Ennius
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Fragmente
Quintus Ennius Fragmente (Auswahl) Lateinisch I Deutsch
Ausgewählt, übersetzt und herausgegeben...
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Ennius
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Fragmente
Quintus Ennius Fragmente (Auswahl) Lateinisch I Deutsch
Ausgewählt, übersetzt und herausgegeben von Otto Schönherger
Philipp Reclam jun. Stuttgart
Umschlagabbildung: Porträt des Q. Ennius mit dem Dichterkranz im Haar (Ausschnitt aus dem Monnus-Mosaik in Trier, 3./4. Jh. n. Chr.)
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 18566
Alle Rechte vorbehalten 1D 2009 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 2009 RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken
der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart ISBN 978-3-15-018566-7 www.reclam.de
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Inhalt Einleitung
.................................... 7 .................. 7 Sprache und Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 Nachwirkung· Ausgaben . .. 17 .
Quintus Ennius: Leben und Werk
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Fragmente
Annales ·Jahrbücher
................ ............. Annalium liber II Buch 2 . . . . . . . . . . . . Annalium liber 111 · Buch 3 . Annalium liber IV· Buch 4 . . . . . . . . . . . . Annalium liber V· Buch 5 . . . . . . . . . . . . . Annalium liber VI Buch 6 . . . . . . . . . . . . Annalium liber V I I Buch 7 . Annalium liber V I I I Buch 8 . . . . . . . . . . . .
Annalium liber I · Buch 1
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Annalium liber IX· Buch 9
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.................. Annalium liber XI Buch 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annalium liber X I I · Buch 1 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . Annalium libri XIII und XIV· Buch 13 und 14 . . . . Annalium liber XV Buch 1 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . Annalium liber XVI Buch 1 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . Annalium liber X· Buch 10. ·
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Annalium libri XVII und XVIII· Buch 17 und 18
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Incertorum librorum fragmenta · Aus ungewissen Büchern
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Inhalt
Scenica · Bühnenwerke Alexander
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Andremache Aechmalotis · Die gefangene Andremache . . Eumenides · Die Eumeniden
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Iphigenia · Iphigenie
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Medea exul · Medea im Exil
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Fragmente weiterer Tragödien
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57 58 63 66 67 69 74
Saturae · Satiren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Varia· Verschiedenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 86 87 88 89 90
Epigrammata · Epigramme Sota
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Epicharmus . . ... . ... . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . .
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Protrepticus · Mahnrede
Hedyphagetica · Delikatessen
Euhemerus vel Sacra historia · Euhemerus oder Heilige Schrift
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Zu dieser Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zitierte Quellenautoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung Quintus Ennius: Leben und Werk
Die Vorgänger des Ennius, die Dichter Livius Andronicus und Cn. Naevius, hatten bereits griechische Literatur und Bildung in Rom eingeführt; auch hatte die Stadt auf Grund ihrer starken Machtstellung schon nach dem Ersten Puni schen Krieg (264-241 v. Chr.) einen mehr und mehr kos mopolitischen Charakter angenommen. Andronicus war aus Tarent 272 v. Chr. als Sklave nach Rom verkauft worden, wurde aber später freigelassen und nannte sich L. Livius Andronicus. Um seinen Lebensun terhalt zu verdienen, gab er Unterricht und übersetzte die Odyssee im national-römischen Versmaß, dem sogenann ten Saturnier, ins Lateinische: Virum mihi camena insece versutum. Als anerkannter Literat erhielt er 240 v. Chr. den Auftrag, an den Iudi Romani eine Tragödie und eine Ko mödie zur Aufführung zu bringen. Dazu übersetzte Livius zwei griechische Stücke und hatte großen Erfolg. So war er einer der ersten literarischen Übersetzer und gewann für Rom die iambischen und trochaeischen Versmaße der Griechen. Damit waren Epos und Drama in Rom einge führt. Fortan wurden Dichter und Schauspieler (scribae et histriones) als neuer eigener Stand staatlich anerkannt und erhielten als Vereinslokal den Minervatempel auf dem Aventin. Livius starb im Jahr 204. Während Livius seine ersten Erfolge feierte, kam der um 285 v. Chr. geborene Cn. Naevius nach Rom, ein freigebo rener Campaner und Veteran des Ersten Punischen Krie ges. Naevius widmete sich anfangs der Tragödie und über setzte wie Livius griechische Stücke in freier Form (so An dromacha, Hector, taurische Iphigenie). Dann aber wandte er sich römischen Stoffen zu, und so entstand die Fabula praetexta, das nationale historische Drama, benannt nach
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Einleitung
der toga praetexta, der Amtstracht römischer Magistrate. Die eigentliche Begabung des Naevius lag j edoch auf dem Gebiet der Komödie; 34 Komödien werden ihm zuge schrieben. Er war auch der Erste, der zwei griechische Stü cke zu einem einzigen verschmolz oder in ein Drama Sze nen aus einem anderen Stück einwob (contaminatio), um eine buntere Handlung zu bieten. In hohem Alter verfasste auch Naevius ein Epos und wählte einen nationalen Stoff der jüngsten Geschichte, den Krieg gegen die Karthager (Bellum Poenicum). In seinem Epos stellte der Dichter Roms historische Sendung dar und schloss sie an die Lebensaufgabe des Troianers Aeneas an. In der Einleitung wurden die Abenteuer des Aeneas er zählt und die auch bei Vergil auftretenden Schwestern Di do und Anna bereits eingeführt. Den Hauptinhalt bildete aber die Geschichte Roms bis zum Schluss des Ersten Pu nischen Krieges. Als Metrum wählte auch Naevius den herkömmlichen römischen Saturnier-Vers. Der Messapier Qu. Ennius (239-1 69 v. Chr.) überragte beide Vorgänger bei weitem. Er war als Sohn freier Eltern in Rudiae in Calabrien geboren. Damals wurde dort grie chisch, oskisch und lateinisch gesprochen, weshalb Ennius von sich sagte (Gellius 1 7, 1 7, 1 ), er besitze einen dreifachen Geist (tria corda). Der Dichter wird von der griechischen Sprache und Kultur der Küstengebiete Unteritaliens vieles übernommen und sich angeeignet haben (besonders pytha goreisches Gedankengut), wie auch damals schon starker griechischer Einfluss in Rom wirkte. Im Zweiten Puni schen Krieg nahm Ennius an einem Feldzug der Römer nach Sardinien teil; dabei lernte ihn der ältere Cato kennen, der damals Quaestor des Scipio Africanus Maior war. Auf Catos Veranlassung siedelte Ennius (204 v. Chr.) nach Rom über, erwarb durch Unterricht im Lateinischen und Grie chischen seinen Lebensunterhalt und wohnte auf dem Aventin. Seinem Unterricht legte er griechische und (wohl auch
Leben und \Verk
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eigene) lateinische Texte zugrunde. Den älteren Cato hatte er ins Griechische eingeführt, und bald öffneten ihm auch vornehme Römer ihr Haus, namentlich die Seipionen (Sci pio Africanus; Scipio Nasica) und M. Fulvius Nobilior (Konsul 1 89 v. Chr.). Dieser ließ sich im Jahr 1 89 auf sei nem Feldzug nach Aetolien von Ennius begleiten, wohl in der Hoffnung, der Dichter werde (als hellenistischer »Hofpoet«) seine Kriegstaten verherrlichen. lnfolge dieser Kriegsfahrt galt Ennius als Veteran, erhielt (1 84) ein Acker los in einer Militärkolonie und wurde so römischer Bürger. Er blieb jedoch in der Stadt und starb dort, siebzigj ährig, 1 69 an der Gicht. Angeblich wurde er im Grabmal der Sei pionen an der Via Appia beigesetzt. Von seiner äußeren Er scheinung gibt vielleicht das sogenannte Monnus-Mosaik in Trier Kunde (siehe die Umschlagabbildung). Ennius bewies (wie andere hellenistische Dichter) eine staunenswerte Vielseitigkeit. Zuerst scheint er sich der Tragödie zugewandt zu haben, die er lebenslang mit gro ßem Erfolg pflegte. Aus den 22 Titeln, die uns überliefert sind, geht hervor, dass fast die Hälfte seiner Dramen Stoffe aus dem troianischen Sagenkreis behandelte. Als Vorlagen dienten weitgehend (wohl hellenistisch überarbeitete) Wer ke des Euripides, doch bildete Ennius auch Dramen von Sophokles und Aischylos nach. Oft verfuhr er freier, indem er Kürzungen vornahm oder Zusätze machte, oft folgte er genau dem Original. Auch zwei Dramen mit römischem Stoff, Fabulae praetextae, verfasste er: den Raub der Sabi nerinnen (mit einem großen Kampf gegen Titus Tatius und anschließender Versöhnung durch Hersilia) und Die Ein nahme von Ambrakia. Dieses Stück ehrte den Gönner (pa tronus) des Ennius, Fulvius, der im Jahr 1 89 v. Chr. die im südlichen Epirus gelegene Stadt Ambrakia eroberte, ein Er eignis, an dem Ennius teilgenommen hatte. Die Komödie scheint dem Dichter weniger gelegen zu haben, denn wir kennen nur zwei Stücke, und diese fast nur dem Titel nach.
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Einleitung
Die große Leistung des Dichters Ennius liegt auf dem Gebiet des heroischen Epos. Er schilderte zuerst in einem Scipio genannten Gedicht die Taten des Africanus Maior im Zweiten Punischen Krieg. Wie sehr das Werk den Bei fall der Zeitgenossen und der Späteren fand, geht aus einer Ode (4,8,13) des Horaz hervor. Erhalten sind nur einige Verse von bemerkenswerter Vollkommenheit. Als Metrum verwendete Ennius hier weitgehend (oder ausschließlich) den von der Bühne wie auch aus Soldatenliedern bekann ten trochaeischen Septenar. Das Schlüsselerlebnis des Dichters ist der Aufstieg Roms aus den Niederlagen gegen Hannibal zur beherrschenden Vormacht im Mittelmeer. Im Scipio hatte Ennius Homer als unerreichbares Vorbild bezeichnet (vgl. Suda s. v. Enni os), doch wollte er nun ein Werk schaffen, das Homers !Ii as an die Seite gestellt werden konnte. So verwendete er das epische Versmaß der Griechen und führte den Hexa meter in die römische Literatur ein. Dabei maß er als Ers ter die Silben nach Länge und Kürze und wurde so zum Schöpfer der lateinischen Prosodie (und Orthographie). Ennius wandte die letzten (etwa fünfzehn) Jahre seines Le bens an das Riesenwerk seiner Annalen (Jahrbücher), das ursprünglich wohl in fünf Triaden (je drei Bücher römi scher Historie) eingeteilt war; im hohen Alter fügte er die Bücher 1 6-1 8 hinzu, in denen er die Zeitgeschichte behan delte. Er nannte sein Epos Annales, wohl im Hinblick auf die vom Pontifex Maximus jährlich fortgeführte Chronik Roms, die Annales Maximi, und zeigte so schon im Titel an, dass Roms Dichtung historisch-politischer Natur sein müsse. Vielleicht schöpfte Ennius auch aus mündlicher Tradition, die zumindest für die jüngere Vergangenheit be ·stand, dazu auch aus Aufzeichnungen aktiver Politiker in lateinischer und griechischer Sprache. Das Epos begann mit einer Vision: Dem Dichter er schien im Traum der Schatten (eidolon) Homers und schil derte die Wanderungen seiner Seele nach dem Tod. Sie ha-
Leben und Werk
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be in dem weisen Pythagoras Wohnung genommen und sei später über verschiedene Stufen schließlich auf Ennius übergegangen. Daher ruft Ennius zu Beginn auch nicht die römischen Camenen an, ihm Ruhm zu verleihen, sondern die griechischen Musen und zeigt damit an, dass römische Literatur sich im Wettbewerb mit griechischen Vorbildern verwirklicht. Das 1 . Buch der Annalen enthielt Roms Urgeschichte, das zweite und dritte die Königszeit, das vierte und fünfte die Gründung der Republik und die Kriege mit Porsenna, den Galliern und den Samniten, das sechste den Krieg ge gen Pyrrhus; das siebte, achte, neunte Buch umfasste den Ersten und Zweiten Punischen Krieg. Den Inhalt der vier ten Triade (Buch 1 0-12) bildete der Makedonische Krieg gegen König Philipp V. (2 1 5-197 v. Chr.), den T. Quinctius Flamininus 1 97 bei Kynoskephalai siegreich beendete. Buch 13 und 14 schilderten den Krieg gegen Antiochus III. von Syrien (1 92-1 8 8 v. Chr.), das 15. Buch die Einnahme von Ambrakia durch Fulvius Nobilior. Die drei letzten Bücher ( 1 6--1 8) führten das Werk bis zum Beginn des Drit ten Makedonischen Krieges ( 1 71 v. Chr.) fort. Die große Leistung des Dichters bestand dabei in der Gliederung von Roms Geschichte in Epochen; so machte er Rom selbst (res Romana) zum Helden seines Epos, und diese Geschichts darstellung des Ennius wirkte sicher für die folgende His toriographie vorbildlich. Ennius hat Homer ausgiebig benützt; Kampfschilderun gen, Aristien, Reden, Beschreibungen, Gleichnisse, Göt terwelt sind von ihm entlehnt, doch auch von seinem (von ihm »Faunendichter« genannten) Vorgänger Naevius über nahm Ennius manches. Insgesamt war das Werk (rund 30 000 Verse) eine literarische Großtat: Nach einem umfas senden Plan wurde der historische Stoff in ein lebensvolles heroisches Epos verwandelt. Hohes Lob verdient der Reichtum des weitgehend erst von Ennius geschaffenen epischen Wortschatzes (oft vollklingende und zusammen �
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Einleitung
gesetzte Wörter) wie auch die Einführung des neuen Me trums Hexameter, der nun zum epischen Regelvers wurde. Noch Horaz pries den dichterischen Schwung des Ennius (Sat. 1 ,4), indem er zeigt, dass man selbst bei einer Zer legung des Verses Postquam discordia taetra . . . (Annalen 266 V) immer noch die »Glieder des auseinandergerissenen Dichters« (disiecti membra poetae) erkenne. Weitere Werke des Ennius sind: 1. Epicharmus, ein phi losophisches Lehrgedicht, in dem der sizilische Lustspiel dichter und Philosoph Epicharmos (um 500 v. Chr.), an geblich ein Pythagoreer, seine Ansichten über die Entste hung der Welt, die vier Elemente und die Erschaffung des Menschen darlegt. 2. Euhemerus oder Sacra historia, eine Bearbeitung der »Heiligen Urkunde« (hiera anagraphe) des Philosophen Euhemeros aus Agrigent (um 340-260 v. Chr.), der in die sem Werk die griechische Götterwelt rationalistisch als Heroisierung bedeutender Menschen erklärte. 3. Hedyphagetica (Delikatessen), die (zum Teil freie) Übertragung eines Gedichtes des Archestratos von Gela (Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr.) über gastronomische Fi nessen aus aller Herren Länder. 4. Protrepticus oder Praecepta, wohl ein Aufruf zu phi losophischer Lebensführung, vielleicht in Form von Sen tenzen oder Aphorismen. 5. Sota, benannt nach dem Dichter Sotades aus Thrakien (um 250 v. Chr.), der Dichtungen unterhaltender und spöt tischer Art in einer Umbildung des iambischen Tetrameters (metrum Sotadeum) verfasste. Es handelte sich um eine bunte Sammlung von Anekdoten, Schwänken, Fabeln u.Ä. 6. Epigramme. Einige berühmte Epigramme des Ennius sind erhalten. Auch hier war der Dichter bahnbrechend, indem er das elegische Distichon in Rom einführte. 7. Saturae (Satiren) in vier Büchern. Unter diesem Titel fasste Ennius Gedichte verschiedenen Inhaltes und ver-
Sprache und Darstellung
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schiedener Metren zusammen, die zur Erheiterung, Beleh rung, Aufklärung bestimmt waren. Einzelne Stücke waren Dialoge; namentlich wird von einem Streitgespräch zwi schen Leben und Tod berichtet. Auch Fabeln (von da an eng mit der Satire verbunden) fanden sich in diesen Sati
ren.
Sprache und Darstellung
Die Sprache des Ennius wurde von R. Frobenius nach For menlehre (Dillingen 1 907) und Syntax (Tübingen 1 9 1 0) untersucht; später traten die Grammatica Enniana von N. Catone (Florenz 1 964) und die Arbeit von J. Unter mann (>>Entwürfe zu einer Enniusgrammatik«, in: Ennius, hrsg. von 0. Skutsch, Vandreuvres/Genf 1 972, S. 209-2 5 1 ) hinzu. Ennius hat Sprache und Stil des römischen Epos, ja überhaupt eine neue Literatursprache geschaffen, die für eine Vielzahl von Themen und Gegenständen geeignet (multiformis) war. Dabei hielt er sich an die gehobene latei nische Umgangssprache seiner Zeit, die ihrerseits mit Spruchdichtung, Gesetzesformeln, Wortspielen, Rätselwit zen angereichert und selbstverständlich auch rhetorischen Mitteln nicht abgeneigt war. Zudem bestand damals schon ein erheblicher Einfluss griechischer Sprach- und Kultur güter in Rom. Für die epische Dichtung strebte Ennius nach Höhe und Pathos, wozu er archaische Wörter und Wendungen ver wandte, griechische Fremdwörter, Alliterationen, Lautma lerei (Assonanzen) usw. Hier mischt sich lateinische Sprachfreude mit hellenistischem Barock und rhetorischer Kunst. Neu gebildete Wörter entsprechen homerischen Beiwörtern (altitonans), Lautmalereien übertreiben grie chische Vorbilder (0 Tite tute Tati tibi . . . ). Archaismen wirken eindringlich (Lunai für Lunae; induperator), eben-
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Einleitung
so Metaphern (jlavum marmor für Meer), Homoioteleuta (merentes, flentes) und sonstige Wort- und Klangfiguren.
All dies ist bei Ennius verbunden mit einer starken Fähig keit, das Charakteristische eines Vorgangs bis in die feins ten Züge sprachlich aufzunehmen und dafür reiche Aus drucksmittel zu finden. Daher gebraucht Ennius nicht für die Epik typische, formelhafte Adj ektive, sondern »beson dere«, die oft von großer Farbigkeit sind. Der später geäu ßerte Vorwurf, er verfahre unkünstlerisch (arte rudis), ist daher ganz abwegig. Neu ist auch die Art, in der der Dichter Griechisches für den Leser übersetzt (vento quem perhibent Graium genus aera lingua). Zudem bietet Ennius bereits volle, gerundete Satzperioden, die freilich noch nicht an die kunstvollen Gebilde Ciceros heranreichen. Durch die Einführung des Hexameters stellt Ennius sei ne Annalen neben die großen Leistungen der griechischen Epik. Er lehrt seine Landsleute, die Kürzen und Längen der Laute genau zu hören, führt auch die doppelte Zeit dauer eines kurzen Vokals vor zwei Konsonanten streng durch. Da aber der Daktylus im lateinischen Sprachgut nicht so häufig ist, bedurfte es mancher Neubildung, syn taktischer Kühnheiten, Gräzismen (z. B. homerischer Ge nitive auf -oio), um hier Abhilfe zu schaffen. Dazu gehört die Verwendung des Plurals (corpora) statt des Singulars usw. Auffällig ist im ennianischen Hexameter auch (beson ders im Vergleich mit dem griechischen Hexameter) die entschiedene Bevorzugung der männlichen Caesur des dritten Fußes gegenüber der weiblichen, ebenso die Häu fung von Längen. Doch fehlt es dem Dichter keineswegs an Schwung und Glanz der Sprache, auch nicht an Monu mentalität. Monumental war sein Werk, das im Titel (Annales) an die alten Priester-Chroniken anknüpfte, in Wahrheit aber ein römisches National-Epos werden sollte. Ennius be schreibt die Gesamtgeschichte Roms (res Romana) und
Sprache ttnd Darstellttng
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schafft als »Zweiter Homer« eine römische !Lias, in der er die alten Sitten und Helden Roms darstellt, und dies (wohl nach hellenistischem Vorbild) in einem mächtigen Gesamt werk, das in Aufbau und Durchführung hohe Kunst verrät. Das Hauptthema der Annalen sind römische Virtus und die Taten und Leiden römischer Männer. So werden histo rische Personen ins Rampenlicht gerückt, wobei die Span nung zwischen dem großen Individuum und dem römi schen Volk spürbar werden kann. Aber auch Frauen und Menschen geringeren sozialen Ranges stellt Ennius gern dar. Ebenso gestaltete Ennius die römische Tragödie aus. Die erste lateinische Tragödie wurde bei den Ludi Romani des Jahres 240 v. <;:,hr. von Livius Andronicus aufgeführt (ver mutlich eine Ubersetzung aus dem Griechischen). Später fanden Theateraufführungen an Götterfesten statt, hierzu baute man die griechische Bühne nach, doch mit dem Un terschied, dass der runde Platz vor der Bühne (Orchestra; Raum für den Chor) in Rom zum Teil von Zuschau errei hen eingenommen wurde. Im römischen Drama trat näm lich der Chor zurück und wurde durch Sing- und Speech partien einzelner Schauspieler ersetzt. In manchen Tragö dien freilich behielt man den Chor weiterhin bei; so kennt die Medea des Ennius einen Chor korinthischer Frauen ebenso wie das übersetzte gleichnamige Stück des Euripi des. Bei Ennius nahmen die Sprechverse (diverbia; iambi sche Senare bzw. Trimeter) insgesamt etwa ein Drittel des ieweiligen Tragödientextes ein. Der Rest bestand aus ge sungenen Stücken (cantica, Monodien) und aus Texten, die zur Flöte rezitiert wurden. Masken für Schauspieler kamen übrigens erst zur Zeit des Terenz (um 1 90 - nach 1 60 v. Chr.) auf. Fast die Hälfte aller Tragödien des Ennius gehört dem troianischen Sagenkreis an (u. a. Alexander, Iphigenia, Te ,·ephus, Andromacha). Deutlich folgte Ennius vielfach Eu :-ipides, der damals auf griechischen Bühnen dominierte; er
16
Einleitung
fühlte sich zur grübelnden Dialektik und zum reichen Empfindungsleben des Griechen hingezogen. Die Beh�dlung der Vorlagen war bei Ennius zum Teil wörtliche Ubertragung, zum Teil nur eine Paraphrase des Sinnes, teils zusammenfassend, teils verbreiternd. Der Dia log bot Erörterungen allgemeiner Lebensfragen oder Aus führungen zum Verhältnis von Herr und Sklave, Hoch und Niedrig usw. Auch Naturphilosophisches (Zeus - Aether) wurde (wie bei Euripides) behandelt. Gelegentlich erfolgten stärkere dramatische und metri sche Eingriffe; so ließ Ennius in seiner Iphigenia an Stelle des euripideischen Jungfrauenchors einen (besser passen den) Soldatenchor auftreten, der wohl Septenare sprach, wie auch die Medea des Ennius in gesprochenen Szenen öfter den (vom Aulos begleiteten) Septenar aufweist als den Trimeter des Euripides. Ennius schuf für seine Tragödien eine Sprache, die ähnli che Pracht wie sein epischer Hexameter und natürliche Stärke besaß. Wortspiele, Antithesen, weitere rhetorische Figuren dienten dem Schmuck, dazu Alliteration, ja sogar der Reim. Auch der religiösen und juristischen Sprache wurden Elemente entlehnt. Hinzu traten die Fülle der Sen tenzen (die mart später sammelte) und (auch hier) der Ein fluss der zeitgenössischen Rhetorik, die der Verstärkung des Pathos diente. Besonders fällt dabei das Mittel der Alli teration auf. Trotz dieses Strebens nach Erhabenheit und Pathos scheint sich j edoch der tragische Stil des Ennius von der gehobenen römischen Umgangssprache nicht allzu weit zu entfernen. Insgesamt brachten die Tragödien dem römischen Publi kum die griechische Mythologie nahe, verbreiteten aber auch aufklärerisches Gedankengut und philosophische Re flexion. Das römische Publikum scheint zudem die Taten und Leiden der auftretenden Gestalten besonders beachtet zu haben (fortiter et facere et pati Romanum est; vgl. Livi us 2,1 2,9).
Nachwirkung Ausgaben ·
Ennius übte auf die spätere Literatur starken Einfluss aus, sowohl als Gestalter des nationalen Großepos wie als Schöpfer des neuen epischen Verses und einer literarischen Sprache. Zudem schuf er die römische Satire und führte philosophische Literatur in Rom ein. »Historia Ennii« hat J. Vahlen einen bedeutenden Teil seiner Ennius-Ausgabe überschrieben, in dem er u. a. die Nachwirkung des Ennius darstellt (vgl. auch die Annalen Ausgabe von 0. Skutsch, S. 1 0 f.). Ennius selbst nannte seinen vollen Namen gelegentlich in einem Akrostichon: Quintus Ennius fecit, ließ sich auch in einer Satire (B eschreibung eines Gastmahls ? Frg. Sat. 6) als Dichter ansprechen und verfasste als Greis eine In schrift für sein eigenes Bild (Frg. Var. 1 5). Ein erster Nachahmer erstand Ennius in seinem Neffen M. Pacuvius (220 - um 130 v. Chr. ), sowohl in der Tragödie wie auch in einem Werk Satira mit verschiedenen Gedich ten. Einige Zeit nach dem Tod des Ennius hatte Q. Vargun teius großen Erfolg mit öffentlichen Vorlesungen aus den Annalen. Auch studierte L. Coelius Antipater (2. Jahrhun dert v. Chr.) für sein historisches Werk Bellum Punicum die Annalen des Ennius. Einen Lobpreis auf den Dichter ent hält sodann im 1 . Jahrhundert v. Chr. das Werk des Lukrez ( 1 , 1 1 2 f.). Dieser verwendet den Eingang der ennianischen Annalen mit der Homer-Erscheinung zu einer Diskussion über Wesen und Schicksal der Seele. Die Prädikation »Un ser Ennius« beweist dabei, dass der Dichter damals hoch geschätzt war. Lukrez ahmt auch sonst Ennius häufig nach. Selbst Catull verwendet gelegentlich ennianisches Gut, um sich davon abzusetzen. Wie verbreitet das Werk des Ennius im 1 . Jahrhundert v. Chr. war, zeigt auch ein Zitat aus den Annalen (ut ait Ennius: nostri cessere parumper; Frg. Ann. 587) im eher volkstümlichen (anonymen) Bellum Hispani ense (23,3 ).
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Einleitung
Große Verdienste um Ansehen und Überlieferung des Ennius erwarb sich der Gelehrte und Dichter M. Terentius Varro (1 1 6-27 v. Chr.), der in seinen Menippeischen Satiren Ennius vielfach nachahmte und in seinem Werk De lingua Latina (um 43) häufig aus (fast) allen Werken des Ennius Verse anführte. Mit gleicher Vorliebe las, zitierte und lobte Cicero die Werke des Ennius, so dass wir besonders durch Cicero (sogar aus Reden und Briefen) viel ennianisches Gut besitzen, das sonst verloren wäre. Wir lernen so, dass Ennius damals ein viel gelesener und bekannter Autor war. Auch die Tragödien wurden häufig aufgeführt, so dass Ci cero oft nur andeutungsweise zitieren muss. Gelegentlich gibt Cicero sogar eine gewisse Interpretation von Stellen aus Ennius (vgl. Tusc. 3,44; Nat. deor. 3,65). Unter Kaiser Augustus (3 1 v. Chr. - 1 4 n. Chr.) genoss Ennius nicht mehr das frühere Ansehen. Die neue Poetik verlangte Feinheit, Forrnvollendung, Anspielungsreichturn und vermisste diese Eigenschaften bei dem kernhaften En nius. Horaz jedoch erkannte - bei Einwänden im Einzel nen - Kunst und Leistung des Dichters an (Sat. 1 ,4,60; Ars 48 f.; Carm. 4,8, 1 3 u. ö.), übernahm auch mehreres von ihm (z. B . Carm. 1 ,2,1 7 f.). Wie sehr auch Vergil Ennius schätzte und wie viel er (be sonders aus den Annalen) in seine Aeneis übernahm, ist durch Zeugnisse seines Kornmentators Servius und beson ders durch die erläuternde Leistung des Macrobius in sei nen Saturnalien ebenso belegt wie durch moderne Unter suchungen (besonders von E. Norden in seinem Werk En
nius und Vergil).
Auch Properz weist gelegentlich auf Ennius hin (3,3); Ovid stellt ihn unter Roms große Dichter (Am. 1 , 1 5,19), vermisst aber Feinheit in seiner Kunst (Trist. 2,425 Ennius ingenio maximus arte rudis). Auch erinnert das 14. Buch der Metamorphosen in seiner Kornposition an das erste en nianische Annalen-Buch. Livius (59 v. Chr. - 1 7 n. Chr.) berücksichtigte in seiner
Nachwirkung· Ausgaben
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Geschichtsdarstellung mehrfach die Annalen des Ennius, freilich ohne wörtliche Übernahmen, die nicht zum Stil der Historie passen. Der augusteischen Zeit gehört auch der bedeutende Gelehrte Verrius Flaccus an, in dessen Haupt werk De verbarum significatu vieles aus Werken des Enni us zitiert wurde. In der Folgezeit verloren die Schriften des Dichters an Wertschätzung und galten als eher roh. Seneca etwa hält wenig von ihnen (Epist. 58,5), und Persius (Prolog) spottet über den Eingang der Annalen. Unter Domitian (91-96 n. Chr.) erfuhr Ennius hingegen viel Lob in den Punica des Silius Italicus (1 2,393 f.), wo Apollo besonders den Dichter der Annalen preist. Statius erwähnt den Dichter (Silv. 2,7,75), und Quintilian sagt ( 1 0, 1 ,88): »Den Ennius wollen wir verehren wie einen durch sein Alter ehrwürdigen Hain. « In der Folgezeit sank das Ansehen des Ennius wieder; im Dialogus des Tacitus wird er nicht einmal genannt. Kai ser Hadrian (1 1 7-1 3 8 n. Chr.) zog Ennius hingegen dem Vergil vor, und in den Zeiten der Antonine ( 1 3 8-1 80 n. Chr.) gewann sogar eine archaisierende Bewegung Raum, die da zu führte, dass Enniuswieder geschätzt, gelesen und zitiert wurde, so bei Apuleius (ApoL 39 und sonst) und besonders in den Briefen des Archaisten Fronto an römische Kaiser. Ebenso bezeugt der Antiquar Aulus Gellius (2. Jahrhun dert n. Chr.) in seinen Attischen Nächten die damalige Be liebtheit des Ennius. Wir verdanken Gellius mehrere, sonst nicht erhaltene Fragmente. Erst wieder das 4. Jahrhundert n. Chr. liefert uns Zitate, besonders das grammatische Sammelwerk De compendiosa doctrina des Nonius Marcellus; dieser scheint aus den Wer ken des Dichters selbst geschöpft zu haben, und auch ihm verdanken wir einiges, sonst verlorenes Gut. Von hohem Wert sind (bereits im 5. Jahrhundert) die Saturnalien des Macrobius, in denen Ennius gegen den (eher ablehnenden) Zeitgeschmack verteidigt wird. Macrobius kennt Ennius
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Einleitzmg
(aus erster Hand?) und vergleicht ihn nach mehreren Ge sichtspunkten mit Nachahmungen bei Vergil. Inwiefern der Dichter Claudius Claudianus (um 400 n. Chr.) Ennius nachahmt, ist umstritten, und weder Hie ronymus noch Augustinus werden ein Werk des Ennius gelesen haben, der nun weitgehend in Vergessenheit gerät. Eine rühmliche Ausnahme bildet der Grammatiker Pricia nus {5./6. Jahrhundert), der in seinen Werken Ennius mit genauen Angaben zitiert; wir verdanken ihm eine nicht ge ringe Anzahl von Fragmenten. Als letzter antiker Schrift steller sei Isidor von Sevilla {570-636) genannt, der Ennius noch zitierte (besonders in seinen Origines). Im Mittelalter ist Ennius nur ein (geachteter) Name; al lerdings verdanken wir dieser Zeit drei sonst nicht überlie ferte Annalen -Verse {1 70.222.274). Erst die Renaissance fand wieder Zugang zu dem Dichter, und hier ist beson ders Petrarca führend, dessen Ennius-Bild im 9. Buch des Epos Africa W. Suerbaum erläutert hat. Petrarca lässt dort Ennius sogar als handelnde Person auftreten und schildert sein Verhältnis zu Scipio Africanus Maior. Die entstehende Altertumswissenschaft widmete sich nun der Sammlung und Ordnung der Fragmente. 1 492 hatte bereits J. Badius Ascensius Frg. Ann. 234-251 (»Vom guten Gefährten<<) in seinen Silvae mora/es aufgeführt. Das Verdienst der ersten Sammlung von Fragmenten des Enni us gebührt R. Stephanus und H. Stephanus, die im Jahr 1 564 Fragmenta poetarum veterum, quorum opera non ex stant im Druck herausgaben. Ihnen folgte Hieronymus Columna (Colonna), der 1 590 in Neapel eine eigene Enni us-Sammlung erstellte, die Fragmente sinnvoll ordnete und einen Kommentar beigab. Es gab auch besondere Samm lungen für die Tragödien: M. Antonius Delrius (Del Rio), Syntagma tragoediae Latinae (Antwerpen 1 593), und für die Annalen: P. Merula, Q. Enni .. . Annalium libri XVIII (Leiden 1 595; in diesem Werk finden sich Verse, die sonst nicht überliefert sind und deren Echtheit auf schwachen
Nachwirkung· Ausgaben
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Füßen steht). Später folgte eine verdienstvolle Sammlung aller Fragmente von P. Scriverius (Leiden 1 620) und eine Neuausgabe der Colonna-Edition mit zusätzlichen Erläu terungen und einem Ennius-Index von F. Hesse! (Amster dam 1 707). Auch die Merula-Edition erfuhr eine Neuaus gabe (Leipzig 1 825 ); ebenso wurden die Tragödienfrag mente weiter bearbeitet (1 834). Im Jahr 1 852 erhielt]. Vahlen den Preis der Universität Bonn für seine eingereichte Arbeit, eine kritische Ausgabe der Annalen Fragmente, die unter dem Titel Quaestio nes Ennianae criticae 1 852 erschien, während indes (1 852) 0. Ribbeck die Fragmente der römischen Tragiker edierte. Im Jahr 1 854 erschien dann Vahlens Gesamtausgabe Enni anae Poesis Reliquiae, der zahlreiche Einzelabhandlungen folgten. Mit Vahlen konkurrierte L. Müller in seinen Q. Ennii carminum reliquiae (St. Petersburg 1 8 84). Vahlens Edition erschien 1 903 in zweiter und 1 928 in dritter (un veränderter) Auflage; sie bildet bis heute die Grundlage ei nes Studiums des gesamten erhaltenen Enniuswerkes . Die Annalin -Fragmente gab L. Valmaggi neu heraus (Turin 1 900, Nachdr. 1 962); eine Auswahl aus allen Enni us-Fragmenten bot E. Diehl (Bonn 1 9 1 1 , 61 967). Eine wei tere Annalen- Ausgabe erfolgte durch E. M. Steuart ( Cam bridge 1 925, reprogr. Nachdr. Bildesheim [u. a.] 1 976). Die Fragmente der römischen Tragiker edierte 0. Rib beck in dritter Auflage (Leipzig 31897), ebenso die der Ko miker (Leipzig 31 898, reprogr. Nachdr. Bildesheim 1 978). Eine lateinisch-englische Ennius-Gcsamtausgabe bot E. H. Warmington (London 1 935, verb. Auf!. 1961, Nach dr. 2006). Weitere Gesamtausgaben stam�en von M. Segu ra Moreno (Madrid 1 984; mit spanischer Ubersetzung) und von A. Traglia (Poetae latini archaici I, Turin 1 986). Die Fragmente der Annalen und der Tragödien edierte J. Heur gon (Paris 1 95 8). Ein neuer Annalen-Kommentar von E. Flores und anderen ist seit 2000 (Neapel 2000 ff.) im Entstehen. -
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Einleitung
Die wichtigsten Grundlagen einer Beschäftigung mit Ennius sind außer der Ausgabe von J. Vahlen der Annalen Kommentar von 0. Skutsch ( The Annals of Q. Ennius, ed. with Introduction and Comment, Oxford 1 985, Nachdr. 1 986) und der Tragödien-Kommentar von H. D. Jocelyn (The Tragedies of Ennius, Edition with Comment, Cam bridge 1 967, 21 969). Die Fragmente der »kleinen« Werke des Ennius bietet E. Bolisani, Ennio Minore (Padua 1935; Text, italienische Übersetzung, Kommentar). Eine deut sche Ennius-Ü bersetzung stammt von R. Engelsing (Berlin 1983).
Fragmente
Annales Jahrbücher
Die Annalen umfassten 18 Bücher. Der Titel besagte, dass eine (rühmende) Dichtung über Roms Gesamtgeschichte gegeben werde. Die Bucheinteilung stammte von Ennius selbst (das 12. Buch schrieb er in seinem 67. Lebensjahr), und die einzelnen Bücher umfassten vielleicht 1 500 bis 1800 Ver se. Daraus ist abzunehmen, wie riesig das Gesamtwerk einst war. Es war in 6 Triaden gegliedert: Buch 1-3: Königszeit; Buch 4-6: Eroberung Italiens; Pyrrhuskrieg; Buch 7-9: Pu nische Kriege; Buch 10-12: Eroberung Griechenlands; Buch 13-15: Syrischer Krieg; Triumph des Fulvius Nobilior über die Aetoler; Buch 16-18: die Kriege bis (etwa) 171 v. Chr.
Annalium liber I Buch 1
(Exordium. Vorspruch)
In der Einleitung ruft Ennius als NachahmeT Homers pro grammatisch die Musen an. Auch an die Dichterweihe zu Beginn von Hesiods Erga wird erinnert. Ann. 1 V (1 Sk) [Varro LL 7,1 9; vgl. Horn. Il. 2,484] Musae quae pedibus magnum pulsatis Olympum Musen, die ihr im Tanz den großen Olympus stampft Fragment 3 bezieht sich in unklarem Zusammenhang auf den Ruhm von Taten und Dichtungen; poemata des Ennius 'iilaren also schon vor Abfassung seiner Annalen bekannt, etwa der Scipio.
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Fragmente
Ann. 3 V ( 1 2 Sk) [GLK 4,23 1 , 1 6] Nam latos populos res atque poemata nostra . . . cluebant Weit zu den Völkern gelangte der Ruhm unsrer Taten und Lieder Nun wird (in Erinnerung an die Aitia des Kallimachos, vielleicht auch an Herodas?) der Traum berichtet, in dem Homers EidoZon auf dem Helikon oder Parnass dem (dort hin träumend entrückten) Dichter erschien (»Dichterwei he«; vgl. Lucr. 1,1 12f; Prop. 3,3,1f; Pers. Prol. Jf). Ann. 5 V (2 Sk) [Front. 4,12,4] Somno leni placidoque revinctus . . . in sanftem, ruhigem Schlummer befangen Ann. 6 V (3 Sk) [Cic. Acad. pr. 2,5 1 ; vgl . Cic. Rep. 6,10] Visus Homerus adesse poeta . . . schien mir der Dichter Homer entgegenzutreten Homer erklärt Ennius, seine eigene Seele sei in ihn überge gangen (vgl. Anthol. Pa!. 1,75 über Stesichoros), nachdem sie zuvor in einem Pfau Wohnung genommen hatte (Seelen wanderung; der Pfau war der Vogel von Samos, der Heimat des Pythagoras). So bekundet Ennius seinen Anspruch, gro ße griechische Dichtung nach Rom zu übertragen. - Homer scheint die Seelenwanderung (wohl nach Epicharmos) nä her zu erläutern; Ennius war mit dieser pythagoreischen Lehre wohl vertraut (vgl. auch Lucr. 1,120f). Ann. 10 V (8 Sk) [Varro LL 5,59; vgl. Diomed. 1 ,383;
Epicharm Frg. 4 D] Ova parire solet genus pennis condecoratum Non animam: [et] post inde venit divinitus pullis Ipsa anima
Annales
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Eier nur pflegt das federngeschmückte Geschlecht zu erzeugen, Nicht die lebendige Seele, und daher erhalten die Küken Später erst vom Himmel Seele und Leben
Ann. 13 V (7 Sk) [Varro LL 5,60] terraque corpus Quae dedit ipsa capit neque dispendi facit hilum und die Erde selbst nimmt den Leib, Den sie schenkte, zurück und vergeudet nicht das Geringste.
Ann. 1 5 V (1 1 Sk) [Charis. 1 ,98; Don. zu Ter. Andr.
2,5,1 8] . . . memini me fiere pavum . . . und ich weiß noch, wie ich ein Pfau war
Mit Fragment 16 beschließt Ennius die Beschreibung seines Traumes, indem er den Ort angibt, an dem er seine Dich terweihe erlebte (vgl. Suerbaum, Mnemosyne, 1965, S. 337f). Es ist dies der heutige Ort Luna in der Nähe von La Spezia. Ann. 16 V (Op. Inc. 1 Sk) [Pers. 6,9 und Schol.] Lunai portum, est operae, cognoscite, cives. Sucht den Mondhafen auf, Mitbürger, die Mühe lohnt sich ! Von Aeneas bis zum Tod des Romulus; die Fragmente 18-32 sind Aeneas gewidmet (gleicher Ausgangspunkt wie bei Naevius). Zuerst rät der alte Anchises, (das brennende) Troia zu verlassen.
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Fragmente
Ann. 1 8 V ( 1 5 Sk) [Probus in Verg. Buc. 6,3 1] Doctusque Anchisesque Venus quem pulchra dearum Fari donavit, divinum pectus habere Auch der kluge Anchises, dem Venus, die schöne Göttin, Sehergabe verlieh und ein Herz voll prophetischer Weisheit
Später scheint Venus zu den Ihren zu treten und ihnen das künftige Schicksal in Italien zu verkünden. Ann. 22 V ( 1 9 Sk) [Fest. 386 L; vgl. Horn. Il. 1 8,388] Constitit inde loci propter sos dia dearum Dort nun trat die herrliche Göttin neben die Ihren Sodann wird das alte Italien beschrieben und als Saturni sches Land vorgeführt. Ann. 23 V (20 Sk) [Macrob. Sat. 6,1 ,1 1 ; vgl. Verg. Aen.
1 ,530] Est locus Hesperiam quam mortales perhibebant Dort ist ein Land, das die sterblichen Menschen Hesperien nannten,
Ann. 24 V (22 Sk) [Varro LL 7, 28; vgl. Cic. Tusc. 1 ,2 7] Quam prisci casci populi tenuere Latini Das die frühen Latiner, uralte Völker, bewohnten. Ann. 26 V (23 Sk) [Non. 1 97,2; Charis. 1 ,72] Quem Caelus genuit
Saturno
Dem Saturn, den Caelus erzeugte,
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Aeneas trifft dort den König von Alba, der - wie auch Ae neas - den Atlas zu seinen Ahnen zählt. Sie schließen einen
Vertrag (Alba war bei Ennius lange vor Ankunft des Aene as erbaut). Ann. 29 V (27 Sk) [Macrob. Sat. 6,1 ,9] Qui caelum versat stellis fulgentibus aptum (Atlas,) Der den Himmel dreht, den mit funkelnden Sternen geschmückten, Ann. 32 V (32 Sk) [Macrob. Sat. 6, 1 ,13] (Latinus zu Ae neas:) Accipe daque fidem foedusque feri bene firmum Nimm und gib das Versprechen und schließe ein dauerndes Bündnis!
Die Fragmente 35-55 berichten von Ilia, der Tochter des nun bereits verstorbenen Aeneas von seiner Gattin Eurydi ca. Ilia wird von Mars schwanger und gebiert zwei Söhne, Romulus und Remus. Diese Nachkommenschaft verkün det ihr Aeneas im folgenden Traum, den Ilia (in Anlehnung an griechische Dramen und hellenistisches Pathos) ihrer Schwester erzählt, nachdem eine eifrige alte Dienerin (ihre Amme?) Licht gebracht hat (vgl. Aischyl. Choeph. 535f. zum Erwachen Klytaimnestras). Ann. 35-5 1 V (34-50 Sk) [Cic. Div. 1,40.41; vgl. Serv. Aen. 6,777] Et cita cum tremulis anus attulit artubus lumen. Talia turn memorat lacrimans exterrita somno: 'Eurydica prognata, pater quam noster amavit, Vires vitaque corpus meum nunc deserit omne. Nam me visus homo puleher per amoena salicta Et ripas raptare locosque novos: ita sola Postilla, germana soror, errare videbar
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Tardaque vestigare et quaerere te neque posse Corde capessere: semita nulla pedem stabilibat. Exim compellare pater me voce videtur His verbis: "o gnata, tibi sunt ante gerendae Aerumnae, post ex fluvio fortuna resistet." Haec effatus pater, germana, repente recessit Nec sese dedit in conspectum corde cupitus, Quamquam multa manus ad caeli caerula templa Tendebam lacrumans ac blanda voce vocabam. Vix aegro cum corde meo me somnus reliquit. '
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so
Rasch trug die Alte mit zitternden Händen ein Licht in 35 die Kammer. Ilia sprach, aus dem Schlaf geschreckt und weinend, die Worte: ,. Tochter Eurydicas, die unser Vater so liebte, Kraft und Leben entschwinden nun ganz meinem Körper. Schien mich doch ein herrlicher Mann zu reizendem Buschwerk Zu entführen, zu nie gesehenen Ufern und Fluren; 40 Dann aber meinte ich, liebe Schwester, umherzuirren, Taumelnd nach dir zu suchen, doch dich nicht finden zu können, War doch nirgends ein Pfad, um meine Schritte zu lenken. Nun aber schien mir der Vater mit lauten Worten zu sprechen: >Liebe Tochter, du musst zuvor viele Drangsal erdulden; Dann erst wird aus dem Fluss ein neues Glück dir erstehen.< 46 Nach dieser Botschaft, Schwester, entschwand mir plötzlich der Vater, Zeigte sich auch, so sehr ich mich sehnte, nicht wieder den Blicken, Mochte ich oft auch die Hände zum blauen Himmelsgewölbe
Annales Heben und unter Tränen mit Schmeichelworten ihn rufen. Kaum mehr konnte ich, das Herz voll Kummer, erwachen.«
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so
Ilia gebiert, von Mars geschwängert, Zwillinge. König Amulius will die sündige Vestalin in den Anio stürzen,
doch auf ihre Bitte erscheint Venus und tröstet Ilia (worauf sich diese in den Fluss gleiten lässt). Ihre Kinder, Romulus und Remus, werden ausgesetzt. Ann. 52 V (58 Sk) [Non. 378,1 8] (Ilia:) Te, sale nata, precor, Venus, et genetrix patris nostri, Ut me de caelo visas, cognata, parumper. Venus, Tochter des Meers und Mutter des Vaters, ich bitte Dich, die Verwandte, vom Himmel ein wenig nur auf mich zu sehen.
Ann. 5 5 V (60 Sk) [Charis. 1 ,90; Explan. in Don. GL 4,563; Non. 2 1 5,8] (Venus:) Ilia, dia nepos, quas aerumnas tetulisti. Herrliche Enkelin Ilia, welche Drangsal hast du erduldet !
Die Fragmente 62-99 erzählen die Sage von Romulus und Remus. Zuerst eine Götterversammlung (62), in der Iupiter (Mars, den Vater der beiden, anredend) den Aufstieg nur des Romulus verkündet (65). Sodann folgt das Augurium auf dem Aventin (Romulus befindet sich oben, Remus wei ter unten am Remuriafelsen). Gründung der Stadt Rom
auf dem Palatin (77-99) und der für Remus tödliche Streit der beiden Brüder, als Remus spottend über die Mauer des Romulus springt.
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Fragmente
Ann. 62 V (240 Sk) [Mart. Capella 1 ,42; Apul. Socr. 2,23] ( Götterversammlung:) Iuno, Vesta, Minerva, Ceres, Diana, Venus, Mars, Mercurius, Iovis, Neptunus, Vulcanus, Apollo Iuno, Vesta, Minerva, Ceres, Diana, Venus, Mars, Merkur, lupiter, auch Neptun, Vulkan und Apollo.
Ann. 65 V (54 Sk) [Varro LL 7,5; vgl. Ov. Met. 1 4, 8 1 4; Fast. 2,487] (Iupiter zu Mars:) Unus erit quem tu tolles in caerula caeli Templa Einer nur wird es sein, den du zu den blauen Räumen Einst des Himmels entrückst.
Ann. 77 f. V (72 f. Sk) [Cic. Div. 1 , 1 0 7 f.] Curantes magna cum cura turn cupientes Regni dant operam simul auspicio augurioque. Remus auspicio se devovet atque secundam SoJus avem servat. At Romulus puleher in alto Quaerit Aventino, servat genus altivolantum. Certabant urbem Romam Remoramne vocarent. Omnibus cura viris uter esset induperator. Expectant, veluti consul cum mittere signum Volt, omnes avidi spectant ad carceris oras, Quam mox emittat pictis e faucibus currus, Sie expectabat populus atque ore timebat Rebus, utri magni victoria sit data regni. lnterea sol albus recessit in infera noctis . Exin candida se radiis dedit icta foras Iux Et simul ex alto Ionge pulcherruma praepes Laeva volavit avis. Simul aureus exoritur sol, Cedunt de caelo ter quattuor corpora sancta Avium, praepetibus sese pulchrisque locis dant. Conspicit inde sibi data Romulus esse priora, Auspicio regni stabilita scamna solumque.
so
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Sorgend mit großer Sorge und voll Begier nach der Herrschaft Wenden beide zugleich viel Mühe auf Vögel und Zeichen. Remus vertraut der Vogelschau und erwartet einsam 80 Einen günstigen Vogel. Der schöne RÖmulus aber Späht vom Aventin nach dem Volk hochfliegender Vögel, Stritten sie doch, ob die Stadt Rom oder Remora zu nennen. Alle Männer sorgen sich, wer die Herrschaft erringe, Schauen voller Erwartung, wie wenn der Konsul das Zeichen Geben will und alle gespannt auf die Startschranken blicken, 85 Ob j ener bald die Wagen den bunten Toren entsendet. So erwartet das Volk mit besorgter Miene den Ausgang, Wem von beiden der Sieg im Kampf um die Herrschaft vergönnt sei. Indes tauchte die Sonne hinab in nächtliche Tiefe. Doch dann erschien weißes Licht, von Strahlen der Sonne getroffen; 90 Zugleich kam von oben der schönste, günstige Vogel, Flog zur Linken vorbei. Zugleich erschien golden die Sonne, Und vom Himmel kamen dreimal vier heilige Vögel, Nahmen sodann die Richtung zu schönen, günstigen Orten. 95 Romulus sah daraus, dass ihm die Vögel den Vorrang, Herrschaft über Thron und Land endgültig verliehen. ·
Ann. 99 V (94 Sk) [Macrob. Sat. 6,1 , 1 5 ; Serv. Dan. Aen. 9,420] (Romulus:) ::-.J"ec pol homo quisquam faciet impune animatus Hoc nisi tu: nam mi calido das sanguine poenas.
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Fragmente
Kein Verwegner, beim Pollux, darf straflos so handeln, auch du nicht, Denn mit warmem Blut wirst du nun Strafe mir zahlen. König Romulus befiehlt später den Raub der Sabinerinnen, schließt dann aber Frieden mit dem Sabinerkönig Titus Ta tius; der nun folgende Vers ist unklar (vielleicht spricht Ro
mulus über einen Bruch des Völkerrechtes durch Titus Ta tius und über dessen Ermordung durch die Laurenter; Liv. 1,14). Ann. 1 09 V ( 1 04 Sk) [Prise. 2,591 ; Pomp. GL 5,303; Rhet. Her. 4,1 8] 0 Tite tute Tati tibi tanta tyranne tulisti. 0 Titus Tatius ! Zu viel nahmst du, Tyrann, dir heraus ! Romulus wird am Ende seines Lebens durch Iupiter in den Himmel entrückt; die Bürger preisen ihn:
Ann. 1 1 0 V (105 Sk) [Cic. Rep. 1 ,64; Lact. lnst. 1 , 1 5,31] Pectora . . . tenet desiderium, simul inter Sese sie memorant: '0 Romule, Romule die, Qualern te patriae custodem di genuerunt! 0 pater, o genitor, o sanguen dis oriundutn! Tu produxisti nos intra luminis oras.' Tiefe Sehnsucht erfüllt ihre Herzen, und zugleich sprechen Sie unter sich: »0 Romulus, Romulus, herrlicher König! Welchen Hüter der Heimat erschufen in dir die Götter! Vater du, Erzeuger, o Blut, den Göttern entsprossen ! Du hast empor uns geführt in weite Räume des Lichtes. «
Annales
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Ann. 1 1 5 V (1 1 0 Sk) [Serv. Aen. 6,763; Cic. Tusc. 1 ,28; CIL 4,3 1 35] (Vermutlich berichtet Iulius Proculus in der Volksversammlung über eine Erscheinung des entrück ten Romulus; vgl. Liv. 1,16:) Romulus in caelo cum dis genitalibus aevum Degit. Romulus lebt im Himmel bei seinen göttlichen Ahnen Ewig.
Annalium liber li Buch2
Herrschaft des Numa Pompilius, Tullus Hostilius, Ancus Martius. In Buch 2 berichtet Ennius von der Sorge des Kö nigs Numa (7.1 5-672 v. Chr.) um Erhaltung seiner Einrichtungen.
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Ann. 125 V (1 1 9 Sk) [Fest. 1 52 L] Si quid me fuerit humanitus, ut teneatis Wenn mir was Menschliches zustößt, so sollt ihr erhalten . . . Sodann war (unter Tullus Hostilius, 672-640 v. Chr.) das Treffen der drei Horatier und Curiatier, die stellver :retend für die feindlichen Heere gegeneinander antraten, :m Entscheidungskampf zwischen Rom und Alba Longa :tm die Vormacht geschildert; vgl. Liv. 1,24f. - Vielleicht spricht der dritte Horatier, um sich vor seiner Schwester zu rechtfertigen, die einen der von ihm getöteten Curiatier :iebte.
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Fragmente
Ann. 1 3 3 V ( 1 32 Sk) [Prise. 2,504] Adnuit sese mecum decernere ferro Es war sein Wille, mit mir die Entscheidung im Schwertkampf zu suchen Mettius Fufetius, verräterischer »Dictator« von Alba Lon ga (Liv. 1,28f), wird hingerichtet; Geier fressen die Leiche (vgl. Gorg. Frg. 5 DK und Ps. -Longinus, Vom Erhabenen
3,2).
Ann. 1 3 8 V (125 Sk) [Prise. 2,206; vgl. Serv. Aen. 6,595] Vulturus in spinis miserum mandebat homonem. Heu quam crudeli condebat membra sepulcro. Tief in den Dornen verzehrte der Geier das arme Menschlein. Ach ! In wie grausamem Grab bestattete er dessen Glieder!
Wegen des Verrates des Mettius wird die Stadt Alba Longa zerstört. Die Schleifung der Stadt erfolgt bei rituellem TrompetenschalL Ann. 140 V (45 1 Sk) [Prise. 2,450; vgl. Serv. Aen. 2,3 1 3] At tuba terribili sonitu taratantara dixit. Doch mit schrecklichem Ton Taratantara« gellte die Tuba. »
Annalium liber III Buch3
Buch 3 erzählte die Taten der drei letzten römischen Köni ge (Tarquinius Priscus, 616-578 v. Chr.; Servius Tullius, 578-534 v. Chr.; Tarquinius Superbus, 534-510 v. Chr.) und die Errichtung der Republik. - Der Einzug des Tar quinius Priscus in Rom und das günstige Adler-Omen Iu piters dabei werden geschildert (vgl. Liv. 1,34): Ann. 1 46 V (146 Sk) [Non. 5 1 , 1 1] Olim d e caelo laevum dedit inclytus signum Damals gab ihm vom Himmel der ruhmreiche Herrscher ein Zeichen, Ann. 147 V (139 Sk) [Prob. Verg. Ecl. 6,3 1 ] E t densis aquila pennis obnixa volabat Vento quem p_erhibent Graium genus aera lingua. Und der Adler stemmte sich mit schlagenden Flügeln Gegen den Wind, den das Griechenvolk als aer bezeichnet. Ancus Martius übergibt Tarquinius Priscus die Herrschaft
vor seinem Tod.
Ann. 1 49 V (137 Sk) [Fest. 3 88; Paul. Festi 387; vgl. Lucr. 3,1 025] Postquam Iumina sis oculis bonus Ancus reliquit Als der gute Ancus die Augen dem Lichte verschlossen,
Ann. 150 V ( 1 3 8 Sk) [Fest. 386] Tarquinio dedit imperium simul et sola regni Hinterließ er Tarquinius Macht und Herrschaft im Lande.
Fragmente
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Lucretia hatte die Begierde des Sextus Tarquinius erregt, wurde von ihm entehrt und tötete sich mit einem Schwert. Die Folge war der Sturz des Tarquinius 510 v. Chr.; vgl. Liv. 1,57. Ennius schildert vielleicht, wie Lucretia ihre Unschuld beteuert: -
Ann. 1 5 9 V ( 1 45 Sk) [Macrob. Sat. 6,1 ,9] Caelum prospexit stellis fulgentibus aptum. Und sie sah zum Himmel, den strahlende Sterne schmücken.
Annalium liber IV Buch 4
Buch 4 und 5 umfassen die Zeit vom Ende der Königsherr schaft bis zur Ankunft des Königs Pyrrhus in Italien (510-280 v. Chr.). Buch 4 berichtete vom Galliersturm um
387 (oder 390) v. Chr. Das Fragment wird allerdings auch in Buch 7 angeordnet (Erinnerung an das fahr 387 bei den Gallierkriegen der fahre 225-222 v. Chr.). Ann. 1 64 V (227 Sk) [Macrob. Sat. 1 ,4, 1 7] Qua Galli furtim noctu summa arcis adorti Moenia concubia vigilesque repente cruentant Gallier schlichen dort in tiefer Nacht zu den Zinnen, Griffen an und wollten die Wächter im Handstreich töten.
Annalium liber V Buch S
Buch 5 berichtet vom römischen Bürgerrecht für Campa ner (vgl. Liv. 8, 11,16), doch sind Echtheit und Einordnung
des Fragments unsicher:
Ann. 1 69 V ( 1 57 Sk) [Frg. De metr. GLK 6,61 2] Cives Romani tune facti sunt Campani. Damals sind die Campaner zu römischen Bürgern geworden. Mit dem sodann genannten Ort ist vielleicht Mintumae mit dem Fluss Liris gemeint; dorthin wurde 295 v. Chr. eine Kolonie entsandt. Ann. 1 7-J V ( 1 63 Sk) [Macrob. Sat. 6,4,4] Quod per amoenam urbem leni fluit agmine flumen. Jener Fluss, der sanft strömend das hübsche Städtchen durchgleitet.
Annalium liber VI Buch 6
Buch 6 umfasst (für uns als zeitlich erste Quelle) den Krieg gegen König Pyrrhtts (Ennius schreibt Burrus) von Epirus (280-275 v. Chr.). Pyrrhus, der seinen Stamm von Aiakos berleitete, befragt Apolls Orakel nach seinen Kriegsaussich ten und erhält eine doppeldeutige Antwort, der er törich terweise vertraut.
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Fragmente
Ann. 1 79 V (167 Sk) [Cic. Div. 2,1 1 6 u. a.] Aiio te Aeacida Romanos vincere posse. Kund sei dir, Aeacusspross: Ein Römersieg ist möglich. Wohl in diesem Zusammenhang heißt es: Ann. 1 80 V (197 Sk) [Cic. Div. 2,1 1 6] stolidum genus Aeacidarum: Bellipotentes sunt magis quam sapientipotentes. Aeacussprossen sind töricht: Mehr verstehen sie sich auf Krieg als auf kluges Erwägen.
Nach seinem Sieg bei Heraclea (280 v. Chr.) lässt Pyrrhus die Gefallenen beider Seiten mit Feuer bestatten (vgl. Horn. Il. 23, 114; Verg. Aen. 6, 179; Sil. Ital. 10,529; Stat. Theb. 6,90; s. auch Papyrus Herculanensis 21). Ann. 1 87 V ( 1 75 Sk) [Macrob. Sat. 6,2,27] lncedunt arbusta per alta, securibus caedunt, Percellunt magnas quercus, exciditur ilex, Fraxinus frangitur atque abies consternitur alta, Pinus proceras pervortunt : Omne sonabat Arbustum fremitu silvai frondosai.
1 90
Sie durchdringen den hohen Wald und schlagen mit Äxten, Fällen ragende Eichen; die Steineiche stürzt, die Esche Splittert, und auch die hohe Tanne wird niedergeworfen; 1 90 Ragende Fichten werden gefällt; es hallen die Wälder Rings vom krachenden Sturz der laubreichen Bäume.
Auch Gefangene entlässt Pyrrhus (nach der Schlacht bei Ausculum, 279 v. Chr.) ohne Lösegeld.
Annales
Ann. 1 94 V ( 1 83 Sk) [Cic. Off 1 ,38] 'Nec mi aurum posco nec mi pretium dederitis: Non cauponantes bellum sed belligerantes, Ferro, non auro vitam cernamus utrique. Vosne velit an me regnare era quidve ferat Fors Virtute experiamur. Et hoc simul accipe dictum: Quorum virtuti belli fortuna pepercit, Eorundem libertati me parcere certurn est. Dono, ducite, doque volentibus cum magnis dis.'
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195
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»Gold will ich nicht; auch Lösegeld sollt ihr nicht zahlen, Denn wir führen Krieg miteinander und sind keine Krämer, 1 95 Wollen mit Eisen und nicht mit Gold die Entscheidung erzwingen. Ob nach dem Willen des Glücks die Herrschaft an euch oder mich fällt, Soll unser Mut entscheiden. Und somit höre die Antwort: Wenn das Kriegsglück mutige Männer verschonte, dann werde Ich gewiss ihre Freiheit in gleicher Weise verschonen. 200 Nehmt sie, ich gebe und schenke sie euch nach dem Willen der Götter! «
Als die Römer (in der Senatsverhandlung mit dem Gesand ten Cineas) zum Frieden mit Pyrrhus neigen, hält der be rühmte Appius Claudius Caecus eine feurige Rede: Pyrrhus müsse Italien räumen; sonst könne es keinen Frieden geben. Ann. 202 V ( 1 99 Sk) [Cic. Cato M. 1 6; vgl. Horn. 24,20 1]
Il.
'Quo vobis mentes, rectae quae stare solebant Antehac, dementes sese flexere viai?' »Wohin hat euer Sinn, der bisher aufrecht und fest stand, Sich, ihr Sinnlosen, nun vom rechten Pfade gewendet? «
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Fragmente
Ann. 207 V (202 Sk) [Varro LL 7,4 1 ] Orator sine pace redit regique refert rem. Ohne Erfolg kehrt der Bote zurück und berichtet dem König.
Annalium liber VII Buch 7
Buch 1-6 waren wohl als Ganzes veröffentlicht. Buch 7-9 sind den Punischen Kriegen gewidmet, wobei Ennius in Buch 7 bezüglich des Ersten Punischen Krieges wohl (we gen der vorhergehenden Behandlung im Bell um Poenicum des Naevius) ganz kurz (oder nur erwähnend?, vgl. aber Vahlen, S. CLXXIX) verfuhr. Gegen Stil und Form des Vorgängers hob sich Ennius im Exordium von Buch 7 als echter, moderner poeta ab. Ann. 2 1 3 f. V (206 Sk) [Cic. Brut. 7 1 . 76; Or. 1 5 7. 1 7 1 u. a.] Scripsere alii rem Versibus quos olim Faunei vatesque canebant Andere schrieben Geschichte in Versen Solcher Art, wie sie früher die Faune und Seher gebrauchten
Zuerst kam in Buch 7 vielleicht eine »Archaeologie« Kar thagos (?). - Der Punische Krieg beginnt in Rom mit einer Kriegserklärung. Ann. 223 V (2 1 6 Sk) [Cic. Inv. 1 ,27] Appius indixit Karthaginiensibus bellum. Appius sagte nun den Karthaginiensern Krieg an.
Annales
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Aus dem 7. Buch überliefert Gellius (12,4,4) die schöne Schilderung eines klugen Freundes des Cn. Servilius Gemi nus (Konsul 217 v. Chr.), wohl anlässlich einer Kampfpause (inter pugnas), vielleicht in der Schlacht bei Cannae (?). Man fasste die Stelle schon im Altertum (L. Aelius Stilo) als Selbstporträt des Ennius (»Der gute Gefährte«) auf (zum Ganzen vgl. Norden, S. 131f; Vahlen, S. CLXXXII1f; Steuart, S. 152f) Ann. 234 V (268 Sk) [Gell. 12,4,4] Haece locutus vocat, quocum bene saepe libenter 235 Mensam sermonesque suos rerumque suarum Comiter impertit magnam cum lassus diei Partern fuisset de summis rebus regundis Consilio indu foro lato sanctoque senatu, Cui res audacter magnas parvasque iocumque Eloquer.etur tet cunctat malaque et bona dictu 240 Evomeret si qui vellet tutoque locaret, Quocum multa volup [gaudia] clamque palamque, Ingenium cui nulla malum sententia suadet Ut faceret facinus, levis, haud malus, doctus, fidelis, 245 Suavis homo, facundus, suo contentus, beatus, Scitus, secunda loquens in tempore, commodus, verbum Paucum, multa tenens antiqua, sepulta vetustas Quae facit; et mores veteresque novosque tenentem, Multorum veterum Ieges divumque hominumque, 250 Prudentem, qui dicta loquive tacereve posset; Hunc inter pugnas compellat Servilius sie: Nach diesen Worten rief er den Mann, mit dem er oft 234 gerne Tisch und Gespräch, und was ihn umtrieb, leutselig teilte, Müde, nachdem er den Großteil des Tages sich ratend Mit bedeutenden Fragen der Staatslenkung abgemüht hatte, So auf dem weiten Forum wie auch im hohen Senate.
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Fragmente
Jenem konnte er kühnlich so Großes wie Kleines, auch Scherze 239 Anvertrauen und konnte auch gute und schlimme Dinge Sich nach Wunsch vom Herzen reden; hier waren sie sicher. Öffentlich und zu Hause erlebte er viel Freude Mit dem Mann, dem Böses nie in den Sinn kam, Nie eine Untat. War er doch milde, nicht boshaft, verlässlich, Unterrichtet und freundlich, beredt, bescheiden, zufrieden, 245 Klug und höflich und sprach zur rechten Zeit das Rechte, War von wenig Worten, war auch bewandert im Alten, Das die Zeit begrub, kannte alte und neue Gebräuche, Recht und Gesetz vieler Alten, der Götter und Menschen, war auch Klug und wusste Gesagtes zu sagen wie zu 250 verschweigen. Ihn nun sprach zwischen Kämpfen Servilius an mit den Worten: . . .
Später ist wechselndes Kriegsglück beschrieben, vielleicht die Niederlage der Gallier (225 v. Chr.) beim Ort Telamon in Etrurien. Sprecher: C. Acilius oder L. Aemilius (?): Ann. 258 V (232 Sk) [Macrob. Sat. 6, 1 , 1 9] 'Non semper vestra evertit: nunc Iupiter hac stat.' »lupiter macht nicht stets eure Pläne zunichte; jetzt hilft er. «
Annalium liber VIII Buch S
Auch Buch 8 gilt dem Zweiten Punischen Krieg (von Kriegsbeginn bis zur Überfahrt Scipios nach Afrika). En nius beschreibt den Ausbruch von Feindseligkeiten. Ann. 266 V (225 Sk) [Hor. Sat. 1 ,4,60; Serv. Aen. 7,622] Postquam Discordia taetra Belli ferratos postes portasque refregit, Nachdem die grausige Zwietracht Eisenbeschlagene Türen und Tore des Krieges aufbrach,
Ennius bedauert (wie mehrfach sonst) den Einsatz von Ge walt (vis) ah Stelle von klugem Rat (sapientia). Ann. 268 V (248 Sk) [Gell. 20,1 0,4 u. a.] Pellitur e medio sapientia, vi geritur res, Spernitur orator bonus, horridus miles amatur. Haud doctis dictis certantes nec maledictis Miscent inter sese inimicitiam agitantes, Non ex iure manum consertum, sed magis ferro Rem repetunt regnumque petunt, vadunt solida vi.
270
Kluger Rat wird vertrieben, man greift zu Gewalt, und ein guter Meister des Worts wird verachtet; es gilt nur der raue Kriegsmann. Nicht mit klugem Wort, auch nicht mit Schmähungen 270 streiten Sie, sondern schüren gewaltsam Feindschaft untereinander; ::\licht durch Richterspruch sucht man sein Recht, nein, mit dem Schwerte Fordert man, strebt nach Herrschaft und geht mit nackter Gewalt vor.
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Fragmente
Vor der Schlacht (wohl bei Cannae, 216 v. Chr.) verspricht Hannibal jedem Hilfskämpfer das karthagische Bürger recht. Ann. 280 V (234 Sk) [Cic. Balb. 5 1 ] 'Hostem qui feriet mihi erit Carthaginiensis Quisquis erit, cuiatis siet. ' »Wer einen Feind erschlägt, gilt mir als Karthager, mag er Sein, wer er will und welcher Herkunft auch immer. «
Beschreibung des Kampfes: Ann. 284 V (266 Sk) [Macrob. Sat. 6,1 ,52; vgl. Verg. Aen.
12,2 84] Hastati spargunt hastas, fit ferreus imber. Speerschützen schleudern Speere; es fällt ein Regen aus Eisen.
Vielleicht gibt Iupiter nach der Niederlage bei Cannae zu bedenken, dass das Kriegsglück sich wieder wenden kann. Andere Erklärung: Im Senat zu Rom tröstet man sich. Ann. 287.288 V (25 8-260 Sk) [Macrob. Sat. 6,2,1 6] 'multa dies in bello conficit unus: Et rursus multae fortunae forte recumbunt: Haudquaquam quemquam semper Fortuna secuta est.' »Vieles bewirkt im Krieg ein einziger Tag
(so begann er);
Andererseits kommt oft das Glück vieler Männer zu Falle; Niemals blieb ja Fortuna auf Dauer dem Gleichen gewogen. «
Annalium liber IX Buch 9
Buch 9 beschreibt Scipios Feldzug in Afrika und das Ende des Zweiten Punischen Krieges. - Ennius berichtet von der Unterredung von Scipio Africanus Maior mit Hannibal vor der Schlacht bei Zama (201 v. Chr.; vgl. Liv. 30,30). Ann. 3 1 2 V (3 1 2 Sk) [Non. 1 1 0,8] ' . . . mortalem summum Fortuna repente Reddidit e summo regno ut famul infimus esset.' »Selbst den höchsten Herrscher trieb plötzlich Fortuna Aus seiner Herrschaft und machte ihn zum letzten der Sklaven.«
Annalium liber X Buch 1 0
Buch 1 0 wird der Krieg gegen König Philipp 111. von .\1akedonien (reg. 229-179 v. Chr.) dargestellt; Phitipp wird 197 v. Chr. von Titus Quinctius Flamininus bei Kynoske phalai besiegt. Ennius schrieb für Buch 10 ein eigenes Ex In
ordium.
Ann. 326 V (322 Sk) [Gell. 1 8,9,3] Insece Musa manu Rarnanorum induperator Quod quisque in bello gessit cum rege Philippo. Künde mir, Muse, die Taten, die j eder römische Feldherr Damals machtvoll im Krieg gegen König Philipp vollbrachte !
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Fragmente
Zu Kriegsbeginn schildert Ennius, wie Flamininus in Epirus von einem Hirten einen Weg durch das Gebirge in
den Rücken des feindlichen Heeres gezeigt bekam (198 v. Chr.). Ann. 335 V (335 Sk) [Cic. Cato M. 1] '0 Tite, si quid ego adiuvero curamve levasso Quae nunc te coquit et versat in pectore fixa, Ecquid erit praemi ?'
»Wenn ich, Titus, dir Hilfe bringe und von der Sorge, Die dich jetzt quält und im Herzen bedrängt, dich erlöse, Was ist dann mein Lohn ? «
Ann. 338 V (335 Sk) [Cic. Cato M. 1 ] ( Urteil über den Hirten:} Ille vir haud magna cum re sed plenus fidei Jener Mann, der nicht reich war, doch durchaus treu und verlässlich
Annalium liber XI Buch 1 1
In Buch 1 1 sind Fortgang und Ende des Kriegs in Grie chenland beschrieben. Vielleicht wird nun von König Phit ipp berichtet. Ann. 355 V (353 Sk) [Fest. 306 L] Quippe solent reges omnes in rebus secundis Pflegt doch j eder König, so lang das Glück ihn begünstigt Auch Kämpfe werden geschildert:
Annales
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Ann. 364 V (356 Sk) [Prise. 2,4 1 9] Missaque per pectus dum transit striderat hasta Da durchdrang ihm zischend die Brust die geschleuderte Lanze
Annalium liber XII Buch 1 2
Buch 12 schilderte wohl die Vorgänge nach der Befreiung der Griechen bei den Isthmischen Spielen 196 v. Chr. durch
Titus Quinctius Flamininus. - Ennius gab in Buch 12 auch das bekannte Urteil über Fabius Maximus Cunctator wie der.
Ann. 370 V (363 Sk) [Macrob. Sat. 6,1 ,23; Cic. Off 1 ,84
u. a.] Unus homo nobis cunctando restituit rem. ::-.l"on enim rumores ponebat ante salutem. Ergo postque magisque viri nunc gloria claret.
Ein Mann war es, der unseren Staat durch Zaudern
gerettet; Galt ihm die Rettung doch mehr als das Gerede der Menge. So soll je länger je mehr der Ruhm des Mannes erstrahlen.
Buch 12 sprach Ennius wohl (in einer Art Zwischen Epilog) von sich selbst als einem schon müden alten Mann; er rühmt sich aber auch, im Jahr 184 das römische Bürger •echt (durch Q. Fulvius Nobilior) erhalten zu haben.
In
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Fragmente
Ann. 3 74 V (522 Sk) [Cic. Cato M. 1 4] Sicut fortis equus, spatio qui saepe supremo Vicit Olympia, nunc senio confectus quiescit So wie ein tüchtiges Pferd, das oft am Ende der Rennbahn In Olympia siegte, nun alt und müde sich ausruht
Ann. 3 77 V (525 Sk) [Cic. De or. 3,1 68] Nos sumus Romani, qui fuimus ante Rudini Ich, vordem Rudiner, bin nun ein römischer Bürger
Annalium libri XIII und XIV Buch 1 3 und 1 4
In Buch 1 3 berichtet Ennius vom Krieg gegen König An tiochos III. den Großen (lebte 242-188 v. Chr.), der den
flüchtigen Hannibal bei sich aufgenommen hatte.
Ann. 3 8 1 V (371 Sk) [Gell. 6,2,5.9; Non. 1 95, 1 8] 'Hannibal audaci cum pectore de me hortatur, Ne bellum faciam, quem credidit esse meum cor Suasorem summum et studiosum robore belli.' »Hannibal, jener so kühne Mann, rät ab mir vom Kriege, Er, der mir doch bisher der entschiedenste Rater zum Krieg schien, Den ich auch für höchst begierig nach mannhaftem Kampf hielt. «
In Buch 14 ist vermutlich die siegreiche Seeschlacht der Rö mer gegen Antiochos bei Myonnesos (190 v. Chr.) beschrie ben; Myonnesos ist eine kleine Insel im Sund von Euboia
Annales
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(heute St. Nikolaos). Das dann folgende Rede-Fragment (cohortatio eines römischen Kommandeurs) könnte auch zur Schlacht bei Magnesia am Sipylos (190 v. Chr.) gehö ren. Ann. 3 84 V (377 Sk) [Gell. 2,26,21 ] Verrunt extemplo placidum mare: marmore flavo Caeruleum spumat sale conferta rate pulsum Sie durchpflügen sogleich das Meer, und die blaue Salzflut Schäumt nun gelblich wie Marmor, gepeitscht von zahlreichen Schiffen
Ann. 391 V (382 Sk) [Prise. GL 2,501] 'Nunc est ille dies, cum gloria maxima sese Nobis ostendat, si vivimus sive morimur. ' »Nun ist der Tag gekommen, der höchsten Ruhm uns bedeutet, Sei es uns nun verhängt, zu leben oder zu fallen.«
Annalium liber XV Buch 1 5
Buch 15 beschrieb den Feldzug des Marcus Fulvius Nobili or gegen die Aetoler (189 v. Chr.), den Ennius begleitete :md verherrlichte. Ein Glanzlicht bildete die Einnahme der Stadt Ambrakia, die Ennius auch in einem Drama dar stellte. Der Dichter schilderte zudem den Kampf des Tribu 'len Caelius gegen einen Ausfall (wohl aus Ambrakia) istri scher Kämpfer. Parallelen: Hom. 11. 16,102[; Verg. Aen. 9,806f; Lucan. 6,186f
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Fragmente
Ann. 401 V (391 Sk) [Macrob. Sat. 6,3,3] Undique conveniunt velut imber tela tribuno: Configunt parmam, tinnit hastilibus umbo, Aerato sonitu galeae, sed nec pote quisquam Undique nitendo corpus discerpere ferro. Semper abundantes hastas frangitque quatitque. Totum sudor habet corpus, multumque laborat, Nec respirandi fit copia: praepete ferro Histri tela manu iacientes sollicitabant.
395
Überallher treffen Speere wie Regen auf den Tribunen, Haften im Schild; von Lanzen erklingt, getroffen, der Buckel; Ehern dröhnt der Helm; doch ringsum drängend kann keiner Mit dem Eisen den Leib des Kämpfers ernstlich verwunden. Stets zerbricht er die Masse der Lanzen und schüttelt sie 395 von sich. Schweiß bedeckt seinen ganzen Leib; er müht sich gewaltig, Kann nicht Atem schöpfen; mit fliegendem Eisen setzten lstrer ihm zu und b edrängten ihn mit geschleuderten Speeren.
Annalium liber XVI Buch 1 6
Die Bücher 16-18 waren vielleicht als ein Werkteil heraus gegeben und boten auch Taten »kleinerer« Helden. Über den Inhalt von Buch 16 ist wenig bekannt; es kündet u. a. den Ruhm eines gewissen Titus Caecilius Teucer (Plin. Nat. hist. 7, 101). - Vielleicht stellte Ennius in einem Prolog den Ruhm von Herrschern seinem Dichterruhm gegenüber.
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Ann. 4 1 1 V (404 Sk) [Macrob. Sat. 6, 1 , 1 7] Reges per regnum statuasque sepulcraque quaerunt, Aedificant nomen: Summa nituntur opum vi. Könige streben, so lange sie herrschen, nach Standbild und Grabmal, Bauen an ihrem Ruhm mit aller Macht ihrer Mittel.
Kämpfe und eine Belagerung sind in Buch 16 ebenfalls be schrieben. Ann. 4 1 5 V (41 1 Sk) [Macrob. Sat. 6,1 ,24] Concidit, et sonitum simul irrsuper arma dederunt Jener stürzte zu Boden, und über ihm klirrten die Waffen Ann. 4 1 9 V (4 1 8 Sk) [Serv. Dan. Georg. 1 , 1 8, 4,230] Matronae moeros complent spectare faventes. Hausmütter füllen die Mauern, begehren alles zu sehen.
Annalium libri XVII und XVIII Buch 17 und 1 8
Auch Buch 1 7 und 1 8 enthalten nicht zuweisbare Kämpfe 'wohl aus dem IstTischen und dem Dritten Makedonischen Krieg, etwa bis 171 v. Chr.). Ann. 443 V (432 Sk) [Macrob. Sat. 6,2,28; vgl. Horn.
9,4 f., 1 6,765 f.] Concurrunt veluti venti cum spiritus Austri Imbricitor Aquiloque suo cum flamine contra Indu mari magno fluctus extollere certant
Il.
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Fragmente
Und sie kämpfen wie Stürme, wenn, wasserbringend, der Südwind Mit dem wehenden Nordwind kämpft und beide auf weitem Meer um die Wette gewaltige Wogen heben und türmen
Incertorum librorum fragmenta Aus ungewissen Büchern
Die folgenden bedeutenden Fragmente sind bestimmten Büchern nicht zuzuweisen. Ann. 457 V (446 Sk) [Serv. Dan. Aen. 1 ,254] luppiter sie risit tempestatesque serenae Riserunt omnes risu lovis omnipotentis. lupiter lächelte da, und alle die heiteren Lüfte Lächelten zu dem Lächeln des allgewaltigen Herrschers.
Ann. 472 V (483 Sk) [Serv. Aen. 1 0,396; vgl. Verg. Aen.
4,69 1 ; Si!. Ital. 6,1 0] Oscitat in campis caput a cervice revulsum Semianimesque micant oculi lucemque requirunt.
Klaffenden Munds liegt der Kopf im Staub, vom Nacken geschlagen; Halbtot zucken die Augen und suchen den Anblick des Lichtes.
Ann. 493 V (5 1 3 Sk) [Serv. D an. Aen. 1 1 ,306] Qui vincit non est victor nisi victus fatetur Dann erst ist einer Sieger, wenn auch der Besiegte es zugibt
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Ann. 500 V ( 1 5 6 Sk) [Aug. civ. 2,2 1 ; von Merula der Re
de des T. Manlius an seinen Sohn (Liv. 8,7,16) zugewie sen] Moribus antiquis res stat Romana virisque. Rom steht fest durch Sitte der Ahnen und tüchtige Männer.
Ann. 5 1 4 V (535 Sk) [Macrob. Sat. 6,3,8; vgl. Horn. IL 6,506 f.; Verg. Aen. 1 1 ,492 f.] Et turn sicut equus qui de praesepibus fartus Vincla suis magnis animis abrupit et inde Fert sese campi per caerula laetaque prata, Celso pectore saepe iubam quassat simul altam, Spiritus ex anima calida spumas agit albas
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Wie nun ein Pferd, das fett und wohlgenährt an der Krippe Übermütig die Riemen zerreißt und dann über grüne, 5 1 5 Blühende Wiesen der Flur dahinsprengt, die Brust stolz emporreckt, Dabei auch oft die lange Mähne schüttelt und hochwirft; Aus seiner heißen Brust stößt der Atem weißlichen Schaum aus.
Ann. 547 V (560 Sk) [Cic. De or. 3,1 68] At Romanus homo, tarnen etsi res bene gesta est, Corde suo trepidat .\ber der römische Mann, selbst wenn ihm Großes gelungen, Zittert dennoch im Herzen . . .
Ann. 560 V (574 Sk) [Aug. Epist. 23 1 ,3; De trin. 1 3 ,3 ,6] Omnes mortales sese laudarier optant. Wünschen doch alle sterblichen Menschen, dass man sie lobe.
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Fragmente
Ann. 62 1 V (620 Sk) [Diom. 1 ,447] (Vielleicht ist die Be lagerung von Ambrakia beschrieben; vgl. Liv. 38,5,1:)
Machina multa minax minitatur maxima muris Dräuend bedroht immer wieder der mächtige Rammbock die Mauern
Scenica Bühnenwerke
Ennius verfasste etwa 20 Tragödien, dazu zwei Praetexta tae und zwei Komödien. Wir stellen Fragmente aus sechs
Tragödien vor, deren Gang gut erfassbar ist. Auch das römische Drama folgt dem Beispiel der Grie chen. Livius Andronicus führte 240 v. Chr. als Erster eine la teinische Tragödie in Rom auf, vermutlich nach einem Stück des im Hellenismus beliebten Euripides, wobei wohl auch die hellenistische Praxis der Theateraufführungen einwirk te. Daher tritt in der lateinischen Tragödie der Chor ziem lich zurück, was im römischen Theaterbau zum Verschwin den der griechischen Orchestra (Tanzplatz des Chors)führte. Die Schauspieler gebrauchten den Sprechvers (iambischer Trimeter; Senar; Diverbia), sangen jedoch mehr lyrische Stü cke (cantica) als im Griechischen, wobei eigene Komponisten die Melodien schufen. Hinzu trat der Glanz der Ausstat tung, der den Aufführungen barocken Charakter verlieh. Weil der Chor eher zurücktrat und dafür die Monodien und Lieder der Einzelpersonen erweitert wurden, machten die römischen Tragödien einen dichteren Eindruck als die griechischen. Zudem verband man gelegentlich die wir kungsvollsten Motive zweier griechischer Dramen in einem Stück (contaminatio), wie es auch in der römischen Komö die üblich war. Auffällig ist, dass römische Tragödien vielfach das Lei den von Menschen in gesteigerter Form behandeln, getreu dem Satz et facere et pati fortia (vgl. Liv. 2,12,9). Dement sprechend strebte man auch im Sprachstil nach Pathos und Erhabenheit, wobei u. a. altertümliche Formen und rheto rische Schmuckmittel Verwendung fanden. Ennius folgte in seinen Tragödien stofflich wie sprachlich dem Pathos des Euripides. Er ließ dabei die Gesamtgestalt des griechischen Mythos unangetastet, passte aber die Aus-
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Fragmente
führung römischem Verständnis an. Möglicherweise hatte das römische Publikum auch starkes Interesse an Handlun gen von Tyrannen (reges), die in Rom verhasst waren. Dass man in Rom den troianischen Sagenkreis bevorzug te, ist zum Teil auf den Ehrgeiz römischer Adeliger zurück zuführen, die ihren Stammbaum von Aeneas ableiteten. In ähnlicher Weise entstammt die Fabula praetexta nationa lem Ehrgeiz, der Roms alte und neue Ruhmesgeschichte dargestellt wünschte. Alexander
Die Fabel 91 des Hyginus (vgl. Vahlen, S. CCII) bietet ei ne gute Möglichkeit, den jeweiligen Zusammenhang der folgenden Ennius-Fragmente zu erkennen. Varro (LL 7,82) bezeugt, dass das Vorbild für Ennius der häufig zitierte Alexandros des Euripides war. Hyginus schreibt: Alexander Paris. Priamus, Laomedons Sohn, hatte meh rere Kinder aus der Ehe mit Hecuba, der Tochter des Kis seus oder Dymas. Da sah seine schwangere Gattin im Schlaf, wie sie eine brennende Fackel gebar, von der viele Schlangen ausgingen. Als man allen Traumdeutern dieses Gesicht vortrug, befahlen sie, Hecuba solle töten, was sie gebäre, damit das Kind nicht den Untergang der Hei matstadt herbeiführe. Als nun Hecuba den Alexander gebar, sollte er getötet werden, doch setzten ihn die Die ner aus Mitleid nur aus. Ein Hirtenpaar fand das ausge setzte Kind, zog es als seinen Sohn auf und nannte es Pa ris. Als Paris nun erwachsen war, liebte er einen Stier sei ner Herde besonders. Priamus sandte damals Diener aus, um einen Stier herbeizuholen, der als Preis bei Leichen spielen ifür den früher vermeintlich getöteten Alexander) ausgesetzt werden sollte. Die Diener kamen nun und führten den Stier des Paris fort. Paris verfolgte sie und
Scenica
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fragte, wohin sie den Stier brächten. jene antworteten, sie führten ihn zu Priamus als Siegespreis bei den Lei chenspielen für Alexander. Nun nahm Alexander aus Liebe zu seinem Stier am Wettkampf teil, siegte in allen Kämpfen und blieb Sieger sogar über seine Brüder. Als dann Kassandra verkündete, er sei ihr Bruder, erkannte Priamus ihn als Sohn an und nahm ihn in den Palast auf Sophokles und Euripides verfassten Tragödien über die Wiedererkennung des Paris; Ennius schloss sich besonders Euripides an. Den folgenden Prolog spricht vielleicht Kassandra (Vic toria ? Ein Prolog-Sprecher?). Seen. 35 f. V (50 J) [ C ic. Div. 1 ,42 ; iamb. Trim.] (Cassan dra:) mater gravida parere se ardentem facem Visa est in somnis Hecuba; quo facto pater Rex ipse Priamus somnio mentis metu Perculsus curis sumptus suspirantibus Exsacrificabat hostiis balantibus. Turn coniecturam postulat p:icem petens Ut se edoceret obsecrans Apollinem Quo sese vertaut t:intae sortes somnium. Ibi ex oraclo voce divina edidit Apollo puerum primus Priamo qui foret Postilla natus temperaret tollere: Eum esse exitium Troiae, pestem Pergamo. Die schwangere Mutter Hecuba träumte, einen Brand, der glühte, zu gebären; und als Vater bringt, \Ton Angst vor solchem Traum getrieben, Priamus, Auch voller Sorge, die sein Herz bedrängt, Ein Sühneopfer blökender Schafe dar; Erbittet dann, Versöhnung suchend, einen Rat, Beschwört Apoll, er möge ihm Erklärer sein,
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Fragm ente
Was dieser schicksalsschwere Traum bedeuten soll. Ihn lehrt des Gones Stimme aus dem Heiligtum: Er soll den nächsten Sohn, der ihm geboren wird, Nicht aufziehn: Er sei Troias Unheil und Verderb.
4 5 1.
Bericht über die Spiele (52. 53). Paris gewinnt in allen Dis
ziplinen der Leichenspiele den Preis.
Seen. 52 V (3 8 1 J) [Paul. Fest. 507 L] Is habet coronam vftulans vict6ria Er trägt den Kranz und jubelt über seinen Sieg Weil Paris seinen Stier verteidigte (alexein), hatten ihn die Hirten Alexander (männerabwehrend) genannt. Seen. 53 V (64 J) [Varro LL 7,82; troch. Tetram.] Quapropter Parfm pastores nunc Alexandrum vocant. So wird Paris von den Hirten Alexander nun genannt. Kassandra wird plötzlich von prophetischer Verzückung
befallen und sagt das kommende Unheil in einem großarti gen Canticum voraus. - In Frg. 54f spricht zuerst entwe der Hecuba oder (eher) der Chorführer. Seen. 54 f. V (32 f. J) [Die einzelnen Fundstellen: Cic. Div. 1 ,66.1 1 4; Cic. De or. 1 55; Non. 1 1 2.328; Cic. Div. 2,1 1 2; Cic. Att. 8,1 1 ,3; troch. Tetram.] (Hecuba:) Sed quid oculis r:ipere visa est derepente ardentibus,
Aut ubi illa paulo ante sapiens vfrginali m6destia?
Doch was scheint sie anzustarren jäh mit brennendheißem B lick, Sie, die eben noch vernünftig, mädchenhaft bescheiden war?
Scenica
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Sodann kündet Kassandra die Tragik ihres Prophetentums. Seen. 56 f. V (32 f. J) [Cic. Div. 1 ,66. 1 1 2 . 1 1 4 u. a.; troch. Sept.] (Cassandra:) 56 :\1:iter optuma tu multo mulier melior mulierum, :\1fssa sum superstitiosis hariolati6nibus ::--reque me Apollo fatis fandis dementern invitam ciet. 58 Vfrgines vere6r aequalis, patris mei meum factum pudet, Öptumi virf. Mea mater, rui me miseret, mei piget: 6o Öptumam progeniem Priamo peperisti extra me; h6c dolet: :\1en obesse, ill6s prodesse, me 6bstare, illos 6bsequi. Beste Mutter, weitaus besser du, als alle Frauen sind, 56 Offenbarung und Gesichte haben mich hierher gesandt, ::--r icht als Rasend-Willenlose treibt Apollo mich zum 58 Spruch. \'or den Mädchen meines Alters, vor dem besten Vater muss Ich mich schämen. Dich beklag ich, Mutter, bin mir selbst zur Last. Gute Kinder nur gebarst du außer mir; es schmerzt mich tief, 61 Dass ich schade, j ene nützen, jene folgsam sind, ich nicht. In den folgenden Versen erlebt Kassandra visionär Szenen ies Kampfes um Troia und die Eroberung der Stadt. Sie :childert (wohl gegen Ende ihrer Vision) die Folgen der .1ufnahme des Paris in die Familie des Priamos.
Adest, adest fax 6bvoluta sanguine atque incendio, \ !ultos annos latuit, cives, ferte opem et restfnguite.
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Sieh hier, sieh die Fackel ! Sie ist ganz gehüllt in Blut und 63 Brand ! :.. ange Zeit blieb sie verborgen. Helft, ihr Bürger! Löscht sie aus !
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Fragmente
[Dactyl. Tetram. :] lamque mari magn6 classis cita Texitur, exitium examen rapit: Adveniet, fera velivolantibus Navibus c6mplebit manus litora. Schon entsteht eine rasche Flotte auf Hohem Meer, führt tödlichen Schwarm herbei. Ja, sie kommt! Die wilde Horde füllt Unsere Küste mit segelbeflügelten Schiffen. [Troch. Tetram.:] Eheu videte: Iudicavit fnclytum iudfcium inter deas tris aliquis: Qu6 iudicio Lacedaemonia mulier, furiarum una adveniet. Wehe! Seht! Einer fällte den berühmten Schiedsspruch den drei Götterfrauen. Deshalb wird ein Weib aus Sparta, eine Furie, hierher kommen.
Seen. 72 f. V (69 f. J) [Macrob. Sat. 6,2, 1 8; Versmaß ?] 6 Iux Troiae, germane Hector. Qufd ita cum tu6 lacerato corpore Mfser es aut qui te sie respectantibus Tractavere n6bis ? 0 Licht Troias, Hektor, Bruder! Elend liegst du, ganz zerschunden. Wer hat dich vor unseren Augen, Ach, so schrecklich zugerichtet?
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Seen. 76 f. V (72 f. J) [Macrob. Sat. 6,2,25; 3 , 1 3 , 1 3 ; Vers
maß ?] Nam maximo salru superabit gravidus armatfs equus, Qui suo partu ardua perdat Pergama.
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Scenica
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Denn mit einem Riesensprung wird dieses waffenschwangere Pferd 76 Unsere Mauer überwinden und mit seiner Brut das hohe Troia tilgen.
Andromacha Aechmalotis Die gefangene Andromache
Ennius führte in diesem Drama das Schicksal des Astyanax, des Sohnes von H ektor und Andromache, vor. Der Knabe wurde nach der Einnahme Troias von Neoptolemos, dem Sohn des Achilleus, von der Stadtmauer hinabgestürzt, spä ter aber (auf dem Schild seines Vaters) beigesetzt. Ennius folgte höchstens teilweise den uns erhaltenen Troerinnen des Euripides (577f); er verwendete hauptsächlich dessen Hekabe und Stellen aus einem anderen (unbekannten) Drama dieses Dichters. Sein Stück erzielte große Wirkung. - Die folgenden Fragmente schildern Tod und Bestattung des Astyanax.
Seen. che:)
SO V
( 1 04 J) [Non. 402,2; iamb. Sen.] (Ein Grie
Annos multos longinque ab domo Bellum gerentes summum summa industria Denn viele Jahre, fern der Heimat, standen wir Den schwersten Krieg mit schwerster Mühe durch
Seen. 82 V ( 1 00 J) [Varro LL 1 0,70; Versmaß ?] (Botenbe richt (?):) Hect6ris natum de Troiano muro iactari Man stürzte Hektors Sohn von Troias Mauer
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Fragmente
Seen. 83 f. V ( 1 0 6 f. J) [Non. 504, 1 8; iamb. Sen.; vgl. Eur. Tro. 1 1 33 f.] Nam ubi lntroducta est puerumque ut laverent locant In clypeo Als man sie (Hecuba?) nun herbeiführt und den Knaben, ihn Zu waschen, in den Schild legt
In den Fragmenten Seen. 86-102 schildert Andromache in wechselnden Versmaßen (auf der Bühne von Musik beglei tet) die Fülle ihrer bisherigen Leiden (zu Fragment 86f vgl. Eur. Tro. 479f). Seen. 86-99 V (81 f. J) [Cic. Tusc. 3, 44.45 u. a.; cret. Tet ram.] (Andromacha:) Qufd petam praesidi aut exequar, qu6ve nunc Auxilio exili aut fuga freta sim ? Arce et urbe orba sum: quo accidam, quo applicem, [Troch. Sept.]: Cuf nec arae patriae domi stant, fräctae et disiectae iacent, Fana flamma deflagrata, t6sti alti stant parietes Deformati atque abiete crispa
86
88
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Wo suche und finde ich Schutz, auf welche 86 Hilfe durch Exil, auf welche Flucht kann ich nun bauen? Entrissen sind Burg und Stadt! Wen flehe ich an? Wem schließ ich mich an? 88 Des Vaters Altar steht nicht mehr im Haus, liegt zertrümmert, zerstreut. Die Tempel sind vom Feuer zerstört, hohe Wände ragen geschwärzt, 90 Entstellt und mit verkohltem Gebälk
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Seen. 92-96 V (87-89 J) [Cic. Tusc. 3,44; anapaest. Dirn.] 92 0 pater, o patria, o Priami domus, Saeptum :iltisono cardine templum. 94 Vidi ego te adstantem ope bärbarica Tectis caelatis laqueatis 95 Auro ebore instructam regifice Seen. 97 f. V (92 f. J) [Cic. Tusc. 3,45; anapaest. Dirn.; vgl. Eur. Tro. 4 8 1 f.] Haec 6mnia vidi inflammari, Priam6 vi vitam evitari, Iovis äram sanguine rurpari. 0 Vater, o Heimat, Priamos' Haus ! Tempel, verschlossen mit hallendem Tor! Ich sah dich ragen, die Decke geschmückt Mit barbarischem Prunk, getäfelt, geschnitzt, Mit Gold und Elfenbein fürstlich geziert! Dies alles sah ich in Flammen aufgehn, Priam roh und gewaltsam des Lebens beraubt, Iovis Altar schändlich mit Blut befleckt.
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Seen. 1 00 f. V (78 f. J) [Cic. Tusc. 1 , 1 05; iamb. Sen.; vgl. Eur. Andr. 399 f.] (Andromacha:) Vidi, videre qu6d me passa aegerrume, Hect6rem curru quadriiugo raptarier
Seen. 1 02 V ( 1 03 J) [Non. 292,8; iamb. Sen.] Quantis cum aerumnis illum exanclavi diem Ich sah, was mir zu sehen fast das Herz zerriss, Den Gatten Hektor mit dem Viergespann geschleift. In welcher Not und Qual durchlitt ich j enen Tag !
In Fragment 105 ist geschildert, mit welcher Entschieden heit Andromache dann (als Gefangene?) auftrat (Andro-
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Fragmente
mache >gegen Männer kämpfend<); vielleicht spricht Uli xes.
Seen. 1 05 V (99 J) [Varro LL 7,82; iamb. Sen.] Andr6machae nomen qui indidit, recte ei indidit Wer sie Andromache nannte, traf ihr Wesen recht. Später scheint sich Andromache nach dem Tod zu sehnen; vielleicht nimmt hier aber auch Polyxena (eine Tochter des Priamos) Abschied vom Leben, als sie nach der Forderung von Achills Schatten an dessen Grab geopfert werden soll: Seen. 1 0 7 f. V (98 f. J) [Varro LL 7,6; Cic. Tusc. 1 ,48] Acherusia templa alta Örci Salvete infera Pallida leti nubila tenebris Loca Unterweltliche, tiefe Räume des Orcus, Seid mir gegrüßt dort unten! Bleiche Orte des Todes, Düster, von Wolken verfinstert!
Eumenides Die Eumeniden
Der griechische Dichter Aischylos widmet das dritte Dra ma seiner Orestie dem Problem der Schuld. Orestes hat seinen Vater gerächt, indem er seine Mutter Klytaimnestra tötete, wird aber nun von den Rachegöttinnen (Erinnyen) als Muttermörder verfolgt. In Athen beurteilt der Areopag sein Tun, wo nach der Abstimmung mit Stimmengleichheit die Göttin Athene mit ihrem Stimmstein (calculus Miner-
Scenica
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vae) den Freispruch bewirkt. Athene versöhnt die Erinny en, die nun zu Wohlgesinnten (Eumeniden) werden. Diese schenken dem Land Attika Segen. Ennius scheint das Dra ma des Aischylos verwendet zu haben; vgl. Aischyl. Eum.
902f
Seen. 1 5 1-1 55 V (von J bezweifelt) [Cic . Tusc. 1 ,68; Cic. De or. 3,1 54; Non. 1 22; iamb. Sen.] (Minerva:) Caehim nitescere, arbores frondescere, Vites laetificae pampinis pubescere, Rami bacarum ubertate incurvescere, Segetes largiri fniges, florere 6mnia, Fontes scatere, herbis pr:ita convestirier. Man sieht den Himmel glänzen, Bäume sich belauben, Rebstöcke Freude spendend sich mit Weinlaub krönen, Die Äste unter ihrer Beeren Last sich biegen, Den Acker üppig Feldfrucht tragen, alles blühen, Die Quellen sprudeln, Wiesen voll von Kräutern stehen.
Iphigenia Iphigenie
Vermutlich folgte Ennius hier dem Drama Iphigenie in Aulis des Euripides. Die griechische Flotte unter Agamem nans Führung will von Aulis in Euboia nach Troia segeln,
wird aber durch Windstille festgehalten. Der Seher Kalchas gibt als deren Ursache den Groll der Artemis an, die die Opferung der Tochter Agamemnons verlange. Unter dem Druck des Heeres lockt Agamemnon Iphigenie nach Aulis und will sie opfern, doch entrückt Artemis die Jungfrau zu den Taurem (skythisches Volk auf der Krim) und lässt an ihrer Stelle eine Hirschkuh als Opfer zurück. Erhalten ist bei Ennius u. a. das Chorlied von Soldaten
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Fragmente
(vielleicht nach Eur. Iph. A. 815 f.; vgl. auch Soph. Iph. Frg. 303), in dem sich diese über die Ziellosigkeit ihres Daseins beim Warten (auf guten Wind) beklagen, wobei sie das Wortspiel otium - negotium durchwegs gebrauchen. Seen. 234-241 V (1 95-202 J 9 [Gell. 19,1 0,5; troch. Sept.] (Soldatenchor:) oti6 qui nescit uti, 234 Phis negoti habet quam, cum est neg6tium, in neg6tio. 236 Nam cui quod agat instimturnst n6n ullo neg6tio f d agit, id studet, ibi mentem atque animum delectat suum. 238 6tioso in 6tio animus nescit quid velit. Hoc idem est: em neque domi nunc n6s nec militiae sumus: f mus huc, hinc illuc, cum illuc ventum est, ire ilhic /ubet. f ncerte errat animus, praeter pr6pter vitam vivitur. 241 Denn, wer Muße nicht zu nutzen weiß, 234 Müht sich mehr als bei der Arbeit, wenn es wirklich Arbeit gibt. Wenn er nämlich Pflichten ausfüllt, fällt die Arbeit ihm 236 nicht schwer, Nein, er müht sich, schafft mit Eifer; dies erfreut ihm Geist und Sinn. Ohne Arbeit müßig gehend weiß der Geist nicht, was er will. 238 Hier ist es dasselbe; sind wir doch zu Haus nicht, nicht im Krieg, Gehen hierhin, gehen dorthin und von dort woanders hin. Unstet irrt der Geist, man lebt nur ziel- und zwecklos vor 241 sich hin.
Medea exul Medea im Exil
lason fuhr mit den Argonauten nach Kolchis (Ostküste des Schwarzen Meeres), um das Goldene Vlies dort zu holen. Mit Hilfe der Zauberkraft Medeas, die ihn liebt, besteht er
alle Gefahren, die ihm beim Raub des Fells drohen. Medea ·flieht mit lason nach Karinth. Nach der Tragödie Medeia des Euripides wollte König Kreon von Korinth seine Toch ter mit lason verheiraten, worauf dieser Medea verstieß. Medea rächte sich, indem sie die Rivalin und Kreon mit ei nem Zaubergewand tötete, das beide mit Feuer verbrann te. Zudem ermordete Medea zur Rache ihre beiden Kinder aus der Ehe mit Iason und floh auf einem Drachenwagen zu König Aigeus nach Athen. Euripides ' Schilderung der Seelenkämpfe, Listen und Rache Medeas sowie seine Ein fühlung in das weibliche Erleben zeichnen das Drama aus, an das sich auch Accius, Ovid, Seneca und Lukan anlehn ten. Cicero hält die Medea des Ennius für weitgehend aus der Medeia des Euripides übersetzt, nicht so sehr für umgestal tet. Durch den Titel Medea exul betont Ennius besonders die Lage der Verstoßenen und Vertriebenen, gebraucht zu dem, um dem Publikum die Handlung näher zu bringen, römisches Lokalkolorit (matronae, optimates, V. 2.59). So rät auch Cicero (De or. 3,217), die Verse 276 und 277 mit tränenerstickter Stimme vorzutragen, was sicher den stilis tischen Erwartungen der Hörer entsprach. Da die letzten überlieferten Verse (287f) als Schauplatz Athen und die Gegenwart Medeas (nach der Flucht aus Karinth) erfordern, hat Ennius möglicherweise die Heirat des Aigeus mit Medea (aus dem verlorenen Drama Aigeus des Euripides?) an das Ende seines Dramas gestellt. Der Aufbau der Medea exul scheint sonst weitgehend dem euri pideischen Vorbild zu gleichen, so dass man die einzelnen Fragmente gut in den Zusammenhang einordnen kann.
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Fragmente
Zu Beginn tritt die Amme der Medea auf, die in Anleh nung an den Prolog bei Euripides über das Schicksal ihrer Herrin klagt und den Namen des Schiffes Argo erklärt. Seen. 246-254 V (208-2 1 6 J) [Rhet. Her. 2,34 u. a.; iamb. Sen.] (Amme:) Utinam ne in nemore PcHio securibus Caesa accidisset abiegna ad terr:im trabes, Neve inde navis inchoandi ex6rdium Coepisset, quae nunc n6minamr n6mine Arg6, quia Argivi in ea delecti viri Vecti petebant pellem inauratam arietis Colchis, imperio regis Peliae, per dolum. Nam numquam era errans mea domo efferret pedem Medea animo aegro am6re saevo saucia. Ach, wäre doch im Pelion-Wald der Tannenstamm, Vom Beil gefällt, zur Erde nie herabgestürzt, Und wäre damit nie der Kiel des Schiffs gelegt, Das man nun Argo nennt, weil drin erlesene Schar Von Argos-Männern hinfuhr, die das goldene Vlies Aus Kolchis, auf Geheiß des Pelias schlau entführt! Medea, meine Herrin, hätte nämlich nie Ihr Haus verlassen, rasend und von Liebe krank.
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Dann tritt der Pädagoge mit Medeas Kindern auf und be fragt die Amme nach dem Grund ihres Kummers, worauf diese antwortet. Seen. 255.256 V (237.238 J) [Non. 39,3; iamb. Sen.] (Pae dagogus:) Antiqua erilis fida custos c6rporis, Quid sie te extra aedis exanimata eliminas ? Du, unsrer Herrin alte, treue Wärterin, Was treibt dich so ganz außer Fassung aus dem Haus ?
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Seen. 257.258 V (222.223 J) [Cic. Tusc. 3,6,3; iamb. Sen.] (Amme:)
Cupfdo cepit mfseram nunc me pr6 loqui Caelo atque terrae Medeai mfserias.
Mich Arme trieb Verlangen, jetzt mit lautem Wort Medeas Elend Erd und Himmel kundzutun.
Nun spricht Medea zu den Frauen von Korinth (Chor) und verficht den Anspruch, auch als Flüchtling und Frau geach tet zu werden (vgL Eur. Med. 222f). Dabei stellt sie weib liches Erleiden noch über männliches, tadelt auch versteckt die in sicherer Heimat wohnenden Frauen des Chores. Seen. 259-261 V (nur 2 1 9.220 J) [Cic. Ad fam. 7,6,1 ; Seen. 259.261 : troch. Octon.; 260: troch. Sept.; vgl. Eur. Med. 2 1 4 f.248 f.] (Medea:) Quae Corinthum arcem altam habetis matronae opulentae 6ptimates, Multi suam rem bene gessere et publicam patria procul, Multi qui domi aetatem agerent pr6pterea sunt fmprobati. Die ihr, reiche Adelsfrauen, Burg und Stadt Korinth bewohnt: Viele wirkten fern der Heimat Gutes sich und ihrem Volk; Viele, die zu Hause lebten, fanden aber Tadel schon.
Seen. 262 V (232 J) [Varro LL 6,8 1 ; troch. Sept.] Nam ter sub armis malim vitam cernere, Quam semel modo parere. Lieber dreimal um mein Leben möcht ich kämpfen in der Schlacht, Als nur einmal zu gebären.
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Fragmente
Später vertreibt Kreon Medea mit harten Worten aus Ko rinth. Seen. 264.265 V (nicht bei J) [Cic. Rah. Post. 29; iamb. Sen.] (Creon:) Si te secundo lumine hic offendero, Moriere. Und finde ich dich morgen noch in meinem Land, Dann stirbst du!·
Medea jedoch überlistet ihn und deutet (dem Chor) ihre Rachepläne an, weiß aber für die Zukunft noch keinen Rat. Seen. 266-272 V (225-231 J) [Cic. Nat. deor. 3,65; troch. Sept.] (Medea:) Nequaquam istuc fstac ibit: magna inest certatio. Nam ut ego illi supplicarem tanta blandiloquentia, Ni 6b rem ? Qui volt esse qu6d volt, ita dat se res, ut operam dabit. f lle traversa mente mi hodie tradidit repagula, Qufbus ego iram omnem recludam atque flli perniciem dabo, Mfhi maerores, flli luctum, exftium illi, exilium mihi.
266
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So wird es gewiss nicht gehen: Großer Kampf steht noch 266 bevor. Hätte ich denn so geschmeichelt, mich erniedrigt so vor ihm, Diente es nicht einem Ziel ? Wer sein Ziel mit Tatkraft anstrebt, wird erreichen, was er 269 will. Jener gab mir, ganz verblendet, heut die Riegel in die Hand, Dass ich allen Zorn erschließen, ihm Verderben bringen kann, Mir viel Leid und j enem Trauer, ihm � en Tod, Verbannung m1r.
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Seen. 276.277 V (271 .2 1 8 J) [Cic. De or. 3,21 7; iamb. Sen.] (Medea:) Quo nunc me vortam, qu6d iter incipiam fngredi ? Domum paternamne anne a d Peliae fflias ? Wohin soll ich mich wenden, wohin führt mein Weg? Soll ich ins Vaterhaus ? Zu Pelias' Töchtern fliehn? Iason hingegen wirft Medea eigensüchtige Motive vor und
(der Chor?) wünscht, Medea hätte Kolchis nie aus Leiden schaft verlassen.
Seen. 278 V (224 J) [Cic. Tusc. 4,69; troch. Sept.] (Iason:) Tu me amoris magis quam honoris servavisti gratia. Nur aus Liebe hast du mich gerettet, Ehre galt dir nichts. Seen. 279 V (244 J) [Non. 297, 1 8; Versmaß ?] (Chor (?):) Ütinam ne umquam Mede Colchis cupido corde pedem extulisses Hättest du doch, Medea, KoJehis nie in Liebesbrunst verlassen! Der Chor fleht Iupiter und Sol noch an, Medeas Untat zu verhindern (vgL Eur. Med. 1251 f ). Seen. 284-286 V (234-236 J) [Prob. Verg. Ecl. 6,3 1 ; Vers
maß?] Iupiter tuque adeo, summe Sol, qui res omnfs spicis, Qufque tuo cum lumine mare terram caelum c6ntines, fnspice hoc facinus, prius quam ffat, prohibessis scelus.
lupiter und du, hohe Sonne, die du alle Dinge siehst, Und mit deinem hellen Lichte Himmel, Erde, Meer umfängst, Sieh auf diese schwere Untat, wehre ihr, eh sie geschieht!
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Fragmente
Am Ende scheint Medea in Athen Zuflucht zu finden; Ai geus weist ihr wohl stolz das Stadtbild (?). Andere Auffas sung: /ason heißt Medea ihren Wagen am Himmel anzu halten und nach Athen zu schauen (?). Seen. 287.288 V (239.240 J) [Non. 470,4; Varro LL 9,9; iamb. Trim.] (Aigeus (?):) Asta atque Athenas anticum opulentum 6ppidum Contempla et templum Cereris ad laevam adspice. Nun weile und besieh Athenas alte Stadt, Die reiche, und zur Linken Ceres' Heiligtum !
Fragmente weiterer (benannter und unbenannter) Tragödien
Fragment 298-303 entstammen der Tragödie Phoenix, die (wohl nach griechischem Vorbild; Sophokles? Euripides?) der Erzählung des homerischen Phoinix (I!. 9,448f) folgt. Phoinix wurde von seinem Vater Amyntor (als vermeintli cher Nebenbuh/er) verflucht und floh zu Peleus, der ihm die Erziehung des Achilleus übertrug. Vor Troia gelingt es Phoi nix, den grollenden Achilleus zum Einlenken zu bewegen. Seen. 298 V (259 J) [Non. 91 ,7; troch. Sept.] (Vielleicht spricht Amyntor:) Srultus est, qui cupida mente cupiens cupienter cupit
Töricht ist, wer gierig gierend voller Gier nach allem giert
Seen. 300-303 V (254-257 J) [Gell. 6,1 7, 1 0; troch. Sept.] (Phoenix:) Sed virum vera virtute vfvere animaturn addecet F6rtiterque inn6xium Stare adversum advers:irios. E.a libertas est, qui pectus purum et firmum gestitat: Aliae res obn6xiosae n6cte in obscura latent.
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Doch ein Tapferer muss tapfer, voller Mut im Leben sein Und muss gegen seine Feinde reinen Herzens mutig stehn. Wahrhaft frei ist j a nur einer, der ein Herz hat, rein und stark, Andrer schuldbeladnes Handeln sinkt in tiefe, dunkle Nacht.
In der Tragödie Telamo(n) scheint König Telamo, Vater des Aias und Teukros, seinen von Troia heimkehrenden Sohn Teukros zu verstoßen, weil er den Tod seines Bruders Aias im Lager der Griechen ungerächt ließ; Aias hatte nach ei nem für ihn ungünstig verlauJenen Streit um die Waffen des gefallenen Achilleus Selbstmord begangen. Teukros fand dann auf der Insel Zypern Zuflucht. Der Stoff bot Vorlagen für Dramen des Aischylos (Salaminiai) und Sophokles (feu kros). Bei Ennius wendet sich Telamo gegen die Annahme göttlicher Vorsehung und gegen die Wahrsagekunst. Seen. 3 1 6-3 1 8 V (270-271 J) [Cic. Div. 2,104.1 32; Cic. Nat. deor. 3,79; troch. Sept.] Ego deum genus esse semper dfxi et dicam caelitum, Sed eos non curare opinor, qufd agat humanum genus: Nam si curent, bene bonis sit, male malis, quod nunc abest.
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Seen. 3 1 9-323 V (265-269 J) [Cic. Div. 1 , 1 32; troch.
Sept.] 319 . . . superstiti6si vates fnpudentesque harioli, Aut inertes aut insani aut qufbus egestas fmperat, Quf sibi semitam non sapiunt, alteri monstr:int viam, Qufbus divitias p6llicentur, ab iis drachumam ipsf petunt. De hfs divitiis sfbi deducant drachumam, reddant cetera.
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Fragmente
Immer sagt' ich, werd' es sagen, dass es wahrhaft Götter 316 gibt; Niemals aber glaub ich, dass sie kümmert, was wir Menschen tun. Sonst erging es wohl den Guten, Schlechten schlecht, doch 318 daran fehlt's. . . . Abergläubische Propheten, schamlos-freches Seherpack, Scharlatane oder Narren oder wen die Armut zwingt, Die den eignen Pfad nicht kennen, andern aber Führer sind. Reichtum künden sie den Leuten, wollen dann von ihnen Geld; Euren Groschen könnt ihr abziehn, doch den Rest zahlt ihnen aus !
Die Telephus-Sage berichtet Hyginus (V. 101): Telephus wurde bei der Fahrt der Griechen nach Troia vom Speer Achills ver-.v undet und erhielt das Orakel, nur dieser Speer könne seine schwärende Wunde heilen (»wer die Wunde schlug, wird sie auch heilen«), was dann (nach Schwierig keiten) geschah. Vielleicht spricht nun der (untergeordnete) Krieger Telephus zu den Führern der Griechen, oder ein Ereignis wird kommentiert (?). Seen. 331 V (280 J) [Paul. Fest. 1 24,26; Phaedr. 3, epil. 34; iamb. Sen.] Paläm muttire plebeio piäculum est Der niedere Mann, der aufmuckt, büßt es schwer
Seen. 392 V (363 J) [Cic. Tusc. 3,5; troch. Sept.] Animus aeger semper errat, neque pati neque perpeti Potest, cupere numquam desinit. Kranke Geister irren immer, tragen nichts, ertragen nichts, Hören nie auf zu begehren.
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Seen. 398-400 V (3 1 3-3 1 5 J) [Cic. Off 1,51; iamb. Sen.] Homo qui erranti c6miter monstrat viam Quasi Iumen de suo lumine accendat facit. Nihil6 minus ipsi lucet, cum illi accenderit Der Mensch, der dem Verirrten freundlich weist den Weg, Schenkt diesem sozusagen Licht von seinem Licht, Das ihm nicht minder leuchtet, auch wenn's j enem scheint
Seen. 402 V (348 J) [Cic. Off 2,23; troch. Sept.] Quem metuunt oderunt, quem quisque 6dit periisse expetit Wen man fürchtet, hasst man, und wen einer hasst, den wünscht er tot.
Seen. 404 V (320 J) [Cic. Off 1 ,26; troch. Sept. ?] Nulla regni sancta s6cietas Nec fides est Bei einer Königsherrschaft gibt es Kein heiliges Bündnis, keine Treue
Seen. 409 V (349 J ) [Cic. Off 2,62; iamb. Sen.] Benefacta male locata malefacta arbitror. Schlecht angewandte Wohltat heißt mir Übeltat.
Saturae Satiren
Ennius fasste (vermutlich in späteren Jahren) in vier (sechs?) Büchern verschiedenartige, unterhaltende, beleh rende und ermahnende, wohl auch »satirische« Stücke zu sammen und gab ihnen den Namen Saturae (»Allerlei«, Quodlibet). Diese Gedichte hatten, ihrem Inhalt und hel lenistischer Art entsprechend, die verschiedensten Versma ße (iambischer Senar, Tetrameter, trochaeischer Septenar und andere), und vielleicht gab schon Ennius (wie spätere Satirendichter Roms) dem Hexameter größeren Raum. Bei der Schöpfung seiner Saturae als Literaturform hing Ennius übrigens weder von einem griechischen Vorbild ab noch von der szenischen römischen Satura (improvisierte spottende Wechselgesänge junger, in Bocksfelle gekleideter Männer; vgl. Liv. 7,2,7). Doch mag die alexandrinische Form des Gedichtbuches als kunstvoll geordnete Sammlung vorbildlich gewirkt haben. Stoffliche Anregungen boten die kynische Diatribe, wohl auch die Iamboi des Kallimachos (300-240 v. Chr.) und die betont individuelle Weltsicht des Hellenismus. Früher schon gab es satirische Elemente in der griechischen Literatur (Komödie, Bion von Borysthenes, Symposienliteratur usw.). Im dritten Satirenbuch, in dem Ennius sich selbst anreden lässt, könnten Gesprächsformen vorgeherrscht haben, etwa im (nur dem Titel nach bekannten) Streitgespräch von Le ben und Tod (vgl. bei Kallimachos im 4. Stück seiner Iam ben, Frg. 194 Pf, den Wettstreit von Lorbeer und Ölbaum). Die beste Vorstellung einer (wohl ganzen) ennianischen Satire vermittelt uns die (bei Gell. 2,29 in Prosa überliefer te) Fabel von der Haubenlerche, die Ennius in trochaei schen Septenaren schrieb und die am Ende auch die typi sche Nutzanwendung im gleichen Versmaß bringt. Zeit weise scheinen die alten Verse in der Prosa durch, z. B. n6n
Saturae
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metetur neque necessumst h6die uti vos aUferam. Die Fa bel selbst hat vielleicht ein griechisches Vorbild; vgl. die .!sopische Fabel 88 des Babrios und die knappe Fabel 21 des Avianus. - Die Fabel lebte lange fort: Im Mittelalter, in Paulis Schimpf und Ernst, bei Lafontaine. F. Bücheler bildet übrigens eine solche Fabel aus Hyginus in trochaeischen Septenaren nach (Rheinisches Museum 41, 1886, S. 87).
Ennius lässt sich in einer Satire des 3. Satirenbuches rüh mend anreden (vielleicht gab es ein hellenistisches Vorbild; vgl. Dion. Chalkus bei Athen. 1 5,669 E): Sat. 6 V (Buch 3) [Non. 33,7; iamb. Sen.] Enni poeta salve, qui mortalibus Versus propinas flammeos medullitus. Heil dir, o Dichter Ennius, der den Sterblichen Aus tiefer Seele Flammenverse schöpft und schenkt!
Einem Parasiten wird anschaulich ins Gewissen geredet: Sat. 1 4-19 V [Don. Ter. Phorm. 339; iamb. Sen.] Quippe sine cura laetus lautus cum advenis Infertis malis, expedito bracchio, Alacer celsus, lupino expertans impetu, Mox cum alterius abligurias bona, Quid censes domino esse animi ? Pro divum fidem, Ille tristis est dum cibum servat, tu ridens voras. Kommst ohne Sorge stattlich, fröhlich du daher, Mit feisten B acken und mit griffbereitem Arm, Hoch aufgerichtet, munter, gierig wie ein Wolf; Und wenn du dann des andern ganzes Gut auffrisst, Wie, meinst du, ist dem Herrn zu Mut? Bei Gott! Er reicht das Mahl verdrossen, doch du schlingst vergnügt.
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Sat. 21-58 V [Gell. 2,29,1 f.] (2 1 ) Avicula cst parva, nomen est cassita. Habitat nidula
turque in segetibus id ferme temporis, ut appetat messis pullis iamiam plumantibus. (23) ea cassita in sementes forte congesserat tempestiviores; propterea frumentis flavescen tibus pulli etiam tune involucres erant. (25) dum igitur ipsa iret cibum pullis quaesitum, monet eos, ut si quid ibi rei novae fieret dicereturve animadverterent idque uti sibi, ubi redisset, nuntiarent. Dominus postea segetum illarum filium adulescentem vocat et 'videsne' inquit 'haec ematuruisse et manus iam postulare ? (29) idcirco die crastini, ubi primum diluculabit, fac amicos eas et roges, veniant operamque mutuam dent et messim hanc nobis adiuvent.' haec ubi ille dixit, et disces sit. (32) atque ubi redit cassita, pulli tremebundi trepiduli circumstrepere orareque matrem, ut iam statim properet inque alium locum sese asportet. 'nam dominus' inquiunt 'misit, qui amicos roget, uti luce oriente veniant et metant.' (35) mater iubet eos otioso animo esse; 'si enim dominus' inquit 'messim ad amicos reicit, crastino seges non metetur, neque necessum est hodie uti vos auferam.' Die igitur postero mater in pabulum volat. dominus, quos rogaverat, operitur. (39) so! fervit, et fit nihil; it dies, et amici nulli eunt. turn ille rursum ad filium 'amici isti ma gnam partem' inquit 'cessatores sunt. quin potius imus et cognatos adfines [amicos]que nostros oramus, ut assint cras temperi ad metendum.' (43) itidem hoc pulli pavefacti
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Die Fabel von der Haubenlerche
(2 1 ) Es gibt einen kleinen Vogel, der heißt Haubenler che. Er wohnt und nistet in Kornfeldern etwa zu einer Zeit, dass die Jungen bereits flügge werden, wenn die Ernte naht. (23) Diese Haubenlerche hatte einmal ihr Nest in ei nem Feld, das schneller gereift war, und so färbten sich die Ähren schon gelb, ehe die Jungen flügge waren. (25) Als die Alte nun ausflog, um Futter für die Jungen zu suchen, ermahnte sie die Kleinen, sie sollten Acht geben, ob bei ih nen etwas Auffälliges geschehe oder gesprochen werde, und sollten es ihr bei der Rückkehr melden. Ein wenig später rief der Besitzer des Feldes seinen jun gen Sohn und fragte ihn: »Siehst du, dass dieses Feld schon reif ist und nach dem Schnitter ruft? (29) Darum gehe mor gen, sobald es Tag wird, zu unseren Freunden und bitte sie zu kommen, als Nachbarn Hilfe zu leisten und uns hier bei der Ernte zu helfen.« Nach diesen Worten ging er seiner Wege. (32) Als nun die Haubenlerche heimkam, umlärm ten die Kleinen zitternd und verängstigt die Mutter und baten, sie möge sie sogleich und rasch an einen anderen Ort bringen. >>Der Herr hat nämlich«, berichteten sie, »je mand ausgeschickt, der die Freunde bitten soll, in aller Frühe zu kommen und zu mähen.« (35) Die Mutter aber hieß sie unbesorgt zu sein. »Wenn der Herr nämlich«, er klärte sie, »die Ernte auf die Freunde abschiebt, wird mor gen nicht gemäht, und daher muss ich euch heute noch nicht wegbringen. « Am nächsten Tag also fliegt die Mutter zum Futterholen fort. Der Herr wartet auf die von ihm Gebetenen. (39) Die Sonne brennt heiß, und nichts geschieht. Der Tag geht hin, und kein Freund lässt sich sehen. Wieder sagt der Herr zu seinem Sohn: »Unsere Freunde sind wohl samt und son ders Faulpelze. Da gehen wir lieber hin und bitten die Ver wandten und Schwäger, sie möchten morgen beizeiten kommen und mähen helfen.« Auch dies erzählen die ver-
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matri nuntiant. mater hortatur, ut turn quoque sine metu ac sine cura sint, cognatos adfinesque nullos ferme tarn esse obsequibiles ait, (45) ut ad Iaborern capessendum nihil cunctentur et statim dicto oboediant; 'vos modo' inquit 'advertite, si modo quid denuo dicetur.' (47) alia luce orta avis in pasturn profecta est. cognati et adfines operam quam dare rogati sunt supersederunt. ad postremum igitur dominus filio 'valeant' inquit 'amici cum propinquis. (50) afferes primo luci falces duas, unam egomet mihi et tu tibi capies alteram et frumentum nosmet ipsi manibus nostris cras metemus.' Id ubi ex pullis dixisse dominum mater audivit, 'tempus' inquit 'est cedendi et abeundi; fiet nunc dubio procul, quod futurum dixit. (55) in ipso enim iam vertitur cuia res est, non in alio unde petitur. ' atque ita cas sita nidum migravit, seges a domino demessa est. Hoc erit tibi argurnenturn semper in prompt11m situm: (58) Ne quid expectes amicos qu6d tute agere p6ssies.
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ängstigten Kleinen ihrer Mutter. Die Mutter jedoch mahnt sie auch diesmal, ohne Furcht und Sorge zu sein. Verwand te und Schwäger seien keinesfalls so willig, (45) dass sie oh ne Zögern zur Arbeit kämen und sogleich aufs Wort ge horchten. »Passt aber auf«, schloss sie, »ob (morgen) wie der etwas gesagt wird ! « (47) Auch am nächsten Tag flog der Vogel zur Futtersuche; die Vettern und Schwäger aber sparten sich die Mühe, um die man sie gebeten hatte. Nun endlich sagte der Herr zu seinem Sohn: >>Schluss jetzt mit Freunden und Verwandten! (50) Morgen in aller Frühe bringst du zwei Sicheln, eine für mich, und du nimmst die andere, und dann wollen wir beide mit eigener Hand schneiden. « Kaum hatte die Mutter von den Jungen diese Worte des Herrn gehört, rief sie: »Jetzt wird es Zeit, zu weichen und fortzugehen, denn ohne Zweifel wird nun ge schehen, was er angekündigt hat. (55) Jetzt nämlich liegt die Arbeit bei dem, den sie angeht, nicht bei einem ande ren, den man bitten muss. « So zog die Haubenlerche um, und der Herr mähte sein Feld. Dies lass dir zur Lehre dienen, die dir stets gewärtig sei: (58) Nie erwarte von den Freunden, was du selber leis ten kannst!
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Zum Stil der Satura passt wohl besonders das folgende WortspieL· Sat. 59-62 V [Gell. 1 8,2,7; Sotad.] Nam qui lepide postulat alterum frustrari Quem frustratur frustra, eum dicit frustra esse. Nam qui sese frustrari quem frustra sentit, Qui frustratur is frustra est, si non ille est frustra. Denn wer den andern allzu fein reinlegen will, Fällt selbst herein, wenn er den andern reingefallen nennt. Wer nämlich fälschlich meint, er habe einen reingelegt, Ist selbst hereingefallen, wenn der andere es nicht ist.
Zur moralischen Tendenz der Satura fügt sich em Ver gleich. Sat. 69 V [Cic. Nat. deor. 1 ,97; Hexam.] Simia quam similis turpissuma bestia nobis Ach, der Affe, das schändliche Tier, wie ist er uns ähnlich!
Varia Verschiedenes
Im Folgenden sind Bruchstücke aus weiteren (kleineren oder größeren) Einzelschriften des Dichters aufgeführt. Eine epische Dichtung in (ausschließlich) trochaeischen Septenaren scheint das Werk Scipio gewesen zu sein; darin waren die Taten des P. Scipio Africanus Maior im Zweiten Punischen Krieg geschildert. Verfasst war das Werk etwa zwischen 202 und 1 83 v. Chr., vor den Annalen. Das Buch erhielt großen Beifall (vgl. Hor. Carm. 4,8,13f) und war von Pathos geprägt. - In Fragment 1 scheint das römische Volk selbst zu sprechen: Frg. Var. 1 V [frebell. Poil. Claud. 7,7] Quantam statuam faciet populus Romanus, Quantam columnam quae res tuas gestas loquatur. Welches Standbild wird das Römervolk errichten, Welche Säule, deine Taten zu berichten!
In Fragment Varia 9-12 V wird vielleicht die Überfahrt Scipios nach Afrika geschildert; vgL Liv. 28,17,12. - Frag ment 9 weist wohl auf eine vorangehende Götterversamm lung. Frg. Var. 9-1 2 V [Macrob. Sat. 6,2,26; troch. Tetram.] . . . mundus caeli vastus c6nstitit silentio Et Neptunus saevus undis asperis pausam dedit, Sol equis iter repressit ungulis volantibus, C6nstitere amnes perennes, arbores vent6 vacant . . . . Der weite Raum des Himmels blieb in tiefem Schweigen stehn,
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Und der wilde Gott Neptunus ließ die rauen Wogen ruhn. Selbst die Sonne hielt die Pferde, deren Hufe flogen, an; 1 1 Flüsse, nie versiegend, stocken, und die Bäume rührt kein Hauch.
Epigrammata Epigramme
Ennius war vielleicht der erste Dichter, der das elegische Distichon ins Lateinische einführte. Auch stammt die Be zeichnung für solche Epigramme (Elogia) wohl von Ennius selbst. Die erhaltenen Epigramme sind vorwiegend dem Ruhmesgedanken gewidmet. Ennius entwarf selbst die In schrift für ein Bild von sich (15 f) und gab in einem zwei ten Epigramm (17) als letzte Äußerung ein Zeugnis seines Ruhmesbewusstseins. Dabei ist Fragment 17 vielleicht eine Antwort auf das Elogium des Naevius (Immortales morta les si foret fas fiere, flerent divae Camenae Naevium po etam . . . ).
Frg. Var. (Epigr.) 1 5 V [Cic. Tusc. 1 ,34; eleg. Distich.] Aspicite, o cives, senis Enni imaginis formam. Hic vestrum panxit maxima facta patrum. Seht, ihr Bürger, hier des greisen Ennius Bildnis, Der das große Werk eurer Väter besang! Frg. Var. (Epigr.) 17 V [Cic. Tusc. 1 ,34 u. a.; eleg. Dis tich.] Nemo me lacrimis decoret nec funera fletu Faxit. Cur? Volito vivos per ora virum.
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::-.;iemand zolle mir Tränen, und keiner bestatte mich klagend. Fragt ihr weshalb ? Im Lied leb' ich im Munde der Welt.
In einem anderen (Grab ?-)Epigramm lässt der Dichter den Scipio selbst seine Verdienste preisen. Frg. Var. (Epigr.) 21 f. V [Cic. Tusc. 5,49; Lact. Div. inst. 1 , 1 8,10; zwei eleg. Distich.] 21 A sole exoriente supra Maeotis paludes Nemo est qui factis aequiperare queat. 23 Si fas endo plagas caelestum ascendere cuiquam est, Mi soli caeli maxima porta patet. Weither vom Aufgang der Sonne hoch über Maeotischen 21 Sümpfen Gibt es niemand, der mich durch seine Taten erreicht. Ist es erlaubt, dass einer zum Wohnsitz der Himmlischen 23 aufsteigt, .. Offnet sich mir allein mächtig das himmlische Tor.
Sota
Sota ist die Namens-Kurzform für Sotades (von Maroneia in Thrakien), einen Dichter des 3. Jahrhunderts v. Chr., der unterhaltsame (spöttische, auch erotische) Dichtungen ver fasste. Er verwendete ein eigenes Metrum (Sotadeum), eine Variante des ionischen Tetrameters (aus ionici a maiore, zwei Längen, zwei Kürzen, bestehend; hier nicht nachge bildet).
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Frg. Var. (Sot. ) 25 V [Varro LL 5,62; Fest. 570,22; Sotad.] Ibant malaci viere Veneriam corollam. Weichlinge gingen hin, sich Venus-Kränze zu winden. Frg. Var. (Sot. ) 28 V [Paul. Fest. 5,3,9,6] . . alii rhetorica tongent . . . und andre verstehen zu reden .
Frg. Var. (Sot. ) 29 V [Frg. De metr. GLK 6,6 1 3 , 1 7; ion. a maiore] Ille ictus retr6 reccidit in natem supinus. Jener fiel, getroffen, rückwärts auf den Hintern.
Protrepticus Mahnrede
Ennius verfasste wohl auch nach mehrfachem griechischem Vorbild (etwa des Aristoteles) einen Protrepticus (Mahnre de) zur Philosophie, aus dem eine (pädagogische) Schilde rung erhalten ist. Ob der ebenfalls überlieferte Titel Prae cepta dieses oder ein anderes Werk bezeichnet, ist unklar. Frg. Var. 3 1 -33 V [Prise. GLK 1 0,532,1 7; troch. Sept.] Übi videt avenam lolium crescere inter triticum. Selegit secernit aufert; sedulo ubi operam addid i t, . . . quam tanto studio seruit Wenn er sieht, dass Schwindelhafer zwischen Weizenhalmen wächst, Jätet er, reißt aus und säubert; und bei so viel Müh' und Fleiß (hofft er auf Ertrag des Feldes), das so eifrig er bestellt.
Hedyphagetica Delikatessen
Der griechische Autor Archestratos von Gela (Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr.) beschrieb in eher parodistisch-plau dernder Tonart Delikatessen aus aller Welt unter dem Titel Hedypatheia (griechischer Text bei P. Brandt, Corpuscu lum poesis epicae Graecae ludibundae, Leipzig 1888, 1, 114f). Ennius scheint (nach 1 89 v. Chr.) einiges (alles?) davon übersetzt zu haben, um seine Sprachkunst zu bewei sen. Erhalten ist ein Stück über Fische. Davon sind die Ver se 35, 36, 39, 40 und 43 im griechischen Wortlaut des Ar chestratos erhalten, und zwar bei Athenaios: Athen. 3,92d (35.36); Athen. 7,300d (39); Athen. 7,320a (40); Athen. 7,31 8/ (43). Frg. Var. 34-44 V [Apul. Apol. 39; Hexam.] 34 Omnibus ut Clipea praestat mustela marina. Mures sunt Aeni asperaque ostrea plurima Abydi. Mitylenae est pecten caradrumque apud Ambraciae finis. Brundisii sargus bonus est, hunc magnus si erit sume. 37 38 Apriculum piscem scito primum esse Tarenti. Surrenti elopem fac emas, glaucumque aput Cumas. 40 Quid scarum praeterii cerebrum Iovis paene supremi: Nestoris ad patriam hic capitur magnusque bonusque: Melanurum turdum merulamque umbramque marinam. 42 Polypus Corcyrae, calvaria pinguia acarnae, 44 Purpura, muriculi, mures, dulces quoque echini.
Wie doch das Clipea-Wiesel vor allen andern hervorragt! Muscheln gibt es bei Aenus, in Abydus viel schuppige 35 Austern. Kammmuscheln hat Mytilene; auch der Sund von Ambrakia hat sie. 36 Brindisi hat gute Brachsen, und ist eine groß, so kauf sie! Wisse, dass in Tarent der Eberfisch erstklassig mundet. 38
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Kaufe den Schwertfisch dir in Sorrent, den Blauhai bei Kyme. Warum vergaß ich den Papageifisch, der herrlich wie 40 Iupiters Hirn ist (Diesen fängt man groß und gut bei der Heimat des 41 Nestor), Dazu Schwarzschwanz, Meerdrossel, Meeramsel, Äsche? Corcyra hat Polypen, auch fette Flundern und Meerwolf, Purpurfisch, Miesmuschel, Muschel, auch Seeigel, schmackhaft und köstlich. 44 [35 Aenus: griech. Ainos; alte Stadt im ägäischen Thrakien im Mün dungsgebiet des Hebros. - Abydus: Stadt an der engsten Stelle der Dardanellen. - 41 Nestor: homerischer Held, war der Herrscher von Pylos an der Westküste Messeniens auf der Peloponnes. 43 Korkyra: das heutige Korfu.]
Epicharmus
Der griechische Komödiendichter Epicharmos (6.15. Jahr hundert v. Chr.) schrieb mythologische Komödien (z. B. Prometheus) und (besonders) Typenstücke aus dem All tags/eben (z. B. über Parasiten, Landjunker). Hinzu traten Anspielungen auf zeitgenössische Philosophen (besonders Pythagoras und Anaxagoras). Welches Werk (vielleicht eine Spruchsammlung) des Epicharmos Ennius in seinem Epi charmus nachahmt oder übersetzt (vielleicht nach 189 v. Chr.), ist unklar. Immerhin benützen sowohl Epicharmos wie Ennius oft gleiches Versmaß (trochaeischen Septenar). Wohl zu Beginn ließ sich Ennius in einer Traumszene in die Unter11Jelt versetzen. Die dann folgende pythagoreisie rende Gleichsetzung der vier Elemente mit römischen Göt tern widerspricht der römischen Staatsreligion.
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Frg. Var. 45 V [Cic. Acad. 2,5 1 ; troch. Sept.] �am videbar s6mniare med ego es � e m6rtuum Denn ich träumte, und es schien mir, dass ich schon gestorben sei Frg. Var. 51 V [Prise. GLK 2,341 ,20; troch. Sept.] Terra corpus est, at mentis ignis est. Denn aus Erde ist der Körper, Feuer aber ist der Geist. Frg. Var. 52.53 V [Varro LL 5,59; troch. Sept.] Istic est de sole sumptus ignis Isque totus mentis est Von der Sonne stammt dies Feuer, Und die Sonne ist ganz Geist. Frg. Var. 54-58 V [Varro LL 5,65; troch. Sept.] fstic est is Iupiter quem dico quem Graecf vocant 4-erem, qui ventus est et nubes, imber p6stea, Atque ex imbre frigus, ventus post fit, aer denuo. Haec . . . propter Iupiter sunt ista quae dic6 tibi, Qua . . . mortalis atque urbes beluasque omnis iuvat. Iupiter ist es, den ich meine, den die Griechen Aer nennen, Dieser ist der Wind, die Wolken, ist der Regen auch sodann, Wird aus Regen wieder Kälte, wird dann Wind und wieder Luft. Deshalb ist all das Genannte Iupiter, der auf solche Art Allen Menschen, allen Städten, allen Tieren gütig hilft ( iuvat) .
Euhemerus vel Sacra historia Euhemerus oder Heilige Schrift
Auch hier verwendet Ennius den Namen des benützten Verfassers als Titel, fügte aber wohl den Namen des benütz ten Werkes (sacra historia) hinzu. Euhemeros aus Messene lebte im 4.13. Jahrhundert v. Chr. und verfasste (nach 316 v. Chr.) eine Heilige Aufzeichnung (hiera anagraphe) in (mindestens) drei Büchern (Euhemeri Messenii reliquiae, hrsg. von M. Winiarczyk, Stuttgart 1991). Er beschrieb dar in eine romanhafte Reise zur Insel Panchaia im Indischen Ozean. Dort fand er angeblich eine Inschrift mit der Auf zeichmmg der Taten ältester Herrscher (u. a. Uranos, Kro nos, Zeus), die nach dem Tod für ihre Verdienste mit göttli chen Ehren bedacht wurden. Entweder wollte Euhemeros damit in kühner Weise die Entstehung des Götterglaubens rational erklären ( Euhemerismus« ), was näher liegt, oder er suchte (ähnlich anderen hellenistischen Schriftstellern) den Herrscherkult zu begründen, nach dem ein gerechter Herrscher göttliche Ehren beanspruchen durfte. Das latei nische Werk wurde weit bekannt (Ennius wollte damit viel leicht Scipio Africanus verherrlichen, etwa vor 181 v. Chr.); später wurde der Euhemerus von christlichen Kirchenvä»
Frg. Var. 60 f. V [Fundstellen: Lact. Div. inst. 1 , 1 3,14. 62: ebd. 1 , 1 1 ,65. - 64.83: ebd. 1 ,14,1 . - 87: ebd. 1 , 1 4,1 0. - 99: ebd. 1 , 1 1 ,62. - 1 07: ebd. 1 , 1 1 ,32. - 1 09: ebd. 1 , 1 1 ,35. - 1 1 3: ebd. 1 , 1 3,2. - 1 1 6: ebd. 1 ,22,21 . - 1 32: ebd. 1 ,1 1 ,44. - 1 42: ebd. 1 , 1 7,9] (60) Initio primus in terris imperium summum Caelus habuit: is id regnum una cum fratribus suis sibi instituit at que paravit. (62) Caelo avo, quem dicit Euhemerus in Oceania mor tuum et in oppido Aulacia sepultum.
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tern mehrfach (oft wörtlich) zitiert. Vermutlich umfasste die Schrift des Ennius mehrere Bücher und war vielleicht tmprünglich in Tetrametern geschrieben. Später formte man sie wohl in Prosa um (wie Gellius die Fabel von der Lerche umformte), wobei manchmal Teile der alten Versge stalt erhalten blieben. Manche Forscher bestreiten dies ent schieden und behaupten, Ennius habe als Erster ein Werk in lateinischer Prosa verfasst. Er wäre dann auch als Schöpfer der literarischen erzählenden Prosa anzusehen, und die ge wollt (?) naive Prosa seines Werkes könnte somit als Nach ahmung des griechischen Originals gelten. Für diese Ansicht spricht auch die Tatsache, dass Ennius sich im Allgemeinen an Form und Sprache seiner Vorbilder anschloss. Zu fragen ist freilich, wie man in Rom den traditions feindlichen, geradezu atheistischen Aspekt des Werkes auf nahm. Über die Stadt Aulacia, » Topfstadt«, nach den Aschentöpfen der Bestatteten benannt, wird man nicht nur gelächelt haben. Und dass Ennius so treuherzig war, die ganze (eher frivole) Erfindung des Euhemeros für bare Münze zu nehmen, ist recht unwahrscheinlich.
(60) Am Anfang hatte als Erster Caelus [der Himmels gott] die Herrschaft auf Erden inne; er errichtete diese �errschaft gemeinsam mit seinen Brüdern und gestaltete s1e aus. (62) . . (opferte) dem Großvater Caelus, von dem Euhe merus berichtet, er sei in Oceania verstorben und in der Stadt Aulacia bestattet. .
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(64) Exim Saturnus uxorem duxit Opern. Titan qui maior natu erat postulat ut ipse regnaret. ibi Vesta mater eorum et sorores Ceres atque Ops suadent Saturno, uti de regno ne concedat fratri. (67) lbi Titan, qui facie deterior esset quam Saturnus, idcirco et quod videbat mattem atque sorores suas operam dare uti Saturnus regnaret, concessit ei ut is regnaret. itaque pactus est cum Saturno, (70) uti si quid li herum virile secus ei natum esset, ne quid educaret. id eius rei causa fecit, uti ad suos gnatos regnum rediret. (72) Turn Saturno filius qui primus natus est, eum neca verunt. deinde posterius nati sunt gemini, luppiter atque luno. turn lunonem Saturno in conspectum dedere atque Iovern clam abscondunt (75) dantque eum Vestae educan dum celantes Saturnum. item Neptunum clam Saturno Ops parit eumque clanculum abscondit. ad eundem mo dum tertio partu Ops parit geminos, Plutonem et Glaucam. (78) Pluto Latine est Dis Pater, alii Orcum vocant. ibi fi liam Glaucam Saturno ostendunt, at filium Plutonem ce lant atque abscondunt. (80) deinde Glauca parva emoritur. haec ut scripta sunt lovis fratrumque eius stirps atque co gnatio: in hunc modum nobis ex sacra scriptione traditum est. (83) Deinde Titan postquam rescivit Saturno filios pro creatos atque educatos esse clam se, seducit secum filios suos qui Titani vocantur, (85) fratremque suum Saturnum atque Opern comprehendit eosque muro circumegit et cus todiam his apponit. (87) Iovern adultum, cum audisset patrem atque matrem custodiis circumsaeptos atque in vincula coniectos, venisse cum magna Cretensium multitudine Titanumque ac filios
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(64) Sodann nahm Saturnus Ops zur Gattin. Titan j e doch, der der Ältere war, forderte die Herrschaft für sich selbst. Da raten die Mutter der beiden, Vesta, und die Schwestern Ceres und Ops dem Saturnus, er solle seinem Bruder die Herrschaft nicht abtreten. (67) Titan nun, der nicht so schön von Gestalt war wie Saturnus, gestand des halb und auch, weil er sah, dass seine Mutter und Schwes tern für Saturn als Herrscher eintraten, diesem die Königs herrschaft zu. So traf er mit Saturnus ein Abkommen: Wenn diesem ein männliches Kind geboren werde, dürfe er es nicht aufziehen. Dieses Abkommen schloss er, damit die Herrschaft auf seine eigenen Söhne überginge. (72) Den ersten Sohn des Saturn nun töteten sie. Später wurden dann Zwillingskinder geboren, lupiter und luno. Iuno nun zeigte man dem Saturn, während sie Iupiter vor ihm verbargen (75) und ihn der Vesta übergaben, um ihn ohne Wissen Saturns aufzuziehen. Auch den Neptunus ge bar Ops ohne Wissen Saturns und verbarg ihn. Ebenso ge bar Ops bei ihrer dritten Niederkunft insgeheim Zwillinge, nämlich Pluto und Glauca. (78) Im Lateinischen heißt Plu to Vater Dis, während andere ihn Orcus nennen. Dabei zeigte man dem Saturnus die Tochter Glauca, während sie den Sohn Pluto verheimlichten und versteckten. (80) Spä ter jedoch starb die kleine Glauca. So, wie hier schriftlich niedergelegt, verhält es sich mit Herkunft und Verwandt schaft des lupiter und seiner Brüder, und so ist es uns durch die »Heilige Schrift« überliefert. (83) Als dann jedoch Titan erfuhr, dass dem Saturn ohne sein Wissen Söhne geboren und aufgezogen wurden, schar te er die eigenen Söhne, die man Titanen nennt, um sich, (85) ergriff Saturnus, seinen Bruder, und Ops, umschloss sie mit einer Mauer und setzte Wächter über sie. (87) Als jedoch Iupiter erwachsen war und erfahren hatte, dass sein Vater und die Mutter von Wächtern um ringt und in Fesseln gelegt seien, soll er mit einer großen Anzahl von Kretern herangezogen sein und Titan und
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eius pugna VIC!Sse, (90) parentes vinculis exernisse, patri regnurn reddidisse atque ita in Cretarn rerneasse. (91 ) Post haec deinde Saturno sortern datarn, ut caveret ne filius eurn regno expelleret; illurn elevandae sortis atque effugiendi periculi gratia insidiaturn lovi, ut eurn necaret; Iovern cognitis insidiis regnurn sibi denuo vindicasse ac fu gasse Saturnurn, (95) qui curn iactatus esset per ornnes ter ras persequentibus arrnatis, quos ad eurn cornprehenden durn vel necandurn Iuppiter rniserat, vix in Italia locurn in quo lateret invenit. Consedisse illi aquilarn in capite atque ei regnurn por tendisse. (99) Deinde Pan eurn deducit in rnontern, qui vocatur caeli ste/a. Postquarn eo ascendit, conternplatus est late ter ras, ibique in eo rnonte ararn creat Caelo, prirnusque in ea ara Iuppiter sacrificavit. in eo loco suspexit in caelurn quod nunc nos norninarnus, (1 03) idque quod supra rnundurn erat, quod aether vocabatur, de sui avi nornine caelo nornen indidit, idque Iuppiter quod aether vocatur placans prirnus caelurn norninavit, earnque hostiarn quarn ibi sacrificavit totarn adolevit. (1 07) Ubi Iuppiter Neptuno irnperiurn dat rnaris, ut in sulis ornnibus et quae secundurn rnare loca essent ornnibus regnaret. (1 09) Ea ternpestate Iuppiter in rnonte Olyrnpo rnaxi rnarn partern vitae colebat et eo ad eurn in ius veniebant, si quae res in controversia erant. itern si quis quid novi inve-
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dessen Söhne im Kampf besiegt haben; (90) auch habe er seine Eltern aus der Gefangenschaft befreit, dem Vater die Herrschaft wiedergegeben und sei dann nach Kreta zu rückgekehrt. (91 ) Nach diesen Ereignissen habe Saturn sodann das Orakel erhalten, er solle sich in Acht nehmen, dass ihn nicht sein Sohn aus der Herrschaft vertreibe. Daraufhin habe Saturn, um das Schicksal abzuwenden und der Gefahr zu entgehen, dem lupiter aufgelauert, um ihn zu töten. lu piter aber habe den Anschlag durchschaut, die Herrschaft selbst wieder an sich gerissen und Saturn vertrieben. (95) Dieser nun sei durch alle Lande geirrt, verfolgt von Be waffneten, die lupiter ausgesandt hatte, um ihn zu ergrei fen oder zu töten. Schließlich fand er mit Mühe und Not in Italien einen Ort, wo er sich verbergen konnte. Ein Adler habe sich auf seinem (Iupiters) Haupt nieder gelassen und ihm die Königsherrschaft angekündigt. (99) Sodann führte Pan Iupiter auf einen Berg, der »Säu le des Himmels« benannt ist. Als lupiter dort hinaufgestie gen war, betrachtete er weithin die Länder, errichtete auf diesem Berg einen Altar für Caelus und opferte als Erster auf diesem Altar. Von diesem Ort aus blickte er zum Him mel (den wir jetzt so nennen) empor. (1 03) Dem Ort also oberhalb der Welt, der (bis dahin) Aether hieß, gab er nach dem Namen seines Großvaters den Namen caelum (Him mel). lupiter sprach dabei, um den Ort, den man Aether nennt, zu versöhnen, diesen als Erster (mit dem Namen) caelum an, und er hat das Opfertier, das er dort darbrachte, ganz verbrannt. (1 07) Hier übergibt lupiter dem Neptun die Herrschaft über das Meer, damit er über alle Inseln und über alle Orte an den Meeresküsten herrsche. ( 1 09) Zu dieser Zeit verbrachte lupiter den größten Teil seines Lebens auf dem Berg Olympus, und wenn es Streit über eine Sache gab, ging man zu ihm hinauf und erbat sei ne Entscheidung. Und wenn j emand etwas Neues erfun-
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nerat, quod ad vitam humanam utile esset, eo veniebant atque lovi ostendebant. (1 1 3 ) Saturnum et Opern eeterosque tune homines hu manam earnem solitos esitare: verum primum Iovern Ieges hominibus moresque eondentem edieto prohibuisse, ne li eeret eo eibo vesei. ( 1 1 6) Nam eum terras eireumiret, ut in quamque regio nem venerat, reges prineipesve populorum hospitio sibi et amieitia eopulabat et eum a quoque digrederetur iubebat sibi fanum ereari hospitis sui nomine, quasi ut posset ami eitiae ae foederis memoria eonservari. sie eonstituta sunt templa lovi Ataburio, lovi Labryandio: ( 1 2 1 ) Ataburus enim et Labryandus hospites eius atque adiutores in bello fuerunt; item lovi Laprio, Iovi Molioni, lovi Casio et quae sunt in eundem modum. (1 23) quod ille astutissime exeogi tavit, ut et sibi honorem divinum et hospitibus suis perpe tuum nomen adquireret eum religione eoniunetum. (125) gaudebant ergo illi et huie imperio eius libenter obseque bantur et nominis sui gratia ritus annuos et festa eelebra bant. simile quiddam in Sieilia feeit Aeneas, eum eonditae urbi Aeestae hospitis nomen inposuit, ut eam postmodum laetus ae libens Aeestes diligeret augeret ornaret. (1 30) hoe modo religionem eultus sui per orbem terrae luppiter seminavit et exemplum eeteris ad imitandum de dit. ( 1 32) Deinde luppiter postquam quinquies terras eireu ivit omnibusque amieis atque eognatis suis imperia divisit reliquitque hominibus Ieges mores frumentaque paravit multaque alia bona feeit, immortali gloria memoriaque
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den hatte, das von Nutzen für das menschliche Dasein war, begab er sich ebenfalls dorthin und legte es lupiter vor. ( 1 1 3) (In der »Heiligen Schrift« stand), dass Saturn und Ops und alle übrigen Menschen damals gewohnt waren, Menschenfleisch zu essen. lupiter jedoch habe als Erster, als er den Menschen Gesetze und Sitten gab, durch ein Edikt verboten, sich mit solcher Speise zu ernähren. (1 1 6) Als (lupiter) nämlich auf Erden umherzog, wollte er in j eder Gegend, in die er kam, sich Könige oder Fürsten der Völker durch Gastfreundschaft verbinden und befahl jedem, den er verließ, er solle ihm ein Heiligtum unter dem Namen des Gastgebers errichten, sozusagen damit das An denken an ihre Freundschaft und ihr Bündnis erhalten bleiben könne. So wurden Tempel errichtet: Dem Iupiter Ataburius und dem Iupiter Labryandius, ( 1 2 1 ) denn so wohl Ataburus wie Labryandus waren Gastfreunde Iupi ters und Helfer im Krieg. In gleicher Weise (entstanden Tempel) für lupiter Laprius, Iupiter Molio, lupiter Casius und ähnlich benannte (Heiligtümer). ( 1 23) Dieses Verfah ren erfand Iupiter mit höchster Klugheit, um sich selbst göttliche Ehre und seinen Gastfreunden ewigen Ruhm zu gewinnen, der mit religiösem Kult verbunden war. (1 25) Daher freuten sich diese, befolgten willig seinen Befehl und feierten zu ihrer eigenen Ehre jährliche Kulte und Fes te. Ähnlich verfuhr auch Aeneas in Sizilien, indem er der von ihm gegründeten Stadt Acesta den Namen seines Gast freundes Acestes verlieh, damit Acestes später die Stadt froh und gern schätzte, vermehrte, ausschmückte. (1 30) Auf diese Weise verbreitete lupiter seine religiöse Verehrung über den Erdkreis und gab allen anderen ein Beispiel zur Nachahmung. (1 32) Sodann durchwanderte lupiter fünfmal die Erde, teilte allen seinen Freunden und Verwandten Herrschafts bereiche zu, hinterließ den Menschen Gesetz und Sitte, lehrte sie den Feldbau und erwies ihnen viele weitere Wohltaten. So hinterließ er, selbst mit unsterblichem Ruhm
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adfectus sempiterna monumenta suis reliquit. (136) aetate pessum acta in Creta vitam commutavit et ad deos abiit eumque Curetes filii sui curaverunt decoraveruntque eum; ( 1 3 8) et sepulchrum eius est in Creta in oppido Gnosso et dicitur Vesta hanc urbem creavisse; inque sepulcro eius est inscriptum antiquis litteris Graecis ZAN KPONOY id est Latine luppiter Saturni. ( 1 42) Venus prima artem meretriciam instituit auctorque mulieribus in Cypro fuit, uti vulgo corpore quaestum face rent: quod idcirco imperavit, ne sola praeter alias mulieres inpudica et virorum adpetens videretur.
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und Nachruhm ausgezeichnet, den Seinen ewige Denkmä ler. ( 1 36} Als nun seine Gesundheit im Alter schwand, be schloss er sein Leben in Kreta und ging zu den Göttern ein. Die Kureten, seine Söhne, besorgten und schmückten seinen Leib, (138) und sein Grab ist auf Kreta in der Stadt Gnossus, und es heißt, Vesta habe diese Stadt gegründet. Auch trägt sein Grab in alten griechischen Buchstaben die Inschrift ZAN KPONOY, was auf Lateinisch heißt: »lupi ter, Sohn Saturns.« (1 42} Als Erste führte Venus den Dirnenberuf ein und veranlasste die Frauen auf Zypern, sich allen hinzugeben und so ihren Lebensunterhalt zu verdienen; und sie befahl dies deshalb, um nicht allein neben den anderen Frauen als schamlos und mannstoll zu erscheinen.
Zu dieser Ausgabe Die hier vorgelegte Ausgabe von Ennius-Fragmenten soll dem Le ser einen Überblick über das Gesamtwerk des Dichters geben und einen ersten Zugang zu seinem Werk ermöglichen. Die Übersetzung der Stücke ins Deutsche erwies sich als unge mein schwierig, besonders weil versucht ist, die Versmaße des En nius nachzuahmen; an einigen wenigen Stellen musste allerdings die helfende Prosa eingreifen, weil wir manches antike Maß nicht mehr ohne Künstelei nachahmen können (z. B. Sotadeen). Auch ist unser Verständnis bei manchen Stellen des Textes begrenzt, und zudem ist es ein im Ganzen hoffnungsloses Unternehmen, die na ive Kraft und Erhabenheit wie auch die listige Anmut mancher Fragmente voll und ganz nachahmen zu wollen. Die Textgestaltung folgt weitgehend der Ausgabe von J. Vahlen, wenn auch nicht ohne gelegentliche Kritik. Selbstverständlich sind (u. a.) die Ausgaben und Kommentare von 0. Skutsch und H. D. Jocelyn in jedem Fall beigezogen. Die Interpunktion der Fragmen te (wie auch der Übersetzungen) folgt ebenfalls der von Vahlen, die höchst klar die Lage von Sätzen bzw. von Halbsätzen im Kontext (oder an ungewissem Ort) darstellt. Ein »fehlendes« Komma be weist also keineswegs Gedankenlosigkeit, sondern ist im Gegenteil Anlass zum Nachdenken. Textergänzungen durch die Herausgeber sind im lateinischen Text durch Kursivdruck gekennzeichnet. Mein Dank gilt meiner Frau Eva für vielfache Hilfe bei Diskussi on und Übersetzung aller Texte. Weiter schulde ich Prof. W. Suer baum Dank für Ermutigung zu dieser Arbeit wie auch für die viel fachen Hilfsmittel, die er in den letzten rund vierzig Jahren für die Beschäftigung mit Ennius bereitgestellt hat. Weiter danke ich Friedrich Münich für die kritische Durchsicht der deutschen Texte. Nicht übereinstimmen kann ich mit Goethe, der in einem Brief entwud vom 16. April 1 8 1 6 (Werke. Weimarer Ausgabe, Abt. IV: Briefe, Bd. 28, S. 379) schreibt: >>Auffallend ist es, dass man im Nie dersteigen des Kunstgeschmacks . . . immer wieder so gern auf die roheren Anfänge der Literatur zurückblickt, dort Freude an Enni us hat.«
Zitierte Quellenautoren Außer den bekannten Autoren (wie Cicero usw.) werden bei den Quellenangaben für die Fragmente folgende Autoren bzw. Samm lungen angeführt: Athenaios von Naukratis, griechischer Grammatiker und Schriftsteller um 260 n. Chr. In seinem Werk Deipnosophistai (»Ge lehrtengastmahl«) besprechen die Teilnehmer eines Gastmahles die verschiedensten antiquarischen Themen. Flavius Sosipater Charisius, Grammatiker des 4. Jh.s n. Chr., der in fünf Büchern eine lateinische Grammatik und Stilistik verfasste (Artis grammaticae libri V, hrsg. von K. Barwick, Leipzig 2 1 964). Diomedes, Grammatiker des 4. Jh.s n. Chr.; verfasste eine lateini sche Grammatik in drei Büchern (Artis grammaticae libri, hrsg. von H. Keil, in: Grammatici Latini I, Leipzig 1 857, S. 297-530 [ab gekürzt GL und GLK]). Aelius Donatus, Grammatiker des 4. Jh.s n. Chr., Verfasser des Artis grammaticae liber (hrsg. von H. Keil, in: Grammatici Latini IV, Leipzig 1 864, S. 367-402). Sextus Pompeius Festus, römischer Grammatiker des 2. Jh.s n. Chr.; erstellte vom Lexikon des Verrius Flaccus (s. d.) einen Aus zug in 20 Büchern; davon gab Paulus Diaconus (8. Jh. n. Chr.) ei nen weiteren Auszug (Fesrus, De verbarum significatu libri [mit der Epitome des Paulus D iaconus], hrsg. von W. M. Lindsay, Leip zig 1 9 1 3 [reprogr. Nachdr., Bildesheim u . a. 1 978]). Marcus Cornelius Fronto, Rhetor des 2. Jh.s n. Chr.; Briefwech sel mit Kaisern, u. a. M. Aurelius (Epistulae, hrsg. von M. P. J. van den Hout, Leiden 1 964 ). Aulus Gellius, römischer Antiquar des 2. Jh.s. n. Chr.; verfasste eine bunte Sammlung von Plaudereien (Noctes Atticae, hrsg. von C. Hosius, Leipzig 1 903 [Nachdr., ebd., 1 967]). Hyginus (sonst unbekannt), verfasste (vielleicht im 2. Jh. n. Chr.) ein mythologisches Werk, das man später Fabula nannte und das die Rekonstruktion vieler verlorener Tragödien erlaubt (Fabulae, 2 Bde., hrsg. von H. C. Bunte, Leipzig 1 856 ). Isidorus von Sevilla (600--6 3 6 ), verfasste u. a. eine Weltchronik und 20 Bücher Origines (Etymologiae), ein enzyklopädisches Handbuch des damaligen Wissens (Etymologiarum sive originum libri XX, 2 Bde., hrsg. von W. M. Lindsay, Oxford 1 9 1 1 [Nachdr., ebd., 1 962] ).
Zitierte Quellenautoren
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Ambrosius Theodosius Macrobius, Antiquar und Philosoph um 400 n. Chr.; verfasste Saturnalia (»Unterhaltungen beim Saturnali enfest«; hrsg. von J. Willis, Leipzig 1 963 [u. ö.]). Nonius Marcellus, Grammatiker des 4. Jh.s n. Chr.; verfasste ein Sammelwerk De compendiosa doctrina in 20 Kapiteln (3 Bde., hrsg. von W. M. Lindsay, Leipzig 1 903 [reprogr. Nachdr., Bildesheim 1964]). Priscianus, römischer Grammatiker des 5./6. Jh.s n. Chr.; ver fasste eine große lateinische Grammatik in 1 8 Büchern, deren Ter minologie zum Teil noch in Gebrauch ist (Institutio grammatica, hrsg. von M. Hertz, in: Grammatici Latini ll-III, Leipzig 1 8555 9). Marcus Valerius Probus, römischer Grammatiker des 1. Jh.s n. Chr.; Herausgeber klassischer Autoren, Verfasser grammatischer Schriften; angeblicher Kommentar zu Vergil (In libros Vergilii com mentarius, hrsg. von H. Hagen, in: Appendix Seruiana, Leipzig 1 902, s. 323-387). Rhetorik an Herennius (Auctor ad Herennium), anonymes la teinisches Lehrbuch der Rhetorik, zwischen 86 und 82 v. Chr. ent standen, früher Cicero zugeschrieben (M. Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia, hrsg. von F. Marx, Bd. 1 , Leipzig 1 894 [u. ö.], [Nachdr., ebd., 1 964]). Servius, römischer Grammatiker des 4. Jh.s n. Chr.; Verfasser ei nes großen Kommentars zu Vergils Hauptwerken, daneben ist ein längerer, anonym überlieferter Kommentar erhalten, der sogenann te Servius Danielis (In Vergilii Bucolica et Georgica commentarii, hrsg. von G. Ch. Thilo und H. Hagen, 3 Bde., Leipzig 1 8 78-1 902 [reprogr. Nachdr., Bildesheim 1961]; Seruianorum in Vergilü car mina commentariorum [Kommentar zu Vergils Aeneis, Buch 1-5], 3 Bde., hrsg. von E. K. Rand [u. a.], Lancaster/Oxford 1 946-65). Suda, alphabetisches griechisches Lexikon des 10. Jh.s n. Chr., das sowohl sprachliche Einzelheiten wie auch Realien behandelt (Lexicographi Graeci, hrsg. von A. Adler, 5 Bde., Leipzig 1 928-38 [reprogr. Nachdr., Stuttgart 1 984-89; Bd. 1-3: ebd., 1 994]). Trebellius Pollio, römischer Historiker des 4. Jh.s n. Chr.; angeb lich Verfasser von Biographien römischer Kaiser von Valerianus bis Claudius Gothicus in der sog. Historia Augusta (Scriptores histo riae Augustae [SHA], hrsg. von E. Hohl und W. Seyfarth, Leipzig 197 1 . - Zu Ennius Frg. Var. 1 ist die Vita des Kaisers Claudius (Go thicus) zitiert, der (seit 268 n. Chr.) Nachfolger des Kaisers Gali enus war.
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Zitierte Quellenautoren
M. Terentius Varro ( 1 1 6-27 v. Chr.), höchst fruchtbarer römi scher Gelehrter und Dichter, der u. a. ein großes Werk De lingua Latina schrieb, von dem Buch 5-10 (lückenhaft) erhalten sind (De lingua Latina [LL], hrsg. von G. Goetz und R. Schoell, Leipzig 1 9 1 0 [reprogr. Nachdr., Amsterdam 1 964]). M. Verrius Flaccus, bedeutender römischer Grammatiker der augusteischen Zeit; er verfasste Sammlungen von Merkwürdigkei ten, besprach philologische Probleme, stellte einen Festkalender zusammen. Sein Hauptwerk war eine Sammlung von Worterklä rungen (De verborum significatu), die von Festus und später von P. Diaconus exzerpiert wurde (s. Festus).
Literaturhinweise Zu Editionen der Ennius-Fragmente siehe das letzte Kapitel der Einleitung.
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