Ein gewagter Plan
Carole Mortimer
Julia 1448 10 - 1/01
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von spacy
1. KAPITEL
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Ein gewagter Plan
Carole Mortimer
Julia 1448 10 - 1/01
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von spacy
1. KAPITEL
„Die Sachen hier kannst du selbst beantworten, Holly", sagte James und reichte ihr einen Stoß Briefe. Dann lehnte er sich mit geschlossene n Augen zurück. In so einer Stimmung hatte Holly ihn noch nie erlebt. Den ganzen Morgen hatte sie schon gemerkt, wie unkonzentriert ihr Arbeitgeber war, während er sich normalerweise für die eingegangene Post viel Zeit nahm und sie sorgfältig beantwortete. „James?" fragte sie vorsichtig. Sie war sich nicht sicher, ob er weitermachen wollte. Er sah sie an und. verzog langsam das Gesicht zu einem Lächeln, als würde ihn ihr Anblick aufheitern. Irgendetwas schien ihn zu quälen. „Was hatte ich zuletzt gesagt?" Holly zog die Augenbrauen hoch. Er war wirklich außergewöhnlich zerstreut. „Du hattest mir diese Briefe hier zum Beantworten gegeben", half sie ihm sanft weiter. Sie machte sich Sorgen um den Mann, für den sie seit drei Monaten arbeitete und mit dem sie sic h gut verstand. „Ah ja." Er fuhr sich durch das goldbraune Haar. Dann schloss er sekundenlang die Augen. Offenbar ging es ihm wirklich nicht gut. „Lass uns für heute aufhören, oder?" Er seufzte. „Ich habe Kopfschmerzen." „Natürlich." Holly stand graziös auf und nahm die Briefe. „Fürs Erste habe ich sowieso genug zu tun", versicherte sie ihm. „Ich wusste gar nicht, dass ich so viele begeisterte Leser habe." James ließ sich erschöpft zurücksinken. Holly hatte Mitleid mit ihm und wünschte, sie könnte ihm irgendwie helfen, den Stress loszuwerden. Sie mochte diesen Mann. Schon bei dem Vorstellungsgespräch - er hatte eine Sekretärin gesucht - hatte er ihr gefallen. Sie fand es bewundernswert, wie gut er sein Leben trotz der Behinderung im Griff hatte. Seit einem schweren Unfall vor zwei Jahren musste er im Rollstuhl sitzen. James war groß und immer noch muskulös. Er sah jedoch älter aus als sechsunddreißig. Sein Haar war von der Sonne gebleicht, denn nachmittags saß er gern im Garten, um zu arbeiten. Seine Augen waren so blaugrün wie das Meer, auf das er von seinem Haus in Hampshire aus blicken konnte. Ja, ich mag ihn sehr, dachte sie und blieb an der Tür stehen. Irgendetwas beunruhigte ihn zutiefst, und sie wollte ihn nicht einfach damit allein lassen. „Sind es nur die Kopfschmerzen, James?" fragte sie deshalb sanft. Er seufzte und beugte sich vor. „Nein", gab er deprimiert zu. „Weshalb soll ich es dir verheimlichen? Maxine kommt heute Nachmittag zurück." Nur mühsam konnte Holly ihre Überraschung verbergen. Maxine Benedict war seit fünf Jahren James' Frau. Sie war dreißig Jahre alt, hatte eine fantastische Figur und war früher Model gewesen. Seit drei Monaten wohnte Holly als James' Sekretärin im Haus, und in der Zeit war Maxine nur selten dort gewesen. Genau drei Wochen war sie schon in London und kam offenbar jetzt für einige Tage zurück. Sie würde wieder James' Tagesablauf stören, er würde unausgeglichen und launisch sein und nicht arbeiten können. „Das ist doch eine gute Nachricht", sagte Holly betont fröhlich und versuchte, sich ihre Bedenken nicht anmerken zu lassen. „So?" antwortete er verbittert und verzog die Lippen. „In den letzten Wochen hatten wir es angenehm ruhig, Holly, beinah friedlich. Ich habe mich in deiner Gesellschaft wohl gefühlt." Er blickte sie mit seinen blaugrünen Augen freundlich an. Sie errötete und freute sich, dass er genauso empfand wie sie. Über Maxines Rückkehr war sie wirklich nicht begeistert. Die schöne und weltgewandte Frau verursachte ihr Unbehagen, und sie
konnte sich denken, weshalb Maxine so lange in London blieb. „Ach Holly, manchmal wünsche ich mir ... Nein, lassen wir das", unterbrach er sich. „Kannst du bitte die Briefe sogleich schreiben? Sobald Maxine wieder da ist, komme ich sowieso zu nichts mehr", fügte er wehmütig hinzu. Maxine war sehr impulsiv, und wenn sie sich kurzfristig entschloss auszugehen, bestand sie darauf, dass James sie begleitete. Immer wieder schaffte sie es, den ganzen Haushalt durcheinander zu bringen. Holly ging in ihr Büro am anderen Ende des lang gestreckten Hauses. Sie liebte Ordnung in ihrem Leben und hatte es gar nicht gern, wenn ihr Tagesablauf gestört wurde. Leider musste sie damit rechnen, dass die nächsten Tage ziemlich turbulent verliefen. James Benedict war ein bekannter und berühmter Thrillerautor. Seine Romane spielten oft in der Welt der Rennfahrer, denn Autorennen waren seine große Leidenschaft. Deshalb saß er auch jetzt im Rollstuhl. Nachdem er sich von dem Unfall etwas erholt hatte, hatte er noch im Krankenhaus angefangen zu schreiben. Er hatte Glück gehabt und offenbar auch Talent, denn gleich sein erster Roman wurde vom Verlag angenommen. Und so ging es weiter, auch sein zweites, drittes und viertes Buch erschienen, und alle erhielten gute Kritiken. Die Berge begeisterter Zuschriften, die jeden Tag ins Haus flatterten, bewiesen, wie gut seine Romane sich verkauften. Als James sich entschieden hatte, sie als Sekretärin einzustellen, war Holly begeistert gewesen. Sie freute sich auch, als er sie bat, ihn beim Beschaffen von Hintergrundinformationen über die Schauplätze und dergleichen zu unterstützen. Es war für sie eine willkommene Abwechslung, nachdem sie vier Jahre in ganz normalen Büros gearbeitet hatte. Außerdem gefiel es ihr, nicht mehr allein in einem möblierten Zimmer zu hausen, sondern bei James im Haus wohnen zu können. Das hatte für ihn den Vorteil, dass er auch abends mit ihr arbeiten konnte, was er oft und gern tat. Maxines Rückkehr verdirbt mir den ganzen Tag, überlegte Holly. Frauen wie sie, die gern flirteten und so schön waren, dass kein Mann an ihnen vorbeigehen konnte, erregten ihr Misstrauen. Sie vermutete, dass Maxine ihrem Mann nicht treu war. Weshalb verbrachte sie sonst so viel Zeit in London? Holly wusste natürlich nicht, wie weit James' Behinderung reichte. Sie nahm jedoch an, dass er in seiner Ehe keine aktive Rolle mehr spielen konnte. Und deshalb fand sie Maxines Verhalten ganz besonders rücksichtslos. Nach dem Lunch zog Holly sich in die große Bibliothek zurück. Für die nächsten Kapitel seines neuesten Romans brauchte James Informationen über Südamerika. Es war eine mühsame Arbeit, doch Holly machte es Spaß. Bisher hatten sich noch keine Kritiker oder Leser über fehlerhafte Details in James' Romanen beschwert, und so sollte es auch bleiben, wie sie sich fest vorgenommen hatte. Als sie später in ihr Büro zurückging, hörte sie Maxines Stimme durch die geschlossene Wohnzimmertür. Dann werde ich erst am Abend mit James besprechen, was ich herausgefunden habe, dachte sie. Dann öffnete sie die Tür zu ihrem Büro und blieb plötzlich wie erstarrt stehen. Irritiert betrachtete sie den Fremden, der ihr den Rücken zukehrte und zum Fenster hinaussah. Der Mann kam ihr bekannt vor, er hatte dasselbe etwas zu lange goldbraune Haar wie James. „James ...?" rief sie ungläubig aus. Hatte er etwa seine Umgebung getäuscht und war gar nicht behindert? Der Mann drehte sich langsam um. Er war nicht James, sondern sah ihm nur ähnlich. Mit den grünen Augen blickte er sie spöttisch an. Die lange, edle Nase verlieh ihm ein irgendwie arrogantes Aussehen. Er verzog die Lippen, als Holly ihn unverwandt ansah. Trotz der Falten im Gesicht sah er jünger aus als James. Die Aura von Sinnlichkeit, die ihn zu umgeben schien, und seine männliche Ausstrahlung
lösten in Holly sogleich eine Abwehrreaktion aus. Sie lächelte verächtlich, während sie seine hautengen Jeans betrachtete. Sein Hemd war halb offen, so dass man die dunkelblonden Härchen auf seiner Brust und seine sonnengebräunte Haut sehen konnte. Damit will er Frauen doch nur beeindrucken, er hat offenbar ein übersteigertes Selbstwertgefühl, schoss es Holly durch den Kopf. Schließlich ging sie an ihm vorbei zu ihrem Schreibtisch. Und dabei fiel ihr auf, wie groß er war. Mit ihren ein Meter fünfundfünfzig reichte sie ihm gerade bis zur Schulter. Er musterte sie kühl und setzte sich auf die Schreibtischkante. „Nein, ich habe mich getäuscht", beantwortete sie ihre Frage selbst. Sie hatte den Schock überwunden und sich wieder völlig unter Kontrolle. „Ja, Sie haben sich getäuscht", wiederholte er spöttisch und sah nachdenklich auf sie hinab. „Er kann erst wieder laufen, wenn er sich dazu entschließt", fügte er hinzu. „Aber solange er Leute wie Sie und seinen Assistenten um sich hat, die sich ständig um ihn kümmern, geht es ihm im Rollstuhl doch ganz gut, oder?" „Wie können Sie es wagen, so über James zu reden?" fuhr sie ihn entrüstet an. „Oh, damit habe ich kein Problem." Er lächelte mitleidlos. „Das merke ich." Sie legte den Notizblock in die Schublade und verschloss sie. „Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber es interessiert mich auch nicht. Doch dass Sie sich über einen Behinderten lustig machen, finde ich geschmacklos." „James ist nicht wirklich behindert, das spielt sich alles nur in seinem Kopf ab", entgegnete der Mann hart. Entsetzt blickte sie ihn an. „James ist mental völlig in Ordnung. Das wäre Ihnen klar, wenn Sie seine Bücher gelesen hätten", verteidigte sie ihren Arbeitgeber. „Die habe ich sogar gelesen", erklärte er mit verächtlicher Miene. „Dann wissen Sie ja, wie intelligent er ist." Skeptisch kniff er die Augen zusammen. „Verteidigen Sie James immer so vehement?" fragte er sanft. Vor Ärger errötete sie. „Ja, wenn es sein muss." „Muss es denn Ihrer Meinung nach oft sein?" In den Augen des Manns blitzte es humorvoll auf. Was wollte er damit sagen? Sie war f ihm einen empörten Blick zu. „Wenn Sie einer seiner Freunde sind ..." „Nein, das bin ich nicht", unterbrach er sie. Unsicher sah sie ihn an. Plötzlich wurde ihr einiges klar. „Dann müssen Sie ein Freund von Maxine sein", stellte sie fest. Die Sache wurde ja immer schlimmer. Er zog die dunklen Augenbrauen hoch und kreuzte die Arme vor der muskulösen Brust. „So, muss ich das?" spottete er. „Stimmt das etwa nicht?" fragte Holly herausfordernd. Sekundenlang schien er nachzudenken. „Na ja, wahrscheinlich bin ich das", antwortete er schließlich. „Ich verstehe." Sie ärgerte sich immer mehr. Maxine ließ ihren Mann nicht nur wochenlang allein und amüsierte sich in London, sondern brachte jetzt sogar ihren Liebhaber auch noch mit ins Haus. Hatte sie James noch nicht genug verletzt? „Wirklich?" Der Mann ahnte offenbar, was in ihr vorging. „Das bezweifle ich." Er schüttelte den Kopf und fuhr sich durch das goldbraune Haar, das im Nacken über seinen Hemdkragen fiel. „Natürlich verstehe ich, was hier abläuft", erwiderte sie ironisch. „Maxine ist eben aus London zurückgekommen, und Sie haben sie begleitet." „Und daraus schließen Sie etwas ganz Bestimmtes, oder?" fragte er nachsichtig.
„Ja." „Sie täuschen sich, ich bin nicht zusammen mit Maxine gekommen, sondern kurz nach ihr." „Oh, sind Sie vorsichtshalber mit dem eigenen Auto gefahren?" Holly war selbst überrascht, wie sehr sie sich aufregte. Natürlich war es nicht richtig, dass der Mann einfach hier auftauchte und so wenig Respekt vor James hatte. Aber normalerweise mischte sie sich nicht in die Probleme anderer Menschen ein. Das führte sowieso zu nichts. In den grünen Augen des Manns blitzte es auf. „Was haben Sie für eine blühende Fantasie, Holly Macey", sagte er vorwurfsvoll. „Sie wissen, wie ich heiße?" „Natürlich." Er nickte. „Man hat mich zu Ihnen geschickt. Ich sollte Sie fragen, ob Sie sich zu uns ins Wohnzimmer setzen möchten." „Ich habe noch einiges zu erledigen, ehe ich für heute Schluss machen kann", erwiderte sie steif. „Meinen Sie nicht, es sei Ihre Pflicht, mitzukommen und James zu verteidigen?" spottete er und betrachtete sie nachdenklich. Mit dem feinen Gesicht, den großen blauen Augen und dem kurzen roten Haar sah sie sehr schön aus. Holly errötete. „Dazu braucht er niemanden. Er kann durchaus für sich selb st einstehen." „Obwohl er nicht ohne Hilfe stehen kann?" Sie war entsetzt, wie gefühllos der Mann war. „Sie sind wirklich grausam", fuhr sie ihn an. „So?" Er zuckte die Schultern und stand auf. „Finden Sie es nicht grausam, dass er sich entschieden hat, Ta g für Tag im Rollstuhl zu sitzen?" Seine Miene war hart. „Aber er kann doch nicht laufen!" „Richtig, er kann es nicht." „Warum verspotten Sie ihn dann?" fragte sie fassungslos. „Weil ich es ablehne, ihn zu bedauern. Er ist ein Feigling, und..." „Das ist Ja mes nicht!" Sie ballte die Hände zu Fäusten. Der Mann warf ihr einen kühlen Blick zu und ging zur Tür. „Sobald er aus dem Rollstuhl aufsteht und versucht zu laufen, höre ich auf, ihn einen Feigling zu nennen. Im Übrigen finde ich es ausgesprochen leichtsinnig, dass er sein Geld unbedingt als Rennfahrer verdienen musste." „Meinen Sie, Ihre Art, Geld zu verdienen, sei besser?" „Meine Art?" Er kniff die Augen zusammen. „Als Freund von verheirateten Frauen lebt man doch sicher ganz gut, oder?" Sie verzog verächtlich die Lippen. „Jedenfalls befriedigt mich mein Job." „Sie sind widerlich!" erklärte sie empört. Plötzlich lachte er leise. „Wenn ich Sie nicht so amüsant fände, würde ich mich über Ihre Unterstellungen ärgern. Weshalb haben Sie von Maxine eine so schlechte Meinung, Holly? Was hat sie Ihnen getan?" „Nichts." Nachdenklich blickte er sie mit den grünen Augen an, die von langen, dichten Wimpern umrahmt wurden. „Aber Sie mögen sie nicht, das stimmt doch, oder?" fragte er neugierig. „Ich bin erst seit drei Monaten hier und kenne sie kaum", antwortete sie ausweichend. „Vielleicht sollten Sie das nicht vergessen, was Sie da gerade gesagt haben, Miss Macey: Sie kennen Maxine nicht. Und mich auch nicht." „Wahrscheinlich möchte ich das auch gar nicht." „Wie schade, denn ich werde vorerst hier bleiben, genau wie Maxine." Er lächelte belustigt. „Wie lange?" Holly biss sich auf die Lippe und hätte die unhöfliche Frage am liebsten zurückgenommen. Immerhin war sie nur eine Angestellte, während er hier zu Gast war, egal,
weshalb man ihn eingeladen hatte. „Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Stört meine Anwesenheit Sie etwa?" „Es geht mich letztlich nichts an." „Da haben Sie Recht", stimmte er ihr freundlich zu. „Ich freue mich darauf, Sie beim Dinner wieder zu sehen, Holly Macey." Er pfiff leise vor sich hin, während er den Raum verließ. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie am ganzen Körper zitterte. Was für ein unerträglicher Mensch! Er hatte so getan, als wäre James für seine Behinderung selbst verantwortlich. Und er hatte keine Hemmungen, sich mit Maxine im Haus ihres Manns zu vergnügen. So einen Mann hatte sie noch nie kennen gelernt. Er nahm offenbar nichts ernst, noch nicht einmal James' Behinderung. Er gefällt mir genauso wenig wie Maxine, überlegte Holly. Am liebsten würde sie gar nicht zum Dinner erscheinen, sondern auf ihrem Zimmer essen. Doch das konnte sie James nicht antun. Später machte sie sich dann besonders sorgfältig zurecht. Es würde bestimmt kein gemütlicher Abend werden. Maxine war immer perfekt gekleidet, was bei ihrer Figur auch nicht schwierig war. Und Holly vermutete, dass Maxines Freund nicht weniger elegant gekleidet sein würde. Auch James würde dem Anlass entsprechend angezogen sein, dafür würde sein Assistent Robert sorgen. Robert half ihm bei allen möglichen alltäglichen Dingen, beim Baden, Anziehen und dergleichen. Meist hielt er sich im Hintergrund, aber er war immer da, wenn James ihn brauchte. Maxine missfiel seine Anwesenheit, doch das störte die beiden Männer nicht. Da das Ehepaar getrennte Schlafzimmer hatte, begegnete Maxine Robert sowieso nicht zu oft. Holly entschied sich für ein einfaches schwarzes Kleid, das sehr elegant wirkte und ihre schlanken Beine zur Geltung brachte. Dazu trug sie schwarze Sandaletten mit hohen Absätzen. Make-up benutzte sie sehr sparsam, nur ihre langen, dichten Wimpern betonte sie mit Mascara. Das kurze Haar hatte sie gewaschen, und es glänzte beinah kastanienbraun. Obwohl sie nicht so groß war wie Maxine Benedict, war sie ziemlich attraktiv, wie ihr bewusst war. Doch Maxine sah sowieso besser aus als jede andere Frau, deshalb reichte es Holly, dass sie selbst mit ihrem Aussehen zufrieden war. Als sie um halb acht ins Wohnzimmer kam, war noch niemand da. Da James sie wiederholt aufgefordert hatte, sich selbst zu bedienen, schenkte sie sich einen Sherry ein. Mit dem Glas in der Hand drehte sie sich um und hielt verblüfft mitten in der Bewegung inne. Maxines Freund stand an der Tür und lächelte spöttisch. In dem weißen Dinnerjacket, dem weißen Seidenhemd und der schwarzen Hose wirkte er sehr attraktiv. Er kam näher und betrachtete das Glas in ihrer Hand. Sogleich errötete sie schuldbewusst. „Sind Sie etwa eine heimliche Trinkerin?" spottete er. „Was für ein Unsinn!" Er lachte leise auf. „Sind Sie immer so aufbrausend? Wenn ja, dann wird mein Aufenthalt hier dieses Mal sicher sehr abwechslungsreich sein." „Waren Sie etwa früher schon mal hier?" fragte sie verblüfft. „Schon oft." Er verzog die Lippen. Das hätte ich mir denken können, denn er tut gerade so, als wäre es sein Haus, überlegte sie. „In den letzten drei Monaten waren Sie jedenfalls nicht hier", stellte sie steif fest. „Das stimmt. Aber vielleicht wäre ich früher gekommen, wenn ich gewusst hätte, was für ein hitziges Temperament James' neue Sekretärin hat." „Ich bin nicht hitzig." Holly bemühte sich, sich ihren Ärger nicht anmerken zu lassen. „Jedenfalls normalerweise nicht", fügte sie undeutlich hinzu. „Darf ich das als Kompliment verstehen?" Er schenkte sich einen Whisky ein. „Nein!" „Das habe ich befürchtet", antwortete er spöttisch. „Weshalb geht Ihr entzückendes
Temperament dann ausgerechnet bei mir mit Ihnen durch?" „Weil Sie schwer zu ertragen sind", fuhr sie ihn an. „Was sonst noch?" „Reicht das nicht?" Er zuckte die Schultern. „Nein, eigentlich nicht. Sie haben mich vom ersten Moment an abgelehnt." „Trösten Sie sich, es gibt sicher genug Frauen, die Sie attraktiv finden", erwiderte sie ironisch, als sie seine gespielt bekümmerte Miene bemerkte. „Aber ich finde Sie einfach abscheulich." „Hm, ziemlich ungewöhnlich", stellte er interessiert fest. „Nehmen Sie eigentlich überhaupt nichts ernst?" fragte sie gereizt. „Dafür ist das Leben zu kurz. Außerdem glaube ich nicht, dass Sie mich ernsthaft ablehnen." „Sie eingebildeter ..." „Nein, Holly, nicht eingebildet", unterbrach er sie freundlich. „Mich irritiert nur, dass beinah alles, was ich sage und tue, bei Ihnen eine hitzige Reaktion auslöst. James hat Sie heute Nachmittag überschwänglich gelobt und Sie als kühle und kompetente junge Dame beschrieben. Ich konnte kaum glauben, dass er dieselbe Frau meinte wie die, die ich kurz zuvor kennen gelernt hatte. Sicher sind Sie kompetent, dafür spricht schon Ihr energisches kleines Kinn, kühl sind Sie jedoch ganz und gar nicht. Deshalb möchte ich zu gern wissen, weshalb Sie auf mich so untypisch reagieren." „Das sagte ich schon. Ich finde, Sie sind schwer zu ertragen." „Ja, und ich habe geantwortet, das sei nicht genug." Er betrachtete sie aus zusammengekniffenen Augen. „Vielleicht gefällt Ihnen nicht, dass ich James so ähnlich bin. Sie verteidigen ihn wie eine Katze ihre Jungen. Ich frage mich ..." „Würden Sie mir bitte noch einen Sherry einschenken?" unterbrach sie ihn steif. Er tat es. „Haben Sie nicht behauptet, keine heimliche Trinkerin zu sein?" „Das bin ich auch nicht!" Mit einem viel sagenden Blick auf das zweite Glas Sherry, das sie beinah schon wieder geleert hatte, antwortete er: „Hoffentlich haben Sie etwas gegessen. Werden Sie melancholisch oder fröhlich, wenn Sie betrunken sind?" Holly wurde blass und stellte das Glas viel zu heftig auf den Tisch. „Ich war noch nie betrunken!" entgegnete sie angespannt. „Im ganzen Leben noch nicht." Erstaunt betrachtete er sie. „Holly ..." „Ah, Zack, mein Lieber!" Maxine Benedict schwebte herein. Das gewellte schwarze Haar fiel ihr über die Schultern, und das schwarze Kleid schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Körper. „Schenk mir auch einen Drink ein, Darling. Du kennst ja meinen Geschmack. Guten Abend, Holly", begrüßte sie die Sekretärin ihres Mannes. „Wo warst du heute Nachmittag?" Sie nahm das Glas entgegen, das Zack ihr reichte, und bedankte sich mit einem Lächeln. Dann wandte sie sich wieder an Holly. „Zack sollte dich holen. Als er ohne dich zurückkam, weil er dich nicht finden konnte, war James beunruhigt." „Ich ..." begann Holly und warf Zack einen ärgerlichen Blick zu. „Ich war in der Bibliothek." „Wie schade! Ich habe gar nicht daran gedacht, Sie dort zu suchen." Zack lächelte spöttisch. „Ich hatte mich so darauf gefreut, Sie kennen zu lernen." „Ach ja?" „Hör auf, sie zu necken, Zack", mischte Maxine sich irritiert ein. „Wo bleibt James eigentlich?" fügte sie ungeduldig hinzu. „Wahrscheinlich kann Robert sich nicht entscheiden, welche Krawatte James tragen soll", spottete sie. Weshalb behandelt sie ihren Mann eigentlich so verächtlich? schoss es Holly durch den Kopf. Sie presste die Lippen zusammen. „Vielleicht würde er sich freuen, deine Meinung dazu zu
hören", verteidigte sie James kühl. „Er braucht mich nur zu fragen", antwortete Maxine gelangweilt. Das war das Problem. James würde seine Frau nie um einen Gefallen bitten. War Maxine das nicht bewusst? Oder war es ihr egal? „Sind Ihre Augen wirklich veilchenblau, Holly?" fragte Zack plötzlich. Sie runzelte verblüfft die Stirn. „Man behauptet es jedenfalls." „Hollys Augenfarbe interessiert doch momentan nicht, Zack", mischte Maxine sich angespannt ein. „Mich schon", erklärte er. „Ich habe noch nie eine Frau kennen gelernt, die Augen hat wie Elizabeth Taylor." „Holly hat wohl kaum Ähnlichkeit mit Elizabeth Taylor", wandte Maxine ein. Zack betrachtete Holly nachdenklich. „Nein, mit den großen Augen sieht sie eher aus wie eine rothaarige Audrey Hepburn." „Sie weckt deinen Beschützerinstinkt, Darling, stimmt's?" Maxines Stimme klang verächtlich. „So könnte man es ausdrücken. Vielleicht solltest du nachsehen, wo James bleibt, Maxine", schlug er freundlich vor. „Es ist gleich acht." Holly war überrascht, dass Maxine sogleich den Raum verließ. Zack betrachtete sie belustigt. „In Zukunft behalten Sie am besten Ihre Meinung über Maxine und James für sich", riet er ihr. „Wie bitte?'' „Sie haben mich genau verstanden." Seine Miene wirkte plötzlich streng, und seine Stimme ließ ahnen, wie hart und kalt er sein konnte. „Die beiden haben genug Probleme. Sie als Außenstehende sollten sich da nicht einmischen", warnte er sie. „Wenn hier jemand sich in die Ehe einmischt, dann bestimmt nicht ich", fuhr sie ihn an. „Sie ..." Unvermittelt unterbrach sie sich, denn sie hörte den Lift, den man von den Schlafzimmern ins Erdgeschoss hatte einbauen lassen, damit James mit dem Rollstuhl beweglicher war. Wenige Sekunden später kamen Maxine und James herein. James sah so müde und angespannt aus wie noch nie, und Holly wurde immer zorniger. Wie konnte Zack es wagen, sie aufzufordern, sich nicht einzumischen, während er und Maxine James zutiefst verletzten? „Holly, meine Liebe", begrüßte James sie lächelnd. „Maxine hat erzählt, du seist den ganzen Nachmittag in der Bibliothek gewesen." James zu belügen missfiel ihr. Doch jetzt hatte sie beinah keine andere Wahl. „Na ja, zumindest die meiste Zeit." „Aber jetzt seid ihr euch vorgestellt worden, Zack und du, oder?" „Dazu gab es noch keine Gelegenheit", erklärte Zack. James runzelte die Stirn. „Maxine, hast du ...?" „Natürlich nicht", unterbrach seine Frau ihn scharf. „Die beiden haben sich angeregt unterhalten, als ich hereinkam. Deshalb habe ich natürlich angenommen, Zack hätte sich selbst vorgestellt. Normalerweise hat er kein Problem damit." „Für wie unhöflich musst du uns jetzt halten, Holly!" rief James gereizt aus. „Das ist mein Bruder Zack. Und Zack, das ist meine Sekretärin Holly Macey." Dieser Mann, den ich so grob behandelt habe, ist sein Bruder! dachte Holly entsetzt. Jetzt wusste sie auch, weshalb sie ihn zuerst für James gehalten hatte. Aber wie konnte Zack Benedict so verächtlich über seinen eigenen Bruder sprechen? „Mr. Benedict", sagte sie und nickte ihm flüchtig zu. „Zack", korrigierte er sie sanft. „Oder Zachary, wenn Ihnen das lieber ist. Aber nennen Sie mich nicht Mr. Benedict, Holly. Wir sind hier nicht so förmlich."
Ärgerlich errötete sie. Wollte er etwa diskret andeuten, dass sie nicht zur Familie gehörte? Zack Benedict schien sich jedenfalls über ihr Unbehagen zu freuen und lächelte spöttisch. Aber hatte sie sich wirklich getäuscht? Vielleicht hatten Zack und Maxine doch eine Affäre. Dass Zack und James Brüder waren, war für Maxine bestimmt kein Hindernis. „Okay, dann Zack", erwiderte Holly schließlich und hob herausfordernd den Kopf. „Da das jetzt geklärt ist", sagte Maxine gereizt, „können wir ja endlich mit dem Dinner anfangen. Seit dem Lunch in London haben wir nichts mehr gegessen." Zack lächelte, und an seinen Mundwinkeln zeigten sich Grübchen. „Du hast eine ausgesprochen gute Köchin in London." „Ja, nicht wahr?" säuselte Maxine und lächelte. „Du erinnerst dich doch an Abigail, James?" „Natürlich!" fuhr James sie ungeduldig an. „Ich habe sie ja eingestellt." Seine Frau errötete. „Du warst schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr in unserer Wohnung in London, deshalb ..." „Ich bin nicht senil, Maxine, sondern nur an den Rollstuhl gefesselt", unterbrach er sie schroff. „Lasst uns essen", fügte er so barsch hinzu, dass alle betroffen schwiegen. Maxine ging neben ihm her, während er den elektrischen Rollstuhl ins Esszimmer lenkte. Zack reichte Holly mit spöttischer Miene den Arm, so dass sie keine andere Wahl hatte, als sich bei ihm einzuhaken. Sie war schockiert über James' Verhalten Maxine gegenüber. So hatte sie ihn noch nie mit seiner Frau reden gehört, und sie konnte sich seine Aggressivität nicht erklären. Der runde Esstisch war für vier Personen gedeckt. James manövrierte den Rollstuhl an seinen Platz. Holly und Maxine setzten sich neben James, Zack setzte sich ihm gegenüber. Der jüngere Mann zog den beiden Frauen höflich die Stühle zur ück und wartete, bis sie Platz genommen hatten. Während des Dinners war die Atmosphäre angespannt, und Holly fühlte sich ausgesprochen unbehaglich. „Wie läuft's mit dem Schreiben, James?" brach Zack schließlich das bedrückende Schweigen. „Gut", antwortete sein Bruder kurz angebunden. „Mit Holly zu arbeiten ist sicher sehr inspirierend für dich", bemerkte Zack spöttisch. „Holly ist sehr ruhig und friedlich", erwiderte James langsam. „Wirklich?" Zack warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Auf mich wirkt sie aber nicht so." „Zack glaubt, er müsse Holly beschützen", stellte Maxine verächtlich fest. James sah seinen Bruder misstrauisch an. „Beschützen?" „Nein, das stimmt nicht", entgegnete Zack. „Können Sie singen, Holly?" „Singen?" wiederholte sie verblüfft und lehnte sich zurück, während das Hauptgericht aufgetragen wurde. Zu Anfang hatten die vielen Hausangestellten sie ganz nervös gemacht, doch sie hatte sich mittlerweile an sie gewöhnt. „Hm." Zack beobachtete sie über den Rand des Weinglases hinweg, das er in der Hand hielt. „Mit Ihrem Aussehen und einer guten Stimme könnten Sie es weit bringen." „Zumindest bis in dein Bett, Darling", mischte Maxine sich ein. „Maxine!" James stellte das Glas viel zu heftig auf den Tisch. „So kannst du mit deinen Londoner Freunden reden, aber nicht in Hollys und meiner Anwesenheit!" Seine Frau presste die Lippen zusammen. „Es weiß doch jeder, dass Zacks kleine Sängerinnen früher oder später alle in seinem Bett landen." „Du schmeichelst mir, Süße", sagte Zack ironisch. „Es ist allgemein bekannt, dass es mir nicht immer gelingt, sie dazu zu überreden." „An deinen Bettgeschichten bin ich nicht interessiert, Holly bestimmt auch nicht", versuchte James das Gespräch zu beenden. „Sind Sie das wirklich nicht?" wandte Zack sich an Holly.
Sie errötete. „Mit einem Mann, der sich selbst und anderen mit wechselnden Bettgefährtinnen etwas beweisen muss, stimmt meiner Meinung nach etwas nicht", erwiderte sie kühl. „Was soll denn mit so einem Mann nicht stimmen?" fragte er belustigt. „Entweder ist er lieber mit Männern zusammen, oder er ist sehr oberflächlich. Vielleicht hat er auch einfach nur Angst vor der Liebe und davor, sich zu binden." Maxine lachte vergnügt auf. „Was sagst du dazu, Zack?" stieß sie lachend hervor. „Hm." Er schnitt ein Gesicht. „Das Erste können Sie vergessen, Holly. Und das Zweite? Nein, ich glaube nicht, dass ich oberflächlich bin. Vielleicht jedoch etwas zynisch", gab er nachdenklich zu. „Und dass ich Angst vor der Liebe oder einer festen Bindung hätte? Nein, das stimmt auc h nicht. Aber was ist Ihre Entschuldigung?" „Wofür?" Holly runzelte die Stirn und blickte ihn verblüfft an. „Dass Sie noch nicht verheiratet sind." „Ich..." „Holly ist erst zweiundzwanzig", verteidigte James sie angespannt. „Und viel zu jung, um verheiratet zu sein." „In dem Alter war ich schon verlobt", erinnerte Maxine ihn scharf. „Das ist etwas anderes", fuhr er sie an. „Wieso das denn?" Sein Blick wurde hart. „Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu reden." „Das ist es nie." Maxine schob den Stuhl geräuschvoll zurück und stand auf. „Entschuldigt mich, der Appetit ist mir vergangen." „Maxine!" rief er warnend hinter ihr her. Sie blieb stehen und drehte sich langsam um. „Ja?" „Setz dich hin", forderte er sie grob auf. „Scher dich zum Teufel!" fuhr sie ihn an. „Ich sagte, setz dich hin!" Herausfordernd warf Maxine den Kopf zurück. „Dann hol mich doch!" James wurde blass. „Du Hexe!" stieß er gequält hervor. Dann warf er die Serviette auf den Tisch und durchquerte in seinem Rollstuhl den Raum. Danach war es sekundenlang völlig still im Zimmer. Plötzlich schrie Maxine leise auf und eilte hinaus.
2. KAPITEL Holly war entsetzt und stand auf. Wie kam Maxine dazu, James zu verspotten und seine Behinderung infrage zu stellen? Noch nie zuvor waren die beiden in Hollys Gegenwart so rücksichtslos miteinander umgegangen. „Bleiben Sie hier!" Sie hatte ganz vergessen, dass Zack Benedict noch am Tisch saß. Aber weder er noch sonst jemand hatte das Recht, ihr etwas zu befehlen. „Wie bitte?" „Lassen Sie sie allein", riet er ihr freundlich. „Ich habe den Eindruck, so ein Gewitter lag schon lange in der Luft." Er lächelte, um seinen Worten die Spitze zu nehmen. „Für uns beide gibt es keinen Grund, auf das Dinner zu verzichten. James und Maxine müssen mit ihren Eheproblemen allein fertig werden." „Aber ich ..." „Ich könnte Sie zwingen", warnte er sie sanft. Da er groß und muskulös war und stark und kräftig zu sein schien, hätte sie gegen ihn sowieso keine Chance. Deshalb setzte Holly sich langsam wieder hin und aß schweigend weiter. „Sie haben mir noch nicht verraten, ob Sie singen können oder nicht", kam Zack schließlich auf das Thema zurück, als sie mit dem Kaffee ins Wohnzimmer gingen. Ich hätte mir denken können, dass er nicht lockerlässt, schoss es ihr durch den Kopf. „Nein, dazu habe ich kein Talent", erwiderte sie. „Haben Sie es denn mal versucht?" „Nein, und ich möchte es auch nicht. Sind Sie etwa im Showbusiness tätig und suchen Nachwuchstalente?" Holly ließ die Stimme absichtlich herablassend und beleidigend klingen. Statt auf ihre spöttische Bemerkung einzugehen, betrachtete er sie nachdenklich. „Warum mögen Sie mich eigentlich nicht, Holly?" „Müsste ich das?" Seine Nähe machte sie ziemlich nervös, und ihre Hände fingen an zu zittern. Er zuckte die Schultern. „Natürlich müssen Sie es nicht..." „Aber es ist für Sie eine neue Erfahrung, dass eine Frau Sie nicht mag, stimmt's?" fiel sie ihm verächtlich ins Wort. „Ja. Es passiert selten, dass mich eine Frau schon gleich bei der ersten Begegnung nicht ausstehen kann", gab er zu. „Dann bin ich wohl die Ausnahme", stellte sie gelassen fest und stand auf, um den Abstand zwischen sich und Zack zu vergrößern. „Oder auch nicht, wer weiß?" Zack stand auch auf. „Warten wir es doch einfach ab." Als er auf sie zukam, wich sie entsetzt einige Schritte zurück. „Nein..." „Doch." Er lächelte selbstsicher. „Entspannen Sie sich, Holly." Dann packte er sie an den Schultern, neigte den Kopf und presste die kühlen Lippen auf ihre. Holly geriet in Panik, und sie hatte das Gefühl, in gefährliche Tiefen zu stürzen. Sie krallte die Fingernägel in seinen Arm und bemühte sich, den Kontakt zur Wirklichkeit nicht zu verlieren. „Bitte ..." sagte sie leise, als er die Lippen von ihren löste. „Okay, Holly." Er zuckte die Schultern und lächelte. „Wie Sie wollen." Wieder senkte er den Kopf. Sie protestierte, aber es klang wenig überzeugend. Und als er mit den Lippen ihren Hals liebkoste, glaubte sie, jeden Moment die Kontrolle über sich zu verlieren. Sie spürte nur noch seine Lippen und Hände, was und wer er war, war plötzlich unwichtig. Doch dann kam sie wieder zur Besinnung. Das muss aufhören, schoss es ihr durch den Kopf. Instinktiv hob sie das
Knie und stieß es mit aller Kraft Zack in den Unterleib. Er stöhnte auf und ließ sie los. Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, öffnete sie die Augen und sah, wie er sich krümmte. Er war ganz blass, und auf seiner Stirn standen Schweißperlchen. Auf einmal begriff sie, was sie angerichtet hatte. „Sind Sie ... okay?" stieß sie besorgt hervor. Er konnte sich nicht aufrichten, und in seinen Augen blitzte es zornig auf. „Was, zum Teufel, wollten Sie mir antun? Wollten Sie mich entmannen?" Hilflos sah sie zu, wie er sich auf das Sofa sinken ließ. „Kann ich etwas für Sie tun?" fragte sie. „Bringen Sie mir einen Brandy ... bitte." Rasch durchquerte Holly den Raum, schenkte ihm ein Glas ein und reichte es ihm. Dabei achtete sie darauf, dass sich ihre Hände nicht berührten, was ihm natürlich nicht entging. Prompt verzog er dann auch spöttisch die Lippen. „Sind Sie wirklich okay?" fragte sie, nachdem er, ohne eine Miene zu verziehen, einen kräftigen Schluck getrunken hatte. Er blickte sie finster an. „Ich glaube, es wird besser. Du liebe Zeit, Sie hätten mir einen Schaden fürs ganze Leben zufügen können." „Es tut mir Leid", entschuldigte sie sich. „Ach ja? Wer, zum Teufel, hat Ihnen diesen Trick beigebracht?" Er trank noch einen Schluck Brandy. „Ihr Bruder vielleicht? Oder Ihr Daddy, damit seine kleine Tochter ihre Unschuld verteidigen kann? In welchem Jahrhundert leben Sie eigentlich? Ich habe Sie nur geküsst, das war alles." „Ich habe keinen Bruder, und mein Vater lebt nicht mehr", erwiderte Holly ruhig. „Er ist schon lange tot. In der Schule standen Selbstverteidigungskurse auf dem Stundenplan." Zack zog die Augenbrauen hoch. „Auch für Mädchen?" „Es war eine Mädchenschule." Ihr war klar, was er jetzt dachte. „Ah ja, ich fange an zu verstehen." Er warf ihr einen viel sagenden Blick zu. Holly errötete. „Ich bin nicht männerfeindlich erzogen worden, wenn Sie das meinen. Sie haben mich gegen meinen Willen geküsst, und deshalb habe ich mich gewehrt. So einfach ist das." „Das haben Sie auch gut hingekriegt. Vermutlich kennen Sie noch mehr von diesen Tricks, oder?" „Ja", gab sie zu. „Probieren Sie sie lieber nicht an mir aus. Du liebe Zeit", er stöhnte vor Schmerzen, als er versuchte, sich zu bewegen, „Sie wissen jedenfalls, wie man einen Mann außer Gefecht setzt." „Stimmt." Irritiert blickte er sie an. „Sie brauchen nicht auch noch stolz darauf zu sein. Es war nur ein einziger harmloser Kuss", fügte er mehr zu sich selbst hinzu. „Mit dem ich nicht einverstanden war", erinnerte sie ihn angespannt. „Sie hätten nur zu sagen brauchen, dass ..." „Habe ich doch", unterbrach sie ihn. Zack seufzte. „Es klang wenig überzeugend." „Was hätte sie denn überzeugt?" „Okay, okay." Er gestikulierte ungeduldig mit der Hand. „Sie haben Nein gesagt. Aber woher sollte ich wissen, dass Sie sich nicht nur zum Schein gewehrt haben?" Er lächelte spöttisch. Holly drehte sich um, um zu gehen. Offenbar hatte n die Schmerzen nachgelassen, sonst würde er sich nicht über sie lustig machen. „Bleiben Sie hier!" rief er ärgerlich aus. „Ich weiß doch gar nicht, ob ich mich jemals wieder aufrichten kann, und Sie wollen einfach verschwinden! Sie müssen mir wenigstens helfen." Er
schien wirklich Mühe zu haben aufzustehen. Reumütig ging sie zu ihm, damit er sich auf sie stützen konnte. „Es tut mir wirklich Leid", wiederholte sie, als sie merkte, dass er immer noch Schmerzen hatte. „Darauf wette ich." Er warf ihr einen skeptischen Blick zu und richtete sich langsam auf. „Sagen Sie mir eins, Holly, hätten Sie mit James dasselbe gemacht, wenn er versucht hätte, Sie zu küssen?" „Machen Sie sich doch nicht lächerlich!" fuhr sie ihn entsetzt an. Er kniff nachdenklich die Augen zusammen. „Was ist denn daran lächerlich? Oder meinen Sie, er würde so etwas nicht tun, weil er an den Rollstuhl gefesselt ist?" „Nein, weil er verheiratet ist!" „Aber unglücklich, wie Sie zugeben müssen", wandte Zack spöttisch ein. „James ist mein Arbeitgeber ..." „Und Sie glauben, Sie seien in ihn verliebt", stellte er ruhig fest. „Nein, natürlich nicht!" „O doch, Holly. Vielleicht sehen Sie sich als seine Vertraute oder seine Freundin. Oder vielleicht fühlen Sie sich gerade wegen seiner Hilflosigkeit zu ihm hingezogen. Doch das ist völlig egal. Sie bilden sich ein, in meinen Bruder verliebt zu sein." „Das stimmt gar nicht!" wehrte sie sich ärgerlich. „Sie täuschen sich. Nur weil ich nicht von Ihnen geküsst werden will, bin ich doch nicht in einen anderen Mann verliebt." „Nicht in irgendeinen, sondern in James. Glauben Sie mir, Holly", bekräftigte er, „man merkt es Ihnen an. Ich glaube nicht, dass ich der Einzige bin, dem es aufgefallen ist." „Nein ..." Es hörte sich an wie eine Bitte. „Doch." Zacks Stimme klang jetzt sanft. „Sie werden am Ende sehr verletzt sein. James und Maxine haben momentan Differenzen, sie lieben sich jedoch wirklich. Man wird Sie im Regen stehen lassen, wie man so sagt." „Sie irren sich." Holly schüttelte den Kopf und ging rückwärts zur Tür. „Sie wollen damit doch nur Ihre eigene Affäre mit Maxine vertuschen und ..." „Meine was?" unterbrach er sie grob. „Oh, ich weiß, heute Nachmittag haben Sie schon diesen voreiligen Schluss gezogen. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass Sie das wirklich glauben", erklärte er scharf. Holly öffnete die Tür und ließ die Hand auf der Klinke liegen. „Und warum nicht?" fragte sie herausfordernd. „James ist mein Bruder." „Den Sie offenbar verachten", warf sie ihm vor. „Sie haben ihn verspottet, weil er nicht laufen kann. Offenbar haben Sie keine Hemmungen, ihn zu beleidigen. Weshalb sollten Sie ihm dann nicht auch noch die Frau wegnehmen?" Zack atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Sein Blick wirkte kühl, und die Lippen hatte er zusammengepresst. „Ist die Frage wirklich ernst gemeint?" stieß er schließlich hervor. Sie hob herausfordernd das Kinn. „Ja." „Gehen Sie, Holly", forderte er sie mühsam beherrscht auf. „Solange Sie es noch können", fügte er gefährlich sanft hinzu, als sie sich nicht rührte. Sekundenlang war sie verunsichert. Habe ich mich getäuscht? überlegte sie. Doch dann erinnerte sie sich, wie intim Maxine und Zack miteinander umgegangen waren. Nein, ihre Vermutung war nicht aus der Luft gegriffen. Aber Zack hatte Unrecht, sie liebte James nicht, sondern hatte ihn nur gern. „Ehe ich gehe, möchte ich Ihnen noch eins sagen: Ich glaube Ihnen kein Wort. Und wenn Maxine sich für Sie entschieden hat, hat sie die falsche Wahl getroffen", erwiderte sie ruhig. „Maxine hat sich schon vor vielen Jahren entschieden, und sie hat für sich die richtige Wahl
getroffen." Zack drehte sich um. „Gehen Sie ins Bett, Holly. Für einen Abend haben Sie genug Leichen im Keller entdeckt." Sie betrachtete ihn, wie er dastand und mit leerem Blick zum Fenster hinaussah. Dann verließ sie den Raum und machte leise die Tür hinter sich zu. Zacks letzte Bemerkung ließ darauf schließen, dass beide Brüder sich einmal für Maxine interessiert hatten und sie sich für James entschieden hatte. Oder hatte sie das etwa nicht getan? Zack hatte gesagt, sie habe für sich die richtige Wahl getroffen. Was nicht unbedingt bedeuten musste, dass James damit gemeint war. Äußerte Zack sich vielleicht nur deshalb über James' Behinderung so abfällig, weil die Frau, die er liebte, ihren behinderten Mann nicht allein lassen und sich nicht von ihm scheiden lassen konnte? In ihrem Schlafzimmer setzte Holly sich aufs Bett und dachte über Zacks Behauptung nach, sie sei in James verliebt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es stimmte. Natürlich hatte sie ihn gern und war betroffen über sein Schicksal. Aber war das Liebe? So gut kannte sie sich mit Gefühlen nicht aus, denn sie hatte sich schon lange auf keine Beziehung mehr eingelassen, genau seit fünf Jahren nicht. Damals hatte Alex Chance sie zutiefst verletzt und gedemütigt. Er war der Grund dafür, dass sie es schwierig fand, sich zu verlieben, und sie konnte die Erinnerung an ihn und das, was geschehen war, kaum ertragen. Am nächsten Morgen kamen weder James noch Maxine zum Frühstück, was nicht ungewöhnlich war, denn samstags arbeitete James sowieso eher selten. Und Maxine stand nie früh auf. Auch Zack Benedict wirkte nicht wie ein Frühaufsteher. Er gähnte jedenfalls, als er kurz nach Holly ins Esszimmer kam. Sie warf ihm nur einen kurzen Blick zu und betrachtete dann die Kaffeetasse, die sie mit beiden Händen umfasste. Er hatte wieder seine hautengen Jeans an und ein halb offenes Hemd. Das goldbraune Haar hatte er einfach nur nach hinten gebürstet. Offenbar hat er sich heute keine große Mühe mit seinem Aussehen gegeben, dachte Holly. „Das war der verdammte Rasierer", sagte er leise vor sich hin und setzte sich ihr gegenüber. „Bitte?" Sie blickte auf und begriff, was er meinte. An seinem Kinn klebte ein kleiner Fetzen Papiertaschentuch. Offenbar hatte er sich geschnitten. Nach dem unangenehmen Zwischenfall am Abend zuvor war Holly nicht sicher gewesen, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Doch als sie sein Gesicht mit der kleinen Verletzung betrachtete, musste sie plötzlich lachen. Nie hätte sie geglaubt, dass sie irgendetwas an diesem Mann spaßig finden würde. Aber dass er sich beim Rasieren geschnitten hatte wie jeder andere normale Mann, war einfach zu komisch. Während Zack sie überrascht beobachtete, blitzte es in seinen Augen bewundernd auf. „Wissen Sie, wie das wirkt?" fragte er schließlich. „Wie bitte?" Sie war verblüfft, lächelte aber immer noch. „Wenn Sie lachen, hat man den Eindruck, die Sonne geht auf", erklärte er freundlich. „Unglaublich." Überrascht über das Kompliment, errötete sie. „Und wissen Sie eigentlich, wie komisch Sie aussehen?" Er zuckte die Schultern. „Wäre es Ihnen lieber, ich hätte die Wunde nicht bedeckt und wäre verblutet? Ach, vergessen Sie die Frage." Er schnitt ein Gesicht. „Wahrscheinlich hätten Sie sich darüber auch noch gefreut." Holly wurde wieder ernst. „Mr. Benedict..." „Nein, fangen Sie nicht wieder so an", unterbrach er sie und seufzte. „Okay." Sie nickte. „Mir ist klar, dass wir einen schlechten Anfang hatten. Aber wenn Sie länger hier bleiben wollen, müssen wir uns irgendwie arrangieren, statt uns immer zu streiten."
Diese Worte hatte sie sich vor dem Einschlafen zurechtgelegt. Wenn sie weiterhin für James arbeiten wollte, musste sie versuchen, mit seinem Bruder auszukommen. Obwohl sie nicht einsah, warum sie sich bei diesem arroganten und spöttischen Mann entschuldigen sollte, wollte sie den ersten Schritt tun, um die Atmosphäre zu entspannen. „Es tut mir Leid, dass ich gestern Abend ziemlich unhöflich war. Irgendwie war alles so schockierend, James' und Maxines Streit..." „Und unser eigener", half er ihr weiter. „Ja", stimmte sie heiser zu. „Warum haben Sie damit aufgehört?" „Womit?" Holly runzelte verblüfft die Stirn. „Zu lächeln." Er betrachtete sie aufmerksam. „Ich hatte plötzlich das Gefühl, alle Lichter gingen aus." Er lehnte sich auf dem Stuhl entspannt zurück. „Aber Sie haben Recht, Holly, wir sollten uns nicht immer streiten. Was schlagen Sie vor? Wollen wir Freunde werden?" Sie schluckte. „Ich dachte eher an eine ganz normale Bekanntschaft." Zack lächelte. „Ich bin noch nie mit einer Frau einfach nur bekannt gewesen. Es könnte ganz interessant werden." Während er den Kaffee trank, warf er ihr einen Blick über den Rand der Tasse hinweg zu. „Bekannte tauschen normalerweise Höflichkeitsfloskeln aus, oder?" Holly verschluckte sich beinah an dem Toast, den sie gerade aß. „Okay. Wie geht es Ihnen? Das meinten Sie doch mit Höflichkeitsfloskeln, oder?" fragte sie. „Auch. Wenn ich mich die nächsten Tage schone, geht es mir sicher bald wieder gut", antwortete er betont beiläufig. Seine Stimme klang so sanft und unschuldig, dass Holly sich sehr beherrschen musste, nicht schon wieder zu lachen. Zack Benedict war wirklich ein bemerkenswerter Mann. „Sagen Sie mir eins, Holly", begann er und beugte sich mit ernster Miene vor, „glauben Sie, die Wunde hätte aufgehört zu bluten?" Sie verzog belustigt die Lippen, tat jedoch so, als würde sie ernsthaft nachdenken. „Ja, das kann ich mir gut vorstellen." Sie nickte. „Sind Sie immer so nachsichtig und versöhnlich?" fragte sie und dachte dabei an die Schmerzen, die sie ihm am Abend zuvor zugefügt hatte. „Nur Frauen gegenüber, die so Augen haben wie Elizabeth Taylor", scherzte er. „Seien Sie doch so lieb und nehmen Sie das Zeug da von meinem Kinn. Wenn der Schnitt wieder anfängt zu bluten, drücken Sie rasch ein Papiertaschentuch darauf. Ich habe keine Lust, schon wieder das Hemd zu wechseln." Bei jedem anderen Mann wäre ihr diese Geste zu intim gewesen. Sie war sich jedoch sicher, dass Zack es sich nach dem Vorfall vom Abend zuvor gut überlegen würde, sie wieder zu küssen. Er kniff die Augen zusammen. „Was denken Sie jetzt?" „Nichts, was Sie interessieren könnte", erwiderte sie kühl. „Ihr hübsches Köpfchen steckt bestimmt voller sündhafter Gedanken, darauf wette ich." Er lehnte sich über den Tisch, damit Holly an sein Kinn kam. Sie blickte ihn ruhig an. „Sündhafte Gedanken sind wohl eher Ihr Spezialgebiet." Zack lachte fröhlich auf. „Kann sein. Was ist jetzt mit dem Papiertaschentuch?" Unter ihren Fingern fühlte sein Kinn sich fest und rau an. Irritiert zog Holly das winzige Stückchen Papiertaschentuch ab. „Wie sieht es aus?" Er blickte sie erwartungsvoll an. „Es ist ein tiefer Schnitt", sagte sie, nachdem sie die Verletzung sekundenlang betrachtet hatte. „Hm." Er schnitt ein Gesicht und fuhr sich übers Kinn. „Aus irgendeinem Grund war ich heute Morgen nicht bei der Sache", erklärte er und blickte sie so vorwurfsvoll an, als wollte er sie dafür verantwortlich machen. In dem Moment wurde die Tür geöffnet, und James kam in seinem Rollstuhl herein. Holly
wich so erschrocken zurück, als hätte sie sich an Zack Benedict verbrannt. James kniff die Augen zusammen und sah seinen Bruder fragend an, während er die Lippen missbilligend verzog. „Hallo, James." Zack stand auf. „Wie geht es Maxine heute?" Die Frage klang provozierend. „Das weiß ich doch nicht", fuhr James ihn an. „Sie wird wahrscheinlich erst zum Lunch erscheinen. Das kennen wir doch schon. Holly, hast du Lust, heute Morgen zu arbeiten?" wandte er sich an seine Sekretärin. „An einem Samstag, James?" mischte Zack sich spöttisch ein. „Gönn dem armen Mädchen auch mal Ruhe." „Holly?" fragte James steif, ohne seinen Bruder zu beachten. Er ist noch angespannter als gestern, offenbar haben er und Maxine immer noch Streit, schoss es ihr durch den Kopf. „Warum frühstückst du nicht erst einmal in Ruhe?" schlug Zack vor, ehe Holly antworten konnte. „Du solltest dich entspannen." James sah seinen Bruder ärgerlich an. „Das habe ich gestern schon getan. Deshalb muss ich ja heute arbeiten. Holly?" Er warf ihr einen kühlen Blick zu. Sie schob den Stuhl zurück und stand auf. „Ich komme." „Ja, ich bitte darum." Seine Stimme klang ungeduldig. Er drehte sich um und fuhr mit dem Rollstuhl hinaus. Verletzt blickte sie hinter ihm her. So hatte James sich ihr gegenüber noch nie verhalten. Zack Benedicts spöttische Bemerkungen hatten wahrhaftig nicht dazu beigetragen, James' ohnehin schlechte Laune zu verbessern. „An Ihrer Stelle würde ich ihn nicht warten lassen", riet Zack ihr leise und leicht ironisch. „Sonst geht er noch in die Luft." „Sie scheinen den Schaden zu genießen, den Sie angerichtet haben", warf sie ihm vor. Zack zog die Augenbrauen hoch. „Weshalb regen Sie sich so auf?" „James ist Ihr Bruder!" „Ja. Gestern und heute hat er zum ersten Mal seit seinem Unfall Gefühle gezeigt", antwortete er. „Ich werde dafür sorgen, dass er damit nicht aufhört!" „Auch wenn Sie ihn dabei verletzen?" „O ja", bekräftigte er. „Auch dann. Dann weiß ich wenigstens, dass noch Leben in ihm ist. Kümmern Sie sich um Ihre Arbeit, Holly, und nicht darum, wie ich mit James umgehe. Ich weiß, was ich tue." Nachdenklich ging sie in James' Arbeitszimmer und setzte sich an den Schreibtisch, während James sie mit finsterer Miene schweigend ansah. „Es tut mir Leid", sagte sie schließlich. „Was tut dir Leid?" stieß er hervor. „Na ja, so genau weiß ich es selbst nicht." Holly fühlte sich unbehaglich. „Du scheinst dich zu ärgern." James seufzte und entspannte sich etwas. „Wie nahe seid Zack und du euch schon gekommen?" „Wie bitte?" „Ich mache mir Sorge n um meinen Bruder", antwortete er und wandte den Blick ab. „Er sich auch um dich." Hat Zack mit seinen spöttischen Bemerkungen und Sticheleien James wirklich nur dazu bringen wollte, zu reagieren und Gefühle zu zeigen? überlegte sie. „Ja", antwortete Jame s ungeduldig. „Und nicht nur, weil wir Brüder sind. Aber weil ich Zack so gut kenne, weiß ich auch, dass du dich nicht mit ihm einlassen solltest. Er liebt die Abwechslung, und ich habe mich oft gefragt, wie er es schafft, die Namen seiner zahlreichen Freundinnen nicht zu verwechseln. Er ist charmant und flirtet gern. Am Ende würde er dich nur
verletzen." „Er interessiert mich doch gar nicht", erklärte sie gereizt. James schüttelte den Kopf. „Ich habe doch gesehen, wie intim ihr vorhin miteinander umgegange n seid. Ich bin sicher, Zack hat gestern Abend, als ihr allein wart, keine Zeit verschwendet." „Weißt du etwa, dass Maxine kurz nach dir aus dem Zimmer gegangen ist?" Holly sah ihn mit großen Augen an. „Ja. Sie ist zu mir gekommen und wollte offenbar einen Streit anfangen. Doch ich habe nicht mitgespielt. Holly, dir ist sicher schon aufgefallen, dass meine Ehe dabei ist zu zerbrechen, oder?" „Wenn ihr euch mal richtig aussprechen würdet..." „Das bringt uns nichts", unterbrach er sie. „Maxine und ich passen nicht mehr zusammen, das wissen wir beide. Eine Trennung lässt sich nicht vermeiden." „Das tut mir Leid", sagte sie mitfühlend. „Wenn ich helfen kann..." „Bleib bei mir, Holly." Er legte die Hände auf ihre. „Ich brauche dich." Plötzlich sah sie Zack Benedict durch den Garten schlendern. Da die Terrassentür offen stand, überlegte Holly, wie viel er von der Unterhaltung mitbekommen hatte. Vielleicht fand er es höchst amüsant, dass sein Bruder sie vor ihm warnte, nachdem er es kurz zuvor umgekehrt genauso gema cht hatte. „Natürlich arbeite ich für dich so lange, wie du es möchtest." Sie verstand James absichtlich falsch. „Du weißt doch, ich bin gern hier." „So habe ich es nicht gemeint", erklärte er ungeduldig. „Ich möchte..." „Entschuldige, James", unterbrach auf einmal Zack seinen Bruder und kam durch die Terrassentür herein. „Ich wollte dir nur sagen, dass ich Maxine in die Stadt fahre. Sie möchte einkaufen. Habe ich dich etwa bei der Arbeit gestört?" Er zog die Augenbrauen hoch und betrachtete spöttisch James' Hand, die immer noch auf Hollys lag. Holly errötete prompt und zog die Hand weg. Er hat kein Recht, mich wegen so einer Kleinigkeit zu kritisieren, denn was er mit Maxine macht, ist viel schlimmer, dachte sie. Dann sah sie, wie Zack die Augen leicht zusammenkniff, als könnte er ihre Gedanken lesen. Aber sie hatte ja nichts zu verbergen. „Ist Maxine etwa schon auf?" fragte James, statt zu antworten. „Sonst könnte ich sie ja nicht in die Stadt fahren", erklärte Zack. James runzelte die Stirn. „Warum fährt sie nicht selbst? Du bist doch nicht ihr Privatchauffeur." „Zufällig habe ich es ihr angeboten", entgegnete sein Bruder scharf. „Sie ist den ersten Tag wieder zu Hause, und ich dachte, sie könnte etwas Gesellschaft gebrauchen. Es sei denn, du ...?" „Nein", fuhr James ihn an. „Holly und ich müssen arbeiten." Zack musterte Holly mit seinen grünen Augen spöttisch. Sie konnte sich auch gut vorstellen, was er dachte. Immerhin hatte er genug gesehen und gehört. „Okay, dann lasse ich euch allein. Arbeitet nicht zu viel." Zack nickte flüchtig und verschwand durch die Terrassentür. Holly fühlte sich unbehaglich und überlegte, ob sie sich über die Unterbrechung freuen oder ärgern sollte. Zack hatte auf jeden Fall die Situation missverstanden, und das wollte er auch. „Wo waren wir stehen geblieben?" fragte James plötzlich ungeduldig in das Schweigen hinein. „Ach ja, ich hole rasch die Notizen, die ich mir gestern gemacht habe", erwiderte sie betont unbekümmert, um ihn von dem ursprünglichen Thema abzulenken. Sie stand auf. „Holly..." „Ja?" An der Tür drehte sie sich um und wünschte, er würde nicht auf die Sache
zurückkommen. Er zögerte kurz und nickte dann. „Okay." Erleichtert eilte sie in ihr Büro. Als sie den Notizblock aus der Schublade zog, kam Zack herein. Er schloss die Tür hinter sich und kreuzte die Arme vor der Brust. Dabei sah er Holly mit spöttischer Miene an. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Benedict?" fragte sie kühl und richtete sich auf. „Sie können mir verraten, wie Sie auf den Annäherungsversuch reagieren werden. Mein Bruder glaubt offenbar, er sei in Sie verliebt." Sein Blick wirkte hart.
3. KAPITEL „Haben Sie etwa gelauscht?" „Statt empört zu sein, sollten Sie sich freuen, dass Maxine nicht zufällig im Garten war", antwortete Zack mit arroganter Miene. „Wenn Sie sich einbilden, ich hätte die Situation absichtlich herbeigeführt, täuschen Sie sich", fuhr Holly ihn an. „Sie haben kein Recht, mir zu unterstellen ..." „Das tue ich ja gar nicht", unterbrach er sie sanft. „Ich möchte nur wissen, was Sie in der Situation machen wollen." Sie errötete. „Ich bin nicht sicher, ob es überhaupt eine Situation gibt." „Machen Sie sich nicht lächerlich, Holly." Plötzlich wurde er ungeduldig und sah auf die Uhr. „Natürlich existiert sie! Aber ich habe jetzt keine Zeit, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Bekanntlich fahre ich Maxine zum Einkaufen. Außerdem will James mit Ihnen arbeiten. Wir unterhalten uns später", fügte er irgendwie drohend hinzu und öffnete die Tür. „Sorgen Sie dafür, dass die ganze verfahrene Situation geklä rt wird und dabei niemand verletzt wird." „Mr. Benedict..." „Denken Sie darüber nach, Holly", riet er ihr sanft. „So kann es jedenfalls nicht weitergehen." Als Zack weg war, war es in dem Raum seltsam still und leer. Von seinem Standpunkt aus hat er wahrscheinlich Grund, verärgert zu sein, auch wenn ich ihm persönlich nichts getan habe, überlegte sie. Aber wenn sie nicht aufpasste, wäre sie am Ende wieder das unschuldige Opfer, wie damals vor fünf Jahren. Das durfte ihr nicht noch einmal passieren. Glücklicherweise erwähnte James dann das unangenehme Thema nicht mehr. Sie arbeiteten den ganzen Vormittag, bis Maxine und Zack zum Lunch zurückkamen. „Wir sollten uns zu ihnen setzen", erklärte James. Er schien nicht glücklich darüber zu sein, dass seine Frau wieder zu Hause war. „Ich will mich nur rasch frisch machen." Holly wäre Zack lieber nicht mehr begegnet und fühlte sich plötzlich gar nicht mehr wohl. Weshalb habe ich überhaupt jemals geglaubt, es würde mir hier gefallen? fragte sie sich, während sie über den Flur in ihr Zimmer ging. Ihr war natürlich klar, dass Zack irgendwann im Lauf des Tages mit ihr reden würde. Obwohl sie nicht bereit war, ihm ihre Geheimnisse anzuvertrauen, würde sie ihm erklären müssen, dass sie James einfach nur gern hatte. Wenn James ihre Zuneigung missverstanden hatte, würde sie die Konsequenzen ziehen und kündigen. Als sie wenig später ins Wohnzimmer kam, spürte sie sogleich, wie angespannt die Atmosphäre war. Maxine war so elegant gekleidet wie immer, und die beiden Männer hielten Whiskygläser in den Händen. Holly war überrascht, denn normalerweise trank James tagsüber keinen Alkohol. Mit finsterer Miene stellte er das leere Glas auf den Tisch. „Können wir jetzt essen?" fragte er mürrisch. „Oh, Maxine und du müsst heute allein essen", verkündete Zack, während er den Raum durchquerte und sich neben Holly stellte. „Wir beide gehen zum Lunch aus", fügte er hinzu. Alle waren überrascht und Holly wahrscheinlich am meisten. Sollte das ein Scherz sein? Sie fand es weder lustig noch komisch. „Warum hast du uns das nicht gesagt?" fragte Maxine vorwurfsvoll. „Ich dachte, es würde euch sowieso nicht interessieren", antwortete er gelassen. „Ach ja?" Maxine presste die Lippen zusammen. „Mich interessiert es jedenfalls", fuhr James ihn an. „Holly ist meine Sekretärin, Zack. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du anfängst, mit meinen Mitarbeiterinnen zu flirten." „Dann hättest du dir nach Miss Preston, mit der sowieso kein Mann geflirtet hätte, nicht
jemanden aussuchen dürfen, der so bezaubernd ist wie Holly", erklärte Zack. Holly gefiel es nicht, dass er sie dazu benutzte, mit seinem Bruder Streit anzufangen. „Wenn es James nicht recht ist, können wir unsere Pläne doch ändern ... Zack." Er legte ihr den Arm um die Schulter. Sogleich versteifte sie sich und warf ihm einen strengen Blick zu. „Mein Bruder hat kein Recht, jeden Ihrer Schritte zu kontrollieren, auch wenn er Ihnen etwas anderes einreden will. Sogar Sklaven hatten Freizeit", stellte er fest. James errötete vor Zorn. „Wie kannst du es wagen, so zu tun, als ...?" „Beruhige dich, großer Bruder", spottete Zack und dirigierte Holly zur Tür. „Du hattest Holly den ganzen Vormittag für dich allein, jetzt bin ich an der Reihe." Sie wartete, bis er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ehe sie ihn ärgerlich anfuhr: „Ich will mit Ihnen nicht zum Lunch gehen. Und Ihre anzüglichen Bemerkungen können Sie sich sparen. Ihr Bruder und ich haben nur gearbeitet, und ich ..." „Beruhigen Sie sich", forderte er sie genauso spöttisch auf wie zuvor seinen Bruder. „Ich glaube Ihnen ja sowohl das eine als auch das andere." Plötzlich wurde er ernst. „Doch wir müssen reden, haben Sie das vergessen, Holly?" Sie fand es schwierig, mit seinen rasch wechselnden Stimmungen zurechtzukommen. Hinter seinem Charme und seiner Spottlust schien sich ein eiserner Wille zu verbergen. „Nein, natürlich nicht", erwiderte sie schließlich. „Deshalb brauchen Sie mich aber nicht zum Lunch einzuladen. Wir können uns auch hier unterhalten." „Es wäre mir lieber, wir würden es woanders tun." Er betrachtete sie kritisch. „Haben Sie auch ein weniger ... formelles Outfit?" „Weniger formell?" wiederholte sie verblüfft. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, die sportliche Hose und die Seidenbluse als formell zu bezeichnen. „Ja, Jeans und ein T-Shirt beispielsweise?" Sie runzelte die Stirn. „Wohin gehen wir eigentlich?" „Lassen Sie sich überraschen. Haben Sie nun Jeans und T-Shirts oder nicht?" „Sicher, aber..." „Du liebe Zeit, was sind Sie für eine streitlustige Frau", erklärte er ungeduldig. „Ziehen Sie sich um. In fünf Minuten treffen wir uns wieder hier." Obwohl sie zu gern gewusst hätte, was er vorhatte, schwieg sie lieber. Noch einmal sollte er ihr nicht vorwerfen, streitlustig zu sein. Sie eilte ins Schlafzimmer und zog ihre alten engen Jeans an, die ihre schmalen Hüften und ihre langen, schlanken Beine betonten. Das blaue T-Shirt mit den kurzen Ärmeln war etwas weniger eng. Mit einem Blick in den Spiegel gestand sie sich ein, dass sie jung und attraktiv aussehe. „Viel besser", stellte Zack dann auch bewundernd fest. Er hatte unten an der Treppe auf sie gewartet und legte ihr jetzt die Hand unter den Ellbogen. Dann führte er sie zu seinem schnittigen Sportwagen mit offenem Verdeck. Sicher und geschickt lenkte er das Auto durch den dichten Verkehr, während der Wind Holly das Haar ums Gesicht wehte. Sie strich es zurück und blickte ihn an. „Wollen Sie mir nicht verraten, wohin wir fahren?" fragte sie leicht spöttisch. „Hm?" Er neigte den Kopf zu ihr hinüber. Sein zerzaustes Haar schimmerte golden in der Sonne. „Wohin fahren wir?" wiederholte sie noch einmal. „Sie müssen lauter sprechen", rief er ihr zu. „Bei dem Wind und dem Verkehr versteht man kein Wort." Vielleicht will er gar nichts verstehen, schoss es ihr durch den Kopf. „Vergessen Sie es", sagte sie deshalb und stellte gereizt fest, dass er sie dieses Mal mühelos verstanden hatte, denn er wirkte sehr zufrieden.
Während der ganzen Fahrt lächelte er vergnügt vor sich hin. Schließlich bog er von der Hauptstraße ab und verkündete: „Wir sind gleich da." Der schmale Weg endete auf einer grünen Lichtung, die von Eichen umgeben war. Holly drehte sich fragend zu Zack um, doch er stieg schon aus und lächelte sie triumphierend an. „Es ist genauso, wie ich es in Erinnerung hatte", sagte er ganz aufgeregt, wä hrend es in seinen Augen begeistert aufblitzte. „Als Kinder sind James und ich oft hier gewesen. Nichts hat sich verändert." „Zack, ich ..." begann sie. „Steigen Sie doch endlich aus", unterbrach er sie ungeduldig. „Es gibt genug zu tun!" „Würden Sie mir bitte verraten, was wir hier mitten in der Einöde wollen?" fuhr sie ihn heftig an. Erstaunt sah er sie an. Mit so einer Reaktion hatte er nicht gerechnet. „Unseren Lunch essen natürlich. Wir machen ein Picknick." Er holte eine Kühltasche aus dem Kofferraum und hielt sie demonstrativ hoch. „Hier!" Holly warf ihm einen bösen Blick zu und stieg aus. Dann fuhr sie sich durchs zerzauste Haar, um es zu ordnen. „Das nenne ich stilvoll zum Lunch ausgehen", sagte sie und half ihm, die Wolldecke auf dem Gras unter einer Eiche auszubreiten. „Warten Sie doch ab, was es alles gibt." Er lächelte über ihr Unbehagen und freute sich wie ein kleiner Junge. „Mrs. Ashley, James' Köchin, hat uns gute Sachen eingepackt." „Da bin ich aber froh", erwiderte Holly spöttisch und packte mit ihm zusammen die Kühltasche aus. Es war so viel, dass Mrs. Ashley es unmöglich in den fünf Minuten zubereitet und eingepackt haben konnte, in denen Holly sich umgezogen hatte. Misstrauisch blickte sie ihn an. „Ehe Sie fragen", erklärte er und seufzte, „ich habe Mrs. Ashley schon heute Morgen gebeten, für uns beide ein Picknick vorzubereiten." „Ohne mich zu fragen!" Er zuckte die Schultern. „Ich wollte Sie lieber vor vollendete Tatsachen stellen, um mir Ihre Einwände zu ersparen. Geben Sie es zu, hier lässt es sich besser reden als in einem vollen Restaurant." Als er sie an den Grund für den Ausflug erinnerte, schwieg sie nachdenklich. „Wein oder Orangensaft?" „Orangensaft bitte", erwiderte sie sogleich. „Das war mir klar." Er stellte zwei Flaschen auf die Decke. Holly ignorierte die spöttische Bemerkung und konzentrierte sich auf das Essen. Sie war hungrig und genoss insgeheim die friedliche Stille. Solange Zack mit dem Essen beschäftigt war und sie nicht verspottete, fand sie ihn sogar einigermaßen erträglich. „Picknicks sind auch nicht mehr das, was sie mal waren", stellte er mit einem gewissen Bedauern fest, als sie die Reste wieder einpackten. Seine wehmütig klingende Stimme überraschte sie. Das Essen hatte köstlich geschmeckt, das Wetter war herrlich, und sie hatten sich bis jetzt nicht gestritten - was wollte er mehr? „Nein?" sagte sie deshalb nur. Er schüttelte den Kopf. „Die Sandwiches waren meist viel zu weich, der Orangensaft war zu warm, und immer wurde jemand von einer Biene oder Ameise gestochen. Das waren noch Zeiten!" Plötzlich musste Holly lachen. Er sah wirklich so aus, als wären ihm weiche Sandwiches lieber gewesen. „Sie sind erwachsen geworden, Zack", wandte sie sanft ein. „Die Picknicks damals waren bestimmt nicht so gut, wie es Ihnen in der Erinnerung vorkommt. Als Kind sieht man die Dinge anders."
„Ja, Sie haben Recht." Er schnitt ein Gesicht. „Meist war ich derjenige, der von einer Wespe gestochen wurde." Entspannt ließ er sich auf die Wolldecke sinken. „Sind Sie früher bei Picknicks auch gestochen worden?" Holly wurde auf einmal ganz ernst. „Für solche Sachen hatten wir keine Zeit. Meine Eltern waren beide berufstätig. Als ich dreizehn war, starb mein Vater, und dann hatten wir noch weniger Muße."
„Es ist hart, in dem Alter den Vater zu verlieren", sagte er sanft. „Stimmt", gab sie angespannt zu. „Meine Mutter hat wieder geheiratet, als ich fünfzehn war." „Dann wurde das Leben sicher noch schwieriger für Sie." Holly wandte sich ab. Dass ihre Mutter relativ rasch nach dem Tod ihres Vaters wieder geheiratet hatte, war für Holly schwer zu verstehen gewesen. Deshalb hatte sie bei Alex Trost gesucht, bis auch er sie hatte fallen lassen. Seitdem war sie Männern gegenüber grundsätzlich misstrauisch. „Haben Sie Ihren Stiefvater gemocht?" fragte Zack in das Schweigen hinein. „Na ja, er war ganz okay. Ich habe ihn nicht oft gesehen, denn ich wurde kurz nach der Hochzeit auf ein Internat geschickt." Damals war sie sehr verbittert gewesen, doch diese Gefühle hatte sie längst überwunden. „War er reic h?" „Ja", gab sie mit finsterer Miene zu. Man hatte sie auf dieselbe Schule geschickt wie die Tochter ihres Stiefvaters, damit sie nicht das Gefühl hatte, man wolle sie einfach nur loswerden. Holly hatte sich natürlich gefreut, dass ihre schöne Mutter nicht mehr zu arbeiten brauchte, und hatte nur ihr zuliebe schweren Herzens eingewilligt, mit ihren fünfzehn Jahren weg von zu Hause auf die Internatsschule geschickt zu werden. Zwei Jahre später war Holly dann froh gewesen, dass es so gekommen war. „Ist Ihre Mutter noch mit ihm verheiratet?" „Nein, die Ehe wurde vor einigen Jahren geschieden", erwiderte sie steif. „ Einvernehmlich?" „Nicht ganz. Ich ..." Unvermittelt unterbrach sie sich und sah Zack ärgerlich an. „Was geht Sie das überhaupt an? Das ist doch me ine Privatsache." „Vielleicht nicht ganz, denn es könnte immerhin einiges erklären." Er schüttelte den Kopf. Holly runzelte verständnislos die Stirn. „Wie bitte? Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen." „Das glaube ich Ihnen", antwortete er spöttisch. „Sie haben abgestritten, in James verliebt zu sein. Und nach Ihrer Reaktion von heute Morgen zu urteilen, scheint es auch zu stimmen." „Oh... danke." „Gern geschehen. Da Sie wahrscheinlich nicht in ihn verliebt sind, versuche ich herauszufinden, was Sie für ihn empfinden", sagte er nachdenklich. „Dabei ist es natürlich hilfreich, mehr über Ihre Kindheit und Ihre Vergangenheit zu wissen." „Da bin ich anderer Meinung", erwiderte sie empört. „Es könnte ja sein, dass James so etwas wie eine Vaterfigur für Sie ist." „Mit sechsunddreißig Jahren kann er wohl kaum eine Vaterfigur sein", unterbrach sie ihn. „Zugegeben, es ist sehr unwahrscheinlich", stimmte er sanft zu. „Vielleicht sehen Sie in ihm einen älteren Bruder. Hatten Sie Geschwister?" „Nein, nur später einen Stiefbruder und eine Stiefschwester. Warum ist es für Sie so unvorstellbar, dass ich einfach nur Mitleid mit James habe und ihm helfen will?" „Das wollen wir doch alle." Zack seufzte. „Dann haben Sie und andere eine seltsame Art, es zu zeigen." „Vielleicht wollen wir es gar nicht zeigen." Er blickte sie kühl an. Holly fühlte sich irgendwie zurechtgewiesen und wandte sich ab. „Jedenfalls brauchen Sie sich über meine Gefühle keine Gedanken mehr zu machen", erklärte sie kurz angebunden. „Ich werde sowieso kündigen." „Nein..." „Doch, es ist besser so." Holly stand auf und lehnte sich an den Stamm der Eiche. „Bis heute war mir nicht bewusst, dass James, nun..." „Sich emotional auf Sie stützt", half Zack ihr freundlich weiter.
„Ja", stieß sie ärgerlich hervor. „Wenn Sie uns heute Morgen nicht unterbrochen hätten, hätte er mir beinah ..." „Ich weiß, was Sie meinen", gab Zack rau zu. „James bildet sich ein, momentan in Sie verliebt zu sein. Dabei ist mir nicht klar, ob er es ernst meint." „Was wollen Sie damit sagen?" Sie runzelte die Stirn. „Wissen Sie mehr über seinen Unfall?" „Ich weiß nur, dass er in einem Rennwagen verunglückt ist und jetzt nicht mehr laufen kann", erwiderte sie. Zack blickte in die Sonne und kniff die Augen zusammen. „Setzen Sie sich doch wieder hin", bat er Holly. „Wir haben noch mehr zu besprechen." Er hat Recht, deshalb sind wir hier, dachte sie und setzte sich im Lotossitz auf die Wolldecke. „Ich wünschte, ich könnte das auch." Zack stützte sich auf den Ellbogen. „Es fällt mir normalerweise schon schwer genug, so dazusitzen wie Sie jetzt, doch nach dem, was Sie mir gestern angetan haben, ist gar nicht daran zu denken", spottete er. Sie errötete. „Wir wollten über James reden", erinnerte sie ihn angespannt. „Stimmt." Er wurde wieder ernst. „James hatte eine Rückenverletzung ..." „Das habe ich mir gedacht." „Lassen Sie es mich auf meine Art erzählen, ohne mich zu unterbrechen, okay? Vielleicht habe ich nicht so eine gewählte und gepflegte Sprache wie James, aber ich kann mich trotzdem gut ausdrücken." „Ich dachte, Sie haben nichts von James' Romanen gehalten", wandte sie mit finsterer Miene ein. „Als er anfing zu schreiben, hat es ihn von seinen Problemen abgelenkt", stellte Zack fest. „Wir alle haben uns gefreut, dass er sich wieder für etwas interessierte, nachdem er wochenlang nur völlig apathisch im Bett gelegen hatte. Doch keiner von uns hat damit gerechnet, dass es sein Lebensinhalt werden würde." „Das klingt so, als hätte er keine anderen Interessen mehr. Aber das stimmt nicht." Holly schüttelte den Kopf. „Sie haben ihn nicht vor dem Unfall gekannt. Er war geradezu tollkühn, witzig, charmant und lebenslustig." So konnte sie sich James, der jetzt verbissen und streng wirkte, kaum vorstellen. Deshalb schwieg sie. Immerhin kannte Zack seinen Brud er besser als sie, wie sie sich endlich eingestand. „Das Leben war für ihn ein Spiel", fuhr Zack nachdenklich fort. „Er hat jeden Augenblick voll ausgekostet und jede Herausforderung angenommen. Ich wollte immer so sein wie er, war aber immer nur der Zweitbeste." Er sah Holly traurig an. „Können Sie sich vorstellen, was in einem vorgeht, wenn man begreift, dass das Idol, das man jahrelang verehrt hat, auch nur ein ganz normaler Mensch ist?" O ja, das kann ich gut nachvollziehen, schoss es ihr durch den Kopf, und sie hatte auf einmal das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. „Wir haben gedacht, er würde früher oder später wieder der Alte sein und den Kampf gegen die Behinderung aufnehmen", fuhr Zack fort und erwartete offenbar keine Antwort. „Aber er hat es nie geschafft, sich dazu zu entschließen." „Wie soll er denn dagegen ankämpfen?" „Er muss nicht unbedingt im Rollstuhl sitzen", entgegnete Zack heftig. „Die Ärzte haben ihm schon vor längerer Zeit versichert, dass er aus medizinischer Sicht wieder laufen könnte. Die Verletzung ist vollständig ausgeheilt." Holly wurde blass. „Stimmt das wirklich? Er könnte aufstehen und laufen?" „Natürlich nicht von heute auf morgen. Er müsste erst seine Muskeln trainieren und brauchte eine Physiotherapie. Aber er muss überhaupt trainieren wollen, und den Willen hat er nicht", antwortete Zack. „Ich kann es kaum glauben. Niemand würde freiwillig im Rollstuhl sitzen."
„James tut es." „Aber warum?" fragte Holly. „So fühlt er sich sicherer, niemand erwartet etwas von ihm", erklärte Zack. „Er hat Angst davor, wieder normal zu leben und vielleicht zu versagen. Solange er im Rollstuhl sitzt, hat er eine gute Begründung dafür, dass er sich von seinen Freunden getrennt hat und seine Familie immer mehr aus seinem Leben ausschließt - und dass er Maxine zurückweist. Sobald er wieder laufen kann, muss er auch wieder anfangen zu leben. Vielleicht befürchtet er, es sei dazu zu spät." „Für ihn und Maxine? Oder für seine Familie und Freunde?" „Vielleicht für alle." „Wäre es das denn?" „Ich kann nur für die Familie sprechen." Zack blickte sie herausfordernd an, denn er wusste genau, was sie meinte. „Er ist und bleibt mein Bruder, ich werde ihn immer lieben. Und ich weiß, dass meine Eltern genauso denken." „Und Maxine?" Er zuckte die Schultern. „In den letzten zwei Jahren hat sie viel einstecken müssen. Er behandelt sie, als wäre sie ihm völlig gleichgültig." „Nein, das stimmt nicht", verteidigte Holly ihn vehement. „Er hat immer Zeit für Maxine." Seiner Frau zuliebe hatte James oft die Arbeit unterbrochen. „Vielleicht behandelt er sie momentan etwas unfreundlich, aber sie war auch lange weg, und er ..." „Hat er es überhaupt gemerkt?" „Natürlich! Er..." „Beruhigen Sie sich, Holly." Zack seufzte. „Hatten wir nicht vereinbart, uns nicht mehr zu streiten?" „Okay", gab sie nach. „Sie haben mich missverstanden, denn es gibt verschiedene Arten von Gleichgültigkeit." Er zog die Augenbrauen hoch. „Vom medizinischen Standpunkt aus könnte er eine ganz normale Ehe führen. Verstehen Sie jetzt, was ich meine?" fragte er spöttisch. Nur zu gut! Holly hatte geglaubt, James könne mit seiner Frau sexuell nicht mehr zusammen sein. Die beiden hatten auch getrennte Schlafzimmer, was offenbar James' Wunsch gewesen war, wie sie aus Zacks Bemerkung schloss. „Jede Frau würde es schwierig finden, mit einem Mann zusammenzuleben, der nicht mehr mit ihr schlafen will. Soviel ich weiß, hatten die beiden vor dem Unfall eine in jeder Hinsicht sehr enge Beziehung. Maxine kommt sich natürlich jetzt zurückgewiesen und überflüssig vor", fuhr Zack fort. „Eine körperliche Beziehung ist auch nicht alles." „Die kann aber sehr hilfreich sein", entgegnete er. „Viele Probleme kann man im Schlafzimmer lösen." Da haben meine erst angefangen, schoss es ihr durch den Kopf. „Wenn Sie meinen", erwiderte sie leise. „Ja", bekräftigte er. „Leider lösen James und Maxine ihre Probleme weder im Schlafzimmer noch sonst wo." Holly war überrascht, dass er keine spöttische Bemerkung machte, denn indirekt hatte sie soeben zugegeben, keine oder wenig sexuelle Erfahr ung zu haben. „Ich kann mir nicht vorstellen, wofür es gut sein sollte, dass ich weiterhin für ihn arbeite. Sie haben ja schon erwähnt, dass er glaubt, in mich verliebt zu sein." Sie sah ihn nachdenklich an. „Stimmt. Auch wenn James und ich Brüder sind, waren wir immer auch Rivalen. Eine Zeit lang haben Maxine und ich versucht, ihn eifersüchtig zu machen, um ihn aus der Reserve herauszulocken. Er hat sich jedoch nur noch mehr zurückgezogen. Offenbar hat er sich entschlossen, sich einer Frau zuzuwenden, die keine Ansprüche an ihn stellt und die ihn vor dem Unfall nicht gekannt hat. Wenn er aber befürchten muss, er würde diese
Frau an mich verlieren, fängt er vielleicht endlich wieder an zu kämpfen. Er hat es sogar schon getan." Holly hörte ihm fassungslos zu und musste erst einmal damit fertig werden, was Zack da andeutete. „Sie wollen doch nicht ernsthaft vorschlagen ... Sie können nicht erwarten ..." begann sie schließlich hilflos. „Doch. Er braucht einen Anreiz ..." „Ich spiele ganz bestimmt nicht mit." Sie sprang auf. „Auf Ihren Vorschlag lasse ich mich nicht ein. Lieber kündige ich fristlos." „Finden Sie mich so unmöglich, dass Sie James lieber seinem Schicksal überlassen, als eine Zeit lang so zu tun, in mich verliebt zu sein?" „Das ist Erpressung." „Ja", stimmte er ruhig zu. „Ich will aber nicht Ihre Geliebte werden", erklärte sie, ohne ihren Abscheu zu verbergen. „Das merke ich." Zack lächelte. „Ich wollte ja auch nicht vorschlagen, dass Sie es wirklich werden, sondern dass wir nur so tun." „Sie haben mal behauptet, James liebe Maxine noch immer. Welche Garantie gibt es denn dann, dass er überhaupt auf eine vermeintliche Freundschaft zwischen uns beiden reagiert?" fragte sie. „Er hat schon angefangen", erinnerte Zack sie. „Und wenn er überzeugt ist, er würde die loyale liebe Holly an mich verlieren, werden seine Reaktionen heftiger. Da bin ich mir ganz sicher." „Es hört sich ziemlich brutal an", erwiderte sie und zögerte immer noch. „Das ist es auch, aber es dient einem guten Zweck." „James wird es bestimmt anders sehen." „Ich kann es nicht ändern, dass ich in gewisser Weise rücksichtslos sein muss, um ihn aus dem Rollstuhl herauszuholen", erklärte Zack entschlossen. „Ich würde noch viel mehr für ihn tun. Momentan macht er nur sich und die Menschen um ihn her unglücklich. Maxine hätte ihn schon längst verlassen, wenn sie nicht überzeugt wäre, es würde ihm mehr schaden als nützen." „Ah ja." Holly warf ihm einen verächtlichen Blick zu. „Jetzt kommen wir der Sache näher. Sobald er nicht mehr im Rollstuhl sitzt, brauchen Sie keine Skrupel mehr zu haben, ihm seine Frau wegzunehmen." „Offenbar sind Sie von diesem Unsinn überzeugt", fuhr er sie an. „Aber ich bin mir sicher, dass nur Sie der Grund für eine eventuelle Trennung wären, falls es dazu kommen würde." „Ich bin nur rein zufällig in die ganze Sache verwickelt", erwiderte sie. „Ist das nicht egal? Wichtig ist doch nur, dass Sie darin verwickelt sind", spottete er. Es klingt eigentlich logisch, gestand sie sich widerstrebend ein. Sie hatte die Situation nicht herbeigeführt. Doch James' Verhalten an diesem Morgen hatte bewiesen, dass sie gegen ihren Willen mitten in der Sache steckte. „Vermutlich", antwortete sie schließlich. „Ganz bestimmt sogar", bekräftigte Zack ungeduldig. „Was halten Sie von meiner Idee?" „Sie gefällt mir nicht." „Und davon abgesehen?" fragte er spöttisch. Holly schüttelte den Kopf. „Darüber muss ich erst nachdenken." „Wie lange?" „Bis ich zu einem Ergebnis komme", fuhr sie ihn an. „Eine Woche? Einen Monat? So viel Zeit haben wir nicht, Holly. Wir müssen rasch handeln." Sie sah ihn an und spürte, wie besorgt er war. „Was wird denn Maxine dazu sagen,
dass Sie sich plötzlich für mich interessieren?“ „Überlassen Sie das mir, und vermuten Sie, was Sie wollen." Er seufzte, als er ihre skeptische Mie ne bemerkte. „Im Moment ist mir am wichtigsten, meinen Bruder aus dem Rollstuhl zu holen." „Trotzdem brauche ich Zeit. Ich kann nicht..." „Haben Sie etwa einen festen Freund? Wenn ja, dann reden Sie doch offen und ehrlich mit ihm darüber." „Ich habe keinen festen Freund", stieß sie hervor. „Das habe ich mir gedacht." Er stand auf und streckte sich. „Maxine hat mir erzählt, dass Sie am Wochenende nur sehr selten weggehen." „Mir war nicht bewusst, dass sie mein Kommen und Gehen beobachtet", antwortete sie gereizt. „Sie hat es nur flüchtig erwähnt. Keine Sorge, Sie sind nicht die unerwünschte Dritte, diese Rolle spielt Robert schon." Sie errötete. „Er tut nur seine Arbeit, genau wie ich." „Maxine würde es selbst machen, wenn James es ihr erlaubte", entgegnete er. „Sie kann ihn bestimmt nicht hochheben ..." „Vielleicht nicht, aber Mrs. Ashley könnte in solchen Fällen aushelfen." „James mag es nicht, dass so ein Theater um seine Behinderung gemacht wird", verteidigte sie ihn. „Wirklich nicht?" fragte Zack herausfordernd. „Dazu möchte ich lieber nichts sagen. Aber warum gehen Sie so selten aus?" „Wie bitte?" Wieder einmal war sie verblüfft darüber, wie unvermittelt er das Thema wechselte. Er hob die Wolldecke auf und schüttelte sie aus, ehe er sie zusammenlegte. „Ihre Mutter lebt doch noch, oder?" Holly ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. „Ja", erwiderte sie kurz angebunden. „Und wo?" „In London." Zack zog die Augenbrauen hoch. „Nur eine Autostunde von hier entfernt! Warum fahren Sie nie hin?" Sie befeuchtete sich die trockenen Lippen. „Mr. Benedict..." „Oh, oh", unterbrach er sie spöttisch, „zurück zur formellen Anrede? Ich nehme an, Sie wollen mit mir nicht über Ihre Mutter reden, stimmt's?" „Ich..." „Verdammt, was war das denn?" Zack ließ plötzlich die Decke fallen und betrachtete sein linkes Handgelenk. „Ich glaube es nicht." „Was ist los?" Er blickte sie fassungslos an. „Ich bin gestochen worden!" „Zeigen Sie mal." Holly sah sich den kleinen roten Stich an seinem linken Handgelenk an. „Was war es? Eine Wespe oder eine Ameise?" Sie ließ die Fingerspitze sanft über die Stelle gleiten. „Eine Wespe. Wahrscheinlich saß sie in der Wolldecke, und ich habe sie nicht bemerkt." „Sind Sie allergisch gegen Wespenstiche?" „Nein, jedenfalls war ich es bis jetzt nicht. Einmal ist immer das erste Mal", antwortete er gereizt. Holly musste sich das Lachen verbeißen. „Sie würden sich sicher auch ärgern, wenn sich jemand, der viel schwerer ist als Sie, auf Sie setzte." Mit finsterer Miene rollte er die Wolldecke zusammen und legte sie neben die Kühltasche in den Kofferraum. „Das passt zu Ihnen! Sie verteidigen die Wespe, statt Mitleid mit mir zu haben." „Aber die Wespe ist tot."
„Stimmt." Zack schnitt ein Gesicht. „Wenigstens ist sie nicht umsonst gestorben, denn Sie haben Ihre Schadenfreude und ich einen Tag lang ein Problem. Fahren wir?" fügte er kurz angebunden hinzu. „Es macht mir keinen Spaß mehr." Auf der Rückfahrt saß Holly schweigend neben ihm. Wenn er sie nicht so hartnäckig über ihrer Mutter ausgefragt hätte, hätte sie vielleicht Mitgefühl aufbringen können. Doch sie redete grundsätzlich nicht gern über ihre Familie. Außerdem kümmerte Zack Benedict sich viel zu sehr um Dinge, die ihn nichts angingen. Das Schweigen empfand sie nicht als störend und betrachtete in Ruhe die schöne Landschaft um sie her. Zack konzentrierte sich ganz auf den Verkehr. Irgendetwas schien ihn zu beunruhigen, wie Holly aus seiner finsteren Miene schloss. Wahrscheinlich schmerzte der Wespenstich am Handgelenk. Aber das würde er sowieso nie zugeben. Sie wandte sich ab, damit er ihr Lächeln nicht bemerkte. Männer sind wie kleine Kinder, was Schmerzen angeht, überlegte sie und erinnerte sich an Alex. Unvermittelt verschwand ihre gute Stimmung. Es war schon das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass sie an diesen Mann dachte. Dabei hatte sie alles getan, ihn aus ihrem Gedächtnis zu streichen. „Worüber denken Sie nach?" fragte Zack, als sie beinah zu Hause waren. „Über Ihre Idee", erwiderte sie. „Nach Ihrer Miene zu urteilen, sind Sie zu keinem Ergebnis gekommen." Er bog in die Einfahrt ein. „Mir bringt die ganze Sache sowieso nichts, denn bis jetzt war es für mich bestimmt keine Bereicherung, Sie zu kennen." Er blickte sie vorwurfsvoll an, nachdem er den Wagen abgestellt hatte. „Sie haben mich tätlich angegriffen, dann habe ich mir das Kinn zerschnitten, als ich über Sie nachgedacht habe, und schließlich bin ich auch noch von einer Wespe gestochen worden. Und das alles innerhalb von nur vierundzwanzig Stunden. Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben scheint schädlich für meine Gesundheit zu sein." Er stieg aus, schlug die Tür zu und eilte ins Haus, ohne auf Holly zu warten. Er benimmt sich ziemlich kindisch, schoss es ihr durch den Kopf, und sogleich kehrte ihre gute Laune zurück. Sie lächelte vor sich hin und ging langsam hinter ihm her.
4. KAPITEL „So, Ihr seid endlich vom Lunch zurück!" James blickte Holly vorwurfsvoll an. Sie errötete schuldbewusst, und schon wieder war es aus und vorbei mit ihrer guten Stimmung. „Ja", erwiderte sie nur. „Ich habe nicht geahnt, dass Zack und du bis vier Uhr wegbleiben würdet!" „Hättest du mich denn dringend gebraucht?" „Nein", gab er unwirsch zu. „Aber das ist nicht der Punkt. Hast du heute Morgen nicht begriffen, dass ich dich vor Zack warnen wollte?" „Doch. Ich bin dir auc h dankbar dafür, dass du dich um mich sorgst." „Aber du ignorierst meine Warnung lieber", fuhr er sie an. „Ich hätte dir mehr Verstand zugetraut, Holly." „Mehr Verstand als was?" Sie versteifte sich. „Als von ihm fasziniert zu sein. Wenn ich dich nicht unbedingt bei meiner Arbeit brauchte, würde ich dir jetzt kündigen." Zornig drehte er sich mit dem Rollstuhl um und verschwand in sein Arbeitszimmer. Holly zitterte am ganzen Körper und eilte auf ihr Zimmer. Zack hatte offenbar Recht gehabt, James war wütend und frustriert. Natürlich war sie überrascht gewesen über das, was Zack ihr erzählt hatte. Sie hatte nicht geahnt, dass es aus medizinischer Sicht keinen Grund gab, weshalb James nicht laufen konnte. Jetzt konnte sie auch Maxines Verhalten etwas besser verstehen, nicht jedoch, dass sie eine Affäre mit Zack hatte - wenn es wirklich so war. Es würde sich vielleicht lohnen, auf Zacks Vorschlag einzugehen, wenn James dann all seine Energie aufbietet und es schafft, nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen zu sein, überlegte Holly. Aber wenn er am Ende nur noch unglücklicher wäre? Vielleicht war sie es James schuldig, ihm zu helfen. Sie hatte in der Vergangenheit genug Unglück angerichtet und wollte nicht auch James noch auf dem Gewissen haben. Es reichte ihr, für eine zerbrochene Ehe verantwortlich zu sein. Nach dem Duschen ging es ihr schon wieder besser. Sie setzte sich vor den Spiegel und föhnte sich die Haare. Dabei überlegte sie, welche Konsequenzen es haben würde, Zack Benedicts Freundin zu spielen. Zunächst einmal wusste sie selbst nicht, ob sie überhaupt so viel schauspielerisches Talent besaß, denn eine feste Beziehung hatte sie noch nicht gehabt. Am besten rede ich offen mit ihm darüber, nahm sie sich vor. Und dann beschloss sie ganz spontan, es sogleich zu tun. Sie eilte über den Flur und klopfte an seine Tür. Da niemand antwortete, klopfte sie noch einmal, ehe sie die Tür öffnete und ins Zimmer ging. Plötzlich blieb sie wie erstarrt stehen: Zack und Maxine saßen nebeneinander auf dem Bett. Er hatte nichts an außer einem kurzen schwarzen Bademantel, der bis zur Taille geöffnet war. Maxine hielt Zack an der Hand und blickte zu ihm auf. „Ich... wollte nur fragen, was Ihr Handgelenk macht. Aber das ist nicht so wichtig", sagte Holly, als die beiden sie fragend anblickten. Dann wirbelte sie herum und wollte davoneilen, obwohl ihr klar war, wie lächerlich die Reaktion war. „Nein, Holly, bleib hier." Maxine stand auf. „Ich habe Zack nur eine Salbe gebracht." Sie hielt die Tube hoch. „Meinetwegen brauchst du wirklich nicht zu flüchten. Ich wollte mich sowieso jetzt zum Dinner umziehen." „Oh, bitte..." „Wir sehen uns später, Zack", wandte Maxine sich an ihren Schwager und verließ den Raum. Holly betrachtete Zack unbehaglich. Es irritierte sie viel zu sehr, dass er unter dem Bademantel nackt war. Schließlich stand er auf und schob die Hände in die Taschen. „Warum sind Sie wirklich gekommen?" fragte er. „Ihr Handgelenk..." „Das interessiert Sie doch gar nicht", unterbrach er sie. „Deshalb würden Sie bestimmt
nicht schnurstracks in mein Schlafzimmer kommen." „Wieso schnurstracks? Wir sind schon beinah zwei Stunden wieder hier!" „Genau. Das heißt, Sie haben über meinen Vorschlag nachgedacht und wollen mir dazu etwas sagen", stimmte er ihr zufrieden zu. Natürlich hatte er Recht. Aber als sie Maxine neben ihm auf dem Bett gesehen hatte, hatte sie ihre Meinung geändert und sich entschlossen, nicht mitzuspielen. Weshalb sollte sie sich in die ganze Sache hineinziehen lassen? Außerdem bezweifelte sie jetzt nicht mehr, dass Maxine und Zack ganz allein für die Probleme verantwortlich waren. „Warum sind Sie gekommen?" wiederholte er. „Ich wollte Sie daran erinnern, dass die Kühltasche noch im Auto ist", improvisierte sie rasch. „Es ist zu warm in der Sonne, die Reste könnten verderben." Zack nickte. „Ich kümmere mich darum, sobald ich mich angezogen habe. Aber ich warte immer noch auf eine Antwort. Warum sind Sie zu mir ins Schlafzimmer gekommen?" „Ich wollte nur ..." begann sie und entschloss sich, ihm die Wahrheit zu sagen, weil er sie damit sonst sowieso nicht in Ruhe lassen würde. „Ich habe über Ihren Vorschlag und das, was Sie mir erzählt haben, nachgedacht. Zack, was soll das?" fügte sie alarmiert hinzu, als er die Tür zumachte. „Unsere Unterhaltung geht niemanden etwas an. Keine Angst, ich habe nicht vor, mich auf Sie zu stürzen." Sie schluckte vor lauter Nervosität, und ihre Gefühle gerieten in Aufruhr. Wenn sie mit James allein in seinem Arbeitszimmer oder sonst wo war, hatte sie noch nie so panikartig reagiert, denn bei ihm fühlte sie sich sicher. Aber mit Zack Benedict allein im Raum zu sein war eine ganz andere Sache. „Setzen Sie sich, Holly", forderte er sie freundlich auf. „Es ist nicht der richtige Platz für eine Unterhaltung", begann sie und betrachtete ihn skeptisch. „Außerdem ..." „Eben waren Sie noch anderer Meinung, sonst wären Sie nicht gekommen. Maxine war wirklich nur wegen der Salbe bei mir. Wir würden bestimmt nicht ausgerechnet hier miteinander schlafen!" „Okay, ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich James helfen wollte. Doch nachdem ich Sie hier mit Maxine überrascht habe..." „Lassen Sie Maxine aus dem Spiel." „Das könnte ein Fehler sein." „Ist es aber nicht", fuhr er sie an. Holly seufzte und beschloss, ihm zu glauben. „Gut. Dann bin ich bereit, James zu helfen, wenn ich kann." „Aber nicht mit mir zusammen, oder?" spottete er. „Das ist genau das Problem", erwiderte sie gereizt. „Es lässt sich leider nicht vermeiden." „Ja, das habe ich begriffen." Sie erzählte ihm, wie James auf ihren Ausflug reagiert hatte. „Ich habe ihn noch nie so zornig erlebt. Dass er mir am liebsten kündigen würde, hat er wirklich ernst gemeint." Zack lächelte. „Und das nur, weil er glaubt, Sie hätten sich mit seinem jüngeren Bruder eingelassen, der ja so einen schlechten Ruf hat." „Ich finde es gar nicht lustig", erklärte sie würdevoll. „Ich hätte meinen Job verlieren können." „Aber es ist nichts passiert. Und was beweist das?" „Dass James noch nicht zornig genug ist." Holly seufzte. „Keine Angst, wenn Sie wirklich Ihren Job verlieren, helfe ich Ihnen, einen anderen zu finden." „Ach ja?" fragte sie spöttisch. „Ich habe Ihnen doch schon erklärt, dass ich nicht singen kann."
„Und dass Sie auch die anderen Bedingungen nicht erfüllen", fügte er ironisch hinzu. „Nein, an so etwas habe ich auch nicht gedacht, denn wir brauchen auch Sekretärinnen. Momentan interessiert mich jedoch mehr, wie wir James überzeugen, dass wir uns zueinander hingezogen fühlen." „Er rechnet offenbar gar nicht damit, dass Sie irgendwelche Gefühle für mich haben könnten. Er hat mich nur davor gewarnt, mich mit Ihnen einzulassen." „Dann muss ich ihn eben überzeugen, dass ich total vernarrt in Sie bin. Ja, vernarrt", wiederholte Zack so langsam, als wäre er selbst überrascht über das Wort. „Das ist ein altmodischer Ausdruck. Aber er passt zu Ihnen, denn Sie sind ein altmodisches Mädchen, stimmt's, Holly Macey?" „So würde ich es nicht nennen", erwiderte, sie ausweichend. „Ich aber." Er lächelte sie an. Jetzt reichte es ihr. „So, wie Sie es sagen, klingt es wie eine Beleidigung!" fuhr sie ihn zornig an. „Würden Sie mit mir besser zurechtkommen, wenn ich zahlreiche Liebhaber gehabt und mich für keinen wirklich interessiert hätte?" „Das traue ich Ihnen sowieso nicht zu." Er zuckte die Schultern. „Was trauen Sie mir nicht zu?" Sie war nahe daran war, die Beherrschung zu verlieren. „Holly ..." Zack spürte offenbar, wie angespannt sie war. „Was trauen Sie mir nicht zu?" wiederholte sie ärgerlich. „Dass ich einen Liebhaber gehabt habe? Oder dass er mich nicht interessierte? Sie können es aber glauben, Zack. Ich hatte einen Liebhaber, und ich habe mich nicht für ihn interessiert, obwohl ich es zuerst gedacht habe. So, geht es Ihnen jetzt besser?" In ihren Augen blitzte es zornig auf. „Ihnen etwa?" fragte er sanft. Die Frage überraschte sie. „Ich verstehe nicht, was ..." „Wirklich nicht?" „Nein!" „Wie lange hat sich der Zorn schon in Ihnen aufgestaut, Holly?" Er stellte sich so dicht vor sie hin, dass sie die goldfarbenen Sprenkel in seinen grünen Augen erkennen konnte. „Wie lange, Holly?" „Das geht Sie nichts an", erklärte sie und wandte sich ab. Sie war verblüfft über sein Einfühlungsvermögen. Offenbar konnte er klar unterscheiden, dass sie zornig und ärgerlich war, nicht aber verbittert. Zack legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte Holly zu sich um. „Er hat Sie sehr verletzt, stimmt's?" Seine Stimme klang sanft. „Wie alt waren Sie?" „Siebzehn", stieß sie hervor. „Und ja, ich war sehr verletzt. Aber ich habe es längst überwunden." „Wirklich? Mit siebzehn waren Sie noch zu jung für so ein schlimmes Erlebnis. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, was ich in dem Alter alles gemacht habe. Aber ich habe bestimmt niemanden so tief verletzt, wie man es mit Ihnen gemacht hat." „So schlimm war es auch nicht", wandte sie ein. „Ich habe die Sache wirklich längst vergessen." „Holly...!" Plötzlich tat er etwas völlig Überraschendes: Er küsste sie. Darauf war sie überhaupt nicht vorbereitet, deshalb wehrte sie sich auch nicht. Sie spürte seine warmen Lippen auf ihren, während er sanft ihren Mund erforschte. Dabei packte er sie nur ganz leicht an den Schultern, als wollte er sie nicht wieder so erschrecken wie beim ersten Mal. Was sie schon die ganze Zeit befürchtet hatte, trat dann auch ein: Sie wollte sich gar nicht gegen seine Zärtlichkeiten wehren. Es war ein herrliches Gefühl, seinen Körper an ihrem zu spüren. Ihre Lippen schienen unter seinen Liebkosungen zu erblühen, und sie legte ihm die Arme um den Nacken, ehe sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um seine Küsse leidenschaftlich zu erwidern. Zack legte die Arme um sie und stöhnte auf, als sie erbebte. Sie spürte deutlich, wie erregt er war, und gestand sich ein, dass sie es auch war. Ihr ganzer Körper sehnte sich
nach ihm. Ihre Brüsten schienen unter Zacks zärtlichen Berührungen zu pulsieren, und ihre Brustspitzen richteten sich auf. „O Holly, ich hätte nie zu träumen gewagt..." „Dass ich genau dieselben Gefühle habe wie andere Frauen?" fragte Holly ernüchtert, und die sinnlichen Gefühle verschwanden schlagartig. „Nein, das habe ich nicht gemeint." Er schüttelte den Kopf. „Es war ein Fehler." Aufgewühlt und irritiert löste sie sich aus seinen Armen. Es machte ihr Angst, dass sie Zack Benedict erlaubt hatte, ihre Abwehr zu durchbrechen. Er strich sich das Haar aus der Stirn. „Ich verstehe dich nicht, Holly", sagte er langsam. „Darum habe ich dich auch gar nicht gebeten", fuhr sie ihn an. Ihr war klar, dass die wenigen Minuten, in denen sie die Kontrolle verloren hatte, ihre Beziehung zu diesem Mann völlig verändert hatten. Sie musste sich anstrengen, die feindseligen Gefühle wieder aufleben zu lassen. „Aber ich möchte es", entgegnete er aufrichtig. „Du warst gerade eine ganz andere Frau, so richtig lebendig und sinnlich ..." „Reagierst du immer so übertrieben auf einen simplen Kuss?" fragte sie spöttisch. „Ja, wenn es sich um eine Frau handelt, die mich die ganze Zeit abgelehnt hat", antwortete er ärgerlich. „Vielleicht sollte ich einfach nur froh sein, dass du nicht wieder einen deiner Selbstverteidigungsgriffe ausprobiert hast", fügte er ironisch hinzu. „Ja, da kannst du wirklich froh sein!" Er zuckte die Schultern. „Ich dachte, wir wollten uns über James unterhalten." „Natürlich", stimmte sie erleichtert zu. „Ehe ich einwillige mitzuspielen, möchte ich klarstellen, dass es zwischen uns beiden nicht mehr Intimitäten geben darf als bisher." Erst als es in seinen Augen spöttisch aufblitzte, wurde ihr bewusst, was sie da gesagt hatte. „Ich habe schon erklärt, dass der Kuss ein Fehler war", versuchte sie sich zu korrigieren. „Wenn es nur ein simpler Kuss gewesen wäre, würde ich dir vielleicht zustimmen", antwortete er mit ernster Miene. „Wir wissen jedoch beide, dass es viel mehr war." „Nein!" „Ich will jetzt nicht mit dir darüber streiten, Holly. Aber ich werde dich wieder küssen - bald soga r. Und es wird dir gefallen." Genau davor hatte sie große Angst. Schon bei Alex war sie schockiert gewesen über die sinnlichen Gefühle, die er in ihr wachgerufen hatte. Noch einmal durfte ihr so etwas nicht passieren. „Ich glaube nicht, dass Maxine damit einverstanden wäre. Vielleicht findet sie deine Idee gut, weil sie sich möglichst rasch von James trennen will. Sie hätte jedoch sicher etwas dagegen, dass du mit mir schläfst." „Maxine ist mit nichts einverstanden, weil ich ihr nichts erzählt habe. Sie wird nur das glauben, was alle anderen auch glauben sollen - dass wir uns näher gekommen sind." „Aber ihr beide ..." „Wir sind Freunde, sonst nichts. Das sage ich jetzt zum letzten Mal, Holly. Maxine und ich haben keine Affäre, und ich lasse nicht zu, dass ma n meine Freunde verletzt." Irritiert wandte sie sich ab. „Dann soll Maxine nicht wissen, dass es nur gespielt ist?" „Nein. Sie hat auch ihren Stolz, Holly. Es ist schlimm genug, dass James glaubt, er sei in dich verliebt. Was würdest du an ihrer Stelle emp finden, wenn du James die ganze Zeit geliebt und zu ihm gehalten hättest? Außerdem bin ich mir sicher, dass James nur an dir hängt, weil er sich einredet, du würdest nichts von ihm erwarten, auch keinen Sex." Holly presste die Lippen zusammen. „Du hast mir das alles schon erzählt." „Nein, nicht alles", widersprach er ihr. „Einiges ist mir soeben erst klar geworden. Vielleicht hättet ihr beide sogar ganz gut zusammengepasst", fügte er kühl hinzu. „Du hättest ihn um nichts gebeten, was du selbst nicht geben willst. Euer Leben wäre sicher langweilig und leidenschaftslos geblieben." Er klang plötzlich gereizt. Aber Holly ärgerte sich auch. „Ich hätte vielleicht geholfen, weil ich James mag. Doch
deine Beleidigungen muss ich mir nicht bieten lassen." Zornig verließ sie den Raum. Dieser verdammte Kerl, er scheint meine Schwächen zu spüren, und dann reitet er darauf herum, schoss es ihr durch den Kopf. Als sie die Tür hinter sich zumachte und sich umdrehte, blieb sie verblüfft stehen: Sie war nicht allein auf dem Flur, James sah sie mit versteinerter Miene an. Holly war klar, was er jetzt dachte. „James, ich ..." begann sie. „Es ist Zeit fürs Dinner", unterbrach er sie kühl. „Entschuldige mich bitte, ich muss mich umziehen. Dazu brauche ich natürlich länger als du", fügte er mit einem viel sagenden Blick auf ihr Outfit hinzu, ehe er verschwand. In dem Moment wurde ihr bewusst, wie schwierig die Situation für Zack sein musste. Er musste grausam zu seinem Bruder sein, um ihm zu helfen. Aber James' Verbitterung ließ hoffen, dass der Plan funktionieren könnte - vorausgesetzt, sie würde lange genug Zack Benedicts intuitives Wahrnehmungsvermögen und seine ganze Art ertragen können. In Gedanken versunken, zog sie sich um. Zack hatte sie gern geküsst, das wusste sie, und ihr hatten seine Zärtlichkeiten genauso gefallen. Fünf Jahre hatte sie gegen ihre Schwäche angekämpft, und wenn sie vernünftig wäre, würde sie sogleich davonlaufen. Sie hatte Zack jedoch versprochen zu helfen und wollte es jetzt auch tun. „James, ist es dir recht, dass Holly nächstes Wochenende in eurem Apartment in London übernachtet?" fragte Zack nach dem Dinner. An dem schönen Abend hatten sie sich alle zusammen auf die Terrasse gesetzt. In der wohltuenden Stille ringsumher war nur der Gesang der Vögel zu hören. Holly verschluckte sich beinah an dem Kaffee. Sie wollte doch gar nicht mit Zack nach London fahren! „Nächstes Wochenende?" wiederholte James wenig begeistert. „Ja. Ich habe Holly versprochen, ihr das Studio zu zeigen." Zack lächelte sie liebevoll an. „Uns wolltest du das Studio nie zeigen", stellte Maxine vorwurfsvoll fest. „Du hast immer behauptet, deine Arbeit sei zu wichtig, um aus dem Studio einen Rummelplatz zu machen." „Holly wird schon richtig damit umgehen können." Zack legte die Hand auf ihre. Ich werde es mir überhaupt nicht ansehen, nahm sie sich vor. „Es wäre besser gewesen, du hättest mich erst gefragt", versuchte sie, sich von Zacks Plan zu distanzieren. Er lächelte sie wieder an. „Ich wollte dich überraschen." „So kurzfristig kann ich ..." „Am Wochenende kannst du machen, was du willst. Das stimmt doch, James?" wandte er sich an seinen Bruder. „Natürlich", antwortete James steif. „Na bitte!" Zack sah sie triumphierend an. „Als wir uns über meine Arbeit unterhielten, warst du sehr interessiert. Deshalb sollst du jetzt auch alles sehen und dir selbst ein Bild machen." Dieser Mann ist ein schamloser Lügner, schoss es ihr durch den Kopf. „Ich möchte mich James und Maxine nicht aufdrängen und einfach in ihrem Apartment übernachten. Das wäre nicht fair", wandte sie ein. „Von mir aus kannst du dort übernachten, wann immer du willst, Holly", erklärte Maxine. „Ich verstehe nur nicht, warum du sie nicht mit in deine Wohnung nimmst, Zack", fügte sie hinzu. Er spürte, wie Holly sich versteifte. „Dafür kennen wir uns noch nicht gut genug", antwortete er ruhig. „Das überrascht mich!" fuhr Maxine ihn an. „James hat mir erzählt, sie sei heute Abend in deinem Schlafzimmer gewesen." „Nur wegen des Wespenstichs", entgegnete er. „Ah ja. Wegen des Wespenstichs ist sie eine Stunde bei dir geblieben? Für so einen
geringen Anlass ist das eine ausgesprochen lange Zeit, oder?" spottete Maxine. Zack zuckte die Schultern. „Ich habe es nicht so empfunden." „Das kann ich mir vorstellen", erwiderte Maxine. Warum erwähnt nie mand, dass Maxine selbst bei Zack im Schlafzimmer war? überlegte Holly. Sie fand die Beziehung zwischen Maxine und Zack immer noch sehr undurchsichtig. „Du kannst das Apartment in London jederzeit benutzen, Holly", erklärte James schließlich kurz angebunden. „Entschuldigt mich, ich muss noch arbeiten." „Ich verziehe mich dann auch. Es war ein langer Tag", verkündete Maxine sogleich. „So, James hat dich gesehen, als du aus meinem Schlafzimmer gekommen bist", stellte Zack fest, als er mit Holly allein war. „W ie hat er reagiert?" „Gar nicht." Sie ärgerte sich immer noch über seine eigenmächtige Entscheidung. „Das kann ich kaum glauben." Zack seufzte. „Er meinte nur, er müsse sich zum Dinner umziehen." „Das war alles?" „Ja. Erklärst du mir jetzt bitte, warum ich nächstes Wochenende nach London fahren soll?" „Weil ich auch hinfahre", antwortete er zerstreut. „Hat er sonst wirklich nichts gesagt?" „Nein." „Wie hat er denn gewirkt? Zornig oder resigniert?" „Verbittert. Zack..." „Das ist gut, sehr gut sogar." „Zack, hörst du mir bitte einmal zu? Ich will nicht mit dir nach London fahren!" „Sei nicht albern, Holly. Das ist jetzt abgemacht." „Ohne dass du mich gefragt hast!" „Du hättest deine Meinung dazu sagen können", erklärte er und zuckte die Schultern. „Während deinem und Maxines kleinem Privatgeplänkel?" Holly sah ihn vorwurfsvoll an. „Wieso Privatgeplänkel? Ihr wart doch dabei, du und James." „Ja. Maxine hat offenbar das Gefühl, dir Vorschriften machen zu können, obwohl du es nicht zugeben willst." Zack schob die Hände in die Hosentaschen. „Über Maxines Gefühle habe ich nie geredet, sondern nur über meine", stieß er hervor. „Heißt das, sie ist in dich verliebt?" Holly blickte ihn mit großen Augen an. „Maxine ist momentan genauso irritiert wie James. Sie weiß selbst nicht, was sie will." In seinen Augen blitzte es ärgerlich auf. „Sie glaubt, sie fühle sich zu mir hingezogen." „Und du hast sie natürlich in keiner Weise ermutigt", stellte Holly mit finsterer Miene fest. „Nein", fuhr er sie an. „Maxine und ich sind scho n seit vielen Jahren befreundet. Ich kann doch wohl kaum die Freundschaft in die Brüche gehen lassen, weil sie sich im Augenblick selbst nicht im Klaren über ihre Gefühle ist. Und ehe du wieder falsche Schlüsse ziehst", fuhr er hart fort, „was ich jetzt tue, tue ich nur für James, nicht für mich selbst." „Darauf wäre ich nicht gekommen", erwiderte sie gereizt. „Aber warum willst du so eine schöne Frau zurückweisen?" fragte sie neugierig. „Weil sie die Frau meines Bruders ist. Und weil ich weiß, dass ich sowieso nicht der Richtige für sie bin." „Ist James es denn?" „Vor seinem Unfall haben er und Maxine die meiste Zeit in London gelebt, wenn sie nicht gerade mit dem Rennzirkus unterwegs waren. Nach so einem turbulenten Leben würde Maxine mich langweilig finden. Natürlich gehe ich gern aus und amüsiere mich gern. Doch am liebsten mache ich es mir abends zu Hause gemütlich, oft sogar ganz
allein", fügte er spöttisch hinzu. „Maxine hat sich damals zwischen uns entschieden, und ich bin sicher, sie hat die richtige Wahl getroffen." Man kann doch Zack nicht langweilig finden, dachte Holly. „James hat das Gefühl, sie sei nicht mehr die richtige Frau für ihn", wandte sie ein. „Ja, das habe ich gehört.'' Zack nickte. „Doch sobald er den Rollstuhl nicht mehr braucht, sieht alles wieder anders aus. Wir brauchen nur abzuwarten." „Du scheinst überzeugt zu sein, dass er eines Tages wieder laufen kann." „Ja, das bin ich. Und ich hoffe, es geschieht recht bald." „Ich möchte ihm auch gern helfen, trotzdem will ich nicht mit dir nach London fahren." Dort erinnert mich viel zu viel an die Vergangenheit, fügte sie insgeheim hinzu. Zack seufzte. „Es war auch nicht geplant. Doch hier spielst du nicht überzeugend genug mit, und ich hoffe, James denkt, du würdest in London mehr aus dir herausgehen." „Ich habe dich gewarnt, ich möchte keine Intimitäten." „Deshalb brauchst du aber nicht so verdammt kühl zu sein!" „Wenn du mit mir nicht zufrieden bist, können wir das Spiel beenden." Holly blickte ihn durchdringend an. „Du liebe Zeit, du hast Stacheln wie ein Igel. Morgen Abend fahre ich nach London." Er seufzte. „So lange wirst du mich wohl noch ertragen können." „Ich dachte, du wolltest länger hier bleiben?" „Ich habe meine Pläne geändert." Er sah sie so vorwurfsvoll an, als wäre es ihre Schuld. „Sei einfach in James' und Maxines Apartment, wenn ich dich am Freitagabend um acht abhole." „Dann brauchen wir hier ja nicht mehr die Verliebten zu spielen, oder? Es reicht doch, dass James und Maxine glauben, wir wollten unbedingt in London zusammen sein." „Um acht Uhr", wiederholte er und ging zur Tür. „Wenn du nicht da bist, kann ich sehr unangenehm werden." „Du kannst mich nicht einschüchtern." „Nein?" fragte er spöttisch. „Warten wir es ab. Wenn du nicht da bist, hole ich dich. Aber dann habe ich bestimmt keine gute Laune." „Hast du das überhaupt jemals?" „Oft. Vielleicht kann ich dich damit eines Tages überraschen", scherzte er. „Bestimmt nicht. Dafür bist du viel zu leicht zu durchschauen." Er schüttelte den Kopf und verzog belustigt die Lippen. „Musst du immer das letzte Wort haben?" „Du reizt mich irgendwie dazu", gab sie reumütig zu. Zack lächelte sie an. „Kann sein. Man hat mir schon öfter vorgehalten, dominant zu sein." „Ach ja?" fragte sie betont überrascht. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen." „Ich auch nicht", antwortete er lächelnd. „Schlaf gut, Holly. Morgen sieht alles wieder ganz anders aus." Nein, bestimmt nicht, dachte sie. In London lebten Alex und ihre Mutter, und sie wollte beiden nicht begegnen. Alex hatte sie betrogen, und ihre Mutter hatte sie im Stich gelassen, als sie, Holly, sie am meisten gebraucht hätte. Zu Hollys Erleichterung fuhr Zack am nächsten Tag wirklich nach London. Doch ihr Verhältnis zu James blieb gespannt. Als Zack sie am Montagabend zum ersten Mal anrief, dachte sie, er hätte seine Pläne geändert. Umso überraschter war sie, als er erklärte, er wolle nur ihre Stimme hören. Danach meldete er sich jeden Abend. Während Holly sich etwas entspannte, spitzten sich die Probleme zwischen Maxine und James zu. Die beiden gingen immer unfreundlicher und rücksichtsloser miteinander um, so dass Holly sich sogar auf das Wochenende in London freute. „Zack ist dir gegenüber sehr aufmerksam", stellte Maxine am Donnerstagabend fest. „Ja." Mehr fiel Holly dazu nicht ein.
Maxine blickte ihren Mann an. „Vielleicht hätten wir sie warnen müssen. Sie sollte Zack nicht zu ernst nehmen, James." „Holly hört sowieso nicht auf gut gemeinte Ratschläge", erklärte er. „Stimmt das, Holly?" fragte Maxine. „Das wäre sicher ein Fehler. James und ich kennen ihn besser als du." „Das ist mir klar", sagte Holly steif. „Er verliert relativ schnell das Interesse an seinen Freundinnen", fuhr Maxine hart fort. „Es könnte für dich unangenehm werden, wenn er dich fallen lässt." „Wieso unangenehm?" Holly war verblüfft. „Oder peinlich", korrigierte Maxine sich gelangweilt. „Zack besucht uns regelmäßig, stimmt's, James?" „Früher war er oft hier, ja", bestätigte James mit finsterer Miene. „Er tut es immer noch", bekräftigte Maxine gereizt. „Wenn ich in London bin, besucht er mich jedenfalls regelmäßig. Ach, ich habe eine Idee, James!" Ihre Miene hellte sich auf. „Lass uns doch alle zusammen übers Wochenende hinfahren." „Das meinst du doch nicht ernst", fuhr er sie an. „Doch, James. Wenn Holly mitfährt, kannst du auch in London arbeiten, und das Problem ist gelöst. Warum habe ich nicht schon früher daran gedacht?" Weil sie sich noch nie so verzweifelt gewünscht hat, in London zu sein, um mich und Zack unter Kontrolle zu haben, beantwortete Holly die Frage insgeheim. Maxine war wie besessen von der Idee, Zack kontrollieren zu müssen, und bemerkte offenbar nicht, wie eifersüchtig ihr Mann wegen Holly auf seinen Bruder war. „Holly fährt nicht nach London, um zu arbeiten, sondern um sich zu amüsieren", entgegnete er ärgerlich. „Wenn sie nicht gerade mit Zack zusammen ist, würde sie sicher auch mit dir arbeiten. Stimmt's, Holly?" fragte Maxine eifrig. Mit wachsendem Staunen hatte Holly zugehört. Besonders verblüfft war sie, dass James den Vorschlag nicht rundweg ablehnte. „Natürlich", erwiderte sie wie betäubt. „Na bitte, James", freute Maxine sich. „Es wäre doch eine Abwechslung für dich." „Darüber muss ich erst noch nachdenken", antwortete er. „Entscheide dich nicht zu spät", forderte Maxine ihn auf, während sie mit ihm den Raum verließ. „Wir müssen entsprechende Vorbereitungen treffen. „Dräng mich nicht", fuhr er sie unfreundlich an. Mit gemischten Gefühlen blieb Holly im Wohnzimmer sitzen. Ihr war klar, dass James nicht Maxine zuliebe mit nach London fahren würde. Andererseits wäre es ein erster Schritt für ihn, wieder am Leben teilzunehmen und auf andere Gedanken zu kommen.
5. KAPITEL
„Wie hast du das denn geschafft, dass James mit nach London gekommen ist?" fragte Zack, als er am Freitagabend mit Holly durch London fuhr. In dem weißen Dinnerjacket, dem weißen Seidenhemd und der schwarzen Hose sah er ungemein gut aus. Nachdem James sich am nächsten Morgen entschieden hatte, die Fahrt zu wagen, hatte Holly Zack telefonisch informieren wollen. Sie hatte ihn jedoch nic ht erreicht. Deshalb war er sehr überrascht gewesen, seinem Bruder in London zu begegnen. „Damit hatte ich nichts zu tun, es war Maxines Idee." Sie zuckte die Schultern. „Oh", sagte Zack nur. „Ich glaube, sie war deinetwegen sehr beunruhigt. Es hat ihr nicht gefallen, dass du mich immer angerufen hast." Hollys Stimme klang sanft. Sekundenlang versteifte er sich. „Wichtig ist nur, dass James hier ist." „Ja", stimmte sie zu. „Auch wenn er behauptet, er wolle arbeiten - allein." „Das ist doch egal. Das nächste Mal..." „Du bist sehr optimistisch", unterbrach sie ihn. Zack schüttelte den Kopf. „Ich bin nur zuversichtlich. Das nächste Mal muss er mit uns ausgehen." „James war sehr müde und erschöpft, als wir heute Nachmittag angekommen sind. Auf ein nächstes Mal musst du sicher lange warten. Aber du kannst es ja versuchen", sagte sie. „Das liebe ich an dir, du bist so optimistisch." Er warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. „Wenn man skeptisch ist, kann man nicht so leicht enttäuscht werden", erwiderte sie steif. „Dabei unterdrückst du aber auch deine Gefühle." „Wenn ich deinen Rat brauche ..." „Dann bittest du mich darum", beendete er den Satz für sie. „Ich wette, du hast noch nie um etwas gebeten, Holly." „Dann lass dich mal überraschen. Wohin fahren wir eigentlich? " fragte sie dann, um das Thema zu wechseln. „Zum Dinner in einem meiner Lieblingsrestaurants." Das kleine Restaurant, in dem Zack offenbar gut bekannt war, wirkte gemütlich und intim. Die Tische standen so weit auseinander, dass man sich ungestört unterha lten konnte. „Es gefällt mir", stellte sie fest, nachdem sie die Speisekarte studiert und das Essen bestellt hatten. „Bist du überrascht?" fragte Zack. In dem gedämpften Licht sah er noch attraktiver aus als sonst. „Sehr sogar." Er lachte herzlich. „Deine Ehrlichkeit finde ich ausgesprochen erfrischend." Er sah ihr in die Augen. „Ich mag aufrichtige Menschen. Deshalb muss ich zugeben, dass ich dich vermisst habe." „Was macht der Wespenstich an deinem Handgelenk?" fragte sie, um ihre Verlegenheit zu überspielen. „Der ist beinah weg. Hier, sieh es dir an." Er legte seine Hand auf ihre. Rasch zog sie die Hand zurück. „Ja, ich sehe es. Aber ich möchte dich daran erinnern, dass wir nur in Gegenwart von James und Maxine so tun wollten, als wären wir verliebt." „Es muss aber so nicht bleiben." „O doch", widersprach sie vehement. „Warum?" Seine Augen schienen dunkler zu werden. „Weil etwas anderes für mich nicht infrage kommt." „Du interessierst dich offenbar grundsätzlich nicht für Männer." Zacks Miene wirkte grimmig. „Siebzehn ist ein schwieriges Alter, und ich bin sicher, dass du sehr verletzt
warst. Doch das ist jetzt fünf Jahre her. Ich begehre dich, Holly. Ich habe mich so sehr nach dir gesehnt, dass ich die ganze Woche an nichts anderes denken konnte als immer nur an dich." Das Geständnis raubte ihr beinah den Atem. „Nein ..." stieß sie schließlich hervor und schüttelte den Kopf. „Das ist doch nicht schlimm, Holly." Er lächelte freudlos. „Irgendwie werde ich es überwinden", fügte er hart hinzu. Glücklicherweise wurde in dem Moment das Essen serviert, und sie brauchte nicht zu antworten. „Schmollst du jetzt?" fragte er schließlich. „Ich ..." Holly unterbrach sich und sah ihm in die Augen, in denen es belustigt aufblitzte. „Nein. Aber du bringst mich aus der Fassung. Erst behauptest du, du würdest mich begehren, und wenige Sekunden später änderst du schon wieder deine Meinung." Zack lächelte. „Ich habe nur gesagt, ich würde es überwinden. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob das wirklich stimmt. Du verfolgst mich bis in meine Träume. Ach, vergiss es." Dann unterhielt er sich mit ihr so zwanglos, als wären sie alte Freunde, und es gelang ihr beinah, den intimen Augenblick zu vergessen. „Danke für den schönen Abend ..." wollte sie sich später vor dem Haus verabschieden. „Man erwartet bestimmt, dass ich noch mit hineingehe", unterbrach er sie. „Oder hast du etwas dagegen?" Er legte den Arm auf den Beifahrersitz. „Es war ein langer Tag, und ich bin müde." Sie zuckte die Schultern. „Würdest du mich lieber hier im Auto zum Abschied küssen?" fragte er. Holly versteifte sich. „Nein, weder hier noch sonst wo." „Schade. Im Wohnzimmer ist noch Licht, wahrscheinlich wartet man auf uns." Sie blickte auf und bemerkte, dass der Vorhang sich bewegte. „Maxine?" fragte sie und sah Zack an. „Das vermute ich", antwortete er grimmig. „James liegt sicher schon längst im Bett." Holly seufzte. „Dann muss ich dich wohl zum Kaffee einladen, oder?" „Das wäre eine gute Idee." „Komm." Graziös stieg sie aus dem Sportwagen, obwohl sie es ziemlich mühsam fand. „Ich wünschte, du hättest ein anständiges Auto", sagte sie, während sie zusammen auf das elegante Gebäude zugingen. Zack lachte auf. „Vielleicht lege ich mir dir zuliebe sogar ein anständiges Auto zu." „Wahrscheinlich entspricht deine Vorstellung von einem anständigen Auto nicht meiner." Sie schloss die Wohnungstür mit dem Schlüssel auf, den James ihr gegeben hatte. „Möglich", stimmte er sanft zu und folgte ihr ins Wohnzimmer. „Aber du kannst ja mit mir kommen und mir beim Aussuchen helfen." „Nein, bestimmt nicht", erwiderte sie und stellte mit einem einzigen Blick fest, dass das Zimmer leer war. Maxine hatte sich offenbar rasch zurückgezogen. „Ich bezweifle, dass wir denselben Geschmack haben." Zack ließ sich in einen Sessel sinken. „Du wärst überrascht, was wir alles gemeinsam haben. Wie war das mit dem Kaffee?" „Ist das wirklich nötig?" „Maxine schläft vermutlich noch nicht", entgegnete er. „Du kennst dich mit ihren Schlafgewohnheiten natürlich besser aus als ich." Plötzlich wurde er ernst und sprang auf. „Ich verzichte auf den Kaffee. Stattdessen hole ich mir lieber einen Gutenachtkuss." Er zog Holly an sich. „O nein, meine Liebe." Er wich ihrem Knie aus und schob sie aufs Sofa. „Ich habe mich schon die ganze Woche darauf gefreut, dich endlich wieder küssen zu können." Ich auch, gestand sie sich insgeheim ein und küsste ihn genauso leidenschaftlich wie er sie. Und während er seinen festen, harten Körper an sie presste, legte sie ihm die Arme um den Nacken.
Rasch und geschickt öffnete Zack die Knöpfe ihres Seidenkleids und betrachtete ihre Brüste, deren dunkle Spitzen sich unter dem weißen Spitzen-BH abzeichneten. Während er ihre Brustspitzen mit den Lippen liebkoste, versuchte er, den Verschluss ihres BHs zu öffnen. Und dann wurden seine Küsse immer ungestümer. Plötzlich kam Maxine herein. „Holly, ich ... Oh!" rief sie aus. Sogleich richtete Zack sich auf und schützte Holly mit seinem Körper vor Maxines Blicken. „Wolltest du etwas Bestimmtes, Maxine?" fragte er ruhig. Maxine hatte sich perfekt unter Kontrolle und sah sehr schön aus in dem blauen Nachthemd und dem dazu passenden Neglige. „Ich dachte, du seist schon weg, und wollte nur von Holly wissen, ob alles in Ordnung ist." „Das ist es, wie du siehst." Dass seine Schwägerin log, bezweifelte Zack keine Sekunde. „Ja. Dann gute Nacht." „Gute Nacht." Er nickte kurz und sah hinter ihr her, während sie den Raum verließ. „Wie schrecklich!" Holly bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Maxine hat das doch nur inszeniert..." „Deshalb wird es auch nicht besser", unterbrach sie ihn. Zack drehte sich zu ihr um und beugte sich über sie. „Mach dir deswegen keine Gedanken", beruhigte er sie sanft. „Ich habe sie und James in viel verfänglicheren Situationen überrascht." „Hier geht es aber um mich. Normalerweise tue ich so etwas nicht." „Was?" Er runzelte die Stirn. „Es ist nicht mein Stil, mich von relativ fremden Männern auf dem Sofa lieben zu lassen." Sie wagte nicht, ihn anzusehen, weil sie befürchtete, er würde sie jetzt genauso sehr verachten, wie sie sich selbst verachtete. Er strich ihr das Haar aus der Stirn. „Wir haben uns nicht geliebt, und ich bin für dich kein Fremder. Wir sind erwachsen und können tun, was wir wollen. Was Maxine daraus macht, kann uns völlig egal sein. Ich begehre dich, Holly." „Aber... wir haben doch vereinbart, dass es ein Spiel sein soll", wandte sie ein. „Das ist es aber nicht mehr. Wenn wir damit James und Maxine helfen können, ist es gut. Doch ich will aus ganz persönlichen Gründen mit dir zusammen sein." „Du hast mich hereingelegt!" warf sie ihm vor. Zack schüttelte den Kopf. „Nein. Ich wusste selbst nicht, dass es sich so entwickeln würde. Andererseits habe ich in dem Moment, als ich dir in die blauen Augen gesehen habe, geahnt, dass es Probleme geben würde." „Du willst doch nicht etwa behaupten, du seist in mich verliebt?" fragte sie verächtlich. Er zuckte die Schultern. „Ich fühle mich zu dir hingezogen. Wir müssen abwarten, was daraus wird." „Maxine hat erklärt, deine Beziehungen würden immer im Bett enden", erwiderte Holly spöttisch. „Zugegeben, oft war es so. Doch seit ich dich kenne, ist alles anders. Eins ist mir jedoch klar", fügte er wehmütig hinzu, „wenn du etwas nicht willst, bist du unerbittlich." „Stimmt", bekräftigte sie. „Weshalb regst du dich dann auf?" „Das tue ich doch gar nicht." „Doch." Zack zog die Augenbrauen hoch. „Hast du Angst, du würdest nicht Nein sagen können, wenn ich mir dir schlafen will?" Sie gestand sich ein, dass sie wirklich nicht ablehnen würde, denn sie fühlte sich genauso zu ihm hingezogen wie er sich offenbar zu ihr. Und sie wusste nicht, wie sie sich gegen ihre Gefühle wehren sollte. Zack beobachtete sie und schien zu ahnen, was in ihr vorging. „Ich gehe jetzt. Es war ein langer Tag für dich. Kann ich dich morgen um zehn abholen?"
Holly nickte nur und seufzte. Nachdem Zack mit ihr über seine Gefühle geredet hatte, fand sie die ganze Situation noch komplizierter. Am nächsten Morgen führte Zack Holly durch die modernen Büroräume im obersten Stock und danach durch die Aufnahmestudios und die anderen Rä ume in den unteren Etagen des modernen Gebäudes, das ihm gehörte. „Das sieht kompliziert aus." Sie wies auf die vielen Knöpfe auf den Instrumententafeln. „Ist es auch." Zack lächelte zufrieden. „Kannst du das alles hier auch selbst bedienen?" fragte sie. Er zuckte die Schultern. „Ja, ich kann alle wichtigen Schlüsselfunktionen in meinem Unternehmen selbst erfüllen." Er berührte das Instrumentenpult beinah liebevoll. Trotz der Jeans und des kurzärmeligen weißen Baumwollhemds wirkte Zack in der ihm vertrauten Umgebung wie der geborene Unternehmer, selbstbewusst, überlegen und von seinen Fähigkeiten überzeugt. Holly entdeckte immer neue Seiten an ihm. CDs in Gold und Platin und handsignierte Fotos bekannter Interpreten, die er zu Stars gemacht hatte, schmückten die Wände in seinem Büro. Offenbar war er sehr stolz auf seine Arbeit. „Es ist sicher ein schönes Gefühl, so erfolgreich zu sein", meinte Holly beeindruckt, während sie die Fotos betrachtete. „Ja, ich liebe meine Arbeit, auch wenn es neben den Erfolgen viele Misserfolge gibt." Zack lächelte. „Gehen wir zum Lunch?" fügte er unvermittelt hinzu. „Oh, ich..." „Es ist schon nach zwölf. James und Maxine erwarten dich sowieso nicht." Sie sah ihn gereizt an. „Woher willst du das wissen?" „Weil ich Maxine gesagt habe, dass du zum Lunch nicht da bist", erklärte er irgendwie arrogant. Holly seufzte. „Das hätte ich mir denken können. Okay, wohin gehen wir?" Er zog skeptisch die Augenbrauen hoch. „Warum auf einmal so nachgiebig?" „Weil ich hungrig bin", gab sie leicht belustigt zu. „Natürlich, warum auch sonst? Komm mit, ich habe hier in der Nähe auch ein Lieblingsrestaurant." „Wir sind nicht zum Ausgehen angezogen", wandte sie unsicher ein. „Glaub mir, für den Platz reicht es", antwortete er geheimnisvoll. „Ein Fastfoodrestaurant!" sagte Holly später gespielt entsetzt, als sie zum Auto zurückgingen. „Aber es hat dir gefallen, oder?" fragte er amüsiert. Sie lächelte. „Ja, es war mal etwas anderes. Da war ich schon lange nicht mehr." „Jedenfalls bin ich froh, dass du nicht mehr so angespannt bist. Heute Abend..." „Wieso heute Abend?" unterbrach sie ihn. „Ich habe doch schon mehr als den halben Tag mit dir verbracht. Das muss reichen." „Nein. Wen soll ich denn sonst mitnehmen?" „Wohin?" Holly blickte ihn skeptisch an. „Auf eine Promotionparty, zu der ich alle möglichen Leute eingeladen habe." „Das ist nichts für mich", erklärte sie energisch. „Stell dich nicht an, Holly", bat er sie sanft. „So viele Gäste kommen gar nicht." „Höchstens ein paar hundert." Zack seufzte. „Okay, einige hundert. Du hast doch nicht etwa Angst vor so vielen Menschen?" In London schon, dachte sie sogleich. Obwohl der Skandal vor fünf Jahren sich nur im engsten Familien- und Freundeskreis herumgesprochen hatte, befürchtete sie, eines Tages jemandem zu begegnen, der über sie und Alex Bescheid wusste. „In London gehe ich nicht gern auf Partys", erwiderte sie ausweichend. „Wieso sollen sie hier anders sein als in anderen Städten?"
„Für mich sind sie anders. Punkt, aus." „Wenn du meinst", antwortete er beschwichtigend. „Ich muss aber hingehen." „Das kannst du ja auch." „Ich möchte aber, dass du mich begleitest", entgegnete er. „Wir brauchen nicht lange zu bleiben, ich muss mich jedoch zumindest zeigen." „Ich will dir den Abend nicht verderben, Zack." „Du verdirbst ihn mir aber, wenn du nicht mitkommst." Offenbar meinte er es ernst. „Würden wir wirklich nicht lange bleiben?" fragte sie schließlich. Zu spät wurde ihr bewusst, dass sie schon wieder schwach geworden war. Am Abend konnte Holly sich dann nicht entscheiden, was sie anziehen sollte. In den beiden Outfits, die sie mitgebracht hatte, würde sie sich nicht sicher und selbstbewusst genug fühlen. Plötzlich klopfte es, und Maxine kam herein. Kritisch betrachtete sie die beiden Kleider, die Holly auf dem Bett ausgebreitet hatte. „Willst du ausgehen?" „Ja, auf eine Party." Holly fühlte sich in Maxines Gegenwart sehr unbehaglich. „Mit Zack." „Natürlich." Maxine setzte sich aufs Bett. „Welches willst du anziehen?" „Ich kann mich nicht entscheiden." „Das kann ich verstehen", antwortete Maxine und schien damit andeuten zu wollen, dass sie beide Kleider nicht besonders aufregend fand. „Welches würdest du denn nehmen?" fragte Holly und ignorierte die Beleidigung. Maxine zuckte gleichgültig die Schultern. „Ich würde dir ja eins von meinen Kleidern leihen, aber ..." Sie ließ den Blick vielsagend über Hollys schlanke Gestalt gleiten. Ich weiß selbst, dass ich kleiner bin und eine ganz andere Figur habe, dachte Holly ärgerlich. „Wolltest du etwas Bestimmtes? Braucht James mich etwa?" „Davon weiß ich nichts. Er ist den ganzen Tag nicht aus seinem Zimmer herausgekommen. Nein, ich wollte dich fragen, wie es dir im Studio gefallen hat." „Gut, danke", erwiderte Holly steif. „Okay." Maxine stand auf. Sie wirkte unzufrieden und gereizt. „Dann lass ich dich jetzt allein. Du sollst dich meinetwegen nicht beeilen müssen." Plötzlich spürte Holly Gewissensbisse. „Was machst du denn heute Abend?" Zack hätte sicher nichts dagegen, auch seine Schwägerin mitzunehmen. Maxine blickte sie ärgerlich an. „Ich habe noch andere Freunde in London und bin nicht auf Zack angewiesen", fuhr sie Holly an. „Das ist mir klar. Entschuldige, ich wollte ..." „Ja, ich weiß, was du wolltest, Holly", unterbrach Maxine sie ungehalten. „Aber ich kann dir versichern, ich bin heute Abend nicht allein. Wenn Zack seinen Spaß mit dir gehabt hat, erinnert er sich sowieso wieder daran, wer seine wahren Freunde sind. Ich muss jetzt gehen und mich umziehen." Ich wollte doch nur freundlich sein, dachte Holly, als Maxine hinauseilte und die Tür hinter sich schloss. Die Szene mit Maxine erinnerte Holly an eine ähnliche aus der Vergangenheit. Damals war sie weggelaufen und hatte ein Chaos zurückgelassen. Doch das würde ihr nicht noch einmal passieren. Als Zack sie um halb neun abholte, sah er in dem eleganten Jackett, dem weißen Hemd und der perfekt sitzenden schwarzen Hose sehr attraktiv aus. Holly wünschte, sie hätte eins ihrer auffallenderen Outfits mitgebracht. Aber offenbar gefiel sie Zack in dem dezent-eleganten mitternachtsblauen Seidenkleid, denn er betrachtete sie bewundernd und machte ihr Komplimente. „Darüber lässt sich sicher streiten, wer von uns beiden heute Abend besser aussieht", erklärte sie, als sie neben ihm im Auto saß. Er lachte liebevoll auf. „Ich bin froh, dass du den Humor nicht verloren hast." Holly zog die Augenbrauen hoch. „Wie kommst du darauf, dass ich ihn hätte verlieren
können?" Er zuckte die Schultern. Dabei nahm sie den dezenten Duft seines After Shaves wahr. „Vermutlich hattest du eine Auseinandersetzung mit Maxine. Du bist so blass." „Es war keine richtige Auseinandersetzung", erwiderte sie gelassen. Viel schlimmer sind die Erinnerungen an die Vergangenheit, überlegte sie. „Sie wollte nur wissen, wie es im Studio war." „Ja, das kann ich mir vorstellen." „Sie ist irgendwie verwirrt, Zack. Sie ärgert sich über James, weil er sich einfach aufgegeben hat, statt zu kämpfen, und über dich, weil du sie im Stich lässt. Am meisten ärgert sie sich wahrscheinlich über mich, denn sie glaubt, ich hätte dich ihr weggenommen." „Ich habe ihr nie gehört", stellte er hart fest. „Wirklich nicht?" fragte Holly sanft. „Na ja, vielleicht mal ganz kurz", gab er ungeduldig zu. „Vor vielen Jahren, ehe sie James geheiratet hat." Holly hatte gespürt, dass beide Brüder einmal an Maxine interessiert gewesen waren. Dass Zack offenbar James gegenüber immer loyal gewesen war und nicht versucht hatte, ihm seine Frau wegzunehmen, erleichterte sie irgendwie. „Ich erzähle es dir später einmal", fügte Zack hinzu. „Ja, okay", erwiderte sie freundlich. Sie fuhren durch die Innenstadt Londons, und schließlich parkte Zack den Wagen hinter einem Club, der momentan als beliebter Treffpunkt galt, wie Holly wusste. Nervös ging sie neben Zack auf den Eingang zu. „Du bist so blass, als würdest du zum Schafott geführt", stellte er plötzlich fest. „So fühle ich mich auch", antwortete sie und erbebte. „Wenn du lieber nicht..." begann er besorgt. „Nein, ich gehe mit rein." „Das freut mich." Er küsste sie federleicht auf die Lippen. „Jetzt hast du wieder etwas mehr Farbe." Zärtlich streichelte er ihr die Wange. Dann legte er ihr den Arm um die Taille und drückte sie an sich. „Okay, bringen wir es hinter uns." Die Party war schon voll im Gang und der Lärm ohrenbetäubend. Man begrüßte Zack begeistert und musterte Holly neugierig. Doch niemand wagte, ihn zu fragen, wer seine Begleiterin sei, denn er legte besitzergreifend den Arm um sie. Während der nächsten Stunde stellte Holly fest, dass es trotz der vielen eleganten und extravaganten Outfits auch ganz norma le Menschen unter den Gästen gab, die teilweise sogar sehr nett waren. „Ich kann Bobbie nirgends entdecken", sagte Zack auf einmal und sah sich suchend um. „Bobbie?" „Ja, sie ist unser Ehrengast. Ich hätte mir denken können, dass sie zu spät kommt. Sie liebt große Auftritte", antwortete er spöttisch. Es war schon nach zehn, und Holly überlegte, wann die Frau auftauchen würde. Wenn man schon ihretwegen eine Party veranstaltet, kann sie auch pünktlich erscheinen, schoss es Holly durch den Kopf. „Wenn sie nicht bald kommt, sind die anderen schon wieder weg", fügte Zack gereizt hinzu. Holly nippte an dem Weißwein. „Weshalb regst du dich auf? Die Leute amüsieren sich auch ohne sie sehr gut." „Das ist ja das Problem. Wo bleibt sie nur? Die Reporter warten bestimmt nicht mehr lange." „Reporter?" Holly hatte noch keinen entdeckt. „Man kann ja wohl kaum eine Promotionparty veranstalten, ohne die Medien einzuladen", erklärte Zack leicht ungeduldig. „Stimmt. Aber..."
„Na endlich!" rief er ärgerlich aus und blickte zur Tür. „Entschuldige mich bitte. Ich will mich nur rasch bei Bobbie bedanken, dass sie überhaupt bereit ist, uns etwas von ihrer kostbaren Zeit zu schenken." Holly hatte irgendwie Mitleid mit dem unpünktlichen Star des Abends und sah hinter Zack her, der den Raum schnell durchquerte. Die junge Frau, die er an der Tür begrüßte, war schon von zahlreichen Fans umgeben. Man machte Zack jedoch sogleich Platz. Der Star des Abends mit dem langen blonden Haar trug ein hautenges Kleid, das einen Ausschnitt hatte, der bis zum Nabel reichte. Unter dem Outfit hatte die Frau nichts an, wie man deutlich erkennen konnte. Es war ihr wie auf den Leib geschneidert, und man konnte sie unmöglich übersehen. Sie war umwerfend schön, ungefähr in Hollys Alter, und ihr Make- up wirkte ausgesprochen dramatisch. Woher kenne ich die Frau? überlegte Holly. O nein, aber nicht Roberta, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Als Zack mit Bobbie, die sich an seinen Arm klammerte, auf Holly zukam, glaubte sie, sich in einem Albtraum zu befinden. Zack hatte offenbar der Frau verziehen, dass sie sich verspätet hatte, denn er lächelte sie freundlich an, während er sich mit ihr unterhielt. Und dann standen sich die beiden Frauen zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder gegenüber. „Holly, ich möchte dir unseren neuen Star Bobbie Chance vorstellen. Bobbie, das ist Holly Macey, eine gute Freundin", stellte Zack sie einander vor. „Holly", sagte Bobbie angespannt. „Roberta." Holly nickte kurz. „So hat mich schon lange niemand mehr genannt." Bobbie verzog verächtlich die Lippen. „Damals nannte man dich so", entgegnete Holly steif. „Ja. Ich hätte dich beinah nicht erkannt, Holly. Du hast dich verändert." „Du dich auch." Verblüfft hörte Zack zu. „Kennt ihr beide euch etwa?" fragte er schließlich. „O ja", antwortete Bobbie hart. „Sehr gut sogar." Dann blickte sie Holly spöttisch an, ehe sie sich wieder an Zack wandte. „Hat deine gute Freundin dir nicht erzählt, dass sie die Ehe meines Vaters zerstört hat?" Holly wurde augenblicklich blass, während Zack sie fassungslos ansah. Wahrscheinlich hielt er ihre seltsame Reaktion für ein Schuldeingeständnis. Und sie fühlte sich auch schuldig, schon seit fünf Jahren.
6. KAPITEL
Schweigend saß Holly neben Zack im Auto. Er hatte darauf bestanden, dass sie zu ihm nach Hause fuhren. Er wollte ungestört mit ihr reden, wie er erklärt hatte. Nachdem Bobbie sich unter die begeisterte Menge gemischt hatte, hatten Zack und Holly sich so normal verhalten, als wäre nichts geschehen. Wie sie das geschafft hatte, wusste Holly selbst nicht genau. Zacks Wohnung war luxuriös eingerichtet und passte zu ihm. Er hatte eine supermoderne Stereoanlage und Tausende von CDs. Aber ich bin nicht hier, um sein Apartment zu bewundern, dachte Holly. Sie setzte sich in einen der bequemen Sessel, während Zack den Brandy trank, den er sich als Erstes eingeschenkt hatte. „Und?" fuhr er sie schließlich an. „Was und?" „So dumm, wie du jetzt tust, bist du nicht, Holly. Stimmt das, was Bobbie dir vorgeworfen hat?" „Zack..." „Stimmt es oder nicht?" fragte er ungehalten und ballte die Hände zu Fäusten. „Entweder hast du die Ehe ihres Vaters zerstört oder nicht." „So einfach ist es nicht." „Natürlich ist es das!" In seinen Augen blitzte es zornig auf. „Hast du es getan?" „Bobbie kennt nicht die ganze Wahrheit..." „Hast du es getan?" wiederholte er. Holly schluckte und befeuchtete die trockenen Lippen. „Ja", gab sie zu. „Aber ..." „Du liebe Zeit", sagte er schockiert. „Du liebe Zeit." Fassungslos schüttelte er den Kopf. „Es war aber ganz anders." Holly blickte ihn eind ringlich an. „Ich habe seine Ehe nicht absichtlich zerstört." „Aber du hast es getan." Er schenkte sich noch einen Brandy ein. „Ich hätte dir so etwas nie zugetraut und würde es auch jetzt nicht glauben, wenn du es nicht soeben zugegeben hättest", erklärte er. „Das ist nicht wahr", fuhr sie ihn an. „Du warst schon von meiner Schuld überzeugt, ehe wir überhaupt hier ankamen." „Wenn du dein Gesicht nach Bobbies Bemerkung gesehen hättest, wärst du auch überzeugt gewesen!" antwortete er mit finsterer Miene. Da hat er wahrscheinlich Recht, gestand Holly sich insgeheim ein. Obwohl sie Bobbies Behauptung am liebsten zurückgewiesen hätte, hatte sie es nicht getan, weil sie sich schuldig fühlte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie jemanden absichtlich verletzt. Trotzdem waren durch ihre Beziehung mit Alex Chance mehrere Menschen verletzt worden, darunter auch Bobbie. Am allermeisten war Holly jedoch selbst verletzt gewesen, und sie war nicht bereit, mit Zack oder sonst jemandem darüber zu reden. „Ist es dein Hobby, Ehen zu zerstören?" fragte Zack sarkastisch. Sie war zutiefst betroffen. „Wie kommst du denn darauf?" Er verzog das Gesicht. „Na ja, als ich bei James auftauchte, warst du gerade dabei, auch seine Ehe zu zerstören." „Das ist nicht wahr!" protestierte sie entsetzt. „Hat der Mann, mit dem du als Siebzehnjährige zusammen warst, dich so sehr verletzt, dass du dich rächen und Ehen zerstören musst? Erst die von Bobbies Vater und jetzt James'?" Er hat ja keine Ahnung, was wirklich passiert ist, doch dafür kann er nichts, überlegte Holly. „James' Ehe war schon nicht mehr in Ordnung, als ich ankam. Das weißt du genau", entgegnete sie ruhig. „Ich habe eingewilligt, dir zu helfen, sie zu retten. Das ist alles." „Ja, das hast du." Er verzog verächtlich die Lippen. „Jetzt frage ich mich natürlich,
warum. Hat es dir vielleicht Leid getan, was du Bobbies Familie angetan hast? Oder wolltest du etwas gutmachen, nachdem dir bewusst geworden war, dass du denselben Fehler beinah noch einmal gemacht hättest?" „Du verdrehst die Tatsachen." „Wirklich? Ich habe dich gern gehabt, Holly, sehr sogar. Deshalb trifft es mich umso tiefer, dass ausgerechnet du dich mit verheirateten Männern einlässt." Er seufzte. „Ich kann es einfach nicht glauben." „Dann tu es auch nicht", bat sie ihn. „Du hast doch schon zugegeben, dass es stimmt", erinnerte er sie niedergeschlagen. „Nein, Zack, ich habe nicht zugegeben, mich mit einem verheirateten Mann eingelassen zu haben. Es war eine vollkommen andere Geschichte." „Erzähl sie mir doch", forderte er sie angespannt auf. „Ich möchte es verstehen." Sie seufzte. „Das kann ich nicht." „Warum nicht?" Holly zuckte die Schultern. „Ich war nicht allein in die Sache verwickelt." „Das habe ich mir schon gedacht", unterbrach er sie verächtlich. „Bobbies Vater hat mitgemacht, das ist mir klar. Aber du und Bobbie seid ungefähr im selben Alter. Der Mann hätte demnach auch dein Vater sein können." „Ja, Bobbies Vater hätte auch meiner sein können", bestätigte sie. „Warum hast du dich dann mit ihm eingelassen?" wollte Zack wissen. „Hättest du dir nicht einen aussuchen können, der nicht verheiratet war und keine Kinder hatte?" „Hast du vergessen, was ich eben gesagt habe? Und hast du schon mal daran gedacht, dass ich vielleicht in der ganzen Geschichte das unschuldige Opfer war?" „Warst du es etwa?" Er kniff die Augen zusammen. „Nein." Sie seufzte. „Aber ich war sehr jung", verteidigte sie sich. „Mir war nicht klar, worauf ich mich eingelassen hatte." „Dir muss doch klar gewesen sein, dass der Mann Frau und Kind hatte!" Zack schüttelte den Kopf und trank noch einen Schluck Brandy. „Es dauert sicher eine Zeit lang, bis ich damit zurechtkomme, dass du Ehen zerstörst oder zerstört hast." Holly konnte es nicht mehr ertragen und stand auf. „Ich gehe lieber, ehe du mich noch mehr beleid igst und so absurde Dinge behauptest, die uns beiden vielleicht später einmal Leid tun." „Ja, ich glaube, du hast Recht." Er fuhr sich erschöpft mit der Hand durchs Haar. „Ich brauche Zeit, um nachzudenken." „Kannst du mir ein Taxi rufen?" bat sie ihn steif. „In deinem Zustand bist du sicher nicht in der Lage, mich nach Hause zu fahren." Er hatte schon auf der Party etwas getrunken und jetzt auch noch den Brandy. Sie hatte sich schon einmal mit einem Mann, der in betrunkenem Zustand unberechenbar gewesen war, auseinander setzen müssen. Noch einmal wollte sie so etwas nicht erleben. „Ich bin nicht betrunken ..." „Die Polizei wäre vielleicht anderer Meinung", unterbrach sie ihn spöttisch. Seine Kinnmuskeln zuckten. „Gib es zu, du willst momentan nicht mit mir zusammen sein", stellte er herausfordernd fest. Sie hob den Kopf. „Stimmt genau." „Okay, ich rufe dir ein Taxi", erklärte er unvermittelt und tat es dann auch. Schweigend warteten sie auf die Ankunft des Taxis. „Danke für den Abend", verabschiedete Holly sich kurz angebunden, als es läutete. „Behaupte bitte nicht, es hätte dir gefallen", wandte Zack sich wieder an sie, nachdem er kurz mit dem Fahrer an der Wohnungstür gesprochen hatte. „Es war für uns beide kein Vergnügen." Sie verzog die Lippen. „Du hast dich aber ganz gut mit Bobbie amüsiert", spottete sie. „Jetzt komm mir nicht mit Eifersucht oder dergleichen, Holly. Wir haben auch so schon genug Probleme", wies er sie zurecht.
Sie errötete und wusste selbst nicht, warum sie Bobbie überhaupt erwähnt hatte. „Ich gehe lieber." „Nein, noch nicht." „Der Taxifahrer ..." „Ich habe ihn gebeten, vor dem Haus zu warten. Bezahlt habe ich ihn auch schon", unterbrach er sie. Sie gestikulierte nervös mit den Händen. „Heute Abend haben wir uns bestimmt nichts mehr zu sagen." „Da bin ich anderer Meinung", stieß er angespannt hervor. „Beruhige dich, Holly", forderte er sie auf, als sie so besorgt zur Tür blickte, als wollte sie jeden Moment vor ihm flüchten. „Ich habe nicht vor, mich auf dich zu stürzen. Doch ehe du gehst, müssen wir zumindest ein Missverständnis klären. Bobbie ist vertraglich an mein Studio gebunden, und sie wird eines Tages ein großer Star sein. Darüber hinaus interessiert sie mich nicht", erklärte er. „Sie ist ein charmantes Kind und liebt es, im Rampenlicht zustehen." „Sie ist ungefähr so alt wie ich", erinnerte Holly ihn. „Dennoch liegen Welten zwischen euch." „Damit willst du wohl auf meine angeblich so bewegte Vergangenheit anspielen", erwiderte sie hart. „In einer anderen Situation hätte ich sicher deine Eifersucht auf Bobbie zumindest als Hoffnungsschimmer empfunden. Aber momentan weiß ich nicht, was ich denken soll. Bobbie Chance bedeutet mir überhaupt nichts. Begreif das endlich. Meine ganze Aufmerksamkeit gilt im Augenblick dir. Du kannst gehen, Holly." „Zack..." „Du liebe Zeit, Holly, warum?" Er stöhnte verzweifelt auf und nahm sie in die Arme. Dann barg er das Gesicht hilflos an ihrem Hals. „Warum hast du mir das angetan?" Er drückte sie fest an sich. Schließlich ließ er die Lippen federleicht über den Hals gleiten, ehe er sie auf ihre presste. Diese erotische und intime Geste fand Holly ziemlich irritierend. Er musste glauben, sie hätte eine Affäre mit einem verheirateten Mann gehabt. Deshalb brauchte er eigentlich keinen Respekt mehr vor ihr zu haben. Dennoch behandelte er sie sehr sanft und küsste sie zärtlich, während er ihr Gesicht umfasste. „Zack, es tut mir Leid", flüsterte sie, als sie spürte, wie sehr ihn das alles quälte. „Es tut mir wirklich unendlich Leid." „Das ist doch momentan egal", antwortete er heiser. Seine Augen schienen plötzlich dunkler zu werden. „Du liebe Zeit, ich begehre dich! Bleib heute Nacht bei mir, Holly. Bleib bitte bei mir, ich möchte dich lieben." „Das kann ich nicht." Es klang wenig überzeugend. Doch sie durfte sic h nicht mit ihm einlassen und konnte es nicht wagen, ihn zu nahe an sich heranzulassen. „Doch, du kannst es", widersprach er leidenschaftlich. „Oder begehrst du mich etwa nicht?" Er sah sie verletzt an. „Darum geht es nicht..." „Dann gibst du zu, dass du mich begehrst?" unterbrach er sie. „Ich weiß es nicht. Momentan bin ich viel zu verwirrt." Sie legte die Hand an die Schläfe. „Ich muss gehen, Zack, wirklich." Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann dich nicht gehen lassen." „Dadurch wird das, was ich damals getan habe, auch nicht besser, Zack." Sie blickte ihn schmerzerfüllt an. „Ich habe die Ehe von Bobbies Vater zerstört. Er ist meinetwegen geschieden." „Wenn es nicht deinetwegen gewesen wäre, dann wegen einer anderen Frau." „Nein, so war es doch gar nicht." Sie seufzte erschöpft. „Wenn ein Mann einmal fremdgeht, tut er es immer wieder." „Du verstehst nicht, worum es geht." „Weil du es mir nicht erklären willst", stieß er ärgerlich hervor. „Du willst mir einfach nicht erzählen, was wirklich passiert ist."
„Nein", gab sie gleichgültig zu. „Okay, das war's dann." Er wandte sich ab. Am liebsten hätte sie ihn umarmt und ihm die ganze Geschichte anvertraut. Aber das war unmöglich, denn sie hatte den Schmerz noch nicht überwunden und konnte ihn manchmal kaum ertragen. Deshalb versuchte sie, so selten wie möglich daran zu denken. „Wir sehen uns morgen", rief Zack hinter ihr her, als sie zur Tür ging. „Es ist nicht nötig, dass du mich ..." „Natürlich ist es nötig, verdammt!" In seinen Augen blitzte es auf. „Ich will es so. Ich habe dich viel zu gern, um dich einfach vergessen zu können. Vor deiner Rückfahrt morgen Nachmittag sehen wir uns." Sie schluckte und nickte dann. „Gut", willigte sie sanft ein. „Obwohl sich bis dahin nichts geändert hat." „Vielleicht habe ich mich verändert", sagte er rau. Holly verstand ihn genauso wenig wie zu Anfang ihrer Beziehung. Er schien verletzt zu sein, weil sie mit ihm nicht über die Vergangenheit reden wollte. Wenn sie es jedoch jemals tun würde, dann müsste er zumindest irgendetwas für sie empfinden. Und das tat er nicht, obwohl er erklärt hatte, er hätte sie gern. Aber reichte das? Als sie schließlich aus dem Taxi stieg, wirbelten ihre Gedanken immer noch durcheinander. Sie fand keine Antworten auf ihre vielen Fragen. Glücklicherweise war niemand mehr auf, und Holly eilte in ihr Schlafzimmer. Sie war froh, endlich allein zu sein. Der Regen passt zu meiner Stimmung, dachte Holly am nächsten Morgen deprimiert. Als James sie bat, einige Stunden mit ihm zu arbeiten, war sie froh. Sie brauchte Ablenkung, um nicht ständig zu grübeln und immer nur an Zack zu denken. Nach dem Frühstück verschwand James, um die Arbeit vorzubereiten. Holly blieb mit Maxine noch am Tisch sitzen. Sie war sich sicher, dass Maxine absichtlich so früh aufgestanden war, denn normalerweise blieb sie bis mittags im Bett. „Du siehst gar nicht gut aus", stellte Maxine fest. Es war mir klar, dass sie die dunklen Ränder unter meinen Augen kommentieren würde, dachte Holly. „Ich konnte wegen des Lärms draußen nicht schlafen", improvisierte sie. „Ach ja?" fragte Maxine spöttisch. „Mir ist nicht aufgefallen, dass besonders viel Verkehr herrschte. Zacks Auto habe ich auch nicht gesehen", fügte sie anzüglich hinzu. „Er hat mich gestern Abend nicht nach Hause gefahren", gab Holly steif zu. „Ich bin mit dem Taxi gekommen." „Wirklich?" Maxines Stimme klang schon wieder so anzüglich. „Ja", fuhr Holly sie an. „Es war spät, und er hatte auf der Party getrunken. Deshalb war es mir lieber, dass er sich nicht mehr ans Steuer setzte." „Seltsam", entgegnete Maxine ironisch, „so kenne ich Zack gar nicht. Ich habe noch nie erlebt, dass er zu viel getrunken hat." „Das hatte er auch gestern Abend wahrscheinlich nicht", erklärte Holly scharf. „Er sollte aber kein Risiko eingehen." „Und was hat er selbst dazu gesagt?" Maxine zog die Augenbrauen hoch. Holly war klar, dass die Frau sich über sie lustig machte. „Er war derselben Meinung wie ich." „Ich verstehe." Maxine stand auf. „Na ja, nimm es nicht so tragisch. Ich habe dich ja gewarnt. Er ist nun mal so, er verliert rasch das Interesse." „So war es doch gar nicht..." „Schon gut, Holly", unterbrach Maxine sie. „Aber vielleicht hörst du in Zukunft auf meine Ratschläge." Holly gefiel die gönnerhafte Art nicht, und sie hätte am liebsten irgendetwas getan, damit Maxine das herablassende Lächeln verging. Aber weshalb regte sie sich überhaupt auf? Ursprünglich hatten sie und Zack sowieso nur beabsichtigt, den beiden etwas
vorzuspielen, um James zu helfen. Außerdem war Holly sich sicher, dass Zack jetzt wirklich nicht mehr an ihr interessiert war nach allem, was am Abend zuvor passiert war. Deshalb gönnte sie Maxine die Schadenfreude. Als Holly sich zu James ins Arbeitszimmer gesellte, schien er es nicht eilig zu haben, mit der Arbeit anzufangen. Er wirkte angespannter als je zuvor. Wahrscheinlich leiden alle irgendwie unter Zacks und meiner Beziehung, überlegte sie. „War es schön gestern?" fragte James schließlich mürrisch. „Gestern?" „Im Studio", erklärte er. Nach dem Zwischenfall mit Bobbie hatte Holly den Besuch in Zacks Studio ganz vergessen. „Es war sehr interessant." Sie nickte und entspannte sich etwas. „Maxine ärgert sich, weil er es ihr nicht zeigen will." „Oh", sagte sie, weil ihr nichts Besseres einfiel. „Er hat dich offenbar sehr gern." Holly errötete. „Das weiß ich nicht so genau ..." „Ich aber." Er legte seine Hand auf ihre. „Wenn er es wirklich ernst mit dir meint, wünsche ich euch beiden viel Glück." Es klang aufrichtig. Holly war sprachlos. Dass James mit der Beziehung einverstanden war, hätte sie nicht erwartet. Offenbar haben Zack und ich ihn völlig falsch eingeschätzt, schoss es ihr durch den Kopf. „Wir müssen abwarten, was daraus wird", erwiderte sie ausweichend. „Fangen wir an mit der Arbeit?" „Wenn du möchtest." Er sah sie nachdenklich an. Offenbar erwartete er, dass sie sich ihm anvertraute. Sie wusste jedoch nicht, was sie sagen sollte. Natürlich konnte sie ihm nicht verraten, dass Zack und sie beabsichtigt hatten, ihn, James, eifersüchtig zu machen, und dass sich die Sache ganz anders entwickelt hatte. Die Wahrheit würde ihm verständlicherweise bestimmt nicht gefallen. „Ja, deshalb sitzen wir ja hier zusammen", erwiderte sie betont munter. „Holly ..." begann er. „Es gibt sicher viel zu schreiben für mich", fuhr sie fort, als hätte sie ihn nicht gehört. „Du hast ja seit Freitag ununterbrochen gearbeitet." „Nein, nicht die ganze Zeit", antwortete er grimmig. „London macht mich irgendwie unruhig. Ich bin froh, wenn ich wieder in Hampshire bin." Ich auch, stimmte Holly insgeheim zu. Doch erst musste sie die Begegnung mit Zack am Nachmittag hinter sich bringen, und davor hatte sie etwas Angst. Am Abend zuvor war er viel zu gereizt und zornig gewesen, um überhaupt klar zu denken. Und der Alkohol hatte wahrscheinlich alles noch schlimmer gemacht. Doch wie würde er jetzt reagieren? Es wäre immerhin möglich, dass er es mit seinem scharfen Verstand und seinem Einfühlungsvermögen schaffte, die Wahrheit aus ihr herauszuholen. Als er dann um kurz nach zwei mit düsterer Miene und zusammengepressten Lippen auftauchte, merkte man ihm deutlich an, dass er nicht gut geschlafen hatte. Er trug eine beigefarbene Hose und ein dunkelblaues Hemd dazu, das er nur halb zugeknöpft hatte. Die Ärmel hatte er bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Er wirkte sehr attraktiv, aber irgendwie auch bedrohlich. „Wir fahren raus", verkündete er so bestimmt, als wollte er jeden Widerspruch im Keim ersticken. „Aber in zwei Stunden wollen wir nach Hampshire fahren", wandte Holly trotzdem ein. „Bis dahin sind wir wieder zurück", versprach er. „Oder wäre es dir lieber, wir würden uns hier unterhalten?" fragte er spöttisch, weil sie schon zweimal gestört worden waren. Einmal war Maxine hereingekommen, die sich offenbar darüber ärgerte, dass er Holly besuchte, und einmal die Haushälterin, um ihnen Tee und Kaffee anzubieten. „Okay, dann lass uns aufbrechen", willigte Holly schließlich ein.
Er fuhr aus London hinaus aufs Land und parkte den Wagen abseits von einer ruhigen Landstraße. „Du kennst wirklich nette Plätze", stellte Holly betont unbekümmert fest. „Warst du etwa hier auch immer als Kind?" „Nein, hier war ich noch nie. Gehen wir spazieren?" „Ja, warum nicht?" Sie versuchte immer noch, unbefangen zu plaudern. Schweigend wanderten sie nebeneinander her, ohne sich zu berühren. Körperlich waren sie sich trotzdem ziemlich nah, aber innerlich viel zu weit voneinander entfernt. Zack war ganz in Gedanken versunken. Die Hände hatte er in die Hosentaschen geschoben und die Schultern zusammengezogen. „Letzte Nacht habe ich viel nachgedacht", sagte er plötzlich, ohne sie anzusehen. „Verdammt, ich habe überhaupt nichts anderes getan!" „Und?" „Ich bin zu einem Ergebnis gekommen. Für mich war eigentlich immer klar, dass du schon eine oder mehrere Beziehungen hattest, das ist ganz normal. Doch da du zuge geben hast, eine Ehe zerstört zu haben, bist du nicht die Frau, für die ich dich gehalten habe." „Zack, du tust gerade so, als hätte ich dich betrogen", erwiderte sie sanft. „Hast du das etwa nicht?" „Natürlich nicht", entgegnete sie. „Wir lieben uns nicht, wir haben uns noch nicht einmal besonders gern, sondern fühlen uns nur zueinander hingezogen. Ich habe von dir auch nie eine Erklärung über deine Beziehung zu Maxine erwartet. Das hätte ich sicher getan, wenn ich mehr für dich empfinden würde." „Du warst nie in der Stimmung, mit mir vernünftig über Maxine zu reden", erinnerte er sie. „Du hast mir immer nur alles Mögliche unterstellt, statt mir ein einziges Mal zuzuhören." „So wie du es jetzt mit mir machst?" „Mit einem Unterschied: Ich habe nie zugegeben, Maxine wäre nach ihrer Heirat jemals mehr für mich gewesen als eine Schwägerin." „Es ist letztlich egal, was du zugegeben hast und was nicht", wandte sie ein. „Tatsache ist, ich habe dich nie um eine Erklärung gebeten." Sie hatte ihm vertraut, was er umgekehrt offenbar nicht schaffte. „Du wirst sie aber bekommen, ob du sie haben willst oder nicht." Er blickte vor sich ins Leere. „Heute klären wir alle Missverständnisse." „Was ich mit Bobbies Familie zu tun hatte, lassen wir aus." „Das wird auch geklärt." „Nein." Sie schüttelte energisch den Kopf. Zack warf ihr einen zornigen Blick zu. „Maxine war meine Freundin", begann er dann. „Sie hat James durch mich kennen gelernt. Ich habe rasch gemerkt, dass er ihr gefiel, sie bedeutete mir jedoch nicht viel, obwohl ich sie mochte. Ich mag sie immer noch, aber anders. Zuerst hatte James keine Zeit für sie, er war viel zu sehr an seiner Karriere interessiert. Dann benutzte Maxine mich, um seine Aufmerksamkeit zu erringen, und es war mir egal." Er lächelte bei der Erinnerung daran. „Irgendwie fand ich es sogar ganz amüsant. Der arme James lag an der Leine, ohne es zu merken. Doch auch als es ihm bewusst wurde und er ihr einen Heiratsantrag machte, dauerte es noch einige Jahre, bis er sie endlich heiratete. Da Geduld noch nie Maxines Stärke war, überredete sie mich immer wieder, mit ihr auszugehen, um James eifersüchtig zu machen. Meist funktionierte es auch." „Deshalb hast du gedacht, es würde nach dem Unfall auch wieder klappen", sagte Holly. Zack schnitt ein Gesicht. „Dieses Mal hatten wir ihn unterschätzt. Außerdem glaubte Maxine plötzlich wirklich, sie sei in mich verliebt." „Dann hast du sie nie geliebt?" „Nein!"
Holly war selbst verblüfft, wie erleichtert sie war. Aus Zacks Bemerkungen hatte sie sich schon einiges zusammengereimt, doch sie war froh, endlich die ganze Wahrheit zu kennen. Aber das half ihnen jetzt auch nicht mehr. Zack würde seine schlechte Meinung über sie sowieso nicht ändern. „Unser Plan, James zu helfen, hat auch nicht funktioniert", sagte sie sanft. „Heute Morgen hat er erklärt, er sei damit einverstanden, dass wir beide eine Beziehung haben." „Dann hat er seine Meinung offenbar geändert", stellte Zack fest. „Ich glaube, er hat seine eigenen Gefühle die ganze Zeit missverstanden und wollte mich nur irgendwie beschützen." „Nein", entgegnete Zack bestimmt, „er wollte mehr von dir." Sie zuckte die Schultern. „Jedenfalls denkt er jetzt, wir beide würden uns ernsthaft füreinander interessieren." „Er ist eben ein unverbesserlicher Romantiker", antwortete Zack spöttisch. So würde ich James nicht beschreiben, dachte Holly, denn seine Bücher waren oft sehr realistisch. Sie widersprach Zack jedoch nicht. „Wir sollten zurückfahren", schlug sie stattdessen vor. „Ich muss noch packen, und Maxine und James würden es mir sicher übel nehmen, wenn ich sie warten lasse." „Aber wir haben noch nichts geklärt!" „Ich habe dir gestern Abend schon gesagt, dass es nichts zu klären gibt", erinnerte sie ihn freundlich. „Wir brauchen uns auch nicht mehr zu sehen. Dafür gibt es keinen Grund mehr, nachdem James sich mit unserer angeblichen Beziehung abgefunden hat." „Das stimmt nicht, wie du genau weißt." Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie sanft. „Ich mag dich sehr, Holly, und das meine ich ernst." „Es hat doch keine n Sinn ..." „Holly, bitte", stieß er hervor. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sie. Es war ein liebevoller, irgendwie flehentlicher Kuss, als wollte Zack sie bitten, ihn wenigstens dieses eine Mal noch zu erwidern. Sogleich schmiegte sie sich an ihn und legte ihm die Arme um den Nacken. Dann rieb sich Zack sinnlich an ihr, und sie konnte seine Erregung deutlich spüren. Schließlich öffnete er langsam den Reißverschluss ihres Leinenkleides. Sie wehrte sich nicht, und als sie Zacks warme Hand auf ihrer Haut spürte, erbebte sie. Er streifte ihr das Kleid über die Schultern. Unter dem weißen BH aus Seide und Spitze waren ihre aufgerichteten dunklen Brustspitzen zu sehen. Mit einer einzigen geschickten Bewegung öffnete Zack auch den BH und warf ihn achtlos auf den Boden. Dann umfasste er ihre vollen nackten Brüste. Auf die Gefühle, die er mit seinen Zärtlichkeiten in ihr wachrief, war sie in keiner Weise vorbereitet. Während Zack mit den Daumen die empfindlichen Brustspitzen liebkoste, durchfluteten Wogen der Erregung ihren Körper, und sie fing an zu zittern. „Herrlich", sagte Zack leise und fing an, die harten Spitzen mit der Zunge zu streicheln. „Du bist so schön, Holly", flüsterte er, ehe er sie mit einer Hand an sich drückte und mit der anderen ihren Körper erforschte. Holly wollte mehr als nur Zärtlichkeiten. Deshalb rieb sie sich ungeduldig an ihm und stöhnte auf, als er mit den Fingern ihre empfindsamste Stelle berührte. Sie begehrte ihn, sie wollte von ihm geliebt werden. „Zieh dich aus, Zack", forderte sie ihn plötzlich mutig auf und schob sein Hemd auseinander, ehe sie seine nackte, muskulöse Brust mit leidenschaftlichen Küssen bedeckte. „Zack, o Zack", stöhnte sie auf. „Ich sehne mich so sehr nach dir. Bitte ..." „Es ist doch alles gut, Liebling", versicherte er ihr rau, als sie in seinen Armen erbebte. „Ich hole nur rasch die Decke aus dem Auto, und dann ..." „Nein, lass mich nicht allein." Sie klammerte sich an ihn. „Ich brauche die Decke nicht, sondern nur dich." „Ich brauche dich auch!" In seinen Augen blitzte es voller Verlangen auf. Er ließ Holly sanft auf den Boden gleiten und streifte ihr das Kleid und den winzigen Seidenslip
über die Hüften, ehe er sich selbst rasch alles abstreifte, was er anhatte. Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der so schön ist, dachte Holly und betrachtete ihn in seiner Nacktheit. Seine Haut war gebräunt und schimmerte golden, er war schlank und muskulös, und seine Hüften wirkten ungemein kraftvoll, ein Eindruck, der durch seine Erregung noch verstärkt wurde. Holly küsste ihn ungestüm und leidenschaftlich. Als er sich schließlich neben sie auf die Knie sinken ließ, war ihr klar, dass er sich kaum noch zurückhalten konnte. Das sollte er auch nicht. Viel zu lange hatte sie darauf gewartet, dass er sie in Besitz nahm. Sie hielt den Atem an, während er kraftvoll in sie eindrang. Dann stöhnte sie auf, denn mit jeder Bewegung steigerte er ihre Lust. Und während er ihre Brüste mit der Zunge liebkoste, bewegte er sich langsam in ihr. Schließlich presste er die Lippen wieder auf ihre und umfasste fest ihren Po. Hollys leidenschaftliche Gefühle gerieten außer Kontrolle. Schließlich konnte sie den Höhepunkt nicht mehr hinauszögern und schrie auf vor Ekstase. Zack rief ihren Namen, und gemeinsam erlebten sie einen so heftigen und intensiven Höhepunkt, dass Holly sich anschließend ganz kraftlos vorkam. Zack entspannte sich auf ihr und barg das Gesicht an ihrem Hals. Dabei sagte er immer wieder leise, wie schön sie sei und wie sehr er sie immer noch begehre. Doch nachdem ihre Körper sich beruhigt hatten, wurde Holly bewusst, worauf sie sich eingelassen hatte und dass sie ihn praktisch gebeten hatte, sie zu lieben. Das, wovor sie sich immer gefürchtet und wogegen sie sich all die Jahre geschützt hatte, war eingetreten. Ihre Abwehr und ihre Schutzmaßnahmen hatten nicht funktioniert. Zack schien zu spüren, was in ihr vorging. Er lächelte sie liebevoll an. „So etwas Wunderschönes habe ich noch nie erlebt", sagte er sanft. Sie wandte den Kopf ab. „Lässt du mich bitte aufstehen, Zack? Mir tut der Rücken weh." „Natürlich." Während er sich behutsam von ihr löste, erbebten sie beide. Ihre Körper waren nach dem intensiven Einssein noch zu sensibel. „Ich hätte besser doch die Decke geholt", stellte er fest und betrachtete die Spuren, die die harte Erde auf Hollys Rücken hinterlassen hatte. „Ja", erwiderte sie nur, ohne ihn anzusehen, und zog sich rasch an. „Wir brauchen uns nicht zu beeilen, Holly", versicherte er ihr sanft. „Hier stört uns niemand." Er streckte die Hände nach ihr aus. Sie wich ihm aus. „Ich fühle mich wohler, wenn ich etwas anhabe", entgegnete sie. „Holly...?" „Willst du dich nicht auch anziehen?" fragte sie abweisend. „Holly, was ist los?" Er runzelte die Stirn. „Liebling, was hast du? Ich weiß, dass wir gar nicht vorhatten, uns zu lieben. Aber es war das Schönste, was ich jemals erlebt habe. Sagst du mir bitte, was los ist?" Sie schämte sich viel zu sehr, um ihm in die Augen zu sehen. „Kannst du dich nicht erst anziehen?" „Eben hast du mich noch gebeten, mich auszuziehen!" stieß er gereizt hervor. „Bitte", erwiderte sie rau und kehrte ihm den Rücken zu. Die Geräusche hinter ihr verrieten, dass er ihr den Wunsch erfüllte. „So", fuhr er sie dann grimmig an, „was, zum Teufel, ist plötzlich los? Rede mit mir!" Sie drehte sich zu ihm um. Seine Miene wirkte hart, und Holly war klar, dass sie ihn verletzt hatte. Doch wie sollte sie ihm helfen? Sie hatte mit sich selbst genug zu tun und sowieso Mühe, nicht zusammenzubrechen. „Durch das, was gerade geschehen ist, ändert sich nichts zwischen uns", erklärte sie steif. „Doch, es hat sich alles verändert." „Nein." Sie schüttelte den Kopf. „Es hätte nicht passieren dürfen." „Ist es aber. Und du warst genauso daran beteiligt wie ich", fügte er hinzu.
Holly errötete. „Stimmt", gab sie zu. „Es bedeutet jedoch nichts. Damals habe ich auch geglaubt, ich sei in Alex verliebt. Es war jedoch nur Neugier auf Sex." „Willst du behaupten, es sei auch jetzt nichts anderes gewesen?" fragte er ungläubig. „Ja", stieß sie hervor. „Das glaube ich dir nicht." „Es stimmt aber." Sie schluckte. „Nicht nur Männer dürfen neugierig sein und ausprobieren wollen, wie es ist, mit einer bestimmten Frau zu schlafen. Frauen geht es umgekehrt genauso. Jedenfalls habe ich bei Alex so empfunden und jetzt bei dir wieder." „Das kannst du unmöglich ernst meinen." Er schüttelte den Kopf. „O doch", bekräftigte sie. „Empfindest du wirklich nichts für mich?" „Nein, nichts." „Aber du hast mich so geliebt, als hättest du mich gern", wandte er ein. „Um genau zu sein: Wir haben uns überhaupt nicht geliebt, Zack", entgegnete sie sanft, „sondern wir hatten Sex. Das war alles." Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich kenne dich noch längst nicht." „Stimmt." „Lass uns zurückfahren. Die Luft ist mir hier plötzlich zu stickig." Sie wusste, dass er verletzt war, aber sie durfte ihm nichts vormachen. Seit sie mit Alex zusammen gewesen war, hatte sie sich gegen sinnliche Gefühle gewehrt. Doch Zacks beharrliches Drängen hatte es ihr von Anfang an schwer gemacht, standhaft zu bleiben. Deshalb war das, was geschehen war, letztlich unvermeidbar gewesen, obwohl sie sich genauso sehr wünschte wie er, es wäre nicht passiert. Niemals wieder werde ich mir so eine Schwäche erlauben, nahm sie sich fest vor.
7. KAPITEL
Zu dieser Jahreszeit war Hampshire sehr schön, es war aber auch sehr heiß. Nach der Rückkehr aus London arbeitete James oft im Garten an seinem Roman. Für Holly war es eine schwierige Woche gewesen. Wegen des endlosen Grübelns hatte sie zu wenig geschlafen. Alex hatte ihr damals vorgeworfen, sie sei zu sinnlich und leidenschaftlich. Und ihr Verhalten Zack gegenüber hatte ihr bewiesen, dass Alex Recht gehabt hatte. Zack fehlte ihr mehr, als sie für möglich gehalten hätte. Sie überlegte, was er jetzt wohl machte, und war sich sicher, dass sie ihn nie wieder sehen würde, nachdem sie ihm erklärt hatte, sie hoffe, ihm nicht mehr zu begegnen. Es fiel ihr jedoch schwer, mit der neuen Situation zurechtzukommen. Sie war ruhelos und ungeduldig, und das tägliche Schwimmen im Swimmingpool hinter dem Haus brachte ihr keine Entspannung. Noch nie hatte sie sich so rastlos und unausgeglichen gefühlt. Am Ende der Woche war Holly klar, dass sie eine Veränderung brauchte. Die Ruhe hier, die ihr eine Zeit lang so gut getan hatte, steigerte ihre Unzufriedenheit. Außerdem würde Zack seinen Bruder nicht besuchen, solange sie hier war. James runzelte ärgerlich die Stirn, als sie ihm erklärte, sie wolle kündigen. „Ich dachte, du seist glücklich hier", wandte er ein. „Ja, das war ich auch und bin es eigentlich immer noch", fügte sie rasch hinzu. „Trotzdem möchte ich mich verändern." „Vielleicht brauchst du nur Urlaub", meinte er. „Wir haben die letzten Wochen sehr viel gearbeitet, du solltest mal ausspannen." „Nein, das allein hilft auch nicht", erklärte sie unnachgiebig. Er seufzte ungeduldig. „Es hat etwas mit Zack zu tun, stimmt's? Er hat dich verletzt." „Nein..." „Doch", unterbrach James sie sanft. „Ich habe ja gewusst, dass es so kommen würde. Trotzdem habe ich gehofft, dass er mit dir ... Ach, deshalb musst du nicht kündigen. Zack kommt sowieso nur selten her, und du kannst dir einige Tage freinehmen, wenn er uns wirklich mal besucht." Holly schüttelte den Kopf. „Nein, James, es hat keinen Sinn. Außerdem will ich nicht wegen Zack weggehen. Es hat auch etwas mit dem Wochenende in London zu tun", improvisierte sie. „Ich habe gemerkt, dass ich das Großstadtleben irgendwie vermisse." „Hattest du nicht erwähnt, du hättest schon einige Jahre nicht in London gelebt?" Sie zuckte die Schultern. „Stimmt, aber ich war in anderen Städten." Er atmete tief ein. „Wenn du in der Großstadt glücklicher bist, können wir ja alle zusammen wieder nach London ziehen." Verblüfft sah sie ihn an. James hatte es bisher immer abgelehnt, wieder in London zu leben. Sogar am letzten Wochenende hatte er noch behauptet, die Stadt mache ihn unruhig. Holly hatte angenommen, er könne dort nicht arbeiten. Aber vielleicht erinnerte ihn in London zu viel an sein Leben vor dem Unfall. „Du hast einmal gesagt, du wolltest dort nicht mehr wohnen." Sie setzte sich neben ihn in den Sessel. Er legte seine Hand auf ihre. „Ich würde den Umzug verkraften, wenn es dich glücklich machen würde." „Mich? Aber..." „Ich habe dich sehr gern, Holly. Das wollte ich dir schon an dem Wochenende sagen, als Zack uns besucht hat. Doch dann habe ich es nicht getan, weil sich zwischen euch etwas anzubahnen schien. Wenn aber alles aus ist..." „Das ist es. Trotzdem ..." „Können wir ein gutes Leben zusammen haben, Holly", fuhr er fort, ohne ihren Einwand zu beachten. „Mir ist klar, ein Ehemann im Rollstuhl ist vielleicht nicht..." „Ein Ehemann?" wiederholte sie irritiert und glaubte, sich verhört zu haben.
„Ja, ich möchte dich heiraten", erklärte er ruhig. Sie schüttelte den Kopf. „Du bist doch schon verheiratet, mit Maxine." „Wir können uns scheiden lassen." „Habt ihr etwa schon darüber geredet?" Holly runzelte die Stirn. „Das brauchen wir nicht", antwortete er mit düsterer Miene. „Es ist doch ganz offensichtlich, dass sie mit mir nicht mehr glücklich ist. Sie trifft sich schon jahrelang mit Zack in London." „Nein, das ist nicht wahr", verteidigte sie Zack vehement. „Jedenfalls nicht so, wie du denkst." James kniff die Augen zusammen. „Was weißt du darüber?" „Zack hat mir erzählt..." „Zack!" unterbrach er sie spöttisch. „Natürlich streitet er es ab. Wenn er zugegeben hätte, mit Maxine eine Affäre zu haben, wärst du nicht mit ihm ausgegangen." „Wenn er mit Maxine eine Affäre hätte, würde sie ihm dann erlauben, mit mir zusammen zu sein?" Er presste die Lippen zusammen. „Sie glaubt Zack alles, was er ihr erzählt, und sie verzeiht ihm alles. Das war schon immer so." „Wie kannst du nur so über die beiden reden? Außerdem hattest du vergangenes Wochenende nichts gegen eine Beziehung zwischen Zack und mir einzuwenden." „Was hätte ich denn dagegen machen können?" James zuckte die Schultern. „Ich wollte dich nicht verärgern. Meinen Rat, vorsichtig zu sein, hast du ja in den Wind geschlagen." Sie seufzte ungeduldig. „Es hat aber auch nichts gebracht, dass du mich ermutigt hast, mich mit ihm zu treffen." „Wirklich nicht?" Er zog die Augenbrauen hoch. „Zwischen euch ist doch alles aus", erinnerte er sie. „Das war meine eigene Entscheidung." „Deine eigene Entscheidung?" wiederholte er verblüfft. „Ich dachte..." „Was hast du gedacht?" fragte sie gereizt. „Zack ist für seine kurzen Affären bekannt", antwortete er unbehaglich. „Deshalb hast du vermutet, mit mir würde er genauso verfahren." Sie verzog spöttisch die Lippen. „Es tut mir Leid, dass ich dich enttäuschen muss, James." „Du könntest mich nie enttäuschen, Holly." Er drückte ihr die Hand. „Lass uns Zack vergessen. Wir sollten uns auf uns konzentrieren. Wie ich schon sagte, mir ist klar, dass ein Ehemann im Rollstuhl nicht unbedingt das ist, was eine Frau sich wünscht. Aber dass ich nicht laufen kann, bedeutet nicht, dass ich dich nicht lieben kann." „Warum hast du dann seit dem Unfall nicht mit Maxine geschlafen?" Ärgerlich sah er sie an. „Wer hat dir das erzählt?" Er presste die Lippen zusammen und zog die Hand zurück. „Dumme Frage, Zack natürlich. Was hat er dir sonst noch erzählt?" „Dass du laufen könntest, wenn du wolltest." „Ach ja?" Seine Stimme klang verbittert. „Warum sitze ich dann immer noch in diesem verdammten Rollstuhl?" Holly zuckte die Schultern. „Vielleicht kannst du es mir erklären." Er drehte sich mit dem Rollstuhl um und blickte zum Fenster hinaus. Es war bewölkt draußen, und man konnte die Bucht nicht sehen. „Ich kann wirklich nicht laufen." „Hast du es mal versucht?" „Ich kann beim besten Willen nicht aufstehen." „O James!" Sie sprang auf und setzte sich neben ihn auf den Boden. Dann legte sie die Hände auf seine Fäuste. „Du kannst doch nicht erwarten, einfach aufstehen und laufen zu können. Erst brauchst du professionelle Hilfe." „Vielleicht einen Psychiater?" „Unsinn." Sie schüttelte den Kopf. „Nein, eher einen Physiotherapeuten."
„Aber wenn sich das alles nur in meinem Kopf abspielt, wie alle behaupten ..." „Das bedeutet nicht, dass mit dir etwas nicht stimmt", erwiderte sie ruhig. „Dein Verstand weigert sich, zu akzeptieren, dass du laufen kannst, weil du überzeugt bist, du könntest es nicht." „Ich befürchte, es ist viel komplizierter." Er seufzte. „Erzähl es mir", forderte Holly ihn auf. James lächelte spöttisch. „Wahrscheinlich hältst du mich für dumm, nachdem ich dich gebeten habe, mich zu he iraten." „Jemanden gern zu haben bedeutet nicht, ihn zu lieben. Deshalb vergesse ich einfach, dass du es überhaupt gesagt hast", versprach sie. „Okay." Er fuhr sich über die Stirn. „Ich befürchte, ich weiß nicht mehr, was ich tue. Kannst du mir verzeihen, dass ich dich verwirrt habe? Ich weiß selbst nicht, weshalb ich dachte, du seist vielleicht nicht abgeneigt, jemanden wie mich zu heiraten ..." „Vielleicht hätte ich es sogar getan, wenn es dabei nicht auch um Maxine ginge", versuchte Holly ihn zu trösten. „Aber sie ist diejenige, die du wirklich liebst." „Früher habe..." „Nein, du liebst sie immer noch", unterbrach sie ihn und war überzeugt, dass sie Recht hatte. „Mag sein, zugleich hasse ich sie aber auch, zumindest manchmal. Du hast gefragt, warum ich nicht mehr mit ihr schlafe. Die Antwort ist ganz einfach: Ich habe Angst, es zu versuchen. Kannst du dir vorstellen, wie unwürdig die ganze Situation ist?" Er stöhnte auf. „Ich bin sicher, sie würde es so nicht sehen." „Nein? Als man mir nach dem Unfall erklärte, ich sei auf den Rollstuhl angewiesen, habe ich sie gebeten, in die Scheidung einzuwilligen. Sie wollte jedoch davon nichts wissen, und nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, war ich froh darüber. Aber später begriff ich, dass sie nur aus Mitleid bei mir geblieben ist." „Das stimmt nicht, das weiß ich genau", wandte Holly ein. „Doch, es ist so." Er schüttelte den Kopf. „Wie kann sie mich denn überhaupt noch lieben? Ich bin behindert und nur noch ein halber Mann. Sie ist bei mir geblieben, weil ich ihr Leid tue. Als es mir klar wurde, habe ich angefangen, mir ein Leben ohne sie aufzubauen. Ich habe meine Karriere und Robert, der mir hilft, ich brauche keine Frau mehr. Dennoch ist sie nicht gegangen, weil sie sehr loyal ist. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich sie trotz ihrer vielen Reisen nach London noch liebe, und bekam Angst, sie würde mich eines Tages endgültig verlassen. Deshalb habe ich sie gewähren lassen, obwohl sie keinen Hehl daraus machte, dass sie mit Zack zusammen war." „Die beiden sind nur befreundet", versicherte Holly ihm. „Es fällt mir schwer, das zu glauben." „Maxines Leben war in den letzten zwei Jahren auch nicht leicht. Sie war genauso schockiert über den Unfall wie du, und dann hast du sie auch noch zurückgewiesen. Dass du später froh warst, sie noch um dich zu haben, heilt die Verletzungen nicht, die du ihr zugefügt hast. Und obendrein hast du sie dann auch noch körperlich zurückgewiesen. Du hast sie überhaupt nicht mehr gebraucht, so dass sie sich überflüssig vorkommen musste. Ich bin überzeugt, sie liebt dich sehr, sonst hätte sie das alles nicht mitgemacht." Seltsamerweise wurde Holly jetzt erst klar, dass Zack Recht gehabt hatte. Und sie begriff auch, warum Maxine sich schließlich Zack zugewandt hatte. „Ich weiß gar nicht, was sie jetzt empfindet. Darüber redet sie mit mir nicht", antwortete James mit düsterer Miene. „Ich möchte gern wieder laufen können, Holly. Aber wenn ich es könnte, hätte Maxine keinen Grund mehr, bei mir zu bleiben", fügte er gequält hinzu. „Du täuschst dich. Sie bleibt bei dir, um dir zu zeigen, wie sehr sie dich liebt. Sie hat jedoch Angst davor, wieder von dir zurückgewiesen zu werden. Sie ist ein sehr willensstarker Mensch, James, und sie könnte dir gut helfen, wenn du es zulassen
würdest." „Vielleicht ist es dafür schon zu spät." „Nein", widersprach Holly ihm energisch. „Außerdem wäre ich sowieso nicht die richtige Frau für dich", scherzte sie. „Ich würde dich gewähren lassen." „Ja, das weiß ich." Sie richtete sich auf und setzte sich auf die Knie. „Und das brauchst du und willst du gar nicht, James", fügte sie freundlich hinzu. „Ich meine, du und Maxine solltet endlich eure Differenzen beilegen." Er schüttelte den Kopf. „Wie denn? Sie ist jetzt so verschlossen und abweisend, als wäre ihr alles ega l, ganz besonders ich." „Natürlich bist du ihr nicht egal", versicherte Holly ihm. „Aber da du sie nicht gerade gut behandelt hast, musst du dich schon etwas anstrengen, sie wieder für dich zu gewinnen." „Willst du immer noch kündigen?" Er blickte sie besorgt an. „Ich verspreche dir auch, dich nie wieder mit Heiratsanträgen zu belästigen, auch wenn Maxine und ich keinen gemeinsamen Weg mehr finden." Holly lächelte. „Vielleicht gefallen mir ja deine netten Andeutungen", neckte sie ihn. „Du bist ein ganz lieber Mensch, Holly." Er streichelte ihr sanft die Wange. „Es tut mir Leid, dass es nicht so gut gelaufen ist für dich." „Ja, ich finde es auch schade", erwiderte sie traurig. „Ich muss jedoch wirklich weg, am liebsten schon morgen. Lässt sich das machen?" Er nickte. „Ich werde dich vermissen." „Ich dich auch." Sie richtete sich auf und küsste ihn auf die Wange. Plötzlich drehte er den Kopf und berührte ihre Lippen mit seinen. Es war aber nur ein freundschaftlicher Kuss, mit leidenschaftlichen Gefühlen hatte er nichts zu tun. „Was ist denn hier los?" ertönte auf einmal eine zornige Stimme hinter ihnen. Erschrocken lösten sie sich voneinander, obwohl sie kein schlechtes Gewissen zu haben brauchten. Als Holly Maxines vorwurfsvolle Miene bemerkte, glaubte sie, das Blut würde ihr in den Adern gerinnen. Auch James wirkte sehr betroffen. Sie stand auf. „Es ist nicht so, wie du denkst." „Nein?" In Maxines Augen blitzte es wütend auf. „Es genügt dir wohl nicht, mit Zack zu flirten, sondern du musst jetzt auch noch ausprobieren, wie du auf meinen Mann wirkst." „Ich habe nicht mit Zack geflirtet und ..." „Auch nicht mit James?" unterbrach Maxine sie ärgerlich. „Maxine..." „Dein wieder erwachtes Interesse an Frauen mag ja für dich ganz amüsant sein, James, aber ich kann mich darüber nicht freuen", stieß Maxine hervor. „Dazu hattest du kein Recht! Ich kann es nicht glauben." Tränen traten ihr in die Augen, und sie wirkte einfach nur noch unglücklich. „Am besten fahre ich wieder nach London, James. Du kannst mich anrufen, wenn du mir irgendetwas sagen möchtest." „Maxine ..." „Entschuldige mich." Sie drehte sich um und stürzte aus dem Raum. „O nein." James bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Ich rede mit ihr", sagte Holly. „Wahrscheinlich wird sie dir nicht zuhören." Er schüttelte den Kopf. „Jetzt erst recht nicht." „Doch. Ich werde sie dazu bringen", erklärte Holly energisch. „Du liebe Zeit, gibt es in eurer Familie nur dickköpfige, eigensinnige Menschen?" James lächelte freudlos. „Ist Zack etwa auch so?" „Er ganz besonders", erwiderte sie und eilte hinter Maxine her. Maxine war in ihrem Schlafzimmer und packte ihre Sachen zusammen. Dabei liefen ihr die Tränen über die Wangen. Als Holly an die offene Tür klopfte, versteifte Maxine
sich und warf ihr einen unfreundlichen Blick zu. „Was willst du?" fragte sie hart. „Dir erklären ..." „Weshalb du meinen Mann geküsst hast?" Maxine warf wahllos irgendwelche Kleidungsstücke in den Koffer. „Es war doch ganz offensichtlich, was da ablief." „Es war..." „Das erste Mal, dass ihr euch geküsst habt?" beendete sie den Satz für Holly. „Zugegeben, das war mein erster Gedanke. Aber wahrscheinlich bin ich viel zu naiv. So etwas hätte ich nie vermutet, obwohl ihr sehr viel Zeit miteinander verbracht habt." „Das war auch nicht..." „Lüg mich nicht an, Holly", stieß Maxine zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich habe es doch mit eigenen Augen gesehen, was ihr gemacht habt. Wenn es mir jemand erzählt hätte, hätte ich es bestimmt nicht geglaubt. Zwei Jahre hat sich auf körperlicher Ebene in unserer Ehe überhaupt nichts abgespielt, und dann kommst du daher, und innerhalb weniger Monate ändert sich alles. Aber er begehrt nicht mich, sondern dich." „Nein, das ist nicht wahr." Holly seufzte. „Was du gesehen hast, war ein emotional bedingter Kuss, der ..." „Ja, das ist mir völlig klar." „Es hing alles nur damit zusammen, dass ich James gerade erklärt hatte, dass ich am liebsten fristlos kündigen möchte." Maxine blickte sie verblüfft an. „Was willst du?" „Ja, ich habe gekündigt und will so rasch wie möglich weg." „Aber warum?" Maxines Zorn und Ärger waren verflogen. „Das kannst du dir sicher denken." „Wegen James ..." „Nein, nicht wegen James." Holly sah Maxine unverwandt an. „Es ist wegen Zack", sagte Maxine dann leise. „Teilweise zumindest." Holly nickte. „Das ist jedoch momentan nicht wichtig. Wichtiger ist, dass du und James euch aussprechen müsst." Maxine setzte sich aufs Bett. „Ich weiß aber nicht, was ich ihm sagen soll." „Ich denke, es geht eher darum, was er dir zu sagen hat", wandte Holly sanft ein. „Was er mir zu sagen hat?" wiederholte Maxine verblüfft. „Was meinst du damit?" „Geh zu ihm, und rede mit ihm", forderte Holly sie freundlich auf. „Er wartet im Arbeitszimmer auf dich." „Wirklich?" „Ja." Holly nickte. Maxine stand und ging ins angrenzende Badezimmer. „Du liebe Zeit, ich sehe fürchterlich aus", stellte sie fest und stöhnte auf, während sie sich das ruinierte Make-up abwusch. „Das ist James momentan sowieso egal", versicherte Holly ihr. „Für ihn bist du immer perfekt. Geh endlich, und rede mit ihm, damit er sich keine Sorgen mehr machen muss." An der Tür blieb Maxine stehen. „Er will mich doch nicht bitten, ihn zu verlassen?" fragte sie unsicher. „Nein, ganz im Gegenteil." Holly lächelte. „Er ist nur etwas irritiert, und ich glaube, das warst du auch in den letzten Monaten. Ihm ist jedoch klar geworden, dass er nur dich liebt. Du liebst ihn doch auch, oder?" „Ja." „Worauf wartest du dann noch?" Holly lächelte belustigt. „Holly, was ich da alles zu dir gesagt habe ..." „Das ist schon vergessen." „Und dass ich so gemein war wegen Zack ..." „Ist auch vergessen." Maxine stand immer noch an der Tür. „Ich habe dich ganz falsch eingeschätzt, Holly",
gab sie zu und verschwand. Kurz darauf drang ein schriller Schrei durchs Haus. Hastig lief Holly die Treppe hinunter und wäre vor lauter Eile beinah hingefallen. Im Arbeitszimmer sah sie, warum Maxine geschrien hatte: James lag bewusstlos auf dem Boden. Weiß wie eine gekalkte Wand, kniete Maxine neben ihm. „Was soll ich machen? O nein, was soll ich nur machen?" rief sie in panischem Entsetzen. „Ruf den Arzt an", forderte Holly sie auf. „Unterdessen lasse ich James von Robert nach oben tragen." „Bist du sicher, dass wir ihn bewegen dürfen?" James lag so reglos da, dass Holly Zweifel bekam. „Natürlich bin ich mir nicht sicher, aber wir können ihn nicht einfach hier liegen lassen." „Nein, wahrscheinlich nicht", stimmte Maxine zögernd zu. „Wir brauchen den Arzt", erinnerte Holly sie, denn Maxine schien wie gelähmt zu sein. „Oh ... ja, natürlich." Sie stand auf und betrachtete James ängstlich. „Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte", sagte sie leise und mehr zu sich selbst. „Ich auch nicht", erwiderte Holly freundlich. „Eins weiß ich jedoch genau: Als ich wegging, saß James im Rollstuhl am Fenster." Der Rollstuhl stand immer noch am Fenster, während James mitten im Zimmer lag. Maxine sah Holly an. „Meinst du, er wäre selbst ...?" begann sie aufgeregt. „Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen, Maxine", warnte Holly sie, obwohl sie selbst auch ganz aufgeregt war, wie sie sich eingestand. Wenn James wirklich versucht hatte zu laufen, dann wäre es ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. „Ah ja, Robert, gut, dass Sie da sind", wandte sie sich an den Mann, der auf Maxines Schrei hin herbeigeeilt war. „Könnten Sie bitte Mr. Benedict auf sein Zimmer bringen? Maxine, du wolltest den Arzt anrufen", erinnerte sie James' Frau noch einmal und etwas energischer. Als der Arzt eintraf, war James wieder bei Bewusstsein. Zu dem Zwischenfall wollte er sich jedoch nicht äußern. Die beiden Frauen warteten im Wohnzimmer, während der Arzt James untersuchte. „Ich wage noch gar nicht zu hoffen." Maxine nippte an dem Tee, den die Haushälterin serviert hatte. „Dann tu es auch nicht", riet Holly ihr sanft. „Vielleicht täuschen wir uns." In Maxines Augen leuchtete es auf. „Aber wenn wir Recht haben und er wirklich versucht hat zu laufen?" „Warte lieber, bis du mit dem Arzt gesprochen hast, ehe du anfängst, Pläne zu machen." „Ja, du hast Recht", stimmte Maxine zu, obwohl sie immer noch sehr aufgeregt war. Holly wollte sich lieber noch keine Hoffnungen machen. Aber wie war James mitten in den Raum gekommen? Er konnte nur versucht haben zu laufen. Es wäre beinah zu schön, um wahr zu sein. Schließlich kam der Arzt die Treppe hinunter, und Holly ließ ihn mit Maxine allein. Sie zog sich in ihr Büro zurück, denn ihr war klar, dass sie die Diagnose letztlich nichts anging. Dennoch konnte sie es kaum erwarten, zu erfahren, was los war. „Er ist vorsichtig optimistisch", erzählte Maxine ihr dann wenig später. „Was auch immer das heißt." Sie runzelte die Stirn. „Ist James wirklich aus eigener Kraft aufgestanden?" „Ja, er hat versucht zu laufen." Maxine schüttelte den Kopf. Ihre Aufregung hatte sich gelegt. „Der Arzt hält es für ein gutes Zeichen." „Das ist es auch", stimmte Holly begeistert zu. „Du kennst James nicht", erklärte Maxine skeptisch. „Er kann sehr hartnäckig sein, wenn er etwas erreichen will. Wenn er sich jedoch entscheidet, dass etwas unmöglich ist, dann geht es für ihn auch nicht."
„Was sagt er denn selbst dazu?" „Na ja, er ist offenbar damit einverstanden, sich von einem Physiotherapeuten behandeln zu lassen." „Wieso offenbar?" fragte Holly verblüfft. „Hast du noch nicht mit ihm gesprochen?" „Erst wollte ich mit dir reden." „Das ist lieb von dir, Maxine. Doch geh jetzt lieber zu James." „Du bleibst noch hier, Holly, oder? Mir ist klar, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, dich zu verabschieden, denn James wird die nächsten Tage nicht arbeiten wollen. Ich wäre jedoch froh, wenn du es dir noch mal überlegen würdest." „Okay, einige Tage kann ich noch bei euch bleiben." Holly nickte. „Zumindest so lange, bis ich weiß, wie es mit James weitergeht." Nachdem Maxine und James sich ausgesprochen hatten, wirkte sie glücklicher, als Holly sie je erlebt hatte. Auch James hatte mehr Selbstvertrauen und war entschlossen, sich wieder ohne den Rollstuhl fortbewegen zu können. Deshalb verbrachte er viele Stunden mit dem Physiotherapeuten, den er sogleich engagiert hatte. „Du wirst sicher Zack anrufen und ihm die guten Neuigkeiten berichten wollen", sagte Holly einige Tage später. Ihre Anwesenheit wurde nicht mehr benötigt, und die Beziehung zwischen James und Maxine war inniger als je zuvor. „Ich muss dir gestehen, dass ich das gestern Abend schon getan habe", antwortete Maxine unbehaglich. „So?" Holly versteifte sich. „Er kommt heute." „Um wie viel Uhr?" Holly wurde ganz blass. „Heute Nachmittag. Holly ..." „Dann möchte ich mich noch vor dem Lunch verabschieden", erklärte Holly. „Ich bin sowieso schon drei Tage länger geblieben, als ich vorgehabt hatte." „Natürlich würden wir dich nie zwingen, aber ..." „Gut, ich fahre heute Mittag", verkündete Holly entschlossen. „Wo willst du denn wohnen, Holly? Du brauchst doch nichts zu überstürzen. Du liebe Zeit, hätte ich dir doch nicht verraten, dass Zack kommt. Ich dachte, ich sei es dir schuldig." „Ich bin froh, dass du es getan hast. Zack will mich nicht mehr sehen, das musst du mir glauben. Und ich ihn auch nicht", erwiderte Holly. „Er hat gestern Abend nach dir gefragt", wandte Maxine behutsam ein. „Ich glaube, du täuschst dich. Er möchte dich doch sehen." „Trotzdem werde ich fahren. Ich habe schon mit einer Agentur in London gesprochen, und man hat mir einen Job in Aussicht gestellt. Ich komme zurecht, verlass dich darauf." Holly und Maxine hatten sich in den letzten Tagen angefreundet und verstanden sich überraschend gut. „Du hast doch keine Wohnung." „In London findet man immer eine Unterkunft." „Du musst aber nicht flüchten, Holly. Ich bin sicher, dass Zack dich in keiner Weise in Verlegenheit bringen würde." Das ist es ja gerade, er wird höflich sein und mich so kühl behandeln, als wäre ich für ihn eine Fremde, und gerade damit komme ich nicht zurecht, überlegte Holly. In den vergangenen zwei Wochen war ihr klar geworden, wie viel Zack ihr bedeutete. Wenn er nicht darauf bestehen würde, zu erfahren, was vor fünf Jahren passiert war, wäre alles viel einfacher. Dann würde sie vielleicht hier bleiben und so viel Zeit mit ihm verbringen, wie er wollte. „Ich möchte gehen", erwiderte sie steif. „James braucht momentan keine Sekretärin, und ihr beide kommt gut ohne mich aus." „Wir hatten es schön in den letzten Tagen, du und ich, Holly." „Finde ich auch", stimmte sie freundlich zu. „Dennoch möchte ich vor Zacks
Eintreffen weg sein." „Okay, wenn du es unbedingt willst", gab Maxine schließlich nach. „Sagst du mir, wo wir dich erreichen können?" „Ich rufe dich an, sobald ich Telefon habe", versprach Holly. „Zack möchte sicher auch wissen, wo er dich finden kann." „Das bezweifle ich." Holly erinnerte sich daran, wie deutlich er ihr seine Verachtung gezeigt hatte. „Sehr sogar." „Aber wenn er es wissen möchte?" „Dann verrat es ihm bitte nicht, Maxine. Wir haben uns alles gesagt, was zu sagen war." Auch als James wenig später gute Gründe dafür anführte, warum er und Maxine unbedingt ihre Adresse brauchten, ließ Holly sich nicht umstimmen. Sie wollte eine klare Trennung, eine halbherzige wäre sinnlos.
8. KAPITEL
Das große Unternehmen, in dem die Agentur schließlich für Holly einen Job fand, war genau das, was sie sich vorgestellt hatte. Den Fehler, im Haus des Arbeitgebers zu wohnen, wollte sie nicht noch einmal machen. Eine solche Nähe brachte zu viele Probleme mit sich, und am Ende konnte man Privat- und Berufsleben nicht mehr trennen. Ihr neuer Chef war Mitte fünfzig und glücklich verheiratet. Sie kamen gut miteinander aus, und private Dinge waren tabu. Einen besseren Chef als Charles McGregor konnte sie sich nicht wünschen. Das Zimmer, das sie gemietet hatte, war klein, nur spärlich möbliert und ziemlich schäbig. Holly machte das Beste daraus und war erleichtert, weit weg von den emotionalen Verstrickungen zu sein, die die Arbeit mit James mit sich gebrachte hatte. So etwas war ihr zuvor noch nie passiert. Holly rief Maxine ab und zu an und erfuhr, welche Fortschritte James machte. Die Therapie schien ihm zu helfen, und er trainierte hart. Maxine hörte sich an wie ein ganz anderer Mensch. Das war sie wahrscheinlich auch, denn James hatte seine Ängste überwunden, und sie schliefen endlich wieder zusammen. Maxine hatte sogar erwähnt, dass sie vielleicht eines Tages Bänder haben wollten. Über Zack redeten sie nur selten, und wenn Maxine es doch einmal tat, erfand Holly irgendeine Ausrede, um das Gespräch rasch zu beenden. Es war ihr unmöglich, diesen Mann zu vergessen, und über ihn zu sprechen machte den Schmerz noch unerträglicher. Das Leben in London wurde für Holly zur Routine. Sie stand morgens auf und ging zur Arbeit. Um fünf Uhr verließ sie das Büro und verbrachte die Abende meist zu Hause vorm Fernseher. Den Gedanken, vielleicht die nächsten dreißig Jahre so weiterzuleben, fand sie erschreckend. Nachts wurde sie oft wach und dachte an die herrlichen Momente in Zacks Armen. Sie sehnte sich danach, ihn wieder zu sehen, musste sich jedoch damit abfinden, dass es nie geschehen würde. Als eine Kollegin ihr eines Tages vorschlug, am Abend mit ihr und zwei anderen auszugehen, willigte sie sogleich ein. Sie war froh über die Abwechslung. In dem Club herrschte ein beinah unerträglicher Lärm. Trotz der vielen Menschen um sie her fühlte Holly sich einsam und allein. Nachdem sie mit einigen jungen Männern getanzt hatte, die sie aufgefordert hatten, gab sie es auf. Die meisten wollten die Mädchen nur betatschen. Offenbar suchten alle nur eine Partnerin für den Abend und die Nacht, und Holly wünschte, sie wäre zu Hause geblieben. Einfach nur zu tanzen, ohne Hintergedanken, hätte ihr sicher Spaß gemacht. Aber das, was hier ablief, war nicht nach ihrem Geschmack, auch wenn ihre Kolleginnen sie jetzt für spießig und altmodisch hielten. Allein am Tisch zu sitzen war aber dann beinah noch schlimmer. Immer wieder kamen junge Männer zu ihr mit eindeutigen Angeboten. Einen musste sie sogar grob und unhöflich auffordern, sie endlich in Ruhe zu lassen. „Das war nicht nett, Holly", ertönte plötzlich eine spöttische Stimme hinter ihr. „Früher bist du nicht so unfreundlich mit Männern umgegangen." Sie drehte sich um und erblickte zu ihrer Überraschung Bobbie Chance. „Seine Anmache ging mir auf die Nerven", entgegnete sie steif. Bobbie setzte sich zu ihr an den Tisch und verbreitete einen aufdringlichen Duft. Das hautenge schwarzgoldene Kleid betonte ihre Figur beinah schamlos. „Wohnst du jetzt in London?" fragte sie Holly neugierig. Holly hatte keine Lust, mit der jungen Frau höflich zu plaudern. Warum auch? Nach der Szene bei der letzten Begegnung hatten sie sich nichts mehr zu sagen. „Momentan", erwiderte sie deshalb ausweichend. „Zack hat mir erzählt, dass du bei seinem Bruder und seiner Schwägerin ausgezogen bist." „Ach ja?" Holly versteifte sich.
Bobbie musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. „Als ich dich damals in seiner Begleitung sah, wusste ich nicht, dass du für seinen Bruder arbeitest." „Jetzt arbeite ich eben nicht mehr für ihn", erklärte Holly kühl. „Wo denn?" „Bei einer großen Firma in der City", erwiderte Holly. Bobbie nickte. „Hat Zack dich schon gefunden?" „Mich gefunden?" wiederholte Holly verblüfft. „Ich wusste gar nicht, dass er mich sucht." Ihre Hand zitterte etwas, als sie das Glas an die Lippen hob. Warum sollte er sie suchen? Was hatte sie jetzt schon wieder falsch gemacht? „Schon seit einigen Wochen", bestätigte Bobbie. „Er hat mich mal nach dir gefragt. Du liebe Zeit, woher soll ich wissen, wo du wohnst?" fügte sie gelangweilt hinzu. „Ja, woher", sagte Holly leise. „Es ist seltsam, dich nach so langer Zeit wieder zu sehen, Holly", stellte Bobbie nachdenklich fest. „Wie lange ist es her?" „Fünf Jahre." Ihr war nicht klar, was Bobbie mit der Frage bezweckte. „Ja." Bobbie seufzte. „Ich erinnere mich, ich war damals siebzehn." Holly schluckte. „Siehst du Alex noch? Er ist in Amerika, habe ich gehört." „Stimmt. Wir sehen ihn überhaupt nicht mehr." „Das tut mir Leid." Holly war klar, wie unpassend die Bemerkung war, denn sie war ja selbst an allem schuld. „Ach ja?" fragte Bobbie verbittert. „Ja, Bobbie. Ich habe es nicht gewollt." „Aber du hast es getan", fuhr Bobbie sie an. „Deinetwegen ist unsere ganze Familie auseinander gebrochen." „Es tut mir wirklich Leid", sagte Holly noch einmal und blickte vor sich auf den Tisch. „Uns auch", erklärte Bobbie gereizt. „Wir bedauern, dass wir dir jemals begegnet sind." Geräuschvoll stand sie auf. „Bobbie..." Die junge Frau blickte verächtlich auf sie hinab. „Ja?" Holly befeuchtete die trockene n Lippen. „Wenn Zack dich fragt, du hast mich nicht gesehen." „Ist das wieder einer deiner Tricks?" Bobbie verzog spöttisch die Lippen. „Nein." „Weshalb sucht Zack dich eigentlich? Hast du irgendwelche Wertgegenstände mitgenommen?" spottete Bobbie. „Red doch keinen Unsinn." „Vielleicht ist es gar kein Unsinn." Bobbie zuckte die Schultern. „Zack war ziemlich ärgerlich, als er mich fragte." „Ich habe Zack nichts getan, sondern möchte ihn einfach nicht mehr sehen. Tu mir deshalb bitte den Gefallen, Bobbie." „Weshalb sollte ich es ihm auch verraten? Ich will ihm doch das Leben nicht unnötig schwer machen. Ich mag Zack sehr, und er hat so etwas wie dich bestimmt nicht verdient." Die Beleidigung traf Holly tief. „Danke", sagte sie jedoch nur. „Du brauchst dich nicht zu bedanken", fuhr Bobbie sie an. „Ich würde dir nie einen Gefallen tun." In dem Fall tut sie es doch, schoss es Holly durch den Kopf. Wenn Bobbie wüsste, wie verzweifelt Holly sich wünschte, dass Zack nichts von der Begegnung erfuhr, hätte sie es ihm vielleicht doch verraten. „Gute Nacht, Bobbie", verabschiedete sie sich freundlich. „Und noch herzlichen Glückwunsch zu deinem Erfolg." Bobbies CD stand jetzt ganz weit oben in den Charts. „Danke", antwortete Bobbie uninteressiert. „Siehst du eigentlich noch ..." begann Holly.
„Deine Mutter?" unterbrach Bobbie sie spöttisch. „Natürlich, oft sogar. Sie erwähnt dich nicht mehr." „Ah ja." „Gute Nacht, Holly. Ich hoffe, wir laufen uns nicht noch einmal über den Weg." „Das hoffe ich auch." Holly nickte und war erleichtert, dass Bobbie sich endlich wieder zu ihren Freunden am anderen Ende des Raumes gesellte. „Hast du da gerade mit Bobbie Chance geredet?" fragte Chloe sogleich, als sie wieder an den Tisch kam. „Bobbie Chance war das?" wiederholte Holly gespielt ahnungslos. Sie wollte nicht ausgefragt werden. „Das habe ich gar nicht gemerkt." „Aber sie hat sich doch zu dir gesetzt." Chloe runzelte die Stirn. „Ja, ich habe mich kurz mit der Frau unterhalten. Sie brauchte eine Atempause." „Seltsam", sagte Chloe langsam und mit skeptischer Miene. Die Wahrheit würde sie noch viel seltsamer finden, schoss es Holly durch den Kopf. Nach diesem Zwischenfall vermied sie es, noch einmal mit ihren Kolleginnen auszugehen. Sie hatte immer eine gute Entschuldigung parat, wenn man sie aufforderte mitzukommen. Schließlich fragte man sie erst gar nicht mehr und glaubte, sie hätte einen Freund und wolle nicht darüber reden. Man ließ sie in Ruhe, und die Tage und Abende verliefen ziemlich eintönig. „Jetzt verstehe ich, warum du nicht mehr mit uns tanzen gehst!" Chloe gab ihr einen freundschaftlichen Stoß von der Seite, als sie an einem Freitag zusammen das Gebäude verließen. „Bitte?" Holly runzelte verblüfft die Stirn. Sie hatte gerade über das vor ihr liegende Wochenende nachgedacht und überlegt, was sie machen sollte. „Den hätte ich auch versteckt", fügte ihre Freundin rätselhaft hinzu. „Was meinst du eigentlich?" Holly verstand überhaupt nichts mehr. „Keine Angst, Holly, dein Geheimnis ist bei mir sicher." Chloe lächelte sie an. Holly wurde blass. „Was für ein Geheimnis?" „Den da." Chloe deutete mit einer Kopfbewegung nach links. Holly blickte in die Richtung und bekam Herzklopfen. „Zack!" sagte sie fassungslos und glaubte zu träumen. Er war blass und hatte dunkle Ränder unter den Augen. Die Lippen hatte er zusammengepresst, und in den engen Jeans und dem Sweatshirt wirkte er noch schlanker als je zuvor. „Schönes Wochenende", wünschte Chloe ihr. „Er sieht umwerfend gut aus, Holly", fügte sie hinzu. Kein Zweifel, er hat auf mich gewartet, dachte Holly. Während ihre Kollegen und Kolleginnen sich an ihnen vorbeischoben, sahen Zack und Holly sich schweigend in die Augen. „Was für eine Überraschung!" stellte Holly schließlich steif fest. „Wirklich?" fragte er hart. „Hat Bobbie dir nicht erzählt, dass ich dich gesucht habe?" „Bobbie?" Sie schluckte. „Ihr seid euch doch vor einigen Wochen im Club begegnet, oder?" erklärte er. „Ja. Aber..." „Hier können wir uns nicht unterhalten, Holly." Er packte sie am Arm und dirigierte sie die Straße entlang zu seinem Auto. Dann hielt er ihr die Tür auf und wartete. „Ich hatte nicht vor wegzulaufen", fuhr sie ihn ungeduldig an. „Du wärst auch nicht weit gekommen, wenn du es versucht hättest", antwortete er mit strenger Miene, während sie sich auf den Beifahrersitz setzte. „Die Zeit des Weglaufens ist vorbei. Es hat viele Wochen gedauert, bis ich dich gefunden habe. Du entkommst mir nicht mehr, Holly." Es klang wie eine Drohung, und Holly erbebte. „Ich habe nicht gewusst, dass du mich gesucht hast." Sie saß steif neben ihm und sah zu, wie er den Wagen wendete, ehe er sich
in den fließenden Verkehr einreihte. „Bobbie hat es dir gesagt", hielt er ihr vor. „Ich meinte, bis dahin habe ich es nicht gewusst." Sie errötete. Er warf ihr von der Seite einen missbilligenden Blick zu. „Das ist schon drei Wochen her." „Sie hat versprochen, dir nichts von unserer Begegnung zu verraten." Holly ärgerte sich, dass Bobbie ihr Versprechen nicht gehalten hatte. „Im Zorn sagt Bobbie alles Mögliche", spottete Zack. „Wir haben in den letzten drei Wochen eine neue CD aufgenommen, und es lief nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nachdem ich sie eines Nachmittags kritisierte, verlor sie die Nerven und erklärte, sie habe dich gesehen." Holly konnte sich gut vorstellen, wie sehr er sich geärgert hatte, es erst nach drei Wochen zu erfahren. „Sie wusste aber nicht, wo ich arbeite", wandte Holly ein. „Ich habe es ihr jedenfalls nicht gesagt." „Sie wusste, dass du in einer großen Firma in der City angestellt bist. Das war mein Glück, sonst hätte ich dich wahrscheinlich nie gefunden." „Ich verstehe nicht, warum du mich gesucht hast." „Nein?" „Wirklich nicht." Sie schüttelte den Kopf. „Wir sind noch nicht miteinander fertig", stellte er kurz angebunden fest. „Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinauswillst." Holly runzelte die Stirn. Zack presste die Lippen zusammen. „Du bist einfach verschwunden, ohne eine Adresse zu hinterlassen und ohne mir etwas davon zu sagen." „Ich war der Meinung, es würde dich sowieso nicht interessieren", erwiderte sie wahrheitsgemäß. „Wie bitte? Du wusstest genau, dass es mich interessiert. Warum bist du sonst so überstürzt abgereist, nachdem du erfahren hattest, ich würde kommen?" „Überstürzt kann man es nicht nennen", verteidigte sie sich. „Ich hatte schon mit James besprochen, dass ich keine Kündigungsfrist einzuhalten brauchte." „Trotzdem bist du erst abgereist, als du erfahren hattest, dass ich deinetwegen kommen wollte", fuhr er sie an. „Meinetwegen wolltest du James und Maxine bestimmt nicht besuchen." „O doch." In seinen Augen blitzte es ärgerlich auf. Die Kehle war ihr plötzlich wie zugeschnürt. „Aber Maxine hatte dich wegen James angerufen." „Ich habe sie angerufen, und mir ging es nur um dich", stellte er die Sache richtig. „Das wusste ich nicht." „Wenn du dageblieben wärst, hättest du es erfahren", warf er ihr vor. „Mit James hatte ich schon über die gute Nachricht gesprochen, dass er wahrscheinlich wieder laufen kann. An dem Abend vor deiner Abfahrt habe ich Maxine erklärt, ich würde kommen, um mit dir zu reden. Sie sollte dafür sorgen, dass du dann auch da warst", fügte er mit düsterer Miene hinzu. „Sie hat es jedenfalls versucht", bestätigte Holly. „Aber ohne Erfolg", stieß er hervor. Holly war verblüfft. Offenbar ärgerte er sich immer noch darüber, dass Maxine sie nicht hatte zurückhalten können. „Weißt du, dass ich durch die Hölle gegangen bin, seit du weg bist?" fragte er gereizt. „Nein." Sie wusste nur, wie sehr sie selbst gelitten hatte. „Es war eine einzige Qual", fügte er hinzu. Holly schluckte und befeuchtete die trockenen Lippen. Dann ballte sie die Hände zu Fäusten, um das Zittern zu unterdrücken. „Wieso meinst du, wir seien noch nicht miteinander fertig?" „Glaubst du, ich könnte einfach so tun, als wäre nichts geschehen, nachdem wir uns geliebt haben?"
Sie errötete. Warum behauptete er hartnäckig, sie hätten sich geliebt, obwohl sie der Meinung war, es sei nur Sex gewesen? „Bis jetzt ist es dir jedenfalls gut gelungen", erwiderte sie steif. „Mir ist überhaupt nichts gelungen, und das endlose Grübeln hat mir auch nichts gebracht", antwortete er. „Ich habe versucht zu verstehen, was für ein Mensch du bist, Holly, aber ich schaffe es nicht. Es ist letztlich auch egal, denn es ändert nichts an meinen Gefühlen für dich." „An deinen Gefühlen?" wiederho lte sie beunruhigt. „Du brauchst mich nicht so erschrocken anzusehen, als hätte ich dir Gewalt angedroht oder dergleichen", fuhr er sie ungeduldig an. „Was ich für dich empfinde, sind ganz normale Gefühle, das kann ich dir versichern. Aber darüber möchte ich nicht im Auto mit dir reden", erklärte er, während er in die Tiefgarage eines Apartmentblocks einbog. Plötzlich wurde Holly bewusst, dass er dort wohnte. Sie wurde immer nervöser und hatte Angst davor, mit ihm allein zu sein. Wie sollte sie ihre Gefühle kontrollieren? „Holly?" Er hielt die Beifahrertür auf und reichte Holly die Hand. Sie stieg aus, ohne seine Hand zu beachten, und blickte ihn vorsichtshalber nicht an. Nur wenn sie jede noch so flüchtige Berührung vermied, würde es ihr vielleicht gelingen, sich zu beherrschen. „Selbstständig wie immer", spottete er, als sie zum Lift gingen. Dann fuhren sie schweigend nach oben. Holly versuchte, sich insgeheim auf das Gespräch mit Zack vorzubereiten. Sie musste ihm unbedingt klarmachen, dass sie mit ihm keine Affäre haben wollte. Das bisschen ihrer Selbstachtung, das sie noch hatte, wollte sie nicht auch noch verlieren. „Möchtest du einen Drink?" fragte er, nachdem er sie ins Wohnzimmer geführt hatte. „Nein, dafür ist es noch zu früh, finde ich. Lass dich aber durch mich nicht davon abhalten", erwiderte sie steif und blieb unbehaglich stehen. „Für mich ist es auch zu früh. Willst du lieber einen Tee oder Kaffee?" Es wäre mir lieber, er wäre nicht so höflich und wir hätten die ganze Sache schon hinter uns, überlegte sie. „Nein, ich möchte nichts", antwortete sie deshalb. „Okay." Er zuckte die Schultern. „Ich will die Sache auch so rasch wie möglich hinter mich bringen. Nachdem ich dich zwei Wochen gesucht und dich endlich gefunden habe, möchte ich nicht noch la nge reden." Holly schluckte. „Wie bitte?" „Wir brauchen uns doch nichts mehr vorzumachen." Zack seufzte ungeduldig. „Du weißt genau, was ich am liebsten jetzt tun möchte." „Nein, ich ..." begann sie entsetzt. „Holly, ich habe mich in den letzten Wochen so sehr nach dir gesehnt, dass ich es kaum noch ertragen konnte", stieß er hervor. „Nach mir gesehnt?" wiederholte sie spöttisch. Seine Augen schienen dunkler zu werden. „Dass es um mehr geht als nur Sehnsucht, weißt du genau, Holly." „Ich weiß nur, dass ich einen Fehler gemacht habe", entgegnete sie angespannt. „Ich habe dich zu nah an mich herangelassen, und jetzt willst du mehr, Zack." „Du hast mir mehr gegeben als nur deinen Körper, und jetzt verlange ich sogar mehr", korrigierte er sie energisch. „Nein ..." Holly wurde blass. „Doch. Ich war mit vielen Frauen zusammen, Holly, deshalb bin ich mir so sicher, dass wir nicht nur Sex hatten, wie du so gern behauptest. Ich will endlich erfahren, warum du mich immer wieder zurückweist." Sie wandte sich ab. „Du kennst den Grund." „Weil du einmal eine Affäre mit einem verheirateten Mann hattest?" Er zuckte die Schultern. „Du bist nicht die Einzige, der das passiert ist." „Ich kann mich gut erinnern, dass du zunächst ganz anders reagiert hast."
„Stimmt." Er ärgerte sich über seine eigene Dummheit. „Es passte einfach nicht zu dem Bild, das ich mir von dir gemacht hatte. Aber es ist nicht wirklich dein Stil, dich mit verheirateten Männern einzulassen. James hat mir erzählt, du hättest seinen Heiratsantrag abgelehnt." Holly errötete. „Ich wünschte, er hätte es für sich behalten." „Warum?" „Es ist zu persönlich." Sie wandte den Blick ab. „Außerdem war es nicht ernst gemeint." „Nein." Zack schüttelte den Kopf. „Aber ich meine es ernst." Verblüfft sah sie ihn an. „Wovon redest du?" Er stellte sich vor sie hin und blickte ihr in die Augen. „Holly, ich möchte dich heiraten." „Nein..." „Ich liebe dich, Holly." Er nahm ihre Hände. „Ich liebe dich sehr, und ich brauche dich." Holly war plötzlich die Kehle wie zugeschnürt. „Das ist unmöglich", wandte sie ein. „Ich kann nicht..." „Sch!" Er legte ihr die Fingerspitzen auf die Lippen. „Sag noch nicht Nein." „Ich muss aber ..." „Du musst gar nichts." Zack nahm sie in die Arme und küsste sie behutsam und sehnsüchtig. „Ich habe dich vermisst, Holly", sagte er leise, während er sich mit ihr langsam auf den Boden sinken ließ. „Ich habe dich schrecklich vermisst", wiederholte er dann ungestüm und küsste sie immer leidenschaftlicher. Holly hatte ihn auch vermisst, sogar mehr, als sie sich hatte eingestehen wollen. Sie legte ihm die Arme um den Nacken und schmiegte sich an seinen Körper. Dabei spürte sie, wie erregt er war. „Ich habe in den vergangenen Wochen immer nur von dir geträumt" , gab er zu, während er die Lippen über ihren Hals gleiten ließ und die empfindliche Stelle an ihrem Ohr liebkoste. „Und in allen Träumen waren wir zusammen im Bett." Das glaubte sie ihm, denn solche Träume hatte sie auch gehabt. Doch sie hätte nie damit gerechnet, dass er ihr einen Heiratsantrag machen würde. „Ich kann es nicht, Zack." Vergebens versuchte sie, ihn wegzustoßen. „Doch, du kannst es." Er hielt sie fest umschlungen, und sein Atem fühlte sich an ihrer Wange warm an. „Wir sind doch schon beinah am Ziel. Zugegeben, auf dem Teppich ist es nicht so bequem wie im Bett, aber du bist wenigstens in meinen Armen. Ohne dich sind sie mir entsetzlich leer vorgekommen, Holly." „Ich kann nicht glauben ..." „Sprich jetzt nicht von anderen Frauen", forderte er sie auf. „Seit du mich bei unserer ersten Begegnung so fassungslos angeschaut hast, weil du mich sekundenlang für James gehalten hattest, habe ich keine andere Frau mehr angesehen und schon gar nicht begehrt. Und an dem Abend in meinem Schlafzimmer, als du meine Zärtlichkeiten erwidert hast, wurde mir klar, dass ic h mich in dich verliebt hatte. Bis dahin war ich gar nicht auf die Idee gekommen, ich könnte verliebt sein. Deshalb war ich ziemlich verblüfft." Holly erinnerte sich gut an den Abend. Sie hatte gedacht, er sei deshalb so überrascht gewesen, weil sie plötzlich Gefühle gezeigt hatte. „Das habe ich nicht geahnt", erwiderte sie leise. Zack zuckte die Schultern und drückte Holly immer noch fest an sich. „Wieso auch? Wir waren ja bis dahin irgendwie Gegner. Doch danach war ich noch entschlossener als zuvor, an dich heranzukommen. Und ich war sehr eifersüchtig auf James, weil du ihn mochtest." „Ja, ich hatte ihn wirklich gern." Sie befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zunge und wagte nicht, ihn anzusehen. „Weil er im Rollstuhl saß, war er für mich anders als andere Männer."
„Wie meinst du das?" Er runzelte die Stirn. Sie atmete tief ein. „Er stellte für mich keine Bedrohung dar", gab sie heiser zu. Da Zack ihr seine Gefühle anvertraut hatte, wollte sie auch ehrlich sein, obwohl sie kaum glauben konnte, dass er sie wirklich liebte. Sein zärtlicher Blick bewies jedoch, wie ernst es ihm war. „Eine Bedrohung?" wiederholte Zack verständnislos. „Warum sollte ein Mann eine Bedrohung für dich sein?" „Ach, vergiss es", erwiderte sie betont unbekümmert und bereute die Bemerkung. „Hattest du nicht eben dein Bett erwähnt?" fragte sie scherzhaft. „Holly..." „Hast du etwa deine Meinung geändert?" neckte sie ihn. Die Antwort kannte sie natürlich, denn sie spürte, wie erregt er war. „Nein, ganz bestimmt nicht, wie du genau weißt. Aber ..." „Dann rede auch nicht so viel, Zack", forderte sie ihn sanft auf. „Das bringt uns jetzt nichts." Dazu begehre ich ihn viel zu sehr, fügte sie insgeheim hinzu. „Wir müssen aber miteinander sprechen, Holly." „Nicht ausgerechnet jetzt", bat sie ihn, während sie ihn umarmte und die Fingernägel spielerisch in seinen Rücken drückte. „Holly, ich kann nicht mehr klar denken, wenn du das tust." Seine warmen Lippen fühlten sich an ihren heiß und besitzergreifend an. „Heirate mich, Holly. Du wirst es bestimmt nicht bereuen." „Aber du vielleicht", erwiderte sie leise. Er hob den Kopf und betrachtete ihre vor lauter Leidenschaft erhitzten Wangen. „Was willst du damit sagen?" Sie seufzte. „Du weißt doch nichts von mir." „Ich weiß, dass ich dich liebe, und das genügt mir." „Nein." Sie schüttelte den Kopf. „Zähl doch mal auf, was du wirklich von mir weißt, Zack." „Du bist loyal, liebevoll, herzlich ..." „Und ich habe eine Ehe zerstört", unterbrach sie ihn sanft. Irritiert sah er sie an. „Irgendwie glaube ich das nicht." „Ich habe dir doch gesagt, dass es stimmt", erinnerte sie ihn ruhig. Zack stand langsam auf. „Jedenfalls hast du es nicht mit Absicht getan." „Das ändert nichts daran, dass es passiert ist." Holly stand auch auf und setzte sich in den Sessel. „Mit der Vergangenheit, die ich mit mir herumschleppe, bin ich für eine Ehe ungeeignet. Du hast doch selbst erlebt, wie verbittert Bobbie immer noch ist. Und sie war nicht die Einzige, die ich bei der ganzen Sache verletzt habe." „Wir alle verletzen andere irgendwann, das gehört zum Leben." „Mag sein. Aber das, was ich getan habe, war noch schlimmer." Sie schüttelte den Kopf. „Es war keine Absicht", verteidigte er sie noch einmal. „Du bist von Natur aus überhaupt nicht böse oder gemein, das kann ich beschwören." „Dann versuch mal, meine Mutter davon zu überzeugen", erwiderte sie verbittert. „Deine Mutter?" „Ja, sie ist auch ein Opfer dieser ganzen schmutzigen Affäre", erklärte sie mit düsterer Miene. „Du siehst, Zack, du hast überhaupt keine Ahnung, was alles passiert ist." „Hat deine Mutter es herausgefunden?" fragte er aufs Geratewohl. „O ja." Ihre Stimme klang spöttisch. „Hat sie dir Vorwürfe gemacht?" „Alle haben das getan", antwortete sie angespannt. Es war schon lange her, dass sie darüber geredet hatte. Und wenn sie es einmal getan hatte, hatte sie um Verständnis gebeten. Trotzdem hatte man sie immer verurteilt. „Deine Mutter hatte doch sicher das Recht, enttäuscht von Dir zu sein ..."
„Sie war nicht enttäuscht", fiel ihm Holly hart ins Wort. „Ich habe ihr das Herz gebrochen. Kann ich jetzt doch einen Drink haben?" fragte sie. Ihre Stimme klang seltsam unsicher. „Ja, gern." Zack schenkte ihr einen doppelten Brandy ein und blieb neben ihr stehen, nachdem er ihr das Glas gereicht hatte. Holly trank einen kräftigen Schluck. Dann fing sie an zu keuchen und war Zack dankbar, dass er ihr auf den Rücken klopfte, bis sie wieder Luft bekam. Schließlich nahm er ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf den Couchtisch. „Dass deine Mutter sich aufgeregt hat, ist völlig normal", versuchte er sie zu beruhigen. „Ich wäre auch entsetzt, wenn unsere Tochter sich mit einem viel älteren verheirateten Mann einließe." Unsere Tochter, das hört sich wunderschön an, dachte sie. Ihr traten Tränen in die Augen. „Ich kann dich nicht he iraten, Zack." Sie schüttelte den Kopf und wünschte, er würde das Thema fallen lassen. „O doch, du wirst mich heiraten", erklärte er entschlossen. „Ich werde nicht zulassen, dass du unser Leben ruinierst, nur weil du vor fünf Jahren zufällig in etwas hineingeraten bist, was ein schlimmes Ende genommen hat." „Du weißt ja noch nicht einmal, was überhaupt passiert ist. Ich verdiene es gar nicht, glücklich zu sein." „Ich bin fest entschlossen, mit dir zusammen zu sein. Du kannst mich nicht umstimmen. Okay, vielleicht habe ich wirklich keine Ahnung, was geschehen ist. Aber du wirst es mir jetzt erzählen. Und dann kannst du es endlich vergessen." Ja, das wäre sicher am besten, doch sobald er die Wahrheit kennt, wird er mich sowieso verlassen, überlegte sie. „Okay, Zack." Sie stand auf und ging ans andere Ende des Raumes. „Ich erzähle es dir." Sie hob den Kopf und sah ihn gequält an. „Als Erstes musst du wissen, dass Bobbie Chance meine Stiefschwester war." „Wie bitte?" fragte er verblüfft. „Sie war zwei Jahre lang meine Stiefschwester. Ich hatte es mal erwähnt, dass ich eine hatte. Giles, ihr Vater, war mit meiner Mutter verheiratet." Zack wurde blass, und der Puls an seinem Kinn pochte heftig. „Hast du dich etwa mit deinem Stiefvater eingelassen?" Er konnte es nicht glauben. „Nein", erwiderte sie resigniert. „Aber du hast doch gesagt... Bobbie hat gesagt..." „Es war nur davon die Rede, dass ich die Ehe ihres Vaters zerstört hätte. Daraus hast du sogleich geschlossen, ich hätte eine Affäre mit Giles gehabt", wandte sie angespannt ein. Zack atmete tief ein und aus. Er musste sich erst einmal auf die veränderte Situation einstellen. „Was ist denn sonst passiert? Hast du den Mann nicht gemocht und deine Mutter aufgefordert, sich zwischen dir und ihm zu entscheiden?" Er runzelte irritiert die Stirn. „Nun sag mir doch endlich, was wirklich geschehen ist." „Ganz bestimmt habe ich meine Mutter nicht vor die Wahl gestellt, sich für irgendwen zu entscheiden", fuhr Holly ihn an. „Vielleicht hat sie sich aber am Ende dazu gezwungen gesehen. Immerhin war sie meine Mutter", fügte sie verbittert hinzu. „Ich bin mir jedoch sicher, sie hat ihre Entscheidung zutiefst bereut." Jetzt wusste Zack gar nicht mehr, was los war. „Wenn dein Stiefvater Giles hieß, wer war dann Alex?" Holly biss sich auf die Lippe. „Er war ... der Stiefbruder, den ich zwei Jahre lang hatte, Bobbies älterer Bruder." Er kniff die Augen zusammen. „Und er hat deine sexuelle Neugier geweckt?" „Ja." „Das ist doch nichts Unnatürliches", versicherte er ihr. „Es geht allen jungen Mädchen in dem Alter so."
Holly blickte ihn an, und in ihren Augen blitzte es auf. „Nicht alle jungen Mädchen provozieren einen Mann so sehr, dass er sie vergewaltigt."
9. KAPITEL
Sekundenlang herrschte Schweigen, und Holly bemühte sich, die Tränen zurückzuhalten. „Dein Stiefbruder hat dich vergewaltigt?" fragte Zack schließlich fassungslos und mit düsterer Miene. „Ja", erwiderte sie leise und wandte sich ab. „Oh, es war meine Schuld..." „Kein Mann kann die Frau dafür verantwortlich machen, dass er sie sexuell missbraucht hat", entgegnete er hart. „Zack, du verstehst nicht, was ..." „Das brauche ich auch nicht", unterbrach er sie und schüttelte den Kopf. „Der Mann, der eine Frau vergewaltigt, ist kein richtiger Mann." „Aber ich habe ihn ermutigt, ich wollte, dass er mich küsste und berührte, bis mir bewusst wurde, dass er Sex mit mir haben wollte." „Wie alt war er?" Sie blickte ihn überrascht an. „Was hat das denn damit zu tun?" „Wie alt war er?" wiederholte Zack unnachgiebig. „Vierundzwanzig." „Dann hätte er sich beherrschen müssen, als er merkte, dass du nicht bereit warst, mit ihm zu schlafen", erklärte er. „Mit vierundzwanzig war er erwachsen, während du noch ein halbes Kind warst - und ein neugieriges." „Mit dem Körper einer Frau", entgegnete sie niedergeschlagen. „Er war auf dem College, als meine Mutter seinen Vater heiratete, und ich kam dann ins Internat. Deshalb haben wir uns nicht oft gesehen, nur in den Ferien, wenn er überhaupt nach Hause kam. Ich war von ihm beeindruckt und fand ihn attraktiv. Wahrscheinlich war ich ihn verknallt." „Sprich ruhig weiter", forderte Zack sie freundlich auf. Sie schluckte. „Ich glaube, er wusste, dass ich ihn attraktiv fand..." „Ganz bestimmt!" Holly errötete. „Wenn ich zurückdenke, muss ich sagen, ich war ziemlich leicht zu durchschauen." „Das sind die meisten Mädchen in dem Alter", stellte Zack fest. „Ja, wahrscheinlich. Jedenfalls freute ich mich auf das Ende von Alex' Studium. Er hatte mir versprochen, den ganzen Sommer zu Hause zu verbringen. Mit Bobbie habe ich mich nie gut verstanden, doch Alex schien gern mit mir zusammen zu sein." „Klar. Es hat seinem verdammten Ego gut getan, von dir bewundert zu werden." „Möglich." Holly seufzte und betrachtete ihre Hände. „In dem Sommer hat er mich überallhin mitgenommen. Er hat mich seinen Freunden vorgestellt und war sogar eifersüchtig, wenn andere sich für mich interessierten." „Natürlich wollte er seine kleine Verehrerin nicht verlieren", warf Zack ein. „So kann man es sehen. Eines Abends sind wir zusammen auf eine Party gegangen. Alex trank ziemlich viel, die anderen aber auch." Bei der Erinnerung an das, was damals passiert war, erbebte sie unwillkürlich. „Als wir dann nach Hause gefahren sind, wirkte er nicht betrunken, sondern schien völlig normal zu sein. Deshalb entspannte ich mich etwas. Im Haus fing er an, mich zu küssen, und dagegen hatte ich auch noch nichts. Es war nicht das erste Mal, und unsere Eltern und Bobbie waren ja auch da, so dass ich überzeugt war, er würde nicht zu weit gehen. Nachdem er mich eine Zeit lang geküsst hatte, fing er an, mich zu berühren. Ich wollte mich wehren, hatte aber Angst, ihn zu verärgern. Er sollte mich nicht für kindisch halten. Irgendwann fand ich es gar nicht mehr so schlimm, sondern sogar ganz angenehm", gestand sie schuldbewusst ein. „Diese Art sexueller Neugier gehört doch zum Erwachsenwerden", erklärte Zack sanft. „Was meinst du mit ,diese Art' ?" fragte sie. „Gleich, Darling", versprach er. „Erst musst du mir den Rest der Geschichte erzählen." Holly seufzte. „Als ich merkte, dass er nicht mehr aufhören konnte, geriet ich in Panik.
Ich bat ihn, mich loszulassen, und wehrte mich mit Händen und Füßen. Dabei habe ich ihm die Wange so sehr zerkratzt, dass ihm das Blut übers Gesicht lief." Ihr schauderte bei dem Gedanken daran. „Er hätte noch etwas viel Schlimmeres verdient gehabt", sagte Zack. „Ich bin mir nicht sicher, ob man immer das bekommt, was man verdient", erwiderte sie deprimiert. „Alex schien jedenfalls nicht mehr derselbe Mensch zu sein wie der, den ich so sehr verehrt hatte. Er riss mir buchstäblich die Kleidung vom Leib und wirkte mit seinem seltsam starren Blick wie ein Fremder. Als er schließlich mit mir schlief, wäre ich am liebsten gestorben." „Was für ein widerlicher Kerl!" stieß Zack hart hervor. Sie schüttelte den Kopf. „Es war alles nur meine Schuld", betonte sie. „Zuvor hatte er mich auch schon geküsst, ohne dabei zu weit zu gehen. Wenn ich ein bisschen nachgedacht hätte, hätte ich bestimmt die richtigen Worte gefunden, es ihm auszureden. Ich konnte noch nicht einmal schreien." Sie atmete so heftig, als durchlebte sie den ganzen Albtraum noch einmal. „Er hat mir einfach den Mund zugehalten." Zack ballte die Hände zu Fäusten und bemühte sich, die Beherrschung nicht zu verlieren. „Und danach?" „Dann flehte er mich an, es niemandem zu erzählen. Ich habe es ihm versprochen und wollte nur noch weg von ihm und allein sein. Meine Sachen waren ruiniert, ich habe jedoch meine Bluse übergezogen, obwohl alle Knöpfe abgerissen waren. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen, so nackt vor ihm zu stehen. Plötzlich hasste ich ihn so sehr, wie ich noch nie jemanden gehasst hatte. Er war ein Fremder für mich, den ich überhaupt nicht kannte. Doch ehe ich auf mein Zimmer eilen konnte, kam mein Stiefvater aus dem Wohnzimmer." Sie schämte sich immer noch, als sie daran dachte, wie fassungslos Giles sie und Alex angesehen hatte. „Natürlich hat er die Situation völlig missverstanden, oder?" fragte Zack, als Holly schwieg. „Ich weiß nicht, was er gedacht hat." Sie zuckte die Schultern. „Ehe er etwas sagen konnte, fing Alex schon an, sich zu verteidigen. Und er erzählte lauter Lügen. Er hat behauptet, ich hätte ihn schon die ganze Zeit provoziert und ihn gebeten, mit mir zu schlafen. Ich sei sexbesessen, und er habe schließlich nachgegeben." Sie hörte sich resigniert an. „Dann hat er noch behauptet, er sei nicht der Erste gewesen", fügte sie hinzu und schloss sekundenlang schmerzerfüllt die Augen. „Hat dein Stiefvater ihm geglaubt?" „Was hätte er denn sonst tun sollen?" Sie schüttelte den Kopf. „Aber nichts davon war wahr. Wenn du wüsstest, wie weh es getan hat, als Alex sich so brutal genommen hat, was er haben wollte." „Das kann ich mir vorstellen, Holly. Es ist doch schon gut, Liebes", versuchte Zack sie zu trösten und legte den Arm um sie. „Gut?" Sie sah ihn an, und in ihren Augen blitzte es auf. „Alex hat überall herumerzählt, ich sei nicht besser als eine Prostituierte, und du sagst, alles sei gut! Ich war so verletzt, dass ich mich noch nicht einmal verteidigen konnte. Und als dann meine Mutter herunterkam, um nachzusehen, wo mein Stiefvater blieb, waren alle überzeugt, es sei meine Schuld gewesen." „Was hat denn deine Mutter dazu gesagt?" Holly zuckte die Schultern. „Sie war sehr bestürzt." „Sonst nichts?" Holly zitterte leicht. „Sie hat den anderen geglaubt und mich nicht gefragt, was passiert sei. Sie hat es einfach geglaubt." Ihr versagte die Stimme. „Hast du nicht erwähnt, sie hätten sich deinetwegen scheiden lassen?" „Ja, das haben sie getan", bestätigte sie. „Als ich irgendwann den Schock überwunden hatte, habe ich ihnen erzählt, wie es wirklich gewesen war. Ich bin sicher, meine Mutter hat es mir nicht geglaubt. Doch ich war ihre Tochter, und deshalb hat sie zu mir gehalten.
Mein Stiefvater hat natürlich zu seinem Sohn gehalten, und am Ende haben sie sich scheiden lassen. Zu der Zeit war ich schon wieder im Internat und kenne deshalb keine Einzelheiten." „Dann hast du einen Selbstverteidigungskurs gemacht", stellte Zack sachlich fest. Sie presste die Lippen zusammen. „Noch einmal sollte mich kein Mann vergewaltigen." „Das ist ja auch nicht geschehen", erinnerte er sie sanft. „Immerhin hat meine Reaktion auf dich mir bewiesen, dass Alex Recht hatte mit seinen Vorwürfen. Unbewusst habe ich ihn vielleicht doch ermutigt, so dass er denken musste, ich würde gern mit ihm schlafen. Ich weiß jedenfalls, dass mir in dem Moment, als ich dich ansah, klar war, dass ich dich begehrte." „Deshalb bist du aber nicht sexbesessen." „Doch." „Ganz bestimmt nicht", widersprach Zack ihr liebevoll. „Mir ging es doch genauso, ich habe dich gesehen und wusste, ich wollte dich haben." „Bei einem Mann ist es etwas anderes." „O nein. Vielleicht reden Männer eher über Wünsche und Träume, das heißt aber nicht, dass Frauen nicht dieselben Sehnsüchte haben. Holly, deine Neugier damals war ganz normal. Es gehört wirklich zum Erwachsenwerden, herausfinden zu wollen, wie es sich anfühlt, von einem Mann berührt zu werden. Ich habe in dem Alter in meiner Fantasie mit meiner Englischlehrerin die erotischsten Dinge getan. Aber wahrscheinlich wäre ich weggelaufen, wenn sie mich jemals angefasst hätte. Du hast dir einfach nur den falschen Mann für deine Teenagerträume ausgesucht", tröstete er sie sanft. „Was wir beide miteinander hatten, kann man damit nicht vergleiche n." „Wieso nicht?" fragte sie deprimiert. „Erstens sind wir erwachsen. Zweitens lieben wir uns, glaube ich." Er blickte sie herausfordernd an. „Ich habe dir doch gesagt, dass ..." „Holly", unterbrach er sie freundlich, „wir lieben uns", wiederholte er bestimmt. Sie betrachtete sein markantes Gesicht und gestand sich ein, dass sie ihn schon seit einiger Zeit liebte. Es gab jedoch für sie keine gemeinsame Zukunft. „Ich bin kein liebenswerter Mensch", wandte sie kraftlos ein. „Sogar meine eigene Mutter hat mich verstoßen." „Erzähl mir mehr darüber", forderte er sie auf. Jetzt habe ich ihm schon so viel anvertraut, dann kann er den Rest auch noch erfahren, dachte sie. „Okay. Nachdem ich den Schock einigermaßen überwunden und das Schlimmste überstanden hatte, schickte sie mich wieder aufs Internat. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen." „Seit fünf Jahren nicht?" fragte Zack erstaunt. Holly nickte. „Oh, zuerst hat sie mir noch ab und zu geschrieben. Ihre Briefe klangen steif, und sie hat berichtet, dass sie und Giles sich scheiden lassen würden. Irgendwann kamen dann keine Briefe mehr. Das letzte Jahr auf der Schule war für mich nicht angenehm. Bobbie kannte nicht die ganze Wahrheit, sondern nur, dass unsere Eltern sich schieden ließen und dass es etwas mit mir und einer Affäre zu tun hätte. Sie hat keine Gelegenheit ausgelassen, mich ihre Abneigung spüren zu lassen. Deshalb war ich froh, als ich die Schule beenden und anfangen konnte zu arbeiten." „Hat deine Mutter dich nicht abgeholt?" „Nein, sie hat Bobbie abge holt", erwiderte sie emotionslos. „Die beiden sind auch nach der Scheidung unserer Eltern in Verbindung geblieben, und mit offensichtlicher Schadenfreude hat Bobbie mir erzählt, dass meine Mutter sie abholen und mit nach Hause nehmen würde. Ich habe meine Mutter nicht gesehen, auch in den Ferien nicht, die ich bei Freunden oder im Internat verbrachte." „Es ist schwer vorstellbar, dass eine Mutter so herzlos sein kann." Zack runzelte die
Stirn. „Ich war für das Scheitern ihrer Ehe verantwortlich, Zack", erinnerte Holly ihn spöttisch. „Du bist aber immer noch ihre Tochter!" „Eine Tochter, die angeblich den Stiefbruder dazu verführt hat, mit ihr zu schlafen, und dann behauptet hat, er habe sie vergewaltigt." „Du bist wirklich vergewaltigt worden!" „Dessen war sich meine Mutter nicht sicher." „Das ist doch völlig egal. Sie hätte auf jeden Fall zu dir halten müssen", wandte er düster ein. „Hättest du es denn getan?" fragte Holly. „Natürlich. Ich würde immer zu meinem Kind halten, was auch immer es getan hat." Holly war überzeugt, dass es stimmte. Wenn er einmal jemanden liebte, dann für immer. „Giles hat es getan, er hat zu seinem Sohn gehalten." „Ja, er hat dafür sogar seine Ehe scheitern lassen. Ich glaube nicht, dass er deine Mutter wirklich geliebt hat." „Doch, das hat er bestimmt." „Dann hätten sie einen Kompromiss gefunden und wären zusammengeblieben. Durch die Scheidung wurde nichts geklärt. Du hast seitdem keinen der damals Beteiligten mehr gesehen?" Holly schüttelte den Kopf. „Du verwirrst mich schon wieder, Zack." Zack drückte sie fest an seine muskulöse Brust. „Ich möchte mein Leben lang für dich sorgen, damit dich nichts und niemand mehr verletzen kann. Ich liebe dich, Holly." „Zack, ich liebe dich auch", sagte sie heiser. Es fiel ihr schwer, die Worte auszusprechen, die sie für immer für sich hatte behalten wollen. „Ich liebe dich sehr, Zack." In ihren Augen schimmerten Tränen. „Aber wenn Alex Recht hat mit seinen Behauptungen? Vielleicht bin ich wirklich sexbesessen?" „Wie viele Männer hat es denn in deinem Leben gegeben, Holly?" fragte er geduldig. „Nur Alex und ..." „Hast du ihn denn begehrt?" „Nein." „Dann kannst du ihn nicht mitzählen. Wie viele andere Männer hast du begehrt?" Er zog die Brauen hoch. Mit großen Augen sah sie ihn an. „Nur dich, sonst niemanden." „Na bitte, also nur mich, das habe ich mir gedacht." Er lächelte triumphierend. „Das beweist doch gar nichts", wandte Holly mit ernster Miene ein. „Ich habe keinen Mann mehr zu nah an mich herangelassen. Wer weiß, was sonst passiert wäre." „Und James?" Sie wollte etwas entgegnen, überlegte es sich aber anders, denn sie erinnerte sich plötzlich daran, dass James sie geküsst und sie nichts dabei empfunden hatte. „Hat Alex etwa gelogen?" sprach sie ihre Gedanken laut aus. „Natürlich", antwortete Zack grimmig. „Um seine Haut zu retten, hätte er noch ganz andere Sachen erfunden. Du hättest auf den Unsinn nicht hören dürfen, Liebes." „Ich war noch so jung und unerfahren und wusste nicht..." „Du warst das Opfer, Holly, aber nicht die Täterin." Er umfasste ihr Gesicht. „Es wird Zeit, dass du anfängst, das Leben zu genießen, Holly. Ich möchte dir dabei helfen, wenn du mich lässt und mich heiratest." Er hörte sich so unsicher und verletzlich an. „Ich würde dich gern heiraten, Zack", erwiderte sie. Sie war froh darüber, dass alle Hindernisse aus dem Weg geräumt waren, die zwischen ihnen gestanden hatten. „Ich liebe dich so sehr, dass die letzten Monate für mich die reinste Hölle waren." Er seufzte. „Ich hatte schon befürchtet, du würdest es nie sagen", gab er erleichtert zu. „Dass ich dich liebe?"
„Ja, das auch. Aber ich hatte Angst, du würdest mich nicht heiraten wollen. Wir werden glücklich sein, Holly", versprach er ihr und küsste sie. „Darauf kannst du dich verlassen." Er brauchte es ihr gar nicht zu versprechen, denn instinktiv wusste sie, dass er sie nie verletzen würde. „Wir müssen aber nicht unbedingt heiraten, Zack. Ich bin bereit, auch so mit dir zusammenzuleben." „Das werden wir tun, bis wir verheiratet sind, was hoffentlich bald der Fall ist", erklärte er entschlossen. „Bis dahin lasse ich dich nicht mehr von meiner Seite. Sonst kommst du vielleicht noch auf seltsame Ideen und läufst wieder davon." „Nein, ganz bestimmt nicht." „Dazu gebe ich dir auch keine Gelegenheit. Obwohl ich allzu gern mit dir ins Bett gehen würde, sollten wir erst deine Sachen holen." „Können wir meinen Umzug nicht auf später verschieben?" Zack blickte sie liebevoll an. „Natürlich können wir das ..." „Dann tun wir es auch." Sie lächelte ihn scheu an. „Momentan habe ich nur einen einzigen Wunsch: Ich möchte dich berühren." Er atmete tief ein. „Ach, es ist mir eigentlich völlig egal, ob deine Sachen hier bei mir sind oder nicht! Meinetwegen kannst du gern nackt herumlaufen." Holly musste lachen, während er sie ins Schlafzimmer trug, und in ihren Augen leuchtete es voller Liebe auf. Als Holly wach wurde, spürte sie sogleich Zacks warmen Körper an ihrem. Eine Hand lag besitzergreifend auf einer ihrer Brüste. Sie lächelte und erinnerte sich an die Nacht. Zack hatte nicht aufhören können, sie zu lieben, und schließlich waren sie erschöpft eingeschlafen. „Hoffentlich gilt dein Lächeln mir", sagte er plötzlich sehnsüchtig an ihrem Ohr. „Tut es." Sie drehte sich wohlig in seinen Armen um. „Ich habe mich noch nie so lebendig und geliebt gefühlt." Ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Die letzten fünf Jahre waren für dich auch eine schwierige Zeit", sagte er mitfühlend und runzelte die Stirn. „Das ist jetzt vorbei, Zack." Sie ließ die Hand über die Falten auf seiner Stirn gleiten. „Du bist für mich so etwas wie ein Sterntaler am Ende eines Regenbogens." Er lächelte. „Was für ein schöner Vergleich! Man hat mich schon alles Mögliche genannt, aber noch nie einen Sterntaler." „Außerdem bist du natürlich einfach wunderbar, rücksichtsvoll, sensibel..." „Und eingebildet, das darfst du nicht vergessen", unterbrach er sie leicht spöttisch. „Aber wir können etwas viel Besseres tun, als uns die ganze Zeit zu unterhalten." „Ich dachte, du würdest gern mit mir reden", neckte sie ihn. „Alles zu seiner Zeit, Liebling. Erst müssen wir dringendere Bedürfnisse befriedigen", erklärte er voller Verlangen. „Schon wieder?" fragte sie gespielt schockiert. „Solltest du dich in deinem Alter nicht etwas zurückhalten?" Er drehte sich mit ihr im Bett herum, bis er auf ihr lag. „Ich sage dir Bescheid, wenn es so weit ist, dass ich es langsamer angehen lasse. Vielleicht in vierzig oder fünfzig Jahren", fügte er lächelnd hinzu. Holly lachte belustigt auf. Sie war noch nie so glücklich gewesen und überließ sich begeistert seinen Zärtlichkeiten. Doch während sie sich küssten, läutete das Telefon. „Verdammt", stieß er hervor, als es nicht aufhörte zu läuten. „Wer auch immer es ist, er hat jedenfalls kein Gespür für den richtigen Zeitpunkt. Ich muss wohl antworten." Wehmütig betrachtete er ihren nackten Körper. Sie streichelte ihm liebevoll die Wange. „Ich bin noch hier, wenn das Gespräch beendet ist." Er warf ihr einen zärtlichen Blick zu, ehe er sich meldete. „Hallo? Ach, du bist's", sagte er ärgerlich, während er sich wieder hinlegte und Holly
an sich zog. „Nein, ich habe nicht mehr geschlafen", erklärte er. „Das geht dich nichts an", fuhr er seinen Gesprächspartner an. Offenbar hatte man ihn gefragt, was er gerade machte. „Ich bin überhaupt nicht launisch. Aber du hättest keinen ungünstigeren Zeitpunkt für deinen Anruf wählen können." Er legte Holly den Arm um die Schulter. „Ja, glücklicherweise habe ich Holly gefunden." Holly richtete sich auf und sah ihn beunruhigt an. Wer hatte gewusst, dass er sie suchte? „Ja, Maxine", beantwortete er Hollys unausgesprochene Frage und lächelte sie entspannt an. „Nein, nicht heute, aber vielleicht morgen. Ich frage Holly mal." Er legte die Hand auf die Sprechmuschel. „Maxine lädt uns für morgen zum Lunch ein. Wollen wir hinfahren?" „Wenn du es möchtest." Sie nickte. „Ich würde die beiden gern wieder sehen." „Ja, es ist okay, Maxine", sagte er zu seiner Schwägerin. „Nein, du kannst nicht mit Holly reden, sie ist beschäftigt." „Oh, das ..." begann Holly. „Wir sehen uns dann morgen." Zack ignorierte Hollys Einwand. „Ich richte es ihr aus", beendete er lächelnd das Gespräch. „Erzähl schon, und spann mich nicht auf die Folter." Holly schmiegte sich wieder an ihn. „Maxine gratuliert uns." „Woher hat sie denn gewusst...?" „Liebling", er lachte in sich hinein, „da ich dich so verzweifelt gesucht habe, war allen völlig klar, dass ich dich liebe." „Mir ist es auch jetzt klar", erwiderte sie bestimmt. „Warum wolltest du Maxine und James nicht schon heute besuchen?" Spielerisch ließ sie die Finger durch die Härchen auf seiner muskulösen Brust gleiten. „Weil ich für heute ganz andere Pläne habe. Und alle haben etwas mit diesem Bett hier zu tun." „Oh." Holly errötete. Zack lachte liebevoll. „Vielleicht lasse ich dich zwischendurch mal aufstehen, damit du uns etwas zum Lunch zubereiten kannst." „Warum kannst du mir denn dabei nicht helfen?" fragte sie. „Ach, es wäre mir lieber, du würdest es allein machen." „Das ist sexistisch!" „Nein, eigentlich nicht", widersprach er. „Abgesehen davon, dass ich noch nicht einmal ein Ei kochen kann, habe ich das Gefühl, dass ich heute Mittag viel zu erschöpft bin, um überhaupt aufzustehen." Jetzt musste sie laut lachen. „Dann gibst du endlich zu, dass du mit mir überfordert bist!" „Lass es mich so ausdrücken", antwortete er leicht spöttisch, „im Studio wird man mich wahrscheinlich eher selten sehen, sobald wir verheiratet sind." Am nächsten Tag fuhren Holly und Zack nach Hampshire. Nach einer recht unruhigen und ereignisreichen Nacht waren sie am Morgen erst spät wach geworden und hatten es nicht eilig gehabt, sich voneinander zu lösen. Holly drehte sich auf dem Beifahrersitz um und sah Zack an, der noch nie so entspannt gewirkt hatte. „Wie geht es Maxine und James jetzt?" fragte sie. „Ich habe einige Male mit Maxine telefoniert, und sie hörte sich sehr glücklich an." „Das ist sie auch", bestätigte Zack. „Hat sie ihre Gefühle für dich überwunden?" neckte sie ihn. Er lächelte sie nachsichtig an. „Auf jeden Fall. James und sie waren sich noch nie so nah. Er braucht den Rollstuhl nicht mehr, sondern geht an Stöcken." „Ja, das hat Maxine mir beim letzten Anruf erzählt." Sie nickte. „Es ist wunderbar." Es ist einfach unglaublich, wie sehr die beiden sich verändert haben, dachte Holly
später. Maxine und James küssten und berührten sich bei jeder Gelegenheit. Sie lächelten sich an und schienen ganz andere Menschen zu sein als noch vor einigen Wochen. „Die beiden sind die reinsten Turteltauben. Ich kam mir manchmal richtig abgeklärt vor", stellte Zack auf der Rückfahrt nach London belustigt fest. Holly lächelte. „Es ist doch nett von Maxine, dass sie bei den Hochzeitsvorbereitungen helfen will, oder?" „Wenn sie es schafft, eine Zeit lang nicht über den Wolken zu schweben und zu begreifen, dass die Hochzeit schon nächsten Samstag und nicht erst nächstes Jahr stattfindet", antwortete er amüsiert. „Ach, das gelingt ihr bestimmt. Sie kommt am Dienstag nach London. Wir wollen zusammen mein Kleid kaufen." Er warf ihr einen Seitenblick zu. „Es war dir doch recht, dass ich den Termin festgesetzt habe, ohne dich zuvor zu fragen, oder?" „Das ist okay. Ich finde es eine gute Idee, schon am nächsten Samstag zu heiraten", versicherte sie. „Je eher, desto besser. Ich möchte nicht riskieren, dass du dich plötzlich in eins deiner Schlagersternchen verliebst." „Für mich wird es keine andere mehr geben, Holly, darauf kannst du dich verlassen", versprach er ihr ernst. „Zugegeben, ich hatte einige Affären in der Vergangenheit, aber das ist vorbei." „Das glaube ich dir doch." Sie legte ihm die Hand auf den Oberschenkel. „Ich weiß, dass du mich liebst, Zack. So unsicher bin ich nicht, dass ich deine Gefühle nicht spüren kann." „Leider hat man dir viel zu selten Liebe geschenkt", antwortete er traurig. „Ich habe dir doch gesagt, das ist vorbei. Wichtig ist nur noch, dass du bei mir bist." Sie meinte es ehrlich. Die unglücklichen fünf Jahre, die hinter ihr lagen, waren vergessen. Es wurde eine hektische Woche. Holly hatte unendlich viel zu tun. Eine Hochzeit vorzubereiten war in der kurzen Zeit gar nicht so einfach. Maxine war ihr dabei eine große Hilfe. Zack hatte darauf bestanden, dass Holly nicht mehr arbeitete. Und da sie sowieso nicht an ihrem Job hing, fiel es ihr leicht zu kündigen. Sie freute sich darauf, so viel Zeit wie möglich mit Zack zu verbringen. Das möblierte Zimmer hatte sie auch aufgegeben und mit Zacks Hilfe ihre Sachen in seine Wohnung geschafft. Am Samstagmorgen fuhren Zack und James voraus aufs Standesamt. Maxine und Holly wollten nachkommen. „Du siehst wunderschön aus, Holly", sagte Maxine mit Tränen in den Augen. In dem elfenbeinfarbenen Kleid und dem farblich darauf abgestimmten Hut wirkte Holly wirklich ungemein attraktiv. Das rote Haar, das sie in den letzten Monaten hatte wachsen lassen, umrahmte ihr Gesicht wie eine weiche Wolke. Sie sah sehr jung und sehr schön aus und konnte es kaum erwarten, Zacks Frau zu werden. Natürlich lebten sie schon zusammen und verbrachten jede freie Minute miteinander, tagsüber und nachts. Sie vertrauten sich ihre Gedanken und Träume an, und jeder konnte spüren, wie sehr sie sich liebten. Holly fühlte sich bei Zack sicher und geborgen, und sie hieß die gemeinsame Zukunft mit offenen Armen willkommen. Nur der Trauschein fehlte ihnen noch. Zack und James standen vor dem Standesamt, als Holly und Maxine ankamen. Sie hätten Zwillinge sein können, so ähnlich waren sie sich. Beide waren groß, und ihr goldbraunes Haar glänzte im Sonnenschein. Die anthrazitgrauen Seidenanzüge wirkten sehr formell. „Könnt ihr mich kurz mit Holly allein lassen?" fragte Zack seinen Bruder und seine Schwägerin. „Hat das nicht Zeit bis nach der Trauung?" neckte Maxine ihn. „Dann hast du sie sowieso einen ganzen Monat für dich allein." „Nein, es kann nicht warten", antwortete er leicht angespannt.
„Komm, Maxine, wir warten im Flur auf die beiden", erklärte James energisch. Sekundenlang verspürte Holly so etwas wie Panik. Hatte Zack es sich etwa anders überlegt und wollte ihr sagen, er könne sie nicht heiraten? „Nein, das würde ich dir nie antun", unterbrach er plötzlich ihre Gedanken. Offenbar hatte er gespürt, was in ihr vorging. „Ich wollte dir nur noch einmal sagen, wie sehr ich dich liebe." Erleichterung breitete sich in ihr aus. „Musstet du es unbedingt so dramatisch machen? Du hast mich zutiefst erschreckt." „Das wollte ich nicht." Er nahm sie in die Arme. „Aber manchmal bekomme ich selbst Angst. Ich habe dir den Termin einfach aufgedrängt und dir keine Zeit zum Nachdenken gelassen. Du sollst dir ganz sicher sein, dass du mich wirklich heiraten willst." „Das bin ich mir auch." „Sehr sicher?" „Ja, sehr sicher." Sie sah ihn an und runzelte die Stirn. „Zack, ich liebe dich und will deine Frau werden. Außerdem", fügte sie weich hinzu, „geht es vielleicht jetzt gar nicht mehr nur um uns beide." „Das verstehe ich nicht." „Zack, ich habe das Gefühl, unser Zusammensein ist nicht ohne Folgen geblieben." „Bekommst du etwa ein Baby?" Als es in seinen Augen zufrieden aufblitzte, verschwanden Hollys Bedenken schlagartig. Er hatte nichts dagegen, jetzt schon ein Kind zu haben, obwohl sie sich vorgenommen hatten, den Kinderwunsch auf später zu verschieben. „Hältst du es für möglich?" „Du nicht?" neckte sie ihn. „O doch." Er drückte sie fest an sich. „Wäre das nicht herrlich? Ich..." „Zack!" rief Maxine plötzlich hinter ihnen. „Kommt endlich, man wartet schon auf euch." „Verdammt." Er runzelte die Stirn. „Ich habe doch noch längst nicht alles gesagt." Er blickte Holly an. „Dann holst du es nach", erwiderte sie lächelnd. Schließlich gingen sie Hand in Hand hinter Maxine und Zack ins Trauzimmer. Holly gefiel die schlichte Zeremonie. Sie gestand sich jedoch ein, dass es ihr sowieso ,egal war, wo sie und Zack heirateten. Wichtig war nur, dass sie mit dem Mann, den sie liebte, getraut wurde. Als Zack ihr den goldenen Ehering über den Finger streifte, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Wie im Traum ließ sie sich von ihm küssen. Zack wirkte immer noch etwas angespannt, als er sich bei dem Standesbeamten bedankte und Maxines und James' Glückwünsche entgegennahm. Als sie über den Flur nach draußen gehen wollten, blieb Holly plötzlich wie erstarrt stehen und betrachtete die Frau, die da saß und sie ansah. Holly wurde blass. Kein Zweifel, es war ihre Mutter. Sie sah etwas älter aus als damals, ihr rotes Haar wurde schon grau. Was macht sie hier, ausgerechnet an meinem Hochzeitstag? überlegte Holly fassungslos.
10. KAPITEL „Maxine und ich warten im Restaurant auf euch, Zack", erklärte James beim Hinausgehen. Holly blickte Zack fragend an. „Du hast gewusst, dass sie kommen würde?" Er nickte. „Ich habe sie eingeladen." „Warum?" stieß sie hervor. „Holly..." „Das ist unsere Hochzeit, Zack", unterbrach sie ihn. „Du hast versprochen, du wolltest mich glücklich machen." „Das will ich auch." „Indem du meine Mutter einlädst?" In ihren Augen schimmerten Tränen. „Wie konntest du mir das antun, Zack?" „Liebling..." „Zack hat mich eingeladen, Holly, weil ich ihn darum gebeten habe", mischte ihre Mutter sich ein und stellte sich neben sie. Holly drehte sich zu ihr um und begegnete ihrem schmerzerfüllten Blick. Das einst so schöne Gesicht war von Traurigkeit überschattet. Schuldbewusst gestand Holly sich ein, dass sie für den Schmerz ihrer Mutter verantwortlich war. „Hier sind zu viele Leute. Lasst uns irgendwohin gehen, wo wir ungestört sind", schlug Zack vor. „Lieber nicht", erwiderte Holly steif. Er presste die Lippen zusammen. „Vertrau mir, Holly", bat er sie sanft. „Du kannst dich wirklich auf mich verlassen." Widerstrebend sah sie ihre Mutter an, deren Miene tiefes Verständnis auszudrücken schien. „Ich vertraue dir, Zack." „Dann glaub mir, dass ich dich glücklich machen will", sagte er. Sie ließ es zu, dass er sie zu James' Wagen führte, den er auf dem Parkplatz für sie hatte stehen lassen, damit sie sich nicht zu dritt in Zacks Sportwagen zwängen mussten. Holly sah zu, wie er ihrer Mutter ins Auto half, ehe er ihr die Tür aufhielt. Auf der Fahrt zu Zacks Apartment war Holly so angespannt, dass sie das Gefühl hatte, jeden Moment zusammenzubrechen. Als sie dann in seinem Wohnzimmer standen, schenkte Zack in drei Gläser Brandy ein. Dann leerte er seins in einem einzigen kräftigen Zug. Holly rührte nichts an. Ihre Mutter hingegen trank einige Schlucke. Warum ist sie so nervös? fragte Holly sich. Hatte Zack sie vielleicht doch gezwungen zu kommen? „Okay", begann Zack schließlich. „Ich möchte dir erklären, warum ich deine Mutter zu unserer Hochzeit eingeladen habe. Holly. Danach lasse ich euch allein." „Nein..." „Bitte, Holly", sagte ihre Mutter. „Wir müssen reden." „Worüber?" fuhr Holly sie an. Ihre Mutter zuckte zusammen. „Über Missverständnisse." Holly wandte sich ab. „Ich weiß nicht, was du meinst. Es war doch immer alles völlig klar zwischen uns." Jetzt mischte Zack sich wieder ein. „Deine Mutter hat dich vor fünf Jahren nicht verstoßen, Holly." „So habe ich es aber aufgefasst." Er seufzte. „Kanns t du nicht einfach mal zuhören?" „Lass sie mal, Zack, ich mache das schon. Du kannst uns jetzt allein lassen", erklärte ihre Mutter überraschend. Sekundenlang wirkte er unentschlossen, doch dann nickte er und küsste Holly auf die Lippen. „Ich würde dich nie verletzen, Holly, und auch nie zulassen, dass dich jemand anders verletzt. Gib bitte deiner Mutter eine Chance, und hör ihr zu."
Nachdem Zack verschwunden war, blickte Holly ihre Mutter kühl an. Die ältere Frau war von einer zerbrechlich wirkenden Schönheit, so als hätte sie in den letzten fünf Jahren gelitten. „Wenn du gekommen bist, um meine Ehe zu zerstören, so wie ich es bei dir gemacht habe, dann hast du es geschafft. Niemals werde ich Zack verzeihen, dass er dich eingeladen hat", sagte sie deprimiert. „O Holly", antwortete ihre Mutter traurig, „haben wir dir das angetan?" „Nur du, Mum, nur du." „Es ist mir nie bewusst gewesen, Holly. Ist dir das klar?" Holly verzog verächtlich die Lippen. „Du hast mich aus deinem Leben verstoßen, und jetzt behauptest du, nicht gewusst zu haben, wie verletzt, verwirrt und bestürzt ich war? Du erwartest ziemlich viel von mir." „Ich habe dich nicht verstoßen", wandte ihre Mutter hitzig ein. „Das hätte ich nie getan." „Wann haben wir uns zum letzten Mal gesehen, Mum?" fragte Holly scharf. In den Augen ihrer Mutter blitzte es zornig auf. „Wer von uns beiden hat den Kontakt denn abgebrochen?" „Du willst doch nicht etwa mir die Schuld daran geben, dass wir keinen Kontakt mehr haben?" Holly war verblüfft. „Wem denn sonst? Ich habe dir immer wieder geschrieben, Holly, bis du eines Tages angefangen hast, meine Briefe ungeöffnet zurückzuschicken." „Damals hatten wir uns nichts zu sagen, und jetzt auch nicht." „Holly..." „Ich weiß nicht, warum Zack sich mit dir in Verbindung gesetzt hat", stellte Holly gleichgültig fest. „Aber mir ist völlig klar, warum du heute hier bist, obwohl ich dich nie für rachsüchtig gehalten habe. Es hätte der schönste Tag in meinem Leben werden sollen, stattdessen entwickelt er sich zum Albtraum." „Zack ist zu mir gekommen, weil er sich um dich Sorgen gemacht hat und weil er dich liebt." „Er hat eine seltsame Art, es zu zeigen." Außer einem tiefen Schmerz empfand Holly gar nichts mehr. „Holly", versuchte es ihre Mutter noch einmal. Ihre Stimme klang schmerzerfüllt. „Warst du immer so verbittert?" „Erst seit meine Mutter anderen mehr geglaubt hat als mir und denkt, ich sei nicht besser als eine Prostituierte", erwiderte Holly. Ihre Mutter wurde blass. „Das habe ich nie geglaubt", wandte sie ruhig ein. „Ich weiß doch, dass Alex dich vergewaltigt hat." Fassungslos sah Holly sie an. „Du hast es gewusst?" „Ja. Ich hatte es die ganze Zeit kommen sehen", antwortete ihre Mutter sanft und nickte. „Du warst so oft mit ihm zusammen, und Alex war schon immer wild und ..." „Wild?" Das Wort verblüffte Holly. „Den Eindruck hatte ich aber nicht." „Giles hatte große Probleme mit ihm, nachdem Alex' Mutter gestorben war, obwohl er sich etwas gefangen hatte, als er anfing zu studieren. Leider habe ich eure Freundschaft zunächst für völlig unschuldig und ein gutes Zeichen gehalten." Ihre Mutter seufzte. „Aber an dem Abend", stieß Holly angespannt hervor. „Du hast kein Wort gesagt, sondern nur Alex' Lügen geglaubt." Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Ich habe nur deshalb geschwiegen, weil mir klar war, was passiert war. Und ich dachte, du hättest an dem Abend schon genug mitgemacht. Nachdem du auf deinem Zimmer warst, habe ich Giles vor die Wahl gestellt. Entweder sollte Alex das Haus verlassen, oder ich würde mich scheiden lassen. Mir war nie bewusst, dass du überzeugt warst, ich hätte dich für die Schuldige gehalten", erklärte sie gequält. „Ich war sogar überzeugt, du würdest mich für das, was passiert war, verantwortlich machen. Nur so konnte ich mir erklären, warum du meine Briefe
zurückgeschickt hast und nach der Abschlussprüfung einfach aus meinem Leben verschwunden bist." „Wofür hätte ich dich verantwortlich machen sollen?" fragte Holly wie betäubt. „Wie hättest du es denn verhindern können?" „Keine Ahnung, aber ich habe mich verantwortlich gefühlt. Bis Zack mich besucht hat, habe ich angenommen, du wolltest mit mir nichts mehr zu tun haben." Holly konnte kaum glauben, dass es wirklich wahr war, was ihre Mutter da erzählte. „Du hättest mich doch in der Schule besuchen und mich auffordern können, dir zuzuhören", erwiderte sie. „Miss Oakridge hat mir geraten, dich nicht zu zwingen, mich zu sehen. Sie hat behauptet, du seist noch nicht bereit dazu und mein Besuch könne alles noch schlimmer machen." „Meine frühere Klassenlehrerin hat gewusst, was ... Alex gemacht hat? Sie hat sich nie etwas anmerken lassen." „Sie war informiert", bestätigte ihre Mutter. „Als der Arzt empfohlen hat, dich wieder auf die Schule zu schicken, weit weg von dem Ort, wo das alles passiert war, musste ich es ihr erzählen. Sie sollte dich beobachten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer es mir gefallen ist, dich einfach wegzuschicken nach allem, was du durchgemacht hattest." Tränen traten ihr in die Augen. „Ich brauchte dich damals genauso sehr wie du mich. Doch der Arzt meinte, es sei besser für dich, deinen Stiefbruder nicht mehr zu sehen. Als ich dann die Scheidung einreichte, wurde mir klar, dass ich Recht gehabt hatte. Giles war zornig, ich war verbittert, und es gab eine hässliche Auseinandersetzung." „Trotzdem bist du mit Bobbie ... Roberta in Verbindung geblieben." Holly war nie darüber hinweggekommen, dass ihre Mutter ihr die Stieftochter vorgezogen hatte. „Bobbie ahnte nicht, was zwischen dir und Alex vorgefallen war. Zwei Jahre lang war ich für sie so etwas wie ein Mutterersatz gewesen. Deshalb waren Giles und ich übereingekommen, sie aus unserem Streit herauszuhalten und ihr die Wahrheit zu verheimlichen." „Hast du sie deshalb damals aus dem Internat abgeholt und mich nicht?" „Ich wollte euch beide abholen, Holly. Das hatte ich dir auch geschrieben, aber du hast ja meine Briefe zurückgeschickt. Ich hatte gehofft, wir könnten unsere Differenzen klären, sobald du wieder zu Hause wärst. Weißt du, wie verletzt ich war, als ich erfuhr, du würdest die Ferien lieber bei einer Freundin verbringen?" Holly war irritiert. Sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Fünf Jahre hatte sie sich schuldig gefühlt und gedacht, ihre Mutter mache sie für das Scheitern ihrer Ehe verantwortlich. „Mum, ich ... Was empfindest du jetzt?" „Dasselbe wie immer", antwortete ihre Mutter ruhig. „Ich liebe dich, du bist und bleibst meine Tochter." „Und weiß Zack das alles auch schon?" „Ja. Er würde bestimmt niemanden in deine Nähe lassen, wenn er befürchten müsste, du könntest verletzt werden. Zack liebt dich, Holly, und er will nur das Beste für dich. Er wollte uns die Möglichkeit geben, uns zu versöhnen, weil er glaubte, sonst würdest du dich immer damit herumquälen. Doch er hat sich getäuscht. Es ist zu spät. Wir schaffen es offenbar nicht, die Missverständnisse auszuräumen." Ihre Mutter wollte gehen. „Nein", rief Holly verzweifelt aus. „Nein, geh nicht", bat sie. „Zack hatte Recht, es hat mich belastet, dass wir keinen Kontakt mehr hatten. Ich möchte dich wieder besser kennen lernen, Mum." Sie sah sie bittend an. Plötzlich lagen sie sich in den Armen. Sie lachten und weinten zugleich und redeten durcheinander. „Holly?" Zack kam aus der Küche hereingestürzt und blieb unvermittelt stehen. Er betrachtete die Szene vor sich, bemerkte Hollys begeisterte Miene und war ungemein erleichtert. „Ich habe schon befürchtet, ihr beide wärt ernsthaft in Streit geraten." „Bleib hier, Liebling", forderte Holly ihn auf und streckte die Hände nach ihm aus.
„Ich möchte dich meiner Mutter vorstellen." In seinen Augen blitzte es stolz auf, und in dem Moment war ihr klar, dass seine Liebe zu ihr noch stärker geworden war. Vielleicht weil sie endlich erwachsen geworden war? Schließlich fuhren sie alle zusammen zum Lunch in das Restaurant, in dem Maxine und James schon auf sie warteten. Später verabschiedete Holly sich von ihrer Mutter mit dem Versprechen, sie nach den Flitterwochen zu besuchen. „Habe ich mich eigentlich schon bei dir bedankt?" fragte Holly, als sie am Abend neben Zack im Bett lag. Er blickte sie an. Sie waren in Paris, wo sie die Flitterwochen verbringen wollten. Ein Freund von Zack hatte ihnen sein Haus zur Verfügung gestellt. „Wofür?" „Dass du mir meine Mutter zurückgegeben hast. Willst du mich immer so verwöhnen, dass ich das Gefühl habe, ein Leben lang mit dir glücklich sein zu können?" neckte sie ihn. „Ich werde es zumindest versuchen", versprach er. „Woher hast du eigentlich gewusst, Zack, dass ich mich getäuscht hatte, was meine Mutter angeht?" Nachdem sie sich leidenschaftlich geliebt hatte», lag sie entspannt neben ihm, den Kopf auf seiner muskulösen Brust gebettet. „Ich habe es gar nicht gewusst." Er ließ einige Strähnen ihres Haars durch die Finger gleiten. „Ich habe mich nur gefragt, ob es sie wohl interessiert, dass du heiratest. Natürlich hat es sie interessiert, und dann hat sie mir alles Mögliche erzählt. Erst da hatte ich die Idee, ihr beide solltet euch aussprechen. Ich wollte es dir vor der Trauung noch sagen, doch plötzlich hatte ich Angst, du würdest mich dann vielleicht nicht mehr heiraten wollen. Da ich dich schon einmal verloren hatte, wollte ich nichts riskieren." „Dafür, dass du mir meine Mutter zurückgegeben hast, liebe ich dich noch mehr." „Nur deswegen?" Sie ließ die Hände zärtlich über seinen Körper gleiten. „Ach, vielleicht auch noch aus zwei oder drei anderen Gründen." „Das will ich doch sehr hoffen", antwortete er belustigt. „Ist es nicht Zeit, dass du dich wieder an deine ehelichen Pflichten erinnerst?" Sie blickte ihn betont unschuldig an. Zack lächelte. „Ich hatte schon befürchtet, du würdest mich nie darum bitten." -ENDE