Ren Dhark Echo des Alls Die große Serie von Kurt Brand Band 15 Ein Verzeichnis sämtlicher bisher erschienenen
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Ren Dhark Echo des Alls Die große Serie von Kurt Brand Band 15 Ein Verzeichnis sämtlicher bisher erschienenen
und lieferbaren REN DHARK-Tilel und -Produkte
finden Sie auf den Seiten 349 und 350.
Vorwort l. Auflage HJB Verlag &Shope. K.
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www.ren-dhark.de
© REN DHARK: Brand Erben
Herausgeber: Hajo F. Breuer
Buchbearbeilung: Heinz Mohlberg
Titelbild und Illustrationen:
Swen Papenbrock
Druck und Bindung:
Westerniann Druck Zwickau GmbH
© 1999 HJB Verlag
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 3-930515-25-3 Der erste große REN DHARK-Zyklus neigt sich seinem Ende entgegen. Der erste? Oja! Denn so wie vor knapp sechs Jahren im Vorwort des ersten Bandes angekündigt, wird die Serie REN DHARK definitiv fortgesetzt. Eine ganze Reihe namhafter Science-Fiction-Autoren haben sich zusammengesetzt, um REN
DHARK ganz im Sinne und nach den Ideen seines Schöpfers Kurt Brand weiterzuführen. Augenblick mal! Nach den Ideen von Kurt Brand? Ja, Sie haben sich nicht verlesen. Denn wer wollte schon wirklich glauben, daß die Serie REN DHARK mit Heft 98 beendet werden sollte? Zu viele Fragen waren damals offengeblieben oder nur sehr unbefriedigend beantwortet worden. Kurt Brand selbst hatte seinen bisher größten Erfolg als Heftautor viel umfangreicher angelegt und einen Kosmos geschaffen, der zwar viele Rätsel enthielt, deren Lösungen aber alle durch ein feines Netz teilweise verblüffender Antworten miteinander verknüpft wurden. Das überraschende Ende der Serie muß Kurt Brand schwerer getroffen haben, als er selbst guten Freunden gegenüber zugab, denn von seinem reichen Ideenschatz für die weitere Entwicklung von REN DHARK hat er - soweit ich das beurteilen kann - niemandem etwas gesagt. Um so verblüffender war für mich und alle hier im Verlag, die sich mit dem Projekt REN DHARK beschäftigen, die Nachricht, daß in der Hinterlassenschaft des Meisters eine unscheinbare Mappe mit engbeschriebenen Seiten aufgetaucht war. Eigentlich nichts Ungewöhnliches bei einem so produktiven Autor wie Kurt Brand. Ungewöhnlich jedoch der brisante Inhalt dieser Seiten: Er enthält ein grobes Konzept für die Fortführung der REN DHARKSaga und gibt Antwort auf alle Rätsel, die im Laufe der ersten 98 Hefte gestellt wurden! Für uns Autoren sind diese Seiten natürlich ein hochwillkommener Fundus an Ideen - sind wir so doch in die Lage versetzt, REN DHARK so fortführen zu können, wie Kurt Brand es selbst vorhatte. Ich will an dieser Stelle nichts verraten - oder vielleicht doch soviel: Das Geheimnis der Mysterious sieht ganz anders aus, als die Leser der Althefte annehmen mußten. Und es unterscheidet sich von allem, was Sie in der Science Fiction bisher gelesen haben... Und Sie werden in Zukunft sehr viel lesen können. Denn Veränderungen auf redaktioneller Ebene haben es uns ermöglicht, REN DHARK in Zukunft schneller erscheinen lassen zu können, als Sie es gewohnt sind. Band 16 und Buch Nr. l des neuen Zyklus (Arbeilstitel: »Drakhon-Zyklus«) werden in relativ kurzen Abständen erscheinen - begleitet von drei Sonderbänden.
Somit steht fest: Das Jahr 2000 wird das Jahr von REN DHARK. Und zwar nicht nur, was die Zahl der veröffentlichten Bücher betrifft - denn im ersten Jahr des neuen Milleniums wird die Saga endlich so fortgesetzt, wie Kurt Brand das vor mittlerweile nun schon 30 Jahren geplant halte. Der Vollständigkeit halber hier noch die Titel der Originalromane, die mehr oder weniger überarbeitet und teilweise gekürzt in dieses Buch eingeflossen sind: Alarmstufe Null aufTerru (2. Teil), Echo aus dem All, Im Sumpf des Grauens, Planet Cul-oiit, Telin das unbekannte Imperium, alle von Kurt Brand. Giesenkirchen, im November 1999 Hajo F. Breuer
Prolog Als Ren Dhark und seine Gefährten im Sommer des Jahres 2057 mit ihrem Raumschiff von Erron-3 zurückkehren, ahnen sie nichts von der Spur, welche die P01NT OF hinter sich herzieht, und die allen Feinden jederzeit anzeigt, wo der verhaßte Ringraumer zu finden ist. Nachdem sich die Terraner im Bereich der Sterbenden Sterne nur mit Hilfe der Zeitverschiebung retten können, heften sich die Tel, die sog. Schwarzen Weißen, mit ihren Doppelkugelraumern wie Bluthunde an die Spur, die der Ringraumer hinterläßt. Mit Hilfe der Synties gelingt es Dhark zwar, der Flotte der Schwarzen Weißen zu entkommen, aber die Humanoiden, die den Terranern so ähnlich sehen, schicken dem Commander und den Raumern der Colonels Szardak und Larsen eine heimtückische Waffe durch ihre Xe-Flash an Bord - das Vario! Mit dem Hy-Kon will Dhark die drei Raumschiffe in das Karmin-Universum schleudern, denn dort erhofft er sich Rettung vor der Waffe der Tel. Durch einen Fehler - den gleichzeitigen Einsatz der Zeitverschiebung - stranden die Ringraumer in einem frem dem Universum, aus dem sie erst nach langen Versuchen wieder herausgelangen. Das Vario haben sie trotzdem besiegt! Währenddessen bereist die Cyborgtruppe um Mark Carrell weiter die Transmitter-Straßen und gelangt von einem Planeten zum anderen. Sie trifft auf den Ingenieur Chris Shanton, Jimmy, seinen Robothund, und den GSO-Agenlen Jos Aachten van Haag.
Gleichzeitig findet man auch wieder die Spur der verschwundenen Giants. Gestört werden diese Expeditionen allerdings durch verschie dene Zusammenstöße mit den Schwarzen Weißen, die einmal mehr den Weg der Terraner kreuzen. Das Auffinden eines weileren Goldenen Menschen stellt die Truppe vor das nächste unlösbare Rätsel. Während diese Konfrontationen immer noch in einem über-a schaubaren Rahmen bleiben und die Terraner ihre Gegner mehr oder weniger kennen, schlägt draußen in der Milchstraße ein unerbittlicher Feind immer gnadenloser zu. Die Schattenstationen tauchen an mehreren Stellen in der Galaxis auf und säen Tod und Verderben! Die Colonels P.S. Clark und Frederic Huxley bestreiten einen nahezu aussichtslosen Kampf gegen diese unsichtbaren Mordmaschinen. Selbst die bislang fast unüberwindlichen Ringraumer sehen sich auf einmal einem ebenbürtigen, wenn nicht sogar überlegenen Gegner gegenüber! Niemand weiß, woher der gnadenlose Feind kommt, und noch weniger, wie er aussieht und welche Absichten er hegt. Als die Schattenstationen dann auch noch einen Angriff auf Terra starten, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Menschheit vernichtet wird. Denn jetzt befindet sich der Heimatplanet der Menschheit in einem Zweifrontenkrieg gegen Tel und Schatten! l. Die Intervalle leuchteten in allen Farben bunt auf. Strahlbahnen von bisher nicht gekannten Ausmaßen platzten an den Minikontinua auseinander, badeten die in ihre Intervalle gehüllten Raumer in Energie! Belastung 83 Prozent! Major Will Pennstick ging nicht aus dem Kurs, er hatte endlich ein Ziel! »Slubbs, geben Sie die Koordinaten an die anderen Raumer und die Leitstelle durch!« brüllte er zu seinem Funkoffizier. Wartet, euch werde ich es zeigen, uns so heimtückisch w überfallen. Grimmig verzog er bei diesem Gedanken sein schweißüberströmtes Gesicht. Pennstick machte sich Clarks Taktik zunutze. Sie bot die höchste Erfolgsquote. Volltreffer im unteren Teilbereich! Die CORLEONE schüttelte sich leicht, ihre Vorwärtsbewegung wurde durch den Treffer nicht behindert.
»Waffensteuerung!« brüllte der Major über das Mikro der Bordverständigung. Alle Antennen waren auf Nadel geschaltet worden, bis auf die drei, welche die CORLEONE unbedingt benötigte, um den Kontakt mit dem Stab der TF nicht abreißen zu lassen. »Ist klar!« brüllte es aus der Waffensteuerung zurück. »Alles auf Nadel!« Nadelstrahlen waren überlichtschnell und rosarot. Jede Materie setzten sie in Energie um, und selbst die meisten Prallschirme stellten kein Hindernis für sie dar. Schwierigkeiten gab es nur beim Beschuß von Unitall und Tofirit. Sie widerstanden viel länger als jedes andere Material diesem erzwungenen Umwandlungsprozeß. Pennstick schaltete den Sie brutal herunter. Der Ringraumer verzögerte auf kürzester Strecke mit ungeheuren Weiten. Die Andruckabsorber heulten auf, wurden aber spielend mit den auftretenden Gravos fertig. 0,1 Licht. Die CORLEONE stand fast still im All. »Feuer!« stieß Will Pennstick voller Wut über seine Lippen, und sein Raumer verwandelte sich in einen feuerspuckenden, todbringenden Ring. Die beiden Intervallfelder der CORLEONE wurden von Energiekaskaden eingehüllt. Die Belastungsanzeige schnellte auf 99,2 Prozent. Der Major kniff die Augen zusammen. Über die Bildschirmanlage konnte er kaum noch etwas erkennen. Sein Schiff wurde von Energien umtost, schüttelte sich unter dem Autprall der ungeheuren Kräfte. Aber der Raumer flog weiter unbeirrt mit Restgeschwindigkeit auf dem eingeschlagenen Kurs. Pennstick und sein Erster verfolgten besorgt die Anzeige der Intervallfeldbelastung. Lange würden die beiden ineinander verschachtelten Schirme den auf sie einstürmenden Gewalten nicht mehr standhalten können! Da bildete sich vor dem Ringraumer eine Sonne! Die bisher unsichtbare Station brannte! Sie wurde sichtbar! Ein Raumungeheuer von acht oder neun Kilonietern Durchmesser! Ein Ungetüm, das Abertausende Poren zu haben schien, und aus jeder Pore stießen grelle Energiebahnen in alle Richtungen! Doch nun glühte die Station heller und heller, und das mörderische Feuer verstummte! Licht...! Mitten in diese Orgie hinein flog die CORLEONE, immer noch nach allen Seiten Nadel abstrahlend. Das obere Intervallfeld brach zusammen.
Pennstick schaltete den Sie auf Maximum. Der Raumer mußte diese Sirahlenhölle schnellstmöglich wieder verlassen. Da gab es auch den unteren Miniweltraum nicht mehr! Die CORLEONE flog ohne Intervallfeldschutz, ungehindert trommelten die Energiekaskaden des Zerfallsprozesses auf das Unitall! Die CORLEONE schoß weiter Dauerfeuer mit Nadel. Ihre Geschwindigkeit sank rapide ab, die wieder anlaufenden Intervall feldgeneratoren beanspruchten neben den Nadelstrahlen die gesamte Energie. Die riesige Station befand sich in einem Inferno wildester, hochenergetischer Zerfallserscheinungen! Und der Umwandlungsprozeß wurde durch die Kampfstrahlen des terranischen Schiffes noch mehr beschleunigt. Major Pennsticks Fingerkuppen lagen auf den Steuerschaltern. Aber sein Raumer konnte im Augenblick den heranrasenden Energiefeldern nicht ausweichen. Immer geringer wurde die Geschwindigkeit, fiel fast auf Null! »Pennstick, Intervalle wieder klar, geben Sie Stoff!« Brad Meyers aus dem Maschinensaal brüllte diese respektlose Meldung an seinen Kommandanten. Er wollte nicht zusammen mit der Schattenstalion uniergehen! Der Major schaltete blitzschnell die Triebwerke hoch, peitschte seinen Raumer aus diesem Inferno - hinein ins Leben! Durch! Hinter ihnen lag die Hölle, in der die Station eines unmenschlichen Gegners verging! Sie stieß das große Ringschiff immer weiter von der Erde ton. Der Raumer jagte auf die Marsbahn zu. Die Erfassung der Bildschirme schaltete sich um. Im letzten Moment! Die unbekannte Station flog auseinander! Abertausende Trümmer rasten durch den leeren Raum und erhellten ihn mit ihrem grellen Glühen. Menschen, die sich ahnungslos am Erdboden aufhielten, mußten glauben, am hellen Tag Sternschnuppen zu sehen. Major Will Pennstick sackte ein wenig zusammen. Die Anspannung, der Start, der Anflug und der Angriff, alles hatte Kraft gekostet. Wieviel? Das wurde ihm erst langsam klar. Aber für ihn gab es keine Pause. Er hatte dem Stab der TF zu berichten. »Hier S-Kreuzer CORLEONE! Vollzug! Station vernichtet. Gehen auf Heimatkurs. Pennstick, Major.«
Der Bildschirm schaltete um, das Konterfei von Marschall Bulton erschien. »Oberst, ich danke Ihnen. Ich erwarte Ihren Bericht nach der Landung!« Bulton schaltete ab und ließ den frisch ernannten Oberst mit seiner Überraschung alleine. Der Marschall wandte sich an seinen Adjutanten, grinste ihn an. »Ordensverleihung sofort nach der Landung. Das ganze Brimborium über alle TV-Stationen. Und möglichst großartig. Stop! Einher To Yukan darf natürlich nicht fehlen. Arrangieren Sie alles!« Der Adjutant erledigte alles über sein Standvipho. Im stillen dachte er nur, wie schnell böse Beispiele gute Sitten verderben konnten. Major Pennstick hatte im Telegrammstil gesprochen, und kaum gehört, hatte der Marschall ihn sich auch schon zugelegt. Die TV-Zentrale meldete sich. »Hier Stab der TF! Ab 9.39 Uhr brauchen wir Zugriff auf sämtliche staatlichen Sender. Vollzugsmeldung an die Koordinationsabteilung des Stabes der TP!« Er rief die Einsatzbereitschaft der Flotte an, aber obwohl Adjutant des Marschalls, hatte er zu warten, weil alle Phasen besetzt waren. Da bemerkte er Bultons strafenden Blick. Verwundert sah er seinen Chef an. »Mein Lieber«, sagte der Marschall, »müssen Sie denn genau wie Pennstick in diesem scheußlichen Telegrammstil sprechen? 10 Freundlich sein kostet nichts! Nächstens freundlicher! Verstanden?« Es war das Glück des Adjutanten, daß der Marschall seine Gedanken nicht lesen konnte: Freundlich sein kostet nichts - bums! Nächstens freundlicher - bums! Verstanden - bums! Und das nennt der Alte nun keinen Telegrammstil! Aber für eine Panne war der Adjutant nicht verantwortlich zu machen. Ember To Yukan meldete sich nicht. »Ist er gefallen?« Kurz darauf stellte sich heraus, daß er mit mittelschweren Strahlungsschäden und leichten Verbrennungen in die Klinik der TF eingeliefert worden war. Don hatte er bereits einen Aufstand angezettelt, weil man ihm eine Verbindung zu seiner Freundin Ellen Cox verweigerte.
Der behandelnde Arzt meinte etwas von »... brauchen unbedingt Ruhe«. Als Bulton dies erfuhr, polterte er in seiner cholerischen Art sofort los. »Mensch, da reißt sich der Mann sozusagen die Beine aus, und dieser unsensible Bürokratenheini verweigert ihm dann auch noch eine einfache Viphoverbindung!« Der Marschall war in seinem Element. Schon zu lange hatte er keinen Dampf mehr ablassen können, und dieser Bürokratenheim kam ihm dafür gerade recht. »Treiben Sie Ellen Cox auf, und sorgen Sie dafür, daß sie an Yukans Krankenbett erscheint, zusammen mit Pennstick!« Bulton trieb seinen Adjutanten wie einen Sklaven an. Der leidgeprüfte Mann schaffte das fast Unmögliche. In dem auf Cent Field herrschenden Chaos fand er nicht nur Ellen Cox und brachte sie eigenhändig zu Yukan, nein, er erzählte den Reportern auch noch eine rührende Geschichte über ein verpaßtes Rendezvous. In einem pompösen Akt wurden dann wenig später beiden Männern die Orden verliehen. Die Zeremonie wurde live aus Yukans Krankenzimmer übertragen, und der Erfolg der TF natürlich entsprechend herausgestellt. Wohl oder übel mußten die beteiligten Personen gute Miene zum bösen Spiel machen, doch eigentlich haßten alle drei diesen Zirkus. Aber Terra brauchte nach den letzten Katastrophenmeldungen über verlustreiche Raumschlachten dringend ein paar neue Helden, und so wurden Pennstick und Yukan für ein paar Stunden die Idole der Terraner. Sie lenkten von den Alltagssorgen ab, bevor sie das Rampenlicht wieder verließen. Nacheinander erwachten die Menschen in der P01NT OF und der ARROW. Das breite Band der Milchstraße funkelte in der Schwärze des Alls. Ein paar Milliarden Sonnen — wieviel es nun tatsächlich waren, wußte immer noch kein Mensch, auch die Nogk und Utaren nicht — schienen das gesamte Universum zu füllen, und doch war diese Galaxis nur eine von vielen Millionen und dazu auch noch eine kleine. »Da wären wir wieder«, sagte Dan Riker, der wie alle anderen auf Anweisung von Hanfstick eine belebende Kapsel geschluckt hatte und nun auf die Wirkung wartete. Dro Ciinc starrte die Bildkugel wie ein Weltwunder an. Sein Blick tastete einen Spiralarm nach dem anderen ab. Ren Dhark be-
obachtete den Schwarzen Weißen. Er hatte vor, ihn trotz der augenblicklich noch bestehenden Verständigungsschwierigkeiten anzusprechen, als die Funk-Z ein Gespräch durchstellte. Janos Szardak dränge darauf, mit Dhark zu sprechen. »Was ist mit der POINT OF los, Dhark? Wir stehen dreiundvierzig Lichtjahre entfernt vom Ringraumer und können ihn ausmachen, als ob das Schiff mit maximaler Sendeleistung seinen Standort hinausschreien würde.« Der Commander verstand kein Wort. 12 »Ja, es ist wirklich eine Kleinigkeit, den Ringraumer zu orten!« behauptete Janos Szardak abermals energisch. »Doorn hat uns daraufgebracht. Er hat es entdeckt. Uns Normalsterblichen wäre es wahrscheinlich gar nicht aufgefallen.« Es wurde wieder unheimlich. Kaum dank der Hilfe der Nogk aus dem nicht ausgereiften Universum zurückgekommen, behauptete Szardak, der Ringraumer sei eine interstellare Heulboje, die ununterbrochen ihren Standort bekanntgäbe. »Szardak, kann ich mit Doorn sprechen?« verlangte Ren Dhark, der aus den Angaben seines Colonels nicht klug wurde. Das Boxergesicht des Sibiriers tauchte auf dem Bildschirm auf. Die roten Haare standen wüst nach allen Seiten ab. »Dhark, es ist tatsächlich so, wie Szardak sagte. Die P01NT OF zieht eine Spur hinter sich her...« Er verstummte, denn auf seinem Bildschirm hatte er Rikers Rippenstoß bemerkt, der dem Commander galt, und dann hörte er auch schon sagen: »Ren, erinnere dich daran, daß wir uns den Kopf zerbrochen haben, wieso die Schwarzen Weißen uns immer wieder aufspürten. Sag mal, hat das alles nicht...?« Um Haaresbreite hätte er von Erron-3 gesprochen, doch Erron-3 war durch die Einnahme einer bestimmten Mentcap nicht mehr in der Erinnerung der Menschen auf der P01NT OF enthalten. Nur Congollon, Dhark und er wußten um das Hauptarchiv der Mysterious im blaßblauen Universum. Hinter Dharks Stirn rasten die Gedanken. Seine P01NT OF hinterließ eine Spur? Sein Erron-Wissen wurde aktiv. Wissen aus einem Weltraum, in dem es scheinbar nur vorbeirasende Lichtbahnen gegeben hatte, bis es ihnen gelungen war, sich der dort herrschenden Zeit anzupassen. Von dieser Überlegung ging er aus.
Flüsternd informierte er seinen Freund Dan. Die anderen durften durch ihre Bemerkungen nicht in Unruhe versetzt werden. 13 Da fragte Arc Doorn von der LUXOR ahnungslos: »Ob diese Spur, die die POINT OF hinterläßt, nicht durch die Benutzung des Materiesenders auf Planet l entstanden ist?« Er konnte nicht verstehen, warum Dhark abgeschaltet hatte. Fragend blickte er Anja Riker an und dann den Colonel. »Ist Dhark in der letzten Zeit nicht schon ein paarmal recht eigenartig gewesen?« »So kann man es auch nennen, Doorn.« Szardak nahm kein Blatt vor den Mund. Auch er hatte sich über den Abbruch der Verbindung geärgert. Es lag doch wirklich kein Grund vor, auf diese Weise ein Gespräch zu beenden. Vor allen Dingen wußte der Commander doch immer noch nicht, wie Arc Doorn zu seiner bestürzenden Entdeckung gekommen war. Mit den normal arbeitenden Ortungsgeräten konnte die Spur jedenfalls nicht erfaßt werden. Anja Riker war wieder in den Hintergrund der Zentrale getreten. Seit sie mit Dan verheiratet war, hatte sie das Warten gelernt. Manchmal war es nutzlose Kraftverschwendung, unbedingt ein Gespräch zu suchen. Anja wußte, daß Dan oft einfach zu viel um die Ohren hatte, daß er immer wieder von neuen Aufgaben beansprucht wurde. Es tat ihr allerdings weh, daß Dan dies mehr oder weniger als selbstverständlich hinnahm. Ihr gegenüber gab er selten zu erkennen, daß er sie so vermißte wie sie ihn. Ich wußte ja, was auf mich zukommt. Seit dem Augenblick, an dem ich mich mit Dan einließ! ging es resignierend durch den Kopf der Spezialistin für die Supermathematik der Mysterious. Zwei Stunden später, nachdem auch der letzte Techniker und Ingenieur im Schiff auf eine Aufgabe angesetzt worden war, sagte Dhark zu seinem Freund: »Dan, wir müssen Szardak anrufen. Er und Doorn werden inzwischen nicht gerade freundlich über uns gesprochen haben...« »Und darf ich dich so ganz nebenbei auch einmal daran erinnern, daß sich Anja an Bord der LUXOR befindet, mein lieber Ren?!« Dhark konnte seinem Freund den scharfen Ton der Frage nicht übelnehmen, auch wenn er ihn nicht für angemessen hielt. 14 Sie hatten doch nur das Notwendige getan: waren von einem Deck zum anderen gerast, hatten hier kontrolliert und dort Messungen vorgenommen; sie hatten Ingenieuren Anweisungen erteilt, daß die den Mund nicht mehr schließen konnten, und mehr als
zehnmal waren sie gefragt worden: »Großer Himmel, woher haben Sie denn dieses Wissen?« Und so oft man sie gefragt hatte, so oft hatten sie sich wieder auf die angeblich posthypnotische Beeinflussung berufen und zugesichert, dieses Phänomen später zu klären. Dhark fragte sich allerdings, wie lange sie diese Ausrede noch glaubwürdig verkaufen konnten. Der Sibirier mußte dringend informiert werden. Ein solcher Versprecher wie bei dem letzten Kontakt durfte nicht noch einmal passieren... Dhark teilte Dan seine letzten Überlegungen mit. »Ich frage mich auch, wie lange diese Geheimniskrämerei noch funktionieren soll«, war Dans lapidarer Kommentar. Darauf wußte auch der Commander keine Antwort. Ein hilfloses Schulterzucken war seine einzige Reaktion. Nach zwei weiteren Stunden intensiven Nachforschens hatten sie dann endlich die von Szardak und Doorn gemeldete Spur entdeckt, die von ihrem Schiff erzeugt wurde. Sie hatten sie aus dem blaßblauen Universum mitgebracht. Die POINT OF erzeugte, ob gelandet, beim Flug mit Sie beziehungsweise Stemensog oder im freien Fall mit beiden Intervallfeldern semistabile Schwingungen, die sowohl den Normal- als auch den Hyperbereich belasteten. Das wäre nicht von großer Bedeutung gewesen, wenn dieses Schwingungsphänomen nicht durch die Störungen im elektromagnetischen Feld der Galaxis eine Art Langzeiteffekt bekommen hätte. Die Spur der POINT OF verging erst nach 19 Stunden, 33 Minuten Nonnzeit. Der Translator, ein Erzeugnis der Rateken, wurde in die Zentrale geschafft. Bislang hatten vermeintlich dringendere Aufgaben immer wieder verhindert, daß man sich mit Dro Cimc befaßte. Der Wer erkannte den Zweck dieses monströsen Kastens fast 15 sofort. Nach zehn Minuten war das klobige Gerät in der Lage, einfache Sätze zu dolmetschen. Dro Cimc wurde mit der terranischen Zeiteinteilung vertraut gemacht, und dann richtete man an ihn die Frage, wie lange die Spur des Ringraumers feststellbar blieb, die von Tel-Schiffeil verfolgt wurde. Der Schwarze Weiße, der so menschlich wirkte, aber trotzdem kein Mensch war, benötigte knapp eine Minute, um mit der neuen Zeitrechnung fertig zu werden und die Frist zu errechnen. »19 Stunden, 35 Minuten!« übersetzte der Translator seine Angaben.
Weder Dhark noch Riker sagten ein Wort. Beide waren wie vor den Kopf geschlagen. Kleine Ursachen - unheimlich große Auswirkungen. Allein wegen dieser Spur hatten die Tel mehrere hundert Raumschiffe verloren. Allein wegen dieser Spur mußten siebzehn Sonnen untergehen. Im Blaßblauen waren die Intervalle verändert worden. Niemand im Schiff hatte das bemerkt, weil die Aggregate für den oberen und unteren Intervallbereich bisher wartungsfrei gearbeitet hatten. Doch nach der Überprüfung stellte sich nun heraus, daß sich beide durch die Dauerbelastung im blaßblauen Universum im Bereich der Sidin-Reter nach Minus 3 verschoben hatten. Sofort wurden die Intervallgeneratoren wieder auf Null justiert. Die Funk-Z stellte Kontakt zur LUXOR her. »Na?« fragte Dhark und seine Augen glänzten vor diebischer Freude. »Hinterlassen wir immer noch eine Spur, und darf man die POINT OF jetzt auch noch eine interstellare Heulboje nennen?« »Gratuliere!« sagte Doorn spontan. »Ich bin sprachlos. Nicht mehr das geringste festzustellen. Woran hat es denn gelegen? An den Intervallen?« »Ja, es lag an den Aggregaten, die die Intervalle erstellen. Bei beiden war der Sidin-Reter um drei Einheiten verschoben.« In der Zentrale des S-Kreuzers LUXOR sagte ein Mann mit breitflächigem Gesicht und Boxernase: »Sidin-Reter...? Dhark, 16 wovon reden Sie?« Wenigstens ein halbes Dutzend Fragezeichen schwangen in seinen Worten mit, und in seinen Augen stand Mißtrauen. Unverwandt starrte er den Commander an. »Ich habe inzwischen von Mix l, 2 und 3 gehört. Von Gringer und Bifer, und jetzt...« Das Thema durfte nicht weiter behandelt werden. Unter keinen Umständen. Mit einem kurzen Blick verständigten sich Riker und Dhark. Riker schaltete sich dazwischen. »Doorn, später mehr. Wir haben uns schon per Funk von den Nogk verabschiedet und uns für ihre Hilfe bedankt. Der Checkmaster berechnet gerade für alle drei Schiffe die Sprungdaten. Jeder Raumer transitiert für sich allein. Kurs bekannt - Terra. Dhark und ich haben augenblicklich noch einige wichtige Dinge zu klären. X-Zeit läuft bereits. Ende.« Dans wehmütiger Blick galt Anja, die er erneut nicht sprechen konnte.
Ren merkte, was in seinem Freund vorging. Blitzschnell aktivierte er noch einmal die Verbindung zur LUXOR. »Anja!« Gerade war noch zu sehen, wie die junge Frau die Zentrale verlassen wollte, als sie der Ruf zurückhielt. Gespannt schaute sie zum Bildschirm. »Anja, ich verspreche dir, daß ihr beide auf Terra genügend Zeit für euch haben werdet, sobald wir gelandet sind. Und niemand wird euch stören — wirklich niemand. Diesmal halte ich mein Versprechen. Ganz bestimmt. Auf Wiedersehen auf Cent Field!« Der Schirm wurde grau, die Tonphase lag still. Und auf der POINT OF und der LUXOR gab es zwei Menschen, die der Rückkehr nach Terra ungeduldig entgegenfieberten. Dann kam die erste Transition, die die POINT OF in Richtung Terra ins Stemenmeer hineintrug. Achthundertzweiundzwanzig Raumer waren nach Esmaladan 17 unterwegs. Der Notruf der Utaren war auf Terra nicht verhallt, aber der Stab der TF konnte nicht mehr Schiffe zu den Humanoiden mit den großen Knopfaugen entsenden, denn die Erde befand sich selbst in akuter Gefahr, wie der Angriff durch die Station des unbekannten Gegners bewiesen hatte. Der große Schiffsverband stand bei diesem Unternehmen unter dem Oberbefehl von Colonel Huxley. Der Colonel hatte abermals darauf zu verzichten, sein PO-Schiff zu benutzen. Er hatte nicht einmal den Antrag gestellt, weil er einsah, daß seine FO-1 ein Fremdkörper im Gesamtverband wäre. P.S. Clark, Huxleys Kampfgefährte während der letzten Auseinandersetzung mit den Schattenschiffen, war vorübergehend aus dem aktiven Dienst genommen worden. Die seelischen Belastungen, unter denen Clark stand, nachdem er zweimal einen Großteil seines Geschwaders verloren hatte, machten diese Zwangspause notwendig. Drei Stunden nach Eingang des utarischen Notrufes jagten die terranischen S-Kreuzer in Richtung Esmaladan davon. Korporal Nasuba gab sofort Alarm, als dicht vor der Ast-87 ein Raumschiff rematerialisierte und mit hoher Unterlichtfahrt in Richtung Erde weiterjagte. Alarm über To-Funk!
Alarm an alle Ast-Stationen und an die Erde! Dann maß er die zweite Struklurerschütterung an und keine Sekunde später die dritte! Großalarm! Angriff aus dem Raum durch einen unbekannten Schiffsverband! Sensorische Automatik, gekoppelt mit der Technik der Myste rious, wurde aktiv, Ein paar tausend Männer wurden auf ihre Stationen gerufen. 18
Mehrere hundert Ortungsanlagen griffen nach den drei Schiffen,
die Terra anflogen. Auch die Orter der Erde; auch die von Cent
Field.
Energieortung! Werte an den großen Suprasensor! Kaum hatte er sie erhalten, als er den Großalarm abstellte. Drei Offiziere und fünf Mannschaftsgrade starrten sich verblüfft an. Einer kam auf den klugen Gedanken, endlich die ausgestoßene Folie zu lesen. »Himmel und Sterne! Wir haben es mit der POINT OF zu tun! Der Commander kommt zurück! Der Commander...« Korporal Nasuba auf der Ast-87 bekam für seinen Alarm keinen Tadel. Der Kommandant der Station klopfte ihm auf die Schulter und meinte nur: »Sie haben richtig gehandelt. Es hätten ja auch die Schatten oder andere Angreifer sein können. Seien wir froh, daß es Dhark mit seinen Leuten ist. Machen Sie weiter so, ich bin stolz auf Sie. Und, Nasuba, Sie haben für den Rest des Tages dienstfrei!« Die Augen des Astkommandanten verfolgten sehnsüchtig den Flug der POINT OF und ihrer beiden Schwesterschiffe auf dem Ortungsschirm. Zu gerne würde auch er auf einem dieser Schiffe Dienst tun, aber seine Aufgabe war hier im Sol-System - und diese Aufgabe war mindestens ebenso wichtig! Die Trümmer lagen noch auf dem Raumhafen, als die POINT OF zusammen mit Szardaks LUXOR und Larsens ARROW aufsetzte. Die Trümmer und die tiefen Schmelzspumnnen im Plastikbeton waren nicht zu übersehen. Überall wölbten sich Prallschirme über den Trümmerhaufen, um die r-Strahlung einzudämmen. Die Techniker der TF tüftelten schon seit längerem an einem Verfahren, Schiffe bei Alarmstart in ein Prallfeld zu hüllen, welches zusammen mit den Strahlungsabsorbern die unangenehmen und lä
19 stigen Begleiterscheinungen der Antriebsaggregate minimieren sollte. Diese Felder waren jetzt einsatzbereit, aber ihr erster Einsatz verlief ganz anders als ursprünglich vorgesehen. Die Besatzungsmitglieder der drei gelandeten Ringraumer konnten sich an den Bildgebern über die Situation auf Cent Field informieren. Und niemand in den Schiffen brauchte eine besondere Erklärung. Was hier vorgefallen war, war offensichtlich. »Schöner Urlaub!« preßte Dan Riker zwischen seinen zusammengekniffenen Lippen bitter hervor. »Dan, schnapp dir Anja, macht euch ein paar schöne Stunden. Ich verspreche dir, daß ich alles von euch fernzuhalten versuche. Nimm die 001, ich...« Dhark konnte den Satz nicht beenden, so schnell reagierte sein Freund. »Danke, Ren, das vergesse ich dir nie!« Dan drehte sich um und rannte aus der Zentrale, direkt zu den Flashdepots. »Morris, Verbindung zur LUXOR, Anja Riker. Schnell!« Der Funker stellte sofort durch. Dans Frau schaute dem Com mander überrascht entgegen. »Anja, Dan kommt mit der 001. Stell jetzt keine Fragen!« Die Verbindung war bereits wieder unterbrochen. Während Dan Riker und seine Frau Anja mit dem Flash nach Alamo Gordo flogen, um ein paar ruhige Stunden zu genießen, gab Ren Dhark Order, die maßgeblichen Politiker und Militärs sofort zu einem persönlichen Informationsaustausch zusammenzuholen. Er wollte so bald wie möglich über die neusten Entwicklungen auf der Erde und im terranischen Interessenbereich informiert werden und auch seine eigenen Erkenntnisse weitergeben. Eine Stunde später saßen die Verantwortlichen zusammen. Dhark eröffnete die Sitzung mit einer kleinen Begrüßungsrede und entschuldigte die Abwesenheit Dan Rikers. Die Konferenz hätte zwar auch per Bildschirm abgehalten werden können, aber der persönliche Koniakt war dem Commander einfach lieber. Das Slandvipho unterbrach seine Rede. Echri Ezbal meldete sich aus dem Brana-Tal. Dort hielt sich Dro 20 Cimc auf. Er sollte versuchen, die einundneunzig Tel zum Sprechen zu bewegen. »Dro Cimc ist schwer verletzt. Wir haben ihn im letzten Moment retten können. Wie auf Kommando fielen die anderen Schwarzen Weißen über ihn her. Man hatte sich eine unfeine Todesart für ihn ausgedacht. Sie wollten ihn toltrampeln. Um ein Haar wäre es ihnen auch geglückt.«
Dro Cimc schwer verletzt. Ren Dhark empfand große Sympathie mit diesem Tel, der sich in einer hoffnungslosen Situation für die Terraner entschieden hatte, obwohl er einmal der erbittertste Feind der POINT OF gewesen war. Henner Trawisheim konnte nun Bericht erstatten. Er kam auf die Transmitter-Straßen zu sprechen, auf die drei unterseeischen Werften auf Dockyard, die allerdings stillstanden, und auf die Welt der Giants, von der nun vier Cyborgs sowie Chris Shanton und Jos Aachten van Haag verschwunden waren. Aber auch kein einziger Giant war auf diesem Planeten mehr anzutreffen. »Wir haben die Zentrale, in der vorher von Giants die Transmitter-Straßen überwacht wurden, besetzt, doch mit der Technik kommen wir nicht klar...« Ren Dhark nahm zu allem keine Stellung. Er schwieg auch, als Marschall Bulton vorgetragen hatte. »... Die Berichte aus dem Raum um Esmaladan lassen hoffen, daß es unseren S-Kreuzem gelingt, mit den unbekannten Stationen fertig zu werden. Huxley hat den Befehl, unter allen Umständen zu versuchen, eine Station zu erobern, damit wir endlich erfahren, mit wem wir es zu tun haben. Außerdem müssen wir mehr über die Technik der Angreifer herausfinden. Derartige Verluste wie bei den letzten Begegnungen kann die TF nicht lange verkraften weder was Mannschaften noch was Raumschiffe angeht.« Manu Tschobe trat ein. Er war von Dhark angefordert worden und kam gerade aus dem Brana-Tal, wo er immer wieder seinen 21 Studien nachging, sobald es ihm die Zeit und die Umstände erlaubten. Dockyard wurde von Major Robert Füller und seinen Sicherheitstrupps beaufsichtigt. Tschobe war nicht in der Lage, die plötzlich stillgelegten Produktionsstätten wieder zu aktivieren. Chris Shanton wäre der richtige Ansprechpartner gewesen, aber der war leider verschollen. •»Manu, Sie haben mit den Cyborgs gesprochen. Auf zwei Planeten, die jeweils am Ende von Transmitter-Straßen lagen, sind sie auf Goldene Menschen gestoßen?!« Tschobe berichtigte. »Im letzten Fall lag der Planet mit der Statue des Goldenen Menschen nicht am Ende einer TransmitterStraße, sondern der Weg führte von dort aus weiter. Die Gegenanlage ist jedoch durch Carrell zerstört worden. Wo beide Planeten zu suchen sind, haben wir noch nicht feststellen können. Wir ha-
ben einfach zu wenige Spezialisten, vor allem jetzt, wo durch die Auswanderungswelle alle Fachbereiche ausgedünnt werden mußten. Und unser Verfahren der Hypnoschulung ist leider noch lange nicht ausgereift.« Trawisheim und Bulton warfen sich vielsagende Blicke zu. Sie waren vom Commander enttäuscht. Um die Alltagssorgen der Menschen kümmerte er sich auffallend wenig; er halte weder Kritik an ihren Entscheidungen getroffen noch sie gelobt. Doch über die Standbilder des Goldenen Menschen konnte er nicht genug erfahren. Bulton mischte sich ein. »Commander, wir haben den ersten Tofirit-Ringraumer in Dienst gestellt und mit drei Triebwerken aus der Fertigung der Mysterious bestückt. Der Durchmesser der Ringröhre beträgt vierhunden Meter bei einem Hohlmaß der Röhre von neunzig Metern. Das Schiff befindet sich augenblicklich zur Erprobung im Bereich Wega und...« »Darüber möchte ich morgen unterrichtet werden, Bulton.« Dhark unterbrach den Marschall brüsk und wandte sich wieder Tschobe zu. »Warum haben Sie die Suche nach den vermißten 22
Männern abgebrochen, Tschobe?«
»Sie befinden sich nicht mehr auf dem Planeten der Giants oder sie sind tot. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Glauben Sie etwa, dieser Entschluß wäre mir leichtgefallen, Dhark?« Tschobe schaute dem Commander fest in die Augen. Er war wütend über den versteckten Vorwurf Dharks, nur deshalb wich er dessen Blick nicht aus und schaute zur Seite, wie er es sonst getan hätte. »Tschobe, bitte entschuldigen Sie, so war es nicht gemeint!« Dhark hatte gehofft, weitere Details zu erfahren. »Übrigens, Manu, haben Sie als Arzt etwas dagegen einzuwenden, wenn wir Spezialisten in großem Maßstab mit Mentcaps aus dem Mysterious-Archiv auf Deluge schulen? Sehen Sie gesundheitliehe Probleme? Wenn nicht, koordinieren Sie doch bitte mit Trawisheim den Einsatz. Sie wissen ja, wie mit den Mentcaps umzugehen ist.« Henner Trawisheim schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Das Archiv. Natürlich, wie konnte ich das nur vergessen?!« »Trawisheim, das zeigt doch nur, daß auch ein Cyborg nicht unfehlbar ist!« warf Dhark in die Runde. Mentcaps, diese kleinen weißen Kugeln, die das Archiv der Mysterious auf gedankliche Anforderung auswarf, beinhalteten in
komprimierter Form das Wissen über ein bestimmtes Sachgebiet. Man schluckte die Pillen, und schon kurze Zeit später verfügte man über Kenntnisse, welche man sich nur in jahrelangem Studium hätte aneignen können. Dhark und seine Freunde hatten allerdings rasch feststellen müssen, daß sich das neuerworbene Wissen bald wieder verflüchtigte, wenn man sich nicht ausführlich mit dem entsprechenden Sachgebiet befaßte. Aber dieses Thema war für den Commander bereits erledigt. »Was hat sich in der Zeit unserer Abwesenheit noch Wichtiges ereignet?« Trawisheim und Bulton überprüften noch einmal ihre Aufzeichnungen. »Die einzelnen Minister hätten vielleicht noch einiges vorzutragen.« 23 Dhark winkte ab und lächelte Trawisheim an. »Dafür habe ich Sie. Damit möchte ich mich nicht beiasien, und vor allen Dingen verstehe ich nicht viel davon. Nun darf ich Sie in kurzen Zügen über unseren Forschungsflug informieren. Ein Teil des Berichtes ist so geheim, daß ich Sie, Tschobe, und alle anderen Anwesenden außer Trawisheim und Bullon, bitlen muß, uns allein zu lasseil.« Der Afrikaner nahm es dem Commander nicht übel. Ohnehin hatte er von ihm gerade eine vertrauensvolle Aufgabe übertragen bekommen. Er erhob sich wortlos und schloß sich den Männern und Frauen an, die den Raum verließen. Zwitt und Planet l mit dem Materiesender waren bekannt, aber niemand wußte, wohin der Versuch mit dem Sender die POINT OF gebracht hatte. Erron-3, das Hauptarchiv der Mysterious, kam zur Sprache. »... Wir haben es mit einer gigantischen Schatzkammer des Wissens zu tun, die so unwahrscheinlich viel enthält, daß sie eine unheimliche Verführung für jeden Menschen darstellt. Würden wir das Wissen rigoros ausbeuten und uns nutzbar machen, dann könnten wir von heute auf morgen unsere Technik auf den Schrotthauten werfen, und uns der Errungenschatten der Geheimnisvollen bedienen. Welche Folgen es haben müßte, liegt auf der Hand. Wir hätten in wenigen Monaten ein paar starke Interessengruppen auf der Erde, die alles einsetzen würden, um die anderen zu überflügeln. Diese Gruppen würden auch vor einem globalen Krieg nicht zurückscheuen. Darum darf das Mentcap-Wissen von Erron-3 nur dosiert auf die Erde gelangen, und es darf bis auf einen engen Kreis Vertrauter
nicht bekannt werden, wo Erron-3 liegt. In jedem Fall muß von einer speziellen Runde beschlossen werden, ob Erron-3 im blaßblauen Universuni angeflogen wird oder nicht. Ich selber möchte diese Verantwortung nicht alleine tragen müssen. Neben uns Anwesenden sollten der Runde noch Dan Riker als mein Stellvertreter und Echri Ezbal als Humanist angehören. Sind Sie einverstanden, meine Herren?« 24 Von den beiden anderen kam zustimmendes Kopfnicken. »Henner, stellen Sie bitte für alle Fälle noch eine Reserveliste vertrauenswürdiger Leute zusammen!« Und dann schloß der Commander seinen Bericht mit der Ankündigung, sich in dieser Nacht auszuschlafen. »Morgen möchte ich mit Ihnen besprechen, welche Wege einzuschlagen sind, um mit den Tel zu einem Bündnis zu kommen. Leider fällt Dro Cimc durch den unvorhergesehenen Zwischenfall im Brana-Tal aus. Übrigens, morgen wird dann auch Dan Riker wieder anwesend sein.« Die Besprechung war beendet. Gemeinsam mit den beiden anderen verließ Dhark den Konferenzraum und schritt zum A-GravLift, der ihn zwei Etagen höher tragen sollte. Die erschöpften Männer hatten sich nichts mehr zu sagen. Mit einem gemurmelten »Gute Nacht« verabschiedeten sie sich voneinander. Bei Dhark blitzte nur einmal kurz ein Gedanke an Anja und Dan auf. Wie es den beiden jetit wohl gehl? Zehn Minuten später lag der Mann, der den Menschen den Weg ins Weltall gezeigt hatte, in seinem Bett und schlief traumlos und tief. Und so bekam er auch nichts davon mit, daß alle wichtigen TVStationen in Wort und Bild über die Rückkehr des Commanders berichtelen. Die Schlacht um Esmaladan ging ihrem Ende entgegen. Terra hatte einhundertsiebzehn S-Kreuzer verloren. Total Verluste! Einunddreißig Schiffe waren in Nottransitionen dem Vernichtungsfeuer der unsichtbaren Stationen im letzten Moment entkommen. Ihre Besatzungen warteten zwischen Hoffen und Bangen, daß sie aufgefunden und zur Erde gebracht wurden. Mörderisch hatte der heimtückische, feige Angreifer unter den
Flottenverbänden der Utaren gewütet. Die Pyramidenraumer, die es in mancher Beziehung mit den Ringschiffen der Terraner auf nehmen konnten, hatten weder mit ihrem Blauen Feld noch mit dem Weißen Strom viel ausgerichtet. Sie waren zu Spielbällen geworden, die der Gegner nach Belieben vernichtete oder schwer beschädigt davontreiben ließ. Doch in einem Punkt hatte er den kleinen menschenähnlichen Wesen mit den großen Knopfaugen nichts anhaben können: Sie ließen sich nicht den Schneid abkaufen! Immer wieder griffen sie mit ihren dezimierten Verbänden jene Stellen im Raum an, an denen sie die unsichtbaren Riesenstationen vermuteten. Colonel Huxley setzte P.S. Clarks bewährte Kampftaktik ein, die bislang gegen die Schattenstationen noch immer zum Erfolg geführt hatte. Doch er mußte erkennen, daß sich der Gegner schnell auf dieses Manöver eingestellt hatte. Er verzichtete darauf, einen oder mehrere fiktive Kampfstrahlen einzusetzen, um damit den Standort einer Station zu verschleiern. Scheinbar kostete es ihn kaum Anstrengungen, plötzlich nach allen Seiten lunndicke, gebündelte Energiefinger in den Raum zu stoßen. Aber um eine Abwehr noch schwieriger zu machen, veränderten sich alle Standorte schnell, und manchmal lagen so große Distanzen dazwischen, daß der kampferprobte terranische Geschwaderführer davon ausging, daß der Gegner mit Kurztransitionen arbeitete. Seit dem Eintreffen der S-Kreuzer war Esmaladan nicht mehr angegriffen worden, aber die Gefahr für den Planeten der Utaren bestand nach wie vor. Die gewaltigen unterirdischen Anlagen, die den planetarischen Schutzschirm erzeugten, waren schon mit dem ersten vernichtenden Feuerschlag zum größten Teil ausgeschaltet worden. Noch während der Kampfhandlungen arbeiteten die Utaren in aller Eile daran, die Anlagen zu reparieren und den Prallschinn wiederherzustellen. Bislang leider ohne Erfolg! Die Weisheit, die Exekutive und Legislative der Utaren, hatte kein einziges Mal versucht, den Menschen Vorschriften zu machen: Die hoheitsvolle Arroganz, welche die kleinen Wesen ge 26 genüber den Terranern bisher stets demonstriert hatten, war nun einer ebenso demonstrativen Zurückhaltung gewichen. Die Reste der manschen Verbände hatten sich widerspruchslos dem Kommandanten der S-Kreuzer unterstellt. »Rückendeckung! Feuerschutz!« So lauteten die einzigen Befehle an die Utaren. Plötzlich spielten sie, deren Rotte den Einhei-
ten Terras zahlenmäßig überlegen war, nur noch eine zweitrangige Rolle. Aber bereits zu Beginn der Kampfhandlungen, als sich abzeichnete, welche Rolle die Utaren übernehmen müßten, hatte Huxley seine Kommandanten nachdrücklich darum ersucht, auf die Gefühle der knopfäugigen Wesen Rücksicht zu nehmen. Die Utaren sollten auf keinen Fall den Eindruck vermittelt bekommen, nur noch zweitrangig zu sein oder gar als Kanonenfutter zu dienen! Innerhalb einer knappen Stunde wurden vier unsichtbare Stationen vernichtet - der Preis der terranischen Flotte dafür war erschreckend hoch, und auf der Erde würden wieder sehr viele Mütter, Frauen und Freundinnen trauern - doch plötzlich änderte sich das Bild. Die Fremden setzten jetzt Raumschiffe ein, die ebenfalls weder geortet noch gesehen werden konnten. Huxley erinnerte sich seines Kampfes gegen ähnliche Schiffe im Machtbereich der Nogk. Bevor er sich mit Major Marc Bieg, einem Kommandanten über zweiundfünfzig S-Kreuzer, in Verbindung setzen konnte, brach der To-Funk zusammen. Der Gegner brachte eine weitere gefährliche Waffe zum Einsatz. Weder mit Terra noch Esmaladan war Verbindung zu bekommen, und S-Verbände, die mehr als drei Lichttage entfernt standen, konnten auch nicht mehr erreicht werden. Marc Bieg, der einen Augenblick gestutzt hatte, nachdem die Verbindung mit Huxley abgebrochen war, handelte unverzüglich. Auf Nahdistanz arbeitete To-Funk noch. Er informierte die Kom mandanten des Pulks, der seinem Befehl unterstand. »Colonel Huxleys Koordinaten sind bekannt. Kurztransition so 27
schnell wie möglich durchführen.«
Von allen Seiten griff der unsichtbare Feind an. Er mußte auf unerklärliche Weise Verstärkung durch leiehtbewegliche Raumschifte herangeführt haben. Er wollte den Ausgang dieses Kampfes keinesfalls dem Zufall überlassen. Der schwarze Raum riß wieder auf. Strahlbahnen zerplatzten an stabilen Intervallen, und Energiekaskaden wirbelten in alle Richtungen davon. Die Utaren nahmen ihren Auftrag sehr ernst, den Terranern Rückendeckung zu geben. Todesmutig, beinahe mit selbstmörderischer Wut, rasten ihre Pyramidenschiffe jenen Stellen entgegen, von denen scheinbar aus dem Nichts heraus Strahlbahnen abgin-
gen. Die Utaren überschütteten die jeweiligen Raumsektoren mit Abermillionen weißer Materiekugeln, die die Deflektorschirme der Unsichtbaren überladen und sichtbar machen sollten. Doch bisher endete jeder Versuch ohne greifbares Resultat. Der hyperenergetische Magnetstrahl, besser als Blaues Feld bekannt, schien ebenfalls wirkungslos zu sein. Nur drei S-Kreuzer, die in seinen Bereich gerieten, bekamen die Wirkung des Blauen Feldes zu spüren. Biegs Verband, der aus zweiundfünfzig Schiffen bestand - er hatte bislang noch keine Ausfälle gehabt - fand keine Gelegenheit zur Kurztransition, weil hochbelastele Intervalle oft dicht vor dem Zusammenbruch standen, oder weil Kommandanten ihre Schiffe in riskanten Ausweichmanövern aus der Feuerlinie herausbringen mußten. Eiskalte Wut bestimmte nun das Handeln des Majors. Der ToPunk über kurze Distanz arbeitete erstklassig. Er meldete den anderen Kommandanten die vermutete Position des unsichtbaren Schiffes, das aus Rot aus allen Antennen feuerte. »... X-Zeit in zehn Sekunden. Konzentrischer Angriff auf Koordinatenbereich. Fächerstellung!« X-Zeit kam. Zweiundfünfzig Ringraumer rasten los, kümmerten sich nicht 28 mehr um die anderen unsichtbaren Schiffe, sondern griffen mit der geballten Kraft ihrer Strahlantennen einen einzigen Punkt im Raum an, Sternensog riß die Schiffe vorwärts. Abermillionen Kilometer wurden in Sekundenbruchteilen zurückgelegt. Die Andruckausgleicher in den Raumern wurden bis zur maximalen Leistung belastet. Sie heulten und kreischten, ebenso wie die Konverter, Transformer und Speicherbänke. Märe Bieg, der untersetzte, dunkelhaarige Mann mit der kleinen Stupsnase, die seine markanten Gesichtszügen ein wenig weicher machte, verfolgte über die Bildschirme die Manöver seiner Schiffe. Exakt nahmen sie Fächerposition ein. Sie rasten durch die turmdicken Strahlbahnen und beachteten die gierigen Energiefinger nicht, die ihnen verwehren wollten, eine neue Kampfformation einzunehmen. Ziel in Schußweite! Ein Ziel im Nichts!
Ein Ziel, von dem niemand wußte, ob es dort, woher die titanischen Kampfstrahlen kamen, auch zu treffen war. Nadel! Nur Nadelstrahlen! Sie setzten jede Materie in Energie um und durchschlugen die meisten Prallschirme mit Leichtigkeit! Zweiundfünfzig Ringraumer, die einmal Robotschiffe gewesen waren, übersättigten einen relativ kleinen Sektor im Weltraum mit Nadelstrahl-Energie! Die Sekunden vergingen. Das unsichtbare Schiff wehrte sich mit verzweifeltem Abwehrfeuer. Ein Ringraumer ging mit einem großen Loch in Deck eins und zwei in Nottransition. Drei andere S-Kreuzer zerplatzten einfach unter Volltreffern, waren für einen kurzen Augenblick eine neue, schaurig schön anzusehende Sonne, bevor die Schwärze des Alls wieder alles übertünchte. Aber die anderen Schiffe hielten ihre Stellung, feuerten immer weiter ohne Unterbrechung. Plötzlich zerriß weiter vor ihnen etwas. Die auf Maximum ge 29 schaltete Televergrößerung zeigte dem Kommandanten über die Bildschinne ein schwarzes, langgestrecktes Etwas. Doch was sie dort sahen, konnte einfach nicht alles sein. Vom und hinten fehlten Teile. Das gab dem Fremden ein bizarres, beinahe unglaubwürdiges, fremdes Aussehen. Alles dauerte nur vier, fünf Sekunden. Danach gab es nur noch eine gigantische, grell leuchtende Sonne, die immer schneller wuchs und sich in turbulenten Reaktionen nach allen Seiten ausbreitete. »Ziel Nummer zwo!« Wie eine Bulldogge hockte Bieg vor der Steuerung und bellte seine Anweisungen an die restlichen Ringraumerkommandanten in Richtung To-Funk. Die Rückendeckung der Utaren machte sich langsam bemerkbar. Sie band die anderen unsichtbaren Schiffe und nahm ihnen einen Teil ihrer Beweglichkeit. Ziel Nummer zwei wurde in der gleichen Formation angegriffen, und diesmal waren Teile des fremden Raumschiffes weniger als zwei Sekunden lang sichtbar. Es wurde nicht zu einer Sonne, sondern flog in einer einzigen Explosion auseinander. Zerfetzte, verbogene Trümmerstücke wirbelten nach allen Seiten durch den Raum. »Ziel Nummer drei...« Major Marc Biegs Pulk stellte sich immer besser auf den Gegner ein. Momentan hatte der Major auch keine weiteren Verluste zu
verzeichnen. Wurde der unsichtbare Gegner etwa nervös? Sein Strahlbeschuß lag nicht mehr so genau im Ziel! Ringraumer, deren Intervall zusammengebrochen war, bekamen Gelegenheit, die Schutzschirme wieder aufzubauen. Dabei war noch vor kurzer Zeit der Verlust des Intervallfeldes gleichbedeutend mit dem Untergang des Raumschiffes! Und dann gab es Ziel Nummer fünf auch nicht mehr, und auch keine unsichtbaren Hornissen, die nur das eine Ziel kannten — jedes fremde Schiff zu vernichten. Die Fremden hatten sich abgesetzt! 30 Ohne Strukturerschütterung! Sie kamen und gingen ebenso unauffällig wie die unsichtbaren Riesenstationen. Diese Intelligenzen mußten das Transitionsverfahren meisterhaft beherrschen und in der Lage sein, die verräterischen Gefügeerschütterungen vollkommen zu unterdrücken. »Transition zu Huxleys Standort!« befahl Marc Bieg. Er traf mit achtundvierzig S-Kreuzern ein. Gerade zur rechten Zeit. Sieben Ringraumer waren von Schiffen der Unsichtbaren von allen Seiten unter Feuer genommen worden und befanden sich in einer hoffnungslosen Lage! Auf drei Ringraumern wütete bereits der Atombrand - sie waren nicht mehr zu retten! »Angriff!« bellte Bieg über To-Funk. Seine Kommandanten waren jetzt sicherer geworden. Sie schlössen sich zu je sechs Schiffen zusammen und griffen mit der Taktik an, die sie nun schon mehrmals mit so großem Erfolg praktiziert hatten. An drei verschiedenen Stellen gleichzeitig entstanden Sonnen. Eine von ihnen war hundertmal größer als die beiden anderen. Sie riß eine angreifende Staffel von sechs Ringraumers aus Biegs Verband mit in den Untergang. Für die S-Kreuzer gab es kein Entkommen aus dieser Energiehölle. Aber erneut war eine der gigantischen Stationen vernichtet worden und mit ihr zwei Schiffe der Unsichtbaren. Die Schlacht um Esmaladan ging mit ungebremster Härte weiter, doch langsam neigte sich das Pendel zugunsten der Utaren und Terraner. Dreizehn S-Kreuzer mit ihren Besatzungen gingen noch verloren, und elf Schiffe verschwanden nach schweren Treffern in Nottransitionen, aber dann war der weite Raum um Esmaladan plötzlich frei von den turmdicken Strahlbahnen, die scheinbar aus dem Nichts kamen.
Der heimtückische Angreifer hatte sich unbemerkt abgesetzt. Colonel Huxley hatte längst Bestandsaufnahme gemacht. Vierzig Schiffe setzte er in Marsch, die nur die Aufgabe hatten, die 31 schwer beschädigten Raumer zu bergen oder wenigstens die überlebenden Besatzungen aufzunehmen. Da kam der erste verzweifelte Funkspruch durch. To-Funk arbeitete wieder, nachdem die Unbekannten verschwunden waren. Werden viw unsichtbaren Schiffen unf^egriffen! »Diese Leichenfledderer! Diese Bestien!« In ohnmächtiger Wut mußte Huxley warten, bis die Standortkoordinaten der angegriffenen Havaristen berechnet waren, ehe er seinen Raumschiffskommandanten konkrete Anweisungen für den Rettungseinsatz geben konnte. Huxley und Bieg stimmten sich in wenigen Sekunden über ToFunk ab. Dann rasten alle noch einsatzbereiten Kreuzer los. Das Raum-Zeit-Kontinuum erzitterte unter den vielen Strukturerschütterungen. Bis auf dreihundert Lichtjahre hinter Esmaladan sprangen die terranischen Schiffe. Unbarmherzig schlugen sie zu, wo sie auf die Unsichtbaren trafen, aber die Vernichtung von sechs weiteren S-Schiffen konnten auch sie nicht mehr verhindern. Dann hatte sich der unheimliche, mörderische Gegner endgültig abgesetzt. Auch die Pyramidenraumcr der Utaren meldeten keine Feindberührung mehr. Über Esmaladan sammelten sich die einzelnen Verbände bis auf die Raumer, die beschädigte S-Schit'fe nach Terra zu schleppen hatten. Die Verluste der Utaren an Mannschaften und Material waren fürchterlich. Die stolze Flotte war auf ein Fünftel ihrer Stärke zusammengeschrumpft, und von den verbliebenen Schiffen waren mehr als zwanzig Prozent stark beschädigt. Intakte Raumhäfen besaß der Planet kaum mehr. Sie glichen umgegrabenen Trümmerfeldern mit Trichtern, die teilweise über hundert Meter tief reichten. Es war ein Wunder, daß der Gegner die Städte verschont hatte. Die Utaren glaubten, dieses Wunder erklären zu können: Die Ankunft der terranischen Schiffe hatte die 32
Unbekannten daran gehindert, ihr blutiges Werk zu beenden.
Die Weisheit bat Huxley, auf ihrem Heimatplaneten zu landen. Nach Rücksprache mit seinen Geschwaderkommandanlen übertrug der Colonel anschließend Marc Bieg für die Zeit seiner Abwesenheit das Oberkommando. Huxley landete mit seinem Ringraumer bei Mom, der Hauptstadt von Esmaladan. Auf den schwer beschädigten Raumhäfen der Stadt war kein Platz, aber A-Grav machte es möglich, seinen SKreuzer auf freiem Feld aufzusetzen. Als er mit seiner Delegation durch Schleuse 2 nach draußen trat, erwartete ihn bereits die Weisheit. Vierundfünfzig Ularen begrüßten ihn. Die Weisheit empfing einen Terraner mit größter Achtung - ein beispielloses Geschehen in der Geschichte dieses humanoiden Volkes, dessen durchschnittliche Größe unter einem Meter lag. Das politische System der Utaren war für Menschen ein fremdartiges Gebilde. Die Kleine Weisheit, die aus acht Utaren bestehen mußte, herrschte über ein genau begrenztes Gebiet, während die Große Weisheit, die achtzehnköpfig war und aus Mitgliedern von achtzehn verschiedenen Kleinen Weisheiten bestand, die Gesamtkontrolle über ein achtzehnlach größeres Gebiet ausüble. Über allem aber stand eine Weisheit: Aus drei Gruppen aus der Großen Weisheit formiert, stellte sie die Regierung dar. Die Mitglieder der Weisheit waren einheitlich gekleidet, schockfarbene Muster an ihrer Kleidung entsprachen Rangabzeichen. Colonel Neep, der sie schon oft aufgesucht hatte, kannte sich darin am besten von allen Terranern aus. Er hatte ein Verzeichnis angelegt, das Auskunft über die meisten Kastenzeichen gab. Aber Colonel Frederic Huxley waren sie vollkommen fremd, die schreiend bunten Farben taten ihm in den Augen weh. Ti Tira trat vor. Mit mehr als einem Meter Größe überragte er alle anderen seines Volkes. Huxley konzentrierte sich vollkommen auf die Worte des utarischen Sprechers. Alle terranischen Ge 33 schwaderkommandanten mußten wenigstens die Grundzüge verschiedener Fremdrassensprachen beherrschen, Colonel Huxley war keine Ausnahme. Ein Translator, der die Verständigung für alle Beteiligten noch einfacher gemacht hätte, stand im Augenblick nicht zur Verfügung. Neben Huxley stand Captain Sybilla Bontempi, die Fremdrassenbeauftragte, die ihm auf seinen letzten Flügen zugeteilt worden war und die er zukünftig auch mit auf seine FO-1 nehmen sollte.
Leise flüsternd half sie dem Colonel weiter, wenn sie bemerkte, daß ihr Vorgesetzter Schwierigkeiten bei der Verständigung hatte. »... Wir verdanken den Terranern unsere Existenz, und wir wissen nicht, wie wir unseren Dank zeigen sollen. Nehmen Sie als Zeichen unserer Beschämung die Worte der Weisheit, in Ihnen unsere Retter zu sehen. Wir haben heute unseren Stolz abgelegt und stehen als Bettler vor dem Vertreter eines Volkes, das wir nicht als gleichberechtigt anerkennen wollten. Wir hoffen, daß Terra unseren Hochmut eines Tages vergessen kann, und wir hoffen weiterhin, daß wir ebenso eines Tages unsere Dankbarkeit unter Beweis stellen können. Darf die Weisheit auch hoffen, daß Terras Schiffe uns noch einmal helfen, wenn die Gefahr aus dem Raum wieder über unserer Welt stehen sollte?« In seiner vokalreichen, angenehm klingenden Sprache hatte Ti Tira, der blauhäutige Utare mit den ausdrucksvollen Knopfaugen, für alle den Kniefall getan. Huxley war diese Szene unangenehm. Er war Raumschiffskommandant und Geschwaderchef, kein Politiker, doch nun blieb ihm nichts anderes übrig, als Terra gut und würdig zu vertreten. Er winkelte den rechten Arm an, tippte mit dem Zeigefinger der ausgestreckten Hand knapp an seinen Kopf und erwiderte, weiterhin gelegentlich unterstützt von der Fremdrassenbeauftragten: »Terra freut sich über jeden ehrlichen Freund, denn ein Freund läßt den anderen nie im Stich. Und um Ihnen zu zeigen, daß den Terranern das Wohl des utarischen Volkes am Herzen liegt, lasse 34 ich, falls Sie dies wünschen und damit einverstanden sind, zu Ihrer Unterstützung einen Verband von einhundertfünfzig Ringraumern auf Esmaladan zurück. Er wird solange hier verbleiben, bis Sie diese Hilfe nicht mehr benötigen. Das ist das mindeste, was ich tun kann, denn ohne die Unterstützung ihrer Kampfeinheiten, die uns den Rücken freigehalten haben, würden wir jetzt nicht hier stehen. Ich danke Ihnen und Ihrem Volk und möchte mich vorerst von der Weisheit und allen Utaren verabschieden.« Das Angebot Huxleys, Unterstützung bei den Aufräumarbeiten zu leisten, wurde gerne angenommen. Der Colonel hatte es bewußt vermieden, von Schutz, zu reden. Auf diese Weise konnten die Utaren wenigstens teilweise ihr Gesicht bewahren.
Noch einmal grüßte er sie nach terranischer Sitte, dann machte er kehrt und ging zusammen mit seiner Abordnung über die Rampe ins Schiff zurück. Die Schleuse schloß sich hinter ihm. A-Grav hob den Ringraumer an. Langsam stieg das Schiff höher, erreichte die Wolkendecke und verschwand darin. Als Prederic Huxley die Kommandozentrale betrat, wurde gerade Sie eingeschaltet. Die Flächenprojektoren emittierten Energien zum Brennkreis, und der Ringraumer wurde mit wachsender Beschleunigung dem freien Raum entgegengestoßen. Der Himmel nahm rasch ein anderes Aussehen an, wechselte über Blau zu Schwarz, und mit einem Mal hörte das Funkeln der nahen und fernen Sonnen auf. Jetzt waren sie nur noch als kalte, scharf begrenzte Punkte zu sehen. In diesem Augenblick befand sich der S-Kreuzer schon mehr als 150 Kilometer über Esmaladan. Sie ging auf maximale Leistung. Der Suprasensor legte den Kurs fest und berechnete die Sprungdaten. Über To-Funk meldete sich die Erde. Cent Field fragte an, wann mit der Rückkehr des Schiffes zu rechnen sei. Colonel Huxley warf einen kurzen Blick auf sein Chrono, dann drehte er sieh um und sagte zum Funkoffizier, der sich zufällig im Leitstand aufhielt: »Melden Sie dem Stab, daß wir um 14 Uhr 35 Normzeit landen. Ich stehe danach sofort für eine Lagebesprechung zur Verfügung. Informieren Sie bitte ebenfalls die Geschwaderkommandanlen. Danke.« Die X-Zeit für den Sprung lief. Huxley hatte ein wenig Zeit, um nachzudenken. An die Utaren dachte er im Augenblick kaum, wohl aber an die mörderischen Unsichtbaren. Sie würden wiederkommen, mit stärkerer Macht als bisher, und sie würden versuchen, Terra ebenso zu vernichten wie Esmaladan. Warum nur? Darauf gab es noch keine Antwort. Und woher kamen Sie? Warum waren sie so bösartig, so unmenschlich in ihrem Handeln? Waren sie es von Natur aus, oder waren sie durch ein unvergeßliches Geschehen so verändert worden? Warum machten sie kein einziges Mal den Versuch, sich auf friedlichem Weg mit einer anderen intelligenten Rasse in Verbindung zu setzen?
Dann kam die Transition, und am Rande des Sol-Systems, kurz vor der Plutobahn, rematerialisierten Huxleys Schiff und der Rest seines Geschwaders. Sie passierten die äußeren Planeten und die ersten Ast-Stationen mit 0,5 Licht. Schon bald stand Terra als blaue Kugel im nachtschwarzen Raum. Einzelne Kontinente waren schemenhaft zu erkennen, Wolkendecken machten eine Direktsicht vorerst unmöglich. Vom Raum betrachtet, sah Terra wunderbar aus - eine Sternenkugel, die Sehnsucht auslöste. Und Colonel Frederic Huxley freute sich jedesmal erneut, die Erde wiederzusehen! Commander Ren Dhark war aus Europa zurückgekommen und immer noch stark von dem beeindruckt, was man ihm und der noch vor Ort gehliebenen Expertengruppe gezeigt hatte. In einem großen Werk in Mitteleuropa waren Industriemanagem und Militärs die Prototypen eines Roboters vorgeführt worden, der den härtesten Anforderungen gerecht wurde. Die Vorgaben waren exakt umgesetzt worden. Knapp 2,15 Meter groß war die konusförmige Maschine, mit rundumlaufenden Optiken und variablen Extremitäten. Die für die TF vorgesehenen Kampfroboter sollten zusätzlich mit einem energetischen Schutzschirm ausgestattet werden. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen hatten die Konstrukteure auf Beine verzichtet - dieses Modell bewegte sich 30 Zentimeter über dem Boden schwebend per A-Grav und auf Prallfeldem fort! Das Grundkonzept ließ einen Einsatz in allen Bereichen zu. Dharks Interesse galt aber besonders zukünftigen Einsatzmöglichkeiten bei der TF - denn die hatte einen extremen Mangel an ausgebildeten Raumerbesatzungen! Ein erstes Kontingent von rund 4.000 Robotern sollte der TF und verschiedenen Industriewerken in den nächsten Tagen für Testzwecke zur Verfügung gestellt werden. Endlich schienen die Schwierigkeiten beim Entwurf eines universellen Robotermodells überwunden zu sein. Die ersten Ansätze stammten noch aus der Zeit vor der Giant-Invasion, waren aber immer wieder gescheitert. Trotz der hohen technischen Standards in fast allen Bereichen war Terra auf diesem Gebiet bislang Entwicklungsland! Die Industrie, die in den letzten Monaten über ihre Lobbyisten von der Neuentwicklung erfahren hatte, forderte Lizenzrechte. Aber in diesem Fall dachte die Regierung nicht daran, sie zu ver-
geben, sondern behielt ihre chronisch leeren Kassen im Auge. Die Roboter sollten in staatseigenen Werken vom Band laufen und mit ihren Verkaufserlösen der öffentlichen Hand neue Einnahmequellen erschließen. Ich bin gespannt, was Bulton und Trawisheims Finanzminisler W dieser Entwicklung sagen. Der eine hat dann endlich genügend Besatzungen, und der andere spart viel Geld. Dhark lehnte sich 36 37 entspannt in die Pneumopolster zurück und ließ seinen weiteren Gedanken freien Lauf. Schon seit Tagen ging ihm der »Goldene Mensch« nicht mehr aus dem Kopf. Auf dem Planeten Mirac im Spiralarm IVa war man ihm zum erstenmal begegnet. Eine gewaltige Plastik, die im Goldton schimmerte, aber ohne Kopf und Arme. In einiger Entfernung hatte ein zerstörter Ringraumer gelegen. Dann hatten vier Cyborgs bei den Barrans ein Standbild des Goldenen Menschen erblickt, und zum Schluß, unter einem Wasserfall, die dritte Ausfertigung. Nummer zwei und drei besaßen an Stelle des Gesichtes eine leicht gewölbte, aber ausdruckslose Fläche, während der übrige Körper so erstklassig herausgearbeitet war, wie man es von den wunderbaren Kunstwerken der Antike her kannte. Der Goldene Mensch ohne Gesicht! Wen stellte er dar? Einen Mysterious oder einen Grako oder wen? Dhark war unzufrieden. Mit seiner Jagd auf die Mysterious hatte er nicht viel erreicht. Auf viele Spuren waren sie gestoßen, aber die Geheimnisvollen hatten nichts hinterlassen, über das man auf ihr Aussehen schließen könnte. Einmal hatte er von den Mysterious geträumt, und noch heute schüttelte er sich, wenn er an diesen Traum dachte und daran, was er ihm vorgegaukelt hatte. So durften sie einfach nicht aussehen! Aber warum hatten sie alles getan, um sich vor der Nachwelt zu verstecken? Warum gab es nirgendwo das Abbild eines Geheimnisvollen und nirgendwo einen Hinweis auf ihre Lebensgestaltung? Hatten sie wirklich oben auf dem Kopf ein drittes Auge? Die Anordnung der Bildgeber in den Flash schien ein schlüssiger Beweis für diese Behauptung zu sein.
Aber nicht einmal auf Erron-3 hatte Ren erfahren, wie die My 38 sterious wirklich ausgesehen hatten. Erron-3 im blaßblauen Universum, aus dem so schwer herauszukommen war. Dharks Gedanken wurden abgelenkt. Der Interkontinentaljett setzte über Cent Field zur Landung an. Es wäre einfacher gewesen, einen Transmitter nach Europa zu benutzen, aber dann wäre aus diesem Besuch wieder eine Hetzjagd geworden. Plötzlich merkte er auf. Eine junge Frau sah ihn unauffällig an. Sie saß drei Schritte neben ihm und gab sich den Anschein zu lesen. Und nun, da er sie ansah, las sie tatsächlich. Eine dunkelblonde Frau mit herbem Gesichtsausdruck. Ihre Wimpern und Augenbrauen waren natürlich, und der Glanz ihrer grünen Augen nicht durch Tropfen gesteigert. Sie trug leichtes Make-up, das ihr schmales Gesicht betonte. Ihre schlanken Hände waren ohne Schmuck; naturfarben der Fingerlack, aber der Hosenanzug ein teures Designerstück. Tausend Galax reichten nicht aus, um diesen Anzug zu erwerben. Im linken Ohrläppchen trug sie eine kleine Perle; im rechten nichts. Sie las, und nun hob sie ihre Augenlider, und ihr Blick verweilte auf dem Commander. Die junge Frau lächelte ihm ein paar Augenblicke lang freundlich zu, dann widmete sie sich wieder ihrer Lektüre. In diesem Moment setzte der Interkontinentaljett auf. Rings um den Commander erhoben sich fünf unauffällig gekleidete Männer. Seine Leibwache, auf der die Regierung bestand, wenn er seine P01NT OF nicht benutzte. Er bedauerte die Landung. Sie trennte ihn von der schönen Unbekannten, deren Gesicht leicht slawische Züge aufwies. Vor ihm verließ sie die Kabine, und vor ihm ging sie über die Rampe auf den Gleiter zu, der die Passagiere zum Empfangsgebäude bringen sollte. Dhark konnte kaum den Blick von der Frau wenden. Fasziniert betrachtete er ihre Bewegungen, die scheinbar endlosen Beine und den verlockenden Schwung der Hüften. Die leicht durchsichtige 39 Bluse offenbarte mehr als sie verbarg. Alles an dieser Frau zog Dhark magnetisch an. ließ ihn für einen kurzen Augenblick vergessen, wo er war und was er eigentlich vorhatte.
Die Dunkelblonde stieg in den Gleiter, drehte sich noch einmal kurz um und warf einen Blick zu Ren Dhark hinüber. Erneut lächelte sie freundlich, nickte ihm zu. Dhark war von ihrem offensichtlichen Interesse an ihm überrascht. Stellen Sie fest, wer diese Frau ist! wollte er einem seiner Leibwächter sagen, aber dann beschloß er, sich selbst darum zu küm mern. Er ging nach links, wo sein Spezialjett stand, und stieg in die Maschine ein. Zwei verschiedene Fluggeräte starteten in zwei verschiedene Richtungen. Zehn Minuten später gaben die größten TV-Stationen bekannt, daß der Commander einen ganz gewöhnlichen Intel konlinenlaljett benutzt hatte, um in Europa den Prototypen eines Roboters zu besichtigen. Eine junge, dunkelblonde Frau saß im Kasino des Flughafens und malte sich in ihrer Phantasie aus, wie denn wohl ein Treffen mit Ren Dhark verlaufen würde. Sie halte bemerkt, daß er offensichtlich an ihr interessiert war - und sie hatte dem Commander zu verstehen gegeben, daß sie seinerseits starkes Interesse an ihm hatte. Die Blicke zwischen ihnen beiden hatten eine mehr als deutliche Sprache gesprochen! Sie lächelte und trank genüßlich ihren Mokka. Ich wette, er wird sich bei mir melden. Es dürfte ihm keine Schwierigkeiten bereiten, mich ausfindig w machen. Mal sehen, was daraus wird! Und in ihren Gedanken spielte sich das erste Treffen zwischen ihnen schon in allen Einzelheiten ab! Manu Tschobe hatte Dharks Bitte, die Verträglichkeit der Mentcaps bei einem Masseneinsatz zu überprüfen, entsprochen. Auf sein Anraten hin würde Henner Trawisheim die Schulung mittels 40 Mentcaps anordnen. Der Afrikaner hatte es aber langsam satt, über Transmitter von einem Planeten zum anderen zu jagen und überall nur zu improvisieren. Transmiller-Straßen, Dockyard, Brana-Tal. Er war kein Expeditionsleiter und auch niemand, der mit leichter Hand den notwendigerweise stürmischen Aufbau der neuen Ressorts leiten konnte. Experlen, Meisler ihres Arbeitsgebietes, halten die Entwicklung in die Hand zu nehmen und zu lenken. Der Afrikaner mit dem fliehenden Kinn, der sich so schwer tat, seinem Gegenüber bei einem Gespräch in die Augen zu blicken, fühlte sich überfordert. Er war Arzt und Hyperfunkspezialist. Er hatte entdeckt, daß die Giants nichts anderes als Roboter waren. Tschobe
wollte endlich wieder einmal auf seinen Fachgebieten arbeiten. Alles andere überstieg seine Belastungsgrenze. Darum suchte er die P01NT OF auf. Er gehörte zu ihrer Besatzung. Offiziell war er der Chef der Medo-Slalion, aber in der letzten Zeit konnte man ihn nur noch selten hier antreffen. Es wurde rein Schiff gemacht. Mit den modernsten Methoden desinfizierte man das Flaggschiff der TF. Man arbeitete mit Hochdruck- und Vakuumverfahren. Auf Deck 3 traf Tschobe nur Techniker und Ingenieure an. Die Anlagen der P01NT OF wurden überprüft. Das Schott zum Raum T-765 stand offen. Als er daran vorbeiging, warf er einen Blick hinein. Wie angewurzelt blieb er stehen. Was war denn hier passiert? Wieso konnte Unitall schmelzen? Als er eintrat, erkannte er in dem Mann, der ihm den Rücken zukehrte, Arc Doorn. Er studierte diesen geschmolzenen Haufen Metall. Doorn hörte die Schritte und drehte sich um. »Ach, Sie, Tschobe...« Dann erfuhr der Afrikaner, welches Aggregat hier einmal gestanden hatte. Er empfand kein Bedauern darüber, daß es nun unmöglich war, mit der P01NT OF noch einmal eine Zeitverschiebung vorzunehmen. Dieses Verfahren war ihm von Anfang an un 41
heimlich gewesen.
»Hier ist nichts mehr zu erkennen. Schade!« Der Sibirier richtete sich auf. »Bleiben Sie nun wieder an Bord, Tschobe?« »Ich hoffe es. Leider war Dhark nicht da, als ich ihn sprechen wollte. Übrigens, Doorn, haben Sie auch den Eindruck, daß er sich auffallend verändert hat?« Der Mann mit dem grobporigen Gesicht nickte. »Aber ich kann's verstehen. Na...« Er winkte nur ab. »Und?« drängte Tschobe, dem aufgefallen war, daß Dhark sich in letzter Zeit wesentlich aggressiver und herrischer als sonst aufführte. Auch die bisherige Ungezwungenheit des Commanders war verschwunden. Meistens wirkte er ernst und verschlossen. »Nichts, Manu. Ich darf nicht darüber sprechen. Schade, denn bisher sind wir ohne Geheimniskrämerei ausgekommen. Das scheint jetzt leider zu Ende zu sein. Doch eine andere Frage: Haben Sie tatsächlich den Dicken mit seinem Miststück abgeschrieben und die anderen dazu?« Er sprach von den vermißten Männern, die zusammen mit den Giants verschwunden waren.
»Nein, auch wenn dies von verschiedenen Stellen gemutmaßt wird. Aber wenn sie sich nicht bald melden, habe ich keine Hoffnung mehr, Doorn. Wir haben sie gesucht wie Stecknadeln im Heuhaufen... leider vergeblich.« »Vielleicht nur am falschen Platz. Sind alle Transmilter-Straßen bekannt?« Der Afrikaner stieß ein bitteres Lachen aus. »Bekannt? Wie stellen Sie sich das denn vor? In der kurzen Zeit? Wir kennen nicht einmal ein Zehntel der Straßen. Wir wissen bis heute nur, daß man vom Überwachungsraum aus die Hauptverbindungen kontrollieren kann. Die Nebenwege aber sind nirgendwo verzeichnet. Das macht ja die Erkundung der Transmitterwege so außerordentlich schwer.« »Und wenn Shanton und die anderen über solch eine Straße verschwunden sind und nun keine Möglichkeit zur Rückkehr haben, 42 weil irgendein Idiot die Gegenstation blockiert hat? Müßte man in diesem Fall nicht noch einmal etwas tun, Tschobe?« »Zeigen Sie mir einen Weg, Doorn, und ich bin mit von der Partie. Glauben Sie mir doch, daß wir alles Erdenkliche getan haben. Wir wissen nicht mehr weiter. Das Transmitterproblem ist eines der kompliziertesten und schwierigsten. Wissen wir denn eigentlich schon, wie viele Transmitteranlagen es allein auf der POINTOFgibt?« Tschobes Vorhaben, sich nur noch um seine eigentlichen Fachgebiete zu kümmern, war vergessen. Der Dicke und sein Spielzeug fehlten ihm - und wenn er helfen konnte...! Doorns Vipho meldete sich. Er nahm das Gerät hoch. Bultons Gesicht erschien auf der kleinen Bildscheibe. »In drei Stunden muß die POINT OF startklar sein. Doorn, der Commander sitzt hier bei mir und läßt Sie bitten, sofort alles Notwendige zu veranlassen. Er weiß, daß dies in der Kürze der Zeit sehr schwer wird, aber er vertraut auf Sie. Riker ist bereits unterwegs. Wir haben gerade einen Funkspruch des Forschungsraumers FO IX von Major Benk aufgefangen, der von Raumschiffen der Schwarzen Weißen angegriffen wurde. Entfernung von Terra rund 39.000 Lichtjahre. Benk konnte zwar erst einmal fliehen und uns anfunken, aber mittlerweile ist die Verbindung zur FO IX abgerissen. Wir müssen leider einen Totalverlust vermuten. Ende!« Arc Doorn verzog sein Gesicht. Er dachte an seine Frau Doris, und daß vielleicht auch sie eines Tages eine Meldung über einen Totalverlust erhalten würde - über einen Totalverlust, der ihn, ihren Mann, betreffen würde! »Drei Tage Liegezeit. Unwahrschein-
lich lange, und jetzt geht's schon wieder los...« Die Stimme des wortkargen Sibiriers klang bitter. Drei Flash der POINT OF flogen wieder ins Depot ein. Dhark stieg aus, öffnete den Klarsichthelm und ging zum Leit 43 stand zurück. Dan Riker hatte schon die Startvorbereitungen eingeleitet, er behielt weiterhin die Führung des Raumers. Über die Vorkommnisse am Zielort war er auch schon informiert. »Dan, wir fliegen den Planeten an, auf dem Benk eine zerstörte Stadt entdeckt halte.« Dhark nickte. Riker startete den 180 Meter durchmessenden Ringraumer mit A-Grav. Die Zielkoordinaten waren dank der Meldung von der FO IX bekannt und ins Bordgehirn eingespielt. Anja Riker, geborene Field, saß in einem Sessel vor dem Rechner und nahm die letzten Überprüfungen vor. Die junge Frau machte einen entspannten Eindruck, ebenso wie ihr Mann. Dhark beneidete die beiden um ihr Glück. Gleichzeitig erschien vor seinem geistigen Auge das Bild einer jungen, dunkelblonden Frau, die eine ungeheure Faszination auf ihn ausgeübt hatte. Der Checkmaster steuerte das Schiff und leitete kurz hinter der Venusbahn die erste Transition über 20.000 Lichtjahre ein. Riker wollte die Strecke nicht in einem einzigen Sprung hinter sich bringen. Eine kurze Orientierungsphase schien ihm angebracht, lag das Ziel doch in einem bislang relativ unerforschten Bereich der Milchstraße. Der Sprung über die restlichen 18.560 Lichtjahre erfolgte, das unbekannte System mit der GO-Sonne tauchte auf. Dann stand die POINT OF über dem Planeten. Vor achtunddreißig Stunden Normzeit hatte sich noch der Forschungsraumer FO IX über dieser Welt bewegt. Die von dem Forschungsraumer übermittellen Daten lagen in Wort und Bild vor. R-Strahlung war auch jetzt noch festzustellen, aber sie war so schwach, daß sie selbst in ihrem Entstehungsstadium keine Gefahr dargestellt hatte. Langsam tastete sich das Schiff seinem Ziel näher. Dann schwebte die POINT OF in 8.500 Metern Höhe über der noch immer brennenden Stadt. Ren Dhark ging in der Zentrale unruhig hin und her. Vor dem Start hatte er sich über Major Hussain Benk informiert. Der Offizier war ihm als ein außergewöhnlich vorsichtiger, aber auch als
außergewöhnlich befähigter Forschungskommandant geschildert worden. »Commander, er kann nur in eine raffiniert getarnte Falle geraten sein«, halte man ihm im Stab der TF gesagt. »Anders ist der Untergang des Schiffes nicht zu erklären.« Wie sah diese Falle wohl aus...? fragte sich Dhark, als er sich der beiden kleinen Asteroiden erinnerte, denen sie beim Anflug auf den Planeten keinerlei Achtung geschenkt hatten, weil nur Materie- und Massenortung auf sie angesprochen hatten. »Grappa!« Der zuckte nicht einmal zusammen. Seit der Commander ruhelos durch die Zentrale ging, war er auf alles Mögliche vorbereitet. »Tasten Sie noch einmal beide Asteroiden ab!« Über die Gedankensteuerung schaltete er die Wiedergabe der Bildkugel um. Das gesamte Sonnensystem tauchte darin auf, auch die Position der POINT OF. »Dan, wir gehen noch einmal in den Raum!« Er gab keinen Kommentar zu seinem Befehl. Riker kannte seinen Freund und führte wortlos aus. Die POINT OF stieß wieder in den Raum vor, die Planetenkugel schien unter ihr wegzufallen, wurde rasend schnell kleiner. Wie ein hungriger Geier hockte Grappa hinter seinen Ortungsanlagen. Erst in 11.600 Kilometern Höhe konnte er beide Asteroiden direkt erfassen. Der auf der niedrigen Bahn hatte einen Durchmesser von 1,6 Kilometern und bewegte sich in einem Abstand von 23.000 Kilometern sehr nah um den Planeten. Der zweite stand in 118.000 Kilometern Höhe und hatte einen Durchmesser von 3,01 Kilometern. Auf den ersten hielt die POINT OF zu. Alle verfügbaren Antennen waren auf den scheinbar toten Stein gerichtet. »Nichts«, meldete Grappa lakonisch. »Die Materieortung zeigt nur Gestein und geringe Spuren von Metall. Und die Energieor 44
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tung schweigt sich aus.«
Dhark überzeugte sich selbst, warf der Bildkugel wieder einen Blick zu, betrachtete den formlosen Gesteinsbrocken, erkundigte sich noch einmal nach der Distanz und meinte dann: »Bud, juckt es Sie nicht auch in den Fingern, mal einige Schießübungen zu machen?«
Ein breites Lachen erschien auf Bud Cliftons Gesicht, das so harmlos wie das eines Kindes aussah. »Eigentlich ja, Dhark. Dann bleibt von dem Asteroiden aber nichts übrig!« Gleichzeitig betätigte er lässig die Feuerknöpfe. Drei überlichtschnelle Nadelstrahlen standen plötzlich im Raum und prallten mit aller Kraft gegen das tote Gestein, das unter diesem Beschuß sofort in Energie umgewandelt wurde. Clifton setzte die Waffenenergie nur sparsam ein. Tino Grappa riß es vor Überraschung fast aus seinem Sitz, in den er sich bequem hatte zurücksinken lassen. »Energieortung! Großer Himmel, wenn das keine Raumschiffe sind!« Dhark sah ihn nur an. Er handelte nicht. Er griff in den Ablauf der Dinge nicht ein. Wenn Grappas Behauptung stimmte, so räucherten sie jetzt die Falle aus, die der FO IX zum Verhängnis geworden war. »Es müssen zwei oder drei Raumschiffe sein!« Alle in der Zentrale hörten es. Einige wunderten sich über den Commander, der doch sonst jeden Vemichtungsangriff so weit wie eben möglich vermied. Nach wie vor wandelten drei hochenergetische Nadelstrahlen das tote Gestein des Asteroiden um. Grelle Fontänen geschmolzenen Gesteins stoben nach allen Seiten. Die feurige Lohe wurde immer heller, und immer tiefer fraßen sich die Energien in den Brocken. »Sie starten!« Keine Reaktion von Dhark. Walt Bruggs Stimme klang aus der Funk-Z: »Vom Asteroiden ist gerade ein Hyperfunkspruch abge 46 gangen.« Ren Dhark hörte sich alles an. Und Bud Clifton sah keinen Grund, den Beschuß einzustellen. Mit höchster Konzentration beobachtete er die vollautomatische Zielsteuerung. Da jagte ein Schatten in den Raum! Dicht dahinter ein zweiter und ein dritter. Die Nadelstrahlen waren schneller. Die POINT OF feuerte plötzlich nicht mehr aus drei Antennen, sondern aus neun! Je zwei Strahlbahnen wurden durch einen Doppelkugelraumer aufgehalten! Schiffe, die ihre Prallschirme noch nicht erstellt hatten! Schiffe der Schwarzen Weißen, die den Nadelstrahlen nichts entgegensetzen konnten!
Drei Volltreffer innerhalb einer Sekunde schössen drei Schiffe kampfunfähig. Dann standen nur noch die drei Nadelbahnen, die einen Asteroiden in eine ionisierte Gaswolke verwandelten. In der Zentrale sagte Ren Dhark leise: »Gut gemacht, Clifton.« Wieder erklang Walt Bruggs Stimme: »Eines der Schiffe sendet mit stärkster Leistung. Ununterbrochen geht derselbe Spruch hinaus.« Dhark stand vor den Sprechrillen der Bordverständigung. »Clifton, wir fliegen jetzt die drei Schiffe an. Wagt auch nur eines einen Angriff, dann gehen Sie mit allen Mitteln dagegen vor, aber nur gegen den Raumer, der seine Waffensysteme hochfährt! Verstanden?« »Verstanden!« Für Riker galt das ebenfalls. Die POINT OF ging auf neuen Kurs. Sie folgte den drei Doppelkugelraumem, die scheinbar nicht mehr in der Lage waren, ihre Geschwindigkeit zu erhöhen. Innerhalb weniger Minuten war das Flaggschiff bis auf einige tausend Meter heran. Die Flashpiloten warteten auf ihren Einsatz und saßen schon startklar in den Blitzen. 47 »Einfliegen!« Es ging zu wie bei einem Manöver. »Wir haben Ihnen den Schneid abgekauft!« behauptete Dan, der die Bildkugel nicht aus den Augen ließ und die sechs Flash verfolgte, die paarweise ihr Ziel anflogen. »Hoffentlich«, murmelte Ren Dliark, dem es leid tat, daß er den Einsatz der Flash nicht selbst mitflog. Da blitzte es grell beim mittleren der Tel-Schiffe auf. Zwei Flash wurden in auseinanderspritzenden, in sämtlichen Farben leuchtenden Energiekaskaden gebadet. Kurz verschwanden die Miniraumschiffe von den Schirmen, bis sie dann wieder zu orten waren — vollkommen unbeschädigt! Clifton schoß aus zwölf Antennen auf den Doppelkugelriesen, der versucht hatte, die zwei kleinen Beiboote zu vernichten. Das Schiff der Schwarzen Weißen hielt dem Beschüß nicht stand. In einer gewaltigen Stichflamme, die kilometerweit in den Raum schoß, flog der Tel-Raumer auseinander. Für Sekunden zeigte die Bildkugel aufgerissene Decks und Schwarze Weiße, die in den freien Raum hinauswirbelten, dann brach an vielen Stellen der en-
ergetische Umwandlungsprozeß aus, der den riesengroßen Trümmern den Rest gab. »Die beiden angegriffenen Flash schließen sich den anderen Gruppen an!« Grappa hatte die Kleinstraumer durch den Energieaushruch kurz aus der Ortung verloren, jetzt konnte er ihren Flug wieder verfolgen. Dann waren die Flash in die stark beschädigten Raumer der Tel eingeflogen, und in der Kommandozentrale begann das lange Warten. Wonzeff meldete sich zuerst. »Ich komme mit dem Kommandanten zurück. Er hat endlich begriffen, was ich von ihm verlange. Kartek und Dressler halten die Stellung, bis ich wieder zurück bin. Ende.« Die 004 jagte zur POINT OF. Im Depot nahmen zwei Sergeanten » den Tel in Empfang. Sie durchsuchten seine Uniform nach Waffen und deuteten dann durch Handbewegung an, daß er vorausgehen solle. In der Kommandozentrale war der ratekische Translator inzwischen fest installiert worden. Der Singu der Rateken halte ihn als unfreiwilliges Geschenk auf der Erde zurückgelassen, als die Terraner ihn mehr oder weniger höflich wieder aus ihrem System hinauskomplimentiert hatten. Im Moment, als der Tel die Zentrale betrat, meldete sich Doraner vom anderen Doppelkugelraumer. Auch er kam mit dem Kommandanten des Schiffes zurück. Auch auf diesem Raumer hielten zwei weitere Flashpiloten die Stellung. Rui Warren und Vultejus hatten mit Strich-Punkt gearbeitet und diese humane Waffe ziemlich rigoros eingesetzt. Nur bei den Robotern hatten sie mit Betäubungsstrahlen logischerweise keinen Erfolg erzielt und deshalb Dust verwendet. Dieser lichtschnelle, olivgrüne Strahl löste alles Nichtorganische auf, hinterließ nichts als einen Haufen Staub. Beide Piloten dachten nicht daran, ihre Blitze zu verlassen, obwohl sich in der Zentrale des Riesenschiffes nichts mehr rührte. Sie hielten Wache, und sie waren bereit, ihren Auftrag in letzter Konsequenz auszuführen, wenn der Commander das anordnete. Wir müssen damit rechnen, daß die Schiffe um Hilfe gefunkt haben. Für den Fall, daß neue Einheiten der Tel auftauchen, sind die Kommandowntralen der beiden Doppelkugelraumer so w zerstören, daß man mit den Schiffen nichts mehr anfangen kann. Der Tel-Kommandant trat Dhark furchtlos gegenüber. Dem ratekischen Translator schenkte er keinen Blick.
»Sie werden Ihre Aggression noch bereuen!« hatte er die Stirn zu sagen. »Vielleicht. Allerdings scheint Ihnen nicht bekannt zu sein, daß ich der Kommandant jenes Schiffes bin, das von einigen hundert Räumern Ihrer Flotte vernichtet werden sollte.« Der Translator übersetzte schnell und gut. Er fand sich immer 48 49 besser in die Sprache der Tel hinein. Der Schwarze Weiße zuckte mit keiner Wimper. Die Worte Dharks hatten auf ihn keinen Eindruck gemacht. Oder wußte er nichts von der Vernichtung der Tel-Schiffe? Zwei starke Persönlichkeiten standen sich gegenüber. »Kennen Sie Wer Dro Cimc?« Zum ersten Mal zeigte der Schwarze Weiße Reaktion - menschliches Erstaunen. »Wer Dro...?« »Projektion!« ordnete Dhark an. Freischwebend in der Zentrale entstand die dreidimensionale Wiedergabe eines Filmes mit Wer Dro Cimc. Das auf der POINT OF typische blaue Licht der Mysterious wurde automalisch leicht abgeblendet. Der Schwarze Weiße betrachtete fasziniert das Holo, von dessen Existenz Dro Cimc nichts wußte. Dhark beobachtete den Tel. Seine Reaktionen zu studieren, war ihm wichtiger als den Film zu betrachten, den er auch noch nicht gesehen hatte. Er zeigte Wer Dro Cimc aufTerra, kurz nach seiner Ankunft im Stab der TF. »Cimc - Wer Cimc!« Der Film war zu Ende, und der telsche Kommandant sah Dhark fragend, beinahe furchtsam an. Diese starke Reaktion hatte der Commander nicht erwartet. Zugleich bewies sie ihm aber auch, daß Dro Cimc eine bedeutend wichtigere Persönlichkeit unter den Tel sein mußte, als er bisher selbst zugegeben hatte. »Kennen Sie Kewir Dfasi? Kennen Sie den Vankko, der verschwunden ist?« Mit der letzten Frage hatte er geblufft, aber um diesen Bluff noch zu untermauern, fügte er hinzu: »Der mit der ZGUTH verschwunden ist?« Dharks Fragen hatten die Wirkung eines zermürbenden Kreuzverhörs. Die Selbstsicherheit des Tel war nicht mehr vorhanden. Voller Entsetzen sah er den Fremden an, der ihm bekannte Namen aus seinem Reich genannt halte. Das Schott öffnete sich, und der zweite telsche Kommandant
50 wurde hereingeführt. »Sie können sich ungestört in Ihrer Sprache unterhalten«, stellte ihnen Dhark frei; der Translator wurde auf sein Zeichen hin abgeschaltet. Der Commander ließ die beiden telschen Raumschiffkommandanten für kurze Zeit unbeobachtet, ging zu Tino Grappa, dem jungen Ortungsspezialisten aus Mailand, und flüsterte mit ihm. »Es sieht so aus, als hätten die Sehwarzen Weißen keinen Schiffsverband in der Nähe stehen«, faßte Grappa seine Erkenntnisse zusammen. »Zumindest kann ich keinen orten!« Die beiden Kommandanten der Tel-Raumer verzichteten darauf, miteinander zu sprechen, obwohl sie mitbekommen hatten, daß der Translator ausgeschaltet war. »Wer von Ihnen hat um Hilfe gefunkt?« Leon Bebir, der zweite Offizier der POINT OF, hatte den Translator wieder aktiviert, und Dhark wiederholte die Frage dreimal. Dreimal wartete er vergeblich auf eine Antwort. Eisiges Schweigen schlug dem Kommandanten des Ringraumers entgegen. »Ist Ihnen bekannt, daß wir das Ree an Bord hatten?« Kaum hatte der Translator übersetzt, als der Kommandant, der zuletzt in die Zentrale geführt worden war, erregt fragte: »Woher kennen Sie das Ree?« »Woher kenne ich Wer Dro Cimc? Den Vankko? Den Kewir Dfasi? Die ZGUTH?« »Dann sind Sie dieser Emporkömmling, dessen Schiff nicht zu vernichten ist?« Dhark amüsierte sich über den Ausdruck. Er schmunzelte sogar, als er antwortete: »Ja, ich bin dieser sogenannte Emporkömmling, und Sie befinden sich auf dem Schiff dieses Emporkömmlings, das nicht einmal durch das Ree zu vernichten war. Wir hatten es im Raumer, aber es ist nicht mehr an Bord. Aber es wird sich wahrscheinlich immer noch an Bord der ZGUTH befinden, wohin ich es brachte.« »Und darauf sind Sie stolz, ja?« Der Tel, der zuerst die POINT 51
OF betreten hatte, fragte mit starkem Hohn in der Stimme. »Nun,
erfreuen Sie sich an Ihrem Stolz. Ich frage mich nur, wie lange Sie
dazu noch Gelegenheit haben.«
Der Tel ging davon aus, daß er nicht mehr lange auf Dharks Demütigung warten mußte.
Der Flotlenverband, den die drei angeschossenen Schiffe mit dem Notspruch gerufen hatten, war ins System eingebrochen. »Brugg, Spruch absetzen!« rief Dhark durch die Verständigung zur Funk-Z. »Spruch läuft!« Vierundzwanzig heranjagende Doppelkugelraumer empfingen zur gleichen Zeit eine fremde Sendung in ihrer Sprache. Wollen Sie es wirktich wagen, mein Schiff anzugreifen, wie es der Vankko und Wer Dro Cimc gewagt haben? Sollen Ihre Schiffe ebenfalls das Schicksal der ZGUTH erleiden, die vom eigenen Ree verseucht wurde? Das fragt Sie der Kommandant des Ringraumers, den selbst die Flotte der Tel nicht vernichten konnte. Ein zweiter Spruch war schon vorbereitet, aber zuerst wollte man abwarten, ob dieser grandiose Bluff bei den Tel eine Reaktion hervorrief. Der Dauert'unkspruch, der mit gleichbleibendem Wortlaut nun schon zum zehnten Mal abgestrahlt wurde, schien keine Wirkung zu haben, denn die vierundzwanzig Doppelkugelraumer jagten mit gleichbleibender Geschwindigkeit ins System hinein. Ihr Ziel war unverkennbar der Sektor, in dem sich die beiden halbzerstörten Raumer und die POINT OF befanden. Wieder meldete sich Brugg aus der Funkzentrale. »Toller Verkehr auf den Hyperfrequenzen. Jeder scheint mit jedem zu sprechen. Die Sender befinden sich einwandfrei auf den anfliegenden Raumern.« Also zeigte der Funkspruch doch Wirkung? Blicke flogen in der Zentrale hin und her. Niemand hatte an einen Erfolg geglaubt. Auch Riker hatte Dhark abgeraten, diesen ; Bluff zu versuchen, doch der Commander hatte darauf bestanden, ' das Experiment zu wagen. »In ihrer Mentalität unterscheiden sich die Schwarzen Weißen nicht sonderlich von uns Terranern!« halte er ihnen entgegengehalten, und nun schien es, als ob er recht behalten würde. »Dhark, sie bremsen ab! Sie bremsen tatsächlich ab!« Begeisterung klang aus Grappas Stimme. »Dhark, Sie hatten mal wieder den richtigen Riecher!« Auf jedem anderen Raumer der TF wäre jetzt ein scharfer Rüffel die Folge dieser verbalen Entgleisung gewesen - nicht so an Bord des Flaggschiffes von Ren Dhark. Der Commander nahm den Satz so auf, wie er gemeint war - als Kompliment! »Zweiter Spruch 'raus, Brugg!« Wir werden auf einen Angriff verzichten, wenn Ihre Schiffe binnen einer Zeileinheit dieses System wieder verlassen. Wir ver-
pflichten uns, die Besatzungen ihrer beiden beschädigten Schiffe auf dem Planeten abzusetzen. Weiterhin verpflichten wir uns, Sie auf demselben Weg wie diesem w benachrichtigen, daß Sie die Besatzung abholen können, sobald wir das System verlassen haben. Wir erwarten umgehend ihre Entscheidung, andernfalls gehen wir wm Angriff über. Gezeichnet: Der Kommandant des Ringraumers, den selbst die Flotte der Tel nicht vernichten konnte Die beiden telschen Kommandanten ahnten nicht, was sich zur Zeit abspielte. Sie sahen nur ihren Flottenverband in der Bildkugel, der plötzlich abgebremst hatte und im freien Fall dahintrieb. Doch daß die Spannung in dieser Schiffszentrale fast körperlich zu greifen war, fühlten auch sie, und dieses Gefühl trug nicht zu ihrer Sicherheit bei. Die Tel, die in diesen Wesen bisher nur primitive Emporkömm linge gesehen hatten, erkannten mit fast schmerzhafter Deutlichkeit, daß sie einer gleichwertigen Rasse gegenüberstanden. Und das, obwohl sie nicht wußten, daß einer aus dieser Rasse durch sein selbstsicheres Auftreten und einen einzigen Funkspruch vierundzwanzig Riesenschiffe zum Stoppen gebracht hatte? 52 53 Was unter einer Zeiteinheit zu verstehen war, hatte Dro Cimc den Terranem beigebraeht. Nahmen die Tel diese Frist voll in Anspruch, dann hatte man lange auf eine Entscheidung zu warten. In der Funk-Z liefen alle Ortungen. Jeder wußte, was in dieser entscheidenden Phase davon abliing. Elis Yogan bemerkte den Hyperfunkverkehr, der über Abertausende von Lichtjahren ging, und unterrichtete den Commander. »Man scheint nicht weiterzuwissen, darum holt man sich jetzt wohl Rat beim Vank!« Automatisch übersetzte der Translator, aber die Tel verstanden den Satz nicht, weil sie die Zusammenhänge nicht kannten. »Sie haben unsere Schiffe gezwungen, zu stoppen?« Der zweite Kommandant konnte seine Neugier nicht länger beherrschen, obwohl ihm sein gesunder Verstand sagen mußte, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach keine ehrliche Antwort erhalten würde. »Nein«, sagte Dhark wahrheitsgemäß, »ich habe Ihre Schiffe, die Sie durch einen Notruf herbeiholten, zu nichts gezwungen! Ich habe nur angefragt, ob sie vielleicht das gleiche Schicksal wie die
verschollene ZGUTH erleiden wollten. Und fragen darf man einen Tel doch, oder?« Der Translator übersetzte fehlerfrei und seelenlos. »Dhark, Antwort kommt.« »Wall, festhalten, nicht durchgeben. Ich komme sofort zu Ihnen herüber.« Dhark ließ die beiden Tel-Kommandanten einfach stehen, be achtete sie nicht weiter und lief aus dem Kommandostand seines Schiffes hinüber zur Funk-Z. Wir gehen auf die Vereinbarung ein. Wer Fre Sarnr. »Gewonnen!« stieß Glenn Morris aus, der mit diesem Erfolg auch nicht gerechnet hatte. »Ja, wir haben erst einmal Zeit gewonnen. Ob wir den Tel wirklich trauen dürfen, wird die nahe Zukunft zeigen. Ich muß in die Zentrale zurück. Meine Antwort an den Wer gebe ich von dort durch.« 54 Sie war kurz. Wir vertrauen der Zusicherung des Wer Sarnr. Kein einziges Schiff des Flottenverbandes antwortete darauf. Sie setzten sich ab. Das war die bessere Antwort. Die Schwarzen Weißen schienen sich an die Vereinbarung zu halten. Zwei Tel an Bord der POINT OF verzweifelten schier. Die Bildkugel zeigte ihnen, wie der Verband, den sie zu ihrer Hilfe gerufen hatten, das System verließ. Plötzlich sahen sie den Mann, diesen primitiven Emporkömm ling, der ihnen so selbstsicher gegenüberstand, mit ganz anderen Augen an. Die Wirklichkeit zwang sie zu erkennen, daß er nicht nur selbstsicher, sondern auch gefährlich war - sehr gefährlich. Der Kluis hatte einen großen, unverzeihlichen Fehler begangen, indem er den Fremdem als primitives, leicht zu besiegendes Geschöpf eingestuft hatte! Der Translator wurde abgeschaltet. Der vierunddreißigjährige Bebir wurde von seiner Aufgabe als zweiter Offizier freigestellt. Ihm wurde der Auftrag erteilt, die beiden Tel in die Messe zu führen und sie bewirten zu lassen. »Leon, Sie sind mir für die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Gäste verantwortlich. Nehmen Sie aber besser zu Ihrem eigenen Schutz zwei Männer mit. Ich weiß nämlich nicht, ob unsere Gäste unsere Gastfreundlichkeit richtig zu deuten wissen. Und diesen beiden Kommandanten traue ich alles zu.«
Kaum hatten die beiden Außerirdischen und ihre drei Begleiter die Zentrale verlassen, als die Flashpiloten in den Leitständen der beiden beschädigten Doppelkugelraumer unterrichtet wurden. »Wir bringen zuerst den Raumer herunter, der dicht vor der POINT OF steht. Funkkontakt nicht abreißen lassen.« »Hoffentlich bleibt es ruhig im Schiff, Dhark«, warnte Wonzeff, der nach dem Transport des Kommandanten wieder zurückgeflogen war. »Wenn man während des Abschleppmanövers einen Angriff auf den Ringraumer startet...« 55 »Was meinen Sie denn, wozu Sie und Ihre Kollegen an Bord der Schiffe da sind, Wonzeff? Bei der geringsten feindlichen Aktivität haben Sie vollkommen freie Hand. Ich wiederhole, vollkommen freie Hand. Und, Pjetr, ich weiß, daß ich mich auf Sie verlassen kann.« »Klar, Chef, vollkommen freie Hand. Ich habe verstanden!« Wonzeff grinste. Die POINT OF näherte sich dem großen Doppelkugelraumer mit abgeschaltetem unterem Intervall. Bei einem Felddurchmesser von 3.000 Metern konnte es auch diesen Koloß aufnehmen. Dan Riker steuerte das Schiff sorgfältig bis wenige hundert Meter an den schrottreifen Doppelkugelraumer heran und schaltete den zweiten Miniweltraum ein. Das Abschleppmanöver konnte beginnen. Vier Stunden und zehn Minuten später lagen beide Schiff der Tel auf dem Sauerstoffplaneten. Der Translator mußte wieder einspringen. Der Checkmaster, der sonst schon oft mit verblüffenden Übersetzungskünsten aufgewartet hatte, schien bei der Sprache der Tel machtlos zu sein. Über Funk wurde die Besatzungen der beiden Schifte aufgefordert, ohne Roboter die Schiffe zu verlassen. Zwei Besatzungen, die vollkommen demoralisiert waren, traten über die riesigen Rampen ins Freie. Im Licht der Scheinwerfer, die an der POINT OF aufgeflammt waren, konnten sie die schweren Beschädigungen an ihren Raumern deutlich sehen. »Benötigen Sie ärztliche Hilfe?« wurde die Frage an die ChemMediziner der Tel gerichtet, als die Verletzten ins Freie geschafft wurden. Man wollte sich nicht helfen lassen. Ren Dhark drängte darauf, daß auch die Roboter die beiden Schiffe verließen. Er ließ die Kommandanten in die Zentrale kommen und stellte seine Forderung.
»Der Kluis ist zerstört, und ohne den Kluis kann niemand den Robotern Befehle erteilen.« Vier Fragen und vier Antworten waren erforderlich, um zu erklären, was unter einem Kluis zu verstehen war. Ein Rechengehirn und Impulsgeber, ein Aggregat mit einer Doppelfunklion. Dhark glaubte den Tel kein Wort. Aber was hatten sie vor, und was konnten sie mit den an Bord verbliebenen Robotern erreichen? Einen Angriff auf die POINT OF? Unwahrscheinlich! Ein unglaublicher Verdacht wurde in Ren Dhark wach. Flüsternd machte er seinem Freund davon Mitteilung. Der glaubte nicht an diese Möglichkeit. »Ruf doch einen unserer Flashpiloten an. Sie können sich in den Schiffen umsehen und sich von der Wahrheit der Worte der Tel überzeugen. Notfalls machen sie Staub aus den Blechkisten.« Riker hatte seinen saloppen Tag. Seit er Anja nach dem Ausflug ins Karmin endlich wiedergesehen hatte und sie sich nun auch wieder an Bord der POINT OF befand, fühlte er sich wesentlich besser. Er war wirklich gut drauf. »In Ordnung, wenn du meinst.« Die Funk-Z rief durch. In der Zentrale wurde man stutzig. Kein einziger Flashpilot meldete sich? Immer noch nicht? »Commander, wir bekommen keine Verbindung, obwohl alle Sender der Flash eingeschaltet sind. Wir verstehen das nicht.« Aber Ren Dhark verstand plötzlich alles. Die Besatzungen der beiden zwangsgelandeten Raumer hatten sie gründlich hereingelegt! Und sogar gleich auf zweifache Weise! »Jetzt kann ich auch begreifen, warum die telschen Ärzte unsere Hilfe abgelehnt haben. Wir sollten Ihren Bluff nicht durchschauen.« Der Alarm heulte durch die POINT OF. Beide Waffensteuerungen waren feuerbereit. Doorn, Congollon und Tschobe eilten zu den Flashdepots. Dort warteten sie auf ihren Einsatzbefehl. »Großer Himmel, Ren, was ist denn eigentlich los? Was hast du 56 57 entdeckt?« fragte ihn Riker bestürzt, der nicht begreifen konnte, warum sein Freund das Schiff in Alarmzustand versetzt hatte. »Erinnerst du dich, wie man mich auf der ZGUTH empfing? Erinnerst du dich?«
»Mit Vibration...«, kam bei Riker die Erinnerung. »... mit Vibration, die mich fast den Verstand gekostet hätte! Und mit dieser Vibration hat man unsere Flashpiloten ausgeschaltet. Aber nicht nur das! Draußen vor den beschädigten Schiffen treiben sich Tel-Roboter herum. In den Kähnen halten sich nach wie vor die Tel selbst auf. Und sie bereiten etwas vor.« »Aber was?« Riker war fassungslos. »Das möchte ich auch wissen, Dan. Doch ist dir klar, was es bedeutet, wenn wir dazu gezwungen werden, radikal durchzugreifen? Dann brechen wir die Vereinbarung mit diesem Wer, der den Flottenverband befehligt. Dann sind wir für alle Zeiten als Verräter gebrandmarkt. Und das darf nicht passieren. Unter keinen Umständen, oder wir bekommen nie mehr eine Chance, ein gutes Verhältnis zu den Schwarzen Weißen aufzubauen.« »Siehst du nicht zu schwarz, Ren? Bis jetzt ist noch nicht einmal der Beweis erbracht worden, daß nur die Roboter die Schiffe verlassen haben und...« »Und an unsere Flashpiloten denkst du gar nicht? Sie müßten sich melden. Wenigstens einer! Aber alle sechs schweigen sich aus. Dan, das geht nicht mit rechten Dingen zu!« Jetzt wollte auch Riker Gewißheit haben. »Doorn, hören Sie mich?« »Wie immer gut.« Doorn antwortete gern so knapp wie möglich. »Fliegen Sie sofort aus, aber nicht in die Tel-Raumer hinein. Schauen Sie sich die Gestallen vor den Schiffen an. Dhark vermutet, daß nur die Roboter die Doppelkugelraumer verlassen haben und man uns eine Falle stellen will.« »Das haben wir gleich. Ich bleibe auf Sendung.« Doorn wurde plötzlich regelrecht geschwätzig. Flash 012 schoß durch die Unitallwandung der POINT OF und 58
jagte auf die Stelle zu, an der sich die meisten Tel aulhielten.
Dicht vor ihnen bremste Arc Doorn ab und schaltete seine
Scheinwerfer hoch.
Ein russischer Fluch kam über seine Lippen. Er sah nur grellglühende Augen. Überall! Sogar die Tel, die vorgaben, Mediziner zu sein, waren Roboter. »Riker, man hat uns tatsächlich hübsch hereingelegt. Ich kann keinen einzigen Tel entdecken, nur Robs. Was soll ich nur mit diesen Kameraden machen? Am liebsten würde ich diese Blechheinis zerstrahlen.«
»Reden Sie keinen Unsinn, Doorn, und kommen Sie sofort wieder zurück.« »Okay, okay, keine Aufregung! Bin schon unterwegs.« Er konnte verstehen, daß Ren Dhark nervös war. Es ging schließlich darum, eine wichtige Vereinbarung einzuhalten, aber einige Tel wollten allem Anschein nach das Gegenteil erzwingen. Seine 012 flog wieder ins Depot, und Doorn wartete auf den nächsten Einsatz. Marschall Bulton verglich die Funkmeldungen. Acht, die in den letzten Stunden aus verschiedenen Sektoren des Halos eingelaufen waren. Alle acht hatten etwas gemeinsam, aber er war nicht in der Lage herauszufinden, was das war. Er hatte nur so ein Gefühl, sein Verstand kam da nicht weiter. Der Suprasensor mußte helfen. Er schickte die Funkmeldungen zur Auswertung und hatte sie kurz darauf schon vergessen, weil ihm der Minister für Kolonialplaneten und Auswanderung in den Ohren lag und vehement darauf bestand, daß man seinem Ressort dreißig Prozent mehr Raumschiffe zur Verfügung stellte. »Wir kommen mit unserem Zeitplan in größte Schwierigkeiten, Marschall. Schon jetzt warten an den Auffangstellen über 3,2 Mil 59 lionen Männer, Frauen und Kinder auf den Abtransport. Bulton, die Projektoren für Schutzfelder gehen uns zur Neige, außerdem haben wir Probleme, die Unmengen an verderblichen Gütern sachgemäß zu lagern. Jede Minute Verzögerung kostet die Regierung Terras Millionen - Millionen, die sie sich nicht leisten kann, weil sie sie nicht hat. Marschall, es muß etwas geschellen, und zwar sofort. Geben auch Sie mir einen abschlägigen Bescheid, dann bleibt mir der Weg zu Trawisheim nicht erspart.« Mit dem drohten sie alle. Aber den Marschall konnte man damit nicht mehr beeindrucken. Er hatte die Raumer nicht zur Verfügung, und er konnte die angeforderten Schiffe auch nicht aus dem Ärmel schütteln. Die erbeuteten und mittlerweile auf terranische Bedürfnisse umgerüsteten S-Kreuzer waren größtenteils im Einsatz, und eine nicht unerhebliche Anzahl war nach den letzten Kampfeinsätzen nicht mehr raumtüchtig. Bei dem verbleibenden Rest stand noch soviel Arbeit an, daß er kurzfristig nicht einzuplanen war. Außerdem waren die Ringrau-
mer für die Auswanderer und ihre Ausrüstung nicht besonders geeignet. Ein Ringschiff verfügte nur über vier Schleusen. Das war einfach nicht genügend Ladekapazität. Ideal für die Massenauswanderung waren die alten Giant-Raumer und die terranischen Nachbauten - doch davon gab es schlichtweg zu wenig! Er konnte den aufgebrachten Minister vertrösten, nachdem er ihm ruhig den Sachverhalt dargelegt hatte. Aber nur bis zum Abend. »Länger kann ich unter keinen Umständen warten.« Bulton sah auf. Neben ihm stand eine Ordonnanz. »Was wollen Sie denn?« Der Mann überbrachte ihm die Auswertung der acht Funkmeldungen. »Geben Sie her!« sagte der Marschall ahnungslos. Er interessierte sich nur für das Resultat. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 8,6 Prozent werden imfragli 60 chen Bereich des Halo umfangreiche Vorbereitungen für einen Angriff getroffen. Das Ziel des Angriffs ist nicht w erkennen. Vor wamig bis fiinfundwamig Tagen ist mit einem Angriff nicht w rechnen, denn erst nach diesem Zeitpunkt dürften sämtliche Vorbereitungen beendet sein. Bulton glaubte zu träumen. Er griff in ein Seilenfach seines Schreibtisches, wo die Flasche eines hochprozentigen Getränkes stand, und genehmigte sich erst einmal einen dreifachen Brandy. Danach fühlte er sich wohler. Der Marschall, der es liebte, zwischendurch zu poltern und der gerne auch mal einen Schluck zu sich zu nahm - vorausgesetzt, seine Frau Gladys konnte ihn nicht maßregeln - konzentrierte sich wieder. Prüfend glitt sein Blick über die Folie. Das Schlüsselzeichen auf der Unterlage bewies ihm, daß niemand versuchte, sich einen schlechten Scherz mit ihm zu machen. Aus den acht Meldungen, die er zur Auswertung gegeben halte, ging hervor, daß ein großangelegter Angriff geplant war. Vom Halo aus? Vom Rand der Milchstraße? Ein Angriff gegen wen? Gegen Terra? Ihm wurde heiß, als er sich des Angriffs der einzelnen unsichtbaren Station erinnerte. Achtzehn Raumschiffe waren dabei am Boden zerstört worden und 2.163 Menschen hatten ihr Leben lassen müssen, die Verletzten nicht mitgezählt.
Und sein Unterbewußtsein, das ihn bei der Lektüre der Funkmeldungen so sehr beunruhigt hatte, wollte etwas Ähnliches aus diesen Nachrichten herausgelesen haben? »Zwanzig Tage. Knapp drei Wochen.« Ein durch das große Fenster fallender Schatten lenkte ihn ab. Der Schatten eines landenden S-Kreuzers. Die LUXOR. Sie war Janos Szardaks Schiff. Marschall Bulton traf seinen Entschluß. Drei Stunden später war Colonel Szardak mit seiner LUXOR zum Halo unterwegs - als Kundschafter Terras. Er sollte sich in der sternenarmen Randzone der Milchstraße Gewißheit verschaffen, ob man dort wirklich Vorbereitungen für 61 einen großangelegten Angriff traf und wenn ja, wer hinter diesem Angriff steckte. Die POINT OF flog mit Strich-Punkt-Strahlen Angriff auf die beiden beschädigten Doppelkugelraumer. Ohne Ankündigung war sie gestartet und hatte das Feuer aus allen Antennen eröffnet, kaum daß sich die großen Auflegerplatten vom Boden gelöst hatten. Strich-Punkt war bei Tageslicht kaum zu sehen, aber in der dunklen Nacht leuchtete der Strahl schwarzblau. Er war nicht schneller als das Licht, doch er konnte in seiner paralysierenden Wirkung tödlich sein, wenn die Dosierung eine bestimmte Grenze überschritt. Commander Dhark blieb keine andere Möglichkeit, wenn er nicht derjenige sein wollte, der den Vertrag mit Wer Sarnr brach. Die Scheinwerfer des Ringraumers badeten die dunklen Kugelzellen in ihr gleißendes Licht und machten die schweren Beschädigungen sichtbar. Ihre Helligkeit ließ die Strich-Punkt-Strahlen mit ihrem schwachen Leuchten beinahe verblassen. Drauf! sagte sich Dhark immer wieder in Gedanken. Er beobachtete, wie sein Freund Dan die POINT OF zwischen den beiden Doppelkugelriesen hindurchmanövrierte und dabei sehr langsam steigen ließ. Keines der vielen Decks in den beiden Tel-Schiffen sollte vom Strich-Punkt verschont bleiben. Kein einziger dieser hinterhältigen Schwarzen Weißen, wie die Terraner die Tel immer noch gerne bezeichneten, durfte anschließend noch in der Lage sein, einen Finger zu rühren. Daß dabei leider auch die eigenen Piloten, die sich mit ihren Flash in den Schiffen befanden, geschockt wurden, war nicht zu umgehen.
Knapp zehn Minuten dauerte der Blitzeinsatz, dann landete Riker den Ringraumer wieder. Arc Doorn, Miles Congollon und Manu Tschobe flogen Kontrolle. Daß der Brennkreis des Sie beim Durchflug durch die Decks und Wände der Tel-Schiffe Schmelz62 spuren hinterließ, spielte bei diesen stark beschädigten Räumern keine Rolle mehr. Aber auch bei intakten Schiffen wäre dies den Piloten egal gewesen - das Leben ihrer Freunde und Kameraden war ihnen wesentlich wichtiger. »Alles geschockt!« hieß es immer wieder. Tschobe als Arzt machte hier und da stichprobenartige Untersuchungen. »Dhark, ich weiß nicht genau, wie die Tel auf Strich-Punkt reagieren, aber ich möchte behaupten, daß diese heimtückischen Brüder in den nächsten zehn Stunden nicht wach werden.« Dann endlich fanden sie die gesuchten Flashpiloten. Zusammengeschlagen und gefesselt lagen die Männer in einer Nebenkammer des Leitstandes. Die Zusatzausrüstung der Blitze fehlte. Tschobe, der die Piloten untersuchte, machte ein bedenkliches Gesicht. »Unsere Männer müssen sofort in der Medo-Station behandelt werden. Hoffentlich haben Sie durch den Vibrationssturm keine Schäden erlitten.« Miles Congollon und Arc Doorn schafften ihre ohnmächtigen Kameraden in einem Blitzeinsatz zur POINT OF, wo die Ärzte unter der vorübergehenden Leitung von Hanfstick schon vorbereitet waren. Nach der ersten flüchtigen Untersuchung mit einem Kontrollgerät der Mysterious machte sich Betroffenheit breit. Die Ärzte sprachen davon, neue Gehirne in die Körper der Piloten zu pflanzen. Bedarf an gesunden Körpern war ausreichend vorhanden. Es gab wesentlich mehr intakte Gehirne, die in speziellen Lagereinrichtungen vor sich hindämmerten, als gesunde Körper, die sie aufnehmen könnten. Die Flashpiloten waren praktisch gehimtot, ihre Körper aber nur oberflächlich verletzt. Die Nachricht erreichte auch die Kommandozentrale. Ren Dhark glaubte in ein Eisbad zu stürzen. Nein, das darf nicht sein. Er rief Manu Tschobe an, der sich noch auf einem Schiff der Tel befand. »Manu, ihr Kollege Hanfstick will unsere Flashpiloten als Wirtskörper für neue Gehirne einsetzen, weil die eigenen zu sehr 63
beschädigt sein sollen«, klang seine Stimme verzweifelt aus dem Vipho. »Das kann doch nicht sein, oder?« »Das habe ich fast erwartet, und ich befürchte, daß es sich nicht umgehen läßt. Soweit ich weiß, haben die Männer wie praktisch alle an Bord der POINT OF einen Spenderpaß in der Tasche.« »Mein Gott«, stieß Dhark aus, »wissen Sie, was das bedeutet? Wonzeff, Doraner und alle anderen wären tot! Wir sähen zwar noch ihre Körper, aber die wären nur noch Hüllen für wildfremde Menschen! Tschobe, gibt es tatsächlich keinen anderen Ausweg?« Schweigen. Dann zögernd, stockend, mit schwankender Stimme: »Dhark, Sie müssen sich mit diesem Gedanken vertraut machen. Der Vibrationsangriff muß sehr lange gedauert haben. Wahrscheinlich hatten die Tel die Absicht, sie zu Vollidioten zu machen.« »Keine Spekulationen, Tschobe. Wie lange besteht wenigstens noch die Spur einer Hoffnung für die Piloten?« »Ich muß mir selbst ein Bild von dem Zustand der Patienten machen. Ich kenne den Befund nicht.« »Okay, dann kommen Sie sofort zurück in die Medo-Station. Ich warte.« In der Zentrale wagte niemand, ihn anzusprechen. Die Stille lastete zentnerschwer auf jedem. Nach einer Zeit, die allen fast unendlich erschien, meldete sich Tschobe aus der Medo-Station. Sein Gesicht wirkte grau und eingefallen. Die Stimme war leise und gedrückt. »Dhark, die Männer haben höchstens noch zwanzig Stunden, keine einzige mehr. Bei Rui Warren ist der Zustand besonders besorgniserregend. Für ihn gilt eine Frist von fünfzehn Stunden. Ich kann hier nichts mehr zur Rettung ihrer Gehirne tun. Auf der Erde... ja, auf der Erde, da hätten wir die Möglichkeit. Aber wir können ja noch nicht einmal Verbindung mit Terra herstellen, um Hilfe anzufordern. Die verdammten Magnetstürme in der Milchstraße verhindern wieder einmal selbst To-Funk!« »Tschobe, dann niegen wir eben zurück! In spätestens fünf Stunden sind wir auf Terra!« Dhark sah einen Hoffnungsschim mer. »So leid es mir tut, das ist unmöglich! Alle Körperfunktionen der Piloten sind so stark in Mitleidenschaft gezogen, daß die Patienten eine Transition nicht überleben würden. Es bleibt uns leider nur die Möglichkeit, die zerstörten Gehirne auszulauschen und die Körper zur Regeneration in Tiefschlaf zu versetzen.«
Auf einen Schlag zerstörten Tschobes Worte Dharks Hoffnung. Der afrikanische Arzt hatte Tränen in den Augen. »Allerdings...« Plötzlich blitzte es in den dunklen Augen des Arztes auf. »Dhark, Riker, erinnern Sie sich noch an Es?« Die beiden Angesprochenen ließen ihre Erinnerungen weit zu rückschweifen. Etwas mehr als fünf Jahre zurück. Es war auf dem ersten Fernflug der POINT OF nach deren Fertigstellung durch die Menschen. Tausend Jahre lang hatte das Schiff in den Höhlen des Gebirgsmassivs von Deluge auf Hope gelegen und darauf gewartet, komplettiert zu werden, um endlich in die unendlichen Weiten des Alls aufbrechen zu können. Dann kamen die Terraner, beendeten das Werk der Erbauer der gigantischen Ringröhre, und starteten Ende März 2052 zum tausend Jahre verspätet stattfindenden Jungfernflug. Die Menschen wollten die Erde, die irgendwo im Sternendschungel verschollen war, wiederfinden! Immer auf der Flucht vor fremden Raumschiffsverbänden hatten die Astronomen schließlich mehrere tausend Lichtjahre entfernt von Hope das erste bekannte Sternbild entdeckt. Jens Lionel hatte Dhark eine Folie mit der Botschaft zugesteckt: Wir haben das Sternbild Die Drei Türme entdeckt. Wir wissen jetzt, wo die Erde liegt. Wir machen den Vorschlag, Die Drei Türme anwfliegen und von dort aus die Erde. Dhark hatte sich gerade trotz dieser Entdeckung erst einmal zur Rückkehr ins Col-System entschlossen, als die POINT OF erneut 64 65 angepeilt wurde. Zuflucht vor den unbekannten Gegnern fand der Ringraumer in einem nahegelegenen Elf-Planeten-System. Auf Nummer vier, einer Welt, die zu zwei Dritteln von Wasser bedeckt war, landeten die Flüchtenden. Mit 1,08 Gravos war die Schwerkraft erträglich. Riker taufte den Planeten auf den Namen Hide out. Auf Hide out machte dann zuerst Chris Shanton in Begleitung seiner Robotkonstruktion Jimmy, der er das Aussehen eines ganz normalen Scotchterriers gegeben hatte, die Bekanntschaft mit einer gallertartigen Masse. In einer selbstmörderischen Attacke, nur zu vergleichen mit dem Verhalten von Lemmingen, stürzte sich das Gallert dann auf den Ringraumer, um seine eigene Vernichtung zu erzwingen.
Auswertungen des Checkmasters ergaben, daß hinter der Aktion eine gesteuerte Absicht stand, zumal vom Standort des Gallerts auch gesteuerte Hypersignale an den Ringraumer abgingen. Und dann passierte es. Kurz vor dem Start der P01NT OF versank die Besatzung in eine unerklärliche Ohnmacht. Als sie danach wieder erwachte, teilte Shantons Robothund mit, daß sich etwas, Es, über zwei Stunden an Bord des Raumers aufgehalten habe. Die Frage, was Es denn gewesen wäre, konnte Jimmy nicht beantworten. Dhark nahm die Frage schnell zurück, als er feststellte, daß das suprasensorische Innenleben des Robothundes vor einem Kollaps stand. »Ja, Tschobe, wir erinnern uns. Aber^ worauf wollen Sie hinaus?« Dhark wußte mit Tschobes Einwurf nichts anzufangen. »Ich habe damals kurz vor unserem Start eine größere Menge des Gallerts an Bord bringen lassen, um es in der Medo-Station und in den Labors analysieren zu lassen. Allerdings ist es im Laufe des Wiederaufbaus nach Beendigung der Giant-Herrschaft auf der Erde vorübergehend in Vergessenheit geraten. Erst Echri Ezbal hat sich im Rahmen seiner Cyborg-Forschung ernsthaft mit dem Gallert befaßt. Bei meinem letzten Besuch im 66 Brana-Tal legte er mir die vorläufigen Untersuchungsergebnisse vor. Und nun halten Sie sich fest, Dhark und Riker! Das Gallert besitzt einen nahezu unglaublichen Regenerierungseffekt. Ich möchte jetzt nicht weiter auf für Sie unverständliche medizinische Details eingehen oder Ihnen einen langen Vortrag über die Erfolge oder Mißerfolge der Versuche halten. Nur soviel: Bei der letzten Versuchsreihe heilte das Gallert einen hochgradig r-versü-ahlten Triebwerkstechniker. Der Mann, er war praktisch klinisch tot, wurde innerhalb eines einzigen Tages vollkommen wiederhergestellt! Zerstörte Nervenbahnen, in Auflösung begriffene Organe, alles. Wirklich alles!« »Tschobe, wollen Sie etwa sagen...« Dan Riker konnte den angefangenen Satz vor lauter Erregung nicht beenden. Die Mitteilung des Mediziners eröffnete ungeahnte Perspektiven. »Ja, das will ich. Wenn wir es schaffen, innerhalb von rund zehn Stunden genügend Gallert mit mehreren Flash hierher zu schaffen oder noch besser einen Raumer mit einer speziell ausgestatteten Medo-Station, gibt es vielleicht die Möglichkeit, die Flashpiloten doch noch vor dem Gehimtod zu bewahren.« Ren Dhark handelte augenblicklich.
»Dhark an Flugbereitschaft. Dhark an Flugbereitschaft. Ich brauche sofort vier Freiwillige für einen Nonstop-Flug Terra hin und zurück!« Und noch keine dreißig Sekunden später lagen die Meldungen aller Flashpiloten vor!
2. Warten! Unendlich langes Warten! Der Commander und alle Besatzungsmitglieder an Bord des Ringraumers sehnten verzweifelt den Augenblick herbei, an dem von der Ortung die Rückkehr der Flash bekanntgegeben würde. Sechs Stunden waren vergangen, seit fünf Flash unter dem Kom mando von Ariy Scott, einem ehemaligen Scoutbool-Piloten, den Flug nach Terra angetreten hatten. »Gehen Sie kein Risiko ein, Arly. Kampfhandlungen oder Verzögerungen sind unbedingt zu vermeiden«, hatte Dhark dem erfahrenen Piloten mit auf den Weg gegeben. Stunde um Stunde verging. Dhark wanderle nervös in der Zentrale hin und her. Entgegen seiner Gewohnheit hatte er sich nach langer Zeit wieder eine Zigarette angesteckt und rauchte hastig. Die Sekunden schienen sich zu Ewigkeiten zu dehnen. Quälend langsam vergingen Minuten, um irgendwann einmal zu einer vollen Stunde zu werden. Dhark schaute erneut auf den Zeitmesser. Gerade erst einmal vier Minuten waren seit seinem letzten Kontrollblick vergangen! »Ren, es ist noch Zeit!« Dan Riker, sein Freund seit gemeinsamen Jugendabenteuem, der im Kopilotensessel saß, versuchte, den Commander zu beruhigen. »Ich weiß, Dan, aber ich habe das Gefühl, daß uns die Zeit davonläuft. Kannst du dir vorstellen, was dann passiert, wenn...« »Dhark, Riker!« Grappas Stimme aus der Ortung schallte durch die Zentrale der P01NT OF. »Strukturerschütterungen angemessen. Entfernung rund drei Lichtstunden. Scheinen aber nicht nur Flash zu sein. Zusätzliches Spektrum entspricht dem eines 200-Meter-Kugelraumers.« Glenn Morris schaltete sich in das Gespräch ein: »Dhark, ich habe Scott in der Leitung. Ich schalte durch!« Scotts Gesicht erschien auf einem kleinen Monitor.
Arly Seott, der zusammen mit dem Commander die Episode auf Hope durchlebt hatte, war im Austausch für einen Piloten an Bord des Ringraumers gekommen, der seinen langverdienten Urlaub angetreten hatte. Scott freute sich, wieder mit Leuten zusammenzusein, die er aus früherer Zeit kannte. Jetzt grinste er den Commander an. »Sorry, aber schneller ging es wirklich nicht. Ezbal wollte uns die notwendigen Sachen nicht so einfach überlassen; er hat die ALBERT SCHWE1TZER mitgeschickt, sozusagen ein fliegendes Krankenhaus. Und Bulton wollte auch kein Risiko eingehen. Unser Geleit bilden sechs S-Kreuzer, die uns gegebenenfalls die feindlichen Raumer vom Leib halten sollen. Wir landen in zwanzig Minuten. Ich schalte Sie jetzt durch zu den Medizinern an Bord der ALBERT SCHWE1TZER. Ach ja, ich überspiele Ihnen anschließend noch einige wichtige Informationen von Trawisheim und Bulton.« Scotts Kopf verschwand und machte einem ernst dreinblickenden Mediziner Platz. »Keine langen Vorreden, Dhark. Verbinden Sie mich mit der Medo-Station Ihres Ringraumers. Alles andere kläre ich mit den dortigen Ärzten!« Seitdem waren weitere zehn Stunden vergangen, in denen die verletzten Flashpiloten an Bord des Kugelraumers überführt und pausenlos behandelt worden waren. Langsam machte sich Normalität an Bord der P01NT OF breit. 68 69 Die Anspannung ließ nach, auch wenn Ren Dhark es sich nicht nehmen ließ, jede volle Stunde nach dem Zustand seiner Flashpiloten zu fragen. Noch keine Aussage möglich! war die Standardauskunft. In der Zwischenzeit lagen dem Commander die ersten Analysen der Experten vor, die versucht hatte, den Zentralcomputern der zwangsgelandeten Doppelkugelraumer Angaben über ihren Heimatplaneten zu entreißen. »Nichts, Dan, nichts!« Dhark wischte enttäuscht mit den Folien durch die Luft. »Sämtliche Rechner haben sieh selber zerstört. Inzwischen liegt die Bestätigung von einem Schwarzen Weißen vor, in der er zugibt, daß eine Sicherheitsschaltung existiert, die es Unbefugten
praktisch unmöglich macht, auf die Daten der Rechner zuzugreifen, ohne diese zu zerstören.« »Und was ist mit dem Wissen der Schwarzen Weißen selber?« warf Dan ein. Dharks Augen blitzten auf. »Weißt du, was du da verlangst? Ich werde diese Fremden auf keinen Fall einem Psychoverhör unterwerfen, Dan. Auch wenn sie nicht zögern würden, so etwas mit uns zu machen. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, mit diesem Volk zu einer friedlichen Lösung zu kommen!« Empörung schwang in seiner Stimme mit. Wie konnte Dan auch nur einen solehen Gedanken in Erwägung ziehen? Ganz tief in seinem Innern wußte der Commander allerdings, daß sein Freund die einzig realistische Möglichkeit, an Informationen zu gelangen, angesprochen hatte. In ihrer jetzigen Situation waren Sentimentalitäten nicht angebracht. Dhark deutete auf die anderen Folien, die vor den beiden Freunden auf dem Schwebetisch lagen. Eine Hiobsbotschaft nach der anderen! Rund um Esmaladan hatte eine gigantische Raumschlacht stattgefunden! Schwere Verluste bei den Utaren und Terranern. 70 Die Werften auf Dockyard waren stillgelegt? Durch wen oder was? Die Cyborg-Truppe um Marc Carrell nach wie vor verschwunden! Und dazu noch Jos Aachten van Haag und Chris Shanton samt seinem Robothund? »Dan, ich glaube, wir sollten zurück nach Terra fliegen, Trawisheim und Bulton schlagen dies auch vor. Die S-Kreuzer können den Schutz der ALBERT SCHWEITZER übernehmen und später zusammen mit dem Hospitalschiff den Rückflug antreten.« Dhark stellte eine Verbindung zu dem Sanitätsschiff her. Auf seine Nachfrage hin erhielt er die schon seit Stunden immer gleiche Antwort: Noch keine Prognose möglich! Sein Entschluß stand fest. Er schaltete eine Verbindung in die Zentrale seines Raumers. »Leon, bereiten Sie alles zum Start vor. In einer Stunde kehren wir nach Terra zurück! Die ALBERT SCHWEITZER und die SKreuzer kommen später nach! Die Tel dürfen nach dem Abflug unserer Schiffe Fre Samr um Hilfe anfunken. Dessen Raumer befinden sich an unserer Ortungsgrenze in Warteposition. Und Morris soll versuchen, über To-Funk Terra zu informieren!«
Nach der ersten Transition über 15.000 Lichtjahre in Richtung Terra gab der Commander den Astronomen erneut Gelegenheit, die Sterne kartographisch zu erfassen. Jens Lionel hatte darum gebeten, wenigstens für zwei Stunden keine Transition vorzunehmen. Der Commander hatte sich in seine Kabine zurückgezogen. Die Führung seines Ringraumers hatte Hen Falluta, der erste Offizier, übernommen. Dhark gab sich ganz seinen Gedanken hin. Vor seinem geistigen Auge erschien das Abbild einer jungen, dunkelblonden Frau, deren Gesicht leicht slawische Züge trug. 71 Wenn wir wriick sind, werde ich mich mit ihr in Verbindung... Dharks Gedanken wurden abrupt unterbrochen. Das Signal der Bordsprechanlage zeigte an, daß eine dringende Mitteilung anstand. Glenn Morris' Stimme war heiser vor Aufregung. »Dhark, bitte kommen Sie sofort in die Funk-Z, aber schnell!« Dhark spurtete los. Wenn Morris es so dringend machte, war es das auch! Der Cheffunker erwartete ihn schon. Er stand vor dem großen Oszillo. Hinter der Echokontrolle hielten sich Yogan und Brugg auf. Die Luft schien vor Spannung zu knistern. »Das sehen wir seit drei Minuten. Es wird immer stärker, als käme es näher, aber eine Annäherung aus sieben verschiedenen Richtungen gibt es doch nicht. Und hören Sie sich das an, Dhark...« Ron wedeln wi terra! Ron wedda wi terra! Ron weddu wi terra! »Kennen Sie diese Sprache, Commander?« Gespannt sah Morris ihn an. Ron wedda wi terra! Es klang wie ein Schrei! Wie ein Notruf: Rein wedda wi terra! »Nein«, sagte Dhark, »diese Sprache kenne ich nicht. Haben Sie etwa geglaubt...?« »Ja, ich habe geglaubt, die Mysterious würden nach uns rufen, und ich hatte gehofft. Sie würden diese Worte verstehen.« »Befragen wir den Checkmaster, Morris.« Der Satz wurde zur Übersetzung an das Bordgehirn gegeben, aber statt einer Antwort kam rot. Der Checkmaster wollte oder konnte den Text nicht übersetzen. »Hören Sie sich das nur an. Man ruft ununterbrochen diesen einen Satz. Wenn das Wort terra nicht vorkäme, würde ich mir
nicht allzuviel denken, aber immer wieder hören: Ron wedda wi terra! erzeugt auf die Dauer ein unheimliches Gefühl.« Dhark verstand Morris nur zu gut. Auch er war enttäuscht. Auch er hatte die stille Hoffnung in sich getragen, ein Lebenszeichen der Mysterious zu erhalten - eine Hoffnung, die der Commander schon fast autgegeben hatte. »Haben Sie die Standort der Sender feststellen können, Morris?« »Nein, wir können Sie nicht erfassen. Bitte sehen Sie es sich Morris schaltete am Oszillo auf Hyper. Das Aussehen der starken Amplituden veränderte sich schlagartig. Ein markantes Merkmal fehlte allen. Der Raum-Zeit-Schnörkel, wie es im Jargon der Punker hieß. »Das verstehe ich nicht«, gab Dhark unumwunden zu und zuckte mit den Schultern. »Es ist nicht schwer zu verstehen, aber um so schwerer, es sich vorzustellen, Dhark. Alle sieben Stationen befinden sich im Hyperraum. Das Fehlen des Schnörkels an den Blips läßt kaum eine andere Vermutung zu.« »Also sind Sie nicht absolut sicher?« »Nein, absolut sicher sind wir nicht, dafür haben wir mit einem solchen Phänomen einfach zuwenig Erfahrung. Ich habe Are Doorn informieren lassen. Der kann uns vielleicht weiterhelfen.« Kurz danach betrat der Sibirier mit den roten Haaren die FunkZ. Man sagte diesem ungehobelten Mann ein einzigartiges Einfühlungsvermögen in fremde Technik nach. Der wortkarge Doorn studierte die Blips sorgfältig. Das Fehlen des Schnörkels fiel ihm sofort auf, und er schlußfolgerte wie der Funkspezialist: »Stationen im Hyperraum?!« Morris war mit seiner Antwort vorsichtig. Sein Schulterzucken besagte nicht viel. »Ron wedda wi terra!« wiederholte Doorn und sah dann seinen Commander fragend an. »Wirklich nicht die Sprache der Mysterious?« bohrte er zweifelnd nach. »Doorn, ich verstehe den Satz tatsächlich nicht. Vielleicht ist mit terra gar nicht unsere Erde gemeint, und wir bilden uns nur ein, einen Notruf zu hören.« 72 73 »Meistens hat unsere Phantasie mit der Wirklichkeit, mit der wir konfrontiert wurden, nicht mithalten können. Aber das hier? Stationen im Hyperraum gibt's nicht, Dhark...«
Dhark war enttäuscht. Innerlich hatte er sich schon darauf eingestellt, mit der POINT OF auf die Suche nach den Stationen zu gehen. Andererseils zog ihn ein unerklärlicher Drang zur Erde zurück. »Wir fliegen nach Terra zurück!« Das war endgültig, doch als Ren Dhark die Funk-Z verließ, hörte er immer noch den einen Satz: Ron wedda wi terra! Die POINT OF war Cent Field gerade von Jupiter gemeldet worden, als Ren Dhark schon Henner Trawisheims Büro betrat. Erstaunt schickte er seinen Blick auf das Chrono. Dhark ließ sich in dem Sessel vor Trawisheims Arbeitstisch nieder und schlug die Beine übereinander. »Ich bin mit einem Flash gekommen, Trawisheim. In aller Kürze: Was gibt es Neues in den Sachen Tel, Dro Cimc und Vermißte auf dem Planeten der Gi ants?« Trawisheim brauchte keine Informationen einzuholen. Als Cyborg auf geistiger Basis hatte er jederzeit alles abrufbereit. »Die Tel sind zu keiner Angabe zu bewegen, und Dro Cimc wird morgen im Brana-Tal aus der Krankenstation entlassen. Von den vermißten Männern nach wie vor keine Spur.« Ren Dhark war aufgestanden und stand am Kunststoffenster. Er sah über Alamo Gordo hinweg, die Stadt, die jeden Tag um zehntausend Menschen größer wurde. Die tägliche Zuwachsrate hier war größer als die Zahl der Siedler, die nach anderen Planeten auswanderten. Auch daran dachte der Commander in diesem Augenblick, als die künstliche Beleuchtung über der Weltmetropole eingeschaltet wurde, weil die Sonne am Horizont von Neu-Mexiko 74 unterging. »Warum sind die Planeten Dolmin, Laxer und Ega immer noch nicht zur Besiedlung freigegeben worden, Trawisheim?« Vor zwei Jahren, im August 2056, hatte es offiziell geheißen, diese erdähnlichen Welten würden in den nächsten Monaten von jeweils drei Milliarden Menschen besiedelt. Sie lagen vor der Haustür der Erde: Dolmin mit der Sonne Formalhaut war 25 Lichtjahre, Laxer im Pollux-System 54 und Ega unter der Sonne Regulus im Großen Löwen 135 Lichtjahre entfernt. Mit ruhigen Gewissen konnte Trawisheim sagen: »Alle drei Systeme liegen in einem Bereich, in dem die Hochwerte des galaktischen Magnetfeldes einfach nicht abnehmen wollen. Die Welten
können erst besiedelt werden, wenn sie über einen planetarischen Schutz verfügen wie wir. Deshalb sind wir auf die anderen Welten ausgewichen. Und dort läuft die Besiedlung auf Hochtouren!« »Okay. Haben Sie den Einsatzplan der Cyborgs, Henner?« Trawisheim hatte. Dhark überflog kurz die Liste und deutete auf drei Namen. Burton, Charly und George Snide. »Diese drei Cyborgs benötige ich unbedingt. Übermorgen um sieben möchte ich die Männer in der Zentrale der POINT OF sehen. Noch etwas: Wie sieht es mit der Transmitterverbindung nach Hope aus?« »Dhark...« Halb verzweifelt und leicht den Kopf schüttelnd musterte Trawisheim seinen Chef. »Unsere Techniker haben enorme Probleme mit Transmitterverbindungen über eine solche Entfernung hinweg. Gerade die Transmittertechnik ist zum großen Teil noch Neuland für uns. Außerdem machen uns die Magnetstürme zu schaffen.« Dharks Gesicht wurde hart. »Diese Erklärung habe ich schon oft gehört, Trawisheim, aber nicht erwartet, daß auch Sie diese abgedroschene Ausrede benutzen würden. Ich erwarte...« Trawisheim, der immer die Ruhe in Person war, unterbrach den Commander einfach. Seine Stimme war deutlich lauter als sonst. 75 »Dhark, was stellen Sie sich eigentlich vor? Sie kommen hier an, geben mal so nebenbei ein paar Befehle, konfrontieren uns mit irgendwelchen neuen Erkenntnissen und Entdeckungen und kehren dann zurück ins Weltall. Wir, die wir hier die Stellung halten, dürfen dann dafür sorgen, daß alles nach Ihren Vorstellungen läuft. Haben Sie überhaupt eine Ahnung, welche Gefahren und Probleme Sie durch ihre gewagten Exkursionen hervorrufen, und mit welchen Schwierigkeiten wir vor Ort zu kämpfen haben? Gerade Sie müßten doch wissen, daß wir auf vielen Gebieten immer noch improvisieren müssen. Ich denke nur an unsere Neuentwicklung eines Universalroboters. Wie lange hat das gedauert? Aber wenn der Terminplan eingehalten wird, können wir die erste Testserie in den nächsten Tagen einsetzen! So, und jetzt dürfen Sie weiter fordern, Commander!« Trawisheims legte nie viel Wert darauf, Ren Dhark mit seinem offiziellen Titel anzureden, aber jetzt hatte er eine besondere Betonung in das Wort Commander gelegt. Nach diesem Aushruch hatte seine Stimme wieder ihren normalen Klang angenommen
und er schaute dem blonden Mann ruhig ins Gesicht — er hatte sich nichts vorzuwerten. »Henner, ich... ich...!« Dhark war vom Ausbruch seines Stellvertreters auf Terra erschüttert. Der Commander rang sichtlich um Fassung, er atmete tief durch. »So habe ich das noch nie gesehen. Tut mir leid, wenn ich über das Ziel hinausgeschossen bin. Sie haben recht, ich bin in vielen Dingen zu ungeduldig, will immer zu schnell zu viel erreichen. Aber es stürzt auch so viel auf uns ein, so viele Aufgaben wollen erledigt werden. Machen Sie so weiter, wie Sie es für richtig halten! Und wenn ich wieder einmal übers Ziel hinausschieße, dann...« Der geistige Cyborg nickte nur stumm, sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Henner, ich glaube, ich lasse Sie jetzt besser allein, damit Sie sich ungestört auf Ihre Arbeit konzentrieren können. Außerdem habe ich auch noch einige Dinge zu erledigen.« Kurze Zeit später betrat Dhark seine Privaträume. Ein Lächeln umspielte plötzlich seine Lippen. Er erinnerte sich an die junge Frau, die mit ihm von Europa nach Alamo Gordo geflogen war. Warum sollte er nicht einfach mal... Die Viphoverbindung zur GSO kam sofort. Er verlangte nach Eylers, dem Chef der Galaktischen Sicherheitsorganisation. »... und lassen Sie Ihre Personalien und Adresse feststellen. In diesem Fall eilt es.« Knapp eine halbe Stunde später rief Eylers zurück. »Die Dame ist 26 Jahre alt. Futurologin, Examen mit Auszeichnung bestanden, heißt Joan Gipsy und wohnt im 556./38 AGD. Tätig im Sozialministerium. Im Augenblick keine Beziehung. Ihr Vermögen beträgt...« »Danke, Eylers, das genügt!« Hastig schaltete Dhark ab und griff nach der Folie, die Eylers während des Gespräches automatisch mit übersandt hatte. Die Rufnummer! Wo ist die Rufnummer? Dhark war nervös! Endlich hatte er die Viphonummer gefunden. Einen kurzen Augenblick zögerte der Mann, der die Menschen zu den Sternen geführt hatte, dann tippte er die Nummer ein. Nach dem fünften Rufzeiten, Dhark wollte die Verbindung gerade unterbrechen, erhellte sich der Bildschirm. Eine dunkelblonde
Frau mit tropfnassen Haaren, die sich hastig ein Badelaken umgewickelt hatte, war zu sehen. »Hallo, ich...« Ein Strahlen erschien auf dem Gesicht der überraschten Frau, das Laken verrutschte und gab einen Blick auf ihren Körper frei. »Endlich«, sagte sie. Ihre Stimme klang weich und angenehm, 76 77 die Mühe, das verrutschte Laken wieder hochzuziehen, machte sie sich nicht. »Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben. Bei dir oder bei mir?« In der großen Hyperfunkstation von Cent Field herrschte Nervosität. Ursache dieser Unruhe war der Spruch in unbekannter Sprache, der von sieben Stationen zur gleichen Zeit ausgestrahlt wurde. Aber die Stationen waren mit den Ortungsanlagen nicht zu erfassen! Und diese Tatsache sorgte bei den Experten für Unruhe! Ron wedda wi terra! Ununterbrochen war der Ruf zu hören; nicht nur in Cent Field, sondern auch an Bord aller Schiffe der TF. Versuche, einen der sieben Sender zu lokalisieren, scheiterten bislang. Mit einem Rundspruch an alle Schiffe hatte der Stab der TF die Order erlassen, wegen dieses Phänomens keine Rückfragen mehr zu tätigen. Diplomingenieur Riz hatte die Idee, die Stationen von Planet l im Zwitt-System anzupeilen. Aus dem Sternenkatalog rief er die Koordinaten des Zwitt-Systems ab und stellte dann über To-Funk die Verbindung zu Planet l her. »Na?« sagte Mort Riz, weil es so lange dauerte, bis Planet l sich meldete. Wenig später setzte er die Echokontrolle ein. Dann schüttelte er mit dem Kopf. Der Sender auf Planet l war klar, aber warum antwortete er nicht? Er versuchte es noch einmal, doch Planet l schwieg weiterhin! Riz schaltete alle Sender auf das Hauptgerät und verdreifachte damit seine Leistung. Noch einmal rief er zur Stemenbrücke durch. Keine Antwort! »Versuchen Sie es mit Zwitt, Shigitu!« schlug Riz seinem Kollegen vor. Langsam wurde er unruhig.
Zwitt, der unheimlichste Planet, den die Menschen bis heute 78 kennengelernt hatten, verbarg sich hinter einer Korona, die jedem Ortungstest standhielt und von den Mysterious so raffiniert aufgebaut worden war, daß man sie einfach für die äußere Hülle einer ganz normalen Sonne halten mußte. Zwitt schwieg auch. »Versuchen wir's mit Hope!« lautete sein nächster Vorschlag. »Warum nicht?« Shigitu begann sich lebhaft für diesen Fall zu interessieren. Auf der Hyperfrequenz, auf der Hope empfing und sendete, herrschte Ruhe! Es gelang nicht, eine Verbindung mit den bekannten Stationen aufzubauen! »Ich rufe den Stab an«, sagte Riz. Der Colonel im Stab wollte nicht die Verantwortung tragen und stellte Diplomingenieur Mort Riz zum Adjutanten von Marschall B u l ton durch. Mort Riz, ein Mann, der bislang noch nie aufgefallen war, stand nun plötzlich im Mittelpunkt des Interesses. Bultons Adjutant weckte seinen Marschall und überließ es Riz, dein unsanft aus dem Schlaf gerissenen Chef der terranischen Flotte das Problem vorzutragen. Um 01.17 Uhr Normzeit erhielten drei S-Kreuzer, die zwischen den beiden Spiralarmen Kurs Terra flogen, den Befehl, auf Ge genkurs zu gehen und Planet l im Zwill-Systein anzufliegen. Acht andere Schiffe bekamen die Aufgabe, weitere Außenstationen zu kontrollieren. Die Aktion lief gerade an, als plötzlich der rätselhafte Dauerruf verstummte. Im gleichen Moment meldete sich Planet l! Und Hope war auch wieder zu erreichen! Die Überraschungen nahmen kein Ende! Der Funker auf Planet l behauptete, die ganze Zeit über empfangsklar gewesen zu sein, aber ein Ruf von Terra sei nie und nimmer an ihn abgestrahlt worden! Unbegreiflich, lautete überall das Urteil, aber man war sich dar über klar, daß das Unbegreifliche mit dem Dauerruf in Zusammenhang stehen mußte. Ron weddu wi terra'. Wer rief wen, und was bedeutete dieser Satz?
Pünktlich meldeten sich die drei Cyborgs in der Kommandozentrale der POINT OF. Niemand konnte den Zwillingen Snide ansehen, daß sie jahrelang als geistesschwache, bedauernswerte Geschöpfte dahinvegetiert waren. Echri Ezbal, der geniale Wissenschaftler im Brana-Tal, hatte sich ihrer angenommen und das Wunder vollbracht, sie zu heilen. Jan Burton, ein athletischer Mann von 32 Jahren, war eine gelungene Mischung aus drei Rassen. In seinen Adern floß das Blut von Mongolen, Afrikanern und Nordeuropäern. Sein Haar hatte einen leichten Blaustich und seine Augen eine ungewöhnliche Bemsteinfarbe. Er war ein Spezial-Cyborg, ein lebender Suprasensor, dessen Aufgabe es nicht war, sich bei Einsätzen zu exponieren, sondern durch Auswertung der anfallenden Daten den richtigen Weg zum erfolgreichen Abschluß der Mission zu berechnen. »Das Schiff startet in dreißig Minuten. Ziel ist die Welt der Giants, auf der vier Cyborgs, Shanton mit seinem Robothund und Jos Aachten van Haag verschwunden sind. Machen Sie es sich bis zum Eintreffen dort bequem.« Mehr hatte ihnen Ren Dhark nicht zu sagen. Als die Cyborgs die Zentrale verlassen hatten, sagte Dan zu seinem Freund: »Ren, so entspannt habe ich dich schon lange nicht mehr gesehen. Was ist passiert!?« Er schaute seinen Freund forschend an und schmunzelte leicht. »Hat es etwas mit der Nachfrage bei Eylers zu tun? Ich war vorgestern gerade bei ihm, als du angerufen hast.« »Dan, kümmere dich lieber um die Prüfliste für den Start, statt irgendwelche Vermutungen anzustellen«, wehrte Dhark den Vor 80 81 stoß seines Freundes ab und beugte sich über die Instrumentenkonsole. Dabei hätte er sich viel lieber mit anderen Dingen beschäftigt! Dan Riker warf einen Blick zu seiner Frau Anja hinüber, die an einer Konsole vor dem Checkmaster, dem nach wie vor unübertroffenen Rechner der Mysterious, Platz genommen hatte. Sie hatte die Frage ihres Mannes mitbekommen und wunderte sich über Dharks Reaktion. Die Blicke der beiden Menschen drückten für einen Augenblick Ratlosigkeit aus, dann hatte sie der Alltag wieder eingeholt. Auf die Minute genau hob der Ringraumer ab. A-Grav stieß ihn hoch. Erst in mehr als zehntausend Metern Höhe kam Sie. Das Schiff jagte quer durch das Sol-System jener Welt entgegen, auf
der die Giants sich selbst produziert hatten; jene Giants, die von den durch den Cal regierten anderen Giants nichts wußten, sich aber ebenso wie diese All-Hüter nannten. Nach drei Transitionen und fünfzehn Stunden Flug stand die POINT OF über ihrem Ziel. Die Gruppe, die hier Forschung betrieb, lotste den Ringraumer über Peilstrahl herunter. Stoßfrei setzte das Schiff auf. Wenig später studierten Dhark, Riker, die Cyborgs und vier weitere Männer den Lageplan dieser gewaltigen unterirdischen Anlage, in der die Transmitler-Straßen der Mysterious von Giants überwacht worden waren. »Commander«, behauptete Oberleutnant de Cluny, »wir haben alles durchforscht. Wir haben sämtliche Suchmethoden eingesetzt, damit uns ja kein Raum entgehen konnte, aber weder von den Giants noch von den verschwundenen Männern konnte eine Spur entdeckt werden. Bis heute ist es uns auch nicht gelungen, die Produktion von Giants wieder in Gang zu setzen. Alle Versuche in diese Richtung schlugen fehl.« »Was ist das?« fragte Dhark und deutete mit dem Lichtstab auf einen bestimmten Punkt der Karte. »Das ist das Archiv der Giants. Ein Mcntcap-Archiv, aber diese 82 Mentcaps wirken bei uns nicht. Wir haben keine einzige Information daraus beziehen können. Wahrscheinlich sind sie ausschließlich auf den Metabolismus dieser Bio-Roboter ausgerichtet.« Fragend blickte Dhark den Afrikaner an. Er war Giant-Experte, doch Manu Tschobe zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich kann es mir schlecht vorstellen, daß Giants Mentcaps geschluckt haben. Das widerspricht unseren bisherigen Erkenntnissen. Ich möchte mir dieses Archiv doch einmal genauer ansehen.« »Ganz Ihrer Meinung, Tschobe.« Dhark erhob sich und wandte sich wieder an de Cluny. »Geben Sie uns einen Mann mit, der uns zum Archiv führt. Dan, dich wüßte ich gern wieder zurück auf der POINT OF.« »Anja wird sich freuen, mein Lieber!« sagte Riker leicht sarkastisch. Sein Protest änderte nichts an Dharks Anordnung. Dan Riker mußte zum Ringschiff zurück. Kurz darauf erreichte der Commander mit seiner Gruppe das Archiv. Es hatte keine Ähnlichkeit mit den Mentcap-Archiven auf Hope und Erron-3. Die Mentcaps lagen in durchsichtigen Plastikfolien, die man aufbrechen mußte, um an die kleine weiße Kugel zu kommen.
Jeder schluckte zwei.
Eine Wirkung trat nicht ein.
De Clunys Behauptungen stimmten.
Tschobe ging langsam an der metallverkleideten Wand entlang.
Sie war fugenlos bis auf den Schlitz, aus dem die Kapseln in einen kleinen Auffangkorb fielen. Als er wieder neben dem Commander stand, sagte er nur: »Ich verstehe das nicht... oder wir sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.« »Wahrscheinlich wird das letztere der Fall sein. Aber wo ist hier der Wald, Tschobe?« Die drei Cyborgs sagten kein Wort. Daß Doorn sich ausschwieg, war nicht verwunderlich. Die Gedankensteuerung funktionierte einwandfrei. Tschobe 83 hatte nach einer Mentcap verlangt, die ihm Aufschluß über dieses Archiv geben sollte. Die Plaslikkapsel fiel in den Korb. Er nahm sie heraus, brach sie auf und schluckte die dritte Mentcap. Wieder ohne Erfolg! »Ich geh's auf!« sagte er unzufrieden und warf die zerbrochene Plastikdose verärgert in den Auffangkorb. Die beiden anderen, die er in die Tasche gesteckt hatte, holte er hervor und betorderte sie auch dorthin. Auch Ren Dhark machte große Augen, als sich der Boden des Auffangkorbes öffnete, darunter eine U-fönnige Schiene aus der Metallwand fuhr und die zerbrochenen Plastikhüllen über die Schiene in der Wand verschwanden. »Nein!« Tschobes Schrei gellte durch das Archiv, das mit gut dreißig mal dreiundzwanzig Metern bei einer Höhe von achtzehn Metern wirklich nicht klein war. »Nein, das ist doch total verrückt!« Mit einem weiten Schritt stand Dhark neben ihm. »Sagen Sie jetzt bloß, die Mentcaps hätten Wissen geliefert?« Stumm nickte der Afrikaner, aber dann wurde er lebhaft. »Los, die Plastikhüllen in den Auffangkorb!« Der Boden hatte sich wieder geschlossen, und die U-Schiene war nicht mehr zu sehen. Zerbrochenes Plastik klickerte hinein - und verschwand. Im nächsten Augenblick stand den Männern das in den Mentcaps enthaltene Wissen zur Verfügung. Jemand sagte: »Diese verdammten Geheimniskrämer!« Der Sprecher war Arc Doorn, und er meinte damit wieder einmal die
Mysterious, die ihm noch nie besonders sympathisch gewesen waren. »Wo ist hier der Transmitter?« George Snide hatte die Frage gestellt. Eine der beiden Mentcaps hatte ihm gerade das Wissen verschafft, daß es im Archiv einen Transmitter gäbe. Ren Dhark blieb ruhig, nachdem er seine Überraschung überwunden hatte. Das neue Wissen mußte er erst einmal verarbeiten. Dieses Archiv war nicht für die Giants bestimmt gewesen. Die Mysterious halten es für sich selbst angelegt. »Tschobe!« »Was?« fragte der Afrikaner ahnungsvoll und bereitete sich auf die nächste Überraschung vor. »Tschobe, wissen Sie, wer die Giants geschaffen hat? Jetzt können Sie es sich wahrscheinlich denken: die Mysterious. Aber dabei ist ihnen ein Fehler unterlaufen. Allerdings haben sie nie herausgefunden, wo der Fehler steckte. Sie stellten plötzlich fest, daß ihre Giantroboter nicht nur eine völlig unerwartete Eigeninitiative entwickelten, sondern auch Serien schufen, die auf völlig neue Aufgaben programmiert wurden. Was sagen Sie dazu?« »Mich wundert so langsam gar nichts mehr, Dhark. Wenn diese anorganisch-biologischen Roboter selbständig eigene Serien entwickelt haben, dann muß es den Giants gelungen sein, sich der Kontrolle der Mysterious zu entziehen. Aber verdammt noch mal, die Giants existieren noch, und die Geheimnisvollen...« Er stutzte. Ein Gedanke hatte ihm die Sprache verschlagen. »Ich weiß, was Sie jetzt denken, Tschobe. Sie vennuten, daß die Mysterious durch die Giants vernichtet worden sind. Stimmt's?« »Ja, das habe ich gerade gedacht und...« Doorn machte sich bemerkbar. »Dhark, aus meinen Mentcaps habe ich Informationen über robotische Ringraumer erhalten. Burton, rechnen Sie bitte diese Mysterious-Koordinaten auf unser Bestimmungssystem um!« George Snide ging in der Zwischenzeit langsam an den fugenlosen Wänden entlang und suchte immer noch den Transmitter, der sich laut seinem neuen Mentcap-Wissen hier befinden sollte. Er konnte doch nur in einer der drei Metallwände stecken. Sonst gab es in diesem Raum nichts als das große Portal in der vierten Wand. Ren Dhark wollte nicht glauben, was Manu Tschobe vermutete. Es erschien ihm einfach unmöglich, daß die Mysterious durch die Giants vernichtet worden waren. Aber gab das Eingeständnis der 84 85
Geheimnisvollen nicht zu denken? Sie hatten zugegeben, daß ihnen bei der Entwicklung der Giantroboter ein grundlegender Fehler unterlaufen war. War dieser Fehler die Ursache für das Ver schwinden einer Rasse, die vor rund tausend Jahren all ihre Stützpunkte in der Galaxis verlassen hatte, um nie wieder aufzutauchen? Jan Burton gab Doorn die umgerechneten Koordinaten bekannt. Im gleichen Moment stutzte der Cyborg. »Ist in diesem Gebiet nicht die FO III unter Captain Bradock verschollen?« Burton schaltete sofort sein Spezialvipho ein und sprach mit Riker in der POINT OF. »Riker, können Sie feststellen lassen, aus welchem Sektor der letzte Funkspruch der FO III gekommen ist, die unter dem Kommando von Captain Bradock flog?« »Bradock, Bradock!? War dieser Captain nicht mit Marschall Bulton verwandt?« »Ja, aber versuchen Sie bitte so schnell wie möglich, die Angaben zu bekommen. Sie könnten von immenser Wichtigkeit für Terra sein.« Dan Riker ahnte nicht, um was es ging, aber er erkannte, daß Burton die Beantwortung seiner Frage wirklich sehr wichtig war. Zwei Minuten später tobte Riker über die Schlamperei in der Zentrale. Die drei Offiziere am Checkmaster bekamen unfreundliche Worte zu hören. »Und nur weil einmal mehr dem Checkmaster wichtige Unterlagen nicht zur Speicherung eingegeben wurden, darf ich jetzt Cent Field anrufen. Meine Herren, ich werde auf diesen Fall zurückkommen. Verlassen Sie sich darauf.« »Okay!« sagte Morris in der Funk-Z. »Cent Field haben wir sofort!« Er hielt Wort und schickte die Anfrage nach Terra ab. Die Antwort sollte in wenigen Minuten kommen.
86 In der Zwischenzeit suchten die Snide-Zwillinge weiter nach dem Transmitter, der laut Informationen der Mysterious hier irgendwo existieren mußte. Charly Snide hatte eine weitere Mentcap geschluckt und gab sein Wissen sofort weiter. »Wir stehen auf dem Transmitter!« rief er seinem suchenden Bruder zu, der die linke Metallwand abtastete.
»Oder vielleicht auf einem Raumschiff!« spottete Doorn, nachdem er den Boden betrachtet hatte, der spiegelblank war und nicht einen Kratzer aufwies. Die beiden Snides waren gutmütige Knaben und konnten eine ganze Portion Spott vertragen. »Warum soll diese Anlage kein Raumschiff sein? Sie ist doch in Ringform gebaut, wenn man sich den Kuppelsaal wegdenkt!« hielt Charly dem Sibirier entgegen. Dhark schüttelte den Kopf. Mit seinen Männern ging die Phantasie durch. Da meldete sich Riker aus der POINT OF. Er gab die letzten bekannten Koordinaten der FO III an. Jan Burton konnte einen Pluspunkt für sich verbuchen. Der Standort des letzten Funkspruchs des Forschungsraumers lag auf Grün nur um 32,7 Lichtjahre von jenen Koordinaten entfernt, wo es auf Planeten riesige Robotflotten geben sollte. Ein Verdacht wurde in Dhark wach. Sollte das Verschwinden der FO III das Auftauchen der gewaltigen Ringraumerflotte über Terra ausgelöst haben? Aber wie waren die Robotschiffe an die Position der Erde gekommen? Er ahnte nicht, daß er mit seinen Vermutungen der Wirklichkeit ziemlieh nahegekommen war. »Vorsicht!« gellte Charlys Ruf durch den Archivraum. Die Männer wirbelten herum. Ihr Blick folgte der ausgestreckten Hand von Charles Snide. Der Boden war transparent geworden. Man konnte nicht bestimmen, wie viele Meter man in die Tiefe blicken konnte, aber es mußten mehr als zwanzig sein. Und in der Tiefe stand eine graue 87 Transmitter-Antenne, ähnlich dem Modell, das man zuerst im Industriedom auf Hope entdeckt hatte. Aber wie kam man an diesen Transmitter heran? Und waren durch diesen Transmitter die vermißten Männer mit dem Robothund verschwunden? Hatten sich auch die Giants über diese Anlage abgesetzt? Ren Dhark verlor trotz der turbulenten Ereignisse nicht die Übersicht. Er hatte seine Gedanken auf eine bestimmte Sache konzentriert, nahm eine weitere gutverpackte Mentcap in Empfang, warf die zerbrochene Packung in den Auffangkorb zurück und schluckte die kleine weiße Kugel. Die Hoffnung, diesen Transmitter zu benutzen, mußten sie aufgeben.
Das Mentcap-Wissen hatte ihm gezeigt, daß die Anlage gesperrt war, wenn sie nur sichtbar wurde, aber nicht aus der Tiefe hoch fuhr. Die Aufhebung der Sperre war nur von der Gegenstation aus möglich! »Mist!« knurrte Doorn. Dhark schluckte die nächste Mentcap. Er wollte erfahren, ob die Giants über diesen Transmitter halten verschwinden können, denn nach den auf Terra vorliegenden Informationen der vier verschwundenen Cyborgs waren die Kugeltransmitter für die Giants unpassierbar. Sollten Transmitter mit grauer Ringantenne die berühmte Ausnahme darstellen? Dieser Typ war tatsächlich die Ausnahme! Dann blieb der Auffangkorb leer. Es gab keine Mentcap, die vermittelte, auf welchem Planeten die Gegenstation zu diesem Transmitter zu finden war. »Hier brechen wir vorläufig unsere Untersuchungen ab und...« Die POINT OP meldete sich. Dan Rikers leicht gerötetes Gesicht war auf der Bildscheibe des Spezialgerätes zu erkennen. »Ren, wir haben gerade wieder dieses ominöse Kon wedeln wi terra! aufgefangen. Es kam aber nur dreimal ganz durch, und beim vierten Mal brach es nach dem zweiten Wort ab. Deswegen allein rufe ich dich aber nicht an. Wall Brugg glaubt, die Position des Senders jetzt ausgemacht zu haben. Er ist 62.378 Lichtjahre von uns entfernt! Auf der Höhe des galaktischen Zentrums, aber auf Rot um 12.579 Lichtjahre davon versetzt.« Dhark überlegte. »Also sozusagen links davon! Hm... ein bißchen weit, und wir haben uns ja auch eine andere Aufgabe gestellt, nämlich unsere vermißten Männer zu suchen. Dazu ist in diesem fernen Sektor noch nicht einmal ein Forschungsraumer gewesen. Ich...« »Moment!« rief Riker dazwischen. »Die Station hat soeben wieder gesendet, aber den Text des Rufes verändert. Ich lasse nochmals abspielen. Achtung, Speicherung läuft!« Terra wire! Wire terra! Terra wire! Wire terra! Kein Wort aus der POINT OF. Kein Wort im Archivraum. Aber alle glaubten unter einer schweren Last zu stehen. Terra — war mit diesem Wort nun die Erde gemeint, oder war es nun zum zweiten Mal Zufall, daß dieses Wort in dem Ruf vorkam? Doch wozu diente das Wechselspiel, das Verschieben der Wörter?
»Konnte die Position erneut bestimmt werden?« brach Dhark das Schweigen auf beiden Seiten. »Noch genauer. Mit der Echokontrolle ist der Mammutsender genau zu erfassen. Distanz 62.376,9 Lichtjahre. Wir könnten es in drei Transitionen schaffen, Ren.« »Ich muß es mir noch überlegen. Wenn wir mit der Suche nach unseren Leuten nicht weiterkommen, können wir ja noch einmal darüber sprechen.« »Gut. Riker, Ende.« Dhark trat auf Charly Snide zu. »Wie haben Sie es geschafft, daß der Transmitter sichtbar wurde?« »In Gedanken habe ich verlangt, ihn zu sehen, und da wurde der Boden transparent. Gedankensteuerung!« 88 89 Nur ein Wort, aber was verbarg sich nun tatsächlich dahinter? Sprach diese Steuerung der Mysterious wirklich nur auf die schwache Alpha-Rhythmus-Ausstrahlung des menschlichen Gehirns an, oder kamen noch andere Faktoren, die man bisher nicht entdeckt hatte, zur Wirkung? Manu Tschobe schluckte als letzter noch eine Mentcap. Er wollte erfahren, ob die Giants von den Mysterious als Wächter über die Transmitter-Straßen eingesetzt worden waren, oder ob die Giants sich eigenmächtig diese Aufgabe zudiktiert hatten. Er schüttelte den Kopf. »Man könnte verrückt darüber werden. Dhark, gerade erfahre ich, daß es angeblich gar keine Kontrolle oder Überwachung der Transmitter-Straßen gibt! Tatsächlich gibt es sie aber doch. Zum Donnerwetter, gibt es auch Mentcaps, die uns einen Bären aufbinden?« »Das weiß ich nicht. Aber daß es hier Giants mit einer auffallend starken Eigeninitiative gab, das weiß ich. Ich möchte vermuten, daß die Giants in den letzten tausend Jahren hier allerlei verändert haben. Aber jetzt möchte ich noch etwas erfahren.« Doch der Auffangkorb blieb leer. »Das hatte ich befürchtet.« Er sah seine Männer der Reihe nach an. »Ich wollte erfahren, welche Informationen die Mysterious über die Herstellung der Giants hinterlassen hatten. Mein Versuch ist negativ verlaufen. Keine Mentcap im Korb. Daraus könnte man schließen, daß mit der Herstellung der Giants erst begonnen wurde, als die Mysterious bereits verschwunden waren...« »Nicht unbedingt. Wer sagt uns, daß die Mysterious ihr gesamtes Wissen in Mentcaps speicherten? Und damit wären wir
wieder bei meinem Verdacht, daß die Geheimnisvollen durch ihre eigenen Roboter vernichtet worden sind!« Manu Tschobe trumpfte nicht auf, sondern stellte seine Vermutung nur als weitere Möglichkeit in den Raum. Ren Dhark sah den Afrikaner nachdenklich an. »Tschobe, wenn das stimmt, dann haben auch wir die Giants zu fürchten. Dann sind sie der Feind allen intelligenten Lebens. Aber können die Myste- ' 90 rious wirklich so dumm gewesen sein, Roboter zu entwickeln, die zu einer Gefahr für sie wurden?« »Commander, denken Sie an die Kugelraumer der Giants. Jetzt bin ich überzeugt, daß sie diese Schiffe selbst entwickelt haben. Und noch eins: Warum hätten die Giants die Geheimnisvollen nicht vernichten sollen? Eine moralische Schranke dafür kannten sie sicher nicht. Die Mysterious stellten irgend etwas dar, das die Giants störte, und das sie deshalb ausschalteten. Das war für sie nicht weiter von Bedeutung, so daß sie die Informationen über den Vemichtungsfeldzug nicht in ihren Programmgehirnen speicherten, so wie sie ja auch keinerlei Informationen über ihre Herkunft in ihren Speichern ablegten. Unsere lieben Mysterious haben mit diesen Giants etwas geschaffen, das strenggenommen gegen Naturgesetze verstößt. Sie haben eine unverzeihliche Sünde begangen, ich möchte fast annehmen, aus Hochmut, und diese Sünde mußten sie mit dem Untergang ihrer Rasse bezahlen. Es wäre schön, wenn ich mich mit allen meinen Vermutungen geirrt hätte, aber ich befürchte, daß ich am Ende doch recht behalte. Und wie groß die Gefahr durch die Giants ist...« Tschobe verstummte und schüttelte nur den Kopf. »Wenn das stimmt, dann haben wir und andere Rassen schon mit ihnen zu tun. Dhark, die Unsichtbaren mit ihren unsichtbaren Stationen könnten Giants sein! Denn nur Roboter können so sinnlos, so gnadenlos morden.« »Jetzt sind Sie zu weit über das Ziel hinausgeschossen, Tschobe.« »Nein, Dhark, ich habe nur nicht vergessen, daß wir es mit verschiedenen Arten von Giants zu tun haben. Mag der Himmel wissen, was sich die Mysterious dabei dachten, als sie diese Roboter schufen! Allerdings verstehe ich nicht, wozu sie die Giants beim perfekten Stand ihrer Automation benötigten. Verfiel ihre Kultur schon, war ihre Technik ausgebrannt, gab es bei ihnen keine schöpferischen Gedanken mehr?« Fragend blickte er den Commander an, der sich der Wirkung von Tschobes Überlegungen
91 nicht entziehen konnte. Dhark wollte gerade zu einer Entgegnung ansetzen, da kam die Störung von der P01NT OF. »Ren, auch Cent Field hat die Station lokalisiert. Ihre und unsere Koordinaten stimmen bis auf eine Differenz von 0,23 Lichtjahren überein. Dort wundert man sich auch, daß die ungewöhnlich starke Hyperfunksendung plötzlich nicht mehr von sieben verschiedenen Stellen gleichzeitig abgestrahlt wird und nun auch zu orten ist. Man hat auf Terra den Verdacht geäußert, daß bei dem ersten stundenlangen Dauerruf ein technischer Fehler das eigenartige Phänomen ausgelöst hat, aber damit ist das Verstummen von Planet l und den anderen Sendern und Relaisanlagen leider nicht geklärt. Doch wie sieht es bei euch aus? Habt Ihr Spuren der Vermißten entdeckt?« »Ja, eine. Wir vermuten, daß sie mit den Giants durch einen Transmitter mit grauer Ringantenne verschwunden sind, aber das Aggregat ist von der Gegenstation her abgeschaltet. Wir kommen nicht einmal heran, denn es steckt im Boden des Archivs, der plötzlich transparent wurde. Mehr ist zur Zeit nicht zu melden.« Drei Stunden später befand sich Dhark mit seinen Männern wieder auf der POINT OF. Die weitere Auswertung des Archivs mußte einem Spezialteam überlassen werden. Die Lagebesprechung mit Rikcr und den anderen Führungsoffizieren des Ringraumers war kurz, das To-Funkgespräch mit dem Stab der TF und Henner Trawisheim noch kürzer. Als einzige Neuigkeit von Bedeutung kam die Meldung herein, daß sieben Pyramidenraumer der Utaren durch das Sonnensystem Kurs Terra flogen. Die Weisheit der pygmäenhaften Humanoiden besuchte zum ersten Mal die Erde, um sich auf Terra persönlich für die Hilfe gegen den unbekannten, mörderischen Gegner zu bedanken. Cent Field hatte einen »Großen Bahnhof« vorbereitet, der einmalig in der Geschichte der Menschheit war. Ren Dhark stand vor der Entscheidung, die Suche nach den Vermißten weiterzuführen, obwohl es keine einzige handfeste Spur von ihnen gab, oder nach Terra zurückzufliegen, um als Commander der Planeten die Weisheit zu empfangen. Die Bordverständigung meldete sich. Die Männer um den Schwebetisch in der Kabine des Commanders blickten in Richtung des Lautsprechers. »Dhark, diese Station ist schon wieder zu hören. Ich schalte um!« Terrun woger lerra! Terrun woger lerra! Terrun woger terra!
Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Der Ruf aus dem Sternenmeer galt Terra, aber wer rief die Erde? Wer? Terrun woger terra! Terrun woger terra! »Los, Brugg, funken Sie auf derselben Frequenz zurück. Am besten mit To-Funk. Als Text nur terra und dann dahinter die Additionsaufgabe: zwei plus zwei gleich vier. Sie wissen Bescheid.« Leichte Röte stand in Dharks Gesicht. Er wußte darum, aber ihm war selbst nicht klar, weshalb er sich so stark erregt hatte. »Morris!« Der meldete sich sofort aus der Funk-Z. »Fehlen an den Blips dieser Sendung auch die Raum-ZeitSchnörkel?« »Nein, schon beim letzten Mal nicht. Das war uns sofort aufgefallen. Sogar den Herren in Cent Field.« »Hm...« Danach kam nichts mehr. Dhark überlegte. Ron wedda wi terra! Terra wire! Wire terra! Und nun: Terrun woger terra! Unverändert der Begriff terra. Aus dem Wort terrun konnte man vielleicht auch terra ableiten. Die Wörter wedda, wi, wire und woger konnten nicht gedeutet werden. Auffallend, daß sie alle mit dem Buchstaben W begannen. 92 93 Brugg jubelte über die Verständigung: »Die Station antwortet! Drei plus drei gleich sechs. Und hier der Text!« Terra wowire terra! »Commander, der Stab der TF. Ich gebe durch.« Marschall Bulton wollte den Commander sprechen. »Hier steht alles Kopf, Dhark. Manche sehen in diesen Funksprüchen die größte Sensation. Ich selbst weiß nicht, was ich davon halten soll. Unsere Experten haben behauptet, die Sendeleistung wäre noch acht bis zehnmal größer als die von Planet l. Und in den Rufen immer unverändert das Wort terra. Je länger man es hört, um so stärker wird der Verdacht, daß man Terra um Hilfe ruft. Aber wer kann das sein? Wer weiß denn schon zwischen den Sternen, daß wir unsere gute Mutter Erde auch Terra nennen? Und wer ist in der Lage, solche riesenstarken Sender zu bauen, die jede menschliche Vorstellungskraft übersteigen?«
Dhark durchschaute Marschall Bulton, und auch Dan Riker, der eigentliche Chef der TF, dem aber jede Schreibtischarbeit verhaßt war, wußte, was der alte Soldat eigentlich wollte. Dhark und Riker schmunzelten. Der Sibirier in der Ecke der Kabine grinste breit. Bultons Fragen waren eine einzige Bitte an den Commander, sich diese Punkstation in der Tiefe der Galaxis doch einmal aus der Nähe anzusehen. Wieder sorgte Brugg für eine Unterbrechung. Er hatte einfach ohne Ankündigung durchgeschaltet. Terra tu! Terra to! Das Wort Terra, ausgestrahlt von einer fernen, unbekannten Station, hatte eine Suggestivkraft, der auch Ren Dhark erlag. »Wir starten!« sagte er und erhob sich. Auf der Erde hatte Bulton mitgehört. Er nickte zufrieden. In Dharks Kabine gab es niemanden, der mit dem Entschluß des Commanders nicht einverstanden war. Um 22:09 Uhr Normzeit startete die POINT OF zu einem Flug, der über 62.000 Lichtjahre führen sollte. 94 Sie stießen in Weiten der Gaiaxis vor, die Terra incognita waren - unbekanntes Land. Im Schiff bestand Alarmstufe l! Die Waffensteuerungen waren ebenso wie die Zentrale in voller Stärke besetzt. Falluta und Bebir unterstützten Tino Grappa an den Ortungen. Der Checkmaster hatte die Order erhalten, sofort einzugreifen, wenn Gefahr für die POINT OF bestehen sollte. Alle Wissenschaftler fieberten ob der neu zu gewinnenden Erkenntnisse. Jens Lionel rieb sich die Hände. »Endlich kommen wir mal dem Sektor ein Stück näher, in dem die Störungen des elektromagnetischen Feldes ihren Ursprung haben. Vielleicht haben wir sogar die Möglichkeit, zu erfahren, wie es zu diesen Magnetorkanen kommt.« Seine Kollegen teilten seinen Optimismus nicht. Die meisten von ihnen glaubten nicht daran, daß dieses Rätsel in absehbarer Zeit gelöst werden könnte. Ren Dhark tastete sich vorsichtig an das Ziel heran. Er hatte die Tel nicht vergessen. Es lag im Bereich der Möglichkeit, daß diese Rufe in unbekannter Sprache, die nur das eine bekannte Wort terra enthielten, nichts anderes als ein Köder waren. Dro Cimc mußte befragt werden.
To-Punkspruch nach Terra.
Kurze Zeit später sprach der Commander mit dem Wer - so der bisherige militärische Rang des Tel. Aber auch ihm war diese Sprache unbekannt. Er verbürgte sich dafür, daß sie zu keinem Idiom der Tel-Sprache gehörte. Dann machte er noch eine bedeutungsvolle Bemerkung. Ihm als Wer im Rang einem General der TP vergleichbar - war nicht bekannt, daß das Tel-Imperiuro einen Sender mit dieser gewaltigen Leistung besaß. 95 Also keine Falle? Marschall Bulton mußte noch einmal her. »Szardak und Larsen sollen sich mit ihren Verbänden startklar halten für den Fall, daß wir in eine bedrohliche Notlage geraten...« »Wir setzen in diesem Fall auch noch die neue TERRA ein, Commander. Der Räumer hat die Erprobungsphase gerade erfolgreich beendet. Er hat sich sämtlichen Anforderungen gewachsen gezeigt! Sind Sie damit einverstanden?« Dhark war beeindruckt - endlich einmal ein vielversprechender Erfolg! »Einverstanden, Ende.« Die Astrophysiker waren ungehalten, weil zwischen dem Wiedereintritt und dem nächsten Sprung stets nur drei Stunden lagen. Sie hätten Tage benötigt, um all das Neue, das auf sie einstürmte, zu analysieren und zu erkennen. Unter anderem waren sie auf eine Sache gestoßen, die sie nicht erwartet hatten. Daß Blaue Riesen in diesem Gebiet standen, war nichts Neues, aber daß sich diese blauen Sterne im Bereich einer erstaunlich dichten Gaswolke bewegten, verblüffte die Experten. Der kühle Wasserstoff war dermaßen komprimiert, daß damit alle Theorien über die Dichte von Gaswolken im interstellaren Raum über den Haufen geworfen wurden. Die nächste Transition stand an. Pünktlich auf die Sekunde wurde der Sprung durchgeführt. Blaue Riesen gab es auch hier, aber nur ein Zehntel gemessen an der Zahl der Sterne, auf die sie 10.000 Lichtjahre zurück gestoßen waren. Die Dichte der Wasserstoffwolke hatte noch mehr zugenommen. Im Gebiet der Blauen Riesen wurde sie aufgeheizt. Dabei kam es zu einem herrlichen Farbspiel, das auf einigen Bildschirmen betrachtet werden konnte. Nach dem nächsten Sprung befand sich die POINT OF 50.000 Lichtjahre entfernt vom Planeten der Giants. Das Schiff stand immer noch in einer Wasserstoffwolke, deren Dichte abermals eine Steigerung erfahren hatte.
Acht Minuten vor der nächsten Transition schaltete sich Plishi, einer der Astrophysiker, zu Commander Dhark durch. »Ich möchte Sie auf etwas vorbereiten, Commander. Wir werden auf eine Funkstation stoßen, deren Sendeleistung gar nicht so atemberaubend groß ist. Aber diese Station wird sich im Zentrum einer Wasserstoffwolke befinden und mit Hilfe dieser Wolke, die auf dem 21-Zentimeterband strahlt, ihre Sendungen verstärken.« Ren Dhark glaubte seinen Ohren nicht zu trauen! War dieser Astrophysiker Plishi leicht übergeschnappt? Wußte er nicht, daß diese Station Hyperfunksprüche ausgestrahlt hatte? »Die Radiowellen dieser Gaswolke werden von der Funkstation benutzt, um die eigene Leistung um ein Vielfaches zu verstärken!« behauptete Plishi. »Wissen Sie, was Sie damit sagen?« »Ja! Diese Wasserstoffwolke mit einem Durchmesser von rund 28.000 Lichtjahren und einer Dicke von 8.000 bis 13.000 Lichtjahren ist nichts anderes als der Verstärker dieser Station, die wir anfliegen.« »Hm...« Im Kommandostand sah man sich verblüfft an. Angst vor Zahlen hatte der Astrophysiker nicht, dafür allem Anschein nach Phantasie mehr als genug. Eine Wasserstoffwolke, die Radiowellen auf dem 21-Zentimeterband ausstrahlte, als Verstärker für eine Hyperfunkstation? Ren Dharks Schlußbemerkung klang dementsprechend. »Wir lassen uns überraschen, Plishi.« Die letzte Transition erfolgte. Nur wenige Lichtstunden von dem unbekannten Sender entfernt sollte die POINT OF wieder ins heimatliche Kontinuum einbrechen. Genau 2,1 Lichtstunden vor der Station rematerialisierte der Ringraumer. Die Vergrößerung der Bildkugel sprang auf Maximum. Überall im Schiff hielten die Männer den Atem an! Sie sahen eine im Raum stehende, bizarr verfremdete Kugel, die in schwachem Blaulicht strahlte. Um sie herum, aber noch deutli 96 97 eher hinter ihr, glühten Gaspartikel, die dem Gebilde das Aussehen eines Kometen gaben. Aber was war mit dieser Kugel? Der Ausdruck »Kugel« war unrichtig. Sie hatten eine überdimensionale Kastanie vor sich, die noch dazu in ihrer stacheligen Schale steckte!
»Energieortung spricht an! Massenortung auch! Starke Konverter, schätzungsweise ein paar hundert, sind in Betrieb. Distanz 2,1 Lichtstunden. Durchmesser der Kastanie 68 Kilometer. Schwerkraft an der Oberfläche 0,42, aber im Innern 0,94 Gravos!« Grappas Stimme klang beeindruckt. Wer hatte schon eine Riesenstation von 68 Kilometern Durchmesser erwartet? Eine Kurztransition erfolgte. Ohne Zeitverlust stand die POINT OF plötzlich nur noch in einer Entfernung von 230,000 Kilometern vor dem stacheligen Etwas, das aus dieser Nähe bedeutend stärker im Blaubereich strahlte. »Blau, die Lieblingsfarbe der Mysterious«, murmelte Dan Riker, der sich an dem bizarren Gebilde nicht sattsehen konnte. Dhark zeigte seine Verwunderung und Ratlosigkeit nicht. Über die Gedankensteuerung justierte er die Bildkugel. Immer mehr Einzelheiten ihrer Oberfläche wurden deutlich. Die nach allen Seiten ragenden Spitzen waren Antennenmasten. Keiner glich dem anderen. Neben Spiralantennen standen langstielige Konstruktionen. Daneben und davor wieder freischwebende Halbkugeln, und dahinter reckten sich Masten ins All, deren Enden rechteckige Flächen trugen. »Dhark, die Kugel ist ein einziger Konverter. Was wir hier anmessen, hat es nicht einmal auf W-4 im System Ika-3 gegeben...« Astrophysiker Plishi meldete sich über die Bordversländigung. »Dhark, die kühle kosmische Wolke, die mit Wasserstoffatomen übersättigt ist, hat in diesem Bereich ihre größte Dichte erreicht. Wir beobachten gerade einen Radiowellen-Strom, der von der halbkugelfönnigen Antenne - man möchte fast sagen - angesaugt wird. Durch diese Beobachtung bin ich in meiner Vermutung be 98 stärkt worden, daß man die Radiostrahlung der Gaswolke zur Verstärkung des Hyperfunksenders benutzt.« »Besten Dank für die Informationen!« Dhark schaltete ab. Der Physiker hatte sich einen ungünstigen Zeitpunkt für seine Meldung ausgesucht. Die Funk-Z sollte die Station anrufen. Spannung wechselte in Enttäuschung über. Die Station antwortete nicht. Dhark wagte nicht, noch näher heranzugehen. Er beorderte die Cyborgs, Doorn und Manu Tschobe in die Zentrale. Jeder Cyborg war auch als Flashpilot ausgebildet. »Wir fliegen mit Flash hinüber. Ob wir einfliegen, kann ich noch nicht sagen. Für alle Fälle aber wird die große Ausrüstung nutgenommen.«
Sie wußten, was das hieß. Die große Ausrüstung schuf die Möglichkeit, bis zu vier Wochen von jedem Nachschub unabhängig zu sein. Das zeigte, für wie gefährlich der Commander diesen Einsatz hielt. »Noch einmal die Station anrufen, Morris!« Sie strahlte keinen Ruf zurück. Die blauschimmemde Riesenkastanie, die noch vor kurzer Zeit wieder und wieder ein und denselben Satz ausgestrahlt hatte und die zum Schluß mit drei plus drei gleich sechs geantwortet hatte, schwieg sich aus. Wortlos, mit grimmigen Gesicht, wechselte Riker in Dharks Sitz. In seinem nahm Falluta, der erste Offizier der POINT OF, Platz. Das Einsatzkommando verließ die Zentrale. Dreiundzwanzig Minuten später flogen die Cyborgs, Dhark, Tschobe und Doorn in drei Flash aus. Auf der Bildkugel sah man die plumpen Blitze kleiner und kleiner werden, aber Riker holte sie wieder in die Kugel, indem er auf Ausschnittvergrößerung schaltete. Da flogen sechs Mann dem Unbekannten entgegen, und er durfte wieder einmal nur Rückendeckung geben. Es fiel Dan Riker nicht immer leicht, stets Nummer zwei zu sein. Ob Ren Dhark 99
schon einmal daran gedacht hatte?
Die Sicherungswache im Brana-Tal hatte den leichtesten und langweiligsten Dienst. Das behaupteten die Männer, die hinter den Strahlkontrollen saßen und dort ihre Aufgaben erfüllten. U-587 war gemeldet, ein Groß-Jett aus Bombay. Achtundzwanzig Wissenschaftler kamen von einem Kongreß zurück. Gestern war U-587 nach Bombay geflogen, um die Arzte abzuholen. Fast auf die Minute pünktlich kam der Jett zurück, stand über dem Prallschirm, der die Cyborg-Station schützte, und bat um Landeerlaubnis. Die wurde prompt vom Tower erteilt. U-587 durfte landen. Gemütlich stiegen die Wissenschaftler aus. Die Sicherungswache verfolgte es über zwei Bildschirme. Plaudernd kamen die Ärzte über das Landefeld auf den Eingang des Tunnelsystems zu. Der Pilot blieb an Bord. »Nanu, was ist denn das?« stieß Shu Dragon aus, der die Sensorkontrolle zu überwachen hatte. Rot flackerte. Drei Kreise waren ausgefallen. Die Kontrolle arbeitete nicht mehr, aber Dragon beeilte sich nicht sonderlich.
Wozu jetzt etwas überstürzen, denn die zurückkehrenden Ärzte waren ja schon hundertmal identifiziert worden. Er schaltete sein Vipho durch und rief die Abteilung Technik an. »Am Haupteingang ist die Sensorkontrolle ausgefallen. Schickt doch mal einen Mann rüber, der sich der Sache annimmt. Bis zum Schichtwechsel muß die Reparatur erledigt sein, sonst kann ich nicht übergeben.« »Wir sehen, was sich machen läßt!« Shu Dragon speicherte die Meldung, gab die Uhrzeit ein, und damit war der Fall für ihn vorläufig erledigt. Achtundzwanzig Mediziner gingen durch den langen Haupttun 100
nel immer tiefer in die Station hinein.
Vor drei Jahren hatten hier 1.350 Wissenschaftler gearbeitet. Inzwischen war die Zahl der Mitarbeiter auf über fünftausend gestiegen. Diese Station konnte für sich den Ruf in Anspruch nehmen, eine der kostspieligsten Forschungsstätten der Erde zu sein. Aber die Unsummen, die hier ausgegeben wurden, kamen millionenfach an anderen Stellen wieder herein, denn innerhalb weniger Jahre hatte die Cyborg-Station der Medizin viele neue Impulse gegeben. Hin und wieder begegnete die Gruppe anderen Kollegen. Man grüßte sich flüchtig, aber Bekannte waren nicht darunter. Drei Experten waren zurückgeblieben. Sie diskutierten über einen Vortrag, den sie auf der Tagung in Bombay gehört hatten, dem sie aber nur teilweise zustimmen konnten. Am Kreuzungspunkt drei blieben sie stehen und sprachen immer lauter. »Die Behauptung, das Pel-Virus sei eine Mutation aus dem Gerro-2, ist doch nackte Spekulation. Die Kristallstruktur beweist doch...« »Vergessen Sie nicht die Molekülkette...« »Ach was! Zufällige Übereinstimmung. Die haben wir beim Forra, beim 2-Dru und beim Xida gleich dreimal...« Bei 34-TT bogen sie rechts ab. Die beiden GSO-Männer, die vor der Tür 4/638 Wache schoben, sahen die plaudernde Gruppe gemütlich herankommen. »Die Mediziner aus Bombay!« bemerkte einer. Die Nachricht von der Landung des Groß-Jett hatten sie über Vipho erhalten. Vier Ärzte waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, daß sie die beiden GSO-Leute gar nicht bemerkten. Höflich traten sie bis an die Wand zurück. Trotzdem war ein Zusammenstoß nicht zu vermeiden.
Sie konnten nicht mehr reagieren, als sie die Paraschocker in den Händen der anderen sahen. Von der vollen Dosis getroffen, sackten sie paralysiert zu Boden. Im nächsten Moment wurde die Tür 4/638 aufgestoßen. Die 101 Ärzte schleppten die beiden besinnungslosen GSO-Männer hinein und verschwanden dann selbst in stürmischer Eile in dem Raum. Worte in fremder Sprache klangen auf. Einundneunzig Tel glaubten, ihren Olu-en nicht trauen zu dürfen. Hauchdünne Gesichtsmasken flogen auf sie zu, ebenso dünne Handschuhe. Die Reisetaschen, die jeder der Fünfundzwanzig trug, schienen keinen Boden zu haben, so viele Gegenstände wurden daraus hervorgeholt. Overalls von Monteuren und Technikern wechselten den Besitzer. Sie sahen echt aus, aber sie waren nur aus hauchdünnem, undurchsichtigem Plastikstoff. Genau durfte man allerdings nicht hinsehen, dann erkannte man die Tarnung. Die im Brana-Tal festsitzenden Tel hatten sofort begriffen, daß man sie befreien wollte. Ihre schwarzen Gesichter verschwanden hinter fleischfarbenen Masken, die Hände in den Handschuhen, und dann streiften sie die Pseudooveralls über. In ihrer Muttersprache wurde ihnen mit hastigen Worten der Fluchtplan erklärt. Atemlos hörten die Schwarzen Weißen zu. In drei Gruppen sollten sie verschwinden. Wenn alles glatt verlief, befanden sie sich in einer Stunde schon in Sicherheit. An der Kreuzung drei standen die drei Männer immer noch und diskutierten über Viren, die eine Mutation erlebt haben sollten. Aber einer beteiligte sich plötzlich nicht mehr daran, als er die erste Gruppe aus dem Raum 4/638 treten sah. Er griff in seine Reisetasche, holte ein Gerät hervor, das Ähnlichkeit mit einem Vipho hatte, und sagte: »Hauptausgang?! Hier Technische Zentrale IIIc. Hundenneunzehn Techniker und Ingenieure fliegen um 14.20 Uhr Normzeit mit U-578 nach Lhasa zu einem Spezialkursus. Danke!« Der nächste Anruf galt dem Tower. »Unterrichten Sie den Piloten von U-587, daß er um 14.20 Uhr Nonnzeit mit hundenneunzehn Technikern und Ingenieuren nach Lhasa fliegen muß. Technische Zentrale HIc erbittet Startfreigabe für diesen Zeitpunkt.« 102 »Stanfreigabe erfolgt für 14.20 Uhr«, bestätigte der Leitende im Tower.
An der defekten Sensorkontrolle war immer noch kein Monteur zu sehen, als der letzte der großen Gruppe nach draußen auf den Großjett zuging. Niemand hatte es eilig. Man bummelte sogar. Der Großjett hob ab. Der Prallschirm fiel in sich zusammen, und die Maschine stieg steil in die Höhe. Der Pilot von U-587 hielt auf die fast siebentausend Meter hohe Felswand zu, die dem BranaTal eine unbeschreibliche Kulisse verlieh. Er verzichtete darauf, erst zweihundenzehn Kilometer lang dem Tal zu folgen, um dann durch ein Seitental den Kurs nach Lhasa einzuschlagen. In der Sicherungswache wurde der Steigflug des Jett über zwei Bildschirme verfolgt, und man war so gefesselt, daß man das Eintreten eines Monteurs überhöHe. Der mußte sich erst bemerkbar machen. »Wer hat denn die Sensorkontrolle demolien? Das ist doch Sabotage, was damit gemacht wurde. Laßt mich mal ran.« Er schaltete das Vipho ein und rief die GSO an. Er nahm kein Blatt vor den Mund. Der Agent der GSO am anderen Ende der Leitung reagiene augenblicklich: »Bleiben Sie, wo Sie sind, wir schicken sofon zwei Mann hinüber.« Fünf Minuten später waren sie da. Wiederum eine Minute später wurden alle Ausgänge der Cyborg-Station durch Energiegitter verschlossen. Aber erst um 14.56 Uhr Normzeit entdeckte man die Flucht der einundneunzig Tel! Das löste eine Großfahndung auf der gesamten Erde aus. Aber es kam noch schlimmer. Die achtundzwanzig Mediziner, die von einem Kongreß aus Bombay gekommen waren, konnten nicht aufgetrieben werden. Nicht ein einziger meldete sich. Ghendi, erst seit drei Monaten bei der GSO, fühne eine einfache Additionsaufgabe durch. 103 Achtundzwanzig plus einundneunzig ergab hundenneunzehn! Niemand wagte, dem Chef diese Mitteilung zu machen. Die beiden paralysierten GSO-Leute waren auf Stunden nicht zu verhören. Ihr Zustand war sogar bedenklich, weil man ihnen eine Dosis verabreicht hatte, die letale Stärke besaß. Aber wo waren dann die echten achtundzwanzig Mediziner, die doch längst wieder zurück sein mußten? Plötzlich stand Bernd Eylers in der Tür. Er war über Transmitter aus Alamo Gordo gekommen. An On und Stelle erfuhr er alles.
Die Viphoverbindung zu seiner Zentrale stand. »Wo hält sich Dro Cimc im Augenblick auf?« fragte er durch. »Dro Cimc sitzt seit 14 Uhr Normzeit zusammen mit Szardak und Larsen in der Offiziersmesse von Cent Pield«, kam die Antwon nach einer kurzen Pause. Eylers nickte nur. Sein Verdacht hatte sich zum Glück nicht bestätigt. Auch er hoffte, in dem Tel einen Verbündeten gefunden zu haben! Aber das ändene nichts an der Tatsache, daß auf Terra feindliche Tel frei und vergnügt herumliefen! Und er hatte sich auch noch aufs hohe Pferd gesetzt und Bert Strangers Warnungen in der letzten Zeit ignoriert. Bert Stranger, der immer wieder bewiesen hatte, eine Nase für Probleme zu haben! Was er während Eylers' Abwesenheit von der Erde in Afrika geleistet hatte, war wirklich außerordentlich. Der Chef der GSO war ratlos, als er sieh erhob. Er hatte einen Fehler gemacht. Was jetzt? Er konnte nichts anderes tun, als das Resultat der weltweiten Fahndung abwaUen. Kurz darauf war Eylers an der Sensorkontrolle des Haupteinganges zu finden. Den Monteuren fiel der Mann mit dem nichtssagenden Alltagsgesicht, der sich dazu auch noch etwas linkisch bewegte, nicht auf. Er hielt sich im Hintergrund, hörte nur zu. Boris Tabor, der Techniker, der den Störtrupp leitete, fluchte Stein und Bein über den Schuft, der die Kontrolle so fachgerecht demoliert hatte. 104 »Das war ein Fachmann. Einer von den Spitzenkönnern! Denn wer weiß schon, daß die ganze Geschichte durchschmoren muß, ohne die Sicherungen zu belasten, wenn man den Xipol mit Satz 3 und 7 zusammenschaltet? Verdammte Schweinerei!« Da legte ihm Eylers die Hand auf die Schulter. »Woher wissen Sie es denn?« fragte er nur. In der rechten Hand blitzte seine Erkennungsmarke auf. Der Techniker mustene ihn von Kopf bis Fuß. Beunruhigt war er nicht. Selbstbewußt kontene er: »Wenn das ein Verhör sein soll, warum verhören Sie nicht auch meine anderen Kollegen? Jeder von uns kann diese Schweinerei mit der Sensorkontrolle ausgeheckt haben...« Eylers unterbrach ihn. »Kein Verhör, aber eine Bitte um Auskunft. Vielleicht fällt Ihnen ja noch etwas Wichtiges ein, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist!«
Tabors Blick wurde nachdenklich. »Da hat sich vor einiger Zeit jemand bei meinem Kollegen Loa To-Datse über Ausfallmöglichkeiten bei Sensorkontrollen erkundigt. Wer war das denn noch?« Eylers' Spezialvipho meldete sich. Bombay war in der Leitung. Die Mediziner, die den Kongreß besucht hatten, mußten schon in der Stadt verschwunden sein. Beweis war der Film eines Ama teurs, der den Verkehr auf dem Jetthafen gefilmt halle. Die achtundzwanzig Personen aber, die den Großjett U-587 benutzt hatten, waren auf dem Film als jene Unbekannten ausgemacht worden, die man zusammen mit den Tel suchte. Eylers dankte Tabor, der während der Nachricht vergeblich grübelnd neben ihm gestanden hatte. Dann rief er die Leitstelle der GSO im Brana-Tal und ordnete an, schnellstens Loa To-Datse herbeizuschaffen. Bombay meldete sich noch einmal. Man hatte den Piloten des Großjett gefunden. Er lag im City Hospital, und die Ärzte waren noch nicht in der Lage, festzustellen, welche Drogen er zu sich genommen halte. »Wer hat dann den Großjett geflogen?« 105 Ein Funkspruch lief ein. V-5 87 gefunden, aber leer. Spuren lassen darauf schließen, daß die Gruppe durch mehrere Schnell-Jetts fortgeschafft wurde. Wenigstens acht Maschinen waren im Spiel. U-587 befindet sich in flugfähigem Zustand. Das wiederum wollte Eylers nicht glauben. »Halten Sie Distanz zu der Maschine. Unter keinen Umständen etwas einschalten. Wir schicken Spezialisten, die den Kahn erst einmal durchkontrollieren, oder möchten Sie mit dem Ding in die Luft fliegen?« Drei Stunden später sollte sich bestätigten, daß er mit seinem Verdacht recht hatte. Ein Zeitzünder war eingebaut worden, der den Großjett nach einem Flug von zehn Minuten in tausend Stücke zerrissen hätte. Als Eylers das Büro der örtlichen GSO erreichte, wartete Loa To-Datse bereits. Auf ihn prasselten pausenlos Fragen herunter. Er erinnerte sich des Falles besser als sein Kollege Tabor. »Mit Frank Spollaine habe ich darüber gesprochen, aber den können Sie nicht mehr verhören. Der ist vor zwei Stunden tödlich verunglückt. Mit 200.000 Volt ist nicht zu spaßen.« Aber es war kein Unglücksfall, wie man bisher angenommen hatte. Es war Mord. Doch wer hatte Spollaine an einer 200.000Volt-Leitung in den Tod geschickt? Mußte er deswegen sterben,
weil er die Sabotage an der Sensorkontrolle verübt hatte? Fast fünfundzwanzigtausend Dollar, die man im doppelten Boden seiner Werkzeugtasche gefunden hatte, sprachen Bände. Alle Spuren führten ins Nichts. Die Tel und ihre Befreier verschwunden. Frank Spollaine tot. Nach wie vor suchte man in Bombay die achtundzwanzig Mediziner, die an einem Kongreß teilgenommen hatten. 106 Ren Dharks Kopilot im Flash 002 war der Cyborg Jan Burton; im Blitz 003 flogen Charly Snide und Arc Doorn. Die 004 war mit George Snide und Manu Tschobe besetzt. Unaufhaltsam näherten sich die Beiboote der POINT OF der riesigen Station. Je näher sie dem Ungetüm kamen, desto mehr Einzelheiten der Oberfläche wurden erkennbar. »Eine Raumstation von 68 Kilometern Durchmesser! Und wir sind schon stolz darauf. Raumer zu bauen, die es auf vierhundert Meter Durchmesser bringen«, sagte Dhark zu Burton, der wieder den Kopf in den Nacken gelegt hatte, um die Bildprojektion zu betrachten. Im Funk zwischen den Flash blieb es still. Die drei Blitze flogen in Keilformation. Der Abstand zueinander betrug jeweils mehr als zehn Kilometer. Das war eine nonnale Sicherheitsmaßnahme. Man wollte damit bei eventuellem Strahlbeschuß vermeiden, zugleich von einem einzigen Strahl getroffen zu werden. Der Abstand zum Ziel verringerte sich schnell. Die Station füllte die Bildprojektion nun aus. Der sichtbare Ausschnitt der Oberfläche wurde ununterbrochen kleiner. Drei schlanke Türme von grauer Farbe, die von schwach strahlendem Blau beleuchtet wurden, hatten im Bereich der Basis einen Durchmesser von zwei Kilometern, verjüngten sich dann aber auffallend schnell, um auf der Spitze drei Antennen in Form hohler Halbkugeln zu tragen, die sich plötzlich gemeinsam bewegten und sich auf die Blitze ausrichteten. Im selben Moment stellte Dhark fest, daß sie in Fremdortung lagen. Den anderen Flashbesatzungen erging es genauso. Dhark schaltete auf Rundumverständigung. »Distanz zur Oberfläche 34.000 Kilometer. Durchmesser der drei hohlen Halbkugeln jeweils fast zweitausend Meter. Falls keine Störung erfolgt, gehen wir bei 10.000 in den Orbit und umfliegen die Station mehrfach.
Doorn, achten Sie ganz besonders auf die drei Halbkugeln. Sie sind mir nicht sonderlich sympathisch.« »Okay.« 107 Die POINT OF meldete sich. »Wir werden seit einer Minute von Fremdortung erfaßt. Grappa hat festgestellt, daß noch ein paar tausend Konverter mehr angelaufen sind. Es klingt unglaublich, aber ich habe mich persönlich davon überzeugt. Auf Anrute reagiert die Station nicht. Wir haben alle Sprüche, die uns zugestrahlt wurden, abgespielt. Fehlanzeige.« Das klang nicht beruhigend. Im Gegenteil. Das Schweigen der Station kündigte nahendes Unheil an. Wenn Plishis Theorie stimmte, daß diese Konstruktion die Emissionsenergie einer riesigen kühlen Gaswolke als Verstärker benutzte, dann war sie auch in der Lage, diese Energie über Transformer umzuwandeln, um sie als Kampfstrahlen zu verwenden. Abstand noch 19.000 Kilometer! In den Flash ertönte ein Summen. Überrascht lauschte Ren Dhark. Dieses Geräusch war ihm unbekannt. Ein schneller Blick auf die Instrumente verriet ihm nichts. Unwillkürlich setzte er sein Wissen von Erron-3 ein. Es half ihm nicht weiter. Das Summen wurde lauter. Da riß der Commander die Augen weit auf. Das Intervall seines Flash baute ab! Es brach nicht zusammen, sondern näherte sich unaufhaltsam der Unitalloberfläche. Der Abstand zwischen beiden betrug keine acht Zentimeter mehr. »Abstoppen!« befahl er und schaltete auf negative Beschleunigung, aber der Abbau des Intervalls wurde dadurch nicht aufgehalten. Dan Riker warnte aus der POINT OF. »Ihr fliegt in ein Feld hinein, mit dem unsere Experten nichts anfangen können. Ist bei euch noch alles okay?« Das war es längst nicht mehr. »Das Feld«, informierte sie Riker weiter, »hat seinen Ursprung bei den drei hohlen Halbkugeln auf den Antennenmasten.« 108 Unverständlich, daß die Belastung des Intervalls unverändert auf 1,3 Prozent stand. Ein sehr niedriger Wert, wenn man berücksichtigte, daß man durch eine kühle Gaswolke von unerwarteter Dichte flog, in der Wasserstoffatome ihre Energie freisetzten.
Wenn die Entwicklung bei den drei Flash weiterging, mußte in der nächsten Minute das Intervall die Unitalloberfläche der Blitze berühren. Und was geschah dann? Hob der Miniweltraum die Existenz des Unitalls auf? Und gab es dann zu einem gewissen Zeitpunkt keinen Flash mehr, wenn das Intervall sich noch stärker zusammenzog und im Bereich der Kabine wirksam wurde? Dharks Wissen, das er aus dem Archiv auf Erron-3 bezogen hatte, sagte ihm über diesen Fall nichts. Die Flash standen inzwischen im freien Fall. Der Abbau des Intervalls ging unaufhaltsam weiter. Dhark versuchte es mit der Gedankensteuerung. Sie sprach sofort an und übernahm die 002. Das hatte er nicht erwartet. Bemerkte die Gedankensteuerung die Gefahr nicht, in der sie schwebten? Dann traute er seinen Augen nicht. Sie kam wieder. Sie nahmen erneut Fahrt auf. Der Kurs blieb unverändert. Das Summen in den Kabinen war immer noch zu hören. Langsam wurde es unangenehm. Ratlos schüttelte Dhark den Kopf. Intervall und Oberfläche der Unitallhaut berührten sich. »Dhark, wenn das so weitergeht, sitzen wir bald im Freien!« rief Manu Tschobe herüber. Sie näherten sich dem 10.000-Kilometer-Abstand. Bei dieser Distanz wollten sie in den Orbit gehen und die Station ein paarmal umfliegen, aber ob die Gedankensteuerung dieses Manöver durchführte, mußte abgewartet werden. Plötzlich wurde das Raum-Zeit-Gefüge unwahrscheinlich stark belastet. Die Anzeige für Strukturerschütterungen zeigte Höchst 109 werte. Die Riesenkastanie war verschwunden! Sie hatte transitiert! War sie vor drei winzigen Beibooten der POINT OF geflohen? Dhark betrachtete verwundert die Anzeigen und sah dann zur Bildprojektion über seinem Kopf hoch. Aber der Raum vor ihm war nachtschwarz, und in weiter Entfernung waren die ersten Sterne zu sehen. Alle drei Beiboote hatten Sie abgeschaltet und befanden sich wieder im freien Fall. Stille in seinem Flash. Stille ebenfalls in den anderen beiden Beibooten.
Auch Stille auf der Frequenz der POINT OF. Ihrer Besatzung mußte das Ereignis gleichermaßen die Sprache verschlagen haben. Eine Kugel von 68 Kilometern Durchmesser war aus dem Stand heraus in Transition gegangen! »Grappa!« Dharks Stimme klang heiser. »Ja?« »Wo ist die Station wieder herausgekommen?« »Nirgendwo, Dhark. Nicht in unserem Raum-Zeit-Gefiige. Selbst wenn sie bis auf die andere Seite der Galaxis gesprungen wäre, hätte ich es anmessen müssen. Doch in diesem Fall gab es nichts anzumessen. Sie muß sich in eines der anderen Universen zurückgezogen haben.« »Grappa, sind das verläßliche Aussagen? Zeigen Ihre Ortungen tatsächlich nur Nullwerte?« »Ja, Commander!« kam es selbstsicher und schnell von der POINT OF. »Hier gibt es nichts, was Anlaß zu Zweifeln geben könnte.« »Danke!« sagte Dhark. Sie konnten das Unternehmen abbrechen und wieder Kurs auf den Ringraumer nehmen. Da meldete sich Charly Snide. »Dhark, die Mysterious-Technik in allen Ehren, aber der Schwindel ist nicht perfekt genug. Die Station hat gar nicht transitiert. Ich sehe sie doch!« 110 »Und ich auch!« behauptete der Zwillingsbruder George, der Charly so glich, daß man die beiden nicht unterscheiden konnte. In den drei Flash und in der POINT OF hielten alle Menschen den Atem an. Sie wußten um das phänomenale Femsichtvermögen der beiden Snides, das sogar noch im Frequenzbereich von 1017, also etwa bis zur Mitte des Ultraviolettspektrums, Ergebnisse lieferte. Kilometerweite Zielentfemung spielte dabei keine Rolle. Im freien Raum waren ihrer Fernsichtigkeit kaum Grenzen gesetzt. Die Snides sahen die Station, obwohl sie von keiner Ortung ertastet werden konnte. Selbst die Gedankensteuerung war auf diesen Trick hereingefallen. »Sie haben sich einen Deflektorsehinn zugelegt und eine Transition gemimt, aber der Schirm ist nicht gut. Er wirft Schatten, und die sehe ich!« behauptete Charly Snide. »Ich ebenfalls!« bestätigte George. Diese Eigenart, daß der andere stets bestätigte, was der eine behauptete, hatten sie aus jener trostlosen Zeit als Schwachsinnige mit in ihr normales Leben herübergebracht.
Mit einem Deflektorfeld, das Schatten werfen sollte, konnte Ren Dhark nichts anfangen. Er fragte Charly noch einmal. »Der Schirm wirft Schatten. Mehr kann ich nicht sagen. Du vielleicht, George?« »Nein!« »Charly, können Sie uns an die Station heranbringen?« Dhark wollte dem Frage- und Antwortspiel ein Ende bereiten. »Ich übernehme.« Der macht mit seinen knappen Formulierungen fast schon Doorn Konkurrenz, dachte Dhark und schmunzelte. Aus seiner 003 gab Charly an, wie hoch er den Sie geschaltet hatte, und welcher Kurs bei ihm anlag. Er verzichtete darauf, in den Orbit zu gehen, sondern flog weiter direkt auf das Ziel zu. »Der Schatten wird deutlicher. Seine Grenzen sind jetzt schärfer. George, du mußt mich verbessern, wenn du es anders siehst, ver 111 standen?« Schweigend legten sie die nächsten 3.000 Kilonieter zurück. »Dhark, der Belastungswert meines Intervalls geht immer weiter herunter. Ist das bei Ihnen auch so?« »Unter eins, Charly.« Fast ohne Ausnahme wurden die Zwillinge nur mit Vornamen angesprochen. Sie hatten sich daran gewöhnt, denn durch diese Methode wußten sie, wer von ihnen gerade gemeint war. »Ist das von Bedeutung?« Daß er diese Frage stellte, bewies, daß der Cyborg nicht auf sein Zweites System geschaltet hatte. Sein Programmgehirn hätte ihm diese Frage sonst unverzüglich beantwortet. »Charly, es wäre bedeutungslos, wenn das Intervall nicht auf der Oberfläche der Plash läge. Wenn meine Vermutung stimmt, dann manipuliert die Besatzung in der Station unsere Intervalle und verrät damit, daß sie mehr darüber weiß als wir.« »Sie eine Stufe zurück. Wir stehen ziemlich dicht vor dieser Kastanie. George, siehst du mehr als Schatten?« »Nein.« Für einige Zeit war es still im Funk. Außer den Zwillingen sah kein Mensch etwas. Dhark konnte nicht an einen Deflektorschirm glauben, hinter dem sich die gigantische Raumstalion versteckt haben sollte, denn er sah die fernen Sterne, die bis vorhin von der Station verdeckt worden waren. Damit war doch der Beweis für die Transition erbracht!
Aber wenn sich die Station doch hinter einen Schirm zurückgezogen hatte, der sie unsichtbar machte, dann wurde damit der Verdacht des Afrikaners untermauert, der in den Giants jene mörderischen Gegner zu sehen glaubte, die aus ihren unsichtbaren Stationen den Planeten Esmaladan und auch Terra angegriffen hatten, und auf deren Konto der Totalverlust von vielen Schiffen der TF ging »Sie auf Minimum.« Die Flash wurden kurz auf die niedrige Geschwindigkeit abge 112 bremst, und dann wurde es erneut still im Funk. »Siehst du endlich besser, George?« Charlys Stimme klang plötzlich unruhig. »Nur Schalten.« »Wie sehen diese Schatten aus?« Dhark verlangte eine Beschreibung. »Wie schon, Commander? Grau, ein bißchen schwarz, und alles so verschwommen. Nichts Stabiles, aber es ist optisch undurchdringlich.« Das war dürftig, doch da sich George nicht meldete, mußte man daraus schließen, daß er die Schatten genauso sah. »Jetzt haben wir nur noch ein paar hundert Meter.« Langsam schoben sich die Flash vor. Meter um Meter. Die Sekunden wurden zu Ewigkeiten. Der Gedanke, daß weit hinter ihnen die POINT OF stand, bereit, in jedem Augenblick einzugreifen, war nicht sehr tröstlich. Denn wenn es tatsächlich die Station hinter dem Deflektorschirm gab und sie mit ihren Kampfstrahlen zuschlug, dann hatten alle drei Blitze trotz ihrer Intervalle soviel Chancen wie ein Schneeball am Äquator. »Gleich haben wir den Rand des Schattens erreicht!« Das war das letzte, was man von Charly Snide hörte. Der Flash schob sich langsam weiter, und ebenso langsam verschwand die plumpe Spitze des Beibootes. Die Hälfte des zylinderförmigen Rumpfes war schon verschwunden, und dann gab es die 003 nicht mehr! Kurz danach tauchten auch die 002 und die 004 in das rätselhafte Feld ein! Minuten verstrichen. Die drei Flash mit den sechs Männern an Bord blieben verschwunden. Riker versuchte, die Flash über Funk zu erreichen. »Negativ«, meldete Grappa.
In der POINT OF setzte man die Echokontrolle ein. 113 >>Kein Sender festzustelllen, oder die Echokontrolle versagt<< gab Walt Brugg durch. »Wir warten genau zwei Stunden, danach nehmen wir den gleichen Kurs wie die Flash!« ordnete Riker an, der den Beibooten am liebsten sofort gefolgt wäre. »Dhark, jetzt sind Sie zur Hälfte mit dem Beiboot verschwun « in diesem Moment riß die Funkverbindung zu George und zu Manu Tschobe ab. Die 004 ließ sich auch nicht mehr orten! Dafür lag die 003 wieder im Ortungsbereieh! Dharks Blick streifte gleichzeitig die Anzeige für das Intervall »Sterne und Boliden!« stieß er hervor. »Wir haben kein Intervall mehr!« Jetzt schützte sie nur noch die Unitallzelle des Flash Vergeblich versuchte er, über Impulse der Steuerschalter das Intervall neu zu erstellen. Auf dem maßgeblichen Instrument höhnte ihn der Nullwert an' »Commander, die Station!« Burtons Schrei gellte durch die kleine Kabine. Der Cyborg hatte die Projektion über seinem Kopf oben nicht aus den Augen gelassen . Hastig blickte auch Dhark nach oben. Zum Greifen nah standen sie dicht über der Station. Kaum hundert Meter von ihnen wntfernt ragte eine Antennenkonstruktion in »... ihr uns? Hört ihr uns? Wir können euch sehen. Hallo, warum meldet Ihr euch nicht? Arc Doorns stimme kam laut und deutlich. »Burton, schalten Sie auf Ihr Zweites System!« befahl Dhark der auf das Spezialkönnen seines Cyborgs jetzt nicht verzichten »Schon erfolgt!« Jan Burtons Stimme klang kaum verändert. 114 Nur wer mit diesem Vorgang vertraut war und den Cyborg persönlich gut kannte, war in der Lage, an der winzigen Veränderung der Stimme festzustellen, daß er auf sein Zweites System geschaltet hatte. Burton übernahm die Rolle des Funkers. Der Kontakt zur 003 war gut. »Unser Intervall steht wieder!« stellte Dhark mit Überraschung fest, weil er nichts dazu getan hatte, um es aufzubauen.
»Unseres auch!« rief Doorn durch, der mitgehört hatte. »Kommt die 004 nach?« Seine Sorge war unbegründet. Hinter ihnen tauchte der Flash auf. Die drei Beiboote der POINT OF standen 8.536 Meter über der metallenen Oberfläche einer 68 Kilometer durchmessenden Station, die mit den bizarrsten Antennenmasten übersät war. »Ob wir die noch einmal wiedersehen?« Leon Bebir hatte die Frage leise gestellt. Doch Dan Riker wirbelte samt Pilolensessel herum und blickte den Offizier nur stumm an. Sein Blick sagte alles. »Stellen Sie nie wieder so eine Frage!« brach er das Schweigen. »Denn manchmal ist die Hoffnung alles, was bleibt!« Morris sollte eine Verbindung mit Cent Field herstellen. Hoffentlich kam der Kontakt zustande, und hoffentlich trafen die Vermutungen des Astrophysikers Plishi nicht ein, der schon wieder eine neue Behauptung in die Welt gesetzt hatte: Danach sei jeder Funkverkehr mit Terra unmöglich, weil die Radiostrahlung dieser kühlen Gaswolke auch Hyperfunk abschirme. »Wir befinden uns im Zentrum der Emissionen. Hier ist nicht nur die Dichte am größten, auch die Radiostrahlung erreicht ein bisher noch nie beobachtetes Niveau!« Seine Kollegen hatten Plishis Behauptung auch noch zugestimmt. 115
Und die Funk-Z bestätigte es.
To-Funk versagte. Terra war nicht zu erreichen.
Wütend fragte Riker bei den Astrophysikern an: »Können Sie
mir vielleicht einen Tip geben, wie wir diese Radiostrahlung als
Verstärker für unsere Sendeanlage nutzen können?«
Genau die Antwort, die dann kam, hatte er leider auch erwartet.
»Das wäre eine Aufgabe für Hyperfunk-Spezialislen, Riker!«
Doch die hatten schon lange vorher abgewunken und ihr Un-
vermögen eingestanden.
In der Zentrale herrschte keine gute Stimmung.
Die drei Flash waren verschwunden und die Funkverbindung
nicht nur mit ihnen abgerissen - auch Terra war auf diesem Weg
nicht zu erreichen.
Riker ließ sich noch einmal die Aufzeichnung vom Verschwinden der drei Flash vorspielen. »Sollten die Zwillinge doch recht gehabt haben, meine Herren? Sieht dieser Vorgang nicht tatsäch-
lich so aus, als seien die Beiboote durch einen Deflektorschirm geflogen?« Niemand wagte sich festzulegen, weil die Erfahrungen fehlten. »Dann bleibt uns mal wieder nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen. In einer Stunde und zehn Minuten«, Dan hatte zwischenzeitlich einen Blick auf seine Uhr geworfen, »werden wir starten! Morris, Sie versuchen derweil ständig, die Flash und Terra zu erreichen.« Der Freund des Commanders ließ sich wieder im Pilotensessel nieder und versuchte, die dunklen Gedanken zu verscheuchen. Seine Sorgen wären noch größer gewesen, wenn er geahnt hätte, daß man sich an anderer Stelle viele Gedanken um die POINT OF machte, weil sie über Hyperfunk nicht mehr zu erreichen war. Drei Schiffe der TF erhielten Startorder: Die ARROW, die LUXOR und die TERRA, der große, rotfun 116 kelnde To-Raumer, das erste Schiff dieser neuen Modellgeneration. Zuvor hatte eine Umgruppierung stattgefunden, nachdem Larsen und Szardak ein kurzes Gespräch mit Marschall Bulton geführt hatten. »Ich dränge mich nicht danach, das Kommando über die TERRA zu erhalten!« hatte Janos Szardak erklärt. »Und ich auch nicht!« hatte Ralf Larsen gesagt. Bulton hatte schon eine Münze in der Hand. Larsen wählte Zahl. Die Münze auf dem Boden zeigte Kopf. Der neue Kommandant der TERRA hieß Janos Szardak. Larsen gratulierte ihm von Herzen. »Die POINT OF wäre mir lieber!« Welchem Raumschiffkommandanten nicht? Sie war immer noch das Nonplusultra, es gab kein zweites Schiff mit einem Checkmaster; es gab kein zweites Schiff, das über eine Gedankensleuerung verfügte, auch kein anderes Schilf, das Hy-Kon als Waffe einsetzen konnte. Die Mysterious, die ihren Ringraumer im Höhlensystem auf Hope nicht mehr vollständig hatten fertigstellen können, hatten sich mit diesem Modell selbst übertroffen. Marschall Bulton unierbrach die Überlegungen. »Colonel Szardak, interessiert es Sie denn überhaupt nicht, wer ab sofort das Kommando über die LUXOR übernimmt?«
Szardak schüttelte verwundert den Kopf. »Ich denke doch, daß dies mein bisheriger 1.0. sein wird. Oder?« Bulton stellte eine Verbindung zu seinem Vorzimmer her. »Lassen Sie Goodtime hereinkommen!« Larsen und Szardak drehten sich zur Eingangstür um. Gespannt erwarteten sie den neuen Kommandanten der LUXOR. Die doppelflüglige Tür öffnete sich, und den beiden Männern gelang es nicht, ihre Überraschung zu verbergen! »Meine Herren, darf ich vorstellen! Colonel Sally Goodtime, Jahrgangsbeste in allen Seminaren der letzten drei Jahre.« 117 »Danke, meine Herren. Sie können ruhig Platz nehmen!« begrüßte die junge Frau, die mit einundvierzig Jahren die höchstdekorierte Offizierin der TF war, die anwesenden Kommandanten. Sie reichte den verdutzten Männern knapp die Hand und ließ sich in einem der freien Sessel nieder. Die Uniform saß perfekt und brachte ihren schlanken Körper voll zur Geltung. Ihre Frisur, ein hinten angeschnittener Pagenkopf, verlieh Sally etwas Spitzbübisches. Die beiden altgedienten Colonels waren sprachlos! Eine Frau als Kommandantin eines Ringraumers? Bulton amüsierte sich. Er konnte sich die Empfindungen von Larsen und Szardak ziemlich genau vorstellen. »Colonel Goodtime ist Ihnen namentlich natürlich nicht bekannt; aber dies aus gutem Grund. In der normalen TF ist sie bislang kaum in Erscheinung getreten. Sie war einem Sonderkommando für Spezialeinsätze unterstellt. Unsere Strategen sind der Ansicht, für den bevorstehenden Einsatz könnte sie durchaus nützlich »Willkommen an Bord, Colonel!« Szardak reichte der Frau mit den kastanienroten Haaren die Hand. »Auf gute Zusammenarbeit!« Larsen schloß sich den Wünschen an. Peinlich berührt bemerkte er den Blick der Frau, die seine wieder einmal schlecht sitzende Uniformjacke musterte. »Sondereinheit - normale TF. Was bedeutet das?« fragte Szardak neugierig bei Bulton nach. »Bitte, meine Herren. Jetzt keine inquisitorischen Fragen, die ich Ihnen sowieso nicht beantworten darf. Vielleicht«, und er warf augenzwinkernd einen Blick zu der neuen Kommandantin der LUXOR, »gibt Ihnen Colonel Goodtime in einer ruhigen Stunde einmal einige Einblicke in ihre bisherige Arbeit. Aber damit wir uns klar verstehen - ich weiß von nichts! Und jetzt bitte wieder zum ursprünglichen Thema!«
118 Zwei Stunden später starteten die drei Ringraumer. Colonel Szardak hatte die Leitung des kleinen Geschwaders übernommen. In der Zentrale seiner TERRA begrüßte er einen Gast, der an der Expedition teilnehmen wollte - Dro Cimc! Der Wer, der mittlerweile fließend Angloter sprach, hatte sich bei verschiedenen Gesprächen mit Larsen und Szardak angefreundet. Dabei hatte er die Idee vorgetragen, zu Ren Dhark an Bord der POINT OF zurückzukehren, um ihm beim Kontakt mit seinem Volk helfen zu können. Bulton und auch Trawisheim hatten nichts dagegen einzuwenden, und Larsen und Szardak waren froh, einen angenehmen Gesprächspartner an Bord zu haben. Der Kurs der POINT OF war bekannt. Die Schiffe, die jetzt nach dem Ringraumer suchen sollten, hatten genaue Order, die sie unter allen Umständen einhalten sollten. Langsam und lautlos strebten die Schiffe dem klaren Himmel zu, dann blitzten sie noch einmal kurz in der Sonne auf und waren verschwunden. Alle drei Ringraumer hatten Sie mit Maximalbeschleunigung eingeschaltet und jagten der Grenze des Sonnensystems entgegen. Die Oberfläche der »Riesenkastanie« hatte nie Leben getragen. Die Scheinwerfer der drei Flash, die das schwache blaue Leuchten verblassen ließen, enthüllten in ihren Lichtkegeln nur nackten Metallboden. Hin und wieder waren geradlinig verlaufende feine Haarrisse zu sehen: die Stoßkanten von gewölbten, quadratkilometergroßen Metallteilen. Für die irdische Technik wäre die Aufgabe des Baus einer solchen Station noch nicht zu bewältigen. Dhark hatte einen Entschluß gefaßt. Über Funk informierte er seine Begleiter. »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als einzufliegen. Unsere In 119 tervalle stehen wieder, und es müßte eigentlich gelingen. Sollten wir auf Widerstand durch Roboter stoßen, dann ist von allen Waffen Gebrauch zu machen. Begegnungen mit Intelligenzen werden wir wohl nicht zu erwarten haben. Wir fliegen nacheinander ein, ich zuerst. 003 wartet, bis wir uns über Funk gemeldet haben. 004 wartet dann die Meldung von 003 ab und folgt als letzter. Noch Fragen?«
Die 002 mit Dhark und Burton näherte sich mit schwach laufendem Sie der metallenen Oberfläche. Widerstandslos drang das Beiboot der POINT OF durch die Wandung. »Flash hinterläßt keine Schmelzspur!« teilte ihnen Charly Snide über Funk mir. Im gleichen Moment wußte jeder, daß man es mit einer Station der Mysterious zu tun hatte. Denn ihre 68 Kilometer durchmessende Außenhülle bestand aus einem Metall, das mit dem Unitall verwandt sein mußte. Plötzlich stießen die Scheinwerfer ins Leere vor. Der Flash war in einen riesigen, vollkommen leeren Hangar eingeflogen, in dem zehn Ringraumer Platz gefunden hätten. »Nachkommen! Beide Flash zusammen einfliegen!« Dhark wollte keine Minute mehr verlieren. Jan Burton, der umgeschaltet hatte, lieferte über sein Programmgehirn exakte Daten. »Sauerstoffatmosphäre, Dhark. Zusätze ohne Bedeutung. Schwerkraft 0,94, wie Grappa sie getastet hatte. Befinden uns mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit in einem Raumschiffshangar.« Die beiden anderen Beiboote tauchten auf und blieben dicht neben der 002 freischwebend in der Luft stehen. »Burtons Informationen haben Sie mitbekommen. Sauerstoffatmosphäre — dies bedeutet, daß wir auf intelligentes Leben stoßen können. Kämpfe sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Sind alle Strahlwaffen klar? Im Funk kein Verkehr festzustellen?« Auf allen Frequenzen herrschte Stille. Der Einflug wurde fortgesetzt. Vorsichtig tastete sich Dhark mit 120 seinem Flash durch die nächste Wand, die eine Stärke von mehreren Metern hatte. »Energieortung schlägt an. Wir nähern uns einem Gebiet mit zahlreichen Konvertern!« meldete Jan Burton. »Genaue Entfernungsangabe!« verlangte Dhark, der feststellte, wie sehr ihn die Spannung erfaßt hatte. Sein Flash stieg zwei Meter höher. Als er die Decke durchbrach, überflogen sie kugelförmige Konverter, die an die M-Aggregate in der POINT OF erinnerten. Grappa hatte mit seiner Vermutung recht behalten, als er behauptete, daß die Riesenstation eine einzige Konverteransammlung sei. 3,2 Kilometer lang und über zwei Kilometer breit war der Konvertersaal. Wenn es auf den anderen Decks auch so aussah, dann stellte diese Kugel ein Energiezentrum dar, das wahrscheinlich
einmalig in der ganzen Galaxis war. Aber welchem Zweck diente diese Basis? Erreichte man mit ihrer Sendeleistung alle Sterne der Milchstraße, oder kam man damit sogar noch weiter durch? Ren Dhark unterdrückte seine spekulativen Gedankengänge. Sie mußten weiter. Dicht hinter seinem Flash flogen die anderen Beiboote. Als sie zwanzig Kilometer tief in die Station eingedrungen waren, stießen sie überraschend auf die innere Kugel, die durch eine neutrale Zone, in der Schwerelosigkeit und Vakuum herrschten, von der gewaltigen äußeren getrennt war. Die Zone wurde rasch durchflogen. Widerstandslos drangen die Flash in die innere Kugel ein. Dann, ein Wamschrei: »Giants!« Sie hatten sie alle zur gleichen Zeit gesehen! Die zweieinhalb Meter großen Roboter mit dem Raubtierkopf und der hellgelben Hauttönung starrten die drei Flash, die plötzlich durch die Wandung gekommen waren, nur für einen Augenblick an, dann wirbelten sie auf der Stelle herum und rasten davon. »Kein Beschuß!« schrie Dhark im letzten Augenblick und konnte verhindern, daß Manu Tschobe sie mit Dust unter Feuer nahm. Dust - der Strahl, der Anorganisches in amorphen Staub 121 verwandelte. Und die Hülle der Giants bestand aus einer anorganisch-biologischen Mischform. »Zur Hölle, wer ist denn noch hier in diesem Narrenhaus?« orgelte eine tiefe Baßstimme über Funk. Ren Dharks Schrecksekunde war verblüffend kurz: »Shanton, hier Dhark mit drei Flash! Wo stecken Sie? Sind Sie allein?« »Abschalten! Abschalten! Die orten alles!« Aus! Alles ausschalten. Auch den Helmfunk. Und die Giants konnten die Gedanken der Terraner lesen. Die Aussichten waren denkbar schlecht! Jetzt waren die Cyborgs die letzte Hoffnung. Dhark stieß den Ausstieg seines Beibootes auf und klappte den Raumhelm zurück. In den beiden anderen Flash hatte man sein Tun beobachtet, aber niemand stieg aus, weil sie Dharks Zeichen verstanden hatten. »Jetzt kommen nur noch unsere Cyborgs weiter. Tschobe, Doorn, wir dürfen unsere Flash unter keinen Umständen verlassen. Aber ob wir geortet werden oder nicht, wir müssen zu den anderen stoßen. Wir dürfen uns nicht aufhalten lassen. Burton, jetzt kommt Ihre große Stunde. Exponieren Sie sich nicht mehr als unbedingt
nötig. Ich denke, daß unsere beiden Snides uns ab und zu ein paar Giants...« Arc Doorn hatte Nadelstrahlen eingesetzt. Die Wirkung war fürchterlich. Am Ende des langen Ganges flogen zwei Aggregate, die erst zum Teil um die Ecke geschoben worden waren, in grellen Blitzen und unter gewaltigem Donnern auseinander. Dhark wurde vom Explosionsdruck in seinen Flash zurückgeworfen. Für einen kurzen Moment verlor er das Bewußtsein. Burton beugte sich blitzschnell zu Dharks Sitz hinüber und schloß seinen Helm. »Harte Strahlung! Luken schließen!« ordnete der Cyborg blitzschnell an. Dhark gelangte schnell wieder in den Besitz seiner geistigen 122 Kräfte. »Shanton, melden Sie sich...« »Schnauze!« kam es orgelnd zurück. »Ich schicke Jimmy. Abschalten, verdammt und zugenäht!« Wenn der Diplom-Ingenieur nicht einmal darauf Rücksicht nahm, daß er mit dem Commander der Planeten sprach, dann mußte die Lage in der inneren Kugel äußerst kritisch sein. Aber ob Jimmy sie finden würde? Sie mußten zum Mittelpunkt. Von dort aus war es theoretisch einfacher, jede andere Stelle zu erreichen. Die drei Blitze nahmen Fahrt auf. Sie schwebten an der Stelle vorbei, wo unter Doorns Beschuß zwei Aggregate explodiert waren. Zerfetzte Giants waren zu sehen, die meisten bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Niemand hatte Mitleid mit diesen künstlichen Wesen, die die Terraner so lange über ihr wahres Ich getäuscht hatten. Da handelten die Giants! Energetische Sperrwände standen plötzlich vor und hinter ihnen. Dharks Flash durchflog die Energiesperre zuerst. Im Bereich seines Intervalls war sie nicht existent. Die beiden anderen Flash folgten ihm. »Wir müssen die Zentrale in die Hand bekommen, dann werden wir auch mit den Giants fertig!« Jan Burton hatte seine Berechnungen auf logistischer Basis angestellt und den einfachsten Weg aufgezeigt. Aber wo war die Zentrale einer Station zu finden, die in ihrem inneren Bereich noch immer einen Durchmesser von gut zwanzig Kilometern besaß?
Sie stießen auf den ersten A-Grav-Schacht! Ein A-GravSchacht, der mehr als fünfhundert Meter Durchmesser hatte! Die TERRA hätte ihn benutzen können! Giants griffen die Flash von hinten an. Giants, für die der Tod so viel bedeutete wie ihre Existenz - nichts! Alle drei Besatzungen nahmen die Raketen, die die Giants auf sie abschössen, nicht ernst. Was konnten Raketen den Intervallen 123 schon anhaben?! Doch dann zeigten sie ihre unheimliche Wirkung! Um die drei Flash herum explodierten Lichtbomben! Die Blenden der Beiboote regelten die einfallende Lichtflut sofort auf ein erträgliches Maß herunter. Aber trotzdem hatte der kurze Augenblick ausgereicht, um die drei Männer, die nicht wie die Cyborgs über ein Zweites System verfügten, zu blenden. Sie waren vorübergehend blind und preßten die Hände vor die Augen. Mühsam versuchten sie, ihr Stöhnen zu unterdrücken. Die drei Cyborgs konnten trotz der Lichtflut sehen. Ihr Zweites System hatte beim ersten Lichtimpuls auf Infrarot geschaltet, und damit waren die Liehtbomben für sie bedeutungslos geworden. Charly Snide schoß dem Schwärm Raketen, der in einer zweiten Welle auf sie zukam, ein kurzes Sperrfeuer entgegen. Ein halbes Dutzend Giantroboter wurde ebenfalls umgewandelt. Der organische Bestandteil in ihrer Hülle wurde schlagartig zu amorphem Staub und das Ganze verlor den Halt. Die Lichtorgie verebbte so schnell wie sie entstanden war. Die drei Flash überflogen den A-Grav-Schacht und stießen auf der anderen Seite auf die Fortsetzung des breiten und hohen Ganges. Sie steckten noch keine hundert Meter darin, als die Gravowerte anstiegen. 10g-20g-40g! Die Giants hatten eine Gravitationsschleuder eingesetzt und wollten damit die Flash und ihre Besatzungen vernichten. Aber die Schwerkraflwellen konnten die Intervalle nicht durchdringen, und in den Beibooten brauchten nicht einmal die Andruckausgleicher anzufahren. George Snide hatte den Ausgangspunkt des Schwerkrat'tbeschusses ausgemacht. Ohne zu zögern setzte er Nadelstrahl ein. Rechts in der Wand glühte es auf. Im Bruchteil einer Sekunde überbrückte Nadel die Distanz zu der Gravoschleuder. Nichts stellte sich dem Strahl entgegen! Im nächsten Moment existierte
124 die Schleuder nicht mehr. Keine dreihundert Meter von dem Beiboot entfernt tobte sich die Hölle aus, und die Energieortung zeigte für einen kurzen Augenblick Höchstwerte an. Im Funk brüllte Shantons Stimme: »Seid Ihr denn wahnsinnig geworden? Wollt Ihr uns alle in die Luft jagen? Macht die Giants fertig, aber nicht die Station. Wir wollen doch auch noch einmal nach Hause kommen!« Was war in den Dicken gefahren? Von dieser Seite kannte man ihn nicht. Und warum rief er jetzt ohne Rücksicht darauf, geortet zu werden, über Funk an? Ren Dhark, der langsam wieder seine Sehkraft zurückerlangte, schaltete sich ein. »Shanton, stellen Sie endlich Ihr hysterisches Schreien ein. Wo können wir Sie finden? Wer ist bei Ihnen? Lagebericht, aber exakt!« Schweres Atmen war zu hören. »Wenn Sie es absolut heraufbeschwören wollen, Commander, dann sei's drum. Wir sind noch alle gesund, die vier Cyborgs, Jos und ich. Aber wir wissen auch, was passiert, wenn Sie den gewaltsamen Angriff nicht einstellen. Erron-1 wird in die Luft fliegen. Nicht durch die Giants, sondern durch die nette Sicherung, die die lieben Mysterious eingebaut haben. Haben Sie denn vergessen, wie die Giants sich nennen? Die All-Hüter, und sie betrachten es als ihre heilige Aufgabe, Erron-1 zu hüten, mit allen Mitteln, bis dann in einem bestimmten Augenblick die Sicherung wirksam wird und Erron-1 mit einem gewaltigen Knall auseinanderfliegt!« Ren Dhark dachte nicht mehr an seine schmerzenden Augen. Erron-3 im blaßblauen Universum, und Erron-1 in ihrer Milchstraße! Er glaubte an diese Sicherung, von der Chris Shanton gesprochen hatte; er bezweifelte kein Wort des Diplom-Ingenieurs, und er konnte jetzt auch dessen Aufregung verstehen. »Wo können wir Sie finden?« Wieder wurde der Dicke erregt. 125 »Sie können uns nicht finden. Sie müssen warten, bis Jimmy Sie gefunden hat und Sie dann zu uns bringt. Wir hängen hier fest. Aus. Punkstille! Die Giants kommen. Jetzt geht bei uns das Theater wieder los!« Der Funkverkehr verstummte erneut. Da war Shantons Stimme abermals zu hören.
»Wenn das wahr wird, ist alles zu Ende. Dhark, die POINT OF will einfliegen. Ich schwöre, daß dann die Sicherung anspricht und Erron-1 explodiert. Gerade haben uns die Giants das mitgeteilt. Dhark, Sie müssen verhindern, daß das geschieht. Aber schnell, sonst ist es zu spät. Commander, glauben Sie mir!« Zum Schluß hatte Shantons Stimme einen beschwörenden Klang bekommen. Ihn in dieser Art und Weise reden zu hören, war wirklich einmalig. Burton hatte schon während Shantons Durchsage versucht, mit dem Flaggschiff Verbindung aufzunehmen. Jetzt mußte die Funkstille durchbrochen werden! Vergeblich. Die POINT OF meldete sich nicht. Dhark handelte sofort, es ging um Sekunden! »Doorn! Tschobe! Ich fliege mit Burton zurück und bin hoffentlich bald wieder da. Keinen Angriff fliegen. Hier stoppen und warten. Ende!« Sein Flash ging auf Gegenkurs. Er schaltete die Gedankensteuerung ein. Einen besseren Piloten gab es nicht. Er brachte sie sicher und schnell ans Ziel. Die beiden Männer an Bord der 002 sagten kein Wort. Sie beobachteten über die Bildprojektion, wie sie durch Erron-1 rasten und versuchten, zur Oberfläche zu kommen. Die beiden Flash mit Doorn, Tschobe und den Snide-Zwillingen hatten Wartestellung bezogen. Die Giants hatten ihre Angriffe eingestellt. Oder trafen sie Vorbereitungen für einen Angriff, in dem die Beiboote des Ringraumers vernichtet werden mußten? 126 Marc Carrell, Holger Alsop, Lati Oshuta und Bram Sass hatten auf ihr Zweites System geschaltet; Chris Shanton und Jos Aachten van Haag waren nicht in dieser glücklichen Lage. Jimmy machte das alles nichts aus. Es störte ihn auch nicht, daß er mit seiner sturen Befehlsverweigerung den Dicken fast zur Raserei getrieben hatte. Er dachte nicht daran, sich auf den Weg zu machen und die Flash in den Saal zu lotsen, der ihnen von den Giants angewiesen worden war. Eine Erklärung für sein störrisches Verhalten, das einem Robotgebilde widersprach, hatte er nicht gegeben. Er lag mit ausgestreckten Vorderpfoten auf dem Bauch und blinzelte zu den Männern hinüber. Sie hatten nichts mehr zu besprechen. Diese Zeiten waren vorbei, nachdem ihnen die Giants Erron-1 gezeigt hatten.
Ein Wunderwerk der Mysterious! Aber allem Anschein nach ein technisches Wunder, das sie niemals benutzt hatten. Die Kantine war nicht eingerichtet, die Messe nur zum Teil. Nur die technische Anlage war fix und fertig, und die Giants hatten es ihnen bewiesen. Sie hatten mit dem Empfangsteil die Galaxis Andromeda angepeilt und bei drei Versuchen einwandfreie Bildsendungen erhalten. Unheimlich war das Können dieser noch unheimlicheren Roboter, wenn man sich vorstellte, daß sie sich selbst produzierten. Aber warum sie plötzlich alle ihre Fabrikationswelt verlassen und die Terraner dabei gezwungen hatten, mit ihnen zu gehen, hatten sie noch nicht erklärt. Der Raum, in dem die Männer sich aufhielten, war spartanisch eingerichtet, aber die schwebenden Liegen waren bequem, und aus der Kantine wurde ihnen über die Gedankensteuerung alles geliefert, was sie sich wünschten, wenn auch hin und wieder ein Gericht etwas eigenartig schmeckte. »Ob Dhark es schafft, daß die POINT OF nicht einfliegt?« fragte Jos, der GSO-Mann, der sieh unter diesen Spezialisten immer ver 127 l lorener vorkam, weil er ihnen bei den meisten Gesprächen nicht folgen konnte. »Er muß es schaffen, oder Erron-1 geht hoch!« knurrte Shanton, dem in den letzten Tagen die Stoppeln kräftig gewachsen waren und der damit rechnen konnte, in nicht allzu ferner Zukunft - falls er sie denn erlebte — wieder seinen stolzen Backenhart tragen zu dürfen. Ohne diese Zierde kam er sich wie ein nackter Mann vor. Ein Giant trat ein und ließ seine Augen über die Runde schweifen. Die Männer reagierten auf diese Besuche nicht; es sei denn, ein Giant versuchte, sich telepathisch mit ihnen zu verständigen. Sie spürten gerade die ersten Gedankenimpulse des Giants, als dieser auf der Stelle herumwirbelte und aus dem Raum stürmte. »Ich möchte zu gern wissen, was nun schon wieder passiert ist«, fragte der GSO-Mann und schüttelte verständnislos seinen Kopf. Die Gedankensteuerung hatte Flash 002 problemlos zur POINT OF zurückgebracht. Der Ringraumer war durch den Deflektorschirm geflogen und hatte bei diesem Manöver die gleichen Phänomene erlebt wie die drei Beiboote. Die Intervalle hatten sich von allen Seiten der Oberfläche der POINT OF genähert, und erst als
sie Kontakt mit der Unitallhaut gefunden hatten, war es dem Schiff möglich gewesen, den Deflektorschinn zu durchdringen. Vom Flashdepot aus - die Funksperre war endlich autgehoben hatte Dhark seinem Freund Riker die Order erteilt, sofort wieder den freien Raum aufzusuchen. »Wir haben es mit Erron-1 zu tun, wenn du dir darunter etwas vorstellen kannst!« Riker hatte verstanden, aber ein fassungsloses Staunen nicht unterdrücken können. Hier in der heimatlichen Galaxis befand sich Erron-1 und im blaßblauen Universum Erron-3? Wo konnte dann Erron-2 stecken? »Wir fliegen sofort zurück. Bis zu einem gegenteiligen Befehl kein Einflug in Erron-1! Ende.« 128 Kaum befand sich Dharks Beiboot außerhalb der POINT OF, als die Gedankensteuerung das Kommando erneut übernahm. Wieder stieß der Flash in Erron-1 hinein, jagte durch inzwischen bekannte Bezirke und traf in der inneren Kugel auf die dort wartenden anderen Beiboote. »Hat sich Chris Shanton noch einmal gemeldet?« »Nein, und auch die Giants lassen sich nicht mehr blicken!« antwortete Tschobe für die Zurückgebliebenen. »Ich hatte etwas Zeit, nachzudenken«, erklärte Dhark über Helmfunk. »Die Giants müssen unser Eindringen falsch verstanden haben — als einen kriegerischen Akt. Darum lassen wir unsere Plash jetzt zurück und versuchen, zu Fuß mit den Giants Kontakt aufzunehmen. Ich hoffe nicht, daß wir wieder Waffengewalt anwenden müssen. Aber wir müssen unbedingt die Zentrale erreichen. Ich bin überzeugt, daß es in Erron-1 eine Sicherung gibt, die, wenn sie ausgelöst wird, diese Wunderkugel in die Luft jagt.« Manu Tschobe wiegte den Kopf. »Dhark, haben Sie dabei berücksichtigt, daß wir es mit einer gigantischen Übermacht zu tun haben?« »Ja, das habe ich. Diese Übermacht muß vorher beschäftigt werden, und das werden unsere drei Flash erledigen. Ich werde der Gedankensteuerung die Order geben, nach eigenem Ermessen zu handeln, um die Masse der Giants zu binden. Gleichzeitig soll möglichst wenig Schaden angerichtet werden. Hat noch jemand Fragen oder Einwände?« Jan Burton rechnete schon wieder durch. »Dreißig zu siebzig stehen unsere Chancen. Nur mit einer Portion Glück werden wir Erfolg haben und...«
Dhark unterbrach ihn. »Haben Sie Alsop, Sass, Oshuta und Carrell in Ihre Rechnung mit einbezogen? Und Jimmy, den Robothund?« »Nein!« »Dann berechnen Sie noch einmal, Burton.« Der Cyborg kam auf zweiundvierzig zu achtundfünfzig. 129 Das sah schon besser aus. Dhark traf an seinem Flash die letzten Vorbereitungen, während die anderen Männer einen Teil der großen Ausrüstung aus den Beibooten holten. Sie warfen ihren raumtiichtigen Booten noch einen kurzen Blick zu, dann marschierten sie an den spinnbeindünnen Teleskopstützen vorbei einem Ungewissen Schicksal entgegen. Der große, kahle Gang, der im Blaulicht lag, hatte unzählige Schotts anstelle von Türen. Millionen Menschen konnten in der inneren Kugel untergebracht werden, und selbst dann war sie längst noch nicht überfüllt. »Wir kommen nicht schnell genug vorwärts!« drängle Jan Burton plötzlich, und im nächsten Augenblick hatten drei Cyborgs sich die Männer über die Schultern gelegt und rannten mit ihrer Last den Gang entlang, der kein Ende nehmen wollte. Ihr Tempo war phänomenal. Den zweiten A-Grav-Schacht passierten sie schwebend. Er maß »nur« knapp hundert Meter im Durchmesser, war jedoch immer noch ein Monstrum. Nach einer Weile stießen die Seitengänge nicht mehr rechtwinklig auf den Hauptgang, sondern vereinigten sich im spitzen Winkel mit ihm. Und dann standen wieder einmal Giants vor ihnen. Die Cyborgs setzten ihre Traglasten ab. Die Distanz zwischen den raubtierhaften Robotern und den Menschen veränderte sich nicht. Eine Gruppe starrte die andere an. Wir kommen in friedlicher Absicht! dachte Ren Dhark immer wieder in der Hoffnung, daß man seine Gedanken empfing. Da flogen die Raubtierköpfe der Giants herum. Einen Augenblick lang blieben sie wie angewurzelt stehen, dann kümmerten sie sich nicht mehr um die Terraner und hasteten davon. Dhark blickte auf sein Chrono. Auf die Minute genau hatten die Flash ihre Ablenkungsmanöver begonnen. »Weiter!« brachte er hastig über seine Lippen, und zum zweiten 130
Mal rasten die Cyborgs mit ihnen davon.
Dann hatten sie den Zentral-A-Grav-Schacht erreicht. Die strahlenförmig endenden Gänge bewiesen das, aber sie konnten sich unmöglich auf dem Hauptdeck befinden. Es mußte viel tiefer liegen. Sie benutzten den A-Grav-Schacht und ließen sich von der Minussphäre in die Tiefe tragen. Giants sahen sie überall, aber die nahmen keine Notiz von ihnen. Nur einmal kamen drei auf sie zu. Drei Cyborgs traten in Aktion und schleuderten sie mit aller Kraft in den Bereich der Plussphäre, in der sie schnell aufwärtssteigend verschwanden. Das Hauptdeck zeichnete sich durch seine Größe aus. Das Blaulicht strahlte hier heller als im Rest der Station. Der breite Gang glich einer Prachtstraße. Abrupt war Ren Dhark stehengeblieben, als er das Emblem einer stilisierten Galaxis erkannte, das im Boden eingelassen war und in herrlichem Goldton schimmerte. Wie lange war es her, daß sie dieses Symbol zuletzt gesehen hatten? Sie durften sich nicht aufhalten lassen. Sie mußten die Zentrale dieser wahrhaft einmaligen Anlage finden. Ein Giant führte sie direkt dorthin. Er hatte sie nicht gesehen, weil er über das Hauptdeck von einer Seite zur anderen hastete, ein gewaltiges Schott aufspringen ließ und den Terranem so ermöglichte, einen Blick in den Raum zu werfen! Eine ins Gigantische vergrößerte Zentrale der POINT OF! Die Männer hatten ihr Ziel fast erreicht. Niemand hielt sie auf, als sie hineinstürmten, aber sie hatten die Hälfte des Raumes noch nicht durchmessen, als sie von den Giants angegriffen wurden. Manu Tschobe riß es die Beine weg, als ihndie volle Wirkung eines paralysierenden Strahlschusses erwischte. Schwer schlug er auf den Boden, seine Strahlwaffe rutschte polternd über die Metallplatten. Arc Doorn hatte mehr Glück. Ihm hatte der Strahlschuß nur die Beine gelähmt, mühevoll robbte er in die Deckung einer 131 niedrigen Konsole. In der Zwischenzeit hatten die Cyborgs zum Gegenschlag ausgeholt. Die drei Giants in den Steuersesseln kippten um und stürzten zu Boden. Auf den beiden Galerien, die sich wie ein Kranz um die gesamte Anlage zogen, verschwanden Giants, die gerade noch mit Waffen in allen vier Händen auf sie hatten schießen wollen. Charly Snide rannte durch einen Parastrahl und
schleuderte vier der Raubtierwesen einfach wie Spielzeugpuppen in die Ecke. Ren Dhark lag hinter einem mannshohen, unitallverkleideten Aggregat und hielt das noch immer offenstehende Schott unter Feuer. Jan Burton bewies sich als Meisterschütze und verschaffte den Männern für einen Augenblick etwas Luft. George Snide zog den gelähmten Afrikaner aus der Feuerlinie und schleifte ihn hinter das niedrige Gerät, wo schon der Sibirier lag, der seine Beine nicht mehr bewegen konnte. »Shanton und die anderen alarmieren!« rief George dem Mann mit der Boxernase zu und war schon wieder verschwunden. Doorn nahm sein Spezialvipho hoch. »Shanton! Gruppe Shanton, melden! Sofort melden!« Der Dicke war da. Er fragte nicht. Doorn ließ ihm auch keine Zeit dazu. »Wir haben die Zentrale besetzt. Jetzt versucht ihr, zu uns zu stoßen. Das ist unsere einzige Chance!« »Die Zentrale?« Shanton schnappte nach Luft. »Wir kommen! Wir sind nicht weit davon entfernt!« Verbindung aus! Auf der zweiten Galerie tauchten Raubtierköpfe auf. Doorn mußte schießen. Mühsam richtete er sich auf und zielte. Der Schockerstrahl zischte los. Sich überschlagend, stürzten drei Giants in die Tiefe, zwei andere verschwanden hinler der Brüstung der Galerie. Plötzlich raste ein Mann quer durch die Zentrale auf die drei Steuersitze zu, neben denen geschockte Giants am Boden lagen. »Rückendeckung!« gellte Dharks Schrei durch den Raum. 132 Die Cyborgs handelten wie Automaten, nur präziser und schneller. Burton übernahm die Aufgabe, Dharks Leben zu schützen. Die beiden Snides kämpften mit der ihnen eigenen Ruhe gegen die Raubtierroboter, die sich meist sinnlos zum Angriff stellten und sofort unterlagen. Immer stärker zeichnete sich ab, daß der Giant fehlte, dem laut Programm die Verteidigung der Zentrale oblag. Ren Dhark sah die ihm vertrauten Schlüsselzeichen der Mysterious. Sein Blick huschte über die vielen Instrumente, und er sah eine Unmasse an Meßgeräten, die ihm vollkommen fremd waren. Der Commander schaute gehetzt hin und her, dann machte er plötzlich eine aufsehenerregende Entdeckung und hielt inne. Er sah nichts anderes als den Steuerschalter. Fingerkuppe darauf. Ganz nach rechts in die neue Position.
»Was ist denn das?« hörte er Charly Snide fragen, und im gleichen Moment wußte Dhark, daß Erron-1 den Terranem gehörte. In Erron-1 gab es keinen einzigen aktiven Giantroboter mehr! In Abertausenden Raubtierwesen waren die Programmgehime blokkiert. Ein Steuerschalter hatte Ren Dhark zum Herrn über Erron-1 gemacht. Ein Hund wetzte um die Ecke und raste in die Zentrale - Jimmy, der Robothund! Wie ein echter Vierbeiner sprang er von einem zum anderen und blieb zum Schluß schwanzwedelnd am Schott stehen. Dichtauf folgten ihm die vier Cyborgs, mit Abstand trafen Jos und zuletzt der dicke Shanton ein. Einer nach dem anderen sah zum Commander hinüber, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und dessen Gesicht unter dem Klarsichthelm strahlte. »Erron-1 gehört uns, und die Giantroboter dieser Station hören von jetzt an auf unsere Befehle! Hier liegt der Schlüssel zum Erfolg!« Er drehte sich um und deutete auf den Steuerschalter und die Beschriftung darunter. »Und was heißt das?« fragte Shanton, der wie alle anderen die Schriftzeichen der Mysterious nicht kannte. 133 »Roboter-Blockierung!« sagte Dhark und klappte den Klarsichthelm zurück. »Einen Augenblick, bitte!« Er konzentrierte seine Gedanken auf die drei in der inneren Kugel herumvagabundierenden Beiboote. Von diesem Augenblick an waren ihre Störmanöver fehl am Platz, aber würde die Gedankensteuerung auf diese große Entfernung noch ansprechbar sein? Dhark mußte es darauf ankommen lassen. »Erron-1, Shanton... Sie wissen offenbar mehr darüber als wir. Ich glaube, Sie werden in den nächsten Monaten hier oft zu finden sein und die Spezialisten einweisen. Aber wissen Sie auch, weshalb wir hier sind?« Shanton und die anderen Männer schüttelten verneinend den Kopf. Dhark erzählte von den unverständlichen Funksprüchen wie Ron wedda wi terra, oder Terra wire! Wire terra.', die ihren Ausgang auf Erron-1 hatten, und die gleichzeitig Kontakte mit anderen Funkstationen blockieren. Fragend blickte er Shanton an. »Glauben Sie etwa, wir hätten gesendet, Dhark? Und wenn, weshalb dann in solch einem Kauderwelsch?! Halten Sie uns wirklich für so dumm?« »Sie haben also nichts davon mitbekommen?«
»Nein! Wir hatten genug damit zu tun, uns diese Biester«, Shanton deutete mit seinen prankenartigen Händen auf die verstreut in der Zentrale am Boden liegenden Giants, »vom Hals zu halten. Außerdem wissen wir ja nicht einmal, wo in diesem Mammut die Sendeanlage liegt.« Jetzt schüttelte Ren Dhark den Kopf. Nun war er es, der nichts mehr begriff. Wer hatte dann die Sprüche abgestrahlt? Die Giants? Ziemlich unwahrscheinlich. »Das verstehe ich nicht, Shanton. Hat jemand eine Erklärung dafür, wie die Funksprüche abgestrahlt werden konnten?« Da machte sich Mark Carrell bemerkbar. »Commander, müssen 134 sie unbedingt von hier aus abgestrahlt worden sein, oder könnte Erron-1 in diesem Fall auch ein Verstärker gewesen sein, der die Sprüche nur mit neuem Schwung weiterzuleiten hatte?« »Interessante Theorie. Leider bringt sie uns nicht weiter.« »Und hier liegt jetzt wirklich alles still?« vergewisserte sich Holger Alsop und unterbrach damit die Diskussion. »Ja«, versicherte der Commander und deutete auf einen Schalter, »solange, bis dieser Blockierungsschalter wieder in eine andere Position gelegt wird. Wir haben also die Giantroboter nicht mehr zu fürchten! Bevor wir aber diese Zentrale verlassen und an Bord der POINT OF zurückkehren, sichere ich Erron-1 ab.« Und sieben Steuerschalter wurden auf andere Positionen gestellt. 3. Die Mysterious! Die Geheimnisvollen! So nannte man sie schon, seitdem Menschen auf ihre ersten Spuren gestoßen waren! Aber Erron-1 hatte alle bislang gemachten Erfahrungen um ein Vielfaches übertroffen. Der Eindruck, den sich Ren Dhark in kurzer Zeit machen konnte, war überwältigend. Entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben, sofort wieder die POINT OF aufzusuchen, hatte er in Begleitung von Marc Carrell und Chris Shanton einen kurzen Abstecher durch die umliegenden Decks geniacht. Manu Tschobe war in Begleitung eines Cyborgs zur POINT OF zurückgeflogen, um dort die Folgen des Schockerbeschusses behandeln zu lassen. Charly Snide, der mit ihm zusammen in dem Flash saß,
sollte Riker instruieren, den Ringraumer in dem riesigen Hangar zu landen. Diese Station im Weltraum war ein Wunder! Zu neunundneunzigkommaneun Prozent fertiggestellt, fehlte nur noch die persönliche Note - alles das, was einen jahrelangen Aufenthalt in Erron-1 lebenswert und erträglich machte. Oder sollten die Mysterious beim Verlassen der Station alle persönlichen Dinge demontiert und mitgenommen haben, um abermals keine Spuren zu hinterlassen, durch die man Rückschlüsse auf sie ziehen konnte? Zuzutrauen war es ihnen — den Geheimnisvollen. Dhark riß sich von diesen Gedanken los. Er deutete seinen Begleitern an, daß es Zeit zur Rückkehr war. Der Blick auf sein Chrono offenbarte ihm, daß sie sich seit zwei Stunden im Innern der Station aufhielten. 136 Vor einer knappen halben Stunde war die POINT OF in Erron-1 gelandet. Durch den Haupt-A-Grav, der einen Durchmesser von fünfhundert Metern hatte, war sie nach Durchfliegen des eigenartigen Deflektorschirmes bis in den Hangar über der Zentrale vorgedrungen, hatte dort ihre fünfundvierzig Paar Teleskopbeine ausgefahren und butterweich aufgesetzt. Erste Messungen hatten ergeben, daß die Mysterious diese Station vor rund tausend Jahren zu dem gleichen Zeitpunkt verlassen hatten wie das Höhlensystem in Hope. Wie überall auf den von ihnen beherrschten Planeten. »Erron. Was bedeutet dieser Name, Commander?« fragte ihn Carrell, als sie zusammen das Deck entlanggingen - die Zentrale befand sich ein Deck höher und noch einige Fußminuten entfernt. Der weißblonde Mann wußte es auch nicht. Offenbar beherrschte er die Sprache der Mysterious doch nicht vollständig. Schon manchmal hatte er sich gefragt, was Erron-3 hieß, und nun waren sie auf Erron-1 gestoßen. Aber für beide Bezeichnungen hatte er keine Übersetzung! Und warum hatte diese Station die Funksprüche ausgestrahlt? Fragen über Fragen! Nur Antworten gab es keine! Unheimlich wirkten die von ihm abgeschalteten Giantroboter, die teils standen, teils am Boden lagen und sich nicht rührten. Manchem Terraner fiel es immer noch schwer, in diesen Konstruktionen etwas Seelenloses zu sehen. Denn die Mysterious oder wer auch immer die Schöpfer dieser Roboter waren - hatten
es fertiggebracht, ihnen einen unheimlichen Grad an Intelligenz mitzugeben. Der Metallboden hatte einen schalldämpfenden Belag. Aus Wänden und Decken sprang das Licht in der Lieblingsfarbe der Mysterious. Blaulicht, wie im Höhlensystem auf Hope, in der 137 POINT OF und den S-Kreuzem. Das Deck, das sie entlanggingen, reichte rund zwölf Kilonieter weit. Erst dann stieß man auf die Trennwand, hinter der die 2,5 Kilonieter hohe neutrale Zone lag, die den äußeren Maschinenteil von der Zentralkugel trennte. Dreißig Meter breit war der Gang unter der Zentrale; einer von vielen, die gleich einem Strahlenkranz vom Zentral-A-Grav in alle Richtungen abzweigten. Rechts neben Dhark öffnete sich leise zischend ein Schott. Arc Doorn, der ein Deck höher in der Zentrale zurückgeblieben war, stand in der Öffnung. Die Nebenwirkungen des Schockerstreifschusses hatte er offensichtlich überwunden. Doorn grinste genüßlich. »Die Mysterious sind auch nicht gern zu Fuß gegangen!« sagte er in seiner wortkargen Art und machte eine einladende Handbewegung, mit der er die anderen im Gang aufforderte, einzutreten. Der Transmitter beförderte sie in die Funk-Z von Erron-1! Dort staunten gerade vier Männer wie kleine Kinder, die ein unerwartetes Geschenk erhalten haben: Manu Tschobe, Elis Yogan, Walt Brugg und Glenn Morris. Arc Doorn hatte das Funkherz dieser Raumstation gefunden. Und er hatte auch den kurzen Transmitterweg zwischen Zentrale und dieser Anlage ein Deck höher aufgespürt. Der Afrikaner Manu Tschobe, der Mann mit dem Doppelberuf, bewies sein Können als Hyperfunkspezialist. »Dhark, hat in der POINT OF nicht jemand behauptet, Erron-1 würde seine Sendeleistung durch die Radiostrahlung der kühlen Gaswolke verstärken?« »Plishi sagte so etwas.« »Der Mann hatte recht, Dhark.« Er kratzte sich am Kopf. »Die Mysterious waren schon raffinierte Burschen!« Er winkte Morris, Yogan und Brugg heran, die Funkspezialisten der POINT OF, und deutete dabei auf eine Instrumentenwand von mehr als zehn Metern Länge und drei Metern Höhe. »Sehen Sie sich das einmal an!« 138
Schon war Dhark für die nächsten fünf Minuten der unwichtigste Mensch im Universum. Seine drei Funkoffiziere tauschten sich in Fachbegriffen aus, die für den Commander unverständlich blieben. Nach einer Weile räusperte sich Dhark. Glenn Morris drehte sich zu seinem Chef um. »Dhark, einfach wunderbar! Unvorstellbar und unglaublich! Es ist alles ganz simpel, aber das ist schon immer das Schwierigste gewesen!« »So? Also einfach nur einfach!« kommentierte er mit leichtem, gutmütigem Spott. Glenn Morris erkannte, wie schwierig es war, Zusammenhänge begreiflich zu machen, wenn gerade das Einfache zum Allerkompliziertesten geworden war! Er sah ziemlich unglücklich drein, sogar ein wenig hilflos. Tschobe konnte ihn gut verstehen. Der große Afrikaner legte ihm die Hand auf die Schulter und meinte: »So erging es mir eben auch, Morris. Wer Hyperfunk nicht bis ins letzte Detail kennt, wer über Radiostrahlung nicht Bescheid weiß, der kann dies einfach nicht verstehen. Dhark...« Er sah Dhark in die Augen, hielt dem Blick des Commanders stand. »Sie ersparen sich viel Zeit, wenn Sie uns einfach glauben. Aber eines habe ich Ihnen zu sagen, und das ist mir vor wenigen Minuten klargeworden. Wir haben doch zuerst den Spruch gleichzeitig aus sieben verschiedenen Richtungen empfangen, später kam er nur von Erron-1. Beim ersten Mal war es uns unmöglich, die Standorte zu erfassen. Wir glaubten es wenigstens, weil die Ortungen Null auswarfen, aber wir konnten damals noch nicht wissen, warum immer wieder Null kam. Unsere Ortungen haben versagt. Die Anlagen trauten sich aufgrund ihrer Logikprogramme sozusagen selbst nicht mehr. Sie hatten als Standorte der sieben Sender riesige, lichtjahrgroße Bereiche erfaßt, und diese Standorte waren laut der Energieortung gewaltige, kühle Gaswolken. An dieser Tatsache scheiterten die Auswertungsschaltkreise. Darüber ist auch unser Checkmaster gestolpert, und bevor er falsche Anga 139 ben machte, warf er lieber Null aus. Mit anderen Worten, die Ortungen wollten einfach nicht glauben, daß kühle Gaswolken, die mit Wasserstoffatomen übersättigt sind, durch einen Kunstgriff zu superstarken Hypersendem gemacht werden können...« »Wie bitte?!« Dhark schaute den Afrikaner verständnislos an. Seine laienhaften Kenntnisse auf diesem Gebiet waren übertordert.
»Dhark«, sagte Glenn Morris begeistert, »was Tschobe gerade gesagt hat, stimmt!« Ren Dhark sah Elis Yogan und Walt Brugg bei Glenn Morris' Worten nicken. Und auch Arc Doorn, der in den letzten Minuten zu den Funkexperten getreten war, nickte. Die Männer wurden durch das Signal eines hereinkommenden Funkspruchs abgelenkt. ... bitte melden. POINT OF bitte melden. Hier Colonel Swrdak mit den Kreuiern TERRA, LUXOR und ARROW. POINT OF, bitte melden! Dhark schaute suchend über die Instrumententafel. Doorn handelte sofort. Blitzschnell nahm er drei Einstellungen vor. »Sie können antworten, Dhark!« brummte er nur kurz. »Janos, wir haben Ihren Funkspruch empfangen. Wir senden einen Peilstrahl. Lassen Sie sich nicht dadurch verwirren, daß die Ortungen nichts anzeigen werden. Alles weitere später hier vor Ort.« Zwei Stunden später war der Commander den Mysterious dankbar für den A-Grav-Schacht mit fünfhundert Metern Durchmesser! Jos Aachten van Haag war wieder in seinem Element. Es hatte ihn nicht mehr an der Seite von Dhark gehalten. Erron-1, das war nichts für den Agenten. Zusammen mit den Snide-Zwillingen nahm er die Transmitterverbindung über die Produktionswelt der Giants nach Hope. Mit einem der Raumer, die ständig zwischen Hope und Terra verkehrten, gelangten die drei Männer schnell auf den Heimatplaneten der Menschen. Eylers wartete schon mit einem Auftrag für ihn. »Sie sind mein bester Mann, Jos. Wir wissen nicht, wo wir an setzen sollen. Die aus dem Brana-Tal verschwundenen Tel und die vermißten Mediziner sind spurlos verschwunden. Finden Sie die Männer oder wenigstens eine Spur.« Jos Aachten van Haag, der Mann, der es wie kein zweiter verstand, selbst aussichtslose Fälle erfolgreich abzuschließen, hatte sich sofort nach Bombay aufgemacht. Und jetzt saß er in der Bar des Hotels und wartete darauf, daß sich die Männer meldeten, die er losgeschickt hatte. Keine GSO-Agenten, denen man eher falsche Hinweise gegeben hätte; nein, Jos hatte Männer beauftragt, die ihm auf die eine oder andere Weise noch einen Gefallen schuldig waren. Daß diese Männer nicht gerade blütenweiße Westen hatten, störte den Agenten nicht.
Der Zweck heiligte die Mittel! Rama Kunsa meldete sich über Jos' Spezialvipho. »Der Barkeeper im International hat vielleicht etwas gesehen. Aber er ist sich nicht sicher!« Jos wußte, was Rama damit ausdrücken wollte. Der Barmann wollte zuerst Bares sehen! Als er fünfzehn Minuten später vor Ort war, machte Jos die Dringlichkeit seiner Bestellung mit einer 100-Dollar-Note deutlich! Kick wurde der Keeper gerufen, ein Vollblutneger aus dem Sudan. Und Kick wußte auf einmal viel zu erzählen! »... ja, James Henderson saß da drüben«, Kick deutete mit der Linken auf einen Tisch nahe der Bar, während er mit der Rechten geschäftig den Tresen wienerte, »und bei ihm noch zwei weitere Männer.« Jos kippte den Rest seines Drinks hinunter und zeigte dem Schwarzen mehrere Fotos der vermißten Mediziner. Kick identifizierte schnell Hendersons Kollegen Shue-The und Niger de Wutu 140 141 sowie weitere sechs Personen, die vermißt wurden. »Möchten Sie noch einen Drink?!« Kick lächelte und deutete auf das leere Glas vor van Haag. »Okay, noch mal dasselbe.« Jos wedelte mit einem weiteren Schein vor Kicks Nase. »Die drei Männer wurden begleitet von Devi Sita, der Frau des Polizeipräsidenten.« Der Barkeeper wollte zupacken, aber dort, wo er den Schein vermutete, war nur noch Luft! »Okay, okay. Ich habe noch gehört, daß sie nach Bentlake wollten. Wo das ist, müssen Sie allerdings selbst herausfinden! Mehr weiß ich wirklich nicht.« »Wann war das. Kick? Erinnern Sie sich!« Die Stimme des Agenten klang fordernd. »Gestern, ja gestern war es. Das weiß ich genau!« kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. »Vielen Dank, Kick, Sie haben mir sehr geholfen. Ihre Drinks und Ihr Service sind ausgezeichnet.« Zufrieden über die Auskunft ließ Jos den Schein auf den Tresen flattern. Bentlake - die größte und modernste Raumschiffwerft Terras. Dort wurden die neuen Tofirit-Raumer gebaut, die im Durchmesser doppelt so groß wie die POINT OF und die S-Kreuzer waren.
Die strategische Bedeutung des Ortes war ihm klar, und was für einen neuralgischen Punkt diese unterirdische Riesenwerft darstellte, ebenfalls. Aachten van Haag wählte die Geheimnummer seines Chefs an. Bernd Eylers' Alltagsgesicht erschien auf der Bildscheibe seines Spezialviphos. »Eylers, sofort Alarm für Bentlake! Dringend die Sicherheitsmaßnahmen verstärken!« Der GSO-Chef reagierte augenblicklich. Jos hörte seine Anweisungen mit. »Was noch, Jos, oder war es das schon?« »Die verschwundenen Mediziner gehen in der Bar des Interna 142 tional gemütlich ein und aus.« Jos schilderte in Kurzform, was er von dem Barkeeper erfahren hatte. »Jos, Sie sind verrückt! Unsere Männer kontrollieren seit Tagen alle Hotels.« Eylers war fassungslos. Dutzende von Agenten suchten vergeblich eine Spur der achtundzwanzig Mediziner, und Jos fand auf Anhieb eine Spur in einem Hotel! »Chef, falls Sie mich suchen, erreichen Sie mich in Bentlake!« Jos unterbrach die Verbindung. Vor dem International bestieg Jos einen Schweber, der ihn zur Transmitterstation vor der Stadt brachte. Zehn Minuten später betrat er die Räume der GSO-Abteilung in der unterirdischen Werft. Der Wachhabende rief sofort alle GSO-Mitarbeiter zu einer Lagebesprechung zusammen. Myles, der leitende Agent vor Ort, konnte einen Lagebericht geben, an dem nichts auszusetzen war. »Und doch haben wir etwas übersehen, Myles, und zwar ShueThe und de Wutu, zwei von den in Bombay verschwundenen Medizinern. Sie sollen sich nach meinen Informationen in Bentlake aulhalten.« »Aber nicht in der Werft!« fiel ihm Myles erregt ins Wort, »höchstens draußen!« »Und was gibt es draußen, Myles?« »Den Werfthafen, den Tower, die Stadt der Arbeiter und Techniker im Bentlake-Tal. Das ist alles. Da, sehen Sie sich die Karte an.« Eine SD-Projektion flammte auf. Sie zeigte Werft und Umgebung. Plötzlich fiel Jos' Blick auf den Staudamm am Ende des Tals. »Was passiert, wenn der in die Luft fliegt, Myles?«
Der Abgesprochene wurde blaß, faßte sich aber schnell. Sofort stellte er eine Verbindung zum Kontrollpunkt des Staudammes her. 143 »Höchste Alarmstufe. Sofortige Kontrolle aller wichtigen Punkte, Wärme- und Bewegungsmelder überprüfen, Streifen verstärken...« Jos hörte nicht weiter zu. Er machte sich seine eigenen Gedanken. Ein Blitzanruf bei Eylers sorgte dafür, daß in der nächsten Stunde dreißig Jetts ständig Patrouille über dem Slaudammgebiet fliegen würden. Jetzt konnten sie nur noch warten! Lagebesprechung in der Kantine von Erron-1. Ren Dhark und Dan Riker hatten die Kommandanten Larsen, Szardak und Goodtime zu der Informationsrunde eingeladen. Der Tel Dro Cimc nahm ebenfalls teil. Neben dem Schwarzen Weißen saß Anja Riker, die attraktive Frau von Dan. Sie hatte ihren Mann kurzerhand begleitet. »Wenn Ren einfach mal wieder unser Privatleben stört, komme ich wenigstens mit!« hatte Anja ihrem Dan resolut bedeutet. Dhark hatte zuerst etwas überrascht geschaut, sich dann aber nicht weiter ablenken lassen. Fasziniert lauschten die drei Colonels und der Wer den Schilderungen des Commanders. »Ich möchten Sie ja ungern stören, aber was wollen Sie jetzt machen, Commander? Für größere Erkundungen auf Erron-1 fehlt Ihnen hier das fachkundige Personal. Außerdem werden Sie auf Terra benötigt!« Colonel Goodtime, die neue Kommandantin der LUXOR, unterbrach die lockere Runde. Dan Riker, der entspannt neben seiner Frau saß, vergaß vor Überraschung, den Mund zu schließen. »Richtig, Sally, erinnern Sie diesen Mann einmal daran, daß das Leben auch noch andere Dinge beinhaltet als immer nur den Mysterious hinterherzujagen!« Anja Riker fand den Einwurf von Colonel Goodtime vollkommen berechtigt. Insgeheim hatte sie schon befürchtet, daß Ren bereits das nächste Ziel ins Auge gefaßt hatte. Und was das bedeutet hätte, wußte sie nur zu gut. »Danke, Anja!« Die schlanke Obristin, deren kastanienrotes Haar im Licht schimmerte, lächelte.
»Commander«, sie klang plötzlich sehr militärisch, »ich habe von Henner Trawisheim den Auftrag erhalten, dafür zu sorgen, daß Sie nicht zu lange von Terra fernbleiben. Ich soll Sie gegebenenfalls an ein noch nicht lange-zurückliegendes Gespräch erinnern!« Die übrigen Anwesenden schauten sich nur verständnislos an. Aber Ren Dhark fing plötzlich an, schallend zu lachen. Von POINT OF an Stab der TF, Cent Field Eintreffen mit TERRA, ARROW und LUXOR um 23.30 Uhr Nonnz.eit. Gezeichnet Ren Dhark Während die vier Ringraumer gemeinsam ihrem Zielplaneten entgegenrasten, saßen der Schwarze Weiße Dro Cimc und der Commander der Planeten in Dharks Kabine an Bord der POINT OF. Dan Riker hatte sich auf Cimcs Bitte hin dazugesellt. »Dhark, Riker, ich möchte einige Dinge über die Tel erklären.« Die beiden Terraner waren von Cimcs Angebot überrascht nahmen er aber gerne an. »Damit aber eines klar ist«, begann der Tel, »ich werde nicht zum Verräter an meinem Volk. Ich gebe keine Informationen über unsere Flotte oder zu den Koordinaten meiner Heimatwelt oder ihrer Stützpunkte! Bitte verstehen Sie das.« »Dro«, antwortete Dhark - der Wer hatte um diese Anrede gebeten - »dies hätten wir nie erwartet.« Cimc nickte nur und gönnte sich einen Schluck Wein; auf Terra hatte er dieses Getränk schätzen gelernt. »Niemals hat ein Vank Wert darauf gelegt, Verbindung mit anderen Intelligenzen aufzunehmen. Nach ersten Kontakten kam es 144 145 immer zum Kampf. So war es stets, und so wird es wahrscheinlich auch bleiben.« »Also Kampf bis zur Vernichtung der anderen, Dro? Radikales Ausrotten fremder Intelligenzen? Glauben die Tel, daß das der einzige Weg ist, um ein Ziel zu erreichen? Hat Ihr Vank sich noch nie die Frage gestellt, ob die Galaxis nicht groß genug ist für Abertausende von Rassen und nicht dazu dient, um den Tel Lebensraum zu geben?« warf Dan Riker ein, auf dessen Kinn sich wieder einmal der rote Punkt abzeichnete - ein Zeichen stärkster Erregung.
»Dan, bei uns herrscht der Kluis, das Rechengehirn. Solange Telin existiert, hat es auch den Kluis gegeben, und immer traf er die letzte Entscheidung, der sich bis heute jeder Vank gebeugt hat - auch wenn die Entscheidung offensichtlich falsch war!« Die letzte Bemerkung klang sehr scharf, und sein Gesicht war von Zorn gezeichnet. »Sie scheinen mit der höchsten Regierungsspitze Ihres Reiches nicht einverstanden zu sein?« fragte Dhark, der sich wunderte, daß Dro Cimc so sehr aus sich herausgegangen war. »Mir wurden die Augen geöffnet, als die POINT OF die Robotflotte vernichtete, indem ihr den Kommandanten den suggestiven Befehl gabt, sich gegenseitig abzuschießeil. Während dieses furchtbaren Schauspiels wurde mir klar, daß ein Kluis niemals der wahre Herrscher über intelligente Wesen sein darf!« Robotflotte? Auf den vernichteten Schiffen hatten sich nur Roboter der Schwarzen Weißen befunden, die wie ihre Erbauer aussahen und sich nur durch das Leuchten der Augen von ihnen unterschieden? Die Synties sollten demnach in der Lage sein, auch Roboter mittels Parakräften zu beherrschen? Das widersprach doch jeder Logik und jeder Erfahrung mit Robotern! Der Commander stellte Dro diese Präge, ohne allerdings die Synties zu erwähnen. Wer Dro Cimc schüttelte den Kopf. »Auf den Einheiten befanden sich nur Roboter, allein der Kommandant war ein Tel, und 146
das genügte, um unsere Armada zu venlichten.»
Dhark und Riker dachten nicht daran, dem Tel zu verraten, daß die POINT OF ihre Existenz nur den Synties zu verdanken hatte. Sollte Dro Cimc diese unheimlichen Wesen jemals sehen und erleben, dann war es immer noch früh genug, ihn über ihre Rolle beim Untergang der Tel-Flotte zu informieren. Im weiteren Verlauf des Gespräches informierte Cimc die beiden Freunde noch über die verschiedenen politischen Strömungen und Interessengruppen - aber er wies immer wieder darauf hin, daß sein Volk einzig und allein vom Kluis regiert wurde und daß eine Opposition im eigentlichen Sinne nicht existierte. Als sich die Männer nach drei Stunden trennten, waren Dhark und Riker zwar über die Struktur des Tel-Staates informiert, aber einen konkreten Plan zur Lösung des Konflikts hatte ihnen auch der Wer nicht liefern können.
Die Strategen in Cent Field würden einen Plan unter Einbeziehung der Fremdrassenpsychologen ausarbeiten müssen! Jos, der seit achtundvierzig Stunden kein Bett mehr gesehen hatte und sich nur noch mühsam wachhielt, wartete. Wartete auf eine Meldung der Männer, die das Gelände um den Staudamm herum seit Stunden Quadratmeter für Quadratmeter kontrollierten. Bislang allerdings vergeblich. Bald würde die Nacht hereinbrechen, dann hätten es eventuelle Attentäter in dem unübersichtlichen Gelände etwas leichter. Vierhundertsiebzehn Meter hoch und zehn Kilometer breit war die Plastikbetonmauer des auf neunzig Kilometer Länge gestauten Lake Bent. Jos mochte sich nicht einmal ausmalen, was passieren würde, sollte es Attentätern gelingen, den Staudamm zu sprengen. Das Signal des Viphos schreckte den GSO-Mann aus seinen Gedanken. »Myles hier. Jos, wir haben unangemeldeten Flugverkehr. Ein 147 Schweber nähert sich im Ortungsschatten vom Ende des Sees her dem Damm. Wir konnten zwei Insassen anpeilen!« »Myles, wir brauchen die Insassen lebend, haben Sie verstanden!? Lebend!« Eiskalt gab Jos seine Anordnungen. Über Funk hörte er die Befehle mit, den Schweher einzukreisen. Mittlerweile hatte sich das fremde Fahrzeug der Staumauer bis auf zehn Kilometer genähert. Eylers, der von Jos inzwischen dazugeschaltet worden war, wollte sich noch nicht mit der Vorstellung anfreunden, daß zwei hochspezialisierte Mediziner zu Saboteuren werden sollten. »Eylers, ich habe die Informationen nicht vergessen, die ich in Bombay erhalten habe, und seit der Ortung des Schwebers muß ich mehr denn je an Shue-The und de Wutu denken!« Der GSO-Chef zweifelte noch immer. »Unwahrscheinlich, Eylers? Haben Sie die Cyborgs Mildan und Dordig vergessen? Und haben Sie vergessen, was man mit Holger Alsop anstellen wollte? Die Cyborgs wurden umgedreht. Wie? Das wissen wir bis heute nicht. Und wenn nun alle unsere verschwundenen Mediziner auch umgedreht worden sind? Was spricht eigentlich dagegen? Eylers, je schneller wir sie aufspüren und festsetzen, um so weniger Arbeit haben wir danach.« Die Aufforderung an den fremden Schweber, zu stoppen und sich zu identifizieren, ging über den Funk.
Gleich danach war ein Krachen zu hören, dann ein donnernder Schlag. »Die schießen...! Die haben Jett X-23 in die Luft gejagt! X-32, verlegen Sie ihnen den Weg! Die fliegen direkten Kurs auf die Staumauer! Abschießen! Mensch, schießen Sie die ab! Wenn die die Staumauer rammen...« Panik machte sich in der Stimme des Jett-Piloten breit. Das Zischen der Kampfstrahlen war zu hören. Sekundenlanges Stimmengewirr, Befehle wurden hin- und hergebrüllt. »Wir haben ihn, wir haben ihn!« Ein berstender Knall drang aus dem Lautsprecher des Viphos. Danach sekundenlanges Schweigen! Myles meldete sich. Seine Stimme klang erleichtert. »Jos, wir hatten verdammtes Schwein. Die Ladung an Bord des Schwebers hätte genügt, den Staudamm komplett in die Luft zu jagen. Wir haben ihn im letzten Augenblick abgedrängt. Er ist gleich hinler der Hügelkette in einer Senke aufgeschlagen und explodiert. Die Druckwelle hat dadurch nicht allzuviel Unheil angerichtet. Wenn sie frei auf Wasser und Staumauer hätte einwirken können...« Jos lief es eiskalt den Rücken hinunter. »... glaube aber nicht, daß diesen Absturz und die Explosion jemand überlebt hat. Ich melde mich wieder von der Absturzstelle«, beendete Myles den Lagebericht. Jos schlug wütend auf den Tisch! Wieder nichts! Und er hatte gehofft, die Attentäter lebend in die Finger zu bekommen! Myles setzte mit seinem Jett zur Landung an. Er warf einen Blick auf die Verwüstung ringsum. Hier hatte es einen wunderschönen Eichenwald gegeben. Davon war jetzt nur noch ein kleiner Teil zu sehen. Abgeknickte, kreuz und quer liegende Bäume und dichte Qualmwolken markierten die ehemalige Idylle. Seine Männer waren schon dabei, mit Löschgeräten gegen die Brände vorzugehen. Alle trugen Schutzmasken. Myles schaute auf das Strahlenmeßgerät. Null! Erleichtert atmete der dreißigjährige Agent, der sich in kurzer Zeit in der GSO nach oben gearbeitet hatte, auf. »He, Derek, komm mal hier 'rüber!« Die Stimme seines Stell vertreters und Freundes Adam Kowalski klang aus der
Bordsprechanlage. »Hier liegt einer der Insassen, hat sich scheinbar kurz vor dem Aufprall aus dem Schweber katapultiert. Wir 148 149 sind an der linken Kante bei den drei Baumkronen.« Es dauerte eine halbe Minute, bis Myles die Stelle gefunden hatte. Noch einmal eine halbe Minute später stand er vor einer zusammengekrümmten männlichen Leiche, die schwere äußere Verletzungen aufwies. »Jos«, er stellte die Verbindung zu dem Agenten her und richtete gleichzeitig sein Vipho auf die Leiche, »warten Sie, ich schalte die Vergrößerung noch höher!« »Dr. Chan Shue-The!« Jos nickte bestätigend, zu seinen eigenen Worten. Eylers, der mitgehört hatte, war wieder einmal vom Riecher seines besten Mannes beeindruckt. »Myles, sofort mit dem Toten zur Station zurück. Ich setze mich unverzüglich mit Echri Ezbal in der Cyborg-Station in Verbindung und frage, wie wir den Toten behandeln sollen, bis er im BranaTal untersucht werden kann. Nur dort können die Ärzte feststellen, ob Shue-The unter einem unausweichlichen Zwang gehandelt hat.« »Sie meinen Hypnose?« Myles konnte dies alles nicht verstehen. Ein Mediziner als Attentäter? »Nein. Durch Veränderungen im Gehirn. Etwas, das kein terranischer Arzt in dieser Form beherrscht. Myles, wissen Sie, was das bedeutet?« Der Mann hatte keine Zeit mehr für eine Antwort. Die Cyborg-Station im Brana-Tal meldete sich. Dort war alles bereit zur Untersuchung der Leiche. Genau dreißig Minuten später wurde der Tote von Ärzten der Cyborg-Station am Transmitter in Empfang genommen. Jos Aachten van Haag folgte den Spezialisten dichtauf. Shue-The war tot und blieb tot. Auch die Spitzenkönner im Brana-Tal konnten Tote nicht mehr zum Leben erwecken, aber sie waren in der Lage, herauszufinden, ob man mit Shue-The etwas vorgenommen hatte, was die Kunst der terranischen Ärzte noch überstieg. Zwei Stunden später zeichnete sich das erste Resultat ab. Jos verstand kein Wort. Er begriff nur, daß die Ärzte über einen be 150 stimmten Teil des Gehirns sprachen, an dem Veränderungen vorgenommen worden sein sollten, die Shue-The zum Werkzeug einer anderen Macht degradiert hätten.
Der greise, ausgeglichene Echri Ezbal erkannte, wie schwer es seine Kollegen dem GSO-Mann machten. Er drehte sich zu ihm um und sagte erklärend: »Jos, wir haben etwas Ähnliches schon einmal beobachtet, als wir durch Bert Stranger nicht umgeschaltete Robonen und einen Schwarzen Weißen in die Hände bekamen. Nun müssen wir befürchten, daß die siebenundzwanzig verschwundenen Kollegen Shue-Thes ebenfalls verändert worden sind und somit eine große Gefahr für Terra darstellen. Leider muß ich noch einmal sagen, daß wir nicht in der Lage sind, Eingriffe dieser Art am Menschen durchzuführen, und außerdem können wir nicht feststellen, mit welchem Verfahren man Shue-Thes Gehirn verändert hat, weil wir an seinem Kopf nirgendwo die Spur eines Eingriffes finden.« »Danke!« sagte Jos knapp. »Keine gute Nachricht, aber wenigstens eine Nachricht. Informieren Sie bitte auch Bernd Eylers. Ich muß nach Bombay zurück.« Devi Sita kam Jos Aachten van Haag über den gepflegten englischen Rasen entgegen. Sie trug eine dünne, ärmellose Bluse und einen um die Hüfte geschwungenen Rock. Der Sarong stand ihr ebenso wunderbar wie die Bluse, die ihre gute Figur noch unterstrich. Im Hintergrund, rechts und links von zwei kleinen Baumgruppen flankiert, lag einer der Bungalows, die Millionen kosteten - ein offensichtlicher Beweis, daß Devi Sitas Mann nicht gerade zu den Armen zu rechnen war. Jos hatte Devi angerufen und sie nach James Henderson gefragt, den er als gemeinsamen Bekannten schilderte. Er sorge sich um ihn und könne sich nicht erklären, was in der letzten Zeit mit ihm 151 los sei. Die Inderin, die sich offensichtlich langweilte, hatte dem attraktiven GSO-Mann sofort angeboten, sie doch persönlich aufzusuchen. Devi begrüßte Jos herzlich und hakte sich bei ihm ein, während sie ihn in den kühlen Terrassenraum führte. Sie nahmen am runden Schwebetisch Platz, und Jos bewunderte kurz die mit großen, funkelnden Brillanten besetzte Spange, die sie im langen, nachtschwarzen Haar trug. Jos bemühte sich, eine vertrauliche Atmosphäre zu schaffen: »Devi, kam Ihnen Dr. James Henderson verändert vor, als sie ihn zuletzt getroffen haben?«
Halb mißtrauisch, halb ironisch sah sie ihn an. »Wollen Sie James eines Vergehens beschuldigen, Jos?« »Nein, ich möchte nur wissen, ob er Ihnen verändert vorkam.« »Nein. Er war so ruhig und ausgeglichen wie immer. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, aber er kam nicht und rief mich auch nicht mehr an. Etwas, das James sonst nie tat. Er ist stets pünktlich und zuverlässig.« »Dann war er ja doch anders als sonst, Devi?!« »Wenn Sie das meinen, ja, Jos. Aber was sollen diese Fragen?« Devi schaute Jos mißtrauisch an. »Wer sind Sie, Jos? Sie kennen Henderson überhaupt nicht!« Der Agent erkannte, daß er mit seiner bisherigen Taktik nicht mehr viel erreichen würde, also schenkte er der Inderin reinen Wein ein. Enttäuscht schüttelte sie den Kopf. »Devi, Dr. Henderson ist nicht mehr der selbe Mann, den Sie gekannt haben. Mit ihm und seinen Kollegen, die verschwunden sind, ist sehr wahrscheinlich etwas angestellt worden, das ihren Charakter veränderte. Vielleicht haben Sie vom Anschlag auf den Bentlake-Damm gehört. Das war das Werk von Shue-The und Niger de Wutu, Kollegen Ihres Freundes. Wie kommen Mediziner dazu, solche verbrecherischen Anschläge zu begehen?« Ihre Haltung hatte sich versteift. 152 »Warum erzählen Sie mir das, Jos? Warum versuchen Sie nicht, die Männer aufzuspüren und sie von Verbrechen abzuhalten, für die sie nicht verantwortlich sind?« »Warum ich es Ihnen erzähle, Devi Sita? Weil ich in Bombay einige Spuren gefunden habe, und alle Spuren enden in diesem Bungalow. Sita, was haben Sie mit dem Verschwinden der Mediziner zu tun?« Jos' Stimme hatte den vertraulichen Klang verloren -jetzt war er nur noch der Mann, der einem Verbrechen nachging. Sita drückte einen Kontakt. Eine bis dahin unsichtbare Tür in der Wand öffnete sich, und ein schwarzer Mann trat in den Terrassen raum. »Kole, der Herr möchte gehen. Begleiten Sie ihn bis zur Sperre!« Devi Sitas Stimme klirrte wie Eis. Ihr reizvolles Gesicht mit dem herrlichen Profil war erstarrt. Sie glich einer Maharani aus einer längst vergangenen Epoche, die Herrin über Millionen Menschen war.
Jos erhob sich, deutete eine Verbeugung an und ging. Er hatte auch als GSO-Mann kein Recht zu bleiben. Noch nicht. Seine Beweise waren noch nicht schlüssig genug. Kole ging einen halben Schritt hinter ihm. Das behagte Jos nicht. Er verzögerte unmerklich sein Tempo. Kole ebenfalls. Der Abstand blieb der gleiche. Jos stoppte abrupt, drehte sich nach dem Schwarzen um und sagte nicht scharf, aber fordernd: »Bitte gehen Sie mit mir auf gleicher Höhe oder voraus. Ich mag Ihr Verhalten nicht!« »Bitte!« Kole trat einen Schritt vor, die Augen halb verdeckt und den Blick zu Boden gerichtet, und setzte sich in Bewegung. Plötzlich schoß Jos Aachten van Haag ein Gedanke durch den Kopf. Kole war ein Schwarzer! Konnte er nicht ebensogut ein Schwarzer Weißer sein, der seinem Gesicht durch Hilfsmittel einen negroiden Einschlag gegeben hatte? Jos Hand griff zur Waffe, aber Kole war schneller. Der Ab 153 strahlpol einer fremdartigen Strahlwaffe deutete auf den GSOMann. »Und jetzt gehen wir wieder in den Terrassenraum!« sagte Kole mit ausdruckslosem Gesicht. Er verzichtete darauf, Jos die Waffe abzunehmen. Das konnte er sich leisten, denn Jos Aachten van Haag hatte seine Hände hochgenommen und damit keine Chance mehr, an seine Waffe zu gelangen. Devi Sita hatte ihren Platz nicht verlassen. Gleichgültig schaute sie zu, wie Kole ihren gerade entlassenen Gast wieder hereinbrachte. Daß das mit vorgehaltener Strahlwaffe geschah, schien sie nicht zu berühren. »In den Sessel setzen und die Arme nach unten hängen lassen«, befahl Kole, der zwei Meter vor Jos stand. Der GSO-Mann gehorchte notgedrungen. »Sita, nehmen Sie ihm die Waffen ab und durchsuchen Sie ihn. Alles, was er in den Taschen hat, ausräumen!« Sie gehorchte wie ein Automat. Jos fiel es wie Schuppen von den Augen. Devi Sita war auch verändert worden! Auch sie war nicht mehr Herrin ihres Willens. Was hatten diese teuflischen Tel mit ihr angestellt? Für ein paar Sekunden vergaß Jos seine Lage. Ohne sich zur Wehr zu setzen, ließ er sich ausplündern. Gerade zog Sita einen versiegelten Aus-
weis hervor und trat etwas zur Seite, als sie gegen sein ausgestrecktes Bein stieß, darüber stolperte und nach vome fiel. Für einen Moment geriet sie in die Schußlinie. Jos handelte nur, überlegte nicht. Blitzschnell brachte er seine Hände hoch und stieß die junge Frau gegen den Tel, der eine Idee zu lange zögerte, den Kontakt seiner Waffe zu drücken. Devi Sita schrie nicht einmal auf, als sie mit aller Wucht gegen Kole flog. Koles Arm mit der Waffe machte eine unkontrollierte Bewegung nach rechts. Da war Jos heran und schlug mit der Rechten zu. Der Tel stolperte nach hinten. Verzweifelt versuchte er, sein Gleichgewicht zu halten. Aber Jos ließ ihm keine Gele154 genheit, sich wieder zu erholen. Er setzte nach und verpaßte Kole weitere Hiebe. Der Tel fiel zu Boden, im Fallen drückte er den Kontakt der Strahlwaffe. Vom Abstrahlpol seiner Waffe zischte eine Entladung, die einen Glutstrich an der olivgrünen Decke zog. Mit einem sicheren und schnellen Kurat-Griff bekam Jos das rechte Handgelenk des »Dieners« zu packen. Vor Schmerzen laut brüllend, ließ Kole seine Waffe fallen. Sie wechselte den Besitzer, und Jos machte den richtigen Gebrauch davon. Der Schlag klang dumpf. Seine Wirkung war zufriedenstellend, und der GSO-Mann konnte sich um Devi Sita kümmern. Die saß wieder im Sessel und schaute Jos, der sich gerade erhoben hatte und seine Kleidung ordnete, lächelnd an. So, als ob es soeben im Terrassenraum keinen Kampf gegeben hätte und zwischen ihr und Jos alles in bester Ordnung sei, sagte sie mit leichtem Lächeln um die Augenwinkel: »Möchten Sie etwas trinken, Jos?« Unwillkürlich schluckte Jos Aachten van Haag, aber sein Mißtrauen war nur kurz. Devi Sita wußte tatsächlich nicht, daß Jos einen Kampf auf Leben und Tod gegen einen Tel geführt hatte. Von Koles Anwesenheit nahm sie nicht die geringste Notiz. Die Verbindung zu ihm, welcher Art sie auch immer gewesen war, bestand nicht mehr. Jos nahm seine Utensilien wieder an sich und wollte gerade sein Spe zialvipho einschalten, um die GSO-Dienststelle in Bombay zu alarmieren, als Devi Sita einen Klagelaut über die Lippen brachte, der ihn ablenkte. Sie schien gegen eine unsichtbare Macht zu kämpfen. Der Blick aus ihren mandelförmigen Augen war starr auf die breite Plastikfensterfront gerichtet.
»Sie sind nicht mehr auf Terra. Alle nicht mehr. Nur die anderen, die schon lange vor ihnen hier waren und die niemand erkennt.« Er stand vor ihr, legte seine Hand auf ihren Arm. »Wer ist nicht mehr auf Terra, Devi?« fragte er leise, aber drängend. Er hatte Angst, ihr Zustand könnte sich im nächsien Augenblick wieder 155 ändern. »Die Tel aus dem Brana-Tal. Sie sind doch schon lange wieder fort. Lange schon...« »Und was ist mit Henderson, Devi? Sagen Sie es!« »Henderson?... Henderson? Henderson gibt es nicht mehr. Den Henderson nicht mehr... nie mehr... nie...« »Und wie heißen Sie?« Eine Ahnung flog ihn an, welche Antwort sie ihm geben würde. »Ich?« Zum ersten Mal irrte ihr Blick ab. Sie sah ihn an, aber sie erkannte ihn nicht. »Ja, wie heiße ich nur? Hab' ich überhaupt einen Namen? Einen Namen...? Namen...« Devi Sitas Blick war wieder starr auf die breite Front der Plastikglasscheiben gerichtet. Sie sah auf den englischen Rasen hinaus und sah ihn doch nicht. Jos Aachten van Haag rief augenblicklich die GSO-Dienststelle in Bombay an. 4. Ron wedda wi lerra! Erster Auftrag: Feststellen, aus welcher Richtung der Galaxis diese Funksprüche in unbekannter Sprache gekommen sind, die von Erron-1 nur verstärkt weitergeleitet wurden! Zweiter Auftrag: Maximale Sende- und Empfangsleistung von Erron-1 bestimmen und Entdeckung der Methode, mit der die Radiostrahlung einer kühlen Gaswolke als Verstärker benutzt werden kann! Ron wedda wi lerra! Zu vielen Rätseln war ein neues dazugekommen. An Erron-1 bissen sich die Experten die Zähne aus, denn Erron-1 war mehr als nur eine Kugel von achtundsechzig Kilometern Durchmesser und eine gigantische Hyperfunkstation. Aber was war Erron-1 nun wirklich?
Die Spannungen zwischen der Regierung in Alamo Gordo und dem Stab der TF wurden von Tag zu Tag größer. Der Minister für Finanzen sagte den Bankrott für Ende des Jahres voraus, und Henner Trawisheim, der nur zu gut wußte, wie recht die Finanzexperten hatten, konnte ihnen nicht helfen. Selbst auf die Gefahr eines Staatsbankrotts hin konnten weder der Alarmzustand der Flotte noch das Kolonisierungsprogramm abgesetzt werden. Nach wie vor sagten die großen Suprasensoren einen bevorstehenden Angriff auf Terra voraus. 156 157 Eigenproduktion der neuen To-Schiffe in der unterirdischen Werft von Bentlake! Ständige Neuentdeckungen von ehemaligen Stützpunkten der Mysterious, die militärisch gesichert werden mußten! Sicherung der neuen Kolonien durch eigens dafür abgestellte Geschwader! Dringende Inbetriebnahme der erbeuteten SKreuzer! Rekrutierung und Ausbildung neuer Raumerbesatzungen! Die TF war zu einem Dinosaurier mutiert, der von Tag zu Tag größer wurde und dabei Unsummen verschlang. Das Ministerium für Finanzen sagte jeden Tag dreimal nein und mußte jeden Tag seine negativen Entscheidungen wieder abändern. »Dann stoppt doch wenigstens diese Beförderungen, die uns täglich zusätzliche Millionen kosten!« verlangte der Finanzminister. Da sagte der Stab der TF nein, und er blieb dabei. Die Flotte mußte auch finanziell einen Anreiz für die Besatzungen bieten. Schon jetzt gab es Probleme, jungen Menschen den Dienst in der TF schmackhaft zu machen. »Wo bleiben die Roboter, die man uns schon vor Monaten versprochen hat?« fragte die Finanz drängend. »Sehen wir von diesen Abermillionen, die in das Projekt hineingesteckt worden sind, auch nichts wieder?« »Die Erprobungsphase der Vorserie ist abgeschlossen. In den nächsten Tagen werden mit Anlauf der Serienfertigung 200.000 entsprechend programmierte Roboter an die jeweiligen Ressorts ausgeliefert«, wurde der Finanzminister beruhigt. Diese Roboter sollten menschliche Arbeitskräfte ersetzen und gleichzeitig Reserven frei machen, die dann in Spezialkursen umgeschult wurden. Experten her!
Aber wo gab es noch Spezialisten? Auch in diesem Punkt raste man auf eine Katastrophe zu, denn Experten waren nicht nur auf Terra Mangelware geworden. Die überall gefragten Spezialisten waren extrem teuer geworden, weil 158 man ihnen Gehälter zahlte, die in keinem gesunden Verhältnis mehr zu ihren Leistungen standen. Auf Erron-1 merkte man vom Geldmangel auf der Erde nichts. Die Experten, Techniker und Monteure forderten an und erhielten das Gewünschte mit dem nächsten Schiff oder über die Transmitter-Straße vom Produktionsplaneten der Giants. Die Giants waren nach wie vor abgeschaltet und in allen Räumen der dreiundzwanzig Kilometer durchmessenden Zentralkugel zu finden. Grundriß und Aufbau von Erron-1 waren erforscht. So schwer es den damit beauftragten Teams auch fiel, sie mußten sich mit der Tatsache abfinden, daß Erron-1 ursprünglich scheinbar ein Ringraumer von achtundsechzig Kilometer Durchmesser gewesen war, den die Mysterious an diese Stelle des Alls geflogen hatten. Erst nachdem es seinen heutigen Platz eingenommen hatte, war das Raumschiff zur Station Erron-1 umgebaut worden! Die unvorstellbar großen Triebwerke mußten später wieder fortgeschafft worden sein, denn von ihnen war keine Spur mehr zu entdecken. Auch manches andere, das die Wissenschaftler gerne gefunden hätten, war nicht aufzuspüren. Die Kugel, deren Oberfläche wie eine bizarre Kastanie aussah, war mehr als nur eine Hyperfunkstation, denn die Funkanlage beanspruchte nicht mehr als ein Zweitausendstel des Platzes in der Zentralkugel. Welchem Zweck aber dienten dann die hinter den fugenlosen Unitallverkleidungen liegenden Aggregate und Maschinensätze? Es wäre das Einfachste gewesen, die Giants zu befragen, denn sie hätten bestimmt Auskunft geben können. Doch nach wie vor war man nicht in der Lage, nur einen einzelnen zu aktivieren und die Gefahr, es plötzlich mit mehr als einer Million Bio-Roboter zu tun zu bekommen, wollte niemand eingehen. 159 Es gab nur einen Haupt-A-Grav, der bei fünfhundert Metern Durchmesser die Länge von achtundsechzig Kilometern hatte und auf der Polachse eingebaut war.
Viele kleinere A-Grav-Lifte verbanden die Decks in der Zentralkugel, aber es war eine zeitraubende Lauferei, vom Liftausstieg den jeweiligen Arbeitsplatz zu erreichen. Die Hoffnung, auf ein umfassendes internes Transmittersystem zu stoßen war längst begraben worden. Es gab zwar einige Verbindungen, doch die führten nur zu den wichtigsten Knoten- und Steuerpunkten der Zentralkugel. In Erron-1 wartete man auch auf die erste Lieferung der Roboter, die auf Terra in einem europäischen Werk entwickelt und nun endlich gebaut wurden. Sie sollten die abgeschalteten Giants in mehreren Depots stapeln und sich um die Materialverwaltung kümmern. Die viel zu kleine Besatzung von Erron-1 war nicht mehr in der Lage, das angelieferte Material anständig zu lagern und zu ordnen. Die angeforderten und auch angelieferten Mengen sprengten jeden Rahmen! Manchmal traten an einem Normtag bis zu vier Raumschiffe ein. Die Transmitter-Straße nach und vom Produktionsplaneten der Giants war ununterbrochen in Betrieb und oft bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastet. Erron-1 war ein Wunderwerk. Den Waffenexperten verschlug es den Atem, als sie vier Waffensteuerungen entdeckten. Jede einzelne der fünfzehn Kilometer weit in den Raum hinausragenden Antennen, die der Station das Aussehen einer Kastanie gaben, konnte auf Nadel- und Strich-Punkt-Strahlen umgeschaltet werden. Außerdem gab es eine dritte Strahlenart, über deren Charakter man sich noch nicht klargeworden war. Hy-Kon wie auf der POINT OF gab es allerdings nicht - oder die entsprechende Einrichtung war noch nicht entdeckt worden. Mehr als zwei Drittel aller Anlagen blieben ein Rätsel, und das war bei einer Station von diesen unglaublichen Ausmaßen auch kein Wunder. Vier Koordinierungszentralen waren eingerichtet worden, aber 160 schon nach wenigen Tagen stellte sich heraus, daß auch vierzig zu wenig gewesen wären. Woher die Fachleute nehmen, um diese Zentralen zu besetzen? In der Funkortung und Speicherung war die Stimmung auf den Nullpunkt gesunken. Man war nicht in der Lage festzustellen, aus welcher Richtung jene geheimnisvollen Funksprüche in unbekannter Sprache eingelaufen waren. Ebenso konnte man nicht sagen, welche raffinierte Methode die Mysterious benutzt hatten, um die Radiostrah-
lung der kühlen Gaswolke für die Verstärkung der eigenen Sendungen zu nutzen. Darum jubelten gut ein Dutzend Forscher auf, als sie in der Hauptzentrale neben der Automatik auch die manuelle Steuerung des Deflektorschirmes entdeckten. Mit der soeben anfliegenden GOADO wurde sofort ein Versuch unternommen, der so ausgezeichnet verlief, daß nach der Landung des 100-Meter-Kugelraumers der Captain immer noch den Kopf schüttelte über diesen Deflektorschirm. Jeden Tag wurden in Erron-1 wichtige Entdeckungen gemacht. Aber wenn man nur den Versuch unternahm, sich die gigantischen Ausmaße der Station wahrheitsgetreu vorzustellen, dann halte man unwillkürlich gegen die aufkommende Resignation anzukämpfen. Sollte es wirklich viele Jahrzehnte dauern, bis man in Erron-1 alles kannte? Zur gleichen Zeit, 2.256 Lichtjahre von Terra entfernt, am Rande einer Dunkelwolke im Sternbild Schwan, trat der S-Kreuzer PASADENA aus dem Hyperraum. Major John Bernt und seine Crew hatten die Aufgabe, nach neuen bewohnbaren Planeten Ausschau zu halten und gleichzeitig Messungen des galaktischen Magnetfeldes durchzuführen. »Major, die Sonne vor uns ist ein GO-Typ mit neun Planeten, 161 der sechste ist eine Sauerstoffwelt. Durchmesser 10.034 Kilometer, Schwerkraft 0,89 Gravos.« Es folgten weitere Angaben, die der Major nur noch am Rande wahrnahm, denn der richtige Ansprechpartner für diese statistischen Daten war die Astroabteilung. Eine Sauerstoffwelt! Die Gelegenheit, vielleicht einen neuen Kolonialplaneten für Terra zu erschließen. »Skill, Kurs auf den sechsten Planeten! Waffensteuerungen höchste Alarmstufe. Pringle, geben Sie Terra unseren augenblicklichen Standort durch!« Bemt hatte alles notwendige veranlaßt. Ruhig verfolgte er über die Bildschirme, wie sich die PASADENA immer tiefer in das fremde System hineinschob. Der hagere Enddreißiger mit den eisgrauen Haaren saß im Pilotensessel und rauchte. Die Leute in der Kommandozentrale führen seine Befehle schnell und ohne Rückfragen aus, in dem aufeinander eingespielten Team konnte sich jeder auf den anderen verlassen.
Der Ringraumer verzögerte langsam, der Sie wurde auf negative Beschleunigung geschaltet. Mit nur 0,1 Licht kroch das Raumschiff nahezu dem sechsten Umläufer entgegen. »Entfernung noch 150.000 Kilometer, wir gehen in den Orbit!« Skill, der Erste Offizier der PASADENA, nahm die entsprechenden Schaltungen vor. Der Planet verschwand aus der Mitte des Bildschirmes und wanderte langsam zum linken Bildrand. Gleichmäßig sank der Ringraumer weiter, bis er in 70.000 Kilometern Entfernung in die endgültige Umlaufbahn ging. Den Männern in der Zentrale zeigte sich ein Planet mit drei Kontinenten. Weite, offene Ebenen wechselten sich mit bewaldeten Gebieten ab. Die Gebirge erreichten kaum die Höhe von 4.000 Metern. Die Meere zwischen den drei Kontinenten wirkten ruhig, durch die fehlenden Monde konnten keine Gezeitenkräfte auf sie einwirken. »Keine Anzeichen oder Spuren intelligenten Lebens!« meldete 162 Kojo, der kleine Japaner mit der Afro-Frisur von den Ortungen. Der erste Umlauf näherte sich seinem Ende. »Major, ich messe Energieerzeuger an!« John Bemt reagierte sofort. Der Alarm gellte durch alle Räume seines Schiffes. Die Männer und Frauen schlössen ihre Raumanzüge und bezogen Alarmpositionen. Gespannt verfolgten die Männer in der Zentrale den Kurs der PASADENA, die auf die georteten Energieerzeuger zuflog. In der Ferne tauchte etwas auf, was sich von der Weite der Ebene abhob. Je näher der Raumer kaum, um so deutlicher wurde das Objekt. Ein Turm! Nein, mehrere Türme! Eng beieinanderstehend vermittelten sie nur aus der Feme den Eindruck eines einzigen Gebildes. »Major, zweiundfünfzig Türme. Jeder 11,3 Kilometer hoch.« Kojo rasselte weitere Angaben herunter. »Tower! Ja, Tower, das ist der richtige Namen für diesen Planeten!« hauchte John Bemt ehrfürchtig. »Major, die Energieerzeuger laufen auf der niedrigsten Stufe. Keinerlei Änderung anzumessen.« Kojo hatte die Türme fest im Griff seiner Ortungen. Die PASADENA verharrte über dem Gelände mit den Gebäuden, die Teleobjektive holten jede Kleinigkeit hervor.
»Scheinbar keinerlei Gefahr, außer der Grundlastenergie ist nichts festzustellen. Sollen wir landen, John?« »Einverstanden, aber alles für einen Alarmstart programmieren. Verstanden?« »Klar!« Skill konnte es sich leisten, diesen legeren Tonfall an den Tag zu legen. Die beiden Männer kannten sich schon seit ihrer Ausbildung an der Militärakademie. »Und Skill, laß den Alarmzustand auf Stufe zwei herunterstufen!« 163 Sie standen vor den Türmen. Zwei Kilometer hinter der terranischen Erkundungstruppe war die PASADENA auf einer weiten Ebene gelandet. Die Männer und Frauen hatten ihre Raumhelme geöffnet. Die halbstabilen Helme hatten sich sofort automatisch im Nacken zusammengefaltet. Eine laue Luft umwehte die Menschen, die Temperatur betrug 20,8 Grad Celsius. Bemt atmete tief durch, er genoß die frische Luft. Das war etwas anderes als die Luft an Bord von Raumschiffen, egal wie sorgfältig sie aufbereitet wurde. Smith, der Stellvertreter von Kojo, trat an den Major heran. »Sir, ich habe die genauen Daten!« Er deutete auf den Bildschirm seines tragbaren Ortungsgerätes. Basisdurchmesser 3,2 Kilometer, Höhe 11,3 Kilometer, Durchmesser an der Spille 915 Meter, Energieerwuger in einer Tiefe von bis w 2,6 Kilometern im Boden. Der Major legte den Kopf in den Nacken. Vor ihm erhob sich der vollkommen fensterlose Turm in den Himmel. Nirgendwo trat etwas aus der Wandung des Gebildes heraus. Minutenlang schaute Bernt in den Himmel, suchte einen Turm nach dem anderen ab; aber alle sahen gleich aus. »Major, wir haben einen halb zugewehten Einstieg gefunden!« wurde er plötzlich aus seinen Betrachtungen gerissen. »Skill, stell' einen Trupp aus sechs Leuten zusammen. Wir werden versuchen, das Innere dieses Turmes zu erkunden!« Major Bernt hatte sich blitzschnell entschieden. Woher sollte er auch ahnen, welch weitreichende Folgen die Erkundung der Türme noch haben sollte? Daß vor allem der terranische Finanzminister über seine Entdeckung alles andere als glücklich sein sollte, konnte er ebensowenig wissen.
Die drei Ingenieure der Transmitterstation standen gelassen neben der achtzehn Meter durchmessenden Ringantenne und warteten ab. Der Transmitter vom Typ FF-60 hatte die Verbindung zur Gegenstation in Europa hergestellt; das Pokal-Feld war einwandfrei justiert. Gerade hatte Walt Prior über sein Vipho das »Okay« erhalten. Sämtliche Kontrollen der Anzeigetafel zeigten Grünwerte. Landeplatz A-1, der erste auf der ersten Piste, war hermetisch abgesperrt. Nur geladene Pressevertreter waren zugelassen - an erster Stelle natürlich Bert Stranger von Terra-Press. Der Reporter mit dem Babyface, dem die meisten Menschen, die ihn das erste Mal sahen, nichts zutrauten, hatte es einmal wieder geschafft, die entsprechenden Stellen zu überreden, wie er es nannte. Ted Bulton und Bernd Eylers, die zu den überredeten Stellen gehörten, nannten es schlichtweg Erpressung! Aber man machte gute Miene zum bösen Spiel, denn die terranische Regierung konnte sich augenblicklich keine schlechte Presse leisten! Gespannt warteten die Reporter und Kamerateams auf das Erscheinen der neuen Wunderroboter, die den Terranern in den letzten Tagen mit einem gigantischen Werbefeldzug nahegebracht worden waren. Der Roboter, dein Helfer in allen Situationen! Unter diesem Motto lief die Kampagne. Bert Stranger hatte bei Terra-Press eine geschickte Artikelreihe mit psychologischem Hintergrund gestartet, die dem einfachen Mann von der Straße die Angst vor diesen Maschinenwesen nehmen sollte. Der Roboter nicht als Konkurrent, sondern als Ergänzung und Helfer auf allen Gebieten - dies war das Motto! »Achtung, Sendung läuft!« Walt Prior hatte für einen Augenblick alle Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, indem er die Sendung mit den ersten Maschinenwesen ankündigte. 164 165 Fünf Maschinen schwebten aus der grauen Ringantenne. Sie nahmen von den Menschen keine Notiz. Die meisten der knapp hundert geladenen Gäste hielten trotz aller Vorinformation den Atem an, als sie die großen Kolosse sahen, die jeder 1,2 Tonnen schwer waren. Im warmen Sonnenlicht blitzten ihre Verkleidungen rotbraun.
Rotbraun war die Farbe der Roboter für den industriellen Einsatz, die der Flottenmodelle war blau. Neben den weiteren Farbkennungen für andere Einsatzzwecke gab es zusätzlich noch diverse Markierungen. Kurz vor der Sperre, hinter der der Commander der Planeten mit Trawisheim, Bulton und einigen Ministem stand, hielten die fünf Maschinen an. Leise summend schwebten sie ruhig knapp über dem Boden. Hinter ihnen erschienen die nächsten Roboter und schlössen sich an. Die konusförmigen Leiber waren vollkommen glatt, die Extremitäten alle noch eingefahren. Einzig und allein die optischen Wahrnehmungssysteme zeigten eine Spur von Aktivität. Kleine Leuchten blitzten hier und da auf und erloschen ebenso schnell wieder. Eine leicht metallisch klingende Stimme ertönte. »Robot C-000/x25-001 erwartet seine Befehle!« Ren Dhark ließ seinen Gästen Zeit, sich zu fangen. Es sah Trawisheim, der bereits die ersten Fragen von Industriellen beantwortete, ebenso Bulton, der von einigen hohen Militärs begleitet wurde. Bert Stranger kämpfte sich zu dem Commander durch und führte eines seiner berüchtigten Interviews mit ihm. »... in erster Linie dazu dienen, die vorhandenen personellen Engpässe zu beseitigen. Ja, überall werden die Robs zum Einsatz kommen, momentan allerdings in erster Linie bei der Terranischen Flotte und auf den neu besiedelten Kolonialplaneten sowie in ausgesuchten Industriebetrieben.« »Wie viele sollen heute kommen, Mr. Dhark?« Stranger war 166 hartnäckig. »Achtzehntausend. Damit wollen wir anfangen. Ich hoffe, daß wir in rund einem Monat die erste Million zur Verfügung haben. Und«, Dhark lächelte, »einen Verteilerschlüssel können Sie gerne von Henner Trawisheim erhalten. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muß mich noch um die anderen Gäste kümmern.« Der Transport der Roboter lief weiterhin ohne eine einzige Slokkung ab. In jeder Sekunde spie die große graue Transmitter-An tenne fünf Maschinenmenschen aus; sie kamen im Arbeitstakt des Endmontagebandes und standen nun als kompakter Block dicht zusammen auf der Piste A-1. In den Wirtschaftsnachrichten war die Übergabe der Roboter die Meldung des Tages. Überall meldeten sich Experten zu Wort, und
es gab nur wenige, die Pessimist blieben und für die nächste Zukunft Schwarz sahen. Auch Dhark verfolgte die Sendungen in seinen Privaträumen. Entspannt lehnte sich er sich auf der Couch zurück und prostete der jungen Frau zu, die ihm gegenüber saß. Spät am Abend wurde dem Commander ein Captain Bundus gemeldet, der gebeten hatte, ihn in einer wichtigen Angelegenheit sprechen zu können. Doch dann kam Bundus nicht, und Dhark vergaß ihn - er mußte sich um seine Besucherin kümmern! In den letzten Tagen hatte Jos Aachten van Haag manchmal an seinem Können gezweifelt, weil er im Fall der verschwundenen Mediziner einfach keinen Schritt weiterkam. Hin und wieder kam ihm sogar der Verdacht, sie seien mit den Tel von der Erde verschwunden. Aber dem widersprach die Tatsache, daß einige von ihnen noch nach der dramatischen Befreiungsaktion in der Cyborg-Station in Bombay gesehen worden waren. Dr. Chen ShueThe war bei seinem verbrecherischen Anschlag gegen den Bentlake-Damm umgekommen. Seine Leiche hatte man zur Untersu 167 chung ins Brana-Tal geschafft, etwas später den quicklebendigen Tel Kole und die Inderin Devi Sita. Doch weitere Spuren gab es nicht. Die Durchsuchung des Bungalows der Inderin verlief ergebnislos. In Alamo Gordo suchte Jos Parker's auf - eine Kneipe, die bei der Stadtpolizei in keinem guten Ruf stand. Die OSO hatte dort noch nichts zu tun gehabt, darum konnte er darauf verzichten, eine Plastikmaske zu tragen. Parker's lag an der 562. Ecke Z 64. Straße und sah von außen gar nicht übel aus. Die Gäste wirkten normal, und das Bier war gepflegt. Parker verstand es offenbar, das synthetische Gebräu, das keinem echten Bierkenner so recht munden wollte, schmackhaft zu machen. Draußen war es immer noch drückend warm, obwohl es schon Spätherbst war. Jos kippte sein erstes Glas und bestellte sich das zweite. Neben ihm wurde ein Platz an der Theke leer. Er konnte sich breilmachen, und da sah er in der chromblitzenden Spiegelwand ein bekanntes Gesicht. Das Foto des Mannes, den er im Spiegel sah, trug er in der Tasche. Dr. James Henderson, einer der verschwundenen Ärzte und Freund der Inderin Devi Sita. Der Mann, der wie eine Stecknadel gesucht wurde, befand sich in Alamo Gordo!
Ich irre mich! sagte sich Jos in Gedanken und schaute ungläubig noch einmal auf das Foto, aber das Gesicht in der Spiegelwand war Dr. Hendersons Gesicht. Jos trank sein Bier aus, bezahlte und ging. Er verzichtete darauf, einen Jett oder ein Schwebertaxi zu benutzen. Über eine Stunde brauchte er, um das Regierungsgebäude zu Fuß zu erreichen. Langsam ging er die imposante Freitreppe hinauf und sah weder nach rechts noch nach links. Die Sensorkontrolle identifizierte ihn und ließ ihn passieren. Am Portal sah er einen Mann stehen, und er hörte den Namen Bundus. Ein Name, der ihn nicht interessierte. Ihn interessierte an diesem Abend eigentlich gar nichts. Der Mann mit dem Namen Bundus überholle ihn. In diesem Moment wurde Jos Aachten van Haag wach. Eine unsichtbare Decke riß vor ihm auseinander. Durch den Riß glaubte er wieder einmal Dro Cimc zu sehen, doch dann war es nicht der Wer, sondern Kole, der Tel, der ihn in Devi Sitas Bungalow zur Hölle hatte schicken wollen. »Kole!« Jos' Schrei gellte durch den breiten Gang zu den einzelnen AGravs. Der Angerufene wirbelte herum. Seine Rechte griff blitzschnell zur linken Jackeninnenseite. Biaster! schlugen Jos' Sinne Alarm. Ihm blieb nichts anderes übrig, als von seinem Strahler Gebrauch zu machen. Alles war viel zu schnell vor sich gegangen, um sich zu überlegen, welche Dosierung sein Schocker hatte. Kole lief ihm genau in den Strahl hinein! Der Tel war auf der Stelle tot - Jos' Schocker war auf Höchstabgabe eingestellt gewesen! Der Auflauf im Regierungsgebäude war beachtlich. Aachten van Haag wies sich als GSO-Mann aus; das befreite ihn von zeitraubenden Fragen. Einen Augenblick später hatte er festgestellt, wen Kole besuchen wollte. Ihm wurde ganz anders. Sollte Kole ein Attentat auf Ren Dhark geplant haben? Und wie kam Kole aus der Cyborg-Station nach Alamo Gordo? Minuten darauf hatte sich der GSO-Apparat in Bewegung gesetzt. Zuerst sagte die Cyborg-Station im Brana-Tal: »Kole ist hier! Wie kommen Sie zu der Behauptung, ihn in Alamo Gordo gesehen zu haben?« Dann kam die Berichtigung: »Kole ist verschwunden, aber auch
die Inderin Devi Sita!« Da erst stellte Jos Aachten van Haag fest, daß seine Erinnerung eine Lücke aufwies. Parker's - nichts - Regierungsgebäude! Er ließ sich in der Medo-Station untersuchen. Gründlich. 168 169 »Jos, Sie sind hypnotisch geblockt worden!« behaupteten drei Ärzte übereinstimmend. »Warten Sie. Wir verabreichen Ihnen eine Injektion, und gleich haben Sie Ihr Gedächtnis wieder!« Und dann fiel ihm Dr. James Henderson ein, der mit ihm zur gleichen Zeit im Parker's gewesen war. »Schwer zu sagen, Jos«, meinte einer der drei Ärzte, und er sprach auch für seine Kollegen, »aber wir würden behaupten, daß Ihnen dieser Henderson einen hypnotischen Block verpaßt hat. Unwahrscheinlich zwar...« »Ich glaube es auch!« Blitzschnell war dem GSO-Agenten klargeworden, warum alle seine Kollegen bei der Jagd nach den verschwundenen Medizinern versagt hatten. Wahrscheinlich waren diese Mediziner schon dreißig-, vierzigmal entdeckt und schon oft festgenommen worden. Doch wenn jeder Verhaftete dann seine irgendwie entwickelten Parafähigkeiten entfesselte, mußte es ihm ein leichtes gewesen sein, wieder zu verschwinden. Ihm war es im Parker's doch nicht anders ergangen. Das erklärte auch Koles Flucht aus dem Brana-Tal. Jos erstattete Eylers Bericht. »Ich bin zufrieden«, sagte der GSO-Chef. »Damit sind wir endlich einen Schritt weitergekommen. Wir kennen jetzt eines der Mittel, mit denen gegen uns gearbeitet wird.« »Ein netter Erfolg!« erwiderte Jos unzufrieden. »Aber noch schlimmer ist die Tatsache, daß der Commander so miserabel abgesichert ist. Was ist denn mit seinen Leibwächtern?« »Er hat sie heute abend freigestellt!« »Kann Dhark sich das leisten, Eylers? Ich würde sagen: nein! AufTerra und auch sonstwo nicht! Ich habe einen Vorschlag. Setzen Sie neben den regulären Leibwächtern noch einen Schutztrupp im Hintergrund ein, von dem Dhark nichts weiß. Der Mann kann nicht ohne Schutz bleiben!« Eylers nickte zustimmend. »Ihr Vorschlag ist überdenkenswert. Jos, wollen Sie ni...?« »Nein, danke!« wiegelte van Haag schnell die Offerte ab, »ich
170 mache morgen lieber wieder Jagd auf Tel und Mediziner, die einen hypnotisch blocken. Ich frage mich nur, was die Tel mit den Brana-Leuten angestellt haben!« »Das fragen Sie besser einen Arzt...« »Die wissen auch nichts. Gute Nacht, Eylers.« Er ging, ohne zu ahnen, daß plötzlich auch er zu denjenigen gehörte, die von der GSO überwacht wurden. Über sein Vipho gab der Chef der GSO die Anweisung durch: »Jos Aachten van Haag die nächsten vierundzwanzig Stunden unauffällig, aber intensiv überwachen. Alle Berichte nur an mich.« Bernd Eylers blieb nachdenklich, als er abgeschaltet hatte. Das Vipho summte langanhaltend und aufdringlich. Nach dem dritten Signalton erhellte sich der Bildschirm. »Hallo, Ren, die ALBERT SCHWEITZER ist...«, begann Dan Riker, um plötzlich überrascht innezuhalten. Auf dem Bildschirm war nicht sein Freund Ren zu sehen, sondern eine dunkelblonde Frau mit einem frechen Kurzhaarschnitt, die ihn freundlich anlächelte. Es war offensichtlich, daß sie gerade aus dem Bett gestiegen war; der weiße Morgenrock war ein eindeutiges Indiz. »Hallo, ich bin Joan, und Sie sind Dan, oder?« sagte sie lächelnd. »Sie wollen bestimmt Ren sprechen. Einen Augenblick bitte.« Kurz wurde der Blick frei auf das Wohnzimmer des Comman ders, dann füllte Dharks Konterfei den Bildschirm. »Guten Morgen, Dan, was liegt denn an?« fragte Dhark, der ebenfalls einen Morgenroek trug, sichtlich gut gelaunt. »Äh... Ren, die ALBERT SCHWEITZER ist gelandet. Du weißt, was das bedeutet?!« Der Freund des Commanders hatte sich schnell wieder gefangen. Jetzt weiß ich endlich, was in der letzten Zeit mit dir los war, 171 mein Freund, ging es ihm durch den Sinn. Gleichzeitig versuchte er, noch einmal einen Blick auf die junge Frau zu werfen. »Seit wann sind sie hier?« Dharks Gesicht strahlte ehrliche Freude aus. Er hatte sich nur schwer daran gewöhnen können, Mike Doraner, Rui Warren und die anderen Flashpiloten nicht andauernd um sich zu haben. Dafür halten sie zuviel miteinander durchlebt.
»Seit zehn Stunden. Die Männer befinden sich zur Abschlußuntersuchung im Brana-Tal bei Ezbal und werden dann noch einen kurzen Erholungsurlaub übers Wochenende einschieben. Ich denke, daß wir sie nächste Woche wieder an Bord der P01NT OF begrüßen dürfen.« Auch Rikers Gesicht strahlte Freude aus. »Aber dies ist nicht der eigentliche Grund meines Anrufes«, fuhr der Mann mit der drahtigen Figur fort, »Bulton hat uns etwas Interessantes mitzuteilen. Wir sollen möglichst in drei Stunden bei ihm sein!« Riker machte eine kleine Pause. »Oder schafft du das vielleicht nicht?« legte er spitzbübisch nach. Dhark wurde verlegen. Er merkte, daß sein Gesicht einen leichten Rotstich annahm. »Nein, Dan, äh... doch, laß dir erklären!« »Du brauchst mir nichts zu erklären, Ren. Wir sehen uns hoffentlich bei Bulton. Und noch schöne Grüße an deine Freundin!« Bevor Dhark reagieren konnte, hatte Riker abgeschaltet, und ein leerer Bildschirm starrte den Commander an. Drei Stunden später trat Dhark aus dem Transmitter im Turm des Flottenkommandos. Schnell schritt er den Flur entlang, der von dezentem Licht erhellt wurde. Das Bodenmaterial federte leicht und dämpfte die Schritte. Stabsangehörige eilten geschäftig über den Flur. In der Regel ignorierten sie Dhark, der zielstrebig 172 Bultons Refugium zustrebte. Dhark schaute auf sein Chrono. 12.46 Uhr zeigte die Leuchtschrift. Er kam ein wenig zu spät. Ohne anzuklopfen öffnete er die Tür zu Bullons Vorzimmer. Die zwei Soldaten, die dort Wache schoben, reagierten sofort - die Abstrahlpole der schußbereiten Biaster flimmerten leicht. »In Ordnung, das ist Dhark. Er hat einen Termin beim Alten!« Patters, Bultons Adjutant, war wie immer ziemlich respektlos. Die Wachen ließen die Biaster sinken. Patters meldete den Commander über Vipho bei Bulton an. »Soll sofort reinkommen«, war die Stimme des Marschalls der TF zu vernehmen. »Bitte, Sir! Er hat übrigens ausnehmend gute Laune heute!« Patters gab die energetische Sperre in Bultons Allerheiligstes frei. »Morgen, Commander.«
Bulton erhob sich und kam dem Regierungschef von Terra entgegen. Dan Riker, der es sich in einem Sessel der Sitzgruppe bequem gemacht hatte, hob grüßend die Hand und meinte süffisant: »Du bist aber spät dran, Ren!« Dhark musterte den dritten Mann in der Runde, einen grauhaarigen, schlanken Enddreißiger, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Er konnte ihn momentan aber nicht einordnen. »Darf ich Ihnen Major John Bernt vorstellen, Commander? Sie müßten ihn noch kennen - vor der Invasion war er Kommandant von Z-66.« Dhark erinnerte sich sofort. Damals - es war der 16. Mai 2051, kurz vor dem Start der GALAXIS. Er wollte seinen Freund Ewin Poull, Offizier an Bord des Zerstörers Z-66 besuchen, als die Einheiten der TF in einem Alarmstart fremden, in das Sonnensystem eindringenden Raumschiffen entgegeneilten. Bemt war der Kommandant des Zerstörers, der dem Besucher Dhark sofort die Bedienung der Funkanlage übertragen hatte. Rens Freund Ewin Poull war in den unruhigen Zeiten nach der 173 Befreiung von den Giants ums Leben gekommen. Poull hatte eine Gruppe Gesetzloser um sich geschart, die versuchte, mit gestohlenen Lebensmitteln und Medikamenten Geschäfte zu machen. GSO und Polizei hatten diese Banden rigoros bekämpft; dabei war es zu schweren Verlusten auf beiden Seiten gekommen. Der Commander riß sich von dieser düsteren Erinnerung los. »Major, freut mich. Sie wiederzusehen, aber was ist der Grund Ihrer Anwesenheit?« Dhark schüttelte dem hageren Mann herzlich die Hand. »Commander, damals haben Sie an Bord der Z-66 etwas für mich getan, diesmal habe ich etwas für Sie«, begann Bernt, der militärisch Haltung angenommen hatte, bevor er von Bulton unterbrochen wurde. »Nehmen wir doch erst einmal Platz, dann läßt sich viel besser reden - außerdem haben wir hier noch einige sehr interessante Folien!« Gut gelaunt wedelte mit einigen Sternenkarlen herum. »Wir sind bei Erkundigungen in Turm 35 zufällig auf uralte, fremdartige Sternenkarten gestoßen, die man nicht anfassen durfte, sollten sie nicht zerfallen. Unsere Restauratoren hatten große Probleme, die über zweitausend Jahre - genauer: 2.135 Jahre — alten Karten zu konservieren oder zu duplizieren. Besonders interessant
erschienen uns diese Karten im Hinblick darauf, daß die Türme allesamt nicht älter als rund 1.000 Jahre sind, Commander! Irgend jemand muß die Karten dorthin mitgebracht haben!« Dhark hörte fasziniert zu. Sie, die Mysterious! Sind das Karten von ihnen? Unzählige Fragen schwirrten durch seinen Kopf. Die Tür von Bultons Büro öffnete sich. Jens Lionel, der erfahrene Bordastronom der POINT OF, trat ein. Erst vierzig Jahre alt, war er inzwischen einer der besten Astronomen Terras. »Ich habe ihn nach Rücksprache mit Riker dazugebeten!« kam Bulton einer Frage Dharks zuvor. 174 »Und dies sind die Ergebnisse von drei Tagen harter Arbeit, Commander.« Bemt deutete auf die Folien auf dem Schwebetisch, gleichzeitig griff er in seine Mappe und beförderte einen weiteren Stapel zutage. »Achtundvierzig 3D-Aufnahmen, von denen unser Bordastronom meinte, daß sie Ihnen unbedingt vorgelegt werden müßten. Und hier sind noch einige schriftliche Anmerkungen zu den Karten.« Bevor Dhark sie in die Hand nehmen konnte, hatte Jens Lionel bereits zugegriffen und überflog den Text. Währenddessen ließ Bulton die Karten als Hologramm projizieren. Lionel betrachtete fasziniert die Darstellung. Das machten auch die anderen Anwesenden, aber sie waren nicht in der Lage, sie so zu lesen, wie es der Astronom verstand. Lionel brach in Begeisterung aus, als er auf einer Karte das SolSystem entdeckte. Doch dann wurde er vor Staunen stumm. Planet Mirac mit seinem System war zu sehen; Dockyard, die Welt mit den drei unterirdischen Werften. Und die Stemenbrücke! Doch das System Zwitt gab es darin nicht. Die Sternenbrücke hatte eine Sonne weniger! Die letzte 3D-Aufnahme riß ihn von seinem Sitz. »Das ist doch...« Ja, das war jener Bereich, in dem es nun die Station von achtundsechzig Kilometern Durchmesser gab. Doch sie war nicht verzeichnet — im Gegensatz zu den hinter ihr stehenden Sonnen mit ihren Planeten und Monden. »Komische Karte, falls Sie nicht einen Aufnahmefehler gemacht haben«, sagte Jens, der immer wieder den Kopf schüttelte. »Ich muß das noch mit den Datenbanken vergleichen, aber es fehlt auch ein Sonnensystem, nicht nur En-on-1. Und so etwas gibt es nicht. Daß von heute auf morgen eine Sonne auftaucht oder verschwindet - okay, das ist nichts Besonderes mehr, aber daß hier wie in
der Stemenbrücke ein ganzes System fehlen soll, geht nicht mit rechten Dingen zu. Oder man hat das System aus einem bestimm ten Grund nicht kartographisch erfaßt.« 175 Lionel griff sich die schriftlichen Anmerkungen. »Zirka 1.330 bis 1.430 Lichtjahre hinter Erron-1 auf Rot 123:30.00«, murmelte er. »Hm... und fehlt, wie auch das ZwittSystem auf einer der Karlen nicht eingetragen ist.« Er rief das Astroarchiv an und ließ sich mit seinem Freund Hugo Montgomery, einem ehemaligen Studienkollegen, verbinden. Schnell schilderte er ihm sein Problem und überspielte die Daten. Nach zehn Minuten rief Montgomery zurück. »Jens, wir haben verglichen. Das System, das auf deiner Karte nicht eingetragen ist, liegt 1.382 Lichtjahre hinter Erron-1 auf Rot 122:98,37. Eine Doppelsonne mit fünfundzwanzig Planeten.« »Danke!« sagte Jens Lionel. Dhark und alle anderen hatten interessiert mitgehört. Ich sehe es in deinen Augen, Ren. Das Jagdfieber hat dich wie der gepackt! Dan Riker kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, was in diesem Augenblick in ihm vorging. »Ted, vielen Dank für die Einladung. Sie wußten doch genau, wie ich reagieren würde, oder?« Der Marschall nickte. »Aber was hätten Sie erst angefangen, wenn Sie von den Karten zu spät erfahren hätten, Dhark? Wir alle wissen doch, wie sehr Sie an Informationen über die Mysterious interessiert sind!« Ted Bulton war Dharks Schwäche bekannt. Der Commander ließ sich mit seinem Flaggschiff verbinden. Er setzte den Start der POINT OF für Montag 16.00 Uhr Normzeit fest. »Falluta, ich möchte, daß Sie die Wissenschaftler und alle verfügbaren Cyborgs über den bevorstehenden Einsatz informieren. Die Liste lasse ich Ihnen übermitteln. Und sorgen Sie bitte dafür, daß auch unsere genesenen Flashpiloten beim Start wieder an Bord sind. Danke.« Dhark unterbrach die Verbindung. »Vielen Dank meine Herren; und jetzt genießen Sie noch Ihr Wochenende. Dan, kommst du mit?« Die Besprechung war beendet. Jos Aachten van Haag glaubte an eine Sinnestäuschung, an einen dummen Zufall. Aber um 13 Uhr Normzeit wußte er, daß es kein Zufall sein konnte.
Er wurde beschattet, und zwar raffiniert. Einem normalen Menschen wäre das kaum aufgefallen, aber Jos Aachten van Haag war ein Vollblut-Profi. Im Stielbau 3c verließ er blitzschnell den A-Grav und hastete über die 213. Etage dem nächsten Schacht entgegen, der zum Cafe in der Turmspitze führte. Er schwebte kaum dreißig Sekunden aufwärts, als er unter sich seinen Schatten wieder entdeckte, der nun aber kein Mann, sondern eine Frau war. Na, wartet! dachte Jos grimmig. Dieses Mal verpaßt ihr mir keinen hypnotischen Block! Das Cafe war gut besetzt. Jos' Ziel war die Toilette. Sie hatte drei Ausgänge. Der vierte sollte eigentlich gesperrt sein, aber so oft Jos hier oben gewesen war, hatte er ihn unverschlossen gefunden. Er gelangte durch einen kleinen Geräteraum und die Konverterkammer in einen Bürotrakt, der einen separaten A-Grav hinab zur 80. Etage hatte. Er grinste zufrieden, weil er allein blieb. Seinen Schatten hatte er abgeschüttelt. Niemand folgte ihm, als er zur 80. schwebte. Dort stieg er in den großen Lift um. Hier herrschte der übliche Wochenendbetrieb, denn in jedem Stielturm wohnten einige -zigtausend Menschen, und neben den schönsten Ladenstraßen gab es mehrere tausend Firmen, die hier ihre Büros hatten. Zufrieden trat er ins Freie. Auf ein Schwebertaxi brauchte er nicht zu warten. Er stieg ein, schob seine Kreditkarte in den Schlitz und gab dem Autopiloten sein Ziel an. Rund um den Stielbau in zweihundert Meter Höhe. Immer rundherum. Aber dann traute er seinen Augen nicht. Ein zweiter 176 177 Schweber war nach ihm aufgestiegen und flog den gleichen verrückten Kurs wie er, immer um den Stielbau herum. Keine fünfzig Meter unter ihm. So viel Frechheit der Tel und der umgeschalteten Menschen war Jos Aachten van Haag nun doch zuviel. Über sein Spezialvipho wollte er die GSO-Zentrale anrufen. Da hörte er auf gleicher Frequenz zufällig einen Bericht. »... befindet sich vierzig Meter über mir und dreht in einem Schwebertaxi einen Kreis nach dem anderen. Damit hat er sich zum erstenmal eigenartig verhalten.« Interessiert lauschte van Haag. Im nächsten Moment glaubte er, mitsamt seinem Schwebertaxi abzustürzen.
»Setzen Sie sich weiter ab, bevor Jos die Überwachung bemerkt. Sein Weg durch die Toilette des Cafes gefällt mir nicht und...« Die Stimme wurde leiser und war dann gar nicht mehr zu hören. Fassungslos starrte Jos sein Vipho an. Er hatte Bernd Eylers" Stimme erkannt. Die Stimme seines Chefs. Die OSO überwachte ihn? Ihn?! Man traute ihm nicht mehr? Jos beruhigte sich, überlegte logisch. Am vergangenen Abend war er hypnotisch geblockt worden, aller Wahrscheinlichkeit nach durch Dr. James Henderson. Eylers wollte, ja mußte sich jetzt durch die Überwachung vergewissern, ob er tatsächlich unbeeinflußt war oder immer noch unter fremdem Zwang handelte. Die Maßnahme war vollkommen in Ordnung! Einfach die Überwachung ignorieren! beschloß er und beendete nach der nächsten Umkreisung seinen Ausflug um das Gebäude. Er flog den Taxiplatz 223 an, der Parker's am nächsten lag. Zwei andere Keeper machten hinter der Theke Dienst, er kannte sie beide nicht. Der GSO-Agent trank genüßlich sein Bier, zwischendurch sah er gegen die chromblitzende Wand. In der Ecke entdeckte er seinen Schatten, aber daneben saß doch Henderson?! 178 Wann ist Henderson denn hereingekommen? Ich habe die Tür doch keine Sekunde aus den Augen gelassen. Er wischte sich über die Augen, wie um ein lästiges Gespinst zu entfemen. Mit mir stimmt wieder etwas nicht! sagte er sich in Gedanken Aber wieso weiß ich es jetzt? Unauffällig tastete er nach seinem Paraschocker. Dann wirbelte er herum. Die beiden Gäste, die rechts und links neben ihm standen, begriffen nicht viel, und die Keeper hinter der Theke sahen erst auf, als sie den Strahl zischen hörten. Dr. James Henderson fiel wie ein gefällter Baum zu Boden. »Geschafft«, murmelte Jos Aachten van Haag zufrieden und wollte seinen Paraschocker einsteckten, als er von zwei Seiten angegriffen wurde. Die Männer, die neben ihm gestanden hatten, mußten ihn für einen Banditen halten. Jos bekam seinen linken Arm frei, aber nicht den rechten mit der Waffe in der Hand. Man drehte ihm den Arm auf den Rücken, und er mußte den Paraschocker fallen lassen. »So ein Lump!« schrie der GSO-Mann, der neben Dr. Henderson gesessen hatte, durch das Lokal. Dann konnte niemand verhin-
dern, daß van Haag von der vollen Dosis eines Parastrahls getroffen wurde. Der Mann, der von Eylers den Auftrag hatte, Jos zu überwachen, war zu seinem Gegner geworden. »Hier, mein Ausweis!« Jos bekam von dem weiteren Verlauf der Geschehnisse in Parker's nichts mehr mit. Der andere wies sich als GSO-Mann aus. Von allen Seiten wurde ihm gratuliert. »Hinter diesem Kerl bin ich schon stundenlang her, nur bekam ich ihn nie richtig zu fassen. Gibt es hier ein Hinterzimmer, in dem man ihn sicher unterbringen kann?« Wie ein nasser Sack wurde Jos in den angrenzenden Raum gezerrt. Ein Stahlband mit Magnetschlössern verzierte seine Handgelenke, ein zweites Paar kam um seine Knöchel. 179 »Der liegt hier gut, bis die GSO ihn abholt. Um den anderen kümmere ich mich. Ich brauche nur einen Schweber.« Bereitwillig bestellte ein Keeper ein Schwebertaxi. Drei Gäste halfen dem Agenten, den paralysierten Henderson hineinzutragen. »Danke!« wurde ihnen noch einmal zugerufen, dann hob der Schweber ab und ging auf Reisehöhe. Zwei Stunden später wurden in Parker's die Keeper abgelöst. »Wir haben im Nebenraum noch einen Kerl liegen, der von einem GSO-Mann festgenommen wurde, aber die holen ihn nicht ab. Wir verstehen das nicht.« Man rief die GSO-Zentrale an. Dort verstand man ebenfalls einiges nicht, aber man versprach sofort, zwei Leute herüberzuschicken. Die verstanden noch weniger, als sie in dem geschockten Mann Jos Aachten van Haag erkannten. »Ja, wer war denn der andere, der uns seinen GSO-Ausweis zeigte?« Das stand fünf Minuten später fest. Er hieß Peter Huntville. Er war der Mann, der Jos überwachen sollte, nachdem eine Kollegin van Haags Spur verloren hatte. »Und wer ist der Mann gewesen, der zuerst von dem da geschockt und dann von dem anderen in einem Schweher abtransportiert wurde?« Das konnten die drei GSO-Männer nicht sagen. Sie lösten allerdings eine Fahndung nach Peter Huntville aus.
Jos wurde in die Medo-Station der GSO geschafft. Die Ärzte
weigerten sich, seine Paralyse mit Medikamenten aufzuheben.
»Gestern hypnotisch geblockt und danach behandelt, heute para-
lysiert - wie denken Sie sich das eigentlich? Wir wollen an diesem
Mann doch nicht zum Mörder werden. Fragen Sie in sechs bis acht
Stunden wieder nach.«
Eylers mußte sich den Ärzten fügen.
Rund drei Stunden später spürte man Peter Huntville auf.
In hypnotisch geblocktem Zustand wurde er in die Medo-Station
180
eingeliefert. Von dem Mann, den er aus Parker's hinausgeschafft
hatte, fehlte jede Spur. Da bewies Bernd Eylers, daß er seine frü-
her so gefürchtete Spürnase nicht verloren hatte.
Die beiden Keeper, die abgelöst worden waren, erhielten Besuch
durch die Galaktische Sicherheitsorganisation. Ihnen wurden Fotos
der verschwundenen Mediziner vorgelegt. Einer der beiden befrag-
ten Männer erkannte Dr. James Henderson wieder; der andere
konnte keine sicheren Aussagen machen.
Wo aber war der schwer geschockte Henderson geblieben?
Vor Parker's verlor sich seine Spur. Es war auch nicht herauszu-
bekommen, wohin Huntville ihn mit dem Schweber gebracht
hatte, denn der war in ganz Alamo Gordo und Umgebung nicht
aufzutreiben.
Marschall Bulton meldete sich über Vipho.
»Eylers, was bedeutet die Abkürzung GSO?«
Der Angesprochene hatte selten so eine dumme Frage gehört.
Dennoch beantwortete er sie, wenngleich nicht besonders freund-
lich.
Grimmig entschlossen blickte ihn Bulton von der Bildscheibe an. »Dann beweisen Sie jetzt, daß die GSO wirklich eine Galaktische Sicherheitsorganisation ist, denn vor etwa zehn Minuten wurde das Verschwinden des 100-Meter-Kugelraumers AROD festgestellt. Wie es möglich war, daß das Schiff um 13.42 Uhr Normzeit starten konnte und Startfreigabe vom Tower erhielt, sollten Sie auch einmal feststellen lassen. Mehr wissen wir über den Fall noch nicht.« »Wo befindet sich die Besatzung der AROD, Bulton?« »Wo schon? An Bord des Schiffes. Diese Tatsache macht den Fall so ja unglaublich. Kornmandant des Raumers ist Oberleutnant Drix, ein guter, zuverlässiger Offizier.« »Ist der Kurs des Schiffes bekannt?«
»Nur bis zum Transitionspunkt. Wir versuchen noch herauszufinden, wo die AROD rematerialisiert hat, aber viel dürfen wir nicht erhoffen, denn seit einigen Stunden ist die Zahl der Struk 181 turerschütterungen im von uns überwachten Raum um mehr als dreihundert Prozent angestiegen. Wir wissen noch nicht, was das zu bedeuten hat.« »Okay, Bulton, ordnen Sie bitte an, daß die gesamte Besatzung des Towers durch Spezialärzte überprüft wird. Es könnte sein, daß die Startfreigabe der AROD mittels hypnotischer Beeinflussung erreicht wurde.« Bulton glaubte ihm kein Wort. »Das ist doch Nonsens, Eylers! So etwas gibt es nur in drittklassigen Filmen!« »Leider nicht. Seit gestern auch in Alamo Gordo. Wir haben die Beweise in der Hand. Bulton, wir vermuten, daß die Tel, die uns entkommen sind, dahinterstecken. Sie haben sich der verschwundenen achtundzwanzig Mediziner bedient und ihnen vaermutlieh hypnotische Fähigkeiten implantiert, über deren Stärke wir uns noch keine Vorstellung machen können.« Bulton war sprachlos. So hatte ihn Eylers noch nie erlebt. »Ich schicke Ihnen einige meiner Mitarbeiter hinüber. Und ich melde mich später noch einmal bei Ihnen, Marschall.« Eylers schaltete ab. Seine Mitarbeiter sahen ihn nachdenklich und fragend an. Mehr in Gedanken als zu ihnen sagte er halblaut: »Ich gäbe viel darum, wenn ich wüßte, wie viele Spezialisten aus dem Brana-Tal sich an Bord der AROD befinden. Mehr als drei bestimmt nicht. Wenn es ein Ablenkungsmanöver der Tel ist, dann ist es saubere Maßarbeit! Doch warum sollten sie mit den Ärzten die Erde verlassen? Sie haben doch keinen Grund dazu, solange wir nicht wissen, wo sie stecken. Meine Herren...«, er sah sie der Reihe nach an, »Sie wissen, was von Ihnen gefordert wird. Diesmal müssen Sie sich selbst übertreffen!« Der GSO-Chef erhob sich und deutete damit an, daß die Besprechung beendet war.
182 Die POINT OF flog den zentralen A-Grav in Erron-1 an. Langsam schob sich der Ringraumer an zwei der fünfzehn Kilometer langen Antennentürme vorbei der Stelle entgegen, unter
welcher der fünfhundert Meter durchmessende Schacht lag, der auf der Polachse zur anderen Seite der Station führte. Ren Dhark verfolgte in der Bildkugel, wie sich sein Schiff allmählich dem Schott näherte. Der zentrale A-Grav öffnete sich automatisch. Dann stand der Ringraumer senkrecht über der Öffnung am oberen Ende des achtundsechzig Kilometer langen Schachtes. Sie wurde abgeschaltet, A-Grav auch. Die POINT OF wurde von der Minussphäre erfaßt und nach unten getragen. Die Blende hatte sich nach ihrem Eintauchen in den Schacht automatisch wieder geschlossen. An fugenlosen Unitallwänden vorbei, aus denen das typische Blaulicht drang, glitt das Schiff in die Tiefe. Es erreichte die neutrale Zone, und hier ging etwas vor sich, das man noch nirgendwo anders erlebt hatte. Die Sperre im Bereich der zweieinhalb Kilometer dicken neutralen Zone war ein Energiefeld, das wohl die Luft in der Zentralkugel zurückhielt, aber einem einfliegenden oder ausfliegenden Schiff keinen Widerstand entgegensetzte. In der Zentrale der Station verfolgten die Wachhabenden über die Ortungsschirme den jeweiligen Standort von Dharks Flaggschiff. Die POINT OF näherte sieh schnell ihrem Ziel. Drei Decks über dem Hauptdeck befanden sich siebzehn gleich große Raumschiffshangars, deren größte Tiefe 2,8 Kilometer betrug, bei einer Höhe von einhundertdrei Metern - im Verhältnis zur Größe der Station kleine Räume, die kaum Platz beanspruchten. Mit Sie bremste Dhark sein Schiff ab. Er wollte in Hangar 6 einfliegen. Das Schiff stand auf der Stelle. Einige der fußballgroßen Flächenprojektoren emittierten mehr Energie als die anderen zum Brennkreis hin. Der Druck in Richtung Hangar 6 wurde stärker. 183 Die POINT OF nahm wieder Fahrt auf. Der Ringraumer war immer noch mehr als vierzig Meter von der Schachtwandung entfernt, als sieh die bis dahin unsichtbaren Flügel des Schleusentores lautlos auseinanderschoben und in der Wand verschwanden. Das Schiff erreichte den Hangar und setzte weich auf seinen Teleskopheincn auf. In diesem Augenblick schloß sich die Schleuse wieder. Im blauen Licht zeichneten sich vier kleine Personenlifte ab, deren Durchmesser nicht über fünf Meter hinausging. Der Commander der Planeten wollte sich an Ort und Stelle über den Portgang der Untersuchungs- und Forschungsarbeiten infor-
mieren. Die Experten der vier Koordinierungszentralen wurden in einen Besprechungsraum gerufen und erstatteten nacheinander Bericht. Je länger Ren Dhark und seine Begleiter zuhörten, um so stärker wurde der Eindruck, daß man den wahren Charakter von Erron-1 noch nicht erkannt hatte. Nach dem Vortrag der Experten rief Dhark die Astronomen und die Kartographen zu sich. Diskussiunspunkt war eine der Sternenkarten, die ihm Major Bemt bei der Besprechung in Bultons Büro überreicht hatte. »Es handelt sich um eine Doppelsonne, die fünfundzwanzig Planeten besitzt. Abstand von Erron-1 ist nicht besonders groß: 1.382 Lichtjahre, Richtung Rot 122:98,07. Was sagen Ihre Karlen?« fragte Ren Dhark. Die Karten waren erst ein paar Tage alt, und die Astronomen durften auf die geleistete Arbeit stolz sein, denn ein bisher völlig unbekannter Teil der Milchstraße war nun kartographisch erfaßt. In diesem Sektor würde sich kein terranisches Schiff mehr verirren und verzweifelt nach dem Sol-System suchen. »Commander, die Doppelsonne und ihre Planeten sind von uns erfaßt worden.« Bob Molitor, der leitende Astronom in Erron-1, sprach sehr ruhig. Der etwas dickliche Mann mit der runden Glatze inmitten eines wilden Haarkranzes überlegte einen Augenblick. »Wir müssen das überprüfen. Ihre Karte, Commander, soll relativ alt sein. Unsere sind allemeusten Datums. Aus der Konstellation der Sonnen in Ihrer Karte müßte sich leicht errechnen lassen, wann man sie angefertigt hat.« »Molitor, das haben wir schon festgestellt. Sie ist genau 2.135 Jahre alt«, entgegnete Dhark . Der Wissenschaftler winkte ab. »Ich habe mich ungenau ausgedrückt. Ich wollte sagen, daß wir durch vergleichende Berechnungen feststellen können, ob Ihre Sternenkarte die zur Zeit ihrer Entstehung aktuelle Konstellation der Sonnen testgehalten hat. Ebensogut kann es doch auch möglich sein, daß die Karte Stempositionen verzeichnet, die noch einige Jahrtausende in der Vergangenheit liegen.« Jetzt hatten ihn alle verstanden. »Wie lange dauert das. Molitor?« Ren Dhark hatte nicht die Absicht, sich allzu lange in Erron-1 aufzuhalten. »Eine Stunde.« Zehn Minuten vor Ablauf der Frist traf man sich wieder. Eine Stemenkarte wurde projiziert. Bob Molitor erklärte.
»Das ist Ihre Karte, Commander, die 2.135 Jahre alt ist, aber Sternkonstellationen zeigt, die es l .600 Jahre vorher gab«, erklärte Bob Molitor. »Um es anschaulicher zu machen, haben wir eine Sternenkarte erstellt, die die Positionen der Sonnen vor 3.735 Jahren zeigt. Hier, bitte!« fuhr der Astronom fort. Eine Karte im gleichen Maßstab wurde über die erste Projektion gelegt, verdeckte sie aber nicht. So genügte ein Blick, um zu erkennen, daß Molitor mit seiner Behauptung recht hatte. »Und nun die dritte Karte über die beiden anderen - unsere allemeueste! Bitte!« Die Differenz in der Konstellation der Fixsterne war bei manchen Sonnen außerordentlich groß, bei anderen nur minimal, aber das war ganz einfach durch die verschiedenen Fluchtbahnen der einzelnen Sterne zu erklären. Ren Dhark zuckte mit den Schultern, sagte aber nichts. Seine 184 185 Begleiter sahen auch nicht zufrieden aus. Das war nicht verwunderlich, denn alle dachten das gleiche. Anstatt durch diese Vergleiche eine klare Antwort zu erhalten, durften sie sich schon wieder mit einem neuen Rätsel befassen. Denn welche Intelligenz hatte vor 2.135 Jahren ein Interesse daran gehabt, Sternenkonstellationen auf einer Karte festzuhalten, die es l .600 Jahre zuvor gegeben hatte - aber das System einer bestimmten Doppelsonne in dieser Karte nicht zu verzeichnen? »Gibt es in diesem Bereich eine kleine, aber kräftige Dunkelwolke?« wollte Dhark wissen. »Nein. Auch die kühle Gaswolke, in der sich Erron-1 befindet, wäre nicht in der Lage, das System zu verbergen.« »Kann man vergessen haben, es einzutragen?!« Mit leichtem Bedauern in seinem Blick erwiderte Bob Molitor: »Ausgeschlossen. Die Karte ist ansonsten hundertprozentig genau.« Der Commander gab sich geschlagen »Okay, lassen wir das vorerst. Meine Herren, ich danke Ihnen.« Und zu seinen Begleitern gewandt sagte er: »Wir sollten uns das System einmal aus der Nähe ansehen.« Stunden später dachte Ren Dhark, während ihm der Schweiß auf der Stim stand: Hätte Major Bernt mir nur nie diese alten Sternenkarten gegeben! Es hatte völlig normal begonnen,
Genau auf den Punkt kam die POINT OF aus der Transition heraus, 217 Millionen Kilometer von der Umlaufbahn des äußersten Planeten entfernt, eines Riesen, der eine zerfressene und höchst unregelmäßig geformte Steinkugel war. »Als ob man die Erdschichten heruntergeblasen hätte!« sagte Dan Riker, der den Kopilotensitz belegte, »Aber wer oder was könnte so viel Puste haben, um einem Pla neten von 498.000 Kilometern Durchmesser die lockeren Erdschichten zu entreißen?« zweifelte Dhark. Kurz schaltete er den Stemensog ein, und der Ringraumer stieß tiefer in das System hinein. Er überquerte die Bahnen des 24. und 23. Umläufers und näherte sich schnell dem 22., der ein auffallender Exzentriker war, denn auf seinem Weg um die Doppelsonne kreuzte er die Bahnen von vier anderen Planeten: »Und das ist all die Jahrhundentausende gutgegangen!« behauptete Jens Lionel über die Verständigung. Dan Riker warf seinem Freund einen fragenden Blick zu, als wolle er damit sagen: Es ist besser, wenn wir auf Gegenkurs gehen! Sie stießen bis zum achtzehnten Planeten vor, der ein Methanriese war und der Besatzung kein Interesse entlocken konnte. Gerade wollte Ren Dhark wieder den Sie höher schalten, als Yell von den Ortungen meldete: »Schiff von starker Fremdortung erfaßt. Fremdortung kommt vom elften Planeten!« Der elfte Planet hatte einen Durchmesser von gerade einmal 4.000 Kilometer und war damit nur um gut 500 Kilomeier größer als Luna, der Begleiter der Erde! In der Kommandozentrale begann die Spannung zu knistern. Dieses Doppelsonnensystem war alles andere als gewöhnlich, und nun lag die POINT OF auch noch in Premdortung, die von einem Planeten kam, der keine Atmosphäre besaß. Dhark beugte sich vor. Die Verbindung zu allen wichtigen Stellen des Schiffes stand. »Für alle Abteilungen höchste Alarmstufe!« Das genügte. Die Chefs der einzelnen Sektionen wußten genau, was sie zu tun hatten. Dann lag der achtzehnte Planet weit hinter ihnen. Mit relativ hoher Fahrt stieß das Flaggschiff immer tiefer in das große System vor. »Commander, schnellfliegende Objekte auf Grün 22 und 24!« Das war doch ganz in der Nähe! Warum gab Grappa keine prä 187
ziseren Angaben? »Auf Blau und Rot auch!« Was war los mit Tino Grappa, der sonst die Zuverlässigkeit in Person darstellte? »Commander, es ist alles so unklar, als ob gleich sämtliche Taster ausfallen. Ich...«
Mitten im Satz verstummte Grappa!
Ren Dhark warf der Bildkugel einen forschenden Blick zu, aber
außer den beiden Sonnen zeigte sie nur den siebzehnten Planeten,
der genau auf ihrem Kurs lag und eine Sauerstoffatmosphäre be-
sitzen sollte.
»Dhark, es sind Spindeln! Spindeln, mehr als hundert Meter
lang, aber nur dreizehn Meter dick!«
Spindeln!?
Damit konnte kein Mensch etwas anfangen!
Durch die Zentrale des Ringraumers gellte ein Schrei. Zwei der
drei Offiziere am Checkmaster waren zusammengebrochen, und
der Checkmaster zeigte auf allen Kontrollen rot.
Er hatte abgeschaltet, kontrollierte das Schiff nicht mehr! Und er
nahm keine Daten mehr an!
Ren Dhark sprang aus seinem Pilotensessel. Sein Blick
schweifte durch die Zentrale. Hinter den Ortungen waren Grappa
und Yell verschwunden.
Vier Offiziere lagen verkrümmt auf dem Boden der Zentrale. Ihr
Atem ging flach, aber gleichmäßig.
Dharks Blick fiel auf den Tel Dro Cimc, der in einem Sessel am
Checkmaster saß. Er krümmte sich, als ob er unter wahnsinnigen
Koliken leiden würde.
Einer der beiden Leutnants auf der Galerie beugte sich zu weit
über das sichernde Geländer und stürzte in die Tiefe. Den dumpfen
Aufprall seines Körpers hörte Dhark nicht mehr. Sein Körper
schien von einer Schmerzexplosion zerrissen zu werden!
Über die Bordverständigung drangen Schreie aus allen Abtei-
lungen des Ringraumers. Auch das letzte Besatzungsmitglied ;
schrie!
Großer Himmel, was ist das ? konnte sich Ren Dhark noch fra-
gen. Er hielt sich an der Lehne seines Pilotensessels fest. Die
Beine wollten ihm den Dienst versagen.
Tatenlos mußte der Commander mit ansehen, wie sein Freund
Dan aus dem Kopilotensitz stürzte und hart auf den Boden prallte.
Dhark wurde es schwarz vor den Augen. Es biß auf die Zähne,
um nicht auch laut aufzuschreien. Andere in der Zentrale brüllten
laut und verzweifelt.
Die Bildkugel begann zu rotieren, die Instrumente bewegten sich auf verrückten Bahnen, dabei wurde der Schmerz so gewaltig, daß er glaubte, die Grenze zum Wahnsinn zu überschreiten. Dann halte ihn die Besinnungslosigkeit eingeholt. Im Schiff war es so ruhig wie in einem Grab. In der POINT OF regte sich nichts mehr; es gab nur noch bewußtlose Menschen an Bord. »Verstehen Sie das, Kantor?« fragte Oberleutnant Bash seinen Kollegen in der Funk-Z von Erron-1. »Hätten wir schon herausgefunden, wo die Echokontrolle installiert ist, dann könnten wir wenigstens feststellen, ob die Sendeanlage des Flaggschiffs funkklar wäre. Aber so...« Vor einer halben Stunde hatten sie versucht, den Ringraumer über To-Funk zu erreichen; danach, als keine Antwort kam, hatten sie die volle, gewaltige Sendeleistung der Station benutzt, um Kontakt zum Flaggschiff zu bekommen. Aber auch das hatte nichts gebracht. Die POINT OF schwieg. »Versuchen wir es noch einmal«, schlug Kantor vor. »Von mir aus«, erwiderte Bash, der sich keine Hoffnungen mehr machte, etwas zu erreichen. »Wenn wir es nicht schaffen, müssen wir den Stab auf Terra informieren!« 188 189 Der Ruf von Erron-1 wurde nicht beantwortet. Nach wie vor schwieg der Sender der POINT OF. Bash schaltete den Sender um. Fast ohne Zeitverlust stand die Verbindung mit Cent Field. To-Funk mit der Erde war inzwischen kein Problem mehr, terranische Techniker und Ingenieure hatten den Antennenturm, dessen Abstrahlpol zum Sol-System wies, mit einen mächtigen To-Kristall nachgerüstet. Dieses Verfahren war einfacher gewesen, als die To-Anlage vor den Ausgang zu schalten, wie man es bei der POINT OF und den S-Kreuzern machen mußte - denn deren Antennen lagen in der Unitallhaut. »Hier Erron-1! Es ist unmöglich, Funkkontakt zum Flaggschiff herzustellen. Die POINT OP antwortet nicht. Tut uns leid, wir können Ihre Nachricht auch nicht an den Mann bringen.« Der drei mal drei Meter große 3D-Bildschinn mit völlig naturgetreuer Farbwiedergabe zeigte den Kopf eines Colonels, der sie ungläubig anstarrte.
»Die Sendeleistung von Erron-1 ist doch tausendfach größer als die unseres Hypersenders.« »Trotzdem meldet sich das Schiff nicht. Hier überlegt man schon, ob man der POINT OF einen S-Kreuzer nachsenden soll. Wir haben momentan drei zu unserer Verfügung, alle startklar.« »Das müssen Sie vor Ort entscheiden«, mogelte sich der Colonel aus der Verantwortung. »Aber versuchen Sie weiterhin, das Schiff zu erreichen. Aber nur über To-Funk, damit Erron-1 nicht durch Funkortung angepeilt werden kann.« Bash lachte grimmig auf. »Wie stellen Sie sich das vor, Colonel? Wir wissen nicht, ob sich das Schiff noch in seinem alten Zielgebiet befindet. Wenn es nur wenige Millionen Kilometer abseits steht, dann verfehlt der To-Funkstrahl den Raumer. Entweder wir rufen über normalen Hyperfunk oder wir schallen ab. Für uns wäre es auch kein Vergnügen, wenn wir durch unsere Funkerei die Tel auf uns aufmerksam machen würden oder sogar die unheimlichen Schattenstationen.« »Dann rufen Sie alle halbe Stunde Normzeit die POINT OF an... 190 zerhackter Kompri-Spruch.« »Verstanden!« Bash unterbrach die Verbindung mit Terra. Fragend blickten sich die Männer in der großen Funk-Z an. »Abwarten!« sehlug jemand vor. Eine halbe Stunde konnte sehr lang werden. Endlos zogen sich die Sekunden hin, reihten sich langsam zu Minuten. Dann war die halbe Stunde endlich vorüber. Abermals wurde die POINT OF angerufen. Werte des elektromagnetischen Feldes der Galaxis steigen wieder sprunghaß an. FO XX, XXII, XXX und XXXV melden aus Spiralarm lila sehr viele Strukturerschütterungen, die ihren Rematerialisierungspunkt zwischen Rot 254:00 und 267:00 haben. Wieder reagierte das Flaggschiff der Terranisehen Flotte nicht. Oder konnte sich der Raumer nicht mehr melden, weil - aber dies wagte niemand auszusprechen - er nicht mehr existierte? »Mit der POINT OF stimmt doch etwas nicht!« vermutete Bash, der seine Sorge um das Schiff nicht mehr länger unterdrücken wollte und die unausgesprochenen Gedanken der Anwesenden in Worte faßte. »Warten wir noch die nächste halbe Stunde ab!« entschied Kantor.
»Sollten wir nicht doch veranlassen, daß ein S-Kreuzer hinterherfliegt? Schließlich ist das System nur l .382 Lichtjahre entfernt, Eddie«, schlug Bash vor, der langsam unruhig wurde. Es kam dem Funker gar nicht zu Bewußtsein, daß vor rund sechs Jahren noch eine Entfernung von 1.000 Lichtjahren ein unüberbrückbarer Abgrund gewesen war, der auch mit Hilfe des TimeEffekts kaum übersprungen werden konnte. Oberleutnant Kantor wiegte den Kopf. »Wenn es nicht die POINT OF wäre, sondern ein anderes Schiff, dann würde ich sagen: Los, mit den drei Kreuzern hinterher und nachsehen, warum das Schiff nicht antwortet. Aber auf der POINT OF ist der Commander... Rod, ich möchte noch keinen Alarm ge 191
ben. Warten wir noch, ja?«
Und so warteten sie weiter.
Jos Aachten van Haag machte seinem Kollegen Peter Huntville keinen Vorwurf, daß dieser ihn mit einer vollen Ladung geschockt hatte. Huntville selbst konnte ja nicht begreifen, was er im Parker's angestellt haben sollte. An welchem Ort er Dr. James Henderson zurückgelassen hatte, konnte er natürlich auch nicht mehr sagen. Es half auch nichts, daß die Ärzte der Medo-Station in der GSO-Zentrale seinen Hypno-Block beseitigt hatten. »Es war irgendwo draußen, auf einer großen Fläche, aber mehr weiß ich nicht. Tut mir leid, aber ich kann mich beim besten Willen an nichts weiter erinnern. Wirklich nicht!« Es war Huntville anzusehen, daß er mehr als jeder andere unter dem geringen Informationsgehalt seiner Aussage litt. »So ein Mist!« meinte Jos, als er bei Eylers die letzten Nachrichten las. »Hübsch, möchte ich sagen«, entgegnete Bernd Eylers, der mittlerweile sämtliche seiner wichtigsten Mitarbeiter, die mit dem Fall der verschwundenen Brana-Mediziner und den Tel zu tun hatten, überwachen ließ. Tel, die sich eigentlich gar nicht auf der Erde hätten befinden dürfen! »Ich darf gar nicht daran denken, wie die Fremden uns überlistet haben. Und dann kapern sie auch noch einen 100-Meter-Kugelraumer. Wer weiß, was sonst noch alles vorgefallen ist, von dem wir augenblicklich noch nichts wissen!« Eylers wollte sich so etwas lieber nicht konkret vorstellen.
Aber die Berichte waren eindeutig, und noch eindeutiger fiel das Untersuchungsergebnis der Hypno-Spezialisten aus. Die gesamte Tower-Kontrolle hatte unter hypnotischem Einfluß gestanden. Damit lag die Vermutung nahe, daß auch die Besatzung der verschwundenen AROD auf Grund hypnotischer Order nichts dagegen unternommen hatte, Tel oder fremde Terraner an Bord zu nehmen und mit ihnen zu starten. Jos nickte zustimmend, dann schob er die Folien von sich. »Ich glaube nicht an eine Flucht dieser Schwarzen Weißen. Ich vermute vielmehr, daß das Schiff gekapert wurde, um noch mehr Tel auf die Erde zu bringen. Alle anderen, die sich bisher hier herumgetrieben haben, sind immer noch auf Terra. Oder sind Sie anderer Meinung, Eylers?« »Jos, mit diesen Tel stimmt etwas nicht...« »Was, wenn ich fragen darf?« Die anderen Anwesenden hörten gespannt zu. Es kam selten vor, daß Bernd Eylers und Jos Aachten van Haag nicht einer Meinung waren. »Würden diese Tel zu den Schwarzen Weißen gehören, die versucht hatten, die POINT OF zu vernichten, dann hätten wir sie längst mit all ihren Schiffen im Sonnensystem, und wir hätten keine einzige ruhige Stunde mehr. Unsere Tel sind nicht so...«, Eylers suchte nach dem richtigen Wort, »... kompromißlos!« »Sie wollen doch nicht behaupten, daß die Tel, mit denen wir es jetzt auf Terra zu tun haben, von einer anderen Sorte sind als jene, die der Commander unliebsam kennenlernte und die uns in Afrika so viel Arger bereitet haben?« »Es sind Tel, ganz ohne Zweifel, aber ich vermute, daß sie nicht zum Imperium der Schwarzen Weißen gehören. Vielleicht eine Splittergruppe und...« Eylers stutzte und schwieg. Ein Gedanke beschäftigte ihn so stark, daß er für einen Moment seine Umgebung vergaß. »Das könnte eine Erklärung sein...« Der GSO-Chef lenkte seinen Blick wieder auf Jos. »Erinnern Sie sich, was der Commander auf dem Planeten Hidplace erlebte, der als Versteck der nicht umgeschalteten Robonen gedient hatte? Dhark traf auf seiner Flucht auf Roboter, die wie Schwarze Weiße aussahen, aber grelleuchtende Augen besaßen. Sie halfen Dhark, und sie waren Gegner der nicht unigeschalteten Robonen...« 192
193 Jos schaute zunächst skeptisch, dann analysierte er ruhig Eylers' Idee. »So kann es gewesen sein. Über ihre Roboter haben separatistische Tel Kontakt mit den letzten nicht umgeschalteten Robonen erhalten, denen die Position Terras bekannt war. Und nun haben wir Tel auf der Erde, die uns zwar Ärger bereiten, aber nicht mit ihrer Zentralregierung zusammenarbeiten. Aber was wollen sie denn hier? Ich kann in all dem keinen rechten Sinn erkennen!« »Die Erde übernehmen, und weil sie es allein nicht schaffen, auch nicht mit nicht umgeschalteten Robonen, haben sie nun eine neue Methode gewählt. Sie schalten gesunde Menschen um und schicken diese terranischen Hypno-Marionetten gegen uns los. Das hört sich vielleicht harmlos an, aber gerade deswegen ist die Gefahr so groß. Denn wir haben kein Gegenmittel. Jos, Sie sind der beste Beweis für meine Behauptung. Sie, Huntville und dieser umgeschaltete Dr. Henderson.« Eylers fand seine Erklärung immer logischer. »Sollten wir dann nicht die Raumüberwachung im solaren System verstärken?« warf ein Zuhörer besorgt ein. »Unmöglich. Wenn wir die Überwachung noch weiter steigern, legen wir unseren eigenen Raumverkehr lahm. Ich muß mir jetzt schon jeden Tag genug Beschwerden von Bultons Leuten anhören. Nein, wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen!« Aber was? Diese Frage stand unausgesprochen im Raum. Jeder grübelte über einer Lösung. Aber niemandem kam eine Idee. Auch Eylers und Jos Aachten van Haag nicht. Mühsam öffnete Ren Dhark seine Augen. Er begriff nicht, warum er auf dem Boden lag und sich so kraftlos fühlte. Nein, nicht nur fühlte - sondern auch war! Verständnislos starrte der Commander auf ein Paar Männerbeine 194
dicht vor sich.
Was ist denn eigentlich passiert? Schmerzen und Spindeln... genau, Grappas Angaben waren konfus. Und Dan... Dan ist aus dem Kopilolensitz gestürzt... Aber was war dann ? Spindeln? Ren Dhark erinnerte sich langsam. Sollten das keine Raumschiffe von hundert Metern Länge und...
Sein Kopf dröhnte. Verzweifelt preßte er die Handflächen gegen die Schläfen. Aber die Schmerzen ließen nicht nach. Er fühlte nur das Pochen des Blutes in seinen Adern. Es fiel ihm so schwer, einen klaren Gedanken zu fassen! Dhark konzentrierte sich mit aller Macht, verdrängte die Schmerzen. Endlich konnte er wieder klarer denken! Wessen Beine standen da vor ihm? Dhark hob mühsam den Kopf und schaute nach oben. Jeder Muskel seines Körpers protestierte, er fühlte sich kraftlos wie nach einem Marathonlauf. Der Blick glitt an den Beinen empor, der Oberkörper kam langsam ins Blickfeld, dann der Kopf! Bebir? Waren dies Leon Bebirs Beine? Die Beine seines Zweiten? Aber was tat Bebir am Instrumentenpult? »Bebir...?« Kaum hörbar brachte er den Ruf über die Lippen. Ren Dharks Gesicht war blaß und von den Anstrengungen gezeichnet. Die Stirn war schweißnaß. Was hatte Leon Bebir am Instrumentenpult zu suchen? »Bebir?!« Der Ruf war schon lauter, doch der Zweite Offizier der POINT OF reagierte nicht. Der Commander versuchte mühsam, sich aufzurichten. Seine Hand kroch an der Pultverkleidung nach oben, krallte sich an der Kante fest. Er mobilisierte seine letzten Kräfte. Zentimeter für Zentimeter zog er sich nach oben! Bebir mußte mitbekommen, was hinter ihm vorging! 195 Mit letzter Kraft machte Dhark die rechte Hand zur Faust und stieß sie Bebir in die linke Kniekehle. Vergeblich! Sein Zweiter knickte zwar leicht ein, reagierte ansonsten aber nicht! Stur blieb Bebirs Blick an der über der Konsole schwebenden Bildkugel hatten! Dhark sackte auf den Boden zurück. Der Schweißausbruch auf seiner Stirn verstärkte sich, vor seinen Augen begannen wieder schwarze Flecken zu tanzen. Die nächste Ohnmacht wollte ihn übermannen, darum gab er jeden Versuch auf, etwas zu unternehmen, und blieb ruhig auf dem Boden liegen. Minutenlang verharrte er so, und in diesen Minuten sammelte er neue Kräfte. Bebir nahm an der Konsole Einstellungen vor, Dhark hörte es an den Geräuschen.
Es gelang dem Commander, einen Blick auf die Bildkugel zu werfen. Die Sternkonstellationen veränderten sich. Der zweite Offizier brachte das Schiff auf einen anderen Kurs, oder er beschleunigte es stärker. Dhark riß sich zusammen. Er mußte wissen, was Bebir machte! Mühsam krallte er seine Hände in Bebirs rechtes Hosenbein, wollte sich daran hochziehen! Plötzlich knickte das Bein des Offiziers weg, und Dhark fiel wieder zurück. Dicht neben ihm schlug Leon Bebir ebenfalls auf den Boden. Seine Pupillen waren starr, die Augenlider bewegten sich nicht. Blicklos starrte er in Dharks Gesicht, aber daß er seinen Vorgesetzten nicht wahrnahm, war deutlich zu erkennen. Was ist nur mit uns geschehen ? fragte sich der Commander immer ratloser. Sind wir angegriffen worden ? Von den Spindeln, die Grappa geortet haben will? Aber wieso rührt sich nichts in der Kommandozentrale? Das ist doch nicht normal! Wieder versuchte er sich aufzurichten, aber erst beim dritten Mal konnte er sich an seinem Pilotensessel hochziehen. Dann kniete er vor dem Instrumentenpult. Dicht neben ihm lag Dan Riker und bewegte sich nicht. Er lebte, das bewies sein gleichmäßig flaches Atmen. Dhark flimmerte es vor den Augen, denn die Anstrengung war zu groß gewesen. Die Instrumente konnte er nicht ablesen, die Stellung der Steuerschalter nicht erkennen. Pause! Tief durchulmen, die Augen schließen und eine Zeitlang an nichts denken. Er stellte fest, daß seine Kräfte langsam wieder zurückkehrten. Erneut öffnete er die Augen. Die POINT OF flog mit Stemensog - überlichtschnell! Das letzte Zielsystem hatte sie längst hinter sich gelassen, die Doppelsonne war unter den vielen anderen Lichtpunkten nicht mehr auszumachen. Ziellos raste der Ringraumer durch das Universum! Dhark brachte es fertig, sich in den Sessel zu ziehen. Dort sackte er erst einmal wieder zusammen. Daß ihm der Schweiß über sein Gesicht rann, bemerkte er nicht. Arme und Beine zitterten unkontrolliert. Er halle ihnen in den letzten Minuten zuviel abverlangt. Dharks Blick glitt über die Konsole. Die Bordverständigung war eingeschaltet. »Hallo, Funk-Z...? Hallo, Maschinensaal...!« Aus keiner Abteilung erhielt er Antwort.
Er begriff immer weniger. Waren im Schiff etwa alle bewußtlos, so wie Dan und Bebir? Er drehte sich mit seinem Schwenksessel um und erkannte erstmals, wie es in der Kommandozentrale aussah. Auf dem Boden verstreut lagen seine Leute. Und wer nicht auf dem Boden lag, hing ohnmächtig in seinem Sessel. Dharks Augen weiteten sich plötzlich. Der Checkmaster - er zeigte rot; mit allen Kontrollen! Das geniale Bordgehirn hatte abgeschaltet. Es nahm keine Daten mehr auf und speicherte auch nichts mehr. Minutenlang saß Dhark starr in seinem Sessel, und als er sich 196 197 mit dem Sessel herumschwenkte, hatte er schon wieder etwas Kraft in den Beinen. Er brachte seine Hände an die Kante des Instrumentenpultes und seine Fingerkuppen auf die Steuerschalter. Sternensog abschalten! Negative Beschleunigung einschalten! Im Schiff wurden die Andruckausgleicher lauter. Die POINT OF wurde radikal abgebremst, bis sie im freien Fall stand. Da erst warf er einen Blick auf das Chrono der Zentrale. Vor fünfeinhalb Stunden waren sie von der Ortung des elften Planeten des unbekannten Doppelsonnensystems erfaßt worden. Ein Planet, der nur knapp fünfhundert Kilometer größer als Luna war. Was war tatsächlich vor fünfeinhalb Stunden geschehen? Was hatte Leon Bebir hier am Instrumentenpult zu schalten gehabt, und warum lag er nun am Boden und rührte sich nicht? Ein Geräusch schreckte Dhark aus seinen Überlegungen hoch. Yell tauchte hinter den Ortungen auf und kam herüber. Der Blick des Mannes war starr in die Feme gerichtet. Er sah seinen Commander nicht, und doch versuchte er, ihn mit schier übermenschlichen Kräften zur Seite zu drücken. Ren Dhark hatte keine Chance, diesem Angriff zu widerstehen. Er nahm seinen Paraschocker, stellte ihn auf die minimalste Dosis ein und drückte den Kontakt. Wie ein gefällter Baum stürzte Yell zu Boden. Kaum war der dumpfe Aufprall verklungen, als er hinter sich ein anderes Geräusch vernahm. Dro Cimc, der Tel, versuchte sich aufzurichten, aber es gelang ihm beim ersten Versuch so wenig, wie es Ren Dhark gelungen war.
»Liegenbleiben, Cimc, bis sie wieder bei Kräften sind. Ich kann Ihnen nicht helfen. Ich schaff s nicht einmal, bis zu Ihnen zu gehen.« Das war keine Untertreibung. Der kurze, aber mißlungene Kraftakt gegen Yell hatte ihn wieder erschöpft. Die nächste Viertelstunde verging, bis über die Bordverständi 198 gung die erste Durchsage kam. Aus einem Depot. Ein Sergeant war aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht und fragte in der Zentrale an, was denn eigentlich passiert sei. Dhark bat ihn, sich zu gedulden. Das war der Anfang. Überall im Schiff wurden Männer aus ihrem Zustand wieder wach, und alle fühlten sich zerschlagen, erschöpft, als ob sie wochenlang zwischen Leben und Tod geschwebt hätten. Glenn Morris' Stimme aus der Funk-Z klang kraftlos, als er durchgab, daß Erron-1 eine Nachricht für den Commander habe. »Geben Sie sie durch...« »Gleich, Dhark. Gleich...«, bat Morris, dessen Worte kaum noch zu verstehen waren. Dhark wartete. In diesem Zeitraum wurde Dan Riker wach. Niemand kümmerte sich um ihn, weil niemand in der Lage war, ihm zu helfen. Jeder hatte mit seiner Erschöpfung genug zu tun. »Dhark... Dhark, das Bordgehini... der Checkmaster läßt sich nicht mehr... läßt sich nicht mehr einschalten!« Die Offiziere am Checkmaster hatten sofort wieder ihren Dienst aufgenommen; sie wußten, wie wichtig der Checkmaster für das Schiff war. Dhark wollte es nicht glauben. Das Bordgehim war nicht mehr in Tätigkeit zu setzen? Das konnte nicht wahr sein, und es durfte nicht wahr sein! Eine halbe Stunde später stellten alle Beteiligten ihre Bemühungen ein. Checkmaster und Gedankensteuerung waren nicht mehr zu aktivieren! Währenddessen hatte der Commander Leon Bebir zu den Vorgängen befragt. Aber der Offizier konnte nicht sagen, warum er die Steuerschalter in andere Positionen gebracht hatte. Er wußte nicht einmal, daß er so gehandelt hatte. Und Yell von den Ortungen machte eine ähnliche Aussage. Langsam erholte sich die Besatzung des Ringraumers von der Bewußtlosigkeit, die Normalität hielt wieder Einzug in das Bordleben. Die Ärzte, die sich im ganzen Schiff um die Besatzung 199
kümmerten und Aufbaupräparate verteilten, konnten nichts feststellen. Eine kurzfristig angeordnete Reihenuntersuchung zeigte keine Gesundheitsschäden auf. Mitten in die Befragungen und Untersuchungen lief ein ToSpruch von Erron-1 ein. Die Werte des elektromagnetischen Feldes der Galaxis steigen wieder sprunghaft an. FO XX, XXII, XXX und XXXV melden aus Spiralarm Ufa sehr viele Strukturerschiltterungen, die ihren Rematerialisierungspunkt wischen Rot 254:00 und 267:00 haben. »Aber warum konnten wir euch stundenlang nicht erreichen?« fragte Kantor von Erron-1 aus nach. Walt Brugg zuckte mit den Schultern. »Man hat uns übel mitgespielt. Bis auf den letzten Mann fühlen wir uns, als ob wir in Akkordarbeit die Cheopspyramide abgetragen hätten. Später mehr darüber, Kantor. Ich muß Dhark die Meldung durchgehen, aber was ist daran denn so wichtig?« »Darüber haben wir uns auch schon den Kopf zerbrochen. Hier sind nach Eingang der Meldung sofort Messungen des galaktischen Magnetfeldes durchgeführt worden. Man spricht von plus 32, nur können wir Laien uns darunter herzlich wenig vorstellen.« Walt Brugg zeigte seine Bestürzung nicht. Er wußte, was plus 32 zu bedeuten hatte. Der Rekord des letzten starken Magnetorkans war um 3 Grad auf der Giller-Skala überschritten worden. Scheinbar regungslos nahm Dhark die Meldung entgegen. »Walt, unterrichten Sie bitte die Astros. Die sollen sich der Sache annehmen.« Er hatte im Moment andere Sorgen. Checkmaster und Gedankensteuerung mußten schnellstmöglich wieder laufen; die Sicherheit des Schiffes hing davon ab! Fragend blickte er seinen Freund an. »Willst du es nicht versuchen, Dan?« Er spielte auf das Wissen an, das sie auf Erron-3 erhalten hatten. Ein paar der dort eingenommenen Mentcaps hatten ihnen Informationen über den Checkmaster und seine Verbindung zum Schiff geliefert. Aber sie hatten keine Erklärung dafür bekommen, auf welcher Basis dieses phänomenale Rechengehim arbeitete. »Ich kann's versuchen, Ren, aber ehrlich gesagt: Viel erwarte ich nicht, dafür...« Riker zuckte mit den Schultern und sprach den Satz nicht zu Ende. Er schaltete zur mathematischen Abteilung durch und bat seine Frau Anja als Unterstützung hinzu. Dann legte er die Steuerung des Checkmasters auf seine Seite des Kontrollpults und begann sofort mit den ersten Versuchen.
Das Befinden der Besatzung besserte sich zunehmend. Stimulierende Injektionen hatten Grappa und Yell wieder auf Höchstform gebracht; gemeinsam hockten sie konzentriert hinter ihren Ortungen. Sie ließen einen Test nach dem anderen ablaufen. Ihr gemeinsames Ziel war es, herauszufinden, was mit ihnen und dem Schiff geschehen war. Bei Grappa brach das südländische Temperament durch. Seine milanesischen Flüche hatten es in sich. Etwas verwundert über diesen Gefühlsausbruch drehte sich Dhark nach ihm um. Tino Grappa fing den Blick auf. »Commander, man könnte heulen oder in die Luft gehen, weil wir nichts, rein gar nichts feststellen können. Was uns eigenartig vorkommt, verstehen weder Yell noch ich. Die Mediziner müssen her. Die sollen sich diesen Amplituden-Salat einmal ansehen. Vielleicht werden sie daraus schlau.« »Mediziner, Grappa? Was sollen die denn damit anfangen können?« Dhark legte die Stirn in Falten. »Das müssen Sie mir einmal erklären.« Aber dazu kam es nicht mehr. Die Kontrollen am Checkmaster wechselten schlagartig von Rot auf Grün. Dan Riker mit seinem Wissen aus Erron-3 hatte es allein geschafft. Seine Frau Anja hatte schon nach kurzer Zeit ihre Bemühungen einstellen müssen; selbst sie mit ihrem Spezialwissen hatte keinen Zugang zum Rechner der POINT OF herstellen können. Doch nur eines zählte: Das Bordgehim arbeitete endlich wie 200 201 der, und die Gedankensteuerung stand erneut zur Verfügung. »Mit 3-Trate/Reg hab' ich's geschafft!« flüsterte Riker seinem Freund Ren Dhark zu. Die anwesenden Offiziere sollten diesen Spezialausdruck, der ansonsten keinem geläufig war, nicht hören. Doch auch Dhark sagte der Begriff nichts. Er hatte die Mentcap, die dieses Wissen enthielt, nicht geschluckt. »Dazu kann ich nichts sagen. Was genau hast du gemacht, Dan?« Riker wollte zu einer Erklärung ansetzen, wurde aber von einem Zwischenruf unterbrochen. »Der Checkmaster ist regelrecht lahm geworden!« rief ihnen Bebir vom Bordgehirn zu. Die drei Offiziere, die daran ihren Dienst verrichteten, hatten ihn zu Rate gezogen
Lässig antwortete Riker: »Keine Sorge, das wird sich gleich gelegt haben. Hat der Checkmaster schon unseren augenblicklichen Standort bestimmt?« »Großer Himmel, Riker, woher wissen Sie, daß das Bordgehirn gleich schneller arbeiten wird?« Leon Bebir war nicht der einzige, der Riker maßlos erstaunt anblickte. Der Commander verhielt sich nicht anders. »Mist!« flüsterte Riker kaum verständlich durch zusammengepreßte Lippen seinem Freund zu. »Jetzt habe ich nicht aufgepaßt und mehr gesagt, als ich sagen durfte. Die Schwächung des Bordgehims ergibt sich aus 3-Trate.« Riker drehte sich zu Bebir um. »Das ist eine Schlußfolgerung aus der Formel, die ich zum Neustart des Checkmasters anwenden mußte, Leon!« »Ach so!« kam es gedehnt zurück, und der Zweite war zufrieden. Dhark verstand kein Wort. »Alles vollkommen wirr für mich, Dan. Du hast von 3-Trate gesprochen, als ob es sich um etwas Bekanntes handelte, das mir unbedingt vertraut sein müßte.« Dan begriff, wie unverständlich er sich ausgedrückt hatte. Außerdem wurde ihm nun schlagartig klar, was beim Durchflug durch das Doppelsonnensystem mit der Besatzung der POINT OF 202
geschehen war. Er verharrte mitten in der Bewegung.
»Ren«, stieß er halblaut aus, »es wird uns nicht gelingen, bis zum innersten Planeten in dieses System einzudringen. Man wird uns zum zweiten Mal hinauswerfen.« Dhark umfaßte sein rechtes Handgelenk. »Darf ich um eine klare Auskunft bitten, Dan?!« Riker erhob sich. »Komm mit zu den Ortungen, Ren.« Grappa und Yell machten ihnen Platz. Als Riker den ersten Handgriff tat, staunte Dhark. Sein Freund benutzte wohl die Datenspeicher der Ortungsanlagen, aber er rief nur die ewig konstanten Werte der Bilderfassung ab. Yell und Grappa sahen sich hilflos an. Sie verstanden nicht, was Dan Riker mit diesem Vorgang demonstrieren wollte. Auf zwei Oszillos tauchten die ersten Blips auf. Ihr gleichmäßiges Aussehen war Beweis für die konstanten Strahlen, die in der Bildkugel die Wiedergabe hervorbrachten. Dan Riker schaltete auf zehnfache Geschwindigkeit. Plötzlich tauchten die ersten steilen Zacken auf. Riker hielt die Wiedergabe an.
»Bitte! Beweis eins!« Danach lief alles mit normaler Geschwindigkeit weiter. Die Amplituden veränderten sich ununterbrochen. Dhark wußte immer noch nicht, was Riker beweisen wollte, oder was er auf Grund seines Erron-Wissens erkannt hatte. Erneuter Stopp! »Überlagerung. Zweiter Beweis!« Seine Stimme war lauter geworden, klang jetzt triumphierend. Die Überlagerung war unerklärlich. Die Hauptfrequenz trug eine zweite, bedeutend stärkere Frequenz?! »Abschirmung!« Das Wort erklärte, welche Manipulationen Riker an der Steuerung vornahm. Aber was in drei Teufels Namen schirmte Riker ab? »Masslo-Gitter! Rill-Terz! Blenndop!« Begriffe für drei Trenngitter aus der Technik der Mysterious. 203 Terranische Technik konnte nichts ähnliches hervorbringen, alle Versuche in dieser Richtung waren bislang ergebnislos verlaufen. Diese Abschirmung war beinahe total, dämpfte mehr als 99 Prozent der erfaßten Bildwerte. Nur noch ein knappes halbes Prozent kam durch. »Was willst du eigentlich damit beweisen?« fragte Dhark ungeduldig. Der Commander konnte mit Rikers Aktionen nichts anfangen. Auch Yell und Grappa schüttelten immer wieder nur die Köpfe und schauten hilfesuchend um sich. In diesem Moment unterbrach Riker erneut die Wiedergabe. Die Blips standen unbeweglich. »Das da! Über die Phase der Bilderfassung hat man uns dieses Teufelszeug ins Schiff geschickt. Currinn! Kennst du es?« Erron-Wissen! Carrinn bedeutete die Deformierung der Alpha-Rhythmus-Frequenz, die gewaltsame Veränderung der schwachen menschlichen Gehimströme - aber eine genau gesteuerte Deformierung. »Carrinn?« fragte Falluta, der Erste der POINT OF. Auch die anderen konnten mit diesem Begriff nichts anfangen. »Ich weiß, es ist schwer zu verstehen oder nachzuvollziehen. Aber glaube mir, die Unbekannten haben eine sehr wirksame Methode angewandt, um uns aus dem Doppelsonnensystem hinauszuwerfen. Wenn ich nicht die dreifache Abschirmung vorgenom men hätte, dann lägen wir alle hier in der Zentrale zum zweitenmal besinnungslos am Boden. Und irgendeiner von uns würde plötzlich zum Instrumentenpult wanken und die POINT OF auf neuen
Kurs bringen! Ren, wir wurden über die Phase der Bilderfassung angegriffen und ausgeschaltet.« In der Zentrale des Ringraumers herrschte Stille. Wer waren die Fremden, die solch eine hinterhältige Methode anwandten, und was wollten sie auf diese Weise verbergen? »Dann werden wir beim zweiten Versuch blind einfliegen!« In der Kommandozentrale konnte man eine Stecknadel fallen hören. Commander Ren Dhark gab nicht auf?! »Ren, wir wissen nicht, was da auf uns zukommt!« sagte Riker leise, aber mahnend. »Ich weiß, aber sollen wir uns so abschieben lassen!?« Damit war der Fall abgeschlossen. Am Checkmaster blieb Dhark wie angewurzelt stehen. Sinnierend betrachtete er das Gerät, dann klopfte er demonstrativ gegen die Unitallverkleidung. »Damit hat der Checkmaster den Beweis angetreten, daß er empfindlich gegen deformierte Alpha-Rhythmus-Frequenzen ist.« »Möglich«, gab Riker etwas gleichgültig zu, »aber damit willst du doch hoffentlich nicht die These aufstellen, hinter diesem Unitall würden ein halbes hundert biologisch intakter Gehirne der Mysterious stecken und wie biologische Roboter arbeiten?« Dhark lachte auf. »Nein, nein, Dan. So meinte ich das natürlich nicht. Ich wollte andeuten, daß der Checkmaster mehr als nur eine technische Anlage der Mysterious ist.« Damit war das Thema für Dhark erledigt. »Falluta, stehen unsere Koordinaten fest?« Wortlos reichte ihm der Erste die Folie. Der Commander wart einen kurzen Blick darauf und fragte dann: »Hat der Checkmaster eine Erklärung abgegeben, warum er sich abgeschaltet hat?« »Antwort verweigert!« Sarkastisch bemerkte Dhark: »Manchmal möchte ich auch Checkmaster sein.« Die Vorbereitungen für den Sprung zurück in das Doppelsonnensystem liefen an. Nach Erron-1 ging die Meldung ab, daß die POINT OF in den nächsten Stunden wahrscheinlich über Funk nicht zu erreichen sei. Erron-1 leitete diese Meldung sofort zum Stab der TF auf Terra weiter und löste damit in Cent Field Bestürzung aus. Marschall Ted Bulton, während Dan Rikers Abwesenheit der Oberkommandierende der TF, schaltete sich in das Gespräch mit Erron-1 ein, »Zwei der drei S-Kreuzer, die im Hangar bei Ihnen liegen, sollen sich startklar machen, für den Fall, daß wir dem Flaggschiff zur
204 205 Hilfe kommen müssen. Als Verstärkung kommandiere ich Colonel Goodtime mit der ARROW zu Ihnen ab. Sie befehligt außer ihrem eigenen Schiff ein Geschwader von zwanzig S-Kreuzern!« Während sich die Verantwortlichen auf Terra und Erron-1 die Köpfe zerbrachen, wie schnellstmöglich Unterstützung für den Commander bereitzustellen wäre, war man an Bord der P01NT OF keineswegs beunruhigt über den Versuch des Kommandanten. Es gab kaum einen Mann, der nicht erfahren wollte, mit welchen technischen Mitteln man sie aus dem Doppelsonnensystem hinausgeworfen hatte. Auf Grund der Anregung des Robotikers Shullian hatte die Terranische Flotte ein umfangreiches Testprogramm zur Erprobung der neuen Roboter durchgeführt. Ted Bulton wartete schon seit Tagen ungeduldig auf die Ergebnisse. Und endlich, vor gut einer Stunde, waren ihm die Experten avisiert worden. Seitdem saß der Marschall sozusagen auf heißen Kohlen. Der Testbericht war für die Terranische Flotte von großer Bedeutung. Wenn die Experten Grünes Licht gaben, hatte sich ein großer Teil der Personalprobleme der TF auf einen Schlag erledigt! Deshalb raunzte Bulton seinen Adjutanten Patters auch unwirsch an, als dieser ihm meldete, daß drei Offiziere des Stabes im Vorzimmer säßen und ihn sprechen wollten. »Patters, etwas mehr Eigenini'tiative! Lassen Sie die Männer doch nicht warten. Besorgen Sie ein paar Schnittchen und einige Getränke.« Patters war sprachlos. Der Alte, der ansonsten niemanden unangemeldet zu sich vorließ, ja sogar öfters Besucher etwas schmoren ließ, wie er es nannte, spielte auf einmal den vollendeten Gastgeber! Die drei Stabsoffiziere, die den abschließenden Test der Roboter 206 an Bord eines S-Kreuzers, der LABOR XV, mitverfolgt hatten, traten in Bultons Büro ein. Der Marschall ging ihnen freudestrahlend entgegen und begrüßte jeden der Männer mit einem herzlichen Händedruck. »Nehmen Sie Platz, meine Herren, und machen Sie es sich bequem.«
Die Majore Ampack, Gasser und Huuillä ließen sich in den bequemen Sesseln nieder. Ampack legte den Aktenkoffer vor sich auf den Schwebetisch. Nach einer kurzen Pause ergriff er das Wort. »Marschall, vorab eine Information für Sie.« Bulton war nervös. Wurde er so auf eine unangenehme Nachricht vorbereitet? »Die Personalprobleme der TF sind ab sofort zum größten Teil erledigt. Marschall! Wir haben alles in schriftlicher Ausführung und auf Datenträgern vorbereitet.« George Ampack reichte dem Marschall eine rote, in Leder eingebundene Mappe. Gleichzeitig legte er den Datenkristall in das Abspielgerät und aktivierte den drei mal vier Meter großen Konferenzbildschirm im Büro des Marschalls. »Diese Aufnahmen zeigen einen Zusammenschnitt der Tests der letzten Tage, Marschall.« Major Huuillä, ein hagerer Finne, hatte die erklärenden Worte gesprochen. Das Bild stabilisierte sich. In der linken oberen Ecke wurden automatisch Datum und Uhrzeit der Aufnahme eingeblendet. Darunter erschienen die wichtigsten Anzeigen der Bordinstrumente. »Das sind Aufnahmen vom Start. An Bord waren insgesamt 28 Roboter und sieben menschliche Besatzungsmitglieder. Zum besseren Verständnis haben wir die Roboter einfach auf durchlaufende Nummern getauft. Sie hatten bei dem Test alle noch eine einheitliche Farbgebung; dies wird sich beim normalen Einsatz natürlich ändern.« Vor den Augen der Männer liefen die ersten Sequenzen ab. Die LABOR XV hob ab. Langsam stieg der Ringraumer in die 207 Höhe. In 14.500 Metern über Grund schaltete Roboter L-1 Sie ein und steigerte die Leistungsabgabe langsam. Der für die Funkverbindung zuständige Rob hielt die Verbindung mit Cent Field. Sternensog löste Sie ab. Mit Überlicht raste die LABOR XV dem Asteroidengürtel entgegen. L-3 hinter den Ortungen lieferte den menschlichen Beobachtern laufend die aktuellen Werte. »Drei unbekannte Schiffe auf Grün 34:53,08. Fliegen Angriffskurs nach Rot 123:67,23!« L-1 handelte verzögerungslos. Die biegsamen Allzweckarme, die ohne Gelenke auskamen, huschten so schnell über die Konsole, daß die Beobachter nur noch verschwommene Scheinen wahrnahmen.
Im Schiff heulten die Andruckabsorber auf. Die LABOR XV ging abrupt auf einen anderen Kurs, um den fiktiven Raumern auszuweichen. Der Stemensog arbeitete gleichzeitig mit maximaler Leistung und riß den Ringraumer in immer höher steigende Überlichtwerte hinein. Die drei Stabsoffiziere schauten zu Bulton hinüber, der gespannt den Ablauf des Geschehens verfolgte. Der Marschall hatte das Gefühl, sich selber an Bord von LABOR XV zu befinden, so realistisch war die Wiedergabe. Auf einem neuen Kurs, der die LABOR XV jetzt in einem weiten Bogen an das Ziel heranführte, jagte das Schiff durch den Raum. »Dunkelsonne dicht vor uns. Nottransition über zwei Lichtminuten!« kam die nächste Anweisung für L-l. Die Intervalle waren verschwunden, die Nottransition mit brüllenden Transformem und heulenden Speicherbänken längst durchgeführt, und exakt zwei Lichtminuten voraus rematerialisierte die LABOR XV wieder im normalen Raum-Zeit-Gefüge. Schon hatten die beiden Intervalle den Schutz des Schiffes wieder übernommen. Automatisch gab L-3 die aktuellen Koordinaten durch. Danach sah Bulton die Aufzeichnungen der Schießübungen. Auch hier bewiesen die Roboter, daß sie hervorragend für ihre Aufgaben programmiert worden waren. Fehlschüsse gab es nicht! Sie verwandelten drei kleine Asteroiden in dahintreibende Energiewolken. Auf den Meter genau lagen die Strahlschüsse im vorgegebenen Zielgebiet! Erneut schauten die Offiziere hinüber zu Bulton. Je länger die Demonstration andauerte, um so zufriedener sah das Gesicht des Marschalls aus. Patters trat ein. Die Ordonnanz in seiner Begleitung servierte Bultons Gästen kleine Appetithappen und Getränke. »Patters, schauen Sie sich das an. Ist das nicht phantastisch? Das beseitigt auf einen Schlag fast alle unsere Probleme!« Bulton leerte sein Glas in einem Zug und hielt es der Ordonnanz zum Nachfüllen hin. Fasziniert starrte er auf den Bildschirm. Gerade lief eine Se quenz mit Alarmstarts und Landeanflügen unter Extrembedingungen. Landung innerhalb von zwei Minuten aus dem Orbit und Ausschleusen der Kampfeinheiten. Luna mit seinen weitläufigen Kratern war das Übungsgelände. Spezialisten hatten das Areal entsprechend präpariert.
Auch diese Aufgabe erledigten die Roboter. Elegant, aber trotzdem schnell kam der Ringraumer aus dem Orbit und setzte auf. Die fünfundvierzig Paar Landestützen bohrten sich in den Staub des Erdbegleiters. Kaum hatten die Landeteller den Mondboden berührt, öffneten sich die vier Schleusen der LABOR XV, und die Kampfroboter schwebten heraus, die Waffen aktiviert und die Ziele im Visier. Hervorragend waren die Kampfstrahlen des Feindes zu erken nen, die an den energetischen Schutzschirmen der Roboter zerplatzten und ein buntes Feuerwerk schufen. Drei Minuten später verstummte die letzte feindliche Waffe, und die LABOR XV meldete Vollzug. Die eigenen Verluste betrugen null Prozent! Als nach einer Stunde die Vorführung über die Generalprobe der Roboter für den Einsatz in der TF abgeschlossen war, schüttelte 208 209 ein rundum zufriedener Marschall seinen Stabsoffizieren die Hände und verabschiedete sie herzlieh. »Patters, hier. Nehmen Sie die Unterlagen und übersenden Sie sie an Trawisheim und Eylers. Und auch eine Kopie an Bert Stranger. Der soll einen schönen Bericht für die Nachrichten daraus machen.« Patters verschwand mit den Unterlagen und ließ seinen Chef allein zurück. Bulton genehmigte sich noch einen Drink. Mit dem Glas in der Hand stellte er sich vor die große Panoramascheibe, die den Blick über Cent Field zeigte. In der Feme waren startende und landende Raumer zu sehen. Zu hören war nichts, die Isolierung durch die Fenster war vollkommen. Ted Bulton hob das Glas und prostete sich selber zu. Er sah der Entwicklung der Terranischen Flotte jetzt sehr optimistisch entgegen! Die Sprungkoordinaten lagen fest. In der POINT OF war wieder das undefinierbare Pfeifen zu hören, das jede Transition einleitete. Die beiden Intervalle wurden abgeschaltet, und dann... ... X-Zeit! Transition! Sprung durch den Hyperraum in Nullzeit! Die POINT OF rematerialisierte wieder.
Ren Dhark lachte und schlug seinem Freund Riker auf die Schulter. Hinter den Ortungen erzählten sich Grappa und Yell deftige Witze. Die beiden Offiziere auf der Galerie schubsten sich an und fuhren sich gegenseitig durch die Haare; sie benahmen sich wie kleine Kinder. Leon Bebir, der Zweite, blickte zu den johlenden Scherzbolden hoch und lachte sie aus. Im Flaggschiff herrschte eine unbeschreiblich euphorische 210 Stimmung. Überall hörte man Gelächter, Singen und Pfeifen. Bei den Wissenschaftlern war es nicht anders. In der Funk-Z legte Wall Brugg seinem Kollegen Yogan die Füße auf den Schoß, und er machte sich nichts daraus, daß dieser ihm den linken Schuh auszog, um ihn als Wurfgeschoß zu benutzen. Glenn Morris bekam das Geschoß an den Kopf, zuckte zusammen, doch als er sich umdrehte, um zu erfahren, wer ihm da so unsanft mitgespielt hatte, lachte er breit über das ganze Gesicht. »Dann wollen wir mal!« sagte Ren Dhark lachend und schlug lässig mit der linken Hand auf den Schalter für Nottransitionen. Ihm war so ziemlich alles egal! Irgendwo würde das Schiff schon wieder rematerialisieren! Einen Augenblick später starrten sich die Männer in der POINT OP wie Irre an. Hatten sie mit offenen Augen geträumt? Kopfschüttelnd betrachtete Leon Bebir die beiden jungen Offiziere auf der Galerie, die sich verlegen ihre wild abstehenden Haare glattstrichen. Glenn Morris, der Funker, rieb sich fluchend die schmerzende Stelle an seinem Kopf, wo Yogan ihn mit Bruggs Schuh getroffen hatte. Und Walt Brugg fluchte, weil er verzweifelt nach eben diesem Schuh suchte. »Großer Himmel, man hat uns schon wieder aus dem System geworfen«, stellte Dan Riker fest. Von Fröhlichkeit war bei ihm nichts mehr zu beobachten. Konsterniert schauten sich die Männer an. Von der eben noch allgegenwärtigen Fröhlichkeit war nichts mehr zu spüren! »Wir haben uns selber hinausgeworfen«, ergriff Dhark das Wort. »Ich habe es getan. Ich habe wie ein Idiot gehandelt und einfach eine Transition eingeleitet...« Der Commander schüttelte fassungslos den Kopf. »Wenn ich mir vorstelle, wo wir hätten rematerialisieren können...«
»Achtund vierzig Lichtjahre auf Grün!« rief ihm Tino Grappa zu, der längst nicht mehr daran dachte, Yell Witze zu erzählen. Der Ortungsexperte hatte blitzschnell die augenblickliche Position 211 festgestellt. Riker rief die Daten des Checkmasters ab. Bei diesem zweiten Vorstoß in das Doppelsonnensystem hatte sich der Rechner des Flaggschiffes, der in seiner Leistung immer noch unerreicht war, nicht abgeschaltet. Der Aufenthalt im System hatte siebzehn Minuten gedauert, aber sie halten nichts davon mitbekommen und nicht einmal den Versuch unternommen, ihre Position zu bestimmen. Statt dessen hatten sie sich wie harmlose Schwachsinnige im Schiff aufgeführt. Alle, ohne Ausnahme. »Auch eine gute Methode, sich unerwünschte Gäste vom Leib zu halten!« meinte Ren Dhark schmunzelnd. »Immerhin humaner als beim ersten Versuch! Ich bin mal gespannt, was uns noch erwartet.« »Du gibst natürlich nicht auf, Ren?« Er schüttelte den Kopf. »Dan, sei mal ehrlich. Würdest du aufgeben? Das glaube ich kaum. Du würdest ebenfalls weitermachen. Wer solche Methoden anwendet, um Besucher fernzuhalten, hat viel zu verbergen. Denke an die Sternenbrücke und das Zwitt-System. Auf einer der alten Karten fehlt es. Dieses Doppelsonnensystem ist ebenfalls auf einer alten Karte nicht verzeichnet. Also, bei mir klingelt da was!« »Okay, Ren, du hast recht. Ich würde mich auch nicht so ohne weiteres rauswerfen lassen. Aber das hilft uns nicht weiter, Ren. Man wird uns auch beim dritten Versuch wieder hinauswerfen oder uns mit Waffen angreifen, von denen wir nicht wissen, wie sie wirken oder wie wir ihnen entgegentreten sollen. Ist das die Sache deiner Meinung nach wert?« Dhark riefFalluta und Bebir heran. »Wie stehen Sie dazu, meine Herren? Aufgeben und nach Erron1 zurückfliegen oder es noch einmal versuchen? Vergessen Sie nicht, daß das Risiko unendlich groß sein kann. Riker hat nicht unrecht, wenn er glaubt, daß man uns mit unbekannten Waffen angreifen könnte. Ich halte das sogar für sehr wahrscheinlich. Dennoch reizt mich diese Aufgabe. Wägen Sie mit Riker Für und 212
Wider ab. Ich bin in der Funk-Z zu erreichen. Ich will den Stab der TF unterrichten, falls wir eventuell einen dritten Vorstoß versuchen.« Kopfschüttelnd blickte Riker ihm nach. »Ren unterrichtet den Stab? Das hat er noch nie getan. Dann rechnet er mit dem Schlimmsten.« Riker schaute Bebir und Falluta ernst an. »Meine Herren, ich möchte Ihnen vorschlagen, das Unternehmen abzubrechen.« Leon Bebir war dazu noch nicht bereit. »Wenn ich daran denke, was wir durch die Hartnäckigkeit des Commanders in der Sternenbrücke entdeckten und...« »Und wir haben dadurch die Spur der sich absetzenden Robotflotte verloren! Wir wissen bis heute noch nicht, auf welchen Planeten ihre Depots liegen. Irgendwo in den Tiefen der Galaxis treibt sich eine riesige Ringraumerflotte herum, die jederzeit wieder Kurs auf die Erde nehmen kann. Und Sie wissen, was das bedeutet!« Rikers Stimme klang leidenschaftlich, seine Argumente waren zutreffend. »Wir sollten bei allem Forscherdrang nicht vergessen, daß wir jeden Tag mit der Möglichkeit zu rechnen haben, daß die Robotflotten abermals ins Sol-System einbrechen. Der Com mander kennt meinen Standpunkt, und ich habe Ihnen meine Ansicht über dieses Unternehmen auch gesagt. Abbrechen! Umkehren! Wir können später immer noch einmal hierher zurückkehren und es erneut versuchen.« Nachdenklich sah ihn der Erste an. »Wenn ich Sie nicht so gut kennen würde, müßte ich jetzt annehmen, Sie hätten Angst. Aber das ist nicht der Fall. Haben Sie Ahnungen, Riker? Vorahnungen?« Der Stellvertreter des Commanders lachte trocken auf. »Darunter leide ich nicht. Nur habe ich nicht den Blick für die Realitäten verloren. Das Doppelsonnensystem mit seinen erstaunlich vielen Planeten ist ein Gigant. Wir haben schon erlebt, was man mit Sonnen anstellen kann, und welche Rolle spielt die kleine POINT OF gegenüber diesem Giganten, wenn er mit allen Mitteln 213 zurückschlägt?« »Hm...«, brummte Falluta, dem es schwerfiel, sich festzulegen. »Wenn ich der Commander wäre, würde ich es ein drittes Mal versuchen.« »Zum Teufel«, brauste Riker auf, und der berüchtigte rote Punkt erschien auf seinem Kinn, »wie denn? Unsere Mittel sind erschöpft. Mit der Zeitverschiebung können wir nicht mehr arbeiten.
Das Aggregat ist zerstört. Uns bleibt also nur die alte Methode, und dann werden wir zum dritten Mal hinausgeworfen.« »Hartnäckigkeit hat schon oft zum Ziel geführt!« warf nun auch noch Leon Bebir ein. Riker sah sich plötzlich in die Defensive gedrängt. »Ja, aber sinnvolle Hartnäckigkeit. Wo in unserer Hartnäckigkeit der Sinn liegen soll, weiß ich nicht«, versuchte er noch einmal, die Meinung der beiden Offiziere zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Ren Dhark kam zurück. »Nun? Haben Sie sich entschieden?« Bebir und Falluta befürworteten einen dritten Versuch. Dan Ri ker war damit überstimmt. Dhark erläuterte den Männern seinen Plan. »Ich habe mir auf dem Weg von der Funk-Z etwas einfallen lassen. Wir werden bis dicht an das System springen und dann mit Überlicht durchfliegen. Gelingt es uns, dann werden wir uns beim zweiten Durchflug diesen mondgroßen Planeten, der uns ortete, etwas näher ansehen. Wenn es sein muß, bearbeiten wir ihn mit unseren Gravitationsschleudern, bis seine Ortungsanlagen uns keine Schwierigkeiten mehr machen.« Die Männer waren überrascht. Ein radikaler Ren Dhark; das war ihnen neu. Bisher hatte der Commander doch immer nach friedlichen Lösungen gesucht - wenn auch in der letzten Zeit oft vergeblich. »Wollen Sie den Planeten zerstören?« fragten beide fast gleichzeitig. Nur zu gut war ihnen in Erinnerung, welche Schäden Gravitationsschleudem oder -bomben anrichten konnten. 214 Ren Dhark amüsierte sich über seine beiden Offiziere. »Sie trauen mir ja allerhand zu, meine Herren. Besten Dank, aber so radikal bin ich nun wieder doch nicht. Sie haben eine Kleinigkeit übersehen. Mit unseren Gravitationsschleudem kann man sozusagen als >Nebeneffekt< Tasteranlagen so gut stören, daß sie zu nichts mehr nutze sind - vorausgesetzt, man manipuliert zwischen 2,2 und 2,4 Gravos. Nicht bekannt, meine Herren?« Davon wußte nicht einmal Riker etwas. »Stimmt das wirklich?« fragte er mißtrauisch. »Habe ich von Shanton. Auf den Ast-Stationen erproben sie die Auswirkungen. Er hatte gerade den letzten Forschungsbericht erhalten und mich sofort informiert. Du weißt es nur deshalb nicht, weil es noch nicht offiziell ist.« »Typisch! Ich erfahre solche Dinge immer erst dann, wenn es zu spät ist!« Riker war wütend.
»Dan, sollte ich deswegen Anja und dir den Abend verderben? So wichtig ist die Sache doch auch nicht. Und danach habe ich es dann schlicht und einfach vergessen. Tut mir leid, Dan!« »Na ja«, brummte ein halbwegs versöhnter Riker, der aber sogleich danach prophezeite: »Wir werden unser blaues Wunder erleben!« »Dieses Mal nicht, mein Lieber, denn wir benutzen die Gedankensteuerung. Sie wird die POINT OF sofort in die Transition reißen, falls ein massiver Angriff erfolgt, den wir nicht abwehren können. Mir reichen die trüben Erfahrungen, die wir bisher in diesem System machen mußten, voll und ganz.« Kurz darauf lief die X-Zeit, und dann erfolgte ein Sprung über aehtundvierzig Lichtjahre, der das Schiff wieder an den Rand des großen Planetensystems brachte. Die Besatzung war über die Bordverständigung informiert worden, welche Vorkehrungen gegen neue unliebsame Überraschungen getroffen worden waren. Die POINT OF stieß ins System vor und ging dicht jenseits der Bahn des äußersten Planeten auf Überlicht. Der Checkmaster beschleunigte das Schiff auf fünffache Licht215 geschwindigkeit. Sie näherten sich der Bahn des achtzehnten Planeten. Bei ihrem ersten Vorstoß war es hier zu dem äußerst unangenehmen Kontakt mit den Spindeln gekommen. »Keine Fremdortung!« meldete Grappa abermals. »Auch keine fremden Flugkörper zu orten!« Sie rasten an dem Methanriesen vorbei, kreuzten die Bahnen der nächsten drei Planeten und hielten Kurs auf die elfte Well, von der die Fremdortung ausgegangen war. Die Energieortung der POINT OF lief mit maximaler Leistung. Tino Grappa und Yell versuchten, die Anlagen auf dem mondgroßen Planeten zu erfassen und ihre Standorte zu lokalisieren. »Nullwerte«, sagte Yell unzufrieden. »Ich mag das kaum glauben. Oder sind die so gut abgeschirmt?« Grappa ließ sich nicht in seiner Arbeit stören. Er benutzte sein Mentcap-Wissen, das er wie alle anderen von Erron-3 bezogen hatte, ohne zu ahnen, woher es stammte. Er dachte plötzlich in Bereichen der Mysterious-Physik und nahm Schaltungen vor, auf die er von selbst nie gekommen wäre. »Yell, Tibb dazu!« Den Ausdruck Tibb gab es in keiner bisher bekannten Terminologie, aber Yell wußte, was Tibb war.
»Ist zugeschaltet!« Im gleichen Moment tauchten auf zwei Oszillos die ersten Am plituden auf. Die Energieortung, die den elften Planeten abtastete, hatte die unterirdischen Energieerzeuger erfaßt. Zwölf Anlagen, die beinahe gleichmäßig in knapp hundert Metern Tiefe verteilt lagen. Die Massenortung sprach nun auch an. Plötzlich rasten unbekannte Blips über die Leuchtscheibe der Oszillos! Erneut lag die POINT OF in Fremdortung. Ren Dhark, der gespannt die Meldungen verfolgte, hatte auf diese Mitteilung schon lange gewartet. Er beugte sich vor und betrachtete unverwandt drei Instrumente, von denen ihm eines die Stärke der Fremdortung verriet. »Gehe von fünf Anlagen aus. Orter erfaßt!« Kurz und präzise kamen die Angaben. Die POINT OF kreuzte die Bahn des dreizehnten Planeten, einer Eiskugel von der Größe des Jupiters. »Siebter Umläufer ist eine Sauerstoffwelt!« gab Grappa durch, der damit wieder einmal den Beweis für sein großartiges Können lieferte. Über die Untersuchung des mondgroßen Planeten hatte er nicht vergessen, sich die anderen Welten, die noch näher zu ihrer Doppelsonne standen, mit seiner Tasteranlage intensiver zu untersuchen. Über ein Dutzend Instrumente warfen plötzlich Hochwerte aus. Unvermittelt ergriff die Gedankensteuerung die Initiative. Der Sternensog sprang auf Maximum, und die POINT OF wurde von der titanischen Kraft des Brennpunktes quer durch das System gestoßen. »Keine Transition?« fragte Dan Riker, der sich wie alle in der Zentrale über die Reaktion der Gedankensteuerung wunderte. Die Überlichtgeschwindigkeit stieg schnell. Der Ringraumer, jetzt von der rätselhaften Gedankensteuerung kommandiert, passierte die beiden Sonnen und wich dann der glühenden Gaskugel aus, die der erste Planet des großen Systems war. »Fremdortung konstant!« machte Yell seine nächste Meldung. Unerwartet kam der Kurswechsel der POINT OF. Sie schwenkte über Rot 30:00,00 aus. Dhark und Riker verstanden den Sinn dieses Manövers. Durch den neuen Kurs schob sich die größere der beiden Doppelsonnen zwischen den Ringraumer und den mondgroßen elften Planeten. »Fremdortung um 73 Prozent schwächer geworden!« Grappa rief dazwischen: »Spindeln im Anflug! Aus Grün 15:45. Ein Pulk, etwa dreißig Einheiten stark.«
Dhark schaltete durch zu den beiden WS-Zentralen. »Ziel erfaßt! Wir sind feuerbereit!« meldete Rochard. »Okay, aber bei der geringsten Veränderung, die Sie feststellen, gleich welcher Art, Angriff mit voller Strich-Punkt-Dosis. Hilft 216 217 das nicht, dann Nadel einsetzen.« Die Spindeln flogen auch mit Überlicht. Das war die erste Überraschung. Begegnungen mit raumfahrenden Völkern, die den Überlichtflug im Nornialkontinuum beherrschten, waren sehr selten! Die erste Begegnung hatte vor langer Zeit im Col-System stattgefunden, als man überlichtschnell fliegende Raumer auf der sogenannten Fluchtroute ortete. Sie führte scheinbar quer durch das Doppelsonnensystem, das den Terranem als neue Heimat diente, nachdem sie sich mit der GALAXIS im Sternendschungel verirrt hatten. Später war die POINT OF noch einmal von einem Pulk ebenfalls überlichtschnell fliegender Raumer angegriffen worden. Aber all diese Begegnungen lagen schon Jahre zurück! Die zweite Überraschung ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten. Die Spindeln stießen ihre Spitzen ab, und diese Spitzen rasten jetzt in dicht geschlossener Formation auf die POINT OF zu. Die automatisch arbeitende Vergrößerung der Bildkugel hatte nur noch diese unbekannten Objekte in ihrer Erfassung. Die Gedankensteuerung reagierte auf diesen Angriff nicht. Das Schiff hielt seinen Kurs unverändert bei. »In drei Sekunden!« rief Grappa durch die Zentrale. Jeder fragte sich, warum die WS nicht eingriffen. Die Zeit raste dahin. Die heranjagenden Spitzen der Spindeln waren sechzehn Meter lange Kegel, die vome einen ringförmigen Kranz mit warzenähnlichen Ausbuchtungen besaßen. Über die Bildkugel drang eine blendende Lichtflut in die Kommandozentrale. Die Automatik reagierte schneller als ein Mensch hätte schalten können. Nur noch ein Prozent der Lichtflul war über die Bildkugel zu sehen, den Rest hatten die Filter eliminiert. »Länger konnten wir nicht mehr warten!« kam Bud Cliftons Stimme über die Bordverständigung. Clifton hatte in einem konzentrierten Nadelangriff den Kegel
218 pulk zerstört, aber nicht die Spindeln, die diese Spitzen abgestoßen hatten. Ihr Verband löste sich auf. »Die fremden Raumer formieren sich zu einem Zangenangriff!« gab Yell bekannt. »Mist!« schrie Rochard aus seiner WS-Ost, »die Gedankensteuerung hat jetzt alles bei uns übernommen! Wir sind mal wieder blockiert! Wofür sitzen wir eigentlich hier?« machte er seinem Unmut Luft. Beinahe gleichzeitig griff die POINT OF mit allen verfügbaren Strahlantennen an. Die Gedankensteuerung schien moralische Bedenken nicht zu kennen, denn sie benutzte Nadel, eine der stärksten Vernichtungswaffen, über die das Schiff verfügte. Der Strukturtaster schlug fast durch. Nur ein paar Kilometer hinter der POINT OF war ein zweiter Spindel-Verband rematerialisiert und ging auf die gleiche hohe Überlichtfahrt wie der Ringraumer. Nottrunsition! Nottransition! dachte Ren Dhark ununterbrochen und wollte mit seiner Alpha-Rhythmus-Frequenz die Gedankensteuerung zu diesem Manöver veranlassen. Aber die dachte nicht daran, ihm den Gefallen zu tun! Aus allen Antennen schoß die POINT OF. Drei, vier Spindeln platzten in einer Energiewolke auseinander, aber dann waren die anderen dicht vor dem Intervall des Flaggschiffes. Plötzlich glühte der Grenzbereich der beiden Intervallfelder dunkelrot! Scharf zeichnete sich der Miniweltraum vom normalen Raum-Zeit-Gefüge ab! Ren Dhark starrte auf das Instrument, das die Belastung der Intervalle durch Fremdenergie anzeigte. Belastung normal! Was aber hatte das dunkelrote Glühen der Intervalle dann ausgelöst? Die POINT OF schoß nicht mehr! Die Nadelstrahlen konnten den Miniweltraum nicht mehr verlassen! Das Schiff war wehrlos! Die Gedankensleuerung versuchte Mix einzusetzen und erreichte damit nichts. Das Hy-Kon wirkte auch nicht gegen die Spindeln! Der Grenzbereich der Intervalle leuchtete nun schon in einem kräftigen Rot. »Dhark, Checkmaster wirft Rot aus!« rief Falluta vom Bordge
him herüber. Das bedeutete, daß dieses mysteriöse Gerät auch nicht wußte, was das Glühen erzeugte. »Ist das die Sache wert, Ren? Du konntest dir doch ausrechnen, was passieren würde!« stieß Dan Riker aus und warf seinem Freund einen vielsagenden Blick zu. Dhark wunderte sich, warum er so ruhig blieb, obwohl die Lage keineswegs rosig war. Was stellten die hundert Meter langen, silbern glänzenden Spindeln dar? Welchen Zweck hatten die abgestoßenen Spitzen erfüllen sollen? Die POINT OP hatte inzwischen mit hoher Überlichtfahrt das System auf der anderen Seite verlassen und jagte, verfolgt von den Spindeln, die hartnäckig dichtauf blieben, hinaus in den freien Raum. Wieder drohte der Strukturtaster durchzuschlagen! Wieder wußte die Ringraumer-Besatzung nicht, was hier eigentlich ablief. Die Spindeln waren verschwunden! Das Glühen der Intervalle ließ zusehends nach, alles normalisierte sich wieder. »Das war der dritte Hinauswurf, Ren! Reicht's dir nun auch?« Mit bissigem Unterton hatte Riker seine Frage gestellt. »Nein, mir reicht es nicht!« entgegnete Dhark trotzig. »Jetzt starten wir den vierten Versuch, und ich garantiere dir, daß wir diesmal unser Ziel erreichen.« »Sturer Dickschädel!« fauchte Dan seinen Freund an und machte Anstalten, seinen Ko-Sitz zu verlassen. Doch als er Dharks 220 221 bittenden Blick sah, setzte er sich wieder hin. Der Commander konzentrierte sich und forderte von der Gedankensteuerung das Kommando über sein Schiff zurück. Gebe ab! hörte er in seinem Kopf die unpersönlich klingende Stimme. Die Steuerschalter, die die ganze Zeit über blockiert gewesen waren, ließen sich wieder benutzen, Die POINT OF ging auf Gegenkurs; sie flog zum vierten Mal in das Doppelsonnensystem ein. Marschall Bulton hatte zehn hochkarätige Vertreter der terranischen Flotte zu einer Informationsbesprechung geladen. Außerdem
anwesend war Henner Trawisheim, Stellvertreter des Commanders der Planeten während dessen Abwesenheit von Terra. Zweck dieser Zusammenkunft war der zukünftige Einsatz der Roboter im Bereich der Terranischen Flotte. Ted Bulton, der Plottenoberbefehlshaber, eröffnete das Treffen. »Meine Herren, vielen Dank für Ihr Erscheinen. Sie wissen alle, worum es geht.« Nur zustimmendes Nicken in der Runde. Der Marschall schlug das rechte Bein über das linke und fuhr fort: »Der Einsatz unserer neuentwickelten Roboter ist in großem Maßstab geplant. Die Terranische Flotte könnte so auf einen Schlag all ihre Personalprobleme fast vollständig lösen.« »Marschall, ist an einen Einsatz in sämtlichen Bereichen gedacht? Und stimmen die Berichte wirklich?« kam die Zwischenfrage von Colonel Melt Combers, einem altgedienten Generalstäbler, der schon seit fast vierzig Jahren in den Streitkräften Dienst tat. Der Bericht der drei Majore über den Test der Roboter in der LABOR XV hatte bei Combers Zweifel ausgelöst. Er konnte nicht glauben, daß die Neuentwicklungen wirklich so einwandfrei funk 222 tionierten. Endlich macht mal einer den Mund auf. Ich muß ja glatt befürchten, daß diese Lamettaträger nicht wagen, etwas w sagen. Die meisten von denen haben doch nur Angst, sich w weit aus dem Fenster w lehnen. Vor allem, wenn die Sache mit Risiko behaftet ist! Bulton dachte nicht besonders nett über seine Stabsoffiziere. »Die Roboter sind auf Herz und Nieren geprüft worden. Nicht nur an Bord der LABOR XV, nein, auch bei verschiedenen Ausbildungseinrichtungen und in den internen Labors der TF. Sie haben die Tests hervortagend bestanden, mein Herren. Und, um auf Ihre erste Frage zurückzukommen, Combers, es ist beabsichtigt, die Roboter als Raumschiffsbesatzungen in sämtlichen Dienstbereichen einzusetzen. Allerdings werden an Bord der Raumer immer noch Menschen den Befehl führen. Weiterhin ist natürlich an einen Einsatz in unseren Werften und Produktionsstälten sowie in der Verwaltung gedacht!« Trawisheim, der sich bislang im Hintergrund gehalten hatte und die Besprechung schweigend verfolgte, schmunzelte. Bulton redet seine Leute mal wieder platt. Die werden kaum et was gegen die Maßnahmen einwenden . »Außerdem sollten wir froh und dankbar sein, daß unsere Robotiker endlich den Durchbruch auf diesem Gebiet geschafft haben -
wenn auch mit indirekter Unterstützung durch Mysterious-Technik. Denken Sie auch daran, daß eine Verschiebung des Einsatzes die Sicherheit des terranischen Interessenbereiches gefährden könnte. Die Verluste an Mannschaften und Material in den letzten Monaten haben die Flotte empfindlich getroffen. Sie alle wissen, welche Verluste wir bei der Schlacht um Esmaladan hinnehmen mußten. Ganz zu schweigen von den Ausfällen, die bei den Einsätzen von Huxley und Clark leider zu verzeichnen waren. Und ich werde alles, meine Herren Offiziere, aber auch wirklich alles dafür tun, daß nicht noch mehr Menschenleben gefährdet werden!« 223 Trawisheim meldete sich zu Wort. »Marschall Bulton hat die Lage vollkommen richtig geschildert. Die Regierung hat angeordnet, daß der TF in den nächsten zv'ei Monaten ein Kontingent von 100.000 Robotern zugeteilt wird. Die interne Verteilung obliegt Ihren Spezialisten. Damit ist die Indienststellung zusätzlicher Ringraumer gewährleistet und auch ein Ausgleich dafür geschaffen, daß die Meldungen zur TF nach den letzten verlustreichen Raumschlachten drastisch - genauer gesagt um achtzig Prozent - zurückgegangen sind!« Die Argumente von Bulton und Trawisheim sorgten dafür, daß es von Seiten der Stabsoffiziere keine ernsthaften Einwände mehr gab. Einzig und allein der Wunsch nach einer Erprobung im scharfen Einsatz stand im Raum. Stan Sobor, neben Combers der dienstälteste Offizier, schlug vor, drei Ringraumer mit Robotbesatzung in den Spiralarm II/a zu entsenden. Dort wurden in der letzten Zeit unwahrscheinlich viele Strukturerschütterungen angemessen. Sobors Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung. Die drei Ringraumer sollten den genannten Spiralarm anfliegen und erkunden, was sich hinter den Strukturerschütterungen verbarg. Sie hatten den ausdrücklichen Befehl, jedem Zwischenfall aus dem Weg zu gehen und keinerlei Hinweis auf ihren Heimalplaneten zu geben. Die Bewohner von Alamo Gordo, die die drei Ringraumer vier Stunden später starten sahen, dachten sich nichts dabei. Starts waren sie seit Jahr und Tag gewohnt, und es gab nur noch wenige, die einem raumwärtsjagenden Schiff nachsahen.
Ren Dharks vierter Versuch lief. Er handelte sich um Millimeterarbeit, aber für den Checkmaster war auch diese für Menschen ungeheuer komplizierte Rechenautgabe nur eine Kleinigkeit. Ren Dhark betrachtete nachdenklich die Folie in seiner Hand. Dreimal hatte er alles vom Checkmaster durchrechnen lassen, ein Fehler war dabei nicht festgestellt worden! Und dennoch hatte der Commander ein mulmiges Gefühl, wußte er doch, daß ein winziger Fehler in der Berechnung allen den Tod bringen mußte. Er wollte mit seinem Ringraumer zum 7. Planeten springen! Die POINT OF sollte in fünf Kilometern Höhe über der Sauerstoffwelt rematerialisieren. Die Sprungkoordinaten lagen für 07:08 Uhr Normzeit fest. Noch zehn Minuten. Zehn Minuten, die zur Ewigkeit werden konnten. Zehn Minuten - die letzten in ihrem Leben? Die abschließenden Anweisungen wurden erteilt, dann wartete die Besatzung auf die Transition. »Unternehmen Selbstmord!« hatte Riker seinem Freund zugeflüstert, in der schwachen Hoffnung, ihn von diesem gefährlichen Versuch abzuhalten. Niemand vermochte zu sagen, wie der Planet auf die gewaltige Strukturerschütterung reagieren würde und, eines war noch viel wichtiger: War wirklich jede Möglichkeit einkalkuliert worden'! Endlich: X minus Null! Die Transition! Nur fünf Kilometer über einem unbekannten Sauerstoffplaneten stand plötzlich die POINT OF! Der Checkmaster vergeudete keine Zeit. Im Augenblick des Wiedereintritts baute er die Intervalle zum Schutz des hundertachtzig Meter durchmessenden Ringraumers auf! »Noch keine Fremdortung! Energieortung im Maximum. Koordinaten...« Grappa rasselte ohne Pause Daten herunter. Unter dem Schilf drehte sich ein großer Kontinent, der überwiegend aus weiten Ebenen bestand, nach links weg. Schmale, niedrige Gebirgszüge teilten die Landschaft. Anzeichen von Urbanisie 225 rung waren im von der P01NT OF erfaßten Bereich nicht zu entdecken. Dhark schaltete den Sie hoch. Die fußballgroßen Flächenprojektoren des Ringraumers emittierten die Energien zum Brennkreis
hin. Durch die dichten Luftmassen raste das Schiff dem Ziel entgegen, das Grappa aus seinen Koordinaten ausgewählt hatte. Aus der Astroabteilung kamen die ersten Angaben über die unbekannte Sauerstoffwelt. 10.803 Kilometer Durchmesser. Zwei Monde. Rotation 20:60,45 Stunden. Umlauf 321 Tage, alles Daten, die schon bekannt waren. Während des Durchfluges durch das System waren bis auf zwei Ausnahmen alle Planeten erfaßt worden. Aber dieser Stern hatte eine Gravitation von 1,20 Gravos, und das war viel! »Fremdortung aus Blau 33:45,27!« riefYell. »Commander, hören Sie sich das an!« Glenn Morris gab den Dauerruf, der seit ein paar Sekunden einlief, zur Kommandozentrale durch. Dhark stutzte. Diese Sprache kannte er! Die Sprache der Mysterious! Sofort das System verlassen, sonst wird nach rutenn vorgegangen! »Kannst du den Spruch übersetzen, Ren?« fragte Dan Riker hoffnungsvoll. Er war ungeduldig, wollte wissen, was die Mysterious ihnen mitzuteilen hatten. »Wir sollen umgehend verschwinden, andernfalls wird man gegen uns vorgehen.« Dhark hatte einige Momente benötigt, um seine Überraschung zu überwinden. [ »Dann wäre der vierte Rausschmiß fällig!« knurrte Riker, der deutlich zeigte, daß ihm diese Expedition ins Ungewisse ganz und gar nicht behagte. Mit Mach 4 raste der Ringraumer in fünf Kilometer Höhe weiter auf sein Ziel zu und überflog zwischenzeitlich mehrere Gebirgsketten, deren Gipfel zweitausend Meter Höhe allerdings nicht 226 überschritten. In der Feme, noch rund hundert Kilometer entfernt, erschien das Ziel des Schiffes, von den Bildkugeln schon erfaßt: Im Licht der Doppelsonne blinkte und blitzte eine Anlage, die laut Angabe der Distanzmessung ein Areal von 958 Quadratkilometern bedeckte. Umgeben war das Ganze von einem Ring aus grauen Halbkugeln, die mit je hundertneun Metern Höhe den Komplex weit überragten. »Alles klar, Grappa?« kam die hastige Frage des Commanders. »Nein! Ich befürchte, man wird uns angreifen, Dhark. Alle Kon verter sind hochgeschaltet worden! Großer Himmel, das gibt's selbst aufErron-1 nicht!«
Dhark drückte sein Schiff tiefer. Er hegte die schwache Hoffnung, daß man sie aus diesem spitzen Winkel nicht mit der gleichen Wucht angreifen könnte wie in großer Höhe. Mach 6! Ein unbeschreiblicher Überschallknall mußte über viele hundert Kilometer die Atmosphäre des unbekannten Sauerstoffplaneten erschüttern. Die Druckwelle, die die P01NT OF mit ihrer in niedriger Höhe relativ hohen Geschwindigkeit erzeugte, wirbelte weit hinter dem Schiff eine gewaltige Staub- und Erdfontäne auf, die dem Ringraumer immer schneller werdend folgte. In der Bildkugel wuchs der Komplex, und die davor liegenden mächtigen Halbkugeln gaben der Anlage das Bild einer gewaltigen Festung. »Morris, läuft der Dauerruf noch?« Dharks Frage an die Funk-Z betraf den Funkspruch der Mysterious. »Nein. Seit etwa einer Minute nicht mehr. Dafür haben wir mit der Echokontrolle über vierzig Sender erfaßt, die alle funkklar sind. Es handelt sich um leistungsstarke Hyperfunkstationen.« Was soll das denn bedeuten? Dhark schüttelte den Kopf. Gleichzeitig bremste er seinen Raumer ab. Die POINT OF fiel mit ihrer Geschwindigkeit in den Unterschallbereich und ging dabei noch tiefer. Daß das untere Intervall in seinem Wirkungsbereich den Erdboden verschwinden ließ, hatte keine Folgen, denn 227 sobald sich das Intervall mit dem Schiff weiterbewegt hatte, erschien auch der Boden an dieser Stelle wieder. »Dhark...!« Morris' Schrei aus der Funk-Z riß die Männer in der Zentrale aus ihrer Konzentration! Gleichzeitig war ein Ton wie von einem einzigen, gellenden, langanhallenden Schrei zu hören. War dieser Planet zu einer einzigen Sirene geworden? Stieß eine Weltenkugel von mehr als 10.000 Kilometer Durchmesser Alarmrufe aus? »Phon-Skala reicht nicht aus, Dhark. Wenn die anderen damit in den Ultraschallbereich gehen, können wir uns gratulieren!« schrie Morris durch das an- und abschwellende Toben, das auf dem gesamten Planeten zu hören sein mußte. »Schalten Sie ab, verdammt noch mal!« schrie Dhark zurück, der nicht verstehen konnte, daß Morris das nicht schon langst von sich aus getan hatte. Dhark lief es eiskalt über den Rücken. Diese Töne gingen durch Mark und Bein!
Im nächsten Moment herrschten im Schiff wieder normale Verhältnisse. Morris hatte endlich die Filter vorgeschaltet. Die POINT OF fuhr ihre Teleskopbeine aus. A-Grav kam und ließ das Schiff die letzten Meter langsam zu Boden sinken. Keine dreihundert Meter vor einer der grauen Halbkugeln setzte der Ringraumer auf. »Brüllt Sieben immer noch?« fragte Dhark durch. »Brüllt und... Nanu, was ist das denn? Dhark, ich will nicht mehr Morris heißen, wenn wir soeben nicht angegriffen werden!« Dhark drehte sich mit seinem Schwebesessel zu Grappa und Yell herum. Die beiden Männer hatten mitgehört und zuckten mit den Schultern. »Bei uns liegt nichts vor, Dhark! Tut uns leid!« »Aber bei uns! Commander, d...« Aus! Stille! Kein Ton mehr aus der Funk-Z! Ren Dhark handelle instinktiv. Drei Steuerschalter kippten in andere Positionen. Er hatte von seinem Platz aus alle Funktionen der Funk-Z abgeschaltet. »Dan, übernimm!« Er sprang auf und rannte durch das sich automatisch öffnende Schott auf das Hauptdeck. Über sein Armbandvipho schaltete er durch zur Medo-Station: »Sofort ein Notteam zur Funk-Z!« Maitskill hatte seinen Ruf aufgefangen und bestätigt. In der Funk-Z lagen acht Tote! Zweiter Alarm für die Medo-Station! Dhark ließ sein Chrono nicht mehr aus den Augen. Über Armbandvipho hielt er Verbindung zu Maitskill. »Vermutlich Herzschlag, der künstlich herbeigeführt worden ist. Tod trat vor zirka vierzig bis fünfzig Sekunden ein.« »Dann kriegen wir sie alle wieder hin, Commander. Keine Sorge. Zur Hölle mit den dreimal verdammten Mysterious!« Auf dem Hauptdeck heulte der Alarm. Dhark schaute ungeduldig auf sein Chrono. Wo bleiben die denn? Verzweiflung machte sich bei dem Commander breit. Hätte ich den Einflug doch nicht mehr wagen sollen? Er machte sich starke Vorwürfe. Endlich! Eine Minute und siebzehn Sekunden zeigte sein Chrono, als auf Schweberplatten das Ärzteteam mit seinem Instrumenten- und Gerätepark eintraf. Kein Wort wurde gesprochen. Die Ärzte wußten auch so, was zu tun war. Nebeneinander legten sie die acht Toten auf den Boden.
Medo-Techniker stellten ihre Apparate ein. »Ordinärer Herzschlag! Teuflische Brut!« knurrte Hanfstick leise. Dharks Hände wurden schweißnaß. Würden die Mediziner es schaffen, alle acht Tote ohne Folgeschäden wieder zum Leben zu erwecken? Unter den acht Toten befanden sich Glenn Morris, Elis Yogan und Walt Brugg, die besten Funkoffiziere der TF. Und sie waren auch Dharks Freunde! »Schrittmacher!« 228 229
»Start!« Zwei Minuten und achtunddreißig Sekunden waren vergangen. Ren Dhark verlor um ein Haar die Beherrschung, als er sah, wie Manu Tschobe lässig auf einem Hocker saß. »Wir alle können jetzt nichts anderes tun als abwarten.« Er hatte den Blick aus Dharks Augen richtig gedeutet. Die fünfte Minute war überschritten. Nun wurde auch Manu Tschobe unruhig. Er erhob sich von dem Hocker und kniete neben Walt Brugg nieder. Er zuckle sichtlich zusammen, als er Bruggs rechtes Augenlid hochzog. Im nächsten Moment sprang er auf und brüllte: »Abschalten! Wir bringen die Männer um! Diese Teufel, diese hinterhältigen Schweine...!« Die anderen Mediziner waren ob seines Ausbruches viel zu überrascht, um ihn daran zu hindern, ein Gerät nach dem anderen abzuschalten. Seine Kollegen verstanden ihn nicht mehr. Tschobe atmete tief durch. Nur langsam beruhigte sich der Afrikaner wieder. »Seht sie euch doch einmal genau an! Pseudoblock! - Ist die Sauerstoff Versorgung der Gehirne noch klar?« Ren Dhark konnte sich unter einem Pseudoblock nichts vorstellen, aber er dachte auch nicht daran, danach zu fragen. Im Zweifelsfall würde er Ausdrücke zu hören bekommen, die er sowieso nicht verstand. Leon Bebir trat durch das geöffnete Schott ein. »Kommen Sie sofort in die Zentrale, Dhark.« Dhark überlegt nicht lange. Hier konnte er nicht helfen, war eher lästig. »Manu, benachrichtigen Sie mich bitte, sobald sich etwas ergibt!« rief er dem Afrikaner zu, bevor er verschwand.
Im Schott zur Zentrale blieb er stehen. Die Bildkugel, die über der Instrumentenkonsole schwebte, zeigte ihm den Komplex hinter einer energetischen Barriere! Für Terraner gesperrt! »Ren, dieser Schutzschirm ist fünfmal stärker als der um Terra, 230 den die Nogk uns bereitgestellt haben!« Riker reichte Dhark die Folienausdrucke. Dhark mußte an den Planeten W-4 denken, an die Ruinenstadt, die plötzlich auch unter einem Energieschirm gelegen und ihnen damit die Rückkehr zur P01NT OF unmöglich gemacht hatte. »Was ist eigentlich in der Funk-Z los?« Riker erinnerte sich plötzlich daran, daß Dhark blitzschnell die Zentrale verlassen hatte. »Die Männer sahen aus wie Tote. Tschobe hat von einem Pseudoblock gesprochen. Frag' mich bitte nicht, was das sein soll. Jedenfalls meinen die Mediziner, daß unsere Leute wieder fit werden. Über die Ursache wird noch gerätselt. Ich vermute, daß der Angriff über eine abgehörte Hyperfrequenz in die Funk-Z getragen wurde.« Dhark wandte sich der Bildkugel zu und trat näher an sie heran. Einzelheiten traten klar und deutlich hervor, die Wiedergabe war hervorragend und von allen Seiten gleich detailliert. Dicht vor den grauen Halbkugeln begann der Energieschirm, der eine Höhe von über sechstausend Metern erreichte. Laut den Angaben auf der Folie war die Energie einer Sonne erforderlich, um ihn zu zerstören. »Tino, werden wir noch angepeilt?« Dhark stellte die Frage, ohne sich zu dem Ortungsspezialisten umzudrehen. Grappa schüttelte den Kopf. »Nein, mit dem Aufbau des Schirm verschwanden die Ortungsimpulse. Als ob sie uns damit sagen wollten, dies sei nun nicht mehr nötig, sie seien absolut sicher vor »Ist irgendein Kontakt zwischen Planet sieben und dem mondgroßen Planeten mit seinen Ortungsstationen festzustellen?« »Ja, und wenn ich die Blips richtig gedeutet habe, dann besteht zwischen beiden Planeten eine Transmittel-Verbindung. Die Straße ist offen seit der Prallschirm existiert.« »So...?!« Dhark riß sich von der Darstellung in der Bildkugel los und 231
drehte sich interessiert um. Er überlegte einen kurzen Moment, dann ging er mit schnellen Schritten zur Bordversländigung. »Are, machen Sie einen Einsatz mit?« »Wollen Sie mich beleidigen?« knurrte der Sibirier zurück. »Dann treffen wir uns in fünf Minuten in Depot eins. Wir nehmen die 002!« Dan Riker schüttelte ratlos den Kopf. Er konnte es ebensowenig fassen wie die anderen Offiziere in dem Leitstand der P01NT OF. »Bist du wieder einmal unterwegs zu einer deiner Extratouren, Ren? Darf man denn wenigstens erfahren, was du vorhast?« Riker war ob der Verantwortungslosigkeit seines Freundes empört. Warum mußte Ren sich immer wieder in Gefahr bringen ? »Natürlich. Ich will durch die Hintertür in den Komplex gelangen. Und nicht nur aus reiner Abenteuerlust, wie mein Freund Dan vielleicht vermutet.« Er blickte in die Runde. »Ist Ihnen eigentlich schon aufgefallen, daß wir nicht mehr starten können, meine Herren?« Verwunderung machte sich breit. Wieso sollte ihr Ringraumer nicht mehr starten können? »Ich zeige es Ihnen, meine Herren.« Wieder wandle Ren Dhark sein Wissen von Erron-3 an und gab als Erklärung dafür einmal mehr die posthypnotischen Auswirkungen des Aufenthaltes auf Zwitt an. »Ich kann es mir selbst nicht erklären, aber von Zeit zu Zeit habe ich plötzlich neues Wissen, welches mir auf Zwitt vermittelt wurde, als mich die Station als Checkmaster mißbrauchte. Was sagen Ihnen diese Anzeigen?« fragte er schnell Yell und Grappa, um von dem Thema abzulenken, und deutete auf vier Instrumente, die hohe Werte zeigten. »W-Was heißt das?« stotterte Yell. »Nicht mehr und nicht weniger, als daß im Bereich des Brennkreises oder dort, wo der Brennkreis entwickelt wird, ein neutrales Feld existiert, das die Bildung von Brennkreis und Brennpunkt verhindert. Sie kennen diese Amplitude, Grappa?« »Was heißt denn hier kennen, wenn einem nur das Positiv bekannt ist? Handelt es sich etwa um den Minuswert eines A-GravBlips?« »Ja, wenngleich Ihre Definition nicht präzise ist. Dieser Blip ist das Erkennungszeichen eines Molochs, der A-Grav frißt.« Ruckartig nahm Dhark den Kopf hoch. »Mist«, fluchte er herzhaft, »das habe ich gar nicht bedacht. Demnach ist auch kein Flash einsatzbereit.« Sein Vorhaben, den Komplex durch die Hintertür zu betreten,
war auf diese Weise undurchführbar. Dhark schaltetet durch zum Flashdepot. Sofort meldete sich Doorn, der bislang vergeblich auf den Commander gewartet hatte. Dhark informierte den Sibirier über die Lage. »Hm... A-Grav kommt nicht mehr zur Wirkung, und den emittierenden Flächenprojektoren wird die Energie gestohlen. Im Schiff selbst ist alles okay, Dhark?« »Bis jetzt ja!« Wieder kam das Brummen des wortkargen Technikgenies über die Verständigung. »Was hatten Sie mit dein Flash vor?« Ren Dhark legte Arc Doorn seinen Plan dar. Die Männer in der Zentrale hörten stumm zu. »Also durch Transition zum mondgroßen Planeten, dort den Transmitter suchen und über diese Straße in den Komplex eindringen? Aber weil uns dieser Weg versperrt ist, müssen wir einen anderen finden. Dhark, kommen Sie denn nicht von selbst darauf?« Arc Doorns Frage war keineswegs in überheblichem Tonfall gestellt worden. Der Commander ließ seinen Blick fragend über die Anwesenden wandern. Überall erntete er aber nur Schulterzucken oder Kopf schütteln. »Nein, aber Sie haben scheinbar einen Weg gefunden.« »Vielleicht. An Bord des Raumers ist doch alles klar, Dhark. Das haben Sie jedenfalls gerade noch behauptet. Warum benutzen wir nicht einen der Transmitter in der P01NT OF und lassen uns davon in den Komplex befördern?! Wozu haben wir schließlich 232 233 diese Dinger!?« Ren Dhark faßte sich an die Stirn. Natürlich! So war es schon oft gewesen. Er hatte das Naheliegende einfach übersehen. Bis jetzt waren zwei Transmitter in der P01NT OF entdeckt worden. Über eine Anlage waren Manu Tschobe, Professor Tim Acker und der Robothund Jimmy von einem immer noch unbekannten Transmitterknotenpunkt zur POINT OF gekommen; über einen zweiten hatte er sein Schiff wieder erreicht, als es ihm in einem riskanten Einsatz gelungen war, die Robotflotte über Terra zum Abdrehen zu zwingen, und dieser Transmitter befand sich oben auf der Galerie. »Are, kommen Sie bitte sofort in die Zentrale. Wir wollen den Versuch wagen.«
Grappa und Yell standen plötzlich vor der schwierigen Aufgabe, die Frequenz der Transmitter-Straße, die die beiden Planeten in diesem System miteinander verband, herauszufinden. »Ohne Checkmaster sind wir hilflos«, murmelte Tino Grappa und schaltete auf ihn um. Dro Cimc trat neben Dhark. »Sie wollen die Expedition nur mit Doorn unternehmen? Ich möchte mich auch daran beteiligen.« »Vielleicht beim zweiten Einsatz, Cimc«, wehrte der Commander die Bitte des Tel ab, »denn wissen wir noch nicht, ob wir auf diesem Weg überhaupt in den Komplex gelangen. Wir dürfen unsere Erwartungen nicht zu hoch schrauben.« Doorn betrat die Kommandozentrale und blieb auf der anderen Seite der Tasteranlage stehen. Wortlos sah er zu, wie Grappa und Yell versuchten, die Transmitterfrequenz zu erfassen. Draußen hatte sich nichts mehr verändert. Der Komplex mit seinen Halbkugeln lag unter dem unvorstellbar starken Schutzschirm, der jegliche Ortung verhinderte. Die Abschirmung war absolut, und sie machte es den beiden erfahrenen Männern schwer, Dharks Auftrag zu erfüllen. Aus der Medo-Station meldete sich Manu Tschobe. »Dhark, bei Yogan haben wir es geschafft. Die Reaktionen der 234 anderen sind zufriedenstellend, sie werden in den nächsten Minuten ebenfalls wieder zu sich kommen. Zur weiteren Beobachtung werden wir die Männer aber erst einmal hier bei uns behalten. Die Leute sehen Sie so schnell nicht wieder, Dhark. Sie bleiben in die Medo-Station, bis wir sie wieder aufgepäppelt haben. Diese verdammten Mysterious haben ihnen nämlich einen Pseudoblock verpaßt, der tödlich gewesen wäre, wenn wir nicht sofort eingegriffen hätten. Ich habe mir in der Funk-Z die Aufzeichnungen angesehen. Ihre Vermutung war richtig, Commander!« »Dort ist doch alles abgeschaltet!« rief Dhark ein wenig überrascht, denn er hatte seine Idee mittlerweile als unrichtig eingestuft. Tschobe schmunzelte. »War alles abgeschaltet und ist jetzt wieder alles abgeschaltet. Ich habe mir erlaubt, eine kleine Trickschaltung vorzunehmen, und damit wäre dann endlich einmal ein Beweis dafür geliefert worden, daß diese Geheimnisvollen nun auch nicht an alles gedacht haben. Doch um es kurz zu machen, Dhark: Man hat diesen Pseudoblock über die Funkortung hereingeschickt. Die Datenspeicher belegen das eindeutig.« Grappa stieß den Commander an.
»Gut, Tschobe, danke! Fassen Sie das bitte alles noch kurz schriftlich zusammen!« Er unterbrach die Verbindung und wandte sich an den Ortungsmann. »Haben Sie die Frequenz?« »Bitte!« Der Italiener schob ihm eine Folie zu. »Sie haben die Stufengleichung benutzt, Grappa?« Der machte ein ausgesprochen dummes Gesicht. »Was soll ich benutzt haben? Die Stufengleichung? Was ist das denn?« »Zwittwissen!« Dhark hatte blitzschnell geschaltet. Schon wieder einmal hatte er mehr gesagt, als er hätte sagen dürfen. Und langsam drängte sich ihm die Erkenntnis auf, daß die Existenz von Erron-3 im blaßblauen Universum auf die Dauer nicht zu verheimlichen war. Um einer detaillierteren Antwort an Grappa aus dem Weg zu gehen, drehte er sich nach Doorn um, reichte ihm die Folie und fragte: 235 »Are, was meinen Sie dazu?« Der Sibirier schaute auf die Folie, konzentriert kniff er die Augen zusammen, seine Lippen bewegten sich lautlos im Selbstgespräch. Dann, nach einer Minute intensiven Studiums, die lapidare Mitteilung: »Ich gehe mal zur Galerie hoch.« Dort machten ihm die beiden Offiziere Platz, blieben aber dicht hinter ihm, denn nun wollten sie endlich beobachten, wie man die Transmitleranlage in der fugenlosen Unitallverkleidung sichtbar machte. Hundertmal und mehr hatten sie es schon versucht, aber sie waren nie zu einem Resultat gekommen. Trotzdem existierte dieser Transmitter, denn Ren Dhark hatte ihn nachweislich benutzt. Arc Doorn kniete nieder und ließ beide Handflächen über das glatte Unitall gleiten. Unten in der Zentrale gab Dhark die letzten Anweisungen. Drei Mann waren im Schiff zu ihm unterwegs, um ihm die angeforderten Ausrüstungsgegenstände zu bringen. »Teufel!« kam von der Galerie der fassungslose Ausruf der beiden Offiziere. »Okay! Hier, Dhark!« rief nun Doorn von oben herab. Ihn hatte es nicht erschreckt, daß plötzlich der Transmitter vor ihm lag, aber die beiden Offiziere glaubten immer noch an eine Halluzination. Die Unitallverkleidung war nicht mehr glatt! An einer Stelle hatte sie sich geöffnet und eine graue Antenne in Ringform freigegeben. Der Sibirier ließ sich nicht stören. Er hatte die schwierige Aufgabe übernommen, diese Anlage auf die Frequenz einzustellen,
auf welcher die Transmitter-Straße zwischen dieser Sauerstoft'welt und dem mondgroßen Planeten arbeitete. »Grappa, los, stellen Sie Ihre Geräte auf die Frequenzen der Transmitter ein. Ich synchronisiere von hier oben!« gab Doorn von der Galerie aus seine Anweisungen. Wie er es in einem solch kurzen Zeilraum geschallt hatte, zu erkennen, wie die beiden Geräte zu koppeln und aufeinander abzustimmen waren, konnte sich niemand erklären. Aber Doorn war 236 auch ein absolutes Ausnahmetalent, ein Phänomen, das mit dieser Technik, die ihm eigentlich vollkommen war, fühlte und lebte. Als Dhark, mit Ausrüstungsgegenständen schwer bepackt, die Galerie erreichte, hatte der Sibirier die Einstellung noch einmal überprüft, die Gegenkontrolle durch den Checkmaster ausführen lassen und wartete nun auf den Commander. »Wir können«, sagte er und deutete auf das fluoreszierende Leuchten im Inneren der grauen Ringantenne. Dhark gab einen Teil der Ausrüstung an ihn ab. Etwas abfällig musterte Doorn die beiden überschweren Biaster, die er gegen seine leichten Waffen austauschen mußte. Er deutete diese Vorsichtsmaßnahme des Commanders falsch: »Auf Mysterious werden wir in diesem Komplex bestimmt nicht stoßen.« »Aber wir sollten mit Robotern rechnen!« erstickte Dhark jeden Widerspruch im Keim. »Ich gehe vor.« Doorn trat zur Seite, um seinem Commander Platz zu machen. Kaum war Dhark in der Ringantenne verschwunden, als auch er den entscheidenden Schritt tat und ebenfalls verschwand. »Sie sind fort!« meldete einer der Offiziere auf der Galerie überflüssigerweise nach unten. Dan Riker nickte nur. Ein Kugeltransmitter hatte sie ausgespien! Die Filter in ihren Klarsichthelmen arbeiteten automatisch und reduzierten die Menge des einfallenden Lichtes weitestgehend. »Vorsicht!« warnte der Commander, und sein Blick lief durch den großen Raum, in dem in einem großen Kreis Transmitter neben Transmitler stand. Ihre Außenmikrophone übertrugen ein gleichbleibendes Summen und Brummen von erträglicher Stärke. »Sicbenunddreißig!« Doorn halte blitzschnell die Transmitter gezählt, die allesamt sendebereit waren. Mit seinem tragbaren Ortungsgerät maß er die Frequenzen an. »Alle arbeiten auf derselben
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Frequenz!« teilte er kurz mit. Dhark nickte nur.
Der Raum war über dreißig Meter hoch, quadratisch und von blendendem Licht erfüllt, das aus Decke, Wänden und Boden drang. »Ich glaube, wir können weitergehen«, schlug Ren Dhark vor. Die beiden Männer bogen um ihren Kugeltransmitter herum. Auf der Rückseite fanden sie einen Gang, der zwischen niedrigen Apparaten hindurch zu einem Schott führte. Es blieb geschlossen. Vergeblich versuchte Doorn seine Kunst daran. Er fand keinen Schalter, so sehr er auch danach suchte. Eine halbe Stunde später mußten sie sich der Tatsache beugen, eingesperrt zu sein. »Und wenn wir alle Transmitter abschalten, Dhark? Dann müßte doch jemand hereinkommen, um sie wieder in Betrieb zu setzen.« »Einfach, aber genial!« stimmte Dhark der Idee zu. Sie teilten sich die Arbeit und lauschten dabei auf jedes neue Geräusch. Doch wenn sie einen Transmitter stillgelegt hatten, wurde dieser kurze Zeit später sofort wieder aktiviert! »Ihre Idee war wohl w einfach, Are!« bemerkte Ren Dhark sarkastisch. Die weiterhin im Betrieb befindlichen Kugeltransmitter waren eine deutliche Aussage! »Zentrale Steuerung. Feine Sache, wenn sie immer klappt.« Doorns Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen. Er quetschte sich mühsam mit seiner sperrigen Ausrüstung an einem Transmitter vorbei und verschwand dahinter. Dhark studierte zwischenzeitlich die Schrift- und Zahlzeichen der Mysterious. Doch Neues erfuhr er dadurch nicht. Es war nicht zu erkennen, wo sich die Gegenstationen zu dieser Anlage befanden. Wie sollen wir den Transmitter herausfinden, der die Verbindung w dem mondgroßen Planeten herstellt? Dhark verzweifelte fast. »Mist!« hörte er über Helmfunk den Sibirier fluchen. Der Commander setzte sich in Bewegung und wollte den gleichen Weg gehen wie Doorn, als es im Transmitterraum Nacht wurde! Nur das 238 rote Leuchten in den Kugeln war zu sehen. Es war aber zu schwach, um als Lichtquelle zu dienen. Beinahe gleichzeitig schalteten Dhark und Doorn auf Infrarotsicht um. »Haben Sie für diese Dunkelheit gesorgt, Doorn?«
»Ja, nur werden wir damit wohl nicht viel erreichen. Schlimmer ist es, daß man uns ganz hübsch in der Ortung hat. Wenn ich nur feststellen könnte, wo die Ortungsquelle liegt.« Doorn deutete auf sein tragbares Ortungsgerät. »Sehen Sie sich das an, Dhark. Abschirmung wird in diesem Komplex ganz groß geschrieben.« Dhark stutzte. »Ich glaube nicht daran, daß man uns ortet, denn...« Er riß den Sibirier mit sich zu Boden! Ein hüfthohes, langgestrecktes Aggregat bot ihnen Deckung. »Was ist denn?« fragte Doorn, der nichts beobachtet hatte, was zu diesem Manöver Anlaß gegeben hätte. Gleichzeitig schob er sein Ortungsgerät so weit von sich, daß er die Instrumente beobachten konnte. Sie hatten Besuch! Zwei Metallkörper kamen unaufhaltsam näher! Da schoß Dhark auch schon aus seinem überschweren Biaster, und im grellen Lichtblitz des Strahlschusses erkannte Doorn einen klobigen, kopflosen Körper, der um die Ecke eines Transmitters bog. Doorn schoß ebenfalls. Fast zeitgleich erfolgte eine Explosion. Die Druckwelle, von den auseinanderfliegenden Roboter verursacht, preßte sie gegen ihre Deckung. Um sie herum schlugen Bruchstücke der vernichteten Maschinen ein, prasselten gegen die Unitallverkleidungen der Aggregate. Doorn zog unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern. »Sie müssen durch einen Transmitter gekommen sein!« rief Dhark über Funk. Vorsichtig stand er auf und sicherte mit seinem Biaster nach allen Seiten. Nichts! 239 Keine weiteren Roboter! Auch Doorn erhob sich. »Wir Narren! Das ist der Weg in den Komplex! Wahrscheinlich ist nur einer der siebenunddreißig Transmitter aul den mondgroßen Planeten geschaltet.« »Ja, aber welcher?« Dhark warf einen Blick auf das Strahlenmeßgeräl, das im linken Ärmel seines Raumanzuges eingelassen war. Die Explosion der Roboter hatte den Raum mit harter Strahlung übersättigt, aber die M-Anzüge wurden spielend mit der Belastung fertig. Die beiden Männer zogen sich wieder hinter ihre Deckung zurück, von der
aus sie freie Sicht hatten. Sie mußten erfahren, aus welchem Transmitter die Roboter herauskamen. Dhark hatte die Überwachung der rechten Hälfte übernommen und Doorn die der linken. Ihr Warten wurde auf keine harte Probe gestellt. Es war immer noch dunkel, aber die beiden Terraner sahen dank Infrarot wie am Tage. Aufmerksam glitten ihre Blicke an der Reihe der Transmitter entlang. Fast gleichzeitig sahen beide drei neue Roboter aus einem Transmitter steigen. Dhark und Doorn drückten sich etwas tiefer hinter ihre Deckung. Der Sibirier visierte die erste Maschine an, der Körper des Roboters erschien im Fadenkreuz. Aber da drückte Dhark Doorns rechte Hand zur Seite. Empört wollte der Ingenieur aufbegehren. Dhark schüttelte stumm den Kopf und deutete mit der Rechten in Richtung auf den Transmitter. Die kopflosen Maschinenwesen nahmen keine Notiz von ihnen! Sie verschwanden hinter den Transmittem. Atemlos blieben die Männer liegen und warteten ab. Doorn schaute auf die Strahlungsanzeige. Sie zeigte Null! Auch Dhark war überrascht. Er konnte sich ebenfalls nicht erklären, wie die verseuchte Atmosphäre so schnell gereinigt worden war. Plötzlich strömte das grelle Licht wieder aus Decken und Wän 240 den. Die Roboter hatten die von Doorn restlos zerstörte Lichtsteuerung innerhalb weniger Minuten repariert! Hintereinander tauchten die unförmigen Robotkonstruktionen wieder auf und verschwanden dann in der Kugel eines Transmitters. Dhark und Doorn, die inzwischen von Infrarot auf normales Sehen umgeschaltet hatten, wurden nicht beachtet. Doorn hörte den Commander fragen: »Habe ich mich versehen, oder sind die Robs tatsächlich durch einen anderen Transmitter wieder verschwunden?« »Durch einen anderen. Wollen wir nicht auch einen benutzen?« »Aber zusammen, Are!« Der nickte nur. Reden war sowieso nicht seine Stärke! Dann standen sie vor einer Kugel. Einen Moment zögerten die beiden Männer. Dann, in jeder Hand einen Biaster, dessen Abstrahlpol leicht flimmerte, taten sie den entscheidenden Schritt!
Wo waren sie herausgekommen? Was bedeuteten diese Stille und die Dunkelheit? Infrarot an! »Dhark, wir schweben!« keuchte Doorn, der erst jetzt entdeckte, daß sie keinen Boden unter den Füßen hatten. Ihre Blicke schweiften ins Leere. Unter ihnen wurde das Glühen des Kugeltransmitters blasser. Ein Zeichen, daß sie sich immer weiter von ihm entfernten. »Großer Himmel, wohin werden wir gebracht?« fragte Dhark über Helmfunk. Er konnte seine Erregung kaum noch beherrschen. Sie befanden sich jedenfalls nicht im freien Raum. Dort waren Sterne zu sehen, die Milchstraße, hier aber gab es nur das abgrundtiefe Dunkel. Doorn murmelte Worte, die der Commander nicht verstand. Auch dem Sibirier gingen in dieser unbekannten Umgebung die Gefühle durch. Dhark warf einen Blick auf sein Chrono. 241 Fünfundzwanzig Sekunden waren erst vergangen, seit sie den entscheidenden Schritt in den Kugeltransmitter getan hatten, doch er war der Ansicht gewesen, schon seit vielen Minuten zu schweben. »Nein!« stieß Doorn aus, und noch einmal: »Nein!« Aber sein Nein änderte ihre Situation nicht. Der unerwartete Übergang war schrecklich. Gerade noch unendliche Dunkelheit, und nun grelles Licht! Die Helmautomatik schaltete Infrarot sofort weg und statt dessen die Filter vor. Die beiden Männer schwebten nicht mehr. Sie standen auf fe stem Boden, der sich unmerklich wölbte! Befanden sie sich auf der Außenseite einer gigantischen Hohlkugel, die sie durchschwebt hatten? »Dhark!« Doorn schrie gellend auf. Der Sibirier verschwand von der Seite des Commanders. Im nächsten Moment wirbelte er selbst durch die Luft. Ein Traktorstrahl hatte ihn erfaßt und riß ihn mit, vorbei an unitallblauen Aggregaten und bizarren Leitungen, die gigantische Ausmaße aufwiesen. Dhark sah alles nur schemenhaft, aber nicht ein Teil deutlich. Für einen Augenblick fiel sein Blick nach unten. Unten - das war die Außenfläche einer leeren Hohlkugel. Und auf der Außenfläche befand sich eine einzige Maschinenanlage, die nicht den Schwerkraftgesetzen unterworfen schien. Die Anlage wölbte sich um die gesamte Außenfläche der Hohlkugel herum. »Dhark!« hörte er den Hilferuf des rothaarigen Sibiriers.
Da sah er ihn dreihundert Meter rechts von sich. Doorn hatte nicht um Hilfe gerufen, sondern ihn gewarnt. Er schoß aus beiden Waffen Dauerfeuer auf ein Ziel, das der Commander nicht erkennen konnte. An vier oder fünf gewaltigen Rohrleitungssystemen raste Dhark vorbei. Die Kraft des Traktorstrahls war größer geworden. Schneller als bisher wurde er einem unbekannten Ziel entgegengezogen. Im nächsten Moment erkannte er es, und er sah, worauf Are 242 Doorn schoß. Er schoß auch! Wenngleich es sinnlos war! Dieses glühende Auge, auf das sie zujagten, konnten sie mit den schwachen Kräften ihrer Energiewaffen nicht vernichten, ja, nicht einmal beschädigen! Atomgluten! Ihr Krematorium. Nicht einmal Asche würde von ihnen übrigbleiben! Es sind die Grakos, die uns vernichten wollen! Sie bestrafen uns für unser Eindringen! Während Dhark diese Gedanken durch den Kopf jagten, schoß er ununterbrochen. Er spürte längst nicht mehr, wie stark er seine Zähne aufeinanderpreßte. Er sah nur das Glutauge, das mit rasender Geschwindigkeit größer wurde! Da ließ ihn der Traktorstrahl los! Er stürzte in die Tiefe! »Doorn...«, mehr ein Schrei. Keine Antwort. Ren Dhark überschlug sich immer schneller! Er verlor die Orientierung. Wo war oben? Wo war unten? Diese gewaltigen und verdrehten Rohrleitungen, die aus der Decke kamen und in der Hohlkugel endeten, versperrten ihm die Sicht auf das glühende Auge. Dann tauchten schon wieder neue Leitungen auf. Er stürzte dicht an ihnen vorbei. Wenigstens rotiere ich nicht mehr! dachte der weißblonde Mann erleichtert. Trotzdem fiel ihm die Orientierung schwer. Ich stürze immer noch! Das ist nicht normal! Ich hätte längst auf der Oberfläche der Kugel aufschlagen müssen.
»Dhark, was ist das für eine Hölle?!« drang in einem fragenden Schrei die Stimme des Sibiriers aus dem Helmfunk. Sie war klar 243 zu hören. »Wo sind Sie, Doorn?« Schweigen als Antwort! Dharks Sturz nahm kein Ende! Er stürzte um die gigantische Kugel, deren Oberfläche eine ein zige Industriehallung darstellte! Ich träume, durchzuckte es ihn, aber die blauverkleidete Anlage, über die er hinwegstürzte, war kein Traum. »Hallo, Dhark, ich kann Ihr Atmen hören. Stürzen Sie auch um das verdammte Ding herum?« Doorns Stimme klang wieder ganz ruhig. »Ja, aber verstehen kann ich es nicht.« »Mir egal. Hauptsache, wir werden nicht gebraten und...« Die Verbindung war wieder abgerissen. Dhark wurde immer unsicherer. Er war nicht in der Lage, seine Höhe zu bestimmen. Er konnte nicht sagen, wie schnell er um diese Kugel fiel, noch weniger konnte er sich die Tatsache dieses kreisförmigen Falls erklären. Arc Doorn erging es nicht anders. Dennoch fühlte er sich besser als vorhin im Traktorstrahl, der ihn in den Atomofen reißen wollte. Sein Dauerbeschuß halte doch Erfolg gehabt, denn die Traktorstrahlanlage war von seinem Blasterfeuer so stark beschädigt worden, daß sie sie hatte freigeben müssen. Doch daß er nun wie ein Satellit um diese gigantische Kugel raste, behagte ihm auch nicht. Nach seiner Schätzung jagten sie in zwei bis drei Kilometern Höhe dahin. Trotz aller Versuche gelang es ihm nicht, den Com mander zu sehen. Wahrscheinlich befand der sich auf der Gegenseite. Ren Dhark versuchte, sich einige markante Bauten einzuprägen, um endlich einen Anhaltspunkt zu erhalten, wie lange eine Umkreisung der Kugel dauerte. Doch die Anlage war so verwirrend, daß auch dieses Vorhaben scheiterte. Kaum hatte er sich die Frage gestellt, wieso er bisher noch nicht gegen eines der gigantischen Rohre geprallt war, die sich nach allen Seiten in den Raum um die Kugel erstreckten, als er zum erstenmal feststellte, daß sein Flug nicht geradlinig verlief. Er jagte auf eines dieser mehr als fünfhundert Meter durchmessenden Rohre zu, und er hätte dagegenprallen müssen, denn es Stand in seiner Flugbahn, als er merkte, daß er zur Seite abgelenkt
wurde. Als die gleiche Gefahr kurz darauf erneut akut war, wurde er wieder auf Ausweichkurs gerissen. »Verdammt!« fluchte er und hörte einen Augenblick später die Stimme des Sibiriers. »Das kann man wohl sagen!« Wieder warf er einen Blick auf sein Chrono. Seit rund vierundzwanzig Minuten waren er und Doorn Satelliten, und es war nicht abzusehen, wann sich dieser Zustand ändern würde. Eine Idee schoß ihm durch den Kopf - ein selbstmörderischer Gedanke. Doch er mußte in die Tat umgesetzt werden, wenn Dhark nicht schuldig daran werden wollte, weitere Männer von der P01NT OF ins Verderben zu reißen, die Doorn und ihn suchen würden, wenn sie auch nach Stunden nicht zurückkehrten. Er rief so lange über Helmfunk nach dem Sibirier, bis dieser seine Sendung autfangen und auch antworten konnte. »Wird besorgt! Vielleicht können wir in dieselbe Kerbe hauen!« Mit keinem Wort war er darauf eingegangen, daß sie sich damit selbst das Leben nehmen konnten. Dhark drückte die Kontakte an beiden Biastern. Aus den Abstrahlpolen schössen Energiestrahlen mit vernichtender Wirkung in die Tiefe. Dort unten konnte nicht alles aus Unitall sein. Aus Erfahrung wußte Dhark, daß die Mysterious auch andere Materialien zum Bau ihrer Anlagen benutzt hatten. Hoffentlich hier auch! machte er sich Mut. Einen Erfolg seines Tuns konnte der Commander nicht feststellen, weil seine Umlaufgeschwindigkeit zu hoch war und der Bereich, der unter Blasterbeschuß gelegen hatte, schnell hinter ihm verschwand. 244 245 Die Zeit verging. Hin und wieder meldete sich Doorn, der leider nichts Besonderes zu melden hatte, aber dann jubelte Ren Dhark auf! Unter sich konnte er die erste Explosion beobachten! Ein Aggregatesatz hatte ein paar grelle Stichflammen ausgestoßen, denen dann ein herrlicher Feuersturm gefolgt war. »Doorn...« Er wollte dem Sibirier von seinem Erfolg Mitteilung machen, als ihm der Wechsel die Sprache verschlug. Abrupt wurde er langsamer. Seine Umlaufbahn veränderte sich. Sie senkte sich nach unten.
»Landekurs, Dhark. Hoffentlich brechen wir uns dabei nicht alle Knochen.« »Beschuß sofort einstellen!« »Schon geschehen. Ich...« Wieder war die Verbindung unterbrochen. Hinter Dharks Stirn rasten die Gedanken. Ist die Zerstörung eines einzigen Aggregats schon so schwerwiegend, daß diese ungeheuer komplizierte Anlage dadurch stillgelegt werden kann ? Und was geht in diesem Bereich vor, in dem die Mysterious sich eine Welt mit eigenen physikalischen Gesetzen geschaffen haben? Seine Lage gab ihm keine Zeit mehr, sich mit solchen Problemen zu beschäftigen. Die Landung mußte glücken, und auch Doorn mußte heil auf den Boden kommen. Instinktiv zog er seine Beine an, obwohl er immer noch rund hundert Meter hoch war. Doch seine Sorge war nicht nötig gewesen. Sanft erreichte er den Boden. Es fiel ihm schwer, das zu glauben, und sein Blick flog in die Höhe, wo es eine glatte, leuchtende Decke gab, aus der die riesigen Rohre herausführten. »Hallo, Dhark! Hallo...« Doorn rief. »Ich bin gut gelandet, aber was sagen Sie zu den Schwerkraftwerten hier? Bei 0,12 Gravos verstehe ich langsam alles. Nur nicht, wieso wir auf einmal so schnell heruntergekommen sind.« »Wie finden wir uns, Doorn? Ich...« 246 Beide konnten so weit nicht voneinander entfernt sein, denn Doorn sah sie im selben Moment wie er: Roboter im Anflug; häßlich aussehende Zweckkonstruktionen! »Dhark, sie kommen auf mich zu«, rief Doorn durch, dem es ungemütlich geworden war. Lange konnte er die Biaster nicht mehr einsetzen, das mehrmalige Dauerfeuer hatte die Energiezellen bereits zu rund achtzig Prozent entleert. Ersatzzellen hatte Doorn vergessen. Aber so, wie es im Moment aussah, hatte er damit zu rechnen, sich gleich abermals seiner Haut wehren zu müssen. Er nahm sich vor, seine verbliebene Feuerkraft wohlüberlegt einzusetzen. »Ich werde auch angeflogen, Doorn!« Eine einzige Konstruktion hatte Zielkurs auf den Commander genommen. Bevor der zielen konnte, merkte er, daß er sanft angehoben wurde. Ein unsichtbares Feld hatte Dhark erfaßt, und die Robotkonstruktion trug ihn mit diesem Feld davon. Hastig unterrichtete er seinen Begleiter.
»Okay, dann lasse ich es darauf ankommen«, knurrte der untersetzte Sibirier, der froh war, seine wertvollen Munitionsvorräte noch schonen zu können. »Ich sehe Sie, Dhark. Und... und bei mir steht jetzt so ein Ding in zehn Metern... ich schwebe auch!« kam die Nachricht von Doorn. Beide winkten sich zu, als sie sich nach diesem unheimlichen Abenteuer wiedersahen. Sie wurden zu einer Galerie geflogen, die in ihrer Wuchtigkeit gut zu der gesamten Anlage paßte. Plötzlich verwandelte sich das unsichtbare Feld, das beide hielt, in einen Pressorstrahl. Dhark und Doorn wurden rücksichtslos auf den Kugeltransmitter zugetrieben, durch den sie hergekommen waren. Das Abstrahlfeld nahm sie auf und transportierte sie in... ... eine Strahlenhölle! Arc Doorn, der kein Interesse für die Gitterwände hatte, die er mit einem einzigen Blick als Antennen erkannte, brach der Sehweiß aus, als er automatisch einen Blick auf sein Strahlenmeß 247 gerät warf. »Strahlung, Dhark! Härteste Strahlung. Diese Roboter haben uns für Staub oder Dreck oder Schmutz gehallen. Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden!« In seinem Helmdisplay erschien ein Hinweis: Überlastung in 30 Sekunden! Rechts neben seinem Gesichtsfeld blinkte ein Alarmsignal immer hektischer auf. Ren Dhark, der die gleiche Meldung bekam, stellte keine Fragen. Blitzschnell schaltete er den Transmitter um. Doorn war neben ihm und warf sich sofort in das Abstrahlfeld. Der Commander folgte ihm ohne Zeitverlust. Auf einer Galerie kamen sie heraus. »0,8 Gravos hier!« meldete Doorn kurz. Sie rannten auf das nächste Schott zu, obwohl sie in diesem Komplex schon böse Erfahrungen mit Schotts gemacht hatten, die sieh nicht öffnen ließen. Diesmal hatten sie Glück. Der Verschluß reagierte und öffnete das Schott. Dhark hörte ein Geräusch hinter sich. Ohne nachzudenken, warf er sich zur Seite. An der Wand neben dem Schott zerplatzte ein Energiestrahl. Der getroffene Teil der Wand glühte rot auf! Ein fliegender Roboter hatte sie wieder als Ablall identifiziert und wollte sie eliminieren. Der Commander visierte ihn an und gab zwei kurze Strahlschüsse ab. In einer Licht- und Energieorgie zerplatzte die Konstruktion. Trümmer zischten nach allen
Seiten. Dhark warf sich durch das offenstehende Schott und wurde von Doorn aufgefangen. Hinter ihm schloß sich die Öffnung langsam. Ren Dharks Puls raste. Sein Blick irrte durch den unbekannten Raum, der ihm trotzdem irgendwie bekannt vorkam, und er vergaß vor Staunen den Mund zu schließen. Die Zentrale in Erron-1 sah genauso aus, nur war diese Zentrale hier größer. Viel, viel größer! Siebzehn Schwenksessel standen vor einem halbrunden Instrumentenpult. Siebzehn Sessel, die leer waren. »Was hat das zu bedeuten?« Doorns Frage weckte ihn aus seiner Erstarrung. Allmählich gelang es Dhark, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Langsam ging er auf die Sessel und Instrumente zu. Doorn folgte ihm. Dhark nahm Platz. Er hatte vergessen, daß sie sich in einer Anlage befanden, aus der es schwierig war, wieder herauszukommen. Seine Lippen bewegten sich, aber Laute kamen nicht darüber. Seine Finger berührten die Steuerschalter, aber sie kippten unter dem Pingerdruck nicht in andere Positionen. »Das hier, Doorn... das ist nicht die Zentrale.« Er sah dabei nicht auf. Sein Blick wanderte über die Instrumente, die ihm dank seines Wissens von Erron-3 so viel sagten. »Draußen ist die Zentrale. Die gesamte Anlage, die um die Hohlkugel gebaut worden ist. Daher auch die schnelle Reaktion der Arbeitsroboter, als ich ein Aggregat beschädigte.« Er sprach, als ob er sich in Trance befände. Der Sibirier störte ihn. Er hatte seinen Commander schon einmal so erlebt. Dhark wechselte den Platz. »Wozu haben die Mysterious diese Anlage gebaut? Wozu, um alles in der Welt?« Wer sollte ihm antworten, wenn er dazu selbst nicht in der Lage war? »Wir befinden uns in der Notzentrale, gebaut für den Fall, daß die automatisch arbeitende Hauptzentrale einmal ausfällt... Koordinaten-Bestimmer... überall. Da hinten auch noch... unverständlich das alles. Und...« Commander Ren Dhark erstarrte. Plötzlich war ihm trotz der einwandfrei arbeitenden Klimaanlage seines M-Anzuges siedend heiß. Ein Blitz auf den Strahlungsmesser zeigte: Normale Bela-
stung. Dhark riß seinen Klarsichthelm zurück und streifte ihn über den Kopf. Er atmete tief durch. Er ließ sich in einen der Sessel 248 249 fallen, drehte sich um und starrte den Sibirier aus Augen an, die tief in ihren Höhlen lagen, »Are, wir haben alles übersehen. Wir haben nichts erkannt. Nichts bemerkt. Daß wir noch leben und die POINT OF noch existiert, begreife ich nicht...« »Dhark, wovon zum Teufel sprechen Sie?« Doorn verstand seinen Commander plötzlich nicht mehr. Warum dieses abgehackte, überhastete Reden? Wo war seine klare und knappe Ausdrucksweise geblieben? Die plötzliche Erkenntnis drückte wie eine schwere Last auf Dharks Schultern. Er fühlte sich zerschlagen und ausgelaugt. Schweiß rann in winzigen Bahnen sein Gesicht hinunter; zeichnete feuchte Bahnen, die im Schein der Beleuchtung glänzten. Dhark gab sich einen Ruck. »Doorn, diese Anlage bezieht ihre Energie nicht aus Konvertern. Die Mysterious konnten darauf verzichten. Als sie diese Station bauten, hatten sie es nicht mehr nötig, so etwas zu benutzen. Are, sie zapfen eine der beiden Sonnen an! Und keiner von den Ortungsspezialisten hat es bemerkt!« Da mußte sich Doorn auch setzen. Man konnte eine Sonne anzapfen? Man konnte die Energie einer Sonne für technische Zwecke verwenden? »Jetzt begreife ich auch, warum das Schirmfeld um diese Station so stark sein konnte. Sie haben Energie genug. Sie brauchen damit nicht zu sparen. Sie kostet sie nichts - keinen einzigen Cent! Sie holen sie einfach von der Sonne. So einfach sich das anhört, und so unmöglich ist es für uns Menschen und wird es in der nächsten Zeit wahrscheinlich auch bleiben.« Doorns Erkenntnis hatte Dhark geschockt. Zwitt mit seiner künstlich erschaffenen Sonnenkorona war schon ein Wunder gewesen, aber das Wunder hier war um ein Vielfaches größer. »Wir sollten das Schirmfeld, das diese Station umgibt, abschalten. Vielleicht finden wir auch den Sender, der mit seiner heimtük 250 kischen Kodierung den Leuten in der Funk-Z beinahe das Leben gekostet hat.«
»Ja«, sagte Dhark abwesend. Der Commander wirkte, als ob er kein Wort verstanden hätte. Seine Stimme klang lallend, schon das Ja schien ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Doorn stutzte. Fast so wie auf Zwilt, dachte er und nahm sich vor, den Commander notfalls zu schocken, falls es erforderlich werden sollte. Schwerfällig erhob sich der Commander. Langsam ging er an dem mehr als vierzig Meter langen Instrumentenpult vorbei. Doorn sah ihm mit gespannter Aufmerksamkeit nach. Fast am anderen Ende fand Dhark, wonach er gesucht hatte, aber sein Kopfschütteln sagte dem Sibirier, daß sein Vorhaben undurchführbar war. Doorn folgte ihm. Dhark deutete auf eine Gruppe Instrumente, die dicht zusam menstanden. »Die Feldüberwachung... hier. Das ist die Projektorenkontrolle. Und das die Berrad-Brücke. Aber weder rechts noch links...« Er stockte, legte beide Hände an seine Schläfen, und dann hörte ihn Doorn flüsternd sagen: »Es muß gehen. Es gehl nach der zwölften Ahhade...« Und von diesem Moment an verstand der Sibirier die Worte des Commanders nicht mehr. Steuerschalter kippten in andere Positionen; Steuerschalter, die wahrscheinlich seit rund tausend Jahren nicht mehr bewegt worden waren. »Es geht...« Heiser war Ren Dharks Stimme, stockend kamen die Worte über seine Lippen. »Es muß einfach klappen.« Doorn sah, daß die Instrumente neue Werte anzeigten; hohe Werte, denn seit der Entdeckung auf Hope waren ihm die Zahlensymbole der Mysterious vertraut. Nur ihre Sprache beherrschte er nicht. Unter den Milliarden Terranern gab es nur einen Mann, der sie sprechen und verstehen konnte - der Mann, der vor ihm in einem Sessel saß und Steuerschalter bewegte, die tausend Jahre lang nicht berührt worden waren. Aber wie der Fall mit den rätselhaften Funksprüchen gezeigt hatte, verstand wohl auch der Commander die Sprache der Geheimnisvollen nicht vollständig. »Kontrolle...«, hörte der Sibirier ihn sagen. Wortkarger hätte er es selbst auch nicht ausdrücken können! Die Konirolle lief. »Ja!« Triumph lag in Dharks Stimme. Und dann kam die entscheidende Schaltung, die das durch Sonnenenergie gespeiste Schutzfeld um diese rätselhafte Anlage aufheben sollte. Mehr als dreißig Instrumente warfen Minimalwerte aus!
Das Schutzfeld bestand nicht mehr! »Wir haben es geschafft, Are«, rief Dhark laut und hatte Mühe, sich gegen den ständig steigenden Lärmpegel durchzusetzen, »aber was habe ich damit ausgelöst?« Die Station zitterte. Sie brüllte, sie tobte. Zweifelnd blickte ihn Doorn an. Vermutete der Commander, daß er durch das Abschalten des Schutzschirmes etwas ausgelöst hatte, was nun nicht mehr unter Kontrolle zu bringen war? »Are«, sagte er, und in Ren Dharks Augen war kein Triumph mehr zu erkennen, »hören Sie sich doch an, wie es draußen brüllt und grollt. Schauen Sie auf die Instrumente. Plötzlich wieder Maximalwerte, wohin man blickt! Doorn, als ich das Prallfeld abschaltete, habe ich in dieser Anlage die Hauptsicherung herausfliegen lassen! Begreifen Sie, was ich getan habe?« »Cut-out!« sagte Arc Doorn. »Cut-out?« fragte er. Sonst nichts. Es gab nichts zu fragen. Die Antwort der Station war klar. Brüllte sie, weil Ren Dhark die Sicherung hatte herausfliegen lassen? Eine Sicherung? Wofür? 252 253 5. Die Anzeige des Energietasters warf Höchstwerte aus! Ein akustisches Alarmsignal machte auf diese Ausnahmesituation aufmerksam. Oberleutnant Mcintosh, Diplom-Ingenieur in der großen Ortungszentrale von Cent Field, traute seinen Augen nicht. Mcintosh blieb vollkommen ruhig. So etwas war bisher noch nie vorgekommen. Vielleicht ein technischer Defekt! hoffte er. Aber diese leise Hoffnung hielt nur ein paar Sekunden an. Die paar Sekunden reichten aus, um ihm den Schweiß auf die Stirn zu treiben. Seine Hand zitterte, als sie den Alarm auslöste. Sein Blick war eine Mischung aus Unglauben und Verständnislosigkeit, denn die Werte, die seine Ortung auswarf, überforderten ihn. Mcintosh, ein hagerer Vierziger, bewegte ununterbrochen seine Lippen, doch kein Ton kam darüber. Sein Blick flog von einem
Instrument zum anderen, zum großen Oszillo, zum Suprasensor, zur Blipauswertung, und der Blick wanderte wieder zum Hauptinstrument zurück. »Großer Himmel!« Das waren seine ersten Worte, während der Alarm die wissenschaftlichen Leiter der großen Orlungszentrale aufscheuchte. Der Suprasensor hatte 182 Orte in der Galaxis gezählt, an denen gleichzeitig unvorstellbar große Energieerzeuger hochgefahren wurden. Einhundertzweiundachtzig! Und an der Energieortung in Cent Field war dabei die Hauptsicherung herausgeflogen! 254 Immer mehr Experten trafen ein. Niemand sprach. Keiner wollte sich mit einer voreiligen Hypothese blamieren. Auf 182 Planeten in der Milchstraße waren Aggregate angelaufen, die Millionen Gigawatt erzeugten und in der Lage waren, diese Leistung unter Kontrolle zu halten. Da schaltete sich die Astrophysikalische Zentrale in Alamo Gordo ein. »Haben Sie...?« »Wir haben!« unterbrach Mcintosh lakonisch. »Sie können die Koordinaten der hundertzweiundachtzig Orte haben.« Er hütete sich, diese Orte als Planeten zu bezeichnen, denn konnten die Höllenaggregate nicht vielleicht ebenso im freien Raum treiben wie Erron-1? »Noch keine Nachrichten von Raumschiffen, die in der Lage waren, den Vorgang irgendwo aus der Nähe zu beobachten?« Der Astrophysiker zitterte genau wie seine Stimme. Diplom-Ingenieur und Oberleutnant Mcintosh hatte seine Ruhe wiedergefunden. »Soviel ich im Augenblick feststellen kann, war keiner unserer Raumer in der Nähe einer der Energieemissionen!« Über eine andere Viphophase kam ein Gespräch von den Astronomen herein. »Geben Sie uns die Koordinaten!« verlangten sie. »Können Sie sofort haben«, erwiderte Mcintosh, »geben Sie mir Ihre Zieladresse, dann spiele ich Sie Ihnen sofort 'rüber.« Zwei Minuten später hatten die Astronomen die gewünschten Daten. Und dann stand die Frage im Raum: »Was spielt sich draußen in der Galaxis ab?« Aber darauf wußte niemand eine Antwort.
Auf Planet l im Zwitt-System waren dieselben Beobachtungen gemacht worden, nur daß die dort arbeitenden wissenschaftlichen Teams plötzlich um das Leben ihrer Kollegen auf Zwitt fürchteten, weil die Sonnenkorona schlagartig ein unheimliches Aussehen er 255 halten hatte und im grellsten Weiß leuchtete. Sie zog auf einmal rund acht Milliarden mal mehr Energie von den anderen Sonnen der Stemenbrücke ab als bisher. Die Transmillerverbindungen bestanden noch. Mil Funk, auch To-Funk, war momentan nichts mehr zu erreichen. Drei junge Experten benutzten den Transmitter und erreichten die Zentrale, die im Mittelpunkt der falschen Sonne Zwitt lag. Dort herrschte unter den Wissenschaftlern die gleiche Aufregung wie auf Planet l und auf der Erde. »Wir können uns diesen Umschwung nicht erklären. Noch weniger begreifen wir, daß die Sonnenkorona nicht novaähnlichen Charakter erhalten hat. Sie ist nach wie vor stabil, wenn man in diesem Fall von Stabilität überhaupt noch sprechen kann. Die planetarischen Forts bersten schier vor gespeicherten Energien. Ein Wunder, daß die Transmitter-Straße nach Planet l noch besieht. Haben Sie Terra schon den Vorgang gemeldet?« »Das wissen wir nicht, die Funkverbindungen brechen andauernd zusammen. Es ist sehr schwierig, Kontakt zu halten! Moment, gerade kommt eine Meldung der Funk-Z herein!« Einen Augenblick lang herrschte Ruhe. »Terra meldet, daß innerhalb der Galaxis an hundertzweiundachtzig Orten der gleiche unerklärliche Vorgang beobachtet worden ist. Man spricht von Energieerzeugem, die viele Millionen Gigawatt leisten. Die einzelnen Orte liegen zum Teil mehr als tausend Lichtjahre auseinander. Das macht alles noch rätselhafter.« »Vielleicht sind die Mysterious zu uns unterwegs und haben vorher ein paar Feuerchen entfacht, um uns darauf vorzubereiten, was wir zu erwarten haben.« Didibong, dessen Wiege auf den Philippinen stand, konnte allerdings selber nicht über seinen Witz lachen, nachdem er bemerkte, daß seine Kollegen ihn entsetzt ansahen. Die Mysterious? Die auch die Grakos sein konnten? »Oder die Schwarzen Weißen, die Tel, haben ihre Finger in diesem Spiel!« meinte Gosua, um den Gedanken an die Grakos zu verdrängen.
Seine Hypothese stieß auf Protest. »Ausgeschlossen!« »Unmöglich!« »Die Tel haben bis heute keinen weiteren Versuch unternommen, uns aus dieser Sternenbrücke wieder zu verdrängen. Und sie waren zuerst hier, nicht wir!« Da war der Gedanke an die Grakos wieder allgegenwärtig. Auch Gosua konnte ihn nicht mehr abschütteln. Erron-1 stand Kopf! Die Kastanie, wie die riesige, achtundsechzig Kilometer durchmessende Station inoffiziell liebevoll genannt wurde, hatte sich plötzlich in ein gewalliges Relais verwandelt! Schlagartig war Erron-1 mit 182 verschiedenen Orten in der Milchstraße verbunden! Auch mit dem Planeten, auf dem sich Ren Dhark mit seiner P01NT OF befand. Cent Field kam mit seinem superstarken To-Funksender durch, trotz der schweren elektromagnetischen Störungen in der gesamten Galaxis. Ein wahres Wunder! »Sorry!« sagte Tommom bedauernd ins Mikrophon, »wir sind leider nicht in der Lage, eine Erklärung abzugeben. Der gesamte Höllenspektakel dauert ja erst knapp eine Stunde, und wir tasten hier wie Blinde umher. Erwartet man wirklich, daß wir Wunder vollbringen? Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet - eine Station von diesen Ausmaßen!? Wir kennen nur einen Bruchteil dieses Gebildes. Aber Sie können gerne vorbeigeflogen kommen und uns helfen, herauszufinden, wo in dieser lächerlich kleinen Station die Schaltzentrale des Energieverteilers liegt...« Tommom 256 257 hatte sich langsam in Rage geredet. Diese Theoretiker gingen ihm gehölig auf die Nerven. »Sie haben von einem Energieverteiler gesprochen, Tommom?« bellte Professor Dr. Dr. Callis, Diplom-Ingenieur auf dem Spezialgebiet der M-Kathetik, seinen Kollegen in Erron-1 vollkommen unsensibel an. »Wie kommen Sie auf diesen Ausdruck?« »Wie ich darauf komme, Callis? Weil Erron-1 plötzlich hochenergetische Hyperverbindungen zu allen hundertzweiundachtzig Stationen hat. Hier läuft alles zusammen. Von hier geht alles ab,
aber Sie halten uns bei der Suche nach der Schaltzentrale lieber mit ihren besserwisserischen Empfehlungen auf. Vielleicht können Sie uns ja von Terra aus mitteilen, wo wir suchen sollen. Wir...« Callis, der es nicht gewohnt war. Widerspruch zu hören, lief langsam rot an. »Sie, Sie...« Die Hochwerte des galaktischen elektromagnetischen Feldes verhinderten eine Eskalation der Auseinandersetzung zwischen den Experten. Die To-Funkverbindung brach wieder einmal zusammen. Terra war nicht mehr zu hören und zu sehen. »Schade, er nahm gerade so eine schöne Farbe an. Er wäre bestimmt gleich explodiert, und dann hätten wir wenigstens genug Zeit gehabt, die Suche nach dem Verteiler ungestört fortzusetzen.« Tommom rieb sich in schönster Schadenfreude die Hände. Seine Gruppe pflichtete ihm mit einigen entsprechenden Bemerkungen bei. Insgesamt arbeiteten sie zu neunt an der Bewältigung riesiger Probleme. Die acht Männer und eine Frau hatten eigentlich geglaubt, auf Erron-1 in Ruhe arbeiten zu können. Nun aber verlangte man plötzlich nahezu Unmögliches von ihnen! Kaum hatte die Energieortung Alarm unter der Höchstbelastung geschlagen, da hatte die stachelige Kastanie - Erron-1 - ihr Gesieht verändert. 364 Antennenzylinder, die einen Durchmesser von 1,7 Kilometern bei einer Länge von 16,8 Kilometern hatten, waren ausgefahren worden. Die Kontrollen zeigten bislang nie gesehene Werte an, unbekannte Instrumente in den riesigen Schaltzentralen erwachten 258 zum Leben. Bildschirme, deren Aktivierung bisher nicht gelungen war, erhellten sich und zeigten Diagramme, die sich laufend veränderten. Speicherbänke im Innern der Station schalteten blitzschnell auf Höchstleistung und stellten ihre Energien auf Abruf bereit. In Rekordzeit hatten die Wissenschaftler mit Hilfe ihrer Suprasensoren herausgefunden, welche neue Aufgabe die Riesenkugel im Leerraum übernommen hatte: Relaisstation für 182 Orte in der Milchstraße, an denen Energieerwuger hochgefahren waren, gegen die die Konverter in Erron-1 Liliputfonnat besaßen. Ehrfürchtig hatten die auf Erron-1 stationierten Menschen die Mitteilung zur Kenntnis genommen. Was mußten dies für unvorstellbar riesige Stationen sein, wenn ihre eigene, die ja auch nicht gerade klein war, im Vergleich dazu nur mit derart mickrigen Energieerzeugem aufwarten konnte?
In der Kommandozentrale leuchtete eine Karte in 3D auf. Sie stellte die hyperenergetischen Verbindungswege zwischen den 182 Energiequellen dar, zeigte aber auch, daß Erron-1 als Relaisstation mit all diesen Orten verbunden war. Allerdings waren die hyperenergetischen Verbindungen stellenweise so kompliziert und verwickelt, daß ebensogut jede der 182 Energiequellen die Zentrale hätte sein können. Und auf die Frage, ob damit auch Erron-1 mehr als nur ein Verteiler war, gab diese 3D-Karte keine Antwort. »Wozu soll das dienen?« stöhnte der M-Physiker Hollbin, der immer ratloser wurde, je länger er die 3D-Karte betrachtete. »Wozu dieser unvorstellbare Aufwand an Energie? Nichts wird verbraucht! Nirgendwo! Was für einen Sinn hat diese Aktion? Eine Art Alarmbereitschaft?« »Fragen Sie doch den Commander, denn der steckt mit seiner POINT OF bestimmt an einem dieser Punkte!« schlug ihm der MMathematiker Simon vor. Der Mann war gereizt, weil er mit seinem Können auch nicht weiterkam. Schon hundertmal hatte er sich in Gedanken den Checkmaster für seine Berechnungen 259 herbeigewünscht und die »lahmen« irdischen Suprasensoren verdammt. Hollbin hatte gar nicht erfaßt, wie bissig Simons Bemerkung gemeint war. »Der Commander steckt da mitten drin...!? Wenn man nur wüßte, ob er mit dieser Entwicklung etwas zu tun hat. Zuzutrauen wäre es ihm.« In der Zentrale herrschte für einen Augenblick Ruhe. Zu überwältigend war die Vorstellung, daß Ren Dhark dies alles ausgelöst haben sollte. Major Steek, einer der Offiziere in den Sesseln vor der langen Instrumentenkonsole, lachte auf. »Unserem Commander darf man wirklich viel zutrauen, aber das, mein lieber Hollbin, schafft selbst Ren Dhark nicht.« »Hoffentlich haben Sie recht, Steek«, sagte der Angesprochene und konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf die 3D-Karte. Auf dem gleichen Deck, aber mehr als sieben Kilometer von der Kommandozentrale entfernt, machten vier frischgebackene Ingenieure die Entdeckung ihres Lebens. In einem nicht einmal besonders großen Raum, aus dessen Wänden und Decken sofort als sie ihn betraten das Blaulicht der
Mysterious drang, sahen sie in der Mitte eine viereckige Unitallsäule stehen, die mit Boden und Decke verbunden war. Da das Schott zu diesem Raum noch nicht das Erkennungszeichen eines der Untersuchungsteams trug, näherten sie sich dem Gebilde mit Vorsicht. Als ein Strahlenmeßgerät Nullwert auswarf, schob es der blonde Mann mit der stark gekrümmten Nase achtlos in seine Tasche. »Keine Gefahr.« Die viereckige Säule war knapp einen Meter dick und von oben bis unten mit Symbolen versehen. Plötzlich blieb der blonde Mann abrupt stehen. »Das galaktische Emblem!« stieß er erregt aus und deutete auf die stilisierte Galaxis-Spirale. Ren Dhark hatte dieses Symbol erstmals auf Deluge während der Flucht vor Roccos Schergen entdeckt. In der Folgezeit waren die Terraner in Hinterlassenschaften der Mysterious noch öfters auf diese Darstellung gestoßen. Im gleichen Moment, in dem der blonde Ingenieur seinen Arm ausgestreckt hatte, leuchtete das Symbol im Goldton auf und hob sich damit von allen anderen Zeichen stark ab. Um die Ingenieure herum wurde leichtes Summen laut, das sich in seiner Stärke allmählich steigerte. »Sollen wir nicht die Zentrale anrufen?« fragte Kumbra Nobe, ein Kongolese, dem das alles etwas unheimlich wurde. Die anderen schüttelten die Köpfe. Ihre Neugier war fast unerträglich geworden. Ron wedda wi terru! dröhnte es so unerwartet in ihren Schädeln, daß sie unwillkürlich zurückwichen. Ron wedda wi terru! Ununterbrochen war dieser Ruf in der unbekannten Sprache zu hören! Ron wedda wi terru! Die vier Ingenieure flüchteten auf den breiten Gang des Hauptdecks, aber auch dort vernahmen Sie den Ruf. Der blonde Mann riß sein Vipho hoch. »Zentrale, hier Ingenieur Tschallos. Wir befinden uns auf Deck 1-17 und haben vor wenigen Minuten den Raum mit Nummer 4.335 betreten. In diesem Raum befindet sich eine viereckige Unitallsäule, die das galaktische Emblem trägt... Wie? Ja, das galaktische Emblem. Als ich darauf zeigte, um meine drei Begleiter aufmerksam zu machen, strahlte es plötzlich goldfarben auf, und gleichzeitig hörten wir in unseren Köpfen den Ruf Ron wedda wi
lerra! Und wir hören ihn immer noch... Ja! Ron wedda wi lerra! Unter meiner Schädeldecke dröhnt es ununterbrochen. Wie...? Ob 260 261 bei den anderen auch? Ja klar, sonst wären wir doch nicht zusam men aus dem Raum geflüchtet!« Erst jetzt fiel Tschallos ein, daß das der Wachhabende in der Zentrale ja nicht wissen konnte. »Wir...« »Tschallos, schalten Sie ab. Wir rufen Sie zurück. Bleiben Sie mit Ihrer Gruppe, wo Sie sind!« Major Steck hatte sich in das Gespräch eingeschaltet. Seine Stimme klang erregt. Er hatte auch allen Grund dazu. Bash und Kantor, die beiden Oberleutnants in der Funk-Z von Erron-1, drehten offensichtlich durch. Sie hatten Steek über die Verständigung etwas zugeschrieen, das außer ihm von allen anderen im Kommandostand ebenfalls nicht verstanden worden war. Darum war ihm der Ruf der kleinen Ingenieurgruppe auch so ungelegen gekommen, obwohl diese Männer eigentlich eine sensationelle Entdeckung gemacht hatten. Steek beugte sich zu den Sprechrillen vor. »Hier Kommandozentrale. Bash, jetzt 'mal ganz ruhig. Erklären Sie mir in Ruhe, was los ist! Und, Kantor, Sie sind ruhig!« Steek wußte, daß Kantor Bash oft irritierte. Auf dem Bildschirm erschien Bashs Kopf. Das Unverständnis stand in sein Gesicht geschrieben. Unentwegt öffneten und schlössen sich die Hände des Oberleutnants. »Major, und wenn Sie mich für verrückt erklären, Erron-1 funkt mit seiner gesamten Sendeleistung schon wieder diesen verdammten Ruf ab: Ron wedda wi terra! Aber wir haben keinen Schim mer, wie es dazu gekommen ist. Wir haben alles kontrolliert, und wir kontrollieren immer noch. Von der Funk-Z geht der Ruf nicht raus. Hier läuft nichts mehr. Die Verbindung mit Terra und allen anderen Planeten ist wegen der verdammten elektromagnetischen Störungen abgerissen. Aber der Ruf, Major, der kommt überall an. Den können nicht einmal die magnetischen Störungen aufhalten. Und jetzt sind wir gespannt, was Sie dazu sagen, Major!« Bash hatte sich im Laufe des Berichts beruhigt, Steek dagegen wurde es glühendheiß! 262 Der Major sagte erst einmal gar nichts. Die beiden Männer in der Funk-Z hörten über die Bordverständigung nur das übliche Stimmenwirrwarr.
Steek schaltete auf die vier Ingenieure um, die sich auf dem Hauptdeck 1-17 aufhielten und vor dem Raum 4.335 standen. »Tschallos, ich wünsche von Ihnen jetzt einen ausführlichen Bericht, der kein Detail auslassen darf. Denn Erron-1 strahlt den Ruf Ron wedda wi terra seit kurzer Zeit ununterbrochen mit größter Leistung ab.« Steeks Stimme klang jetzt nicht mehr so jovial, wie die Männer es ansonsten von dem Major gewohnt waren. Sie hatte einen harten, militärischen Klang angenommen. Tschallos stöhnte, nahm sich dann zusammen und begann seinen Bericht. »... und als dann mein Strahlenmeßgerät Nullwert auswarf, steckte ich es in die Tasche und...« Steek unterbrach ihn. »Los, raus mit dem Gerät und nochmals nachgemessen. Ich warte.« Er mußte nicht lange warten. »Schöner Saturn, jetzt haben wir hier drinnen 38,3. Emissionsquelle einwandfrei das Emblem, Major.« »Verlassen Sie sofort wieder den Raum und schließen Sie das Schott. Bringen Sie außen das Zeichen für Strahlungsgefahr an. Und melden Sie sich umgehend in der Medo-Station, die Ärzte sollen Sie vorsichtshalber untersuchen.« Die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Steek hörte über die Viphoverbindung, wie sich das Schott summend schloß und dann Tschallos' verblüfften Ausruf: »Der Ruf... der verdammte Ruf in meinem Kopf ist nicht mehr zu hören!« Die Dinge überschlugen sich. Über die Bordverständigung brüllte Oberleutnant Bash, der sich einfach in das laufende Gespräch schaltete: »Der Rätselspruch wird nicht mehr abgestrahlt! Major, was geht hier vor?« 263 Tschallos hatte über sein Vipho mitgehört. Auf eigene Faust machte er ein Experiment. Er öffnete das Schott und trat in den nun leicht strahlenverseuchten Raum. Langsam ging auf die Säule zu und streckte seine Hand in Richtung des Emblems aus, das nun nicht mehr im Goldion schimmerte. Aber kaum deutete er mit einem Finger daraul, begann das alte Spiel erneut. Im Goldton leuchtendes Symbol! Im Kopf der Ruf: Ron wedda wi terra! Fluchtartiges Verlassen des Raumes und Schließen des Schotts!
Und alles war wieder zu Ende! In der Funk-Z hatte Kantor gerade zu seinem Kollegen Bash gesagt: »Mit dem nächsten Schiff fliege ich nach Terra zurück. Ich bleibe keine Stunde länger als nötig in diesem Irrenhaus«, als Major Steek durchrief: »Wir haben jetzt die Erklärung, wieso es zu dem Ruf Run wedda wi terra gekommen ist. Wie es jedoch möglich ist, daß Erron-1 diesen Ruf mit seiner maximalen Sendeleistung abstrahlt, muß noch untersucht werden.« Bash in der Funk-Z verzog sein Gesicht, als ob er Essigessenz getrunken hätte. »Das Wort Untersuchung kann ich langsam nicht mehr hören. Ich kann mich nicht erinnern, daß in den letzten drei Jahren ein Tag vergangen ist, an dem nicht irgend etwas untersucht wurde. Als ob wir mit diesem Höllenzauher von hundertzweiundachtzig energiespeienden Orten nicht gerade genug zu untersuchen hätten!« Niemand widersprach ihm. Der Vankko Crt Sagia wurde von seinem Roboter geweckt. »Der Kluis ruft!« meldete die Konstruktion, die bis auf die leuchtenden Augen ihrem humanoiden Ebenbild glich. Crt Sagia erhob sich überrascht von seinein Lager und warf dem Zeitgeber einen schnellen Blick zu. Kurt nach Millernacht. Um diese Zeit hatte sein Kollege Rber Dienst am Kluis. Wie konnte es dann geschehen, daß man ihn weckte? Er warf einen dünnen Mantel mit den Insignien seines Rangs über und schaltete die Verständigung ein. Die Verbindung mit dem Kluis kam sofort. Mit monotoner Stimme meldete sich das größte Rechenzentrum des telschen Imperiums. »Persönliches Erscheinen sofort erforderlich! Persönliches Erscheinen sofort erforderlich!« Unwillkürlich zuckte Crt Sagia zusammen. Sollte Rber etwas zugestoßen sein, er vielleicht gar nicht mehr leben? Etwas anderes konnte sich der Vankko kaum vorstellen. Sein Roboter tauchte vor ihm auf und legte ihm die erforderlichen Kleidungsstücke parat. Crt Sagia verschwand in seinen Hygieneräumen, kurz danach trat er in der Uniform eines Vankko wieder daraus hervor.
»Auf Kluis einstellen!« Knapp und präzise kam die Aufforderung. Er trat durch die flimmernde Transportfläche des aktivierten Transmitters und befand sich im nächsten Augenblick in dem am besten gesicherten Gebäude des Planelen Cromar. Hier stand der Kluis. Ein Schwebegleiter brachte den Vankko zum nächsten A-GravSchacht. Zu der mitternächtlichen Stunde war er allein unterwegs. In der Plussphäre des A-Gravs schwebte er nach oben. Im achtzehnten Stockwerk stieg er aus und ging dann schnell den Gang entlang. Nach einer letzter Identifizierung durch die /lo-Kontrolle öffnete sich die Tür zu dem Raum, in dem sein Kollege Rber arbeitete. Er stutze. Rber war nicht allein. Auch die Vankko Tgut und Jpart waren 264 265 bei ihm. »Sagia, wir warten noch auf Pdals.« Crt Sagia beschlich die Ahnung, daß sich etwas Ungeheuerliches ereignet haben mußte. Daß fünf Vankko im Kluis zusammenkamen, war in der Geschichte des Telin-Imperiums ohne Beispiel. Selbst in jenen dramatischen Stunden, als ein einziges Schiff der Terraner, dieser Rasse von Emporkömmlingen, ihre gewaltige Robotflotte vernichtete, hatten sich nicht mehr als drei Vankko im Kluis eingefunden. Hinter sich hörte er schnelle Schritte. Pdals eilte heran. »Wir werden nicht umhin können, den Vank in dieser Nacht zu stören!« Atemlos hörten die Vankko diese alarmierenden Worte von Rber. Bevor der aber weitere Informationen geben konnte, wurde er abrupt unterbrochen. Der Kluis sprach zu den anwesenden Vankko. Innerhalb unserer Sterneninsel sind einhundertzweiundachtzig Orte hochenergetisch geworden. Davon befinden sich drei im Einflußbereich des Telin-Imperiums! Die Stimme des Kluis klang monoton, fast leiernd. Der Versuch von drei Raumschiffen der 800-Meter-Klasse, einen der drei Orte, den Planeten Fj-887g anzufliegen, hatte den Verlust der Schiffe wr Folge. Planet Fj-887g ist laut Aufzeichnung ein atmosphäreloser Umläufer von 17.946 Kilometern Durchmes-
ser, mit einer Schwerkraft von 2,7 Gravos. Er wurde vor dreihundertelf Jahren zum letztenmal angeflogen: man verzichtete darauf, kartographische Aufnahmen w machen, da er mitsamt dem System völlig bedeutungslos schien. Seine exponierte Lage am Rande des Telin-Imperiums schließt die Möglichkeit nicht aus, daß fremde Intelligenzen nach unserem letzten Besuch dort Fuß gefaßt und unbemerkt ihre technischen Anlagen aufgebaut haben. Das Resultat der Wahrscheinlichkeitsberechnung lautet: 266 Mit 93,56 Prozent sind die Terraner die Konstrukteure der planetarischen Abwehranlagen, wie sie ebenso die Initiatoren der Generalprobe sind, die vor drei Zeiteinheiten an einhundertzweiundachtzig Orten gleichzeitig anlief. Die eintönige Stimme des Kluis verstummte. »Sind alle erforderlichen Daten verfügbar?« fragte Tgut den Vankko Rber. »Nein. In dreizehn Fällen verhindern Dunkelwolken und heiße Gaswolken die genaue Anpeilung der Orte. Aber dies tut den Berechnungen des Kluis keinen Abbruch!« Rbers Worte klangen scharf. Zweifel an der Wahrscheinlichkeitsberechnung des Kluis kamen für den jüngsten Vankko, der als einziger der Anwesenden darauf hoffen durfte, einmal Vank zu werden, nicht in Betracht. Crt Sagia, schon lange im Amt und durch die Ereignisse der letzten Zeit alarmiert, hielt dagegen: »Wenn der Vank eingeschaltet wird, stützt er sich nur auf die Berechnungen des Kluis und entscheidet dementsprechend einstimmig. Wohin das vor kurzer Zeit schon einmal geführt hat, wissen wir alle.« Rber schaute ihn mit eisiger Miene an. Sein Gesicht drückte tiefste Verachtung aus. »Auch Sie üben Kritik am Kluis, Sagia? Sie sympathisieren scheinbar mit der liberalen Strömung, die sich in letzter Zeit besonders unter den jungen Offizieren der Flotte breitmacht! Glauben Sie mir, diese frechen Abweichler werden in nächster Zeit vom Kluis zur Rechenschaft gezogen werden! Außerdem steht es Ihnen überhaupt nicht zu, über die Entscheidung des Kluis zu diskutieren!« Rber schaute die anderen Mitglieder angriffslustig an. Seine Gedanken standen ihm praktisch auf die Stirn geschrieben: Euch Weichlingen wird es noch vergehen, Zweifel am Kluis und seinen Befehlen zu äußern!
»Ich verlange Aufklärung darüber, was wir darunter zu verstehen haben, daß eine Beratung überflüssig sein soll«, unterbrach Jpart, der sich aufgerichtet hatte, Rbers Ausführungen. 267 Rber fühlte sich den anderen überlegen und zeigte dies offen. »Der Kluis hat entschieden. In diesem Augenblick wird der Vank informiert!« »Der Kluis...!« Crt Saglas Faust krachte auf die Platte des Schwebetisches. »Die Wonnen des Abgrundes mögen ihn aufnehmen!« Auf den Gesichtern der anderen Vankko stand es zu lesen: Hochverrat! Offene Kritik am Kluis war auch einem Vankko untersagt! In letzter Zeit passierte es allerdings in zunehmendem Maße, daß offene Opposition geübt wurde, ein im Telin-Imperium seit Jahrhunderten mit härtesten Strafen geahndetes Verbrechen! »Es ist mir bekannt, daß Wer Dro Cimc, der größte Verräter in der Geschichte des Telin-Imperiums, ein enger Vertrauter von Ihnen war, Sagia. Wir sind schon lange darüber informiert, daß er enge Kontakte zu den Oppositionellen unterhielt, die im Kluis eine Gefahr sehen, die zu beseitigen sei. Sagia, hüten Sie sich!« Rbers Gesicht war von Haß verzerrt, nur noch mühsam beherrschte er sich. Crt Sagia strich mit der flachen Hand über seine Auszeichnungen, die er für außerordentliche Verdienste erhalten hatte. Darunter befand sich auch der Trado, der seit Gründung des Imperiums nur viermal verliehen worden war. Er nahm den Orden ab und legte ihn in die ausgestreckte Hand. Er hielt sie Rber, der plötzlich etwas von seiner Selbstherrlichkeit verloren hatte, dicht vor die Nase. Als der dann auch noch sah, wie Saglas andere Hand die Strahlwaffe hochriß und auf ihn richtete, stieß er einen Schrei aus. Sein Gesicht wurde blaß, und wie zur Abwehr hob er die Hand. Angsterfüllt blickte der gerade noch so herrische Tel um sich. Die anderen Vankko rührten sich nicht. Sie durften sich nicht einmischen, denn das Recht war auf Crt Saglas Seite - das Recht, als Träger des Trado drei Personen töten zu dürfen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ein Recht, das aus den Anfangstagen des Telin-Imperiums stammte, aber auch ein Recht, das noch nie jemand für sich in Anspruch genommen hatte. Crt Sagia musterte Rber verächtlich und schob dann die Sirahlenwaffe zurück in die Halterung.
»Rber, Sie sind ein elender Feigling und ein verkommenes Stück Dreck! Den Trado und meine Strahlwaffe sähe ich tausendmal lieber in der Hand meines Freundes Dro Cimc, als daß ich Ihnen eines von beiden auch nur für einen Augenblick anvertrauen würde!« Die Augen von Jpart, Pdals und Tgut leuchteten voller Schadenfreude. Sie gönnten dem ehrgeizigen und skrupellosen Rber die Niederlage, die Crt Sagia ihm gerade bereitet hatte, aber sie begriffen auch, daß Sagia sich Rber dadurch endgültig zum Todfeind gemacht hatte. Und Rber hatte die Unterstützung des Kluis! Rbers Stimme klang schon wieder leicht triumphierend, als er höhnisch sagte: »Wir werden sehen, was der Vank zu Ihren Äußerungen meint, Sagia!« Die letzten Worte schien er regelrecht auszuspucken. Er empfand nur noch Haß für Crt Sagia, abgrundtiefen Haß. Wenn er an Saglas Stelle gewesen wäre, hätte er nicht gezögert, von seinem Sonderrecht Gebrauch zu machen! »Ich weiß, was ich tue!« erwiderte Sagia kalt und heftete sich den Trado wieder an, »und wenn ich eines Tages von einem bestimmten Recht Gebrauch gemacht und Sie den Wonnen des Abgrundes überantwortet habe, dann ist unser Imperium vor unermeßlichem Schaden bewahrt worden!« Die Drohung war unmißverständlich, und Vankko Crt Sagia war keine Person, die haltlose Drohungen aussprach. »Rber, stellen Sie uns doch einfach alle Unterlagen zur Verfügung, damit wir endlich erfahren, was draußen zwischen den Sternen wirklich passiert ist!« Jpart startete einen vergeblichen Vermittlungsversuch. »Alle Unterlagen sind auf dem Weg zum Vank!« schnarrte der ehrgeizige Politiker, und der feige Blick in seinen Augen ver 268 269 schwand. Bevor die restlichen Vankko ihrer Empörung Ausdruck verleihen konnten, kündigte ein Signalton eine weitere Meldung des Kluis an. Acht R-Schiffe der Großklasse sind beim Versuch, in das System Ot-2884s einwßiegen, über dem siebten Planeten, einer Methangaswelt. von bisher unbekannten planetarischen Forts vernichtet worden. Im System Ot-2884s liegt einer der besagten Orte mit extremer Energieproduktion.
»Da, sie greifen uns an, diese Terraner. Ebenso hinterhältig wie in der Stemenbrücke!« stellte Rber mit Genugtuung fest. Der Kluis schaltete eine Darstellung der 182 fraglichen Orte auf den großen Bildschirm. Das sieht nach einem zweifachen Halbkreis aus, dachte Sagia und vergaß fast die Anwesenheit der anderen. Der weite Halbkreis liegt beinahe genau hinter dem ersten, als solle er verhindern, daß durchgebrochene Raumschiffe ein Ziel in der Tiefe der Galaxis erreichen. Sagia schaltete auf eine andere Darstellung um. Plötzlich war zu erkennen, daß die Halbkreise nicht auf einer Ebene lagen, sondern eine Wellenlinie bildeten. Die Darstellung war ausgezeichnet, nur wies sie an vielen Stellen jene Einfärbung auf, die besagte, daß es sich hier um unbekanntes Gebiet handelte. »Hm... das sollen die Terraner geschaffen haben, ohne daß wir etwas davon bemerkt hätten? Das bezweifle ich stark!« Er blickte die anderen an, nur nicht Rber. »Warum nicht?« stellte Pdals fest. »Sie haben uns gezeigt, über welch ungewöhnliche Waffen sie verfügen, und der Kluis...« Sagia winkte ab. »Wir müssen den Göttern danken, daß es den Vank noch gibt. Diese Terraner, die wir überheblich Emporkömmlinge nennen, und denen wir in der Sternenbrücke zum erstenmal begegneten, sollen dies alles praktisch unter den Augen unserer Ortungsanlagen geschaffen haben?« 270 »Hat nicht ein einziges Schiff der Emporkömmlinge unsere gewaltige Robotflotte vernichtet? Das ist eine Tatsache, ebenso wie diese hundertzweiundachtzig Orte mit Energieerzeugung! Oder wollen Sie mir etwa unterstellen, ich hätte die beiden Meldungen fingieren lassen?« Rber ergriff wieder die Initiative. Die restlichen Vankko nickten zustimmend, wenn auch widerwillig. Sagia gab nicht auf. Erneut schlug er mit der Faust auf die Platte des Schwebetisehes. »Warum ist eigentlich niemals ernsthaft der Versuch unternommen worden, mit den Terranern ins Gespräch zu kommen? Nach der Vernichtung unserer Robotflotte habe ich das allein dreimal dem Vank vorgeschlagen. Aber jedesmal hat der Kluis unter Hinweis auf die niedrigen Werte seiner Wahrscheinlichkeitsberechnung dagegen votiert. Und der Vank orientiert sich immer am Rat des Kluis!«
»Eine erneute Bekanntgabe!« unterbrach Rber. Die monotone Stimme des Kluis ertönte: Der Vank hat soeben beschlossen, die Heimatwelt der Terraner w vernichten. Die Wers der Flotte haben bereits den Befehl erhalten, einen Angriffsplan innerhalb von dreißig Zeiteinheiten auszuarbeiten! »Das, Rber, ist Ihr Werk!« sagte Crt Sagia resignierend und erhob sich müde aus dem Sessel. »Ein Schiff der Terraner war in der Lage, unsere Robotflotte zu vernichten. Was bringen erst zehntausend Schiffe der Fremden fertig? Und mit welchen Waffen wird ihr System geschützt sein?« Rber erhob sich ebenfalls. Verächtlich stellte er die Frage: »Ich möchte nur einmal wissen, durch welche Verkettung unglücklicher Umstände man Ihnen den Trado verliehen hat?!« Da schlug Vankko Crt Sagia mit der flachen Hand zu. Mitten hinein in das grinsende Gesicht, das keine Zeit mehr bekam, Erschrecken zu zeigen.
271 Dan Riker verstand Dro Cimc nicht. Dieser Tel lachte; dieser Tel freute sich. Er freute sich so sehr, daß er unwillkürlich in seine Muttersprache gefallen war, die kein Mann in der Kommandozentrale der POINT OF verstand. Falluta war verzweifelt, und Leon Bebir nicht minder. Die Männer hinter den Ortungen waren ratlos, ihre Taster zeigten ununterbrochen Höchstwerte. Höchstwerte, die niemand begreifen konnte! Und dieser Tel freute sich über das Ungeheuerliche, das sie vor Sekunden erlebt hatten. Der energetische Schutzschirm über der rätselhaften Anlage war plötzlich verschwunden. Das mußte das Werk von Ren Dhark und Arc Doorn gewesen sein, aber was dann Momente später passierte, ließ ahnen, daß Dhark den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben hatte! »Dro, ich verstehe Ihr Lachen nicht!« rief Riker ihm zu, nachdem er noch einmal einen Blick auf die scheinbar überdrehten Instrumente geworfen hatte. »Ren ist in größter Gefahr, wie wir alle auf diesem Planeten, der plötzlich zu einem Energieungeheuer mutiert ist. Da...« Dan deutete auf die Bildkugel. »Sehen Sie sich doch nur diese eine Sonne an! Sie verändert sich.«
Dro Cimc lachte weiter. Auch das veränderte Aussehen der Sonne konnte daran nichts ändern. Der Schwarze Weiße war sich bewußt, daß er etwas beobachtet hatte, das den anderen entgangen sein mußte. »Riker...« Riker schob unwirsch Cimcs Hand fort, die auf seiner Schuller lag. »Warten Sie einen Augenblick!« knurrte er den Wer der Tel an und beugte sich vor. Die Instrumente zeigten wieder normale Werte an, sie pendelten sich ein. Dro Cimc starrte interessiert in die Bildkugel. Sie zeigte die 272 Sonnen dieses großen Systems. Und eine davon veränderte sich immer auffallender. Sie wurde dunkler, so als ob diesem gigantischen Atomofen Energie entzogen würde! »Grappa«, rief Riker ungeduldig durch die Zentrale, »immer noch keine genauen Angaben?« »Nichts. Ich habe gerade das Prüfprogramm gestartet. Es dauert einen Augenblick, bis sich alles wieder neu eingestellt hat. So einen Fall hatten wir noch nie!« Seine Stimme verriet Verzweiflung. Cimc wechselte seinen Platz und stand nun am Checkmaster, der ebenfalls seine Tätigkeit eingestellt hatte. »Sie wollen...?« setzte Falluta zu einer Frage an, wurde aber durch den Wer unterbrochen. »Ich möchte einen Versuch wagen, Falluta.« Schulterzuckend machte er ihm Platz. Sollte der Tel ruhig sein Glück versuchen. Erfahrung mit M-Technik hatten die schwarzhäutigen Fremden ja genug. In den wissenschaftlichen Abteilungen herrschte Ratlosigkeit. Die Astrophysiker konnten sich die Veränderung der einen Sonne nicht erklären. »Ihr wird Energie gestohlen!« hatte einer der Experten behauptet. Unvorstellbar! »Reden Sie keinen Unsinn!« hielt man ihm entgegen. »Ist durch das, was hier als Unsinn abgetan wird, nicht die Korona von Zwitt aufgebaut und stabil gehalten worden?« Vehement verteidigte der kleine Astrophysiker seine Theorie. Jens Lionel kam zu ihnen hereingestürmt. »Ich habe mit Riker gesprochen. Von Ren Dhark und Doorn keine Nachricht. Es ist unmöglich, über Funk mit ihnen in Verbindung zu treten.»
»Großer Himmel, was ist denn da passiert?« 273 Niemand konnte dazu etwas sagen, weil in allen Abteilungen die Tastergeräte blitzartig übersteuerten oder ausgefallen waren und jedem Versuch trotzten, sich wieder einpegeln zu lassen. Überall an Bord des Ringraumers wurden Notprogramme gestartet. Verzweifelt wartete die Besatzung auf das Ergebnis dieser Bemühungen. Miles Congollon, der leitende Ingenieur im Maschinensaal des Ringraumers, wies seine Leute an, die Bemühungen einzustellen. Jeder einzelne Plächenprojektor des Ringschiffes lag plötzlich unter einer derart starken Hyper-Isolationszone, daß sich nicht die kleinste Energiemenge emittieren ließ. Weder Brennkreis noch Brennpunkt konnten erzeugt werden; auch an eine Nottransition aus dem Stand war nicht zu denken. Jettt müßte Are hier sein, fluchte er in Gedanken und machte sich auf den Weg in die Kantine. Im Leitstand zeigte Falluta derweil unverhüllt sein Erstaunen über Dro Cimc. Der Tel hatte es fertiggebracht, den Checkmaster wieder zur Arbeit zu zwingen! Große Milchstraße, dachte Falluta, das hätte ich nicht geglaubt! Und plötzlich empfand er Bewunderung für den schwarzhäutigen Verbündeten der Menschen. Grünkontrollen flammten auf. Dan Riker kam trotzdem nicht zurecht mit den Werten, die ihm die Instrumente lieferten. Sie konn ten nicht stimmen, denn über diesem unbekannten Planeten war eine energetische Hölle entfesselt worden, doch nach den Anzeigen mußte draußen das Paradies sein. War die Aufgabe, die der Checkmaster zu lösen hatte, so schwierig, daß er soviel Zeit benötigte? »Dan, er arbeitet stark gebremst!« behauptete Cimc. Quälend langsam vergingen die Minuten. Dann endlich warf der Checkmaster nach langer Zeit die erste : 274 Meldung aus. Das galaktische Abwehrsystem hat Feuerbefehl erhalten! Jedes fremde Raumschiff, das in diesen Bereich kommt, hat mit schwersten planetarischen Angriffen w rechnen. Größte Gefahr für die POMT OF, weil sie nicht im Identitätssystem aufgeführt ist! Der Checkmaster war mit der Lösung der ihm gestellten Aufgaben erst zum Teil fertig. Ununterbrochen flammten seine Grün-
kontrollen auf, und hinter der blauen, nahtlosen Unitallverkleidung wurden weitere Berechnungen durchgeführt. »Hier, lesen Sie!« meinte Dro Cimc und reichte Riker die Folie. Verblüfft blickte der auf die Symbole. Dann bewegte er ruckartig den Kopf und sah den Tel fragend an. »Welche Fragen haben Sie dem Checkmaster sonst noch gestellt, Cimc?« Wer Dro Cimc schaute verblüfft. »Riker, läßt Sie der Begriff Galaktisches Abwehrsystem so einfach zur Tagesordnung übergehen? Wissen Sie denn nicht, was das bedeutet?« In der Zentrale breitete sich Stille aus. Plötzlich war der Tel zum Mittelpunkt geworden. Offenbar wußte er etwas über dieses galaktische Abwehrsystem. Dan Riker runzelte die Stim. »Spannen Sie uns doch nicht unnötig auf die Folter!« Cime, der die neugierigen Blicke der Zentralebesatzung auf sich ruhen fühlte, nahm im Pilotensessel neben Riker Platz. »Wir wissen nicht viel darüber. Wir haben nur herausgefunden, daß die Mysterious kurz vor ihrem Verschwinden ein galaktisches Abwehrsystem aufgebaut haben. In welchen Größenordnungen die Geheimnisvollen bauten, haben wir ja an Erron-1 gesehen. Mit Kleinigkeiten haben die sich nie abgegeben. Wir brachten vor rund zweihundertzehn Jahren in Erfahrung, daß es irgendwo in der Galaxis eine Doppelkette von Planeten geben muß, die von einer Zentrale aus gesteuert wird. Unsere Schiffe waren ununterbrochen auf der Suche nach diesen Anlagen, ohne sie jemals zu finden. Als 275 wir die Sternenbrücke entdeckten, glaubten wir, am Ziel zu sein, aber dann mußten erst die Menschen kommen, um Zwitt hinter seiner Sonnenkorona zu finden. Und Zwitt muß meiner Ansicht nach zu diesem Abwehrsystem gehören, denn nichts...« Der Checkmaster stieß die zweite Folie aus und unierbrach damit Dro Cimcs Erklärung. Nach aktuellen Informationen sind in der Zwischenzeit Schiffe der Tel im Abwehrfeuer planetarischer Forts vernichtet worden! Die beiden so verschiedenen Männer lasen die Meldung gemeinsam. Riker schaltete zur Funk-Z durch. Auf dem Bildschirm erschien Morris, der inzwischen wieder aus der Medo-Station entlassen worden war.
»Glenn, was ist los? Warum erfahren wir erst über den Checkmaster, daß Sie in der Zwischenzeit fremde Funksprüche empfangen haben?« raunzte Riker den Funkoffizier verärgert an. Morris' Stimme war im Leitstand zu hören. »Funksprüche, Riker? Wieso...? Wir haben keine Funksprüche empfangen. Können wir gar nicht, weil unsere Antennen unter einem Hyper-Isolationsfeld liegen. Da geht nichts raus, und da kommt nichts rein!« »Ja...«, entgegnete Riker. Mehr wußte er nicht zu sagen. Langsam drehte er sich zum Checkmaster um und betrachtete nachdenklich die unitallblaue Verkleidung. »Der? Nein, unmöglich! Der hat doch noch nie Funksprüche aufgenommen. Noch nie!« Wer Dro Cimc legte ihm die Hand auf die Schulter. »Dan Riker, wenn diese Nachricht stimmt - und warum soll sie nicht stimmen, denn bis zur Stunde habe ich noch kein Rechengehirn erlebt, das bewußt lügt - dann hat mit der Vernichtung von telschen Schiffen Terra meinem Imperium den Kampf angesagt!« In der Zentrale wurde es plötzlich ganz still. Krieg! Krieg mit den Tel!? Riker schluckte den Kloß herunter, der ihm plötzlich im Hals zu stecken schien. »Meinen Sie das ernst, Dro?« »Vollkommen ernst, Dan.« Gleichzeitig drehte er sich zu den anderen Offizieren um, die erst langsam die Aussage des Tel verarbeiten mußten. »Sie können sich gar nicht vorstellen, was es für mein Imperium bedeutete, zu erkennen, daß es zwischen den Sternen noch eine zweite humanoide Rasse gibt, die es fertigbrachte, unsere Station in der Stemenbrücke zu vernichten und alle unsere Raumer in diesem Bereich verschwinden zu lassen. Es traf den letzten Tel wie ein Schock, und dieser Schock löste große Haßgefühle gegen die uns bisher unbekannten Terraner aus. Ich bin davon überzeugt, daß der Vank in der Aktivierung des galaktischen Abwehrsystems der Mysterious einen Angriff gegen das Telin-Imperium sieht. Mit anderen Worten: Man wird versuchen, Terra mit einem einzigen Feuerschlag zu vernichten. Der Vank wird so handeln müssen. Der Kluis, unser großes, allmächtiges Rechengehirn, wird ihm die Empfehlung für diesen Schritt geben.« »Himmel«, rief Riker aus, der Cimcs Worte plötzlich sehr ernst nahm, »in welcher Größe haben wir uns denn dieses galaktische Abwehrsystem vorzustellen? Was wissen die Tel darüber?«
»Nichts Genaues, leider. In unserem Besitz befindet sich nur eine Folienkarte, auf der sich ein einziger Hinweis auf dieses System befindet. Die Folienkarte kennzeichnet hundertzweiundachtzig Sonnensysteme, die in einem doppelten Halbkreis liegen. Jeweils ein Planet wurde zur Abwehranlage ausgebaut, welche die Energie des Zentralgestirns nutzen kann. Nach den Schätzungen unserer Experten soll das System in der Lage sein, ein Drittel der Milchstraße zu sperren!« In vielen Augen war Unglaube zu lesen. Auch Riker schüttelte den Kopf. »Hundertzweiundachtzig Planeten, die in einem doppelten Halbkreis angeordnet sind und ein Drittel der Galaxis absperren können, Cimc? Das sind ein paar Planeten zu wenig. Ein paar tau 276 277 send sogar...« »Tatsächlich? Hundert Planeten, als Sperriegel ausgebaut, wären mehr als genug, um ein Drittel der Galaxis zu sperren, Riker. Hin und wieder denken Sie immer noch in terranischen Dimensionen.« Der Tel richtete sich zu voller Größe auf. Er war Wer; seine Stellung war mit der eines Generals der TF zu vergleichen, nur daß die Einheiten, die er befehligt hatte, um ein Vielfaches größer waren als der Gesamtbestand der Schiffe der Terranischen Flotte! »Erinnern Sie sich an Planet l, der von den Geheimnisvollen zu einer einzigen Antenne gemacht wurde. Und dann erinnern Sie sich daran, was wir, die Tel, vor zweihundertzehn Jahren erfuhren. Diese Abwehrplaneten beziehen die Energie von ihrer Heimatsonne! Von einer Sonne, Dan Riker! Uneingeschränkte Energie, Energie, die immer verfügbar ist! Und diese Energien kann man leicht durch den Hyperraum an jeden beliebigen Punkt zwischen den Sternen befördern. Sind Sie nun nicht auch meiner Meinung, daß diese hundertzweiundachtzig Planeten ausreichen, um ein gutes Drittel der Milchstraße zu sperren?« Mit der Kraft von 182 Sonnen! Das überstieg menschliches Vorstellungsvermögen! »Wer, wenn Ihre Experten eine Sternenkarte der Mysterious mit dieser Sperranlage fanden, warum haben sie dann in diesen mehr als zweihundert Jahren die Sperrsysteme selber nicht entdeckt? Aus der Karte müßte die Position der Sonnen und ihrer Planeten doch hervorgehen.«
»Das war leider nicht der Fall. Glauben Sie mir, wir haben alles unternommen, um diese unglaubliche Anlage autzufinden. Und nun, zweihundertzehn Jahre nach dem Fund der Karte, kommt ihr Terraner uns zuvor. Dabei ahnt ihr noch nicht einmal etwas von diesem System, seid vollkommen unwissend! Aber jetzt ist das Schlimmste eingetreten, was unseren beiden Völkern passieren konnte: Tel-Schiffe wurden von dem System vernichtet, und der Vank muß glauben, daß diese Vernichtung auf das Konto Terras 278 geht. So wie ich den Vank und den Kluis einschätze, ist schon längst der Befehl heraus, Terra anzugreifen und zu vernichten. Und, Dan, ich ahne Ihre Frage fast schon, und ich kann sie Ihnen nicht verdenken. Nein, ich habe, seitdem ich an Bord der P01NT OF Gast Ihres Volkes geworden bin, keinen Versuch unternom men, die galaktische Position Terras zu verraten! Und genausowenig werde ich die Position meines Zentralsystems verraten! Ich bin kein Verräter an meinem Volk. Einzig und allein der Kluis ist mein Feind!« »Dro, ich danke Ihnen. Auch dafür, daß ich die bewußte Frage nicht stellen mußte.« Riker glaubte dem Tel, der ein Freund geworden war, jedes Wort, er sah keinen Sinn darin, an dessen Aussage zu zweifeln. Plötzlich zuckte er zusammen. Er hatte sich an etwas erinnert. Im nächsten Augenblick stand die Verbindung zur astronomischen Abteilung. »Lionel, Dhark und ich haben doch damals auf dem Planeten Mirac in einem Flash, der in gewachsenem Fels verborgen lag, Sternenkarten gefunden. Sie mit Ihren Kollegen konnten damals nicht viel damit anfangen. Bitte kommen Sie mit den Karten sofort in den Leitstand!« Kurz darauf trat Lionel ein, in der Hand einen Stapel Folien. »Cimc, haben Sie die Karte, die Ihre Experten vor zweihundert Jahren gefunden hatten, schon einmal gesehen?« »Ja!« kam die knappe Antwort. Fragend schaute der Tel zwischen Riker und Lionel hin und her. »Dann werfen Sie mal einen Blick auf diese Karte!« Der Tel legte die ersten Karten verneinend zurück, bei der fünften stutzte er und deutete dann ungläubig auf die Darstellung. »Das ist sie. Hier, unverkennbar die beiden hintereinanderliegenden Halbkreise!« Der Tel konnte es nicht fassen.
Jens Lionel warf einen Blick auf die Folie und machte ein unglückliches Gesicht. »Das ist gerade eine der Karten, mit der wir gar nichts anfangen konnten. Sie ist so verschlüsselt, daß sie außer 279 hundertzweiundachtzig Sonnen mit hundertzweiundachtzig Planeten nichts angibt... aber was ist denn? Was habe ich denn gesagt, daß man mich plötzlich so anstarrt?« Riker trat freudestrahlend auf ihn zu. »Sie haben nichts Falsches gesagt, Jens. Nein, im Gegenteil, Sie haben uns sehr geholfen. Aber gehen Sie doch bitte einmal davon aus, daß eine dieser hundertzweiundachlzig Sonnen eine dieses Systems ist, in dem wir uns gerade aufhalten. Könnten Sie dann mehr aus dieser Sternenkarte herauslesen?« Lionel zuckte mit den Schultern. »Wir werden es versuchen, doch versprechen kann ich Ihnen nichts, und schnell ist der Auftrag auch nicht zu erfüllen. Bedenken Sie nur, wieviel Möglichkeiten wir haben. Wir...« Der Rest des Satzes ging in einem feinen Gemurmel unter, als der Bordastronom in ein Selbstgespräch verfiel. Er zog seinen Folienstift aus der Tasche und notierte sich verschiedene Werte. Dann raffte er die Karten zusammen und verließ die Zentrale, ohne sich noch einmal um Riker oder den Tel zu kümmern. Riker sah ihm nach und grinste. »Ja, ja, unsere Wissenschaftler...!« Augenzwinkemd sah er den Tel an. Der Bordastronom war entlassen, und die Besatzung des Ringraumers wartete weiter. Riker warf einen Blick auf das Chrono. Seit mehr als drei Stunden befand sich Ren Dhark mit Arc Doorn in dem geheimnisvollen Areal, und seit drei Stunden war keine Meldung mehr von ihnen eingegangen. »Sollten wir nicht langsam eine Einsatzgruppe losschicken?« schlug Dro Cimc vor. »Seit einer Ewigkeit ist nichts mehr passiert.« »Zu früh!« sagte Riker und nahm wieder im Pilotensitz Platz. »Gerade weil nichts mehr passiert ist, glaube ich nicht daran, daß sich Dhark und Doorn in Gefahr befinden.« Das Brüllen und Grollen in der Station war unvermindert stark zu hören. Planet Cut-out hatte reagiert! Zwei der siebzehn Sessel vor der halbkreisförmig gebogenen Instrumentenkonsole waren besetzt. Der Commander und der Sibirier saßen nebeneinander und wußten nicht mehr, was sie noch
versuchen sollten. Eine Sicherung planetarischen Formats war herausgeflogen, und sie fanden die Steuerschalter-Kombination nicht, um sie wieder hereinzudrücken! Cut-outwaraktiv! Cut-out bezog Energie von einer Sonne! Zum hundertstenmal hatte sich Ren Dhark gefragt, wozu diese unvorstellbar großen Energiemengen verwendet wurden, aber eine Antwort auf diese Frage hatte er nicht gefunden. Und die Zentrale zu verlassen, trauten sie sich nicht. Sie wollten nicht noch einmal Bekanntschaft mit den Konstruktionen machen, die nur schnöden Unrat in ihnen gesehen hatten. »Wir haben schon seit einer halben Ewigkeit keine Verbindung mehr mit dem Schiff. Sollen wir nicht...?« Dhark schüttelte den Kopf, sagte aber kein Wort. Sein Wissen von Erron-3 mußte ihm weiterhelfen. Aber hatte er von den vielen Millionen Mentcaps, die dort im Archiv gespeichert waren, wirklich die allerwichtigsten eingenommen, oder hatte ihm das Archiv eine Reihe der weißen Kügelchen vorenthalten - trotz Befehls über die Gedankensteuerung? »Was gibt's?« fragte Arc Doorn, der den Blick seines Chefs nicht deuten konnte. Abermals gab ihm der Commander keine Antwort. Was hatte er übersehen? Was war so wichtig gewesen, daß es unbedingt hätte beachtet werden müssen? Doorns Hand klatschte auf die Lehne seines Schwebesessels: »Dhark, ich halte dieses Warten nicht mehr aus. Ich...« Er kam 280 281 nicht dazu, seinen Satz zu beenden. »Are, wir müssen noch einmal raus zu den Robotern...« Dhark flüsterte regelrecht. Das sah der Sibirier nicht ein. »Hier haben wir den Fehler gebaut, und hier müssen wir den Fehler finden. Was wollen wir draußen bei der großen Kugel und den Robolmonstern, gegen die wir so gut wie machtlos sind? Haben Sie vergessen, daß die Roboter uns zweimal als Abfall eingestuft haben und uns eliminieren wollten? Warum lassen Sie nicht den gesamten Versuch rückwärts laufen, dann müßte doch automatisch der alte Zustand wiederhergestellt werden.«
Dhark schaute den Sibirier, der sich sonst so gut in fremde Technik hineindenken konnte, bedauernd an. »Are, wir können nichts rückgängig machen. Zwei Ereignisse von außen haben die gesamte Schaltung umgestellt. Ich bin auch erst gerade darauf gekommen. Nach Terfin-B-Gol...«, und plötzlich benutzte er eine Fachsprache, die der Sibirier nicht mehr verstand. Atemlos lauschte der bullige Mann mit dem grobporigen Gesicht. Nur hin und wieder begriff er einiges von dem, was ihm der Commander zu erklären versuchte. Doch als dieser unentwegt die fremde Terminologie benutzte, unterbrach er ihn. »Dhark, ich verstehe ja schon viel, aber momentan kapiere ich nichts mehr!« Der Commander zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, Are. Für diese Ausdrücke gibt es keine Übersetzung. Und für das hier...«, mit der Hand machte er eine Bewegung, die die gesamte Steuerkonsole umfaßte, »... gibt es aller Wahrscheinlichkeit nach auch kein Gegenstück. Ich habe eine Sicherung herausfliegen lassen, ohne mir darüber klar zu sein, was ich anrichte!« Schlagartig wurde sein Gesicht auffallend blaß. Er legte die Hand gegen die Stirn und murmelte Worte, die Doorn nicht verstehen konnte. »Kommen Sie mit! Sie müssen mir jetzt helfen, Are.« Die beiden Männer gingen fast bis ans andere Ende der im 282
Halbkreis aufgebauten Instrumenten- und Steueranlage.
Vor einem Bildschirm blieben sie stehen. »Sehen Sie sich das an! Woran erinnert Sie das, Doorn?« Der hatte schon auf der Zunge liegen: >Afi gar nichts.'^ als ihm blitzartig etwas klar wurde. »Das ist... das sieht so aus... das könnte... mein Gott, das ist ja eine der Stemenkarten, die Sie auf Mirac gefunden haben, und mit denen hinterher kein Mensch etwas anfangen konnte. Nicht einmal unsere Astronomen!« Dhark nickte. »Das hätten wir schon vor ein paar Stunden wissen müssen, aber ich selbst bin auch eben erst darauf gekommen.« Der Bildschirm war samtschwarz wie der Weltraum zwischen den Sternen, wo keine Sonnen ihn mit ihrem Licht aurhellen. Doch in der samtenen Schwärze standen in einem doppelten Halbkreis winzige Punkte in fast regelmäßigem Abstand voneinander: Doppelpunkte, von denen jeweils der eine zehnmal größer war als der andere.
»Und wie geht's jetzt weiter?« fragte Arc Doorn, der immer noch nicht begriffen hatte, was der Commander eigentlich wollte. »Mensch, Are!?« Dharks Hand zeigte auf eine dreifache Instrumentenreihe. »Haben Sie jetzt verstanden?« Der Sibirier, der normalerweise schnell Kontakt zu fremder Technik fand, zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich kann Ihnen nicht folgen, Dhark. Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen,« sagte er ehrlich. »Ich verstehe Sie einfach nicht!« »Dann passen Sie auf.« Dhark nahm im Sessel Platz, legte seine Fingerkuppen auf einige Steuerschalter und brachte sie in andere Positionen. »Achten Sie auf die Instrumente, besonders auf das Prä-Gerät.« Beide kamen nicht dazu, das Experiment fortzusetzen. Hinter ihnen war das Schott zur Galerie aufgesprungen! Der Höllenlärm der Station brandete ungehindert in die Zentrale herein. Doch keiner der beiden Männer achtete darauf. Ren Dhark war aufgesprungen, und wie Doorn hielt er in jeder Hand einen 283 Biaster. Eine Gruppe Roboter stampfte herein! Maschinenkonstruktionen von ungefähr zwei Metern Größe, die ein entfernt humanoides Aussehen hatten. Daß in der Zentrale zwei fremde Personen anwesend waren, schien die Maschinenwesen nicht zu interessieren. Aufatmend stellten die Terraner fest, daß ihr »Besuch« zumindest keine sichtbaren Waffen aktiviert hatte. Hinter dem letzten Roboter schloß sich das Schott; der Geräuschpegel in der Zentrale wurde wieder erträglich. Ren Dhark hielt ebenso den Atem an wie Arc Doorn. »Siebzehn Roboter!« flüsterte er seinem Begleiter ins Ohr. Und hier standen siebzehn leere Schwenksessel. »Ja, schöner Saturn, haben Sie die hereingerufen, Dhark?« platzte der Sibirier heraus. »Wenn ich das wüßte!« Dhark trat zur Seite, als die Konstruktionen herankamen und vor den Sesseln an der Konsole Aufstellung nahmen. Auch vor seinem Sessel, von dem aus er vor kurzer Zeit noch Schaltungen vorgenommen hatte, stand nun ein Roboter. Die zwei Terraner, die längst wieder ihre Biaster weggesteckt hatte, verfolgten staunend die Schaltungen der Metallkonstruktionen. Plötzlich wurde das Brüllen und Donnern noch lauter. Draußen in dem gewaltigen Raum mit seinen bizarren Leitungssystemen und der riesigen Kugel schien alles dem Untergang entgegenzura-
sen. Um sich weiter verständigen zu können, schlössen Dhark und Doorn ihre Klarsichthelme und schalteten Helmfunk ein. Die Roboter nahmen die beiden Eindringlinge, die sich mittlerweile zwischen sie gedrängt hatten, um ihre Aktionen besser verfolgen zu können, auch weiterhin nicht zur Kenntnis. »Are, sie schalten alles noch höher. Sie...« Dhark hielt sich ungewollt an seinem Begleiter fest. Eine Sonne dieses Systems wurde angezapft. Über den Hyperspace holten sie die Energie herunter! Verlustfrei lief sie ein! Dieses so verrückt aussehende Rohr- und Leitungssystem! Mit einem Schlag verstand er die Bedeutung dieser gigantischen Anlage. Durch dieses Leitungssystem wurde Sonnenenergie nicht nur hereingeführt, sondern auch umgeformt, abgeschirmt und abgekühlt! In dieser Station wurde mit entfesselten Energien gespielt, wie Kinder auf Terra mit einem Ball spielten! Er hörte Arc Doorn keuchen. Der hatte auch begriffen, welche Bedeutung die Rohranlage draußen hatte. »Diese Mysterious... Commander, ich verstehe Sie nicht, daß Sie in diesen Burschen immer noch so etwas wie unsere Freunde sehen. Sie dürften gar nicht Mysterious heißen, sondern Eeries, die Unheimlichen. Mir sind sie mehr als unheimlich. Manchmal habe ich sogar Angst vor ihnen.« Aber Dhark hörte nicht zu. Fasziniert schaute er den lautlos arbeitenden Roboter zu, obwohl er keine Ahnung hatte, warum sie die Leistung dieser Anlage noch höher geschaltet hatten. Sein Blick fiel auf den nächsten Bildschirm. »Doorn, schnell, kommen Sie!« schrie er über Helmfunk und winkte den Sibirier zu sich heran. Das Bild auf'dem Schirm hatte sich vor Sekunden verändert. Die Televergrößerung mußte auf das Millionenfache gegangen sein. Über dem winzigen Ausschnitt eines Planeten waren Doppelkugelraumer der Tel zu sehen, die von fürchterlichem Strahlteuer vernichtet wurden! Schiff auf Schiff platzte auseinander, um dabei zu einer grell leuchtenden Sonne zu werden, die sich nach allen Seiten schnell ausdehnte. »Ob das alles von hier aus gesteuert wird?« Arc Doorn ahnte nicht, was er mit dieser Frage in seinem Commander auslöste. Dem fiel es wie Schuppen von den Augen. Die Stemenkarte, die sie auf dem Planeten Mirac im versteckten Flash gefunden hatten! Die gleiche Stemenkarte dort hinten auf einem Bildschirm!
Und auf diesem Schirm die Vernichtung eines Raumerverbandes der Tel, der aus mehr als fünfzig Einheiten bestand! »Zwitt!« Das war kein Hinweis, das klang fast wie ein Verzweiflungsschrei! Im Mittelpunkt des Planeten Zwitt hatten Parakräfte den Commander zum Checkmaster gemacht. Er war willenlos geworden und hatte das tun müssen, was man ihm auftrug. Er hatte mit dem Hy-Kon einen Flottenverband der Schwarzen Weißen verschwinden lassen! »Großer Himmel, Dhark, was ist mit Ihnen los?« Am neunten Sessel von links drängte sich der Commander an einem Roboter zur Instrumentenkonsole vorbei. Er griff über dessen Metallarme und Hände hinweg einfach in die Steuerschalter hinein. Die Konstruktion hinderte ihn nicht. Ren Dhark handelte und arbeitete wie unter Zwang, aber es war nicht jener ausweglose Zwang, der ihn in Zwitt zum Checkmaster hatte werden lassen. Sein ganzes Tun wurde von seiner Initiative gelenkt. Abschalten! Alles abschalten! Er mußte der gnadenlosen Vernichtung der Tel-Raumschiffe ein Ende machen! Und alles tun, damit der Prallschirm über der Station nicht mehr erstellt werden konnte. Dhark sah nicht, wie die Maschinenkonstruktionen ihre Tätigkeit einstellten und unbeweglich vor den siebzehn Sesseln verharrten. Sechste Steuerschalter-Kombination. Der Commander der Planeten führte sie mit nachtwandlerischer Sicherheit durch! Wissen von Erron-3! Er hatte lange gebraucht, um damit vertraut zu werden und aus diesem Wissen etwas zu machen. Jetzt konnte er es anwenden! Er schaltete das galaktische Abwehrsystem der Mysterious wie 286 der ab! Er schaltete die Zapf strahlen aus, mit denen Sonnen ihre Lebensenergie gestohlen wurde. Er war sieh plötzlich klar, welche Eigenschaften diese Strahlen hatten, mit denen Sonnen angezapft werden konnten. Technische Begriffe wirbelten durch seinen Kopf, die außer Dan Riker kein einziger Mensch verstand. Siebte Steuerschalter-Kombination!
Er sah zehn, zwanzig Instrumente mit einem Blick, und er vergaß nicht, welche Werte sie anzeigten. Er vergaß auch die Roboter nicht! Ihr Erscheinen und ihr programmiertes Handeln hatten endlich den Schleier vor seinem Bewußtsein zerrissen, der ihn so lange daran gehindert hatte, zu handeln. Achte und letzte Steuerschalter-Kombination! Abrupt brach der Höllenlärm in der gigantischen Halle mit der riesigen Kugel und den bizarren Rohrleitungen ab. In der Zentrale herrschte herrliche Stille, und dies, obwohl auch das Schott auf der Galerie plötzlich wieder offenstand! Die beiden Männer klappten die Helme fast gleichzeitig nach hinten. »Are, die Sicherung ist wieder drin!« Der Commander lachte wie ein kleiner Junge, der in letzter Minute seinen eigenen Streich wieder aus der Welt geschafft hat. »Eine nette Sicherung! Einen Planeten als Sicherung zu nehmen! Auf solche Gedanken können nur Mysterious kommen!« Wenn der Sibirier sie verflucht hätte, hätte es nicht anders geklungen. Er mochte sie nicht, die Geheimnisvollen! Sie lagen ihm schon seit Hope im Magen! Und er war im Innersten überzeugt, daß sie identisch waren mit den Grakos, der Geißel der Galaxis! Ein Stoß schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. »Träumen Sie nicht, Are! Jetzt müssen wir nur noch das Schaltpult finden, über das dieser Planet vor unerwünschten Besuchen geschützt wird.« Arc Doorn grinste nach langer Zeit endlich wieder. »Warum so 287 kompliziert, wenn es vielleicht einfach geht? Sie beherrschen doch die Sprache der Mysterious. Warum geben Sie den Robotern nicht den Befehl, Ihnen das Schallpult zu zeigen. Es wäre doch nett von den Blechkameraden, wenn sie die Suche für uns erledigten.« Ren Dhark blickte erst den Sibirier sprachlos an und dann in Richtung auf das offene Schott, wo er meinte, eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Sie waren wieder als Müll eingeordnet worden! Der Körper eines plump geformten Maschinenwesens erschien in der Schottöffnung, füllte sie jetzt vollständig aus. Die Abstrahlpole der beiden Strahlwaffen flimmerten, jeden Augenblick konnten sie die tödliche Energie emittieren. Die beiden Männer standen wie erstarrt.
Aus! Ende! Nach all den Mühen jetzt doch noch alles umsonst! Bevor Dhark und Doorn nach ihren Waffen greifen konnten, explodierte der Reinigungsroboter unter dem Beschuß der anderen Roboter. Drei Maschinenwesen rasten zum Schott, dabei versprühten sie eine den beiden Männern unbekannte Flüssigkeit, die als zäher Nebel zwischen ihnen und dem zerstörten Roboter in der Luft stehenblieb. Arc Doorn, der mit harter r-Strahlung rechnete, blickte verwundert auf die Instrumente seines tragbaren Ortungsgerätes, denn je länger der neblige Film in der Luft stand, um so schneller sanken die r-Werte ab, bis sie so schwach waren, daß sie keine Gefahr mehr darstellten. Die siebzehn Roboter hatten die beiden Terraner akzeptiert. Einer der Roboter führte den Commander auf dessen Anweisung zu einem Schaltpult. »Doorn, kennen Sie genau die Schwingungsfrequenzen unserer S-Kreuzer?« Ohne weiter nachzudenken, rasselte Doorn die Daten herunter. Erst dann schaute er den Commander verwundert an. »Wozu...?« Dhark hatte in einem der Sessel Platz genommen, und zu seinem Staunen hörte Doorn ihn die Werte in der Sprache der Geheimnisvollen wiederholen. »So«, sagte der Commander, als er sich wieder nach seinem Begleiter umdrehte, »von nun an werden die erbeuteten S-Kreuzer und unsere eigenen Tofirit-Raumer ohne Schwierigkeiten hier landen und starten können, ebenso die POINT OF. Wir sind jetzt registriert. Übrigens eine Maßnahme, die wir zum Schutz des Sonnensystems übernehmen sollten und... Doorn, warum schütteln Sie jetzt den Kopf?« »Weil ich daran denke, was das wieder alles kosten wird. Und ich kann mich noch gut daran erinnern, was Sie von Ihrem letzten Gespräch mit dem Finanzminister berichteten, Dhark!« Trocken lachte der weißblonde Mann auf. »Sie haben recht. Wir haben einige finanzielle Probleme. Aber wer sagt denn, daß meine Idee sofort umgesetzt werden muß? Außerdem könnten wir durch diese Absicherung an anderer Stelle bestimmt eine Menge Geld einsparen. Aber damit sollen sich besser die Experten auseinandersetzen.
Übrigens, Are, haben Sie schon einmal versucht, wieder Verbindung mit der POINT OF zu bekommen?« Das war typisch für den dynamischen Commander. Doorn warf ihm einen Blick zu, der Bände sprach, dann nahm er sein Spezialvipho und rief das Flaggschiff. Sofort meldete sich Walt Brugg aus der Funk-Z, der inzwischen auch wieder fit war. Er schaltete zur Zentrale durch, und auf der kleinen Bildscheibe tauchte Rikers Gesicht auf. Dhark übernahm. Aufmerksam hörte er zu. Nur einmal unterbrach er seinen Freund. »Was? Dro hat die Befürchtung, die Tel könnten aufgrund der letzten Ereignisse einen Angriff gegen Terra starten?« Er erinnerte sich, wie erst vor wenigen Minuten über irgendeinem Planeten des galaktischen Abwehrsystems ein Verband von 288 289 mehr als fünfzig Doppelkugelraumem vernichtet worden war. »Wir versuchen, so schnell wie möglich zurückzukommen. Falls wir nicht aufgehalten werden« - Dhark dachte kurz an die Roboter, die sie als Abfall eingestuft hatten — »sind wir in einer Stunde wieder an Bord.« Sie trafen viel früher ein, denn Arc Doorn entdeckte den kleinen Transmitter, der sie zu dem Transmitterraum schaffte, durch den sie diese Anlage auf Cut-out erreicht hatten. Ren Dhark hatte in seiner Kabine mit Wer Dro Cimc und Dan Riker eine wichtige Unterredung. Sie dauerte nicht lange. »Dro, wenn Sie befürchten, daß das Telin-Imperium Terra angreift, dann bleibt Ihnen jetzt nichts anderes übrig, als uns die Position Ihrer Hauptwelt anzugeben. Ich will mit dem Vank verhandeln. Und ich möchte Sie als Dolmetscher dabeihaben. Wie ist Ihre Meinung dazu? Meinen Sie, wir haben eine Chance?« Wer Dro Cimc schüttelte den Kopf. »Ren, Sie kennen den Vank nicht. Mär Cooze, Tra Lrer und Orle Sedaft sind keine politischen Persönlichkeiten, sondern jeder ein Nichts, der nie ein Risiko eingehen v/ürde. Ich verrate Ihnen und Dan nichts Neues. Wir Tel werden durch den Kluis regiert. Der Vank führt ein Schattendasein, und die Vankko haben keine Handlungsvollmacht. Sie werden bei Ihrem Vorhaben nur in größte Schwierigkeiten kommen.« »Als Vertreter Terras?« Zweifelnd blickte Dhark den Tel an.
Dro Cimc lachte. »Terranische Ethik ist nicht telsche Ethik. Sollen wir euch in allem gleichen, nur weil wir etwa so aussehen wie ihr Terraner? Ren, ich warne Sie als Freund, in der jetzigen Situation Telin aufzusuchen!« Auch Dan Riker war mit Rens Idee nicht einverstanden. »Ren, bedenke, daß die Tel immer noch glauben, daß wir für 290 den Untergang ihrer Robotflotte verantwortlich sind!« Dharks Freund dachte in diesem Augenblick nicht daran, daß Dro Cirnc bislang nicht die wirklicher. Hintergründe über die Vernichtung der telschen Flotte kannte. Der Tel schaute verwundert von Riker zu Dhark. Dhark seufzte. »Dro, ich muß Ihnen ein Geständnis machen. Ein Geständnis, was vielleicht Ihr Weltbild und Ihr Verhalten uns gegenüber verändern kann.« Und Dhark erklärte dem Tel den Zusammenhang zwischen der Vernichtung der Tel-Flotte und den Synties, jenen rätselhaften Energiewesen, die im freien Raum in den Weiten des Universums lebten. Als Dhark geendet hatte, schaute ihn der Tel ruhig an. »Jetzt weiß ich, daß Sie aufrichtig sind und ein echter Freund! Sie haben sich in meine Hand begeben. Als Vertrauensbeweis gebe ich Ihnen jetzt im Gegenzug die Position Cromars bekannt.« »Cromar, ist dies Ihre Hauptwelt?« fragte Dhark interessiert nach. »Ja, die Hauptwelt des Telin-Imperiums. Eines Imperiums mit 13.227 Planeten.« Und dabei leuchteten Cimcs Augen sehnsüchtig auf. »Cimc, dürfen wir die Position Ihrer Heimatwelt weitergeben? Nur für den Ernstfall!« Riker hatte gefragt, weil er sich vorstellen konnte, was sein Freund plante. Dhark wollte aufbegehren. »Du bist jetzt einmal ruhig, Ren, ich rede. Und zwar als Chef der TF! Ich sage es nicht gerne, aber wir brauchen eine Rückversicherung. Wenn du schon auf dich keine Rücksicht nehmen willst, immer selbst an vorderster Front kämpfen mußt, dann denke wenigstens an die Besatzung unseres Raumers und deren Angehörige auf Terra. Und...« Dans Stimme wurde leise und sanft. Er wußte, wo er seinen Freund packen konnte: »Denk an Joan!« Dhark zuckte zusammen und schaute dann fragend zu dem Tel.
291 »Riker hat recht, Dhark. Ich sage es nicht gerne, aber ich traue dem Vank und dem Kluis nicht über den Weg!« »Okay, Dan, unternimm alles Notwendige!« Ren Dhark hatte sich den überzeugenden Argumenten gebeugt. Damit war die Unterredung in seiner Kabine beendet. Kurz darauf ging ein To-Funkspruch nach Erron-1 ah. Dan Riker sprach lange und ausführlich mit Colonel Sally Goodtime, der Kommandantin des Ringraumers LUXOR. Die hochdekorierte Frau war inzwischen mit ihrem Geschwader von zwanzig S-Kreuzem auf der Raumstation eingetroffen. Danach schwieg der Sender der POINT OF; Anrufe von Erron-1 beantwortete das Schiff nicht mehr. Drei S-Kreuzer jagten durch das Universum: die D-120, 121 und 122. Drei Ringraumer, die sich von anderen Ringraumern nicht unterschieden. Und dennoch stellten sie ein Novum innerhalb der TFdar. Es waren die ersten robotisch bemannten Raumer, mit denen der Stab der Terranischen Flotte einen heißen Einsatz wagte, nachdem die Tests zufriedenstellend ausgefallen waren. Auftrag: Die starken und häufigen Strukturerschütterungen im Spiralarm Il/a näher untersuchen! Auf jedem Schiff flogen als oberste Befehlsinstanz fünf Offi ziere mit, zwei Veteranen der TF und drei junge Offiziersanwärter. Die beiden Altgedienten hatten den Auftrag, alles genauestens zu dokumentieren und zu beobachten. Die Anwärter sollten Erfahrungen sammeln, um in Zukunft selbst als Kontrolloffiziere Dienst auf Robotringraumem zu versehen. Bei den menschlichen Begleitern herrschte Langeweile. Pannen passierten nicht, und auch draußen im Weltall war bislang noch nichts Aufregendes geortet worden. Auf allen drei Schiffen erledigten die Roboter ihre Aufgaben so hervorragend, daß die Offiziere ihre Kontrollberichte nur noch abhaken mußten. Anmerkungen konnten sie sich sparen! In der D-121 klang die Verständigung auf. »Da-1 an Kommandant!« Da-1 war der koordinierende Roboter. Laut Programmierung rangierte er an Bord als Erster Offizier . »X-Zeit läuft. Transition in 25 Sekunden. Sprung über Grün. Distanz 3.264 Lichtjahre.«
Caicul, der offizielle Kommandant des S-Kreuzers, der in der Kantine mit den anderen Offizieren eine Routinebesprechung abhielt, schaute auf sein Chrono. Homer Forome, sein Freund und Partner, schaltete den großen Bildschirm um. Die Stemenkarte der Milchstraße erschien. »Über Grün?« murmelte Forome, ein quicklebendiger Mann aus der Gascogne. »Dann stehen wir ja bald weit hinter II/a.« Mit dem Leuchtstift deutete er auf das Ziel des Ringraumers. Caicul, dessen Urgroßvater ein Belgier war, winkte ab. »Und? Da-1 handelt nach Order. Unser Zielgebiet ist nicht scharf umrissen worden!« Die drei Offiziersanwärter nickten. »Caicul an Da-1. Transition und Zielrichtung sind genehmigt.« Die Besprechung konnte fortgesetzt werden. In der D-121 war das typische Pfeifen zu hören; das untrügliche Zeichen, daß das Schiff kurz vor einer Transition stand. Dann erfolgte die Transition, der Sprung durch den Hyperspace in Nullzeit. Im gleichen Moment rematerialisierte die D-121 um 3.264 Lichtjahre auf Grün versetzt. Weit hinter dem Ringraumer lag der Spiralarm II/a. Durch das Schiff lief ein Heulen und Tosen, das Brummen und Summen hochgefahrener Aggregate. »Grüne Neune!« stieß Forome aus und erhob sich so schnell und heftig, daß ein Stapel Folien zu Boden fiel. Die D-121 griff an! Major Caicul schaltete den großen Bildschirm auf Direktsicht. 292 293 Die Schwärze des Alls sprang in die Kantine, aber auch die dichtgebündelten Strahlbahnen, die aus drei Richtungen nach dem Ringraumer griffen. Mit metallisch klingender Stimme, ohne jede Spur von Erregung, meldete Da-1 den menschlichen Begleitpersonen: »Werden von Doppelkugelraumem angegriffen. Setzen uns ab.« Der Befehl des Stabes der TF hatte gelautet, unter allen Umständen Kampfhandlungen zu vermeiden. Caicul und Forome warfen sich nur einen Blick zu, dann befanden sie sich schon auf dem Deck und rasten der Kommandozentrale entgegen. Die drei Offiziersanwärter hasteten in die ihnen zugewiesenen Abteilungen.
Verdammt, fluchte Caicul in Gedanken, warum gehl Du-1 nicht in Nottransition? Das Schott zum Leitstand flog krachend auf, eine Schallisolierung wie an Bord der POINT OF gab es auf den erbeuteten Ringraumem nicht. Die beiden konusförmigen Roboter schwebten vor der Konsole. Von den hereinstürmenden Männern nahmen sie scheinbar keine Notiz. Alle Besatzungsmitglieder trugen ständig einen Kodegeber bei sich, der den Robotern ihren jeweiligen Aufenthaltsort übermittelle. Die D-121 schoß aus allen Strahlantennen, die in der blaufunkelnden Unitallhaut des Ringraumers lagen. Das Schiff wehrte sich gegen einen Angriff von drei Seiten. Fünf große Doppelkugelraumer der Tel versuchten, die D-121 in eine Sonne zu verwandeln! »Nottransition, falls erforderlich!« brüllte Forome durch den Leitstand, als er das Feuerwerk an den Intervallfeldern seines Kreuzers sah. Flammenkaskaden jagten nach allen Seiten. Die Belastung der beiden Mini-Welträume mußte fast hundert Prozent betragen. »Nottransition nicht erforderlich!« entgegnete die vor dem Pilotensitz schwebende Robolkonstruktion. In der Tiefe des Raumes zwischen zwei fernen Sternen blitzte es 294 grell auf. Ein telsches Schiff war ein Opfer der Nadelstrahlen der D-121 geworden, dieser überlichtschnellen, rosarot leuchtenden Energiefinger, die fast alle Arten von Prallschirmen durchschlugen und jede Materie in Energie umsetzten. Plötzlich war das typische Pfeifen zu vernehmen. Kurztransition! Sofort lag D-121 wieder im Schutz ihrer zwei Intervallfelder. »S-Kreuzer D-121 auf Grün um 164,2 Lichtjahre versetzt!« meldete Da-1 den beiden Majoren. »Bericht!« schnarrte Caicul kurz. »Beim Wiedereintritt wurde die D-121 von fünf Doppelkugelraumern geortet und sofort mit überlichtschnellen Energiestrahlen angegriffen. Laut Order 4/e feuerte die D-121 zurück und traf gleichzeitig Vorbereitungen für eine Fluchttransition. Order 4/e durchgeführt.« Da-1 hatte seinen Bericht beendet.
Caicul nickte zufrieden, während sich sein Kollege Forome an den Roboter wandte, der die Ortungsfunktionen überwachte. »Ortungsdaten, aber nur auf die wichtigsten beschränken!« Im nächsten Moment wurde er mit einer Flut von Daten überschüttet: »Starke Strukturerschütterungen auf Grün 134 und Blau 21,05 in 123 beziehungsweise in 345 Lichtjahren Entfernung! Zahl der Schiffe geschätzt zwischen 2.000 bis 4.000 Einheiten. Wünschen Sie weitergehende Informationen, Sir?« »Nein, Da-2!« Mit hochgeschaltetem Stemensog raste die D-121 der nächsten Sonne zu, die knapp zwei Lichttage vor ihnen stand. Der Roboter in der Funk-Z meldete sich: »Aus dem gerade verlassenen Kampfgebiet starker Funkverkehr in Richtung Blau!« Forome und Caicul schauten sich an. Das war zu erwarten. Die Tel-Schiffe informierten jetzt ihre Heimathäfen über den Aufenthalt eines Ringraumers in diesem
Sektor der Milchstraße. Damit wurde die von der TF gestellte
295
Aufgabe wesentlich schwieriger als ursprünglich angenommen.
Die beiden Majore unterbrachen ihr Gespräch. In der D-121 war wieder das undefinierbare Pfeifen zu hören. Die D-121 raste der nächsten Transilion entgegen. »Da-1, welches Ziel springst du an?« fragte Caicul, der neben die Robolkonstruktion getreten war. »Grün 134; Sprungdistanz 122 Lichtjahre!« Es war zu spät, eine Gegenorder zu erteilen. Zu spät, um zu hinterfragen, wozu dieser erneute Sprung diente! Die Transition des S-Kreuzers D-121, befohlen von Da-1, war schon durchgeführt. Der Ringraumer ortete in einer Entfernung von einem Lichtjahr ein Sonnensystem, in dem es von startenden und landenden Raumschiffen nur so wimmelte. Monoton klang es in der Zentrale auf: »Frequenzanalyse durchgeführt; einwandfrei Doppelkugelraumer der Tel. Darunter befinden sich aber auch etwa einhundert bis einhundertzwanzig Xe-Flash. Zahl der Schiffe schätzungsweise 9.800. Davon befinden sich in Fahrt 1.345 Einheiten! In allen Schiffen, ob gelandet oder in Fahrt, laufen die Triebwerke. Massenstart scheint bevorzustehen.« Den beiden Majore waren beeindruckt. Was sie bislang an Leistung von den Robotern mitbekommen hatten, übertraf alle Erwartungen. Die Programmierung war so vollendet, daß die Maschi-
nenwesen unaufgefordert ihren menschlichen Partnern die entsprechenden Daten lieferten! In Gedanken zogen die beiden Offiziere den Hut vor den Konstrukteuren ihrer neuen Kameraden! Der Astro-Rob meldete sich mit neuen Daten. »Das System hat dreizehn Planeten. Davon sind Nummer vier und fünf Sauerstoffwelten. Auf ihnen befinden sich die großen Raumhäfen.« Caicul wurde es heiß und kalt. »Funk-Z! To-Funkspruch an Terra mit...« Der Roboter in der Funk-Z unterbrach den Major. 296 »Die Störungen des elektromagnetischen Feldes in der Galaxis reichen bis in den Hyperspace hinein. To-Funkverbindung mit Terra zur Zeit nicht möglich. Ihr Auftrag ist gespeichert und wird ausgeführt, sobald es die Verhältnisse zulassen!« Aber der Stab der TF mußte wissen, was sich zwischen den Spiralarmen II/a und III/a abspielte. Fragend blickte Caicul seinen Kollegen an. Der verstand den Blick, und er nickte. »Rücksprung Richtung Terra um 15.000 Lichtjahre!« befahl Forome. »Verstanden. Sprungkoordinaten werden erstellt. Ausführung in 45 Sekunden. X-Zeit läuft nach zehn Sekunden.« Da-1 hatte keine Zeit verloren. Caicul hatte einmal das Glück gehabt, einen Flug mit der POINT OF zu machen, und während dieses Fluges hatte die Gedankensteuerung das Schiff übernommen. Jetzt wurde ihm klar, welche Verbesserung der Masseneinsatz von Robotern für die TF bedeuten konnte. Und dann rasten die 45 Sekunden dahin. Die Transition der D-121 erfolgte. Um 15.000 Lichtjahre wurde der S-Kreuzer in Richtung Erde versetzt. »To-Funkverbindung nach Terra steht!« meldete der Da-5 aus der Funk-Z. Dann strahlte die D-121 den folgenschweren Spruch zum Stab der TF ab. Kurz darauf kam die neue Order herein: D-121 ins Operationsgebiet wrückkehren und Beobachtungen fortsetzen. get. Butten, Marschall der TF Auf Terra aber dachten viele Männer an jene Schwarzen Weißen, denen es gelungen war, trotz aller Sicherheitsmaßnahmen von
der Erde zu entkommen, und das bedeutete gleichzeitig, daß den Tel die Position des Sonnensystems bekannt war. Marschall Bulton befand sich schon im Aufbruch, als eine Folie auf seinen Schreibtisch flatterte, deren Inhalt ihn alarmierte. Spruch der D-122, durch FO XVII per To-Funk übermittelt. 297 Im offenen Kugelsternhaufen DD-889-s im Bereich von mehreren hundert Planeten auffallend viele und starke Strukturerschütterungen. Müssen uns absetzen, weil wir ununterbrochen von Doppelkugelraumern verfolgt werden. Frequemanalyse: Schiffe der Tel. Die Schwarzen Weißen verfügen in diesem Bereich über mehr als 5.000 Xe-Flash. D-121, Major Rew Die FO XVII, die sich im Anflug auf Terra befand und diesen Spruch aus den Tiefen des Raumes mitgebracht hatte, konnte auf Anfrage aus Cent Field nichts weiteres zu der Meldung der D-122 sagen. Marschall Bulton war nicht bereit, allein die Verantwortung zu übernehmen. Schweren Herzens schaltete er zu Henner Trawisheim durch, Ren Dharks Stellvertreter auf der Erde. »Rufen Sie Ihren Stab zusammen, Bulton. Ich kann in einer halben Stunde dazukommen. Reicht Ihnen dieser Tennin?« »Ja«, sagte Bulton und wischte sich müde über die Stirn, dann schaltete er wieder ab. Die Katastrophe war nicht mehr aufzuhalten, und sie kam in Gestalt von Doppelkugelraumern nach Terra! Neben den Göttern der Tel wurde der Kluis auf dem Planeten Cromar wie ein gottähnliches Wesen verehrt. Der Kluis, das größte Rechengehirn der Schwarzen Weißen, war im Verlauf einiger Jahrhunderte terranischer Zeitrechnung zu einem Mythos geworden. Milliarden Tel hatten inzwischen vergessen oder noch nie gehört, daß dieser Kluis in dem schimmernden Bauwerk, das von drei zylindrischen Halbbögen gekrönt wurde, nichts anderes war als eine gigantische Rechenmaschine. Woher sollten sie auch dieses Wissen beziehen, denn außer den wenigen Technikern und Ingenieuren, die der Kaste der Stummen angehörten, durften nur die Vankko und ihre engsten Mitarbeiter 298 das prachtvolle Bauwerk betreten, das vom größten Architekten der Schwarzen Weißen vor Jahrhunderten errichtet worden war.
Immer wieder hieß es in den offiziellen Verlautbarungen: Der Vank hat auf Rat des Kluis beschlossen. Während der Vank aus drei Tel bestand, deren Namen in unregelmäßigen Abständen wechselten, änderte der Kluis seinen Namen niemals. Und der Vank hatte auf Rat des Kluis beschlossen, die Heimatwelt der Terraner, dieser Emporkömmlinge, anzugreifen und zu vernichten! Vankko Crt Sagia wußte, daß die Informationen über die Position Terras im All von den Crekkem gekommen waren - ein weiterer Punkt, der ihn höchst nervös machte. Crekker, diese Unglücklichen einer Welt, die schon seit vielen hundert Zeiteinheiten nicht mehr bestand. Sie waren fast alle zusammen mit ihrem Planeten vernichtet worden, weil sie durch eine nie geklärte Mutation ungeheure Parafähigkeiten entwickelt hatten und deshalb zu einer riesengroßen Gefahr für das Imperium geworden waren. Nach langen Diskussionen zwischen dem Vank und den Vankko war dann schließlich beschlossen worden, die Heimatwelt der Crekker zu vernichten. Zu diesem Zeitpunkt lag die Staatsführung noch in der Hand der Tel, den Kluis gab es damals noch nicht. Und nun sollte Terra vernichtet werden. Die Zahl der Opfer würde in die Milliarden gehen. Es stellte sich nur die Frage, welche Seite diese Opfer letzten Endes bringen müßte! Denn Crt Sagia, der Vankko, der mit Dro Cimc befreundet war, war sich nicht sicher, daß das Tel-Imperium in dieser Auseinandersetzung die Oberhand behalten würde. Ihm kam ein schrecklicher Verdacht: War es den Crekkem, die Terras Position verraten hatten, vielleicht vor ihrer Vernichtung gelungen, den Vank mit ihren Parakräften zu beeinflussen? Er setzte sich mit Tgut in Verbindung, dem er von allen anderen 299
Kollegen am meisten Vertrauen schenkte.
Der hatte interessante Informationen: »Sagia, ich habe von dritter Seite die nicht offizielle Nachricht erhalten, daß die Flotte der Terraner« — Tgut vermied die offizielle Standardbezeichnung der Tel für die Terraner - »nur aus ein paar tausend Schiften besteht.« »So?! Tgut, ich erinnere mich noch gut, daß ein einziges Schiff der Weißen unsere große Robotflotte in die Wonnen des Abgrun-
des geschickt hat. Ein einziges Schiff! Und bei dieser Aktion kam ein Vankko um...« »Der Kluis ...« Nun ließ auch Crt Sagia seinen Kollegen nicht ausreden. »Ja, ich weiß, Tgut, der Vank hat auf Rat des Kluis beschlossen. Wann hat er das einmal nicht getan? Ich...« Er verstummte, und auch Vankko Tgut sprach nicht mehr. Bei beiden blendete sich auf dem Bildschirm automatisch die letzte aktuelle Meldung ein. Sie kam vom Vank und war an alle Vankko und an die Wers der Flotte gerichtet. Der terranische Emporkömmling Ren Dhark befindet sich mit seinem Ringschiff POINT OF im Anflug auf Cromar und bittet den Vank um eine Unterredung. Nach unseren Informationen ist Ren Dhark die wichtigste Persönlichkeit auf seiner Heilmitwelt. An Bord seines Schiffes befindet sich der Verräter Dro Cimc, den der Terraner Dhark als seinen Dolmetscher bestätigt haben will. Die Bestätigung haben wir auf Rat des Kluis erteilt. In Crt Saglas Ohren rauschte es. Ununterbrochen glaubte er die Worte zu hören: Die Bestätigung haben wir auf Reit des Kluis erteilt! Für Wer Dro Cimc bedeutete es das Todesurteil! Und dieser Ren Dhark würde Cromar nicht mehr lebendig verlassen! Für Vankko Crt Sagia brach eine Welt zusammen. Aber die Depressionen hielten nicht lange an. »Tgut«, sagte er über die Verbindung, »wenn diesem Dhark etwas geschieht, läuft Cromar Gefahr, eine Sonne zu werden. Ich 300 habe in meinem ganzen Leben noch nie Angst gehabt, aber vor diesem Ringschiff, das die Terraner POINT OF nennen, fürchte ich mich. Und von dieser Art Schiffen besitzen die Terraner Tausende! Ich möchte mir deren geballte Feuerkraft nicht vorstellen müssen! Ich werde darum, auch wenn der Beschluß des Vank durch den Kluis bestätigt worden ist, beim Vank gleich vorstellig werden und ihm meine Befürchtungen vortragen. Ich muß...« Tgut unterbrach seinen Kollegen. »Ich an Ihrer Stelle würde nichts tun; weder heute, noch morgen oder übermorgen! Rber sitzt an den entsprechenden Schaltstellen. Er hat mittlerweile größten Einfluß beim Kluis, schon allein deshalb, weil er dem Gehirn eine Liste von Sympathisanten Dro Cimcs vorgelegt hat. Und Ihr Name steht ebenfalls auf dieser Liste.
Die ersten Säuberungsaktionen sind schon angelaufen. Die sogenannten Verräter werden den Wonnen des Abgrunds übergeben. Sagia, ich befürchte, daß zu Ihnen auch schon ein Kommando unterwegs ist.« Eigentlich hatte Crt Sagia allen Grund, seinem offenherzigen Kollegen Tgut zu danken, denn die Warnung war nicht zu überhören. Aber er bedankte sich nicht. »Tgut, ich bin Träger des Trado, und als erster Träger in der Geschichte des Ordens werde ich von meinem Recht Gebrauch machen.« Er sah Tguts Kopfschütteln auf dem Schirm. »Sagia, bitte. Überdenken Sie noch einmal Ihre Position. Lohnt sich das? Ich meine nein. Auch nicht für Dro Cimc. Er ist ein Verräter, Crt Sagia, denn nur ein Verräter kann die Position Cromars an einen Fremden weitergeben!« Tgut versuchte möglichst unauffällig, seinen Kollegen zu warnen, deutlicher konnte er in seinem eigenen Interesse nicht mehr werden. Er war sich ziemlich sicher, daß dieses Gespräch aufgezeichnet wurde. Auffallend langsam schüttelte Vankko Crt Sagia den Kopf. »Tgut, ich verrate Ihnen jetzt etwas, daß nur sehr wenige Tel wis 301 sen. Dro Cimc ist mein Sohn. Ihn im Stich zu lassen, hieße mich und meine Ehre verraten. Aber ich werde abwarten. Ich danke Ihnen, Tgut.« Der Planet Cromar war eine einzige Stadt. So etwas hatten die Terraner noch nicht gesehen. Im Vergleich dazu kam ihnen die übervölkerte Erde wie eine Siedlung vor, in der jedes Haus vom anderen kilometerweit entfernt lag. Die riesigen Raumhäfen lockerten die kompakte Wohnbebauung kaum auf. Schweigend beobachtete man in der P01NT OF über die Bildkugeln, wie der Planet unter ihnen langsam größer wurde. Die fünf Doppelkugelraumer, die dem Flaggschiff entgegengeflogen waren, geleiteten das Ringschiff zur nördlichen Polkappe. In der Kommandozentrale gab Dro Cimc den Kommentar. »Slaatsraumhafen. Dort empfängt der Vank wichtige Persönlichkeiten. Hätte man uns zu einem anderen Hafen dirigiert, dann hätte ich höchste Alarmstufe empfohlen.«
»Cromar!« sagte Ren Dhark nachdenklich, der sein Schiff selbst flog und immer wieder über die Bildkugel diese kaum vorstellhare Häuserballung betrachtete. Cromar war mit 10.002 Kilometern Durchmesser kleiner als Terra, aber seine Schwerkraft betrug dennoch 1,21 Gravos. Die Zusammensetzung der Atmosphäre glich der irdischen bis auf das Argon, das hier völlig fehlte. Statt dessen waren die Analytiker auf ein Edelgas gestoßen, das sie nicht kannten. In knapp 23 Stunden rotierte Cromar um eine kleine GO-Sonne, die ebenfalls mit Sol nicht konkurrieren konnte. Zweihundertacht Tage dauerte der Umlauf um den lebenspendenden Himmelskörper, der außer Cromar nur noch drei Planeten besaß, die alle Methangaswelten waren. Drei Monde, von denen der am weitesten entfernte ein Gegen 302 läufer war, gehörten zu der Hauptwelt der Tel, auf der dicht gedrängt 48 Milliarden Schwarze Weiße lebten. Niedrige, aber breite Höhenzüge lockerten die weiten Ebenen auf. Sieben große Kontinente ließen keinen Platz mehr für Ozeane irdischen Maßstabes. Die gewaltigen Ströme, von denen nach Cimcs Angaben allein acht den Amazonas an Länge und Wasserführung weit übertrafen, waren überbaut, jeder Quadratmeter Boden auf Cromar wurde genutzt. Der Jahreszeit nach war es Hochsommer, aber die mittlere Temperatur betrug knapp siebzehn Grad. »Künstlich niedriggehalten«, erklärte der Tel »weil der größte Teil der Flora von kühleren Planeten importiert wurde.« »Importierte Flora?« wunderte sich Dan Riker und hielt vergeblich nach Wäldern oder Grasebenen Ausschau. »Wo ist denn hier eine Flora zu sehen?« Dro Cimc lächelte. »Wir sind schon seit vielen Zeiteinheiten davon abgekommen, synthetische Nahrung zu produzieren. Als wir auf fremden Planeten Pflanzen fanden, die unter den kärglichsten Bedingungen wucherten und hochgradige Vitaminträger waren, erzeugten unsere Bioniker innerhalb von wenigen Umläufen gezielte Mutationen, die nur eine Wachstumsvoraussetzung brauchen: Temperaturen von weniger als 17 Grad. Damals, als der Vank beschloß, sich der Forderung der Bioniker zu beugen, gab es beinahe eine Revolution auf Cromar, denn die Durchschnittstemperatur beträgt in Wirklichkeit 19,9 Grad. Doch als dann innerhalb kurzer Zeit die Nahrung umgestellt wurde und die Tel den Unter-
schied zwischen Natur- und Kunstprodukten schmecken konnten, gewöhnten sie sich schnell an die niedrigere Durchschnittstemperatur. Heute werden die hochwertigen Vitaminträger in den überbauten Flüssen gezüchtet. Es gibt auf Cromar keinen einzigen Wasserlauf, der noch von Schiffen benutzt werden kann.« Die Straßenzüge, über die sie in niedriger Höhe hinwegflogen, waren sehr breit und besaßen mehrere Hochbahnstrecken, doch die Hauptlast des Verkehrs wurde unterirdisch abgewickelt. Cromar 303 war von einem verwirrenden Netz von Tunnels durchzogen, durch die hyperschnelle Großraumtransporter rasten und ihre Passagiere innerhalb einer knappen Stunde von Pol zu Pol brachten. Der Staatsraumhafen war dreimal größer als Cent Field. Seine Größe kam durch den Umstand, daß vier Fünftel seiner Fläche von den gigantischen 800-Meter-Doppelkugelraumern besetzt waren, noch eindrucksvoller zur Wirkung. Selbst dem Wer Cimc war diese Massierung von Raumschiffen unheimlich. Offen gab er zu: »Das sieht mir ganz nach einer Generalmobilmachung aus!« Dhark und Riker warfen ihm gleichzeitig ihren fragenden Blick zu. Schweigend nickte der Tel, seine Befürchtung schien sich zu bewahrheiten. Generalmobilmachung für einen Angriff gegen Terra? Die fünf Raumschiffe der Schwarzen Weißen landeten vor der P01NT OF. Gegenüber diesen Riesen war der Ringraumer ein Zwerg, der im Mittelpunkt des Fünfecks weich aufsetzte. Kaum waren die Energieaggregate auf Ruhezustand geschaltet, als an der Schleuse l auch schon die Rampe ausgefahren wurde. Die Männer, die mit ihrem Commander wenig später das Schiff verließen, betrachteten interessiert das vor ihnen liegende Empfangsgebäude. Der Komplex zog sich nach beiden Seiten mehrere Kilometer hin, die Spitzen des Towers waren von leichten Dunstwolken umgeben. Ren Dhark, Dro Cimc und Dan Riker gingen in einer Reihe. Hinter ihnen folgten vier Experten für Weltraumfragen. Sie wurden von den Cyborgs Bram Sass, Holger Alsop, Lati Oshuta und Mark Carrell umgeben. Letztere waren kurz zuvor noch einmal von Dhark in dessen Kabine gerufen worden und hatten Spezialinstruktionen erhalten.
Den Schluß der Gruppe bildeten Chris Shanlon, Arc Doorn und der Robothund Jimmy, dem dreimal eingetrichtert worden war, unter keinen Umständen seine rohotische Natur zu verraten oder auch nur einmal die Schnauze aufzumachen und ein Wort zu sagen. Nur Bellen war ihm gestaltet. »Darf ich als dämlicher Köter dann nicht einmal zubeißen, wenn es angebracht ist?« hatte sich dieses Unikum nicht verkneifen können zu tragen. »Wehe, sonst hast du dein letztes Wau gemacht!« hatte ihm Shanton gedroht. Das machte überraschend Eindruck bei der Robotkonstruktion. Am Fuß der Rampe standen drei Xe-Flash, raumtüchtige Fahrzeuge der Mysterious, die die Tel auf einem ihrer Planeten vor vielen Zeiteinheiten entdeckt hatten. Zwischen Xe-Flash und der Rampe warteten drei Tel in der glatten, grauen Uniform, die nur mit einigen Auszeichnung dekoriert war. »Der Vank!« erklärte Cimc seinen Begleitern leise. Terras wichtigster Mann trat der politischen Führungsspitze des Telin-Imperiums entgegen. Drei Augenpaare musterten Ren Dhark, als er zusammen mit seinen Begleitern stehengeblieben waren. Ihm am nächsten befand sich Dro Cimc, der die Aufgabe hatte, zu übersetzen. »Ich begrüße den Vank des Telin-Imperiums.« Der Commander nickte den drei Tel kurz zu. »Mein Name ist Ren Dhark, links sehen Sie meinen Stellvertreter Dan Riker und rechts einen Ihnen bekannten Tel, den Wer Dro Cimc. Er wird während unserer Besprechungen als Dolmetscher füngieren.« Unverwandt wurden er und Dan Riker von den fast gleich großen Tel gemustert. Ihre Augen verrieten nicht, was sie dachten. Dro Cimc beachteten sie nicht, auch nicht, als er zu übersetzen begann. »Wir sind bereit, die Fremden von einem Planeten, der Terra genannt wird, zu empfangen.« »Dhark, das ist Mär Cooze«, flüsterte ihm Cimc zu, während der Vank noch sprach. Cooze deutete auf Ren Dhark und Riker, den nächsten Xe-Flash 304 305 zu besteigen. Aber das hieß auch, daß Dro Cimc zurückbleiben sollte, um ein anderes Fahrzeug zu nehmen.
»Cimc kommt mit zu uns!« ordnete Dhark laut an, und gab durch Gesten zu verstehen, was er beabsichtigte. Deutlicher Mißmut machte sich auf Mär Coozes Gesicht breit. Tra Lrer beugte sich zu Cooze hinüber und flüsterte ihm etwas zu. Scheinbar hatte er gerade eine Nachricht erhalten. »Warum laufen die Triebwerke eures Ringschiffes noch?« richtete Mär Cooze in scharfen Ton eine Frage an Dhark. »Würden Sie auf einem fremden Planeten ihr Raumschiff nicht im Alarmzustand belassen, solange noch keine Klarheit über die Situation besteht?« antwortete Ren Dhark gelassen. Der Commander sah bereits jetzt schon große Schwierigkeiten bei den Verhandlungen am Horizont auftauchen. Der Umgangston war leider schon zu Beginn aggressiv. Das Triumvirat des Telin-Imperiums bestieg vor den Gästen den Xe-Flash. Dro Cime, der die Sitten und Gebräuche seiner Welt natürlich kannte, flüsterte seinen Freunden zu: »Vorsicht, denn der Vank hat die Unhöflichkeit auf die Spitze getrieben. Das war ein Affront!« Der Xe-Flash hob ab. Wortlos saß der Vank den Terranern und Dro Cimc gegenüber. Die Tel verhielten sich so, als ob sie allein seien. Ren Dhark musterte die Schwarzen Weißen, die nach irdischen Maßstäben geschätzt zwischen sechzig und siebzig Jahre alt waren. Ihre Gesichter zeigten keine markanten Merkmale, wenn man davon absah, daß die Zeichnung der Lippen auffallend dünn und schmal war. Plötzlich beugte sich der Vank Tra Lrer vor. »Der Vank ist es nicht gewohnt, sich von seinen Gästen Vorschriften machen zu lassen. Der Verräter Dro Cimc hat weder das Recht noch die Ehre, uns unter die Augen zu kommen. Wir bestehen daher darauf, daß er nach der Landung unverzüglich aus unserer Gegenwart entfernt wird.« 306 Dro Cimc übersetzte Wort für Wort. Ren Dhark ließ sich nicht einschüchtern. »Vank, Sie haben zugestimmt, daß Wer Dro Cimc als Dolmetscher füngiert. Er bleibt mein Dolmetscher, oder Sie können unsere Unterredung sofort als beendet betrachten. Und ich glaube nicht, daß dies in Ihrem Sinne ist.« Eine Antwort blieb aus.
Dan Rikers Gesicht zeigte immer deutlicher seinen Grimm über diese ungehobelte Gesellschaft, in der er sich aulhalten mußte. »Ich glaube, wir haben einen Fehler gemacht, Ren!« teilte er seine Befürchtungen mit. Bevor er weiterreden konnte, stieß ihn Ren Dhark unauffällig an. Er kannte die Xe-Flash von der Stemenbrücke her und hatte gerade eine wichtige Entdeckung gemacht. »Wir befinden uns genau im Zielbereich von Strahlwaffen«, sagte er. »Schaut mal unauffällig rechts und links zur anderen Wand hoch. Fußbreit über den Köpfen von Lrer und Cooze.« Die Terraner in den anderen Xe-Flash hörten über ihre eingeschalteten Spezialviphos jedes Wort mit und waren so über die Entwicklung informiert. Im zweiten Xe-Flash ordnete Mark Carrel knapp an: »Phanten!« Die anderen wußten, was das zu bedeuten hatte: Gefahr! Höchste Gefahr! Nach rund fünf Minuten Flug setzten die Xe-Flash auf. Im gleichen Moment waren die beiden leicht irisierenden Abstrahlpole in den Wänden nicht mehr zu sehen. Die Bedrohung der Terraner war vorläufig zu Ende. Das Schott an Dharks Xe-Flash öffnete sich. Diesmal ließ der Vank den Terranern den Vortritt, abermals eine Ungezogenheit nach den Sitten des Imperiums. Als sie den Landeplatz von einer geschlossenen Häuserfront umgrenzt sahen, fragte Dhark seinen Dolmetscher: »Wo sind wir hier?« »Nicht am Sitz des Vank. Mehr weiß ich auch nicht.« 307 Dicht hinter ihnen landete der zweite Xe-Flash, in dem der Rest der Gruppe transportiert worden war. Wortlos traten die Männer zu ihrem Commander. Jimmy schmiegte sich auffallend liebebedürftig an Dharks Beine, und unwillkürlich streichelte Dhark das robotische Unikum, klopfte ihm das Fell und sagte: »Paß schön auf, Jimmy, wenn du ein braver Hund bleiben willst!« Wie ein richtiger Hund wedelte Jimmy kräftig mit seinem Schwanz und fing an, Dharks Hand zu lecken. Dabei stieß er den Commander immer wieder mit der Nase an, so als wolle er ihm mitteilen: Keine Sorge, Dhark, ich passe schon auf. Daran/kannst du dich verlassen! Zwei weitere Xe-Flash landeten in dem Hof, der knapp halb so groß wie ein irdischer Fußballplatz war. Bevor Ren Dhark und
seine Männer begriffen, waren sie von Soldaten des Imperiums umzingelt, und schwerste Handstrahlwaffen richteten sich unmißverständlich auf sie. Der Commander ignorierte diesen bedrohlichen und heinitückischen Vorgang. Er wollte auf den Vank zugehen, der vor dem XeFlash stand, mit dem sie gekommen waren. Da zischten von allen Seiten Strahlen. Das Militär des Imperiums nahm die Terraner unter Feuer. Geschockt stürzten die Männer zu Boden, und als Jimmy bemerkte, daß auch die Cyborgs mitmachten, ließ er sich auf die rechte Seite fallen und streckte alle Viere von sich. Die Cyborgs, denen der Schockerstrahl nicht das geringste ausgemacht hatte, zogen es vor, sich der Lage anzupassen und abzuwarten. Kaum lag die gesamte terranische Delegation scheinbar geschockt an der Erde, öffnete sich unter dem Vank der Boden, und das Triumvirat des Telin-Imperiums verschwand durch einen AGrav-Schacht in der Tiefe. Wie Kadaver wurde die Abordnung von Terra achtlos in einen Xe-Flash gepackt. Kurz darauf hob das Fahrzeug ab, um Kurs auf ein unbekanntes Ziel zu nehmen. Die Tel waren sich ihrer Sache so sicher, daß sie auf Begleitpersonal verzichteten. Diesen Umstand nutzte der Cyborg Mark Carrell dazu, über sein vollkommen abgeschirmtes Spezialvipho Falluta in der POINT OF darüber zu informieren, wie übel die Tel ihnen mitgespielt hatten. »Okay, Carrell, wir verfahren nach Plan A. Ende, fremde Funkortung läuft!« In der POINT OF herrschte höchste Alarmstufe, dennoch war in der Kommandozentrale von Nervosität nichts zu spüren, und in den anderen Abteilungen des Flaggschiffes ging das Leben fast normal weiter. Der Erste Offizier des Flaggschiffes hatte kurz nach der Durchsage von Mark Carrell über die Bordsprechanlage bekanntgegeben: »Nach dem Bericht des Cyborgs Mark Carrell über die Geschehnisse um unsere Abordnung bin ich ab sofort durch Order des Commanders dazu ermächtigt, das Hy-Kon einzusetzen!« Selbst Leon Bebir hatte ihn ungläubig angesehen, aber erst seine Bemerkung gemacht, als Falluta die Verständigung wieder abgeschaltet hatte: »Ihr Hinweis aufs Hy-Kon hat die Wirkung einer Beruhigungspille. Nur schade, daß wir nichts damit anfangen können, wenn es drauf ankommt.«
»Meinen Sie?« Falluta grinste. »Der Commander hat mich genauestens instruiert, Leon. Außerdem gibt es doch auch noch unser Wunderkind!« Und Falluta deutete auf den Checkmaster, jenes bislang in seiner Leistung unerreichte Rechengehim der Mysterious. »Allerdings können wir uns mit dem Hy-Kon zwar Luft verschaffen, aber nicht dem Commander direkt helfen. Er hat einen Blitzeinsatz der Flash angeordnet, wenn es zum äußersten kommt. Ab sofort haben alle Flashpiloten Sitzwache!« Grappa meldete sich von den Ortungen. 308 309 »Wir werden immer mehr eingekesselt. Gerade landet ein Pulk von dreißig 800-Meter-Doppelkugelraumem. Damit sind wir vollkommen umzingelt!« Trotz der bedrohlichen Situation klang die Stimme des Mailänders vollkommen ruhig. »Wir sollten unsere Intervalle einschalten!« schlug Leon Bebir vor, der vor Zorn kochte und am liebsten den Befehl gegeben hätte, diese unverschämten Tel aus allen Antennen anzugreifen. »Ich habe Order, auf die nächste Nachricht der Cyborgs zu war ten oder den Ablauf unseres Zeitplans!« dämpfte Falluta den Aktionismus seines Zweiten. Grappa schaltete sieh in den Disput der zwei Offiziere ein. »Wir bekommen noch mehr Besuch oder besser gesagt - Ehrengeleit!« Die Männer warfen einen Blick auf die Bildkugel. Mittels Gedankensteuerung schaltete Falluta die Wiedergabe auf Gesamtansicht. Gleich einer Wolke aus Stahl schoben sich achtzehn 800Meter-Doppelkugelraumer in viertausend Meter Höhe über die POINT OF. Und auf Minimalabstand fliegend, blieben die Raumgiganten der Tel genau über dem Ringschiff der TF stehen. Aus allen Richtungen kamen weitere Schiffe heran! Um die POINT OF wurde eine kompakte Mauer aus Doppelkugelraumem gebaut! Trocken meldete Yell von den Ortungen: »POINT OF liegt unter einem sehr starken Fesselfeld!« »Verdammtes heimtückisches Pack! Hoffentlich kommt bald die nächste Durchsage unserer Männer!« Falluta wurde es langsam mulmig! FO XIII und FO XXI hatten über To-Funk gleichlautende Meldungen zum Stab der TF abgestrahlt.
Raumschiffe der Tel richten scheinbar eine Satellitenbrücke zur Herstellung einer Verbindung mit Terra ein. Damit sollen nach 310 Analyse des Suprasensors die störenden Einflüsse der Magnetstürme weitgehend ausgeschaltet werden. Außerdem weist die allgemeine Richtung der bisher erstellten Strecke eindeutig auf das Sol-System hin. Bidor, Kommandant der FO XIII Die Meldung der FO XXI klang nicht anders, nur hatte der Kommandant hinzugefügt: In der Nähe einer jeden Station hallen sich Raumschiffe der Tel auf, die sofort wm Angriff übergehen, wenn wir uns ihrer Anlage nähern. Wir haben Bild- und Tonübertragungsversuche beobachtet, die auf diese relativ kürten Distanzen durch die Störungen im galaktischen Magnetfeld nicht beeinträchtigt werden. Eskes, Kommandant der FO XXI Marschall Bulton hatte beide Meldungen durch den großen Suprasensor jagen lassen und hielt nun die Folie mit der Auswertung in der Hand. Wahrscheinlichkeit 98,2 Prozent/ Er machte sich auf den Weg, Henner Trawisheim aufzusuchen. Der entließ sofort drei Sachbearbeiter, als der Marschall sein Büro betrat, weil er nichts Gutes ahnte. Noch während er die Meldungen las, wurde er blaß. Dann schob er sie zur Seite und fragte: »Marschall, wissen Sie, was das bedeutet?« »Und ob ich das weiß!« schnaubte der cholerische Bulton und schlug mit der Hand auf Trawisheims Schreibtisch. »Fall Weiß! Angriff einer fremden Rasse gegen Terra. Und die Fremden sind die Schwarzen Weißen. Scheinbar soll der Angriff auf Terra live in die Wohnzimmer von Milliarden Tel übertragen werden!« »Bulton, wir sind selten so sehr einer Meinung gewesen, aber ich lese aus dieser Aktion der Tel noch etwas mehr heraus. Der Commander lebt nicht mehr! Die POINT OF existiert nicht mehr. Die Tel haben nun keinen Grund mehr, das Schiff zu fürchten, das ihrer Meinung nach die große Robotflotte vernichtete. « 311 Marschall Bulton erblaßte, dann starrte er Henner Trawisheim durchdringend an.
»Trawisheim«, begann er, und er sprach auffallend langsam, »Sie haben gerade den Verdacht geäußert, der Commander sei tot und die POINT OF würde nicht mehr existieren. Diese Worte kommen in der nächsten Zeit nicht wieder über Ihre Lippen. Sie werden im Gegenteil Märchen erzählen. Zum Beispiel über Ren Dhark, daß er erfolgreich mit diesen Schwarzen Weißen verhandelt, nur daß sich die Verhandlungen in die Länge zögen, weil so viel zwischen den Tel und den Ten-anem abzugrenzen sei. Trawisheim, ich möchte die TF behalten, wie sie jetzt ist, eine verschworene Gemeinschaft, bereit, für einen Mann durchs Feuer zu gehen. Und dieser eine Mann sind nicht Sie. Das bin nicht ich. Dieser eine Mann heißt Ren Dhark. Und falls er zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr leben sollte, so muß er doch für alle anderen lebendig sein. Haben wir uns gut verstanden?« »Wir sind uns einig, Bulton. Wir sind uns auch darin einig, daß die Tel unter keinen Umständen das Vergnügen haben dürfen, am Femsehschirm zu verfolgen, wie Terra verbrennt.« »Ja, und wenn wir zum letzten Mittel greifen müssen. Hoffen wir aber, daß dieser Fall nicht eintreten wird. Auf jeden Fall setzte ich die Flotte in Alarmbereitschaft. Von jetzt an läuft X-Zeit. Wenn keine gegenteilige Order kommt, ist sie in achtundvierzig Stunden abgelaufen.« Die Ortungen der D-122 arbeiteten seit Stunden mit maximaler Leistung. Die Robotbesatzung funktionierte ohne Fehler oder Verzögerung. Die fünf menschlichen Besatzungsmitglieder hatten außer ihrer beobachtenden Funktion keine andere Aufgabe mehr. Dreieinhalb Lichtjahre vor dem offenen Kugelsternhaufen DD 889-s stand der S-Kreuzer im freien Fall und tastete über den Hyperspace diese Stemansammlung ab. Viele tausend Meßdaten waren durch den Suprasensor gejagt und ausgewertet worden. Immer deutlicher zeichnete sich ein verhältnismäßig kleiner Sektor ab, in dem es von startenden, landenden und transitierenden Raumschiffen nur so wimmelte. Major Rezu und Major Angs, die zwei Terraner an Bord, die ihren Dienst in der Kommandozentrale absolvierten, fühlten, daß sie dicht vor einer wichtigen Entdeckung standen. Im Energieschatten der weißen Sonne, in dem sich das Schiff seit der letzten Transition aufhielt, fühlten sie sich sicher. Es war still in der Kommandozentrale; keine menschlichen Stimmen, wie sie sonst immer an Bord eines Schiffes zu hören waren. Nur ab und zu leise Arbeitsgeräusche, die Meiler an Bord
des S-Kreuzers lieferten nur gerade so viel Energie, um den Raumer an Ort und Stelle über der weißen Sonne zu halten. Ununterbrochen arbeitete der große Suprasensor; überprüfte und analysierte die Unmengen von Daten, die ihm pausenlos von den Ortungen übermittelt wurden. Terranische Computerwissenschaftler hatten in den letzten Monaten eine neue Suprasensorgeneration, den Supra-C7, entwickelt und getestet. Dieses Modell kam jetzt erstmals auf mit Robotern besetzten Beuteringraumern zum Einsatz. Bislang hatte dieser neue Typ alle in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllt. Er lief ohne Beanstandung! Wenn Supra-C7 demnächst auch auf den anderen Raumern eingesetzt wurde, würde dies eine neunhundertprozentige Verbesserung der Rechenkapazität und -geschwindigkeit zur Folge haben. »Da, Rezu!« Angs' Schrei übertönte die leise Geräuschkulisse im Leitstand. Mit der rechten Hand riß er die Folie an sich, die der Suprasensor gerade ausgestoßen hatte. Ortsbestimmung aufgrund von 3,27 Millionen Meßdaten. Der Suprasensor hatte hinter diese Mitteilung nicht einmal ein Ausrufungszeichen gesetzt! Und dann lasen die beiden Majore gemeinsam drei Koordinatengruppen. Distanz vom Sol-System 51.000 Lichtjahre 312 313 Die zweite Folie wurde ausgestoßen. Zwei der drei Koordinatengruppen wurden im Sekundenbereich berichtigt. Durchmesser des Planeten 10.002 Kilometer; Schwerkraft 1,2 Gravos. Rotationszeit 22:52,34 Stunden; Umlautzeit 208 Tage, drei Stunden und zwölf Minuten; zweiter von fünf Planeten; mit drei Monden; GO-Sonne kleiner als Sol. Mittlere Temperatur 16,9 Grad Celsius; Sauerstoffwelt. Sie konnten nicht ahnen, daß sie die Daten von Cromar in der Hand hielten. Aber sie ahnten, wie wichtig das Resultat von mehr als drei Millionen Messungen war. »Rückflug nach Terra einleiten!« ordnete Major Rezu an, und der Rob De-1 wiederholte den Befehl. In drei Transitionen wollten sie die Strecke schaffen. Wenn alles glatt verlief, dann lagen sie mit der D-122 in acht Stunden auf dem Raumhafen von Cent Field.
X-Zeit lief. Im Schiff war wieder dieses undefinierbare Pfeifen zu hören. Dann erfolgte der Sprung und mit der Rematerialisierung der Angriff! Sie waren dicht vor einem Pulk Doppelkugelraumer aus dem Hyperraum ins Normalkontinuum zurückgekehrt. Die D-122 platzte mitten in den Aufbau einer automatisch arbeitenden Relaisstation hinein, und sie war vom nächsten feindlichen Schiff nicht einmal tausend Kilometer entfernt. Die Doppelkugelraumer nahmen den feindlichen Ringraumer sofort unter konzentriertes Feuer. Dazu benötigten die Feuerleitzentralen der Sehwarzen Weißen keine Sekunde! Sie reagierten sogar noch schneller als die terranischen Roboter, die den Ringraumer führten! Kein Intervall schützte den S-Kreuzer. Nur das Unitall hielt die vernichtenden Strahlen noch ab. Die Hülle des Ringraumers begann zu schwingen und zu dröhnen, die Menschen an Bord des Schiffes mußten ihre Raumhelme schließen, um sich bei dem plötzlich entstehenden Höllenlärm noch verständlich machen zu 314 können. Major Angs in der Zentrale dachte nicht an sein Leben, er dachte nur daran, daß die ermittelten Daten für Terra lebenswichtig sein konnten. »Daten über den erfaßten Planeten in Dauerruf abstrahlen. Höchste Sendeleistung!« ordnete er dem Roboter in der Funk-Z an. Mittlerweile dröhnte die Unitallzelle der D-122 wie eine zersprungene Glocke. Die Intervallfeldprojektoren waren blockiert, es gelang dem Robotkommandanten nicht, die schützenden Intervalle zu erstellen. »Nottransition!« schrie Rezu gellend durch die Kommandozentrale, als der S-Kreuzer von einer ganzen Trefferserie eingedeckt wurde. Ich gebe uns noch ßinf Minuten! dachte Rezu und schloß innerlich bereits mit seinem Leben ab. »Achtundsiebzig Prozent der Flächenprojektoren zerstrahlt!« gab der Pilotenroboter mit monotoner Stimme bekannt! Mehr als drei Viertel seiner Kraft konnte das Schiff nicht mehr emittieren! Die restlichen zweiundzwanzig Prozent reichten nicht aus, um die D-122 schnell genug zu beschleunigen und sie aus dem Feuerbereich der Doppelkugelraumer zu befördern. Transitionen waren ebenfalls nicht mehr möglich.
Drei Bildschirme in der Kommandozentrale fielen gleichzeitig aus und wurden grau. Durch das Schiff grollten die ersten Explosionen. Die Bordverständigung war zusammengebrochen. Aber die D-122 wehrte sich immer noch. Sie war zwar waidwund geschossen, aber alleine wollte sie nicht untergehen. Ein weiterer Bildschirm fiel aus, aber auf den zwei letzten war der Untergang eines Doppelkugelraumers zu sehen. In den Augen der beiden Majore zeigte sieh für einen kurzen Augenblick noch einmal Genugtuung! »Vier M-Konverter explodiert!« meldete der Kopilot, als ob es sich um eine Kleinigkeit handeln würde. Und dann rasten gigantische Druckwellen durch die Decks und versuchten, den Unitall-Raumer zu zerfetzen. Die Schotts und 315 nachträglich installierte Geräte flogen aus den Halterungen, und die Besatzung wurde wie Spielzeugpuppen an die Wände geschmettert. »Spruch von der ARFON aufgenommen und bestätigt«, vernahm Major Angs noch aus der Funk-Z, dann wurde es langsam schwarz um ihn. Seine letzten Gedanken galten seiner Familie. Eine Stichflamme zerriß die D-122 und verwandelte sie in eine grelle Sonne. Die TP hatte einen Robotkreuzer und fünf Soldaten verloren. Gelassen nahm Vankko Crt Sagia die Nachricht auf, daß er sich im Kluis vor dem Vank einzufinden habe. Er hatte nichts zu verbergen, und er dachte nicht daran, mit seiner Meinung über den Beschluß des Vank, Terra zu vernichten, zurückzuhalten. Ihn beunruhigte nur, daß er seit zwei Zeiteinheiten keine Informationen über die terranische Abordnung mehr erhalten hatte. Sein Roboter hatte den Transmitter eingeschaltet, die Gegenstation im Kluis angewählt und seinem Herrn dann gemeldet, daß der Weg frei sei. Alle acht Vankko waren vor den Vank befohlen worden. Sie warteten in dem luxuriös ausgestatteten Raum, der hoch über dem Rechengehim lag und einen weiten Blick über Cromar erlaubte. Rber stand mit drei anderen Vankko zusammen; flüsternd unterhielten sie sich. Die Tel, die mit Rbers Verhalten bei der nächtlichen Sitzung im Kluis nicht einverstanden gewesen waren und die
seine Demütigung hatten mit ansehen müssen, bildeten die andere Gruppe. Über Cromar rasten gigantische Raumer in alle Richtungen. Es war ein ununterbrochenes Starten und Landen. Seilen hatte die Hauptwelt des Imperiums solche Flottenmassierungen erlebt. Nachdenklich verfolgte Crt Sagia einen großen Verband, der mit 316 hoher Geschwindigkeit dem freien Raum zustrebte. Es war ein imponierendes Bild, aber jedesmal, wenn der Vank daran dachte, wie großartig es ausgesehen hatte, als damals die Robotflotten gestartet waren, um einen einzigen terranischen Ringraumer zu vernichten, dann beschlich ihn unerklärliche Unruhe. Unwillkürlich schüttelte er den Kopf, und Jpart hatte diese Bewegung bemerkt. »Haben Sie wegen des Vank Sorgen, Sagia?« fragte er. »Nein, aber ich sorge mich um unser Imperium, denn das Schiff, das unsere Robotflotte vernichtet hat, befindet sich nun auf Cromar. Wir haben die Gefahr vor der Tür stehen und wollen es einfach nicht wahrhaben. Wenn ich doch nur mit Dro Cimc sprechen könnte.« »Der ist geschockt und festgenommen worden. Wie alle anderen Mitglieder der terranischen Delegation!« informierte ihn Jpart, als sei das selbstverständlich. Vankko Sagia wirbelte auf der Stelle herum und starrte seinen Kollegen entsetzt und konsterniert an. »Was haben Sie gesagt? Wir haben...? Die Abordnung der Ter raner? Jpart, sagen Sie, daß das nicht stimmt!« Die Stimme des Vankko klang bittend. Jpart brauchte nicht zu antworten. Sagia erkannte, daß der andere eine nur ihm unbekannte Tatsache berichtet hatte. Resignierend seufzte er: »Wir haben es gewagt, gegen unsere eigenen Gesetze zu verstoßen! Wir haben eine Abordnung, der wir Verhandlungsbereitschaft zugesagt hatten, festgenommen! Wer ist dafür verantwortlich?« »Es geschah auf Befehl des Vank, nach Beratung mit dem Kluis«, sagte Jpart unbehaglich. Die Gruppe um Rber beobachtete sie eindringlich, seitdem sie sich unterhielten. »Nach Beratung mit dem Kluis... natürlich! Und wo befinden sich die Terraner im Augenblick?« »Sie sollen vor den Vank geführt werden. Momentan bemüht man sich, sie wieder fit zu machen. In ihrer Gesellschaft befindet sich ein Tier, daß unheimlich schnell und geschickt sein soll. Es ist
317 ihm bisher gelungen, sich jeder Untersuchung zu entziehen. Unsere Experten stehen vor einem Rätsel, weil es seinem Körpergewicht nach viel tiefer hätte geschockt sein müssen als die Emporkömmlinge.« »Und was ist mit dem Raumer der Terraner?« Crt Sagia vermied wie immer die Bezeichnung Emporkömmlinge. »Welche Sicherheitsvorkehrungen sind getroffen worden, damit das fremde Ringschiff kein Unheil anrichten kann? Wissen Sie etwas darüber? Ich stelle nur fest, daß man mich erfolgreich isoliert hat und mir keine einzige Nachricht zukommen ließ.« »Das haben Sie sich selber und ihrer Auseinandersetzung mit Rber zuzuschreiben. Der Vank ist Rbers Ansicht. Ich rate Ihnen, sich bei der Besprechung vor dem Vank zurückzuhalten, doch was das Raumschiff der Terraner betrifft: Es wird innerhalb weniger Augenblicke zerstrahlt werden, wenn es nur einen Angriffsversuch wagt.« »Bei den Göttern Telins, Jpart! Hoffentlich behalten Sie recht.« Ein akustisches Signal kündigte die Ankunft der Gefangenen an, eskortiert von der Wache des Kluis. Unwillkürlich blieb der Blick aller Tel auf dem breitschultrigen weißblonden Mann hängen, dessen braune Augen eiskaltes Feuer verstrahlten. Ein Fremder in schmuckloser Uniform, der seine kleine Gruppe anführte. Auffallend waren die leicht gebogene Nase und das ausgeprägte Kinn. Kaum hatte Crt Sagia einen Blick auf ihn geworfen, als er wußte, daß er diesen Ren Dhark vor sich hatte, den wichtigsten Mann im Reich der Fremden. Aber wo war Dro Cimc? Warum wurde er nicht auch hereingebracht? Die Wand, die sie vom Vank trennte, wurde transparent; für jeden Vankko die Aufforderung, vor den Vank zu treten. Mit einem Schwenk ihrer Strahlwaffen dirigierte die Eskorte die gefangenen Terraner, deren Gesichter versteinert wirkten, durch die Wand. 318 »Diese ekelhaften Feiglinge!« schnaubte Dan Riker wütend und musterte voller Verachtung die drei Tel, die in Schwebesesseln saßen, welche in drei Metern Höhe frei in der Luft standen. Ren Dhark, der dicht vor ihm stand, nickte leicht mit dem Kopf. Er gab seinem Freund recht.
Das wortbrüchige Triumvirat bestand aus Feiglingen, die mit ihrer erhöhten Sitzposition vergeblich Eindruck bei den Terranem zu machen versuchten. Der Commander blickte hinter sich. Die schwerbewaffneten Uniformierten waren zurückgeblieben und nahmen an der Wand des Kuppelraumes mit der helleuchtenden Decke Aufstellung. Die acht Vankko halten links von den Gefangenen in bequemen Sesseln Platz genommen. Plötzlich öffnete sich die Tür, und noch jemand betrat den Raum: Dro Cimc, dessen Arme durch Magnetfesseln gebunden waren. Drei Uniformierte bewachten ihn. Der Wer schwankte leicht. Sein Gesicht zeigte Spuren von Folter. Der Blick seiner Augen war glanzlos. Die Uniform der telschen Flotte trug er nicht mehr. Man hatte ihm ein sackähnliches Kleidungsstück über den Körper gezogen. Drei Meter von den Terranern entfernt mußte Dro Cimc stehenbleiben. Wortlos machte die Wache kehrt und gesellte sich zu den anderen Soldaten. Crt Sagia war ganz ruhig geblieben, als Cimc hereingeführt wurde, aber er behielt seinen Sohn von nun an im Auge. Ren Dhark kümmerte sich nicht um den schwebenden Vank. Niemand hielt ihn auf, als er zu Cimc ging und den wankenden Tel stützte, ihn zu seiner Gruppe führte. Die Terraner demonstrierten Solidarität mit dem vermeintlichen Verräter! Das Triumvirat, das gleich einer dreifachen Marionette in seinen Schwebesesseln saß, verzog keine Miene. Aber die acht Vankko hatten sich aufgerichtet und das Tun des weißblonden Fremden mit Verwunderung und teils auch mit Zorn verfolgt. 319 Vankko Rber frohlockte, weil der Terraner mit seinem unmöglichen Benehmen das Urteil über sich selbst gefällt hatte, und er war überzeugt, daß der Vank mit diesem Fremdling kein Erbarmen haben würde. Diese Emporkömmlinge mußten ausgerottet werden, wie einst auch die Crekker ausgerottet worden waren. »Dro, sind Sie noch in der Lage, zu dolmetschen?« fragte Ren Dhark seinen dunkelhäutigen Freund besorgt. »Ja, aber versprechen Sie sich nicht zuviel davon. Wir haben das Allerschlimmste zu befürchten. Ich wurde zum Tode verurteilt, ohne ein Gericht gesehen zu haben, und wir alle werden sterben. Hier, vor dem Vank.« Cimcs Stimme war schwach, sie klang ge-
brochen und hoffnungslos. »Ich hatte Sie gewarnt, Ren Dhark. Erinnern Sie sich? Es gibt keine Verständigungsmöglichkeit mit dem Vank und dem Kluis!« »Der weiße Emporkömmling und der Verräter mögen vor dem Vank schweigen!« dröhnte es aus der Höhe herab. Ren Dhark verschränkte die Arme vor der Brust und begann in Richtung des Vank zu sprechen, vermied aber bewußt, zu den Schwarzen Weißen aufzuschauen. Als Gleicher unter Gleichen halte er mit der politischen Führungsspitze des Telin-Imperiums verhandeln wollen. Keinesfalls würde er wie ein Wicht zu diesen drei Tel hinaufsehen, auch wenn der Vank es seit Jahrhunderten nicht anders gewohnt war. »Vank, als Vertreter unseres Sternenreiches der Emporkömmlinge«, Dhark legte unverkennbar beißenden Spott in diese Be zeichnung, »habe ich Cromar aufgesucht, um mit Ihnen über unsere Beziehungen zu verhandeln. Sie erklärten sich dazu bereit. Stehen Sie zu Ihrem Wort, oder Sie werden die Konsequenzen zu tragen haben!« Dro Cimc übersetzte. Der Vank reagierte nicht, strafte Dhark mit Schweigen. »Der Vank ist es nicht gewohnt, daß jemand anders als er das Gespräch eröffnet!« teilte ihm der Wer mit, der durch die herausfordernde Initiative seines Freundes die eigenen, sowieso kaum vorhandenen Chancen immer mehr schwinden sah. »Danke für die Information. Aber ich bin nicht hier, um das Opferlamm zu spielen«, erwiderte Dhark kurz, der inzwischen eingesehen hatte, daß er besser auf die Einwände seiner Freunde gehört hätte. Dieser Vank verstand nur eine Sprache, aber diese Sprache wollte Dhark nicht sprechen! Noch nicht! Plötzlich machte er kehrt und ging zu den acht Vankko hinüber, die in einer Sesselreihe saßen. Es war Zufall, daß er sich an Rber wandte. »Sagen Sie Ihrem Vank, daß es sich nicht lohnt, so mit dem Vertreter eines fremden Volkes umzugehen, dessen militärische Stärke man nicht kennt.« Rber, dessen Gesicht schon lange keine Spur mehr von Saglas Ohrfeige trug, grinste Dhark und den übersetzenden Cimc verächtlich an. »Wir kennen die militärische Kraft Terras, Terraner.« Der Vankko spukte das Wort Terraner geradezu aus wie eine ekelerre-
gende Substanz. »Der Verräter, der neben Ihnen steht, hat in den Verhören sein gesamtes Wissen preisgegeben. Die lächerliche Zahl an Raumschiffen, über die Terra verfügt, ist nicht wert, daß man sie ausspricht.« Dhark wurde abwechselnd heiß und kalt. Man hatte Dro Cimc also einem gewaltsamen Verhör unterzogen! Terras galaktische Position war bekannt, die Stärke der Flotte. Alles! Schnell fing sich der Commander wieder. Auf seinem Gesicht machte sich ein Lächeln breit. Aber ein Lächeln, das auch einen mutigen Mann frieren lassen konnte. »Was kann Wer Dro Cimc schon verraten haben? Sie wissen nicht einmal, daß Cromar vor seinem Untergang steht. Haben Sie Ihre Robotflotte vergessen, die ich in die Wonnen des Abgrundes 320 321 schickte?« In diesem Augenblick gratulierte er sich im stillen, daß Cimc seiher vorgeschlagen hatte, ihm für die Zeit des Besuchs auf Cromar einen temporären und partiellen Hypnoblock zu verpassen, der die Vernichtung der Tel-Flotte und die Existenz der Synties umfaßte. Nachträglich betrachtet konnte Dhark seine eigene Naivität selbst kaum fassen. Ich muß wirklich mehr aufDan hören, machte er sieh Vorwürfe. Da mischte sich der Vank Tra Lrer ein. »Nicht wir, die Tel, sondern ihr, die Terraner, habt in dem Sektor, den ihr die Sternenbrücke nennt, die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet. Unerlaubt betratet ihr einen Planeten, den wir in Besitz genommen hatten. Damit habe ich genug gesagt. Und damit hat der Vank alles gesagt.« Ren Dhark dachte nicht daran, ihm zu widersprechen. Der Tel als Mitglied des Vank war von seiner Wichtigkeit viel zu sehr überzeugt, um vernünftigen Argumenten zugänglich zu sein. »Vank und Vankko, vergessen Sie nicht den Untergang Ihrer Robotflotte«. Der Commander vermied es, auf seinen Ringraumer anzuspieleil. Die P01NT OF konnte vielleicht das Zünglein an der Waage spielen, warum sollte er jetzt unbedingt darauf verweisen? »Rber!« Mär Cooze rief den Vankko an. Rber verließ seinen Sessel und trat zur linken, hcllglünen Wand, die bis auf einen langen, meterhohen Sockel aus transparentem Material bestand und den Blick über Cromar freigab.
Im nächsten Augenblick wurde es im Kuppelraum dunkel, und vor der terranischen Gruppe flammte eine Projektion auf. Der Staatshafen wurde sichtbar. Die Bilderlassung schwenkte herum und zeigte eine Ballung gigantischer 800-Meter-Doppelkugelraumer, die sich beinahe gegenseitig berührten. Mehr als vierzig Schiffe standen bewegungslos in der Luft, bis auf die wenigen, die unbeweglich auf ihren turmdicken Teleskopbeinen ruhten und Bodenkontakt hatten. »Terraner, sehen Sie Ihr Raumschiff noch?« fragte Vank Tra 322 Lrer voller Hohn. »Drei Fesselfelder halten es zusätzlich fest. Mehr als achtzig der schwersten Strahlgeschützstellungen haben ihre Antennen genau auf das Ringschiff justiert und warten nur auf den Feuerbefehl. Wenn er erfolgt, gefährden wir nichi ein einziges unserer Schiffe. Erkennen Sie nun endlich Ihre Ohnmacht?« Der Vankko Crt Sagia saß wie eine Statue in seinem Sessel. Er schämte sich, ein Tel zu sein, mehr aber noch, daß er einer der acht Vankko war. In der Geschichte seines Volkes würde er keinen guten Platz finden. Dieser weißblonde Mann mit seinem furchtbaren Schiff, mit dem er eine Riesenflotte in die Vernichtung getrieben hatte, war eine gewaltige Bedrohung für das Telin-Imperium, das spürte er immer stärker. Sagia betrachtete seinen erschöpften Sohn schon lange aufmerksam. Schnell war ihm die Vertrautheit zwischen Cimc und den Terranern, speziell Dhark und Riker, aufgefallen. Crt Sagia kannte seinen Sohn, und er konnte sich nicht vorstellen, daß er ohne Grund zum Freund dieser Terraner geworden war. Ren Dhark betrachtete die Projektion kurz, als ob ihn das Bild kaum interessiere. Er hatte sofort die Gefahr erkannt, in der seine POINT OF sich befand. Seitdem der Robothund Jimmy verschwunden war, hatten sie keine Möglichkeit mehr gehabt, Verbindung mit dem Raumer aufzunehmen. Ihre Ausrüstung war ihnen sofort nach der Einweisung in ihre Zellen abgenommen worden. Langsam drehte sich der Commander zu seinen Begleitern um. Er sah seine Männer der Reihe nach an. Die Blicke, die sie ihm schenkten, drückten beherrschten Grimm aus, aber auch das Wissen darüber, in welcher Gefahr sie sich befanden. Dhark nickte seinen Leuten aufmunternd zu. Im Kuppelsaal wurde es wieder hell, und die Projektion verschwand. Rber nahm wieder in seinem Sessel Platz.
Langsam senkten sich die drei Schwebesessel und setzten stoßfrei auf. Im gleichen Moment erhob sich das Triumvirat und Orle Sedaft verkündete: 323 »Das Gericht tagt!« Erregt flüsterte Dro Cimc mit dem Commander. »Der Kluis wird gleich das Urteil fällen. Es ist unwiderruflich. Gegen eine Entscheidung des Kluis gibt es keine Rechtsmittel!« Etwas Ähnliches hatte Ren Dhark befürchtet. »Dro«, wandte er sich an den Tel, ohne sich darum zu kümmern, daß auch der Vankko aufgestanden war und bewegungslos verharrte. Ob sie jetzt gegen ein halbes Hundert telsche Gesetze verstießen oder nicht, änderte am Urteil bestimmt nichts. »Wir müssen mit der POINT OF in Funkverbindung treten! Trägt keiner der Vankko so etwas wie ein Vipho mit sich herum?« »Nein!« Da kam das Urteil. Der Kluis, das riesengroße Rechengehirn der Tel, sprach es mit seiner dröhnenden Stimme: »Die Männer der weißen Emporkömmlinge werden auf dem Rost durch Energiestrahlen den Wonnen des Abgrundes übergeben. Der erste Terraner, der den Abgrund sehen wird, heißt Ren Dhark. Ihm folgt der andere, der Dan Riker heißt. Die Reihenfolge der übrigen ist nicht festgelegt. Das Urteil ist in drei Zeiteinheiten W vollstrecken. Der letzte auf dem Rost ist Dro Cimc, der größte Verräter des Telin-Imperiums.« »Freundliche Nachbarn!« orgelte Chris Shanton mit seiner tiefen Baßstimme. »Eine ausgekochte Bande von Strolchen!« Dro Cimc hielt es nicht für nötig, das auch zu übersetzen. Aber er stimmte dem zwei Zentner schweren Mann nickend zu. Da ereignete sich ein Zwischenfall, mit dem niemand gerechnet hatte. Vankko Crt Sagia war aufgesprungen und vor den Vank getreten. Lautstark sprach er. Dro Cimc war nicht in der Lage, alles zu übersetzen. Und gerade in dieser Phase war es wichtig zu wissen, was dieser Vankko dem Vank sagte. »Dhark, Vankko Sagia protestiert gegen das Urteil des Kluis! Er bezeichnet es als Mord. Er versucht den Vank zu zwingen, das Urteil aufzuheben. Bei allen Göttern, Vankko Sagia bringt sich persönlich in Lebensgefahr. Auch ein Vankko darf dem Vank nicht widersprechen!«
»Es lebe die Redefreiheit!« höhnte Dan Riker. Aber dieser protestierende Tel imponierte ihm. Plötzlich war Vankko Sagia von Pdals, Tgut und Jpart umringt. Sie versuchten, ihn zu beschwichtigen. Abermals kam Dro Cimc mit der Übersetzung nicht nach. Die Ereignisse überschlugen sich! Gleichzeitig erklärten die drei Vankko, daß sie der gleichen Ansicht seien wie Crt Sagia! Die dröhnende Stimme des Kluis mischte sich ein. Die Existenz des Telin-Imperiums verlangt, daß die Terraner den Wonnen des Abgrundes übergeben werden! Bebend vor ohnmächtigem Zorn stieß Dro Cimc in terranischer Sprache aus: »Wann finden sich endlich einmal Tel, die dieses Ungeheuer in die Luft jagen und den Vank in die Wonnen des Abgrundes?« Die Stimme des Kluis hatte auch den rebellierenden und protestierenden Vankko den Elan genommen. Mit gesenkten Köpfen gingen sie zu ihren Sesseln zurück, wo die vierköpfige Clique um Rber sie mit höhnischem Grinsen erwartete. Hinter Ren Dhark und seinen Männern wurde die Wand wieder transparent, und die Wache des Kluis trat ein, um sie abzuführen. Diesmal wurde Dro Cimc nicht von ihnen getrennt. Auf Terra hatten die großen Funkstationen von Cent Field den letzten Spruch der D-122 empfangen und die ermittelten Koordinaten sofort weitergeleitet. Offener Sternhaufen DD-889-s! Was wußte man auf Terra darüber? Nichts! Es gab in der Galaxis Hunderttausende offener Sternhaufen. Die meisten waren unbekanntes Gebiet wie der größte Teil der Milchstraße. 324 325 Der Stab der TF ließ die Verzögerungstaktik der Astronomen nicht zum Zuge kommen. »Wir haben damit zu rechnen, daß sich der Commander in diesem Sektor befindet, und wir müssen uns darauf einstellen, daß aus DD-889-s ein Angriff gegen die Erde gestartet wird. Diese unheimliche Übertragungsstrecke in Richtung der Erde wird von den Tel mit aller Macht vorwärtsgetrieben, und heute oder morgen müssen sie trotz Störungen des galdktischen Magnetfeldes in der Lage sein, uns ihre Sendungen hereinzuschicken.
Wir müssen unbedingt wissen, ob Übereinstimmung mit den uns vorliegenden Koordinaten besteht, meine Herren.« Bei der OSO herrschte eine einmalig schlechte Stimmung. Jeder ging Bernd Eylers aus dem Weg, auch Jos Aachten van Haag, und doch mußte er bei seinem Chef erscheinen. »Kommen Sie rüber!« liatte Eylers kurz angebunden über Vipho kommandiert. >Wie einen Hund,< dachte Jos, als er sich auf dem Weg zu Eylers befand. >Wie einen Hund hat er mich angeschnauzt'. »Da!« stieß Eylers über die Lippen, kaum daß Jos saß, und reichte ihm eine Meldung. Und plötzlich verstand van Haag, weshalb Eylers so wütend war. Die verschwundenen Mediziner aus dem Brana-Tal waren gefunden worden. In Tokio. Alle, die der Vermutung der GSO nach noch leben mußten. In der Plastikwand eines Hochhausneubaus hatte man sie entdeckt, als man bemerkte, daß eine wichtige hydraulische Leitung nicht eingegossen worden war. »Auch eine Methode, Menschen zu begraben«, knurrte Jos. »Und was gibt's sonst noch an Spuren? Sind Schwarze Weiße bemerkt worden?« »In Tokio nicht, aber hinter der Plutobahn!« sagte Eylers mürrisch. »Ein nicht mehr zu identifizierendes Raumschiff hat unser 326 System verlassen und ist in einer Transition verschwunden. Und seit zwei Tagen werden etwa siebzig Robonen vermißt, die unter Kontrolle standen. Ihr Verschwinden könnte mit dem Start des unbekannten Raumschiffes im Zusammenhang stehen.« »Eylers, wir haben in diesem ominösen Fall auf der ganzen Linie versagt. Tut mir leid, das sagen zu müssen, Chef!« Eylers bestätigte die Aussage seines besten Agenten mit einem zustimmenden Kopfnicken. »Reden Sie weiter, Jos.« »Machen wir uns nichts vor. Mit rechten Dillgen ist das nicht zugegangen. Erinnern Sie sich nur, daß sogar Sie mir nicht mehr über den Weg trauten. Und diese Schwarzen Weißen im BranaTal, die mit dem Tel Cimc nichts zu tun haben wollten, und dieser Bursche, der sich die Inderin Devi Sita hörig gemacht hatte... Eylers, ich habe nur den einen Wunsch, daß sich kein einziger Schwarzer Weißer mehr auf der Erde herumtreibt. Hoffentlich sind sie tatsächlich alle mit diesem unbekannten Raumschiff verschwunden.«
»Ich sehe den Fall anders, Jos. Bulton und Trawisheim haben mich informiert. Terra erwartet einen Angriff durch die Tel. Wenn Ihre Annahme stimmt, daß alle Schwarzen Weißen Terra verlassen haben, dann steht der Angriff dicht bevor. Ich habe bislang selten Spione erlebt, die dazu bereit waren, sich selbst zu opfern.« Ihre Vermutungen stimmten nicht ganz. Woher sollten sie auch wissen, daß die Tel, die sie jagten, gar keine waren - sondern jene Wesen, die im Telin-Imperium Crekker genannt wurden? Falluta behielt die Übersicht. Die telsche Raumschiffspyramide, unter der die POINT OF buchstäblich begraben lag, konnte ihn nicht beeindrucken. Und die drei Fesselfelder noch weniger. Noch war er in der Lage, augenblicklich das Hy-Kon einzusetzen, und was danach von der ganzen Raumschiffspracht übrigbleiben 327 würde, das wußte auch der letzte Mann im Schiff. Aber daß nun schon der zweite Cromar-Tag vergangen und vom Commander immer noch keine Nachricht eingetroffen war, gefiel ihm ganz und gar nicht. Weder Jimmy noch die Cyborgs mit ihren Spezialgeräten meldeten sich. »Wir warten noch zehn Stunden!« Er warf einen Blick auf das Chrono und sagte dann entschlossen: »Um 15.30 Uhr Ortszeit setze ich Hy-Kon ein, wenn der Commander sich bis dahin nicht gemeldet hat. Dann wollen wir mal sehen, wie schnell dieser Vank hieraufkreuzt!« »Hoffentlich ist es bis dahin nicht zu spät«, gab Leon Bebir zu bedenken. Niemand ahnte, daß sich bereits in wenigen Stunden die Wonnen des Abgrundes für eine kleine Gruppe Terraner auttun sollten. Man hatte die Gruppe um Dhark in einem einzigen kleinen Raum wie Vieh eingesperrt und nicht einmal mit dem Notdürftigsten versorgt. Die absolute Finsternis trug dazu bei, daß die Stimmung der Männer immer tiefer sank. Sie selbst waren ohne jedweden Handlungsspielraum, Hilfe konnte nur noch von außen kommen. Apathisch hockten die Männer auf dem Plaslikboden. Hier und da fiel mal ein Wort, aber eil. Gespräch kam nicht auf. Das Zeitgefühl war verlorengegangen. Zeit — was war das? Der Abgrund der Wonnen wartete auf sie. Nette Wonnen!
Die Strahlensperre, die keinen Lichtstrahl durchließ, flog auseinander. Geblendet schlössen die Männer die Augen. Rauhe Worte in telscher Sprache waren zu hören. Durch zusammengekniffene Augen nahmen die Terraner telsche Wachmannschaften wahr, die mit schußbereiten Strahlwaffen den Eingang absicherten. Ein schwarzes, vierbeiniges Etwas flog an den Soldaten vorbei und schlug schwer auf den Boden. Gleich darauf schloß sich die Strahlensperre wieder, Dunkelheit umfing die Gefangenen erneut. Und dennoch hatte sich eine Kleinigkeit geändert: Jimmy, Chris Shantons Robolhund, befand sich bei ihnen; Jimmy mit einem kleinen Hypersender im Bauch. »Ungehobelte Typen, diese Schwarzen Weißen!« schnauzte der Scotchterrier, der schon wieder auf den Beinen stand. Seine Augen strahlten Helligkeit ab, so daß die Männer wenigstens einander wahrnehmen konnten. »Jimmy«, fragte Dhark, »kannst du einen Spruch gerafft abstrahlen?« »Wenn der Dicke mich nicht wieder abgespeckt hat, natürlich!« antwortete das »Spielzeug« von Chris Shanton, das der im Laufe der Jahre immer weiterentwickelt hatte und das mittlerweile ein teilweise unkontrollierbares Eigenleben führte. Jimmys Stimme klang beinahe etwas beleidigt. Der Zweizentnermann Shanton behielt seinen Kommentar für sich, nur im Stillen dachte er: Nu warte, die nächste Inspektion kommt noch! »Dann raus mit dem Spruch!« Aber sie hatten auch in diesem Fall kein Glück. Ihre Zelle lag unter einem Schirm, der nicht zu durchbrechen war. »Verdammt!« fluchte der Diplom-Ingenieur, aber damit änderte sich auch nichts. Durch Jimmy erfuhren die Gefangenen, daß der gesamte Komplex durch Strahlenschirme abgespem war und daß auch die einzelnen Bereiche hermetisch abgeschirmt wurden. Es gab keine Möglichkeit einer Verbindung mit der Außenwelt! Die Stimmung der Männer sank wieder auf den Nullpunkt. Jetzt konnten sie sich nur noch durch eine Verzweiflungstat retten. Ein Plan nahm Gestalt an. »Außerdem gibt es noch Falluta. Meinem Gefühl nach muß die vereinbarte Wartezeit bald abgelaufen sein. Wenn nicht, dann...«, Dhark beendete den Satz nicht. Jeder seiner Männer wußte, was er meinte.
328 329 Plötzlich war es soweit! Dreißig schwerbewaffnete Tel holten sie ab. Wie eine Herde wurden sie durch den breiten Gang getrieben, unaufhaltsam näherten sie sich dem Abgrund der Wonnen! Gespannt warteten die Männer auf das Zeichen des Commanders. Die Cyborgs hatten bereits auf ihr Zweites System umgeschaltet. Eine Strahlsperre verschwand und gab den Eingang zu einem AGrav frei. In der Tiefe angekommen, hatten sie einen Transmitter zu benutzen, in den sie paarweise hineingetrieben wurden. Die Gegenstation befand sich vor dem Abgrund der Wonnen! Sie hatten ihre Hinrichtungsstätte erreicht! Der Vank wollte Augenzeuge ihrer Vernichtung werden, und alle acht Vankko waren ebenfalls anwesend. Wie bei der ersten Anhörung hatten sich die Vankko wieder in zwei Gruppen geteilt. Crt Sagia, der als Anführer der »Rebellen« füngierte, zeigte mit keiner Miene, daß ihm das Schicksal seines Sohnes Dro Cimc naheging. Er starrte blicklos geradeaus, so, als würde dies alles ihn nicht berühren. »Dro Cimc!« Vankko Rber stieß den Namen des ehemaligen Wer voller Verachtung aus. »Wir haben umdisponiert. Sie haben die Ehre, als erster in die Wonnen des Abgrunds überführt zu werden!« Höhnisch klangen die Worte des machthungrigen Vankko. Der Schwarze Weiße trat vor ihn. Ruhig schritt er auf die Markierung im Boden zu, die kennzeichnete, wo der Auflösungsvorgang stattfinden sollte. X-Zeit minus dreißig Sekunden! Auf über zweitausend S-Kreuzem schalteten sich die Suprasensoren synchron, waren Tausende von Raumsoldaten einsatzbereit und warteten auf die letzte Order! Terra hatte zum entscheidenden Schlag ausgeholt! Aus allen Bereichen des terranischen Einflußbereiches - ColSystem, Sternenbrücke, Erron-1 -ja sogar von Esmaladan waren die verfügbaren Kräfte abgezogen und zu einem Großeinsatz zusammengezogen worden. Die terranische Flottenleitung hatte innerhalb kürzester Zeit eine logistische Glanzleistung vollbracht. Die gigantische Armada sollte zur gleichen Zeit im telschen Zentralsystem rematerialisieren und es auf einen Schlag unter seine Kontrolle bringen.
Terra hatte seine Ringraumer ausgeschickt, den Commander der Planeten zu befreien! Und dann waren die dreißig Sekunden abgelaufen; von einem Moment zum anderen war der strahlende Schwärm verschwunden, machte dem Licht der dahinterliegenden Sonnen wieder Platz. Nur eine gigantische Strukturerschütterung kündete davon, daß hier vor wenigen Augenblicken noch ein riesiger Raumschiffsverband seines Weges gezogen war. Die treibenden Gesteinsbrocken, die die Terranische Flotte eine Weile auf ihrem Weg begleitet hatten, zogen weiterhin ihre Bahn durch das Universum - wie schon seit Äonen. Ein im Licht der nahen und fernen Sterne funkelnder Schwärm ringförmiger Objekte, die bei näherer Betrachtung blauviolett schimmerten, durcheilte die Weiten des Alls. Nichts konnte ihn aufhalten, nichts stellte sich ihm entgegen. Die Vorbereitungen für den nächsten Sprung liefen. 330 »Dro Cimc!« Der Schwarze Weiße drehte sich um, schüttelte unwillig die Hände seiner zwei Wachen ab, und blickte zurück zu der Gruppe der Terraner. Dhark sprach. »Dro Cimc, wir sehen uns dann auf Erron-1 wieder!« 331 Erron-1! Das war das Stichwort gewesen, auf das seine Männer so sehnsüchtig gewartet hatten. Bei Erron-1 war Jimmy herumgewirbelt, hatte seine Zunge aus der Schnauze gestreckt und den Abstrahlpol an der Spitze aktiviert. Bevor die dreißigköpfige Wachmannschuft begriff, was geschah, lagen 25 von ihnen tief paralysiert am Boden. Der Rest glaubte, es mit Gespenstern zu tun zu haben, denn noch nie hatten sie ein humanoides Wesen erlebt, das in der Lage war, aus dem Stand über fünf Meter weit zu springen. Das Entsetzen der schwerbewaffneten Tel steigerte sich in Panik, als die vier Terraner, die sie mit blanken Fäusten angriffen, auf Schockerbeschuß nicht reagierten. Dro Cimc hatte inzwischen seine zwei Bewacher, die wie er starrt neben ihm standen, niedergeschlagen und ihnen die Strahlwaffen entrissen. Eine Waffe behielt er selbst in der Hand, die andere warf er Ren Dhark zu.
Geschickt fing der die Waffe in der Luft auf und setzte sie sofort ein. Zwei angreifende Tel wurden durch den Schockerstrahl von den Beinen gerissen. Auch die anderen Männer hatten nicht untätig dabeigestanden. Kaum daß Jimmy den Kampf eröffnete, teilten sie sich in zwei Gruppen und stürmten auf den Vank und die Vankko los. Jimmy, dicht neben dem Dicken, schockte fünf Vankko. Die anderen kamen nicht mehr dazu, ihre Waffen zu ziehen, und Crt Sagia dachte nicht daran, sich auch nur durch eine Fingerbewegung zu wehren. Deutlich spreizte er seine Arme zur Seite ab und gab so zu verslehen, daß er sich widerstandslos entwaffnen lassen wollte. Ren Dhark bekam Orle Sedaft zu fassen, der zu spät seinen Sessel hochsteigen ließ. Neben ihm fluchte Dro Cimc in terranischer Sprache und riß Tra Lrer aus seinem thronähnlichen Sitz. Mär Cooze versuchte, sich hinter den niedrigen Schränken zu verbergen und die Terraner von dort aus unter Beschuß zu nehmen, aber er hatte nicht mit Jimmy gerechnet. Der nahm den letzten hand 332 lungsfähigen Vank blitzschnell ins Visier, und einen Augenblick später fiel Mär Cooze wie ein nasser Sack in sich zusammen. Die Terraner zwangen die noch gehfähigen Vank und Vankko mit vorgehaltenen Waffen in eine Ecke des Hinrichtungsraumes. Die Cyborgs trugen die geschockten Tel zusammen und fertigten aus Kleidungsstücken provisorische Fesseln. »Jimmy, beim geringsten Versuch, sich zu befreien, schocken!« Diese Anweisung kam von dem Cyborg Mark Carrell. Zur Bestätigung gab Jimmy ein lautes »Wuff!« von sich und wedelte kräftig mit dem Schwanz. Chris Shanton strich sich über seine langsam wieder dichter werdende Bartpracht und wunderte sich über die ungewohnte Reaktion seiner Konstruktion. Was hat sich der Köter denn jetzt schon wieder ausgedacht? Die Vank Tra Lrer und Orle Sedaft standen in der Ecke zusam men mit den restlichen nicht geschockten Tel und zitterten am ganzen Körper. Sie, die vor nicht allzu langer Zeit noch die verkörperte Hochmut dargestellt hatten, waren zu jämmerlichen Kreaturen geworden. Durch den großen Raum dröhnte die donnernde Stimme des Kluis. Das Rechengehirn der Tel verlangte die sofortige Freilassung der gefangenen Tel und die Kapitulation der Terraner. »Kluis, wir geben nicht auf. Nein, wir fordern sogar im Gegenteil unsere sofortige Freilassung und Rückführung zu unserem
Raumschiff. Andernfalls garantieren wir nicht für das Leben der Gefangenen!« drohte Dhark entschlossen. Daran, seine Drohung wahrzumachen, dachte er allerdings nicht. Während der Commander mit dem Kluis verhandelte, sicherten die Cyborgs den Transmitter, denn von dieser Seite her wollten sie keine böse Überraschung erleben. Dro Cimc half ihnen, den Empfangsmodus zu sperren. »Dhark von Terra, wer bist du denn, daß du glaubst, mit dem Kluis, dem Herrscher der Tel, verhandeln w können?« dröhnte die Stimme der Maschine erneut auf. »Sieh genau hin, damit du 333 miterlebst, wie der Kluis mit Verrätern und Feinden des Imperiums verfährt!« Ein Bildschirm an der linken Wand des Hinrichtungsraumes erhellte sich. In einem grell erleuchteten Raum waren Hunderte von Tel zusammengetrieben. Viele bluteten und hielten sich nur mühsam auf den Beinen. Nebenbei nahmen die Terraner wahr, daß das Blut der schwarzen Humanoiden ebenfalls rot war. »Offiziere der Flotte!« kommentierte der überraschte Cimc und versuchte, einen ihm bekannten Flottenkommandanten auszumachen. »Diese Verräter meinten, die Ankunft der terranischen Emporkömmlinge daw nutzen w können, um offen gegen den Vank und den Kluis vorzugehen. Der offenbar lang vorbereitete Aufstand wurde durch den Hinweis des Vankko Rber verhindert. Weitere Verhaftungen erfolgen laufend. Alle an diesem Aufstand beieiligen Personen werden ausnahmslos vernichtet und mit ihnen ihre Familien!« »Rber, diese miese Ratte«, donnerte Shanton los, »dem würde ich zu gerne das Fell über die Ohren ziehen!« Aber niemand ging auf den Ausbruch des Dicken ein. Gebannt verfolgten die übrigen Männer Aufnahmen, die die Niederschlagung des Aufstandes zeigten und die Verhaftung der Flottenoffiziere. Gnadenlos feuerten die Roboter der Schwarzen Weißen, die ihren Herren bis auf das Blitzen in den Augen vollkommen glichen, in die Reihen der Rebellen. »... wird Rber aufgrund seiner Loyalität und Verdienste wm Vank erhoben!« hörten die Terraner die abschließenden Worte. Gleichzeitig zeigte der Schirm, wie in der Wand verborgene Strahlwaffen das Feuer auf die gefangenen Tel eröffneten. »Nein!« schrie Dhark auf und wußte doch, daß er die Ereignisse irgendwo auf Cromar nicht beeinflussen konnte.
Entsetzt beobachteten die Männer von der POINT OF, wie ein Tel nach dem anderen zu Boden ging und dort regungslos liegenblieb. Nach kurzer Zeit hatten sich die Körper vollkommen aufge 334 löst. »Und der Terraner Dhark meint, dem Kluis Bedingungen stellen w können? Was ist das Leben eines Tel, auch eines Vankko oder Vank, im Vergleich wm Bestand des Kluis?« Leidenschaftslos und monoton klang die Stimme des Rechengehims. Ein Schuß aus der Strahlwaffe Dro Cimcs verhinderte eine weitere Übertragung. Die Wand, in die der Bildschirm eingelassen war, verwandelte sich in ein verschmortes Gebilde. Unangenehmer Brandgeruch machte sich breit. »Wir müssen den Kluis zerstören«, brach es bitter aus ihm heraus. Dhark legte seinem Freund tröstend die Hand auf die Schulter. »Cimc, die Tel benötigen ihn, und wir Terraner werden ihn bei den Verhandlungen benötigen...« »Verhandlungen?! Ja haben Sie denn immer noch nicht verstanden? Es wird keine Verhandlungen geben!« schleuderte ihm Cimc entgegen. Eine noch nie gemessene Strukturerschütterung erschütterte das Telin-System! Die Terranische Flotte unter Leitung der Colonels Szardak, Larsen, Clark und Huxley war fünf Millionen Kilometer über Cromar aus dem Hyperraum aufgetaucht und hatte sofort die strategisch wichtigsten Punkte in dem Heimatsystem der Tel eingenommen. Die Flottenkommandanten der Schwarzen Weißen waren wie gelähmt. Die Terraner hatten ein Manöver gewagt, daß sie selber nie versucht hätten. Ein Manöver, welches sie in ihren Berechnungen nie berücksichtigt hatten! Ebensowenig wie der Kluis, dem das selbe Versäumnis unterlaufen war! Szardak, der auf der TERRA, einem der rotfunkelnden TofiritRaumer mit vierhundert Metern Durchmesser, das Oberkommando über fünfhundert Schifte führte, ordnete die vollkommene Ein 335 Schließung von Cromar an. Larsen, Clark und Huxley verteilten ihre Geschwader nach einem genau festgelegten Plan über das gesamte System.
»Martins, sofort Kontakt zur POINT OF herstellen und Verbindung mit der LUXOR!« Szardak war ganz ruhig. Die einlaufenden Meldungen bestätigten dem ergrauten Absolventen der Kallisto-Akademie, daß die Terraner Herr der Lage waren. Bislang war es zu keinerlei Kampfhandlungen gekommen. »Sie wollten mich sprechen, Colonel?« meldete sich Geschwa derführerin Goodtime von Bord ihres Raumschiffes. Colonel Sally Goodtime hatte den Flug von Erron-1 aus angetreten. Sie war mit ihrem S-Kreuzer und den zwanzig ihr unterstellten Raumern zur gleichen Zeit wie die anderen Verbände eingetroffen. »Colonel, wir haben Kontakt mit Cromar! Gespräch ist eine Weiterleitung durch die POINT OF«, unterbrach Martins. Gleichzeitig erschien das Abbild eines erschöpft aussehenden Ren Dhark auf dem Bildschirm. Das markante Gesicht war voller Bartstoppeln, und die braunen Augen lagen tief in den Höhlen. »Janos, Gott sei Dank! Sie sind die Rettung in letzter Sekunde. Wir sitzen hier irgendwo auf Cromar fest, und der Kluis hetzt uns seine Roboter auf den Hals. Die POINT OF ist auch lahmgelegt, Falluta kann das Hy-Kon nicht einsetzen. Lange können wir uns nicht mehr halten. Geben Sie dem Einsatzkommando Deckung. Unsere Koordinaten übermittelt Ihnen Grappa.« »Janos, das übernehme ich!« kam es von der Kommandantin der LUXOR. Hallo, POINT OF, bitte Daten überspielen!« Goodtimes Geschwader nahm Kurs auf die Hauptstadt der Tel. Ziel war der Staatshafen. Zwanzig 800-Meter-Doppelkugelraumer, die mit Alarmstart abgehoben hatten, versuchten, die einundzwanzig S-Kreuzer von ihrem Kurs abzubringen und sie abzuschießen. Ruhig betrachtete die Frau mit den kastanienroten Haaren und der perfekt sitzenden Uniform die schnell näherkommenden Raumer. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war eiskalt. »Entfernung drei Lichtsekunden, schnell abnehmend!« teilte die Ortung mit. »Waffensysteme klar!« meldeten die Waffensteuerungen. Die Tel eröffneten das Feuer auf eine Distanz von 450.000 Kilometer. Kampfstrahlen griffen nach den terranischen Räumern, hüllten die Intervalle in ein Inferno aus Energie. »Belastung 45,8 Prozent!« Bert Russell, der 1.0. an Bord der LUXOR, warf einen fragenden Blick auf seine Kommandantin. Goodtime nickte. »An alle! Feuererlaubnis!«
In der Schwärze des Weltalls waren die rosaroten Nadelstrahlen, die überlichtschnell den Doppelkugelraumem entgegeneilten, gut zu erkennen. Die Schutzschirme der Tel-Schiffe boten nur einen kurzen Augenblick Schutz. Dann brachen die Kampfstrahlen durch und begannen ihr vernichtendes Werk, fraßen sich durch die Außenhülle in das Innenleben der Raumer. Fünfzehn Sekunden später explodierten die Raumer der Tel unter dem konzentrischen Feuer der S-Kreuzer, ihre Überreste verglühten in Cromars Atmosphäre. Kompromißlos zogen die Schiffe unter dem Kommando Sally Goodtimes ihre Bahn, landeten auf dem Staatshafen von Cromar, Aufkeimender Widerstand wurde schnell gebrochen. Die meisten Waffenleitoffiziere der Tel wagten mit Rücksicht auf ihre Welt und die eigenen Truppen nicht, schwere Waffen zu benutzen. Die Terraner setzten jetzt abwechselnd Strich-Punkt und Dust ein. Diese Kampfstrahlen genügten völlig, um ein totales Chaos auf dem Raumhafen anzurichten. Die ersten Landetruppen waren schon in harte Gefechte verwikkelt. Zu ihrer Unterstützung wurde schweres Gerät ausgeschifft. Wo ihr Commander war, wußten die Soldaten - aber würden sie auch noch rechtzeitig zu ihm vordringen? 336 337 »Dhark, wir müssen versuchen, in den Kluis zu gelangen. Nur wer über den Kluis verfügt, hält die Macht über das Imperium in der Hand.« Cimcs Worte überzeugten den Cominander. In diesem Hinrichtungsraum konnten sie sowieso nichts zur Verbesserung ihrer Situation unternehmen. »Können Sie den Transmitter auf den Kluis umschalten?« Der Wer ging auf den gefesselten Tra Lrer zu, riß den zitternden Mann hoch. »Stelle eine Transmitterverbindung zum Kluis her, aber versuche nicht, uns zu betrügen. Davon würdest du nichts mehr haben!« Der Lauf des aktivierten Schockers bohrte sich in die Seite des Tel. Stolpernd trat der Vank an den Steuerungsmeehanismus des Transmitters und hielt Cimc auffordernd seine gefesselten Hände entgegen. Auf ein Zeichen hin löste Holger Alsop die Fesseln. Der Vank rieb sich die Handgelenke und gab dann schnell seinen persönlichen Kode ein. Zur Bestätigung legte er anschließend beide Handflächen auf ein Abtastfeld.
Auf dem Bildschirm erschienen die Zielkoordinaten. Dro Cimc nickte bestätigend. Der gefangene Vank hatte die geforderte Verbindung hergestellt. Dhark trommelte seine Leute zusammen. »Das Wachpersonal bleibt hier, wir nehmen nur die Vank und Vankko als Geiseln mit. Jimmy und die Cyborgs bilden die Vorhut, wir folgen unmittelbar danach. Dro, können Sie dafür sorgen, daß die Einstellung nach unserem Durchgang gelöscht wird?« »Ja, dafür muß nur die Grundeinstellung verändert werden«, gab der Wer zurück. »Dann los!« Jimmy sprang zuerst in das Transportfeld und war sofort verschwunden. Ihm folgten die Cyborgs mit gezückten Waffen. Die 338 restlichen Männer packten die geschockten Tel und schritten ebenfalls durch das Transportfeld. Jetzt war nur noch Wer Dro Cimc übrig. Der Schwarze Weiße warf einen Blick auf die Anzeigen der übrigen Transmitter. Hektisch flackerten die Anzeigen. Sie deuteten an, daß von den jeweiligen Gegenstationen verzweifelt versucht wurde, die Sperre aufzuheben. Cimc aktivierte das Löschprogramm an diesem Transmitter und durchschritt das Abstrahlfeld... ... um sich gleich darauf zur Seite zu werfen! Ein Strahlschuß schlug dicht neben ihm in die Verkleidung des Transmitters ein. »Hierher, Cimc!« hörte er Rikers Stimme. Der Tel robbte auf die Deckung zu, hinter der die Terraner Schutz gesucht hatten. Strahlbahnen kreuzten den Raum, verschmorte Einrichtungsgegenstände qualmten und machten das Atmen schwer. Zwei der vier terranischen Experten für Weltraumfragen lagen regungslos mitten im Raum. Sie waren direkt in die tödlichen Energiestrahlen geraten. Endlich war der Wer in Sicherheit. Mühsam richtete sich Ren Dhark auf, ein Streifschuß hatte seine Beine gelähmt. Arc Doorn lag zusammengekrümmt in der Ecke, er war besinnungslos. Um die kleine Gruppe der Terraner schlugen Strahlschüsse in die Dekkung ein, glühende Metallsplitter suchten Opfer. »Achtung, Augen fest verschließen. Lichtbombe kommt zum Einsatz!«
Kaum hatte Mark Carrell das angekündigt, explodierte die Bombe auch schon. Für einen Augenblick erzeugte sie eine immense Leuchtkraft, die jedes Lebewesen, das ihr unvorbereitet ausgesetzt war, für mehrere Minuten blind machte. Schreie zeigten an, daß der Einsatz zum Erfolg geführt hatte. Das Röhren und Summen der Kampfstrahlen war verstummt. Die Cyborgs sprangen auf, die Waffen schußbereit, und stürmten die Verteidigungslinie der Tel, Die Schwarzen Weißen wälzten 339 sich am Boden und rieben ihre brennenden Augen, während sie pausenlos Schmerzensschreie ausstießen. Die Cyborgs brauchten nicht mehr einzugreifen. »Schocken!« ordnete Carrell emotionslos an. Er hatte auf sein Zweites System geschaltet. Die Schreie verstummten. Die Terraner hatten erst jetzt die Gelegenheit, sich im Steuer raum des Kluis umzusehen. Die Cyborgs schafften die geschockten Techniker und Ingenieure eine Etage tiefer. Zwei Energiesperren sorgten dafür, daß sie sich nicht befreien konnten. Vank und Vankko blieben oben bei den Terranern. Dro Cimc versuchte, sich am Schaltpult zu orientieren, aber das Wissen des Tel über das größte Rechengehirn des Imperiums war sehr beschränkt. »Das ist ein Superding«, kommentierte Chris Shanton, der vorübergehend den Part des geschockten Sibiriers eingenommen hatte, »an dem wird sich auch Doorn die Zähne ausbeißen!« Das Schaltpult war eine riesige Instrumentenwand, die zugleich ein verwirrendes System an energetischen Leitbahnen besaß, über die der Steuersessel blitzschnell hin und her fahren konnte, damit derjenige, der den Kluis bedienen mußte, an alle Schalter herankam. Niemand zweifelte die Behauptung Cimcs an, daß der Kluis über acht Kilometer tief in den Boden reiche, bei einer Ausdehnung von vier mal sieben Kilometern. Ein peitschender Knall ließ die Männer zusammenzucken. Shanton schrie auf und taumelte zurück. Auch Dro Cimc stolperte rückwärts. Der Luftstoß, der die Männer hatte taumeln lassen, verebbte langsam. Unmittelbar vor dem riesigen Bedienungspult hatte sich eine schwach grün leuchtende Energiesperre aufgebaut, die leicht flimmerte. Das Grün wurde von Sekunde zu Sekunde kräftiger. Riker ließ sich resigniert gegen ein hüfthohes Aggregat sinken.
»Das war's dann! Alles umsonst, wir können nichts mehr ma 340 chen.« Dhark, dessen Lähmung in den Beinen langsam überwunden war, trat, immer noch etwas unsicher, neben seinen Freund und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wenn Doorn...« Mark Carrell störte. »Einer der Vankko ist wach und verlangt immer wieder nach Ihnen, Dhark, aber auch nach Dro Cimc.« »Dhark, ich kenne Vankko Sagia gut. Er war mir immer so etwas wie ein väterlicher Freund. Und ich erinnere Sie daran, daß er es war, der vor dem Vank gegen unsere geplante Vernichtung protestierte.« »Carrell, nehmen Sie dem Tel die Fesseln ab.« Der Cyborg führte den Befehl sofort aus. Langsam und schwerfällig erhob sich Crt Sagia und massierte seine Handgelenke. »Terraner, ich will Ihnen helfen!« Dhark und seine Leute schauten sich nach der Übersetzung Cimcs erstaunt an. Ein Tel, der ihnen helfen wollte? Crt Sagia griff in die Tasche seiner Montur. Sofort rissen die Cyborgs die Waffen hoch. Ganz langsam zog der Vankko die Hand zusammen mit einem länglichen Gegenstand aus der Tasche. »Ein Crtek!« murmelte Dro Cimc. »Ein was?« Riker wußte Cimcs Ausspruch nicht zu deuten. »Das ist ein spezieller Kodegeber und zusätzlich ein Kurzstrekkenfunkgerät, das die Energiesperren überwinden kann!« Dro Cimcs Augen leuchteten voller Hoffnung auf. »Damit können wir endlich Kontakt mit unserem Schiff aufnehmen! Falluta kann Flash zur Unterstützung schicken!« Neue Hoffnung sprach aus dem Mund des Wer. Dhark schaute den Tel an, er war stolz und froh zugleich. Froh über die Möglichkeit, mit seinem Schiff Kontakt aufnehmen zu können - und stolz darauf, daß Cimc die POINT OF unser Schiff genannt hatte. Cimc schaltete. Auf dem Minibildschirm erschien das überraschte Gesicht von Glenn Morris, dem Cheffunker des Flagg 341 schiffes. Morris hielt sich nicht mit Vorreden auf, er stellte sofort in die Kommandozentrale des Ringraumers zu Falluta durch.
»Hen, schicken Sie uns sofort fünf Flash zur Unterstützung, wir kommen hier nicht weiter. Notfalls müssen Sie auch Hy-Kon einsetzen. »Hy-Kon läßt sich nicht einsetzen, der Checkmaster blockiert die Ausführung!« Falluta fiel es sichtlich schwer, diese Mitteilung zu machen. Plötzlich drehte er den Kopf zur Seite, auf einem zweiten Bildschirm nahm er die nächste Meldung entgegen. »Was ist, was schauen Sie so, Hen?« Dhark war ungeduldig, es ging um jede Minute. »Dhark...! Dhark, unsere Flotte! Unsere Flotte ist eben über Cromar rematerialisiert! Ich schalte Sie durch!« Fallutas Stimme überschlug sich vor Begeisterung. Das Gesicht des ehemaligen Zweiten Offiziers des Auswanderungsschiffes GALAXIS erschien auf dem kleinen Bildschirm. »Janos, Gott sei Dank! Sie sind die Rettung in letzter Sekunde. Wir sitzen hier irgendwo auf Cromar fest, und der Kluis hetzt uns seine Roboter auf den Hals. Die POINT OF ist auch lahmgelegt, Falluta kann das Hy-Kon nicht einsetzen. Lange können wir uns nicht mehr halten. Geben Sie dem Einsatzkommando Deckung. Unsere Koordinaten übermittelt Ihnen Grappa.« Dhark beendete die Verbindung. »Dhark«, Cimc trat neben Crt Sagia, »Sagia war Mitinitiator des gescheiterten Aufstandes. Wir haben seine volle Unterstützung. Wenn wir es schaffen, den Sehutzschirm zu überwinden, könnte Sagia den Kluis lahmlegen beziehungsweise umprogrammieren!« Dhark schaute den Schwarzen Weißen mißtrauisch an. Je länger Crt Sagia sprach und je länger Cimc übersetzte, desto mißtrauischer wurde Dhark. Ein Vankko, der mit ihnen, den Terranem, kollaborierte? Ein Vankko, der bereit war, ihnen den Weg zu zeigen, wie sie den Kluis lahmlegen konnten? »Dhark, wir müssen etwas unternehmen, lange hält die Blockade 342 der Transmitter nicht mehr an, und die A-Grav...« Shanton sprach den Satz nicht mehr zu Ende. Blitzschnell zog er den Biaster und feuerte mit der stärksten Einstellung. In einem der A-Grav-Schächte explodierte ein Roboter. Metallsplitter flogen durch die Luft und zwangen die Menschen, in Dekkung zu gehen. Sofort drängten weitere Roboter aus dem Schacht und deckten die Eindringlinge mit Feuerstößen ein. In einem der bisher gesperrten Transmitter baute sich das Transportfeld aus, jeden Moment konnten weitere Truppen in die Vorhalle des Kluis gelangen.
»Ren, entweder werden wir zusammengeschossen, oder die rStrahlung gibt uns den Rest!« Dan Riker sah keinen Ausweg mehr. War dies das Ende? Die Flash schoben sich langsam durch die Gebäude, passierten Mauern und Energiesperren. Wo der Brennpunkt mit den Materialien in Berührung kam, blieb eine Schmelzspur zurück. Nichts konnte die Mini-Räumboote aufhalten. Knapp drei Meter lang und eigentlich eher plump aussehend, steckte doch eine unheimliche Kampfkraft in ihnen. »Achtung, wir nahem uns den Zielkoordinaten!« Mike Doraner, einunddreißigjähriger Leutnant und Flashpilot, der diesen Einsatz leitete, schaltete den Sie seines Flash auf negative Beschleunigung. Die anderen vier Flashpiloten taten es ihm nach. Fünf Flash hatte Falluta zur Unterstützung von Dharks Truppe losgeschickt, die zweiten Sitze in den Beibooten waren vollgeladen mit Waffen und Raumanzügen. »Noch zweihunden Meter«, meldete Rui Warren, der auch jetzt wieder auf seinem Pfeifenstiel kaute. »Einsatzbereit!« meldeten die restlichen Flashpiloten nacheinander. Dressler, Kartek und Wonzeff würden ebenfalls alles für 343 ihren Commander tun. Doraner halte den Kopf in den Nacken gelegt und verfolgte über die Deckenprojektion, wie der Flash die letzten Meter zurücklegte und in die Halle vorstieß, in der sich Dhark und seine Leute aufhalten sollten. Fluchend rieb er sich den schmerzenden Nacken. Die Flash wurden von kräftigem Blasterfeuer empfangen. Auf breiter Front rückten Roboter der Schwarzen Weißen und reguläre Truppen gegen die Terraner vor, die sich notdürftig hinter einigen Maschinen verschanzt hatten. »Strichpunkt und Dust!« ordnete Mike Doraner an. »Pjetr, Rui, ihr landet hinter der Deckung bei unseren Leuten. Die brauchen ganz schnell Raumanzüge, sonst sind sie bald gegrillt! Der Rest nimmt sich die Angreifer vor!« Fünf Minuten später war der Spuk vorbei, es gab keine Roboter der Schwarzen Weißen mehr und auch keine Soldaten der Tel. Es gab aber auch keinen Vank und keinen Vankko mehr. Sämtliche Mitglieder der beiden Gremien mit Ausnahme von Crt Sagia,
der sich mit den Terranern zusammen hinter der Deckung befunden hatte, waren bei dem Feuergefecht umgekommen. »Es ist nicht schade um sie!« meinte Cimc über Funk ohne Mitleid. Alle Terraner und die beiden noch lebenden Tel trugen inzwischen Raumanzüge. Die r-Strahlung in der Halle hatte mittlerweile eine tödliche Höhe erreicht. Die Stimme des Kluis ertönte erneut und forderte die Terraner zur Kapitulation auf. Crt Sagia antwortete dem diktatorischen Rechengehim. »Kluis, es ist vorbei. Ich habe in alten Unterlagen die Schaltpläne eingesehen und die verschiedenen Einstellungen studiert. Ich kenne die Notschaltung, und mit Hilfe der Plash werden wir den Energieschirm überwinden. Die Tel werden endlich wieder frei 344 entscheiden können!« Ohne weiter auf die Drohungen des Kluis zu achten, bestieg Crt Sagia den Flash 008 mit Rui Warren als Pilot. Fünf Flash hoben gleichzeitig ab und fuhren ihre Ausleger ein. Ihre Unitallhülle schimmerte nun fugenlos. In den Flash saßen neben den fünf Piloten und dem Vankko Crt Sagia noch Ren Dhark, Dan Riker, Dro Cimc und Chris Shanton, der es sich nicht hatte nehmen, lassen, Jimmy auf seinem Schoß unterzubringen und mitzunehmen. Die Flash näherlen sich langsam der Energiesperre. Die zurückgebliebenen Terraner betrachteten den Vorgang interessiert. Erste Messungen hatten ergeben, daß der Energieschirm ungewöhnlich stark war. Je tiefer sein Grünton war, desto mehr Energie floß in den Schirm und stärkte ihn. Flash 001 mit Dhark an Bord traf auf den Schirm. Ein heftiges Energiegewilter umtoste das Intervallfeld, das ansonsten nicht sichtbar war. Der Flash verschwand in zuckenden Energieentladungen! Er schwankte! Die Männer hielten den Atem an. Die Flash, die mit ihrem Intervallfeld bislang fast jedes Hindernis überwunden hatten; sollten sie hier in ihre Schranken gewiesen werden? Der nächste Flash tauchte in den Energieschirm ein, dann der dritte und der vierte. Zum Schluß folgte Dressler mit Riker an Bord.
Und dann hatten die Beiboote des Ringraumers den Schirm passiert, waren aber plötzlich nicht mehr sichtbar! Der Energiesehirm wurde undurchsichtig! Auch die Funkverbindung zu den Flash war abgerissen! Hatte der Kluis zu seinem letzten Schlag ausgeholt? 345 »Mike, beachten Sie die Anzeige für die Intervallfeldbelastung!« Dhark war von der Struktur dieses grünen Feldes fasziniert. Kaum hatte sein Flash Kontakt mit dem Energieschirrn hergestellt, schnellte die Belastungsanzeige nach oben; im Flash wurden zusätzliche Energieerzeuger angeworfen, und ein leichtes Brummen war zu vernehmen. Die Beleuchtung flackerte kurz, und ganz langsam, so als müsse er sich durch Schlamm wühlen, schob sich Flash 001 durch den Schirm. Das Brummen wurden lauter, die Belastung des Intervallfeldes stieg konstant. »Puh! 85,7 Prozent. Ganz schön viel!« staunte Mike Doraner. »Mehr als wir bei manchem Kampfeinsatz auszuhalten hatten. Durch! Oh, Dhark... Wir haben keinen Funkkontakt mehr zur restlichen Truppe.« »Macht nichts, Mike, da kommen die anderen Flash. Unsere Kampfkraft sollte stark genug sein.« Die Belastungsanzeige sank wieder auf Null, und auch das Brummen im Flash hatte aufgehört. Die Beiboote landeten auf ihren spinnenbeinartig anmutenden Auslegern. Die Ausstiege öffneten sich, und die zehn Männer und ein Robothund, die sich vorgenommen hatten, den Kluis lahmzulegen, stiegen aus. Erst jetzt vernahmen sie den langgezogenen, anhaltenden Heulton. Was sollte das Geräusch bedeuten, und woher kam es? Crt Sagia trat vor, Cimc folgte ihm sofort. Er mußte stets in der Nähe des einzig noch lebenden Vankko bleiben, damit er ohne Zeitverlust dolmetschen konnte. »Wir müssen uns beeilen! Der Kluis speichert zusätzliche Energie. Wenn wir nicht innerhalb der nächsten acht Minuten wenigstens die erste Sicherheitsschaltung aktiviert haben, waren unsere Bemühungen umsonst«, übersetzte der Wer die Worte des Vankko. 346 »Dhark, die Strahlung innerhalb des Feldes steigt!« Shanton zeigte auf sein im Raumanzugärmel eingelassenes Strahlenmeßgerät.
»Sagia, fangen Sie an!« Der Vankko verstand auch ohne Übersetzung. Die Männer schwärmten aus, um das von dem Vankko beschriebene Schaltelement zu suchen. Zehn Männer, die eine riesige, ihnen vollkommen unbekannte Schaltkonsole nach einem bestimmten Element absuchen sollten. Aber nur einer von ihnen wußte genau, wie das gesuchte Element aussah! Die Sekunden verstrichen, wurden zur ersten Minute! Zwei Minuten! Drei Minuten! Flüche wurden laut. Plötzlich klang die blecheme Stimme von Jimmy auf. »Was soll das ganze Theater denn, der gesuchte Schalter muß hier sein. Ich messe zunehmende Energieströme an!« »Wo, Jimmy, wo?« Dhark schrie die Frage. Crt Sagia hatte schon reagiert. Er beugte sich über die Konsole. Mit sicherem Griff schob er eine Abdeckklappe zur Seite und legte ein Eingabefeld frei. Ein Griff in die Tasche des Raumanzuges, und der Crtek lag in seiner Hand. Geschickt und ohne Zögern schloß er das Multifunktionsgerät an. Auf dem Anzeigenfeld erschien ein fremdartiges Zeichen. »Er schafft es nicht mehr!« flüsterte Rui Warren und schaute sich fröstelnd um. Niemand wußte, was nach Ablauf der fünf Minuten passieren würde. »Noch zwei Minuten«, krächzte er erregt, als er einen Blick auf sein Chrono warf. Fasziniert verfolgte er den Countdown der Sekunden. Pjetr Wonzeff stieß seinen Kollegen an. »Mach uns nicht noch mehr verrückt!« Gleichzeitig ließ er seine Augen wieder zu dem Vankko schweifen. Er sah nur, daß der Tel rasch, aber mit einer unheimlichen Ruhe pausenlos Eingaben machte. 347 Diagramme auf den Bildschirmen veränderten sich, der anhaltende, konstante Heulton schwankte in der Lautstärke. In der nächsten Sekunde brach der tiefgrün schimmernde Schirm zusammen, der Heulton verstummte endgültig. Gleichzeitig erloschen auf der Konsole Batterien von Lampen, Anzeigen bewegten sich deutlich sichtbar nach unten. Dro Cimc erläuterte das Geschehen. Crt Sagia drehte sich zu den Terranern um. Er lächelte.
»Der Kluis ist handlungsunfähig, die planetare Verteidigung ist abgeschaltet, nur die im Augenblick notwendigsten Energieverbraucher werden versorgt. Terraner Dhark, die Tel befinden sich jetzt in Ihrer Hand!« Cimc hatte übersetzt. Dhark war einen Augenblick lang sprachlos, dann ging er auf den Tel zu, packte dessen Hand und schüttelte sie herzlich und lang anhallend. »Vankko Crt Sagia, das wird Ihnen Terra nie vergessen! Sie haben Milliarden Intelligenzen das Leben gerettet!« Ren Dhark wußte plötzlich, daß er gerade die Grundlage für ein Übereinkommen geschaffen hatte, das beiden Völkern den Frieden garantieren konnte. Und war denn die Galaxis nicht groß genug, um Terraner und Tel friedlich nebeneinander leben zu lassen?
REN DHARK Band 16 Die Straße zu den Sternen erscheint Ende Januar 2000 Ren Dhark - Programm Kurt Brand schuf von 1966 bis 1969 die Hellsehe Ren Dhark. Für die Buchausgabe des HJB Verlages wird der SF-Klassiker neu bearbeitet, ergänzt und fortgeschrieben, denn in den Tiefen des Alls ist das Rätsel der Mysterious noch immer zu lösen... Bereits erschienen und lieferbar: Buchausgabe (ca. 352 Seilen), DM29,80 Bd. l „Stemendschungel Galaxis" Bd. 9 Bd. 2 „Rätsel des Ringraumers" Bd. 10 Bd. 3 „Zielpunkt Terra" Bd. 11 Bd. 4 „Todeszone T-XXX" Bd. 12 Bd. 5 „Die Hüter des Alls" Bd. 13 Bd. 6 „Botschaft aus d. Gestern" Bd. 14 Bd. 7 „Im Zentrum der Galaxis" Bd. 15 Bd. 8 „Die Meister des Chaos" „Das Nor-ex greift an!" „Gehetzte Cyborgs" „Wunder d. bl. Planeten" „Die Stemenbrücke" „Durchbruch n. Erron-3"
„Sterbende Sterne" „Das Echo des Alls" Buchausgabe (cu. 192 Seiten), DM 19.80 Sonderband (l) „Die Legende der Nogk" Sonderband (2) „Gestrandet aufBittan" Sonderband (3) „Wächter der Mysterious" Sonderband (4) „Hexenkessel Erde" Sonderband (5) „Der Todesbefehl" In Vorbereitung: Ende Januar 2000:
Ren Dhark 16 „Die Straße zu den Sternen"
Sonderband (6) „Countdown zur Apokalypse"
Weitere Bände erscheinen im Abstand von ca. drei Monaten
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