranche statt. Am untersuchten Standort waren im Zeitraum der Erhebung 287 Auszubildende verschiedener Ausbildungsberufe und Ausbildungsjahre beschäftigt, aus denen eine geschichtete Stichprobe von 63 Auszubildenden gezogen wurde (vgl. Tabelle 5-2).145
145 Im Rahmen der Pilotstudie entstand die Diplomarbeit von Frau Dipl.-Hdl. Martina Günther. Ihr gebührt insbesondere Dank für die engagierte Stichprobenpflege.
181
5.2 Konzeption der Pilotstudie
Tabelle 5-2:
Stichprobe der Pilotstudie (n = 63)
Ausbildungsberuf
Ausbildungsjahr
Geschlecht
Industriekaufleute: 15
1. Ausbildungsjahr: 5 2. Ausbildungsjahr: 5 3. Ausbildungsjahr: 5
weiblich: 8 männlich: 7
Industriemechaniker: 28
1. Ausbildungsjahr: 7 2. Ausbildungsjahr: 7 3. Ausbildungsjahr: 7 4. Ausbildungsjahr: 7
weiblich: 4 männlich: 24
Mechatroniker: 20
1. Ausbildungsjahr: 7 2. Ausbildungsjahr: 7 3. Ausbildungsjahr: 7 4. Ausbildungsjahr: 7
weiblich: 2 männlich: 18
Hinsichtlich Geschlecht und Ausbildungsjahr ist die Studie als repräsentativ für den Unternehmensstandort zu betrachten, während bei der Schichtung der Ausbildungsberufe das Ziel einer annähernd gleichmäßigen Zellenbesetzung im Vordergrund stand (vgl. Günther 2006, 91). Tabelle 5-3 gibt einen Überblick über den Verlauf der Studie und die erhobenen Konstrukte.
182
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Tabelle 5-3:
Untersuchungsdesign der Pilotstudie
Eingangserhebung (EEH) Prozesserhebung (PEH) Angaben zu Person und Ausbildung Geschlecht Ausbildungsberuf Ausbildungsjahr derzeitige Abteilung Persönlichkeitseigenschaften Selbstwirksamkeit Neurotizismus Extraversion Offenheit Verträglichkeit Gewissenhaftigkeit
Ausgangserhebung (AEH)
Motivation (retrospektiv) Erfassung von Tätigkeiten im Arbeitstagebuch (mehrfach täglich) Motivationsausprägung Nennung und Beschrei(amotiviert bis interessiert) bung der Tätigkeit (offen) Befriedigung der GrundbeStart- & Endzeit der Tätigdürfnisse (basic needs) keit Dominante Emotionen Aufgabenmerkmale und Beurteilung der betrieblichen Erlebensqualität (geschlos- Ausbildungssituation sen) Merkmale der sozialen Tagesabschluss im ArbeitstageLernumgebung buch (täglicher Rückblick) Merkmale der Lern- und Motivation und basic needs Arbeitsarrangements (geschlossen) Merkmale der Lern- und Auswahl derjenigen TätigArbeitsaufgaben keit, die am meisten Spaß gemacht hat (geschlossen), und Begründung der Auswahl (offen) Auswahl derjenigen Tätigkeit, bei der am meisten gelernt wurde (geschlossen), und Begründung der Auswahl (offen)
Im Weiteren werden zunächst die Fragebogeninstrumente dargestellt (Kapitel 5.2.2), bevor eine detaillierte Darstellung des eingesetzten Arbeitstagebuchs folgt (Kapitel 5.2.3). 5.2.2
Fragebogeninstrumente der Pilotstudie
Die im Folgenden beschriebenen Fragebogeninstrumente fanden Anwendung in der Eingangs- bzw. Ausgangserhebung der Pilotstudie (vgl. Tabelle 5-3).
183
5.2 Konzeption der Pilotstudie
5.2.2.1
Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften (EEH)
Der zur Erhebung der Selbstwirksamkeitserwartung eingesetzte Fragebogen geht auf Schwarzer und Jerusalem (1999) zurück und orientiert sich am Selbstwirksamkeitskonzept von Bandura (1977). Die Erhebung weiterer Persönlichkeitseigenschaften erfolgte anhand des NEO-Fünf-Faktoren-Inventars (Costa & McCrae 1992) in der deutschen Version von Borkenau und Ostendorf (1993). Die Antwort erfolgte jeweils auf einer fünfstufigen Skala von 0 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft zu). Tabelle 5-4a gibt einen Überblick über die inhaltlichen Konstrukte sowie ein Beispielitem zu deren Operationalisierung. Tabelle 5-4b enthält die wesentlichen statistischen Kennwerte aus der vorliegenden Stichprobe. Tabelle 5-4a:
Skalenbeschreibung im Bereich Persönlichkeitseigenschaften (Pilotstudie)
Skala (Quelle)
Konstruktbeschreibung
Beispielitem (Gesamtzahl)
Selbstwirksamkeit (SWK) (Schwarzer & Jerusalem 1999)
subjektive Überzeugung, kritische Anforderungssituationen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können
Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe. (20)
Neurotizismus (FFI-N)
Nervosität, Ängstlichkeit, Traurigkeit, Unsicherheit, Verlegenheit, Gesundheitssorgen etc.
Ich fühle mich oft eingespannt und nervös. (12)
Extraversion (FFI-E)
Geselligkeit, Aktivität, Gesprächigkeit, Personen-Orientierung, Herzlichkeit, Optimismus, Heiterkeit etc.
Ich habe oft das Gefühl, vor Energie überzuschäumen. (12)
Offenheit (FFI-O)
Hohe Wertschätzung für neue Ich habe oft Spaß daran, mit Erfahrungen und Abwechslung, Theorien oder abstrakten Wissbegierde, Kreativität, Phantasie Ideen zu spielen. (12) etc.
Verträglichkeit (FFI-V)
Altruismus, Mitgefühl, Wohlwollen, Ich versuche stets rücksichtsvoll Vertrauen, Kooperativität etc. und sensibel zu handeln. (12)
Gewissenhaftigkeit (FFI-G)
Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Pünktlichkeit, Disziplin, Ehrgeiz etc.
NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf 1993)
Ich bin eine tüchtige Person, die ihre Arbeit immer erledigt. (12)
184
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Tabelle 5-4b:
Skalenkennwerte im Bereich Persönlichkeitseigenschaften der Pilotstudie (Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen146 und Cronbachs α; n = 63) M
SD
1
2
3
4
5
(1) SWK
2.66
.38
(.83)
(2) FFI-N
1.53
.62
-.60**
(.86)
(3) FFI-E
2.57
.46
.42**
-.22
(4) FFI-O
2.14
.53
.11
.17
.38**
(.68)
(5) FFI-V
2.60
.39
.19
-.09
-.05
-.05
(.63)
(6) FFI-G
2.84
.48
.40**
-.25*
.25*
-.01
.28*
6
(.70)
(.80)
Fünfstufige Antwortskala von 0 = trifft nicht zu bis 4 = trifft zu. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Die Werte des Cronbachs α als Indikator der internen Konsistenz bleiben bei den Skalen Offenheit und Verträglichkeit unter dem zumeist geforderten Wert von .70 (vgl. Nunnally 1978, 245). Allerdings werden bezüglich dieser beiden Skalen auch in der Normstichprobe nur Werte um .70 berichtet (Borkenau & Ostendorf 1993, 13). Gründe hierfür könnten in einer Itemformulierung zu suchen sein, „die aus einer Welt [stammt], die einem Großteil der Bevölkerung verschlossen bleibt“ (Kanning 2009, 198).147 Folgt man Schermelleh-Engel und Werner (2007), die sich für den Einsatz niedrig reliabler Messinstrumente aussprechen, wenn die Alternative im gänzlichen Verzicht läge, dann ist die Verwendung des Instruments trotz der nicht durchgängig zufriedenstellenden Reliabilitätswerte aber durchaus zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Instrumente lediglich einer Kollektivdiagnostik dienen und/oder die Bedingungen des Untersuchungsfeldes auf eine zeitökonomische Erhebung drängen (ebd., 129ff.). Im weiteren Verlauf der Arbeit werden Skalen auch dann in Analysen berücksichtigt, wenn ihr Cronbachs α wenigstens um .60 liegt und kein alternatives Messinstrument zur Verfügung steht.
146 Die Interkorrelationen wurden auf Basis der Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson berechnet. Die Normalverteilungsannahme wurde mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft. Die Nullhypothese der Normalverteilung wurde in allen Fällen beibehalten (vgl. auch Kapitel 6.1). 147 Trotz der bekannten Schwächen wurde von einer Veränderung des Instrumentes abgesehen, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen.
185
5.2 Konzeption der Pilotstudie
5.2.2.2
Retrospektive Erfassung der Motivation und Motivationsbedingungen (AEH)
Zur retrospektiven Einschätzung der Lernmotivation, der Befriedigung der basic needs (Motivationsbedingungen) sowie erlebter Emotionen dient der von der Forschergruppe um Prenzel entwickelte Fragebogen (Prenzel, Kristen, Dengler, Ettle & Beer 1996). Das Instrument basiert auf der – um das Interessenskonstrukt erweiterten – Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan (vgl. Kapitel 2.2.1.4, 2.2.2.2 und 3.2.4) und hat sich im deutschsprachigen Raum trotz einiger Schwächen als Quasi-Standard etabliert. Tabelle 5-5a dient der Verdeutlichung der erhobenen Konstrukte. Als Bezugsraum der Retrospektive wurde die einwöchige Prozesserhebungsphase (PEH) gewählt, so dass jedes Item mit folgender Einleitung begann: „In meiner Ausbildung in der letzten Woche ...“. Tabelle 5-5a: Skala
Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung von Varianten der Lernmotivation in der Pilotstudie Konstruktbeschreibung
Beispielitem (Gesamtzahl)
amotiviert
gleichgültige bis apathische, chaotische oder hilflose Zustände ohne gerichtete Lernmotivation
... war mir alles egal. (3)
extrinsisch
fremdbestimmtes Handeln und Lernen auf Basis äußerer Anreize (Belohnung) und/oder äußeren Drucks (Bestrafung)
... hätte ich ohne Druck von außen nichts getan. (3)
introjiziert
eher fremdbestimmtes Handeln und Lernen; äußeres Bekräftigungssystem verinnerlicht: innerer statt äußerer Druck
... habe ich mich angestrengt, wie sich das für ordentliche Auszubildende gehört. (3)
identifiziert
eher selbstbestimmtes Handeln und Lernen, das kurzfristig wenig reizvoll ist, aber der Erreichung selbst gesetzter Ziele dient
... war mir klar, dass ich das für meinen Beruf können muss. (3)
intrinsisch
selbstbestimmtes Handeln und Lernen auf Basis von Tätigkeitsanreizen, das unabhängig von externalen Kontingenzen ist
... machte das Lernen/Arbeiten richtig Spaß. (3)
interessiert
selbstbestimmtes Handeln und Lernen, das über den Tätigkeitsanreiz hinaus auch einen positiven Gegenstandsbezug aufweist
... befasste ich mich mit anregenden Problemen, über die ich mehr erfahren will. (3)
186
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Die Bearbeitung der Items erfolgte jeweils auf einer sechsstufigen Skala von 1 (nie) bis 6 (immer). Tabelle 5-5b gibt die wesentlichen Skalenkennwerte wieder. Tabelle 5-5b:
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung von Varianten der Lernmotivation in der Pilotstudie (Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen148 und Cronbachs α; n = 63) M
SD
1
(1) amotiviert
2.26
.87
(.79)
(2) extrinsisch
2.21
.90
.72**
2
3
4
5
6
(.75)
(3) introjiziert
4.80
.67
-.43**
-.46**
(.59)
(4) identifiziert
4.58
.74
-.38**
-.45**
.70**
(5) intrinsisch
3.87
1.00
-.54**
-.59**
.32**
.48**
(.79)
(6) interessiert
3.58
.95
-.36**
-.45**
.51**
.58**
.51**
(.60) (.84)
Sechsstufige Antwortskala von 1 = nie bis 6 = immer. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant.
Die in Tabelle 5-5b dargestellten Kennwerte weisen die im Vergleich zu ähnlichen Studien typischen Muster auf: Die höchste Zustimmung findet man im mittleren Selbstbestimmungsbereich der introjizierten und identifizierten Motivation, die schlechtere interne Konsistenzen aufweisen. Die niedrigste Zustimmung erfahren die Skalen Amotivation und extrinsische Motivation, die zudem den höchsten Zusammenhang zueinander aufweisen und negativ mit allen weiteren Skalen korrelieren. Die internen Konsistenzen der Skalen introjizierte Motivation und identifizierte Motivation liegen am unteren Rand des noch zu akzeptierenden Bereichs. Ergebnisinterpretationen sind daher mit der gebotenen Vorsicht vorzunehmen. Weitere Skalen des Fragebogens der Forschergruppe um Prenzel beziehen sich auf das Ausmaß der basic needs-Befriedigung und die erlebten Emotionen. Tabelle 56a dient der Erläuterung der Konstrukte.
148 Aufgrund der Verletzung der Normalverteilungsannahme (Kolmogorov-Smirnov-Test) für mehrere der Skalenwerte sind in Tabelle 5-5b die Korrelationskoeffizienten nach Spearman ausgewiesen (vgl. auch Kapitel 6.1).
187
5.2 Konzeption der Pilotstudie
Tabelle 5-6a: Skala
Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung der basic needs-Befriedigung und erlebter Emotionen in der Pilotstudie Konstruktbeschreibung
Beispielitem (Gesamtzahl)
Befriedigung der basic needs (Prenzel, Kristen, Dengler, Ettle & Beer 1996, 111) wahrgenommene soziale Einbindung
kollegialer Umgang, Empathie, kooperatives Arbeiten, entspannte und freundliche Lernatmosphäre etc.
... hatte ich den Eindruck, ernst genommen zu werden. (6)
wahrgenommene Kompetenzunterstützung
Rückmeldungen aus der Sache, informierendes Feedback, individuelle Bezugsnorm etc.
... wurden mir auch schwierige Aufgaben zugetraut. (6)
wahrgenommene Autonomieunterstützung
Wahlmöglichkeiten, Spielräume, Unterstützung von selbstständigem Erkunden, Planen, Handeln, Lernen etc.
... durfte ich Aufgaben auf meine Art machen. (7)
Erlebte Emotionen (Prenzel, Kristen, Dengler, Ettle & Beer 1996, 114) negative Empfindungen
Das Arbeiten und Lernen wird als unangenehm, frustrierend, langweilig, anstrengend, schwierig und belastend empfunden.
Das Lernen/Arbeiten in meiner Ausbildung in der letzten Woche empfand ich als unangenehm. (6)
positive Empfindungen
Das Arbeiten und Lernen wird als reizvoll, anregend, spannend, herausfordernd, faszinierend und interessant empfunden.
... empfand ich als reizvoll. (6)
empfundene Wichtigkeit
Arbeits- und Lerninhalte werden als wichtig für Prüfungen, für die weitere Ausbildung, für den Beruf und für sich persönlich empfunden.
... empfand ich als wichtig für meinen Beruf. (4)
Tabelle 5-6b gibt die Skalenkennwerte für die Bereiche der Bedürfnisbefriedigung und der erlebten Emotionen wieder.
188
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Tabelle 5-6b:
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der basic needs-Befriedigung und erlebter Emotionen in der Pilotstudie (Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen149 und Cronbachs α; n = 63) M
SD
1
(1) soziale Einbindung
4.22
.92
(.84)
(2) Kompetenzunterstützung
3.36
.95
.72**
(.82)
(3) Autonomieun3.27 terstützung
.83
.38**
.40**
(.72)
(4) negative Emp2.67 findungen
.90
-.55**
-.39**
-.26*
(.86)
(5) positive Emp3.48 findungen
.99
.50**
.53**
.56**
-.43**
1.11
.41**
.44**
.52**
-.20
(6) empfundene Wichtigkeit
3.70
2
3
4
5
6
(.92) .77**
(.83)
Sechsstufige Antwortskala von 1 = nie bis 6 = immer. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Die internen Konsistenzen der Skalen sind durchgängig über .70 und überwiegend im guten Bereich (> .80). Die vereinzelt starken150 Zusammenhänge innerhalb der basic needs sind durchaus erwartungskonform, da diese auch in ihrer theoretischen Konzeption nicht unabhängig voneinander definiert werden. Ebenfalls erwartungskonform fällt der hohe Zusammenhang zwischen positiven Emotionen und empfundener Wichtigkeit aus. Der nur mittlere Zusammenhang zwischen den Skalen positive und negative Empfindungen zeigt, dass es sich hierbei nicht um zwei Pole eines eindimensionalen Kontinuums handelt.
149 Die Interkorrelationen wurden auf Basis der Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson berechnet. Die Normalverteilungsannahme wurde mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft. Die Nullhypothese der Normalverteilung wurde in allen Fällen beibehalten (vgl. auch Kapitel 6.1). 150 Brosius (2008) nennt folgende Richtwerte zur Interpretation von Korrelationskoeffizienten: .20 bis .40 = schwache Korrelation; .40 bis .60 = mittlere Korrelation; .60 bis .80 = starke Korrelation (ebd., 509; vgl. auch Bühner 2006, 407).
189
5.2 Konzeption der Pilotstudie
5.2.2.3
Retrospektive Erfassung der betrieblichen Ausbildungssituation (AEH)
Zur retrospektiven Beurteilung der betrieblichen Ausbildungsbedingungen wurde das Mannheimer Inventar zur Erfassung betrieblicher Ausbildungssituationen (MIZEBA) von Zimmermann, Wild und Müller (1999) eingesetzt. Das Fragebogeninstrument umfasst neun Skalen, die drei Dimensionen zugeordnet sind. Das Antwortformat der Items variiert zwischen einer vierstufigen Skala von 1 (trifft gar nicht zu) bis 4 (trifft völlig zu) und einer fünfstufigen Skala von 1 (sehr selten) bis 5 (sehr oft). Tabelle 5-7a gibt einen Überblick über die zu erfassenden Konstrukte und deren Operationalisierung. Tabelle 5-7b gibt die Skalenkennwerte wieder. Tabelle 5-7a:
Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen in der Pilotstudie (Fortsetzung auf der nächsten Seite)
Skala (Antwortformat)
Konstruktbeschreibung
Beispielitem (Gesamtzahl)
Merkmale des betrieblichen Lernumfeldes (Zimmermann, Wild & Müller 1994, 4) Welches Arbeitsklima herrscht unter Arbeitsklima (vierstuden Mitarbeitern der Abteilung, in fig) dem der Auszubildende tätig ist? soziale Einbindung (vierstufig)
Wenn nötig, unterstützen sich die Mitarbeiter gegenseitig. (5)
In welcher Form und in welchem Maß Ich bin völlig mir selbst überist der Auszubildende in die jeweilige lassen (invers). (4) soziale Gruppe integriert?
Merkmale des betrieblichen Lernarrangements (ebd., 4) Es werden Maßnahmen In welchem Ausmaß werden seitens transparenzfördernde getroffen, die darauf abzielen, des Betriebs Maßnahmen ergriffen, Maßnahmen (vierstumir zu verdeutlichen, in welche um den Auszubildenden den Sinnbefig) Gesamtleistung das eigene zug ihrer Tätigkeiten zu verdeutlichen? Arbeitsergebnis einfließt. (6) Einbindung in die be- In welcher Form und in welchem Maß Man bekommt von Fachleuten triebliche Experten- wird der Auszubildende in die betrieb- gezeigt, wie man ein Problem kultur (fünfstufig) liche Expertenkultur eingebunden? auf dem Gebiet angeht. (6)
190
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Tabelle 5-7a:
Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen in der Pilotstudie (Fortsetzung)
Skala (Antwortformat)
Konstruktbeschreibung
Beispielitem (Gesamtzahl)
Merkmale des betrieblichen Lernaufgaben (ebd., 5) Komplexität (fünfstufig)
Welche Anforderungen stellen sich an die Auswahl und Präzisierung von Zielen, die Sammlung und Integration von Informationen sowie an die Handlungsplanung und -kontrolle?
Die Aufgaben waren dadurch gekennzeichnet, dass es Folgeprobleme geben konnte, wenn man falsche Entscheidungen getroffen hatte. (9)
Aufgabenvielfalt (vierstufig)
In welchem Ausmaß variieren die Aufgaben? Welches Spektrum an Tätigkeiten lernt der Auszubildende kennen?
Ich lerne unterschiedliche Aufgabenbereiche von verschiedenen Mitarbeitern kennen. (4)
Gestaltungsmöglichkeit (fünfstufig)
In welchem Maß werden den Auszubildenden Gestaltungsfreiräume eingeräumt?
Selbst bestimmen konnte ich die konkreten Methoden und Verfahren, um eine Aufgabe zu bearbeiten. (11)
Anforderungspassung (fünfstufig)
Inwieweit entsprechen die Anforderungen der zu bearbeitenden Aufgaben dem Fähigkeitsniveau der Auszubildenden?
Die jeweils zu bearbeitende Aufgabe stellt eine Herausforderung für mich dar. (4)
Bedeutsamkeit (vierstufig)
Wie authentisch und bedeutsam sind die jeweils zu bearbeitenden Aufgaben?
Andere Mitarbeiter sind auf die Resultate meiner Tätigkeiten angewiesen. (5)
191
5.2 Konzeption der Pilotstudie
Tabelle 5-7b:
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen in der Pilotstudie (Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen151 und Cronbachs α; n = 63) M
SD
1
(1) Arbeitsklimaa 3.50
.44
(.67)
(2) soziale Einbindunga
3.50
.48
(3) Transparenzförderunga
2.63
.73
.28* .48** (.89)
(4) Einbindung in Expertenkulturb
3.39
.85
.38* .70** .61** (.84)
(5) Komplexitätb 2.86
.59
.09
(6) Aufgabenviel2.84 falta
.74
(7) Gestaltungsmöglichkeitb
2.80
.69
-.04
.14
.12
(8) Anforderungspassungb
3.22
.78
.12
.26*
.36** .49** .31*
(9) Bedeutsamkeita
2.23
.87
.10
.31*
.57** .40** .44**
.46**
.38**
2
3
4
5
6
7
8
9
(.64)
.15
.33** .31*
(.78)
.43** .53** .46** .40** (.75) .03
.29*
.32** .43** .52**
(.87) .09
(.75)
.14
.19
(.92)
Vierstufige Antwortskala von 1 = trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu. Fünfstufige Antwortskala von 1 = sehr selten bis 4 = sehr oft. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a
b
Die internen Konsistenzen der Skalen des MIZEBA sind fast durchgängig als befriedigend einzustufen. Zwischen den Skalen sind zahlreiche schwache und mittlere Zusammenhänge zu finden, was durchaus erwartungskonform ist. Auch der starke Zusammenhang zwischen sozialer Einbindung und Einbindung in die Expertenkultur scheint aufgrund der inhaltlichen Nähe der erfassten Konstrukte durchaus plausibel. 151 Der Kolmogorov-Smirnov-Test führte in den Skalen Arbeitsklima und soziale Einbindung zur Ablehnung der Nullhypothese. In den ersten beiden Spalten von Tabelle 5-7b sind daher die Spearman-Koeffizienten ausgewiesen. Die übrigen Zusammenhänge basieren auf dem PearsonKoeffizient (vgl. auch Kapitel 6.1).
192
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Insgesamt erweist sich die Datenqualität der Fragebogeninstrumente im Rahmen der Pilotstudie als zufriedenstellend, weshalb der Großteil der Instrumente auch in der Hauptuntersuchung zum Einsatz kam. 5.2.3
Tagebuch-Methodik im Rahmen der Pilotstudie
Die an der Pilotstudie teilnehmenden Auszubildenden waren angehalten, für die Dauer von einer Woche ein Arbeitstagebuch zu führen, das als ringgebundene Papierversion (DIN A5) an die Auszubildenden verteilt wurde. Aus Zumutbarkeitserwägungen wurde von einer lückenlosen Protokollierung i. S. v. Zeitbudgetstudien (vgl. Kapitel 4.2) abgesehen. Die Auswahl der protokollierten Tätigkeiten sollte einerseits die Vielfältigkeit der alltäglichen Arbeit zum Ausdruck bringen und andererseits ein repräsentatives Bild der zeitlichen Anteile zeichnen. Die Auszubildenden waren aufgefordert, (mindestens) viermal am Tag Eintragungen vorzunehmen: (1) zwei Stunden nach Arbeitsbeginn bzw. vor der Frühstückspause, (2) vor der Mittagspause, (3) etwa eine Stunde nach der Mittagspause und (4) ca. 10 Minuten vor Feierabend. Bei jedem Eintrag konnten bis zu drei Tätigkeiten erfasst werden. Die Zuordnung der Tagebuchdaten zur Eingangs- und Ausgangserhebung erfolgte über einen personalisierten Code. In einem erläuternden Teil enthielt das Tagebuch ferner Hinweise zum Ziel der Studie sowie zur Anonymität der Daten. Danach folgten Erläuterungen zum Führen des Tagebuchs (Manual). Zudem wurde den Auszubildenden der Umgang mit dem Tagebuch in einer persönlichen Schulung dargelegt. Das Tagebuch gliederte sich in zwei Bereiche: (A) die Erfassung von Tätigkeiten und (B) der Tagesabschluss. 5.2.3.1
Erfassung von Tätigkeiten im Arbeitstagebuch der Pilotstudie
Zur Erfassung von Tätigkeiten war der Zeitumfang anzugeben, die Tätigkeit zu benennen und eine kurze Beschreibung der Tätigkeit vorzunehmen. Ferner war mit Sternchen zu vermerken, ob die Tätigkeit aus Eigeninitiative (Selbstwahl) übernommen wurde und ob die Tätigkeit in Zusammenarbeit mit anderen Personen erfolgte. Anschließend waren acht standardisierte Items zu bearbeiten (vgl. Tabelle 5-8). Im Manual sowie in der persönlichen Schulung wurden diese zusätzlich erläutert.
193
5.2 Konzeption der Pilotstudie
Tabelle 5-8:
Standardisierte Items zur Beschreibung von Tätigkeiten im Arbeitstagebuch der Pilotstudie
Item
Itemtext
1 (= Minimum)
6 (=Maximum)
Neuartigkeit
Diese Aufgabe habe ich bisher ...
... schon sehr häufig durchgeführt.
... noch nie durchgeführt.
Schwierigkeit
Bei meinem momentanen Kenntnisstand ist diese Aufgabe ...
... einfach zu bearbeiten.
... schwierig zu bearbeiten.
Handlungsspielraum
Bei der Bearbeitung dieser Arbeitsaufgabe konnte ich ...
... gar nicht mitgestalten.
... sehr viel mitgestalten.
Hilfe durch andere Personen
Bei der Erledigung dieser Aufgabe bekam ich ...
... gar keine Hilfe von anderen
... sehr viel Hilfe von anderen.
Interessantheit
Diese Arbeitsaufgabe empfand ich als ...
... sehr uninteressant.
... sehr interessant.
Unsicherheit
Bei der Bearbeitung dieser Arbeitsaufgabe hatte ich ...
... keinerlei Bedenken, ob ich es schaffe.
... große Bedenken, ob ich es schaffe.
Leistungsanerkennung
Für die Durchführung dieser Tätigkeit habe ich ...
... gar keine Anerkennung bekommen.
... sehr große Anerkennung bekommen.
Leistungseinschätzung
Diese Tätigkeit habe ich ...
... sehr schlecht ausgeführt.
... sehr gut ausgeführt.
Abbildung 5-1 zeigt exemplarisch zwei Tätigkeitseinträge aus dem gewerblichtechnischen Bereich.
194
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Abbildung 5-1:
Exemplarische Tätigkeitseinträge im Arbeitstagebuch der Pilotstudie
Das Beispiel macht auch ersichtlich, dass eine inhaltsanalytische Kategorisierung der Tätigkeiten aufgrund der geringen Angaben in den Tagebüchern, der berufs- und betriebsspezifischen Fachsprache sowie der Heterogenität der Stichprobe nur rudimentär möglich ist. Nach inhaltlicher Überprüfung der 1.247 Eintragungen verbleibt ein bereinigter Datensatz von 935 Tätigkeiten, der ausschließlich Arbeitstätigkeiten enthält. Die entfernten Einträge bezogen sich zumeist auf (irrtümlicherweise aufgenommene) Berufsschulzeiten, Schwimmkurse und Theaterbesuche (innerbetriebliche Angebote für Auszubildende), das Führen des Berichtsheftes oder nicht zuordenbare und – zu einem geringen Teil – nicht ernst gemeinte Einträge. Von den verbleibenden Tätigkeiten stammen 736 aus dem gewerblich-technischen Bereich und 199 aus dem kaufmännischen Bereich. 5.2.3.2
Tagesrückblick im Arbeitstagebuch der Pilotstudie
Im Tagesabschluss waren jeweils kurz vor Ende der täglichen Arbeitszeit zunächst neun standardisierte Items zum motivationalen Erleben zu bearbeiten, die aus dem Motivationsfragebogen der Forschergruppe um Prenzel stammen (vgl. Kapitel 5.2.2). Darüber hinaus wurde gefragt, welche der an diesem Tag erfassten Tätigkeiten am meisten Spaß gemacht hat (Angabe der laufenden Nummer; vgl. linke Spalte in Abbildung 5-1). Eine stichpunktartige Begründung der Auswahl war in offenem
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
195
Antwortformat anzugeben. Gleiches erfolgte für diejenige Tätigkeit, bei der die Auszubildenden ihrer Ansicht nach am meisten gelernt hatten. Im Untersuchungszeitraum führten die Auszubildenden 230 Tagesabschlüsse durch, von denen 54 Tage auf kaufmännische und 176 Tage auf gewerblichtechnische Auszubildende entfallen. Letztere protokollierten somit nach Datenbereinigung durchschnittlich 4.2 Tätigkeiten pro Tag. Die kaufmännischen Auszubildenden erfassten durchschnittlich 3.7 Tätigkeiten pro Tag. Mit Blick auf die Gestaltung des Arbeitstagebuchs erwies sich die geringe Kontextsensitivität als nachteilig für Detailanalysen, da aus den Tätigkeitsbeschreibungen keine ausreichenden Informationen hervorgingen, um eine weitere Kategorisierung vorzunehmen. Allerdings wäre dies in Anbetracht der Heterogenität der Stichprobe ohnehin kaum bzw. nicht mit vertretbarem Aufwand möglich gewesen (vgl. hierzu Identifikation von Tätigkeitstypen im Vorfeld der Hauptuntersuchung; Kapitel 5.3.4.1). Dennoch liefert auch die Pilotstudie einige interessante Befunde, die im sechsten Kapitel nach Fragestellungen strukturiert dargestellt werden. 5.3
Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Im vorliegenden Kapitel wird die Anlage der Hauptuntersuchung beschrieben. Zunächst erfolgt eine Beschreibung des Untersuchungsfeldes (Kapitel 5.3.1), bevor im Weiteren das Untersuchungsdesign und die Stichprobe dargestellt werden. Das Projekt umfasst zwei Teilstudien: Analog zur Pilotstudie wurde eine Erhebung mittels Arbeitstagebuch durchgeführt, die vom Einsatz standardisierter Fragebogeninstrumente begleitet wurde (Kapitel 5.3.2 bis Kapitel 5.3.4). Zusätzlich wurden bei einer zweiten Stichprobe Konstruktinterviews mit Ausbildungsbeteiligten geführt (Kapitel 5.3.5). 5.3.1
Beschreibung des Untersuchungsfeldes
Den Empfehlungen von Boud, Freeland, Hawke und McDonald (1998, 124f.) folgend werden zunächst die Kontextbedingungen des Untersuchungsfeldes skizziert, wobei sowohl allgemeine Charakteristika des Einzelhandels (Kapitel 5.3.1.1) als auch spezifische Ausbildungsbedingungen im untersuchten Unternehmen (Kapitel 5.3.1.2) Berücksichtigung finden.
196 5.3.1.1
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Arbeits- und Ausbildungsbedingungen im Einzelhandel
Seit Mitte der Neunziger Jahre ist im Einzelhandel aufgrund von Verkaufsflächenausdehnung, Sortimentserweiterung und -differenzierung sowie einer gleichzeitigen Reduktion des Verkaufspersonals eine Zunahme des Leistungsdrucks festzustellen (Görs 1996, 57), der sich in den vergangenen Jahren weiter verschärft hat (Pietrzyk 2006, 265ff.). Die mit dem Personalabbau auf mittlerer Führungsebene verbundene Dezentralisierung und Aufgabenerweiterung (job enlargement) wird andererseits auch als Chance zur Reprofessionalisierung betrachtet. Die neue Verkäuferrolle stellt dabei stärker auf Verantwortungsübernahme, Flexibilität und organisationale Identifikation ab. Zudem sei steigenden Kundenanforderungen mit kommunikativer Kompetenz und Persönlichkeitseigenschaften wie Sensibilität, Rollenübernahme und Toleranz zu begegnen (Heinz 1995, 79).152 MetaAnalysen zum Zusammenhang von Persönlichkeitseigenschaften und Arbeitsleistung von Verkaufspersonal zeigen, dass Extraversion und Gewissenhaftigkeit als gute Leistungsprädiktoren gelten können (Barrick & Mount 1991, 13; Vinchur, Schippmann, Switzer & Roth 1998, 594). Eine mit allgemeiner Extraversion einhergehende Tendenz zu sozialer Interaktion und der Wunsch, anderen Menschen zu helfen, stellen somit auch plausible Gründe für die Berufswahl dar (Grandey & Brauburger 2002, 267). An den Berufswunsch Einzelhandelskaufmann/-frau knüpfen sich zudem positive Erwartungen, die insbesondere den Umgang mit Menschen, abwechslungsreiche Tätigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten betreffen (Marek & Paulini 1999, 6). Zwar ist der/die Kaufmann/-frau im Einzelhandel (KiE) regelmäßig der am stärksten besetzte Ausbildungsberuf (Zedler 2004, 204; Berufsbildungsbericht 2009, 13), doch stellt die Forschergruppe um Kutscha sowohl in einer Interview-Studie mit 65 Einzelhandelsauszubildenden als auch mittels quantitativer Befragung von mehr als 500 Einzelhandelsauszubildenden fest, dass die Berufsausbildung im Einzelhandel für den überwiegenden Teil der Befragten nicht dem eigentlichen Berufswunsch entspricht, sondern vielmehr eine Notlösung darstellt (Besener 2009, 22f.; Debie 2009, 124). Im Rahmen der ULME-III-Studie153 geben immerhin 65% der befragten 528 Aus152 Nicht zufällig zeigen Beck, Brater und Daheim gerade am Berufsbild Einzelhandelskaufmann/-frau auf, dass Berufsbilder als Entwicklungsschablonen für die Formung des Persönlichkeitsbildes dienen (Beck, Brater & Daheim 1980/1997, 26ff.). 153 Ziel der längsschnittlich angelegten Studien zur Untersuchung von Leistungen, Motivation und Einstellungen (ULME) war es, die Lernleistungen und Lernvoraussetzungen der Schüler in ausgewählten Bereichen der beruflichen Ausbildung auf der Grundlage von Tests und Fragebögen systematisch transparent zu machen. Das ULME-Projekt bildet in Zielen und Instrumenten weitgehend eine Fortsetzung der Hamburger Lernausgangslagen-Untersuchung (LAU). Beginnend mit der Studie zu Beginn der gymnasialen Oberstufe (LAU 11) wurde parallel die Längsschnitt-Untersuchung ULME I-III in berufsbildenden Schulen eingeführt und mit ULME III im Frühjahr 2005 abgeschlossen (Brand, Hofmeister & Tramm 2005, 2).
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
197
zubildenden im Einzelhandel an, dass ihr Ausbildungsberuf ihrem Wunschberuf entspricht (Seeber 2007, 54), doch nehmen die Auszubildenden KiE damit dennoch den zweitniedrigsten Wert der insgesamt 17 Ausbildungsberufe an. Hier scheint auch einer der Gründe für die vergleichsweise hohe Neigung zum Ausbildungsabbruch im Einzelhandel zu liegen (Hecker 2000, 57). Die berufsspezifische Auswertung einer Befragung von insgesamt rund 6.000 Auszubildenden im Projekt „Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden“ des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigt, dass Auszubildende KiE die Vielseitigkeit ihrer Aufgaben entgegen der o. a. Erwartungen geringer, die soziale Unterstützung jedoch besser einschätzen als der Durchschnitt aller Befragten. Ferner stimmen sie stärker den Aussagen zu, dass sich niemand im Betrieb persönlich verantwortlich für die Auszubildenden fühlt und dass Auszubildende für viele Arbeiten völlig allein verantwortlich sind. Insgesamt unterscheiden sich die Einschätzungen hinsichtlich der Lern- und Arbeitsbedingungen im Betrieb nicht wesentlich von den Mittelwerten aller Berufsgruppen, allerdings fällt auf, dass die Bedingungen in der Berufsschule fast durchgängig schlechter eingeschätzt werden (Krewerth, Beicht, Gei & Rothe 2009, 4ff.). Im Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (befragt wurden knapp 7.000 Auszubildende aus 25 Ausbildungsberufen) landet die Ausbildung im Einzelhandel in der Beurteilung der Gesamtqualität durch die Auszubildenden auf Platz 18 (DGB 2009, 6). Gemäß der o. a. Studie von Kutscha und Mitarbeitern führen insbesondere die Arbeitzeiten im Einzelhandel, aber auch die fehlende Anerkennung im Betrieb, zu hohem Belastungserleben und Abbruchgedanken (Kutscha 2007, 7f.). Anfangsprobleme in der Ausbildung liegen auch in einer anfänglich erlebten Handlungsunfähigkeit der Auszubildenden gegenüber konkreten Anforderungen der Kundschaft (Besener & Debie 2009, 176f.), die aus einer Kombination von hoher Komplexität und Eigenverantwortlichkeit resultiert (Kutscha 2007, 5). Erfreulicherweise berichten die Auszubildenden jedoch, dass sie relativ schnell Sicherheit im Umgang mit Kunden gewinnen, was auch der Tatsache geschuldet ist, das Auszubildende im Einzelhandel in der Regel vom ersten Tag an mit der Ernstsituation des Arbeitsalltags konfrontiert sind (Besener & Debie 2009, 186f.). Bereits Görs, Goltz und Iller (1994) gelangen auf Basis einer empirischen Studie zu der Überzeugung, dass ein grundsätzliches Problem des Lernens am Arbeitsplatz im Verkauf darin bestünde, dass dieses sich innerhalb der permanenten Öffentlichkeit vollzöge und Zeitfenster für die notwendige Kommunikation insgesamt sehr klein und zudem schwer planbar seien (Görs 1996, 57f.). Andererseits kommt Noss in einer Studie mit angehenden Bankkaufleuten (siehe auch Kapitel 4.3.2) zu dem Schluss, dass gerade der Kundenkontakt umfangreiche Lernpotenziale eröffnet (Noss 2000, 167; vgl. auch Lempert 1974, 66). Die Befunde sind nicht zwingend widersprüchlich: Die relative Unberechenbarkeit des Kundenkontakts führt zu Erlebensvariationen zwischen lernförderlichem Anregungspotenzial und demotivierender Überforderung. Diese Ambivalenz
198
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
zeigt sich auch in einer ESM-Studie zur Erlebensqualität. Verkaufsgespräche gehen sowohl mit ausgeprägt positivem als auch mit ausgeprägt negativem Erleben einher. „Alltagssprachlich ausgedrückt, ist diese Tätigkeit zwar spannend (PA = .48), jedoch auch stressend (NA = .52)“ (Schallberger 2000, 54). Stress entsteht in der Kundeninteraktion insbesondere dann, wenn die eigene Befindlichkeit im Widerspruch zur erwarteten Berufsfreundlichkeit steht (Wiessmann 2007, 484). In einer Tagebuchstudie von Grandey, Tam und Brauburger (2002; siehe auch Kapitel 4.3.1) berichten die Befragten in über 55% des durch Kunden hervorgerufenen Erlebens von Ärger über einen bewusst vorgespielten emotionalen Ausdruck (faking expression). Die Korrelationen zwischen faking expression und allen erhobenen negativen Emotionen – Ärger (r = .34), Traurigkeit (r = .32) und Angst (r = .28) – sind signifikant, während es keine Zusammenhänge zwischen faking expression und positiven Emotionen gibt (ebd., 43ff.). Diese unter dem Schlagwort Emotionsarbeit gefassten Selbstdarstellungsregeln (display rules) stellen eine Einschränkung des Autonomieerlebens dar, das wiederum zu einer geringeren Ausprägung der intrinsischen Motivation führen dürfte (Grandey & Brauburger 2002, 266). Auch für Lernprozesse bleibt dieser Aspekt nicht ohne Folgen. In experimentellen Studien zeigen Richards und Gross (1999), dass das absichtliche Unterdrücken emotionalen Ausdrucksverhaltens mit einer Beeinträchtigung kognitiver Leistungsfähigkeit einhergeht: „Our research suggests that regulating emotion might itself impose an additional cognitive burden above and beyond any effects of emotion“ (ebd., 1043). So ist während der Phase der Emotionsregulation die Informationsaufnahme erheblich beeinträchtigt (ebd., 1042). 5.3.1.2
Der Ausbildungsansatz im untersuchten Unternehmen
Im betrachteten Unternehmen der Telekommunikationsbranche fand zum Zeitpunkt der Untersuchung eine Umstellung des Ausbildungsansatzes auf das Konzept der so genannten Lernprozessbegleitung statt. Die entsprechenden Beratungs- und Weiterbildungsmaßnahmen wurden von einem externen Bildungsdienstleistungsunternehmen zugekauft. Die Mitarbeiter des Unternehmens zeichnen zugleich auch für die Entwicklung des Ansatzes der Lernprozessbegleitung, für dessen Erprobung in Modellversuchen sowie für zahlreiche Publikationen verantwortlich.154 Die pädagogisch-didaktische Grundkonzeption orientiert sich an Ideen der Reformpädagogik und steht konstruktivistischen Lehr-Lern-Theorien der jüngeren Vergangenheit nahe. Im Kern geht es darum, die Eigenaktivität und Eigenverantwortung der Lernenden zu stärken, indem herausfordernde Tätigkeiten übertragen, 154 In entsprechenden Publikationen wird auf zahlreiche erfolgreiche Umsetzungen des Ansatzes verwiesen. Die gesichteten Quellen gehen jedoch über Projektbeschreibungen der Initiatoren und Zufriedenheitsbekundungen der Teilnehmer kaum hinaus.
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
199
Freiräume geschaffen und eine konstruktive Fehlerkultur gefördert werden. Arbeiten (insbesondere arbeitsbezogenes Problemlösen) und Lernen werden integrativ betrachtet „als zwei Seiten eines einzigen Prozesses, an dessen Ziel der Arbeitende das kann, was er braucht, und zwar ohne Umwege über institutionelles Lernen“ (Brater, Dahlem & Maurus 2004, 32). Die Aufgaben der pädagogischen Begleitung bestehen darin, (1) konkrete Arbeitsprobleme als Lernprobleme zu begreifen und den jeweiligen Lernbedarf zu identifizieren, (2) Lernwege zu entwickeln, (3) die Lernsituation inklusive der erforderlichen Lernmittel zu gestalten sowie (4) die Lernprozesse zu beobachten und ggf. zu intervenieren (ebd., 31). Gefordert wird eine neue Rolle des Ausbilders (vgl. Kapitel 3.4.2), die mit einer Abkehr von der klassischen Beistelllehre oder der Vier-Stufen-Methode einhergeht (Bauer, Brater, Büchele, Dahlem, Maurus & Munz 2004, 151f.). Die Umsetzung dieser Begleiterrolle in der Praxis erfordert ein verändertes Selbstverständnis von Lehrenden wie auch von Lernenden (ebd., 152), d. h. eine Veränderung subjektiver Lehr-Lern-Theorien (vgl. Kapitel 3.4.2) und epistemologischer Überzeugungen (vgl. Kapitel 2.4.2). Im betrachteten Unternehmen wurden hauptberufliche Ausbilder in einem knapp einjährigen Prozess zum Lernprozessbegleiter ausgebildet. Ausbildende Fachkräfte in den Abteilungen wurden indes nicht geschult. Die Ausbildungsorganisation der angehenden Einzelhandelskaufleute weist eine berufstypische Struktur auf: Der Arbeitsplatz in den Verkaufsfilialen nimmt den größten Stellenwert ein und wird durch Workshopphasen in unternehmenseigenen Bildungszentren ergänzt (vgl. Ergebnisse von Unternehmensbefragungen bei Marek & Paulini 1999, 64). Darüber hinaus kommt eine internetbasierte Lernplattform zum Einsatz, die Distributions- und Kommunikationsfunktionen erfüllt und der Bearbeitung so genannter Wochenaufgaben sowie dem Führen von Berichtsheften dient. Die Betreung dieser Lernplattform obliegt den hauptberuflichen Ausbildern. Für die Betreuung am Arbeitsplatz wird jedem Auszubildenden eine ausbildende Fachkraft (Pate) zugeordnet. Ferner hat jeder Auszubildende einen fest zugeordneten, hauptberuflichen Ausbilder als dauerhaften Ansprechpartner. Die Ausbilder organisieren zudem die Workshopphasen, betreuen die Lernplattform, führen regelmäßige Lernzielvereinbarungs- und Reflexionsgespräche und sind für die Beurteilung der ihnen zugeordneten 20 bis 30 Auszubildenden verantwortlich. 5.3.2
Untersuchungsdesign und Stichprobe der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Die Hauptuntersuchung umfasst zwei Teilstudien. Ähnlich der Pilotstudie basiert der erste Teil der Untersuchung auf der Tagebuch-Methodik und ergänzenden Standardfragebögen. Erste Befunde finden sich bei Rausch, Thiel und Mayer
200
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
(2007).155 In einer zweiten Studie wurden Interviews mit Ausbildungsbeteiligten geführt. Eine Beschreibung der Interviewstudie und die Darstellung zentraler Befunde sind Rausch (2009) zu entnehmen. 5.3.2.1
Untersuchungsdesign und Stichprobe der Tagebuchstudie im Einzelhandel
An der freiwilligen Studie nahmen (zunächst) 51 von 80 kontaktierten Auszubildenden teil. Die angehenden Einzelhandelskaufleute hatten ihre Ausbildung etwa vier Monate zuvor begonnen und befanden sich somit allesamt im ersten Ausbildungsjahr. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren die Auszubildenden bayernweit auf das Filialnetz des Unternehmens verteilt. In den Filialen finden durchschnittlich etwa elf Mitarbeiter und ein Auszubildender Beschäftigung. Die teilnehmenden Auszubildenden waren im Mittel knapp 18 Jahre alt (M = 17.7; SD = 1.97; Min = 15; Max = 27). Darunter waren 36 weibliche und 15 männliche Auszubildende. 75 % der Befragten nannten als höchsten Schulabschluss die Mittlere Reife, 18 % den Hauptschulabschluss, zwei der Befragten hatten die Wirtschaftsschule abgeschlossen und je ein Befragter besuchte die Fachoberschule bzw. das Gymnasium. Fünf Befragte hatten bereits eine andere Ausbildung begonnen oder abgeschlossen, und 80 % gaben an, bereits Berufserfahrung bei Ferienjobs oder Praktika (überwiegend im Einzelhandel) gesammelt zu haben. Hinsichtlich der erhobenen Konstrukte entspricht das Untersuchungsdesign weitgehend dem der Pilotstudie (vgl. Kapitel 5.2.1). Ein wesentlicher Unterschied beider Studien liegt darin, dass der Motivationsfragebogen sowie einige der Skalen zu den Aufgabenmerkmalen sowohl in der Eingangs- als auch in der Ausgangserhebung eingesetzt wurden. Dies ermöglicht die Berechnung von Retest-Reliabilitäten und von Veränderungen (Deltas) inklusive deren Varianzaufklärung durch Prozessdaten. Tabelle 5-9 zeigt das Untersuchungsdesign.
155 Dank gilt an dieser Stelle Frau Dipl.-Hdl. Kristina Thiel und Frau Dipl.-Hdl. Laura Mayer, die ihre Abschlussarbeiten im Rahmen der quantitativen Teilstudie anfertigten und dabei sowohl die Administration der Fragebögen in der Eingangs- und Ausgangserhebung wie auch die Stichprobenpflege in der Prozesserhebungsphase unterstützten.
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Tabelle 5-9:
201
Untersuchungsdesign der Tagebuchstudie im Rahmen der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Eingangserhebung (EEH)
Prozesserhebung (PEH)
Ausgangserhebung (AEH)
Angaben zu Person und Ausbildung Geschlecht Schulabschluss Vorherige Berufsausbildung und Berufserfahrung Persönlichkeitseigenschaften Selbstwirksamkeit Neurotizismus Extraversion Offenheit Verträglichkeit Gewissenhaftigkeit Ausbildungsinteresse Berufsinteressen Motivation (retrospektiv) Motivationsausprägung (amotiviert bis interessiert) Befriedigung der Grundbedürfnisse (basic needs) Begleitende Emotionen Merkmale der Lern- und Arbeitsaufgaben
Motivation (retrospektiv) Erfassung von Tätigkeiten im Arbeitstagebuch (mehrfach Motivationsausprätäglich) gung (amotiviert bis Auswahl des Tätigkeitsinteressiert) typs (geschlossen) und Befriedigung der Beschreibung der TäGrundbedürfnisse tigkeit (offen) (basic needs) Start- & Endzeit der Dominante EmotioTätigkeit nen Aufgabenmerkmale und Merkmale der Lern- und Erlebensqualität (geArbeitsaufgaben schlossen) Tagesabschluss im Arbeitstagebuch (täglicher Rückblick) Motivation und basic needs (geschlossen) Auswahl derjenigen Tätigkeit, die am meisten Spaß gemacht hat (geschlossen), und Begründung der Auswahl (offen) Auswahl derjenigen Tätigkeit, die am wenigsten Spaß gemacht hat (geschlossen), und Begründung der Auswahl (offen) Auswahl derjenigen Tätigkeit, bei der am meisten gelernt wurde (geschlossen), und Begründung der Auswahl (offen)
Zur o. a. Stichprobengröße ist anzumerken, dass lediglich 18 der 51 Auszubildenden das Tagebuch (Prozesserhebung) hinreichend bearbeiteten und 34 Auszubildende an der Abschlussbefragung (Ausgangserhebung) teilnahmen. Als Teilnahme-
202
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
anreiz wurde den Auszubildenden bei hinreichender Beteiligung ein Wertgutschein in Höhe von 20 EUR bei einem Online-Warenhaus in Aussicht gestellt. Als nachteilig für die Stichprobenpflege erwies sich jedoch die geografische Entfernung der Auszubildenden, die eine persönliche Ansprache verhinderte, so dass ausschließlich per E-Mail sowie in wenigen Fällen telefonisch kommuniziert wurde. Der Umfang der vollständigen Datensätze (EEH, PEH und AEH) beläuft sich auf 14 Auszubildende. Das Subsample unterscheidet sich weder hinsichtlich der Geschlechterverteilung (neun weibliche und fünf männliche Auszubildende) noch bezüglich des Durchschnittalters (M = 17.4; SD = 1.45) oder des Schulabschlusses (elf Realschulabsolventen entsprechen 76.6 %) signifikant von der anfänglichen Stichprobe. Es fällt lediglich auf, dass alle Auszubildenden des Subsamples angaben, bereits Berufserfahrungen gesammelt zu haben (ggü. 80 % in der anfänglichen Stichprobe). Insgesamt erscheint es somit kaum plausibel, hinsichtlich der biografischen Angaben von systematischen Verzerrungen der Teilstichprobe auszugehen. Weitere Spezifika der Teilstichprobe werden an jeweils geeigneter Stelle aufgegriffen. 5.3.2.2
Untersuchungsdesign und Stichprobe der Interviewstudie im Einzelhandel
Die Interviewstudie fand im gleichen Unternehmen statt und umfasste zehn Auszubildende zum/r Kaufmann/-frau im Einzelhandel, deren zehn ausbildende Fachkräfte (Paten) sowie fünf hauptberufliche Ausbilder, die für jeweils zwei der Auszubildenden zuständig waren. Abbildung 5-2 verdeutlicht die Struktur der Stichprobe.
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Abbildung 5-2:
203
Stichprobenstruktur der Interviewstudie im Einzelhandel
Das Durchschnittsalter der befragten Auszubildenden betrug 19.2 Jahre und alle Auszubildenden gaben als höchsten Schulabschluss die Mittlere Reife an. Zum Befragungszeitpunkt waren sieben von zehn Auszubildenden kurz vor dem Übertritt in das dritte Ausbildungsjahr, während die übrigen drei gerade ihr erstes Ausbildungsjahr abschlossen. Die ausbildenden Fachkräfte wiesen ein Durchschnittsalter von 24.3 Jahren (Min: 21; Max: 34) auf, arbeiteten im Mittel seit 4.5 Jahren für das Unternehmen und waren seit 2.2 Jahren Paten, wenngleich sieben von zehn Befragten angaben, bereits vorher mit Ausbildungsaufgaben betreut gewesen zu sein. Das Durchschnittsalter der fünf Ausbilder lag bei 34.6 Jahren (Min: 23; Max: 45). Weitere Informationen zu den durchgeführten Interviews folgen in Kapitel 5.3.5. Zunächst werden die Instrumente der ersten Teilstudie dargestellt. 5.3.3
Fragebogeninstrumente der Hauptuntersuchung
Die im Folgenden aufgeführten Fragebogeninstrumente fanden Anwendung in der Eingangs- bzw. Ausgangserhebung der ersten Teilstudie der Hauptuntersuchung (vgl. Tabelle 5-9).
204 5.3.3.1
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften (EEH)
Wie schon in der Pilotstudie wurden zur Erfassung der Big Five-Persönlichkeitseigenschaften das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI) in der deutschen Version von Borkenau und Ostendorf (1993) eingesetzt. Die Antwort erfolgte wiederum auf einer fünfstufigen Antwortskala von 0 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft zu). Nach Vorgabe des Betriebsrats des Unternehmens mussten allerdings sechs Items aus dem Fragebogen entfernt werden, die allesamt die Skala Offenheit für neue Erfahrungen betrafen.156 Die verbliebenen sechs Items der Skala lieferten keine zufriedenstellende interne Konsistenz mehr, so dass die Skala Offenheit für neue Erfahrungen für weiterführende Analysen nicht herangezogen wurde. Alle weiteren Items konnten unverändert eingesetzt werden. Zur Erfassung der Selbstwirksamkeitserwartung (SWK) wurde in der Hauptuntersuchung eine Kurzversion des Fragebogens von Schwarzer und Jerusalem (1999) verwendet, die nur zehn Items umfasste und eine vierstufigen Antwortskala von 1 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft zu) vorsah. Ferner wurde in der Hauptuntersuchung der Fragebogen zum Studieninteresse (FSI) von Schiefele, Krapp, Wild und Winteler (1993) adaptiert, um das Ausbildungsinteresse zu erfassen.157 Wenngleich in der Konstruktion drei Subskalen (wertbezogene Valenzen, gefühlsbezogene Valenzen und intrinsischer Charakter) vorgesehen sind, hat sich diese Struktur weder in der Stichprobe der Autoren (ebd., 347), noch in der vorliegenden Stichprobe bestätigt, so dass im Weiteren lediglich ein Gesamtscore ausgewiesen wird. Die Antwortskala reichte von 1 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft zu). Um über das Ausbildungsinteresse hinaus auch inhaltliche Interessensschwerpunkte zu erfassen, wurden die Subskalen Interesse an technischem Handwerk, Interesse an verwaltenden Berufen und Interesse an kaufmännischen Berufen aus dem Berufsinteressentest (BIT-II) von Irle und Allehoff (1988) verwendet, dessen Aussagen anhand einer fünfstufigen Antwortskala von 1 (sehr ungern) bis 5 (sehr gern) zu beantworten waren. Tabelle 5-10a gibt einen Überblick über die inhaltlichen Konstrukte sowie je ein Beispielitem zu deren Operationalisierung. Tabelle 5-10b enthält die wesentlichen statistischen Kennwerte aus der vorliegenden Stichprobe.
156 Als Begründung für das Streichen der Items wurden die Itemformulierungen angeführt, die nach Einschätzung des Betriebsrats für Jugendliche und junge Erwachsene nicht verständlich seien. Dies stimmt mit der Kritik Kannings (2009) überein, der ebenfalls gerade die Items dieser Skala als befremdlich einschätzt (ebd., 198). 157 Adaptionen des Fragebogens auf andere Kontexte werden von den Autoren als sinnvoll und zulässig betrachtet (Schiefele, Krapp, Wild & Winteler, 1993, 348). Dennoch wird der Fragebogen hier weiterhin unter dem Kürzel FSI geführt, wenngleich FAI aufgrund des Kontexts Ausbildung vielleicht näher läge.
205
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Tabelle 5-10a: Skala (Quelle)
Skalen im Bereich Persönlichkeitseigenschaften (Hauptuntersuchung) Konstruktbeschreibung
Beispielitem (Gesamtzahl)
Die Lösung schwieriger Selbstwirksamkeit subjektive Überzeugung, kritische Probleme gelingt mir immer, (SWK) (Schwarzer & Anforderungssituationen aus eigener wenn ich mich darum bemühe. Jerusalem 1999) Kraft erfolgreich bewältigen zu können (10) NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI) (Borkenau & Ostendorf 1993) Neurotizismus (FFI-N)
Nervosität, Ängstlichkeit, Traurigkeit, Unsicherheit, Verlegenheit, Gesundheitssorgen etc.
Ich fühle mich oft eingespannt und nervös. (12)
Extraversion (FFI-E)
Geselligkeit, Aktivität, Gesprächigkeit, Personen-Orientierung, Herzlichkeit, Optimismus, Heiterkeit etc.
Ich habe oft das Gefühl, vor Energie überzuschäumen. (12)
Offenheit (FFI-O)
Die Skala Offenheit für neue Erfahrungen konnte aufgrund von Streichungen seitens des Betriebsrats nicht gebildet werden.
Verträglichkeit (FFI-V)
Altruismus, Mitgefühl, Wohlwollen, Vertrauen, Kooperativität etc.
Ich versuche stets rücksichtsvoll und sensibel zu handeln. (12)
Gewissenhaftigkeit (FFI-G)
Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Pünktlichkeit, Disziplin, Ehrgeiz etc.
Ich bin eine tüchtige Person, die ihre Arbeit immer erledigt. (12)
Die Ausbildung ist mit positiven Gefühlen und Bedeutsamkeit verbunden, die von intrinsischer Natur sind, d. h. nicht (nur) instrumentell.
Ich bin mir sicher, die Ausbildung gewählt zu haben, die meinen persönlichen Neigungen entspricht. (18)
Ausbildungsinteresse (FSI) (Schiefele, Krapp, Wild & Winteler (1993)
Berufsinteressentest II (BIT-II) (Irle & Allehoff 1988) Interesse an ... ... technischem Handwerk (BIT-T)
Tätigkeiten, die charakteristisch für Berufe im technischen Handwerk sind.
Computeranlagen aus Einzelteilen zusammen bauen. (9)
... verwaltenden Tätigkeiten, die charakteristisch für Berufen (BIT-V) verwaltende Berufe sind.
In Warenlager Bestandslisten anlegen. (9)
... kaufmännischen Berufen (BIT-K)
Kartenverkauf organisieren. (9)
Tätigkeiten, die charakteristisch für kaufmännische Berufe sind.
206
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Tabelle 5-10b:
Skalenkennwerte im Bereich Persönlichkeitseigenschaften der Hauptuntersuchung (Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen158 und Cronbachs α; 47 ≤ n ≤ 51) M
SD
SWK a
2.92
.40
(.81)
(2) FFI-N
1.53
.66
-.48**
(3) FFI-E b
2.79
.43
.46** -.42**
(.66) .46**
(.60)
.29*
.23
(.80)
(1)
1
2
3
4
5
6
7
8
(.83)
FFI-V b
2.94
.37
.27
(5) FFI-G b
3.02
.53
.55** -.22
FSI a
2.90
.53
.46** -.51** .32*
.32*
.37**
(7) BIT-T c
2.59
.73
.18
-.33*
.11
.05
.02
.35*
(.86)
(8) BIT-V c
3.08
.63
.08
-.12
.29*
.05
.11
.30*
.11
(.85)
BIT-K c
3.36
.61
.33*
-.06
.18
.08
.18
.09
-.12
.31*
(4) (6)
(9)
9
-.25
(.91)
(.74)
Vierstufige Antwortskala von 1 = trifft nicht zu bis 4 = trifft zu. Fünfstufige Antwortskala von 0 = trifft nicht zu bis 4 = trifft zu. c Fünfstufige Antwortskala von 1 = sehr ungern bis 5 = sehr gern. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a
b
Zunächst fällt auf, dass die internen Konsistenzen (Cronbachs α) der gebildeten Skalen überwiegend zufriedenstellend sind. Gemäß den Ausführungen in Kapitel 5.2.2.1 werden auch die Skalen Extraversion (FFI-E) und Verträglichkeit (FFI-V) trotz der geringeren α-Werte weiter verwendet. Vergleicht man die Mittelwerte der vier Skalen des Fünf-Faktoren-Inventars mit den Mittelwerten der Normstichprobe (Borkenau & Ostendorf 1993, 13), so fällt auf, dass die vorliegende Stichprobe günstigere Werte, d. h. einen niedrigeren Wert bei Neurotizismus und höhere Werte in den übrigen Skalen, aufweist. Dies könnte einerseits auf Antworttendenzen gemäß sozialer Erwünschtheit verweisen, aber andererseits auch ein Indiz für die Wirksamkeit der Bewerberauswahl sein. Hierzu ist anzumerken, dass das betrachtete Unternehmen als beliebter Arbeitgeber angesehen wird und überdurchschnittlich viele Bewerbungen pro Ausbildungsstelle eingehen. Ein weiteres Indiz hierfür ist Antwortverteilung auf das im FSI enthaltene Item: Es war für mich von großer persönlicher Bedeutung, gerade diesen Ausbildungsplatz zu erhalten. 52 % der Auszubildenden wählten die höchste Ausprägung (trifft zu) der 158 Die Interkorrelationen wurden auf Basis der Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson berechnet. Die Normalverteilungsannahme wurde mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft. Die Nullhypothese der Normalverteilung wurde in allen Fällen beibehalten (vgl. auch Kapitel 6.1).
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
207
vierstufigen Skala, weitere 36 % die zweithöchste (trifft eher zu) und nur 12 % der Auszubildenden stimmten der Aussage nicht oder eher nicht zu (Mayer 2006, 105). Dies ist als untypisch für die Ausbildung im Einzelhandel zu betrachten (vgl. Kapitel 5.3.1.1). Die korrelativen Zusammenhänge zwischen den Konstrukten fallen überwiegend erwartungskonform aus (bspw. die durchweg negativen Vorzeichen und teilweise beachtlichen Zusammenhänge in Spalte 2: Neurotizismus). Überraschend ist der fehlende Zusammenhang zwischen dem Interesse an Inhalten der Ausbildung (FSI) und dem allgemeinen Interesse für kaufmännische Tätigkeiten (BIT-K). Auch die in Kapitel 5.3.1.1 geäußerte Vermutung, dass höhere Extraversion mit höherem Interesse an Verkaufstätigkeiten einhergeht, bestätigt sich in der vorliegenden Stichprobe nicht (kein signifikanter Zusammenhang zwischen FFI-E und BIT-K). Allerdings kommen in den Items der Skala Interesse an kaufmännischen Tätigkeiten (BIT-K) auch kaum Verkaufstätigkeiten vor. Die Operationalisierungen weisen inhaltlich eher Gemeinsamkeiten mit verwaltenden Tätigkeiten auf, was auch in dem Zusammenhang der beiden Skalen (BIT-V und BIT-K) deutlich wird. Um eventuelle Effekte der Selbstselektion hinsichtlich der weiteren Teilnahme an der Studie zu ermitteln, wurden Mittelwertvergleiche durchgeführt zwischen derjenigen Gruppe von Auszubildenden, die an allen Erhebungsphasen teilgenommen hat (n = 14; vgl. Kapitel 5.3.2.1) und denjenigen, die an einer der beiden oder an beiden Folgephasen (PEH und AEH; vgl. Kapitel 5.3.2.1) nicht teilnahmen. In Bezug auf die in den Tabellen 5-10a bzw. 5-10b dargestellten Konstrukte unterscheiden sich die beiden Gruppen lediglich in einem signifikant höheren Interesse für verwaltende Berufe seitens der durchgängig teilnehmenden Auszubildenden (p = .033; η2 = .091). Eine tendenziell höhere Selbstwirksamkeit weist hingegen die Gruppe derjenigen Auszubildenden auf, die nach der Eingangserhebung nicht mehr durchgängig an der Studie teilnahm (p = .078; η2 = .044).159 5.3.3.2
Erfassung der Motivation und Motivationsbedingungen (EEH und AEH)
Im Unterschied zur Pilotstudie wurden in der Hauptuntersuchung auch in der Eingangserhebung bereits Motivation und Ausbildungsbedingungen erfasst. Zur retrospektiven Einschätzung der Motivationsausprägung, der Befriedigung der basic needs sowie erlebter Emotionen wurde wiederum der Fragebogen der Forschergruppe um Prenzel eingesetzt. Die Bearbeitung der Items erfolgte auf einer sechsstufigen Skala von 1 (nie) bis 6 (immer). Eine inhaltliche Beschreibung der erhobenen Konstrukte 159 Bildet man die Gruppen nur hinsichtlich der Teilnahme in der Tagebuchphase (PEH), so zeigt sich, dass die 18 teilnehmenden Auszubildenden signifikant höhere Werte in Gewissenhaftigkeit aufweisen, was durchaus plausibel erscheint (Rausch, Thiel & Mayer 2007, 241).
208
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
findet sich in Kapitel 5.2.2.2. Die Tabellen 5-11 und 5-12 geben die Skalenkennwerte der Eingangserhebung wieder. Tabelle 5-11:
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung von Varianten der Lernmotivation in der Eingangserhebung der Hauptuntersuchung (Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen160 und Cronbachs α; 48 ≤ n ≤ 49) M
SD
1
(1) amotiviert
1.69
.85
(.85)
(2) extrinsisch
1.77
.99
(3) introjiziert
5.08
.68
-.21
-.14
(.69)
(4) identifiziert
5.44
.66
-.45**
-.14
.34*
(.81)
(5) intrinsisch
4.80
.94
-.67**
-.55**
.32*
.51**
(.87)
(6) interessiert
4.71
.78
-.50**
-.25
.28
.61**
.74**
.56**
2
3
4
5
6
(.77)
(.74)
Sechsstufige Antwortskala von 1 = nie bis 6 = immer. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
160 Aufgrund der Verletzung der Normalverteilungsannahme (Kolmogorov-Smirnov-Test) für mehrere der Skalenwerte sind in Tabelle 5-5b die Korrelationskoeffizienten nach Spearman ausgewiesen (vgl. auch Kapitel 6.1).
209
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Tabelle 5-12:
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der basic needs-Befriedigung und begleitender Empfindungen in der Eingangserhebung der Hauptuntersuchung (Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen161 und Cronbachs α; 48 ≤ n ≤ 50)
(1) soziale Einbindung (2) Kompetenzunterstützung (3) Autonomieunterstützung (4) negative Empfindungen (5) positive Empfindungen (6) empfundene Wichtigkeit
M
SD
1
5.10
.86
(.92)
2
3
4
5
4.44
1.04
.77**
(.89)
4.56
.82
.75**
.80**
(.90)
2.30
.89
-.62**
-.59**
-.71**
(.89)
4.70
1.01
.66**
.57**
.63**
-.50**
(.95)
5.30
.63
.26
.30*
.25
-.22
.31*
6
(.79)
Sechsstufige Antwortskala von 1 = nie bis 6 = immer. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Im Vergleich zur Pilotstudie fallen die internen Konsistenzen der Skalen (Cronbachs α) im Durchschnitt höher aus und liegen alle in einem akzeptablen bis sehr guten Bereich. Die Zusammenhänge zwischen den Variablen stellen sich ähnlich dar wie in der Pilotstudie. Zwar variiert teilweise die Höhe des Zusammenhangs, doch stimmen alle Vorzeichen überein. Vergleiche mit den entsprechenden Mittelwerten der Pilotstudie zeigen, dass die Teilnehmer der Hauptuntersuchung in allen motivationsnahen Konstrukten der Tabellen 5-11 und 5-12 signifikant günstigere Werte aufweisen, d. h. geringere Zustimmung bei Amotivation, extrinsischer Motivation und negativen Emotionen äußern und höhere Werte in allen anderen Variablen aufweisen.162 Innerhalb der Stichprobe der Hauptuntersuchung liegt die Vermutung nahe, dass die Motivation der Auszubildenden und die Beteiligung bei der Tagebuchstudie nicht unabhängig voneinander zu betrachten ist bzw. dass sich motiviertere Auszubildende eher an der Tagebuchphase beteiligt haben als weniger motivierte. Mittel161 Die Interkorrelationen wurden auf Basis der Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson berechnet. Die Normalverteilungsannahme wurde mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft. Die Nullhypothese der Normalverteilung wurde in allen Fällen beibehalten (vgl. auch Kapitel 6.1). 162 Sowohl der t-Test für unabhängige Stichproben als auch der Mann-Whitney-U-Test liefern durchweg signifikante – überwiegend hoch signifikante (p < .01) – Ergebnisse. Die durchschnittliche Effektstärke beträgt η2 = .19 und reicht von η2 = .04 bis η2 = .43.
210
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
wertvergleiche zwischen den beiden Subsamples hinsichtlich aller o. a. motivationsnahen Konstrukte ergeben jedoch keine signifikanten Unterschiede. In der Nähe eines signifikanten Unterschieds ist lediglich die Variable identifizierte Motivation (Mann-Whitney-U-Test; p = .068; η2 = .05). Allerdings weist hier – entgegen der geäußerten Vermutung – die Gruppe der nicht vollständig Teilnehmenden motivationale Vorteile auf. Somit weisen auch die Motivationswerte nicht auf Verzerrungseffekte aufgrund von Selbstselektion hin. In der Ausgangserhebung nach Beendigung der Tagebuchphase wurde der Motivationsfragebogen nach Prenzel (vgl. Kapitel 5.2.2.2) erneut eingesetzt. Die Tabellen 5-13 und 5-14 geben die Skalenkennwerte wieder. Tabelle 5-13:
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung von Varianten der Lernmotivation in der Ausgangserhebung der Hauptuntersuchung (Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen163 und Cronbachs α; n = 33) M
SD
rEEH
1
2
3
4
5
(1) amotiviert
1.78
.66
.81
(.84)
(2) extrinsisch
1.70
.87
.74
.64**
(.89)
(3) introjiziert
4.94
.59
.44
-.20
-.23
(.57)
(4) identifiziert
5.11
.59
.41
-.52**
-.49**
.47**
(.63)
(5) intrinsisch
4.53
.94
.80
-.67**
-.62**
.27
.44*
(.87)
(6) interessiert
4.61
.78
.80
-.52**
-.57**
.32
.72**
.69**
6
(.84)
Sechsstufige Antwortskala von 1 = nie bis 6 = immer. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
163 Die Interkorrelationen wurden auf Basis der Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson berechnet. Die Normalverteilungsannahme wurde mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft. Die Nullhypothese der Normalverteilung wurde in allen Fällen beibehalten (vgl. auch Kapitel 6.1).
211
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Tabelle 5-14:
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der basic needs-Befriedigung und erlebter Emotionen in der Ausgangserhebung der Hauptuntersuchung (Mittelwerte, Standardabweichungen, Retest-Reliabilität, Interkorrelationen164 und Cronbachs α; n = 33) M
SD
rEEH
1
(1) soziale Einbindung
5.01
.80
.74
(.91)
(2) Komptenzunterstützung
4.47
.84
.76
.88**
(.83)
(3) Autonomieun4.46 terstützung
.67
.61
.68**
.71**
(.78)
(4) negative Emp2.43 findungen
.89
.68
-.68**
-.67**
-.66**
(.87)
(5) positive Empfindungen
4.45 1.05
.65
.62**
.64**
.59**
-.51**
(.94)
(6) empfundene Wichtigkeit
5.07
.78
.55**
.62**
.42*
-.21
.43*
.86
2
3
4
5
6
(.91)
Sechsstufige Antwortskala von 1 = nie bis 6 = immer. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Die Skalenkennwerte stellen sich gemäß dem aus Pilotstudie und Eingangserhebung bekanntem Muster dar. Die Zusammenhänge fallen im Durchschnitt noch höher aus. Mittelwertvergleiche zwischen der Eingangs- und der Ausgangserhebung (tTest bei gepaarten Stichproben) ergeben keine signifikanten Unterschiede. Auch die in den Tabellen 5-13 und 5-14 dargestellten Retest-Reliabilitäten (rEEH = Korrelationskoeffizienten zwischen Eingangs- und Ausgangserhebung) zeigen eine relativ hohe Stabilität der Konstrukte. Lediglich die beiden Skalen introjizierte Motivation und identifizierte Motivation weisen nur mittlere Zusammenhänge und zudem auch geringere interne Konsistenzen (α-Werte) auf. Ferner wurde auch hier getestet, inwieweit sich diejenigen Auszubildenden, die das Tagebuch regelmäßig führten (n = 14) in der retrospektiven Motivationseinschätzung von denjenigen unterscheiden, die dies nicht taten (n = 19). Weder tTests (Normalverteilung gegeben) noch der Mann-Whitney-U-Test zeigen Ergebnisse in der Nähe der Signifikanzgrenze. Hinsichtlich der Motivationslage der Teil164 Die Interkorrelationen wurden auf Basis der Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson berechnet. Die Normalverteilungsannahme wurde mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft. Die Nullhypothese der Normalverteilung wurde in allen Fällen beibehalten (vgl. auch Kapitel 6.1).
212
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
stichprobe der Tagebuchphase sind insgesamt also weder Selbstselektionseffekte noch unerwünschte Treatment-Effekte der Tagebuch-Methodik festzustellen. 5.3.3.3
Retrospektive Erfassung der betrieblichen Ausbildungssituation (EEH und AEH)
In der Ausgangserhebung wurde neben den motivationalen Konstrukten wie schon in der Pilotstudie eine retrospektive Einschätzung der betrieblichen Ausbildungssituation erfragt. Abweichend von der Pilotstudie kamen hierbei jedoch nur ausgewählte Skalen des Mannheimer Inventars zur Erfassung betrieblicher Ausbildungssituationen (MIZEBA) von Zimmermann, Wild und Müller (1994) zum Einsatz. Diese wurden auch in der Eingangserhebung eingesetzt. Weitere Skalen der Ausgangserhebung sind Adaptionen des Job Diagnostic Survey von Hackman und Oldham (1975). Den Ausgangspunkt für die eigene Adaption bildeten die deutschen Versionen von Schmidt und Kleinbeck (1999b) sowie Kil, Leffelsend und Metz-Göckel (2000). Mit der Verschlankung des Erhebungsinstruments ging zudem eine Fokussierung auf Merkmale der Arbeitstätigkeiten einher, da aus der Pilotstudie deutlich wurde, dass Merkmale des betrieblichen Lernumfeldes und Merkmale des betrieblichen Lernarrangements bereits durch die Skalen zur Befriedigung der basic needs im Fragebogen von Prenzel ausreichend berücksichtigt werden. Das zunächst als Gesamtskala vorgesehene Konstrukt Rückmeldung konnte faktorenanalytisch in Rückmeldung aus der Tätigkeit und Rückmeldung von Kollegen aufgeteilt werden. Die Tabellen 5-15a und 5-15b geben einen Überblick über die erhobenen Konstrukte und die relevanten Skalenkennwerte.
213
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Tabelle 5-15a:
Skalenbeschreibung der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen in der Hauptuntersuchung
Skala (Antwortformat)
Konstruktbeschreibung
Beispielitem (Gesamtzahl)
EEH und AEH: Skalen aus dem MIZEBA (Zimmermann, Wild & Müller 1994) Komplexität (fünfstufig)
Welche Anforderungen stellen sich an die Auswahl und Präzisierung von Zielen, die Sammlung und Integration von Informationen sowie an die Handlungsplanung und -kontrolle?
Die Aufgaben waren dadurch gekennzeichnet, dass es Folgeprobleme geben konnte, wenn man falsche Entscheidungen getroffen hatte. (9)
Aufgabenvielfalt (vierstufig)
In welchem Ausmaß variieren die Aufgaben? Welches Spektrum an Tätigkeiten lernt der Auszubildende kennen?
Ich lerne unterschiedliche Aufgabenbereiche von verschiedenen Mitarbeitern kennen. (4)
Anforderungspassung (fünfstufig)
Inwieweit entsprechen die Anforderungen der zu bearbeitenden Aufgaben dem Fähigkeitsniveau der Auszubildenden?
Die jeweils zu bearbeitende Aufgabe stellt eine Herausforderung für mich dar. (4)
Bedeutsamkeit (vierstufig)
Wie authentisch und bedeutsam sind die jeweils zu bearbeitenden Aufgaben?
Andere Mitarbeiter sind auf die Resultate meiner Tätigkeiten angewiesen. (5)
Nur AEH: Adaptierte Skalen des JDS (Schmidt & Kleinbeck 1999b; Kil, Leffelsend & Metz-Göckel 2000) Vollständigkeit (fünfstufig)
In welchem Umfang beinhaltet die tägliche Arbeit vollständige, in sich geschlossene Arbeitstätigkeiten? (Ferner umfasst mindestens ein Item indirekt auch die Störungsfreiheit; Anm.: A.R.)
Meine Arbeit beinhaltet normalerweise einen gesamten Arbeitsvorgang von Anfang bis Ende. (4)
Rückmeldung aus der Tätigkeit (fünfstufig)
Inwieweit wird die Güte der eigenen Arbeitsleistung während der Aufgabenbearbeitung bzw. anhand der Arbeitsresultate deutlich?
Bei der Ausführung meiner Arbeitstätigkeiten kann ich selbst gut feststellen, wie gut ich arbeite. (3)
Rückmeldung von Kollegen (fünfstufig)
Inwieweit erfolgen Hinweise anderer Personen, die Rückschlüsse auf die Güte der eigenen Arbeitsleistung ermöglichen?
Meine Vorgesetzten oder Kollegen/innen geben mir fast immer Hinweise, wie gut ich meine Arbeit mache. (2)
214
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Tabelle 5-15b:
Skalenkennwerte der retrospektiven Erhebung der Ausbildungsbedingungen in der Hauptuntersuchung (Mittelwerte, Standardabweichungen, Retest-Reliabilität, Interkorrelationen165 und Cronbachs α; n = 30) M
SD
rEEH
1
3.31
.60
.43
(.92)
(2) Aufgabenviel3.13 faltb
.39
.13
.24
(.36)
(3) Anforde3.77 rungspassunga
.53
.39
.30
.51**
(4) Bedeutsamkeitb
2.94
.53
.49
.32
.59** .53**
(.82)
(5) Vollständigkeita
3.25
.48
--
.19
.30
.38*
.54*
(.77)
(6) Rückmeldung 3.71 aus Tätigkeita
.64
--
.06
.24
.16
.29
.44**
(.71)
(7) Rückmeldung 3.78 von Kollegena
.97
--
.14
.11
.21
.37*
.30
.41*
(1) Komplexitäta
2
3
4
5
6
7
(.63)
(.86)
Fünfstufige Antwortskala von 1 = sehr selten bis 5 = sehr oft. Vierstufige Antwortskala von 1 = trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a
b
Bemerkenswert ist der mit .36 sehr geringe α-Wert der Skala Aufgabenvielfalt, obwohl diese unverändert aus der Pilotstudie (α = .75; vgl. Kapitel 5.2.2.3) übernommen wurde. In der Analyse war zudem kein Item zu identifizieren, dessen Streichung zu einem wesentlich höheren α-Wert geführt hätte. Die Skala Aufgabenvielfalt wird daher aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Die übrigen α-Werte fallen akzeptabel bis sehr gut aus. Im Vergleich zu den motivationalen Konstrukten fällt jedoch die deutlich geringere Retest-Reliabilität (rEEH) auf. Das heißt, die wahrgenommenen Merkmale der täglichen Arbeitstätigkeiten sind weniger stabil als die Einschätzung der motivationalen Lage.
165 Der Kolmogorov-Smirnov-Test führte in der Skala Vollständigkeit zur Ablehnung der Nullhypothese. Für weitere Variablen war der Test nahe der Signifikanzgrenze, so dass in Tabelle 5-15b für Zusammenhänge mit dieser Variablen die Spearman-Koeffizienten ausgewiesen sind. Die übrigen Zusammenhänge basieren auf dem Pearson-Koeffizient (vgl. auch Kapitel 6.1).
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
215
Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass das per definitionem situationale State-Konstrukt der Motivation, wenn es retrospektiv erhoben wird, eher einem allgemeinen Zufriedenheitsurteil im Sinne einer überdauernden Einstellung und abwägender Bilanzierung gleicht (vgl. Kritik an der retrospektiven Erhebung der Arbeitszufriedenheit in Kapitel 3.2.2). Die Zusammenhänge zwischen den Aufgabenmerkmalen erscheinen durchaus plausibel. So ist die Rückmeldung aus einer Tätigkeit im Grunde eine Voraussetzung für deren Vollständigkeit und diese geht wiederum mit der wahrgenommenen Bedeutsamkeit übertragener Aufgaben einher (vgl. Kapitel 3.3.1). Überraschend ist jedoch, dass die Aufgabenkomplexität mit keiner der anderen Skalen korreliert. 5.3.4
Tagebuch-Methodik der Hauptuntersuchung
Im Folgenden wird das in der Hauptuntersuchung eingesetzte Arbeitstagebuch beschrieben. Ein wesentlicher Unterschied zum Tagebuch der Pilotstudie bestand in der Vorgabe von Tätigkeitstypen, aus denen die teilnehmenden Auszubildenden bei der Erfassung einer Tätigkeit wählen konnten, bevor sie – wie in der Pilotstudie – eine verbale Beschreibung ergänzten. Zudem wurde das Tagebuch als InternetApplikation umgesetzt, um die Erhebungsökonomie zu steigern. 5.3.4.1
Identifikation von Tätigkeitstypen im Vorfeld der Tagebuchstudie
In der Pilotstudie erwies sich die große Heterogenität der Stichprobe in Verbindung mit der geringen Kontextsensitivität des Tagebuchs als problematisch für die Auswertung und Interpretation der Daten. Aufgrund der höheren Homogenität der Hauptuntersuchungsstichprobe (vgl. Kapitel 5.3.2.1) wurde das Tagebuch stärker an den Arbeitskontext der Einzelhandelsauszubildenden im ersten Ausbildungsjahr im betreffenden Unternehmen angepasst. Ziel war es, den Auszubildenden eine möglichst erschöpfende und dennoch übersichtliche Auswahl an Tätigkeitstypen vorzugeben (vgl. Vorgehen bei Zeitbudgetstudien; Kapitel 4.2), um bei der Bildung ähnlicher Tätigkeitsklassen nicht (ausschließlich) auf die Analyse offener Antworten angewiesen zu sein. Diese Zuordnung wurde somit den Auszubildenden übertragen, da diese die wahren Experten ihres Arbeitsalltags sind. Die Erarbeitung der vorzugebenden Tätigkeitstypen erfolgte in einem iterativen Prozess gemeinsam mit Inhaltsexperten des Unternehmens (Filialleiter, Mitarbeiter und Ausbildungspersonal). Tabelle 5-16 gibt die resultierende Liste der Tätigkeitstypen inklusive Erläuterungen so wieder, wie sie auch den Auszubildenden vorlag. Allerdings wurden einige unternehmensspezifische Fachbegriffe hier ersetzt oder gestrichen. Die Erläuterungen waren um eine möglichst einfache, der Zielgruppe
216
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
leicht verständliche Sprache bemüht und umfassten noch weitere, hier nicht vollständig aufgeführte Beispiele. Tabelle 5-16:
Im Arbeitstagebuch der Hauptuntersuchung vorgegebene Tätigkeitstypen (Fortsetzung auf den nächsten beiden Seiten)
Tätigkeitstyp (1) Tägliche Routinetätigkeit
(2) Verwaltungstätigkeit
Erläuterungen für die Auszubildenden Hier sind kleinere Tätigkeiten gemeint, die Sie jeden Tag ausführen wie beispielsweise das allmorgendliche Hochfahren der PCs. ... Im Feld „Nähere Beschreibung“ beschreiben Sie dann bitte in zwei, drei Stichworten, um welche Tätigkeit es sich handelt. Gemeint sind Tätigkeiten, bei denen Sie (1) nicht direkt mit Kunden zu tun haben und die Sie (2) nicht täglich ausführen. Beispiele: • Kopier, Sortier- und/oder Ablagetätigkeiten • Versandaufträge • Lager aufräumen • etc. Tätigkeiten, die speziell die Warenpräsentation oder Werbung betreffen, fallen unter „Warenpräsentation“.
(3) Warenpräsentation
(4) Warenannahme durchgeführt
Hier sind alle Tätigkeiten gemeint, die mit der Präsentation der Produkte und mit Werbemaßnahmen zu tun haben, ohne dass Sie dabei direkten Kundenkontakt haben: • Produkte im Shop platzieren • Prospekte auslegen / Plakate aufhängen • Gehwegaufsteller auf- und abbauen Hier sind alle Tätigkeiten rund um die Warenannahme gemeint: • Auspacken • Kontrollieren • etc. Das Verbuchen der Wareneingänge fällt unter „Arbeiten am Datenbanksystem“.
(5) Arbeiten am Datenbanksystem
Hier sind längere Eingaben oder Recherchen im Datenbanksystem gemeint: • Wareneingänge einbuchen • Kundenanalysen durchführen • Verkaufsabschlüsse eingeben • etc. Wenn Sie bei einer Kundenberatung nur mal kurz in das Datenbanksystem reinschauen, dann brauchen Sie das nicht extra zu vermerken.
(6) WelcomeManagement
Hier sind alle Phasen des Welcome-Managements gemeint: • Kunden begrüßen • Kunden führen • Kunden verabschieden Wenn Sie länger mit dem Kunden zu tun haben oder sogar ein Produkt verkaufen, dann wählen Sie bitte „Beratung“ oder „Verkauf“.
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Tabelle 5-16:
217
Im Arbeitstagebuch der Hauptuntersuchung vorgegebene Tätigkeitstypen (Fortsetzung)
Tätigkeitstyp
Erläuterungen für die Auszubildenden
(7) Beobachten / Unterstützen
Hier ist gemeint, dass Sie einen erfahrenen Mitarbeiter166 bei dessen Arbeit beobachtet und vielleicht mit kleineren Tätigkeiten unterstützt haben (z. B. Waren holen, Unterlagen kopieren etc.). Die eigentliche Arbeit hat aber der erfahrene Mitarbeiter durchgeführt und Sie haben dabei eher zugeschaut. Lassen Sie uns unter „Nähere Hinweise“ bitte wissen, bei was Sie den Mitarbeiter beobachtet oder unterstützt haben.
(8) Kundenberatung (im Shop)
Wählen Sie „Kundenberatung (im Shop)“, wenn Sie einen Kunden größtenteils selbstständig beraten haben, aber es nicht zum Verkaufsabschluss kam. Bei Verkaufsabschluss wählen Sie bitte „Verkauf (im Shop)“. Wenn Sie nicht selbstständig beraten haben, sondern einem Kollegen bei der Beratung „über die Schulter“ geschaut haben, dann wählen Sie „Beobachten / Unterstützen“.
(9) Kundenberatung (am Telefon)
Die Beratung und der Verkauf per Telefon spielen nur an manchen Standorten eine Rolle. Wenn das für Ihre Filiale nicht zutrifft, dann ignorieren Sie diese Kategorie einfach.
(10) Verkauf (im Shop)
Wählen Sie „Verkauf (im Shop)“, wenn Sie selbstständig ein Produkt verkauft haben. Wenn Sie nicht selbstständig verkauft haben, sondern einem Kollegen beim Verkauf „über die Schulter“ geschaut haben, dann wählen Sie „Beobachten / Unterstützen“.
(11) Verkauf (am Telefon)
Die Beratung und der Verkauf per Telefon spielen nur an manchen Standorten eine Rolle. Wenn das für Ihre Filiale nicht zutrifft, dann ignorieren Sie diese Kategorie einfach.
(12) Kassenwesen
Mit „Kassenwesen“ sind alle Tätigkeiten rund um die Kasse gemeint. Tragen Sie unter „Nähere Hinweise“ bitte ein, was Sie genau gemacht haben.
(13) Lesen / Lernen
Wählen Sie „Lesen / Lernen“, wenn Sie sich zum Beispiel • Informationen zu neuen Produkten durchgelesen, • Ihre Wochenaufgabe bearbeitet, • für die Berufsschule gelernt haben, • oder Ähnliches. Lassen Sie uns unter „Nähere Hinweise“ bitte wissen, mit was Sie sich beschäftigt haben.
166 Im Manual befand sich ebenfalls der Hinweis, dass zur besseren Lesbarkeit auf die Nennung der jeweils weiblichen Form verzichtet wird und mit Mitarbeitern selbstverständlich auch Mitarbeiterinnen gemeint sind.
218
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Tabelle 5-16:
Im Arbeitstagebuch der Hauptuntersuchung vorgegebene Tätigkeitstypen (Fortsetzung)
Tätigkeitstyp
Erläuterungen für die Auszubildenden
(14) Unterweisung / Schulung
Wählen Sie „Unterweisung / Schulung“ immer dann, wenn Sie • an einer Übung oder • an einem Rollenspiel teilnehmen oder • wenn sich jemand extra länger Zeit nimmt, um Ihnen etwas zu zeigen. Geben Sie unter „Nähere Hinweise“ bitte kurz an, um was es ging. z.B.: „Rollenspiel zum Welcome-Management“ ...
(15) Sonstige Tätigkeit
Wenn Sie eine Tätigkeit keiner der genannten Kategorien zuordnen können, dann sind Sie hier richtig.
Eine Plausibilitätsprüfung anhand der offenen Angaben fiel zufriedenstellend aus. Nur bei wenigen Tätigkeiten war der gewählte Tätigkeitstyp eindeutig unzutreffend und wurde entsprechend geändert. Dies betraf insbesondere einige Tätigkeiten des Typs Sonstiges, die eindeutig anderen Typen zuzuordnen waren. 5.3.4.2
Erfassung von Tätigkeiten im Arbeitstagebuch
Das Tagebuch der Hauptuntersuchung wurde in Form einer Internet-Anwendung umgesetzt167. Ein Manual mit Beispielen wurde im Vorfeld per Mail versandt und stand in Form von Hilfetexten auch im Online-Tagebuch zur Verfügung. Für Rückfragen wurden zudem Mailadressen und Telefonnummern bekannt gegeben. Die Auszubildenden waren aufgefordert, nach Möglichkeit etwa einmal pro Stunde eine Eingabe zu tätigen. Die Auswahl der protokollierten Tätigkeiten sollte einerseits die Vielfältigkeit der alltäglichen Arbeit zum Ausdruck bringen, aber andererseits auch ein repräsentatives Bild der zeitlichen Anteile liefern. Abbildung 5-3 zeigt die Eingabemaske zur Erfassung einer Tätigkeit, die im Folgenden kurz erläutert wird.
167 Dank gilt an dieser Stelle Herrn Dipl.-Hdl. Markus Müller, der im Rahmen eines forschungsmethodischen Seminarprojekts das Online-Tagebuch erstellte.
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Abbildung 5-3:
219
Eingabemaske zur Erfassung einer Tätigkeit im internetbasierten Arbeitstagebuch
Aus einem Dropdown-Menü (oben links) war zunächst der betreffende Tätigkeitstyp aus der in Kapitel 5.3.4.1 dargestellten Liste zu wählen und sodann eine nähere Beschreibung im dafür vorgesehenen Textfeld (unten links) einzutragen. Ferner sollte – wie bereits in der Pilotstudie – der Zeitumfang angegeben und zusätzlich vermerkt werden, ob die Tätigkeit in Eigeninitiative übernommen oder explizit übertragen wurde (dichotom: Ja/Nein). Danach waren zehn standardisierte Items zu bearbeiten (rechter Bereich), die im Vergleich zur Pilotstudie unverändert übernommen (Neuartigkeit, Schwierigkeit, Handlungsspielraum, Hilfe anderer, Interessantheit), leicht überarbeitet (Nervosität, Rückmeldung) oder neu hinzugenommen (Zeitempfinden, Lernmöglichkeit) wurden. Tabelle 5-17 gibt eine Übersicht der standardisierten Items wieder. Den Auszubildenden standen im Manual sowie in der Online-Anwendung weitere Erläuterungen zur Verfügung.
220 Tabelle 5-17: Item
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Standardisierte Items der Tätigkeitserfassung im Arbeitstagebuch Itemtext: Hier möchten wir von Ihnen wissen ...
1 (= Minimum)
Zusammenarbeit
... inwieweit Sie bei der Tätigkeit Kontakt zu anderen Mitarbeitern hatten, d. h. mit anderen gesprochen oder zusammengearbeitet haben.
Neuartigkeit
... inwieweit die beschriebene Tätigkeit neu für Sie war.
Bei dieser Aufgabe habe ich keinen Kontakt zu Kollegen/innen gehabt. Diese Tätigkeit habe ich bisher schon sehr häufig ausgeführt.
Schwierigkeit
... wie schwierig die Bearbeitung der Aufgabe bei Ihrem momentanen Kenntnisstand war.
Handlungsspielraum
Hilfe anderer
Interessantheit
Zeitempfinden
Nervosität
Rückmeldung
Lernmöglichkeit
Bei dieser Aufgabe habe ich sehr viel Kontakt zu Kollegen/innen gehabt. Diese Tätigkeit habe ich bisher noch nie ausgeführt. Bei meinem momenBei meinem momentatanen Kenntnisstand nen Kenntnisstand ist ist diese Aufgabe diese Aufgabe einfach schwierig zu bearbeizu bearbeiten. ten.
... inwieweit Sie bei dieser Tätigkeit Bei dieser Tätigkeit mitgestalten konnten, d.h. aus verschiekonnte ich gar nicht denen Vorgehensweisen ... auswählen mitgestalten. konnten. Bei dieser Tätigkeit ... ob Ihnen andere Personen bei der benötigte ich gar keine Tätigkeit geholfen haben, ... Hilfe von anderen. Diese Tätigkeit empfand ich als sehr uninteressant. ... ob Sie bei dieser Tätigkeit das Bei dieser Tätigkeit Gefühl hatten, dass die Zeit wie im hatte ich das Gefühl, Flug vergeht oder eher das Gefühl, dass dass die Zeit stehen die Zeit überhaupt nicht vergeht. bleibt. ... ob Sie bei der Durchführung der Bei dieser Tätigkeit Tätigkeiten nervös waren (z.B. Angst, war ich überhaupt Fehler zu machen ...). nicht nervös. ... inwieweit Sie zu dieser Tätigkeit Für diese Tätigkeit eine Leistungsrückmeldung bekamen. habe ich überhaupt Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie keine Rückmeldung gelobt oder getadelt wurden, ... bekommen. Hier möchten wir wissen, inwieweit Sie Bei dieser Tätigkeit durch diese Tätigkeit etwas lernen, habe ich überhaupt d. h. Ihre Kenntnisse und/oder Fähignichts gelernt. keiten verbessern konnten. ... wie interessant Sie die jeweilige Arbeitsaufgabe fanden.
6 (= Maximum)
Bei dieser Tätigkeit konnte ich sehr viel mitgestalten. Bei dieser Tätigkeit benötigte ich sehr viel Hilfe von anderen. Diese Tätigkeit empfand ich als sehr interessant. Bei dieser Tätigkeit hatte ich das Gefühl, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Bei dieser Tätigkeit war ich sehr nervös. Für diese Tätigkeit habe ich eine sehr ausführliche Rückmeldung bekommen. Bei dieser Tätigkeit habe ich sehr viel gelernt.
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
221
Für alle Items wurde zudem die Möglichkeit des Auslassens eingeräumt, wenn ein Teilnehmer der Ansicht war, dass das Item für die konkrete Tätigkeit grundsätzlich nicht passend oder im speziellen Fall nicht beantwortbar ist. Neben der Online-Version des Tagebuchs bestand auch die Möglichkeit, eine Papierversion zu nutzen. Hierzu wurden Formulardokumente per Mail bereitgestellt, die bei Bedarf ausgedruckt und per Post an den Bamberger Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik geschickt werden konnten. Dies war nötig, da den Auszubildenden in einigen Filialen nicht durchgängig ein internetfähiger Computer zur Verfügung stand. Nach der Bereinigung von Testeinträgen, in denen die Teilnehmer lediglich die Funktionalität der Tagebuchanwendung erkundeten, von arbeitsplatzfremden Tätigkeiten und von Einträgen derjenigen Auszubildenden, die nach Eingabe weniger Tätigkeiten nicht weiter an der Untersuchung teilnahmen, verblieben 557 Tätigkeiten im Datensatz. Diese repräsentieren bei einer durchschnittlichen Dauer von 76 Minuten etwa ein halbes Jahr Arbeitszeit im ersten Ausbildungsjahr zum/r Einzelhandelskaufmann/-frau im untersuchten Unternehmen. Mit 3.4 % bleibt der Anteil der sonstigen Tätigkeiten unter der in Kapitel 4.2 genannten Obergrenze von 5.0 %. Insgesamt ist die Vorgabe von Tätigkeitstypen als positiv für die inhaltliche Validität und die Auswertungsökonomie der Tätigkeitsanalysen zu werten. 5.3.4.3
Tagesrückblick im Arbeitstagebuch
Der Tagesrückblick im Arbeitstagebuch der Hauptuntersuchung unterschied sich kaum von dem in der Pilotstudie (vgl. Kapitel 5.2.3.2). Zunächst war eine aus neun Items bestehende Kurzversion des Motivationsfragebogens nach Prenzel zu bearbeiten. Danach sollten die Auszubildenden diejenigen Tätigkeiten des Tages auswählen, die ihnen (1) am meisten und (2) am wenigsten Spaß machten sowie (3) diejenige Tätigkeit, bei der sie am meisten lernen konnten. Die Auswahl war jeweils kurz zu begründen. Abbildung 5-4 zeigt den zweiten Teil des Tagesabschlusses wie er in der Papierversion des Tagebuchs zum Einsatz kam. In der Online-Version des Tagebuchs wurden die an diesem Tag protokollierten Tätigkeiten (Felder: lfd. Nr., nähere Beschreibung sowie Start- und Endzeitpunkt) zur Auswahl vorgegeben und die entsprechende Auswahl sowohl in der Tagesabschlussdatei als auch in DummyVariablen der betreffenden Tätigkeit im Tätigkeiten-Datensatz gespeichert.
222
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Abbildung 5-4:
Auswahl spezifischer Tätigkeiten im Tagesabschluss des Arbeitstagebuchs
Die Tagesabschlussdatei umfasst schließlich 123 Arbeitstage, an denen durchschnittlich 4.5 Tätigkeiten erfasst wurden. 5.3.5
Konstruktinterviews mit Ausbildungsbeteiligten
Die Einzelgespräche mit 25 Ausbildungsbeteiligten (vgl. Kapitel 5.3.2.2) wurden in Form so genannter Konstruktinterviews durchgeführt, die jeweils 60 bis 90 Minuten in Anspruch nahmen. Die Befragungsmethode des Konstruktinterviews stammt aus dem Forschungsbereich subjektiver Theorien und bezeichnet eine Variante teilstandardisierter Tiefeninterviews, die sich – verkürzt dargestellt – durch größtmögliche Transparenz und herrschaftsfreie Sprechsituationen auszeichnen (vgl. Wahl 1981; König & Volmer 2000; König 2005). Da ein völlig unstrukturiertes Erzählenlassen zu Lasten der Vergleichbarkeit des gewonnenen Materials geht, stellt das halbstrukturierte, leitfadenorientierte Tiefeninterview einen Kompromiss zwischen strikt vorgegebenen Fragen und völlig offenem Erzählen dar, der ein flexibles Reagieren ermöglicht (Bock 1992, 94). Im konkreten Fall wurden für jeden Themenschwerpunkt eine einleitende Frage (z. B.: Was verstehen Sie persönlich unter Lernen?) und zusätzliche Nachfragekategorien formuliert, die optional zum Einsatz kamen (z. B.: Rolle des Lernenden, Lerninhalte etc.). Ziel der Nachfragekategorien ist es, zusätzliche Gesprächsimpulse zu geben, ohne dabei vermeintlich erwünschte Antworten zu suggerieren. Die Interviewer168 wurden im Vorfeld der Gespräche entsprechend unterrichtet. Aus Erfahrungen in der Organisationsberatung berichten König und Volmer (2000), dass sich bei ausreichender Homogenität der Stichprobe eine Anzahl von acht bis zehn Interviews in den meisten Fällen als hinreichend erwiesen hat (ebd., 168 Dank gilt an dieser Stelle Frau Dipl.-Hdl. Elisabeth Stangl und Herrn Dipl.-Hdl. Matthias Hechenberger, die ihre Abschlussarbeiten im Rahmen der Interviewstudie anfertigten und dabei unter anderem die Interviews durchführten.
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
223
148). Die Beispiele bei König (2005) kommen sogar mit einer deutlich kleineren Stichprobe aus (ebd., 90), so dass die in sich homogenen Subsamples der vorliegenden Studie (n1 = 10 Auszubildende; n2 = 10 ausbildende Fachkräfte; n3 = 5 Ausbilder/innen) als ausreichend erscheinen. Neben einigen einleitenden Fragen zur Biografie zielten die Interviews auf folgende subjektive Konstrukte und Theorien ab: Allgemeines Lernverständnis und Lernpotenziale am Arbeitsplatz, anzustrebende Ausbildungsziele, Betreuungsqualität am Arbeitsplatz, Rollenverständnis des Ausbildungspersonals und wechselseitige Erwartungen der Ausbildungsbeteiligten sowie praktische Verbesserungsvorschläge. Weitere unternehmensseitig vorgegebene Fragestellungen, die nicht einem der o. a. Themenschwerpunkte zuzuordnen sind, werden hier nicht weiter aufgegriffen. Alle Interviews wurden vollständig transkribiert und mit Hilfe der Software MAXQDA einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen (vgl. Kuckartz 2007; Mayring 2007). Insgesamt wurden ca. 1400 Sinneinheiten der Interviews auf Basis eines Kodierleitfadens zugeordnet. Die Entwicklung des zugrunde liegenden Kategorienschemas erfolgte in einer Mischung aus deduktivem (an theoretischen Konzepten orientiertem) und induktivem (am vorliegenden Interviewmaterial orientiertem) Vorgehen, das im Folgenden ausschnittsweise beschrieben wird. Die Darstellungen basieren auf Rausch (2009) und dienen der vielfach geforderten Erhöhung der Transparenz qualitativer Forschung. Die vorgenommene Verdichtung von Subkategorien zu Oberflächen- und Tiefenorientierung bzw. Oberflächen- und Tiefenziele geht auf Marton und Säljö (1984) bzw. Marton, Dall’Alba und Beaty (1993) zurück und orientiert sich am Vorgehen von Seifried (2009, 71ff., 242), der eine ähnlich gelagerte Befragung bei Lehrkräften an kaufmännischen Schulen durchführte (vgl. Hechenberger 2008, 61ff.). Tabelle 5-18 zeigt Ausschnitte des Kategorienschemas zur Kodierung des subjektiven Lernverständnisses und der subjektiv wahrgenommenen Ausbildungsziele.
224 Tabelle 5-18:
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Kategorien, Operationalisierungshinweise und Ankerbeispiele für oberflächen- vs. tiefenorientiertes Lernverständnis sowie Oberflächen- vs. Tiefenziele der Ausbildung seitens der Ausbildungsbeteiligten
Lernverständnis
Operationalisierungshinweise (Subkategorien)
Ankerbeispiel(e)
Oberflächenorientierung
Vermehrung von Wissen, Memorieren, Erwerb von Fertigkeiten
„Ich sage jetzt mal, wie ich es mache: Ich schreibe mir das alles zusammen, mache mir Tabellen und dann lese ich es mir tausendmal durch. So lerne ich…“ (Auszubildender 08, Abs. 98).
Tiefenorientierung
Tiefes Verständnis, Einstellungsänderung, Persönlichkeitsentwicklung
„Wenn er etwas versteht, ... Lernen ist einfach, wenn man es noch nicht fest kann, sondern immer wieder was fragt und verstehen ist, wenn man nicht mehr fragen muss“ (Pate 04, Abs. 39).
Lernziele in der OperationalisierungsAusbildung hinweise (Subkategorien)
Ankerbeispiel(e)
Oberflächenziele
Grundlagen- und Prüfungswissen, betriebsspezifisches Anwendungswissen, Arbeitstugenden
„… auch diese Produktgenauigkeit, die der Kunde von uns erwartet, dass wir das beschreiben können. Und das soll auch der Azubi lernen, also eben immer up to date bleiben“ (Pate 02, 42).
Tiefenziele
Verständnis von Zusammenhängen, Interessens-, Persönlichkeits- und Werteentwicklung
„Offen zu sein vor fremden Menschen, tolerant gegenüber bösen Menschen bzw. Kunden“ (Auszubildende 08, Abs. 23). „… und dass er sich auch persönlich etwas weiterentwickelt, weil meistens, wenn sie kommen, sind sie 16 und noch richtige Kinder“ (Ausbilder 01, Abs. 37).
Die in Tabelle 5-19 vorgenommene Kategorisierung zwischen instruktionalem Rollenverständnis (Wissensvermittler), der Mittelposition des Modells/Vorbilds und konstruktivistischem Rollenverständnis (Begleiter) geht u. a. auf Kember (1997) zurück (vgl. Seifried 2009, 65f., 211, 237ff.).
225
5.3 Konzeption der Hauptuntersuchung im Einzelhandel
Tabelle 5-19:
Kategorien, Operationalisierungshinweise und Ankerbeispiele zur Kodierung der Rolle der ausbildenden Fachkraft (Pate) in der Selbstsicht und in der Fremdsicht von Auszubildenden
Rolle des Paten Operationalisierungshinweise
Ankerbeispiel(e)
Direkte Instruktion, Vortrag, Demonstration; Erlernen findet getrennt von Anwenden statt
„Indem sie eben zur mir kommt und mich drauf anspricht und mir das erklärt … Sie ist halt wie eine Lehrerin, meine persönliche Lehrerin sozusagen“ (Auszubildender 04, Abs. 146).
Modell
Klassische Vier-StufenMethode; Initiative geht eher vom Paten als vom Auszubildenden aus
„Sie bekommt es vielleicht ein-, zweimal gezeigt ... und dann soll sie es selber machen“ (Pate 08, Abs. 23). „Sie stehen am Anfang erst einmal hinter mir, damit sie sich das anschauen können, und wenn sie sich schon ein wenig trauen, dann dürfen sie es selbst machen. Dann stehe ich hinter ihnen“ (Pate 04, Abs. 17).
Begleiter
Auszubildender erarbeitet sich selbständig neue Aufgabenbereiche; Pate steht bei Fragen zur Verfügung (Initiative geht vom Auszubildenden aus)
„… ich finde vielleicht was, was mich interessiert und frage sie, ob sie mir da weiterhelfen kann“ (Auszubildender 02, Abs. 163). „… und sage zu meinen Azubis, dass ich letzte Instanz bin. Dass sie dann erst mal alles selber ausschöpfen, um selbst zurechtzukommen“ (Pate 07, Abs. 56).
Wissensvermittler
Die Kategorienbildung in den Bereichen Förderung des Lernens am Arbeitsplatz, Merkmale guter Betreuung, Gründe für (Un)Zufriedenheit sowie Verbesserungsvorschläge erfolgte induktiv auf Basis des vorliegenden Interviewmaterials durch eine zusammenfassende Inhaltsanalyse (Mayring 2007, 58). Nach der vollständigen Erstkodierung der Interviews wurde eine Zweitkodierung anhand von 40% des Datenmaterials vorgenommen, um die Beobachterübereinstimmung (Cohens kappa) zu errechnen.169 Die nicht durchgängig befriedigenden Ergebnisse (vgl. Albrecht 2008, 70) dienten als Anlass zur punktuellen Überarbeitung des Kategorienschemas und der anschließenden Neukodierung in einigen Bereichen. Die erneute Berechnung der Beobachterübereinstimmung führte zu akzeptablen bzw. mittelmäßigen (.41-.60) bis zufriedenstellenden bzw. guten (.61.80) Werten (vgl. Landis & Koch 1977, 165; Greve & Wentura 1997, 111; Wirtz & 169 An dieser Stelle sei Herrn Dipl.-Hdl. Martin Albrecht gedankt, der im Rahmen seiner Abschlussarbeit die Zweitkodierung vornahm.
226
5 Forschungsfragen und Konzeption der empirischen Untersuchungen
Caspar 2002, 59; Bortz & Döring 2006, 277). Tabelle 5-20 gibt die Beobachterübereinstimmungen auf Basis der finalen Kodierungen wieder. Tabelle 5-20:
Beobachterübereinstimmung der Kodierungen in Kategorien subjektiver Theorien (Cohens kappa) Ausbildungsbeteiligte
Kategorien
Hauptberufliche Ausbilder
Ausbildende Fachkräfte
Auszubildende
Lernkonzepte
.55
.61
.50
Ziele der Ausbildung
.54
.82
.57
Lernförderliche Einflüsse im Arbeitsprozess
.73
.60
.63
Rolle des Paten beim Lernen im Arbeitsprozess
--
.49
.61
Nachdem nun das Untersuchungsdesign und die Erhebungsinstrumente der durchgeführten Studien dargestellt wurden, widmet sich das folgende Kapitel der Bearbeitung der aufgeworfenen Forschungsfragen.
6
Empirische Befunde
In Kapitel 6.2 werden ausgewählte Befunde der in der Automobilzuliefererbranche angesiedelten Pilotstudie dargestellt, die vornehmlich auf das emotional-motivationale Erleben im Arbeitsprozess zielte. Kapitel 6.3 gibt die Befunde der Tagebuchstudie bei angehenden Einzelhandelskaufleuten eines Dienstleistungsunternehmens der Telekommunikationsbranche wieder. Hier wurde neben dem Erleben auch das Lernen im Arbeitsprozess stärker fokussiert. Kapitel 6.4 enthält die Befunde der Interviewstudie, die ergänzend zur Tagebuchstudie beim gleichen Dienstleistungsunternehmen der Telekommunikationsbranche durchgeführt wurde. Im Zentrum der Interviews stand das Zusammenspiel zwischen Auszubildenden, hauptberuflichen Ausbildern und ausbildenden Fachkräfte beim Lernen am Arbeitsplatz. Tabelle 6-1 gibt den Überblick über die verschiedenen Studien aus Kapitel 5.1 noch einmal wieder. Tabelle 6-1: Studie
Übersicht der eigenen Studien zum Lernen am Arbeitsplatz (Fortsetzung auf der nächsten Seite) Untersuchungsfeld & Stichprobe Untersuchungsdesign & Methode
Unternehmen der Automobilzuliefererbranche 63 angehende Industriekaufleute, Industriemechaniker und Mechatro(1) Tagebuchstudie niker unterschiedlicher Ausbildungsjahrgänge (geschichtete Stichprobe) (Pilot) Daten aus der Prozesserhebung: 62 Auszubildende; 935 Tätigkeiten an 230 Arbeitstagen (bereinigt)
Eingangserhebung (EEH): Biografische Daten, Selbstwirksamkeitserwartungen, Persönlichkeitseigenschaften (Big Five) Prozesserhebung (PEH): Arbeitstagebuch; Erhebungszeitraum: eine Woche Ausgangserhebung (AEH): retrospektive Einschätzung der Lern- und Arbeitssituation, der Motivation und der Befriedigung der basic needs
A. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
228
6 Empirische Befunde
Tabelle 6-1: Studie
Übersicht der eigenen Studien zum Lernen am Arbeitsplatz (Fortsetzung) Untersuchungsfeld & Stichprobe
Untersuchungsdesign & Methode
Eingangserhebung (EEH): Biografische Daten, berufliche Interessen, Selbstwirksamkeitserwartungen, PerUnternehmen der Telekommunikati- sönlichkeitseigenschaften (Big Five), retrospektive Einschätzung der Lernonsbranche 51 angehende Einzelhandelskaufleute und Arbeitssituation, der Motivation (2a) Tageund der Befriedigung der basic needs (KiE) im ersten Ausbildungsjahr buchstudie Prozesserhebung (PEH): ArbeitstageDaten aus der Prozesserhebung: 18 buch; Erhebungszeitraum: sechs Auszubildende; 557 Tätigkeiten an Wochen 123 Arbeitstagen (bereinigt) Ausgangserhebung (AEH): wie EEH; außer berufliche Interessen; zusätzlich: Zufriedenheit Unternehmen der Telekommunikationsbranche (vgl. Tagebuchstudie 2a) (2b) Inter- zehn Auszubildende KiE, deren zehn viewstudie ausbildende Fachkräfte (Paten) und fünf hauptberufliche Ausbilder, die jeweils zwei dieser Tandems betreuten
60- bis 90minütige Konstruktinterviews zu subjektiven Lehr-Lerntheorien, Ausbildungszielen, Lernen und Betreuung am Arbeitsplatz, der Rolle ausbildender Fachkräfte, Zufriedenheit und Verbesserungsvorschlägen
Die zentralen Befunde der einzelnen Studien werden jeweils am Ende des betreffenden Teilkapitels wiedergegeben. Eine an den aufgeworfenen Forschungsfragen (vgl. Kapitel 5.1) orientierte Integration der zentralen Befunde aller drei durchgeführten Studien erfolgt im siebten Kapitel (vgl. Kapitel 7.2). Kapitel 6.1 beinhaltet zunächst Vorbemerkungen zu den quantitativen Analyseverfahren. 6.1
Die Analyseverfahren im Überblick
Im Rahmen der Datenauswertung kommen folgende statistische Verfahren zur Anwendung, die mit SPSS (Version 18) durchgeführt werden: • Die für zahlreiche statistische Verfahren vorausgesetzte Normalverteilungsannahme wird anhand des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft. • Die Prüfung auf Mittelwertunterschiede zwischen zwei unabhängigen Stichproben erfolgt anhand des t-Tests für unabhängige Stichproben, sofern der
6.1 Die Analyseverfahren im Überblick
229
Kolmogorov-Smirnov-Test nicht signifikant ausfällt, d. h. die Nullhypothese der Normalverteilung beibehalten wird. Eine Prüfung auf Mittelwertunterschiede zwischen zwei Messzeitpunkten erfolgt mittels t-Tests für verbundene Stichproben. Die Voraussetzung der Varianzhomogenität wird anhand des Levene-Tests überprüft. Bei einer Verletzung dieser Voraussetzung wird das Ergebnis des konservativeren separate-variance t-Tests anstelle des üblichen pooledvariance t-Tests berichtet (Brosius 2008, 473). • Bei nicht gegebener Normalverteilung werden Mittelwertunterschiede zwischen zwei unabhängigen Stichproben anhand des Mann-Whitney-U-Tests überprüft, der als einer der effizientesten nichtparametrischen Tests gilt (Siegel 2001, 112). Bei der Anwendung auf Daten, die näherungsweise auch die Voraussetzungen des parametrischen t-Tests erfüllen, nähern sich auch die Ergebnisse des MannWhitney-U-Tests den Ergebnissen des t-Tests an. „Aus diesem Grund ist er eine ausgezeichnete Alternative zum t-Test und ist außerdem von dessen restriktiven Voraussetzungen und Anforderungen bezüglich der Daten unabhängig“ (ebd., 123). Unterschiede zwischen verbundenen Stichproben (Messwiederholung) werden bei nicht gegebener Normalverteilung anhand der ALM-Prozedur (Allgemeines Lineares Modell) geprüft. • Die Prüfung auf Mittelwertunterschiede zwischen mehr als zwei unabhängigen Stichproben wird mittels Varianzanalyse berechnet. Die Varianzanalyse gilt bei Stichproben mit gleichen Zellenbesetzungen als verhältnismäßig robust gegenüber Verletzungen der Prämissen (Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber 2003, 151). Besteht bei kleinen (ni < 10) und ungleichgroßen Stichproben der Verdacht, dass Anwendungsvoraussetzungen verletzt sind, wird anstelle der Varianzanalyse der verteilungsfreie H-Test nach Kruskal und Wallis herangezogen (Bortz 2005, 287), der als effizientester nichtparametrischer Test für k unabhängige Stichproben gilt (Siegel 2001, 184). Für Post-hoc-Vergleiche zwischen den einzelnen Gruppen kommt der Scheffé-Test zum Einsatz, der ebenfalls als relativ robust gegen Verletzungen der Anwendungsvoraussetzungen gilt und zudem als konservativ erachtet wird (Bortz 2005, 274; Sedlmeier & Renkewitz 2008, 451). Bei nicht gegebener Varianzhomogenität der Gruppen (LeveneTest auf Gleichheit der Varianzen) wird für Post-hoc-Vergleiche der TamhaneT2-Test verwendet, der ebenfalls als konservativ gilt (Brosius 2008, 497). • Neben der Fehlerwahrscheinlichkeit (p-Wert) wird bei Unterschiedsanalysen zudem das Effektstärkemaß η2 (Eta-Quadrat) angegeben, das als erklärte Varianz interpretiert werden kann (Brosius 2008, 460). Eine geläufige Interpretation der Effektstärke geht auf Cohen (1977) zurück: η2 ≥ .0099 entspricht einem kleinen Effekt, η2 ≥ .0588 entspricht einem mittleren Effekt und η2 ≥ .1379 entspricht einem großen Effekt (ebd., 285ff.; vgl. auch Bortz 2005, 259; Sedlmeier & Renkewitz 2008, 453).
230
6 Empirische Befunde
• Zusammenhänge werden anhand der Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson berechnet, sofern Normalverteilung gegeben ist. Bei nicht gegebener Normalverteilung wird der Rang-Korrelationskoeffizient nach Spearman herangezogen (Siegel 2001, 203). Zur Interpretation von Korrelationskoeffizienten werden folgende Richtwerte genannt: .20 ≤ r < .40 entspricht einem schwachen Zusammenhang, .40 ≤ r < .60 entspricht einem mittleren Zusammenhang und Zusammenhänge zwischen .60 ≤ r < .80 werden schließlich als stark bezeichnet (Bühner 2006, 407; Brosius 2008, 509). Die Varianzaufklärung einer abhängigen, mindestens intervallskalierten Variablen durch mehrere unabhängige Variablen wird mittels schrittweiser multipler Regression berechnet. Der hierbei errechnete Determinationskoeffizient R2 entspricht (mit 100 multipliziert) dem Prozentsatz der aufgeklärten Varianz. Die lineare Regression gilt bei großen Stichproben als robust gegen die Verletzung der Normalverteilungsannahme (Schmidt 2010, 4). Backhaus, Erichson, Plinke und Weiber (2003) nennen diesbezüglich Stichprobengrößen von n ≥ 40 (ebd., 92; vgl. auch Bortz 2005, 450). Weitere Anwendungsvoraussetzungen sind die Abwesenheit von Kollinearität (auch Multikollinearität) und die Abwesenheit von Autokorrelationen, die wie folgt überprüft werden: • Kollinearitätsanalyse: Kollinearität liegt vor, wenn ein Prädiktor nahezu vollständig durch einen anderen Prädiktor erklärt wird. Das Ausmaß an Kollinearität gilt als unbedenklich, wenn die VIF-Koeffizienten (variance inflation factor) der Prädiktoren unter 10 liegen. Weitere Indikatoren für Kollinearität sind die Konditionszahlen (condition index), welche ebenfalls kleiner 10 (Schendera 2008, 136 empfiehlt Konditionszahlen < 15) liegen sollen. Konditionszahlen größer 30 deuten indes auf starke Kollinearität hin (Brosius 2008, 569f.; Schendera 2008, 136). • Autokorrelationsanalyse: Von Autokorrelation spricht man, wenn die Unabhängigkeit der Residuen nicht gegeben, d. h. wenn aufeinander folgender Fälle miteinander verbunden sind.170 Autokorrelation in Querschnittsdaten ist zumeist nur ein Artefakt der Datenorganisation. Bei Längsschnittdaten dient zur Überprüfung von Autokorrelation die Durbin-Watson-Statistik, deren Wert zwischen 0 und 4 liegen kann, wobei ein Wert in der Nähe von 2 darauf hinweist, dass keine Autokorrelation vorliegt. Als Faustregel werden DurbinWatson-Werte zwischen 1.5 und 2.5 als unbedenklich betrachtet, wohingegen Werte kleiner 1 oder größer 3 auf stark autokorrelierte Residuen hinweisen (Bühl 2006, 366; Brosius 2008, 565; Schendera 2008, 136f.). 170 Dies betrifft den in Kapitel 4.2 geäußerten Hinweis, dass Daten aus Tagebuchstudien vermutlich keine Ergodizität aufweisen.
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
231
• Für multiple Regressionen liegen keine parameterfreien Alternativverfahren vor, so dass auch bei Verletzung der Voraussetzungen eine Berechnung erfolgt. Die jeweiligen Verletzungen der Anwendungsvoraussetzungen werden im Weiteren berichtet, etwaige Verzerrungen erörtert und die Ergebnisse mit der gebotenen Vorsicht interpretiert. Die Varianzaufklärung einer abhängigen dichotomen Variablen durch mehrere unabhängige Variablen wird mittels binärer logistischer Regression ermittelt. Das hierbei ermittelte Pseudo-R2 nach Nagelkerke kann wie der im Rahmen linearer Regressionen (s. o.) errechnete Determinationskoeffizient R2 interpretiert werden (Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber 2003, 441f.). Folgende weitere Gütemaße werden hierbei angegeben: • Im Rahmen binärer logistischer Regressionen überprüft die Wald-Statistik für jeden identifizierten Prädiktor die Nullhypothese, dass dieser keinen Einfluss auf die abhängige Variable hat, d. h. dass der Regressionskoeffizient B = 0 ist, und sollte somit kleine Fehlerwahrscheinlichkeiten (p < .05) liefern (ebd., 452). • Hinweise auf die Güte des Gesamtmodells gibt der Hosmer-Lemeshow-Test, der als χ2-Anpassungstest die Nullhypothese einer perfekten Anpassung prüft, so dass hohe, nicht signifikante p-Werte für eine gute Passung zwischen Modell und Daten sprechen. Weitere Verfahren werden im Text erläutert. Zur besseren Lesbarkeit der Ergebnistabellen werden Irrtumswahrscheinlichkeiten (p-Werte), sofern sie nicht in einer eigenen Spalte ausgewiesen werden, durch folgende Symbole verdeutlicht: Irrtumswahrscheinlichkeiten kleiner 5 % (p < .05) werden mit * gekennzeichnet. Irrtumswahrscheinlichkeiten kleiner 1 % (p < .01) werden mit ** gekennzeichnet. Weitere Hervorhebungen werden regelmäßig erläutert. 6.2
Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
Kapitel 6.2 gibt die Befunde der in Kapitel 5.2 dargestellten Pilotstudie mit Auszubildenden eines Unternehmens der Automobilzuliefererbranche wieder. Die Pilotstudie zielte darauf ab, mittels Tagebuch-Methodik detaillierte Einblicke in das emotional-motivationale Erleben der Auszubildenden am Arbeitsplatz zu gewinnen. Damit lag der Fokus auf Forschungsfrage (2) (vgl. Kapitel 5.1). Trotz des explorativen Charakters können mit Blick auf die Ausführungen im Theorieteil der Arbeit durchaus Aussagen über die Erwartungskonformität von Ergebnissen gemacht werden. Aus forschungsmethodischer Perspektive bestand ein weiteres Ziel der Studie darin, Erfahrungen mit der Tagebuch-Methodik zu sammeln.
232
6 Empirische Befunde
Die Darstellung der Befunde erfolgt der besseren Übersicht halber getrennt nach Datenquellen. Eine Integration der Befunde anhand der aufgeworfenen Forschungsfragen erfolgt im siebten Kapitel. In Kapitel 6.2.1 werden zunächst Auswertungen auf Tätigkeitsebene (Tagebuch) dargestellt. Eine gleichzeitige Berücksichtigung der auf Personenebene erhobenen Daten (Fragebogen der Eingangs- und Ausgangserhebung) verlangte Verfahren der Mehrebenenanalyse, die jedoch aufgrund der vorliegenden Stichprobe nicht anwendbar sind. Um dennoch Zusammenhänge zwischen den Prozessdaten aus der Tagebucherhebung (Tätigkeitsebene) und den Skalen der Standardfragebogen (Personenebene) zu ermitteln, werden die standardisierten Tagebuchitems durch Mittelwertbildung pro Person aggregiert. Die hierauf basierenden Befunde finden sich in Kapitel 6.2.2 wieder. Kapitel 6.2.3 fasst die wesentlichen Erkenntnisse aus der Pilotstudie nochmals zusammen. Auswertungen, die sich ausschließlich auf Fragebogendaten der Eingangs- und Ausgangserhebung beschränken, finden sich im Anhang der Arbeit.171 Zentrale Befunde dieser Auswertungen werden ebenfalls in Kapitel 6.2.3 wiedergegeben. 6.2.1
Befunde auf Tätigkeitsebene (Tagebuchdaten)
Die folgenden Befunde stützen sich auf die im Arbeitsprozess mittels Tagebuch erhobenen Tätigkeiten (vgl. Kapitel 5.2.3.1) sowie auf Angaben im Rahmen der Tagesabschlüsse (vgl. Kapitel 5.2.3.2). 6.2.1.1
Erleben von Arbeitstätigkeiten in der betrieblichen Ausbildung
Zunächst erfolgt eine Darstellung der allgemeinen Kennwerte der Tätigkeitsitems.172 Tabelle 6-2 zeigt die Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der Tätigkeitsitems aus dem Arbeitstagebuch für alle im Rahmen der Pilotstudie erfassten Tätigkeiten.
171 Der Anhang steht auf den Internetseiten des Verlages zum Download zur Verfügung. 172 Als Tätigkeitsitems werden im Folgenden die bei der Erfassung einer Tätigkeit zu bearbeitenden standardisierten Items bezeichnet (vgl. ausführlich Tabelle 5-8 in Kapitel 5.2.3.1).
233
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
Tabelle 6-2:
Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der standardisierten Tätigkeitsitems M
SD
(1) Neuartigkeit
2.84
1.88
(2) Schwierigkeit
2.19
1.36
.30**
(3) Handlungsspielraum
2.56
1.70
.17**
.10**
(4) Hilfe anderer Personen
2.18
1.56
.34**
.29**
.22**
(5) Interessantheit
3.02
1.61
.47**
.30**
.31**
.28**
(6) Unsicherheit
1.71
1.08
.18**
.70**
.02
.24**
.24**
(7) Leistungsanerkennung
2.31
1.59
.32**
.07*
.29**
.19**
.33**
(8) Leistungseinschätzung
5.07
1.09
.10** -.39**
-.07*
-.11**
.03
Hinweise:
1
2
3
4
5
6
7
.04 -.42**
.13**
Sechsstufige Skala von 1 = niedrige Ausprägung bis 6 = hohe Ausprägung. 917 ≤ n ≤ 926 Tätigkeiten. Spearman Rangkorrelationen aufgrund nicht gegebener Normalverteilung. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. Zur besseren Lesbarkeit sind Zusammenhänge, die mindestens als schwach zu bezeichnen sind (r ≥ .20), durch Fettdruck hervorgehoben.
Wenngleich dem theoretischen Skalenmittel (hier: 3.5) als Vergleichsgröße keine allzu große Bedeutung beigemessen werden sollte, fällt als erster Anhaltspunkt doch auf, dass – abgesehen von Leistungseinschätzung – alle Mittelwerte unter dem Skalenmittel bleiben und zum Teil deutlich niedriger ausfallen. Tätigkeiten, mit denen die Auszubildenden betraut sind, sind in deren Wahrnehmung meist bereits bekannt (geringe Neuartigkeit), relativ leicht (geringe Schwierigkeit) meist ohne Hilfe anderer Personen auszuführen, bieten eher geringen Handlungsspielraum und verursachen nur selten ein Erleben von Unsicherheit. Die Tätigkeiten werden aus Sicht der Auszubildenden gut bewältigt (hohe Leistungseinschätzung), doch folgt nur relativ selten eine explizite Leistungsanerkennung durch andere Personen. Die gefundenen Zusammenhänge lesen sich wie folgt:
234
6 Empirische Befunde
• Das Ausmaß an Neuartigkeit korreliert positiv mit der wahrgenommenen Interessantheit und dem Schwierigkeitsgrad. Die Neuartigkeit geht zudem mit der Hilfe anderer Personen und mit größerer Anerkennung der Leistung einher. • Die explizite Anerkennung für eine Leistung geht dabei nicht mit der subjektiv empfundenen Schwierigkeit, wohl aber mit dem Handlungsspielraum der Tätigkeit einher. Zudem ergibt sich für die Leistungsanerkennung ein Zusammenhang mit dem Interesse für die Arbeitstätigkeit. Denkbar wäre, dass Auszubildende bei interessanten Tätigkeiten eine explizite Rückmeldung einholen. Wahrscheinlicher und theoriekonform ist aber eine Interpretation, wonach eine explizite Leistungsanerkennung im Verlauf oder nach der Tätigkeit – als Förderung des Kompetenzerlebens – das situationale Interesse fördert. • Die wahrgenommene Schwierigkeit einer Arbeitstätigkeit geht mit dem Erleben von Unsicherheit einher und korreliert negativ mit der Güte der eigenen Leistung. • Der Zusammenhang zwischen der Einschätzung der eigenen Leistung und der expliziten Leistungsanerkennung durch andere Personen fällt überraschend gering aus. Eine Leistungsanerkennung erfolgt insbesondere bei Tätigkeiten die neu sind und Handlungsspielräume eröffnen. • Der positive Zusammenhang zwischen der Hilfe anderer Personen und der erlebten Unsicherheit lässt darauf schließen, dass entweder (a) als Folge erlebter Unsicherheit die Hilfe anderer aufgesucht wird oder (b) das Beisein anderer Personen Unsicherheiten im Sinne einer Prüfungssituation auslöst. Neben den in Tabelle 6-1 analysierten Tätigkeitsitems kamen im Tagebuch der Pilotstudie zwei dichotome Variablen zum Einsatz. Die Auszubildenden waren gebeten anzugeben, ob die betreffende Tätigkeit in Zusammenarbeit mit anderen Personen durchgeführt wurde (vgl. Kapitel 5.2.3.1). Vergleicht man die Mittelwerte der in Zusammenarbeit durchgeführten Tätigkeiten (91 ≤ n ≤ 92) mit denjenigen Tätigkeiten, bei denen dies nicht explizit angegeben wurde (824 ≤ n ≤ 832), so fällt ausschließlich der höhere Mittelwert bei Hilfe anderer Personen auf (Mann-Whitney-U = 20478.5, p = .000, η2 = .082). Insbesondere geht Zusammenarbeit nicht generell mit einem höheren Unsicherheitserleben einher, so dass das Beisein anderer Personen offensichtlich nicht als Belastung empfunden wird. Dies spricht bezüglich des o. a. Befunds zum Zusammenhang von Hilfe anderer Personen und Unsicherheit für Erklärungsansatz (a), wonach erlebte Unsicherheit eher zum Aufsuchen von Hilfe führt. Zur auffälligen Ungleichverteilung der verglichenen Tätigkeitsgruppen ist anzumerken, dass dies in der Art der Erfassung des dichotomen Items begründet sein könnte, da eine fehlende Kennzeichnung (Sternchen in der Tagebuchspalte Kurze Beschreibung; vgl. Kapitel 5.2.3.1) als negative Ausprägung (0 = keine Zusammenarbeit) zu interpretieren ist, die Kennzeichnung aber auch schlicht vergessen worden sein könnte.
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
6.2.1.2
235
Eigeninitiative Übernahme von Tätigkeiten
Für die Erlebensqualität im Arbeitsprozess dürfte die Möglichkeit, Einfluss auf die Auswahl von Arbeitstätigkeiten auszuüben, eine förderliche Wirkung im Sinne von Autonomie- und Kompetenzerleben haben (vgl. Kapitel 3.3.1). Andererseits besteht durch die Selbstwahl von Arbeitstätigkeiten für Auszubildende auch die Möglichkeit, auf die sich ihnen bietenden Erlebens- und Lernpotenziale aktiv Einfluss zu nehmen. Die Auszubildenden wurden daher um die Angabe gebeten, inwiefern die betreffende Tätigkeit in Eigeninitiative übernommen wurde. Laut Angaben in den Tagebüchern wurden nur knapp 10 % der erfassten Tätigkeiten in Eigeninitiative übernommen. Allerdings sind hier aufgrund der Erhebungsform (Sternchen in der Spalte Tätigkeit; vgl. Kapitel 5.2.3.1) Verzerrungen denkbar, wie sie im vorangegangenen Kapitel bereits für das dichotome Item Zusammenarbeit skizziert wurden. Tabelle 6-3 zeigt die Ergebnisse der Mittelwertvergleiche (Gruppenbildung anhand des dichotomen Items Eigeninitiative).
236
6 Empirische Befunde
Tabelle 6-3:
Merkmale der Tätigkeiten in Abhängigkeit von deren eigeninitiativer Übernahme (Dummyvariable) Eigeninitiative = 0; Eigeninitiative = 1; 826 ≤ n ≤ 835 88 ≤ n ≤ 90 M
(SD)
MEI
(SD)EI
U
p
η2
(1) Neuartigkeit
2.93
1.89
1.96
1.46
26030.0
.000
.024
(2) Schwierigkeit
2.23
1.39
1.82
1.05
31618.5
.015
.008
2.49
1.68
3.24
1.73
27151.0
.000
.017
2.24
1.59
1.60
1.12
28408.0
.000
.015
3.00
1.60
3.24
1.65
34339.0
.177
.002
1.73
1.09
1.54
.93
33340.5
.076
.003
2.38
1.61
1.69
1.21
27459.5
.000
.017
5.08
1.10
4.97
1.00
33316.5
.084
.001
(3) Handlungsspielraum (4) Hilfe anderer Personen (5) Interessantheit (6) Unsicherheit (7) Leistungsanerkennung (8) Leistungseinschätzung Hinweise:
Sechsstufige Skala: 1 = niedrigste Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung vgl. Kapitel 5.2.3.1). Der Zusatz EI kennzeichnet die Gruppe der in Eigeninitiative übernommenen Tätigkeiten. Gruppenvergleiche auf Basis des Mann-Whitney-U-Tests für unabhängige Stichproben.
Die in Eigeninitiative übernommenen Arbeitstätigkeiten sind im Durchschnitt weniger neu, weniger schwierig und bieten weniger Handlungsspielraum. Es handelt sich somit eher um Routineaufgaben. Die geringere Hilfe anderer Personen und die geringere Leistungsanerkennung lassen zudem darauf schließen, dass Tätigkeiten gerade dann in Eigeninitiative übernommen werden, wenn keine anderen Personen anwesend sind. Zwar weisen insgesamt fünf der zehn Tätigkeitsitems signifikante Unterschiede auf, doch sind die Effektstärken der Unterschiede nur schwach ausgeprägt. Auszubildende beeinflussen durch die Selbstwahl von Tätigkeiten die Erlebensqualität oder die Lernförderlichkeit der Ausbildungssituation folglich nicht in größerem Ausmaß. Inwiefern die eigeninitiative Übernahme von Tätigkeiten ihrerseits ein Prädiktor höherer Erlebensqualität ist, wird im nächsten Kapitel untersucht.
237
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
6.2.1.3
Interessens- und befindlichkeitsförderliche Tätigkeitsmerkmale
Als Indikator positiven Erlebens erscheint das bei einer Tätigkeit wahrgenommene situationale Interesse geeignet (Rheinberg 2006, 335; vgl. auch Kapitel 2.2.1.4). Regressionsanalytisch wird daher untersucht, welche Tätigkeitsitems zur Varianzaufklärung des situationalen Interesses beitragen. Tabelle 6-4 gibt das Ergebnis der schrittweisen multiplen Regression wieder (die zugehörigen Interkorrelationen finden sich in Tabelle 6-2). Tabelle 6-4:
Schrittweise multiple Regression zur Erklärung der situationalen Interesses Modellparameter in Schritt 5
Prädiktor
Schritt
ΔR2
(Konstante)
B
SE
.880
.123
β
p .000
Neuartigkeit
1
.200
.297
.026
.346
.000
Handlungsspielraum
2
.044
.142
.028
.151
.000
Leistungsanerkennung
3
.025
.201
.030
.199
.000
Schwierigkeit
4
.021
.186
.034
.158
.000
Eigeninitiative (Dummyvariable)
5
.014
.665
.156
.123
.000
Hinweise:
R2 = 304, korrigiertes R2 = .300 (n = 913, F(912) = 78.993, p = .000); Durbin-Watson-Statistik = 1.189 Ausgeschlossene Variablen: Hilfe anderer Personen, Unsicherheit, Leistungseinschätzung und Zusammenarbeit (Dummy) Aufgrund hoher Konditionszahlen (> 17; vgl. Kapitel 6.1) werden die in den Modellschritten 6 und 7 aufgenommenen Variablen Leistungseinschätzung und Hilfe anderer Personen wegen möglicher Kollinearität nicht einbezogen. Zwar liefert ihre Berücksichtigung einen signifikanten, aber sehr geringen Beitrag zur Varianzaufklärung von Interessantheit (ΔR2 < .01).
Durch Verzicht auf die Modellschritte 6 (Leistungseinschätzung) und 7 (Hilfe anderer Personen) konnten Kollinearitätsprobleme umgangen werden, doch weist auch die Durbin-Watson-Statistik mit 1.189 einen Wert im kritischen Bereich auf (vgl. Kapitel 6.1), so dass von – zumindest schwachen – Autokorrelationen auszugehen ist. Die Ergebnisse sind daher entsprechend vorsichtig zu interpretieren.
238
6 Empirische Befunde
Regressionsanalysen sind kein Beweis für Kausalität. Mit Blick auf UrsacheWirkungs-Beziehungen könnten Handlungsspielraum und Eigeninitiative auch von einem bereits bestehenden Interesse beeinflusst werden. Ebenso könnte Leistungsanerkennung bspw. auf ein aktiveres Frageverhalten bei interessanten Tätigkeiten verweisen. Es ist jedoch nur schwer vorstellbar, dass eine Tätigkeit aufgrund von erlebtem Interesse an der Tätigkeit neuer oder schwieriger wird. Die in der Regressionsanalyse angenommene Wirkrichtung scheint dagegen plausibel. Alles in allem stehen die in der Regressionsanalyse unterstellten Kausalbeziehungen in Einklang mit den Aussagen der Selbstbestimmungstheorie der Motivation und Befunden der Forschergruppen um Krapp und Prenzel. Die unabhängigen Variablen betreffen die Basisbedürfnisse nach Autonomie- und Kompetenzerleben, deren Befriedigung als günstige Voraussetzung für die Interessensförderung betrachtet wird. Im Tagesabschluss wurden die Auszubildenden gebeten, diejenige Tätigkeit des Tages auszuwählen, die „am meisten Spaß gemacht hat“ (vgl. Kapitel 5.2.3.2). Die Frage zielt darauf ab, diejenige Tätigkeit zu identifizieren, mit der in der Wahrnehmung der Auszubildenden die positivste emotionale Befindlichkeit verbunden war. Mittels binärer logistischer Regression kann überprüft werden, welche Tätigkeitsitems zur Varianzaufklärung der Dummyvariable befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit beitragen (vgl. Tabelle 6-5; die zugehörigen Interkorrelationen finden sich in Tabelle 6-2). Das Vorgehen orientiert sich an Schendera (2008).
239
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
Tabelle 6-5:
Binäre logistische Regression zur Erklärung der Auswahl einer Arbeitstätigkeit als befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable)
Prädiktor
B
Modellparameter in Schritt 5 SE Wald p
Exp(B)
(Konstante)
-5.809
.788
54.281
.000
.003
Neuartigkeit
.186
.058
10.117
.001
1.204
Handlungsspielraum
.151
.059
6.476
.011
1.163
Interessantheit
.336
.072
21.708
.000
1.399
Unsicherheit
.245
.102
5.833
.016
1.278
Leistungseinschätzung
.261
.124
4.437
.035
1.298
Hinweise:
Pseudo-R2Nagelkerke = .170 (n = 910) Hosmer-Lemeshow-Test: χ2 = 9.661, p = .290. Methode: rückwärts schrittweise auf Basis des Likelihood-Quotienten (gem. Schendera 2008, 150ff.) Exp(B), das so genannte Odds Ratio, bedeutet, dass die Auswahl der Tätigkeit im Tagesabschluss (Dummyvariable Lernförderlichkeit = 1) beim Ansteigen des Prädiktors Neuartigkeit um eine Einheit 1.357-mal wahrscheinlicher wird. Ausgeschlossene Variablen: Handlungsspielraum, Unsicherheit, Leistungsanerkennung, Leistungseinschätzung
Arbeitstätigkeiten, die in der Wahrnehmung der Auszubildenden neu und interessant sind, Handlungsspielräume eröffnen und mit einer positiven Einschätzung der eigenen Leistung einhergehen, werden im Tagesabschluss häufiger als die am positivsten erlebte Tätigkeit des Tages ausgewählt. Zudem geht auch die erlebte Unsicherheit mit positivem Vorzeichen in das Modell ein. Dies spricht für die befindlichkeitsförderliche Wirkung eines mittleren Anregungsniveaus (vgl. Kapitel 2.5). Das Pseudo-R2 nach Nagelkerke weist allerdings auf eine recht geringe Erklärungskraft des Modells hin (R2Nagelkerke = .170), wenngleich der Hosmer-Lemeshow-Test (χ2 = 9.661, p = .290) nicht gegen die Gesamtgüte des Modells spricht. 6.2.1.4
Lernförderliche Tätigkeitsmerkmale
Wie einleitend erläutert, lag das Erkenntnisinteresse der Pilotstudie auf dem emotional-motivationalen Erleben der Auszubildenden am Arbeitsplatz. Dennoch lassen die Daten auch eine erste Analyse hinsichtlich der Lernförderlichkeit von Ar-
240
6 Empirische Befunde
beitstätigkeiten zu. Im Tagesrückblick waren die Auszubildenden aufgefordert, diejenige Tätigkeit auszuwählen, bei der am meisten gelernt werden konnte (vgl. Kapitel 5.2.3.2). Tabelle 6-6 zeigt, wie sich die ausgewählten von den übrigen Tätigkeiten unterscheiden. Tabelle 6-6:
Tätigkeitsmerkmale in Abhängigkeit von deren Auswahl als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) nicht lernförderliche lernförderliche TätigTätigkeit (Dummy = keit (Dummy =1); 0); 798 ≤ n ≤ 815 n = 119 M
(SD)
MLE
(SD)LE
U
p
η2
(1) Neuartigkeit
2.66
1.82
4.02
1.85
28834.0
.000
.058
(2) Schwierigkeit
2.10
1.33
2.83
1.41
33011.0
.000
.033
(3) Handlungsspielraum
2.52
1.69
2.83
1.72
42369.0
.034
.004
(4) Hilfe anderer Personen
2.07
1.51
2.92
1.68
32871.0
.000
.034
(5) Interessantheit
2.91
1.59
3.76
1.52
33478.5
.000
.031
(6) Unsicherheit
1.67
1.07
1.97
1.12
39057.5
.000
.009
(7) Leistungsanerkennung
2.28
1.60
2.48
1.55
43138.5
.083
.002
(8) Leistungseinschätzung
5.07
1.11
5.08
.95
45613.0
.459
.000
Hinweise:
Sechsstufige Skala: 1 = niedrigste Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung (vgl. Kapitel 5.2.3.1). Der Zusatz LE kennzeichnet die Teilstichprobe der lernförderlichen Tätigkeiten. Gruppenvergleiche auf Basis des Mann-Whitney-U-Tests für unabhängige Stichproben.
Sechs von acht Items weisen signifikante Unterschiede, aber nur vier dieser Unterschiede eine relevante (schwache) Effektstärke auf. Die als lernförderlich ausgewählten Tätigkeiten sind im Mittel neuartiger, schwieriger und interessanter. Zudem gehen sie öfter mit der Hilfe anderer Personen einher.
241
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
Mittels binärer logistischer Regression wird überprüft, welche Tätigkeitsitems zur Varianzaufklärung der Dummyvariable lernförderlichste Tätigkeit beitragen und wie hoch die Erklärungskraft dieser Prädiktoren ist (vgl. Tabelle 6-7; die zugehörigen Interkorrelationen finden sich in Tabelle 6-2). Tabelle 6-7:
Binäre logistische Regression zur Erklärung der Auswahl einer Arbeitstätigkeit als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) Modellparameter in Schritt 5 SE Wald p .301 173.670 .000
Prädiktor (Konstante)
B -3.968
Neuartigkeit
.305
.056
29.476
.000
1.357
Schwierigkeit
.257
.073
12.512
.000
1.293
Hilfe anderer Personen
.173
.063
7.561
.006
1.189
Hinweise:
Exp(B) .019
Pseudo-R2Nagelkerke =
.150 (n = 896) Hosmer-Lemeshow-Test: χ2 = 4.265, p = .749 Methode: rückwärts schrittweise auf Basis des Likelihood-Quotienten (gem. Schendera 2008, 150ff.) Exp(B), das so genannte Odds Ratio, bedeutet, dass die Auswahl der Tätigkeit im Tagesabschluss (Dummyvariable lernförderlichste Tätigkeit = 1) beim Ansteigen des Prädiktors Neuartigkeit um eine Einheit 1.357-mal wahrscheinlicher wird. Ausgeschlossene Variablen: Handlungsspielraum, Unsicherheit, Leistungsanerkennung, Leistungseinschätzung
Arbeitstätigkeiten, die in der Wahrnehmung der Auszubildenden neu und schwierig sind sowie die Hilfe anderer Personen einschließen, werden im Tagesabschluss häufiger als lernförderlichste Tätigkeiten des Tages ausgewählt. Allgemein gesprochen, betreffen die Items Aspekte der Herausforderung der Arbeitstätigkeit (vgl. Kapitel 3.3.1) sowie der Interaktionsqualität bei deren Bewältigung (vgl. Kapitel 3.3.3). Allerdings liefert das Modell eine nur geringe Varianzaufklärung (R2Nagelkerke = .150), wenngleich der Hosmer-Lemeshow-Test hier für die Güte des Gesamtmodells spricht (χ2 = 4.265, p = .749). Im Vergleich zu den als befindensförderlich identifizierten Merkmalen (vgl. Tabelle 6-5) erweist sich lediglich Neuartigkeit auch als signifikanter Prädiktor der Lernförderlichkeit. Insgesamt besitzen die im Tagebuch erhobenen Tätigkeitsitems aber nur geringe Prognosekraft hinsichtlich der Auswahl lern- und befindlichkeitsförderlicher Tätigkeiten im Tagesabschluss. Zudem überrascht die relativ geringe Überschneidung befindens- und lernförderlicher Tätigkeiten. Zwar wurde in zahlreichen Ta-
242
6 Empirische Befunde
gesabschlüssen dieselbe Tätigkeit sowohl als lernförderlichste als auch als befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit ausgewählt (Cramers V = .397, p < .001; Kontingenzkoeffizient = .369, p < .001; n = 930), doch hätte man in Anbetracht der begrenzten Auswahl täglich protokollierter Tätigkeiten (durchschnittlich etwa vier Tätigkeiten pro Tag) durchaus höhere Zusammenhänge erwarten können. Die Befunde sprechen hier nicht für die im dritten Kapitel herausgearbeitete Kongruenz der Einflussfaktoren positiver Erlebensqualität und Lernförderlichkeit. 6.2.1.5
Erleben am Arbeitsplatz in Abhängigkeit von Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr
Die Stichprobe der 62 Auszubildenden der Pilotstudie war hinsichtlich Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr geschichtet (vgl. Kapitel 5.2.1). Im Folgenden wird untersucht, inwieweit sich das durchschnittliche Erleben von Arbeitstätigkeiten in Abhängigkeit von Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr unterscheidet. Tabelle 6-8 gibt das Ergebnis der Mittelwertvergleiche hinsichtlich des Ausbildungsberufs wieder.
243
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
Tabelle 6-8:
Mittelwertunterschiede der standardisierten Tätigkeitsitems hinsichtlich Ausbildungsberuf Industriekaufleute Industriemechaniker Mechatroniker (323 (197 ≤ nIK ≤ 199) (396 ≤ nIM ≤ 403) ≤ nME ≤ 332) M
SD
M
SD
M
SD
p
η2
Eigeninitiative a
.15
.35
.09
.29
.07
.26
.020
.008
Zusammenarbeit a
.06
.23
.07
.26
.16
.37
.000
.024
Neuartigkeit b
2.69
1.85
2.51
1.79
3.32
1.89
.000
.038
Schwierigkeit b
1.99
1.07
2.30
1.54
2.18
1.28
.457
.007
Handlungsspielraum b
2.25
1.49
2.31
1.63
3.05
1.79
.000
.046
Hilfe anderer Personen b
1.92
1.29
2.04
1.59
2.51
1.63
.000
.025
Interessantheit b
3.14
1.49
2.78
1.64
3.24
1.60
.000
.017
Unsicherheit b
1.65
.90
1.83
1.25
1.60
.94
.196
.009
Leistungsanerkennung b
2.28
1.32
2.25
1.76
2.40
1.52
.020
.002
Leistungseinschätzung b
5.35
.81
4.96
1.14
5.05
1.13
.001
.019
Hinweise:
dichotome Variablen (0/1) sechsstufige Skala: 1 = niedrigste Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung H-Test nach Kruskal und Wallis. a
b
Mechatroniker nehmen im Durchschnitt größere Handlungsspielräume wahr, geben öfter an, mit neuartigen Tätigkeiten betraut zu sein, erhalten mehr Hilfe anderer Personen und berichten öfter über Zusammenarbeit mit anderen Personen. Die Effekte fallen allerdings schwach aus. Es sei aber angemerkt, dass angehende Mechatroniker auch in der retrospektiven Motivationseinschätzung (Fragebogen der Forschergruppe um Prenzel) günstigere Werte aufweisen (siehe Anhang A-1), was theoriekonform im Sinne der Selbstbestimmungstheorie der Motivation ist, da die signifikanten Prädiktoren im Sinne der Bedürfnisbefriedigung (basic needs) interpretierbar sind (vgl. Kapitel 3.3.3). Tabelle 6-9 gibt die Ergebnisse der Mittelwertvergleiche hinsichtlich des Ausbildungsjahres wieder.
244
6 Empirische Befunde
Tabelle 6-9:
Mittelwertunterschiede der standardisierten Tätigkeitsitems hinsichtlich Ausbildungsjahr (Querschnitt) 1. Ausbildungsjahr (186 ≤ nAJ=1 ≤ 187) M
SD
2. Ausbil3. Ausbil4. Ausbildungsjahr dungsjahr dungsjahr (295 ≤ nAJ=2 (275 ≤ nAJ=3 (160 ≤ nAJ=4 ≤ 299) ≤ 279) ≤ 170) M
SD
M
SD
M
SD
p
η2
Eigeninitiative a
.13
.34
.08
.27
.09
.28
.11
.31
.311
.004
Zusammenarbeit a
.01
.07
.13
.33
.15
.36
.07
.25
.000
.034
Neuartigkeit b
2.86
2.05
2.57
1.75
3.15
1.98
2.77
1.64
.014
.015
Schwierigkeit b
2.14
1.23
2.41
1.54
1.88
1.16
2.36
1.38
.000
.027
Handlungsspielraum b
2.68
2.01
2.00
1.36
2.89
1.63
2.87
1.76
.000
.053
Hilfe anderer Personen b
2.04
1.39
2.19
1.60
2.06
1.46
2.52
1.79
.069
.012
Interessantheit b
2.83
1.65
2.59
1.42
3.47
1.53
3.25
1.75
.000
.054
Unsicherheit b
1.75
1.02
1.87
1.32
1.48
.83
1.77
.98
.001
.022
Leistungsanerkennung b
2.01
1.26
1.90
1.30
3.10
1.84
2.06
1.49
.000
.106
Leistungseinschätzung b
4.58
1.42
5.13
.99
5.32
.76
5.13
1.11
.000
.059
Hinweise:
dichotome Variablen (0/1) sechsstufige Skala: 1 = niedrigste Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung H-Test nach Kruskal und Wallis. a
b
Im Querschnittsvergleich der Ausbildungsjahrgänge zeigen sich einige Unterschiede schwacher bis mittlerer Effektstärken. Auszubildende im dritten Ausbildungsjahr geben an, eine größere Leistungsanerkennung zu erfahren. Die durchschnittliche Einschätzung der eigenen Leistungsgüte ist bei Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr geringer. Das Interesse an den Arbeitstätigkeiten sowie die wahrgenommenen Handlungsspielräume sind in der zweiten Hälfte der Ausbildung höher. Hier sei ergänzend auf die Mittelwertvergleiche bezüglich der Angaben im Motivationsfragebogen der Forschergruppe nach Prenzel verwiesen (siehe Anhang A-1). Selbstbestimmte Motivationsarten sowie die Befriedigung der basic needs steigen vom zweiten zum dritten
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
245
Ausbildungsjahr deutlich an (hohe Effektstärken). Die Befunde auf Tätigkeitsebene (Tagebuch) und die Befunde auf Personenebene (Fragebögen) weisen hier folglich deutliche Gemeinsamkeiten auf. Weiteren ebenenübergreifenden Zusammenhängen widmet sich das folgende Kapitel. 6.2.2
Zusammenhänge zwischen Tätigkeitsebene (Tagebuchdaten) und Personenebene (Standardfragebögen)
Untersuchungsdesigns zur Erforschung von Arbeits- und Ausbildungssituationen stützen sich zumeist auf retrospektive Selbstauskünfte mittels standardisierter Fragebogeninstrumente (vgl. Kapitel 4.1). Prozessnahe Erhebungsformen wie die Tagebuch-Methodik finden nur selten Anwendung. Da in der vorliegenden Pilotstudie (wie auch in der Tagebuchstudie bei angehenden Einzelhandelskaufleuten in der Telekommunikationsbranche) sowohl Tagebücher als auch Standardfragebögen administriert wurden, stellt sich die Frage nach systematischen Zusammenhänge zwischen den auf verschiedenen Ebenen (Tätigkeits- vs. Personenebene) erhobenen Daten. Die Datenstruktur zeigt hierbei die Verwendung statistischer Verfahren der Mehrebenenanalyse an, da Tätigkeiten (1. Ebene) in Personen (2. Ebene) genestet sind. Aufgrund fehlender Stichprobeneignung wird im Folgenden ein anderer Weg gewählt. Die Tagebuchdaten werden zunächst auf Personenebene verdichtet, indem Mittelwerte der Tätigkeitsitems über alle von einem Auszubildenden protokollierten Tätigkeiten hinweg gebildet wurden. Tabelle 6-10 zeigt Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsitems.
246 Tabelle 6-10:
6 Empirische Befunde
Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsitems M
SD
(1) Neuartigkeit
2.86
.92
(2) Schwierigkeit
2.10
.72
.08
2.77
1.08
.31*
.11
2.31
.87
.36**
.16
.41**
3.05
.90
.50**
.07
.48**
1.69
.58
.05
.82** -.06
.05
-.03
2.16
.97
.53**
.01
.16
.55**
-.06
4.98
.72
.12
-.37** -.01
-.10
.25
-.50**
(3) Handlungsspielraum (4) Hilfe durch andere (5) Interessantheit (6) Unsicherheit (7) Leistungsanerkennung (8) Leistungseinschätzung Hinweise:
1
2
3
.43**
4
5
6
7
.24
.22
n = 62 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Vergleicht man die auf Personenebene aggregierten mit den nicht aggregierten Tagebuchdaten auf Tätigkeitsebene (vgl. Tabelle 6-2 in Kapitel 6.2.1.1), so fällt auf, dass sich die Mittelwerte leicht verschoben haben und insbesondere die Standardabweichungen deutlich gesunken sind. Dies ist nicht verwunderlich, da intraindividuelle Tätigkeits- und Wahrnehmungsvariationen mit der Aggregation auf einen Mittelwert verdichtet wurden. Entsprechend haben sich auch die Interkorrelationen der Tätigkeitsitems verändert, zumal die Zusammenhänge auf Tätigkeitsebene mittels Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman ermittelt wurden, weil keine Normalverteilung gegeben war, während die hier dargestellten aggregierten Werte normal verteilt sind und Zusammenhänge dementsprechend mittels Produkt-MomentKorrelation nach Pearson ermittelt wurden. Die folgenden Teilkapitel zeigen die empirischen Zusammenhänge zwischen den aggregierten Tätigkeitsitems und den Skalen der Eingangs- und Ausgangserhebung.
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
6.2.2.1
247
Erleben am Arbeitsplatz und retrospektive Einschätzung der Ausbildungssituation
In der Ausgangserhebung wurden die Auszubildenden gebeten, ihre retrospektiven Einschätzungen auf die vergangene Woche, d. h. auf die Prozesserhebungsphase zu beziehen. Die Tagebuch-Methodik und der eingesetzte Fragebogen zur retrospektiven Einschätzung der Ausbildungssituation (vgl. Kapitel 5.2.2.3) zielen somit auf die Erfassung gleicher Tatbestände, so dass Zusammenhänge zu erwarten sind. Auf den ersten Blick spricht das Design für eine Kausalinterpretation der Zusammenhänge, wonach das Erleben im Prozess die retrospektive bilanzierende Einschätzung erklärt. Ebenso ist allerdings denkbar, dass sich in der retrospektiven Einschätzung eher eine allgemeine Arbeitszufriedenheit (als mittelfristig stabile Einstellung zur Arbeitssituation) widerspiegelt, die schon vor der Prozesserhebungsphase gegeben war. Eine solche Einstellungskomponente könnte wiederum als Einflussgröße auf das tägliche Erleben im Rahmen der Tagebuchphase gewirkt haben. Die Kausalität kann somit nicht eindeutig geklärt werden.173 Tabelle 6-11 zeigt die Zusammenhänge zwischen den aggregierten Tätigkeitsitems (vgl. Kapitel 6.2.2) und den Skalen zum betrieblichen Lernumfeld und dem betrieblichen Lernarrangement.
173 In der Hauptstudie wurden daher einige der Standardfragebögen schon in der Eingangserhebung eingesetzt, um Veränderungen (Deltas) zwischen Eingangs- und Ausgangserhebung zu errechnen und diese auf Zusammenhänge mit den aggregierten Prozessdaten hin zu überprüfen. Hier liegt eine Kausalinterpretation näher.
248
Tabelle 6-11:
6 Empirische Befunde
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung des betrieblichen Lernumfeldes und Lernarrangements Betriebliches Lernumfeld
Betriebliches Lernarrangement TransparenzförEinbindung in die dernde MaßnahExpertenkultur men
Arbeitsklimaa
Soziale Einbindunga
(1) Neuartigkeit
.34**
.14
.06
-.01
(2) Schwierigkeit
.11
.06
-.05
.08
.06
.02
-.01
-.01
.16
.15
-.22
-.06
.17
.02
-.02
-.05
.08
.06
-.02
.14
.41**
.31*
.33**
.31*
.12
-.04
.24
.00
(3) Handlungsspielraum (4) Hilfe durch andere (5) Interessantheit (6) Unsicherheit (7) Leistungsanerkennung (8) Leistungseinschätzung Hinweise:
n = 62; a Spearman Rangkorrelation aufgrund nicht gegebener Normalverteilung. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Es zeigen sich insbesondere Zusammenhänge zwischen der Anerkennung der Leistung im Prozess der Arbeit und der retrospektiven Einschätzung verschiedener Aspekte. Die Erfahrung positiver Rückmeldungen im Arbeitsprozess geht mit einer generell positiven Einschätzung des Lernumfelds und des Lernarrangements einher. Darüber hinaus ist lediglich noch ein weiterer signifikanter Zusammenhang zwischen der aggregierten Neuartigkeit der Tätigkeiten und dem Arbeitsklima festzustellen. Tabelle 6-12 zeigt die Zusammenhänge zwischen den aggregierten Tätigkeitsitems aus der Prozesserhebung und den retrospektiv beurteilten Tätigkeitsmerkmalen. Aufgrund der inhaltlichen Nähe erschienen gerade hier zahlreiche Zusammenhänge plausibel.
249
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
Tabelle 6-12:
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Merkmale betrieblicher Lernaufgaben Komplexität
Vielfalt
Gestaltungsmöglichkeiten
Anforderungspassung
Bedeutsamkeit
(1) Neuartigkeit
-.03
.21
.06
.00
.13
(2) Schwierigkeit
.24
.15
-.12
.18
-.05
(3) Handlungsspielraum (4) Hilfe durch andere (5) Interessantheit
.12
.24
.37**
.02
.04
-.06
.04
-.05
.03
-.05
.19
.25
.26*
.10
.16
(6) Unsicherheit
.19
.13
-.14
.17
-.05
.30*
.36**
.38**
.08
.33**
.15
.17
.03
-.18
.33**
(7) Leistungsanerkennung (8) Leistungseinschätzung Hinweise:
n = 62 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Erwartungskonform ist der gefundene Zusammenhang zwischen dem aggregierten Handlungsspielraum und den retrospektiv einschätzten Gestaltungsmöglichkeiten. Zu erwartende Zusammenhänge zwischen Neuartigkeit und Vielfalt, Schwierigkeit und Komplexität oder Interessantheit und Bedeutsamkeit erweisen sich indes nicht als signifikant. Insgesamt weisen die prozessnahe Erhebung von Arbeitsmerkmalen und die retrospektive Einschätzung überraschend wenige Zusammenhänge auf. Offensichtlich werden durch die verschiedenen Instrumente unterschiedliche Konstrukte erfasst. Geht man davon aus, dass die aggregierten Prozessdaten ein genaueres Bild der täglichen Arbeit liefern als die retrospektive Einschätzung mittels Fragebogen, so ist die Validität der retrospektiven Erfassung durchaus anzuzweifeln. Aufgrund der geringen Anzahl signifikanter Zusammenhänge muss mit Blick auf die gefundenen Zusammenhänge zudem die Gefahr einer Alpha-Fehler-Inflation174 in Betracht gezogen werden. 174 Alpha-Fehler-Inflation heißt, dass bei k Signifikanztests die Gefahr, einen Fehler 1. Art (ein ungerechtfertigtes Zurückweisen der Nullhypothese) zu begehen, nicht dem nominell gewählten Signifi-
250
6 Empirische Befunde
Dagegen zeigen sich erneut zahlreiche Zusammenhänge mit dem Tätigkeitsitem Leistungsanerkennung. Das Ausmaß expliziter Leistungsanerkennung im Arbeitsprozess geht mit den rückblickend eingeschätzten Tätigkeitsmerkmalen Gestaltungsmöglichkeit, Vielfalt, Bedeutsamkeit und Komplexität einher. Sollte dieses Item ein Indikator für die tatsächliche oder von ausbildenden Fachkräften attribuierte Leistung sein, so könnten die Zusammenhänge dahingehend interpretiert werden, dass (a) leistungsstärkere Auszubildende sich aktiv günstigere Ausbildungsbedingungen erarbeiten (bspw. durch Selbstwahl attraktiverer Tätigkeiten) oder (b) die seitens des Ausbildungspersonals als leistungsstärker wahrgenommenen Auszubildenden günstigere Ausbildungsbedingungen erhalten. Die Analyse der in Eigeninitiative übernommenen Tätigkeiten in Kapitel 6.2.1.2 spricht allerdings nicht für eine aktive Beeinflussung der Ausbildungsbedingungen im Sinne der Erklärungsvariante (a). Wenn also leistungsstärkeren Auszubildenden ein förderlicheres Umfeld geboten wird, scheint dies einerseits eine „gerechte Belohnung“ zu sein, befördert aber andererseits einen „Schereneffekt“ (bzw. „Matthäus-Effekt“; vgl. Kapitel 3.4.2), durch den leistungsschwächere Auszubildende weiter abgehängt werden. Diese Interpretation kann an dieser Stelle jedoch lediglich im Sinne einer Hypothese für weitere Forschungsarbeiten festgehalten werden. 6.2.2.2
Erleben am Arbeitsplatz und retrospektive Einschätzung der Motivation und Motivationsbedingungen
Wie in Abbildung 3-10 in Kapitel 3.3.3 verdeutlicht, werden den Tätigkeitsmerkmalen und der Interaktionsqualität am Arbeitsplatz bedeutsame Einflüsse auf die Befriedigung der basic needs zugeschrieben, welche wiederum mit positiven Erlebensqualitäten einhergehen und als Grundlage für die Entstehung selbstbestimmter Motivationsarten betrachtet werden. Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsmerkmalen und retrospektiven Einschätzungen im Motivationsfragebogen der Forschergruppe um Prenzel wären daher erwartungskonform. Tabelle 6-13 gibt die Zusammenhänge der Tagebuchdaten mit der als motivationsförderlich betrachteten Bedürfnisbefriedigung und den begleitenden Empfindungen wieder.
kanzniveau α = .05, sondern 1 - (1 - α)k entspricht (Rost 2005, 177). Das heißt, die tatsächliche Wahrscheinlichkeit bei 40 Korrelationsanalysen einen beliebigen „signifikanten“ Zusammenhang zu finden, beträgt 87 %. Selbst bei einem nominellen Signifikanzniveau von α = .01 beträgt das tatsächliche Signifikanzniveau bei 40 Korrelationsanalysen immer noch .33, d. h. es besteht eine 33 %ige Wahrscheinlichkeit für einen Fehler 1. Art.
251
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
Tabelle 6-13:
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Bedürfnisbefriedigung und begleitender Empfindungen Bedürfnisbefriedigung
begleitende Empfindungen
Soziale Eingebundenheit
Kompetenzerleben
Autonomieerleben
Negative Empfindungen
Positive Empfindungen
Empfundene Wichtigkeit
(1) Neuartigkeit
.06
.24
.20
-.31*
.25
.14
(2) Schwierigkeit
-.03
.16
-.08
.49**
-.06
.05
.04
.14
.35**
-.16
.28*
.25*
.02
-.00
-.02
-.08
.02
-.03
.14
.12
.28*
-.21
.37**
.26*
-.09
.13
-.14
.51**
-.21
-.08
.43**
.47**
.38**
-.45**
.36**
.28*
.11
-.01
.09
-.40**
.30*
.24
(3) Handlungsspielraum (4) Hilfe durch andere (5) Interessantheit (6) Unsicherheit (7) Leistungsanerkennung (8) Leistungseinschätzung Hinweise:
n = 62 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Erwartungskonform korrelieren die prozessnahe Beurteilung des Handlungsspielraums und die retrospektive Bilanzierung des Autonomieerlebens. Ebenso gut interpretierbar sind der positive Zusammenhang zwischen situationalem Interesse und positiven Empfindungen sowie der negative Zusammenhang zwischen der eigenen Leistungseinschätzung am Arbeitsplatz und die retrospektiv beurteilten Empfindungen. Wie schon im vorangegangen Kapitel verweisen die Ergebnisse aber auf eine Sonderstellung des Tätigkeitsitems Leistungsanerkennung, das durchgängig signifikante Zusammenhänge mit den retrospektiven Einschätzungen aufweist. Auszubildende, die ein höheres Maß an expliziter Leistungsanerkennung im Arbeitsprozess erfahren, berichten retrospektiv über eine höhere Bedürfnisbefriedigung, über weniger negative und mehr positive Empfindungen sowie über eine höhere empfundene Wichtigkeit der Arbeitstätigkeiten. Hier könnte der in Kapitel 6.2.2.1 skizzierte Einfluss des Ausbildungspersonals wieder
252
6 Empirische Befunde
eine Rolle spielen. Zudem fällt auf, dass erlebte Schwierigkeiten und Unsicherheiten die retrospektiv beurteilte Bedürfnisbefriedigung nicht beeinträchtigen, aber beachtliche Zusammenhänge mit der Bilanzierung negativer Empfindungen aufweisen. Diese Einseitigkeit überrascht, da Schwierigkeit und Unsicherheit bei den Analysen auf Tätigkeitsebene auch als Prädiktoren der Interessens- und Befindensförderlichkeit von Arbeitstätigkeiten identifiziert wurden (vgl. Kapitel 6.2.1.3). Weitere erwartbare Zusammenhänge, wie die zwischen Hilfe anderer und sozialer Eingebundenheit oder Neuartigkeit und Autonomieerleben finden keine Bestätigung in den Daten. Die Zusammenhänge legen eine Kausalinterpretation nahe, wonach das kumulierte Prozesserleben die retrospektive Bilanzierung der Bedürfnisbefriedigung und der Erlebensqualitäten bestimmt. Andererseits ist aber – wie bereits in Kapitel 6.2.2.1 erläutert – auch denkbar, dass sich in der retrospektiven Einschätzung eher eine allgemeine Arbeitszufriedenheit (als mittelfristig stabile Einstellung zur Arbeitssituation) widerspiegelt, die schon vor der Prozesserhebungsphase gegeben war. Eine solche Einstellungskomponente könnte wiederum als Einflussgröße auf das tägliche Erleben im Rahmen der Tagebuchphase gewirkt haben. Es bleibt also bspw. unklar, ob mehr Anerkennung zu höherer Motivation führt oder ob die längerfristig höhere Motivation zu besserer Leistung und diese wiederum zu mehr Anerkennung führt. Beide Wirkrichtungen scheinen plausibel und schließen einander nicht aus. Tabelle 6-14 gibt die Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiven Einschätzungen der Motivationsausprägungen wieder.
253
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
Tabelle 6-14:
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Motivationsausprägung amotivierta extrinsischa introjiziert identifiziert
intrinsisch interessiert
(1) Neuartigkeit
-.16
-.25*
.05
.18
.14
.18
(2) Schwierigkeit
.29*
.31*
-.33**
-.22
-.26*
-.23
.02
-.05
.04
.16
.14
.05
.10
.09
-.11
.03
.05
-.09
-.10
-.06
.15
.24
.16
.23
.22
.37**
-.31*
-.21
-.38**
-.28*
-.17
-.24
.15
.25*
.26*
.29*
-.30*
-.33**
.38**
.38**
.26*
.35**
(3) Handlungsspielraum (4) Hilfe durch andere (5) Interessantheit (6) Unsicherheit (7) Leistungsanerkennung (8) Leistungseinschätzung Hinweise:
n = 62; a Spearman Rangkorrelation aufgrund nicht gegebener Normalverteilung. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Aus Tabelle 6-14 wird ersichtlich, dass erlebte Schwierigkeiten und damit verbundene Unsicherheiten negativ mit den als günstig betrachteten Motivationsarten zusammenhängen und positive Korrelationen mit den als ungünstig betrachteten Motivationsarten aufweisen. Die ausbleibenden Zusammenhänge zwischen dem aggregierten Erleben von Interesse während der Tätigkeit und der retrospektiven Einschätzung der Motivation überraschen, da gerade diese Konstrukte eine große theoretische Nähe aufweisen. Die aggregierte Anerkennung durch andere Personen weist Korrelationen mit den selbstbestimmten Motivationsarten auf. Angesichts der gefundenen Zusammenhänge mit der Bedürfnisbefriedigung (vgl. Tabelle 6-13) überrascht dies nicht, da die Skalen innerhalb des Motivationsfragebogens nicht unabhängig voneinander sind, sondern ihrerseits gemeinsame Varianz aufweisen (vgl. Anhang A-2), was im Sinne der Selbstbestimmungstheorie der Motivation auch durchaus erwartungskonform ist. Umso mehr überraschen dann aber die teils hoch signifikanten Zusammenhänge zwischen der eigenen Leistungseinschätzung und den Motivationsarten, da die Leistungseinschätzung keine Zusammenhänge mit der Bedürfnisbefriedigung aufweist
254
6 Empirische Befunde
(vgl. Tabelle 6-13). Während sich die Fragebogenitems zur Erfassung der Bedürfnisbefriedigung auf Umgebungseinflüsse (wie bspw. Feedback) beziehen, erfassen die Fragebogenitems zu den Motivationsarten die Beweggründe des eigenen Handelns (vgl. Kapitel 5.2.2.2). Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass das Tätigkeitsitem eigene Leistungseinschätzung eher die eigene Anstrengung als die tatsächliche eigene Leistung erfasst. Dies ist durchaus plausibel, da es Auszubildenden aufgrund mangelnder Erfahrung nur schwer möglich ist, die eigene Leistung objektiv zu beurteilen (vgl. Kapitel 3.4.2 und Kapitel 5.3.1.1), und sie daher bei Beantwortung des Tätigkeitsitems (vermutlich unbewusst) ihre persönliche Anstrengung bei einer Tätigkeit als Schätzgröße für die Qualität der Tätigkeitsdurchführung angaben. Der auffällig geringe Zusammenhang zwischen externer Leistungsanerkennung und eigener Leistungseinschätzung auf Tätigkeitsebenen (r = .13; vgl. Tabelle 6-2) macht jedoch deutlich, dass Anstrengung kein Garant für Erfolg ist und verdeutlicht eindringlich die Bedeutung von Rückmeldungen für den Aufbau einer Orientierungsund Verhaltenssicherheit. Alles in allem finden sich zwischen den auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsitems der Tagebucherhebung und den mittels Fragebogen erhobenen Skalen zur Erfassung der Bedürfnisbefriedigung, begleitender Empfindungen sowie der Motivationsausprägungen zahlreiche gut interpretierbare Zusammenhänge. Die Kausalität bleibt indes offen, da beide Wirkrichtungen wie auch Wechselwirkungen plausibel erscheinen. 6.2.2.3
Individuelle Dispositionen und Erleben am Arbeitsplatz
Zusammenhänge zwischen den in der Eingangserhebung erfassten Persönlichkeitseigenschaften (vgl. Kapitel 5.2.2.1) legen eine Kausalinterpretation näher als dies bei den Einschätzungen zur Ausbildungssituation und motivationalen Lage der Fall ist, da Persönlichkeitseigenschaften als stabiler zu betrachten sind. Sie wirken auf die mittels Tagebuch erfassten Prozesse entweder in Form unterschiedlicher Wahrnehmungen objektiv gleicher Tätigkeiten und/oder sie bewirken objektiv unterschiedliche Tätigkeiten (bspw. über das differenzierende Handeln des Ausbildungspersonals). In beiden Fällen ist die Wirkrichtung aktualgenetisch (Persönlichkeitseigenschaften Tätigkeiten). Eine umgekehrte Wirkungsrichtung (Tätigkeiten Persönlichkeitseigenschaften) ist in Form langfristiger Sozialisationsprozesse denkbar, so dass bestehende Persönlichkeitsunterschiede partiell auf vorangegangene Unterschiede in den Ausbildungsbedingungen zurückführbar sein könnten (Ontogenese). Allerdings können die im Rahmen der Tagebuchphase erfassten Prozesse schon aufgrund des Untersuchungsdesigns nicht auf die in der Eingangserhebung erfassten Persönlichkeitseigenschaften zurückwirken. Tabelle 6-15 zeigt Zusam-
255
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
menhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und den mittels Standardfragebögen erfassten Persönlichkeitseigenschaften. Tabelle 6-15:
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und Persönlichkeitseigenschaften Selbstwirksamkeitserwartung
Neurotizismus
Extraversion
Offenheit für neue Erfahrungen
Verträglichkeit
Gewissenhaftigkeit
(1) Neuartigkeit
-.03
-.03
-.04
.08
-.12
.03
(2) Schwierigkeit
.12
.03
.21
.19
-.03
-.09
(3) Handlungsspielraum (4) Hilfe durch andere (5) Interessantheit
-.11
.02
-.21
-.16
-.13
-.22
-.09
-.13
-.24
-.11
-.04
-.14
.00
.05
.02
-.02
-.03
.10
(6) Unsicherheit
.05
.05
.27*
.20
-.08
-.07
.32*
-.28*
.10
.05
.14
.24
-.04
.12
.20
-.02
.12
.11
(7) Leistungsanerkennung (8) Leistungseinschätzung Hinweise:
n = 62 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Insgesamt fällt auf, dass es kaum signifikante Zusammenhänge zwischen den auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsmerkmalen aus dem Tagebuch und den eingangs erhobenen Persönlichkeitseigenschaften gibt. Überraschend sind bspw. die fehlenden Zusammenhänge zwischen Neurotizismus und dem aggregierten Unsicherheitserleben, das ein Definitionsmerkmal von Neurotizismus ist. Dagegen ist Extraversion – von einigen Autoren synonym mit positiver Affektivität benutzt (vgl. Kapitel 2.2.1.3) – positiv mit dem aggregierten Unsicherheitserleben korreliert. Hier hätte man eher negative Zusammenhänge erwartet und positive Zusammenhänge zwischen Extraversion und Erlebensaspekten wie dem situationalen Interesse. Interessant sind dagegen die Zusammenhänge mit der situationsnahen Leistungsanerkennung. Hoch ausgeprägte Selbstwirksamkeitserwartung, d. h. ein Zutrauen in die eigenen Problemlö-
256
6 Empirische Befunde
sefähigkeiten, geht mit der expliziten Anerkennung der Leistung am Arbeitsplatz einher. Umgekehrt gehen hohe Neurotizismuswerte mit geringerer Leistungsanerkennung einher. Auffällig ist, dass beide Persönlichkeitsmerkmale nicht mit der Selbsteinschätzung der Leistung zusammenhängen. Ebenso sagen die Zusammenhänge aus, dass Auszubildende mit geringerer Selbstwirksamkeitserwartung und höheren Neurotizismuswerten weniger Anerkennung erfahren, aber – trotz ihres eher negativen Selbstbildes – ihre konkreten Leistungen (bzw. ihre Anstrengung; vgl. Kapitel 6.2.2.2) selbst nicht schlechter einschätzen. Dies stützt den bereits weiter oben vermuteten Einfluss des Ausbildungspersonals: Salopp formuliert, werden selbstsichere Blender eher gelobt als unsicher wirkende Auszubildende und erhalten förderlichere Ausbildungsbedingungen. Wenngleich mehrere Befunde im Rahmen der Pilotstudie in diese Richtung interpretierbar sind, kann in Anbetracht der Datenlage und möglicher alternativer Deutungen lediglich von einer Arbeitshypothese gesprochen werden. Zudem muss hier mit Blick auf die wenigen signifikanten Zusammenhänge auch auf die Gefahr einer Alpha-Fehler-Inflation verwiesen werden. 6.2.3
Zentrale Befunde der Pilotstudie
Die Pilotstudie mit Auszubildenden eines Unternehmens der Automobilzuliefererbranche fokussierte in erster Linie auf das emotional-motivationale Erleben der Auszubildenden. Aus forschungsmethodischer Perspektive wurde zudem das Ziel verfolgt, Erfahrungen mit dem Erhebungsinstrument Arbeitstagebuch zu sammeln. Bei Auswertungen können hierbei grundsätzlich zwei Ebenen – die Ebene der Tätigkeiten (Tagebuch) und die Personenebene (Fragebögen) – unterschieden werden. Zunächst wurden Befunde auf Tätigkeitsebene dargestellt, die im Folgenden unter Ziffer (1) zusammengefasst sind. Ebenenübergreifende Analysen wurden ermöglicht, indem die Tätigkeitsitems aller von einer Person erfassten Tätigkeiten durch Mittelwertbildung aggregiert wurden. Die zentralen Befunde werden im Folgenden unter Ziffer (2) dargestellt. Analysen, die sich ausschließlich auf die Personenebene, d. h. auf Daten der standardisierten Fragebogeninstrumente stützen, finden sich im Anhang der Arbeit. Zentrale Befunde dieser Analysen werden im Folgenden unter Ziffer (3) skizziert. (1) Befunde auf Tätigkeitsebene (Tagebuchdaten) • Die Tätigkeitsitems des teilstandardisierten Tagebuchs weisen für die Merkmale Neuartigkeit, Schwierigkeit, Handlungsspielraum, Hilfe anderer Personen und Interessantheit Mittelwerte auf, die zum Teil deutlich unter dem theoretischen Skalenmittel liegen. Äußerst gering fällt der Mittelwert für erlebte Unsicherheit während der Arbeitstätigkeiten aus. Zudem erfolgt relativ selten eine explizite Leistungsan-
6.2 Befunde der Pilotstudie zum Erleben am Arbeitsplatz
• • •
• •
257
erkennung durch andere Personen, während die Selbsteinschätzung der eigenen Leistung durch die Auszubildenden im Durchschnitt sehr positiv ist. Die Befunde lassen darauf schließen, dass Auszubildende überwiegend mit bereits routinisierten Tätigkeiten betraut sind. Gleichwohl zeigen die hohen Standardabweichungen, dass sich die Arbeitstätigkeiten hinsichtlich der gewählten Items deutlich unterscheiden (vgl. Kapitel 6.2.1.1). Während Routinetätigkeiten öfter in Eigeninitiative übernommen werden, zeichnen sich kooperativ ausgeführte Arbeitstätigkeiten durch höhere Ausprägungen lernförderlicher Merkmale aus (vgl. Kapitel 6.2.1.2). Als lernförderliche Merkmale erweisen sich in der Wahrnehmung der Auszubildenden Neuartigkeit, Schwierigkeit, Hilfe anderer Personen und Interessantheit (vgl. Kapitel 6.2.1.4). Die Neuartigkeit einer Arbeitstätigkeit ist neben dem erlebten Handlungsspielraum, der Leistungsanerkennung durch Kollegen, der Schwierigkeit der Tätigkeit sowie deren eigeninitiativer Übernahme auch der wichtigste Prädiktor für das situationale Interesse (Interessantheit) an der Arbeitstätigkeit. Die Auswahl einer Tätigkeit als befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit des Tages im Rahmen des Tagesrückblicks kann anhand der Tätigkeitsitems dagegen kaum vorhergesagt werden (vgl. Kapitel 6.2.1.3). Mittelwertvergleiche hinsichtlich Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr fördern nur wenige signifikante Unterschiede mit schwacher Effektstärke zutage (vgl. Kapitel 6.2.1.5). Rückblickend erwies sich die Heterogenität der in der Stichprobe betrachteten Arbeitsplätze in Verbindung mit der eher geringen Kontextsensitivität des Tagebuchs als größtes Problem der Pilotstudie und wichtige Erfahrung in der Anwendung der Tagebuch-Methodik. So war in der Pilotstudie aufgrund der zu undetaillierten offenen Beschreibungen der jeweiligen Tätigkeiten keine Bildung formaler Tätigkeitskategorien möglich.
(2) Zusammenhänge zwischen den auf Personenebene aggregierten Tagebuchdaten und standardisierten Fragebogeninstrumenten • Es zeigen sich nur wenige Zusammenhänge zwischen den auf Personenebene aggregierten Tagebuchitems und den Skalen des Mannheimer Inventars zur Erfassung betrieblicher Ausbildungssituationen (MIZEBA). Obwohl hier teilweise auf die gleichen theoretischen Konstrukte abgezielt wird, erfassen prozessnahe Erhebungen mittels Tagebuch-Methodik und retrospektive Erhebungen mittels Fragebogen offensichtlich unterschiedliche Konstrukte. Plausible Zusammenhänge wie der zwischen dem Tagebuchitem Handlungsspielraum und der Skala Gestaltungsmöglichkeiten bilden die Ausnahme und bleiben durchgehend auf schwachem Effektniveau (vgl. Kapitel 6.2.2.1). Dies verdeutlicht m. E. den Zusatz-
258
6 Empirische Befunde
nutzen prozessnaher Datenerhebungen im Vergleich zu ausschließlich retrospektiven Einschätzungen mittels Fragebogen, deren Validität zumindest in der vorliegenden Studie kritisch hinterfragt werden muss. • Zusammenhänge zwischen Tagebuchdaten einerseits und retrospektiv eingeschätzter Bedürfnisbefriedigung sowie begleitender Empfindungen andererseits weisen bis zu mittlere Effektstärken auf und sind gut interpretierbar: Ein durchschnittlich höheres Erleben von Handlungsspielräumen in den Arbeitstätigkeiten geht mit einer höheren Einschätzung des Autonomieerlebens einher. Das Erleben von Schwierigkeiten und Unsicherheiten hängt mit dem Ausmaß rückblickend eingeschätzter negativer Empfindungen zusammen. Situationales Interesse hängt dagegen mit positiven Empfindungen zusammen etc. Ähnlich gut interpretierbare, wenngleich schwächere Zusammenhänge finden sich zwischen aggregierten Tagebuchdaten und der retrospektiven Selbsteinschätzung der Motivationsarten (amotiviert bis interessiert) (vgl. Kapitel 6.2.2.2). • Dagegen finden sich kaum Zusammenhänge zwischen den in der Eingangserhebung erfassten Persönlichkeitseigenschaften (Selbstwirksamkeitserwartung, Big Five) und den auf Personenebene aggregierten Tagebuchdaten (vgl. Kapitel 6.2.2.3). Dieser Befund überrascht, da insbesondere Zusammenhänge zwischen Neurotizismus und Extraversion einerseits und erlebensbezogenen Tätigkeitsitems (Interessantheit und Unsicherheit) andererseits zu erwarten waren. (3) Motivationale Lage der Auszubildenden (Benchmark-Daten und Zusammenhänge auf Ebene der Standarderhebungsinstrumente)175 • Die Motivationsausprägungen erweisen sich sowohl hinsichtlich des Ausbildungsberufs als auch hinsichtlich des Ausbildungsjahres als relativ homogen. Amotivation und extrinsische Motivation sind am geringsten ausgeprägt, die hinsichtlich des Selbstbestimmungsgrades in der Mitte des Kontinuums verorteten Motivationsarten introjiziert und identifiziert sind am höchsten ausgeprägt und die selbstbestimmten Motivationsarten intrinsisch und interessiert nehmen eine mittlere Ausprägung ein. • Die Gruppe der Mechatroniker weist im Vergleich günstigere und die Gruppe der Industriemechaniker ungünstigere Motivationswerte auf. Die Effekte sind im Durchschnitt mittelstark ausgeprägt, wenngleich nicht alle Unterschiede als signifikant ausgewiesen werden. • Der Querschnittsvergleich nach Ausbildungsjahren zeigt, dass die Motivation der Auszubildenden im zweiten Ausbildungsjahr etwas niedriger und die im dritten Ausbildungsjahr etwas höher ist als die Motivation im ersten Jahr. Es 175 Die detaillierten Analysen auf Ebene der Standardinstrumente wurden aus Platzgründen nicht dargestellt und finden sich stattdessen im Anhang. Der Anhang steht auf den Internetseiten des Verlags zur Verfügung.
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
259
zeigt sich also ein u-förmiger Verlauf. Die Effekte sind mittelstark bis stark ausgeprägt und weisen zahlreiche Signifikanzen auf. • Die Befriedigung der Basisbedürfnisse nach sozialer Eingebundenheit, Kompetenzund Autonomieerleben sowie die begleitenden Empfindungen weisen ähnliche Muster auf, die jedoch schwächer ausgeprägt sind. Die Zusammenhänge zu den Motivationsausprägungen sind erwartungskonform im Sinne der Selbstbestimmungstheorie der Motivation. • Die retrospektiv eingeschätzten Aufgabenmerkmale Vielfalt, Bedeutsamkeit und Komplexität steigen bis zum dritten Ausbildungsjahr an. Komplexität nimmt auch im vierten Ausbildungsjahr weiter zu. An mehreren Stellen legen die Ergebnisse die Vermutung nahe, dass Persönlichkeitseigenschaften einen Einfluss auf die Ausbildungssituation haben, der über das didaktische Handeln des Ausbildungspersonals mediiert ist: So sind die Befunde dahingehend interpretierbar, dass selbstsicher wirkende Auszubildende (höhere Selbstwirksamkeitserwartung) stärker eingebunden werden, emotional weniger stabile Auszubildende (höhere Neurotizismuswerte) dagegen weniger Einbindung erfahren, extrovertiert auftretenden Auszubildenden komplexere Aufgaben bearbeiten etc. Einerseits erscheint es plausibel, dass sich extrovertierte Auszubildende aktiv um komplexere Aufgaben bemühen. Andererseits sprechen unterschiedliche Ausbildungsbedingungen auch für das Wirksamwerden impliziter Persönlichkeitstheorien seitens des Ausbildungspersonals. Wenn – wie in Kapitel 3.3.3 dargestellt – die Interaktionsqualität am Arbeitsplatz eine Schlüsselgröße für die Förderung von Lernprozessen ist, dann geht mit der inneren Differenzierung durch das Ausbildungspersonal die Gefahr von Pygmalion-Effekten einher (vgl. Kapitel 3.4.2). Eine Generalisierbarkeit der Befunde soll an dieser Stelle nicht unterstellt werden. Sie dienen als Hypothesen und Vergleichsgrundlage für die im Folgenden beschriebene Tagebuchstudie mit Einzelhandelsauszubildenden in der Telekommunikationsbranche. 6.3
Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
Spezifika der Hauptstudie im Vergleich zur Pilotstudie wurden in Kapitel 5.3 ausführlich dargelegt. Der wichtigste Unterschied liegt in der deutlich homogeneren Stichprobe: Alle Auszubildenden waren im ersten Ausbildungsjahr zum/r Einzelhandelskaufmann/frau und im Unternehmen vergleichbaren Arbeitsbedingungen (Filialeinsatz) ausgesetzt. Diese Homogenität innerhalb der Stichprobe erlaubte eine stärkere Kontextsensitivität des Tagebuchs, die sich insbesondere in der Vorgabe einer Auswahlliste von Tätigkeitstypen zeigt.
260
6 Empirische Befunde
Um eine allgemeine Einordnung der motivationalen Lage der angehenden Einzelhandelskaufleute zu ermöglichen, erfolgt in Kapitel 6.3.1 zunächst ein Vergleich mit den Auszubildenden der Pilotstudie anhand der Selbstauskünfte aus dem Motivationsfragebogen nach Prenzel (vgl. Kapitel 5.3.3.2). Kapitel 6.3.2 befasst sich mit der Frage nach Tätigkeitsschwerpunkten der Auszubildenden. Kapitel 6.3.3 fokussiert auf das emotional-motivationale Erleben am Arbeitsplatz, bevor Kapitel 6.3.4 auf das Lernen am Arbeitsplatz eingeht. Wie schon in der Pilotstudie werden abschließend Zusammenhänge der auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsitems (Tagebuch) mit retrospektiven Selbstauskünften (Fragebögen) aufgezeigt (Kapitel 6.3.5). Wann immer es möglich ist und sinnvoll erscheint, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den entsprechenden Befunden der Pilotstudie aufgeführt. Kapitel 6.3.6 fasst die zentralen Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel zusammen. Eine Integration der Befunde aller drei Studien erfolgt im siebten Kapitel. 6.3.1
Motivationale Lage im Vergleich zur Pilotstudie (Benchmark)
Um die generelle motivationale Lage der angehenden Einzelhandelskaufleute einschätzen zu können, werden die für die Pilotstudie durchgeführten Varianzanalysen (siehe Anhang) um die Gruppe der Einzelhandelsauszubildenden der Hauptstudie erweitert. Abbildung 6-1 gibt die Mittelwerte der Motivationsausprägungen wieder.
Abbildung 6-1:
Retrospektiv eingeschätzte Motivation in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
261
Die tendenziell günstigere motivationale Lage der angehenden Einzelhandelskaufleute wird auch in der Betrachtung der Bedürfnisbefriedigung und begleitender Empfindungen deutlich (siehe Abbildung 6-2).
Abbildung 6-2:
Retrospektiv eingeschätzte Bedürfnisbefriedigung und die begleitenden Empfindungen in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf
Varianzanalysen bestätigen Signifikanz und Effektstärke der augenscheinlichen Unterschiede in der retrospektiv eingeschätzten Motivation, der Bedürfnisbefriedigung und begleitender Empfindungen. Tabelle 6-16 gibt die Kennwerte der statistischen Verfahren wieder.
262
6 Empirische Befunde
Tabelle 6-16:
Einfluss des Ausbildungsberufs auf die retrospektiv eingeschätzte Motivation (Varianzanalyse)
Abhängige Variable
df
F
p
η2
amotiviert
111
7.697
.000
.176
extrinsisch
111
3.867
.011
.097
introjiziert
110
3.377
.021
.086
identifiziert
110
14.910
.000
.295
intrinsisch
111
10.369
.000
.224
interessiert
111
16.191
.000
.310
Soziale Einbindung
111
10.959
.000
.233
Kompetenzunterstützung
111
12.433
.000
.257
Autonomieunterstützung
111
9.692
.000
.212
Negative Empfindungen
111
2.841
.041
.073
Positive Empfindungen
111
17.684
.000
.329
Empfundene Wichtigkeit
111
31.448
.000
.466
Auf die Darstellung von Post-hoc-Tests wird hier verzichtet. Die grafischen Darstellungen sowie die Tatsache, dass sich in den Varianzanalysen innerhalb der Pilotstudie nur wenige signifikante Unterschiede von deutlich geringerer Effektstärke ergaben, sprechen deutlich für die günstigere Motivationslage der Einzelhandelsauszubildenden. 6.3.2
Tätigkeitsfelder der Einzelhandelsauszubildenden im betrachteten Unternehmen
Das vorliegende Kapitel widmet sich Forschungsfrage (1) und untersucht, mit welchen Tätigkeiten Auszubildende am Arbeitsplatz betraut sind. Die Bearbeitung dieser Fragestellung war auf Basis der in der Pilotstudie erhobenen Daten nicht möglich, da die sehr knappen Tätigkeitsbeschreibungen der Auszubildenden keine zuverlässige Kategorisierung zuließen. Eine solche Kategorisierung wurde im Rahmen der vorliegenden Studie in die Hände der Auszubildenden gegeben. Im Vorfeld der Studie wurden hierzu Experteninterviews geführt, um den Auszubildenden im Rahmen des Tagebuchs eine Auswahlliste von Tätigkeitstypen vorzugeben, die
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
263
möglichst erschöpfend alle Tätigkeitsbereiche umfasst (Kapitel 5.3.4.1). Abbildung 6-3 zeigt die Verteilung der Tätigkeitstypen innerhalb der 557 erfassten Tätigkeiten.
Abbildung 6-3:
Absolute und nach Dauer gewichtete Häufigkeit der Tätigkeitstypen in Prozent (n = 557 Tätigkeiten)
Zunächst fällt auf, dass Beratungs- und Verkaufsgespräche in der Filiale mit jeweils etwa 20 % den größten Stellenwert einnehmen, während alle anderen Tätigkeitstypen meist deutlich unter 10 % liegen. Gleichwohl wurden alle Tätigkeitstypen ausgewählt. Der sehr geringe Anteil von telefonischen Beratungs- und Verkaufsgesprächen ist darauf zurückzuführen, dass diese nur in wenigen der beteiligten Filialen
264
6 Empirische Befunde
überhaupt vorgesehen sind. Vergleicht man die ungewichteten Anteile mit den nach Tätigkeitsdauer gewichteten Anteilen, so fällt auf, dass insbesondere WelcomeManagement (Begrüßen und Vermitteln von Kunden innerhalb der Filiale) und Verkaufsgespräche überdurchschnittlich lange dauern, wohingegen die meisten anderen Tätigkeiten von leicht unterdurchschnittlicher Dauer sind. Für weitere Auswertungen wurden die Tätigkeitstypen zu Tätigkeitskategorien zusammengefasst. Tätigkeitskategorie 1 (eigenverantwortlicher Kundenkontakt) umfasst das Welcome-Management sowie alle Beratungs- und Verkaufsgespräche. Tätigkeitskategorie 2 (Routine- und Verwaltungstätigkeiten ohne direkten Kundenkontakt) umfasst die Tätigkeitstypen 1 bis 5 sowie das Kassenwesen. Tätigkeitskategorie 3 (eigene Lerntätigkeiten oder Schulung) fasst die Tätigkeitstypen 13 und 14 zusammen, während Tätigkeitstyp 7 in Kategorie 4 Beobachten erfahrener Kollegen/innen separat erhalten bleibt. Die Kategorisierung verfolgt das Ziel, Tätigkeiten hinsichtlich ihrer spezifischen Lernmöglichkeiten zusammenzufassen. Der Kundenkontakt erfordert die bewusste Auseinandersetzung mit meist unvorhersehbaren Herausforderungen (vgl. Kapitel 5.3.1.1). Bei Arbeitstätigkeiten dieser Kategorie sind Lernpotenziale im Sinne eines Lernens als Problemlösen zu vermuten (vgl. Kapitel 4.3.2). Weniger offensichtliche Lernpotenziale im Sinne einer Effizienzsteigerung bei bereits bekannten Tätigkeiten sollten auch von Routine- und Verwaltungstätigkeiten ohne direkten Kundenkontakt ausgehen (vgl. zusammenfassend Abbildung 2-18 in Kapitel 2.4.1.3). Beide Kategorien sind dem Bereich des Arbeitshandelns zuzuordnen, d. h. die Veränderung der Arbeitssituation steht im Vordergrund und eine Veränderung der eigenen Person im Sinne von Lernen ist nur ein mehr oder minder bewusstes Nebenprodukt des Arbeitens (vgl. Kapitel 2.4.1). Die Kategorie Beobachten (und ggf. Unterstützen) von erfahrenen Kollegen stellt aus Sicht des Auszubildenden ein Lernhandeln dar, das allerdings auf die unmittelbare Umsetzung im Arbeitsprozess zielt. Diese spontanen Unterweisungen durch ausbildende Fachkräfte weisen eine hohe inhaltliche und physische Nähe zum Arbeitsprozess auf, der i. d. R. nicht unterbrochen, sondern lediglich um Erklärungen (z. B. lautes Denken) ergänzt wird. Dies verdeutlicht die Abgrenzung zur Kategorie Eigene Lerntätigkeiten und Schulungen. Die letztgenannte Kategorie betrifft Lehr-Lernprozesse, die – wenngleich am oder nahe des Arbeitsplatzes – getrennt vom Arbeitsprozess stattfinden. Die hier beinhalteten Schulungen sind didaktisch vorbereitet und terminlich fixiert (z. B. Rollenspiele zum Welcome-Management, die durch den Filialleiter geleitet werden). Die eigenen Lerntätigkeiten betreffen zumeist das Bearbeiten der so genannten Wochenaufgaben in der E-Learning-Plattform des Unternehmens. In der Ausgangserhebung wurden die Auszubildenden gebeten, im Rückblick auf die vergangenen sechs Wochen (Tagebuchphase) die zeitliche Gewichtung der vier Kategorien einzuschätzen, indem sie 100 % ihrer Arbeitszeit auf die vier Kategorien verteilten. Abbildung 6-4 stellt die aus dem Tagebuch gewonnene, nach
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
265
Dauer gewichtete und auf Personenebene aggregierte Verteilung der rückblickenden Einschätzung gegenüber.
Abbildung 6-4:
Nach Dauer gewichtete Verteilung der Tätigkeitskategorien auf Basis von Tagebuchdaten und retrospektive Einschätzung der Verteilung in Prozent (n = 14 Auszubildende)
Es fällt auf, dass die Verteilungen auf Basis der Tagebuchdaten und die retrospektive Einschätzung die gleiche Rangfolge aufweisen: Der eigenverantwortliche Kundenkontakt füllt den größten Teil der Arbeitszeit der angehenden Einzelhandelskaufleute aus. Danach folgen absteigend Routine- und Verwaltungstätigkeiten, Lerntätigkeiten/Schulungen und Beobachten erfahrener Mitarbeiter. Allerdings wird deutlich, dass die retrospektive Einschätzung eine deutliche Tendenz zur Gleichverteilung (25 %) aufweist. Aufgrund der Prozessnähe der Tagebucherhebung sind die hieraus erhaltenen Verteilungen als verlässlicher einzustufen. Mit Blick auf Kategorie 4 ist jedoch auch denkbar, dass ein Beobachten und Unterstützen aufgrund des eher passiven Charakters nicht als eigene Tätigkeit wahrgenommen wurde und diese Kategorie daher im Tagebuch systematisch unterreprä-
266
6 Empirische Befunde
sentiert ist. Zudem dürfte der Übergang zur Kategorie Kundenkontakt unter Umständen fließend sein, da der eigenverantwortliche Kundenkontakt beim Auftreten von Problemen und Hinzuziehen von Kollegen auch Phasen eines passiveren Beobachtens und Unterstützens beinhalten kann. Die Frage nach den Tätigkeitsfeldern der Einzelhandelsauszubildenden der betrachteten Stichprobe lässt sich anhand der Datenlage wie folgt beantworten: Etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit verbringen die Auszubildenden mit eigenverantwortlichem Kundenkontakt (Welcome-Management, Beratungs- und Verkaufsgespräche; Kategorie 1) und ein weiteres Viertel mit Routine- und Verwaltungstätigkeiten ohne direkten Kundenkontakt (Kategorie 2). Die übrige Arbeitszeit in der Filiale umfasst eigene Lernzeiten für die Bearbeitung der so genannten Wochenaufgaben, das Einlesen in neue Produkt- oder Ablaufbeschreibungen, kleinere Schulungssequenzen wie bspw. in Rollenspielen simulierter Kundenkontakt (Kategorie 3) sowie das (eher passive) Beobachten erfahrener Kollegen (Kategorie 4). 6.3.3
Emotional-motivationales Erleben am Arbeitsplatz
Das vorliegende Kapitel untersucht das emotional-motivationale Erleben im Arbeitsprozess und widmet sich damit der zweiten Forschungsfrage (vgl. Kapitel 5.1). Hierzu wurden die Einträge der Kategorie Eigene Lerntätigkeiten oder Schulung aus der Analyse ausgeschlossen, da diese zwar am oder nahe des Arbeitsplatzes, aber getrennt vom Arbeitsprozess stattfinden (vgl. Kapitel 6.3.2). Tabelle 6-17 zeigt die Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen176 der standardisierten Tätigkeitsitems aller durch die Auszubildenden erfassten Arbeitstätigkeiten.
176 Tabelle 6-17 beinhaltet – wie auch alle anderen Auswertungen – ausschließlich lineare Korrelationen. Exemplarisch wurden polynome (quadratische und kubische) Regressionen zwischen der Variable Lernförderlichkeit und den übrigen Tätigkeitsitems gerechnet. Diese weisen jedoch nur eine minimal höhere Varianzaufklärung auf, die mit einer Ausnahme im Bereich eines R2-Unterschieds von < .01 bleibt. Lediglich die Variable Nervosität weist bei linearer Regression ein korrigiertes R2 von .046, bei quadratischer Regression ein korrigiertes R2 von .060 auf (Delta = .014). Die Anpassungskurve weist dabei eine gewisse Ähnlichkeit zum Yerkes-Dodson-Gesetz des optimalen Beanspruchungsniveaus auf, doch fällt die Krümmung – und damit der Unterschied zur linearen Anpassung – in den vorliegenden Daten derart gering aus, dass kein Anlass besteht, einen linearen Zusammenhang zu verwerfen. Trotz der inhärenten Logik des Yerkes-Dodson-Gesetzes erfährt es in empirischen Studien kaum Unterstützung (LePine, LePine & Jackson 2004, 884). Dies ist auch hier festzuhalten. Das Gebot der Modellsparsamkeit spricht aufgrund der nur geringen Verbesserung der Erklärungskraft für die Beibehaltung linearer Modelle (Schendera 2008, 13).
267
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
Tabelle 6-17:
Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der standardisierten Tätigkeitsitems M
SD
1
2
3
4
5
6
7
8
9
(1) Zusam2.65 1.74 menarbeit (2) Neuartig keit
2.25 1.49 .47**
(3) Schwierig2.27 1.26 .51** .60** keit (4) Handlungsspiel- 3.21 1.82 .12** .21** .26** raum (5) Hilfe anderer
2.42 1.52 .65** .54** .66** .15**
(6) Interessantheit
4.00 1.47 .28** .16** .20** .10*
.32**
(7) Zeitempfinden
4.29 1.46 .04
.04
-.03
-.06
.07
.64**
(8) Nervosität 1.82 1.14 .36** .51** .58** .20** .49** .08
-.13**
(9) Rückmel2.52 1.43 .45** .28** .49** .33** .51** .21** .15** .42** dung (10) Lernmög3.67 1.66 .43** .40** .40** .17** .48** .51** .35** .27** .43** lichkeit Hinweise: 486 ≤ n ≤ 496 Tätigkeiten (ausschließlich Arbeitstätigkeiten) Sechsstufige Skala von 1 = niedrigste Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung. Spearman Rangkorrelationen aufgrund nicht gegebener Normalverteilung. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. Zur besseren Lesbarkeit sind Zusammenhänge, die mindestens als schwach zu bezeichnen sind (r ≥ .20), durch Fettdruck hervorgehoben.
Wie schon in der Pilotstudie weisen viele der Tätigkeitsitems Mittelwerte deutlich unter dem theoretischen Skalenmittel von 3.5 auf und sind rechtsschief (bzw. linkssteil) verteilt. Tätigkeiten, mit denen die Auszubildenden betraut sind, sind zumeist von geringer Neuartigkeit (Modalwert = 1 mit 44.5 %) und geringer Schwierigkeit
268
6 Empirische Befunde
(Modalwert = 1 mit 39.4 %). Sie gehen daher auch mit geringer Nervosität (Modalwert = 1 mit 53.2 %) einher und erfordern selten die Hilfe anderer Personen (Modalwert = 1 mit 39.7 %). Arbeitstätigkeiten werden relativ selten in Zusammenarbeit177 mit Kollegen (Modalwert = 1 mit 39.1 %) durchgeführt und bieten entsprechend selten eine explizite Leistungsrückmeldung178 (Modalwert = 1 mit 32.9 %). Auffällig sind jedoch die im Vergleich zur Pilotstudie deutlich höheren Mittelwerte der Variablen Handlungsspielraum und Interessantheit. Eine wichtige Erweiterung der Itemliste stellt die prozessnah eingeschätzte Lernmöglichkeit bei einer Tätigkeit dar, deren Histogramm einer Gleichverteilung nahe kommt (die sich statistisch allerdings nicht bestätigt179). Das im Vergleich zur Pilotstudie ebenfalls neue Item Zeitempfinden (zwischen 1 = Zeit schien still zu stehen bis 6 = Zeit verging wie im Flug) weist den höchsten Mittelwert auf und ist als einziges Tätigkeitsitem eher linksschief (bzw. rechtssteil) verteilt. Hohe Ausprägungen des Items können als typische Begleiterscheinung des so genannten Flow-Erlebens (vgl. Kapitel 2.5) betrachtet werden. Entsprechend stark korreliert das Item mit dem situationalen Interesse (Item Interessantheit). Zudem weist es mittlere Zusammenhänge mit der wahrgenommenen Lernmöglichkeit auf. Die Interkorrelationen der Tätigkeitsitems weisen bezüglich der aus der Pilotstudie beibehaltenen Items ähnliche Muster auf (vgl. Tabelle 6-2 in Kapitel 6.2.1.1). Weitere Zusammenhänge werden an gegebener Stelle analysiert. 6.3.3.1
Erleben unterschiedlicher Tätigkeitsfelder
Abbildung 6-5 zeigt, wie sich die identifizierten Tätigkeitskategorien (vgl. Kapitel 6.3.1) in der Wahrnehmung der Auszubildenden hinsichtlich der standardisierten Tätigkeitsitems unterscheiden.
177 Im Vergleich zu Pilotstudie wurde das Merkmal Zusammenarbeit nicht als dichotome Variable, sondern wie die anderen Tätigkeitsitems auf einer Skala von 1 bis 6 erhoben und bietet somit eine weitaus höheren Informationsgehalt. Beim Merkmal Eigeninitiative wurde hiervon abgesehen, da dieses eine natürliche Dichotomie aufweist und Zwischenstufen nur schwer interpretierbar erscheinen. 178 Während in der Pilotstudie ausschließlich nach positiven Rückmeldungen (Leistungsanerkennung im Sinne von Lob) gefragt wurde, sollte hier angegeben werden, in welchem Ausmaß überhaupt eine Rückmeldung (egal, ob Lob oder Kritik) erfolgte. 179 Keines der Tätigkeitsitems entspricht einer Normal-, Gleich- oder exponentiellen Verteilung. Entsprechende Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstests liefern durchgängig Fehlerwahrscheinlichkeiten < .001, die auf hoch signifikante Abweichungen von den entsprechenden Verteilungen hinweisen.
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
269
Standardisierte Tätigkeitsitems (sechsstufig) (1) Zusammenarbeit (p = .000, η2 = .107) (2) Neuartigkeit (p = .001, η2 = .041) (3) Schwierigkeit (p = .000, η2 = .035) (4) Handlungsspielraum (p = .000, η2 = .051) (5) Hilfe anderer (p = .000, η2 = .044) (6) Interessantheit (p = .000, η2 = .051) (7) Zeitempfinden (p = .206, η2 = .007) (8) Nervosität (p = .000, η2 = .035) (9) Rückmeldung (p = .002, η2 = .036) (10) Lernmöglichkeit (p = .000, η2 = .073)
Kategorie 1: Eigenverantwortlicher Kundenkontakt (ggf. mit Hilfen) Kategorie 2: Allgemeine Routine- und Verwaltungstätigkeiten ohne Kundenkontakt Kategorie 3: Eigene Lerntätigkeiten oder Schulungen Kategorie 4: Beobachten erfahrener Mitarbeiter (ggf. unterstützen) Hinweise:
n = 557; Sechsstufige Skala von 1 = niedrigste Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung; Mittelwertvergleiche anhand des H-Tests nach Kruskal und Wallis.
Abb. 6-5:
Erlebensunterschiede nach Tätigkeitskategorie
Die in Abbildung 6-5 dargestellten Mittelwertprofile zeigen, dass Tätigkeiten der Kategorien 1 und 2 (Arbeitstätigkeiten im engeren Sinn) recht ähnlich wahrgenommen werden. Es handelt sich um bekannte (selten neuartige) Tätigkeiten geringer Schwierigkeit, die selten in Zusammenarbeit mit anderen durchgeführt werden und dementsprechend auch selten mit einer Leistungsrückmeldung einhergehen. Dennoch werden sie als relativ interessant wahrgenommen und bieten in der Wahrnehmung
270
6 Empirische Befunde
der Auszubildenden trotz der geringen Neuartigkeit immer noch Lernpotenziale. Unterschiede zeigen sich vornehmlich im höheren Handlungsspielraum eigenverantwortlichen Kundenkontakts (Kategorie 1). Das Lernen durch Beobachtung im Arbeitsprozess (Kategorie 4) zeichnet sich – wenig überraschend – durch hohe Interaktion mit Kollegen (Zusammenarbeit und Hilfe) und geringen Handlungsspielraum aus. Zudem erfolgt aufgrund des passiven Charakters nur selten eine Leistungsrückmeldung. Dennoch wird die beobachtende Rolle als vergleichsweise interessant erlebt und bietet umfangreiche Lernmöglichkeiten. Die eigens für Lernzwecke aus dem Arbeitsprozess herausgelösten Tätigkeiten der Kategorie 3 werden weder als interessanter noch als lernförderlicher wahrgenommen. Allerdings bietet dieser „pädagogische Schonraum“ größere Handlungsspielräume. 6.3.3.2
Eigeninitiative Übernahme von Tätigkeiten
Aufschlussreich für das didaktische Geschehen am Arbeitsplatz ist die Frage, welche Tätigkeiten von den Auszubildenden in Eigeninitiative übernommen werden bzw. welche Tätigkeiten aufgrund ihrer Übertragung durch ausbildende Fachkräfte ausgeführt werden. Tabelle 6-18 zeigt, wie sich die Tätigkeitsmerkmale anhand der Dummyvariable Eigeninitiative unterscheiden.
271
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
Tabelle 6-18:
Merkmale der Tätigkeiten in Abhängigkeit von deren eigeninitiativer Übernahme (Dummyvariable) Eigeninitiative = 0; 407 ≤ n ≤ 416
Eigeninitiative = 1; n = 53
M
(SD)
MEI
(SD)EI
U
p
η2
(1) Zusammenarbeit
3.34
1.86
2.57
1.71
8424.0
.004
.020
(2) Neuartigkeit
2.81
1.65
2.20
1.48
8318.0
.002
.017
(3) Schwierigkeit
2.42
1.13
2.27
1.28
10005.5
.264
.001
(4) Handlungsspielraum
2.76
1.53
3.31
1.87
9085.0
.056
.009
(5) Hilfe anderer
2.58
1.49
2.41
1.52
10234.5
.377
.001
3.26
1.62
4.15
1.37
7649.5
.000
.039
3.36
1.56
4.48
1.35
6543.5
.000
.063
(8) Nervosität
1.89
1.05
1.83
1.16
10339.0
.455
.000
(9) Rückmeldung
2.43
1.50
2.55
1.42
10115.5
.448
.001
(10) Lernmöglichkeit
3.47
1.67
3.73
1.63
10085.5
.330
.003
(6) Interessantheit (7) Zeitempfinden
Hinweise:
Sechsstufige Skala von 1 = niedrigste Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung. Der Zusatz EI kennzeichnet die Gruppe der in Eigeninitiative übernommenen Tätigkeiten. Gruppenvergleiche auf Basis des Mann-Whitney-U-Tests für unabhängige Stichproben.
Zunächst fällt auf, dass – ähnlich wie in der Pilotstudie – nur 11.3 % der erfassten Tätigkeiten in Eigeninitiative übernommen wurden. Allerdings könnte dieser Wert auch hier aufgrund der Erhebungsform zu niedrig sein. Wurde das Dropdown-Menü Eigeninitiative (vgl. Abbildung 5-3 in Kapitel 5.3.4.2) nicht bearbeitet, so wurde der Default-Wert Null – evtl. fälschlicherweise – als Verneinung interpretiert. Die in Eigeninitiative übernommenen Arbeitstätigkeiten bieten ein höheres FlowErleben (Zeit vergeht wie im Flug) und werden als interessanter wahrgenommen. Sie bieten seltener Zusammenarbeit und sind im Durchschnitt weniger neuartig. Es handelt
272
6 Empirische Befunde
sich somit um bekannte Tätigkeiten, die mit positiven Erlebensqualitäten einhergehen. Nur das Zeitempfinden weist einen Effekt mittlerer Stärke auf, während die anderen Unterschiede nur schwache Effekte besitzen. Hinsichtlich der Kausalität bleibt zudem offen, ob Tätigkeiten ausgewählt werden, weil ihnen positive Erlebensqualitäten (Interesse und Flow) zugeschrieben werden, oder ob positive Erlebensqualitäten aus der selbstständigen Auswahl resultieren. Durch den eigenen Einfluss auf die Auswahl von Arbeitstätigkeiten scheinen sich Auszubildende jedenfalls keine bedeutsamen Vorteile hinsichtlich der Lernförderlichkeit der Tätigkeiten zu verschaffen. Dies entspricht dem Befund der Pilotstudie (vgl. Kapitel 6.2.1.2). 6.3.3.3
Interessens- und befindlichkeitsförderliche Tätigkeitsmerkmale
Analog zu Tabelle 6-4 in Kapitel 6.2.1.3 wird auch in den Daten der Hauptuntersuchung der Frage nachgegangen, welche Tätigkeitsmerkmale zur Varianzaufklärung des situationalen Interesses im Arbeitsprozess beitragen. Tabelle 6-19 gibt die Ergebnisse der schrittweisen multiplen Regression wieder. Als Datenbasis dient wiederum eine Teilstichprobe, in der intentionale Lehr-Lern-Tätigkeiten der Kategorie 3 ausgeschlossen wurden (die zugehörigen Interkorrelationen finden sich in Tabelle 617). Tabelle 6-19:
Schrittweise multiple Regression zur Erklärung der situationalen Interesses Modellparameter in Schritt 5
Prädiktor
Schritt
ΔR2
(Konstante)
B
SE
.174
.205
β
p .398
Zeitempfinden
1
.396
.564
.037
.563
.000
Lernförderlichkeit
2
.088
.197
.036
.227
.000
Zusammenarbeit
3
.023
.147
.033
.179
.000
Rückmeldung
4
.007
-.140
.040
-.137
.001
Schwierigkeit
5
.012
.150
.045
.134
.001
Eigeninitiative (Dummy)
6
.006
.351
.151
.080
.020
Hinweise:
R2 = .533, korrigiertes R2 = .526 (n = 509, F(446) = 83.646, p = .000); DurbinWatson-Statistik = 1.652; max. Konditionsindex = 12.82 (Eigeninitiative); Ausgeschlossene Variablen: Neuartigkeit, Handlungsspielraum, Hilfe anderer Personen und Nervosität.
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
273
Im Vergleich zur entsprechenden Analyse in der Pilotstudie (vgl. Kapitel 6.2.1.3) tauchen die dort als stärkste Prädiktoren identifizierten Tätigkeitsitems Neuartigkeit und Handlungsspielraum in der vorliegenden Analyse der Hauptstudie nicht auf. Zudem überrascht auch das negative Vorzeichen des Prädiktors Rückmeldung. Die zuvorderst aufgeführten Prädiktoren Zeitempfinden und Lernförderlichkeit (in der Pilotstudie nicht erhoben) sind auf Basis theoretischer Erwägungen eher Folgen von als Ursachen für situationales Interesse. Schließt man diese beiden Variablen aus der Analyse aus, dann werden Hilfe anderer Personen (β = .200), die Dummyvariable Eigeninitiative (β = .232) und Zusammenarbeit (β = .181) als signifikante Prädiktoren identifiziert, die aber gemeinsam lediglich 15.8 % der Varianz (R2) von Interessantheit erklären. Das Erleben situationalen Interesses scheint in der vorliegenden Stichprobe nur schlecht auf gleichbleibende Muster wahrgenommener Tätigkeitsmerkmale zurückführbar. In Kapitel 6.3.5.3 wird deutlich, dass allgemeine Persönlichkeitseigenschaften einen weitaus größeren Einfluss auf das durchschnittliche Erleben von Interesse im Arbeitsprozess ausüben. Im Tagesabschluss wurden die Auszubildenden gebeten, diejenige Tätigkeit des Tages auszuwählen, die „am meisten Spaß gemacht hat“ (vgl. Kapitel 5.3.4.3). Mittels binärer logistischer Regression kann überprüft werden, welche Tätigkeitsitems zur Varianzaufklärung der Dummyvariable befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit beitragen (vgl. Tabelle 6-20). Das Vorgehen orientiert sich wiederum an Schendera (2008).
274
6 Empirische Befunde
Tabelle 6-20:
Binäre logistische Regression zur Erklärung der Auswahl einer Arbeitstätigkeit als befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) Modellparameter in Schritt 9
Prädiktor
B
SE
-2.900
.531
29.835
.000
.055
-.724
.367
3.889
.049
.485
Zeitempfinden
.351
.100
12.392
.000
1.421
Rückmeldung
.235
.081
8.453
.004
1.265
(Konstante) Eigeninitiative (Dummy)
Hinweise:
Wald
p
Exp(B)
Pseudo-R2Nagelkerke =
.091 (n = 506) Hosmer-Lemeshow-Test: χ2 = 13.404, p = .099 Methode: rückwärts schrittweise auf Basis des Likelihood-Quotienten (gem. Schendera 2008, 150ff.) Exp(B), das so genannte Odds Ratio, bedeutet, dass die Auswahl der Tätigkeit im Tagesabschluss (Dummyvariable Lernförderlichkeit = 1) beim Ansteigen des Prädiktors Eigeninitiative um eine Einheit 0.421-mal wahrscheinlicher wird. Ausgeschlossene Variablen: Zusammenarbeit, Neuartigkeit, Schwierigkeit, Handlungsspielraum, Hilfe anderer, Interessantheit, Nervosität und Lernförderlichkeit.
Inhaltlich überrascht der negative Einfluss der Dummyvariable Eigeninitiative, da in Kapitel 6.3.3.2 ermittelt wurde, dass sich eigeninitiativ übernommene Tätigkeiten durch größere Interessantheit und ausgeprägteres Flow-Erleben (Zeit vergeht wie im Flug) auszeichnen und gerade Letzteres hier einen positiven Erklärungsbeitrag liefert. Eventuell schlagen hier die geringere Neuartigkeit und die geringere Zusammenarbeit eigeninitiativ übernommener Tätigkeiten durch (vgl. Tabelle 6-18). Insgesamt muss aber festgehalten werden, dass die Prognosekraft des Modells sehr niedrig ist (9.1 % erklärte Varianz) und die Modellgüte insgesamt zweifelhaft erscheint (siehe Hosmer-Lemeshow-Test). Eine verlässliche Vorhersage der Auswahl einer Tätigkeit als befindlichkeitsförderlichste Tätigkeit des Tages („am meisten Spaß gemacht“) ist auf Basis der im Prozess erfassten Tätigkeitsitems nicht möglich. 6.3.4
Lernen im Arbeitsprozess
Eine der zentralen Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit bezieht sich auf die Identifikation lernförderlicher Merkmale der Arbeitstätigkeiten. Die Bedeutung des Lernens im Arbeitsprozess wird bereits aus den in den vorangegangenen Kapiteln
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
275
dargestellten Befunden deutlich, wenn man einerseits auf die Einschätzung des Lernpotenzials im Arbeitshandeln (mittlere Ausprägungen in den Tätigkeitskategorien 1 und 2; vgl. Kapitel 6.3.3.1) und zusätzlich auf die hohen zeitlichen Umfang ebendieser Tätigkeitskategorien (vgl. Kapitel 6.3.2) blickt. In der absoluten Häufigkeit (Lernpotenzial beim Arbeitshandeln * Zeitlicher Umfang des Arbeitshandelns) stellen sich die Lernpotenziale im Arbeitshandeln aus Sicht der Auszubildenden als umfangreicher dar als die Lernpotenziale der eigens gestalteten Lernsituationen. Einschränkend muss aber darauf hingewiesen werden, dass diese quantitative Überschlagsrechnung keine Rückschlüsse auf etwaige Qualitätsunterschiede der Lerninhalte zulässt. Es ist durchaus anzunehmen, dass grundlegende, in Lernsituationen erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten eine Voraussetzung für weitere Lernprozesse im Arbeitshandeln sind, da sie bspw. ein eigenständiges Arbeitshandeln überhaupt erst ermöglichen. Zur weiteren Analyse des Lernens im Arbeitsprozess wird – in Analogie zur Pilotstudie (vgl. Kapitel 6.2.1.3) – zunächst untersucht, wie sich die im Rahmen des Tagesabschlusses als lernförderlichste Tätigkeiten des Tages (Dummyvariable) ausgewählten Tätigkeiten von den nicht ausgewählten Tätigkeiten unterscheiden (siehe Tabelle 6-21).
276
6 Empirische Befunde
Tabelle 6-21:
Merkmale der Tätigkeiten in Abhängigkeit von deren Auswahl als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) nicht lernförderliche Tätigkeit (Dummy = 0); 379 ≤ n ≤ 397
lernförderliche Tätigkeit (Dummy =1); 98 ≤ n ≤ 100
M
(SD)
MLE
(SD)LE
U
p
η2
.88
.33
.92
.27
18116.0
.220
.003
2.41
1.65
3.61
1.77
12258.5
.000
.076
(2) Neuartigkeit b
2.09
1.44
2.88
1.56
1344.0
.000
.044
(3) Schwierigkeit b
2.11
1.22
2.90
1.23
12561.5
.000
.062
(4) Handlungsspielraum b
3.13
1.83
3.48
1.74
17017.0
.074
.006
(5) Hilfe anderer b
2.22
1.43
3.23
1.58
12415.5
.000
.071
3.82
1.47
4.71
1.23
12878.5
.000
.060
4.15
1.49
4.82
1.22
14476.0
.000
.033
(8) Nervosität b
1.75
1.12
2.10
1.17
15807.5
.001
.015
(9) Rückmeldung b
2.38
1.37
3.04
1.53
14427.5
.000
.035
3.38
1.62
4.81
1.30
9779.0
.000
.120
(0) Eigeninitiative a (1) Zusammenarbeit b
(6) Interessantheit b (7) Zeitempfinden b
(10) Lernmöglichkeit b Hinweise:
dichotome Variablen (0/1) sechsstufige Skala: 1 = niedrigste Ausprägung bis 6 = höchste Ausprägung Der Zusatz LE kennzeichnet die Teilstichprobe der lernförderlichen Tätigkeiten. Gruppenvergleiche auf Basis des Mann-Whitney-U-Tests für unabhängige Stichproben. a
b
Wie nicht anders zu erwarten, weist das Item Lernförderlichkeit den größten Effekt auf. Allerdings stellt dieser Befund inhaltlich eine Tautologie dergestalt dar, dass eine Tätigkeit am lernförderlichsten eingeschätzt wird, wenn sie als sehr lernförder-
277
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
lich eingeschätzt wird. So spricht der Effekt aber zumindest für die Kriteriumsvalidität des Items. Ferner zeichnen sich die als lernförderlich ausgewählten Tätigkeiten insbesondere durch höhere Merkmalsausprägungen bezüglich Zusammenarbeit, Hilfe anderer Personen, Schwierigkeit und Interessantheit aus. In der entsprechenden Analyse innerhalb der Pilotstudie (vgl. Tabelle 6-6 in Kapitel 6.2.1.4) wies Neuartigkeit den stärksten Unterschied auf. Es folgten – wie auch in der vorliegenden Analyse – Hilfe anderer Personen, Schwierigkeit und Interessantheit, wenngleich die Effekte insgesamt geringer ausfielen. Das Item Zusammenarbeit war in der Pilotstudie in dieser Form noch nicht enthalten. Anhand einer binären logistischen Regression wird – wiederum in Analogie zur Pilotstudie – untersucht, welche Tätigkeitsmerkmale geeignet sind, die im Rahmen des Tagesabschlusses vorgenommene Auswahl einer Arbeitstätigkeit als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable; 0 = nicht ausgewählt; 1 = ausgewählt) vorherzusagen und welche Varianzaufklärung hierdurch erreicht wird. Das Item Lernförderlichkeit fließt aufgrund der obigen Überlegungen nicht in die Analyse ein. Tabelle 622 zeigt die Ergebnisse der Analyse. Tabelle 6-22:
Binäre logistische Regression zur Erklärung der Auswahl einer Arbeitstätigkeit als lernförderlichste Tätigkeit des Tages (Dummyvariable) Modellparameter in Schritt 8
Prädiktor
B
SE
Wald
-4.599
.606
57.656
.000
.010
Zusammenarbeit
.245
.076
10.263
.001
1.277
Schwierigkeit
.388
.108
12.937
.000
1.474
Zeitempfinden
.341
.101
11.296
.001
1.406
(Konstante)
Hinweise:
p
Exp(B)
Pseudo-R2Nagelkerke = .175 (n = 496) Hosmer-Lemeshow-Test: χ2 = 3.477, p = .901 Methode: rückwärts schrittweise auf Basis des Likelihood-Quotienten (gem. Schendera 2008, 150ff.) Exp(B), das so genannte Odds Ratio, bedeutet, dass die Auswahl der Tätigkeit im Tagesabschluss (Dummyvariable lernförderlichste Tätigkeit = 1) beim Ansteigen des Prädiktors Zusammenarbeit um eine Einheit 1.277-mal wahrscheinlicher wird. Ausgeschlossene Variablen: Eigeninitiative (Dummy), Neuartigkeit, Handlungsspielraum, Hilfe anderer Personen, Interessantheit, Nervosität und Leistungsrückmeldung
278
6 Empirische Befunde
Tätigkeiten, die in Zusammenarbeit mit anderen durchgeführt werden, Schwierigkeiten beinhalten sowie Flow-Erleben (Zeit vergeht wie im Flug) ermöglichen, werden im Tagesrückblick eher als lernförderlichste Tätigkeit des Tages ausgewählt. Wenngleich der Hosmer-Lemeshow-Test für eine hohe Modellgüte spricht, ist die Erklärungskraft des Modells (Pseudo-R2Nagelkerke) als eher gering einzuschätzen.180 In der entsprechenden Analyse der Pilotstudie (vgl. Tabelle 6-7 in Kapitel 6.2.1.4) wurden bei ähnlichen Modellgüteparametern die Prädiktoren Neuartigkeit, Schwierigkeit und Hilfe anderer Personen identifiziert. Eine gewisse Herausforderung sowie der Kontakt zu Kollegen scheinen sich allgemein als Prädiktoren zu bestätigen. Durch das im Vergleich zur Pilotstudie ergänzte Tätigkeitsitem Lernförderlichkeit ergibt sich zusätzlich die Möglichkeit, eine multiple lineare Regression zur Erklärung der Lernförderlichkeit durch die übrigen Tätigkeitsitems durchzuführen. Tabelle 6-23 gibt die Befunde der schrittweisen multiplen Regression wieder (die zugehörigen Interkorrelationen finden sich in Tabelle 6-17). Tabelle 6-23:
Schrittweise multiple Regression zur Erklärung der wahrgenommenen Lernförderlichkeit von Arbeitstätigkeiten Modellparameter in Schritt 4
Prädiktor
Schritt
ΔR2
(Konstante)
B
SE
.422
.200
β
p .035
Hilfe anderer Personen
1
.232
.185
.049
.172
.000
Interessantheit
2
.122
.407
.044
.354
.000
Rückmeldung
3
.051
.297
.048
.254
.000
Neuartigkeit
4
.025
.191
.043
.177
.000
Hinweise:
R2 = .430, korrigiertes R2 = .424 (n = 479, F(446) = 83.195, p = .000); Durbin-Watson-Statistik = 1.681 Ausgeschlossene Variablen: Eigeninitiative (Dummy), Zusammenarbeit, Schwierigkeit, Handlungsspielraum, Zeitempfinden und Nervosität.
180 Die von Backhaus, Erichson, Plinke und Weiber (2003, 450) vorgeschlagene Ausblendung von Ausreißern auf Basis der z-standardisierten Residuen (Pearson-Residuen) führt zwar zur einer größeren Erklärungskraft des Modells (Pseudo-R2 > .22), doch wird im Gegenzug der χ2-Anpassungstest nach Hosmer-Lemeshow signifikant, was für ein Verwerfen des gesamten Modells spricht.
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
279
Nach absteigenden β-Werten ergeben sich Interessantheit, Rückmeldung, Neuartigkeit und die Hilfe anderer Personen als signifikante Prädiktoren und erklären gemeinsam 43 % der Varianz der wahrgenommenen Lernförderlichkeit. Beim Vergleich zur vorangegangenen Analyse zur Erklärung der Auswahl einer Tätigkeit als lernförderlichste Tätigkeit eines Tages fällt auf, dass keiner der dort genannten Prädiktoren (Zusammenarbeit, Schwierigkeit und Zeitempfinden) in das hier vorliegende Modell zur Erklärung der prozessnahen Einschätzung der Lernförderlichkeit aufgenommen wird. Allerdings weisen die Prädiktoren sowohl inhaltlich als auch empirisch eine große Nähe auf, wie aus den Interkorrelationen der Tätigkeitsitems (vgl. Tabelle 6-17) ersichtlich wird: Zusammenarbeit korreliert hoch mit der Hilfe anderer Personen (r = .65), Schwierigkeit korreliert hoch mit Neuartigkeit (r = .60) und Zeitempfinden korreliert hoch mit Interessantheit (r = .64). Entsprechend erklären die in der binären logistischen Regression zur Prognose der Auswahl im Tagesabschluss genannten Prädiktoren Zusammenarbeit, Schwierigkeit und Zeitempfinden auch 38.3 % der Varianz des Tätigkeitsitems Lernförderlichkeit (R2 = 38.3, korrigiertes R2 = .380, F(487) = 96.364, p = .000; Methode: Einschluss) und sind somit trotz des sparsameren Modells (3 statt 4 Prädiktoren) nur unwesentlich schlechter zur Prognose geeignet als die in Tabelle 6-23 ausgewiesenen Prädiktoren. Neuartigkeit, Schwierigkeit und Nervosität verkörpern eine gemeinsame Dimension, die als Herausforderung bezeichnet werden kann. Zusammenarbeit, Hilfe und Rückmeldung bilden die Dimension der Interaktionsqualität und Interessantheit und Zeitempfinden stehen für die Erlebensqualität. Die postulierte Struktur bestätigt sich auch in einer entsprechenden Faktorenanalyse (siehe Tabelle 6-24).
280
6 Empirische Befunde
Tabelle 6-24:
Faktorladungen, Kommunalitäten, Eigenwerte, Varianzaufklärung und Faktorkorrelationen der Hauptkomponentenanalyse mit Oblimin-Variation über ausgewählte Tätigkeitsitems
Items
Neuartigkeit Nervosität Schwierigkeit Zeitempfinden Interessantheit Rückmeldung Zusammenarbeit Hilfe anderer Eigenwerte nach Rotation Varianzaufklärung nach Rotation (in Prozent)
Faktor 1 Faktor 2 Faktor 3 Hinweise:
Faktorladungen (Mustermatrix) Faktor 1: Faktor 2: Faktor 3: ErlebensInteraktionsHerausforderung qualität qualität .910 .126 .146 .731 -.146 -.115 .667 -.044 -.326 -.101 .925 .018 .109 .870 -.093 -.128 .028 -.876 .090 .034 -.762 .331 .071 -.623 3.428
1.632
.803
42.9
20.4
10.0
Faktorkorrelationen Faktor 1 Faktor 2 1.00 .05 .05 1.00 -.46 -.20
Kommunalitäten .663 .749 .742 .711 .829 .851 .626 .692
Faktor 3 -.46 -.20 1.00
Methode: Hauptkomponentenanalyse mit obliquer Rotation (Oblimin, direkt). Erklärte Gesamtvarianz der Faktoren: 73.3 %. Anwendungsvoraussetzung ausreichend hohe, lineare Zusammenhänge zwischen den Variablen, nicht jedoch deren Normalverteilung (Bühner 2006, 191f.). Das KaiserMeyer-Olkin-Maß der Stichprobeneignung spricht mit einem Wert von .754 für eine mittlere Eignung der Stichprobe (Brosius 2008, 780). Die hier angeführten Faktorenladungen zeigen partielle standardisierte Regressionsgewichte (Mustermatrix) statt der bei orthogonalen Faktoren üblichen Korrelationen mit dem Faktor (Strukturmatrix). Korrelationen der Items mit anderen Faktoren sind bei obliquen (schiefwinkligen) Rotationen modellkonform und fallen umso höher aus, je höher die Faktoren untereinander korrelieren. Üblich ist bei obliquen Rotationen jedoch die Darstellung der Mustermatrix (Bühner 2006, 184; ebd., 206). Faktorladungen > |.500| sind durch Fettdruck hervorgehoben.
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
281
Die Anzahl der zu bestimmenden Faktoren wurde auf Basis der o. a. Überlegungen auf drei festgesetzt und wird damit dem entscheidenden Kriterium der theoretisch begründeten Interpretierbarkeit gerecht (Bühner 2006, 203). Die Entscheidung für ein obliques (schiefwinkliges) Rotationsverfahren liegt ebenfalls in der theoretischen Annahme begründet, dass die Faktoren Herausforderung (Faktor 1), Erlebensqualität (Faktor 2) und Interaktionsqualität (Faktor 3) nicht unabhängig voneinander sind. Wie aus Tabelle 6-24 ersichtlich wird, widerspricht die Datenlage den theoretischen Überlegungen nicht. Aus dem schiefwinkligen (obliquen) Verfahren resultieren Zusammenhänge zwischen den Faktoren, die dem unteren Bereich von Tabelle 6-24 zu entnehmen sind. Der Zusammenhang zwischen Herausforderung und Interaktionsqualität fällt erwartungsgemäß positiv aus (das negative Vorzeichen resultiert lediglich aus den negativen Ladungen im Faktor Interaktionsqualität). Ein schwacher Zusammenhang findet sich auch zwischen der Interaktions- und der Erlebensqualität, während die Faktoren Erlebensqualität und Herausforderung nahezu unabhängig voneinander sind. Eine weitere (hier nicht dargestellte) Faktorenanalyse unter Einschluss der Items Handlungsspielraum und Lernförderlichkeit zeigt, dass Handlungsspielraum einen eigenen Faktor bildet und Lernförderlichkeit nicht eindeutig zugeordnet werden kann, sondern mittelstarke Ladungen mit allen Faktoren aufweist. Zusätzlich zu den quantitativen Auswertungen wurden für die Hauptstudie auch die offenen Begründungen zur Auswahl der lernförderlichsten Tätigkeit (Dummyvariable) im Rahmen des Tagesabschlusses ausgewertet.181 Auch hier wurden Tätigkeiten der Tätigkeitskategorie 3 (Eigene Lernzeiten und Schulungen; vgl. Kapitel 6.3.2) ausgeschlossen, um ausschließlich das Lernen im Arbeitsprozess zu beleuchten. In 114 der insgesamt 123 Tagesabschlüsse wurde eine Auswahl hinsichtlich der lernförderlichsten Tätigkeit getroffen. Sieben dieser Tätigkeiten fielen der Kategorie 3 zu. In 30 der verbleibenden 107 Tagesabschlüsse wurde keine offene Begründung zur Auswahl der Tätigkeit abgegeben. Zur Auswertung standen somit 77 Begründungen für die Auswahl der lernförderlichsten Tätigkeit des Tages zur Verfügung. Die Kategorienbildung erfolgte zunächst induktiv auf Basis der offenen Antworten. Mehrfachkodierungen wurden zugelassen und kamen in 23 Fällen zur Anwendung, so dass insgesamt 100 Kodierungen vorgenommen wurden. Tabelle 6-25 gibt die gefundenen Kategorien und Ankerbeispiele in absteigender Häufigkeit ihrer Kodierung wieder.
181 Eine Zweitkodierung lief zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit gerade erst an, so dass nicht über Interrater-Reliabilitäten berichtet werden kann.
282 Tabelle 6-25:
6 Empirische Befunde
Induktiv ermittelte Kategorien, Ankerbeispiele und Häufigkeiten der Begründungen zur Auswahl der lernförderlichsten Tätigkeit im Tagesabschluss Prozentuale Häufigkeit
Kategorie
Ankerbeispiel
Neuartigkeit der Tätigkeit
Kunde wollte Tarif ändern; das habe ich noch nie vorher gemacht und gelernt, wie es geht.
33 %
Zusammenarbeit
Bei Kollegin zugeschaut; dank ausführlicher Erklärungen viel gelernt.
17 %
Handlungsspielraum
Selbstständige Arbeit ohne Hilfe anderer Kollegen. alleine gearbeitet und verkauft. weil ich sehr viele Dinge machen durfte.
17 %
Schwierigkeit
Extremfälle richtig einzuschätzen und zu bearbeiten [Kunde wurde Handy gestohlen] ist sehr schwierig. Kunde hat mich auf die Probe gestellt.
6%
Hilfe anderer Personen
Kunde hatte ein Anliegen, das ich nicht bearbeiten konnte. Eine Kollegin hat mir geholfen und jetzt kenne ich das Programm.
5%
Fehler im Verlauf der Tätigkeit
Ich habe eine Kundin, die eine Vertragsverlängerung machen wollte, beraten und leider ihr den falschen Tarif genannt.
5%
Bedeutsamkeit der Tätigkeit
Die Kontrolle des Kassenbuchs ist sehr wichtig.
1%
Lernerfolg (tautologische, nicht weiter analysierbare Begründungen)
Neues gelernt. Etwas dazugelernt. Neue Informationen erhalten.
16 %
In einem Drittel der Begründungen wird die Neuartigkeit einer Tätigkeit hervorgehoben. Ein weiteres Drittel verteilt sich zu gleichen Teilen auf Zusammenarbeit mit Kollegen und selbstständiges Arbeiten ohne die Hilfe von Kollegen. 16 % der Begründungen erlaubten keine weitere Analyse und boten lediglich tautologische Erklärungen dergestalt, dass die Tätigkeit lernförderlich war, weil etwas gelernt wurde. Die übrigen Kategorien bleiben unter 10 %, wobei Bedeutsamkeit sogar nur einmal kodiert wurde, wodurch jedoch eine Kategorie Sonstiges nicht nötig wurde. Die Kategorien verweisen auf die lernförderliche Wirkung von Herausforderungen (Neuartigkeit,
283
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
Schwierigkeit; 39 %), Interaktionen mit Kollegen (Zusammenarbeit, Hilfe; 22 %) und Selbstständigkeit (Handlungsspielraum, Fehler; 22 %). Hinweise auf den lernförderlichen Einfluss einer positiven Erlebensqualität finden sich in den kurzen Begründungen indes nicht. 6.3.5
Zusammenhänge zwischen Tätigkeitsebene (Tagebuchdaten) und Personenebene (Standardfragebögen)
Wie schon in den Auswertungen der Pilotstudie werden die Tätigkeitsitems auf Personenebene aggregiert, um Zusammenhänge zwischen Prozessdaten und retrospektiven Angaben zu untersuchen. Tabelle 6-26 gibt die Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der aggregierten Tätigkeitsitems wieder. Tabelle 6-26:
Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsitems
(1) Zusammenarbeit (2) Neuartigkeit (3) Schwierigkeit (4) Handlungsspielraum (5) Hilfe anderer (6) Interessantheit (7) Zeitempfinden (8) Nervosität (9) Rückmeldung (10) Lernmöglichkeit Hinweise:
M
SD
2.81
1.02
2.43
.70
.39
2.38
.64
.10
.18
1.20 .13
.22
.13 .41
.22
3.66
1
2
3
4
5
6
7
8
2.46
.76
.67** .28
3.98
.85
.56*
.49* -.08
.35
.49*
4.15
.84
.35
.40
-.11
.38
.31
.82**
1.86
.67 -.22
.20
.53*
.09
-.06
-.41
-.45
2.77
1.07 .52*
.04
.26
.57*
.55*
.47
.48*
.67** .42
-.05
.42
.51*
.78** .61** -.35
3.83
.86
9
-.13
n = 18; Sechsstufige Skala von 1 = niedrigste bis 6 = höchste Ausprägung. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
.58*
284
6 Empirische Befunde
Erwartungsgemäß kommt es – wie schon in der Pilotstudie (vgl. Kapitel 6.2.2) – durch die Verdichtung der Tätigkeiten auf Personenebene zu kleineren Verschiebungen der Mittelwerte sowie zu einer deutlichen Verringerung der Streuung. Auch die Zusammenhänge zwischen den aggregierten Tätigkeitsitems weichen zum Teil erheblich von den Zusammenhängen auf Tätigkeitsebene ab. 6.3.5.1
Prozessnahe und retrospektive Einschätzung von Tätigkeitsmerkmalen
Tabelle 6-27 zeigt die Zusammenhänge zwischen den auf Personenebene aggregierten Tätigkeitsitems aus dem Tagebuch und der retrospektiven Einschätzung von Tätigkeitsmerkmalen aus Fragebogeninstrumenten (vgl. Kapitel 5.3.3.3). Tabelle 6-27:
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Tätigkeitsmerkmale RückmelRückmeldung aus dung von der TätigKollegen keit
Komplexität
Anforderungspassung
Bedeutsamkeit
Vollständigkeit (a)
(1) Zusammenarbeit
-.29
-.04
.48
.04
.59*
.50
(2) Neuartigkeit
-.11
.04
.13
.16
.50
.38
(3) Schwierigkeit
-.10
-.22
-.20
-.10
-.18
.06
(4) Handlungsspielraum
-.31
.09
.36
.31
.28
.58*
(5) Hilfe anderer
.03
.13
.40
.12
.36
.50
-.21
.10
.42
.25
.55*
.35
(6) Interessantheit (7) Zeitempfinden (8) Nervosität
-.07
.30
.29
.12
.35
.45
-.38
-.30
-.70**
-.24
-.28
-.08
(9) Rückmeldung
-.13
.03
.49
.08
.43
.39
(10) Lernmöglich-.07 .09 .60* .34 .57* .41 keit Hinweise: n = 14 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman.
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
285
Zunächst ist anzumerken, dass die Signifikanzgrenze aufgrund der geringen Fallzahl nur selten erreicht wird. Doch nicht nur aus diesem Grund bleiben zahlreiche zu erwartende Zusammenhänge aus. So überrascht bspw. der fehlende Zusammenhang zwischen dem aggregierten Erleben von Schwierigkeit und rückblickend eingeschätzter Komplexität. Andererseits überrascht der starke, hoch signifikant negative Zusammenhang zwischen erlebter Nervosität und rückblickend beurteilter Bedeutsamkeit der Tätigkeit. Auszubildende, die in der Prozesserhebung angeben, Nervosität zu erleben (die Angst davor, Fehler zu machen wurde hier als explizites Beispiel genannt), geben in der retrospektiven Befragung an, mit weniger bedeutsamen Aufgaben betraut zu sein. Einerseits ist denkbar, dass ängstlichere Auszubildende von sich aus weniger bedeutsame Tätigkeiten auswählen. Andererseits könnte hier – wie schon in der Pilotstudie mehrfach angedeutet – das Ausbildungspersonal bei der Zuweisung von Tätigkeitsbereichen eine Rolle spielen. Erwähnenswert scheint auch, dass Auszubildende, die in ihrer täglichen Arbeit umfangreichere Lernmöglichkeiten wahrnehmen, Bedeutsamkeit und Rückmeldung aus der Tätigkeit rückblickend höher einschätzen. Insgesamt machen die wenigen Zusammenhänge – wie schon in der Pilotstudie – deutlich, dass die mittels Tagebuch-Methodik erhobenen Daten offensichtlich andere Konstrukte erfassen als die retrospektiven Einschätzungen. Selbst die wenigen signifikanten Zusammenhänge müssen vor dem Hintergrund einer möglichen Alphafehler-Inflation mit Vorsicht interpretiert werden. 6.3.5.2
Erleben am Arbeitsplatz und retrospektive Einschätzung der Motivation und Motivationsbedingungen
Tabelle 6-28 zeigt die Zusammenhänge der aggregierten Tätigkeitsitems mit der retrospektiven Einschätzung der Motivationsarten.
286
6 Empirische Befunde
Tabelle 6-28:
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Motivationsausprägung amotiviert extrinsisch introjiziert identifiziert intrinsisch interessiert
(1) Zusammenarbeit
-.40
-.28
-.03
.25
.53*
.22
(2) Neuartigkeit
.16
-.07
.12
.17
.27
.02
.54*
.47
-.44
-.52
-.24
-.42
-.20
-.52
-.31
.24
.60*
.33
-.04
-.04
-.13
.24
.40
.19
-.41
-.53
.13
.70**
.58*
.67**
-.19
-.38
.15
.72**
.44
.62*
.65*
.56*
-.29
-.82**
-.57*
-.73**
-.29
-.24
-.55*
.20
.44
.32
-.41
-.45
-.16
.48
.71**
.58*
(3) Schwierigkeit (4) Handlungsspielraum (5) Hilfe anderer (6) Interessantheit (7) Zeitempfinden (8) Nervosität (9) Rückmeldung (10) Lernmöglichkeit Hinweise:
n = 14 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Anhand der Vorzeichen wird deutlich, dass Schwierigkeit und Nervosität negativ mit den selbstbestimmten Motivationsarten und positiv mit Amotivation und extrinsischer Motivation korrelieren. Hohe Herausforderungen wirken offensichtlich nicht motivationsförderlich, sondern werden als negativ wahrgenommen und in der rückblickenden Beurteilung entsprechend „abgestraft“. Dies scheint im Widerspruch zu zahlreichen theoretischen Modellen zu stehen, die eine gewisse Herausforderung als Voraussetzung für eine positive Erlebensqualität sehen. Allerdings könnte dieser Befund ein Spezifikum von Ausbildungssituationen sein, da Auszubildende weniger der Gefahr fortgesetzten Monotonieerlebens ausgesetzt sind, sondern – im Gegenteil – jede erworbene Routine begrüßen, um eine Verhaltens- und Orientierungssicherheit aufzubauen.
287
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
Positives Erleben wie das situationale Interesse und das dem Flow-Erleben nahestehende Zeitempfinden weisen dagegen erwartungskonform starke positive Zusammenhänge mit den selbstbestimmten Motivationsarten auf. Zudem berichten Auszubildende, die in der Arbeit öfter Zusammenarbeit und Handlungsspielraum erleben sowie umfangreichere Lernmöglichkeiten wahrnehmen, in der Ausgangserhebung über höhere intrinsische Motivation. Ein ähnliches Bild zeigen die Zusammenhänge zur retrospektiv eingeschätzten Bedürfnisbefriedigung und begleitenden Empfindungen (siehe Tabelle 6-29). Tabelle 6-29:
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und retrospektiver Einschätzung der Bedürfnisbefriedigung und begleitender Empfindungen Bedürfnisbefriedigung Soziale EingeKompeAutonobunden- tenzerleben mieerleben heit
begleitende Empfindungen Negative Empfindungen
Positive Empfindungen
Empfundene Wichtigkeit
(1) Zusammenarbeit
.43
.56*
.34
-.53
.71**
.17
(2) Neuartigkeit
-.04
-.01
.34
-.21
.39
.11
(3) Schwierigkeit
-.42
-.30
-.56*
.26
.00
-.34
(4) Handlungsspielraum
.40
.43
.36
-.60*
.54*
.08
(5) Hilfe anderer
.21
.32
.04
-.26
.54*
.02
.46
.44
.51
-.57*
.57*
.35
.24
.22
.37
-.33
.48
.40
(8) Nervosität
-.65*
-.62*
-.56*
.35
-.22
-.75**
(9) Rückmeldung
.40
.51
.08
-.42
.55*
-.01
(10) Lernmöglichkeit
.60*
.60*
.37
-.57*
.79**
.41
(6) Interessantheit (7) Zeitempfinden
Hinweise:
n = 14, ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Häufige Zusammenarbeit mit Kollegen geht mit der Wahrnehmung von Kompetenzerleben und positiven Empfindungen einher. Handlungsspielraum und Interesse während der
288
6 Empirische Befunde
Arbeitstätigkeiten hängen positiv mit positiven Empfindungen und negativ mit negativen Empfindungen zusammen. Erlebte Nervosität weist teilweise starke Zusammenhänge umgekehrter Vorzeichen auf. Insbesondere mit der empfundenen Wichtigkeit der Arbeitsaufgaben zeigt sich ein starker und hoch signifikant negativer Zusammenhang, wie er auch schon im Zusammenhang mit der Skala Bedeutsamkeit auftrat. Auch erlebte Schwierigkeiten werden nicht als positive Herausforderung – bspw. im Sinne von Kompetenz- und Autonomieerleben – wahrgenommen, sondern stehen der Befriedigung der Basisbedürfnisse entgegen (vgl. hierzu auch Tabelle 6-28). Starke positive Zusammenhänge finden sich zwischen der Wahrnehmung von Lernmöglichkeiten während der Tätigkeiten und der Bedürfnisbefriedigung und den begleitenden Empfindungen. Wie schon bei den Auswertungen der Pilotstudie angemerkt, ist hinsichtlich einer Kausalinterpretation Vorsicht geboten. Zwar scheint es auf den ersten Blick plausibel, dass das mittels Tagebuch erfasste, kumulierte Erleben in der Arbeit die rückblickende Einschätzung beeinflusst, doch könnten auch längerfristige motivationale Unterschiede für eine unterschiedliche Wahrnehmung der Arbeitstätigkeiten und sogar für objektiv unterschiedliche Arbeitstätigkeiten verantwortlich sein. Da das Untersuchungsdesign im Vergleich zur Pilotstudie auch in der Eingangserhebung bereits den Motivationsfragebogen der Forschergruppe um Prenzel umfasste, ist es möglich, die Veränderung der retrospektiven Motivationseinschätzungen zu errechnen, um anschließend Zusammenhänge zwischen den aggregierten Tagebuchdaten mit diesen Veränderungen (Deltas) zu analysieren. Zunächst ist festzustellen, dass es keinerlei signifikante Mittelwertunterschiede zwischen der Eingangsund Ausgangserhebung gibt, die Deltas aus Eingangs- und Ausgangserhebung aber durchaus Streuungen aufweisen. Das heißt, die motivationale Lage einiger Auszubildender hat sich verbessert, während sie sich bei anderen Auszubildenden verschlechtert hat. Tabelle 6-30 zeigt die Befunde der Zusammenhangsanalysen.
289
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
Tabelle 6-30:
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und dem Delta (Δ) retrospektiver Motivationseinschätzungen zwischen Eingangs- und Ausgangserhebung Δ Δ Δ Δ Δ Δ amotiviert extrinsisch introjiziert identifiziert intrinsisch interessiert
(1) Zusammenarbeit
-.23
.01
.24
.07
.34
.33
(2) Neuartigkeit
.03
-.28
.31
.43
.55
.43
(3) Schwierigkeit
-.18
-.05
-.66*
-.54
.17
-.16
(4) Handlungsspielraum
.37
.15
.23
.42
.56*
.54
(5) Hilfe anderer
.07
.15
.12
.02
.34
.46
.22
-.27
.62*
.58*
.25
.65*
.47
-.19
.70**
.73**
.26
.75**
-.20
.30
-.74**
-.75**
.09
-.38
-.01
.25
.18
.14
.40
.48
.04
-.12
.37
.39
.37
.58*
(6) Interessantheit (7) Zeitempfinden (8) Nervosität (9) Rückmeldung (10) Lernmöglichkeit Hinweise:
n = 14 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Die Zusammenhänge sind wie folgt zu interpretieren: Je ausgeprägter Auszubildende in der Tagebuchphase über erlebte Schwierigkeiten berichten, desto stärker ist der Verlust an introjizierter Motivation. Je öfter und ausgeprägter Auszubildende im Arbeitsprozess Interesse und Flow erleben, desto stärker steigen introjizierte und identifizierte Motivation von der Eingangs- zur Ausgangserhebung. Fortgesetztes Nervositätserleben geht mit einer Verringerung dieser Motivationsarten einher. Zudem führen situationales Interesse, Flow-Erleben sowie die Wahrnehmung von Lernmöglichkeiten im Arbeitsprozess zu einem Anstieg der auf Interesse basierenden Motivation (interessiert). Das Untersuchungsdesign spricht an dieser Stelle für eine Kausalinterpretation der Zusammenhänge. Tabelle 6-31 gibt die entsprechenden Befunde für die Veränderungen (Deltas) der Bedürfnisbefriedigung und begleitender Empfindungen zwischen Eingangsund Ausgangserhebung wieder.
290 Tabelle 6-31:
6 Empirische Befunde
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems und dem Delta (Δ) retrospektiver Einschätzung der Bedürfnisbefriedigung sowie begleitender Empfindungen zwischen Eingangs- und Ausgangserhebung Δ Bedürfnisbefriedigung Δ Soziale Δ KompeEingetenzerlebundenben heit
Δ Autonomieerleben
Δ begleitende Empfindungen Δ EmΔ Negative Δ Positive pfundene Empfin- EmpfinWichtigdungen dungen keit
(1) Zusammenarbeit
-.20
.43
.33
-.47
.11
.31
(2) Neuartigkeit
.16
.39
.74**
-.53
.39
.37
-.07
-.03
.02
-.05
.17
-.34
-.01
.32
.26
-.32
.33
.52
-.30
.27
.12
-.24
.13
.00
-.39
.09
.26
-.30
-.15
.63*
-.37
.03
.18
-.12
-.02
.64*
.28
.10
.19
.07
.43
-.57*
(3) Schwierigkeit (4) Handlungsspielraum (5) Hilfe anderer (6) Interessantheit (7) Zeitempfinden (8) Nervosität
(9) Rückmel-.13 .32 .06 -.18 .14 .30 dung (10) Lernmög-.33 .34 .21 -.48 .01 .61* lichkeit Hinweise: n = 14 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Auch in Tabelle 6-31 ist zunächst festzustellen, dass es aufgrund der geringen Stichprobe trotz teilweise beachtlicher Effektstärken nur wenige signifikante Ergebnisse gibt. Auszubildende, die im Tagebuch häufiger angeben, mit unbekannten Tätigkeiten (Neuartigkeit) betraut zu sein, weisen im Vergleich zwischen Eingangsund Ausgangserhebung einen Anstieg des Autonomieerlebens auf. Zudem bewirken ein höheres situationales Interesse und Flow-Erleben sowie eine geringe Nervosität und eine ausgeprägtere Wahrnehmung von Lernmöglichkeiten im Arbeitsprozess ein Ansteigen der empfundenen Wichtigkeit. Betrachtet man die vorangegangenen Auswertungen, so wird deutlich, dass insbesondere diejenigen Tätigkeitsitems (kausale) Zusammenhänge zu den retrospekti-
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
291
ven Angaben im Motivationsfragebogen nach Prenzel (Motivation, Bedürfnisbefriedigung und begleitende Empfindungen) aufweisen, die das subjektiv-emotionale Erleben von Arbeitstätigkeiten betreffen. Dies sind die einer Tätigkeit beigemessene Interessantheit, das Flow-Erleben (Zeitempfinden) während einer Tätigkeit, ein geringes Unsicherheitserleben (Nervosität) und teilweise das Ausmaß wahrgenommener Lernmöglichkeiten. „Objektivere“ Merkmale wie Zusammenarbeit, Handlungsspielraum, Hilfe oder Rückmeldung bei einer Tätigkeit wirken sich zwar ihrerseits auf das emotionale Erleben aus (vgl. Kapitel 6.3.2.2 zu interessensförderlichen Arbeitsmerkmalen), weisen aber keinen direkten Zusammenhang mit den retrospektiven Einschätzungen auf. Dies spricht für die unterstellte Bedeutung der Erlebensqualität (positive emotionale Befindlichkeit) für die positive Entwicklung einer allgemeinen und längerfristigen Einstellung zur Ausbildungssituation (vgl. insbesondere Kapitel 3.2.2ff.). 6.3.5.3
Individuelle Dispositionen und Erleben am Arbeitsplatz
Da das Erleben während der Arbeitstätigkeit einen Einfluss auf die retrospektive Beurteilung der betrieblichen Ausbildungssituation ausübt, stellt sich die Frage, inwiefern das Erleben seinerseits von habitualisierten Interessen und allgemeinen Persönlichkeitseigenschaften beeinflusst wird. Tabelle 6-32 gibt Aufschluss über die entsprechenden Zusammenhänge zwischen den aggregierten Tätigkeitsitems und verschiedenen Skalen zum Interesse sowie zu allgemeinen Persönlichkeitseigenschaften (vgl. Kapitel 5.3.1.1).
292 Tabelle 6-32:
6 Empirische Befunde
Zusammenhänge zwischen aggregierten Tätigkeitsitems, Interessen und Persönlichkeitseigenschaften Allgemeine Persönlichkeitseigenschaften Selbstwirksamkeit (SWK)
(1) Zusammenarbeit (2) Neuartigkeit (3) Schwierigkeit (4) Handlungsspielraum (5) Hilfe anderer (6) Interessantheit (7) Zeitempfinden (8) Nervosität (9) Rückmeldung (10) Lernmöglichkeit Hinweise:
.01
NeuroExtra- Vertizisver- trägmus sion lichkeit (FFI) (FFI) (FFI) -.62**
Interesse an ...
Gewissenhaftigkeit (FFI)
technischem Handwerk (BITII)
verwalder kfm. tenden derzeiBeruBerutigen fen fen Ausbil(BIT(BITdung II) II) (FSI)
.39
-.10
-.24
.24
.26
.04
-.04
-.49* -.02
.17
-.10
-.29
-.21
-.29
-.10
-.64**
-.28
.18
.21
.11
.13
-.14
-.18
.30
-.36
-.06
-.19
-.06
-.07
.09
.45
-.29
-.27
.08
-.08
-.39
.20
-.00
.12
.15
.12
.02
-.02
.04
-.52*
.47*
-.10
-.03
.12
.06
.07
.19
-.11
-.27
.32
.15
.03
-.08
.22
.19
.30
-.41
.53*
-.35
-.19
-.02
.10
-.57*
-.22
-.74**
-.19
-.45
.20
-.10
-.02
.41
.19
-.02
.29
-.06
-.74**
.41
-.32
-.21
.29
-.02
.00
.16
n = 18 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Zunächst fällt auf, dass es in der vorliegenden Studie im Einzelhandel deutlich stärkere Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und aggregierten Tätigkeitsitems gibt, als das in der Pilotstudie der Fall war (vgl. Kapitel 6.2.2.3). Nur wenige, aber zum Teil starke Zusammenhänge finden sich zwischen den verschiedenen Konstrukten des habitualisierten Interesses und aggregierten Tätigkeitsitems. Die gefundenen Zusammenhänge zwischen situationalem Interesse (im Sinne positiver emotionaler Befindlichkeit) und Neurotizismus (auch als negative Affektivität bezeichnet) sowie Extraversion (positive Affektivität; vgl. Kapitel 2.2.1.3) sind erwar-
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
293
tungskonform (vgl. insbesondere Kapitel 4.3.1). Die hohen negativen Zusammenhänge zwischen Neurotizismus und Zusammenarbeit sowie zwischen Neurotizismus und Lernmöglichkeiten werfen die Frage auf, ob (1) emotional labilere Auszubildende kooperative Arbeitssituationen seltener aktiv aufsuchen und objektiv vorhandene Lernmöglichkeiten nicht als solche wahrnehmen oder ob (2) diese Auszubildenden von ihren Kollegen seltener die Möglichkeit zur Zusammenarbeit erhalten und ihnen tatsächlich geringere Lernmöglichkeiten zuteil werden. Erwartungskonform ist auch der Zusammenhang zwischen Neurotizismus und dem aggregierten Erleben von Nervosität. Die negative Affektivität schlägt sich in negativem Erleben nieder und verhindert eine mit positivem Erleben einhergehende Interessensentwicklung (vgl. Kapitel 2.2.1.4). Diese Interpretation wird auch durch die negative Korrelation zwischen Neurotizismus und Ausbildungsinteresse (FSI) auf Personenebene gestützt (r = -.51, p < .01; vgl. Tabelle 5-10b). Dass Auszubildende mit höherer Selbstwirksamkeitserwartung und ausgeprägterem Interesse an der derzeitigen Ausbildung im Arbeitsprozess seltener über neuartige Tätigkeiten berichten, ist dahingehend interpretierbar, dass Auszubildende mit diesen als günstig einzustufenden Voraussetzungen sich zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits ein umfangreicheres Tätigkeitsrepertoire und umfangreichere Routinen erarbeitet haben. Die für das erste Ausbildungsjahr vorgesehenen Tätigkeitsbereiche haben sie sich schon erschlossen, so dass in der täglichen Arbeit nur noch selten neue Tätigkeiten hinzukommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Auszubildende, die weniger selbstsicher und interessiert sind, einige Tätigkeitsbereiche erst später kennen lernen und/oder längere Zeit benötigen, um diese nicht mehr als neuartig wahrzunehmen. Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit dieser langsamere Lern- und Entwicklungsprozess „selbst verschuldet“ oder durch das Ausbildungspersonal (mit)verursacht ist. Die in Kapitel 3.4.2 zusammengestellten Befunde zum didaktischen Handeln ausbildender Fachkräfte legen die Vermutung nahe, dass selbstsicher und interessiert wirkenden Auszubildenden lernförderlichere Ausbildungsbedingungen zuteil werden. 6.3.6
Zentrale Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
Im Folgenden werden die zentralen Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel noch einmal zusammengetragen. (1) Tätigkeitsfelder und deren Erleben durch die Auszubildenden • Etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit verbringen die Auszubildenden mit eigenverantwortlichem Kundenkontakt (Welcome-Management, Beratungs- und Verkaufsgespräche; Kategorie 1) und ein weiteres Viertel mit Routine- und Verwal-
294
•
•
•
•
6 Empirische Befunde
tungstätigkeiten ohne direkten Kundenkontakt (Kategorie 2). Die übrige Arbeitszeit in der Filiale umfasst eigene Lernzeiten für die Bearbeitung der so genannten Wochenaufgaben, das Einlesen in neue Produkt- oder Ablaufbeschreibungen, kleinere Schulungssequenzen wie bspw. in Rollenspielen simulierter Kundenkontakt (Kategorie 3) sowie das (eher passive) Beobachten erfahrener Kollegen (Kategorie 4; vgl. Kapitel 6.3.2). Arbeitstätigkeiten der Kategorien 1 und 2 werden recht ähnlich wahrgenommen. Sowohl Kundenkontakt als auch Routinetätigkeiten bieten eher geringe Kooperationsmöglichkeiten und dementsprechend wenig Hilfestellung und Leistungsrückmeldung durch Kollegen. Dennoch werden sie als recht interessant eingestuft und eröffnen trotz geringer Neuartigkeit und geringer Schwierigkeit noch passable Lernmöglichkeiten (in der Nähe des theoretischen Skalenmittelwertes zwischen 1 = überhaupt nichts gelernt und 6 = sehr viel gelernt). Das Lernen durch Beobachtung im Arbeitsprozess (Kategorie 4) zeichnet sich durch hohe Interaktion mit Kollegen (Zusammenarbeit, Hilfe, Rückmeldung), durch hohe Lernpotenziale, aber geringen Handlungsspielraum aus. Die eigens für Lernzwecke aus dem Arbeitsprozess herausgelösten Tätigkeiten der Kategorie 3 werden im Vergleich hierzu weder als interessanter noch als lernförderlicher wahrgenommen. Allerdings bietet dieser „pädagogische Schonraum“ die größeren Handlungsspielräume (vgl. Kapitel 6.3.3.1). Berücksichtigt man das Verhältnis der zeitlichen Anteile des Arbeitshandelns (Kategorien 1 und 2) und des Lernhandelns (Kategorien 3 und 4) sowie die in den Kategorien durchschnittlich wahrgenommenen Lernpotenziale, so wird deutlich, dass das beiläufig-informelle Lernen am Arbeitsplatz zumindest quantitativ den größeren Teil einnimmt. Über die Qualität der Lerninhalte kann hier freilich keine Aussage getroffen werden. Es ist lediglich zu vermuten, dass die in den Kategorien 3 und 4 angestoßenen Lernprozesse komplexere Inhalte betreffen und das weitere Lernen im Arbeitsprozess fördern oder teilweise sogar erst ermöglichen. Neue Arbeitstätigkeiten werden im Allgemeinen als schwierig empfunden und gehen mit einem höheren Nervositätserleben einher. Sie werden jedoch öfter in Zusammenarbeit und mit Hilfe erfahrener Kollegen bearbeitet, bieten entsprechende Leistungsrückmeldungen und werden als lernförderlich wahrgenommen (vgl. 6.3.3). In Eigeninitiative übernommene Tätigkeiten sind dagegen weniger neu und bieten weniger Zusammenarbeit. Allerdings bieten sie eine überdurchschnittliche Erlebensqualität im Sinne von situationalem Interesse und Flow-Erleben (vgl. Kapitel 6.3.3 und 6.3.3.2). Modelle zur Prognose positiver emotionaler Befindlichkeit (situationales Interesse und Auswahl der befindlichkeitsförderlichsten Tätigkeit des Tages) auf Basis von Arbeitsmerkmalen liefern nur eine geringe Varianzaufklärung (vgl. Kapitel 6.3.3.3).
6.3 Befunde der Tagebuchstudie im Einzelhandel
295
(2) Lernförderliche Arbeitsmerkmale • Quantitative Analysen der Tagebuchdaten verweisen auf die lernförderliche Wirkung der Dimensionen Herausforderung (Neuartigkeit, Schwierigkeit), Interaktionsqualität (Zusammenarbeit, Hilfe, Rückmeldung) und Erlebensqualität (Interessantheit, Zeitempfinden). Die Dimensionen werden faktorenanalytisch bestätigt, sind jedoch nicht unabhängig voneinander (vgl. Kapitel 6.3.4). • In den offenen Begründungen zur Auswahl der lernförderlichsten Tätigkeit eines Tages im Tagesrückblick (vgl. Kapitel 5.3.4.3) spielt die Erlebensqualität indes keine Rolle. Hier lassen sich die Kategorien Herausforderung (Neuartigkeit, Schwierigkeit), Interaktionsqualität (Zusammenarbeit, Hilfe) und Selbstständigkeit (Handlungsspielraum, Fehler) identifizieren (vgl. Kapitel 6.3.4). (3) Zusammenhänge zwischen den auf Personenebene aggregierten Tagebuchdaten und standardisierten Fragebogeninstrumenten • Ein forschungsmethodologisch interessanter Befund ist darin zu sehen, dass aggregierte Tätigkeitsmerkmale aus der prozessnahen Tagebucherhebung kaum Zusammenhänge mit den retrospektiv beurteilten Arbeitsmerkmalen aufweisen. Obwohl hier auf ähnliche Konstrukte abgezielt wird, scheinen die unterschiedlichen Erhebungsmethoden (prozessnah mittels Tagebuch vs. retrospektiv mittels Fragebogen) unterschiedliche Konstrukte zu messen. Dies spricht für den zusätzlichen Erkenntnisgewinn durch prozessnahe Erhebungsmethoden und gegen die ausschließliche Erhebung mittels retrospektiver Selbstauskünfte (vgl. Kapitel 6.3.5.1). • Die Zusammenhangsanalysen zwischen aggregierten Tagebuchitems und retrospektiver Einschätzung der Motivation, Bedürfnisbefriedigung und begleitender Empfindungen zeigen, dass das aggregierte situationale Interesse und das aggregierte Flow-Erleben (Die Zeit vergeht wie im Flug) sich erwartungskonform positiv in der retrospektiven Einschätzung niederschlagen. Erlebte Schwierigkeit und Nervosität weisen dagegen zahlreiche, teilweise starke negative Zusammenhänge mit selbstbestimmten Motivationsarten und der Bedürfnisbefriedigung auf. Zusammenhangsanalysen zwischen den aggregierten Erlebensdaten und der Veränderung (dem Delta) der retrospektiven Einschätzungen zwischen Ausgangsund Eingangserhebung sprechen für eine Kausalinterpretation. Obwohl die niedrigen Mittelwerte von Schwierigkeit und Nervosität keinesfalls eine dauerhafte Überforderung der Auszubildenden nahe legen, wirken die wahrgenommenen Herausforderungen scheinbar eher entmutigend. Dies könnte ein Spezifikum von Ausbildungsphasen im Vergleich zu langjähriger Arbeitstätigkeit sein: Herausforderungen (erlebte Schwierigkeiten und damit einhergehendes Unsicherheiterleben) stellen eine Gefährdung der – gerade im ersten Ausbildungsjahr – noch
296
6 Empirische Befunde
sehr fragilen Verhaltens- und Orientierungssicherheit dar und werden daher nicht als „positive Anregungen“, sondern als „Rückschläge“ wahrgenommen (vgl. Kapitel 6.3.5.2). • Die Zusammenhänge zwischen allgemeinen Persönlichkeitseigenschaften und aggregierten Erlebensdaten bestätigen, dass Neurotizismus (im Sinne negativer Affektivität) ein negativer Prädiktor und Extraversion (im Sinne positiver Affektivität) ein positiver Prädiktor für die Erlebensqualität ist. Weitere Zusammenhänge legen – wie schon in der Pilotstudie – die Vermutung nahe, dass Auszubildende je nach „Außenwirkung“ auf Kollegen (ausbildende Fachkräfte) unterschiedliche Ausbildungsbedingungen erhalten. Selbstsichere, extrovertierte Auszubildende erhalten günstigere Lern- und Arbeitsbedingungen, während emotional labilere Auszubildende benachteiligt werden (vgl. Kapitel 6.3.5.3). (4) Benchmarkvergleich der Motivation und Zusammenhänge auf Ebene der Standarderhebungsinstrumente • Die Auszubildenden der Hauptstudie (angehende Einzelhandelskaufleute im ersten Ausbildungsjahr) erzielen im Motivationsfragebogen (nach Prenzel) günstigere Werte hinsichtlich der Motivationsausprägungen, der Bedürfnisbefriedigung und der begleitenden Empfindungen als die Auszubildenden in der Pilotstudie (vgl. Kapitel 6.3.1). • Innerhalb des Motivationsfragebogens (nach Prenzel) finden sich die typischen, zum Teil stark ausgeprägten Zusammenhänge zwischen Motivationsarten, wahrgenommener Befriedigung der Basisbedürfnisse und begleitenden Empfindungen. Angesichts einer Korrelation von r = .82 zwischen retrospektiv eingeschätzten positiven Empfindungen und retrospektiv eingeschätzter intrinsischer Motivation stellt sich die Frage, inwieweit die Konstrukte empirisch noch zu unterscheiden sind oder ob nicht ein allgemeines Zufriedenheitsurteil einen Großteil der gemeinsamen Varianz erklärt. • Unter den retrospektiv eingeschätzten Arbeitsmerkmalen weisen Bedeutsamkeit und Vollständigkeit die höchsten Ausprägungen mit den Motivationsarten auf. Erwartungsgemäß korrelieren die Arbeitsmerkmale negativ mit Amotivation und extrinsischer Motivation und positiv mit den selbstbestimmten Motivationsarten (siehe Anhang). Eine Integration der Befunde aus allen drei durchgeführten Studien erfolgt im siebten Kapitel. Zunächst folgen noch die Befunde der Interviewstudie.
6.4 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
6.4
297
Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
Um eine weitere Perspektive auf das Erleben und Lernen am Arbeitsplatz zu gewinnen und dabei insbesondere die Rolle des Ausbildungspersonals zu beleuchten, wurden beim selben Unternehmen der Telekommunikationsbranche anhand einer weiteren Stichprobe Interviews mit Ausbildungsbeteiligten geführt (vgl. ausführlich Kapitel 5.3.5). Folgende Fragestellungen lagen der Interviewstudie zugrunde: • Wie gestaltet sich die Rollenverteilung zwischen hauptberuflichen Ausbildern und ausbildenden Fachkräften aus Sicht der Ausbildungsbeteiligten? • Welches Lernverständnis haben die Ausbildungsbeteiligten und welche Ausbildungsziele verfolgen sie? • Was verstehen die Ausbildungsbeteiligten unter einer guten Betreuung von Auszubildenden und welche Bedingungen am Arbeitsplatz halten sie für lernförderlich? • Wie gestaltet sich die Betreuung der Auszubildenden in der Praxis? • Wie zufrieden sind die Ausbildungsbeteiligten mit der Qualität der Ausbildung und wo sehen sie Verbesserungspotenziale? Die folgende Darstellung der Befunde basiert auf Rausch (2009). Zur tabellarischen Darstellung sei vermerkt, dass sich die Berechnung von Prozentzahlen aufgrund der teilweise geringen Anzahl an Kodierungen eigentlich verbietet. Trotz der damit verbundenen „Scheingenauigkeit“ ermöglichen die Prozentzahlen aber eine schnelle Orientierung und bessere Lesbarkeit der Ergebnisse. 6.4.1
Tätigkeitsfelder des Ausbildungspersonals
Angesichts der in Kapitel 3.4.1 beschriebenen Heterogenität des betrieblichen Ausbildungspersonals (hauptberufliche Ausbilder vs. ausbildende Fachkräfte) stellt sich zunächst die Frage, wie sich die Tätigkeitsfelder und deren Verteilung im untersuchten Unternehmen darstellen. Die von den Befragten angegebenen Bereiche sind in Tabelle 6-33 in absteigender Reihenfolge von makrodidaktischen zu mikrodidaktischen Aufgaben (vgl. Kapitel 3.4.1) angeordnet.
298 Tabelle 6-33:
6 Empirische Befunde
Tätigkeitsfelder der hauptberuflichen Ausbilder und ausbildenden Fachkräfte (Paten) Hauptberufliche Ausbilder (n=5)
Ausbildende Fachkräfte / Paten (n=10)
Operationalisierungs- Ausbilder hinweise (Nennungen)
% (%)
Paten (Nennungen)
% (%)
Ausbildungsmanagement (strategisch)
Entwicklung von Ausbildungsplänen; Absprachen mit Schulen, IHK etc.
1 (1)
20 (4.2)
0 (0)
0 (0)
Ausbildungsmanagement (operativ)
Organisation des Ausbildungsablaufs einzelner Auszubildender
4 (5)
80 (20.8)
2 (2)
10 (10)
Zielbildungs-, Reflexions- und Beurteilungsgespräche
Intensive Gespräche zum Stand und weiteren Verlauf der Ausbildung
5 (5)
60 (20.8)
0 (0)
0 (0)
Betreuung der Wochenaufgabe
Unterstützung und / oder Leistungsrückmeldung
3 (5)
60 (16.7)
9 (9)
45 (45)
Betreuung beim Lernen / Arbeiten
Direkte Betreuung auf Mikroebene
3 (4)
60 (12.5)
5 (5)
25 (25)
Ansprechpartner bei Problemen aller Art
3 (3)
20 (4.2)
4 (4)
20 (20)
Tätigkeitsfelder
Ansprechpartner bei Problemen
Die Angaben der Interviewpartner bestätigen die in Kapitel 3.4.1 herausgearbeitete Aufgabenteilung. Hauptberuflichen Ausbildern fallen eher die makrodidaktischen Aufgaben zu, während sich ausbildende Fachkräfte nahezu ausschließlich mikrodidaktische Aufgaben zuschreiben. Zudem fällt auf, dass nur eine Aussage eines hauptberuflichen Ausbilders dem strategischen Ausbildungsmanagement zuzuordnen ist. Entscheidungen, die sich auf die grundsätzliche Organisation der Ausbildung beziehen, d. h. ganze Ausbildungsgänge oder zumindest größere Gruppen von Auszubildenden betreffen, gehören offensichtlich zum Aufgabenbereich einer hierarchisch klar abgrenzbaren Ausbildungsleitung. Dies scheint angesichts der enormen Größe des untersuchten Unternehmens nicht überraschend. Abweichend von der offiziellen Ausbildungsorganisation (vgl. Kapitel 5.3.1.2) gehört die Betreuung bzw. Unterstützung bei der Wochenaufgabe offensichtlich zu den üblichen Tätig-
299
6.4 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
keitsbereichen der ausbildenden Fachkräfte. Eine direkte Interaktion zwischen Auszubildenden und hauptberuflichen Ausbildern findet in erster Linie im Rahmen der offiziellen Gespräche statt. 6.4.2
Lernverständnis und Ausbildungsziele aus Sicht der Ausbildungsbeteiligten
In Kapitel 3.4.2 wurde die Bedeutung der subjektiven Lehr-Lern-Theorien des Ausbildungspersonals für deren didaktisches Handeln erörtert. Tabelle 6-34 gibt die Kodierungen der in Kapitel 5.3.5 dargestellten Kategorien wieder. Tabelle 6-34:
Lernverständnis und Ausbildungsziele aus Sicht der Ausbildungsbeteiligten Hauptberufliche Ausbilder
Nennungen Lernverständnis und Ziele der Ausbildung (% der Nennungen)
Ausbildende Fachkräfte
Auszubildende
Nennungen (% der Nennungen)
Nennungen (% der Nennungen)
Oberflächenorientierung
3 von 8 (37.5)
6 von 13 (46.2)
11 von 13 (84.6)
Tiefenorientierung
5 von 8 (62.5)
7 von 13 (53.8)
2 von 13 (15.4)
Oberflächenziele
7 von 16 (43.8)
15 von 23 (65.2)
14 von 31 (45.2)
Tiefenziele
9 von 16 (56.3)
8 von 23 (34.8)
17 von 31 (54.8)
Trotz der insgesamt recht wenigen Kodierungen ist eine deutliche Tendenz dahingehend sichtbar, dass pädagogisch qualifizierte Ausbilder über ein tiefenorientierteres Lernverständnis verfügen. Während die Aussagen der ausbildenden Fachkräfte ein ausgewogenes Verhältnis aufweisen, stimmt insbesondere das Lernverständnis der befragten Auszubildenden nachdenklich. Lernen wird von den Auszubildenden in erster Linie mit dem Abspeichern von prüfungsrelevantem Wissen gleichgesetzt. Hinsichtlich der wahrgenommenen Ziele der Ausbildung ergibt sich ein ausgeglicheneres Bild, wenngleich eine stärkere Fokussierung auf Tiefenziele insgesamt wünschenswert erschiene. Die kodierten Aussagen zu Oberflächenzielen ausbilden-
300
6 Empirische Befunde
der Fachkräfte fallen überwiegend in die Subkategorie „betriebsspezifisches Anwendungswissen“ und decken sich somit mit den in Kapitel 3.4.2 dargestellten Befunden. Paradox scheint das Gesamtbild der Auszubildenden, die sehr wohl Aspekte der Interessens- und Persönlichkeitsentwicklung als Ziel der Ausbildung sehen, aber diese Ziele scheinbar nicht mit dem Lernbegriff in Verbindung bringen. 6.4.3
Betreuung von Auszubildenden am Arbeitsplatz
Im Rahmen der Interviews wurden alle Ausbildungsbeteiligten gefragt, welche Einflussfaktoren darüber entscheiden, ob und wie gut beim täglichen Arbeiten etwas gelernt werden kann. Tabelle 6-35 gibt einen nach Häufigkeit ihrer Nennung sortierten Überblick über die Aussagen der Befragten. Tabelle 6-35:
Förderliche Bedingungen des Lernens im Arbeitsprozess Hauptberufl. Ausbilder Nennungen (% von 27)
Ausbildende Fachkräfte Nennungen (% von 64)
Auszubildende Nennungen (% von 79)
Lernförderlichkeitsmerkmale
Operationalisierungshinweise
Betreuung durch den Paten
Anleitung, Verfügbarkeit bei Fragen, Leistungsrückmeldung, Auswahl der Arbeitstätigkeiten etc.
12 (44.4)
19 (29.7)
24 (30.4)
Arbeitsklima und Erlebensqualität
Arbeitsklima, Fehlerverständnis, kein Zeitdruck; Spaß / Wohlfühlen bei der Arbeit, keine Angst etc.
5 (18.5)
19 (29.7)
17 (21.5)
Individuelle Lernervoraussetzungen
Interesse, Neugier, Vorwissen, Offenheit etc.
6 (22.2)
15 (23.4)
7 (8.9)
Merkmale der Arbeitstätigkeit
Schwierigkeit, Ganzheitlichkeit, Vielfalt, Spielraum etc.
2 (7.4)
7 (10.9)
17 (21.5)
Keine Lernmöglichkeit im Arbeitsprozess
(a) Lernen im Arbeitsprozess wird generell nicht als Lernen erkannt. (b) Keine „neuen“ Aufgaben mehr
1 (3.7)
4 (6.3)
13 (16.5)
6.4 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
301
Die Ausbildungsbeteiligten scheinen sich einig darüber, dass die unmittelbare Betreuung am Arbeitsplatz einen großen Einfluss auf das Lernpotenzial im Arbeitsprozess ausübt. Insbesondere die hauptberuflichen Ausbilder, die in die Betreuung am Arbeitsplatz nicht selbst eingebunden sind, scheinen sich dessen bewusst. Ebenfalls Einfluss wird einem guten Arbeitsklima und positiven Emotionen bei der Arbeit zugeschrieben. Während das Ausbildungspersonal die Bedeutung individueller Lernervoraussetzungen betont, sehen die Auszubildenden die Merkmale der Arbeitstätigkeit als wichtiger an. Frappierend ist, dass 16,5% der Auszubildendenäußerungen zu dieser Frage dahingehend zu interpretieren sind, dass keinerlei Lernmöglichkeiten wahrgenommen werden und ein Großteil dieser Aussagen in Subkategorie (a) fällt, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: „Wenn ich gerade lerne, muss ich oft wieder weg, bin ich gerade drin, werde ich dann wieder unterbrochen – das ist halt schwer“ (Auszubildender 07, Abs. 67). Erst auf die Nachfrage, ob man nicht gewisse Arbeitstätigkeiten jetzt besser ausüben könne als zu Beginn der Ausbildung und wie sich dieses Können entwickle, wurde der Sinn der Frage deutlich: „... Ah, da [im Arbeitsprozess] lernt man auch, okay“ (Auszubildender 08, Abs. 392ff.). An dieser Stelle ist Simons (2005) beizupflichten, der bei Befragungen zum Lernen am Arbeitsplatz warnt: „The word ‚learning’ puts people in the wrong mode“ (ebd., 44). „[In der Filiale] lernt man [*Pause*] das kommt automatisch ... Das ist für mich kein Lernen an sich“ (Auszubildender 08, Abs. 104). 6.4.3.1
Merkmale guter Betreuung (Soll-Vorstellungen)
Da die direkte Betreuung am Arbeitsplatz nach Ansicht der Befragten den stärksten Einfluss auf die Lernmöglichkeiten im Arbeitsprozess hat, wird im Folgenden dargelegt, was die Ausbildungsbeteiligten unter guter Betreuung am Arbeitsplatz verstehen (vgl. Tabelle 6-36).
302 Tabelle 6-36:
6 Empirische Befunde
Merkmale guter Betreuung am Arbeitsplatz aus Sicht der Ausbildungsbeteiligten Hauptberufl. Ausbildende Ausbilder Fachkräfte
Merkmale guter Betreuung am Arbeitsplatz
Operationalisierungshinweise
Auszubildende
Nennungen (% von 15)
Nennungen (% von 27)
Nennungen (% von 40)
Betreuer sollen bei Fragen / Verfügbarkeit von Problemen aller Art jederzeit Ansprechpartnern zur Verfügung stehen.
5 (33.3)
9 (33.3)
8 (20.0)
Gutes Arbeitsklima schaffen / erhalten
Auszubildende sollen sich wohl / ernst genommen / integriert fühlen.
3 (20.0)
5 (18.5)
13 (32.5)
Engagement / Interesse des Betreuers
Betreuer sollen Interesse am Lernerfolg und hohes Engagement zeigen.
3 (20.0)
7 (25.9)
7 (17.5)
Materielle Ausstattung
Ausreichend PC-Arbeitsplätze etc.
2 (13.3)
2 (7.4)
2 (5.0)
Fachkompetenz des Betreuers
Betreuer sollen fachkompetent sein.
1 (6.7)
2 (7.4)
3 (7.5)
Leistungsrückmeldung
Betreuer sollen eine sachliche Rückmeldung zur Leistung und Entwicklung geben.
0 (0.0)
0 (0.0)
3 (7.5)
Übertragung geeigneter Arbeitstätigkeiten
Die Betreuer sollen lernförderliche Arbeitsaufgaben übertragen / ermöglichen.
0 (0.0)
0 (0.0)
2 (5.0)
Die drei am häufigsten genannten Merkmale (1) Verfügbarkeit von Ansprechpartnern, (2) Schaffung eines guten Arbeitsklimas sowie (3) Engagement und Interesse des Betreuers sind zugleich sehr allgemeine Kategorien. Beim Versuch, im Interview zu erfragen, wie bspw. ein gutes Arbeitsklima zu schaffen sei, wurde oft geantwortet, indem der Betreuer Engagement zeige, und umgekehrt zeige sich das Engagement des Betreuers in seiner Verfügbarkeit und der Unterstützung eines positiven Arbeitsklimas. Alle übrigen Kategorien wurden selten genannt.182 Emo182 Insbesondere der geringe Stellenwert der Fachkompetenz des Betreuers mag zunächst überraschen, wenngleich Studien im schulischen Kontext bereits vor mehr als 30 Jahren sehr ähnliche Befunde zutage förderten (vgl. Achtenhagen, Sembill & Steinhoff 1979).
6.4 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
303
tionale Unterstützung und soziale Eingebundenheit scheinen aus Sicht der Ausbildungsbeteiligten eine größere Rolle zu spielen. „Also das Wichtigste ist, dass man ernst genommen wird und dass man, egal wann es ist, immer kommen kann, auch wenn er gerade beschäftigt ist oder einen Kunden da stehen hat. Dass man immer sagen kann, er hat Zeit für einen“ (Auszubildender 07, Abs. 99). Im geringen Detaillierungsgrad der Aussagen zeigt sich jedoch auch ein entscheidender Nachteil retrospektiver Befragungen zu informellen Lehr-Lern-Prozessen. Der beiläufige Charakter dieser Lehr-Lern-Prozesse führt dazu, dass eine Rekonstruktion schwierig erscheint. Die in Kapitel 6.3 dargestellten Befunde der Tagebuchstudie sind hier deutlich aufschlussreicher. 6.4.3.2
Betreuungsansatz der ausbildenden Fachkräfte (Ist-Situation)
Ausbildende Fachkräfte wurden im Rahmen der Interviews zusätzlich nach ihrem pädagogischen Rollenverständnis befragt (Selbstsicht). Ebenso wurde die Fremdsicht ihrer Rolle seitens der Auszubildenden erfragt (vgl. Kapitel 5.3.5). Abbildung 6-6 gibt einen Überblick über die selbst und fremd eingeschätzte Rolle.
Abbildung 6-6:
Anzahl der kodierten Aussagen zur Selbst- und Fremdeinschätzung der Rolle ausbildender Fachkräfte
304
6 Empirische Befunde
Abbildung 6-6 verdeutlicht, dass die Rolle des Wissensvermittlers erwartungsgemäß weder aus Sicht der ausbildenden Fachkräfte noch aus Sicht der Auszubildenden eine sehr große Rolle spielt. Ausbildende Fachkräfte betonen in den Interviews hauptsächlich ihre Rolle als Modell für Denk- und Arbeitsweisen, aber auch ihre eher passive Rolle als Begleiter und Ansprechpartner. Die selbst berichtete Modellund Vorbildfunktion wird ihnen von den Auszubildenden nicht zugeschrieben.183 Dies könnte allerdings dem – in der Stichprobe der Interviewstudie – fortgeschrittenen Ausbildungsstand der befragten Auszubildenden geschuldet sein, denn acht von zehn ausbildenden Fachkräften geben an, dass sich ihre Rolle im Lauf der Ausbildung vom Modell zum Begleiter verschiebt. „Bevor man den Azubi ins kalte Wasser wirft, ist er zu aller erst einmal immer dabei ... ich mache die Kundenberatung, er hört zu ... Und dann nach und nach macht er die Kundenberatung ... je selbstständiger er wird, je mehr er kann, desto weniger muss ich dabei sein. Also die Hilfestellung wird eben von Lehrjahr zu Lehrjahr immer weniger ... Dann springt man nur noch ein, wenn es sein muss“ (Ausbildende Fachkraft 02, Abs. 28). „Es ist halt so, dass der Auszubildende mit mir mitläuft, dass er sich das Ganze anschaut. Dann wird er nach und nach von mir rangeführt, so dass er bei manchen Kunden leichtere Sachen schon gezeigt bekommt ... dann lasse ich den Azubi auch selbst beraten. Ich stell mich aber dann immer noch dahinter und coache, schau mir das Ganze an. Wir sprechen dann darüber, wie es gelaufen ist und erst dann, wenn ich der Meinung bin, er kann jetzt alleine loslegen, lasse ich ihn auch alleine laufen, aber immer mit dem Hintergedanken, er kann zu mir kommen. Auch wenn es Schwierigkeiten gibt, soll er dann zu mir kommen, bevor er den Kunden falsch berät oder falsche Sachen in das System eingibt“ (Ausbildende Fachkraft 07, Abs. 19ff.). Ähnlich beschreiben auch die Auszubildenden einen entsprechenden Wandel im Laufe der Ausbildung. „Erst [zu Beginn der Ausbildung] ist es so, dass man mitläuft und erstmal gar nichts sagt, sondern sich das Ganze erst einmal anhört. Dann, wenn so einfache Sachen kommen ... dann darfst du das selbst machen. Bei den einfachen Sachen steht er [der Pate] dann halt hinten dran. Dann bedienst du und der Pate steht hinten dran und schaut bloß noch zu und irgendwann ist er weg. Immer so Schritt für Schritt“ (Auszubildender 03, Abs. 176).
183 Dementsprechend fällt die Beobachterübereinstimmung (Cohens kappa) zwischen ausbildenden Fachkräften und Auszubildenden mit .45 recht gering aus. Berechnungsgrundlage waren hierbei nicht die in Abbildung 6-7 dargestellten Häufigkeiten der jeweiligen Aussagen, sondern lediglich, ob die betreffende Rolle genannt wurde (1) oder nicht (0).
6.4 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
305
Dabei scheint die in Kapitel 5.3.1.1 skizzierte permanente Öffentlichkeit der Ausbildung im Einzelhandel der frühzeitigen Übertragung komplexer Arbeitsaufgaben bei zurückhaltender Begleitung der ausbildenden Fachkraft entgegenzustehen, wie folgender Schilderung einer ausbildenden Fachkraft bildhaft zu entnehmen ist: „wenn ich … es ihm [dem Auszubildenden] schon einmal gezeigt habe … und er sollte es jetzt selbstständig machen und man merkt langsam, dass die Schlange wächst und wächst und ... langsam aggressiv wird ... Man sagt sich dann, dass das der Auszubildende auch lernen muss, aber in der Situation sag ich dann: ‚Lass mich mal ganz kurz ran, wenn es wieder ruhig ist, kannst du es dann wieder machen.’ Das sind dann auch immer so Situationen, die man nicht vorhersehen kann. Da muss man dann auch eingreifen, dass die Kunden in der Schlange sich nicht an die Kehle gehen“ (Ausbildende Fachkraft 08, Abs. 127). So geben sechs von zehn ausbildenden Fachkräften an, dass die Betreuungszeit zu Beginn der Ausbildung 50 % oder mehr der täglichen Arbeitszeit einnimmt. Die Auszubildenden schätzen dieses Vorgehen, da es verhindert, dass ihre anfänglich geringe Verhaltens- und Orientierungssicherheit zu Frustration führt. „Am Anfang, weil man da noch gar nichts weiß und dann beschimpft einen jemand [ein Kunde], da weiß man gar nicht, was man sagen soll, wovon der überhaupt redet. Wenn man da bloß Bahnhof versteht, dann ist es schon hilfreich, wenn einer hinten dran steht“ (Auszubildender 03, Abs. 183). „Denn am Anfang, wenn man noch schwach ist, wenn man in der ersten Woche allein bedienen müsste. Mein Gott, da wäre ich ja untergegangen. Da hätte ich abends jeden Tag geweint“ (Auszubildende 08, Abs. 178). Diese Aussagen untermauern auch den Befund der Tagebuchstudie, wonach im Arbeitsprozess wahrgenommene Schwierigkeiten und erlebte Unsicherheiten mit einer retrospektiv geringeren Erlebensqualität einhergehen (vgl. Kapitel 6.3.5.2). Der allmähliche Rollenwechsel, den die ausbildenden Fachkräfte durchführen, erinnert dabei an den didaktischen Ansatz des Cognitive Apprenticeship, der explizit an Formen der praktischen Ausbildung orientiert ist. Auch hier wird ein Rollenwechsel von Modeling (Vormachen) über Coaching (direktes Unterstützen) und Scaffolding (Rahmenbedingungen schaffen) bis schließlich zum Fading, dem allmähliche Zurückziehen der Lehrperson, empfohlen (Collins, Brown & Newman 1989, 481ff.). Es handelt sich somit quasi um eine langfristige Form der Vier-Stufen-Methode, wodurch auch die unterschiedlichen Rollenwahrnehmungen in Abbildung 6-6 erklärbar werden: Befragt nach ihrer Vorgehensweise berichten ausbildende Fachkräfte insbesondere über die intensive Betreuung zu Beginn der Ausbildung, in der sie die Rolle eines Modells / Vorbilds annehmen. Die befragten Auszubildenden berichten hingegen eher über die aktuell wahrgenommene Rolle der Paten, die aufgrund
306
6 Empirische Befunde
der teilweise bereits fortgeschrittenen Ausbildungszeit eher der eines Begleiters / Ansprechpartners entspricht. Ein weiterer möglicher Grund für die relativ abweichenden Rollenwahrnehmungen in Abbildung 6-6 könnte aber auch darin zu suchen sein, dass die tatsächliche Betreuung durch die ausbildenden Fachkräfte (i. S. e. working conception; Samuelowicz & Bain 1992, 110) zeitweise nicht ihrer Idealvorstellung der Betreuung (i. S. e. ideal conception, ebd.) entspricht, sie Letztere aber aufgrund äußerer Zwänge nicht umsetzen können. Sieben von zehn ausbildenden Fachkräften nennen ihre Doppelrolle als Verkäufer und Ausbilder sowie den damit verbundenen Zeitdruck als größtes Problem (vgl. auch Kapitel 3.4). Ebenso äußern sich zwei der hauptberuflichen Ausbilder – unterschiedlich emphatisch – zum Spannungsverhältnis, dem die ausbildenden Fachkräfte ausgesetzt sind: „Ich hab noch keinen Paten gehabt, der gesagt hat: ‚Nein, mach ich nicht!’ ... Die einzige Gefahr ist, dass der Pate um seine Funktion weiß, kann sie aber nicht so ausführen. Dass er zwar gerne würde, dass der [Filialleiter] aber sagt: ‚Nein, jetzt konzentriere Dich lieber mal auf das und das.’“ (Hauptberuflicher Ausbilder 04, Abs. 107). „Da merkt man auch, dass man da als Ausbilder nicht viel ausrichten kann, weil sie [die Paten] nur ihre Zielerreichung sehen, weil sie dafür Geld bekommen“ (Hauptberuflicher Ausbilder 01, Abs. 133). 6.4.3.3
Individualisierung der Betreuung
Hinsichtlich des oben beschriebenen Wandels vom Modell / Vorbild zum Begleiter / Ansprechpartner wurde in den Konstruktinterviews auch der Zeitpunkt des Rollenwandels thematisiert. In den Aussagen der ausbildenden Fachkräfte wie auch der hauptberuflichen Ausbilder wird deutlich, dass es hier durchaus eine innere Differenzierung gibt. „Na klar. Derjenige, der mehr Engagement hat, der will mehr machen und den lässt man auch mehr machen. Für den muss man halt weiter Ansprechpartner sein und der andere, bei dem muss halt dann immer jemand da sein“ (Ausbildende Fachkraft 01, Abs. 119). „Der Schüchterne braucht eine viel intensivere Betreuung“ (Ausbildende Fachkraft 05, Abs. 43). „Ich glaube, das hängt vom Typen ab. Wenn ich jetzt Typen habe, die sich ein bisschen trauen, die Mut haben, dann gibt man diesen eine Aufgabe, ohne dass man es ihnen vormacht oder erklärt und die machen sie dann auch. Es gibt aber auch Azubis, die
6.4 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
307
sehr viel Angst haben und die so unselbstständig sind“ (Hauptberuflicher Ausbilder 01, Abs. 57). „Dann arbeitet man da natürlich mit einem ‚Guten’ von vornherein in einer ganz anderen Weise. […] Weil einem ‚Guten’ kann ich einen schwereren Auftrag geben oder mit ihm einen größeren Schritt vereinbaren und mit einem ‚Schwächeren’ muss man immer so das Maß erwischen, weil ‚rucki zucki’ ist der dann überfordert“ (Hauptberuflicher Ausbilder 04, Abs. 21ff.). Diese Mechanismen einer Zuteilung von Arbeitstätigkeiten nach wahrgenommenen Persönlichkeitseigenschaften legten bereits die Befunde der Tagebuchstudie nahe (vgl. Kapitel 6.3.5.3). Wenn die Betreuung also von Persönlichkeitseigenschaften und dem individuellen Ausbildungsstand der Auszubildenden abhängig gemacht wird, stellt sich die Frage, wie das Ausbildungspersonal diese Unterschiede diagnostiziert. Hierzu können jedoch weder hauptberufliche Ausbilder noch ausbildende Fachkräfte detaillierte Angaben machen, wie in den folgenden Aussagen deutlich wird. „Man merkt das recht schnell, ob er den Willen hat, das schnell zu lernen oder ob er in die Luft schaut und die Arbeit liegt stets vor einem, aber man sieht sie nicht. Also man merkt das recht schnell, wenn man sich damit befasst“ (Ausbildende Fachkraft 06, Abs. 146ff.). „Ja, blöd zu sagen. … Man merkt es halt einfach“ (Ausbildende Fachkraft 02, Abs. 206ff.). „Das sieht man schon, wie er zur Tür herein kommt“ (Hauptberuflicher Ausbilder 03, Abs. 106). Obwohl in den Interviews kaum konkrete Indikatoren genannt werden können, äußern die Befragten sich zuversichtlich auf die Frage, ob sie mit ihrer Einschätzung der Auszubildenden immer richtig lägen. „Ja, in den meisten Fällen schon. Anfangs wusste ich es noch nicht ganz so sehr, aber je mehr ich mit Auszubildenden gearbeitet habe, desto schneller merkt man das einfach. Man kann sich natürlich täuschen ... Aber in den meisten Fällen war es natürlich schon so“ (Ausbildende Fachkraft 06, 158). Zwar ist eine innere Differenzierung bzw. Individualisierung der Betreuung grundsätzlich zu begrüßen, doch sprechen die o. a. Aussagen des Ausbildungspersonals dafür, dass die hierfür notwendige Diagnostik scheinbar ausschließlich auf impliziten Persönlichkeitstheorien beruht. Die Kriterien scheinen sich insbesondere auf die Persönlichkeitseigenschaften Extraversion und Selbstwirksamkeit (positiv) sowie Neurotizismus und Desinteresse (negativ) zu beziehen. Zudem lassen sich die beschriebenen Interventionen dergestalt zusammenfassen, dass besseren Auszubildenden (im Sinne
308
6 Empirische Befunde
der o. a. positiven Eigenschaften) komplexere Tätigkeiten, mehr Selbstständigkeit und damit umfangreichere Lernpotenziale zuteil werden, während schlechtere Auszubildende durch stärkere Betreuung vor drohender Überforderung geschützt werden. Diese Differenzierung mag grundsätzlich vernünftig sein, doch die unsichere Diagnostik und fehlende Reflexion, auf denen diese Differenzierung beruht, machen Pygmalion-Effekte durchaus wahrscheinlich. 6.4.4
Zufriedenheit der Auszubildenden und Verbesserungspotenziale aus Sicht aller Ausbildungsbeteiligten
Trotz einiger Problembereiche, die in den vorgegangenen Kapiteln geschildert wurden, haben die befragten Auszubildenden ein äußerst positives Bild ihrer Ausbildung. Auf einer Skala von 0 bis 10 beurteilen sie ihre Zufriedenheit im Durchschnitt mit 8.65 (Min: 7; Max: 10). Dies bestätigt die günstige motivationale Lage, die im Rahmen der Tagebuchstudie ermittelt wurde (vgl. Kapitel 6.3.1). Als besonders positiv nennen sie das gute Arbeitsklima (7 Nennungen) und Aspekte der Arbeitstätigkeiten (6 Nennungen). Bei den negativen Aspekten werden interessanterweise ebenfalls die Arbeitstätigkeiten und hierbei insbesondere konfliktreiche Kontakte mit Kunden genannt (6 Nennungen), was Befunde anderer Studien bestätigt (vgl. Kapitel 5.3.1.1). Bezüglich des Lernorts Ausbildungszentrum sind die Meinungen geteilt. Während der Austausch mit anderen Auszubildenden begrüßt wird, ist ein mangelnder Praxisbezug als Hauptkritikpunkt der Auszubildenden festzuhalten. „[In der Filiale] ist es fast nur das praktische Anwenden und im [Ausbildungszentrum] ist es genauso wie in der Schule. Da sitzt man halt dort ...“ (Auszubildender 08, Abs. 146). „dann sitze ich im [Ausbildungszentrum] rum und mache im Prinzip nichts bzw. lerne ich ja nicht mal was dabei. In der Berufsschule wird das Gleiche abgefragt. Projekt- und Teamarbeit habe ich im Prinzip jeden Tag hier in der Arbeit“ (Auszubildender 09, Abs. 97). Die Zufriedenheit mit der ausbildenden Fachkraft beurteilen sie im Mittel mit 9.75 (Min: 7.5; Max: 10), was in erster Linie an einem guten persönlichen Verhältnis festgemacht wird. Auch ausbildende Fachkräfte suchen bewusst einen persönlichen Zugang zu den Auszubildenden, wie die folgende Aussage eindrücklich belegt. „Die Auszubildenden, die es [Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Lernbereitschaft] nicht mitbringen, brauchen einfach eine noch intensivere Betreuung, brauchen es einfach, dass man viele Gespräche führt und dass man fragt: Wie geht’s Dir heute? Bist Du heute gut drauf? Machen wir heute das und das zusammen? Hast Du private Probleme?
6.4 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
309
Kann man Dir irgendwie helfen? ... Also es ist mehr ein privates Gespräch“ (Ausbildende Fachkraft 05, Abs. 192ff.). Die Auszubildenden danken dieses Engagement mit einer hohen Identifikation mit der Filiale und einer hohen Verbundenheit mit den Arbeitskollegen. Dies kommt in der folgenden Aussage zu den Aufenthalten im Ausbildungszentrum deutlich zum Ausdruck. „Na klar, es ist ja alles schön und gut; von mir aus auch psychologisch und hin und her. ... aber ich falle ja zwei Wochen hier [in der Filiale] aus, wo man mich gebraucht hätte“ (Auszubildender 09, Abs. 97). Auch mit dem hauptberuflichen Ausbilder sind die befragten Auszubildenden mit einer Ausnahme recht zufrieden (M: 8.00; Min: 0; Max: 10). Allerdings äußern sie schlechte Erreichbarkeit (5 Nennungen) und den nur seltenen sowie oberflächlichen Kontakt (4 Nennungen) als Kritikpunkte. „Mit dem Paten hat man jeden Tag zu tun, ihn sieht man auch jeden Tag, man kennt den Paten auch besser. Das Verhältnis zum Paten ist auch viel enger [*lacht*], weil man ihn ja jeden Tag sieht. Zum Ausbilder haben wir auch ein gutes Verhältnis ..., aber man weiß halt nicht so viel über ihn. Es geht halt mehr um das Fachliche, wenn wir uns mit ihm treffen ... und mit [der ausbildenden Fachkraft] ... ist das halt mehr persönlicher das Ganze“ (Auszubildender 08, Abs. 253). Befragt nach Verbesserungspotenzialen der Ausbildung äußern die Auszubildenden an erster Stelle eine intensivere Betreuung durch die hauptberuflichen Ausbilder (12 von 26 Nennungen). Nur zwei Nennungen beinhalten Verbesserungswünsche zur Betreuung am Arbeitsplatz. Ganz anders die hauptberuflichen Ausbilder: 8 von 25 Aussagen beziehen sich auf eine Verbesserung der Betreuung am Arbeitsplatz, sind somit auch als Kritik an den ausbildenden Fachkräften zu sehen. Keine der Aussagen hauptberuflicher Ausbilder deutet auf wahrgenommene Verbesserungspotenziale des eigenen Beitrags zur Ausbildung hin. Ausbildende Fachkräfte sehen Verbesserungspotenziale in der Organisation der Ausbildung an erster Stelle und wünschen sich hier vornehmlich eine bessere Zusammenarbeit und Abstimmung mit den hauptberuflichen Ausbildern (16 von 35 Nennungen). 6.4.5
Zentrale Befunde der Interviewstudie
Ein Anspruch auf Generalisierbarkeit der Ergebnisse verbietet sich auch hier nicht nur aufgrund der geringen Stichprobengröße, sondern auch wegen der enormen Heterogenität betrieblicher Ausbildungsbedingungen. Der geringe Detaillierungsgrad der Interview-Aussagen zu Einflussfaktoren des Lernens am Arbeitsplatz und
310
6 Empirische Befunde
den Merkmalen guter Betreuung zeigt zudem die Limitationen retrospektiver Befragungen auf. Die Tagebuchstudie (Kapitel 6.3) liefert gerade in diesen Bereichen detailliertere Einblicke. Einer der zentralen Befunde der Interviewstudie sind die in Tabelle 6-37 zusammengefassten Unterschiede hauptberuflicher Ausbilder und ausbildender Fachkräfte, die sich mit den in Kapitel 3.4 dargestellten Befunden anderer Studien weitgehend decken. Tabelle 6-37:
Aufgabenbereiche, Sichtweisen zu Lernen und Lehren sowie Ausbildungsziele des Ausbildungspersonals
Aufgabenbereich Sichtweisen zu Lernen und Lehren Ausbildungsziele
Hauptberufliche Ausbilder
Ausbildende Fachkräfte
eher makrodidaktische Aufgaben (mikrodidaktische Aufgaben am Lernort Ausbildungszentrum)
eher mikrodidaktische Aufgaben am Lernort Arbeitsplatz
eher konstruktivistisch / tiefenorientiert
ausgeglichenes Verhältnis zwischen Oberflächen- und Tiefenorientierung
auch auf die Persönlichkeitsentwicklung der Auszubildenden bezogen
eher auf betriebsspezifisches Anwendungswissen bezogen
Mit Blick auf Lernen und Betreuung am Arbeitsplatz sind folgende Ergebnisse festzuhalten: • Die Sichtweisen der Auszubildenden offenbaren ein oberflächenorientiertes Lernverständnis, das auch zu Limitationen in der Wahrnehmung und Nutzung arbeitsimmanenter Lernpotenziale führen dürfte. • Als entscheidenden Einflussfaktor für das Lernen im Arbeitsprozess nennen alle Ausbildungsbeteiligten die direkte Betreuung am Arbeitsplatz. • Als Merkmale guter Betreuung am Arbeitsplatz (Soll-Vorstellung) nennen die drei Gruppen von Befragten relativ einheitlich (1) die Verfügbarkeit von Ansprechpartnern, (2) die Schaffung eines guten Arbeitsklimas und (3) das Engagement/Interesse der betreuenden Person. • In ihrer tatsächlichen Betreuung (Ist-Situation) führen die ausbildenden Fachkräfte einen intuitiven Wandel im Sinne des Cognitive Apprenticeship-Ansatzes von anfänglichem Modeling (insbesondere mittels Vier-Stufen-Methode) über Coaching zu Fading durch. Diese teilweise hohen „Anfangsinvestitionen“ (mehr als 50% der Arbeitszeit der ausbildenden Fachkräfte) „amortisieren sich“ durch die zunehmende Selbstständigkeit der Auszubildenden.
6.4 Befunde der Interviewstudie im Einzelhandel
311
• Die Rücknahme der Betreuung bzw. die Übertragung komplexerer Tätigkeiten und größerer Selbstständigkeit wird individualisiert und dabei in erster Linie von Persönlichkeitseigenschaften der Auszubildenden abhängig gemacht, die jedoch nur unsicher diagnostiziert werden. Hier zeichnet sich die Gefahr von Pygmalion-Effekten ab. • Insgesamt äußern sich die Auszubildenden sehr zufrieden mit der Ausbildung und insbesondere mit den ausbildenden Fachkräften, zu denen ein sehr enges Verhältnis besteht. • Rahmenbedingungen wie die Doppelrolle der ausbildenden Fachkräfte zwischen Fachkraft mit Zielerreichungsvorgaben und Ausbilder sowie die permanente Öffentlichkeit als Charakteristikum der Arbeit und Ausbildung im Einzelhandel werden erwartungsgemäß als Belastungsfaktoren geäußert.
7
Zusammenfassung und Ausblick
Ausgangspunkt der Beschäftigung mit dem Erleben und Lernen am Arbeitsplatz war einerseits die zentrale Stellung des Lernorts Arbeitsplatz im Rahmen der Ausbildung und andererseits die defizitäre empirische Befundlage (vgl. Kapitel 1). Im Folgenden werden zunächst einige Eckpunkte der theoretischen Argumentation rekapituliert (Kapitel 7.1). Kapitel 7.2 fasst dann die Befunde der eigenen empirischen Studien anhand der aufgeworfenen Forschungsfragen zusammen und bietet eine Diskussion möglicher Konsequenzen für die Praxis. Eine methodologische Reflexion auf Basis der durchgeführten Studien führt in Kapitel 7.3 zu einem Forschungsausblick. 7.1
Erarbeitung eines Rahmenmodells des Lernens am Arbeitsplatz
Auf Basis handlungstheoretischer Ansätze wurde zunächst ein allgemeines Handlungsprozessmodell zur Erklärung der Aktualgenese der Performanz entwickelt, das kognitive, emotionale und motivationale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt und integriert (siehe Abbildung 2-11). Diese State-Perspektive wurde mit der Diskussion des Kompetenzbegriffs um die Trait-Perspektive langfristiger individueller Handlungsgrundlagen erweitert (siehe Abbildung 2-14), um schließlich die Ontogenese der Kompetenz aus dem Handeln zu erklären (siehe Abbildung 2-18). Die Unterscheidung hinsichtlich der Bewusstseinsnähe von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsprozessen und ihrer individuellen Grundlagen stellte dabei den roten Faden des zweiten Kapitels dar. Im dritten Kapitel erfolgte die Konkretisierung der erarbeiteten Theoriegrundlagen auf das Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung. Eine Übersicht unterschiedlicher Klassifizierungen des Lernens und Arbeitens in der dualen Ausbildung zeigte die Begriffsverwendungen und Abgrenzungen verschiedener Autoren auf (siehe Abbildung 3-1). Zur Systematisierung der situationalen Einflussgrößen des Lernens am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung diente die an Bronfenbrenner angelehnte Systemsicht betrieblicher Ausbildung (siehe Abbildung 3-2). Eine Integration der Ausführungen erfolgte im Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz (siehe Abbildung 3-4), das in Abbildung 7-1 erneut wiedergegeben ist.
A. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
314
7 Zusammenfassung und Ausblick
Abbildung 7-1:
Rahmenmodell des Lernens am Arbeitsplatz (eigene Darstellung; siehe Kapitel 3.1.4)
Der Vergleich verschiedener Modelle zur Wirkung und Gestaltung von Arbeitssituationen offenbarte eine zentrale Stellung der Erlebensqualität, eine Konvergenz der Zielgrößen und eine Kongruenz der genannten Einflussfaktoren (siehe Kapitel 3.2). Ähnlich homogen stellten sich die aus einer Synopse empirischer und theoretischer Arbeiten gewonnenen lern- und erlebensförderlichen Arbeitsmerkmale dar
7.2 Überblick der Studien, Zusammenfassung der Befunde und Implikationen für die Praxis
315
(siehe Abbildung 3-9), wobei der scheinbar gesicherte Erkenntnisstand durchaus kritisch zu hinterfragen ist (vgl. Kapitel 3.3.1). Neben den Arbeitsmerkmalen wurde die Interaktionsqualität am Arbeitsplatz als weiterer Einflussfaktor herausgestellt (Kapitel 3.3.3), bevor in Kapitel 3.4 das Ausbildungspersonal als maßgeblicher (Mit)Gestalter der Ausbildung am Arbeitsplatz untersucht wurde. Hier war insbesondere auf die Rolle ausbildender Fachkräfte hinzuweisen, die den Großteil der Betreuungsleistung am Arbeitsplatz erbringen (Kapitel 3.4.1) und ihr pädagogisches Handeln aufgrund fehlender Ausbildung auf ihre subjektiven Lehr-Lerntheorien stützen (Kapitel 3.4.2). Im vierten Kapitel wurde mit der Tagebuch-Methodik ein nur selten beschrittener Forschungszugang zur prozessnahen Datenerhebung vorgestellt, der auch im Zentrum der eigenen empirischen Arbeiten stand. 7.2
Überblick der Studien, Zusammenfassung der Befunde und Implikationen für die Praxis
7.2.1
Überblick der durchgeführten Studien
Im Fokus der explorativen Studie standen vier Fragenkomplexe (vgl. Kapitel 5.1), die anhand dreier empirischer Studien bearbeitet wurden: (1) Mit welchen Tätigkeiten sind Auszubildende am Arbeitsplatz betraut? (2) Wie erleben Auszubildende die von ihnen durchgeführten Arbeitstätigkeiten? (3) Welche Einflussgrößen begünstigen bzw. hemmen das Lernen im Arbeitsprozess? (4) Welche Sichtweisen auf das Lernen im Arbeitsprozess, die Ziele der Ausbildung und das pädagogische Handeln des Ausbildungspersonals haben die Ausbildungsbeteiligten (Auszubildende, Ausbilder und ausbildende Fachkräfte)? Darüber hinaus war aus forschungsmethodischer Perspektive zu erörtern, inwieweit sich die eingesetzten Tagebücher zur Erforschung des Lernens am Arbeitsplatz eignen. Tabelle 7-1 bietet einen Überblick über die durchgeführten Feldstudien, die sich in unterschiedlicher Gewichtung den aufgeworfenen Fragestellungen widmeten.
316 Tabelle 7-1:
7 Zusammenfassung und Ausblick
Übersicht der eigenen Studien zum Lernen am Arbeitsplatz
Studie
Untersuchungsfeld & Stichprobe Untersuchungsdesign & Methode
(1) Tagebuchstudie (Pilot)
Unternehmen der Automobilzuliefererbranche 63 angehende Industriekaufleute, Industriemechaniker und Mechatroniker unterschiedlicher Ausbildungsjahrgänge (geschichtete Stichprobe) Daten aus der Prozesserhebung: 62 Auszubildende; 935 Tätigkeiten an 230 Arbeitstagen (bereinigt)
(2a) Tagebuchstudie
Eingangserhebung (EEH): Biografische Daten, berufliche Interessen, Selbstwirksamkeitserwartungen, Persönlichkeitseigenschaften (Big Unternehmen der TelekommunikatiFive), retrospektive Einschätzung der onsbranche Lern- und Arbeitssituation, der Moti51 angehende Einzelhandelskaufleute vation und der Befriedigung der basic (KiE) im ersten Ausbildungsjahr needs Daten aus der Prozesserhebung: 18 Prozesserhebung (PEH): ArbeitstageAuszubildende; 557 Tätigkeiten an buch; Erhebungszeitraum: sechs 123 Arbeitstagen (bereinigt) Wochen Ausgangserhebung (AEH): wie EEH; außer berufliche Interessen; zusätzlich: Zufriedenheit
(2b) Interviewstudie
Unternehmen der Telekommunikationsbranche (vgl. Tagebuchstudie 2a) zehn Auszubildende KiE, deren zehn ausbildende Fachkräfte (Paten) und fünf hauptberufliche Ausbilder, die jeweils zwei dieser Tandems betreuten
Eingangserhebung (EEH): Biografische Daten, Selbstwirksamkeitserwartungen, Persönlichkeitseigenschaften (Big Five) Prozesserhebung (PEH): Arbeitstagebuch; Erhebungszeitraum: eine Woche Ausgangserhebung (AEH): retrospektive Einschätzung der Lern- und Arbeitssituation, der Motivation und der Befriedigung der basic needs
60- bis 90minütige Konstruktinterviews zu subjektiven Lehr-Lerntheorien, Ausbildungszielen, Lernen und Betreuung am Arbeitsplatz, der Rolle ausbildender Fachkräfte, Zufriedenheit und Verbesserungsvorschlägen
7.2 Überblick der Studien, Zusammenfassung der Befunde und Implikationen für die Praxis
7.2.2
317
Zusammenfassung der empirischen Befunde
Im Folgenden werden die zentralen Befunde bezüglich der o. a. Fragestellungen aufgezeigt: Ad (1): Tätigkeitsfelder von Auszubildenden In beiden Tagebuchstudien geht aus den standardisierten Tätigkeitsitems hervor, dass Auszubildende überwiegend mit Tätigkeiten betraut sind, die bereits bekannt und selten schwierig sind, kaum Unsicherheiten auslösen und zumeist ohne Zusammenarbeit mit oder Hilfe von anderen Personen ausgeführt werden. Dies betrifft insbesondere diejenigen Tätigkeiten, die von den Auszubildenden in Eigeninitiative übernommen werden, während kooperativ ausgeführte Tätigkeiten zumeist als anspruchsvoller erlebt werden. Die angehenden Einzelhandelskaufleute nehmen aber im Vergleich zu den Auszubildenden der Pilotstudie die bereits bekannten Tätigkeiten dennoch als recht interessant wahr. Experteninterviews im Vorfeld der Tagebuchstudie im Unternehmen der Telekommunikationsbranche ermöglichten die Vorgabe von 15 Tätigkeitstypen im Tagebuch, die wiederum zu vier Tätigkeitskategorien zusammengefasst wurden. Die Auswertungen zeigen, dass die angehenden Einzelhandelskaufleute im ersten Ausbildungsjahr etwa 50 % ihrer Arbeitszeit mit eigenverantwortlichem Kundenkontakt (Kategorie 1) und weitere 25 % mit Routine- und Verwaltungstätigkeiten ohne direkten Kundenkontakt (Kategorie 2) verbringen. Die übrige Arbeitszeit in der Filiale umfasst eigene Lernzeiten für die Bearbeitung der so genannten Wochenaufgaben, das Einlesen in neue Produkt- oder Ablaufbeschreibungen, kleinere Schulungssequenzen wie bspw. in Rollenspielen simulierter Kundenkontakt (Kategorie 3) sowie das (eher passive) Beobachten erfahrener Kollegen (Kategorie 4; vgl. Kapitel 6.3.2). Schon etwa ein halbes Jahr nach Ausbildungsbeginn steht die eigenständige Mitarbeit im Leistungserstellungsprozess im Vordergrund. Ad (2): Erleben am Arbeitsplatz Ein Vergleich der motivationalen Lage der Auszubildenden anhand der Skalen des Motivationsfragebogens (Prenzel) zeigt, dass innerhalb der Stichprobe der Pilotstudie die Gruppe der Mechatroniker etwas günstigere und die Gruppe der Industriemechaniker etwas ungünstigere Werte als die Gruppe der Industriekaufleute aufweist. Im Querschnittsvergleich der Ausbildungsjahrgänge zeigt sich ein schwach ausgeprägter u-förmiger Verlauf. Interaktionseffekte gibt es nicht. Die Motivationswerte der Einzelhandelsauszubildenden im ersten Ausbildungsjahr aus der Studie in der Telekommunikationsbranche liegen indes deutlich über den Vergleichswerten aller Auszubildendengruppen der Pilotstudie (vgl. Kapitel 6.3.1). Diese positive Einschätzung der Ausbildungsbedingungen durch die Einzelhandelsauszubildenden zeigt sich auch in den Aussagen der Interviewstudie. Insbesondere die Be-
318
7 Zusammenfassung und Ausblick
treuung durch fest zugeteilte ausbildende Fachkräfte (so genannte Paten) wird hier als besonders positiv hervorgehoben, aber auch interessante Arbeitstätigkeiten werden als Grund für die hohe Zufriedenheit aufgeführt. Arbeitstätigkeiten aus den Kategorien Kundenkontakt (Kategorie 1) und Verwaltungstätigkeiten (Kategorie 2) werden von den angehenden Einzelhandelskaufleuten recht ähnlich wahrgenommen. Sie bieten eher geringe Interaktionen mit Kollegen (Zusammenarbeit, Hilfe, Rückmeldung), werden aber dennoch als recht interessant erlebt und eröffnen trotz geringer Neuartigkeit und geringer Schwierigkeit noch passable Lernmöglichkeiten (in der Nähe des theoretischen Skalenmittelwertes zwischen 1 = überhaupt nichts gelernt und 6 = sehr viel gelernt). Das Lernen durch Beobachtung im Arbeitsprozess (Kategorie 4) zeichnet sich durch hohe Interaktion mit Kollegen (Zusammenarbeit, Hilfe, Rückmeldung), durch hohe Lernpotenziale, aber geringen Handlungsspielraum aus. Die eigens für Lernzwecke aus dem Arbeitsprozess herausgelösten Tätigkeiten der Kategorie 3 (Bearbeitung der so genannten Wochenaufgaben, Einarbeitung in neue Produkte und/oder Abläufe, kurze Schulungen etc.) werden im Vergleich hierzu weder als interessanter noch als lernförderlicher wahrgenommen. Allerdings bietet dieser „pädagogische Schonraum“ die größeren Handlungsspielräume (vgl. Kapitel 6.3.3.1). Das situationale Interesse im Arbeitsprozess kann in der Pilotstudie besser durch situationale Arbeitsmerkmale (Neuartigkeit einer Tätigkeit, Leistungsanerkennung durch andere Personen, Schwierigkeit, Handlungsspielraum sowie die eigeninitiative Übernahme der Tätigkeit; vgl. Kapitel 6.2.1.3) aufgeklärt werden, während es in der Einzelhandelsstudie stärker von Persönlichkeitsfaktoren abzuhängen scheint. Hier weisen Neurotizismus und aggregiertes situationales Interesses einen negativen Zusammenhang (r = -.52) und Extraversion und aggregiertes situationales Interesse einen positiven Zusammenhang (r = .47) auf (vgl. Kapitel 6.3.5.3), der durchaus theoriekonform ist. Eine Ursache hierfür könnte in der Art der Tätigkeit begründet sein, denn für Arbeitstätigkeiten, die den direkten Kundenkontakt betreffen, werden Extraversion als günstige und Neurotizismus entsprechend als ungünstige Voraussetzungen betrachtet (vgl. Kapitel 5.3.1.1). So ist es auch als positive Wirkung der Bewerberauswahl des Unternehmens und der Berufswahl der Auszubildenden zu werten, dass die Auszubildenden hier gegenüber der Normstichprobe des NEO-FFI günstigere Werte aufweisen (vgl. Kapitel 5.3.3.1). Ad (3): Lernen im Arbeitsprozess Aus der Verteilung der Tätigkeitskategorien (s. o.) und der durchschnittlichen Einschätzung der Lernpotenziale wird deutlich, dass das beiläufig-informelle Lernen am Arbeitsplatz zumindest quantitativ einen bedeutenderen Teil einnimmt als intentional geschaffene Lernsituationen (Kategorie 3, s. o.). Über die Qualität der Lerninhalte kann hier freilich keine Aussage getroffen werden. Es ist durchaus zu vermuten, dass die in den Kategorien 3 und 4 angestoßenen Lernprozesse komplexere Inhalte
7.2 Überblick der Studien, Zusammenfassung der Befunde und Implikationen für die Praxis
319
betreffen und das weitere Lernen im Arbeitsprozess fördern oder teilweise sogar erst ermöglichen. Die Auszubildenden waren im Rahmen der Tagebuchstudien gebeten, im täglichen Rückblick diejenige Tätigkeit des Tages auszuwählen, bei der „am meisten gelernt werden konnte“. Neuartigkeit, Schwierigkeit und Hilfe anderer Personen erklären 15 % der Varianz der dichotomen Variable Auswahl als lernförderlichste Tätigkeit in der Pilotstudie (vgl. Kapitel 6.2.1.4). Zusammenarbeit, Schwierigkeit und Zeitempfinden erklären 17.5 % der Varianz in der Einzelhandelsstudie. Die Prognose der Tätigkeitsauswahl im Tagesabschlusses auf Basis der prozessnah erhobenen Items ist folglich nur eingeschränkt möglich. Die regressionsanalytische Vorhersage des – nur in der Einzelhandelsstudie prozessnah erhobenen – Tätigkeitsitems Lernförderlichkeit erklärt indes 43 % der Varianz von Lernförderlichkeit und liefert Interessantheit, Rückmeldung, Neuartigkeit und Hilfe anderer Personen als Prädiktoren. Eine Hauptkomponentenanalyse bestätigt drei nicht voneinander unabhängige Faktoren lernförderlicher Merkmale: (1) Herausforderung (Neuartigkeit, Schwierigkeit und Nervosität), (2) Interaktionsqualität (Zusammenarbeit, Hilfe und Rückmeldung) und (3) Erlebensqualität (Interessantheit und Zeitempfinden). In den offenen Begründungen zur Auswahl der lernförderlichsten Tätigkeit im Tagesrückblick lassen sich inhaltsanalytisch abgrenzbare Kategorien identifizieren (induktiv), die aufgrund ihrer Inhaltsnähe wie folgt zusammengefasst werden können (deduktiv): Auch hier finden sich Aussagen, welche die Bedeutung von (1) Herausforderungen (Neuartigkeit, Schwierigkeit; 39 %) und der (2) Interaktionsqualität (Zusammenarbeit, Hilfe; 22 %) für das Lernen im Arbeitsprozess betonen. Hinweise auf die Bedeutung einer positiven Erlebensqualität für Lernprozesse in der Arbeit finden sich in den offenen Angaben dagegen nicht. Als weitere Kategorie lassen sich aber Aspekte der (3) Selbstständigkeit (Handlungsspielraum, Fehler; 22 %) identifizieren (vgl. Kapitel 6.3.4). Die genannten Kategorien erinnern an die Basisbedürfnisse (basic needs) i. S. d. Selbstbestimmungstheorie der Motivation (vgl. Kapitel 2.2.1.4): Herausforderungen ermöglichen Kompetenzerleben, die Interaktionsqualität fördert die soziale Eingebundenheit und Selbstständigkeit kann als Unterstützung des Autonomieerlebens interpretiert werden. In der Interviewstudie zeigen sich hauptberufliche Ausbilder, ausbildende Fachkräfte und Auszubildende einig in ihrer Meinung, dass die Betreuungsqualität der ausbildenden Fachkräfte der wichtigste Einflussfaktor des Lernens am Arbeitsplatz ist. Ferner werden von allen Ausbildungsbeteiligten ein gutes Arbeitsklima und die damit verbundene positive Erlebensqualität als lernförderlich eingeschätzt. Während Ausbilder und ausbildende Fachkräfte darüber hinaus individuelle Lernervoraussetzungen (Interesse, Neugier, Vorwissen etc.) nennen, messen die Auszubildenden den Tätigkeitsmerkmalen (Schwierigkeit, Vielfalt, Vollständigkeit etc.) größere Bedeutung bei. Als Merkmale hoher Betreuungsqualität am Arbeitsplatz (SollVorstellung) nennen die drei Gruppen von Befragten wiederum relativ einheitlich
320
7 Zusammenfassung und Ausblick
(1) die Verfügbarkeit von Ansprechpartnern, (2) die Schaffung eines guten Arbeitsklimas und (3) das Engagement/Interesse der betreuenden Person. Damit bleiben die Interviewaussagen auf einem recht abstrakten Niveau. Lediglich die Auszubildenden nennen vereinzelt auch die Übertragung geeigneter Arbeitstätigkeiten und eine zeitnahe, sachliche Leistungsrückmeldung als konkretere Merkmale der Betreuungsqualität am Arbeitsplatz. Andererseits sind jedoch 16.5 % der Aussagen von Auszubildenden dahingehend zu interpretieren, dass überhaupt keine Lernmöglichkeiten im Arbeitsprozess wahrgenommen werden, da der subjektive Lernbegriff der Auszubildenden scheinbar für schulisches Lernen (insbesondere Auswendiglernen von Prüfungswissen) reserviert ist (vgl. Kapitel 6.4.3.1). Bereits im Rahmen der Tagebuchstudie wurde – bei der Analyse der offenen Begründungen zur Auswahl der lernförderlichsten Tätigkeit (s. o.) – deutlich, dass Auszubildende Probleme haben, ihr Lernen im Arbeitsprozess zu reflektieren. 16 % dieser offenen Begründungen waren tautologischen Inhalts („Neues gelernt“, „Etwas dazugelernt“ etc.) und konnten nicht weiter analysiert werden (vgl. Kapitel 6.3.4). Ad (4): Lernverständnis, Ausbildungsziele und pädagogisches Handeln Der defizitäre Lernbegriff der Auszubildenden wird auch in den Aussagen zum allgemeinen Lernverständnis deutlich. Auszubildende weisen hier ein einseitig oberflächenorientiertes Lernverständnis auf, in dem Lernen in erster Linie mit dem Memorieren prüfungsrelevanten Wissens gleichgesetzt wird. Die Aussagen der ausbildenden Fachkräfte weisen ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Oberflächen- und Tiefenorientierung auf, während die pädagogisch ausgebildeten, hauptberuflichen Ausbilder über ein mehrheitlich tiefenorientiertes (konstruktivistisches) Lernverständnis verfügen, das ein tiefes Verstehen von Zusammenhängen sowie Einstellungs-, Interessen- und Persönlichkeitsentwicklung mit einschließt. Hinsichtlich der wahrgenommenen Ziele der Ausbildung ergibt sich ein relativ ausgeglichenes Bild. Die kodierten Aussagen zu Oberflächenzielen ausbildender Fachkräfte fallen überwiegend in die Subkategorie betriebsspezifisches Anwendungswissen und decken sich somit mit den in Kapitel 3.4.2 dargestellten Befunden. Paradox scheint das Gesamtbild der Auszubildenden, die sehr wohl Aspekte der Interessensund Persönlichkeitsentwicklung als Ziel der Ausbildung sehen, aber diese Ziele scheinbar nicht mit dem Lernbegriff in Verbindung bringen (vgl. Kapitel 6.4.2). Anhand der Selbstauskünfte des befragten Ausbildungspersonals zu ihren jeweiligen Tätigkeitsschwerpunkten wird deutlich, dass – wie zu erwarten – die mikrodidaktischen Aufgaben der Betreuung am Arbeitsplatz überwiegend von ausbildenden Fachkräften übernommen werden (Kapitel 6.4.1). Diese empfinden ihre Doppelrolle zwischen Fachkraft mit Zielerreichungsvorgaben und Ausbilder sowie die permanente Öffentlichkeit als Charakteristikum der Arbeit und Ausbildung im Einzelhandel erwartungsgemäß als Belastungsfaktoren (vgl. Kapitel 6.4.4).
7.2 Überblick der Studien, Zusammenfassung der Befunde und Implikationen für die Praxis
321
In ihrem pädagogischen Handeln vollziehen die ausbildenden Fachkräfte im Verlauf der Ausbildung einen allmählichen Wandel vom Modell für richtige Denk- und Arbeitsweisen (Vorbild) hin zu einer eher passiveren Rolle als Ansprechpartner / Begleiter. Intuitiv folgen die ausbildenden Fachkräfte damit – zumindest bezüglich des Rollenwandels – dem Cognitive Apprenticeship-Ansatz (anfängliches Modeling über Coaching zu Fading; vgl. Kapitel 6.4.3.2). Die hohen Anfangsinvestitionen (laut Selbstauskunft der ausbildenden Fachkräfte teilweise mehr als 50% der Arbeitszeit) danken die Auszubildenden mit zunehmender Selbstständigkeit und großer Zufriedenheit mit der Betreuungsleistung. In beiden Tagebuchstudien wird jedoch deutlich, dass nicht allen Auszubildenden gleichermaßen gute Lernbedingungen zuteil werden. So sind die Befunde dahingehend interpretierbar, dass besonders selbstsicher auftretende und extrovertierte Auszubildende lernförderliche Ausbildungsbedingungen erhalten, während emotional labilere Auszubildende (höhere Neurotizismuswerte) weniger lernförderliche Ausbildungsbedingungen vorfinden (vgl. Kapitel 6.2.2.3 und 6.3.5.3). Die Tatsache, dass eigeninitiativ übernommene Tätigkeiten keine Vorteile bezüglich lernförderlicher Dimensionen aufweisen (vgl. Kapitel 6.2.1.2 und Kapitel 6.3.3.2), deutet darauf hin, dass die unterschiedlichen Ausbildungsbedingungen auf den Einfluss des Ausbildungspersonals zurückzuführen sind. Diese Vermutung wird durch Interviewaussagen bestärkt. Die Übertragung komplexerer Tätigkeiten und größerer Selbstständigkeit wird individualisiert und dabei in erster Linie von Persönlichkeitseigenschaften der Auszubildenden abhängig gemacht. Attribuierte Extraversion und Selbstwirksamkeit beschleunigen die Verselbstständigung, wohingegen attribuierte Unsicherheit (Neurotizismus) und fehlendes Interesse diese verlangsamen. Inwieweit es sich hierbei um eine gerechtfertigte innere Differenzierung oder um eine ungerechtfertigte Benachteiligung handelt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Da aber weder ausbildende Fachkräfte noch hauptberufliche Ausbilder in der Lage sind, ihre Attributionsprozesse auf nachvollziehbare Indikatoren zurückzuführen, sind Pygmalion-Effekte, d. h. auf Fehlattributionen beruhende Benachteiligungen, wie sie aus der Unterrichtsforschung bekannt sind, durchaus zu vermuten (vgl. Kapitel 6.4.3.3). 7.2.3
Implikationen für die Praxis
Ohne Anspruch auf Generalisierbarkeit der Ergebnisse scheint die Zuteilung fester Ansprechpartner am Arbeitsplatz (so genannte Paten) im untersuchten Unternehmen der Telekommunikationsbranche trotz der o. a. Kritikpunkte einer der Gründe für die motivationalen Vorteile der dort tätigen Auszubildenden gegenüber denjenigen im betrachteten Industrieunternehmen (Pilotstudie) zu sein. Dies liegt wohl insbesondere im engen persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen den Auszubildenden und ihren Paten begründet. Verbesserungspotenziale für die Ausbildung
322
7 Zusammenfassung und Ausblick
sehen sowohl Auszubildende als auch ausbildende Fachkräfte in einer intensiveren Betreuung durch bzw. eine engere Zusammenarbeit mit hauptberuflichen Ausbildern (vgl. Kapitel 6.4.4). In dieser Kritik spiegelt sich noch einmal die Rollenverteilung zwischen makrodidaktisch tätigen Ausbildern und mikrodidaktisch tätigen Fachkräften. Aufgrund des engen täglichen Kontakts zwischen Auszubildenden und ausbildenden Fachkräften können hauptberufliche Ausbilder einen Beliebtheitswettbewerb gegen ausbildende Fachkräfte nicht gewinnen und sollten dies auch nicht anstreben, sondern – im Gegenteil – sich dafür einsetzen, das am Arbeitsplatz vorhandene Lernpotenzial und die Betreuungsqualität zu fördern. Trotz ihres geringen direkten Einflusses auf das mikrodidaktische Geschehen am Arbeitsplatz können hauptberufliche Ausbilder Maßnahmen auf der Meso-Ebene der Arbeitsorganisation und des Ausbildungsmanagements ergreifen, welche die Lernförderlichkeit des Mikrosystems Arbeitsplatz indirekt unterstützen. Ein Bewusstsein für die Bedeutung ausbildender Fachkräfte dürfte in den meisten ausbildenden Betrieben jedoch noch nicht vorhanden sein, da diese unbekannten Mitarbeiter (vgl. Kapitel 3.4.1) in Organigrammen meist nicht auftauchen und nicht mit offiziellen Labeln wie Pate, Mentor oder Coach bedacht werden. Eine Analyse der Ist-Situation und Identifikation dieser Personengruppe ist hier als erster Schritt zu sehen. Mögliche weitere Maßnahmen sind dann bspw.: • eine kriteriengestützte Auswahl der an der Ausbildung zu beteiligenden Fachkräfte (konstruktivistisches Lernverständnis, eigenes Interesse an der Ausbildungstätigkeit und Freiwilligkeit etc.), • Freiräume für ausbildende Fachkräfte (z. B. Anerkennung der Ausbildungstätigkeit als Leistung mit entsprechend geringeren Zielvorgaben in anderen Leistungsbereichen), • die Sensibilisierung ausbildender Fachkräfte für Lernpotenziale im Arbeitsprozess und deren Förderung (Aufgabenauswahl, Zusammenarbeit, Hilfe, Rückmeldung etc.), • die Sensibilisierung ausbildender Fachkräfte für ihre impliziten Persönlichkeitstheorien und deren Wirksamwerden in so genannten Pygmalion-Effekten, • eine Förderung des Erfahrungsaustauschs unter den ausbildenden Fachkräften sowie zwischen ausbildenden Fachkräften und hauptberuflichen Ausbildern (Kooperation der betrieblichen Lernorte), • eine lernförderliche Arbeitsorganisation in ausbildenden Fachabteilungen (teamwork, job enlargement, job enrichment etc.), • Sensibilisierung der Auszubildenden für Lernpotenziale des Arbeitsplatzes und ihren eigenen Lernprozess (bspw. mittels pädagogischer Tagebücher, Reflexionsaufträge etc.) und • die kontinuierliche Evaluation der Lern- und Arbeitsbedingungen.
7.3 Empirische Zugänge im Rückblick und Forschungsausblick
323
Neben- und Folgeeffekte für das betriebliche Produktionssystem sind jedoch stets mitzudenken und etwaige Interessenskonflikte zwischen ökonomischen Zielen der Arbeitsorganisation und pädagogischen Zielen des Bildungsmanagements (vgl. Kapitel 3.1.3) sorgfältig abzuwägen. Eine Pädagogisierung des Arbeitsplatzes um jeden Preis, die langfristig nicht zu erhalten wäre, erschiene wenig hilfreich. Damit verbunden wäre m. E. zudem die Gefahr, dass eine unverhältnismäßige Pädagogisierung die berufspädagogischen Funktionen des Arbeitsplatzes (vgl. Kapitel 3.1.2) – zumindest partiell – konterkariert. Die o. a. Handlungsempfehlungen sind als Arbeitshypothesen zu verstehen, die in (quasi-)experimentellen Feldstudien zu überprüfen sind. Im folgenden Kapitel werden methodologische Erkenntnisse aus den durchgeführten Studien zur Diskussion gestellt. 7.3
Empirische Zugänge im Rückblick und Forschungsausblick
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Erforschung des Erlebens und Lernens am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung. In Kapitel 4.1 wurde die Notwendigkeit prozessnaher Erhebungsmethoden hervorgehoben und in Kapitel 4.2 die Tagebuch-Methodik dargestellt, die auch im Zentrum der hier dargestellten eigenen Studien stand. Ergänzt wurde das Mixed Methods-Design durch den Einsatz standardisierter Selbsteinschätzungsfragebögen und qualitative Interviews mit Ausbildungsbeteiligten. Über die aufgeworfenen inhaltlichen Fragestellungen (vgl. Kapitel 5.1 und 7.2) hinaus war unter methodologischen Gesichtspunkten somit auch von Interesse, inwieweit die verschiedenen Methoden geeignet sind, das Erleben und Lernen am Arbeitsplatz zu erfassen. Kapitel 7.3.1 fasst die diesbezüglichen Erfahrungen der vorgestellten Studien zusammen, bevor in Kapitel 7.3.2 Weiterentwicklungen aufgezeigt werden. Kapitel 7.3.3 stellt schließlich ein Untersuchungsdesign für weitere Forschungsarbeiten zur Diskussion. 7.3.1
Empirische Zugänge zum Erleben und Lernen am Arbeitsplatz im Rückblick
Während retrospektive Selbstauskünfte mittels standardisierter Fragebögen oder Interviews übliche Methoden zur Erforschung des Erlebens und Lernens am Arbeitsplatz sind, werden prozessnahe Erhebungsmethoden, wie die hier verwendete Tagebuch-Methodik, nur selten eingesetzt. Aus den vorliegenden Analysen werden einige Vorteile der Tagebuch-Methodik deutlich, die diese als aufschlussreiche Ergänzung von Untersuchungsdesigns erscheinen lassen. Bereits hinsichtlich der Frage nach den Tätigkeitsfeldern der Auszubildenden fällt auf, dass die retrospektiv eingeschätzte Verteilung der Arbeitszeit auf die vier vorgegebenen Kategorien im
324
7 Zusammenfassung und Ausblick
Unterschied zu den prozessnahen Tagebuchdaten eine deutliche Tendenz zur Gleichverteilung aufweist. Es muss angenommen werden, dass die aus den Tagebüchern bilanzierte Zeitverteilung hier ein realistischeres Bild zeichnet (vgl. Kapitel 6.3.2). Standardfragebögen zu Merkmalen der Lern- und Arbeitssituation, wie das in den durchgeführten Studien eingesetzte Mannheimer Inventar zur Erfassung betrieblicher Ausbildungssituationen (MIZEBA), sollen ein realistisches Bild der durchschnittlichen Lern- und Arbeitsbedingungen in Form eines retrospektiv-bilanzierenden Gesamturteils liefern. Die niedrigen Zusammenhänge zwischen den mittels Tagebuch erhobenen und den mittels Fragebogen erhobenen Tätigkeitsmerkmalen (vgl. zusammenfassend Kapitel 6.2.3 und 6.3.6) zeigen jedoch, dass die unterschiedlichen Methoden offensichtlich unterschiedliche Konstrukte erfassen. Im Sinne der in Kapitel 4.1 zusammengetragenen Argumente spricht dies m. E. für eine prozessnahe Datenerhebung: Je vielfältiger die Situationen sind und je länger der Bezugsraum, desto schwerer dürfte den Befragten die bewusste Analyse und Bilanzierung von objektiven Situationsmerkmalen und subjektivem Erleben fallen. Statt einer Rekonstruktion kommt es zu einer Konstruktion, die sowohl von dispositionalen Faktoren als auch von kurzfristigen Einflüssen der Erhebungssituation beeinflusst wird. Zur Erhebung dispositionaler Faktoren (Persönlichkeitseigenschaften, Interessen, Einstellungen etc.) liegen indes zahlreiche Standardfragebögen vor, deren Einsatz eine wichtige Ergänzung von Prozessstudien darstellt, um personale Einflüsse zu identifizieren. Auch Interviews ermöglichen gemäß Schlee (1998) die Erforschung von Lernprozessen, wenn der Lernprozess selbst, seine förderlichen und hinderlichen Bedingungen und das individuelle Erleben zum Gegenstand der Rekonstruktion gemacht werden (ebd., 75; Herv.: A.R.). Zudem scheinen Interviews in besonderem Maße geeignet, um der Heterogenität betrieblicher Lern- und Arbeitsbedingungen gerecht zu werden. In den durchgeführten Konstruktinterviews (vgl. Kapitel 5.3.5) fielen die Aussagen zum Erleben und Lernen am Arbeitsplatz jedoch sehr abstrakt aus. Eine adäquate Rekonstruktion dieser Prozesse schien den Befragten nicht möglich (vgl. Kapitel 6.4.3). Berings, Doornbos und Simons (2006) empfehlen die Konfrontation der Befragten mit Lernresultaten, Beobachtungsdaten, Prozessdokumentationen, um den Reflexionsprozess zu unterstützen (ebd., 354). Hierzu könnten bspw. die aus Tagebüchern gewonnenen Daten dienen. Zudem erwiesen sich die Interviews in der dargestellten Studie als adäquates Instrument zur Erfassung allgemeiner subjektiver Konstrukte wie das Lernverständnis. Als gut geeignet erwiesen sich die durchgeführten Interviews auch für die Erfassung der Sichtweisen auf Lernen und Betreuung am Arbeitsplatz. So erhält man mittels Interviews bspw. Einblick in Ursache-Wirkungs-Ketten, die sich anhand quantitativer Daten nur als Zusammenhänge darstellen.
7.3 Empirische Zugänge im Rückblick und Forschungsausblick
325
Zwar mildert die Tagebuch-Methodik Verzerrungen durch fehlende oder falsche Erinnerungen, wie sie bei retrospektiven Selbstauskünften bezüglich längerer Bezugszeiträume auftreten, doch unterliegt sie ebenfalls einigen Restriktionen. Da auch die Tagebuch-Methodik auf Selbstauskünften basiert, ist sie auf die grundsätzliche Bewusstseinsfähigkeit der interessierenden Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsprozesse angewiesen, die nie für alle Prozesse gegeben ist (vgl. Handlungsprozessmodell in Abbildung 2-11 in Kapitel 2.2.3). Die durch das Tagebuch angestoßene Reflexion (die Bewusstwerdung ursprünglich nicht bewusster Prozesse) stellt zudem auch einen Eingriff in den natürlichen Prozess dar (vgl. Kapitel 2.2.1.2, Kapitel 2.2.3 und insbesondere Kapitel 4.2). In der Tagebuchstudie im Einzelhandel wurde untersucht, inwieweit sich die Auszubildenden, die an der Tagebuchstudie teilnahmen, hinsichtlich ihrer Selbsteinschätzung zur motivationalen Lage (Motivationsfragebogen nach Prenzel) von denjenigen Auszubildenden unterscheiden, die nicht an der Tagebuchphase teilnahmen. Hier konnten keine Hinweise auf unerwünschte Treatment-Effekte des Tagebuchs gefunden werden (vgl. Kapitel 5.3.3.2). Dennoch sollte insbesondere bei längeren Tagebuchstudien versucht werden, etwaige Treatment-Effekte der Tagebuch-Methodik mittels Mehr-Gruppen-Design (Kontrollgruppe ohne Tagebuch) zu kontrollieren. So bieten die eingesetzten Erhebungsinstrumente jeweils spezifische Vor- und Nachteile. Das Mixed Methods-Design der vorliegenden Studie erwies sich m. E. als gut geeignet, um Phänomene des Erlebens und Lernens am Arbeitsplatz in der Ausbildung aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. 7.3.2
Forschungsausblick
Für Folgestudien scheinen einige Ergänzungen des Untersuchungsdesigns sinnvoll, die kurz skizziert werden sollen: • Replikationsstudien: In weiteren Studien ist zu überprüfen, inwieweit sich die hier dargestellten Befunde erneut einstellen. Zum Zeitpunkt der Drucklegung der vorliegenden Arbeit befanden sich zwei weitere Tagebuchstudien mit ähnlichem Untersuchungsdesign in der Feld- bzw. Auswertungsphase. • Untersuchungsfeld und Stichprobe: Die Homogenität der Stichprobe der Einzelhandelsauszubildenden des Unternehmens der Telekommunikationsbranche hat sich als großer Vorteil erwiesen. Strebt man aber homogene Teilstichproben (etwa hinsichtlich Ausbildungsberuf, Ausbildungsjahr oder Fachabteilung) an, so wird die Zellenbesetzung selbst bei großen Unternehmen für gewöhnlich recht klein. Für die Analyse von Tagebuchdaten wären statistische Verfahren der Mehrebenenanalyse hilfreich, da Tätigkeiten als in Personen genestet aufzufassen sind und entsprechende Analyseverfahren ein simultane Berücksichti-
326
7 Zusammenfassung und Ausblick
gung von Tätigkeits- und Personenmerkmalen erlauben (vgl. Reis, Sheldon, Gable, Roscoe & Ryan 2000; Sonnentag 2001). Allerdings wird für Mehrebenenanalysen eine ausreichend homogene Mindeststichprobe von 50 auf der höchsten Ebene (hier: Personen) empfohlen. Auch die oft als zu weich kritisierte 20/30-Daumenregel (hier: mindestens 20 Personen, die jeweils mindestens 30 Tätigkeiten erfassen; Bickel 2007, 272ff.) erscheint im vorliegenden Forschungsfeld nicht alltäglich. • Längsschnittdesign: Die bisherigen Tagebuchstudien wurden jeweils nur einmalig für einen Zeitraum von 1 bis 6 Wochen durchgeführt und boten (je nach Stichprobe) lediglich die Möglichkeit, Ausbildungsjahrgänge im Querschnitt zu vergleichen. Unklar bleibt, wie sich Tätigkeitsfelder, Interaktionsqualität, Erleben und Lernen im Verlauf der Ausbildung verändern. Von einer durchgängigen Prozess-Erhebung wäre angesichts zu vermutender Treatment-Effekte sowie aus Gründen der Zumutbarkeit abzusehen. Adäquat erschienen aber zwei- bis vierwöchige Tagebuchphasen im Abstand von 3 bis 6 Monaten, die im Idealfall an die individuellen Ausbildungspläne der Auszubildenden (Abteilungsdurchläufe) gekoppelt sind. • Kompetenzdiagnostik: In den bisherigen Studien beruhte die Beurteilung der Lernförderlichkeit ausschließlich auf prozessnahen Selbstauskünften der Auszubildenden. Aufschlussreich erschiene eine Ergänzung des Untersuchungsdesigns um regelmäßige Kompetenzerhebungen, um die längerfristige Kompetenzentwicklung zu untersuchen. Hierbei sollten möglichst authentische, handlungsund problemorientierte Kompetenztests zur Anwendung kommen (vgl. 2.3.4), zu deren Konstruktion allerdings erhebliche Vorlaufzeiten und Ressourcen einzuplanen sind. • Interventionsstudien: Während die bisherigen Studien populationsbeschreibend waren und keine intentionale Treatment-Variation vorsahen, sollten die gewonnen Arbeitshypothesen (vgl. Kapitel 7.2.3) einer Überprüfung mittels Mehr-Gruppen-Design unterzogen werden. Für die Entwicklung und Umsetzung des Treatments (bspw. die Schulung des Ausbildungspersonals) sind ebenfalls ausreichende Vorlaufzeiten und Ressourcen zu berücksichtigen. Auch die zuletzt skizzierten Interventionsstudien müssten mehrfach repliziert werden, um von gesicherten Befunden sprechen zu können. Trotz der aufgezeigten Relevanz des Lernorts Arbeitsplatz sind entsprechende Forschungsprogramme derzeit nicht vorfindbar. Die meisten Studien stellen – wenngleich im Einzelnen sehr aufschlussreich – einmalige Unterfangen dar. Notwendig ist jedoch die kontinuierliche und systematische Erforschung dieses – auch in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik – noch immer randständigen Forschungsfeldes.
Literatur
Abele, A. (1995): Stimmung und Leistung. Allgemein- und sozialpsychologische Perspektive. Göttingen: Hogrefe. Abele, A., Stief, M. & Andrä, M. (2000): Zur ökonomischen Erfassung beruflicher Selbstwirksamkeitserwartungen – Neukonstruktion einer BSW-Skala. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 44(3), 145-151. Abele-Brehm, A. & Brehm, W. (1986): Zur Konzeptualisierung und Messung von Befindlichkeit. Die Entwicklung der "Befindlichkeitsskalen" (BFS). Diagnostica, 32(3), 209-228. Abelson, R. P. (1981): Psychological status of the script concept. American Psychologist, 36(7), 715-729. Ach, N. (1910): Über den Willen. Leipzig: Quelle und Meyer. Achtenhagen, F. (1984): Didaktik des Wirtschaftslehreunterrichts. Opladen: Leske und Budrich. Achtenhagen, F. (2001): Some hints on the success or failure of self-directed learning at the workplace. In: Nieuwenhuis, L. F. M. & Nijhof, W. J. (Eds.): The dynamics of VET and HRD systems. Enschede: Twente University Press, 115-124. Achtenhagen, F. (2004): Prüfung von Leistungsindikatoren für die Berufsbildung sowie zur Ausdifferenzierung beruflicher Kompetenzprofile nach Wissensarten. In: Baethge, M., Buss, K.-P. & Lanfer, C. (Hrsg.): Expertisen zu den konzeptionellen Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht – Berufliche Bildung und Weiterbildung/Lebenslanges Lernen. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung, 11-32. Achtenhagen, F. (2007): Wirtschaftspädagogische Forschung zur beruflichen Kompetenzentwicklung. In: Buer van, J. & Wagner, C. (Hrsg.): Qualität von Schule – Ein kritisches Handbuch. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Peter Lang, 481-494. Achtenhagen, F., Heidenreich, W.-D. & Sembill, D. (1975): Überlegungen zur "Unterrichtstheorie" von Handelslehrerstudenten und Referendaren des Handelslehramtes. Die Deutsche Berufs- und Fachschule, (8), 578-601. Achtenhagen, F., Sembill, D. & Steinhoff, E. (1979): Die Lehrerpersönlichkeit im Urteil von Schülern – Ein Beitrag zur Aufklärung „naiver“ didaktischer Theorien. Zeitschrift für Pädagogik, 2, 191-208. Achtenhagen, F., Tramm, T., Preiß, P., Seemann-Weymar, H., John, E. & Schunck, A. (1992): Lernhandeln in komplexen Situationen. Neue Konzepte der betriebswirtschaftlichen Ausbildung. Wiesbaden: Gabler. Achtenhagen, F. & Lempert, W. (2000): Kurzfassung des Berichts und des Programms "Lebenslanges Lernen". In: Achtenhagen, F. & Lempert, W. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen im Beruf – seine Grundlegung im Kindes- und Jugendalter. Opladen: Leske und Budrich, 11-18. Achtenhagen, F. & Baethge, M. (2007): Kompetenzdiagnostik als Large-Scale-Assessment im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung. In: Prenzel, M., Gogolin, I. & Krüger, H.-H. (Hrsg.): Kompetenzdiagnostik. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 10, 51-70. Achtenhagen, F. & Beck, K. (2007): Vocational education and training in a globalized world. In: Beck, K. & Achtenhagen, F. (Eds.): Vocational education and training in a globalized world. Göttingen: Seminar für Wirtschaftspädagogik der Georg-August-Universität Göttingen, 1-19. Achtenhagen, F. & Winther, E. (2009): Konstruktvalidität von Simulationsaufgaben: Computergestützte Messung berufsfachlicher Kompetenz am Beispiel der Ausbildung von Industriekaufleuten. Göttingen: Seminar für Wirtschaftspädagogik der Georg-August-Universität Göttingen.
A. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
328
Literatur
Aebli, H. (1980): Denken: das Ordnen des Tuns. Band I, Kognitive Aspekte der Handlungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta. Aebli, H. (1981): Denken: das Ordnen des Tuns. Band II, Denkprozesse. Stuttgart: Klett-Cotta. Aeschbacher, U. (1983): Zweite kognitive Revolution in der Motivationspsychologie? In: Montada, L., Reusser, K. & Steiner, G. (Hrsg.): Kognition und Handeln. Stuttgart: Klett-Cotta, 146-155. Albrecht, M. (2008): Subjektive Theorien als Gegenstand qualitativer Forschung am Beispiel von Konstrukt-Interviews mit Ausbildungsbeteiligten. Unveröffentlichte Diplomarbeit am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Alisch, L.-M. (1982): Theoretische Überlegungen zum Konzept der subjektiven Theorien. In: Dann, H.D., Humpert, W., Krause, F. & Tennstädt, K.-C. (Hrsg.): Analyse und Modifikation subjektiver Theorien von Lehrern. Ergebnisse und Perspektiven eines Kolloquiums. Universität Konstanz, 4061. Argyris, C. & Schön, D. A. (1974): Theory in practice. San Francisco: Jossey-Bass. Argyris, C. & Schön, D. A. (1999): Die lernende Organisation. Grundlagen, Methode, Praxis. Stuttgart: Klett Cotta. Arnold, K.-H. (1981): Der Situationsbegriff in den Sozialwissenschaften. Zur Definition eines erziehungswissenschaftlichen Situationsbegriffs unter Berücksichtigung psychologischer und soziologischer Aspekte. Weinheim, Basel: Beltz. Arnold, R. (1983): Pädagogische Professionalisierung betrieblicher Bildungsarbeit – Explorative Studie zur Ermittlung weiterbildungsrelevanter Deutungsmuster des betrieblichen Bildungspersonals. Frankfurt/Main: Peter Lang. Arnold, R. (1997): Betriebspädagogik. Berlin: Erich Schmidt. Arnold, R. & Münch, J. (2000): 120 Fragen und Antworten zum Dualen System der deutschen Berufsausbildung. Hohengehren: Schneider. Ashford, S. J. (1986): Feedback-seeking in individual adaption: A resource perspective. Academy of Management Journal, 29(3), 465-487. Ashford, S. J. & Cummings, L. L. (1983): Feedback as an Individual Resource: Personal Strategies of Creating Information. Organizational Behavior and Human Performance, 32(3), 370-398. Atkinson, J. W. (1964/1975): Einführung in die Motivationsforschung. Stuttgart: Ernst Klett. Austin, J. T. & Vancouver, J. B. (1996): Goal constructs in psychology: Structure, process, and content. Psychological Bulletin, 120(3), 338-375. Baard, P., Deci, E. & Ryan, R. (2004): Intrinsic need satisfaction: A motivational basis of performance and well-being in two work settings. Journal of Applied Psychology, 34(10), 2045-2068. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W. & Weiber, R. (2003): Multivariate Analysemethoden. 10., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Heidelberg: Springer. Baddeley, A. (2003): Working memory. Looking back and looking forward. Nature Reviews Neuroscience, 4(10), 829-839. Badke-Schaub, P., Hofinger, G. & Lauche, K. (2008): Human Factors. In: Badke-Schaub, P., Hofinger, G. & Lauche, K. (Hrsg.): Human Factors – Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen. Heidelberg: Springer, 3-18. Baeriswyl, F. & Kovatsch-Guldimann, V. (2002): Wie lehren Berufsfachschulen und Betriebe? – Wie lernen die Auszubildenden an Berufsschulen und in Betrieben? In: Oser, F. & Kern, M. (Hrsg.): Qualität der beruflichen Bildung – Eine Forschungsbaustelle. Bern: h.e.p., 176-202. Baeriswyl, F., Wandeler, C. & Oswald, K. (2006): Die Ausbildungskonzeptionen von betrieblichen Ausbildenden – Schlussbericht des Teilprojektes Freiburg. Qualitätsmerkmale und ihre Wirkung in der betrieblichen Bildung (QUWIBB). Universität Fribourg. Baeriswyl, F. & Wandeler, C. (2007): Die Ausbildungskonzeptionen von betrieblichen Ausbildern. Qualitätsmerkmale und ihre Wirkung in der betrieblichen Bildung (QUWIBB). Universität Fribourg. Baethge, M., Buss, K.-P. & Lanfer, C. (2003): Konzeptionelle Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht – Berufliche Bildung und Weiterbildung/Lebenslanges Lernen. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Literatur
329
Baethge, M., Achtenhagen, F., Arends, L., Babic, E., Baethge-Kinsky, V. & Weber, S. (2006): Berufsbildungs-PISA – Machbarkeitsstudie. Stuttgart: Franz Steiner. Baethge, M., Solga, H. & Wieck, M. (2007): Berufsbildung im Umbruch. Signale eines überfälligen Aufbruchs. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung. Bagusat, M. (1998): Der Einfluß von Lehr-/Lernbedingungen, Lehrmethoden und Motivation auf den Ausbildungserfolg. Diss. Regensburg. Bahl, A. & Diettrich, A. (2008): Die vielzitierte "neue Rolle" des Ausbildungspersonals – Diskussionslinien, Befunde und Desiderate. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Spezial 4, 1-16. Online: www.bwpat.de/ht2008/ws25/bahl_diettrich_ws25-ht2008_spezial4.pdf (06.01.2010). Bahl, A., Blötz, U., Niethen, G. & Schwerin, C. (2009): Die Situation des ausbildenden Personals in der beruflichen Bildung. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB): 1-18. Baitsch, C. & Frei, F. (1980): Qualifizierung in der Arbeitstätigkeit. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber. Baitsch, C. (1998): Lernen im Prozeß der Arbeit – zum Stand der internationalen Forschung. In: Projektgruppe Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM) der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung '98 – Forschungsstand und Forschungsperspektiven. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 269-337. Bandura, A. (1977): Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84(2), 191-215. Bandura, A. (1988): Self-regulation of motivation and action through goal systems. In: Hamilton, V., Bower, G. H. & Frijda, N. H. (Eds.): Cognitive perspectives on emotion and motivation. Dordrecht, Boston, London: Kluwer, 37-61. Bargh, J. A. (1994): The four horsemen of automaticity: Awareness, intention, efficiency, and control in social cognition. In: Wyer, R. S. & Srull, T. K. (Eds.): Handbook of social cognition. Hillsdale, Hove: Lawrence Erlbaum, 1-40. Bargh, J. A., Chaiken, S., Raymond, P. & Hymes, C. (1996): The automatic evaluation effect: Unconditional automatic attitude activation with a pronunciation task. Journal of Experimental Social Psychology, 32(5), 104-128. Bargh, J. A., Chen, M., Raymond, P. & Hymes, C. (1996): Automaticity of social behavior: Direct effects of trait construct and stereotype activation on action. Journal of Personality and Social Psychology, 71(2), 230-244. Barrick, M. & Mount, M. (1991): "The Big Five Personality Dimensions and Job Performance: A MetaAnalysis." In: Personell Psychology. 44, 1-26. Bauer, H., Brater, M., Büchele, U., Dahlem, H., Maurus, A. & Munz, C. (2004): Lernen im Arbeitsalltag. Wie sich informelle Lernprozesse organisieren lassen. Bielefeld: Bertelsmann. Bauer, J. & Mulder, R. H. (2006): Upward feedback and its contribution to employees' feeling of selfdetermination. Journal of Workplace Learning. 18(7/8), 508-521. Bauer, J., Rehrl, M. & Harteis, C. (2007): Measurement of learning culture: A motivational approach. In: Gruber, H. & Palonen, T. (Eds.): Learning in the workplace – new developments. Turku: Finnish Educational Research Association, 21-50. Bausch, T. (1997): Die Ausbilder im dualen System der Berufsbildung. Eine Strukturanalyse des betrieblichen Ausbildungspersonals. Ergebnisse aus der BIBB/IAB-Erhebung 1991/92. Berlin, Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Bausch, T. & Jansen, R. (1995): Das Ausbildungspersonal in der betrieblichen Praxis – Grundinformationen und Strukturdaten aus der BIBB/IAB-Erhebung 1991/92. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 24(1), 15-23. Beck, K. (1984): Zur Kritik des Lernortkonzepts – Ein Plädoyer für die Verabschiedung einer untauglichen pädagogischen Idee. In: Georg, W. (Hrsg.): Schule und Berufsausbildung. Bielefeld: Bertelsmann, 247-262. Beck, K. (1996): Die "Situation" als Bezugspunkt didaktischer Argumentationen – Ein Beitrag zur Begriffspräzisierung. In: Seyd, W. & Witt, R. (Hrsg.): Situation, Handlung, Persönlichkeit – Kategorien wirtschaftspädagogischen Denkens. Hamburg: Feldhaus, 87-98.
330
Literatur
Beck, K. (2005): Ergebnisse und Desiderate zur Lehr-Lern-Forschung in der kaufmännischen Berufsausbildung. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 101(4), 533-556. Becker, D., Oldenbürger, H.-A. & Piehl, J. (1987): Motivation und Emotion. In: Lüer, G. (Hrsg.): Allgemeine Experimentelle Psychologie. Stuttgart: Gustav Fischer, 431-470. Becker, P. (1991): Theoretische Grundlagen. In: Abele, A. & Becker, P. (Hrsg.): Wohlbefinden. Theorie – Empirie – Diagnostik. Weinheim, München: Juventa, 13-50. Beckmann, J. & Heckhausen, H. (2006a): Situative Determinanten des Verhaltens. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 73-104. Beckmann, J. & Heckhausen, H. (2006b): Motivation durch Erwartung und Anreiz. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 105-142. Bergmann, B. (2000): Kompetenzentwicklung im Arbeitsprozess. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 54(2), 138-144. Bergmann, B. (2004): Einführung: Arbeiten und Lernen. In: Bergmann, B.; Richter, F.; Pohland, A., Pietrzyk, U., Eisfeldt, D., Hermet, V. & Oschmann, D. (Hrsg.): Arbeiten und Lernen. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 13-35. Bergmann, B. & Wardanjan, B. (1999): Organisationsgestaltung und Mitarbeitermotivation. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 53(1), 25-29. Berings, M G. M. C. & Poell, R. F. (2005): Measuring on-the-job learning styles. British Journal of Occupational Learning, 3(2), 3-12. Berings, M. G. M. C., Doornbos, A. J. & Simons, P. R.-J. (2006): Methodological practices in on-the-job learning research. Human Resource Development International, 9(3), 333-363. Berkowitz, L. (1993): Towards a general theory of anger and emotional aggression: Implications of the cognitive-neoassociationistic perspective for the analysis of anger and other emotions. In: Wyer, R. S. & Srull, T. K. (Eds.): Perspectives on anger and emotion. Hillsdale, New Jersey: Lawrence Erlbaum, 1-46 Berlyne, D. E. (1960/1974): Konflikt, Erregung, Neugier – Zur Psychologie der kognitiven Motivation. Stuttgart: Ernst Klett. Berlyne, D. E. (1966): Structure and direction in thinking. New York, London, Sydney: John Wiley and Sons. Bernien, M. (1997): Anforderungen an eine qualitative und quantitative Darstellung der beruflichen Kompetenzentwicklung. In: Projektgruppe Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM) der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung '97 – Berufliche Weiterbildung in der Transformation. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 17-83. Berry, D. C. (1987): The problem of implicit knowledge. Expert Systems, 4(3), 144-151. Besener, A. & Debie, S. O. (2009): Schlussfolgerungen. In: Kutscha, G., Besener, A. & Debie, S. O. (Hrsg.): Probleme der Auszubildenden in der Eingangsphase der Berufsausbildung im Einzelhandel - ProBE. Abschlussbericht und Materalien zum Forschungsprojekt. Essen: Universität DuisburgEssen, 174-189. Online: http://www.uni-due.de/~hd257ku/probe/ (30.06.2010). Bickel, R. (2007): Multilevel analysis for applied research. New York, London: Guilford. Billett, S. (1995): Workplace Learning: Its potential and limitations. Education and Training, 37(5), 20-27. Billett, S. (2001): Learning in the workplace. Strategies for effective practice. Crows Nest: Allen & Unwin. Bilsky, W. (2009): Werte. In: Brandstätter, V. & Otto, J. H. (Hrsg.): Handbuch der Allgemeinen Psychologie – Motivation und Emotion. Göttingen, Bern, Wien, Paris, Oxford, Prag, Toronto, Cambridge (MA), Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm: Hogrefe, 46-51. Birbaumer, N. & Schmidt, R. F. (2006): Biologische Psychologie. 6., vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage. Heidelberg: Springer.
Literatur
331
Blossfeld, H.-P. (1991): Unterschiedliche Systeme der Berufsausbildung und Anpassung an Strukturveränderungen im internationalen Vergleich. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Die Rolle der beruflichen Bildung und Berufsbildungsforschung im internationalen Vergleich. Berlin, Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), 87-100. Bock, M. (1992): Das halbstrukturierte, leitfadenorientierte Tiefeninterview – Theorie und Praxis der Methode am Beispiel von Paarinterviews. In: Hoffmeyer-Zlotnik, J. H. P. (Hrsg.): Analyse verbaler Daten – Über den Umgang mit qualitativen Daten. Opladen: Westdeutscher Verlag, 90-109. Borkenau, P. & Ostendorf, F. (1993): NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI) nach Costa und McCrae. Göttingen: Hogrefe. Bortz, J. (2005): Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. 6. Auflage. Heidelberg: Springer. Bortz, J. & Döring, N. (2006): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. 4. Auflage. Heidelberg: Springer. Bosch, G. (2000): Neue Lernkulturen und Arbeitnehmerinteressen. In: Projektgruppe QualifikationsEntwicklungs-Management (QUEM) der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung 2000: Lernen im Wandel – Wandel durch Lernen. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 227-270. Boshuizen, H. P. A. & Schmidt, H. G. (1992): On the role of biomedical knowledge in clinical reasoning by experts, intermediates and novices. Cognitive Science, 1992(16), 153-184. Boud, D., Freeland, J., Hawke, G. & McDonald, R. (1998): More strategic, more critical, more evaluative: Perspectives on research into workplace learning and assessment. In: Boud, D. (Ed.): Current issues and new agendas in workplace learning. Leabrook SA: NCVER, 117-128. Brand, G. (1978): Entwurf einer Phänomenologie des Handelns. In: Lenk, H. (Hrsg.): Handlungstheorien interdisziplinär, Band II. Handlungserklärungen und philosophische Handlungsinterpretation. München: Wilhelm Fink, 199-234. Brandstätter, H. (1977): Wohlbefinden und Unbehagen. Entwurf eines Verfahrens zur Messung von situationsabhängigen Stimmungen – Plan einer Untersuchung. In: Tack, W. H. (Hrsg.): Bericht über den 30. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Regensburg 1976. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe, 60-62. Brandstätter, H. (1981): Time sampling of subjective well-being. In: Molt, W., Hartmann, H. A. & Stringer, P. (Eds.): Advances in economic psychology. 3rd European colloquium on economics and psychology, 1978. Heidelberg: Meyn, 63-76. Brandstätter, H. (1991): Alltagsereignisse und Wohlbefinden. In: Abele, A. & Becker, P. (Hrsg.): Wohlbefinden. Theorie – Empirie – Diagnostik. Weinheim, München: Juventa, 191-226. Brandstätter, H. (2007): The Time sampling diary (TSD) of emotional experience in everyday life situations. In: Coan, J. A. & Allen, J. J. B. (Eds.): Handbook of emotion elicitation and assessment. Oxford, New York, Auckland, Cape Town, Dar es Salaam, Hong Kong, Karachi, Kuala Lumpur, Madrid, Melbourne, Mexico City, Nairobi, New Dehli, Shanghei, Taipei, Toronto: Oxford University Press, 318-331. Brandstätter, H. & Gaubatz, S. (1997): Befindenstagebuch am neuen Arbeitsplatz in differentialpsychologischer Sicht. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 41(1), 18-29. Brandtstädter, J. & Greve, W. (1999): Intentionale und nichtintentionale Aspekte des Handelns. In: Straub, J. & Werbik, H. (Hrsg.): Handlungstheorie. Begriff und Erklärung des Handelns im interdisziplinären Diskurs. Frankfurt, New York: Campus, 185-212. Brater, M., Dahlem, H. & Maurus, A. (2004): Lernen am eigenen Problem. Berufliche Weiterbildung durch Lernbegleitung. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis. (5), 29-32. Brauchler, R. (2007): Selbstaufschreibung. In: Landau, K. (Hrsg.): Lexikon Arbeitsgestaltung. Best Practice im Arbeitsprozess. Stuttgart: Gentner, 1141-1143. Brayfield, A. H. & Crockett, W. H. (1955): Employee Attitudes and Employee Performance. Psychological Bulletin, 52(5), 396-424. Bremer, R. & Haasler, B. (2004): Analyse der Entwicklung fachlicher Kompetenz und beruflicher Identität in der beruflichen Erstausbildung. Zeitschrift für Pädagogik, 50(2), 162-181.
332
Literatur
Breuer, K. (2005): Berufliche Handlungskompetenz – Aspekte zu einer gültigen Diagnostik in der beruflichen Bildung. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 8, 1-31. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe8/breuer_bwpat8.pdf (30.03.2010). Brief, A. P., Butcher, A. H. & Roberson, L. (1995): Cookies, disposition, and job attitudes: The effects of positive mood-inducing events and negative affectivity on job satisfaction in a field experiment. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 62, 55-62. Brief, A. & Weiss, H. (2002): Organizational behavior: Affect in the workplace. Annual review of psychology, 53, 279-307. Bromme, R. & Tillema, H. (1995): Fusing experience and theory: The structure of professional knowledge. Learning and Instruction, 5, 261-267. Bronfenbrenner, U. (1981): Die Ökologie der menschlichen Entwicklung – Natürliche und geplante Experimente. Stuttgart: Ernst Klett. Bronfenbrenner, U. (1990): Ökologische Sozialisationsforschung. In: Kruse, L.; Graumann, C.-F. & Lantermann, E.-D. (Hrsg.): Ökologische Psychologie – Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. München: Psychologie Verlags-Union, 76-79. Brosch, T. & Scherer, K. R. (2009): Komponenten-Prozess-Modell – ein integratives Emotionsmodell. In: Brandstätter, V. & Otto, J. H. (Hrsg.): Handbuch der Allgemeinen Psychologie – Motivation und Emotion. Göttingen, Bern, Wien, Paris, Oxford, Prag, Toronto, Cambridge (MA), Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm: Hogrefe, 446-456. Brosius, F. (2008): SPSS 16. Heidelberg: mitp. Brunstein, J. (2006): Implizite und explizite Motive. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 235-253. Buck, R. W. (2000): The epistemology of reason and affect. In: Borod, J. C. (Ed.): The neuropsychology of emotion. New York: Oxford University Press, 31-55. Bühl, A. (2006): SPSS 14. München: Pearson. Bühner, M. (2006): Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion. 2., aktualisierte Auflage. München: Pearson. Bundesinstitut für Berufsbildung (2009): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2009. Bonn. Online: http://datenreport.bibb.de/media2009/datenreport_bbb_090525_screen.pdf (25-10-2009). Bundesministerium für Bildung und Forschung (2008): Berufsbildungsbericht 2008. Bonn. Online: http://www.bmbf.de/pub/bbb_08.pdf (25-10-2009). Bundesministerium für Bildung und Forschung (2009): Berufsbildungsbericht 2009. Bonn. Online: http://www.bmbf.de/pub/bbb_09.pdf (19-10-2009). Cacioppo, J. T., Petty, R. E., Feinstein, J. A. & Jarvis, W. B. G. (1996): Dispositional differences in cognitive motivation: The life and times of individual varying in need for cognition. Psychological Bulletin, 119(2), 197-253. Candy, P. & Matthews, J. (1998): Fusing learning and work: Changing conceptions of workplace learning. In: Boud, D. (Ed.): Current issues and new agendas in workplace learning. Leabrook SA: National Centre for Vocational Education Research, 12-29. Carr, J. Z., Schmidt, A. M., Ford, J. K. & DeShon, R. P. (2003): Climate perceptions matter: A metaanalytic path analysis relating molar climate, cognitive and affective states, and inidvidual level work outcomes. Journal of Applied Psychology, 88(4), 605-619. Carver, C. S. & Scheier, M. F. (1981): SSSP-attention and self-regulation: A control-theory approach to human behavior. New York, Heidelberg, Berlin: Springer. Carver, C. S., Sutton, S. K. & Scheier, M. F. (2000): Action, emotion, and personality: Emerging conceptual integration. Personality and Social Psychology Bulletin, 26, 741-751. Chomsky, N. (1965/1970): Aspekte der Syntax-Theorie. Frankfurt/Main, Berlin: Suhrkamp. Ciompi, L. (1982): Affektlogik – Über die Struktur der Psyche und ihre Entwicklung. Stuttgart: KlettCotta. Ciompi, L. (1997): Die emotionalen Grundlagen des Denkens. Entwurf einer fraktalen Affektlogik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Literatur
333
Ciompi, L. (2005): Grundsätzliches zur Emotion, Kognition und Evolution aus der Humanperspektive. In: Wimmer, M. & Ciompi, L. (Hrsg.): Emotion – Kognition – Evolution. Biologische, psychologische, soziodynamische und philosophische Aspekte. Fürth: Filander Verlag, 47-66. Ciompi, L. (2007): Gefühle, Affekte, Affektlogik – Ihr Stellenwert in unserem Menschen- und Weltverständnis. 2. Auflage. Wien: Picus. Clore, G. (1994): Why emotions require cognitions. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 181-191. Clore, G. L. & Storbeck, J. (2006): Affect as information about liking, efficacy and importance. In: Forgas, J. P. (Ed.): Affect in social thinking and behavior. New York: Psychology Press, 123-142. Clore, G. L. & Huntsinger, J. R. (2007): How emotions inform judgment and regulate thought. Trends in Cognitive Sciences, 11(9), 393-399. Cohen, J. (1977): Statistical power analysis for the behavioral sciences. New York, San Francisco, London: Academic Press. Cohen, J. D., McClelland, J. L. & Dunbar, K. (1990): On the control of automatic processes: A parallel distributed processing account of the stroop effect. Psychological Review, 97(3), 332-361. Collins, A., Brown, J. S. & Newman, S. E. (1989): Cognitive apprenticeship: Teaching the crafts of reading, writing, and mathematics. In: Resnick, L. B. (Ed.): Knowing, learning and instruction. Hillsdale, Hove, London: Lawrence Erlbaum Associates, 453-494. Collins, H. M., Green, R. H. & Draper, R.C. (1985): Where's the expertise: Expert systems as a medium of knowledge transfer. In: Merry, M. J. (Ed.): Expert systems 85. Cambridge: Cambridge University Press, 323-334. Corsten, M. (2001): Berufsbildungsforschung in der Soziologie. In: Van Buer, J., Kell, A. & Wittmann, E. (Hrsg.): Berufsbildungsforschung in ausgewählten Wissenschaften und multidisziplinären Forschungsbereichen. Frankfurt/Main: Peter Lang, 53-106. Costa Jr, P. T. & McCrae, R. R. (1980): Influence of extraversion and neuroticism on subjective wellbeing: Happy and unhappy People. Journal of Personality and Social Psychology, 38(4), 668-678. Costa, P. T., & McCrae, R. R. (1992): Revised NEO Personality Inventory (NEO-PI-R) and NEO FiveFactor Inventory (NEO-FFI) manual. Odessa, FL: Psychological Assessment Resources. Cramer, G. (2004): Der Erfolgsfaktor Ausbildungspersonal. In: Cramer, G. (Hrsg.): Jahrbuch Ausbildungspraxis. München: Wolters Kluwer, 87-89. Csikszentmihalyi, M., Larson, R. & Prescott, S. (1977): The ecology of adolescent activity and experience. Journal of Youth and Adolescence, 6(3), 281-294. Csikszentmihalyi, M. & Larson, R. (1987): Validity and reliabilty of the experience-sampling method. The Journal of Nervous and Mental Disease, 175(9), 526-534. Csikszentmihalyi, M. & Schiefele, U. (1993): Die Qualität des Erlebens und der Prozeß des Lernens. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 207-221. Damasio, A. R. (1996): The somatic marker hypothesis and the possible functions of the prefrontal cortex. Philosophical Transactions of the Royal Society – Biological Sciences, 351(1346), 1413-1420. Daniels, K., Boocock, G., Glover, J., Hartley, R. & Holland, J. (2009): An experience sampling study of learning, affect, and the demands control support model. Journal of Applied Psychology, 94(4), 1003-1017. Dann, H.-D. (1983): Subjektive Theorien: Irrweg oder Forschungsprogramm? Zwischenbilanz eines kognitiven Konstrukts. In: Montada, L., Reusser, K. & Steiner, G. (Hrsg.): Kognition und Handeln. Stuttgart: Klett-Cotta, 77-92. Dann, H.-D. (1994): Pädagogisches Verstehen. Subjektive Theorien und erfolgreiches Handeln von Lehrkräften. In: Reusser, K. & Reusser-Weyeneth, M. (Hrsg.): Verstehen. Psychologischer Prozess und didaktische Aufgabe. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber, 163-182. Dann, H.-D. (2008): Lehrerkognitionen und Handlungsentscheidungen. In: Schweer, M. K. W. (Hrsg.): Lehrer-Schüler-Interaktion – Inhaltsfelder, Forschungsperspektiven und methodische Zugänge. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 177-207.
334
Literatur
Davidson, R. & Ekman, P. (1994): Afterword. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 232-234. De Jong, J. A. (1996): Research into on-the-job training: A state of the art. International Journal of Educational Research. 25(5), 449-464. DeCharms, R. (1968): Personal causation. New York, London: Academic Press. Debie, S. O. (2009): Fragebogenerhebung. In: Kutscha, G., Besener, A. & Debie, S. O. (Hrsg.): Probleme der Auszubildenden in der Eingangsphase der Berufsausbildung im Einzelhandel - ProBE. Abschlussbericht und Materalien zum Forschungsprojekt. Essen: Universität Duisburg-Essen, 78-173. Online: http://www.uni-due.de/~hd257ku/probe/ (30.06.2010). Debus, G. (2000): Sprachliche Methoden. In: Otto, J., Euler, H. & Mandl, H. (Hrsg.): Emotionspsychologie – Ein Handbuch. Weinheim: Beltz, 409-418. Deci, E. L. (1996): Making room for self-regulation: Some thoughts on the link between emotion and behavior. Psychological Inquiry, 7(3), 220-223. Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1985a): Intrinsic motivation and self-determination in human behavior. New York, London: Plenum Press. Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1985b): The general causality orientations scale: Self-determination in personality. Journal of Research in Personality, 19(2), 109-134. Deci, E. & Ryan, R. (1993): Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 223-238. Deci, E., Connell, J. & Ryan, R. (1989): Self-determination in a work organization. Journal of Applied Psychologie, 74, 580-590. Dedering, H. (1996): Arbeitshandlungen und Arbeitssituationen. In: Dedering, H. (Hrsg.): Handbuch zur arbeitsorientierten Bildung. München, Wien: Oldenbourg, 41-66. Dehnbostel, P. (1992): Ziele und Inhalte dezentraler Berufsbildungskonzepte. In: Dehnbostel, P., Holz, H. & Novak, H. (Hrsg.): Lernen für die Zukunft durch verstärktes Lernen am Arbeitsplatz. Heft 149. Berlin, Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung, 9-26. Dehnbostel, P. (1996): Lernorte in der Berufsbildung – Konzeptionelle Erweiterungen in der Modellversuchsreihe "Dezentrales Lernen". In: Dehnbostel, P., Holz, H. & Novak, H. (Hrsg.): Neue Lernorte und Lernortkombinationen – Erfahrungen und Erkenntnisse aus dezentralen Berufsbildungskonzepten. Bielefeld: Bertelsmann, 9-23. Dehnbostel, P. (1999): Zukunftsorientierte betriebliche Lernkonzepte als Integration von informellem und intentionalem Lernen. In: Dehnbostel, P., Holz, H. & Novak, H. (Hrsg.): Erfahrungslernen in der beruflichen Bildung – Beiträge zu einem kontroversen Konzept (Workshop der Hochschultage Beufliche Bildung 1998). Neusäß: Kieser, 184-195. Dehnbostel, P. (2001): Perspektiven für das Lernen in der Arbeit. In: A. B. Weiterbildungsforschung (Hrsg.): Kompetenzentwicklung 2001. Tätigsein – Lernen – Innovation. Münster: Waxmann, 53-93. Dehnbostel, P. (2005): Informelles Lernen in betrieblichen und arbeitsbezogenen Zusammenhängen. In: Künzel, K. (Hrsg.): Informelles Lernen – Selbstbildung und soziale Praxis. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 143-164. Dehnbostel, P., Molzberger, G., & Overwien, B. (2003): Informelles Lernen in modernen Arbeitsprozessen, dargestellt am Beispiel von Klein- und Mittelbetrieben der IT-Branche. Berlin: BBJ. Deneve, K. M. & Cooper, H. (1998): The happy personality: A meta-analysis of 137 personality traits and subjective well-being. Psychological Bulletin, 124(2), 197-229. Deutscher Bildungsrat (1974): Zur Neuordnung der Sekundarstufe II. Konzept für eine Verbindung von allgemeinem und beruflichem Lernen. Bonn: Deutscher Bildungsrat. Deutscher Gewerkschaftsbund (2009): DGB-Ausbildungsreport 2009. Online: http://www.dgbjugend.de/ausbildung/meldungen/ausbildungsreport_2009 (08.06.2010). Dewey, J. (1938/1997): Experience and education. New York: Touchstone. Diener, E., Suh, E. M., Lucas, R. E. & Smith, H. L. (1999): Subjective well-being: Three decades of progress. Psychological Bulletin, 125(2), 276-302.
Literatur
335
Diener, E. & Lucas, R. (2000): Subjective emotional well-being. In: Lewis, M. & Haviland-Jones, J. (Eds.): Handbook of emotions. New York, London: The Guiford Press, 325-337. Diettrich, A. & Vonken, M. (2009): Zum Stellenwert der betrieblichen Aus- und Weiterbildung in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik online, Ausgabe 16, 120. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe16/diettrich _vonken_bwpat16.pdf (28.02.2010). Dohmen, G. (2001): Das informelle Lernen. Die internationale Erschließung einer bisher vernachlässigten Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dörner, D. (1976): Problemlösen als Informationsverarbeitung. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz: Kohlhammer. Dörner, D. (1982): Kognitive Prozesse und die Organisation des Handelns. In: Hacker, W., Volpert, W. & von Cranach, M. (Hrsg.): Kognitive und motivationale Aspekte der Handlung. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 26-37. Dörner, D. (1985a): Verhalten und Handeln. In: Dörner, D. & Selg, H. (Hrsg.): Psychologie – Eine Einführung in ihre Grundlagen und Anwendungsfehler. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz: Kohlhammer, 73-86. Dörner, D. (1985b): Verhalten, Denken und Emotion. In: Eckensberger, L. H. & Lantermann, E.-D. (Hrsg.): Emotion und Reflexivität. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg, 157-181. Dörner, D. (1986): Intention memory and intention regulation. In: Klix, F. & Hagendorf, H. (Eds.): Human memory and cognitive capabilities. North-Holland: Elsevier Publishers B.V., 929-939. Dörner, D. (1987): Denken und Wollen. Ein systemtheoretischer Ansatz. In: Heckhausen, H., Gollwitzer, P. M. & Weinert, F. E. (Hrsg.): Jenseits des Rubikon. Der Wille in den Humanwissenschaften. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo: Springer, 238-250. Dörner, D. (1989/2000): Logik des Mißlingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Dörner, D. (1996): Der freie Wille und die Selbstreflexion. In: von Cranach, M. & Foppa, K. (Hrsg.): Freiheit des Entscheidens und Handelns. Ein Problem der nomologischen Psychologie. Heidelberg: Roland Asanger, 125-150. Dörner, D. (2006): Sprache und Denken. In: Funke, J. (Hrsg.): Denken und Problemlösen. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 619-646. Dörner, D. (2008a): Bauplan für eine Seele. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Dörner, D. (2008b): Emotion und Handeln. In: Badke-Schaub, P., Hofinger, G. & Lauche, K. (Hrsg.): Human factors. Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen. Heidelberg: Springer, 95-112. Dörner, D., Reither, F. & Stäudel, T. (1983): Emotion und problemlösendes Denken. In: Mandl, H. & Huber, G. L. (Hrsg.): Emotion und Kognition. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg, 61-84. Dörner, D. & Kaminski, G. (1988): Handeln – Problemlösen – Entscheiden. In: Immelmann, K., Scherer, K. R., Vogel, C. & Schmoock, P. (Hrsg.): Psychobiologie. Grundlagen des Verhaltens. Stuttgart, New York: Gustav Fischer, 375-415. Dörschel, A. (1974): Bemerkungen zur politischen Dimension einer berufspädagogischen Reform. Zeitschrift für Berufsbildungsforschung, 74(3), 25-26. Drexel, I. (1998): Das lernende Unternehmen aus industriesoziologischer Sicht. In: Dehnbostel, P., Erbe, H. H. & Novak, H. (Hrsg.): Berufliche Bildung im lernenden Unternehmen. Zum Zusammenhang betrieblicher Reorganisation, neuen Lernkonzepten und Persönlichkeitsentwicklung. Berlin: Edition Sigma Rainer Bohn, 49-62. Drexel, I. & Welskopf, R. (1994): Lernen im Arbeitsprozeß, seine Voraussetzungen, Potentiale und Grenzen – das Beispiel der ostdeutschen Betriebe. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, 14(4), 294-318. Dreyfus, H. L. & Dreyfus, S. E. (1986): Mind over machine: The power of human intuition and expertise in the era of the computer. New York: Free Press.
336
Literatur
Dubs, R. (2006): Bildungsstandards und kompetenzorientiertes Lernen. In: Minnameier, G. & Wuttke, E. (Hrsg.): Berufs- und wirtschaftspädagogische Grundlagenforschung – Lehr-Lern-Prozesse und Kompetenzdiagnostik. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Peter Lang, 161-176. Dulisch, F. (1986): Lernen als Form menschlichen Handelns. Eine handlungstheoretisch orientierte Analyse von Lernprozessen unter besonderer Berücksichtigung des Selbststeuerungsaspektes. Bergisch-Gladbach: Thomas Hobein. Dunckel, H. (1996): Psychologisch orientierte Systemanalyse im Büro. Bern: Hans Huber. Edelmann, D. & Tippelt, R. (2007): Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung und Weiterbildung. In: Prenzel, M., Gogolin, I. & Krüger, H.-H. (Hrsg.): Kompetenzdiagnostik – Sonderheft 8/2007 der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 129-146. Eding, A. (1992): Angriff auf ein Fossil: Die Vier-Stufen-Methode. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 88(7), 599-603. Elias, J., Gottschalk, B. & Staehle, W. H. (1982): Arbeitsstrukturierung auf der Grundlage der dualen Arbeitssituationsanalyse. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 36(8), 1-8. Ellström, P.-E. (2001): Intergrating learning and work: Problems and prospects. Human Ressource Development Quarterly, 12(4), 421-435. Ellström, P.-E. (2006): The meaning and role of reflection in informal learning at work. In: Boud, D., Cressey, P. & Docherty, P. (Eds.): Productive reflection at work. London, New York: Routledge, 43-53. Ellsworth, P. (1994a): Levels of thought and levels of emotion. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 192-196. Ellsworth, P. (1994b): Some reasons to expect universal antecedents of emotion. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 150-154. Emmons, R. A. (1996): Striving and feeling: Personal goals and subjective well-being. In: Gollwitzer, P. M. & Bargh, J. A. (Eds.): The psychology of action. Linking cognition and motivation to behavior. New York, London: The Guilford Press, 313-337. Endsley, M. R. (1988): Design and evaluation for situation awareness enhancement. Paper presented at the 32nd Annual Meeting of the Human Factors Society, Santa Monica, 97-101. Endsley, M. R. (1995): Toward a theory of situation awareness in dynamic systems. Human Factors, 37(1), 32-64. Engel, A. K. (2005): Neuronale Synchronisation und Wahrnehmungsbewusstsein. In: Herrmann, C. S., Pauen, M., Rieger, J. W. & Schicktanz, S. (Hrsg.): Bewusstsein. Philosophie, Neurowissenschaften, Ethik. München: Wilhelm Fink, 216-241. Epstein, S., Pacini, R. & Denes-Raj, V. (1996): Individual differences in intuitive-experiential and analytical-rational thinking styles. Journal of Personality and Social Psychology, 71(2), 390-405. Eraut, M. (2000): Non-formal learning and tacit knowledge in professional work. British Journal of Educational Psychology, 70(1), 113-136. Eraut, M. (2004a): Transfer of knowledge between education and workplace settings. In: Rainbird, H., Fuller, A. & Munro, A. (Hrsg.): Workplace learning in context. London, New York: Routledge, 201221. Eraut, M. (2004b): Informal learning in the workplace. Studies in Continuing Education, 26(2), 247-273. Eraut, M. (2004c): Deconstructing apprenticeship learning: What factors affect its quality? In: Mulder, R. H. & Sloane, P. F. E. (Eds.): New approaches to vocational education in Europe. The construction of complex learning-teaching arrangements. Oxford: Symposium Books, 45-57. Eraut, M. (2007): Learning from other people in the workplace. Oxford Review of Education, 33(4), 403-422. Eraut, M. (2009): Understanding complex performance through learning trajectories and mediating artefacts. Paper presented at the European Conference on Educational Research (ECER), Vienna, 28.-30.09.2009.
Literatur
337
Erpenbeck, J. & von Rosenstiel, L. (2003): Einführung. In: Erpenbeck, J. & von Rosenstiel, L. (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung – erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, IX-XL. Esser, H. (1999): Soziologie – Spezielle Grundlagen. Band I: Situationslogik und Handeln. Frankfurt, New York: Campus. Euler, D. (1999). Kooperation der Lernorte in der Berufsbildung. Materalien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung. Nürnberg: Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. Evers, T., Müller, C. & Winter, F. (2008): Kompetenz – Perspektiven für die Arbeit mit diesem Konstrukt in der beruflichen Bildung. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104(4), 601-610. Fahrenberg, J. & Myrtek, M. (2001): Ambulantes Monitoring und Assessment. In: Rösler, F. (Hrsg.): Grundlagen und Methoden der Psychophysiologie. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 657708. Falk, R. & Zedler, R. (2009): Qualitätssicherung bei der Qualifizierung der betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder – Eine erste Würdigung der neuen AEVO und des Rahmenplans. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 2009(5), 19-22. Faragher, E. B., Cass, M., Cooper, C. L. (2005): The relationship between job satisfaction and health: A meta-analysis. Occupational and Environmental Medicine, 62(2), 105-112. Fay, D. & Frese, M. (2001): The concept of personal initiative: An overview of validity studies. Human Performance, 14(1), 97-124. Feldhoff, J., Jacke, N. & Simoleit, J. (1995): Schlüsselqualifikationen für neue Anforderungen in Betrieb und Gesellschaft. Reformen der betrieblichen Ausbildung im Spannungsfeld von allgemeinbildender Schule und beruflicher Praxis. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung. Feller, G. (1998): Lernorte im Rückblick von Absolventen: Wofür waren sie gut? In: Euler, D. (Hrsg.): Berufliches Lernen im Wandel – Konsequenzen für die Lernorte? Dokumentation des 3. Forums Berufsbildungsforschung 1997. Nürnberg: IAB, 369-380. Felstead, A., Fuller, A., Unwin, L., Ashton, D., Butler, P., Lee, T. & Walters, S. (2004): Applying the survey method to learning at work: A recent UK experience. Leicester: Centre for Labour Market Studies. Fischer, L. (1989): Strukturen der Arbeitszufriedenheit. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe. Fisher, C. D. (2002): Antecedents and consequences of real-time affective reactions at work. Motivation and Emotion, 26(1), 3-30. Fitzsimons, G. M. & Bargh, J. A. (2004): Automatic self-regulation. In: Baumeister, R. F. & Vohs, K. D. (Eds.): Handbook of self-regulation. Research, theory and applications. New York, London: The Guilford Press, 151-170. Flothow, K. (1991): Eine Richtungsbestimmung berufspädagogischen Handelns durch die Diskussion um "Berufliche Handlungskompetenz". In: Stratenwerth, W. (Hrsg.): Auftragsorientiertes Lernen im Handwerk. Basismaterialien. Köln: Adalberrt Carl, 161-200. Flügel, J. C. (1925): A quantitative study of feeling and emotion in everyday life. British Journal of Psychology, 15(4), 318-355. Forgas, J. P. (2000): Introduction: The role of affect in social cognition. In: Forgas, J. P. (Ed.): Feeling and thinking. The role of affect in social cognition. Cambridge, New York, Melbourne, Madrid: Cambridge University Press, 1-30. Forgas, J. P., Wyland, C. L. & Laham, S. M. (2006): Hearts and minds: An introduction to the role of affect in social cognition and behavior. In: Forgas, J. P. (Ed.): Affect in social thinking and behavior. New York, Hove: Psychology Press, 3-18. Frank, R. (2007): Den störungsorientierten Blick erweitern. In: Frank, R. (Hrsg.): Therapieziel Wohlbefinden – Ressourcen aktivieren in der Psychotherapie. Heidelberg: Springer, 4-16. Franke, G. (1989): Ansätze zur Bewertung des Arbeitshandelns. In: Kell, A. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Lernen und Arbeiten. Beiheft 8 der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Stuttgart: Franz Steiner, 135-145.
338
Literatur
Franke, G. (1993): Training und Lernen am Arbeitsplatz. In: Friede, C. K. & Sonntag, K. (Hrsg.): Berufliche Kompetenz durch Training. Heidelberg: I. H. Sauer, 85-99. Franke, G. (1999): Auswirkungen der Erfahrung auf die Herausbildung strategischer Handlungspotentiale. In: Franke, G. (Hrsg.): Strategisches Handeln im Arbeitsprozeß. Berlin, Bonn: Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), 488-526. Franke, G. & Kleinschmitt, M. (1987): Der Lernort Arbeitsplatz. Eine Untersuchung der arbeitsplatzgebundenen Ausbildung in ausgewählten elektrotechnischen Berufen der Industrie und des Handwerks. Berlin: Beuth. Fredrickson, B. L. (1998): What good are positive emotions? Review of General Psychology, 2(3), 300319. Frei, F. (1982): Performanz und Kompetenz – Überlegungen zu einem theoretischen Problem arbeitsimmanenter Qualifizierung. Diss. Bern. Frei, F., Duell, W. & Baitsch, C. (1984): Arbeit und Kompetenzentwicklung – Theoretische Konzepte zur Psychologie arbeitsimmanenter Qualifizierung. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber. Frese, M. (1982): Occupational socialisation and psychological development: An underemphasized research perspective in industrial psychology. Journal of Occupational Psychology, 55, 209-224. Frese, M. & Zapf, D. (1994): Action as the core of work psychology: A German approach. In: Triandis, H., Dunnette, M. & Hough, L. (Eds.): Handbook of industrial and organizational psychology. Band 4. Palo Alto, California: Consulting Psychologists Press, 271-340. Freud, S. (1911/1943): Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens. In: Freud, A. (Hrsg.): Gesammelte Werke – chronologisch geordnet. Werke aus den Jahren 1909-1913. Band 8. Frankfurt/Main: S. Fischer. Frey, A. & Balzer, L. (2003): Soziale und methodische Kompetenz – der Beurteilungsbogen smk: Ein Messverfahren für die Diagnose von sozialen und methodischen Kompetenzen. Empirische Pädagogik, 17(2), 148-175. Frey, A. & Balzer, L. (2005): Der Beurteilungsbogen smk: Ein Messverfahren für die Diagnose von sozialen und methodischen Fähigkeitskonzepten. In: Frey, A., Jäger, R. S. & Renold, U. (Hrsg.): Kompetenzdiagnostik. Theorien und Methoden zur Erfassung und Bewertung von beruflichen Kompetenzen. Landau: Empirische Pädagogik, 31-50. Fried, Y. & Ferris, G. R. (1987): The validity of the job characteristics model: A review and metaanalysis. Personnel Psychology. 40(2), 287-322. Friedmann, G. (1953): Zukunft der Arbeit. Perspektiven der industriellen Gesellschaft. Köln: BundVerlag. Frieling, E. (1999): Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA). In: Dunckel, H. (Hrsg.): Handbuch psychologischer Arbeitsanalyseverfahren. Band 14. Zürich: vdf Hochschulverlag an der ETH, 113-123. Frieling, E. & Sonntag, K. (1999): Lehrbuch Arbeitspsychologie. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber. Frieling, E., Bernard, H., Bigalk, D. & Müller, R. F. (2006): Lernen durch Arbeit. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann. Frieling, E., Bigalk, D., Gösel, C. & Müller, R. F. (2007): Lernvoraussetzungen an gewerblichen Arbeitsplätzen messen, bewerten und verbessern. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann. Frijda, N. H. (1988): The laws of emotion. American Psychologist, 43(5), 349-358. Frijda, N. H. (1993): The place of appraisal in emotion. In: Frijda, N. H. (Ed.): Appraisal and beyond. The issue of cognitive determinants of emotion (special issue of 'Cognition and Emotion'). Hove, Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates, 357-387. Frijda, N. (1994): Emotions require cognitions, even if simple ones. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 197-202. Frijda, N. H. & Zeelenberg, M. (2001): Appraisal: What is the dependent? In: Scherer, K. R., Schorr, A. & Johnstone, T. (Eds.): Appraisal processes in emotion. Theory, methods, research. Oxford, New York: Oxford University Press, 141-155. Funke, J. (2003): Problemlösendes Denken. Stuttgart: W. Kohlhammer.
Literatur
339
Gablenz-Kolakovic, S., Krogoll, T., Oesterreich, R. & Volpert, W. (1981): Subjektive oder objektive Arbeitsanalyse? Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 35(4), 217-220. Gabriel, W. & Schneider, P. (1996): Lernorte des arbeitsbezogenen Lernens. In: Dedering, H. (Hrsg.): Handbuch zur arbeitsorientierten Bildung. München, Wien: Oldenbourg, 169-187. Gadenne, V. (1996): Bewußtsein, Kognition und Gehirn. Einführung in die Psychologie des Bewußtseins. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber. Gadenne, V. & Oswald, M. E. (1991): Kognition und Bewußtsein. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona, Budapest: Springer. Gagné, M. (2003): The Role of autonomy support and autonomy orientation in prosocial behavior engagement. Motivation and Emotion, 27(3), 199-223. Gagné, M. & Deci, E. (2005): Self-determination theory and work motivation. Journal of Organizational Behavior, 26(4), 331-362. Gagné, R. M. (1980): Die Bedingungen des menschlichen Lernens. Hannover: Hermann Schroedel. Galperin, P. J. (1967): Die geistige Handlung als Grundlage für die Bildung von Gedanken und Vorstellungen. In: Kossakowski, A. & Lompscher, J. (Hrsg.): Probleme der Lerntheorie. Berlin: Volk und Wissen, 33-49. Gartmeier, M., Bauer, J., Gruber, H. & Heid, H. (2008): Negative knowledge: Understanding professional learning and expertise. Vocations and Learning, 2008(1), 87-103. Gasche, M. & Behrens, M. (2002): Didaktisches Handeln in der betrieblichen Ausbildungssituation. In: Oser, F. & Kern, M. (Hrsg.): Qualität der beruflichen Bildung – Eine Forschungsbaustelle. Bern: h.e.p., 203-232. Geißler, K. A. (1994): Vom Lebensberuf zur Erwerbskarriere. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 90(2), 647-657. Geißler, K. A. & Orthey, F. M. (1998): Der große Zwang zur kleinen Freiheit – Berufliche Bildung im Modernisierungsprozeß. Stuttgart: Hirzel. Georg, W. (1996a): Lernen im Prozeß der Arbeit. In: Dedering, H. (Hrsg.): Handbuch zur arbeitsorientierten Bildung. München, Wien: Oldenbourg, 637-659. Georg, W. (1996b): Arbeitsorientierung in der Ausbildung von Berufsschullehrern und betrieblichen Ausbildern. In: Dedering, H. (Hrsg.): Handbuch zur arbeitsorientierten Bildung. München, Wien: Oldenbourg, 817-839. Gerstenmaier, J. (2009): Philosophische Bildungsforschung. Handlungstheorien. In: Tippelt, R. & Schmidt, B. (Hrsg.): Handbuch Bildungsforschung. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 171-184. Gigerenzer, G. & Selten, R. (2001): Rethinking rationality. In: Gigerenzer, G. & Selten, R. (Eds.): Bounded rationality. The adaptive toolbox. Cambridge, London: The MIT Press, 1-12. Gläser-Zikuda, M. & Hascher, T. (2007): Zum Potenzial von Lerntagebuch und Portfolio. In: GläserZikuda, M. & Hascher, T. (Hrsg.): Lernprozesse dokumentieren, reflektieren und beurteilen. Lerntagebuch und Portfolio in Bildungsforschung und Bildungspraxis. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 9-21. Gnahs, D. (2007): Kompetenzen – Erwerb, Erfassung, Instrumente. Bielefeld: Bertelsmann. Göbel, E. (1998): Theorie und Gestaltung der Selbstorganisation. Berlin: Duncker und Humbolt (zitiert nach Sembill, D. & Seifried, J. (2006): Selbstorganisiertes Lernen als didaktische Lehr-LernKonzeption zur Verknüpfung von selbstgesteuertem und kognitivem Lernen. In: Euler, D., Lang, M. & Pätzold, G. (Hrsg.): Selbstgesteuertes Lernen in der beruflichen Bildung. Stuttgart: Franz Steiner, 93-108). Gollwitzer, P. M. & Liu, C. (1996): Wiederaufnahme. In: Heckhausen, H. & Kuhl, J. (Hrsg.): Motivation, Volition und Handlung. Enzyklopädie der Psychologie. Teilband C/IV/4. Göttingen: Hogrefe, 209240. Gollwitzer, P. M. & Malzacher, J. T. (1996): Absichten und Vorsätze. In: Heckhausen, H. & Kuhl, J. (Hrsg.): Motivation, Volition und Handlung. Enzyklopädie der Psychologie. Teilband C/IV/4. Göttingen: Hogrefe, 427-468.
340
Literatur
Gonon, P. (2002): Informelles Lernen – ein kurzer historischer Abriss von John Dewey zur heutigen Weiterbildung. In: Dehnbostel, P. & Gonon, P. (Hrsg.): Informelles Lernen – eine Herausforderung für die berufliche Aus- und Weiterbildung. Bielefeld: Bertelsmann, 13-22. Görs, D. (1996). Lernen im Prozeß der Arbeit zwischen Leistungsdruck und Problemlösungsbeteiligung. Entwicklungen und Trends in der beruflichen Erwachsenenbildung. L.-u. F. Weiterbildung. Münster: 50-58. Görs, D., Goltz, M. & Iller, C. (1994): Personalentwicklung und Weiterbildung im Einzelhandel – Das Verkaufspersonal zwischen Qualifizierung und Rationalisierung. Bremen: Universität Bremen. Grandey, A., Tam, A. & Brauburger, A. (2002): Affective states and traits in the workplace: Diary and survey from young workers. Motivation and Emotion, 26(1), 31-55. Grandey, A. & Brauburger, A. (2002): The emotion regulation behind the customer service smile. In: Lord, R., Klimoski R. & Kanfer, R. (Hrsg.): Emotions in the workplace. Understanding the structure and role of emotions in organizational behavior. San Francisco: Jossey-Bass, 260-294. Graumann, C. F. (1960): Grundlagen einer Phänomenologie und Psychologie der Perspektivität. Berlin: Walter De Gruyter. Graumann, C. F. (1980): Verhalten und Handeln – Probleme einer Unterscheidung. In: Schluchter, W. (Hrsg.): Verhalten, Handeln und System – Talcott Parsons' Beitrag zur Entwicklung der Sozialwissenschften. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 16-31. Gray, E. K. & Watson, D. (2001): Emotion, mood, and temperament: similarities, differences, and synthesis. In: Payne, R. L. & Cooper, C. L. (Eds.): Emotions at work – theory, research and applications in management. Chichester, New York, Weinheim, Brisbane, Singapore, Toronto: John Wiley & Sons, 21-43. Greif, S. & Kluge, A. (2004): Lernen in Organisationen. In: Schuler, H. (Hrsg.): Organisationspsychologie – Grundlagen und Personalpsychologie. Band 4. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 752-825. Greinert, W.-D. (1995): Das "deutsche System" der Berufsausbildung. Baden-Baden: Nomos. Greller, M. M. & Herold, P. M. (1975): Sources of feedback: A preliminary investigation. Organizational Behavior and Human Performance, 13(2), 244-256 (zitiert nach Ilgen, D. R., Fisher, C. D. & Taylor, M. S. (1979): Consequences of individual feedback on behavior in organizations. Journal of Applied Psychology. 64(4), 349-371). Greve, W. & Wentura, D. (1997): Wissenschaftliche Beobachtung. 2. korrigierte Auflage. Weinheim: Beltz. Grieger, D. (1985): Soziales Lernen in der betrieblichen Berufsausbildung. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 81(1), 6-13. Groeben, N. (1986): Handeln, Tun, Verhalten als Einheiten einer verstehend-erklärenden Psychologie: Wissenschaftstheorietischer Überblick und Programmentwurf zur Integration von Hermeneutik und Empirismus. Tübingen: Francke. Groeben, N. (1988): Explikation des Konstrukts ‚Subjektive Theorie’. In: Groeben, N., Wahl, D., Schlee, J. & Scheele, B. (Hrsg.): Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Eine Einführung in die Psychologie des reflexiven Subjekts. Tübingen: Francke, 17-23. Groeben, N. & Scheele, B. (1977): Argumente für eine Psychologie des reflexiven Subjekts. Paradigmenwechsel vom behavioralen zum epistomologischen Menschenbild. Darmstadt: Dietrich Steinkopff. Groeben, N. & Scheele, B. (1982): Einige Sprachregelungsvorschläge für die Erforschung subjektiver Theorien. In: Dann, H.-D., Humpert, W., Krause, F. & Tennstädt, K.-C. (Hrsg.): Analyse und Modifikation subjektiver Theorien von Lehrern. Ergebnisse und Perspektiven eines Kolloquiums. Konstanz: Zentrum Bildungsforschung, 13-39. Groeben, N., Wahl, D., Schlee, J. & Scheele, B. (1988) (Hrsg.): Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Eine Einführung in die Psychologie des reflexiven Subjekts. Tübingen: Francke.
Literatur
341
Groeben, N. & Scheele, B. (2002): Das epistologische Subjektmodell als theorieintegrativer Rahmen. In: Mutzeck, W., Schlee, J. & Wahl, D. (Hrsg.): Psychologie der Veränderung – Subjektive Theorien als Zentrum nachhaltiger Modifikationsprozesse. Weinheim, Basel: Beltz, 191-201. Gruber, H. (1999): Erfahrung als Grundlage kompetenten Handelns. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber. Gruber, H., Harteis, C. & Rehrl, M. (2006): Professional Learning: Erfahrung als Grundlage von Handlungskompetenz. Bildung und Erziehung, 59(2), 193-203. Grüner, G. (1980): Lernort. Die berufsbildende Schule, 32(11), 625-628. Günther, M. (2006): Empirische Untersuchung motivationaler Einflussfaktoren in der betrieblichen Ausbildung. Unveröffentlichte Diplomarbeit am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der OttoFriedrich-Universität Bamberg. Hacker, W. (1973): Allgemeine Arbeits- und Ingenieurpsychologie. Berlin/DDR: Deutscher Verlag der Wissenschaften. Hacker, W. (1978): Allgemeine Arbeits- und Ingenieurpsychologie. 2. Auflage. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber. Hacker, W. (1980): Optimierung kognitiver Arbeitsanforderungen. In: Hacker, W. & Raum, H. (Hrsg.): Optimierung von kognitiven Arbeitsanforderungen. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 11-31. Hacker, W. (1982): Gibt es eine Grammatik des Handelns? Kognitive Regulation zielgerichteter Handlungen. In: Hacker, W., Volpert, W. & von Cranach, M. (Hrsg.): Kognitive und motivationale Aspekte der Handlung. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 18-25. Hacker, W. (1983): Ziele – eine vergessene psychologische Schlüsselvariable? Zur antriebsregulatorischen Potenz von Tätigkeitsinhalten. Psychologie für die Praxis, 1(2), 5-26. Hacker, W. (1995): Arbeitstätigkeitsanalyse. Analyse und Bewertung psychischer Arbeitsanforderungen. Heidelberg: Asanger. Hacker, W. (1996a): Handlungsleitende psychische Abbilder ("Mentale Modelle"). In: Kuhl, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation, Volition und Handlung. Enzyklopädie der Psychologie. Teilband C/IV/4. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 769-794. Hacker, W. (1996b): Diagnose von Expertenwissen. Von Abzapf- (broaching) zu Aufbau- ([re]construction) Konzepten. Berlin: Akademischer Verlag. Hacker, W. (2005): Allgemeine Arbeitspsychologie – Psychische Regulation von Wissens-, Denk- und körperlicher Arbeit. 2., vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage. Bern: Hans Huber. Hacker, W. & Skell, W. (1993): Lernen in der Arbeit. Berlin, Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Hacker, W. & Weth, R. V. D. (2008): Denken – Entscheiden – Handeln. In: Badke-Schaub, P., Hofinger, G. & Lauche, K. (Hrsg.): Human Factors. Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen. Heidelberg: Springer, 78-93. Hackman, J. R. (1969): Toward understanding the role of tasks in behavioral research. Acta Psychologica, 31, 97-128. Hackman, J. R. & Oldham, G. R. (1975): Development of the job diagnostic survey. Journal of Applied Psychology, 60(2), 159-170. Hackman, J. R. & Oldham, G. R. (1976): Motivation through the design of work: Test of a theory. Organizational Behavior and Human Performance, 16, 250-279. Hackman, J. R. & Oldham, G. R. (1980): Work redesign. Reading (Massachusetts), Menlo Park (California), London, Amsterdam, Don Mills (Ontario), Sydney: Addison-Wesley. Häcker, H. & Stapf, K. H. (1998): Dorsch Psychologisches Wörterbuch. 13. überarbeitete und erweiterte Auflage. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber. Harris, R., Willis, P., Simons, M. & Collins, E. (2001): The relative contributions of institutional and workplace learning environments: An analysis of apprenticeship training. Journal of Vocational Education and Training, 53(2), 263-278.
342
Literatur
Harteis, C. (2002): Kompetenzfördernde Abeitsbedingungen. Zur Konvergenz ökonomischer und pädagogischer Prinzipien betrieblicher Personal- und Organisationsentwicklung. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag. Harteis, C., Bauer, J., Festner, D. & Gruber, H. (2004): Selbstbestimmung im Arbeitsalltag. Unterrichtswissenschaft, 32(2), 128-142. Harteis, C. & Gruber, H. (2004): Competence-supporting working conditions. In: Boshuizen, H. P. A., Bromme, R. & Gruber, H. (Eds.): Professional learning: Gaps and transitions on the way from novice to expert. Dordrecht, Boston, London: Kluwer, 251-269. Harteis, C. & Gruber, H. (2008): Intuition and professional competence: Intuitve versus rational forecasting of the stock market. Vocations and Learning, (1), 71-85. Harter, J. K., Schmidt, F. L. & Keyes, C. L. M. (2002): Well-Being in the workplace and its relationship to business outcomes. In: Keyes, C. L. M. & Haidt, J. (Eds.): Flourishing: The positive person and the good life. Washington: American Psychological Association, 205-224. Hascher, T. (2007): Lerntagebuch und Portfolio – Ermöglichung echter Lernzeit. In: Gläser-Zikuda, M. & Hascher, T. (Hrsg.): Lernprozesse dokumentieren, reflektieren und beurteilen. Lerntagebuch und Portfolio in Bildungsforschung und Bildungspraxis. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 295-301. Hascher, T. & Edlinger, H. (2009): Positive Emotionen und Wohlbefinden in der Schule – ein Überblick über Forschungszugänge und Erkenntnisse. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 56, 105-122. Hechenberger, M. (2008): Lernen am Arbeitsplatz – Interview-Studie zu lernförderlichen Einflussfaktoren aus Sicht des Ausbildungspersonals. Unveröffentlichte Diplomarbeit am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Hecker, U. (2000): Ausbildungsabbruch als Problemlösung? Überlegungen zu vorzeitigem Ausstieg aus der Ausbildung. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Jugendliche in Ausbildung und Beruf. Ergebnisse, Veröffentlichungen und Materialien aus dem BIBB. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), 55-65. Heckhausen, H. (1974): Leistung und Chancengleichheit. Göttingen: Hogrefe (zitiert nach Rheinberg, F. (1993): Leistung. In: Schorr, A. (Hrsg.): Handwörterbuch der Angewandten Psychologie. Bonn: Deutscher Psychologen Verlag). Heckhausen, H. (1976): Relevanz der Psychologie als Austausch zwischen naiver und wissenschaftlicher Verhaltenstheorie. Psychologische Rundschau, (27), 1-11. Heckhausen, H. (1977a): Achievement motivation and its constructs: A cognitive model. Motivation and Emotion, 1(4), 283-329. Heckhausen, H. (1977b): Motivation: Kognitionspsychologische Aufspaltung eines summarischen Konstrukts. Psychologische Rundschau, (28), 175-289. Heckhausen, H. (1980): Motivation und Handeln. Berlin: Springer. Heckhausen, H. (1987): Vorsatz, Wille und Bedürfnis: Lewins frühes Vermächtnis und ein zugeschütteter Rubikon. In: Heckhausen, H., Gollwitzer, P. M. & Weinert, F. E. (Hrsg.): Jenseits des Rubikon. Der Wille in den Humanwissenschaften. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo: Springer, 86-96. Heckhausen, H. & Rheinberg, F. (1980): Lernmotivation im Unterricht, erneut betrachtet. Unterrichtswissenschaft, (1), 7-47. Heckhausen, H. & Gollwitzer, P. (1986): Information processing before and after the formation of an intent. In: Klix, F. & Hagendorf, H. (Eds.): Human memory and cognitive capabilities. NorthHolland: Elsevier Publishers B.V., 1071-1082. Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (2006a): Motivation und Handeln: Einführung und Überblick. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 1-10. Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (2006b): Motivation und Entwicklung. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 393-454. Heid, H. (2000): Über die Qualität der Argumente, mit denen das Erfordernis lebenslangen Lernens begründet wird. In: Achtenhagen, F. & Lempert, W. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen im Beruf – seine Grundlegung im Kindes- und Jugendalter. Band 5. Opladen: Leske und Budrich, 22-29.
Literatur
343
Heider, F. (1958/1977): Psychologie der interpersonalen Beziehungen. Stuttgart: Klett (zitiert nach Seifried, J. (2009): Unterricht aus der Sicht von Handelslehrern. Frankfurt/Main: Peter Lang). Heinz, W. R. (1995): Arbeit, Beruf und Lebenslauf - Eine Einführung in die berufliche Sozialisation. Weinheim, München: Juventa. Hektner, J. M., Schmidt, J. A. & Csikszentmihalyi, M. (2007): Experience sampling method – measuring the quality of everyday life. Thousand Oaks, London, New Delhi: Sage Publications. Helmke, A. (2005): Unterichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern. Seelze: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. Herzberg, F. (1968/2003): One more time: How do you motivate employees? Harvard Business Review, 2003(1), 87-96. Higgins, E. T. (1987): Self-discrepancy: A theory relating self and affect. Psychological Review, 94(3), 319-340. Hofer, B. K. (2001): Personal epistemology research: Implications for learning and teaching. Journal of Educational Psychology Review, 13(4), 353-383. Hofer, B. K. & Pintrich, P. R. (1997): The development of epistemological theories: Beliefs about knowledge and knowing their relation to learning. Review of Educational Research, 67(1), 88-140. Hofer, M. (1977). Entwurf einer Heuristik für eine theoretisch geleitete Lehrer- und Erzieherbildung. Heidelberg: Psychologisches Institut der Universität Heidelberg. Hofer, M. (1981): Handlung und Handlungstheorien. In: Schiefele, H. & Krapp, A. (Hrsg.): Handlexikon zur Pädagogischen Psychologie. München: Franz Ehrenwirth, 159-166. Hoff, E. H. (1986): Arbeit, Freizeit und Persönlichkeit. Wissenschaftliche und alltägliche Vorstellungsmuster. Bern, Stuttgart, Toronto: Hans Huber. Hofinger, G. (2008): Kommunikation. In: Badke-Schaub, P., Hofinger, G. & Lauche, K. (Hrsg.): Human Factors. Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen. Heidelberg: Springer, 131-151. Hollenbeck, J. R., Williams, C. R. & Klein, H. J. (1989): An empirical cxamination of the antecedents of commitment to difficult goals. Journal of Applied Psychology, 74(1), 28-23. Holodynski, M. (1999): Handlungsregulation und Emotionsdifferenzierung. In: Friedlmeier, W. & Holodynski, M. (Hrsg.): Emotionale Entwicklung – Funktion, Regulation und soziokultureller Kontext von Emotionen. Heidelberg, Berlin: Spektrum, 29-51. Holzkamp, K. (1993): Lernen – Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Frankfurt, New York: Campus. Hormuth, S. E. (1986): The sampling of experiences in situ. Journal of Personality, 54(1), 262-293. Hossiep, R. & Paschen, M. (2003): Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP). 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe. Hull, C. L. (1943): Principles of Behavior. An introduction to behaviour theory. New York: AppletonCentury-Crofts. Hurrelmann, K. (1986/2001): Einführung in die Sozialisationstheorie. 7., neu ausgestattete Ausgabe. Weinheim: Beltz. Iaffaldano, M. T. & Muchinsky, P. M. (1985): Job satisfaction and job performance: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 97(2), 251-273. Ilgen, D. R., Fisher, C. D. & Taylor, M. S. (1979): Consequences of individual feedback on behavior in organizations. Journal of Applied Psychology, 64(4), 349-371. Irle, M. & Allehoff, W. (1988): Berufs-Interessen-Test II (BIT II). 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe. Isen, A. (2000): Positive affect and decision making. In: Lewis, M. & Haviland-Jones, J. (Eds.): Handbook of Emotions. New York, London: The Guiford Press, 417-435. Ito, T. A. & Cacioppo, J. T. (2000): Electrophysiological evidence of implicit and explicit categorization processes. Journal of Experimental Social Psychology, 36, 660-676. Izard, C. (1977): Human emotions. New York, London: Plenum Press. Izard, C. (1993): Four systems for emotion activation: Cognitive and noncognitive processes. Psychological Review, 100(1), 68-90. Jahoda, M., Lazarsfeld, P. F. & Zeisel, H. (1933/2000): Die Arbeitslosen von Marienthal. Berlin: Suhrkamp.
344
Literatur
Jarvis, P. (1987): Adult learning in the social context. London, New York, Sydney: Croom Helm. Johnson, J. V. & Hall, E. M. (1988): Job strain, work place social support, and cardiovascular disease: A cross-sectional study of a random sample of the Swedish working population. American Journal of Public Health, 78(10), 1336-1342. Johnson, R. B. & Onwuegbuzie, A. J. (2004): Mixed methods research: A research paradigm whose time has come. Educational Researcher, 33(7), 14-26. Judge, T. A., Thoresen, C. J., Bono, J. E. & Patton, G. K. (2001): The job satisfaction – job performance relationship: A qualitative and quantitative review. Psychological Bulletin, 127(3), 376-407. Kahneman, D. & Tversky, A. (1972): Subjective probability: A judgement of representativeness. Cognitive Psychology,(3), 430-454. Kannheiser, W. (1992): Arbeit und Emotion – eine integrierende Betrachtung. München: Quintessenz. Kanning, U. P. (2009): NEO-Fünf-Faktoren-Inventar nach Costa und McCrae (NEO-FFI). Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 53, 194-198. Kappas, A. (2006): Appraisals are direct, immediate, intuitive and unwitting ... and some are reflective. Cognition and Emotion, 20(7), 952-975. Karasek, R. (1979): Job demands, job decision latitude, and mental strain: Implications for job redesign. Administrative Science Quarterly, 24(2), 285-308. Karasek, R. A. (2004): An analysis of 19 international case studies of stress prevention through work reorganization using the demand/control model. Bulletin of Science, Technology & Society, 24(5), 446-456. Karg, P. W. & Staehle, W. H. (1982): Analyse der Arbeitssituation: Verfahren und Instrumente. Freiburg im Breisgau: Haufe. Karoly, P. (1999): A goal systems-self-regulatory perspective on personality, psychopathology, and change. Review of General Psychology, 3(4), 264-291. Kauffeld, S. & Frieling, E. (2004): Kompetenz und Flexibilität: Mehr als Stichworte in modernen Managementkonzepten. In: Jenewein, K., Knauth, P., Röben, P. & Zülch, G. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung in Arbeitsprozessen. Baden-Baden: Nomos, 63-74. Kaufhold, M. (2006): Kompetenz und Kompetenzerfassung. Analyse und Beurteilung von Verfahren der Kompetenzerfassung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Keck, A. (1995): Zum Lernpotential kaufmännischer Arbeitssituationen – Theoretische Überlegungen und empirische Ergebnisse zu Lernprozessen von angehenden Industriekaufleuten an kaufmännischen Arbeitsplätzen. Diss. Göttingen. Keddi, M. (2008): Auf der Suche nach der optimalen Mitarbeitermotivation. Theoretische Überlegungen und empirische Analysen zur Relevanz pädagogisch-psychologischer Motivationstheorien im betrieblichen Kontext. Münster: Waxmann. Kell, A. (1984): Einstellungen zu Arbeit und Beruf. Versuch einer Zwischenbilanz aufgrund vorliegender Studien. In: Kell, A. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Berufliches Lernen ohne berufliche Arbeit? Beiheft 5 der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Stuttgart: Franz Steiner, 29-41. Kell, A. (1989): Berufspädagogische Überlegungen zu den Beziehungen zwischen Lernen und Arbeiten. In: Kell, A. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Lernen und Arbeiten. Beiheft 5 der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Stuttgart: Franz Steiner, 9-25. Kell, A. (2006): Organisation, Recht und Finanzierung der Berufsbildung. In: Arnold, R. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 453-484. Kell, A. & Kutscha, G. (1983): Integration durch Differenzierung der "Lernorte"? – Theoretische und praktische Aspekte der Lernortproblematik im Modellversuch Kollegschule Nordrhein-Westfalen. In: V. d. L. a. b. S. i. Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Berufliche Sozialisation in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Lernorten. Krefeld: Joh. van Acken, 192-231. Kelly, G. A. (1955): The psychology of personal constructs. A theory of personality. New York: W W Norton and Company Kember, D. (1997): A reconceptualisation of the research into university academics' conceptions of teaching. Learning and Instruction. 7(3), 255-275.
Literatur
345
Kerschensteiner, G. (1904): Berufs- oder Allgemeinbildung? Pädagogische Reform, 1(1), 8-22. Kil, M., Leffelsend, S. & Metz-Göckel, H. (2000): Zum Einsatz einer revidierten und erweiterten Fassung des Job Diagnostic Survey im Dienstleistungs- und Verwaltungssektor. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie. 44(3), 115-128. Kirchhof, S. & Kreimeyer, J. (2003): Informelles Lernen im sozialen Umfeld – Lernende im Spannungsfeld zwischen individueller Kompetenzentwicklung und gesellschaftlicher Vereinnahmung. In: Wittwer, W. & Kirchhof, S. (Hrsg.): Informelles Lernen und Weiterbildung. Neue Wege zur Kompetenzentwicklung. München / Unterschleißheim: Luchterhand, 213-240. Kirchhöfer, D. (2004): Lernkultur Kompetenzentwicklung. Begriffliche Grundlagen. Berlin: ESM. Kirpal, S. & Tutscher, R. (2008). Betriebliches Bildungspersonal: Schlüsselakteure des lebenslangen Lernens. Universität Bremen: Institut Technik und Bildung (ITB) Klafki, W. (1996): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim, Basel: Beltz. Klein, S., Roger, B., Shavelson, R. J. & Bolus, R. (2007): The collegiate learning assessment – facts and fantasies. In: Evaluation Review. 31(5), 415-439. Kleinbeck, U. (1974): Die berufliche Ausbildung Jugendlicher unter dem Aspekt einer psychologischen Theorie der Motivation beruflichen Verhaltens (bei besonderer Berücksichtigung der motivspezifischen Anreizstrukturen verschiedener Lernorte). In: Kleinbeck, U. & Lempert, W. (Hrsg.): Die Bedeutung verschiedener Lernorte in der beruflichen Bildung. Stuttgart: Ernst Klett, 9-54. Kleinbeck, U. (2006): Handlungsziele. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 255-276. Kleinginna, P. & Kleinginna, A. (1981): A categorized list of emotion definitions, with suggestions for a consensual definition. Motivation and Emotion, 5(4), 345-379. Kleinginna, P. R. & Kleinginna, A. M. (1985): Cognition and affect: A reply to Lazarus and Zajonc. American Psychologist, 40(4), 470-471. Klieme, E. (2004): Was sind Kompetenzen und wie lassen sie sich messen? Pädagogik, (6), 10-13. Klieme, E., Maag-Merki, K. & Hartig, J. (2007): Kompetenzbegriff und Bedeutung von Kompetenzen im Bildungswesen. In: Hartig, J. & Klieme, E. (Hrsg.): Möglichkeiten und Voraussetzungen technologiebasierter Kompetenzdiagnostik. Bonn, Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung, 5-15. Klix, F. (1992): Die Natur des Verstandes. Göttingen: Hogrefe. Kloas, P.-W. (1992): Lernen an der Arbeit – Berufsbildung in Deutschland und Europa. In: Achtenhagen, F. & John, E. G. (Hrsg.): Mehrdimensionale Lehr-Lern-Arrangements – Innovationen in der kaufmännischen Aus- und Weiterbildung. Wiesbaden: Gabler, 196-211. Kluwe, R. (1996): Steuerung von Denkvorgängen in Modellen menschlicher Informationsverarbeitung. In: von Cranach, M. & Foppa, K. (Hrsg.): Freiheit des Entscheidens und Handelns. Ein Problem der nomologischen Psychologie. Heidelberg: Roland Asanger, 151-170. Kohn, M. L. (1985): Arbeit und Persönlichkeit: ungelöste Probleme der Forschung. In: Hoff, E.-H., Lappe, L. & Lempert, W. (Hrsg.): Arbeitsbiographie und Persönlichkeitsentwicklung. Bern, Stuttgart, Toronto: Hans Huber, 41-73. Kohn, M. L. & Schooler, C. (1983): The reciprocal effects of the substantive complexity of work and intelectual flexibility: A longitudinal assessment. In: Kohn, M. L. & Schooler, C. (Eds.): Work and Personality: An inquiry into the impact of social stratification. Norwood, New Jersey: Ablex Publishing Corporation, 99-124. König, E. (2002): Qualitative Forschung im Bereich der subjektiven Theorien. In: König, E. & Zedler, P. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Grundlagen und Methoden. Weinheim, Basel: Beltz, 55-69. König, E. (2005): Das Konstruktinterview: Grundlagen, Forschungsmethodik, Anwendung. In: König, E. & Volmer, G. (Hrsg.): Systemisch denken und handeln. Weinheim: Beltz, 83-117. König, E. & Volmer, G. (2000): Systemische Organisationsberatung – Grundlagen und Methoden. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
346
Literatur
Krapp, A. (1992): Das Interessenskonstrukt. Bestimmungsmerkmale der Interessenshandlung und des individuellen Interesses aus der Sicht einer Person-Gegenstands-Konzeption. In: Krapp, A. & Prenzel, M. (Hrsg.): Interesse, Lernen, Leistung. Neuere Ansätze der pädagogisch-psychologischen Interessensforschung. Münster: Aschendorf, 297-329. Krapp, A. (2002): An educational-psychological theory of interest and its relation to SDT. In: Deci, E. & Ryan, R. (Eds.): Handbook of self-determination research. Rochester: The University of Rochester Press, 405-430. Krapp, A. (2006): Interesse. In: Rost, D. H. (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz, 280-290. Krapp, A. & Ryan, R. (2002): Selbstwirksamkeit und Lernmotivation. Eine kritische Betrachtung der Theorie von Bandura aus der Sicht der Selbstbestimmungstheorie und der pädagogischpsychologischen Interessentheorie. Zeitschrift für Pädagogik, 44, 54-82. Krapp, A. & Hascher, T. (2009): Motivationale Voraussetzungen der Entwicklung der Professionalität. In: Zlatkin-Troitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D., Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.): Lehrprofessionalität. Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 377-387. Krappmann, L. (1979): Die problematische Wahrung der Identität. In: Heigl-Evers, A. & Streeck, U. (Hrsg.): Lewin und die Folgen. Sozialpsychologie, Gruppendynamik, Gruppentherapie. Düsseldorf: Kindler, 413-423. Kraus, K. (2008): Lernort: Raumtheoretische Überlegungen zu einem Grundbegriff der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. In: Münk, D., Breuer, K. & Deißinger, T. (Hrsg.): Berufs- und Wirtschaftspädagogik – Probleme und Perspektiven aus nationaler und internationaler Sicht. Opladen, Farmington Hills: Barbara Budrich, 112-122. Krewerth, A., Beicht, U., Gei, J. & Rothe, C. (2009): Wie beurteilen Auszubildende zum/zur Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel die Qualität ihrer Berufsausbildung? Grafiken zu den berufsspezifischen Einzelergebnissen des Forschungsprojekts "Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden". BIBB-Report, 1-7. Kuckartz, U. (2007): Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Kühnlein, G., Müller, U. & Paul-Kohlhoff, A. (1982): Betriebliche Lernorte aus der Sicht von Auszubildenden. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 11(4), 10-13. Künsting, J., Billich, M. & Lipowsky, F. (2009): Der Einfluss von Lehrerkompetenzen und Lehrerhandeln auf den Schulerfolg von Lernenden. In: Zlatkin-Troitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D., Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.): Lehrprofessionalität. Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 655-667. Kuhl, J. (1982): Handlungs- und Lageorientierung als Vermittler zwischen Intention und Handeln. In: Hacker, W., Volpert, W. & von Cranach, M. (Hrsg.): Kognitive und motivationale Aspekte der Handlung. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 76-95. Kuhl, J. (1983): Emotion, Kognition und Motivation: I. Auf dem Wege zu einer systemtheoretischen Betrachtung der Emotionsgenese. Sprache & Kognition, 2(1), 1-27. Kuhl, J. (1987): Action Control: The maintenance of motivatinal states. In: Halisch, F. & Kuhl, J. (Eds.): Motivation, Intention, and Volition. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo: Springer, 279-291. Kuhl, J. (1992): A theory of self-regulation: Action versus state orientation, self-discrimination, and some applications. Applied Psychology: An International Review, 41(4), 97-129. Kuhl, J. (2000): A functional-design approach to motivation and self-regulation: The dynamics of personality systems and interactions. In: Boekaerts, M., Pintrich, P. R. & Zeidner, M. (Eds.): Handbook of self-regulation. San Diego, San Francisco, New York, Boston, London, Sydney, Tokyo: Academic Press, 111-169. Kuhl, J. (2001): Motivation und Persönlichkeit – Interaktionen psychischer Systeme. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe. Kuhn, T. S. (1967): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Literatur
347
Kultusministerkonferenz (2007). Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. Bonn. Kunter, M., Klusmann, U. & Baumert, J. (2009): Professionelle Kompetenz von Mathematiklehrkräften: Das COACTIV-Modell. In: Zlatkin-Troitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D., Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.): Lehrprofessionalität – Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 153-165. Kutscha, G. (1992): Das Duale System der Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland – ein auslaufendes Modell? Die berufsbildende Schule, 44(3), 145-156. Kutscha, G. (1996). Integriertes Lernen in berufs- und studienbezogenen Bildungsgängen der Sekundarstufe II – Entwicklungen und Konzepte in der Bundesrepublik Deutschland. Duisburg: GerhardMercator-Universität, Gesamthochschule Duisburg. Kutscha, G. (2007). Was Ausbildungsnovizen im Einzelhandel können sollen, aber nicht wissen können. Forschungsbefunde zur Kompetenzentwicklung in der Eingangsphase der Berufsausbildung. 5. BiBB Fachkongress. BiBB. Kutscha, G. (2008): Arbeit und Beruf – Konstitutive Momente der Beruflichkeit im evolutionsgeschichtlichen Rückblick auf die frühen Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens und Aspekte aus berufsbildungstheoretischer Sicht. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104(3), 333-357. Kutt, K. & Stiehl, H. (1979): Ausbildung der Ausbildungsleiter? Überlegungen zu einem Gesamtkonzept. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 8(4), 20-25. LaBar, K. S. & Ledoux, J. E. (2003): Emotional learning circuits in animals and humans. In: Davidson, R. J., Scherer, K. R. & Goldsmith, H. H. (Eds.): Handbook of affective sciences. Oxford, New York: Oxford University Press, 52-65. Laireiter, A.-R. & Thiele, C. (1995): Psychologische Soziodiagnostik: Tagebuchverfahren zur Erfassung sozialer Beziehungen, sozialer Interaktionen und sozialer Unterstützung. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 16(3), 125-151. Lakies, T. & Nehls, H. (2007): Berufsbildungsgesetz – Basiskommentar. Frankfurt/Main: Bund. Landmann, M. & Schmitz, B. (2004): Entwicklung, Einsatz und Evaluation eines strukturierten Tagebuchs zur Verbesserung der Zielerreichung bei Frauen in Phasen beruflicher Neuorientierung. In: Bos, W., Lankes, E.-M., Plaßmeier, N. & Schwippert, K. (Hrsg.): Heterogenität. Eine Herausforderung an die empirische Bildungsforschung. Münster: Waxmann, 195-208. Landis, J. R. & Koch, G. G. (1977): The measurement of observer agreement for categorical data. Biometrics, 33(Mar), 159-174. Lang-Von Wins, T. (2003): Die Kompetenzhaltigkeit von Methoden moderner psychologischer Diagnostik-, Personalauswahl- und Arbeitsanalyseverfahren sowie aktueller Management-DiagnostikAnsätze. In: Erpenbeck, J. & von Rosenstiel, L. (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung – erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 585-613. Lantermann, E.-D. (1983): Kognitive und emotionale Prozesse beim Handeln. In: Mandl, H. & Huber, G. L. (Hrsg.): Emotion und Kognition. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg, 248281. Lantermann, E.-D. (2000): Handlung und Emotion. In: Otto, J., Euler, H. & Mandl, H. (Hrsg.): Emotionspsychologie – Ein Handbuch. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 381-394. Lappe, L. (2006): Jugend in der Berufsbildung. In: Arnold, R. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 73-83. Laucken, U. (1974): Naive Verhaltenstheorie. Stuttgart: Klett. Lave, J. & Wenger, E. (1991): Situated Learning - Legitimate Peripheral Participation. Cambrigde, New York, Port Chester, Melbourne, Sydney: Cambridge University Press. Lazarus, R. S. (1991a): Cognition and motivation in emotion. American Psychologist, 46(4), 352-367. Lazarus, R. S. (1991b): Emotion and adaptation. Oxford, New York, Toronto: Oxford University Press.
348
Literatur
Lazarus, R. (1994a): The stable and the unstable in emotion. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The Nature of Emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 79-85. Lazarus, R. (1994b): Appraisal: The long and the short of it. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 208-215. Lazarus, R. S. (1999): The cognition-emotion debate: A bit of history. In: Dalgleish, T. & Power, M. J. (Eds.): Handbook of cognition and emotion. Chichester, New York, Weinheim, Brisbane, Singapore, Toronto: John Wiley and Sons, 3-19. Lazarus, R. S., Kanner, A. D. & Folkman, S. (1980): Emotions: A cognitive-phenomenological analysis. In: Plutchik, R. & Kellerman, H. (Eds.): Emotion. Theory, research and experience. Vol. 1: Theories of Emotion. New York, London, Toronto, Sydney, San Francisco: Academic Press, 189-217. Lazarus, R. S. & Folkman, S. (1987): Transactional theory and research on emotions and coping. European Journal of Personality, 1, 141-169. Lazarus, R. S. & Smith, C. A. (1988): Knowledge and appraisal in the cognition – Emotion relationship. Cognition and Emotion, 2(4), 281-300. Leary, M. R. (2003): The self and emotion: The role of self-reflection in the generation and regulation of affective experience. In: Davidson, R. J., Scherer, K. R. & Goldsmith, H. H. (Eds.): Handbook of affective sciences. Oxford, New York: Oxford University Press, 773-786. LeDoux, J. E. (1994a): Emotion, memory and the brain. Scientific American. 270(6), 50-57. LeDoux, J. E. (1994b): Cognitive-emotional interactions in the brain. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 216-223. LeDoux, J. E. (1996/2006): Das Netz der Gefühle – Wie Emotionen entstehen. 4. Auflage. München: dtv. LeDoux, J. E. (2002/2006): Das Netz der Persönlichkeit – Wie unser Selbst entsteht. München: dtv. Lehmann-Grube, S. & Nickolaus, R. (2009): Professionalität als kognitive Disposition. In: ZlatkinTroitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D., Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.): Lehrprofessionalität – Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 59-70. Leidner, M. (2001): Wenn der Geselle den Lehrling ausbildet. Eine Analyse der pädagogischen Sinndeutungen und subjektiven Theorien nebenberuflicher Ausbilder im Bauhandwerk. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Peter Lang. Lempert, W. (1974): Die notwendige und mögliche Funktion des Lernorts Betrieb im Verhältnis zur Lehrwerkstätte und Schule unter den Gesichtspunkten sozialen Lernens und der Funktionalität der Ausbildung. In: Kleinbeck, U. & Lempert, W. (Hrsg.): Die Bedeutung verschiedener Lernorte in der beruflichen Bildung. Stuttgart: Ernst Klett, 55-70. Lempert, W. (1979): Zur theoretischen und empirischen Analyse von Beziehungen zwischen Arbeiten und Lernen. Grundprobleme und Lösungsstrategien. In: Groskurth, P. (Hrsg.): Arbeit und Persönlichkeit: Berufliche Sozialisation in der arbeitsteiligen Gesellschaft. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 87-111. Lempert, W. (2000): Lebenslanges Lernen und Persönlichkeitsentwicklung nach Untersuchungen von Berufsverläufen und beruflichen Biographien. In: Achtenhagen F. & Lempert, W. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen im Beruf – seine Grundlegung im Kindes- und Jugendalter. Band 2. Opladen: Leske und Budrich, 128-154. Lempert, W. (2006a): Berufliche Sozialisation und berufliches Lernen. In: Arnold, R. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 413-420. Lempert, W. (2006b): Berufliche Sozialisation. In: Kaiser, F.-J. & Pätzold, G. (Hrsg.): Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 77-78. Lenk, H. (1978): Handlung als Interpretationskonstrukt. Entwurf einer Konstituenten- und beschreibungstheoretischen Handlungsphilosphie. In: Lenk, H. (Hrsg.): Handlungstheorien interdisziplinär II. Handlungserklärungen und philosophische Handlungsinterpretation. München: Wilhelm Fink, 279-350. Leont'ev, A. N. (1975/1977): Tätigkeit, Bewußtsein, Persönlichkeit. Stuttgart: Ernst Klett.
Literatur
349
LePine, J. A., LePine, M. A. & Jackson, C. L. (2004): Challenge and hindrance stress: Relationship with exhaustion, motivation to learn and learning performance. Journal of Applied Psychology, 89(5), 883-891. Leventhal, H. (1982): A perceptual motor theory of emotion. Social Science Information, 21(6), 819-845. Leventhal, H. & Scherer, K. R. (1987): The relationship of emotion to cognition: A functional approach to a semantic controversy. Cognition and Emotion, 1(1), 3-28. Levy, P. E., Albright, M. D., Cawley, B. D. & Williams, J. R. (1995): Situational and individual determinants of feedback seeking: A closer look at the process. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 62(1), 23-37. Lewis, C. I., (1946): An analysis of knowledge and valuation. LaSalle: Open Court Publishing Co. Lewin, K. (1920): Die Sozialisierung des Taylorsystems. Eine grundsätzliche Untersuchung zur Arbeitsund Berufspsychologie. Berlin: Gesellschaft und Erziehung. Lewin, K. (1926a): Untersuchungen zur Handlungs- und Affekt-Psychologie. I. Vorbemerkungen über die psychischen Kräfte und Energien und über die Struktur der Seele. Psychologische Forschung, 7(1), 294-329. Lewin, K. (1926b): Untersuchungen zur Handlungs- und Affekt-Psychologie. II. Vorsatz, Wille und Bedürfnis. Psychologische Forschung, 7(1), 330-385. Lewin, K. (1931/1974): Die psychologische Situation bei Lohn und Strafe. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Lewin, K. (1936): Principles of topological psychology. New York: McGraw-Hill. Lewis, M. (2000): The emergence of human emotions. In: Lewis, M. & Haviland-Jones, J. (Eds.): Handbook of emotions. New York, London: The Guiford Press, 265-280. Lipsmeier, A. (1978): Organisation und Lernorte der Berufsausbildung. München: Juventa. Lipsmeier, A. (1996): Lernen und Arbeiten – Berufspädagogische Thesen zu einem aktuellen alten Thema. In: Bonz, B., Lipsmeier, A. & Schanz, H. (Hrsg.): Beiträge zur Pädagogik für Schule und Betrieb – Didaktik der Berufsbildung. Stuttgart: Holland und Josenhans, 205-219. Little, T., Hawley, P., Heinrich, C. & Marsland, K. (2002): Three views of the agentic self: A developmental synthesis. In: Deci, E. & Ryan, R. (Eds.): Handbook of self-determination research. Rochester: The University of Rochester Press, 389-404. Livingstone, D. W. (1999): Informelles Lernen in der Wissensgesellschaft. In: Projektgruppe Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM) der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. (Hrsg.): Kompetenz für Europa; Wandel durch Lernen – Lernen im Wandel. Berlin: Waxmann, 65-91. Locke, E. A. & Latham, G. P. (1994): Goal setting theory. In: O'Neil, H. F. & Drillings, M. (Eds.): Motivation: Theory and research. Hillsdale, Hove: Lawrence Erlbaum Associates, 13-29. Lompscher, J. (1972): Vorwort. In: Lompscher, J. (Hrsg.): Probleme der Ausbildung geistiger Handlungen. Neuere Untersuchungen zur Anwendung der Lerntheorie Galperins. Berlin: Volk und Wissen, 5-14. Lompscher, J. (1981): Lernhandlung. In: Clauß, G., Kluka, H., Lompscher, J., Rösler, H.-D., Timpe, K.P. & Vorwerg, G. (Hrsg.): Wörterbuch der Psychologie. Leipzig: Bibliografisches Institut, 364-366. Luhmann, N. (1978): Erleben und Handeln. In: Lenk, H. (Hrsg.): Handlungstheorien interdisziplinär II. Handlungserklärungen und philosophische Handlungsinterpretation. München: Wilhelm Fink, 235254. Lukesch, H. (1981): Erziehungsstile. In: Schiefele, H. & Krapp, A. (Hrsg.): Handlexikon zur Pädagogischen Psychologie. München: Franz Ehrenwirth, 112-116. Mandl, H. & Huber, G. L. (1983a): Theoretische Grundpositionen zum Verhältnis von Emotion und Kognition. In: Mandl, H. & Huber, G. L. (Hrsg.): Emotion und Kognition. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg, 1-60. Mandl, H. & Huber, G. L. (1983b): Subjektive Theorien von Lehrern. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 30, 98-112.
350
Literatur
Mandl, H. & Reiserer, M. (2000): Kognitionstheoretische Ansätze. In: Otto, J., Euler, H. & Mandl, H. (Hrsg.): Emotionspsychologie – Ein Handbuch. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 95-105. Marcus, B. & Schuler, H. (2006): Leistungsbeurteilung. In: Schuler, H. (Hrsg.): Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle Oxford, Prag: Hogrefe, 433-469. Marek, S. & Paulini, H. (1999): Ausbildung und Beschäftigung von Kaufleuten im Einzelhandel. Schriftliche Befragung in Unternehmen des Einzelhandels. Berlin, Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung. Marsick, V. & Watkins, K. (1990): Informal and incidental learning in the workplace. London, New York: Routledge. Martocchio, J. J. & Judge, T. A. (1997): Relationship between conscientiousness and learning in employee training: Mediating influences of self-deception and self-efficacy. Journal of Applied Psychology, 82(5), 764-773. Marton, F. & Säljö, R. (1984): Approaches to learning. In: Marton, F., Hounsell, D. & Entwistle, N. (Eds.): The experience of learning. Edinburgh: Scottish Academic Press, 36-55. Marton, F., Dall'alba, G. & Beaty, E. (1993): Conceptions of learning. International Journal of Educational Research. 19(3), 277-300. Marx, K. (1867/2006): Das Kapital. In: Marx, K. & Engels, F. (Hrsg.): Das Kapital und das Manifest der kommunistischen Partei. München: Capital Buch, 45-906. Matthews, G., Davies, D. R., Westerman, S. J. & Stammers, R. B. (2000): Human Performance: Cognition, stress and individual differences. Hove, Philadelphia: Psychology Press. Mauss, I. B. & Robinson, M. D. (2009): Measures of emotion: A review. Cognition and Emotion, 23(2), 209-237. Mayer, L. (2006): Arbeitszufriedenheit und Identifikation als Zielgrößen betrieblicher Erstausbildung. Unveröffentlichte Diplomarbeit am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Otto-FriedrichUniversität Bamberg. Mayring, P. (2007): Qualitative Inhaltsanalyse - Grundlagen und Techniken. Weinheim, Basel: Beltz. McClelland, D. C. (1951): Personality. New York: W.M.Sloan. McClelland, D. C. (1985): How motives, skills, and values determine what people do. American Psychologist, 40(7), 812-825. McClelland, D. C., Atkinson, J. W., Clark, R. A. & Lowell, E. L. (1953): The achievement motive. New York: Appleton-Century-Crafts (zitiert nach Berlyne, D. E. (1960/1974): Konflikt, Erregung, Neugier – Zur Psychologie der kognitiven Motivation. Stuttgart: Ernst Klett). McClelland, D. C., Koestner, R. & Weinberger, J. (1989): How do self-attributed and implicit motives differ? Psychological Review, 96(4), 690-702. McCrae, R. R. & Costa, P. T. (1987): Validation of the five-factor model of personality across instruments and observers. Journal of Personality and Social Psychology, 52(1), 81-90. McGregor, D. (1960): The human side of enterprise. New York: McGraw-Hill (zitiert nach Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1985a): Intrinsic motivation and self-determination in human behavior. New York, London: Plenum Press). Meier, M. H. & Spreth, G. (2003): Beschreibung beruflicher Bildungssysteme im nationalen und internationalen Kontext. Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online. Mertens, D. (1974): Schlüsselqualifikationen – Thesen zur Schulung für eine moderne Gesellschaft. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 7(1), 36-43. Metzger, W. (1954): Psychologie. Die Entwicklung ihrer Grundannahmen seit der Einführung des Experiments. Darmstadt: Steinkopf (zitiert nach Abele, A. (1995): Stimmung und Leistung. Allgemein- und sozialpsychologische Perspektive. Göttingen: Hogrefe). Miller, G. A., Galanter, E. & Pribram, K. H. (1960/1973): Stragegien des Handelns – Pläne und Strukturen des Handelns. Stuttgart: Klett. Moon, S.-Y. & Na, S.-I. (2009): Psychological and organizational variables associated with workplace learning in small and medium manufacturing businesses in Korea. Asia Pacific Education Review, 10(3), 327-336.
Literatur
351
Muck, P. M. (2006): Persönlichkeit und berufsbezogenes Sozialverhalten. In: Schuler, H. (Hrsg.): Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle Oxford, Prag: Hogrefe, 527577. Müller, C. T. (2003). Subjektive Theorien und handlungsleitende Kognitionen von Lehrern als Determinanten schulischer Lehr-Lern-Prozesse im Physikunterricht. Kiel, Universität Kiel. Müller, S., Rebmann, K. & Liebsch, E. (2008): Überzeugungen zu Wissen und Lernen von Ausbilder(inne)n – eine Pilotstudie. Europäische Zeitschrift für Berufsbildung, 45(3), 99-118. Münch, J. (1985): Zur Pluralität der Lernorte – Phänomenologie und Begrifflichkeit. In: Doerfert, H. & Orlowski, E. (Hrsg.): Leben und Lernen außerhalb der Familie. Frankfurt/Main, Berlin, München: Moritz Diesterweg, 9-20. Münch, J. (1990): Lernen am Arbeitsplatz – Bedeutung innerhalb der betrieblichen Weiterbildung. In: Schlaffke, W. & Weiß, R. (Hrsg.): Tendenzen betrieblicher Weiterbildung – Aufgaben für Forschung und Praxis. Köln: Deutscher Instituts-Verlag, 141-176. Münch, J. & Kath, M. F. (1973): Zur Phänomenologie und Theorie des Arbeitsplatzes als Lernort. Zeitschrift für Berufsbildungsforschung, 2(1), 19-30. Münch, J., Müller, H.-J., Oesterle, H. & Scholz, F. (1981): Organisationsformen betrieblichen Lernens und ihr Einfluß auf Ausbildungsergebnisse. Berlin: Erich Schmidt. Murphy, P. K. & Alexander, P. A. (2008): The role of knowledge, beliefs, and interest in conceptual change process: A synthesis and meta-analysis of the research. In: Vosniadou, S. (Ed.): International Handbook of Research on Conceptual Change. Oxon: Taylor and Francis, 583-616. Neisser, U. (1974): Kognitive Psychologie. Stuttgart: Ernst Klett. Nerdinger, F. W. (1995): Motivation und Handeln in Organisationen. Eine Einführung. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer. Nerdinger, F. W., Blickle, G. & Schaper, N. (2008): Arbeits- und Organisationspsychologie. Heidelberg: Springer. Neuberger, O. (2006): Mikropolitik und Moral in Organisationen. Herausforderung der Ordnung. Stuttgart: Lucius & Lucius. Newell, A. & Simon, H. A. (1972): Human problem solving. Englewood Cliffs, New Jersey: PrenticeHall. Nickolaus, R. (2007). Qualität in der Beruflichen Bildung. Einführungsvortrag zum AG BFN Expertenworkshop "Qualität in der beruflichen Bildung – Forschungsergebnisse und Desiderata" am 26. und 27. Februar 2007. Nickolaus, R., Gschwendtner, T. & Geissel, B. (2008): Entwicklung und Modellierung beruflicher Fachkompetenz in der gewerblich-technischen Grundbildung. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104(1), 48-73. Nieuwenhuis, L. F. M. & Van Woerkom, M. (2007): Goal rationalities as a framework for evaluating the learning potential of the workplace. Human Resource Development Review, 6(1), 64-83. Norman, D. A. (1982): Learning and memory. San Francisco: Freeman (zitiert nach Hacker, W. & Skell, W. (1993): Lernen in der Arbeit. Berlin, Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung). North, K., Friedrich, P., Lantz, A. (2005): Kompetenzentwicklung zur Selbstorganisation. In: A. B. W. e. V. P. Qualifikations-Entwicklungs-Management (Hrsg.): Kompetenzmessung im Unternehmen. Lernkultur- und Kompetenzanalysen im betrieblichen Umfeld. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 601-672. Noß, M. (2000): Selbstgesteuertes Lernen am Arbeitsplatz. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag. Noß, M. & Achtenhagen, F. (2000): Förderungsmöglichkeiten selbstgesteuerten Lernens am Arbeitsplatz – Eine empirische Untersuchung zur Ausbildung von Bank- bzw. Sparkassenkaufleuten. In: Kaiser, F.-J. (Hrsg.): Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Berufliche Bildung in Deutschland für das 21. Jahrhundert. Nürnberg: Bundesanstalt für Arbeit, 235-256. Nunnally, J. C. (1978): Psychometric Theory. New York, St. Louis, San Francisco, Auckland, Bogotá, Düsseldorf, Johannesburg, London, Madrid, Mexico, Montreal, New Delhi, Panama, Paris, San Paulo, Singapore, Sydney, Tokyo, Toronto: McGraw-Hill Book Company.
352
Literatur
Oerter, R. (2001): Zur Entwicklung von Willenshandlungen. In: Petzold, H. G. (Hrsg.): Wille und Wollen. Psychologische Modelle und Konzepte. Göttingen: Vanddenhoeck und Ruprecht, 98-117. Oerter, R. (2007): Entwicklungspsychologische Perspektiven von Bildung. In: Harring, M., Rohlfs, C. & Palentien, C. (Hrsg.): Perspektiven der Bildung – Kinder und Jugendliche in formellen, nichtformellen und informellen Bildungsprozessen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 116136. Oesterreich, R. (1981): Handlungsregulation und Kontrolle. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg. Oesterreich, R. (1994): Das Netz erinnerbaren Handelns. Ein Gedächtnismodell. Heidelberg: Roland Asanger. Oesterreich, R. & Volpert, W. (1987): Handlungstheoretisch orientierte Arbeitsanalyse. In: Kleinbeck, U. & Rutenfranz, J. (Hrsg.): Arbeitspsychologie. Band 1. Göttingen, Toronto Zürich: Hogrefe, 43-73. Ortony, A. & Turner, T. J. (1990): What's basic about basic emotions? Psychological Review, 97(3), 315331. Otto, J., Euler, H. & Mandl, H. (2000): Begriffsbestimmungen. In: Otto, J., Euler, H. & Mandl, H. (Hrsg.): Emotionspsychologie – Ein Handbuch. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 11-18. Pätzold, G. (2000): Betriebliche Ausbildungstätigkeit auf dem Weg von einer tayloristischen zu einer wissensstrukturierten Praxis. In: Bös, G. & Neß, H. (Hrsg.): Ausbilder in Europa – Probleme und Perspektiven. Bielefeld: Bertelsmann, 71-87. Pätzold, G. (2004): Lernen im Prozess der Arbeit. In: Cramer, G. (Hrsg.): Jahrbuch Ausbildungspraxis. München: Wolters Kluwer, 81-87. Pätzold, G. (2006): Berufliche Handlungskompetenz. In: Kaiser, F.-J. & Pätzold, G. (Hrsg.): Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädgogik. 2. Auflage. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt. Pätzold, G. (2008): Ausbildereignungsprüfung wichtig für Image und Qualität beruflicher Bildung. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104(3), 321-326. Pätzold, G. & Drees, G. (1989): Betriebliche Realität und pädagogische Notwendigkeit. Tätigkeitsstrukturen, Arbeitssituationen und Berufsbewußtsein von Ausbildungspersonal im Metallbereich. Köln, Wien: Böhlau. Pätzold, G., Klusmeyer, J., Wingels, J. & Lang, M. (2003): Lehr-Lern-Methoden in der beruflichen Bildung – Eine empirische Untersuchung in ausgewählten Berufsfeldern. Oldenburg: Bibliotheksund Informationssystem der Universität Oldenburg. Pauli, C. & Reusser, K. (2009): Zum Einfluss von Professionalität auf die Qualität von Lehr-LernProzessen. In: Zlatkin-Troitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D., Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.): Lehrprofessionalität – Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 679-689. Pawlik, K. (1976) (Hrsg.): Diagnose der Diagnostik. Beiträge zur Diskussion der psychologischen Diagnostik in der Verhaltensmodifikation. Stuttgart: Klett (zitiert nach Erpenbeck, J. & Von Rosenstiel, L. (2003): Einführung. In: Erpenbeck, J. & von Rosenstiel, L. (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung – erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, IX-XL). Pekrun, R. (1988): Emotion, Motivation und Persönlichkeit. München, Weinheim: Psychologie Verlags Union. Pekrun, R. (2000): Persönlichkeit und Emotion. In: Otto, J., Euler, H. & Mandl, H. (Hrsg.): Emotionspsychologie – Ein Handbuch. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 334-348. Pekrun, R. & Jerusalem, M. (1996): Leistungsbezogenes Denken und Fühlen: Eine Übersicht zur psychologischen Forschung. In: Möller, J. & Köller, O. (Hrsg.): Emotionen, Kognitionen und Schulleistung. Weinheim: Beltz, 3-22. Petty, M. M., Mcgee, G. W. & Cavender, J. W. (1984): A meta-analysis of the realtionships between individual job satisfaction and individual performance. Psychological Bulletin, 9(4), 712-721.
Literatur
353
Pietrzyk, U. (2006): Beschäftigungsentwicklung im Einzelhandel - Wo führt sie hin? In: A. B. W. e.V. (Hrsg.): Kompetent für die Wissensgesellschaft. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 265-308. Plutchik, R. (1980): A general psychoevolutionary theory of emotion. In: Plutchik, R. & Kellerman, H. (Eds.): Emotion. Theory, research, and experience. Vol. 1: Theories of Emotion. New York, London, Toronto, Sydney, San Francisco: Academic Press, 3-33. Plutchik, R. (1985): On emotion: The chicken-and-egg problem revisited. Motivation and Emotion, 9(2), 197-200. Plutchik, R. (2001): The nature of emotions. American Scientist, 89(4), 344-350. Plutchik, R. (2005): Integration, Differenzierung und Ableitung von Emotionen. In: Wimmer, M. & Ciompi, L. (Hrsg.): Emotion – Kognition – Evolution. Biologische, psychologische, soziodynamische und philosophische Aspekte. Fürth: Filander Verlag, 113-136. Prenzel, M. (1996): Bedingungen für selbstbestimmt motiviertes und interresiertes Lernen im Studium. In: Lompscher, J. & Mandl, H. (Hrsg.): Lehr- und Lernprobleme im Studium. Bedingungen und Veränderungsmöglichkeiten. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber, 11-22. Prenzel, M. (1997): Sechs Möglichkeiten, Lernende zu demotivieren. In: Gruber, H. & Renkl, A. (Hrsg.): Wege zum Können. Determinanten des Kompetenzerwerbs. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber, 32-44. Prenzel, M. & Drechsel, B. (1996): Ein Jahr kaufmännische Erstausbildung: Veränderungen in Lernmotivation und Interesse. Unterrichtswissenschaft, 24(3), 217-234. Prenzel, M., Kramer, K. & Drechsel, B. (2001): Selbstbestimmt motiviertes und interessiertes Lernen in der kaufmännischen Erstausbildung – Ergebnisse eines Forschungsprojekts. In: Beck, K. & Krumm, V. (Hrsg.): Lehren und Lernen in der beruflichen Erstausbildung. Grundlagen einer modernen kaufmännischen Berufsqualifizierung. Opladen: Leske + Budrich, 38-61. Prenzel, M., Kristen, A., Dengler, P., Ettle, R. & Beer, T. (1996): Selbstbestimmt motiviertes und interessiertes Lernen in der kaufmännischen Erstausbildung. In: Beck, K. & Heid, H. (Hrsg.): Lehr-LernProzesse in der kaufmännischen Erstausbildung. Beiheft 13. Stuttgart: Steiner, 108-127. Quarstein, V. A., Mcafee, R. B. & Glassman, M. (1992): The situational occurences theory of job satisfaction. Human Relations, 45(8), 859-873. Rasmussen, J. (1983): Skills, rules and knowledge, signals, signs, and symbols and other distinctions in human performance models. IEEE Transactions on Systems, Man, and Cybernetics, 13(3), 257-266. Rausch, A. (2009): Lernen am Arbeitsplatz und dessen Förderung aus Sicht von Ausbildungsbeteiligten – Ergebnisse einer Interview-Studie im Einzelhandel. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online. Ausgabe 17, 1-28. Online: www.bwpat.de/ausgabe17/rausch_bwpat17.pdf (18.12.2009). Rausch, A., Thiel, K. & Mayer, L. (2007): Lernen am Arbeitsplatz – Wie erleben Auszubildende im Einzelhandel ihre tägliche Arbeit? Wirtschaft und Erziehung, 59(7-8), S. 238-244. Rausch, A., Scheja, S., Dreyer, K., Warwas, J. & Egloffstein, M. (2010): Emotionale Befindlichkeit in Lehr-Lern-Prozessen – Konstruktverständnis und empirische Zugänge. In: Seifried, J., Wuttke, E., Nickolaus, R. & Sloane, P.F.E. (Hrsg.): Lehr-Lern-Forschung in der kaufmännischen Berufsbildung – Ergebnisse und Gestaltungsaufgaben. Beiheft 23 der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Stuttgart: Franz Steiner, 193-215. Rebmann, K., Tenfelde, W. & Uhe, E. (2005): Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 3. Auflage. Wiesbaden: Gabler. Reetz, L. (1991): Schlüsselqualifikationen in der Berufsbildung. In: Twardy, M. (Hrsg.): Duales System zwischen Tradition und Innovation. Sonderband 4. Köln: Müller Botermann, 27-46. Reetz, L. (1999): Zum Zusammenhang von Schlüsselqualifikationen – Kompetenzen – Bildung. In: Tramm, T., Sembill, D., Klauser, F. & John, E. G. (Hrsg.): Professionalisierung kaufmännischer Berufsbildung – Beiträge zur Öffnung der Wirtschaftspädagogik für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Frankfurt a.M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Wien: Peter Lang, 32-51. Reimann, P. (1998): Novizen- und Expertenwissen. In: Klix, F. & Spada, H. (Hrsg.): Wissen. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 336-367.
354
Literatur
Reinisch, H. (2006): Kompetenz, Qualifikation und Bildung: Zum Diskurs über die begriffliche Fassung von Zielvorgaben für Lernprozesse. In: Minnameier, G. & Wuttke, E. (Hrsg.): Berufs- und wirtschaftspädagogische Grundlagenforschung – Lehr-Lern-Prozesse und Kompetenzdiagnostik. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Peter Lang, 259-272. Reinisch, H. (2009): "Lehrprofessionalität" als theoretischer Term – Eine begriffssystematische Analyse. In: Zlatkin-Troitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D., Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.): Lehrprofessionalität. Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 33-43. Reis, H. T., Sheldon, K. M., Gable, S. L., Roscoe, J. & Ryan, R. M. (2000): Daily well-being: The role of autonomy, competence, and relatedness. Personality and Social Psychology Bulletin 26(4), 419-435. Rheinberg, F. (1989): Zweck und Tätigkeit. Göttingen: Hogrefe. Rheinberg, F. (1993): Leistung. In: Schorr, A. (Hrsg.): Handwörterbuch der Angewandten Psychologie. Bonn: Deutscher Psychologen Verlag. Rheinberg, F. (2004): Motivationsdiagnostik. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag: Hogrefe. Rheinberg, F. (2006): Intrinsische Motivation und Flow-Erleben. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 331-354. Rheinberg, F. (2008): Motivation. 7., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Kohlhammer. Rheinberg, F. & Donkoff, D. (1993): Lernmotivation und Lernaktivität: Eine modellgeleitete Erkundungsstudie. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 7, 117-123. Richards, J. M. & Gross, J. J. (1999): Composure at any cost? The cognitive consequences of emotion suppression. Personality and Social Psychology Bulletin. 25(8), 1033-1044. Röben, P. (2004): Kompetenzentwicklung durch Arbeitsprozesswissen. In: Jenewein, K., Knauth, P., Röben, P. & Zülch, G. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung in Arbeitsprozessen. Baden-Baden: Nomos, 11-33. Röben, P. (2006): Ausbilder im lernenden Unternehmen – Ergebnisse aus einem internationalen Forschungsprojekt. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 9, 1-21. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe9/roeben_bwpat9.pdf (25.03.2010). Robinson, M. D. & Clore, G. L. (2002): Episodic and semantic knowledge in emotional self-report: Evidence for two judgment processes. Journal of Personality and Social Psychology, 83(1), 198-215. Roseman, I. J. & Smith, C. A. (2001): Appraisal theory: Overview, assumptions, varieties, controversies. In: Scherer, K. R., Schorr, A. & Johnstone, T. (Eds.): Appraisal processes in emotion. Theory, methods, research. Oxford, New York: Oxford University Press, 3-19. Rosenberg, E. L. (1998): Levels of analysis and the organization of affect. Review of General Psychology, 2(3), 247-270. Rosendahl, J., Fehring, G. & Straka, G. A. (2008): Lernkompetenz bei Bankkaufleuten in der beruflichen Erstausbildung. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104(2), 201-214. Rosenthal, R. (1975): Der Pygmalion-Effekt lebt. Psychologie heute, (2), 18-21. Rost, D. H. (2005): Interpretation und Bewertung pädagogisch-psychologischer Studien. Weinheim: Beltz. Rost, W. (2001): Emotionen – Elixiere des Lebens. Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona, Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur, Tokio: Springer. Roth, E. (1989): Kognition und Emotion: Der Problembereich. In: Roth, E. (Hrsg.): Denken und Fühlen. Aspekte kognitiv-emotionaler Wechselwirkung. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong: Springer, 3-16. Roth, G. (1999): Entstehen und Funktion von Bewußtsein. Deutsches Ärzteblatt, 96(30), A-1957- A1961. Roth, G. (2001): Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Roth, G. (2004a): Vernunft ohne jedes Gefühl? Personalführung, (4), 18-25. Roth, G. (2004b): Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? Zeitschrift für Pädagogik, 50(2), 496506. Roth, H. (1971/1976): Pädagogische Anthropologie. Hannover: Schroedel.
Literatur
355
Rubinstein, S. L. (1973/1981): Probleme der allgemeinen Psychologie. Darmstadt: Dietrich Steinkopff. Russell, J. A. (1980): A circumplex model of affect. Journal of Personality and Social Psychology, 39(6), 1161-1178. Rusting, C. L. (1998): Personality, mood, and cognitive processing of emotional information: Three conceptual frameworks. Psychological Bulletin, 124(2), 165-196. Ryan, R. M. (1995): Psychological needs and the facilitation of integrative processes. Journal of Personality, 63(3), 397-427. Ryan, R. M., Kuhl, J. & Deci, E. L. (1997): Nature and autonomy: An organizational view of social and neurobiological aspects of self-regulation in behavior and development. Development and Psychopathology, (9), 701-728. Ryan, R. & Deci, E. (2000): Self-determination theory and the facilitation of intrinsic motivation, social development and well-being. American Psychologist, 55, 68-78. Ryan, R. & Deci, E. (2002): An overview of self-determination theory: An organismic-dialectical perspective. In: Deci, E. & Ryan, R. (Eds.): Handbook of self-determination research. Rochester: The University of Rochester Press, 3-36. Rychen, D. S. & Salganik, L. H. (2003): A holistic model of competence. In: Rychen, D. S. & Salganik, L. H. (Eds.): Key competencies for a successful life and well-functioning society. Göttingen: Hogrefe & Huber, 41-62. Samuelowicz, K. & Bain, J. D. (1992): Conceptions of teaching held by academic teachers. Higher Education. 1992(24), 93-111. Sander, D., Grandjean, D. & Scherer, K. R. (2005): A systems approach to appraisal mechanisms in emotion. Neural Networks, (18), 317-352. Sawchuk, P. H. (2009): Informal learning and work: From genealogy and definitions to contemporary methods and findings. In: Maclean, R., Wilson, D. & Chinien, C. (Eds.): International handbook of education for the changing world of work. Berlin: Springer, 319-331. Schallberger, U. (2000): Qualität des Erlebens in Arbeit und Freizeit – Untersuchungen mit der Experience Sampling Method. Berichte aus der Abteilung Angewandte Psychologie. Zürich, Psychologisches Institut der Universität Zürich. Schanz, H. (2001): Berufliches Bildungswesen. In: Schanz, H. (Hrsg.): Berufs- und wirtschaftspädagogische Grundprobleme. Band 1. Baltmannsweiler: Schneider, 148-184. Schaper, N. (2004): Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz durch arbeitsbezogenes Lernen in der betrieblichen Ausbildung. In: Wiese, B. (Hrsg.): Individuelle Steuerung beruflicher Entwicklung – Kernkompetenzen in der modernen Arbeitswelt. Frankfurt, New York: Campus, 197-222. Schaub, H. (1993): Modellierung der Handlungsorganisation. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber. Schaub, H. (2001): Persönlichkeit und Problemlösen – Persönlichkeitsfaktoren als Parameter eines informationsverarbeitenden Systems. Weiheim: Beltz. Schaub, H. (2008): Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und »Situation Awareness« (SA). In: Badke-Schaub, P., Hofinger, G. & Lauche, K. (Hrsg.): Human Factors. Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen. Heidelberg: Springer, 59-76. Scheer, W. (1978): Zum Selbstverständnis des betrieblichen Ausbilders. In: Baumgardt, J. & Heid, H. (Hrsg.): Erziehung zum Handeln. Trier: Spee, 268-276. Scheffer, D. (2009): Implizite und explizite Motive. In: Brandstätter, V. & Otto, J. H. (Hrsg.): Handbuch der Allgemeinen Psychologie – Motivation und Emotion. Göttingen, Bern, Wien, Paris, Oxford, Prag, Toronto, Cambridge (MA), Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm: Hogrefe, 29-36. Scheier, M. F. & Carver, C. S. (1977): Self-focused attention and the experience of emotion: Attraction, repulsion, elation, and depression. Journal of Personality and Social Psychology, 35(9), 625-636. Scheja, S. (2009): Motivation und Motivationsunterstützung. Eine Untersuchung in der gewerblichtechnischen Ausbildung. Hamburg: Dr. Kovac. Schendera, C. F. G. (2008): Regressionsanalyse mit SPSS. München: Oldenbourg.
356
Literatur
Scherer, K. R. (1981): Wider die Vernachlässigung der Emotionen in der Psychologie. Bericht über den 32. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 1, 304-317. Scherer, K. R. (1994a): Emotion serves to decouple stimulus and response. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 127-130. Scherer, K. R. (1994b): An emotion´s occurence depends on the relevance of an event to the organism´s goal / need hierarchy. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 227-231. Scherer, K. R. (1986): Vocal affect expression: A review and a model for future research. Psychological Bulletin, 99(2), 143-165. Scherer, K. R. (1988): Criteria for emotion-antecedent apraisal: A review. In: Hamilton, V., Bower, G. H. & Frijda, N. H. (Eds.): Cognitive perspectives on emotion and motivation. Dordrecht, Boston, London: Kluwer Academic Publishers, 89-126. Scherer, K. R. (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking. In: Scherer, K. R., Schorr, A. & Johnstone, T. (Eds.): Appraisal processes in emotion. Theory, methods, research. Oxford, New York: Oxford University Press, 92-120. Scherer, K. R. (2005): Unconscious processes in emotion: The bulk of the iceberg. In: Niedenthal, P., Feldman-Barret, L. & Winkelman, P. (Eds.): The unconscious emotion. New-York: Guilford, 312334. Scherer, K. R., Dan, E. S. & Flykt, A. (2006): What determines a feeling's position in affective space? A case for appraisal. Cognition and Emotion, 20(1), 92-113. Schermelleh-Engel, K. & Werner, C. (2007): Methoden der Reliabilitätsbestimmung. In: Moosbrugger, H. & Kelava, A. (Hrsg.): Testtheorie und Fragebogenkonstruktion. Heidelberg: Springer, 113-133. Schiefele, U. (1996): Motivation und Lernen mit Texten. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe. Schiefele, U., Krapp, A., Wild, K.-P. & Winteler, A. (1993): Der “Fragebogen zum Studieninteresse” (FSI). Diagnostica, 39 (4), 335-351. Schiersmann, C. & Remmele, H. (2002): Neue Lernarrangements in Betrieben: Theoretische Fundierung – Einsatzfelder – Verbreitung. QUEM-Report – Schriften zur beruflichen Weiterbildung (Projektgruppe Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM) der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V.). Schlee, J. (1988): Forschungsstruktur: Dialog-Konsens und Falsifikation. In: Groeben, N., Wahl, D., Schlee, J. & Scheele, B. (Hrsg.): Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Eine Einführung in die Psychologie des reflexiven Subjekts. Tübingen: Francke, 24-29. Schlee, J. (1998): Diagnostik von Lernprozessen durch Rekonstruktion Subjektiver Theorien. In: Eberwein, H. & Knauer, S. (Hrsg.): Handbuch Lernprozesse verstehen. Wege einer neuen (sonder)pädagogischen Diagnostik. Weinheim, Basel: Beltz, 66-80. Schimmack, U., Oishi, S., Diener, E. & Suh, E. (2000): Facets of affective experiences: A framework for investigations of trait affect. Personality and Social Psychology Bulletin, 26, 655-668. Schmalt, H.-D. (1996): Zu Kohärenz von Motivation und Kognition. In: Kuhl, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation, Volition und Handlung. Enzyklopädie der Psychologie. Teilband C/IV/4. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 241-274. Schmid, C. & Dinkelmann, I. (2007): Bildungsstandards im nichtfachlichen Bereich: Probleme und Perspektiven am Beispiel der Lern- und Denkstrategien. Schlussbericht. Zürich, Pädagogische Hochschule Zürich, Departement Forschung und Entwicklung. Schmidt, A. (im Erscheinen): Normalverteilungsannahme und Transformationen bei Regressionen. In: Albers, S., Klapper, D., Konradt, U., Walter, A. & Wolf, J. (Hrsg.): Methodik der empirischen Forschung. Wiesbaden: Gabler. Online: http://www.bwl.uni-kiel.de/bwlinstitute/grad-kolleg/new/ index.php?id=267 (06.08.2010). Schmidt, C. F. & Wendrich, P. (1980): Differentialpsychologische Aspekte bei der Analyse handlungsregulativer Verläufe. In: Hacker, W. & Raum, H. (Hrsg.): Optimierung von kognitiven Arbeitsanforderungen. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 73-80.
Literatur
357
Schmidt, L. (2007): Menschmodellierung bei informatorischer Arbeit. In: Landau, K. (Hrsg.): Lexikon Arbeitsgestaltung. Best Practice im Arbeitsprozess. Stuttgart: Gentner, 851-853. Schmidt, K.-H. & Kleinbeck, U. (1999a): Funktionsgrundlagen der Leistungswirkungen von Zielen bei der Arbeit. In: Jerusalem, M. & Pekrun, R. (Hrsg.): Emotion, Motivation und Leistung. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 291-304. Schmidt, K.-H. & Kleinbeck, U. (1999b): Job Diagnostic Survey (JDS - deutsche Fassung). In: H. Dunckel (Hrsg.): Handbuch psychologischer Arbeitsanalyseverfahren. 14. Zürich: vdf Hochschulverlag an der ETH, 205-230. Schmidt, K.-H. & Kleinbeck, U. (2004): Leistung und Leistungsförderung. In: Schuler, H. (Hrsg.): Organisationspsychologie – Grundlagen und Personalpsychologie. Band 4. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 891-945. Schmidt-Hackenberg, B. (1999): Ausbildende Fachkräfte. Eine empirische Untersuchung zu den Berufen Industriekaufmann/ Industriekauffrau, Industriemechaniker/ Industriemechanikerin und Werkzeugmechaniker/Werkzeugmechanikerin. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Ausbildende Fachkräfte – die unbekannten Mitarbeiter. Berlin, Bonn: Bertelsmann, 11-94. Schneeberger, A. (1990): Emotionale Befindlichkeit der Jugendlichen im Lehrbetrieb und in der Berufsschule. Erziehung und Unterricht, 574-579 Schneider, K. (1992): Emotionen. In: Spada, H. (Hrsg.): Lehrbuch der Allgemeinen Psychologie. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber, 403-449. Schraw, G., Bendixen, L. D. & Dunkle, M. E. (2002): Development and validation of the epistemic belief inventory (EBI). In: Hofer, B. K. & Pintrich, P. R. (Eds.): Personal epistemology. Mahwah, 261-275 (zitiert nach Müller, S., Rebmann, K. & Liebsch, E. (2008): Überzeugungen zu Wissen und Lernen von Ausbilder(inne)n – eine Pilotstudie. Europäische Zeitschrift für Berufsbildung, 45(3), 99-118). Schreier, M. & Groeben, N. (1999): Selbstbeobachtung und Selbstreflexion im Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Journal für Psychologie, 7(2), 26-30. Schützwohl, A. (2009): Überraschung. In: Brandstätter, V. & Otto, J. H. (Hrsg.): Handbuch der Allgemeinen Psychologie – Motivation und Emotion. Göttingen, Bern, Wien, Paris, Oxford, Prag, Toronto, Cambridge (MA), Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm: Hogrefe, 577-584. Schuler, H. (1989): Leistungsbeurteilung. In: Roth, E., Schuler, H. & Weinert, A. (Hrsg.): Organisationspsychologie. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe, 399-430. Schuler, H. (2000): Psychologische Personalauswahl. Einführung in die Berufseignungsdiagnostik. 3. Auflage. Göttingen: Hogrefe (zitiert nach Erpenbeck, J. & Von Rosenstiel, L. (2003): Einführung. In: Erpenbeck, J. & von Rosenstiel, L. (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung – erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, IX-XL). Schumacher, J. (2001): Das Überschreiten des Rubikon: Willensprozesse und deren Bedeutung für Therapie und Rehabilitation. In: Schröder, H. & Hackhausen, W. (Hrsg.): Persönlichkeit und Individualität in der Rehabilitation. Frankfurt/Main: Verlag für Akademische Schriften, 1-15. Schumacher, L. (2002): Emotionale Befindlichkeit und Motive in Lerngruppen. Hamburg: Dr. Kovac. Schurer, B. (1984): Gegenstand und Struktur der Lernhandlung. Ein Beitrag zu einer lernerzentrierten Didaktik unter besonderer Berücksichtigung des arbeitsmotorischen Lernens. Bergisch-Gladbach: Thomas Hobein. Schurer, B. (1991): Nutzungsmöglichkeiten der Erkenntnisse der modernen Handlungstheorie und Handlungspsychologie für die Unterweisungsdidaktik. In: Stratenwerth, W. (Hrsg.): Auftragsorientiertes Lernen im Handwerk. Basismaterialien. Köln: Carl Adalberrt, 119-160. Schwarz, N. (1990): Feelings as information: Informational and motivational functions of affective. In: Higgins, E. T. & Sorrentino, R. M. (Eds.): Handbook of motivation and cognition. Foundations of Social Behavior. Volume 2. New York, London: The Guilford Press, 527-561.
358
Literatur
Schwarzer, C. & Schwarzer, R. (1982): Subjektive Theorie als Produkt der kognitiven Auseinandersetzung des Lehrers mit seinen Berufsanforderungen. In: Dann, H.-D., Humpert, W., Krause, F. & Tennstädt, K.-C. (Hrsg.): Analyse und Modifikation subjektiver Theorien von Lehrern. Ergebnisse und Perspektiven eines Kolloquiums. Universität Konstanz, 69-84. Schwarzer, R. & Jerusalem, M. (1999): Skalen zur Erfassung von Lehrer- und Schülermerkmalen. Dokumentation der psychometrischen Verfahren im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs Selbstwirksame Schulen. Freie Universität Berlin. Sedlmeier, P. & Renkewitz, F. (2008): Forschungsmethoden und Statistik in der Psychologie. München: Pearson. Seeber, S. (2007): Allgemeine kognitive, metakognitive und motivationale Merkmale der Schülerinnen und Schüler am Ende der beruflichen Ausbildung. In: Lehmann, R. & Seeber, S. (Hrsg.): ULME III. Untersuchung von Leistungen, Motivation und Einstellungen der Schülerinnen und Schüler in den Abschlussklassen der Berufsschulen. Hamburg: Hamburger Institut für berufliche Bildung HIBB, 41-66. Seifried, J. (2006): Selektionsmechanismen im beruflichen Bildungssystem – Chancenungleichheit als Prinzip? Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 102(3), 360-379. Seifried, J. (2009): Unterricht aus der Sicht von Handelslehrern. Frankfurt/Main: Peter Lang. Seifried, J. & Sembill, D. (2005): Emotionale Befindlichkeit in Lehr-Lern-Prozessen in der beruflichen Bildung. Zeitschrift für Pädagogik, 51(5), 656-672. Seligman, M. E. P. (1975): Helplessness. On depression, development and death. San Francisco: Freeman. Selye, H. (1981): Geschichte und Grundzüge des Streßkonzepts. In: Nitsch, J. R. (Hrsg.): Stress. Theorien, Untersuchungen, Maßnahmen. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 163-187. Sembill, D. (1984): Modellgeleitete Interaktionsanalysen im Rahmen einer forschungsorientierten Lehrerausbildung – am Beispiel von Untersuchungen zum "Kaufvertrag". Georg-August-Universität Göttingen. Sembill, D. (1992): Problemlösefähigkeit, Handlungskompetenz und Emotionale Befindlichkeit – Zielgrößen forschenden Lernens. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe. Sembill, D. (1994): Feststellung und Bewertung selbstorganisierter Lernprozesse. In: Olechowski, R. & Rollett, B. (Hrsg.): Theorie und Praxis. Aspekte empirisch-pädagogischer Forschung – quantitative und qualitative Methoden. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Peter Lang, 258264. Sembill, D. (1996): Systemisches Denken, Selbstorganisiertes Lernen, Ganzheitliches Handeln – Systemtheoretische Reflexionen und erziehungswissenschaftliche Umsetzungen. In: Beck, K., Müller, W., Deißinger, T. & Zimmermann, M. (Hrsg.): Berufserziehung im Umbruch. Weinheim: Deutscher Studienverlag, 61-78. Sembill, D. (1999): Selbstorganisation als Modellierungs-, Gestaltungs- und Erforschungsidee beruflichen Lernens. In: Tramm, T., Sembill, D., Klauser, F. & John, E.G. (Hrsg.): Professioalisierung kaufmännischer Berufsbildung. Beiträge zur Öffnung der Wirtschaftspädagogik für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Wien: Peter Lang, 146-174. Sembill, D. (2000): Selbstorganisiertes und Lebenslanges Lernen. In: Achtenhagen, F. & Lempert, W. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen im Beruf – seine Grundlegung im Kindes- und Jugendalter. Band 4: Formen und Inhalte von Lernprozessen. Opladen: Leske und Budrich, 60-90. Sembill, D. (2003): Emotionale Befindlichkeit als bestimmende und sinngebende Voraussetzung von Lern- und Lebenswirklichkeit. In: van Buer, J. & Zlatkin-Troitschanskaia, O. (Hrsg.): Berufliche Bildung auf dem Prüfstand – Entwicklung zwischen systemischer Steuerung, Transformation durch Modellversuche und unterrichtlicher Innovation. Band 5. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Peter Lang, 181-205.
Literatur
359
Sembill, D. (2004): Abschlussbericht für das im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms: "Lehr-LernProzesse in der kaufmännischen Erstausbildung" durchgeführten DFG-Projekts "Prozessanalysen Selbstorganisierten Lernens". Online: http://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/sowi_lehrstuehle/wirtschaftspaedagogik/Dateien/Forschung/Forschungsprojekte/Prozessanalysen /DFG-Abschlussbericht_sole.pdf (13.06.2010). Sembill, D. (2007): Grundlagenforschung in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik und ihre Orientierungsleistung für die Praxis – Versuch einer persönlichen Bilanzierung und Perspektiven. In: Nickolaus, R. & Zöller, A. (Hrsg.): Perspektiven der Berufsbildungsforschung. Orientierungsleistungen der Forschung für die Praxis. Ergebnisse des AG BFN-Expertenworkshops vom 15. und 16. März 2006 im Rahmen der Hochschultage Beruflicher Bildung in Bremen. Bielefeld: Bertelsmann, 61-90. Sembill, D., Wolf, K. D., Wuttke, E., Santjer, I. & Schumacher, L. (1998): Prozessanalysen Selbstorganisierten Lernens. In: Beck, K. & Dubs, R. (Hrsg.): Kompetenzerwerb in der Berufserziehung. Kognitive, motivationale und moralische Dimensionen kaufmännischer Qualifizierungsprozesse. Beiheft 14 der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Stuttgart: Franz Steiner, 57-79. Sembill, D. & Seifried, J. (2006): Selbstorganisiertes Lernen als didaktische Lehr-Lern-Konzeption zur Verknüpfung von selbstgesteuertem und kognitivem Lernen. In: Euler, D., Lang, M & Pätzold, G. (Hrsg.): Selbstgesteuertes Lernen in der beruflichen Bildung. Stuttgart: Franz Steiner, 93-108. Sembill, D., Wuttke, E., Seifried, J., Egloffstein, M. & Rausch, A. (2007): Selbstorganisiertes Lernen in der beruflichen Bildung – Abgrenzungen, Befunde und Konsequenzen. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 13, 1-32. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe13/sembill_etal_bwpat13.pdf (13.06.2010). Sembill, D. & Scheja, S. (2008): Über die Motivationssituation der Auszubildenden eines Global Players. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104(2), 178-200. Sembill, D., Seifried, J. & Dreyer, K. (2008): PDAs als Erhebungsinstrument in der beruflichen Lernforschung – Ein neues Wundermittel oder bewährter Standard? Empirische Pädagogik 22(1), 64-77. Sembill, D. & Seifried, J. (2009): Konzeptionen, Funktionen und intentionale Veränderungen von Sichtweisen. In: Zlatkin-Troitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D., Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.): Lehrprofessionalität – Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 345 – 354. Senatskommision für Berufsbildungsforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1990): Berufsbildungsforschung an den Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland. Situation, Hauptaufgaben, Förderungsbedarf. Weinheim, Basel, Cambridge, New York: DFG. Sevincer, A. T. & Oettingen, G. (2009): Ziele. In: Brandstätter, V. & Otto, J. H. (Hrsg.): Handbuch der Allgemeinen Psychologie – Motivation und Emotion. Göttingen, Bern, Wien, Paris, Oxford, Prag, Toronto, Cambridge (MA), Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm: Hogrefe, 37-45. Shavelson, R. J., Hubner, J. J. & Stanton, G. C. (1976): Self-concept: Validation of construct interpretations. Review of Educational Research, 46(3), 407-441. Sheldon, K. M., Turban, D. B., Brown, K. G., Barrick, M. R. & Judge, T. A. (2003): Applying selfdetermination theory to organizational research. Research in Personnel and Human Resources Management, 22, 357-393. Siegel, S. (2001): Nichtparametrische statistische Methoden. 5. unveränderte Auflage. Frankfurt/Main: Dietmar Klotz. Siemer, M., Gross, J. J. & Mauss, I. (2007): Same situation – different emotions: How appraisals shape our emotions. Emotion, 7(3), 592-600. Silbereisen, R. (1986): Entwicklung als Handlung im Kontext. Entwicklungsprobleme und Problemverhalten im Jugendalter. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, 6(1), 29-46. Simons, R.-J. (2000): Various kinds of life long learning. In: Achtenhagen, F. & Lempert, W. (Eds.): Lebenslanges Lernen im Beruf – seine Grundlegung im Kindes- und Jugendalter. Band 4. Opladen: Leske und Budrich, 23-38.
360
Literatur
Simons, R.-J. (2004): Sechs Wege, die Kluft zwischen Lernen und Arbeiten zu überwinden. In: Gruber, H., Harteis, C., Heid, H. & Meier, B. (Hrsg.): Kapital und Kompetenz. Veränderungen der Arbeitswelt und ihre Auswirkungen aus erziehungswissenschaftlicher Sicht. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 93-110. Simons, R.-J. (2005): Theories of unconscious learning confronted. European Journal of School Psychology. 3(1), 41-55. Six, B. & Kleinbeck, U. (1989): Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit. In: Roth, E., Schuler, H. & Weinert, A. (Hrsg.): Organisationspsychologie. Band 3. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe, 348398. Six, B. & Eckes, A. (1991): Der Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung – Resultate einer metaanalytischen Studie. In: Fischer, L. (Hrsg.): Arbeitszufriedenheit. Stuttgart: Verlag für Angewandte Psychologie, 21-45. Sloane, P. (2000): Veränderung der Betriebs- und Arbeitsorganisation – Konsequenzen für die betriebliche Bildungsarbeit. In: Dehnbostel, P. & Dybowski, G. (Hrsg.): Lernen, Wissensmanagement und berufliche Bildung. Bielefeld: Bertelsmann, 93-109. Sloane, P. F. E. (2006a): Berufsbildungsforschung. In: Arnold, R. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 610-627. Sloane, P. F. E. (2006b): Weiterbildung des betrieblichen Ausbildungspersonals. In: Euler, D. (Hrsg.): Facetten des beruflichen Lernens. Bern: h.e.p., 449-499. Sloane, P. F. E. (2008): Vermessene Bildung – Überlegungen zur Entwicklung des Deutschen Qualifikationsrahmens. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104(4), 481-502. Sloane, P. F. E. (2009): Pädagogische Arbeit in sich verändernden Lebenswelten – Über die Anforderungen an die betriebliche Bildung in einer postmodernen Industriegesellschaft. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Profil 2, 1-17. Online: http://www.bwpat.de/profil2/sloane_profil2.pdf (30.03.2010). Sloane, P. F. E. & Dilger, B. (2005): The Competence Clash - Dilemmata bei der Übertragung des 'Konzepts der nationalen Bildungsstandards' auf die berufliche Bildung. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 8, 1-32. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe8/sloane_dilger_bwpat8.pdf (25.03.2010). Smith, C. A., Organ, D. W. & Near, J. P. (1983): Organizational citizenship behavior: Its nature and antecedents. Journal of Applied Psychology, 68(4), 653-663. Smith, C. A. & Kirby, L. D. (2000): Consequences require antecedents: Toward a process model of emotion elicitation. In: Forgas, J. P. (Ed.): Feeling and thinking. The role of affect in social cognition. Cambridge, New York, Melbourne, Madrid: Cambridge University Press, 83-108. Smith, C. A. & Kirby, L. D. (2001a): Toward delivering on the promise of appraisal theory. In: Scherer, K. R., Schorr, A. & Johnstone, T. (Eds.): Appraisal processes in emotion. Theory, methods, research. Oxford, New York: Oxford University Press, 121-138. Smith, C. A. & Kirby, L. D. (2001b): Affect and cognitive appraisal processes. In: Forgas, J. P. (Ed.): Handbook of affect and social cognition. Mahwah, London: Lawrence Erlbaum Associates, 75-92. Smith, C. A., David, B. & Kirby, L. D. (2006): Emotion-eliciting appraisals of social situations. In: Forgas, J. P. (Ed.): Affect in social thinking and behavior. New York, Hove: Psychology Press, 85101. Sokolowski, K. (1996): Wille und Bewusstheit. In: Kuhl, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie. Kognition, Motivation und Handlung. Göttingen: Hogrefe, 485-530. Sonnentag, S. (2001): Work, recovery activities, and individual well-being: A diary study. Journal of Occupational Health Psychology, 6(3), 196-210. Sonnentag, S., Fay, D. & Frese, M. (2004): Handeln in Organisationen. In: Schuler, H. (Hrsg.): Organisationspsychologie – Gruppe und Organisation. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 251-291. Sonntag, K. (1996): Lernen im Unternehmen. Effiziente Organisation durch Lernkultur. München: Beck´sche Verlagsbuchhandlung.
Literatur
361
Sonntag, K. (2007): Theorien der Arbeitstätigkeit. In: Schuler, H. & Sonntag, K. (Hrsg.): Handbuch der Arbeits- und Organisationspsychologie. Göttingen: Hogrefe, 35-42. Sonntag, K., Stegmaier, R., Jungmann, A. (1998): Implementation arbeitsbezogener Lernumgebungen – Konzepte und Umsetzungserfahrungen. Unterrichtswissenschaft, 26(4), 327-347. Sonntag, K., Stegmaier, R., Müller, B., Baumgart, C. & Schaupeter, H. (2000): Leitfaden zur Implementation arbeitsintegrierter Lernumgebungen. Bielefeld: Bertelsmann. Sonntag, K. & Stegmaier, R. (2007): Arbeitsorientiertes Lernen – Zur Psychologie der Integration von Lernen und Arbeiten. Stuttgart: W. Kohlhammer. Spencer, L. M., McClelland, D. & Spencer, S. M. (1994): Competency assessment methods. History and state of the art. Boston: Hay/McBer Research Press. Spitzer, M. (2004): Selbstbestimmen. Gehirnforschung und die Frage: Was sollen wir tun? Heidelberg: Spektrum. Spörer, N. & Brunstein, J. C. (2006): Erfassung selbstregulierten Lernens mit Selbstberichtsverfahren – Ein Überblick zum Stand der Forschung. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 20(3), 147-160. Stajkovic, A. D. & Luthans, F. (1998): Self-efficacy and work-related performance: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 124(2), 240-261. Stäudel, T. (1985): Emotion und Motivation. In: Dörner, D. & Selg, H. (Hrsg.): Psychologie – Eine Einführung in ihre Grundlagen und Anwendungsfehler. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz: Kohlhammer, 86-101. Stäudel, T. (1987): Problemlösen, Emotionen und Kompetenz – Die Überprüfung eines integrativen Konstrukts. Regensburg: S. Roderer. Stäudel, T. (2008): Handlungskompetenz für Auszubildende. Band 1: Anforderungen, Bedarf und Maßnahmen für Schlüsselkompetenzen im gewerblich-technischen Bereich. Lengerich, Berlin, Bremen, Miami, Riga, Viernheim, Wien, Zagreb: Pabst Science Publishers. Stangl, E. (2008): Lernen am Arbeitsplatz – Interview-Studie zu lernförderlichen Einflussfaktoren aus Sicht von Auszubildenden. Unveröffentlichte Diplomarbeit am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Staw, B. M., Sutton, R. I. & Pelled, L. H. (1994): Employee positive emotion and favorable outcomes at the workplace. Organization Science, 5(1), 51-71. Stegmaier, R. (2000). Kompetenzentwicklung durch arbeitsintegriertes Lernen in der Berufsbildung. Diss. Heidelberg. Stein, N., Trabasso, T. & Liwag, M. (2000): A goal appraisal theory of emotional understanding: Implications for development and learning. In: Lewis, M. & Haviland-Jones, J. (Eds.): Handbook of emotions. New York, London: The Guiford Press, 436-457. Steiner, G. & Steiner, H. (2007): Der Kick zum effizienten Lernen: Erfolgreich und nachhaltig ausbilden dank lernpsychologischer Kompetenz – vermittelt an 30 Beispielen. Bern: h.e.p. Stern, E. (2006): Lernen. Was wissen wir über erfolgreiches Lernen in der Schule? Pädagogik, 58(1), 4549. Stexkes, A. (1991): Strukturmodelle der Handlungssituation, der Arbeitssituation und der Lernsituation. In: Stratenwerth, W. (Hrsg.): Auftragsorientiertes Lernen im Handwerk. Methodenkonzept. Köln: Carl Adalbert, 101-139. Steyer, R. & Eid, M. (2001): Messen und Testen. 2., korrigierte Auflage. Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona, Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur, Tokio: Springer. Stiensmeier-Pelster, J. & Schlangen, B. (1996): Erlernte Hilfslosigkeit und Leistung. In: Möller, J. & Köller, O. (Hrsg.): Emotionen, Kognitionen und Schulleistung. Weinheim: Beltz, 69-90. Stiensmeier-Pelster, J. & Heckhausen, H. (2006): Kausalattribution von Verhalten und Leistung. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 355-392. Storbeck, J. & Clore, G. L. (2008): Affective arousal as information: How affective arousal influences judgments, learning, and memory. Social and Personality Psychology Compass, 2(5), 1824-1843. Straka, G. A. (1984): Beruflicher Unterricht auf lehr-lern-theoretischer Grundlage. Die berufsbildende Schule, 36(11), 656-665.
362
Literatur
Straka, G. A. (1998): Handeln = Lernen? Lerntheoretische Anmerkungen zur Leittextmethode. In: Euler, D. (Hrsg.): Berufliches Lernen im Wandel – Konsequenzen für die Lernorte? Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, 91-100. Straka, G. A. (1999): Beim Lernen ist es nicht möglich, nicht Erfahrungen zu machen. In: Dehnbostel, P., Markert, W. & Novak, H. (Hrsg.): Erfahrungslernen in der beruflichen Bildung – Beiträge zu einem kontroversen Konzept (Workshop der Hochschultage Beufliche Bildung 1998). Neusäß: Kieser, 160-173. Straka, G. A. (2000): Lernen unter informellen Bedingungen (informelles Lernen) – Begriffsbestimmung, Diskussion in Deutschland, Evaluation und Desiderate. In: Projektgruppe QualifikationsEntwicklungs-Management (QUEM) der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung 2000: Lernen im Wandel – Wandel durch Lernen. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 15-70. Straka, G. A. (2001): Denn sie wissen nicht, was sie tun - Lernen im Prozess der Arbeit. In: Projektgruppe Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM) der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. (Hrsg.): Arbeiten und Lernen. Berlin, 161-167. Straka, G. A. (2003). Verfahren und Instrumente der Kompetenzdiagnostik – der Engpass für ein Berufsbildung-PISA? Workshop "Berufsbildung-PISA". Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Straka, G. A. & Macke, G. (2008): Handlungskompetenz – und wo bleibt die Sachstruktur? Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 104(4), 590-600. Stratenwerth, W. (1978): Skizze eines didaktischen Lernmodells. In: Baumgardt, J. & Heid, H. (Hrsg.): Erziehung zum Handeln. Trier: Spee, 290-304. Stratenwerth, W. (1988): Handlung und System in Modellen der Wirtschaftspädagogik und Wirtschaftsdidaktik – dargestellt am Beispiel eines Strukturmodells der Lernsituation. In: Twardy, M. (Hrsg.): Handlung und System. Düsseldorf: Verlagsanstalt Handwerk, 123-138. Streumer, J. N. & Kho, M. (2006): The world of work-related learning. In: Streumer, J. N. (Ed.): Workrelated learning. Dordrecht: Springer, 3-50. Taylor, F. W. (1911): The principles of scientific management. New York: Norton. Teichler, U. (1995): Qualifikationsforschung. In: Arnold, R. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. Opladen (zitiert nach Erpenbeck, J. & Von Rosenstiel, L. (2003): Einführung. In: Erpenbeck, J. & von Rosenstiel, L. (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung – erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, IX-XL). Tenbruck, F. H. (1978): Zur Anthropologie des Handelns. In: Lenk, H. (Hrsg.): Handlungstheorien interdisziplinär II. Handlungserklärungen und philosophische Handlungsinterpretation. München: Wilhelm Fink, 89-138. Theorell, T. & Karasek, R. A. (1996): Current issue relating to psychological job strain and cardiovascular disease research. Journal of Occupational Health Psychology, 1(1), 9-26. Thiel, K. (2006): Motivation und Interesse als Zielgrößen betrieblicher Erstausbildung. Unveröffentlichte Diplomarbeit am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Timmermann, D. (2001): Berufsbildungsforschung in der Wirtschaftswissenschaft. In: van Buer, J., Kell, A. & Wittmann, E. (Hrsg.): Berufsbildungsforschung in ausgewählten Wissenschaften und multidisziplinären Forschungsbereichen. Frankfurt/Main: Peter Lang, 107-124. Tippelt, R. & Hoh, R. (2001): Berufsbildungsforschung in der Erwachsenenbildungsforschung. In: van Buer, J., Kell, A. & Wittmann, E. (Hrsg.): Berufsbildungsforschung in ausgewählten Wissenschaften und multidisziplinären Forschungsbereichen. Frankfurt/Main: Peter Lang, 155-205. Tisdale, T. (1998): Selbstreflexion, Bewußtsein und Handlungsregulation. Weinheim: Beltz. Tomaszewski, T. (1978): Tätigkeit und Bewußtsein. Beiträge zur Einführung in die polnische Tätigkeitspsychologie. Weinheim, Basel: Beltz. Tynjälä, P. (2008): Perspectives into learning at the workplace. Educational Research Review, 3(2), 130154.
Literatur
363
Ulich, D. (1982): Zur Handlungswirksamkeit von Kognitionen: Theoretische Idealisierungen. In: Dann, H.-D., Humpert, W., Krause, F. & Tennstädt, K.-C. (Hrsg.): Analyse und Modifikation subjektiver Theorien von Lehrern. Ergebnisse und Perspektiven eines Kolloquiums. Universität Konstanz, 8590. Ulich, D. (2003): Gegenstandsbestimmung und Fragestellungen der Emotionspsychologie. In: Ulich, D. & Mayring, P. (Hrsg.): Psychologie der Emotionen. Band 5. Stuttgart: Kohlhammer, 45-61. Ulich, E. (1991): Arbeitspsychologie. Stuttgart: Verlag der Fachvereine. Ulich, E. (2005): Arbeitspsychologie. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Ulich, E. & Baitsch, C. (1987): Arbeitsstrukturierung. In: Kleinbeck, U. & Rutenfranz, J. (Hrsg.): Arbeitspsychologie. Band 1. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe, 493-531. Ulmer, P. & Gutschow, K. (2009): Die Ausbilder-Eignungsverordnung 2009: Was ist neu? Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 2009(3), 48-51. van Buer, J. (1989): Berufsbildungsforschung – Forschungsprojekte und Forschungsplanung (Bericht über die Herbsttagung 1988 der Kommission Berufs- und Wirtschaftspädagogik). In: Kell, A. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Lernen und Arbeiten. Beiheft 8 der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Stuttgart: Franz Steiner, 160-171. van Buer, J. (1999): Effectiveness, efficiency and economic benefit of investments in vocational education and training. Control of educational processes – effectiveness and efficiency of vocational education and training. In: van Buer, J., Seeber, S. & Dalkalachev, H. (Eds.): Studies to business education and adult pedagogics from the Humboldt-University at Berlin. Sofia, Berlin, 9-56. van der Doef, M. & Maes, S. (1999): The Job demand-control(-support) model and psychological wellbeing: A review of 20 years of empirical research. Work & Stress, 13(2), 87-114. van Reekum, C. M. & Scherer, K. R. (1997): Levels of Processing in Emotion-Antecedent Appraisal. In: Matthews, G. (Hrsg.): Cognitive Science Perspectives on Personality and Emotion. Amsterdem, Lausanne, New York, Oxford, Shannon, Singapore, Tokyo: Elsevier, 259-300. van Woerkom, M. (2006): Critically reflective working behaviour: A survey research. In: Streumer, J. N. (Ed.): Work-related learning. Dordrecht: Springer, 285-308. van Yperen, N. W. & Hagedorn, M. (2003): Do high job demands increase intrinsic motivation or fatigue or both? The role of job control and job social support. Academy of Management Journal, 46(3), 339-348. Vinchur, A., Switzer, F., Roth, P. & Schippmann, J. (1998): A meta-analytic review of predictors of job performance for salespeople. Journal of Applied Psychologie. 83(4), 586-597. Vollmeyer, R. & Rheinberg, F. (2003): Aktuelle Motivation und Motivation im Lernverlauf. In: Stiensmeier-Pelster, J. & Rheinberg, F. (Hrsg.): Diagnostik von Motivation und Selbstkonzept. Band 2. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 281-295. Volpert, W. (1974): Handlungsstrukturanalyse als Beitrag zur Qualifikationsforschung. Köln: PahlRugenstein. Volpert, W. (1980): Psychologische Handlungstheorie – Anmerkungen zu Stand und Perspektive. In: Volpert, W. (Hrsg.): Beiträge zur Psychologischen Handlungstheorie. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 13-27. Volpert, W. (1982): Das Modell der hierarchisch-sequentiellen Handlungsorganisation. In: Hacker, W., Volpert, W. & von Cranach, M. (Hrsg.): Kognitive und motivationale Aspekte der Handlung. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 38-58. Volpert, W. (1987): Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten. In: Kleinbeck, U. & Rutenfranz, J. (Hrsg.): Arbeitspsychologie. Band 1. Göttingen Toronto Zürich: Hogrefe, 1-42. Volpert, W. (1994a): Wider die Maschinenmodelle des Handelns – Aufsätze zur Handlungsregulationstheorie. Lengerich, Berlin, Prag, Riga, Scottsdale, Wien, Zagreb: Pabst Science Publishers. Volpert, W. (1994b): Einleitung zum Thema: Lernen am Arbeitsplatz. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, 14(4), 290-293.
364
Literatur
von Cranach, M. (1994): Die Unterscheidung von Handlungstypen – Ein Vorschlag zur Weiterentwicklung der Handlungspsychologie. In: Bergmann, B. & Richter, P. (Hrsg.): Die Handlungsregulationstheorie – Von der Praxis einer Theorie. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 69-88. von Cranach, M., Kalbermatten, U., Indermühle, K., Gugler, B. (1980): Zielgerichtetes Handeln. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber. von Cranach, M. & Kalbermatten, U. (1982): Zielgerichtetes Alltagshandeln in der sozialen Interaktion. In: Hacker, W., Volpert, W. & von Cranach, M. (Hrsg.): Kognitive und motivationale Aspekte der Handlung. Bern, Stuttgart, Wien: Hans Huber, 59-75. von Cranach, M. & Bangerter, A. (2000): Wissen und Handeln in systemischer Perspektive. Ein komplexes Problem. In: Mandl, H. & Gerstenmaier, J. (Hrsg.): Die Kluft zwischen Wissen und Handeln. Empirische und theoretische Lösungsansätze. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 221-252. Vonken, M. (2005): Handlung und Kompetenz. Theoretische Perspektiven für die Erwachsenen- und Berufspädagogik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Vonken, M. (2006): Qualifizierung versus Kompetenzentwicklung: Schwierigkeiten mit dem Kompetenzbegriff. In: Gonon, P., Klauser, F. & Nickolaus, R. (Hrsg.): Kompetenz, Qualifikation und Weiterbildung im Berufsleben. Opladen: Barbara Budrich, 11-26. Vosniadou, S. (1992): Knowledge acquisition and conceptual change. Applied psychology. An International Review, 41(4), 347-357. Vroom, V. (1964): Work and motivation. New York, London, Sydney: John Wiley and Sons. Wahl, D. (1981): Implizite Theorien. In: Schiefele, H. & Krapp, A. (Hrsg.): Handlexikon zur Pädagogischen Psychologie. München: Franz Ehrenwirth, 172-176. Walsh, J. P., Ashford, S. J. & Hill, T. E. (1985): Feedback obstruction: The influence of the information environment on employee turnover intentions. Human Relations, 38(1), 23-46. Warburton, D. M. (1988): Emotional and motivational determinants of attention and memory. In: Hamilton, V., Bower, G. H. & Frijda, N. H. (Eds.): Cognitive perspectives on emotion and motivation. Volume 44. Dordrecht, Boston, London: Kluwer Academic Publishers, 195-219. Watkins, K. E. & Marsick, V. J. (1992): Towards a theory of informal and incidental learning in organizations. International Journal of Lifelong Education, 11(4), 287-300. Watson, D. & Clark, L. A. (1994): Emotions, moods, traits, and temperaments: Conceptual distinctions and empirical findings. In: Ekman, P. & Davidson, R. (Eds.): The nature of emotion. New York, Oxford: Oxford University Press, 94-96. Watson, J. B. (1913/1994): Psychology as the behaviorist views it. Psychological Review, 101(2), 248253. Weber, M. (1960): Soziologische Grundbegriffe. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). Wegge, J. (2004): Emotionen in Organisationen. In: Schuler, H. (Hrsg.): Organisationspsychologie – Grundlagen und Personalpsychologie. Band 4. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe, 673-749. Wegge, J. (2007): Emotionen und Arbeitszufriedenheit. In: Schuler, H. & Sonntag, K. (Hrsg.): Handbuch der Arbeits- und Organisationspsychologie. Göttingen: Hogrefe, 272-286. Wegge, J. & Van Dick, R. (2006): Arbeitszufriedenheit, Emotionen bei der Arbeit und organisationale Identifikation. In: Fischer, L. (Hrsg.): Arbeitszufriedenheit – Konzepte und empirische Befunde. Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag: Hogrefe, 11-36. Weiner, B. (1987): The role of emotions in a theory of motivation. In: Halisch, F. & Kuhl, J. (Eds.): Motivation, intention, and volition. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo: Springer, 21-30. Weinert, A. B. (2004): Organisations- und Personalpsychologie. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim, Basel: Beltz. Weinert, F. E. (2001a): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, F. E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim, Basel, Bonn: Beltz, 17-31.
Literatur
365
Weiss, H. (2002): Conceptual and empirical foundations for the study of affect at work. In: Lord, R., Klimoski, R. & Kanfer, R. (Eds.): Emotions in the workplace. Understanding the structure and role of emotions in organizational behavior. San Francisco: Jossey-Bass, 20-63. Weiss, H. & Cropanzano, R. (1996): Affective events theory: A theoretical discussion of the structure, causes and consequences of affective experiences at work. In: Staw, B. & Cummings, L. (Eds.): Research in organizational behavior. Greenwich: JAI Press, 1-74. Weiß, R. (1999): Erfassung und Bewertung von Kompetenzen – empirische und konzeptionelle Probleme. In: Projektgruppe Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM) der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung '99. Aspekte einer neuen Lernkultur – Argumente, Erfahrungen, Konsequenzen. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 433-493. Wenzelmann, F., Schönfeld, G., Pfeifer, H. & Dionisius, R. (2009): Betriebliche Berufsausbildung: Eine lohnende Investition für die Betriebe. Ergebnisse der BIBB-Kosten- und Nutzenerhebung 2007. Bundesinstitut für Berufsbildung – Report. März 2009(8), 1-11. White, R. W. (1959): Motivation reconsidered: The concept of competence. Psychological Review, 66(5), 297-333. Wienold, G. (1975): Vergleich von Lernobjekten und ihre Zuordnung zu Lernzielen. In: Frei, K. (Hrsg.): Curriculum-Handbuch, Band II. München: Piper (zitiert nach Achtenhagen, F. (1984): Didaktik des Wirtschaftslehreunterrichts. Opladen: Leske und Budrich). Wiessmann, F. (2007): Emotionsarbeit. In: Landau, K. (Hrsg.): Lexikon Arbeitsgestaltung. Best Practice im Arbeitsprozess. Stuttgart: Gentner, 484-485. Wild, K.-P. & Krapp, A. (1996): Lernmotivation in der kaufmännischen Erstausbildung. In: Beck, K. & Heid, H. (Hrsg.): Lehr-Lern-Prozesse in der kaufmännischen Erstausbildung. Beiheft 13 der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Stuttgart: Franz Steiner, 90-107. Wild, E., Hofer, M. & Pekrun, R. (2006): Psychologie des Lerners. In: Krapp, A. & Weidenmann, B. (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz, 203-267. Wilson, T. D., Centerbar, D. B., Kermer, D. A. & Gilbert, D. T. (2005): The pleasures of uncertainty: Prolonging positive moods in ways people do not anticipate. Journal of Personality and Social Psychology, 88(1), 5-21. Winter, C., Hofer, M. & Fries, S. (2008): Das Selbstmanagement-Tagebuch: Ein webbasiertes Programm zur Unterstützung der Lernregulation im (Fern)Studium. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 55, 152-158. Winther, E. & Achtenhagen, F. (2008): Kompetenzstrukturmodell für die kaufmännische Bildung Adaptierbare Forschungslinien und theoretische Ausgestaltung. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 104(4), 511-538. Wirtz, M. & Caspar, F. (2002): Beurteilerübereinstimmung und Beurteilerreliabilität: Methoden zur Bestimmung und Verbesserung der Zuverlässigkeit von Einschätzungen mittels Kategoriensystemen und Ratingskalen. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe. Witt, R. (2009): Pädagogische Professionalität und die Differenzierung der Domänen in der beruflichen Bildung. In: Zlatkin-Troitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D., Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.): Lehrprofessionalität. Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 93-99. Wittwer, W. (2006): Die Aus- und Weiterbildner in außerschulischen Lernprozessen. In: Arnold, R. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 401-412. Woodworth, R. S. (1918): Dynamic psychology. New York: Columbia University Press (zitiert nach Rheinberg, F. (2006): Intrinsische Motivation und Flow-Erleben. In: Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. Heidelberg: Springer, 331-354). Zabeck, J. (1991): Schlüsselqualifikationen – Ein Schlüssel für die antizipative Berufsbildung? In: Twardy, M. (Hrsg.): Duales System zwischen Tradition und Innovation. Sonderband 4. Köln: Müller Botermann, 47-64.
366
Literatur
Zaib, V. (2001): Berufsbildungsforschung in der Psychologie. In: van Buer, J., Kell, A. & Wittmann, E. (Hrsg.): Berufsbildungsforschung in ausgewählten Wissenschaften und multidisziplinären Forschungsbereichen. Frankfurt/Main: Peter Lang, 21-51. Zajonc, R. B. (1980): Feeling and thinking – Preferences need no inferences. American Psychologist. 35(2), 151-175. Zajonc, R. B. (1984): On the primacy of affect. American Psychologist, 39(2), 117-123. Zbinden-Bühler, A. & Volz, C. (2007): Analyse des beruflichen Handlungsfeldes zur Entwicklung kompetenzorientierter Bildungspläne auf der Basis von Situationsbeschreibungen. Empirische Pädagogik, 21(3), 322-339. Zedler, R. (2004): Berufsbildung in Zahlen. In: G. Cramer (Hrsg.): Jahrbuch Ausbildungspraxis. München: Wolters Kluwer, 202-209. Zedler, R. (2009): Ausbilder und deren Qualifizierung – Ein vernachlässigtes Thema in Politik und Forschung. Wirtschaft und Berufserziehung, 61(März), 12-18. Ziegler, B. (2006): "Subjektive Theorien" und didaktisches Handeln – Forschungsaktivitäten und Befunde zu Lehrenden in der beruflichen Bildung. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 102(4), 525-549. Zimbardo, P. G. & Gerrig, R. J. (2004): Psychologie. 16., aktualisierte Auflage. München: Pearson. Zimmermann, M., Wild, K.-P. & Müller, W. (1994): Das "Mannheimer Inventar zur Erfassung betrieblicher Ausbildungssituationen" (MIZEBA). Forschungsbericht des Instituts für Pädagogik der Universität Regensburg. Online: http://www-campus.uni-regens-burg.de/edu1/MIZEBA/download (12.07.2010).
Anhang zur Monografie: Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung Andreas Rausch (2011)
Im Folgenden finden sich weitere Auswertungen, die ausschließlich auf Daten aus retrospektiven Fragebögen basieren. Zentrale Befunde wurden im sechsten Kapitel der o. g. Arbeit zusammengefasst (vgl. Kapitel 6.2.3 und Kapitel 6.3.6). Auf eine detaillierte Darstellung der Analysen wurde jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet und stattdessen an gegebenen Stellen auf diesen Anhang verwiesen. Die Abbildungen und Tabellen werden im Folgenden jeweils nur noch kurz kommentiert. Der Anhang ist wie folgt gegliedert: A-1:
Mittelwertvergleiche hinsichtlich Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr (Pilotstudie Industrieunternehmen)
A-2:
Zusammenhangsanalysen (Pilotstudie Industrieunternehmen)
A-3:
Zusammenhangsanalysen (Hauptstudie Telekommunikationsunternehmen)
A. Rausch, Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung, DOI 10.1007/978-3-531-93199-9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
368
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
A-1: Mittelwertvergleiche hinsichtlich Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr (Pilotstudie I ndustrieunternehmen) Persönlichkeitseigenschaften in Abhängigkeit von Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr (Pilotstudie)
Abbildung A-1: Persönlichkeitseigenschaften in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf Hinsichtlich der Ausprägung der erhobenen Persönlichkeitseigenschaften ergeben sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Auszubildenden verschiedener Ausbildungsberufe. Dies bestätigen auch die einfaktoriellen Varianzanalysen. Lediglich für die Selbstwirksamkeitserwartung (SWK) liefert die Varianzanalyse ein signifikantes Ergebnis (F(62) = 3.596; p = .033; η2 = .107). Der Post-hoc-Test (Scheffé) zeigt, dass angehende Industriekaufleute in der Eingangserhebung über eine signifikant geringere Selbstwirksamkeitserwartung berichten als angehende Mechatroniker.
Anhang
369
Abbildung A-2: Persönlichkeitseigenschaften in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr Abbildung A-2 verdeutlicht, dass sich auch in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr (Querschnitt) kaum Unterschiede hinsichtlich der erhobenen Persönlichkeitseigenschaften der Auszubildenden ergeben.1 Einfaktorielle Varianzanalysen liefern dementsprechend keine signifikanten Ergebnisse.
1
Die Abstände zwischen den Linien sind hier nicht interpretierbar, sondern beruhen lediglich auf unterschiedlichen Itemschwierigkeiten der Skalen.
370
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
Motivation, basic need-Befriediung und begleitende Emotionen in Abhängigkeit von Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr (Pilotstudie)
Abbildung A-3: Retrospektiv eingeschätzte Motivation in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf Die parallelen Verläufe der Linien sprechen für eine vergleichbare Struktur innerhalb der Auszubildendengruppen: Die Skalen zu Amotivation und extrinsischer Motivation weisen jeweils die geringsten Ausprägungen auf, während introjizierte und identifizierte Motivation die höchsten Ausprägungen aufweisen. Tabelle A-1 zeigt die Ergebnisse der korrespondierenden Varianzanalyse. Tabelle A-1: Abhängige Variable
Einfluss des Ausbildungsberufs auf die retrospektiv eingeschätzte Motivation (Varianzanalyse) df
F
p
η2
amotiviert
62
5.312
.008
.150
extrinsisch
62
3.076
.053
.093
introjiziert
62
2.898
.063
.088
identifiziert
62
1.869
.163
.059
intrinsisch
62
2.482
.092
.076
interessiert
62
1.131
.329
.036
Anhang
371
Signifikante Unterschiede hoher Effektstärke ergeben sich für die Skala amotiviert. Auf die Darstellung von Post-hoc-Tests wird hier verzichtet. Abbildung A-3 zeigt deutlich, dass Mechatroniker im Gruppenvergleich insgesamt etwas günstigere und Industriemechaniker etwas ungünstigere Motivationswerte aufweisen.
Abbildung A-4: Retrospektiv eingeschätzte basic need-Befriedigung und die begleitenden Empfindungen in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf In Übereinstimmung mit den Annahmen der Selbstbestimmungstheorie der Motivation ergibt sich auch bezüglich der Befriedigung der Basisbedürfnisse und der begleitenden Empfindungen ein ähnliches Bild. Tabelle A-2 gibt die Ergebnisse der entsprechenden Varianzanalyse wieder.
372
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
Tabelle A-2:
Einfluss des Ausbildungsberufs auf die retrospektiv eingeschätzte basic need-Befriedigung und erlebte Emotionen (Varianzanalyse)
Abhängige Variable
df
F
p
η2
Soziale Einbindung
62
2.678
.077
.082
Kompetenzunterstützung
62
2.312
.108
.072
Autonomieunterstützung
62
.221
.803
.007
Negative Empfindungen
62
1.893
.160
.059
Positive Empfindungen
62
4.950
.010
.142
Empfundene Wichtigkeit
62
2.868
.065
.087
Abbildung A-5: Retrospektiv eingeschätzte Motivation in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr Der Vergleich der Ausbildungsjahrgänge im Querschnitt zeigt, dass die Auszubildenden im zweiten Jahr ungünstigere Werte, während die Auszubildenden im dritten Jahr günstigere Werte aufweisen. Die entsprechende Varianzanalyse (Tabelle A3) liefert für einige Motivationsausprägungen hohe Effektstärken.
373
Anhang
Tabelle A-3: Abhängige Variable
Einfluss des Ausbildungsjahres auf die retrospektiv eingeschätzte Motivation (Varianzanalyse) df
F
p
η2
amotiviert
62
1.368
.261
.065
extrinsisch
62
4.163
.010
.175
introjiziert
62
1.140
.340
.055
identifiziert
62
3.727
.016
.159
intrinsisch
62
3.610
.018
.155
interessiert
62
2.955
.040
.131
Abbildung A-6: Retrospektiv eingeschätzte basic need-Befriedigung und die begleitenden Empfindungen in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr Es zeigt sich eine ähnliche Struktur wie bei den Motivationsausprägungen. Nur die Skala positive Empfindungen weist signifikante Unterschiede hoher Effektstärke auf (vgl. Tabelle A-4).
374
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
Tabelle A-4:
Einfluss des Ausbildungsjahres auf die retrospektiv eingeschätzte basic needBefriedigung und erlebte Emotionen (Varianzanalyse)
Abhängige Variable Soziale Einbindung Kompetenzunterstützung Autonomieunterstützung Negative Empfindungen Positive Empfindungen Empfundene Wichtigkeit
df
F
p
62 62 62 62 62 62
2.678 2.312 .221 1.893 4.950 2.868
.077 .108 .803 .160 .010 .065
η2 .082 .072 .007 .059 .142 .087
In zweifaktoriellen Varianzanalysen zeigen sich keine Interaktionseffekte zwischen den unabhängigen Variablen Ausbildungsberuf und Ausbildungsjahr in Bezug auf die retrospektiven Angaben zu Motivationsausprägungen, basic need-Befriedigung oder den begleitenden Empfindungen.
Abbildung A-7: Retrospektiv eingeschätzte Merkmale des betrieblichen Lernumfeldes und Lernarrangements in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf Varianzanalytisch ergeben sich lediglich für soziale Einbindung signifikante Unterschiede mittlerer Effektstärke (F(2, 60) = 3.460, p = .038, η2 = .103).
Anhang
375
Abbildung A-8: Retrospektiv eingeschätzte Merkmale der betrieblichen Lernaufgaben in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf Der homogene Verlauf in Abbildung A-8 schlägt sich entsprechend in der korrespondierenden Varianzanalyse nieder, die keine signifikanten Unterschiede anzeigt.
Abbildung A-9: Retrospektiv eingeschätzte Merkmale des betrieblichen Lernumfeldes und Lernarrangements in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr
376
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
Wie schon beim Einfluss des Ausbildungsberufs zeigt die entsprechende Varianzanalyse auch hinsichtlich des Ausbildungsjahres lediglich für die Variable soziale Einbindung signifikante Unterschiede (F(2, 60) = 3.074, p = .035, η2 = .135).
Abbildung A-10: Retrospektiv eingeschätzte Merkmale der betrieblichen Lernaufgaben in Abhängigkeit vom Ausbildungsjahr Tabelle A-5 gibt die Ergebnisse der einfaktoriellen Varianzanalysen wieder. Tabelle A-5:
Einfluss des Ausbildungsjahres auf die retrospektiv eingeschätzten Merkmale der Lern- und Arbeitsaufgaben (Varianzanalyse)
Abhängige Variable
df
F
p
η2
Komplexität
62
3.617
.018
.155
Vielfalt
62
4.011
.011
.169
Gestaltungsmöglichkeit
62
1.671
.183
.078
Anforderungspassung
62
.598
.619
.030
Bedeutsamkeit
62
3.911
.013
.166
Anhang
377
Im Vergleich der Ausbildungsjahre (Querschnitt) zeigen sich mehrere signifikante Unterschiede in der Wahrnehmung der Arbeitsaufgaben, die hohe Effektstärken aufweisen. Vielfalt, Bedeutsamkeit und Komplexität steigen bis zum dritten Ausbildungsjahr an. Komplexität nimmt auch im vierten Ausbildungsjahr weiter zu.
378
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
A-2: Zusammenhangsanalysen (Pilotstudie I ndustrieunternehmen) Tabelle A-6:
Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzter Bedürfnisbefriedigung, begleitender Empfindungen und Motivationsausprägungen (n = 63) amotivierta
extrinsischa
introjiziert
identifiziert
intrinsisch
interessiert
-.37** a
-.45** a
.21
.34**
.49**
.44**
-.36** a
-.39** a
.20
.38**
.46**
.39**
-.24 a
-.26* a
.31*
.35**
.51**
.50**
.55** a
.66** a
-.26*
-.44**
-.54**
-.42**
-.39** a
-.43** a
.31*
.55**
.68**
.65**
-.35** a
-.41** a
.31*
.49**
.55**
.58**
basic needs-Befriedigung wahrgenommene soziale Einbindung wahrgenommene Kompetenzunterstützung wahrgenommene Autonomieunterstützung begleitende Empfindungen negative Empfindungen positive Empfindungen empfundene Wichtigkeit Hinweise:
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman wegen fehlender Normalverteilung.
Stärke und Richtung der gefundenen Zusammenhänge stehen im Einklang zur Selbstbestimmungstheorie der Motivation. Die hohen Ausprägungen der Zusammenhänge könnten jedoch auch auf einen common method bias hinweisen.
379
Anhang
Tabelle A-7:
Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzten Merkmalen der Ausbildungssituation und Motivationsausprägungen (n = 63) amotivierta
extrinsischa
introjiziert
identifiziert
intrinsisch
interessiert
Arbeitsklima a
-.32** a
-.45** a
.08 a
.25 a
.14 a
.21 a
soziale Einbindung a
-.36** a
-.49** a
.08 a
.36** a
.46** a
.33** a
transparenzfördernde Maßnahmen
-.33** a
-.45** a
.33**
.52**
.36**
.38**
Einbindung in die betriebliche Expertenkultur
-.26* a
-.37** a
.20
.43**
.37**
.40**
Komplexität
-.11* a
.04 a
.16
.33**
.13
.29*
Vielfalt
-.29 a
-.43** a
.26*
.42**
.31*
.32*
Gestaltungsmöglichkeit
-.02 a
-.13 a
.06
.08
.20
.08
Anforderungspassung
-.10 a
-.12 a
.12
.27*
.34**
.25
Bedeutsamkeit
-.21
-.32**
.33**
.44**
.18
.33**
Merkmale des betrieblichen Lernumfeldes
Merkmale des betrieblichen Lernarrangements
Merkmale der betrieblichen Lernaufgaben
Hinweise:
a
a
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman wegen fehlender Normalverteilung.
Die Vorzeichen der Zusammenhänge verdeutlichen, dass die erhobenen Konstrukte positiv mit den eher selbstbestimmten und negativ mit extrinsischer Motivation und Amotivation zusammen hängen. Lediglich die Skala Gestaltungsmöglichkeiten weist keine signifikanten Zusammenhänge mit den Motivationsausprägungen auf.
380
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
Tabelle A-8:
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und retrospektiv eingeschätzter Motivation und Motivationsbedingungen (n = 63) Selbstwirksam- Neurotikeitserzismus wartung
Extraversion
Offenheit Gewisfür neue VerträgsenhaftigErfahrun- lichkeit keit gen
Motivationsausprägung amotivierta
-.19 a
.26* a
-.14 a
.06 a
-.40** a
-.39** a
extrinsischa
-.21 a
.19 a
.05 a
.06 a
-.33** a
-.36** a
introjiziert
.19
-.00
.13
.10
.18
.42**
identifiziert
.27*
-.25
.19
-.02
-.00
.32*
intrinsisch
.42**
-.46**
.02
-.13
.10
.32**
interessiert
.43**
-.26*
.25
.19
.02
.32*
wahrgenommene soziale Einbindung
.52**
-.44**
-.02
-.19
.45**
.35**
wahrgenommene Kompetenzunterstützung
.43**
-.28*
.09
.01
.35**
.18
wahrgenommene Autonomieunterstützung
.18
-.14
-.03
-.07
-.03
.23
-.23
.38**
.16
.36**
-.28*
-.25*
.45**
-.31*
.10
-.02
.16
.25*
.33**
-.17
.20
.16
.18
.18
basic need-Befriedigung
begleitende Empfindungen negative Empfindungen positive Empfindungen empfundene Wichtigkeit Hinweise:
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman wegen fehlender Normalverteilung.
381
Anhang
Es zeigen sich zahlreiche Zusammenhänge zwischen den in der Eingangserhebung mittels Standardinstrumenten zur Selbsteinschätzung erhobenen Persönlichkeitseigenschaften und den retrospektiven Einschätzungen zur Motivation, Bedürfnisbefriedigung und begleitenden Empfindungen, die durchaus plausibel erscheinen: Selbstwirksamkeit hängt positiv mit selbstbestimmten Motivationsarten, der Bedürfnisbefriedigung (außer der Autonomieunterstützung) und positiven Empfindungen zusammen. Ähnlich gestalten sich die Zusammenhänge mit Gewissenhaftigkeit, während Verträglichkeit insbesondere mit der Befriedigung sozialer Bedürfnisse zusammenhängt. Überraschend sind die ausbleibenden Zusammenhänge mit Extraversion, die von einigen Autoren mit positiver Affektivität gleichgesetzt wird. Hier hätte man stärkere positive Zusammenhänge sowohl mit den selbstbestimmten Motivationsarten als auch mit den begleitenden Empfindungen erwartet. Ebenso finden sich kaum Zusammenhänge mit Offenheit für neue Erfahrungen, wobei der positive Zusammenhang mit negativen Empfindungen ebenfalls überrascht. Tabelle A-9:
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften retrospektiv eingeschätzten Merkmalen der Ausbildungssituation (n = 63) (Fortsetzung auf der nächsten Seite) SelbstOffenheit wirksam- Neuroti- Extraver- für neue Verträgkeitserzismus sion Erfahlichkeit wartung rungen
Gewissenhaftigkeit
Merkmale des betrieblichen Lernumfeldes Arbeitsklimaa
.28* a
-.32* a
-.01 a
-.16 a
.26* a
.13 a
soziale Einbindunga
.45** a
-.42** a
-.04 a
-.18 a
.23 a
.26* a
transparenzfördernde Maßnahmen
.34**
-.28*
.24
-.07
.08
.30*
Einbindung in die betriebliche Expertenkultur
.51**
-.39**
.20
.10
.22
.15
Merkmale des betrieblichen Lernarrangements
382
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
Tabelle A-9:
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften retrospektiv eingeschätzten Merkmalen der Ausbildungssituation (n = 63) (Fortsetzung) SelbstOffenheit wirksam- Neuroti- Extraver- für neue Verträgkeitserzismus sion Erfahlichkeit wartung rungen
Gewissenhaftigkeit
Merkmale der betrieblichen Lernaufgaben Komplexität
.25
-.03
.39**
.26*
-.19
.00
Vielfalt
.15
-.05
.13
.05
.05
.25*
Gestaltungsmöglichkeit
.16
-.01
.01
-.11
-.01
.20
Anforderungspassung
.31*
-.14
-.05
-.12
.10
.09
Bedeutsamkeit
.13
.07
.15
.07
-.13
.14
Hinweise:
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman wegen fehlender Normalverteilung.
Generell scheinen Persönlichkeitseigenschaften einen deutlich geringen Einfluss auf die Einschätzung der Ausbildungssituation zu haben als auf die Einschätzung der Motivation, der Bedürfnisbefriedigung und der begleitenden Empfindungen. Innerhalb der Ausbildungssituation sind die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und den globaleren Einschätzungen des Lernumfeldes und des Lernarrangements wiederum stärker ausgeprägt als die Zusammenhänge zu Merkmalen der Lernaufgaben. Je situationsspezifischer die Konstrukte, desto geringer der Einfluss überdauernder Persönlichkeitseigenschaften. Auf eine Interpretation der einzelnen Zusammenhänge wird hier verzichtet, doch scheinen prinzipiell zwei alternative Interpretationsmöglichkeiten gegeben: (1) Persönlichkeitsunterschiede verursachen lediglich eine unterschiedliche subjektive Wahrnehmung einer objektiv gleichen Ausbildungssituation. Oder (2): Persönlichkeitsunterschiede verursachen objektiv unterschiedliche Ausbildungssituationen, wenn bspw. besonders selbstsicher wirkende Auszubildende (höhere Selbstwirksamkeitserwartung) stärker eingebunden werden, emotional weniger stabile Auszubildende (höhere Neurotizismuswerte) weniger Einbindung erfahren oder extrovertiert auftretenden Auszubildenden tatsächlich komplexere Aufgaben bearbeiten. Interpretationsansatz (2) spräche für
Anhang
383
objektiv unterschiedliche Ausbildungsbedingungen, die wiederum zwei Ursachen haben können, die an einem Beispiel verdeutlicht werden sollen: Einerseits erscheint es plausibel, dass sich extrovertierte Auszubildende aktiv um komplexere Aufgaben bemühen. Andererseits sprechen unterschiedliche Ausbildungsbedingungen auch für das Wirksamwerden impliziter Persönlichkeitstheorien seitens des Ausbildungspersonals und gehen mit der Gefahr von Pygmalion-Effekten einher (vgl. Kapitel 3.4.2). Beide Ursachen zeigen die Notwendigkeit an, Auszubildende mit ungünstigeren Persönlichkeitseigenschaften gezielt zu fördern.
384
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
A-3: Zusammenhangsanalysen (Hauptstudie T elekommunikationsbranche) Tabelle A-10:
Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzter Bedürfnisbefriedigung, begleitender Empfindungen und Motivationsausprägungen (n = 33) amotiviert
extrinidentifiintrojiziert sisch ziert
intrinsisch
interessiert
basic needs-Befriedigung wahrgenommene soziale Einbindung wahrgenommene Kompetenzunterstützung wahrgenommene Autonomieunterstützung
-.64**
-.59**
.14
.40*
.75**
.63**
-.70**
-.56**
.20
.47**
.76**
.62**
-.67**
-.61**
.44*
.61**
.75**
.62**
.60**
.74**
-.19
-.32
-.72**
-.45**
-.49**
-.41*
.15
.25
.82**
.54**
-.34
-.30
.24
.63**
.46**
.55**
begleitende Empfindungen negative Empfindungen positive Empfindungen empfundene Wichtigkeit Hinweise:
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Die Zusammenhänge weisen sehr ähnliche Muster auf wie die entsprechenden Befunde aus der Pilotstudie (vgl. Anhang A-2) und stehen im Einklang mit der Selbstbestimmungstheorie der Motivation. Die Stärke der Zusammenhänge fällt hier jedoch noch größer aus. So stellt sich angesichts einer Korrelation von r = .82 zwischen retrospektiv eingeschätzten positiven Empfindungen und retrospektiv eingeschätzter intrinsischer Motivation die Frage, inwieweit die Konstrukte empirisch überhaupt zu unterscheiden sind.
385
Anhang
Tabelle A-11:
Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzten Arbeitsmerkmalen und Motivationsausprägungen (29 ≤ n ≤ 33) amotiviert
extrinsisch
Komplexität
.21
.30
.06
.13
-.03
.10
Anforderungspassung
-.33
-.06
.27
.28
.55**
.25
Bedeutsamkeit
-.45*
-.32
.08
.31
.69**
.52**
Vollständigkeita
-.20 a
-.46* a
.12 a
.21 a
.51* a
.39* a
Rückmeldung aus der Tätigkeit
-.35
-.19
.19
.25
.27
.06
Rückmeldung von Kollegen
-.06
.00
.15
-.03
.28
-.03
Hinweise:
introjiziert
identifiintrinsisch ziert
interessiert
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman wegen fehlender Normalverteilung.
Die Tätigkeitsmerkmale Bedeutsamkeit und Vollständigkeit weisen die stärksten Zusammenhänge mit den motivationalen Ausprägungen auf. Die Skala Bedeutsamkeit wies bereits in der Pilotstudie die meisten Zusammenhänge auf (vgl. Anhang A-2). Die Skala Vielfalt, die in der Pilotstudie ebenfalls Zusammenhänge zu den Motivationsausprägungen aufwies, wurde aufgrund zu geringer interner Konsistenz in der Hauptstudie ausgeschlossen (vgl. Tabelle 5-15b in Kapitel 5.3.3.3). Die Skala Vollständigkeit (Adaption des Job Diagnostic Questionnaires) wurde in der Pilotstudie noch nicht erhoben. Darüber hinaus ist nur noch der Zusammenhang zwischen Anforderungspassung und intrinsischer Motivation signifikant. Die retrospektiv eingeschätzte Komplexität weist dagegen keine signifikanten Zusammenhänge auf. Zudem überraschen die positiven Vorzeichen der Zusammenhänge mit den Motivationsarten amotiviert und extrinsisch. Ebenso weisen die im Vergleich zur Pilotstudie neu hinzugenommenen Skalen zur Leistungsrückmeldung keine signifikanten Zusammenhänge auf, was angesichts theoretischer Überlegungen und der Befunde anderer Studien überrascht (vgl. zusammenfassend Kapitel 3.3.1).
386
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
Tabelle A-12:
Zusammenhänge zwischen Motivation, Bedürfnisbefriedigung und begleitenden Empfindungen sowie Interessen und Persönlichkeitseigenschaften (31 ≤ n ≤ 33) (Fortsetzung auf der nächsten Seite) Allgemeine Persönlichkeitseigenschaften
Interesse an ... der verwalkfm. derzeitenden Beru- tigen Berufen Ausbilfen (BIT- dung (BITII) (FSI) II)
Selbst Extra- Ver- Gewis wirk- Neurotiversi- träg- senhaf sam- zismus on lichkeit tigkeit (FFI) keit (FFI) (FFI) (FFI) (SWK)
technischem Handwerk (BITII)
amotiviert
-.54**
.60**
-.40*
-.20
-.04
-.45** -.28
.02
-.61**
extrinsisch
-.40*
.59**
-.14
-.09
-.23
-.42*
-.06
.16
-.53**
introjiziert
.32
-.12
.19
.29
.28
.16
-.25
-.12
.16
identifiziert
.41*
-.49**
.41*
.11
.15
.32
.22
.07
.48**
intrinsisch
.27
-.63**
.22
.16
-.09
.41*
-.16
-.30
.54**
interessiert
.40*
-.64**
.35
.01
.03
.47**
.01
-.10
.62**
soziale Einbindung
.19
-.60**
.39*
.36*
-.07
.39*
.04
-.24
.63**
Kompetenzunterstützung
.31
-.66**
.54**
.33
.04
.41*
.07
-.21
.58**
Autonomieunterstützung
.27
-.52**
.30
.32
-.13
.45*
-.06
-.35*
.43*
Motivationsausprägung
basic needBefriedigung
387
Anhang
Tabelle A-12:
Zusammenhänge zwischen Motivation, Bedürfnisbefriedigung und begleitenden Empfindungen sowie Interessen und Persönlichkeitseigenschaften (31 ≤ n ≤ 33) (Fortsetzung) Allgemeine Persönlichkeitseigenschaften Selbst Extra- Ver- Gewis wirk- Neurotiversi- träg- senhaf sam- zismus on lichkeit tigkeit (FFI) keit (FFI) (FFI) (FFI) (SWK)
Interesse an ... technischem Handwerk (BITII)
der verwalkfm. derzeitenden Beru- tigen Berufen Ausbilfen (BIT- dung (BITII) (FSI) II)
begleitende Empfindungen negative Empfindun- -.18 gen
.63**
-.21
-.15
-.04
-.41*
.07
.34
-.50**
positive Empfindun- .22 gen
-.51**
.28
.17
-.05
.37*
.00
-.24
.40*
empfundene .30 Wichtigkeit
-.45**
.52**
.24
.15
.14
.11
.03
.43*
Hinweise:
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant.
Mit Blick auf die Persönlichkeitseigenschaften fällt auf, dass Neurotizismus die stärksten Zusammenhänge mit den Skalen des Fragebogens der Forschergruppe um Prenzel aufweist. Die Vorzeichen fallen hierbei erwartungskonform aus. Neurotizismus weist mittlere bis starke negative Zusammenhänge mit den als wünschenswert betrachteten selbstbestimmten Motivationsarten, der Bedürfnisbefriedigung sowie mit den positiven Empfindungen und empfundener Wichtigkeit auf. Starke positive Zusammenhänge treten zwischen Neurotizismus einerseits und Amotivation, extrinsischer Motivation und negativen Empfindungen andererseits auf. Die Persönlichkeitseigenschaft Neurotizismus – von einigen Autoren mit allgemeiner negativer Affektivität gleichgesetzt (vgl. Kapitel 2.2.1.3) – scheint ein starker Prädiktor für die retrospektive Einschätzung des motivational-emotionalen Erlebens zu sein. Mögliche Interpretationen wurden bereits erläutert (vgl. Erläuterungen zu Tabelle A-9). Die Zusammenhänge zur Extraversion weisen – wiederum erwartungskonform – umgekehrte Vorzeichen auf, bleiben aber von geringerer Stärke. Ähnliche Zusammenhänge finden sich zwischen der Selbstwirksamkeit und den Skalen des Motivationsfragebogens. Die
388
Erleben und Lernen am Arbeitsplatz in der betrieblichen Ausbildung (Andreas Rausch)
weiteren Persönlichkeitseigenschaften weisen nur vereinzelt signifikante Zusammenhänge geringerer Stärke auf.2 Ferner weist das Interesse an der derzeitigen Ausbildung (Adaption des FSI; vgl. Kapitel 5.3.3.1) durchgängig erwartungskonforme Zusammenhänge mittlerer bis hoher Effektstärke auf. Mit Blick auf die berufsgruppenspezifischen Interessen (Berufsinteressentest BIT-II) überrascht, dass die Zusammenhänge beim Interesse an technischem Handwerk am stärksten ausfallen. Stärkere Zusammenhänge hätte man dagegen beim Interesse an kaufmännischen Berufen erwartet. Tabelle A-13:
Zusammenhänge zwischen retrospektiv eingeschätzten Aufgabenmerkmalen, Interessen und Persönlichkeitseigenschaften (29 ≤ n ≤ 32) Allgemeine Persönlichkeitseigenschaften
Interesse an ... der verwalkfm. derzeitenden Beru- tigen Berufen Ausbilfen (BIT- dung (BIT(FSI) II) II)
Selbst Extra- Ver- Gewis wirk- Neuroversi- träg- senhaf sam- tizismus on lichkeit tigkeit (FFI) keit (FFI) (FFI) (FFI) (SWK)
technischem Handwerk (BITII)
-.21
-.03
-.01
.00
.12
-.06
.05
.03
.02
Anforderungs-.07 passung
-.01
.09
.36*
-.10
-.10
.00
.08
.20
Bedeutsamkeit .19
-.54**
.36*
.30
.15
.18
-.04
-.04
.41*
Vollständigkeita
.05
-.20
-.15
.01
.04
.32
-.12
.01
.16
Rückmeldung aus der Tätigkeit
.21
-.37*
.02
.00
.24
.39*
.08
-.09
.06
Rückmeldung von Kollegen
-.03
-.09
.09
.13
.35
.09
-.06
-.08
-.02
Komplexität
Hinweise:
2
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von .05 (2-seitig) signifikant. a Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman wegen fehlender Normalverteilung.
Die Skala Offenheit für neue Erfahrungen konnte nicht gebildet werden, da einzelne Items auf Wunsch des Betriebsrates und der Jugend- und Auszubildendenvertretung aus der Befragung ausgeschlossen werden mussten (vgl. Kapitel 5.3.3.1).
Anhang
389
Vergleicht man die Zusammenhänge in Tabelle A-13 mit den in Tabelle A-12 berichteten Zusammenhängen, so fällt auf, dass die hier berichteten Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und retrospektiv eingeschätzten Aufgabenmerkmalen im Mittel deutlich geringer und entsprechend nur selten signifikant ausfallen. Am stärksten fällt der negative Zusammenhang zwischen Neurotizismus und der eingeschätzten Bedeutsamkeit der Arbeitsaufgaben aus. Auch hier stellt sich die Frage, ob die allgemeine negative Affektivität zu einer Geringschätzung der Bedeutsamkeit führt oder ob emotional labilere Auszubildende „objektiv“ weniger bedeutsame Aufgaben bearbeiten (vgl. Erläuterungen zu Tabelle A-9). In Anbetracht der wenigen Zusammenhänge muss die Gefahr einer Alpha-Fehler-Inflation in Betracht gezogen werden (vgl. Kapitel 6.2.2.1).