Eine schauerliche Mordtat soll sich einer alten Chronik zufolge zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges zugetragen haben. ...
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Eine schauerliche Mordtat soll sich einer alten Chronik zufolge zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges zugetragen haben. Der Anführer einer jener plündernden Banden, die damals weite Landstriche heimsuchten, schlug einem gefangenen Bauern die rechte Hand ab, da dieser sich standhaft weigerte, seinen mit dieser Hand geschworenen Eid zu brechen und den Versteck der Frauen, Kinder und Greise seines Dorfs zu verraten. Der Unhold ließ die abgehackte Hand darauf hohnlachend unter den Augen des verblutenden Bauern vergraben und warf den Ärmsten selber wilden Hunden zum Fräße vor. In der Nacht darauf jedoch, als der Mörder im Kreise seiner Kumpanen zechend am Lagerfeuer saß, kam plötzlich aus dem Dunkel eine riesige, schwarze Hand hervorgekrochen und erwürgte den darüber vor Entsetzen erstarrten Bösewicht. Als die Bauern später von dieser unheimlichen Begebenheit erfuhren, und an der Stelle nachgruben, an der die abgeschlagene Hand ihres treuen Freundes verscharrt worden war, fanden sie keine Spur mehr von ihr vor. Seitdem sind immer wieder Fälle bekannt geworden, in denen „eine schwarze, unheimliche, riesige Hand“ da und dort aufgetaucht sein soll und bisher ungesühnte Verbrechen auf dieselbe, schauerliche Weise rächte. Bis sich in jüngster Zeit, tief beeindruckt von diesen Vorfällen, ein paar entschlossene Männer zu einem Geheimbund zusammenschlössen, dem sie' den Namen
Die schwarze Hand gaben. Das Wirkungsfeld dieser Männer umschließt heute die ganze Welt. Überall, wo etwas Böses im Gange ist, tauchen sie ebenso überraschend auf, wie die gespensterhafte Totenhand in der alten Chronik.
Duell auf dem Meeresgrund Von Lutz Veith
Mitten durch den Atlantischen Ozean erstreckt sich ein unterseeischer Gebirgszug von gewaltigen Ausmaßen. Nur seine höchsten Gipfel ragen über das Wasser, bilden die Inselgruppen zwischen Europa und den USA, zwischen Afrika und Südamerika. Diese phantastische, unterseeische Gebirgslandschaft ist der Schauplatz einer abenteuerlichen Begebenheit, bei der geheime kartographische Pläne, ein versunkener Goldschatz – und DIE SCHWARZE HAND die Hauptrolle spielen.
1. Unheimlicher Besuch zur Nacht Die Dämmerung war schon eingebrochen, als die gepolsterte Türe zum Privatbüro Direktor Krischkowskis leise aufgemacht wurde. Eine dunkle Gestalt huschte herein, schloß die Türe von innen zu und eilte zu dem Schreibtisch in der Ecke. Ein Lichtschein flammte auf. Gerade hell genug, um den Stoß aufgestapelter Papiere auf dem Schreibtisch zu erkennen. Es war ein merkwürdiges, fluroszierendes Licht, das von den Fingerspitzen eines schwarzen Handschuhs ausging und wie ein Glühwürmchen über dem Schreibtisch hin- und herglitt. Da hielt es jäh inne. Verlöschte. Der nächtliche Eindringling konnte sich gerade noch hinter den Vorhängen an einem der hohen Fenster verbergen, als die Deckenbeleuchtung aufflammte und zwei Männer hereintraten. „Nehmen Sie Platz, Ferdoc!“ sagte der eine und deutete auf den Polstersessel vor dem Schreibtisch, während er sich dahinter aufseufzend auf den Stuhl setzte, »ich kam früher als vorgesehen von der Besprechung zurück. Wir haben also Zeit, alles in Ruhe noch einmal durchzusprechen. Soweit ich durch Casari informiert bin, wollen Sie morgen früh um 5 Uhr starten?“ „Jawohl“, versicherte der mit Ferdoc Angeredete. „Pinguin“ hat die Azoren verlassen. Um 10 Uhr werden wir an Bord sein. Um 11 Uhr ist der erste Tauchversuch vorgesehen.“
Das Telephon summte. Unwillig nahm der hinter dem Schreibtisch Sitzende den Hörer ab. „Ja, hier Krischkowski… Wie, mich sprechen? … Und wenn es der Kaiser von China wäre – nein!“ Wütend warf Direktor Krischkowski den Hörer auf die Gabel. „Daß man auch keine Minute Ruhe haben kann!“ knurrte er und zog an seiner Zigarre. „Aber – erzählen Sie weiter, Ferdoc!“ „Wenn alles gut geht, Herr Direktor, kann ich Ihnen bis zum Nachmittag den Funkspruch durchgeben. Ich bin sicher, daß wir bis dahin das Gold gehoben haben. Ist das erst geschehen, dann kann Casari mit seinen Experimenten beginnen. Konnten Sie ihn übrigens inzwischen umstimmen?“ „Umstimmen?“ Casari ist ein hoffnungsloser Phantast. Nur gut, daß Sie wenigstens vernünftig sind. Denn wenn ich als Geschäftsmann schon ein so kostspieliges Unternehmen finanziere, dann möchte ich zur gegebenen Zeit auch einen Nutzen haben.“ . „Sie wissen, daß ich ganz Ihrer Meinung bin, Herr Direktor, aber…“ Ferdoc schaut Krischkowski prüfend an, „schließlich verdanken wir die Ortung des Goldschatzes Casari. Nur mit Hilfe seines Seismographen entdeckten wir das unterseeische Hochtal bei den Azoren und konnten feststellen, daß hier unter meterhohen Schlamm- und Schlickschichten Goldbarren von einem märchenhaften Wert verborgen sein müssen. Daß wir uns nicht täuschten, bewiesen die ersten Proben.. Casari interessiert sich für andere Schätze auf dem Meeresgrund; Um Öl und um Uran, um neue Energiequellen und…“ „Ich weiß, ich weiß!“ Krischkowski geht erregt im
Zimmer auf und ab. „Casari ist der Ansicht, daß diese, noch verschlossenen Tresore auf dem Grund der Weltmeere nicht einem Land, geschweige denn einem Wirtschaftsunternehmen zugute kommen sollen, sondern der ganzen „Menschheit“. Wenn ich bloß dieses Wort „Menschheit“ höre!“ „Wir dürfen Casari nicht unterschätzen, Herr Direktor. Er allein ist im Besitz der kartographischen Aufnahmen. Er allein kennt im Atlantischen Ozean jede' Stelle, an der es sich zu tauchen lohnt. Er hat den unterseeischen Gebirgszug erforscht, der sich von Island über die Azoren und Tristan da Cunha bis nach Bouvet hinunter erstreckt. Jenes unterseeische, geheimnisvolle Land also, das in seiner ganzen Ausdehnung die Länge des gesamten amerikanischen Kontinents noch übertreffen dürfte. Casari ist der Auffassung, daß es sich dabei um den vor 12000 Jahren versunkenen Erdteil Atlantis handelt. Er will…“ „Zum Donnerwetter! Ich will als erstes das Gold in Geld umsetzen, um die in diesem Unternehmen investierten Millionen wieder frei zu bekommen. Dann will ich mit Hilfe dieser neuen, flüssig gemachten Beträge an die systematische Förderung der unterseeischen Bodenschätze gehen. Dazu habe ich Casari als Hydrobiologen und Sie als Ingenieur engagiert. Dazu steht mir Fräulein Kerkonnen als Radarspezialistin zur Verfügung.“ Ferdoc verbeugt sich: „Sie wissen, Herr Direktor, daß Sie auf mich rechnen können. Und auf Fräulein Kerkonnen auch. Sollte Casari weiter Schwierigkeiten machen …“ „Nun?“ Krischkowski beugt sich interessiert vor, „was ist, wenn Casari alles an die große Glocke hinge, uns die
Regierung auf den Hals hetzte? Was dann?“ Ferdoc lächelt hintergründig. „Noch weiß niemand außer uns Bescheid, Herr Direktor. Die kartographischen Aufzeichnungen Casaris, die er wie seinen Augapfel behütet, werde ich …“ Krischkowski reicht Ferdoc die Hand. „Wir verstehen uns“. Krischkowski senkt seine Stimme: „Mein Konzern beschäftigt heute eine halbe Million Menschen. Er wird, wenn die Verwirklichung unserer Pläne erst anläuft, bald einer, zwei Millionen Menschen Arbeit und Brot geben. Gegenüber solchen Gegebenheiten bedeutet ein Einzelner nichts.“ Wieder zeigt Ferdoc sein hintergründiges Lächeln. „Es ist schon mancher Taucher“, sagt er leise, „von einem Tauchversuch nicht zurückgekehrt. Sie können sich auf mich verlassen, Herr Direktor. Dem Schicksal läßt sich nachhelfen. Die Interessen des Ganzen stehen immer über den Plänen Einzelner.“ „Ich will kein Aufsehen, Ferdoc“, auch Krischkowski hat seine Stimme gesenkt, „ich kann es ja Ihnen im Vertrauen sagen: ich lasse Casari überwachen. Sollte er abspringen wollen, so werden wir das rechtzeitig verhindern. Doch – es geht schon auf acht Uhr. Sie werden morgen Ihre ganze Kraft brauchen. Ich will nur rasch meine Post durchsehen, dann gehen wir.“ Während Krischkowski in dem Stoß aufgestapelter Papiere auf dem Schreibtisch blättert, ist Ferdoc an das Fenster getreten und schaut hinaus. Bis hinüber zum Hafen reicht die Sicht. Dort liegen, ein Stuck weiter rechts, die
Wasserflugzeuge verborgen, mit denen Ferdoc, Casari und Fräulein Kerkonnen morgen früh zum Expeditionsschiff abfliegen werden. Ferdoc brütet vor sich hin. „Es wird nicht leicht sein“, überlegte er mit verkniffenem Gesicht, „aber…“ „Zum Teufel, was ist denn das?!“ Krischkowski hält fassungslos ein Stück Papier in der Hand. Springt auf. Eilt zur Ferdoc ans Fenster. »Hier, sehen Sie sich das einmal an!“ Ferdoc nimmt ruhig das Stück Papier. Es ist eine flüchtig hingeworfene Kartenskizze, den Atlantik mit seinen unterseeischen Gebirgszügen darstellend. Und darüber, gleich einem bedrohlichen Schatten aufgemalt, eine riesige, gespensterhafte schwarze Hand. „Wie kommt das unter meine Post?“ Krischkowski ist außer sich. „Bisher hielt ich „Die Schwarze Hand“ für einen schlechten Witz. Irgendein verrückter Klub, dachte ich, der mehr in der Einbildung der Leute, als in Wirklichkeit existiert.“ Ferdoc studiert die Karte. „Das ist mehr als ein schlechter Witz! Es scheinen Leute an unseren Plänen interessiert zu sein, die ich nur als höchst gefährlich bezeichnen kann. Ist Ihre Sekretärin zuverlässig? Oder kann sie vielleicht bestochen sein? Bestochen… von der Schwarzen Hand?“ „Wie … meinen Sie das?“ Krischkowski ist ganz blaß. Sein Herz macht ihm wieder zu schaffen. Schwer stützt er sich auf den Fenstersims. „Die Schwarze Hand“, antwortet Ferdoc, „wurde bereits
im Zusammenhang mit verschiedenen, dunkeln Affären genannt. Niemand weiß genau, wer eigentlich dahintersteckt. Aber es scheinen sehr maßgebliche Kreise zu sein, die notfalls vor Mord und Totschlag nicht zurückschrecken. Nach meinen bisherigen Ermittlungen sind es Leute, wie…, na etwa wie Casari…“ „Casari?!“ Krischkowski starrt Ferdoc entgeistert an. Unwillkürlich ist er seitlich an dem Fenster zurückgetreten und lehnt sieh keuchend an den großen Vorhang. Mit einemmal wendet er sich wie elektrisiert um. Reißt den Vorhang weg. Da geht das Licht aus. Ferdoc hat seine Pistole aus der Tasche gerissen. Aber er kommt nicht zum Schießen. Hinter dem Vorhang löst sich eine dunkle Gestalt. Hebt langsam eine schwarze Hand, die von fluroszierenden Lichtern wie von tanzenden, kleinen Feuerspiralen umflossen ist. Die beiden Männer überkommt eine bleierne Müdigkeit. Polternd entfällt die Pistole Ferdocs mit einemmal schwer gewordenem Arm. Krachend sinkt Krischkowskis massiver Körper zu Boden, im Fall den Vorhang mit sich reißend. Der unheimliche Fremde steht immer noch unbeweglich. Dann läßt er seine Hand mit den langsam verglühenden Lichtern sinken und schreitet, ohne die beiden Männer nur noch eines Blicks zu würdigen, zur Tür, die geräuschlos hinter ihm ins Schloß fällt. Ferdoc ist der erste, der wieder zu sich kommt. Taumelnd erhebt er sich, tastet an der Wand zum Lichtschalter. Aber die Beleuchtungsanlage funktioniert nicht. Er will die Tür daneben öffnen. Sie ist von außen abgeschlossen. Mit einem unterdrückten Fluch läßt er sich
wieder auf den Boden nieder und setzt sein Feuerzeug in Brand. Da liegt seine Pistole! Ein Griff, ein leises Knacken. Die Waffe ist entsichert. Aber dann lacht er plötzlich unterdrückt auf, als er im Schein des brennenden Feuerzeugs das verzerrte Gesicht Krischkowskis sieht, der mit weit aufgesperrtem Mund daliegt. Nein, die Pistole hat keinen Sinn mehr. Das Leuchtzifferblatt seiner Uhr zeigt 8 Uhr 10 Minuten. Also konnten sie höchstens 5 Minuten lang bewußtlos gewesen sein. Der unbekannte Eindringling, das war Ferdoc als Ingenieur klar, mußte über einen Strahlenapparat verfügen, der das Nervensystem narkotisierte. Wahrscheinlich waren auf dieselbe Weise auch die Drähtchen der Glühlampe an der Deckenbeleuchtung unterbrochen worden, so daß als erstes das Licht ausging. Und dann … „Die Schwarze Hand… Die Schwarze Hand!!!“ Es ist Krischkowski, der diese Worte hervorstößt. Schwerfällig richtet er sich an der Wand hoch, verwundert die kleine Flamme des Feuerzeugs anstarrend. „Was… was… ist hier eigentlich los?“ fragt er mit stockender Stimme, „warum sitzen wir in dieser rabenschwarzen Finsternis auf dem Boden?“ „Wir sitzen wie die Maus in der Falle, Herr Direktor!“. sagt Ferdoc gelassen, „die Schwarze Hand scheint sich in Ihrem Privatbüro gut auszukennen. Auch das Telephon…“ vorsichtig tastet er sich zum Schreibtisch hinüber und nimmt den Hörer ab, „hier, keine Verbindung. Gestört. Was machen wir nun?“
„So leicht soll es den Burschen doch nicht gemacht werden!“ Krischkowski erhebt sich. „Geben Sie mir doch Ihr Feuerzeug. Danke.“ Er knipst es an. Geht entschlossen an den Schreibtisch. „Was wollen Sie tun?“ Auch Ferdoc ist aufgestanden und schaut interessiert zu, wie Krischkowski im flackernden Lichtschein des Feuerzeugs hastig unter den Schreibtisch leuchtet. „Ich habe vorsichtshalber einmal zwei funktelegraphische Alarmanlagen einrichten lassen“, knurrt Krischkowski, „die eine zur Kriminalpolizei, die andere zu meiner eigenen Abwehrabteilung. In spätestens zehn Minuten sind wir frei: Nur schade, daß ich vorher nicht hier saß. Dann wäre uns der Halunke nicht entkommen.“ „Wie merkten Sie eigentlich, daß sich jemand hinter dem Vorhang verborgen hatte?“, fragt Ferdoc, „mir ist das ganz entgangen.“ „Auch ich wäre wohl nie darauf gekommen, wenn ich nicht plötzlich, als ich mich an den Vorhang anlehnte, dahinter einen menschlichen Körper gespürt hätte. Sie können sich meinen Schrecken im ersten Augenblick vorstellen. Als ich zupacken wollte, war es bereits zu spät.“ Bei diesen Worten wird die Türe aufgerissen. Scheinwerfer blenden die beiden Männer, werden abgestellt. „Bitte lassen Sie alles liegen und kommen Sie gleich heraus.“ ruft eine klare, männliche Stimme. „Es ist doch hoffentlich sonst nichts geschehen, Herr Direktor?“ Krischkowski geht an den eindringenden Männern vorüber und drückt dem Sprecher unter der Türe beide
Hände.“ Sie kamen rascher, als ich zu hoffen wagte, Humbry. Nun können Sie zeigen, was Ihr Metier wert ist.“ Der Vorgang ist bald geklärt. Wie Ferdoc schon vermutete, mußte der fremde Eindringling über einen besonderen Strahlen-Apparat verfügen. Der schwarze, fluoreszierende Handschuh hatte dabei als eine Art Sender gedient, mit dessen Hilfe die Glühlampen zum Kurzschluß gebracht und Krischkowski und Ferdoc durch einen elektrischen Schock betäubt worden waren. Humbry berichtete außerdem, daß er während der letzten Stunden jede Spur von Casari verloren habe. Einer seiner Leute hatte ihn noch vom Labor im selben Hause weggehen sehen. Dann war er plötzlich im Straßengewühl verschwunden. „Damit liegt der Verdacht nahe“, wirft Ferdoc ein, „daß der nächtliche Eindringling niemand anders als Casari ist.“ Humbry überlegt. „Noch kann ich nichts Endgültiges sagen. Aber vielleicht empfiehlt es sich, Casari auf jeden Fall festzunehmen, sofern Sie ohne Casaris Hilfe zurechtkommen. Sonst…“ Ferdoc steht auf. „Ich komme zurecht.“ betont er. „Ich sah diesen Augenblick kommen. Ich habe vorgesorgt. Die Pläne liegen im Labor Casaris auf dem Expeditionsschiff. Die Geräte wurden gestern ebenfalls hinausbefördert. Ich mache den Vorschlag, daß wir unverzüglich heute Nacht noch abfliegen. Wir dürfen keine Minute mehr verlieren. Denn wer weiß, wer mit Casari noch alles im Bunde ist.“ Das Telephon, dessen Störung inzwischen behoben
wurde, summt. „Darf ich?“, fragt Humbry. Krischkowski nickt müde. Humbry nimmt den Hörer. Meldet sich. Lauscht. „Casari ist soeben in seinem Labor eingetroffen“, flüsterte er, „er wird es nicht mehr verlassen!“ Eine Viertelstunde später erhält Ferdoc von Krischkowski Vollmachten ausgehändigt, um das für morgen angesetzte Projekt beschleunigt durchzuführen. Krischkowski verabschiedet sich, um mit seinem Wagen nach Hause zu fahren. Humbry läßt ihn von seinen tüchtigsten Leuten begleiten. Wenige Minuten darauf läutet das Telephon wieder. Ferdoc überreicht Humbry den Hörer: „Sie werden gewünscht. Anscheinend brennt es schon wieder irgendwo.“ Humbry wechselt nur ein paar Worte. Dann sagt er lakonisch zu Ferdoc: „Direktor Krischkowski ist soeben das Opfer eines Autounfalls geworden. Er wurde bewußtlos ins Krankenhaus eingeliefert. Nach den bisher vorliegenden Ermittlungen versagten in seinem Wagen Bremse und Steuerung, so daß sein Chauffeur in vollem Tempo auf ein Haus prallte.“ „Wie konnte denn das geschehen? Weiß man, wie der Autounfall zustande kam?“ Ferdoc ist außer sich. „Der Chauffeur wird doch nicht als Handlanger der „Schwarzen Hand“ seinen eigenen Schädel einrennen, nur um einen Autounfall zu inszenieren!“ Humbry mustert Ferdoc verstohlen. Dann geht er langsam zur Türe. „So dumm dürften die eigentlichen Attentäter kaum gewesen sein“, sagte er im Hinausgehen, „unsere geheimnisvollen Kontrahenten arbeiten mit neuartigen, technischen Hilfsmitteln, vor denen keine Bewa-
chung schützt. Aber auch der gerissenste Halunke macht einmal einen Fehler. Ich glaube, es wird höchste Zeit, dem ehrenwerten Herrn Casari auf den Busch zu klopfen. Wollen Sie mich begleiten?“ Ferdoc springt auf. „Ich wüßte nicht, was ich lieber täte. Ich muß ohnedies Fräulein Kerkonnen holen. Sicher wird sie im Labor sein.“ „In welchem Labor?“ fragt Humbry und zündet sich seine Pfeife an, während sie auf den Lift warten. „Im Labor Casaris. Fräulein Kerkonnen ist ja als Radarspezialistin Casaris engste Mitarbeiterin bei der kartographischen Aufnahme der unterseeischen Bodenverhältnisse im Atlantik gewesen. Sie ist eine hervorragende Fachkraft. Schade, daß ich ihr heute keine Nachtruhe gönnen kann. Aber wir müssen spätestens in einer Stunde abfliegen. Sonst könnten vielleicht noch manche Überraschungen eintreten. Ich fühle mich Direktor Krischkowski seit seinem Unfall noch mehr verpflichtet. Sind seine Verletzungen ernsthafter Art?“ „Ich weiß es selber noch nicht genau.“ Humbry drückt unwillig über die Verzögerung noch einmal am Liftknopf. „Aber wir werden sofort nach der Untersuchung durch den Arzt Bescheid erhalten. Na endlich!“ Humbry läßt Ferdoc als ersten in den Fahrstuhl treten. Die Türe schließt sich. Ein leises Summen. Der Lift fährt abwärts.
2. Casari wird verhaftet Im Laboratorium Casaris, das eine halbe Autostunde von der Stadt entfernt unmittelbar neben der felsigen Steilküste am Meer liegt, brennen alle Lichter. Es ist ein langgestreckter, niederer Bau, dessen mittlerer, halbrunder Teil eine schmale Hafeneinfahrt umschließt. Das Küstenhintergrund ist von einem hohen Zaun abgesperrt, der lediglich durch ein vom Laboratorium weit abgesetztes Pförtnerhaus entlang der betonierten Straße passiert werden kann. Das Grundstück ist Eigentum des Krischkowski-Konzerns, in dessen Auftrag vor fünf Jahren von dem kleinen, ausgebaggerten Hafen an der Steilküste aus die ersten Tauchversuche Ferdocs und Casaris erfolgten. Bis sie mit ihren Tiefseetauchkugeln in immer größere Tiefen vorstießen und schließlich mit einem eigens dafür ausgerüsteten Expeditionsschiff an die systematische Erforschung des Atlantik gingen. Die Öffentlichkeit erfuhr nur wenig davon. Wurden die Experimente bisher doch unter größter Geheimhaltung durchgeführt. Lediglich mit dem wissenschaftlichen Stab der Marineabteilung des Landes war Verbindung aufgenommen. Am Pförtnerhäuschen hielt ein Wagen. Eine Frauenstimme wechselte ein paar Worte mit dem Schließer. Langsam glitt das quer über die breite Straße führende Eisentor auseinander. Der Wagen fuhr weiter. Hielt vor
dem mittleren Teil des Gebäudes. Ein kleiner, rundlicher Mann sprang eilfertig über die Stufen herab und riß die Wagentüre auf. „Endlich, Signora!“, rief er aus, „Signore wartet schon.“ Dann wendet sich der Kleine wieder um und rennt mit einem Satz die Stufen hinauf: „Signore Casari!“, schreit er, „Signore Casari, Signora Kerkonnen ist da!“ „Aber Pepino“, ruft die solcherart Angekündigte vorwurfsvoll, warum machen Sie denn einen solchen Lärm? Wollen Sie mir nicht lieber die, eingekauften Leckerbissen mit hinauftragen helfen?“ Reumütig kehrt Pepino um, stammelt eine Entschuldigung und schleppt die Körbe ins Haus. Langsam, fast zögernd, folgt ihm die schlanke, hochgewachsene Frau, schon unter der Türe von einem, sie um einen Kopf überragenden Mann begrüßt. „Wir machten uns Sorgen, Kaarina. Du bliebst so lange aus…“ Fürsorglich legt der Mann seinen Arm um die Schultern von Kaarina Kerkonnen und begleitet sie ins Haus. Die Türe fällt zu. Es ist wieder dunkel und still. Aber im Lichtschein, der aus den breiten Fenstern hell über die Gebüsche neben der Autoauffahrt flutet, ist jetzt deutlich eine dunkle Männergestalt zu erkennen, die sich vorsichtig an den parkenden Wagen heranschleicht, die Türe öffnet und im Wageninnern verschwindet. Dann wird die Türe leise wieder aufgemacht. Geduckt steigt der Fremde heraus und nähert sich im Schatten der unter dem Fenster liegenden Wand dem Haus. Ein leiser Kratzton ist hörbar, so, wie wenn Metall auf Glas stößt. Dann ist der Fremde wie vom Boden verschluckt.
In der Diele hilft Casari Kaarina aus dem Mantel.“ Du siehst angegriffen aus“, sagt er besorgt, „ist etwas Unangenehmes passiert?“ „Ach Luigo!“ Kaarina wendet sich plötzlich um und schmiegt sich wie schutzsuchend in Casaris Arme. „Ich erzähle es Dir nachher. Hörst Du mein Herz klopfen. Ich habe solche Angst. Wegen morgen. Wegen unserer ganzen Arbeit. Ich werde das Gefühl nicht mehr los, daß hier irgend jemand seine Hände mit im Spiel hat. Daß Dinge in Vorbereitung sind, die Böses bringen. Du weißt ja, ich verbrachte meine Kindheit hoch droben im Norden, in den Wäldern Lapplands. Dort haben die Menschen in den langen Nächten, wenn die Sonne monatelang nicht mehr scheint, Gesichter. Meine Mutter wurde schon von ihnen heimgesucht. Es sind Gesichter ähnlich der tanzenden Nordlichter über den nächtlichen Tundren. Auch ich leide darunter … Oh – wären wir zusammen nur fort von hier. Wären wir doch in den weiten, schweigenden Wäldern meiner Heimat…“ „Aber Kaarina!“ Casari schließt die bebende Frau fest in seine Arme. „So kenne ich Dich gar nicht. Eine sonst so kühle und sachliche, eine so gefeierte Frau der Wissenschaft, die selber schon in der Tauchkugel die schwärzeste Tiefe des Ozeans erlebte, ohne mit der Wimper zu zucken … sag, was ist mit Dir?“ Kaarina Kerkonnen faßt sich. „Komm“, sagt sie leise, „wir wollen drinnen noch eine Tasse Kaffee zusammen trinken. Pepino hat ihn schon aufgegossen. Riechst Du es nicht?“ Als sie an dem kleinen Tisch in Casaris Wohnraum Platz
genommen haben und Pepino den Kaffee aufträgt, bittet Kaarina: „Erzähle doch Du mir zuerst von Deiner Auseinandersetzung mit Krischkowski. Sicher ging es wieder um das alte, unleidliche Thema.“ „Ja, das war es!“ Wütend zündet sich Casari eine Zigarette an. Im Augenblick hat er seine Sorgen um Kaarina vergessen. Erlebt die erregten Stunden noch einmal, die er mit Krischkowski am Vormittag verbrachte. Als er dem Konzern-Allgewaltigen drohte, er würde von heute auf morgen seine Stellung quittieren, wenn Krischkowski nicht wenigsten« zu einem Kompromiß bereit wäre. Kaarina hört seinen erregten Worten mit geschlossenen Augen zu. Sie spürt, wie die bange Nervosität langsam wieder von ihr weicht. Aufatmend beugt sie sich vor und trinkt einen Schluck des heißen, belebenden Getränks. Sie hat sich nun wieder so sehr in der Gewalt, daß sie sogar lächeln kann. „O Du großer Kindskopf!“ unterbricht sie Casaris Schilderungen. Wir dürfen nicht mit offenem Visier kämpfen. Krischkowski ist im Grunde seines Herzens kein schlechter Mensch. Aber er ist Geschäftsmann, Unternehmer, verantwortlich für einen großen Konzern. Er m u ß ja zuerst an seine eigenen Interessen denken. Gönnen wir ihm diesen Spielraum. Ich mache Dir einen Vorschlag. Du nimmst am morgigen Versuch nicht teil. Wenn das Gold erst gehoben ist und Krischkowski damit wenigstens einen Teil der beträchtlichen Auslagen für unsere Forschungsarbeiten gedeckt weiß, dann läßt sich alles sicher auf eine friedliche Art lösen.“ Casari schaut betroffen auf. Kaarina begegnet offen
seinem Blick. „Ich werde selbstverständlich mit Ferdoc morgen früh starten“, fügt sie noch hinzu, „es darf nicht der Anschein erweckt werden, als würden wir ein Komplott aushegen.“ Da ist es mit Casaris Fassung vorbei. „Niemals!“ Er springt auf und geht mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. „Niemals werde ich es zulassen, daß Du allein mit Ferdoc den gefährlichen Versuch unternehmen wirst. Schon verschiedentlich versuchte er, unauffällig an meine Aufzeichnungen heranzukommen. Ich traue ihm nicht mehr über den Weg.“ „Vielleicht hast Du recht“, meint Kaarina leise, „umso mehr ergibt sich aus diesem Verdacht die Notwendigkeit, daß Du morgen den Versuchen fernbleibst. Daß nicht Du morgen die neue Tiefseekugel ausprobierst, sondern Ferdoc. Gönne ihm doch den Triumph, daß e r der Mann ist, der das Gold aus der Tiefe holt.“ „Wenn es nur um das lächerliche Gold ginge!“ Casari setzt sich wieder. Dann ergreift er über den Tisch die lose aufgelegte Hand der jungen Frau. „Kaarina!“, bittet er, „wenn es ein Mensch überhaupt begreifen kann, dann mußt D u es doch verstehen, um was es mir bei unserer ganzen Arbeit geht. Fünf Jahre sind wir nun beisammen. Ich vertraute Dir alles an. Wie oft malten wir uns aus, was für eine unsägliche Wohltat es für die Menschheit bedeuten würde, das geheimnisvolle, unterseeische Land mit seinen reichen Schätzen in den Dienst der Wissenschaft zu stellen. Nicht einmal 150 Millionen Quadratkilometer umfaßt das Festland unserer Erde. Die Völker darauf rücken immer enger zusammen. Immer geringer wird ihr Nahrungs- und
Wirtschaftsaum. Politische und soziale Spannungen, Angstpsychosen und blutige Kriege sind die Folge. Da gibt es nun in den Tiefen der Weltmeere ein noch unentdecktes Neuland, das über das Doppelte größer als das eigentliche Festland ist, das 70 Prozent der Erdoberfläche ausmacht. Hier ruhen unerschöpfliche Lager an Mineralien aller Art, an Öl und Uran. Ein einziger Kubikkilometer Ozeanwasser enthält tonnenweise Magnesium, Pottasche, Bromin, Jod, Borate, Eisen, Kupfer, Uranium, Silber und Gold. Alle diese Schätze können nach dem neuesten Stand unserer Forschungen gehoben werden. Wir können heute schon Meerwasser in Trinkwasser verwandeln und weite, bisherige Wüsten in fruchtbares Ackerland verzaubern. Wir können Magnesium und Aluminium aus Ozeanwasser herstellen. Meeresalgen können uns Textilien liefern. Ebbe und Flut, Meereswellen und Unterwasserdruck erschließen uns Energiequellen, die denen der atomphysikalischen Forschung nicht viel nachstehen. Das alles bietet uns das Neuland Meer, das den meisten Menschen so fremd ist, wie der amerikanische Kontinent, ehe Kolumbus zum erstenmal dessen Boden betrat.“ „Aber – was erzähle ich Dir da! Oft und oft haben wir uns darüber die Köpfe heiß geredet. Was aber soll aus allen diesen schönen Plänen werden, wenn ein einziger Konzern sie lediglich nach seinen wirtschaftlichen Interessen nutzt? Der Konzern wird immer mehr Kapital auf Kapital häufen – und die Menschen werden ärmer denn je sein. Schon heute wären Wissenschaft und Technik in der Lage, jedem Erdenbürger ein wirklich lebenswertes Dasein zu ermöglichen. Statt dessen häufte jede neue Erfindung bisher nur
neues Elend auf das alte. So aber und nicht anders würde es auch mit der Erschließung der Weltmeere geschehen, wenn nicht dafür Vorsorge getroffen wird, daß diese neue, koloniale Eroberung endlich einmal zum Wohle aller Menschen ausgenützt wird. Das sind …“ „Hast Du das alles Krischkowski erzählt?“ wirft Kaarina Kerkonnen leise ein. „Ja!“ antwortet Casari, „ich mußte meinem Herzen einmal Luft machen. Mit dem Gold mag er anfangen, was er will, Aber der Meeresboden, dieses phantastische, unterseeische Territorium, gehört allen Menschen.“ „Still!“ Kaarina löst ihre Hand behutsam aus der Casaris und lauscht. „Hast Du eben nichts gehört?“ Sie lauschen. Plötzlich splittern die Fensterscheiben klirrend entzwei und Pepinos Stimme dringt verworren aus dem Garten. Casari ist mit einem Satz am Fenster, reißt die hohen Flügel auf, springt hinaus. Kaarina Kerkonnen sitzt bewegungslos am Tisch. Sie hält den Kopf gesenkt, so, als ob sie sich vor einem Überfall fürchten würde. Da fährt draußen ein Wagen vor. Kaarina hört verschiedene Stimmen durcheinanderrufen. Dann wird die Türe aufgestoßen. Schwere Schritte im Vorraum. Immer noch rührt sich die junge Frau nicht von der Stelle. Erst als Humbry und Ferdoc eintreten, steht sie langsam auf und sieht die Herren fragend an. „Es tut uns leid, daß wir stören müssen, Fräulein Kerkonnen“, begrüßt sie Ferdoc, „aber Herr Humbry hat einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Bitte nehmen sie den Vorfall mit Ruhe auf.“
„Sind Sie mit Herrn Casari schon lange beisammen?“ Fragt Humbry und schaut sich prüfend um. „Ein gewisser Pepino“, Humbry mustert Kaarina kritisch, „bemerkte anscheinend, daß einer meiner Beamten im Park draußen Wache hielt. Es kam zu einem Handgemenge, in das sich Herr Casari einmischte. Wir kamen also gerade noch zur rechten Zeit. Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß ich beauftragt, bin, Professor Casari bis auf weiteres in Schutzhaft zu nehmen. Verschiedene Ereignisse der letzten Stunden zwingen dazu. Alles weitere wird Ihnen Herr Ferdoc berichten. Ich muß mich leider gleich wieder empfehlen. M i t dem Professor. Wir sehen uns jedoch auf jeden Fall vor Ihrem Abflug noch einmal. Sofern Sie nach den vorliegenden Ereignissen …“ „Lassen Sie das nur meine Sorge sein“, fällt ihm Ferdoc ins Wort. „Bitte, Fräulein Kerkonnen, nehmen Sie doch wieder Platz. Ich bin überzeugt, Ihr Verständnis zu finden.“ Kaarina hört, wie Casari in der Diele vergeblich fordert, mit ihr noch einmal sprechen zu dürfen. Dann poltern wieder Schritte die Treppen hinunter. Ein Motor wird angelassen. Kaum hörbar fährt der Wagen auf dem knirschenden Kies zur Straße vor. „Signora?!“ hört sie Pepino noch sagen, der wie ein Häuflein Elend unter der Türe steht. Da ist es auch mit Kaarina Kerkonnens Fassung zu Ende. Sie spürt, wie ihr die Sinne schwinden. „Rasch, Wasser!“ vernimmt sie die befehlende Stimme Ferdocs und glaubt, auf dem nun über sie sich beugenden Gesicht des Ingenieurs ein verzerrtes, triumphierendes Lächeln zu erkennen. Dann versinkt sie in eine tiefe Ohnmacht. So bleibt ihr der Anblick erspart, der die Augen Pepinos
mit einemmal vor lauter Schrecken entsetzt weitet und selbst Ferdoc für einen Augenblick wie gelähmt erstarren läßt. Denn hinter der zerbrochenen Fensterscheibe taucht langsam eine merkwürdige, schwarze Hand aus der Nacht, erkenntlich nur an ihren fluroszierenden Umrissen. Die gespenstische Hand also, die Ferdoc nur zu gut in Erinnerung ist. Trotzdem ihm wie im Fieber die Zähne aufeinander schlagen, zwingt sich Ferdoc dazu, langsam seine rechte Hand in seine Hosentasche zu schieben. Dann zieht er sie mit einemmal blitzschnell heraus und feuert seine ganze Pistole auf die unheimliche Erscheinung vor dem Fenster ab. Mit dem Knall der Schüsse sind auch seine Lebensgeister wieder erwacht. Er stürzt ans Fenster. Aber niemand ist draußen. Nur der Wind raschelt in dem Gebüsch, das die Autofahrt gegenüber säumt.
3. Welche Rolle spielt Kaarina Kerkonnen? Der Wagen, mit dem Casari auf Humbrys Anweisung abgeholt wurde, hat inzwischen die Stadt erreicht. Casari sitzt zusammengekauert im Hintergrund des geräumigen Fahrzeugs. Kaum daß er Notiz von seinem Begleiter nimmt, einem jungen Mann in einem grauen Sportanzug. Erst nach und nach bekommt Casari wieder einen klaren Kopf. Es ist die einfachste Art, geht es ihm durch den Sinn, einen unliebsamen Mitarbeiter kalt zu stellen. Krischkowski schien keine Mittel zu scheuen, um seine Ziele zu verwirklichen. Aber, und bei diesen Gedanken schießt Casari jäh das Blut zu Kopf, was wird mit Kaarina geschehen? Hatte sie nicht bei ihrer Unterredung selbst darauf hingewiesen, daß sie morgen auf jeden Fall an den Tauchversuchen teilnehmen würde? War es nicht merkwürdig, daß sie von sich aus nichts unternommen hatte, um ihn in der Diele noch einmal zu sehen? Oberhaupt – welche Rolle, welche wirkliche Rolle, spielte Kaarina? Es gab da verschiedene dunkle Stellen, aus denen der Professor nicht klug wurde. Kaarina Kerkonnen kam damals auf Empfehlung einer berühmten Universität als Radar-Spezialistin zu Krischkowski und wurde von diesem in seine Abteilung verwiesen. Ihr Name war in den internationalen Fachkreisen schon bekannt geworden, so daß er sich glücklich, pries, eine so außergewöhnliche Fachkraft
zur Verfügung zu bekommen. Aber hatte sie sich nicht immer im Grunde vor ihm verschlossen? Wohl glaubte er, Kaarinas Liebe gewiß zu sein, so wie sein ganzes Herz der herben, kühlen, aber in ihrem Wesen doch so ungemein liebenswürdigen Finnin gehörte. Wenn er es sich aber jetzt überlegte, dann mußte er sich eingestehen, daß Kaarina stets gewisse Geheimnisse vor ihm wahrte. So wie sie heute Nachmittag bis zum Abend fort gewesen war. Er hatte sie nach der Auseinandersetzung mit Krischkowski in der Stadt gesucht. Als sie endlich abends wieder ins Labor kam – hatte sie es nicht vorzüglich verstanden, seine Fragen abzulenken und ein anderes Gesprächsthema einzufädeln? War es nicht schon oft so gewesen? Casari versinkt wieder in dumpfes Brüten. Er kann es nicht glauben, daß Kaarina ihre Liebe nur gespielt hat, daß ihre Zärtlichkeit nur dem Ziele galt, seine Vertraute zu werden – und die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit anderweitig interessierten Kreisen in die Hände zu spielen. Sei es Krischkowski, sei es Ferdoc oder gar noch eine dritte Stelle. Sein Herz will es nicht glauben. Wer durfte sich aber heute noch auf sein Herz verlassen? Der Wagen hielt. Zu seinem Erstaunen bemerkt Casari, daß sie vor dem Haupteingang des imposanten Gebäudes des Krischkowski-Konzerns parken. „Bitte nach Ihnen, Herr Professor!“ meldet sich nun sein schweigsamer Begleiter und weist auf die Wagentüre. Dann betreten die beiden Männer die Portierloge. Im breiten, heil erleuchteten Gang dahinter wartet der Lift. Sie fahren aufwärts. Da hält der Lift. Casari weiß von vielen, früheren Besuchen her, daß sich hier die Privatbüros Krischkowskis befinden.
„Sie kennen den Weg ja selber“, verbeugt sich sein Begleiter, als sie den Lift verlassen haben und weist zu einer Türe im Hintergrund, „Herr Direktor Krischkowski erwartet sie.“ Casari schaut auf die Uhr. Es ist 11 Uhr nachts. Um diese Zeit pflegt Krischkowski sonst grundsätzlich nicht im Büro zu sein. Selbst in den dringendsten Fällen verlegte er Termine auf den anderen Morgen. Weshalb heute diese Eile? „Schön, daß Sie kommen, Professor!“ Die hohe, breite Gestalt Krischkowskis füllt fast den Türrahmen. Herzlich schüttelt er Casari beide Hände. „Kommen Sie herein. Ich glaube, wir haben uns manches zu erzählen. Nur gut, daß ich noch in der Lage dazu bin. Denn wenn es nach dem Wunsch gewisser Leute gegangen wäre, dann läge ich jetzt mit zertrümmertem Schädel auf dem Operationstisch. Wissen Sic, wer dann als Täter ausgegeben worden wäre? Sie! Herr Professor Casari! So raffiniert war dieser Plan ausgehegt. Ich wäre wohl so oder so dessen Opfer geworden, wenn mein tüchtiger Humbry in der Stille nicht vorgebaut hätte. Verschiedene, recht merkwürdige Vorfälle der letzten Stunden setzten mir nun noch so sehr zu, daß wir in den nächsten Tagen durchaus zu einem für beide Teile erträgliche Kompromiß kommen werden, der Ihren ideellen Beweggründen ebenso Rechnung tragen soll, wie meinen wirtschaftlichen Erwägungen. Aber fürs Erste geht es um Wichtigeres.“ Obwohl Casari auf alle möglichen Überraschungen gefaßt war – dieser Empfang verschlägt ihm die Sprache. Mit wachsender Aufmerksamkeit lauscht er den sachlichen
Darstellungen Krischkowskis, der ihm zuerst auseinandersetzt, durch welchen raffiniert ausgeklügelten Plan er, Krischkowski, und Casari beseitigt werden sollten. Im Privatwagen Krischkowskis entdeckte der schon lange Verdacht schöpfende Humbry einen Mechanismus, der bei hoher Geschwindigkeit automatisch die Steuerungsund Bremsvorrichtung gestört hätte, so daß ein folgenschwerer Unfall zwangsläufig eingetreten wäre. Dieses Attentat wat für heute Abend geplant. Um die vermutlichen Täter in Sicherheit zu wiegen, tat Humbry nach außen hin so, als ob der Anschlag geglückt wäre. Aus demselben Grund fand auch die Verhaftung Casaris statt. „Sie können sich jetzt sicher denken, wer nach Humbrys Meinung der Hauptübeltäter ist!“, schließt Krischkowski seine Schilderung und sieht den Professor erwartungsvoll an, so, als ob Casari im Grund viel mehr über diese Dinge Bescheid wissen müßte, als er nach außen hin zur Schau trage. „Nun,“ Casari zögert, „nach dem vorliegenden Tatbestand kann niemand anders als Ingenieur Ferdoc in Frage kommen. Ihm gegenüber hatte ich seit längerem ohnedies private Bedenken. Aber ich nahm erst an, daß er in Ihrem Auftrag handeln würde.“ Der Dierktor lacht: „Da haben Sie nicht unrecht. Sie m u ß t e n ja auf diesen Verdacht kommen, nachdem Sie ja mein Gespräch heute abend mit Ferdoc anhörten. Aber dabei scheint selbst Ihnen entgangen zu sein, daß ich bei dieser Unterredung eine ganz bestimmte Rolle spielte. Ich wollte mich vergewissern, wie weit Ferdoc gehen würde. Seine spontane Reaktion bewies, daß er auch vor diesem letzten Mittel nicht zurückschreckt. Nun, Humbry hat die
entsprechenden Maßnahmen getroffen, daß uns der eigentliche Übeltäter in spätestens einer Stunde Rede und Antwort stehen muß. Das verdankt jedoch auch Humbry vor allem Ihrer mutigen Initiative, lieber Professor.“ Damit erhebt sich Krischkowski und drückt Casari die Hand: „Ich freue mich,“ sagt er leise und feierlich, „auf diese Weise einmal „Die Schwarze Hand“ selber in der meinen zu spüren. Ohne ihr segensreiches Wirken wäre heute viel Böses geschehen. Sie können zukünftig voll und ganz mit mir rechnen. Der Krischkowski-Konzern wurde durch sie von einer Katastrophe bewahrt. Das soll Ihnen als einem der hervorragendsten Vertreter dieses internationalen Geheimbundes nie vergessen werden.“ Casari ist unwillkürlich auch aufgestanden und glaubt, seinen Ohren nicht zu trauen. Fassungslos schüttelt er seinen Kopf „Sie irren sich, Herr Direktor. Ich weiß von der „Schwarzen Hand“ nicht mehr, wie sie. Ich verstehe Sie nicht. Ich …“ „Aber Professor!“ Der Direktor verbeugte sich: „Ich werde selbstverständlich Ihrem damit geäußerten Wunsch entsprechen und nach außen hin niemals den Eindruck entstehen lassen, daß ich von Ihrem Geheimnis wüßte. Aber mir persönlich können Sie es doch anvertrauen, nachdem wir ja heute abend an dieser Stelle bereits eine äußerst eindrucksvolle Begegnung hatten. Oder waren Sie vielleicht nicht hinter jenem Vorhang am Fenster verborgen, während ich Sie an dieser Stelle mit Ferdoc offensichtlich ans Messer lieferte?“ Casaris Gesicht zeigt eine solche Ratlosigkeit, daß nun selbst Direktor Krischkowski unsicher wird. „Ja zum
Teufel,“ brummt er und tritt unsicher einen Schritt von Casari zurück, „wer verbirgt sich dann eigentlich hinter der Schwarzen Hand?“
4. Ferdoc hat vorgesorgt Auch Ferdoc ist seit der Erscheinung der „Schwarzen Hand“ vor dem Fenster in Zweifel geraten. Er darf keine Zeit mehr verlieren, keine Vorsichtsmaßnahme außer Acht lassen. Daher hat er auch seine Pistole rasch wieder geladen, nachdem sich die Schüsse zuvor als ergebnislos erwiesen, und ist mit der entsicherten Waffe bis vor zum Pförtnerhaus gelaufen. Dabei stößt er unterwegs auf einen von Humbrys Beamten. Ferdoc verschweigt ihm gegenüber, was ihn eigentlich zu seinem Pirschgang bewegt. Statt dessen umschreiten die beiden Männer das ganze, langgestreckte Laboratorium, bis sie wieder an der steil ins Meer abfallenden Felsküste angekommen sind. Sie haben nirgends etwas Verdächtiges gefunden. Aber es ist eine dunkle, wolkenlose Nacht, so daß sich gut irgend ein fremder Eindringling versteckt halten kann. „Wir sollten einen Hund hier haben!“ schlägt Ferdoc dem Beamten vor, „um für alle Zweifelsfälle gesichert zu sein. Könnten Sie nicht mit Ihrem Wagen einen solchen, vierbeinigen Wächter besorgen?“ Der Beamte ist unschlüssig. Er macht darauf aufmerksam, daß er Anweisung hat, bis zur Wiederkehr Humbrys hierzubleiben. Für alle Fälle, wie er entschuldigend hinzufügt. „Machen Sie sich wegen mir keine Sorgen!“ beschwichtigt ihn Ferdoc. „Ich werde mich schon zu
verteidigen wissen. Aber sobald Herr Humbry kommt, muß ich mit ihm zum Wasserflugplatz. Die Dame im Haus wird wahrscheinlich zurückbleiben. Da dürfte es schon angebracht sein, wenn Sie noch einen scharfen Hund bei sich haben. Und vielleicht noch einen oder zwei weitere Beamte dazu. Bitte führen Sie diesen Auftrag sofort aus. Sie kennen mich ja. Außerdem habe ich noch Vollmachten, von Direktor Krischkowski persönlich ausgestellt und unterschrieben. Bitte überzeugen Sie sich selber.“ Der Beamte liest im Schein seiner Taschenlampe die Papiere. Darauf ist vermerkt, daß der Ingenieur Ferdoc das Recht habe, im Namen Direktor Krischkowskis alle ihm für nötig erscheinenden Maßnahmen zu treffen und alle dem Konzern angehörenden Personen ihm Folge zu leisten haben. „Nun gut,“ sagt der Beamte, „ich werde selbstverständlich Ihren Wunsch erfüllen. Aber könnten wir das nicht auch telephonisch regeln?“ „Lieber nicht,“ gibt Ferdoc zu bedenken, „das Telephongespräch könnte abgehört werden. Wir müssen mit allen Möglichkeiten rechnen. Erledigen Sie den Auftrag daher persönlich. In spätestens einer Stunde sind Sie ja wieder zurück. Zudem dürfte Herr Humbry vorher eintreffen. Ich werde ihn informieren.“ Der Beamte verbeugt sich. Eilt zum Pförtnerhaus die Straße entlang. Gleich darauf hört Ferdoc, wie er mit seinem Wagen wegfährt. *
Kaarina Kerkonnen hat unter Pepinos Bemühungen ihre jähe Schwäche überwunden. Wo ist Ferdoc?“ fragt sie, als sie sich mit Pepino allein im Zimmer sieht. „O Signora“, ereifert sich Pepino, „fort ist er. Hoffentlich kommt er nie wieder. Hoffentlich kommt dafür…“ „Still, Pepino!“ Kaarina macht eine abwehrende Handbewegung, steht auf und eilt zur Türe. „Wenn Herr Ferdoc je vor mir zurück sein sollte, so sage ihm, ich wäre nebenan ins Bad gegangen. Ich käme gleich wieder.“ Damit schlägt sie die Türe hinter sich zu. Pepino hört ihre Schritte draußen auf der Treppe. Er kennt sich überhaupt nicht mehr aus. Wie aufgescheuchte Ameisen laufen die Gedanken in seinem Kopf durcheinander. Nur gut, daß er seinen Trost wenigstens in der Tasche hat. Einer jener alten, roten Weine, wie sie nur in seiner italienischen Heimat gedeihen und von denen sein Herr manche Flaschen im Keller unter dem Labor gelagert hat. Pepino genehmigte sich sonst nur ganz selten ein solches Fläschchen. Aber seitdem heute diese fürchterliche, schwarze Hand am Fenster erschien, seitdem hat der arme Pepino in seiner Verzweiflung schon fast eine ganze Flasche leergetrunken. Während er nun den Rest vollends leert und ringsherum nirgends mehr einen Menschen sieht, fühlt er sich mit einem Mal so jämmerlich alleingelassen und ausgestoßen, so ausgeliefert jener bedrohlichen «Schwarzen Hand“, daß er nur noch schleunigst in den Keller hinuntergeht und dort sorgfältig eine neue, volle Flasche unter seiner weiten Jacke verbirgt. „O mama mia!“ murmelt er dazu vor sich hin und bekreuzigt sich, „was mag es in dieser schrecklichen Nacht wohl noch alles für
Überraschungen geben …“ Kaum ist der kleine, rundliche Mann wieder schnaufend die Kellertreppe heraufgestiegen, da prallt er auf dem Flur fast mit Kaarina Kerkonnen zusammen. Verlegen räuspert er sich. Aber seine verehrte Signora scheint ihn gar nicht zu beachten. Mit leichenblassem Gesicht geht sie an ihm vorüber. „Wie ein Gespenst…“ denkt Pepino, dem bei diesem ungewohnten Anblick kalte Schauer über den Rücken jagen, so daß er nur noch in die Küche wanken kann, dort den Korkenzieher aus der Tischschublade nimmt, die Flasche entkorkt – und ansetzt. „Signore Casari wird es sicher verzeihen,“ flüstert er mit bebenden Lippen, „wenn er erst wieder zurück ist.“ Kaarina hat im Wohnraum Platz in einem der tiefen Sessel genommen und starrt vor sich hin. Sie kann ihr kurzes, flüchtiges Erlebnis immer noch nicht ganz fassen. Sie war in ihrem Wagen gewesen. Hatte in dem Geheimfach an der Seitentür hastig nach einem bestimmten Gegenstand gesucht. Diesen auch gefunden, aber… Hier, sie hat ihn ja von dem schmalen Kabel losgerissen. Sie hat ihn mitgenommen, um sich zu überzeugen, daß sie keinen Hirngespinsten erlag. Langsam öffnet sie ihre zur Faust geballte Hand. Ein schwarzes, seidenartiges Knäuel liegt darin zusammengepreßt. Vorsichtig faltet es Kaarina unter dem Tisch auseinander, sich erst vergewissernd, daß man sie auch durch das Fenster nicht beobachten kann. Es ist ein schwarzer Handschuh, von vier Schüssen durchlöchert… Da hört sie Schritte. Rasch verbirgt sie das kleine, schwarze Knäuel in der Tasche ihres Kostüms. Richtet sich
auf. Es ist Ferdoc, der von seinem nächtlichen Rundgang zurückkommt. „Entschuldigen Sie bitte,“ begrüßt Ferdoc die wie aus tiefen Gedanken Aufschreckende, „daß ich Sie allein ließ. Aber die Dinge überstürzen sich. Darunter leider auch Begebenheiten, die uns zwingen, sofort zu handeln. Das heißt in unserem Fall, in spätestens einer Viertelstunde abzufliegen. Trotz der Verhaftung Casaris. Ich kann Ihren Schmerz verstehen. Aber vertrauen Sie mir. Es ist ein Irrtum, der bis morgen Abend aufgeklärt sein wird. Ich habe alle nötigen Schritte veranlaßt. Darf ich auf Ihre Unterstützung rechnen, Fräulein Kerkonnen? Sie wissen ja, um was es bei den morgigen Versuchen geht. Direktor Krischkowski übergab mir alle Vollmachten. Hier sind die Papiere.“ Kaarina nimmt mechanisch die Papiere. Überfliegt sie. „Sie fordern viel, Herr Ferdoc,“ sagte sie leise, „ich weiß nicht…“ „Aber ich weiß, daß Sie sich darüber nicht mehr den Kopf zerbrechen brauchen!“ tönt plötzlich eine klare Männerstimme vom Fenster herein. „Rühren Sie sich nicht von der Stelle!“ herrscht dieselbe Stimme Ferdoc an, der schon nach der Pistole in seiner Tasche greifen wollte. „Sobald Sie die geringste Bewegung machen, schieße ich. Daß die Kugel sitzt, darauf können Sie sich verlassen.“ Ferdoc kennt die Stimme nur zu gut. Es ist Humbry. Humbry, den er erst in frühestens einer halben Stunde zurückerwartete. Sollte er gar nicht fortgewesen sein? Sollte er vielleicht…
„Heben Sie die Hände hoch!“ befiehlt Humbry und ist mit einem Satz im Zimmer, „Ihr Doppelspiel ist aufgedeckt, Ferdoc. Ich hätte Ihnen ja gerne noch etwas Zeit gelassen. Aber die Situation wäre vielleicht für Fräulein Kerkonnen zu gefährlich geworden. Trotz Ihres außergewöhnlichen Muts, Gnädigste, von dem ich mich inzwischen verschiedentlich überzeugen konnte. Haben Sie Ihren Handschuh wieder gefunden? Es tut mir leid, daß ich ihn bei meinem Experiment beschädigen mußte. Aber“, Humbry steht nun dicht hinter Kaarina, ohne Ferdoc aus dem Auge zu lassen, „ich mußte mich einmal selber davon überzeugen, wie dieser ehrenwerte Herr darauf reagierte. Der Erfolg war …“ In diesem Augenblick schießt plötzlich vom Ring an der emporgehobenen, rechten Hand Ferdocs aus eine blitzlichtartige Stichflamme auf, die Humbry gleich einem winzigen, feurigen Pfeil für den Bruchteil einer Sekunde zu berühren scheint. Humbry spricht den letzten Satz nicht zu Ende. Wie von einem elektrischen Schlag getroffen sinkt er ächzend um. Liegt schwer atmend am Boden. „Fräulein Kerkonnen!“ Ferdoc hat seine Hände gesenkt und spricht so ruhig, als ob nicht das Geringste geschehen wäre, „Fräulein Kaarina Kerkonnen, Sie kennen ja dieses eben vorgeführte Zaubermittelchen aus eigener Erfahrung. Ich hatte das Vergnügen, damit im Büro Krischkowskis aus ihrer dabei wirklich „Schwarzen Hand“ Bekanntschaft zu machen. Bitte, bleiben Sie ruhig sitzen. Wir wollen uns nichts weiter vormachen. Ich habe Sie von Anfang an durchschaut. Ich bewundere Ihre für eine Frau außergewöhnliche Tapferkeit. Noch größere Hochachtung habe ich
jedoch von Ihrem technischen Können. Daher muß ich Sie bitten, so leid es mir tut, mit mir unverzüglich das Haus zu verlassen. Ich versichere Ihnen, daß Ihnen kein Haar gekrümmt wird, wenn Sie sich fügen. Im Hafen vor dem Labor liegt unser kleines Tauchboot. Sie kennen es. Es bietet Raum für zwei Personen. Mit diesem Boot werden wir unter Wasser ein Stück aufs Meer hinausfahren, wo uns ein Wasserflugzeug erwarten und bis zum Expeditionsschiff bringen wird. Geben Sie sich keinen Hoffnungen hin, dort durch irgendwelche, technische Mätzchen etwas zu erreichen. Kapitän Cross ist auf unserer Seite. Wir werden das Gold heben, die Versuche durchführen und dann mit den wichtigsten Geräten und Casaris Aufzeichnungen mit dem Tauchmutterschiff einen vereinbarten Kurs ansteuern. Das Expeditionsschiff wird gesprengt. Die Besatzung wird jedoch rechtzeitig davon verständigt. Ich erzähle Ihnen das deshalb so ausführlich, weil ich weiß, daß Sie vor allem eine kühle, sachliche Frau der Wissenschaft sind. Wit werden Sie, wenn Sie Wert darauf legen sollen, nach Erledigung dieser Affäre freigeben. Wir hätten das schon vorher getan, wenn wir Sie nicht zur Klärung einiger bis jetzt noch nicht endgültig bekannter, wissenschaftlicher Zweifelsfälle bezüglich Casaris unterseeischer Vermessungen brauchten. Das zu Ihrer Orientierung. Und jetzt – darf ich Sie bitten, mir zum Hafen voranzugehen?“ Kaarina deutet auf den bewegungslos daliegenden Humbry. „Und wie können Sie das verantworten?“ fragt sie, „gehört das auch zu den Methoden Ihrer Auftraggeber?“ Ferdoc lächelt hintergründig. „So gut, wie es zu Ihren
Methoden gehört, Fräulein Kerkonnen. Nur daß meine Strahlendosierung länger vorhält. Sie kann auch noch länger vorhalten. Eine ganze Ewigkeit lang. Aber von diesen Möglichkeiten machen wir nur Gebrauch, wenn Not am Mann ist. Wie Sie ja auch sehen,“ damit nimmt Ferdoc seine Pistole aus der Tasche, „bediene selbst ich mich im allgemeinen noch der sonst gewohnten Methode, obwohl…“ Vor der Türe ist ein Geräusch, als ob irgend ein schwerer Gegenstand zu Boden gefallen wäre. Ferdoc stutzt. Reißt die Türe auf. Sieht eine Gestalt am Boden. Feuert seine Pistole ab. Zündet das elektrische Licht an. Vor ihm liegt, sich in einer roten Lache krümmend, Pepino. „Wenn Not am Mann ist…“, preßt Kaarina heraus. Sie bebt am ganzen Leib. Aber sie beherrscht sich. Nur jetzt keine Sentimentalität zeigen. Rasch geht sie ein paar Schritte vor und beugt sich über den Verblutenden. „Pepino!“, ruft sie leise und versucht den Kopf des immer rascher Atmenden zu heben. Aber das Gesicht ist ganz mit Blut verschmiert. Entsetzt läßt sie den schweren Kopf zurückgleiten. Erhebt sich. Bleibt noch einen Herzschlag lang wie in tiefem Schmerz versunken stehen. Und sagt dann mit fester Stimme: „Ich will Ihnen keine Gelegenheit geben, Ferdoc, Ihr Gewissen mit einem zweiten Mord zu belasten. Aber sagen Sie“, und damit wendet sie sich um und sieht Ferdoc fest an, „wie ist es Ihnen eigentlich zu Mute, nachdem sie einen unschuldigen Menschen achtlos wie ein wildes Tier getötet haben? Spüren Sie keine Furcht, daß aus dieser bösen Tat eine schlimme Ernte wachsen könnte?“ Ferdoc schaut mit verkniffenem Gesicht zu Boden. Ohne
den Blick zu heben, antwortet er: „Wenn jede böse Tat auf Erden ihre Sühne fände, dann müßte man die ganze Menschheit ins Gefängnis stecken oder an den Galgen bringen. Ich bedauere, ausgerechnet diesen Wicht erschossen zu haben. Aber was spielt sein Leben für eine Rolle? Lassen Sie es sich als Warnung dienen, Kaarina Kerkonnen! Wenn es um Projekte von einer solchen Tragweite geht, wie unser bevorstehendes Abenteuer, dann kann es keine Rücksichtnahme mehr geben. Wo gehobelt wird, fliegen Späne. Als ein solcher Span fiel dieser arme Tropf. Er lauschte. Er hat unsere Unterredung mit angehört. Ich hätte ihn ohnedies so oder so zum Schweigen bringen müssen. Kaarina schreitet, ohne sich noch einmal umzuschauen, vor Ferdoc her der Tür zu, über die Treppe, über den Kies, zum Hafen. Ein Motor läuft an. Ein paar Wellen schlagen an die Küste, schäumen wie von einer mächtigen Faust aufgerührt, und verebben. Leer und ausgestorben liegt das Laboratorium. Nur im mittleren Teil über der schmalen Hafeneinfahrt brennt noch Licht. Leuchtet grell über die beiden zusammengekrümmten Männer am Boden – und über einen merkwürdigen, durchlöcherten schwarzen Handschuh auf dem Sessel, auf dem eben kurz zuvor noch Kaarina Kerkonnen saß.
5. Das Marineministerium schaltet sich ein Um dieselbe Zeit, als Ferdoc das kleine Tauchboot ins offene Meer hinaussteuert, biegt am Wasserflugplatz der Stadt eine dunkle Limousine mit hoher Geschwindigkeit um eine Straßenbiegung und hält mit kreischenden Rädern vor einem hohen, viereckigen Gebäude. „Flugleitung“ steht mit flimmernden Leuchtbuchstaben entlang der Front des ersten Stockwerks. Ein Chauffeur springt heraus, reißt die Wagentür auf. Zwei Männer steigen aus und laufen rasch die Stufen zum breiten Portal empor. Es sind Direktor Krischkowski und Professor Casari. Die beleuchtete Uhr über dem Eingangsportal zeigt ein paar Minuten nach zwölf. Die beiden Herren werden erwartet. Ein hochgewachsener Mann in Fliegerkombination begrüßt sie. „Nun, Kapitän“, fragt ihn Krischkowski, »nichts neues seit unserem Anruf?“ „Nein, Herr Direktor.“ Der Flugkapitän macht eine Türe auf und geleitet die späten Besucher in ein behaglich eingerichtetes Zimmer. „Es trafen lediglich Ihre beiden Herren ein. Sie sind draußen im Hafen bei der Maschine geblieben. Sonst hat sich niemand gemeldet.“ „Sonderbar!“ Krischkowski wendet sich an Casari: „Nach unseren Abmachungen müßte Ferdoc mit Fräulein Kerkonnen längst hier sein. Sie wollten spätestens gegen Mitternacht starten. Auch von Humbry ist keine neue
Information eingegangen. Wie reimen Sie sich das zusammen?“ „Es könnte ja sein“, meint Casari, „daß Ferdoc noch über andere, bisher uns unbekannte Mittelsleute verfügt. Daß er vielleicht an einer anderen Stelle ein anderes Flugzeug zur Verfügung hat.“ „Das dürfte kaum möglich sein“, wirft der Flugkapitän ein. „Die Flugleitung hat alle diesbezüglichen Stellen im Umkreis von 300 Kilometern benachrichtigt. Es kann nirgends eine Maschine starten, ohne daß wir es nicht rechtzeitig erfahren würden. Und, falls es notwendig wäre, den Start verhindern.“ Krischkowski geht an das Telephon. Wählt eine Nummer. Wartet. Niemand meldet sich. Er legt den Hörer auf. Wählt wieder. „Ja, Fräulein, sagen Sie, was ist denn eigentlich mit der Nummer 0768397 los? Ich bekomme keine Verbindung.“ – „Nein, nicht erst im Augenblick. Ich versuche es schon seit einer Stunde. – Wie? Leitung immer noch gestört? – Danke.“ Casari schaut den Direktor fragend an. „Ob Humbry vielleicht etwas zugestoßen ist? Sollten wir nicht lieber doch für alle Fälle die Kriminalpolizei verständigen? Oder wenigstens die mit uns zusammenarbeitende Abwehrstelle der Marine? Es geht ja nicht nur um das Gold. Denken Sie an die Pläne, an unsere Apparate. Sollten diese verloren gehen oder beschädigt werden, so wäre unsere ganze langjährige Arbeit umsonst. Wir könnten von vorne anfangen. Und“, fügt er leise noch hinzu, „denken Sie auch an Fräulein Kerkonnen …“ Krischkowski geht nervös im Zimmer auf und ab. „Sie stehen doch mit Kapitän Cross in Verbindung?“ wendet er
sich an den Piloten, „hat er auf dem „Pinguin“ etwas Verdächtiges festgestellt?“ „Vor einer Viertelstunde hatte ich das letzte Funkgespräch mit Cross. „Nichts neues an Bord“, lautete der Bescheid, wir erwarten Euer Eintreffen in Höhe der vereinbarten Position südlich der Azoren.“ Soll ich Ihnen die Unterlagen bringen, Herr Direktor?“ Krischkowski winkt mit einer Handbewegung ab. „Solange Ferdoc noch nicht abgeflogen ist, „spricht er leise zu Casari, „besteht eigentlich kein Grund, um die offiziellen Stellen in Aufregung zu versetzen. Warten wir lieber noch eine Weile. Humbry wird sicher jeden Augenblick Bescheid geben oder selber kommen.“ „Sie werden mich für befangen halten, Herr Direktor. Aber an Bord des Pinguin befinden sich im Tresor meines Arbeitsraums sämtliche Unterlagen meiner Bestandsaufnahme der unterseeischen Bodenverhältnisse des Atlantik. Es würde im Augenblick zu weit führen, Ihnen im Einzelnen alles zu erklären. Doch wird Ihnen bekannt sein, daß sich der Meeresboden ständig hebt und senkt. Bei der Reparatur von unterseeischen Kabeln stellte sich z. B. heraus, daß diese ein paar Jahre früher über 3000 Meter tiefer lagen. Diese Vorgänge veranlaßten mich, bei meinen unterseeischen Messungen und Beobachtungen auch die Vulkanherde auf dem Meeresboden aufzuspüren. Ich glaube, im Atlantik so ziemlich die bedeutendsten derartigen Vulkane ausfindig gemacht zu haben. An der Stelle, an der unser Tauchversuch heute stattfinden sollte, befindet sich in dem unterseeischen Hochtal nicht nur das ermittelte Gold, sondern etwa 1000 Meer tiefer eben einer
jener rätselhaften Vulkane. Wir leben ohnedies auf der Erde gewissermaßen wie auf einer dünnen Eierschale, die uns mit einer Isolierschicht zwischen 30 und 60 Kilometer Mächtigkeit von den glühenden Feuerströmen darunter trennt. Nun kann durchaus die Möglichkeit bestehen, daß diese Isolierschicht in den Tiefen der Ozeane infolge des dort herrschenden ungeheuren Wasserdrucks bedeutend dünner ist. Das bedeutet mit anderen Worten, daß, wenn z. B. jemand auf dem Meeresboden in der Nähe eines solchen Vulkans zur Hebung irgendwelcher Mineralien eine Explosion auslösen würde, daß eine solche Explosion unter Umständen die Isolierschicht der Erde an einer solchen besonders empfindlichen Stelle durchstoßen könnte und auf diese Weise die darunter liegenden, unvorstellbaren Energien zu einer Art Kettenreaktion kämen, wodurch weite Teile unserer Erde einer verheerenden Katastrophe ausgesetzt wären. Das sind…“ „Aber Professor!“ Krischkowski legt seinen Arm um Casaris Schultern, „Sie malen düstere Schreckgespenster auf. Was hat das alles mit Ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu tun?“ „Leider sehr viel.“ führt Casari weiter aus, „sollte z. B. irgendein Unbefugter an der Stelle, wo wir das Gold erkundeten, die darüber lagernden Schlamm- und Schlickmassen zur rascheren Förderung dieses Schatzes sprengen wollen, so wäre die zuvor aufgewiesene Gefahr unter Umständen bereits gegeben. Sollten darüber hinaus meine Pläne in die Hände fremder, militärisch interessierter Kreise fallen, so stände diesen damit eine schreckliche Vernichtungswaffe zur Verfügung. Mit Hilfe von ferngesteuerten Atom-
Tiefsee-Raketen ließen sich zahlreiche der in Küstennähe liegenden unterseeischen Vulkane – und davon gibt es eine ganze Menge! – gleich hochempfindlichem Dynamit zur Explosion bringen, wodurch zusammen mit dem Atomzertrümmerungsprozeß ein doppelter Effekt einträte. Überschwemmungen von ganzen Kontinenten könnten die Folge sein, die der Atlantis-Katastrophe nicht viel nachstehen würden. Damals, vor 12000 Jahren, ereignete sich wahrscheinlich eine ähnliche Erdkatastrophe, wobei sich aller Voraussicht nach erst der Atlantische Ozean in seiner heutigen Ausdehnung bildete. Das eigentliche Atlantis versank in seinen Fluten. Die Azoren, der Ausgangspunkt unserer neuesten Versuche, stellen nur ein Überbleibsel davon dar, die höchste Erhebung eines riesigen, über 3000 Meter hohen Unterwasser-Gebirges, in dessen Tälern einst blühende Kulturen und menschliche Siedlungen waren. Vielleicht verstehen Sie jetzt auch, warum ich mich so angelegentlich mit dem Atlantis-Problem beschäftige. Über die ganze Tragweite dieser Überlegungen habe ich bisher noch zu keinem Menschen gesprochen. Außer – mit Fräulein Kerkonnen…“ Der Flugkapitän ist höflich beiseite getreten, so daß er die leisen, zum Teil nur geflüsterte Worte Casaris nicht hören konnte. „Ja, aber Professor!“, keucht Krischkowski, „damit bekommt Ihre Tätigkeit ganz andere Zusammenhänge. Damit…“ Das Telephon läutet. Krischkowski eilt an den Tisch, nimmt den Hörer. Wechselt ein paar Worte. Steht sprachlos. „Es war die Abwehr-Abteilung des Marineministeriums“, stößt er heraus, „es lägen Informationen
vor, die zu einer sofortigen Aussprache zwängen. Die Herren werden in wenigen Minuten hier sein.“
6. „Original Chianti, von der besten Sorte …“ Im Pförtnerhaus an der Straße zu Casaris Laboratorium brennt trotz der späten Nachtstunde noch das Licht. Der Pförtner, ein älterer, grauhaariger Mann, schüttelt verzweifelt den Kopf. Schon seit über einer Stunde funktioniert das Telephon nicht mehr. Seit der Ingenieur Ferdoc den unbekannten, fremden Mann wieder fortgeschickt hat. Aber es muß noch ein anderer dieser merkwürdigen Leute hier sein. Es ist dem Pförtner nicht entgangen, daß es wohl die gleiche Anzahl Menschen waren, die mit dem Wagen zuvor bei ihm wieder passierten. Aber darunter befand sich Professor Casari. Einer der Fremden mußte also zurückgeblieben sein. Schon lange versuchte der Alte, wenigstens Pepino telephonisch zu erreichen. Aber auch im Laboratorium meldete sich niemand. Es ist wie verhext. Dazu ist nun draußen ein Sturm aufgezogen, daß der Wind nur so an den Fenstern rüttelt. Laut dringt das Toben der Brandung von der Felsküste hinter der Straße herein. Der Pförtner hat Furcht. Er wagt keinen Fuß vor das Haus zu setzen. Selbst seine resolute, stämmige Frau, die ihm im Lehnstuhl in der Ecke Gesellschaft leistet, wird unruhig. „Es ist fast wie in einem Kriminalroman“, flüstert sie erschauernd, als der Sturmwind aufheult, „weißt du, wie in dem Buch, das wir neulich…“ Draußen hupt es. Ein Hund bellt. Dem Pförtner ist es, als sänke ihm ein schwerer Stein vom Herzen. Im beleuchteten
Schirm der Fernsehanlage erkennt er vor dem Tor das Fahrzeug, mit dem der Fremde vor einer Stunde abgefahren ist. Er drückt auf den Knopf an der Schaltanlage. Automatisch öffnet sich das Tor, gibt die Einfahrt frei. Rasch fährt der Wagen weiter zum Labor vor. „Endlich!“ stößt die Pförtnersfrau heraus, „ich habe wirklich Angst bekommen. Erinnerst Du Dich an das Motorengeräusch vor einer halben Stunde? Es war, als ob im Hafen ein Boot ausgelaufen wäre, fast so, wie in dem Roman …“ „Jetzt höre doch endlich mit dieser dummen Geschichte auf!“, fährt sie ihr Mann unwillig an und gähnt, „ich möchte nur wissen, wenn ich heute zum Schlafen komme.“ Aber seine Gleichgültigkeit ist nicht echt. Mit pochendem Herzen lauscht er in den Sturm hinaus. Nur gut, daß der Pförtner nicht die Augen der drei Männer im Kopf hat, die eben rasch aus ihrem Fahrzeug klettern und hinter dem kläffenden Hund ins Haus stürzen. Der Beamte, den Ferdoc fortschickte, hatte nachträglich doch Bedenken bekommen. Wohl wußte er, daß Humbry zurückgeblieben war. Aber … So hatte er gleich von der Stadt aus telephonisch zurückgerufen, ohne jedoch eine Verbindung zu bekommen. Auch Direktor Krischkowski war nicht zu sprechen. Mit dem Auto zur Flugleitung, wie es hieß. In Begleitung von Professor Casari. Das alles machte den Beamten nun doch nervös. So rasch er konnte, fuhr er mit seinen Kollegen und dem Polizeihund zurück. Irgendetwas stimmte nicht, das war ihm inzwischen klar geworden. Wie recht er mit dieser Überlegung hatte, das zeigte ihm nun der Anblick in Casaris Wohngebäude. Als erstes
finden sie den blutüberströmten Pepino am Boden liegen. Und, dahinter in dem hell erleuchteten Raum, Humbry. Schon will der Beamte einen seiner Männer mit dem Wagen zur nächsten Polizeistelle schicken, um ja keine eventuellen Spuren des Täters zu verwischen, da kommt von der Stelle, wo Pepino liegt, ein abgrundtiefer Seufzer. „O mama mia“, stöhnt es, „o himmlische Jungfrau, o Ihr Engel in den Wolken …“ Keuchend wälzt sich das jammernde, runde Bündel ein wenig zur Seite, schlägt die Augen auf, schaut seine beiden, roten Hände an und sinkt erneut wimmernd zu Boden. „Pepino ist tot“, klag er herzerweichend, „der arme Pepino ist mausetot, erschossen, ermordet, verblutet, oh …“ „Verdammt und zugenäht!“ Tönt es da vom Zimmer nebenan, und ehe sich die verblüfften Beamten von ihrem Erstaunen noch erholen können, kommt auch schon Humbry auf allen Vieren angekrochen. „Was ist das hier eigentlich für eine ausgekochte Schweinerei?!“ Knurrt er zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor und kriecht vollends zu Pepino, so daß er sich in der blutigen Lache daneben beide Hände beschmutzt. Erschrocken halt er inne. Betrachtete gleich Pepino zuvor seine roten Hände. Riecht daran. Und bricht auf einmal in ein schallendes Gelächter aus. Kann nicht mehr aufhören, so daß die Beamten ganz verstört herbeieilten und ihn aufrichteten. „Übergeschnappt!“ flüsterte der eine leise, „Nervengeschichten …“ So plötzlich, wie Humbry zu lachen begann, hört er wieder auf. Stürzt sich auf Pepino, die zwei Männer zurückschleudernd, die ihn halten wollen. Reißt den
Wimmernden hoch. Schüttelt ihn. „Jetzt bleibt mir bloß vom Leib?, „schreit er seine Beamten an, die Pepino aus seinen Armen befreien wollen, „was Ihr hier seht, ist kein Blut, sondern Wein! Original Chianti von der besten Sorte, ich kenne den Tropfen!“ Zehn Minuten später ist der ganze Sachverhalt geklärt. Pepino hatte gelauscht und dabei ab und zu einen Schluck aus seiner Flasche genommen, um sein zitterndes Herz zu beruhigen. Als Ferdoc die Türe aufriß, verbarg er die Flasche rasch unter seiner Jacke. Die Pepino zugedachte Kugel traf durch einen merkwürdigen Zufall die noch halbvolle Weinflasche und verletzte Pepino lediglich geringfügig mit einem Streifschuß an der Seite. Durch den dickflüssigen, dunkelroten, langsam den Boden und die Kleider Pepinos tränkenden Wein mußte Ferdoc den Eindruck gewinnen, daß er getroffen hatte. Trotz dieser offensichtlichen Zusammenhänge läßt sich Pepino nur schwer beruhigen. Mit Müh und Not entlockt ihm Humbry wenigstens die wichtigsten Bruchteile des erlauschten Gesprächs zwischen Ferdoc und Katarina Kerkonnen. Per Beamte, den er rasch zum Hafen hinunterschickte, bestätigt, daß das kleine Tauchboot fort ist. Mit äußerster Energie hält sich Humbry auf den Beinen. Er ist wütend über sich selber. Wütend, daß er in eine solche plumpe Falle gegangen ist, daß er bei Ferdoc nicht mit Möglichkeiten rechnete, die bisher selbst einem erfahrenen Kriminalisten unbekannt waren. Aber jetzt hilft kein nachträgliches Überlegen mehr. Sie müssen auf der Stelle fort, nachdem ja auch die Telephonleitungen gestört sind. Fort zum Hafen, wo nach der Information seines
Beamten Krischkowski und Casari anzutreffen sind. Sie werden dort vergeblich warten. Ferdoc benötigt das bereitgestellte Wasserflugzeug nicht. Der gerissene Halunke hat alle überspielt. Mit aufheulendem Motor jagt der Wagen zum Pförtnerhaus zurück. Rast mit höchster Geschwindigkeit der Straße entlang, der Stadt zu. Vergeblich versuchte der Pförtner von den aufgeregten Männern auch nur ein aufklärendes Wort zu erhaschen. Ebenso vergeblich, wie der halb berauschte und halb vor Entsetzen um den Verstand gebrachte Pepino Ordnung in seinem wirren Kopf zu bekommen versucht. Als er sich schließlich aufrafft und, um der trostlosen Einsamkeit zu entfliehen und trotz des Sturms draußen zu seinem Freund, dem Pförtner, hinüberzueilen, da springt ihn schon an der Tür ein großes, unheimliches Tier an und wirft ihn zu Boden. Es ist der Polizeihund, den Humbrys Leute versehentlich zurückgelassen haben. Damit ist es mit Pepinos letzten Kräften zu Ende. „O mama mia“, haucht er mit letzter Kraft, „o himmlische Jungfrau, o ihr Engel in den Wolken …“ Dann versinkt er, halbtot vor Schrecken unter dem knurrenden Hund liegend, in eine tiefe Ohnmacht.
7. „Auch wir wollen die Welt verbessern!“ Unbemerkt von den im weiten Umkreis alarmierten Luftüberwachungsstationen rast in einer Höhe von über 10000 Metern ein einsames Flugzeug wie ein silberner Pfeil unter dem Sternenhimmel dahin. Die Maschine trägt keine Positionslichter. Weit unter ihr brodelt und kocht das schwarze Wolkenmeer, das die Sicht zum Atlantik verhüllt. Kaarina Kerkonnen kann sich keine Vorstellung mehr machen, wo sie sich befinden, welche Geschwindigkeit das Flugzeug hat. Sie sitzt auf dem Ledersessel in der hinteren Kabine der Maschine, während Ferdoc vorne neben dem Piloten Platz genommen hat and an matt leuchtenden Instrumenten hantiert. Die Aufnahme vom Tauchboot war trotz des hohen Seegangs ohne Schwierigkeiten erfolgt. Ferdoc hatte allen Möglichkeiten Rechnung getragen. Als sie mitten auf dem freien Meer in der stockdunklen Nacht an die Wasseroberfläche kamen, lagen sie bereits im Scheinwerfer eines ganz langsam und tief fliegenden Flugzeugs. Dann wurden sie auf einmal samt ihrem Tauchboot emporgehoben, so, als ob ein großes, schwingendes Netz das Boot aus dem Wasser ziehen würde, worauf Ferdoc lachend die Taucherluke öffnete und Kaarina bat, doch die schmale Eisenleiter emporzusteigen. Mechanisch gehorchte sie und befand sich zwischen den breiten Schwimmern des Flugzeugs, dessen Rumpf hoch darüber emporragte. Da war auch Ferdoc schon neben ihr
und führte sie einen wiegenden, zu beiden Seiten gesicherten Steg entlang in die Kabine. Automatisch schloß sich die Türe. Kaarina spürte, wie die Motoren rascher liefen, wie das Flugzeug stieg, Dann glaubte sie zwei kurze, explosionsartige Geräusche zu hören, wahrscheinlich der ausgelöste Düsenantrieb, worauf sie jedes Gefühl für Geschwindigkeit verließ. Aber die Geschwindigkeit war sicher bedeutend. Schneller vielleicht, als daß sie von etwaigen Verfolgern noch rechtzeitig eingeholt werden konnten. Doch wer konnte jetzt überhaupt noch helfen? So blieb Kaarinas einzige Hoffnung die kleine, vor ihrem Gespräch mit Ferdoc noch rasch in ihrem Wagen ausgelöste Radar-Station, mit deren Hilfe sie das vereinbarte Zeichen für höchste Gefahr an die Zentrale der „Schwarzen Hand“ gegeben hatte. Ferdoc konnte davon nichts bemerkt haben. So wie es ihr auch gelang, den schwarzen Handschuh heimlich auf dem Sessel zurückzulassen, ehe sie Casaris Wohnraum verließ. Rasch verließ, um Ferdoc nicht mehr die Möglichkeit zu geben, sich umzuwenden oder gar Pepinos angebliche Verwundung näher anzusehen. War es doch auch Kaarina nicht entgangen, als sie sich über den röchelnden Pepino beugte, daß das „Blut“ des Ärmsten aus Casaris Weinkeller stammte. Trotz der lähmenden Ungewißheit ihrer Situation muß Kaarina doch vor sich hinlächeln, als sie sich dieser Szene erinnerte. „Sie scheinen ja recht vergnügt zu sein!“ Fragt plötzlich Ferdoc, der sie in einem Spiegel beobachtete, „darf ich den Anlaß Ihrer Freude wissen?“ Bei den letzten Worten ist Ferdoc aufgestanden und langsam nähergekommen.
Kaarina ist über diese unvermutete Ansprache zuerst ganz erschrocken, aber sie läßt sich nichts anmerken. Kaarina weiß, daß sie ein gefährliches Spiel treibt. Ein Spiel, das sie nun Ferdoc auslieferte und eben dadurch das Verhängnis herbeizuführen schien, zu dessen Abwehr sie sich spontan bereit erklärte, als sie vor nun über einem Jahr ein berühmter Gelehrter anläßlich eines offiziellen Banketts zum erstenmal in das Wirken der „Schwarzen Hand“ einweihte. Wie schwer war es ihr seitdem gefallen, die ihr damit übertragene Aufgabe vor Casari zu verheimlichen. Oft stand sie Todesängste aus, er würde Mißtrauen schöpfen, er könnte ihre Heimlichkeiten falsch auslegen. Aber sie schwieg. Auch Ferdoc wird nichts von ihr erfahren. Tote können nicht mehr reden. Für den äußersten Notfall hat Kaarina vorgesorgt. Der Gedanke daran erfüllt sie nun mit einer fast heiteren Gelassenheit, so daß ihr Lächeln gar nicht mehr erkünstelt ist, als sie bewußt hochmütig zur Ferdoc aufsieht und Wort für Wort betonend sagt: „Sie werden den Anlaß meiner Freude noch bald genug erfahren, Ferdoc. Ich zweifle jedoch daran, daß Sie dann auch vergnügt sein werden. Sie scheinen vergessen zu haben, daß hinter mir ein Kreis von Menschen steht, der Sie schon viel länger beobachtet, als wir beide uns kennen.“ Ferdoc lacht spöttisch: „Sie wollen mich an die „Schwarze Hand“ erinnern? Dieser Kinderschreck kann mir nichts anhaben. Ich glaube, darüber besser informiert zu sein, als Sie ahnungsloser Engel sich träumen lassen. Irgendein verrückt gewordener Professor, ein Philosoph seines Zeichens, ist die treibende Kraft. Gleich dem
Rattenfänger von Hameln zog er durch alle Länder und machte mit der Drehorgel seiner obskuren Beweisgründe eine ganze Reihe, ich gebe es zu, recht respektabler Leute von Rang und Namen, ebenso verrückt. Gegen das Böse auf der Welt, so lautet das Programm dieser Wolkenkuckucksheimer, wollten sie Sturm laufen. Ober alle wirtschaftlichen und staatspolitischen Interessen hinaus dafür Sorge tragen, daß die moderne Wissenschaft und Technik nur edlen Zwecken dienen sollte. Diesen honigsüßen Welsen sind auch Sie auf den leim gegangen. O, ich wußte es schon lange. Der Name „Schwarze Hand“ ist ja auch so recht beschaffen, um träumerische Mädchenherzen zu Heldentaten anzuregen. Soll doch diese Schwarze Hand dereinst einem Unschuldigen abgeschlagen worden sein und seitdem als gespensterhaftes Phantom überall dort auftauchen, wo eine Untat sich anbahnt. Da auf Gespenster in unserer aufgeklärten Zeit nur wenig Verlaß ist; spielt der alte Professor diese Rolle selber. Sie sehen, ich bin informiert. Unerklärlich ist mir nur, wie eine so kluge Wissenschaftlerin wie Professor Kaarina Kerkonnen an solchen Mätzchen Gefallen finden konnte. Wissen Sie was? Schlagen Sie sich das dumme Zeug aus dem Kopf. Kommen Sie in unser Lager. Auch hinter mir steht ein Kreis von Menschen. Nur daß es sich dabei um Männern handelt, die sich ganz bestimmte, konkrete Ziele setzten. Auch wir wollen die Welt verbessern und das Los der Massen freundlicher gestalten. Aber dazu ist nach unserer Auffassung vor allem einmal Macht erforderlich, politische Macht und wirtschaftliches Kapital. Wir sind auf dem besten Wege, diese Voraussetzungen zu verwirklichen. Ich
selber verkörpere nur ein kleines Rädchen in diesem großen, weltbewegenden Getriebe. Kommen Sie auf unsere Seite, Kaarina Kerkonnen. Sie werden für Ihre wissenschaftliche Tätigkeit Voraussetzungen bekommen, die Ihnen keine Macht der Welt sonst bieten kann. Gerade als Radar-Spezialistin haben Sie bei uns unerhörte Chancen. Geben Sie Ihr Ja zu meinem Vorschlag. Sie können sich dann von jetzt ab ungehindert bewegen. Denn wenn eine Frau, wie Sie, Ihr Wort gibt…“ Kaarina hat tief in den Ledersessel zurückgelehnt schweigend zugehört. Aber nun unterbricht sie Ferdocs Redestrom: „Wenn Sie soviel auf mein Wort geben, Ferdoc, dann gebe ich Ihnen jetzt mein Wort darauf, daß Sie den heutigen Tag nicht als freier Mann überleben werden. Täuschen Sie sich nicht! Der „Kinderschreck“ der Schwarzen Hand, wie Sie den hinter mir stehenden Kreis entschlossener Menschen zu nennen beliebten, wird Ihnen zur gegebenen Zeit die Quittung für Ihr verbrecherisches Tun geben. Damit habe ich mit Ihnen mein letztes Gespräch geführt.“ Mit diesen Worten wendet sich Kaarina brüsk von Ferdoc ab. Sie weiß nicht, woher ihr auf einmal der Mut zu diesen Worten kam. Aber sie fühlt mit einem Male eine stete, feste Sicherheit in ihrem Herzen. Mag kommen was will – sie wird davor bestehen. Ferdoc lächelt nur: „Sie sehen in Ihrem Zorn reizend aus, Kaarina Kerkonnen. Aber – schauen Sie doch einmal auf Ihre Uhr. In fünf Minuten wassern wir. In weiteren fünf Minuten sind wir an Deck des „Pinguin“. Zehn Minuten darauf werden wir mit dem Tauch-Mutterschiff in die Tiefe gehen. In spätestens einer halben Stunde dürfte ich mit der
Tauchkugel das Gold aufnehmen. Sie wissen ja, es ist ein ganzer Berg von Gold. Trotzdem wir offiziell nicht zur Gilde der Schatzsucher gehören, nehmen wir diesen verlockenden Happen mit. Gold macht auch heute noch Weltgeschichte. Man muß es nur richtig unter die Leute bringen. Nun, mittlerweile wird der mit uns verbündete Kapitän Cross vom Unterwasser-Mutterschiff aus die Besatzung des „Pinguin“ wie Hasen in die Rettungsboote jagen. Darauf wird „Pinguin“ sich gemächlich zur Seite legen und ebenfalls so tun, als ob er ein Tauchboot wäre. Zuvor wird selbstverständlich noch Casaris Tresor sichergestellt, was inzwischen durch Kapitän Cross bereits geschehen sein dürfte. Und dann brausen wir, ungestört von allen etwa noch eintretenden Überraschungen, in 1000 Meter Tiefe auf großer Fahrt einem sehr weit entlegenen Ziele zu. Selbstverständlich“, Ferdoc verbeugt sich ironisch, „setzen wir Sie, meine verehrte .Kollegin, nicht dem Risiko eines Rettungsbootes aus, sondern wir werden sie entgegenkommenderweise mit zu uns an Bord nehmen. Bitte kontrollieren Sie meine Worte: in spätestens einer Stunde, noch lange vor Taganbruch, ist die Episode abgeschlossen. übrigens; Wir landen bereits. Der Lichtschein, den Sie unter sich sehen, ist der Scheinwerfer unseres geliebten „Pinguins“.“ Und so geschieht es. Das Meer ist hier auf der Höhe der Azoren spiegelglatt. Kaum sind sie gewassert, nimmt sie auch schon die Motorbarkasse des „Pinguin“ auf. Als sie an Bord sind, will Kaarina unauffällig einen der geschäftig an ihr vorbeihastenden Matrosen der Besatzung ansprechen. Aber Ferdoc kommt ihr zuvor. „Lassen Sie sich nur
nicht aufhalten!“ ruft er dem bereitwillig stehenbleibenden Mann zu, „ich werde den kleinen Dienst für Fräulein Kerkonnen übernehmen!“ Leise zu Kaarina gewandt flüstert er lachend: „Wenn Sie sich jetzt noch außer von Ihrem Kinderschreck von Kinderstreichen etwas erhoffen, Kaarina Kerkonnen, dann wird sie beides, so leid es mir tut, gleich schwer enttäuschen. Aber kommen Sie, Kapitän Cross wartet.“ Schon sind sie mit dem Lift im Innern des Expeditionsschiffs in das darunter durch einen besonderen Mechanismus mit dem Schiffsrumpf des „Pinguin“ verbundene Tauchboot hinabgeglitten. Kaarina hört die automatischen Luftpressen. Sie spürt, wie das Tauchboot sich abstößt, sinkt. Ferdoc ist nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich ist er schon unten im Maschinenraum, von wo aus durch einen ähnlichen Mechanismus die in gemeinsamer Arbeit neukonstruierte Tiefsee-Tauchkugel auf dieselbe Weise erreicht werden kann. Sie hat damit selber schon Tauchversuche unternommen. Bis in eine Tiefe von 1000 Metern reicht der Radius des Unterwasser-Mutterschiffs. Von hier aus kann dann die Tiefsee-Tauchkugel durch atomphysikalischen Antrieb abgestoßen werden und „brennt“ sich regelrecht bis in Tiefen von 3000 und 4000 Metern durch. Die Steuerung erfolg durch Radar, ebenso das Einholen der Tauchkugel, die sich nach Auslösen einer bestimmten Steuervorrichtung automatisch wieder an dem Unterwasser-Mutterschiff hermetisch fest ansaugt. Alle diese technischen Neuerungen haben sie in den letzten Jahren in gemeinsamer Arbeit entwickelt. Und nun sollte alles in dieser schamlosen Weise verraten und verkauft werden?
Wie mochte es jetzt über dem Wasser aussehen? Hatte Kapitän Cross seine Warnung an die Besatzung des „Pinguin“ schon durchgegeben? Verstört blickt sich Kaarina in der sonst so vertrauten Kabine um. Da hängen am Hacken ihre Tauchanzüge, mit denen sie oft in geringeren Tiefen die phantastischen Geheimnisse der Unterwasser-Landschaft belauschten. Auch Casaris Tauchanzug ist da. Hier… Mit zitternden Händen streicht Kaarina behutsam darüber. Und da ist es nun selbst mit der Fassung dieser sonst so wagemutigen, beherrschten Frau zu Ende. „Luigo“, flüstert sie mit bebenden Lippen und schlägt aufschluchzend die Hände vor ihr Gesicht. „Luigo…“
8. Eine verzweifelte Situation Eine Viertel-Flugstunde und an die 1000 Meter Wassertiefe von Kaarina entfernt kauern zur selben Zeit eine Anzahl Männer in einem der neuentwickelten Marineflugzeuge, deren Geschwindigkeit weit über der Schallgrenze liegt. Casari und Humbry befinden sich unter ihnen, Beamte des Marineministeriums und Krischkowski, der es sich nicht nehmen ließ, diese außergewöhnliche Expedition zu begleiten. Geht es doch dabei nicht nur um das von ihm finanzierte Tiefsee-Unternehmen, sondern nun steht die Existenz seines ganzen Konzerns auf dem Spiel. Die Beamten des Ministeriums hatten ihm bittere Vorwürfe gemacht, hatten ihm und Casari mit sofortiger Inhaftierung gedroht, wenn sie ihre Karten nicht offen auf den Tisch legten. Sie waren durch mysteriöse Funksprüche gegen Mitternacht von den bevorstehenden Experimenten bei den Azoren unterrichtet worden, wobei die Position des Expeditionsschiffes ebenso genau angegeben wie mit Stichworten die ganze Tragweite des Unternehmens skizziert war. Absender dieser, das ganze Ministerium in Alarmzustand versetzenden Informationen war die „Schwarze Hand“. Trotz sofortiger Peilung konnte die Funküberwachungsstelle den Sender nicht ermitteln. Als dann noch Humbry mit seinen Männern angekeucht kam und berichtete, was sich mittlerweile in Casaris Laboratorium zugetragen hatte, stieg die Atmosphäre auf
Siedehitze. Zu allem Unglück hin meldete gleich darauf der Flugkapitän des startbereiten Wasserflugzeugs, daß irgend ein Defekt vorliegen müßte. Er könnte seine Maschine nicht hochkriegen. So stiegen sie schließlich mit reichlicher Verspätung mit einer der neuen Maschinen des Ministeriums auf. Jagdflugzeuge waren angefordert und sollten nachfolgen, sofern sie nicht bereits die angegebene Position erreicht hatten. Das Ministerium rechnete mit allen Möglichkeiten. Casari sitzt vorne neben dem Piloten. Sollte der „Pinguin“ noch nicht versenkt sein, so sieht er einen Ausweg. Nämlich die zweite, früher gebaute TiefseeTauchkugel, die wohl keine so großen Tiefen erreicht, wie das neue Gerät, aber doch wenigstens die Chance bietet, zum Unterwasser-Mutterschiff zu gelangen, in dem sich nach den Ausführungen Humbrys, Casaris ganze Aufzeichnungen – Kaarina Kerkonnen befinden sollen. Kaarina … Casari weiß noch nicht, wie er es anstellen soll, um unter Wasser mit der Tauchkugel überhaupt etwas auszurichten. Aber er m u ß den Versuch wagen. Sofern überhaupt noch dazu Gelegenheit war. In Flugrichtung flammen Scheinwerfer auf. Der Pilot drückt die Maschine tiefer, vermindert die Geschwindigkeit. Eine kaum mehr zu bändigende Aufregung bemächtigt sich der Männer. Sie erkennen im grellen Scheinwerferlicht, daß das Expeditionsschiff noch unbeschädigt ist. Leuchtschirme flammten auf, das Meer in weitem Umkreis taghell erleuchtend. Aber was ist das? Unten treiben kleine Boote. Darin stehen Menschen und winken herauf. Es sind die Rettungsboote des „Pinguin“ …
Casari wußte später nicht mehr genau, wie er von der wassernden Maschine heraus in eine der Rettungsbarkassen und mit der Hilfe der Matrosen an Deck des „Pinguin“ kam. Es war ihm klar, daß das Schiff jederzeit auseinanderbersten konnte. Aber noch fand er die zweite Tauchkugel unzerstört. Die automatische Abstoßanlage funktionierte. Casari tauchte! Gerade noch rechtzeitig, wie die Beobachter im Flugzeug und in den Booten erkennen konnten, ehe der „Pinguin“ wie von einer gewaltigen Faust hochgehoben und auseinandergerissen wurde. Niemand konnte jedoch mit Gewißheit sagen, ob Casaris kühnes Unternehmen geglückt war. Oder ob er mit den Trümmern des absackenden Pinguins mit in die Tiefe gerissen wurde. Nun erlebten die Wartenden eine Überraschung, die sich so unwirklich wie ein sensationeller Filmstreifen vor ihren verblüfften Augen abspielte. Ein Jagdflugzeug gab als erstes die Meldung durch, daß ein Flugzeug unbekannter Nationalität geortet worden wäre, das sich, wie die Geräte aufzeigten, mit einer unwahrscheinlichen Geschwindigkeit nähern würde. Kaum lag diese Nachricht vor, da schoß auch schon ein glühender Pfeil über's Wasser, verschwand am Horizont, kehrte langsamer werdend in einem weiten feurigen Bogen über dem nächtlichen Meer wieder zurück, nahm die Form eines runden, rotierenden Kreises an und hielt gerade über der Stelle des untergegangenen Expeditionsschiffes wie von Geisterhänden festgehalten in der Luft. Schon wollten die Jagdflugzeuge Feuer auf den unheimlichen Flugapparat eröffnen. Da stieg vom Zentrum des rotierenden, nun rötlich flimmernden, fliegenden
Kreises eine Rakete auf und zersprühte hoch am nächtlichen Himmel, eine riesengroße, von feurigen Spiralen gezeichnete, schwarze Hand bildend. „Nicht schießen!“ Brüllte Krischkowski, der vom Flugzeug aus zugeschaut hatte und schüttelte vor Aufregung den Beamten neben sich an den Schultern: „Geben Sie es doch Ihren Jägern durch! Nicht schießen!!!“ Der Beamte, nicht minder beeindruckt von diesem unerwarteten Szenarium, hatte jedoch bereits den Befehl durchgegeben. Die Jagdflugzeuge kreisten höher, setzten sich ab. Während dessen war von der geheimnisvollen Flugmaschine aus, sichtbar nur den in der Nähe in den Rettungsbooten treibenden Matrosen, ein Mensch abgesprungen und im Wasser verschwunden. Die es sahen, glaubten einer optischen Täuschung erlegen zu sein. So wie es auch Casari ging, der unvermittelt in einer Tiefe von 1000 Metern unter dem Wasser dieselbe unwirkliche Erscheinung im Licht seiner Tauchkugel erkannte. Aber Casari mußte in diesem Augenblick seine ganze Aufmerksamkeit auf die Steuerung richten. War es doch in dem unterseeischen Hochtal, kurz nach dem er die Tauchkugel Ferdocs gesichtet hatte, zu einem regelrechten Duell mit dem gefährlichen Gegner gekommen. Es war ein unheimlicher, lautloser, erbitterter Zweikampf knapp über dem Meeresgrund. Ferdoc hatte das Gold schon geborgen. In den beiden Fangarmen des an der Tauchkugel aufmontierten Kranes glühte es im Scheinwerferlicht gleißend auf, als ob die Tauchkugel hinter einem feurigen Stern hergezogen würde. Es ist eine verzweifelte, fast hoffnungslose Situation.
Casari kann nur immer wieder versuchen, Ferdoc daran zu verhindern, zum Tauch-Mutterschiff zurückzukommen. Zu diesem Zweck muß er ständig so manövrieren, daß er mit seiner Tauchkugel über der Ferdocs bleibt. Er hat dabei den Vorteil, daß sein Gegner durch die zentnerschwere Goldlast schwerfälliger ist, weniger rasch von der Stelle kommt. Aber Ferdoc scheint einen ganz besummten Plan zu verfolgen. Stück um Stück drängt er die Tauchkugel Casaris über das unterseeische, steil abfallende Felsmassiv aufwärts. Es ist, von außen her gesehen, ein phantastischer Anblick, so abenteuerlich anmutend, wie die Spiele und Kämpfe der fabelhaften Leuchtfische der Tiefseefauna, die diese unterseeischen Regionen bevölkern. Gleich ihnen umtanzen sich die beiden, von zuckenden Lichtern geisterhaft umsprühten Kugeln. Ab und zu blitzen grelle Scheinwerfer auf, lassen das Gold in den Fangarmen von Ferdocs Kranen wie eine unterseeische Sonne aufleuchten, und verlöschen wieder. Aber für die beiden Männer hinter den dünnen Wänden ist es ein Kampf auf Leben und Tod. Casari weiß, daß wenn es Ferdoc gelingt, die automatischen Saugdruckkammern des Mutterschiffs zu erreichen – daß dann alle Bemühungen vergeblich sind. Niemand wird Ferdoc dann mehr daran hindern können, im Schutz der Tiefsee das Weite zu suchen. Da nähert sich von oben her ein großer, dunkler Schatten. Casari sieht auf dem Fernseh-Empfänger am Schaltbrett, wie der Schatten genau über ihm steht. Nun kann er auch im Scheinwerfer die Umrisse erkennen. Es ist das auf Ferdoc wartende Tauchboot. Kapitän Cross wird
durch Ferdoc funktelegraphisch unterrichtet worden sein, um seinem Komplicen zu Hilfe zu eilen. Jetzt erst begreift Casari, warum ihn Ferdoc so hartnäckig nach oben drängte. Das Tauchmutterschiff kann nur bis zu einer Tiefe von 1030 Metern operieren. Casaris Geräte zeigen den Stand von 9S0 Metern. Mit voller Wucht stürzt das große Tauchboot senkrecht herunter. Casari spürt die Erschütterung, sieht am Fernsehschild, wie Ferdoc geschickt seitwärts steuerte und gerade noch dem Stoß ausweichen kann. Dabei stoßt Ferdocs Tauchkugel jedoch gegen den steil aufsteigenden, unterseeischen Berg. Stürzt wie gelähmt von der Wucht des Aufpralls ein paar Meter von Casari entfernt in den gähnenden, schwarzen Abgrund, der auf der anderen Seite des Gebirgskammes senkrecht abfällt. Während Casari seine Tauchkugel wieder auffangen kann, sieht er, wie Ferdoc nebenan jäh seine gewohnte Lage verliert, so daß der Kranen mit dem Gold nach unten kippt und die Kugel darüber wie ein Bleigewicht in die Tiefe zieht. Ein paar hundert Meter taucht Casari noch hinterher, zuerst eine neue Finte seines Gegners vermutend. Aber dessen Absturz wird immer rascher. Wahrscheinlich wurde bei dem unerwarteten, heftigen Aufprall der Steuermechanismus beschädigt. Wohl waren die Tauchkugeln so konstruiert, daß normalerweise bei solchen Unglücksfällen automatisch eine Auftriebskraft ausgelöst wurde, durch die die Kugel an die Wasseroberfläche trieb. Die schwere Goldlast an Ferdocs Tauchgerät verhinderte jedoch offensichtlich diese Rettungsmöglichkeit. Casari schaudert. War doch der Atlantik hier an manchen Stellen bis über 6000
Meter tief. Das Schicksal Ferdocs war damit besiegelt. Er mußte in seiner Kabine qualvoll ersticken. Kein Mensch konnte ihm mehr Rettung bringen. Nun schaltet Casari das elektrische „Auge“ seiner Tiefseekugel ein, die dadurch rasch nach oben steigt. Mit Hilfe dieser technischen Einrichtung steuert die Tauchkugel automatisch das Mutterschiff an, eine Vorsichtsmaßnahme, im Falle einmal die Fernsehanlage nicht mehr funktionieren sollte und keine Funkverbindung mehr bestand. So erreicht er schon nach kurzer Zeit das große Tauchboot. Casari atmet schwer. Im Kampf mit Ferdoc war ihm ein glücklicher Zufall zur Hilfe gekommen. Der Übeltäter war seiner eigenen Gier erlegen, von dem erbeuteten Goldschatz in die Tiefe gerissen worden. Aber wie konnte es Casari jetzt gelingen, ins Mutterschiff zu kommen? Wohl würde er mit Hilfe der automatischen Saugdruckkammern aufgenommen werden, ein Vorgang, der ebenfalls automatisch vor sich ging und den auch Kapitän Cross nicht verhindern konnte. Aber Cross wird ihn nicht lebend aussteigen lassen. Und was geschah dann mit Kaarina? Mit seinen Plänen? Da, Casari glaubt seinen Augen nicht zu trauen; da schlängelt sich wieder jene merkwürdige Erscheinung dicht an ihm vorbei, die ihm vorher beim Kampf mit Ferdoc schon aufgefallen war. Casari läßt seine Scheinwerfer mit höchster Lichtstärke aufflammen. Im Radarschirm des Fernsehgeräts erkennt er genau eine menschenähnliche Gestalt in einem hellen Tauchanzug mit fischartigen Armen und Beinen. Der ganze Anzug ist von ähnlichen,
zuckenden Lichtreflexen umsprüht, wie Casaris Tauchkugel. Der unbekannte Taucher schien demnach für seine waghalsige Tiefseefahrt dasselbe, physikalische Verfahren angewandt zu haben, das sich bei ihren eigenen Tauchgeräten bewährt hatte. Im Grunde war es ein einfacher Vorgang, der lediglich darin bestand, den in größeren Tiefen immer stärker werdenden Wasserdruck durch eine Art „Gegendruck“ zu neutralisieren. Wie war dieses in seiner technischen Verwirklichung sehr komplizierte Verfahren, dem Unbekannten jedoch mittels eines dünnen Tauchanzugs möglich? Wie kam er überhaupt hierher? Was beabsichtigte er? Der Taucher enthebt Casari allen weiteren Überlegungen. Er macht Zeichen, winkt, weist auf das bewegungslos sich wiegende Tauchboot. Entschlossen drückt Casari den Hebel herunter, steigt weiter auf, ist schon dicht unter dem Mutterschiff, hört das Rauschen in den Wasserkammern, spürt, wie die Tauchkugel von der Saugdruckkammer aufgenommen wird. Rasch wendet er sich von seinen Geräten weg der Rücken wand zu, hinter der sich nun eine schmale, kreisrunde Lücke auftut. Ohne sich zu besinnen klettert Casari die Eisenleiter hoch, erreicht den Maschinenraum, stürzt zur Führungskabine. Dort liegt Kapitän Cross vornübergebeugt wie schlafend über der Schalttafel des Steuergeräts. Mit fliegenden Händen zerrt Casari an dem Schaltknopf, der die Auftauchvorrichtung auslöst. Gebannt starrt er auf die vibrierende Nadel des daneben montierten Instruments. 960 – 940 – 910 – Sie steigen! Casari wischt sich über die Augen. Sieht sich um. Wo ist
Kaarina? Gebückt rennt er die niedere Türe hinaus, den Gang vor, stolpert fast über einen lang hingestreckten Körper am Boden, beugt sich darüber. „Kaarina?!“ Ja, es ist Kaarina Kerkonnen! Sie liegt wie im Schlaf. Atmet leise. Wie Kapitän Cross… Casari steht eine Weile fassungslos. Dann trägt er Kaarina rasch in die Koje nebenan. Bettet sie behutsam auf die Couch an der Wand. Rennt zur Führungskabine zurück. Findet auch dort noch Kapitän Cross in derselben unbeweglichen Lage, leise und kurz atmend. Die Instrumente zeigen 400 Meter. In wenigen Minuten müssen sie auftauchen. Aber – wie ist das alles nur möglich gewesen? * Die Beantwortung dieser Frage, um die Casari und Kaarina Kerkonnen später immer wieder im Kreis ihrer Freunde herumrätseln, sollte für immer das Geheimnis jenes, von dem fremden Flugzeug ins Wasser gesprungenen Tauchers bleiben, der wenige Minuten vor dem überraschenden Auftauchen des Unterwasser-Mutterschiffs jäh auf den Wellen erschien. Rasch kletterte er an einer, von der ganz tief über dem Meer wie in der Luft stehenden, fremden Flugmaschine herabgelassenen Strickleiter in die Hohe. Wie von einem Katapult abgeschossen schnellte das Flugzeug darauf hoch über den Meeresspiegel und schoß dann jäh mit derselben, unwahrscheinlichen Geschwindigkeit wieder davon.
Nur eine Rakete stieg noch an der Stelle auf, von wo aus eben gleich einem feurigen Pfeil das fremde Flugzeug den Blicken der Zurückgebliebenen entschwunden war. Es war dieselbe Rakete, die auch kurz nach der Ankunft der unbekannten Helfer aufgestiegen war und die nun hoch am blassen Morgenhimmel versprühend, die feurigen Umrisse einer großen, schwarzen Hand zeigte, die sich langsam über dem eben aus den Fluten tauchenden UnterwasserMutterschiff gleich einer dunkeln Wolke verlor.
„Vorsicht, Ferdoc lebt noch!“ Mit dieser alarmierenden Nachricht überraschte „DIE SCHWARZE HAND“ Monate später den Tiefseeforscher Casari, als dieser eben mit seiner jungen Frau zusammen dem Rätsel des versunkenen Erdteils Atlantis auf der Spur war. Die sensationellen Einzelheiten darüber schildert Heft 7 der Schriftenreihe „DIE SCHWARZE HAND“:
„Wettlauf nach Atlantis“
SIGNAL-VERLAG, STUTTGART-O
Kleines Tiefsee-abc Es wird den Leser sicher interessieren, daß … ••• Bodenschätze aller Art in den Tiefen der Ozeane ermittelt wurden, darunter auch Uranium und Gold. Schon heute werden im Golf von Mexiko und im Kaspischen Meer sogen, „submaritime Ölfelder“ bis in eine Tiefe von über 3000 Meter ausgebeutet. ••• die Druckverhältnisse unter Wasser außerordentlich stark sind. So wurde z. B. anläßlich der letzten Tauchversuche Prof. Picards ausgerechnet, daß in einer Tiefe von 3000 Meter ein Riß von 1/1000 mm an Picards Tauchkugel genügte, um die Tauchkugel samt ihren Insassen zu zermalmen. ••• Energiegewinnung aus den Weltmeeren auf verschiedene Weise möglich ist. Die Ausnützung von Ebbe und Flut liefert die sogen. „Blaue Kohle“. Auch Meereswellen und Unterwasserdruck lassen sich zur Energiegewinnung verwerten. ••• Goldschätze in unvorstellbaren Mengen auf dem Meeresgrund verborgen ruhen. Eine neugegründete, französische Gesellschaft hofft allen Ernstes, innerhalb der nächsten 20 Jahre solche versunkene Goldschätze im Werte von einer halben Billion Ffrs. zu heben. ••• Leuchtfische von abenteuerlichen Formen und Farben die Tiefen der Ozeane bevölkern. Während das pflanzliche Leben schon bei 200 Meter Tiefe aufhört, soll es den neuesten Berichten einer dänischer Tiefsee-Expedition zufolge selbst in den tiefsten Regionen noch u. a. eine Art leuchtender Riesenaale geben, die bis zu 25 m lang werden,… ••• Meerwasser ein ganz besonderer Saft ist. Professor Bergmann von der Yale-Universität in New Haven (Connecticut) vertritt die Ansicht daß der Ozean zur maßgeblichen Nahrungs- und Rohstoffquelle der ganzen Menschheit werden kann. Er schätzt die Menge des gesamter Meerwassers auf 1230 Millionen Kubikkilometer. E i n Kubikkilometer Ozeanwasser enthält
nach den Ermittlungen dieses Wissenschaftlers 1,5 Mill. t Magnesia, 1 Mill. t Pottasche, 74000 t Bromin, 570 t Jod, 500 t Borate, 220 t Eisen, 150 t Kupfer, 12,5 t Uranium, 0,3 t Silber und große Mengen Gold. ••• Tauchkugeln mit Besatzungen, wie die Tauchkugel des Amerikaners Otis Barton, bereits eine Tiefe von 1370 Metern erreichten. Der Atlantik und der Pazifik haben jedoch eine durchschnittliche Tiefe von 4000 Metern. Die bisher tiefste Stelle der Weltmeere wurde in der Nähe der Philippinen mit 14400 Metern gemessen. ••• Weltmeere, bzw. ihre Wasserfläche, eine Ausdehnung von 361 Millionen Quadratkilometer einnehmen gegenüber 149 Millionen Quadratkilometer Festland. ••• Zukunftsprojekte der Hydrobiologie vorsehen, mit Hilfe bereits im Bau befindlicher, atomphysikalisch betriebener „Unterwasser-Labors“, mit Tauch-Mutterschiffen und Tiefsee-Spezialgeräten („Unterwasser-Arbeitskammern“) die vielfältigen Schätze und Möglichkeiten in den Tiefen der Ozeane systematisch zu erschließen.
In unserer technisch-wissenschaftlichen Romanschriftenreihe
Die schwarze Hand werden, vorerst im Abstand von drei Wochen, nacheinander folgende Hefte erscheinen:
Heft 1:
Duell auf dem Meeresgrund Über die Hälfte unserer Erde ist vom Wasser bedeckt. In diesen unheimlichen Tiefen der Ozeane liegen märchenhafte Schätze verborgen. Mit ihrer Auswertung beschäftigt sich die moderne Unterwasserforschung – und DIE SCHWARZE HAND, der die verbrecherischen Anschläge auch auf dem Meeresgrund nicht verborgen bleiben.
Heft 2:
Attentat auf RR 6 Schon seit Jahren werden in verschiedenen Ländern in aller Heimlichkeit Weltraumschiffe gebaut. Mit ihrer Hilfe soll als erstes einmal der Mond erobert werden, sollen „künstliche Monde“ die Erde umkreisen. DIE SCHWARZE HAND hat ihre tüchtigsten Leute eingesetzt, damit diese kühnen Projekte nicht von gewalttätigen Mächten mißbraucht werden.
Heft 3:
Das Gespenst auf der Landstraße Autospringerbanden sind heute überall zum Schrecken der Fernfahrer geworden. Auch gegen sie hat DIE SCHWARZE HAND den Kampf aufgenommen. In tollkühnem Einsatz gelingt es ihren Beauftragten, eine solche, besonders raffiniert vorgehende Bande zur Strecke zu bringen.
Heft 4:
Hyänen der Wüste Auch heute noch weist unsere Erde weite, unfruchtbare Gebiete auf, die durch die modernen Hilfsmittel der Wissenschaft und Technik in blühende, unzähligen Menschen Brot und Arbeit schenkende Länder verwandelt werden könnten. DIE SCHWARZE HAND setzt es gegen
tausend Schwierigkeiten durch, daß in der Sahara ein solches Projekt verwirklicht wird.
Heft 5:
Der Ring mit dem Schwarzen Turmalin Die radioaktive Strahlung stellt nicht nur in Verbindung mit der Atombombe eine Gefahr für die Menschheit dar. Schon kleinste Dosen genügen, um einen Menschen qualvoll dahinsiechen und sterben zu lassen. Aber sie genügen nicht, um DIE SCHWARZE HAND zu täuschen.
Heft 6:
Toto-Fälscher am Werk
Gibt es ein todsicheres Toto-System? Läßt sich dem Glück beim Fußball-Toto unter die Arme greifen? Die Fachleute sagen nein. Aber in Mailand heimste jemand nacheinander Millionengewinne ein. Bis DIE SCHWARZE HAND auf die Spur seiner Schliche kommt und den Betrüger entlarvt. Preis pro Heft DM -.40. Bestellungen können unter Beifügung von zusätzlich DM -.10 Porto in Briefmarken auch direkt aufgegeben werden beim
SIGNAL-VERLAG, STUTTGART-O Postschließfach 1054
Erscheinungsdatum: 1953 ISBN: B0000BJ0VB Scan by Brrazo 12/2005
Die schwarze Hand der Titel unserer technisch-wissenschaftlichen Romanschriftenreihe, die dem Leser mit jedem Heft eine neue, atemberaubende Handlung erschließt. Die Männer des den gleichen Namen tragenden Geheimbundes
Die schwarze Hand sind überall zur Stelle, wo ein Verbrechen im Gange ist. Von ihrer unbekannten Zentrale aus spannt sich unter dem von ihnen gewählten Zeichen der rächenden SCHWARZEN HAND ein engmaschiges Netz um die ganze Erde. Je nach dem Lebens- und Wirkungskreis der Übeltäter stellt ihnen
Die schwarze Hand einen besonders ausgebildeten Spezialisten aus ihren Reihen entgegen, dem niemand etwas vormachen kann. Auf diese Weise lernt der Leser Einblick in so manche Zusammenhänge gewinnen, über die sonst die Öffentlichkeit nur mangelhaft Bescheid weiß. Der Zauber fremder Länder erschließt sich ihm. Die Geheimnisse der modernen Technik und Wissenschaft werden aufgedeckt. Sensationelle Begebenheiten überstürzen sich. Denn Gewalttat und Verbrechen wuchern heute überall. Aber die Übeltäter kommen nicht ungestraft davon. Sie stehen, gleichgültig, wo und wie sie sich auch verborgen halten, überall in jenem Schatten, den
Die schwarze Hand über sie und ihre Untaten wirft. DIE SCHWARZE HAND, deren unbekannte Helden sich zusammenschlossen zu einer Tag um Tag sich stärker auswirkenden
Verschwörung gegen das Böse auf der Welt
Druck: „Schwäbische Post“, Aalen