SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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Wolfgang F. Caspary Joachim Mössner Jürgen Stein (Hrsg.) Therapie gastroenterologischer Krankheiten
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Wolfgang F. Caspary Joachim Mössner Jürgen Stein (Hrsg.)
Therapie gastroenterologischer Krankheiten Mit 98 Abbildungen und 189 Tabellen
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Prof. Dr. Wolfgang F. Caspary Medizinische Klinik II, Schwerpunkte Gastroenterologie/Hepatologie/Pneumologie/Allergologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Prof. Dr. Joachim Mössner Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Leipzig, Philipp-Rosenthal-Str. 27, 04103 Leipzig
Prof. Dr. Dr. Jürgen Stein Zentrum Innere Medizin, Medizinische Klinik II, Gastroenterologie/Hepatologie/Pneumologie/Allergologie/Klinische Ernährung, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
ISBN 3-540-44174-3 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Hinrich Küster Projektmanagement: Sylvia Kröning Lektorat: Dr. Sirka Nitschmann, Stuttgart Design: deblik Berlin SPIN 10891259 Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Druck: Saladruck GmbH, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier
26/3160/SM – 5 4 3 2 1 0
V SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Vorwort Die Behandlung von Patienten mit gastroenterologischen Krankheitsbildern hat sich im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte dramatisch gewandelt. Zum einen sind früher überwiegend chirurgisch behandelte Krankheitsbilder zunehmend endoskopischen Therapieverfahren zugänglich geworden,zum anderen hat die medikamentöse Behandlung vieler Erkrankungen sich in ihrem Spektrum und ihrer Intensität erheblich verändert. Die Entwicklung und Verbreitung neuer interventioneller endoskopischer Techniken hat dabei einerseits völlig neue Therapieoptionen eröffnet, aber andererseits auch bisher unbekannte gastroenterologische Komplikationen hervorgerufen.Ausführlich wird daher in einem eigenen Kapitel auf iatrogene Komplikationen diagnostischer und therapeutischer Eingriffe in der Gastroenterologie und Endoskopie eingegangen. Erkrankungen, die sowohl ein konservatives als auch ein chirurgisches Vorgehen ermöglichen, wurden von einem Internisten und Chirurgen gemeinsam in benachbarten Kapiteln bearbeitet,um so als Grundlage interdisziplinärer Behandlungsstrategien zu dienen. Die Darstellungsweise des Werkes soll es dem Leser ermöglichen, die Therapie sich selbst und anderen gegenüber auf dem Boden kontrollierter und valider Studien zu gründen. Therapieempfehlungen sind,soweit möglich,evidenzbasiert und/oder,soweit vorhanden,an Leitlinien der DGVS oder anderer Institutionen angelehnt. Wobei den Herausgebern und Autoren klar ist, dass es den »leitliniengerechten« Patienten nicht gibt, sondern dass die Therapiemodalitäten auf den Einzelfall abgestimmt werden müssen. Nebenwirkungen und Notwendigkeiten einer Dosisanpassung wurden soweit möglich dargestellt. Um Überschneidungen zwischen einzelnen Kapitel zu vermeiden sind entsprechende Textverweise eingefügt. Wir danken allen Kollegen, dass sie auf die Wünsche der Herausgeber so bereitwillig und konstruktiv eingegangen sind und mit der raschen Manuskriptvorlage zur Aktualität des Buches beigetragen haben. Dank gebührt dem Springer Verlag, insbesondere Herrn Hinrich Küster und Frau Sirka Nitschmann, für die reibungslose und konstruktive Zusammenarbeit sowie Frau Gabi Lüdemann für die zügige Überarbeitung der Manuskripte und die Erstellung des Sachverzeichnisses. Wir hoffen, mit diesem kompakten Buch einen Kompromiss zwischen einem einerseits umfangreichen Handbuch und andererseits einem Gastroenterologie-Lehrbuch gefunden zu haben und dass der Leser anhand des Werkes rasch die adäquaten Therapiemöglichkeiten findet. Frankfurt und Leipzig im August 2004
Wolfgang F. Caspary Joachim Mössner Jürgen Stein
VII SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Inhaltsverzeichnis I
Ösophaguserkrankungen
1 Gastroösophageale Refluxkrankheit . . . J. Mössner 2 Nichtrefluxbedingte Ösophaguskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Mössner 3 Ösophagustumoren . . . . . . . . . . . . . U. Halm, H. Witzigmann 4 Fremdkörper und chemische Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . N. Hoepffner
3
15 24
31
15 Darmerkrankungen bei HIV-Infektion und Aids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 H. R. Brodt
39
6 Ösophagusvarizenblutung . . . . . . . . . D. Menke, H. Witzigmann, T. Wehrmann, D. Uhlmann, J. Hauss
49
16 Antibiotikaassoziierte Diarrhö und pseudomembranöse Kolitis . . . . . 168 J. Stein 17 Einheimische, tropische Sprue, Autoimmunenteropathie . . . . . . . . . . 176 W. F. Caspary J. Stein 18 Nahrungsmittelallergie . . . . . . . . . . . 186 S. C. Bischoff
Gastroduodenale Krankheiten
7 Gastritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . W. Rösch
65
8 Peptisches Ulkus, Ulkusblutung . . . . . . W. Rösch, K.H. Fuchs
70
9 Der operierte Magen . . . . . . . . . . . . J. Stein
80
10 Tumoren des Magens . . . . . . . . . . . . W. Fischbach
89
11 Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und Sarkome des GI-Trakts . . . . . . . . . W. F. Caspary
III Krankheiten des Dünnund Dickdarms 14 Infektionskrankheiten des Dünnund Dickdarms . . . . . . . . . . . . . . . . 125 W. F. Caspary
5 Motilitätsstörungen des Ösophagus . . . T. Wehrmann, N. Stergiou
II
13 Medikamentös induzierte Gastroenteropathien . . . . . . . . . . . . 111 J. Stein
19 Intestinale Lymphome . . . . . . . . . . . 194 W. Fischbach 20 Dünndarmtumoren . . . . . . . . . . . . . 201 B. Simon 21 Therapiebedingte Nebenwirkungen . . . 209 O. Schröder, J. Stein 22 Vaskuläre Krankheiten von Dünnund Dickdarm . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 C. F. Dietrich
97
12 Therapie neuroendokriner gastroenteropankreatischer (GEP) Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 B. Simon
23 Bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms . . . . . . . . . . . . . . . . 232 J. Stein, B. Lembcke 24 Pneumatosis cystoides intestinalis (PCI) J. Stein
239
VIII
Inhaltsverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
25 Amyloidose des Darms . . . . . . . . . . . 243 D. Faust 26 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen . . . . . . . . . . . . . 248 K. Herrlinger, E.F. Stange, O. Schröder, J. Stein, H.J. Buhr, A.J. Kroesen 27 Atypische Kolitiden . . . . . . . . . . . . . 288 C.F. Dietrich, W.F. Caspary 28 Divertikulose und Divertikulitis des Dickdarms . . . . . . . . . . . . . . . . 297 W.F. Caspary, E. Hanisch
V Pankreaserkrankungen 39 Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . 395 V. Keim 40 Chronische Pankreatitis . . . . . . . . . . . 404 J. Mössner 41 Pankreasneoplasien . . . . . . . . . . . . . 415 U. Halm, H. Witzigmann
VI Syndrome
29 Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 E. Hanisch
42 Übelkeit und Erbrechen . . . . . . . . . . . 425 B. Braden
30 Polyposissyndrome . . . . . . . . . . . . . 311 J. Trojan, J. Rädle, S. Zeuzem
43 Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom . . . . . . . . . . . 435 G. Holtmann, S. Haag
31 Hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) . . . . . . 319 J. Rädle, J. Trojan, S. Zeuzem
44 Diarrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 W.F. Caspary
32 Kolorektales Karzinom . . . . . . . . . . . 326 W.H. Schmiegel, W.O. Bechstein
45 Kurzdarmsyndrom . . . . . . . . . . . . . . 466 J. Stein, E. Hanisch
33 Kolorektale Endometriose . . . . . . . . . 342 J. Stein, D. Faust
46 Obstipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 S. Müller-Lissner
34 Motilitätsstörungen des Dickdarms . . . 346 T. Wehrmann
47 Anale Inkontinenz . . . . . . . . . . . . . . 489 T. Wehrmann, A. Riphaus
35 Krankheiten des Anorektums . . . . . . . 355 G. Pommer, J. Stein
48 Eiweißverlustsyndrom . . . . . . . . . . . 495 J. Stein
36 Stomaversorgung – Ileostomie, Kolostomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 B. Stumpf
49 Meteorismus und Flatulenz . . . . . . . . 500 B. Lembcke
IV Peritoneum 37 Peritonitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 M. Sachs 38 Intraabdominelle Abszesse . . . . . . . . 388 M. Sachs, T. Vogl
50 Ileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 E. Hanisch, J. Stein 51 Obere und untere gastrointestinale Blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 B. Braden, C.F. Dietrich
IX Inhaltsverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
60 Grundlagen der Chemotherapie . . . . . 612 F. Gieseler
VII Ernährung 525
61 Grundlagen der Strahlentherapie . . . . 618 I. Fraunholz, H.D. Böttcher
53 Sonden- und Applikationstechniken . . . 537 N. Hoepffner, A.J. Dormann, J. Stein
62 Prinzipien der Immunsuppression . . . . 627 A. Stallmach
52 Anorexia nervosa und Bulimia nervosa H. Csef
54 Indikationen unterschiedlicher Sondendiäten . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 A. Wächtershäuser, A. Jordan, J. Stein 55 Medikamentenapplikation über Sonden T. Gaschott, J. Stein
566
56 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . 576 J. Stein, A. Jordan, N. Hoepffner 57 Heimenterale Ernährung . . . . . . . . . . 590 A. Jordan, A. Wächtershäuser
VIII Klinische pharmakologische Aspekte 58 Prokinetika, Antiemetika . . . . . . . . . . 599 B. Braden 59 Ulkustherapeutika . . . . . . . . . . . . . . 605 W. Rösch
IX Therapie von iatrogenen Komplikationen 63 Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden und Behandlungstechniken . . . . . . . . 639 T. Zöpf, J.F. Riemann
X Sozialmedizinische Aspekte 64 Indikationen zur Anschlussrehabilitation bei gastrointestinalen Krankheiten . . . 655 E. Zillessen Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663
XI SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Autorenverzeichnis Bechstein, W.O., Prof. Dr.
Dietrich, C.F., Priv.-Doz. Dr.
Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität, Theodor Stern Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Innere Medizin II, Caritas Krankenhaus, Uhlandstr. 7, 97980 Bad Mergentheim
Dormann, A.J., Priv.-Doz. Dr.
Bischoff, S.C., Prof. Dr.
Abt. Allgemeine Innere Medizin und Hepatologie, Klinikum Minden, Friedrichstr. 17, 32427 Minden
Abteilung Gastroenterologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
Faust, D., Priv.-Doz. Dr.
Böttcher, H.D., Prof. Dr. Klinik für Strahlentherapie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Fischbach, W., Prof. Dr. Medizinische Klinik II, Klinikum Aschaffenburg, Am Hasenkopf 1, 63739 Aschaffenburg
Braden, B., Priv.-Doz. Dr. Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Brodt, H.R., Priv.-Doz. Dr. Medizinische Klinik III, Infektiologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Fraunholz, I., Dr. Klinik für Strahlentherapie und Onkologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Fuchs, K.H., Prof. Dr. Allgemeinchirurgische Klinik, Markuskrankenhaus, Wilhelm-Ebstein-Str. 2, 60431 Frankfurt am Main
Buhr, H.J., Prof. Dr.
Gasschott, T., Dr.
Chirurgische Klinik, Klinikum Benjamin Franklin, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin
Abt. Entwicklung, Roche Diagnostic GmbH, Sandhofer Str. 116, 68305 Mannheim
Caspary, W.F., Prof. Dr.
Gieseler, F., Prof. Dr.
Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Onkologischer Schwerpunkt, Klinik für Allgemeine Innere Medizin I, Schittenhelmstr. 12, 24105 Kiel
Haag, S., Dr. Csef, H., Prof. Dr. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Medizinische Poliklinik, Klinikstr. 6–8, 97070 Würzburg
Abt. für Gastroenterologie, Zentrum Innere Medizin, Hufelandstr. 55, 45122 Essen
Halm, U., Priv.-Doz. Dr. Zentrum für Innere Medizin, Universität Leipzig, Philipp-Rosenthal-Str. 27, 04103 Leipzig
XII
Autorenverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Hanisch, E., Prof. Dr. Dr.
Mössner, J., Prof. Dr.
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Endokrine Chirurgie, Asklepius Kliniken, Röntgenstr. 20, 63225 Langen
Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Leipzig, Philipp-Rosenthal-Str. 27, 04103 Leipzig
Hauss, J., Prof. Dr.
Müller-Lissner, S., Prof. Dr.
Klinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universität Leipzig, Liebigstr. 20a, 04103 Leipzig
Park-Klinik Weißensee, Schönstr. 80, 13086 Berlin
Pommer, G., Dr. Unter den Eichen 26, 26122 Oldenburg
Herrlinger, K., Dr. Abt. Innere Medizin I, Robert-Bosch-Krankenhaus, Auerbachstr. 110, 70376 Stuttgart
Hoepffner, N., Dr. Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Holtmann, G., Prof. Dr. Medizinischen Klinik und Poliklinik, Abt. für Gastroenterologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen
Jordan, A., Dr.
Rädle, J., Dr. Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Kirrberger Straße Gebäude 41, 66421 Homburg/Saar
Riemann, J.F., Prof. Dr. Medizinische Klinik C, Klinikum der Stadt Ludwigshafen GmbH, Bremserstr. 79, 67063 Ludwigshafen
Riphaus, A., Dr. KH Siloah, Medizinische Klinik I, Gastroenterologie, Interventionelle Endoskopie, Roesebeckstr. 15, 30449 Hannover
An der Kreuzheck 1, 60529 Frankfurt am Main
Rösch, W., Prof. Dr. Keim, V. Prof. Dr. Medizinische Klinik und Poliklinik II, Zentrum für Innere Medizin, Universität Leipzig, Philipp-Rosenthal-Str. 27, 04103 Leipzig
Medizinische Klinik am Krankenhaus Nordwest der Stiftung zum Heiligen Geist, Steinbacher Hohl 2–26, 60488 Frankfurt am Main
Sachs, M., Prof. Dr. Kroesen, A.J., Priv.-Doz. Dr. Chirurgische Klinik I, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, FU Berlin, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin
Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Lembcke, B., Prof. Dr. Medizinische Klinik, St. BarbaraHospital, Barbarastr. 1, 45964 Gladbeck
Menke, D., Dr. KH Siloah, Medizinische Klinik I, Gastroenterologie, Interventionelle Endoskopie, Roesebeckstr. 15, 30449 Hannover
Schmiegel, W.H., Prof. Dr. Medizinische Universitätsklinik, Knappschaftskrankenhaus, In der Schornau 23–25, 44892 Bochum
Schröder, O., Dr. Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
XIII Autorenverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Simon, B., Prof. Dr.
Vogl, T., Prof. Dr.
Abt. Gastroenterologie, Philipps-Universität, Baldingerstr., 35042 Marburg
Stallmach, A., Prof. Dr.
Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Marienhospital Altessen, Innere Medizin, Hospitalstr. 24, 42359 Essen
Wächtershäuser, A., Dr.
Stange, E.F., Prof. Dr.
Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Abt. Innere Medizin I, Robert-Bosch-Krankenhaus, Auerbachstr. 110, 70376 Stuttgart
Wehrmann, T., Prof. Dr. Stein, J., Prof. Dr. Dr. Zentrum Innere Medizin, Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Stergiou, N., Dr. KH Siloah, Medizinische Klinik I, Gastroenterologie, Interventionelle Endoskopie, Roesebeckstr. 15, 30449 Hannover
Stumpf, B. Stoma-Ambulanz/Zentrum der Chirurgie, Universitätsklinikum der Joahnn Wolfgang GoetheUniversität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
KH Siloah. Medizinische Klinik I, Gastroenterologie, Interventionelle Endoskopie, Roesebeckstr. 15, 30449 Hannover
Witzigmann, H., Priv.-Doz. Dr. Chirurgische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Leipzig, Liebigstr. 20a, 04103 Leipzig
Zeuzem, S., Prof. Dr. Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Kirrberger Straße Gebäude 41, 66421 Homburg/Saar
Zillessen, E., Dr. Klinik Niederrhein, Hochstr. 13–19, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler
Trojan, J., Dr. Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Uhlmann, D. Klinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universität Leipzig, Liebigstr. 20a, 04103 Leipzig
Zöpf, T., Dr. Medizinischen Klinik, Gastroenterologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen
I SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Ösophaguserkrankungen 1 Gastroösophageale Refluxkrankheit J. Mössner
–3
2 Nichtrefluxbedingte Ösophaguskrankheiten J. Mössner
– 15
3 Ösophagustumoren – 24 U. Halm, H. Witzigmann 4 Fremdkörper und chemische Verletzungen N. Hoepffner 5 Motilitätsstörungen des Ösophagus T. Wehrmann, N. Stergiou
– 31
– 39
6 Ösophagusvarizenblutung – 49 D. Menke, H. Witzigmann, T. Wehrmann, D. Uhlmann, J. Hauss
1 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Gastroösophageale Refluxkrankheit J. Mössner 1.1
Epidemiologie
1.2
Pathologie und Pathogenese
1.3
Klinik
1.4
Diagnostik
–4
–4 –4
1.5
Therapie
1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4
Allgemein- und ernährungstherapeutische Maßnahmen Medikamentöse Therapie – 6 Konservative oder chirurgische Therapie – 9 Endoskopische Therapie – 9
Literatur
>>
–4
–5 –5
– 13
Die Refluxkrankheit gehört zu den häufigsten Erkrankungen in den Industrienationen. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten mit Refluxkrankheit haben ein Stadium 0 oder 1 nach Savary u. Miller. Die Beschwerdesymptomatik korreliert nicht mit dem Schweregrad der endoskopisch nachweisbaren Ösophagitis. Die Refluxkrankheit sollte aufgrund des potenziellen Risikos einer Karzinomentwicklung nicht bagatellisiert werden. Die Erkrankung lässt sich durch Säureblockade mittels Wasserstoff-Kalium-ATPaseHemmer, sog. Protonenpumpenblocker, gut behandeln. Auch das Rezidiv lässt sich mit einer dauerhaften medikamentösen Säureblockade bei den meisten Patienten sicher verhindern. Die medikamentöse Dauertherapie mit Protonenpumpenblockern ist nahezu nebenwirkungsfrei. Die Verhinderung des Auftretens einer Zylinderzellmetaplasie, einer Folgekomplikation der Refluxkrankheit, zur Senkung der Inzidenz des Adenokarzinoms ist die entscheidende Herausforderung.
I
4
Kapitel 1 · Gastroösophageale Refluxkrankheit SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
1.1
Epidemiologie
20–30% der erwachsenen Bevölkerung in den westlichen Industrienationen leiden unter Refluxsymptomen. 10% haben täglich oder mehrmals wöchentlich Sodbrennen. Ungefähr 10% der Patienten mit Refluxsymptomen entwickeln eine Refluxösophagitis, eine sog. endoskopiepositive Refluxkrankheit. 10% der Patienten mit makroskopisch endoskopisch nachweisbarer Refluxösophagitis entwickeln eine Zylinderzellmetaplasie (Barrett-Ösophagus). Bei möglicherweise bis zu 10% dieser Patienten geht die Metaplasie in ein Adenokarzinom des Ösophagus über. Die Inzidenz des Adenokarzinoms des Ösophagus nimmt in den westlichen Industrienationen kontinuierlich zu. Die Verhinderung bzw. rechtzeitige Erkennung eines Adenokarzinoms auf dem Boden einer intestinalen Metaplasie muss erreicht werden. Dies erfordert eine Identifizierung der Risikopatienten als wichtigste Aufgabe für die Zukunft. Ob diese Patienten eher von einer Protonenpumpenblockerdauertherapie oder von einer Antirefluxchirurgie profitieren, muss in Studien untersucht werden. 1.2
Pathologie und Pathogenese
Wichtigster Pathomechanismus ist der verstärkte Säurereflux aufgrund einer Motilitätsstörung im ösophagokardialen Sphinkter und die gestörte Säureclearance des Ösophagus. Bei den meisten Patienten mit Refluxkrankheit führt die Säureblockade mit Protonenpumpenblockern, die zu einer Anhebung des intraösophagealen pH-Wertes >4 führt, zu einer Abheilung der Entzündung und zur Symptomfreiheit [Chiba 1997; Dekkers 1999; Hetzel 1998; Mössner 1995]. Am Pathomechanismus sind mehrere Faktoren beteiligt,die einen Circulus vitiosus bedingen können. In der Pathogenese des Barrett-Ösophagus scheinen sowohl Reflux von Galle als auch von Säure neben genetischen Faktoren eine Bedeutung zu haben [Holloway 1996; Romero 1997]. Pathologischer Reflux von Säure ist pathogenetisch unter allen diskutierten Faktoren sicher am bedeutendsten. Eine Refluxösophagitis mit Komplikationen wie Striktur, Ulzeration oder Zylinderzellmetaplasie scheint sich nicht allmählich über Jahre bis Jahrzehnte aus einer unkomplizierten Ösophagitis zu entwickeln. In einer retrospektiven Kohortenstudie an fast 200.000 Patienten mit Refluxkrankheit konnte keine klare Progression gezeigt werden.Höheres Alter, weiße Rasse und männliches Geschlecht sind Risiko-
faktoren für eine schwere Verlaufsform der Ösophagitis. Dieser Schweregrad ist bereits bei Beginn der Symptomatik erreicht. Hierzu steht eine Studie in Widerspruch, die eine klare Korrelation zwischen der Zeitdauer der Refluxsymptomatik und dem Auftreten einer Zylinderzellmetaplasie beschreibt. 1.3
Klinik
Leitsymptome der Refluxkrankheit sind Sodbrennen, retrosternales Brennen und das Gefühl des retrosternalen Aufsteigens eines Säureschmerzes. Zu Komplikationen der Refluxösophagitis zählen die Entwicklung eines Adenokarzinoms,Ösophagusstriktur sowie Blutung aus Erosionen und Ulzerationen. Leitsymptom bei Striktur und Karzinom ist die Dysphagie. Bedeutsam sind weiter refluxbedingte extraösophageale Symptome wie chronische Laryngitis mit Heiserkeit und Asthma. 1.4
Diagnostik
Die Indikation zur Ösophago-Gastro-Duodenoskopie sollte bei Refluxkrankheit frühzeitig gestellt werden. Endoskopisch erfolgt eine Stadieneinteilung, derzeit international nach der Los Angeles Klassifikation [Lundell 1999]. In Deutschland ist aber noch oft die Klassifikation nach Savary u. Miller im Gebrauch (⊡ Tabelle 1.1). Der Schweregrad der Refluxösophagitis hat neben der Symptomatik Einfluss auf die Dosis und Zeitdauer der Therapie mit Protonenpumpenblockern. Bei makroskopisch unauffälliger Ösophagusschleimhaut kann eine 24-Stunden-pH-Metrie eine Korrelation zwischen Symptomatik und pathologischem Reflux belegen. Vor geplanter »Antirefluxoperation« ist eine Motilitätsuntersuchung des Ösophagus erforderlich. Bei makroskopischem Nachweis einer BarrettSchleimhaut erfolgen Vier-Quadranten-Stufenbiopsien in Abstand von 1 cm. Bei histologischer Bestätigung der intestinalen Metaplasie muss der Pathologe ferner beantworten, ob eine niedrig- oder hochgradige Dys- bzw. Neoplasie vorliegt. Nicht selten bestätigt der Pathologe nicht das Vorliegen einer BarrettSchleimhaut,obgleich der makroskopische Aspekt der hochroten Schleimhautzungen umgeben von blassweißem Plattenepithel eindeutig erschien. Mit Farbstofffärbung (Chromoendoskopie),wie Methylenblau, wird versucht, dysplastische Barrettschleimhaut besser erkennen und gezielter biopsieren zu können.
5 1.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
1
⊡ Tabelle 1.1. Klassifikationen der Refluxkrankheit Savary u. Miller In Europa die am häufigsten verwendete Klassifikation. Stadium 0 Makroskopisch keine sichtbaren Veränderungen Stadium I Streifige Längsrötungen Stadium II Konfluierende Erosionen, Faltenkämme übergreifend Stadium III Konfluierende Erosionen/Ulzerationen, die gesamte Zirkumferenz des Ösophagus umfassend Stadium IV Ulkus, Striktur MUSE Sehr reproduzierbar, aber in der Praxis aufwendig. Geeigneteste Klassifikation zur Dokumentation von Komplikationen der Refluxkrankheit; Graduierung folgender Kriterien. Metaplasie Ulkus Striktur Erosion Los Angeles Basiert auf dem Ausmaß der Mukosaschädigungen; weitere Komplikationen der Refluxkrankheit, wie Barrett, nicht berücksichtigt. Die derzeit in internationalen Studien am häufigsten verwendete Klassifikation, da nur geringe Variabilität in der Beurteilung durch verschiedene Untersucher. Grad A Eine oder mehr Mukosaläsionen (»break«), nicht länger als 5 mm, nicht 2 Faltenkämme überschreitend Grad B Eine oder mehr Mukosaläsionen länger als 5 mm, nicht 2 Faltenkämme überschreitend Grad C Eine oder mehr Mukosaläsionen, kontinuierlich zwischen 2 oder mehr Faltenkämmen aber weniger als 75% der Ösophaguszirkumferenz betroffen Grad D Eine oder mehr Mukosläsionen, die wenigstens 75% der Ösophaguszirkumferenz umfassen
Therapie
1.5
1.5.1 Allgemein- und ernährungs-
therapeutische Maßnahmen Diätetische Maßnahmen zur Vermeidung eines gastroösophagealen Reflux basieren meist auf der ärztlichen Empirie und weniger auf dem wissenschaftlichen Nachweis durch entsprechende Studien. Ziel der ernährungstherapeutischen Maßnahmen bei Sodbrennen sollte eine Steigerung des Druckgefälles zwischen unterem Ösophagus und Magen und eine Vermeidung direkter Irritation der Ösophagusmukosa sein. Allgemeine Maßnahmen zur Therapie bei GERD ▼
Normalisierung des Körpergewichtes Erhöhung des Kopfes während des Schlafes Schlafen in Linksseitenlage Letzte Mahlzeit >3 h vor dem Schlafengehen
Vermeiden süßer und fetter Speisen Nikotinabstinenz Keine Medikamente, die den UÖS erniedrigen (Anticholinergika, Theophillin, Kalziumantagonisten) Keine NSAR
Gesichert ist die Assoziation der Refluxkrankheit mit der Adipositas.Eine Normalisierung des Körpergewichts mindert die Symptomatik aber nicht in allen Fällen. Nahrungsmittel bzw. Genussmittel, die gesichert den gastroösophagealen Reflux fördern wie Alkohol, Zigaretten, exzessiv fett- und eiweißhaltige Lebensmittel, sollten gemieden werden. Wichtig Patienten profitieren eindeutig von der Einnahme mehrerer kleiner (4–6) Mahlzeiten.
Um dem durch die horizontale Lage nachts begünstigten Reflux vorzubeugen,sollte insbesondere die Abend-
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mahlzeit wenig voluminös sein und spätestens 3 h vor dem zu Bett gehen eingenommen werden. Auf nächtliche Mahlzeiten sollte gänzlich verzichtet werden. Einer kürzlich erschienenen Studie zufolge scheint ein postprandialer Reflux weniger durch den Energiegehalt einer Mahlzeit als durch das Volumen induziert zu werden. Dieser Effekt wird wahrscheinlich durch das gastrointestinale Hormon Cholezystokinin (CCK) vermittelt. Die Ausschüttung von CCK erfolgt bei einer Dehnung der Magenwand durch Stimulation von gastralen Mechanorezeptoren, die überwiegend in der subkardialen Region lokalisiert sind. CCK bewirkt eine vorübergehende Relaxation des unteren Ösophagussphinkters (UÖS). Wichtig Gängige diätetische Empfehlungen, wie das Meiden von Kaffee, scharfen Gewürzen und fettreichen Lebensmitteln konnten bisher wissenschaftlich nicht ausreichend belegt werden.
Studien zur Wirkung von Kaffee auf den gastroösophagealen Reflux zeigen keine einheitlichen Ergebnisse. Es wurde sowohl eine Erhöhung als auch eine Verminderung des UÖS nach Konsum von Kaffee gefunden. Die Gastrinsekretion wird sowohl durch regulären als auch entkoffeinierten Kaffee stimuliert, nicht aber durch Koffein alleine. Die Säureproduktion ist sowohl nach Konsum von regulärem Kaffee als auch entkoffeiniertem Kaffee und Koffein erhöht, wobei der ausgeprägteste Effekt durch regulären Kaffee zu erzielen ist. Kaffee hat keinen Effekt auf die Magenentleerung. Bisher ist noch unklar, welche Substanzen im Kaffee bzw. welche Mechanismen für die Effekte verantwortlich sind. Da bisher keine einheitlichen Ergebnisse vorliegen, wird von einem generellen Verbot von Kaffee abgesehen, sondern die Empfehlung der individuellen Testung gegeben. Immer wieder wird die Frage diskutiert,ob pflanzliche Gewürze gastrointestinale Beschwerden nach Nahrungsaufnahme auslösen oder verstärken. Insbesondere werden scharfe Gewürze wie roter und schwarzer Pfeffer und Chili diskutiert. Da sich die Art der Wirkstoffe in den pflanzlichen Gewürzen erheblich unterscheidet, lassen sie sich nicht einheitlich beurteilen. Am besten erforscht ist die Wirkung von Capsaicin, dem aktiven Wirkstoff aus Chili, der unter anderem für die Schärfe der Chili-Schoten verantwortlich ist. Interessanterweise zeigen zahlreiche Studien einen protektiven Effekt von Capsaicin auf die ösophageale und die gastrale Mukosa.Als mögliche Er-
klärung gilt die Erhöhung des Blutflusses im Splanchnikusgebiet nach Aufnahme von Capsaicin. Capsaicin erhöht den Druck des UÖS und die ösophageale Motilität. Capsaicin fördert also nicht den ösophagealen Reflux, es scheint aber bei bestehendem Reflux durch seine Wirkung auf afferente Neuronen die Schmerzschwelle im unteren Ösophagus gegenüber dem Refluat herabzusetzen und somit die Schmerzempfindlichkeit zu erhöhen. Fettreiche Speisen werden häufig von Patienten als Auslöser von Beschwerden angegeben.Es konnte aber kein eindeutiger Effekt auf den gastroösophagealen Reflux durch Mahlzeiten mit steigendem Fettgehalt bei gleichbleibender Kaloriendichte gefunden werden [Penganini 1998]. Die Empfehlungen hinsichtlich des Fettgehaltes bei Patienten mit Refluxkrankheit folgen mit 30 Energie-% den Empfehlungen einer gesunden Ernährung. Kohlenhydrate beeinflussen den UÖS nur unwesentlich, wohingegen bei Gesunden nach einer proteinreichen Mahlzeit einer Drucksteigerung um 50% nachweisbar war. Das nach dem Genuss von Schokolade beschriebene Auftreten von Refluxbeschwerden ist wohl weniger Folge ihres Fettgehaltes, sondern wird in erheblichem Maße durch den hohen Gehalt an Methylxanthin bestimmt, das eine Abnahme des UÖS-Drucks bedingt [Murphy 1988]. 1.5.2 Medikamentöse Therapie Akuttherapie Durch konsequente medikamentöse Säureblockade mit Protonenpumpenblockern – Anhebung des intraösophagealen pH-Werts über wenigstens 18 h auf pH >4 – gelingt in den meisten Fällen eine Abheilung der Refluxösophagitis. Aufgrund des Pathomechanismus der medikamentös nicht zu behebenden Motilitätsstörung ist bei Stadien II–IV (nach Savary u. Miller) der Refluxösophagitis eine Dauertherapie mit Protonenpumpenblockern erforderlich. Nach der Genval-Konsensuskonferenz 1997 besteht Einigkeit in der »Step-down«-Therapieempfehlung [Dent 1999]. Es wird mit der Standarddosis eines Protonenpumpenblockers begonnen (⊡ Tabelle 1.2). Dies erreicht schnellst mögliche Heilungsrate.Die Dosis wird dann auf eine individuelle Erhaltungsdosis titriert. Diese Vorgehensweise ist kostengünstiger als der »Step-up«-Weg. Die Beseitigung der Symptome geht mit einer deutlichen Besserung der Lebensqualität einher.
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⊡ Tabelle 1.2. Dosis der zugelassenen Protonenpumpenblocker in der Akuttherapie und Rezidivprophylaxe der Refluxösophagitis Wirkstoff
Handelsname
Akuttherapie Dosis [mg]
Rezidivprophylaxe Dosis [mg]
Esomeprazol Lansoprazol Omeprazol Pantoprazol Rabeprazol
Nexium mups z. B. Agopton z. B. Antra mups z. B. Pantozol Pariet
40 30 20 40 20
20 15 10 20 10
Die Refluxösophagitis Stadium 0 (Stadieneinteilung nach Savary u. Miller) mit endoskopisch unauffälligem Ösophagus und Stadium 1 mit einzelnen Längsrötungen können »on demand« mit einem Protonenpumpenblocker behandelt werden [Lind 1999]. Viele Patienten verlangen auch bei den niedrigen Stadien aufgrund der raschen Rezidivrate eine Dauertherapie. Die Dauertherapie kann mit einem Protonenpumpenblocker bereits in halber Standarddosierung erfolgreich sein. Bei einer Bedarfstherapie in diesen Stadien muss nicht befürchtet werden, dass bei Absetzen der Säureblockade ein Rezidiv mit höherem Schweregrad eintritt. Die Frage, ob bei nicht konsequenter dauerhafter Säureblockade bei initialem Stadium 0 oder 1 das Risiko der Entwicklung einer Zylinderzellmetaplasie steigt, kann derzeit nicht beantwortet werden. Selbstmedikation mit Antazida bei Stadium 0 oder Therapie mit Prokinetika, z. B. Metoclopramid oder H2-Blockern bei Stadium 0 und 1 bessert die Symptome. Doch auch in den unteren Stadien konnte in zahlreichen prospektiven Doppelblindstudien die Überlegenheit einer Therapie mit Protonenpumpenblockern gezeigt werden; sie sind daher Therapie der ersten Wahl in allen Stadien der Refluxösophagitis und nicht mehr nur der H2-Blocker-refraktären Refluxösophagitis vorbehalten [Dent 1999]. In einer Metaanalyse wurden 43 Originalarbeiten mit insgesamt 7.635 Patienten und endoskopisch dokumentierter erosiver oder ulzeröser Refluxösophagitis überprüft. Unter Protonenpumpenblockern im Vergleich zu H2-Blockern war nicht nur die prozentuale vollständige Abheilung innerhalb von 12 Wochen höher, sondern auch die Geschwindigkeit der Abheilung verdoppelt. Vergleichsstudien Operation vs. H2-Blocker, die eine therapeutische Überlegenheit der Operation zeigten, sind in Anbetracht der therapeutischen Effizienz der Protonenpumpenblocker irrelevant gewor-
den [Spechler 1992]. Insgesamt wenige Patienten mit schwerer Refluxösophagitis heilen auch unter höheren Dosierungen, z.B. 40 mg Omeprazol, nicht aus [Holloway 1996]. Ob Patienten mit unter Protonenpumpenblockern therapierefraktärer Refluxösophagitis von einer Operation wirklich profitieren, ist nicht in größeren Studien belegt. In den meisten prospektiven Doppelblindvergleichstudien der im Handel befindlichen Protonenpumpenblocker waren bezüglich Abheilung der Refluxösophagitis 20 mg Omeprazol dosisäquivalent mit 30 mg Lansoprazol, 40 mg Pantoprazol und 20 mg Rabeprazol [Dekkers 1999; Mössner 1995]. Die Geschwindigkeit der Abheilung ist unter 40 mg Esomeprazol, der linksdrehenden Form des Omeprazols, nach 4 Wochen in mehreren Studien höher als unter den Standarddosierungen der anderen Protonenpumpenblocker. In einer Studie war nach 4 Wochen die Abheilung unter Esomeprazol 20 mg höher als unter Omeprazol 20 mg. Dies muss als Hinweis gewertet werden, dass die höheren Plasmaspiegel von Esomeprazol,aufgrund eines langsameren Metabolismus der linksdrehenden Form des Omeprazols durch das Zytochrom-P450-Enzymsystem der Leber, für die höhere Abheilungsrate verantwortlich sind. Die Pharmakokinetik zwischen dem als Razemat vorliegendem Omeprazol und Esomeprazol ist somit unterschiedlich. Die Affinität zur Wasserstoff-Kalium-ATPase der Parietalzelle ist zwischen der rechts- und linksdrehenden Form des Omeprazols nicht verschieden, d. h. gleiche Pharmakodynamik des Razemats und des Esomeprazol. Rezidivprophylaxe Die Refluxösophagitis Stadium 2 – Erosionen umfassen nicht die gesamte Zirkumferenz – und Stadium 3 – Erosionen der gesamten Ösophaguszirkumferenz – erfordern eine Dauertherapie mit Protonenpumpenblockern. Bei Absetzen der Therapie kommt es rasch
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zum Rezidiv [Hetzel 1998]. In der Regel findet sich beim Rezidiv der gleiche Schweregrad. Das Rezidiv lässt sich mit einer Protonenpumpenblockerdauertherapie in halber Standarddosierung, z. B. Esomeprazol 20 mg, in 80% verhindern. In einer Vergleichsstudie zur Rezidivprophylaxe brachte die zusätzliche Therapie mit dem Prokinetikum Cisaprid (nicht mehr im Handel) zusammen mit Omeprazol keine Vorteile gegenüber Omeprazol allein [Vigneri 1995]. In der Rezidivprophylaxe sind H2-Blocker ineffektiv. Kombination des H2-Blockers Ranitidin mit Cisaprid sind effektiver als Cisaprid oder Ranitidin allein aber weniger erfolgreich als 20 mg Omeprazol allein [Vigneri 1995]. In einer 5-Jahres-Studie konnte das Rezidiv bei allen Patienten in einer wechselnden Dosierung von 20–60 mg Omeprazol verhindert werden.Protonenpumpenblocker sind daher auch in der Rezidivprophylaxe Mittel der Wahl. Patienten, die unter Protonenpumpenblocker beschwerdefrei werden, haben auch eine hohe Chance, dass unter Dauertherapie die Refluxösophagitis in Remission bleibt [Robinson 1996]. In der Pathogenese des Barrett wird sowohl Säurereflux als auch Reflux von Duodenalinhalt – Gallensäuren,Bilirubin,Pankreasenzyme – als entscheidend angesehen. Die Antirefluxoperation reduziert naturgemäß auch den Reflux von Duodenalinhalt.Eine säuresekretionshemmende Therapie mit Protonenpumpenblockern sollte diesen günstigen Effekt nicht haben. Unter einer Therapie mit 2¥20 mg Omeprazol/ Tag wurde auch eine Reduktion des duodeno-gastroösophagealen Refluxes beobachtet. Sicherheit der Protonenpumpenblockerdauertherapie Die Protonenenpumpenblockerdauertherapie ist sicher. Zu Omeprazol, auch zu Lansoprazol und Pantoprazol liegen bezüglich Langzeittherapie zahlreiche publizierte Studien vor [Robinson 1996]. Therapie bei intestinaler Metaplasie Bei bereits vorliegendem Barrett-Epithel, kann unter Protonenpumpenblockertherapie eine gewisse Rückbildung erfolgen. Diese ist aber in der Regel nie vollständig [Peters 1999; Sharma 1997].Patienten mit Barrett haben daher auch bei Symptomfreiheit unter Protonenpumpenblockern wahrscheinlich ein erhöhtes Adenokarzinomrisiko und müssen endoskopisch überwacht werden. Derzeit wird in Studien untersucht,ob durch Argonbeamer-Hitzekoagulation,photothermische Laserablation oder Mukosektomie die intestinale Metaplasie beseitigt werden kann und eine
echte Heilung eintritt. Außerhalb von Studien sollte diese Therapie noch nicht durchgeführt werden. Wichtig Es besteht eine klare Indikation zur Mukosektomie bei hochgradiger Neoplasie und Karzinom, welches auf die Mukosa und Submukosa beschränkt ist – noch nicht bei niedriggradiger Neoplasie oder Barrett ohne Dysplasie.
Vor Mukosektomie muss eine exakte Stadieneinteilung des Tumors erfolgen. Mittels Endosonographie wird geklärt,ob der Tumor auf die Mukosa/Submukosa beschränkt ist und keine lokoregionären Lymphknoten befallen sind [Gossner 1998]. Auch nach Antirefluxchirurgie kommt es nicht zu einer vollständigen Regredienz der Zylinderzellmetaplasie. Diese Patienten müssen daher ebenfalls in endoskopischer Überwachung bleiben. Therapie der Striktur Die entzündlich bedingte Striktur des Ösophagus wird endoskopisch bougiert. Differenzialdiagnostisch muss ein Ösophaguskarzinom ausgeschlossen werden. Konsequente Dauertherapie mit Protonenpumpenblockern reduziert, im Gegensatz zur H2-BlockerDauertherapie,deutlich die Notwendigkeit zur Rebougierung aufgrund eines Rezidivs der Strikturbildung. Helicobacter pylori Kontrovers ist die Notwendigkeit einer Helicobacter pylori (H.p.-)Eradikation vor geplanter Langzeittherapie mit Protonenpumpenblockern [Labenz 1997]. Sanierung der H.p.-Gastritis führt bei vorbestehender Korpusgastritis zu einer höheren Säuresekretion. Zusätzlich fehlt die puffernde Wirkung der Ammoniumionen des H. pylori. Konsequenz ist bei einigen Patienten die Notwendigkeit einer höheren Dosierung des Protonenpumpenblockers zur Symptombefreiung. In einer Studie wird jedoch ein Einfluss der H.p.Infektion auf die Symptomatik und den gastroösophagealen Reflux abgelehnt. Auf der anderen Seite aggraviert eine chronische H.p.-Gastritis bis hin zu atrophischer Korpusgastritis unter medikamentöser Langzeitsäureblockade [Kuipers 1996]. Wichtig Bei jüngeren Patienten sollte daher eine H.p.-Eradikation vor geplanter medikamentöser Langzeittherapie empfohlen werden.
9 1.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Arzneimittelinteraktionen Arzneimittelinteraktionen zwischen Protonenpumpenblockern und anderen Pharmaka aufgrund Konkurrenz um das gleiche Zytochrom-P450-Enzym haben für alle im Handel befindlichen Protonenpumpenblocker in der zugelassenen Dosierung nur marginale klinische Relevanz.
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1.5.3 Konservative oder chirurgische
Therapie ▬
Der »golden standard« der chirurgischen Therapie ist die 1953 von Nissen, später Rossetti modifizierte Fundoplicatio. ▬ Jüngere Patienten mit ausgeprägtem voluminösen Reflux, insbesondere auch nächtlichem Reflux profitieren von einer laparoskopischen Fundoplikatio. ▬ Patienten mit einer langen Lebenserwartung sind für eine laparoskopische Fundoplikatio nach Nissen geeignet,vorausgesetzt die postoperative Morbidität ist gering und die Patienten bleiben über viele Jahre symptomfrei [Heudebert 1997]. Die laparoskopische Fundoplikatio mag eine kostengünstigere Alternative für junge Patienten sein, denen eine lebenslange medikamentöse Therapie hierdurch erspart wird. ▬ Mangelnde Compliance bezüglich konsequenter Medikamenteneinnahme bei höheren Stadien der Refluxösophagitis sind ebenfalls eine Operationsindikation. ▬ Die Fundoplikatio besserte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe den Verlauf der Erkrankung nur bei erosiver Ösophagitis mit zusätzlichen Komplikationen wie Ulkus oder Striktur. Die Kontrollgruppe in dieser Studie stand aber nicht unter dokumentierter konsequenter Protonenpumpenblockerdauertherapie. ▬ Als ein weiteres Argument für die Operation wird fehlendes Ansprechen auf Protonenpumpenblocker angesehen. Fehlendes Ansprechen ist aber eine Seltenheit! Folgende Kriterien sind zu fordern: 3-monatige erfolglose Therapie mit doppelter Standarddosis eines Protonenpumpenblockers und dokumentierter Säurereflux in der 24-Stunden-pH-Metrie. Ob diese Patienten wirklich von einer Antirefluxchirurgie profitieren, ist nicht in prospektiven Vergleichsstudien dokumentiert. ▬ Bei den meisten Patienten mit Refluxkrankheit gelingt durch Säureblockade mit Protonenpumpenblockern eine Abheilung der Entzündung, Erzie-
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lung von Symptomfreiheit und einer damit verbundenen Besserung der Lebensqualität. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten mit Refluxkrankheit haben ein Stadium 0 oder 1. Obgleich die Beschwerdesymptomatik nicht mit dem Schweregrad der endoskopisch nachweisbaren Ösophagitis korreliert, würde ein operativer Eingriff mit allen Risiken bei diesen Stadien einer Übertherapie entsprechen. Leichtere Formen gehen nicht zwangsläufig im Lauf der Jahre in schwere Formen über. Das Rezidiv lässt sich mit einer dauerhaften medikamentösen Säureblockade bei den meisten Patienten sicher verhindern. Die medikamentöse Dauertherapie mit Protonenpumpenblockern ist nahezu nebenwirkungsfrei. Vermeintlich geringere Therapiekosten der Operation kommen erst nach vielen Jahren zur Geltung [Heudebert 1997]. Die Antirefluxchirurgie hat keine Nullletalität im Gegensatz zur medikamentösen Säureblockade. Je nach Erfahrung des Chirurgen klagen bis zu 20% der Patienten postoperativ über neue Symptome wie »gas bloat syndrome« – quälender Meteorismus, Unverträglichkeit kohlensäurehaltiger Getränke, Oberbauchschmerzen. Bei der Frage »Messer« oder »Pille« zur Therapie der Refluxösophagitis muss auch berücksichtigt werden, dass viele Patienten aufgrund des Alters und vorliegender Komorbiditäten für eine Operation nicht mehr in Frage kommen [Lundell 1994]. Die komplizierte Refluxösophagitis mit Ulzerationen und/oder Striktur manifestiert sich häufig erst mit Beginn der Symptomatik und in höherem Alter. Gute Ergebnisse nach Antirefluxchirurgie werden in der Regel nur bei den Patienten erzielt, die auch auf eine entsprechend dosierte Protonenpumpenblockertherapie ansprechen. Nach Antirefluxchirurgie wird über eine höhere Spätletalität, deren Gründe unklar sind, berichtet.
1.5.4 Endoskopische Therapie Die überwiegende Mehrzahl der Refluxkranken können erfolgreich medikamentös mit PPI behandelt werden.Wichtige Nachteile der PPI-Langzeittherapie sind bei 20–40% der Patienten die Notwendigkeit einer Dosissteigerung sowie die von einigen, besonders jüngeren Patienten empfundene Medikamentenabhängigkeit über viele Jahre. Gerade diese Nachteile
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⊡ Abb. 1.1a, b. Radiofrequenzapplikation Stretta (Curon Medical, USA)
könnten der endoskopischen Antirefluxtherapie in naher Zukunft einen Platz in der Behandlung dieser Patienten ermöglichen. Derzeit konkurrieren 3 endoskopische Verfahren: ▬ Radiofrequenzkoagulation, ▬ endoskopische Injektion oder Implantation biokompatibler Fremdkörper, ▬ endoskopische Nahttherapie. Endoskopische Applikation von Radiofrequenzenergie (Verfahren Stretta) Bei diesem endoskopischassistierten Verfahren wird über ein transoral in den distalen Ösophagus eingeführtes Applikationssystem durch Einstechen von Nadeln in die Muskulatur von UÖS und Kardia eine thermische Läsion der Muskulatur am ösophagogastralen Übergang erzeugt (Stretta procedure, ⊡ Abb. 1.1).Der genaue Wirkmechanismus ist derzeit unklar. Ursächlich diskutiert wird die Zerstörung von Nervenfasern im UÖS,die dann zu einer Senkung der Frequenz transienter Sphinkterrelaxationen (TLESR) führen soll. Darüber hinaus wird eine hitzeinduzierte, durch Kollagenkontraktion mit nachfolgender Fibroblastenund Kollagenneuablagerung erfolgende Gewebeverdichtung im Bereich des UÖS angenommen [Triadafilopoulos 2001]. Zum klinischen Einsatz der Methode liegen aktuell 6 Publikationen vor. In Übereinstimmung mit den experimentellen Daten konnte bei insgesamt 25 Patienten nach 3- bis 6-monatigem Untersuchungszeitraum eine Abnahme der TLESR-Frequenz bei gleichzeitiger Abnahme von Säureexposition und Medikamentengebrauch nachgewiesen werden. In einer
Multicenterstudie [Triadafilopoulos 2001] waren nach 6 Monaten 79–87% der Patienten ohne Medikation. Die Säureexposition verbesserte sich bei 75% der Patienten und die Frequenz einer Ösophagitis reduzierte sich von 39 bzw. 53% auf 11 bzw. 17%. In einer Folgepublikation dieser Studie, die kürzlich die Ergebnisse von 119 Patienten nach 6–12 Monaten zusammenfasste, konnte darüber hinaus eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten dokumentiert werden. Trotz dieser ermutigenden Ergebnisse konnte in den vorliegenden Ergebnissen kein überzeugender Trend hinsichtlich einer Reduktion der Säureexposition im Ösophagus nachgewiesen werden. Darüber hinaus sind noch keine objektiven Aussagen zu Indikationsspektrum, Anwendungssicherheit und möglichen Komplikationen durch die stilettartigen Nadeln, die ohne direkte Sichtkontrolle in die Muskulatur des UÖS gestochen werden, verfügbar (Caca et al 2003). Endoskopische Injektionstherapie des UÖS (Verfahren Enterix) Bemühungen, die Funktion des UÖS durch Injektion verschiedenartiger Agenzien zu verbessern sind nicht neu. Bereits Mitte der 1980er Jahre wurden Versuche unternommen, durch Tefloninjektion einen induzierten gastroösophagealen Reflux zu verhindern. Derzeit finden sich 2 neue Substanzen auf dem Markt, die zur endoskopischen Injektion in die Muskulatur beziehungsweise die Submukosa des UÖS verwendet werden. Es handelt sich um ein inertes Biopolymer (Ethinyl-Vinyl-Alkohol [EVA], Enteryx), das radiographisch kontrastgebend, nicht biodegradabel,in einem flüssigen organischen Träger gelöst ist
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dings zeigte sich bei 6 der 15 Patienten nach diesem Zeitraum keine Persistenz des Biopolymers am Injektionsort. Die Implantation von Plexiglasmicrosphären wurde bisher bei 10 Patienten vorgenommen und führte zu einer Abnahme des Refluxsymptomscores und der ösophagealen Säureexposition [Feretis 2001]. Für die beiden dargestellten neuen Injektionsmethoden liegt gegenwärtig der geringste Anteil objektiv verfügbarer experimenteller und klinischer Daten vor. Hierbei handelt es sich sicherlich um das technisch einfachste Verfahren, dass durch jeden in Injektionsmethoden zur Blutstillung erfahrenen Endoskopiker leicht erlernt und angewendet werden kann. Wichtig Aufgrund der Anwendungssicherheit und leichten Erlernbarkeit besteht die Gefahr einer vorschnellen und unkritischen Anwendung dieses Verfahrens.
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Die wenigen Ergebnisse über die Behandlungtechnik zeigen einen positiven Unterpolsterungseffekt des UÖS, objektiviert durch einen manometrisch nachgewiesenen UÖS-Druckanstieg (Caca et al. 2003). Wichtig Gegenwärtig gilt bei dieser Technik die noch unbefriedigende Ortsständigkeit des injizierten Materials bei beiden Materialien als Hauptproblem.
c ⊡ Abb. 1.2a–c. Endoskopische Injektionstherapie des UÖS (Verfahren Enterix)
und als schwammige Masse präzipitiert, keine antigenen Eigenschaften besitzt, keine Schrumpfung aufweist und zu keiner Migration im Gewebe führen soll (⊡ Abb. 1.2). Die zweite Substanz besteht aus einer Suspension aus Plexiglas- (Polymethylmethacrylat-)Kügelchen in einer 3,5%igen bovinen enzephalitisfreien Gelatinelösung. Durch die Ortsständigkeit beider Materialien soll es zu einer Unterpolsterung und damit Verstärkung des UÖS kommen. Erste klinische Ergebnisse an 15 Patienten zeigten, dass die Behandlung ambulant unter Sedierung und der einmaligen Gabe eines Antibiotikums möglich ist. Funktionell konnte 4–12 Monate nach Injektion ein Anstieg des UÖS-Drucks nachgewiesen werden; aller-
Endoskopische Gastroplicatio (Verfahren Endocinch) Mithilfe eines auf einem flexiblen Endoskop aufgesetzten Zusatzgeräts wird endoluminal eine Gastroplicatio,d.h.eine Einfaltung der subkardialen Magenwand, durchgeführt (⊡ Abb. 1.3). Die grundsätzliche Idee bei diesem Verfahren ist die Imitation einer Plicatio von endoluminal, wobei jedoch nicht eine Verstärkung der Region des UÖS sondern der unmittelbar darunter liegenden Region erzielt wird. Die subkardiale Magenwand wird in eine auf das Endoskop aufgesetzte Saugkammer eingezogen. Es erfolgt dann mit Hilfe einer durch diese Saugkammer axial gestochenen Hohlnadel eine allerdings nicht die gesamte Wand des Magens erfassende Naht. Hierdurch entsteht eine lokale intraluminale Faltenbildung. Über klinische Erfahrungen liegen gegenwärtig 8 Arbeiten vor [Filipi 2001]. Über erste Ergebnisse mit
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e ⊡ Abb.1.3a–e. Endoskopische Gastroplicatio. a Einziehen der subkardialen Magenwand in die Saugkammer. b Axiales Einstechen der Hohlnadel durch die Magenwand in der Saug-
kammer. c, d Prinzip der Knotenführung nach 2-maligem Stechen der Hohlnadel durch die Magenwand. e Fertiggestellte Gastroplicatio. (Mod. nach [C.R. Bard Inc. Murray Hill, NY, USA])
13 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
einem mittlerweile käuflichen System (EndoCinch Endoscopic Suturing System,C.R.Bard Interventional Products) wurde berichtet: Bei 142 Patienten zeigten sich eine Reduktion des Refluxsymptomscores, ein Anstieg der Druck- und Längenparameter des UÖS, eine Reduktion der ösophagealen Säureexposition und eine Reduktion der Medikation mit PPI. Die Ergebnisse weiterer, auch unserer, Arbeitsgruppen zeigen bei jeweils sehr kurzen Follow-up-Perioden von 6 Wochen bis 6 Monaten eine symptomatische Befundverbesserung, eine Reduktion des Säurerefluxes und eine Reduktion der antisekretorischen Medikation. Ein Misserfolg aufgrund der mangelnden Langzeitstabilität der Plikaturen bei Fadenverlust wird bei über 50% der Patienten nach einem Jahr berichtet. Fazit Alle genannten Verfahren sind bei einer axialen Hiatushernie >3 cm kontraindiziert.Absolute Kontraindikationen sind: Inoperabilität,Einengung der Atemwege, Barrett-Ösophagus mit hochgradiger Dysplasie, portale Hypertension/Ösophagusvarizen, thorakale oder gastroösophageale Voroperationen, Ösophagusstenosen. Relative Kontraindikationen sind eine normale 24-h-pH-Metrie,Dysphagie,Grad-3- bis -4-Ösophagitis, fortbestehende Refluxösophagitis trotz Therapie mit Protonenpumpenblockern, Hiatushernie >2 cm Durchmesser, Barrett-Ösophagus mit leichtgradigen Dysplasien, extreme Fettleibigkeit. Vergleichsstudien endoskopische Therapie vs. Dauertherapie mit Protonenpumpenblockern oder laparoskopischer Fundoplikatio liegen, wie auch Langzeitergebnisse, noch nicht vor. Nach deutlicher anfänglicher Symptombesserung/-beseitigung kommt es bei nicht wenigen Patienten zu einem Rezidiv der Symptomatik. Das Rezidiv ist bei der Gastroplikatio durch Ausreissen der Nähte und beim Enterixverfahren durch Verlust des Polymers erklärt.
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Kapitel 1 · Gastroösophageale Refluxkrankheit SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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2 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Nichtrefluxbedingte Ösophaguskrankheiten J. Mössner 2.1
Infektionen
2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4
Pilze – 16 Viren – 17 Bakterien – 19 Parasiten – 19
– 16
2.2
Ösophagusbeteiligung bei Systemerkrankungen
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6
Hauterkrankungen – 19 M. Behcet – 20 Graft-versus-Host-Erkrankung – 20 Chronisch entzündliche Darmerkrankung Kollagenosen – 21 Metastasen – 21
2.3
Schädigung des Ösophagus durch Medikamente
2.3.1 »Pillenösophagitis« – 21 2.3.2 Chemotherapieinduzierte Ösophagitis
>>
– 20
– 21
– 21
2.4
Schädigung des Ösophagus durch Bestrahlung
2.5
Eosinophile Ösophagitis
Literatur
– 19
– 22
– 22
– 23
Die Refluxkrankheit, Neoplasien des Ösophagus und Motilitätsstörungen wie die Achalasie gehören zu den 3 großen Gruppen der Erkrankungen des Ösophagus. In diesem Kapitel werden seltenere Ösophaguserkrankungen wie Infektionen, Ösophagusmitbeteiligung bei systemischen Erkrankungen, Schäden durch Medikamente und Bestrahlung besprochen [Kearney 2002].
I
16
Kapitel 2 · Nichtrefluxbedingte Ösophaguskrankheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
2.1
Infektionen
2.1.1 Pilze Pathologie & Pathogenese Infektionserkrankungen des Ösophagus treten in der Regel nur bei Patienten mit gestörter Immunabwehr, z. B. chronischer Äthylismus, Aids, nach Organtransplantationen, aber auch bei Diabetes und in hohem Alter auf. Bei kongenitalen Immundefekterkrankungen kommt es insbesondere bei der mukokutanen Candidiasis auch zu einer Candidaösophagitis. Die Prävalenz der Candidaöophagitis war bei Patienten mit Aids vor der effektiven antiretroviralen Therapie sehr hoch [Vazquez 2000]. Je niedriger die CD4-Lymphozytenzahl,desto höher ist das Risiko der Candidaösophagitis. Die Prävalenz ist auch hoch nach Chemotherapie von Leukosen und Lymphomen und nach Ösophagusradiatio. Glukokortikosteroide begünstigen die Candidainfektion aufgrund ihrer antiproliferativen Wirkung auf Lymphozyten und Granulozyten. Auch nach inhalativen Steroiden, angewandt bei Asthma, sind orale und ösophageale Candidainfektionen bei sonst Gesunden mit normalem Immunsystem möglich. Eine gestörte Ösophagusmotilität, wie bei Achalasie, Ösophagusneoplasien und progessiver systemischer Sklerose, begünstigt eine Candidaösophagitis. Zusätzliche säuresuppressive Therapie erhöht das Risiko. Die häufigste Infektion ist die Candidiasis. Bei ausgeprägter Immundefizienz treten auch bakterielle, parasitäre und virale Infektionen auf [Nassar 1998]. Neben Candida albicans werden seltener auch andere Pilzinfektionen wie Candida tropicalis, C. krusei, C. glabrata gesehen. Zuerst kommt es zu einer oberflächlichen Kolonisation mit Adhäsion und Proliferation von Candida albicans. Speichelfluss, Ösophagusmotilität, physiologischer Säurereflux und die körpereigene Immunabwehr sind Schutzmechanismen gegen weitere Infiltration. Bei Antibiotikatherapie kann es zu einer Dysbalance zwischen der Kompetition von Bakterien und Pilzen mit der Begünstigung einer Candidainfektion kommen. Bei gestörter zellulärer Immunabwehr ist eine Candidainfiltration in die Ösophagusschleimhaut möglich. Diese führt aber sehr selten so tief, dass Ulzerationen oder Perforationen auftreten. Im Gegensatz zu Candida, welche in der endogenen Flora vorkommt, sind seltene weitere Pilzinfektionen bei schwer gestörter Immunabwehr durch exogene Infektion möglich: Histoplasmose,Cryptococcose, Blastomykose, Aspergillose. So kann eine Lungen-
und Mediastinalhistoplasmose auch auf die Speiseröhre übergreifen. Klinik Bei milder Candidaösophagitis können Symptome fehlen.Die Symptome ähneln denen der Refluxkrankheit: Schmerzen poststernal und beim Schlucken sowie Sodbrennen,Übelkeit und auch Blutungen.Da die Infektion in der Regel auf die epitheliale und subepitheliale Region beschränkt bleibt, tritt Fieber in der Regel erst bei Granulozytopenie auf und begünstigt weiterer Candidainvasion. Diagnostik In bis zu 75% ist eine Besiedelung der oralen Schleimhaut mit weißen Belägen und Rachenrötung bereits bei der Mundinspektion sichtbar. In der Ösophagoskopie werden bei der infiltrativen Candidiasis die typischen weißen, adhärenten Beläge gesehen. Beim Bürstenabstrich zeigt sich die Vulnerabilität der Schleimhaut mit Blutungen. Die korrekte Diagnose wird mikroskopisch aus der Biopsie gestellt. In Ausnahmefällen ist eine kulturelle Anzüchtung erforderlich, auch um nach anderen Pilzen oder Mykobakterien zu fahnden, falls die Therapie nicht anspricht. Die makroskopische Diagnose allein reicht nicht, da ähnliche Beläge auch bei Refluxösophagitis, Herpesund Zytomegalieinfektion und bei Nahrungsresten gesehen werden können. Bei Verdacht auf HerpesVirus-Ösophagitis sollte ein kultureller Nachweis angestrebt werden. Prophylaxe & Therapie Die effektive Therapie mit Proteaseninhibitoren und Virusstatika bei HIV (HAART: highly active antiretroviral therapy) ist die effektivste Prophylaxe der Candidaösophagitis. Ziel ist eine CD4-Zahl über 100–200/µl. Mit effektiver medikamentöser Prophylaxe lässt sich das Risiko einer Candidaösophagitis bei Patienten z. B. nach Transplantation deutlich senken. In der Therapie werden 3 Gruppen von Medikamenten eingesetzt (⊡ Tabelle 2.1): ▬ topisch wirksame, schlecht resorbierte Substanzen, ▬ oral applizierte resorbierbare Medikamente und ▬ intravenös applizierte Mittel. Die Wahl der Gruppe richtet sich nach dem Schweregrad der Infektion und dem Ausmaß der Immunsuppression. Bei geringer Immunsuppression hat sich oral appliziertes Fluconazol gegenüber dem weniger effektiven Nystatin durchgesetzt [Barbaro 1999]. Die
2
17 2.1 · Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 2.1. Therapie von Pilzinfektionen des Ösophagus Erreger Candida albicans
Medikament
Dosis
Dauer
Fluconazol
2¥100–200 mg i.v.
10–14 Tage
Itraconazol
1¥200 mg
Amphotericin B
0,3–0,7 mg/kgKG/Tag i.v.
Liposomales Ampho B
3–5 mg/kgKG/Tag
14–21 Tage nach klinischer Besserung
Caspofungin
50 mg i.v.
Leichte bis mittelschwere Immunsuppression
Azol-resistente Candidaspezies
Amphotericin B
0,3–0,7 mg/kgKG/Tag i.v.
Liposomales Ampho B
3–5 mg/kgKG/Tag
Caspofungin
50 mg i.v.
Therapie mit topischem Nystatin oder Clotrimazol hat nahezu keine Nebenwirkungen. Nystatin wird als Suspension 5¥/Tag in einer Einzeldosis von 200.000–400.000 Units appliziert. Auch bei mittelschwerer Immunsuppression empfiehlt sich primär Fluconazol, kommt es nicht zu einer Besserung nach wenigstens 3–5 Tagen ist eine Reendoskopie, In-vitroResistenztestung, Umsetzen des Präparates oder ggf. i.v.-Therapie erforderlich. Fluconazol i.v. (200 mg) ist mit Caspofungin (50 mg) vergleichbar effektiv [Villanueva 2002]. Alternativen zu Fluconazol sind Itraconazol (200 mg/Tag), Clotrimazol (100 mg 3¥/Tag), Amphotericin-B-Suspension (500 mg 4¥/Tag über 14 Tage; ⊡ Tabelle 2.1). In einer Langzeitstudie über ein Jahr waren bei Patienten mit Aids Fluconazol und Itraconazol vergleichbar [Barbaro 1996]. Bei Granulzytopenie ist die antifungale i.v.Therapie mit Amphotericin B (0,5 mg/kgKG/Tag) erforderlich. Liposomales Amphotericin ist besser verträglich mit insbesondere weniger renalen Nebenwirkungen.Bei Granulozytopenie sind Granulozytenwachstumsfaktoren indiziert (GCSF, »granulocytes colony stimulating factor«). Wichtig Amphotericin B ist das Mittel der Wahl bei Histoplasmose und Aspergillose.
Können die o. g. Risikofaktoren einer Pilzinfektion nicht beseitigt werden,ist mit einer hohen Rezidivrate zu rechnen; eine Pilzprophylaxe mit Fluconazol oder Itraconazol erforderlich.
14–21 Tage nach klinischer Besserung
2.1.2 Viren Pathologie & Pathogenese Herpes simplex. Ein doppelsträngiges DNS-Virus,das zu schmerzhaften Bläschen der Haut, Mundschleimhaut und auch im Bereich der Speiseröhre führt.Auch die Infektion des Ösophagus ist in der Regel eine Reaktivierung einer latenten Infektion in den Nervenganglien. Bei ausgeprägter Immunschwäche ist eine Generalisation der Infektion mit Beteiligung der Leber, Lunge und des ZNS möglich. Zytomegalie. Die meisten Erwachsenen sind mit Zytomegalie infiziert,einer bei Gesunden latenten Infektion. Bei der Zytomegalieösophagitis sind submuköse Fibroblasten und Endothelzellen, nicht das Plattenepithel infiziert. Andere Viren. Infektionen des Ösophagus mit Vari-
zella-Zoster- und Epstein-Barr-Viren sind äußerst selten. Bei ausgeprägter Immundefizienz können Varizella-Zoster-Viren zu schwerster Ösophagitis führen. Auch eine Ösophagitis durch Epstein-Barr-Viren wird in der Regel nur bei schwerer Immundefizienz gesehen. Das HI-Virus kann zu Ösophagusulzerationen führen. Bei Aids sind Infektionen des Ösophagus mit dem humanen Papilloma-Virus beschrieben. Klinik Herpes simplex. Bei immunkompetenten Personen
dauert die Erkrankung nur kurz,mit Spontanremission nach wenigen Tagen. Typisch sind Schluck- und retrosternale Schmerzen. Oft liegt gleichzeitig eine Herpesmanifestation im Lippenbereich vor. Bei Immunsup-
18
I
Kapitel 2 · Nichtrefluxbedingte Ösophaguskrankheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
pression sind dauerhafte Übelkeit und Erbrechen möglich. Nicht selten ist eine zusätzliche Candidiasis und/oder Herpesinfektion im Rachen- und Genitalbereich. Bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie sind schwerste Komplikationen mit ausgedehnten Nekrosen, Superinfektionen, Blutungen, Stenosen, Pneumonie,ösophagotrachealer Fistelbildung möglich. Zytomegalie. Der klinische Beginn ist weniger abrupt als bei Herpes. Die Symptomatik, wie Schluckbeschwerden, eher geringer, dafür treten eher Übelkeit, Erbrechen, Fieber und epigastrische Schmerzen auf. Andere Viren. Beim Varizella-Zoster-Viren ähnelt
die Symptomatik der Herpesösophagitis: Schmerzen beim Schlucken. Das HI-Virus kann zu Riesenulzerationen im Ösophagus mit Perforation,Blutung,Fistelbildung,Superinfektion und Strikturbildung mit der entsprechenden Symptomatik führen. Diagnostik Herpes simplex. In der Endoskopie finden sich
1–3 mm im Durchmesser betragende Bläschen im mittleren und distalen Ösophagusdrittel, die sich zu kleinen Ulzerationen mit erhabenen Rändern entwickeln. Auch größere konfluierende Ulzerationen sind
möglich. Biopsien aus dem Ulkusrand sollten in speziellen Kulturmedien zur Züchtung versandt werden. Histologisch zeigen sich vielkernige Riesenzellen. Immunhistochemie und In-situ-Hybridisierung erleichtert die Diagnose. Zytomegalie. Die exakte Diagnose erfordert eine Biopsie aus dem Ulkusgrund. Makroskopisch finden sich ausgestanzte Erosionen und Ulzerationen. Perforationen mit konsekutiver letaler Mediastinitis sind insbesondere bei Aids beschrieben. Histologisch zeigen sich die typischen großen Zellen mit intranukleären Einschlusskörperchen und perinukleärem Halo. Verifizierung der Diagnose mittels Virusanzüchtung ist sinnvoll. Andere Viren. Der Schlüssel zur Diagnose des Varizel-
la-Zoster-Virus ist das in der Regel gleichzeitige Auftreten der typischen auf ein Dermatom begrenzten Hautbläschen. Prophylaxe & Therapie (⊡ Tab. 2.2) Die therapeutische Dosierung und Therapiedauer sind in ⊡ Tabelle 2.2 aufgeführt. Herpes simplex. Frühzeitige Behandlung mit hoch-
dosiertem Aciclovir verkürzt die Erkrankung. Die
⊡ Tabelle 2.2. Therapie viraler Ösophagusinfektionen/-ulzerationen Erreger
Medikament
Dosis
Dauer
Herpes-simples-Virus
Aciclovir (1. Wahl)
3¥5 mg/kgKG, danach 3¥1 g
7–10 Tage
Valaciclovir Foscarnet (bei Aciclovirresistenz) Zytomegalievirus
7–10 Tage 40 mg/kgKG 3¥/Tag
Ganciclovir (1. Wahl)
2¥5 mg/kgKG/Tag
2–3 Wochen
Foscarnet (bei Ganciclovirresistenz)
2¥100 mg/kgKG/Tag 3¥40 mg/kgKG/Tag
2–3 Wochen
Aciclovir (1. Wahl)
3¥10 mg/kgKG/Tag i.v.
2 Wochen
Valaciclovir (Alternative)
3¥1 g p.o.
Foscarnet (bei Aciclovirresistenz)
2¥100 mg/kgKG/Tag i.v.
Epstein-Barr-Virus
Aciclovir
250 mg/m2 alle 8 h
Langzeitbehandlung
HI-Virus
Prednison
40 mg/Tag
2 Wochen, danach 4-wöchige Ausschleichphase
Thalidomid
200 mg/Tag
4 Wochen
Varicella-Zoster-Virus
19 2.2 · Ösophagusbeteiligung bei Systemerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
manifeste Ösophagitis wird intravenös mit Aciclovir (250 mg/m2 alle 8 h) behandelt. Wenn die Schluckbeschwerden gebessert sind, kann auf oral appliziertes Valaciclovir umgesetzt werden. Bei Resistenz gegen Aciclovir wird Foscarnet eingesetzt. Die Nebenwirkungsrate,insbesondere Nephrotoxizität,ist höher,die Verträglichkeit geringer. Bei schwerer Immuninsuffizienz, z. B. Aids und nach Transplantation, sollte nach erfolgreicher Therapie eine Prophylaxe mit Aciclovir oder Valaciclovir durchgeführt werden.
2
Syphilis kann den Ösophagus in Form von Gummen auch bei immunkompetenten Personen befallen. Eine Diphterie kann sich vom Pharynxbereich auch auf den Ösophagus ausdehnen. Klinik Auch bei bakterieller Ösophagitis gehören Schluckschmerzen zu den Leitsymptomen. Bei der seltenen Tuberkulose des Ösophagus treten neben der Dysphagie auch Gewichtsverlust,Fieber,Brustschmerzen und Husten auf.
Zytomegalie. Mittel der Wahl sind Ganciclovir i.v.
(Cave: Knochenmarktoxizität!) und Foscarnet [Parente 1998]. Bei fortbestehender Immunsuppression sind Rezidive die Regel. Ganciclovir wird auch zur Rezidivprophylaxe eingesetzt. Bei Resistenz gegen Ganciclovir wird Foscarnet i.v.eingesetzt.Cidovir ist ebenfalls effektiv, hat aber eine hohe Nephrotoxizität. Andere Viren. Mittel der Wahl bei Varizella-ZosterVirus ist Aciclovir i.v. gefolgt von Valaciclovir oral. Foscarnet ist bei Resistenz eine Alternative. Die Epstein-Barr-Ösophagitis wird mit Aciclovir behandelt. In der Regel ist eine Langzeitbehandlung erforderlich. Ulzerationen durch das HI-Virus werden initial mit Prednison behandelt. Als Alternative wird Thalidomid diskutiert. Thalidomid ist nur über Sonderanforderung erhältlich (strengste Antikonzeption aufgrund des fötalen Missbildungsrisikos). Polypöse Veränderungen im mittleren und distalen Ösophagus durch das humane Papilloma-Virus können endoskopisch behandelt werden. Die therapeutischen Ergebnisse einer systemischen Therapie mit a-Interferon, Bleomycin und Etoposid sind eher enttäuschend.
2.1.3 Bakterien Pathologie & Pathogenese Bei Immundefizienz, insbesondere bei Granulozytopenie, und gleichzeitiger säuresuppressiver Therapie mit Protonenpumpenblockern muss auch mit einer bakteriellen Ösophagitis gerechnet werden. Sehr selten, im wesentlichen bei Aids aber auch in Entwicklungsländern beschrieben, ist eine Infektion des Ösophagus durch Mykobakterien, in der Regel durch lokale Ausbreitung einer Lungen- und Mediastinaltuberkulose [Jain 2002].Bei Immundefizienz sind auch Infektionen des Ösophagus durch Aktinomyzeten, Nokardien, Treponema pallidum aufgetreten. Die
Diagnostik Endoskopisch finden sich eine vermehrte Vulnerabilität, Plaques, Ulzerationen. Die Gramfärbung von Biopsien kann diagnoseführend sein. Mikroskopisch werden die subepithelialen Bakterien mit relativ geringer Entzündungsreaktion gesehen. Kulturen weisen die Keime der normalen Mundflora nach: Staphylococcus aureus, Streptococcus epidermidis, Streptococcus viridans, Bacillus sp. Prophylaxe & Therapie Bakterielle Infektionen werden mit Breitspektrumantibiotika behandelt; bei vorliegendem kulturellem Ergebnis, keimgerecht. Die Therapie der Tuberkulose, Syphilis, Nokardiose etc. bei Ösophagusbeteiligung unterscheidet sich nicht von den allgemeinen Richtlinien der Therapie dieser Infektionen.
2.1.4 Parasiten In Südamerika sind Ösophagusbeteiligungen bei der Chagas-Krankheit, einer Infektion mit Trypanosoma cruzi, bis zu 30 Jahre später beschrieben. Das Krankheitsbild ähnelt,aber gleicht nicht,der Achalasie [Dantas 2001].Die Dysphagie lässt sich mit Ballondilatation und Nitropräparaten behandeln. Bei Aids sind Ösophagusinfektionen mit Pneumocystis carinii, Leishmania donovani, Trichomonaden, Cryptosporidien beschrieben [Raufmann 1988]. 2.2
Ösophagusbeteiligung bei Systemerkrankungen
2.2.1 Hauterkrankungen Bei einigen Hauterkrankungen, wie medikamenteninduzierten Hauterkrankungen (z. B. toxische Epidermolyse, Stevens-Johnson-Syndrom), Lichen pla-
20
I
Kapitel 2 · Nichtrefluxbedingte Ösophaguskrankheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nus, Psoriasis, Acanthosis nigricans kommen Ösophagusmitbeteiligungen selten vor. Die Symptome sind u.a.Dysphagie bei Strikturbildungen.Etwas häufiger sind Ösophagusmitbeteiligungen bei folgenden Erkrankungen. Pemphigus vulgaris Pemphigus vulgaris ist eine Autoimmunerkrankung gegen das Zelladhäsionsmolekül Desmoglein, die an Haut, Mundschleimhaut und weiteren Schleimhäuten zu intraepidermalen Blasen führt.Bei den meisten Patienten kommt es erst in der 3. oder 4. Lebensdekade zu Blasenbildungen in der Mundhöhle. Auch im Ösophagus kann es zu Blasenbildung kommen, die zu Ulzerationen, Blutungen und Strikturen führen können [Schissel 1999].Eine Ösophagusbeteiligung kann auch unbemerkt verlaufen. Wichtig Therapie der Wahl sind Glukokortikosteroide.
Auch bei anderen pemphigoiden Erkrankungen sind, zwar selten, Ösophagusbeteiligungen beschrieben. Epidermolysis bullosa Die Epidermolysis bullosa ist eine blasenbildende Erkrankung der Haut und Schleimhäute. Mehrere Subtypen sind beschrieben. Die Erkrankung wird sowohl dominant als auch rezessiv vererbt. Nach Bagatelltraumen der Haut kommt es zu Blasenbildungen. Auch Nahrung kann als »Trauma« in der Speiseröhre zu Blasenbildungen führen. Die Blasen heilen unter Narbenbildung ab. Bereits im Kindesalter kann es zu Dysphagie und Mangelernährung wegen der schmerzbedingten eingeschränkten Nahrungszufuhr kommen. Aufgrund der Hautbeteiligung ist die Diagnose einfach. Die Ösophagoskopie ist relativ kontraindiziert, da sie zu weiteren Blasen führt. Die Therapie besteht in flüssiger Ernährung, Glukokortikosteroiden, Phenytoin und vorsichtigster Bougierung der Strikturen. 2.2.2 M. Behcet Bei M. Behcet handelt es sich um eine Vaskulitis, charakterisiert durch Aphten der Mundhöhle,Genitalulzera, Uveitis und Blasenbildungen an der Haut. Zu Ulzerationen kann es entlang des gesamten Magendarmtrakts kommen [Houman 2002]. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist der häufigere M.Crohn.In bis
zu 10% kommt es auch im Ösophagus zu den typischen ovalen Ulzerationen, die auch zur Fistelbildung führen können. Kommt es im Rahmen der Vaskulitis zu Thrombosen der V. portae, können Ösophagusvarizen entstehen. Therapeutisch werden bei Darmbeteiligung die gleichen Medikamente wie bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung eingesetzt: Sulfasalazin, Glukokortikosteroide, Cyclosporin, evtl. auch Thalidomid. Ösophagusfisteln und Perforation sind Operationsindikationen. 2.2.3 Graft-versus-Host-Erkrankung Nach allogener Stammzelltransplantation kann es entlang des gesamten Magendarmtrakts, neben der Haut und Leberbeteiligung,sowohl zu einer akuten als auch chronischen Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) kommen (Kap. 20). Vermehrte Vulnerabilität der Ösophagusschleimhaut,Blasenbildung,Ulzerationen, Strikturen, die zu Dysphagie führen, kommen vor [Minocha 1999]. Bei Beteiligung der Speicheldrüsen und gestörter Motilität wird eine Refluxösophagitis begünstigt. Therapeutisch wird die Immunsuppression intensiviert (Prednison, Cyclosporin, Tacrolimus). Strikturen werden bougiert, die Refluxösophagitis mit Protonenpumpenblockern behandelt. 2.2.4 Chronisch entzündliche
Darmerkrankung Eine Ösophagusmitbeteiligung oder gar ein isolierter Ösophagusbefall bei M. Crohn ist sehr selten [Rudolph 2001]. Symptome sind schmerzvolle aphtöse Ösophagusulzerationen, die auch in der Mundhöhle und im Hypopharynx vorkommen und im Ösophagus zu Strikturen führen können. Bei Ulzerationen im Ösophagus sowohl bei M. Crohn als auch Colitis ulcerosa muss differenzialdiagnostisch an eine Herpesinfektion gedacht werden. Auch bei einer weiteren granulomatösen Erkrankung, der Sarkoidose, kommt es seltenst zu Ösophagusmitbeteiligung. Therapie der Wahl sind Glukokortikosteroide (Kap. 25), Bougierung bei Strikturen, Operation bei ösophagotrachealen Fisteln.
21 2.3 · Schädigung des Ösophagus durch Medikamente SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
2.2.5 Kollagenosen
physikochemischen Eigenschaften determinieren das Schädigungspotential.
Siehe auch Kap. 5.
Bei Sjögren-Syndrom wird aufgrund eines reduzierten Speichelflusses, bei Sklerodermie aufgrund der Motilitätsstörung das Auftreten einer Refluxösophagitis begünstigt. Therapie der Wahl sind Protonenpumpenblocker. 2.2.6 Metastasen Das Melanom, Lungen- und Mammakarzinom sind die Tumoren, die am häufigsten auch in die Speiseröhre metastasieren [Volpin 2002]. Dennoch sind Metastasen im Ösophagus insgesamt sehr selten. Bei Aids muss auch an das Kaposi-Sarkom und an Lymphome gedacht werden. Therapeutisch kommen in der Regel nur Palliativmaßnahmen in Frage: Stents oder Radiatio. 2.3
2
Wichtig Bei Ösophagusmotilitätsstörungen oder vorliegenden Ösophaguseinengungen ist das Risiko höher.
Das Schädigungsmuster reicht von Ulzerationen, Blutungen,Perforation bis zur Strikturbildung.Symptome sind Dysphagie, Odynophagie, retrosternale Schmerzen. Wichtig Zur Prophylaxe sollten daher Medikamente immer in aufrechter Position und mit reichlich Flüssigkeit eingenommen werden.
In der Regel heilen die Läsionen nach Absetzen des Medikaments spontan ab. Protonenpumpenblocker sind sinnvoll, da sie den Säurereflux reduzieren.
Schädigung des Ösophagus durch Medikamente
2.3.1 »Pillenösophagitis«
2.3.2 Chemotherapieinduzierte
Ösophagitis Eine Vielzahl von Medikamenten kann zu einer Ösophagusschädigung führen (⊡ Tabelle 2.3; [Jaspersen 2000, Kikendall 1999]). Zu den häufigsten zählen Antibiotika, Virusstatika, nichtsteroidale Antiphlogistika, Kaliumchlorid, eisenhaltige Präparate und Bisphosphonate. Das höchste Schädigungspotential – auch am häufigsten in der Literatur beschrieben – scheinen Bisphosphonate zu haben. Die Löslichkeit eines Medikaments, seine Kontaktzeit mit der Ösophagusschleimhaut und seine
Nach zahlreichen Chemotherapeutika kann es neben der oropharyngealen auch zu einer Mukositis der Speiseröhre kommen. Zu nennen sind insbesondere Bleomyzin, Dactinomyzin, Daunorubizin, 5-Fluorourazil (5-FU), Methotrexat, Vincristin und alle Polychemotherapieprotokolle, die insbesondere bei der Therapie von Leukosen und Lymphomen eingesetzt werden. Zusätzlich sind bei chemotherapieinduziertem Erbrechen Mallory-Weiss-Läsionen möglich. Eine
⊡ Tabelle 2.3. Medikamente, die zu einer direkten Ösophagusschädigung führen können. (Mod. nach [Kikendall 1999]) Nichtsteroidale Antiphlogistika Aspirin, Ibuprofen, Indomethazin, Naproxen, Piroxicam etc.
Eisen, Kalium Eisensulfat, Kaliumchlorid
Herz-Kreislauf-Pharmaka Alprenolol, Captopril, Nifedipin, Quinidin, Verapamil
Antibiotika Clindamyzin, Penicillin Tetrazykline
Antivirale Substanzen Zalzitabin, Zidovudin
Bisphosphonate Alendronat, Etidronat, Pamidronat
Varia Ascorbinsäure, Glukokoritkoide, orale Kontrazeptiva, Naftidrofuryl, Phenytoin, 13-cis-Retinolsäure, Theophyllin
22
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Kapitel 2 · Nichtrefluxbedingte Ösophaguskrankheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
spezifische Therapie der Ösophagusmukositis gibt es nicht. Bei zusätzlicher Thrombopenie sind Blutungen möglich. Perforationen mit letalem Ausgang sind selten, aber möglich. 2.4
Schädigung des Ösophagus durch Bestrahlung
Die akute Strahlenösophagitis, z. B. bei Bestrahlung maligner Tumoren der Lunge oder des Ösophagus, ist nicht selten,aber oft blande und heilt in der Regel spontan ab. Die Beschwerden in Form von Dysphagie, Odynophagie,Thoraxschmerzen und retrosternalem Brennen sind dosisabhängig und ab einer Dosis von 30 Gy zu erwarten. Zusätzliche Chemotherapie verstärkt die Schädigung [Singh 2003]. Hierbei sind Beschwerden bereits bei einer Strahlendodid von <25 Gy möglich. Als Spätkomplikationen sind chronische Ulzerationen, Strikturen Motilitätsstörungen aber auch ösophagotracheale Fisteln möglich.
tischer Weise finden sich im gesamten Ösophagus ausgeprägte subepitheliale eosinophile Infiltrationen. Pathologie Die Pathogenese der EoÖ ist unklar. Ein Zusammenhang mit Nahrungsmittelallergenen liegt nahe, was zumindest durch die Wirksamkeit einer hypoallergenen Diät unterstrichen wird.Das fehlende Ansprechen bei einer nicht unerheblichen Anzahl der Patienten spricht allerdings für weitere/andere pathogenetische Faktoren.Eine Schlüsselrolle wird IL-5 zugeschrieben. Klinik & Diagnostik Klinisch finden sich neben typischen Refluxbeschwerden und Dysphagie oftmals Übelkeit, Erbrechen nicht selten auch Nahrungsimpektationen. Wichtig Die EoÖ sollte bei jeder therapierefraktären Refluxerkrankung als DD in Betracht gezogen werden.
Prophylaxe und Therapie Wichtig Eine effektive Prophylaxe oder Therapie gibt es nicht.
Bei ausgeprägter Dysphagie sollte die Strahlentherapie unterbrochen werden bzw. eine Reduktion der Bestrahlungsdosis diskutiert werden. Zur Aufrechterhaltung eines adäquaten Ernährungsstatus sollte die frühzeitige Anlage einer PEG erwogen werden (Kap. 53–55). Bei Auftreten von Motilitätsstörungen kann die Gabe von Prokinetika oder Kalziumantagonisten hilfreich sein. Protonenpumpenblocker und Antazida mit Lokalanästhetika werden eingesetzt. Ihre Wirksamkeit in dieser Indikation gilt als umstritten.Amifostin zeigte in unkontrollierten Studien eine prophylaktische Wirkung vor Radiatio [Kouvaris 2002]. 2.5
Eosinophile Ösophagitis
Bei der eosinophilen Ösophagitis (EoÖ) handelt sich um eine schmerzhafte meist mit Dysphagie verbundenen Entzündung der Speisröhre, die im Gegensatz zur klassischen Refluxösophagitis nur unzureichend oder nicht auf Säureblockade anspricht. Charakteris-
Als beweisend gilt der Nachweis von subepithelialen Eosinophilen (>15–20/Gesichtsfeld) im mittleren und proximalen Ösophagus bei >2 monatiger Säureblockade bzw. negativer pH-Metrie. Biopsien sollten aus dem proximalen Ösophagus entnommen werden, da sich bei der klassischen Refluxerkrankung in distalen Anteilen reaktiv oftmals ebenfalls eosinophile Infiltrationen finden lassen. Das endoskopische Bild reicht von verwaschener Gefäßzeichnung, konzentrischen Ringen bis hin zu fokalen (v. a. proximalen) oder gar langstreckigen schmalkalibrigen segmentartigen Strikturen [Fox 2002]. Als Ausdruck der allergischen Genese finden sich häufig erhöhte (>200 U/ml) Serum-IgE-Werte. Manometrisch sind tertiäre Kontraktionen, aperistalisch simultane Kontraktionen, diffuser Ösophagusspasmus,Nussknackerösophagus,aber wiederholt auch Normalbefunde beschrieben [Fox 2002]. Therapie Sommer 2003 lagen 8 meist kleinere offene prospektive Studien zur Therapie einer EoÖ vor. Basierend auf einer möglichen allergenen Genese erwiesen sich bei Kindern und Adoleszenten Formuladiäten oder/und Ausschlussdiäten als effektiv (Übersicht bei [Fox 2002]). Problematisch erwies sich insbesondere bei Kindern die mangelnde Compliance. Dagegen liegen zur Wirkamkeit von Antihistaminika bzw. Mastzell-
23 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
stabilisatoren (Cromoglycinsäure) derzeit nur Einzelfallberichte vor. Als mindestens gleichsam effizient – bei deutlich besserer Akzeptanz – gilt die Einnahme systemisch wirkender Kortikosteroide (Prednisolon 1,5 mg/kgKG/ Tag). Deutlich weniger systemischen Nebenwirkung scheinen topische (inhalative) Kortikosteroide (z. B. Fluticason 2¥4 Hübe à 220 µg/Tag) zu haben. Bei Therapieversagen besteht mit der Einnahme des seit kurzem in der Asthmatherapie eingesetzten LTD4-Rezeptorantagonisten Montelukast (3–4 Hübe à 10 mg/Tag) eine Alternative. Die Therapie mit Protonenpumpenblockern beschränkt sich auf Patienten mit nachweislichem Säurereflux. Die oftmals initial wiederholt notwendige Dilatationsbehandlung der meist langstreckig hochgradigen Speiseröhrestenosen birgt ein extrem hohes Risiko von längsfissuralen Perforationen und sollte daher nur von erfahrenem Personal durchgeführt werden.
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2
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Ösophagustumoren U. Halm, H. Witzigmann 3.1
Pathologie
– 25
3.2
Epidemiologie
3.3
Klinik
3.4
Diagnostik
3.5
Therapie
– 25
– 25 – 25 – 27
3.5.1 Chirurgische Therapie – 27 3.5.2 Neoadjuvante Therapie – 28 3.5.3 Primäre Radiotherapie und Radiochemotherapie – 28 3.5.4 Endoskopische Therapie – 29 3.5.5 Palliative Chemotherapie – 29
Literatur
>>
– 29
Die häufigsten Tumoren des Ösophagus sind Plattenepithel- und Adenokarzinome. Diese Tumoren erfordern für die optimale Therapie eine genaue Ausbreitungsdiagnostik. Entsprechend dem Tumorstadium stehen zahlreiche therapeutische Optionen zur Verfügung, die einen engen interdisziplinären Ansatz erfordern.
25 3.4 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Pathologie
3.1
Typische pathologische Veränderungen des Ösophagus sind in folgender Übersicht aufgeführt. Ösophaguspathologien Gutartige epitheliale Tumoren – – –
Leiomyom Plattenepithelpapillom Intraepitheliale Neoplasie (plattenepithelial; adenomatös) Maligne epitheliale Tumoren – Plattenepithelkarzinom – Adenokarzinom – Adenosquamöses Karzinom – Mukoepidermoides Karzinom – Adenoid zystisches Karzinom – Kleinzelliges Karzinom – Undifferenziertes Karzinom Neuroendokrine Tumoren Nichtepitheliale Tumoren – Lipom – Granularzelltumor – Gastrointestinale Stromatumoren (benigne; unsicheres malignes Potenzial; maligne) – Rhabdomyosarkom – Kaposi-Sarkom – Malignes Melanom Sekundäre Tumoren (Metastasen)
Gutartige Tumoren im Ösophagus wie das Plattenepithelpapillom und das Leiomyom sind selten. Die häufigsten Neubildungen des Ösophagus sind Plattenepithel- und Adenokarzinome. Letzteres entwickelt sich auf dem Boden einer intestinalen Metaplasie des distalen Ösophagus (Barrett-Ösophagus) im Rahmen einer gastroösophagealen Refluxkrankheit. Nichtepitheliale Tumoren, neuroendokrine Tumoren und Metastasen sind selten. Wie bei anderen gastrointestinalen Tumoren wurden zahlreiche Mutationen beschrieben. Die Tumorsuppressorgene p16- und p53, Gene für Proteine der Zellzyklusregulation wie Cyclin D1 und Wachstumsfaktoren wie der »epithelial growth factor« mutieren am häufigsten.
3.2
3
Epidemiologie
Ösophaguskarzinome sind in westlichen Ländern relativ selten, weisen jedoch eine hohe geografische Variabilität mit hohen Inzidenzen für das Plattenepithelkarzinom in Regionen Chinas und des Irans auf (bis 140/105). Weltweit ist das Plattenepithelkarzinom der häufigste Typ.Alkohol und Tabakrauchen sind die wichtigsten Risikofaktoren für das Plattenepithelkarzinom in den westlichen Ländern. In den USA, aber auch in Europa, steigt die Inzidenz des Adenokarzinoms des Ösophagus in den letzten Jahren deutlich an und übertrifft teilweise die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms. Das Adenokarzinom tritt vorwiegend in der weißen,männlichen Bevölkerung auf.Die gastroösophageale Refluxkrankheit ist der entscheidende Risikofaktor. Die Mortalität wird in Deutschland mit ca. 5/105 bei Männern und ca. 0,9/105 bei Frauen angegeben. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei ca. 55 Jahren. 3.3
Klinik
Das Leitsymptom des Ösophaguskarzinoms ist die Dysphagie. Wichtig Es kommt erst bei einer Verlegung des Lumens um ca. 2/3 zur Dysphagie, sodass es sich häufig bereits um ein fortgeschrittenes Karzinom handelt.
Frühkarzinome machen demgegenüber nur selten unspezifische Symptome. Gewichtsverlust, Kachexie, Schmerzen oder Heiserkeit sind Ausdruck eines fortgeschrittenen Tumorleidens [Becker 1998; Lagergren 1999]. 3.4
Diagnostik
Gutartige Tumoren des Ösophagus werden meist zufällig im Rahmen einer Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts diagnostiziert. An erster Stelle der Abklärung steht bei klinischem Verdacht auf ein Ösophaguskarzinom die Endoskopie. Sie erlaubt Aussagen zur Lokalisation und Ausdehnung des Tumors sowie die Biopsieentnahme zur histologischen Untersuchung. Die histopathologische Klassifikation, die T-Kategorie und die topogra-
26
I
Kapitel 3 · Ösophagustumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 3.1. TNM-Klassifikation der Ösophagustumoren TX Tis T1 T2 T3 T4 NX N0 N1 MX M0 M1 M1a M1b
Keine Aussage zur direkten Tumorausdehnung möglich Carcinoma in situ Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa Tumor infiltriert Muscularis propria Tumor infiltriert Adventitia Tumor infiltriert benachbarte Strukturen Keine Aussage zum Befall regionärer Lymphknoten möglich Keine regionären Lymphknoten befallen Regionäre Lymphknoten befallen Fernmetastasen können nicht beurteilt werden Keine Fernmetastasen Fernmetastasen nachweisbar Unteres Drittel: Metastasierung in coeliacale Lymphknoten; mittleres Drittel: Metastasierung in cervicale Lymphknoten; oberes Drittel: keine Anwendung Andere Fernmetastasierung
⊡ Tabelle 3.2. UICC-Stadieneinteilung der Ösophaguskarzinome Stadium 0 Stadium I Stadium IIA Stadium IIB Stadium III Stadium IVa Stadium IVb
Tis T1 T2–3 T1–2 T3 T4 T1–4 T1–4
N0 N0 N0 N1 N1 N0–1 N0–1 N0–1
M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1a M1b
phisch-anatomische Lage sind die relevanten Parameter für die Therapie der Ösophaguskarzinome. Mit dem endoskopischen Ultraschall kann die T-Kategorie in über 80% sicher beurteilt werden (⊡ Tabelle 3.1 und 3.2). Zudem liefert der endoskopische Ultraschall Informationen zur Umgebungsbeziehung des Tumors. Wichtig Das entscheidende Kriterium zur Beurteilung der Resektabilität ist der Bezug des Tumors zum Tracheobronchialsystem, insbesondere dem linken Hauptbronchus.
Zur Abklärung dieser Lagebeziehung ist eine hochauflösende Computertomographie des Mediastinums das Verfahren der Wahl. Ein Röntgenbreischluck unter Darstellung des gesamten Thorax ermöglicht eine indirekte Zuordnung von Primärtumor und Trachealbifurkation.Die Nachweis von Fernmetastasen und/oder
einer Fistel zum Tracheobronchialsystem stellen absolute Kontraindikationen zur Operation dar. Beim Adenokarzinom des distalen Ösophagusoder Barrett-Karzinom ist die Abgrenzung vom eigentlichen Kardiakarzinom und dem in die Kardia wachsenden subkardialen Magenkarzinom für die Therapie wichtig,da die 2 letztgenannten Tumortypen wie Magenkarzinome behandelt werden. Am sichersten ist die Diagnose des Barrett-Karzinoms, wenn endoskopisch und histologisch Areale mit intestinaler Metaplasie neben dem eigentlichen Tumor, nachgewiesen werden. Eine diagnostische Laparoskopie bringt v.a.beim fortgeschrittenen Adenokarzinom des distalen Ösophagus und weniger beim Plattenepithelkarzinom einen onkologisch diagnostischen Gewinn. Mit dieser Methode werden bei bis zu 25% der Patienten mit fortgeschrittenem distalem Adenokarzinom okkulte Lebermetastasen oder eine Peritonealkarzinose nachgewiesen [Rösch 1995; Siewert 1999; Stein 2000]. Für die Therapieentscheidung beim Ösophaguskarzinom ist weiterhin eine exakte Risikoanalyse obligat.Siewert et al.entwickelten ein Scoresystem mit den Parametern: Allgemeinzustand, Kardial-, Leber- und Lungenfunktion (⊡ Tabelle 3.3). Patienten mit einem Gesamtscore bis zu 21 Punkten können mit einem vertretbaren Risiko ösophagektomiert werden. Eine manifeste Leberzirrhose stellt eine absolute Kontraindikation für eine Ösophagektomie dar.
3
27 3.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 3.3. Score zur Einschätzung der Operabilität Parameter
Präoperative Einschätzunga (Scorepunkte)
Wichtungsfaktor
Minimum Scorepunkte
Maximum Scorepunkte
Allgemeinzustand Kardiale Funktion Leberfunktion Lungenfunktion Gesamtscore (Summe)
1–2–3 1–2–3 1–2–3 1–2–3
4 3 2 2
4 3 2 2 11
2 9 6 6 23
a
3.5
Präoperative Einschätzung nach Siewert: 1 = normal, 2 = leichte Einschränkung, 3 = schwere Einschränkung.
Therapie
3.5.1 Chirurgische Therapie Plattenepithelkarzinom Die primäre Ösophagektomie wird dann durchgeführt, wenn der Tumor R0 resezierbar ist, d. h. T1 oder T2 im Bereich oder kranial der Trachealbifurkation und T3 unterhalb der Trachealbifurkation, und der Patient keinen hohen Risikoindex hat. Standard ist die subtotale Ösophagektomie mit einer Zwei-Feld-Lymphadenektomie und Rekonstruktion von rechtsthorakal und abdominal. Die ZweiFeld-Lymphknotendissektion beinhaltet das abdominelle suprapankreatische Lymphabflusskompartment um den Truncus coeliacus, die periösophagealen Lymphknoten oberhalb des Zwerchfells und entlang der V.cava inferior bis zum Eintritt in das Perikard,die Lymphknoten im Bereich der Trachealbifurkation und die Lymphknoten entlang des linken N.recurrens und paratracheal. Eine sog. Drei-Feld-Lymphadenektomie, welche die bilaterale zervikale Lymphknotendissektion einschließt und in Japan propagiert wird,erhöht deutlich die Morbidität des Eingriffs,ohne dass ihre Effektivität bezüglich einer Prognoseverbesserung gesichert ist. Wichtig Auch bei Plattenepithelkarzinomen im Frühstadium ist wegen der frühen Lymphknotenmetastasierung eine klassische En-bloc-Ösophagektomie mit mediastinaler und abdomineller Lymphadenektomie notwendig.
Obwohl die transhiatale Ösophagektomie im Vergleich zum rechtsseitigen transthorakalen Zugang
keine signifikanten Unterschiede bezüglich Morbidität und Mortalität zeigt, sollte das transthorakale Vorgehen wegen der besseren Übersicht bei der systematischen mediastinalen Lymphadenektomie bevorzugt werden. Die Rekonstruktion erfolgt in der Regel durch einen Magenschlauch oder – falls dies technisch nicht möglich ist – durch ein Dickdarminterponat [Chu 1997; Sahm 2003; Siewert 1999; Siewert 2001]. Zervikales Plattenepithelkarzinom des Ösophagus Eine primäre Resektion ist nur bei T1-Karzinomen indiziert. Bei allen anderen Tumoren erfolgt eine neoadjuvante Radiochemotherapie und anschließend eine Second-line-Operation, falls lokale Resektabilität vorliegt. Die Rekonstruktion der Speisepassage wird mit einem freien Dünndarminterponat durchgeführt. Adenokarzinom des distalen Ösophagus Eine limitierte Resektion kann bei T1-Tumoren sowie fakultativ bei einem Barrett-Ösophagus mit hochgradigen intraepithelialen Neoplasien durchgeführt werden. Die Indikation zur radikalen Resektion besteht bei T2- bis T3-Tumoren. Wichtig Das Verfahren der Wahl ist die Resektion von Ösophagus und proximalem Magen mit mediastinaler und abdomineller Lymphknotendissektion.
Die Resektion ist sowohl transmediastinal als auch kombiniert abdomino-rechtsthorakal möglich. Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand sollte wegen der besseren Übersicht zur Lymphknotendissektion das abdomino-rechtsthorakale Vorgehen gewählt werden. Beim auf die Mukosa beschränkten T1-Karzinom und
28
I
Kapitel 3 · Ösophagustumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
fakultativ beim Barrett-Ösophagus mit hochgradigen Dysplasien kann eine limitierte Chirurgie gewählt werden,da Lymphknotenmetastasen in diesem frühen Tumorstadium extrem selten sind. Dieses limitierte Vorgehen beinhaltet die abdominelle lokoregionale Resektion des distalen Ösophagus und des proximalen Magens. Wegen dem potenziellen Entartungsrisiko ist die komplette Entfernung des Barrett-Ösophagus obligat. Die Rekonstruktion durch Interposition eines gestielten Dünndarmsegmentes (sog. Merendino-Operation) führt zu einer guten Schluckfunktion mit entsprechend sehr guter postoperativer Lebensqualität [Stein 2001]. Ergebnisse Durch sorgfältige Patientenselektion, Standardisierung der Operationstechnik und Fortschritten im postoperativen Management liegt die Operationsmortalität an erfahrenen Zentren unter 5%. Die Gesamtprognose aller Patienten mit Ösophaguskarzinom hat sich jedoch in den letzten Jahren trotz radikaler Operationstechnik und Fortschritten in der Intensivtherapie nicht entscheidend verbessert. Der dominierende prognostische Faktor für das Langzeitüberlegen ist der Residualtumorstatus. In der Subgruppe der Patienten mit R0-Resektion stellen in der multivariaten Analyse die N-Kategorie und die T-Kategorie die wesentlichen prognostischen Faktoren beim Platten- und Adenokarzinom des Ösophagus dar. Auch bei Patienten mit wenigen befallenen, lokoregionären Lymphknoten ist ein Langzeitüberleben möglich, wenn eine genügend große Anzahl von Lymphknoten entfernt wird. Die 5-Jahres-Überlebensrate nach R0-Resektion eines Plattenepithelkarzinoms liegt bei 35% [Becker 1998; Hölscher 1995]. 3.5.2 Neoadjuvante Therapie Patienten mit primär inoperablen, lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinomen können von einer neoadjuvanten Therapie profitieren. Dies trifft v. a. auf Tumoren mit Bezug zum Tracheobronchialsystem zu. Nur Patienten, die auf die präoperative Therapie ansprechen, haben im Vergleich zu anderen Therapieverfahren eine bessere Prognose. Eine komplette Resektion wird bei 2/3 der Patienten nach neoadjuvanter Radiochemotherapie erreicht. Nach 3 Jahren leben noch 20–40% der Patienten. Patienten, bei denen eine komplette pathohistologische Remission durch die neoadjuvante Therapie erzielt wurde,haben eine deutlich bessere Prognose. Bisher durchgeführte Studien
setzten meistens 5-FU- und Cisplatin-haltige Schemata und eine Bestrahlungsdosis von 30–45 Gy ein [Cooper 1999; Gaspar 2000; Stein 1997]. Chirurgische Strategie nach neoadjuvanter Radiochemotherapie Da Patienten nach neoadjuvanter Radiochemotherapie eine höhere Morbidität und Letalität aufweisen, wird ein zweizeitiges chirurgisches Vorgehen empfohlen. Dabei erfolgt 3–4 Wochen nach Radiochemotherapie die rechtsthorakale Ösophagektomie und frühestens eine Woche später die Laparotomie mit abdomineller Lymphadenektomie und retrosternalem Magenhochzug. Mit dieser Strategie konnte die postoperative Letalität auf unter 4% gesenkt werden [Siewert 2001]. Neoadjuvante Chemotherapie Die neoadjuvante, alleinige Chemotherapie hat aufgrund der niedrigen Ansprechraten außerhalb von Studien keinen Stellenwert. 3.5.3 Primäre Radiotherapie
und Radiochemotherapie Indikationen für die Radiochemotherapie außerhalb des neoadjuvanten Ansatzes sind hochsitzende,zervikale Tumoren sowie die medizinische Inoperabilität. Die Radiochemotherapie mit 50 Gy und einer Kombination von Cisplatin und 5-FU resultiert in einer signifikant besseren Prognose als die alleinige Radiotherapie mit 64 Gy (medianes Überleben ca. 14 vs. 9 Monate,5-Jahres-Überlebensrate 27 vs.0%).Sie ist jedoch mit einer deutlich höheren Toxizität belastet und erfordert eine intensive supportive Therapie [Cooper 1999]. Die zusätzliche Brachytherapie scheint mit einer erhöhten Rate an Fistelbildungen verbunden zu sein. Die alleinige Radiotherapie wird bei Lokalrezidiven sowie unter palliativem Ansatz bei Patienten angewandt,denen eine Radiochemotherapie nicht zugemutet werden kann. Wichtig Die postoperative, adjuvante Strahlentherapie führt zu einer besseren Kontrolle des Lokalrezidivs, jedoch nicht zur Verbesserung der Prognose. Die adjuvante Radiotherapie kann daher nicht allgemein empfohlen werden.
29 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
3.5.4 Endoskopische Therapie Kurative endoskopische Therapie Auf die Mukosa beschränkte Karzinome mit einem Grading von G1–2, einer Ausdehnung von maximal 2 cm und einer makroskopisch polypoiden (Typ I) bzw. flach erhabenen (Typ IIa) oder ebenen (Typ IIb) Wachstumsform können mit hinreichender Sicherheit endoskopisch entfernt werden. Flach eingesunkene Formen (Typ IIc) sollten 10 mm nicht überschreiten. Weitere Voraussetzungen für die endoskopische Mukosaresektion sind außer diesem niedrigen RisikoIndex eine ausreichende Erfahrung des Untersuchers und die regelmäßigen Nachkontrollen. Langzeitdaten zu dieser Therapieform gibt es bisher nicht. Sinnvoll ist sie v. a. für medizinisch inoperable Patienten mit einem Frühkarzinom. Gegenüber der lokalen Destruktion durch thermische Verfahren bietet die endoskopische Mukosaresektion den Vorteil der histologischen Aufarbeitung [Ell 2000]. Palliative endoskopische Therapie Zahlreiche Patienten haben zum Zeitpunkt der Diagnose eine inkurable Erkrankung und sind in einem schlechten Ernährungszustand. Für diese Patienten ist eine der wesentlichen palliativen Maßnahmen die Beseitigung der Dysphagie. Mehrere endoskopische Methoden stehen zur Verfügung. Die Implantation von selbstexpandierenden Metallstents kommen dem Ziel, mit möglichst geringem Aufwand und geringer Nebenwirkungsrate die Dysphagie zu beseitigen, am nächsten. Andere Methoden wie Bougierung, photodynamische Therapie,Lasertherapie,Elektrokoagulation,Brachytherapie und Injektionsverfahren konnten sich nicht durchsetzen. In der Regel werden heute Stentmodelle mit einem Kunststoffüberzug benutzt, um ein Einwachsen des Tumors zu verhindern. Diese Stents ermöglichen auch den Verschluss einer ösophagobronchialen Fistel. Kontraindiziert ist die Stentimplantation bei hochsitzenden, pharynxnahen Tumoren [Lambert 2000]. 3.5.5 Palliative Chemotherapie Bei Patienten mit metastasierten Tumoren in ausreichend gutem Allgemeinzustand kann eine systemische Chemotherapie versucht werden. In den meisten Studien wurde eine Kombination von 5-FU und Cisplatin eingesetzt. Diese Kombination konnte bisher jedoch nicht einen Überlebensvorteil gegenüber Cisplatin als Monotherapie belegen. Neuere Zytostatika
3
⊡ Tabelle 3.4. Chemotherapie des Ösophaguskarzinoms Monotherapie Cisplatin 50 mg/m2 über 2 h; Tag 1, 8; Wiederholung Tag 29 Vindesin 3 mg/m2 als Bolus; Tag 1, 8, 15; anschließend alle 2 Wochen Vinorelbin 25 mg/m2 über 20 min; wöchentlich Paclitaxel 250 mg/m2 über 24 h; alle 3 Wochen Kombinationstherapie Cisplatin und 5-FU Cisplatin 1000 mg/m2 KOF über 2 h; Tag 1 5-FU 1000 mg/m2 über 24 h; Tag 1–5 Wiederholung Tage 22–29 Cisplatin und Paclitaxel Paclitaxel 180 mg/m2 über 3 h; Tag 1, gefolgt von Cisplatin 60 mg/m2 über 3 h; Tag 1 Wiederholung Tag 15
wie Paclitaxel und Irinotecan zeigten in Kombination mit anderen Medikamenten Ansprechraten teilweise über 40% [Ajani 1995; Bezwoda 1984; Conroy 1996; Polee 2002]. Die Toxizität dieser Kombinationen ist jedoch erheblich, ein tatsächlicher Überlebensvorteil bisher nicht belegt. Patienten in ausreichend gutem Allgemeinzustand (Karnofsky-Index >70) sollten daher möglichst im Rahmen von Studien behandelt werden (⊡ Tabelle 3.4).
Literatur Ajani JA, Ilson DH, Daugherty K, Kelsen DP (1995) Paclitaxel in the treatment of carcinoma of the esophagus. Semin Oncol 22: 35–40 Becker N, Wahrendorf J (1998) Krebsatlas der Bundesrepublik Deutschland http://www.dkfz.de Bezwoda WR, Derman DP, Weaving A et al. (1984) Treatment of esophageal cancer with vindesine: an open trial. Cancer Treat Rep 68: 783–785 Chu KM, Law SY, Fok M, Wong J (1997) A prospective randomized comparison of transhiatal and transthoracic resection for lower-third esophageal carcinoma. Am J Surg 174: 320–324 Conroy T, Etienne PL, Adenis A et al. (1996) Phase II trial of vinorelbine in metastatic squamous cell esophageal carcinoma. European Organization for Research and Treatment of Cancer Gastrointestinal Treat Cancer Cooperative Group. J Clin Oncol 14: 164–170
30
I
Kapitel 3 · Ösophagustumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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4 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Fremdkörper und chemische Verletzungen N. Hoepffner 4.1
Fremdkörper
4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5
Epidemiologie – 32 Symptomatik – 32 Diagnostik – 32 Komplikationen – 32 Therapie – 33
4.2
Chemische Verletzungen
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5
Chemische Grundlagen Symptomatik – 34 Diagnostik – 35 Komplikationen – 36 Therapie – 36
Literatur
4.1
– 31
– 34
– 34
– 37
Fremdkörper
>>
Gastrointestinale Fremdkörper sind versehentlich oder absichtlich verschluckte, selten transnasal eingeführte nahrungsfremde Gegenstände (Münzen, Spielzeug, Nägel, Zahnprothesenteile etc.), Bestandteile der Nahrung (Knochen, Gräten etc.), Komplikationen einer Therapie (nichtresorbierbares Nahtmaterial, abgerissene Sonden, dislozierte Endoprothesen etc.) oder transmural in den Magen-Darm-Trakt penetrierende Fremdkörper (Geschosse, Drainagen, Aortenprothesen, Trachealkanülenhalteplatten etc.). Etwa 80% aller verschluckter Fremdkörper gelangen in die Speiseröhre, lediglich 20% in die Atemwege. Die Mehrzahl der verschluckten Fremdkörper passiert den Gastrointestinaltrakt spontan und symptomlos (80–90%). Nur etwa 10% der verschluckten Fremdkörper müssen endoskopisch, und ca. 1% chirurgisch entfernt werden. Prädilektionsstellen für das Steckenbleiben ingestierter Fremdkörper im oberen Gastrointestinaltrakt sind die anatomischen und funktionellen Engstellen im Bereich des oberen Ösophagussphinkters, des proximalen Ösophagus (Überkreuzung des Aortenbogens), des unteren Ösophagussphinkters und des Pylorus. Am häufigsten erfolgt das Steckenbleiben vor dem oberen Ösophagussphinkter und im proximalen Ösophagus. Bei spontaner Passage des Ösophagus ist ein Liegenbleiben im oberen Gastrointestinaltrakt selten.
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Kapitel 4 · Fremdkörper und chemische Verletzungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
4.1.1 Epidemiologie Über 80% der Fremdkörper werden von Kindern akzidentiell verschluckt [Erbes 1965]. Besondere Risikogruppen unter den Erwachsenen stellen Träger von Zahnprothesen, gefährdete Berufsgruppen (Schuster, Schneider,Tischler etc.),Patienten mit neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen, Drogen- oder Alkoholabhängige sowie Strafgefangene dar [Webb 1988], wenngleich die Zahl letzterer aufgrund der routinemäßig ambulant durchführbaren, endoskopischen Extraktion und der damit entfallenden Möglichkeit eines Krankenhausaufenthaltes oder hafterleichternden Operation rückläufig ist [Frühmorgen 1998]. 4.1.2 Symptomatik Das Verschlucken von Fremdkörpern und deren Passage durch den Gastrointestinaltrakt erfolgt in den meisten Fällen klinisch inapparent (80–90%). Unbeabsichtigtes Verschlucken wird ansonsten durch akut einsetzende Hals-, bzw. retrosternale oder abdominelle Schmerzen, anhaltenden Würgereiz, Dysphagie, Odynophagie bzw. am plötzlich fehlenden Gegenstand bemerkt [Chaikhouni 1985; Crysdale 1991]. Hypersalivation und Aphagie sind Ausdruck einer kompletten Obstruktion des Ösophagus. Aber auch vital bedrohliche Komplikationen wie Asphyxie durch Bolusverschluss der supraglottischen Luftwege oder Hämatemesis durch Penetration oder Perforation der mediastialen Gefäßstrukturen sind möglich. 4.1.3 Diagnostik Bei jedem Verdacht auf Fremdkörperingestion oder Folgekomplikationen ist eine Klinikeinweisung erforderlich. Art und Größe des Fremdkörpers sowie der Zeitpunkt des Verschluckens können oft mittels Anamnese eruiert werden. Die körperliche Untersuchung ist meist wenig ergiebig, sorgfältig sollte nach Zeichen eines komplizierten Verlaufes wie z.B.Stridor, Hautemphysem oder Temperaturerhöhung gesucht werden, da dies das weitere Vorgehen erheblich beeinflussen kann. Die erste diagnostische Maßnahme bei Verdacht auf Fremdkörperingestion sollte nach der Inspektion der Mundhöhle die Durchführung einer Röntgenübersichtsaufnahme des Halses, Thorax und Abdo-
mens – jeweils in 2 Ebenen – sein. Eine zusätzliche Röntgenkontrastdarstellung mit wasserlöslichen Kontrastmitteln kann bei nichtröntgendichten Fremdkörpern weiterführen.Auf den Röntgenaufnahmen sollte außer nach Fremdkörpern zusätzlich nach subkutanen, prävertebralen oder intraperitonealen Lufteinschlüssen als Hinweis auf eine Perforation gesucht werden. Die flexible Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts ermöglicht neben dem Fremdkörpernachweis auch den Nachweis oder Ausschluss einer bereits vorliegenden Wandschädigung und oftmals in gleicher Sitzung die Fremdkörperentfernung. Bei meso- und hypopharyngealen Fremdkörpern kommen Laryngoskop und Lupenlaryngoskop zum Einsatz [Manegold 1992; Winkler 2000; Yoshida 1995]. 4.1.4 Komplikationen Die bedrohlichste Komplikation nach Fremdkörperingestion ist die akute Obstruktion oder Kompression der Atemwege. Des Weiteren kann sich durch einen verschluckten Fremdkörper eine Drucknekrose, Perforation, Fistel (ösophageotracheal oder ösophagobronchial), Blutungen aus einem Druckulkus oder arrodierten Gefäß, eine Mediastinitis oder Peritonitis entwickeln. Gewinnt der Fremdkörper Anschluss an Hohlsysteme oder interfasziale Gleitschichten, ist eine Fremdkörperverschleppung über weite Strecken möglich [Brady 1991; Yoshida 1995]. Nach Verschlucken von Batterien besteht neben der Möglichkeit von Niederstromverbrennungen durch einen Kurzschluss auch Gefahr durch Austritt toxischer Substanzen (z.B. Quecksilber),wodurch es zu lokalen Verätzungen und resorptiven Vergiftungen kommen kann [Frey 1989; Litovitz 1992; Samad 1999]. Ein besonderes Problem stellen die zwecks illegalem Transport (sog. »body packing«) geschluckten, mit Drogen gefüllten Behälter (bevorzugt Kondome) dar, die meist mit mehreren Gramm Heroin oder Kokain gefüllt werden [Lancashire 1988]. Bereits die Aufnahme von 1–2 g Heroin oder Kokain infolge einer Ruptur eines solchen Behältnisses kann letale Folgen haben. Die endoskopische Manipulation an den Päckchen ist daher absolut obsolet, insbesondere sollte ein Versuch des Greifens mit Fasszange oder ähnlichem unterbleiben.
33 4.1 · Fremdkörper SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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4.1.5 Therapie Bei der Entscheidung über die Entfernung von Corpora aliena müssen Risiko und Nutzen abgewogen werden. Wesentliche Argumente für die Extraktion und die Dringlichkeit des Eingriffs sind die potenzielle Gefährdung des Patienten durch den Fremdkörper, d. h. die Indikationsstellung erfolgt in Abhängigkeit von Material, Größe, Form, Inhaltstoff und Lage des Fremdkörpers, Vorliegen einer Obstruktion und Dauer seit Fremdkörperingestion. Bei Lage des Fremdkörpers im Rachen oder Bereich des oberen Ösophagussphinkters ist aufgrund der Asphyxiegefahr eine vitale Indikation zur notfallmäßigen Bergung gegeben. Der Esmarch-Handgriff (Freihalten der Atemwege durch Überstrecken des Kopfes nach hinten und das Heimlich-Manöver (ruckartige Druckerhöhung im Tracheobronchialsystem infolge mehrerer kräftiger epigastrischer Druckstöße in Richtung Zwerchfell) können als Erste-Hilfe-Maßnahmen lebensrettend sein. Nach laryngoskopischer Einstellung können die Gegenstände mit der Splitterpinzette oder der Magill-Zange gefasst und entfernt werden. Endoskopie Die primäre Methode zur Entfernung ösophagealer Fremdkörper ist die flexible Endoskopie, die starre Endoskopie kommt höchstens bei großen, verkeilten Gegenständen im Ösophagus zum Einsatz und ist der flexiblen Endoskopie in Effektivität und Sicherheit nicht überlegen [Webb 1988]. Eine ausreichende Sedierung des Patienten und großzügige Indikationsstellung zur prophylaktischen Intubation sollten beachtet werden, um die Extraktion durch Abwehrbewegungen des Patienten nicht zur gefährden und die Aspirationsgefahr zu minimieren. Inkarzerierte Fremdkörper des Ösophagus sind endoskopisch leicht aufzufinden. Das Prinzip der endoskopischen Fremdkörperentfernung von nichtpassagefähigen Fremdkörpern besteht in der Extraktion bzw. Mobilisation über physiologische Engen hinweg. Das blinde Vorschieben von Fremdkörpern nach distal birgt die Gefahr einer Perforation und sollte nur unter großer Vorsicht, ggf. unter radiologischer Durchleuchtungskontrolle erfolgen. Das Vorschieben eines im Bereich der Kardia fest eingeklemmten Fremdkörpers in den Magen ist gefährlich und sollte daher strickt unterlassen werden [Manegold 1992; Yoshida 1995]. Hingegen ist die »push«-Technik mit dem Endoskop bei akuter Nahrungsbolusobstruktion des Ösophagus unter kontrollierten Bedingungen er-
⊡ Abb. 4.1. Durch den Arbeitskanal des Endoskops einführbare Hilfsinstrumente zum Fassen, Bergen und Zerkleinern von Fremdkörpern
folgreich und ohne Komplikationen möglich [Vicari 2001; Webb 1988; Weinstock 1999], zumal bei weicher Konsistenz die Extraktion manchmal unmöglich ist. In diesen Fällen ist oft auch eine mechanische Zerkleinerung und Beförderung in den Magen hilfreich. Zur Fremdkörperextraktion steht ein vielfältiges Instrumentarium an Fasszangen, Schlingen und Körbchen zur Verfügung, das je nach Art und Lokalisation des Fremdkörpers sowie Erfahrung des Untersuchers zum Einsatz kommt (⊡ Abb. 4.1). Endoskopisch können fast alle verschluckten Gegenstände extrahiert werden, es gilt die Regel, dass jeder peroral aufgenommene Fremdkörper, eine erhebliche Formveränderung oder Wandperforation ausgeschlossen, auch wieder peroral extrahiert werden kann [Bending 1986; Frühmoren 1998]. Scharfe oder spitze Gegenstände wie Rasierklingen, Nägel oder Nadeln können unter Verwendung eines Overtubes oder Kunstofftrichters erleichtert geborgen werden, da nach Fassen des gefährlichen Gegenstandes dieser in den über das Endoskop gestülpten Overtube oder Trichter gezogen und durch Rückzug des Endoskops geborgen werden kann, ohne die Ösophagusmukosa zu verletzen. Generell sollten alle gefassten Fremdkörper während des Extraktionsmanövers an die Endoskopspitze herangezogen werden, da das Endoskop als Leitschiene den Fremdkörper achsengerecht hält und ein Verhaken an pathologischen oder physiologischen Engen verhindert. Eine spezielle Nachsorge – stationäre Überwachung, endoskopische Kontrolle im Intervall – ist, soweit der Fremdkörper keine Schleimhautschäden verursacht hat, nach dessen Extraktion nicht erforderlich. Allerdings ist hier zum Ausschluss eine sorgfältige endoskopische Untersuchung, ggf. durch erneutes Einführen des Endoskops nötig. Liegen hinge-
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Kapitel 4 · Fremdkörper und chemische Verletzungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
gen Schleimhautdefekte vor, so können je nach Lage und Tiefe Säureblocker, z. T. auch vorübergehende parenterale Ernährung und eine stationäre Nachbeobachtung erforderlich sein. Fazit Peroral ingestierte Fremdkörper können – Formveränderung oder Wandperforation ausgeschlossen – in
4.2
über 90% der Fälle endoskopisch extrahiert werden. Ein chirurgisches Vorgehen ist selten geworden. Für die endoskopische Extraktion steht multiples verschiedenes endoskopisches Zubehör zur Verfügung. Da bis zu 85% der Fremdkörper spontan abgehen können, ist jedoch generell ein differenziertes und dem Einzelfall angepasstes Vorgehen angezeigt.
Chemische Verletzungen
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Chemische Läsionen des Ösophagus werden v. a. durch konzentrierte Säuren und Laugen verursacht. Die Ingestion ätzender Mittel erfolgt am häufigsten akzidentiell, wobei überwiegend Kleinkinder durch Einnahme von unzureichend aufbewahrten Haushaltsreinigungsmitteln betroffen sind. Die Anzahl der möglichen ätzenden Substanzen ist groß und reicht von Natronlauge (in vielen Haushaltsreiniger) bis Ammoniak und organische Säuren wie Schwefel- oder Salzsäure (in Ablaufreiniger). Die Häufigkeit von Verätzungen wird in der westlichen Welt auf ca. 500 Fälle pro 100.000 Einwohner und Jahr geschätzt, 80% der Patienten sind jünger als 10 Jahre. In seltenen Fällen nehmen Erwachsene Säuren oder Laugen in suizidaler Absicht ein, mit oft klinisch dramatischem Verlauf und ungünstiger Prognose, da konzentrierte Noxen in großer Menge eingenommen werden.
4.2.1 Chemische Grundlagen Grundsätzlich bestehen zwischen Säure- und Laugenverätzungen Unterschiede hinsichtlich Lokalisation und Schädigungsart. Bei Säureeinwirkung entwickeln sich durch Ausfällung von Proteinen trockene, verschorfende Koagulationsnekrosen, die zunächst einen gewissen Schutz gegen eine weitere Penetration der chemischen Substanz darstellen. Bei Laugeningestion entstehen hingegen glasig-sulzige Kolliquationsnekrosen, die durch Verflüssigung des Gewebes ein weiteres Eindringen der Noxe ermöglichen. Laugenverätzungen verursachen daher im Ösophagus meist schwerwiegendere Läsionen als Säureverätzungen, zumal die Ösophagusschleimhaut relativ resistent gegenüber Säureinstillation ist (⊡ Abb. 4.2). Das Ausmaß der Läsion wird durch die korrosive Potenz der Noxe, deren Konzentration, Menge und Einwirkdauer bestimmt. Kristalline oder hochkonzentrierte Ätzstoffe reizen die Mundschleimhaut, sodass bei akzidentieller Aufnahme das Agens häufig sofort wieder ausgespuckt wird und nur Verätzungen der oropharyngealen Schleimhaut verursacht werden.
Flüssige und verdünnte Ätzmittel werden in der Regel verschluckt und schädigen Ösophagus und meist auch den Magen. Durch spezielle galenische Aufbereitung als Kapseln oder Tabletten können auch zahlreiche Medikamente (wie z. B. NSAID, Kaliumchlorid, Antibiotika) lokale Schleimhautläsionen verursachen,insbesondere wenn sie mit wenig Flüssigkeit eingenommen werden, oder bei Stenosen oder Motilitätsstörungen des Ösophagus an den physiologischen oder pathologischen Engstellen über längere Zeit liegen bleiben [Kikendall 1983]. 4.2.2 Symptomatik Die klinische Symptomatik variiert stark und lässt nur bedingt Rückschlüsse auf das Ausmaß der Schädigung zu. Häufigste Symptome sind Schmerzen im Mund und Rachenraum, retrosternale und abdominelle Schmerzen, Dysphagie, Odynophagie, gesteigerte Salivation und Übelkeit. Stridor,Heiserkeit und Dyspnoe können Hinweise für die Entwicklung eines toxischen Glottisödem sein [Einhorn 1989].Hämatemesis,
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4.2.3 Diagnostik
a
b ⊡ Abb. 4.2a, b. Aspekt einer Laugenverätzung im Ösophagus
Durch die Anamnese sollten Hinweise auf die Art der Noxe, die eingenommene Menge und den Einnahmezeitpunkt gewonnen werden.Bei den in suizidaler Absicht durchgeführten Verätzungen sind diese Angaben meist nicht zuverlässig.Hier muss gleichzeitig mit den ersten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen eine Asservierung und toxikologische Analyse der vermuteten Noxe erfolgen. Asserviertes Material kann mit einem pH-Indikatorpapier orientierend beurteilt werden. Die Beurteilung von Lokalisation, Ausmaß und Tiefe der Organwandschädigung ist die wesentlichste Frage bei der Initialdiagnostik der Verätzung. Klinische und radiologische Diagnostik erlauben keine exakten Aussagen über Schweregrad oropharyngealer, ösophagealer und gastroduodenaler Läsionen. Lediglich bei anamnestisch oder klinischem Verdacht auf schwerste Verätzungsformen sollte eine radiologische Frühuntersuchung erfolgen, um bei bereits nachweisbarer Perforation keine Zeit mit weiteren diagnostischen Maßnahmen zu verlieren. Ansonsten sollte baldmöglichst nach Ingestion eine Ösophagogastroduodenoskopie durch einen möglichst erfahrenen Untersucher erfolgen. Hierbei wird generell zwischen Ödem (Stadium I), Ulzeration (Stadium II) und Nekrosen (Stadium III) unterschieden. Besondere Bedeutung kommt der endoskopischen Differenzierung zwischen tiefen oder zirkumferenten Ulzerationen (Stadium IIb, IIIa) bzw. ausgedehnter Nekroseareale (Stadium IIIb) zu, da bei Vorliegen dieser Läsionen mit der Entwicklung von Strikturen bzw.einer hohen Komplikations- und Mortalitätsrate gerechnet werden muss (⊡ Tabelle 4.1).Im besten Fall gelingt eine endoskopische Unterscheidung zwischen »schweren« und »schwersten« Verätzungsformen,wobei sich bei letzteren die exakte Tiefe der Verätzung nur durch direkte intraoperative Inspektion sicher beurteilen lässt. Wichtig
Schock und Zeichen einer Mediastinitis oder Peritonitis sind Symptome für einen komplizierten Verlauf der Verätzung. In 3–5% aller ingestiven Verätzungen findet sich eine Ösophagusperforation mit einer Letalität von 50–70% [Stein 2002].
Bei schwerster Verätzung liegt eine vollständige Nekrotisierung der Schleimhaut vor, tiefere Organwandschichten lassen sich nicht mehr beurteilen und auch unter (vorsichtiger) Manipulation mit der Biopsiezange kommt es zu keinen Blutungen mehr. Das exakte Ausmaß der Verätzung ist nur intraoperativ sicher zu beurteilen.
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Kapitel 4 · Fremdkörper und chemische Verletzungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 4.1. Endoskopische Klassifizierung des Schweregrades von Ösophagusverätzungen. (Mod. nach [Zagar 1991]) Schweregrad
Endoskopischer Befund
0 I IIa IIb IIIa IIIb
Unauffällige Schleimhaut Lokales Ödem und Hyperämie der Mukosa Oberflächliche Ulzerationen, Erosionen, erhöhte Vulnerabilität, Blasenbildung, Hämorrhagien Tiefe lokalisierte oder zirkumferente Ulzera Zusätzlich zu IIb kleine, verstreute Nekroseareale Ausgedehnte, flächige Nekrosezonen
4.2.4 Komplikationen Frühkomplikationen, die sich innerhalb weniger Tage nach Noxeningestion entwickeln, sind Ursache der Letalität nach Einnahme von Ätzmitteln. Neben der möglichen Entwicklung lokaler Probleme wie Perforationen mit nachfolgender Mediastinitis, Peritonitis oder Ausbildung ösophagotrachealer Fisteln, Blutungen, Infektionen, toxischem Glottisödem und Aspiration sind auch mögliche systemische Komplikationen wie Gerinnungsstörung,Hämolyse,metabolische Störungen, Sepsis, respiratorische Insuffizienz bis zum ARDS, Nierenversagen oder Schock zu berücksichtigen [Bielecki 1994]. Spätkomplikationen entwickeln sich in ca.80% der Fälle bereits innerhalb der ersten 8 Wochen und manifestieren sich in Form einer progredienten Dysphagie infolge narbiger Ösophagusstrikturen.Bei Verätzungen Grad IIb kommt es bei etwa 70% zu einer Strikturbildung, bei drittgradigen Verätzungen steigt das Risiko bis auf nahezu 100% [Zagar 1991]. Nach einer Latenz von bis zu 60 Jahren treten nach Ösophagusverätzungen gehäuft Ösophaguskarzinome auf, ausgedehnete Laugenverätzungen steigern das Karzinomrisiko etwa um den Faktor 1000 [Csikos 1985; Isolauri 1989]. 4.2.5 Therapie Akuttherapie Je nach Ausmaß der Vitalgefährdung besteht die Akuttherapie in primärer Stabilisierung des Patienten durch Volumentherapie, ggf. frühzeitiger Intubation und maschineller Beatmung sowie Ausgleich von metabolischer Azidose und Gerinnungsstörungen. ! Cave Kontraindiziert sind Magenspülung, Gabe von Emetika oder der Versuch einer Neutralisation.
Bei der Magenspülung besteht durch die intraluminale Druckerhöhung die Gefahr einer frühzeitigen Perforation vorgeschädigter Organwände,durch Emetika induziertes Erbrechen führt aufgrund der Zweitpassage der schädigenden Noxe zur zusätzlichen Schädigung des Ösophagus. Der Versuch der chemischen Antagonisierung durch Spülung mit Laugen bei Säure-, bzw. mit Säuren bei Laugenverätzungen verbietet sich wegen der möglichen Dampfentwicklung und zusätzlich entstehender thermischer Schädigung durch Neutralisationswärme [Andreoni 1997; Bartels 1990]. Die Akutfolgen der leichten und endoskopisch gesicherten »schweren« Verätzung ohne weitere posttraumatische Komplikationen klingen innerhalb von 8–14 Tagen ab. Die Therapie ist rein konservativ und besteht in der Entlastung des Gastrointestinaltrakts, parenteraler Ernährung, Säureblockade, endoskopischer Kontrolluntersuchungen und ggf. frühzeitige Aufnahme der Bougierungsbehandlung [Kikendall 1991]. Die erstgradige Verätzung heilt innerhalb von 8–14 Tagen folgenlos aus, es ist keine spezifische Folgetherapie notwenig. Die zweitgradige Verätzung mit posttraumatisch komplikationslosem Verlauf bedarf einer spezifischen Folgetherapie zur Verhinderung bzw. Behandlung von Stenosen und Strikturen. Eine absolute Operationsindikation besteht beim Nachweis einer Perforation oder einer »schwersten« Verätzung. Patienten mit ausgedehnten Schleimhautnekrosen (Grad IIIb) weisen eine hohe Frühkomplikations- und Mortalitätsrate auf. Durch eine frühzeitige chirurgische Sanierung lässt sich sowohl Komplikationsrate als auch Mortalität deutlich senken. Hierbei erfolgt nach der praktisch immer notwendigen Resektion und dem Überstehen der Akutphase im Intervall die zweizeitige Rekonstruktion der Nahrungspassage. Antibiotika verkürzen durch Beherrschen des Infektes die Nekrosephase, schützen und beschleunigen
37 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
die regenerativen und reparativen Vorgänge und sind in der Prophylaxe und Therapie einer Durchwanderungsmediastinitis von zentraler Bedeutung. Strikturprophylaxe Narbige Strikturen entwickeln sich ohne Therapie bei Verätzungen Grad IIb in bis zu 70% und bei Grad III in 90–100% der Fälle. Der frühzeitige Beginn einer Bougierungsbehandlung stellt daher die wesentlichste und effektivste Maßnahme zur Verhinderung narbiger Stenosen des Ösophagus dar [Bartels 1990; Kikendall 1991]. Wichtig Der Beginn der Frühbougierung liegt zwischen dem 6. und 12. Tag nach Verätzung und sollte konsequent in 2- bis 4-tägigem Abstand und lange genug fortgesetzt werden.
Das Risiko der Bougierung beruht dabei in einer möglichen Perforation sowie in der jeweils neuen Irritation des geschädigten Ösophagus mit der Gefahr erneuter Narbenbildungen mit konsekutiver Restenosierungen. Die Gabe von Steroiden zur Prophylaxe der bei Grad IIb und III höchstwahrscheinlich zu erwartenden Strikturbildung ist nach wie vor umstritten. Retrospektive Sammelstatistiken zeigen zwar, dass unter Steroiden nur in etwa 5–10% aller Verätzungen mit der Entwicklung von Stenosen zu rechnen ist, während ohne Kortisonbehandlung die Strikurinzidenz zwischen 25 und 80% liegt. Prospektiv kontrollierte Studien konnten diesen Effekt aber nicht nachweisen [Anderson 1990; Howell 1992]. Entscheidend bei der systemischen Steroidgabe scheint eine ausreichend hohe Dosierung sowie ein entsprechend langes Behandlungsintervall zu sein. Problematisch ist dies wegen der Nebenwirkungen insbesondere bei Kindern, die den größten Anteil an Patienten mit Verätzungen stellen. Hingegen kann nach neueren Untersuchungen die direkte Injektion von Steroiden in bereits bestehende Verätzungsstrikturen den Effekt einer Bougierungsbehandlung deutlich steigern [Kochhar 1999]. Therapie von Spätkomplikationen Hochgradige Stenosierungen mit Ausbildung einer Dysphagie machen eine anterograde Dauerbougierung notwendig. Diese kann vom Patienten erlernt werden und selbstständig durchgeführt werden. Die Intervalle werden durch das Ausmaß der Dysphagie
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bzw. der Restenosierung bestimmt. Die Dauerbougierung ist nicht risikolos, so treten häufig als Folge der mechanischen Irritation Ösophagitiden auf, die erneute Narbenbildungen und Restenosierungen verursachen können [Kikendall 1991]. Sollte die Dauerbougierung zu keinem zufriedenstellenden Therapieresultat führen,bzw.eine vollständige Verätzungsstriktur vorliegen, ist die Indikation zum operativen Vorgehen gegeben. Ebenso kann der Wunsch des Patienten nach endgültiger Sanierung ein ausschlaggebender Faktor werden [Bartels 1990]. Das Karzinomrisiko nach Verätzungsstriktur alleine kann nicht als Operationsindikation herangezogen werden. Die Rate der malignen Entartung liegt in der Literatur zwischen 0,8 und 7,2% [Stein 1994], entspricht damit aber in etwa der Operationsletalität der Ösophagusextirpation. Engmaschige endoskopische und auch bioptische Kontrollen, etwa 10 Jahre nach ingestiver Verätzung beginnend erscheinen sinnvoll [Stein 1996], auch wenn kontrollierte Studien fehlen. Fazit Die Ingestion von ätzenden Substanzen stellt ein gravierendes Problem insbesondere bei Kindern dar.Das Ausmaß der Verletzung kann endoskopisch deutlich unterschätzt werden.Bei schwersten Verätzungen und entsprechend schweren klinischen Verläufen ist die frühzeitige operative Sanierung angezeigt. Geringgradige Verätzungen heilen meist folgenlos ab. Höhergradige Verätzungen führen oft zu narbigen Strikturen und Stenosen, die einer konsequenten und frühzeitig beginnenden Bougierungsbehandlung bedürfen. Diese kann oft vom Patienten selbst durchgeführt werden. Da nach ausgedehnter Verätzung das Entartungsrisiko der Narbenstrikturen auch nach langer Latenz deutlich erhöht ist, scheint hier eine konsequente endoskopisch und bioptische Kontrolle sinnvoll.
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Kapitel 4 · Fremdkörper und chemische Verletzungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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5 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Motilitätsstörungen des Ösophagus T. Wehrmann, N. Stergiou 5.1
Achalasie
5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4
Ätiologie – 40 Symptomatik – 40 Diagnostik – 40 Therapie – 41
– 40
5.2
Hypermotile Motilitätssörungen – Diffuser Ösophagospasmus – »Nussknacker-Ösophagus« – 45
5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4
Ätiologie – 45 Symptomatik – 45 Diagnostik – 45 Therapie – 45
5.3
Ösophagusmotilitätsstörungen bei Systemerkrankungen – 47
5.3.1 Sklerodermie – 47 5.3.2 Diabetes mellitus – 47
Literatur
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– 47
Sowohl funktionelle (Motilitätsstörungen) als auch organische Erkrankungen (Tumoren, Divertikel, Ringe und Webs) des Ösophagus können zu Sodbrennen, Dysphagie und Thoraxschmerzen führen, wobei diese Symptome isoliert oder auch kombiniert auftreten können. Obwohl die Symptome unspezifisch sind, kann eine genaue Anamnese bereits Hinweise auf die zugrunde liegende Erkrankung geben: So sollte bei ösophagealer Dysphagie stets zwischen Schluckstörungen für feste Nahrung und Flüssigkeiten unterschieden werden. Patienten mit Motilitätsstörungen klagen bereits zu Krankheitsbeginn über Dysphgie für feste und flüssige Nahrung, während Patienten mit organischen Urachen (z. B. Stenosen) initial bei der Aufnahme fester Nahrung Schluckbeschwerden angeben.
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Kapitel 5 · Motilitätsstörungen des Ösophagus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
5.1
Achalasie
Die Erstbeschreibung eines »Megaösophagus« geht auf Thomas Willis im Jahre 1674 zurück,wobei der Begriff der »Achalasie« erstmalig im Jahre 1914 von Sir Arthur Hurst in die medizinische Literatur eingeführt wurde. Hurst erkannte nicht nur die fehlende Relaxationsfähigkeit des unteren Ösophagussphinkters als wichtigste pathologische Grundvoraussetzung für die Erkrankung, sondern vermutete eine Destruktion der ösophagealen Neuroanatomie als Ursache. Heute ist die Achalasie als dystone Störung der Ösophagusmotilität auf dem Boden einer kompletten Unterbrechung der neuromuskulären Funktion (Verminderung von Ganglienzellen des AuerbachPlexus) mit der Folge einer fehlenden oder nichtausreichenden Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) charakterisiert. Die Inzidenz wird auf 0,4–0,6/100.000 und Prävalenz auf 8/100.000 Einwohner geschätzt. 5.1.1 Ätiologie Die Ursache der Achalasie gilt weiterhin als ungeklärt. Ein familiäres Vorkommen findet sich bei 2% der Achalasiepatienten. Hinweise auf eine infektiöse Genese sind der Nachweis von erhöhten Masernvirus- oder VarizellaZoster-Antikörpertitern bzw.von VZV-DNA im myenterischen Plexus sowie Assoziationen zum GuillanBarre-Syndrom und der durch Typanosoma-Cruzi verursachten Chagas-Krankheit (klinisch ist der Megaösophagus bei der Chagas-Krankheit nicht von der Achalasie zu unterscheiden). Die Hinweise auf eine autoimmune Genese stützen sich auf eine Assoziation zur Klasse II des Histokompatibilitätsantigen bzw. dem Nachweis von Autoantikörpern gegen Nervenzellen im myenterischen Plexus. Neuropathologisch finden sich u.a: ▬ Verlust der Ganglienzellen im Auerbach-Plexus, ▬ Degeneration im N. vagus bzw. im dorsalen Vaguskern, ▬ Abnahme der intramuskulären Nervenfasern, ▬ Mangel an hemmenden Neurotransmittern im UÖS, mit nachfolgend gestörter Sphinkterrelaxation.
5.1.2 Symptomatik Symptomatisch bestehen Schluckstörungen v. a. für feste später auch für flüssige Speisen, aktive und passive Regurgitation (ggf. mit konsekutiver Aspirationspneumonie), gelegentlich krampfartige Thoraxschmerzen und ein langsam progredienter Gewichtsverlust. Die Dysphagie tritt typischerweise häufig unter psychischer Belastung auf. Bei der Achalasie handelt es sich um eine primär benigne Erkrankung, wobei mit längerem Krankheitsverlauf (>15 Jahre) evtl. das Risiko der Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms ansteigt. Hierbei handelt es sich zumeist um Plattenepithelkarzinome ohne Prädilektionsstellen, daher sind bei langjährigem Verlauf endoskopische Kontrolluntersuchungen sinnvoll. 5.1.3 Diagnostik Bei Diagnosestellung sind die Patienten, bei fehlender Geschlechtsprädisposition, zumeist zwischen 35 und 45 Jahren alt, wobei zwischen dem Auftreten erster Symptome und der endgültigen Diagnosestellung im Durchschnitt 5 Jahre vergehen. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung haben 20% der Patienten seit mehr als 10 Jahren klinische Symptome, in 10% der Fälle manifestiert sich die Erkrankung bereits in der Kindheit. Regionale Unterschiede sind beschrieben, wobei das vermehrte Auftreten der Achalasie in Ländern Südamerikas, v. a. einzelner Regionen Brasiliens, auf das gehäufte Auftreten der Chagas-Krankheit, einer Infektionen mit Trypanosoma cruzi, zurückzuführen ist, welche eine Degeneration des Auerbach-Plexus zur Folge hat und damit als sekundäre Form der Achalasie gilt ( s. oben). Die erste Untersuchung bei Patienten mit Schluckbeschwerden ist die Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD). Hierbei können die differenzialdiagnostisch in Frage kommenden Erkrankungen, wie Refluxösophagitis, Stenosen des Ösophagus sowie das Vorhandensein größerer Divertikel ausgeschlossen werden. Wichtig Insbesondere durch exakte Beurteilung des Kardiabereiches – auch in Inversion – sollte eine sekundäre Achalasie auf dem Boden eines malignen Kardiaprozesses ausgeschlossen werden.
41 5.1 · Achalasie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bei Patienten mit Achalasie kann es notwendig sein, im Ösophagus verbliebene Speisereste abzusaugen, wobei hier die Verwendung von Endoskopen mit großlumigen Arbeitskanal hilfreich sein kann. Die Schleimhaut des Ösophagus kann durch die verlängerte Passagezeit Zeichen der Mazeration aufweisen. Das Lumen des Ösophagus ist weit und zeigt, mit Ausnahme der hypermotilen Form der Achalasie, wenig bis keine Peristaltik. Die Passage durch die zumeist fest schließende Kardia gelingt mit leichtem Druck zumeist problemlos, der Kardiaschluss in Inversion ist komplett. Auch wenn es das typische endoskopische Bild der Achalasie nicht gibt, so können doch einzelne Veränderungen im Bereich der Speiseröhre richtungsweisend auf dem Weg zur Diagnosestellung sein (⊡ Abb. 5.1). Radiologisch zeigt sich im Bariumbreischluck eine massive Dilatation des Ösophaguslumen mit fehlender Peristaltik im tubulären Ösophagus, wodurch ein kompletter Abfluss über die Kardia nur langsam und in kleinen Portionen festzustellen ist (⊡ Abb. 5.2). Während in frühen Krankheitsstadien eine Dilatation nur angedeutet sein bzw. ganz fehlen kann, kann bei länger bestehender Erkrankung der Ösophagus sogar torquiert verlaufen. Als »golden standard« in der Diagnostik der Achalasie gilt heute die Ösophagusmanometrie. Sie ist gerade in frühen Krankheitsstadien notwendig, scheint jedoch bei typischen klinischen, endoskopischen und radiologischen Symptomen verzichtbar.
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a
5.1.4 Therapie In Ermangelung eines kausalen Therapieansatzes steht die symptomorientierte Therapie der Achalasie im Vordergrund. Hierbei wird die Besserung der im Vordergrund stehenden Funktionsstörung – ungenügende Erschlaffung des UÖS – angestrebt. Das angewendete Verfahren oientiert sich am Alter,Allgemeinzustand und Erkrankungsstadium des Patienten. Medikamentöse Therapie Die größte Erfahrung gibt es mit Nitraten (z. B. Isosorbiddinitrat 20 mg/Tag) und Kalziumantagonisten (z. B. Nifedipin 10–20 mg/Tag). Durch direkte relaxierende Wirkung auf die glatte Muskulatur des UÖS führen diese Wirkstoffe zu einer Verminderung des Drucks im UÖS und können dadurch insbesondere die bei der Frühform der Achalasie nachweisbaren aperistaltischen Kontraktionen reduzieren.
b ⊡ Abb. 5.1a, b. Endoskopisches Bild der Achalasie mit a weitgestelltem tubulärem Ösophagus mit Saftretention sowie b enggestellter Kardia mit Speiseretention
Wichtig Allerdings ist in der Regel im Verlauf der Therapie nach im Durchschnitt 1,5 Jahren ein erneuter Progress der Beschwerdesymptomatik festzustellen, sodass hinsichtlich des Langzeitverlaufes die medikamentöse Therapie enttäuscht.
42
Kapitel 5 · Motilitätsstörungen des Ösophagus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Letztlich bleibt die Indikation zur Etablierung einer medikamentösen Therapie umstritten und sollte der Behandlung von Patienten in frühen Krankheitsstadien oder bei Wunsch des Patienten auf Hinauszögerung des Zeitpunktes einer definitiven Therapie vorbehalten bleiben.
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⊡ Abb. 5.2. Radiologischer Befund der Achalasie mit weitgestelltem tubulärem Speiseröhrenanteil und »sektkelchartiger« Deformierung bzw. Engstellung der Kardia und folglich verzögertem KM-Übertritt in den Magen
Endoskopische Therapie Der erste Therapieansatz geht auf Sir Thomas Willis im Jahre 1674 zurück, der die erste beschriebene Bougierung mit Hilfe eines Walknochens durchführte. Da der erzielte Effekt der Bougierungstherapie nur vorübergehend ist, hat die pneumatische Dilatation dieses Verfahren als Therapie der Wahl ersetzt.Zu diesem Zweck stehen unterschiedliche Dilatationsballonsysteme zur Verfügung. Am häufigsten eingesetzt wird der Rigiflex-Ballon, ein strahlendichter PolyethylenBallon, der in unterschiedlichen Durchmessern zur Verfügung steht. Er wird über einen Führungsdraht unter radiologischer Kontrolle in Höhe des UÖS platziert, dann erfolgt unter manometrischer Kontrolle eine Dilatation (⊡ Abb. 5.3). Ein alternatives Verfahren ist die Ballondilatation mit Hilfe eines Witzel-Ballons. Hierbei wird der über das Endoskop gezogene Ballon unter Sicht in invertierter Geräteposition manometrisch kontrolliert gefüllt. Es entfällt durch die direkte endoskopische Kontrolle die Notwendigkeit der radiologischen Überwachung. Die Technik der pneumatischen Dilatation ist bisher nicht standardisiert und weder für Ballonart und -größe, Dilatationsdruck und -dauer noch für Therapiehäufigkeit oder evtl. Prämedikation existieren übereinstimmende Empfehlungen. In unserer Klinik kommt nachfolgendes Protokoll zur Anwendung: Nach 6–12 h Nahrungskarenz erfolgt zunächst mittels ÖGD die Reinigung des Ösophagus und die Entfernung von Speiseresten aus dem Ösophaguslumen. Hierzu ist selten die vorübergehende Einlage einer Ablaufsonde erforderlich, zumeist erfolgt dies rein endoskopisch unter Verwendung eines Gastroskops mit möglichst großlumigem Arbeitskanal. Als Sedierung kann Midazolam (3–5 mg i.v.) oder Propofol (40–60 mg i.v. als Bolus, dann Nachtitration je 20 mg repititiv) unter entsprechendem Monitoring Anwendung finden. Nach Einlage eines Eder-Püstow-Drahtes unter endoskopischer Sicht in den Magen, erfolgt die Einführung eines Rigiflex-Ballons unter Durchleuchtungskontrolle in den Bereich des gastroösophagealen Übergangs.In Abhängigkeit vom maximalen Ösopha-
43 5.1 · Achalasie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 5.3. In der Kardia platzierter und voll entfalteter Rigiflex-Ballon (radiologisches Bild)
gusdurchmessers, gemessen im Barium-Breischluck im kardianahen Segment, finden Ballons von 3 bzw. 3,5 cm Durchmesser Verwendung, wobei wir im Falle wiederholter Dilatationen dem durchmesserstärkeren Model den Vorzug geben. Nach korrekter Platzierung erfolgt eine rasche und vollständige Füllung des Ballons bis zu einem Druck von 7 psi, welcher bei darstellbarem Verstreichen der Ballon-Taille für zunächst 2 min gehalten wird. Nach einer Pause von 2 min, in denen der Ballon entleert wird, wird das Manöver für 3 min wiederholt. Unmittelbar nach der Untersuchung erfolgt die endoskopische Kontrolle zum Ausschluss einer Perforation, die laut Literatur mit einer Häufigkeit von 1–3% zu Erwarten ist. In Zweifelsfällen kann die zusätzliche radiologische Darstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel im Schluckakt notwendig sein. Generell sollte der Patient nach dem Eingriff überwacht werden (Minimum: 4 h). Die Behandlung kann wiederholt notwendig sein.
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Eine deutliche Beschwerdebesserung kann in der Kurzzeitbeobachtung in 70–90% der Fälle erwartet werden (⊡ Tabelle 5.1). Insbesondere bei Patienten >45 Jahre,bei denen eine Druckreduktion im UÖS auf <15 mmHg erzielt werden konnte,wurde ein günstiges Langzeitergebnis dokumentiert [Eckardt 1992]. Die gefürchtetste und gleichfalls häufigste Komplikation der pneumatischen Dilatation ist die Perforation. Es treten auch muköse und submuköse Hämatome, Blutungen und Fieber sowie ein erhöhter gastroösophagealer Reflux auf. Im Falle einer Perforation ist in der Regel ein konservatives Vorgehen ausreichend. Es sollte eine umgehende Platzierung einer 6-F-nasomediastinalen Sonde, Nahrungskarenz und die parenterale Gabe eines Breitspektrumantibiotikums erfolgen. Nach einigen Tagen Entfernung der Sonde und endoskopischer Wundverschluss mit Hilfe von Hämoclips oder Fibrinkleber. Bei größeren Defekten kann die endoskopische Überbrückung des Defekts durch eine am Ohr des Patienten fixierte Plastikendoprothese (alternativ: selbstexpandierende Plastikprothese) erwogen werden, welche in der Regel nach 4–6 Wochen problemlos entfernt werden kann, bei jüngeren Patienten sollte der operativen Sanierung den Vorzug geben werden. Die Datenlage hinsichtlich des Langzeitverlaufes nach pneumatischer Dilatation zeigt, dass 1/3 der zunächst beschwerdefreien Patienten in einem Beobachtungszeitraum von 10 Jahren erneute Symptome entwickelt und bei 10% eine chirurgische Therapie notwendig wird.Die Kardiadilatation kann bei Wiederauftreten der Beschwerden wiederholt werden. Die Patienten können von bis zu 3 Behandlungen profitieren, während mehr als 3 Dilatationen nicht mehr als sinnvoll erscheinen [Eckardt 1992]. Chirurgische Therapie Seit der Erstbeschreibung der Kardiomyotomie durch Heller im Jahre 1913 wurden verschieden chirurgische Techniken entwickelt. Heute wird die laparoskopische oder thorakoskopische Kardiomyotomie mit oder ohne vorderer Hemifundoplikatio favorisiert. Wichtig Eine effektive Myotomie setzt eine Länge von 5 cm im Bereich des distalen Ösophagus, die sich bis 1–2 cm auf die gastrale Seite des gastroösophagealen Überganges fortsetzt, voraus.
Beschwerdefreiheit ist in über 90% der operierten Patieneten beschrieben, die Inzidenz postoperative
44
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Kapitel 5 · Motilitätsstörungen des Ösophagus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 5.1. Ergebnisse und Komplikationsrate bei der pneumatischen Dilatationstherapie der Achalasie Autor
Ballon
n
Symptomfreiheit [%]
Perforationsrate [%]
Csendes, 1989 Stark, 1990 Eckardt, 1992 Parkmann, 1993 Coccia, 1991 Bourgeois, 1991 Gelfand, 1989 Stark, 1990 Kadakia, 1995 Wehrmann, 1995 Vaezi, 1999
Mosher Brown-McHardy Brown-McHardy Brown-McHardy Rider-Moeller Rider-Moeller Rigiflex Rigiflex Rigiflex Rigiflex Rigiflex
39 10 54 123 16 53 24 10 29 40 20
65 10 78 88 75 80 83 70 93 88 75
5 0 2 2 0 4 0 0 0 3 5
Refluxes wird mit <10% angegeben. Die Ergebnisse sind unabhängig von vorausgegangener pneumatischer Dilatationsbehandlung. In einer Vergleichsstudie [Csendes 1989] zwischen pneumatischer Dilatation und Operation wurde ein Vorteil für das chirurgische Verfahren gegenüber der pneumatischen Dilatation gezeigt, wobei die unterdurchschnittliche Erfolgsrate der pneumatisch dilatatierten Patienten in dieser Studie auffällig ist. Botulinumtoxin Die Arbeitsgruppe um Pasricha injizierte erstmals Mitte der 1990er Jahre Botulinumtoxin (BTX) in den UÖS bei Patienten mit Achalasie. Die Wirkung
von BTX basiert auf einer lokalen Blockade der exzitatorischen cholinergen Innervation des UÖS.Um die Substanz in den UÖS zu injizieren entwickelten sie eine zirkuläre 4-Quadranten-Injektionstechnik.Hierbei wird zunächst beim Rückzug des Endoskops aus dem Magen der UÖS detektiert und insgesamt 100 Mauseinheiten (ME) BTX aufgelöst in 8 ml sterilem NaCl 0,9 mol in 4 Portionen à 2 ml (=25 ME) in die 4 Quadranten des UÖS tiefmuskulär injiziert (⊡ Abb. 5.4). Neueren Dosis-Wirkungs-Studien zufolge erbringen Dosierungen <100 ME keinen zusätzlichen Nutzen [Gui 2003]. Die Ergebnisse einzelner Studien sind vielversprechend und hinsichtlich des Kurzzeitverlaufes mit de-
⊡ Abb. 5.4. Applikation von Botulinutoxin mittels Sklerotherapienadel an der Kardia (endoskopisches Bild)
45 5.2 · Hypermotile Motilitätsstörungen – Diffuser Ösophagospasmus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nen der pneumatischen Dilatation vergleichbar.Allerdings ist ein Wirkungsverlust nach einiger Zeit (Mittel 15 Monate, 5–29 Monate) zu erwarten, sodass wiederholte Injektionen erforderlich sind. In wieweit wiederholte Gaben innerhalb kürzerer Zeiträume einen positiven Effekt auf den Langzeitverlauf haben, bleibt von weiteren Dosisfindungsstudien abzuwarten. Zu den in 11–32% auftretenden Nebenwirkungen zählen gastroösophagealer Reflux, Brustschmerzen sowie Hautreizungen. In Einzelfällen wurden Harnverhalt, Hastroparese wie auch ulzerative Schleimhautveränderungen beschrieben (Übersicht bei [Gui 2003]). Bislang lässt die wissenschaftliche Datenlage eine abschließende Empfehlung, welche Patientengruppe einer BTX-Injektion zugeführt werden sollte,nicht zu. Unserer Meinung nach sind es insbesondere die Hochrisikopatienten (Megaösophagus, großes epiphrenisches Divertikel, schwere Begleiterkrankungen).
5
(5–10%). Eine Provokation der Symptomatik kann mitunter bei der Zufuhr kalter oder heißer bzw. kohlensäurehaltiger Getränke beobachtet oder von den betroffenen Patienten in ihrem Auftreten mit psychischen Belastungen assoziiert werden. Beim diffusen Ösophagusspasmus handelt es sich um eine typischerweise nichtprogrediente Erkrankung, im Vergleich zur Achalasie wird eine Speiseretention im Ösophagus selten beobachtet. Gelegentlich kann es jedoch zur akuten Bolousobstruktion der Speiseröhre durch unzureichend zerkaute Nahrungsbestandteile kommen, deren Entfernung häufig auf endoskopischem Weg gelingt. Untypische Symptome sind Gewichtsverlust, Regurgitation und pulmonale Komplikationen (z. B. Aspirationen). Die Symptome bestehen durchschnittlich 2 Jahre bevor durch umfangreiche Diagnostik andere Ursachen ausgeschlossen wurden und die Diagnose letztlich gestellt wird. 5.2.3 Diagnostik
5.2
Hypermotile Motilitätsstörungen – Diffuser Ösophagospasmus – »Nussknacker-Ösophagus«
Mit der Entwicklung der Manometrie zur Untersuchung der Ösophagusmotilität wurde es möglich, den komplexen motorischen Ablauf des Schluckakts sowie das Kontraktionsverhalten qualitativ zu untersuchen und quantitative Messungen der einzelnen Kontraktionsamplituden durchzuführen. Dadurch wurde insbesondere bei Patienten mit unklaren Thoraxschmerzen nichtkardialer Genese (»non-cardiac-chest-pain«) neue ösophageale Motilitätsstörungen erkannt und deren klinisches Beschwerdebild erklärbar. 5.2.1 Ätiologie Der Ösophagusspasmus ist weitaus seltener als die Achalasie (Inzidenz ca. 0,2/100.00) und manifestiert sich in der Regel bei Patienten >50 Jahre. Die Ursache dieser Motilitätsstörung ist unbekannt. Es zeigt sich eine nach aboral zunehmende hypertrophierte Muskulatur des gesamten Ösophagus. 5.2.2 Symptomatik Das klinische Beschwerdebild ist geprägt von Thoraxschmerz (80–90% der Patienten) und Schluckstörung für feste (30–60%) aber auch flüssige Nahrung
Die Diagnose wird durch die radiologische Darstellung im Bariumbreischluck und durch die Ösophagusmanometrie gesichert. Die endoskopische Untersuchung dient meist nur dem Ausschluss etwaiger anderer Erkrankungen. Der klassische Befund beim Breischluck zeigt einen korkenzieherartigen Ösophagus, bedingt durch simultane, nichtperistaltische Kontraktionen. Diese muskuläre Dysfunktion imponiert in der manometrischen Untersuchung als simultane Kontraktionen im tubulären Ösophagus von mehr als 10% während eines Nass-Schluck-Vorgangs. Zusätzlich können hypertone Amplituden sowie ein fehlendes Relaxieren des UÖS bestehen (⊡ Tabelle 5.2). Aufgrund des inkonstanten Auftretens der klinischen Beschwerden kann eine Langzeitmanometrie sinnvoll sein. 5.2.4 Therapie Ist die Diagnose diffuser Ösophagusspasmus (DES) gestellt, zeigt sich oftmals eine spontane Besserung des klinischen Beschwerdebildes.Dies liegt zum einen an der Tatsache, dass durch Ausschluss einer schwerwiegenden Erkrankung der Patient meist beruhigter ist. Zum anderen lernt er provozierende Faktoren zu meiden. Gleichfalls, wie bei der Achalasie, so stehen auch für den DES keine kausalen Behandlungsoptionen zur Verfügung und die Therapie erfolgt rein symptomatisch.
46
I
Kapitel 5 · Motilitätsstörungen des Ösophagus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 5.2. Manometrische Charakteristika ösophagealer Motilitätsstörungen Tubuärer Ösophagus
UÖS
Klassische Achalasie Vigoröse Achalasie
Simultane Kontraktionen <50 mmHg Simultane Kontraktionen >50 mmHg
Fehlende/inkomplette Relaxationen Fehlende/inkomplette Relaxationen
Diffuser Spasmus
Simultane Kontraktionen >180 mmHg in >10% der Schluckakte
Komplette Relaxationen
Nussknacker-Ösophagus
Peristaltische Kontraktionen >180 mmHg
Komplette Relaxationen
Sklerodermie/Kollagenosen
Verminderte/fehlende Peristaltik des distalen glattmuskulären Anteils
Verminderter Ruhedruck
Diabetes mellitus
Störungen der Peristaltik, verminderte Kontraktionen
Verminderter Ruhedruck/inkomplette Relaxationen
Medikamentöse Therapie In erster Linie kommen Medikamente zum Einsatz, die einen direkten, relaxierenden Effekt auf die glatte Muskulatur des Ösophagus aufweisen. Dies sind neben Nitratpräparaten und Kalziumantagonisten auch Hydralazin, wobei die Datenlage der wissenschaftlichen Untersuchungen widersprüchlich ist und nicht zuletzt placebokontrollierte Doppelblindstudien einen generellen Effekt dieser Präparate beim DES in Frage stellen. Endoskopische Therapie Bei gleichzeitigem Vorliegen eines hypertensiven UÖS kann der Einsatz der pneumatischen Dilatation gerechtfertigt sein, da hier ein positiver Effekt in Einzelfällen beobachtet wurde. Chirurgische Therapie Im Zusammenhang mit schweren dysphagischen Beschwerden kann auch ein chirurgisches Vorgehen in Erwägung gezogen werden, wobei eine modifizierte Myotomie mit einer Ausdehnung bis in die distale Hälfte des Ösophagus erforderlich ist.Es sind Erfolgsraten bis 50% beschrieben. Wichtig Es gibt medikamentöse, endoskopische und chirurgische Behandlungsstrategien für den diffusen Ösophagusspasmus, ihre Ergebnisse sind bislang nicht vollständig zufriedenstellend.
Botulinumtoxin Der exakte Mechanismus, mit dem BTX einen positiven Effekt beim diffusen Ösophagusspasmus erzielt, ist unklar. Die Senkung des Drucks im UÖS durch lokale Blockade der exzitatorischen cholinergen Innervation hat zum Einsatz von BTX bei der Therapie der Achalasie geführt. Es wird spekuliert, dass auch die glatte Muskulatur des tubulären Ösophagus durch BTX relaxiert wird und die schluckinduzierte Peristaltik gehemmt bzw. unterdrückt wird. In nichtrandomisierten Studien wurde der Einsatz von BTXInjektionen bei der Behandlung des diffusen Ösophagusspasmus untersucht, wobei der kurz- bis mittelfristige Erfolg zufriedenstellende Ergebnisse zeigten.Es fand sich jedoch stets ein symptomatisches Rezidiv innerhalb einiger Monate, sodass repetitive Applikationen von BTX erforderlich sind. Die Dosierung und die Applikationsform variieren in den unterschiedlichen Arbeitsgruppen, eine endgültige Empfehlung außerhalb kontrollierter Studie ist daher schwerlich möglich. Bei 6 Patienten wurden durch Applikation von insgesamt 200 mE in Einzeldosen von 12,5 mE in 4-Quadranten-Injetiontechnik in Höhe des UÖS sowie auf Höhe von 35 cm, 30 cm und 25 cm von der vorderen Zahnreihe gute Resultate erzielt, wobei es sich um Patienten handelte, die kein Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie mit einem Kalziumantagonisten (Diltiazem 90 mg/Tag) zeigten. Nach 6 Monaten hatte 1 Patient klinische und manometrische Rezidivbeschwerden, die eine erneute Therapie indizierte.
47 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Bislang ist der Therapieansatz mit BTX bei Patienten mit gesichertem diffusem Ösophagusspasmus experimentell, sollte aber bei fehlendem Ansprechen auf Medikamente vor dem Einsatz invasiverer Verfahren in Erwägung gezogen werden.
5.3
Ösophagusmotilitätsstörungen bei Systemerkrankungen
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5.3.2 Diabetes mellitus Die Motilitätsstörungen beim Diabetes mellitus sind variabler.Es finden sich eher unspezifische Motilitätsstörungen mit verminderter und/oder fehlender Peristaltik wie auch mehrgipflige Kontraktionen, die weder diagnostisch genutzt werden können ( s. Tabelle 5.2), noch mit der Aktivität der Grunderkrankung koerrelieren. Therapie wie bei sklerodermiebedingten Motalitätsstörungen.
Literatur
5.3.1 Sklerodermie Bei 75–85% der Patienten mit Skleroderie bestehen Sobrennen, saure Regurgitation und Dysphagie. Obwohl die Motitlitätsstörung oft schwerwiegend ist, berichten weniger als 50% der Patienten über Beschwerden. Der gastroösophageale Reflux ist besonders ausgeprägt, da sowohl der UÖS als auch die ösophageale Clearance beeinträchtigt sind. Bis zu 60% der Sklerodermiepatienten weisen eine erosive Ösophagitis auf ( s. Tabelle 5.2). Diagnostik Röntgenologisch finden sich: Dilatation,fehlende propulsive Peristaltik und ein weiter gastroösophagealer Übergang mit freiem Reflux. Manometrische Anomalien, wie erniedrigter Ruhedruck des UÖS und reduzierte bis fehlende Kontraktionsamplitude im distalen Ösophagus, finden sich bei 75% der Patienten. Therapie Therapeutisch steht eine intesivierte Protonenpumpenblockade im Vordergrund (z. B. 1- bis 2-mal 40–80 mg Esomeprazol oder Pantoprazol). Andere medikamentöse Therapieversuche sind zumeist frustran.Ein gewisser Effekt konnte in Studien für das Prokinetikum Cisaprid (z. B. 3¥10 mg/Tag p.o.) nachgewiesen werden, die Substanz ist auf Grund kardialer Nebenwirkungen jedoch in Deutschland aus dem Handel genommen worden (über die internationale Apotheke jedoch erhältlich).
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Kapitel 5 · Motilitätsstörungen des Ösophagus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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6 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Ösophagusvarizenblutung D. Menke, H. Witzigmann, T. Wehrmann, D. Uhlmann, J. Hauss 6.1
Ätiologie und Pathophysiologie
– 50
6.2
Klinik
6.3
Diagnostik
6.4
Konservative Therapie D. Menke,
6.4.1 6.4.2 6.4.3. 6.4.4 6.4.5 6.4.6
Prävention – 52 Allgemeinmaßnahmen – 52 Medikamentöse Therapie – 53 Endoskopie – 54 Ballonsonden – 55 Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS)
6.5
Operative Therapie – 56 H. Witzigmann, D. Uhlmann, J. Hauss
6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4
Portosystemische Shunt-Operationen – 57 Devaskularisationsverfahren – 58 Lebertransplantation – 58 Zusammenfassung chirurgischer Indikationen
6.6
Vorgehen in verschiedenen klinischen Situationen – 59 D. Menke, H. Witzigmann, T. Wehrmann, D. Uhlmann, J. Hauss
– 51 – 51 – 52
– 59
6.6.1 Therapie der akuten Blutung – 59 6.6.2 Prophylaxe der Rezidivblutung (Sekundärprophylaxe) – 60 6.6.3 Prophylaxe der Erstblutung (Primärprophylaxe) – 61
Literatur
– 61
– 55
50
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Kapitel 6 · Ösophagusvarizenblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
>>
6.1
Ösophagusvarizen gehören zu den Hauptmanifestationsformen der portalen Hypertension. Ihr klinisches Erscheinungsbild wird durch die akute Blutung bestimmt. Die durchschnittliche Mortalität einer akuten Ösophagusvarizenblutung liegt zwischen 30 und 50%. Die meisten Todesfälle treten im Rahmen einer frühen Rezidivblutung innerhalb der ersten Woche auf. Die Therapieoptionen zur Behandlung und Rezidivprophylaxe von blutenden Ösophagusvarizen schließen medikamentöse, endoskopische, radiologische und chirurgische Behandlungsmaßnahmen ein. Alle diese Therapiemöglichkeiten haben sich weiterentwickelt. Dies führte zu einer exakteren Definition der Rolle der einzelnen Verfahren. Endoskopische Sklerotherapie und Varizenligatur sind der »golden standard« der akuten Blutung. In der weiteren Behandlungsstrategie werden nichtchirurgische und chirurgische Verfahren sequenziell und komplementär im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte eingesetzt.
Ätiologie und Pathophysiologie
lung zweier Theorieansätze: der »Backward-flow«und »Forward-flow«-Theorie.
D. Menke, T. Wehrmann Grundlage für die Ausbildung von Ösophagusvarizen ist eine Druckerhöhung im Pfortaderkreislauf. Hier bestehen normalerweise Werte von 3–6 mmHg. Steigt der Druck längere Zeit über 12 mmHg an kommt es zur Ausbildung bzw. Eröffnung portosystemischer Kollateralen. Verschiedene Krankheitsentitäten bedingen einen Pfortaderhochdruck und werden je nach anatomischer Lokalisation im Gefäßbett in einen prä-, intrabzw. posthepatischen Block eingeteilt (⊡ Tabelle 6.1). Pfortaderhochdruck kann aus einer Zunahme transhepatischen Blutflusses und des hepatischen Gefäßwiderstands resultieren, dies führte zu Entwick-
Backward-flow-Theorie. Die Backward-flow-Theorie geht von einem primären Druckanstieg als Ursache des Widerstandsanstiegs aus, z. B. durch Ballonierung der Hepatozyten, Fibrosierungen, Regeneratknotenbildungen oder andere anatomisch bedingte Einengungen der Sinusoidalgefäße. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Verlust der Reagibilität des sinusoidalen Gefäßbetts. Kann sich der Gefäßdurchmesser bei Steigerung der Flussmenge nicht entsprechend anpassen, bedingt schon ein relativ geringer Anstieg des Blutflusses einen erheblichen Druckanstieg. Weiterhin wurden auch zahlreiche vasoaktive Mediatoren und Zytokine nachgewiesen, die zu funktio-
⊡ Tabelle 6.1. Ätiologie des Pfortaderhochdrucks Prähepatisch
Intrahepatisch
Posthepatisch
Pfortaderthrombose
Präsinusoidal
Budd-Chiari-Syndrom
Milzvenenthrombose
Schistosomiasis Myeloproliferative Erkrankung Lymphome Lebermetastasen Sarkoidose
Perikarditis constrictiva Rechtsherzinsuffizienz
Sinusoidal Leberzirrhosen Postsinusoidal Venookklusive Erkrankung
51 6.3 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nellen und potenziell reversiblen Veränderungen führen. Angiotensin II, Endothelin-1 und Eicosanoide wirken vasokonstriktorisch auf perisinusoidale Myofibroblasten. Stickstoffmonoxid (NO) und Endotoxin wirken indirekt über Prostaglandinfreisetzung vasodilatierend. Forward-flow-Theorie. Die Forward-flow-Theorie
geht von einem gesteigerten splanchnischen Blutfluss aus, der zur portalen Hypertension führt. Auch bei diesem Erklärungsansatz spielen vasoaktive Mediatorsysteme,wie z.B.das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS),Katecholamine,Serotonin und NO eine entscheidende Rolle. Blutungsrisiko. Bei Ösophagus- oder Fundusvarizen
wird das Risiko einer akuten Blutung durch die Höhe der Wandspannung des betroffenen Kollateralgefäßes bestimmt. Diese korreliert mit dem transmuralen Varizendruck, dem Varizenradius und deren Wanddicke. Daraus folgt, dass bei gleichem Druck das Blutungsrisiko bei großlumigen und dünnwandigen Varizen größer ist als bei kleinkalibrigen und dickwandigen Gefäßen. 6.2
Klinik
Ösophagusvarizen sind im blutungsfreien Intervall zumeist asymptomatisch, selten wird eine milde Dysphagie beobachtet. Das klinische Bild des Patienten wird durch die vorliegende Grunderkrankung bestimmt. Wichtig In der Mehrzahl der Fälle imponiert die akute Ösophagusvarizenblutung in Form von (z. T. fulminanter) Hämatemesis.
Die Letalität der Erstblutung wird dabei weniger von der angewandten Therapiemaßnahmen als vom Stadium der zumeist vorliegenden Leberzirrhose bestimmt (Letalität im Stadium Child A: <10%; Child B: 25%; Child C: 50%; [Kleber 1991]. Unmittelbare Folgen der massiven Blutung sind hämorragischer Schock und drohende Verbrauchskoagulopathie. Nach überstandener Akutsituation gefährdet eine Verschlechterung der evt. vorbestehenden hepatischen Enzephalopathie – bis hin zum Leberkoma –aufgrund der blutungsbedingten intestinalen Eiweißbelastung den Patienten. Des Weiteren
6
können sich akutes Nierenversagen sowie eine Aspirationspneumonie entwickeln. 6.3
Diagnostik
Die Endoskopie ist das obligate diagnostische Verfahren bei oberer gastrointestinaler Blutung ( s. Kap. 51). Es ist zu beachten, dass nicht jeder Patient mit portaler Hypertension auch Ösophagusvarizen entwickelt (50–70%) und nicht jeder Patient mit Ösophagusvarizen aus diesen blutet (30–40%). In 30–50% der Fälle kommt als Blutungsquelle ein Ulkus oder Erosionen im Rahmen der hypertensiven Gastropathie in Betracht. Die Endoskopie dient zunächst der Lokalisation der Blutungsquelle. Bei Vorliegen von Varizen werden diese hinsichtlich Umfang und Ausdehnung beschrieben – gebräuchliche Varizengrößenklassifikation mittels 4-Grad-Einteilung nach Paquet u. Oberhammer (⊡ s. Tabelle 6.2; [Parquet 1978]). Diese ist jedoch untersucherabhängig relativ variabel. Weitere morphologische Kriterien wie »red wale sign« oder »cherry red spot« beschreiben Mikrogefäße auf den Varizen bzw. zystische Wandektasien und deuten prognostisch auf eine besondere Blutungsgefahr hin. Bei stattgehabter Varizenblutung findet sich ggf. ein aufgelagertes Koagel oder ein weißlich schimmernder Thrombozytenpfropf. Die akute Varizenblutung imponiert entweder als Sickerblutung, öfter jedoch als spritzende Blutung, ggf. mit atemsynchronen Pulsationen. Hier wechselt die diagnostische Endoskopie in ein therapeutisches Verfahren ( s. 6.4.4).
⊡ Tabelle 6.2. Einteilung der Ösophagusvarizen. (Mod. nach [Paquet 1978]) Grad 1 Gestreckt verlaufende ektatische Venen, wenig prominent, vollständiger Kollaps bei Luftinsufflation Grad 2 Wenig in das Ösophaguslumen prolabierende Varizen, kräftiger Schleimhautüberzug Grad 3 Das Ösophaguslumen deutlich einengende geschlängelte Varizen, Schleimhaut wenig verändert Grad 4 Ösophaguslumen fast vollständig verlegt, Sicht nur unter kräftiger Luftinsufflation, Epithelverdünnungen: »cherry red spots« und »red wale sigs«
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Kapitel 6 · Ösophagusvarizenblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die weiterführende Diagnostik der Ösophagusvarizenblutung gilt der Grunderkrankung: ▬ Sonographie: Lebergröße und -morphologie,Zirrhosekriterien, Raumforderungen, Milzgröße, Aszites. ▬ Endosonographie (EUS): Darstellung portokavaler Kollateralen. ▬ Duplexsonographie: Flussverlangsamung evt. -umkehr in der Pfortader, Pfortader-, Milzvenen- oder Lebervenenthrombosen. ▬ Laborchemische Parameter: Routineenzymatik, Gerinnungsparameter, Ammoniak,Hepatitisserologie,immunologische Marker, Kupferspiegel und Ferritin. ▬ Leberhistologie (Menghini-Technik oder laparoskopisch) Die direkte Varizenpunktion zur Druckmessung ist invasiv und gehört wie die Lebervenenverschlussdruckmessung nicht zu den Standarddiagnostikverfahren. 6.4
Konservative Therapie D. Menke, T. Wehrmann
6.4.1 Prävention Die Prävention der Ösophagusvarizen bedeutet Expositionsprophylaxe vor Erkrankungen die zu portaler Hypertonie führen, wie z. B. Impfung gegen virale Hepatitiden (Hepatitis B/C) sowie Vermeidung von Alkohol- und Medikamentenmissbrauch. Besteht eine chronische Lebererkrankung ist eine frühzeitige entsprechend spezifische Behandlung notwendig. Zur Anwendung kommen z. B. Interferon und Nukleosidanaloga bei chronischer Hepatitis, Immunsuppressiva bei Autoimmunhepatitis etc. Die Prophylaxe der Blutung bei bereits bestehenden Ösophagusvarizen wird in Abschn. 6.6 besprochen. 6.4.2 Allgemeinmaßnahmen Die akute Ösophagusvarizenblutung ist nach intensivmedizinischen Richtlinien zu behandeln. Der Patient muss mindestens 2 großvolumige periphere Zugänge erhalten, empfehlenswert ist ein zentraler Zugang – bessere Volumensteuerung und Überwa-
chung hämodynamischer Parameter. Primär wichtige Laborparameter sind: Blutbild (Hb, Hkt, Thrombozyten), Gerinnung, Elektrolyte sowie die Blutgruppe. Aspirationsprophylaxe. Die Aspiration ist eine
schwerwiegende Komplikation der akuten Varizenblutung.Die Aspiration kann durch entsprechende Lagerung, endoskopische Absaugung bzw. frühzeitige Intubation reduziert werden. Volumenersatz. Volumenersatz erfolgt im Rahmen einer Schocksituation zunächst mit HAES. Hierbei ist allerdings die ungünstige Wirkung auf die Blutgerinnung, die Nierenfunktion sowie die anaphylaktische Potenz zu bedenken (Dextran-Präparate sind aufgrund ihrer Thrombozytenaggregationshemmung ungeeignet).Als Alternative bieten sich kristalloide Infusionslösungen im Wechsel mit Humanalbumin 5% an. Die Gabe von Erythrozytenkonzentraten (EKGabe) ist je nach Ausmaß der Blutung und Leberfunktionsstörung zweckmäßig. Der zentrale Venendruck (ZVD) sollte nicht über 4 cmH2O und der Hämatokrit nicht über 30% angehoben werden, bzw. nur bis zu einem Hb-Wert von 10 mg/dl auftransfundiert werden, da oberhalb dieser Werte bei steigendem Pfortaderdruck Gefahr einer Rezidivblutung gegeben ist [Garcia-Tsao 2001].Entsprechend der Gerinnungssituation und EK-Gabe (Cave: Verbrauchskoagulopathie) erfolgt die großzügige Gabe von gefrorenem Frischplasma (pro 2 EK 1 FFP). Weitere Allgemeinmaßnahmen. Zur Verhütung eines akuten Nierenversagens ist die Überprüfung der Diurese durch Anlage eines Dauerkatheters sinnvoll. Im Anschluss an die Blutstillung sollten zur Leberkomaprophylaxe Magen und Darm weitestmöglich von Blut befreit werden: mittels endoskopischer Absaugung (Magen) bzw. Lavagelösung (Darm). Laktulosegabe peroral oder in Form von hohen Einläufen hemmt die Bakterienurease im Darm und unterdrückt somit die Ammoniakbildung. Es konnte ein erhöhtes Risiko bakterieller Infektionen bei Patienten mit Ösophagusvarizenblutung nachgewiesen werden, wobei dies ein unabhängiger Risikofaktor für das Vorliegen unkontrollierbarer Blutungen und früher Rezidivblutungen ist [Bernard 1999]. Daher ist eine begleitende Antibiotikatherapie mit Gyrasehemmern oder Cephalosporinen der 3.Generation Standard [Garcia-Tsao 2001].
53 6.4 · Konservative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
6.4.3 Medikamentöse Therapie Entsprechend den pathophysiologischen Grundsätzen verfolgt die medikamentöse Therapie zur Senkung des Pfortaderhochdrucks 2 wesentliche Ziele: ▬ Reduktion des intrahepatischen Gefäßwiderstands, ▬ Reduktion des Pfortaderflusses. Mögliche Therapieoptionen sind: b-Blocker, vasoaktive Sustanzen (Vasopressin, Somatostatin und deren Analoga) und Stickoxyddonatoren (Nitrate und Molsidomin). b-Blocker Typischerweise kommen nichtkardioselektive b-Blocker vom Propanolol-Typ (Propanolol,Nadolol,Timolol) zum Einsatz. Die durch b-1-Blockade vermittelte Reduktion des Herzmiutenvolumens wirkt der systemischen und splanchnischen Hyperzirkulation entgegen. Über b-2-Blockade sowie begleitende a-adrenerge Wirkung kommt es zu einer lokalen splanchnischen Vasokonstriktion und damit ebenfalls zu einer Reduktion des portalen Flusses. Der transhepatische Druckgradient lässt sich durch b-Blocker im Mittel um 15% senken [Groszmann 1990]. Die Dosierung sollte einschleichend über mehrere Tage erfolgen, bis eine Reduktion der Ausgangsfrequenz um 30–35%, bzw. eine Zielherzfrequenz von 55–60/min erreicht ist. DOSIERUNG Einstiegsdosierung: 3¥10 mg/24 h Zieldosierung: 3¥40–80 mg/24 h
20–30% der Patienten sprechen auf die Therapie nicht an. Die Nebenwirkungen der b-Blocker sind bekannt (z. B. Müdigkeit, Herzinsuffizienz, Libidoverlust, AVBlockierungen,Raynaud-Symptomatik,Bronchospastik). Ein Therapieabbruch ist nur bei sehr wenigen Patienten notwendig, die Compliance bei insgesamt schwierigem Patientenkollektiv allerdings eingeschränkt. Vasoaktive Medikamente Vasopressin und Somatostatin sowie deren Analoga Glycylpressin bzw. Octreotide senken entweder auf direkte oder indirekte Weise den Pfortaderdruck durch Konstriktion der splanchnischen Arteriolen. Vasopressin, ein Peptidhormon des Hypophysenhinterlappens ist der potenteste splanchnische Vasokonstriktor, sein Einsatz ist allerdings durch eine erhebliche Nebenwirkungsrate limitiert. Neben schwe-
6
⊡ Tabelle 6.3. Dosierungen von vasoaktiven Substanzen bei Ösophagusvarizenblutungen Substanz
Dosierung
Vasopressin
0,4 I.E./min bis zum Blutungsstillstand (zusammen mit Nitrat)
Terlipressin
2 mg als Bolus i.v., dann 4-stündlich 1 mg i.v. über 24–48 h
Nitroglycerin
40–400 µg/min i.v.
Somatostatin
250 µg in langsamen Bolus, dann 250 µg/h über Perfusor für max. 48–72 h
Octreotid
50 µg im Bolus, danach 50 µg/h für max. 4 Tage
ren intestinalen Ischämien (Organinfarkte) drohen periphere Durchblutungsstörungen, Hochdruckkrisen, Schlaganfall und Myokardinfarkt. Die Kombination mit Nitroglycerin antagonisiert die systemischen Nebenwirkungen und hat einen zusätzlich senkenden Effekt auf den Pfortaderdruck. Bedingt durch seine kurze Plasmahalbwertszeit ist eine kontinuierliche i.v.-Verabreichung notwendig. Glycylpressin ist ein Triglycylanalogon des Vasopressin und wird erst nach Abspaltung der Glycylreste wirksam. Hierdurch hat es eine längere Plasmahalbwertszeit und kann in Bolusgaben (alle 4–6 h) verabreicht werden. Darüberhinaus ist die Nebenwirkungsrate deutlich geringer. Somatostatin und sein synthetisches Analogon Octreotide rufen eine splanchnische Vasokonstriktion über eine Freisetzungshemmung vasodilatierender Peptide (Glucagon) hervor, wobei nachgewiesen wurde, dass Octreotide auch direkte vasokonstriktive Effekte hat [Escorsell 2001]. Beide Substanzen werden nach primären Bolusgaben kontinuierlich verabreicht und zumindest Somatostatin bewirkt eine signifikant anhaltende Senkung des Pfortaderdrucks. Großer Vorteil der Substanzen ist ihre annähernde Nebenwirkungsfreiheit. NO-Donatoren Nitrate, Molsidomin und auch Nitroprussidnatrium haben so wie Antiadrenergika (Prazosin, Clonidin) und ACE-Hemmer in vitro und in vivo eine transhepatische Drucksenkung nachweisen können.Ungünstigerweise führen diese Stoffe in Monotherapie zu einer systemischen Vasodilatation mit den Folgen der
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Kapitel 6 · Ösophagusvarizenblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
arteriellen Hypotonie und Abnahme des effektiven arteriellen Blutvolumens.Abgesehen von der klinischen Symptomatik kommt es zu nachfolgender Aktivierung des RAAS mit Natriumretention, Aszites und Ödementwicklung. Unter Gabe von ACE-Hemmern und Angiotensinrezeptorantagonisten wurde ein Abfall der Kreatininclearance beobachtet. Ein klinischer Benefit einer Langzeittherapie konnte nicht dokumentiert werden [Garcia-Tsao 2001]. 6.4.4 Endoskopie Sklerosierungsbehandlung (EVS) Im deutschsprachigen Raum wird das Sklerosierungsmittel Polidocanol (Äthoxysklerol) eingesetzt. Im Fall einer akuten Blutung existieren verschiedene Applikationsmethoden, die sich in ihrer Effektivität allerdings nicht unterscheiden. In der Absicht eine sofortige Varizenthrombosierung zu erzielen, werden ca. 4–5 ml direkt intravarizeal injiziert.Die paravasale Methode versucht durch ein perivaskuläres Gewebsödem eine Varizenobliteration zu erzielen. Hierzu werden 1–2 ml angefangen im Bereich der Kardia, 6–8 cm nach kranial fortschreitend in spiralförmiger Anordnung subepithelial bis submukös in die Ösophaguswand injiziert. Eine dritte Technik kombiniert beide Methoden, indem die Varize zunächst durchstochen wird und nach Injektion in die Hinterwand eine zweite Portion intravaskulär gespritzt wird [Fleig 1996]. Ein Gesamtvolumen von 40 ml Sklerosierungsmittel sollte wegen zunehmender Komplikationen – tiefen Ulzera, Ösophagusnekrose und -perforation – nicht überschritten werden. Wichtig Die Sklerosierungsbehandlung erzielt akute Erfolgsraten von über 90%.
Im Anschluss an die akute Behandlung kommt es zu einer lokalen Entzündung, wobei die Ausbildung flacher Schleimhautnekrosen als Erfolgskriterium gewertet werden.Ziel der Behandlung ist eine komplette Fibrosierung aller Varizenstränge, wozu in der Regel mehrfache Sklerosierungssitzungen – alle 5–7 Tage – erforderlich sind. An Nebenwirkungen werden v. a. Schmerzen nach der Injektion,Fieber und Leukozytose beobachtet. Gelegentlich entsteht ein Pleuraerguss, der nur in 5% der Fälle punktionswürdig ist. Schwerwiegende Komplikationen wie Mediastinitis und Sepsis sind selten. An Langzeitkomplikationen sind
besonders Strikturen und Stenosen bei 8% der behandelten Patienten von Bedeutung. Im Fall einer massiven Ösophagusvarizenblutung mit schlechten Sichtverhältnissen bzw. bei Blutungen aus Magenfundusvarizen kommt Gewebekleber (N-Butyl-Cyanacrylat [Deutschland: Histoacryl; EU: Glumbran]) zum Einsatz. Die Substanzen werden in wässriger Form streng intravasal injiziert. Histoacryl wird zur Injektionserleichterung und zur späteren radiologischen Kontrolle mit dem Kontrastmittel Lipiodol gemischt (0,5 ml Histoacryl + 0,8 ml Lipiodol). Zur Überprüfung der intravasalen Lage kommt ein Probestich oder vorherige Injektion von 10–20 ml aqua dest. in Betracht. Erstere Methode erfordert gute Nerven, handwerkliches Geschick und eine schnelle Assistenz. Wichtig Im Übrigen gilt der Grundsatz: »don’t panic«.
Nach Injektion härtet der Kleber innerhalb weniger Sekunden aus und verursacht eine Varizenobliteration.Im Falle großer Varizen sind mehrere 0,5 ml-Portionen notwendig. Wichtig Mit dieser Methode werden Blutstillungsraten zwischen 95 und 100% erzielt.
Gefahr der Therapie ist v. a. eine Embolie. Endoskopische Varizenligatur (EVL) Diese Methode entstammt ursprünglich der Hämorrhoidentherapie und wurde erst 1989 zur Behandlung von Ösophagusvarizen etabliert [Stiegmann 1989]. Nach Ansaugen der Varize werden kleine Gummiringe an deren Basis appliziert, um so den akuten Blutfluss zu unterbinden und eine Thrombose der Varize zu erzielen. Sekundär kommt es zur Nekrose des abgebundenen Gewebes. Der Varixknoten als auch der Ring fallen nach ca. 5–7 Tagen ab und das an der Basis gelegene Gewebe vernarbt (analog Sklerosierungstherapie). Im Rahmen wiederholter Sitzungen kann eine komplette Varizeneradikation erzielt werden. Die Anwendung des Verfahrens ist in den letzten Jahren erheblich vereinfacht worden.Anfänglich existierten lediglich Systeme zur Applikation eines einzelnen Gummiringes, was wiederholtes Nachladen und wiederholte Geräteeinführung notwendig machte. Meist war der Einsatz eines Overtube als Einführhilfe notwendig. Moderne Systeme haben in der Regel
55 6.4 · Konservative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
6 aufgeladene Ringe (Six-Shooter, Fa. Wilson and Cook; Superview, Fa. Boston Scientific), die nacheinander abgeschossen werden können.Hierbei arbeitet man sich an der Kardia beginnend in etwa 2-cm-Abständen nach kranial voran. Der auf der Endoskopspitze platzierte und beladene Plastikzylinder wird dabei auf die Varize aufgesetzt,diese wird durch Druck auf das Saugventil des Endoskops in den Zylinder eingesogen und der jeweils distale Ring wird über ein im Arbeitskanal verlaufendes Zugseil freigegeben. Schwierigkeiten kann gelegentlich das Einführen des Endoskops mit jetzt unflexiblerer Gerätespitze bereiten.Außerdem ist die Sicht bei noch vollständig beladenem Zylinder methodenbedingt eingeschränkt. Das Verfahren ist sehr effektiv in der Anwendung. Wichtig Die akuten Blutstillungsraten liegen zwischen 89 und 100%.
Die Komplikationen der Behandlung entsprechen prinzipiell denen der Sklerosierungstherapie,die Komplikationsrate ist jedoch deutlich niedriger. Allerdings bleibt zu erwähnen, dass nach EVL häufiger Varizenrezidive als nach Sklerosierung beobachtet werden. 6.4.5 Ballonsonden Die Kompression der Ösophagusvarizen durch Ballonsonden ist das älteste therapeutische Verfahren bei akuter Blutung. Hierzu stehen mit der SenkstakenBlakemore-Sonde und der Linton-Nachlas-Sonde prinzipiell 2 unterschiedliche Sonden zur Verfügung. Senkstaken-Blakemore-Sonde Es handelt sich um eine Zwei-Ballon-Sonde,wobei der distale Ballon in der Kardia, der proximale Ballon im unteren Ösophagus platziert wird. Hierzu wird die Sonde zunächst transnasal bis in den Magen eingeführt. Dort Füllung des Magenballons mit ca. 150 ml Luft oder Wasser. Anschließend Rückzug der Sonde, bis der Magenballon mit leicht federndem Widerstand in der Kardia zu liegen kommt. Jetzt Aufdehnung des Ösophagusballons mit 40 mmHg Luftdruck über ein Blutdruckmanometer.Abschließend Lagemarkierung und Pflasterfixierung ohne Zug an der Nase. Linton-Nachlas-Sonde Es handelt sich um eine Einballonsonde, die sich in Ösophagusrichtung birnenförmig verjüngt. Analog
6
der vorbeschriebenen Platzierung erfolgt zunächst die transnasale Einlage in den Magen. Nach Einfüllen von 150 ml Luft und Rückzug in die Kardia dann weitere Luftinsufflation von etwa 200 ml unter Zug.Diese Sonde muss über eine Rolle mit ca. 250–400 g unter Zug gehalten werden. Sie empfiehlt sich für die Magenfundusvarizenblutung. Nach Anlage muss die korrekte Sondenlage durch eine Thoraxröntgenaufnahme überprüft werden [Fleig 1996]. Wichtig Beide Sonden erzielen Blutstillungsraten von 70–80%.
Zur Vermeidung teils großflächiger Schleimhautnekrosen muß nach 6–12 h entblockt werden. ! Cave Nach Entblocken erleiden 30–50% der Patienten ein Blutungsrezidiv. Wenn Komplikationen auftreten sind diese meist schwerer Natur.
Aspiration, ggf. -pneumonie und Atemwegverlegung durch dislozierte Sonden und Ösophagusrupturen sind in bis zu 14% beschrieben. Eine wesentliche protektive Rolle spielt die korrekte Anwendung durch einen erfahrenen Arzt.Erfahrungen in der Technik sind jedoch nicht mehr leicht zu sammeln,da diese fast vollständig von den endoskopischen Verfahren verdrängt wurde. 6.4.6 Transjugulärer intrahepatischer
portosystemischer Shunt (TIPS) Der transjuguläre intrahepatische portosystemische Shunt (TIPS) schafft nichtoperativ eine Verbindung zwischen einem Lebervenen- und einem Pfortaderast. Hierdurch kommt es je nach Shuntdurchmesser zu einer gezielten Reduktion des transhepatischen portalvenösen Druckgradienten. Nach Punktion der V. jugularis wird unter radiologischer Kontrolle ein Lebervenenast sondiert. Hierüber erfolgt die transhepatische Punktion eines Pfortaderhauptastes und über einen Führungsdraht die Vordilatation des Nadeltrakts. Anschließend Schienung des Gewebetrakts mit einem entsprechend lumigen selbstexpandierenden Metallstent (⊡ Abb. 6.1). Neben therapierefraktärem Aszites sowie als neoadjuvante Maßnahme vor Lebertransplantation ist der TIPS v. a. eine Behandlungsoption bei konservativ nichtbeherrschbarer Blutung.
56
Kapitel 6 · Ösophagusvarizenblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Eine dekompensierte Leberinsuffizienz (Bilirubin >5 mg/dl) und fortgeschrittene hepatische Enzephalopathie stellen die Hauptkontraindikationen dar.
I
Kontraindikationen des TIPS Technisch Thrombotischer Verschluss der V. cava superior oder inferior
Thrombotischer Verschluss beider V. jugulares internae a
Karvernöse Transformation der
b
Pfordader
Zystenleber Klinisch Abolute Kontraindikationen – –
c
Fortgeschrittenes Leberversagen Schwere hepatische Enzephalopathie ohne ursächlichen Zusammenhang zu akuter Blutung Relative Kontraindikationen – Schwere Herzinsuffizienz – Fortgeschrittene und rasch progrediente Erkrankung – Hepatozelluläres Karzinom oder Metastasenleber – Manifeste Verbrauchskoagulopathie
d
⊡ Abb. 6.1a–d. Schematische Darstellung der Technik des TIPS. a Nach Punktion einer inneren Jugularvene wird die die rechte Lebervene (LV) katheterisiert. b Durch den Führungsdrahtkatheter wird eine 55 cm lange Nadel eingeführt und ein intrahepatischer Ast der Pfordader punktiert. c Das umliegende Leberparenchym wird dilatiert und d ein Metalstent implantiert
Indikationen des TIPS Blutungen Prophylaxe einer Rezidivblutung aus Ösophagus-, Magenvarizen – Prophylaktische Behandlung rezidivierender Blutungen aus Erosionen bei hypertensiver Gastropathie Andere – Therapierefraktärer Aszites – Budd-Chiari-Syndrom – Lebertransplantation bei portaler Hypertension – Hepatorenales Syndrom
Infolge der fehlenden Entgiftungsfunktion der Leber ist die Entwicklung bzw. Verschlimmerung einer hepatischen Enzephalopathie auch die wesentliche Langzeitkomplikation des Verfahrens. Andererseits ist bei Shuntinsuffizienz oder -thrombose das Risiko eines Blutungsrezidivs hoch.
–
Sein Einsatz wird jedoch durch eine hohe Kliniksterblichkeit (35–70%) bei Patienten mit meist schlechtem Allgemeinzustand (oft Child C) limitiert.
6.5
Operative Therapie H. Witzigmann, D. Uhlmann, J. Hauss
Es gibt 3 chirurgische Prinzipien zur Behandlung der Ösophagusvarizenblutung: ▬ Portosystemische Shuntoperationen, ▬ Devaskularisationsverfahren, ▬ Lebertransplantation.
57 6.5 · Operative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
6
6.5.1 Portosystemische
Shuntoperationen Die portosystemischen Shuntoperationen werden, je nach funktionellem Einfluss auf den portalen Blutfluss, in totale, partielle und selektive Shunts unterteilt. Totale Shunts Totale Shunts leiten den gesamten portalen Blutfluss in die V. cava inferior. Der Prototyp des totalen Shunts ist der portokavale End-zu-Seit-Shunt (⊡ Abb. 6.2).Bei dieser Operation wird nach Absetzen der V. portae an der Bifurkation eine End-zu-Seit-Anastomose zwischen V. portae und der V. cava inferior durchgeführt. Es gibt zunehmend Daten,dass auch portokavale Seitzu-Seit-Anastomosen zu einer Umleitung des gesamten portalen Blutes in die V. cava führen und somit funktionell totale Shunts sind.Darüberhinaus kann es zu einer Flussumkehr in der lebernahen Pfortader mit Abfluss eines Teils des arteriellen Blutes in die V. cava kommen.
⊡ Abb. 6.2. Portokavale End-zu-End-Anastomose (PC): Die Pfortader ist am Leberhilus abgesetzt und mit der infrahepatischen V. cava inferior anastomosiert. Wenn technisch notwendig muss auch die V. coronaria ventriculi abgesetzt werden
! Cave Dieses »hepatic arterial steal syndrome« wird zunehmend als potenzielle Komplikation aller Seit-zu-Seit-Shuntoperationen einschließlich des TIPS erkannt und für die hohe Enzephalopathierate (40–50%) und die Verschlechterung der Leberfunktion verantwortlich gemacht [Bass 1998].
Funktionell totale portalsystemische Shunts sind der portokavale Seit-zu-Seit-Shunt, der zentrale splenorenale Shunt und der großlumige mesokavale H-Shunt (⊡ Abb. 6.3). Bei letzterem erfolgt die Interposition einer autologen Vene oder Gefäßprothese (Durchmesser >10 mm) zwischen V. cava inferior und V. mesenterica superior. Vorteile der Seitzu-Seit-Shunts sind eine effektive Kontrolle der Ösophagusvarizenblutung und Verbesserung des Aszites bei über 90% der Patienten [Henderson 2000]. Beim akuten Budd-Chiari-Syndrom mit fortschreitender Leberzellnekrose ist ein Seit-zu-SeitShunt das Verfahren der Wahl, um die Sinusoide durch hepatofugalen portalen Fluss zu dekomprimieren. Partielle Shunts Partielle Shuntoperationen werden mit dem Ziel durchgeführt, nur einen Teil des portalen Blutflusses in die V. cava umzuleiten, damit ein Rest von orthogradem portalen Blutfluss gewährleistet ist.
⊡ Abb. 6.3. Mesokavaler Interpositionsshunt (H-Shunt): Die V. mesenterica superior wird mittels (kurzer) Interposition eines ringverstärkten 8-mm Teflonsegmentes mit der infrahepatischen V. cava inferior anastomisiert. Postoperativ oft retrograder Pfordaderfluss zur Anastomose hin
Wichtig Es reicht aus, den portalvenösen Druckgradienten unter 12 mmHg zu senken, damit keine Ösophagusvarizenblutungen auftreten [Polio 1986].
Dies wird durch einen portokavalen oder mesokavalen H-Shunt mit einer 8 mm Gefäßprothese erreicht.
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I
Kapitel 6 · Ösophagusvarizenblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
In 2 prospektiv randomisierten Studien zum Vergleich des totalen mit dem partiellen portokavalen Shunt zeigte sich in beiden Shuntgruppen bei über 90% der Patienten eine effektive Blutungskontrolle. Durch den partiellen portokavalen Shunt wurde jedoch bei 90% der Patienten ein orthograder portaler Blutfluss erhalten mit signifikant niedrigerer Enzephalopathierate im Vergleich zum totalen Shunt [Capusotti 2000; Sarfeh 1994]. Selektive Shunts Der Begriff selektiver Shunt bezeichnet eine Operation, welche selektiv den Blutfluss zu den Varizen unter Erhalt des portalen Flusses reduziert. Der klassische selektive Shunt ist der distale splenorenale Shunt (sog.Warren-Shunt; ⊡ Abb. 6.4).Bei diesem Verfahren wird die distale Milzvene End-zu-Seit mit der linken Nierenvene anastomosiert. Zusätzlich ist die Ligatur der V. coronaria und weiterer Kollateralen zum Ösophagus entlang der Magenminorseite obligat. Die Kompartmentbildung in eine venöse Niedrigdruckzone in der Milz-Ösophagus-Region und eine portale Hochdruckzone erhält den orthograden portalen Blutfluss. Mit der Zeit kommt es allerdings zur erneuten Ausbildung von Kollateralen zwischen dem lienalen und portalen Stromgebiet,sodass ein nichtselektiver partieller oder totaler Shunt entsteht. Die spontane Reanastomosierung der beiden Stromgebiete ist der wahrscheinliche Grund dafür, dass eine geringere En-
zephalopahierate nach Warren-Shunt im Vergleich zu nichtselektiven Shunts nicht in allen Studien nachgewiesen werden konnte [Rikkers 1992]. Der selektive Warren-Shunt und nichtselektive Shunts zeigen keine Unterschiede hinsichtlich postoperativen Komplikationen und Überleben. ! Cave Bei Patienten mit ausgeprägtem Aszites ist der Warren-Shunt nicht indiziert, da der sinusoidale Druck erhöht bleibt.
6.5.2 Devaskularisationsverfahren Die Devaskularisation des unteren Ösophagus und des Magens erlaubt die Blutungskontrolle ohne die Nebenwirkungen von Enzephalopathie und Verschlechterung der Leberfunktion, welche nach TIPS und chirurgischer Shuntoperation häufig auftreten. Bei dem ausgedehnten Devaskularisationsverfahren n. Sigiura erfolgt eine Transsektion des distalen Ösophagus mit paraösophagogastrischer Devaskularisation, Splenektomie, selektiver Vagotomie und Pyloroplastik. Bei dieser Operation werden die Kollateralen zwischen V. coronaria und V. azygos erhalten. Außerhalb Japans besteht mit dieser Technik wenig Erfahrung. Am häufigsten wird die Sperroperation des distalen Ösophagus mit einem über den Magen eingeführten zirkulären Klammernahtgerät durchgeführt. Zusätzlich werden bei diesem Verfahren die parakardial verlaufenden Kollateralvenen disseziert. 6.5.3 Lebertransplantation
⊡ Abb. 6.4. Distaler splenorenaler Shunt (Warren-Shunt): Die Milzvene ist direkt vor ihrem Konfluens mit der V. mesenterica superior abgesetzt und mit der V. renalis sinstra anastomisiert. Wichtig ist die zusätzliche Unterbrechung der V. coronaria ventriculi, kombiniert mit einer Skelettierung des distalen Magens (Zwei-Kompartiment-Bildung)
Die optimale definitive Therapie bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose (Child B und C) und rezidivierenden Ösophagusvarizenblutungen besteht in der Lebertransplantation. Kriterien in der Entscheidungsfindung sind der Schweregrad der Leberfunktionsstörung (Child-Stadium, Meld-Peld-Score), die Komorbidität der Patienten und die lokale Erfahrung mit den verschiedenen Therapiemodalitäten. Wenn ein Patient aufgrund der Gesamtsituation dafür in Frage kommt, kann in den meisten Fällen durch wiederholte endoskopische Behandlungssitzungen die Wartezeit bis zur Transplantation überbrückt werden.
59 6.6 · Vorgehen in verschiedenen klinischen Situationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Bei endoskopisch nichtausreichend beherrschbaren Blutungen ist zur Überbrückung bis zur Transplantation eine Druckentlastung der Ösophagusvarizen durch einen chirurgischen Shunt oder TIPS notwendig; es sollte eine Operation gewählt werden, welche den Leberhilus unberührt lässt (Warren-Shunt oder mesokavaler Shunt).
6
▬ Akutes Budd-Chiari-Syndrom.
Verfahren: totaler porto- oder mesokavaler Shunt. 6.6
Vorgehen in verschiedenen klinischen Situationen D. Menke, H. Witzigmann, T. Wehrmann, D. Uhlmann, J. Hauss
6.6.1 Therapie der akuten Blutung Die Lebertransplantation kann mit geringerer Morbidität und Letalität durchgeführt werden, wenn die akute Blutungssituation durch TIPS oder einen chirurgischen Shunt beherrscht ist. Außerdem ist bei dieser Patientengruppe eine »High-urgency«-Meldung nach den bestehenden Kriterien nicht möglich, sodass auf die Verfügbarkeit eines regulären Organangebotes gewartet werden muss.Die 1-Jahres-Patientenüberlebensrate nach elektiver Lebertransplantation liegt bei über 80%. Wichtig Die Ösophagusvarizenblutung stellt bei Patienten mit Leberzirrhose und noch guter Leberfunktion (Child A) keine Indikation zur Lebertransplantation dar.
6.5.4 Zusammenfassung chirurgischer
Indikationen Die Frage, ob ein Patient ein potenzieller Kandidat für die Lebertransplantation ist, spielt in der Therapiestrategie zur Behandlung der Ösophagusvarizenblutung eine entscheidende Rolle. Indikation zur chirurgischen Shuntoperation in der Therapie der Ösophagusvarizen sind: ▬ In Ausnahmesituationen (semielektiv) nach Versagen von endoskopischer und medikamentöser Behandlung und TIPS. Verfahren: portokavaler Shunt,Devaskularisation. ▬ Elektiv als Langzeitüberbrückungsverfahren bis zur Lebertransplantation. Verfahren: 1. Wahl: distaler splenorenaler Shunt, 2. Wahl: partieller porto- oder mesokavaler Shunt. ▬ Elektiv als definitive Therapie bei operablen Patienten mit Kontraindikationen zur Lebertransplantation. Verfahren: 1. Wahl: distaler splenorenaler Shunt, 2.Wahl: partieller porto- oder mesokavaler Shunt.
Internistische Therapieoptionen Lange Zeit war die endoskopische Sklerosierungstherapie der »golden standard« in der Behandlung der akuten Ösophagusvarizenblutung [D’Amico 1995]. Direkte Vergleichsstudien und deren Metanalysen und haben Vorteile der endoskopischen Varizenligatur bezüglich Blutungskontrolle,Rezidivblutungsrate,Gesamtletalität und Komplikationsrate gezeigt [Laine 1996].Somit ist die Ligaturbehandlung heutzutage das endoskopische Verfahren der ersten Wahl. Bei Fundusvarizenblutung ist die Histoacryl-Injektion sowohl der Sklerosierungstherapie als auch der Ligatur überlegen [Lo 2001]. Der Vorteil der medikamentösen Therapie (vasoaktive Medikamente) ist ihre unmittelbare Verfügbarkeit. Sie kann bereits bei hochgradigen Blutungsverdacht vor einer diagnostischen Endoskopie oder als Alternative bei nicht zur Verfügung stehender Endoskopie zum Einsatz kommen [Escorsell 2000]. Hierfür kommen nur Medikamente mit einem hohen Sicherheitsprofil in Betracht. Somatostatin und Terlipressin haben sich diesbezüglich als geeignet erwiesen. So konnte durch frühzeitige Gabe von Terlipressin plus Nitropflaster durch den Notarzt die Blutungskontrolle verbessert und die Mortalität in der Behandlungsgruppe gesenkt werden. Wichtig Eine Kombination aus endoskopischer Behandlung und begleitender medikamentöser Therapie (Somatostatin; [Avgerinos 1997]) senkt v.a. das Risiko einer frühen Rezidivblutung, welches in den ersten 5 Tagen nach akutem Ereignis am höchsten ist.
Bei 10–20% aller Patienten gelingt trotz endoskopischer Therapie (ggf. in Kombination mit vasoaktiven Medikamenten) keine Blutungskontrolle oder es kommt zu einer frühen Rezidivblutung. Diese Patien-
60
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Kapitel 6 · Ösophagusvarizenblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
ten profitieren zunächst von einer TIPS-Anlage, obwohl mit einer erheblichen Klinikmortalität zu rechnen ist [Sanyak 1996]. Die Ballonsondenkompression (Sengstaken- oder Linton-Nachlas-Sonde) als passager effektives Verfahren eignet sich als Überbrückungsmaßnahme bei schwer Blutung, wenn entweder keine Notfallendoskopie zur Verfügung steht oder wenn nach mindestens 2 erfolglosen endoskopischen Therapieversuchen eine TIPS-Anlage geplant wird. Durch eine begleitenden Antibiotikatherapie kann die Rate der Rezidivblutungen und die Mortalität gesenkt werden [Bernard 1999]. Chirurgische Therapieoptionen In der Notfallsituation sollte eine chirurgische Therapie möglichst vermieden werden, da die Letalität trotz effektiver Blutungskontrolle zwischen 20 und 50% liegt [Knechtle 2000]. Ist eine operative Therapie notwendig,sind die technisch einfacheren nichtselektiven Shunts (portokaval) oder die Devaskularisation dem Warren-Shunt vorzuziehen. 6.6.2 Prophylaxe der Rezidivblutung
(Sekundärprophylaxe) Internistische Therapieoptionen In Anbetracht der enorm hohen Rezidivblutungsrate (40% innerhalb der ersten 6 Wochen, 80% innerhalb von 2 Jahren) ist eine Sekundärprophylaxe nach stattgehabter Erstblutung obligat. Hierfür haben sich sowohl die b-Blockertherapie als auch eine endoskopische Varizenbehandlung als wirksam erwiesen [D’Amico 1995; D’Amico 1999]. Wichtig Auch bei der Rezidivprophylaxe hat sich die Varizenligatur als endoskopisches Verfahren der Wahl etabliert. Zur kompletten Varizeneradikation sind weniger Sitzungen notwendig, die Rezidivblutungsrate ist geringer und das Verfahren verursacht weniger Langzeitkomplikationen als die Sklerosierungstherapie [Laine 1995].
Die Rate der Varizenrezidive (nicht Blutungen!) ist nach EVL jedoch höher als nach EVS, da tiefe Crossvenen durch Ligatur nicht obliteriert werden, wie mittels Endosonographie gezeigt werden konnte. Sinnvoll erscheint eine Kombination von Ligatur und Sklerosierung (niedrig dosiertes 1%iges Polidocanol),
wenn nach Abschluss der Ligaturbehandlung noch kleine Restvarizen bestehen, die sich einem Banding entziehen [Lo 1998]. Kommen b-Blocker allein zur Rezidivprophylaxe zur Anwendung, vermögen diese den Pfortaderdruck zwischen 15 und 25% zu senken [Groszmann 1990].Da jedoch bis zu 40% der Patienten nicht ausreichend auf b-Blocker ansprechen (Pfortaderdrucksenkung um weniger als 20%; [Groszmann 1990]), bietet sich zur Therapieüberprüfung die Bestimmung des Lebervenenverschlussdruckgradienten an. Lässt sich dieser langfristig über 20% senken, ist das Rezidivblutungsrisiko sehr gering. Die Datenlage bzgl. einer medikamentösen Kombination aus Nitrat und b-Blocker ist kontrovers, eine generelle Empfehlung hierfür kann noch nicht gegeben werden, obgleich sich Berichte mehren, dass dieses Behandlungsverfahren einer endoskopischen Therapie zumindest ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen ist [Gracia-Tsao 2001; Villanueva 2001]. Eine begleitende b-Blockertherapie zusätzlich zur endoskopischen Varizeneradikation senkt das Rezidivblutungsrisiko um weitere 10%, sodass sich diese Art der Kombinationsbehandlung insbesondere in der frühen Phase der Ligaturbehandlung vor Erreichen der kompletten Eradikation anbietet [D’Amico 1995]. Die Shunttherapie (operativ oder TIPS) ist zur Blutungsprophylaxe zwar sehr effektiv, birgt aber die Komplikation der hepatischen Enzephalopathie in sich, ohne dass sich eine Verbesserung im Überleben gezeigt hat [D’Amico 1995].Es ist mit einer hohen Rate an Shuntdysfunktionen zu rechnen (77% Angioplastie oder Restenting im 1. Jahr), sodass diese Option allenfalls bei Blutungsrezidiv unter kombinierter endoskopischer- und Pharmakotherapie in Frage kommt. Zusammenfassend wird das therapeutische Vorgehen zur Rezidivprophylaxe bezüglich der Frage b-Blocker oder Varizenligatur von der Erfahrung des Arztes mit dem jeweiligen Verfahren, der zu erwartenden Compliance und der Präferenz des Patienten abhängig sein. Eine Kombinationsbehandlung sollte bei Versagen der Monotherapie erfolgen [Garcia-Tsao 2001]. Chirurgische Therapieoptionen Indikationen für chirurgische Shunts sind Patienten mit rezidivierender Ösophagusvarizenblutung und guter Leberfunktion (Child A, frühes Child-B-Stadium), welche noch keine oder grundsätzlich (Alkoholabusus, Alter) keine Kandidaten für eine Lebertransplantation sind. Der distale splenorenale Warren-Shunt ist die Operation der Wahl, da bei dieser Operation das postoperative Risiko einer Enzephalopathie und Ver-
61 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
schlechterung der Leberfunktion im Vergleich zu den nichtselektiven portosystemischen Verfahren geringer ist. Für Patienten, die auf die Warteliste zur Lebertransplantation aufgenommen werden (Child B oder C), stellt der TIPS das Standardverfahren zur Blutungsprophylaxe dar. Besteht eine schwere Enzephalopathie, Pfortaderthrombose, Lebertumor oder polyzystische Lebererkrankung ist ein TIPS kontraindiziert. In dieser Situation erfolgt die Blutungsprophylaxe bis zur Lebertransplantation durch intensivierte endoskopische und medikamentöse Therapie und bei Erfolglosigkeit durch einen chirurgischen Shunt. 6.6.3 Prophylaxe der Erstblutung
(Primärprohylaxe) Eine Varizenblutung erleiden 30% der Patienten mit Ösophagusvarizen.Angesichts der hohen Primärletalität und der hohen Rezidivblutungsgefahr erscheint eine prophylaktische Behandlung sinnvoll. Eine generelle Prophylaxe würde aber bedeuten, dass 60–70% der Patienten umsonst behandelt werden, da sie nie eine Blutung erleiden werden. Demnach sind Kandidaten für eine Primärprophylaxe in einer schwer zu definierenden Hochrisikogruppe zu suchen; geeignete Auswahlkriterien sind große Varizen, »red wale signs«, »cherry red spots« sowie eine fortgeschrittene Leberfunktionseinschränkung [NIECSTEV 1988]. Die absolut höhere Zahl der Patienten,die eine Blutung erleiden werden, stammt aus der größeren Gruppe mit niedrigem Risiko. Würde man die oben genannten Kriterien um den Parameter »Ösophagusvarizendruck« erweitern,so ließe sich der prädiktive Wert der Erstblutung deutlich verbessern. Aufgrund der Invasität der Ösophagusvarizendruckmessung ist eine Routinebestimmung nicht durchführbar. Zur Therapie kommen in erster Linie nichtkardioselektive b-Blocker in Betracht.Sie können die Rate der Erstblutung in den ersten 2 Jahren nach Diagnosestellung von 25 auf 15% reduzieren.Die Mortalität ist in der Gruppe der Behandelten tendentiell niedriger (23 vs. 27%; [D’Amico 1999]). Der Einsatz von Nitraten in der Primärprophylaxe sowie sämtliche Shuntverfahren haben sich nicht bewährt [Garcia-Tsao 2001]. Wichtig Derzeit sind b-Blocker in der Primärprophylaxe bei Hochrisikopatienten das Mittel der ersten Wahl.
6
Die endoskopische Varizenligatur wird bei Vorliegen von Kontraindikationen oder bei Medikamentenunvertäglichkeit und Nebenwirkungen eingesetzt.
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62
I
Kapitel 6 · Ösophagusvarizenblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Knechtle SJ, Rickers LF (2000) The place of portosystemic shunting. In: Blumgart LH, Fong Y (eds.) Surgery of the liver and biliary tract. W.B. Saunders, Phipadelphia, pp 1927–1943 Laine L, Cook D (1995) Endoscopic ligation compared with sclerotherapy for treatment of esophageal variceal bleeding. A meta-analysis. Ann Intern Med 123: 280–287 Laine L, Stein C, Sharma V (1996) Randomized comparison of ligation versus ligation plus sclerotherapy in patiets with bleeding esophageal varices. Gastroenterology 110: 529–533 Lo GH, Lai KH, Cheng JS, Chen MH, Chiang HAT (2001) A prospective, randomized trial of butyl cyanoarylate injection versus band ligation in the management of bleeding gastric varices. Hepatology 33: 1060–1064 Lo GH, Lai KH, Cheng JS et al. (1998) The additive effect of sclerotherapy for patients receiving repeated endoscopic variceal ligation: A prospective, randomized study. Hepatology 28: 391–395 North Italian Endoscopic Club for the Study and Treatment of Esophageal Varices (1988) Prediction of the first variceal hemorrhage in patients with cirrhosis of the liver and esophageal varices. A prospective multicenter study. N Engl J Med 319: 983–989 Paquet KJ, Oberhammer E (1978) Sclerotherapy of bleeding esophageal varices by means of endoscopy. Endoscopy 10: 7–11
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II SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Gastroduodenale Krankheiten 7
Gastritis W. Rösch
– 65
8
Peptisches Ulkus, Ulkusblutung W. Rösch, K.H. Fuchs
9
Der operierte Magen J. Stein
– 80
10
Tumoren des Magens W. Fischbach
– 89
11
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und Sarkome des GI-Trakts – 97 W.F. Caspary
12
Therapie neuroendokriner gastroenteropankreatischer (GEP) Tumoren – 102 Babette Simon
13
Medikamentös induzierte Gastroenteropathien J. Stein
– 70
– 111
7 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Gastritis W. Rösch 7.1
Ätiologie und Pathogenese
– 66
7.1.1 Akute Gastritis – 66 7.1.2 Chronische Gastritis – 66
7.2
Diagnostik
7.3
Klinik
7.4
Therapie
– 67
– 68 – 68
7.4.1 Allgemeinmaßnahmen – 68 7.4.2 Medikamentöse Therapie – 68
Literatur
>>
– 69
Der Begriff der Gastritis ist früher vorwiegend klinisch für Beschwerden verwandt worden, die von Arzt und Patient auf den Oberbauch bezogen wurden. Er ist zwischenzeitlich durch den Terminus funktionelle Dyspepsie ersetzt worden, da sich gezeigt hat, dass eine histologisch definierte Gastritis sich genau so häufig bei Patienten mit funktionellen Oberbauchbeschwerden findet wie eine morphologisch unauffällige Schleimhaut ( s. auch Kap. 43 Dyspepsie). Während man früher davon ausging, dass es sich bei der chronischen Gastritis um einen physiologischen Alterungsprozess der Magenschleimhaut handeln würde, der mit einem Verlust an sekretorischer Kapazität einhergeht, steht heute die durch das Bakterium Helicobacter pylori (H.p.) induzierte Typ-B-Gastritis im Vordergrund und ist für über 90% aller histologisch definierten Gastritiden verantwortlich. Andere unter ätiopathologischen Gesichtspunkten definierte Gastritiden spielen nur eine untergeordnete Rolle, wobei es zumindest bei der Autoimmungastritis (Typ-A-Gastritis) Querverbindungen zur H.p.-Gastritis gibt; auch Mischformen scheinen vorzukommen. Von der chronischen Gastritis ist die akute Gastritis zu trennen, eine akute Magenschleimhautschädigung durch exogene oder endogene Noxen, die nicht in ein chronisches Stadium – mit Ausnahme der H.p.-Infektion – übergeht und folgenlos ausheilt.
66
Kapitel 7 · Gastritis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
7.1
Ätiologie und Pathogenese
erfolgt, je nach Eindringtiefe der Noxe zu akuten Schleimhautschäden. Auch hypoxische Mukosaschäden,z.B.im Rahmen von Stressereignissen,können zu dem Bild einer akuten Gastritis beitragen.
7.1.1 Akute Gastritis
II
Für eine akute Gastritis sind eine Vielzahl von Erkrankungen verantwortlich,die sich als Magenverstimmung bemerkbar machen. Eine Nahrungsmittelvergiftung, z. B. durch Staphylokokkentoxine, eine Mukosaschädigung durch Alkohol oder Medikamente sowie Mitreaktionen des inneren Integuments, z. B. im Rahmen von klassischen Kinderkrankheiten können Magensymptome auslösen, ohne dass man in jedem Fall eine granulozytäre Infiltration der Tunica propria findet, wie sie definitionsgemäß zur akuten Gastritis gehört. Meist finden sich nur petechiale Schleimhautblutungen oder vereinzelte erosive Defekte, gelegentlich nur Motilitätsstörungen im Sinne einer Gastroparese. Interessant sind Beobachtungen von Graham [1998] zur akuten Infektion mit H.pylori.Dabei kommt es zunächst für 2–3 Tage zu einer überschießenden Säure- und Pepsinsekretion, gefolgt von einer 2–3 Wochen dauernden Periode einer Hypochlorhydrie (epidemische Hypochlorhydrie), bis sich die Magensekretion wieder normalisiert. Hier finden sich neben Zeichen der akuten Gastritis mit einer granulozytären Infiltration auch zunehmend Lymphozyten und Plasmazellen als chronische Immunantwort,wobei die Granulozyten die Aktivität des Entzündungsvorgangs prägen (aktive chronische Gastritis).Antikörper gegen H. pylori können darüber hinaus zu einer Autoimmunreaktion mit Zerstörung des spezifischen Drüsenkörpers führen, wie dies für die Autoimmungastritis vom PerniziosaTyp kennzeichnend ist. In der präatrophischen Phase fehlen dabei Parietalzellantikörper. Schließlich führt eine akute Säure- oder Laugenverätzung,meist akzidentell oder in suizidaler Absicht
7.1.2 Chronische Gastritis Bei der chronischen Gastritis, die über Jahre und Jahrzehnte progressiv verläuft, werden heute unter pathogenetischen Aspekten verschiedene Verlaufsformen unterschieden (⊡ Tabelle 7.1). Im Prinzip geht es um 3 Varianten: ▬ eine Autoimmungastritis (Typ A) mit Parietal(Protonenpumpen)- und Intrinsic-Faktor-Antikörpern, ▬ eine bakterielle Gastritis (Typ B) und ▬ eine chemisch-toxische Gastritis (Typ C),wobei die H.p.-Gastritis ganz im Vordergrund steht. Je nach Entzündungstyp ist mit entsprechenden Folgeerkrankungen zu rechnen (⊡ Abb. 7.1): beim
⊡ Abb. 7.1. Effekt der Säurehemmung auf das Gastritismuster
⊡ Tabelle 7.1. Ätiopathogenese der chronischen Gastritis Gastritis-Typ
Häufigkeit
Ätiopathogenese
A-Gastritis
3–6%
B-Gastritis
80–90%
C-Gastritis
7–15%
Autoimmunerkrankung mit Parietalzell-AK (90%) Intrinsic-Faktor-AK (50%) H.p.-Infektion H. Heilmannii (0,3%) ASS-/NSAR-Medikation Gallereflux
Selten sind Mischformen (Typ A + B), häufiger die Ex-H.p.-Gastritis nach erfolgreicher H.p.-Sanierung, die lymphozytäre Gastritis, z. B. bei Sprue sowie Sonderformen (M. Crohn, Sarkoidose, eosinophile Gastritis). AK Antikörper.
67 7.2 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 7.2. Sydney-Klassifikation
7
68
II
Kapitel 7 · Gastritis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
antrum-dominanten Typ findet sich gehäuft ein Ulcusduodeni-Leiden (und eine Refluxösophagitis), beim korpus-dominanten Typ drohen Ulcus ventriculi und Magenkarzinom. Eine besonders dichte Besiedlung der Magenmukosa mit H.p. kann zu einer Riesenfaltengastritis mit einem Morbus Ménétrier führen. 7.2
Diagnostik
Die Diagnose einer akuten und/oder chronischen Gastritis fußt auf einer gastroskopischen Biopsie aus Antrum und Korpus. Dabei wird die Aktivität und die Tiefeninfiltration des Entzündungsprozesses nach den Sydney-Kriterien beurteilt ([Dixon 1996]; ⊡ Abb. 7.2). Der H.p.-Nachweis kann dabei histologisch, mit dem Urease-Schnelltest (HUT-Test), dem 13C-Harnstoff-Atemtest oder dem H.p.-Antigen-Nachweis im Stuhl geführt werden. Zur Diagnostik der Autoimmungastritis vom Perniziosa-Typ gehört ein morphologisch unauffälliges Antrum bei chronisch atrophischer Gastritis im Korpus, eine Hypergastrinämie, Parietal- und Intrinsic-Faktor-Antikörper sowie gelegentlich Antikörper gegen Schilddrüsen- oder Nebennierengewebe. Magensekretionsanalysen, die eine zunehmend eingeschränkte Säuresekretion bis hin zur histamin-refraktären Achlorhydrie dokumentieren, sind heute nicht mehr üblich, ebenso wenig wie die Pepsinogenbestimmung im Serum. 7.3
Klinik
Auf die Schwierigkeiten, anhand von Magensymptomen auf eine akute oder chronische Gastritis zu schließen, ist bereits einleitend hingewiesen worden. Inappetenz, Übelkeit, postprandiales Völlegefühl, Schmerzen im Epigastrium und Nüchternschmerz können Ausdruck einer Gastritis sein, während das Symptom Sodbrennen heute der Refluxkrankheit der Speiseröhre zugerechnet wird.(Saures) Aufstoßen in Verbindung mit postprandialem Völlegefühl oder frühem Sättigungsgefühl weist meist auf eine Motilitätsstörung (verzögerte Magenentleerung) hin. Übelkeit und Erbrechen haben nicht selten ihre Ursache nicht in einer Entzündung der Magenschleimhaut, sondern werden zentral ausgelöst.
7.4
Therapie
7.4.1 Allgemeinmaßnahmen Exogene Noxen einschließlich Medikamenten, die zu Magenunverträglichkeiten oder Mukosaschäden führen, wie Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Alendronate, sollten nach Möglichkeit abgesetzt oder ggf. von einer Magenschutztherapie begleitet werden. Zu diskutieren ist auch ein Wechsel des Analgetikum auf z. B. Paracetamol oder COX2-selektive NSAR-Präparate. Eine 1- bis 2-tägige Nahrungskarenz mit sukzessivem Kostaufbau, feucht-warme Kataplasmen auf den Bauch und Bettruhe lassen eine akute Gastritis rasch abklingen.Geht diese mit Durchfall einher (akute Gastroenteritis) kann der Einsatz von Loperamid sowie eine Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution erforderlich werden. 7.4.2 Medikamentöse Therapie Die meisten Menschen greifen bei Magenbeschwerden,die sie als akute Gastritis interpretieren,zu einem als OTC-Präparat verfügbaren Antazidum (z. B. Maaloxan, Solugastril, Talcid, Riopan) oder zu einem H2Blocker (z.B.Zantic 75,Pepcid dual; [Arendt 1993]).Bei Persistieren der Beschwerdesymptomatik erfolgt eine Arztkonsultation. Übelkeit und postprandiales Völlegefühl lassen sich mit Prokinetika (Metoclopramid, Domperidon) in einer Dosierung von 3¥10 mg gut beeinflussen; auch Phytotherapeutika wie Iberogast (3¥20 Tropfen) oder Enteroplant ( 3¥1 Kapsel) können eingesetzt werden. Die Rezeptur eines H2-Blockers in voller therapeutischer Dosis oder eines Protonenpumpenhemmers bei säurebedingten Beschwerden (»acid indigestion«) ist nur selten erforderlich, ähnliches gilt für orale Prostaglandinpräparate Misoprostol (Cytotec) oder Sucralfat (Ulcogant). Bei der Therapie der chronischen Gastritis sei auf das Kapitel der funktionellen Dyspepsie (Kap.43) verwiesen. Einer von 2–5 Patienten spricht auf ein Prokinetikum an, einer von 15 Patienten auf eine Sanierung einer bestehen H.p.-Infektion. Im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse ist deshalb eine Stufentherapie im Einzelfall durchaus zu diskutieren.Bezüglich der H.p.Therapie [EHPSG 1997, Malfertheiner 2000] sei auf das Kapitel Ulkustherapie (Kap. 8) verwiesen. Diskutiert wird diese Therapie auch zur Prävention der
69 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Autoimmungastritis, wenn sich intraepitheliale Lymphozyten und eine periglanduläre Infiltration bei einer korpus-dominanten Gastritis finden. Bei der Autoimmungastritis vom Perniziosa-Typ hat man Versuche, durch Kortisongabe ein Wiederaufforsten von Parietalzellen zu erreichen,wieder verlassen und führt eine Vitamin-B12-Substitution mit 1000 µg/Tag bei Diagnosestellung, später 1¥/Monat durch. Eine häufig praktizierte Salzsäuresubstitution, z. B. durch Enzynorm forte, macht wenig Sinn, da pro Mahlzeit 510 Tropfen einer physiologischen n/10-Salzsäurelösung zugeführt werden müssten,um physiologische Verhältnisse bei einer Achylia gastrica zu gewährleisten. Die in 3–7% bei einer Perniziosa nachweisbaren, auf die Hypergastrinämie zurückzuführenden Mikrokarzinoide bedürfen keiner Therapie, da sie nicht metastasieren und als ECL-Zellhyperplasie nur Histamin produzieren, dem ein Erfolgsorgan, nämlich die Parietalzelle fehlt. Bei der Riesenfaltengastritis besteht häufig ein gastraler Eiweißverlust. Dieser lässt sich gelegentlich durch Muscarinrezeptor-Antagonisten (Pirenzepin) positiv beeinflussen; sonst muss evtl.Albumin substituiert werden. Bei H.p.-Besiedlung kann eine Sanierung der Infektion zu einem Verschwinden der Riesenfalten und der Eiweißmangelödeme führen. Bei der Typ-C-Gastritis werden je nach Noxe zur Prophylaxe und Therapie H2-Blocker,besser aber Protonenpumpenblocker (PPI) oder Misoprostol (Cytotec) eingesetzt. Schwieriger ist die Situation bei der alkalischen Refluxgastritis,wie sie z.B.im operierten Magen häufig zu finden ist.Weder der Einsatz von Adsorbentien, z. B. aluminiumhydroxidhaltigen Antazida noch Colestyramin oder Ursodeoxycholsäure liefern über-
7
zeugende Resultate, sodass auch ein Versuch mit Prokinetika sinnvoll erscheint. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine chronische Gastritis auf dem Boden einer H.p.-Infektion behandelt werden kann, aber nicht behandelt werden muss,zumal bei fortgeschrittener Atrophie ein »point of no return« erreicht sein kann, der eine Restitutio ad integrum nicht mehr erlaubt. Im Einzelfall ist es jedoch verblüffend, wenn Patienten, die sich wegen Nahrungsmittelunverträglichkeiten erheblich einschränken mussten,nach einer Sanierung der H.p.Infektion wieder alles vertragen oder wenn eine jahrelang beobachtete Halitosis plötzlich wieder verschwindet. Eine H.p.-Therapie unter dem Aspekt der Karzinomprävention ist derzeit nur in Ausnahmefällen (familiäre Krebsbelastung) vertretbar [EHPSG 1997, Malfertheiner 2000].
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Peptisches Ulkus, Ulkusblutung W. Rösch, K.H. Fuchs 8.1
Grundlagen
– 71
8.2
Ätiologie und Pathogenese
8.3
Klinik
8.4
Diagnostik
8.5
Konservative Therapie W. Rösch
8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5
Allgemeinmaßnahmen – 72 Helicobacter-pylori-positive Ulzera – 72 Therapie ASS-/NSAR-induzierter Ulzera – 74 Therapie H.p.-negativer, nicht-NSAR-induzierter Ulzera Therapie des blutenden Ulkus – 75
8.6
Chirurgische Therapie K.H. Fuchs
– 71
– 71 – 72 – 72
– 76
8.6.1 Endoskopiebefund-gestütztes chirurgisches Behandlungskonzept – 76 8.6.2 Limitierung des operativen Behandlungskonzeptes 8.6.3 Operationstechnik – 78 8.6.4 Schlussbemerkung – 78
Literatur
– 79
– 75
– 77
71 8.3 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
>>
8.1
Das peptische Ulkus ist, vom medikamenten-induzierten Ulkus abgesehen, ein chronisches Leiden, das in Schüben verläuft und den Betroffenen über Jahre und Jahrzehnte begleitet, wenn es nicht gelingt, die entscheidenden pathogenetischen Faktoren auszuschalten. Dabei ist das Durchschnittsalter der Ulcus-duodeni-Patienten im allgemeinen 10 Jahre niedriger als beim Ulcus ventriculi. Ulzera im operierten Magen treten bevorzugt bei Rauchern auf, die wegen eines Ulcus duodeni operiert wurden. Sieht man von seltenen Ursachen des Ulkusleidens wie Gastrinom (Zollinger-EllisonSyndrom) und primärem Hyperparathyreoidismus ab, steht die Helicobacter-pylori-Infektion (H.p.) der Magenmukosa bzw. die chronische Typ-B-Gastritis ganz im Vordergrund des pathogenetischen Geschehens, gefolgt von Mukosaschäden durch ASS und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR). Mit Sanierung der H.p.-Infektion verschwindet die Rezidivneigung; das Ulkus heilt aus.
Grundlagen
Grundlage für das Verständnis des Ulkusleiden von Magen und Duodenum ist das Mukosa-SchadenModell: erst eine Schädigung der Magenschleimhaut durch endogene (Helicobacter) oder exogene Noxen (ASS, NSAR) bringt das durch Prostaglandin gesteuerte Gleichgewicht zwischen aggressiven (Säure, Pepsin) und defensiven Faktoren (Schleim- und Bikarbonatproduktion, Durchblutung) aus dem Ruder, sodass es zu einer Rückdiffusion von H+-Ionen kommen kann. Bevorzugte Lokalisation der meist singulär auftretenden Ulzera ist die kleine Kurvatur des Magens und die Bulbusvorderwand. Stressulzera hingegen kommen auch in der säureproduzierenden Korpusmukosa, häufiger jedoch in Antrum und Duodenum, auch postbulbär vor und sind meist multipel. Sie sind Ausdruck einer Minderperfusion der Schleimhaut und zeichnen sich durch ihre Komplikationsträchtigkeit (Blutung, Perforation) aus. 8.2
8
Ätiologie und Pathogenese
Bei 90% der Ulcera duodeni und 70–80% der Ulcera ventriculi findet sich eine chronische H.p.-Gastritis. Bei negativer H.p.-Diagnostik ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um medikamenten-induzierte Ulzera handelt,sehr groß.Nicht immer wird ein ASS-/NSAR-Konsum zugegeben; im Zweifel ist eine Urinanalyse indiziert. Im operierten Magen scheint die H.p.-Gastritis kaum noch eine pathogenetische Rolle zu spielen.Hier dominiert der Säurefaktor, selbst wenn der Primäreingriff wegen eines H.p.-positiven Ulkus vorgenom-
men wurde. Häufig ist jedoch auch im operierten Magen von einem medikamenten-induzierten Ulkus auszugehen. Ulzera im Magen sind in der Regel größer als im Duodenum und benötigen länger zur Abheilung. Die Therapiedauer ist beim Ulcus ventriculi je nach Größe mit 4–8 Wochen, beim Ulcus duodeni mit 2–4 Wochen anzusetzen.Im Rahmen der Abheilung kommt es häufig zu sternförmiger Narbenbildung oder im Bulbus duodeni zur Ausbildung eines Narbenbulbus,aber nur gelegentlich zu einer Stenosebildung (SanduhrMagen,stenosierender Narbenbulbus) mit Passagebehinderung. 8.3
Klinik
Nüchternschmerz mit Besserung durch Nahrungsaufnahme kennzeichnen das Duodenalulkus, gelegentlich begleitet von Übelkeit und Erbrechen. Beim Magenulkus treten die epigastrischen Schmerzen eher postprandial auf, je nach Lokalisation des Defektes rechts oder links der Medianlinie. Dauerschmerz weist auf eine Penetration des Ulkus in ein Nachbarorgan (Leber, Bauchspeicheldrüse) hin. Mitunter, v. a. bei ASS-/NSAR-Ulzera weist eine Spontanblutung mit Haematemesis und/oder Teerstuhl auf ein bislang asymptomatisches Ulkus hin. Perforationen mit akutem Abdomen werden nur selten beim H.p.-Ulkus, häufiger beim medikamenten-induzierten Ulkus und beim Stressulkus beobachtet.
II
72
Kapitel 8 · Peptisches Ulkus, Ulkusblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
8.4
Diagnostik
Die Diagnose des peptischen Ulkus erfolgt heute fast ausschließlich endoskopisch. Beim Duodenalulkus wird auf eine Biopsie verzichtet, es sei denn, es weist Malignitätskriterien auf (0,03%), die H.p.-Diagnostik erfolgt aus Antrum- und Korpusbiopsien histologisch und/oder mittels Urease-Schnelltest. Auf eine Kontrollendoskopie kann in der Regel verzichtet werden; der Erfolg einer Eradikationstherapie wird mittels 13-C-Harnstoff-Atemtest ermittelt. Beim Ulcus ventriculi sollen zum Ausschluss eines malignen Ulkus (3–5%) 4–6 Gewebsproben aus dem Ulkusrand und 2–3 Gewebsproben aus dem Ulkusgrund entnommen werden. Ferner hat eine H.p.-Diagnostik mittels zweier Gewebsproben aus Antrum und Korpus zu erfolgen, um das Therapieregime festzulegen. Obligat ist ferner eine erneute Gastroskopie nach 4- bis 6-wöchiger konservativer Behandlung, da bei großen Ulzera die Erstdiagnose durch einen »sampling error« noch nicht definitiv möglich ist. Auch wenn das Magengeschwür abgeheilt ist,sollten aus der Ulkusnarbe (oder dem Restulkus) noch einmal Biopsien entnommen werden, um die Benignität zu bestätigen. Eine sichere Verifizierung des Erfolgs einer H.p.-Sanierung ist frühestens 4–6 Wochen nach der letzten Tabletteneinnahme möglich. Ulzera im operierten Magen entstehen entweder anastomosennah im Restmagen bei Zustand nach Billroth-I-Resektion oder als Ulcus jejuni pepticum in der anastomosennahen Jejunalschleimhaut. Bei vagotomierten Patienten entwickeln sich postoperative Geschwüre meist im Bulbus duodeni oder als Staseulzera im Angulusbereich; hier sollte immer nach H.p. gefahndet werden. Magensekretionsanalysen spielen heute praktisch keine Rolle mehr. Entscheidend ist die Serumgastrinbestimmung bei therapieresistenten oder rezidivierenden Ulzera des H.p.-negativen Patienten und die Parathormonanalyse.
chen verzögert die Ulkusheilung [Aldoori 1997] und ist mit einer erhöhten Perforationsrate assoziiert [Svanes 1997], doch scheint Nikotinkonsum keinen Einfluss auf den Erfolg einer H.p.-Therapie zu haben [Chan 1997].Positive Effekte der Bettruhe sind bei den heutigen stationären Behandlungskosten nicht mehr realisierbar, d. h. die Behandlung des peptischen Ulkus erfolgt ambulant,wobei der Ulkuspatient allenfalls für wenige Tage krankgeschrieben werden sollte, bis die Schmerzen unter einer antisekretorischen Therapie verschwunden sind. Auf die Einnahme ulzerogener Medikamente sollte verzichtet werden, wobei Kortikosteroide nicht mehr als ulzerogen gelten [Piper 1991], nur noch in Kombination mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). Die Frage, ob COX2-selektive NSAR-Medikamente wie Rofecoxib oder Celecoxib bei floridem Ulkus gefahrlos weiterverordnet werden können,lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Zumindest unter einer Hochdosis-PPI-Therapie dürfte dies auch bei den nicht-selektiven NSAR möglich sein. 8.5.2 Helicobacter-pylori-positive Ulzera Eine Sanierung einer wie auch immer festgestellten H.p.- (oder H. Heilmannii-)Infektion ist nach der heutigen Datenlage obligat,um weitere Ulkusrezidive oder eine Rezidivblutung zu verhindern. Dadurch lässt sich die Rezidivneigung von 60–70% [Hopkins 1996] auf unter 1% senken. Vieles spricht dafür, bereits vor dem positiven Erregernachweis beim blutenden Ulkus mit einer Eradikationsbehandlung zu beginnen. H.p.-Therapie Für die H.p.-Therapie kommen 4 Antibiotika in Frage: ▬ Clarithromycin, ▬ Amoxicillin, ▬ Tetracyclin und ▬ Metronidazol. Wichtig
8.5
Konservative Therapie W. Rösch
8.5.1 Allgemeinmaßnahmen Die früher üblichen diätetischen Restriktionen für den Ulkuspatienten sind weitgehend verlassen worden zugunsten einer liberalen Diät, die individuelle Nahrungsunverträglichkeiten berücksichtigt. Rau-
Entscheidend ist die Kombination einer antisekretorischen Behandlung, bevorzugt mittels Protonenpumpeninhibitoren (PPI), mit 2 Antibiotika, um Erfolgsraten von über 90% zu erzielen [Caspary 1996].
Im Vordergrund stehen dabei die italienische und die französische Tripeltherapie (⊡ Tabelle 8.1), während die aus England stammende Empfehlung einer Kom-
73 8.5 · Konservative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
8
⊡ Tabelle 8.1. Therapieschemata für das H.p.-positive Ulkus 1.
2.
3.
Französische Tripeltherapie (PCA) Protonenpumpenhemmer (Standarddosis) Clarithromycin 500 mg Amoxicillin 1,0 g
1–0–1 1–0–1 1–0–1
Tag 1–7
Italienische Tripeltherapie (PCM) Protonenpumpenhemmer (Standarddosis) Clarithromycin 250 mg Metronidazol 400 mg
1–0–1 1–0–1 1–0–1
Tag 1–7
Englische Tripeltherapie (PMA) Protonenpumpenhemmer (Standarddosis) Metronidazol 400 mg Amoxicillin 1,0 g
1–0–1 1–0–1 1–0–1
Tag 1–7
Quadruple-Therapie Protonenpumpenhemmer (Standarddosis) Tetrazyklin 500 mg Metronidazol 500 mg Wismutsalz (BSS/BSC) 120 mg
1–0–1 1–1–1–1 1–1–1 1 – 1 – 1 –1
7–10 Tage
Rifabutin-Tripeltherapie Protonenpumpenhemmer (Standarddosis) Rifabutin 300 mg Amoxicillin 1,0 g
1–0–1 1–0–0 1–0–1
Tag 1–10
Dualtherapie über 2 Wochen Protonenpumpenhemmer (doppelte Dosis) Amoxicillin 750 mg
1–1–1 1–1–1
Tag 1–14
Reserveschemata 4.
5.
6.
Standarddosen der Protonenpumpenhemmer für die Eradikationstherapie: Omeprazol: 20 mg; Pantoprazol: 40 mg; Lansoprazol: 30 mg; Rabeprazol: 20 mg; Esomeprazol: 20 mg.
bination von PPI, Amoxicillin und Metronidazol deutlich schlechter abschneidet. Reserveschemata beinhalten den Einsatz des Tuberkulostatikums Terbutalin (sehr teuer) oder eine Vierfachtherapie unter Einschluss eines in Deutschland praktisch nicht mehr verfügbaren Wismutpräparates. Therapieversager. Therapieversager gehen auf eine
Metronidazolresistenz von 30–60% zurück, während Clarithromycinresistenzen nur in 3–5% beschrieben werden [Wolle 1998]. Unerwünschte Wirkungen sind in der Regel auf die Kombination der beiden eingesetzten Antibiotika zurückzuführen und bestehen aus Durchfällen, Soor-Infektionen und allergischen Reaktionen (Amoxicillin). Geschmacksstörungen sind Ausdruck einer Ausscheidung der Antibiotika durch
die Parotis und Gl.submandibularis.Therapieversager gehen zum einen auf eine schlechte Compliance der Patienten, die ja unter der Hochdosis-PPI-Therapie innerhalb weniger Tage schmerzfrei werden, zurück, zum anderen auf Primär- und Sekundärresistenzen. In diesem Fall ist auch ohne vorherige Resistenzbestimmung ein zweiter Anlauf, allerdings mit geändertem Regime sinnvoll.Führt auch dieser zweite Versuch nicht zu einem Verschwinden des H.p. und ist eine gute Compliance garantiert, sollte die technisch aufwendige (spezielles Nährmedium) Resistenzbestimmung in Magenbiopsien erfolgen. Unkompliziertes Ulkus. Beim unkomplizierten Ulcus duodeni reicht in der Regel die einwöchige Tripeltherapie aus, um Abheilung zu erreichen; eine prolongierte PPI-Therapie ist nicht erforderlich [Labenz
74
II
Kapitel 8 · Peptisches Ulkus, Ulkusblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
1996]. Beim Ulcus venticuli wird fast immer noch für einige Wochen eine Monotherapie mit PPI angeschlossen; ähnliches gilt für ein kompliziertes Ulkus. Blutendes Ulkus. Eindeutige Richtlinien für die parenterale Therapie des blutenden Ulkus gibt es nicht; die Mehrzahl der Gastroenterologen favorisiert die klassische orale Tripeltherapie auch beim blutenden Ulkus.Alternativ kann die intravenöse Gabe von Omeprazol (200 mg als Dauerinfusion/Tag), Amoxicillin (3¥1,0 g/Tag) und Metronidazol (3¥500 mg/Tag) empfohlen werden. Esomeprazol. Erste klinische Studien mit dem isome-
ren PPI Esomeprazol machen es wahrscheinlich, dass bei diesem PPI statt der bislang üblichen 2-maligen Standarddosierung in der Tripeltherapie mit der halben Dosis identische Eradikationsraten zu erreichen sind. 8.5.3 Therapie ASS-/NSAR-induzierter
⊡ Tabelle 8.2. Therapie und Prophylaxe der ASS-/NSAR-Gastropathie: Therapiestandard der NSAR-Ulzera NSAR-Ulkus Ohne H.p. Mit H.p. NSAR ab NSAR weiter
Therapie PPI Tripel-Therapie/PPI PPI PPI-Doppeldosis
⊡ Tabelle 8.3. Therapie und Prophylaxe der ASS-/NSAR-Gastropathie: Prophylaxe der NSARGastropathie Patienten-/Ulkustyp Risikopatient Mit Obstipation H.p.-positiv ASS Langzeit-NSAR
Therapie PPI Misoprostol Tripeltherapie (TT)-PPI
Ulzera Kann bei einem verifizierten ASS-/NSAR-Ulkus auf die Einnahme der ulzerogenen Noxe verzichtet werden, heilen alle Ulzera unter einer medikamentösen Therapie innerhalb der üblichen Zeit ab. Schwieriger ist die Situation, wenn der Patient auf die Einnahme von ASS oder NSAR angewiesen ist und diese Medikation nicht auf ein weniger gastrotoxisches Medikament umgestellt werden kann. Hier haben Vergleichsstudien gezeigt, dass PPI dem Einsatz vor oralen Prostaglandinen oder H2-Blockern signifikant überlegen sind.Aus juristischen Gründen empfiehlt es sich dabei, zumindest initial die doppelte Standarddosis eines PPI zu rezeptieren, um den in der Gebrauchsinformation der NSAR-Präparate vorgetragenen Bedenken Rechnung zu tragen. Nach einer Woche kann dann auf die übliche Ulkustherapie übergegangen werden. Sekundärprophylaxe Eine Sekundärprophylaxe ist dann erforderlich, wenn die ASS-/NSAR-Einnahme über die Abheilung des Indexulkus hinaus fortgeführt werden soll.Hierzu reicht im allgemeinen die halbe therapeutische Dosis eines PPI aus. H2-Blocker schützen zwar vor einem Ulcus duodeni, nicht jedoch vor dem in 80% der Fälle zu erwartenden Ulcus ventriculi, sodass diese Substanzklasse weder in der Primär- noch in der Sekundärprävention eine Rolle spielt.
Primärprävention Eine Primärprävention ist in erster Linie gerechtfertigt, wenn eine ASS-/NSAR-Therapie bei einem Patienten mit positiver Ulkusanamnese geplant ist.Weitere Indikationen sind: Alter über 60 Jahre, langdauernde oder hohe NSAR-Medikation,Kombination mit Kortikosteroiden oder Antikoagulantien oder Kombinationstherapien von ASS und verschiedenen NSAR. Hier kommen 2 Substanzklassen zum Tragen: ▬ orale Prostaglandine (Misoprostol 2 bis 4¥200 µg/ Tag und ▬ PPI in Standarddosierung. Vergleichende Studien zeigen eine Überlegenheit der PPI gegenüber Misoprostol,insbesondere was die Verträglichkeit anlangt. COX2-Hemmer. Auch für die COX-2-selektiven NSAR
gilt laut Gebrauchsinformation, dass sie bei positiver Ulkusanamnese nicht eingesetzt werden sollen, d. h. auch hier ist eine Primärprophylaxe mit PPI sinnvoll. NSAR-Ulkus und H.p. Entwickelt ein H.p.-positiver Patient unter der Einnahme von ASS oder NSAR ein Ulkus,ist in jedem Fall eine Sanierung der H.p.-Infektion indiziert. Diese Maßnahme scheint bei Langzeiteinnahme von ASS auszureichen, um einen Dauereffekt dahingehend zu
75 8.5 · Konservative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
erzielen, dass eine weitere Magenschutztherapie nicht mehr erforderlich ist. Die Magenmukosa adaptiert sich an die ASS, aber nur beim H.p.-negativen Patienten [Konturek 1998]. Bei NSAR-Ulzera ist die Datenlage widersprüchlich: nach Sanierung der H.p.-Infektion sollte eine Sekundärprophylaxe eingeleitet werden, wenn die NSAR-Behandlung fortgesetzt wird (⊡ Tabelle 8.2 und 8.3).
8
therapie in halber therapeutischer Dosis. Bei Therapieresistenz sollten immer Zweifel an der Dignität der Läsion geäußert werden und durch eine umfassende Diagnostik weitere seltene Ursachen oder Systemerkrankungen ausgeschlossen werden. Nur ausnahmsweise ist eine Verdoppelung der Standarddosis, evtl. nach Überprüfung der Säuresuppression durch Langzeit-pH-Metrie, erlaubt. Kontraindikationen gegen PPI. Bei Kontraindikatio-
8.5.4 Therapie H.p.-negativer,
nicht-NSAR-induzierter Ulzera In den letzten Jahren ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass vermehrt Ulcera duodeni zur Beobachtung gelangen, die weder durch H.p. noch durch die Einnahme von ASS oder NSAR ausgelöst worden sind [Klebl 2001]. In der folgenden Übersicht sind einige seltene Ursachen für die Entstehung derartiger Geschwüre aufgelistet, die ebenfalls zum Rezidiv neigen und daher zur Unterdrückung der Ulkusdiathese einer medikamentösen Dauertherapie bedürfen. Seltene Ursachen des H.p.-negativen, nicht-NSAR-Ulkus Systemische Mastozytose Basophilie bei myeloproliferativen
Erkrankungen Zollinger-Ellison-Syndrom Antrale G-Zell-Hyperplasie Antrumrest nach Magenresektion Ausgedehnte Dünndarmresektion Strahlen-, Chemotherapie Portale Hypertension (hepatogenes Ulkus) Exulceratio simplex Dieulafoy Cytomegalievirus-, Herpes-simplex-Virusinfektion Medikamentös: Magnesium-, Eisentabletten, Crack, Alendronate Morbus Crohn Sarkoidose Amyloidose Mischkollagenosen, Vaskulitiden, systemischer LE Hyperparathyreoidismus MEN I/IIb
Bei der Therapie steht die PPI im Vordergrund: für die Akuttherapie in Standarddosierung, für die Langzeit-
nen gegen die PPI, z. B. bei allergischen Reaktionen, kann ein Versuch mit H2-Blockern oder Sucralfat (Ulcogant) 4¥1 g unternommen werden. Gastrinom. Beim Gastrinom (Zollinger-Ellison-Syn-
drom) können zur Säuresuppression hohe PPI-Dosen bis zu 320 mg/Tag erforderlich werden,um Geschwüre zur Ausheilung zu bringen bzw. in Ausheilung zu halten. Eine Gastrektomie im Sinne der Entfernung des Erfolgsorgans wird praktisch nicht mehr diskutiert. 8.5.5 Therapie des blutenden Ulkus Die Therapie der Ulkusblutung orientiert sich am Befund der Notfallendoskopie. Je nach Forrest-Klassifikation (⊡ Tabelle 8.4) kommen verschiedene Modalitäten zum Einsatz, die das Ziel verfolgen, die Blutung zum definitiven Stillstand zu bringen. Dabei hat sich gezeigt, dass Maßnahmen, die einer operativen Blutstillung am nächsten kommen, am erfolgreichsten sind. Eiswasserspülung, Aufträufeln von Fibrin oder Thrombin oder Applikation von Vasokonstriktiva hat man verlassen. Im Vordergrund stehen bei sichtbaren Gefäßstümpfen die Applikation von Clips und bei diffusen Blutungen die Unterspritzung mit Suprarenin 1:10.000 oder Fibrinkleber ( s. Kap. 51, 59). Unterstützt werden diese Maßnahmen durch Laser oder Argonplasmabeamer und evtl. die systemische Gabe von Somatostatin. Entscheidend ist für das Handling des Patienten mit einer Ulkusblutung die enge Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Abdominalchirurgen,wobei blutende Ulzera im Korpushinterwandbereich oder der Bulbushinterwand wegen der erschwerten endoskopischen Zugängigkeit eher primär chirurgisch angegangen werden sollten. Nach erfolgreicher operativer Umstechung eines blutenden Gefäßes muss dann, bei positivem H.p.-Nachweis,immer noch eine Sanierung der H.p.-Gastritis angeschlossen werden, da sonst mit einem Rezidivulkus zu rechnen ist, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 30–50% bluten wird.
II
76
Kapitel 8 · Peptisches Ulkus, Ulkusblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
8.6
Chirurgische Therapie K.H. Fuchs
>>
Noch vor 10 Jahren stellten akute gastrointestinale Blutungen in der chirurgischen Gastroenterologie eine der häufigsten Notfallsituationen dar [Thon 1992; Winkeltau 1995]. Die Anzahl der chirurgischen Versorgung von akuten Blutungssituationen des oberen Gastrointestinaltrakts hat sich jedoch in den letzten Jahren deutlich reduziert. Für diese Entwikklung gibt es mindestens 2 Erklärungen: Einerseits hat die Verbreitung der endoskopischen Blutstillungsverfahren dazu geführt, dass viele der Patienten mit Hilfe der Notfallendoskopie diagnostiziert und behandelt werden können, sodass eine chirurgische Versorgung nicht mehr notwendig ist. Andererseits haben die Erkenntnisse über die Pathophysiologie der Ulkuskrankheit und die Behandlung des Helicobacter pylori zur Patientenreduktion in die Chirurgie geführt.
8.6.1 Endoskopiebefund-gestütztes
chirurgisches Behandlungskonzept Mehrere chirurgische und gastroenterologische Arbeitsgruppen erarbeiteten das Konzept des endoskopiegestützten chirurgischen Behandlungskonzeptes mit klaren Kriterien für eine frühelektive Operation [Röher 1984; Pimpl 1989; Branicki 1990]. Primär muss bei den Patienten eine Notfallendoskopie durchgeführt werden, um die Blutungsquellen zu identifizieren, zu lokalisieren, ggf. eine aktive Blutung zum Stillstand zu bringen und eine Prognose abzugeben, welche Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Blutungsquelle noch einmal blutet. Die Rezidivblutung
hat eine besondere Bedeutung für die Notoperationsrate und die Letalität (⊡ Tabelle 8.5). Die Wahrscheinlichkeit eines Blutungsrezidivs richtet sich der modifizierten Forrest-Klassifikation ( s. Tabelle 8.4). Im eigenen Patientengut werden die nachgewiesenen Kriterien für eine hohe Blutungsrezidivwahrscheinlichkeit verwendet, d. h. Größe des blutenden Gefäßes bzw.Fibrinnippels >1 mm [Wirzt 1984],Größe des Ulkus <1 cm [Branicki 1990] und Lage des Ulkus auf der Bulbushinterwand [Pimpl 1989]. Die Ergebnisse sind in ⊡ Tabelle 8.6 dargestellt. Die Gesamtheit dieser Information muss in ein Therapiekonzept eingehen, in dem die Wahrscheinlichkeit eines Blutungs-
⊡ Tabelle 8.4. Management der akuten Ulkusblutung nach Forrest-Kriterien Blutungsstadium 1. Aktuelle Blutung Ia: arteriell spritzende Blutung Ib: Sickerblutung
2. Stattgehabte Blutung IIa: sichtbarer Gefäßstumpf IIb: Koagel auf Ulkus IIc: Hämatin auf Ulkus 3. Läsion ohne Zeichen der stattgehabten Blutung III: Ulkus, fibrinbedeckt
Therapiemaßnahmen
Gefäßclip Unterspritzung Argonplasmabeamer
Gefäßclip Unterspritzung Kontrolle nach 24 h PPI in doppelter Dosis
klassische Ulkustherapie je nach H.p.-Status
8
77 8.6 · Chirurgische Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 8.5. Bedeutung der Rezidivblutung bei Ulkusblutung Autor, Jahr
Rezidivblutung (%)
Notoperation wegen Rezidivblutung (%)
Tod nach Notoperation wegen Rezidivblutung (%)
Ishikawa, 1994 Qvist, 1994 Park, 1994 Schoenberg, 1995 Bouillot, 1991 Ell, 1995 Thon, 1992 Branicki, 1990 Median (Bereich)
42 23 19 14 – 12 – 16 18 (12–42)
68 19 56 88 – 55 – 59 58 (19–68)
8 31 36 0 22 33 27 11 25 (0–36)
⊡ Tabelle 8.6. Ergebnisse der endoskopischen Blutstillung und frühelektiver Operation der Risikogruppe (prospektive Studie n=665) n Aktiv blutende Läsionen Exklusive Ulzera und Varizen Aktiv blutende Ulzera Hochrisikogruppe (großes Gefäß Ø 1 mm) Niedrigrisikogruppe (kleines Gefäß)
Initiale Hämostase
Blutungsrezidive
Operation
Letalität
50
100%
18%
4%
3%
148
90%
31%
36%
7%
67
–
–
84%
12%
216
–
–
14%
3%
rezidivs und die damit verbundene Letalitätsrate mit der Notwendigkeit einer frühelektiven Operation und der damit verbundenen Komplikations- und Rezidivrate mit kalkuliert wird. Hieraus ergeben sich klare Richtlinien für die Sinnhaftigkeit einer früh elektiven Operation. Eine Übersicht über Ergebnisse der die früh elektiven Operation bei sog. Hochrisikopatienten, z. B. mit einem großen Gefäßstumpf an der Magen- und Duodenalhinterwand in der Umgebung der A. gastroduodenalis ist in ⊡ Tabelle 8.7 demonstriert. Therapieziel ist bei den meisten Patienten eine definitive Blutstillung zu erreichen.Eine Reduzierung der Sekretionskapazität durch Vagotomie oder Resektion ist nicht notwendig und kann nur zu zusätzlichen Risiken und Komplikationsmöglichkeiten führen. Eine Resektion mag aufgrund der problematischen technischen Situation oder lokalen anato-
mischen Verhältnisse – z. B. eine aufgebrauchte Duodenalwand nach multiplen Injektionen oder Koagulationen durch endoskopische Blutstillungsverfahren oder gar durch das penetrierende Ulkus selbst – notwendig sein. 8.6.2 Limitierung des operativen
Behandlungskonzeptes Zentrales Problem bei der endoskopischen und chirurgischen Blutstillung ist die Gefahr des Rezidivs. Die Ursachen hierfür können in der Beschaffenheit der Wand liegen, in der Umgebung des Ulkus, in der Nähe zu einem größeren Gefäß, der Gerinnungssituation und dem Allgemeinzustand des Patienten,in der Technik der Blutstillung, der Zugänglichkeit der Ulkusläsion und auch in der Technik der operativen Blutstil-
78
Kapitel 8 · Peptisches Ulkus, Ulkusblutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 8.7. Frühelektive Operation bei Ulkusblutung
II
Autor, Jahr
Patienten [n]
frühelekt. OP [%]
Rezidivblutung [%]
Notfall-OP (%)
Letalität
Winkeltau, 1995 Fuchs, 1992 Röher, 1984 Thon, 1992 Pimpl, 1989 Sandbichler, 1989 Müller, 1994 Saperas, 1987 Median (Bereich)
253 346 88 152 168 71 157 34 – –
50 18 25 – 10 23 20 34 28 (10–50)
3 30 – – – 25 5 0 5 (0–30)
1 5 2 – 10 18 – 0 4 (0–18)
4 4 5 5 7 7 8 15 6 (4–15)
lung, der Nahtsicherheit während der Operation und einer Reihe von anderen allgemeinen Parametern. Das Prinzip der frühelektiven Operation aufgrund von klar definierten Risikokriterien wird immer wieder kontrovers diskutiert. Das liegt einerseits mit daran, dass es nur funktionieren kann, wenn Gastroenterologen und Chirurgen dieses Konzept gemeinsam tragen. Andererseits liegt es aber auch an dem Patientengut,das keinen vollständigen Erfolg zuläßt,weil viele der Patienten in einem sehr reduzierten Allgemeinzustand sind. Es gibt endoskopische Behandungskonzepte, bei denen die endoskopische Blutstillung nicht nur 2- oder 3-mal,sondern vielfach durchgeführt wird, um einen definitiven Blutstillungserfolg zu erreichen. Diese Behandlungsansätze, die völlig auf eine frühelektive Operation verzichten,haben in einzelnen Serien zu guten Ergebnissen geführt, man darf jedoch nicht vergessen, dass hier die Patientenselektion eine erhebliche Rolle spielt und auch Unterschiede in den Erfolgsraten erklären kann [Millat 1993]. Die chirurgische Praxis zeigt, dass immer wieder Patienten trotz aller endoskopischer Maßnahmen operiert werden müssen und aufgrund der Risikofaktoren den chirurgischen Eingriff nicht überleben. Als Kriterien für eine frühelektive Operation gilt die Ulkuslokalisation auf der Hinterwand in der Umgebung eines großen Gefäßes, z. B. der A. gastroduodenalis, die Ulkusgröße von mehr als 1 cm und die Größe des Gefäßstumpfes bzw. des sichtbaren Fibrinnippels. Da diese Faktoren eine prognostische Bedeutung bezüglich der Rezidivblutung haben, muss bei Erfüllung aller Kriterien eine Indikation zur frühelektiven Operation dringend überdacht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Ulkus endoskopisch schwer zu erreichen ist oder kein erfahrenes Notfallendoskopieteam rasch zur Verfügung steht.
8.6.3 Operationstechnik Nur bei der massiven endoskopisch unstillbaren Blutung ist eine sofortige Notfalloperation notwendig. Diese Situation ist bei der primären Blutungsepisode eine Seltenheit und nur in etwa 3% der Fälle gegeben [Fuchs 1992; Thon 1992]. Viel häufiger kommt es zu Notfallsituationen nach mehrfachen endoskopischen Blutstillungsversuchen. In der Regel handelt es sich hier um Blutungen, die in der Umgebung größerer Gefäße (A. gastroduodenalis oder A. lienalis) auftreten,wenn der Ulkusgrund diese Gefäßoberflächen erreicht hat [Pimpl 1989].Eine Freilegung des Ulkus und seiner Umgebung sowie die Umstechung des Ulkus und der zuführenden Gefäße ist die Methode der Wahl. Beim Ulcus ventriculi wird eine lokale Ulkusexzision zum Malignitätsausschluss gefordert. Wichtig Eine prinzipielle Resektion zur definitiven Behandlung der Ulkuskrankheit ist nicht vertretbar. Die Resektion nur dann indiziert ist, wenn aus technischen Gründen eine lokale Übernähung und Umstechung der Blutungsquelle und ein Verschluss des Defekts in der Magen- oder Duodenalwand nicht sicher möglich erscheint.
8.6.4 Schlussbemerkung Die akute Blutung eines gastroduodenalen Ulkus stellt nach wie vor eine gefährliche Situation für den Patienten dar. Die direkte Therapie sollte am besten in einem koordinierten Behandlungskonzept zwi-
79 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
schen Gastroenterologen und Chirurgen abgesprochen werden. Es bedarf einer optimalen Notfallendoskopie mit Identifikation und Lokalisation der Blutungsquelle sowie einer Prognosestellung bezüglich der Blutungsrezidivrate, sodass basierend auf diesem Endoskopiebefund eine Entscheidung für eine frühelektive Operation möglichst nur bei den Patienten getroffen wird,die von einer solchen operativen Maßnahme profitieren. Die operative Versorgung des blutenden Ulkus muss als einziges Ziel die definitive Blutstillung mit einer minimalen Komplikationsrate und Letalität haben, denn eine weitergehende operative Behandlung einer Ulkuskrankheit ist bis auf wenige Ausnahmen therapeutisch nicht mehr relevant.
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Der operierte Magen J. Stein 9.1
Folgezustände nach Magenresektion
9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5 9.1.6 9.1.7 9.1.8 9.1.9
Pathophysiologie – 81 Refluxösophagitis – 81 Dumpingsyndrom – 81 Bakterielle Überbesiedlung (Syndrom der blinden Schlinge) Atrophische Gastitis – 83 Magenstumpfkarzinom – 83 Malabsorptionssyndrom – 83 Knochenstoffwechselveränderungen – 85 Therapie – 85
9.2
Postvagotomiesyndrome
9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5
Pathophysiologie – 86 Postvagotomiedysphagie – 87 Dumpingsyndrom – 87 Postvagotomiediarrhö – 87 Therapie – 87
Literatur
>>
– 81
– 83
– 85
– 87
Während die Operationsinzidenz wegen rezidivierender Ulzera nach Einführung potenter Ulkustherapeutika (H2-Blocker/Protonenpumpenblocker) drastisch gesunken ist, blieb sie für Ulkuskomplikationen praktisch unverändert. Dabei werden partielle Magenresektionen (Billroth I und II) nur noch selten durchgeführt, da meist die selektive Vagotomie, Ulkusumstechung bei Blutung ausreichen (Kap. 8). Die totale Magenreseketion kommt vornehmlich bei malignen Prozessen des gastrodudenalen Bereiches zum Tragen.
81 9.1 · Folgezustände nach Magenresektion SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
9.1
Folgezustände nach Magenresektion
9
und erzeugt ein Sättigungsgefühl, was mit einer verminderten Nahrungsaufnahme einhergeht.
9.1.1 Pathophysiologie 9.1.2 Refluxösophagitis Die partielle oder totale Magenresektion geht zum einen mit einem Defekt in der Kontinuität des oberen Gastrointestinaltrakts und zum anderen mit dem Verlust der Reservoirfunktion des Magens einher (⊡ Abb. 9.1). Diese Veränderungen können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Sekretions-Transport-Verdauungsfunktion führen und können die bekannten komplexen Syndrome nach Gastrektomie (Postgastrektomiesyndrom, Früh- und Spätdumpingsyndrom) hervorrufen. Motilitätsveränderungen sind einerseits bedingt durch den Wegfall des Magenschrittmachers im Antrum durch die trunkuläre Vagotomie, andererseits durch den Verlust des unteren Ösophagussphinkters und des Pylorus. Weiterhin treten nach einer Gastrektomie komplexe Veränderungen im Haushalt der gastrointestinalen Hormone auf. Diese Veränderungen sind zum einen dadurch bedingt, dass der Magen selbst gastrointestinale Hormone sezerniert (z. B. Gastrin, Somatostatin, vasoaktives intestinales Polypeptid). Zum anderen liegt eine Beeinflussung der Regulation gastrointestinaler Hormone durch die veränderte Nahrungspassagezeit, das veränderte pH-Milieu und die fehlende direkte alimentäre Stimulation bei Aufhebung der Duodenalpassage vor [Schwarz 2001]. Insgesamt ist nach Gastrektomie unter Stimulationsbedingungen ein starker Anstieg der gastrointestinalen Hormone gastrointestinales Polypeptid (GIP) und Cholezystokinin (CCK), wohingegen Gastrin, pankreatisches Polypeptid (PP), Motilin und Sekretin abfallen. Die Insulinsekretion ist nach Gastrektomie und Aufhebung der Duodenalpassage vermindert, was zu einer pathologischen Glukosetoleranz mit bis zu 30% höheren postprandialen Blutzuckerkonzentrationen führt. Beim Erhalt der Duodenalpassage wirkt die ungestörte GIP-Sekretion insulintrop und führt zu einer Verbesserung der Glukosetoleranz [Becker 1980; Hölscher 2002]. Der Anstieg von CCK – bei gleichzeitigem Abfall des Sekretin – kann bei Gastrektomierten postoperativ zu einer exokrinen Pankreasinsuffizienz führen. Diese ist bei vielen Patienten für die Maldigestion und den Gewichtsverlust verantwortlich. Aus diesem Grund sollten gastrektomierte Patienten postoperativ regelhaft Pankreasenzyme erhalten. Des Weiteren hemmt CCK über zentrale Mechanismen den Appetit
Die in der Regel alkalische Refluxgastritis äußert sich durch brennende epigastrische Schmerzen, Übelkeit und galliges Erbrechen und ist ausgeprägter nach Billroth-II- als nach Billroth-I-Operationen. Sie ist vornehmlich Folge eines verstärkten Refluxes von galligem Sekret in den Restmagen. Für die konservative Therapie stehen Protonenpumpenhemmer und gallensäurebindende Subtanzen wie z. B. Cholestyramin oder aluminiumhaltige Antazida zur Verfügung. Bei therapieresistenter Refluxkrankheit hat sich die Umwandlung in eine Roux-YAnastomose bewährt [Hölscher 2002]. 9.1.3 Dumpingsyndrom Das Dumpingsyndrom äußert sich durch akute Durchfälle, Übelkeit, postprandiale Müdigkeit, Schwindelgefühl, verbunden mit Schweißausbrüchen und einem Druckgefühl im Oberbauch. Frühdumpingsydrom Das postalimentäre Frühdumpingsyndrom tritt innerhalb 30 min nach Nahrungsaufnahme auf.Wesentliche Auslösungsmechanismen sind (⊡ Abb. 9.2): ▬ Mechanische Dehnung des oberen Dünndarms nach Aufnahme großvolumiger Mahlzeiten bzw. durch hyperosmolaren Speisebrei (Sturzentleerung). Durch Zerrung an der Mesenterialwurzel kommt es zur reflektorischen Kreislaufreaktion. ▬ Aufgrund des hohen osmotischen Drucks des Speisebreis kommt es zu einem Wassereinstrom aus der Blutbahn in das Darmlumen. Dieser Effekt geht mit einer Hypovolämie und konsekutivem Blutdruckabfall einher. Durch Freisetzung vasoaktiver Peptide (Serotonin,Bradykinin) kommt es zur hypovolämen Kreislaufreaktion. Spätdumpingsydrom Das postalimentäre Spätdumpingsyndrom ist die Folge einer zu raschen Kohlenhydratresorption nach Aufnahme größerer Mengen schnell resorbierbarer Kohlenhydrate. Es kommt zu einer über die Norm ansteigenden Blutzuckerkonzentration, was reflektorisch mit einer starken Insulinausschüttung verbunden ist. Hieraus kann sich bei Sistieren der Kohlenhydratre-
82
II
Kapitel 9 · Der operierte Magen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 9.1a–c. Schematische Darstellung der Magenteilresektion nach a Billroth I, b Billroth II und c selektiver gastraler Vagotomie mit Pyloroplastik
83 9.1 · Folgezustände nach Magenresektion SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Pathogenese
Symptome
Jejunaler Dehnungsreiz
Bauchkrämpfe Völlegefühl Übelkeit Erbrechen
Vasoaktive Substanzen
Tachykardie
– – – –
Gesichtsrötung Hypotonie Schweißausbruch Adynamie
VIP Kinine Kallikrein Serotonin
Hypovolämie
Kollaps
Hyperosmolarität
Hyperperistaltik Diarrhö
⊡ Abb. 9.2. Pathogenese und Beschwerden des postprandialen Frühdumpings
sorption ein Missverhältnis zwischen dem im Überschuss sezernierten Insulin und dem Blutzucker ergeben, sodass es 2–3 h nach dem Essen zu einer reaktiven Hypoglykämie mit den klassischen Symptomen wie Schweißneigung, Konzentrationsschwäche, Heißhunger, Müdigkeit und Somnolenz kommt. Das Spätdumpingsyndrom wird v. a. nach dem Billroth-II-Verfahren beobachtet.
9
tis ist beim Billroth-II-Magen (retrokolische Anastomose > antekolische Anastomose) ausgeprägter als beim Billroth-I-Magen. Prospektive Studien zur Wirksamkeit von Protonenpumpenblockern und gallensäurebindenden Substanzen, insbesondere Cholestyramin, verliefen enttäuschend [Becker 1980]. Bei ausgeprägten Beschwerden ist die isoperistaltische Jejunuminterposition oder die Umwandlung in eine Roux-Y-Anastomose indiziert. Während galliges Erbrechen und retrosternale Schmerzen insbesondere nach der Roux-Y-Ableitung positiv beeinflusst werden,blieb das Ausmaß der Gastritis in allen Studien unverändert [Becker 1980; Hölscher 2002]. 9.1.6 Magenstumpfkarzinom Die chronisch atrophische Magenstumpfgastritis mit intestinaler Metaplasie gilt als fakultative Präkanzerose. Nach einem Zeitraum von 15 Jahren ist bei etwa 3 % der Patienten mit einem Stumpfkarzinom zu rechnen [Becker 1980; Hölscher 2002]. Therapie der Wahl ist die Restgastrektomie und regionäre Lymphadenektomie. Resezierbarkeit und Prognose entsprechen dem primären Magenkarzinom [Becker 1980; Hölscher 2002]. 9.1.7 Malabsorptionssyndrom
9.1.4 Bakterielle Überbesiedlung
(Syndrom der blinden Schlinge) Eine bakterielle Überbesiedlung als Folge der Hypobzw. Anazidität nach Vagotomie oder Stase in ausgeschalteten blinden Schlingen (Billroth-II-OP) stellt einen Teilaspekt im Spektrum der vielfältigen Ursachen einer bakteriellen Überbesiedlung dar und wird daher in diesem Kontext abgehandelt werden (Kap. 22). 9.1.5 Atrophische Gastritis Innerhalb von 10 Jahren nach Magenteilrektion bildet sich bei 80–90% der Patienten eine atrophische Gastritis aus, endoskopisch gekennzeichnet durch eine deutliche Hyperämie der verbliebenen Magenschleimhaut (»Magenerythem«).Hiervon klagen etwa 10% über behandlungsbedürftige Symptome wie epigastrische Schmerzen,Völlegefühl und galliges Erbrechen. Pro Jahr im Mittel etwa um 3% an Ausprägung zunehmend [Becker 1980; Hölscher 2002]. Die Gastri-
Energiebedarf Während etwa 10–20% der Patienten nach Magenteilresektion untergewichtig werden, sind dies etwa 60% der Gastrektomierten. Ursachen sind eine unzureichende Nahrungsaufnahme und das Auftreten einer Malassimilation. So werden in den ersten Monaten nach Gastrektomie meist weniger als 50% der üblichen Portionen toleriert, sodass eine bedarfdeckende Energie- und Nährstoffaufnahme nur durch 7–10 Mahlzeiten/Tag erreicht werden kann. Im weiteren Verlauf steigt die tolerable Mahlzeitengröße individuell an. So lag 12 Monate postoperativ die Mahlzeitenfrequenz bei 18% der Patienten mit Jejunumersatzmagen bereits unter 4 Mahlzeiten pro Tag, bei 45% bei 4–5 Mahlzeiten pro Tag,bei 35% der Patienten bei mehr als 6 Mahlzeiten/Tag [Schwarz 2001]. Sowohl nach Ersatzmagenbildung als auch nach Ösophagojejunostomie konnte bei etwa 90% der Patienten ein pathologisch erhöhter Stuhlfettgehalt bestimmt werden (⊡ Abb. 9.3).Das Ausmaß der Steator-
84
II
Kapitel 9 · Der operierte Magen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 9.3. Pathogenetische Faktoren der Steatorrhö nach Gastrektomie
rhö zeigt jedoch unabhängig vom Operationsverfahren große individuelle Unterschiede. Entsprechend unterschiedlich ist der Einfluss der Fettmalassimilation auf Energie- und Nährstoffverluste (Kalzium, Magnesium, fettlösliche Vitamine, Zink). Wichtig Maßgebend für eine adäquate Energie- und Nährstoffversorgung ist demnach eine stetige, individuelle, am Gewichtsverlauf orientierte Anpassung der Mahlzeitenfrequenz an die tolerierbare Mahlzeitengröße (Decker-Baumann 2000].
als nach einer B-I-Resektion. Kombinationen mit Vitamin-B12- und/oder Folsäuremangel sind häufig. Neben einer verminderten Resorption (Fehlen von Magensäure) kommen vermehrter Eisenverlust als Folge chronischer und/oder okkulter Blutungen, Anastomosenulzera oder einer Jejunitis durch bakterielle Fehlbesiedlung in Frage. Ursachen der verminderten Eisenresorption nach Gastrektomie Fehlen von Magensäure und Pepsin Æ verminderte Reduktion von Fe-III zu Fe-II
Spurenelemente Zink. Bei Vorliegen einer Steatorrhö kann es weiterhin durch die Bildung unlöslicher Komplexe mit Fettsäuren und Phosphat zur Zinkmalabsorption kommen. Auch unter der empfohlenen oraler Zinksupplementation von 25–30 mg/Tag sollte eine Kontrolle bis zum erreichen normaler Blutspiegel alle 4 Wochen erfolgen [Decker-Baumann 2000]. Eisen. Die Häufigkeit einer Eisenmangelanämie wird
bei Patienten nach 2/3-Resektion mit ca. 40% angegeben.Sie ist häufiger und ausgeprägter nach einer B-II-
Verminderte Resorptionsfläche, insbesondere
bei Ösophagojejunostomie mit Ausschaltung des Duodenums Fehlende Durchmischung des Dünndarminhalts mit Galle und Pankreassaft Beschleunigte Dünndarmpassage Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms Verminderte Vitamin-C-Zufuhr, insbesondere bei Intoleranz von Früchten
85 9.1 · Folgezustände nach Magenresektion SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Vitamine
9
9.1.9 Ernährungstherapie
Vitamin B12. Infolge der fehlenden Produktion des In-
trinic-Factors durch die Parietalzellen und der damit verbundenen Abnahme der Vitamin-B12-Resorption im Ileum entwickelt sich mit einer Latenz von Jahren eine makrozytäre Anämie. Bei Vorliegen einer bakteriellen Überbesiedlung (Kap. 22) tritt eine Verminderung der Vitamin-B12-Resorption als Folge bakterieller Bindung (kompetitiv zur Bindung an Intrinsic-Factor [IF] oder Bindung des B12-IF-Komplexes) auf, die stärker ist als die Affinität zum Transportsystem in Ileum, sowie bei Utilisierung des Zyanokobalamins und Umwandlung in Cobamide. Vitamin A, D, E, K. Je nach Ausmaß der Steatorrhö muss
von einer nichtbedarfsdeckenden Versorgung mit fettlöslichen Vitaminen ausgegangen werden. Da der genaue Bedarf nur geschätzt werden kann, sollte eine Unterversorgung durch regelmäßige Bestimmung der Serumspiegel (A, D, E) ausgeschlossen werden. 9.1.8 Knochenstoffwechsel-
veränderungen Knochenstoffwechselveränderungen nach Magenresektion werden bei bis zu 40% derPatienten beschrieben [Zittel 1997]. Aufgrund der Zunahme der PTHAusschüttung (sekundärer Hyperparathyreodismus) und der vermehrten intestinalen Verluste findet sich bei über 50% der Patienten nach Magenteilresektion oder Gastrektomie eine gesteigerte Kalziummobilisation bis hin zur Ausbildung einer sekundären Osteoporose. Hauptursache ist das durch Auftreten einer sekundären Laktoseintoleranz bedingte Meiden von Milch und Milchprodukten. Wichtig Nach Gastrektomie kann sich in bis zu 50% der Fälle ein (sekundärer) Laktasemangel einstellen bzw. ein präexistenter geringgradiger Mangel postoperattiv manifestieren.
Wird regelhaft auf Milch und Milchprodukte verzichtet, liegt die mittlere Kalziumaufnahme bei 300– 350 mg, während mindestens 1000 mg notwendig wären [Decker-Baumann 2000]. Die Verfügbarkeit von Kalzium (und Magnesium) wird je nach Ausmaß der Steatorrhö weiter erschwert.
Ernährungstherapeutische Ziele sind (⊡ Tabelle 9.1): ▬ Herabsetzung der Osmolarität des Intestinaltrakts durch Einschränkung (Mono/Disaccharide) und Änderung (komplexe Polysaccharide) der Kohlenhydratzufuhr. ▬ Verkleinerung des Volumens des Intestinaltrakts durch Beschränkung der Flüssigkeitszufuhr (⊡ Tabelle 9.2), individuelle Anpassung der notwendigen Mahlzeitenfrequenz: kalorienreiche kleine Mahlzeiten. ▬ Ggf. Verzögerung der Kohlenhydratresorption durch viskositätsteigernde Ballaststoffe (5 g Guar oder Pektin) oder durch den Einsatz von a-Glukosidasehemmern (2-mal 50 mg Arcarbose). ▬ Adjuvante supportive Maßnahmen wie z. B. Vitamin- und Spurenelementsupplementierrung bei Vorliegen der Steatorrhö. ▬ Behebung bzw. Prophylaxe eines Kalzium- (Magnesium-)Mangels durch Verzehr von Milch- und Milchprodukten. Bei Vorliegen einer Laktoseunverträglickeit laktosearme Käsesorten, Sauermilchprodukte, kalziumangereicherte Lebensmittel bzw. Kalziumpräparate. Wichtig Die Beschwerden beim Dumpingsyndrom verlieren sich in den meisten Fällen einige Monate postoperativ wieder. Bei gravierenden Beschwerden über 1 Jahr hinaus sollte eine chirurgische Korrektur überdacht werden.
9.2
Postvagotomiesydrome
Bei dem früher häufig bei Magen- und Duodenalulzera angewandten Verfahren der selektiven proximalen Vagotomie (SPV) bleibt die Reservoirfunktion des Magens weitgehend erhalten. Bei 30–50% der Patienten bestehen in den ersten postoperativen Wochen Störungen der Motilität mit Druck- und Völlegefühl, Erbrechen und Diarrhö. Alle Vagotomieformen verändern die Magenmotorik und die rezeptive Relaxation des Fundus. Nach Denervation fehlt die koordinierte Schrittmacherfunktion des Magens.Postoperative Folgezustände betreffen Dysphagie, Dumping und Diarrhö (⊡ Tabelle 9.3).
86
Kapitel 9 · Der operierte Magen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 9.1. Ernährungtherapeutische Maßnahmen bei Zuständen nach Magenoperation
II
Syndrom
Symptom
Ursache
Therapiemöglichkeiten
Frühdumping
30 min. postprandial: Tachykardie, Hypotonus, Schwindel
Dehnung des Dünndarms führt zur Ausschüttung vasoaktiver Substanzen und osmotischer Flüssigkeitsverschiebung
– Viele kleine Portionen zu den Mahlzeiten, langsam essen – Flüssigkeitszufuhr nur zwischen den Mahlzeiten
Spätdumping
2–3 h postprandial: Hypoglykämie, Schweißausbruch, Tachykardie
Erhöhte Insulinproduktion durch plötzlich erhöhte Glukoseresorption; Asynchronie durch zu kurze abführende Schlinge bis zur Roux-YAnastomose
– Viskositätserhöhung des Speisebreis durch viskositätssteigernde Ballaststoffe (5 g Guar oder Pektin) oder a-Glukosidasehemmer – Mehrere kleine Mahlzeiten – Ggf. erneute Rekonstruktion: Verlängerung der abführenden Schlinge
Syndrom der zuführenden Schlinge
Krampfartige Oberbauchschmerzen postprandial
Stenose der ableitenden Schlinge, bakterielle Besiedlung der zuführenden Jejunumschlinge mit fehlgeleitetem Chymus
– Rekonstruktion
Postoperative Diarrhö
Steatorrhö, Diarrhö, übelriechende Blähungen
Biliopankreoprive Asynchronie mit Fettmalabsorption und Fettstühlen, unkontrollierter Galleübertritt in das Kolon, Laktasemangel
– Einsatz von Pankreasfermenten, ggf. gallebindendes Cholestyramin; Reduktion der Peristaltik; laktosearme Kost
⊡ Tabelle 9.2. Empfehlungen zur Flüssigkeitszufuhr nach Gastrektomie
⊡ Tabelle 9.3. Vergleich von Folgezuständen nach PGV vs. B-I-Resektion
Flüssigkeitsaufnahme 30 min vor bzw. frühestens 45 min nach den Mahlzeiten
Resektionstyp
B-I-Resektion
PGV
Zu den Mahlzeiten nur schluckweise zur Anfeuchtung der Speisen trinken
Patienten (n) Diarrhö (%) Dumping (%) Galliges Erbrechen (%) Ulkusrezidiv (%)
146 16 13 0 2,6
134 30 11 10 10,5
Getränkeauswahl Geeignet: kohlensäurearmes Mineralwasser, Tee, Gemüsesäfte, säurearme Obstsäfte mit Mineralwasser (1:3) Ungeeignet: sehr heiße bzw. kalte Getränke
9.2.1 Pathophysiologie Die vagale Denervation führt zur Hemmung der rezeptiven Relaxation der Magenmuskulatur in den proximalen Anteilen, was zu einer intragastrischen Druckerhöhung und bei insuffizienter Pylorusfunk-
B-I-Resektion Billroth-I-Resektion; PGV proximal gastrische Vagotomie.
tion bzw. fehlendem Pylorus zu forcierter Flüssigkeitsentleerung führt [Becker 1980; Behrens 1994]. Während alle Vagotomieformen, die zu einer totalen Magendenervierung führen, eine beschleunigte Entleerung sowohl für flüssige als auch feste Speisen verursachen, ist bei SPV nur eine beschleunigte Entlee-
87 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
rung für Flüssigkeit zu finden. Das Fehlen der rezeptiven Magenrelaxation ist nach allen Vagotomieformen gleichermaßen aufgehoben [Trocon 1995]. 9.2.2 Postvagotomiedysphagie Es handelt sich um eine akute, zumeist passagere Schluckstörung, die als Folge der Präparation im distalen Ösophagusbereich gilt. Die Dysphagie tritt bei 2% aller Vagotomietypen auf, normalisiert sich in aller Regel innerhalb von 2–3 Monaten spontan [Becker 1980]. 9.2.3 Dumping Neben der Diarrhö ( s. u.) gilt die postoperative Dumpingsymptomtik als Hauptproblem.Als Folge der zu raschen Magenentleerung tritt in 90% der Fällen Frühdumping auf, während Spätdumping mit Hypoglykämie nur in etwa 10% der Fälle zu finden ist [Becker 1980]. Als charakteristische klinische Symptome finden sich Schwächegefühl, Palpationen, Schweißausbruch und Schwindel. Nach selektiver-gastrischer Vagotomie und Antrektomie wird Dumpingsymptomatik bei 25% der Patienten beobachtet, während bei PSV mit Erhaltung der Antrummotilität nur noch bei 2–6 % der Patienten ein Dumpingsymptomatik auftritt [Becker 1980; Hölscher 2002]. 9.2.4 Postvagotomiediarrhö Diarrhöen werden nach selektiv-gastrischer Vagotomie und Antrektomie bei bis zu 15%, nach PSV bei 3–11% der Patienten beschrieben. Ursächlich diskutiert werden: ▬ Gestörte Magenmotilität mit pathologischem Entleerungsmuster Æ beschleunigte intestinale Transitzeit. ▬ Verminderte gastrale Säuresekretion mit konsekutiver bakterieller Überbesiedlung (Kap.23) und vorzeitige Dekonjugation von Gallensäuren Æ chologene Diarrhö (kompensiert/dekompensiert).
9
9.2.5 Therapie Diätetische Maßnahmen wie Begrenzung der Flüssigkeitszufuhr, häufige kleine Mahlzeiten und Meidung niedermolekularer Kohlenhydrate entspricht dem Vorgehen nach totaler bzw. partieller Gastrektomie (⊡ s. Tabelle 9.1 und 9.2). Im Hinblick auf eine biliäre Genese der Diarrhö erweist sich die Gabe von Cholestyramin (bis 4-mal 4 g/Tag) oder von aluminiumhydroxidhaltigen Antazida als effektiv. In 80–100% kommt es innerhalb von 1–4 Wochen zur Befundbesserung [Becker 1980]. Als weniger effektiv und etabliert gelten Spasmolytika und Antidiarrhoika. Bei schweren Postvagotomiediarrhöen nach SGV und Pyloroplastik wird die operative Rekonstruktion des Pylorus oder eine Interposition eines anisoperistaltischen, ca. 8–10 cm langen Jejunumsegmentes durchgeführt [Becker 1980].
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Kapitel 9 · Der operierte Magen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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10 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Tumoren des Magens W. Fischbach 10.1
Pathophysiologie
10.1.1 10.1.2 10.1.3
Epitheliale Magentumoren – 90 Magenfrühkarzinom – 90 Magenkarzinom – 90
10.2
Klinik
10.3
Diagnostik und Staging
10.3.1 10.3.2
Diagnostik – 91 Staging – 92
10.4
Prävention
10.5
Prognose
– 92
10.6
Therapie
– 92
10.6.1 10.6.2 10.6.3 10.6.4
Gutartige Magentumoren – 92 Magenfrühkarzinom – 93 Magenkarzinom – 93 Magenlymphome – 95
Literatur
>>
– 90
– 91 – 91
– 92
– 96
Magentumoren sind grundsätzlich in gutartige und bösartige Tumoren zu differenzieren. In Abhängigkeit von ihrem Ursprungsgewebe lassen sie sich auch in epitheliale, mesenchymale und lymphatische Tumoren unterteilen. Innerhalb der Gruppe der benignen Tumoren finden sich reaktive/entzündliche Veränderungen und neoplastische Läsionen, die auf Grund ihres Entartungsrisikos auch als Präkanzerosen bezeichnet werden. Unter den malignen Magentumoren ist das Magenkarzinom am häufigsten. Ätiologisch kommt neben genetischen Faktoren der Helicobacter pylori (H.p.-)Infektion eine besondere Bedeutung zu. Dies trifft in ähnlicher Weise auch für die Entstehung primärer Magenlymphome zu. Im Zentrum der Diagnostik aller Magentumoren steht heute die Endoskopie mit nachfolgender histologischer Begutachtung der Schleimhautbiopsien. Die Therapie wird durch die histologische Klassifikation und das Tumorstadium bestimmt und umfasst sowohl operative wie konservative und multimodale Strategien.
90
Kapitel 10 · Tumoren des Magens SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
10.1
II
Pathophysiologie
Epitheliale und nichtepithelialen Magentumoren unterschiedlicher Malignität sind in ⊡ Tabelle 10.1 zusammengefasst. 10.1.1
Epitheliale Magentumoren
Unter den epithelialen Magentumoren sind die Drüsenkörperzysten,die hyperplastischen Polypen und die foveoläre Hyperplasie am häufigsten. Letzterer können ätiologisch 3 Krankheitsformen zu Grunde liegen: der sehr seltene M. Ménétrier; die lymphozytäre Gastritis; die H.p.-Gastritis mit foveolärer Hyperplasie. Mit Ausnahme des M. Ménétrier, der mit einem erhöhten Karzinomrisiko assoziiert ist,werden Drüsenkörperzysten, hyperplastische Polypen und die foveoläre Hyperplasie nicht als Präkanzerosen angesehen. Eindeutig als solche gelten hingegen die Magenadenome. Allerdings sind sie nur für einen geringen Teil der Magenkarzinome verantwortlich. 10.1.2
Magenfrühkarzinom
Beim Magenkarzinom wird wegen der guten Prognose und spezifischer therapeutischer Optionen das Frühkarzinom vom fortgeschrittenen Karzinom unterschieden. Wichtig Das Frühkarzinom ist als ein auf die Mukosa und Submukosa begrenzter Tumor definiert, unabhängig vom Vorliegen von Lymphknotenmetastasen (⊡ Abb. 10.1). Reicht das Frühkarzinom bis in die Submukosa, finden sich zu ca. 20% bereits Absiedlungen in den Lymphknoten. Der Begriff Frühkarzinom bezeichnet somit einen Ausbreitungstyp, aber kein Tumorstadium.
In westlichen Ländern liegt der Anteil an Frühkarzinom bei 10–20% aller Magenresektionen wegen eines Magenkarzinoms, deutlich niedriger als in Japan (>40%). Der Nachweis von Frühkarzinomen kann durch den Einsatz von Farbstoffen bei der Endoskopie (Chromoendoskopie) erleichtert werden. Bedeutsam ist das Frühkarzinom wegen der Möglichkeit einer lokal begrenzten Therapie (endoskopische Mukosaresektion). Dies gilt vornehmlich für die
⊡ Tabelle 10.1. Klassifikation der Magentumoren Epitheliale Tumoren
Gutartige Tumoren Foveoläre Hyperplasie Hyperplastischer Polyp Drüsenkörperzysten Adenom Hamartome (Peutz-Jeghers-Polypen) Polyposissyndrom (Cronkhite-Canada-, Gardner-Syndrom) Juvenile Polypose Bösartige Tumoren Magenkarzinom (tubuläres, papilläres, muzinöses Adenokarzinom; Siegelringzellkarzinom; undifferenziertes Karzinom; andere, seltene Karzinome) Nicht-epitheliale Tumoren (gutartig, potenziell maligne und bösartig) Leiomyom Schwannom Granularzelltumor Glomustumor Gastrointestinale Stromatumore (GIST-Tumore) Leiomyosarkom Maligne Lymphome Sekundäre epitheliale und nichtepitheliale Tumoren Pseudotumoren (tumorähnliche Veränderungen) Granulomatosen Eosinophiles Granulom M. Crohn Sarkoidose Tuberkulose, Syphilis Xanthelasmen
auf die Mukosa begrenzten Tumoren. Dabei finden sich nur in bis zu 3% der Fälle Lymphknotenmetastasen, bei kleinen Mukosatumoren (<2 cm) ist die Rate noch geringer. 10.1.3
Magenkarzinom
Obgleich in den westlichen Ländern seit Jahrzehnten ein kontinuierlicher Rückgang zu beobachten ist,zählt das Magenkarzinom mit einem Vorkommen von 19–25/100.000 immer noch zu den häufigsten malignen Tumoren weltweit. Auch zeichnet sich eine eindeutige Zunahme von Karzinomen der Kardia und des
91 10.3 · Diagnostik und Staging SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
10
⊡ Abb. 10.1. Endoskopische Klassifikation der Magenfrühkarzinome. Wuchsformen und deren Häufigkeit
ösophagogastralen Übergangs ab, während die distalen Magenkarzinome zahlenmäßig zurückgehen. In etwa 10% treten Magenkarzinome familiär gehäuft auf. Etwa 1–3% aller Adenokarzinome des Magens zählen zu den hereditären diffusen Formen, die als »hereditary diffuse gastric cancer (HDGC) bezeichnet werden. Der Krankheit liegt eine Mutation am E-Cadherin-Gen (CDH1) zugrunde. Das Lebenszeitrisiko der Genträger für das Auftreten eines Magenkarzinoms beträgt bis zu 80%, für die weiblich Betroffenen besteht zusätzlich ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms (40%). Die Rolle genetischer und diätetischer Faktoren und von Umwelteinflüssen für die Entstehung des Magenkarzinoms steht außer Zweifel.Dies gilt in gleicher Weise für die Typ-A-Gastritis. Neu in die Diskussion gekommen ist die H.p.-Infektion. Epidemiologische und experimentelle Daten der letzten Jahre weisen ihr eindeutig ein Risikopotential für das distale Magenkarzinom zu [HaCCG 2001]. Ob eine H.p.-Infektion möglicherweise als protektiver Faktor gegen das Entstehen eines Kardiakarzinoms angesehen werden kann, steht weiterhin zur Diskussion. Eine weitaus engere Beziehung besteht zwischen der H.p.-Infektion und den gastralen B-Zell-Lymphomen vom MALT- (»mucosa-associated-lymphoid-tissue«-)Typ [Fischbach 2000].
10.2
Klinik
Die klinische Symptomatik der Magentumoren ist uncharakteristisch. Gewöhnlich verursachen sie erst in fortgeschrittenen Stadien Beschwerden wie Druckund Völlegefühl, Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Erbrechen oder Gewichtsabnahme. Die Indikation zur Endoskopie bei potenziellen Risikopersonen (neu aufgetretene Oberbauchbeschwerden bei Patienten >45 Jahre, Alarmsymptome oder familiäre Belastung) sollte großzügig gestellt werden [Allum 2002]. 10.3
Diagnostik und Staging
10.3.1
Diagnostik
Im Zentrum der Diagnostik von Magentumoren steht die Endoskopie mit Biopsieoption, möglichst mit hochauflösenden Videoendoskopen.Für die Differenzierung von reaktiven und neoplastischen Veränderungen ist die histologische Beurteilung endoskopischern Biopsien ebenso unverzichtbar, wie für die Erfassung präkanzeröser Läsionen (Dysplasien) oder die Graduierung eines malignen Tumors. Die Detektion wird durch endoskopische Anfärbetechniken (Chromoendoskopie) erleichtert (z. B. Congorot/Methylenblau). Ist die histologische Diagnose eines malignen Magentumoren etabliert, wird die Therapieplanung entscheidend vom Tumorstadium beeinflusst.
92
II
Kapitel 10 · Tumoren des Magens SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Endoskopische Klassifikation des Magenfrühkarzinoms. (Mod. nach [Murakami 1971] Typ-I-Tumoren ragen in das Lumen vor und erscheinen endoskopisch wie ein breitbasiger Polyp, der um mindestens 5 mm in das Lumen hereinragt. Diese Protrusionen können gelegentlich multipel sein, bleiben jedoch lokalisiert. Sie können mit verdickten Mukosafalten verwechselt werden. Typ-II-Tumoren sind oberflächlich mit einer unebenen Oberfläche. Sie sind schwerer zu entdecken als Typ-I-Läsionen. Multiple Biopsien sind notwendig, um die Diagnose zu sichern. Man unterscheidet 3 Subtypen: – Typ IIa besitzt eine leicht erhöhte Oberfläche von <5 mm – Typ IIb ist durch eine flache, aber unebene Oberfläche charakterisiert, ohne Protrusion oder Depression – Typ IIc besteht in einer lokalisierten Absenkung von <1,5 cm in einem Areal ohne Penetration der Muscularis mucosae. Typ-III-Tumoren imponiert als leichte Exkavation oder Ulzeration auf der Ebene der Magenmukosa.
10.3.2
Staging
Das sieht den Einsatz bildgebender Methoden (Sonographie, Röntgenthorax, Computertomographie, MRT) zur Erfassung einer Tumordissemination und der lokalen Tumorausdehnung vor. Letztere wird am besten durch die Endosonographie erfasst. Auf die Besonderheiten des Stagings in Abhängigkeit von den Tumorentitäten und die verschiedenen Stadieneinteilungen kann hier nicht näher eingegangen werden ( s. hierzu [Allum 2002; Fischbach 2000]). 10.4
Prävention
Der zahlenmäßige Rückgang des Magenkarzinoms wird wesentlich mit dem Verzicht auf frühere Nahrungskonservierungsmethoden und der Einführung der Kühlketten in Verbindung gebracht [Scheppach 2003]. Eine an Obst und frischem Gemüse reiche Kost
wird eine krebsverhindernde Wirkung nachgesagt, eindeutige wissenschaftliche Beweise stehen allerdings aus. Theoretische Überlegungen vor dem Hintergrund der ätiopathogenetischen Bedeutung der H.p.-Infektion für das Magenkarzinom und in noch stärkerem Maße für das Magenlymphom legen eine »Teste-und-eradiziere-Strategie« als vorbeugende Maßnahme nahe.Verschiedene Faktoren wie KostenNutzen-Analysen und die ungeklärte Frage, ob und bis wann einmal induzierte Prozesse in der Karzinogenese noch reversibel sind, haben bewirkt, dass eine generelle H.p.-Eradikation als Prävention des Magenkarzinoms und -lymphoms nicht empfohlen wird. Lediglich bei Risikopersonen (familiäre Belastung; Risikogastritis) wird ein solches Vorgehen favorisiert. 10.5
Prognose
Eine fortgeschrittenes,durch Operation nichtkurables Stadium besteht bei ca. 50% der Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose.Patienten,die einer potenziell kurativen Resektion unterzogen werden, haben ein hohes Risiko für ein lokales oder Fernmetastasenrezidiv. Die unterschiedlichen Tumorentitäten variieren in ihrer Prognose erheblich. Allgemein lässt sich nur sagen, dass Histologie, Malignitätsgrad und Tumorstadium die Prognose und die therapeutische Strategie bestimmen. Die 5-Jahres-Überlebensrate der Patienten mit Magenkarzinomen hängt entscheidend davon ab, ob die chirurgische Therapie kurativ durchgeführt werden konnte (d. h. R0-Resektion). Nach Operation mit kurativer Zielsetzung beträgt sie in Abhängigkeit vom Stadium: ▬ Stadium IA: 95%, ▬ Stadium IB: 85%, ▬ Stadium II: 54%, ▬ Stadium IIIA: 37%, ▬ Stadium IIIB: 11%, ▬ Stadium IV: 7%. 10.6
Therapie
10.6.1
Gutartige Magentumoren
Gutartige Magentumoren, ob epithelialen oder nichtepithelialen Ursprungs, bedürfen in der Regel nur dann einer Therapie, wenn sie in irgendeiner Weise
93 10.6 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
symptomatisch (z.B.Blutung,Obstruktion) sind.Eine Ausnahme hiervon machen die Adenome. Angesichts ihres Entartungsrisikos sollten sie generell abgetragen werden, was fast immer endoskopisch im Sinne der Polypektomie oder endoskopischen Mukosaresektion (EMR) möglich ist. 10.6.2
Magenfrühkarzinom
Überlebensraten von 85–90% nach Resektion wurden beobachtet [Eckardt 1990; Everett 1997]. Eingesetzt wurde die totale Gastrektomie bei Frühkarzinomen im oberen Magendrittel, die subtotale Resektion bei Tumoren des mittleren oder unteren Magendrittels. Unterschiede in der 5-Jahres-Überlebensrate ergaben sich zwischen totaler oder subtotaler Magenresektion beim Frühkarzinom nicht. Endoskopische Mukosaresektion (EMR) Die EMR wurde erstmals 1978 in Japan eingesetzt. Dabei wird die Läsion durch Ansaugen (»suck-and-cut«) oder intramuköse Injektion von physiologischer Kochsalzlösung oder 50% Dextrose angehoben (»liftand-cut«) und anschließend die Läsion durch Elektrokoagulation endoskopisch entfernt. Im Einzelfall können multiple Resektionen erforderlich werden (»Piece-meal«-Technik). Der endoskopischen Mukosaresektion kommt eine immer größere Bedeutung in der Therapie des Magenfrühkarzinoms zu [HaCCG 2001; Nishi 1995]. Wichtig ist die Selektion geeigneter Patienten für eine kurative endoskopische Mukosaresektion: ▬ Patienten mit differenzierten (G1/2), leicht erhabenen Tumoren von <2 cm Größe (Typ IIa), ▬ Patienten mit differenzierten (G1/2), leicht eingesenkten Läsionen von <1 cm Größe ohne Ulzerationen (Typ IIb). Bei diesen Frühkarzinomen liegen nach japanischen Studien nur in 0,01% Lymphknotenmetastasen vor. Tumoren von >3 cm Durchmesser und Tumoren mit tiefer submuköser oder lymphatischer Invasion dürfen nicht endoskopisch behandelt werden. Da die Frühkarzinome hierzulande selten sind, sollten Patienten, deren Tumoren diese Kriterien erfüllen, ggf. in einem endoskopischen Zentrum vorgestellt werden.
10
Mögliche lokale Therapieoptionen Endoskopische Mukosaresektion (EMR) – Ligaturmethode – Cap-fitted-Methode Laparoskopische Resektion Ablative Verfahren – Lasertherapie – Photodynamische Therapie
Welches Therapieverfahren überlegen ist,wird derzeit untersucht. 10.6.3
Magenkarzinom
Die Therapie des Magenkarzinoms erfolgt abhängig vom Stadium der Erkrankung in kurativer oder palliativer Intention (⊡ Tabelle 10.2). Operation Die einzige Behandlungsoption mit kurativem Anspruch stellt die radikale chirurgische Tumorresektion dar. Das Ziel einer R0-Resektion wird durch eine totale, bei distalen Karzinomen u. U. subtotale, bei proximalen Tumoren auch erweiterte Gastrektomie erreicht. Die prognostische Bedeutung des Ausmaßes der Lymphadenektomie wurde in jüngster Zeit kontrovers diskutiert. In 2 randomisierten Multicenterstudien [Bonenkamp 1999; Cuschieri 1999] konnte der Beweis eines Überlebensvorteils durch eine erweiterte (D2-)Lymphknotendissektion im Vergleich zu einer D1-Resektion nicht erbracht werden, wohl bedingt durch eine erhöhte postoperative Mortalität bei der D2-Resektion. Unter Belassung von Milz und Pankreas stellt die ausgedehnte Lymphknotendissektion eine Intervention mit akzeptabler Komplikationsund Letalitätsrate dar [Marubini 2002]. 2 große japanische Studien, konnten zeigen, dass die erweiterte Lymphknotendissektion sich positiv auf die Langzeitprognose der Patienten auswirkt [Hiki 1995; Ohgaki 1999]. Wichtig Die Arbeitsgruppe »Magenkarzinom« der Deutschen Krebsgesellschaft empfielt – ebenso wie die britische Gesellschaft für Gastroenterologie [Allum 2002] – in ihren Leitlinien die D2-Resektion als Standardvorgehen.
94
Kapitel 10 · Tumoren des Magens SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 10.2. TNM-Klassifikation des Magenkarzinoms und UICC-Stadium
II
TNM-Klassifikation T
Primärtumor TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 Kein Anhalt für Primärtumor Tis Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne Infiltration der Lamina propria T1 Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa T2a/b Tumor infiltriert Muscularis propria (a), Subserosa (b) T3 Tumor penetriert Serosa, ohne Infiltration benachbarter Strukturen T4 Tumor infiltriert benachbarte Strukturen
N
Regionäre Lymphknoten (Lk) NX Regionäre Lk können nicht beurteilt werden N0 Keine regionären Lk N1 Metastasen in 1–6 regionären Lk N2 Metastasen in 7–15 regionären Lk N3 Metastasen in >15 regionären Lk
M
Fernmetastasen MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden M0 Keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen
UICC-Stadium 0 Tis IA T1 IB T1 T2a/b II T1 T2a/b T3 IIIA T2a/b T3 T4 IIIB T3 IV T1–3 T4 T1–4
N0 N0 N1 N0 N2 N1 N0 N2 N1 N0 N2 N3 N1–3 N1–3
M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1
Für eine korrekte Erfassung des N-Status sollten mindestens 15 Lymphknoten untersucht werden. Adjuvante Chemotherapie Ausgehend von der hohen Rezidivrate auch nach R0Resektion reichen Bemühungen zur adjuvanten Chemotherapie bis in die 1960er Jahre zurück.Sie beruhen auf dem Einsatz von 5-FU, Mitomycin C und Anthracyclinen,neuerdings auch auf Taxanen,Irinotecan und Oxaliplatin. In einer Metaanalyse von 20 Arbeiten mit unterschiedlichen Zytostatika(kombinationen) konnte das Todesrisiko um 18% reduziert werden [Mari 2000]. Dennoch ist die adjuvante Chemotherapie des Magenkarzinoms bislang noch nicht etabliert.Dies gilt in gleicher Weise für die adjuvante intraperitoneale Chemotherapie und die postoperative Radiochemotherapie. Für letztere konnte zwar in einer randomisierten Studie ein Überlebensvorteil für die kombiniert behandelten im Vergleich zu den nur operierten Patienten aufgezeigt werden, der indessen auf einer inakzeptablen Operationstechnik (in weniger als 50% der Fälle D1- oder D2-Dissektion) beruhen dürfte [MacDonald 2001]. Neoadjuvante Chemotherapie Bei fehlenden Hinweisen auf Fernmetastasen aber lokal fortgeschrittenen irresektablen oder zumindest fraglich R0-resektablen Tumoren kann in Einzelfällen eine neoadjuvante Chemotherapie erwogen werden. Sie kann eine Tumorrückbildung (»downstaging«) mit sekundärer R0-Resektabilität bewirken.Ob dieses Konzept allgemein einen Überlebensvorteil mit sich bringt, ist derzeit unklar. Palliative Chemotherapie Die palliative Chemotherapie des inoperablen und/ oder metastasierten Magenkarzinoms gilt als etabliert, seit sie sich einer alleinigen supportiven Therapie gegenüber im Hinblick auf Überlebenszeiten und Lebensqualität als überlegen erwiesen hat [Wilke 2001]. Die Ergebnisse müssen dennoch insgesamt als bescheiden angesehen werden. Die Tumoransprechraten von 9–20% und die medianen Überlebenszeiten von ca. 7 Monaten für ELF, FAMTX oder 5-FU/Cisplatin können durch neuere Kombinationen (»infusionales« 5-FU + Cisplatin oder + Epirubicin und Cisplatin (ECF) offensichtlich verbessert werden. Als Therapieprotokolle bieten sich das ambulant durchführbare PLF-Protokoll und das ECF-Schema an. Letzteres macht die Anlage eines Portsystems notwendig (Dauerinfusion von 5-FU). Das ELF-Schema
95 10.6 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
10
ist v. a. für ältere Patienten geeignet, da es – abgesehen von einer Alopezie – sehr gut verträglich ist. Als Standardpalliativtherapie gilt heute das PLFSchema.
ECF-Schema (Epirubicin, Cisplatin, Fluorouracil)
PLF-Schema (Cisplatin/Fluorouracil/Calciumfolinat)
Epirubicin 50 Cisplatin 60 Fluorouracil 200 Wiederholung Tag 22
ChemoDosis Infusions- Tage therapeutikum (mg/m2 KOF) dauer (i.v.) Calciumfolinat Fluorouracil Cisplatin
500 2000 50
120 min 24 h 60 min
1, 8, 15, 22, 29, 36 1, 8, 15, 22, 29, 36 1, 15, 29
Wiederholung Tag 50 Wichtige Nebenwirkungen. Knochenmarkdepression, gastrointestinale Beschweren, Elektrolytstörungen (Hypomagnesiämie, Hypokalzämie, Hypokaliämie), Sehstörungen, Hörschäden, Leberschäden, kardiotoxische Wirkung, lokale Reaktionen. Praktische Durchführung. Kreatininclearance- und Protein-im-Urin-Bestimmung sind wegen der Nephrotoxizität des Platins vor jeder Gabe von Cisplatin zu bestimmen.Vor der Gabe von Cisplatin antiemetische Therapie: 1 Amp.Ondansetron bzw.1 Amp./1 Tabl. Dolasetron bzw. 1 Amp. Tropisetron und 20 mg Dexamethason bzw. 100 mg Prednison. Vor und nach der Cisplatingabe sollte die Infusion von 1000 ml 0,9% NaCl mit Elektrolytzusatz (10– 20 mval KCl/1000 ml,Mg2+ 3 mmol/500 ml) erfolgen.Bei Abfall der Urinproduktion (<150 ml/h) bzw. Gewichtszunahme (>1 kg) Furosemid oder Mannit geben! Folinsäure ggf.parallel zu Cisplatin (in getrennten Infusionssystemen) infundieren. Therapie mit Fluorouracil als Dauerinfusion über 24 h, z. B. in 130 ml 0,9% NaCl-Lösung in tragbarem Pumpensystem,verabreichen.Während der gesamten Therapiedauer: Mg2+ oral 180 mg/m2 KOF (z. B. Magnesium Verla). Während der Zyklen tägliche Kontrolle von K, Ca2+ und Mg2+ durchführen.Bei der durch Fluorouracil ausgelösten Diarrhö (bei Langzeitinfusion jedoch seltener) zunächst Loperamid, bei massiver Diarrhö Octreotid (Sandostatin) s.c. (2¥100 µg, ggf. Dosissteigerung) geben.
ChemoDosis Infusions- Tage therapeutikum (mg/m2 KOF) dauer (i.v.) Bolus 30 min 24 h
1 1 1–21
Wichtige Nebenwirkungen. Wie beim PLF-Schema; Epirubicin-bedingt zusätzlich Alopezie und Kardiotoxizität (>450 mg/m2 KOF Epirubicin Herzmonitoring erforderlich, kumulative Maximaldosis 900– 1000 mg/m2 KOF). Praktische Durchführung. Angaben zu Cisplatin, antiemetischer Therapie und Fluorouracil s. PLFSchema. Epirubicin wird als Bolus verabreicht.
Salvage-Protokolle In Analogie zum kolorektalen Karzinom kann es heute gerechtfertigt sein, bei Progression eine Secondoder Third-line-Therapie anzuschließen.Für die Kombination Fluorouracil/Folinsäure/Irinotecan zeigte sich in einer erst kürzlich abgeschlossenen Studie eine 1-Jahres-Überlebensrate von 44%. Zu den SalvageProtokollen zählen: ▬ Kombination Irinotecan/5-FU/Folinsäure (FOLFIRI), ▬ Langzeitinfusion von 5-FU/Folinsäure (entsprechend dem Ardalan-Schema), ▬ Kombination von Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure (FOLFOX), ▬ Kombinationen mit Paclitaxel oder Docetaxel (jeweils mit 5-FU), ▬ Orale 5-FU-Prodrugs (Capecitabin, Tegafur/Uracil). 10.6.4 Magenlymphome Histologischer Malignitätsgrad (niedrig- vs. hochmaligne) und Stadium sind die beiden entscheidenden prognostischen Faktoren der heterogenen Gruppe der primären Magenlymphome (Einteilung der der gastrointestinalen Lymphome s. Kap. 19). Die therapeutischen Strategien sind in ⊡ Tabelle 10.3 zusammengefasst. Die H.p.-Eradikation stellt die primäre Therapie der Wahl bei den Marginalzonenlymphomen vom MALT-Typ im Stadium I dar. Die
96
Kapitel 10 · Tumoren des Magens SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 10.3. Behandlungsstrategien bei Magenlymphomen
II
Stadium
Niedrigmaligne
Hochmaligne
I 1/2
Hp-Eradikation; Wenn Hp negativ bzw. keine komplette Remission Oder Rezidiv: RT (OP) RT (OP) CT oder »watch-and-wait«
CT ± RT (OP + CT) Hp-Eradikationa CT ± RT (OP + CT) CT ± RT
II 1/2 III, IV
Hp: Helicobacter pylori; OP: Operation; RT: Strahlentherapie; CT: Chemotherapie. a nur innerhalb klinischer Studien.
Radiotherapie ist der Operation wahrscheinlich ebenbürtig [Kasakura 2002], besitzt zudem den Vorteil der Organerhaltung. Die Chemotherapie stellt die entscheidende Modalität in der Behandlung der hochmalignen Lymphome dar. Sie erfolgt in Kombination mit einer Strahlentherapie, nach einer Operation, zukünftig vielleicht auch alleine. Andere nichtepitheliale oder sekundäre maligne Tumoren des Magens sind äußerst selten und bedürfen einer individuellen, zumeist chirurgischen Therapie (zu GIST-Tumoren s. Kap. 11).
Literatur Allum WH, Griffin SM, Watson A, Colin-Jones D (2002) Guidelines for the management of oesophageal and gastric cancer. Gut 50: 1–25 Bonenkamp JJ, Hermans J, Sasako M (1999) Extended lymph node dissection for gastric cancer. Dutch gastric cancer group. N Engl J Med 340: 908–914 Cuschieri A, Weeden S, Fielding J (1999) Patient survival after D1 and D2 resections for gastric cancer: long term results of the MRC randomised surgical trial. Br J Cancer 79: 1522–1530 Eckardt V, Giebler W, Kanzler G et al. (1990) Clinical and morphological characteristics of early gastric cancer. A casecontrol study. Gastroenterology 98: 708–714 Everett SM, Axon AT (1997) Early gastric cancer in Europa. Gut 41: 142–150 Fischbach W (2000) Gastrointestinale Lymphome. Ätiologie, Pathogenese und Therapie. Internist 41: 831–840 Helicobacter and Cancer Collaborative Group (2001) Gastric cancer and Helicobacter: a combined analysis of 12 case control studies nested within prospective cohorts. Gut 49: 347–753
Hiki Y, Shimao H, Mieno H et al. (1995) Modified treatment of early gastric cancer: Evaluation of endoscopic treatment of early gastric cancers with respect to treatment indication groups. World J Surg 19: 517–522 Kasakura Y, Mochizuki F, Wakabayashi K et al. (2002) An evaluation of the effectiveness of extended lymph node dissection in patients with gastric cancer: a retrospective study of 1403 cases at a single institution. J Surg Res 103: 252–259 Mari E, Floriani I, Tinazzi A (2000) Efficacy of adjuvant chemotherapy after curative resection for gastric cancer: A meta-analysis of published randomised trials. Ann Oncol 11: 837–843 14. Marubini E, Bozzetti F, Miceli R, Bonfanti G, Gennari L (2002) Lymphadenectomy in gastric cancer: prognostic role and therapeutic implications. Edur J Surg Oncol 28: 406–412 MacDonald JS, Samalley S, Benedetti J (2001) Chemoradiotherapy after surgery compared with surgery alone for adenocarcinoma of the stomach or gastroesophageal junction. N Engl J Med 345: 725–730 Murakami T (1971) Pathomorphological diagnosis. Definition and gross classification of early gastric cancer. Gann Monogr Cancer Res 11: 53–60 Nishi M, Ishihara S, Nakajima T et al. (1995) Chronological changes of characteristics of early gastric cancer therapy: Experience in the Cancer Institute Hospital of Tokyo, 1950–1994. J Cancer Res Clin Oncol 121: 535–541 Ohgaki M, Toshio T, Akeo H, Yamasaki J, Togawa T (1999) Effect of extensive lymph node dissection on the survival of early gastric cancer. Hepatogastroenterology 46: 2096– 2099 Scheppach W, Pool-Zobel B, Stein J (2003) Tumor und Ernährung. In: Stein J, Jauch KW (Hrsg.) Klinische Ernährung und Infusionstherapie. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, S. 871–890 Wilke H, Stahl M, Meyer HJ et al. (2001) Chemotherapie des Magenkarzinoms. Onkologe 7: 632–637
11 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und Sarkome des GI-Trakts W. F. Caspary 11.1
Epidemiologie
11.2
Klinik
11.3
Diagnostik und Staging
11.4
Klassifikation und Stadieneinteilung
11.5
Therapie
11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.5.4 11.5.5 11.5.6
Ösophagus – 99 Magen – 99 Dünndarm – 99 Kolon und Rektum – 99 Fortgeschrittene oder metastasierte Tumoren Therapieplan – 100
11.6
Prognose
Literatur
>>
– 98
– 98 – 98 – 98
– 99
– 100
– 101
– 101
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST), Leiomyosarkome (LMS) und Leiomyome (LM) sind nichtepitheliale mesenchymale Tumoren, die hauptsächlich im GI-Trakt vorkommen [Miettinen 1999]. Sie kommen am häufigsten im Magen (60%) und proximalen Dünndarm (30%) vor, können allerdings auch in jedem Teil des GI-Trakts vorkommen, der Muskulatur in der Darmwand enthält sowie sehr selten auch im Omentum und Peritoneum. GIST bestehen zu 70% aus Spindelzellen, zu 30% aus Epitheloidzellen [Miettinen 1999]. 10–30% der GIST sind maligne und führen zu intraabdomineller Ausbreitung und Lebermetastasen. Diese Tumoren wurden früher als benigne angesehen. Es ist jedoch in der Zwischenzeit klar, dass die Histologie nicht notwendigerweise Benignität anzeigt. GIST >2 cm können rezidivieren und metastasieren trotz der anscheinend blanden histologischen Kriterien.
98
Kapitel 11 · Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und Sarkome des GI-Trakts SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
11.1
II
Epidemiologie
Nur ca. 1% aller gastrointestinalen Malignome sind mesenchymale Tumoren. Ihre Häufigkeit wird jedoch unterschätzt.Autopsiestudien haben gezeigt,dass kleine asymptomatische GIST und Leiomyome bei 50% von Personen über 50 Jahre vorkommen. 11.2
Klinik
Tumoren der glatten Muskulatur des GI-Trakts sind oft asymptomatisch und werden meist zufällig durch Endoskopie entdeckt. Andere gehen mit unspezifischen Symptomen einher oder führen zur Ulzeration und Blutung; wenn sie groß werden, können sie Schmerzen oder eine Obstruktion bewirken [DeMatteo 2000].
▬ ▬ ▬ ▬
Breischluckröntgenaufnahme Enteroklysma (Sellink-Röntgenaufnahme) Magnetresonanztomographie des Dünndarms Ggf. Intestinoskopie, Kapselendoskopie, Kolorektoskopie mit Biopsie ▬ Thoraxröntgenaufnahme Bei einer sonographisch gesteuerten Feinnadelbiopsie eines GIST-verdächtigen Tumoren sollten zusätzliche immunzytochemische Techniken eingesetzt werden: CD-117 (KIT),»smooth muscle actin« (SMA),Desmin, S-100 und CD-34. Mit dem Einsatz von Immunzytochemie und c-kit-Gen-Mutationsanalyse gelingt die Unterscheidung zwischen GIST und Leiomyomen bzw. Leiomyosarkomen [Rader 2001]. 11.4
Klassifikation und Stadieneinteilung
Wichtig Hauptsymptome sind: gastrointestinale Blutung (40%), palpabler abdomineller Tumor (40%), Bauchschmerzen (20%).
11.3
Diagnostik und Staging
Endoskopisch imponieren mesenchymale Tumoren meist als glatte sich in das Lumen vorwölbende Raumforderungen mit normaler Schleimhautoberfläche. Zentrale nabelartige Einziehungen können vorkommen. Die oberflächliche Schleimhautbiopsie wie auch die Knopflochbiopsie sind meist diagnostisch unergiebig. Zur Diagnostik wurde die Polypektomie erfolgreich eingesetzt. Die Endosonographie (EUS) erlaubt eine Differenzierung zwischen Leiomyomen und anderen submukösen Läsionen [Boyce 1991; Palazzo 2000]. Leiomyome gehen von der 4. hypoechogenen Wandschicht (Muscularis propria) aus. Unregelmäßige extraluminale Abgrenzung,zystische Veränderungen im Tumor sowie Nachweis von vergrößerten Lymphknoten sprechen für ein LMS. Bei Verdacht auf GIST sollten folgende Untersuchungen durchgeführt werden: ▬ Sonographie des Abdomens durch einen in der Untersuchung des Darms Erfahrenen ▬ Endosonographie (Ösophagus, Magen) ▬ Computertomographie des Abdomens ▬ Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit Biopsie
Leiomyome des GI-Trakts ließen sich schon immer schwierig von GIST unterscheiden. Über mehrere Jahre verstand man unter GIST mesenchymale Tumore, die weder als Leiomyome oder Schwannome histologisch durch Mikroskopie einzuordnen waren. Die Immunhistologie kann zwischen diesen Tumoren differenzieren [Miettinen 1999; Miettinen 2001; Rader 2001]. Das Hauptunterscheidungsmerkmal besteht in der Expression des CD-117-Antigens (Teil des c-kit Rezeptors, auch KIT genannt, ein Produkt des c-kit-Protoonkogens) bei GIST-Tumoren, während LMS und andere Spindelzelltumoren CD-117-negativ sind [Miettinen 1999]. Primäre GIST-Tumoren, die außerhalb des GITrakts im Omentum oder Mesenterium entstehen,sind phänotypisch identisch mit gastrointestinalen GISTTumoren und exprimieren häufig CD-34 (⊡ Tabelle 11.1.) Leiomyome sind in der Regel klein und klar abgrenzbar. Sie gehen von der Muscularis propria aus, können intraluminal wie auch extraluminal wachsen. Histologisch reicht das Spektrum der GIST von Spindelzellformen bis zum epitheloiden Erscheinungsbild [Miettinen 1999; Miettinen 2001]. Leiomyome und GIST lassen sich nicht in ihrem biologischen Verhalten unterscheiden, während LMS als maligne anzusehen sind. Es ist klinisch bedeutend, eine Unterscheidung zu treffen, da für GIST eine erfolgversprechende Therapiemöglichkeit zur Verfügung steht. Die Unterscheidung ist heute mit relativ hoher Sicherheit mit immunhistochemischen Technik
11
99 11.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 11.1. Immunhistochemisches Spektrum der mesenchymalen Tumoren des GI-Trakts Art
CD-117
CD-34
SMAa
S-100-Protein
p53
GIST Leiomyome Leiomyosarkome Entzündlich Schwannom
+ – – – –
+ – – + –
+/– + + +/– –
– – – – +
+ +/– + – ?
a »alpha smooth muscle actin«.
möglich: GIST sind CD-117 und CD-34-positiv [Miettinen 1999; Miettinen 2001; Rader 2001]. 11.5
Therapie
11.5.1
Ösophagus
Mesenchymale Tumoren kommen im Ösophagus im mittleren und distalen Drittel vor. Sie sind meist klein und asymptomatisch. Selten erreichen sie eine Größe, die zur Dysphagie führt. Die Tumoren imponieren endoskopisch als submukös mit intakter Oberfläche. Ulzeration und Blutung sind sehr selten. Tumoren bis zu einer Größe von 2 cm werden in der Regel endoskopisch entfernt (Polypektomie; [Huyn 1997]). Größere oder wenig erhabene Tumoren können ebenfalls endoskopisch (Mukosektomie) behandelt werden [Huyn 1997]. Unter den endoskopisch entfernten waren jedoch keine malignen Tumoren. Tumoren, die größer als 2 cm sind und Dysphagie verursachen,sollten operativ durch Resektion entfernt werden. 11.5.2
oder endoskopisch entfernt. Größere Tumoren werden operativ entfernt, wobei der laparoskopische Zugang möglich ist, da die LMS in der Regel nicht in die regionären Lymphknoten metastasieren. Die Tumorgröße ist der determinierende prognostische Faktor für das Überleben bei Patienten mit GIST oder LMS des Magens. In einer Serie betrug die Überlebenszeit bei Tumoren <8 cm 83 Monate, bei einer Größe >8 cm nur 15 Monate. 11.5.3
Dünndarm
Der Dünndarm ist die zweithäufigste Lokalisation für Tumore der glatten Muskulatur (hauptsächlich im Jejunum, seltener im Ileum und Duodenum). Bei der Entdeckung sind die Tumoren meist groß und führen durch Ulzeration zu Blutungen. Die chirurgische Resektion des gesamten Tumoren ist die Therapie der Wahl. Der Therapieerfolg hängt davon ab,ob der Tumor in toto reseziert werden konnte. Nach vollständiger Resektion betrug die 5-JahresÜberlebensrate für maligne GIST-Tumoren 48%,nach inkompletter Resektion jedoch nur 8%.
Magen 11.5.4
Im Magen – mit Vorliebe im Fundus – kommen Tumoren der glatten Muskulatur am häufigsten vor. 1–3% aller Magentumoren sind GIST. Sie treten meist nach dem 50. Lebensjahr überwiegend bei Männern auf [Miettinen 1999; Miettinen 2001]. Die Mehrzahl der GIST und Leiomyome des Magens sind <0,5 cm, erreichen jedoch gelegentlich eine Größe von bis zu 20 cm. Die meisten GIST sind asymptomatisch. Größere Tumoren können ulzerieren und zur Blutung führen (60%). Kleine Tumoren (<1 cm) mit endosonographischen Kriterien der Benignität werden beobachtet
Kolon und Rektum
Große Tumoren können ulzerieren und wie ein Rektumkarzinom aussehen. Im Kolon sind GIST häufiger als LMS. Die meisten GIST im Kolon sind histologisch maligne. Eine Tumorgröße von >1 cm und >5 Mitosen pro Gesichtsfeld spricht für Malignität und führte zum Tod. Die chirurgische Resektion sollte angestrebt werden, wobei zu beachten ist, dass bei ca. 20% maligner GIST bereits eine Metastasierung vorliegt. Ein Rezidiv nach Resektion ist häufig.
100
Kapitel 11 · Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und Sarkome des GI-Trakts SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
11.5.5
II
Fortgeschrittene oder metastasierte Tumoren
Bis zum Jahr 2000 gab es keine Chemotherapie gegen nichtresektable oder metastasierende GIST. GIST sprechen nicht auf die beim LMS übliche Chemotherapie (Doxorubicin, Epirubicin und/oder Ifosfamid) an. Mit dem Tyrosinkinasehemmer STI 571 (Imatinibmesylat, Gleevec) konnten dramatische klinische Erfolge bei GIST-Patienten mit fortgeschrittener und metastasierter Erkrankung erzielt werden [Demetri 2002; Joensuu 2001]. Maligne Zellen bei GIST-Tumoren überexprimieren das Produkt des c-kit-Protoonkogens, einer Tyrosinkinase (KIT), die immunhistochemisch für das CD117-Antigen nachgewiesen werden kann. Zwei noch nicht abgeschlossene Phase-I-Studien setzten Imatinib in der täglichen Dosierung von 400–1000 mg bzw. 400–600 mg bei fortgeschrittenen GIST-Tumoren ein [Blanke 2001].Die Therapie wurde gut vertragen. 4 von 15 Patienten hatten ein partielles Ansprechen nach Kurzzeittherapie,in der zweiten Studie kam es bei 54% zu einem radiologische Ansprechen, 89% der Patienten hatten eine klinische Besserung. In der aktuellsten Studie [DeMatteo 2000] wurden 147 Patienten mit fortgeschrittenen GIST-Tumoren mit der täglichen Dosis von 400 und 600 mg Imatinibmesylat (Gleevec) behandelt. 79 der 147 Patienten (53,7%) hatten ein partielles Ansprechen,bei 41 (27,9%) kam es zu keiner Tumorprogression, bei keinem Patienten trat allerdings über die mittlere Therapiedauer von 24 Wochen eine komplette Remission ein. Die Therapie wurde gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren leichte Ödeme, Diarrhö und Müdigkeit. Wichtig Die Therapie mit Imatinib ist als vielversprechend bei fortgeschrittenen und nichtoperablen malignen GIST-Tumoren anzusehen. Patienten sollten jedoch in Studien eingebracht werden.
Die Dosierung von Imatinib beträgt 400–600 mg/ Tag p.o. Imatinib wird als Einmaldosis mit einer Mahlzeit und in einem großen Glas Wasser eingenommen. Häufige Nebenwirkungen sind: Ödeme (68%) sowie Pleuraerguss, Aszites, Lungenödem, Übelkeit (68%), Erbrechen (54%), Diarrhö (49%), Muskel-
krämpfe (46%), Hautausschlag (39%). Schwere Nebenwirkungen sind selten. Es können vorkommen: Hepatotoxizität, Flüssigkeitsretention, Neutropenie und Thrombozytopenie. Leiomyosarkome Fortgeschrittene Leiomyosarkome des GI-Trakts werden nach Therapieprotokollen wie andere Weichteilsarkome behandelt (Doxorubicin, Epirubicin und/oder Ifosfamid als Monotherapie oder Kombinationstherapie (Doxorubicin + Ifosfamid). Gemcitabine + Docetaxel bewirkte eine Ansprechrate von 53% bei Patienten mit LMS, die entweder vorbehandelt waren oder die Therapie auch primär erhielten [Hensley 2002]. Die Dosierungen des Therapieschemas in dieser Studie betrugen: ▬ Gemcitabine (Gemzar) 900 mg/m2 am Tag 1 und 8 + ▬ Docetaxel (Taxotere) 100 mg/m2 am Tag 8 + ▬ G-CSF (Neupogen) s.c. an den Tagen 9–15. ▬ Wiederholung des Therapieschemas nach 21 Tagen. 11.5.6
Therapieplan
▬ Mesenchymale Tumoren des Ösophagus:
▬
▬ ▬ ▬
▬
endoskopische Resektion bis zur Größe von 2 cm. Größere Tumoren sollten chirurgisch reseziert werden. Tumoren des Magens <1 cm: mit EUS-Kriterien der Benignität können beobachtet werden, alternativ kommt die endoskopische Resektion in Frage. Tumoren des Dünndarms: chirurgiche Resektion Tumoren des Dickdarms: chirurgische Resektion. Inoperable GIST, GIST mit ausgedehnter Metastasierung: Therapie mit Imatinib. Inoperable und/oder metastasierte Leiomyosarkome: Chemotherapie nach Protokollen der Weichteilsarkome (Doxorubicin als Monotherapie oder Kombinationstherapie mit Doxorubicin/Epirubicin und Ifosfamid oder MAP-Schema [Mitomycin + Doxorubicin + Cisplatin]). Neuerdings auch mit Gemzitabin (Gemzar) + Docetaxel (Taxotere; [Hensley 2002]).
101 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
11.6
Prognose
Die Prognose der GIST hängt von der Größe des Primärtumoren ab. Bei 200 operierten Patienten bestanden bei Entfernung des Primärtumors bei 47% keine Metastasen, bei 47% Metastasen, 7% wurden wegen eines Rezidivs operiert [DeMatteo 2000]. Eine 5-Jahres-Überlebenszeit wurde von 54% der Patienten erreicht. Die Prognose der LMS ist besser als die der GIST. Beim LMS des Ösophagus wurden 5-JahresÜberlebensraten von 30–40% nach chirurgischer Resektion beschrieben. Das Überleben wird durch die Größe und Differenzierung des Tumors determiniert.
Literatur Boyce GA, Sivak MV Rösch T et al. (1991) Evaluation of submucosal upper gastrointestinal tract lesions by endoscopic ultrasound. Gastrointest Endosc 37: 449–454 DeMatteo RP, Lewis JJ, Leung D et al. (2000) Two hundred gastrointestinal stromal tumors: recurrence patterns and prognostic factors for survival. Ann Surg 231: 51–58 Demetri GD, von Mehren M, Blake CD et al. (2002) Efficacy and safety of imatinib mesylate in advanced gastrointestinal stromal tumors. New Engl J Med 247: 472–480
11
Hensley ML, Maki R, Venkatraman et al. (2002) Gemcitabine and docetaxel in patients with unresectable leiomyosarcoma: results of a phase II trial. J Clin Oncol 20: 2824– 2831 Huyn JH, Jeen YT, Chun HJ et al. (1997) Endoscopic resection of submucosal tumors of the esophagus, results in 62 patients. Endoscopy 29: 165–170 Joensuu H, Roberts PJ, Sarlormo-Rikala M et al. (2001) Effect of the tyrosine kinase inhibitor STI571 in a patient with a metastatic gastrointestinal stromal tumor. New Engl J Med 344: 1052–1056 Miettinen M, Sarlormo-Rikala M, Lasota J (1999) Gastrointestinal stromal tumors: Recent advances in understanding their biology. Hum Pathol 30: 1213–1220 Miettinen M, Lasota J (2001) Gastrointestinal stromal tumors definition, clinical, histological, immunohistochemical, and molecular genetic features and differential diagnosis. Virchows Arch 438: 1 Palazzo L, Landi B, Cellier C et al. (2000) Endosonographic features predictive of benign and malignant gastrointestinal stromal cell tumors. Gut 46: 88–92 Rader AE, Avery A, Wait CL et al. (2001) Fine-needle aspiration biopsy diagnosis of gastrointestinal stromal tumors using morphology, immunocytochemistry, and mutational analysis of c-kit. Cancer 25: 269–275
SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Therapie neuroendokriner gastroenteropankreatischer (GEP) Tumoren Babette Simon 12.1
Epidemiologie und Ätiologie
12.2
Klinik
12.2.1 12.2.2
Neuroendokrine Pankreastumoren – 103 Neuroendokrine Tumoren des Magen-Darm-Trakts (Karzinoide) – 103
12.3
Diagnostik
12.4
Therapie
12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5
Allgemeine Prinzipien – 104 Operative Verfahren – 105 Medikamentöse Therapie – 106 Lokoregionale interventionelle Strategien – 109 Strahlentherapie und Radioligandentherapie – 110
Literatur
>>
– 103
– 103
– 104 – 104
– 110
Neuroendokrine GEP-Tumoren sind eine heterogene Gruppe seltener Neoplasien, die in 2 Gruppen unterteilt werden: endokrine Pankreastumoren und endokrine Tumoren des Magen-Darmt-Takts (Karzinoide). Gemeinsam ist ihnen die Synthese und Sekretion einer Vielzahl biogener Amine und Peptidhormone. Nach dem klinischen Bild wird zwischen funktionell aktiven und funktionell nichtaktiven Tumoren unterschieden, wobei funktionell aktive Tumoren entsprechend der hormonellen Wirkung definierte klinische Syndrome verursachen, während sich die nichtfunktionell aktiven Tumoren entweder als Zufallsbefund oder aufgrund raumfordernder Wirkung manifestieren. Oberstes Therapieprinzip ist die chirurgische Resektion. Bei metastasierten Tumoren steht die symptomatische Behandlung im Vordergrund. Erst bei nachgewiesenem Tumorprogress oder bei kleinzelligen Karzinomen sind antiproliferative Behandlungsstrategien indiziert.
103 12.1 · Epidemiologie und Ätiologie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
12.1
Epidemiologie und Ätiologie
12
Häufigkeit. Ungefähr 2% aller Neoplasien im gastro-
mung der Pankreasenzyme und Dünndarmmukosaschädigung sowie Inaktivierung luminaler Gallensäuren führen zur Steatorrhö.
enteropankreatischen System sind GEP-Tumoren mit einer jährlichen Inzidenz von 0,5/100.000.
Seltenere homonaktive Pankreastumoren. Seltenere
Ätiologie. Neuroendokrine GEP-Tumoren treten über-
wiegend sporadisch, gelegentlich auch hereditär im Rahmen von Tumorsyndromen auf. Bis auf die Magenkarzinoide und genetisch determinierten Tumorsyndrome ist die Ätiologie der GEP-Tumoren unbekannt. Die seltenen ECL-Zellkarzinoide sind meist Folge einer atrophischen Gastritis und einer Hypergastrinämie infolge Achlorhydrie bei perniziöser Anämie (Typ 1) oder Folge eines MEN-1-assoziiertem Zollinger-Ellison-Syndroms (Typ 2). Die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 mit vorzugsweise Nebenschilddrüsen-, Hypophysen- und endokrinen Pankreas-/Duodenaltumoren ist durch eine Keimbahnmutation im MEN1-Gen bedingt. Neuroendokrine Pankreastumoren können selten im Rahmen des von-Hippel-Lindau (VHL)-Syndroms und Karzinoide im Bereich der Papilla Vateri bei der Neurofibromatose Typ 1 auftreten [Arnold 1996; Capella 1995; Rindi 2000]. 12.2
Klinik
12.2.1
Neuroendokrine Pankreastumoren
Mit Ausnahme des Insulinoms sind die GEP-Tumoren des Pankreas potenziell maligne. Der häufigste funktionell aktive GEP-Tumoren im Pankreas ist das Insulinom gefolgt vom Gastrinom [Arnold 1996]. Insulinome. Insulinome sind meist benigne und über das Pankreas gleichmäßig verteilt.Die Neuroglukopenie führt zu Schwächegefühl, Schwindel, Konzentrationsstörungen,Wortfindungsstörungen und Störungen des Bewusstseins,die durch sympathische Gegenregulation mit Schweißausbruch und Tachykardie begleitet werden. Gastrinome. Gastrinome liegen im Pankreas oder Du-
odenum, wobei 20% multiple und MEN1-assoziiert sind [Simon 2000]. Leitsymptome des durch die Hypergastrinämie bedingten Zollinger-Ellison-Syndroms sind rezidivierende abdominale Schmerzen durch Ulzera und Refluxkrankheit und bei 50% der Patienten Durchfälle infolge einer säuresekretionbedingten Volumenüberlastung. Säurebedingte Hem-
hormonaktive Pankreastumoren sind das Vipom, Glucagonom und Somatostatinom sowie solche, die ektop ACTH, CRH, Wachstumshormon oder GHRH sezerniern. Die häufigen funktionell nichtaktiven meist schnellwachsenden Pankreastumoren bleiben ohne hormonassoziierte Symptomatik und machen sich durch verdrängendes Wachstum bemerkbar [Arnold 1996]. 12.2.2
Neuroendokrine Tumoren des Magen-Darm-Trakts (Karzinoide)
Karzinoide können mit oder ohne Karzinoidsyndrom vorkommen. Die funktionell nichtaktiven Tumoren manifestieren sich entweder durch verdrängendes Wachstum oder sind Zufallsbefunde bei einer Endoskopie (Magen-, Darm-, Rektumkarzinoid), einer Appendektomie (Appendixkarzinoid) oder einer Notfalloperation wegen Dünndarmileussymptomatik (Dünndarmkarzinoid). Am häufigsten sind die Appendixkarzinoide (38–42%) und die oft nur stecknadelkopfgroßen unteren Dünndarmkarzinoide (23%), die in 20–30% multipel vorkommen und zu mesenterialen Lymphknotenmetastasen führen. Das Rektum ist die dritthäufigste Lokalisation. Das typische Karzinoidsyndrom tritt nur bei 2–4% der Tumoren, meist bei Primärtumoren im unteren Dünndarm (23–28%) oder der Appendix vermiformis (36–47%), auf. Voraussetzung ist eine Lebermetastasierung. Leitsymptome sind Flush des Kopfes und Oberkörpers, wäßrige explosionsartige Diarrhöen und eine Karzinoidherzerkrankung, die bei vielen Patienten Klinik und Prognose prägt. Flush-Symptomatik kann durch Aufregung,Alkohol,Nahrung oder Medikamente provoziert werden. Bei 50% der Patienten mit Dünndarmkarzinoiden treten rezidivierend krampfartige abdominelle Beschwerden als Folge einer desmoplastischen Reaktion des Mesenteriums auf. Asthmaähnliche Anfälle beobachtet man bei 20% der Patienten. Nebensymptome sind pellagraartige Hautveränderungen, Hypalbuminämie und Muskelatrophie als Folge einer gestörten Proteinsynthese, da Tryptophan zur Serotoninbildung herangezogen wird. Bei massiver Hormonfreisetzung (spontan, peri- oder intraoperativ, während einer Chemotherapie, nach
104
Kapitel 12 · Therapie neuroendokriner gastroenteropankreatischer (GEP) Tumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
interventioneller Manipulation) kann es zur lebensbedrohlichen Karzinoidkrise kommen.
II
12.3
Diagnostik
Dünndarmkarzinoide entziehen sich oft der bildgebenden Diagnostik, während die Netzraffung (desmoplastische Reaktion) oder Fernmetastasen zur Darstellung kommen. Klinisch-pathologische Klassifizierung. Mit konven-
Die biochemische Untersuchung dient der Sicherung der klinischen Diagnose und wird bei begründetem Verdacht durch bildgebende und morphologische Verfahren ergänzt. Biochemische Diagnostik. ur Diagnose eines Insulinoms dient der Hungertest. Bei gesicherter Klinik und biochemischem Nachweis ist eine aufwendige Lokalisationsdiagnostik vor der Operation nicht mehr notwendig. Wegweisend bei Verdacht auf ein Gastrinom sind um mindestens 2- bis 3fach erhöhte Serumgastrinspiegel. Ein positiver Sekretintest stützt die Diagnose. Eine Magensaftanalyse ist obligat, wobei Protonenpumpenhemmer vorher durch H2-Antagonisten ersetzt werden müssen, die bis 12 h vor der Untersuchung gegeben werden können [Arnold 1996]. Beim MEN1-assoziierten Gastrinom weisen Hyperkalzämie und inadäquat erhöhtes Parathormon auf einen Hyperparathyreoidismus (HPT) hin, der Nachweis von Prolaktin oder Wachstumshormon ist für Hypophysentumoren wegweisend [Simon 2000]. Diagnostischer Leitparameter für das Karzinoidsyndrom ist der erhöhte Serotoninspiegel bzw. der Serotoninhauptmetabolit 5-Hydroxyindolessigsäure (5HIES).Bei funktionell nichtaktiven GEP-Tumoren sind in 50% der Fälle Chromogranin A (CgA) und neuronenspezifische Enolase (NSE) als Tumormarker im Serum erhöht [Arnold 1996]. Bildgebende Diagnostik. Je nach Tumorlokalisation
kommen die Endoskopie, Endosonographie, Octreoscan, Magen-Darm-Passage nach Sellink,Abdomensonographie, CT und Angio-MRT zum Einsatz. Die sensitivste Methode ist die Endosonographie (EUS) und je nach Tumortyp der Octreoscan,der bei allen Tumoren zur Festlegung der neuroendokrinen Differenzierung und der Primär- oder Metastasenlokalisation nützlich ist. Gastrinome liegen meist im Gastrinom-Dreieck (Begrenzung kranial: Einmündung D. cysticus in D.choledochus,kaudal: Pars horizontalis duodeni und medial: Pankreaskopf/-korpus) und sind schwierig auffindbar. Insbesondere duodenale Gastrinome sind oft so klein, dass sie erst intraoperativ durch Diaphanoskopie lokalisiert werden können.Auch die kleinen
tionellen Färbetechniken ist die Diagnose eines GEPTumors immer möglich. Eine genaue Typisierung erfolgt anhand immunhistochemischer Färbungen mit globalen endokrinen Markern (CgA, NSE) und spezifischen Hormonen (Gastrinom, Insulinom etc). Anhand der Tumorlokalisation und verschiedener Prognosefaktoren (Tumorgröße, Angioinvasion, Hormonaktivität, histologischer Differenzierungsgrad) werden für die einzelnen GEP-Tumoren 4 Dignitätsgruppen unterschieden [2,11]: 1. gutdifferenzierte (gutartige) endokrine Tumoren, 2. gutdifferenzierte Tumoren mit unsicherem biologischen Verhalten, 3. gutdifferenzierte (niedrigmaligne) endokrine Karzinome und 4. schlechtdifferenzierte (hochmaligne) endokrine Karzinome. Die Invasion des Primärtumors über die Organgrenzen hinaus sowie die Fernmetastasierung sind sichere Kriterien für Malignität. Tumorgröße >2 cm und Angioinvasion sind meist mit malignem Tumorwachstum assoziiert. Ein erhöhter Proliferationsindex ist mit einer ungünstigen Prognose assoziiert. Eine TNM-Klassifikation für GEP-Tumoren wurde bisher nicht erarbeitet. Genetische Diagnostik. Eine prädiktive Gendiagnostik kann Risikopersonen mit MEN Typ1, von-HippelLindau-Syndrom oder Neurofibromatose Typ1 angeboten werden.
12.4
Therapie
12.4.1
Allgemeine Prinzipien
Oberstes therapeutisches Prinzip ist die chirurgische Tumorentfernung, da sie die einzige kurative Behandlungsmöglichkeit darstellt. Häufig sind die Tumoren bei Diagnosestellung bereits metastasiert, sodass sich die Therapie dann individuell an der Symptomatik, der Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors und dem Allgemeinzustand des Patienten orientieren muss.Die Therapie verfolgt dabei 2 Ziele:
105 12.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
12
⊡ Abb. 12.1. Algorithmus zur Therapie neuroendokriner GEP-Tumore
▬ Kontrolle der hormonassoziierten Symptome und ▬ Beeinflussung des Tumorwachstums.
Neben systemischen Therapieansätzen kann eine operative Tumorverkleinerung oder der Einsatz lokoregionaler Verfahren sinnvoll sein. Experimentell wird auch die Radioligandentherapie angewandt (⊡ Abb. 12.1). Aufgrund der niedrigen Inzidenz, fehlender prospektiver Studien und niedriger Ansprechraten konventioneller Therapieformen gibt es für neuroendokrine GEP-Tumoren bisher keine allgemeingültigen Behandlungsrichtlinien. Die Therapieplanung erfordert eine enge interdisziplinäre Kooperation, um für den einzelnen Patienten eine optimale Therapiestrategie festzulegen. Dabei sollte darauf geachtet werden, alle Patienten in laufende Studien einzubringen.
12.4.2
Operative Verfahren
Operative und endoskopische Maßnahmen in kurativer Intention ▬ Insulinome können in der Regel je nach Lage durch Enukleation, Pankreasteilresektion oder Whipple-Operation kurativ entfernt werden.Wird intraoperativ kein Insulinom lokalisiert, sollte der Patient zur nochmaligen Diagnostik (unter Einschluss selektiver Kathetherisierung der Pfortader, Milzvene sowie der pankreasdrainierenden Venen zur Insulin- und C-Peptidbestimmung) einem spezialisierten Zentrum zugewiesen werden. Die 5-Jahres-Überlebensrate benigner Insulinome liegt über 95%, während bei malignen Insulinomen die mittlere Überlebenszeit 60 Monate mit einer Rezidivrate von 63% beträgt [Grand 1993]. ▬ Beim nichtmetastasierten Gastrinom ist das chirurgische Verfahren die modifizierte Pankreatikoduodenektomie und obligate explorative Duodenotomie. Patienten mit kurativ reseziertem Gastrinom haben eine 5-Jahres-Überlebensrate zwischen 60 und 70%, bei Vorliegen von Metasta-
106
II ▬
▬
▬
▬
▬
▬
Kapitel 12 · Therapie neuroendokriner gastroenteropankreatischer (GEP) Tumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
sen von nur 20%. Die Wahrscheinlichkeit einer kurativen Resektion beim MEN1-assoziierten Gastrinom ist wegen der meist sehr kleinen multizentrischen Tumoren gering, sodass die Indikation zur operativen Resektion kontrovers diskutiert wird. Bei den funktionell nichtaktiven Pankreastumoren wird je nach Tumorlokalisation eine Enukleation oder Pankreasteilresektion durchgeführt. Eine Operation nach Whipple-Kausch ist möglich. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 44 und 73%. Dünndarmkarzinoide, die sich frühzeitig durch einen Ileus klinisch manifestieren, können durch Segmentresektion bis zur Mesenterialwurzel unter Mitnahme der regionalen Lymphknoten reseziert kurativ werden. Duodenum-, Kolon- und Rektumkarzinoide die <1 cm sind werden endoskopisch abgetragen, ansonsten operativ reseziert. Beim 1–2 cm großen Rektumtumor erfolgt eine transanale Vollwandresektion, bei Tumoren >2 cm eine anteriore Rektumresektion. Bei Kolontumoren erfolgt die Behandlung in Analogie zur Kolonkarzinomchirurgie. Liegen zum Zeitpunkt der Diagnose keine Metastasen vor, ist die 5-Jahres-Überlebensrate von Kolon- und Rektumtumoren <1 cm 100%, bei Tumoren zwischen 1 und 2 cm 73%, und bei Tumoren >2 cm 25%. Das Karzinoid der Appendix vermiformis ist meist eine Zufallsdiagnose und mit der Appendektomie behandelt.Ist der Tumor größer als 2 cm,basisnah, infiltiert die Mesoappendix oder hat metastasiert, muss nachreseziert werden (Hemikolektomie rechts). Die Magenkarzinoide Typ 1 und 2 werden endokopisch kontrolliert und bei Größenzunahme endoskopisch entfernt. Für größere Tumoren kann eine chirurgische Exzision notwendig sein. Sporadische Typ-3-Magenkarzinoide lassen sich therapeutisch schlecht beeinflussen und werden in Abhängigkeit von Größe und Malignitätsgrad chirurgisch exzidiert. Lebermetastasen werden nach den Prinzipien der Lebermetastasenchirurgie reseziert. In Ausnahmefällen kann als ultima ratio bei ausschließlich diffuser therapierefraktärer Lebermetastasierung eine Lebertransplantation als kurative Maßnahme erwogen werden.
Operatives Tumordebulking in palliativer Intention Bei geringer oder fehlender Metastasierung und lokal fortgeschrittenem langsam wachsenden funktionell aktiven Pankreastumor ist eine subtotale Resektion des Primärtumors und der Metastasen als präventive Maßnahme sinnvoll. Die operative Tumorreduktion ist auch bei mechanisch behindernder Tumorformation indiziert. Bei großen langsam wachsenden nicht mehr resektablen Pankreas- oder Dünndarmkarzinoiden sollte wegen der im Einzelfall langen Überlebenszeit eine palliative Gastrojeunostomie bzw. eine Umgehungsanastomose des Dünndarms erwogen werden. Ein Tumordebulking ist bei isolierten großen Metastasen der Leber oder des Retroperitoneums immer anzustreben,aber auch dann möglich,wenn mindestens 90% der Lebermetastasen reseziert werden können. Im Gegensatz zur Karzinomchirurgie stellen Lymphknotenmetastasen keine Kontraindikation zur Leberteilresektion dar [Peplinski 1996]. Gleichzeitig sollte eine Cholezystektomie erfolgen (Prävention einer Gallenblasennekrose bei späterer Chemoembolisation). Bewährt hat sich insbesondere ein Tumordebulking beim metastasierten Insulinom mit sehr langen Überlebenszeiten. 12.4.3
Medikamentöse Therapie
Symptomatische medikamentöse Therapie Die symptomatische Therapie hat angesichts der geringen Wirkung spezifischer systemischer Behandlungsoptionen, der belastenden Symptomatik und dem langjährigem Krankheitsverlauf bei funktionell aktiven metastasierten Tumor hohe Bedeutung. Wichtig Grundsätzlich ist die Octreotidtherapie für alle GEP-Tumoren mit Ausnahme des Insulinoms und Gastrinoms Therapie der Wahl.
Bei Tachyphylaxie kann die Dosis kontinuierlich erhöht oder eine Therapiepause (2–4 Wochen) eingelegt werden. Bei Unverträglichkeit oder fehlendem Therapieeffekt kann Interferon-a eingesetzt werden,das zur deutlichen Reduktion der Tumorsekretionsprodukte und symptomatischen Besserung bei 50% der Patienten führen kann.
107 12.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
12
⊡ Tabelle 12.1. Medikamentöse Therapie des Insulinoms Dosis Diazoxid 2¥25 mg/Tag bis max. 3¥200 mg/Tag p.o.
Octreotid 2- bis 3¥25µg/Tag bis max. 3¥200 µg/Tag s.c. Interferon-a 2b 3¥3–5 mio IE/Woche s.c.
Nebenwirkungen
Dosisabhängig Wasser und Natrium-Retention, Hypertonie, Hypokaliämie Herzrhythmusstörungen, Knochenmarkdepression, Hyperurikämie, Übelkeit und Appetitverlust
Diarrhö, Stearrhö, später Gallensteine (50%)
Frühe NW grippeähnliche Symptome, Diarrhö, Kopfschmerz Späte NW chronische Müdigkeit, Gewichtsverlust, Panzytopenie, Hepatotoxizität, Depression, Autoimmunität
▬ Therapeutisches Ziel beim Insulinom ist die Beein-
flussung der ungehemmten Insulinsekretion aus den Tumorzellen und damit der Hypoglykämie. Diazoxid ist ein nichtdiuretisch wirkendes Benzothiadiazin, das die Insulinsekretion hemmt, aber wirkungslos bei agranulären Insulinomen ist. Es zeigt nur bei 50% der Insulinome einen therapeutischer Effekt und ist geeignet, die Zeit bis zur Operation zu überbrücken. Es kann auch beim metastasierten Insulinom eingesetzt werden, wenn andere Therapieverfahren (chirurgische Tumordebulking, Chemoembolisation, Chemotherapie) nicht erfolgreich oder kontraindiziert sind. Dosierung und Nebenwirkungen ⊡ s. Tabelle 12.1. Hypoglykämien können auch durch langwirkende Somatostatinanaloga (Octreotid, Sandostatin) über Hemmung der Insulinsekretion gebessert werden.Die Wirksamkeit scheint auch von den Sekretionsgranula der Tumorzellen abhängig zu sein, sodass Patienten, die auf Diazoxid ansprechen in der Regel auch auf Somatostatin ansprechen. Es ist zu beachten, dass Somatostatin die Glukagonfreisetzung hemmt und dadurch die Hypoglykämie verstärken kann. Octreotid wird in ansteigenden Dosierung gegeben. Bei guter Verträglichkeit kann dann auf ein Depotpräparat (Sandostatin LAR) gewechselt werden. Therapieindikation besteht präoperativ und beim metastasierten Insulinom. Dosierung und Nebenwirkungen ⊡ s. Tabelle 12.1. Bei Patienten mit metastasiertem Insulinom, die nur unzureichend auf Diazoxid oder Octreotid ansprechen, sollte eine Tumorreduktion (operatives Debulking, Chemoembolisation oder Alko-
hol-/Thermoablation von Lebermetastasen, Chemotherapie) erwogen werden. ▬ Die symptomatische Therapie des Gastrinoms erfolgt mit Protonenpumpenhemmern (PPI), die die gastrale Säurehypersekretion hemmen. Die Dosis wird so titriert, dass die basale Säuresekretion morgens vor der nächsten Einnahme unter 10 mmol/h (bei magenresezierten Patienten unter 5 mmol/h) liegt.In der Regel sind Dosierungen von 40–80 mg Omeprazol oder einer Äquivalenzdosis eines anderen PPI ausreichend. Bei nichtadäquater Suppression sollte die Dosis auf 2 Gaben verteilt und ggf. erhöht werden. Die Säuresekretion sollte nach 3 und 12 Monaten kontrolliert und die Dosis angepasst werden. Da Gastrinome häufig maligne sind, ist die Therapie in der Regel lebenslang erforderlich. Operative Verfahren zur Säurereduktion spielen keine Rolle mehr.Somatostatinanaloga sind in ihrer säurehemmenden Wirkung unzureichend. ▬ Beim VIPom (Verner-Morrison-Syndrom) mit profusen wäßrigen Diarrhöen und Elektrolytverschiebungen sowie beim Glukagonom-Syndrom mit nekrolytischem migratorischen Erythem sind Somatostatinanaloga die Therapie der Wahl. Sie hemmen zuverlässig die Freisetzung des vom Tumor sezernierten Hormons. Bei den Glukagonomen ist zu beachten, dass sich unter Therapie die pathologische Glukosetoleranz verschlechtern kann. ▬ Beim seltenen ACTHom und dem noch selteneren CRFom empfiehlt sich ein Therapieversuch mit Ketokonazol und dem Andrenolytikum o,p-DDD (Mitotane).Weniger wirksam sind Aminoglutethi-
108
II
Kapitel 12 · Therapie neuroendokriner gastroenteropankreatischer (GEP) Tumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
mid und Octreotid. Zur raschen Senkung des Kortisolspiegels kann auch Etomidate eingesetzt werden. ▬ Beim Karzinoidsyndrom können Flush und sekretorische Diarrhö gut durch Somatostatinanaloga beeinflusst werden. Ein komplettes Ansprechen kann in 40–53% der Fälle beobachtet werden.Man beginnt mit 2- bis 3¥50 µg/Tag Octreotid s.c. und steigert die Dosis bis zum Wirkungseintritt (bis 3¥200 µg/Tag). Bei gutem Ansprechen und Verträglichkeit kann auf die Depotpräparation übergegangen werden. Serotoninantagonisten können versucht werden, wenn Somatostatinanaloga nicht wirken und andere Ursachen der Diarrhö ausgeschlossen sind. Zur peri- und postoperativen Prophylaxe oder Therapie einer Karzinoidkrise, die mit hoher Mortalität einhergeht, sollte eine kontinuierliche Octreotidinfusion 50 µg/h über 24–48 h durchgeführt werden. Vor lokoregionalen Maßnahmen (Chemoembolisation, Valvuloplastik) kann präinterventionell die Octreotiddosis auf 3¥500 µg sc. erhöht werden. Hyperpigmentierungen und Ödeme bei ausgedehnter Metastasierung können Folge eines tumorbedingten Nicotinamidmangels sein, der durch Vitamin-B6-Substitution gebessert werden kann. Nichthormonassoziierte Diarrhöen nach Resektion eines im terminalen Ileum gelegenen Primärtumors können Folge eines Gallensäureverlustes oder einer bakteriellen Fehlbesiedlung sein und profitieren von Colestyramingabe oder antibiotischer Therapie. Antiproliferative medikamentöse Therapie Das Wachstumsverhalten metastasierter neuroendokriner Tumoren ist im Einzelfall nicht vorhersagbar. Manche Tumoren weisen über Monate und Jahre Wachstumsstillstände auf, andere wachsen nur sehr langsam,andere – insbesondere die kleinzelligen Karzinome – zeigen rasche Progredienz. Am Anfang der Therapieplanung steht daher die Beurteilung der individuellen Wachstumsgeschwindigkeit über einen Zeitraum von 3 Monaten. Tumoren ohne Wachstumsprogredienz sollten nicht antiproliferativ behandelt werden. Langsam wachsende Tumoren sollten keiner Chemotherapie zugeführt werden, da sie keinen Einfluss hat und nur die Lebensqualität einschränkt. Der antiproliferative Effekt der im folgenden aufgezeichneten Therapieoptionen ist nicht durch prospektiv, kontrollierte Studien gesichert.
Somatostatinanaloga. Studien haben darauf hinge-
wiesen, dass Somatostatinanaloga das Wachstum metastasierter neuroendokriner GEP-Tumoren in 40% der Fälle beeinflussen können [Arnold 1996; Eriksson 1998]. Da jedoch Spontanverläufe mit Stillstand über Jahre bekannt sind, sollte nur bei dokumentiertem Tumorwachstum oder nichtmöglichem operativen Tumordebulking ein Therapieversuch mit Octreotid über 3–6 Monate erfolgen. Bei guter Verträglichkeit kann auf ein Depotpräparat umgestellt werden, wobei allerdings zur antiproliferativen Wirkung von Depotpräparaten keine Studien vorliegen. Interferon-a. Interferon-a beeinflusst neben der Hormonsekretion das Wachstum neuroendokriner GEP-Tumoren. Bei erfolgloser Octreotidmonotherapie zeigt die zusätzliche Gabe von Interferon-a-2a oder Interferon-a-2b über mindestens 3–6 Monate bei metastasierten neuroendokrinen GEP-Tumoren bei 50% der Behandelten einen antiproliferativen Effekt [Frank 1999]. Bei Ansprechen (Tumorstillstand oder Regression) wird die Therapie bis zum Progress fortgesetzt. Alternativ zur Octreotidmonotherapie kann auch eine Interferon-a-Monotherapie durchgeführt werden.Die Wirksamkeit pegylierter Interferone wird derzeit in Studien evaluiert. Auf schwerwiegende Depressionen mit Suizidalität muss geachtet werden. Grippeähnliche Symptome und Fieber können durch Gabe von 500 mg Paracetamol vermieden werden. Systemische Chemotherapie. Eine systemische Che-
motherapie ist nur bei neuroendokrinen Pankreastumoren nach Versagen einer Octreotid- und/oder Interferon-a-Therapie sowie bei schnellwachsenden kleinzelligen neuroendokrinen GEP-Tumoren indiziert [Rougier 2000]. Therapiestandard bei Pankreastumoren ist die Kombination von Streptozotocin (Zansoar) und Doxorubicin (Adriablastin) mit objektiver Remissionsrate von 69% und einer medianen Remissionsdauer von 20 Monaten (⊡ Tabelle 12.2). Diese Therapie ist der Kombination Streptozotocin/5-Fluorouracil (Remissionsrate 45%, mediane Remissionsdauer 6,9 Monate) überlegen [Moertel 1992]. Gute antiproliferative Wirkung besteht insbesondere beim metastasierten Insulinom und VIPom (Remissionsrate 69%, mediane Überlebenszeit 32 Monate), sodass sie auch als Primärtherapie erwogen werden kann. Mehrfachkombinationen haben gegenüber der Zweierkombination keinen Vorteil. Ist eine Kombinationstherapie nicht möglich, kann eine Doxorubicin- oder DTIC-Monotherapie eingesetzt werden.
109 12.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
12
⊡ Tabelle 12.2. Systemische Chemotherapie bei neuroendokrinen GEP-Tumoren Chemotherapeutika
Behandlungsschema
Nebenwirkungen
Metastasierte Pankreastumore Streptozotocin 500 mg/m2 i.v. Tag 1–5
Schwere Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis, Diarrhö, Thrombopenie, Agranulozytose, Nephrotoxizität (Streptozotocin)
+ Doxorubicin
50 mg/m2 i.v. Tag 1+22 Wdh. alle 6 Wochen (6 Zyklen)
Streptozotocin + 5-Fluorouracil
500 mg/m2 i.v. Tag 1–5 400 mg/m2 i.v. Tag 1–5 Wdh. alle 6 Wochen (6 Zyklen)
Dacarbacin + 5-Fluorouracil + Leukovorin
400 mg/m2 i.v. Tag 1–2 1 g/m2 i.v. Tag 1–2 200 mg/m2 i.v. Tag 1–2 Wdh. Tag 22–23
Phase-II-Studie mit Ergebnissen ähnlich der Kombination Streptozotocin + Doxorubicin
Dacarbacin (DTIC) beim Glukagonom
250 mg/m2 als Kurzinfusion Tag 1–5 Wdh. Tag 22–29 bis Tumorprogress?
Übelkeit, Erbrechen (Antiemetika) Dermatitis, Hepato- u. Nephrotoxizität
Kardiotoxizität (Doxorubicin), kumulative Maximaldosis 500 mg/m2, Therapie führt zu insulinpflichtigen Diabetes mellitus
Schnellwachsende kleinzellige (anaplastische) neuroendokrine Tumoren Cisplatin 130 mg/m2 über 24 h Tag 1–3 Übelkeit, Erbrechen, sensorische Neuropathie, + Etoposid 45 mg/m2 über 24 h Tag 2+3 Alopezie, Leukopenie, Thrombozytopenie. Wdh. alle 4–6 Wochen bis zum Progress Dosisreduktion bei starker Toxizität Karzinoide (Jejunum, Ileum, Colon ascendens) Dacarbacin (DTIC) 650 mg/m2 als Kurzinfusion Tag 1 Wdh. alle 4 Wochen bis zum Progress
Bei den schnellwachsenden kleinzelligen neuroendokrinen GEP-Tumoren, die dem kleinzelligen Bronchialkarzinom ähneln, scheint die Kombinationstherapie mit Cisplatin und Etoposid (Vepesid) überlegen (Remissionsrate 67%, mediane Remissionsdauer 8 Monate, mediane Überlebenszeit 19 Monate; [Moertel 1991]). Die Chemosensitivität der intestinalen Karzinoide dagegen ist gering und eine Chemotherapie in der Regel wirkungslos. Im Einzelfall kann aufgrund eigener begrenzter Erfahrungen bei Midgut-Tumoren ein Therapieversuch mit einer Dacarbacinmonotherapie erwogen werden.Eine Kombinationstherapie ist nicht wirksamer als eine Monotherapie und daher nicht zu empfehlen (⊡ s. Tabelle 12.2).
Cave: Tumorlyse-Syndrom
12.4.4
Lokoregionale interventionelle Strategien
Chemoembolisation von Lebermetastasen Die Chemoembolisation bietet bei gut vaskularisierten nicht zu großen Lebermetastasen und Nichtansprechen auf Somatostatin oder Interferon-a eine Therapieoption, die systemischen antiproliferativen Therapieformen überlegen ist (Remissionsrate 50–80%, Überlebenszeit bis 35 Monate; [Drougas 1998; Eriksson 1998]). Die tumorversorgenden A.-hepatica-Äste werden nach selektiver Katheterisierung durch Injektion von Gelfoam und/oder anderen Mikropartikeln okkludiert. Beste Ergebnisse werden erzielt, wenn vor Okklusion eine zytostatische Emulsion (z. B. Doxorubicin) appliziert wird. Über die Tumornekrose kommt es zur langanhaltenden Tumorgrößenreduktion und verminderten Hormonfreisetzung. Voraussetzung ist eine durchgängige Pfortader, andernfalls kann es zu einer
110
II
Kapitel 12 · Therapie neuroendokriner gastroenteropankreatischer (GEP) Tumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
kompletten Nekrose des entsprechenden Leberlappens kommen. Als Nebenwirkung wird das »Postembolisationssyndrom« mit Schmerzen, Fieber und passagerer Leberfunktionsverschlechterung beobachtet, seltener eine Gallenblasennekrose. Bei ausgedehnt hepatisch metastasiertem Karzinoid mit floridem Karzinoidsyndrom besteht die Gefahr eines Lysesyndroms (toxisches Herz-Kreislauf-Versagen, Hirnödem, Nierenversagen), sodass fraktionniert chemoembolisiert werden sollte. Alkohol- und Thermoablation, laserinduzierte und Kryotherapie Sonographisch gesteuerte Äthylalkoholinjektion und Thermoablation stehen als Alternativen zur Chemoembolisation von kleinen Lebermetastasen (<5 cm) zur Verfügung. Auch wird die laserinduzierte- und Kryotherapie experimentell ergänzend zu chirurgischen Verfahren eingesetzt.Der Stellenwert ist noch unklar. 12.4.5
Strahlentherapie und Radioligandentherapie
Eine Strahlentherapie wird zur Behandlung von Gehirn- oder Skelettmetastasen eingesetzt. GEP-Tumoren selbst sind wenig strahlensensibel. Im Einzelfall kann bei entsprechender Metastasenlokalisation oder infiltrierenden Tumoren im Beckenbereich eine hochenergetische Strahlentherapie sinnvoll sein. Die Radioligandentherapie bietet eine neue systemische Therapieoption bei therapierefraktären metastasierten Tumoren mit hohem Somatostatinrezeptorbesatz, die aber mit Nieren- und Knochenmarkbelastung verbunden ist. Die Substanzen reichern sich im Tumor an und führen zur Tumorverkleinerung. Zum Einsatz kommen an Somatostatinanaloga gekoppelte Radionuklide wie Yttrium-90-DOTATOC und (111Ind-DTPA-D-Phe)Octreotid.In palliativer Intention kann 131J-Metabenzylguanidin. (131J-MIBG) beim metastasierten Karzinoid eingesetzt werden. Der Stel-
lenwert im Gesamtkonzept der Therapie ist noch nicht eindeutig definiert.
Literatur Arnold R, Frank M (1996) Gastrointestinal endocrine tumors: medical management. Baillier´s Clinical Gastroenterology 10: 737–759 Capella C, Heitz PU, Höfler H, Solcia E, Klöppel G (1995) Revised classification of neuroendocrine tumors of the lung, pancreas and gut. Virchows Arch 425: 547 Drougas JG, Anthony LB, Blair TK et al. (1998) Hepatic artery chemoembolisation for management of patients with advanced metastatic carcinoid tumors. Am J Surg 175: 408–412 Eriksson BK, Larsson EG, Skogseid BM et al. (1998) Liver embolizations of patients with malignant neuroendocrine gastrointestinal tumors. Cancer 83: 2293–2301 Frank M, Klose KJ, Wied M et al. (1999) Combination therapy with octreotide and alpha-interferon:effect on tumor growth in metastatic endocrine gastroenteropancreatic tumors. Am J Gastroenterol 94: 1381–1387 Grand CS (1993) Surgical management of malignant islet cell tumors. World J Surg 17: 498 Rougier P, Mitry E (2000) Chemotherapy in the treatment of neuroendocrine malignat tumors. Digestion 62: 73–78 Moertel CG, Kvols LK, O´Connell MJ, Rubin J (1991) Treatment of neuroendocrine carcinomas with combined etoposide and cisplatin. Evidence of major therapeutic activity in the anaplastic variants of these neoplasms. Cancer 68: 227–232 Moertel CG, Lefkopoulo M, Lipsitz S, Hahn RG, Klaassen D (1992) Streptozotocin-doxorubicin, streptozotocin-fluorouracil or chlorozotocin in the treatment of advanced islet-cell carcinoma. N Engl J Med 326: 519–523 Peplinski GR, Norton JA (1996) Gastrointestinal endocrine cancers and nodal metastasis. Surg Oncol Clin North Am 5: 159–171 Rindi G, Capella C, Solcia E (2000) Introduction to a revised clinicopathological classification of neuroendocrine tumors of the gastroenteropancreatic tract. Q J Nucl Med 44: 13–21 Simon B, Bartsch D, Rieder H et al. (2000) Multiple endokrine Neoplasie Typ 1: Stand der Diagnostik und Therapie. Deutsches Ärzteblatt 11: 698–704
13 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Medikamentös induzierte Gastroenteropathien J. Stein 13.1
Epidemiologie
13.2
Ätiologie und Pathogenese
13.3
Klinik
13.3.1 13.3.2 13.3.3
Ösophagus – 113 NSAR-Gastroduodenopathie – 114 NSAR-Enteropathie und -kolonopathie
13.4
Andere Medikamente
13.5
Prophylaxe und Therapie
13.5.1 13.5.2 13.5.3
Säuresuppression – 117 Prostaglandinderivate – 117 Stellenwert der H.p.-Eradikation bei NSAR-assoziierter Gastroduodenopathie COX-2-selektive NSAR – 117 Neue therapeutische Strategien – 118
13.5.4 13.5.5
– 112 – 112
– 113
– 116 – 116
13.6
Therapie der NSAR-Enteropathie und -kolonopathie – 119
13.7
Fazit
Literatur
– 119
– 120
– 114
– 117
112
Kapitel 13 · Medikamentös induzierte Gastroenteropathien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
>> II
13.1
Im Hinblick auf gastrointestinale Nebenwirkungen kommt im Vergleich zu anderen Medikamenten nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) bzgl. Häufigkeit und Schwere eine überragende Rolle zu. NSAR zählen zu den weltweit am häufigsten verordneten Medikamenten. In den Jahren 1970–1985 kam es zu einer dramatischen Zunahme der ärztlichen Verordnungen. NSAR werden in analgetischer, antiinflammatorischer und antipyretischer Absicht bei einer Vielzahl von Krankheiten eingesetzt. Da die Häufigkeit mehrerer Indikationen mit dem Alter ansteigt, kommt es bei zunehmender Überalterung zwangsläufig zur stetigen Zunahme des NSAR-Konsums [Wallace 1997].
Epidemiologie
Schätzungsweise 300 Mio.Menschen nehmen weltweit NSAR ein, etwa 30 Mio. davon täglich; davon sind ca. 40% <60 Jahre. Während seit Mitte der 1980er Jahre keine weitere wesentliche Zunahme im Verbrauch verschreibungspflichtiger NSAR zu verzeichnen ist, zeichnet sich v. a. in den USA eine drastische Zunahme bei der Einnahme sog. OTC-Präparate (»over-the counter«) ab.Nach neueren Schätzungen liegt die Einnahme derartiger OTC-NSAR-Präparate etwa 7fach höher als die von verschreibungspflichtigen NSARs. Im Jahr 2001 betrug der weltweite Umsatz an Analgetika 25 Mrd. US$, davon entfiel etwa 50% auf NSAR. Bis zum Jahr 2010 wird sich dieser Betrag nach neusten Schätzungen auf 41,5 Mrd. US$ fast verdoppeln. Der Anteil COX-2-selektiver NSAR wird sich in diesem Zeitraum 23% (unselektive NSAR 30%) auf schätzungsweise 31% (unselektive 16%, NO-NSAR 2%, LOX/COX-NSAR 2%) erhöhen [Renfrey 2003]. NSAR-Konsumenten haben ein 4- bis 6fach höheres Ulkusrisiko sowie höhereres Risiko für Ulkuskomplikationen.Relevante gastrointestinale Probleme treten etwa bei 1/60 bis 1/600 Patienten/Jahr auf, Todesfälle bei 1/1.000 Patienten/Jahr. Während ihre multiplen, z. T. lebensbedrohlichen Nebenwirkungen am oberen Gastrointestinaltrakt seit langem bekannt sind, finden sich in neuerer Zeit zunehmend Berichte, die unter Einnahme von NSAR Schleimhautschäden distal des Duodenums beschreiben. Nach neueren Schätzungen liegt die Häufigkeit der durch Einnahme von (NSAR) verursachten Enteropathie bei 10% aller neu diagnostizierten Kolitiden. Die topische Applikation von NSAR in Form von Suppositorien führt in 10–30% der Fälle zu Schleimhautläsionen, die von leichten Entzündungen bis zu rektalen Ulzerationen und Blutungen reichen. Als neue Entität erscheint die zunächst im Dünndarm, später auch im Zäkum und Colon ascendens zunächst als segelförmige Einengung beschriebene
Strikturbildung (»diaphragm disease«). Ulzera und Strikturen wurden v. a. in Folge der Einnahme von Retardpräparaten beschrieben. Nach neueren Schätzungen wird davon ausgegangen, dass bis zu 70% der Patienten unter einer Langzeiteinnahme von NSAR eine, wenn auch in der Mehrzahl klinisch stumm verlaufende Enteropathie entwickeln [Stein 1999]. 13.2
Ätiologie und Pathogenese
Ursächlich diskutiert werden neben dem Zusammenspiel lokal toxischer NSAR-Wirkungen und einer Prostaglandindepletion aufgrund einer Zyklooxygenasehemmung auch vaskuläre Effekte. Zyklooxygenasehemmung Sowohl therapeutische (antiinflammatorische) als auch ein Teil der unerwünschten Wirkungen sind auf eine Hemmung der Zyklooxygenase(n) zurückzuführen. Zyklooxygenasen (Syn. Prostaglandinendoperoxydasen, Prostaglandin-G/H-Synthasen) zählen neben der 5- bzw.15-Lipoxygenase und Zytochrom-P450Epoxygenase zu den Schlüsselenzymen im Stoffwechsel der Arachidonsäure (⊡ Abb. 13.1). Derzeit kann zumindest von 2 Isoformen (COX-1,COX-2) ausgegangen werden,die beide als bifunktionelle Enzyme zunächst über den Einbau von 2 O2-Atomen (Zyklooxygenaseaktivität) zur Bildung eines instabilen Intermediärproduktes (Prostaglandin G) mit nachfolgender Reduktion zu Prostaglandin H (Peroxydaseaktivität) führen,woraus dann die einzelnen zelltypischen Prostaglandine entstehen. Die für den Gastrointestinaltrakt charakteristischen Prostaglandine E2, I2, und F2a weisen ausgeprägte zytoprotektive Eigenschaften auf. Neben der Stimulation der mukosalen Bikarbonat- und Mukussekretion sowie Hemmung der Säuresekretion durch PGE2, der Beschleunigung der Zellproliferation und Stimulierung oberflächenaktiver Phospholipide, wird
113 13.3 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
13
⊡ Abb. 13.1. Stellung und Regulation der Cyclooxygenasen im Arachidonsäurenstoffwechsel. (Mod. nach Mutschler et al. 2001)
v. a. die Aufrechterhaltung der mukosalen Durchblutung als Mechanismus dieser Schleimhautprotektiven Wirkung diskutiert. Lokale Toxizität Lokal toxisch wirken in erster Linie saure NSAR (z. B. ASA).Die zumeist schwachen organischen Säuren diffundieren im sauren Magenmileu in protonierter Form problemlos über die Zellmembran und akkumulieren im basischen Zellinneren in deprotonierter Form (»ion trapping«). Daneben spielen eine Verminderung der Hydrophobizität der suprazellulären Mukusschicht des Magens als Magenschutzbarriere sowie eine Entkopplung der oxidativen Phophorylierung ( s. NSAR-Entero-/ Kolonopathie) in den epithelialen Mitochondrien eine Rolle. Im Gegensatz zu Schleimhautblutungen und Erosionen erscheinen für die Ulkusentstehung lokal-toxische Wirkungen von untergeordneter Rolle, da auch parenteral und rektal applizierte NSAR ulzerogen wirken [Wolfe 1999]. Vaskuläre Wirkungen Für die NSAR-induzierte Beeinträchtigung des mukosalen Blutflusses sowie die beobachteten Endothelschäden zeichnet sich eine vermehrte Adhärenz neutrophiler Granulozyten ans vaskuläre Endothel verantwortlich, die mit der Prostaglandinsynthesehemmung zeitlich koinzident verläuft.
Störung der mukosalen Wundheilung Ständig auftretende kleinere Epithellücken werden normalerweise rasch durch Migration benachbarter Epithelzellen geschlossen (»mucosale restitution«). Zuvor kommt es zu einer vorübergehenden provisorischen Abdeckung des Epithelzelldefekts durch einen sog. »mucoid cap« bestehend aus Mukus, Lipiden, Zelldebris und Fibrin.Als Ausdruck einer Beeinträchtigung der Mikrozirkulation kommt es zu einem kritischen Abfall des pH-Wertes im »mucoid cap«.In den späteren Phasen der Ulkusheilung hemmen NSAR die Angiogenese [Wolfe 1999]. 13.3
Klinik
13.3.1
Ösophagus
Neben nichtsteroidalen Antiphlogistika können eine Vielzahl von Medikamenten (v. a. Antibiotika, Virusstatika,, Kaliumchlorid, eisenhaltige Präparate und Bisphosphonate) zu einer Ösophagusschädigung führen Das höchste Schädigungspotential und daher auch am häufigsten in der Literatur beschrieben, scheinen Bisphosphonate zu haben ( s. Kap. 2). Die Löslichkeit eines Medikaments, seine Kontaktzeit mit der Ösophagusschleimhaut und seine physikochemischen Eigenschaften determinieren das Schädigungspotential. Bei Ösophagusmotilitätsstörungen oder vorliegenden Ösophaguseinengungen ist das Risiko höher.
114
II
Kapitel 13 · Medikamentös induzierte Gastroenteropathien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Das Schädigungsmuster reicht von Ulzerationen, Blutungen,Perforation bis zur Strikturbildung.Symptome sind Dysphagie, Odynophagie, retrosternale Schmerzen. Zur Prophylaxe sollten daher Medikamente immer in aufrechter Position und mit reichlich Flüssigkeit eingenommen werden. In der Regel heilen die Läsionen nach Absetzen des Medikaments spontan ab. Protonenpumpenblocker sind sinnvoll, da sie den Säurereflux reduzieren. 13.3.2
NSAR-Gastroduodenopathie
Das Spektrum gastroduodenaler Mukosaläsionen umfasst subepitheliale Petechien und Hämorrhagien, Erosionen, Ulzera sowie ulkusassoziierte Läsionen (Perforationen, Blutungen, Strikturen). Bereits 2–5 h nach Einnahme von NSAR kommt es zu ersten subepithelialen Petechien. Für das Auftreten NSAR-induzierter Läsionen gelten besondere Risikofaktoren [Laine 2002]. Diese sind v. a.: ▬ positive Ulkusanamnese, ▬ vorausgegangene gastrointestinale Blutung, ▬ Alter >60 Jahre (>70 Jahre?), ▬ hohe NSAR-Dosis und/oder Kombination mehrerer NSAR, ▬ begleitende Antikoagulantien- oder Kortikosteroideinnahme, ▬ schwere Komorbidittät, ▬ Alkoholabusus. Zeitlich ereignen sich die meisten Ulkuskomplikationen innerhalb der ersten 3 Monate der NSAR-Einnahme. Die Letalität einer Ulkusblutung ist mit und ohne NSAR etwa vergleichbar, steigt aber bei gleichzeitiger Kortikosteroideinnahme. Als problematisch erweist sich zudem, dass unter einer Therapie mit NSAR nur ca. 1/3 der Ulzera symptomatisch werden (bei nicht NSAR-Ulzera ca. 2/3!). Demgegenüber haben gut 50% der Patienten, die regelmäßig NSAR einnehmen, dyspeptische Beschwerden, die jedoch nicht oder nur sehr schlecht mit dem endoskopischen Befund korrelieren [Cryer 2002]. Neben den Nebenwirkungen auf den Magen soll auch ein möglicher Zusammenhang zwischen oralen NSAR und Ösophagusbeschwerden erwähnt werden, die durch lokale Irritationen zu erklären sind und sich zumeist durch reichlich Flüssigkeitszufuhr mit der Medikamenteneinnahme vermeiden lassen [Jaspersen 2000].
Niedrigdosiertes Aspirin Zur Prophylaxe kardio- und zerebrovaskulärer Erkrankungen werden seit langem niedrigdosierte Aspirinpräparate (<300 mg/Tag) eingesetzt.Mehrere gerade in den letzten Jahren durchgeführte kontrollierte Studien unterstreichen allerdings, dass selbst die Einnahme von nur 75 mg/Tag ein mehr als doppeltes Ulkusrisiko mit sich bringt [Serrano 2002]. NSAR und Helicobacter pylori Da sowohl NSAR als auch eine Infektion mit Helicobacter pylori (H.p.) als wesentliche pathogentisch bedeutsame Faktoren für die Entstehung peptischer Ulzera gelten, wurde wiederholt eine mögliche – zumindest additive – Risikoerhöhung beim Zusammentreffen beider Faktoren diskutiert. ASS, auch niedrigdosiertes, und H.p. potenzieren sich in ihrer gastroduodenalen Toxizität, d.h. ein H.p.-infizierter Magen ist für ASS induziete Läsionen besonders anfällig [Aalykke 1999]. Ob eine H.p.-Eradikation in dieser Situation sinnvoll ist und inwieweit eine prophylaktische Säuresekretionshemmung entbehrlich macht wird derzeit (Stand 04/2004) weiterhin kontrovers diskutiert.Jüngere publizierte Studie weisen – im Gegensatz zur HELP-Studie [Hawkey 1998b] – auf einen protektiven Effekt der H.p.-Eradikation vor Naproxen-Einnahme hin [Chan 2002, Labenz 2002]. Eine Metaanalyse von 21 kontrollierten Studien ergab, dass sowohl die H.p.-Infektion als auch die Einnahme von NSAR unabhängig voneinander das Risiko für ein Ulkus bzw. eine Ulkusblutung erhöhen und beide nur teilweise synergistisch wirken [Huang 2002]. 13.3.3
NSAR-Enteropathie und -kolonopathie
Unter dem Begriff NSAR-Enteropathie bzw. -kolonopathie werden distal des Duodenums auftretende unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter der Langzeiteinnahme nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) zusammengefasst. Sie manifestieren sich als Entzündungen, Ulzerationen, Blutungen, konzentrische Dünndarmstrukturen bis hin zu Perforationen. In bis zu 10% der Fälle tritt eine exudative Enteropathie auf. Der zugrunde liegende Mechanismus ist unklar. Diskutiert werden NSAR-induzierte Schleimhautschädigungen mit nachfolgender bakterieller Infektion bzw. eine direkte toxische Zellschädigung.
115 13.3 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Pathomechanismen und Ätiologie Störung der intestinalen Permeabilität Während die Hemmung der Zyklooxygenase(n) in der Pathogenese unerwünschter Wirkungen im oberen Gastrointestinaltrakt von zentraler Bedeutung ist, kommt ihr in der Entstehung intestinaler Läsionen distal des Duodenum eher eine untergeordnete Rolle zu. So blieb eine gleichzeitige Gabe synthetischer Prostaglandine (Misoprostol) ohne nachweisbaren protektiven Effekt. Neben der enterohepatischen Zirkulation der jeweiligen Substanzen scheinen Störungen der intestinalen Barriere von zentraler Bedeutung zu sein. Bereits 12 h nach der Einnahme von NSAR kommt es zum Anstieg der intestinalen Permeabilität. Hierbei korreliert das Ausmaß der Permeabilitätsstörung direkt mit der inhibitorischen Potenz gegenüber der Zyklooxygenase. Während jedoch eine gleichzeitige Gabe von Prostaglandinen die Permeabilitätsstörung nur teilweise aufheben konnte, hebt die gleichzeitige Gabe von Glukosezitrat den Indomethacineffekt nahezu vollständig auf. Der genaue Pathomechanismus der Permeabilitätsveränderung ist noch nicht voll geklärt; zumindest eine hohe lokale Konzentration der NSAR im Intestinaltrakt ist von Wichtigkeit, da Pro-NSAR (Nabumeton und Sulindac), deren aktive Metaboliten erst in der Leber gebildet werden, keine Veränderungen der intestinalen Permeabilität bei gesunden Erwachsenen hervorrufen.Als ein zentraler Mechanismus wird derzeit eine initiale Zellschädigung mit nachfolgender Erhöhung der parazellulären Permeabilität diskutiert, die zur einer unspezifischen Abwehrreaktion als Antwort auf den Übertritt luminaler Noxen führen soll [Stein 1999].
Klinik Klinisch manifestiert sich die NSAR-Kolitis in wäßrigen, z. T. blutigen Durchfällen, Anämie, Abdominalschmerzen und oftmals Gewichtsverlust (⊡ Tabelle 13.1). Die endoskopischen Veränderungen reichen von einer leichten erythematösen Entzündung bis zu einem Colitis-ulcerosa-ähnlichen Bild. In Einzelfällen wurde eine eosinophile (Naproxen), pseudomembranöse (Diclofenac) aber auch eine Kollagenkolitis (Indomethacin, Fenbufen) beschrieben. Die am häufigsten aufgeführten Substanzen waren Mefenamin, Indomethacin und Diclofenac. Wichtig Entgegen seiner Einnahmehäufigkeit spielt Aspirin im Gegensatz zu seiner Toxizität im oberen Gastrointestinaltrakt in distaleren Darmabschnitten eine untergeordnete Rolle.
Hiervon abzugrenzen sind Exarzerbationen vorbestehender Darmerkrankungen unter der Einnahme von NSAR. Erstmals 1978 beschrieben wurde ein möglicher kausaler Zusammenhang zwischen Indomethacineinahme und einer Divertikelperforation. In daraufhin durchgeführten Studien wurde eine 3- bis 5fache Risikozunahme für Komplikationen der Divertikulose unter NSAR-Einnahme errechnet.Diclofenac war in ca. 1/3 der Fälle involviert. Ebenfalls beschrieben ist in zahlreichen Studien eine Exarzerbation bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, insbesondere für Colitis ulcerosa wurde eine Verdopplung des Risikos für ein Rezidiv unter NSAR beschrieben. Dies gilt für alle NSAR, in Einzelfällen aber auch für Sulphasalazin und 5-ASA.
⊡ Tabelle 13.1. Nebenwirkungen von nichtsteroidalen Antiphlogistika auf den Dickdarm Normales Kolon
Bei vorbestehender Erkrankung
13
Kolitis
Fenemate, Ibuprofen, ASS Naproxen, Piroxicam
Eosinophile Kolitis
Naproxen
Pseudomembranöse Kolitis
Diclofenac
Kollagenkolitis
Indomethacin, Fenbufen
Kolonulzera, Perforation und Blutung
Varia
Komplikationen bei Divertikulose (Perforation, Fisteln, Blutung)
Varia
Rezidiv von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Varia
116
Kapitel 13 · Medikamentös induzierte Gastroenteropathien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
13.4
II
Andere Medikamente
13.5
Neben NSAR gelten eine Vielzahl weiterer Medikamente als potenziell schleimhautschädigend: ▬ Reserpin, ▬ Dihydralazin, ▬ Kaliumchlorid, ▬ Eisensalze, ▬ Tetrazykline, ▬ p-Aminosalizylsäure, ▬ Zytostatka (v. a. MTX, 5-FU), ▬ Thiazide, ▬ Ethracrynsäure, ▬ Kortikosteroide (erhöhen das Ulkusrisiko nur bei gleichzeitiger NSAR-Einnahme). Allerdings fehlen im Gegensatz zu NSAR bei der Mehrzahl dieser Substanzen systematische bzw. aussagekräfige Untersuchungen an größeren Kollektiven. Alkoholika Während die schleimhautschädigende Potenz hochprozentigen Alkohols unbestritten ist, ist die Beurteilbarkeit der Wirkung 5–10%iger Alkoholika schwierig. Im Gegensatz zu NSAR ist die Schleimhautschädigung durch Alkohol säureunabhängig. Allerdings fehlen auch weiterhin sichere Daten, dass chronischer Alkoholgenuss das Risiko für gastroduodenale Schleimhautschäden erhöht (Kap. 1, 7, 8).
Prophylaxe und Therapie
Erster therapeutischer Schritt bei Komplikationen ist das Absetzen bzw. Umsetzen der NSAR auf andere Analgetika (Paracetamol oder Opiatanaloga sind ohne ulzerogenes Potential). Die Wahl von niedriger ulzerogenem Potential stellt eine weitere, jedoch noch nicht ausreichend belegte Option dar ( s.u.). Bei erforderlicher Fortsetzung der NSAR-Therapie wird die Abheilung durch Protonenpumpenblocker PPI) gefördert und entsprechend mit einem PPI in Standarddosierung behandelt (z. B. Omeprazol 1x40 mg; ⊡ Tabelle 13.2). Für eine bessere Wirkung höherer Dosierungen gibt es derzeit keine Studiendaten [Lanas 2003]. Zur Sekundärprophylaxe,d.h.nach Abheilung der NSAR-assoziierten Ulzera und bei Fortsetzung der NSAR-Therapie, ist die Gabe von PPI als Langzeittherapie etabliert und ist beim Magenulkus dem prostaglandinanalogon Misopristol ebenbürdig und beim Ulkus duodeni überlegen ( s.u.). Für die Primärprophylaxe zur Vermeidung von NSAR-induzierten Ulzera bei Risikopatienten ( s. Kap. 8) sind PPI ebenfalls am effektivsten. Für diese Indikation ist auch Misoprostol geeignet, weist aber erheblich höhere Nebenwirkungen auf. Zum (noch) eingeschränkten Stellenwert gilt, dass die gesenkte Ulkusinzidenz bislang nur über einen Beobachtungszeitraum von 6 Monaten bestätigt ist ( s. u.). Versuche, durch galenische und/oder pharmakologische Modifikationen insbesondere die lokal toxi-
⊡ Tabelle 13.2. Prävention und Therapie NSAR-assoziierter Ulzera im oberen Gastrointestinaltrakt Prävention Vor NSAR-Einnahme und Risikopatient
Therapie
Evidenzgrad
PPI 1-mal Standarddosis
Ia
Misoprostol 400-800 mg/Tag
Ia
Langzeiteinnahme bei gleichzeitig bestehender H.p.-Infektion
Eradikation
Alternative zur PPI-Langzeiteinnahme
COX-2 selektive statt klassischer NSAR
Zur Ulkusheilung
PPI (1-mal Standarddosierung) für 8 Wochen
Ia
Misoprostol 400–800 mg/Tag
IIa
Sekundärprävention nach Ulkuskomplikation
Ib
PPI (1-mal Standardosierung)
Ib
Bei H.p.-Infektion Eradikation zusätzlich empfohlen, aber alleine nicht ausreichend
Ib
117 13.5 · Prophylaxe und Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
schen Wirkungen zu vermindern, erbrachten bei längerfristiger Einnahme keine signifikante Reduktion der Nebenwirkungen. Sucralfat erwies sich im Gegensatz zur Stressulkusprophylaxe in der Prophylaxe und Therapie NSARinduzierter Ulzera als nicht bzw. nur wenig wirksam. 13.5.1
Säuresuppression
13
primärprophylaxe von NSAR bei mangelnder Studienlage derzeit noch umstritten. Vor Beginn der einer Langzeitmedikation mit NSAR empfiehlt sich zumindest bei Risikogruppen (Komorbidität, Antikoagulation, >65 Jahre, häufige und/oder komplizierende Ulzera) eine H.p.-Eradikation, da nach der derzeitigen Datenlage H.p. in diesen Fällen das Ulkusrisiko erhöht. Wichtig
Dass keiner der derzeit verfügbaren H2-Rezeptorantagonisten (H2-RA) in der Lage ist NSAR-induzierte Magendarmulzera effektiv zu verhindern wurde durch zahlreiche Studien wiederholt gezeigt. Lediglich Hochdosisfamotidin (2¥40 mg) scheint eine Ausnahme zu machen [Taha 1996]. Die Überlegenheit von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) in der Akuttherapie gastroduodenaler Läsionen gilt heute als unbestritten (Kap. 8). Neueren Untersuchungen zufolge scheint dies auch für die Ulkusprophylaxe zuzutreffen.In nahezu allen Studien erwiesen sich die eingesetzten PPI sowohl H2-RA als auch Prostaglandinderivaten überlegen. Derzeit fehlen Studien zum Vergleich von PPI mit Hochdosis H2-RA. 13.5.2
Bei vorbestehender NSAR-Medikation besitzt eine Eradikation kein präventives Potential.
Ist es unter NSAR-Einnahme zu einer Ulkusblutung gekommen, schützt die alleinige H.p.-Eradikation bei weiterer NSAR-Einnahme nicht ausreichend, was die Dauertherapie mit einem PPI impliziert. Ob hier eine Wechsel auf einen COX-2-selektiven Inhibitor die bessere Alternative darstellt, bleibt derzeit noch offen [Chan 2002]. In wieweit eine H.p.-Eradikation vor Einleitung einer niedrigdosierten ASS-Medikation Sinn macht ist bis dato ungeklärt. Die im Jahr 2002 begonnene HESASS-Studie (H.p. vs. Säuresekretionshemmung bei Low-dose-ASS) soll Aufschluss bringen.
Prostaglandinderivate 13.5.4
Misoprostol, ein Prostaglandin E-Dimethylderivat, erwies sich in mehreren klinischen Studien in einer Dosierung von 400–800 µg/Tag in der Reduktion NSAR-induzierter Duodenalulzera H2-Rezeptorantagonisten zumindest ebenbürdig, in der Reduktion Magenulzera überlegen. Als nachteilig erwiesen sich allerdings dosisabhängige Diarrhöen wie auch abdominelle Krämpfe, die ihren Einsatz jedoch weitestgehend einschränken. Ob fixe Kombinationen wie Diclofenac-Misoprotol zu einem geringeren Auftreten der Diarrhö führen bei weiterhin erhaltener Minderung der NSAR-Nebenwirkungen gilt mehr als fraglich. 13.5.3
Stellenwert der H.p.-Eradikation bei NSAR-assoziierter Gastroduodenopathie
Trotz der synergistischen Wirkung von NSAR-Einnahme und H.p.-Infektion bei der Entstehung gastrointestinaler Läsionen sind Notwendigkeit und Wirksamkeit einer Eradikationsbehandlung zur Ulkus-
COX-2-selektive NSAR
Die geringere gastrointestinale Toxizität von COX-2 selektiven Inhibitoren (⊡ Abb. 13.2) steht heute außer Zweifel. Bis 2002 wurde in mehreren großen randomisierten Multicenterstudien [Bombardier 2000, Chan 2002,Hawkey 2003,Laine 2003,Silverstein 2000, Shah 2001] für Rofecoxib und Celecoxib im Vergleich zu konventionellen NSAR einheitlich ein günstigeres gastrointestinales Nebenwirkungsprofil belegt. Übereinstimmend ist aber auch deutlich geworden, dass diese neuen Substanzen nicht völlig frei von gastrointestinalen Nebenwirkungen sind. Sie reduzieren das Risiko von Ulzera und deren Komplikationen, eliminieren sie aber nicht [MacDonald 2003]. Eine erste plabebokontrollierte randomisierte Studie [Chan 2002] verglich über 6 Monate die Potenz eines COX-2 Inhibitors (Celecoxib 2x200 mg) mit der Einnahme eines PPI (Omeprazol 20 mg) plus NSAR (Diclofenac 2x75 mg) bei Patienten die unter NSAREinahme eine Ulkusblutung erhalten hatten. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezidivblutung lag 4,9% (3,1–6,7%) in der COX-2 Gruppe bzw. bei 6,4% (4,3–8,4%) in der PPI-Gruppe und unterschied sich
118
Kapitel 13 · Medikamentös induzierte Gastroenteropathien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 13.2. Selektivität von COX-1- und COX-2-Inhibitoren. (Mod. nach [Cryer 2002])
II
damit nicht. Die Ergebnisse werden durch eine Metaanalyse unterstrichen. Sie schließt 9 randomisierte Studien an insgesamt 15.187 Patienten mit Osteoarrthritis oder rheumatoider Arthritis ein, die mit Celecoxib oder anderen NSAR bzw. Plazebo behandelt wurden [Deeks 2002]. Ob COX-2-Inhibitoren das kardiovaskuläre Risiko negativ beeinflussen,ließ sich in einer Metaanalyse an 28.000 Patienten nicht belegen. Danach war das relative Risiko für kardiovaskuläre thrombotische Ereignisse zumindest unter Rofecoxib nicht erhöht. Das günstigere Abschneiden von Naproxen wird auf dessen Hemmung der Thrombozytenaggregation zurückgeführt [Konstam 2001].Allerdings stellen 2 neuere Arbeiten diese Daten erneut in Frage [Layton 2003a, 2003b].
⊡ Abb. 13.3. Mechanismus der verminderten gastrointestinalen Nebenwirkung von NO-NSAR. Durch gleichzeitige NO-Freisetzung werden die über COX-Hemmung verusachten Nebenwirkungen weitgehend aufgehoben. (Mod. nach [Wolfe 1999])
13.5.5
Neue therapeutische Strategien
Als neuerer Versuch,die gastrointestinalen Nebenwirkungen von NSAR zu reduzieren,ist der Einsatz reiner Enantantiomere statt von Racematen zu erwähnen. Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung von NSARDerivaten, die mit Antioxidantien oder Phospholipiden gekoppelt sind oder Stickstoffmonoxid (NO) freisetzen (NO-NSAR). NO-Prodrugs Stickstoffmonoxid (NO) weist analog zu den Prostaglandinen zytoprotektive Eigenschaften auf und kann die Auswirkungen einer mukosalen Prostaglandindepletion zumindest partiell antagonisieren (⊡ Abb. 13.3). So ließ sich in tierexperimentellen
119 13.7 · Fazit SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Untersuchungen wiederholt zeigen, dass NO-Derivate klassischer NSAR (Diclofenac, Naproxen, ASS) trotz Hemmung der Prostaglandinsynthese deutlich weniger mukosale Läsionen verursachen als ihre »Muttersubstanzen«. Erste klinische Studien konnten dies eindrucksvoll bestätigen (Fiorucci 2003, Lanas 2000). Vitamin C Dass Vitamin C offensichtlich vor ASS-Läsionen zu schützen vermag, zeigt eine Studie an gesunden Probanden, die über 3 Tage 2¥400 mg ASS mit und ohne 2¥480 mg Vitamin C erhielten [Pohle 2001].Vitamin C führte zu einer deutlichen Abschwächung der Schleimhautläsionen und einer unter ASS auftretenden Abnahme der Superoxiddismutase und Gutathionperoxidase. 13.6
Therapie der NSAR-Enteropathie und -kolonopathie
Das therapeutische Vorgehen beinhaltet neben dem Absetzen des Medikamentes bzw. einer Dosisreduktion entweder Präventivmaßnahmen mit Pro-Drugs (Sulindac, Nabumeton), die gleichzeitige Gabe von Prostaglandinen oder die Verabreichung von Glukose-Zitrat-Komplexen. Auch erste Therapieversuche mit Metronidazol und Sulphosalazin sind beschrieben. Basierend auf der Vorstellung einer Zyklooxygenasehemmung als verantwortlichem Pathomechanismus, erschien eine gleichzeitige Gabe von Prostaglandinen als eine logische präventive Maßnahme. Erste Studien verliefen jedoch mehr als enttäuschend. Zum einen waren extrem hohe Dosierungen zur Verhinderung von Permeabilitätsstörungen notwendig, zum anderen stellte sich der enterohepatische Kreislauf der NSAR als unüberbrückbare Hürde heraus, der zu einer deutlichen Verlängerung der schleimhautschädigenden,gegenüber der schleimhautprotektiven Wirkung der Prostaglandine führt. Gleiches fand sich für GlukoseZitrat-Präparationen von Indomethacin.Auch führte eine enterohepatische Zirkualtion des Pharmakons unter Dauermedikation zur Persistenz der Schäden. Erfolgversprechender scheint nach ersten Kurzzeitstudien eine Gabe in Form von Pro-Drugs.Weder Sulindac noch Nabumeton führten bei Gesunden im Verlauf einer einwöchigen Einnahme zu Permeabilitätsstörungen.
13
Da es sich bei der NSAR-Enteropathie um eine ähnliche Schleimhautschädigung wie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen handelt, wurde in neueren Studien eine mögliche therapeutische Intervention mit Salazosulfapyridin (SASP) untersucht. Erste Ergebnisse weisen zumindest bezüglich des intestinalen Blutverlustes auf eine, wenn auch nicht signifikante, so zumindest tendenzielle Minderung dieser Nebenwirkung hin. Basierend auf der bereits diskutierten Vorstellung luminaler Noxen (Bakterien) als nicht unwesentlichen Teil des zugrunde liegenden Pathomechanismus, untersuchten Bjarnason et al. über 12 Wochen die gleichzeitige Gabe von Metronidazol (2¥400 mg) unter Beibehaltung einer Indomethacinbehandlung (3¥50 mg). Zwar blieb im Vergleich zum Kontrollkollektiv die Permeabilitätsstörung unter Indomethacin erwartungsgemäß unbeeinflusst, intestinale Entzündung und intestinaler Blutverlust konnten jedoch signifikant reduziert werden. Die rein symptomatische Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika erscheint vor dem Hintergrund einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung kontraindiziert. Daten über ein günstigeres Nebenwirkungsprofil der COX-2-selektiven Antagonisten bei CED liegen bis dato nicht vor. Sie können daher derzeit nicht empfohlen werden. Bei nichtschubassoziierten Arthralgien wird eine adäquate Therapie z. B. mit Paracetamol, Tramadol oder Novaminsulfon empfohlen.
13.7
Fazit
Es gibt keine nebenwirkungsfreien NSAR und alle bisher verfügbaren Präparate gehen ausnahmslos bei bis 50% der Patienten mit gastrointestinalen Läsionen einher. NSAR-Konsumenten haben ein 5- bis 6fach höheres Ulkusrisiko. Bei Patienten mit Ulkuskomplikationen lässt sich in mehr als 60% der Fälle eine NSAREinnahme eruieren. Relevante gastrointestinale Probleme unter NSAR-Einnahme treten in etwa bei jedem 60.–600. Patienten/Jahr auf. Die Überlegenheit der Protenpumpenblocker (z. B. 20–40 mg Omeprazol) in der Akut- und Sekundärtherapie gastroduodenaler Ulzera gilt heute unbestritten.Bei »Risikopatienten« sollte stets eine Primärund Sekundärprophylaxe erfolgen. Bei NSAR-Einnahme und H.p.-Infektion sind Notwendigkeit und Wirksamkeit der Eradikationsbehandlung zur Ulkusprimärprophylaxe derzeit um-
120
II
Kapitel 13 · Medikamentös induzierte Gastroenteropathien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
stritten. Die H.p.-Eradikation sollte aber Bestandteil jeder Ulkussekundärprophylaxe sein. Bei Patienten ohne spezielles Risiko ( s.o.) ist eine Primärprophylaxe verzichtbar und die alleinige H.p.-Eradikation zur Sekundärprophylaxe ausreichend. Obwohl der obere Gastrointestinaltrakt im Brennpunkt des Interesses NSAR-induzierter Nebenwirkungen steht, sollte bei unklarer Anämie, unklarer abdomineller Symptomatik stets auch an die Nebenwirkungen am Dünndarm (NSAR-Enteropathie) und Dickdarm (NSAR-Kolonopathie) gedacht werden (Ausnahme: Aspirin). Therapeutisch im Vordergrund steht auch hier das Absetzen der NSAR, wenn immer möglich. Metronidazol und Sulfasalazin reduzieren reduzieren im Gegensatz zu Misoprostol die entzündlichen Darmveränderungen. Protonenpumpenblocker bieten nachweislich keinen Schutz. Der Stellenwert COX-2-selektiver NSAR wird z. T. konträr diskutiert und bleibt derzeit unklar. Falls eine NSAR-Einnahme fortgesetzt werden muss, kann ein Wechsel auf Nabumeton versucht werden.
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Kapitel 13 · Medikamentös induzierte Gastroenteropathien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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III SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Krankheiten des Dünn- und Dickdarms 14
Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms W. F. Caspary
– 125
15
Darmerkrankungen bei HIV-Infektion und Aids H. R. Brodt
16
Antibiotikaassoziierte Diarrhö und pseudomembranöse Kolitis – 168 J. Stein
17
Einheimische, tropische Sprue, Autoimmunenteropathie – 176 W. F. Caspary J. Stein
18
Nahrungsmittelallergie S. C. Bischoff
19
Intestinale Lymphome W. Fischbach
20
Dünndarmtumoren Babette Simon
21
Therapiebedingte Nebenwirkungen O. Schröder, J. Stein
22
Vaskuläre Krankheiten von Dünn- und Dickdarm C. F. Dietrich
23
Bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms J. Stein, B. Lembcke
24
Pneumatosis cystoides intestinalis (PCI) J. Stein
25
Amyloidose des Darms D. Faust
– 154
– 186
– 194
– 201
– 243
– 209
– 219
– 232
– 239
SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
26
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – 248 K. Herrlinger, E. F. Stange, O. Schröder, J. Stein, H. J. Buhr, A. J. Kroesen
27
Atypische Kolitiden – 288 C. F. Dietrich, W. F. Caspary
28
Divertikulose und Divertikulitis des Dickdarms W. F. Caspary, E. Hanisch
29
Appendizitis E. Hanisch
30
Polyposissyndrome – 311 J. Trojan, J.Rädle, S. Zeuzem
31
Hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) – 319 J. Rädle, J. Trojan, S. Zeuzem
32
Kolorektales Karzinom – 326 W. H. Schmiegel, W. O. Bechstein
33
Kolorektale Endometriose J. Stein, D. Faust
34
Motilitätsstörungen des Dickdarms T. Wehrmann
35
Krankheiten des Anorektums G. Pommer, J. Stein
36
Stomaversorgung – Ileostomie, Kolostomie Beate Stumpf
– 297
– 306
– 342
– 346
– 355
– 371
14 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms W.F. Caspary 14.1
Epidemiologie
– 126
14.2
Ätiologie und Pathogenese
14.3
Klinik, Therapie und Krankheitsbilder
– 126 – 127
14.4
Bakterielle intestinale Infektionen
– 127
14.4.1 14.4.2 14.4.3 14.4.4 14.4.5 14.4.6 14.4.7 14.4.8 14.4.9
Bakterielle Lebensmittelintoxikationen Campylobacterenteritis – 129 Cholera – 130 Escherichia-coli-Infektionen – 132 Salmonellosen – 136 Shigellose (Shigellenruhr) – 137 Tuberkulöse Enterokolitis – 139 Typhus und Paratyphus – 140 Yersiniose – 142
– 127
14.5
Virusbedingte Enteritiden
14.5.1 14.5.2
Rotavirus- und Norwalk-Virusinfektion Zytomegalievirusinfektion – 143
14.6
Protozoenkrankheiten
14.6.1 14.6.2 14.6.3 14.6.4 14.6.5 14.6.6 14.6.7
Amöbiasis – 144 Chagas-Krankheit (amerikanische Trypanosomiasis) Cyclosporiasis – 145 Isosporodiose – 146 Kryptosporodiose – 146 Lambliasis (Giardia-lamblia-Befall) – 146 Mikrosporodiose – 147
14.7
Helminthosen
14.7.1 14.7.2 14.7.3 14.7.4 14.7.5 14.7.6 14.7.7 14.7.8
Anisakiasis (Anisakidose) – 147 Askariasis – 148 Bandwurmbefall (Taeniosen) – 148 Bilharziose (Schistosomiasis) – 149 Hakenwurmbefall – 150 Leberegelbefall (Fasciolose) – 150 Oxyuren (Madenwurmbefall) – 151 Strongyloidiasis (Zwergfadenwurmbefall)
Literatur
– 152
– 143 – 143
– 144
– 147
– 151
– 145
126
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
>> III
14.1
Infektiöse Diarrhöen des Dünndarms können durch Bakterien, Viren oder Parasiten verursacht sein. Die Bedeutung von Pilzen (v. a. Candida) wird kontrovers diskutiert und ist nach derzeitigem Kenntnisstand, als Verursacher von Darminfektionen abzulehnen. Das klinische Bild der infektiösen Diarrhö kann von mildem Verlauf mit leichter Übelkeit und nur leichten Durchfällen, bis zu schweren septischen Verläufen mit hohen Temperaturen, Schüttelfrost und schwersten Diarrhöen schwanken. Die schwersten Verläufe werden v. a. bei abwehrgeschwächten und/oder geriatrischen Patienten beobachtet.
Epidemiologie
Zuverlässige Angaben über die Inzidenz und über die Erreger von Darminfektionen sind nicht erhältlich,da die Mehrzahl der Erkrankungen ätiologisch nicht abgeklärt wird und nur ein kleiner Teil meldepflichtig ist. Neben den Atemwegsinfektionen gehören die infektiösen Durchfallerkrankungen zu den häufigsten Infektionskrankheiten in Deutschland. Die Anzahl der gemeldeten Salmonellenerkrankungen ist rückläufig, die Behörden gehen jedoch davon aus, dass nur 10–20% der tatsächlich vorkommenden Krankheitsfälle gemeldet werden. Die weiteren Erreger wie Campylobacter species, Yersinia species, enteropathogene Escherichia coli (E. coli)und Shigella bzw. Cholera species bzw. virale Erreger sind seltener. 14.2
Ätiologie und Pathogenese
Die Übertragung von Erregern erfolgt fast ausschließlich durch kontaminierte Lebensmittel, aber Übertragungen von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektion kommen ebenfalls vor. Das Keimreservoir für die einheimischen Erreger stellen verschiedene Nutz- und Haustiere dar. Je nach Erreger ist der zur Krankheit führende Mechanismus unterschiedlich. Es gibt Krankheiten, die eher durch Toxine verursacht werden, z. B. Staphylokokken- (klassische Lebensmittelvergiftung) oder Choleratoxin. Andere Enteritiden werden durch Befall der Schleimhaut und Invasion der tieferen Gewebe verursacht, wobei die Erreger (meist Salmonella species) nach der Ingestion zunächst die Magensäurebarriere überwinden müssen, um in den Dünndarm zu gelangen. Nach Penetration des Schleimhautepithels gelangen sie über die Peyer-Plaques in das lymphatische Gewebe, wo sie sich vermehren, bevor es zur lymphogenen oder hämatogenen systemischen Ausbreitung kommt.
Verschiedene Faktoren spielen bei der Erkrankung nach einer Infektion eine wichtige Rolle: ▬ Alter der Patienten: Kinder erkranken häufiger an Rotaviren bzw. enteropathogenen E. coli. ▬ Magensäurebarriere: Bei pH-Werten von <4 werden über 99,9% der koliformen Bakterien abgetötet. Durch Gabe von 2 g Natriumbikarbonat kann die Infektionsdosis von V. cholerae von 108 auf 104 gesenkt werden. ▬ Infektionsdosis (Anzahl): Sie ist von Spezies zu Spezies unterschiedlich und beträgt für Shigella 101–102, Campylobacter jejuni 102–106, Salmonella 105, E. coli 108 und für V. cholerae 108 Erreger. ▬ Intestinale Motilität: Intakte Motilität ist für die Resorption der Flüssigkeit aus dem Darmlumen, Aufrechterhaltung der normalen Flora und für die Elimination von pathogenen Erreger wichtig. ▬ Intakte Darmflora: Bei Störungen der Standortflora gelingt es den potenziell pathogenen Erreger sich zu vermehren und zur Erkrankung zu führen. ▬ Intestinale Immunität: Besteht aus zellulären (Phagozyten) und humoralen (Antikörper-)Komponenten.Die Bedeutung der zellvermittelten Immunität ist gerade durch die hohe Inzidenz von Durchfallerkrankungen bei HIV-infizierten Patienten mit Aids deutlich geworden. ▬ Mikrobielle Faktoren: Je nach Erreger sind verschiedene Virulenzfaktoren bekannt. Am besten sind sie bei E. coli [Achesib 1995; Hamer 1998; Nataro 1998] untersucht ( s. Kap. 14.4.4). Bei den bakteriellen Toxinen unterscheidet man die »echten« Enterotoxine (Toxine von V. cholerae, E. coli, Salmonella, Shigella dysenteriae, Bacillus cereus) von den Zytotoxinen (manche Shigella species,V.parahaemolyticus, Staphylococcus aureus [S. aureus], Clostridium difficile und manchen E. coli) und den Neurotoxinen (Clostridium botulinum, S. aureus und Bacillus cereus.
127 14.4 · Bakterielle intestinale Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Klinik, Therapie und Krankheitsbilder
14.3
Die klinische Manifestation ist je nach Erreger, Lokalisation der Infektion und der Grunderkrankung des Patienten variabel.Neben unspezifischen Symptomen wie Übelkeit mit Erbrechen, Fieber und Bauchschmerzen sind beim Befall des oberen Intestinaltrakts eher Meteorismus und/oder breiige Stühle und beim Befall des unteren Intestinaltrakts eher dünnflüssige Stühle vorhanden (⊡ Tabelle 14.1). Blutbeimengungen deuten auf Schleimhautläsionen hin. Neben intestinalen Symptomen können bei infektiösen Durchfallkrankheiten auch extraintestinale Symptome auftreten. Die Hauptaufmerksamkeit bei jeder Enteritis richtet sich auf die Flüssigkeit- und Elektrolytbilanzierung. Der überwiegende Anteil von Durchfallkrankheiten in Deutschland verläuft selbstlimitierend und bedarf keiner spezifischen antiinfektiösen Therapie. Nachfolgenden werden die bakteriellen intestinalen Infektionen in alphabetischer Reihenfolge besprochen.
14.4
Bakterielle intestinale Infektionen
14.4.1
Bakterielle Lebensmittelintoxikationen
Die überwiegende Anzahl (70–90%) aller Lebensmittelintoxikationen ist bakteriellen Ursprungs [Altekruse 1997; Hamer 1998]. Zu unterscheiden ist zwischen durch Lebensmittel verursachten ▬ Intoxikationen,z.B.durch Clostridium botulinum, Staph. aureus, ▬ Erkrankungen infolge massiver Verunreinigungen mit fakultativ pathogenen Keimen, wie z. B. Clostridium perfringens, Bacillus cereus, ▬ Infektionen durch Salmonella spp. oder Shigella spp., ▬ Erkrankungen unklarer Ätiologie durch Proteus spp., E. coli, Pseudomonas spp. Die Wirkung der genannten Bakterien im Intestinaltrakt des Menschen geht auf Enterotoxine zurück, die sich in Exotoxine und in Endotoxine unterteilen lassen. Endotoxine werden vorwiegend von gramnegativen Bakterien produziert (z. B. Salmonellen, Shigel-
⊡ Tabelle 14.1. Pathogene Keime des Dünn- und Dickdarms Pathogen
Dünndarm (nichtentzündlich)
Kolon (entzündlich)
Bakterien
Salmonellena Escherichia colib Clostridium perfringens Staphylococcus aureus Aeromonas hydrophilia acillus cereus Vibrio cholerae
Campylobactera Shigellen Clostridium difficile Yersinien Vibrio parahaemolyticus Enteroinvasive E. coli (EIEC) Plesimonas shigelloides
Viren
Rotaviren Noroviren (Norwalk-like Viren, Norwalkähnliche Viren)
Cytomegalievirus (CMV) a Adenoviren Herpes-simplex-Virus (HSV)
Protozoen
Cryptosporidiena Microsporidiena Isospora Cyclospora Giardia lamblia
Entamoeba histolytica
a b
14
Können sowohl Dünn- als auch Dickdarm befallen, bevorzugter Befall angegeben. EPEC, EaggEC, EHEC, ETEC können vorkommen. Routinetests und Kulturen zeigen keinen Unterschied zu E. coli normaler Darmflora.
128
III
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
len), sind integrale Bestandteile der äußeren Bakterienmembran und werden erst beim Zerfall der Bakterien frei. Chemisch handelt es in der Regel um Lipopolysaccharide, deren Wirkung ohne längere Latenzzeit eintritt. Exotoxine werden dagegen vorwiegend von grampositiven Keimen im Laufe ihrer Entwicklung freigesetzt. Es handelt sich meist um z. T. sehr toxische Proteine mit Antigenspezifität, die nach einer bestimmenden Latenzzeit wirken. Staphylokokkenenteritis Erreger. Grampositive, fakultativ anaerobe Kokken,
meist koagulasepositive S. aureus. Epidemiologie. Enteritiden durch koagulasepositive S.-aureus-Stämme sind weltweit verbreitet und zählen mit zu den häufigsten Ursachen von Nahrungsmittelintoxikationen. Stets handelt es sich um Massenerkrankungen. Ausgangspunkt der Infektionskette ist meist der Lebensmittelhändler (Nasenschleimhäute gelten als bevorzugtes Proliferationskompartiment des Keims). Übertragungsweg. Nahrungsmittelintoxikationen
durch S. aureus sind nach dem Genuss unterschiedlichster Speisen beschrieben wurden (Fisch, Fleisch, Geflügel, Backwaren, Salate etc.), insbesondere Lebensmittel mit hohem Salz- (Schinken, Dosenfleisch) oder Zuckergehalt (Süß-, Cremespeisen) gelten als »Selektivnährboden« für die Erreger. Mangelnde Hygiene bei der Verarbeitung von Lebensmitteln führt zur Verbreitung des Erregers [Tranter 1990]. Pathophysiologie. Für die Auslösung der Erkrankung sind 30-kDa große Enterotoxine verantwortlich. Derzeit sind 7 immunologische Enterotoxin-A-Varianten bekannt, wobei Enterotoxin A in über 90% für staphylokokkenbedingte Nahrungsmittelintoxikationen verantwortlich ist. Ihr molekularer Wirkungsmechanismus ist weitgehend ungeklärt. Diskutiert werden eine direkte Schädigung von Nervenendigungen des N. vagus (Erbrechen) oder ihre Wirkung als sog. Superantigene, indem sie über eine polyklonale TZell-Aktivierung die Freisetzung von IL-2 aus T-Zellen und von TNF-a aus Makrophagen auslösen. Inkubationszeit. 4–6 h. Klinik. Die Patienten klagen schnell über Übelkeit, Er-
brechen, Bauchschmerzen und Diarrhö. Das Ausmaß der Beschwerden ist abhängig von der aufgenomme-
nen Toxinmenge; schwere Verläufe sind selten. Die Dauer der Erkrankung beträgt durchschnittlich 1–3 Tage. Differenzialdiagnose. Unspezifische Lebensmittelver-
giftung durch Enterobacteriaceae. Diagnostik. Toxinnachweis mittels radialer Immundiffusion oder ELISA direkt in Erbrochenem bzw. verdächtigen Lebensmittel bei Enterotoxikose. Therapie. Die Krankheit verläuft selbstlimitierend. Die klinischen Symptome bilden sich innerhalb von 24 h zurück. Eine spezifische Therapie gibt es nicht.
Clostridium-perfringens-Enteritis Erreger. Zur Gattung der obligat anaeroben grampositiven Sporenbildner Clostridium gehören die Erreger des Gasbrandes (C. perfringens), des Botulismus (C. botulinum), des Tetanus (C. tetani) und der antibiotika-assoziierten Diarrhö (C. difficile). Im Intestinaltrakt kommen sie als Saprophyten – ausreichend anaerobe Bedingungen – vor. Besitzen sie jedoch bestimmte Virulenzfaktoren (z. B. Enterotoxin von C.perfringens Typ A bzw.das sporenbildende b-Toxin von C. perfringens Typ C) kann es zu Schädigungen der Darmwand kommen. Epidemiologie. Enteritiden, hervorgerufen durch C. perfringens Typ A, sind weltweit verbreitet. Die Enteritis necroticans (Syn.: Darmbrand,»pig bel disease«, »enteritis gravis«; durch b-Toxin von C. perfringens Typ C ausgelöst) ist nur noch in den Hochländern von Neuguinea und Papua endemisch, ansonsten sind nur sporadische Erkrankungen bekannt geworden. Übertragungsweg. Die Aufnahme des Erregers erfolgt in der Regel mit nichtfrisch zubereiteten Fleisch (Geflügel). Die Sporen werden während des Essens nicht abgetötet,sondern lediglich hitzeinaktiviert und keimen bei abnehmender Temperatur wieder aus (optimale Temperatur 43–47°C). Die Aufnahme von 108 enterotoxinbildenden Keimen reicht zur Krankheitsauslösung aus.Bei endemischem Auftreten beträgt die Erkrankungsrate ca. 50%. Pathophysiologie. Die Enteropathogenität von C.perfringens Typ A beruht auf einem 34 kDa großen hitzelabilen zytotoxischen Polypeptid, das Bestandteil der Sporenhülle ist und einen Rezeptor auf luminalen Enterozytenmembran besitzt. Hauptzielorgan ist in der Regel der proximale Dünndarm.Nach Bindung an
129 14.4 · Bakterielle intestinale Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
den Rezeptor findet eine Insertion des Toxins in die Membran statt. Die dadurch verursachte Membranschädigung führt u.a.zu einem erhöhten Kaliumefflux mit Hemmung der zellulären Proteinsynthese und Schädigung des enterozytären Zytoskeletts, was zu einer Reduktion der aktiven Nichtelektrolytresorption führt. Inkubationszeit. 7–15 h. Klinik. Klinisch imponieren Diarrhö (90%), abdominelle Krämpfe (80%), Übelkeit (25%) Erbrechen (9%) und Fieber (24%). Die Krankheitsdauer ist mit 6–24 h kurz. Das klinische Erscheinungsbild der Enteritis necroticans (Inkubationszeit 2 Tage) reicht von milden Diarrhöen bis hin zu fulminanten Verläufen, die innerhalb von 24 Stunden zum Tode führen. Therapie. Clostridien zeigen eine sehr hohe Empfindlichkeit gegenüber Penicillin G (Therapie der Wahl beim Gasbrand), eine C.-perfringens-Typ-A-Enteritis ist jedoch keine Indikation für eine antibiotische Behandlung (kurze, selbstlimitierende, klinisch leicht verlaufende Erkrankung). Die Therapie der durch C. perfringens Typ C ausgelösten Enteritis necroticans besteht in der Gabe von Penicillin G (20–40 mio. E/Tag).
Bacillus-cereus-Enteritis Erreger. Bacillus cereus, grampositives, relativ umweltresistentes (Temperatur,Strahlung) Stäbchenbakterium verursacht 2 Formen einer Enteritis – diarrhöisch bzw. emetisch. Epidemiologie. Bacillus-cereus-Enteritiden sind weltweit verbreitet (hohe Inzidenz in den Niederlanden, Finnland, Ungarn, Kanada). Sie treten sporadisch und endemisch auf. Die Aufnahme von 106–109 (diarrhöische Form) bzw. 103–105 (emetische Form) Keimen/g Lebensmittel gilt als krankheitsauslösend. Übertragungsweg. kontaminierte Lebensmittel. Pathophysiologie. B.-cereus-Keime, die die diarrhöi-
sche Form hervorrufen, bilden ein hitzelabiles, proteolytisch inaktivierbares Toxin, das im Tierexperiment zu einer intraluminalen Flüssigkeitsansammlung im Ileum mittels einer cAMP-vermittelten Chloridsekretion führt. In hohen Konzentrationen besitzt es zusätzlich dermo- und intestinonekrotische Aktivität. Das emetische Toxin ist hitze- und pH-stabil und kann nicht durch Proteolyse inaktiviert werden. Die Wir-
14
kungsweise dieses Toxins ist bisher weitgehend unbekannt. Darüber hinaus produziert B. cereus eine Vielzahl weiterer zytotoxisch wirkender Exotoxine (z.B. Phospholipase C, Hämolysin, Lecithinase). Inkubationszeit. 8–16 h; emetische Form: <6 h. Klinik. Beginn mit Diarrhö. Vorherrschend sind profuse wäßrige Stühle (96%) und abdominelle Krämpfe (75%). Erbrechen ist eher selten (20%). Die Krankheitsdauer ist mit 24–36 h kurz. Bei der emetischen Form sind Erbrechen und abdominelle Krämpfe vorherschend, die Krankheitsdauer beträgt max. 24 h. Therapie. Eine stationäre Behandlung ist zumeist nicht erforderlich, da die Krankheit mild und in der Regel selbstlimitierend verläuft. Die Therapie ist symptomatisch, Antibiotikagaben nicht indiziert.
14.4.2
Campylobacterenteritis
Erreger. Campylobacter zählt zur Familie der Spirilla-
ceae. Es sind gramnegative, bi- oder monopolar begeißelte lebhaft bewegliche,wellenförmig gekrümmte 1,4–3 µm lange Bakterien.Als Erreger von Enteritiden spielen praktisch nur die Subspezies C. jejuni und C. coli eine Rolle, weniger häufig C. lari und C. uppsaliensis. C. fetus ruft vorwiegend extraintestinale Erkrankungen hervor. Epidemiologie. Campylobacter species sind weltweit
führende Pathogene für eine akute Diarrhö. In Industrienationen sind sie die häufigste Ursache für akute Durchfälle. Der Infektionsweg hängt offensichtlich vom Lebensalter und den hygienischen Umweltbedingungen ab. Verschiedene Nutz- (Geflügel, Rind und Schwein), aber auch Haustiere (Katze, Hund) kommen als Erregerreservoir in Frage. Die Übertragung erfolgt wahrscheinlich überwiegend durch kontaminierte, nichtausreichend erhitzte Nahrungsmittel (z. B. rohe Milch, frisch geschlachtetes Geflügel). Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist selten. Zur Erkrankung ist bereits eine geringe Keimzahl (etwa 500 Bakterien) ausreichend. Campylobacterinfektionen kommen gehäuft bei Aids-Patienten vor. Pathophysiologie. Die bisherigen Befunde weisen
darauf hin, dass Campylobacter enteroinvasiv ist und die Fähigkeit zur Bildung eines Zytotoxins besitzt. Einige Stämme bilden ein hitzelabiles Enterotoxin, das
130
III
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
zum Anstieg des intrazellulären cAMP-Gehaltes führt. Die B-Untereinheiten des Toxins sind immunologisch verwandt mit denjenigen des Choleratoxins und des hitzelabilen E.-coli-Enterotoxins. Der spezifische Rezeptor ist das GM1-Gangliosid der apikalen Enterozytenmembran. Campylobacterinfektionen manifestieren sich in allen Darmabschnitten.Die Schleimhaut ist im allgemeinen entzündlich ödematös verdickt.Spontan- und Kontaktblutungen sind häufig. Nach der Infektion kommt es wahrscheinlich zur Invasion der Epithelzellen und in seltenen Fällen zu hämatogener Streuung mit positiven Blutkulturen. Inkubationszeit. 1–7 Tage, im Mittel 2–4 Tage. Klink. Das klinische Bild ist recht vielfältig. Meist be-
stehen Durchfall (schleimig, wäßrig, gelegentlich blutig) und kolikartige Bauchschmerzen (Pseudoappendizitis). Oft geht ein 12- bis 24-stündiges Prodromalstadium mit Fieber (bis zu septischen Temperaturen), Kopfschmerzen, Myalgie und Übelkeit der Enteritis voraus. Muskel- und Gelenkschmerzen finden sich überwiegend bei Erwachsenen. Bei manchen Patienten liegt das klinische Bild einer Ileitis terminalis bzw. Kolitis vor. Die Krankheit ist sehr oft selbstlimitierend und heilt spontan innerhalb von einigen Tagen ab.Bei etwa 10–20% der Patienten kann die Krankheit persistieren oder rezidivieren, v. a. bei Kindern. Campylobacter species können oft noch nach 38 Tagen (Maximum 69 Tage) im Stuhl nachgewiesen werden. Ein chronisches Carrierstadium wurde jedoch nur bei Immunmangel beobachtet. Komplikationen. Im akuten Stadium können auftre-
ten: Cholezystitis, Pankreatitis, Hepatitis (Hepatotoxin), Peritonitis bei Patienten unter Peritonealdialyse, heftige Blutungen aus Ulzera des terminalen Ileums, hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), Glomerulonephritis, IgA-Nephropathie, Urtikaria, Erythema nodosum,Vaskulitis. Zwei Spätkomplikationen kommen vor: Reaktive Arthritis und Guillain-Barré-Syndrom (postinfektiöse Polyneuropathie). Differenzialdiagnose. Salmonellose,Shigellose,Infektionen durch darmpathogene E. coli, Yersiniose. Bei Campylobacter fetus auch Typhus/Paratyphus, bakterielle Sepsis andere Genese. Diagnostik. Kultureller Erregernachweis im Stuhl in
der akuten Phase, Blutkultur bei Verdacht auf C. fetus.
Das Untersuchungsmaterial sollte frisch verarbeitet bzw. nicht über 4°C aufbewahrt werden. Endoskopisch finden sich meist entzündliche Veränderungen mit Ödembildung,Fibrinbelegen,Nekrosen, Erosionen und Ulzerationen (DD: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, pseudomembranöse Kolitis). Bei septischem Verlauf müssen Blutkulturen beimpft werden. Serologische Diagnostik mit ELISA: IgA-Antikörper im Akutstadium. Therapie. In der Regel nur Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten. Die Erreger sind meist empfindlich gegen eine Reihe von Antibiotika: Makrolide, Fluorochinolone, Aminoglycoside, Tetracycline. Resistenzen bestehen gegen Cotrimoxazol und b-Lactamantibiotika (einschl. Penicillin und Cephalosporine). Mittel der Wahl ist Erythromycin (2x500 mg p.o. über 5 Tage) oder Chinolone (z.B.Ciprofloxacin 2x500 mg p.o.oder Levofloxacin 1x500 mg p.o.; [Skirrow 1995]). Eine Resistenz gegen Makrolidantibiotika kommt in 1–9% vor. Zunehmende Resistenzen wurden allerdings schon für Ciprofloxacin beobachtet (bis zu 36% in Philadelphia/USA und 27% in Montreal). Prophylaxe. Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen
beim Verzehr von Lebensmitteln und Getränken (Verzicht auf Rohmilch, unzureichend erhitzte Geflügelprodukte) ist die beste und sinnvollste Prophylaxe. Gesetzliche Vorschriften. Krankheitsverdacht,Krank-
heit und Tod sind in Zusammenhang mit mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftungen bzw. akuter infektiöser Gastroenteritis meldepflichtig wie auch der direkte und/oder indirekte Erregernachweis. 14.4.3
Cholera
Erreger. Von R. Koch wurde 1883 entdeckt gramnega-
tives, 1,5 µm langes, schraubenförmiges, kommaartig gekrümmtes Stäbchen mit mehr als 140 Serotypen, die durch das O-Antigen der Zelloberfläche determiniert werden,entdeckt.Serotypen für die endemische Cholera: Vibrio cholerae mit den Gruppenantigenen O:1, Biovar cholerae und Biovar El Tor, und O:139 mit geringen Wachstumsansprüchen und Alkalitoleranz. Ein neuer Serotyp, der eine endemische Cholera hervorruft, hat sich kürzlich von Indien auf Asien und den Mittleren Osten ausgebreitet.
131 14.4 · Bakterielle intestinale Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Epidemiologie. Als akute Infektionskrankheit ist die
Cholera in Vorderasien (Ganges-Brahmaputera-Delta, Bengalen,Bangladesch) und Teilen Südamerikas endemisch beheimatet.5,5 Mio Menschen erkranken weltweit jährlich an Cholera, 100.000 sterben. In Europa und Nordamerika gilt sie als eine sehr seltene Importinfektion. Übertragungsweg. Einziges Erregerreservoir ist der infizierte Mensch.Asymptomatische Erregerausscheidung Wochen und Monate nach Infektion; Weiterverbreitung über fäkale Kontamination von Oberflächenwasser, das als Trinkwasser genutzt wird. Choleravibrionen infizieren lediglich den Intestinaltrakt, eine Invasion ins Gewebe oder die Blutbahn findet nicht statt [Butterton 1995]. Pathogenese. Die Magensäure stellt eine wirksame
14
kann 500–1000 ml/Stunde betragen, sodass schnell 10% der Körpergewichts verloren werden.Die Diarrhö ist an den ersten 2 Tagen am stärksten und endet am 4.–6. Tag. Der Cholerastuhl enthält hohe Konzentrationen an Natrium, Kalium, Chlorid und Bikarbonat, was zusätzlich zum Volumenverlust zu Hypokaliämie und metabolischen Azidose führt. Neben intestinalen Veränderungen der Darmschleimhaut finden sich schwere toxisch-degenerative Parenchymschäden an Herz, Leber, Nieren, Pankreas und Gehirn.An der Muskulatur (Wadenmuskulatur) werden Blutungen und wachsartige Faserdegenerationen beobachtet. Ähnliche Veränderungen sind als Vox cholerina an den Stimmbändern zu beobachten (klinisch: Heiserkeit). Eine Ausscheidung der Vibrionen über mehr als 3 Monate (Dauerausscheidung) ist selten. Die Mortalität bei unbehandelten Patienten liegt bei 50–70%, unter Ausnutzung ausreichender Behandlungsmöglichkeiten heute unter 1%.
Abwehrschranke gegen die säureempfindlichen Choleravibrionen dar. Erst wenn die aufgenommene Erregerzahl 108–1010 beträgt,kommt es zur Infektion.Bei Hypazidität sinkt die minimale Infektionsdosis auf 103–104 Keime. Die Pathogenität der Vibrionen beruht auf der Wirkung eines Enterotoxin (multimeres Protein bestehend aus 1-A- und 5-B-Untereinheiten). Bindung des Toxins an die Oberfläche des Enterozyten führt zur Freisetzung von cyclischem AMP in der Mukosa, wodurch eine Steigerung der Chloridsekretion und eine Hemmung der Natriumresorption bewirkt wird.Diese führen zu den massiven Wasser- und Elektrolytverlusten im Stuhl.
Diagnostik. Mikroskopisch kann man im »fast wasserklarem« Stuhl Vibrionen mikroskopisch nachweisen. Sie lassen sich auch leicht auf Kulturmedien anzüchten: Thiosulfat-Citrat-Gallensäuren-SaccharoseAgar (TCBS) oder Tellur-Taurocholat-Gelatine-Agar (TTGA).V.cholerae kann auch mit Stuhltests auf PCRBasis oder mit monoklonalen Antikörpern nachgewiesen werden.
Inkubationszeit. Dosis- und Magen-pH-abhängig we-
Therapie. Patienten, bei denen eine Cholera vermutet
nige Stunden bis 5 Tage, in der Regel 1–3 Tage.
wird, sollten unbedingt vor Sicherung der Diagnose behandelt werden, da eine schwere Dehydratation innerhalb von wenigen Stunden auftreten kann Die Intensität der Therapie hängt vom Grad der Dehydratation ab. Wichtigste Maßnahmen sind Flüssigkeits- und Elektrolytersatz. können mit der oralen WHO-Lösung behandelt werden. Die orale Rehydratationstherapie mit der WHOLösung hat die Mortalität der Cholera weltweit von 50% auf <1% gesenkt [Alam 1999; Murphy 1999; Pizzaro 1991]. Sie ist bei Patienten ohne (<2,5% Verlust an Körpergewicht) und mit leichter Dehydratation (2,5–10% Verlust an Körpergewicht) indiziert. Die WHO-Lösung besteht aus: ▬ 3,5 g Natriumchlorid, ▬ 2,9 g Natriumcitrat oder 2,5 g Natriumbikarbonat, ▬ 1,5 g Kaliumchlorid, ▬ 20 g Glukose oder 40 g Saccharose auf 1 l H2O.
Klinik. Die enterale Infektion führt zu akuten Brech-
durchfällen (Durchfälle von bis zu 25 l/Tag) mit schwerster Exsikkose, Kollaps bis hin zum prärenalen Nierenversagen. Im klinischen Verlauf werden 3 Stadien unterschieden: ▬ ein kurzdauerndes Initialstadium mit weichen, dann zunehmend wäßrigen Stühlen und Erbrechen, ▬ Stadium algidum (asphycticum), der typische Choleraanfall mit profusen, reiswasserähnlichen Diarrhöen. Die Stühle haben oft einen Fischgeruch. ▬ Stadium der Erholung, das gelegentlich durch einen sog. Status typhosus unterbrochen und prognostisch ungünstig gestaltet werden kann. Bei der Cholera gravis ist es erstaunlich, wie schnell der Patient schwer krank wird. Der Volumenverlust
Differenzialdiagnose. Shigellose, ETEC- und Campylobacter-Infektion, Salmonellose, Intoxikationen.
132
III
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Patienten mit einem Verlust des Körpergewichts von >10% oder nichttrinkfähige Patienten bedürfen der intravenösen Therapie (Ringer-Laktat-Lösung). Dosierung: Kinder <1 Jahr 30 ml/kgKG in der 1. h, dann 70 ml/kgKG über 5 h. Ältere Kinder und Erwachsene: 30 ml/kgKG in 30 min,dann 70 ml/kgKG in den nächsten 2,5 h. ! Cave Opiate und Peristaltikhemmer (Loperamid, Diphenoxylat) sind kontraindiziert, da sie schockbegünstigend wirken können.
Zur Abkürzung der Erreger- und Toxinausscheidung sowie zur Reduktion der Durchfälle um ca. 50% wird eine antibiotische Therapie empfohlen. Doxycyclin als 300-mg-Einmaldosis war ebenso wirksam wie Tetracycline in der Dosis von 4x500 mg/Tag über 3 Tage. Zahlreiche Stämme von V. cholerae sind jedoch resistent gegen Tetracycline. Unter diesen Umständen besteht die Therapie der Wahl in Chinolonen: Ciprofloxacin 2¥250 mg/Tag über 3 Tage oder 1000 mg als Einmaldosis oder Norfloxacin 2¥400 mg über 3 Tage. Kindern sollten weder mit Doxycyclin noch mit Chinolonen behandelt werden. Therapie der Wahl: Erythromycin (10 mg/kgKG, 3¥/Tag über 3 Tage). Prophylaxe. Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen
beim Verzehr von Lebensmitteln und Getränken ist die beste und sinnvollste Prophylaxe. Die aktive parenterale Impfung ist wenig effektiv (50% Schutz gegen Cholera O:1-Infektion für nur 3–6 Monate,kein Schutz gegen Cholera O:139) und kann nicht mehr empfohlen werden. Im Ausland ist ein oraler Impfstoff mit gentechnologisch abgewandelten Cholerastamm zugelassen. Erfahrungen mit diesem Impfstoff sind noch begrenzt [Anonymus 1990]. Gesetzliche Vorschriften. Krankheitsverdacht,Krankheit und Tod sowie Nachweis von V. cholerae O:1 und O:139 sind meldepflichtig. Tätigkeits-/Aufenthaltsbe-
schränkung für Kranke,Verdächtige und Ausscheider bzw. Personen in Wohngemeinschaften mit diesen für Gemeinschaftseinrichtungen; Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot für Krankheitsverdächtige, Kranke und Vibrionenausscheider in der Lebensmittelbranche. 14.4.4
Escherichia-coli-Infektionen
Erreger. Gramnegative, fakultativ-anaerobe sporenlose Stäbchen der Familie der Enterobacteriaceae mit unterschiedlichen Virulenzmerkmalen: Toxinbildung (Enterotoxin, Verotoxin, Hämolysin), Kapselbildung, Bildung von Adhäsinen (Pili/Fimbrien). Die Klassifizierung erfolgt nach O-(Lipopolysaccharid), H-(Geißel) und K-(Kapselpolysaccharid)Serotypen. E. coliBakterien bilden mit anderen v. a. anaeroben Keimen eine residente Kolonflora, die im Zusammenspiel mit der Darmschleimhaut und ihren Sekreten ein Ökosystem bildet, das wichtige immunologische und nutritive Aufgaben im Kolon erfüllt. Darüber hinaus finden sich in der Spezies E. coli auch pathogene bzw. fakultativ pathogene Varianten. Darmpathogene E.coli-Stämme werden in 5 Gruppen unterteilt, die Diarrhöen mit unterschiedlichen klinischen Erscheinungsformen verursachen (⊡ Tabelle 14.2). Einer kürzlich als diffus adhärente E. coli (DAPEC) beschriebenen 6.Gruppe wird eine mögliche pathogenetische Bedeutung bei M. Crohn zugeschrieben. Über die Inzidenz einzelner Stämme gibt es keine verläßlichen Zahlen.
Enteropathogene E. coli (EPEC) EPEC wurden erstmals in den 1940er-Jahren als Erreger der Säuglingsenteritis isoliert und sind typische Erreger von Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern,können jedoch auch bei Erwachsenen vorkommen. Der Durchfall ist oft wässrig, mit bis zu 10–20 Stuhlentleerungen/Tag.
⊡ Tabelle 14.2. Klinische Syndrome bei Infektionen mit Pathogenese Escherichia coli Art der E. coli
Syndrom
Enterotoxigene E. coli (ETEC) Enteropathogene E. coli (EPEC) Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) Enterinvasive E. coli (EIEC) Enteroaggregative E. coli (EAEC)
Wässrige Durchfälle Diarrhö bei Kindern Hämorrhagische Kolitis, hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) Dysenterie Persistierende Durchfälle bei Kindern und HIV-Patienten
133 14.4 · Bakterielle intestinale Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Übertragungsweg. E. coli gehören zur normalen menschlichen Darmflora. Erwerb pathogener und virulenter Stämme durch orale Aufnahme über kontaminierte Lebensmittel oder Trinkwasser; Autoinfektion über die perineale Flora bei Harnwegsinfektionen; Übertragung Mutter/Neugeborenes intra partum.
14
50% der Reisediarrhöen (Südostasien, Mittel- und Südamerika, Afrika) verantwortlich. Übertragungsweg. Bei ungünstigen hygienischen Verhältnissen kann die Übertragung durch kontamierte Lebensmittel und Trinkwasser erfolgen. Pathophysiologie. Der molekularen Pathogenese lie-
Pathophysiologie. Charakteristisch ist eine enge An-
heftung der Bakterien an Epithelzellen (»lokalisierte Adhärenz« = LA) mit anschließender Destruktion des Bürstensaums (»attaching and effacing«). Hierbei gelangen die Bakterien sehr nah (ca. 10 nm) an die Plasmamembran der Enterozyten. Die dramatischen Effekte der EPEC auf das Zytoskelett der Epithelzellen resultieren aus der Aktivierung einer Tyrosinkinase und einer damit verbundenen Phosphorylierung eines 90 kDa Proteins der Epithelzellen mit anschließender Aktivierung von PKC/Kalzium abhängigen Kinasen. Inkubationszeit. 2–6 Tage. Klinik. Wäßrige Durchfälle mit 10–20 Stühlen/Tag mit Dehydratation bei Kleinkindern (<2 Jahren) mit Erbrechen, Malnutrition; nur selten bei Erwachsenen, Dauer 10–14 Tage. Diagnostik. Sie kann am sichersten durch den Nach-
weis der Virulenzeigenschaften (Fluoreszenz-AktinFärbung des Zytoskeletts der befallenen Zellen) oder -Gene (PCR) erfolgen.
gen 2 Virulenzeigenschaften zugrunde. Die Erreger kolonisieren zunächst mittels eines sog. Kolonisations-Faktor-Antigenen (»colonization factor antigen« = CFA) die mukosale Oberfläche des Dünndarms, was im Gegensatz zu EPEC-Infektionen nicht mit einer Zerstörung der Ultrastruktur der Bürstensaummembran einhergeht. Die anschließende Bildung eines zystinreichen, 18–19 Aminosäuren umfassenden säureresistenten (Magen-pH), proteaseresistenten und hitzestabilen (mehrere Stunden bei 60°C oder 15 min bei 100°C) Toxins (ST) führt über Aktivierung der Guanylat-Zyklase zur Auslösung einer sekretorischen Diarrhö. Vielfach kommt es alternativ oder zeitgleich zur Bildung hitzelabiler Enterotoxine (LT).LTs bilden eine Familie hochmolekularer Proteine,die strukturell und funktionell dem Cholera-Toxin ähnlich sind. Die Bindung an das GM1-Gangliosid ist jedoch deutlich weniger stark ausgeprägt und somit die intrazelluläre cAMP-Erhöhung mit nachfolgender Wasser-ChloridSekretion ca. 50fach geringer. Inkubationszeit. 1–2 Tage. Klinik. ETEC verursachen wäßrige, nichtblutige
Therapie. Bei der Behandlung der kindlichen EPEC-
Enteritiden erwies sich Wismutsubsalizylat (100 mg/ kgKG alle 6 h) als effektiv. Eine ausreichende Wasser-, Elektrolyt- und Nahrungssubstitution ist selbstverständlich. EPEC-Enteritiden im Erwachsenenalter scheinen selbstlimitierend zu verlaufen. Die Wertigkeit einer antibiotischen Therapie ist noch weitgehend unklar (Fehlen klinischer Studien). Bei prolongierten Verläufen erwies sich die Gabe nichtresorbierbarer Aminoglykoside (Neomycin, Chloromycetin) als wirksam. Enterotoxische E. coli (ETEC) Erreger. Enterotoxische E. coli, Infektionsdosis 108– 1010 Keime. Epidemiologie. Durchfallerkrankungen durch ETECBakterien sind in Deutschland selten. ETEC sind v. a. in warmen Ländern verbreitet und sind für mehr als
Durchfälle, die 1–2 Wochen dauern. Als Begleitsymptome können Übelkeit, Abdominalkrämpfe und subfebrile Temperaturen auftreten. Diagnostik. Es stehen immunologische Tests zum Nachweis von LT (Latexkoagglutinations-Test) bzw. ELISAs zum Nachweis von ST zur Verfügung. Weiterhin sind verschiedene molekularbiologische Methoden (PCR, DNA-Kolonienblothybridisierung) entwickelt worden, mit denen die bakteriellen Gene für LT oder ST identifiziert werden. Therapie. In der Regel erfolgt die Therapie durch Flüssigkeits- und Elektrolytersatz zur oralen Rehydratation (WHO-Lösung). Die ETEC-Infektion ist selbstlimitierend und bedarf in der Regel keiner Antibiotikatherapie. Bei Risikopatienten und schwerem Verlauf kann durch rechtzeitige Gabe von Chinolonen (z. B. Ciprofloxacin 2¥500 mg p.o., Levofloxacin 1¥500 mg)
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Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
eine rasche Genesung erzielt werden. Oft reicht eine einzige Dosis. Prophylaxe. Keine spezifische Prophylaxe möglich.
III
Ein Impfstoff ist in der Entwicklung. Für Risikopatienten, die in Endemiegebiete reisen, ist eine Prophylaxe mit Cotrimoxazol 1- bis 2¥160/800 mg/Tag anzuraten. Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) Erreger. Zytotoxin (Verotoxin)-produzierende enter-
ohämorrhagische E. coli (meist Serotyp = 157). Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) sind eine erst seit 1982 bekannte Gruppe darmpathogener E. coli, die insbesondere bei Kindern <6 Jahren zu einer wäßrigen bis blutig-wäßrigen Kolitis führen. Der Begriff EHEC wurde für E. coli Stämme gewählt, die unter Bildung von Zytotoxinen eine hämorrhagische Kolitis (HC) und ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) hervorrufen können. Für die Zytotoxine besteht keine einheitliche Nomenklatur.Es werden die Bezeichnungen Verotoxine, »shiga-like«-Toxine bzw. seit neuerem »shiga-toxine« verwendet [Allerberger 1997; Murphy 1999]. Epidemiologie. Da eine EHEC-Meldepflicht nur in
Bayern (seit 01.04.1996) besteht, können zur Inzidenz menschlicher EHEC-Infektionen in Deutschland bisher nur Ergebnisse gezielter Untersuchungsreihen, labordiagnostisch erfasster Einzelfälle sowie Häufungen von HUS herangezogen werden. In den letzten Jahren ist es zu lokalen Epidemien von Erkrankungen durch enterohämorrhagische E. coli (EHEC) gekommen.
Klinik. Es zu wäßrigen Durchfällen,die bei 30% der er-
kranken Kinder in blutige Diarrhöen übergehen. Ältere Menschen und Kinder <6 Jahren entwickeln in 5–10% ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), das sich etwa 8 (3–12) Tage nach Beginn des Durchfalls manifestiert und durch eine mikroangiopathische hämolytische Anämie, Thrombozytopenie mit Fragmentierung der Thrombozyten (Fragmentozyten) und Nephropathie mit Protein- und Hämaturie gekennzeichnet ist. Dialysepflichtige Oligo- oder Anurie, Hypertonie, zerebrale Krampfanfälle und Beteiligung anderer Organe (z. B. Lunge), die einzeln oder in Kombination auftreten können, sind Zeichen eines schweren Verlaufs, der in 10% letal endet und in weiteren 20–30% eine dauerhafte Schädigung in Form von irreversibler Niereninsuffizienz, Bluthochdruck oder zentralnervöser Schädigung zur Folge hat. Inwieweit das dem HUS histopathologisch verwandte Syndrom der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (TTP, Moschcowitz-Syndrom) ebenfalls auf EHEC-Zytotoxine zurückzuführen ist, wird derzeit kontrovers diskutiert. Differenzialdiagnose. Salmonellosen, Shigellose, Campylobacterinfektion, Cholera, unspezifische Lebensmittelintoxikation. Diagnostik. Sie lässt sich durch den Nachweis von E. coli Serotyp O157:H7 im ELISA oder Immunoblot bestätigen, »golden standard« ist der Nachweis von Shiga-Toxin (Bioassay, monoklonaler Antikörpertest gegen Stx 1 und 2 im Stuhl, PCR). Der EHEC-Schnelltest kann durch direkten Verotoxinnachweis im Stuhl mit ELISA oder Latex-Partikel-Agglutination erfolgen.
Übertragungsweg. Während in den USA unzurei-
chend gegartem Rindfleisch (z. B. Hamburger, Roastbeef) primäre Bedeutung bei der Übertragung vom Tier auf den Menschen zukommt, scheint in Deutschland Rohmilch und evtl. Rohmilchkäse eine größere Bedeutung zu haben (möglicherweise auch die Kontamination frischer Lebensmittel durch Dung landwirtschaftlicher Nutztiere). Hauptbetroffene sind Kleinkinder zwischen 3 und 4 Jahren. Pathophysiologie. Die Pathogenität der Erreger ba-
siert auf derzeit mindestens 4 bekannten Shiga-Toxinen (Stx, Stx2, Stx 2c, 2e), die als rRNA-N-Glykosidasen die Proteinsynthese der Zielzellen hemmen. Inkubationszeit. 3–5 Tage.
Wichtig EHEC-Diagnostik sollte bei blutigen Durchfällen oder bei Durchfällen und Verdacht auf HUS durchgeführt werden.
Therapie. Die Position einer antibiotischen Therapie bei einer EHEC-Infektion wird kontrovers diskutiert. Es gibt Hinweise, dass unter einer antibiotischen Therapie der klinische Verlauf ungünstiger ist [Wong 2000]. Da jedoch viele Erkrankte mit einem vieldeutigen septischem Bild in die Klinik kommen,wird man häufig vor der Diagnosesicherung Antibiotika verabreichen.
135 14.4 · Bakterielle intestinale Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Momentan muss eine Antibiotiktherapie als kontraindiziert angesehen werden!
Es wird angenommen,dass durch die Behandlung mit Antibiotika aus den abgetöteten Bakterien vermehrt Shiga-Toxin freigesetzt wird, was die Entstehung des gefürchteten HUS fördert [Wong 2000]. Prophylaxe. Der Verbraucher sollte ausdrücklich vor dem Verzehr von rohem Fleisch und unpasteurisierter Milch (Vorzugsmilch, Abholmilch) gewarnt werden. Im Krankenhaus sollten EHEC-ausscheidende Patienten isoliert werden. Gesetzliche Bestimmungen. Krankheitsverdacht, Krankheit und Tod sind bei hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) und bei infektiöser Gastroenteritis meldepflichtig. Es besteht Meldepflicht für direkten Nachweis von EHEC sowie Ausscheider von EHEC. Es besteht Beschäftigungsverbot für Erkrankte und Dauerausscheider von EHEC in der Lebensmittelbranche. EIEC, EPEC, ETEC und EaggEC sind weiterhin nach §3 BSeuchG nur meldepflichtig als Erreger einer Enteritis infectiosa.
Enteroinvasive E. coli (EIEC) Erreger. Neben Shigella spp. sind EIEC wichtige Erreger der bakteriellen Dysenterie. Epidemiologie. Man schätzt das weltweit jährlich bis
zu 600.000 Todesfälle als Folge dieser Infektionen auftreten [Acheson 1995; Nataro 1998]. Übertragungsweg. Die Übertragung des Erregers erfolgt durch verunreinigtes Wasser und kontaminierte Nahrungsmittel (z. B. Käse). Die Erkrankung tritt überwiegend epidemisch auf, nosokomiale Infektionen sind bekannt. Es erkranken besonders ältere Kinder und Erwachsene.
14
Die Entdeckung mehrerer Enterotoxine (enteroinvasives Toxin = EITC, Toxin ShET2) lässt auch hier auf eine toxinvermittelte Genese der Diarrhö schließen. ShET2 wird auch von S. flexneri gebildet. Inkubationszeit. 18 (2–48) h. Klinik. Häufige Stuhlentleerungen, vermischt mit Blut
und Schleim charakterisieren das Krankheitsbild (Dauer 1–15 Tage). Jedoch entwickeln ca. 90% aller Patienten nur wäßrige Durchfälle. Die ersten Symptome sind Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit, gefolgt von Erbrechen und Durchfall. Diagnostik. EIEC sind mit klassischen Methoden nur schwer zu isolieren, da ihre biochemischen Eigenschaften sehr variabel sind. Unter den molekularbiologischen Methoden hat sich die PCR durchgesetzt. Therapie. EIEC-Enteritiden sind zumeist selbstlimitierend verlaufende Erkrankungen, die keiner Behandlung bedürfen. Bei schweren Verläufen ist jedoch analog zur Shigellenenteritis eine Antibiotikatherapie sinnvoll (Ciprofloxacin 2¥500 mg p.o., Levofloxacin 1¥500 mg p.o. für 3–5 Tage).Aminopenicilline (Ampicillin oder Amoxycillin) sollten nicht gegeben werden.
Enteroaggregative E. coli (EAEC, EAggEC) Erreger. Infektionen mit EaggEC sind Hauptursache für das Auftreten persistierender Diarrhöen bei Kindern in Entwicklungsländern. EaggEC sind durch ihre Adhärenz an humane Epithelzellen charakterisiert, die als aggressive Adhärenz bezeichnet wird. Ein von den Bakterien gebildetes hitzestabiles Enterotoxin EAST1 (EaggEC, hitzestabiles Enterotoxin 1) wird für das Auslösen der sekretorischen Diarrhö verantwortlich gemacht. Eine Reihe von möglichen weiteren Pathogenitätsfaktoren sind bekannt: Flaggelin, IL-8Freisetzung. Klinik. Akute und länger anhaltende Durchfälle bei
Kindern, auch blutig, Fieber und Erbrechen. Pathophysiologie. Das Hauptpathogenitätsmerkmal
der EIEC liegt in der Fähigkeit, in Epithelien einzudringen und sich dort zu vermehren.Das Hauptzielorgan ist hierbei - wie bei der Shigellenenteritis – der Dickdarm. Die plasmidkodierten (pInv, ca. 140 MDa groß) Invasionseigenschaften der Shigellen und der EIEC sind nahezu identisch. Der invasive Prozess der EIEC kann in 4 Phasen unterteilt werden: Eindringen der Bakterien in die Zelle, intrazelluläre Vermehrung, intra- und interzelluläre Verbreitung,Abtöten der Wirtszelle.
Fieber. Die orale Rehydratation reicht in der Regel als symptomatische Therapie aus. Ciprofloxacin 2¥500 mg/Tag über 3–5 Tage verkürzt den Krankheitsverlauf deutlich bei Reisenden wie auch bei HIVPatienten.
136
14.4.5
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Salmonellosen
▬ fokale metastatische Infektionen wie Osteomyeli-
tis oder Abszessbildung, Erreger. Salmonella mit über 2.000 Serotypen, fakul-
III
tativ anaerobe,motile sporenlose gram-negative Stäbchen der Familie der Enterobacteriaceae, die von der normalen gram-negativen Intestinalflora durch die Farbe der Kolonien auf Indikatorplatten erkennbar sind. Salmonellen und Shigellen sind laktosenegative Organismen, die auf MacConkey-Agar weiße Kolonien bilden. Die meisten nichttyphösen Salmonellen bilden H2S und bilden hellgrüne Kolonien mit einem schwarzen Zentrum auf Hektoen-Agar oder weiße Kolonien mit schwarzem Zentrum auf Salmonellen-Shigellen-Agar. Epidemiologie. Weltweit sporadisch und endemisch auftretende Zoonose. Epidemiologisch bedeutsames Erregerreservoir: Schlachtgeflügel,Schwein und Rind. Verbreitung unter Tieren durch kontaminierte Futtermittel. Weltweit ansteigende Krankheitszahlen. Prävalenz: 100–300/100.000). Wichtigste Spezies: S. enteritidis und S. typhi-murium (40–50% der Fälle), S. Heidelberg, S. Newport und S. anatum [Kühn 1995]. Während in Deutschland die Zahl der Typhusund Paratyphusinfektionen kontinuierlich abgenommen hat, steigt diejenige der Salmonellenenteritis seit Jahren drastisch an. Dabei dürfte die Dunkelziffer beträchtlich sein. Häufigste Erreger der Salmonellose sind gramnegative Stäbchenbakterien der Gattung Salmonella, die serovare S. enteritidis (55%) und S. typhimurium machen zusammen bis zu 85% aus.
▬ asymptomatischern chronischer Carrier-Status.
Gastroenteritis mit Übelkeit,Erbrechen,Fieber >39°C, wäßrige, unblutige Diarrhö und abdominellen Krämpfen treten in der Regel innerhalb von 6–72 h nach Ingestion kontaminierter Speisen oder Wasser auf. Die Samonellenkolitis heilt meist spontan nach 3–5 Tagen ab. Komplikationen (Kreislaufschock infolge von Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten,toxisches Megakolon, Blutungen, Sepsis) sind extrem selten, können jedoch insbesondere bei älteren Menschen zum Tode führen. Es können Bakteriämie und extraintestinale Manifestationen wie Pyelonephritis, Osteomyelitis sowie eine reaktive Arthritis bei ca. 3% der Fälle auftreten. Die Dauerausscheidungsrate beträgt nach Infektion ca. 0,5%. Differenzialdiagnose. Campylobacter jejuni-, E.-coli(ETEC, EIEC-)Infektionen, Yersininiose, Shigellose, Amöbenruhr, Rotavirusinfektion. Diagnostik. Kultureller Nachweis von Salmonellen im
Stuhl oder Rektalabstrich (Dauer: min 48 h) und bei septischem Verlauf in der Blutkultur. Die serologische Untersuchung (Nachweis einer Serumkonversion agglutinierender Antikörper) ist nicht sensitiv und nicht spezifisch.Mit dem ELISA gelingt der Nachweis spezifischer Serum-IgA-Antikörper ab dem 4.–5. Krankheitstag. Therapie. Bei symptomatischen immunkompetenten
Übertragung. Die Erkrankung erfolgt meist nach Ver-
zehr von kontaminierten Lebensmitteln (Eier, Fleisch, Wurst), v. a. nach unzureichender küchentechnischer Zubereitung. Der gastroenteritische Brechdurchfall entspricht einer bakteriellen Nahrungsmittelvergiftung, die vorzugsweise während der Sommermonate auftritt. Direkte Übertragung von Mensch zu Mensch spielt bei der Salmonellose eine untergeordnete Rolle. Die Infektionsdosis beträgt 103–104 Bakterien. Inkubationszeit. Wenige Stunden bis Tage, im Mittel
24 h. Klinik. Salmonellen verursachen charakteristische klinische Infektionen beim Menschen: ▬ Gastroenteritis, ▬ enterales Fieber (systemische Krankheit mit Fieber und abdominellen Symptomen), ▬ Bakteriämie und endovaskuläre Infektionen,
Erwachsenen und Kindern >1. Jahr beschränkt sich die Therapie in der Regel auf Verhinderung der Dehydratation durch Gabe von Flüssigkeit und Elektrolyten,da die Salmonellose in der Regel selbstlimitierend ist. Eine antibiotische Therapie mit 400 mg Ofloxacin/Tag bei 117 Patienten mit Salmonellenenteritis führte im Vergleich zu Placebo zu keiner Abkürzung der Krankheitssymptome. Die meisten Salmonelleninfektionen werden nicht diagnostiziert und verlaufen ohne Komplikationen. Wenngleich die routinemäßige Antibiotikatherapie nicht notwendig ist, gibt es jedoch auch individuelle immunkompetente Patienten, die mit Antibiotika behandelt werden sollten: schwere Durchfälle (>9–10/ Tag), hohes Fieber, Notwendigkeit der stationären Behandlung. Enteritissalmonellen sind hoch empfindlich gegen Chinolone (Ciprofloxacin 2¥500 mg p.o.,Ofloxacin 2¥400 mg p.o. oder Levofloxacin 1¥500 mg; [Limson
137 14.4 · Bakterielle intestinale Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
1989]). Auch Cotrimoxazol 2¥160/800 mg/Tag p.o. oder Amoxicillin 3¥500 mg p.o./Tag sind geeignet. Erhebliche Resistenzen gegenüber Ampicillin und Ciprofloxacin wurden beobachtet [Rowe 1997]. Eine Antibiotikatherapie ist indiziert,um Komplikationen der Salmonelleninfektion wie Bakteriämie und metastatische Herdinfektionen zu verhindern, selbst bei leichten Verläufen, bei: ▬ alten Patienten, ▬ Kindern <3 Monaten, ▬ Patienten mit Organtransplantation, ▬ Aids, ▬ Sichelzellanämie oder Hämoglobinopathien, ▬ Patienten mit endovaskulären oder Gelenkprothesen. Die Therapie wird ebenfalls primär mit Chinolonen (Ciprofloxacin 2¥500 mg p.o., Ofloxacin 2¥400 mg p.o.) durchgeführt. Obwohl keine eindeutigen Therapiedaten vorliegen, wird man die Therapie bei den Risikopatienten über eine Dauer von 7–14 Tagen durchführen. Asymptomatische Carrier von nichttyphoidalen Salmonellen im Stuhl kommen nach symptomatischen oder asymptomatischen Infektionen sehr häufig vor. Die Therapie mit Antibiotika beim Salmonellen-Carrier wird kontrovers diskutiert. Die Dauer des Carrierstatus für Patienten mit S. typhimurium beträgt im Mittel 5 Wochen. Bei Kindern <5 Jahren beträgt der Carrierstatus 7 Wochen, bei 2,6% bis zu einem Jahr.Die Salmonellendauerausscheidung kommt häufiger nach symptomatischer Infektion als nach asymptomatischer vor. Studien in der Ära vor Einführung der Chinolone zeigten, dass eine Antibiotikatherapie mit Ampicillin oder Amoxicillin zur häufigeren Keimpersistenz im Stuhl führte als Placebo. Auch die Chinolone Ciprofloxacin und Norfloxacin waren nicht in der Lage die Dauerausscheidung signifikant zu reduzieren. Salmonellendauerausscheider (>1 Jahr) kommen selten vor (0,2–0,6%). Ein Versuch kann mit Ciprofloxacin 2¥500 mg p.o., Ofloxacin 2¥400 mg p.o. oder Norfloxacin 2¥400 mg p.o. über 4–6 Wochen durchgeführt werden. Eine einmalige negative Stuhlkultur ist kein Beweis für eine erfolgreiche Keimelimination. Mindestens 3 Stuhlkulturen sollten negativ sein. Prophylaxe. Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen
beim Verzehr von Lebensmitteln und Getränken ist die beste und sinnvollste Prophylaxe. Eine spezifische Prophylaxe besteht nicht.Seit 1993 ist die Impfung von Geflügel möglich.
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Gesetzliche Bestimmungen. Gruppenerkrankungen/Verdacht auf Gruppenerkrankungen akuter infektiöser Gastroeneteritiden/mikrobielle Lebensmittelvergiftung sind meldepflichtig. Es existiert Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot für Krankheitsverdächtige, Erkrankte und Dauerausscheider im Lebensmittelverkehr. Meldepflicht für direkten und/ oder indirekten Erregernachweis bei Hinweis auf akute Infektion.
14.4.6
Shigellose (Shigellenruhr)
Erreger. 4 Shigellengruppen: Sh. dysenteriae mit 2 hu-
mapathogenen Typen (Typ 1 Sh. shigae, Typ 2 Sh. schmitzi), Sh. flexneri mit 13 Sero- und Subtypen, Sh. boydi mit 15 Serotypen und Sh. sonnei. Shigellen sind nichtlaktosefermentierende, unbewegliche, gramnegative Stäbchen der Familie der Enterobacteriaceae [Acheson 1995]. Epidemiologie. Shigelleninfektionen sind häufige Ursachen einer bakteriellen Diarrhö weltweit, insbesondere in Entwicklungsländern.Weltweit sterben ca. 1 Mio Menschen an Shigellose bei ca. 165 Mio Krankheitsfällen. Diese meldepflichtige Krankheit kommt in Deutschland fast ausschließlich als Importinfektion vor: hauptsächlich Sh. sonnei und Sh. flexneri (häufig in Tropen und Subtropen). Übertragungsweg. Fäkal verunreinigtes Wasser und kontaminierte Nahrungsmittel (Milchprodukte), selten Trinkwasser, sind wichtige Vektoren der Erregerübertragung. Eine Übertragung durch Fliegen ist unwahrscheinlich. Erregerreservoir ist der Mensch. Zumeist erfolgt die Infektion von Mensch zu Mensch. Erkrankt ein Mitglied einer Gruppe (Familie, Kindergarten), sind Sekundärerkrankungen häufig (20%, bezogen auf alle Altersgruppen, ca. 40%, bezogen auf die 1- bis 4-jährigen). Die hohe Zahl der Sekundärinfektionen erklärt sich durch eine z. T. hohe Infektiosität (ca. 200 lebende Keime). Es erkranken überwiegend Kinder, Erwachsene werden meist von Kindern angesteckt [Acheson 1995]. Shigellen sind nicht säureempfindlich wie viele andere bakterielle Pathogene. Deshalb können bereits 10–100 Organismen eine Shigellose bewirken, da sie die Magenpassage unbeschadet überstehen. Die Unterschiede zwischen den Shigellenspezies und den einzelnen Serotypen beruhen auf Verschiedenheiten des O-Antigens.
138
III
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Shigellen sind zum einen enteroinvasive Erreger, sind aber auch zur Bildung von Endo- und Exotoxinen fähig. Pathogenetisch ausschlaggebend ist v. a. die Fähigkeit der Keime in die Darmschleimhaut zu penetrieren. Die invasive Fähigkeit ist auf das terminale Ileum und das Kolon beschränkt. Das Eindringen des Erregers in die Kolonozyten verläuft über direkte Phagozytose, gefolgt von einer raschen intrazellulären Vermehrung. Die befallenen Epithelzellen und angrenzende Zellen werden lytisch zerstört. Ein Eindringen in tiefere Schichten der Schleimhaut ist nicht die Regel. Neben den Endotoxinen,die Shigellen wie alle Enterobacteriaceae besitzen, bilden Sh. dysenteriae und andere Shigellen verschiedene Exotoxine, von denen das sogenannte Neurotoxin am längsten bekannt ist. Ob es als Enterotoxin beim Zustandekommen der Ruhr eine Rolle spielt, ist nicht geklärt. Die sekretagoge Wirkung eines weiteren Zytotoxins ist ebenfalls unklar. Sie ist zumindest nicht cAMP oder cGMPmediiert. Inkubationszeit. 1–7 Tage, im Mittel 4 Tage. Die Infektiosität (asymptomatische Erregerausscheidung) beträgt bis zu 2 Monaten nach Erkrankung.
Systemische Komplikationen sind: Bakteriämie (4%),schwere Hypovolämie (10–12%),Hyponatriämie (29%), neurologische Komplikationen (12%), reaktive Arthritis oder Reiter-Syndrom (1,4%). Differenzialdiagnose. Enterokolitis durch enteroinva-
sive E. coli (EHEC), Campylobacter jejuni/coli, Salmonellose, Cholera, Lambliasis,Amöbenruhr, Rotavirus-, Adenovirus-, Norwalkvirusinfektionen. Diagnostik. Erregernachweis durch kulturelle An-
zucht aus frischem Stuhl oder Rektalabstrich, selten aus Blut. Shigellen, vor allem S. dysenteriae und manche Stämme von S. flexneri, sterben in Stuhlproben leicht ab, wozu die im Stuhl reichlich vorhandenen Bakteriophagen beitragen. Daher sollten die Proben unmittelbar nach der Gewinnung im Laboratorium verarbeitet werden; ist die nicht möglich, muss ein gepuffertes Transportmedium verwendet werden, das 30% Glyzerin in 0,6%-iger NaCl-Lösung enthält.Auch Rektalabstriche müssen in Transportmedien gegeben werden. Serodiagnostik durch Nachweis spezifischer IgA-ELISA für Sh. sonnei und Sh. flexneri sind möglich. Therapie. Die Infektion mit Shigellen ist in der Regel
Klinik. Die Krankheitsdauer beträgt durchschnittlich
7 Tage (1 Tag bis 1 Monat). Die Symptomatik der Shigellenenteritis wird durch die Wanderung des Erregers durch den Gastrointestinaltrakt und die Interaktionen des Erregers mit dem erreichten Darmabschnitt bestimmt. Bereits 12 h nach oraler Aufnahme virulenter Shigellen vermehren diese sich vorwiegend im Dünndarm (107–109 lebende Erreger/ml Darminhalt), mit besonderer Besiedlungsdichte im Ileum. Nach Penetration in die Epithelzellen des terminalen Ileums und des Kolons kommt es zu ulzerösen Läsionen und blutigen Diarrhöen.Die hämorrhagische Kolitis bei Sh. dysenteriae wird durch das Shiga-Toxin hervorgerufen. Hauptsymptome sind abdominelle Schmerzen (70–93%), Tenesmen mit Stuhldrang und initial profusen wäßrigen (30–40%), dann schleimigen (70– 85%), später blutigen Durchfällen (35–55%). Bei schwerem Verlauf kann Fieber bis 40° C (30–40%) vorhanden sein. Die Stuhlfrequenz beträgt in der Regel 8–15 Stühle, kann jedoch auch bei 100 Stühlen/Tag liegen. Sh.-sonnei-Infektionen verlaufen leichter. Intestinale Komplikationen treten seltener auf: Proktitis oder Rektumprolaps, toxisches Megakolon (3%), intestinale Obstruktion (2,5%) und Dickdarmperforation (1%)
selbstlimitierend und dauert 7 Tage. Antibiotikatherapie reduziert die Dauer von Fieber und Durchfällen um 2 Tage. Ihr Einsatz ist nicht zwingend. Die Antibiotikatherapie ist bei schweren Verläufen indiziert – wie auch bei Risikopatienten: alte Menschen, Unterernährung, HIV-Infektion (mit oder ohne Aids), Arbeiter in Nahrungsmittelbetrieben,Heimbewohnern,Patienten mit Bakteriämie. Mittel der Wahl sind Chinolone (Ciprofloxacin 2¥500 mg p.o, Norfloxacin 2¥400 mg p.o., Levofloxacin 1¥500 mg p.o.) für 3–5 Tage. Die frühere Standardtherapie mit Cotrimoxazol 2¥160/800 mg /Tag p.o. ist auch heute noch wirksam und sollte Therapie der Wahl bei Kindern sein. Bei frühzeitigem Einsatz reicht evtl. auch eine einzige Gabe. Prophylaxe. Beachtung allgemeiner Hygienevorschriften! Ein Totimpfstoff ist verfügbar,aber nicht im Einsatz. Gesetzliche Bestimmungen. Gruppenerkankungen/Verdacht auf Gruppenerkrankungen einer akuten infektiösen Gastroenteritis oder mikrobiellen Lebensmittelvergiftung sind meldepflichtig. Meldepflicht besteht für direkten und/oder indirekten Erregernachweis bei Hinweis auf akute Infektion (alle Shigella species). Es besteht Tätigkeits-/Aufenthalts-
139 14.4 · Bakterielle intestinale Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
beschränkung für Krankheitsverdächtige, Erkrankte und Dauerausscheider sowie Personen in deren Wohngemeinschaft für Gemeinschafteinrichtungen; Beschäftigungsverbot für Krankheitsverdächtige, Erkrankte und Erregerausscheider im Lebensmittelgewerbe. 14.4.7
Tuberkulöse Enterokolitis
Erreger. Klassischer menschlicher TBC-Erreger ist Mycobacterium tuberculosis, ein säurefestes, stäbchenförmiges, weder Sporen, noch Schleimkapseln bildendes Bakterium.Ein weiterer klassischer Erreger ist Mycobacterium bovis,der auch relativ leicht auf den Menschen übertragbar ist. Insbesondere im Rahmen opportunistischer Infektionen finden sich zunehmend sog. atypische Mycobacterien wie M. avium, M. kansasii u. a. Epidemiologie. Die Tuberkulose (Tbc) hat an Häufigkeit seit Einführung der Tuberkulostatika und dank verbesserter Prophylaxe deutlich abgenommen.Allerdings finden sich in neueren Studien insbesondere in Zusammenhang mit HIV-Infektionen steigende TbcInzidenzen (Kap. 15). Zunehmend problematisch erweist sich das Auftreten multipler Resistenzen vorherrschender Keim ist M. tuberculosis (früher M. bovis).Die extrapulmonale Tbc zeigt ein weites Spektrum von klinischen Manifestationen (Lymphknoten, Urogenitalsystem, Knochen, Gastrointestinaltrakt). Wichtig In etwa 10% der extrapulmonalen Manifestationen findet sich ein gastrointestinaler Befall.
Übertragungsweg & Pathogenese. Mögliche Mechanismen sind: 1. Ingestion infizierten Sputums, 2. hämatogene Aussaat bei aktiver Lungen-Tbc oder Miliartuberkulose, 3. Ingestion von kontaminierter Milch oder Lebensmittel (extreme Seltenheit), 4. Kontaktinfektion von anderen infizierten Organen. Am wahrscheinlichsten handelt es sich auch hier um eine hämatogene Aussaat einer reaktivierte Lymphknoten-Tbc pulmonaler Lymphknoten. Pathologie. Grundsätzlich kann jeder Abschnitt des Dünn- und Dickdarms befallen sein. Unabhängig ob
14
primärer oder sekundärer Genese, treten 90% der TBC im Ileozäkalbereich auf.Es folgen Zäkum und Colon ascendens. Manifestationen im Colon descendens, Sigma, Rektum und Analkanal sind selten. Die gehäufte Lokalisation im Bereich der Ileozäkalklappe wird mit dem kräftig entwickelten lymphatischen Gewebe und der lokalen Stase durch die Ileozäkalklappe begründet.Die Manifestation erfolgt meist segmental. Es finden sich ulzeröse (60%),hypertrophe (10%) und ulzerös-hypertrophe (30%) Formen.Das histologische Bild ist gekennzeichnet durch epitheloidzellige Granulome, die im Zentrum im Zentrum allerdings nicht immer die typischen käsigen Nekrosen aufweisen. Die Granulome sind stets in allen Wandschichten, d. h. auch subserös und peritoneal, zu finden (DD: M. Crohn). Klinik. Die klinische Symptome sind variabel. In
80–90% finden sich uncharakteristische Abdominalschmerzen, in 30% findet sich eine deutlicher Gewichtsverlust. Fieber (25%), Erbrechen (25%) und unterschiedlich ausgeprägte z. T. blutige Diarrhöen (25%) sind keinesfalls obligate Symptome.Bei 25–50% der Patienten besteht ein palpable Resistenz im rechten Unterbauch. Ulzeröse Formen gehen häufiger mit blutigen Diarrhöen, hypertrophe Formen meist mit Stenosen einher. Diagnotisk. Bei der endoskopischen Untersuchung finden sich bei ileozäkalem Befall makroskopisch ggf.völlig identische Befunde wie beim M.Crohn.Die radiologische Diagnostik bietet bei der ileozäkalen Tbc charakteristische, jedoch keinesfalls beweisende Befunde. Es findet sich ein abnorm verkürztes, stenosiertes Ileum mit stark deformiertem Zäkum. Einzige sichere Nachweismethoden einer Darmtuberkulose stellen der kulturelle Erregernachweis (Biopsie, Sekret) bzw. der histologische Nachweis von Verkäsung dar aus Biopsien im Rahmen der Koloskopie. Tiefe koloskopischen Biopsien sollten von den Ulkusrändern und -grund entnommen werden, da die Tbc-Granulome in Gegensatz zu den Granulomen beim M. Crohn (mukös) meist submukös liegen. PCR-Diagnostik aus den Biopsien kann hilfreich sein und das Warten auf das Kulturergebnis erheblich abkürzen. BSG-Erhöhung (50–80%), eine mäßige Anämie sowie eine Leukozytose mit hochgradiger toxischer Granulierung sind unspezifische Laborveränderungen. Differenzialdiagnose. M. Crohn, Colitis ulcerosa,Yer-
siniose und kolorektales Karzinom.
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III
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Therapie. Die Behandlung der Darmtuberkulose ent-
Übertragungsweg. Fäkal-orale Infektion durch kon-
spricht der heute üblichen Chemotherpie der Tuberkulose. Die schnellste Keimelimination wird durch eine Kombination aus 4 möglichst tuberkuloziden Substanzen erreicht: ▬ Rifampicin (z. B. Rimactan) 600 mg/Tag) plus ▬ Isoniazid (z. B. Isozid) 300 mg/Tag) plus ▬ Pyrazinamid (Pyrafat 30 mg/kg/Tag) plus ▬ Ethambutol (Myambutol 20 mg/kgKG/Tag).
taminierte Nahrungsmittel oder kontaminiertes Trink(wasser); die Ausscheidung erfolgt über den Stuhl und auch über den Urin. Die Zahl der aufgenommenen Bakterien (Infektiosität von 108–109 Keimen 85–95%) ist entscheidend für die klinische Manifestation und beeinflusst die Inkubationszeit. Zielzellen von S. typhi sind die Zellen des mononukleär-phagozytären Systems (MPS) derjenigen Organe, in denen sich die Erreger nach hämatogener Ausbreitung ansiedeln. Nachdem S. typhi in den Dünndarm gelangt ist, penetrieren die Erreger in die M-Zellen der Mukosa. In der Lamina propria wird ein Teil von lokalen Makrophagen aufgenommen, ein Teil gelangt über regionäre Lymphknoten und den Ductus thoracicus in die Blutbahn.
Patienten mit disseminierter Tbc und/oder <150 CD4Zellen/µl ( s. Kap. 15) erhalten täglich oder 2-täglich 1 g Streptomycin bis zu einer Gesamtdosis von 30 g.Pyrazinamid wird nur während der ersten 2 Monate,Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol während der ersten 6 Monate gegeben. Pyridoxin (z. B. Hexobion 3¥100 mg/Tag) dient zur Vorbeugung von peripheren Neuropathien durch Isoniazid. Allopurinol (z. B. Zyloric 300 mg/Tag) empfiehlt sich während der Pyrazinamidgabe bei Erhöhung der Harnsäurewerte. Eine Anpassung an eine Niereninsuffzienz ist v. a. für Ethambutol, Pyrazinamid und Streptomycin notwendig. Als häufige Nebenwirkungen treten juckende Hautausschläge oder cholestatischer Ikterus (Rifampicin), Harnsäureerhöhungen (Pyrazinamid), periphere Neuropathien (Isoniazid) und Hörschäden (Streptomycin) auf. Bei Auftreten multiresistenter Stämme (in Deutschland z. Zt. Häufigkeit 1–2%) Einsatz von Amikacin,Azithromycin,Clarithromycin,Rifambutin,Clofacimin, Ciprofloxacin, Ofloxacin. Gesetzliche Bestimmungen. Meldepflicht für Perso-
nen,die an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose leiden, eine Behandlung verweigern oder abbrechen. Meldepflicht: für den direkten Nachweis von M. tuberculosis, das Ergebnis der Resistenzbestimmung sowie vorab auch für den Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum. 14.4.8
Typhus bzw. Paratyphus
Erreger. Salmonella typhi,fakultativ anaerobes,gramnegatives Stäbchen aus der Familie der Enterobacteriaceae. S. paratyphi A, B und C. Epidemiologie. Weltweite Verbreitung. Einziges Erregerreservoir ist der Mensch. In Industrieländern fast nur noch als Importinfektion aus Ländern mit niedrigem Hygienestandard vorkommend. Durchseuchung in Chile und Peru ca. 80%.
Inkubationszeit. Je größer die Erregeringestion, desto kürzer die Inkubationszeit: 1–3 Tage bis zu 8 Wochen. Entwicklung einer Dauerausscheidung bei 2–5%, insbesondere bei älteren Patienten und Frauen sowie einem vorbestehenden Gallenblasenleiden. Klinik. Der Beginn der Krankheit ist meist allmählich,
die initialen Symptome sind unspezifisch: Fieber, Übelkeit, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, gefolgt von einem stadienhaften Ablauf: ▬ Stadium incrementi (1. Krankheitswoche) mit remittierendem Fieber,das initial allmählich abends um 38°C beträgt, und bis zum Ende der 1. Woche treppenförmig auf 40°C ansteigt. Es besteht eine Bakteriämie. Typischerweise besteht eine relative Bradykardie. Die meisten Patienten klagen über Verstopfung, Durchfälle sind selten. ▬ Stadium fastigii (2.–3.Krankheitswoche): ab der 2. Woche fallen bei etwa 50% der Patienten eine Hepatosplenomegalie und Roseolen am Stamm (Durchmesser 2–4 mm) auf. Das Fieber ist jetzt vom Kontinuatyp und die Patienten machen einen schwerkranken »typhösen« Eindruck. Manche Typhusfälle zeigen in diesem Stadium eine auffallende Neigung zur hämorrhagischen Diathese (Typhus hämorrhagicus) mit petechialen Blutungen und Ekchymosen an den serösen Schleimhäuten. Im Gegensatz zur anfänglichen Obstipation kommt es jetzt zu gelblich-dünnen, erbsbreiartigen Durchfällen. Intestinale Blutung und Perforation des Darmes können auftreten, insbesondere im Bereich der Ileozäkalklappe durch Hyperplasie der Peyer-Plaques, kombiniert mit sekundärer Bakteriämie und Peritonitis. Bei 80% der Patienten können die Erreger aus Blut-
141 14.4 · Bakterielle intestinale Infektionen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
kulturen angezüchtet werden [Gaviria-Ruiz 1997]. Bei den allgemeinen Laboruntersuchungen fallen neben einer Leukopenie Erhöhungen der Transaminasen auf. ▬ Stadium decrementi (von der 4. Krankheitswoche an): ohne spezifische antibiotische Therapie ist die Erholung langsam und dauert 3–4 Wochen, wenn keine Komplikationen wie gastrointestinale Perforation, toxische Myokarditis, Pneumonie, Meningitis, Osteomyelitis auftreten. In der Vorantibiotikaära betrug die Letalität 12–16%,meist durch Komplikationen in der 3.–4. Woche. Weitere klassische Befunde beim Typhus abdominalis sind: septischer Schock und Bewusstseinsstörungen (15%). Seltener treten akute Psychosen und eine Myelitis auf.
14
amphenicol 50 mg/kgKG/Tag p.o. oder i.v. wird heute nur noch ausnahmsweise (Kontraindikation für Chinolone, Cotrimoxazol oder Cephalosporine) empfohlen. Unter der Therapie kommt es zur Entfieberung innerhalb von 4–5 Tagen. Während der gesamten Erkrankungsdauer ist eine laufende Desinfektion aller Gegenstände und Flächen durchzuführen, die mit infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sind oder sein können. Typhusbakterien können ebenso wie Erreger von Paratyphus A, B oder C über lange Zeit in der Gallenblase (Gallenflüssigkeit stellt eine günstiges Milieu dar) verbleiben. Wichtig Dies gilt nicht für Erreger der Salmonellenenteritis.
Differenzialdiagnose. Malaria bei unklarem Fieber
nach Fernreisen in Endemiegebiete. Außerdem: Rickettsionen Amöbiasis, Miliatuberkulose, Brucellose. Diagnostik. Nachweis des Erregers im Stuhl, Blut-
und Knochenmarkkulturen. Stuhlkulturen sind zu 30–40% positiv, Blutkulturen zu 40–80% positiv. Serodiagnostik durch Nachweis agglutinierender Antikörper (Widal-Reaktion) gegen Ende der 1. Krankheitswoche. IgA-, IgG-spezifische ELISA sind möglich.Die Diagnose eines Typhus abdominalis lässt sich häufig (bis zu 50%) auch nach bis zu 5-tägiger Antibiotikatherapie noch aus dem Aspirat des Knochenmarks stellen [Gaviria-Ruiz 1997]. Therapie. Rehydratation, Elektrolytsubstitution, bei toxischen Krankheitsbildern Glukokortikoide. In jedem Fall ist eine Antibiotikatherapie erforderlich. Die Behandlung hat sich geändert, da sich sehr rasch Resistenzen gegenüber den früheren Antibiotika der Wahl, Chloramphenicol, Ampicillin und Cotrimoxazol, entwickelten. Typhus-, bzw. Paratyphussalmonellen sind fast zu 100% hoch empfindlich gegen Chinolone (Ciprofloxacin 2¥500 mg oral oder parenteral über 10–14 Tage, Ofloxacin 2¥400 mg oral über 5–10 Tage oder Levofloxacin 1–2 ¥ 500 mg über 7–10 Tage), die Mittel der 1. Wahl sind. Gegen Cotrimoxazol und Ampicillin kommen vermehrt Resistenzen vor, weswegen diese Substanzen nur nach Empfindlichkeitstestung eingesetzt werden sollten. b-Lactam-Antibiotika wie Ceftriaxon 1¥2 g/ Tag i.v.über 7–14 Tage sind ebenfalls klinisch wirksam [Islam 1993]. Die früher übliche Therapie mit Chlor-
Nach überstandenem Typhus scheiden 1–6% der Patienten z. T. lebenslang Typhuserreger mit dem Stuhl aus (Dauerausscheider). Zur Sanierung von Dauerausscheidern wird Ciprofloxacin 2¥500–750 mg p.o. oder Ofloxacin 1–2¥500 mg p.o. für 4 Wochen empfohlen. Alternativ kann Cotrimoxazol (täglich 2¥160/800 mg) für 2–4 Monate eingesetzt werden. Auch bei Dauerausscheidern wird eine laufende Desinfektion empfohlen [Robert-Koch-Institus 1996]. Prophylaxe. Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen
beim Verzehr von Lebensmitteln und Getränken ist die beste und sinnvollste Prophylaxe. §37 des BseuchG schreibt vor, dass an Typhus abdominalis Erkrankte bzw. Erkrankungsverdächtige in einem Krankenhaus abzusondern sind.Ausscheider dürfen in gefährdeten Betrieben solange nicht beschäftigt werden, bis 3 Stuhlproben, im Abstand von 3 Tagen entnommen, ein negatives Ergebnis erbracht haben. Für Fernreisen in Endemiegebiete stehen als wirksamer Impfschutz zur Verfügung: orale Immunisierung mit Typhoral L (je eine Kapsel an den Tagen 1, 3 und 5 oder parenteral mit Typhim Vi 0,5 ml i.m. oder s.c. (Protektionsrate: 50–80%). Letztere Impfung ist auch bei Kindern >2 Jahren möglich. Die orale Impfung mit Typhoral L sollte nicht bei Patienten mit humoralen oder zellulären Immundefekten eingesetzt werden. Gesetzliche Bestimmungen. Verdacht, Krankheit,
und Tod sowie direkter Erregernachweis von Salmonella typhi sind meldepflichtig. Tätigkeits-/Aufenthaltsbeschränkung für Verdächtige, Kranke und
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Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Dauerausscheider sowie Personen in Wohngemeinschaft mit diesen für Gemeinschaftseinrichtungen. Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot für Verdächtige, Kranke und Ausscheider im Lebensmittelverkehr.
III
14.4.9
Yersiniose
Erreger. Yersinia enterocolitica fakultativ aerobe gramnegative Stäbchen, die zusammen mit Yersinia pestis der Familie der Enterobacteriaceae zugeordnet werden.Von Y. enterocolitica haben die Serotypen 0:3 und 0:9, von Y. pseudotuberculosis der Serotyp I die größte humanmedizinische Bedeutung [Cover 1989; Ostroff 1995]. Epidemiologie. Weitverbreitete sporadische Erkrankung in den gemäßigten, weniger in subtropischen Klimazonen. Epidemische Häufungen können vorkommen. Bakteriämien nach Bluttransfusionen sind beschrieben. Übertragungsweg. Y. enterocolitica kommt im Darm bei einer Vielzahl von warmblütigen Wild-,Heim- und Nutztieren vor. Als alimentäre Infektionsquelle für Y. enterocolitica kommen hauptsächlich Schweinefleisch und kontaminiertes Trinkwasser Wasser sowie Wasser aus stehenden Gewässern in Betracht. Mehrfach wurde auch in Europa und den USA eine Y.-enterocolitica-Bakteriämie nach Bluttransfusionen beobachtet. Yersinien vermehren sich im Kühlschrank im eisenreichen Milieu des Bluts. Nach oraler Aufnahme gelangt der Keim durch eine Reihe von Virulenzfaktoren in das intestinale Epithel, setzt sich im lymphatischen Gewebe der Mukosa fest, insbesondere in den Peyer-Plaques und gelangt von dort in die Lymphknoten des Mesenteriums. Die Infektion führt zu den wichtigsten klinischen Manifestationen der akuten Yersiniose: akute Gastroenteritis, Pseudoappendizitis und mesenterialer Lymphadenitis. Inkubationszeit. 3–10 Tage. Klinik. Die Inkubationszeit hängt von der Anzahl der
aufgenommenen Bakterien ab und beträgt zwischen 1–11 Tagen. Am häufigsten manifestiert sich die Yersiniose als zunächst uncharakteristische Enteritis oder Enterokolitis mit dünnbreiigen bis wäßrig-schleimigen,selten blutigen Stühlen (5–10/Tag),Fieber und weniger häufig mit Übelkeit und Erbrechen. Im terminalen Ileum finden sich Schleimhautulzerationen,
Nekrosen in den Peyer-Plaques sowie mesenteriale Lymphknotenvergrößerungen (Y. enterocolitica).Septische Verläufe kommen selten vor. Klinisch manifestiert sich die Enterokolitis durch Fieber, Durchfälle und (rechtsseitige) Bauchkrämpfe (»Pseudoappendizitis«), die 1–3 Wochen anhalten können. Der Altersgipfel der Erkrankung liegt bei 10– 20 Jahren. Bei älteren Kindern schließt sich nicht selten 1–3 Wochen post infectionem eine (rheumaseronegative) akute Polyarthritis, Reiter-Syndrom oder ein Erythema nodosum an. Die Erreger können noch für Wochen nach Sistieren der Symptome im Stuhl ausgeschieden werden. Abgesehen von den septischtyphösen Verlaufsformen mit einer nach wie hohen Letalität, ist die Prognose enteraler Yersiniosen gut. In der Regel heilt die Krankheit spontan aus.Wichtig ist, dass Y.-enterocolitica- Infektionen eine Colitis ulcerosa, die Y.-pseuodotuberculosis-Infektionen eine M. Crohn imitieren können. Diagnostik. Erregernachweis kulturell aus Stuhl, mesenterialen Lymphknoten, Darmbiopsien, Blutkultur oder anderen Punktaten (z.B.Pleura bei Vorliegen von Exsudat). Sie kann auch serologisch im ELISA bestätigt werden oder durch Immunblotting durch Bestimmung von IgG,IgA und IgM-Antikörper.Positive IgMAntikörper sprechen für eine akute Yersiniose. Auch ein 2- bis 4facher Titeranstieg gegen Y. enterocolitica 0:3 und 0:9 im Verlauf der Krankheit. Therapie. Da es sich meist um selbstlimitierende Er-
krankungen handelt, sind Antibiotika nur bei schwerem Verlauf und/oder Abwehrschwäche indiziert. Bei unkomplizierter Yersiniose haben Antibiotika keinen eindeutigen Therapievorteil gezeigt. Die verlängerte Stuhlausscheidung des Keims konnte durch Antibiotika reduziert werden. Der am häufigsten mit Krankheitssymptomen assoziierte Serotyp 0:3 produziert b-Lactamasen und ist somit resistent gegen Penicillin, Ampicillin und die meisten Cephalosporine der 1. Generation. Yersinien sind auch gegen Makrolide resistent. Geeignet sind Chinolone (z. B. Ciprofloxacin 2¥500 mg p.o.), Levofloxacin 1¥500 mg p.o.), Tetracycline (z. B. Doxycyclin 2¥100 mg), oder Cotrimoxazol forte (2¥160/800 mg) über 7 Tage.Als i.v.-Therapie bei sehr schweren Verläufen kommen Ceftriaxon kombiniert mit Gentamycin in Frage. Prophylaxe. Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen
beim Verzehr von Schweinefleisch ist die beste und sinnvollste Prophylaxe.
143 14.5 · Virusbedingte Enteritiden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Gesetzliche Bestimmungen. Meldepflicht bei Ver-
dacht auf mikrobielle Lebensmittelvergiftung/akut infektiöse Gastroenteritis sowie für direkten und/oder indirekten Nachweis darmpathogener Y. enterocolitica bei Hinweis auf akute Infektion. 14.5
Virusbedingte Enteritiden
14.5.1
Rotavirus- und NorwalkVirusinfektion
Erreger. Erst seit Anfang der 1970er Jahre ist bekannt, dass verschiedene Viren (1972: Norwalk-Virus, 1973: Rotaviren) für das Auftreten von oft schweren Diarrhöen bzw. akuten Enteritiden verantwortlich sind. Epidemiologie. Norwalk-Virusinfektionen haben weltweite Verbreitung und sind in den USA verantwortlich für 40% der nichtbakteriellen Gastroenteritiden mit einem Wintergipfel Genaue Angaben zur Inzidenz aus Deutschland fehlen, da der Erreger entweder nur elektronenopisch oder mittels PCR nachgewiesen werden kann. Weltweit sind Rotaviren (vorwiegend Virustyp A, Typ B in China) für 50% der Fälle aller krankenhausbedürftigen kindlichen Diarrhöen als Erreger verantwortlich.Der Altersgipfel liegt bei 6 Monaten bis zu 2 Jahren. In dieser Altersgruppe weltweit 800.000 Todesfälle/Jahr,insbesondere in den Entwicklungsländern. Übertragungsweg. Für Rotaviren: fäkal-oral,Schmier-
infektion, aber auch Inhalation von virushaltigem Staub. Für das Norwalk-Virus: fäkal-orale Übertragung; hoch-infektiöses Agens, Kontagionsindex 0,5–0,9. Möglicherweise auch Tröpfcheninfektion. Inkubationszeit. Rotavirus 1–4 Tage; dabei schon In-
fektiosität; Virusausscheidung 1–2 Wochen oder länger. Norwalk-Virus 10–48 h. Klinik. Rotavirus: Wäßrige Durchfälle ohne Leukozyten und Blut mit Erbrechen, meist kein Fieber; Dauer 3–9 Tage, als Komplikationen Dehydratation und Elektrolytverluste. Norwalk-Virus: akut einsetzender Brechdurchfall als Leitsymptom, Fieber in ca. 30% der Fälle. Der Verlauf ist meist leicht bis mittelschwer und dauert 12–72 h an. Die klinische Symptomatik bei Kindern reicht vom asymptomatischen Verlauf bis zur schweren Dehydratation und Tod. Die Symptome sind bei Erwachsenen meist weniger schwer, eine Hypovolä-
14
mie infolge der Durchfälle kann jedoch auftreten. Schwere und langwierige Verläufe treten bei Patienten mit Aids auf. Als Komplikationen können auftreten: Nekrotisierende Enterokolitis, Intususzeption, ZNS-Komplikationen (epileptiforme Krämpfe, Enzephalopathie). Nach Abklingen der Infektion bleibt oft eine Laktoseintoleranz. Diagnostik. Die Diagnose erfolgt elektronenoptisch
durch Isolation in Kulturen. Beim Norwalk-Virus: Antigennachweis im Stuhl mittels Latex-Partikel-Agglutination.Am häufigsten wird ein ELISA eingesetzt. Auch die PCR-Diagnostik auf Norwalk-Viren (RTPCR) und Rotaviren im Stuhl ist möglich, wobei es gelingt, die Genotypen auf der Basis der VP4- oder VP7Sequenzen zu identifizieren. Der Antigennachweis ist beim Norwalk-Virus mittels ELISA möglich. Therapie. Die Therapie beschränkt sich auf sympto-
matische Maßnahmen wie orale Rehydratation mittels glukose- und elektrolythaltiger Getränke (WHO-Lösung). 14.5.2
Zytomegalievirusinfektion
Erreger. Cytomegalievirus (CMC), ein DNA-Virus der Familie der Herpesviren. Epidemiologie. Weltweite Verbreitung; in tropischen Ländern Durchseuchung im Kindesalter fast 100%; in den Industrieländern Infektionsrate 1–20% pro Lebensjahr, abhängig von Sozialstatus: Durchseuchung im gebärfähigen Alter ca. 40–70%. Übertragungsweg. Erwerb des lebenslang persistierenden Virus durch Schmierinfektion oder durch direkten Schleimhautkontakt (»Kissing-Krankheit«), sexuell, pränatal oder auch iatrogen durch Bluttransfusion oder Organtransplantation. Inkubationszeit. Variabel; nach Transfusion 2–6 Wo-
chen. Klink. Die meisten erworbenen Infektionen verlaufen
inapparent; klinische Manifestationen variieren stark in Abhängigkeit vom Lebensalter und dem Immunstatus. Bei Reaktivierung nach Transplantation treten Pneumonie, Hepatitis und Meningitis auf, bei Reaktivierung bei Aids kommt es häufig zu Kolitis und Öso-
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III
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
phagitis ( s. Kap. 15). Im Vordergrund der Symptome bei der CMV-Kolitis stehen Diarrhö (87%), Fieber (80%), Bauchschmerzen (60%). Die Stühle sind meist blutig bis hin zur massiven Gastrointestinalblutung. Bei der CMV-Hepatitis bestehen Erhöhungen der Transaminasen, selten ein Ikterus. Histologisch finden sich in der Leber multiple nicht-verkäsende epitheloidzellige Granulome, entzündliche periportale Infiltrationen und fokale Nekrosen.In der Mukosa des Dickdarms finden sich die diagnostisch beweisenden »Eulenaugenzellen«. Diagnostik. Virusnachweis durch direkte IFT mit
monoklonalen Antikörpern gegen Virus-Frühantigene (pp65) oder Nachweis der Virusreplikation durch Detektion von mRNA mittels NAT/NASBA; zum Therapiemonitoring quantitativer DNA-Nachweis mittels PCR (Viruslastbestimmung).
Inkubationszeit. Variabel, nach Infektionsdosis, we-
nige Tage bis zu 4 Wochen. Klinik. Es sind 90% der Infizierten asymptomatisch. Nur bei 10% der Infizierten kommt es zur Gewebeinvasion und damit zum typischen Krankheitsbild mit enteritischen Beschwerden ohne Fieber mit zunehmend blutigen Stühlen und (himbeergeleeartigen) Schleimauflagerungen,dann schleimig-eitrigen Stühlen und Tenesmen (Amöbenkolitis). Wichtige lokale Komplikationen sind: Peritonitis, Darmperforation. Die wichtigste extraintestinale Komplikation ist der Leberabszess. Dabei ist nur noch bei ca. 40% der Patienten ein intestinaler Amöbennachweis möglich. Eine lokalisierte Infektion im Kolon kann zum Amöbom führen,das endoskopisch mit einem Kolonkarzinom verwechselt werden kann. Wichtig
Therapie. Bei schweren Verläufen und immunsup-
primierten Patienten Therapie mit Ganciclovir 10 mg/kgKG/Tag in 2 Dosen i.v. über je 1 h; alternativ: Foscarnet 180 mg/Tag in 2–3 Dosen i.v. über 1 h, ggf. Kombination von Ganciclovir + Foscarnet bei Progression.Oder orales Ganciclovir:Valgenciclovir (Valcyte) 2¥900 mg/Tag oral über 21 Tage,Fortsetzung mit 1¥900 mg/Tag. Prophylaxe. Vor Transplantation CMV-Immunglobu-
lin i.v. Lebendimpfstoffe sind in Erprobung. 14.6
Protozoenkrankheiten
14.6.1
Amöbiasis
Epidemiologie. Weltweite Verbreitung von Entamoeba histolytica mit Schwerpunkt in den Subtropen und Tropen. Infiziert sind etwa 500 Mio Menschen weltweit, mit ca. 40.000 Todesfällen jährlich. Prävalenz in einigen tropischen Ländern >30%; stetiger Anstieg der Durchseuchung im Kindesalter; Plateau der Prävalenz in der Adoleszenz [Li 1999; Variyam 1998]. Übertragungsweg. Fäkal-orale Übertragung: Inges-
tion von Amöbenzysten über kontaminierte Lebensmittel (Rohgemüse), Trink- und Oberflächenwasser bei jahrelanger Infektiosität der Träger. Die Zysten sind für die Infektiosität verantwortlich, während die Trophozoitenform für die Invasivität verantwortlich sind.
Der chronische Verlauf – oft über Wochen oder Monate mit Gewichtsverlust – kann einer Colitis ulcerosa ähneln.
Differenzialdiagnose. Shigellose, Campylobacterinfektion, enteroinvasive E.-coli-Infektionen, Salmonellosen; Colitis ulcerosa, M. Crohn, Colon irritabile, Kolonkarzinom, Appendizitis; bei extraintestinaler Amöbiasis: Leberechinokokkus,hepatozelluläres Karzinom, unspezifischer Leberabszess. Diagnostik. Erregernachweis miokroskopisch im kör-
perwarmen Stuhl; Nachweis von Erythrozyten innerhalb der Amöbenzelle (Nativpräparat). Nachweis von Zysten und Trophozoiten ist verdächtig.Die Serodiagnostik ist v. a. bei chronischen Infektionen und extraintestinaler Manifestation wichtig: Antikörpernachweis durch IFT, ELISA oder KBR. Therapie. Nicht nur der Gewebsparasitismus durch Magnaformen von E. histolytica, sondern auch die asyptomatische intestinale Amöbiasis (Kommensalismus der Minutaform des Erregers) bedarf der Behandlung, da diese z. B. durch lokale (bakterielle Darminfektion) oder allgemeine (nutritiv bedingte) Resistenzminderung zum gravierenden intestinalen/extraintestinalen Krankheitsbild konvertieren kann. Ziel der Therapie ist die Elimination der Trophozoiten und die Eradikation der luminalen Zysten. Mittel der Wahl bei der Amöbenkolitis ist Metronidazol [Anonymus 1998], das auch auf die Zystenfor-
145 14.6 · Protozoenkrankheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
men wirkt, Diloxanid Furoat kommt als zusätzliche Gabe zur Elimination von Zysten in Frage. Metronidazol wirkt über Interaktion mit DNS, Veränderungen der Helixstruktur der DNS, was zu Hemmung der Proteinsynthese und Zelltod von Bakterien und Parasiten führt. Übliche Dosierung ist 3¥750 mg/Tag über 10 Tage, ggf. länger; Kinder 35–50 mg/kgKG verteilt auf 3 Dosen über 10 Tage. Bei fehlendem Ansprechen werden Chloroquin (Resochin) 600 mg/Tag für 2 Tage, dann 300 mg/Tag über 2–3 Wochen oder Dihydroemetin eingesetzt oder Tinidazol (z. B. Simplotan 1¥2 g über 2–3 Tage). Eine Kombination von Metronidazol mit Paramomycin (z. B. Humatin 30 mg/kgKG verteilt auf 3 Dosen über 5–10 Tage) oder Tetracyclinhydrochlorid (z. B. Hostacyclin 4¥250 mg/Tag) erscheint bei schwerer Amöbenkolitis zweckmäßig. In der Regel wird der Amöbenabszess der Leber nicht punktiert oder drainiert.
14
Letalität 5% (durch akutes Herzversagen oder Menigoenzephalitis). Jahre-/jahrzehntelange Intermediärphase ohne klinische Symptomatik bei 10–30% der Infizierten. Chronisches Stadium mit Pankarditis und Megaösophagus (wie bei Achalasie) oder Megakolon als Folge einer fortschreitenden parasympathischen Denervierung mit gastrointestinale, endokrinen und renalen Folgen; Tod durch Lungenödem, Herzversagen und toxisches Megakolon. Differenzialdiagnose. Kongenitale Infektion: Zyto-
megalie, Syphilis, Toxoplasmose, später: Malaria, Typhus, Paratyphus. Diagnostik. Errregernachweis mikroskopisch durch »dicken Tropfen« während der Trypanosomämie bzw. mit Hilfe von Färbungen (Giemsa, Pappenheim); Tierversuch (Mäuse). Als serologischer Test steht ein ELISA zur Verfügung sowie die PCRDiagnostik.
Prophylaxe. Keine spezifische Prophylaxe möglich. Therapie. Die Behandlung in der Akutphase ist ausGesetzliche Bestimmungen. Meldepflicht bei gehäuf-
tem Auftreten. 14.6.2
Chagas-Krankheit (amerikanische Trypanosomiasis)
Epidemiologie. Hoher Verbreitungsgrad von Trypanosoma cruzei (begeißeltes Protozoon) in Zentral- und Südamerika, dabei Schwerpunkte in den La-PlataLändern (6 Mio Infizierte in Brasilien) sowie im Bereich der entralamerikanischen Landbrücke. Übertragungsweg. Erregerreservoir bei etwa 100 Säugetierspezies, für den Menschen fast ausschließlich Raubwanzen,Übertragung durch kontaminierten Kot der Wanzen, der auf der Haut abgesetzt wird, über die Konjunktiven (Schmierinfektion); seltener diaplazentar und über Bluttransfusion (Risiko der Übertragung bei Transfusion von Blut eines infizierten Spenders ist 10%);Verbreitung von T. cruzi via Blutstrom,Vermehrung in Muskel-, RES- und Gliazellen [DeOlivera 1998]. Inkubationszeit. 10–30 Tage, bei seropositiven Personen lebenslange Infektiosität.
sichtsreich! Sie besteht in Nitrofuran-Derivat Nifurtimox (Lampit, Bayer 2502) 8–10 mg/kgKG/Tag in 4 Dosen für 4 Monate; alternativ: ein 2-Benzimidzol-Derivat, Benznidazol (Rochagan, Radinil) 5–7 mg/kgKG/ Tag für 3–6 Monate.Das therapeutische Ansprechen in der Akutphase liegt bei 50% [Anonymus 1998; Ciolli 1998; Urbina 1999]. Prophylaxe. Raubwanzenvernichtung; ggf. Sanierung
des Darmtrakts als des entscheidenden körpereigenen Erregereservoirs. 14.6.3
Cyclosporiasis
Epidemiologie. Weltweite Verbreitung von Cyclospora cayatenensis, ein Sporozoon von 8–10 µm Durchmesser, in durchfälligen Stühlen immunkompetenter und -inkompetenter Personen. Übertragungsweg. Fäkal-oral. Inkubationszeit. 2–7 Tage. Klinik. Wäßrige Durchfälle, 3- bis 4¥/Tag, über Wochen bis Monate anhaltend, auch ohne Therapie sistierend. Anorexie, grippeähnliche Symptome.
Klinik. Akutphase mit Schwellung an der Eintritts-
pforte (Chagom, Romana-Zeichen an den Augenlidern), akuter RES-Befall mit Lymphadenopathie,
Differenzialdiagnose. Durchfälle anderer Genese
(Bakterien,Viren).
146
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Diagnostik. Mikroskopischer Nachweis von Oocyten
nach Anreicherung aus dem Stuhl. Autofluoreszenzmikroskopie.Verwechslung mit Kryptosporidien (nur 5 µm) möglich.
III
Therapie. Cotrimoxazol 2¥160/800 mg/Tag für 7 Tage, bei Kindern 25 mg/kgKG Cotrimoxazol für 3 Tage; bei Sulfoamidunverträglichkeit Ciprofloxacin 2¥500 mg/ Tag für 7 Tage [Anonymus 1995; Hoge 1995; Verdier 2000].
14.6.4
Isosporodiose
Epidemiologie. Weltweit verbreitete Infektion mit Isospora belli, ein zu den Kokzidien gehörendem Protozoon, häufiger in tropischen Regionen und überall dort, wo Menschen auf engem Raum unter schlechten hygienischen Bedingungen zusammenleben. Übertragungsweg. Aufnahme von Oozysten aus den Fäzes bzw. nach fäkaler Kontamination der Umwelt, des Trinkwassers, durch Infizierte. Inkubationszeit. 2–13 Tage.
Diarrhö ca. 16%; s. Kap. 15), in Entwicklungsländern Asiens und Afrikas bis 10%. 1993 Epidemie in Milwaukee mit 400.000 Infizierten, davon bei 4.000 Krankenhausbehandlung durch kontaminiertes Trinkwasser [Clark 1999]. Übertragungsweg. Zoonose mit fäkal-oraler Übertragung. Aufnahme von sehr kleinen Oozysten (2–5 µm Durchmesser) nach fäkaler Kontamination von Umwelt bzw.Trinkwasser.Bei Aids-Patienten auch direkte Übertragung möglich. Inkubationszeit. 1–7 Tage, Zeit bis zur Ausscheidung von Oozysten 5–7(–28) Tage; Oozystenausscheidung bis zu 2 Monaten. Klinik. Bei Immunkompetenten selbstausheilende Gastroenteritis, mit Diarrhö von 3–10 Tagen, selten abdominelle Koliken. Selten Fieber bis 39°C, bei Immundefizienz chronische Diarrhö mit Lymphadenopathie; Letalität bis 80% durch Dehydratation und Befall anderer Organe (Gallenblase, Pankreas, Lunge). Differnezialdiagnose. Lambliasis, Durchfälle bakterieller oder viraler Genese.
Klinik. Gastrointestinale Symptome unterschiedlichen
Schweregrads, Diarrhö, Gewichtsverlust bei chronischem Verlauf. Differenzialdiagnose. Lambliasis, bakterielle Darminfektionen, virale Gastroenteritiden. Diagnostik. Identifikation von Oozysten im Stuhl
nach Konzentration (Zinksulfatflotation). Therapie. Cotrimoaxazol 2¥160/800 mg/Tag u. U.
3 Wochen lang [Pape 1989; Verdier 2000]. Alternativ Pyrimethamin (Daraprim) 75 mg/Tag über 3–4 Wochen, dann 25 mg/Tag. Bei Sulfonamidallergie ist ein Therapieversuch mit Ciprofloxacin (2¥500 mg/Tag) anzuraten [Anonymus 1989; Verdier 2000].
Diagnostik. Mikroskopischer Nachweis von Oozysten im Stuhl, modifizierte Ziehl-Neelsen-Färbung Auraminfärbung oder im Bioptat des Dünndarms. Antigennachweis mittels direkter Immunfluoreszenz oder ELISA. Therapie. Rehydratation durch Wasser- und Elektrolytsubstitution. Keine gesicherte Wirkung von Antibiotika [Griffith 1998]. Besonderheiten bei Aids-Patienten s. Kap. 15.
14.6.6
Lambliasis (Giardia-lamblia-Befall)
Epidemiologie. Weltweite Verbreitung des begeißelten
14.6.5
Kryptosporodiose
Epidemiologie. Weltweite Verbreitung von Cryptosporidium, einem Protozoon vom Stamm der Apicomplex,vom Stamm der Sporozzoa,der Ordnung der Eucoccidia Unterordnung der Eimeriidia [Goodgame 1996]. Prävalenz in industrialisierten Ländern 1–3% (bei HIV-Patienten 2–5%, bei Aids-Patienten mit
Protozoon (9–21 µm lang, 5–15 µm breit, 2–4 µm dick); häufiger in den Tropen und Subtropen, aber auch in Osteuropa; in Endemiegebieten Durchseuchung bereits im Kindesalter [Farthing 1996; Ortega 1997]. Übertragungsweg. Ingestion von Zysten nach fäkaler
Kontamination der Umwelt (Salate, Gemüse) durch Erkrankte oder gesunde Zystenausscheider, unzureichende Wasseraufbereitung; Übertragung von
147 14.7 · Helminthosen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Mensch zu Mensch bei Kleinkindern und Homosexuellen möglich.
14.6.7
14
Mikrosporodiose
Epidemiologie. Weltweite Verbreitung von EnteroInkubationszeit. 3–42 Tage, im Mittel 2 Wochen. Klinik. Akuter Verlauf mit plötzlich eintretender wäßriger Diarrhö, schaumigen, übelriechenden Stühlen, Flatulenz,Anorexie, Lethargie, Gewichtsverlust; spontane Besserung nach 2–3 Wochen; chronische Verläufe mit unterschiedlichem Schweregrad.Malabsorption [Bai 1998] und Laktoseintoleranz bei akutem und chronischem Verlauf. Differenzialdiagnose. Campylobacter-, Rotavirusin-
fektionen, Kryptosporodiose, Sprue bei chronischen Verläufen, Strongyloidiasis. Diagnostik. Das Protozoon wird im Duodenalaspirat, im Stuhl (Zysten) oder – sicherer – in einer Duodenalbiopsie mikroskopisch nachgewiesen. Serumantikörper sind bei 80% der symptomatischen Patienten mit dem ELISA nachweisbar. Häufig ist eine Koinzidenz anderen Krankheiten des Gastrointestinaltrakts (Achlorhydrie, exokrine Pankreasinsuffizienz, Agammaglobulinämie und Aids). Therapie. Das Medikament der ersten Wahl ist Metronidazol [Anonymus 1998; Speelmam 1985].Quinacrin, das erste erfolgreich eingesetzte Medikament,ist nicht mehr verfügbar. Übliche Dosierung: 3¥250 mg/Tag oral über 5–7 Tage. Kinder: 3¥5 mg/kgKG/Tag. Die therapeutische Wirksamkeit: gesichert (80–95%). Die einfachere Handhabung spricht auch für den Einsatz anderer Imidazolderivate als wirksame Alternative: Ornidazol, empfohlene Einzeldosis: 1,5–2 g oder Tinidazol (Simplotan) 2 g (für Erwachsene) 30 mg/kgKG (für Kinder) als Einmaldosis [Speelmam 1985].
cytozoon bieneusi, einem intrazellulär sporenbildenden Protozoon; bei 10% aller Aids-Patienten, bei 27% von Aids-Patienten mit Diarrhö nachzuweisen ([Goodgame 1996]; s. Kap. 15). Übertragungsweg. Vermutlich durch orale Sporen-
aufnahme. Inkubationszeit. 1 Woche. Klinik. Bei Aids-Patienten intermittierende Durchfälle über 5 Monate, extreme Gewichtsverluste, Oberbauchschmerzen, Fieber. Cholangitis und acalculöse Cholecystitis können auftreten. Differenzialdiagnose. Kryptosporodiose, Lambliasis. Diagnostik. Mikroskopischer Sporennachweis, direk-
ter Nachweis mittels PCR. Der »golden standard« ist die Transmission-Elektronenmikroskopie (TEM). Therapie. Versuch mit Albendazol 2¥400 mg/Tag für 2–4 Wochen; evtl. Cotrimoxazol oder Metronidazol 1–2,5 g/Tag [Anonymus 1998].
14.7
Helminthosen
14.7.1
Anisakiasis (Anisakidose)
Epidemiologie. Die Infektion durch Larven von den zur Familie der Anisakidae gehörenden Nematoden tritt dort auf, wo roher oder unzureichend gekochter Fisch verzehrt wird. Höchste Inzidenz: Japan, danach Holland, Skandinavien und Länder der Pazifikküste Südamerikas [Pearson 1999].
Wichtig Während der Schwangerschaft sollte eine Behandlung der Lambliasis nach Möglichkeit bis nach der Entbindung zurückgestellt werden und das Stillen unter Therapie unterbleiben. In schweren Fällen ist in der Schwangerschaft die Therapie mit Paramomycin (Humatin) möglich: 25–35 mg/ kgKG/Tag verteilt auf 3 Dosen über 7 Tage.
Übertragungsweg. Meeressäugetiere (Wale) und Menschen infizieren sich durch den Genuss von Fischen, in deren Muskelfleisch sich die Larven befinden. Inkubationszeit. 12–24 h. Klinik. Durch die von den aufgenommenen Larven erzeugten Ulzerationen im Magen-Darm-Trakts kommt es zu Übelkeit, Erbrechen und epigastrische Schmerzen, gelegentlich zur Hämatemesis.
148
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Differenzialdiagnose. Andere Formen unspezifischer,
bakterieller Lebensmittelvergiftungen. Diagnostik. Endoskopisch (Gastroskopie und Kolo-/ Ileoskopie). Entdeckung von Läsionen und Larven.
III
Therapie. Bei akuten Infektionen Entfernung der Larven endoskopisch; ggf.Avermectine (Ivomec; Präparat in Deutschland nicht zugelassen). Prophylaxe. Kein Verzehr von rohem Fisch in Endemiegebieten.
14.7.2
Askariasis
Epidemiologie. Weltweite Verbreitung mit 1,3 Mio Wurmträgern und 12.000 Todesfällen; die Würmer – Ascaris lumbricoides, ein Nematode von 20–25 mm (Weibchen) bzw.12–31 mm Länge (Männchen),Larven ca. 2 mm lang [Kuhuroo 1996;Pearson 1999] – treten häufig in feuchten oder feuchtwarmen Klimazonen auf,Kinder haben höhere Wurmzahlen und damit höhere Erkrankungshäufigkeit. Übertragungsweg. Aufnahme von infektiösen Wurmeiern durch kontaminierte Nahrungsmittel; nach der Eiaufnahme schlüpfen im menschlichen Dünndarm Larven aus und gelangen nach Penetration der Darmwand in den Portalkreislauf,von dort über Herz,A.pulmonalis in die Lunge. In den Lungenalveolen vollzieht sich eine weitere Reifung der Larven, die dann die Bronchien »hinaufklettern« und durch Verschlucken erneut in den GI-Trakt gelangen; im Dünndarm erfolgt die letzte Verwandlung zum sexuell reifen Wurm; Weibchen legen hier täglich 200–300.000 Eier; nach ca. 1 Jahr erfolgt die spontane Ausstoßung des Wurms. Inkubationszeit. Die Zeit von der Eiaufnahme bis zur Eiablage durch einen reifen Wurm beträgt beim Lebenszyklus im Menschen 60–70 Tage. Klinik. Neben allgemeinen Krankheitserscheinungen
(Urtikaria, Darmkoliken, Erbrechen, Diarrhö) durch den Wurmbefall führen Askariden zu folgenden klinischen Bildern: a) Brochopneumonie und Bronchospasmen mit charakteristischer Eosinophilie (Löffler-Syndrom) als Ausdruck des Lungenbefalls durch die Larven. b) Cholangitis und multiple Leberabszesse nach ektopischer Wanderung reifer Würmer
c) Verlegung des intestinalen Lumens durch einen Bolus reifer Würmer. Differnezialdiagnose. Andere Formen der Pneumonie; Ileus,Cholangitis und Gallenwegskrankheiten anderer Genese. Diagnostik. Nachweis von Wurmeiern im Stuhl, gele-
gentlich Auffinden reifer Würmer im Stuhl oder von Larven im Sputum; Serodiagnostik mit ELISA möglich, Spezifität jedoch noch unbefriedigend. Therapie. Bewährte Mittel zur Behandlung von Krankheiten durch Nematoden sind Mebendazol und Pyrantel. Mebendazol (Vermox, Surfont) hemmt die mitochondriale Phophorylierung und Glukoseaufnahme in Askariden, Schädigung intestinaler Zellen des Parasiten. Übliche Dosierung: 2¥100 mg/Tag an 3 aufeinanderfolgenden Tagen. Die therapeutische Wirksamkeit ist sehr gut (84–100%). Die Verträglichkeit ist gut; gelegentlich treten Bauchschmerzen, Durchfälle und Erbrechen auf. Kontraindikationen: Schwangerschaft während der ersten 6 Monate.Für die Behandlung von Kindern <2 Jahren liegen noch nicht genügend klinische Daten vor. Pyrantel (Helmex) ist ausgezeichnet wirksam gegen Askariden,Ancylostoma duodenale,Necator americanus, Oxyuren und Trichiuren. Es hemmt die Cholinesterase an der motorischen Endplatte des Parasiten mit Lähmung durch Depolarisationsblock. Übliche Dosierung: Einmalige Gabe von 3 Tabl. Helmex (10 mg/kgKG für Erwachsene); Kinder <12 Jahren: einmalig 2 Tabl.,<6 Jahren: 5 ml Helmex–Suspension, Kleinkinder (6–24 Monate) 2,5 ml der Suspension. Die therapeutische Wirksamkeit ist sehr gut (90–100%). Pyrantel pamoat ist allgemein gut verträglich; selten treten Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Benommenheit auf.Kontraindikationen: Schwangerschaft und Säuglingen. Prophylaxe. Im privaten Bereich Infektionsverhütung durch Vermeiden des Verzehrs von grünem Gemüse und Salaten, bei denen der Verdacht besteht, dass menschliche Fäzes zur Düngung verwendet werden.
14.7.3
Bandwurmbefall (Taeniosen)
Epidemiologie. Weltweit verbreitete Infestation mit Zestoden der Arten Taenia saginata (Rinderbandwurm),seltener Taenia solium (Schweinebandwurm).
149 14.7 · Helminthosen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Hochendemisch in Regionen, in denen unzureichend gekochtes/rohes Rindfleisch verzehrt wird. Höchste Prävalenz: Ostafrika, 10% der Bevölkerung [Pearson 1999]. Übertragungsweg. Ingestion von Finnen des Rinder(92%), Schweine-, Fischbandwurms in rohem Fleisch (Fisch) führt zum relativ unkomplizierten Zestodenbefall. Zur Zystizerkose (Organbefall von Auge, Herz, Gehirn mit Finnen des Schweinebandwurms) kann es durch Aufnahme von Eiern (Taenia solium) unter unhygienischen Bedingungen bei Beherbergung gravider Proglottiden des Schweinebandwurms kommen. Inkubationszeit. 8 Wochen bei Befall mit adulten Wür-
mern. Klinik. Oft keine klinische Manifestation; sonst unspezifische gastrointestinale Symptome,Gewichtsverlust, Pruritus ani.
14.7.4
14
Bilharziose (Schistosomiasis)
Epidemiologie. Die Infektion mit den 4 Trematoden-
arten (S. mansoni, S. japonicum, S. intercalatum, S. haematobium) tritt in endemischen Gebieten der Tropen und Subtropen auf,weltweit sind etwa 200 Mio Menschen befallen. S. mansoni und S. haematobium: Afrika, Südwestasien, S. japonicum: Ostasien (China, Japan, Taiwan, Philippinen), S. intercalatum: West-/ Zentralafrika [Li 1999; Pearson 1999]. Übertragung. Die Infektion des Menschen erfolgt bei
Kontakt mit Süßwasser, das infektiöse Larven (Zerkarien) enthält, die vom Intermediärwirt Schnecke ausgeschieden werden; die Zerkarien durchdringen die Haut, die unreifen Schistosomen wandern über die Lunge und Leber in die Venen des Darms oder der Harnblase.
Diagnostik. Mikroskopischer Nachweis von Band-
Inkubationszeit. Frühsymptome (»swimmers itch«) nach 5–12 h bis zu 2 Tagen; klinische Manifestation der akuten Bilharziose: S. mansoni: 2–3 Wochen, S. japonicum: 1–2 Wochen, S. haematobium: 2–20 Monate.
wurmeiern (unzuverlässig), besser von Proglottiden im Stuhl.
Klinik. Schistosomen-Dermatitis: juckender papulöser
Differenzialdiagnose. Oxyurenbefall.
Therapie. Mittel der Wahl in der Behandlung des
Bandwurmbefalls (T. saginatum, T. solium, Diphyllobothrium latum) ist Praziquantel (Biltricide, Cesol, Cysticide),10 mg/kgKG als Einmaldosis.Alternativ Niclosamid (Yomesan): Wirkungsweise durch Hemmung der ATP-Synthese über Hemmung der oxidativen Phosphorylierung in den Mitochondrien der Zestoden.Übliche Dosierung: 4¥0,5 g/Tag als Einmaldosis nach dem Essen (Kautabletten).Gelegentlich kommen unbedeutsame abdominelle Beschwerden wie Übelkeit vor, allgemein keine unerwünschten Effekte. Niclosamid hat sich ausgezeichnet bewährt. Besondere laxierende Maßnahmen sind unter der Therapie mit Niclosamid nicht erforderlich. Alternativ kommt die Behandlung mit Mebendazol (Vermox, Surfont) in einer Dosierung mit 2¥200 mg/Tag über 3 Tage in Frage. Bei Obstipation sowie grundsätzlich bei Befall mit T. solium (Zystizerkosegefahr) ist Abführen mit Magnesium sulfuricum (15 g in 100 ml) zu gewährleisten. Die Behandlung der manifesten Zystizerkose bestehen meist in (neuro-)chirurgischen Maßnahmen und symptomatischer Therapie zerebraler Entzündungserscheinungen sowie Praziquantel-Gabe 3¥20 mg/ kgKG/Tag über 15 Tage.
Ausschlag durch in der Haut absterbende Zerkarien. Akute Schistosomiasis: Fieber, Schüttelfrost,Anorexie, Diarrhö und Husten (»Katayama-Fieber«), Eosinophilie von etwa 40%. Chronische Schistosomiasis: sie tritt auf als hepatosplenische oder pulmonale Schistosomiasis, häufig ist die Schistosomiasis der Harnwege (Ureterstenose, Blasenfibrose), seltener die schwer verlaufende Schistosomiasis des ZNS.Durch Befall des Pfortadersystems kann die Schistosomiasis zum prähepatischen Pfortaderblock führen. Differnzialdiagnose. Andere Dermatitiden,Hautallet-
gien. Im akuten Stadium: Typhus abdominalis Malaria, Brucellose, Tuberkulose und im chronischen Stadium: Brucellose, nichtinfektiöse Leberkrankheiten (Zirrhose), Lungenembolie. Diagnostik. Nachweis von Schistosomen im Stuhl oder Urin (mikroskopisch) oder in bioptischem Material (Rektum, Blasenwand). Serum-Antikörpernachweis mit ELISA. Therapie. Je nach Erreger: ▬ S. mansoni: Praziquantel 2 Dosen zu 20 mg/kgKG
einmalig; alternativ Oxamniqiun 15 mg/kgKG p.o. als Einmaldosis.
150
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
▬ S. haematobium: Praziquantel 40 mg/kgKG p.o.als
III
Einmaldosis,alternativ Metrifonat 7,5–10 mg/kgKG als Einmaldosis, 2¥ in 14-tägigem Abstand. ▬ S. japonicum: Praziquantel 3 Dosen zu 20 mg/ kgKG; bei bedrohlichen Katayama-Fieber bzw. zerebraler Schistosomiasis Gabe von Kortikosteroiden; bei prähepatischem Pfortaderblock mit portaler Hypertension ggf. portokavaler Shunt [Ciolli 1998; Ross 2002].
Diagnose. Nachweis der Wurmeier im Stuhl. Therapie. Mögliche Therapieoptionen sind: ▬ Mebendazol (Vermox, Surfont) 2¥100 mg/Tag
über 3 Tage oder ▬ Pyrantelembonat (Helmex) 11 mg/kgKG/Tag
(max. 1 g) über 3 Tage. ▬ Als Alternative Albendazol (Eskazole) 400 mg als
Einmaldosis.
Prophylaxe. Keine spezifische Prophylaxe möglich.
Vermeidung von kontaminiertem nichtfließendem Süßwasser in endemischen Gebieten, Abreiben vermeintlich kontaminierter Hautpartien mit Alkohol, Zerstörung der Intermediärwirte (Schnecken) durch Molluskizide (z. B. Kupfersalze, Natriumpentachlorphenoat). 14.7.5
Hakenwurmbefall
Epidemiologie. Die Nematoden der Spezies Ancylos-
toma duodenale und Necator americanus kommen auf dem indischen Subkontinent, in Südostasien und Zentralafrika, A. duodenale auch in Ägypten und in Südosteuropa. N. americanus auch in den Südstaaten der USA und der afrikanischen Sahelzone; weltweit etwa 900 Mio Infizierte. Krankheiten durch Hakenwürmer kommen in Mitteleuropa nur noch selten vor.Der Parasit benötigt feuchtwarmes Milieu, wie es in Gruben oder beim Tunnelbau vorkommt (Berufskrankheit!). Neben der speziellen Chemotherapie ist ein Ausgleich des schweren Protein- und Blutverlustes anzustreben,wobei äußerste Zurückhaltung gegenüber Transfusionen angebracht ist. Übertragungsweg. Filariforme Larven, die sich im
Boden aus ihren Vorläufern entwickelt haben, penetrieren die exponierte Haut, wandern zu den Lungen, brechen in die Alveolen ein, werden verschluckt und werden im Dünndarm 6–8 Wochen nach Infektion zu eierlegenden (10–25.000/Tag) erwachsenen Würmern mit einer Lebensdauer von ca. 5 Jahren (N. americanus; [Pearson 1999]). Klinik. Anämie durch fokale Hämorrhagien sowie In-
gestion Erythrozyten durch die im Dünndarm blutsaugenden erwachsenen Würmer; Hypoproteinämie; im frühen Stadium gelegentlich Hautreaktionen durch penetrierende Larven, kaum pulmonale Symptome (im Gegensatz zur Askarideninfektion).
14.7.6
Leberegelbefall (Fasciolose)
Epridemiologie. Weltweite Verbreitung von Fasciola
hepatica, einer 2–5 cm ¥ 4–13 mm großen Trematode.; die Krankheit ist an Ernährungsgewohnheiten geknüpft, z. B. den Verzehr von Brunnenkresse in Frankreich. Übertragungsweg. Die Eier der bei Rind und Schaf vorkommenden Leberegel werden mit den Fäzes abgesetzt und wachsen in 1–2 Wochen zu Wimpernlarven (Mirazidien) heran, die Wasserschnecken befallen. In diesen entstehen Zerkarien, die sich als Metazerkarien in Wasserpflanzen festsetzen und vom Endwirt (Rind, Schaf) aufgenommen werden. Die seltene Infektion beim Menschen erfolgt durch die Aufnahme von Metazerkarien durch den Verzehr von Salat, Kresse; im menschlichen Darm schlüpfen die Larven,durchdringen die Darmwand und wandern in die Leber ein [Pearson 1999]. Inkubationszeit. 3–12 Wochen. Klinik. Als Folge der Wanderung der Larven Fieber,
Mattigkeit, Hepatomegalie mit Leberentzündungszeichen; später Dyspepsie, Bauchschmerzen, Erweiterung der Gallenwege, sekundäre Anämie mit deutlicher Eosinophilie. Differnenzialdiagnose. Hepatitiden, Cholezystitis. Diagnostik. Nachweis im Stuhl meist wenig ergiebig.
Ggf. Nachweis der Eier durch Punktion von Leberzysten. Serologische Diagnostik durch ELISA. Therapie. Triclabendazol (nur in Ägypten zugelassen) 10 mg/kgKG als Einmaldosis oder Biothionol 30– 50 mg/kgKG jeden 2. Tag, 10–15 Dosierungen. Alternativ: Praziquantel 40 mg/kgKG/Tag, Tagesdosis 6-fach aufgeteilt über 3–7 Tage.
151 14.7 · Helminthosen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Prophylaxe. Keine spezifische Prophylaxe: Salat gut
waschen. 14.7.7
Oxyuren (Madenwurmbefall)
Epidemiologie. Weltweite Verbreitung von Enterobius vermicularis (Nematodenart), oft gruppenweiser Befall (Kinderheime, Schulklassen).
14
selten kommt es zu Übelkeit und Erbrechen.Der Stuhl wird rot verfärbt (harmlos). Bei resistenten Fällen (allgemeine hygienische Maßnahmen eingehalten?) kann eine Behandlung mit Mebendazol (Vermox) oder Pyrantel (Helmex) erfolgen. Übliche Dosierungen sind: Mebendazol einmalig 2x100 mg/Tag, nach 2 Wochen Wiederholung, bzw. Pyrantel 3¥5 ml der Suspension (Erwachsene), Wiederholung nach 14 Tagen.
Übertragungsweg. Ingestion von Eiern aus Staub,
Strongyloidiasis (Zwergfadenwurmbefall)
Schmutz, Rohgemüse, Schmierinfektion (Mensch-zuMensch), bei Eiausscheidung auch Autoinfektion.
14.7.8
Inkubationszeit. 1–4 Wochen.
Epidemiologie. Subtropen, Tropen, fokal auch in Süd-
Klinik. Oft keine klinische Manifestation, analer Juck-
reiz, Pruritus vulvae; evtl. Gewichtsabnahme.
europa; häufig in zoologischen Gärten vorkommende 2–2,5 mm ¥ 50 µm große Fadenwürmer: Strongyloides stercoralis.
Differenzialdiagnose. Bandwurmbefall.
Übertragungsweg. Infektion durch aktives Eindrin-
Diagnostik. Nachweis der Wurmeier im Analklatsch-
präparat (Tesafilm) mikroskopisch; makroskopisch gelegentlich Würmer im Stuhl 5–13 mm lang. Therapie. Madenwürmer werden häufig bei Kindern gefunden. Infolge ständiger Reinfektionen (perianal-oral) kann eine erfolgreiche Behandlung nur durch die Kombination von Allgemeinmaßnahmen und medikamentöser Therapie erreicht werden. Wichtig sind Allgemeinmaßnahmen, wie Kurzschneiden der Fingernägel, häufige Reinigung (»nach dem Stuhlgang, vor dem Essen, Händewaschen nicht vergessen« ist auch für kleine Kinder einprägsam); nützlich sind Pyjamahosen, die zugebunden werden können bzw. Overalls. Bett-, Nacht- und Unterwäsche müssen gekocht werden. Waschen der Analregion nach jedem Stuhlgang. Die medikamentöse Therapie hat nur Zweck, wenn die Allgemeinmaßnahmen eingehalten werden und alle Familienmitglieder mitbehandelt werden. Medikamentöse Therapie mit Pyrvinium (-embonat; z. B. Molevac, Pyrcon). Wirkung durch Enzymhemmung im oxidativen Stoffwechsel der Oxyuren. Übliche Dosierung: einmalig 5 mg/kgKG als Dragees oder Suspension. Wiederholung nach 14 Tagen. Die Einzeldosis sollte 250 mg (5 Drg.) nicht überschreiten. Es ist eine zuverlässige Behandlungsmethode mit 90–100%iger Erfolgsrate.Dennoch wird häufiger eine Wiederholung der Wurmkur notwendig, da die Reinfektionsrate hoch ist. Pyrvinium ist gut verträglich;
gen der filariformen Larven in die Haut; Wanderung im Menschen über das Herz in die Lunge und als präadulte Weibchen in den Darm; 14–21 Tage nach Erstinfektion erscheinen die ersten neuen Larven im Stuhl. Inkubationszeit. 12–18 h für die Hautreaktionen,1 Woche für Lungenreaktionen, Darmsymptomatik nach 2 Wochen [Pearson 1999]. Klinik. Je nach Ort der Larvenwanderung Bronchitis, Bronchopneumonie; abdominelle Symptome sind: blutige Durchfälle mit Obstipation abwechselnd,Mattigkeit, Gewichtsverlust; starke Eosinophilie. Differenzialdiagnose. Askariasis. Diagnostik. Nachweis beweglicher Larven im Stuhl
oder Duodenalsaft. Therapie. Mittel der Wahl in der Behandlung des Befalls mit Strogyloidosis stercoralis ist Ivermectin oder Thiobendazol, als Alternative kommt Albendazol in Frage. ▬ Ivermectin (Stromectol in den USA, in Deutschland nicht im Handel) wirkt über Bindung an Chloridionenkanäle in Nerven- und Muskelzellen der Parasiten, was durch erhöhte Chloridionenpermeabilität der Zellmembran und Hyperpolarisation in Nerven- und Muskelzellen und schließlich zum Tod des Parasiten führt. Übliche Dosierung: 100 µg/kgKG/Tag für 2 Tage oder 200 µg/kgKG/Tag einmalig.
152
III
Kapitel 14 · Infektionskrankheiten des Dünn- und Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Nebenwirkungen sind geringer als bei Thiabendazol: Pruritus, papulöses Exanthem, Benommenheit,periphere und Gesichtsödeme,Konjunktivitis.Die Einmaldosis mit 150–200 µg/kg bewirkt in 83% eine Heilung bei Strongyloidiasis im Vergleich zu nur 38% durch Albendazol. ▬ Thiabendazol (Mintezol in den USA, in Deutschland nicht mehr im Handel) hemmt die mitochondriale Fumaratreduktase der Helminthen. Übliche Dosierung: 50 mg/kgKG/Tag verteilt auf 2 Dosen (morgens und abends nach dem Essen) über 2 Tage. Max. 6 Tabl. (3 g)/Tag. Nebenwirkungen sind relativ häufig: Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen,Müdigkeit,Benommenheit mit beeinträchtigtem Reaktionsvermögen (Fahrverbot, Cave: Arbeit an Maschinen!); selten: Sehstörungen Urtikaria. Informationen des Herstellers beachten. Die therapeutische Wirksamkeit beträgt 70–100% Heilungserfolge bei Strongyloidiasis; die Anwendung bei anderen Helminthosen sollte aufgrund der Nebenwirkungen vermieden werden; insbesondere zur Behandlung der Ascariasis und bei Oxyuren stehen verträglichere Präparate zur Verfügung. ▬ Albendazol (Eskazole) wirkt über selektive Degeneration zytoplasmatischer Mikrotubuli intestinaler und segmentaler Zellen der Helminthen; Hemmung der Glukoseaufnahme, Hemmung der Cholinesterasebildung sowie ATP-Verarmung führen zur Immobilisation und Wurmtod. Übliche Dosierung: 400 mg/Tag über 3 Tage. Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen (11%), Benommenheit, Schwindel (1%), Bauchschmerzen, Übelkeit. Die therapeutische Wirksamkeit ist sehr gut, aber Ivermectin unterlegen.
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Darmerkrankungen bei HIV-Infektion und Aids H. R. Brodt
III
15.1
Grundlagen
15.1.1 15.1.2
Pathophysiologie – 155 HAART-Therapie – 155
15.2
HIV-assoziierte Diarrhöen
15.2.1 15.2.2
Diagnostisches Vorgehen – 155 Symptomatische Therapie – 158
15.3
HIV-Enteropathie
15.3.1 15.3.2
Morphologische Veränderungen – 159 Funktionsstörungen des Dünndarms – 159
15.4
Sekundäre opportunistische Manifestationen
15.4.1 15.4.2 15.4.3
Protozoenerkrankungen – 160 Bakterielle Infektionen – 163 Virale Infektionen – 164
15.5
Maligne Erkrankungen des Intestinaltrakts
15.5.1 15.5.2
Karposi-Sarkom – 166 Non-Hodgkin-Lymphom
Literatur
>>
– 155
– 155
– 159
– 160
– 166
– 167
– 167
Das erworbene Immundefektsyndrom (Aids) wird durch eine Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) hervorgerufen. HIV infiziert bevorzugt immunkompetente Zellen, die den Oberflächenrezeptor CD4 exprimieren. Die Infektion führt unbehandelt über eine Depletion der T-Helferzellen zu einem progredienten Verlust der zellvermittelten Immunabwehr und im Endstadium der Erkrankung zu opportunistischen Infektionen und/oder zur Ausbildung von Tumoren und schließlich zum Tode. Mehr als 50% der infizierten Patienten entwickeln sich im Verlauf der HIV-Infektion gastrointestinale Symptome. Die primären morphologischen und funktionellen Veränderungen des intestinalen Epithels werden unter dem Oberbegriff »HIV-Enteropathie« zusammengefasst. Opportunistische Erkrankungen durch Infektionen mit Protozoen, Bakterien und Viren sowie maligne Erkrankungen charakterisieren das Endstadium der HIV-Infektion mit progredienter Störung der lokalen und allgemeinen Immunabwehr.
155 15.2 · HIV-assoziierte Diarrhöen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
15.1
Grundlagen
15.1.1
Pathophysiologie
Bis heute ist unser Wissen über den Gastrointestinaltrakt als Zielorgan der HIV-Infektion unvollständig. Sicher ist, dass neben der systemischen Immunantwort auch das mukosale Abwehrsystem des Gastrointestinaltrakts von der HIV-Infektion betroffen ist. Virus-RNS und Virusproteine können in sehr geringer Dichte in Lymphozyten und monoukleären Zellen der Lamina propria und des Darmepithels nachgewiesen werden. Ob auch intestinale Epithelzellen und enterochromaffine Zellen durch das Virus infiziert werden können, bleibt umstritten. Die Auswirkungen der HIV-Infektion auf das lokale Immunsystem des Gastrointestinaltrakts ist durch einen progredienten Verlust von CD4+-Helfer-T-Zellen und im Endstadium der Erkrankung durch eine generalisierte Schwächung der zellulären und humoralen Immunabwehr charakterisiert. Die durch HIV verursachten Störungen des lokalen Immunssystems lassen eine kausale Rolle bei der Entwicklung morphologischer und funktioneller Veränderungen des Gastrointestinaltrakts vermuten. Soweit nicht besonders erwähnt,beziehen sich alle folgenden Angaben zu den Erkrankungen auf den natürlichen Verlauf der HIV-Infektion ohne antiretrovirale Behandlung. 15.1.2
HAART-Therapie
Die Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie HAART (⊡ Tabelle 15.1) hat neben der wirksamen Behandelbarkeit der HIV-Virämie wesentliche Veränderungen im Auftreten und Erscheinungsbild gastrointestinaler Erkrankungen zur Folge. Viele der vormals kaum behandelbaren Infektionserkrankungen wie Mikro- und Kryptosporidiose sind nun therapierbar oder treten nicht mehr auf [Carr 1998]. Der breite Einsatz dieser Therapeutika führt zu zunehmend beobachteten Resistenzentwicklungen, die evtl.langfristig die therapeutischen Möglichkeiten limitieren.Hinzu kommen auch schwerwiegende,gastrointestinale unerwünschte Wirkungen, die eine Fortführung der Behandlung nicht zulassen und gleichzeitig die Differenzialdiagnose intestinaler Erkrankungen erweitern. Die obligat kombiniert durchzuführende HAART gehört heute – v. a. bei Patienten mit langer Vorbehandlung – in die Hände von erfahrenen Ärzten und
15
sollte sich an den Leitlinien von deutschen (Deutsche AIDS Gesellschaft, DAIG), europäischen bzw. internationalen Leitlinien orientieren. Derzeitiger Standard ist die Tripeltherapie aus 2 NRTI (nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) plus 1–2 Proteasehemmer(n) (PI) oder einem NNTI (nicht- nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitor) oder einem dritten NRTI (⊡ s. Tabelle 15.1). Unter den stetigen Veränderungen und Verbesserungen von HAART ist mit einem weiteren Wandel der Krankheitsbilder und v. a. ihrer Epidemiologie zu rechnen. 15.2
HIV-assoziierte Diarrhöen
Vor Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) litten 18–50%, in Entwicklungsländern bis zu 90% der Aids-Patienten an Diarrhö. 15.2.1
Diagnostisches Vorgehen
Die Erhebung von Anamnese (Auslandsaufenthalte, Medikamenten/Drogenkonsum, Sexualpraktiken, Ernährungsgewohnheiten) und Immunstatus sind Beginn der diagnostischen Evaluation von HIV-infizierten Patienten mit Durchfällen. Die Bestimmung der CD4-Helferzellzahl, der Viruslast und bereits aufgetretener Aids-definierender Erkrankungen können wichtige Hinweise auf die Ätiologie der vorliegenden Darmerkrankung geben. Pathogene Mechanismen HIV-assoziierter Diarrhöen Verminderte Resorptionsfläche Erhöhte intraluminale Flüssigkeitssekretion und Permeabilität – Opportunistische Infektionen – Maligne Erkrankungen (Kaposi-Sarkom, Non Hodgkin Lymphom) – Toxine (auch HIV-Therapeutika) – HIV (?) Veränderte Darmmotilität Bakterielle Überbesiedlung (?) Dysfunktion des Ileum
Der Schilderung von Symptomen durch den Patienten sollte eine körperliche Untersuchung mit Erfassung des Ernährungsstatus folgen, um systematische und
156
Kapitel 15 · Darmerkrankungen bei HIV-Infektionen und Aids SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 15.1. Medikamente zur hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) Substanz
Handelsname
Dosierung
Bemerkungen und häufige Nebenwirkungen
Nukleosidanaloge Reverse-Transkriptase-Hemmer (Nukleosidanaloga, NRTI)
III
Abacavir, ABC
Ziagen
300 mg 2¥/Tag
Etwa in 4% Überempfindlichkeitsreaktionen: Fieber, Unwohlsein, evtl. mit Hautausschlag, GI- und respiratorische Beschwerden. Klingt innerhalb von 2 Tagen nach Absetzen ab. Keine Reexposition! Auch: Hautausschlag ohne Überemfpndlichkeitsreaktion
Didanosin, ddl
Videx EC
400 mg 1¥/Tag (>60 kgKG)
15% periphere Neuropathie, selten Pankreatitis; Alkohol meiden
Lamivudin, 3TC
Epivir
150 mg 2¥/Tag
Generell gut verträglich, auch wirksam gegen HBV
Tenofovir
Viread
300 mg 1¥/Tag
Selten Neutropenie; Cave: Nierenfunktionsstörung
Stavudin, d4T
Zerit
20–40 mg 2¥/Tag (KG-adaptiert)
Periphere Neuropathie (1–4% in frühen Studien; 24% im Expanded-Access-Programm mit CDA<50/µl)
Zalcitabin, ddC
Hivid
0,375–075 mg 3¥/Tag
17–31% periphere Neuropathien in verschiedenen Studien; aphtöse Ulzerationen
Zidovudin, ZDV, AZT
Retrovir
250–300 mg 2¥/Tag
Anfangs evtl. GI-Beschwerden, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Anämie, Neutropenie, Myopathie
Zidovudin +Lamivudin
Combivir
2¥/Tag 1 Tbl.
Kombinationstablette mit 300 mg AZT und 150 mg 3TC
Zidovudin + Lamivudin + Abacavir
Trizivir
2¥/Tag 1 Tabl.
Kombinationstablette mit 300 mg AZT, 150 mg 3TC, 300 mg ABC
Fuzeon
2¥90 mg/Tag s.c.
Hautreaktionen an Injektionsstelle, sonst keine wesentliche Nebenwirkung bekannt
Fusionsinhibitoren T-20 (Enfurvitide)
Nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) Delavirdin, DLV
Rescriptor
400 mg (2 Tab.) 3¥/Tag
Vorübergehender Hautausschlag. Inhibiert P450 3A4
Efavirenz, EFV
Sustiva
600 mg (3 Kapseln) 1¥/Tag, anfangs am Abend
Anfangs Schwindel, Schlaflosigkeit, Hautauschlag meist vorübergehend; Interaktionen z. B. mit Methadon, Clarithromycin etc. beachten!
Nevirapin, NVP
Viramune
200 mg (1 Tbl.) 1¥/Tag für 2 Wochen, dann 400 mg 1¥/Tag oder 200 mg 2¥/Tag
Hautausschlag meist vorübergehend, sehr selten Lyell-Syndrom; Hepatitis. Induziert P450 3A4. Interaktionen z. B. mit Methadon etc. beachten!
157 15.2 · HIV-assoziierte Diarrhöen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
15
⊡ Tabelle 15.1 (Fortsetzung) Substanz
Handelsname
Dosierung
Bemerkungen und häufige Nebenwirkungen
Amprenavir (APV)
Agenerase
1200 mg (8 Kps.) 2¥/Tag
Hautauschlag (20%), Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen. Fettstoffwechselstörungen und Lipodystrophie
Atazanavir (ATZ)
Reyataz
400 mg (1¥/Tag)
Leichter Bilirubinanstieg, Übelkeit
Indinavir (IDV)
Crixivan
800 mg (2 Kps.) alle 8 h auf leeren Magen oder mit kleiner Mahlzeit (<2 g Fett)
Nierensteine in 4–8%: Viel Flüssigkeit zuführen. Mitunter Überkeit und GI-Beschwerden, Fettstoffwechselstörungen und Lipodystrophie
Lopinavir + Ritonavir (LPV/r)
Kaletra
Lopinavir 400 mg/ Ritonavir oder 100 mg (3 Kps.) 2¥/Tag
Kombinationskapsel. Häufig GI-Beschwerden, aber meist mild, Kraflosigkeit. Fettstoffwechselstörungen und Lipodystrophie. Kühlen; bei Raumtemperatur für einen Monat haltbar.
Nelfinavir
Viracept
1250 mg (5 Tbl.) 2¥/Tag Häufig Durchfall, Blähungen, gelegentlich Übelkeit, oder 750 mg (3 Tbl.) Fettstoffwechselstörungen und Lipodystrophie 3¥/Tag zu einer Mahlzeit
Ritonavir
Norvir
600 mg (6 Kps./7,5 ml) 2¥/Tag; anfangs 300 mg 2¥/Tag, dann über 14 Tage auf volle Dosis steigern
Übelkeit, Erbrechen, Geschmacksstörungen und Kribbeln in den Lippen mit nachlassender Tendenz nach Wochen. Fettstoffwechselstörungen und Lipodystrophie. Selten Hepatitis. Im Kühlschrank aufbewahren; bei Raumtemperatur für einen Monat haltbar. Überweigender Einsatz in niedriger Dosierung als pharmakokinetischer Verstärker für andere Proteasehemmer
Saquinavir Hartgelkapseln (SQV hgc)
Invirase
600 mg (3 Kps) 3¥/Tag. Mit fetthaltiger Mahlzeit
Gut verträglich. Begrenzte Wirkung wegen schlechterResorption (4%). Im Prinzip durch Fortovase ersetzt, jedoch in Kombination mit Ritonavir ebenbürtig. Fettstoffwechselstörungen und Lipodystrophie
Saquinavir Weichkapseln (SQV sgc)
Fortovase
1600 mg (8 Kps.) 2¥/Tag oder 1200 mg (6 Kps.) 3¥/Tag mit fetthaltiger Mahlzeit (>28 g)
Bessere Resorption im Vergleich zu Invirase. Kühlen; bei Raumtemperatur für 3 Monate haltbar. Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen. Fettstoffwechselstörungen und Lipodystrophie
Proteaseinhibitor (PI)
lokale Zeichen von Erkrankungen zu erkennen. Zur Erkennung mykobakterieller Erkrankungen, die nahezu immer mit abdominellen Lymphknotenschwellungen einhergehen, ist eine Abdomensonographie obligat. Die Abschätzung von Stuhlvolumen, Stuhlfrequenz und Gewichtsverlust erlaubt die Beurteilung
der Schwere des Durchfalls und kann als Parameter für den Therapieerfolg herangezogen werden. Die Präsenz von abdominalen Krämpfen,großvolumigem Stuhl in niedriger Frequenz und Zeichen von Malabsorption lassen eine Dünndarmerkrankung vermuten, während häufige, kleinvolumige und blutige
158
III
Kapitel 15 · Darmerkrankungen bei HIV-Infektionen und Aids SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Stühle eher auf eine kolorektale Genese schließen lassen. Aufgrund der häufig infektiösen Genese steht die Anlage von Stuhlkulturen (3x), die Aufbereitung von frischen Stuhlproben für mikroskopische Untersuchungen und der Nachweis von Enterotoxinen am Anfang der spezifischen Diagnostik von HIV-assoziierten Durchfällen. Das mikrobiologische Labor ist hierbei immer auch über die konkrete Fragestellung zu informieren, damit ggf. Spezialfärbe- und -isolierungstechniken eingesetzt werden, die nicht zuletzt aus Kostengründen keine Routinemethoden sind. Nach Identifizierung eines Erregers sollte eine spezifische Therapie, falls verfügbar, zur Eradizierung oder Kontrolle des infektiösen Geschehens eingesetzt werden. Ohne Erregernachweis nach wiederholter Untersuchung oder bei erfolgloser spezifischer Therapie (Zweitinfektion?) sollte die Durchführung einer Endoskopie mit Entnahme von Gewebebiopsien und endoluminaler Flüssigkeit erwogen werden. Neben dem Nachweis von Erregern können auch Aussagen über das Vorliegen von Tumorerkrankungen oder die Architektur der Darmwand (HIV-Enteropathie?) gemacht werden. Bei Erkrankung des Gastrointestinaltrakts im Rahmen von Systemerkrankungen können zusätzlich bildgebende radiologische oder sonographische Verfahren zur Diagnose (z. B. des Kaposi-Sarkoms) beitragen. 15.2.2
Symptomatische Therapie
Die Behandlung der HIV-assoziierten Diarrhö sollte die pathophysiologische Störung individuell berücksichtigen. Zudem sollte die Behandlung von opportunistischen Infektionen immer auch von einer antire-
troviralen Kombinationstherapie zur allgemeinen Verbesserung der lokalen und allgemeinen Immunabwehr sofort oder im Intervall nachfolgend begleitet werden. In vielen Fällen kann die zugrundeliegende Ursache jedoch nicht eruiert und/oder gezielt behandelt werden. In diesen Fällen stehen einerseits symptomatische und supportive Behandlungsformen im Vordergrund zum andern sollte auch hier eine mögliche HIV-Enteropathie, die zumeist eine Ausschlussdiagnose ist, einem Behandlungsversuch mit einer Initiierung, Erweiterung oder Umstellung von HAART unterzogen werden. Im Rahmen der antiretroviralen Behandlung muss bei einigen Proteasehemmern mit dem Auftreten von Diarrhöen gerechnet werden, die zumeist mit dietätischen Maßnahmen und begleitender symptomatischer Therapie beherrschbar ist, jedoch manchmal zum Absetzen der Medikation zwingt. Dies betrifft vor allem die Proteaseinhibitoren Nelfinavir aber auch Saquinavir, Ritonavir und Amprenavir. Octreotide. Octreotide (Sandostatin), ein Somatosta-
tinanalogon, supprimiert die Hormonsekretion von neuroendokrinen Zellen und kann bei einigen Patienten zur symptomatischen Therapie eingesetzt werden.Dieses Peptid hemmt auch die intestinale Motilität und fördert dadurch die Resorption von Flüssigkeit und Elektrolyten. Auf der anderen Seite führt Octreotide zu einer Hemmung der exokrinen Pankreassekretion und interferiert mit der Digestion und Resorption oral aufgenommener Nahrungsstoffe. Colestyramin. Colestyramin (Quantalan) bindet Gallensäuren und ist besonders dann hilfreich, wenn isolierte Funktionsstörungen des Ileums vorliegen, die eine chologene Diarrhö verursachen.
⊡ Tabelle 15.2. Maßnahmen und Medikamente zur symptomatischen Behandlung von Diarrhöen Art
Durchführung/Dosierung
Diät Na+-Glukose-haltige Trinklösungen Elementardiät Totale parenterale Ernährung Loperamid (Imodium) Octeotride (Sandostatin) Colestyramin (Quantalan) Opioide (Tinctura opii) S. boulardii (Perenterol forte)
Z. B. laktosefrei, fettarm, MCT 90 mM/l Na+, 20 g/l KH Per Sonde oder PEG Nach Schwere des Verlustes über zentralvenöse Katheter oder Infusoport 3- bis 6-mal 2 mg/Tag 50–500 µg, s.c. alle 8 h 3- bis 6-mal 4 g/Tag 3¥10 Tropfen (steigerbar nach Bedarf) 3¥1 g/Tag
159 15.3 · HIV-Enteropathie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Weitere Medikamente. Die Indikationen für den Einsatz von Opioiden bzw. Loperamid (Imodium) entsprechen denen für die Behandlung von Nicht-HIVinfizierten Patienten. Opioide wirken direkt auf die zirkuläre Muskulatur des Darmes, erhöhen die segmentalen Kontraktionen und prolongieren damit die Transitzeit des Darminhaltes. Opiate erhöhen zudem den Tonus des M. sphinkter ani. Quellstoffe mit hygroskopischen Eigenschaften adsorbieren endoluminale Flüssigkeit und können gelegentlich bei Patienten mit milden Symptomen eingesetzt werden. Phenothiazine und nichtsteroidale Antirrheumatika komplettieren die Liste an Medikamenten, die zur Behandlung von Durchfallerkrankungen bei ausgewählten Patienten eingesetzt wurden (⊡ Tabelle 15.2).
15.3
HIV-Enteropathie
Unter dem Begriff »HIV-Enteropathie« werden funktionelle und morphologische Störungen des Dünndarms HIV-infizierter Patienten in Abwesenheit sekundärer opportunistischer Erkrankungen zusammengefasst. Der Begriff ist missverständlich, da kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der lokalen Präsenz von HIV und der Schwere von intestinalen Symptomen und morphologischen Veränderungen nachweisbar ist.
Die gestörte intestinale Morphologie und Funktion sind Folgen mehrerer pathogenetischer Faktoren. Die Zerstörung der Zellintegrität durch direkte Einwirkung von HIV oder indirekt durch von aktivierten Lymphozyten und Makrophagen sezernierten proinflammatorischen Zytokinen trägt ebenso zur Ausbildung der HIV-Enteropathie bei wie der Verlust mukosaler CD4+-Lymphozyten,Störungen der T-Zelldifferenzierung und ein Verlust von ImmunglobulinA-produzierenden Zellen. Die klinische Bedeutung der bei einigen Patienten beobachteten autonomen Neuropathie, von Störungen im endokrinen Stoffwechsel und einer bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms bleibt dagegen spekulativ.Darüber hinaus müssen die Verminderung der Aktivität epithelialer Enzyme, die Einnahme zahlreicher Medikamente sowie Nicht-HIV-bedingte Erkrankungen bei einigen Patienten als pathogenetischer Mechanismus angenommen werden. Die klinischen Konsequenzen der HIV-Enteropathie sind weniger offensichtlich als die bei Patienten mit opportunistischen Infektionen des Gastrointestinaltrakts. Symptome ohne Nachweis spezifischer Erreger oder Läsionen sind häufig mild und sistieren in der Mehrzahl der Fälle. Die Überlebenszeit von AidsPatienten mit »Erreger-negativen« Durchfällen ist dementsprechend deutlich länger als die von Patienten mit nachgewiesener Darminfektion und der von symptomlosen Patienten vergleichbar. 15.3.2
15.3.1
Morphologische Veränderungen
Unterschiedliche Studien haben sowohl pathologische Veränderungen,wie z.B.chronisch unspezifische Entzündungen,Schleimhautatrophie,als auch Normalbefunde gezeigt. Der aktive und passive Transport von Monosacchariden und die intestinale Barrierefunktion sind bei vielen Patienten mit HIV-Enteropathie gestört, insbesondere bei Patienten mit chronischer Diarrhö. Diese Störungen gehen mit einer verminderten Aktivität der intestinalen Disaccharidasen und anderer Bürstensaumenzyme einher und sind am ehesten Folge einer Reifungsstörung der Enterozyten. Die Abnahme der Disaccharidasenaktivitäten wird ausgeprägter, wenn eine weitere Infektion (z. B. CMV) hinzutritt. Schädigungen der Ileumschleimhaut können u. a. zu Verminderungen der Vitamin-B12-Aufnahme führen; allerdings ohne Koinfektion ( s. unten) selten zu einem manifesten Vitamin-B12-Mangel.
15
Funktionsstörungen des Dünndarms
Die HIV-Infektion ist charakterisiert durch ein progredientes Versagen physiologischer und immunologischer Funktionen des Gastrointestinaltrakts. Digestions- und Resorptionsvorgänge, die intestinale Barrierefunktion,die immunologische und physikalische Abwehr von pathogenen Erregern sowie der Erhalt der physiologischen Darmflora sind bei HIV-infizierten Patienten besonders betroffen. Obwohl Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Nährstoffverluste durch protruse Durchfälle in allen Phasen der HIV-Erkrankung auftreten, wurden chronische Durchfallepisoden, die länger als einen Monat andauern und mit erheblichem Gewichtsverlust assoziiert sind, als Aids-definierendes Kriterium festgelegt [Center of Disease Control 1992]. Der aktive and passive Kohlenhydrattransport als Maß für die Resorptionsleistung des Dünndarms ist bei Aids-Patienten mit schwerer Immundefizienz im
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Kapitel 15 · Darmerkrankungen bei HIV-Infektionen und Aids SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen und HIV-infizierten Patienten mit nur leichter Immundefizienz deutlich eingeschränkt. Durchfälle sind gehäuft mit der klinischen Symptomatik der Kohlenhydratmalabsorption verbunden, während Störungen der Barrierefunktion des Darmes in allen Phasen der HIV-Erkrankung und unabhängig von der Präsenz gastrointestinaler Symptome auftreten. Zahlreiche Aspekte über die Ursachen, die klinische Signifikanz und den Zeitpunkt des Auftretens von gastrointestinalen Funktionsstörungen bleiben ungeklärt.Die Pathogenese gastrointestinaler Störungen bei »Erreger-negativer« HIV-Erkrankung ist nicht gut dokumentiert. Eine Korrelation intestinaler Störungen mit der Anzahl der CD4+-Lymphozyten konnte bei diesen Patienten nicht nachgewiesen werden. Die fehlende Korrelation von Funktionsstörungen mit Surrogatmarkern der zellulären Immunabwehr und der direkte immunhistologische Nachweis von HIV im intestinalem Gewebe und die therapeutische Wirksamkeit von HAART hat daher zu der Vermutung geführt, das HIV selbst und nicht der sekundäre Immundefekt für einige klinische Funktionsstörungen des Intestinums verantwortlich sind. Der Nachweis von HIV in enterochromaffinen Zellen und die Sequenzhomologie des Virusproteins gp120 mit VIP hat dabei u. a. zu der Hypothese geführt, dass HIV-assozierte sekretorische Diarrhöen durch die Stimulation gastrointestinaler Hormonrezeptoren intestinaler Epithelzellen hervorgerufen werden können. 15.4
Sekundäre opportunistische Manifestationen
HIV-infizierte Patienten weisen ein erhöhtes Risiko für zahlreiche intestinale Infektionen auf, die die Integrität der intestinalen Mukosa beeinträchtigen können und zu einem Verlust spezifischer Funktionen oder zu generalisierten intestinalen Funktionsausfällen führen können. Prospektive Studien haben bei HIV-infizierten Patienten gezeigt,dass bei 75–85% der Durchfallerkrankungen pathogene Erreger identifiziert werden können. Unter den opportunistischen Protozoeninfektionen können in Nordeuropa am häufigsten Kryptosporidien und Mikrosporidien als Ursachen intestinaler Infektionen bei schwerimmundefizienten Aids-Patienten identifiziert werden. Tuberkuloseerreger, atypische Mykobakterien und Cytomegalieviren aber auch Salmonellen, Shigellen, Clostridium difficile, Campylobacter jejuni sowie einer Vielzahl von ande-
ren Viren wurden gehäuft im Gastrointestinaltrakt von Aids-Patienten gefunden und können Durchfälle und Malabsorption verursachen. Einige Infektionen treten nahezu ausschließlich in tropischen bzw. subtropischen Zonen der Erde sowie in warmen südeuropäischen Ländern auf; sie werden daher hier nicht detailliert besprochen. Eine Zusammenstellung der wichtigsten intestinalen opportunistischen Infektionen mit ihrer Symptomatik und den Nachweismethoden zeigt ⊡ Tabelle15. 3, s. auch Kap. 14. Vor HAART bestand das Therapieziehl bei der Behandlung von Patienten mit HIV-Infektion oder Aids neben der Therapie der akuten Erkrankung v.a.in der Vermeidung opportunistischer Infektionen. Hierzu wurden auf der Basis unterschiedlichster Studien viele Empfehlungen zur Primär- und Sekundärprophylaxe ausgesprochen. Diese Richtlinien haben mit der Möglichkeit der partiellen Rekonstitution der zellulären Immunabwehr vor allem auch bei Infektionen des Gastrointestinaltrakts an Bedeutung verloren, sodass diese hier nur noch in Einzelfällen Erwähnung finden. 15.4.1
Protozoenerkrankungen
Kryptosporidien Die Infektion mit dem Protozoon Cryptosporidium parvum ist bei ca. 2% der HIV-infizierten Patienten in den USA und Deutschland die erste Aids-definierende Manifestation, noch häufiger wird sie als Sekundärmanifestation bei Aids-Patienten ohne antiretrovirale Behandlung diagnostiziert (CD4-Zellen <50/µl) liegen. Bei HIV-infizierten Patienten mit therapierefraktären schwersten Durchfällen wird sie in >50% der Fälle diagnostiziert. Die Oozyten des Parasiten sind sehr widerstandsfähig und werden durch zwischenmenschlichen Kontakt, vom Tier zum Menschen und durch kontaminiertes Trinkwasser übertragen. Zu den wesentlichen Symptomen der Erkrankung gehören chronische,persistierende wäßrige Durchfälle mit großen Stuhlvolumina, abdominelle Krämpfe, Übelkeit, Appetitlosigkeit und eine generaliserte intestinale Malabsorption.Neben dem Dünn- und Dickdarm können das hepatobiliäre System, das Bronchialsystem, der Pharynx und der Ösophagus durch die Protozoen besiedelt bzw. infiziert werden. Die klinischen Symptome der Infektion können zwar gelegentlich intermittierend auftreten, eine spontane Heilung bei Patienten mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung ist aber sehr selten.
161 15.4 · Sekundäre opportunistische Manifestationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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⊡ Tabelle 15.3. Symptome, Befunde und Diagnose von Darminfektionen bei Aids und HIV-Infektion Erreger
CD4-Zellzahl
Symptome
Diagnose
Parasiten Kryptosporidien
<100/µl
Wässrige Diarrhö, Wasting
Biopsie, Stuhlmikroskopie
Mikrosporidien
<50/µl
Wässrige Diarrhö, Wasting
Biopsie, Stuhlmikroskopie
Isospora belli
Alle
Wässrige Diarrhö, Wasting
Stuhlmikroskopie
Giardia lamblia
Alle
Enteritis, Diarrhö, Meteorismus
Stuhl- u. Duodenalsaft Mikroskopie, Biopsie
Entamoeba histolytica
Alle
Kolitis, Tenesmen
Stuhlmikroskopie
Leishmania donovani
<100/µl
Fieber, Anämie, Diarrhö (Aufenthalt in Endemiegebiet)
Biopsie, KM-Mikroskopie
Toxoplasma gondii
<50/µl
Fieber, Allgemeinsymptome
Biopsie
M. avium spezies
<50/µl
Gewichtsverlust, Diarrhö, Anämie, Dysproteinämie, LK
Biopsie, Mikroskopie und Kultur (Blut und Stuhl)
M. tuberculosis
Alle
Fieber, Nachtschweiss, LK, Gewichtsverlusst, Perforation
Biopsie, Mikroskopie und Kultur (Stuhl)
Salmonellen
Alle
Fieber, wässrige Diarrhö
Stuhl- und Blutkultur
Shigellen
Alle
Wässrige, blutige Diarrhö
Stuhlkultur
Campylobacter
Alle
Wässrige Diarrhö
Stuhlkultur
Candida spezies
<200/µl
Selten symptomatisch, meist Begleiterkrankung!
Biopsie (Stuhlkultur allein unzureichend!)
Histoplasma capsulatum
<100/µl
Fieber, Allgemeinsymptome (Aufenthalt in Endemiegebiet)
Biopsie, Kontrastmitteluntersuchung, Mikroskopie und Kultur
<50/µl
Fieber, Kolitis, Tenesmen, Perforation
Vielfache Biopsie mit Immunhistologie
Bakterien
Pilze
Viren Cytomegalievirus Enteroviren
Alle
Wässrige Diarrhö – akut
Elektronenmikroskopie
HIV
Alle
Malabsorbtion, Diarrhö, Enteropathie
Vielfache Biopsie mit Immun-histologie (Ausschlussdiagnose !)
Die Symptomatik wird durch das Ausmaß der Infektion bestimmt und korreliert direkt mit der Zahl der Zysten, die im Stuhl ausgeschieden werden. Das terminale Ileum ist die bevorzugten Lokalisationen der intestinalen Infektion mit Kryptosporidien bei Aids-Patienten (Malabsorption von konjugierten Gallensäuren und Vitamin B12 Eine Ausdehnung der Infektion auf das Duodenum und Jejunum ist mit einer ausgeprägteren Symptomatik und mit zunehmender Malabsorption assoziiert. In etwa 40% der mit Cryptosporidium parvum infizierten Patienten wird eine intestinale Koinfektion mit dem Zytomegalievirus nachgewiesen. Der Kryptosporidiennachweis erfolgt
durch Untersuchung des Stuhles mittels einer modifizierten säurefesten Kinyounfärbung bzw. durch lichtbzw. elektronenmikroskopische Untersuchung (EM) intestinaler Gewebebiopsien (Duodenum, terminales Ileum). In der EM zeigt sich dort die charakteristische intrazelluläre aber extrazytoplasmatische Lokalisation der Parasiten. Therapie Bei immunkompetenten Patienten bessert sich die Infektion mit Cryptosporidium parvum in einem Zeitraum von 1–3 Wochen ohne spezifische Therapie; gelegentlich wird eine symptomatische Behandlung be-
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Kapitel 15 · Darmerkrankungen bei HIV-Infektionen und Aids SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nötigt. Bei Patienten mit fortgeschrittener Aids-Erkrankung entwickeln sich regelmäßig protrahierte Symptome,die eine intensiven symptomatischen Therapie indizieren. Parenterale Ernährung sowie die Flüssigkeits- und Elektrolytersatztherapie über zentralvenöse Katheter oder Infusoportsysteme sind daher etablierte Eckpfeiler der Behandlung bei Aids-Patienten mit profuser Kryptosporidiendiarrhö. Mehr als 100 antiparasitäre Medikamente und Behandlungsansätze wurden bereits ohne durchgreifenden Erfolg getestet. Eine vorübergehende symptomatische Verbesserung wurde nach Gabe von Paromomycin (Humatin) beobachtet, ohne dass der Parasit eliminiert werden konnte. Auch kann ein Heilversuch mit Nitazoxanid (Cryptaz 2x500 mg p.o.) oder Paromomycin + Azithromycin unternommen werden. Die Initiierung einer – ggf.bei vorbehandelten Patienten intensivierten – HAART mit der Aussicht auf eine rasche Immunrekonstitution ist derzeit die einzig erfolgversprechende Therapie der Cryptosporidiumparvum-Infektion bei Aids und deshalb obligat. Sofern möglich, sollten bei diesen Patienten wegen der Gefahr von Resorptionsstörungen auch Plasmaspiegelbestimmungen der antiretroviralen Medikamente vorgenommen werden,um frühzeitig notwendige Dosisanpassungen vornehmen zu können.Eine klinische Besserung wird dabei aber nur bei Patienten mit signifikanter Reduktion der retroviralen Viruslast beobachtet; die Therapie kann dann auch zu einer Eradikation der Erreger führen. Mikrosporidien Mikrosporidien stellen eine Gruppe obligat intrazellulärer, sporenbildender Parasiten dar, deren Signifikanz als pathogene Erreger für HIV-infizierte Patienten erst spät erkannt wurde. Die Mikrosporidienarten Enterozytozoon bieneusi (90%) und Septata intestinalis (10%) wurden bei Aids-Patienten mit Durchfällen am häufigsten identifiziert. Mit verschiedenen diagnostischen Methoden konnten Mikrosporidien in mehr als 30% von Patienten mit Aids und chronischem unerklärtem Durchfall identifiziert werden. Der Parasit wird überwiegend bei Patienten mit schwerem Immundefekt (<100 CD4-Zellen/ml) diagnostiziert und mit der größten Dichte im proximalen Jejunum gefunden. Die Rolle der Mikrosporidien in der Pathogenese der chronischen Diarrhö bei HIV-infizierten Patienten ist umstritten, v. a. wenn weitere pathogene Erreger nachweisbar sind. Schwere Malabsorption und Ernährungsdefizite wurden bei Patienten mit nachgewiesener Mikrosporidiose gezeigt. Stuhlfettausscheidung und Stuhlge-
wichte waren bei diesen Patienten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe wie auch im Vergleich zu Aids-Patienten mit Diarrhö ohne sekundären Erregernachweis signifikant erhöht. Zeichen einer globalen Malassimilation durch Mikrosporidien sind der pathologische D-Xylose- und Schilling-Test sowie ein reduzierter erythrozytärer Folinsäure- und VitaminB12-Spiegel. Die Infektion mit E. bieneusi ist nahezu immer auf den Darm und das hepatobiliäre System beschränkt, wohingegen S. intestinalis auch im Urin, in Sekreten der Nase und im Sputum nachgewiesen werden konnte. Trotz verbesserter lichtmikroskopischer Färbetechniken (z. B. mittels Calcouflorfärbung oder eine modifizierte Trichromfärbung) bleibt der Nachweis von Mikrosporidien im Stuhl wegen ihrer geringen Größe schwierig [Weber 1999]. Der Nachweis sollte deshalb mittels einer elektronenmikroskopischen Untersuchung von Gewebebiopsien erfolgen. Therapie Eine effektive Therapie für die E.-bieneusi-Infektion ist nicht bekannt. Es konnte gezeigt werden, dass Albendazol (Eskazole) das Stuhlvolumen und die Stuhlfrequenz vermindern konnte,ohne allerdings das Protozoon eliminieren zu können. Deutlich wirksamer hat sich die Albendazoltherapie bei der Behandlung der S.-intestinalis-Infektion erwiesen und dabei in einigen Fällen zur Eliminierung der Parsiten geführt. Ähnlich wie bei der Kryptosporidiose wurden hingegen dramatische Besserungen der klinischen Symptomatik unter HAART beobachtet. Die Initiierung oder ggf. eine Umstellung oder Erweiterung der HAART sollte deshalb nach den gleichen Kriterien wie bei der Kryptosporidiose obligat bei Aids-Patienten mit E.bieneusi-Infektion sein [Carr 1998]. Seltene Protozoeninfektionen Die Therapie der Protozoenerkrankungen ist in ⊡ Tabelle 15.4 zusammengefasst, s. auch Kap. 14. Toxoplasmen. Eine intestinale Infektion mit Toxoplasmoseparasiten ist auch bei einer HIV-Infektion sehr selten und kann zu ulzerienden Schleimhautschäden führen. Histologisch können Parasiten in der Lamina propria, der Tunica muscularis mucosae und auch im Epithel gefunden werden. Die Behandlung mit Pyrimethamin und Sulfonamiden entspricht der einer Toxoplasmose-Enzephalitis. Leishmaniose. HIV-infizierte Patienten können auch lange nach Aufenthalt in Endemiegebieten eine disse-
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163 15.4 · Sekundäre opportunistische Manifestationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 15.4. Behandlung von Protozoenerkrankungen bei HIV-infizierten Patienten Erreger
Medikament
Cryptosporidium parvuma
Gesamtdosis
Applikation
Dauer
Keine kurative, ursächliche Therapie bekannt Versuchsweise: Paromomycin Humatin 25–35 mg/kgKG/Tag Nitazoxanid 1g
Oral: 3- bis 4-mal/Tag Oral: 2¥ 500mg/Tag
? ?
Septata intestinalis
Albendazol (Eskazole)
Oral: /2- bis 4-mal/Tag
2–4 Wochen
Enterozytozoon bieneusia
Keine kurative, ursächliche Therapie bekannt Versuchsweise: Albendazol 800 mg Metronidazol (Clont) 2.000 mg Paromomycin (Humatin) 1.000–2.000 mg
Oral: 2¥/Tag Oral: 4¥/Tag Oral: 2- bis 4-mal/Tag
2–4 Wochen 2–4 Wochen 2–4 Wochen
Mikrosporidien 800–1600 mg
Isospora belli
Trimethoprim/ Sulfmethoxazol (Bactrim)
640–3.200 mg
Oral: 4x/Tag
10 Tage
Gardia lamblia
Metronidazol
1.500 mg
Oral: 3¥/Tag
10–21 Tage
Leishmania spp. (donovani)
Amphothericin B Liposomales Amphothericin B Miltefosin Itraconazol
1 mg/kgKG 3 mg/kgKG
i.v.: 1¥/Tag i.v.: 1¥/Tag
4–6 Wochen 4–6 Wochen
Impavido 400–600 mg
2,5 mg/kgKG/Tag i.v. oder oral: 2- bis 3-/Tag
4–12 Wochen 4–6 Wochen (ggf. Dauerbehandlung)
a
Wegen fehlender therapeutischer Optionen ist eine wirksame antiretrovirale Kombinationstherapie obligate Behandlungsmethode.
minierte viszerale Leishmaniose entwickeln, überwiegend allerdings in südeuropäischen Ländern. Magen und Dünndarm sind am häufigsten von der Infektion betroffen. Das klinische Bild wird von Dysphagie, Übelkeit und Durchfällen geprägt. Die intestinale Leishmaniose erscheint im endoskopischen Befund entweder als Normalbefund oder als geringe entzündliche Reaktion und kann sich der Diagnose ohne die fokussierte histologische Untersuchung leicht entziehen. Erst bei schwerem zellulären Immundefekt ist mit einer disseminierten Leishmaniose zu rechnen, die – meist verbunden mit Fieber und Anämie – am schnellsten durch Untersuchung des Knochenmarks diagnostiziert werden kann.
15.4.2
Bakterielle Infektionen
Mykobakterien Es wird angenommen, dass 40% aller Patienten mit fortgeschrittener HIV-Infektion (CD4-Zellen <50/µl) an einer disseminierten Infektion mit Mycobacterium avium intracellulare (MAI) erkranken. Der Gastrointestinaltrakt ist vermutlich die Eintrittspforte für eine disseminierte Infektion mit Bakteriämie. Fast regelmäßig lassen sich dann auch multiple abdominelle Lymphknoten und die Erreger in speziellen Blutkulturen nachweisen. Eine Beteiligung des Gastrointestinaltrakts führt zu chronischem Durchfall,kolikartigen Bauchschmerzen, Malabsorption und »wasting«. Die histologische Untersuchung intestinaler Biopsien zeigt dabei Whipple-ähnliche Veränderungen (Verbreiterung der Villi und Infiltration der Lamina propria mit PAS-positiven Makrophagen [»mykobakterielle Histeozytose«]); MAI wird allerdings zudem in
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Kapitel 15 · Darmerkrankungen bei HIV-Infektionen und Aids SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
der Ziehl-Neelsen-Färbung dargestellt und bildet bei Aids-Patienten in der Regel keine epitheloidzelligen Granulome. Eine Behandlung ist immer bei Nachweis der Erreger aus sterilem Material und bei typischer Symptomatik indiziert. Der alleinige Nachweis im Stuhl kann bei niedriger CD4-Zellzahl (<100/µl) zwar bereits ein Hinweis auf eine kommende Infektion sein, stellt jedoch allein ohne weitere Symptomatik noch keine Behandlungsindikation dar. Die Standardbehandlung erfolgt mit Clarithromycin oder Azithromycin und Ethambutol. Ob eine zusätzliche Applikation von Rifabutin die Behandlungserfolge verbessert ist nicht bewiesen. Wegen der fehlenden Erradikationsmöglichkeit ist gleichzeitig die Initiierung oder Intensivierung der antiretroviralen Therapie erforderlich, unter der bei CD4-Zellanstieg ein dauerhafter Behandlungserfolg erzielt werden kann.Seit der Verfügbarkeit von HAART wird die früher propagierte Prophylaxe nicht mehr durchgeführt ( s. Kap. 14). Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis gewinnen zunehmend an Bedeutung und können auch den Gastrointestinaltrakt befallen, v. a. bei Patienten aus Endemiegebieten (Afrika,Asien).Im Gegensatz zu dem diffusen Befallsmuster der MAI-Infektion ist die M.-tuberculosis-Infektion eher segmentaler Natur und kann zu lokalen Stenosen und zu Perforationen führen. Bevorzugte Prädilektionsstelle des Darms ist die Gegend um die Ileozökalklappe, meist mit großen Lymphomen, die als einschmelzende Konglomerattumoren imponieren. Die definitive Diagnose einer intestinalen Mykobakteriose wird durch histologische und kulturelle Untersuchungen von Biopsien des Dünn- und Dickdarms gestellt.Ohne Erregernachweis sollte aufgrund des häufig foudroyanten Verlaufs auch frühzeitig einen Laparotomie erwogen werden. Eine frühe Diagnose und Behandlung ist entscheidend für den weiteren Verlauf der Erkrankung. Auch noch Wochen nach Therapie ist mit Perforationen zu rechnen. Obwohl zahlreiche Isolate von Patienten aus Endemiegebieten Resistenzen gegen mehrere Tuberkulostatika aufweisen,ist eine übliche Kombinationstherapie (mindestens 4fach) effektiv, um die Anzahl der Bakterien und die klinischen Symptome des betroffenen Patienten zu vermindern. Die derzeit eingesetzten Medikamente sind in ⊡ Tabelle 15.5 zusammengefasst. Infektion mit anderen Bakterien HIV-infizierte Patienten sind von vielen intestinalen Infektionen betroffen, die auch in der Allgemeinbevölkerung vorkommen. Die Häufigkeit einer Salmo-
nellose bei HIV-infizierten Patienten ist gegenüber der Normalbevölkerung etwa 20fach erhöht, während andere Infektionen wie z. B. die Shigellose nicht häufiger als in der Normalbevölkerung auftreten. Diese Infektionen können schwer und protrahiert verlaufen, da die Erreger bei stark immunsupprimierten Patienten eine verstärkte Virulenz entwickeln können. Wegen des häufigen Gebrauchs von Antibiotika weisen Aids-Patienten ein erhöhtes Risiko für Clostridium-difficile-Infektionen auf. Häufige Erreger sind auch: Salmonella typhimurium, Salmonella enteritidis, Shigella flexneri, Shigella dysenteriae, Shigella sonneri, Campylobacter jejuni, Yersinien und darmadhärente, gramnegative Bakterien. Infektionen mit Salmonellen und gramnegativen Enterobakterien sind mit einer fortgeschrittenen Immundefizienz assoziiert und führen zu einer Salmonellenseptikämie. Shigellen-, Yersinien- und Campylobacter-Infektionen überwiegend in den frühen Stadien der HIV-Erkrankung, wobei die Häufigkeit der in Nicht-HIV-infizierten Patientenkollektiven entspricht. Selten werden auch abszedierende Darminfektionen mit Nocardien gefunden. Darmadhärente gramnegative Bakterien können im Rahmen der Koloskopie bei 17% von Aids-Patienten mit <100 CD4Zellen/µl, überwiegend im rechten Kolon, nachgewiesen werden. Der Nachweis dieser Bakterien ist mit einer zytopathischen Reaktion des umgebenden Gewebes und signifikant mit dem Auftreten von Durchfällen verbunden. Die Behandlung von bakteriellen Infektionen bei HIV-infizierten Patienten folgt den allgemeinen Therapiemodalitäten und dem Antibiogramm einzelner Isolate; sie unterscheidet sich damit nicht von der Behandlungsstrategie für immunkompetente, seronegative Patienten ( s. Kap. 14). Aufgrund der Rezidivneigung einzelner Infektionen kann eine verlängerte oder auch lebenslange Therapie/Prophylaxe notwendig werden ( s. Tabelle 15.5). 15.4.3
Virale Infektionen
Zytomegalievirus (CMV) Die Hauptmanifestation der CMV-Infektion bei Aids ist immer noch die CMV-Retinitis. Das Zytomegalievirus kann alle Abschnitte des Gastrointestinaltrakts infizieren und verursacht bei einigen Patienten schwere intestinale Entzündungen. Dementsprechend stehen Schmerzen und entzündliche Reaktionen im Vordergrund des klinischen Bildes. Diese sind direkte Folge einer Zytomegalieinfektion der gastrointestina-
15
165 15.4 · Sekundäre opportunistische Manifestationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 15.5. Therapie von bakteriellen Infektionen bei HIV-infizierten Patienten Erreger
Medikament
Gesamtdosis
Applikation
Dauer
M. avium spp.
Kombinationstherapie (Amikacin und Ciprofloxacin fakultativ); immer in Verbindung mit HAART Clarithromycin (Klacid) Ethambutol (Myambutol) Rifabutin Amikacin (Biklin) Levofloxacin (Tavanic)
1.000 mg/Tag 15–25 mg/kgKG/Tag 300 mg/Tag 10–15 mg/kgKG/Tag 500–1.000 mg
Oral: 2¥/Tag Oral: 2¥/Tag Oral: 1¥/Tag Oral: 1-2¥/Tag Oral: 1- bis 2-mal/Tag
Dauertherapie Dauertherapie Dauertherapie Dauertherapie Dauertherapie
Kombinationstherapie (Standard!), Auswahl und Dauer nach Empfindlichkeitsprüfung und Manifestation Rifampicin (Eremfat) Isoniazid (Isozid) Ethambutol (Myambutol) Pyrazinamid Streptomycin
10 mg/kgKG/Tag 5 mg/kgKg/Tag 15–25 mg/kgKG/Tag 30 mg/kgKG/Tag 10–15 mg/kgKG/Tag
Oral: 1¥/Tag Oral: 1¥/Tag Oral: 2¥/Tag Oral: 1¥/Tag i.v.: 1¥/Tag
9 Monate 9 Monate 2–4 Monate 2 Monate Bis ca. 30 g Gesamtdosis
Ciprofloxacin Trimethoprim
1.000–1.500 mg 320 mg
Oral: 2¥/Tag Oral: 2¥/Tag
7–14 Tage 7–14 Tage + Erhaltungstherapie
Sulfamethoxazol (Bactrim)
1.600 mg
Shigellen
Ciprofloxacin
1.000–1.500 mg
Oral: 2- bis 3-mal/Tag
7–14 Tage
Camphylobacter
Ciprofloxacin Erythromycin
1.000–1.500 mg 1.000–2.000 mg
Oral: 2- bis 3-mal/Tag Oral: 2- bis 4-mal/Tag
7–14 Tage 7–14 Tage
Clostridium difficile
Metronidazol Vancomycin
1.500 mg 1.000 mg
Oral: 3¥/Tag Oral: 4¥/Tag
2–4 Wochen 2–4 Wochen
M. tuberculosis
Salmonellen
len oder ösophagalen Schleimhaut, einer CMV-Pankreatitis, CMV-Cholangitis oder einer Stenose der Papilla Vateri [Blanshard 1995]. Der Nachweis von CMV in der Darmschleimhaut ist jedoch nicht mit einer klinischen Symptomatik und histologischen Schleimhautschädigungen verbunden. Daher sollte der vereinzelte Nachweis von Zytomegalieeinschlusskörperchen mit Skepsis berurteilt werden, insbesondere dann,wenn die Klinik für eine CMV-Kolitis untypisch ist und > 50 CD4-Zellen/µl nachweisbar sind. Typischerweise treten bei einer CMV-Kolitis abdominelle Schmerzen, chronische Diarrhöen und Allgemeinsymptome mit oder ohne Fieber auf.In ca.10% der Fälle muss mit gastrointestinalen Blutungen und
selten mit Darmperforationen gerechnet werden.Eine Erkrankung des Ösophagus hat in der Regel Schluckstörungen und Dyphagie zur Folge. Makroskopisch reicht das Spektrum der Befunde von geringgradigen fleckenhaften Rötungen bis zu disseminierten tiefen Ulzerationen. Die definitive Diagnose sollte durch den histologischen (immunzytochemischen) Nachweis CMV-infizierter Zellen in zahlreiche Mukosa- oder Endothelbiopsien intramukosaler Gefäße erfolgen. Therapie Die CMV-Infektion des Gastrointestinaltrakts kann wirksam behandelt werden. Eine alleinige Behand-
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Kapitel 15 · Darmerkrankungen bei HIV-Infektionen und Aids SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
lung mit Ganciclovir (Cymeven, 2¥5 mg/kgKG/Tag, i.v.) oder Foscavir (2. Wahl) und bei möglichen Resistenzen mit Cidofovir führt bei >75% der behandelten Patienten zur klinischen Besserung. Die Behandlung führt zum Verschwinden der Ulzera und der Zytomegalieviruseinschlusskörperchen in der Histologie. Bei alleinigem Befall des Gastrointestinaltrakts sollte die Behandlung für 2–4 Wochen erfolgen. Eine Dauerprophylaxe erscheint nur nötig, wenn mindestens ein Infektionsrezidiv nachgewiesen werden konnte. Noch ist unklar, ob eine Prophylaxe mit oralem Ganciclovir oder Valgancyclovir bei Patienten mit rezidivierender CMV-Infektion des Darms dauerhaft erfolgreich sein kann. Diese Rezidivprophylaxe oder Suppressionstherapie ist ohne Erradikationsmöglichkeit der Viren und ohne Anstieg der CD4-Zellen dann wie bei der Retinitis lebenslang erforderlich, v. a. wenn es mit antiretroviraler Behandlung nicht gelingt, die CD4-Zellzahl dauerhaft auf >100–150/µl anzuheben [Mayer 1994]. Andere Virusinfektionen des Gastrointestinaltrakts Mehrere andere Virusspezies, z. B. Astroviren, Picobirnaviren, Calciviren und Adenoviren, sind möglicherweise für enterale Symptome bei HIV-Infektion verantwortlich. Intestinale Virusinfektion scheinen häufiger als Ursache für chronische Durchfälle bei HIV-infizierten Patienten in Betracht zu kommen als bakterielle oder parasitäre Erkrankungen.Viren kommen bei HIV-infizierten Patienten zwar häufiger vor als in der Normalbevölkerung, sind aber nicht eindeutig mit dem Vorkommen von Durchfällen assoziiert. Es sind keine systematischen Studien verfügbar, die die Bedeutung einzelner intestinal nachweisbarer Viren für die Entstehung von Durchfällen, Malabsorption und andere klinische Symptome grundlegend beurteilen. 15.5
Maligne Erkrankungen des Intestinaltrakts
Zu den Neoplasien,die gehäuft bei HIV-infizierten Patienten auftreten, gehören das Kaposi-Sarkom sowie maligne Non-Hodkin-Lymphome. 15.5.1
Kaposi-Sarkom
Das Kaposi-Sarkom tritt außerhalb von Afrika insbesondere bei homosexuellen weißen Männern auf und
die Prävalenz ist innerhalb der letzten 10 Jahre deutlich rückläufig. Der Tumor wächst disseminiert und wird bei 30–50% der Aids-Patienten im Gastrointestinaltrakt nachgewiesen. Ein primäres und alleiniges Auftreten im Gastrointestinaltrakt ist selten, bei fehlender klinischer Symptomatik erfolgt die Diagnose meist an der Haut oder durch ein auffälliges Röntgenbild der Lunge. Der Nachweis von Herpesvirussequenzen (humanes Herpesvirus 8) in Tumoranteilen hat zu der Vermutung geführt, dass eine virale Koinfektion zur Auslösung des Tumorwachstums beiträgt. Kaposi-Sarkome imponieren als violett bis rötliche erscheinende Knötchen bzw. flächenhafte Läsionen; diese können ulzerieren und bluten. Lebensgefährliche Blutungen oder Perforationen im Gastrointestinaltrakt sind allerdings sehr selten. Klinische Symptome treten meist erst spät im Verlauf der HIV-Infektion auf, z. B. durch Eiweißverluste infolge Verlegung regionaler Lymphabflusswege oder Ileus-Symptome aufgrund einer Obstruktion des Darmlumens. Die Histologie der Tumoren ist an allen Manifestationsorten ähnlich. Frühe Läsionen sind durch eine chronische Entzündung des betroffenen Gewebes und subtile Kapillarproliferation gekennzeichnet. Fortgeschrittene Läsionen zeigen charakteristische Spindelzellen und kavernöse Hohlräume mit atypischen Endothelzellen. Jede Therapie des Kaposi-Sarkoms ohne HAART konnte die Gesamtprognose des Patienten bisher nicht beeinflussen, d. h. sie hat vorwiegend palliativen Charakter. Zur Behandlung haben sich abhängig vom Befallsmuster und der Zahl der CD4-Zellen/µl lokale und systemische Therapien sowie Kombinationstherapien aus beiden Verfahren bewährt.Kryotherapie,Bestrahlung,lokale Zytostatika bzw.Interferon oder eine chirurgische Exzision können zur Behandlung einzelner Kaposi-Läsionen der Haut zwar sinnvoll sein,nicht jedoch bei Infiltrationen im Gastrointestinaltrakts bzw. anderer innerer Körperoberflächen auch wenn diese der Endoskopie zugängig sind. Systemische Behandlungsformen zur Reduktion der Tumormasse beinhalten die Anwendung von aInterferon bei einer CD4-Zellzahl >200/µl; bei Unwirksamkeit auch Zytostatika wie Vincristin mit Bleomycin oder Paclitaxel sowie liposomalem Doxooder Daunorubicin. Soweit vergleichende Studien der unterschiedlichen Zytostatikaregime vorliegen,zeigen sich hinsichtlich der Wirksamkeit keine Unterschiede. Gegenüber Vincristin mit Bleomycin sind die anderen Schemata jedoch nebenwirkungsärmer und teurer. Auch unter HAART alleine, die in jedem Fall begleitend durchzuführen ist, kann es bei gutem An-
167 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
sprechen mit Anstieg der CD4-Helferzellen zu partiellen oder kompletten Remissionen kommen,wie sie bei Organtransplantationspatienten nach Aufheben der Immunsuppression beobachtet werden.
Non-Hodgkin-Lymphom
15.5.2
Non-Hodgkin-Lymphome treten bei etwa 10% der HIV-infizierten Patienten und damit etwa 20-mal häufiger als bei HIV-negativen Patienten auf. Bezogen auf verstorbene Aids-Patienten ist dieser Prozentsatz sogar doppelt so hoch, wenngleich mit Einführung von HAART die Häufigkeit etwas abgenommen hat. Der Gastrointestinaltrakt ist bei etwa 50% der Patienten befallen und stellt damit den häufigsten extranodalen Manifestationsort dar.Die Lymphome können im gesamten GI-Trakt auftreten und werden am häufigsten in Dünn- und Dickdarm diagnostiziert. Mehr als 95% der Lymphome sind immunoblastischer Natur,ausgehend von den B-Zellen des Immunsystems. In der Mehrzahl der Lymphome können EBV-Sequenzen nachgewiesen werden, allerdings ist die pathogenetische Rolle der EBV-Infektion nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Zur Therapie der Non-Hodgkin-Lymphome wurden zahlreiche Regime publiziert, deren vollständige Darstellung den Rahmen dieses Kapitels sprengen würde. Chemotherapieregiem der deutschen HIV-NHL-Studiengruppe 6 Zyklen CHOP: Cyclophosphamid 750 mg/m2 i.v. Hydroxydaunorubicin 50 mg/m2 i.v. Oncovin 1,5 mg/m2 i.v. Prednison 100 mg/m2 i.v. Intrathekale Zytostatikainjektion zur ZNS-Prophylaxe mit 15 mg Methotrexat
– – – –
Aggressivere Chemotherapieschemata konnten bisher keinen Vorteil gegenüber CHOP nachweisen. Derzeit wird der gleichzeitige Einsatz von Rituximab, bei den zumeist CD20-AK-positiven hochmalignen Lymphomen geprüft. Hochrisikopatienten (sehr schlechter Allgemeinzustand, opportunistische Infektionen)
15
sollten mit reduzierter CHOP-Dosierung (75%) behandelt werden. Eine Strahlentherpie erfolgt bei regionalem Befall (ZNS,obere Körperhälfte) ohne extranodalen Befall von Organen.Immer sollte gleichzeitig eine dem Nebenwirkungsspektrum der Chemotherapie angepasste antiretrovirale Kombinationstherapie durchgeführt werden.
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Antibiotikaassoziierte Diarrhö und pseudomembranöse Kolitis J. Stein
III
16.1
Ätiologie und Pathogenese
16.2
Klinik
16.3
Diagnostik
16.4
Therapie
16.4.1 16.4.2 16.4.3 16.4.4
Allgemeinmaßnahmen – 172 Medikamentöse Therapie – 173 Rezidivtherapie – 174 Prophylaxe – 174
Literatur
>>
– 169
– 170 – 172 – 172
– 175
Die antibiotikaassoziierte Diarrhö bezeichnet eine akute entzündliche Darmstörung, die bei und nach Anwendung von Antibiotika auftritt. Das klinische Spektrum reicht von einer passageren leichten Erhöhung der Stuhlfrequenz bis hin zur pseudomembranösen Kolitis, dem Auftreten eines toxischen Megakolons bis zu letalen Ausgängen [Bartlett 2002, Stein 1999].
169 16.1 · Ätiologie und Pathogenese SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
16.1
Ätiologie und Pathogenese
Grundsätzlich können alle Antibiotika – mit unterschiedlichem Risiko – zum Auftreten einer antibiotikaassoziierten Diarrhö zu führen. Besonders hohe Inzidenzen werden nach Gabe von Amipicillin, Clindamycin und Cephalosporinen berichtet (»the big three«). Ein erhöhtes Risiko belastet auch Antibiotikakombinationen, die Cotrimoxazol oder Cephalosporine enthalten (⊡ Tabelle 16.1). Während v. a. Clindamycin für die schweren Verläufe in Form einer pseudomembranösen Kolitis verantwortlich ist, sind die meisten Fälle einer antibiotikaassoziierten Kolitis auf die wesentlich häufiger verschriebenen Cephalosporine oder Breitbandpenicilline zurückzuführen. Aufgrund pathogenetischer Überlegungen lassen sich derzeit 3 klinische Entitäten zuordnen, die sich nach Schweregrad, antibiotischer Therapie und Verlauf unterscheiden. Neben der häufigen oftmals ohne das Bild einer Kolitis verlaufenden Diarrhö und der in der Regel mit einer Superinfektion mit Clostridium difficile einhergehenden pseudomembranösen Kolitis, stellt die segmentelle, hämorrhagische Kolitis ein zunehmend beschriebenes drittes Krankheitsbild dar. Antibiotikaassoziierte Diarrhö ohne Kolitis. Es han-
delt sich um einen unproblematischen, meist selbstlimitierenden Prozess, der inzwischen fast als therapeutische Normalität empfunden wird und ohne weitere differenzialdiagnostische Überlegung akzeptiert wird. Der für die Entstehung der Diarrhö zugrunde liegende pathophysiologische Mechanismus ist bis heute noch nicht endgültig geklärt, jedoch sind Änderungen des mikrobiellen Kohlenhydratstoffwechsels im Kolon vorrangig als Ursache anzusehen. Unter physiologischen Bedingungen werden durch die bakterielle Fermentation ca. 20–50 g Kohlenhydrate/Tag abgebaut, aus denen 200–700 mmol
16
SCFA entstehen. Bei Patienten mit antibiotikaassoziierter Diarrhö kommt es jedoch aufgrund einer antibiotikainduzierten Veränderung in der Kolonflora zu einer Reduzierung der SCFA-Produktionsrate mit konsekutiver Verminderung der luminalen SCFAKonzentrationen um bis zu 70%. Der antibiotische Eingriff in die anaerobe Kolonflora führt zu einer Abnahme der bakteriellen Fermentation, erkennbar an einer Verminderung der H2Generation. Als Folge der Störung des bakteriellen Kohlenhydratmetabolismus kommt es neben einer Verminderung der SCFA-Produktionsrate auch zu einer Zunahme unverstoffwechselter Kohlenhydrate im Stuhl, die aufgrund ihrer osmotischen Aktivität zu einer Bindung von Wasser im Kolonlumen mit konsekutiver Diarrhö führt. Die Durchfälle sind in der Regel geringgradig ausgeprägt mit Volumina <500 g/Tag [Bartlett 2002, Stein 1999]. Clostridium-difficile-assoziierte Kolitis. Der stäbchenförmige, sporenbildende Keim ist bei ca. 2% der symptomfreien Erwachsenen und bei 25–50% der Kinder <2 Jahren im Stuhl nachzuweisen. Kinder erkranken aus bisher noch unklaren Gründen weitaus seltener. Wichtigste Infektionsquelle im Erwachsenenalter ist die stationäre Krankenhausaufnahme [McFarland 1989].Die Inzidenz einer Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhö unter antibiotischer Therapie wird mit 5–21% angegeben, jedoch scheint der Keim dabei nicht die ausschlaggebende Rolle zu spielen, da Clostridium difficile mit 7–25% auch bei Patienten, die keine Diarrhö bekommen, deutlich häufiger vorkommt als bei der erwachsenen Normalbevölkerung. Clostridium difficile verursacht 1/3 aller antibiotikaassoziierten Diarrhöen und ist somit der häufigste Erreger einer nosokomialen Diarrhö. Pathogenetisch gesichert ist, dass der antibiotikabedingte Verlust der Kolonisationsresistenz, der zu einer noch ungeklärten Virulenzsteigerung des Keims
⊡ Tabelle 16.1. Inzidenz von antibiotikaassoziierten Diarrhöen in Abhängigkeit vom verwendeten Antibiotikum Häufig (bis 20%): »the big three«
Gelegentlich (<2%)
Selten
Ampicillin/Amoxicillin Clindamycin Cephalosporine
Erythromycin Penicillin Trimethoprim/Sulfometoxazol Chinolone Lincomycin
Aminoglykoside Doxycyclin Bacitracin Rifampicin Isoniazid Metronidazol Vancomycin
170
Kapitel 16 · Antibiotikaassoziierte Diarrhö und pseudomembranöse Kolitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 16.2. Pseudomembranöse Kolitis: Toxine
III
Toxin A
Toxin B
Enterotoxin
Zytotoxin
308 kDa
270 kDa
Intrazellulärer Ca2+-Anstieg G-Protein-vermittelt
Direkte Alteration des Zytoskeletts (Umlagerung des F-Aktins)
Stimulierung der Cl-Sekretion
Rho-A-vermittelt (smg-Protein)
Proinflammatorisch: Neutrophilenchemotaxis (CD11, CD18, ICAM-1) Erhöhung der intestinalen Permeabilität (mäßig, indirekt)
Erhöhung der intestinalen Permeabilität
führt, den 1. Schritt in der Pathogenese der pseudomembranösen Kolitis darstellt. Als primäre Virulenzfaktoren von Clostridium difficile wurden 2 relativ große einsträngige Toxine mit einem Molekulargewicht von 308 kDa (Toxin A) bzw. 270 kDa (Toxin B) charakterisiert (⊡ Tabelle 16.2). Beide Toxine zeigen eine Sequenzhomologie von etwa 50% und eine ähnliche Primärstruktur.Trotz dieser großen Ähnlichkeit besitzen die Toxine unterschiedliche biologische Wirkungen. Die morphologischen Veränderungen, die durch beide Toxine hervorgerufen werden, sind charakterisiert durch Zerstörung des Zytoskeletts, Kugelung der Zellen und einer dramatischen Retraktion des Zellkörpers (⊡ s. Tabelle 16.2).
Serotyp-O157:H7 oder Aeromonas-Spezies, die ebenfalls eine ischämische,segmentale Kolitis verursachen, ließ sich durch negative Stuhlresultate ebenfalls ausschließen. Da die Behandlung bei den meisten Patienten ursprünglich wegen eines respiratorischen Infektes erfolgte, wurde eine Interaktion von Erregern des oberen Respirationstrakts mit Aminopenicillinen im Sinne einer »Hypersensitivitätsreaktion« diskutiert. Negative Lymphozytenstimulationstests, fehlende Schleimhautveränderungen nach rektaler Applikation sowie andere klinische Hinweise für einen allergischen Mechanismus stellen diese Hypothese jedoch in Frage [Moulis 1994, Mrowka 1990, Stein 1999].
Akute nichtpseudomembranöse, segmentale, hämorrhagische penicillinassoziierte Kolitis. Nur 4 Jah-
16.2
re nach der Identifizierung von Clostridium difficile als Erreger der pseudomembranösen Kolitis, wurde über ein klinisch, endoskopisch, histologisch und prognostisch hiervon klar abgrenzbares Krankheitsbild berichtet. Die Ätiologie dieser durch Penicillin und seine Derivate induzierten Kolitis ist noch weitgehend unbekannt. Der endoskopische Befund, der dem Bild einer ischämischen Kolitis, wie sie im Rahmen eines Perfusions-Reperfusions-Schadens nach kardialen Eingriffen, bei generalisierter Arteriosklerose, nach Langstreckenläufen (»runners disease«) oder Vaskulitiden auftreten kann, ließ zunächst an eine vaskuläre Ursache, z. B. durch auf dem Boden einer allergischen Reaktion entstandenen Mikrothromben denken. Histologische Untersuchungen schlossen jedoch durch Mikrothromben bedingte Gefäßveränderungen aus. Der Einfluss endotoxinbildender Keime wie E.-coli-
Klinik
Antibiotika (Clostridium-difficile-)assoziierte Diarrhö und Kolitis. Die Symptome beginnen meist im
Verlauf einer Antibiotikatherapie,bei 1/3 der Patienten erst 1–10 Tage nach Therapie.Die Diagnose einer antibiotikabedingten Kolitis sollte bei jedem Patienten erwogen werden,der eine Diarrhö bis zu 6 Wochen nach Absetzen der Antibiotika entwickelt [Bartlett 2002, Stein 1999]. Klinische Manifestationen können sich in einem weiten Spektrum bewegen, vom einfachen Stuhlverlust bis zur fulminanten Kolitis mit blutigen Diarrhöen,Bauchschmerzen,Fieber,Leukozytose und eine Enteropathie mit Proteinverlust.Bei schwersten Fällen können Dehydratation, Hypotension, ein toxisches Megakolon und eine Kolonperforation auftreten (⊡ Tabelle 16.3). Betroffen sind v. a. schwerkranke, multimorbide oder postoperative Patienten unter
171 16.2 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
16
⊡ Tabelle 16.3. Klinisches Spektrum der antibiotikaassoziierten Diarrhö. (Mod. nach [Bartlett 2002]) Charakterisitika
C.-diffificile-assoziierte Diarrhö
Nicht-C.-difficile-assoziierte Diarrhö
Häufigste Antibiotika
Clindamycin, Cephalosporine, Penicilline
Clindamycin, Cephalosporine, Amoxicillin/Clavulansäure
Anamnese
Normalerweise keine Antibiotikaunverträglichkeit in der Vorgeschichte
Oftmals AAD in der Vorgeschichte
Diarrhö
Floride Verläufe möglich, Kolitis mit abdominellen Krämpfen, Leukozyten im Urin postiv
Normaler weise eher moderate Verläufe ohne Kolitiszeichen
Bildgebende Diagnostik
Deutliche Zeichen einer Kolitis
Schleimhaut normal
Komplikationen
Hypoalbuminämie, Anasarca, toxisches Megakolon, Rizidive nach Behandlung mit Metronidazol oder Vancomycin
Gelegentlich Dehydratation
Toxinnachweis
Positiv
Negativ
Epidemiologie
Epidemien oder Endemien in Krankenhäusern möglich
Sporadisches Auftreten
Absetzen der Antibiose
Selbstlimitierende Verläufe eher selten, persitierende fortschreitende Verläufe
Selbstlimitierend
Motilitätshemmende Pharmaka
Kontraindiziert
Oftmals hilfsreich
Metronidazol/Vancomycin oral
Promptes Ansprechen
Nicht indiziert
Klinik
Therapie
Antibiotikagabe, aber auch bei gesunden Patienten mit Bagatellinfektionen kann sich eine pseudomembranöse Kolitis etablieren.In der Regel findet sich eine wäßrige Diarrhö mit z. T. blutigen Stühlen, abdominellen Krämpfen, Fieber und Leukozytose. Die mittlere Krankheitsdauer beträgt ca. 10–12 Tage. In der Regel verlaufen pseudomembranöse Kolititiden nach Absetzen des auslösenden Antibiotikums selbstlimitierend, bei einem nicht unerheblichen Teil der Patienten kommt es jedoch zu einem deutlich protrahierten Verlauf,bei ca.25% stellen sich Rezidive ein. In einigen wenigen Fällen entwickeln sich mit Perforation, Sepsis oder toxischem Megakolon Komplikationen, die zu einem letalen Ausgang führen können.
Die Faktoren, die zu den unterschiedlichen Krankheitsverläufen führen, sind unbekannt. Penicillinassoziierte Kolitis. Die klinischen Befunde bei den bisher beschrieben 35 Patienten sind in ⊡ Tabelle 16.4 zusammengestellt. In allen Fällen trat eine
hämorrhagische Diarrhö mit einer Frequenz von 10–15 Stühlen/Tag im Mittel 4 Tage nach oraler Penicillingabe auf. Nach Absetzen des Antibiotikums kam es im Mittel nach 3 Tagen zum Verschwinden der klinischen Beschwerden bei lediglich symptomatischer Therapie. Das Auftreten nach einer parenteralen Penicillinapplikation oder fulminante Krankheitsverläufe wie bei der pseudomembranösen Kolitis sind
172
Kapitel 16 · Antibiotikaassoziierte Diarrhö und pseudomembranöse Kolitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 16.4. Klinische Befunde bei Patienten mit penicillinassoziierter, hämorrhagischer Kolitis. (Mod. nach [Stein 1999]) Patienten
Alter m/w
16–86 Jahre 18/17
Auslöser
Amoxicillin Amipicillin Penicillin
40% 50% 10%
Klinik
Symptombeginn Blutige Diarrhö Bauchkrämpfe
1–7 Tage 94% 87%
Lokalisation
Colon ascendens Colon transversum Colon descendens Colon sigmoideum Rektum
70% 77% 50% 25% 15%
III
bisher nicht beschrieben worden [Mrowka 1990, Stein 1999]. 16.3
Diagnostik
Die Sicherung der Diagnose erfordert Stuhlkulturen auf Clostridium difficile oder Proben zum Nachweis ihres Toxins. Der Toxinnachweis ist meist die Methode der Wahl, da die Technik der Stuhlkulturen auf Clostridium difficile relativ anspruchsvoll und in vielen klinischen Labors nicht verfügbar ist. Die Häufigkeit eines positiven Toxinnachweises steigt mit der Schwere einer Kolitis (um 20% bei einer einfachen Diarrhö nach Antibiotikatherapie, bis >90% bei einer offenen pseudomembranösen Kolitis). Der Toxinnachweis (Toxin A und B) im Stuhl ist heute mittels eines Latex-Ag-Glutinationstests relativ rasch möglich und hat daher den direkten Keimnachweis in der klinischen Routinediagnostik weitgehend verdrängt. Die endoskopische Abklärung ist ein unabdingbares Muss in der Diagnostik einer pseudomembranösen Kolitis ( s. Kap. 22).Die Pseudomembranen – der Schleimhaut aufgelagerte gelb-grünliche Ablagerungen aus Fibrinzelldetritus, Leukozyten und Schleim, die der Erkrankung ihren Namen gaben – sind nicht in jedem Fall nachweisbar. In vielen Fällen werden sie durch die im Rahmen der Vorbereitung zur Koloskopie notwendigen Darmspülung bereits ausgewaschen.
Aus diesem Grund ist stets auch eine histologische Diagnostik gewonnener Biopsate anzustreben. Histologisch finden sich granulozytäre Infiltrate in der Lamina propria, ein submuköses Ödem sowie Gefäßdilatationen. Abdomenübersichtsaufnahmen zeigen ein Schleimhautödem und ein abnormes Haustrenmuster. Endoskopisch zeigt sich bei der hämorrhagischen penicillinassoziierten Kolitis ein scharf von unauffälliger Schleimhaut abgegrenzter segmentaler Befall [Bartlett 2002, Heer 1989, Stein 1999]. Es finden sich ausgeprägte submuköse Hämorrhagien (87%) sowie ödematöse Schleimhautrötungen (52%), ggf. auch aphtöse Ulzerationen. Hinsichtlich des endoskopischen Bilds muss differenzialdiagnostisch eine ischämische Kolitis abgegrenzt werden (Medikamentenanamnese, Grunderkrankung). Sonographisch findet sich eine ausgeprägte Wandverdickung des befallenen Kolonabschnitts mit deutlicher Inhomogenität des Mukosa-Submukosa-Musters.Der diagnostische Wert von Röntgenaufnahmen ist eher als begrenzt anzusehen, da sowohl normale als auch unspezifische Wandveränderungen beschrieben wurden. Stuhlkulturen auf Clostridium difficile sind stets negativ. Eine spezifische Laborkonstellation ist ebenfalls nicht bekannt (mäßige Leukozytose bei unauffälligem Differenzialblutbild). 16.4
Therapie
16.4.1
Allgemeinmaßnahmen
Falls eine signifikante Diarrhö während einer Antibiotikatherapie auftritt,sollte die Einnahme sofort gestoppt werden – außer die Gabe ist unerläßlich. Medikamente, die die Peristaltik hemmen (z. B. Diphenoxylat) sollten vermieden werden, da sie die Krankheit verlängern können, indem sie die Kontaktzeit der Kolonschleimhaut mit dem Toxin verlängern. Wichtig Unkomplizierte, antibiotikaassoziierte Diarrhöen ohne Nachweis einer floriden Kolitis oder Toxizität oder die beschriebene pencillinassoziierte segmentalhämorrhagische Kolitis heilen innerhalb weniger Tage nach Absetzen des Antibiotikums aus.
In der Regel ist keine weitere spezielle Therapie erforderlich. In wenigen Fällen (Kinder, konsumierende
173 16.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
16
⊡ Tabelle 16.5. Therapeutisches Vorgehen bei Clostridium-difficile-Diarrhö und Kolitis 1.
Allgemeine Maßnahmen (oftmals ausreichend)
Absetzen (ggf. Umsetzen) der Antibiotikatherapie, supportive Maßnahmen wie Korrektur des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts, keine Antidiarrhoika
2.
Spezifische Maßnahmen
Wenn die Diagnose Clostridium-difficile-Diarrhö gesichert ist orale Gabe von Metronidazol (3 ¥ 400 mg/Tag oral oder ggf. 3 ¥ 500 mg/Tag i. v.) als Therapie der ersten Wahl. Wenn die Diagnose Clostridium-difficile-Diarrhö wahrscheinlich, der Patient ernstlich krank ist, frühzeitige Gabe von Metronidazol. Vancomycin (4 ¥ 125 mg/Tag oral über 7–14 Tage) erst, wenn der Patient nicht auf Metronidazol anspricht, es sich um einen Metronidazol-resistenten Stamm handelt, eine Metronidazolunverträglichkeit vorliegt, eine Schwangerschaft vorliegt oder der Patient jünger als 10 Jahre ist, es sich um eine fulminante Verlaufsform handelt, es Hinweise gibt, dass es sich um Staphylococcus aureus als Erreger handelt
3.
Rezidivtherapie
Überprüfung und Bestätigung der Diagnose, Absetzen jeglicher Therapie, die eine Diarrhö verursachen könnte (z. B. Prokinetika), Vorgehen wie unter Punkt 2, nach Behandlung eines Rezidivs über mindestens 2 Monate keine Antibiotika, bei erneutem Rezidiv oder Persistenz, Vancomycin oder Metronidazol (wie unter 2) oral über 10–14 Tage, gefolgt von Cholestyramin (3¥/Tag 4 g) plus Lactobacillus (1 g 4¥/Tag) über 3–4 Wochen, Vancomycin plus Rifampicin für 7–14 Tage, Saccharomyces boulardii (2x250 mg/Tag) plus Metronidazol oder Vancomycin (wie unter 2), Immunglobulingabe (400 mg/kgKG i. v. alle 3 Wochen)
Grundkrankheit, ältere Patienten) wird eine, über die ansonsten ausreichende orale Flüssigkeitsgabe hinausgehende, parenterale Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution erforderlich (⊡ Tabelle 16.5). Zunehmend wird wie in angelsächsischen Ländern eine Isolierung der Patienten empfohlen. 16.4.2
Wichtig Bei gleicher Ansprechrate (90–97%) sollte insbesondere bei Erstbehandlung Metronidazol (3¥400 mg/Tag) gegenüber dem in der Vergangenheit empfohlenen Vancomycin (4¥125 mg/ Tag) der Vorzug gegeben werden [Bartlett 2002].
Medikamentöse Therapie
Als Indikationen zur medikamentösen Behandlung gelten postiver Toxinnachweis mit Zeichen einer floriden Kolitis (Fieber, Leukozytose, typische endoskopische Schleimhautveränderungen), Persistenz der Diarrhö trotz Aussetzen der Antibiotikamedikation, bzw. die klinische Notwendigkeit zur Fortsetzung der Antibiose [Bartlett 2002, Lembcke 2003, Stein 1999].
Die durchschnittliche Therapiedauer beträgt 10 Tage. Hierfür sprechen neben deutlich geringeren Behandlungskosten auch das deutlich niedrigere Risiko von vancomycinresitenter Stämme [Bartlett 2002]. Darüber hinaus verfügt Metronidazol im Gegensatz zu Vancomycin über eine zumindest ebenso hohe therapeutische Effizienz nach parenteraler Gabe. Vancomycin oral (4¥250 mg/Tag) sollte daher für schwerste oder resistente Verläufe reserviert bleiben.
174
III
Kapitel 16 · Antibiotikaassoziierte Diarrhö und pseudomembranöse Kolitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die früher unter der Vorstellung einer Toxinbindung zusätzlich empfohlene Gabe von Colestyramin (3x4 g/Tag) ist zumindest bei Verabreichung von Vancomycin nicht empfehlenswert, da es zu luminalen Bindung mit konsekutivem Abfall der Vancomycinkonzentation kommt [Bartlett 2002]. 16.4.3
Rezidivtherapie
Bei 20–25% der Patienten kommt es jedoch nach Absetzen der antibiotischen Therapie (Metronidazol oder Vancomycin) im Zeitraum von 3 Tagen bis 3 Wochen zu Rezidiven [Bartlett 2002, McFarland 2002]. In einer neueren Untersuchung wurde die Wirksamkeit der Saccharomyces boulardii (2¥500 mg/Tag) in Kombination mit Vancomcin (900 mg/Tag) oder Metronidazol (1300 mg/Tag) mit einer alleinigen antibiotischen Behandlung verglichen. Zur Erfassung der Rezidive wurde weitere 4 Wochen nachbeobachtet [McFarland 2002]. Die Studie zeigte, dass im Falle von Rezidiven eine Kombinationsbehandlung von S. boulardii mit Metronidazol (oder Vancomycin) der bisher empfohlenen alleinigen Antibiotikabehandlung überlegen ist (⊡ Tabelle 16.6). Der Stellenwert einer generellen Kombinationsbehandlung oder gar einer Monotherapie mit S.boulardii bei schweren Verläufen ist derzeit noch nicht eindeutig geklärt [Bleichner 1997, Bartlett 2002]. Gelegentlich kann eine subtotale Kolektomie oder eine verlagerte Ileostomie als lebenserhaltende Maßnahme bei schwersten Verläufen notwendig werden.
⊡ Abb. 16.1. Metaanalyse (log Oddsratio) von Studien zum Einsatz von Probiotika in der Prävention der antibiotikaassoziierten Kolitis. * Studien mit Saccharomyces boulardii. T Studien mit Lactobacillus spp. M-H Mantel-Haenszel; RR relatives Risiko. (Mod. nach [Cremonini 2002])
⊡ Tabelle 16.6. Häufigkeit von Rezidiven einer Clostridium-difficile-Kolitis nach Therapie einer Ersterkrankung oder eines Rezidivs A/P
Kolitis Rezidiv Gesamt
A/Sb
n
[%]
n
[%]
8/33 22/34 30/67
24,2 64,7 44,8
6/31 9/26 15/37
19,3 34,6 26,3
A Antibiotische Behandlung (Metronidazol/Vancomycin); P Placebo; Sb Saccharomyces boulardii.
16.4.4
Prophylaxe
Neben der Vermeidung eines unkritischen Einsatzes von Antibiotika gilt eine Minimierung der antibiotischen Therapiedauer als erstes prophylaktisches Ziel. Da bei einem Sporenbildner wie Clostridium difficile eine horizontale Kontagiosität nicht auszuschließen ist, in der Vergangenheit es zum Auftreten von Clustern unter hospitalisierten Patienten gekommen ist, empfiehlt es sich, erkrankte Patienten weitgehend zu isolieren [Guerrant 2001]. Ein vielversprechender neuer prophylaktischer Ansatz bei einer notwendigen Antibiotikatherapie scheint die gleichzeitige Gabe von Probiotika (z. B. S. boulardii, Lactobacillus GG) zu sein [Gorbach 1987; McFarland 1994]. Bei gleichzeitiger Einnahme von
175 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
S. boulardii (2¥250 mg/Tag) ließ sich die Häufigkeit des Auftretens von b-Lactamantibiotika-assoziierten Diarrhöen signifikant senken [McFarland 1999]. Allerdings versagt der Keim in der Therapie einer bereits aufgetretenden AAD. In 2 kürzlich publizierten Metaanalysen [Cremoni 2002, D’Souza 2002] wird klar der Stellenwert probiotisch wirkender Therapeutika in der Prävention AAD hervorgehoben (⊡ Abb. 16.1).
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Einheimische, tropische Sprue, Autoimmunenteropathie W. F. Caspary, J. Stein
III
17.1
Zöliakie/Sprue
17.1.1 17.1.2 17.1.3 17.1.4
Definition – 177 Ätiologie und Pathogenese – 177 Klinik und Diagnostik – 177 Therapie – 179
17.2
Refraktäre Sprue
17.2.1 17.2.2 17.2.3
Definition und Ätiopathogenese Klinik und Diagnostik – 181 Therapie – 181
17.3
Tropische Enteropathie und tropische Sprue
17.3.1 17.3.2 17.3.3 17.3.4
Definition und Epidemiologie – 182 Ätiologie und Pathogenese – 183 Klinik und Diagnostik – 183 Therapie – 184
17.4
Autoimmunenteropathie – Microvilluous Inclusion Disease – Tufting-Enteropathie – 184
17.4.1 17.4.2 17.4.3
Autoimmunenteropathie – 184 Microvilluous Inclusion Disease – 184 Tufting-Enteropathie – 185
Literatur
– 185
– 177
– 181 – 181
– 182
177 17.1 · Zöliakie/Sprue SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
17.1
Zöliakie/Sprue
Es handelt sich um eine Dünndarmerkrankung,die in erster Linie morphologisch definiert ist. Sie geht mit einer charakteristischen, diagnostisch aber unspezifischen, Zottenreduktion und Kryptenhyperplasie der Dünndarmschleimhaut einher. Bei den betroffenen Individuen besteht eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Protein Gliadin, das in Weizen, Gerste und Roggen enthalten ist. Die strukturellen Veränderungen bilden sich nach glutenfreier Ernährung zurück und treten bei Glutenexposition erneut auf. 17.1.1
Definition
Die Erkrankung kommt weltweit vor, sie ist jedoch in den verschiedenen Ländern mit unterschiedlicher Häufigkeit anzutreffen. Die Krankheit manifestiert sich gewöhnlich nach dem Säuglingsalter mit Beginn einer glutenhaltigen Nahrung. Ein erster Altersgipfel liegt zwischen 9 Monaten und 3 Jahren, ein zweiter im 4. Lebensjahrzehnt. Inzidenz und Prävalenz zeigen große geographische Unterschiede.In Irland und Schottland ist die Zöliakie besonders häufig (1:300), in anderen Teilen Europas weniger häufig (England 1:3000). In Deutschland dürfte die Inzidenz bei Kindern bei etwa 1:500, bei Erwachsenen bei 1:3000 liegen. Die Inzidenz der Sprue hat in den letzten Jahren abgenommen. Etwa 5–10% der Verwandten ersten Grades von Patienten mit einer manifesten Sprue weisen eine asymptomatische Sprue mit den typischen Veränderungen in der Dünndarmschleimhaut auf.(Übersicht bei [Holtmeier 1999]). 17.1.2
gerechnet wird und als Secalin im Roggen,als Hordein in der Gerste und als Avenin im Hafer vorkommen. Letztlich werden diese Prolamine als die eigentliche toxische Komponente in den Zerealien angesehen [Belitz 1992; Ciclitira 1985; Mowa 2003]. 17.1.3
Klinik und Diagnostik
Zöliakie des Kindes Vor dem 6. Lebensmonat erkranken nur wenige Kinder an der Zöliakie. Die Symptome sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Zwei Drittel der Krankheitsfälle werden im 2. und 3. Lebenshalbjahr erkannt. Nur etwa 15% der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose älter als 2 Jahre. Bei den meisten Kindern treten die Symptome 3 bis 6 Monate nach dem Beginn der glutenhaltigen Ernährung (Grießbrei, Vollkornbrei etc.) auf. Oftmals stehen Gedeihstörungen, weniger die Durchfälle im Vordergrund der klinischen Symptomatik (⊡ Tabelle 17.1). Vollbild der Sprue Beim Vollbild der Sprue leidet der Patient aufgrund der Malabsorption unter starkem Gewichtsverlust, Muskelschwund und Eiweißmangelödemen. Durch die fehlende Fettresorption sind die Stühle massiv, breiig und fettglänzend. Neben den Krankheitserscheinungen von Seiten des Magen-Darm-Trakts können bei der Sprue extraintestinale Symptome auftreten, die meist durch die Malabsorption wichtiger Nahrungsstoffe wie Kohlenhydrate, Fette, Eiweiß, Vitamine, Mineralien und Spurenelemente bedingt ist. Zusätzlich gibt es extraintestinale Manifestationen die nicht direkt durch Mangelerscheinungen zu erklären sind und vermutlich durch ähnliche Immunmecha-
Ätiologie und Pathogenese
Ätiopathogenetisch handelt es sich bei Zöliakie/Sprue um eine permanente Intoleranzreaktion gegenüber Gluten. Weizenmehl besitzt einen Proteingehalt von 7–15%, der wiederum zu 90% aus Gluten besteht. Die Glutenfraktion des Weizenmehls ist wasserunlöslich. Durch Extraktion in Äthylalkohol lassen sich 2 Fraktionen trennen: Das alkoholunlösliche Glutenin und das lösliche Gliadin. Bei Gliadin handelt es sich um ein etwa 30–75 kD großes Glutamin- und prolinreiches Polypeptid, das der Gruppe der Prolamine, die neben den wasserlöslichen Globulinen und Albumin, die alkohollöslichen weitestgehend wasserunlöslichen Fraktion der Klebereiweiße in Getreiden ausmachen, zu-
17
⊡ Tabelle 17.1. Symptome der Zöliakie bei Säuglingen und Kleinkindern Symptome
[%]
Gedeihstörungen Geblähtes Abdomen Durchfälle Blässe Erbrechen Wesensveränderungen Appetitlosigkeit Muskelschwäche Eiweißmangelödeme
98 86 76 65 60 56 46 43 11
178
Kapitel 17 · Einheimische, tropische Sprue, Autoimmunenteropathie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 17.2. Extraintestinale Manifestationen der Sprue
III
Organe/Symptom
Ursache
Durch Mangelerscheinungen verursacht
Periphere Polyneuropathie Perniziöse Anämie Nachtblindheit Blutungsneigung Osteomalazie, Osteoporose Muskelkrämpfe Ödeme Wachstumsstörungen Menstruationsstörungen, Impotenz
Thiamin- und Vitamin-B12-Mangel Folsäure, Vitamin-B12-Mangel Vitamin-A-Mangel Vitamin-K-Mangel Vitamin-D- und Kalziummangel Magnesiummangel Proteinmangel, Hypalbuminämie Malabsorption aller Nahrungsbestandteile Unbekannt
Mit Sprue assoziierte Erkrankungen (vermutlich immunologische Mechanismen)
Diabetes mellitus, Sjögren-Syndrom, rheumatoide Arthritis, IgA-Nephritits Kuhmilchproteinintoleranz Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Dermatitis herpetiformis Duhring Neurologisch-psychiatrische Krankheitsbilder: Depressionen, Psychopathien, Enzephalopathien, zerebelläre Syndrome, Epilepsie
nismen verursacht werden, die auch zur Schädigung der Darmmukosa geführt haben (⊡ Tabelle 17.2). Symptome wie Anämie oder Eisenmangel können oftmals zunächst der einzige Hinweis auf das Vorliegen einer Sprue sein (oligosymptomatische Sprue). Auch Knochenschmerzen mit Osteomalazie lassen den Patienten zunächst den Orthopäden aufsuchen. Im Blut ist dann häufig nur ein erniedrigtes Serumkalzium und eine erhöhte alkalische Phosphatase erfassbar. Des Weiteren können extraintestinale Manifestationen wie z. B. neurologisch-psychiatrische Krankheitsbilder oft die einzigen Symptome einer Sprue sein [Holtmeier 1999]. In den 1990 erneut überarbeiteten Richtlinien der ESPGAN (European Society of Pediatric Gastroenterology and Nutrition) zur Zöliakie-/Spruediagnose wird der charakteristische, nach definierten Kriterien erhobene, endoskopisch-histologische Schleimhautbefund weiterhin als »diagnostischer Goldstandard« angesehen. Zudem wird gefordert, dass sich dieser Befund (flache Mukosa) unter einer strikten glutenfreien Diät normalisiert. Die endoskopisch aus den distalen Anteilen des Duodenums entnommene Biopsie ist so aussagekräftig wie die Entnahme aus dem Jejunum mittels Saugkapsel. Es wird die Entnahme von etwa 3 Biopsien aus dem distalen Duodenum oder Jejunum empfohlen, da die morphologischen Veränderungen insbesondere bei den oligosymptomatischen Formen der Sprue nicht immer flächig sind. Es können auch
nur einzelne Areale befallen sein. Bei initial unklarer Biopsie kann ein oraler Belastungstest mit hohen Glutendosen erwogen und anschließend eine erneute Biospie entnommen werden. Die histologische Einteilung der Sprueläsionen erfolgt nach der Klassifikation von Marsh: ▬ Grad 0: – auffällige Duodenalmukosa ▬ Grad 1: – Unaufällige Villi und Krypten,aber erhöhte intraepitheliale Lymphozytenzahl (> 40 pro 100 Epithelzellen), ▬ Grad 2: – unauffällige Villi, aber Hyperplasie der Krypten, aber erhöhte intraepitheliale Lymphozytenzahl ▬ Grad 3: Zottenatrophie 3a: partielle Villusatrophie: Verplumpung der Zotten, Hyperplasie der Krypten und vermehrte intraepitheliale Lymphozytenzahl 3b: subtotale Atrophie der Villus 3c: totale Villusatrophie) ! Cave Der histologische Schweregrad korreliert nur unzureichend mit den klinischen Symptomen. Ferner erlaubt die histologische Klassifizierung einer »Marsh-1-Läsion« noch nicht die Diagnose einer Sprue, da hier auch bakterielle oder virale ▼
179 17.1 · Zöliakie/Sprue SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Infektionen zugrunde liegen können ( s. a. Tabelle 17.5).
Antikörperdiagnostik In den letzten Jahren hat die Antikörperdiagnostik durch die Einführung der Endomysium-AK zunehmend an Bedeutung in der Diagnose der Sprue erhalten. In der Spruediagnostik des Erwachsenen besitzt die Bestimmung spezifischer Antikörper gegen Endomysium der IgA-Klasse im Serum den größten Stellenwert. In der diagnotischen Aussagekraft mindestens gleichwertig erweist sich der Nachweis von Transglutaminaseantikörpern (TG-AK), deren Sensitivität und Spezifität beim Erwachsenen mit 95–100% angegeben wird. In beiden Fällenen ist zu beachten, dass etwa 2–5% aller Spruepatienten einen IgA-Mangel aufweisen und somit die IgA-Tests negativ ausfallen. Individuen mit einem IgA-Mangel haben gegenüber der Normalbevölkerung ein 10fach erhöhtes Risiko eine Sprue zu entwickeln. Diese Beobachtung unterstützt die Annahme, dass die IgA-Antikörper nicht primär für die Entstehung der Sprue verantwortlich sein können.Auch bei der Dermatitis herpetiformis ist eine Diagnostik durch die Bestimmung der Antikörper gleichermaßen durchführbar. Im Serum von Spruepatienten können für alle Fraktionen des Gliadins (a, b, g, w) Gliadinantikörper (GA) nachgewiesen werden. In der klinischen Diagnostik werden IgA- und IgG-GA bestimmt, wobei IgAGA eine höhere Spezifität und Sensitivität haben als IgG-GA. Da sich ausreichende Sensitivitäten und Spezifitäten allerdings nur bis zum 2. Lebensjahr finden, sollte auf den Einsatz in der Erwachsenendiagnostik gänzlich verzichtet werden. Die Bestimmung von Retikulinantikörpern (RA) gilt hier ebenfalls als umstritten. 17.1.4
bensmittelindustrie bietet eine große Auswahl glutenfreier Mehle und Fertigprodukte (Backwaren, Nährmittel, Milchnahrungen und Breikost für Säuglinge und Kleinkinder usw.) an, die meist aus reiner Stärke bestehen und bei denen Backfähigkeit durch Zusatz von glutenfreiem Klebeeiweiß, z. B. aus Johannisbrotkernmehl, erreicht wird. Problematisch ist das praktisch ubiquitäre Vorkommen von Gluten, insbesondere in Form von Weizenmehl, in verarbeiteten Lebensmitteln (⊡ Tabelle 17.3). Es handelt sich dabei besonders um von der Lebensmittelindustrie hergestellte Fertigprodukte wie Soßen, Suppen, Gemüse- und Fleischkonserven, Gewürzmischungen, verschiedene Wurst- und Käsesor-
⊡ Tabelle 17.3. Vorkommen von Gluten in versteckter Form in Fertiglebensmitteln Lebensmittelgruppe Gemüse/Kartoffeln
Tiefkühlgemüse mit Mehlzusatz, Kartoffelfertigprodukte, Gemüsebrühe
Obst
Frauchtzubereitungen, eingedickte Früchte
Milchprodukte
Mit Fruchtzubereitungen oder Müslizussatz, fettreduzierte Frischkäsezubereitungen, Schmelzkäse, Schlagschaum, Speiseeispulver, Kräuterbutter
Fleischwaren/ Fischerzeugnisse
Grütz-, Semmel-, Mehlwürste, fettreduzierte Wurstwaren, Fleischfüllungen, Frikadellen, panierte Produkte, Erzeugnisse mit Sauce, Brathering, Bratrollmops, Fisch in Sauce
Getränke
Malzkaffee, Bier, Spirituosen aus Getreide, Instanttees
Süßigkeiten
Pralinen, Malzbonbons, Desserts, Marzipan, Kartoffelchips, Knabbergebäck
Sonstiges
Fertigsuppen, Fertigsaucen, Salatdressings, Ketchup, Senf, Fertiggerichte, Backzutaten (Backpulver, Tortenguss usw.)
Therapie
Die diätetische Therapie glutensensitiven Enteropathie besteht in der Elimination aller Getreidearten, die toxisches Gluten enthalten (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Grünkern, Dinkel) und daraus hergestellter Produkte. Reine Stärke (Primastärke) aus den entsprechenden Getreidearten hat einen minimalen Resteiweißgehalt von 0,3% und ist somit in der glutenfreien Diät erlaubt und zur Herstellung glutenfreier Lebensmittel zugelassen. In der Praxis ist es meist unproblematisch, aus den betreffenden Getreidearten hergestellte Nahrungsmittel wie Brot, Brötchen, Nudeln, Kuchen, Grieß, Graupen usw. zu meiden. Die Le-
17
180
Kapitel 17 · Einheimische, tropische Sprue, Autoimmunenteropathie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
III
⊡ Abb. 17.1. Klinischer Verlauf einer Sprue/Zöliakie
ten und Süßigkeiten. Die Zutatenliste der entsprechenden Produkte gibt meist keine ausreichenden Hinweise, um beurteilen zu können, ob es sich im ein glutenfreies Produkt handelt. Zu beachten ist ferner, dass auch manche Produkte der pharmazeutischen Industrie Gluten enthalten. Wichtige Auskunftquelle für alle Fragen, die eine glutenfreie Kost betreffen, ist die Deutsche Zöliakiegesellschaft e.V. (Stuttgart). Sie ist Herausgeber der jährlich neu überarbeiteten »Aufstellung glutenfreier Lebensmittel und Arzneimittel« und des »Zöliakiehandbuches«, die eine unentbehrliche Hilfestellung bei der Umsetzung strikt glutenfreier Kost in die Praxis darstellen. Die Glutenelimination führt meist innerhalb weniger Wochen zur Besserung der Krankheitssymptome (⊡ Abb. 17.1). Bei Kindern und Jugendlichen ist häufig ein schnelles Ansprechen auf eine glutenfreie Ernährung zu beobachten als bei älteren Menschen. Die Toleranzgrenze für Gluten variiert von Patient zu Patient. Es sollte deshalb berücksichtigt werden, dass bei ausgeprägter Intoleranz bereits Spuren von Gluten, wie z.B. in Weizenstärke, die Darmschädigung unterhalten können [Stein 2003]. Als Folge der morphologischen Veränderungen der Dünndarmschleimhaut bei Sprue kann es zu einer Be-
einträchtigung der Fett- und Laktoseresorption kommen. In der Anfangsphase bis zur Normalisierung der intestinalen Funktion ist es deshalb häufig erforderlich, die kausale Diättherapie durch eine Elimination von Laktose und einer Reduktion der Fettzufuhr zu ergänzen. Diese Maßnahmen tragen zwar nicht zu einer Begünstigung des Heilungsprozesses bei, jedoch kommt es zu einer Verminderung subjektiver Beschwerden.Bei einer Reduktion der Fettzufuhr können ersatzweise zur Deckung des Ernergiebedarfs mittelkettige Triglyceride (MCT) eingesetzt werden. Zu Beginn der Behandlung können aufgrund der eingeschränkten resorptiven Kapazitäten ausgeprägte Mangelzustände an wasserund fettlöslichen Vitaminen, Elektrolyten und Mineralien bestehen, die eine orale oder parenterale Substitution erforderlich machen [Stein 2003]. Kontroverse: Hafer in der Ernährung von Spruepatienten Übereinstimmung herrscht darüber, dass die toxische Gliadinfraktion im Klebeeiweiß (Gluten) des Weizens, Roggens und der Gerste enthalten ist, nicht aber in Mais, Reis, Buchweizen und Hirse. Die Toxidität von Hafer für Spruepatienten hingegen wird seit 3 Jahren kontrovers diskutiert. Frühere Untersuchungen zei-
181 17.2 · Refraktäre Sprue SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
gen widersprüchliche Ergebnisse, hinsichtlich des Effektes von Hafer auf die Dünndarmmukosa. In 2 Studien fanden Janatuinen et al.1995 und 2003 keinen Hinweis für eine toxische Wirkung von Hafer für Patienten mit Sprue. In einer randomisierten Studie verglichen sie die Wirkungen einer glutendfreien Kost mit und ohne Hafer an 52 Patienten mit einer Sprue in Remission und 50 neu diagnostizierten Spruepatienten über einen Zeitraum von 6–12 Monaten. Patienten der Hafergruppe erhielten zusätzlich zur glutenfreien Kost 50–70 g Hafer/Tag. Die Ergebnisse zeigten, dass Hafer als Bestandteil einer glutenfreien Diät keinen negativen Effekt auf die Morphologie der Dünndarmschleimhaut und den Ernährungszustand bei Spruepatienten in Remission hat. Bei den Patienten mit neu diagnostizierter Sprue wurde sowohl in der Kontrollgruppe als auch in der Verumgruppe eine Remission innerhalb eines Jahres erzielt. Ein Ausschlusskriterium dieser Studie waren Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf. In einer Studie von Srinivasan et al. (1996) wurden 10 Patienten unter Gabe von 50 g Hafer zusätzlich zur glutenfreien Kost über einen Zeitraum von 12 Wochen beobachtet, wovon 2 Patienten eine ausgeprägte Sensitivität gegenüber kleinster Mengen Gluten aufwiesen. Diese Patienten zeigten eine Stimulation immunologischer Mechanismen gemessen an der Produktion Transglutaminase- bzw.- und Endomysium-Antikörpern bei Verabreichung kleinster Mengen Gluten. Hafer bewirkte keine Veränderung der immunologischen Parameter. Eine Untersuchung von Hardmann et al. (1977) zur Wirkung von Hafer bei Dermatitis herpetifomris konnte diese Ergebnisse bestätigen. Ein häufig unterschäzter Faktor in der Behandlung der Sprue, ist die diätetische Compliance der Patienten [Meyer 1991]. So fanden Kumar et al. (1988) eine konsequente Einhaltung der glutenfreien Kost bei nur 44% von 102 untersuchten jugendlichen Patienten. 9% der Patienten nahmen bei überwiegend glutenfreier Kost 2,5–10 g Gluten/Tag auf und 11% der Patienten hielten keine Diät ein (>10 g Gluten/Tag). 17.2
Refraktäre Sprue
17.2.1
Definition und Ätiopathogenese
Bei der therapierefraktären Sprue (RS) kommt es trotz einer glutenfreien Diät zu keiner befriedigenden Besserung des Krankheitszustandes.Es handelt sich letztlich um eine Ausschlussdiagnose. Ein Teil der Patienten spricht initial oftmals gut auf eine glutenfreie Diät
17
an,entwickelt aber dann therapierefraktäres Stadium. Ob dem Fehlen der Panth-Zellen bei diesen Patienten eine pathogenetische Bedeutung zukommt bzw. für eine schlechte Prognose spricht gilt als umstritten [Ryan 2000]. 17.2.2
Klinik und Diagnostik
Das klinische Bild beider Entitäten ist geprägt von profusen Durchfällen, Gewichtsverlust und ausgeprägtem Malabsorptionssyndrom. Beim Vorliegen einer therapiefraktären Sprue sollte differenzialdiagnostisch stets an das Vorliegen eines malignen Lymphoms oder an eine sog. kollagene Sprue gedacht werden (⊡ Tabelle 17.4). Spruepatienten haben ein doppelt so hohes Krebsrisiko wie Normalpersonen. Etwa 10–15% der Patienten, bei denen die Erstdiagnose der Sprue oft 20–30 Jahre zurückliegt, entwickeln gastrointestinale Tumore, wobei das T-Zell-Lymphom des Dünndarms im Vordergrund steht [Cellier 2000].Eine möglichst frühzeitige, strikte und lebenslange Einhaltung einer glutenfreien Ernährung führt zu einer Reduzierung des Malignomrisikos.Da noch nicht geklärt ist,ob Patienten mit einer latenten Sprue ein erhöhtes Krebsrisiko haben, kann bis jetzt keine Aussage darüber gemacht werden, ob man diesen Patienten zu einer glutenfreien Kost raten muss. 17.2.3
Therapie
Oft kann sich ein Behandlungsversuch mit einem Kortisonpräparat (z. B. Prednisolon 1 mg/kgKG) günstig auswirken.Ermutigende Daten wurden zur Wirksamkeit topischer Kortikoide publziert (z.B.Entokort).Im Hinblick auf das therapeutische Ansprechen bewährt sich eine Typisierung (basierend auf der Klonalität des TCRg und CD8-Nachweis) in RSI (CD8-pos.; polyklonaler TCRg) mit gutem Ansprechen auf Kortikosteroide und Azathioprin bzw. RSII (CD8-neg.; monoklonaler TCRg) mit schlechtem Anprechen [Daum 2004; Goerres 2003]. Therapeutisches Vorgehen: ▬ Zunächst Versuch einer systemischen Kortikosteroidgabe (0,8–1 mg/kgKG) oder topisch mit Entokort (9–12 mg; [Daum 2004]). ▬ Wenn kein Ansprechen bei RSII: Versuch mit Azathioprin (2–2,5 mg/kgKG; [Goerres 2003]) und Cyclosporin (4 mg/kgKG; [Wahab 2000]) zur Remissionsinduktion).
182
Kapitel 17 · Einheimische, tropische Sprue, Autoimmunenteropathie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 17.4. Histomorphologische Differenzialdiagnose von Krankheiten, die mit einem Malabsorptionssyndrom und Zottenatrophie einhergehen
III
Krankheit
Zottenatrophie
Lokalisation
Dermatitis herpetiformis Duhring
Subtotal/total (»flat mucosa«)
Proximaler Dünndarm (Duodenum, oberes Jejunum)
Tropische Sprue
Meist partiell (selten »flat mucosa«), eher diffus
Meist ganzer Dünndarm (Jejunum meist stärker betroffen)
Kuhmilchproteinallergie
Meist partiell, herdförmig entwickelt
Dünn- und Dickdarm (Dünndarm stärker betroffen)
Kollagensprue
Meist total
Wie Zöliakie/Sprue
M. Whipple
Zotten aufgetrieben
Duodenum, Dünndarm, Kolon, Rektum, extraintestinal
Aids
Partiell/total? Zotten aufgetrieben
Jejunum
Mediterianes Lymphom bzw. a-Kettenkrankheit
Partiell/total
Mittleres/distales Duodenum und oberes Jejunum
M. Waldenström
Plump, klobig aufgetrieben
Ubiquitär
Hypoglobulinämische Sprue (oft Giardiasis)
Partiell
Duodenum/oberes Jejunum
▬ Bei persitierendem Therapieversagen werden vor-
geschlagen: Cyclophosphamid (50 mg/kgKG/Tag; [Oliva-Hemker 2003]), Mycophenolat (30 mg/kgKG//Tag; [Quiros-Tejeira 2003]) oder Infliximab (5 mg/kgKG; [Vanderhoof 2002]). 17.3
Tropische Enteropathie und tropische Sprue
17.3.1
Definition und Epidemiologie
Als tropische Sprue und tropische Enteropathie bezeichnet man 2 Krankheitsbilder mit einem fortschreitendem Malabsorptionssyndrom, das bei Bewohnern bestimmter tropischer Regionen sowie bei Personen, die diese Gegenden besuchen oder besucht haben, klinisch manifest wird und in seinem klinischen Bild einerseits von der Dauer der Störung, andererseits von den körperlichen Reserven des Betrof-
fenen wesentlich bestimmt wird. Ob es ich sich dabei nur um 2 Manifestationen des gleichen Krankheitsbilds handelt oder um 2 verschiedene Krankheiten, ist unklar. Die tropische Enteropathie fiel erstmals bereits im 18.Jahrhundert bei Europäern auf,die Indien und Südostasien kolonisierten. Später wurde sie um 1900 bei Amerikanern beobachtet, die in Puerto Rico und den Philippinen wohnten. Hauptsächlich kommt die tropische Sprue heute in Puerto Rico,Kuba,Haiti und der Dominikanischen Republik vor, jedoch auch in Südund Südostasien sowie – erheblich seltener – in Zentral- und Südamerika,jedoch fast nie in Afrika.Es werden meist nur Erwachsene,selten Kinder betroffen.Es handelt sich um eine erworbene Erkrankung. Epidemisches Auftreten mit jahreszeitlichen Schwerpunkten sind beschrieben (z.B.in Vellore,Südindien). Man schätzt, dass während der Epidemie von 1960 bis 1962 in Südindien 100.000 Personen erkrankten, 30.000 an den Folgen der Krankheit verstarben. In der Regel tritt die Krankheit erst nach einem Jahr Aufenthalt in einer der endemischen Regionen auf [Klipstein 1981; Cook 1996].
183 17.3 · Tropische Enteropathie und tropische Sprue SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die Prävalenz hat bei Einwohnern aus Industrieländern, die länger in endemische Entwicklungsländer wohnen, abgenommen, was darauf zurückgeführt wird, dass häufig wegen Durchfällen Selbstmedikation mit Antibiotika erfolgt. Ein Leben unter schlechten sanitären Bedingungen begünstigt den Ausbruch der Krankheit. 17.3.2
Ätiologie und Pathogenese
Man nimmt an, dass die tropische Enteropathie durch Umweltfaktoren bedingt ist: intestinale Infektionen oder persistierende bakterielle Überwucherung des Dünndarms sowie Malnutrition.Vermutet wird auch, dass ein Riboflavinmangel der Mutter in der Schwangerschaft eine irreversible Schädigung der Dünndarmmukosa mit Veränderungen der Zotten-/Kryptenarchitektur bewirkt. Es wird angenommen, dass die tropische Sprue eine infektiöse Krankheit ist, die durch eine persistierende Kontamination des Dünndarms durch toxische E. coli-Stämme hervorgerufen wird. Neuerdings wird aber auch diskutiert, ob nicht Protozoen (Cryptosporidium parvum, Isospora belli, Blastocystis hominis oder Cyclospora cayetanensis) als wichtige infektiöse Erreger für diese chronische Infektion in Frage kommen.Unklar ist auch die Ursache des Folsäuremangels bei der tropischen Sprue [Cook 1996]. 17.3.3
Klinik und Diagnostik
Bei der tropischen Sprue besteht eine chronische Diarrhö, die oft begleitet ist von einer Steatorrhö, Anorexie, Bauchkrämpfen, Blähbauch und verstärkten Darmgeräuschen. Die Krankheit beginnt oft mit akuten wäßrigen Duchfällen, Fieber, Krankheitsgefühl und krampfartigen Schmerzen. Nach einer Woche lassen die Symptome nach und werden chronisch. Die Struktur der Dünndarmmukosa in der Biopsie zeigt zu Beginn keine wesentlichen pathologischen Veränderungen, später entwickeln sich pathologische morphologische Veränderungen, die auch von funktionellen Veränderungen begleitet sind. Der Verlust von Laktase führt zur Milchintoleranz. Innerhalb von 2–4 Monaten führt die Malabsorption zum Folsäuremangel, was zur Anorexie, reduzierter Nahrungsaufnahme und Gewichtsverlust führt. Nach etwa 6 Monaten entsteht ein schwerer Folsäuremangel, meist verbunden mit einem Vitamin B12-Mangel, es entsteht eine
17
megaloblastäre Anämie, mit Schwäche und einer Glossitis. Klinisch imponieren: Blässe,Glossitis,Ödeme,Zeichen der Malnutrition. Stomatitis, Hyperpigmentierungen und neurologische Zeichen des Vitamin B12-Mangels sind eher selten. Im Vordergrund der klinische Symptomatik stehen: Durchfälle (94%), Blähungen (88%), Anorexie (84%), abdominelle Distension (75%), Übelkeit (46%), Erbrechen (30%), Fieber (30%). Im Rahmen der Diagnostik sollten zumindest 3 aufeinanderfolgende Stuhluntersuchungen auf infektiöse Erreger mit besonderem Augenmerk auf G. lamblia, C. cayetanensis und Mikrosporidien (E. bieneusi, S. intestinalis) durchgeführt werden. Bei negativem Stuhlresultat und Persistenz der Symptomatik sollte nicht zuletzt im Rahmen einer weiteren Differenzialdiagnostik (Sprue,M.Whipple) eine Duodenalbiopsie mit jejunaler Aspiration angestrebt werden. Insbesondere G. lamblia, C. parvum, Isospora belli und Mikrosporidien lassen sich mit der GiemsaFärbung in intestinalen Schleimhautabstrichen nachweisen. Meist besteht eine megaloblastische Anämie. Die Serumkonzentrationen von Vitamin A,Albumin,Cholesterin, Kalzium und Magnesium sind häufig erniedrigt, die Prothrombinzeit ist erhöht. Die meisten Patienten mit tropischer Sprue wiesen eine Nettosekretion von Wasser und Elektrolyten in den Dünndarm sowie eine Reduktion der Resorption von Wasser und Elektrolyten aus dem Kolon auf. Bedingt durch die reduzierte Resorptionskapazität des Dünndarmepithels ist die D-Xyloseresorption fast immer erniedrigt, eine Steatorrhö besteht bei 50–90% der Patienten. Steatorrhö und verminderte D-Xyloseresorption sind nicht durch intraluminale Wirkung von Bakterien (bakterielle Überbesiedlung) zu erklären. Eine Vitamin-B12Resorptionsstörung besteht fast ausnahmslos.Der Folsäuremangel entsteht durch eine Störung der Hydrolyse von Polyglutamaten an der Büstensaummembran sowie einer Malabsorption von Monoglutamaten durch defekten Transport des Enterozyten. Aminosäuren und Peptide werden unvollständig resorbiert, zusätzlich besteht häufig ein enteraler Proteinverlust. Die Kalziumresorption ist erniedrigt durch Transportstörungen für Kalzium wie auch durch Malabsorption von Vitamin D. Es besteht oft eine chronisch atrophische Gastritis mit gastraler Hyposekretion und einem Mangel an Intrinsic-Faktor. In der Dünndarmbiopsie findet man meist nur diskrete Veränderungen des Zottenreliefs. Befunde
184
III
Kapitel 17 · Einheimische, tropische Sprue, Autoimmunenteropathie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
können zwischen total flacher Schleimhaut, verdickten und verkürzten und plumpen Zotten, breiten Blattformen mit gyriformem Relief variieren. Die Lamina propria ist mit Entzündungszellen infiltriert. Das Epithel des Kolons zeigt ähnliche Veränderungen wie der Dünndarm. Die Resorption von Natrium und Wasser im Kolon ist reduziert. 17.3.4
Therapie
Substitution der Wasser- und Elektrolytverluste sowie Behebung von Nahrungsdefiziten sind Basismaßnahmen in der Therapie der tropischen Sprue.Vitamin B12 sollte parenteral gegeben werden. Die Therapie besteht zusätzlich in der Gabe von Folsäure 5–15 mg/Tag, worunter sich sowohl die megaloblastäre Anämie, die Glossitis, Appetitlosigkeit wie auch die gastrointestinalen Störungen prompt bessern. Die Wirksamkeit von Antibiotika wurde von Engländern bereits während des 2. Weltkrieges in Indien belegt.Die Dosierung beträgt 4¥250 mg eines Tetrazyklins. Andere Antibiotika sind sicher ebenfalls wirksam, es steht hierfür jedoch der Beweis aus. Rezidive können bis zu 5 Jahren nach initialer Therapie vorkommen [Rickles 1972; Sheehy 1962].
17.4
Autoimmunenteropathie – Microvilluous Inclusion Disease – Tufting-Enteropathie
17.4.1
Autoimmunenteropathie
Mehrere Fälle von therapierefraktärer Diarrhö mit Zottenatrophie der Dünndarmmukosa in Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen wurden bei Kleinkindern und Kindern beschrieben.Bei etwa 50% der Patienten finden sich Antikörper gegen Enterozyten (antienterozytäre Antikörper =AEA) jedoch wird auch eine T-Lymphozyten-vermittelte Gewebsschädigung diskutiert und/oder eine abnorme Expression von HLA-DR-Antigenen. In der Familie kommen Diabetes mellitus Typ I, Glomerulonephritis, Hepatitis, hämolytische Anämie, Asthma oder Ekzeme vor. In der Dünndarmmukosa besteht meist eine schwere Zottenatrophie wie bei der Sprue. Es finden sich akute Entzündungszellen, sogar Kryptenabszesse sowie eine ausgeprägte lymphoplasmozytäre Infiltration der Lamina propria. Zahlreiche intraepitheliale Lymphozyten (IEL) sind im Zotten- und Kryptenepi-
thel zu finden. Im Gegensatz zur klassischen Sprue (v. a. gd-TCR) finden in der Mehrzahl TCRab-positive T-Zellen [Russo 1999]. Auch die Magen- und Kolonmukosa kann betroffen sein. Es wird angenommen, dass die Krankheit durch eine bisher unbekannte Immunreaktion bedingt ist. Ob die Enterozytenantikörper primär mit der Pathogenese in Verbindung zu bringen sind oder ob sie nur ein Sekundärphänomen darstellen, ist bisher unklar [Russo 1999]. Das therapeutische Vorgehen entspricht dem der RS. Mehrere Patienten sprachen auf eine Therapie mit Kortikosteroiden oder Cyclosporin an.Da auch die therapierefraktäre Sprue auf Kortikosteroide anspricht, ist es möglich, dass es sich bei der therapierefraktären Sprue möglicherweise um keine glutensensitive Enteropathie, sondern um eine Autoimmunenteropathie handelt (Nachweis von AEA,T-Zell-Rezeptor-Typisierung).An eine Autoimmunenteropathie ist zu denken, wenn bei einer Zottenatrophie und Kryptenhyperplasie Gliadin- (AGA)-und Endomysiumantikörper (EMA) negativ sind. 17.4.2
Microvillous Inclusion Disease
Die »microvillous inclusion disease« (angeborene Mikrozottenatrophie) ist eine seltene angeborene Krankheit mit generalisierter Atrophie der Mikrozotten sowie ultrastrukturellen Veränderungen der Enterozyten mit unbehandelbaren wäßrigen Durchfällen,die bereits wenige Tage nach der Geburt auftreten. Ursache ist ein Defekt der Organisation und Differenzierung der gesamten Bürstensaumregion. Elektronenoptisch lässt sich zwar die Kryptenregion erkennen, die zahlreiche sekretorische Granula (Bürstensaumglykoproteine) enthält, kaum vorhanden oder erheblich verplumpt sind jedoch die Mikrozotten. Intrazytoplasmatische Einschlusskörper, die nach innen gerichtete Mikrovilli enthalten, sind als diagnostisch anzusehen. Die Diagnose kann auch aus einer Rektumbiopsie mit elektronenoptischer Aufarbeitung der Biopsie gestellt werden. Es wird als Ursache eine Störung des Zytoskeletts angenommen, das für einen regelrechten Aufbau der Mikrozottenstruktur notwendig ist [Rhoads 1991]. Die Diarrhöen persistieren nach Nahrungskarenz, was für eine sekretorische Diarrhö spricht. Auch das therapeutische Ansprechen auf den Somatostationanalog, Octreotid, spricht für eine sekretorische Diarrhö. Erfolgreiche Behandlung mit Dünndarmtransplantation wurde beschrieben.
185 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
17.4.3
Tufting-Enteropathie
Diese 1994 erstmals beschriebene Krankheit äußert sich in wäßrigen Diarrhöen mit Wachstumsretardierung in den ersten Lebensmonaten.Histopathologisch finden sich in Jejunalbiopsien: partielle Zottenatrophie, Kryptenhyperplasie sowie charakteristischerweise fokale epitheliale »tufts« aus dicht zusammengepackten Enterozyten mit apikaler runder Vorwölbung der Plasmamembran, die den Enterozyten ein tränentropfenartiges Aussehen verleihen. Differenzialdiagnostisch unterscheidet sich das Krankheitsbild von der »microvillus inclusion disease« wie auch von der Autoimmunenteropathie. Es wird angenommen,dass die Krankheit durch eine abnorme molekulare Zusammensetzung der Basalmembran des Dünndarms bedingt ist. Therapieversuche mit Immunsuppressiva, Antibiotika, Steroide waren bisher erfolglos. Die Kinder müssen total parenteral ernährt werden [Reifen 1994].
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Nahrungsmittelallergie S. C. Bischoff 18.1
Pathophysiologie
– 187
18.2
Klinik
18.3
Diagnostik
18.4
Therapie
18.4.1 18.4.2 18.4.3
Prävention – 191 Allgemeinmaßnahmen/Ernährung Medikamentöse Therapie – 192
III
Literatur
>>
– 188 – 189 – 191 – 191
– 192
Nahrungsmittelallergien können sich an unterschiedlichen Abschnitten des Gastrointestinaltrakts (Mund-Rachen-Bereich, Magen, Dünndarm, Dickdarm) sowie außerhalb des Gastrointestinaltrakts (Haut, Nase, Lunge u. a.) manifestieren. Dementsprechend sind die charakteristischen Symptome vielfältig und variabel. Bei vorwiegend gastrointestinalem Befall müssen Nahrungsmittelintoleranzen und anderere organische Erkrankungen (Infektionen u. a. entzündliche Prozesse, Tumoren etc.) sowie funktionelle Erkrankungen (Reizdarmsyndrom) abgegrenzt werden. Die Diagnose beruht auf Ausschluss anderer Erkrankungen und in vielen Fällen auf einem positiven Provokationstests. Therapie der Wahl ist die Elimination der auslösendenden Nahrungsmittelallergene und ggf. eine zusätzliche medikamentöse Therapie mit Antiallergika und symptomatisch wirksamen Medikamenten.
187 18.1 · Pathophysiologie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
18.1
Pathophysiologie
Viele der pathophysiologischen Konzepte zur Nahrungsmittelallergie (NMA) des Gastrointestinaltrakts entstanden durch Extrapolation von Mechanismen, die an der Haut oder der Schleimhaut des Respirationstrakts charakterisiert wurden. Ob diese Mechanismen tatsächlich auf die gastrointestinale Barriere, an der das Nahrungsmittelallergen resorbiert wird, übertragen werden können, ist offen, zumal sich das Darmimmunsystem mit seiner Fähigkeit zur Entwicklung der sogenannten »oralen Toleranz« von der immunologischen Ausstattung anderer Organe erheblich unterscheidet [Sampson 1999; Bischoff 2000a]. Im menschlichen Verdauungstrakt sind ein Großteil der immunkompetenten Lymphozyten und alle für die Ausbildung allergischer Entzündungsreaktionen benötigen Entzündungszellen – Mastzellen, eosinophile Granulozyten – lokalisiert. Es wird vermutet, dass diese auffällige Konzentration immunologischer Zellen im Gastrointestinaltrakt der Abwehr von Infektionen, besonders Bakterien und Parasiten, dient, und dass möglichweise der in hygienisch perfektionierten Industrieländern zunehmende Verlust solcher Aufgaben zur Entwicklung allergischer Reaktionen prädisponiert (»Hygienetheorie«). Sicher ist, dass es neben der genetischen Prädisposition Umweltfaktoren gibt, die an der Ätiologie allergischer Erkrankungen beteiligt und insbesondere für die rasche Zunahme von Allergien verantwortlich sind [Wills-Karp 2001; Hyland 2001]. DEFINITION Nahrungsmittelallergien (NMA) sind als Erkrankungen definiert, die durch immunologisch vermittelte, abnormale entzündliche Reaktionen auf Nahrungsmittelproteine zustande kommen. Sie müssen von nichtimmunologisch vermittelten Unverträglichkeiten (z. B. Pseudoallergien, Enzymdefekten wie Laktoseintoleranz etc.) abgegrenzt werden.
Zwei wesentliche Mechanismen bewirken, dass es bei den meisten Individuen nicht zu einer destruktiven Abwehrreaktion gegen Nahrungsmittelantigene und andere Antigene, z. B. der bakteriellen Darmflora, kommt: 1. Antigenexklusion, die durch eine intakte Barriere sowie sekretorisches IgA gewährleistet wird, 2. Induktion von oraler Toleranz, d. h. physiologische Herunterregulierung der Immunantwort ge-
18
gen gastrointestinal aufgenommene, nichtpathogene Antigene. Es ist leicht vorstellbar, dass solche Schutzmechanismen gestört werden können. Es kommt zu immunologischen Überempfindlichkeitsreaktionen, z. B. gegen Nahrungsmittelproteine,sowohl IgE-abhängig als auch zellulär vermittelt. Beim gesunden Menschen werden neben dem protektiven IgA auch kleine Mengen IgG-Antikörper gegen Nahrungsmitteproteine gebildet, denen bisher kein eindeutiger Krankheitswert zugeschrieben werden konnte. Diese im Blut nachweisbaren Immunglobuline sind wahrscheinlich Ausdruck der ständigen immunologischen Auseinandersetzung des Organismus mit Fremdproteinen (u. a. Nahrungsmittelproteinen). Wenn das Gleichgewicht dieser Vorgänge gestört wird, kann es zu einer abnorm erhöhten Bildung von IgE-Antikörpern, die normalerweise im Darm kaum nachweisbar sind, und damit zur allergischen Sensibilisierung kommen [Sampson 1999; Bischoff 2000a]. Eine Störung der gastrointestinalen Barriere wurde als wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung einer NMA diskutiert. Zahlreiche Ursachen (z. B. Infektionen des Darmes, Bestrahlung, Verbrennung, Schock, Malnutrition, nichtsteroidale Antiphlogistika etc.), so auch die NMA, bewirken eine erhöhte Permeabilität der Darmbarriere.Allerdings können selbst im normalen Darm Makromoleküle aufgenommen werden. Es ist nicht eindeutig belegt, dass die Permeabilitätsstörung mit einer pathologisch erhöhten Antigenaufnahme notwendig und ursächlich an der Pathogenese der NMA beteiligt ist oder eher eine Folge der allergischen Entzündung darstellt. In der frühen Phase des Lebens ist das Darmepithel noch nicht vollständig ausgereift und durchlässiger für Makromoleküle, sodass es bei verstärkter Aufnahme zur Sensibilisierung kommen könnte [du Mont 1984]; eine mögliche Ursache, warum NMA bei Erwachsenen seltener vorkommen als bei Kindern. Der allergischen Reaktion muss eine Sensibilisierungsphase vorausgehen, in der der Kontakt mit Nahrungsmittelprotein keine Symptome auslöst, sondern eine spezische Antigenerkennung induziert. In der Folge kann es zu einer vermehrten Bildung von antigenspezifischen,anaphylaktogenen Antikörpern (IgE) bzw. T-Lymphozyten (vorwiegend vom TH2-Typ) kommen, die im peripheren Blut oder lokal im Gewebe nachweisbar sind. Die Bedingungen für diese Entwicklung sind nur ansatzweise bekannt. Diskutiert werden Darmpermeabilität und Art der Antigenprä-
188
III
Kapitel 18 · Nahrungsmittelallergie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 18.1. Immunologische Reaktionsformen im Gastrointestinaltrakt – Derzeitige Hypothesen – APC antigpräsentierende Zelle; DC dentritische Zelle; MC Mastzelle; Eo eosinophiler Granulozyt; PNM neutrophiler Granulozyt; Ly Lymphozyt; TGFb »transforming growth factor b«; IL-10 Interleukin-10. (Mod. nach [Bischoff 2001])
sentation: M-Zellen, das sind für die physiologische, toleranzinduzierende Antigenpräsentation im Darm spezialisierte Epithelzellen, oder dentritische Zellen der Lamina propria, die nur durch invasive Agentien oder bei bereits gestörter Permeabilität direkt erreichbar sind und Immunabwehr induzieren. Denkbar ist, dass die unbeabsichtigte, durch Barrierestörungen ermöglichte Präsentation von Nahrungsmittelantigenen durch dentrische Zellen eine abnorme Immunreaktion auf Nahrungsproteine bewirkt. Das an Mastzellen gebundene IgE bzw. die TZell-Rezeptoren der TH2-Lymphozyten dienen in der Folge als antigenerkennende Moleküle, die die entsprechenden Zellen aktivieren und die allergische Entzündungsreaktion auslösen bzw. unterhalten können. Neben Mastzellen spielen an der Darmbarriere eosinophile Granulozyten eine Rolle als Effektorzellen der allergischen Entzündung [Rothenberg 2001; Bischoff 1999].Die Synthese von spezifischem IgE gegen Nahrungsproteine und sog. TH2-Zytokinen (IL-4, IL5, IL-13) bildet die Voraussetzung für die Entwicklung und Perpetuierung einer durch Mastzellen und Eosinophilen vermittelten NMA. Die derzeitigen Vorstellungen zu den normalen und pathologischen Immunreaktionen des Gastrointesitnaltrakts sind in ⊡ Abb. 18.1 zusammengefasst. 18.2
Klinik
Das klinische Bild der NMA hängt von der Lokalisation des Krankheitsbildes und von der Art der Reaktion ab. Intestinale und extraintestinale Beschwerden können isoliert und kombiniert auftreten.
Symptome der Nahrungsmittelallergie Intestinale Symptome
–
Orales Allergiesyndrom: Lippenschwellung, Rachenschleimhautschwellung, Larynxödem, Angioödem – Oberer Gastrointestinaltrakt: Übelkeit und Erbrechen, epigastrische Beschwerden – Unterer Gastrointestinaltrakt: Flatulenz, Bauchkrämpfe, Diarrhö/Obstipation, Malassimilation, Proktitis, Analinsuffizienz Extraintestinale Symptome – Haut: Atopisches Ekzem, Urtikaria – Augen: Konjunktivitis – Respirationstrakt: Rhinitis, Asthma – Genitaltrakt: Mukositis – Nervensystem: Kopfschmerzen, Migräne, vegetative Symptomatik (?) – Gelenke: rheumatische Arthritis (?) – Kreislaufsystem: Hypotonie, Tachykardie, anaphylaktischer Schock
Inwieweit andere Krankheitsbilder wie z. B. Migräne und Gelenkbeschwerden auch durch Nahrungsmittelallergien hervorgerufen werden können, ist unklar [Bischoff 2001, Bischoff 2000]. Während die an der Haut oder dem Respirationstrakt hervorgerufenen Symptome wie Urtikaria oder Asthma bronchiale häufig die allergische Genese leicht erkennen lassen, ist die Symptomatik der Allergien am Magen-DarmTrakt alles andere als charakteristisch und ähnelt dem klinischen Erscheinungsbild verschiedener funktio-
189 18.3 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
neller (RDS) oder entzündlicher Darmerkrankungen, z. B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa [Sampson 1999; Bischoff 2000a; Hyland 2001; Orenstein 2000]. Diese Ähnlichkeit der Symptomatik erschwert die Differenzialdiagnose. Neben den Krankheitsbildern, die als Folge von allergischen Reaktionen am Magen-Darm-Trakt entstehen können,gibt es andere Darmerkrankungen,bei denen ein pathophysiologischer Zusammenhang mit einer Allergie bekannt ist oder vermutet wird, was die Differenzialdiagnose zusätzlich erschwert. In diesem Zusammenhang sind einerseits das RDS hervorzuheben, ein Begriff, der ungeklärte Darmerkankungen unterschiedlichster Ätiologie zusammenfasst und möglicherweise auch allergisch bedingte Krankheitsbilder einschließt [Locke 2000; Zar 2001], andererseits die nichtparasitär bedingten, ätiologisch unklaren eosinophilen Krankheitsbilder des Verdauungstrakts. DEFINITION Die eosinophile Ösophagitis wurde besonders für das Kindesalter beschrieben und ist offensichtlich nicht durch Reflux von Säure bedingt, sondern weist möglicherweise eine allergischer Genese auf [Orenstein 2000]. Bei Erwachsenen wurde die eosinophile Gastroenteritis unklarer Ätiologie als Krankheitsbild definiert, das in etwa 1/3 der Fälle mit allergischen Erkrankungen assoziiert ist [Bischoff 1999a]. Andere auszuschließende Ursachen sind parasitäre Erkrankungen, immunologische Erkrankungen sowie hämatologische Systemerkankungen [Furuta 1995]. In 1/3 der Fälle lässt sich der histopathologische Befund nicht zuordnen (»idiopathische Eosinophilie«) und kann nur symptomatisch behandelt werden, bevorzugt mit Kortikosteroiden.
Weitere differenzialdiagnostisch zu erwägende Krankheitsbilder wie die Zöliakie, die mikroskopische Kolitis und bestimmte Formen der CED weisen ebenfalls pathophysiologische Ähnlichkeiten mit allergischen Entzündungsreaktionen auf [Barbato 1999].
18
Gelegentlich kann es zu Allergien gegenüber Lebensmittelzusatzstoffen kommen, die aus nativem Material hergestellt werden (abzugrenzen von den chemisch evozierten Pseudoallergien): z. B. pflanzliche Verdickungsmittel Traganth (E 413) und Guar (E 412). Das Zeitintervall zwischen Nahrungsaufnahme und Beginn der Beschwerden ist variabel und bei gastrointestinalen Allergien in der Regel um so länger, je distaler die befallenen Abschnitte des Magen-DarmTrakts liegen. Dadurch wird die klinische Zuordnung der Symptome zu bestimmten Mahlzeiten und Nahrungsmitteln in der Praxis häufig äußerst schwierig. Leicht zu diagnostizieren ist zumeist das orale Allergiesyndrom (OAS). DEFINITION Das OAS ist eine allergisch bedingte Reaktion mit Schwellung der Lippen und Jucken der Mund- bzw. Rachenschleimhaut. Sie ist meist durch pollenassoziierte Nahrungsantigene wie Kern- und Steinobstsorten ausgelöst, IgE-vermittelt und stellt die häufigste Form von Nahrungsmittelallergien im Erwachsenenalter dar.
Im Gegensatz zum OAS, bleibt der Mechanismus der verzögert auftretenden, die unteren Darmabschnitte betreffenden nahrungsmittelabhängigen Beschwerden nicht selten unbekannt. Erschwerend tritt hinzu, dass die permanente Zufuhr eines Nahrungsmittelallergens zu einer chronischen Entzündungsreaktion der Darmschleimhaut führen kann, deren Symptome mehrere Tagen anhalten können.Vielfach treten Nahrungsmittelallergien in Assoziation mit Inhalationsallergien auf, was auf »Kreuzreaktionen« zwischen unterschiedlichen Allergengruppen beruht. Beispiele dafür sind die Pollen-Kernobst-Kreuzallergie (besonders beim OAS), die Sellerie-Beifuß-Gewürz-Allergie und die Latex-Kiwi-Bananen-Allergie, deren molekulare Pathogenese inzwischen geklärt ist [Breiteneder 2000].Weiterhin sind »Kofaktoren« beschrieben worden,die die allergische Reaktion triggern oder verschlimmern können, z. B. sportliche Aktivität oder bakterielle Darminfekte. 18.3
Diagnostik
Wichtig Kuhmilch ist bei Kindern und Erwachsenen ein häufiges Nahrungsmittelallergen, gefolgt von Nüssen, Getreide, Ei, Gewürzen, Fisch, Fleisch und Steinobst.
Der unklare klinische Stellenwert von NMA ist zu einem wesentlichen Teil auf die Unsicherheiten in der Diagnostik zurückzuführen.Dennoch kann durch die Kombination verschiedener diagnostischer Verfahren (Anamnese, Hauttests, Laborbestimmungen sowie
190
III
Kapitel 18 · Nahrungsmittelallergie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Provokationsverfahren) die Verdachtsdiagnose NMA auf einer objektiven Basis weitgehend gesichert werden,wenngleich einige der im Folgenden aufgeführten Verfahren bei Kleinkindern nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt werden können [Bischoff 2001; Sampson 1999a]. Wichtig Die Diagnostik von Nahrungsmittelallergien gründet sich ganz wesentlich auf eine sorgfältige Anamnese, welche die weiteren diagnostischen Schritte beeinflusst.
Dazu müssen gezielte Fragen gestellt werden, um die häufig vom Patienten geäußerte Vorstellung einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu hinterfragen oder zu spezifizieren, um die möglicherweise auslösenden Allergene zu identifizieren und um das gentische Risiko einer Nahrungsmittelallergie zu eruieren. Der Anamnese muss eine sorgfältige Ausschlussdiagnostik folgen, die daran orientiert sein sollte, welche anderen Erkrankungen vergleichbare Symptome auslösen können. Bei Kindern müssen z. B. infektiöse Enteritiden, bei Erwachsenen aber auch Tumorerkrankungen bedacht und ausgeschlossen werden.Es sollten nicht nur allergieunabhängige Erkrankungen wie Tumor,Infektion und Enzymdefekte ausgeschlossen werden, sondern auch mit der allergischen Entzündung möglicherweise verwandte Krankheitsbilder (eosinophile Gastroenteritis oder Ösophagitis,Zöliakie und mikroskopische Kolitis), weil sie z. T. andere Behandlungsstrategien erfordern. Die In-vitro-Diagnostik umfasst Laborbestimmungen (Messung von IgE, spezifischem IgE und Entzündungsmediatoren) und wird durch Hauttests ergänzt. Unter den allergologischen Testverfahren werden am häufigsten Hauttests (entweder als klassische Pricktests mit Allergenextrakten oder als »Prick-zuPrick«-Tests mit nativen Allergenen oder als »atopypatch-test« bei atopischer Dermatitis) und Messungen von spezifischem IgE (früher Radio-Allergo-SorbentTest, kurz »RAST«, heute meist enzymatische Verfahren) durchgeführt [Bischoff 2001; Sampson 1999a]. Dabei muss bedacht werden, dass der positive Vorhersagewert von Hauttests und RAST im Falle von Nahrungsmittelallergien eher gering ist. Der negative Vorhersagewert dagegen relativ hoch, d. h. ein negativer Test schließt eine Nahrungsmittelallergie nicht aus, macht sie aber eher unwahrscheinlich, während ein positiver Test die Diagnose allenfalls vermuten lässt.
Weitere Limitationen solcher Tests sind die Labilität von vielen Nahrungsmittelextrakten (besonders Früchte und Gemüse) im Vergleich zu inhalativen Allergenen, die bis auf Schimmelpilze in der Regel robuster sind, und die bei Kleinkindern und bei vorbehandelter Haut oft nur diskrete Reaktionen, die sich einer visuellen Begutachtung meist entziehen [Sampson 1999a]. Schließlich muss bedacht werden, dass die intestinale Nahrungsmittelallergie nicht notwendigerweise IgE-vermittelt sein muss. Der diagnostische Wert von IgG-Messungen ist nicht belegt.Neuere Arbeiten konnten zeigen,dass der Messung von Entzündungsmediatoren aus eosinophilen Granulozyten (ECP,eosinophiles kationisches Protein; EPX, eosinophiles Protein X) im Blut und insbesondere im Stuhl ein diagnostischer Wert zukommt [Kosa 1996; Bischoff 1997].Nicht zuletzt kann ein Therapieversuch mit DNCG (Dinatriumcromoglycat, z. B. Colimune, 4x200 mg per os über 8 Wochen) durchgeführt werden. Stellt sich darunter eine Besserung der klinischen Symptomatik ein, spricht dies ebenfalls für das Vorliegen einer Darmallergie. Die In-vivo-Provokation mit verdächtigen Allergenen am Schockorgan unter kontrollierten Bedingungen gilt als »golden standard« zur Absicherung der Verdachtsdiagnose einer Nahrungsmittelallergie [Sampson 1999a], da diese mittels Labortests oft nicht eindeutig nachweisbar ist. Die Provokation kann oral (in Form verblindeter Testmahlzeiten) oder intestinal (im Rahmen einer Spiegelung) erfolgen. Die orale Provokation ist insbesondere in der Dermatologie und der Pädiatrie etabliert, für Patienten mit gastrointestinalen Beschwerden ist die Durchführung jedoch kaum standardisiert. Der Vorteil dieses Tests besteht darin,dass er objektiv durchgeführt werden kann, sofern das Allergen versteckt und für den Patienten vom Placebo nicht unterscheidbar appliziert werden kann. Nachteile sind der Zeitaufwand (normalerweise unter stationären Bedingungen),das Risiko (anaphylaktischer Schock) und v. a. die Tatsache, dass er keine Allergie (immunologische Hypersensitivität) sondern nur Reproduzierbarkeit der anamnestischen Unverträglichkeiten nachweist. Alternativ kann, ähnlich wie bei der bronchialen und nasalen Provokation, die gastrointestinale Schleimhaut direkt und unter Sicht im Rahmen einer Spiegelung mit dem Allergen konfrontiert werden.Ein solches Verfahren wurde für den Dickdarm entwickelt. Dieser koloskopische Allergenprovokationstest (COLAP-Test) bietet die Möglichkeit, eine lokale, allergische Reaktion am Intestinaltrakt mit objektiven Mitteln nachzuweisen [Bischoff 1997a].
191 18.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Diätetische Maßnahmen wie Allergensuchkost und Eliminationsdiät werden seit langem bei Patienten mit Verdacht auf intestinale Nahrungsmittelallergie eingesetzt [Bischoff 2001; Sampson 1999a]. In der Praxis zeigen sich diese Verfahren als enorm zeitaufwendig, wobei nur bei wenigen Patienten eindeutige Resultate erzielt werden können. 18.4
Therapie
18.4.1
Prävention
Die Prävalenz der NMA wird bei Erwachsenen auf 1–2% geschätzt [Young 1994]. Davon haben etwa 1/3 vorwiegend oder ausschließlich gastrointestinale Beschwerden.Es muss vermutet werden,dass NMA ähnlich wie andere Formen allergischer Erkrankungen in Industrieländern,insbesondere in der sozial höher gestellten Stadtbevölkerung zunimmt [Wills-Karp 2001; Hyland 2001]. Bislang gibt es einige wenige, unterschiedlich gesicherte Empfehlungen zur Primär- und Sekundärprävention von allergischen Erkrankungen. Primärprävention Primärprävention wird bei Kindern aus allergisch belasteten Familien mit hohem Atopierikisko empfohlen. Dazu gehört eine möglichst lange Stillperiode (mindestens 6, besser 12 Monate), der Einsatz von hydrolysisierter Trinknahrung (wenn nicht gestillt werden kann) und das Meiden (in den ersten 6 Monaten) bzw. stufenweise Einführen (6–12. Monat) von Nahrungsmittel. Risikonahrungsmittel wie Nüsse, Ei, etc. sollten im ersten Lebensjahr generell vermieden werden [Sampson 1999a]. Ein zweiter primärpräventiver Ansatz ist die Modulation der bakteriellen Darmflora mittels Probiotika.Als Probiotika bezeichnet man Zubereitungen von mikrobiologischen Zellen, meistens Lactobacillen oder Bifidobakterien, die in oraler Form verabreicht werden – auch als Nahrungszusatz, z. B. in Joghurts – und einen günstigen Effekt auf die Darmflora und die Gesundheit haben sollen. Wichtig Es konnte gezeigt werden, dass durch Gabe von Probiotika die Inzidenz allergischer Erkrankungen wie des atopischen Ekzems im Kleinkindesalter halbiert werden kann [Kalliomaki 2001].
18
Sekundärprävention Sekundärprävention kann mittels Hyposensibilisierung (s.c.oder oral) versucht werden,wobei diese Verfahren für NMA nicht etabliert sind. 18.4.2
Allgemeinmaßnahmen/ Ernährung
Erstes therapeutisches Ziel bei der Behandlung von nachgewiesenen Nahrungsmittelallergien ist die Elimination der auslösenden Allergene, sofern diese ermittelt werden konnten.Die medikamentöse Therapie ist indiziert, wenn das auslösende Allergen nicht bzw. nicht vollständig identifiziert oder eliminiert werden kann und ein relevanter Schweregrad der Erkrankung vorliegt. Die medikamentöse Therapie und die Eliminationsdiät schließen sich aber keineswegs aus, da auch eine partielle Elimination von wenigen »Hauptallergenen« zu einer wesentlichen Einsparung von Medikamenten führen kann [Bischoff 2001; Sampson 1999a]. Die Durchführbarkeit der Allergenelimination ist allerdings zum einen abhängig von der Anzahl, zum anderen von der Art der auslösenden Allergene. Sind gleich mehrere Grundnahrungsmittel betroffen, gestaltet sich die Diät komplizierter, zumal bedacht werden muss, dass viele Nahrungsmittel in »versteckter Form« (z. B. Fertigprodukte) vorkommen. Wichtig Nicht selten führen Eliminationsdiäten zu bedenklichen Mangelerscheinungen. Eine Betreuung der Nahrungsmittelallergiker durch erfahrene Diätassistentinnen ist nötig, um den Ernährungsplan hinsichtlich Kalorien und Zufuhr von Substraten, Elektrolyten, Vitaminen und Spurenelementen zu überprüfen.
Defizite müssen evtl. – z. B. ein Kalziummangel nach Elimination von Milchprodukten – durch gezielte Substitution mit Vitamin- oder Elektrolytpräparaten ausgeglichen werden.Weiterhin sind mögliche Kreuzreaktionen zwischen Nahrungsmitteln und Inhalationsallergenen zu berücksichtigen [Bischoff 2001; Sampson 1999a].
192
18.4.3
III
Kapitel 18 · Nahrungsmittelallergie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Behandlung von NMA ist zu empfehlen, wenn der Patient über relevante Beschwerden klagt, die mittels Eliminationsdiät nicht oder nicht vollständig beseitigt werden können.Allerdings fehlen kontrollierte Studien an großen Patientenzahlen, die die Wirksamkeit einzelner Präparate für die Behandlung gastrointestinaler Allergien eindeutig belegen. Mittel zur oralen Therapie ist v. a. Cromoglycinsäure [Edward 1995]. Sie soll nicht nur die Histaminausschüttung der Mastzellen hemmen, sondern auch die Bildung von IgE-Antikörpern durch B-Zellen sowie die Aktivierung von anderen Entzündungszellen wie Neutrophilen, Eosinophilen und Monozyten. Es sind orale Cromoglycinsäurepräparate erhältlich, die ihre Wirkung lokal im Magen-Darm-Trakt bei äußerst geringe Nebenwirkungsrate entfalten und auch bei Kindern eingesetzt werden können. Cromoglycinsäure ist möglicherweise prophylaktisch wirksam, bewährt sich bei milderen Formen der Nahrungsmittelallergie und bietet sich in Kombination mit einer Eliminationsdiät an. Allerdings bleibt die gewünschte Wirkung bei etwa 50% der Patienten aus bislang unbekannten Gründen aus. Insbesondere bei stärkeren Schweregraden der Nahrungsmittelallergie muss oft auf Kortikosteroide zurückgegriffen werden,deren Wirksamkeit bei allergischen Erkrankungen belegt ist und die auch bei intestinalen Allergien erfolgreich eingesetzt werden können. Die zusätzliche Gabe von Cromoglycinsäure kann bei schweren Formen der Erkrankung eine Einsparung von Kortikosteroiden ermöglichen. Zu favorisieren sind lokal wirksame Steroide, die in der Leber abgebaut werden und sich daher durch eine wesentlich geringere systemische Nebenwirkungsrate auszeichnen, z. B. Budesonid. Antihistaminika haben sich, mit Ausnahme des oralen Allergiesyndroms, in der Therapie der gastrointestinalen Allergien nicht bewährt. Zusätzlich können supportive medikamentöse Maßnahmen zum Einsatz kommen, so z. B. Loperamidpräparate bei Diarrhöen [Zar 2001; Barbato 1999; Orenstein 2000].
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Intestinale Lymphome W. Fischbach 19.1
Pathophysiologie
19.2
Klinik
19.3
Diagnostik
19.4
Prävention und Therapie
19.4.1 19.4.2 19.4.3
Prävention – 197 Prognose – 198 Therapie – 198
Literatur
>>
– 195
– 196 – 196 – 197
– 200
Primär intestinale Lymphome des Dünn- und Dickdarms stellen aufgrund ihrer Histomorphologie, der ätiopathogenetischen Faktoren, ihres biologischen Verhaltens, der klinischen Präsentation und ihrer vergleichsweise schlechten Prognose eine eigenständige Entität innerhalb der gastrointestinalen Lymphome dar. Während in den westlichen Industrieländern B-Zell-Lymphome des MALT mit gastraler Manifestation zahlenmäßig klar dominieren, liegt der Anteil der intestinalen Lymphome in Ländern des Mittelmeerraumes und des Mittleren Ostens bei etwa 50%. Dieser mediterrane Typ des intestinalen Lymphoms stellt die maligne Form der immunproliferativen Dünndarmerkrankung (IPSID, »imunproliferative small intestinal disease«; früher a-Kettenkrankheit) dar. Bei etwa 70% dieser Patienten lässt sich im Serum ein pathologisches Immunglobulin, die schwere a-Kette des IgA, nachweisen. Eine weitere Sonderform der intestinalen Lymphome sind die T-Zell-Lymphome, die je zur Hälfte als Enteropathie assoziiert (EATZL) oder ohne Malabsorptionssyndrom (NichtEATZL) in Erscheinung treten.
195 19.1 · Pathophysiologie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
19.1
Pathophysiologie
Die Definition primär intestinaler Lymphome war lange Zeit keineswegs einheitlich. Einige Autoren forderten lediglich eine dem histologisch nachgewiesenen Lymphom zuzuordnende Beschwerdesymptomatik oder die Lokalisation der Haupttumormasse im Intestinaltrakt, andere setzten dagegen das Fehlen weiterer Lymphommanifestationen voraus. Die Erarbeitung histomorphologischer, immunhistochemischer und zellbiologischer Charakteristika [Isaacson 1987] hat dazu geführt, dass ein Rückgriff auf das Disseminationsmuster heute in vielen Fällen nicht mehr notwendig ist.Auf diesen Erkenntnissen beruht auch die WHO-Klassifikation [Jaffe 2001] der primären gastrointestinalen Lymphome (⊡ Tabelle 19.1). Der Anteil der gastrointestinalen Lymphome an der Gesamtheit aller Non-Hodgkin-Lymphome wird mit 17% angegeben [Otter 1989]. Davon manifestieren sich 20–30% als Dünndarmlymphome, während Dickdarmlymphome mit 2% eine echte Rarität darstellen [Koch 2001]. Die Mehrzahl der intestinalen Bund T-Zell-Lymphome sind hochmaligne (70–80%). Darunter sind wiederum die diffusen großzelligen Lymphome vom zentro- oder immunoblastischen Typ am häufigsten vertreten [Foss 2000].Die BurkittLymphome machen etwa 5–10% der intestinalen Lymphome aus [dÁmore 1994]. Sie zeichnen sich durch einen multifokalen Befall aus und sind durch eine besonders schlechte Prognose charakterisiert. Marginalzonenlymphome vom MALT-Typ, im Magen die vorherrschende Lymphomentität, treten vergleichsweise häufig in Kolon und Rektum auf. Die seltenen Mantelzelllymphome manifestieren sich als meist multifokale polypoide Läsionen, weshalb sich auch lymphomatöse Polypose bezeichnet werden. Die
T-Zell-Lymphome, die etwa 1/3 der intestinalen Lymphome repräsentieren, stellen sich zu 50% als enteropathieassoziiert (EATZL, Enteropathie-assoziiertes T-Zell-Lymphom) und enteropathieunabhängig (Nicht-EATZL) dar. Bekannte Risikofaktoren für intestinale Lymphome sprechen aus ätiopathogenetischer Sicht für eine Lymphomproliferation auf dem Boden einer mukosalen Immunregulationsstörung. Risikoerkrankungen für intestinale Lymphome Angeborene oder erworbene Immunmangelsyndrome – Kongenitale Agammaglobulinämie – Selektiver IgA-Mangel – Hypogammaglobulinämie Immunsuppression – Zustand nach Organtransplantation – Immunsuppressive Therapie – Chemo-/Radiotherapie – HIV Malabsorptionssyndrome – Glutensensitive Sprue – Andere Spruesyndrome, z.B. idiopathische ulzerierende Enteritis Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – Morbus Crohn, Colitis ulcerosa
Eine über ein Antigen oder ein infektiöses Enteropathogen vermittelte chronische Überstimulation des darmassoziierten Immunsystems bedingt offensichtlich ein erhöhtes Risiko für genetische Alterationen mit dem Potenzial eines selektiven Wachstumsvorteil bestimmter B- oder T-Zellklone. Besonders bei den
⊡ Tabelle 19.1. Klassifikation der gastrointestinalen Non-Hodgkin-Lymphome nach WHO B-Zell-Lymphome
T-Zell-Lymphome
Marginalzonen-B-Zell-Lymphom vom MALT-Typ
Enteropathie assoziiertes T-Zell-Lymphom (EATZL)
Follikuläres Lymphom
Nicht-Enteropathie-assoziiertes T-Zell-Lymphom (Nicht-EATZL)
Mantelzelllymphom (lymphomatöse Polypose) Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom mit/ohne MALT-Typ-Komponente Burkitt-Lymphom Immundefizienz-assoziierte Lymphome
19
196
III
Kapitel 19 · Intestinale Lymphome SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
intestinalen Lymphomen auf dem Boden eines IPSID lässt sich dies gut nachvollziehen. Die Tatsache, dass sich unter einer antibiotischen Langzeittherapie das lymphoplasmazelluläre Infiltrat vollständig zurückzubilden vermag, weist auf die antigenabhängige Proliferation früher Stadien des IPSID hin. Hier finden sich Parallelen zu der kompletten Regression niedrig maligner MALT-Lymphome des Magens nach erfolgreicher Helicobacter-pylori-Eradikation [Fischbach 2000]. Für die anderen intestinalen Lymphome konnte eine Wirksamkeit einer antiinfektiösen Therapie nicht nachgewiesen werden.Auch ein sekundärer Befall der intestinalen Mukosa im Rahmen eines generalisierten Immundefekts oder eine iatrogene Immunsuppression kann zur Lymphomentstehung prädisponieren. Hierfür spricht die erhöhte Inzidenz intestinaler Lymphome nach Organtransplantation, bei immunsuppressiver Therapie oder im Rahmen der HIV-Erkrankung. Eine wesentliche pathogenetische Rolle scheint hierbei das Epstein-Barr-Virus zu spielen, das in diesen Fällen in 60–100% nachgewiesen werden kann. Für die EATZL ist der Zusammenhang mit der einheimischen Sprue gesichert. Daraus resultiert die Forderung nach der strikten Einhaltung einer glutenfreien Diät im Sinne der Lymphomprävention. Es ist darauf hinzuweisen, dass neben der glutensensitiven Sprue auch andere Malabsorptionssyndrome mit intestinalen Lymphomen assoziiert sind, andererseits aber auch T-Zell-Lymphome ohne Zottenatrophie oder Malabsorption auftreten können. 19.2
Klinik
Das klinische Bild der intestinalen Lymphome ist unspezifisch.Es wird geprägt von abdominellen Schmerzen, Erbrechen, Diarrhöen, Gewichtsabnahme und einer gastrointestinalen Blutung. Meist wird die Diagnose erst gestellt, wenn Obstruktion, Perforation oder Blutung Anlass zu einer Notfalloperation gegeben haben. Intestinale T-Zell-Lymphome prädisponieren zu einer Perforation als häufigster Komplikation, bei den hochmalignen B-Zell-Lymphomen bestimmt in 70% der Fälle die intestinale Stenose die Symptomatik. Bei bekannter Sprue sollte ein trotz glutenfreier Diät therapierefraktärer Verlauf oder das Wiederauftreten einer abdominellen Symptomatik an die Möglichkeit eines intestinalen Lymphoms denken lassen. Die uncharakteristische Klinik und die dadurch bedingte späte Diagnosestellung tragen wesentlich zu der
schlechteren Prognose der intestinalen Lymphome im Vergleich zu den gastralen oder nodalen Lymphomen bei. Dies lässt sich auch aus den Daten einer Studie [Koch 2001] ableiten, die für die intestinalen Lymphome und diejenigen mit einem multifokalem Befall des Gastrointestinaltrakts ein signifikant schlechteres Überleben im Vergleich zu den Patienten mit einem gastralen oder ileozäkalen Lymphom aufzeigten. 19.3
Diagnostik
Die besondere diagnostische Herausforderung liegt bei den intestinalen Lymphomen in der begrenzten Möglichkeit eines endoskopisch-bioptischen Zugangs. Mittels der konventionellen Endoskopie des oberen und unteren Verdauungstrakts können nur Duodenum und terminales Ileum beurteilt werden. Dies bedingt die häufige Notwendigkeit einer explorativen Laparotomie zur Diagnosestellung, sofern nicht Komplikationen ohnehin Anlass zu einer Notfalloperation geben. Angesichts von Morbidität und zeitlichem Verzug einer Radio-/Chemotherapie mit ihrem kurativen Potenzial könnte sich ein operatives Vorgehen allein unter diagnostischen Aspekten negativ auf die Prognose der Patienten auswirken. Mit Hilfe der Enteroskopie und der Kapselendoskopie stehen neue Methoden zur Verfügung, die wesentlich zur verbesserten nichtinvasiven Diagnostik der intestinalen Lymphome beitragen könnten. Gegenwärtig gilt es allerdings ihren Stellenwert im Rahmen von prospektiven Studien erst zu etablieren. Ein theoretischer Ansatz bleibt zunächst auch die Hoffnung, durch den regelmässigen Einsatz der Kapselendoskopie bei Patienten mit Sprue ein intestinales T-Zell-Lymphom frühzeitig detektieren zu können. Angesichts der verbesserten diagnostischen Möglichkeiten sollten endoskopisch oder operativ entnommene Gewebeproben nicht nur in Formalin fixiert, sondern immer auch nativ in isotone Kochsalzlösung für molekularbiologische Untersuchungen überführt werden. So stehen für die Diagnostik von intestinalen T-Zell-Lymphomen der Nachweis des typischen Antigens HML-1 und eines T-ZellrezeptorRearrangements ganz im Vordergrund. Gerade für die Differenzialdiagnostik von Sprue-Symptomen hat sich der Verlust von T-Zellantigenen auf intraepithelialen Lymphozyten und die Klonalität des T-Zellrezeptorgens als Charakteristikum eines intestinalen TZell-Lymphoms bewährt [Cellier 2000; Daum 2001]. Die Verdachtsdiagnose eines Mantelzelllymphoms, das sich unter dem Bild einer lymphomatösen Poly-
19
197 19.4 · Prävention und Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 19.2. Immunhistochemische Charakteristika und genetische Aberrationen gastrointestinaler B-Zell-Lymphome. (Mod. nach [Chott 2002]) CD20
ZyklinD1 CD5
Cd43 CD10 bcl6
bcl2
Ki67 [%]
Aberration
MALT-Lymphom
+
–
–
–/+
–
–
+
5–20
t(11;18) (q21;q21) Trisomie 3
Follikuläres Lymphom
+
–
–
-
+
+
+
15–20
t(14;18) (q32;q21)
Mantelzelllymphom
+
+
+
+
–
–
+
15–50
t(11;14) (q13;q23)
Großzelliges B-Zell-Lymphom
+
–
–
–
–/+
–/+
+/–
>50
p53,p16,c-myc Trisomie 12
Burkitt-Lymphom
+
–
–
+
+
+
–
100
c-myc T(8;14) (q24;q32)
pose präsentiert, kann durch den Nachweis von Zyklin-D1 gesichert werden.Auch für die anderen B-ZellLymphome sind eine charakteristische Immunphänotypisierung und genetische Aberrationen beschrieben (⊡ Tabelle 19.2). Ist die Diagnose eines intestinalen Lymphoms etabliert, so schließen sich verschiedene Untersuchungen zur Erfassung der Ausbreitung des Lymphoms an, das neben dem histologischen Typ das Tumorstadium eine entscheidende prognostische Determinante darstellt [Radaszkiewicz 1992]. Für die Stadieneinteilung wird nach wie vor am häufigsten die Ann-Arbor-Klassifikation in ihrer Modifikation nach Musshoff benutzt. Sie trägt nicht der prognostisch bedeutsamen Serosainfiltration Rechnung,weshalb mit der Lugano-Klassifikation 1994 eine auf gastrointestinale Lymphome adaptierte Stadieneinteilung vorgelegt wurde, die sich bis heute nicht durchgesetzt hat. Eine weitere Alternative stellt die für epitheliale Tumoren etablierte TNM-Klassifikation dar (⊡ Tabelle 19.3). Letztlich wird keines dieser Systeme zur Stadieneinteilung der Tumorbiologie der gastrointestinalen Lymphome in allen Belangen gerecht, zur Vergleichbarkeit der Therapieergebnisse sind sie dennoch unverzichtbar. Die erforderlichen Staginguntersuchungen umfassen eine Endoskopie des oberen und unteren Verdauungstrakts,eine Endosonographie,eine zervikale und abdominelle Sonographie, eine Computertomogra-
phie des Thorax und des Abdomens sowie die zytologische und histologische Begutachtung einer Knochenmarkpunktion. An Laborparametern sollten LDH,b-2-Mikroglobulin und HI-Virusstatus erhoben werden. 19.4
Prävention und Therapie
19.4.1
Prävention
Effektive Maßnahmen zur Prävention intestinaler Lymphome sind äußerst begrenzt. Für Patienten mit einheimischer Sprue konnte gezeigt werden,dass eine konsequente glutenfreie Diät das Lymphomrisiko auf das der Normalbevölkerung senkt [Holmes 1989]. Theoretisch könnten verbesserte hygienische Bedingungen die Häufigkeit intestinaler Lymphome reduzieren. So konnte für die Entstehung von Lymphomen auf dem Boden des IPSID gezeigt werden,dass gehäuft chronische bakterielle oder parasitäre Infektionen, z. B. mit Lamblien, vorausgehen. Immerhin eröffnet die antibiotische Therapie die Option einer Rückbildung der lymphoproliferativen Veränderungen [Ghosal 2001].
198
Kapitel 19 · Intestinale Lymphome SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 19.3. Stadieneinteilung primärer gastrointestinaler Lymphome
III
Ann-Arbor-System
Lugano-System
TNM-Klassifikation
Ausbreitung des Lymphoms
E aI 1
I1
T1 N0 M0
Mukosa, Submukosa
EI2
I2
T2 N0 M0
Muscularis propria, Subserosa
EI2
I2
T3 N0 M0
Serosapenetration
EI2
IIEb
T4 N0 M0
Kontinuierliche Infiltration benachbarter Organe oder Gewebe
E II 1
II1E
T1–4 N1 M0
Infiltration regionaler Lymphknoten (Kompartiment I+II)
E II 2
II2E
T1–4 N2 M0§
Infiltration von Lymphknoten jenseits der regionalen Stationen (Kompartiment III), einschließlich retroperitonealer, mesenterialer und paraaortaler LK
III
–
T1–4 N3 M0
Infiltration von Lymphknoten an beiden Seiten des Zwerchfells
IV
IV
T1–4 N0–3 M1
Generalisation des Lymphoms
a
Primär extranodale Lokalisation; b kontinuierlicher, den Magen überschreitender Befall benachbarter Gewebe.
19.4.2
Prognose
Wie bereits ausgeführt, stellen Tumorstadium und Malignitätsgrad die beiden entscheidenden prognostischen Faktoren und therapeutischen Determinanten dar. Hinzu tritt die Lokalisation des Lymphoms: Ileozökalbefall günstiger im Vergleich zu den intestinalen Lymphomen und einem multifokalen Befall des Intestinaltrakts. In einigen Untersuchungen erwies sich auch die Resektabilität des Lymphoms als prognostisch günstiger Parameter. Die wenigen Studien, die eine getrennte Auswertung für gastrale und intestinale Lymphome vornahmen, wiesen den intestinalen Lymphomen eine schlechtere Prognose zu als den Magenlymphomen. Dies liegt an dem höheren Anteil hochmaligner Lymphome, den biologischen Besonderheiten einzelner Lymphomentitäten und der schwierigeren und dadurch meist späteren Diagnosestellung in dann fortgeschrittenen Stadien.
19.4.3
Therapie
Eine allgemein akzeptierte Standardtherapie der intestinalen Lymphome gibt es bislang nicht. Ein Blick in die Literatur lässt die Frage nach der adäquaten Behandlung intestinaler Lymphome bis heute weitgehend offen. Dies liegt an kleinen Fallzahlen, einer meist fehlenden Stratifizierung in prognostische Faktoren, der nicht immer vorgenommenen Differenzierung zwischen gastralen und intestinalen Lymphomen, unterschiedlichen Klassifikationssystemen mit dadurch erschwerter Vergleichbarkeit der Ergebnisse und dem retrospektiven Charakter der meisten Studien. Die Untersuchungen aus Berlin und Münster stellen die beiden ersten prospektiven Studien mit größeren Fallzahlen dar [Daum 2001; Koch 2001]. Grundsätzlich stehen zur Therapie intestinaler Lymphome die Operation, Chemotherapie, Strahlentherapie und deren Kombination zur Verfügung. Chirurgie Traditionell favorisierten die meisten Autoren die chirurgische Resektion. Dies resultierte in erster Linie
199 19.4 · Prävention und Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
aus fehlenden anderen diagnostischen Möglichkeiten und der in Folge von Komplikationen wie Perforation, Obstruktion oder Blutung dringlichen Operationsindikation. So verwundert es nicht, dass die Resektionsraten 90–100% betrugen [Domizio 1993]. Weitere Argumente für die Operation umfassen die Möglichkeit einer exakten histologischen Klassifikation (Überlegenheit von Resektat- im Vergleich zu Biopsiematerial) und Stadieneinteilung,das verbesserte Ansprechen einer Chemo-/Radiotherapie nach chirurgischer Tumormassenverkleinerung und die Vermeidung spontaner oder unter konservativer Therapie auftretender Komplikationen. Vor dem Hintergrund neuer diagnostischer Möglichkeiten (Enteroskopie, Kapselendoskopie), der häufig frühen und multifokalen Dissemination intestinaler Lymphome, der nicht immer überzeugenden Therapieergebnisse und letztlich angesichts des vielversprechenden Potenzials einer alleinigen Radiochemotherapie muss der Stellenwert der initialen Resektion heute kritisch in Frage gestellt werden. Ein völliger Verzicht auf die Operation, wenn nicht diagnostisch oder wegen Komplikationen zwingend, steht ebenso zur Diskussion wie eine an Stadium und Lymphomsubentität ausgerichtete Strategie. So wäre es denkbar, die Resektion mit nachfolgender Chemotherapie auf die lokalisierten Stadien EI/II zu beschränken und in den fortgeschrittenen Stadien EIII/IV der primären Chemotherapie mit/ohne Radiotherapie den Vorzug zu geben [Zinzani 1997].
19
gilt nach wie vor als Standardschema.Ob,vergleichbar den Erfahrungen in der Behandlung der nodalen Lymphome, die additive Gabe von CD20-Antikörper (Mabthera) eine weitere Verbesserung der Therapieergebnisse mit sich bringt,bleibt abzuwarten.Für die indolenten Lymphome stehen mit COP und dem Purinanalogon Fludarabin bekannte bzw. neue Substanzen zur Verfügung. Strahlentherapie Die Strahlentherapie vermag bei niedrigmalignen Lymphomen in den lokal begrenzten Stadien I/II einen kurativen Anspruch zu erheben [Koch 2001].Dies gilt in besonderer Weise für die follikulären Lymphome und die (allerdings meist disseminierten) Mantelzelllymphome. Die Bedeutung der Bestrahlung bei den hochmalignen Lymphomen ist dagegen weit weniger klar, und für die intestinalen T-Zell-Lymphome existiert bislang kein Nachweis ihrer Wirksamkeit.Unklar ist auch der Stellenwert einer Strahlentherapie in Kombination mit einer Chemotherapie bei den hochmalignen Lymphomen und den intestinalen T-ZellLymphomen. Bei Patienten mit Enteropathie wurde wegen des meist schlechten Ernährungszustandes und der befürchteten verstärkten Nebenwirkungen eine abdominelle Bestrahlung nicht allgemein empfohlen. Unabhängig von dem Einsatz der Strahlentherapie bei den einzelnen Lymphomentitäten und Stadien werden die verschiedenen Techniken (abdominelles Bad, »extended field«, »involved field«) kontrovers diskutiert. Vergleichende Daten existieren nicht.
Wichtig Im Falle diagnostischer Schwierigkeiten wäre die explorative Laparoskopie mit Histologiegewinnung anstelle der Resektion eine erwägenswerte Alternative.
Entscheidet man sich für einen resezierenden Eingriff, so sollte dieser nach Möglichkeit eine R0-Resektion anstreben. Dies erscheint nur noch vertretbar, wenn dies ohne multiviszerale Chirurgie oder der Gefahr eines Kurzdarmsyndroms erreichbar ist. Chemotherpie Die Bedeutung der Chemotherapie bei den hochmalignen Lymphomen der Stadien EI/II ist unbestritten. Sie erfolgt postoperativ oder in Kombination mit einer Strahlentherapie.Für die Stadien EIII/IV bietet sie sich auch als alleinige Therapieoption an. CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednisolon)
Fazit Die einzelnen Therapiemodalitäten können nicht allgemein für die intestinalen Lymphome beurteilt werden, ihr jeweiliger Stellenwert muss sich vielmehr an der Subentität und dem Stadium des Lymphoms orientieren. ⊡ Tabelle 19.4 fasst eine aktuelle Therapieempfehlung zusammen. Sie enthält sowohl die auf Grund mehr oder weniger valider Studiendaten etablierte Therapie als auch die aktuellen Studienkonzepte der Deutschen Studiengruppe Gastrointestinale Lymphome (DSGL).
200
Kapitel 19 · Intestinale Lymphome SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 19.4. Therapieoptionen bei intestinalen Lymphomen
III
Lymphomtyp/Stadium
Etablierte Therapie
Studienkonzept der DSGL
Niedrigmaligne (indolente)
Operation + Strahlentherapie
Strahlentherapie:
B-Zell-Lymphome Stadium EI/II Mantelzelllymphom Follikuläres Lymphom
Strahlentherapie Strahlentherapie Strahlentherapie
30 Gy abdominales Bad + 10 Gy Boost
Niedrigmaligne (indolente) B-Zell-Lymphome, Stadium EIII/IV oder Rezidiv
Chemotherapie: COP; CHOP Nach Operationa: «watch-and-wait«; Bei Progress/Symptomen: Chemotherapie
Chemotherapie: Fludarabin + Cyclophosphamid
Hochmaligne (aggressive) B-Zell-Lymphome, Stadium EI–EIV
Operation + Chemotherapie (CHOP) Chemotherapie (CHOP) + Strahlentherapie
Chemotherapie (CHOP-14) + anti-CD20-AK (Rituximab) + Strahlentherapie (IF: 40 Gy)
EATZL/Nicht-EATZL
Operationa + Chemotherapie (CHOP)?
Chemotherapie (CHOP-14)
Sprue-ähnliche T-Zell-Lymphome
(Steroide, Azathioprin, Cyclosporin)?
Prednisolon/Budesonid (anti-CD25-AK; CHOP-14)
EATZL: Enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom; DSGL: Deutsche Studiengruppe Gastrointestinale Lymphome. a Zur Diagnosestellung und/oder bei Komplikationen.
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20 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Dünndarmtumoren Babette Simon 20.1
Ätiologie
20.2
Klinik
20.3
Diagnostik
20.4
Therapie von Dünndarmtumoren
20.4.1 20.4.2 20.4.3 20.4.4 20.4.5
Epitheliale Neubildungen – 204 Nichtepitheliale Neubildungen – 205 Intestinale Lymphome – 207 Polypöse Neubildungen – 207 Sekundäre Dünndarmtumoren (Metastasen)
Literatur
>>
– 202
– 204 – 204 – 204
– 208
– 208
Primäre Dünndarmtumoren sind eine heterogene Gruppe seltener benigner und maligner Neoplasien. Sie werden in epitheliale und nichtepitheliale Tumoren, maligne Lymphome und hamartomatöse oder hyperplastische Polypen unterteilt und müssen von Sekundärtumoren (Metastasen) abgegrenzt werden. Prädisponierende Faktoren sind genetische Syndrome, Alterationen des Immunsystems und Karzinogene. Unspezifische Symptome führen häufig zur verzögerten Diagnosestellung. Duodenale Tumoren können endoskopisch oder endosonographisch, im übrigen Dünndarm anhand radiologischer Untersuchungsmethoden nachgewiesen werden. Die endgültige Diagnose erfolgt durch histologische Sicherung. Benigne Dünndarmtumoren werden größenabhängig endoskopisch oder chirurgisch reseziert. Bei malignen Tumoren kommen je nach Tumorentität und Tumorstadium die chirurgische Resektion, systemische Therapieformen und/oder die Strahlentherapie zum Einsatz.
202
Kapitel 20 · Dünndarmtumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
20.1
III
Ätiologie
Epidemiologie. Dünndarmtumoren umfassen 5–10% aller gastrointestinalen Tumoren.Die Inzidenz beträgt 0,4–1/100.000 mit leichter männlicher Prädominanz. Etwa 64% der Tumoren sind maligne. Die Tumoren treten selten vor dem 30. Lebensjahr auf, das Durchschnittsalter liegt bei 67 Jahren. Pathogenese und Prädisposition. Hypothesen zur Er-
klärung der niedrigen Inzidenz maligner Dünndarmtumoren trotz großer Dünndarmoberfläche sind die kurze Transitzeit (kaum Mukosakontakt potenzieller Karzinogene), hohe Sekretionsrate (Verdünnung potenzieller Karzinogene), fehlende Mukosairritation (halbflüssiger Chymus), alkalischer pH (Schutzfunktion), fehlende metabolisch-aktive Bakterien (keine Umwandlung von Prokarzinogenen in Karzinogene), protektive mikrosomale Dünndarmenzymsysteme (z. B. Benzpyrenhydroxylase) und lokale Immunprotektion.
Als Karzinogene werden Galle, Nahrungsfett und gepökelte Speisen diskutiert. Prädispositionen sind in ⊡ Tabelle 20.1 aufgeführt. Patienten mit primären Dünndarmtumoren haben zudem ein erhöhtes Risiko für ein Zweitmalignom. Histologische Klassifikation und anatomische Verteilung. Es sind mehr als 35 histologische Varianten
von Dünndarmtumoren bekannt, die histologisch in epitheliale und nichtepitheliale Tumoren, maligne Lymphome und hamartomatöse oder hyperplastische Polypen unterteilt werden (⊡ Tabelle 20.2). Die häufigsten gutartigen Tumoren sind die vornehmlich im Duodenum liegenden GIST (37%) und Adenome (19%) sowie im Ileum lokalisierte Lipome (15%). Häufigster maligner Tumor ist das Adenokarzinom (47%), gefolgt vom intestinalen Karzinoid (28%), malignen GIST (13%) und malignen Lymphom (12%). Neuroendokrine GEP-Tumoren ( s. Kap. 12), GIST ( s. Kap. 11) und intestinale Lymphome ( s. Kap. 19).
⊡ Tabelle 20.1. Prädispositionen für Dünndarmtumore Erkrankung
Tumortyp und Besonderheiten
Familiäre adenomatöse Polyposis ( s. Kap. 30)
Periampulläre villöse Adenome/Adenokarzinom
Peutz-Jeghers-Syndrom ( s. Kap. 30)
Adenokarzinom (16faches Risiko)
Neurofibromatose Typ 1
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST, GANT)
Zöliakie
Lymphome (25faches Risiko), seltener Adenokarzinome
Langjähriger M. Crohn ( s. Kap. 26)
Adenokarzinom (10faches Risiko), insbesondere nach Umgehungsoperationen und bei ausgeprägter Fistelbildung
Jejunum- und Ileuminterponate
Uretersigmoidostomie, Ileozystoplastie
Kolorektales Karzinom ( s. Kap. 32)
Adenokarzinom
HNPCC ( s. Kap. 31)
Adenokarzinom
Angeborene Imundefekte:
Lymphom
Wiskott-Aldrich-Syndrom Erworbene Immundefekte:
Lymphom
Hypogammaglobulinämi HIV-Infektion Nach Organtransplantation Immunsuppressive Therapie
Kaposi-Sarkom
203 20.1 · Ätiologie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 20.2. Klassifikation von Dünndarmtumoren (WHO 2000, modifiziert) Tumorklassifikation
Ursprungszelle
Benigner Tumor
Maligner Tumor
Epithelialer Tumor
Epithel
Adenom/-atose
Intraepitheliale Neoplasie Adenokarzinom (häufigste)
Endokriner Tumor
EC-Zellen G-Zellen D-Zellen L-Zelle
Karzinoid Gastrinom Somatostatinom GLP-1, PP, PYY-om
Neuroendokrines Karzinom
Gastrointestinaler Stromatumor (GIST)
Pluripotente mesenchymale Stammzelle/interstitielle Cajal Zelle
Benigner GIST
Maligner GIST
(KIT-positiv)
Myenterischer Plexus
a. Glattmuskulär b. neural c. gemischt d. undifferenziert e. GANT
Maligner GANTa
1. Epitheliale Tumore
2. Nichtepitheliale Tumore
Neurogener Tumor
Nervengewebe/Glia
Neurofibrom/-atose Schwannom Paragangliom Ganglioneurom/-atose
Neurofibrosarkom Malignes Schwannom
Vaskulärer Tumor
Blutgefäße
Hämangiom
Lymphgefäße
Lymphangiom
Hämangiosarkom Kaposi-Sarkom Lymphangiosarkom
Bindegewebe
Fibrom
Bindegewebstumor
Desmoplastischer Kleinzelltumor (Desmoid)
Fibrosarkom Malignes fibröse Histiozytom Desmoplastischer Kleinzelltumor (Desmoid)
Fettgewebstumor
Fettgewebe
Lipom/Lipohyperplasie
Liposarkom
Glattmuskulärer Tumor (selten)
Glatte Muskelzelle
Leiomyom Granularzelltumor
Leiomyosarkom Granularzelltumor
3. Maligne Lymphome Lymphatisches Gewebe
B-Zell Lymphome T-Zell Lymphome
4. Polypöse Neubildungen Pluripotente Stammzellen
Brunner-Drüsen Pankreas Magen Endometrium
Hamartom a) Peutz-Jeghers-Syndrom b) Juvenile Polyposis Hyperplasie/Hamartom Heterotopie Heterotopie Endometriose Entzündlicher fibroider Polyp
5. Sekundäre Tumoren (Metastasen) a
Wird von einigen Autoren GIST zugeordnet, von anderen abgegrenzt.
20
204
20.2
III
Kapitel 20 · Dünndarmtumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Klinik
Typisch ist ein langer asymptomatischer Verlauf oder fehlleitende Symptomatik, sodass die Diagnose im Mittel um 6–8 Monate verzögert gestellt wird. Die Symptome sind von der Lokalisation und dem Tumorwachstum abhängig. Während weniger als 50% der Patienten mit benignen Dünndarmtumoren Symptome entwickeln, haben mehr als 90% mit malignen Tumoren vor Diagnosestellung Beschwerden. Die Beschwerden können durch Tumormasse, Obstruktion, Blutung oder Perforation bedingt sein. Die häufigsten Symptome bei benignen Tumoren sind Schmerzen durch Obstruktion und chronische Blutungsanämie, bei malignen Tumoren Schmerzen, chronischer Gewichtsverlust, seltener intestinale Blutungen. Perforationen und tastbare Ein mechnischer Ileus kann erst spät auftreten. Durch tumorbedingte Obstruktion der extrahepatischen Gallenwege oder hepatische Metastasierung kann es zum Ikterus kommen. Die Stadieneinteilung der Dünndarmkarzinome erfolgt nach dem TNM-System der WHO. 20.3
Diagnostik
Tumoren im oberen Duodenum können anhand der Endoskopie und Biopsie diagnostiziert,im unteren Teil durch eine Magendarmpassage mit hypotoner Duodenographie vermutet werden. Bei submukosaler duodenaler Lokalisation kommt dem endoskopischen Ultraschall (EUS) besondere Bedeutung zu. Bei den weiter distal gelegenen Dünndarmtumoren hat die Kontrastdarstellung nach Sellink die größte diagnostische Wertigkeit, die bei 53–83% der Patienten pathologisch ist.Die diagnostische Sicherheit kann auf 90% durch besondere Beachtung der Dehnbarkeit des Dünndarms erhöht werden. Die Computertomographie (CT) kann 80% der Tumoren in der Regel durch eine Darmwandverdickung im Bereich des Primärtumors detektieren und Fernmetastasen oder Infiltration benachbarter Organe sicher beurteilen. Keine der beiden Untersuchungsmethoden ist spezifisch, sodass die Diagnose erst durch Laparotomie gestellt werden kann. Selektive Angiographie, Erythrozytenszintigraphie und Enteroskopie sind hilfreich bei der Suche nach Blutungsquellen. Durch intraoperative Enteroskopie kann die Zahl der detektierter Polypen bei Peutz-Jeghers-Syndrom und mit Transillumination der Darmwand die Anzahl der arteriovenöse Malformationen, die präoperativ nicht zu
lokalisieren waren,erhöht werden.Die Koloskopie mit retrograder Ileoskopie ist bei zur Diagnose eines primären Lymphoms des Ileums nützlich. Die diagnostische Wertigkeit der Kapselendoskopie wird derzeit in Studien überprüft. 20.4
Therapie von Dünndarmtumoren
20.4.1
Epitheliale Neubildungen
Adenom Aufgrund der auch im Dünndarm angenommenen Adenom-Karzinom-Sequenz werden Adenome je nach Lokalisation endoskopisch oder chirurgisch lokal reseziert. Villöse Adenome entstehen bevorzugt periampullär im Duodenum und können sich mit einem Ikterus manifestieren. Es wird primär eine endoskopische Entfernung empfohlen, bei Nichtresektabilität eine pankreaserhaltende Duodenektomie. Bei Lage im distalen Duodenum erfolgt eine segmentale Resektion. Bei den meist periampullären villösen Adenomen im Rahmen der FAP mit hoher Tendenz zur malignen Entartung (300fach) ist die Therapieentscheidung schwierig. Von mehreren Seiten wird primär die lokale Exzision befürwortet, andere empfehlen die Pankreatikoduodenektomie wegen der hohen Rezidivrate nach lokaler Excizion (17–75%). Lokale Exzision erfordert engmaschige endoskopische Kontrollen ( s. Kap. 30). Adenokarzinom Das Adenokarzinom liegt bevorzugt im Duodenum und proximalen Jejunum mit Ausnahme des M. Crohns, wo es zumeist im terminalen Ileum lokalisiert ist. Zum Zeitpunkt der Diagnose besteht meist ein organüberschreitender Tumorbefall mit lokoregionalen Lymphknoten oder Fernmetastasen bevorzugt in Leber, Lunge und Knochen. Publikationen zur Therapie von Dünndarmtumoren weisen geringe Fallzahlen auf, prospektive Studien fehlen. Chirurgische Therapie Kurative Intention. Entscheidend ist die chirurgische
Resektion des Primärtumors und der regionalen Lymphknoten, da dies die einzige kurative Therapieoption darstellt. Bei Tumoren im ersten und zweiten Abschnitt des Duodenums wird eine Duodenopankreatektomie nach Whipple mit dem Ziel einer R0-Resektion durchgeführt. Die operative Mortalitätsrate liegt bei weniger als 5%. Ist der Tumor im dritten und
205 20.4 · Therapie von Dünndarmtumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
vierten Abschnitt des Duodenums lokalisiert kann häufig eine komplette Resektion durch segmentale Duodenektomie durchgeführt werden.Da 22–71% der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose regionäre Lymphknotenmetastasen aufweisen,muss immer eine regionale Lymphadenektomie durchgeführt werden. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind 77–100% der Jejunum- und Ileumkarzinome trotz Lymphknotenmetastasierung resektabel. Ziel ist eine R0-Resektion und weite Resektion des entsprechenen Mesenteriums.Bei Befall des terminalen Ileums wird eine rechtsseitige Hemikolektomie durchgeführt. Operable Lebermetastasen werden reseziert. Malabsorption und Kurzdarmsyndrom können postoperative Folge sein. Palliative Intention. Bei fortgeschrittener Metastasierung oder lokaler Inoperabilität kann eine Umgehungsanastomose (Gastroenterostomie, Enterostomie, Enterokolostomie) notwendig werden.
Strahlentherapie Kurative Intention. Außerhalb von Studien besteht derzeit keine Indikation zur präoperativen neoadjuvanten oder postoperativen adjuvanten Strahlentherapie. Palliative Intention. Eine Strahlentherapie kann postoperative nach R1-Resektion und hohem Risiko eines Lokalrezidivs im Rahmen von Studien in Erwägung gezogen werden. Bei lokal fortgeschrittenem, metastasierten oder nichtresektablem Tumor kann eine symptomatische Strahlentherapie bei schwerem chronischen Blutverlust oder tumorbedingten Schmerzen indiziert sein.Die Bestrahlung des Jejunum und Ileum ist aufgrund der Motilität schwierig. Die Anwendung einer intraoperativen Strahlenbehandlung (IORT) ist experimentell. Symptomatische Fernmetastasen (z. B. Knochenmetastasen) werden mit analgetischer Zielsetzung bestrahlt.
Chemotherapie Palliative systemische Chemotherapie. Die Chemotherapie spielt eine untergeordnete Rolle. Es besteht außerhalb von Studien keine Indikation zur adjuvanten, neoadjuvanten oder additiven Chemotherapie. Die Indikation besteht ausschließlich in der Palliation bei lokal fortgeschrittenem, technisch irresektablen und/oder metastasierten Tumor nach histologischer Sicherung. Patienten mit tumorbedingten Beschwerden sollten behandelt werden.Die Empfehlungen sind empirisch und orientieren sich an der Behandlung des kolorektalen Karzinoms. Behandlungschema der ers-
20
ten Wahl ist 5-Fluorouracil/Folinsäure als Bolus oder 24-h-Infusionstherapie, die bei Ansprechen bis zum Progress fortgesetzt wird. Als Erstlinienrezidivtherapie kann 5-FU/Folinsäure/Oxaliplatin eingesetzt werden,als Zweitlinienrezidivtherapie CPT11 ( s. Kap. 32). Palliative regionale Chemotherapie. In Anlehnung an
das kolorektale Karzinom kann bei irresektablen Lebermetastasen der Versuch einer regionalen Chemotherapie erwogen werden. Kombinierte Strahlen-/Chemotherapie Bei technisch irresektablen Duodenalkarzinom kann ein Versuch mit kombinierter Strahlen-/Chemotherapie mit dem Ziel des »Downstagings« des Primärtumors und der regionären Lymphknoten zur Verbesserung der Resektabilität in Betracht gezogen werden. Prognose Die Überlebensrate ist vom Anteil der R0-resezierten Patienten und dem Vorhandensein von nodalen Metastasen abhängig. Die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate beträgt 30,5% mit einer mittleren Überlebenszeit von 19,7 Monaten. R0-resezierte Patienten mit negativem Lymphknotenstatus weisen eine Überlebensrate von 45–70% auf, bei Nachweis von Lymphknotenmetastasen sinkt diese auf 12–14%. Duodenale Karzinome haben insgesamt eine ungünstigere Prognose. 20.4.2
Nichtepitheliale Neubildungen
Die gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) sind in Kap. 11 beschrieben. GAN (gastrointestinal autonomic nerve)-Tumoren GAN-Tumoren, ehemals als Plexussarkome bezeichnet, stellen möglicherweise eine Untergruppe der GIST dar und können KIT-positiv sein.Sie treten häufig multiple als große Tumoren (bis 30 cm) mit aggressivem klinischen Verlauf auf. Da bereits kleine GAN-Tumoren mit niedriger Mitoserate rezidivieren und metastasieren können, werden sie als potenziell maligne betrachtet. Die radikale chirurgische Resektion unter Mitnahme aller erkennbaren Knoten stellt z. Z. die einzige sinnvolle Behandlung der GAN-Tumoren dar. Bei multipler intraperitonealer Aussaat ist dies nur begrenzt möglich und die Prognose schlecht. Über den Wert einer adjuvanten Chemotherapie oder Strahlentherapie bei GANT lassen sich keine Aussagen ma-
206
Kapitel 20 · Dünndarmtumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
chen. Da einige GANT KIT-positiv sind, könnte der Einsatz des Tyrosinkinase-Inhibitors STI571 in der palliativen Situation sinnvoll sein.
III
Intestinale Weichteilsarkome Die Therapie des Kaposi-Sarkoms ist in Kap. 15 beschrieben. Das therapeutische Management der sehr seltenen intestinalen Weichteilsarkome ist nicht standardisiert. Ziel ist die radikale Resektion des Primärtumors einschließlich benachbarter infiltrierter Strukturen. Ein Duodenaltumor erfordert eine Pankreatikoduodenektomie wenn die mediale Wand des zweiten Abschnittes des Duodenums betroffen ist.Bei kleinen Sarkomen des Duodenums reicht eine Resektion, bei Lokalisation im Jejunum oder Ileum erfolgt eine Segmentresektion einschließlich des Mesenteriums. Eine Lymphadenektomie ist nicht obligat. Ein Lokalrezidiv nach R0-Resektion sollte chirurgisch therapiert werden.Peritoneale und hepatogene Metastasen sind die häufigste Ursache für Therapieversagen. Die Wertigkeit der adjuvanten oder neoadjuvanten Chemo-und Bestrahlungstherapie wird in Studien geprüft. Bei Vorliegen einer symptomatischen metastasierten Tumorerkrankung ist derzeit eine Kombinationstherapie mit Doxorubicin mit oder ohne hochdosiertem Ifosfamid Standard. Die Responseraten erreichen 40%. Die Therapie ist ohne überzeugende Beeinflussung der Überlebenszeit. Die photodynamische Therapie (PDT) wird bei intraperitonealer Metastasierung (Sarkomatose) nach Debulking-Operation experimentell eingesetzt. Leiomyome Leiomyome kommen hauptsächlich im Ösophagus, Kolon und Rektum vor, selten im Magen, aber praktisch nicht im Dünndarm. GIST des Dünndarms wurden früher fälschlicherweise als Leiomyome bzw. Leiomyosarkome klassifiziert ( s. Kap. 11). Desmoide Desmoide sind seltene nichtmetastasierende lokalinfiltrierende Tumoren, die im Mesenterium des Dünndarms auftreten können und zu erheblichen Therapieproblemen bei rezidivierendem Wachstum führen. Sie entstehen sporadisch oder FAP-assoziiert und können bis zu 25 cm groß werden.Aufgrund der Seltenheit gibt es keine Studien und die Behandlungsoptionen werden kontrovers diskutiert. Die Empfehlungen reichen von der medikamentösen konservativen bis hin zur radikal chirurgischen Therapie.
Chirurgische Therapie Einige Gruppen empfehlen die radikale chirurgische Resektion mit Sicherheitsabstand von 2 cm,andere raten zu chirurgischen Maßnahmen nur bei Patienten mit Komplikationen (mechanischer Ileus, Ureterobstruktion), da trotz R0-Resektion die Rezidivrate hoch ist (20–80%). Bei nichtresektablen Lokalrezidiven kann eine palliative Entlastungsoperation notwenig sein. Strahlentherapie Die Strahlentherapie ist eine Option bei medikamentös nichttherapierbaren Tumoren, kann aber ansonsten nicht empfohlen werden. Systemische Therapie Primär sollte immer eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Zur Verfügung stehen Cyclooxigenase-Inhibitoren und Antiöstrogene.Die kombinierte Therapie mit Sulindac (300 mg/Tag) und Tamoxifen (120 mg/Tag) wird am häufigsten eingesetzt und kann innerhalb der ersten 6 Monate Wachstumsverlangsamung und -stillstand erreichen. Nach 1–2 Jahren kann eine Reduktion der Tumormassen eintreten. Bei fehlendem Ansprechen in verzweifelter Situation können Chemotherapeutika eingesetzt werden, wobei keine prospektiven Studien vorliegen. Bei schlechtem Allgemeinzustand wird eine Monotherapie mit Doxorubicin (bzw. 4-Epirubicin) oder DTIC, alternativ eine Kombination mit Vinblastin/MTX empfohlen, bei gutem Allgemeinzustand eine Polychemotherapie analog dem »MAID«-Protokoll oder mit Doxorubicin/Ifosfamid (⊡ Tabelle 20.3). Bei Ansprechen wird die Therapie bis zum Progess fortgesetzt. Neurofibrom, Ganglioneurom, Paragangliom und Schwannom Bei der Neurofibromatose Typ 1 kommen bei 2–25% der Patienten im oberen Gastrointestinaltrakt submukosale Neurofibrome vor,die in der Regel benigne sind. Ganglioneurome sind mit MEN Typ IIb und Neurofibromatose Typ 1 (NF1) assoziiert und sollten durch En-bloc-Resektion mit histologisch negativen Resektionskanten reseziert werden.Bei unvollständiger Entfernung droht ein rasches Rezidiv. Das ganglyocystische Paragangliom ist ein gutartiger meist im zweiten Teil des Duodenums lokalisierter nichtmetastasierender Tumoren,der durch gastrointestinale Blutungen oder abdominale Beschwerden apparent wird. Es treten selten Rezidive nach chirurgischer Resektion auf.
207 20.4 · Therapie von Dünndarmtumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
20
⊡ Tabelle 20.3. Systemische Chemotherapie bei Desmoiden Doxorubicinmonotherapie Doxorubin
70 mg/m2
Kurzinfusion
Tag 1
Wiederholung Tag 22
Cave: Kardiotoxizität; kumulative Dosis: Doxorubicin 550 mg/m2 Bei Einsatz von Epirubicin statt Doxorubicin: 100–130 mg/m2 Doxorubicinmonotherapie Doxorubin
12–15 mg/m2
Kurzinfusion
Tag 1, 8, 15
Wöchentlich, mindestens 6 Wochen
Tag 1, 2, 3, 4 Tag 1, 2, 3 Tag 1, 2, 3 Tag 1, 2, 3
Wiederholung Tag 22, maximal 6 Zyklen
Bei Einsatz von Epirubicin statt Doxorubicin: 15–25 mg/m2 Doxorubicin/Ifosfamid/DTIC (»MAID«) Mesna Doxorubin Ifosfamid Dacarbacin
2,5 g/m2 20 mg/m2 2,5 g/m2 300 mg/m2
24-h-Infusion 24-h-Infusion 24-h-Infusion 24-h-Infusion
Schwannome sind seltene submukosale Tumoren im Dünndarm und nicht mit NF1 oder NF2 assoziiert. Sie werden durch Resektion entfernt. Maligne Schwannome sind nicht bekannt ( s. Kap. 11). Hämangiom und Hämangiosarkom Hämangiome sind seltene, isoliert oder multifokal auftretende meist kleine gut umschriebene Neubildungen und fallen durch okkulte oder akute gastrointestinale Blutung auf. Sie können mit kavernösen Hämangiomen der Haut (»blue rubber bleb nevus syndrome«) oder mit Hämangiomen der Haut und Weichteilhypertrophie (Klippel-Trenaunay-WeberSyndrom) assoziiert sein. Die Therapie besteht in einer segmentalen Dünndarmresektion. Die Diagnose eines primären gastrointestinalen Hämangiosarkoms wird häufig erst im fortgeschrittenen Stadium gestellt. Therapie der Wahl ist die radikale chirurgische Resektion. Die Prognose ist schlecht mit kurzen Überlebenszeiten. Inwieweit eine adjuvante Chemo- und/ oder Strahlentherapie die Prognose positiv beeinflussen kann ist ungeklärt. Hämangiosarkome sind KITpositive Tumoren,sodass experimentell ein Therapieversuch mit STI571 in der palliativen Situation möglich wäre. Lymphangiom Das intestinale Lymphangiom ist ein seltener gutartiger Tumor. Klinisch imponieren abdominale Beschwerden, Obstruktion oder selten okkulte gastrointestinale Blutungen. Die Therapie erfolgt durch Resektion des symptomatischen Dünndarmsegmentes.
Lipom Lipome des Dünndarm treten extrem selten auf. Die Patienten haben in der Regel abdominelle Schmerzen durch inkomplette Obstruktion. Obwohl Lipome diffus im Dünndarm vorkommen können, sollte nur die Resektion des symptomatischen Dünndarmsegmentes erfolgen. Granulosazelltumor (Abrikossoff-Tumor) Die sehr seltenen meist asymptomatischen Tumoren liegen submukosal und die präoperative Diagnose ist schwierig. Da die in der Regel benignen Tumoren maligne entarten und metastasieren können besteht die Indikation zur lokalen Resektion. 20.4.3
Intestinale Lymphome
Siehe hierzu Kap. 19.
20.4.4
Polypöse Neubildungen
Hamartom beim Peutz-Jeghers Syndrom Die Hamartome sind primär multifokal im Dünndarm und führen im 2. Lebensjahrzehnt zu wiederholten operativen Eingriffen bei inkompletter Obstruktion oder Invagination. Das adäquate therapeutische Vorgehen beinhaltet die Kombination chirurgischer und endoskopischer Poylpentfernung. Durch die intraoperative Endoskopie kann die Zahl der resezierten Polypen deutlich erhöht und damit die
208
III
Kapitel 20 · Dünndarmtumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Zahl notfallmäßiger Enterostomien reduziert werden. Notwendige Resektionen sollten auf eine minimale Dünndarmlänge beschränkt bleiben. Adenokarzinome treten wahrscheinlich über die maligne Entartung adenomatöser Komponenten der primär hamartomatösen Polypen auf.
hämatogener oder peritonealer Metastasierung ist eine chirurgische Resektion nur palliativ möglich.Der Einsatz einer zusätzlichen systemischen Therapie ist vom Primärtumor und Allgemeinzustand des Patienten abhängig.
Hamartom der Brunner-Drüse Brunner-Hamartome sind gutartige submukosale Tumoren und die Diagnose präoperativ schwierig. Die Symptome sind von der Größe des Hamartoms abgängig. Sie können asymptomatisch sein oder zur gastrointestinalen Blutung und duodenalen oder biliären Obstruktion führen. Gestielte Polypen werden endoskopisch abgetragen,große Tumoren chirurgisch reseziert.
Literatur
Entzündliche Polypen Entzündliche Polypen können überall im Dünndarm auftreten und werden gelegentlich im Zusammenhang mit M. Crohn berichtet. Es handelt sich um benigne meist solitäre Neubildungen in der Submukosa, die durch Obstruktion des Darmlumens auffallen. Die Behandlung besteht entweder in der endoskopischen Polypektomie oder der Dünndarmsegmentresektion. 20.4.5
Sekundäre Dünndarmtumoren (Metastasen)
Der Dünndarm ist im Gastrointestinaltrakt der häufigste Ort mit Sekundärmetastasen. Klinisch imponiert entweder eine Obstruktion oder gastrointestinale Blutung. Die häufigsten Primärtumoren mit metastatischen Absiedlungen im Dünndarm betreffen das maligne Melanom, Bronchial-, Mamma-, und Nierenkarzinom. Bei lokalem Befall ist eine chirurgische Segmentresektion in kurativer Intention die Therapie der Wahl. Die mittlere Überlebenszeit liegt bei 4,5–8,5 Monaten mit kaum Langzeitüberlebenden.Bei
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21 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Therapiebedingte Nebenwirkungen O. Schröder, J. Stein 21.1
Graft-versus-host-disease (GvHD)
21.1.1 21.1.2 21.1.3 21.1.4
Pathophysiologie – 210 Klinik – 210 Diagnostik – 212 Therapie – 213
21.2
Strahlenbedingte Nebenwirkungen
21.2.1 21.2.2 21.2.3 21.2.4
Pathophysiologie – 213 Klinik – 214 Diagnostik – 215 Therapie – 216
Literatur
– 217
– 210
– 213
210
21.1
III
Kapitel 21 · Therapiebedingte Nebenwirkungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Graft-versus-host-disease (GvHD)
Neben der Knochenmarktransplantation (KMT) hat die Transfusion von hämatopoetischen Stammzellen, die aus dem peripheren Blut gewonnen werden (sog. periphere Blutstammzelltransplantation, PBST), in den letzten 2 Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung bei der Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen gewonnen.Eine erfolgreiche Anwendung erfährt die PBST zunehmend auch bei schweren immunologischen Erkrankungen,die durch eine intensive Immunsuppression mit myelotoxischer Wirkung günstig beeinflusst werden. Die »graft-versus-host-disease« (GvHD, Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion), stellt eine gefürchtete Komplikation der allogenen Stammzelltransplantation dar.Je nach Grunderkrankung liegt die Mortalität zwischen 20 und 65%. Die pathogenetischen Voraussetzungen der akuten und chronischen GvHD, bereits 1966 von Billingham definiert, liegen in der Übertragung immunkompetenter Zellen, Unterschieden in den Histokompatibilitätsantigenen zwischen Spender und Empfänger sowie in einem (induzierten) Immundefekt des Empfängerorganismus.
durch Endothelzellen des Gefäßsystems aus. Die vermehrt exprimierten Antigene erleichtern die Erkennung durch reife T-Zellen des Spenders sowie deren Adhäsion (Phase 2). Über 2 komplexe Signalwege, die eine T-Zellrezeptor-MHC-Interaktion sowie Zell-ZellKontakt mit antigenpräsentierenden Zellen erfordern, wird die letzte Phase in der Immunpathophysiologie der GvHD eingeläutet. Spender-T-Zellen werden aktiviert und proliferieren zu T-Helferzellen (Th1),welche IL-2 und IFN-g bilden und sezernieren. Diese Zytokine aktivieren zytotoxische T-Lymphozyten (CTL) und natürliche Killerzellen,die über die zellkontaktabhängigen Signalwege Perforin/Granzym und FastL sowie TNF-a eine Apoptose der Zielzellen einleiten. Die Effektorfunktion aktivierter mononuklearer Phagozyten wird durch bakterielle Antigene wie LPS getriggert, die in den ersten beiden Phasen durch den Verlust der intestinalen Barrierefunktion in die Zirkulation gelangen (sog.bakterielle Translokation).Die Translokation führt über eine gesteigerte Zytokinproduktion durch im Gastrointestinaltrakt residierende Lymphozyten und Makrophagen zu einer weiteren lokalen Schädigung,die die entzündliche Antwort amplifiziert. 21.1.2
21.1.1
Klinik
Pathophysiologie
Das heute allgemein akzeptierte pathophysiologische Konzept der GvHD setzt sich aus 3 ineinander übergreifende Phasen zusammen. ▬ Die erste Phase beschreibt dabei die Reaktion des Organismus auf die Gewebstraumatisierung infolge der Konditionierungstherapie. ▬ Phase 2 ist durch die Aktivierung, Stimulierung und Proliferation von T-Zellen des Donors charakterisiert. ▬ In der letzten Phase wird die entzündliche Antwort durch zellvermittelte Toxizität und Zytokine amplifiziert. Der Grundstein in der Entwicklung der akuten GvHD wird bereits vor der Stammzelltransplantation mit der konditionierenden Chemo- und/oder Radiotherapie gelegt. Diese führt nicht nur zu der gewünschten Myeloablation sondern auch zu einer Gewebstraumatisierung mit Freisetzung proinflammatorischer Zytokine, wie TNF-a, GM-CSF, IL-1 und IFN-g. Eine überschießende Zytokinfreisetzung durch aktivierte Phagozyten löst eine gesteigerte Expression von Histokompatibilitätsantigenen und Adhäsionsmolekülen
Im Rahmen einer allogenen PBST erfährt nahezu jeder Patient gastrointestinale Nebenwirkungen. Als Ursachen kommt dabei neben opportunistischen Infektionen sowie toxischen Nebenwirkungen der Konditionierungstherapie auch eine GvHD differenzialdiagnostisch in Betracht.Selten liegt eine der genannten Entitäten isoliert vor, zumeist ist die Genese der Beschwerden multikausal. Aufgrund der hohen Morbidität und Mortalität dieser Hochrisikopatienten ist eine umgehende Diagnosestellung erforderlich, um ggf.eine notwendige spezifische antimikrobielle/antivirale Therapie oder eine Ausweitung der Immunsuppression einzuleiten. Je nach dem Manifestationszeitpunkt unterscheidet man eine akute (Auftreten bis zum 100. Tag nach Transplantation) von einer chronischen Verlaufsform (Beginn >100 Tage nach Transplantation). Hyperakute GvHD Die hyperakute GvHD als fulminante, in der Regel letal verlaufende, Variante der akuten GvHD, ist seit Einführung der routinemäßigen prophylaktischen Therapie sehr selten geworden. Der Manifestationszeitpunkt liegt in der ersten Woche nach Stammzell-
211 21.1 · Graft-versus-host-disease (GvHD) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
transplantation und ist durch den Symptomenkomplex Fieber, generalisierte Erythrodermie mit Desquamation, schwere Hepatitis, ausgedehntes entzündliches Geschehen sowie pathologisch gesteigerte Gefäßpermeabilität charakterisiert. Akute GvHD Die akute GvHD als klinisch-pathologisches Syndrom umfasst zumeist Haut, Leber und Gastrointestinaltrakt, die entweder isoliert oder in Kombination betroffen sein können. Sie entwickelt sich in der Regel 3–10 Wochen nach der Stammzellinfusion und wird in Abhängigkeit von der Organschädigung in unterschiedliche Schweregrade unterteilt (⊡ Tabellen 21.1 und 21.2). Die Inzidenz der akuten GvHD unter einer Standardimmunsuppression mit Cyclosporin A und Methotrexat wird hauptsächlich von der Histokompatibilität von Spender und Empfänger determiniert.Eine klinische signifikante akute GvHD ≥ Grad II wird bei
21
HLA-Identität in ca. 20–40% beobachtet, Mismatch bei einem Antigen steigert das Risiko auf ca.60%,Mismatches bei ≥ 2 Antigenen auf ca. 80%. Weitere Risikofaktoren sind ein hohes Alter von Spender und Empfänger, Geschlechtsunterschied von Spender und Empfänger (insbesondere weibliche Multipara-Spenderin und männlicher Empfänger), Art der Grunderkrankung (hohes Risiko bei Leukämien, besonders CML) sowie positive Zytomegalieserologie von Spender und Empfänger. Die erste und häufigste Manifestation der akuten GvHD ist ein juckendes, makulopapulläres Exanthem ca. 2–6 Wochen nach der Stammzellinfusion. Prädilektionsorte sind Nacken, Schulter, Ohren sowie Hand- und Fußinnenflächen. Schwere Formen der Haut-GvHD schreiten bis hin zur generalisierten Erythrodermie, Desquamation oder Blasenbildung fort. Nach der Haut ist die Leber das zweithäufigste Manifestationsorgan einer akuten GvHD. Typische Initialsymptome wie cholestatischer Ikterus sowie labor-
⊡ Tabelle 21.1. Stadieneinteilung der Organbeteiligung bei akuter GvHD Stadium
Haut
Leber
Darm
+
Makulopapulläres Exanthem (<25% der KÖF)
Bilirubin, 2–3 mg/dl
Diarrhö, 500–1.000 ml/Tag
++
Makulopapulläres Exanthem (25–50% der KÖF)
Bilirubin, 3–6 mg/dl
Diarrhö, 1.000–1.500 ml/Tag
+++
Generalisierte Erythrodermie
Bilirubin, 6–15 mg/dl
Diarrhö, >1.500 ml/Tag
++++
Desquamation/Blasenbildung
Bilirubin >15 mg/dl
Abdominelle Schmerzen +/– Ileus
KÖF Körperoberfläche.
⊡ Tabelle 21.2. Schweregrade der akuten GvHD Gesamtgrad
Haut
Leber
Darm
Allgemeinbefinden
0 (kein) I (mild) II (mäßig) III (schwer) IV (lebensbedrohlich)
0 + bis ++ + bis +++ ++ bis +++ ++ bis ++++
0 0 + ++ bis +++ ++ bis ++++
0 0 + ++ bis +++ ++ bis ++++
0 0 + ++ +++
212
III
Kapitel 21 · Therapiebedingte Nebenwirkungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
chemisch nachweisbare stark erhöhte alkalische Phosphatase sind Ausdruck einer Schädigung der Gallengänge. Schwere Verlaufsformen mit Leberversagen und Enzephalopathie werden nur bei protrahierten Verläufen beobachtet. Die Symptomatik einer Darmbeteiligung bei akuter GvHD ist typischerweise durch protruse Durchfälle und abdominelle Krämpfe geprägt. Zum Ausschluss von Infektionen sind Stuhlkulturen erforderlich. Diarrhöen, die innerhalb von 2 Wochen nach Transplantation auftreten, sind vielfach durch die Konditionierungstherapie bedingt. Differenzialdiagnostisch sind ferner an eine antibiotikaassoziierte Diarrhö oder eine pseudomembranöse Kolitis – verursacht durch Clostridium difficile – zu denken. Die massiven Flüssigkeitsverluste über den Darm (10–15 l/Tag) können zusammen mit einem passiven Protein- und Mineralverlust zu einer ausgeprägten Malnutrition führen.Blutungen oder Perforationen entstehen durch Ulzerationen. Zeichen einer Peritonitis werden bei schwersten Verläufen mit entzündlicher Beteiligung sämtlicher Darmwandschichten sowie Serositis beobachtet. Eine Beteiligung des oberen Gastrointestinaltrakts imponiert klinisch mit Anorexie, Dyspepsie, Nahrungsintoleranz,Übelkeit und Erbrechen.Das Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie wird günstiger beurteilt. Weitere seltene Manifestationen der akuten GvHD sind Keratokonjunktivitis sicca,nichtinfektiöse Pneumonie, hämorrhagische Zystitis, Thrombopenie und Anämie sowie eine Mikroangiopathie. Chronische GvHD Nach HLA-identischer Familienspendertransplantation wird eine chronische GvHD bei ca.35–50% der Patienten beobachtet. Das Risiko nach HLA-gematchter Transplantation mit einem nichtverwandten Spender beträgt 65%. Prädiktive Faktoren sind HLA-Kompatibilität, Alter und möglicherweise Transplantation peripherer Blutstammzellen.Hauptmanifestation ist insbesondere die Haut,wobei hier eine lichenoide von einer sklerodermen Form unterschieden werden.In der Leber manifestiert sich die chronische GvHD insbesondere in Form einer cholestatischen Hyperbilirubinämie, am Auge im Sinne einer Keratokonjunktivitis sicca, im Bereich der Mundschleimhaut finden sich lichenoide Veränderungen sowie eine Xerostomie. Seltenere Manifestationen sind eine gastrointestinale Beteiligung, eine pulmonale Beteiligung im Sinne einer obliterativen Bronchiolitis oder neuromuskuläre Syndrome (⊡ Tabelle 21.3).
⊡ Tabelle 21.3. Klinisch/pathologische Klassifikation der chronischen GVHD Limited Chronic GVHD 1 und/oder 2: 1. Begrenzte Hautmanifestationen 2. Leberbeteiligung Extensive Chronic GVHD 1 oder 2: 1. Generalisierte Hautbeteiligung oder 2. begrenzte Hautbeteiligung ± Leberfunktionsstörung durch chronische GvHD Plus: 3a. Leberhistologie mit chronisch aggressiver Hepatitis, Nekrose, Zirrhose oder 3b. Augenbeteiligung (Schirmer-Test <5 mm) oder 3c. Speicheldrüsenbeteiligung oder histologisch dokumentierte GvHD der Mundschleimhaut oder 3d. Beteiligung jedes anderen Organs
21.1.3
Diagnostik
Akute GvHD Für die Diagnosestellung einer akuten GvDH ist eine endoskopische Untersuchung mit Biopsieentnahmen obligat. Das endoskopische Erscheinungsbild reicht dabei von einer makroskopisch unauffälligen Mukosa bis hin zu schwersten Ulzerationen. Die Bedeutung der Biopsieentnahme wird insofern deutlich, da bei zwischen 30 und 80% aller allogen transplantierten Patienten mit unklaren GI-Symptomen und makroskopisch unauffälliger oder nur minimal abnormaler gastroduodenaler Mukosa histologisch die Diagnose einer GvHD gestellt werden konnte. In den überwiegenden Fällen sind Ileum sowie Colon ascendens betroffen. Deutlich seltener liegt ein Befall von Ösophagus, Magen oder des Rektums vor. Biopsien befallener Areale zeigen in der Histologie eine Apoptose der Kryptenzellen bis hin zum vollständigen Verlust der Krypten. Das Ausmaß der entzündlichen Infiltrate, die zumeist submukosal unter Aussparung der nekrotischen Kryptenzellen lokalisiert sind, hängt vom Grad der hämatopoetischen Rekonstitution ab. Chronische GvHD Die Diagnose der chronischen GvHD umfasst neben der klinischen Beurteilung, den Ausschluss anderer Ursachen einer cholestatischen Hepatitis oder anderer
213 21.2 · Strahlenbedingte Nebenwirkungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Dysfunktionen sowie ggf. eine histologische Abklärung. 21.1.4
Therapie
Prävention Die Prävention der GvHD ist von entscheidender Bedeutung,da Patienten ohne Prophylaxe mit einer akuten GvHD Grad II und insbesondere Grad III–IV ein im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant schlechteres Überleben aufweisen. Ein in der Prophylaxe bewährtes Protokoll ist die Kombination von Cyclosporin A und Methotrexat, welches in einigen Zentren durch die Gabe von Prednisolon ergänzt wird. Substanzen in der Erprobung sind eine Antithymozytenglobulintherapie während der Konditionierungstherapie (sog. Serotherapie), Ersatz von Cyclosporin A durch Takrolimus und Mycophenolatmofetil. Medikamentöse Therapie Die Standardtherapie der akuten GvHD Grad II–IV besteht in der Gabe von Prednisolon 2 mg/kgKG. In einer prospektiv randomisierten Studie war die hochdosierte Kortikosteroidtherapie (Prednisolon 10 mg/kgKG) der Standarddosierung nicht überlegen. Bei Nichtansprechen können Alternativtherapien wie monoklonale oder polyklonale T-Zell-Antikörper, Anti-IL-2-Rezeptorantikörper, Anti-CD5-spezifische Immuntoxine oder Anti-TNF-a-Antikörper eingesetzt werden. All diese Patienten sollten in prospektiven Studien behandelt werden. Wichtig Aufgrund einer nicht zu erwartenden Spontanremission ist bei der chronischen GvHD immer eine Indikation zur medikamentösen Therapie gegeben.
Die Standardtherapie besteht aus Kortikosteroiden in einer Dosis von 1 mg/kgKG, bei Hochsisikopatienten mit Thrombozytopenie ist die Kombination mit Cyclosporin A der alleinigen Kortikosteroidtherapie überlegen.Bei überwiegendem Befall der Haut ist eine Therapie mit Psoralen UVA hilfreich, ferner wurde über der erfolgreichen Einsatz der extrakorporalen Photophorese berichtet. Der Stellenwert einer Thalidomidtherapie wird derzeit in prospektiven Studien ebenso überprüft wie der Einsatz von Mycophenolatmofetil.
21.2
21
Strahlenbedingte Nebenwirkungen
Gastrointestinale Nebenwirkungen treten als Komplikation von Strahlenbehandlungen im Abdominalund Beckenbereich auf. Nach Definition der Radiation Therapy Oncology Group (RTOG) unterscheidet man akute radiogene Gewebsreaktionen,die zwischen dem 1. und 90. Tag nach Bestrahlungsbeginn auftreten, von Spätreaktionen, die sich nach dem 90. Tag nach Beginn der Therapie manifestieren. Zwischen 50 und 75% der strahlentherapierten Patienten entwickeln akute gastrointestinale Symptome wie Übelkeit/Erbrechen, Diarrhöen und abdominelle Krämpfe, die klinisch störend, meist jedoch nicht therapiebeeinflussend sind. Bei 5–20% entwickeln sich jedoch zum Teil schwerwiegende chronische Strahlenfolgen, die medikamentöse, endoskopische und gelegentlich auch eine chirurgische Behandlung erfordern. Ein möglicher Zusammenhang zwischen der akuten gastrointestinalen Toxizität und dem Entstehen chronischer Komplikationen ist bislang nicht hinreichend belegt. 21.2.1
Pathophysiologie
Akute Strahleneffekte am Gastrointestinaltrakt betreffen in erster Linie die Schleimhaut. Diese ist als rasch proliferierendes Gewebe mit z. T. sehr kurzer Umsatzzeit (3–5 Tage) auf einen ständigen Zellnachschub angewiesen. Die in der Radiotherapie verwendeten Strahlendosen führen schnell zu einem ausgedehnten Zelluntergang in den Proliferationszonen und damit zum fehlenden Ersatz des strahlenresistenten, aber kurzlebigen Epithels. Ursache hierfür ist zum einen eine direkte Schädigung zellulärer DNA durch ionisierende Strahlung. Strahleninteraktionen mit nukleärer DNA (direkt oder indirekt durch Ionisierung von Zellwasser und anschließender Bildung freier Hydroxylradikale) in den epithelialen Proliferationszonen führen zu einem Erlöschen der mitotischen Aktivität und zum Zelltod. Die resultierende Epithelhypoplasie wird von den überlebenden Stammzellen mit einer beschleunigten Repopulierung beantwortet. Unter konventioneller Fraktionierung stellt sich dadurch nach ª40 Gy ein Plateau ein, das durch kleine Erosionen der luminalen Oberfläche gekennzeichnet ist. Die im Rahmen der akuten Strahlenreaktion regelhaft zu beobachtende entzündliche Infiltration der Lamina propria kann weder allein durch funktionelle Gewebsinsuffizienz infolge der Zelldepletion noch
214
III
Kapitel 21 · Therapiebedingte Nebenwirkungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
durch Freisetzung von Mediatoren beim Abbau toter Zellen erklärt werden.Bereits wenige Stunden bis Tage nach Bestrahlung mit 2–10 Gy kann in Gefäßen und in Makrophagen die Expression proinflammatorischer Zytokine (IL-1a, TNF-a), induzierbarer NO-Synthase (iNOS), von Zelladhäsionsmolekülen sowie von Lipidmediatoren (Prostaglandinen) nachgewiesen werden. Deren Bedeutung für die Pathophysiologie der akuten Strahlenfolgen in den verschiedenen Geweben einschließlich des Gastrointestinaltrakts ist derzeit jedoch ebenso ungeklärt wie die in vitro nachgewiesene Induktion verschiedener Protoonkogene (c-fos, cjun, c-myc, c-Ha-ras) unter geringen Strahlendosen. Die unter Dünndarmbestrahlung meist nach 2–3 Wochen zu beobachtenden Diarrhöen entstehen aufgrund komplexer Vorgänge, die eine veränderte Darmflora, Enzyminsuffizienz sowie Motilitätsstörungen beinhalten. Das Eintreten anaerober Kolonflora in den Dünndarm führt über eine Dekonjugation intraluminaler Gallensalze zu verstärkter Wasserretention im Darmlumen. Parallel dazu resultiert aus der Abnahme konjugierter Gallesalze eine verminderte Mizellenbildung mit konsekutiv eingeschränkter Fettresorption. Eine Steatorrhö ist die Folge. Die Abnahme enzymproduzierender Epithelzellen bedingt eine Verminderung von Laktase und führt damit zu einer bakteriellen Fermentation von Laktose im Darmlumen. Die chronischen Strahlenfolgen gehen von einer Schädigung der muralen Schichten aus. Zu Beginn überwiegt ein entzündliches Bild, im weiteren Verlauf dominieren fibrotisch-hyaline Veränderungen. Die Schädigung der Gefäße, insbesondere der Mikrovaskulatur, spielt eine wesentliche Rolle: Nach einer frühen Reaktion mit Stase und nachfolgender Dilatation entwickeln sich an den Kapillaren Teleangiektasien, Thrombosierungen und Obliterationen. Arteriolen und kleine Arterien weisen Intimaverdickungen und Hyalinisierung bzw.eine fibrinoide Verquellung infolge Insudation in die Gefäßwand auf. Daneben findet sich eine Lymphektasie. 21.2.2
Klinik
Strahlenqualität, Bestrahlungstechnik, Bestrahlungsvolumen, Höhe der Einzel- und Gesamtdosis, Dosisfraktionierung sowie begleitende systemische Therapie und Gesamtstrahlendosis bestimmen die Häufigkeit sowie Intensität der Strahlenenteropathie. Lokalisation und Ausmaß der intestinalen Strahlenreaktion werden zudem von der Lage des Bestrahlungs-
feldes, der räumlichen Dosisverteilung und der unterschiedlichen Strahlentoleranz einzelner Darmabschnitte beeinflusst. Das Duodenum ist aufgrund seiner hohen Epithelregeneration besonders strahlensensitiv, während sich nach distal im Verlauf eine zunehmende Strahlenresistenz beobachten läßt. So gelten als Richtwerte für minimale (TD 5/5) und maximale (TD 50/5) Toleranzdosen für den Ösophagus 60–75 Gy, für den Dünndarm 45–50 Gy und für das Rektum 55–80 Gy. Die Toleranzdosen liegen damit in dem Bereich, der für einen signifikanten radiogenen Effekt auf Tumorgewebe erforderlich ist.Aufgrund der freien Mobilität des Dünndarms kommen bei kleineren Bestrahlungsvolumina oft wechselnde Darmanteile im Strahlenkegel zu liegen, sodass sich schädigende Dosen nicht zwangsläufig addieren müssen.Eine Ausnahme stellen jedoch die in ihrer Lage fixierten Darmabschnitte dar, sei es aufgrund ihrer anatomischen Lage oder infolge von Adhäsionen nach intraabdominellen Operationen oder entzündlichen Prozessen. Diese Darmabschnitte weisen ein deutlich erhöhtes Strahlenrisiko auf. Hohes Alter, reduzierter Allgemein- und Ernährungszustand,kardiovaskuläre Erkrankungen,Angiopathien (z. B. bei arteriellem Hypertonus oder Diabetes mellitus) sowie ein schlanker Habitus steigern als prädisponierende Faktoren das Risiko strahlenbedingter Schädigungen des Darmes. Unmittelbar nach abdomineller Bestrahlung können als Folge von Motilitätsstörungen Übelkeit und Erbrechen auftreten. Diarrhöen als typische Frühsymptome der radiogenen Enteritis,die sich in der Regel ab der 2.–4.Woche nach Beginn der Radiotherapie manifestieren, können wässrig, seröse, mukoid, selten auch blutig sein.Abdominelle Krämpfe, Tenesmen sowie Flatulenz sind weitere Manifestationen der radiogenen Enteritis. Im selben Zeitraum entwickelt sich die akute radiogene Ösophagitis, die klinisch als Dysphagie und Odynophagie imponiert. Schwere späte radiogene Effekte im Ösophagus oder im Magen (⊡ Tabelle 21.4) sind bei den heutigen modernen Behandlungsprotokollen sehr selten. Häufiger sind dagegen chronische Strahlenfolgen im Bereich des Dünndarms, die klinisch durch Stuhlunregelmäßigkeiten und abdominelle Krämpfe infolge persistierender Malabsorption und/oder hochgradiger Strikturen geprägt sind. Rezidivierende Subileuszustände, Übelkeit und Erbrechen können die Folge sein. Die chronisch aktinische Proktosigmoiditis ist durch schleimig-blutige Diarrhöen,gelegentlich begleitet von Obstipation, abdominellen Krämpfen, Stuhldrang und Störung der Stuhlkontrolle, charakte-
215 21.2 · Strahlenbedingte Nebenwirkungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 21.4. Potentielle klinische Manifestationen der Strahlentherapie am Gastrointestinaltrakt Ösophagus
Ösophagitis Striktur Tracheoösophageale Fistel Ösophagus-Ca
Magen
Achlorhydrie Antrale Ulzerationen Perforation Gastroparese Blutung Magenausgangsstenose
Dünndarm
Diarrhö Malabsorption Gestörte Motilität Bakterielle Überwucherung Lymphangiektasie Laktasemangel Gallensalzdekonjugation Obstruktion Fistelbildung GI-Blutung
Dickdarm
Proktosigmoiditis Rektales Ulkus Anorektale Stenose Rektale Blutung Rektales Ca
risiert. Persistierende Bleistiftstühle sind Zeichen einer Darmstriktur, die jedoch von einem in das Darmlumen eingebrochenen Tumorrezidiv differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden muss. 21.2.3
Diagnostik
Die Diagnose einer akuten Strahlenschädigung des Gastrointestinaltrakts wird aufgrund der klinischen Symptomatik gestellt, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem aktinischen Trauma beobachtet wird. Dagegen ist die Diagnose einer chronischen Strahlenenteropathie bei einem erst nach Jahren oder Jahrzehnten auftretenden Beschwerdebild gelegentlich schwierig. Es sei hier auf die Bedeutung einer genau erhobenen Anamnese bei Patienten mit intestinalen Symptomen und früherer abdomineller Strahlenbehandlung hingewiesen. Zur Abklärung stehen endos-
21
kopische und radiologische Untersuchungsmethoden im Vordergrund. Die Abdomenübersichtsaufnahme zeigt bei manifestem Ileus Spiegelbildungen und/oder stehende Darmschlingen. Aufgrund häufig vorliegender Adhäsionen findet sich jedoch nur selten eine typische diagonale Anordnung der Spiegel.In der Thoraxübersichtsaufnahme im Stehen weist freie Luft unter dem Diaphragma auf ein Perforationsgeschehen hin. Die Kontrastmitteluntersuchung des MagenDarm-Trakts in der Sellink-Technik zeigt typischerweise Dünndarmsegmente mit beschleunigtem oder verzögertem Transport bei insgesamt meist verkürzter Passagezeit des Kontrastmittels.Auffallend sind erhebliche Kaliberschwankungen der einzelnen Dünndarmschlingen und das Fehlen einer zusammenhängenden Kontrastmittelsäule. Charakteristisch sind weiterhin sägezahnartige Konturen der Mukosa, die durch ein submuköses Ödem oder progressive Fibrosierungen entstehen und das radiologische Bild eines M. Crohn imitieren können. Gelegentlich stellen sich mehrere zu einem Konglomeratumor verbackene Darmschlingen dar.Die Bestimmung der Lokalisation eines intestinalen Passagehindernisses ist ebenso möglich wie die bildhafte Darstellung enteroenteraler sowie enteroorganer Dünndarmfisteln. Kontrastmittelinjektionen in die kutane Fistelöffnung geben Aufschluss über Ausdehnung und Verlauf einer enterokutanen Fistel und decken die Topographie des Darmanschlusses auf. Eine Kontrastmitteldarstellung des Kolons in Prallfüllung und Doppelkontrast weist im betroffenen Darmsegment neben der typischen Kaliberreduzierung eine Vergröberung des Schleimhautreliefs sowie eine Wandstarre nach. Aktinische Dickdarmstenosen sind typischerweise als glattwandige, zirkuläre, trichter- oder sanduhrartige Engen bei aufgehobener Darmmotilität und fehlendem Mukosarelief ausgebildet. Zum Ausschluss einer rezidivierenden Tumorerkrankung dient die Computertomographie von Abdomen und Becken. Bei Hinweisen auf ischämische Darmwandabschnitte sollte eine Angiographie erfolgen, um Veränderungen der größeren zuführenden Darmgefäße zu erfassen. Endoskopische Untersuchungen (Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, Koloskopie) gestatten die Beurteilung mukosaler Veränderungen der einsehbaren Darmabschnitte. Makroskopisch bietet sich oft das Bild einer granulierten, vulnerablen Mukosa mit Ekchymosen, multiplen Teleangiektasien oder narbigfibrotisch umgebauten,weißlich imponierenden Arealen.Das Lumen kann nicht passierbare Strikturen auf-
216
III
Kapitel 21 · Therapiebedingte Nebenwirkungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
weisen, Schleimhautulzera sind vielfach flach und scharf demarkiert.Verdächtige pathologische Prozesse bedürfen der weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung durch die histopathologische Untersuchung von Probeentnahmen. Ferner ist die endoskopische Untersuchung auch zur Beurteilung therapeutischer Maßnahmen geeignet. Refluxsymptome können mit Hilfe der 24h-pH-Metrie einschließlich Sphinktermanometrie abgeklärt werden. 21.2.4
Therapie
Prävention Obwohl eine Vielzahl radioprotektiver Substanzen zur Prävention akuter und später Strahlenschäden am Gastrointestinaltrakt untersucht worden sind, ist eine routinemäßige Anwendung außerhalb klinischer Studien derzeit nicht gerechtfertigt,da der klinische Wert vieler Substanzen noch unklar ist. Eine Reduktion des Fettgehaltes sowie ein ausgeglichener Kohlenhydrat- und Ballaststoffgehalt sind sicher vorteilhaft. Mit der prophylaktischen Gabe von mit Glutamin oder Arginin angereicherten Elementardiäten konnte in einigen Tierversuchen und kleinen Patientenstudien ein protektiver Effekt auf die Dünndarmmukosa erzielt werden. Größere Studien sind jedoch erforderlich, um diese diätetischen Maßnahmen abschließend zu bewerten. Kleinere klinische Studien mit Amifostin als protrahierte Kurzinfusion zeigten, dass dieser Radikalfänger die Häufigkeit und Intensität intestinaler Nebenwirkungen reduziert. Die nebenwirkungsärmere Applikation als Einlauf bei der Strahlenbehandlung nicht resektabler,rezidivierter Rektumkarzinome hatte jedoch keinen Einfluss auf die klinische Symptomatik.Während mit der oralen Gabe von Sucralfat bei Radiatio nicht resektabler Blasen- und Prostatakarzinome akut und im einjährigen Follow-up positive Effekte auf Stuhlfrequenz, rektale Blutung und Stuhldrang erzielt werden konnten, lieferte die topische Anwendung im Tierversuch keinen Schutz in der Prävention der radiogenen Proktosigmoiditis. Nichtsteroidale Antiphlogistika wie Indometacin oder Aminosalizylsäure ergaben in klinischen Studien widersprüchliche Ergebnisse.Die systemische oder topische Anwendung von Kortikoiden zeigte endoskopisch und radiologisch positive Effekte, Ergebnisse aus randomisierten Studien fehlen jedoch.
Medikamentöse und konservativ interventionelle Therapie Die medikamentöse Therapie akuter und chronischer Strahlenfolgen am Gastrointestinaltrakt ist rein symptomatisch (⊡ Tabelle 21.5). (Sub-)akute abdominelle Krämpfe werden mit Spasmolytika behandelt. In der Therapie akuter Diarrhöen kommen neben Adsorbentien vielfach auch Opoidderivate sowie Gallesalzbinder zum Einsatz. Die Diät sollte ballaststoff- und fettarm sowie laktosefrei sein.Eine meist schmerzhafte akute Proktitis wird mit lokalen oder systemischen Analgetika therapiert.Klinische Studien weisen ferner auf den therapeutischen Nutzen einer topischen Applikation von kurzkettigen Fettsäuren hin.Eine Eisensubstitution ist bei persistierenden peranalen Blutungen mit Eisenmangel erforderlich. Bei ösophagealen Stenosierungen ist eine schrittweise Dilatation mit Bougierung indiziert, Restenosen sind jedoch relativ häufig. Bei wiederholten Restenosen ist die Indikation zur Implantierung von Stents aus Kunststoff oder Metall gegeben,therapierefraktäre Stenosierungen erfordern die Ernährung des Patienten über eine parenterale enterokutane Gastrostomie (PEG). Bei den selten radiogen induzierten tracheoösophagealen Fistelbildungen wird die Perforation mit Stents abgedeckt, aufgrund der konkomittierenden Wandveränderungen kommt es jedoch häufig zu Drucknekrosen und Stentwanderung. Chronische aktische Schäden an der Mukosa des Magens ähneln denen peptischer Läsionen mit oberflächlichen oder tiefen Ulzerationen, zumeist mit Lokalisation im Antrum. Diese machen den Einsatz von Protonenpumpenblockern erforderlich, bei einer Kolonisation mit Helicobacter pylori ist zusätzlich eine Eradikationstherapie indiziert. Für die Therapie der chronischen radiogenen ulzerativen Proktitis stehen mit der hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO), der topischen Instillation 4%iger Formaldehydlösung sowie der endoskopischkontrollierten Verödung mit Laser, Elektrokoagulation oder Silbernitrat verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung, die die Beschwerden bei über 50% der Patienten bessern. Operative Verfahren Eine chirurgische Intervention ist bei schwerwiegenden Komplikationen der Strahlenenteropathie wie Perforation, Darmwandnekrose, ausgeprägter Intestinalblutung, intestinaler Obstruktion sowie therapierefraktärer Fistelbildung und hämorrhagischer Proktitis erforderlich.Der betroffene Darmanteil sollte aufgrund der geringeren posteroperativen Letalität (ca.
217 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
21
⊡ Tabelle 21.5. Medikamentöse Therapieoptionen der akuten und chronischen radiogenen Schäden im Gastrointestinaltrakt Klinisches Bild
Therapieklasse
Medikamentenbeispiele
Übelkeit
Niederpotente Antiemetika Höherpotente Antiemetika
Metoclopramid, Dimenhydrinat 5-HT3-Antagonisten (z. B. Ondansetron)
Ösophageale oder rektale schmerzhafte Mukositis
Topische Analgetika Systemische Analgetika (peripher wirksam) Systemische Analgetika (zentral wirksam)
Xylocain NSAR, ASS
Refluxösophagitis
Protonenpumpenblocker
Omeprazol, Lansoprazol
Muskuläre ösophageale Spastik
Kalziumantagonist
Nifedipin
Ulzerative Gastritis
Protonenpumpenblocker
Omeprazol, Lansoprazol
Diarrhö
Diät Gallesalzbinder Adsorbentien Opoidderivat
Ballaststoff- und fettarm Colestipol, Colestyramin Kohle Loperamid
Obstipation
Laktulose Sennae Bisacodyl
Laktulose Agiolax Dulcolax
1%) primär reseziert werden, ein nichtresektables Konglomerat radiogen geschädigter Darmschlingen oder ein Tumorrezidiv bedarf jedoch einer Umgehungsanastomose. Die postoperative Letalität beträgt hier 10%; das Auftreten einer Anastomoseninsuffizienz wird in der Literatur mit bis zu 35% angegeben.
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218
III
Kapitel 21 · Therapiebedingte Nebenwirkungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
from HLA-identical sibling donor: a prospective randomized study. Blood 96: 2391–2398 Saclarides TJ, Kinge DG, Franklin JL et al. (1996) Formalin instillation for refractory radiation-induced hemorrhagic proctitis: report of 16 patients. Dis Colon Rectum 39: 196–199 Socié G, Stone JV, Wingard JR et al. (1999) Long-term survival and late deaths after allogeneic bone marrow translplantation. N Engl J Med 341: 14–21 Vernia P, Fracasso PL, Casale V et al. (2000) Topical butyrate for acute radiation proctitis: randomised, crossover trial. Lancet 356: 1232–1235
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22 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Vaskuläre Krankheiten von Dünn- und Dickdarm C. F. Dietrich 22.1
Akute mesenteriale ischämische Krankheiten des Darmes – 220
22.1.1 22.1.2 22.1.3 22.1.4
Pathophysiologie – 220 Klinik – 220 Diagnostik – 220 Therapie – 220
22.2
Akute mesenteriale Ischämie, spezielle Krankheitsbilder – 223
22.2.1 22.2.2 22.2.3 22.2.4 22.2.5
Mesenteriale arterielle Embolie (MAE) – 223 Mesenterialarterienthrombose (MAT) – 224 Nichtokklusive mesenteriale Ischämie (NOMI) – 224 Fokale segmentale Ischämie (FSI) – 225 Mesenterialvenenthrombose (MVT) – 225
22.3
Chronische mesenteriale ischämische Krankheiten des Darmes – 227
22.3.1 22.3.2 22.3.3 22.3.4
Pathophysiologie – 227 Klinik – 227 Diagnostik – 227 Therapie – 228
22.4
Angiodysplasie
22.4.1 22.4.2 22.4.3 22.4.4
Pathophysiologie – 228 Klinik – 228 Diagnostik – 228 Therapie – 228
22.5
Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie – M. Osler-Weber-Rendu – 229
22.5.1 22.5.2 22.5.3 22.5.4
Pathophysiologie – 229 Klinik – 229 Diagnostik – 230 Therapie – 230
Literatur
– 231
– 228
220
Kapitel 22 · Vaskuläre Krankheiten von Dünn- und Dickdarm SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
>> III
Unter mesenterialer Ischämie versteht man eine Insuffizienz der mesenterialen Gefäße eines oder mehrerer Abdominalorgane, die zu einer Minderversorgung mit Substraten führt. In den meisten Fällen ist der splanchnische Blutfluss vermindert, seltener kann jedoch auch ein erhöhter Substratbedarf (z. B. bei Sepsis und hypermetabolen Zuständen) eine mesenteriale Ischämie bewirken (⊡ Tabelle 22.1, 22.2). Bei der akuten arteriellen mesenterialen Ischämie (AMI) unterscheidet man die Mesenterialarterienembolie (MAE), die Mesenterialarterienthrombose (MAT), die nichtokklusive mesenteriale Ischämie (NOMI) und die fokale segmentale Ischämie (FSI). Bei der venösen Form der akuten mesenterialen Ischämie wird zwischen der akuten Mesenterialvenenthrombose und der fokalen segmentalen Ischämie (z. B. durch Strangulation des Darmes bedingt) differenziert.
22.1
Akute mesenteriale ischämische Krankheiten des Darmes
22.1.1
Pathophysiologie
Mesenteriale Ischämien können arteriell oder venös bedingt sein und akut oder chronisch auftreten. Meistens liegt auch den akuten Verschlüssen eine Arteriosklerose zugrunde, die sich im Sinne einer chronisch progredienten Angina abdominalis manifestiert (20– 50%). Die häufigste Ursache der mesenterialen Dünndarmischämie ist arteriell bedingt,wobei sich die arterielle Embolie häufiger als die Thrombose nachweisen lässt (⊡ Tabelle 22.3). Mischbilder kommen vor. Die Ischämieschäden resultieren aus der Hypoxie und der Reperfusionsschädigung, die durch verschiedene Faktoren,insbesondere aber durch Sauerstoffradikale, bedingt ist. Die häufigste Ursache einer mesenterialen Ischämie ist die Strangulation des Dünndarmes, in der Regel adhäsionsbedingt. 22.1.2
Klinik
Leitsymptom ist der plötzlich auftretende heftige (krampfartige) Bauchschmerz (75–98%).Charakteristischerweise wird die Schmerzsymptomatik von – in ca.50% blutigen – Diarrhöen gefolgt,die aufgrund begleitender muskulärer Spasmen sehr schmerzhaft sein können. Nach dem plötzlich einsetzenden Bauchschmerz mit initial weitgehend unauffälligem körperlichen Untersuchungsbefund kommt es in der Regel nach 6–12 h zu einem beschwerdearmen Intervall, was für die Diagnostik und Prognose erschwerend und deletär sein kann, da sich die Aufmerksamkeit von dem
akut bedrohten Patienten abwendet. Im weiteren Krankheitsverlauf bildet sich ein peritonitisch-septisches Krankheitsbild mit paralytischem Ileus, getriggert durch Anoxie und Azidose mit Permeabilitätsstörungen und Freisetzung vasoaktiver Substanzen und toxisch wirkender Stoffwechselprodukte (z. B. Sauerstoffradikale). Mit Fortschreiten der septischen Komplikationen verschlechtert sich die schon primär gefürchtete Prognose (Mortalität: 45%) rapide auf eine Mortalität von 80–100%. 22.1.3
Diagnostik
Die körperliche Untersuchung zeigt oft nur ein distendiertes Abdomen. Die Röntgenabdomenübersicht zeigt meist erst im Spätstadium formlose luftgefüllte Dünndarmschlingen, ein Ileusbild und das sog. Thumbprint-Zeichen. Das weite Spektrum des normalen Blutflusses der A. mesenterica superior limitiert den Wert der Duplexdopplersonographie bei der Diagnostik. Diagnostisch entscheidend ist die präoperative selektive Mesenterikographie mit ggf. lokaler Applikation von Papaverin in die A. mesenterica superior (alternativ z. B. Tolazolin, PGE1). 22.1.4
Therapie
Prävention Präventive Massnahmen sind eine gesunde Lebensführung mit ausgewogener vielseitiger Ernährung und ausreichender körperlicher Betätigung. Auf eine adäquate Antikoagulation bei zu Embolien prädisponierenden Erkrankungen ist zu achten (z. B. Vorhofflimmern).
22
221 22.1 · Akute mesenteriale ischämische Krankheiten des Darmes SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 22.1. Krankheiten und Faktoren mit Prädisposition für eine mesenteriale Ischämie
⊡ Tabelle 22.2. Ursachen der mesenterialen Ischämie
Krankheit
Prädisposition
Ursache
Häufigkeit [%]
Arterielle Embolie (15–40%)
Frühere Embolie(n) Vorhofflimmern (nach Kardioversion) Rheumatische Herzerkrankung Künstliche Herzklappen Abgelaufener Herzinfarkt Nach vaskulären Eingriffen Herzkatheter, Angiographie, Angioplastie
Okklusiv arteriell
80–95
Akut Mesenterialarterienembolie Mesenterialarterienthrombose Fokal segmentale Ischämie (FSI), meist embolisch
40–50 20–30 ??
Chronisch Angina abdominalis (meist arteriosklerotisch)
??
Arterielle Thrombosen (15–65%)
Gefäßkrankheiten, z. B. Arterioskleose Vaskulitis (einschl. SLE) Traumata Hyperkoagulation, Koagulopathien
Venöse Thrombose Hyperkoagulation, Koagulo(2–20%) pathien, z. B. Hormone, Schwangerschaft Karzinome, Paraneoplasie Polyzythämie Dehydratation Venöser Verschluss, z. B. Portale Hypertension Budd-Chiari-Syndrom Verminderte Splanchnikusdurchblutung, z. B. Herzinsuffizienz Schock Darmverschluss Vasospasmus (5–25%)
Dehydratation Schock Herzinsuffizienz Perikardtamponade Kardiopulmonaler Bypass Vasokonstriktorische Medikamente, z. B. Digitalispräparate Adrenergika Vasopressin Kokain Ergotamin
Okklusiv venös Mesenterialvenenthrombose (MVT) Strangulation (meist segmental, überwiegend venös) Nicht-okklusiv Nicht-okklusive mesenteriale Ischämie (NOMI) Neonatale nekrotisierende Enterokolitis GvHD
5–20 5–10 ??
20–30 ?? ??
⊡ Tabelle 22.3. Arterielle Embolien: Lokalisation Lokalisation
Häufigkeit [%]
A. mesenterica superior A. colica media A. ileocolica Multiple mesenteriale Lokalisationen
40–50 30 10 >20
Allgemeinmaßnahmen Das Ziel jeglicher Therapieoptionen bei der akuten mesenterialen Ischämie ist die Wiederherstellung des mesenterialen Blutflusses. Im Vordergrund steht die Angiographie mit ggf.intraarterieller Applikation von Vasodilatoren (z. B. Papaverin) und die sofortige Operation. Die Mortalität ist von der rechtzeitigen Intervention abhängig.
222
Kapitel 22 · Vaskuläre Krankheiten von Dünn- und Dickdarm SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Allgemeine Therapiemaßnahmen bei AMI Stabilisierung der Kreislaufsituation und hämodynamisches Monitoring
III
Korrektur der metabolischen Azidose Magensonde (Dekompression des Magen-
Ischämie weiter besteht und sich Darmnekrosen ausbilden können. In Einzelfällen wurde auch schon die perkutane Ballon- und Laserangioplastie durchgeführt, deren Bedeutung wegen der angenommenen Reokklusionsrate bisher eher zurückhaltend diskutiert wird.
Darm-Trakts)
Parenterale Applikation von Breitspektrum
antibiotika Bei hämodynamischer Instabilität Applikation von Dobutamin oder niedrigdosiertem Dopamin, Meidung anderer vasokonstriktiver Medikamente (z. B. Adrenalin oder Noradrenalin) Antikoagulation (Cave: Gastrointestinale Blutung, geplantes chirurgisches Vorgehen) Meidung vasokonstriktorischer Substanzen und Digitalis Erneute Antikoagulation 48 h postoperativ
Als Regel kann gelten, dass angiographisch intraarteriell appliziertes Papaverin bei (fast) allen Zuständen der akuten okklusiven und nichtokklusiven mesenterialen Ischämie von Nutzen ist, da es allgemein bei einer mesenterialen Ischämie, sei sie primär oder sekundär reaktiv bedingt, zu einer Vasokonstriktion kommt, die nur schwer therapeutisch zu durchbrechen ist (»circulus vitiosus«). Papaverin kann bis zu 5 Tage arteriell appliziert werden. Medikamentöse Therapie Konservatives Vorgehen Eine Operation ist primär nur dann nicht anzustreben, wenn schwerwiegende Kontraindikationen vorliegen und eine adäquate angiographisch darstellbare Durchblutung distal des Embolus nach Applikation eines Vasodilatators sowie keine peritonitische Zeichen nachzuweisen sind. Die lokale thrombolytische Therapie kann versucht werden, wenn keine Kontraindikationen vorliegen. Sie wurde in Einzelfällen durch einen intraarteriell liegenden Katheter erfolgreich durchgeführt. Es empfiehlt sich eine Therapie mit r-tPA 12 mg über 30 min und anschließend 3 mg/h über 12 h unter 4stündlicher Kontrolle des Fibrinogenspiegels und der Thrombinzeit. Der Fibrinogenspiegel sollte nicht unter 100 mg/dl (Norm: 200–400 mg/dl) abfallen und die Thrombinzeit sollte nicht über 60 s ansteigen (Norm: <20 Sekunden). Nachteilig ist der lange Zeitraum, der für eine Emboluslyse benötigt wird, da in dieser Zeit die
Antikoagulation Die perioperative Applikation von Antikoagulantien (z. B. Heparin) wird kontrovers diskutiert.Antikoagulantien erscheinen nur bei der Mesenterialvenenthrombose von definitivem Nutzen zu sein. Bei der wesentlich häufigeren arteriellen mesenterialen Ischämie überwiegen möglicherweise die Nachteile der Gefahr einer peritonealen Einblutung. Eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin wird spätestens >48 h postoperativ empfohlen, da das Thromboserisko im Bereich der mesenterialen Venen sehr hoch ist. Interventionell-operative Verfahren Angiographie und Papaverinapplikation Therapeutisch mitentscheidend ist die präoperative Angiographie mit lokaler Applikation von Papaverin in die A. mesenterica superior (z. B. 1 mg/ml, 30–60 mg/h), um die Vasokonstriktion präoperativ zu vermindern oder zu beheben. Das Papaverin wird fast vollständing in der Leber aus der Blutbahn eliminiert und relevante systemische Nebenwirkungen werden bei korrekter Katheterlage auch bei mehrtägiger Applikation (bis zu 5 Tagen) nicht beobachtet. Wichtig Ein plötzlicher Blutdruckabfall ist in der Regel nicht durch die Papaverininfusion sondern eine Katheterdislokation in die Aorta bedingt – Kontrolle mittels Abdomenübersichtsaufnahme, Papaverinapplikation sofort beenden, Katheter neu platzieren.
Bei Inoperabilität kommen auch lokale gewäßerweiternde angiographische Maßnahmen in Betracht. Der optimale Operationszeitpunkt darf durch angiographische Maßnahmen nicht verzögert werden.
223 22.2 · Akute mesenteriale Ischämie, spezielle Krankheitsbilder SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Angiographische Optionen Darstellung des Verschlusses (Embolus,
22
konnte durch eine früh durchgeführte Angiographie in den 1980iger Jahren auf 30% gesenkt werden [Boley 1981].
Thrombus)
Darstellung von Kollateralgefäßen (akut vs. chronisch)
Applikation intraarterieller Vasodilatoren
(z. B. Papaverin) Intraarterielle Applikation von Thrombolytika Angioplastie Applikation von Stents Embolektomie
Operation Therapeutisch muss eine schnellstmögliche Operation (Embolektomie,Thrombektomie,Darmteilresektion, arterieller Bypass) angestrebt werden. Bei irreversiblen ausgedehnten nekrotischen Veränderungen des Darmes und Peritonitis ist die Operation die einzige therapeutische Option. Reseziert werden nekrotische Darmanteile, wogegen minderdurchblutete Darmesegmente ohne Nekrosen erstaunlich regenerationsfähig sein können. Im Zweifel muss eine »Second-look«-Operation nach Ablauf von 12–24 h geplant werden, da sich kleine nekrotische Areale des Darmes dann besser demarkiert haben, sodass eine gezielte Nachresektion erfolgen kann. Zusätzlich muss die intestinale Durchblutung über eine Verbesserung des Herzminutenvolumens und durch eine lokale Papaverininjektion – postoperativ für 12–24 h – optimiert werden. 22.2
Akute mesenteriale Ischämie, spezielle Krankheitsbilder
22.2.1
Mesenteriale arterielle Embolie (MAE)
Pathophysiologie Akute Verschlüsse der Mesenterialgefäße sind selten (ca. 5% aller peripheren Embolien), wobei die A. mesenterica superior noch am häufigsten embolisiert wird (40–50%; s. Tabelle 22.4). Betroffen sind in der Regel ältere Patienten mit Herzrhythmusstörungen oder Patienten mit Herzklappenfehler. Im Rahmen einer Studie an Patienten mit Embolie in die A. mesenterica superior wurde gezeigt, dass durch eine innerhalb von 12 h durchgeführte Angiographie die Überlebensrate 67% betrug. In den 1960iger Jahren lag die Mortalität bei ca. 70% und
Klinik und Diagnostik Siehe akute mesenteriale Darmischämie.
Therapie Das therapeutische Vorgehen besteht in der Angiographie mit Applikation von Vasodilatoren (z. B. Papaverin) und der Operation. Patienten mit kleineren Embolien ohne peritonitische Zeichen haben häufiger einen angiographisch nachweisbaren Embolus distal des Abganges der A. ileocolica. In diesen Fällen kann eine lokale Therapie mit z. B. Papaverin genügen. Die klassische Therapie der mesenterialen arteriellen Embolie ist die explorative Laparotomie mit Embolektomie.Nach Arteriotomie distal des Embolus wird ein Ballonembolektomiekatheter eingeführt und der Embolus extrahiert. Von Bedeutung ist die sorgfältige Evaluation aller möglicherweise betroffenen Darmesegmente, um eine persistierende Ischämie zu identifizieren. Die intraoperative Anwendung farbduplexsonographischer Techniken hat sich als hilfreich erwiesen. Die prä- und postoperative Applikation von z. B. Papaverin vermindert perioperative Vasospasmen. In einigen Zentren wird generell, in anderen in Abhängigkeit von der Klinik eine »Second-look«Operation innerhalb der nächsten 12–48 h durchgeführt, um ischämische und/oder gangränöse Darmwandsegmente zu identifizieren und zu resezieren. Bisher weniger etabliert ist die thrombolytische Therapie, die sich in Einzelfällen [Scharrer 2001] als erfolgreich bzw. erfolgversprechend gezeigt hat. Die strengen Indikationen sind zu beachten (angiographische Intervention innerhalb der ersten 8 h, kein Hinweis auf Gangrän oder Perforation sowie Ausschluss von Kontraindikation der thrombolytischen Therapie). Begleitend wird auch bei diesem Vorgehen Papaverin appliziert. Falls innerhalb von 4 h keine Lyse des Embolus beobachtet werden kann, ist das operative Vorgehen zwingend erforderlich; dies gilt auch bei Symptomen einer progredienten Ischämie. Im Unterschied zum operativen Vorgehen sind die Langzeitergebnisse nach thrombolytischer Therapie bisher nicht ausreichend untersucht worden. Um weitere Embolieereignisse zu vermeiden, wird die Therapie mit Warfarin oder Marcumar empfohlen. Es sollte eine Thrombophilieuntersuchung zur weiteren Ursachenabklärung durchgeführt werden.
224
Kapitel 22 · Vaskuläre Krankheiten von Dünn- und Dickdarm SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
22.2.2
III
Mesenterialarterienthrombose (MAT)
Pathophysiologie Die arterielle Thrombose der A. mesenterica superior ist in der Regel durch Gefäßwandveränderungen bedingt. Arteriosklerotische Wandveränderungen begünstigen ein appositionelles Thrombuswachstum, das zu einer Minderdurchblutung des betroffenen Areals führt. Somit kommt die arterielle Thrombose eher im höheren Lebensalter vor. Das Fortschreiten der Thrombose bis hin zum Gefäßverschluss verläuft meistens weniger akut und es kann sich nicht selten ein Kollateralkreislauf ausbilden. Klinik Im Vordergrund der Beschwerden stehen häufig die Symptome der Angina abdominalis. Der postprandiale Bauchschmerz kann zu sekundärem Gewichtsverlust aufgrund einer verminderten Nahrungsaufnahme sowie zu Stuhlunregelmäßigkeiten führen. Diagnostik Bei der Übersichtsaortographie findet sich meist ein kompletter Verschluss der A. mesenterica superior 1–2 cm distal des Abganges aus der Aorta. Die angiographische Differenzierung zwischen einer Thrombose und Embolie kann schwierig sein.Therapeutisch entscheidend ist die Differenzierung zwischen akutem Verschluss und der Koinzidenz eines chronischen Verschlusses mit Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten. Angiographisch wegweisend ist dann die Darstellung ausreichender kollateraler Gefäße mit retrograder Durchblutung der A. mesenterica superior distal der Stenose.
tische Symptome mit angiographischem Befund gut ausgeprägter Kollateralgefäße die Heparinantikoagulation ausreichend sein. Thrombozytenaggregationshemmer sollten wegen einer evtl. doch noch durchzuführenden Operation nicht gegeben werden. Bei angiographischem Befund einer Mesenterialarterienthrombose ohne ausgedehnte Kollateralen und geringer Kontrastmittelfüllung der A. mesenterica superior sollte eine kontinuierliche Papaverininfusion appliziert und eine sofortige Laparotomie angestrebt werden. Erst nach Abschluss der akuten Behandlung können Thrombozytenaggregationshemmer (bzw. Marcumar oder Warfarin) gegeben werden. 22.2.3
Nichtokklusive mesenteriale Ischämie (NOMI)
Pathophysiologie Die NOMI ist für 20–30% der arteriellen mesenterialen Ischämien verantwortlich und entsteht durch eine Vasokonstriktion der Splanchnikusgefäße nach kardiogenem oder hypovolämischem Schock, die zu irreversiblen Ischämien und Darmgangrän führen können. Im Rahmen der Minderdurchblutung wird primär die O2-Ausschöpfung (auch durch eine Vasodilatation des betroffenen Segmentes) erheblich gesteigert, bis zu einem maximalen O2-Nutzungsgrad. In der Folge entsteht eine therapierefraktäre Vasokonstriktion. Die Häufigkeit der nichtokklusiven akuten mesenterialen Ischämie ist in den letzten Jahren seltener geworden. Die Ursache liegt möglicherweise in der breiten Anwendung von vasodilatierenden Substanzen (z. B. Kalziumanatagonisten) bei Patienten mit arteriosklerotisch bedingten Gefäßerkrankungen.
Wichtig Keine oder nur eine geringgradige Darstellung von Kollateralgefäßen sprechen für einen akuten Verschluss der A. mesenterica und für die Notwendigkeit einer sofortigen Intervention.
Therapie Die Methode der Wahl ist die Thrombektomie kombiniert mit verschiedenen Revaskularisationstechniken (z. B. Reimplantation, Bypass zur A. mesenterica superior distal des Verschlusses) sowie Resektion ischämisch-gangränöser Darmabschnitte. Papaverin wird während der Operation i.v appliziert. Postoperativ erfolgt eine Antikoagulation mit (niedermolekularem) Heparin. Alternativ kann bei Patienten ohne peritoni-
Klinik Siehe akute mesenteriale Darmischämie.
Diagnostik Die Diagnose der NOMI stützt sich auf 4 angiographische Zeichen: 1. Stenosierungen am Abgang der Äste der A. mesenterica superior (fakultativ), 2. irreguläre intestinale Gefäßäste, 3. Spasmen der Arkadengefäße und 4. mangelhafte Anfüllung intramuraler Gefäße. Therapie Die primäre Therapie der Patienten mit nichtokklusiver mesenterialer Ischämie besteht in der intraarte-
225 22.2 · Akute mesenteriale Ischämie, spezielle Krankheitsbilder SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
riellen Gabe von Vasodilatoren, z. B. Papaverin durch einen Angiographiekatheter sowie Vermeidung prädisponierender Faktoren (z. B. vasokonstriktorisch wirkender Medikamente bzw. Digitalis). Bei Patienten ohne peritonitische oder septische Komplikationen kann eine erneute Angiographie nach ca. (12–)24 h wiederholt werden, um den Therapieerfolg (Kriterium: Vasokonstriktion) zu überprüfen. Nach ca. 30 min Pause ohne Papaverin wird die erneute Angiographie durchgeführt, wobei zwischenzeitlich für die Durchgängigkeit des Katheters z. B. isotone Kochsalzlösung appliziert werden kann. Die zusätzliche Applikation von Heparin i.v.wird von einigen Zentren empfohlen, um eine Thrombose in dem kanüliertes Gefäß zu vermeiden. Die Prozedur kann und wurde über bis zu 5 Tage durchgeführt. Ein chirurgisches Vorgehen ist bei nichtokklusiver mesenterieller Ischämie nur bei Patienten mit Peritonismus bzw. septischen Komplikationen sinnvoll. Der nekrotische Darm wird entfernt, wobei die Resektion eher sparsam erfolgt, d. h. fraglich noch vitaler Darm wird belassen. Auch während der Operation wird die Papaverininfusion fortgesetzt. Im Rahmen des chirurgischen Vorgehens kann die verzögerte Reanastomosierung bzw. aggressive Reexploration zu einer Verbesserung der Prognose bzw. des Überlebens führen. Auch bei einer Operation sollte Papaverin vor, während und nach der Operation appliziert werden. 22.2.4
Fokale segmentale Ischämie (FSI)
Die fokale segmentale Ischämie des Dünndarmes kann durch arteriosklerotisch bedingte Embolien in den kleineren arteriellen mesenterialen Gefäße ausgelöst werden,aber auch durch Vaskulitiden,Strangulationshernien, Abdominaltraumata, segmentale venöse Thrombose, Z. n. Strahlentherapie und Kontrazeptiva bedingt sein.Die akute klinische Symptomatik ist meistens uncharakteristisch und die Kollateralen reichen in der Regel aus, eine transmurale Ischämie mit konsekutiver Gangrän zu vermeiden. In der Folge können sich kurzstreckige Darmstenosen mit Ileussymptomatik ausbilden, sodass eine Resektion des stenotischen Darmesegments notwendig werden kann. Es besteht häufig auch eine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarmes und ein enterales Eiweißverlustsyndrom.
22.2.5
22
Mesenterialvenenthrombose (MVT)
Pathophysiologie Die Mesenterialvenenthrombose ist eine seltene Form der akuten mesenterialen Ischämie. Es kommt zur ödematösen Wandschwellung des betroffenen Darmesegments. Sekundär entstehen intramurale Hämorrhagien und schließlich eine transmurale Gangrän, die sich meist nicht mehr von der akuten arteriellen mesenterialen Ischämie unterscheiden lässt. Die akute MVT tritt hauptsächlich bei Patienten mit thrombosebegünstigenden lokalen oder systemischen Grunderkrankungen auf (z. B. Pankreatitis, Peritonitis, Peridivertikulitis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen,Trauma,Sepsis,angeborene oder erworbene Gerinnungsdefekte,Thrombozytose,myeloproliferative Erkrankungen, Sichelzellkrankheit etc). Im Rahmen der Hyperkoagubilität entstehen die Thromben häufiger in den kleinen mesenterialen Venen, um sich nach proximal in die großen Gefäßstämme auszubreiten. Die betroffenen Patienten sind eher jünger als die Patienten arteriosklerotisch bedingter arterieller mesenterialer Gefäßerkrankungen. Klinik Die MVT kann akut, subakut (Wochen bis Monate) oder viel häufiger chronisch verlaufen. Leitsymptom der akuten MVT ist ein starker Bauchschmerz, der – wie bei der akuten arteriellen Ischämie – im Gegensatz zum relativ blanden klinischen Befund steht. Diagnostik Beweisend ist die Angiographie – selektive Mesenterikographie – mit den Möglichkeiten der therapeutischen Intervention, z. B. intraarterielle Applikation von Vasodilatatoren. Im Unterschied zu den arteriellen Ursachen der akuten und chronischen mesenterialen Ischämie ist die B-Bild- und Farbduplexsonographie bei der Diagnostik der MVT hilfreich, ebenfalls die Computertomographie und die Magnetresonanztomographie. Therapie Das Standardvorgehen bei der Mesenterialvenenthrombose beinhaltet die Antikoagulation mit Heparin. Die Applikation von Papaverin in die A. mesenterica superior gilt ebenfalls als Standard, um begleitende arterielle Gefäßspasmen zu therapieren,die die Ischämie weiter begünstigen. Bei peritonitisch-septischen Zeichen muss die Resektion von nekrotischen bzw. gangränösen Darm-
226
Kapitel 22 · Vaskuläre Krankheiten von Dünn- und Dickdarm SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 22.4. Zusammenfassung der Therapieformen bei mesenterialer Ischämie Vorgehensweise Mesenteriale arterielle Embolie (MAE)
III
Methode der Wahl
Operative Embolektomie mittels Arteriotomie distal des Thrombus Evtl. »Second-look«-Operation nach (12–)24–48 h
Begleitende Therapie
Papaverinapplikation intraarteriell über Angiographiekatheter
Alternativa
Lokal applizierte Thrombolyse (meistens in Kombination mit Papaverin)
Sekundäre Prävention
Antikoagulation mit z. B. Marcumar- oder Warfarin
Mesenteriale arterielle Thrombose (MAT) Methode(n) der Wahl
Thrombektomie in Kombination mit Revaskularisationsmaßnahmen und Resektion von ischämischen Darmsegmenten
Alternativb
Antikoagulation mit z. B. Heparin iv. (alternativ niedermolekulares Heparin)
Präventionc
Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS) nach erfolgreicher Therapie der Akutsituation
Mesenterialvenenthrombose (MVT) Methode(n) der Wahl
Antikoagulation mit z. B. Heparin iv. Resektion von gangränösem Darm, evtl. »Second-look«-Operation
Begleitende Therapie
Papaverinapplikation intraarteriell über Angiographiekatheter (A. mesenterica superior) zur Therapie begleitender arterieller Spasmen
Sekundäre Prävention
Antikoagulation mit z. B. Marcumar- oder Warfarin
Experimentell
Thrombolytische Therapie mit Streptokinase, Urokinase oder r-TPA
Nicht-okklusive mesenteriale Ischämie (NOMI) Methode(n) der Wahl
Papaverinapplikation intraarteriell über Angiographiekatheter, Reangiographie nach 24 h Vermeidung prädisponierender Faktoren, z. B. Vasokontriktoren, Digitalisgabe
Fakultativ begleitend
Antikoagulation mit z. B. Heparin iv.
Ultima ratio
Operation bei peritonitischem oder septischen Krankheitsverlauf
a
b c
Indikation: Beschwerdeintervall <8 h, kein Hinweis auf Gangrän, keine Kontraindikationen zur Lyseteherapie; bei erfolgloser Lyse >4 h Operation zwingend erforderlich (bisher keine ausreichende Langzeiterfahrung). Kein Peritonismus, angiographische Darstellung ausreichende Kollateralia. Keine Gabe von Thrombozytenaggregationshemmer bei drohender Operation.
segmenten erfolgen. Eine sog. »Second-look«-Laparotomie wird von einigen Zentren regelmäßig durchgeführt und sollte in Betracht gezogen werden. Bei einer ausgedehnten Mesenterialvenenthrombose ist häufig auch eine ausgedehnte Dünndarmresektion notwendig; gefürchtet ist das Kurzdarmsyndrom, das eine parenterale Langzeiternährung erfordern kann.
Als sekundärpräventive Maßnahme ist die orale Antikoagulation mit Marcumar oder Warfarin sinnvoll. Die Gabe von niedermolekularem Heparin erscheint auch sinnvoll, jedoch fehlen hierzu entsprechende Langzeitresultate. Die thrombolytische Therapie mit r-tPA bzw. Streptokinase oder Urokinase wurde im Rahmen klei-
227 22.3 · Chronische mesenteriale ischämische Krankheiten des Darmes SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
ner Fallstudien durchgeführt. Die thrombolytische Therapie bei der Mesenterialvenenthrombose ist bisher nicht in klinischen Studien geprüft worden. Bei der chronischen Form der MVT steht die Prävention der gastrointestinalen Blutung im Vordergrund. Endoskopische (z. B. Ligatur von Varizen) und operative Therapieformen (z. B. portosystemische Shuntoperation) müssen individuell erwogen werden. Bei der chronischen asymptomatischen MVT ist keine invasive (und somit nebenwirkungsreiche) Therapieform sinnvoll. Eine (3–)6 monatige Therapie mit niedermolekularen Heparinen wird auch in Abhängigkeit von der Grundkrankheit empfohlen. Die Mortalität der Mesenterialvenenthrombose ist niedriger als bei Patienten mit anderen Formen der akuten mesenterialen Ischämie. Die Therapieformen der akuten mesenterialen Erkrankungen sind in ⊡ Tabelle 22.4 zusammengefasst. 22.3
22.3.1
Chronische mesenteriale ischämische Krankheiten des Darmes Pathophysiologie
Die chronische mesenteriale arterielle Insuffizienz manifestiert sich klinisch häufig als Angina abdominalis. Es besteht dabei in der Regel eine globale Ischämie des mesenterialen vaskulären Systems: meist durch Verschluss von mindestens 2 der 3 wichtigsten Splanchnikusgefäße: Truncus coeliacus, A. mesenterica superior oder A. mesenterica inferior. Unter Nahrungskarenz reicht der Blutfluss für den Ablauf metabolischer Prozesse aus; unter Bedingungen des erhöhten Blutbedarfs (nach Nahrungsaufnahme oder einem vaskulären Steal-Phänomen bei Bewegung) nicht. In der Regel (>90%) handelt es sich um arteriosklerotische Gefäßveränderungen, deutlich seltener finden sich Vaskulitiden,fibromuskuläre Hyperplasie, Thrombangitis obliterans und entzündliche oder neoplastische Veränderungen mit Befall des Mesenteriums. 22.3.2
Klinik
Leitsymptome sind postprandialer Bauchschmerz, Gewichtsabnahme und Stuhlunregelmäßigkeiten (Diarrhö, bei 50% blutig). Ähnlich einer unter Belastung auftretenden koronarsklerotisch bedingten Angina
22
pectoris können unter besonderen Umständen Minderdurchblutungen des Dickdarmes im Sinne einer Angina abdominalis auftreten, die mit (postprandialen) Oberbauch- oder periumbilikalen Mittelbauchschmerzen aufgrund muskulärer Spasmen einhergehen. Eine andere Erklärung ist ein sog. »Steal«-Effekt, wobei nach Nahrungsaufnahme die vermehrte gastrale Durchblutung zu einer passageren Minderversorgung des Dünn- und Dickdarmes führt. Wenige Minuten bis zu einer Stunde (in der Regel: 10–30 min) nach Nahrungsaufnahme kommt es zu dumpfen oder kolikartigen Bauchschmerzen, die über mehrere (in der Regel: 1–3 h) Stunden anhalten können. Die Intensität der Schmerzymptomatik korreliert mit der Menge der aufgenommen Nahrung, sodass der betroffene Patient (un)bewusst seine Nahrungszufuhr vermindert, um den Schmerzereignissen zu entgehen (Sitophobie). In der Folge kommt es zu einer typischen Gewichtsabnahme bis hin zur Kachexie. 22.3.3
Diagnostik
Die anamnestischen Angaben regelmäßig auftretender postprandialer Schmerzen und einer Gewichtsabnahme sollten bei einem älteren Patienten nach endoskopischem Ausschluss entzündlicher (z. B. Ulkusleiden) und neoplastischer Ursachen auch an eine ischämische Genese der Beschwerden denken lassen. Wichtig Die Methode der Wahl ist weiterhin die Angiographie, mit der sich die häufig kurzstreckigen stenotischen Veränderungen (<2 cm) insbesondere im Bereich der großen Gefäßaufzweigungen nachweisen lassen.
Über die Ausprägung angiographisch nachweisbarer Kollateralgefäße lassen sich Rückschlüsse auf die Chronizität der Veränderungen machen. Die angiographischen Befunde lassen nur eingeschränkt auf die klinische Symptomatik rückschließen, da sie morphologische Veränderungen und keine funktionellen Blutflussparameter darstellen (z. B. Durchblutungsreserve). Die Farbduplexsonographie in der Hand des Geübten kann wichtige Hinweise auf die Lokalisation und das Ausmaß der Stenose geben, wobei den duplexsonographischen Messparametern (systolisches und diastolisches Flussprofil,Widerstandsindizes) ein gewisser Stellenwert zukommt. Die klinische Bedeutung der nichtinvasiven Untersuchungsmethoden
228
Kapitel 22 · Vaskuläre Krankheiten von Dünn- und Dickdarm SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
wird allerdings kontrovers diskutiert,insbesondere da häufig keine kausaltherapeutischen Maßnahmen impliziert sind.
III
22.3.4
werden Angiodysplasien bei Patienten mit v.-Willebrand-Syndrom gefunden. Das v.-Willebrand-Syndrom ist die häufigste Blutstillungsstörung und betrifft ca. 1% der Bevölkerung.
Therapie 22.4.2
Die Kriterien einer relevanten Stenosierung werden eng gefasst. Eine Operationsindikation wird bei einer typischen Angina-abdominalis-Symptomatik mit Gewichtsverlust sowie der angiographischen Darstellung einer Stenosierung zumindest zweier großer Gefäße >50% mit Kollateralgefässen gestellt. Andere Ursachen der geklagten Beschwerden müssen (z. B. endoskopisch) ausgeschlossen werden. Die realistischen therapeutischen Maßnahmen sind allerdings beschränkt. Operative Eingriffe im Sinne von Bypasstechniken können erfolgreich sein, wobei für einen ausreichenden, länger anhaltenden Therapierfolg alle großen betroffenen Gefäße therapiert werden sollten. Der individuelle Leidensdruck ist für die Operationsindikation mitentscheidend,da die perioperative Mortalität mit 5–20% sehr hoch liegen kann. Die mittelfristigen und Langzeitergebnisse sind ermutigend, da nur 10–20% der operierten Patienten über erneute Beschwerden klagen. Die Applikation von Nitropräparaten hat sich in Einzelfällen als hilfreich erwiesen. Die Katheterangioplastie (evtl. mit Stentinsertion) kann bei abgangsnahen Stenosen erwogen werden; Langzeitergebnisse stehen allerdings aus; auf eine ausreichende Antikoagulation ist zu achten. 22.4
Angiodysplasie
22.4.1
Pathophysiologie
Die vaskuläre Ektasie des Kolons – auch als Angiodysplasie oder arteriovenöse Malformation bezeichnet – ist die häufigste Gefäßveränderung im Gastrointestinaltrakt und auch wohl die häufigste Ursache rezidivierender gastrointestinaler Blutungen beim Patienten über 60 Jahre. Die Terminologie ist uneinheitlich. Im englischen Sprachgebrauch wurde der Begriff »mucosal vascular abnormality« (MVA) vorgeschlagen, da er keine pathogenetischen Mechanismen impliziert. Es werden angeborene arteriovenöse Malformationen von erworbenen vaskulären (degenerativen) Ektasien klinisch (Lokalisation),histologisch und prognostisch unterschieden. Erstere sind mit anderen angiomatösen Veränderungen der Haut und anderer Organe assoziiert, letztere dagegen nicht. Sehr häufig
Klinik
Die Blutungsaktivität von Angiodysplasien ist eher gering und rezidivierend, obwohl eine massive Blutungsaktivität bei ca. 15% der Patienten vorkommen kann. Zirka 20% der Patienten zeigen lediglich laborchemisch eine Eisenmangelanämie und einen passager positiven Hämoccult-Test. Das spontane Sistieren der Blutung ist die Regel (>90%). Bis zu 30% der Patienten wurden in der vorendoskopischen Ära im Bereich des Kolons und Magens unter der Diagnose einer profusen oder rezidivierenden Blutungen operiert. 22.4.3
Diagnostik
Die Diagnostik erfolgt meistens endoskopisch. Neben der endoskopischen Therapie ist die Angiographie die Methode der Wahl zur Lokalisierung einer aktiven Blutung, wobei zusätzlich die (therapeutische) Embolisation durchgeführt werden kann. Angiographisch finden sich Gefäßbündel von dilatierten, gewunden verlaufenden und sich in der Frühphase (2–5 s) anfüllenden Venen (»early filling veins«), die sich verspätet entleeren und durch das Kontrastmittel als Verdichtungsfiguren imponieren. Extravasat von Kontrastmittel ist ein Zeichen der aktiven Blutung und wird ab einer Blutungsaktivität von >0,5 ml/min sichtbar. Unter Routinebedingungen liegt dieser in der Literatur angegebene Grenzwert jedoch in der Regel deutlich höher. 22.4.4
Therapie
Primär gilt es, die Diagnose zu stellen und die akute Blutungssituation endoskopisch (oder angiographisch) zu stabilisieren, wobei die Blutung in der Regel spontan sistiert. Eine primäre nichtoperative Blutstillung gelingt somit in den meisten Fällen. Die elektive Therapie besteht in der lokalen endoskopisch durchgeführten Ablation (Argon-Plasma-Koagulation [APC], alternativ: Nd:YAG-Laser, Mono- oder bipolare Elektrokoagulation und Sklerosierungsmethoden; Cave: Perforation) oder der chirurgischen Resek-
229 22.5 · Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie – M. Osler-Weber-Rendu SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
tion des betroffenen Kolonsegmentes (Hemikolektomie rechts), um möglichst alle Gefäßveränderungen zu erfassen. Da bis zu 80% der profus blutenden Divertikel ebenfalls im rechtsseitigen Kolon lokalisiert sind,wird diese potenzielle Blutungsursache ebenfalls beseitigt. Mit einer Rezidivblutung im weiteren Verlauf ist in bis zu 20% der Patienten zu rechnen. Eine primäre subtotale Kolektomie ist aufgrund der erheblichen Folgen nicht indiziert. Angiographisch kann bei Angiodysplasien eine intraarterielle Vasopressininfusion in die A. mesenterica superior (z. B. Vasopressin 0,4 U/min) versucht werden (periphere intravenöse Gabe möglich). Zu bedenken ist,dass aufgrund des relativ niedrigeren Blutflusses in der A. mesenterica inferior gefährliche Nebenwirkungen vermieden werden müssen (Darminfarkt, Extremitätenischämie bei Katheterdislokalisation), sodass hier die i.v.-Gabe im Zweifel vorzuziehen ist. Alternativ muss die für die A. mesenterica superior empfohlene Dosierung reduziert werden. Eine Hormontherapie mit konjugierten Östrogenen wurde als Therapie und Rezidivprophylaxe eingesetzt; die Ergebnisse der Studien sind jedoch nicht eindeutig [Lewis 1990, Marshall 1997, van Cutsem 1990].Der Wirkungsmechanismus der Hormontherapie ist bisher nicht bekannt: Diskutiert werden neben anderen Mechanismen eine Stabilisierung der Integrität der Gefäßwand und eine Verbesserung der Gerinnungsfunktion in den betroffenen mesenterialen Gefäßen. Patienten mit multiplen oder endoskopisch therapierefraktären blutenden Läsionen kommen für eine Hormontherapie in Frage, insbesondere wenn eine Operation kontraindiziert ist bzw.abgelehnt wird. Zufällig entdeckte nichtblutende Läsionen sollten nicht mittels Hormontherapie behandelt werden. Wichtig Zu bedenken sind die potenziell schwerwiegenden Komplikationen bei männlichen Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen.
Bei postmenopausalen weiblichen Patienten erscheint dagegen die Hormontherapie ein idealer Ansatzpunkt zu sein. Verwendet wurde die alleinige oder kombinierte Gabe von Östrogenen (z. B. Ethinylestradiol, 0,035–0,05 mg/Tag) mit Gestagenen (z. B. Norethisteron 1 mg/Tag). Die Art der Hormongabe (Östrogen als Monotherapie oder in Kombination mit einem Gestagen) und die Dauer der Therapie (Wochen bis Monate) wird kontrovers diskutiert und muss individuell auch im Hinblick auf den Transfusionsbedarf erfol-
22
gen. Angiodysplasien bei v.-Willebrand-Syndrom wurden mit Argon-Plasma-Koagulation (APC) erfolgreich therapiert. 22.5
Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie – M. OslerWeber-Rendu
Die hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (Syn.: M. Osler, M. Osler-Weber-Rendu) ist eine seltene (1:100.000) autosomal-dominante Erbkrankheit mit hoher Penetranz. Eine positive Familienanamnese ist bei ca. 80% der Patienten eruierbar. Patienten ohne familiäre Disposition zeigen Blutungsstigmata eher später im Leben. Merkmalsträger sind heterozygot, das homozygote Vorliegen ist ein Letalfaktor. 22.5.1
Pathophysiologie
Die Osler-Krankheit wird durch den universellen Charakter der angiomatösen Veränderungen sowie durch den Polymorphismus der vaskulären Malformationen geprägt. So lassen sich Teleangiektasien, arteriovenöse Aneurysmen, arterielle Angiome und Phlebektasien nachweisen. Primär sind Kapillaren und Venolen betroffen, weniger auch Arteriolen, die histologisch typischerweise eine Intimaproliferation und Thromben zeigen können. Im Unterschied zu Angiodysplasien zeigen die betroffenen Venolen eine pathologische Wandverdickung mit gut ausgebildeter longitudinaler Muskulatur. Als Ursache dieser Gefäßmißbildungen wird ein genetisch determinierter Defekt fibroelastischer und muskulärer Fasern in und um die Gefäßwände angesehen, die sich nicht mehr kontrahieren können, was die Blutungsneigung dieser Patienten erklärt. 22.5.2
Klinik
Klinisch lässt sich der Krankheitsverlauf in 3 Stadien einteilen. Die Latenzperiode ist durch das Fehlen klinischer Zeichen geprägt. Die erste Manifestation (hämorrhagische Phase) stellt in den meisten Fällen das Auftreten einer rezidivierenden Epistaxis im Kindesoder jungen Erwachsenenalter dar. Die für die Erkrankung typischen Teleangiektasien der Haut und Schleimhaut (Lippen, perioral, Zunge, nasopharyngeal,Hände und insbesondere auch im Gastrointestinaltrakt, Phase der manifesten Angiomatose) treten häu-
230
III
Kapitel 22 · Vaskuläre Krankheiten von Dünn- und Dickdarm SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
figer im 3.–4. Lebensjahrzehnt in Erscheinung. Rötlich-violette (kirschrote), scharf begrenzte rundliche Papeln finden sich bevorzugt perioral und an den Fingern. Ein Fehlen dieser Veränderungen spricht gegen die Manifestation eines M. Osler. Häufig lässt sich eine zunehmende Blutungsanämie nachweisen,die im Verlauf zu erheblichen Bluttransfusionen Anlass geben können – im Leben nicht selten 50–200 Transfusionen.
ist die Angiographie indiziert. Der Gastrointestinaltrakt ist angiographisch fast immer mitbeteiligt. Es zeigen sich insbesondere im Bereich des Versorgungsgebietes der A. mesenterica superior (Mesenterium des Dünndarmes und in der Dünndarmmukosa), im Magen und seltener im Kolon dichte Netzwerke angiomatöser Fehlbildungen. 22.5.4
Therapie
Wichtig Die Blutungsneigung aus dem Gastrointestinaltrakt nimmt vom 40.–60. Lebensjahr kontinuierlich zu, wogegen eine stärkere Blutungsneigung in jüngeren Jahren ungewöhnlich ist.
22.5.3
Diagnostik
Bei einer unklaren Blutungsquelle, die durch Inspektion oder Endoskopie nicht identifziert werden kann,
Neben den oben beschriebenen endoskopisch-ablativen Maßnahmen und der Resektion des betroffenen Darmabschnittes kann eine Östrogentherapie bei therapieresistenten Fällen durchgeführt werden ( s. oben). Die therapeutische interventionelle Angiographie mit Embolisierung des betroffenen aktiv blutenden Gefäßes stellt eine weitere Therapiemöglichkeit dar. Weitere vaskuläre Erkrankungen des Darmes sind in ⊡ Tabelle 22.5 zusammengefasst, auf die in diesem Kapitel nicht weiter eingegangen wird.
⊡ Tabelle 22.5. Weitere vaskuläre Erkrankungen des Darmes (auf die in diesem Kapitel nicht weiter eingegangen werden) Krankheit
Besonderheiten
Progressive Systemsklerose
CREST-Variante: Teleangieektasien auch im Darm als mögliche Blutungsquelle
Hämangiome Kavernöses Hämangiom des Rektum Diffuse intestinale Hämangiome Blue-rubber-bleb-Nävus-Syndrom (kutane und intestinale Hämangiome)
Am häufigsten im Dünndarm, kavernöse Hämangiome, im Kolon endoskopisch erkennbar, endoskopische Koagulation gefährlich, da die ganze Darmwand betroffen sein kann
Kongenitale ateriovenöse Malformation
Sehen wie Ektasien aus, kommen im Kolon, besonders im Rektum vor
Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom
GI-Trakt sehr selten (<1%) befallen
Bauchaortenaneurysma Aortoenterische Fistelbildung A.-mesenterica-superior-Syndrom
Truncus-coeliacus-Kompressions-Syndrom Entzündliche mesenteriale Gefäßerkrankungen
A. mesenterica superior imprimiert das Duodenum horicontalis Æ Obstruktion mit episodischen Schmerzen, Erbrechen und Gewichtsverlust Einengung des Truncus coeliacus durch das Lig. medianum arcuatum diaphragmae
231 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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22
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms J. Stein, B. Lembcke 23.1
Pathophysiologie
23.2
Ätiologie
23.2.1 23.2.2 23.2.3
Intestinale Stase – 234 Hypo-/Anazidität – 234 Dünndarm- und Kolonchirurgie
– 234
23.3
Klinik
23.3.1 23.3.2
Malassimilation – 235 Diagnostik – 236
– 234
– 235
23.4
Therapie
23.4.1 23.4.2
Internistische Therapie – 237 Chirurgische Therapie – 237
Literatur
>>
– 233
– 237
– 237
Die klinische Entität der bakteriellen Übersiedlung des Dünndarms (sog. Blindsacksyndrom; in der angloamerikanischen Literatur: »blind loop syndrome«, »bacterial overgrowth syndrome« oder »contamined small bowel syndrome«) umfasst: eine bakterielle Übersiedlung des Dünndarms in quantitativer Hinsicht, qualitative Veränderungen der Bakterienflora und eine Malassimilation von Nahrungsbestandteilen, insbesondere von Nahrungsfetten und Vitamin B12 . Mikrobiologisches Kriterium der bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms ist das Auftreten sog. Fäkalkeime (»Kolonflora«) im Dünndarm, d. h. obligat anaerober Species bzw. von Coliformen in einer Dichte von >105 Keimen/ml Jejunalaspirat. Allerdings kann eine solche Besiedlung (selten) auch ohne Malassimilationssyndrom auftreten und umgekehrt eine abnorme Proliferation (>105 Keime/ml) ausschließlich aerober Keime morphologische und Funktionsstörungen im Sinne eines Blindsacksyndroms verursachen. Die häufig gebrauchten Bezeichnungen »Blindsacksyndrom« oder »Syndrom der blinden Schlinge« orientieren sich an einem Teilaspekt im Spektrum vielfältiger möglicher Ursachen dieser Entität; auch der Terminus »bakterielle Kontamination des Dünndarms« wird dem Krankheitsbild nicht gerecht, da eine Kontamination die exogene Keimbesiedlung eines vordem sterilen Bezirkes beinhaltet. Zutreffend ist die Bezeichnung »bacterial owergrowth syndrome«, die das charakteristische, gemeinsame Kriterium der abnormen bakteriellen Proliferation betont; im deutschen Schrifttum sollte das Krankheitsbild daher als »bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms« bezeichnet werden.
233 23.1 · Pathophysiologie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
23.1
23
Pathophysiologie
Der distale Dünndarm entspricht einer Übergangszone zwischen der spärlichen Besiedlung des oberen Dünndarms und der komplexen Bakterienflora des Kolons, d. h. Keimdichte und die Zahl der Bakterienspezies nehmen nach distal zu (⊡ Abb. 23.1).Im Ileum finden sich gehäuft gramnegative Bakterien (z. B. Coliforme) und obligate Anaerobier (vorwiegend Bacteriodaceae) in höherer Keimzahl (105–108/ml). In der Flora des Kolons mit 1010–1012 Bakterien/g übertrifft die Zahl der nichtsporenbildenden obligaten Anaerobier der Genera Bacteroides, Bifidobacterium, Eubacterium und Propionobacterium die Lactobazillen und fakultativen Organismen wie orale Streptokokken, Streptococcus faecalis oder Escherichia coli um den Faktor 103–104;Veillonellaspecies,Hefen,Proteus,Klebsiella und Pseudomonas,die häufiger nachgewiesen werden, sind quantitativ von untergeordneter Bedeutung. Eine pathologische Besiedlung des Dünndarms, die Krankheitserscheinungen verursacht, geht praktisch immer mit Dünndarmaspiraten von mehr als 105 Keime/ml Darminhalt vom Typ der sog. Kolonflora einher.
⊡ Abb. 23.1. Keimkonzentrationen der Bakterienflora im Gastrointestinaltrakt
Malassimilationssyndrom Eine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms führt zu erheblicher Beeinträchtigung digestiver und resorptiver Prozesse, in deren Folge subjektive Beschwerden (Blähungen,Flatulenz,Durchfälle) und nutritive Mangelerscheinungen auftreten können. 2. Wichtig Es muss prinzipiell mit Veränderungen der Bioverfügbarkeit und des Metabolismus von Medikamenten gerechnet werden.
Die heute vorliegenden pathophysiologisch-klinischen Daten und experimentellen Untersuchungen lassen eine pathogenetische Rolle folgender Mechanismen für die Entstehung des Malassimilationssyndroms bei der bakteriellen Überbesiedlung erkennen: 1. Eine bereits im Dünndarm eintretende Dekonjugation konjugierter Gallensäuren (Glykochol-, Taurochol- und Chenodesoxycholsäure) führt zu einem Unterschreiten der kritischen mizellaren Konzentration von Gallensäuren, da dekonjugierte Gallensäuren schlechtere Mizellenbildner sind und ihre Konzentration im Jejunum durch Resorption oder auch Präzipitation zusätzlich ab-
3.
4.
5.
nimmt. Folge eines Unterschreitens der kritischen mizellaren Gallensäurekonzentration ist eine Steatorrhö, die bei etwa 1/3 der Patienten beobachtet wird. Als weitere Störungen der Fettassimilation wurden eine verminderte Aufnahme von Fett in die Mukosazelle und eine beeinträchtigte Ausschleusung von Chylomikronen im Zusammenhang mit morphologischen Mukosaschäden beschrieben. Diese ultrastrukturellen,auch lichtmikroskopisch erfassbaren Schleimhautveränderungen werden u. a. auf eine toxische Wirkung dekonjugierter Gallensäuren zurückgeführt. Die bakterielle Metabolisierung ungesättigter Fettsäuren zu Hydroxyfettsäuren kann zur Mukosaschädigung beitragen und wäßrige Durchfälle (sekretagoge Laxanzienwirkung) auslösen. Zu einer Störung der Digestion bzw. Resorption von Kohlenhydraten bei der bakteriellen Überbesiedlung tragen eine Abnahme der Disaccharidasenaktivitäten in der enterozytären Bürstensaummembran, verursacht durch dekonjugierte Gallensäuren wie auch bakterielle Proteasen, eine Beeinträchtigung der Resorption von Zuckern in Gegenwart dekonjugierter Gallensäuren sowie eine endoluminale bakterielle Utilisierung von Kohlenhydraten mit Entstehung kurzkettiger Fettsäuren und Gasbildung (CO2, H2) bei. In ähnlicher Weise bewirken bakterielle Degradation und die Resorptionshemmung von Aminosäuren eine Malassimilation von Eiweiß. Eine Verminderung der Vitamin-B12-Resorption tritt als Folge bakterieller Bindung (kompetitiv zur
234
Kapitel 23 · Bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bindung an Intrinsic-Factor [IF] oder Bindung des B12-IF-Komplexes), die stärker als die Affinität zum Transportsystem in Ileum ist, sowie bei Utilisierung des Zyanokobalamins und Umwandlung in Cobamide auf.
III 23.2
Ätiologie
Klassische Ursachen der bakteriellen Überbesiedlung sind stasewirksame Behinderungen der gastrointestinalen Motilität durch lokale oder systemische Ursachen bzw. anatomisch oder chirurgisch angelegte blinde Schlingen, Beeinträchtigungen der gastralen Säureproduktion, immunologische Störungen der Mukosafunktion sowie enterokolische Fisteln bzw. Keimzuströme aus einem extraintestinalen Reservoir (z. B. Cholangitis, starke exogene Keimbelastung z. B. in unterentwickelten Ländern). 23.2.1
Intestinale Stase
Chronische mechanische Obstruktion (Strikturen, Stenose, Adhäsion, Konglomerattumor), z. B. bei M. Crohn, radiogener Stenose, Tumorstenose oder Amyloidose sind wichtige lokale Ursachen einer bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms. Daneben sind Motilitätsstörungen durch systemische Ursachen – z. B. chronisch idiopathische bzw. sekundäre intestinale Pseudoobstruktion (CIPO), diabetische Neurogastroenteropathie, Sklerodermie aber auch die langfristige medikamentöse Hemmung der Darmmotilität (Medikamente mit anticholinerger Wirkung, Morphinpräparate) – klinisch wichtige Ursachen einer bakteriellen Überbesiedlung. Im Gegensatz zu anatomischen Ursachen intestinaler Motilitätsstörungen (z.B.Ehlers-Danlos-Syndrom,Malrotationsanomalien) ist bei der fortgeschrittenen (meist alkoholbedingten) Leberzirrhose der Mechanismus der bakteriellen Überbesiedlung nicht klar; diskutiert wird ein Zusammenwirken aus Motilitätsveränderungen des Dünndarms (Aszites, fraglich Neuropathie, Darmwandödem durch Hypoproteinämie),der Säuresekretion des Magens und einer gestörten Abwehrfunktion. 23.2.2
gensaftes besteht dabei eine lineare Korrelation. Darüber,inwieweit die Azidität die Besiedlung des Dünndarms beeinflusst, liegen widersprüchliche Befunde vor. Eine Reihe von Untersuchungen weist nach, das Hypo- und Achlorhydrie eine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms begünstigen. Gray u. Shiner [1967] konnten allerdings bei Patienten mit Achlorhydrie nachweisen, dass trotz vermehrten Einstroms von Bakterien im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme Proben aus dem Dünndarm während des Nüchternzustands häufig steril bleiben. Man kann daher annehmen, dass auch beim Ausbleiben der säurevermittelten Inaktivierung von Bakterien im Magen die Reinigungsmechanismen des Dünndarms ausreichen, eine permanente Überwucherung zu verhindern. Möglicherweise beeinflusst daher aber besonders das Hinzutreten anderer Faktoren mit Veränderungen des interdigestiven myoelektrischen (»migrating«) Motorkomplexes (MMC) oder des Immunstatus das klinische Bild. Magenchirurgie Befunde von Greenlee [1977] lassen erkennen,dass die Säurereduktion nach operativen Eingriffen am Magen nicht die Conditio sine qua non für eine bakterielle Überbesiedlung darstellt: Die Autoren fanden beim Menschen keine Korrelation der Säuresekretionsverhältnisse und der jejunalen Bakterienbesiedlung nach elektiv durchgeführter (trunkulärer) Vagotomie mit Antrektomie und Billroth-I- bzw. -II-Anastomose. Sie konnten ferner experimentell belegen, dass die selektiv-proximale Vagotomie im Gegensatz zur gastralen oder trunkulären Vagotomie mit Pyloroplastik, zur trunkulären Vagotomie mit Antrektomie und BillrothI- oder -II- Anastomose bzw. zur subtotalen Gastrektomie mit Billroth-II-Anastomose keine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms verursacht, obwohl die Säureproduktion nicht weniger gehemmt wird als durch die anderen genannten Operationstechniken. Browning [1974] fanden 18 Monate postoperativ – ebenfalls ohne Korrelation zur Säuresuppression – unter den Patienten mit trunkulärer Vagotomie und Pyloroplastik bei 9% eine bakterielle Überbesiedlung, verglichen mit 50% nach Vagotomie plus Gastrojejunostomie, – Hinweis auf die Bedeutung der Passagestörung [Lembcke 1999].
Hypo-/Anazidität 23.2.3
Die Magensäure stellt einen wichtigen Mechanismus zur Reduktion der gastralen Keimzahl dar; zwischen der Keimdichte (log N/ml) und dem pH-Wert des Ma-
Dünndarm- und Kolonchirurgie
Allgemein kann nach jedem (größeren) abdominalen Eingriff durch Adhäsionen oder Strikturen eine loka-
235 23.3 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
le Stase des Dünndarminhalts auftreten.Auch ein ausgedehnter Bauchdeckenbruch mit Vorverlagerung von Dünndarmschlingen kann zur Ausbildung einer bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms führen. Nach resezierenden Darmoperationen mit Verlust der Ileozäkalklappe, Dünndarm-Dickdarm-Anastomosen und ausgedehnter Dünndarmresektion (»Kurzdarmsyndrom«) kann als Operationsfolge eine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms eintreten, die als Aszension der Kolonflora mit Reflux von Koloninhalt in den Dünndarm aufgefasst wird (Kap. 45). Andererseits besteht, z. B. beim komplizierten M. Crohn, häufig bereits auch präoperativ eine vermehrte intestinale Keimproliferation aufgrund lokaler Stase, Inkompetenz der Ileozäkalklappe mit Reflux oder Fistelbildungen. Das Belassen der Bauhin-Klappe bei Resektionen stellt keinen generellen Schutz vor pathologischer Dünndarmbesiedlung dar, da jede Seit-zu-Seit- und End-zu-Seit-Anastomose eine Blindsacksituation darstellt. Entsprechend beinhaltet auch das Reservoir bei der kontinenten Ileostomie nach Kock oder die Anlage eines ileoanalen Pouches einen Stasebezirk, in dem eine verstärkte bakterielle Proliferation nachweisbar ist,die zur Überwucherung des restlichen Dünndarms führen kann. Bei der intestinalen Bypassoperationen weist das ausgeschaltete Jejunum regelmäßig eine pathologische Keimbesiedlung auf (dies entspricht dem tierexperimentellen Modell des Blindsacksyndroms) und kann damit zum Ausgangspunkt für gravierende toxische und metabolische Störungen (u. a. toxische Leberschädigungen, Gelenkschmerzen, Diarrhö, Laktatazidose) werden. Für das Auftreten eines kompensierten Gallensäureverlustsyndroms nach jejunoilealer Bypassoperation ist zusätzlich zur bakteriellen Dekonjugation der Gallensalze – quantitativ bedeutsamer – die partielle Ausschaltung des Ileums mit der Folge einer Gallensäuremalabsorption verantwortlich. Wenngleich bisher keine Daten zur bakteriellen Überbesiedlung vorliegen, ist das neuerdings in der chirurgischen Adipositastherapie zunehmend eingesetzte »Gastric-banding-Verfahren« auch unter diesem Aspekt günstiger zu bewerten. Die klassische Situation des Blindsacksyndroms ist auch bei Vorliegen solitärer und multipler Divertikel des Duodenums oder Jejunums gegeben. In den eher seltenen Fällen umschriebener Divertikelbildung im Jejunum kann die bakterielle Überbesiedlung regional begrenzt sein. Die Resektion des divertikeltragenden Darmabschnitts stellt in derartigen Fällen eine kurative Maßnahme dar. Der mit etwa 4% relativ häu-
23
fige Befund eines singulären juxtapapillären Divertikels ist i. allg. nicht ausreichend, um pathophysiologische und klinische Konsequenzen im Sinne eines Blindsacksyndroms zu begründen; bei sehr großen Divertikeln kann dies jedoch der Fall sein.
23.3
Klinik
Die Bakterienflora bei der bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms ist komplex,die klinische Folgen sind vielgestaltig.Eine schematisierte und vereinfachte Darstellung der beteiligten pathophysiologischen Konsequenzen und klinischen Symptomatologie ist in ⊡ Abb. 23.2 zusammengefasst. Als Beispiel der Bedeutung der an der bakteriellen Überbesiedlung beteiligten Flora für die klinische Symptomatologie mag gelten, dass praktisch nur die Spezies Bacteroides, Bifidobacterium, Veillonella, Enterokokken und Clostridien die Fähigkeit zur enzymatischen Dekonjugation von Gallensäuren besitzen, nicht aber Coliforme. So ist die Vielschichtigkeit des klinischen Erscheinungsbildes abhängig von: ▬ der Bakterienart mit ihren speziellen metabolischen Fähigkeiten, ▬ der Keimdichte, ▬ dem betroffenen Darmabschnitt. Ein Malabsorptionssyndrom zeigt sich zumeist erst nach einer asymptomatischen Latenzzeit, die z. B. im Fall einer Seit-zu-Seit-Anastomose mit durchschnittlich 4–5 Jahren angegeben wird, aber auch 10–20 Jahre betragen kann. Der letzlich auslösende Mechanismus ist dabei zumeist nicht bekannt. Tendenziell scheint das Alter per se eine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms zu begünstigen. Hierbei kann die Abnahme der gastralen Säuresekretion ebenso eine Rolle spielen wie Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie im Alter. 23.3.1
Malassimilation
Das klinische Bild der Malassimilation bei der bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms weist keine spezifischen Charakteristika auf, die eine ausschließlich klinische Diagnosesicherung erlauben. Leitsymptome, aber nicht obligat sind Durchfälle, eine Anämie (makrozytär durch Vitamin-B12-Mangel oder normozytär bei gleichzeitigem Eisenmangel), eine mäßige,bisweilen aber erhebliche Steatorrhö und Gewichtsverlust sowie allgemeine Schwäche.
236
Kapitel 23 · Bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
III
⊡ Abb. 23.2. Pathophysiologie des bakteriellen Kontaminationssyndroms des Dünndarms (Lembcke u. Caspary 1999)
Periphere Ödeme können auf einen Proteinmangel hinweisen, eine Exsikkose auf deutliche Volumenverluste, Blähungen, Völlegefühl, Darmglucksen, Bauchschmerzen oder ein aufgetriebenes Abdomen sind weitere fakultative Symptome neben Folgeerscheinungen des Vitaminmangels, insbesondere von Vitamin B12 und fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K). In Einzelfallbeschreibungen sind derartige Mangelerscheinungen (z. B. Nachtblindheit infolge Vitamin-AMangels,Osteomalazie durch Vitamin-D-Verarmung) als klinische Leitsymptome aufgetreten.In diesem Zusammenhang ist auch als Rarität die Entwicklung einer D-Laktatazidose mit trunkenheitsähnlichen Symptomen zu nennen. 23.3.2
Diagnostik
Der direkte quantitative Nachweis einer bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms durch etagenweise oder gezielte Gewinnung von Jejunalsaft und adäquate bakteriologische Diagnostik erfordert einen erheblichen methodischen und zeitlichen Aufwand, sodass die Methode nur auf wenige Forschungszentren begrenzt und routinemäßig nicht durchführbar ist.
Vor diesem Hintergrund sind eine Reihe indirekter Methoden zur klinischen Erfassung einer bakteriellen Überbesiedlung entstanden, die ihrer zugedachten Rolle als konfirmative Nachweismethoden oder als Screeningtests jedoch nicht uneingeschränkt gerecht werden und nur einen Parameter im diagnostischen Mosaik darstellen können: ▬ H2-Atemtest nach Glukose, ▬ H2-Atemtest nach Laktulose, ▬ Bestimmung kurzkettiger Fettsäuren im Jejunalaspirat, ▬ Bestimmung unkonjugierter Gallensäuren im Jejunalaspirat, ▬ 14CO2-bzw. 13CO2-Glykocholatatemtest, ▬ 1g-14CO2-D-Xyloseatemtest bzw. 13CO2-D-Xyloseatemtest. Das Malassimilationssyndrom wird durch die quantitative Fettbestimmung im Stuhl (>7 g/Tag) oder eine deutliche Erniedrigung der Serum-b-Karotinkonzentration (<47 µg/100 ml), den 25 g-D-Xylosetest (Ausscheidung im Urin <16 %, Anstieg der D-Xylosekonzentration im Serum <30 mg/100 ml nach 60 min) und den Schilling-Test (mit »intrinsic factor«; Ausscheidung im 24-h-Urin <8 %) bestätigt.
237 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
23.4
Therapie
Ziele der Behandlung beim Syndrom der bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms sind: ▬ die ursächliche Behandlung oder Korrektur der auslösenden Ursache und Erkrankung, ▬ die kausale, symptomatische Behandlung des Malassimilationssyndroms und der Ausgleich von Mangelzuständen, ▬ ggf. rechtzeitige chirurgische Maßnahmen beim Auftreten mechanischer Komplikationen. 23.4.1
Internistische Therapie
In vielen Fällen steht eine kausale, aber nur vorübergehend wirksame internistische Behandlung der bakteriellen Überbesiedlung im Vordergrund, da nichtlokalisierte Ursachen (z. B. Motilitätsstörung bei diabetischer Neurogastroenteropathie oder Sklerodermie, ausgedehnte Divertikulose des Dünndarms bei meist alten Patienten) vorliegen oder der Erfolg einer intermittierenden Behandlung das konservative Vorgehen rechtfertigt. Entscheidend bei der antibakteriellen Behandlung ist in der Regel der Einsatz von Breitsprektrumantibiotika, die auch gegen Anaerobier wirksam sind. Keine Substanz wird in allen Fällen befriedigen; gute Erfahrungen liegen jedoch mit Tetracyclin- und Ampicillinpräparaten sowie z. B. Metronidazol vor. Die Antibiotikatherapie erfolgt intermittierend und für 7–14 Tage; während dieser Zeit lässt sich bereits eine Besserung der Stuhlfettausscheidung und des D-Xylosetests erkennen. Zusätzliche Maßnahmen umfassen die bedarfsgerechte parenterale Korrektur von Vitaminmangelzuständen (B12, A, D, K) und den diätetischen Ausgleich einer Hypoproteinämie. Bei Persistenz einer deutlichen Steatorrhö, infolge unzureichenden Behandlungserfolges oder durch das Grundleiden bedingt, besteht eine Indikation zum Ersatz des Nahrungsfettes durch mittelkettige Triglyceride (MCT-Kost). In derartigen Fällen ist zudem eine oxalatarme Kost zur Korrektur einer enteralen Hyperoxalurie und Prävention von Nierensteinen anzustreben. Eine Anwendung von Antidiarrhoika ist bei der bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms unangebracht und kann u. U. eine Motilitätsstörung perpetuieren; in therapierefraktären Fällen und nicht wesentlich zu besserndem Grundleiden (z.B.A-g-Globulinämie und Antibiotikaresistenz) kann jedoch eine begrenzte Indikation vorliegen.
23.4.2
23
Chirurgische Therapie
Divertikel und Blindsackbildungen können zu mechanischen Komplikationen – wie Perforationen, Torquierung oder Blutungen – führen; in diesem Fall besteht eine chirurgisch zu behandelnde Notfallsituation. Die elektive Resektion eines Blindsacks kommt beim Versagen der internistischen Therapie in Frage, wenn gute Erfolgsaussichten (Solitärdivertikel oder umschriebene Divertikulose, unproblematische Resektabilität mit der Möglichkeit einer End-zu-EndAnastomose) bestehen. Eine weitere Indikation ist die rasche Größenzunahme des Blindsacks. Da die alleinige Resektion des Blindsacks bzw. Divertikels die Möglichkeit des Rezidivs in sich birgt,ist eine Resektion des betroffenen Darmabschnitts mit End-zu-End-Anastomose anzustreben. Im speziellen Fall des Blindsacksyndroms nach Magenresektion mit Billroth-II-Anastomose besteht die Möglichkeit der Umwandlung in einen Typ Billroth I oder der Verlagerung der abführenden Schlinge an das Duodenum nach Soupault-Bacaille.Bei Notfalleingriffen wegen Perforation oder Blutung besteht eine Mortalität von 10%.
Literatur Aeberhard P, Bedi BS (1977) Effects of proximal gastric vagotomy followed by total vagotomy on postprandial and fasting myoelectrial activity of the canine stomach and duodenum. Gut 18: 515–523 Barry RE, Chow AW, Billesdone J (1977) Role of intestinal microflora in colonic pseudoobstruction complicating jejunoileal bypass. Gut 18: 356–359 Brandt LJ, Bernstein LH, Wagle A (1977) Production of vitamin B12 analogues in patients with small-bowel bacterial overgrowth. Ann Intern Med 87: 546–551 Browning GG, Buchan KA, Mackay C (1974) The effect of vagotomy and drainage on the small bowel flora. Gut 15: 139–142 Fried M, Siegrist H, Frei R et al.(1994) Duodenal bacterial overgrowth during treatment in outpatients with omeprazole. Gut 35: 23–26 Goldstein F (1971) Mechanisms of malabsorption an malnutrition in the blind loop syndrome. Gastroenterology 61: 780–784 Gray JDA, Shiner M (1967) Influence of gastric pH on gastric and jejunal flora. Gut 8: 574–581 Greenlee HB, Sheldon M, Gelbhart PD, DeQiro AJ (1977) The influence of gastric surgery on the intestinal flora. Am J Clin Nutr 30: 1826–1833 Jones EA, Graigie A, Tavill AS, Franglen G, Rosenoer VM (1968) Protein metabolism in the intestinal stagnant loop syndrome. Gut 9: 466–469
238
III
Kapitel 23 · Bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Lembcke B (1983) Bakterienflora des Dünndarms. In: Caspary WF (Hrsg) Dünndarm, Handbuch der inneren Medizin, Bd 3/3 A. Springer, Berlin Heidelberg New York, S. 488– 520 Lembcke B, Caspary WF (1999) Bakterielle Überbesiedlung. In: Caspary WF, Stein J (Hrsg.) Darmkrankheiten. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, S. 493–499 Roberts SH, James C, Jarvis E (1977) Bacterial overgrowth syndrome without«blind loop«. Lancet II: 1193–1195
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24 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Pneumatosis cystoides intestinalis (PCI) J. Stein 24.1 Ätiopathogenese
– 240
24.2 Histologie und Pathologie 24.3 Klinik
– 240
– 241
24.4 Diagnose und Differenzialdiagnose 24.5 Therapie und Prognose Literatur
>>
– 241
– 241
– 242
Bei der Pneumatosis cystoides intestinalis (Syn.: intestinales Emphysem, intestinale Gaszysten, zystische Lymphopneumatosis, Pneumatosis) handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung – weltweit bis 1989 Dokumentation von 350–400 Fällen. Die Erkrankung ist durch zystische Luftansammlungen unterschiedlicher Größe in der Darmwand charakterisiert, die die eigentlich Beschaffenheit der Darmwand aufheben. Die Gaszysten können breitbasig oder gestielt imponieren und das gesamte Intestinum befallen, auf ein Darmsegment beschränkt bleiben oder auch andere Organe der Bauchhöhle betreffen. Sie verlaufen meist entlang der Lymphbahnen und weiten die Lymphspalten der Submukosa oder Subserosa auf. Die Inzidenz ist nach wie vor unbekannt. Männer sind etwa 2-mal häufiger betroffen als Frauen. Im Säuglings- und Kindesalter besteht kein Unterschied in der Geschlechtsverteilung. Die Dünndarmpneumatose wird in jedem Lebensalter, die Pneumatosis coli überwiegend nach dem 30. Lebensjahr beobachtet. Die meisten Fälle (ª75%) einer PCI werden im Zusammenhang mit anderen multifaktoriellen Erkrankungen beobachtet und sind als sekundär einzustufen. Die sekundären Formen treten sehr häufig bei einer Erkrankung des Gastrointestinaltrakts auf. Die übrigen Fälle werden als idiopathisch klassifiziert oder eine Grund- bzw. Begleiterkrankung konnte nicht zweifelsfrei eruiert werden [Fleenor 2002; Pear 1998; Zulke 2002].
III
240
Kapitel 24 · Pneumatosis cystoides intestinalis (PCI) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
24.1
Ätiopathogenese
Mit Pneumatosis-cystoides-intestinalisassoziierte Erkrankungen (Mod. nach [Pear 1998]) Chronisch obstruktive Atemwegs
erkrankungen Pseudomembranöse Kolitis Vaskuläre Kolitiden Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Nekrotisierende Enterokolitis bei Kindern Ulcus duodeni Pylorus- und Dünndarmstenosen Kolondivertikulose Z. n. jejunaler Bypass-Operation Z. n. endoskopischen Eingriffen Neutropene Enterokolitis Z. n. KMT GvHD (»graft-versus-host-disease«), die den Intestinaltrakt mit einbezieht CMV-(Cytomegalievirus-)Enteritis Chemotherapie/Immunsuppression Parasitäre Erkrankungen und Tuberkulose des Intestinaltrakts M. Whipple Autoimmunerkrankungen HIV/Aids
Die formale Pathogenese der Erkrankung ist unklar; es werden 3 pathogenetische Mechanismen diskutiert. ▬ Aufgrund einer möglicherweise entzündlichen Schädigung der Darmmukosa kommt es zu einer bakteriellen Invasion in die Darmwand, der eine intramurale Zystenbildung durch die Gasproduktion folgt. Gasanalysen dieser Zysten zeigen oftmals eine extrem hohe Wasserstoffkonzentrationen. Bei Neu- und Frühgeborenen findet sich meist eine Assoziation mit der nekrotisierenden Enterokolitis [Kreiss 1999]. ▬ Die oft bei PCI bestehende Erhöhung des Darminnendrucks führte zu der Überlegung, dass Luft mechanisch in die vorgeschädigte Schleimhaut (z. B. nach endoskopischer Diagnostik oder insuffizienter chirurgischer Nahttechnik) gepresst wird und dies zur Ausbildung intramuraler Gaszysten führt. In ähnlicher Weise soll bei chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen ein Übertritt von Atemluft über rupturierte Emphysemblasen und Alveolen via Mediastinum, Retroperi-
toneum entlang der Mesenterialwurzel in die Darmwände stattfinden. ▬ Die erhöhte intraabdominelle H2-Spannung als Folge fermentativer Prozesse könnte zur raschen Diffusion von Wasserstoff in die Darmwand führen. In die sich dabei ausbildende Mikroblasen diffundieren dann unter Ausbildung größerer Gasblasen N2, CO2 und CH4 [Levitt 1995]. Für diese Therorie sprechen der hohe prozentuale H2-Gehalt der Zysten (>10%) sowie hohe H2Nüchternwerte bei Patienten mit PCI und die prompte Besserung nach ballaststofffreier Elementardiät [Christel 1993]. Das Vorhandensein von methangasproduzierenden und sulfatreduzierenden Bakterien, die den entstandenen Wasserstoff zur Reduktion von CO2 benötigen, gewährleisten normalerweise eine niedrige H2Spannung.Im Stuhl von Patienten mit PCI konnte in neueren Untersuchungen eine deutlich geringere Anzahl gerade dieser Bakterienflora nachgewiesen werden. 24.2
Histologie und Pathologie
Prädeliktionsstelle für die PIC ist der Dünndarm. In 85% der Fälle sind gleichzeitig weitere ulzeröse Erkrankungen des Intestinaltrakts vorhanden. Die Schleimhautschädigung ist auf die Mukosa, Subserosa und den subserösen Raum beschränkt. Die charakteristischen Schleimhautveränderungen des betroffenen Darms sind dabei multiple, stecknadelkopf- bis faustgroße Zysten, die optisch runde und leere, teils aber auch zusammenhängende oder isolierte Räume bilden.Der Aufbau der Zystenwand ist variabel.In frühen Stadien fehlt eine zelluläre Auskleidung. In späteren Stadien finden sich Makrophagen und synzytiale Riesenzellen in der Zystenwand. Gelegentlich finden sich auch Verbindungen zum Lymphsystem [Cordum 1997]. Der alleinige subseröse Befall wird nur beim Erwachsenen gefunden. Hierbei finden sich an der Darmwand und dem Mesenterialansatz zahlreiche meist breitbasig aufsitzende prallelastische Gasblasen. Die submuköse Form betrifft meist distal gelegenere Abschnitte des Kolons und selten auch das Ileum. Dabei verhindern die Muskelschichten in der Lamina muscularis eine nach serosal gerichtete Ausbreitung, sodass es zu einer zunehmenden luminalwärts gerichteten Vorwölbung der Schleimhaut kommt.
241 24.5 · Therapie und Prognose SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
24.3
Klinik
Bei einem wenig beeinträchtigtem Allgemeinzustand der Patienten, stehen abdominelle Distension durch Meteorismus und Flatulenz im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik. Häufig wird über Stuhldrang mit Abgang von Schleim bei ansonsten unauffälliger Stuhlkonsistenz geklagt. Das Auftreten von Diarrhö ist nicht typisch. Klinisch-chemisch bestehen keinerlei spezifische Auffälligkeiten. 24.4
Diagnosik und Differenzialdiagnostik
Die Diagnose stützt sich auf radiologische und endoskopische Befunde, die ggf. durch die beschriebenen charakteristischen histomorphologischen Befunde erhärtet werden kann. Die oftmals wegweisende Übersichtsaufnahme des Abdomens zeigt lufthaltige, zystische Aufweitungen der Darmwände, die zu den charakteristischen Doppelkonturen in der Darmwand führen. Der Nachweis von freier Luft unterhalb der Zwerchfellkuppen mit klinisch blandem Abdomen ist die typische Konstellation. Häufig gelingt auch der retroperitoneale Luftnachweis. Submuköse Gaszysten können im Kolonkontrasteinlauf mit Polypen verwechselt werden [Kirchner 1996, Scheulen 1996]. Wesentlich treffsicherer erweist sich die Computertomographie des Abdomens. Hier genügen in der Regel wenige orientierende Schichten. Endoskopisch sieht man zahlreiche flache, breitbasig aufsitzende Polypen von prallelastischer Konsistenz, die sich mit der Biopsiezange leicht eindrücken lassen (Kissenzeichen); gelegentlich kann die bei der Biopsieentnahme entweichende Luft zur Diagnose führen [Hoer 1998].
24.5
Therapie und Prognose
Therapeutisch steht bei allen sekundären Formen der PCI die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Die Behandlungsstrategien der primären PCI orientieren sich letztlich an den Hypothesen zur Pathophysiologie. Unter der Vorstellung einer bakteriellen Invasion der Zysten durch anaerobe Keime wurde die Behandlung mit Metronidazol vorgeschlagen. Die oftmals erfolgreiche, allerdings längerfristige Anwendung einer ballaststofffreien, nährstoffdefinierten Diät basiert auf der Vorstellung, das Nährstoffangebot in Form von schwerverdaulichen Kohlenhydraten für die bakterielle Flora zu reduzieren.Die intermittierende hyperbare O2-Therapie mit 70%igem Sauerstoff beruht auf der Überlegung,dass es unter den geänderten O2-Partialdrücken im Blut (insbesondere durch Abnahme des Stickstoffpartialdrucks) zur Diffusion der Zystengase (Stickstoff, Wasserstoff, Methan, Kohlendioxid) ins Blut kommt. Des Weiteren scheint die O2-Zufuhr das Milieu der an der Gasbildung hauptsächlich beteiligten anaeroben Keime nachhaltig zu stören. Wichtig Die hyperbare O2-Therapie wird aufgrund vielfach berichteter Remissionsraten von 80–100% derzeit als Therapie der Wahl angesehen.
Rezidive sind allerdings auch hier nicht selten.Bei den sowohl für Metronidazol als auch hyperbaren Sauerstoff angegebenen Nebenwirkungen sollte in Anbetracht der meist blanden Spontanverläufe über eine Therapieindikation im Einzelfall kritisch entschieden werden.
Wichtig
Wichtig
Differenzialdiagnostisch müssen neoplastische Polypen, hyperplastische und pseudopolypöse Veränderungen, wie sie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen vorkommen, in Betracht gezogen werden [Hoer 1998].
Beim Erwachsenen ist die Prognose der primären PCI als außerordentlich gut zu bezeichnen. Bei den sekundären Formen bestimmen Art und Prognose der Grunderkrankung den Verlauf. Sehr ungünstig wird die PCI im Säuglingsalter beurteilt, da die meist zugrunde liegende nekrotisierende Enteritis den weiteren Verlauf bestimmt [Christel 1996; Pear 1997].
Zur Erhärtung der Diagnose sollte auch der Wasserstoffatemtest durchgeführt werden. Es finden sich dabei typischerweise deutlich erhöhte H2-Konzentrationen (oftmals >100–200 ppm; normal <10 ppm) in der Ausatemluft des morgendlichen Nüchternwertes [Read 1984].
24
242
Kapitel 24 · Pneumatosis cystoides intestinalis (PCI) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Literatur
III
Christl SU, Gibson GR, Murgatroyd PR, Scheppach W, Cummings JH (1993) Impaired hydrogen metabolism in pneumatosis cystoides intestinalis. Gastroenterology 104: 392–397 Christl SU, Scheppach W, Kasper H (1996) Pneumatosis intestinalis. Dtsch med Wschr 121: 195–199 Cordum NR, Dixon A, Campell DR (1997) Gastrointestinal pneumatosis: endoscopic and histological findings. Am J Gastroenterol 92: 692–695 Fleenor JT, Hoffman TM, Bush DM et al. (2002) Pneumatosis intestinalis after pediatric thoracic organ transplantation. Pediatrics 109: E78 Galm O, Fabry U, Adam G, Osieka R (2001) Pneumatosis intestinalis following cytotoxic or immunosuppressive treatment. Digestion 64: 128–132 Hoer J, Truong S, Virnich N, Fuzesi L, Schumpelick V (1998) Pneumatosis cystoides intestinalis: confirmation of diagnosis by endoscopic puncture a review of pathogenesis, associated disease and therapy and a new theory of cyst formation. Endoscopy 30: 793–799 Kirchner J, Seipelt G, Heyd R, Dietrich CF, Jacobi V (1996) Ausgedehntes Pneumoperitoneum bei Therapie eines Lym-
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25 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Amyloidose des Darms D. Faust 25.1 Definition
– 244
25.2 Vorkommen
– 244
25.3 Ätiopathogenese 25.4 Klinik
– 244
– 245
25.5 Diagnostik
– 245
25.6 Therapie und Prognose Literatur
>>
– 246
– 247
Die Prägung des Begriffes Amyloid erfolgte erstmals durch den Pathologen Rudolf Virchow, den 1854 die färberischen Eigenschaften dieser biochemisch zu den Proteinen zählenden Substanz jedoch nach Zugabe von Jodlösung und Schwefelsäure an die der Stärke (amylum) erinnerten. Makroskopisch wurden bereits 1813 und 1828 »wächserne und speckige Entartungen der Leber« von der Leberzirrhose abgegrenzt.
III
244
Kapitel 25 · Amyloidose des Darms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
25.1
Definition
Die Amyloidose bezeichnet keine einzelne Erkrankung, sondern vielmehr verschiedene Erkrankungen, die als entscheidendes gemeinsames Charakteristikum eine extrazelluläre Ablagerung unlöslicher fibrillärer Amyloidproteine multifaktorieller Genese aufweisen.Dementsprechend differenziert man zunächst zwischen primären, sekundären und familiären Amyloidtypen [WHO 1993]. Der Befall von einem oder mehreren Organsystemen kann zu gravierenden pathophysiologischen Veränderungen führen, wohingegen umschriebene isolierte Amyloidablagerungen meist ohne Bedeutung bleiben. Klinisch relevant ist insbesondere eine fortschreitende Amyloidose des Herzen und/oder der Nieren,sie führt zu einer signifikant erhöhten Mortalität dieser Patienten. Prinzipiell kann sich eine Amyloidose jedoch in jedem Organ oder Gewebeverband manifestieren. 25.2
Vorkommen
Exakte epidemiologische Daten über die Prävalenz und Inzidenz aller Amyloidosen sind schwer zu erheben, da die Erkrankung oft unzureichend oder gar nicht diagnostiziert wird. Bei gesicherter Amyloidose findet sich jedoch bei 50% der Patienten mit sekundärer Amyloidose und in nahezu jedem Fall einer primärer Amyloidose eine diesbezügliche Beteiligung des Intestinaltrakts. Isolierte Amyloidosen des Intestinaltrakts ohne das Vorliegen einer generalisierte Amyloidose sind hingegen extrem selten. Bei rund 1/3 aller über 85-jährigen Menschen finden sich Hinweise auf eine generalisierte oder lokalisierte Amyloidose des Gastrointestinaltrakts [Rocken 1994].
25.3
Ätiopathogenese
Auch wenn seit den ersten Beschreibungen von Amyloidablagerungen zwischenzeitlich weit mehr als 150 Jahre vergangen sind, so sind Ätiologie und Pathogenese der Amyloidose teilweise immer noch ungeklärt. Ursächlich handelt es sich wahrscheinlich um eine Fehlregulation der Biosynthese bestimmter Proteine, die sich jedoch trotz – oder gerade auf dem Boden – ihrer falschen Struktur dann spezifisch polymerisieren können und über diesen Mechanismus zur Entstehung bzw. Ablagerung der unterschiedlichen
Amyloidformen führen. Wenngleich die Prozesse, die die Entstehung von Vorstufen der Amyloidfibrillen bahnen, wohl multifaktoriell sind und zudem auch zwischen den zahlreichen Amyloidtypen differieren, so scheint die gemeinsame Endstrecke der Entstehung einer Amyloidose immer die Ablagerung von Amyloidfibrillen in der extrazellulären Matrix zu sein [Merlini 2003]. Makroskopisch imponieren die von einer Amyloidose befallen Organe vergrößert und weisen eine gummiartige bis brettharte Konsistenz auf. Ihre Schnittfläche ist transparent. Dünne Gewebsscheiben sind glasig durchscheinend.Häufig wird das Aussehen mit dem von Speck oder Wachs verglichen (Speckleber oder Wachsmilz). Ultrastrukturell und nach herkömmlicher Kongorotfärbung kann keine Unterteilung in verschiedene Amyloidgruppen getroffen werden, da die Proteine eine einheitliche Sekundärstruktur besitzen, die von der b-Faltblattkonformation der Polypeptidketten bestimmt wird. Die spezifische b-Faltblattstruktur wird für die schlechte Löslichkeit der Amyloidfibrillen sowie deren Resistenz gegenüber physiologisch aktiven proteolytischen Enzymen diskutiert und sie spielt somit eine tragende Rolle für die Pathogenität der unlöslichen Amyloidablagerungen. Polypeptidketten, die quer zur Längsachse des Proteins angeordnet sind, bilden über Protofibrillen und Filamente Amyloidfibrillen,die mit einem Durchmesser von ca.10¥10–9 m elektronenmikroskopisch im Gewebe nachgewiesen werden können. Die Ausbildung verschiedener Amyloidtypen beruht auf den unterschiedlichen Aminosäuresequenzen der jeweiligen primären Polypeptidketten. Dies wird besonders bei den familären Amyloidosen (autosomal-dominanter Defekt) deutlich, wo Mutationen zur Entstehung der pathologischen Amyloidfibrillen führen.Für die Amyloidose pathogenetisch bedeutsam, wird kalziumabhängig die sog. P-Kompontente an die Amyloidfibrillen gebunden. Ultrastrukturell gleicht die P-Komponente dem C-reaktiven Protein (CRP), obwohl sich auf der Aminosäureebene nur eine Homologie von 50–60% nachweisen lässt. Durch der Homologie in Aminosäuresequenzanalysen konnte gezeigt werden, dass Amyloid vom Typ AL (»light chain«) aus den N-terminalen variablen Regionen der Immunglobulinleichtketten gebildet wird. In Analogie zur Struktur der Antikörper findet man sowohl k- als auch l-Leichtkettenamyloid. Amyloid A besitzt keine Ähnlichkeit mit dem zuvor genannten Amyloidtyp. Es entsteht durch Proteolyse aus seinem Vorläuferprotein dem Serumamyloid-A (SAA). Die-
245 25.5 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
ses wird Interleukin-1-abhängig von Hepatozyten gebildet.SAA ist – ähnlich den Akutphaseproteinen – bei Infektionen und Entzündungen erhöht. Bei den heriditären Amyloidoseformen liegt eine Mutation auf Proteinebene vor, die die Entstehung der typischen Amyloidfibrillen verursacht. Insgesamt unterscheidet man je nach Amyloidtyp 7 Hauptformen der Amyloidose (Typ AL primär oder myelom-assoziiert; Typ AA sekundär; heriditäre Formen; lokale Formen; senile Formen oder hämodiaylse-assoziierte Formen). 25.4
Klinik
Wichtig Ein typisches Leitsymptom der Amyloidose des Gastrointestinaltrakts gibt es nicht.
Da die verschiedenen Amyloidoseformen mit ihren ebenso unterschiedlichen Amyloidablagerungen alle intestinalen Funktionen sowie die Innervation beeinträchtigen können, gibt es eine große Bandbreite gastrointestinaler Symptome, denen eine Amyloidose zu Grunde liegen kann. Diesbezügliche klinische Erscheinungsbilder umfassen z. B. eine Makroglossie, Resorptions- und Motilitätsstörungen, Blutungen sowie die Entstehung von Pseudotumoren.Andererseits tritt in seltenen Fällen eine sekundäre Amyloidose des Darmes als Komplikation bzw. als Folge von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auf. Zu den häufigsten Symptomen der Darmamyloidose zählen Diarrhö und Malabsorption. Zum einen kann die Amyloidose die normale Innervation und damit die Motilität des Darmes stören und zum anderen haben neuere Arbeiten zeigen können, dass Patienten mit einer familiären Amyloidpolyneuropathie signifikant weniger endokrine (d. h. serotoninproduzierende) Zellen im Darm aufweisen [El-Salhy 1994]. Die dadurch bedingte Motilitätsstörung begünstigt eine bakterielle Fehl- und/oder Überbesiedlung der proximaler Dünndarmabschnitte ( s. Kap. 23). Als Folge einer myopathischen und/oder neuropathischen Schädigung bewirkt die Amyloidose nicht selten eine chronisch intestinale Pseudoobstruktion [Tada 1993]. Wobei die AL- und die b2-Mikroglobulinamyloidosen zu einer Schädigung der Darmmuskulatur, die Amyloidosen vom Typ AA zur einer Schädigung im Plexus myenterikus führen. Weniger häufig treten Steatorrhö, Darmperforation und Blutungen auf [Ishizaki 1991].Wenn überhaupt, so wird eine Steatorrhö häufig bei Patienten mit einer familiären
25
Amyloidpolyneuropathie angetroffen. Perforation, Blutung sowie Infarzierung sind vorwiegend die Antwort auf einen gravierenden Amyloidbefall der Darmgefäße und -muskulatur. Als Blutungsursache kommen jedoch auch Störungen der plasmatischen und zellulären Gerinnung in Betracht, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Amyloidose zu sehen sind. Eine weitere Manifestation – vorwiegend der sekundären Amyloidose – ist ein enterales Eiweißverlustsyndrom ( s. Kap. 48). 25.5
Diagnostik
Histologisch erfolgt der Amyloidnachweis primär durch die Kongorotfärbung und Betrachtung des Präparates in Polarisationstechnik. Ein spezifischer serologischer Marker zum Nachweis einer Amyloidose existiert nicht. Spezielle immunologische Techniken erlauben neben der klassischen Kongorotfärbung auch die wichtige immunhistochemische Klassifizierung der verschiedenen Amlyoidtypen [Linke 2002]. Histopathologie. Wird bei einem Patienten die Verdachtsdiagnose einer Amyloidose gestellt, so sollte eine Diagnosesicherung mittels Biopsie mit anschließender histologischer Aufarbeitung erfolgen. Wichtig Die histologische Aussagekraft steigt, wenn in der Gewebeprobe auch Gefäße enthalten sind.
Die Sensitivität von Nieren-,Duodenal-,Rektum- und Hautbiopsien sowie abdomineller Fettgewebsaspiration beträgt 60–100% [Kobayashi 1996]. Amyloidablagerungen können in allen Gewebsabschnitten vorkommen. Es gibt jedoch charakteristische Prädilektionsstellen für die Anreicherung von Amyloid, ohne dass sich eine allgemeinverbindliche Systematik ableiten lässt. Bei der sekundären Amyloidose und beim Mittelmeerfieber ist das Amyloid v.a.in den inneren Schichten der Blutgefäße und in der Mukosa, in geringer Menge auch in der Muscularis mucosae (perivaskuläre Ablagerung) lokalisiert [Steuer 1997]. Klinisch steht beim Mittelmeerfieber eine verlangsamte intestinale Motilität im Vordergrund. Bei der primären Amyloidose und beim Plasmozytom findet sich das Amyloid in den äußeren Schichten der kleinen und mittleren Blutgefäße und in den Muskelschichten (perikollagene Ablagerung).
246
III
Kapitel 25 · Amyloidose des Darms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Histopathologische Untersuchungen der Leber konnten zeigen, dass bei der Amyloidose vom Typ AL ausschließlich parenchymale Amyloidablagerungen vorliegen. Eine Gruppe von Patienten mit Amyloidose vom Typ AA besaß hingegen ausschließlich vaskuläre Amyloidanreicherungen. Bei Langzeitdialysepatienten tritt Amyloid überwiegend in den Gefäßwänden auf. Es imponiert dort als subendotheliale noduläre Ausstülpung, die sich in das Gefäßlumen vorwölbt. Bildgebende Verfahren. Bei Befall des Gastrointesti-
naltrakts lassen sich endoskopisch oftmals granuläre Veränderungen, polypöse Vorwölbungen, Erosionen und Ulzerationen erkennen.In diesem Fall gelingt immer der Amyloidnachweis aus Biopsien des Duodenums, ferner zu 95% aus Gewebsproben des Magens, zu 91% aus dem kolorektalen Bereich und zu 72% aus Proben des Ösophagus. Wichtig Das Duodenum ist der Abschnitt des Gastrointestinaltrakts mit dem häufigsten Amyloidbefall.
Bei den endoskopischen Veränderungen handelt es sich um ein charakteristisches Merkmal der Dünndarmamyloidose als Ausdruck der Amyloidablagerungen in der Mukosa und Submukosa des Verdauungstrakts. Radiologisch findet man bei diesem Krankheitsbild in der Doppelkontrastuntersuchungen des Dünndarms – ähnlich dem endoskopischen Bild – feine granuläre (Durchmesser 1–3 mm) sowie multiple noduläre (Durchmesser 3–4 mm) Verdichtungen. Ferner kommen polypöse Verwölbungen (Durchmesser 4–10 mm), Unregelmäßigkeiten der Kerckring-Falten oder multiple Erosionen zur Darstellung. Einen weiteren Anhalt für das Vorliegen einer Amyloidose im Gastrointestinaltrakt können manometrische Messungen ergeben.So ließ sich bei einer familiären Amyloidpolyneuropathie (FAP) zeigen, dass der Tonus des unteren Ösophagussphinkter herabgesetzt war, woraus sich ein pathologisches Kontraktionsmuster ergab ( s. Kap. 30). 25.6
Therapie und Prognose
Eine kausale Therapie zur Bekämpfung jedweder Form der Amyloidose und somit auch der Amyloidose des Gastrointestinaltrakts gibt es bislang nicht,da es
sich um eine irreversible Ablagerung eines physiologisch nichtlösbaren Proteins im Gewebe handelt. Ziel einer möglichen Therapie müsste es sein, die Produktion sowie die Ablagerung von Amyloid zu verhindern und gleichzeitig bereits vorhandenes Gewebsamyloid wieder in Lösung zu bringen. Hinsichtlich der primären Amyloidose gibt es Therapieansätze zur Prävention von Amyloidablagerungen durch die Applikation von immunsuppressiven Medikamenten. Eine Kombinationstherapie aus Melphalan (0,15 mg/ kgKG/Tag) und Prednison (0,8 mg/kgKG/Tag) vs. einer Monotherapie mit Colchicin (0,6 mg 2¥/Tag) ergab eine signifikante Verbesserung der Lebenserwartung von Patienten mit primärer Amyloidose und schwerer Organbeteiligung [Kyle 1997]. Die zusätzliche Gabe von Colchicin in der o. g. Kombinationstherapie erbrachte keine weitere Therapieverbesserung. Der Einsatz einer immunsuppressiven Therapie bei primärer AL-Amyloidose mit niedriger aber kontinuierlicher Gabe von Melphalan führte ebenso zu einer deutlich verlängerten Überlebenszeit dieser Patientengrupp [Sanchorawala 2002]. Dagegen hat sich Colchicin nur in der symptomatischen Therapie des familiären Mittelmeerfiebers und der dabei auftretenden sekundären Amyloidose seit langem bewährt. Hinweise für einen möglichen Rückgang einer AA-Amyloidose konnte vermutlich bei juvenilen Rheumatikern durch die Gabe von Chlorambuzil induziert werden. Dennoch sollte bei Patienten mit sekundärer Amyloidose immer versucht werden, durch eine Therapie einer oftmals zugrundeliegenden chronischen (entzündlichen) Erkrankung, die Progession der Amyloidose zu verhindern. Daten der Lebertransplantation bei Patienten mit familiärer Amyloidpolyneuropathie scheinen darauf hinzuweisen, dass es zu einem Rückgang der amyloidspezifischen Symptome kommen kann. Ebenso gibt es Kasuistiken über die erfolgreiche Kombination einer Lebertransplantation mit einer Stammzelltransplantation bei Patienten mit primärer AL-Amyloidose, da die autologe Stammzelltransplantation bei bestimmten Patienten mit primärer Amyloidose bislang die besten Therapieerfolge aufzeigt [Comenzo 2002; Kumar 2000]. Ein vielversprechender möglicher Therapieansatz ist hingegen,die Bindung von Serumamyloid-A an die Amyloidfibrillen medikamentös zu verhindern.Somit wird ein entscheidener Schritt in der Pathogenese der Amyloidose unterbunden. Hierzu gibt es neuste Untersuchungen mit einem kompetitiven Inhibitor des Serumamyloid-A, der nicht nur die Bindung von Serumamyloid-A an die Amyloidfibrillen verhindert,
247 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
sondern auch zu einer schnelleren hepatische Clearance von Serumamyloid-A führt [Pepys 2002].
Literatur Comenzo RL, Gertz MA (2002) Autologous stem cell transplantation for primary systemic amyloidosis. Blood 12: 4276–4282 El-Salhy M, Suhr O, Stenling R et al. (1994). Impact of familial amyloid associated polyneuropathy on duodenal endocrine cells. Gut 35: 1413–1425 Ishizaki Y, Nobori M, Tanaka N et al. (1991). Perforation and tumor formation of the intestine in primary amyloidosis. Am J Gastroenterol 86: 363–366 Kobayashi H, Tada S, Fuchigami T (1996). Secondary amyloidosis in patients with rheumatoid arthritis: diagnostic and prognostic value of gastroduodenal biopsy. Br J Rheumatol 35: 44–49 Kumar KS, Lefkowitch J, Russo MW et al. (2000) Successful sequential liver and stem cell transplantation of hepatic failure due to primary AL amyloidosis. Gastroenterology 122: 2026–2031 Kyle RA, Gertz OA, Greipp RR et al. (1997) A trial of three regimes for primary amyloidosis: Colchicine alone, mephalan and prednisone, and mephalan, prednisone, and colchicine. N Engl J Med 336: 1202–1207
25
Linke RP (2002) Highly sensitve diagnosis of amyloid and various amyloid syndroms using Congo red fluorescence. Vichows Arch 436: 439–448 Merlini G, Bellotti V (2003) Molecular mechanisms of amyloidosis. N Engl J Med 349: 583–596 Pepys MB, Herbert J, Hutchinson WL et al. (2002) Targeted pharmacological depletion of serum amyloid P component for treatment of human amyloidosis. Nature 417: 254–259 Rocken C, Saeger W, Linke RP (1994) Gastrointestinal amyloid deposits in old age. Report on 110 consecutive autopsical patients and 98 retrospective bioptic specimens. Pathol Res Pract 190: 641–649 Sanchorawala V, Wright DG, Seldin DC et al. (2002) Low-dose continuous oral melphalan for the treatment of primary systemic (AL) amyloidosis. Br J Haematol 117: 886–889 Steuer A, Leonard N, Ahmed FB, Price AB, Gumpel JM (1997) An unusual case of familial Mediterranean fever. Br J Rheumatol 36: 1118–1121 Tada S, Iida M, Yao T et al. (1993) Intestinal pseudo-obstruction in patients with amyloidosis: clinicopathologic differences between chemical types of amyloid protein. Gut 34: 1412–1417 WHO-IUIS Nomenclature Sub-Committee (1993) Nomenclature of amyloid and amyloidosis. Bull World Health Organ 71: 105–112
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen K. Herrlinger, E. F. Stange, O. Schröder, J. Stein, H. J. Buhr, A. J. Kroesen 26.1
Morbus Crohn – 249 K. Herrlinger, E. F. Stange
26.1.1 26.1.2 26.1.3 26.1.4
Ätiologie und Pathogenese – 249 Klinik und Diagnostik – 249 Konservative Therapie – 251 Chirurgische Therapie – 258
H. J. Buhr, A. J. Kroesen 26.2
Colitis ulcerosa – 264 O. Schröder, K. Herrlinger, J. Stein
26.2.1 26.2.2 26.2.3 26.2.4
Ätiologie und Pathogenese – 264 Klinik und Diagnostik – 264 Konservative Therapie – 266 Chirurgische Therapie – 271
H. J. Buhr, A. J. Kroesen 26.3
Besonderheiten – 275 J. Stein, O. Schröder
26.3.1 26.3.2 26.3.3
Therapie in der Schwangerschaft – 275 Symptomatische Therapie bei CED – 277 Ernährung und Ernährungstherapie – 277
26.4
Extraintestinale Manifestationen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen – 280 J. Stein, O. Schröder
26.4.1 26.4.2 6.4.3 26.4.4 26.4.5
Beschwerden aus dem rheumatoiden Formenkreis Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) – 281 Osteopenie/Osteoporose – 281 Gallensteine – 281 Nephrolithiasis – 281
Literatur
– 282
– 280
249 26.1 · Morbus Crohn SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
26.1
26
Morbus Crohn
K. Herrlinger, E. F. Stange
>>
26.1.1
Der M. Crohn ist durch eine chronische Entzündung des Intestinaltrakts charakterisiert. Histologisch zeigt sich der transmurale Befall sämtlicher Darmwandschichten mit dem Bild einer granulomatösen Entzündung. Die Ausprägung ist typischerweise diskontinuierlich und kann – im Gegensatz zur Colitis ulcerosa – den gesamten Gastrointestinaltrakt befallen. Unterschieden werden 3 Untergruppen des M. Crohn mit unterschiedlichen Komplikationen, der obstruierende stenosierende, der chronisch-inflammatorische und der zu Penetration und Abszessen neigende fistelnde Verlauf. Überlappungen sind die Regel, so werden Stenosen bei 30–50% der Patienten beschrieben und bis zu 40% der Patienten leiden im Verlauf ihrer Erkrankung an einer Fistelbildung.
Ätiologie und Pathogenese
Die Ätiologie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) ist trotz der intensiven Forschungsaktivitäten der letzten Jahrzehnte weiterhin ungeklärt. Aus der Häufigkeit einer Manifestation des M. Crohn bei eineiigen Zwillingen von etwa 50% kann abgeleitet werden, dass genetische Prädisposition und Umweltfaktoren eine etwa gleich große Rolle spielen. Die überschießende Immunreaktion ist bei Patienten mit M. Crohn nicht im Sinne einer Autoimmunerkrankung gegen die Mukosa gerichtet,sondern es kommt zu einer Aufhebung der Toleranz gegenüber der luminalen bakteriellen Flora. Die Mukosa von M.Crohn-Patienten befindet sich auch in Remissionsphasen in einem Zustand der erhöhten Aktivität, das Gleichgewicht von Entzündungsmediatoren ist sowohl auf der Ebene der spezifischen zellulären Abwehr als auch auf Interleukinebene proinflammatorisch verschoben. Die eigentliche Ursache dieser Phänomene ist nicht klar, am ehesten handelt es sich um eine Störung der mukosalen antibakteriellen Barriere, andererseits ist auch eine primäre Dysregulation der Immunreaktion möglich. 26.1.2
Klinik und Diagnostik
Leitsymptom des M. Crohn sind Durchfälle und krampfartige Bauchschmerzen, evtl. verbunden mit subfebrilen Temperaturen. Die Bauchschmerzen sind bei dem häufigen Befall des terminalen Ileums oft im rechten Unterbauch lokalisiert und können eine aku-
te Appendizitis imitieren. Bei Kindern kann ein vermindertes Größenwachstum einziges Symptom eines M. Crohn darstellen. Die häufigste isolierte Manifestation des M.Crohn liegt mit etwa 30% im terminalen Ileum, eine isolierte Colitis-Crohn liegt bei 30% der Patienten vor. Die meisten Patienten haben einen kombinierten Befall. Seltener ist ein Befall des oberen Gastrointestinaltrakts. Eine typische Komplikation ist die Ausbildung enteroenterischer und enterokutaner Fisteln sowie von Abszessen. Wie bei der Colitis ulcerosa muss die Erkrankung nicht auf den Intestinaltrakt begrenzt sein ( s. Kap. 26.4). Knapp 50% der Patienten erlebt einen remittierenden Krankheitsverlauf mit längeren Phasen der Remission, die durch rezidivierende Krankheitsschübe unterbrochen werden. Bei Persistenz der Symptome über 1/2 Jahr trotz adäquater Behandlung spricht man von einem chronisch aktiven Verlauf. Dabei unterscheidet man den steroidrefraktären Verlauf, bei dem die Krankheitsaktivität auch durch eine anhaltend hohe Steroidgabe nicht unterbrochen werden kann,von dem steroidabhängigen Verlauf,bei dem die Patienten eine individuell verschiedene Schwellendosis von Steroiden benötigen, um die Krankheitsaktivität kontrollieren zu können. Bei der körperlichen Untersuchung kann evtl. ein Konglomerattumor von Darmschlingen zu tasten sein oder es bestehen enterokutane Fistelöffnungen. Laborchemisch stehen die Entzündungsparameter (Creaktives Protein, BSG, Leukozyten) oder eine Mangelsituation (Protein, Vitamine, Spurenelemente) im Vordergrund. Weiterhin liegt häufig eine, unter Umständen ausgeprägte Anämie vor.
250
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig
III
Einen für den M. Crohn spezifischen Serumtest gibt es nicht, überproportional häufig finden sich allerdings– im Gegensatz zur Colitis ulcerosa – Anti-Saccharomyces-Antikörper (ASCA).
Zur Abschätzung der entzündlichen Aktivität der Erkrankung sind Aktivitätsindizes entwickelt worden, die sich aus verschiedenen klinischen und laborchemischen Befunden zusammensetzen. Allgemein akzeptiert ist der Crohn’s Disease Activity Index (CDAI; ⊡ Tabelle 26.1). Bedeutsam und manchmal schwierig ist die Differenzialdiagnose der infektiösen Enteritis. Zu ihrer Abgrenzung sollten bei jedem Patienten mit Erstmanifestation und bei jedem vermeintlichen akuten Schub Stuhlkulturen gewonnen werden. Wichtig für die Behandlungsstrategie ist die Lokalisation der Erkrankung. Daher sollte eine endoskopische Diagnostik erfolgen, obligat ist diese bei Erst-
manifestation. Sie wird durch eine Dünndarmkontrastmitteldarstellung zur Diagnostik eines evtl. Dünndarmbefalls und eine Gastroskopie ergänzt. Typische endoskopische Läsionen sind aphthöse Veränderungen und fissurale Ulzera (⊡ Abb. 26.1). Häufig kommt es zu entzündlichen Stenosen. Diagnostisch hilfreich ist weiterhin der typischerweise diskontinuierliche Befall und v. a. die Beteiligung der Ileozäkalregion. Immer sollte die Entnahme von Stufenbiopsien erfolgen, die typischen Granulome werden allerdings nur selten beobachtet. Bei persistierenden Beschwerden trotz adäquater Therapie muss an narbige Stenosen oder Abszesse gedacht werden. Bei Fistelkomplikation und Verdacht auf Abszessbildung ist die Kernspintomographie bildgebendes Verfahren der Wahl.Für die Verlaufskontrolle ist die Sonographie das beste Verfahren zur Darstellung einer Darmwandverdickung oder von Komplikationen (Abszesse, Stenose mit Pendelperistaltik), evtl. ergänzt durch eine dopplersonographische Messung des Blutflusses in der A. mesenterica superior.
⊡ Tabelle 26.1. Crohn’s disease activity index (CDAI) Multiplikationsfaktor Anzahl flüssiger oder breiiger Stühle (Summe der letzten Woche)
¥2
Abdominelle Schmerzen (Summe der letzten Woche): keine=0, leichte=1, mäßige=2, schwere=3
¥5
Allgemeinbefinden (Summe der letzten Woche): gut=0, leicht beeinträchtigt=1, beeinträchtigt=2, schlecht=3, unerträglich=4
¥7
Extraintestinale Manifestationen
Je Kategorie 20 Punkte
Arthritis oder Arthralgien
Iritis oder Uveitis
Haut oder Schleimhautbeteiligung (z. B. Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, aphtöse Stomatitis)
Analfissur, Fisteln, perirektaler Abszess
Fieber >37,5°C in der vergangenen Woche Antidiarrhoika (Loperamid, Opiate) Tastbarer Konglomerattumor
30 Punkte
Keiner
0
Fraglich
20
Sicher
50
Hämatokrit (%)
w: 42–Hämatokrit
¥6
m: 47–Hämatokrit
¥6
Körpergewicht (1–[Körpergewicht/Standardgewicht]) Summe
¥100
251 26.1 · Morbus Crohn SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
26
⊡ Abb. 26.1. Operationspräparat: terminales Ileum, ausgeprägte fibrosierende Entzündung mit polsterartiger Verdickung der Schleimhaut
⊡ Abb. 26.2. Endosonographiebild eines augedehnten Hufeisenabszesses, der den gesamten Analsphinkter umspült und von einer transsphinktären Fistel bei 6-Uhr-SSL ausgeht
Mit der anorektalen Endosonographie lassen sich perianale/rektale Fisteln und Abszesse in Relation zum Kontinenzorgan beurteilen.Darüber hinaus können Defekte des Analsphinkters erkannt und lokalisiert werden (⊡ Abb. 26.2). 26.1.3
Konservative Therapie
Sinnvoll und von therapeutischer Konsequenz ist eine Unterscheidung der Patienten – einerseits nach der
Schwere des Schubes und der Lokalisation ihrer Erkrankung und andererseits nach dem bisherigen Krankheitsverlauf. Wichtig Die gering- bis mäßiggradige Krankheitsaktivität wird definiert durch einen CDAI von 150–300, die hohe Aktivität mit einem CDAI >300. Die Remission wird klinisch definiert als CDAI <150.
252
III
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bei einem Befall der Ileozäkalregion können Präparate mit einer Freisetzungskinetik im distalen Dünndarm zum Einsatz kommen, bei Befall von Rektum und Sigma kann eine Lokalbehandlung mit Klysmen oder Suppositorien hilfreich sein. Die Patienten mit remittierendem Krankheitsverlauf sollten nur eine Schubtherapie erhalten. Die andere Hälfte der Patienten erlebt einen chronisch aktiven Verlauf der Erkrankung, d. h. die Remission wird entweder unter Steroidtherapie nicht erreicht oder gelingt nur unter Steroiddauertherapie; hier besteht die Indikation zu einer immunsuppressiven Therapie. Spezifische Therapieformen benötigen die Fistelkomplikation und einige extraintestinale Manifestationen. Im Folgenden sollen die für die verschiedenen Indikationen etablierten Therapien auf dem Boden der aktuellen Studienlage und nach der evidenzbasierten Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungsund Stoffwechselerkrankungen [Stange 2003/2004] dargestellt werden. Die Therapieentscheidungen sind in Algorithmen zur Remissionsinduktion und -erhaltung abgebildet. Die Dosierungen und Evidenzgrade der einzelnen Therapieformen sind in Tabellenform zusammengefasst. Am Ende jedes Kapitels werden neue Entwicklungen und Therapieaussichten dargestellt, die bisher nicht den etablierten Therapiestandard darstellen. Remissionsinduktion – Standards Akuter Schub mit milder bis mäßiggradiger entzündlicher Aktivität In den unterschiedlichen Therapiestudien beim akuten Schub des M. Crohn hat sich die hochdosierte Gabe von 5-Aminosalizylaten als wenig effektiv erwiesen. Ähnlich wie beim topisch wirksamen Budesonid erfolgt die Freisetzung des Wirkstoffs im distalen Dünndarm. Diese Therapie ist jedoch auch in der hohen Tagesdosis von 4 g deutlich schwächer wirksam als diejenige mit Budesonid (9 mg/Tag; [Thomsen 1998]).Somit empfiehlt sich die Gabe v. a. bei Patienten mit geringgradiger Aktivität und Kontraindikation gegen eine Steroidgabe. Das klassische Sulfasalazin wird heute wegen der häufigen, durch den Sulfonamidanteil bedingten Nebenwirkungen kaum noch zur Therapie des M. Crohn eingesetzt. Eine Indikation besteht v. a. bei Vorliegen einer Colitis-Crohn zusammen mit Gelenkbeschwerden. Bei Versagen dieser beiden Therapieoptionen ist als Standardtherapie des akuten Schubes die Gabe systemisch wirksamer Steroide etabliert.Durchgesetzt hat sich eine Dosis zwischen 40 und 80 mg Prednisolonäquivalent/Tag; wahrscheinlich ist es vorteilhaft, sich
bei der Prednisolondosis am Körpergewicht zu orientieren: Wichtig Bei 40 mg Prednisolonäquivalent/Tag erreichen etwa 50% der Patienten innerhalb von 8 Wochen eine Remission, bei 1 mg/kgKG sind es sogar etwa 90%.
Problem dieser Therapie ist jedoch das breite Nebenwirkungsprofil, das sich mit zunehmender Therapiedauer entwickelt. In der akuten Behandlung stehen das Cushingoid mit Mondgesicht und Gewichtszunahme, Steroidakne und Schlaflosigkeit im Vordergrund, bei Langzeittherapie bestimmen Osteoporose, Stammfettsucht und Infektionsanfälligkeit das Bild. Daher muss eine Langzeittherapie mit systemischen Steroiden unbedingt vermieden werden und nach Erreichen der Remission eine zügige Dosisreduktion erfolgen. Bei distalem Befall in Rektum und Sigmoid können zusätzlich Klysmen, Rektalschaum oder Suppositorien eingesetzt werden. Topisch wirksame Formulierungen beinhalten entweder Steroide oder Aminosalizylate. Bei distalem Kolonbefall empfehlen sich Klysmen, während bei anorektalem Befall Suppositorien vorzuziehen sind. Eine Therapiealternative v. a. bei Kindern mit Wachstumsstillstand durch schwere Steroidnebenwirkungen, Untergewicht und bei Ernährungsdefiziten stellen enteral bilanzierte Diäten dar ( s. Kap 26.3.3). Initial bei Unterernährung eingesetzt, kann ihre Applikation eine remissionsinduzierende Wirkung haben, insbesondere bei Dünndarmbefall, sie sind allerdings der Gabe systemischer Steroide unterlegen [Fernandez-Banares 1995]. Akuter Schub mit schwerer entzündlicher Aktivität Die Therapie des schweren Schubes ohne Komplikationen (CDAI >300) unterscheidet sich zunächst nicht prinzipiell von den oben aufgeführten Therapiekriterien des akuten Schubes. Wichtig In der Regel werden systemische Steroide in einer Dosis von 1 mg/kgKG eingesetzt.
Um z. B. bei Subileus eine sichere Resorption der systemischen Steroide zu gewährleisten, sollten diese zu-
253 26.1 · Morbus Crohn SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nächst i.v.-appliziert werden, eine parenterale Ernährung kann erforderlich sein. Eine sichere Indikation für die parenterale Ernährung sind allerdings nur der Subileus/Ileus, das toxische Krankheitsbild und die schwere Malabsorption, z. B. bei Kurzdarmsyndrom. Steroidrefraktärer Verlauf Problematisch ist der steroidrefraktäre Verlauf. Als steroidrefraktär gelten Patienten, die unter einer kontinuierlich hochdosierten Steroidtherapie (beginnend mit mindestens 1 mg/kgKG Prednisolonäquivalent) über einen Zeitraum von 6 Wochen keine Remission erreichen. Dieser Verlauf betrifft etwa 20% der Patienten mit M. Crohn. Hier besteht die Indikation zu einer immunsuppressiven Therapie.Die besten Daten liegen für das Azathioprin vor, die empfohlene Dosis beträgt 2,5 mg/kgKG, wobei die lange Latenzzeit von 2–6 Monaten bis zum Wirkeintritt problematisch ist. Bei Therapieversagen oder Unverträglichkeit gegenüber Azathioprin kann Methotrexat in einer Dosierung von 25 mg/Woche als i.m.-Injektion gegeben werden [Feagan 1995/2000]. Einzelne unkontrollierte Studien befürworten die i.v.-Gabe von Cyclosporin oder Tacrolimus. Bei schwerstem Verlauf kann zur Überbrückung in dieser Situation die Gabe des Tumornekrosefaktorantikörper Infliximab indiziert sein. Als effektiv hat sich eine Dosierung von 5 mg/ kgKG erwiesen. Unter dieser Therapie kann bei etwa 50% der Patienten eine Remission erreicht werden [Targan 1997], allerdings sollte diese Therapie wegen des Nebenwirkungsprofils (v. a. schwerwiegende infektiöse Komplikationen) nur bei ansonsten therapierefraktärem Verlauf eingesetzt werden. Die Therapierefraktarität trotz adäquater Therapie sollte immer differenzialdiagnostisch an Komplikationen wie narbig fixierte Stenosen oder Abszesse denken lassen. In jedem dieser schwerkranken Einzelfälle muss eine enge Zusammenarbeit zwischen Internisten und Chirurgen erfolgen. Bei relativ umschriebenem, regionärem Befall des M. Crohn ist in der Regel eine chirurgische Option vorzuziehen. Remissionsinduktion – Ausblick Die großen Hoffnungen auf die Entwicklung sog. biologischer Therapeutika sind bisher weitgehend enttäuscht worden.Auf verschiedenen Ebenen wurde und wird versucht, in die proinflammatorische Kaskade einzugreifen und den Entzündungsprozess zu unterbinden. Nach den vielversprechenden ersten Erfahrungen mit Infliximab sind diverse andere Inhibitoren des Tumornekrosefaktors (TNFa) untersucht worden oder derzeit in Erprobung. Allerdings haben sich we-
26
der die humanisierte Form des Antikörpers, CDP571 [Sandborn 2001a], noch der lösliche TNFa-bindende Antikörper Etanercept [Sandborn 2001b] als überzeugend wirksam erwiesen. Die klinische Effektivität sog. MAP-Kinase-Inhibitoren [Hommes 2002] bleibt abzuwarten. Einen weiteren experimentellen Therapieansatz stellt die Unterbindung einzelner Lymphozytenfunktionen im Zell-Zell-Kontakt dar. Allerdings sind hier bisher keine überzeugenden Erfolge zu verzeichnen gewesen. Der Versuch, die Lymphozyteninteraktion mittels Antisensemolekülen gegen das interzelluläre Adhäsionsmolekül 1 (ICAM-1) zu unterbinden, hat sich als unwirksam erwiesen [Schreiber 2001;Yacyshn 2002]. Die Verhinderung des »homing«, des Einwanderns von Lymphozyten in die Darmmukosa, kann über Blockade gewisser Liganden erreicht werden. Auch hier waren die bisherigen Daten zu Natalizumab, einem Antikörper gegen a4-Integrin, enttäuschend [Ghosh 2003]. Die Gabe der antiinflammatorischen Zytokine Interleukin 10 und Interleukin 11 hat sich ebenfalls als unwirksam erwiesen [Fedorak 2000; Sands 1999; Herrlinger 2004]. Steroidabhängiger, chronisch aktiver Verlauf Standards Etwa 1/3 der Patienten mit M. Crohn erlebt einen chronisch aktiven Verlauf mit Steroidabhängigkeit, d. h. nach anfänglich induzierter Remission durch Steroide erleiden etwa 35% aller Patienten bei Unterschreiten einer individuell unterschiedlichen Steroiddosis ein frühes Rezidiv. Wichtig Die Steroidabhängigkeit ist definiert durch einen permanenten Steroidbedarf und 2 gescheiterte Reduktionsversuche innerhalb von 6 Monaten und stellt eine Indikation zu einer langfristigen Immunsuppression dar.
Das Ziel in der Behandlung dieser Patienten muss die effektive Remissionsinduktion und die zügige und zuverlässige Steroidreduktion sein. Azathioprin. »Golden standard« ist Azathioprin bzw. sein Metabolit 6-Mercaptopurin [Sandborn 2000]. Etwa 3/4 der Patienten erreichen hierunter eine Remission. Entscheidend für die Wirksamkeit von Azathioprin oder 6-Mercaptopurin ist die Dauer der Behandlung. Nur 10% der Patienten berichteten über
254
III
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
eine klinische Verbesserung nach 4 Wochen und 20% der Patienten sprachen erst nach 4–7 Monaten auf die Therapie an. Daher sollte ein Therapieversuch immer für mindestens 6 Monate durchgeführt werden, die optimale Dosis liegt bei 2,5 mg/kgKG. Eine Steroidreduktion auf <10 mg Prednisolonäquivalent wird unter dieser Therapie bei 2/3 der behandelten Patienten erreicht. Nebenwirkungen von Azathioprin sind durch große Verlaufsstudien gut dokumentiert und treten bei 10–15% der Patienten auf. Es gibt 2 Arten von Nebenwirkungen: ▬ allergische, z. B. Übelkeit, Durchfall, Gelenkschmerzen, allergische Hepatitis, hier ist ein Therapieversuch mit 6-Mercaptopurin (1,5 mg/kgKG) häufig erfolgreich und ▬ dosisabhängige Nebenwirkungen, z. B. Knochenmarkstoxizität, toxische Hepatitis, hier kann eine Dosisreduktion erfolgreich sein, bei persistierender Nebenwirkung muss die Therapie beendet werden. Eine ernste Nebenwirkung stellt die azathioprininduzierte Pankreatitis dar. Sie heilt in aller Regel nach Absetzen der Therapie ohne Residuen ab,allerdings muss anschließend auf beide Medikamente komplett verzichtet werden, da das Rezidiv bei erneutem Einsatz praktisch obligat ist.Das Risiko einer erhöhten Infektanfälligkeit ist gering,dennoch ist bei einer Kombinationsimmunsuppression mit hochdosierten Steroiden vermehrte Aufmerksamkeit gefordert. Das Enzym Thiopurinmethytransferase (TPMT) spielt eine entscheidende Rolle im Stoffwechsel des Azathioprin. Genetische Unterschiede in der Aktivität dieses Enzyms machen »Langsammetabolisierer« zu einer Risikogruppe bezüglich des Nebenwirkungsprofils, insbesondere der Myelotoxizität. Allerdings liegt der zugrunde liegende genetische Defekt homozygot nur bei 1/300 Patienten vor. Nur bei 27% der Crohn-Patienten mit Myelosuppression unter Azathioprin konnte ein Defekt der TPMT nachgewiesen werden [Colombel 2000]. Dies bedeutet, dass eine engmaschige Blutbildkontrolle in jedem Fall erfolgen muss. Bei defizienter Enzymaktivität sollte die Therapie in der Regel vermieden werden. Der Wert einer Spiegelbestimmung des aktiven Thiopurinmetaboliten des 6-Thioguanins, zur Therapie- und Toxizitätskontrolle ist umstritten [Cuffari 2001; Lowry 2001] und wird derzeit nicht empfohlen.
Methotrexat. Eine durch kontrollierte Studien eta-
blierte Alternative in Fällen der Azathioprinunverträglichkeit stellt die Gabe von Methotrexat (MTX) dar.Während die orale Applikation nach aktueller Studienlage nicht wirksam zu sein scheint, hat sich die intramuskuläre Gabe als effektiv erwiesen. Eine Therapie mit 25 mg MTX i.m./Woche führt bei 39% der Patienten nach 16 Wochen zu einer klinischen Remission [Feagan 1995/2000].Auf Grund des zweifelhaften Langzeiteffektes und der notwendigen i.m.-Applikation stellt MTX die Therapie der 2. Wahl dar. Zu beachten ist auch das Nebenwirkungsprofil: Leukopenie und in seltenen Fällen Leberfibrose und Pneumonitis. Unter einer MTX-Therapie sollte eine Folsäuresubstitution mit einer Dosis von 5 mg/Woche oder 1 mg/Tag erfolgen [Stein 2003]. Infliximab. Infliximab kann als Medikament der Re-
serve bei therapierefraktärem Verlauf mit Unverträglichkeit oder Therapieversagen von Kortikosteroiden, Azathioprin/6-Mercaptopurin und/oder Methotrexat in einer Dosierung von 5 mg/kgKG zur Remissionsinduktion eingesetzt werden. Eine erneute Gabe sollte nur bei erneuter Krankheitsaktivität erfolgen. Dies setzt ein initiales Ansprechen auf Infliximab voraus. Unter einer Infliximabtherapie sollte in der Regel eine immunsuppressive Therapie fortgeführt werden, da dieses die Bildung von Antikörpern gegen Infliximab und Autoantikörpern wirksam unterdrückt. Für unter adäquater immunsuppressiver Therapie refraktäre steroidabhängige Fälle gilt wie für die Steroidrefraktarität, dass nach Ausschöpfung der medikamentösen Optionen interdisziplinär eine chirurgische Option kritisch geprüft werden sollte. Die Therapieentscheidungen für die Remissionsinduktion sind in ⊡ Abb. 26.3. dargestellt, die empfohlenen Dosierungen der Therapeutika in ⊡ Tabelle 26.2.
Ausblick Mehrere Fallberichte sowie eine kontrollierte Studie [Neurath 1999] wiesen auf eine mögliche Wirksamkeit eines weiteren Immunsuppressivums, des Mycophenolat-Mofetils (MMF), bei Patienten mit einer chronisch aktiven Verlaufsform des M. Crohn hin. Allerdings konnten die positiven Ergebnisse in 3 offenen Folgestudien nicht bestätigt werden, sodass der Einsatz von MMF außerhalb von kontrollierten Studien zur Zeit nicht empfohlen werden kann. Große Hoffnung wurde in die direkte Gabe von 6-Thioguanin gesetzt. Mehrere Studien konnten auch einen vielversprechenden Effekt v. a. bei Azathioprin-
255 26.1 · Morbus Crohn SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG ⊡ Abb. 26.3. Algorithmus Remissionsinduktion bei M. Crohn
⊡ Tabelle 26.2. Medikamentöse Remissionsinduktion bei M. Crohn Evidenzgrad Gering- bis mäßiggradiger Schub Alternativ a
Budesonid (oral) 9 mg morgens Aminosalizylate (oral) 4 g/Tag
Ia Ia
(Obligat bei Befall von Ösophagus bis Jejunum)
Kortikosteroide (oral) 40 mg, bis zu 1 mg/kgKG Prednisolonäquivalent
Ia
Distaler Dickdarmbefall
Aminosalizylate (lokal z. B. als Klysmen) 1–4 g/Tag
IIb
Enterale bilanzierte Diät
Ia
Standard
Kortikosteroide (oral oder i.v.) 1 mg/kgKG Prednisolonäquivalent
Ia
Steroidrefraktärer Verlauf
Azathioprin (oral) 2–2,5 mg/kgKG/Tag Methotrexat (i.m.) 25 mg/Woche Infliximab TNF-Antikörper (i.v.) 5 mg/kgKG Cyclosporin (i.v.) 4 mg/kgKG/Tag
Ia
Standard
Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin (oral) 2–2,5 bzw. 1 mg/kgKG/Tag
Ia
Alternativ
Methotrexat (i.m.) 25 mg/Woche
II
Dünndarmbefall Alternativ v. a. bei Kindern Schwerer Schub
Ib Ib IIb
Steroidabhängiger, chronisch aktiver Verlauf
a eingeschränkte
Empfehlung bei nichtpublizierten negativen Studien.
26
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III
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
oder 6-Mercaptopurinunverträglichkeit zeigen [Herrlinger 2003; Derijks 2003; Bonaz 2003], allerdings besteht anscheinend ein derzeit unkalkulierbares Risiko einer hepatischen Langzeittoxizität mit der Entwicklung einer nodulär regenerativen Hyperplasie, sodass 6-Thioguanin derzeit nur im Rahmen von Studien eingesetzt werden sollte. Thalidomid unterbindet die Bildung des Tumornekrosefaktor a und ist in der Behandlung des steroidabhängigen M. Crohn getestet worden, hat sich aber nicht als überzeugend wirksam erwiesen [Vasiliauskas 1999]. Einer kleinen unkontrollierten Studie zufolge hat die Gabe des Steroidhormons Dehydroepiandrosteron einen positiven Effekt bei steroidrefraktärem M. Crohn [Klebl 2003]. Diese Daten müssen allerdings erst in einer kontrollierten Studie bestätigt werden. Im Falle schwerster therapierefraktärer Patienten scheint die Gabe von Cyclophosphamid (750 mg) vielversprechend zu sein. In einer kleinen unkontrollierten Fallserie erreichten 6/7 Patienten unter dieser Therapie die Remission [Stallmach 2003].Auch hier bleibt die Bestätigung durch größere, kontrollierte Studien abzuwarten. Remissionserhaltung – Standards Rezidive innerhalb des ersten Jahres nach erfolgreich induzierter Remission haben 30% der Patienten, weitere 40% innerhalb von 2 Jahre. Daher ist eine remissionserhaltende Therapie bei einem Großteil der Patienten notwendig. Generell kann eine solche Therapie nicht bei jedem Patienten empfohlen werden. Sinnvoll ist es, den bisherigen Krankheitsverlauf des Patienten in Betracht zu ziehen.Als Risikofaktoren für das Auftreten eines klinischen Rezidivs gelten eine fortbestehende laborchemische Krankheitsaktivität, eine weiterbestehende dopplersonographisch nachweisbare Entzündungsaktivität,ein schweres postoperatives endoskopisches Anastomosenrezidiv sowie das Rauchen. Wichtig Weder systemische Steroide [Steinhart 2001] noch das topisch wirksame Kortikoid Budesonid [Simms 2001] haben sich in der Remissionserhaltung als wirksam erwiesen.
Daher ist eine Langzeittherapie mit Steroiden ohne Einleitung einer immunsuppressiven Therapie nicht zu rechtfertigen.
Als ebenfalls nichtwirksam hat sich die remissionserhaltende Therapie mit 5-Aminosalizylaten nach medikamentös induzierter Remission erwiesen, [Camma 1997]. Wichtig Bei bisher unkompliziertem Krankheitsverlauf ist somit in der Regel keine remissionserhaltende Therapie indiziert.
Bei chirurgisch induzierter Remission hat Mesalazin einen kleinen, jedoch signifikanten therapeutischen Gewinn gegenüber Plazebo von ª10% Rezidiven (»number needed to treat« [NNT]=10). In dieser Situation können Aminosalizylate in einer Tagesdosis von 3–4 g eingesetzt werden. In der postoperativen Remissionserhaltung am besten wirksam sind jedoch Azathioprin oder 6-Mercaptopurin. Die optimale Dosis sowie Therapiedauer sind unklar. Dosen von 2,0–2,5 mg/kgKG Azathioprin oder 1,0–1,5 mg/ kgKG 6-Mercaptopurin haben sich als wirksam erwiesen. Auf den chronisch aktiven Verlauf des M. Crohn mit Steroidabhänigkeit bzw. Steroidrefraktärität wurde oben ausführlich eingegangen. Auch bei Patienten mit häufigen Rezidiven ist die Einleitung einer Immunsuppression zu erwägen.Auch hier stellt das Azathioprin das Medikament der 1. Wahl dar [Pearson 2000].Alternative bei Unverträglichkeit ist Methotrexat [Feagan 1995/2000]. Eine entsprechende Immunsuppression mit Azathioprin sollte in diesen Fällen für mindestens 5 Jahre beibehalten werden. Die Therapieentscheidungen bei der Remissionserhaltung sind in ⊡ Abb. 26.4 dargestellt, die empfohlene Dosierung der Therapeutika in ⊡ Tabelle 26.3. Remissionserhaltung – Ausblick Der Tumornekrosefaktorantikörper Infliximab wurde auch in der Remissionserhaltung untersucht. Die zur Remissionserhaltung vorliegenden Studien zeigen,dass die wiederholte Gabe von 5 bzw.10 mg/kgKG in Abständen von 8 Wochen bei Patienten, die initial auf die Behandlung angesprochen hatten, die Remission besser erhält als Placeboinfusionen. Allerdings wird die langfristige Remissionserhaltung nur bei etwa 25% der Patienten erreicht [Hanauer 2002, Akobeng 2004]. Angesichts der enormen Kosten und der schweren, z. T. letalen Sepsis- und Tuberkulosefälle, kann die langfristige Gabe von Infliximab nur bei ansonsten austherapierten Pentienten empfohlen werden.
257 26.1 · Morbus Crohn SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
26
⊡ Abb. 26.4. Algorithmus Remissionserhaltung bei M. Crohn
⊡ Tabelle 26.3. Medikamentöse Remissionserhaltung bei M. Crohn Evidenzgrad Remissionserhaltung bei remittierendem Verlauf Medikamentös induzierte Remission
Keine Therapie
Ia
Operativ induzierte Remission
5-ASA 3–4 g/Tag
Ia
Standard
Azathioprin (oral) 2–2,5 mg/kgKG/Tag
Ia
Alternativ
Methotrexat (i.m.) 25 mg/Woche
Ib
Remissionserhaltung bei chronisch aktivem Verlauf
Intestinale Komplikationen Eine schwierige Komplikation des M. Crohn stellt die Ausbildung von Fisteln dar, betroffen sind ca. 40% der Patienten. Die Studienlage zur Therapie dieser Komplikation ist begrenzt (⊡ Tabelle 26.4). Die initiale konservative Basistherapie bei Analfisteln beeinhaltet die Gabe von Antibiotika: Metronidazol hat sich in unkontrollierten Studien in einer Dosis von 3- bis 4¥400 mg/Tag als wirksam erwiesen, bei bis zu 40% der Patienten kann ein kompletter Fistelverschluss erreicht werden. Für eine Dauerbehandlung kommt Metronidazol auf Grund der Resistenzentwicklung und der Gefahr der Polyneuropathie nicht in Frage. Ähnliche Daten liegen zu Ciprofloxacin in einer Dosis von 1,5–2 g/Tag vor. Auch bei diesem Medikament wird eine hohe Rezidivrate nach Absetzen der
Behandlung beobachtet. Die auf Grund des antibakteriellen Wirkspektrums häufig verwendete Kombination beider Substanzen hat sich bislang klinisch nicht als überlegen erwiesen. Auf Grund der hohen Rezidivrate ist auch bei der Fistelkomplikation eine remissionserhaltende Therapie indiziert. Azathioprin und 6-Mercaptopurin sind sowohl in der akuten Abheilung als auch in der Remissionserhaltung effektiv. Auch hier stellt die Latenz bis zum Wirkeintritt ein Problem dar. Eine Alternative in komplizierten Fällen scheint der Tumornekrosefaktorantikörper Infliximab zu sein. Unter der optimalen Dosis von 5 mg/kgKG können 50% der Fisteln zur Abheilung gebracht werden, wobei nach Behandlungsende häufig ein Rückfall zu beobachten ist. In therapierefraktären Fällen scheinen die Immunsup-
258
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 26.4. Fistelkomplikation Evidenzgrad Standard
Metronidazol (oral) 3–4 ¥ 400 mg/Tag
IIb
Falls chronisch
Azathioprin (oral) 2–2,5 mg/kgKG/Tag
Ia
Falls therapierefraktär
Infliximab TNF-Antikörper (i.v.) 5 mg/kgKG in den Wochen 0, 2 und 6
Ib
Alternativ
Cyclosporin (i.v.) 4 mg/kgKG/Tag Takrolimus (oral) 0,1–0,2 mg/kgKG/Tag
III
III
pressiva Cyclosporin oder Takrolimus eine, allerdings nicht durch kontrollierte Studien untermauerte, Alternative darzustellen. Die Einlage von Fadendrainagen bei perianalen Fisteln kann die Symptomatik verbessern, in therapierefraktären Fällen ist eine operative Fistelexzision zu erwägen.Auch bei der Fistelkomplikation sollte das therapeutische Vorgehen interdisziplinär erfolgen,zur Lokalisation und zum Ausschluss von Abszessen sollte in der Regel immer eine Bildgebung mittels Kernspintomographie erfolgen. 26.1.4
Chirurgische Therapie
H. J. Buhr, A. J. Kroesen Die meisten Patienten müssen sich in ihrer Krankheitsgeschichte mindestens einmal durch M.-Crohnbedingte Komplikationen operieren lassen.So beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Operation etwa 40% nach 5 Jahren, 70% nach 10 Jahren und 90% nach 20 Jahren Krankheitsverlauf.Neue epidemiologische Studien müssen zeigen, ob sich diese Zahlen unter den gegenwärtigen therapeutischen Möglichkeiten verbessern lassen [Borley 1997; Mekjikan 1979].Nach den neuesten Studien beobachtet man nach 5 Jahren nur noch in 20% und nach 15 Jahren in 49% ein reoperationpflichtiges Rezidiv [Borley 1997]. Operative Prinzipien Die hohe Rezidivhäufigkeit des M. Crohn erfordert eine Crohn-adaptierte minimale Chirurgie.Bei jedem
Iib
operativen Schritt muss die potenzielle Zweit- oder Drittoperation bedacht werden. Hierbei müssen die Regeln der Crohn-Chirurgie beachtet werden: 1. Beim Eingriff muss zunächst die Länge des gesunden Darms und das Resektionsausmaß ausgemessen sowie die Lokalisation des Crohn-Befalls im OP-Bericht festgehalten werden. Eine Einschränkung dieser Regel besteht beim Rezidiveingriff mit ausgedehnten Verwachsungen proximal des Operationsgebietes. Hier sollte eine Adhäsiolyse wegen der erhöhten Verletzungsgefahr des Darms und der möglichen Aufhebung des etablierten Passageweges unterbleiben. 2. Nach »radikaler« Resektion mit Lymphadenektomie besteht eine signifikant höhere Rezidivrate als nach sparsamer Resektion [Ewe 1984]. Untersuchung über die Rezidivhäufigkeit unabhängig vom mikroskopischen Befall [Fazio 1996] sowie die Erkenntnis, dass der chirurgische Eingriff nicht zur Heilung führt, haben bei der chirurgischen Therapie des M. Crohn zu veränderten operationstaktischen Überlegungen geführt. 3. Im Gegensatz zur Karzinomchirurgie des Kolons ist eine sparsame Resektion des Crohn-tragenden Darmabschnitts im makroskopisch nicht erkrankten Gewebe durchzuführen. Mikroskopisch entzündungsfreie Absetzungsränder sind nicht anzustreben. Die Skelettierung erfolgt darmwandnah, eine Lymphadenektomie ist abzulehnen. Die Anastomose wird – zur Vermeidung von Blindsackbildung – End-zu-End in einreihiger,allschichtiger Nahttechnik unter Verwendung von resorbierbarem Nahtmaterial angelegt. Ob dies
259 26.1 · Morbus Crohn SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
26
7.
Bei allen Eingriffen wird eine perioperative einmalige Antibiotikaprophylaxe mit z. B. Ciprofloxacin/Metronidazol (2¥0,5 g/3¥0,5 g) durchgeführt. Bei septischen Komplikationen wie ausgedehnten Fisteln und Abszessen sollte die Therapie auf 7 Tage ausgedehnt werden. 8. Septische Bezirke im Retroperitonealraum sowie an der lateralen Bauch- und Beckenwand werden nach Möglichkeit mit einer gestielten Omentumplastik gedeckt. Präoperative Diagnostik Die präoperative Diagnostik beim M.Crohn unterliegt einer großen Spannbreite.Auf Grund des Befallsspektrums der Erkrankung sollte vor einer erstmaligen operativen Intervention der gesamte Intestinaltrakt abgeklärt und die Diagnose gesichert worden sein ( s. Kap. 26.1.2).
⊡ Abb. 26.5. Beseitigung einer kurzstreckigen Striktur durch Strikturoplastik: Eine bis zu 5 cm lange Striktur wird längs inzidiert und mit Einzelknopfnähten wieder quervernäht, sodass eine Erweiterung des Lumens resultiert
wirklich erforderlich ist,muss in weiteren Studien geklärt werden. 4. Die »minimale Chirurgie« des M.Crohn ist v.a.bei der Therapie von Strikturen angezeigt, wie sie besonders am Dünndarm häufig auftreten können. Hier ist die Strikturoplastik die Therapie der Wahl (⊡ Abb. 26.5; [Lee 1982]). 5. Beim Rezidiveingriff manifestiert sich häufig eine Stenose als Konglomerattumor. Um gesunden Darm zu erhalten, verbietet sich hier die großzügige Resektion des Konglomerattumors. Im Konglomerattumor kann sich von extern entzündete Darmwand bei allerdings gesunder Schleimhaut finden. Dieser Darmanteil muss erhalten bleiben. Daher ist es erforderlich, die betroffenen Darmanteile voneinander zu separieren und nach kompletter Präparation an den makroskopisch Crohn-befallenen Stellen zu resezieren. 6. Um einer Fistelbildung entlang eines ehemaligen Drainagekanals vorzubeugen, sollten Drainagen nur in Ausnahmefällen bei Abszessen gelegt werden.
Crohn-spezifische Indikationen und operative Strategie Fisteln Die Fistelbildung ist eine klassische Komplikation der Crohn-Erkrankung.Für alle Fisteln gilt das Prinzip einer individuellen symptomorientierten und differenzierten Therapie. Enterovesikale und enterogenitale Fisteln. Die enterovesikale Fistel stellt wegen der Gefahr einer Urosepsis eine absolute Operationsindikation dar. Zur Diagnosestellung reicht die klinische Symptomatik (Luft- oder Stuhlabgänge über die Urethra) aus. Die operative Versorgung erfolgt durch Resektion des Crohn-befallenen Darmsegments im makroskopisch Gesunden, Übernähung des Blasenwanddefekts und Anlage einer suprapubischen Harnableitung für 2 Wochen. Die enterogenitale Fistel manifestiert sich meistens als ano- bzw. rektovaginale Fistel. Hier besteht eine Operationsindikation nur bei ausgeprägter Symtomatik in Form von regelmäßigen Stuhlabgängen über die Vagina oder erheblichem Leidensdruck der Patientinnen.Gelegentlicher transvaginaler Stuhlgang bei Diarrhöen stellt keine Operationsindikation dar. Ein Therapieerfolg ist bei Rezidivfisteln nur unter der Voraussetzung zu erwarten, dass kein Rektum- oder sonstiger schwerer Crohn-Befall im Intestinaltrakt vorliegt. Besteht eine stark symptomatische enterovaginale Fistel, so muss in einem ersten Schritt zunächst der intestinale Crohn-Befall chirurgisch oder medikamentös in Remission gebracht werden. Der Fistelver-
260
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
schluss erfolgt dann über einen transanalen myokutanen Lappenadvancement-Flap unter Ileostomaschutz [Ozuner 1996]. Die Ileostomarückverlagerung erfolgt 3 Monate nach Fistelverschluss.
III
Interenterische Fisteln. In der Regel breitet sie sich
von erkranktem zu gesundem Darm aus, die Häufigkeit beträgt ca.30%.Die Operationsindikation besteht, wenn die Fistel von einer Stenose ausgeht oder zu einer Kurzdarmsymptomatik führt. Zur Therapie muss der den Fistelausgangspunkt bildende Crohn-Abschnitt sparsam reseziert werden. Es reicht in der Regel aus, die Einschussfistel (im gesunden Gewebe liegend) zu exzidieren und zu übernähen. Perianale Fisteln. Die häufigste Manifestation des fistulierenden M. Crohns sind perianale Fisteln. Sie treten mit einer Inzidenz von 20–80% auf [Herfarth 1986]. Für unkomplizierte Fisteln besteht eine Spontanheilungs- aber auch eine hohe Rezidivrate. Außer bei Abszessen und hohen supralevatorischen Fisteln besteht keine absolute Operationsindikation. 1. Subkutane Fisteln können problemlos über einer Sonde gespalten werden. 2. Supralevatorische Fisteln sollten zur Verhinderung einer Ausbreitung in das kleine Becken zunächst konservativ durch Fadendrainge behandelt werden. Die definitive chirurgische Therapie erfolgt im Intervall. Vor der Sanierung muss eine sorgfältige Evaluierung des Kontinenzorgans erfolgen (Endosonographie, Manometrie). Im Rahmen der operativen Versorgung wird von anal her eine Mukosa-Muskel-Verschiebelappenplastik angelegt. Eine operative Therapie hat eher Aussicht auf Erfolg, wenn kein weiterer Crohn-Befall des restlichen Intestinums, speziell des Rektums, vorliegt, sodass hier eine präoperative Sanierung unabdingbar ist. 3. Perianale Abszesse müssen als Notfall inzidiert und drainiert werden. Bei Nachweis einer transrektalen Fistelöffnung wird eine Fadendrainage eingelegt. Hier kann die Endosonographie detaillierte Auskünfte über die Lage und Ausbreitung des Abszesses geben ( s. Abb. 26.2). Blind endende Fisteln. Bei der blind endenden Fistel
(8,9% aller Fisteln), die von Crohn-befallenem Darm in die retroperitonealen Weichteile führt, besteht eine absolute Operationsindikation. Durch die fehlende Drainage in ein anderes Organ oder zur Haut kommt es hier zu einer Progredienz des Abszesses bzw. einer schwer beherrschbaren Sepsis. Eine häufig eingeleite-
a
b ⊡ Abb. 26.6a, b. 31-jährige Patientin mit einem retroperitonealen Senkungsabszess, ausgehend von einer prästenotische Fistel im Colon transversum. a Im Colon-KE zeigt sich eine Kontrastmittelfahne unmittelbar vor der langstreckigen Stenose. Diese Fistel speist den im b CT des Abdomens sich darstellenden Abszess
te Kortisontherapie führt nahezu regelhaft zur Ausbildung eines Abszesses.Zur operativen Therapie wird zunächst ein ggf. bestehender Abszess interventionell drainiert oder chirurgisch ausgeräumt. Nach Konsolidierung der Entzündungsreaktion erfolgt dann die Resektion des fistel-/abszessspeisenden Darmsegments im Intervall (nach ca. 4–6 Wochen; ⊡ Abb. 26.6). Enterokutane Fisteln. Die enterokutane Fistel (12,6%)
findet sich besonders als Folge eines vorangegangenen
261 26.1 · Morbus Crohn SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Eingriffs in Form einer Nahtinsuffizienz (sehr früh postoperativ) oder eines Anastomosenrezidivs. Operationspflichtig werden enterokutane Fisteln zusätzlich bei Abszedierung,stenosebedingter Ileussymptomatik und bei starker Fistelsezernation,oft mit starker Hautirritation und -mazeration durch das aggressive Dünndarmsekret. Die operative Therapie besteht in der sparsamen Resektion des befallenen Darmsegments, breiter Fisteleröffnung und Abdeckung durch eine Omentumplastik. Stenosen und Strikturen des M. Crohn Bei der Primär- und Rezidivmanifestation des M. Crohn finden sich gehäuft Stenosen, seltener Strikturen. Die langstreckigen Stenosen können sich sehr unterschiedlich in der Sellink-Darstellung präsentieren. Dies ist dadurch bedingt, dass hier häufig ein unzureichender Kontrastmittelbeschlag an den betroffenen Stellen zu erzielen ist. Daher ist eine sorgfältige präoperative Diagnostik und intraoperative Exploration erforderlich. Gerade bei der Resektion langstreckiger Stenosen ist strikt darauf zu achten,nur im makroskopisch Crohn-freien Darmabschnitten nach darmnaher Skelettierung zu resezieren. Mikroskopische Crohn-Freiheit ist nicht erforderlich. Bei kurzstreckigen Strikturen kann eine Strikturoplastik durchgeführt werden. Die sinnvolle Grenze für eine Strikturoplastik ist eine Strikturlänge von maximal 5 cm.In allen anderen Fällen muss in der Regel eine Resektion erfolgen. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht in der Erhaltung der Darmpassage ohne jeglichen Darmverlust. Es ist mit diesem Verfahren bei einer geringen Komplikationsrate möglich, Resektionen zu vermeiden (⊡ Tabelle 26.5; [Fazio 1993]). In neueren Publikation werden erweiterte Möglichkeiten der Strikturoplastik, auch für längere Stenosen bis 25 cm Länge, aufgezeigt [Poggioli 1997]. Dies birgt prinzipiell das Risiko, dass es in der nicht-
26
beseitigten langstreckigen chronischen Entzündung zu einer karzinomatösen Entartung kommen kann [Ribeiro 1991]. Anorektale M.-Crohn-Manifestation Eine M.-Crohn-Manifestation,die in hohem Maße Rezidiveingriffen unterworfen ist, stellt der therapierefraktäre anorektale M. Crohn dar. Besteht hier eine therapierefraktäre Crohn-Proktitis oder haben häufig rezidivierende perianale Fisteln das Kontinenzorgan bereits zerstört, muss die Indikation zur Proktektomie gestellt werden. Die Proktektomie bedeutet häufig den Endpunkt einer langen Krankheitsgeschichte [Wolf 1984]. Da nach Anlage eines Deviationsstomas häufig eine gewisse Beruhigung der Entzündungsaktivität erreicht werden kann, bevorzugen viele Patienten das alleinige Stoma. Wird die Proktektomie schließlich wegen rezidivierender Fisteln und Abszessen mit Sphinkterdestruktion erforderlich, erfolgt die Rektumexstirpation unter Erhalt des muskulären Beckenbodens. Es wird im Gegensatz zum onkologischen Eingriff lediglich das Rektum entfernt. Die Levatoren und Sphinkteren bleiben erhalten (⊡ Abb. 26.7). Dies dient dem Erhalt der Stabilität des Beckenbodens und der Prävention einer Sekundärheilung der perinealen Wunde, die oft nach abdominoperinealer Rektumexstirpation bei CED auftritt. Des Weiteren wird hierdurch perineal die äußere Integrität gewahrt. Kommt es zu einer sekundären Wundheilung der Sakralhöhle, so kann der M. gracilis zur plastischen Auffüllung der Sakralhöhle (Gracilisplastik) verwandt werden. Die 4 Hauptindikationen zur Proktektomie (unter Erhalt des muskulären Beckenbodens) bei M. Crohn sind: 1. schwerer, fuchsbauartiger perianaler Fistelbefall mit Destruktion des muskulären Analsphinkters (19,5%), 2. irreparable Verletzung des Analsphinkters durch zu aggressive Fistelchirurgie (2,8%),
⊡ Tabelle 26.5. Perioperative Morbidität nach Strikturoplastik. (Mod. nach [Wolff 1998]) Autor
Patienten (n)
Zahl der Strikturoplastiken
Perioperative Komplikationsrate [%]
Rekurrenz [%]
Kendall 1986 Silverman 1989 Pritchard 1990 Fazio 1989 Dehn 1989
9 14 13 50 24
45 36 52 225 86
22 21 15 16 1
66 26 69 22 46
262
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
III
⊡ Abb. 26.7. Beckenbodenverschluss unter Erhalt des muskulären Beckenbodens nach Proktektomie. (1. M. sphincter ani
internus; 2. M. sphinkter ani externus; 3. M. puborectalis; 4. Resektionslinie)
3. M.-Crohn-assoziertes Fistelkarzinom (0,7%), 4. therapierefraktäre Proktitis (77%)
ren Abszessen kann auch die interventionelle Drainage ausreichend sein. 3. Bei Crohn-Perforation erfolgt die Resektion der Perforationsstelle. Die Resektion sollte im makroskopisch Gesunden durchgeführt werden. Nur bei entsprechender Ausbildung einer Peritonitis wird für wenige Tage eine Drainage eingelegt.Eine programmierte Lavage ist nur bei schwerer Peritonitis erforderlich.Ein protektives Deviationsileostoma wird nur bei gefährdeten Anastomosen angelegt. Findet sich hingegen eine ältere Peritonitis oder ein insgesamt stark reduzierter Allgemeinzustand, so sollte ein sog. Split-Stoma (gesonderte Ausleitung zweier Darmendigungen) angelegt werden. 4. Schwere therapierefraktäre Blutungen erscheinen vornehmlich im Rahmen einer Colitis-Crohn. Die operative Strategie ist von mehreren Faktoren abhängig wie: Allgemeinzustand des Patienten, Intaktheit des Kontinenzorgans und Ausprägung des Rektumbefalls. Bei schlechtem Allgemeinzustand und Pankolitis muss als erster operativer Schritt eine subtotale Kolektomie mit Anlage einer Sigmaschleimfistel oder eine primäre Ileorektostomie mit vorgeschaltetem protektivem Ileostoma erfolgen. Die primäre Ileorektostomie bietet als Vorteil, dass die technisch aufwändigere und mit einer höheren Morbidität behaftete Kontinuitätswiederherstellung entfällt. 5. Die toxische Kolitis mit beginnendem schweren septischen Krankheitsbild wird primär ebenfalls
Das M.-Crohn-assoziierte Rektum-/Fistelkarzinom stellt eine Rarität dar. Dennoch sollte bei langjährig andauerndem und rezidivierendem perianalen Fistelleiden in regelmäßigen Abständen eine Endosonographie des Analkanals und Rektums erfolgen, um ein Fistelkarzinom rechtzeitig zu erkennen. Wird die Indikation zur Proktektomie bei einer fraglichen Destruktion des Kontinenzorgans unter Stomaschutz in Betracht gezogen, muss vorher eine exakte Evaluation des muskulären Sphinkters durch Analmanometrie und Endosonographie erfolgen. Notfalleingriffe Der Notfalleingriff stellt bei der operativen Therapie des M. Crohn eine Ausnahmeindikation dar. Indikationen sind Ileus,Perforation,toxisches Colon und retroperitonealer Abszess bei blind endender Fistel. 1. Bei Ileussymptomatik sollte zunächst versucht werden, durch eine deutliche Steigerung der Kortisondosis und parenterale Ernährung eine Rekompensation des klinischen Bildes zu erreichen, da die Komplikationsrate beim Notfalleingriff wesentlich höher ist als beim Elektiveingriff. 2. Bei allen Abszedierungen muss über Inzision und Drainage eine Beruhigung der Entzündungssituation erreicht werden. Erst im Intervall sollte die definitive Versorgung und Sanierung angestrebt werden. Bei nichtseptierten und gut punktierba-
263 26.1 · Morbus Crohn SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
durch Kolektomie und Bildung einer Sigmaschleimfistel therapiert. Die Sigmaschleimfistel hat gegenüber dem Hartmannverschluss eine geringere Komplikationsrate [Penna 1993]. Die Kontinuitätswiederherstellung erfolgt zweizeitig unter den gleichen Prämissen (intaktes Kontinenzorgan) wie bei einer therapierefraktären Crohn-Colitis-Blutung. Laparoskopische Operationen bei M. Crohn Insbesondere auf Grund der großen Wahrscheinlichkeit eines weiteren operativen Eingriffes stehen M.Crohn-Patienten bedingt durch die kürzere Rekonvaleszenz und das kosmetische Ergebnis den laparoskopischen Verfahren offen gegenüber. Typen der minimal-invasiven Chirurgie bei M. Crohn Vollständig laparoskopisch durchgeführte Resektion. Bei dieser Technik wird die gesamte Operation
durch die geschlossene Bauchdecke durchgeführt. Nach Mobilisation des zu resezierenden Darmabschnittes werden die Gefäße geclipt und durchtrennt. Anschließend wird die Anastomose intrakorporal geklammert. Laparoskopisch assistierte Resektion. Im Gegensatz zur vollständig laparoskopisch durchgeführten Resektion erfolgen bei der laparoskopisch assistierten Resektion die Resektion und die Anlage der Anastomose vor der Bauchdecke, d. h. extrakorporal. Nach Mobilisation des zu resezierenden Darms wird über eine kleine Inzision der Darm vor die Bauchdecke verlagert.Die Wiederherstellung der Darmkontinuität erfolgt anschließend als End-zu-End-Anastomose. Der Gefahr der Bildung kleiner Blindsäcke, die verantwortlich für eine »Blind-loop-Kolitis« sein können, kann somit vorgebeugt werden [Bohm 1994]. Laparoskopische Stomaanlage. Als eigenständige Eingriffe kommen laparoskopische Stomaanlagen als Palliation sowie zur passageren Stuhldeviation bei schwerem anorektalem M. Crohn zum Einsatz. Auch wenn die weite Verbreitung der Technik bis dato noch ausgeblieben ist und damit randomisierte Vergleichsuntersuchungen fehlen, scheint die Rate an chirurgischen Komplikationen im Vergleich zum offenen Verfahren nicht erhöht [Schlemminger 1999]. Indikationen zur laparoskopischen Operation. Prin-
zipiell gelten für den minimal-invasiven Eingriff die gleichen Indikationen wie in der offenen Chirurgie.
26
Die stenosierende Ileitis, das Anastomosenrezidiv sowie Stenosen stellen ebenso wie die Pankolitis und rektovesikale und -genitale Fisteln Indikationen zur laparoskopischen Therapie dar. Intraabdominelle Abszesse sowie ein ausgedehntes Fistelleiden mit interenterischen oder enterokutanen Fisteln werden derzeit noch als Kontraindikation angesehen [Hildebrandt 1998]. Mit zunehmender Erfahrung können aber auch diese oft intraoperativ als Zufallsbefund erhobenen Krankheitsmanifestationen komplikationslos beherrscht werden [Canin-Endres 1999]. Absolute Kontraindikationen für die laparoskopische Therapie bei M. Crohn sind somit nur noch die akute Obstruktion/Ileus, die generalisierte Peritonitis und die toxische Kolitis. Komplikationen Laparoskopische Operationsverfahren bei M. Crohn gehen mit einer niedrigen Komplikationsrate einher [Hildebrandt 1995/1998; Alabaz 2000]. Nachteile laparoskopischer Verfahren Vorwiegend entzündliche Konglomerate,hochgradige Entzündungen und nichtlösbare Verwachsungen sind Gründe, die eine Konversion in bis zu 22% notwendig machen. Die entzündlichen Veränderungen bei M. Crohn mit äußerst fragilem Gewebe, verdicktem Mesenterium und zahlreichen Adhäsionen machen die laparoskopische Mobilisation des Darms sehr anspruchsvoll. Häufige Konsequenz ist eine prolongierte Operationszeit, welche jedoch mit zunehmendem Fortschreiten der operativen Fertigkeit und der Nutzung technischer Hilfsmittel (wie z. B. des Ultraschallskalpells) verkürzt werden dürfte. Wichtig Die allgemeinen Prinzipien der chirurgischen Therapie des M. Crohn müssen beachtet werden. Die Inspektion des gesamten Darms sowie die sparsame Resektion sollten auch bei unübersichtlichen Verhältnissen (stark entzündliche Veränderungen, Konglomerattumor) gewährleistet sein. Ist dies nicht eindeutig möglich, muss auf ein offenes Vorgehen umgestiegen werden.
Des Weiteren besteht bei laparoskopischen Operationen die Gefahr, dass sich entlang der Trokarinsertionsstellen enterokutane Fisteln ausbilden.
264
III
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Postoperative Rezidivprophylaxe Eine eindeutige Empfehlung zur Rezidivprophylaxe kann gegenwärtig nicht gegeben werden. Ein prophylaktischer Effekt von Mesalazin konnte nur für den isolierten Dünndarmbefall nachgewiesen werden [Lochs 2000; Sutherland 2000]. Die guten Remis26.2
sionserhaltungsdaten nach medikamentöser Schubtherapie mit Azathioprin lassen einen ebensolchen Effekt für das postoperative Rezidiv wahrscheinlich erscheinen [Fraser 2002]. Ein rezidivierend operationspflichtiger Patient sollte postoperativ mit Azathioprin behandelt werden.
Colitis ulcerosa
O. Schröder, K. Herrlinger, J. Stein
>>
26.2.1
Bei der Colitis ulcerosa handelt es sich um eine chronische Entzündung der kolorektalen Schleimhaut, die durch akute Exazerbationen mit oft blutigen Diarrhöen und Remissionen charakterisiert ist. Der Befall ist im Unterschied zum Befall bei M. Crohn in aller Regel kontinuierlich, vom Rektum ausgehend und kann unterschiedlich weitreichend nicht selten das gesamte Kolon, gelegentlich auch das terminale Ileum (»Backwash-Ileitis«), erfassen. Die Colitis ulcerosa führt in der Regel zu ausgedehnten Schleimhautulzerationen und in wechselnder Häufigkeit auch zu extraintestinalen Krankheitsmanifestationen.
Ätiologie und Pathogenese
Die Koinzidenz mit anderen Autoimmunerkrankungen in Verbindung mit dem Nachweis verschiedener Autoantikörper unterstreicht zunehmend die Hypothese, dass es sich bei der Colitis ulcerosa (wohl im Gegensatz zum M. Crohn) um eine Autoimmunerkrankung handelt. So lassen sich aus der kolorektalen Schleimhaut IgG-Autoantikörper gegen Darmepithelien isolieren.Die Dominanz von IgG1- und IgG3-Antikörpern, die sich v. a. bei Autoimmunreaktionen finden, und der Nachweis von perinukleären antineutrophilen zytoplasmatischen Autoantikörpern (pANCA) sprechen für dieses Konzept. Die pANCAs bei Patienten mit Colitis ulcerosa sind gegen verschiedene Antigene wie z. B. Myeloperoxidase, BPI, Lactoferrin oder Cathepsin gerichtet. Als Risikofaktoren werden ähnlich wie bei M. Crohn orale Kontrazeptiva, Ernährungsverhalten und psychosoziale Faktoren diskutiert, ohne dass die pathophysiologischen Zusammenhänge im Einzelnen hinreichend geklärt sind. Basierend auf Beobachtungen, dass Nichtraucher häufiger als Raucher an einer Colitis ulcerosa erkranken, wurde Nikotin (im Gegensatz zu M. Crohn) eine protektive Wirkung zugeschrieben. Als mögliche pathophysiologische Mechanismen werden ein veränderter mukosaler Blutfluss und/oder Änderungen der mukosalen Glykoproteinsynthese diskutiert.
26.2.2
Klinik und Diagnostik
Die Entzündungsreaktion beginnt im Rektum und breitet sich meist kontinuierlich nach proximal in das Kolon aus. Im Befallsmuster werden die Proktitis, die sog. Linksseitenkolitis mit Ausdehnung bis zur linken Flexur und die ausgedehnte Kolitis, die im Falle der Pankolitis bis zum Zäkum reichen kann, unterschieden. In etwa 10–20% der Fälle einer Pankolitis ist das terminale Ileum im Sinne einer Back-wash-Ileitis mitbeteiligt (5–25 cm,in seltenen Fällen bis zu 40 cm).Die in der Literatur beschriebenen segmentalen Manifestationen resultieren dabei offenbar aus einer diskontinuierlichen Remission oder weisen auf das Vorliegen einer indeterminierten Colitis hin [Stange 2001/2004]. Der Verlauf einer Colitis ulcerosa ist nicht vorhersehbar. Oft beginnt die Erkrankung schleichend mit Durchfall und blutig-schleimigen Stuhlbeimengungen, kann jedoch auch subakut oder akut verlaufen. Die klinischen Symptome sind von der Schwere und der Ausdehnung der Erkrankung abhängig. In leichteren Fällen, insbesondere bei alleinigem Befall des Rektums, stehen häufige kleinvolumige schmerzhafte Stuhlentleerungen (Tenesmen) mit Schleim- und Blutbeimengungen im Vordergrund. Bei ausgedehntem Kolonbefall treten wäßrig-schleimig-blutige Durchfälle mit Darmtenesmen auf. Die Stuhlfrequenz kann bis zu 30 Entleerungen/Tag betragen. Die abdominellen
26
265 26.2 · Colitis ulcerosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Beschwerden lassen häufig nach der Defäkation nach. Unspezifische Symptome sind Fieber, Anorexie, Gewichtsverlust. Extraintestinale Manifestationen können wie beim M. Crohn bestehen. Man unterscheidet zwischen der leichten, der mittel bis schweren und der fulminant-toxischen Form. Es kann zu kurz- oder langfristigen Remissionen,zum Übergang in eine chronische Form oder zu einem erneuten akuten Schub kommen. Wie beim M. Crohn gibt es auch bei der Colitis ulcerosa keinen idealen klinisch-chemisch oder endoskopischen Parameter zur Erfassung der Aktivität und des Schweregrades der Erkrankung.Auch hier hat sich die Einführung eines Scoring-Systems bewährt (Kolitisaktivitätsindex, CAI; ⊡ Tabelle 26.6). Unter den heute üblichen konservativ-therapeutischen Maßnahmen kommt es in etwa 70% der Fälle zu langandauernden Remissionen.Die Rezidivhäufigkeit ist dabei unabhängig von der Lokalisation und vom Ausmaß der Erkrankung,jedoch abhängig von der Art der Therapie. Daten über prognostische Faktoren zur Rezidivhäufigkeit gibt es nicht. In einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle (10–15%) dürfte das Rezidiv auf eine bakterielle und/oder virale Superinfektion zurückzuführen sein [Stallmach 2002]. Neben nichtsterioidalen Antirheumatika (NSAR) können Antibiotika und in seltenen Fällen auch 5-Aminosalizylate ein Rezidiv auslösen. Bei etwa 40% der Patienten beobachtet man einen intermittierenden Verlauf, der durch unterschiedlich lange Remissionsphasen, unterbrochen durch akute Schübe, charakterisiert ist. 5–15% der Kolitispatienten zeigen einen chronisch aktiven Verlauf, bei dem trotz Ausschöpfung aller konservativ-therapeutischen Möglichkeiten klinisch, laborchemisch und endoskopisch keine längerdauernde Remission erreicht werden kann. Die akut-fulminante Verlaufsform betrifft 1–6% aller Patienten mit Colitis ulcerosa, entweder als primäre akut-fulminate Attacke (25–40%) oder als akute Exazerbation einer bis dahin chronischen Verlaufsform. Manifestationen sind durch eine große Zahl an blutig-schleimigen Durchfällen,hohes Fieber mit septischem Krankheitsbild,Anämie,Dehydratation,Hypalbuminämie, Hypokaliämie, Distension und Druckschmerzhaftigkeit des Abdomens charakterisiert. Als Sonderform kann ein derartiges Krankheitsbild unter dem Aspekt eines toxischen Megakolons, einer transfusionspflichtigen und ggf. refraktären Blutung oder Dickdarmperforation imponieren.
⊡ Tabelle 26.6. Klinischer Aktivitätsindex bei Colitis ulcerosa (»clinical activity index«, CAI). (Mod. nach [Rachmilewitz 1989]) Punkteskala Anzahl der Stühle pro Woche <18 18–35 36–60 60
0 1 2 3
Blut im oder auf dem Stuhl (wöchentlicher Durchschnitt) Keines Wenig Viel
0 2 4
Allgemeinbefinden Gut Beeinträchtigt Schlecht Sehr schlecht
0 1 2 3
Bauchschmerzen Keine Leichte Mäßige Starke
0 1 2 3
Temperatur/Fieber infolge der Kolitis (°C) 37–38 0 >38 3 Extraintestinale Manifestationen Iritis Erythema nodosum Arthritis
3 3 3
Laborbefunde BSG >50 mm in der ersten Stunde BSG >100 mm in der ersten Stunde Hb <10,0 g/l
1 2 4
Wichtig Eine totale Koloskopie sollte auf Grund der hochgradigen Perforationsgefahr in diesen Fällen vermieden werden, wenn auch erfahrene Endoskopiker eine solche Prozedur als sicher einstufen. Andererseits ist die Beurteilung der distalen Abschnitte vollkommen ausreichend, sodass eine hohe Koloskopie erst nach Befundbesserung sinnvoll erscheint [Stange 2001/2004].
266
III
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Intestinale Komplikationen ▬ Massive Blutung: Sie ist selten (3%) und tritt v. a. bei Linksseitenkolitis auf. ▬ Stenosen: Im Gegensatz zum M.Crohn finden sich bei der Colitis ulcerosa nur selten Strikturen oder Stenosen (6–12%). Ihre Häufigkeit steigt mit zunehmender Ausdehnung (Rekum: 3,6%, Rektum und linkes Kolon: 7,5%, Rektum und Kolon: 17%). ▬ Perforation: Eine freie Perforation ist praktisch nur beim toxischen Megakolon zu beobachten. Weitaus häufiger sind gedeckte Perforationen, die oftmals Ausgangspunkte periproktitischer Abszesse und Analfisteln darstellen. ▬ Prästomale Ileitis, Pouchitis. Diagnose und Differenzialdiagnose Neben der oft typischen Anamnese erlauben endoskopische Verfahren (Proktorektoskopie und Koloskopie) mit Biopsien, radiologische Untersuchungen (Kolondoppelkontrasteinlauf) und neuerdings sonographische Methoden die Diagnose. Klinisch-chemische Verfahren (BSG, Leukozytose, Thrombozytose, hypochrome Anämie, Hypalbuminämie und Hypokaliämie sowie CRPErhöhung) dienen wie beim M.Crohn der Verlaufskontrolle und Erfassung etwaiger Komplikationen.Wie bei M. Crohn gehört zur Diagnostik eine mikrobiologischserologische Abklärung möglicher darmpathogener Keime, die sowohl Untersuchungen des Stuhls als auch serologische Untersuchungen beinhalten sollte. Als wichtigste Differenzialdiagnose kommt ein M. Crohn des Dickdarms in Betracht, der häufig schwierig abzugrenzen ist.Zunehmend problematisch erweisen sich bakterielle und parasitäre Kolitiden, die ein ähnliches Bild hervorrufen können. Speziell sollte auf eine Infektion des Intestinaltrakts mit Salmonellen, Shigellen, CMV oder Cryptosporidien geachtet werden, die auch als fulminanter Verlauf bis hin zum toxischen Megakolon in Erscheinung treten können. Als weitere, wenn auch seltenere Differenzialdiagnosen, sind die kollagene, chemisch-induzierte und die Strahlenkolitis zu nennen. 26.2.3
Konservative Therapie
Eine spezifische Therapie der Colitis ulcerosa gibt es auf Grund der bislang noch immer ungeklärten Ätiopathogenese nicht.Die Behandlung ist symptomatisch antiinflammatorisch ausgerichtet, abhängig von der Krankheitsaktivität, dem Vorhandensein von Komplikationen sowie Lokalisation und Ausdehnung der Erkrankung.Eine vermeintliche Heilung bringt nur eine
totale Proktokolektomie, wobei das erhöhte Risiko einer Pouchitis auf die fortbestehende Veranlagung zur Entzündung hinweist. Remissionsinduktion – Standards Die Kortikosteroide sind neben 5-ASA-freisetzenden Präparaten Medikamente der 1.Wahl in der Behandlung eines akuten Colitis-Schubes. Noch deutlicher als bei M. Crohn bestimmen jedoch Ausdehnung und Lokalisation das therapeutische Vorgehen (⊡ Tabelle 26.7). Proktitis/linksseitige Kolitis Therapieform der 1.Wahl bei distaler Kolitis ist die topische Applikation in Form 5-ASA- bzw. kortikoidhaltiger Einläufe (⊡ Abb. 26.8). Die minimale, aber auch ausreichende lokale Dosis zur Erzielung einer Remission beträgt 1 g 5-ASA/ Tag. Höhere Dosen bis 4 g/Tag sind nicht wirksamer [Marhall 1995]. Bei gleicher Wirksamkeit werden bei Proktitis Suppositorien mit 5-ASA (z. B. Salofalk 500 mg) oder Steroidschäume (z. B. Colifoam Rektalschaum) besser vertragen als Klysmen (z. B. Salofalk Klysmen, Betnesol), während bei Linksseitenkolitis Einläufen gegenüber dem Schaum der Vorzug gegeben wird. 5-ASAPräparate können zusätzlich oral gegeben werden, da neueren Studien zufolge die Kombination von oraler und topischer Mesalazingabe der alleinigen topischen Therapie überlegen zu sein scheint [d’Albasio 1997]. Bei Nichtansprechen sollte eine lokale Kombinationsbehandlung mit 5-Aminosalyzilaten und Steroiden durchgeführt werden. In zahlreichen Studien erwiesen sich Budesonideinläufe (2 mg/Tag) im Vergleich zu systemisch wirksamen Steroiden als mindestens gleichwertig, führen jedoch zu deutlich weniger systemischen Nebenwirkungen. Die empfohlene Behandlungsdauer liegt bei ≥ 4 Wochen [Lindgren 2002]. Erst bei Versagen der topischen Therapie sollten die Steroide oral verabreicht werden. Ob sie generell auch einer topischen Applikation von 5-ASA überlegen sind, ist umstritten. Dabei erweist sich die Kombination von Beclometasondipropoionat (Betnesol) mit Mesalazin wirksamer als die Kombination der Einzelsubstanzen [Mulder 1996]. Wichtig Die Primärbehandlung des schweren Schubes einer distalen Kolitis sollte mit oralen systemisch wirksamen Steroiden erfolgen. Dieses kann mit einer lokalen Anwendung von Mesalazin kombiniert werden [Stange 2001/2004].
26
267 26.2 · Colitis ulcerosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 26.7. Medikamentöse Remissionsinduktion bei Colitis ulcerosa Therapie
Evidenzgrad
Distale Kolitis (leichte bis mittlere Aktivität) Standard
Aminosalizylate (lokal) 0,5–1,5 g/Tag Suppositorien 1–4 g/Tag Klysmen Evtl. plus Aminosalizylate (oral) 3–4,8 g/Tag
Ia
Bei Nichtansprechen zusätzlich
Kortikosteroide (lokal), als Schaum oder Klysma, z. B. Budesonid 2 mg/Tag
Ib
Bei erneutem Nichtansprechen
Zusätzlich Kortikosteroide 1 mg/kgKG Prednisolonäquivalent (oral)
IV
Distale Kolitis (schwere Aktivität)
Zusätzlich Kortikosteroide 1 mg/kgKG Prednisolonäquivalent (oral)
Ib
Ib
Remissionsinduktion der ausgedehnten Colitis ulcerosa Ausgedehnte Kolitis mit leichter bis mittlerer Aktivität
Aminosalizylate 3–4,8 g/Tag (oral)
Ia
Ausgedehnte Colitis mit schwerer Aktivität bzw. fulminantem Verlauf
Kortikosteroide 1 mg/kgKG Prednisolonäquivalent (oral oder parenteral) Evtl. zusätzlich Aminosalizylate 3–4,8 g/Tag (oral)
Ib
Falls steroidrefraktär zusätzlich
Cyclosporin (Dauerinfusion) 4 mg/kgKG über 24 h Alternativ Takrolimus 0,1 mg/kgKG (oral) oder 0,01 mg/kgKG (i.v.)
Ib IIb
Chronisch aktiver Verlauf
Azathioprin 2–2,5 mg/kgKG (oral)
Ia
IV
Die Steroide können oral oder i.v.in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand des Patienten verabreicht werden. Im Bereich von 40–100 mg finden sich keine nennenswerte Unterschiede in der Wirkung der verschiedenen Kortikosteroide.
⊡ Abb. 26.8. Algorithmus Remissionsinduktion bei distaler Colitis ulcerosa
Ausgedehnte Kolitis Breitet sich die Erkrankung proximal über die linke Flexur hinaus aus, ist eine rektale Applikation zunehmend unzureichend. Bei leichter oder mittlerer Aktivität der Colitis ulcerosa bietet sich die orale Gabe von Salazosulfapyridin (SASP, 3–4 g/Tag) oder 5-Aminosalizylsäure (5-ASA, 3–4,8 g/Tag) an (⊡ Abb. 26.9). Bei Therapieversagen oder Unverträglichkeit der Aminosalizylate ist der Einsatz systemischer Steroide gerechtfertigt. Hierbei hat sich eine Dosis von 1 mg/kgKG Prednisolonäquivalent durchgesetzt, bei fehlendem Nachweis einer Dosis-Wirkungs-Beziehung.
268
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 26.9. Algorithmus Remissionsinduktion bei ausgedehnter Colitis ulcerosa
III
Wichtig Der schwere Schub einer ausgedehnten Kolitis sollte primär mit systemischen Steroiden behandelt werden.
Die Ansprechrate liegt bei milden bis mittelschweren Verläufen bei 80–85%, bei sehr schweren Schüben allerdings nur bei ca. 50%. Eine Teilung der Steroiddosis hat keinen Vorteil erbracht. Die Dosisreduktion richtet sich nach dem klinischen Verlauf, insbesondere dem Rückgang der blutigen Diarrhöen. Ist innerhalb eines Zeitraumes von 3 Tagen keine Besserung zu beobachten, muss die Therapie intensiviert werden ( s. Steroidresistenz bzw. fulminanter Schub). Fulminanter Schub – toxisches Megakolon Der fulminante Schub ist als schwerer Schub mit systemischer Beteiligung wie Fieber und Anämie aufzufassen. Entscheidende Symptome sind blutige Diarrhöen (>10/Tag), Fieber >38,5°C und reduzierter Allgemeinzustand sowie Gewichtsabnahme [Stange 2001/2004)]. Wichtig Führt eine systemische Steroidtherapie dabei zu keinem primären Behandlungserfolg, besteht die Indikation zur Therapie mit schnell wirksamen Immunsuppressiva wie Cyclosporin oder Tacrolimus, um eine Notfallkolektomie zu vermeiden.
Etabliert ist dabei die i.v.-Dauertherapie mit Cyclosporin. In der bisher einzigen placebokontrollierten Studie konnten mit Cyclosporin in einer Dosis von 4 mg/kg KG/Tag als Dauerinfusion bei 80% der Patienten im Mittel nach 7 Tagen eine Remission erreicht werden [Lichtiger 1994]. Bei Patienten mit schwerem Schub, die Kontraindikationen für eine hochdosierte Sreroidgabe aufweisen, kann Cyclosporin auch als Initialtherapie gegeben werden [D’Haens 2001]. Dabei scheint die niedrigere Dosis von 2 mg/kgKG der höheren Dosis gleichwertig zu sein [van Assche 2003]. Eine Alternative zu Cyclosporin stellt das Makrolid Takrolimus (i.v.-Dosis 0,01–0,02 mg/kgKG bzw.oral 0,1–0,2 mg/kgKG [Fellermann 1998/2001; Baumgart 2003]). Mit Cyclosporin/Tacrolimus lässt sich kurzfristig bei 3/4 der Patienten,langfristig immerhin bei 50% der Patienten eine Kolektomie vermeiden. Problematisch erweist sich die Anschlusstherapie: Überlappend sollte eine Therapie mit Azathioprin (2,0–2,5 mg/kgKG/Tag) eingeleitet werden [Actis 2001, Domenech 2002].Cyclosporin bzw.Tacrolimus sollten dann während der folgenden 3–6 Monate ausgeschlichen werden. Während der Zeit der Dreifachimmunsuppression (Steroide, Cyclsporin/Tacrolimus, Azathioprin) ist erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich infektiöser Komplikationen geboten. Eine Prophylaxe vor Pneumocystis carinii in Form von Cotrimoxazol wird empfohlen. In jedem Einzelfall muss bei diesem schwerstkranken Patientenkollektiv der steroidrefraktären Colitis ulcerosa eine enge interdisziplinäre Zusam-
269 26.2 · Colitis ulcerosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
menarbeit zwischen Internisten und Chirurgen stattfinden. Wichtig Unter keinen Umständen darf bei Versagen der immunsuppressiven Therapie der richtige Zeitpunkt zur Kolektomie versäumt werden.
Remissionsinduktion – Ausblick Neueren Unteruchungen zufolge ist die Konzentration von SCFA bei Colitis ulcerosa – wie bei der Diversionskolitis – reduziert. Therapieversuche mit Butyrateinläufen zeigten allerdings in der einzigen kontrollierten Studie keinen überzeugenden therapeutischen Effekt [Vernia 2003].Ebenfalls nicht wirksam ist die topische Applikation von Cyclosporin bei Linksseitencolitis [Sandborn 1994]. Einer kleinen unkontrollierten Studie zufolge hat die Gabe des Steroidhormons Dehydroepiandrosteron einen positiven Effekt auch bei steroidrefraktärer Colitis ulcerosa [Klebl 2003]. Diese Daten müssen allerdings in einer kontrollierten Studie bestätigt werden. Die bisher einzige kontrollierte Studie zum Einsatz von Infliximab bei der Colitis ulcerosa war negativ [Probert 2003]. Eine nicht überzeugende unkontrollierte Studie zum Anti-TNF-Antikörper CDP 571 [Evans 1997] ist bisher nicht in kontrollierter Form wiederholt worden [Askobeng 2004]. Eine Reihe weiterer »biologischer« Therapeutika ist wie beim M. Crohn auch bei der Colitis ulcerosa eingesetzt worden.Kleinere unkontrollierte Fallserien liegen vor zu Interferon-b [Musch 2002], dem AntiCD25-Antikörper Basiliximab [Creed 2003] und dem Anti-Interleukin-2-Rezeptor-Antikörper Daclizumab [van Assche 2003]. Diese Therapien haben derzeit experimentellen Charakter. Die Gabe von Keratinozytenwachstumsfaktor, einer Substanz, die im Tiermodell entzündungshemmend wirkt, hat sich in einer kontrollierten Studie als unwirksam erwiesen [Sandborn 2003]. Auch unwirksam ist die Applikation von pegyliertem Interferon-a [Tilg 2003]. Die Wirksamkeit einer Therapie mit unfraktioniertem oder fraktioniertem Heparin ist nicht belegt und wird daher nicht empfohlen [Stange 2001/ 2004]. Bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und intestinalen Blutungen werden häufig erniedrigte Spiegel der Faktor-XIII-Aktivität und des Faktor-XIIaAntigens gefunden; die Substitution von Faktor-XIII hat sich allerdings als nicht vorteilhaft erwiesen [Bregenzer 1999].
26
Chronisch aktiver, steroidabhängiger Verlauf – Standards In der Behandlung der chronisch aktiven Verlaufsform der Colitis ulcerosa mit Steroidabhängigkeit ( s. M. Crohn) ist neben der Option einer Kolektomie lediglich die Gabe von Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin als Therapie etabliert [Hawthorne 1992; George 1996]. Die Dosis liegt bei 2–2,5 mg/kgKG/Tag (Kinder 1,5 mg/kgKG/Tag) für Azathioprin bzw. bei 1,0 mg/ kgKG/Tag für 6-Mercaptopurin (Kinder 1 mg/kgKG/ Tag), zur optimalen Therapiedauer gibt es keine prospektiven Daten, anhand von retrospektiven Beobachtungen lässt sich eine empfohlene Mindesttherapiedauer von 3–5 Jahren ableiten [Fraser 2002; George 1996]. Bei Patienten, die unter adäquter Therapie einen chronisch aktiven Verlauf von >6 Monaten zeigen, ist, ebenso wie bei Kindern mit einer Wachstumsretardierungs >1 Jahr, der Operation der Vorzug zu geben [Stange 2001/2004]. Chronisch aktiver, steroidabhängiger Verlauf – Ausblick Mehrere Therapiealternativen zum »golden standard«,der Thiopurintherapie,sind untersucht worden. Einer negativen kontrollierten Studie zu MTX in der Therapie der Colitis ulcerosa [Oren 1996], die mit 15 mg/Woche unterdosiert war, stehen eine Reihe von positiven Fallserien [Kozarek 1989; Mate-Jimenez 2000; Paoluzi 2002] gegenüber, die über eine Wirksamkeit bei der chronisch aktiven Colitis ulcerosa berichten, sodass bei Versagen oder Unverträglichkeit einer Thiopurintherapie ein Versuch mit Methotrexat in einer Dosis von 20–25 mg/Woche i.m. oder s.c. unternommen werden kann [Stange 2001/2004]. Es gelten die gleichen Kriterien für Toxizitätskontrollen und Folsäuresubstitution wie beim M. Crohn [Schröder 2003]. Auch wenn bisher nur in unkontrollierten Studien gezeigt, scheint Tacrolimus nicht nur im steroidrefraktären Verlauf der Colitis ulcerosa ( s.o.) sondern auch bei Patienten mit Steroidabhängigkeit [Baumgart 2003] wirksam zu sein. Obwohl eine Azathioprin-kontrollierte Studie eine Wirksamkeit von Mycophenolat »Mofetil« suggerierte [Neurath 1999],konnten die positiven Ergebnisse in einer Reihe von unkontrollierten Folgestudien nicht bestätigt werden [Fellermann 2000; Skelly 2002; Ford 2003], sodass ein Einsatz dieses Medikaments nicht empfohlen werden kann. Die additive Gabe von Ciproflaxacin zu einer Steroidtherapie zeigte in einer kontrollierten Studie über
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Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
6 Monate einen positiven Effekt [Turunen 1998], eine Bestätigung dieser Studie steht allerdings noch aus, sodass der Einsatz nicht außerhalb von Studien empfohlen wird.
III
Remissionserhaltung – Standards Im Gegensatz zum M. Crohn ist bei der Colitis ulcerosa auch beim unkomplizierten Verlauf eine remissionserhaltende Therapie indiziert. (Ausnahme: Patienten mit einer Remissionszeit >2 Jahre). Es gilt als gesichert, dass die Gabe von SASP (2 g/Tag) die Rezidivrate um bis zu 50% vermindern kann. Inzwischen liegen ähnliche Daten für neuere 5-ASA-freisetzende Präparate vor. Der Vergleich zwischen oraler 5-ASA und SASP in einer Metaanalyse ergab zwar einen Vorteil zugunsten von SASP [Sutherland 2002], allerdings wurden überwiegend Patienten in diese Studien eingeschlossen, die dieses Medikament vertragen konnten.Unter Berücksichtigung der besseren Verträglichkeit von 5-ASA werden beide Medikamente von der Deutschen Konsensuskonferenz als gleichwertig erachtet [Stange 2001/2004]. Auch die rektale Applikation von 5-ASA zeichnet sich durch einen remissionserhaltenden Effekt aus.Der Vergleich verschiedener 5ASA-Präparatationen ergab keine wesentlichen Unterschiede bzgl. der Rezidivraten [Marhall 1995].
ren remissionserhaltenden Therapie ist nicht belegt. Bei dieser Entscheidung sollte der bisherige Krankheitsverlauf (Anzahl der Rezidive, Dauer der Remission) und der Aspekt der Karzinomprävention berücksichtigt werden (⊡ Abb. 26.10). Remissionserhaltung – Versagen der Primärtherapie Auf Grund der beschränkten Datenlage kann derzeit kein gesichertes Stufenschema zur Intensivierung der Behandlung bei Versagen der Primärtherapie gegeben werden. Entsprechend den Leitlinien der DGVS wird vorgeschlagen: ▬ Kombinationstherapie oral/rektal (falls bisher Monotherapie), ▬ Erhöhung der 5-ASA-Dosierung auf 3 g/Tag als Dauertherapie. Remissionserhaltung – Karzinomprophylaxe Nach langjährigem Krankheitsverlauf und ausgedehnter Colitis (8–10 Jahre bei Pankolitis,12–15 Jahren nach Linksseitenkolitis) besteht bei der Colitis ulcerosa ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom. Eine effektive konservative Therapie scheint dieses Risiko zu senken. Ob sich die Gabe von 5-ASA-Präparaten durch einen zusätzlichen protektiven Effekt auszeichnet, ist noch umstritten.
Wichtig Mittel der 1. Wahl in der Remissionserhaltung der Colitis ulcerosa sind damit Aminosalizylate oral und/oder rektal (⊡ Tabelle 26.8.).
Die remissionserhaltende Therapie sollte mindestens 2 Jahre durchgeführt werden. Der Nutzen einer weite-
Remissionserhaltung – Ausblick In mehreren kontrollierten Studien der remissionserhaltenden Therapie mit 5-ASA äquivalent ist die Gabe von apathogenen E.-coli-Nissle (2¥100 mg/Tag [Kruis 1997/2001; Rembacken 1999]). Somit stellt E.-coliNissle eine Alternative insbesondere bei Patienten mit Unverträglichkeit gegenüber 5-Aminosalizylaten dar.
⊡ Tabelle 26.8. Medikamentöse Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa Therapie
Evidenzgrad
Standard
Aminosalizylate (oral), 1–2 g/Tag
Ia
Bei distalem Befall
Aminosalizylate (lokal), 0,5–1,5 g/Tag Suppositorien, 1–4 g/Tag Klysmen
Ia
Falls unverträglich
E.-coli-Nissle (oral), 200 mg/Tag
Ia
Nach fulminantem Schub und mit Cyclosporin bzw. Takrolimus induzierter Remission
Azathioprin (oral), 2–2,5 mg/kgKG
IIb
Cave: Opportunistische Infektionen unter initialer Dreifachimmunsuppression!
271 26.2 · Colitis ulcerosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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⊡ Abb. 26.10. Algorithmus Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa
Ebenfalls wirksam scheint der Einsatz mit Plantago ovata zu sein [Fernandez-Banares 1999], hier stehen allerdings noch bestätigende Studien aus. Keine Evidenz für eine therapeutische Wirksamkeit findet sich für orales Budesonid, Leukotrienantagonisten, Cromoglyzinsäure, transkutane Nikotintherapie sowie Weihrauchpräparate [Stange 2001/2004]. Pouchitis Eine Herausforderung stellt die sog. Pouchitits nach Proktokolektomie mit ileopouchanaler Anastomose dar. Die Inzidenz einer akuten Pouchitis wird bis zu 18% innerhalb des ersten Jahres nach Operation,bis zu 30% innerhalb der ersten 2 Jahre und im Langzeitverlauf mit bis zu 50% nach 10 Jahren angegeben. Bei ca. 5–10% der Patienten geht die akute Pouchitits in eine chronische Form über.Unkontrollierte Therapieversuche mit wechselhaftem Erfolg hat es mit einer Vielzahl von Medikamenten gegeben. Zur Therapie der Pouchitis existiert eine Metaanalyse [Sandborn 2000]. In der Therapie der akuten Pouchitis hat sich das Antbiotikum Metronidazol (2- bis 3¥400 mg/Tag) als effektiv erwiesen. In einer kleinen nicht geblindeten Studie war Ciprofloxazin (2¥250–500 mg/Tag) dem Metronidazol sogar in Hinblick auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen überlegen [Shen 2001]. Eine effektive Alternative scheinen Budesonideinläufe darzustellen [Tremaine 1997]. Im Falle einer chronisch-aktiven Verlaufsform der Pouchitis scheinen Antibiotikakombinationen von Metronidazol/Ciprofloxazin über 4 Wochen [Mimura 2002] oder Rifaximin/Ciprofloxazin über 2 Wochen [Gionchetti 1999] wirksam zu sein. Nicht wirksam sind Wismutheinläufe. Weiterhin nicht empfohlen
werden auf Grund der mangelhaften Studienlage die Applikation von Butyrat- und Glutaminsuppositorien. In der Remissionserhaltung der chronischen Pouchitis hat sich der probiotische Bakteriencocktail VSL-3 in einer Dosierung von 2¥3 g/Tag als hochwirksam erwiesen [Gionchetti 2000], die einmalige Gabe von 6 g/Tag scheint ebenfalls effektiv zu sein [Mimura 2004]. Die prophylaktische Gabe von VSL-3 scheint das Auftreten einer Pouchitis effektiv verhindern zu können [Gionchetti 2003], allerdings wird eine generelle prophylaktische Therapie von der Deutschen Konsensuskonferenz nicht empfohlen [Stange 2001/2004]. 26.2.4
Chirurgische Therapie
H. J. Buhr, A. J. Kroesen Nur etwa 20% aller an Colitis ulcerosa erkrankten Patienten bedürfen während ihrer Krankheitsgeschichte einer Operation. Dies macht eine differenzierte Indikationsstellung für eine Operation notwendig, sie muss bei 4 Problemkreisen der Erkrankung in enger Kooperation mit dem Gastroenterologen gestellt werden. Operationsindikation Therapierefraktärer Verlauf Die häufigste Operationsindikation stellt das Versagen einer konservativen Therapie mit chronisch rezidivierendem Verlauf dar. Hier sollte die Indikation großzügig gestellt werden, da die häufigen Klinikaufenthalte und die zunehmenden Medikamenten-
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III
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nebenwirkungen die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, zu einer Desozialisierung führen und mit zunehmender Erkrankungsdauer das Karzinomrisiko steigt (Lebensqualitätsstudie CyA vs. Op von Lowry favorisiert eher den konservativen Therapiearm). Gerade bei einem chronisch rezidivierenden therapierefraktären Verlauf kann durch die Wahl des richtigen Operationszeitpunktes zwischen 2 Schüben ein guter Therapieerfolg erzielt werden [Heuschen 2001a/b]. Medikamentennebenwirkungen Neben den weniger ausgeprägten Nebenwirkungen der 5-Aminosalicylate führt besonders das Kortison bei Langzeit- und Hochdosisanwendung zu erheblichen Nebenwirkungen. In der aktuellen Literatur wird die Indikation zur IAP bei therapierefraktärem Verlauf und bei Medikamentennebenwirkungen in ca. 60% gestellt [Buhr 1993/1994]. Kolitis-assoziiertes-Karzinom Nach 10 Jahren erhöhen sich Kolitiskarzinome auf einen Anteil bis zu 1%, nach 30 Jahren Erkrankungsdauer steigt dieser Anteil auf bis 17%. Bei Vorliegen einer Pankolitis ist das Entartungsrisiko auf das 14,8fache erhöht. Die Karzinome können in allen Abschnitten des Kolons auftreten. Verdächtig auf ein Karzinom ist das Vorliegen von intraepithelialen Neoplasien.Daher muss bei allen Patienten mit einer Risikokonstellation (Erkrankungsdauer >8 Jahre,Pankolitis >15 Jahre Linksseitenkolitis) eine jährliche Koloskopie mit Stufenbiopsien durchgeführt werden (Leitlinien der DGVS [Porschen 2001]). Die Indikation zur Koloproktomukosektomie und ileoanaler Pouchanlage muss bei Vorliegen von hochgradigen intraepithelialen Neoplasien gestellt werden. Bei niedriggradigen intraepithelialen Neoplasien kann gemäß neuerer Erhebungen risikoarm zugewartet werden. Dies setzt die Bestätigung durch 2 unabhängige Referenzpathologen und die ordnungsgemäße Biopsieentnahme (4 Biopsien alle 10 cm aus dem gesamten Kolon) voraus. Wichtig Bei einer anamnestischen Risikokonstellation in Kombination mit einer Stenose, die bei der histologisch gesicherten Colitis ulcerosa immer hochgradig karzinomverdächtig ist, sollte die Indikation zur Kolektomie gestellt werden.
Notfallindikationen ▬ Toxischer Verlauf, ▬ therapierefraktäre Blutung, ▬ kolitisbedingte Kolonperforation. Besondere Wertigkeit erlangen die Notfallindikationen unter Berücksichtigung ihrer perioperativen Morbidität und Letalität [Buhr 1993/1994; Hurst 1995]. Die Indikation zur Operation muss im Notfall früh genug erfolgen, um so die Morbiditäts- und Mortalitätsrate der zumeist jungen Patienten möglichst gering zu halten. Toxischer Verlauf Der toxische Verlauf ist eine gefährliche Notfallsituation. Es wird postuliert, dass durch die schwere Entzündungsreaktion im Kolon Bakterientoxine ungehindert in die Blutbahn gelangen, in der Folge kommt es zu einer schweren Sepsis. Die einzige Möglichkeit einer effektiven Therapie besteht in einer subtotalen Kolektomie mit Loop-Ileostomaanlage. Ein langdauernder konservativer Therapieversuch muss auf Grund der hohen Letalität des Krankheitsbildes unbedingt vermieden werden. Wichtig Das sog. Turnbull-Verfahren, bei dem multiple Kolostomata zur Entlastung des Kolons angelegt wurden, ist heute obsolet.
Kolonperforation Die in 16,7% aller Notfallindikationen vorkommende freie Perforation des Kolons erfordert ebenfalls eine sofortige Kolektomie [Buhr 1993]. Das Rektum wird entweder blind verschlossen oder als Sigmaschleimfistel im Hautniveau ausgeleitet. Nur bei gedeckter Perforation mit Ausbildung eines intraabdominellen Abszesses kann zunächst eine interventionelle oder chirurgische Abszessdrainage durchgeführt und erst im Intervall die definitive Versorgung in Form einer Kolektomie angegangen werden. Blutung Erhebliche peranale Blutungen mit einem Transfusionsbedarf von mehr als 4 EK/24 h erfordern ebenfalls eine Kolektomie.Die ileoanale Pouchanlage kann dann je nach den lokalen Gegebenheiten und nach dem Allgemeinzustand zwei- oder dreizeitig folgen [Buhr 1994].
273 26.2 · Colitis ulcerosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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Ileoanaler Pouch Die Koloproktomukosektomie mit ileoanaler Pouchanlage (IAP) stellt das Standardverfahren zur Behandlung der komplizierten Colitis ulcerosa dar. Daher soll im Folgendem in erster Linie auf dieses Verfahren eingegangen werden. Operationstechnik Die Operation gliedert sich in die ablative und die rekonstruktive Phase. Unter Erhalt des großen Netzes wird von abdominell die Kolektomie mit Teilproktektomie durchgeführt. Auf den Erhalt des terminalen Ileums einschließlich der Versorgung der A. ileocolica wird sorgfältig geachtet. Die Mukosektomie erfolgt in der Regel transanal. Nach Unterspritzung der Rektumschleimhaut mit POR-8-Lösung (katecholaminhaltig) von der Linea dentata aus, wird an der Linea dentata die Schleimhaut inzidiert und eine Mukosektomie über 1–2 cm vorgenommen (⊡ Abb. 26.11). Die muskuläre Rektumwand wird an dieser Stelle durchtrennt. In der rekonstruktiven Phase ist die vollständige Mobilisierung des terminalen Ileums und der Mesenterialwurzel erforderlich. Zusätzlichen Längengewinn erreicht man durch die Durchtrennung des Mesenteriums und Unterbindung zentraler Äste der A. mesenterica superior unter Schonung der Gefäßarkade und der A. ileocolica. Die Reservoirbildung erfolgt durch Umschlagen eines 15 cm langen Ileumschenkels unter breiter Entero-enteroAnastomose mit GIA-Staplern als J-Pouch. Der so gebildete Pouch hat eine Fassungsvermögen von 100–150 ml. Anschließend wird der Pouch nach intrapelvin verlagert und die ileoanale Anastomose angelegt, entweder als transanale Einzelknopf-Handnaht oder nach zuvoriger intersphinktärer Dissektion durch eine Stapler-Anastomose. Operative Strategie In der Regel wird die IAP zweizeitig durchgeführt: 1. Koloproktomukosektomie, ileoanaler Pouch, Loop-Ileostoma; 2. Ileostomarückverlagerung. Für bestimmte Sonderkonstellationen wird ein dreizeitiges Verfahren angewandt: 1. Kolektomie mit Rektumblindverschluss nach Hartmann, Loop-Ileostomaanlage; 2. Restproktomukosektomie, ileoanale Pouchanlage; 3. Ileostomarückverlagerung.
⊡ Abb. 26.11. Ausmaß der Mukosektomie bei Pouchanlage mit Koloproktomukosektomie
Eine Indikation für ein dreizeitiges Vorgehen besteht bei toxischem Megakolon, hoher präoperativer Kortisondosis mit Cushingoid und bei erheblich reduziertem Allgemeinzustand des Patienten. Kontraindikationen Kontraindikationen zur IAP sind der M. Crohn, ein tiefsitzendes Rektumkarzinom,ein septischer Prozess im kleinen Becken und eine nichttherapierbare Analsphinkterinkontinenz. Eine präoperativ bestehende Analsphinkterinkontinenz muss genau analysiert werden, da durch neuere Verfahren, wie z. B. die dynamische Gracilisplastik, hier vielversprechende Alternativen bestehen könnten. Bei Inkontinenz durch ein isoliertes postpartales Trauma ist auch eine primäre Analsphinkternaht möglich. Im wesentlich ist die IAP heutzutage standardisiert. Jedoch werden 2 technische Punkte gegenwärtig kontrovers diskutiert: ▬ Ileoanale Anastomose durch eine Handnaht oder Stapling? ▬ Genereller Verzicht auf protektives Ileostoma? Handnaht oder Stapling? Die Problematik, ob die ileoanale Anastomose durch Handnaht oder Stapling erfolgen soll, wurde zwar in vielen Publikationen behandelt,jedoch wird in der Regel von prospektiven Serien des einen oder anderen Verfahrens berichtet. Lediglich eine ältere prospektiv
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III
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
randomiserte Studie verglich die beiden Verfahren prospektiv randomisiert [Choen 1991].Die Analyse erbrachte weder hinsichtlich der Morbidität noch hinsichtlich des funktionellen Ergebnisses einen Vorteil für eines der beiden Verfahren. Vor allem die bessere Kontinenz sehen die Befürworter des Staplings in dem Erhalt der für die Diskrimination wichtigen Transitionalzone begründet. Demgegenüber kann bei der Stapler-Anastomose nicht mit gleicher Sicherheit eine komplette Mukosektomie erfolgen. Durch die inkomplette Mukosektomie persistiert das Risiko eines Kolitiskarzinoms.Es konnte gezeigt werden, dass bei 25% der Patienten nach Mukosektomie wegen Epitheldysplasien noch Dyplasien in der Rektummucosa nachweisbar waren [Tsunoda 1991]. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass in der retinierten Rektummukosa eine Kolitis exazerbiert; Entwicklung einer in 33,2% der Fälle moderaten und in 2,3% schweren Kolitis [Lavery 1995]. Um hier eine eindeutige Klärung zu bringen, sind sicherlich weitere große prospektiv randomisierte Studien erforderlich. Protektives Ileostoma Von mehreren Autoren wurde bereits die Möglichkeit der einzeitigen IAP unter Verzicht auf ein protektives Loop-Ileostoma berichtet. Für Fälle, die einen unkomplizierten Verlauf versprechen, ist dies auch sicherlich eine gute Alternative. Jedoch sollte das einzeitige Verfahren nicht auf alle Indikationen ausgeweitet werden, da insbesondere Patienten in der Notfallsituation und unter hoher präoperativer Kortisonmedikation in schlechtem Allgemeinzustand hohe Komplikationsraten erwarten lassen. In einer prospektiv randomisierten Studie wurde an je 50 Patienten die perioperative Morbidität untersucht [Tjandra 1993].Hierbei zeigte sich,dass die Anastomoseninsuffizienzrate bei Verzicht auf ein protektives Ileostoma 14 vs. 4% und die Relaparatomierate 6 vs. 0% betrug. Die Datenlage spricht gegen ein generelles einzeitiges Vorgehen bei der IAP. Persönliche Erfahrungen und auch größere prospektive Serien zeigen jedoch, dass unter den oben genannten Voraussetzungen auf ein Stoma verzichtet werden kann. Zusätzliche Verfahren Ileorektale Anastomose Früher eine wichtige Therapieoption, stellt die ileorektale Anastomose heute nur noch eine Ausnahmeindikation dar. Die einzige Indikation ist der noch
junge Patient, da nach ileoanaler Pouchoperation Potenz- (1,8%) und Ejakulationsstörungen (5,8%) auftreten können [Dozois 1993]. Kock-Pouch (kontinentes Ileostoma) Beim Kock-Pouch wird über einen aus Dünndarm konstruierten Ventilmechanismus mit Anlage eines prästomalen Reservoirs ein kontinentes Ileostoma geschaffen. Diese Methode ist jedoch auf Grund seiner technischen Komplexität mit einer sehr hohen Komplikationsrate behaftet, sodass sich dieses Verfahren nicht durchsetzen konnte [Schaudig 1973]. Proktokolektomie mit terminalem Ileostoma Nach Einführung der ileoanalen Pouchoperation (IAP) wird das terminale Ileostoma nur noch bei erheblichen Kontraindikationen zur IAP – d. h. Analsphinkterinsuffizienz, perianalem Fistelleiden und tiefsitzendem Rektumkarzinom – oder auch technische Unmöglichkeit einer Pouchanlage eingesetzt. Ergebnisse der Pouchanlage Die wichtigsten Komplikationen nach IAP sind Nachblutungen,Ileus,lokalseptische Komplikationen, Anastomosenstenose, Pouchitis und Analsphinkterinsuffizienz. In 3% kommt es zu so schweren Komplikationen (meist ischämische und peripouchale septische Probleme), dass der ileoanale Pouch exstirpiert werden muss. Neben den gut chirurgisch therapierbaren Komplikationen sind im postoperativen Management v. a. die Pouchitis und Analsphinkterschwäche von großer klinischer Bedeutung. Die Pouchitis tritt zwar endokopisch in 50% aller Fälle und histologisch bei den meisten Pouch-Patienten auf, klinisch relevant und damit therapiebedürftig wird sie nur bei Auftreten von Symptomen in Form von Defäkationsschmerzen, peranalen Blutungen, Stuhlfrequenzerhöhungen und neu aufgetretenen Inkontinenzbeschwerden. (Zur Therapie s. Kap. 26.2.3). Die in ca. 9% aller Pouchpatienten auftretende Analsphinkterschwäche kann über Analmanometrie noch vor Ileostomarückverlagerung verifiziert werden.Optimiert man nach Diagnosestellung durch Biofeedbacktraining die Analsphinkterfunktion, so können noch vor Ileostomarückverlagerung Inkontinenzprobleme deutlich gemindert bzw. vermieden werden [Kroesen 1995]. Die Lebensqualität wird durch die postoperative Kontinenz, Stuhlfrequenz, den Resozialisierungsgrad und das Auftreten von postoperativen Komplikatio-
275 26.3 · Besonderheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nen bestimmt. Nach ileoanaler Pouchanlage beträgt die tägliche Stuhlfrequenz 5,4 Stuhlgänge/Tag. 90% der Patienten sind tagsüber voll kontinent, 25% müssen nachts gelegentlich Vorlagen tragen. In 91% besteht nach der Operation eine volle Arbeitsfähigkeit. Über eine Beeinträchtigung des Sexuallebens klagen ca. 10–18% der Frauen nach ileoanaler Pouchanlage. Bei Männern bestehen in 12% Ejakulationsstärungen und in 5% Impotenz. Alle beschriebenen Schwangerschaften von »Pouch-Trägerinnen« wiesen gegenüber Gesunden keine vermehrten Komplikationen auf ( s. Kap. 26.3.1; [Buhr 1994; Dozois 1993]). Insgesamt stellt die ileoanale Pouchanlage eine sehr gute chirurgische Therapielösung der Colitis ulcerosa mit gutem funktionellem Gesamtergebnis dar. Pouchitis Ein Problem der Pouchoperation ist die Pouchitis. Sie tritt in 14–40% der Fälle postoperativ auf [Keighley 1993; Luukkonen 1994]. Die Pathogenese der Pouchitis ist unklar. Da die Pouchitis jedoch hauptsächlich nach Pouchanlage bei Colitis ulcerosa auftritt, ist ein gemeinsamer Pathomechanismus wahrscheinlich.Als Pathomechanismus wird eine Stase des Darminhaltes im unphysiologischen Ileumreservoir sowie eine Pouch-Flora mit Überwiegen von gramnegativen Bakterien postuliert [Kmiot 1993; Ruseler-van Embden 1994; Sandborn 1995]. Als weitere Hypothese wird eine chronische Ischämie als Ursache für die Pouchitis diskutiert [Kulbacher 1998]. Die einmalige Pouchitis-Episode ist in der Regel gut therapierbar.Gefürchtet ist hingegen die sog.chronische Pouchitis; zur Therapie s. Kap. 26.2.3. Pouchentartungsrisiko Auf Grund der weltweit noch eher kurzen Nachbeobachtungszeit von im Median 6–8 Jahren nach IAP ist es bislang noch ungeklärt, ob der langdauernde Entzündungsreiz der chronischen Pouchitis einen Risikofaktor für die Entwicklung eines Karzinoms darstellt. Karzinome des terminalen Ileums wurden bei Colitis ulcerosa nach Kolektomie mit terminalem Ileostoma erst nach einer sehr langen Latenzzeit von im Median 21 Jahren zwischen Ileostomaanlage und und Karzinomentwicklung beobachtet [Heuschen 2001].1997 wurde erstmals die Entwicklung eines Adenokarzinoms in einem Kock-Pouch beschrieben [Cox 1997]. Alle bisher beschriebenen Ileumkarzinome haben sich auf dem Boden einer chronischen Entzündung im terminalen Ileum entwickelt. Eine Studie diagnostizierte bei Patienten mit schwerer chronischer
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Pouchitis in 37% das Auftreten von »Low-grade«-Dysplasien oder Aneuploidie (medianer Nachbeobachtungszeit 6,3 Jahre; [Veress 1995]). Postuliert man die Entzündungs-Dyplasie-Karzinom-Sequenz, besteht für den ileoanalen Pouch mit chronischer Pouchitis ein gewisses Risiko für die Entwicklung eines Karzinoms. Auch hinsichtlich einer Karzinomprävention ist eine regelmäßige Nachsorge des IAP zu fordern. Ileoanaler Pouch: Laparoskopische Pouchanlage Die Erfahrungen mit der laparoskopisch assistierten Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage sind insgesamt limitiert [Milsom 1996]. Eine der wenigen vergleichenden Studien konnte einen signifikanten Unterschied hinsichtlich einer längeren Operationszeit, einer kürzeren postoperativen Darmatonie und einer kürzeren Krankenhausverweildauer für die laparoskopische Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch zeigen [Meijernik 1999]. Hinsichtlich der perioperativen Komplikationsrate fanden sich keine Unterschiede. Bewährt hat sich die sog. handassistierte laparoskopische Operation über einen PfannenstilSchnitt. 26.3
Besonderheiten
J. Stein, O. Schröder 26.3.1
Therapie in der Schwangerschaft
Kortikosteroide und Mesalazin Grundsätzlich besteht bei gegebener Indikation kein Anlass, die etablierten Medikamente (Glukokortikoide, 5-ASA, SASP) in der Schwangerschaft abzusetzen (⊡ Tabelle 26.9). Zwar ist für Salazosulfapyridin (SASP) und seine Metaboliten (Sulfonamidanteil) beschrieben, dass sie die Plazenta passieren und Bilirubin aus seiner Plasmaeiweißbindung verdrängen, dennoch sind die gemessenen Konzentrationen im Nabelschnurblut zur Ausbildung eines Kernikterus zu gering. Da SASP bekanntermaßen den Transport und Metabolismus von Folsäure hemmt, sollte stets eine Substitution mit Folsäure (2 mg/Tag) durchgeführt werden [Katz 2001]. Die Sicherheit von 5-ASA im Rahmen einer Dosierung von 1,5 g/Tag zur Remissionserhaltung ist mehrfach belegt. Eine erhöhte Missbildungsrate besteht nicht [Diav-Citrin 1998].
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Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 26.9. Sicherheit von Medikamenten zur Therapie chronisch entzündlicherDarmerkrankungen während der Schwangerschaft
III
Sicher/bei akuten Beschwerden indiziert Mesalazin Kortikosteroide Ampicillin, Amoxicillin Cephalosporine
Wahrscheinlich sicher Azathioprin/6-Mercaptopurin Cyclosporin A Metronidazol (kurzfristig) Ciprofloxacin (kurzfristig)
Während das teratogene Potenzial von Kortikosteroiden lediglich in einigen tierexperimentellen Untersuchungen nachweisbar war, besteht zumindest theoretisch das Risiko, die Regulation der fötalen Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse zu stören.Ein schneller Abbau von Kortisol zum weitaus weniger wirksamen Kortison sowie eine schlechte plazentäre Permeation von Prednison und Prednisolon sprechen dagegen. So fand sich in den bisherigen Studien weder für die systemische noch die lokale Kortikoidtherapie ein negativer Effekt auf den Verlauf einer Schwangerschaft [Connell 1999]. Wichtig Wenn die Erkrankung zu Beginn einer Schwangerschaft unter einer Therapie mit Kortikoiden und/oder 5-ASA-haltigen Medikamenten in Remission ist, sollte die Medikation grundsätzlich fortgesetzt werden.
Die Mengen von SASP und Glukokortikoiden (0,07– 0,25%) in der Muttermilch sind minimal, ihre Serumkonzentrationen daher vernachlässigbar gering, sodass beide Substanzen auch während der Stillzeit ohne Schaden für das Kind eingenommen werden können. Immunsuppressiva ( s. Kap. 62) Trotz erfolgreicher und komplikationsloser Therapieverläufe mit Mercaptopurin und Azathioprin und durchaus positiven Untersuchungsergebnissen bei mehr als 1.000 nierentransplantierten Patientinnen, sollten beide Substanzen wegen ihrer potenziell teratogenen Wirkung nur nach eingehender Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden [Subhani 1998]. Zum Einsatz von Cyclosporin-A bei schwangeren CED-Patientinnen gibt es kaum Daten [Bertschinget 1995]. Dennoch kann beim fulminanten, steroidrefraktären Schub einer CU der Einsatz im Einzelfall erwogen werden, da das Hinauszögern einer sonst un-
Kontraindiziert Methotrexat Infliximab Experimentelle Therapien
umgänglichen Operation um einige Wochen die Überlebensfähigkeit des Fetus entscheidend verbessern kann [Friedemann 2001]. Methotrexat und Infliximab dürfen weder in der Schwangerschaft noch während der Stillzeit eingesetzt werden [Kozlowski 1990]. Kontraindiziert sind sämtliche experimentellen Therapieformen. Antibiotika Als sicher während der Schwangerschaft gelten Ampicillin bzw.Amoxicillin und Cephalosporine, die bei fistulierendem M. Crohn eingesetzt werden können. Metronidazol ist karzinogen im Tierversuch; große Studien an exponierten Schwangeren haben jedoch kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen des menschlichen Fetus ergeben [Caro-Paton 1997]. Ähnliches gilt für Ciprofloxacin [Loebstein 1998]. Diese Medikamente könnten demzufolge insbesondere im 2 und 3. Trimenon kurzfristig eingesetzt werden. Da es sich hierbei um Reservemedikamente mit geringerer Wirksamkeit als die Standardtherapie mit Kortikosteroiden und 5-ASA-Derivaten handelt, sollte zunächst die Standardtherapie erwogen werden [Lamah 2002]. Chirurgische Therapie Notwendige Operationen sind bei schwangeren Patientinnen mit CED prinzipiell unter Erhalt der Schwangerschaft möglich [Kelley 1994]. Die Indikation muss im Einzelfall sorgfältig erwogen werden,die Erkrankung der Mutter kann aber ein höheres Risiko für die Schwangerschaft darstellen als eine Operation. Auch ausgedehnte Voroperationen schließen einen normalen Schwangerschaftsverlauf nicht aus. Selbst bei Zustand nach Kolektomie können etwa 50% der Patientinnen vaginal entbinden, die Fertilität dieser Patientinnen ist aber deutlich reduziert, zumindest dann, wenn eine Pouchanalage erfolgt ist ( s. oben; [Ording 2002]).
277 26.3 · Besonderheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Symptomatische Therapie bei CED
26.3.2
▬
Eine symptomatische Therapie von Diarrhöen sollte nicht bei Vorliegen einer starken Entzündungssymptomatik eingesetzt werden,da insbesondere Opioide die Entstehung eines Ileus oder toxischen Megakolons begünstigen. Bei Hinweisen auf ein Gallensäureverlustsyndrom und chologener Diarrhö ist der Einsatz eines Ionenaustauschers (Colestyramin) zur Bindung der Gallensäuren im Dickdarm sinnvoll. Im Stadium eines dekompensierten Gallensäureverlustsyndroms mit Steatorrhö infolge zunehmender Fettresorptionsstörungen verliert Colestyramin wegen des sich verringernden Gallesäurepools zunehmend an Wirkung. Hier ist eine Umstellung auf eine fettmodifizierte MCT-haltige Kost sowie eine Substitution fettlöslicher Vitamine angezeigt. Kommt es im Rahmen der antiinflammatorischen Therapie nicht zum Sistieren der meist sekretorischen Diarrhö, ist eine symptomatische Diarrhöbehandlung notwendig. Symptomatische Therapie bei M. Crohn und Colitis ulcerosa Loperamid (z. B. Imodium)
– –
Bis zu 4¥2 mg/Tag Vorsicht bei Ileussymptomatik, da Loperamid die Darmperistaltik unterdrückt Colestyramin (z. B. Quantalan, Lipocol-Merz) oder Cholestipol (z. B. Cholestabyl) – Bei Ileumbefall oder Zustand nach Ileumresektion Saccharomyces boulardii (z. B. Perenterol) – 3- bis 4¥250 mg/Tag
26.3.3
Ernährung und Ernährungstherapie
Die Beziehungen zwischen Ernährung und CED reichen von einer möglichen Beteiligung in der Ätiopathogenese [Cashman 2003] der Krankheit bis zur ernährungstherapeutischen Intervention in den verschiedenen Krankheitsstadien. Folgende Aspekte werden im einzelnen abgehandelt: ▬ In welchem Ausmaß treten bei Patienten mit CED Zeichen einer globalen oder selektiven (Vitamine, Spurenelemente) Mangelernährung auf?
▬ ▬
▬
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Sind sie durch gezielte ernährungstherapeutische Maßnahmen kompensierbar? Gibt es eine effektive Ernährungstherapie im akuten Schub? Welche Art der Ernährung ist perioperativ sinnvoll? Gibt es Empfehlungen beim Auftreten von Komplikationen (Stenosen,Fistelbildung,Stoma,Kurzdarmsyndrom)? Sind diätetische Maßnahmen im entzündungsfreien Intervall zur Erhaltung der Remission geeignet?
Mangelernährung und Malabsorption Ein Gewichtsverlust findet sich bei 54–75% , erniedrigte Albuminspiegel weisen 10–25% der Patienten auf.Bei 20–85% der Patienten liegt eine negative Stickstoffbilanz vor.Exzessive Proteinverluste über die entzündete Darmmukosa scheinen dabei der Hauptverursacher der Gesamtkörperproteindepletion zu sein. Eine Proteinmalabsorption könnte zusätzlich dazu beitragen. Die negative Stickstoffbalanz kann außerdem auf dem katabolen Effekt von Medikamenten (Antibiotika, Steroide) beruhen. Eine Anämie wird je nach untersuchtem Kollektiv bei 45–60% gefunden, Eisenmangel bei 55–70% und Zinkmangel bei 10%. Weitere Mangelzustände sind für 25-OH-Vitamin-D (16%), Folsäure (<10%), Vitamin B12 (25–30%), Zink (20–30%) und Selen beschrieben [Gassull 2001; Rath 1998]. Eine Laktosemalabsorption ist im akuten Schub wiederholt beschrieben,in der Remission jedoch nicht häufiger als in der entsprechenden Normalbevölkerung [Gassull 2001]. Während es bisher keinen eindeutigen Hinweis auf Störungen der Kohlenhydratabsorption gibt, tritt bei ca. 30% der Patienten mit CED nachweislich eine Fettmalabsorption auf. Interaktionen zwischen Medikamenten und Nahrungsinhaltsstoffen Typischerweise zur Behandlung der CED eingesetzte Medikamente führen zu spezifischen und unspezifischen Störungen der intestinalen Resorptionen wie auch des Intermediärstoffwechsels. Kortikosteroide können, besonders wenn sie in hohen Dosen eingesetzt werden,einen additiven katabolen Effekt ausüben, da sie in den Proteinmetabolismus eingreifen. Zusätzlich hemmen Kortikosteroide die Kalziumabsorption und führen zu Magnesiurie [Galland 1988].Andere Beispiele potenzieller Interaktionen zwischen Medikamenten und Nahrungsinhaltsstoffen beinhalten die kompetitive Hemmung der
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Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Folataufnahme durch Sulfasalazin [Swinson 1981], reduzierte Absorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen durch Colestyramin und einen veränderten Vitamin-K-Status durch Antibiotika [Gassull 2001].
III
Indikation zur Ernährungstherapie Bei Vorliegen einer Malnutrition ist eine Supplementierung mit einer nährstoffdefinierten Kost (ca.500 ml/ Tag) zu empfehlen. Hinweise, dass Elementardiäten oder Spezialprodukte einen Vorteil gegenüber hochmolekularen Standarddiäten böten, gibt es nicht. Präoperativ liegt eine Indikation zur Ernährungstherapie vor, wenn ein Gewichtsverlust von mehr als 10% in den letzten 6 Monaten vor der Operation stattgefunden hat und das Serumalbumin <30 g/l ist, da das Risiko für postoperative Komplikationen erhöht ist [Stange 2001/2004]. Durchführung der Ernährungsbzw. Substitutionstherapie Wie bei allen Erkrankungen gelten auch bei CED die ernährungsmedizinischen Grundsätze einer Stufentherapie: Ernährungsberatung, zusätzliche Ernährung durch Trinknahrung, Sondennahrung, parenterale Ernährung: ▬ Bei Vorliegen einer Malnutrition wird eine Supplementierung mit ca.500 kcal Trinknahrung/Tag als sinnvoll erachtet. Ungeklärt ist, ob Spezialprodukte einen Vorteil gegenüber hochmolekularen Standarddiäten haben. ▬ Bei Unverträglichkeit nasogastraler Sondenlage oder Befall des Oropharynx und/oder Ösophagus ist die Ernährung mittels PEG möglich. Ein erhöhtes Fistelrisiko besteht nicht [Anstee 2000]. ▬ Die parenterale Ernährung ist auf den akuten Schub mit der Unmöglichkeit der adäquaten oralen Ernährung bzw. perioperative Situationen beschränkt. ▬ Eine generelle Vitamin- oder Spurenelementsubstitution ist bei komplikationsloser CED nicht sinnvoll. Primär sollte mit einer oralen Eisenzufuhr von ca. 100 mg/Tag für 4 Wochen begonnen werden.Bei Intoleranz oder unzureichendem HbAnstieg, d. h. weniger als 2 g/dl, sollte auf eine i.v.Eisentherapie umgestellt werden [Gasche 1997]. ▬ Bei langfristiger Steroidtherapie (>6 Monate) sollte Vitamin D (1000 IE/Tag) sowie bei nachgewiesener Laktosemalabsorption zusätzlich Kalzium in einer Dosis von 1000 mg/Tag substituiert werden. Die Behandlung eines manifesten VitaminB12-Mangels beginnt mit i.m.-Injektion von
1000 µg/Tag über 5 Tage, gefolgt von monatlicher Gabe von 1000 µg i.m. Bei Vorliegen eines Zinkmangels sollten 200–400 mg Zink oral eingenommen werden [Kastin 2002]. Für die sonstige Vitamin- und Spurenelementsubstitution gelten die allgemeinen Empfehlungen. Ernährung in einzelnen Krankheitsphasen Ernährung im akuten Schub Eine Reihe von prospektiven,z.T.randomisierten und kontrollierten Studien sowie mehrere Metaanaylsen [Fernandez-Banares 1995; Zachos 2001] belegen, dass enteral verabreichte bilanzierte Diäten wirksam zur Behandlung von Krankheitsschüben einer CED, jedoch als Monotherapie einer Steroidtherapie unterlegen sind. In der Gesamtbetrachtung lagen die Remissionsraten für enteral ernährte Patienten bei 58% und für steroidbehandelte Patienten bei 85%. Nährstoffdefinierte hochmolekulare Diäten waren dabei genauso effektiv wie chemisch definierte Peptiddiäten. Sie sind besonders indiziert bei Kindern und hier der Kortikosteroidtherapie nahezu ebenbürdig. Bei mangelnder Akzeptanz sind die Peptiddiäten mittels nasogastraler Sonde oder PEG zu verabreichen. Eine Überlegenheit immunmodulierender Diäten ist bisher nur für Kinder beschrieben [Akobeng 2000] und bedarf größerer kontrollierter Studien. Ein möglicher steroidsparender Effekt wurde bis dato noch nicht ausreichend untersucht [Verma 2000]. Ernährung bei Komplikationen Stenosen Bei Vorhandensein von Passagebehinderungen auf Grund von Stenosen ist eine ballaststoffarme Kost indiziert.Insbesondere faserreiche Gemüse wie Spargel, Fenchel, grüne Bohnen und Blattspinat, hartschaliges Obst und Ballaststoffpräparate sollten gemieden werden. Ggf. muss eine passierte Kost und/oder Nährstoffsupplemente in Form von Trink- oder Sondennahrung gegeben werden. Fisteln Die bisher publizierten Daten zum Einfluss einer enteralen Ernährung auf das Fistelleiden bei CED sind uneinheitlich und auf Grund kleiner Fallzahlen (Kasuistiken), unterschiedlicher Therapieregime und -dauer kaum vergleichbar. Einheitliche Vorstellungen über die erforderliche Dauer (je nach Studie 1–56 Wochen!) existieren nicht. Die Rezidivrate bei Absetzen der Ernährung und erneutem Schub der Krankheit liegt bei nahezu 100%.
279 26.3 · Besonderheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Kurzdarmsyndrom Die Therapie des KDS beruht unabhängig von seiner Ätiologie je nach Resektionsausmaß und in Abhänigkeit von Stadium in einer überlappenden bzw. kombinierten Therapie von (langzeit)parenteraler/enteraler Ernährung, ggf. mit medikamentösen Zusätzen bzw. einer chirurgischen Behandlung ggf. unter Einbeziehung der Dünndarmtransplantation ( s. Kap. 45). Chologene Diarrhö Bei dekompensierter chologener Diarrhö kann durch Fettreduktion die Stuhlfrequenz reduziert werden, allerdings muss auf ausreichende Kalorienzufuhr geachtet werden. Ballaststoffzulagen sind in diesem Zusammenhang nicht untersucht worden,jedoch im Einzelfall empfohlen ( s. Kap. 45). Diätetische Maßnahmen zur Erhaltung der Remission Wichtig Eine generelle Diät oder Ernährungstherapie zur Remissionserhaltung gibt es nicht.
Für die Wirksamkeit einer speziellen Diät oder Ernährungstherapie zur Remissionserhaltung liegen derzeit keine ausreichenden bzw. widersprüchliche Daten vor [Verma 2000]. Insbesondere die Datenlage zur remissionserhaltenden Wirkung von w-3-Fettsäuren bleibt unklar [Belluzzi 1996; Lorenz-Meyer 1996]. Bisher nicht erwiesen ist der Nutzen insbesondere von Kostformen, die Brot vermeiden (»Leben ohne Brot«) oder die reich an w-3-Fettsäuren sind (Fischdiät, Fischölkonzentrate). Ähnliches gilt auch für die Ausschlussdiät [Riordan 1993]. In Einzelfällen kann eine individuelle Eliminationsdiät bei Patienten mit Nahrungsmittelunverträglichkeit(en) sinnvoll sein [Ballegaard 1997]. Stellenwert der total parenteralen Ernährung Eine total parenterale Ernährung ist bei unkomplizierten Schüben grundsätzlich nicht indiziert. Gegenüber der enteralen Ernährung ist sie komplikationsträchtiger (Kathetersepsis, Thrombosen, Embolien) und teurer. Indikationen sind Ileus und toxisches Krankheitsgeschehen, ferner schwere Malabsorption, z. B. bei Kurzdarmsyndrom, hochgradiger Stenose und Subileus. Der Wert spezifischer Substrate (w-3-Fettsäuren, Glutamin,Arginin) ist nicht belegt, ihr Einsatz wird daher nicht empfohlen.
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Wegen der höheren Komplikationsrate und des negativen Effekts auf die intestinale Mukosa sollte sich die Indikation zur parenteralen Ernährung auf Patienten beschränken, bei denen eine enterale Ernährung wegen intestinaler Komplikationen nicht gerechtfertigt ist, und somit eine Verminderung postoperativer Komplikationen erzielt werden kann [Scolapio 1999; Seo 1999]. Generell werden Standardregime mit einer Energiezufuhr von 25–35 kcal/kgKG/Tag, einer Fett-Kohlenhydrat-Relation von 50/50% der Nichteiweißkalorien und einer Aminosäurenzufuhr zwischen 1,2 und 1,6 g AS/kgKG/Tag empfohlen. Prä-/Pro/-Symbiotika Probiotika zeichnen sich durch eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber Säuren und Enzymen aus. Daher sollen sie sich bei regelmäßigem Verzehr im Dickdarm ansiedeln und antagonistisch gegenüber pathogenen Keimen wirken.Auf Grund geringer Laktaseaktivität werden sie den Milchprodukten oftmals nach der Fermentation zugefügt. Präbiotika sind nichtverdauliche Lebensmittelbestandteile,die den Wirt durch Stimulation von Wachstum und Aktivität einzelner oder einer begrenzten Zahl positiver Bakterienstämme im Dickdarm günstig beeinflussen und dadurch die Gesundheit des Menschen verbessern, z. B. Polymere des Monosaccharids Fructose (Inulin aus der Zichorienwurzel und synthetische Oligofructose). Synbiotika sind probiotische Lebensmittel,die zusätzlich eine präbiotische Substanz enthalten, wobei die präbiotische Substratkonzentration meist unter 10% liegt [Bengmark 2000]. Zum Einsatz von Prä- bzw. Probiotika bei Patienten mit CED liegen kontrollierte Studien zu folgenden speziellen Fragestellungen vor: ▬ Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa ( s. Kap. 26.2.3), ▬ Behandlung der Pouchitis, ▬ Remissionserhaltung bei M. Crohn. Der Stellenwert in der akuten Phase ist derzeit weder von Prä- noch von Probiotika ausreichend untersucht und wird daher nicht empfohlen. Zum Einsatz von Symbiotika liegen keine Studien vor.
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26.4
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Extraintestinale Manifestationen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
J. Stein, O. Schröder
III
Typischerweise sind CED nicht auf den Gastrointestinaltrakt beschränkt, sondern können sich in diversen extraintestinalen Organen manifestieren. Bei M. Crohn wird die Inzidenz extraintestinaler Manifestationen mit 24% angegeben [Rankin 1979].Hierbei stehen Gelenke, Haut,Augen, Leber und Gallenwege und Osteopenie im Vordergrund, in seltenen Fällen können auch Nieren, Lunge und Pankreas betroffen sein. Insbesondere bei letzteren sollten Medikamentennebenwirkungen als Ursache bedacht werden.Prinzipiell stellt die Therapie der Grunderkrankung auch die Therapie der extraintestinalen Manifestationen dar, daher soll im Folgenden nur auf zusätzliche Aspekte eingegangen werden. 26.4.1
Beschwerden aus dem rheumatoiden Formenkreis
Die Gelenkbeteiligungen bei CED können prinzipiell in 2 unterschiedlichen Formen auftreten: ▬ Arthritis der peripheren Gelenke, deren Ausprägung mit der Aktivität der entzündlichen Darmerkrankungen korreliert (»enteropathische Synovitis«). ▬ Stammskelettarthritis (Sakroileitis mit/ohne ankylosierende Spondylitis), auch als »kolitische Spondylitis« bezeichnet. Arthritiden gelten als die häufigsten extraintestinalen Manifestationen von CED und treten bei ca.2–20% aller Patienten mit Colitis ulcerosa oder M. Crohn auf. Sakroiliitiden und ankylosierende Spondylitiden treten bei Colitis ulcerosa bei 1–25% aller Patienten auf. Patienten mit M. Crohn erleiden in 2–7% eine klinisch auffällige Stammskelettarthritis. Bei bis zu 16% aller Patienten mit M. Crohn finden sich radiologisch Zeichen einer bestehenden oder abgelaufenen Sakroiliitis [de Vlam 2000]. Therapie Im Vordergrund der Behandlung enteropathieassoziierter Spondyloarthritiden steht die Therapie der CED. Insbesondere bei der Colitis ulcerosa geht die Besserung der Darmsymptomatik mit einem Abklingen der peripheren Gelenkentzündung einher. Bei Pa-
tienten, die kolektomiert wurden, klingt die Arthritis meist vollständig ab. Die rein symptomatische Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika erscheint vor dem Hintergrund einer CED kontraindiziert [Evans 1997; Feldet 2000]. Daten über ein günstigeres Nebenwirkungsprofil der COX-2-selektiven Antagonisten bei CED liegen bis dato nicht vor. Sie können daher derzeit nicht empfohlen werden. Bei nichtschubassoziierten Arthralgien wird eine adäquate Therapie z. B. mit Paracetamol, Tramadol oder Novaminosulfon empfohlen [Stange 2003]. Treten Arthralgien und/oder Arthritiden schubassoziiert auf, so erfolgt ihre Therapie im Rahmen der Behandlung der CED. Bei chronischen Beschwerden werden analog zur idiopathischen SpA Sulfazalazin und Methotrexat in Kombination mit Krankengymnastik eingesetzt. Der Einsatz von Kortikosteroiden zeigt v. a. im Bereich der peripheren Gelenke und bei hochaktiven Krankheitsverläufen eine gute Wirksamkeit, auf Grund des nicht erwiesenen positiven Einflusses auf die Langzeitprognose ist deren dauerhafter Einsatz jedoch in der Regel ebenfalls nicht indiziert. Mesalazin war in einer offenen Studie bei CED mit SpA wirksam [Thomson 1998]. Eine retrospektive Auswertung kontrollierter Studien mit Budesonid zeigte, dass Patienten mit aktivem M. Crohn auch bezüglich ihrer Gelenkbeschwerden gegenüber Placebo profitierten. Sulfasalazin hat sich in placebokontrollierten Studien als wirksam in der Behandlung der SpA erwiesen [Dougados 1995]. In der Behandlung von schweren Verläufen mit SpA und M. Crohn wurde Infliximab wiederholt erfolgreich eingesetzt [Van den Bosch 2000; Herfarth 2002]. Die Kolektomie führt bei Colitis ulcerosa üblicherweise zu einer raschen und endgültigen Remission der peripheren Arthritis, dies ist bei Darmresektionen bei M. Crohn in der Regel nicht zu erwarten. Im Gegensatz zur peripheren Arthritis geht die ankylosierende Spondylitis bei CED der Erstmanifestation der Darmsymptomatik häufig voraus und zeigt einen autarken, langsam progredienten und von der Aktivität und Therapie der Darmerkrankung unabhängigen Verlauf. Im Unterschied zur peripheren Arthritis ist eine therapeutische Beeinflussung der SpA als Skelettmanifestation der CED nur schwerlich möglich. Dominierendes und für die Prognose entscheidendes Behandlungsprinzip ist Krankengymnastik in Kombination mit physikalisch-therapeutischen Maßnahmen.
281 26.4 · Extraintestinale Manifestationen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Rückengymnastik, die Verwendung harter Matratzen oder Bettunterlagen, Atemübungen und die Vermeidung länger dauernder, gebeugter Körperhaltungen erscheinen allein geeignet, der Kyphosierung bei zunehmender Ankylosierung entgegenzuwirken.
monersatztherapie nach Abwägung der Nutzen-Risiko-Relation in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Gynäkologen wirksam. 26.4.4
26.4.2
Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)
Die Prävalenz einer primär sklerosierenden Cholangitis wird beim M. Crohn zwischen 1,2–3,4%, bei Mitbeteiligung des Dickdarms bis 9% angegeben; bei Colitis ulcerosa liegt sie bei bis zu 15%. Therapie der Wahl ist die Dauertherapie mit Ursodesoxycholsäure 10–15 mg/kgKG. Bei nicht ausreichender Besserung der Cholestaseparameter kann die Dosierung bis auf 25–30 mg/kgKG gesteigert werden. Hochgradige Stenosen sollten möglichst endoskopisch mittels Stenteinlage während einer ERCP drainiert werden [Holtmeier 2001]. Das Risiko der Entwicklung eines cholangiozellulären Karzinoms bei langjährigem Verlauf einer PSC ist mit 8–15% erhöht. Eine jüngere Metaanalyse, die insgesamt 11 Studien berücksichtigte,gibt ein deutlich erhöhtes Risiko (rel.Risiko 4,09/4,26),an einem Kolonkarzinom zu erkranken,wenn eine PSC vorliegt (Soetikno et al.2002). Die Autoimmunhepatitis stellt eine sehr seltene Begleiterkrankung dar. Sie tritt in <10% der Fälle von PSC als Überlappungssyndrom auf. Die Therapie besteht in einer Immunsuppression in Kombination mit Ursodeoxycholsäure. 26.4.3
Osteopenie/Osteoporose
Die Prävalenz einer verringerten Knochendichte schwankt bei M.-Crohn-Patienten zwischen 30 und 92%, eine Osteoporose liegt bei 4–37% vor. Wirbelfrakturen treten bei bis zu 22% der Patienten mit signifikant erniedrigter Knochendichte auf. Dies ist in der Regel Folge einer langjährigen Steroidmedikation, kann in Fällen eines ausgeprägten Dünndarmbefalls oder -resektionen jedoch auch auf Mangelresorption zurückzuführen sein. Präventiv sollte in jedem Fall einer längerfristigen Steroidmedikation supportiv mit Vitamin D und Kalziumpräparaten behandelt werden [Rogler 2004]. Die Therapie der Osteopenie erfolgt durch die Substitution von Kalzium und Vitamin D, eine Osteoporose wird zusätzlich mit Biphosphonaten behandelt. Bei postmenopausalen Frauen ist die Hor-
26
Gallensteine
Die Gallensteininzidenz ist mit einem relativen Risiko von 3,6 bei Patienten mit M. Crohn erhöht. Pathophysiologisch liegt für die gesteigerte Lithogenität eine Gallensäurenverlustsyndrom bei Beteiligung des terminalen Ileums oder nach Ileumresektion sowie eine gestörte Gallenblasenmotilität zugrunde. Eine enterohepatische Zirkulation von Bilirubin soll ein Mechanismus der Pigmentsteinbildung sein. Eine effektive Prophylaxe steht bislang nicht zur Verfügung. 26.4.5
Nephrolithiasis
Die Nierensteininzidenz bei M. Crohn ist mit 8–19% erhöht. Ursache dafür ist meist eine Fettmalabsorption bei Patienten mit ausgedehnter Ileumresektion unter Erhalt des Kolons mit einem erhöhten Risiko für eine Kalziumoxalatlithiasis. Unter normalen Bedingungen werden nur etwa 5% der zugeführten Oxalsäure resorbiert, da Kalzium und Oxalsäure einen unlöslichen Komplex bilden und als solcher ausgeschieden werden.Bei erhöhter Konzentration nichtresorbierter langkettiger Fettsäuren werden diese bevorzugt an Kalzium gebunden.In freier Form ist Oxalsäure löslich und wird zu einem höheren Anteil im Kolon absorbiert. Darüber hinaus führen nichtresorbierte Gallensäuren im Kolon zu einer erhöhten Permeabilität für Oxalate. Als Folge tritt eine renale Hyperoxalurie auf. Als therapeutich effektiv erweisen sich eine fettmodifizierte (MCT-Kost), oxalatarme Kost sowie die orale Kalziumgabe und Colestyramin. Empfohlen wird die Herabsetzung der oralen Oxalatzufuhr auf ca. 50 mg/Tag (>10 mg Oxalat pro Mahlzeit) durch Ausschalten oxalatreicher Lebensmittel (Rhabarber, Spinat, Sauerampfer, Kakao, Schokolade, Colagetränke) bei gleichzeitiger Steigerung oxalatarmer Ballaststoffträger (z. B.Vollkornerzeugnisse, Hülsenfrüchte). Als effektiv erweist sich die Einnahme von Kalziumkarbonat (1–4 g/Tag) und Colestyramin (4–12 g/Tag) sowie von Kalium-Magnesium-Zitrat [Ben-Ami 2002; Ettinger 1997].
282
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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286
III
Kapitel 26 · Chronisch entzündliche Darmerkrankungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Atypische Kolitiden C. F. Dietrich, W. F. Caspary 27.1
Mikroskopische Kolitis
27.1.1 27.1.2 27.1.3 27.1.4
Pathophysiologie – 289 Klinik – 289 Diagnostik – 290 Therapie – 290
27.2
Neutropene (nekrotisierende) Kolitis
27.2.1 27.2.2 27.2.3 27.2.4
Pathophysiologie – 292 Klinik – 293 Diagnostik – 293 Therapie – 293
27.3
Diversionskolitis
27.3.1 27.3.2 27.3.3 27.3.4
Pathophysiologie – 294 Klinik – 295 Diagnostik – 295 Therapie – 295
Literatur
>>
– 289
– 292
– 294
– 296
Die mikroskopische Kolitis ist eine Kolitisform, die endoskopisch nicht zu identifizieren ist und nur histologische Zeichen einer Kolitis aufweist. Es werden 3 verschiedene Hauptformen beschrieben: die lymphozytäre Kolitis, die kollagene Kolitis ohne lymphozytäre Infiltration und eine gemischte Form mit verdicktem Kollagenband und einer Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten. Die kollagene Kolitis wurde erstmalig 1976 erwähnt; seither bei Hunderten von Patienten diagnostiziert. Die neutropene Kolitis wurde 1930 erstmalig in der Literatur erwähnt und ist eine lebensbedrohliche, entzündliche, nekrotisierende Erkrankung des Ileozökalpols, die hauptsächlich beim immunsupprimierten Patienten auftritt. Häufig liegt eine Sekundärinfektion vor (z. B. mit Clostridien, v. a. Clostridium septicum). Vor 2 Jahrzehnten wurde von Glotzer et al. beobachtet, dass nach Ausschalten eines Dickdarmsegmentes eine Kolitis auftreten kann, die den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und hier insbesondere der Colitis ulcerosa ähnelt. Pathophysiologisch spielt die Ableitung des Darminhaltes (englische Bezeichnung »diversion«) eine entscheidende Rolle, sodass der Begriff Diversionskolitis geprägt wurde.
289 27.1 · Mikroskopische Kolitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
27.1
Mikroskopische Kolitis
27.1.1
Pathophysiologie
Die Kollagenkolitis ist durch ein verdicktes subepitheliales Kollagenband der Dickdarmmukosa charakterisiert, das von 7 µm bis >100 µm messen kann (Normwerte des Kollagenbandes 1–7 µm). Im Vergleich hierzu ist die lymphozytäre Kolitis durch eine Vermehrung subepithelialer Lymphozyten charakterisiert, ohne Verdickung des Kollagenbandes in der Dickdarmmukosa [Dietrich 2003]. Es wurde postuliert, dass beiden Krankheitsbildern auch der gleiche pathogenetische Mechanismus zugrunde liegt [Tremaine 2000]; die ähnliche klinische Manifestationsform der mikroskopischen Kolitis führte zu der Bezeichnung »wässriges Diarrhö-Kolitis-Syndrom«. Die Beziehung beider Krankheitsbilder ist allerdings nicht eindeutig geklärt. Ätiopathogenese Die Pathogenese der verschiedenen Formen der mikroskopischen Kolitis ist ungeklärt,trotz detaillierter Beschreibung der pathologischen Veränderungen. Ein pathologischer Kollagenmetabolismus wurde als ätiopathogenetische Ursache der Kollagenwandverdickung diskutiert. Die entzündliche Reaktion ist bei der lymphozytären und kollagenen Kolitis häufig ähnlich und besteht zumeist aus mononukleären Zellinfiltraten mit wenigen Neutrophilen und Eosinophilen in der Lamina propria. Die Anzahl der intraepithelialen Lymphozyten (IEL) ist häufig >20/100 epitheliale Zellen (Normwerte: 3–5 intraepitheliale Lymphozyten/epitheliale Zelle). Eine geringere Dichte an intraepithelialen Lymphozyten ist mit einer geringeren entzündlichen Aktivität und milderen Symptomen assoziiert. Die Kryptenarchitektur ist in der Regel nicht gestört, wobei eine fokale Kryptitis beobachtet werden kann. Eine alternative Hypothese ist, dass die Entzündungsreaktion und die Kollagenablagerung die Folge von Bakterientoxinen sind, die zu Schleimhautveränderungen bzw. Schleimhautverletzungen führen. Unter dieser Vorstellung, Bakterientoxine zu binden, wurden Gallensäuren appliziert, die einerseits Bakterientoxine binden können und andererseits in den häufig bei Patienten mit kollagener Kolitis beobachteten gestörten Gallesäurenstoffwechsel eingreifen [Fromm 1986; Ung 2000]. Die Behandlung mit gallensäurenbindenden Substanzen war mit einer schnellen ausgeprägten, z. T. sogar kompletten Besserung assoziiert. Die Rolle der Gallensäurenmalabsorption bei Patienten mit mikroskopischer Kolitis ist unklar, da
27
morphologische Veränderungen im terminalen Ileum in der Regel nicht nachweisbar sind. Es wurde angenommen,dass nichtsteroidale Antiphlogistika für einige Fälle des wässrigen Diarrhö-Kolitis-Syndroms verantwortlich sind.Die kollagene Kolitis wurde mit diversen Medikamenten in Verbindung gebracht,z.B.Simvastatin,Lansoprazol,Ticlopidin.Ticlopidin und Flutamide,als mögliche Ursache,wurden auch bei Patienten mit lymphozytärer Kolitis in Betracht gezogen [Zusammenfassung bei Dietrich 2003]. Eine Assoziation zwischen mikroskopischer Kolitis und einheimischer Sprue wurde beobachtet. Von besonderer Bedeutung ist, dass die kollagene Enterokolitis eine diffuse Manifestationsform der glutensensitiven einheimischen Sprue darstellen kann. Bei Patienten mit histologisch nachgewiesener mikroskopischer Kolitis erscheint es sinnvoll,eine einheimische Sprue auszuschließen. 27.1.2
Klinik
Kollagene und lymphozytäre Kolitis zeigen ein ähnliches klinisches Krankheitsbild, das durch nichtblutige chronische, wässrige (sekretorische) Diarrhö – bis zu 2 l täglich – charakterisiert ist (⊡ Tabelle 27.1). Der Krankheitsverlauf ist in der Regel intermittierend [Bohr 1995; Bonderum 1999]. Verlaufsform und Symptomatik der Kollagenkolitis (Mod. nach [Bohr 1995]) Symptombeginn Plötzlich (42%) Schleichend (58%) Symptome Gewichtsverlust (42%) Bauchschmerzen (41%) Nächtliche Diarrhö (27%) Müdigkeit (24%) Stuhlgang: Häufigkeit <3 (12%) 4–9 (66%) >10 (22%) Verlauf Einmalige Episode (2%) Chronisch intermittierend (85%) Chronisch kontinuierlich (13%)
290
Kapitel 27 · Atypische Kolitiden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 27.1. Diffenzierung zwischen lymphozytärer Kolitis und Kollagenkolitis Kriterien
Lymphozytäre Kolitis
Kollagenkolitis
58 (55–77) 3/1 Sekretorisch 722 (317–1269)
59 (41–89) 15/1 Sekretorisch 565 (246–1438)
64 Plasmazellen, Neutrophile Normal
68 Plasmazellen, Neutrophile Pathologisch verdickt
Klinik
III
Mittleres Alter Geschlecht (m/w) Art der Diarrhö Stuhlgewicht Pathologie LP-Entzündungszellen [%] LP-Entzündungszellen Subepitheliale Kollagenschicht LP: Lamina propria.
Begleitende Symptome sind variabel, meistens unspezifisch und bestehen in Übelkeit,unspezifischen Bauchschmerzen sowie Beschwerden beim Stuhlgang. Extraintestinale Manifestationen wie Arthralgien,Arthritis und Uveitis können auftreten,jedoch ist die Beziehung nicht geklärt. Der Langzeitverlauf bei Patienten mit lymphozytärer Kolitis ist günstiger als bei Patienten mit kollagener Kolitis. In einer Studie wurde der Krankheitsverlauf bei kollagener Kolitis (96 Patienten) vs. lymphozytärer Kolitis (80 Patienten) untersucht. Eine signifikante Verbesserung der klinischen Symptomatik konnte häufiger bei Patienten mit lymphozytärer Kolitis (84%) verglichen mit Patienten mit kollagener Kolitis (74%) beobachtet werden ( s. Tabelle 27.1). 27.1.3
Diagnostik
Laborchemische Befundkonstellation Die laborchemischen Veränderungen bei Patienten mit mikroskopischer Kolitis sind unspezifisch und in der Regel wenig ausgeprägt. Eine leichtgradige Anämie und Erhöhung der BSG sind möglich. Autoantikörper können bei bis zu 50% der Patienten beobachtet werden. Endoskopie und Kolonbiopsie Der Begriff mikroskopische Kolitis impliziert,dass die Diagnose histologisch gestellt wird. Koloskopisch finden sich in der Regel makroskopisch eine normale Schleimhaut,ein geringgradiges Ödem,Erythem oder Vulnerabilität können auftreten.Obwohl Biopsien aus
dem linksseitigen Kolon ausreichen können, sind in bis zu 30% der Fälle Biopsien aus dem rechtsseitigen Kolon notwendig, um die Diagnose zu stellen. Wichtig Empfehlung: Totale Koloskopie mit Stufenbiopsien.
27.1.4
Therapie
Es gibt keine größeren kontrollierten Studien zur Therapie der mikroskopischen kollagenen und lymphozytären Kolitis [Zusammenfassung bei Dietrich 2003]. Die Therapieempfehlungen für die verschiedenen mikroskopischen Kolitisformen unterschieden sich nicht wesentlich und basieren auf Berichten an relativ kleinen Patientenzahlen sowie der Kenntnis des natürlichen Krankheitsverlaufes. Im Vordergrund steht die Aufklärung des Patienten über die relative Harmlosigkeit der Erkrankung. Die mikroskopische Kolitis ist nicht mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Allerdings kann die mikroskopische Kolitis auch im Rahmen schwerer systemischer Erkrankungen beobachtet werden. Des Weiteren muss eine Aufklärung erfolgen, dass der Durchfall sich innerhalb weniger Wochen auch ohne Behandlung bessern bzw. normalisieren kann; auch wenn Rezidive nicht selten sind. Die histologischen Veränderungen der Kolonmukosa spiegeln nicht (immer) das therapeutische Ansprechen auf die Behandlung wider.
291 27.1 · Mikroskopische Kolitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Medikamentöse Therapie Im Vordergrund der Therapie steht das Meiden entsprechender Noxen,z.B.nichtsteroidaler Antiphlogistika (NSAR), da eine Beziehung zwischen der Einnahme von NSAR und der mikroskopischen Kolitis nachgewiesen werden konnte. Patienten mit mikroskopischer Kolitis und einheimischer Sprue sollten auf eine glutenfreie Diät gesetzt werden. Im Vordergrund der symptomatischen Durchfalltherapie steht Loperamid nach Ausschluss infektiöser Ursachen.Bei therapeutischem Nichtansprechen können Aminosalizylate (z.B.Mesalazin 1,5–4,5 g/Tag) eingesetzt werden. Falls Aminosalicylate nicht zu einem Ansprechen führen, ist ein Versuch mit einem Gallensäurenbinder (z. B. Colestyramin 4 g bis zu 4/Tag) erfolgversprechend. Bei Nichtansprechen setzen wir frühzeitig Budesonid (Budenofalk,Entocort) ein,ein Glukokortikoid,das eine hohe Affinität für den Glukokortikoidrezeptor aufweist, aber nur zu einer geringen systemischen Aktivität führt. Die Literaturangaben hierzu sind bisher allerdings spärlich. Durch den hohen First-PassMetabolismus von Budesonid in der Leber ist die Reduktion der Nebenwirkung von besonderer Bedeutung,insbesondere,da es sich bei der mikroskopischen Kolitis um ein wenig bedrohliches Krankheitsbild handelt. Alternativ können systemisch wirksame Kortikosteroide eingesetzt werden, die regelhaft zu einer Besserung der Beschwerdesymptomatik führen; nach Absetzen der Glukokortikosteroide kommt es allerdings häufig zu einem Wiederauftreten der Beschwerden. Bei den wenigen Patienten, die auf Steroide nicht ansprechen, können auch Antibiotika eingesetzt werden (z.B. Metronidazol 3x400 mg täglich) oder bei
27
schwerer symptomatischer sekretorischer Diarrhö auch Octreotide (Sandostatin 50–100 µg alle 8 Std.s.c.). In einzelnen Fallberichten wurden auch Methotrexat, Azathioprin und 6-Mercaptopurin sowie andere Medikamente (z. B.Verapamil) eingesetzt (⊡ Tabelle 27.2 und Tabelle 27.3). Bei therapeutischem Nichtansprechen ist auch daran zu denken, dass die Diagnose »mikroskopische Kolitis« falsch sein kann und andere Ursachen einer sekretorischen Diarrhö ausgeschlossen werden müssen. Differenzialdiagnostisch kommen insbesondere einheimische Sprue, Hyperthyreose, Karzinoidsyndrom,ein VIPom und die weitere Einnahme von schädigenden Noxen (z. B. NSAR) in Betracht. Seit wenigen Jahren wird insbesondere aus den USA eine erfolgreiche Therapie der mikroskopischen Kolitis mit Wismutsubsalizylat berichtet. In einer offenen Studie [Fine 1998] fand sich eine Verbesserung der Beschwerden bei 11 von 13 Patienten und Normalisierung der Kolitis bei 9 Patienten. Diese vorläufigen Ergebnisse konnten in einer Folgestudie [Fine 1999] an 14 Patienten bestätigt werden, die einerseits Wismutsubsalizylat (3x262 mg Kautabletten/Tag) oder Plazebo für 8 Wochen zugeordnet wurden.Verglichen mit Plazebo war der Therapieerfolg mit Wismutsubsalicylat im Hinblick auf die Stuhlhäufigkeit, Stuhlgewicht und Verbesserung der Stuhlkonsistenz günstiger.Auch die histologischen Veränderungen besserten sich deutlich in der mit Wismut behandelten Gruppe (57% gegenüber 17%) und normalisierten sich bei 2 Patienten.Diese Veränderungen zeigten sich ebenfalls bei 6 Patienten, die initial der Plazebogruppe angehörten und im Rahmen eines Crossover der Behandlungsgruppe zugeordnet wurden. Der Therapieerfolg
⊡ Tabelle 27.2. Zusammenfassung des therapeutischen Vorgehens bei Patienten mit mikroskopischer Kolitis Vorgehen
Beschreibung
Meiden von Noxen Symptomatische Therapie Glutenfreie Diät Aminosalizylate Gallensäurenbinder Budesonid Kortikosteroide Antibiotika Wismut Antisekretorische Therapie Immunsuppressive Therapie Chirurgische Maßnahmen
z.B. nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) z.B. mit Loperamid (bis 12–16 mg/Tag p.o.) nach Ausschluss infektiöser Ursachen Für Patienten mit mikroskopischer Kolitis und einheimischer Sprue z.B. Mesalazin 1,5–4,5 g/Tag p.o. oder Sulfasalazin z.B. Colestyramin bis zu 4¥4 g/Tag p.o. z.B. 3–9 mg/Tag p.o. z.B. Prednisolon, 0,1–1 mg/kgKG p.o. z.B. Metronidazol 3¥400 mg/Tag p.o. z.B. Wismuthsubsalizylat 3¥262 mg/Tag Octreotide (Sandostatin) bis 50–100 µg alle 8 h s.c. Methotrexat, Azathioprin und 6-Mercaptopurin (in Einzelfällen)
292
Kapitel 27 · Atypische Kolitiden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 27.3. Retrospektive Untersuchung der Erfolgsaussichten medikamentöser Therapieoptionen bei Patienten mit Kollagenkolitis (Mod. nach [Bohr 1995])
III
Behandlung
Anzahl der Patienten
Erfolgreich
Nicht Erfolgreich
Nebenwirkungen
Loperamid Mesalazin Sulfasalazin Olsalazin Budesonid Prednisolon Metronidazol Erythromycin Penicillin Colestyramin Mepacrin
69 16 108 15 2 39 44 15 8 44 19
49 (71%) 8 (50%) 37 (34%) 4 (27%) 2 32 (82%) 24 (55%) 10 (67%) 8 26 (59%) 10 (53%)
18 (26%) 8 (50%) 26 (24%) 6 (40%) 0 6 (15%) 16 (36%) 4 (27%) 0 17 (39%) 7 (37%)
2 (3%) 0 45 (42%) 5 (33%) 0 1 (3%) 4 (9%9 1 (7%) 0 1 (2%) 2 (10%)
konnte über 1–8 Monate nach Beendigung der Therapie nachgewiesen werden. Ein Patient unterbrach die Therapie wegen Übelkeit. Chirurgische Therapie Bei Patienten mit mikroskopischer Kolitis wurden chirurgische Maßnahmen (Ileostomie, Sigmoidostomie, Kolektomie) durchgeführt. Die Ileostomie wird als Methode der Wahl bei älteren Patienten mit therapierefraktärem Krankheitsbild empfohlen. In einer Serie [Janerot 1995] von Patienten mit kollagener Kolitis und schwerer therapierefraktärer Diarrhö wurde eine Ileostomie bei 8 Patienten und eine Sigmoidostomie bei 1 Patienten durchgeführt. Postoperativ kam es zu einem Sistieren der Diarrhö bei allen Patienten,das subepitheliale Kollagenband normalisierte sich im ausgeschalteten Kolon. Diese Befunde suggerieren, dass schädigende luminale Noxen für die Pathogenese der mikroskopischen Kolitis von Bedeutung sind – zumindest bei Patienten mit therapierefraktärem Krankheitsverlauf. Ein chirurgisches Vorgehen ist allerdings als »ultima ratio« bei therapierefraktärem Beschwerdebild zu sehen [Janerot 1995]. 27.2
Neutropene (nekrotisierende) Kolitis
Die neutropene (Entero-)Kolitis ist eine Komplikation der ausgeprägten Neutropenie bzw. Agranulozytose und tritt insbesondere im Rahmen einer (hochdosierten) Chemotherapie auf. Obwohl die neutropene Kolitis insbesondere bei der chemotherapeutischen Behandlung von akuten Leukämien beobachtet wurde,
kann sie unabhängig von der Ätiologie bei jeder Neutropenie oder Agranulozytose auftreten (z. B. Behandlung von soliden Tumoren, allergische oder toxische Agranulozytose, benigne zyklische Neutropenie, aplastische Anämie, angeborene und erworbene Immunmangelsyndrome (z. B. AIDS) und einer Vielzahl anderer Krankheitszustände [Boggio 2000; Ettinghausen 1993]. 27.2.1
Pathophysiologie
Die Inzidenz einer neutropenen Kolitis im Rahmen einer Neutropenie bzw. Agranulozytose wird mit 2,6–33% sehr variabel angegeben. Durch die Einführung intensiverer Chemotherapieregime, v. a. auch im Rahmen autologer und allogener Stammzelltransplantationen, ist mit einer Zunahme der Inzidenz der neutropenen Kolitis zu rechnen [Dietrich 2001]. Multifaktorielle Pathogenese der neutropenen Kolitis 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Neutropenie, Agranulozytose Eingeschränkte Immunabwehr Neoplastische Infiltration der Darmwand (Lymphome und leukämische Infiltrate) Zytotoxische Effekte von Chemotherapeutika Aktivierung proinflammatorischer Zytokine Gestörte Reparaturmechanismen
Die mikrobielle Infektion führt zu Nekrosen der Darmwandschichten. Das Zökum ist fast immer be-
293 27.2 · Neutropene (nekrotisierende) Kolitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
troffen, mögliche andere Lokalisationen: terminales Ileum und Colon ascendens. Die Darmwände sind verdickt;, die Mukosa zeigt konfluierende Ulzera; es bestehen ein intramurales Ödem, Blutungen und Nekrosen, zumeist auch eine polymikrobielle Infektion. Selten sind entzündliche oder leukämische Infiltrate zu finden. Bakteriämie und Pilzsepsis kommen häufig vor. Wichtig Die Bedeutung von Bakterien und Viren in der Genese der neutropenen Kolitis werden allerdings kontrovers diskutiert [Coleman 1993].
27.2.2
Klinik
Die klinische Symptomatik ist initial wenig wegweisend. Sie manifestiert sich zum Nadir (minimale Granulozytenzahl,<500/µL Neutrophile) und bessert sich in Abhängigkeit von der Regeneration der Granulopoese.Charakteristisch ist die Kombination von Fieber und rezidivierenden kolikartigen Bauchschmerzen (Subileussymptomatik), tastbarer Resistenz und Druckschmerzhaftigkeit des rechten Unterbauches mit Loslassschmerz (der auch kontralateral als Zeichen der peritonitischen Reizung zu beobachten ist). Das Auftreten einer wässrigen (seltener hämorrhagischen) Diarrhö ist möglich (ca. 50%). Mögliche Komplikationen sind: Sepsis und Zeichen der Perforation mit Peritonitis sowie in seltenen Fällen auch eine profuse therapierefraktäre Blutungen. 27.2.3
Diagnostik
Neben den routinemäßig durchzuführenden laborchemischen und stuhlhygienischen (mikrobiologischen) Untersuchungen (Bakterien,Clostridium difficile inkl. Toxin, Viren, Parasiten) wird routinemäßig die CMV-PCR im Blut und/oder der CMV-Antigennachweis im Blut oder Urin empfohlen.Bei Fieber sollten Blutkulturen analysiert werden. Die Koloskopie sowie der Bariumkontrasteinlauf sind während der Neutropenie relativ kontraindiziert (Perforationsgefahr). Bei Verdacht auf eine pseudomembranöse Kolitis kann eine Sigmoidoskopie mit Vorsicht durchgeführt werden. Die Typhlitis wird durch Sonographie oder CT festgestellt [Dietrich 2001]. Sonographisch imponiert eine ausgeprägte,schwächer echogene asymmetrische
27
Darmwandverdickung mit transmuraler Entzündungsreaktion und Arealen unterschiedlicher Echogenität, die durch Ödem, Nekrosenbildung und/oder umschriebenen Hämorrhagien zu erklären sind. Murale Lufteinschlüsse weisen auf eine Infektion mit gasbildenden (anaeroben) Keimen hin. Die umschriebene perikolische Flüssigkeitsansammlung ist ein Zeichen der (drohenden) Perforation. Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch wird häufig zuerst an eine Appendizitis gedacht. Unnötige Operationen müssen allerdings unbedingt vermieden werden, da die Operation dieser schwerkranken Patienten in der Agranulozytose eine sehr hohe Letalität aufweist. Neben dem periappendizitischen Abszess müssen akute oder chronische Erkrankungen der Ileozökalregion bedacht werden (z. B. bakterielle Ileozökitis, CMVInfektionen, Darmtuberkulose, pseudomembranöse und ischämische Kolitis,Morbus Crohn,Graft-versusHost-Erkrankung, neoplastische Infiltration der Ileozökalregion, Einblutung). 27.2.4
Therapie
Treten bei einem neutropenen Patienten abdominelle Schmerzen auf, sind Abdomenübersichtsröntgenaufnahme,Blutbild und Stuhluntersuchungen (inkl.Clostridium-difficile-Toxinbestimmung) durchzuführen. Bestehen Pneumoperitoneum, Peritonitis, Schock oder persistierende Blutung, ist mit dem Chirurgen die Indikation zur Laparotomie zu überprüfen. Bei stabilen Patienten sollten zu Sicherung der Diagnose Sonographie oder CT durchgeführt werden. Konservative Therapie Finden sich ein verdicktes Zökum ohne freie Luft und Abszessbildung, erfolgen beim Patienten ohne Komplikationen primär konservative Maßnahmen: Nahrungskarenz, Magensonde, total parenterale Ernährung sowie antibiotische und antimykotische Therapie. Da nicht selten eine Pilzsepsis und Pilzbefall des Darm bestehen, sollte bei persistierendem Fieber (>72 h) trotz Therapie mit Breitbandantibiotika auch eine Therapie mit Amphotericin B oder Fluconazol erfolgen. Anticholinergika, Loperamid oder Narkotika sollten wegen Ileusgefahr nicht eingesetzt werden. Da die Neutropenie das »sine qua non« der neutropenen Kolitis darstellt, gilt es, die Phase der Neutropenie zu verkürzen; dies kann durch Gabe von Wachstumsfaktoren (z. B. G-CSF- oder GM-CSF) bzw. durch die Ap-
294
Kapitel 27 · Atypische Kolitiden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
plikation von Granulozytentransfusionen erfolgen [Song 1998]. Ihre positive Wirkung bei der neutropenen Kolitis ist jedoch nicht erwiesen.
III
Chirurgische Therapie Bei Komplikationen wie Pneumoperitoneum, Peritonitis, Schock und persistierender starker Blutung besteht eine Operationsindikation.In der Regel wird eine rechtsseitige Hemikolektomie durchgeführen. Das Zökum erscheint von außen oft nur ödematös, während unter der Serosa ausgeprägte Ulzerationen und Nekrosen vorliegen. Die unvollständige Entfernung der Nekrosen kann trotz Operation zum Tod führen. Wichtig Zur rechtzeitigen Operationsindikationsstellung muss eine intensive interdisziplinäre Betreuung dieser Patienten erfolgen.
Als Operationsindikation gilt die klinische Verschlechterung mit progredientem Sepsisbild und die Perforation. Profuse Blutungen, die auch nach Optimierung der Gerinnungsituation anhalten, sind selten, können aber auch eine Operationsindikation darstellen [Lev 1993; Wade 1992]. Prophylaxe Als prophylaktische Maßnahmen werden die selektive oder komplette Darmdekontamination sowie die prophylaktische Gabe von Granulozytentransfusionen, insbesondere bei Patienten mit Zustand nach neutropener Kolitis vor erneuter Hochdosischemotherapie, diskutiert. Wichtig Bei Patienten, die eine neutropene Kolitis unter Chemotherapie entwickelt haben, besteht ein hohes Risiko, bei Fortsetzung der Chemotherapie eine erneute neutropene Kolitis zu erleiden.
Prognose Die Prognose des Krankheitsbildes variiert in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden (konsumierenden) Erkrankung, den eingesetzten Chemotherapeutika sowie dem individuellen Zustand des Patienten. Als wesentlicher prognostischer Faktor gilt die Normalisierung der Leukozytenzahl im peripheren Blutbild und die Zeitdauer der ausgeprägten Neutropenie, da diese eine kontinuierliche bakterielle Invasion der Darmwand mit Nekrosen und Perforation begünstigt.
Die Mortalitätsrate betrug initial 40–50% durch transmurale Nekrosen, Perforation, Sepsis. Frühere Erkennung der Krankheit und rechtzeitiger Beginn einer primären konservativen Therapie haben die Mortalitätsrate gesenkt,exakte Daten liegen allerdings nicht vor 27.3
Diversionskolitis
27.3.1
Pathophysiologie
Durch Ausschalten eines Dickdarmsegmentes kann eine Kolitis auftreten, die den chronisch entzündlichen Darmkrankheiten – insbesondere der Colitis ulcerosa – ähnelt. Pathophysiologisch spielt die Ableitung des Darminhaltes (englische Bezeichnung »diversion«) eine entscheidende Rolle [Scheppach 2001]. Bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (M. Crohn) wird das Ausschalten eines Darmsegmentes unter therapeutischen Gesichtspunkten durchgeführt,da beobachtet wurde,dass sich die entzündliche Aktivität verringern lässt [Rutgeerts 1998; Winslet 1993]. Hierfür spricht, dass es nach Reanastomosierung häufiger zu Entzündungsrezidiven kommt.Ähnliche Beobachtungen wurden bei der Kollagenkolitis gemacht (untersuchtes Kriterium:Abnahme der Dicke des Kollagenbandes). Am ehesten ist als Ursache ein Mangel an kurzkettigen Fettsäuren (SCFA, Azetat, n-Butyrat, Propionat) anzusehen, die als wichtigstes Nahrungssubstrat für die Kolonepithelzellen anzusehen sind.Diese kurzkettigen Fettsäuren entstehen im Kolon durch anaerobe Bakterienfermentation von nichtresorbierten Kohlenhydraten. Die Kolonozyten decken 70% ihres Energiebedarfs aus kurzkettigen Fettsäuren. Luminale kurzkettige Fettsäuren haben jedoch noch zusätzliche Wirkungseffekte: Modulation des Wasser- und Elektrolyttransports, Wirkungen auf die Dickdarmmotilität sowie die Durchblutung der Mukosa [Neut 1989]. Beim Ausbleiben der trophischen Effekte von SCFA auf die normale Kolonmukosa kommt es zur Schleimhautatrophie und verminderten Epithelzellproliferation mit konsekutiver Abnahme der resorptiven Kapazität. Es konnte gezeigt werden, dass die Veränderungen der Kolonmukosa im ausgeschalteten Darmsegment durch die Applikation von kurzkettigen Fettsäuren reversibel sind [Guillemont 1991; Harig 1989].
295 27.3 · Diversionskolitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
27.3.2
Klinik
Zeitpunkt und das Ausmaß der Beschwerden sind variabel. Die meisten Patienten mit Diversionskolitis – insbesondere Kinder – bleiben asymptomatisch. Die häufigsten Beschwerden sind rektale Blutungen, Tenesmen, Schleimabsonderungen und krampfartige Bauchschmerzen. Diese Symptome sind meist nur leichtgradig und kommen bei 6–38% der Patienten vor.Selten entwickeln Patienten transfusionsbedürftige Blutungen, Diarrhö oder eine Sepsis bei tiefen Ulzerationen. Die klinischen Symptome beginnen nach einer Operation meist erst nach einigen Monaten. Der endoskopische und histologische Befund erinnert an die Colitis ulcerosa mit ödematös-erythematöser granulär veränderter Mukosa; Ulzerationen können vorkommen; typisch ist die ausgeprägte Vulnerabilität. Histologisch finden sich neben den typischen Kryptenabszessen und allgemein einer Architekturstörung der Krypten auch eine Hyperplasie des lymphatischen Gewebes [Lim 2000]. Die meisten Patienten mit einer Diversion des Fäkalstroms entwickeln keine rektalen Symptome. 27.3.3
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt klinisch anhand der Symptomatik sowie endoskopisch-histologisch. Die transabdominelle Sonographie hat ihre Bedeutung in der Ausbreitungsdiagnostik. Radiologische Methoden (z. B. Kolonkontrasteinlauf) haben ihre Bedeutung vor einer Reanastomosierung, insbesondere zum Ausschluss von Fisteln.
27.3.4
27
Therapie
Aufgrund der Ähnlichkeit der klinischen Symptomatik mit der Colitis ulcerosa wurden bei Patienten mit Diversionskolitiden (fast) alle Formen der Therapiemodalitäten chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen angewandt, ohne dass deren Effizienz in kontrollierten Therapiestudien bewiesen wurde. Medikamentöse Therapie Die rektale Symptomatik lässt sich mit topische eingesetzte Medikamente therapeutisch angehen. Topische Therapieformen (Mod. nach [Scheppach 2001]) Kurzkettige Fettsäuren 5-Aminosalizylate Kortikosteroide
Vielversprechend ist die Überlegung des luminalen Substratmangels an kurzkettigen Fettsäuren und die Beobachtung,dass die pathologischen Veränderungen unter Applikation von kurzkettigen Fettsäuren reversibel sein können (⊡ Tabelle 27.4). ▬ Die Applikation von kurzkettigen Fettsäuren erfolgt per Klysma. Die Einlauflösung sollte sich wie folgt zusammensetzen: 60 mmol Natriumazetat, 30 mmol Natriumpropionat, 40 mmol n-Butyrat, 22 mmol Natriumchlorid. Dies ergibt eine blutisotone Lösung mit einer Osmolalität von 280– 290 mosmol/l. Der pH-Wert ist mit NaOH auf 7,0 einzustellen.
⊡ Tabelle 27.4. Rektale Anwendung von kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) bei Diversionskolitis, die auch entsprechend rezeptiert werden können (Mod. nach [Scheppach 2001]) Behandlungsmodalität
Ergebnis
Acetat 60 mM, Propionat 30 mM, Butyrat 40 mM vs. NaCl (Kontrolle, Crossover-Design, n=5)
Klinischer, endoskopischer, histologischer Rückgang der Entzündung unter SCFA für 2 Wochen, jedoch nicht unter NaCl
Acetat 60 mM, Propionat 30 mM, Butyrat 40 mM (n=7) vs. NaCl (Kontrolle, n=6)
Kein Unterschied zwischen den Gruppen nach 2 Wochen
Acetat 60 mM, Propionat 30 mM, Butyrat 40 mM (n=11) vs. NaCl (Kontrolle, n=10)
Kein Unterschied zwischen den Gruppen nach 12 Wochen
Acetat 80 mM, Propionat 30 mM, Butyrat 40 mM, vs. NaCl (Kontrolle, Crossover-Design, n=9)
Kein Unterschied zwischen den Gruppen nach 3 Wochen
296
Kapitel 27 · Atypische Kolitiden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
▬ 60 ml dieser Lösung sollten 2-mal/Tag über 6 Wo-
chen rektal instilliert werden. ▬ Sollten keine kurzkettigen Fettsäuren zu Verfü-
gung stehen, kann ein Therapieversuch mit Mesalazin-Einläufen gelegentlich erfolgreich sein.
III
Chirurgische Therapie Die Therapie der Wahl besteht jedoch in der Reanastomosierung und Wiederherstellung der Darmkontinuität, auch unter der Kenntnis, dass operativ mit einer gewissen entzündlichen Aktivität im operierten Darmsegment zu rechnen ist. Wichtig Es kann vor einer Reanastomosierung nicht zu einem vollständigen Sistieren der Entzündungsaktivität im ausgeschalteten Segment kommen, da die einzig effektive Therapie der Diversionskolitis in der Reanastomosierung liegt.
Literatur Boggio L, Pooley R, Roth SI, Winter JN (2000) Typhlitis complicating autologous blood stem cell transplantation for breast cancer. Bone Marrow Transplant 25: 321–326 Bohr J, Tysk C, Eriksson S, Jarnerot G (1995) Collagenous colitis in Orebro, Sweden, an epidemiological study 1984–1993. Gut 37: 394–397 Bonderup OK, Folkersen BH, Gjersoe P, Teglbjaerg PS (1999) Collagenous colitis: a long-term follow-up study. Eur J Gastroenterol Hepatol 11: 493–495 Coleman N, Speirs G, Khan J et al. (1993) Neutropenic enterocolitis associated with Clostridium tertium. J Clin Pathol 46: 180–183 Dietrich CF, Caspary WF (2001) Ultrasonography of the small and large intestine. UpToDate, Wellesley MA, USA Dietrich CF, Caspary WF (2003) Lymphocytic and collagenous colitis. UpToDate, Wellesley MA, USA Ettinghausen SE (1993) Collagenous colitis, eosinophilic colitis, and neutropenic colitis. Surg Clin North Am 73: 993–1016
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28 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Divertikulose und Divertikulitis des Dickdarms W. F. Caspary, E. Hanisch 28.1
Epidemiologie
28.2
Pathologie, Ätiologie und Pathogenese
28.2.1 28.2.2
Divertikulose – 298 Divertikulitis – 298
28.3
Klinik
28.3.1 28.3.2 28.3.3
Divertikulose – 299 Divertikulitis – 299 Divertikelblutung – 300
28.4
Diagnostik
– 298
– 299
– 301
28.5
Therapie
28.3.1 28.3.2 28.3.3
Divertikulose – 302 Divertikelblutung – 303 Divertikulitis – 303
Literatur
>>
– 298
– 302
– 304
Divertikel des Kolons sind Ausstülpungen der Mukosa und der Submukosa durch die Ringmuskulatur des Dickdarms. Bei angeborenen (echten) Divertikeln stülpt sich die gesamte Darmwand aus, bei erworbenen (falschen) Divertikeln stülpt sich die Darmschleimhaut durch Lücken in der Muskelschicht. Divertikulose: Vorhandensein von Kolondivertikeln ohne klinische Symptome. Divertikulitis: entzündliche Veränderungen der Divertikel mit Übergreifen der Entzündung lokal als Peridivertikulitis, fortschreitend auf angrenzende Strukturen mit konsekutiven Komplikationen. Vor Beginn des 20. Jahrhunderts war die Divertikulose des Dickdarms fast unbekannt, in den letzten Jahrzehnten wird sie jedoch insbesondere in modernen westlichen Ländern immer häufiger festgestellt. Die meisten Patienten mit Divertikulose des Dickdarms bleiben asymptomatisch, ca. 20% erleiden jedoch Komplikationen wie Entzündung und Blutungen, die konservativ oder chirurgisch behandelt werden müssen.
298
28.1
III
Kapitel 28 · Divertikulose und Divertikulitis des Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Epidemiologie
Die Divertikulose ist im jungen Lebensalter selten, steigt jedoch konstant mit steigendem Alter (im Alter >80 Jahren 50–60%).Autopsiestudien haben ergeben, dass die Dickdarmdivertikulose von ca. 5% im Jahr 1910 auf fast 50% zugenommen hat. Der Anstieg der Prävalenz korreliert mit dem Alter und Ländern mit hohem Lebensstandard. Die Zunahme der Prävalenz der Divertikulose bei japanischen Immigranten in Hawaii und afrikanischen Schwarzen,die in Städten wohnen, stützt eher einen Umweltfaktor als eine genetische Prädisposition [Mendeloff 1996]. Große Bedeutung bei der Entwicklung der Divertikulose wurde und wird dem Verlust an pflanzenfaserreicher Nahrung (sog.»Fibre-Hypothese«) zugemessen.Divertikel kommen selten vor dem Alter von 40 Jahren vor, bei 90-jährigen findet sich eine Prävalenz von bis zu 60% [Painter 1975]. 28.2
Pathologie, Ätiologie und Pathogenese
Bei der Mehrzahl der Divertikel des Dickdarms handelt es sich histologisch um: ▬ Pseudodivertikel: Herniationen der Mukosa und Submukosa durch die Muskelschicht. ▬ Echte Divertikel, die alle Schichten der Darmwand enthalten, kommen als angeborene Anomalien vor. 28.2.1
Divertikulose
Divertikel entstehen in einer Zone der anatomischen Wandschwäche der Ringmuskulatur des Dickdarms an der Durchtrittsstelle der Gefäße (Vasa recta) in die Submukosa. Gefäße aus dem Hauptarterienstamm versorgen die Muskularis am Divertikelhals. Fast alle Divertikel befinden sich zwischen der mesenterialen und lateralen Taenia coli. Die Hauptlokalisation ist im Sigma und im Colon descendens. Veränderungen der glatten Muskulatur finden sich bei ca. 70% der Patienten mit spastischer Divertikulose des Sigmas oder Colon descendens. Die Wand des distalen Kolons ist oft erheblich verdickt, das Lumen durch konzentrische Hypertrophie der Ringmuskulatur eingeengt. Sowohl die Ringmuskulatur wie auch die Längsmuskulatur (Taenien) erscheinen verdickt und verkürzt (Myochose).Die Verkürzung der Taenien kann möglicherweise durch ein vermehrtes Vorkommen von Elastin erklärt
werden, das sich nur in den Taenien, nicht aber in der Ringmuskulatur nachweisen lässt. Die Einengung des Lumens kann durch eine Verkürzung der Muskulatur des Sigmas wie auch eine perikolische Fibrose erklärt werden. Bei ca. 30% der Patienten mit distaler Divertikulose finden sich jedoch selten oder sogar überhaupt keine Hinweise für eine Muskelhypertrophie. Die Entstehung der Divertikel des Dickdarms wird auf eine Erhöhung des intraluminalen Drucks zurückgeführt. Ein erhöhter Innendruck kann durch einen Mangel an Faserstoffen in der Nahrung und dadurch bedingten kleinen Stuhlvolumina entstehen.Dadurch entstehen vermehrt nichtpropulsive motorische Bewegungen im distalen Kolon, wo das Lumen ohnehin enger ist als im proximalen Kolon.Mit der Zeit kommt es zur Hypertrophie der glatten Muskulatur, der intraluminale Druck steigt an und begünstigt eine Herniation. Eine strukturelle Schwäche der Dickdarmwand mit zunehmendem Alter sowie der erhöhte Innendruck durch die Muskelhypertrophie begünstigen die Divertikelbildung.Entzündungen der Divertikel können zur Divertikulitis führen. 28.2.2
Divertikulitis
Eine Divertikulitis tritt auf, wenn die Öffnung eines Divertikels durch Stuhl verschlossen bleibt. Sie tritt bei ca. 25% der Patienten mit einer seit mindestens 10 Jahren bekannten Divertikulose auf (⊡ Abb. 28.1). Die Divertikulitis entsteht durch eine Entzündung und nachfolgende Perforation eines Dickdarmdivertikels. Das initiale Ereignis ist eine Mikroperforation des Darms durch ein Divertikel, was zu einer Peridivertikulitis und/oder einer Phlegmone führt (unkomplizierte Divertikulitis). Wichtig Eine komplizierte Divertikulitis entsteht dann, wenn das entzündliche und septische Geschehen mit Stenose, freier Perforation, Fistelbildung und Abszessen einhergehen.
Die Entzündung beginnt an der Spitze des Divertikels und breitet sich in das benachbarte mesenteriale und perikolische Gewebe aus. Die Peridivertikulitis bleibt oft lokalisiert, es können sich aber auch peridivertikulitische Abszesse bilden. Treten rezidivierende Schübe auf, dann entwickelt sich häufig eine Fibrose und eine Stenose. Perforationen können
299 28.3 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
28
⊡ Abb. 28.1. Natürlicher Verlauf der Divertikulose und Divertikulitis
zu Fistelbildungen in Nachbarorgane (Harnblase mit den klinischen Symptomen einer Pneumaturie oder Fäkalurie, Vagina, Dünndarm) führen oder zur Perforation in die freie Bauchhöhle mit Peritonitis. Am häufigsten kommen kolovesikale Fisteln (65%) vor.
eine abnorme motorische Aktivität des Kolons bedingt. 28.3.2
Divertikulitis
Einfache Divertikulitis 28.3
Klinik
28.3.1
Divertikulose
Die Divertikulose des Dickdarmes bereitet in der Regel keine oder nur so geringe Beschwerden, dass die Patienten nicht deshalb den Arzt aufsuchen (asymptomatische Divertikulose; ⊡ Abb. 28.2). Einige Patienten geben gelegentliche abdominelle Schmerzen,Völlegefühl, Flatulenz und Stuhlunregelmäßigkeiten an. Häufig besteht anamnestisch eine habituelle chronische Obstipation mit schafskotähnlichen Stühlen und Schleimabgängen. Die Symptome der asymptomatischen Divertikulose sind unspezifisch und können auch auf das irritable Kolon hinweisen. Die schmerzhafte Divertikelkrankheit ist durch krampfartige abdominelle Schmerzen unterschiedlicher Intensität, die meist im linken Unterbauch auftreten, charakterisiert. Die Symptome können Stunden bis Tage anhalten, gehen häufig mit einer Druckempfindlichkeit einher, nehmen nach der Mahlzeit zu, bessern sich nach dem Abgang von Stuhl und Flatus und sind am ehesten durch
Wichtig Der typische Patient mit akuter Divertikulitis klagt über Schmerzen im linken Unterbauch (93– 100%), hat Fieber (57–100%) und eine Leukozytose (69–83%).
Zusätzlich bestehen häufig: Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Diarrhö, Dysurie sowie Drang zum Wasserlassen. Die Divertikulitis kann sich als hochakutes Krankheitsbild mit umschriebener Peritonitis, heftigen Schmerzen im linken Unterbauch, Abwehrspannung, walzenförmiger Resistenz, Fieber und Leukozytose präsentieren. Da eine Divertikulitis meist am Sigma-Descendens-Übergang auftritt, spricht man auch von der »Linksseitenappendizitis«. Mit einem atypischen, symptomenarmen Verlauf ist bei alten und bei immunsupprimierten Patienten zu rechnen.
300
Kapitel 28 · Divertikulose und Divertikulitis des Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
III
⊡ Abb. 28.2. Divertikelkrankheit – Klassifikation und Komplikationen
Differenzialdiagnose der Divertikulitis
Appendizitis M. Crohn Colitis ulcerosa Gynäkologische Erkrankungen: Adnexitis, rupturierte Ovarialzyste, Endometriose Kolorektales Karzinom Colon irritabile
Komplizirte Divertikulitis Interne Fisteln entwickeln sich bei ca. 2% aller Patienten mit einer Divertikulitis (kolovesikal 65%, kolovaginal 25%, koloenterisch 7%, kolouterin 3%). Der Nachweis einer gemischten Flora im Urin weist auf eine kolovesikale Fistel hin. Analog ist die Ausscheidung von Stuhl aus der Vagina pathognomonisch für eine kolovaginale oder kolouterine Fistel [Woods 1998]. Eine intraoperative Klassifikation mit 4 Schweregraden der perforierten Divertikulitis wurde von Hinchey (1995) vorgeschlagen. Eine Sonderform stellt die rechtsseitige Diverikulitis dar. Zwischen 35 und 84% der in asiatischen Ländern gefundenen Kolondiverrtikel liegen im Zäkum
oder im Colon ascendens [Thorsen 1998]. Die Patienten sind bei Krankheitsbeginn im Schnitt 20 Jahre jünger als bei der Linksseitendivertikolitis westlicher Länder. Entzündliche Komplikationen werden in 13 % der Fälle beschrieben. ! Cave Das klinische Bild der Rechtsseitendiverrtikolitis ist praktisch nicht von der Appendizitis zu unterscheiden.
28.3.3
Divertikelblutung
Die enge Nachbarschaft von Divertikeln und kaliberstarken Blutgefäßen erklärt das Auftreten massiver Blutungen ohne begleitende Divertikulitis. Die Divertikelblutung ist bei Patienten >60 Jahre die häufigste Form einer unteren Gastrointestinalblutung. Schmerzlose rektale Blutungen (Hämatochezie) sind zu 15–40% mit der Divertikulose assoziiert. Im Gegensatz zur Häufigkeitsverteilung der Divertikel findet sich die Quelle einer Divertikelblutung in 70% der Fälle im rechtsseitigen Kolon. In der Regel ist die Blutung harmlos,bei ca.5% treten schwere Blutungen auf.Eine andere Blutungsursa-
301 28.4 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
che sollte beim Patienten mit Divertikulose endoskopisch ausgeschlossen werden (kolorektales Karzinom, Colitis ulcerosa). Die Divertikulose kommt insbesondere bei älteren Patienten so häufig vor, sodass die Divertikelblutung eine Ausschlussdiagnose werden muss. Angiodysplasien als Blutungsquelle kommen ebenso häufig vor wie Divertikelblutungen. Sowohl Angiodysplasien wie auch Divertikelblutungen treten überwiegend im rechtsseitigen Kolon sowie der Flexura lienalis auf [McGuire 1994].Die Therapie mit NSAR kann eine Divertikelblutung auslösen. 28.4
Diagnostik
Die notfallmäßig durchgeführte Koloskopie ist die diagnostische Methode der Wahl, da sie ggf. auch therapeutisch eingesetzt werden kann: Elektrokoagulation, Unterspritzung mit Adrenalin oder Klippapplikation. Der endoskopisch negative Befund schließt eine stattgehabte Divertikelblutung nicht aus, da durch die Lavage Blutungsstigmata entfernt sein können,bzw.eine Blutung aus dem Innern des Divertikels
⊡ Abb. 28.3. Diagnostische Strategie bei Hämatochezie und Verdacht auf Divertikelblutung. ÖGD Ösophagogastroduodenoskopie
28
nicht mehr vom Lumen her erkannt werden kann (⊡ Abb. 28.3). In anderen Ländern (z. B. in den USA) wird die Notfallangiographie als erste diagnostische Methode eingesetzt. Beim Blutverlust 0,5–1,0 ml/min hat die Angiographie einen hohen diagnostischen Wert und erlaubt in 60–90% der Fälle die Lokalisation der Blutungsquelle. Zunächst wird die A. mesenterica superior dargestellt, da die Divertikelblutungen meist im rechten Kolon lokalisiert sind, danach die A. mesenterica inferior, dann der Truncus coeliacus, um eine mögliche obere Gastrointestinalblutung zu erfassen. Apparative Diagnostik. Die Diagnostik erfolgt bei der Divertikulose : ▬ endoskopisch (Koloskopie) oder ▬ radiologisch (Kontrasteinlauf).
Bei der akuten Divertikulitis (⊡ Abb. 28.4) erfolgt wegen der Perforationsgefahr zuerst: ▬ Sonographie mit 5- oder/und 7,5-MHz-Schallkopf: Wandverdickungen, dilatierter prästenotischer Dickdarm, Abszedierung, Fistelbildungen. Die
302
Kapitel 28 · Divertikulose und Divertikulitis des Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 28.4. Diagnostische Strategie bei linksseitigem Unterbauchschmerz und Verdacht auf Divertikulitis. CT Computertomographie
III
Darstellung eines druckschmerzhaften Kolonsegments über eine Länge von mindestens 5 cm mit einer echoarmen Wandverdickung (Aufhebung der typischen Schichtung) mit echoreichem Halozeichen als Ausdruck der Peridivertikulitis sind typische sonographische Zeichen der Divertikulitis.In mehreren prospektiven Untersuchungen erreichte die Sonographie eine Sensitivität von 85–98% sowie eine Spezifität von 80–98%. Der Nachteil der Sonographie liegt an der Untersucherabhängigkeit der Methode [Yacoe 1994]. ▬ Computertomographie: Die CT ist dem Kontrasteinlauf überlegen. Bei oraler und rektaler Kontrastmittelfüllung erreicht die CT eine höhere Sensitivität als der Kontrasteinlauf (93 vs. 80%). Sie muss heute als Standard angesehen werden. Ob sie jedoch der Sonographie eindeutig überlegen ist, bleibt noch offen. Sonographie und CT erfassen besser als der Kontrasteinlauf oder die Endoskopie den peridivertikulitischen Entzündungsprozess. ▬ Magnetresonanztomographie (MRT): Die Erfahrungen sind noch zu spärlich, insbesondere, ob die Darstellung von Fisteln in Analogie zu den Analfisteln mit der NMR besser ist als die CT oder die Sonographie. ▬ Röntgen: der Einfachkontrasteinlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel zeigt: Engstellung des betroffenen Darmsegments, Unregelmäßigkeiten der Schleimhaut sowie Kontrastmittelaustritt aus
dem Darmlumen sind die diagnostischen Kriterien der Divertikulitis. Cave: Die Schwere der Divertikulitis wird jedoch beim Kontrasteinlauf zu 40% unterschätzt, da über das Ausmaß des peridivertikulitischen Entzündungsgrades keine zuverlässige Aussage möglich ist. ▬ Die Endoskopie (Koloskopie) ist mit einer erhöhten Perforationsgefahr verbunden und sollte daher bei der akuten Divertikulitis nicht durchgeführt werden. Labor. Meist besteht bei der Divertikulitis eine deutliche Leukozytose mit Linksverschiebug, CRP-Erhöhung und eine BSG-Beschleunigung. Komplikationen. Perforation, Abszedierung, Sepsis,
Stenosierung des befallenen Darmabschnittes, Blutung. 28.5
Therapie
28.5.1
Divertikulose
Bei asymptomatischer Divertikulose ist zur Stuhlregulation und Verhinderung von Komplikationen eine ballastreiche Kost unter Zusatz von Weizenkleie (20–30 g, 3 ¥ 2 Esslöffel/Tag) oder Quellmitteln (Mucofalk, Agiocur) angezeigt. Bei Schmerzen sind
303 28.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
lokale Wärme und Spasmolytika indiziert [Cummings 1996]. 28.5.2
Divertikelblutung
Bei 75–80% der Patienten sistiert die Divertikelblutung spontan, nur selten sind Bluttransfusionen erforderlich. Häufig gelingt die endoskopische Blutstillung. Die Behandlung sollte bei entsprechend ausgeprägten Abfall des Hämoglobins auf der Intensivstation erfolgen. Jeder 4. Patient erleidet mindestens ein Blutungsrezidiv. Persistierende Divertikelblutungen und häufige Blutungsrezidive sollten operativ behandelt werden. Dabei ist das chirurgische Vorgehen jedoch – insbesondere, wenn die Lokalisation der Blutungsquelle nicht bekannt ist – schwierig.Am ehesten entscheidet man sich auch heute noch zur subtotalen Kolektomie, die jedoch mit einer hohen Mortalitätsrate verbunden ist. 28.5.3
Divertikulitis
Die akute Divertikulitis wird beim ersten Schub meist entsprechend dem klinischen Schweregrad unter Konsultation des Chirurgen zunächst konservativ behandelt: Bettruhe, Nahrungskarenz, parenterale Flüssigkeitszufuhr, Antibiotika (⊡ Tabelle 28.1). Als Antibiotika kommen oral Ciprofloxacin + Metronidazol in Frage,parenteral wird eine Kombination eines Cepholosporins (z. B. Cefotaxim) oder eines
28
Breitbandpenicillins (z. B. Mezlocillin, Piperacillin) mit Metronidazol eingesetzt. Mit einem Ansprechen ist innerhalb von 48–72 h zu rechnen. 70–85% der Patienten können auf diese Weise konservativ behandelt werden. Bei der Therapie der Schmerzen sollte kein Morphin gegeben werden, da es den Druck im Kolon erhöht. Bei fehlendem Ansprechen auf diese Therapie oder häufigen Rezidiven ist die Operation indiziert. Operative Therapie Die Therapie der Divertikulitis hängt von der Schwere der Symptome, der Dauer der Erkrankung, der assoziierten Komorbidität und der zugrunde liegenden Immunkompetenz des Patienten ab. Indikationen für die operative Therapie sind in ⊡ Tabelle 28.2 aufgelistet. Es wird geschätzt, dass 20% der Patienten mit einer Divertikulitis sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen müssen. Septische Komplikationen aufgrund von Abszessformationen oder freier Perforation sind die häufigsten Gründe für eine akute operative Intervention [Rothenberger 1993]. Da der Verlauf der Erkrankung in bestimmten Fällen schwerer ist, wird bei folgenden Patientengruppen ein frühzeitigeres operatives Vorgehen im Sinne einer Präventivmaßnahmeempfohlen [Siewert 1995]: ▬ bei Patienten <50 Jahren, ▬ bei immunkompromittierten Patienten, ▬ bei Patienten mit rechtsseitiger Divertikulitis. Divertikelkomplikationen zwingen meist zum operativen Vorgehen noch im akuten Stadium: bei freier
⊡ Tabelle 28.1. Therapie der Divertikelkrankheit Maßnahmen
Schmerzhafte Divertikulose
Divertikulitis
Diät
Ballaststoffe
Keine Ballaststoffe, Nahrungskarenz
Quellmittel
Nützlich
Nicht indiziert
Schmerzmittel
Kein Morphin Meperidin gut geeignet
Kein Morphin Meperidin gut geeignet
Spasmolytika
N-Butyl-Scopolaminbromid
Keine Indikation
Antibiotika
Nicht indiziert
Oral: Ciprofloxacin (2 ¥ 1000 mg/Tag), Metronidazol (3 ¥ 400 mg/Tag) Parenteral: Cefotaxim (4–6 g/Tag), Metronidazol (3 ¥ 500 mg/Tag)
304
Kapitel 28 · Divertikulose und Divertikulitis des Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 28.2. Operationsindikationen bei Divertikulitis
III
Komplikationen der Krankheit
Beeinflussende Faktoren
Sepsis Fistel Obstruktion Rezidivierende Schübe Klinische Verschlechterung unter konservativer Therapie Unmöglichkeit, ein Karzinom auszuschließen
Chronische Striktur Alter <50 Jahre Immunsuppression Rechtsseitige Divertikulitis
Perforation mit diffuser Peritonitis ist die sofortige Laparatomie notwendig. Ein umschriebener parakolischer Abszess kann ggf.interventionell,CT-gesteuert drainiert werden,mit dem Ziel die entzündlichen Veränderungen im späteren Operationsgebiet zu reduzieren [Ferzoco 1998; Stable 1990]. Die chirurgischen Optionen lassen sich in ein-, zwei- und dreizeitige Verfahren unterteilen (Übersicht bei [Beglinger 2003]). Beim dreizeitigen Verfahren wird im ersten Schritt ein Anus praeter angelegt und das involvierte Darmsegment drainiert.In einer zweiten Operation wird dieses dann reseziert. Nach Abheilung der Anastomose wird schließlich der Anus praeter zurückverlegt und die Darmpassage wiederhergestellt. Das dreizeitige Verfahren ist heute zugunsten des zweizeitigen Vorgehens verlassen worden, nachdem in großen Studien gezeigt werden konnte, dass die Letalität im ersteren Falle bei 12–32% liegt, während sie beim zweizeitigen Verfahren (Resektion bei der ersten Operation) 1–12% beträgt. Neuere Arbeiten plädieren sogar für das einzeitige Verfahren, d. h. für die primäre Resektion mit gleichzeitiger Rekonstruktion ohne Anlage eines Anus praeter. Das mehrzeitige Vorgehen im Sinne einer Hartmann-Operation wird lediglich nur noch für Hochrisikopatienten oder gleichzeitig vorliegender schwerer Peritonitis empfohlen. Stand der laparoskopischen Operationsverfahren Im Gegensatz zum Kolonkarzinom, bei dem eine erhebliche kontroverse Diskussion zum Einsatz der laparoskopischen Operation geführt wird,ist deren Stellenwert für die elektive Chirurgie der Sigmadivertikulitis bei folgenden Indikationen etabliert: ▬ rezidivierende Attacken einer unkomplizierten Divertikulitis (2-malige Divertikulitis oder einmalige Erkrankung eines Patienten <50 Jahre);
▬ fistelassoziierte Divertikulitis, bei der ein Karzi-
nom ausgeschlossen werden muss; ▬ elektive Resektion nach interventionell drainier-
tem Abszess; ▬ erstmalige Erkrankung bei einem Patienten mit
immunsuppressiver Medikation. Wichtig erscheint das Resektionsausmaß: Um Rezidiven vorzubeugen, sollte die distale Resektionsgrenze unterhalb der peritonealen Umschlagsfalte zu liegen kommen [Eijsbonts 1997].
Literatur Beglinger C, Oertli D, Harder F (2003) Divertikolose und Divertikulitis des Dickdarms. In: Siewert JR, Harder F, Rothmund M (Hrsg.) Praxis der Viszeralchirurgie. Springer, Berlin Heidelberg New York, S. 533–545 Carbajo CM, Moendosc Sartin del Olmo JC, Blanco JI et al. (1998) The laparoscopic approach in the treatment of diverticular colon disease. J Soc Lapar Surg 2: 159–161 Cummings JH (1996) Diverticular disease and your mother’s diet. Gut 39: 489–490 Eijsbonts QAL, Cuesta MA, de Brauer LM, Sietses C (1997) Elective laparoscopic-assisted sigmoid resection for diverticular disease. Surg Endosc 11: 750–750 Elliott TB, Yego S, Irvin TT (1997) Five-year audit of the acute complications of divericular disease. Surg Endosc 11: 750–753 Ferzoco LB, Raptopoulos V, Silen (1998) Acute diverticultis. N Engl J Med 338: 1521–1526 McGuire HH (1994) Bleeding colonic diverticula-reappraisal of natural history and management. Ann Surg 220: 653–656 Mendeloff AI (1986) Thoughts on the epidemiology of diverticular disease. Clin Gastroenterol 15: 855–877 Painter NS, Burkitt DP (1975) Diverticular disease of the colon: a 20th-century problem. Clin Gastroenterol 4: 3–25 Rothenberger DA, Wiltz O (1993) Surgery for complicated diverticulitis. Surg Clin N Amer 73: 975–992
305 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG Siewert JR, Huber FT, Brune IB (1995) Frühelektive Chirurgie der akuten Divertikulitis des Colons. Chirurg 66: 1182–1189 Stabile BE, Puccio E, van Sonnenberg E, Neff CC (1990) Preoperative percutaneous Drainage of diverticular abscesses. Am J Surg 159: 99–104 Vogt W, Schölmerich J (1996) Divertikelkrankheit. Dtsch Med Wochenschr 121: 411–415
28
Siewert JR, Huber FT, Brune IB (1995) Frühelektive Chirurgie der akuten Divertikulitis des Colon. Chirurg 66: 1182–1189 Woods RJ, Lavery IC, Fazio VW, Jagelman DG, Weakley FL (1998) Internal fistulas in diverticular disease. Dis Colon Rectum 31: 591–596 Yacoe ME, Jeffrey RB (1994). Sonography of appendicitis and diverticulitis. Radiol Clin N Amer 32: 899–912
SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Appendizitis E. Hanisch 29.1 Epidemiologie
– 307
29.2 Ätiologie und Pathogenese 29.3 Klinik
– 307
– 307
29.4 Diagnostik und Differenzialdiagnose 29.5 Therapie Literatur
>>
– 307
– 308
– 309
Bei der akuten Appendizitis werden verschiedene Stadien unterschieden, wobei im Frühstadium lediglich eine vermehrte Gefäßzeichnung der Tunica serosa erkennbar ist. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Fibrinexsudation an der serösen Oberfläche. Mit dem Fortschreiten der Entzündung nimmt die Schwellung der Appendix zu. Abszesse und flächenhafte Fibrinbeläge auf der Appendixoberfläche sowie auf dem Mesenteriolum und dem angrenzenden Peritoneum sind zu beobachten. Schließlich können ausgedehnte Nekrosen zur Perforation und Ausbildung einer kotig-eitrigen Peritonitis führen. Ist der entzündete Appendixbereich abgekapselt und abszediert, spricht man vom perityphlitischen Abszess.
307 29.4 · Diagnostik und Differenzialdiagnose SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
29.1
Epidemiologie
Die Inzidenz der Appendizitis beträgt durchschnittlich 110 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Die höchste Inzidenz (233/100.000/Jahr) findet sich in der Altersgruppe der 10- bis 19-Jährigen [Addiss 1990]. Die berechnete Wahrscheinlichkeit während seines Lebens an einer Appendizitis zu erkranken beträgt für Männer 8,6, für Frauen 6,7%; wobei Frauen wegen der großen Anzahl negativer Appendektomien fast 2-mal häufiger als Männer appendektomiert werden [Addiss 1990]. Die Letalität der Appendektomie wegen akuter Appendektomie liegt in Mitteleuropa bei 0,2% und steigt bei perforierter Appendizitis bis auf 2% [Baigrie 1995; Horntrich 1990].Bei älteren Patienten mit perforierter Appendizitis und Peritonitis kann die Letalität 30% erreichen [Käufer 1989]. 29.2
Ätiologie und Pathogenese
In den meisten Fällen einer akuten Appendizitis steht die Obturation der Appendixlichtung am Anfang. Ursächlich kommen hierfür im wesentlichen Lageanomalien, fokale Narbenstenosen, eine lymphatische Hyperplasie, Tumoren sowie eingedickte Kotmassen, Kotsteine und Fremdkörper in Frage. Dies führt zu einer ischämischen Wandschädigung, die zur Eintrittspforte für eine bakterielle Infektion wird. Eine primär virale Schädigung der Schleimhaut kann jedoch ebenfalls vorliegen, beobachtet bei z.B. Aids-Patienten mit CMV-Infektion [Gerharz 1997]. 29.3
Klinik
Von wesentlicher Bedeutung für die Zuordnung klinischer Symptome ist die Kenntnis der möglichen Lagevarianten der Appendix. Liegt die Appendix an der Seite des Colon ascendens oder in der Fossa iliaca, sind die lokalen Beschwerden am ausgeprägtesten. Liegt sie hinter dem Zäkum oder distalen Ileum oder Mesenterium, wird die klinische Symptomatik maskiert. Eine abgeschwächte klinische Symptomatik ist auch im höheren Lebensalter und bei immunsupprimierte Patienten anzutreffen.Lageveränderungen der Appendix, hervorgerufen durch eine Schwangerschaft, erschweren erheblich die Zuordnung des Schmerzgeschehens zu einem Organsystem. Die Di-
29
agnose Appendizitis beim älteren Menschen,während der Schwangerschaft und beim immunkompromittierten Patienten wird häufig verspätet gestellt. Grundsätzlich gibt es eine klassische Reihenfolge der Appendizititsymptome: 1. anfänglich epigastrische oder paraumbilikale Schmerzen, dann in der Regel erst nach einigen Stunden im rechten Unterbauch; 2. Übelkeit oder Erbrechen; 3. Druckempfindlichkeit im Abdomen oder Becken; 4. Fieber. 29.4
Diagnostik und Differenzialdiagnose
Appendizitis ist eine klinische Diagnose, die nur selten durch zusätzliche diagnostische Tests (Laboruntersuchungen, Sonographie, Abdomenübersichtröntgenaufnahme) ergänzt werden muss. Die klassischen Appendizitiszeichen sind: ▬ Provokations- oder Druckschmerz und Loslassschmerz im rechten Unterbauch am McBurneyPunkt (Mitte der Verbindungslinie zwischen Nabel und vorderer oberer Spina des Darmbeines); ▬ Blumberg-Zeichen: bei Druck und bei Loslassen der kontralateralen Seite entsteht Schmerz im Appendixbereich; ▬ Rosving-Zeichen: Verstärkung des Schmerzes bei retrogradem Ausstreichen des Kolons. Weiterhin finden sich Zeichen einer peritonealen Abwehrspannung und bei der rektalen Untersuchung ein Druckschmerz im Douglas. Eine axilläre-rektale Temperaturdifferenz ist nicht obligat für eine Appendizitis, dies gilt auch für eine Leukozytose. Erythrozyten im Urin (DD: Ureterstein) schließen eine Appendizitis nicht aus. Besonders im Kindesalter treten differenzialdiagnostische Probleme auf. Folgende Richtlinien haben sich dabei bewährt. ▬ Im Säuglingsalter tritt eine Appendizitis sehr selten auf. ▬ Im Kleinkindesalter müssen Enteritis, Invagination und Volvulus abgegrenzt werden. ▬ Beim älteren Kind kann z. B. ein M. Crohn vorliegen. ▬ Eine Pneumonie und sog.Kinderkrankheiten verlaufen nicht selten mit einer peritonealen Reizsymptomatik.
308
Kapitel 29 · Appendizitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 29.1. Differenzialdiagnose der Appendizitis nach Lage der Appendix Appendixlage
Diagnose
Retro- oder parazäkale Lage
Cholezystitis, perforierte Gallenblase, florides Ulcus duodeni, Pyelitis, Nieren- oder Ureterstein, perinephritischer Abszess
Iliakale Lage
Perforiertes Ulcus duodeni, M. Crohn, Karzinom der Ileozäkalgegend, unspezifische Adenitis (Yersinieninfektion), Psoasabszess, Ureterstein, Meckel-Divertikel
Pelvine Lage beim Mann
Dickdarm/Dünndarmileus (z. B. Karzinom), Divertikulitis, tiefsitzender Ureterstein, Gastroenteritis
Pelvine Lage bei der Frau
Dysmenorrhö, drohender Abort, Stieldrehung, Entzündung oder Ruptur einer Ovarialzyste oder Torsion eines normalen oder leicht vergrößerten Ovars, Extrauteringravidität, Salpingitis oder Pyosalpinx, Endometriose
III
⊡ Tabelle 29.1 gibt einen Überblick über die Diffe-
renzialdiagnose der Appendizitis nach Lage der Appendix. Ehe man in den Tropen eine Appendizitis diagnostiziert,sind Amöbentyphlitis,perforierter Leberabszess, Hepatitis und Malaria auszuschließen. Wichtig Eine genaue Anamnese und klinische Untersuchung sind wegweisend für die Diagnose Appendizitis (⊡ Tabelle 29.2).
Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass der Einsatz der Sonographie die Treffsicherheit der klinischen Diagnose »akute Appendizitis« verbessert. So kann gewöhnlich mit hochauflösenden Schallköpfen die entzündete Appendix direkt dargestellt werden. Dabei wird eine Sensitivität von 80–95%, eine Spezifität von 95–100% und eine Richtigkeit von 91–95% erreicht [Schwerk 1989].Die Sonographie senkt auf diese Weise die Rate der negativen Laparotomien. Besonders junge Frauen mit der Differenzialdiagnose »Salpingitis« profitieren davon.Neuerdings wird sogar der routinemäßige Einsatz der Computertomographie gefordert, um Kosten zu senken, die durch nichtindizierte Laparotomien entstehen [Rao 1998]. 29.5
Therapie
Patienten, bei denen die Diagnose Appendizitis nicht sicher ist, werden stationär aufgenommen und paren-
⊡ Tabelle 29.2. Wertigkeit klinischer Zeichen bei Verdacht auf Appendizitis Klinisches Zeichen
Sensitivität
Spezifität
Schmerz rechter Unterbauch
0,81
0,53
Abwehrspannung
0,27
0,83
Schmerzwanderung
0,64
0,82
Psoaszeichen
0,16
0,95
Fieber
0,67
0,79
Loslassschmerz
0,63
0,69
Douglas-Schmerz
0,41
0,77
Anorexie
0,68
0,36
Übelkeit
0,58
0,37
Erbrechen
0,51
0,45
teral ernährt. Eine sorgfältige und engmaschige klinische Kontrolle durch den Erstuntersucher ist in diesen Fällen obligat. Nehmen die Beschwerden im Sinne einer typischen Appendizitis zu, wird in jedem Fall laparotomiert. Alternativ steht die laparoskopische Appendektomie zur Verfügung (⊡ Tabelle 29.3), die für folgende Situationen vorgeschlagen – jedoch noch kontrovers diskutiert – wird [Becker 1997; McCall 1997; Memon 1997]: ▬ Alle Patienten mit unsicherer Verdachtsdiagnose; ▬ Weibliche Patienten;
29
309 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 29.3. Kontraindikationen der laparoskopischen Appendektomie. (Mod. nach [Becker 1997]) Allgemeine
Spezielle
Schwere kardiopulmonale Begleiterkrankungen
Zäkumwandphlegmone
Therapierefraktäre Gerinungsstörungen
Basisnahe Perforation
Schwerer Ileus
Ungenügende Sanierungsmöglichkeit bei Perforation oder Abszess
4-Quadranten-Peritonitis (Schwangerschaft)
Unzureichende Exposition der Appendix bei Lageanomalie V. a. Appendixtumor (Karzinoid, Karzinom) Makroskopisch normale Appendix
⊡ Tabelle 29.4. Komplikationen der Appendektomie Appendendektomiebefund
Komplikationen [%]
Sepsis [%]
Wundinfekt [%]
Reoperation [%]
Letalität [%]
Negativ Akut Gangränös Perforiert Gesamt
16 4 11 23 11
6 0 3 9 3
6 3 10 13 7
0 0 0 6 6
0 0 0 1 0,3
▬ Ältere Patienten; ▬ Adipöse Patienten.
Die größte Patientengruppe, die eindeutig von der laparoskopischen Operation profitiert,sind junge Frauen mit Unterbauchbeschwerden und der Verdachtsdiagnose »akute Appendizitis«. Die bis zu 45% hohe negative Laparotomierate (d. h. bei der Operation wird keine Appendizitis festgestellt) gerade in dieser Patientengruppe könnte mit dieser Vorgehensweise sicher deutlich gesenkt werden. Obwohl die durchschnittliche Letalität bei entsprechender Therapie <1% beträgt, hat der ältere Mensch ein deutlich höheres Risiko (5–15%; ⊡ Tabelle 29.4). Die negative Laparotomierate beträgt in den meisten Studien 15–35%. Bisher wurde diese Tatsache akzeptiert, um Perforationen rechtzeitig zu erfassen. Wichtig Neuere Studien zeigen jedoch, dass hohe negative Appendektomieraten nicht mehr länger akzeptabel sind und die Perforation kein Problem der verzögerten Indikationsstellung, sondern ein Problem der verspäteten Patientenvorstellung ist.
Eine negative Appendektomierate von 15% ist als akzeptabel anzusehen [Colson 1997].
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310
III
Kapitel 29 · Appendizitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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30 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Polyposissyndrome J. Trojan, J. Rädle, S. Zeuzem 30.1
Familiäre adenomatöse Polyposis
30.1.1 30.1.2 30.1.3
Klinik und Diagnostik – 312 Klinische Betreuung – 313 Medikamentöse Therapie – 315
30.2
Hamartomatöse Polyposen
30.2.1 30.2.2
Klinik und Diagnostik – 316 Klinische Betreuung – 317
Literatur
>>
– 312
– 315
– 318
Gastrointestinale Polyposissyndrome sind in der Regel hereditäre Erkrankungen, die mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Entwicklung verschiedener Malignome, insbesondere kolorektaler Karzinome, assoziiert sind. Klinisch, histologisch und molekulargenetisch lassen sich die Polyposissyndrome in adenomatöse und hamartomatöse Polyposen unterteilen. Die familiäre adenomtöse Polyposis (FAP) ist durch kolorektale Adenome und ein fast 100%iges Risiko ein kolorektales Karzinom zu entwickeln charakterisiert. Daneben entwickeln diese Patienten gehäuft Desmoide und periampulläre Adenokarzinome. Zu den hamartomatösen Polyposen zählen das Peutz-Jeghers-Syndrom, die juvenile Polyposis und das Cowden-Syndrom. Klassisch für ein Peutz-Jeghers-Syndrom sind neben einer mukokutanen Hyperpigmentierung intestinale, hamartomatöse Polypen, die im jungen Erwachsenenalter häufig invaginieren und zu einem Dünndarmileus führen können. Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom weisen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von gastrointestinalen Karzinomen auf. Die juvenile Polyposis ist durch multiple juvenile Polypen und eine erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms charakterisiert. Im Gegensatz hierzu weisen Patienten mit Cowden-Syndrom, das durch mukokutane Hamartome definiert wird, zwar oftmals eine gastrointestinale Polyposis auf, diese ist jedoch nicht mit einem erhöhten Karzinomrisiko assoziiert. Patienten mit CowdenSyndrom besitzen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Mamma- und Schilddrüsenkarzinoms.
312
30.1
III
Kapitel 30 · Polyposissyndrome SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Familiäre adenomatöse Polyposis
Die FAP ist mit einer Prävalenz von 1:10.000 Einwohnern das häufigste erbliche Polyposissyndrom der westlichen Industrieländer und wird autosomal dominant vererbt. Bei etwa 75% der Patienten mit FAP liegt eine familiäre Häufung vor. Die übrigen Erkrankungsfälle werden durch eine neu aufgetretene genetische Alterationen (Spontanmutation) verursacht [Caspari 2000; Rädle 2001]. Charakteristisches Merkmal der FAP ist die kolorektale Polyposis (⊡ Abb. 30.1). Die Penetranz dieses Phänotyps liegt bei 80– 100%.Aufgrund der hohen Entartungstendenz der intestinalen Adenome ist die FAP eine obligate Präkanzerose für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms [Caspari 2000]. Genetische Ursache der FAP sind Mutationen des Tumorsupressorgens APC [Groden 1991; Joslyn 1991]. Kolorektale Polypen bei Patienten mit FAP sind Ausdruck einer durch APC-Inaktivierung vermittelten, gesteigerten epithelialen Proliferation. 30.1.1
Klinik und Diagnostik
FAP Die FAP ist charakterisiert durch das Auftreten multipler (>100) Adenome in Kolon und Rektum.Bei 50% aller Patienten mit FAP sind im Alter von 16 Jahren kolorektale Polypen, mit zunehmendem Alter vermehrt Adenome und schließlich Karzinome nachweisbar.Bis zum 30. Lebensjahr beträgt das Adenomrisiko etwa
⊡ Abb. 30.1a–d. Phänotyp und extrakolonische Manifestationen der FAP. a Ausschnitt des Kolektomiepräparates eines 19-jährigen Patienten mit FAP mit multiplen, z. T. gestielten Adenomen (Pfeil). b Funduskopie bei einem Patienten mit FAP und kongenitaler Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels ([CHRPE]; Pfeil). c Adenom der Papille mit dysplastischen Veränderungen. d CT eines mesenterialen Desmoides (Pfeile), das sich nach Kolektomie bei einem Patienten mit FAP entwickelt hatte und zu einer Uretherobstruktion führte
90%. Die gestielten oder breitbasig wachsenden Polypen sind meist kleiner als 1 cm.Der jüngste Patient mit FAP,bei dem ein kolorektales Karzinom diagnostiziert wurde, war 9 Jahre alt. In historischen Kollektiven beträgt das mittlere Alter bei klinischer Diagnose eines kolorektalen Karzinoms 39 Jahre. Die Polypenzahl korreliert mit dem Risiko an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken [Caspari 2000; Hampel 2000]. Etwa 60–80% der Patienten mit FAP entwickeln in der 2. bis 3. Lebensdekade duodenale Adenome. Insbesondere aus periampullären Adenomen entsteht bei etwa 4–9% der Patienten ein Papillenkarzinom. Benigne Drüsenkörperzysten des Magens werden bei ca. 40% der Patienten gefunden. Eine kongenitale Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE), liegt bei 58–88% der Patienten mit FAP vor ( s. Abb. 30.1). Neben intestinalen Läsionen, weisen Patienten mit FAP häufig weitere extraintestinale Manifestationen auf (Gardner-Syndrom). Hierzu zählen Epidermoidzysten (65%), Zahn- und Kieferanomalien (17%), Osteome (75–90%) und Desmoide (5–10%). Desmoide sind semimaligne, infiltrativ wachsende Tumoren, die häufig intraabdominell nach Kolektomie im Bereich des Mesenterium entstehen. Treten bei Patienten mit FAP Medulloblastome oder seltener anaplastische Astrozytome bzw. Ependymome, auf so handelt es sich um eine allelische Variante (TurcotSyndrom).Das Risiko für Schilddrüsenkarzinome und Hepatoblastome ist bei Patienten mit FAP erhöht [Caspari 2000; Hampel 2000]. Bei etwa 80% der Patienten mit FAP kann eine Keimbahnmutation im APC-Gen nachgewiesen werden. Diese molekulargenetische Diagnostik sollte grundsätzlich nur im Rahmen eines humangeneti-
313 30.1 · Familiäre adenomatöse Polyposis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
schen-klinischen Beratungskonzeptes erfolgen. Bevor der Einschluss in ein Früherkennungsprogramm im Alter von 10–12 Jahren erfolgt, wird heute die molekulargenetische Diagnostik empfohlen. Der praktische Nutzen einer prädiktiven Diagnostik liegt darin, Anlageträgern zeitgerecht ein risikoadaptiertes Früherkennungsprogramm in einem präsymptomatischen Stadium anzubieten [Caspari 2000].Familienangehörige, die kein mutiertes APC-Allel geerbt haben, kann so das aufwendige Früherkennungsprogramm erspart werden. Die molekulargenetische Untersuchung des MYHGens, das ein DNA-Reparaturenzym kodiert, ist nach aktuellem Kenntnisstand nur bei Patienten mit adenomatöser Polyposis mit fehlendem APC-Mutationsnachweis sinnvoll [Sampson 2003]. Attenuierte FAP Die attenuierte FAP ist ein milder Phänotyp der FAP mit im Durchschnitt 40–50 kolorektalen Polypen. Das Polypenwachstum kann erst in der 3. Lebensdekade beginnen und betrifft gehäuft das Colon ascendens. Die klinische Abgrenzung von einem HNPCC kann zum Teil schwierig sein [Spirio 1992]. Bei Patienten mit attenuierter FAP sollte ab dem 20.–25. Lebensjahr alle 1–2 Jahre eine Koloskopie erfolgen. Falls die regelmäßige endoskopische Kontrolle der Polypen nicht gewährleistet werden kann, sollte eine Kolektomie gemäß den Empfehlungen bei Patienten mit FAP durchgeführt werden [Caspari 2000; Hampel 2000]. 30.1.2
Klinische Betreuung
Unterer Gastrointestinaltrakt Bei Anlageträgern sollte das Früherkennungsprogramm mit 10–12 Jahren begonnen werden (⊡ Tabelle 30.1). Ab diesem Alter sollte jährlich eine Sigmoidoskopie, bei Entwicklung einer Polyposis eine komplette Koloskopie durchgeführt werden. Wichtig Bei Familienangehörigen, die erst ab dem 20. Lebensjahr erstmalig untersucht werden, sollte zunächst eine komplette Koloskopie erfolgen.
Falls keine genetische Untersuchung durchgeführt wurde oder in der klinisch betroffenen Familie keine APC-Mutation nachweisbar ist, sollten alle Risikopersonen ab dem 10.–12. Lebensjahr jährlich sigmoidoskopisch untersucht werden. Bei fehlendem Polypen-
30
nachweis kann dieses Intervall ab dem 25. Lebensjahr auf 2 Jahre, ab dem 35. Lebensjahr auf 3 Jahre und ab dem 45. Lebensjahr auf 3–5 Jahre verlängert werden [Hampel 2000; Lamberti 2000]. Bei kleinen Adenomen ohne dysplastische Veränderungen kann bei sehr jungen Patienten zunächst eine endoskopische Überwachung mit endoskopischer Polypektomie größerer Polypen vertreten werden. In Abhängigkeit der Polypenzahl sollte bei Patienten mit FAP ab dem 17.–20. Lebensjahr eine prophylaktische Kolektomie durchgeführt werden. Ziel dieser Therapie ist die Prävention eines kolorektalen Karzinoms. Es stehen unterschiedliche Operationsverfahren zur Auswahl: die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose, die Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch sowie die Proktokolektomie mit terminalem Ileostoma bzw. Pouch. Entscheidend für die Wahl des Operationsverfahrens sind Ausmaß und Lokalisation der Polyposis. Wichtig Die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose unter Erhaltung eines bis zu 15 cm langen Rektumstumpfes ist nur bei ausgewählten Patienten sinnvoll [Bulow 2000].
Komplikationsraten, einschließlich vegetativ-sexueller Störungen sind bei dieser Operation niedrig. Hauptnachteil des Verfahrens ist das unveränderte Risiko an einem Rektumkarzinom zu erkranken [De Cosse 1992]. Eine lebenslange endoskopische Überwachung ist daher in 6–12 monatlichem Abstand notwendig. Bei etwa 50% der Patienten mit ileorektaler Anastomose muss später aufgrund einer endokopisch nicht mehr kontrollierbaren Rektumpolyposis eine Rektumexzision erfolgen. Als radikalere Operation kann deshalb initial oder nach vorausgegangener ileorektaler Anastomose eine Proktokolektomie mit ileoanaler Pouch-Anlage durchgeführt werden. Bei der Rektumresektion und der Anlage des ileoanalen Pouches mit Klammergeräten wird aus operationstechnischen Gründen ein maximal 1 cm breiter Rektumschleimhautring belassen. Kasuistisch wurde die Bildung von Adenomen des residualen Rektumschleimhautringes bzw.der Pouchschleimhaut berichtet [Nugent 1993]. Eine endoskopische Pouchkontrolle sollte in jährlichem Abstand erfolgen. Oberer Gastrointestinaltrakt Polypen des oberen Gastrointestinaltrakts, v. a. das Duodenum (60–80%) und selten den Magen betref-
1:10.000
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
1:250.000
CowdenSyndrom (CD)
PTEN (10q22–23)
SMAD4 (18q21.1)
LKB1/STK11 (19p13.3)
APC (5q)
Gen (Locus)
Intestinale Hamartome, z. T. auch hyperplastische, entzündliche oder juvenile Polypen
Juvenile Polypen im Kolon und Rektum bzw. generalisiert; hohes Risiko für kolorektale Karzinome
Hamartomatöse Polypen im Dünndarm, Magen, Kolon und Rektum; erhöhtes Risiko für Magen-, Dünndarm- und Kolonkarzinome
Adenome in Kolon, Rektum und Duodenum; benigne Drüsenkörperzysten des Magens; obligate Präkanzerose für ein kolorektales Karzinom; gehäuft periampulläre Karzinome
Gastrointestinaltrakt
Trichilemmome, akrale Keratosen, Papillome an Lippen und Mundschleimhaut, Makrozephalie, Struma, Zysten und Fibroadenome der Brust, dysplastische Gangliozytome des Kleinhirns (LhermitteDuclos-Erkrankung), erhöhtes Risiko für Mamma- und Schilddrüsenkarzinome
Pankreaskarzinome, Entwicklungsstörungen (Herzfehler, LippenKiefer-Gaumen-Spalten, Hydrozephalus und Malrotation)
Hyperpigmentierung der Lippenund Mundschleimhaut, benigne Ovarial-/Hodentumoren (z. T. hormonell aktiv); erhöhtes Risiko für Mamma-, Endometrium-, Ovarial- und Pankreaskarzinome
Kongenitale Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE), Desmoide, Epidermoidzysten und Osteome; erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkarzinome und Medulloblastome
Extraintestinale Manifestationen
Mod. nach Empfehlungen der Deutschen Krebshilfe [www.hnpcc.de, Hampel 2000; McGarrity 2000]).
1:100.000
Juvenile Polyposis (JP)
a
1:120.000
Peutz-JeghersSyndrom (PJS)
III
Prävalenz
Erkrankung
⊡ Tabelle 30.1
Ab dem 25.–30. Lebensjahr jährliche körperliche Untersuchung, gynäkologische Untersuchung und Mammographie. Organadaptierte Früherkennungsuntersuchung 5 Jahre vor Erkrankungalter des jüngsten betroffenen Familienmitgliedes
Ab dem 12. Lebensjahr jährliche körperliche Untersuchung und Koloskopie in 1- bis 3-jährlichem Abstand. In Abhängigkeit der Familienanamnese Überwachung des oberen Gastrointestinaltrakts und des Pankreas in 1- bis 3-jährlichem Abstand
Gastroduodenoskopie, Koloskopie und Enteroskopie, ggf. Röntgendarstellung des Dünndarms nach Sellink bzw. MR-Sellink, in 2-jährlichem Abstand; bei Befundkonstanz in größerem Untersuchungsintervall; jährliche Sonographie des Pankreas; bei Frauen jährliche transvaginale Sonographie und regelmäßige Mammographie ab dem 25. Lebensjahr; bei männlichen Betroffenen bis zur Pubertät jährliche Ultraschalluntersuchungen der Testes
Ab dem 10.–12. Lebensjahr jährliche körperliche Untersuchung, Abdomensonographie und Sigmoidoskopie bzw. bei Polyposis Koloskopie; prophylaktische Kolektomie ab dem 17.–20. Lebensjahr; Gastroduodeno skopie alle 1–5 Jahre ab dem 25.–30. Lebensjahr; nach Kolektomie jährliche Rektoskopie bzw. Endoskopie des Pouches
Früherkennungsprogramma
314 Kapitel 30 · Polyposissyndrome SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
315 30.2 · Hamartomatöse Polyposen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
fend (5%), treten im Mittel etwa ab dem 30.–35. Lebensjahr auf. Asymptomatische, adenomatöse Veränderungen der Papille sind bei fast allen Patienten mit FAP nachweisbar ( s. Abb. 30.1). Periampulläre Adenokarzinome treten bei etwa 4–9% aller Patienten mit FAP auf und sind bei kolektomierten Patienten nach den Desmoiden die zweithäufigste Todesursache. Eine erste Gastroduodenoskopie wird deshalb meist zum Kolektomiezeitpunkt durchgeführt. Ab dem 25.–30. Lebensjahr sollte in 1–5 jährlichem Intervall eine Gastroduodenoskopie durchgeführt werden. Vorgehen und Untersuchungsintervalle sind abhängig von Größe und Anzahl der Polypen. Bei adenomatösen Veränderungen der Papille ist eine ERCP/Endosonographie zum Ausschluss eines intraduktalen Wachstums sinnvoll. Die Therapie von Papillenadenomen mit dysplastischen Veränderung ist schwierig und in der Regel ist ein chirurgisches Vorgehen angezeigt. Als Verfahren stehen die operative Ampullektomie bzw. bei Diagnose eines periampullären Adenokarzinoms die partielle Duodenopankreatektomie zur Verfügung. Bei fehlender Operabilität bzw. bei ausgewählten Patienten kann in Zentren der Versuch einer endoskopischen Schlingenpapillektomie mit protektivem Pankreasstenting unternommen werden [Hampel 2000; Lamberti 2000]. 30.1.3
Medikamentöse Therapie
Das nichtsteroidale Antiphlogistikum Sulindac führt zur Regression kolorektaler Polypen [Giardiello 1993]. Dieser chemopräventive Effekt, der im Rektum deutlicher als im Kolon ist, hält jedoch nach Therapieende nicht an. Auch während der Therapie mit Sulindac kann ein kolorektales Karzinom auftreten. Die Therapie mit Sulindac 200–300 mg/Tag ersetzt deshalb weder die prophylaktische Kolektomie noch eine regelmäßige endoskopische Überwachung.Bei subtotal kolektomierten Patienten kann durch Sulindac evtl. eine beginnende rektale Polyposis zeitweilig kontrolliert werden. Durch die 6-monatige Behandlung mit dem Cyclooxygenase-2-Inhibitor Celecoxib (2x400 mg/Tag) kann bei Patienten mit FAP ebenfalls eine Reduktion kolorektaler Polypen erzielt werden [Steinbach 2000]. Desmoide Desmoide entwickeln sich meist nach erfolgter Kolektomie intraabdominell, v. a. im Mesenterium des
30
Dünndarms und retroperitoneal ( s. Abb. 30.1), aber auch extraabdominell in unmittelbarer Umgebung der Operationsnarbe. Die Behandlung von Desmoiden wird kontrovers diskutiert. Aufgrund der hohen Rezidivrate und einem zunehmend aggressivem posttraumatischen Wachstumsverhalten, insbesondere mesenterialer Desmoide (77% Rezidive), ist nach Diagnosestellung zunächst ein konservatives Vorgehen gerechtfertigt. Operationen sollten der Behandlung von Komplikationen (mechanischer Ileus, Uretherobstruktion, Infiltration weiterer Organe) vorbehalten sein. Eine Regression von Desmoiden unter Einnahme von Sulindac (300 mg/Tag) und/oder Antiöstrogenen (z.B.Tamoxifen 120 mg/Tag) wurde berichtet.Ein temporärer Benefit wurde auch unter einer systemischen Chemotherapie mit Dacarbazin und Doxorubicin beschrieben. Die Strahlentherapie von Mesenterialdesmoiden scheint wenig erfolgversprechend zu sein. Eine allgemeine Therapieempfehlung lässt sich aus den aktuellen Daten nicht ableiten [Peterschulte 2000]. 30.2
Hamartomatöse Polyposen
Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) Das Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) ist eine autosomaldominat vererbte Erkrankung, die phänotypisch durch mukokutane Pigmenteinlagerungen,intestinale Hamartome und ein erhöhtes Krebsrisiko charakterisiert ist. Die Prävalenz des PJS wird auf 1:120.000 Einwohner geschätzt. Etwa 20% der Fälle mit PJS treten sporadisch auf. Verursacht wird das PJS u. a. durch Keimbahnmutationen der auf Chromosom 19p13.3 kodierten Serin-Threonin-Kinase LKB1/STK11, die als Tumorsuppressor fungiert.Obwohl Hamartome prinzipiell als benigne anzusehen sind, wurde vielfach über eine maligne Transformation bzw. adenomatöse oder dyplastische Areale innerhalb von Hamartomen berichtet [Hemminki 1998; Jenne 1998]. Juvenile Polyposis (JP) Die juvenile Polyposis (JP) ist eine autosomal-dominat vererbte Erkrankung, die durch hamartomatöse Polypen des Kolons, Rektums und Magens sowie durch ein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome charakterisiert ist. Die Prävalenz liegt bei etwa 1:100.000 Einwohner. Genetische Ursache ist bei einem Teil der Patienten mit juveniler Polyposis eine Mutation des auf Chromosom 18q21.1 lokalisierten SMAD4-Gens [Howe 1998].
316
Kapitel 30 · Polyposissyndrome SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
III
⊡ Abb. 30.2. Phänotyp hamartomatöser Polyposen. a Histologisches Präparat eines hamartomatösen Polypen des Jejunums bei einer Patientin mit PJS (10fache Vergrößerung, HEFärbung). Charakteristisch sind die baumartig-verzeigte Lamina muscularis mucosae (Pfeil). b Histologisches Präparat eines juvenilen Polypen des Kolons bei einem Patienten mit JP. Typisch sind die zystisch aufgeweiteten Krypten, die von einem fibroblastenreichen, hyperplastischen Stroma umgeben sind (5fache Vergrößerung, HE-Färbung). c Histologisches Präparat
eines fazialen Trichilemmoms (Hamartom des Haarfollikelinfundibulums) mit typischer Palisadenstellung der Kerne im Randbereich (Pfeile) und umgebender Fibrose (100fache Vergrößerung, HE-Färbung). d MRT (axiale Schnittebene der Schädelbasis) eines Patienten mit einem dysplastischen Gangliozytom des Kleinhirns (Lhermitte-Duclos-Erkrankung) mit Signalanhebung und charakteristischer Foliazeichnung in der T2-Wichtung (Pfeile)
Cowden-Syndrom (CS) Das Cowden-Syndrom (CS) ist eine seltene autosomal dominante Erkrankung, die durch die Entwicklung von Hamartomen in multiplen Organen (Haut, Gastrointestinaltrakt, zentrales Nervensystem, Brust und Schilddrüse) charakterisiert ist [Eng 2000]. Die Prävalenz des CS beträgt etwa 1:250.000 Einwohner. Mehr als 80% aller Patienten mit Cowden-Syndrom weisen eine Keimbahnmutation im Tumorsuppressorgen PTEN-Gen auf [Liaw 1997].
zeigte Lamina muscularis mucosae charakterisiert, was die Abgrenzung zu anderen Polyposissyndromen ermöglicht (⊡ Abb. 30.2; [McGarrity 2000]). Die Patienten werden oft im 1. und 2. Lebensjahrzehnt durch rezidivierende kolikartige Bauchschmerzen, deren Ursache temporäre Invaginationen der intestinalen Hamartome sind,rektalen Blutabgang oder den rektalen Prolaps eines Polypen symptomatisch [McGarrity 2000]. Patienten mit PJS weisen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Keimleistentumoren und Adenokarzinomen (Ösophagus, Magen, Dünndarm, Kolon, Pankreas, Ovar, Endometrium, Mamma und Lunge) auf. Etwa 22–48% der Patienten mit PJS erkranken mit etwa 50 Jahren an einem zumeist gastrointestinalen Karzinom [Giardiello 2000]. Molekulargenetisch kann ein PJS durch Nachweis einer LKB1/STK11-Keimbahnmutation gesichert werden [Trojan 1999]. Die Existenz weiterer krankheitsverursachender Alterationen in bisher noch unbekannten Genen ist wahrscheinlich [McGarrity 2000].
30.2.1
Klinik und Diagnostik
Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) Die Diagnose eines JPS wird anhand von intestinalen, hamartomatösen Polypen und mukokutanen Pigmenteinlagerungen, die v. a. die Lippen, die Augenlieder und die Wangenschleimhaut betreffen,klinisch gestellt. Die perioralen Pigmentflecken sind typischerweise im Jugendalter vorhanden und verblassen mit zunehmenden Alter. Die Wangenhyperpigmentierungen scheinen jedoch nicht abzublassen. Die intestinale Polyposis betrifft regelmäßig den Dünndarm, seltener Magen, Kolon und Rektum. Histologisch sind die hamartomatösen Polypen durch eine baumartig-ver-
Juvenile Polyposis (JP) Patienten mit JP weisen meist zwischen 50–200 Polypen mit einer Größe zwischen wenigen Millimetern und 3–4 cm auf. Juvenile Polypen sind meist breitba-
317 30.2 · Hamartomatöse Polyposen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
sig gestielt und zeigen eine glatte, oft entzündlich erodierte Oberfläche. Histologisch kennzeichnend sind die durch Retention zystischer Krypten,die von einem fibroblastenreichen, hyperplastischen Stroma umgeben sind. Ein zentraler, muskulärer Anteil wie bei PJStypischen Polypen fehlt ( s. Abb. 30.2). Die klinische Diagnose einer JP ist wahrscheinlich wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt wird: a) mindestens 5 juvenile Polypen bei einem Patienten im Kolon und Rektum, b) juvenile Polypen in Magen, Dünndarm, Kolon und Rektum (generalisierte Form) oder c) solitärer juveniler Polyp bei positiver Familienanamnese. Eine familiäre Häufung einer JP wird für 20–50% der Fälle beschrieben. Die meisten Patienten mit JP werden bis zum 30. Lebensjahr, oft jedoch schon in der Kindheit, symptomatisch.Die häufigsten Symptome sind rektaler Blutabgang, Anämie, rektaler Prolaps eines Polypen, Bauchschmerzen, Diarrhö und eine Entwicklungstörung.Komplikationen einer JP sind eine durch intestinalen Proteinverlust bedingte Kachexie sowie eine symptomatische Polypeninvagination [Hampel 2000]. Cowden-Syndrom (CS) Patienten mit CS weisen typischerweise faziale Trichilemmome (Hamartome ausgehend vom Infundibulum der Haarfollikel; s. Abb. 30.2),akrale Keratosen, Papillome an den Lippen und der Mundschleimhaut auf. Zur klinischen Identifizierung von Patienten mit CS wurden Kriterien definiert: ▬ Hauptkriterien: Mammakarzinom, follikuläres Schilddrüsenkarzinom, Makrozephalie und dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns (Lhermitte-Duclos-Erkrankung)., ▬ Nebenkriterien: Struma multinodosa,Schilddrüsenadenome,geistige Retardierung, gastrointestinale Polyposis, Zysten und Fibrome der Mamma, Lipome, epidermale Fibrome, Tumoren und Fehlbildung des Urogenitaltrakts. Ein CS gilt klinisch als sicher, wenn a) neben Makrozephalie oder dysplastischem Gangliozytom des Kleinhirns ein weiteres Hauptkriterium, b) ein Hauptkriterium und 3 Nebenkriterien oder c) 4 Nebenkriterien erfüllt werden [Eng 2000].
30
Die gastrointestinale Polyposis,die etwa 60% aller Patienten mit CS betrifft, ist im Magen, Dünndarm und Dickdarm nachweisbar.Bei den rasenartigen Polypen, die meist <1 cm sind, handelt es sich histologisch oftmals nicht um Hamartome, sondern um hyperplastische, entzündliche, juvenile oder lipomatöse Polypen. Etwa 80% aller Patienten mit CS weisen eine Keimbahnmutation des PTEN-Gens auf, sodass eine molekulargenetische Untersuchung eine weitere Möglichkeit der Diagnosesicherung erlaubt [Trojan 2001]. 30.2.2
Klinische Betreuung
Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) Patienten mit PJS entwickeln meist im 1. und 2. Lebensjahrzehnt eine Subileussymptomatik,deren Ursache eine Polypeninvagination ist. Ziel ist es alle intestinalen Polypen die >5 mm sind,endoskopisch zu entfernen. Sollte dies nicht möglich sein, kann eine intraoperative Endoskopie erfolgen. Regelmäßige Duodenoskopien und Enteroskopien sind insbesondere im jugendlichen Alter wichtig. Mit zunehmendem Alter kommt es oftmals zu einer Verlangsamung des Polypenwachstums. Bei Polypeninvagination kann zunächst ein konservativer Therapieversuch erfolgen, da es oftmals zu einer spontanen Rückbildung kommt. Sollte sich die Subileussymptomatik jedoch nicht zurückbilden, muss eine Resektion des invaginierten Dünndarmabschnitts erfolgen. Die aktuellen Empfehlungen zur Krebsfrüherkennung bei Patienten mit PJS sind in ⊡ Tabelle 30.1 zusammengefasst [McGarrity 2000]. Juvenile Polyposis (JP) Patienten mit JP haben ein erhöhtes Risiko ein kolorektales Karzinom zu entwickeln (medianes Alter 34 Jahre). Bis zum 60. Lebensjahr wird dieses Risiko auf bis zu 68% geschätzt. Falls möglich, sollten alle Polypen endoskopisch entfernt werden. Sollte dies nicht möglich sein bzw. können gastrointestinale Blutungen und Proteinverlust nicht beherrscht werden, wird die Durchführung einer Kolektomie mit ileorektaler Anastomose empfohlen (⊡ Tabelle 30.1; [Hampel 2000]). Cowden-Syndrom (CS) Nach Diagnose eines CS sollte den Patienten die Durchführung eines Krebsfrüherkennungsprogramms angeboten werden, da 25–50% aller weiblichen Patienten mit CS ein Mammakarzinom entwickeln und bei etwa jedem 10. Patienten ein follikuläres Schild-
318
Kapitel 30 · Polyposissyndrome SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
drüsenkarzinom diagnostiziert wird (⊡ Tabelle 30.1). Prophylaktische Operationen können zum aktuellen Zeitpunkt nicht empfohlen werden [Eng 2000].
Literatur
III
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31 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) J. Rädle, J. Trojan, S. Zeuzem 31.1
Epidemiologie
31.2
Genetische Grundlagen
31.3
Klinik
31.4
Diagnostik
31.4.1 31.4.2 31.4.3
Molekulargenetische Diagnostik – 322 HNPCC-Abklärung – 323 Bedeutung der Diagnose HNPCC – 323
– 320
– 320 – 322
31.5
Therapie
31.5.1 31.5.2
Früherkennung – 323 Therapie und Nachsorge gastrointestinaler Manifestationen – 324 Therapie und Nachsorge extraintestinaler Manifestationen – 325
31.5.3
Literatur
>>
– 320
– 323
– 325
Bösartige kolorektale Tumoren machen in Deutschland mit etwa 55.000 Neuerkrankungen/Jahr etwa 1/3 aller Krebserkrankungen aus, wobei Männer ungefähr 1,2fach häufiger betroffen sind als Frauen. Das kolorektale Karzinom ist bei Männern die 3. häufigste, bei Frauen die 2. häufigste Tumorneuerkrankung. Obwohl den Ernährungs- und Lebensgewohnheiten bei der Entstehung gastrointestinaler Tumoren eine große Bedeutung zugeschrieben wird, ist davon auszugehen, dass etwa 5–10% der Erkrankungen aufgrund einer genetischen Prädisposition familiär gehäuft auftreten. Diese genetisch determinierten Tumorerkrankungen umfassen mehrere klinisch und molekulargenetisch differenzierbare Krankheitsbilder, u. a. das am häufigsten beobachtete hereditäre kolorektale Karzinom ohne Polyposis (engl. »hereditary nonpolyposis colorectal cancer«, HNPCC, Lynch-Syndrom), die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) sowie eine Reihe seltenerer Polyposissyndrome.
320
Kapitel 31 · Hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
31.1
III
Epidemiologie
Während die Diagnose einer FAP in der Regel schon aufgrund der klinischen Befunde und des Phänotyps gestellt werden kann,ist die Diagnose HNPCC schwieriger. Zur Prävalenz der Erkrankung gibt es nur Schätzwerte. Der Anteil von HNPCC an allen kolorektalen Karzinomen dürfte in der westlichen Welt bei etwa 1–3% liegen [Aaltonen 1998].HNPCC folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Die Penetranz bis zum 75. Lebensjahr beträgt 80%. 31.2
Genetische Grundlagen
Bisher wurden 5 Gene (hMSH2[2p16],hMLH1[3p21–23], hMSH6[2p16], hPMS1[2q31–33], hPMS2[7p22]) identifiziert, deren Keimbahnmutationen für das Auftreten von HNPCC verantwortlich sind. Alle diese Gene kodieren für Enzyme, die bei der DNA-Replikation zufällig entstandene falsche DNA-Basenpaarungen korrigieren (DNA-Reparaturgen, engl. »DNA mismatch repair gene«). Zur Tumorentstehung kommt es, wenn neben der heterozygot in allen Körperzellen vorliegenden Keimbahnmutation im Laufe des Lebens in einer Zelle durch ein zufälliges Mutationsereignis auch das zweite Allel des jeweiligen Gens funktionslos wird. Wichtig Beim HNPCC liegt durch die Keimbahnmutation in jeder Körperzelle lediglich eine erhöhte Karzinomdisposition vor (gegenüber der Normalbevölkerung 5–50%).
Durch den Ausfall des DNA-Reparatursystems kann es letztendlich zur Akkumulation von genetischen Alterationen und somit unter Umständen zur malignen Entartung der Zelle kommen (»caretaker pathway«). Die fehlerhafte DNA-Reparatur in der Tumorzelle spiegelt sich in einer Instabilität der DNA wider und kann indirekt als Störung an kurzen DNA-Abschnitten (Mikrosatelliten) erkannt werden. Mikrosatelliten sind kurze, sich wiederholende Basensequenzen, die ubiquitär über das ganze Genom verteilt vorkommen. Beim HNPCC lassen sich bei fast allen Patienten zwischen Tumor-DNA und DNA aus gesundem Gewebe Längendifferenzen der Mikrosatelliten nachweisen (Mikrosatelliteninstabilität, abgekürzt MSI). Eine MSI lässt sich aber auch in sporadischen kolorektalen Karzinomen bei etwa 15% der Patienten detektierten und kann daher nur als phänotypischer Hinweis auf
ein mögliches HNPCC gewertet werden; die endgültige Diagnose ist molekulargenetisch durch den Nachweis einer Keimbahnmutation in einem der DNA-Reparaturgene zu sichern. 31.3
Klinik
Das klinische Bild eines Patienten mit einem HNPCCassoziierten kolorektalen Karzinom unterscheidet sich zunächst kaum von dem eines Patienten mit einem sporadischen Karzinom. Es finden sich jedoch häufig Hinweise auf eine familiäre Karzinomdisposition.Wegen des autosomal-dominanten Erbgangs mit 80%-iger Penetranz ist eine positive Familienanamnese mit Erkrankten in mehreren aufeinanderfolgenden Generationen zu erwarten. An ein HNPCC sollte v. a. gedacht werden, wenn das Karzinom vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert wird (mittleres Erkrankungsalter etwa 46 Jahre). Neben einer Häufung syn- oder metachroner kolorektaler Karzinome treten auch extrakolische Karzinome (Endometriumkarzinome, Urothelkarzinome, Karzinome des Dünndarms, der Ovarien und des hepatobiliären Systems) gehäuft auf. Das kolorektale Karzinom ist beim HNPCC in 60–70% der Fälle rechtsseitig lokalisiert. Histopathologisch findet sich oft ein schlecht differenzierter oder muzinöser Tumor mit ausgeprägter lymphozytärer Infiltration [Lynch 1993]. Trotz der schlechten Tumordifferenzierung weisen die Patienten dennoch eine günstigere Prognose auf.Ein eindeutiges Merkmal mit dem man HNPCC-assoziierte Tumoren von sporadischen unterscheiden könnte existiert nicht. Amsterdam-Kriterien. Zur klinischen Definition und
diagnostischen Eingrenzung von HNPCC wurden bereits 1990 die Amsterdam-I-Kriterien eingeführt. Sie umfassen nur kolorektale Karzinome, während die neueren Amsterdam-II-Kriterien auch die HNPCCassoziierten extrakolischen Tumoren einschließen (⊡ Tabelle 31.1). Bethesda-Kriterien. Da nicht alle Patienten/Familien mit nachgewiesener Keimbahnmutation die strengen Amsterdam-Kriterien erfüllen, wurden mit den Bethesda-Kriterien erweiterte Richtlinien definiert, die verschiedene klinische und familiäre Charakteristika erblicher Tumorformen erfassen. Mit den BethesdaKriterien sollen Risikopatienten identifiziert werden, deren Tumor zunächst auf eine MSI hin zu untersuchen ist. Bei einem positiven Befund kann eine
321 31.3 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
31
⊡ Tabelle 31.1. Kriterien zur Erfassung von Patienten mit Verdacht auf HNPCC Amsterdam-I-Kriteriena (klassische Amsterdam-Kriterien) Ziel: Spezifische klinische Erfassung von Patienten mit HNPCC 3 Familienangehörige mit einem kolorektalen Karzinom Mindestens ein Betroffener ist mit den beiden anderen erstgradig verwandt 2 aufeinanderfolgende Generationen betroffen 1 Patient mit der Diagnose eines kolorektalen Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr Ausschluss einer FAP Amsterdam-II-Kriterienb Ziel: Erweiterte klinische Erfassung von Patienten mit HNPCC 3 Familienangehörige mit einem HNPCC-assoziierten Karzinom (Kolon/Rektum, Endometrium, Dünndarm oder ableitende Harnwege) Mindestens ein Betroffener ist mit den beiden anderen erstgradig verwandt 2 aufeinanderfolgende Generationen betroffen 1 Patient mit der Diagnose eines HNPCC-assoziierten Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr Ausschluss einer FAP Bethesda-Kriterienc Ziel: Identifikation von Risikopatienten, bei denen eine Mikrosatellitenanalyse am Tumor erfolgen sollte Positive Familienanamnese entsprechend den Amsterdam-Kriterien Patienten mit syn- oder metachronem kolorektalen Karzinom oder 2 HNPCC-assoziierten Karzinomen (Kolon/Rektum, Endometrium, Ovar, Magen, Dünndarm, hepatobiliäres System oder ableitende Harnwege) 2 erstgradig verwandte Familienmitglieder mit kolorektalem Karzinom oder HNPCC-assoziiertem Karzinom (Endometrium, Ovar, Magen, Dünndarm, hepatobiliäres System oder ableitende Harnwege) oder einem kolorektalen Adenom; 1 Karzinom wurde vor dem 45. Lebensjahr, 1 Adenom vor dem 40. Lebensjahr diagnostiziert Kolon- oder Endometriumkarzinom vor dem 45. Lebensjahr Undifferenzierte (solide, kribriforme), rechtsseitige kolorektale Karzinome vor dem 45. Lebensjahr Muzinöse oder siegelringzell-haltige kolorektale Karzinome vor dem 45. Lebensjahr Kolorektales Adenom vor dem 40. Lebensjahr Die Amsterdam-I- und Amsterdam-II-Kriterien legen den klinischen Verdacht auf ein HNPCC nahe. Die Bethesda-Kriterien empfehlen, bei welchen Patienten mit kolorektalem Karzinom eine Mikrosatellitenanalyse erfolgen sollte. a b c
Mod. nach [Vasen 1991], alle Punkte müssen erfüllt sein. Mod. nach [Vasen1999], alle Punkte müssen erfüllt sein. Mod. nach [Rodriguez-Bigas 1997], ≥1 Kriterium muss erfüllt sein.
weitere HNPCC-Diagnostik eingeleitet werden [Syngal 2000]. Subgruppen. Klinisch lassen sich beim HNPCC 2 seltene Subgruppen differenzieren. Zum einen das Muir-Torre-Syndrom, das durch eine Kombination von benignen oder malignen Talgdrüsentumoren sowie viszeralen Tumoren (kolorektales Karzinom, Endometriumkarzinom sowie
HNPCC-assoziierte Tumoren) charakterisiert ist und typischerweise durch einen Gendefekt in hMSH2 verursacht wird. Zum anderen können die FAP- und HNPCCUntergruppe des Turcot-Syndroms unterschieden werden,die in der letzteren Form durch das Auftreten von kolorektalen Karzinomen, Glioblastomen und wenigen kolorektalen Adenomen bei Mutationen in den DNA-Reparaturgenen definiert ist.
322
III
Kapitel 31 · Hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
31.4
Diagnostik
31.4.1
Molekulargenetische Diagnostik
Die definitive HNPCC-Diagnose basiert auf dem Nachweis einer Keimbahnmutation in einem der DNA-Reparaturgene. Dabei sind zunächst die beiden am häufigsten betroffenen Gene, hMSH2 und hMLH1, zu untersuchen. Da bislang keine bevorzugten Mutationsorte (»hot spots«) gefunden wurden, besteht die Notwendigkeit, die gesamten Gene zu analysieren. Da es um den Nachweis einer heterozygoten Keimbahnmutation geht, weisen die Analysetechniken Vor- und Nachteile auf. Ein Vorteil der RNA-Analyse mittels In-vitro-Transkriptions-Translations-Assay (IVTT) ist es, dass mit einem Ansatz das gesamte Gentranskript auf Fehler überprüft werden kann. Die mutierte RNA wird oft sehr schnell im Zellkern abgebaut und kann sich so dem Nachweis entziehen. Zur diagnostischen Sicherheit wird daher eine Sequenzierung der genomischen DNA empfohlen. Trotz aufwendiger Analysetechnik kann bislang nur bei ca. 70% der nach Amsterdam-Kriterien definierten HNPCC-Familien eine hMSH2- oder hMLH1Keimbahnmutation nachgewiesen werden. Ursache ⊡ Abb. 31.1. Einfacher diagnostischer Algorithmus für Patienten mit Kolonkarzinom. (Mod. nach [Rädle 2001])
könnten u. a. Mutationen in noch nicht bekannten Genen oder Interaktionspartnern sein. Der eigentlichen Mutationsdiagnostik werden daher zumeist klinische oder molekulare Screeningverfahren vorgeschaltet [Terdiman 2001]. Bei Patienten, die die Amsterdam-I- oder -II-Kriterien erfüllen, kann direkt eine genetische Testung initiiert werden (⊡ Abb. 31.1). Bei auffälligen Patienten oder Patienten ohne familiäre Tumorhäufung,die die Bethesda-Kriterien erfüllen, kann zunächst Tumorgewebe auf eine MSI hin untersucht werden. Hierzu werden nach einem internationalen Refererenzpanel 2 Mononukleotid- (BAT25, BAT26) und 3 Dinukleotid-Repeats (D2S123, D5S346, D17S250) untersucht. Erst bei Nachweis einer MSI (2 Mikrosatellitenmarker instabil) sollte eine Mutationsdiagnostik erfolgen. Die immunhistochemische Untersuchung von Tumorgewebe mit Antikörpern gegen das MSH2- und MLH1-Protein eignet sich ebenfalls als Screeningverfahren vor einer Mutationsdiagnostik und kann die Diagnostik bei Ausfall eines Proteins sogar auf das entsprechende Gen eingrenzen. Durch die Selektion von Risikopatienten kann somit die Wahrscheinlichkeit der Detektion einer Keimbahnmutation deutlich erhöht werden.
323 31.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
31.4.2
HNPCC-Abklärung
HNPCC-Familien können entweder über Tumorpatienten selbst oder über ratsuchende Familienmitglieder erfasst werden. Eine molekulargenetische HNPCC-Abklärung erfolgt zunächst nur über die Untersuchung eines Patienten mit einem kolorektalen Karzinom oder einer HNPCC-assoziierten Karzinomerkrankung (Indexpatient). Allgemeingültige Kriterien zur HNPCC-Abklärung liegen derzeit nicht vor,doch sollte eine entsprechende Diagnostik gemäß dem Verbundprojekt »Familiärer Dickdarmkrebs« der Deutschen Krebshilfe folgende konsekutive Schritte umfassen: ▬ Ärztliche Information und Beratung über die individuelle Tumorvor- und -nachsorge. ▬ Humangenetische Beratung über das Erkrankungsrisiko sowie die Möglichkeiten und Risiken einer molekulargenetischen Diagnostik. Zustimmung des Patienten zur weiteren Diagnostik. ▬ Erhebung einer umfassenden Familienanamnese. ▬ Überprüfung der Eingangskriterien zur HNPCCAbklärung. ▬ Mikrosatellitenanalyse an Tumorgewebe erkrankter Familienmitglieder (Gefrier- oder Paraffinmaterial mit Tumor- und gesundem Kolongewebe). ▬ Immunhistochemische Untersuchung von Tumorgewebe mit spezifischen Antikörpern gegen die Proteine MSH2, MLH1 und MSH6 (Gefrieroder Paraffinmaterial). ▬ Mutationsanalyse der wichtigsten DNA-Reparaturgene (hMSH2, hMLH1, hMSH6) bei erfüllten Amsterdam-Kriterien oder Mikrosatelliteninstabilität (Blutprobe eines Patienten mit HNPCCassoziierter Tumorerkrankung); selektive Mutationsanalyse bei immunhistochemischem Ausfall eines Proteins. ▬ Erneutes Beratungsgespräch mit den Betroffenen oder Familienmitgliedern nach Abschluss der Diagnostik. Befunderörterung und Angebot zur prädiktiven Testung. ▬ Weitergehende Fachbetreuung (Internist/Gastroenterologe, Chirurg, Humangenetiker, Pathologe, Gynäkologe, Psychologe, u.a.). 31.4.3
Bedeutung der Diagnose HNPCC
Wird in einer Familie aufgrund der Amsterdam-Kriterien ein HNPCC-Syndrom diagnostiziert ohne dass die krankheitsverursachende genetische Alteration nachweisbar ist, haben alle Familienmitglieder ent-
31
sprechend ihrer Wahrscheinlichkeit,die Anlage geerbt zu haben, ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Diesem Risiko sollte im Rahmen eines intensivierten Früherkennungsprogramms Rechnung getragen werden. Wichtig Ist der Gendefekt bekannt, besteht die Möglichkeit einer prädiktiven Testung und das Angebot eines Früherkennungsprogramms für Anlageträger.
Für Familienmitglieder, die die Anlage nicht geerbt haben, besteht kein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Der Nachweis einer Keimbahnmutation bei einem gesunden Familienmitglied muss nicht zwangsläufig zu einer Tumorerkrankung führen,bedeutet jedoch immer ein erhöhtes Risiko für alle HNPCC-assoziierten Neoplasien. Ist in einer Familie klinisch und/oder molekulargenetisch der dringende Verdacht auf oder die Diagnose HNPCC gestellt worden, sollten folgende Punkte Beachtung finden: ▬ Notwendigkeit erweiterter und lebenslanger Früherkennungs- bzw.Nachsorgeuntersuchungen für den Tumorerkrankten. ▬ Einhaltung der etablierten Richtlinien der Onkologie und onkologischen Chirurgie. Generelle Empfehlungen für eine präventive Erweiterung der Operation in Abhängigkeit vom individuellen Befund oder Zweitkarzinomrisiko können derzeit nicht gegeben werden. ▬ Ausweitung der Früherkennungsuntersuchungen auf die Familienmitglieder. ▬ Bei Nachweis einer krankheitsverursachenden Keimbahnmutation bei einem Betroffenen kann Familienmitgliedern eine prädiktive Testung angeboten werden. 31.5
Therapie
31.5.1
Früherkennung
Das Risiko für HNPCC-Anlageträger, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln, beträgt bis zum 70. Lebensjahr 40–60% für Frauen und 70–90% für Männer. Zudem beträgt das Risiko für Anlageträgerinnen, an einem Endometriumkarzinom zu erkranken, etwa 40–60%. Daher sollten bei Verdacht auf HNPCC oder Nachweis einer Keimbahnmutation alle Risikopersonen in ein detailliertes Früherkennungsprogramm aufgenommen werden (⊡ Tabelle 31.2). Für das Ko-
324
Kapitel 31 · Hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 31.2. Aktuelle Empfehlungen zur Krebsfrüherkennung bei HNPCC-Patienten und -Risikopersonen. (Mod. nach Empfehlungen der »International Collaborative Group on HNPCC« [http://www.nfdht.nl]) Organ
Untersuchung
Beginn im Alter von
Untersuchungsintervall
Körperliche Untersuchung, Laborkontrolle, Abdomensonographie
20 Jahren
1 Jahr
Kolon
Totale Koloskopie
20–25 Jahrena
1–2 Jahre
Endometrium mit Ovarien
Gynäkologische Untersuchung (transvaginale Sonographie, CA-125)
20–25 Jahrena
1–2 Jahre
Magenb
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
30–35 Jahrena
1–2 Jahre
Dünndarmb
Enteroklysma in Doppelkontrasttechnik
30–35 Jahrena
(2 Jahre)
Harnwegeb
Abdomensonographie, Urinstatus und -zytologie
30–35 Jahrena
1–2 Jahre
III
a b
bzw. 5 Jahre vor dem frühesten Erstmanifestationsalter in der Familie. sinnvoll, wenn entsprechende Karzinome familiär gehäuft auftreten.
lonkarzinom konnte durch eine engmaschige koloskopische Vorsorge eine deutliche Reduktion der Karzinominzidenz bereits gezeigt werden. Für die weiteren HNPCC-assoziierten Tumorerkrankungen liegen hierzu noch keine allgemeingültigen Daten vor. Wichtig Risikopersonen, bei denen durch eine prädiktive Diagnostik eine Anlagenträgerschaft ausgeschlossen werden konnte, können aus den Früherkennungsprogramm entlassen werden. Die allgemeinen Screeningmaßnahmen sollten jedoch auch bei diesen Patienten beachtet werden.
31.5.2
Therapie und Nachsorge gastrointestinaler Manifestationen
Operation Ob bei HNPCC-Patienten mit kolorektalem Karzinom eine tumorgerechte Resektion oder eine subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose bzw. Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch erfolgen sollte, ist Gegenstand der aktuellen Diskussion.Solange der Benefit eines radikaleren operativen Vorgehens nicht anhand von Studien eindeutig belegt ist, gelten auch für HNPCC-Patienten die aktuellen Richtlinien der kolorektalen Tumorchirurgie. Einige Autoren diskutieren
darüberhinaus eine prophylaktische Kolektomie mit all ihren Risiken bereits bei asymptomatischen Anlageträgern [Rodriguez-Bigas 1996; Schackert 1999]. Eine präventive Chirurgie ist für das HNPCC jedoch nicht etabliert,da etwa 20% der Anlageträger nie einen Tumor und weitere Anlageträger oft nur extrakolische Tumoren entwickeln.Bei einer präventiven subtotalen Kolektomie müssten Anlageträger bei dem verbleibenden Risiko eines Rektumkarzinoms dennoch weiter endoskopisch kontrolliert sowie bezüglich des extrakolischen Tumorrisikos überwacht werden. In einer Modellrechnung konnte gezeigt werden [Syngal 1998], dass bei jungen Genträgern die theoretische Lebenserwartung nach prophylaktischer Proktokolektomie im Vergleich zur koloskopischen Überwachung mit 15,6 bzw. 13,5 Jahren einen Vorteil bietet, der jedoch unter Berücksichtigung der Lebensqualität und möglichen operativen Komplikationen der ausschließlichen endoskopischen Überwachung unterlegen ist. Im Gegensatz zur FAP, bei der Bedeutung und Benefit einer prophylaktischen Chirurgie mittlerweile belegt sind, ist deren Rolle beim HNPCC noch unklar. Endoskopische Therapie und Nachsorge Die koloskopische Kontrolle von Kolon und Rektum steht bei der Betreuung von HNPCC-Patienten, gesunden Anlageträgern und Risikopersonen im Vordergrund. Bereits bei einem 3-jährigen Untersu-
325 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
chungsintervall kann durch die endoskopische Entfernung kolorektaler Adenome eine 60%-ige Reduktion des Karzinomrisikos erreicht werden. Die kolorektalen Karzinome werden zudem oft in einem günstigeren Tumorstadium diagnostiziert. Langzeitdaten nach 15 Jahren belegen, dass in HNPCC-Familien alleine durch ein Koloskopiescreening alle 3 Jahre, die Mortalität um bis zu 65% gesenkt werden kann [Järvinen 2000].Nach der konventionellen operativen Resektion eines kolorektalen Karzinoms ist bei HNPCC-Patienten bei einem persistierenden Risiko für ein kolorektales Zweitkarzinom (bis zu 45% nach 10 Jahren) in der Regel eine lebenslange koloskopische Kontrolle in jährlichen Intervallen erforderlich. Medikamentöse Prophylaxe Es ist nicht bekannt, ob die Inzidenz gastrointestinaler Malignome bei HNPCC-Anlageträgern durch eine prophylatische Therapie mit nichtsteroidalen Antiphlogistika reduziert werden kann. Aufgrund des hohen Tumorrisikos bei HNPCC-Anlageträgern wird bei diesen Patienten in der CAPP2-Studie (»concerted action for polyp prevention«; [http://www.ncl.ac.uk/ ihg/about/capp/]) der Einfluss von 600 mg Aspirin, 30 g Stärke oder einer Kombination beider Substanzen auf die Prävention kolorektaler Polypen und Karzinome untersucht.Aufgrund geringerer Nebenwirkungen könnten spezifische COX-2-Inhibitoren in dieser Patientengruppe auch zur Kolonkarzinomprophylaxe eingesetzt werden. Eine generelle Therapieempfehlung existiert jedoch heute noch nicht. 31.5.3
Therapie und Nachsorge extraintestinaler Manifestationen
Anlageträgerinnen haben ein hohes kumulatives Risiko an einem Endometriumkarzinom zu erkranken. Eine prophylaktische Hysterektomie kann dennoch nicht generell empfohlen werden, da die Hälfte der Anlageträgerinnen ohne je ein Endometriumkarzinom zu entwickeln, umsonst operiert würden. Zudem können Patientinnen mit einem symptomatischen Endometriumkarzinom zumeist noch kurativ reseziert werden. Bei einer familiären Häufung von Endometriumkarzinomen kann bei abgeschlossener Familienplanung auf Wunsch der Patientin in Einzelfällen dennoch eine prophylaktische Hysterektomie zwischen dem 35.–40. Lebensjahr erwogen werden. Dies gilt auch für Anlageträgerinnen, die bereits an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sind. Das
31
lebenslange Risiko für weitere HNPCC-assoziierte Karzinome bleibt dennoch bestehen.
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Kolorektales Karzinom W. H. Schmiegel, W. O. Bechstein 32.1.
Pathophysiologie
32.2
Klinik
32.3
Diagnostik
32.4
Konservative Therapie W. H. Schmiegel
32.4.1 32.4.2 32.4.3
Prävention – 328 Allgemeinmaßnahmen/Ernährung Medikamentöse Therapie – 329
32.5
Chirurgische Therapie W. O. Bechstein
32.5.1 32.5.2 32.5.3 32.5.4 32.5.5
Prinzipien – 336 Kolonkarzinom – 337 Rektumkarzinom – 338 Qualitätsindikatoren – 339 Rezidive: operative Verfahren
Literatur
>>
– 327
– 327 – 327 – 328
– 329
– 336
– 339
– 339
Kolorektale Karzinome (KRK) gehören mit jährlich 57.000 Neuerkrankungen in Deutschland weiterhin zu den häufigsten soliden Tumoren; das Lebenszeitrisiko wird mit etwa 6% beziffert. In der Statistik der tumorbedingten Todesursachen nimmt das kolorektale Karzinom Platz 2 hinter dem Bronchialkarzinom ein (ª29.000 Patienten/Jahr). Man schätzt, dass ca. 75–85% der kolorektalen Karzinome sporadisch auftreten, während 5–15% mit Nachweis einer Keimbahnmutation verknüpft sind (z. B. familiäre adenomatöse Polyposis oder hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom). Die Therapie des kolorektalen Karzinoms stürzt sich auf die 3 klassischen Therapiesäulen der Onkologie: die Chirurgie, die Strahlen- und die Chemotherapie. Trotz aller Fortschritte in der kurativen und palliativen Therapie bleibt das histopathologisch festgelegte Tumorstadium prognosebestimmend.
327 32.3 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
32.1
Pathophysiologie
Kolorektale Karzinome entwickeln sich aus normalen Epithelzellen des Darms durch eine Kette von molekularen Veränderungen.In der Regel stellen adenomatöse Polypen einen Zwischenschritt bei dieser Entwicklung dar. Diese werden in der Bevölkerung bei 50-Jährigen in >30% gefunden, bei 70-Jährigen sind adenomatöse Polypen sogar bei 50% der Probanden nachweisbar. Unbehandelt entwickelt sich aus ca. 15% der Adenome (>1 cm) in einem Zeitintervall von ca. 10 Jahren ein Karzinom. Schon bei der Mehrzahl der Adenome lassen sich genetische Veränderungen, etwa am Tumorsuppessorgen APC, nachweisen. An der Mehrschrittkarzinogenese sind weiterhin das Onkogen K-ras und die Tumorsuppressorgene DCC,p53 und 18q häufig beteiligt.Die gängige Hypothese geht davon aus,dass das sporadische kolorektale Karzinom sich in Folge einer Reihe von sequenziell erworbenen onkogenetischen Mutationen entwickelt [Fearon 1990]. Bei hereditären Kolonkarzinomen wird dagegen eine bestimmte Mutation bereits über die Keimbahn vererbt. Das Risiko ein Kolonkarzinom zu entwickeln erhöht sich bei den betroffenen Merkmalsträgern um ein Vielfaches.So entwickeln nahezu alle Patienten mit einer FAP ein Kolonkarzinom, bei HNPCC wird das Lebenszeitrisiko auf 70–80% geschätzt ( s. Kap. 30 und 31). 32.2
Klinik
Kolorektale Adenokarzinome wachsen in der Regel langsam. Daher hat nur die Minderzahl von Patienten in frühen Krankheitsstadien Beschwerden.Mit zunehmender Größe nehmen Ulzerationen an der Tumoroberfläche zu, die zu okkulten Mikroblutungen aber auch makroskopisch sichtbaren rektalen Blutungen (Hämatochezie) mit klinischen Zeichen der Eisenmangelanämie führen können.Weitere Symptome,die auf ein KRK hinweisen können, umfassen abdominelle Schmerzen, rektale Tenesmen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust und Veränderungen im Stuhlverhalten (unwillkürliche Stuhl- und Windabgang) und sind meist Zeichen einer bereits fortgeschrittenen Erkrankung. Partielle oder komplette Obstruktionen führen zu krampfartigen Schmerzen und werden in 2–16% der neu diagnostizierten Patienten gefunden. Führendes Symptom rechtsseitiger Tumoren sind okkulte Blutungen, größere Tumoren können als walzenförmige Resistenz tastbar sein.Obstruktionen sind bei rechtsseitigen Tumoren selten und werden bevor-
32
zugt bei linksseitigen Tumoren gefunden. Auch bei der Mehrzahl linkseitiger Tumoren werden Blutbeimengungen im Stuhl gefunden. Perforationen infolge fortgeschrittener Lokalbefunde äußern sich in diffusen Bauchschmerzen und führen zu Zeichen der lokalisierten und generalisierten Peritonitis. Hämatogene Metastasen finden sich am häufigsten in der Leber.Wie Metastasen in der Lunge sind sie häufig asymptomatisch. Eine össäre Metastasierung ist selten. Nur ca. 6% der Patienten zeigen Filiae in der lumbosakralen Wirbelsäule oder im Becken. 32.3
Diagnostik
Nach Diagnosesicherung mittels Biopsie ist es vorrangiges Ziel des diagnostischen Stagings mit der dokumentierten Tumorausbreitung (⊡ Tabelle 32.1) die adäquate Therapie für den Patienten festzulegen. Ins-
⊡ Tabelle 32.1. TNM-Klassifikation bei kolorektalem Karzinom T
Primärtumor
TX
Kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
CiS
Carcinoma in situ (Ausbreitung auf die Mukosa beschränkt)
T1
Tumor infiltriert die Submukosa
T2
Tumor infiltriert die Muscularis propria
T3
Tumor infiltriert die Subserosa oder nicht peritonealisiertes perikolisches oder perirektales Gewebe
T4
Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen und/oder perforiert das viszerale Peritoneum
N
Regionäre Lymphknoten
NX
Können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Metastasen in 1–3 regionären Lymphknoten
N2
Metastasen in ≥4 regionären Lymphknoten
M
Fernmetastasen
MX
Nicht beurteilbar
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
328
III
Kapitel 32 · Kolorektales Karzinom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
besondere müssen Patienten mit potenziell kurativer chirurgischer Therapieoption (auch solche mit isolierten Leber- oder Lungenmetastasen) identifiziert werden. Die präoperative Diagnostik umfasst Anamnese und körperliche Untersuchung, Labor- und apparative Untersuchungen. Anamnese. Eine sorgfältige Anamneseerhebung einschließlich einer gründlichen Familienanamnese ist die Vorraussetzung zur Diagnose eines hereditären Kolonkarzinoms ohne Polyposis (HNPCC; s. Kap. 31). Besondere Beachtung verdient eine differenzierte Anamnese betreffend Harn- und Stuhlkontinenz (Kontinenz für geformten oder flüssigen Stuhl, Flatus?). Untersuchung. Die körperliche Untersuchung beinhaltet eine sorgfältige Untersuchung des Abdomens unter Beachtung etwaiger Resistenzen und Palpation der Leber. Der digital-rektalen Untersuchung kommt eine besondere Bedeutung zu nicht nur im Hinblick auf die Höhelokalisation und Lage im Bezug zu Nachbarorganen (Verschieblichkeit?) eines Rektumkarzinom im unteren bis mittleren Drittel, sondern auf für eine präoperative Beurteilung des Sphinktertonus im Analkanal. Weitere Diagnostik. Abgesehen von allgemeinen Untersuchungen zur Operations- und Narkosefähigkeit sind die folgenden Untersuchungen präoperativ erforderlich: ▬ komplette Koloskopie mit Biopsie und histologischer Sicherung des Tumors als »golden standard«. Liegt ein stenosierender Tumor im linken Kolon vor, der die komplette Koloskopie nicht erlaubt, sollte diese innerhalb von 3 Monaten postoperativ nachgeholt werden. ▬ Sonographie des Abdomens (Lebermetastasen? Aufstau des Nierenbeckens? Aszites?) ▬ Röntgenthoraxaufnahme (in 2 Ebenen) zur Detektion pulmonaler Rundherde. ▬ Serum-CEA, ▬ Urinsediment (nur bei Sigmakarzinom).
Bei unklaren sonographischen Befunden wird eine Spiral-Computertomographie des Abdomens (mit Kontrastmittel) empfohlen. Nach den interdisziplinären Leitlinien wird eine präoperatives Staging der Tumorgröße obligat nur vor geplanter lokaler Exzision eines Rektumkarzinoms gefordert. Dieses kann durch Endosonographie oder
Magnetresonanztomographie (MRT) erfolgen. Da die Entscheidung über eine etwaige neoadjuvante Radiochemotherapie zum Donwstaging bei fortgeschrittenen Tumoren des Rektum mit Beteiligung der Nachbarorgane (T4) oder bei sehr tiefem Sitz zum Downstaging vor angestrebter kontinenzerhaltender Operation vom Ergebnis des präoperativen Stagings abhängt, erscheint eine präoperative MRT des kleinen Beckens (oder alternative einer hochauflösenden Spiral-CT mit Kontrastmittel) in jedem Fall eines Rektumkarzinoms günstig [Beets-Tan 2001]. Die präoperative Entdeckung von etwaigen regionären Lymphknotenmetastasen ist aus chirurgischer Sicht irrelevant, da ohnehin eine systematische Lymphadenektomie unter Mitnahme des gesamten radikulären Lymphabflusssystems erfolgen muss. Im Fall sonographisch detektierter Lebermetastasen wird eine Spiral-CT mit Kontrastmittel zur präoperativen Beurteilung und Operationsplanung empfohlen, da eine simultane radikale Resektion des Primärtumor mit gleichzeitiger radikaler Resektion der Lebermetastasen möglich sein kann. Ob in Zukunft die Möglichkeit der »virtuellen Koloskopie« durch CT- oder MRT-Kolonographie präoperativ Zweitkarzinome hinreichend sicher ausschließen kann, ist noch nicht hinreichend geklärt [Luboldt 2003]. Sie zeigt eine höhere Patientenakzeptanz, hat aber in ersten Untersuchungen Schwächen in der Detektion von Polypen £ 6 mm sowie von flachen Ulzerationen gezeigt. 32.4
Konservative Therapie W. H. Schmiegel
32.4.1
Prävention
Der Stellenwert von Acetylsalicylsäure und Nahrungsmittelergänzungsstoffen wie Vitaminen,Folsäure und Selen in der Primärprävention muss nach Studienlage als nicht gesichert angesehen werden. Positive Ergebnisse auf Interventionsstudien liegen bisher nur für Sulindac und den COX-2-Inhibitor Celecoxib bezüglich des Neuauftretens von Adenomen bei Patienten mit FAP vor [Jänne 2000]. In der Sekundärprävention kommen Screeninguntersuchungen vor dem Hintergrund der nachgewiesenen Adenom-Karzinom-Sequenz eine überragende Bedeutung zur Senkung der hohen Inzidenz und Sterblichkeit beim kolorektalen Karzinom zu.Da 95% der Erkrankungen nach dem 50. Lebensjahr gefunden werden, wird der
329 32.4 · Konservative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Beginn von Vorsorgeuntersuchungen bei asymptomatischen Patienten ab diesem Zeitpunkt empfohlen. Die aktuellen Empfehlungen der DGVS sehen jährlich durchgeführte Teste auf okkultes Blut im Stuhl (FOBT) sowie eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre ab dem 50. Lebensjahr vor [Schmiegel 2000]. Bei positivem FOBT erfolgt unverzüglich eine komplette Koloskopie, die zweifelsfrei die sicherste Vorsorgemaßnahme darstellt,da ca.50% der Patienten mit proximal gelegenen Neoplasien zeitgleich keine distal gelegenen Läsionen aufwiesen [Imperiale 2000; Liebermann 2000]. 2002 wurden die DGVS-Empfehlungen umgesetzt und eine Vorsorgekoloskopie ab dem 56. Lebensjahr in den Vorsorgekatalog aufgenommen; Wiederholung alle 10 Jahre, bei Nachweis von Adenomen mit Dysplasien bereits nach 3 Jahren. Durch konsequente Polypektomie aller im Kolon vorgefundenen Adenome läßt sich die Karzinominzidenz um ca. 75% reduzieren [Winawer 1993]. Für Patienten und Verwandte von Patienten mit erblichem Dickdarmkrebs (HNPCC, FAP) empfiehlt sich eine spezielle Vorsorge ( s. Kap. 30, 31).Auch Patienten mit Colitis ulcerosa tragen ein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome ( s. Kap. 26). Bei auch referenzpathologisch bestätigtem Nachweis von Dysplasien oder ayplasieassoziierten Läsionen und Massen (DALM) wird die prophylaktische Proktokolektomie empfohlen [Schmiegel 2000]. 32.4.2
Allgemeinmaßnahmen/ Ernährung
Neben genetischen Faktoren scheinen auch Ernährungsgewohnheiten einen Einfluss auf die Inzidenz des KRK zu haben. So fördern starkes Übergewicht, körperliche Inaktivität,Rauchen und regelmäßiger Alkoholkonsum die Tumorentstehung.Geringer Verzehr von rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm) und Bevorzugung von Obst und Gemüse scheinen einen protektiven Effekt auszuüben. Der aus epidemiologischen Studien gefolgerte schützende Efekt von Ballaststoffen
32
konnte bisher in Interventionsstudien nicht nachgewiesen werden. Man geht davon aus, dass durch eine angepasste Lebensführung mit Reduzierung exogener Risikofaktoren fast 50% aller Kolonkarzinome verhindert werden können. Leicht umsetzbar erscheint eine weltweite Ernährungskampagne,die den Verzehr von 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag propagiert (Deutsche Gesellschaft für Ernährung,www.DGE.de). 32.4.3
Medikamentöse Therapie
Adjuvante Therapie bei Kolonkarzinom Während ca. 30% der Tumoren bei Diagnosestellung durch Metastasierung bereits inoperabel sind, sind rund 20% trotz lokal fortgeschrittener Erkrankung (pT3/4 oder lokale Lymphknotenbeteiligung) potenziell kurativ resektabel. Leider erleiden in Verlauf fast 50% dieser Patienten trotz R0-Resektion ein Rezidiv. Aus Nachweis von Mikrometastasen bei einem substanziellen Anteil klinisch als M0-klassifizierter Patienten wurde die Notwendigkeit einer ergänzenden systemischen Therapie gefolgert. Tatsächlich konnte 1990 erstmals überzeugend im Rahmen einer großen prospektiv randomisierten Studie der Intergroup durch eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU und Levamisol (Therapiedauer 12 Monate) eine Senkung von Rezidivrate (40%) und Mortalität (33%) bei Patienten im UICC-Stadium-III nachgewiesen werden, die sich auch im langjährigen Follow-up bestätigte [Moertel 1990]. Eine Vielzahl von großen kooperativen Studien wurde in den Folgejahren unternommen, die den Benefit einer adjuvanten Chemotherapie bei Patienten mit Kolonkarzinomen im UICC III bestätigten. In der Intergroup-Studie INT-0089 wurden 3759 Patienten mit Kolonkarzinom UICC II + III in 4 unterschiedliche Behandlungsarme randomisiert: ▬ Mayo-Protokoll über 6 Monate ( s. unten), ▬ Roswell-Park-Protokoll über 6 Monate ( s. unten), ▬ Moertel-Schema ( s. oben) sowie ▬ Mayo-Protokoll in Kombination mit Levamisol.
⊡ Tabelle 32.2. Lebenserwartung nach UICC-Tumorstadien. (Mod. nach [Moertel 1994]) UICC-Stadien
TMN-Stadien
Dukes-Stadien
5-Jahres-Überleben [%]
I II III IV
T1/2,N0, M0 T3/4, N0, M0 Tx, N1/2, M0 Tx, Nx, M1
A B C D
78–95 70–77 45 4–7
330
III
Kapitel 32 · Kolorektales Karzinom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
In allen 4 Gruppen war das Überleben mit 71%, 70%, 67% bzw. 73% nach 4 Jahren vergleichbar [Haller 1998].Diese Daten ließen folgende Schlussfolgerungen für die adjuvante Chemotherapie beim Kolonkarzinom zu: 1. Die 6-monatige Behandlung mit 5-FU und niedrig-dosierter Folinsäure (FS) nach dem MayoProtokoll ist mindestens ebenso wirksam wie eine 12-monatige Therapie nach dem MoertelSchema, 2. Folinsäure in niedriger (Mayo) und hoher Dosierung (Roswell) führen zu vergleichbaren Ergebnissen und 3. die additive Gabe von Levamisol zum MayoProtokoll führt zu keiner Verbesserung des Therapieeffekts. Seither gelten Mayo- und Roswell-Protokoll mit unterschiedlichen Toxizitätsprofilen als Standard in der adjuvanten Therapie beim Kolonkarzinom und werden auch in den aktuellen Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) für diese Indikation empfohlen [DKG 2002].
Mayo-Klinik-Protokoll [Poon 1991]
Folinsäure 5-FU
Dosis
Applikation
Tag
20 mg/m2 425 mg/m2
Bolus Bolus <5 min
1–5 1–5
Insgesamt 6 Zyklen, die ersten 3 Zyklen im Abstand von 4 Wochen, dann alle 5 Wochen
Roswell-Park-Protokoll
Folinsäure 5-FU
Dosis
Applikation
Tag
500/m2 500/m2
über 2 h 1 Bolus <5 min, 1 1 h nach Beginn der Folinsäureinfusion
8 Wochen sind 1 Zyklus: 6-mal 1/Woche, dann 14 Tage Pause, insgesamt 4 Zyklen
Auch älteren Patienten in guten Allgemeinzustand sollte die adjuvante Chemotherapie nicht vorenthalten werden. In einer Metaanalyse aus 7 prospektiven Stu-
dien konnte gezeigt,dass auch in der Altersgruppe mit >70 Jahren bei akzeptabler Toxizität eine Senkung des Rückfallrisikos erzielen lässt,das sich auch in eine Verbesserung des Gesamtüberlebens umsetzt [Sargent 2001]. Kontraindikationen für eine adjuvante Chemotherapie bei kolorektalem Karzinom [DKG, DGC, DGVS 1999]
Allgemeinzustand schlechter als WHO 2 Unkontrollierte Infektion Leberzirrhose Child B + C Schwere KHK, Herzinsuffizienz (NYHA III + IV) Präterminale und terminale Niereninsuffizienz Eingeschränkte Knochenmarkfunktion Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen
Immer wieder wird diskutiert, ob auch Patienten im Tumorstadium UICC II von einer adjuvanten Therapie profitieren. Hier liegen widersprüchliche Studiendaten vor. So zeigten die gepoolten Daten der 4 aufeinanderfolgenden Studien der amerikanischen National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project Group eine 30%-ige Reduktion der Mortalität im Interventionsarm [Mamounas 1999]. Bei der Bewertung dieser Daten muss allerdings bedacht werden, dass die Therapie in den Interventionsarmen der einzelnen Studien sehr heterogen war und mit z. T. nicht den heute etablierten Therapiestandards entsprachen. Die im gleichen Jahr vorgelegten Daten der IMPACT-B2-Studie, Metaanalyse aus 5 prospektiven Studien, Applikationen aus FU/FS (Therapiedauer: 6 bzw.12 Monate) mit therapiefreier Nachsorge,konnten keinen Benefit für eine adjuvante Chemotherapie bei Patienten mit UICC II nachweisen [Ehrlichmann 1999]: nach einer Nachbeobachtung von über 5 Jahren waren die Rezidivraten im Therapie- (20%) und Kontrollarm (22%) nahezu identisch. Auch die kürzlich vorgestellten kummulativen Daten des amerikanischen Krebsregisters SEER (Surveillance, Epidemiology and End Results) unterstützen die Schlussfolgerung aus der IMPACT-Studie. Nachbeobachtet wurden 2478 Patienten mit UICC II von 1991–1996,31% dieser Patienten erhielten eine adjuvante Chemotherapie. Das 5-Jahres-Überleben war in den Patientengruppen mit und ohne adjuvante Therapie nicht verschieden (77% vs. 78%). Diese Beobachtungen bestätigten sich auch für die prog-
331 32.4 · Konservative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nostisch ungünstige Untergruppe mit T4-Tumor, Ileus oder Perforation bei Erstmanifestation [Schrag 2001]. Wichtig Somit unterstützen diese Daten die Empfehlung der DKG, wonach eine adjuvante Therapie bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium UICC II außerhalb von Studien kein Standard ist.
Rezente Untersuchungen sprechen dafür, dass es auf der Basis tumorbiologischer Parameter dennoch gelingen könnte, Subgruppen von Patienten mit UICC II zu definieren, die von einer adjuvanten Therapie profitieren [Watanabe 2001]. Die Hoffnung, dass durch den Einsatz einer passiven Immuntherapie mit Hilfe des 17–1A-Antikörpers Edrecolomab bei Verminderung von therapieassoziierten Nebenwirkungen eine der Standardtherapie aus FU/FS-vergleichbare Wirksamkeit erzielt werden könnte,wurde inzwischen enttäuscht.In einer 3-armigen Studie konnte nachgewiesen werden, dass Edrecolomab der Standardchemotherapie aus 5-FU/FV hinsichtlich des Gesamtüberlebens (70 vs. 74%) wie auch hinsichtlich des krankeitsfreien Überlebens (53 vs. 64%) nach 3-jähriger Nachbeobachtung unterlegen war [Punt 2001]. Aufgrund dieser Daten wurde zwischenzeitlich der Vertrieb von Edrecolomab in Deutschland eingestellt. Adjuvante Therapie beim Rektumkarzinom Im Vergleich zum Kolonkarzinom zeichnet sich das Rektumkarzinom durch eine deutlich höhere Rate an Lokalrezidiven aus. So finden bei Tumorstadien mit transmuraler Ausbreitung oder Lymphknotenmetastasierung (T3–T4 oder N+) nach R0-Resektion und therapiefreier Nachsorge im Verlauf in 15–50% der Fälle pelvine Rezidive. Durch eine alleinige postoperative Radiatio kann eine Senkung der Lokalrezidivrate um 20% erzielt werden, die sich aber nicht in einen Überlebensvorteil umsetzt [Gray 1995]. Ein Überlebensvorteil (24%) im Vergleich zu therapiefreier Nachsorge konnte durch eine kombinierte Radiochemotherapie mit einem 5-FU-haltigen Protokoll nachgewiesen werden [GITSG 1985]. Die Überlegenheit der kombinierten Radiochemotherapie konnte auch gegenüber alleiniger postoperativer Bestrahlung bestätigt werden [Krook 1991].
32
Wichtig Konsensus und Standard außerhalb von Studien ist daher eine Kombination aus 5-FU und Radiatio nach dem NCI-Protokoll von 1991 modifiziert mit kontinuierlicher 5-FU-Infusion für die Dauer der Bestrahlung [DKG 2002].
Durch Einführung der TME in die chirurgische Therapie ( s. Kap. 32.5) muss von einer deutlich verbesserten Kontrolle von Lokalrezidiven ausgegangen werden. folglich muss für diese Patienten der Stellenwert der adjuvanten Radiochemotherapie neu definiert werden.Ergebnisse aus einer ersten prospektiven Phase-III-Studien sprechen dafür, dass die niedrige Lokalrezidivrate nach TME durch eine präoperative Radiatio weiter reduziert werden kann (8,2 auf 2,4% nach 2 Jahren; [Kapiteijn 2001]). Solange allerdings Ergebnisse zur Fernmetastasierung und Gesamtüberleben nicht vorliegen, sollten auch für Patienten mit Tumorstadien UICC II und III auch nach TME außerhalb von Studien die aktuellen Empfehlungen der DKG zur adjuvanten Therapie Bestand haben. Die aktuelle gemeinsame Studie der CAO/ARO/AIO untersucht vergleichend die Wirksamkeit einer adjuvanten und einer neoadjuvanten Radiochemotherapie bei diesem Patientenkollektiv. Neoadjuvante Therapie beim Rektumkarzinom Ist eine kontinenzerhaltende Operation nicht sicher möglich sowie bei allen Tumoren, deren primäre Resektabiltät angezweifelt werden muss (T4-Stadien), wird der Versuch eines Downstagings durch eine präoperative Radiochemotherapie empfohlen.Prospektive Phase-III-Untersuchungen liegen hierzu allerdings nicht vor. In größeren meist retrospektiv analysierten Kollektiven konnte ein Downstaging bei über 60% der Patienten mit entsprechender Zunahme sphinktererhaltender Operationen erreicht werden ohne dass eine signifikante Zunahme der perioperativen Morbidität zu verzeichnen war [Janjan 1999]. Wichtig Die aktuellen Leitlinien der DKG empfehlen ein Behandlungsregime mit einer Bestrahlung über 6 Wochen bis 50,4 Gy kombiniert mit einer Dauerinfusion von 5-FU (1000 mg/m2/Tag) über 5 Tage in der 1. und 5. Behandlungswoche.
332
III
Kapitel 32 · Kolorektales Karzinom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Palliative Therapie bei metastasiertem kolorektalen Karzinom Etwa bei 50% der Patienten mit kolorektalem Karzinom sind entweder bereits bei Erstdiagnose oder im Verlauf der Erkrankung Metastasen nachweisbar. Für diese Patienten gilt der Stellenwert einer palliativen Chemotherapie seit 5–10 Jahren als gesichert. So erzielt eine 5-FU-basierte Chemotherapie im Vergleich zur rein supportiven Therapie (BSC) einen Zugewinn an Überlebenszeit von ca.6 Monaten.Es herrscht Konsens darüber, die palliative Chemotherapie bei metastasiertem KRK auch bei beschwerdefreien Patienten unverzüglich zu beginnen, da ohne Therapie das symptomfreie Intervall im Median nur wenige Monate beträgt und die Ansprechraten bei verzögertem Therapiebeginn deutlich schlechter ausfallen [NGT 1992]. Ziel der Behandlung ist es, tumorbedingte Beschwerden zu lindern, die Tumorprogression hinauszuzögern und dadurch die Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern. Nach Jahrzehnten eines weitgehenden Stillstandes haben sich die Optionen für die systemische Therapie mit Etablierung neuer Substanzklassen in den letzten Jahren erfreulich erweitert, sodass die aktuelle palliativorientierte Initialtherapie nicht standardisiert ist. Chemotherapeutika 5-Fluorouracil 5-FU war über viele Jahre der »golden standard« in der chemotherapeutischen Behandlung von KRK. In Ermangelung alternativer Substanzgruppen wurden unterschiedliche Applikationsprotokolle und Biomodulationen von 5-FU intensiv beforscht. Es hat sich im Vergleich zur 5-FU-Monotherapie die Kombination aus 5-FU und Folinsäure (FS) durchgesetzt.Durch Modulation von 5-FU mit Folinsäure verdoppeln sich im Schnitt die Remissionsraten (23 vs. 11%), eine signifikante Auswirkung auf das Überleben konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Dieser Therapieeffekt wird dadurch erzielt, dass Folinsäure den Komplex aus Fluorodesoxyuridinmonophosphat (FdUMP) und der Thymidilatsynthetase stabilisiert und so die Inhibition der DNA-Replikation verstärkt. 5-FU hat eine kurze Halbwertszeit von 8–14 min und wirkt über die Hemmung der Thymidilatsynthetase S-Phasen spezifisch. Daher ist es vorstellbar, dass bei Bolusgabe nur ein kleiner Anteil der Tumorzellen in ihrer vulnerablen Phase angetroffen werden. Es lag daher nahe, dieser Hypothese mit kontinuierlicher Infusion von 5-FU Rechnung zu tragen. Tatsächlich konnte inzwischen auch durch eine Metaanalyse belegt werden, dass 5-FU-Infusionen im Ver-
gleich zur Bolusgabe mit besseren Remissionsraten verknüpft sind (14 vs. 22%; mediane Überlebenszeit 12,1 vs. 11,3 Monate [MGC 1998]). Von Bedeutung ist jedoch das unterschiedliche Nebenwirkungsspektrum der beiden Applikationsformen. Während sich die Bolustherapie, etwa nach dem Mayo-Protokoll, durch eine deutlich stärkere Myelosuppression und gastrointestinale Toxizität auszeichnet, ist für die kontinuierliche Infusion häufig eine Erythrodysästhesie der Extremitäten – das sogenannte Hand-Fuß-Syndrom- dosislimitierend. Entscheidet man sich für eine Bolusapplikation von 5-FU muss diese rasch zu erfolgen.Schon eine Verlängerung der Infusionszeit von 2–4 auf 10–20 min führt zu einer Halbierung der Remissionsraten. Ein signifikanter Anteil der Patienten mit Progress unter 5-FU-Bolusgaben profitiert anschließend von einer hochdosierten Kombination aus FS und 5-FU-Dauertherapie.Insgesamt zeigen die berichteten objektivierbaren Responseraten für die Kombination aus 5-FU/FS mit 16–48% eine große Spannweite, wobei ein meist größerer Anteil der Patienten eine Stabilisierung der Erkrankung erfährt.Das mittlere progressionfreie Intervall beträgt 5–8 Monate. Nach der aktuellen Datenlage müssen Bolus- und Infusionsprotokolle in der First-line-Therapie bezüglich des Endpunkts »Überleben« als äquieffektiv angesehen werden. Diese Einschätzung wurde durch die Ergebnisse einer gemeinsamen Phase-III-Studie von EORTC (GITCCG) und AIO untermauert [Schmoll 2000]. Während zwar Remissionsraten und progressionsfreies Überleben bei Patienten mit protrahierter Infusion signifikant besser waren (20,5 vs. 11,5% bzw. 6,4 vs. 4,1 Monate) zeigten sich keine Unterschiede im Gesamtüberleben. Orale Fluoropyrimidine Capecitabine
Capecitabine ist seit Februar 2001 in Deutschland als Monotherapie für die First-line-Therapie bei metastasiertem KRK zugelassen.Attraktiv für die Lebensqualität der Patienten ist die orale Darreichungsform, die durch eine zuverlässige enterale Resorption ermöglicht wurde. Capecitabine (Xeloda) wird über einen 3stufigen Metabolismus schließlich in seine aktive Form, das 5-Fluorouracil, überführt. Vorteilhaft erscheint, dass der letzte Aktivierungsschritt durch das Enzym Thymidinphosphorylase erfolgt, das im Tumorgewebe überexprimiert wird. So überstiegen unter Capecitabine die 5-FU-Spiegel im Tumorgewebe die in gesunder Kolonschleimhaut um das 3-fache [Schüller 2000]. Da >70% der Metaboliten renal ele-
32
333 32.4 · Konservative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
miniert werden, wird bei relevanter Einschränkung der Nierenfunktion (Kreatininclearance 30–50 ml/ min) eine Dosisreduktion auf 75% empfohlen, schwere Nierenfunktionsstörungen (Kreatininclearance <30 ml/min) gelten als Kontraindikation.Dosierungsempfehlungen bei Leberfunktionsstörungen liegen bei unklarer Datenlage nicht vor. Der Zulassung liegen 2 Studien zugrunde, die die Wirksamkeit von Capecitabine in der First-lineTherapie bei metastasiertem KRK im Vergleich zum Mayo-Klinik-Schema untersuchten [Hoff 2001; van Cutsem 2001]. Bei wenigstens vergleichbaren Remissionsraten, progressionsfreien Intervallen und Überlebenszeiten zeichnete sich Capecitabine zusätzlich durch ein besseres Toxizitätsprofil mit Verminderung von Grad-III-/ -IV-Leukopenien und Mukositis aus. Die in den Studien gewählte (Herstellerempfehling) Dosis beträgt 2500 mg/m2, verteilt auf 2 Tagesdosen, über 14 Tage mit Wiederholung alle 3 Wochen. Somit wird entsprechend zur kontinuierlich 5-FU-Infusion eine dauerhafte Exposition der Tumorzellen mit 5-FU gewährleistet. Häufigste Nebenwirkungen (WHOGrad 3+4) sind ein stärker ausgeprägtes Hand-FußSyndrom (18%) und Diarrhöen (15%). UFT
Ein weiterer Vertreter dieser Substanzklasse ist UFT, eine Kombination der 5-FU-Prodrug Tegafur und Uracil. Dabei dient Uracil der Wirkungsverstärkung über eine Hemmung des enzymatischen Abbaus von 5-FU. Etabliert ist die Komedikation mit oralem Calciumfolinat. Zwei prospektiv randomisierte Studien konnten inzwischen belegen, dass UFT etwa gleich effektiv ist wie modulierte 5-FU-Bolusgaben [Carmichael 1999; Pazdur 2002]. UFT/Calciumfolinat zeigte dabei eine signifikante geringere Raten an Mukositiden und Hämatotoxizitäten. Auch HandFuß-Syndrome wurden nicht in nennenswertem Umfang beobachtet. Die empfohlene Dosierung beträgt 300 mg/m2 Tegafur in Kombination mit 90 mg Calciumfolinat/Tag verteilt auf 3 Einzeldosen. Behandelt wird über 28 Tage,mit anschließender 7-tägiger Pause. Oxaliplatin Oxaliplatin (L-OHP,Eloxatin) ist ein Platinderivat,das sich in Wirk- und Toxizitätsprofil deutlich von anderen Derivaten wie Carbo- und Cisplatin unterscheidet. Im Gegensatz zu letzteren sind Nephro- und Myelotoxizität bei Oxaliplatin selten. Limitierend sind meist neuropathische Komplikationen. Dabei läßt sich eine akute gegen eine kumulative Verlaufsform abgrenzen. Die Symptomatik manifestiert sich Stunden bis Tage
nach Infusion und äußert sich als schmerzhafte besonders die Akren betreffende sensorische Neuropathie, die sich charakteristischerweise bei Kälteexposition verstärkt. Teilweise kann die Intensität der Akuttoxizität (Laryngospasmus) durch eine Verlängerung der Infusionsdauer auf bis zu 6 h reduziert werden. Die kumulative Neuropathie (Schwellenwert: 900–1100 mg Oxaliplatin) ist im Verlauf häufig für den Abbruch der Therapie verantwortlich. In ca. 80% der Fälle soll sich die Neuropathie in der Therapiepause langsam zurückbilden. Oxaliplatin hat eine signifikante Aktivität bei KRK und ist in Deutschland seit 2000 für First-line-Therapie zugelassen. Die Wirkung von Oxaliplatin beruht auf der Ausbildung von Inter- und Intra-Strang-Addukten, die weitgehend unabhängig vom Zellzyklus zum Abbruch der DNA-Synthese führt. Es besteht keine Kreuzresistenz mit 5-FU und auch Störungen im Mismatch-repair-Mechanismus führen nicht zu einer verstärkten Resistenzentwicklung gegen Oxaliplatin. Während die Daten zur Monotherapie eher spärlich sind und bei einer Dosierung von 130 mg/m2 alle 3 Wochen Ansprechraten von 23% bei chemotherapienaiven Patienten und von 10% nach vorausgegangener 5-FU-Therapie ausweisen, wurde die Kombination von Oxaliplatin und 5-FU wegen synergistischer Effekte intensiv beforscht. Besonders gut untersucht ist die Kombination von Oxaliplatin,Folinsäure mit 5-FU als protrahierte Infusion. Hier zeigten sich sowohl bei der chronomodulierten wie auch bei der 5-FU-Applikation über 48 h (FOLFOX) eindruckvolle Remissionsraten von ca. 50% [DeGramont 2000;Giaccetti 2000].
FOLFOX-IV-Protokoll
Oxaliplatin Folinsäure 5-FU
Dosis
Applikation
Tag
85 mg 500/m2 400/m2 600/m2
Über 2 h Über 2 h Bolus <5 min Über 22 h
1 1–2 1–2 1–2
Wiederholung alle 14 Tage.
Ein signifikanter Überlebensvorteil im Vergleich zu identischen 5-FU/FS- Kombinationen ohne L-OHP konnte allerdings in beiden Studien nicht nachgewiesen werden. Diese Tatsache liegt am ehesten darin begründet, dass die Patienten im Kontrollarm wir-
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III
Kapitel 32 · Kolorektales Karzinom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
kungsvolle Second-line- und teilweise auch Thirdline-Therapien unter Einschluss von Oxaliplatin erhielten. Auch die wöchentliche Gabe von Oxaliplatin (50 mg/m2) + FS (500 mg/m2)/5-FU (2000 mg/m2) (4mal wöchentlich mit Wiederholung alle 6 Wochen) ist etabiliert.Hier werden Überlebenszeiten von >20 Monaten berichtet [Grothey 2001]. Zur Reduktion der Neurotoxizität wurde die Oxaliplatindosis in dieser Studie ab dem 5. Zyklus nur noch alle 14 Tage mit den wöchentlichen 5-FU/FS Gaben kombiniert. Irinotecan Irinotecan (CPT-11, Campto) ist eine bei KRK sehr wirksame Substanz aus der Gruppe der Camptothecine.Es ist in Deutschland für die First-line-Therapie als Kombinationsregime mit 5-FU/FS und für die Secondline als Monotherapie zugelassen. Der aktive Metabolit SN38 führt über Hemmung der Topoisomerase I zu einem Abbruch der DNA-Synthese. Es besteht keine Kreuzresistenz mit 5-FU. In der Monotherapie haben in den USA und Europa 2 unterschiedliche Regime mit vergleichbarer Effektivität und Toxizität etabliert. Während in den USA die wöchentliche Applikation von 100–150 mg/m2 (über 4 Wochen, dann 2 Wochen Therapiepause) bevorzugt wird, wurde in Europa ein Schema mit 350 mg/m2 und Wiederholung alle 3 Wochen entwickelt. In die Klinik eingeführt wurde Irinotecan in der Second-line-Therapie nach Vorbehandlung mit 5-FU. Für die Monotherapie (350 mg/m2 bzw. 300 mg/m2 bei Patienten >70 Jahren als 90-minütige Infusion) konnte bei Patienten mit Progress unter einer 5-FU Bolustherapie eine Überlegenheit sowohl im Vergleich zur Beschränkung auf bestmögliche supportive Therapie (BSC) als auch zu hochdosierter 5-FU-Infusionsbehandlung gezeigt werden [Cunnigham 1998; Rougier 1998]. So betrugt das mediane Überleben unter Irinotecan 9,2 Monate, bei BSC 6,5 Monate.Auch bezüglich der Lebensqualität zeigte sich ein Vorteil der Irinotecanbehandlung. Damit muss die Irinotecan-Monotherapie als Standard in der Second-line-Therapie für Patienten mit 5-FU refraktärem KRK angesehen werden. Häufigste Toxizitäten (WHO Grad 3+4) in den beiden Studien waren Diarrhöen und Neutropenien mit jeweils 22% [Cunningham 1998]. Die Kombination von Irinotecan und 5-FU erbrachte Remissionsraten von über 50% in der Firstline- und von ca. 25% in der Second-line-Therapie, ohne Verstärkung der Nebenwirkungen. Zulassungsrelevant für die First-line-Therapie war eine europäische Studie, die eine protrahierte Infusionen aus
5-FU/FS (DeGramont- oder AIO-Protokoll) mit und ohne Zugabe von Irinotecan (80 mg/m2 wöchentl.bzw 180 mg/m2 beim 14 tägigen DeGramont-Schema) miteinander verglich. Es fanden sich eine verbesserte Remissionsrate für die Kombination mit Irinotecan (49 vs. 31%) und erstmals auch eine signifikante Lebensverlängerung (17 vs. 14 Monate) im Vergleich zu 5FU/FS-haltigen Protokollen [Douillard 2000]. Vergleichbare Ergebnisse wurden auch in den USA publiziert: die Remissionsraten im Kombinationsarm waren denen des Mayo-Protolls signifikant überlegen (51 vs. 29%; [Saltz 2000]).
Saltz-Protokoll
Irinotecan Folinsäure 5-FU
Dosis
Applikation
Tag
125 mg/m2 20 mg/m2 425 mg/m2
90 min Bolus Bolus <5 min
1 1 1
Wöchentlich 4-mal, 14 Tage Pause.
Folgende Kontraindikationen sind bei der Indikationsstellung von Irinotecan zu beachten: reduzierte Performancestatus (WHO >2),Bilirubinerhöhung auf >1,5x/Normbereich, schwere Knochenmarkinsuffizienz und chronisch entzündliche Darmerkrankung oder Darmobstruktion. Das Toxizitätsprofil (Neutropenie, Diarrhöen) erfordert eine konsequente Aufklärung von Patient und enge Kooperation mit dem Hausarzt. Besonders für das Auftreten der Diarrhöen, die typscherweise Tage nach Therapie und dann meist in häuslicher Umgebung auftreten, sind strickte Anweisungen für das Mangement wie Rehydratation und die Gabe von Loperamid (2 mg alle 2 h) unerlässlich. Eine Antibiotikaprophylaxe ist bei schwerster Diarrhöoe (WHO-Grad-4, Diarrhöen >48 h trotz Loperamid) oder schwerer Diarrhöe in Verbindung mit Fieber indiziert. Bei schwerster Diarrhöe sollte zudem die stationäre Aufnahme verfolgen. Für die Kombination Irinotecan + 5-FU/FS als Bolusgabe wurde eine erhöhte Toxizität (Neutropenie, Dehydratation, sepsisbedingte Todesfälle) während des ersten Therapiezyklus berichtet [Sargent 2000]. Spezifische Thymidilatsynthetase-Inhibitoren (Raltitrexed) Raltitrexed (Tomudex) ist eine Substanz, die die Thymidilatsynthetase über Blockierung der Folatbin-
335 32.4 · Konservative Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
dungsstelle spezifisch hemmt. Raltitrexed ist bisher in Deutschland nicht zur Behandlung des KRK zugelassen. Es liegen mehrere internationale Studien vor, die den Einsatz von Raltitrexed (3 mg/m2, Wiederholung alle 3 Wochen) im Vergleich zu etablierten 5-FU/FSProtokollen untersuchten. Dabei zeigten 2 von 4 Studien bei vergleichbaren Remissionsraten ein verkürztes progressionsfreies Intervall zu Ungunsten von Raltitrexed sowie eine verminderte Gesamtüberlebenszeit [Pazdur 1997]. Insgesamt scheint Raltitrexed damit einer Standradtherapie aus 5-FU/FS in der Initialtherapie des KRK unterlegen zu sein,das mögliche Indikationsspektrum beschränkt sich derzeit auf Patienten mit 5-FU-induzierter Kardotoxizität. Medikamentöse Therapie von Lebermetastasen Bei der synchronen und metachronen Metastasierung stehen Leberfiliae an erster Stelle. Daher wurden auch vielfältige Versuche lokoregionaler Therapiemaßnahmen unternommen. Diese wurden in adjuvanter Situation via Pfortader, in palliativer Intention via A. hepatica appliziert.Während sich im Vergleich zu unbehandelten Kontrollen stets verminderte Rezidivraten und eine Prognoseverbesserung erzielen ließen, ging der Überlebensvorteil in den meisten Studien bei Vergleich mit einer 5-FU-haltigen Systemtherapie verloren. Daher und wegen höherer Kosten und hohen Anforderungen an eine technische Expertise zur Minimierung von katheterassoziierten Komplikationen werden in der adjuvanten Situation lokoregionale Therapien außerhalb von Studien nicht empfohlen. In einer retrospektiven Analyse konnte gezeigt werden, dass von 151 Patienten mit inoperabler Lebermetastasierung 77 nach einer neoadjuvanten Therapie mit Oxaliplatin und 5-FU/FS sekundär operiert werden konnten (in >60% R0-Resektion,medianes Überleben aller operierten Patienten 48 Monate; [Giacchetti 1999]). Molekulare Targets Durch intensive Forschungsbemühungen konnte beim kolorektalen Karzinom eine Reihe von Signalkaskaden identifiziert werden, deren Funktion kritisch für das maligne Wachstum des Tumors ist. Dadurch eröffnet sich auch die Möglichkeit, durch Antikörper oder spezifische Designermoleküle diese Signalwege zu unterbrechen.Am weitesten entwickelt sind Inhibitoren für den vaskulären EndothelialGrowth-Factor (VEGF) und Inhibitoren für die epidermale Growth-Factor-Receptor-Thyrosinkinase (EGFR). So konnte an 121 Patienten mit Irinotecan-re-
32
fraktärer Erkrankung gezeigt werden, dass durch Zusatz eines gegen den EGFR-1 gerichteten Antikörpers (Cetuximab, IMC 225) zu Irinotecan bei fast 25% der Patienten erneut eine partielle Remission erzielt werden konnte [Saltz 2001]. Dabei wurde der Antikörper außerordentlich gut toleriert, schwerere Nebenwirkungen beschränkten sich auf kutane Reaktionen. Diese Studie unterstreicht die Annahme, dass kombinierte Behandlungsregime aus molekularem Trageting und Chemotherapie zu weiteren signifikanten Therapiefortschritten in der systemischen Behandlung von KRK führen werden. Fazit Die systemische Therapie bei KRK hat in den letzten Jahren substanzielle Fortschritte gemacht. Durch die Kombinationstherapie von 5-FU mit Irinotecan (FOLFIRI) oder Oxaliplatin (FOLFOX) konnte die mittlere Lebenserwartung für Patienten mit fortgeschrittenem KRK bei guter Lebensqualität von durchschnittlich 12–14 unter 5-FU/FS auf über 20 Monate angehoben werden. Aufgrund ihrer stärkeren Wirksamkeit stellt sich die Frage, ob Kombinationstherapien mit Irinotecan oder Oxaliplatin als Standard in der First-lineTherapie für Patienten mit fortgeschrittenem KRK angesehen werden sollten. Diese Frage kann bei insgesamt begrenzter Datenlage und Fehlens von Studien, die als Vergleichsarm ein festgelegtes sequenzielles Design mitführen, bisher nicht abschließend beantwortet werden. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass insbesondere folgende Patientengruppe von einer Kombinationstherapie als First-line-Behandlung profitieren: ▬ Patienten in gutem Allgemeinzustand, ▬ Patienten mit raschem Tumorprogress, ▬ Patienten mit ausgedehnter Peritonealkarzinose und drohender intestinaler Obstruktion, ▬ Patienten mit auf die Leber begrenzter, primär inoperabler Metastasierung und fehlender Operabilität. Hier ist nach Datenlage der Versuch eines Downstagings für eine kurative Metastasektomie mit Hilfe neoadjuvanter Kombinationsprotokolle gerechtfertigt. Zurückhaltung sollte bei geriatrischen Patienten (> 75 Jahre) geübt werden, da diese Subgruppe von allen Studien zu Kombinationstherapien ausgeschlossen wurde. Da die meisten Patienten in der palliativen Therapie bei KRK heute nach Progress oder Unterträglichkeit unter der Initialtherapie eine systemische Salvagetherapie und viele Patienten darüberhinaus
336
III
Kapitel 32 · Kolorektales Karzinom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
sogar eine Third-line-Therapie (Stellwert bisher nicht durch Phase-III-Studien belegt) erhalten, ist es notwendig,bereits vor Therapieeinleitung ein gestaffeltes Behandlungskonzept für den Patienten festzulegen. Um neue therapeutische Optionen im Sinne der Fortentwicklung medikamentöser Therapiestrategien zum Nutzen von Patienten mit KRK zeitnah zu überprüfen, kommt der aktiven Teilnahme an klinischen Studien eine große Bedeutung zu. Aktuelle Informationen zu laufenden multizentrischen Studien können bezogen werden unter: ▬ Deutsche Krebsgesellschaft (www.studien.de) und ▬ Arbeitsgemeinschaft gastroenterologische Onkologie (AGO) der DGVS (www.ruhr-uni-bochum.de/ ago-dgvs). 32.5
Chirurgische Therapie W. O. Bechstein
32.5.1
Prinzipien
Die radikale chirurgische Entfernung des kolorektalen Karzinoms ist die einzige Therapieoption, die eine langfristige Heilung der Karzinomerkrankung erreichen kann. Vorraussetzung ist eine radikale Entfernung des Primärtumors mitsamt dem entsprechenden radikulären Lymphabflussgebiet und ggf. multiviszeraler Resektion angrenzender, durch den Tumor infiltrierter Nachbarorgane. Darüber hinaus können chirurgische Maßnahmen zur endgültigen Diagnosesicherung,zum chirurgischen Staging oder als Palliativmaßnahme im Fall von intestinaler Obstruktion oder rezidivierender intestinaler Blutung notwendig werden. Wahl des Verfahrens. Die Wahl des chirurgischen Therapieverfahrens ist abhängig von der Lokalisation des Tumors und dem Tumorstadium sowie vom Allgemeinzustand des Patienten und bestehender Komorbidität. Fortgeschrittenes Alter stellt per se keine Kontraindikation zum chirurgischen Vorgehen dar. Allerdings sind im fortgeschrittenen Alter sorgfältig die kardiopulmonalen Reservekapazitäten zu überprüfen. Bei primär metastasierten kolorektalen Karzinomen mit Leber- und Lungenmetastasen wird die Prognose des Patienten durch die Entfernung des Primärtumors nicht verbessert. Eine Indikation zur Resektion des Primärtumors kann dennoch bei stenosierendem Tumorwachstums zur Vermeidung ei-
nes sich später entwickelnden Ileus gegeben sein. Bei bereits reduziertem Allgemeinzustand ist die Indikation zum chirurgischen Vorgehen kritisch zu stellen. Notfallbehandlung. Eine Sondersituation stellt die
Notfallbehandlung des kolorektalen Karzinoms dar. Vor allem bei älteren Patienten kann ein Kolonkarzinom klinisch inapparent bleiben, bis der Patient sich mit dem Vollbild eines Dickdarmileus vorstellt.In dieser lebensbedrohlichen Situation bleibt keine Zeit für ein ausgedehntes präoperatives Staging mit bildgebenden Verfahren und das Vorgehen orientiert sich an allgemeinchirurgischen Prinzipien der Notfallchirurgie des Dickdarmileus. Dennoch sollte der Primärtumor nach Möglichkeit radikal entfernt werden. Je nach Zustand des Patienten kann auch in dieser Situation eine radikale Tumorresektion mit Lymphadenektomie durchgeführt – jedoch nicht erzwungen – werden. Ob eine intraoperative Darmspülung und primäre Anastomosierung nach radikaler Tumorentfernung durchgeführt wird, oder aus Sicherheitsgründen eine Diskontinuitätsresektion ohne primäre Anastomosierung erfolgt,hängt neben dem allgemeinen Zustand des Patienten auch von der individuellen Erfahrung des Chirurgen ab,erscheint jedoch prinzipiell möglich [Chiappa 2000; Hohenberger 1993, Lau 1995]. Im Fall einer bereits stattgehabten Darmperforation und Peritonitis ist von einer primären Anastomosierung abzuraten und eine Diskontinuitätsresektion,ggf.mit geplanter Relaparotomie zur Therapie der Peritonitis zu empfehlen. In Einzelfällen kann auch heute noch beim obstruierenden Kolonkarzinom mit Ileus primär die Anlage eines proximalen entlastenden doppelläufigen Kolostomas indiziert sein, die primäre Tumorresektion ist jedoch vorzuziehen. Intestinale Bypassoperationen (z. B. Anlage einer Coecosigmoidostomie oder Ileotransversostomie) bleiben fortgeschrittenen Tumorstadien mit akuter intestinaler Obstruktion und ausgedehnter Metastasierung wie fortgeschrittene Peritonealkarzinose oder fortgeschrittener hepatischer Metastasierung vorbehalten. Endoskopische Therapie. Die endoskopisch oder radiologisch kontrollierte Platzierung expandierbarer Metallstents zur Überbrückung von Tumorstenosen bei Patienten mit erhöhtem operativen Risiko wurde beschrieben, jedoch können hier auch Komplikationen wie Stentmigration und Perforation auftreten [Baron 1998]. Mit der Zunahme des Wissens um Risikogruppen und die molekularen Mechanismen der Tumorentste-
337 32.5 · Chirurgische Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
hung konnten inzwischen Patientengruppen identifiziert werden, bei denen eine prophylaktische Proktokolektomie indiziert ist (familiäre adenomatöse Polyposis; s. Kap. 30). Unterscheidung zwischen Kolon- und Rektumkarzinom. Der Unterscheidung zwischen Kolon- und Rek-
tumkarzinomen kommt eine besondere Bedeutung aufgrund der unterschiedlichen Vorgehensweisen,sowohl was das präoperative Staging, die intraoperative Vorgehensweise und eine etwaige Nachbehandlung betrifft, zu. Als Kolonkarzinome sind alle Karzinome zu betrachten, die mit dem starren Endoskop betrachtet mehr als 16 cm von der Anokutanlinie entfernt beginnen.In der Praxis hat sich die Endoskopie mit flexiblen Geräten durchgesetzt, dies kann zu einer scheinbar längeren Höhenangabe führen, d. h. ein Rektumkarzinom kann auch gelegentlich präoperativ irrtümlich als Sigmakarzinom eingestuft werden. Eine nochmalige intraoperative Höhenbeurteilung des Tumors mit dem starren Rektoskop ist daher zu empfehlen. Übergang Sigma-Rektum. Gemäß eines neueren Vor-
schlags des American Joint Committee on Cancer (AJCC) wird der Übergang vom Colon sigmoideum zum Rektum festgelegt durch die Fusionszone der Taenien mit Beginn der zirkumferenziellen longitudinalen Muskulatur des Rektums, in der Regel 12–15 cm oberhalb der Linea dentata [Greene 2002]. Dies ist für die chirurgische Therapie zwar von Bedeutung lässt sich jedoch im präoperativen Staging nicht ermitteln. 32.5.2
Kolonkarzinom
Der Stellenwert einer neoadjuvanten Therapie für das Kolonkarzinom ist nicht erwiesen ( s. Kap. 32.4).Als allgemeine Maßnahmen sind jedoch eine präoperative Nikotinkarenz [Moller 2002], orthograde Darmspülung zur Darmsäuberung wie vor Koloskopie und perioperative Antibiotikatherapie zur Vermeidung von Wundinfektionen zu empfehlen (gleiches gilt für das perioperative Vorgehen beim Rektumkarzinom).
32
wird eine mediane Laparotomie als Zugang zur Bauchhöhle gewählt. Quere (transverse) Laparotomien sind eine gute Alternative mit den Vorteilen verminderter postoperativer Schmerzen und einer niedrigeren Rate postoperativer Narbenhernien. Die Lagerung erfolgt in Rückenlage,bei präoperativem Nachweis eines Sigmakarzinoms im unteren Drittel kann eine Steinschnittlagerung hilfreich sein. Nach Eröffnung der Bauchhöhle erfolgt zunächst die Beurteilung des Tumorstadiums (Peritonealkarzinose,Lebermetastasen?).Die intraoperative Sonographie der Leber ist der alleinigen Palpation im Hinblick auf die Detektion von Lebermetastasen überlegen, wird jedoch nicht als Standard gefordert. Das Ausmaß der Resektion richtet sich nach dem Sitz des Tumors, evtl. vorhandenen Varianten der Gefäßversorgung müssen bei der radikulären Lymphadenektomie berücksichtigt werden (⊡ Tabelle 32.3). Das minimale Resektionsausmaß am Darm zur Entfernung des mikroskopischen intramuralen Tumorwachstums beträgt zwar nur 2 cm, das regionäre Lymphabflussgebiet geht jedoch über dieses Maß hinaus.Infiltratives Wachstum in Nachbarorgane bei fortgeschrittenen (T4) Tumoren macht multiviszerale »en-bloc«-Resektionen notwendig (Teilentfernung von Leber, Duodenum, Magen, Milz, Harnblase). Die Rekonstruktion der intestinalen Passage erfolgt spannungsfrei in gut durchbluteten Darmabschnitten. Handgenähte Anastomosen sind Anastomosen mit Klammernahtgeräten gegenüber gleichwertig. Lebermetastasen. Bei Vorliegen synchroner, resek-
tabler Lebermetastasen kann eine Entfernung des Primärtumors in einer Sitzung mit der Leberteilresektion erfolgen, entsprechende Erfahrungen des Operateurs vorausgesetzt. Mehrfachkarzinome. Bei Mehrfachkarzinomen des Kolons erfolgt die Festlegung der Resektionsgrenzen entsprechend der Lymphabflussgebiete, sodass letztlich die Notwendigkeit einer totalen Kolektomie mit Ileorektostomie resultieren kann. Gleichzeitig vorhandene, nicht endoskopisch entfernbare Adenome werden mit reseziert, wobei eine radikuläre Lymphadenektomie bezogen auf den Sitz des Adenoms nicht erforderlich ist.
Standardoperation. Die Standardoperation zur Ent-
fernung eines Kolonkarzinoms ist die Resektion des tumortragenden Kolonabschnittes mitsamt dem regionalen Lymphabflussgebiet. Das offene, transabdominelle Verfahren ist der Standardeingriff nach derzeitigen Leitlinien. Meist
Irresektabilität. Im seltenen Fall von lokaler Irresektabilität kann in Ausnahmefällen die alleinige Anlage eines Anus praeter oder eine intestinale Bypassoperation als Palliativmaßnahme bei stenosierenden Tumoren sinnvoll sein.
338
Kapitel 32 · Kolorektales Karzinom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 32.3. Standardeingriffe der chirurgischen Therapie des Kolonkarzinom Primärtumorlokalisation
Operation
Zäkum und Colon ascendens
Hemikolektomie rechts mit Lymphabflussgebiet von A. ileocolica und A. colica dextra
Rechte Flexur und proximales Colon transversum
Erweiterte Hemikolektomie rechts mit zentralem Absetzen der A. colica media
Colon transversum
Transversumresektion mit zentraler Ligatur der A. colica media, bei flexurnahem Sitz erweiterte Hemikolektomie rechts bzw. links
Linke Flexur
Erweiterte Hemikolektomie links mit Lymphabflussgebiet von A. colica media und A. mesenterica inferior
Colon descendens und proximales Sigma
Hemikolektomie links mit radikulärer Unterbindung der A. mesenterica inferior
Mittleres und distales Sigma
Radikale Sigmaresektion mit Unterbindung der A. mesenterica inferior zentral oder distal des Abgangs der A. colica sinistra
III
Laparoskopische Resektion. Die laparoskopische Ko-
lonresektion gilt noch nicht als gleichwertiges Verfahren nach derzeitigen Leitlinien. Bei Beachtung der Prinzipien der onkologischen Chirurgie mit radikulärem Absetzen des Lymphabflussgebietes lässt sich eine radikale Tumoroperation wie bei der offenen Chirurgie durchführen. Inzwischen gibt es erste Hinweise, dass die laparoskopische Kolonresektion bezüglich des langfristigen Überlebens nicht nur gleichwertig, sondern in bestimmten Tumorstadien der offenen Kolonresektion sogar überlegen sein kann [Lacy 2002]. 32.5.3
Rektumkarzinom
Das Rektumkarzinom verdient eine gesonderte Betrachtung aus chirurgischer Sicht, da die Therapie abhängig ist von der Lokalisation des Tumors in Bezug zum Analsphinkter zum einen,zum anderen unter bestimmten Voraussetzungen auch eine lokale Therapie ohne Entfernung des gesamten Mastdarms möglich ist.Eine histologische Sicherung der Diagnose ist obligat, die histopathologische Aufarbeitung sollte Aufschluss über den Tumortyp, Differenzierungsgrad und – wenn möglich – über eine etwaig vorhandene Lymphgefäßinvasion geben. Unterschieden werden hierbei »low-grade«- von »high-grade«-Karzinomen.
High-grade-Karzinome. Als »high-grade«-Karzinome gelten schlecht differenzierte Adenokarzinome (G3), Siegelringzellkarzinome, kleinzellige und undifferenzierte Karzinome. Bei Vorliegen eines »high-grade«Karzinoms wird ein weiterer Sicherheitsabstand als bei Vorliegen von »low-grade«-Karzinomen empfohlen. Lokale, transanale Tumorentfernung ist bei »lowgrade«Karzinomen im Stadium T1 durch transanale Vollwandexzision möglich. Eine radikale Resektion (transabdominell) wird bei allen »high-grade«-Karzinomen (G3, G4), bei nachweisbarer Lymphgefäßinfiltration,bei Unvollständigkeit einer vorausgegangenen Karzinomentfernung sowie bei Nachweis einer Invasion der Muscularis propria (pT2) notwendig. Durch totale mesorektale Exzision (TME) nach Heald bei der tiefen anterioren Rektumresektion für Tumoren des unteren und mittleren Rektumdrittels kann die Rate lokoregionärer Rezidive auf weniger als 10% gesenkt werden [Martling 2000]. Strahlentherapie. Durch unmittelbar präoperativ fraktionierte Bestrahlung mit 5x5 Gy kann die lokoregionäre Rezidivrate bezogen auf alle Rektumkarzinome in allen Stadien auf 2% gesenkt werden [Kapiteijn 2001]. Aufgrund der derzeit gültigen Leitlinien wird eine präoperative Radiochemotherapie nur für Rektumkarzinome im Stadium T4 bzw.tiefsitzende Tumoren im Stadium T3 zum Downstaging und der Er-
339 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
möglichung einer späteren radikalen chirurgischen Entfernung empfohlen [DKG 2002]. Die Anlage eines kurzen »J-pouches« bei tiefen kolorektalen bzw. koloanalen Anastomosen erscheint v. a. für die frühe postoperative Kontinenzfunktion und Lebensqualität von Bedeutung zu sein [Sailer 2002]. 32.5.4
32.5.5
⊡ Tabelle 32.4. R-Klassifikation des TMN Systems (Residualtumor) R0
Weder mikroskopisch noch makroskopisch Residualtumor
R1
Mikroskopisch nachzuweisender Residualtumor (Tumorinfiltration bis an die Resektionsfläche) ohne klinischen/makroskopischen Tumorhinweis
R2
Makroskopisch feststellbarer Residualtumor (Tumorrest lokal, belassene Lymphknoten- oder Fernmetastasen)
Qualitätsindikatoren
Eine radikale chirurgische Entfernung des Primärtumors mitsamt dem radikulären Lymphabflussgebiet ist Voraussetzung einer potenziell kurativen Therapie. Ob eine radikale chirurgische Entfernung gelungen ist, lässt sich durch Qualitätsindikatoren der chirurgischen Therapie beurteilen. Wichtigster Indikator ist die R-Klassifikation, die das Vorhandensein von Residualtumor beschreibt (⊡ Tabelle 32.4; [Wittekind 2002]). Ebenso ist die Anzahl dissezierter Lymphknoten ein wichtiger Qualitätsindikator. Liegt die Anzahl dissezierter Lymphknoten unter 12, so kann keine Angabe zum N-Kategorie in der pTNM-Klassifikation gemacht werden (NX). Nach den Erfahrungen der German Study Group Colorectal Carcinoma sollte die Anzahl untersuchter Lymphknoten bei Standardresektion des Kolonkarzinoms zwischen 20–30 liegen, dann ist mit einer Rate nodal positiver Befunde (pN1/2) in 40–50% der Fälle zu rechnen [Hermanek 1995]. Unter den radikal resezierten Tumoren sollte die Rate von R0-Resektionen 75–85% betragen.
Rezidive: operative Verfahren
Die Nachsorge beim kolorektalen Karzinom erfolgt stadienadaptiert und dient insbesondere auch der frühzeitigen Detektion von potenziell chirurgisch kurablen Tumorrezidiven [DKG 2002]. Das lokoregionäre Rezidiv beim Kolonkarzinom als Anastomosenrediziv stellt bei adäquater Technik und adäquatem Resektionsausmaß eine Seltenheit dar,ist aber chirurgisch meist gut radikal entfernbar. Das lokoregionäre Rezidiv nach anteriorer Rektumresektion sollte bei adäquater TME in nur weniger als 10% aller Fälle auftreten, gelegentlich sind auch beim lokoregionäre Rezidiv eines Rektumkarzinom noch potenziell kurative Zweiteingriffe möglich [Lehnert 2001]. Isolierte Leber- und Lungenmetastasen stellen prinzipiell keine Kontraindikation für ein erneutes chirurgisches Vorgehen dar. Die Resektabilität derartiger Befunde hängt ab von Größe, Anzahl und Loka-
32
lisation der Metastasen.Durch neoadjuvante Therapie ist es möglich, zuvor irresektable Lebermetastasen in ein resektables Stadium zu bringen [Giacchetti 1999].
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340
III
Kapitel 32 · Kolorektales Karzinom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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32
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Kolorektale Endometriose J. Stein, D. Faust 33.1
Ätiologie und Pathogenese
33.2
Klinik
33.3
Diagnostik und Differenzialdiagnose
33.4
Prognose und Therapie
33.4.1 33.4.2
Hormonelle Therapie – 343 Operatives Vorgehen – 345
Literatur
>>
– 343
– 343 – 343
– 343
– 345
Eine Endometriose liegt immer dann vor, wenn Uterusschleimhaut mit menstrueller und dezidualer Reaktionsfähigkeit außerhalb der Mukosaschicht der Uterusschleimhaut auftritt. Neueren Untersuchungen zufolge weisen 25% aller Frauen mit einer Endometriose im Beckenbereich gleichzeitig eine Endometriose des Sigmas und Rektums auf. In Anbetracht der Tatsache, dass 10–20% aller Frauen im gebärfähigen Alter eine Endometriose aufweisen und dass in 95% der Fälle eine Beckenendometriose vorliegt, handelt es sich bei der rektosigmoidalen Endometriose um ein relativ häufiges Krankheitsbild.
343 33.1 · Ätiologie und Pathogenese SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
33.1
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie und Pathogenese der kolorektalen Endometriose sind bislang nicht eindeutig geklärt. Ursächlich in Frage kommt ein direktes Einwachsen von – während der Menstruation in die freie Bauchhöhle (Ovar Æ Ruptur Æ Implantation auf der Serosa) verschlepptem – Endometriumgewebe (Verschleppungsoder Implantationstheorie). Daneben wird auch eine Metaplasie des Zölomepithels diskutiert. Eine genetische Disposition wird vermutet. Histologisch sind die Herde v.a.in der Subserosa und Muscularis propria lokalisiert.Neben Ulzerationen findet man pseudopolypöse Schleimhautauffaltungen und entzündliche Infiltrate mit Kryptenabszessen [Otto 1996]. 33.2
Klinik
Klinisch manifestiert sich die Erkrankung meist zwischen dem 20. und 45. Lebensjahr; ca. 10% werden bei Frauen vor dem 20. Lebensjahr beschrieben, in 1–2% der Fälle finden sich relevante Krankheitsbilder nach der Menopause; 2/3 der Patientinnen sind Nullipari [Davilla 2002]. Die klinischen Symptome werden durch Ausdehnung und Lokalisation der Herde bestimmt,wobei die Schwere der intestinalen Symptomatik oftmals nicht mit dem Ausmaß der Lokalisation korreliert. Dünndarmendometriosen (2–7%) sind in der Regel asymptomatisch oder verursachen lediglich zyklusabhängige Bauchschmerzen.Etwa 2–10% der Patientinnen mit rektosigmoidaler Lokalisation (70–85% der Fälle) zeigen Symptome. Die Beschwerden reichen von chronischer Obstipation, Metereoismus, perimenstruellen intestinalen Blutungen bis hin zu zyklusabhängigen kolikartigen Unterbauchbeschwerden und – bei Vorliegen größerer lumeneinengender Herde – der Ausbildung eines Ileus [Gomez-Rubio 1997, Davilla 2002]. 33.3
Diagnostik und Differenzialdiagnose
Laborchemisch finden sich keine endometriosespezifischen Parameter.Gelegentlich wurden im Serum von betroffenen Patientinnen erhörte CA125-Spiegel gefunden. Die Sensitivität der Sonographie ist mit weniger als 11% unzureichend.Die Magnetresonanztechnik ist bezüglich der Darstellung von Herden im kleinen Becken der Sonographie und der Computertomographie deutlich überlegen. Endoskopisch stellt sich eine
33
Endometriose des Dickdarms als umschriebene,bläulich livide, polypoide, gelegentlich auch exulzerierte Vorwölbung dar. In der differenzialdiagnostischen Abgrenzung eines stenosierenden Sigmaprozesses erweist sich in der seitlichen Röntgenaufnahme (KolonKE) die Lage an der ventralen Kontur des rektosigmoidalen Übergangs als hilfreich [Bozech 1992]. Die definitive Diagnose erfolgt durch histologische Untersuchung einer (kurz nach der Menstruation) endoskopisch oder laparoskopisch entnommenen Probeexzision bzw. durch einen intraoperativen Schnellschnitt. Neben dem kolorektalen Karzinom (Alter, zyklusunabhängige Blutungen, meist intakte Schleimhaut), stellen chronisch entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) sowie in seltenen Fällen das Mukosaprolapssyndrom und die ischämische Enteropathie differenzialdiagnostisch abzugrenzende Erkrankungen dar [Korber 1997]. 33.4
Prognose und Therapie
Die beiden Säulen einer Behandlung der Endometriose sind Operation und medikamentöse Behandlung. Wichtig Da die Ursachen der Endometriose bisher nicht bzw. nur unzureichend bekannt sind, existiert auch keine kausale Therapie.
Alle Therpieansätze sind symptomatisch mit dem Ziel Ausmaß und klinische Beschwerden zu minimieren. 33.4.1
Hormonelle Therapie
Je nach Befund erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Gynäkologen eine 3- bis 9-monatige Hormonbehandlung im Anschluss oder im Intervall. Zur medikamentösen hormonalen Behandlung stehen Gestagene, Östrogen-Gestagen-Kombinationen, Danazol und GnRH-Analoga zur Verfügung. In leichteren Fällen kann eine Therapie mit herkömmlichen Kontrazeptiva (Low-dose-Östrogen-Progesteron-Präparaten) versucht werden. Zwar vermindern sie die Dysmenorrhö, eine sichere Beeinflussung der Krankheitsprogression wird allerdings bezweifelt (Übersicht bei [Volz 2003]).
344
Kapitel 33 · Kolorektale Endometriose SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 33.1. Gestagene zur Endometriosebehandlung Gestagen
Handelsname
Chlormadinonacetat
Chlormadinon 2 mg Gestafortin
Dydrogesteron
Duphaston
Dienogest
Endometrion
Lynestrenol
Orgametril Exlutoma
Medroxyprogesteronecetat
Clinofem Clinovir 100 mg Depo-Clinovir Farlutal 100 G-Farlutal 5 mg
Medrogeston
Prothil 5 (25)
10–30
Megestrolacetat
Megestrat 40
40
Norethisteronacetat
Norethiseron 5 mg Jenapharm Primolut-Nor-5 (10)
10–20 10–20
III
Gestagene Die kontinuierliche Langzeittherapie mit Gestagenen (⊡ Tabelle 33.1) ist eine bewährte und kostengünstige Behandlung des Endometrioseschmerzes ohne bestehenden Kinderwunsch.Sie wirken auf zweierlei Art und Weise, zum einen direkt antiproliferativ auf die Implantate, welche auch Gestagenrezeptoren tragen, zum anderen wird die Ovarfunktion unterdrückt. Zur Anwendung kommen verschiedene Progesteronderivate wie Medroxyprogesteronacetat (MPA) und Medrogeston 10–30 mg/Tag, Dydrogesteron, Norethisteronacetat oder Lynestrenol 10–20 mg/Tag [Surrey 2002]. Wichtig Die häufigste Nebenwirkung in den ersten Behandlungsmonaten sind Durchbruchblutungen. Sie treten seltener auf, wenn in den ersten 2–3 Monaten eine höhere Dosis gewählt wird. (z. B. 30 mg/Tag MPA).
Östrogen-Gestagen-Kombinationen Die rhythmische Behandlung mit Gestagen-betonten Östrogen-Gestagen-Kombinationen ist bei dysme-
Dosis (mg) 4–12
10–30 2 10–20
10–30 100 150 i.m. 100 10–30
norrhoischen Beschwerden und leichteren Befunden indiziert. Geeignet sind in erster Linie orale Kontrazeptiva mit niedrigem Östrogenanteil (Einphasenpräparate). Unter dieser Behandlung sind die Patientinnen oft beschwerdefrei. Mit dauerhaften Erfolgen ist allerdings nicht zu rechnen, da eine Atrophie und Fibrosierung des ektopen Endometriums fast immer ausbleibt. Danazol Effektiver erweist sich das bereits 1960 synthetisierte und seit den 1970er Jahren zur Therapie der Endometriose eingesetzte Danazol und seine Derivate. Es ist ein Isoxazol-Derivat des synthetischen Steroids 17-aEhtinyltestosteron, das gut und schnell oral resorbiert wird. Seine Halbwertszeit beträgt 4–5 h. Es sollte daher mindestens 3¥/Tag in einer Dosis von 200–800 mg gegeben werden (z. B. Winibanin, 3¥200 mg/Tag über 6 Monate [Olive 2001; Volz 2003]). GnRH-Analoga Viele Jahre lang schien die medikamentöse Oophorektomie die effektivste Form der Endometriosenbehandlung zu sein. Diese Behandlung ist heute noch schwersten, therapierefraktären Fällen vorbehalten.
345 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bei Frauen ohne Kinderwunsch, die unter den Symptomen der Endometriose trotz aller zur Verfügung stehenden Mittel leiden. Die Dauer der Behandlung beträgt 3–6 Monate. Viele Untersuchungen zeigen, dass GnRH-Anaolga sehr potent die Symptome einer Endometriose beseitigen können. Innerhalb von 4–6 Wochen nach Therapiebeginn kommt es fast regelhaft zur Beschwerdefreiheit, die bis zu 12 Monate nach Therapieende anhält [Kettel 1997; Surrey 2002]. 33.4.2
Operatives Vorgehen
Ein primäres chirurgisches Vorgehen ist indiziert, wenn die Fertilität der Patientin gewahrt werden soll, die Diagnose nicht eindeutig erscheint (DD: Kolonkarzinom), bei Ileussymptomatik oder massiven intestinalen Blutungen. Zur Erhaltung der Kontinenz sollte eine Rektumsegment- oder Sigmaresektion angestrebt werden. Bei postmenopausalen Patientinnen ist dabei die gleichzeitige bilaterale Ovar- und Hysterektomie in Betracht zu ziehen [Colin 1990; Olive 2001]. Obwohl es sich zunächst um ein gutartiges Krankheitsbild handelt, wurde in seltenen Fällen das Auftreten eines malignen Keimzelltumors (Sarkom) beschrieben [Bergemann 1992].
33
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Motilitätsstörungen des Dickdarms T. Wehrmann 34.1
Epidemiologie
34.2
Ätiologie und Pathogenese
34.3
Klinik
34.4
Diagnostik
34.4.1 34.4.2 34.4.3 34.4.4
Anamnese – 348 Körperlicher Untersuchungsbefund – 348 Labor – 349 Bildgebende Verfahren (Sonographie, Radiologie, Endoskopie) – 349 Histopathologie – 351 Manometrische Verfahren – 351
34.4.5 34.4.6
– 347
– 347 – 348
34.5
Therapie
34.5.1 34.5.2 34.5.3
Ernährungstherapie – 352 Medikamentöse Therapie – 352 Interventionelle Therapiemethoden (Endoskopie, Chirurgie) – 353
Literatur
>>
– 347
– 351
– 353
Wenn sich bei Patienten mit rezidivierenden Symptomen eines mechanischen Dünn- bzw. Dickdarmileus durch Ausschöpfen umfangreicher diagnostischer Maßnahmen (bis hin zur Probelaparotomie) das Vorliegen einer mechanischen Obstruktion ausschließen lässt, wird von einer chronisch-intestinalen Pseudoobstruktion (CIPO) gesprochen. Man unterscheidet eine sekundäre CIPO, die auf dem Boden einer definierten Grunderkrankung auftritt ( s. unten), von einer primären Form, wo die Genese der CIPO unklar bleibt (»chronischidiopathische intestinale Pseudoobstruktion«). Die Erkrankung betrifft meist den gesamten Gastrointestinaltrakt (einschließlich Ösophagus, Oddi-Sphinkter und Anorektum), in einigen Fällen kann jedoch der Befall eines isolierten Darmabschnitts klinisch ganz im Vordergrund stehen (z. B. »Megaduodenum« oder »Megakolon«).
347 34.3 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
34.1
Epidemiologie
Das Krankheitsbild ist selten.Exakte Angaben zur Prävalenz und Inzidenz können nicht gemacht werden.In der eigenen Klinik wurden innerhalb von 10 Jahren 13 Fälle dokumentiert. Hiervon konnte nur bei 5 Patienten eine sekundäre Ursache der CIPO eruiert werden. In der Weltliteratur wurden einige Fälle (ca. 100 Patienten) mit familiärer Häufung einer CIPO auf dem Boden einer generalisierten viszeralen Myo- oder Neuropathie beschrieben.
bei Kollagenosen oder einer Amyloidose zur gastrointestinalen Myopathie kommen. Diabetes mellitus oder bestimmte Arzneimittel (z.B.Vincristin oder trizyklische Antidepressiva) können eine Schädigung des Plexus myentericus (Neuropathietyp) verursachen. Bei Fortschreiten dieser Grunderkrankungen kommt es jedoch meist sowohl zu einer myopathischen als auch neuropathischen Schädigungskomponente. 34.3
34.2
Ätiologie und Pathogenese
Die normale Dünn- und Dickdarmmotilität resultiert aus einer komplexen Interaktion von glatter Darmmuskulatur, dem enteralen und autonomen Nervensystem sowie zahlreichen gastrointestinalen Hormonen. Dem enteralen Nervensystem – vorwiegend im Plexus myentericus lokalisiert – kommt hierbei die zentrale Rolle zu. Dauerhafte Störungen eines dieser Systeme führen zu tiefgreifenden Veränderungen der gastrointestinalen Motilität und Propulsion. Hierdurch wird nicht nur der Transport des Chymus durch den Darm, sondern auch wesentlich die Digestion und Absorption von Nahrungsbestandteilen beeinträchtigt. Prinzipiell kann eine CIPO durch eine Störung der glattmuskulären Funktion (Myopathietyp) oder der muskulären Innervation (Neuropathietyp) bedingt sein. Zahlreiche Systemerkrankungen können sekundär zu einer CIPO führen (⊡ Tabelle 34.1). So kann es
34
Klinik
Eine Vielzahl von Symptomen kann durch eine CIPO verursacht werden. Häufig dominiert hier der Befall eines bestimmten Abschnitts des GI-Trakts (⊡ Tabelle 34.2). Die Patienten können als (sub)akutes Krankheitsbild mit fortgeschrittenem paralytischen Ileus oder primär unter dem Bild der chronischen Malnutrition zur stationären Aufnahme kommen (⊡ Abb. 34.1). Gelegentlich werden aber auch nur geringfügige Beschwerden mit mehr oder weniger langen symptomfreien Intervallen angeführt, sodass klinisch ein »irritables Darmsyndrom« differenzialdiagnostisch in Frage kommt. Seltene extraintestinale Symptome einer CIPO sind die Überlaufblase bzw. eine Nierenbeckendilatation (mit rezidivierenden Infekten) bei Mitbeteiligung der glatten Muskulatur von Harnblase und Ureteren (Myopathietyp). Beim Neuropathietyp können abnormes Schwitzen oder ein lageabhängiger Schwindel auf eine systemische autonome Neuropathie hindeuten.
⊡ Tabelle 34.1. Potenzielle sekundäre Ursachen einer chronisch intestinalen Pseudoobstruktion Viszerale Myopathie
Viszerale Neuropathie
Metabolische Störungen
Kollagenosen
Diabetische Polyneuropathie
Hypothyreose
Amyloidose
M. Parkinson
Hypoparathyreoidismus
Progressive Muskeldystrophie
Infektiöse Neuropathie (z. B. CMV/VZV/HIV) Achalasie Chagas-Erkrankung Medikamentösinduzierte Neuropathie (Vincristin, trizyklische Antidepressiva, Phenothiazin, Opiate, Parkinsonmedikation) Paraneoplastisch (kleinzelliges Bronchialkarzinom, Lymphome etc.)
Phäochromozytom Urämie Porphyrie
348
Kapitel 34 · Motilitätsstörungen des Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
bezüglich die histopathologischen wie auch die manometrischen Befunde. Vor geplanten operativen Maßnahmen ist es erforderlich das Ausmaß der Beteiligung der verschiedenen Darmabschnitte abzuschätzen. Hierfür sind insbesondere Transitmessungen sowie manometrische Verfahren sinnvoll ( s. unten).
III
34.4.1
⊡ Abb. 34.1. Deutlich distendiertes Abdomen, mit besonders betonter Dilatation des Magens, bei einer Patientin mit chronisch-idiopathisch intestinaler Pseudoobstruktion
34.4
Diagnostik
Ziel der Diagnostik ist es zunächst eine mechanische Darmobstruktion oder einen akuten-paralytischen Ileus (z. B. bei Darmischämie, Elektrolytentgleisung) auszuschließen. Anschließend gilt es, drohende Akutkomplikationen der CIPO (Perforation, Elektrolytentgleisung bei Diarrhö, Alkalose bei Erbrechen) zu detektieren um einen evtl. deletären Verlauf durch gezielte therapeutische Maßnahmen zu verhindern. Erscheint die (Ausschluss)diagnose CIPO sicher, muss nach sekundären Ursachen ( s. Tabelle 34.1) gefahndet werden,da dieses im positiven Fall evtl.kausaltherapeutische Implikationen bedingt (Hypothyreose, Sprue, medikamenteninduzierte CIPO). Prognostisch und im Hinblick auf die Differenzialtherapie ist die Klärung der Frage, ob es sich um einen Neuropathie- oder Myopathietyp einer CIPO handelt, von gewisser Relevanz. So weist der Myopathietyp generell eine ungünstigere Prognose auf ( s. unten). Diagnostisch aufschlussreich sind dies-
Anamnese
Die anamnestische Angabe einer oder gar mehrfacher Probelaparotomien – ohne wegweisenden Befund – wegen rezidivierender Ileuszustände ist äußerst charakteristisch und spezifisch für eine CIPO. Die reine Symptomatologie ( s. Tabelle 34.2) ist unspezifisch und lässt großen differenzialdiagnostischen Spielraum. Die anamnestische Exploration sollte eine ausführliche Medikamentenanamnese (sekundäre CIPOInduktion) sowie die Frage nach extraintestinalen Begleitsymptomen (Urogenitaltrakt, vegetatives Nervensystem) umfassen. Auch auf eine positive Familienanamnese sollte geachtet werden (familiäre viszerale Myopathie oder Neuropathie). 34.4.2
Körperlicher Untersuchungsbefund
In der Akutsituation ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung eines mechanischen Ileus schwierig. Es imponiert fast immer eine erhebliche abdominelle Distension ( s. Abb. 34.1) mit hypersonorem Klopfschall. Die Darmgeräusche können fehlen oder sehr lebhaft sein. Bei drohender Perforation (»Durchwanderungsperitonitis«), zumeist im Kolonbereich, kann ein bretthartes Abdomen vorliegen. Kontrastierend hierzu kann sich im freien Intervall ein fast blander Abdominalbefund ergeben.Meist im-
⊡ Tabelle 34.2. Symptome bei chronisch intestinaler Pseudoobstruktion Ösophagus
Magen
Dünndarm
Dickdarm
Dysphagie Regurgitation Brustschmerzen (Reflux)
Übelkeit Erbrechen Völlegefühl Epigastrischer Schmerz
Meteorismus Abdominale Distension Gewichtsverlust (Malassimilation) Diarrhö (bakterielle Fehlbesiedlung) Erbrechen
Obstipation Abdominale Distension
349 34.4 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
ponieren zusätzlich die Zeichen der chronischen Malnutrition. Die (fach)neurologische Untersuchung sollte auf einen lageabhängigen Schwindel und mögliche Störungen der Pupillomotorik und Schweißsekretion achten (als Hinweise für eine Polyneuropathie). 34.4.3
Labor
Zur Detektion einer sekundären Genese sollten die in ⊡ Tabelle 34.3 aufgeführten Parameter bestimmt werden. Als Folge der chronischen Malassimilation können zahlreiche pathologische Laborparameter resultieren: Eisen-, Zink-, Kalzium-, Kalium-, Magnesium-, Folsäure- und Vitamin-B12-Mangel; Mangel der fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K) mit evtl. Erniedrigung der Thromboplastinzeit; Hypalbuminämie und meist auch Erniedrigung sämtlicher Immunglobuline; Erniedrigung des Serum-b-Karotinspiegels bei chronischer Steatorrhö. Eine unter Nüchternbedingungen deutlich über 20 ppm erhöhte basale H2-Exhalation weist bei CIPOPatienten auf die Komplikation einer sekundären bakteriellen Fehlbesiedlung hin (im eigenen Krankengut bei 10/13 Fällen nachweisbar). Der Glukose(H2-)atemtest ist – als Folge der sekundären Fehlbesiedlung und der Dünndarmstase – nahezu immer pathologisch.
34.4.4
34
Bildgebende Verfahren (Sonographie, Radiologie, Endoskopie)
Abdominalsonographisch lassen sich häufig die extrem dilatierten und meist flüssigkeitsgefüllten Dünn- und Dickdarmschlingen aufzeigen (⊡ Abb. 34.2). Unter Real-time-Bedingungen findet sich entweder eine spärliche oder eine gesteigerte Dünndarmperistaltik. Die übrigen Untersuchungsbedingungen (z. B. Ausschluss paraaortaler Lymphome) sind meist durch die intestinale Gasbildung erschwert. Als Folge einer Hypalbuminämie oder aber auch einer beginnenden Durchwanderungsperitonitis (bei extremer Dickdarmdilatation) kann freie Flüssigkeit nachweisbar sein. Gelegentlich findet sich eine Überlaufblase und/oder ein dilatiertes Nierenbeckenkelchsystem (extraintestinale CIPOKomplikation). Als Hinweis auf die systemische Manifestation der CIPO kann eine Verminderung des Ausmaßes der maximalen postprandialen Gallenblasenkontraktion (weniger als 60% des Nüchternvolumens) sonographisch nachgewiesen werden. Dieser Befund besitzt jedoch (soweit bisher bekannt) keine klinische Relevanz. Wesentliche Hinweise für die Diagnose CIPO liefert die konventionelle Abdomenröntgenleeraufnahme (⊡ Abb. 34.3). In der Akutsituation findet sich ein mehr oder weniger ausgeprägtes (Sub)ileusbild. Durch die ggf. unterschiedliche Ausprägung der Dilatation der verschiedenen Darmabschnitte wird häufig
⊡ Tabelle 34.3. Spezielle Labordiagnostik zum Ausschluss einer sekundären Ursache bei Patienten mit chronisch intestinaler Pseudoobstruktion Erkrankung
Laborparameter
Kollagenosen
ANA, Ro-70, Anti-Scl, Rheumafaktor
Hypothyreose
TSH (basal), FT3, FT4
Diabetes mellitus
HbA1c, OGTT
Paraneoplastisch
LDH, CEA, CA 19-9, NSE, AFP
Porphyrie
Gesamtporphyrine i. Urin, Watson-Schwarz
Hypoparathyreoidismus
Parathormon (intakt)
Infektionskrankheit
CMV-Ak, VZV-Ak, HSV-Ak, HIV-Ak
Phäochromozytom
Noradrenalin, VMS i. Urin
⊡ Abb. 34.2. Sonographischer Nachweis extrem dilatierter Dickdarmschlingen bei einem Patienten mit chronisch intestinaler Pseudoobstruktion
350
Kapitel 34 · Motilitätsstörungen des Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
III
⊡ Abb. 34.3. Abdomenröntgenleeraufnahme im Stehen bei einem Patienten mit chronisch intestinaler Pseudoobstruktion. Es kommen massiv dilatierte Kolonflexuren (Perforationsgefahr) sowie ein ausgeprägter Dünn- und Dickdarmileus zur Darstellung
das Bild eines mechanischen Ileus suggeriert.Eine Dilatation der Kolonflexuren >6 cm weist auf die Gefahr einer drohenden Perforation hin und sollte Anlass zu Dekompressionsmaßnahmen sein ( s. unten). Im peroralen Breischluck kann sich (selten) ein Megaösophagus darstellen, häufiger findet sich unter Durchleuchtung eine Hypomotilität der tubulären Speiseröhre insbesondere im distalen Anteil. Das Röntgenbild der Magen-Darm-Passage zeigt in nahezu 50% der Fälle eine mehr oder weniger ausgeprägte funktionelle Magenentleerungsstörung u. U. mit grotesker Magenektasie. Der Dünndarmröntgendoppelkontrast nach Sellink zeigt eine Passageverzögerung und schließt (als wichtigster Befund) eine mechanische Dünndarmobstruktion aus. Durch eine ggf. extreme Dünndarmdilatation und Stase kann die Obstruktion jedoch in Einzelfällen radiologisch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Der Kolondoppelkontrasteinlauf dient gleichfalls primär dem Ausschluss einer mechanischen Obstruktion. Häufig findet sich ein Megakolon. Die Differenzialdiagnose zum M. Hirschsprung mit ultrakurzem Segment (beim Erwachsenen) ist radiologisch oft nur durch den gleichzeitigen Nachweis einer Dilatation anderer Abschnitte des GI-Trakts oder mittels der technisch aufwendigen Defäkographie möglich. Die
Fragestellung lässt sich jedoch manometrisch sehr einfach klären. Die Kolontransitzeitbestimmung erlaubt eine gewisse Quantifizierung des Ausmaßes der Dünn- und Dickdarmbeteiligung.Hierzu ist in der Regel eine Verlängerung der Messperiode über die standardmäßigen 7 Tage hinaus erforderlich.Bei extremen Fällen einer Dünndarmatonie ist am Tag 7 noch kein Übertritt der Marker in das Kolon zu detektieren. Die Kolonpassagezeitverzögerung ist bei der CIPO ubiquitär und nicht auf das Rekto/Sigmoid beschränkt (in diesem Fall bestünde der Verdacht auf einen M. Hirschsprung oder Anismus). Der besondere Stellenwert der Kolontransitzeitbestimmung besteht darin,dass diese technisch einfache Methode es erlaubt ein individuelles Ansprechen auf verschiedene Therapieregime zu objektivieren. Die Schichtbildverfahren (axiale Computertomographie und Kernspintomographie) liefern – im Vergleich zur konventionellen Radiologie – in der Regel keine weiterführenden Informationen zum GI-Trakt, sondern werden meist im Rahmen des Ausschlusses einer sekundären CIPO-Genese durchgeführt.So sollten Hirntumore, das Vorliegen eines interstitiellen Lungenparenchymschadens als Hinweis für eine Kollagenose, ein Bronchialkarzinom sowie ein malignes Lymphom (paraneoplastische CIPO-Induktion) durch geeignete CT- und NMR-Untersuchungen unwahrscheinlich gemacht werden. Im Rahmen der Ösophagogastroduodenoskopie kann eine Ösophagusdilatation auffallen, ggf. mit Ösophagitis. Ursache der Ösophagitis ist jedoch häufiger die funktionelle Magenentleerungsstörung, die endoskopisch durch Speiseretention und Ektasie bei gleichzeitigem Ausschluss einer organischen Magenausgangsstenose imponiert. Eine Dilatation des Duodenums – bzw. des Jejunums im Rahmen einer Enteroskopie – unter Ausschluss einer organischen Stenose läßt sich ebenfalls endoskopisch belegen. Durch sterile Gewinnung von Duodenalsekret im Rahmen der ÖGD ist ein zuverlässiger Nachweis einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms möglich. Die Koloileoskopie erlaubt den Nachweis der Kolonektasie sowie den Ausschluss einer klinisch relevanten Stenosierung. Das koloskopische Vorgehen kann bei CIPO-Patienten insbesondere durch die häufige (Rest)stuhlverschmutzung und die z.T.bizarre Dilatation erschwert sein. Mittels starrer Rektoskopie entnommene Makropartikelbiopsien erlauben ggf.die histologische Differenzierung zwischen Myopathieund Neuropathietyp ( s. unten). Die Methode weist
351 34.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
jedoch – insbesondere bei Vorliegen eines Megarektums – eine erhöhte Perforationsgefahr auf. 34.4.5
Histopathologie
Zur histologischen Differenzierung zwischen einer CIPO vom Neuropathie- bzw. Myopathietyp benötigt der Pathologe ein Vollwandresektat des Dünn- oder Dickdarms. Dieses kann nur operativ im Rahmen einer (Probe)laparotomie gewonnen werden. Die im Rahmen der flexiblen Endoskopie gewonnenen Schleimhautbioptate enthalten meistens nichtausreichende Anteile des Plexus myentericus. Alternativ können rektoskopisch Makropartikelbiopsien begutachtet werden, wobei berücksichtigt werden muss, dass das enterale Nervensystem auch beim Gesunden am Rektum gering ausgeprägt ist. Bei der histologischen Untersuchung werden Spezialfärbungen zur Begutachtung der Neurone des Plexus myentericus benötigt. Der Neuropathietyp einer CIPO ist durch eine ganglionäre Rarefizierung mit Veränderung der neuronalen Zellfortsätze gekennzeichnet. Es finden sich eosinophile Zellkerneinschlüsse und mononukleäre Infiltrate im Stroma. Die myogenen Formen der CIPO lassen eine fleckförmige Degeneration und Fibrosierung der glatten Darmmuskulatur erkennen. In Einzelfällen finden sich Mischformen aus neuro- und myopathischer Schädigung (z. B. bei fortgeschrittener progressiv systemischer Sklerodermie mit sekundärer CIPO). Duodenoskopisch gewonnene Schleimhautbiopsate lassen häufig eine (sub)totale Zottenatrophie erkennen. Hier muss klinisch zwischen dem tatsächlichen Vorliegen einer einheimischen Sprue (positiver Gliadin- und Endomysiumantikörpernachweis) und einer sekundär durch bakterielle Überwucherung bedingten Schleimhautatrophie differenziert werden. 34.4.6
Manometrische Verfahren
Die manometrischen Untersuchungen des GI-Trakts erlauben eine exakte Quantifizierung des Ausmaßes und der Beteiligung einzelner Abschnitte des GITrakts bei Patienten mit CIPO. Ferner kann häufig die Differenzierung zwischen Myopathie- und Neuropathietyp getroffen werden (ohne operative Darmresektion). Zur Diagnosestellung einer CIPO sind jedoch die manometrischen Methoden nicht obligat erforderlich.
34
Die Ösophagusmanometrie erlaubt häufig den Nachweis verminderter Kontraktionsamplituden im distalen Ösophagus mit verzögerter Propagationsgeschwindigkeit und einem erniedrigten unteren Ösophagussphinkterruhedruck (Nachweis zumindest eines Kriteriums bei 11/13 Fällen im eigenen Krankengut). Bei neuropathischen CIPO-Formen finden sich gehäuft nichtpropagative Kontraktionen (sog.»tertiäre Kontraktionen«). Die Antroduodenalmanometrie bzw. Dünndarmmanometrie (entweder als stationäre Perfusionsmanometrie oder als ambulante Langzeitmanometrie mit piezoelektrischen Druckwandlern) lässt entweder eine Reduktion von Zahl und Amplitude der Kontraktionen sowohl im Nüchtern- wie auch im postprandialen Zustand erkennen (Myopathietyp), oder aber es finden sich – insbesondere interdigestiv – pathologische Kontraktionsformen (Neuropathietyp).Bei einer extremen Magen- und Dünndarmdilatatation ist jedoch manometrisch – wegen eines u. U. fehlenden Kontakts der Druckaufnehmer mit der Darmwand – eine exakte Differenzierung zwischen Myopathie- und Neuropathieform der CIPO nicht sicher möglich. Bei laborchemisch bestehender enzymatischer Cholestase konnten wir in Einzelfällen mittels ERCP und endoskopischer Oddi-Sphinktermanometrie eine Sphinkterhypotension nachweisen (als Hinweis für eine systemische CIPO-Manifestation – klinische Befundrelevanz unklar). Befunde der Kolonmanometrie bei CIPO liegen derzeit nicht vor. Die anorektale Manometrie kann durch den Nachweis des rektoanalen inhibitorischen Reflexes das Vorliegen eines M. Hirschsprung sicher ausschließen. Gelegentlich findet sich eine Erniedrigung des analen Ruhedrucks (Schädigung des glattmuskulären internen Analsphinkters). Eine Übersicht über ein rationelles diagnostisches Vorgehen bei Patienten mit Verdacht auf CIPO zeigt die ⊡ Abb. 34.4. 34.5
Therapie
Prinzipielles Ziel der therapeutischen Bemühungen bei CIPO ist die Wiederherstellung eines normalen gastrointestinalen Motilitätsablaufs. Dieses Ziel kann jedoch in aller Regel nicht vollständig erreicht werden. Die Prognose der Erkrankung ist ernst, die Patienten versterben zumeist an (z.B.infektiösen) Komplikationen der chronischen Unterernährung bzw. der notwendigen langzeitparenteralen Ernährung. Seltener sind Akutkomplikationen (z. B. Perforation, kardiale
352
Kapitel 34 · Motilitätsstörungen des Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 34.4. Flussdiagramm zur rationellen Diagnostik bei Verdacht auf chronisch intestinale Pseudoobstruktion
III
Rythmusstörung bei Elektrolytentgleisung) die Todesursache. Genaue Angaben zur Prognose der Erkrankung sind wegen der Seltenheit des Krankheitsbildes nicht verfügbar. Im eigenen Krankengut der letzten 10 Jahre sind immerhin 5/13 Patienten verstorben. Folgende Maßnahmen sind bei Patienten mit CIPO grundsätzlich sinnvoll: ▬ Substitution des Volumenverlusts, der Elektrolyte und des kalorischen Bedarfs, ▬ Stimulation der gastrointestinalen Motilität, ▬ evtl. spezifische Behandlung einer sekundären CIPO-Ursache, ▬ Supprimierung einer bakteriellen Fehlbesiedlung, ▬ Dekompression kritisch dilatierter Darmabschnitte. 34.5.1
Ernährungstherapie
Im Langzeitverlauf einer CIPO ist es in aller Regel erforderlich die orale Nahrungszufuhr zu beenden bzw. deutlich einzuschränken. Da eine CIPO vom Neuropathietyp zumeist wesentlich besser auf eine prokinetische Therapie ( s. unten) anspricht, ist hier die komplikationsärmere enterale Sondenernährung (im Vergleich zu parenteralen Ernährung) vorzuziehen. Die langsame Applikation von Sondenkost (z. B. mit 80 ml/h) ermöglicht meist, trotz der eingeschränkten GI-Motilität, eine vollständige Resorption der Nahrungsbestandteile. Prinzipiell ist die Applikation über eine nasoduodenale Sonde möglich, praktikabler ist die Einlage einer PEG mit duodenalem Schenkel. Bei manometrischem Nachweis einer nur gering eingeschränkten Antroduodenalfunktion ist auch die gas-
trale PEG-Applikation sinnvoll. Bei erheblicher Gastroparese sollte die Ernährung über eine operativ (ggf. laparoskopisch) angelegte Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ) erfolgen. Sie ist bei CIPO-Patienten der perkutan endoskopischen Jejunostomie aufgrund der niedrigeren Langzeitkomplikationsrate klar vorzuziehen. Auch im Falle einer Myopathieform einer CIPO lohnt u. U. der Versuch der enteralen Ernährung. Wichtig Da jedoch eine Verbesserung der gestörten GIMotilität durch Prokinetika fast nie möglich ist (und häufig eine erhebliche bakterielle Fehlbesiedlung hinzukommt), lässt sich eine dauerhafte parenterale Ernährung meistens nicht umgehen.
In diesem Fall ist die operative Anlage eines Port-Systems zur langzeitheimparenteralen Ernährung und die entsprechende Schulung des Patienten und seiner Angehörigen erforderlich. 34.5.2
Medikamentöse Therapie
Bei nachgewiesener bakterieller Fehlbesiedlung und entsprechender klinischer Symptomatik (Diarrhö, Steatorrhö) ist eine kursatorische Antibiotikatherapie sinnvoll (z.B.einmal im Monat je 1 Woche Doxycyclin, Metronidazol oder Ciprofloxacin im Wechsel). Bei vorherrschender Obstipation ist jedoch ein Behandlungsversuch nicht sinnvoll. Die aktuell zur Verfügung stehenden klassischen Prokinetika (Metoclopramid, Domperidon, Cisaprid)
353 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
wirken über eine vermehrte Acetylcholinausschüttung an der neuromuskulären Endplatte.Daher ist ein wesentlicher Effekt beim Myopathietyp der CIPO nicht zu erwarten. Der Einsatz von Metoclopramid und Domperidon bei CIPO-Patienten beschränkt sich auf die antiemetischen Wirkkomponente der Substanzen – eine relevante Steigerung der Motilität ist nicht zu erwarten. Cisaprid bewirkt im Vergleich zu diesen Substanzen eine ausgeprägtere Steigerung der antroduodenalen Motilität (Substanz wurde wegen kardialer Nebenwirkungen aus dem Handel genommen und ist z. Zt. nur über die internationale Apotheke zu beziehen). Unter einer oralen Gabe von 4-mal 10–20 mg Cisaprid/Tag konnte in der Mehrzahl der Patienten mit CIPO eine Besserung der Symptomatik (allerdings vorwiegend der dem oberen GI-Trakt zuzuordnenden Beschwerden) sowie eine objektive Beschleunigung der Magenentleerung dokumentiert werden. Die klinische Erfahrung zeigt, dass ein wesentlicher Effekt auf die Obstipation nur sehr selten zu beobachten ist. Kommt es im Laufe der Zeit zu einem Nachlassen des symptomatischen Ansprechens auf Cisaprid (»Tachyphylaxie«) so ist eine 2- bis 3-wöchige Therapiepause empfehlenswert. Insgesamt ist der Einsatz von Prokinetika bei der CIPO jedoch leider meistens nicht von entscheidendem symptomatischen Erfolg gekrönt. Das Makrolidantibiotikum Erythromycin wirkt am GI-Trakt als Motilinanalogon und führt daher beim Gesunden zu einer ausgeprägten Steigerung der antroduodenalen und der Dünndarmmotilität. Es konnte gezeigt werden,dass die kontinuierliche i.v.-Infusion von 3 mg/kgKG Erythromycin bei Patienten mit erheblicher Gastroparese bei CIPO zu einer deutlichen Verbesserung der Magenentleerung führt und hierdurch die Symptomatik relevant beeinflusst wird. Leider führt eine sehr rasche Toleranzentwicklung zu einem nahezu vollständigen Wirkungsverlust nach 1–2 Wochen Therapiedauer. Auch wird die Kolonmotilität von CIPO-Patienten nur geringfügig stimuliert. Somit ist bei einer Akutexazerbation einer CIPO (insbesondere bei klinisch dominanter Gastroparese) eine 7- bis 10-tägige i.v.-Erythromycingabe zu empfehlen. Anschließend sollte die Medikation auf Cisaprid umgestellt werden. Bei Patienten die (eben) noch in der Lage sind orale Nahrung zu sich zu nehmen, kann auch eine 14 tägige orale Gabe von Erythromycin 3x200 mg/Tag versucht werden. In einer Studie wurde über günstige Effekte einer Octreotidmedikation (3x50 µg s.c./Tag) auf die Symptomatik bei sekundärer CIPO im Rahmen einer progressiv systemischen Sklerodermie berichtet. Nach-
34
folgende Fallberichte konnten diesen Effekt nicht nachvollziehen, auch in unserem eigenen Krankengut konnte in keinem von 5 Fällen ein positiver Effekt beobachtet werden. Beim Gesunden führt Octreotid zu einer deutlichen Hemmung des gastrointestinalen Transports. So mussten wir bei einer Patientin nach 5jähriger Octreotidmedikation (wegen Dumping-Syndroms) die Entwicklung einer CIPO beobachten, wobei die Symptomatik auch 6 Monate nach Absetzten der Medikation nur geringfügig gebessert war. 34.5.3
Interventionelle Therapiemethoden (Endoskopie, Chirurgie)
Indikationen für ein interventionelles Vorgehen bei CIPO sind: ▬ eine akute, perforationsgefährdete Dilatation eines Darmsegments oder ▬ die Entfernung eines sehr dominant befallenen Darmabschnitts. So kann bei perforationsgefährdeter Dickdarmdilatation die notfallmäßige koloskopische Dekompression, ggf. mit Platzierung einer Kolondekompressionssonde für 24 h, erforderlich sein. Bei akuter, massiver Dünndarmdilatation ist ggf. die mehrtägige Einlage einer Miller-Abbott-Sonde hilfreich. Meistens profitieren diese Patienten jedoch definitiv nur von der operativen Anlage einer dopplelläufigen Enterostomie (»venting enterotomy«). Bei nach rein klinischen Aspekten »isoliertem« Befall nur eines Darmabschnitts (z.B.Magenektasie,Megaduodenum oder Megakolon) kann eine operative Resektion des betroffenen Segmentes symptomatische Erleichterung bringen (zumindest für einen mehrjährigen Zeitraum). In diesen Fällen muss jedoch manometrisch oder mittels Transitmessung eine noch ausreichende Motilitätsfunktion der nachgeschalteten Darmanteile gesichert werden, denn andernfalls kann eine längerfristige Besserung nicht erwartet werden.
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354
III
Kapitel 34 · Motilitätsstörungen des Dickdarms SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Camillieri M, Malagelada JR, Abell TL et al. (1989) Effect of six weeks of treatment with cisapride in gastroparesis and intestinal pseudoobstruction. Gastroenterology 96: 704–712 Colemont LJ, Camillieri M (1989) Chronic intestinal pseudoobstruction: diagnosis and treatment. Mayo Clin Proc 64: 60–70 Dudley HAF, Sinclair ISR, McClaren IF, McNair TJ, Newsam JE (1958) Intestinal pseudoobstruction. J Roy Coll Surg 3: 206–217 Krishnamurty S, Schuffler MD (1987) Pathology of neuromuscular disorders of the small intestine and colon. Gastroenterology 93: 610–639 Pitt HA, Mann LL, Berquist WE et al. (1985) Chronic intestinal pseudoobstruction: management with total parenteral nutrition and venting enterostomy. Arch Surg 120: 614–618 Richards RD, Davenport K, McCallum RW (1993) The treatment of idiopathic and diabetic gastroparesis with acute intravenous and chronic oral erythromycin. Am J Gastroenterol 88: 203–207
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35 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Krankheiten des Anorektums G. Pommer, J. Stein 35.1
Anatomisch-funktionelle Vorbemerkungen
35.2
Erkrankungen des äußeren Analbereichs
35.2.1 35.2.2 35.2.3 35.2.4
Pruritus ani – Analekzem – 357 Perianale Thrombose – 357 Marisken – 358 Hypertrophe Analpapille – 358
35.3
Erkrankungen des Analkanals
35.3.1 35.3.2 35.3.3 35.3.4 35.3.5
Analfissur – 359 Periproktaler Abszess und perianale Fistel – 360 Hämorrhoiden – 362 Analkarzinom – 365 Kondylomata accuminata (Feigwarzen, spitze Kondylome)
35.4
Erkrankungen des Rektums
35.4.1 35.4.2 35.4.3 35.4.4 35.4.5
Solitäres Rektumulkus – 368 Rektumprolaps – 369 Rektozele – 369 Proktalgia fugax – 370 Kokzygodynie – 370
Literatur
>>
– 356 – 357
– 359
– 368
– 368
– 370
Anorektale Erkrankungen stellen heutzutage immer noch eine gewisse Tabuzone dar und sind daher häufig Gegenstand einer Patientenselbstbehandlung auf dem Boden laienmedizinischer Kenntnisse. Hierdurch kommen die Patienten oftmals sehr spät zum Arzt. Obwohl anorektale Erkrankungen meist einfach und ohne großen technischen Aufwand zu diagnostizieren und befriedigend zu behandeln sind, ist jedoch auch ärztlicherseits gelegentlich ein bemerkenswertes Wissensdefizit zu beobachten.
356
35.1
III
Kapitel 35 · Krankheiten des Anorektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Anatomisch-funktionelle Vorbemerkungen
Anus, Analkanal, die anorektale Übergangszone und das Rektum bilden eine anatomisch-funktionelle Einheit (⊡ Abb. 35.1), die eine situativ kontrollierte und willkürliche Entleerung des Darmes ermöglichen. Der Analkanal ist durch den externen Sphinktermuskel umscheidet; er beginnt etwa 2 cm oberhalb der Linea dentata und endet nach etwa 4 (3–6) cm Länge am Analrand. Die Linea dentata entspricht dabei einem Zusammentreffen von Ausläufern angedeuteter wulstiger vertikaler Auffaltungen der Mukosa vom oberen Analkanal (Columnae anales) und klappenähnlicher Auffaltungen am kranialen Rand der Mukosa vom unteren Analkanal (Valvulae anales).
⊡ Abb. 35.1. Anatomie des Analkanals. 1 Plica transversalis recti; 2 Tunica muscularis recti; 3 supraelevatorischer Raum; 4 M. levator ani; 5 Ampulla recti; 6 Corpus cavernosum recti; 7 M. canalis ani; 8 Columnae analea, sinus anales, valvula anales; 9 M. sphincter ani internus; 10 Linea alba, Hilton-Linie; 11 Linea anocutanea; 12 M. sphincter ani externus, pars subcutanea; 13 M. sphincter ani externus, pars superficialis; 14 M. corrugator ani; 15 Linea mucocutanea; 16 M. sphincter ani internus, pars profunda; 17 A. und V. rectalis media. (Mod. nach [Winkler 1996])
Oberhalb der Linea dentata findet sich für weitere 2 cm ein Übergangsepithel,das in das subepitheliale Corpus cavernosum recti übergeht.Dieser Plexus stellt einen Schwellkörper dar, der neben dem sensiblen Anoderm die Feinkontinenz unterstützt (»vaskuläre Kontinenz«). Gespeist wird dieser physiologische Schwellkörper von 3 Hauptarterien (3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage). Das Blut dieses Schwellkörpers entleert sich über Venen,die durch den Sphinkterapparat hindurch verlaufen. Der muskuläre Anteil des Analkanals wird aus mehreren ineinander verschraubten Muskellagen gebildet. Der aganglionäre Sphincter ani internus stellt eine Fortsetzung der inneren zirkulären Rektummuskulatur dar. Als glatter Muskel sichert er durch seinen Grundtonus (ca. 80% der Halteleistung) den analen Dauerverschluss. Bei Dehnung der Rektumwand durch einen Stuhlbolus kommt es zu einer zeitweiligen Tonusabnahme des Sphincter ani internus (=rektoanaler Reflex). Die Zerstörung des Sphincter ani internus führt zur Stuhlkontinenz. Der Sphincter ani externus – quergestreifte, zirkuläre Muskeln mit einem oberen, mittleren und unteren Anteil – ist funktionell eng mit der Puborektalisschlinge gekoppelt (ca. 15% der Verschlussleitung). Der Levator ani unterstützt die Halteleistung durch die Puborectalisschlinge. Bei Anspannung des Levator ani findet eine Abknickung des Rektums gegen den Analkanal statt. Während innerhalb des Analkanals eine sehr hohe Sensibilität besteht, findet sich oberhalb des Analkanals keinerlei Schmerzhaftigkeit mehr. Therapeutische Maßnahmen in diesem Bereich (z. B. Ligaturbehandlung, Sklerosierung) lösen keine Schmerzen aus. Die Defäkation wird durch die Dehnung der Rektumwand eingeleitet mit einer nachfolgenden Druckminderung des Sphinkter internus (Relaxation) und einer Steigerung der propulsiven Aktivität der Mastdarmwand.Der Kontakt von Darminhalt mit der Linea dentata und dem sensiblen Anoderm ermöglicht zwischen Flüssigkeit, Stuhl und Wind zu unterscheiden. Ein Zurückhalten des Stuhls bzw. des Windes durch Kontraktion des Sphincter ani internus ist möglich.
357 35.2 · Erkrankungen des äußeren Analbereichs SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
35.2
Erkrankungen des äußeren Analbereichs
35.2.1
Pruritus ani – Analekzem
35
Pruritus ani Prurutus ani (analer Juckreiz) ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern Folge verschiedenster morphologischer und/oder funktioneller Ursachen (⊡ Tabelle 35.1). Analekzem Die häufigste Erkrankung, die analen Juckreiz auslösst, ist das Analekzem: eine entzündliche Hautveränderungen einschließlich Erosionen und Rhagaden des verhornten Epithels der Perianalregion.Die Genese ist zumeist sekundär auf dem Boden verschiedenartigster Krankheiten (⊡ Tabelle 35.2).Selten entsteht das Analekzem primär, insbesondere bei starker Behaarung im Analbereich und/oder starkem Schwitzen. Klinik Es imponiert ein quälender Juckreiz und Nässen am After sowie Schmerzen bei der Defäkation. Therapie Die Behandlung der Grunderkrankung steht im Vordergrund,symptomatisch können initial antiphlogistische Salben, später weiche Zinkpasten oder Sitzbäder mit Kaliumpermanganat- und/oder Kamillelösungen verwendet werden [Wienert 1998]. 35.2.2
Perianale Thrombose
Hierbei handelt es sich um akute Spontanthrombosierungen der subkutanen Vv. rectales inferiores. Die li-
⊡ Abb. 35.2. Perianalthrombose
vide verfärbten, akut meist prallelastisch gespannten, Knoten können Taubeneigröße erreichen (⊡ Abb. 35.2). Die exakte Pathogenese der Perianalthrombosen ist nicht bekannt, häufig sind Patienten mit Hämorrhoidalleiden betroffen (wobei die Thrombose jedoch nicht die Hämorrhoiden selbst betrifft!). Klinik Es besteht ein akut einsetzender erheblicher Schmerz am After, der Stuhlgang und Sitzen fast unmöglich macht. Erfolgt keine spezifische Therapie bilden sich die Knoten innerhalb von 1–2 Wochen zurück und es verbleiben weiche perianale Hautfalten, die sog. Marisken ( s. unten). Therapie Bei akuter Thrombose führt eine ovaläre Inzision mit anschließendem manuellem Ausdrücken der Throm-
⊡ Tabelle 35.1. Ursachen des Pruritus ani Morphologische Ursachen
Funktionelle Ursachen
Externe Ursachen
Sonstige Ursachen
Analfissur
Inkontinenz
Allergisches Kontaktekzem
Wurmerkrankung
Analfistel
Analprolaps
Luftundurchlässige Wäsche
Radiatio
Kondylome
Hämorrhoiden
Übertriebene Hygiene (Seifen, Sprays, Duschgel, Feuchtigkeitstücher)
Hypertrophe Analpapillen
Massive Diarrhö
358
Kapitel 35 · Krankheiten des Anorektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 35.2. Ursachen entzündlicher Veränderungen im Analbereich
III
Art des Ekzems
Ursache
Therapie
Irritativ-toxisch oder kumulativ-toxisch (ca. 30%)
Direkte Hautschädigung durch exogene Noxen wie Metallsalze, Traumen (Toilettenpapier)
Hygieneberatung, Ernährungsberatung (Vermeidung von Irritanzien, Hämorrhoidalbehandlung)
Organisch bedingte Irritationen mit Nässen bei Fisteln, Prolaps, Kodylomen, hypertrophierten Analpapillen, Hyperhidrose, Hämorrhoiden, Inkontinenz, hohe Stuhlfrequenz, geringe Stuhlkonsistenz
Bei Schließmuskelschwäche Biofeedbacktraining, Erhöhung der Stuhlkonsistenz
Allergisches Kontaktekzem (ca. 40%)
Immunolgisch vermittelte Entzündung (Typ-IV-Allergie) durch Anwendung von Hautpflegemitteln, Hämorrhoidalsalben sowie Feuchtigkeitstücher (Duftstoffe, Cinchocain, Lidocain, Chinin) etc.
Vermeidung von Allergenen, kurzfristige Anwendung topischer Kortikosteroide, längerfristige Anwendung von Pst. Zinc. Moll. (DAB 10)
Atopisches Ekzem (endogenes Ekzem, Neurodermitis, ca. 25%)
Überempfindlichkeit gegen Umweltstoffe (Typ-I-Allergie, IgE-Bildung), oft bei Patienten mit Neurodermitis
Kurzzeitige Anwendung eines topischen Kortikosteroids, später teerhaltige Zubereitungen, evtl. UV-Licht; i.d.R. Notwendigkeit einer Intervalltherapie
In 80% Nachweis eines weißen Dermographismus
Kurzzeitige Anwendung eines topischen Kortikosteroids, später teerhaltige Zubereitungen, evtl. UV-Licht; i.d.R. Notwendigkeit einer Intervalltherapie
Immer Superinfektion auf vorgeschädigter Haut oder Begleiterkrankung (Diabetes mellitus, Immunschwäche, lokale Vorschädigung)
Nystatinhaltige Pasten, evtl. in Kombination mit juckreizstillenden Präparat (z.B. BiVaspit 15 g plus Past. zinc. Moll. ad 30). Nur in Ausnahmen (immunsuppremierte Patienten) Darmsanierung mit Nystatin.
Anale Candidose
ben zur spontanen Erleichterung. Allerdings ist mit einer hohen Rezidivrate zu rechnen. Sinnvoll ist (v. a. beim Rezidiv) daher die chirurgische Exzision des gesamten Thrombusmaterials in Lokalanästhesie. Der inkarzerierte Hämorrhoidalprolaps bedarf zunächst einer konservativen Therapie: Reposition, Redressverband, Antiphlogistika. 35.2.3
Marisken
Marisken sind perianale lappenförmige Hautfalten, die Residuen nach Perianalthrombosen oder perianale Entzündungen darstellen und häufig als Hämorroidalleiden fehldiagnostiziert werden. Sie können gelegentlich die Analhygiene erschweren und ein Analekzem unterhalten, dann ist die Exzision anzuraten [Baeten 2002].
35.2.4
Hypertrophe Analpapille
Die Analpapillen der Kryptenlinie können sich z.B.als Folgen einer Kryptitis oder einer Analfissur vergrößern.Sie fibrosieren,werden hart und stören,da sie bei der Defäkation vorfallen und den Afterverschluss behindern. Unter Umständen kann der tastende Finger, der nur eingeht und die Papille nach kranial wegschiebt, diese übersehen; bei Drehung im Analkanal und zirkulärem Tasten findet sich eine an der Wand haftende Resistenz. Die Exzision ist problemlos [EiblEibesfeldt 2002].
359 35.3 · Erkrankungen des Analkanals SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
35.3
Erkrankungen des Analkanals
35.3.1
Analfissur
Die Anafissur ist eine stark schmerzhafte, radiär verlaufende, meist elliptische Ulzeration des Anoderms im distalen Analkanal. Sie kann in oraler Richtung bis an die Linea dentata oder drüber hinaus reichen. Das Ulkus ist in 80–90% an der hinteren Kommissur lokalisiert. In 10% der Fälle (v. a. Frauen) liegt es in der ventralen Kommissur, etwa 5–10% liegen lateral. Die Läsionen sind im Akutzustand oft blutig tingiert. Die chronische Fissur weist narbig unterminierte Ränder und eine sog.Vorpostenfalte auf (⊡ Abb. 35 3).
35
a
Pathogenese und Klinik Es besteht ein Circulus vitiosus: Entzündung,Schmerz, reaktiven Sphinkterspasmus, dadurch Minderdurchblutung, die wiederum die Abheilung des Ulkus behindert. Eine Chronifizierung ist daher häufig zu beobachten. Die Patienten berichten anamnestisch über einen Sofortschmerz bei der Defäkation, der die eigentliche Stuhlentleerung stundenlang überdauern kann. Die Stuhlentleerung selbst ist durch den Sphinktersparsmus gelegentlich behindert, es kommt zum »bleistiftdünnen Stuhl« und chronischer Obstipation. Die digitale Unersuchung ist meist nur nach Applikation von Lokalanästhetika möglich und sollte wie Proktoskpie initial nicht erzwungen werden. Wichtig Bei atypischer Lokalisation (lateral, ventral) und ggf. atypischem Aussehen, fehlendem Sphikterhypertonus sollte nach einer spezifischen Ursache (z. B. M. Crohn, Herpes simplex, ulzerierender Tumor) gesucht werden.
Therapie Sie ist abhängig von der Aktivität und dem zeitlichen Verlauf. Akute Fissuren. Akute Fissuren haben eine ausgezeichnete Spontanheilungstendenz. Vordringlichstes Ziel ist eine konsequente Regulierung der Stuhlfrequenz (Ballaststoffe,evtl.kombiniert mit pflanzlichem Quellmittel). Ergänzend wirken warme Sitzbäder mit Kamillosan und/oder Kaliumpermanganatlösung (0,1%). Als effektive lokalmedikamentöse Sofortmaßnahme zur Senkung des Analsphinkterdrucks gilt die 2-
b ⊡ Abb. 35.3a, b. Chronische Analfissur. a Originalbefund; b schematische Darstellung: 1 Hypertrophe Analpapille; 2 Wundgrund mit Fasern des M. sphincter ani internus; 3 Vorpostenfalte; 4 Linea dentata. (Nach Baeten et al. 2002)
bis 3-mal tägliche Applikation von 0,2–0,5%iger Glyzerolnitratsalbe (NW: Kopfschmerzen, Hypotension). Alternativ – nach Rückgang der Schmerzen – evtl. Analdehnung mit Analdehner [Bacher 2000]. Alternativ hat sich die lokale Injektion von Botulinustoxin (z. B. 4¥5 ME Botox, Pharma Merck, Frankfurt, oder 4¥15 ME Dysport, Ipsen Pharma, Weiterstadt) in den inneren Analsphinkter oder in den intersphinktärischen Raum bewährt.Auch hier ist mit einer ca. 80–90%igen Abheilungsrate zu rechnen. Als Nebenwirkung tritt in ca. 10% eine passagere Inkontinenz für Luft auf. Bleibende Kontinenzschäden sind nicht beschrieben [Brisinda 1999; Brisinda 2003].
360
Kapitel 35 · Krankheiten des Anorektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
! Cave Trotz ausgezeichneter Kurzzeitwirkung sollten steroidhaltige Cremes nicht angewandt werden, da sie eine Atrophie des Anoderms bewirken.
III
Chronische Fissur. Da keine Selbstheilungstendenz vorliegt, erfordert die chronische Fissur eine konsequente, mindestens 4-wöchige Therapie mit sphinkterrelaxierenden Maßnahmen ( s. o.) Die operative Standardmethode bei chronischer Fissur ist die laterale Sphinkterotomie in geschlossener oder offener Technik.Die zusätzliche Exzision der Fissur wird nicht in jedem Fall empfohlen, in der Praxis geschieht dies jedoch weitgehend.Die Erfolgsrate liegt bei 93–100%, die Rezidivrate bei 0–25%, die Inkontinenzrate bei 0–35% [Oettle 1997]. Wichtig Eine posteriore Sphinkterotomie ist wegen Inkontinenzgefahr obsolet (umfassende Darstellung bei [Baeten 2002]).
35.3.2
Periproktaler Abszess und perianale Fistel
Eiteransammlungen in nichtvorgebildeten,allseits abgeschlossenen Höhlen werden als periproktaler Abzess bezeichnet. Primäre perianale Fisteln entstehen als Folge nichtabheilender Abzesse in Form eines spalt- oder röhrenförmigen Eiterdurchbruchs. In 90–95% ist eine bakterielle Kryptitis ausgehend von den Proktodäaldrüsen (häufig im Bereich des M. sphincter ani internus) Ausgangspunkt. Sekundäre Aszesse entstehen auf dem Boden infizierter Atherome,einer Hidradenotos supurativa oder eines lokalisierten Pyoderma gangraenosum. Eine sekundäre Fistelbildung (atypische Fistel) kann nach einer Analfissur oder postoperativ etwa nach einer Hämorrhoidaloperation auftreten, sie finden sich typischerweise in Assoziation mit Infektionen (Tuberkulose, Aktinomykose) sowie malignen Darmerkrankungen (Analkarzinom, Präkanzerosen) oder nach Radiatio. Häufig sind Fisteln auch bei Patienten mit M. Crohn (3–5%), als Ausdruck einer analen Manifestation,zu beobachten.Die Fistelgänge sind hier oftmals sehr verzweigt (»Fuchsbau«).
⊡ Abb. 35.4. Schematische Darstellung der verschiedenen Analabszess- bzw. Analfisteltypen. A paranaler; B intraanaler; C ischiorektaler; D pelvirektaler Abszess. 1 subkutane; 2 submuköse Analfistel, 3 intersphinktäre (a absteigend; b aufsteigend/suprasphinktär), 4 transsphinktäre und 5 extrasphinktäre Fistel. (Mod. nach [Winckler 1998])
Klassifikation Abszesse werden nach ihrer Lokalisation, Analfistel nach ihrem Verlauf klassifiziert. Abszesse können perianal (subkutan), intersphinktär, ischiorektal, pelvirektal oder submukös lokalisiert sein. Fistel werden unter Berücksichtigung des Verlaufs zwischen dem Ort der Entstehung und ihrer Mündung in intersphinktär, transsphinktär, suprasphinktär und extraspinktär eingeteilt. (⊡ Abb. 35.4). Klinik und Diagnostik Klinisch imponieren progrediente perianale Schmerzen insbesondere beim Sitzen (Abzess) sowie gelegentlich eine eitrige oder seröse Sekretion (Fistel). Diagnostisch wegweisend ist die Sondierung mit der Knopflochsonde mit Injektion von Methylenblau oder Kontrastmittelinstillation (unter Röntgendurchleuchtung). Therapie Abszesse. Die Therapie erfolgt durch chirurgische
Drainage: T-förmige Inzision oder Entdachung. Die sorgfältige Austastung der Abszesshöhle muss Aufschluss darüber geben, ob ein Ischiorektalabszess besteht, der sanduhrförmig mit der Oberfläche verbunden sein kann.Dieser wird dann separat drainiert. Eine primäre Fistelfreilegung während einer Abszessoperation sollte angestrebt, jedoch nicht erzwungen werden, da eine hohe Inkontinenzrate die Folge wäre.
361 35.3 · Erkrankungen des Analkanals SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Insgesamt muss von einer hohen Inzidenz von Fisteln nach Abszessspaltung ausgegangen werden. Analfistel. Grundsätzlich ist die Sanierung der Fistel-
quelle anzustreben. Dies gelingt am sichersten und einfachsten durch vollständige Freilegung der Quellfistel [Keighley 1993]. Zur operativen Therapie von Fisteln kommen im wesentlichen 3 Verfahren zur Anwendung: ▬ Freilegung, ▬ Exzision, ▬ Fadenbehandlung. Die Freilegung der Fistel bedeutet klassisch die komplette Spaltung der Fistel in ihrem gesamten Verlauf und kann mit einer mehr oder minder großen Durchtrennung des Schließmuskels im Falle von transsphinktären Fisteln verbunden sein. Dies ist bis zu ca. 1/ des Schließmuskelapparates möglich,ohne dass die 3 Kontinenz leidet. Besonders bei Frauen sollte jedoch die Spaltung der Fistel mit Durchtrennung von Muskulatur nur sehr restriktiv eingesetzt werden. Bei hohem Verlauf der Fistel empfiehlt sich die Exzision mit intersphinktärer Ausräumung unter kompletter Schonung der Muskulatur. Fisteln aufgrund entzündlicher Darmerkrankungen sind mit den erwähnten Methoden schwer heilbar und Rezidive sind häufig. Eine Langzeitfadenbehandlung kann die Aktivität des Fistelleidens in der Regel aber sehr günstig beeinflussen. Im Extremfall muss eine Kolostomie oder eine Ileostomie angelegt werden. Bei rektovaginalen Fisteln stehen eine Reihe von Operationsverfahren zur Verfügung, die je nachdem, ob es sich um eine einfache (d. h. in der Regel tiefe Fistel) oder komplexe (d.h.hohe Fistel in Verbindung mit entzündlichen Darmerkrankungen, Bestrahlung, Tumoren, multiplen Voroperationen) Fistel handelt, eingesetzt werden. Das am häufigsten angewendete Verfahren zur Behandlung einfacher Fisteln ist die endorektale Verschiebelappenplastik. Die Erfolgsrate beträgt 75–100%. Die Reparation komplexer Fisteln gestattet sich aufwendig: Es kann notwendig werden, den fisteltragenden Gewebeanteil mittels einer tiefen anterioren Resektion zu entfernen. Als gut durchblutetes Gewebepolster zwischen Rektum und Vagina wird neuerdings ein gestielter TRAM (»transverse rectus abdominus muscle«-)Lappen verwendet, der in fast allen Fällen von Crohn-induzierten Fisteln eine Heilung herbeiführte. Ähnlich gute Ergebnisse hat die Leva-
35
torinterposition über einen transperinalen Zugang [Baeten 2002]. Die Rezidivrate nach Fistelchirurgie wird mit 0–17%, die Inkontinenzrate mit 3–13% angegeben. Sinus pilonidalis (Haarnestsinus, »Jeep’s disease«, Steißbeinabszess, Steißbeinfistel) Über eine Primäröffnung in der Haut der Rima ani treten abgebrochene Haare unter die Haut ein. Da die Haare Schuppen tragen, die wie Wiederhaken wirken, können sie nur in einer Richtung einwandern (Basis voraus). Subkutan sammeln sich die Haare (Haarnest). Es kommt zu Sekretion und intermittierenden Abszedierungen.Sekundäröffnungen können sich bilden, wenn ein Abszess durchbricht. Diese liegen meist nach proximal lateral, können sich aber auch nach paraanal erstrecken.In diesem Fall ist die Abgrenzung zu Analabszess oder -fistel zu treffen. Oft finden sich mehrere Primärpori in der Mittellinie. Ob diese angeboren (Neuroporus) oder erworben sind, ist nicht sicher geklärt. Vieles spricht für eine erworbene Erkrankung. Prädisponierend sind: starke Körperbehaarung, sitzende Tätigkeit, Schwitzen zwischen den Nates und schlechte hygienische Verhältnisse. Wichtig Die Bezeichung Dermoidzyste ist falsch.
Es handelt sich weder um ein Dermoid noch um eine Zyste. Die Bezeichnung Steißbeinabszess oder -fistel ist ebenso falsch, da das Steißbein selbst nicht betroffen ist [Eibl-Eibesfeldt 2002]. Therapie Bei asymptomatischem reizlosen Primärsinus kann die Depilation (oder Rasur), die sorgfältige Analhygiene und das Vermeiden von Hautmazerationen als prophylaktisch angeraten werden. Der symptomatische Pilonidalsinus wird komplett in toto exzidiert. Hierbei ist auf die Exzision des oft unscheinbaren Primärsinus zu achten. In der Regel erfolgt der Primärverschluss durch direkte Naht nach Wundrandmobilisation. Sekundärheilungen sind selten. Wird die Wunde offen gelassen ist der Heilungsverlauf wesentlich langwieriger. Der symptomatische Pilonidalsinus wird komplett in toto exzidiert [Eibl-Eibesfeldt 2002]. Pyodermia fistulans sinifika (Akne inversa, Hidradenitis suppurativa) Prädeliktionsstellen sind die Perianal-, Gluteal-, Inguinalregion, die Schamgegend, die Achsel und selten
362
III
Kapitel 35 · Krankheiten des Anorektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
auch das Kinn. Die Ätiologie, insbesondere die Frage der Beteiligung von Talgdrüsen, wird kontrovers diskutiert. Die meisten Patienten sind Raucher, Männer sind häufiger betroffen [Stelzner 1998]. Kennzeichnend sind livide erhabene Hautareale die fuchsbauartig konfluierend unterminiert sind. Bei Druck auf die Haut entleert sich aus vielen, oft unsichtbaren Pori leicht trübes Sekret. Ein süßlicher fötider Geruch besteht oft. Die Veränderungen können flächenhaft sehr ausgedehnt sein, mit systemischen Sekundärveränderungen von einer Anämie bis hin zur Amyloidose. Im Spontanverlauf können die Veränderungen oft unter Ausbildung von epithelisierten Gängen vernarben [Eibl-Eibesfeldt 2002]. Therapie Durch Exzision der betroffenen Hautareale mit nachfolgender Sekundärheilung und im Einzelfall auch Spalthautdeckung lassen sich auch ausgedehnte Bereiche sanieren. Im Narbenbereich treten keine Rezidive auf. Allerdings sind Rezidive, ausgehend von den belassenen Wundrändern oder in anderen Regionen, häufig. 35.3.3
Hämorrhoiden
Es handelt sich um arteriovenöse Gefäßkonvolute, die als weiche Kissen unter der Linea dentata angelegt sind. Sie tragen partiell zur Kontinenzfunktion bei. Als Hämorrhoidalleiden wird eine Vergrößerung der physiologischen Hämorrhoidenknoten angesehen, die zumindest bei der Defäkation in den Analkanal gepresst und dann Beschwerden verursachen. Gänzlich asymptomatische Hämorrhoiden haben, obwohl proktoskopisch sichtbar, keinen Krankheitswert.
Gefühl einer unvollständigen Endarmentleerung sowie hellrote Blutauflagerungen auf dem Stuhl angegeben. Die Diagnose wird primär proktoskopisch gestellt. Nur prolabierende Hämorrhoiden sind der Inspektion und digitalen Untersuchung zugänglich. Größere Hämorhoidenkonvolute können auch zuverlässig im Rahmen der Koloskopie bei Inversion des Gerätes im Rektum detektiert werden. Endoskopisch werden 4 verschiedene Krankheitsstadien differenziert (⊡ Abb. 35.5 und 35.6): ▬ Stadium I: proktoskopisch Nachweis von bläulichlividen Knoten (bevorzugt bei 3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage) ohne jede Prolabsneigung beim Pressen. ▬ Stadium II: proktoskopisch findet sich während des Pressversuchs eine geringe Prolabsneigung der Hämorrhoidalknoten. Nach Beendigung des Pressvorgangs findet eine selbständige und vollständige Reponierung der Knoten statt. ▬ Stadium III: nach dem Pressversuch müssen die Hämorrhoiden manuell wieder reponiert werden. ▬ Stadium IV: die Hämorrhoiden sind schon spontan prolabierend und lassen sich manuell auch nicht mehr vollständig in den Analkanal reponieren. Differenzialdiagnostisch muss hier ein Anal-(Anoderm) oder Rektum-(feuchte Rektummukosa)prolaps abgegrenzt werden.
Epidemiologie Das Hämorrhoidalleiden gilt in den westlichen Ländern als die am häufigsten auftretende Erkrankung des Analkanals. Die Prävalenz liegt in den westlichen Industrienationen zwischen 5 und 25%, und nimmt mit steigenden Alter zu (Häufigkeitsgipfel 45–65 Jahre). Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Pathomechanistisch diskutiert werden erschlafftes Bindegwebe, erhöhter Tonus des inneren Schließmuskels, chronische Obstipation, faserarme Ernährung, Alkoholkonsum und Schwangerschaft. Klinik Klinisch werden Schmerzen bei der Defäkation, ein Fremdkörpergefühl,Nässen oder Stuhlschmieren,das
⊡ Abb. 35.5. Prädilektionsstellen des Hämoorhoidalleidens in Steinschnittlage
363 35.3 · Erkrankungen des Analkanals SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
35
⊡ Abb. 35.6a–c. Stadieneinteilung des Hämorrhoidalleidens: a 1. Grades; b 2. Grades; c 3. Grades
a
Eine Sonderform ist die akute Inkarzeration: bei erhöhtem Sphinktertonus zeitweilig irreponible schmerzhafte Hämorrhoide. Therapie Therapeutisch lässt sich im Akutstadium (bei fehlender Blutungsneigung) eine rein symptomatische Linderung durch die Verwendung von antiphlogistischen Salben und Analtampons (Suppositorien mit Mullstreifen) erzielen. Eine dauerhafte Beschwerdefreiheit kann so jedoch nicht erreicht werden. Daher wird im symptomatischen Stadium I eine Sklerosierung der Hämorrhoiden vorgenommen. Sklerotherapie. Die Sklerosierungstherapie nach
Bensaude [Barnett 1995] gilt als Standardmethode. Hierzu wird unter proktoskopischer Sicht mittels einer schrägen Injektionsnadel ein Sklerosierungsmittel (z. B. 5–10% Polidocanol, Phenolmandelöl) oral der Hämorrhoidenbasis injiziert. Intramuskuläre Injektionen müssen vermieden werden. Die Injektion erfolgt über eine 10 cm lange, 20-GaugeNadel durch ein Proktoskop (⊡ Abb. 35.7). Alle 3 Prädilektionsstellen können in einer Sitzung injiziert werden. Die Behandlung sollte unter Verwendung kleinerer Injektionsvolumina fraktioniert in mehreren Sitzungen erfolgen. Meist sind mehrer Sitzungen in 2- bis 4-wöchigen Abständen notwendig. Komplikationen sind selten und meist Folge einer falschen Injektionstechnik. Zu oberflächliche Injektionen verursachen Schleimhautnekrosen oder Rektumulzera mit Schmerzen und Blutungen, die fehlerhafte intramuskuläre Injektion eines Sklerosans kann partielle oder vollständige Rektumnekrosen nach sich ziehen. Leichte allergische Reaktionen auf die Injektionslösung sind möglich.
b
c
Die Erfolgsrate liegt bei Hämorrhoiden I° und II° bei 48–75%, mit einer Rezidivrate von 15–30% innerhalb der ersten 3 Jahre [Santos 1993]. Methode nach Bond. Hier wird die Sklerosierungslösung direkt in die Submukosa des Hämorrhoidalkissens injiziert [Baeten 2002]. Dies erfolgt auf 2–3 Ebenen des Kissens, wobei pro Sitzung jeweils nur ein Kissen behandelt werden soll. Komplikation sind häufiger als bei der Methode nach Bensaude. ! Cave Alle Sklerosierungsmethoden sind in der Schwangerschaft, bei Gerinnungsstörungen, entzündlichen Darmerkrankungen oder septischen analen Erkrankungen kontraindiziert. Gummibandligatur. Als Alternative im Stadium I (vs. Sklerosierung) und III (vs. Operation) bzw. Therapie der Wahl im Stadium II steht die Gummibandligatur nach Barron zur Verfügung. Hierbei wird unter endoskopischer Sicht die Hämorrhoide in eine Stahlkammer eingesaugt und dann die Hämorrhoidenbasis mit einen Gummiband ligiert.Dies führt meist binnen 2–3 Tagen zu einer vollständigen Thrombosierung der Hämorrhoide. Auch hier sind bis zur vollständigen Hämorrhoideneradikation mehrere Sitzungen erforderlich (⊡ Abb. 35.8). Insgesamt erscheint diese Methode etwas komplikationsärmer als die Sklerosierungsbehandlung zu sein. In ca. 0,5% der Fälle ist jedoch mit massiven Nachblutungen bei der Abstossung der nekrotischen Hämorrhoiden einige Tage nach der Gummibandapplikation zu rechnen. Solche Nachblutungen wie auch massive primäre Hämorrhoidenblutungen lassen sich am besten mit der Infrarotkoagulation beherrschen. Selbst nach erfolgreicher Eradikation der Hämorrhoiden durch die genannten Techniken ist binnen 5 Jahren in bis zu 30–50% der Fälle mit einem Rezidiv
364
Kapitel 35 · Krankheiten des Anorektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 35.7a–c. Sklerotherapiemethode nach Bensaude. a Technik der submukösen Injektion oral des Hämorrhoidalkonvolutes im Bereich des zuführenden Pedikels; b korrekte Injektionslokalisation; c korrekter Aspekt nach Injektion. (Nach Baeten et al. 2002)
III
a
b
⊡ Abb. 35.8. Gummibandligatur nach Barron: Applikationstechnik durch das Protoskop. (Nach Baeten et al. 2002)
c
365 35.3 · Erkrankungen des Analkanals SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
zu rechnen.Zur Reduktion der Rezidivneigung ist eine Vermeidung harten Stuhlgangs (der intensives Pressen erforderlich macht) durch z. B. Laktulosepräparate sinnvoll. Operative Verfahren. Eine operative Hämorrhoidek-
tomie ist indiziert, wenn es sich um große prolabierende Hämorrhoiden (Stadium III und IV) handelt, ein erheblich äußerer Anteil vorliegt oder nach fehlgeschlagenen konservativen Maßnahmen. Die offene Hämorrhoidektomie nach MilliganMorgan ist die am meisten verbreitete Methode. Zur Darstellung des Operationsgebietes wird mit Gefäßklemmen, die an den äußeren Hämorrhoidenanteilen an der Haut-Schleimhaut-Grenze befestigt werden,ein Dreieck gebildet.Jede Inzision beginnt an der perianalen Haut, exzidiert die Hämorrhoide unter leichtem Zug und verjüngt sich konisch,um ausreichende Hautbrücken zu schaffen und so eine Spätstenose zu vermeiden (ausführliche Darstellung bei [Winkler 2001]). Bei vorliegender entzündlicher Darmerkrankung, portaler Hypertension, Schwangerschaft, Immunsuppression und Aids sollten alle konservativen Maßnahmen zuerst ausgschöpft werden, bevor eine Hämorrhoidektomie vorgenommen wird. 35.3.4
talbiopsie; andernfalls Inzisions- oder Stanzbiopsie) gesichert werden. Das Staging erfolgt endosonographisch sowie mittels Beckenboden-NMR.Größere Tumoren (>2 cm) und solche mit Einbruch in die Muskulatur oder begleitender Lymphknotenmetastasierung (inguinal oder kleines Becken) weisen eine ungünstigere Prognose auf. Klassifizierung und Stadieneinteilung Von der WHO wurde eine histopathologische Klassifikation erstellt. Dabei werden die Malignome nach dem Sitz im Analkanal oder am Analrand sowie nach dem histologischen Typ unterschieden. WHO-Klassifikation: Tumoren des Analkanals Intraepiteliale Neoplasie (früher Dysplasie)
– – –
Analkarzinom
Analkarzinome machen 1–2% der gastrointestinalen Malignome aus. Die Inzidenz beträgt 0,4–1,5/100.000. Analkarzinome finden sich meist im höheren Lebensalter (>60 Jahre) und doppelt so häufig bei Frauen wie bei Männern. Es handelt sich hierbei histologisch vorwiegend um Plattenepithelkarzinome, wesentlich seltener sind Basaloidkarzinome oder von den Proktodealdrüsen ausgehende Adenokarzinome nachweisbar. Als Risikofaktoren konnten neben dem Nikotinabusus u. a. häufiger Analverkehr, anale Papillomavirusinfektionen sowie andere Geschlechtskrankheiten (Gonorrhö, Herpes genitalis, Chlamydia trachomatis) identifiziert werden. Klinik und Diagnostik Klinisch bestehen meist uncharakteristische Beschwerden wie Fremdkörper- und Druckgefühl, frustrane Defäkationsversuche, Blutungen, Juckreiz und Stuhlschmieren. Inspektorisch und palpatorisch findet sich eine derbe Infiltration am Analrand oder im Analkanal. Die Diagnose muss endoskopisch-bioptisch (bei Tumoren <1 cm und isoliertem Schleimhautbefall: To-
35
Plattenepithel oder Transitionalepithel Glandulär M. Paget Karzinome – Plattenepitelkarzinom zusätzlich Beschreibung des vorwiegenden Zelltyps: großzellig verhornend, großzellig nicht verhornend, basaloides Karzinom, mit muzinösen Zysten, spindelzelliges Karzinom – Adenokarzinom – Muzinöses Adenokarzinom – Kleinzelliges Karzinom – Undifferenziertes Karzinom – Andere Karzinoide Malignes Melanom Nichtepitheliale Tumoren Sekundäre Tumoren
WHO-Klassifikation: Tumoren des Anarandes
Plattenepithelkarzinome Plattenepithelkarzinom in situ (M. Bowen) Verruköses Karzinom Andere M. Paget (extramammär)
Das Grading in Biopsien wird hier nicht empfohlen, da es nicht für den Tumor als ganzes repräsentativ ist [Sahm 2003].Wichtiger ist die TMN-Klassifikation (⊡ Tabelle 35.3, 35.4) und die UICC-Stadieneinteilung (⊡ Tabelle 35.5, 35.6).
366
Kapitel 35 · Krankheiten des Anorektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 35.3. TNM-Klassifikation der Analkanalkarzinome
III
⊡ Tabelle 35.5. UICC-Stadieneinteilung der Analkanaltumoren
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
0
Tis
N0
M0
TO
Kein Anhalt für Primärtumor
I
T1
N0
M0
Tis
Carcinoma in situ
II
T2/3
N0
M0
T1
Tumor <2 cm
IIIA
T2
Tumor >2 cm, <5 m
T1–3 T4
N0 N0
M0 M0
T3
Tumor >5 cm
IIIB
T4 Jedes T
N1 N2–3
M0 M0
T4
Tumor infiltriert Nachbarorgane (Vagina, Harnblase, Prostata; Sphinkterinfiltration gilt nicht als T4)
IV
Jedes T
Jedes N
M1
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
NO
Keine regionären Lymphknoten befallen
N1
Perirektale Lymphknoten befallen
N2
Inguinale und/oder iliakale Lymphknoten einer Seite befallen
N3
Beidseitige und/oder perirektale und inguinale Lymphknoten einer Seite befallen
MX
Fernmetastasen nicht beurteilt
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
⊡ Tabelle 35.4. TNM-Klassifikation der Analrandkarzinome TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor <2 cm
T2
Tumor >2 cm, <5 cm
T3
Tumor >5 cm
T4
Tumor infiltriert tiefe extradermale Strukturen (Knorpel, Muskel)
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Kein regionären Lymphknoten befallen
N1
Regionäre Lamphknoten befallen (als regionäre Lymphknoten gelten die gleichseitigen inguinalen Lamphknoten)
⊡ Tabelle 35.6. UICC-Stadieneinteilung der Analrandtumoren 0
Tis
N0
M0
I
T1
N0
M0
II
T2/3
N0
M0
III
T4 Jedes T
N0 N1
M0 M0
IV
Jedes T
Jedes N
M1
Therapie Die Therapie besteht initial in einer kombinierten Radiochemotherapie. Hierbei werden perkutan fraktioniert über 5 Wochen 45–50 Gy am 15 MeV-Linearbeschleuniger appliziert (4-Felder-Boxertechnik: Primärtumor inkl. pararektale, präsakrale und iliakale und inguinale Lymphknoten) mit begleitender Mitomycin/5-Fluorouracil-Chemotherapie. Kombinierte Radiochemotherapie (Mod. nach [Sahm 2003]) Chemotherapeutikum
Dosis (mg/m2KOF)
Infusionsdauer
Tage
Fluorouracil Mitomycin
1000 10
24 h i.v.-Bolus
1–4 1, 29
MX
Fernmetastasen nicht beurteilt
M0
Keine Fernmestastasen
Strahlentherapie 45–50 Gy (bis 50,4 Gy, als obere Begrenzung der Einzeldosis werden 1,8 Gy empfohlen; bei T3- und T4-Tumoren lokale Aufsättigung bis 55,8 bzw. 59,4 Gy, bei Befall der Leisten Aufsättigung bis 55,8 Gy) für 5 Wochen
M1
Fernmetastasen
▼
367 35.3 · Erkrankungen des Analkanals SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtige Nebenwirkungen Knochenmarkdepression, Leber-, Nieren-, Lungenschäden, urologische und enteritische Beschwerden, Hautausschläge. Lokal: Blutungen, Strikturen sowie Stenosen in 17% der Fälle.
35
ämie, Hypokalzämie, Hypokaliämie), Sehstörungen, Hörschäden, Leberschäden, kardiotoxische Wirkung, lokale Reaktionen (Hand-Fuß-Syndrom), Stomatitis.
Praktische Durchführung Praktische Durchführung 4–8 mg Ondasetron oder 100 mg Dolasetron oder 5 mg Tropisetron i.v. (nur am Tag 1 vor Mitomycin, sonst Metoclopramid) verabreichen. Beginn der Dauerinfusion von Fluorouracil ca. 1 h später in 500 ml 0,9%iger NaCl-Lösung (oder 5%iger Glucoselösung) sowie am Tag 1 von Mitomycin. Gabe von 5-Fluorouracil über zentralen Venenkatheder zur Vermeidung einer Phlebitis. Bei Diarrhö zunächst Loperamid, bei massiver Diarrhö Octreotid s.c. (2-mal 100 µg, ggfs. Steigerung der Dosis) applizieren. Regelmäßige Kontrolle von Blutbild, Elektrolyten, Leberenzymen, Kreatinin sowie Harnstoff.
In etwa 80–90% der Fälle ist eine (bioptisch gesicherte) Vollremission erzielbar,das 5-Jahresüberleben liegt bei ca.70%.Ob bei der Radiochemotherapie die Kombination mit Cisplatin statt 5-FU einen weiteren Vorteil bietet, bleibt in weiteren Studien zu prüfen. Bei nachweisbaren Tumorresten bzw. lokalen Rezidiven nach Radiochemotherapie oder einem Spätrezidiv kommt kurativ nur die operative abdominoperineale Exstirpation mit endständigem Kolostoma in Betracht (ausführliche Darstellung bei [Baeten 2002]). Für fortgeschrittene Stadien mit Metastasen wird eine Therapie mit Cisplatin und Flurouracil empfohlen. Therapieschema 5-FU/Cisplatin-Chemotherapie (Mod. nach [Sahm 2003]) Chemotherapeutikum
Dosis (mg/m2KOF)
Infusionsdauer
Tage
Fluorouracil Cisplatin
1000 100
24 h 60 min
1–5 1
Wichtige Nebenwirkungen Knochenmarkdepression, gastrointestinale Beschweren, Elektrolytstörungen (Hypomagnesi▼
Kreatininclearance- und Protein-im-Urin-Bestimmung sind wegen der Nephrotoxizität des Platins vor jeder Gabe von Cisplatin zu bestimmen. Vor der Gabe von Cisplatin antiemetische Therapie: 1 Amp. Ondansetron bzw. 1 Amp./1 Tabl. Dolasetron bzw. 1 Amp. Tropisetron und 20 mg Dexamethason bzw. 100 mg Prednison. Vor der Cisplatingabe sollte die Infusion von 2000 ml (750 ml 0,9% NaCl, 250 ml 0,9% NaCl und 1000 ml 5%ige Glukoselösung) jeweils mit Elektrolytzusatz (10 mval KCl/500 ml, Mg2+ 3 mmol/500 ml, 6 mmol Kalziumglukonat/500 ml) erfolgen. Nach der Cisplatingabe: 2500 ml Infusion (0,9% NaCl bzw. 5%iger Glukoselösung Verhältnis 1:1,5, jeweils mit Elektrolytzusatz 7 s. oben) Bei Abfall der Urinproduktion (<150 ml/h) bzw. Gewichtszunahme (>1 kg) Furosemid oder Mannit geben! Therapie mit Fluorouracil als Dauerinfusion über 24 h, z. B. in 130 ml 0,9% NaCl-Lösung in tragbarem Pumpensystem, nach Cisplatin verabreichen. Während der gesamten Therapiedauer: Mg2+ oral 180 mg/m2 KOF (z. B. Magnesium Verla). Während der Zyklen tägliche Kontrolle von K, Ca2+ und Mg2+ durchführen. An den Tagen 2–5 Gabe von 5-FU in kleinen Volumina. Bei der durch Fluorouracil ausgelösten Diarrhö (bei Langzeitinfusion jedoch seltener) zunächst Loperamid, bei massiver Diarrhö Octreotid (Sandostatin) s.c. (2¥100 µg, ggf. Dosissteigerung) geben.
Auch hier ist stets die Indikation zu lokalen Behandlungsmaßnahmen (Bestrahlung, Operation) zu prüfen. Bei eingeschränkter Nierenfunktion kann alternativ das weniger nephrotoxische Carboplation verabreicht werden (300 mg/m2 KOF). Nachsorge Die Patienten müssen nach Radiochemotherapie in der Zeit der Rückbildung in 6-wöchigen Abständen nachuntersucht werden (Endosonographie). Es bleiben oft Resttumoren, bei denen Residualzustände nicht von malignem Gewebe unterschieden
368
Kapitel 35 · Krankheiten des Anorektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 35.7. Nachuntersuchungschema von Patienten mit Karzinomen des Analkanals nach Radiochemotherapie oder lokaler Exzision. (Mod. nach [Sahm 2003; Leitlinien der deutschen Krebsgesellschaft 2002]) Untersuchung
Wochen
III Klinische Untersuchung, Anamnese Abdominale Sonographie Thoraxröntgenaufnahme Rektoskopie, Endosonographie MRT oder Spiral-CT des Beckens
6, dann
Monate 3
6
9
12
18
24
36
48
60
+
+ +
+
+ +
+ +
+ + +
+ +
+ + +
+
+ +
+
+ + + + +
+ +
+ +
werden kann. Frühstens 6 Wochen nach Ende der Bestrahlung sollte eine Nachuntersuchung in Narkose erfolgen, in der fragliche Resttumore biopsiert werden (Stanzbiopsie, >5 auf 3 cm Länge). Falls nicht sicher zwischen Narbe und Tumor unterschieden werden kann, sollte die ganze Narbe exzidiert werden. Zeigt die Probe kein Tumorgewebe erfolgen alle weiteren Untersuchungen (Proktorektoskopien, Endosono) in den ersten 2 Jahren vierteljährlich, danach halbjährlich. Tumormarker spielen in der Nachsorge keine Rolle (⊡ Tabelle 35.7). 35.3.5
Kondylomata accuminata (Feigwarzen, spitze Kondylome)
Es handelt sich um eine Infektion mit humanem Papillomavirus (Typ 6 und 11), die Bereich der Anogenitalregion zu Warzen und Exophyten unterschiedlicher Größe führt. Die Erkrankung zählt zu den häufigsten sexuell übertragenen Krankheiten (analer Geschlechtsverkehr). Die Erkrankungshäufigkeit liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Ein Großteil der Patienten ist HIV-positiv. Klinik und Diagnostik Klinisch präsentiert sich die Erkrankung in kleinen bis erbsgroßen, aber auch blumenkohlartig konfluierenden Tumoren, teils mit filiformen Ausziehungen (perianal bzw. genital). Eine Extremvariante ist der Buschke-Löwenstein-Tumor, eine Präkanzerose, die in bis zu 56% maligne entartet.
-
Wichtig Berennender Juckreiz gilt als Hauptsymptom.
Diagnostisch genügt der typische makroskopische Aspekt, dennoch sollte zum Ausschluss von Dysplasie bzw. Karzinomentwicklung biopsiert werden. Therapie Bei kleineren Läsionen kann lokal Podophyllin-Lösung, bei unzureichendem Erfolg Imiquimod 5% angewandt werden. Diese Therapie kann allerdings zu unangenehmen Hautirritationen führen, da die Kondylomata in feucht-warmen Hautfalten liegen. Die radikale Exzision mittels Kryo-, Laser- oder Elektrotherapie erscheint erfolgsversrechender, erfordert allerdings mehrere Sitzungen. Rezidive, insbesondere bei HIV-positiven Patienten – hier bis zu 66% – sind häufig. Als Langzeitkomplikation gilt das Analkarzinom [Wienert 1999]. Bisher ist sytemische Gabe von a-Interferon nur in wenigen Studien belegt. Es werden Erfolgsraten bis 80%, allerdings Rezidive bis 15% beschrieben [Fleshner 1994]. Größere Läsionen bedürfen einer chirurgischen Entfernung. 35.4
Erkrankungen des Rektums
35.4.1
Solitäres Rektumulkus
Meist scharf abgegrenztes, rundes oder ovales Ulkus überwiegend an der Rektumvorderwand gelegen. Die exakte Pathogenese ist nicht bekannt, es scheint bei Patienten mit chronischer Obstipation und der Notwendigkeit von starkem Pressen bei der Defäkation gehäuft aufzutreten. Anmamnestisch findet sich auffallend häufig ein Rektumprolaps ( s. unten). Klinisch handelt es sich gelegentlich um einen Zufallsbefund, als Symptome werden das Gefühl der unvollständigen Entleerung sowie ein Fremdkörpergefühl angegeben.
369 35.4 · Erkrankungen des Rektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die Diagnose wird endoskopisch-bioptisch gestellt: Histologisch findet sich neben der Mukosaerosion charakteristischerweise eine fibromuskuläre Obliteration der Lamina propria sowie eine Hypertrophie der Muscularis mucosae. Zur Behandlung eignen sich 5-ASA-Suppositorien (z. B. Salofalk 2¥1 Supp./Tag für 2 Wochen) sowie eine Stuhlgangregulierung mit z. B. Laktulosepräparaten. Nach fehlgeschlagener konservativer Therapie sind die beim Rektumprolaps gängigen operativen Verfahren indiziert, die den bei Ulcus simplex häufig begleitend vorliegenden inneren Prolaps korrigieren. Eine Exzision selbst führt allein nicht zur Heilung, sie kann aber notwendig sein, um differenzialdiagnostisch ein Karzinom auszuschließen. 35.4.2
Rektumprolaps
Der Rektumprolaps bedeutet eine graduales Vorfallen sämtlicher Wandsichten des Rektums bis vor den inneren Analkanleingenag (innerer Prolaps) bzw. den fixierten Anus (äußerer Prolaps). Der zugrunde liegende Pathomechanismus ist unklar. Bisher wurde kein eindeutiger Zusammenhang zu Traumata, Anomalien oder Obstipation nachgewiesen. Kinder unter 3 Jahren (Jungen > Mädchen) und Erwachsene >50 Jahre (Frauen:Männer = 5:1) sind häufiger betroffen.
35
Zystozele, Rektozele, Enterozele, Inkontinenz und Obstipation sowie der Komorbidität des Patienten bestimmt. Die chirurgischen Ziele sind: ▬ Resektion von überschüssigem Kolon; ▬ Fixierung des Rektums an das Sakrum; ▬ Beseitigung von Inkontinenz und Obstipation. Grundsätzlich werden perineale und transabdominelle Verfahren unterschieden. Da viele Patienten fortgeschrittenen Alters sind (mit einem entsprechend erhöhten Operationsrisiko), wird für dieses Kollektiv ein perineales Operationsverfahren (nach Delorme) empfohlen, das der gleichzeitig bestehenden Inkontinenz durch die Plikation der Rektumwand entgegenwirkt. Dieses Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es in Regionalanästhesie ausgeführt werden kann und die postoperative Rekonvaleszenz sehr schnell erfolgt. Die Rezidivrate des Rektumprolapses beträgt allerdings bis zu 25%, die Chance, die Inkontinenz günstig zu beeinflussen, liegt für perineale Verfahren bei 45–60%. Abdominelle Verfahren (Ripstein, Wells) fixieren das Rektum präsakral unter Verwendung von Fremdmaterial (»Ivalon sponge«, Marlex) in Kombination mit Resektionen redundanter Kolonanteile und können laparoskopisch durchgeführt werden. Die Rezidivrate des Prolaps beträgt hier 0–13%, während die Kontinenzleistung in 60–90% zunimmt.
Rektozele
Klinik und Diagnostik Subjektives anales Druck- bzw. Fremdkörpergefühl bis hin zu Inkontinenzerscheinungen oder oft inkompletter Evakuation sind die Hauptsymptome. Weiterhinhin beschrieben sind obstruktive Darmentleerungsstörungen mit Obstipation, gelegentlich auch Durchfall und Blutabgänge. Im Gegensatz zu Analprolaps (radiäre Fältelung) finden sich stets zirkuläre Schleimhautfalten. Meist besteht einer schlaffer Sphinktertonus. Bei 80–88% der Patienten mit einem Rektumprolaps werden unterschiedliche Grade von Inkontinenz angetroffen ( s.u.). Diagnostisch hilfreich erweisen sich Pressversuch, Proktorektoskopie (solitäres Rektumulkus) sowie die Defäkographie zum Ausschluss eines inneren Prolaps. Präoperativ ist zum Ausschluss zusätzlicher Erkrankungen eine Koloskopie empfehlenswert.
35.4.3
Therapie Die Wahl des operativen Verfahrens wird vom Ausmaß des Prolapses und seinen Begleitsymptomen wie
Therapie Ballaststoffreiche Kost bzw.Laktulose mit dem Ziel einer Stulregulierung als erster Schritt. Bei Therpiever-
Es handelt sich um eine Herniation der Rektumwand bei Defäkation, häufiger nach anterior, seltener nach posterior. Durch eine Levtorlücke meist in Kombination mit Descensus uteri kommt es zur Herniation der vorderen Rektumwand in die hintere Scheidenwand, wodurch Stuhl in der Rektozele verbleibt.Nahezu ausschließlich sind Frauen betroffen. Klinik und Diagnostik Es besteht subjektive das Gefühl der unvollständigen Entleerung, Druck im anorektalen Bereich. Die Patienten beschreiben schafskotarige Stuhlentleerungen und »Nachschmieren«. Diagnostisch wegweisend ist die Defäkographie zur Darstellung der Rektozelle.
370
Kapitel 35 · Krankheiten des Anorektums SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
sagen chrirurgische Intervention mit Resektion oder Raffung der vorderen Rektumwand. 35.4.4
III
Proktalgia fugax
Es bestehen intermittierende (meist nur über 1–3 min anhaltend kolikartige rektale Schmerzen) ohne organisches Korrelat, deren spezifische Genese bis heute weitestgehend unklar geblieben sind (am ehesten vegetativ-funktionelle Erkrankung, fraglich Gefäßspasmen).Während der Schmerzattacken besteht ein ausgeprägter Sphinkterhypertonus. Der Erkrankungsgipfel liegt im 40.–50. Lebensjahr. (Männer:Frauen = 2:1). Oft assoziiert mit Migräne und Reizdarmsyndrom. Therapie Therapie der Wahl sind daher lokale Nitratapplikationen (Nitroglycerin als 1%ige Salbenzubereitung) zur Relaxation des Analsphinkters. Weiterhin empfohlen: Wärmekissen, Sitzbad, psychosomtische Mitbehandlung. Meistens sind Frauen im mittleren Lebensalter betroffen. Nicht selten findet man eine lavierte Depression. 35.4.5
Kokzygodynie
Charakteristisch sind intermittierend auftretende Schmerzen im Bereich des Steißbeins und des terminalen Mastdarms. Die Pathogenese ist unklar. Diskutiert werden urologische bzw. gynäkologische Affektionen, Prellungen, Hypermobilität des Steißbeins, rheumatische Erkrankungen, neuralgie und depressive Komponenten. Therapie Es findet sich kein einheitliches therapeutisches Konzept. Vorgeschlagen werden Sitzbäder, Fangopackungen, Sposmolytika, Antirheumatika bis hin zur Infilration des präkokzygealen Raumes mit Lokalanästhe-
tika. Auch hier erscheint eine psychosomatische Therapie angezeigt.
Literatur Bacher H et al. (2000) Lokale Anwendung von Nitiglyzerinsalbe zur Behandlung von Nanlfissueren. Eine Alternative zur chirurgischen Therapie? Coloproctology 22: 35–38 Baeten GGMI, Beglinger C, Curti G et al. (2002) Proktologie. In: Harder F, Siewert JR, Rothmund M (Hrsg) Praxis der Viszeralchirurgie. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 571–635 Brisinda G, Maria G, Bentivoglio AR et al. (1999) A comparison of injections of botulinum toxin and topical nitroglycerin ointment for the treatment of chronic anal fissure. N Engl J Med 341: 65–69 Brisinda G, Maria G, Sganga G et al. (2003) Effectiveness of higher doses of botulinum toxin to induce healing in patients with chronic anal fissures. Surgery 131: 179–184 Eibl-Eibesfeldt B (2002) Proktologie. Internist 43: 231–251 Fleshner PR, Freilich MI (1994) Adjuvant interferon for anal condyloma. A prospective, randomized trial. Dis Colon Rectum 37: 1255–1259 Keighley M,Williams N (1993) Surgery of the anus, rectum and colon. WB Saunders, Philadelphia Oettle GJ (1997) Glyceryl trinitrate vs. sphincterotomy for treatment of chronic fissure-in-ano: a randomized, controlled trial. Dis Colon Rectum 40: 1318–1320 Sahm S, Caspary WF (2003) Analkarzinome. In: Sahm A, Caspary WF (Hrsg) Gastroenterologische Onkologie. Schattheuer, Stuttgart, S 154–164 Santos G, Novell JR, Khoury G et al. (1993) Long-term results of large-dose, single-session phenol injection sclerotherapy for hemorrhoids. Dis Colon Rectum 36: 958–961 Stein E (2003) Proktologie. Lehrbuch und Atlas. Springer, Berlin Heidelberg New York Stelzner F (1998) Chirurgie an viszeralen Abschlusssystemen. Thieme, Stuttgart New York Wienert V (1998) Krankheitsbild des Analekzems. Coloproctology 20: 247–250 Wienert V (1999) Krankheitsbild der Feigwarzen in der anorektalen Region. Coloproctology 21: 38–41 Winkler R (2001) Hämorrhoiden. Zur Wertung der verschiedenen chirurgischen Verfahren. Chirurg 72: 660–666
36 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Stomaversorgung – Ileostomie, Kolostomie Beate Stumpf 36.1
36.2
Perioperatives Vorgehen
36.2.1 36.2.2 36.2.3
Präoperative Stomamarkierung – 372 Stomaoperation – 373 Postoperative Stomaversorgung – 373
36.3
Stomapflege
36.3.1 36.3.2
Grundlagen – 373 Materialien zur Stomaversorgung
36.4
Die Irrigation
36.5
Stoma und Ernährung
– 374
36.6
Stomakomplikationen
– 376
36.7
Schlussbemerkungen
Literatur
>>
Indikation zur Stomaanlage und zu den Stomaarten – 372 – 372
– 373 – 373
– 374
– 376
– 376
In unserer Gesellschaft sind Ausscheidungen und die damit verbundenen Gerüche und Geräusche tabuisiert. Ferner ist nur der erfolgreich – Suggerierung durch die Medien! – der einen schönen makellosen Körper hat. Der stomabetroffene Patient ist neben der Grundkrankheit noch zusätzlichen Belastungen durch das veränderte Körperbild und der zusätzlichen Scham (Inkontinenz) ausgesetzt. Um eine bestmögliche Rehabilitation zu gewährleisten, bedarf es viel Einfühlungsvermögen, professionelle Begleitung und Beratung – und dies von Anfang an!
372
Kapitel 36 · Stomaversorgung – Ileostomie, Kolostomie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
36.1
III
Indikation zur Stomaanlage und zu den Stomaarten
Das Wort »Stoma« bedeutet Öffnung und wird im Volksmund als »künstlicher Darmausgang« bezeichnet. Ein Stoma kann notwendig werden, wenn ▬ die natürliche Darmpassage behindert ist (z. B. tumorbedingt), ▬ eine entzündliche Darmerkrankung besteht oder ▬ eine Darmanastomose geschützt werden muss. Je nach Indikation wird ein Stoma temporär, permanent oder palliativ angelegt. Doppelläufige Stomaanlage bedeutet, dass eine Darmschlinge durch die Bauchdecke über das Hautniveau ausgeleitet wird und die Darmvorderwand durchtrennt wird. Dadurch ergeben sich 2 Öffnungen. Aus dem After kann zeitweise Schleim oder Wind abgehen, da der ausgeschaltete Darm Schleim und abgestoßene Zellen weiterhin fördert. Die doppelläufigen Stomaanlagen werden in der Regel wieder verschlossen (⊡ Tabelle 36.1). Bei der endständigen Stomaanlage wird nur ein Darmschenkel aus der Bauchdecke ausgeleitet und der aborale Schenkel entfernt oder blind verschlossen (Hartmann-Operation).
36.2
Perioperatives Vorgehen
36.2.1
Präoperative Stomamarkierung
Für eine bestmögliche Lebensqualitiät mit Stoma ist erste Voraussetzung ein gut sichtbares pflegefreundliches Stoma! Daher ist die Stomamarkierung präoperativ unverzichtbar! Wichtig Die günstigste Stomaposition muss im Liegen, Sitzen, Stehen und Bücken bestimmt werden und mit Markierungstinte angezeichnet werden.
Der Betroffene muss sein späteres Stoma sehen können, um es ohne fremde Hilfe zu versorgen. Die Markierung sollte außerdem fern von Falten, Narben und Knochenvorsprüngen vorgenommen werden, um die spätere Haftung der Basisplatte nicht zu beeinträchtigen. Ebenso ist eine glatte Haftfläche von mindestens 7,5¥7,5 cm notwendig.Kleidungsgewohnheiten sollten bei der Wahl der Stomaposition soweit möglich berücksichtigt werden (z. B. Hosen- und Rockbund beachten!).
⊡ Tabelle 36.1. Stomaarten, Lokalisation und häufigste Indikation Stomaart
Stomalokalisation und Stuhlkonsistenz
Häufigste Indikation
Ileostomie
Rechter Unterbauch
Entzündliche Darmerkrankungen
Endständig
Pfählungsverletzungen Mesenterialinfarkt Atresien des Darmes (selten) M. Hirschprung Dysplasien des Darmes
Doppelläufig
Flüssige Ausscheidung (ca. 700–900 ml)
Anastomosenschutz Nekrotisierende Enterokolitis (Frühgeborene) Verschluss von tiefer gelegenen Darmabschnitten durch inoperable Tumore
Kolostomie
Rechter oder linker Oberbauch
Anastomosenschutz
Transversostomie, doppelläufig
Breiige Ausscheidung
Palliativoperation bei tiefer sitzenden inoperable Tumoren Darmperforation
Sigmakolostomie
Fest, geformte Ausscheidung
Tief sitzendes Rektumkarzinom
373 36.3 · Stomapflege SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
36.2.2
Stomaoperation
Das Stoma sollte rund sein,um eine spätere industriell vorgefertigte Basisplatte verwenden zu können. Gerade älteren Menschen fällt es sehr schwer eine Basisplatte zuzuschneiden, wie es bei einem ovalen Stoma notwendig wäre. Das Kolostoma sollte eine Prominenz von mindestens 1–1,5 cm haben, um eine gute Abdichtung zu gewährleisten. Zu bedenken ist, dass häufig nach einer Kolostomaanlage wegen eines Karzinoms eine Chemo- oder Stahlentherapie erforderlich ist und dann mit Diarrhöen gerechnet werden muss. Das Ileostoma sollte wegen der aggressiven und flüssigen Ausscheidung eine Prominenz von 2 cm haben. 36.2.3
Postoperative Stomaversorgung
Bereits im Operationssaal wird das Stoma mit einem sog. postoperativen Versorgungssystem versorgt. Die Basisplatten sind ausschneidbar von 70–100 mm und bestehen aus hautfreundlicher Haftgelatine. Das Beutelsystem sollte aus einer 2-teiligen Versorgung mit Basisplatte und einem Beutel oder einem Deckel bestehen, um jederzeit eine Inspektion oder Manipulation am Stoma zu erlauben, ohne die Versorgung wechseln zu müssen. Der erste Versorgungswechsel sollte – abhängig von der Ausscheidung und der Stomaart – ca. am 3. Tag erfolgen.
36
exakt mit dem Stoma abschließt und die Haut abdeckt um Hautirritation zu vermeiden. Bei flüssiger Ausscheidung oder Hautunebenheiten haben sich zum zusätzlichen Abdichten Stomapaste oder Modellierstreifen bewährt. 36.3.2
Materialien zur Stomaversorgung
Stomaartikel sind Hilfsmittel, werden von der Krankenkasse erstattet und belasten nicht das ärztliche Budget. Einteilige Versorgungssysteme Kolostomiebeutel mit integriertem Kohlefilter Beutel und Hautschutzplatte sind miteinander verschweißt, der Kohlefilter lässt Darmgase geruchsfrei entweichen (bei normaler Darmgasentwicklung und fester Ausscheidung ca. 12 h wirksam). Indikation. Endständige Kolostomie, Ausscheidung
sollte fest/geformt sein. Aufgrund des hautfreundlichen Haftmaterials sind 3 Wechsel/Tag möglich. Ausstreifbeutel mit integriertem Filter und Hautschutzplatte Das Beutelende ist geöffnet und wird nach der Entleerung wieder mit einer Verschlussklammer verschlossen. Indikation. Bei flüssiger Ausscheidung.
36.3
Stomapflege
36.3.1
Grundlagen
Die Reinigung der peristomalen Umgebung erfolgt mit weichen Vlieskompressen und Wasser. Ph-hautneutrale Seife kann bei Kontamination der peristomalen Haut mit Stuhl verwendet werden. Benzin, fetthaltige Salben, Öle und Pflegeschaum sind wegen Verursachung von Hautreizung oder Überfettung der Haut ungeeignet. Farbstofflösungen sind sowohl in der Stomaversorung als auch in der Wundversorgung wegen ihrer Toxizität obsolet. Bei Haarwuchs im peristomalen Bereich ist eine regelmäßige Rasur notwendig, um die Haftung nicht zu gefährden und einer Follikulitis vorzubeugen. Die Basisplatte muss so ausgeschnitten werden, dass sie
Versorgungswechsel sollte wegen dem dünnen Hautschutz 1-mal/Tag erfolgen. Zweiteilige Versorgungssysteme Bestehen aus einer Basisplatte mit einem separatem Beutel. Basisplatte und Beutel werden mittels Rastringsystem miteinander verbunden. Die separaten Beutel stehen in verschiedenen Größen in offener oder geschlossener Form zur Verfügung. Indikation. Für Stomabetroffene mit mehr als 3 Ausscheidungen/Tag und für alle Betroffenen, die die Basisplatte nicht täglich wechseln wollen. Die Basisplatte kann mehrere Tage auf der Haut belassen werden.
Konvexe Versorgungssysteme Konvexe Versorgungssystem gibt es ein- oder zweiteilig,sie besitzen eine Wölbung der Basisplatte (je Firma verschiedene Tiefe).
374
Kapitel 36 · Stomaversorgung – Ileostomie, Kolostomie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Indikation. Bei retrahierten Stomaanlagen zur besse-
ren Abdichtung (Cave: Gefahr von Druckstellen).
III
Stomazubehör Stomakappen Stomakappen sind kleine, diskrete pflasterähnliche Abdeckungen. Sie sind einteilig und bestehen aus Hautschutzmaterial, teilweise mit kleinem Reservoir. Indikation. Kurzzeitversorgung für Kolostomieträger,
diskrete Abdeckung nach Irrigation. Hautschutzpaste Die Paste enthält Alkohol und dient zum Abdichten von Hautunebenheiten um den Stomabereich und hat sich zum zusätzlichen Abdichten bei flüssiger Ausscheidung bewährt. Modellierstreifen Sie haben dieselbe Funktion wie Stomapaste enthalten jedoch keinen Alkohol und kommen bei empfindlicher Haut oder bereits bestehender Hautmazeration zum Einsatz.
Haut muss danach gründlich mit Wasser gereinigt werden! 36.4
Die Irrigation
Irrigation ist das Auslösen einer Massenperistaltik des Dickdarms durch das Einspülen körperwarmen Wassers. Der Betroffene kann eine nahezu komplette Entleerung seines Dickdarmes provozieren und erzielt dadurch eine ausscheidungsfreie Zeit von mindestens 24 h. Vorraussetzung. Patienten mit endständigen Sigmoidostomien bei gutem AZ und Kreislaufzustand und guter Compliance. Vorteile. Ausscheidungsfreie Zeit von mindestens 24 h. Dies ermöglicht eine diskrete Versorgung mit Stomakappen bei gleichzeitiger Reduzierung der Darmgase (weniger lästige Geräusche im alltäglichen Leben). Kontraindikationen. Divertikulitis, Strahlentherapie
Stomagürtel Ziel der Stomagürtel ist es, die Basisplatte zusätzlich an die Haut anzudrücken.Ihr Haupteinsatzgebiet sind retrahierte Stomata oder Stomata in Falten. Cave: Gefahr von Druckulzera peristomal!
(wegen Durchfällen meist nicht wirksam), hochdosierte Chemotherapie, ausgeprägte Hernie, Syphonbildung. 36.5
Pflasterlöser (Dermasol) Sie werden zum Ablösen der Stomaversorgung oder zum Entfernen von Kleberückständen verwendet.Die
Stoma und Ernährung
Eine allgemeingültige Stomadiät gibt es nicht! Dennoch gibt es einige Grundregeln, die für eine bessere
⊡ Tabelle 36.2. Diätetische Einwirkungen auf die Funktion des Stomas Geruchssteigernd
Vermehrte Gasbildung
Stuhleindickung
Lockerer Stuhl
Bohnen Spargel Brokkoli Brüssler Sprotten Blumenkohl Kohl Eier Fisch Zwiebel Einige Gewürze Radieschen Spinat
Bohnen Bier, Soda Brokkoli Brüssler Sprotten Blumenkohl Kohl Mais Gurken Pilze Erbsen Toastbrot Joghurt
Apfelbrei Bananen Käse Gekochte Milch Marshmallows Nudeln Erdnussbutter Brezeln Reis Brot Grünes Blattgemüse Spinat
Grüne Bohnen Bier Brokkoli Frisches Obst Grapefruitsaft Rohes Gemüse Pflaumen Gewürze Gebratene Speisen Schokolade
375 36.5 · Stoma und Ernährung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
36
⊡ Tabelle 36.3. Die häufigsten Stomakomplikationen Aussehen/Symptome Hautmazeration Rötung der Haut bis zum Verlust der obersten Epidermisschicht
Stomaprolaps Hervortreten aller Schichten des Darms aus der Bauchdecke mehr als 3 cm
Ursache
Maßnahmen
Reizung der Haut durch mechanische, chemische oder enzymatische Einflüsse Zu häufiges Beutelwechseln (z. B. Kolostomieträger mit Diarrhö) Undichte Stomaversorgung (z. B. Versorgung eines retrahierten Stomas mit planer Basisplatte) Unzureichende Stomapflege oder zu großer Plattenausschnitt Ungenügender Plattenwechsel
Ursache feststellen, je nach Ursache:
Unzureichende Fixierung des Darmes Zu große Inzision
Konservative Maßnahmen: Anfertigung einer Prolapsplatte (durch einen Bandagisten) Starkes Heben oder Pressen des Patienten ausschließen Operative Korrektur unter Berücksichtigung der Prognose möglich
Intraabdominelle Druckerhöhung (z. B. durch einen Tumor) Große Mobilität des Darmes Peristomale Hernie Vorwölbung der Bauchdecke im peristomalen Bereich
Patienten auf Ausstreifbeutel umstellen Patienten ggf. auf konvexe Versorgung umstellen Ursache der Undichtigkeit beheben Wechselintervall verkürzen
Zu große Faszienöffung für die Stomaanlage Bindegewebeschwäche
Prophylaxe: Patient informieren nicht mehr als 10 kg zu heben! Leibbinde bei körperlicher Anstrengung (Bandagist stellt Leibbinden mit Aussparungen für das Stoma her)
Evtl. Schmerzen
Stomaanlage außerhalb des Rektusmuskels
Operative Maßnahme je nach Befund und Leidensdruck: hohe Rezidivrate!
Gefahr der Inkarzeration
Stomaanlage in Inzision
Evtl. Stuhlentleerungsstörung
Zu groß angelegte Austrittspforte für das Stoma Zu starkes Heben Starke Gewichtszunahme
Stomastenose Verengung der Faszie; das Stoma kann nicht mehr mit dem Finger passiert werden (häufig in Verbindung mit einer Retraktion) Bleistiftförmige Stühle Durchfälle, fontänenartige Stuhlentleerung Stomaretraktion Stoma liegt unter Hautniveau
Zu enge Faszie Peristomale Abszesse, Fisteln, dadurch narbige Abheilung
Konservative Maßnahme/Prophylaxe: Korrekte Stomapflege um Entzündungen zu vermeiden Bei retrahiertem Stoma konvexe Stomaversorgung und Gürtel
Ausgerissenes Stoma
Mittelfristig ist eine Stomaneuimplantation notwendig
Stoma unter Hautniveau Zustand nach Nekrosen Während der Operation wird der Darm unzureichend mobilisiert und unter Spannung eingenäht Unzureichende Fixierung des Darmes und dadurch Ausreißen der Naht und Retraktion des Stomas Postoperative Nekrose und Wundheilungsstörung
Konservative, pflegerische Maßnahme: Stomaversorgung mit konvexer Basisplatte und Gürtel Regelmäßige Kontrolle wegen der Gefahr der Druckstellen erforderlich! Bei ensprechender Indikation Irrigation ggf. Stomakorrektur, z. B. bei Ileostomie
376
Kapitel 36 · Stomaversorgung – Ileostomie, Kolostomie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Lebensqualität der Betroffenen – z. B. durch geregelte Ausscheidung oder weniger unkontrollierten Blähungen – sorgen können.
III
Ernährung bei Ileostomie Aufnahme von ausreichend Flüssigkeit ca. 2,5 l/Tag
Mechanische Verlegung vermeiden – Vorsicht
bei Nüssen, Spargel, zähem Fleisch, Pilzen, Kohlrabi, Mais Nahrung gut kauen und langsam essen Günstig sind mehrere kleine regelmäßige Mahlzeiten Keine späten Abendmahlzeiten (nächtliches Beutelentleeren wird reduziert) Getränke und Speisen, die Stomareizungen auslösen können, sollten gemieden oder reduziert werden
Ernährung bei Kolostomie Führen eines postoperativen Ernährungsprotokolls (Testen der Speisen). Blähende Nahrungsmittel und Speisen, die Durchfälle verursachen können, werden so herausgefunden und können bei gesellschaftlichen Anlässen weggelassen werden (individuell verschieden) Regelmäßige Nahrungsaufnahme bewirkt regelmäßige Darmentleerung! Falls keine Kontraindikation besteht, sollten Sigmakolostomieträger irrigieren!
Diätetische Einflüsse auf die Funktion des Stomas ⊡ s. Tabelle 36.2. 36.6
Stomakomplikationen
peutin und/oder Operateur sind unverzichtbar. Das Stoma selbst muß intraoperativ pflegefreundlich angelegt werden um eine einfache Versorgung zu gewährleisten! Postoperativ ist eine geduldige Anleitung mit dem individuellen Versorgungssystem und eine ausführliche Beratung notwendig, um die Selbständigkeit und das Selbstwertgefühl wieder zu steigern. Speziell ausgebildete Stomatherapeuten, die sich um die Belange der Stomaträger kümmern sind an den Kliniken leider noch zu selten! Da das Stoma eine künstliche Öffnung ist und zu Störanfälligkeiten neigt, ist eine regelmäßige Kontrolle durch den Arzt und den Stomatherapeuten notwendig. Einen unverzichtbaren Beitrag zur Wiedereingliederung der Betroffenen leistet die Ilco (Selbsthilfegruppe für Stomabetroffene). Die Ilco bietet bereits in der Klinik Besucherdienste, um den betroffenen Menschen das Leben mit dem Stoma zu demonstrieren. Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, geht das Leben auch mit Stoma weiter! Wichtige Adressen Deutsche Ilco e.V Landshuter Str. 30, 85356 Freising Telefon: 08161/934301 Telefax: 08161/34304 e-mail: deutsche.ilco@t-online-de DVET Fachverband Stoma und Inkontinenz e. V. Virchowstraße 14 38642 Goslar Telefon:05321/51080 Telefax: 05231/389514 e-mail:
[email protected]
Die wichtigsten Stomakomplikationen sind in ⊡ Tabelle 36.3 zusammengefasst.
36.7
Schlussbemerkungen
Die Rehabilitation des Stomabetroffenen beginnt bereits vor der Operation und ist eine Herausforderung des ganzen therapeutischen Teams. Präoperative ehrliche Aufklärung durch den Chirurgen, pflegerische Beratung und Stomamarkierung durch Stomathera-
Literatur Feil-Peter H (2001) Stomapflege. Schlüter, Hannover Boelker T, Webelhuth W (1996) Durch dick und dünn – Das Buch für Stomapflege und Harnableitung. Schmücker, Menden Peters-Gawlik M (1998) Praxishandbuch Stomapflege – Beratung, Betreuung und Versorgung Betroffener. Ullstein Medical Winkler R (1993) Stomatherapie. Thieme, Stuttgart
IV SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Peritoneum 37
Peritonitis M. Sachs
– 379
38
Intraabdominelle Abszesse M. Sachs, T. Vogl
– 388
37 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Peritonitis M. Sachs 37.1
Definition und Pathophysiologie
37.2
Klinik
37.2.1 37.2.2 37.2.3
Klassifikationen – 380 Ursachen – 380 Klinik – 382
37.3
Diagnostik
>>
– 380
– 383
37.4
Therapie
37.4.1 37.4.2 37.4.3
Medikamentöse Therapie – 383 Chirurgische Therapie – 384 Prognose – 386
Literatur
– 380
– 383
– 387
Die Peritonitis ist eine Erkrankung von großer klinischer Problematik, da die Letalität der Patienten trotz Fortschritten in der chirurgischen Behandlung und in der Intensivmedizin, abhängig von Ätiologie und Erkrankungsstadium, 10–40% beträgt. Da es sich bei dem klinischen Syndrom »Peritonitis« nur um einen Sammelbegriff für ätiologisch, pathophysiologisch und morphologisch unterschiedliche Erkrankungen handelt, ist es bisher in der Literatur nicht gelungen eine allgemein akzeptierte, einheitliche und klinisch praktikable Klassifikation der verschiedenen Peritonitisformen aufzustellen. Die Therapie der seltenen primären Peritonitis (spontan bakterielle Peritonitis, CAPD-Peritonitis) ist konservativ (Antibiotika), der viel häufigeren sekundären Peritonitis grundsätzlich chirurgisch (Beseitigung der Ursache, Spülung der Bauchhöhle).
380
Kapitel 37 · Peritonitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
37.1
IV
Definition und Pathophysiologie
DEFINITION Es handelt sich bei der Peritonitis um eine diffuse oder lokalisiert auftretende und in der Regel klinisch akut verlaufende Entzündung des Peritoneums, die meist bakteriell oder chemischtoxisch bedingt ist.
Auf molekularer Ebene wird die endotoxinbedingte Freisetzung von Mediatoren für die systemischen Effekte (Temperaturerhöhung, vermehrter Volumenbedarf bei weitgestellter Gefäßperipherie, DIC, ARDS, MOF) bei Peritonitis verantwortlich gemacht. Bakterien oder bakterielle Stoffwechselprodukte führen nach Kontakt mit Leukozyten oder Endothelzellen zu einer Aktivierung dieser Zellen, wodurch Mediatoren – Prostaglandine, Leukotriene, Thromboxane, Leukozytenelastase, Komplementfaktoren, Sauerstoffradikale,Histamin,Serotonin,Kinine – freigesetzt werden. In zahlreichen experimentellen Untersuchungen wurde die Bedeutung jedes dieser Faktoren herausgestellt. Klinische Relevanz könnte die Bestimmung des Endotoxinspiegels haben; die Konzentration von Endotoxin im Plasma und besonders im Peritonealexsudat weist eine Korrelation zum Schweregrad der Erkrankung und zum klinischen Verlauf (unkomplizierte Peritonitis, septischer Schock) auf. Das entzündete Bauchfell wirkt offenbar als biologische Barriere,denn hohe Endotoxinkonzentrationen im peritonealen Exsudat sind mit vergleichsweise niedrigen Konzentrationen im Plasma verbunden. 37.2
Klinik
37.2.1
Klassifikationen
Das klinische Syndrom »Peritonitis« ist zu vielseitig und vielgestaltig, um sich in ein Schema zwängen zu lassen.Grundsätzlich beruhen die bisher publizierten, klinisch anwendbaren Peritonitisklassifikationen auf 5 verschiedenen Einteilungskriterien: ▬ Klinischer Verlauf (akute bzw. chronische Peritonitis), ▬ pathologisch-anatomischer Befund (⊡ Abb. 37.1), aufgrund der Natur des entzündlichen Exsudats (serosa vs. fibrinosa vs. haemorrhagica vs. purulenta vs. putrida vs. sterkorale vs. gallig vs. adhaesiva) bzw.
der Ausdehnung in der Bauchhöhle
diffusa (»4-Quadranten-Peritonitis, gesamte Bauchhöhle) vs. circumscriptiva (Umgebung der Infektionsquelle) vs. intraabdomineller Abszess. Bei unterschiedlicher Ätiologie und Pathogenese ist die Reaktion des Peritoneums unspezifisch. ▬ Ätiologische Faktoren (⊡ Tabelle 37.1), ▬ klinischer Zustand des Patienten bei der Diagnosestellung, Schweregrad der Erkrankung (⊡ Tabelle 37.2). Eine solche Einteilung ist wichtig für Therapievergleiche verschiedener Kliniken,denn ein solcher Vergleich setzt hinsichtlich der Schwere der Krankheitsbilder und der Anzahl der Risikofaktoren ähnliche Patientenkollektive voraus. Unter den bisher entwickelten Scoresystemen, die sich allerdings in der Praxis nicht durchgesetzt haben, werden der APACHE II und der MPI (Mannheimer Peritonitisindex; ⊡ Tabelle 37.3) für wissenschaftliche Fragestellungen häufig verwendet. ▬ Mikrobiologischer Befund, klinisch sinnvoll erscheint nur die grobe Einteilung (bakterielle bzw. nichtbakteriellbedingte Peritonitis; ⊡ Tabelle 37.4). Die Einteilung der Peritonitiden nach den verursachenden Erregern hat sich klinisch nicht bewährt, da meistens eine Mischinfektion vorliegt. 37.2.2
Ursachen
In ⊡ Tabelle 37.1 sind die häufigsten Ursachen der primären und der sekundären Peritonitiden aufgeführt. Während bei der primären Peritonitis (spontan bakterielle Peritonitis) im Abdominalraum kein Krankheitsherd nachweisbar ist, und die Infektion vermutlich auf hämatogenem oder lymphogenem Wege ausgelöst wird, ist die sekundäre Peritonitis die Folge einer Grunderkrankung im Abdominalbereich. CAPD-Peritonitis. Eine Sonderform der primären
Peritonitis, die eine häufige und potenziell lebensbedrohliche Komplikation bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites darstellt, ist die sog. CAPD-Peritonitis (»continuos ambulatory peritoneal dialysis«; [Austin 1987]). Die CAPD-Peritonitis kann bei Patienten mit Peritonealdialysebehandlung auftreten. Die Zunahme dieses Dialyseverfahrens in den letz-
381 37.2 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
37
⊡ Abb. 37.1a, b. Intraabdomineller Befund: a Diffuse, eitrige Peritonitis (2 Tage nach Perforation eines Ulcus ventriculi) bei einer 55jährigen Patientin mit bekannter PCP), die wegen eines »Schocks unklarer Genese und Laktatazidose« 2 Tage lang symptomatisch auf einer Intensivstation behandelt wurde. Exitus letalis im Multiorganversagen am 4. postoperativen Tag. b Spiegelnde, glatte Serosa bei einem Patienten mit Bridenileus ohne Zeichen einer Peritonitis
a
b
ten Jahren hat auch die Chirurgen mit diesem neuen Krankheitsbild konfrontiert. Die CAPD-Peritonitis wird meist durch Bakterien hervorgerufen. Am häufigsten sind Staphylococcus epidermidis oder aureus verantwortlich, seltener können auch Streptokokken, Enterobacter, Pseudomonas, Escherichia coli oder Enterokokken nachgewiesen werden. Ursachen sind Kontaminationen beim Beutelwechsel oder Infektionen im Bereich der Austrittstelle des Tenckhoff-Peritonealdialysekatheters und seines Tunnels durch die Bauchwand. Diskutiert wird auch eine enterogene Durchwanderung z. B. bei Divertikulitis.
Das wichtigste Frühzeichen ist die Trübung des drainierten Dialysats infolge Leukozytenkonzentrationen von >100/mm3 Dialysat; Konzentrationen <50/mm3 gelten als unauffällig. Aufgrund des hohen Anteils an Staphylokokken als Erreger der CAPD-Peritonitis kann sofort mit einer Therapie mit Oxacillin oder Cephalosporinen begonnen werden; Cefotaxim (2- bis 3x2 g/Tag), Dicloxacillin, Cefazolin und Gentamicin werden bei der CAPD-Peritonitis auch intraperitoneal appliziert [Austin 1987]. Im Falle einer Tunnelinfektion muss auch bei einer sonst asymptomatischen CAPD-Peritonitis der infizierte Katheter entfernt und nach Abheilung an an-
382
Kapitel 37 · Peritonitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 37.1. Einteilung der Peritonitis nach der Ätiologie Primäre Peritonitis Keine Ursache für die Peritonitis im Abdominalraum nachweisbar; Bauchdecken meist teigig-weich; sie entseht meist hämatogen oder lymphogen bei einer systemischen Infektion bei Risikopatienten (Leberzirrhose und Aszites). Meist Monoinfektion (in abnehmender Häufigkeit: E. coli, Streptokokken, Pneumokokken, Staphylokokken, Gonokokken, Anaerobier, Pseudomonas)
IV
Sekundäre Peritonitis Als Folge einer Grunderkrankung im Abdominalbereich (meist Perforations- oder Durchwanderungsperitonitis. Es liegt immer eine Mischinfektion zugrunde (E. coli, Enterokokken, Bacteroides fragilis u. a. Anaerobier) Nach Hohlorganperforation; zunächst chemisch-toxische Peritonitis, nach 6–12 h bakterielle Peritonitis Gallig (z. B. nach Gallenblasenperforation bei akuter Cholecystitis, meist infizierte Gallenblase) Nach Darminfarkt (Durchwanderungsperitonitis infolge embolischem Verschluss der A. mesenterica superior oder Mesenterialvenenthrombose) Infolge Organentzündungen (z. B. Durchwanderungsperitonitis bei Ileus, Divertikulitis, Colitis ulcerosa, M. Crohn) Bei nekrotisierender Pankreatitis (im Retroperitoneum [»Retroperitonitis«] oder lokalisiert in der Bursa omentalis) Postoperativ (meist infolge Nahtinsuffizienz) Posttraumatisch (nach Messerstich- oder Schussverletzungen der Darmwand); sekundäre Perforation bei stumpfem Bauchtrauma Nach Bestrahlungen (meist chronische, sterile Peritonitis) Tuberkulöse Peritonitis (heute meist Aids-Patienten)
⊡ Tabelle 37.2. Stadieneinteilung der Peritonitis. (Mod. nach [Teichmann 1986]) Stadium I
Ohne nachweisbaren Organausfall
Stadium II
Funktionseinschränkung (Organinsuffizienz) eines Organs nachweisbar
Stadium III
Manifeste Insuffizienz von 2 oder mehreren Organen (respiratorisch, renal, hämodynamisch)
derer Stelle ein neuer Katheter gelegt werden. Bei schwerer CAPD-Peritonitis mit systemischen Symptomen sollten je nach intraabdominellen Befund mehrere Peritonealkatheter zur kontinuierlichen maschinellen Peritoneallavage eingelegt werden. 37.2.3
Klinik
Fast jeder Patient mit einer Peritonitis weist das klinische Bild eines »akuten Abdomens« auf. Die obligat vorhandenen Symptome des akuten Ab-
domens sind zunächst subjektiver Art und deshalb schlecht zu objektivieren: Spontane oder erst bei Palpation bzw. bei Perkussion auftretende Bauchschmerzen und eine durch Reizung des parietalen Peritoneums entstehende Abwehrspannung der Bauchdeckenmuskulatur (»defense musculaire«).Das (subjektive) Erfühlen der abdominellen Abwehrspannung bleibt trotz Fortschritten in der apparativen Diagnostik eine der großen Herausforderungen des Chirurgen, da bis heute kein klinisch anwendbares (objektives) Messverfahren hierfür entwickelt werden konnte. Als fakultative Symptome des akuten Abdomens können bei den betroffenen Patienten eine Störung der Darmperistaltik (mit den klinischen Folgen Stuhlverhalt, Übelkeit, Singultus, Erbrechen) oder Zeichen eines Schockzustandes (Tachykardie) nachweisbar sein. Dieser Schockzustand ist zunächst Folge eines ausgeprägten Volumenmangels durch Verschiebungen von mehreren Litern intravasaler Flüssigkeit in die Peritonealhöhe.
383 37.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 37.3. Mannheimer Peritonitisindex. (Mod. nach [Linder 1987])
⊡ Tabelle 37.4. Einteilung der Peritonitis nach der Mikrobiologie des Peritoneums bzw. des Exsudates
Risikofaktor
Chemischtoxische Peritonitis
Reizung des Peritoneums mit primär sterilem Material, das sich aber sekundär meist infiziert: Galle, Pankreassaft, Barium, Urin
Bakterielle Peritonitis:
Bakterielle Besiedlung des Peritoneums infolge einer Hohlorganperforation Durchwanderung von Keimen aus dem Darmlumen durch die Darmwand bei Entzündungen oder Durchblutungsstörungen hämatogener Besiedlung (Streptokokkenperitonitis bei Patienten mit Leberzirrhose) bei Aszension durch die Tube (Gonokokken)
Ladung des Faktors
Alter Geschlecht weiblich Organversagen Malignom Präoperative Peritonitisdauer >24 h Ausgangspunkt nicht Dickdarm Ausbreitung diffus Exsudat (nur eine Antwort) Klar Trüb-eitrig Kotig-jauchig
5 5 7 4 4 4 6 0 6 12
Summe = Peritonitisindex (maximal 47)
37
Beziehung des auf diese Weise ermittelten Peritonitisindex zur postoperativen Letalität (als prognostische Wahrscheinlichkeit errechnet) Peritonitisindex
Postoperative Letalität
<15 15–21 >29
< 2% < 6% >50%
MPI für die intraoperativ zu stellende Prognose eines Patienten mit »Peritonitis im engeren Sinne« (d. h. unter Ausschluss von Patienten mit besonders günstiger ([Peritonitis infolge Appendizitis) oder ungünstiger (Peritonitis infolge Mesenterialinfarkt, Pankreatitis) Prognose.
37.3
Diagnostik
Wichtig Die gezielt erhobene Anamnese und die wiederholte, sorgfältige klinische Untersuchung haben mit Abstand die größte Bedeutung bei der Beurteilung und Diagnose eines Patienten mit akutem Abdomen bzw. Peritonitis.
Sonographie bzw. Computertomographie (Nachweis von freier Luft bzw. freier Flüssigkeit), Röntgendiagnostik (Nachweis freier Luft in der Abdomenübersichtsaufnahme in Linksseitenlage) und Laboruntersuchungen (Leukozyten im Blutbild, CRP, a-Amylase, Laktat im Serum) unterstützen die klini-
sche Diagnostik und helfen, die verursachende Erkrankung zu ermitteln. Allerdings ist für den Patienten nicht die genaue Organdiagnose, sondern die rechtzeitige Indikationsstellung zur Laparotomie entscheidend (Weiterführende Informationen bei [Encke 1993]). 37.4
Therapie
37.4.1
Medikamentöse Therapie
Primäre Peritonitis Bei der seltenen primären Peritonitis (spontan bakterielle Peritonitis, CAPD-Peritonitis) kann oft bei konsequenter antibiotischer Therapie auf die Laparotomie verzichtet werden. Wegen des zu erwartenden Keimspektrums (meist Monoinfektion, s. Tabelle 37.3) Therapie der Wahl: ▬ Cefoxitin (8 g/Tag) und ▬ Gentamicin (5 mg/kgKG/Tag). Bei Nachweis einer Anaerobierinfektion ist Metronidazol am besten wirksam, bei Nachweis von Pseudomonaden hat sich eine Kombination von Azlozillin (oder Piperacillin) und Tobramycin gut bewährt.Bei Vorliegen einer Staphylokokkeninfektion ist Imipenem und bei Nachweis von Enterokokken Mezlocillin indiziert [Austin 1987; Simon 1997; Wettstein 2000].
384
IV
Kapitel 37 · Peritonitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Sekundäre Peritonitis Bei der viel häufigeren sekundären Peritonitis sollte die Antibiotikatherapie schon vor der Laparotomie beginnen.Da bei der sekundären Peritonitis praktisch immer eine Mischinfektion vorliegt, muss die Antibiotikatherapie das gesamte zu erwartende Erregerspektrum abdecken ( s. Tabelle 37.3).Folgende Antibiotikakombinationen haben sich bei sekundärer Peritonitis besonders bewährt [Simon 1997]: ▬ Cefotaxim + Metronidazol (z. B. Claforan und Clont), ▬ Cefoxitin + Piperacillin (z. B. Mefoxitin und Pipril), ▬ Ciprofloxacin + Metronidazol (z. B. Ciprobay und Clont), ▬ Imipenem + Gentamicin (z. B. Zienam und Refobacin). Diese Antibiotika erreichen auch im entzündeten Peritoneum bei systemischer Applikation therapeutische Konzentrationen, eine intraperitoneale Anwendung ist wegen lokaler Reizerscheinungen oder zu schneller Resorption nicht sinnvoll.Die Behandlungsdauer sollte mindestens 14 Tage betragen. Nach Vorliegen des Antibiogramms muss die primär durchgeführte antibiotische Therapie ggf. korrigiert werden. Eine weitere therapeutische Möglichkeit stellt die direkte Neutralisation der im Blut zirkulierenden Endotoxine durch parenterale Gabe von Immunglobulinen dar, die für die systemischen Erscheinungen bei septischen Patienten verantwortlich gemacht werden. Dieses Therapieprinzip ist besonders für Antikörper der IgM-Klasse experimentell gut belegt, jedoch fehlt bisher der klinische Nachweis einer Wirksamkeit dieser Maßnahmen bei Patienten mit Peritonitis. 37.4.2
Chirurgische Therapie
Wichtig Die frühzeitige Laparotomie ist die Methode der Wahl bei allen Patienten mit sekundärer Peritonitis.
Lediglich bei zirkumskripter Peritonitis infolge eines subphrenisches oder subhepatischen Abszesses oder bei Patienten mit einer Abszedierung im DouglasBereich ist die ultraschall- bzw. computertomographischgesteuerte Punktion und Drainage ( s. Kap. 38) mit speziellen Kathetern möglich (z. B. vanSonnenberg-Sump,ein dünner,doppellumiger Spül-Saug-
Katheter). Die Ausdehnung des Eingriffs und die Auswahl der additiven chirurgischen Therapiemaßnahmen hängen auch vom Allgemeinzustand und von der Grunderkrankung des Patienten ab. Ziele der chirurgischen Therapie bei Patienten mit sekundärer Peritonitis sind die Beseitigung der Ursache (z. B. durch Appendektomie bei perforierter Appendizitis, durch Übernähung einer Ulkusperforation oder durch Resektion eines ischämischen Darmsegments) und die Behandlung der Komplikationen der Bauchfellentzündung, z. B. durch anschließende Lavage des Abdomens. Die Lavage des Peritonealraums bewirkt das Herauswaschen bzw. die Verdünnung von Bakterien, Toxinen, Fibrin, Fremdkörpern etc. aus der Bauchhöhle. Da eine vollständige Elimination von Bakterien oder des Exsudates bei der Primäroperation insbesondere bei Vorliegen einer diffusen Peritonitis in allen 4 Quadranten nicht gelingen kann, sind verschiedene additive chirurgische Therapiemaßnahmen nach der Primäroperation empfohlen worden: ▬ kontinuierlich-geschlossene Peritonealspülung, ▬ Etappenlavage [Teichmann 1986] oder ▬ offenes Abdomen mit Spülung. Gemeinsames Therapieprinzip aller 3 Verfahren sind die kontinuierliche Elimination des neugebildeten keimhaltigen Exsudats, die Verhinderung von Sekretstau und sekundärer Abszedierung. Die Spülungsbzw. Drainagezeit richtet sich nach dem klinischen Verlauf und der Beschaffenheit (Aussehen, Keimzahl der eluierten Spülflüssigkeit). Mit diesen unterschiedlichen (postoperativen) Vorgehensweisen wurden bei Patienten mit diffuser Peritonitis in verschiedenen chirurgischen Kliniken vergleichbare Ergebnisse bezüglich der Letalität erzielt. Dies weist darauf hin, dass eine niedrigere Letalität von Peritonitispatienten weniger vom verwendeten Operationsverfahren abhängig ist, sondern vielmehr von einer optimalen Spülbehandlung zur Keimreduktion und von einer konsequenten intensivmedizinischen Betreuung (Hämofiltration bei Niereninsuffizienz, künstliche Beatmung bei pulmonaler Insuffizienz,pharmakologische Kreislaufunterstützung). Die Art der Spülflüssigkeit scheint nicht von großer Bedeutung zu sein, wichtig ist gründlich und viel zu spülen (meist physiologische Kochsalzlösung mit oder ohne Zusatz von antiseptischen Substanzen: z. B. Taurolidin, Chloramin-Lösung). Peritonealspülungen mit Povidon-Jod (Polyvidon-Jod) sind wegen geringer Wirksamkeit und hoher Resorption von Jod und Povidon nicht indiziert.
385 37.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die Wahl des operativen Zugangweges bei Patienten mit Peritonitis ist von der Lokalisation des vermuteten zugrundeliegendes Krankheitsprozessen abhängig. Bei unklarer Peritonitisursache ist der Medianschnitt im Mittelbauch unter Linksumschneidung des Nabels am bewährtesten, er kann dann je nach intraoperativen Befund nach kranial oder kaudal verlängert werden. Indikation zur postoperativen Lavage 1. 2. 3.
Diffuse bakterielle Peritonitis Oberbauchperitonitis mit Organkomplikationen nach Ulkusperfoartion >12 h alte Peritonitis
Geschlossene postoperative kontinuierliche Peritoneallavage Bei diesem Verfahren werden die Bauchdecken primär verschlossen und die Peritonealhöhle mittels mehrerer doppellumiger Spülsaugdrainagen (SalemDrainagen oder Tenckhoff-Katheter) kontinuierlich gespült (8–20 l/24 h). Vorteil dieser Spülbehandlung: ▬ das kontinuierliche, atraumatische Herausspülen von Gewebsnekrosen, von Keimen und von biologisch aktiven Stoffwechselprodukten (z. B. Endotoxinen). ▬ Verminderung postoperativer Adhäsionen (?). ▬ Inzidenz von Relaparotomien wird gesenkt. ▬ Niedrigere Letalität der Peritonitispatienten, ▬ keine weiteren Narkosen, ▬ Beginn einer oralen Nahrungsaufnahme unter laufender Peritonealspülung möglich. Als Nachteil dieses Verfahrens wird die Ausbildung von sog. Spülstraßen angesehen, sodass nicht mehr die gesamte Peritonealhöhle gespült wird; Abszedierungen sind mögliche die Folge.Ein weiteres Risiko ist die Bildung von drainagebedingten Läsionen am Darm (Blutung, Perforation). Allgemein verbreitet ist dieses Verfahren bei der sog. Bursalavage bei nekrotisierender Pankreatitis,wobei die Spüldrainagen in die Bursa omentalis platziert werden. Technik der Ulmer-Schule. Vor Verschluss der Laparotomiewunde werden 2–4 Drainagen in die Bauchhöhle eingelegt, subphrenisch in den Oberbauch, in den Douglas/kleines Becken [Beger 1985].Die Drainagen werden außerhalb der Wunde ausgeleitet und die peritoneale Einmündungsstelle wird durch eine Ta-
37
baksbeutelnaht wasserdicht isoliert.Unmittelbar nach Beendigung der Operation wird mit der Lavage mittels einer handelsüblichen Peritonealdialyse-Lösung (z. B. G1K-Lösung, Fa. Fresenius) begonnen (0,5 l/h meist über 2–5 Tage). Die Verwendung einer hyperosmolaren Lösung verringert das Risiko der Flüssigkeitsretention, es kann im Gegenteil dem Körper etwa 1 l Flüssigkeit entzogen werden. Intraperitoneale Drainagen (insbesondere die dicklumigen Spül-Saug-Drainagen) können aber auch zu Komplikationen führen:Arrosion von Blutgefäßen und Hohlorganen (inbesondere im Bereich von Anastomosen). Etappenlavage (programmierte Relaparotomie) Vorteile dieses Verfahrens mit Verschluss der Bauchdecken sind die chirurgische Säuberung der gesamten Bauchhöhle (4-Quadranten-Lavage) unter direkter Sicht in 1- oder 2-tägigen Abständen. So kann sehr wirksam die Bildung von Schlingenabszessen verhindert werden, ferner müssen keine Drainagen (ausgenommen Galle- oder Pankreasfisteln) eingelegt werden. Nachteil dieses Verfahrens ist die mehrfache Operations- und Narkosebelastung über einen längeren Zeitraum, dadurch kommt es zu einem verlängerten paralytischen Ileus und zu einem häufigeren Auftreten von Wundinfekten und Narbenhernien im Bereich der Bauchwand. In einigen Kliniken wurde auch die Verwendung von sog. Reißverschlüssen (Schienengleitverband EthizipR,Fa.Ethicon) zum temporären Bauchdeckenverschluß vorgeschlagen [Teichmann 1986]. Dieser sog. Schienengleitverband wird fortlaufend an Faszie und Peritoneum fixiert. Das entstehende Exsudat kann an den offengelassenen Wundpolen kontinuierlich abfließen. Der definitive Verschluss der Bauchdecke wird bei sauberer Abdominalhöhle vorgenommen, dies ist meist nach 3–5 Lavagen der Fall. Dieses Verfahren steht sozusagen als Übergang von der Etappenlavage zum offenen Abdomen. Die Etappenlavage kann als programmierte Relaparotomie schon bei der Erstoperation terminiert werden (in der Regel alle 24–48 h) oder es wird eine sog. Relaparotomie »on demand« durchgeführt: der Zeitpunkt des Zweiteingriff wird dann vom Zustand des Patienten abhängig gemacht. Offenes Abdomen und Spülung Das Offenlassen der Laparotomiewunde (»Laparostomie«) ist ein Operationsverfahren, das ursprünglich für die Behandlung von Pankreasabszessen inaugu-
386
IV
Kapitel 37 · Peritonitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
riert wurde [Bolooki 1968]. Die Bauchdecken werden primär nicht verschlossen, sondern die Bauchhöhle wird nur mit feuchten Bauchtüchern abgedeckt. Dies ermöglicht eine tägliche Spülung der gesamten Peritonealhöhle unter Sicht auf der Intensivstation. Nachteil dieses relativ traumatischen Verfahrens (hoher Flüssigkeitsverlust) ist ein entsprechend verlängerter Aufenthalt der Patienten auf der Intensivstation im Vergleich zur kontinuierlichen geschlossenen Peritonealspülung. Ferner bereitet der spätere Verschluss der Bauchdecken oft Schwierigkeiten, da die Faszien durch die offene Wundbehandlung und die Peritonitis atrophisch und wenig belastbar für eine Naht sind. Das Abdomen kann aber auch ohne operativen Verschluss sekundär zugranulieren, dies dauert aber etwa 2–3 Monate. Die Bildung von Bauchwandhernien ist dann die Regel. Offene kontinuierliche Peritonealspülung (dorsoventrale Bauchspülung bei Abdomen apertum) Sie stellt eine Kombination der geschlossenen kontinuierlichen Spülung und des offenen Abdomens dar [Pichlmayr 1983]. Dadurch wird einerseits eine effektive Spülung erreicht, andererseits kommt es durch das offengelassene Abdomen zu einer erheblichen Entlastung des erhöhten intraabdominellen Druckes und damit zu einer besseren Durchblutung der Abdominalorgane und zu einer Besserung der Beamtmungssituation. Nach Durchführung der chirurgischen Maßnahmen zur Herdsanierung werden 4 weiche Drainagen von dorsal in die Bauchhöhle platziert, wovon 2 in den Oberbauch und 2 in den Unterbauch gelegt werden. Diese 4 Drainagen werden später als Spüldraiangen verwendet, der Ablauf erfolgt über 2 Saugdrainagen, die ventral parallel zum Verlauf der Inzisionsöffnung (mediane Laparotomie) gelegt werden. Die offene Peritonealspülung ist besonders pflegeintensiv, da es häufig nicht gelingt, das Auslaufen von Spülflüssigkeit zu verhindern.Dies kann durch die Abklebung des Abdomens mittels einer durchsichtigen Klebefolie oder mittels Einnähen eines Vicryl-Netzes an die Faszienränder erreicht werden, oder es müssen ständig die aufgelegten Bauchtücher gewechselt werden [Pichlmayr 1983]. 37.4.3
Prognose
Die Prognose eines Patienten mit dem klinischen Syndrom »sekundäre Peritonitis« ist – eine konsequente chirurgische Therapie vorausgesetzt – abhängig von
deren Ursache (die beste Prognose haben Patienten mit Peritonitis infolge perforierender Appendizitis), von dem Alter der Peritonitis zum Zeitpunkt der Erstoperation, vom Erkrankungsstadium (d. h. ob zum Zeitpunkt der Primäroperation bereits Organinsuffizienzen nachweisbar sind und natürlich von den Vorerkrankungen/Risikofaktoren und vom Alter des Patienten. Da physiologischerweise die besonders pathogenen gramnegativen Erreger und Anaerobier im Gastrointestinaltrakt von oral nach aboral zunehmen, gilt die Regel: Je proximaler die Kontaminationsursache gelegen ist, desto günstiger ist die Prognose der Patienten. Besonders gut untersucht sind die Risikofaktoren und die Letalität bei Peritonitispatienten infolge Ulkusperforation [Beger 1985].Die Letalität dieser Patientengruppe korreliert: ▬ mit dem Zeitintervall zwischen Schmerzereignis und Operation und damit von der Ausdehnung der Peritonitis: Wird der Patient innerhalb von 6 h laparotomiert, beträgt die mittlere Letalität <10%, im Intervall von 13–24 h steigt die Letalität auf etwa 25% an, nach 24 h bereits auf >35%; ▬ mit der Größe der Perforationsöffnung: ▬ mit dem Alter der Patienten. Bei den bis 60jährigen Patienten betrug die Letalität um 6%,bei den Patienten zwischen 60 und 70 Lebensjahren 18% und bei den über 70jährigen um 30%; ▬ mit dem Vorliegen von Begleiterkrankungen [Beger 1985]. Obwohl schon lange versucht wird, die einzelnen für die Perforationsperitonitis aufgeführten klinischen Parameter mit der Prognose des einzelnen Peritonitispatienten bei anderer Genese zu korrelieren, ist es bis heute nicht gelungen, sicher reproduzierbare Parameter zur besseren Prognostizierung zu ermitteln. Der sog. Mannheimer Peritonitisindex ist ein solcher Versuch, die Prognose des einzelnen Patienten mit Peritonitis bereits intraoperativ zu ermitteln [Linder 1987]. In ⊡ Tabelle 37.3 sind die insgesamt 8 Riskofaktoren des Mannheimer Peritonitisindex (MPI) aufgeführt, die bereits zum Zeitpunkt der Operation leicht errechnet werden können. Allerdings müssen die Peritonitispatienten mit besonders günstiger oder besonders ungüstiger Prognose von der Errechnung des Index ausgeschlossen werden: besonders gute Prognose haben bekanntlich Patienten mit Peritonitis infolge Appendizitis und eine besonders schlechte Prognose ist bei Patienten mit postoperativer Perito-
387 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nitis und bei Peritonitis infolge Mesenterialgefäßverschluss zu beobachten. Der Vorteil des MPI ist, dass bei einem bestimmten Patienten aus einem einfach zu berechnenden Index direkt ein prozentuales Letalitätsrisiko mit einer etwa 80% sicheren Vorhersage angegeben werden kann. Leider sind im Index die Begriffe »Organversagen« und »Malignom« nicht näher definiert worden. Im Gegensatz zum MPI wird beim sog. APACHEII-Index (»acute physiology and chronic health evaluation«) der Schweregrad einer Erkrankung aus 12 Parametern errechnet, die routinemäßig auf einer Intensivstation apparativ gemessen werden: Rektaltemperatur, arterieller Mitteldruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, pO2, arterieller pH, Serumkonzentrationen von Natrium, Kalium und Kreatinin, Hämatokrit, Leukozyten, neurologischer Zustand des Patienten nach dem Glasgow-Coma-Score; außerdem werden Alter des Patienten und nachweisbare Organinsuffizienzen mitberücksichtigt [Knaus 1985]. Ein solches Scoresystem ist Voraussetzung für zukünftige prospektive Therapiestudien bei Patienten mit Peritonitis, da nur bei einem auch im Schweregrad vergleichbaren Krankengut valide Aussagen gemacht werden können.
37
Literatur Austin R (1987) Peritonitis in CAPD. Karger, p. 130–134 Beger HG, Bitter R, Weidemann H, Schießler A, Haase T (1985) Die Peritonitis nach Ulkusperforation. In: Ungeheuer E (Hrsg.) Die Komplikationen der Ulkuskrankheit. Urban & Schwarzenberg, München Wien Baltimore, S. 53–63 Bolooki H, Jaffe B, Gliedman ML (1968) Pancreatic abscess and lesser omental sac collections. Surg Gyn Obstet 126: 1301–1308 Encke A, Sachs M (1993) Akutes Abdomen: Leitsymptome und rationelles diagnostisches Vorgehen. In: Classen M, Siewert JR (Hrsg.) Gastroenterologische Diagnostik. Leitsymptome, Entscheidungsprozesse, Differenzialdiagnostik. Schattauer, Stuttgart New York, S. 649–656 Knaus WA, Draper EA, Wagner DP, Zimmerman JE (1985) APACHE II: A severity of disease classification system. Crit Care Med 13: 818–829 Linder MM, Wacha H, Feldmann U et al. (1987) Der Mannheimer Peritonitisindex. Ein Instrument zur intraoperativen Prognose der Peritonitis. Chirurg 58: 84–92 Mikulicz J (1889) Weitere Erfahrungen über die operative Behandlung der Perforationsperitonitis. Arch Klin Chir 39: 756–784 Pichlmayr R, Lehr L, Pahlow J, Guthy E (1983) Postoperativ kontinuierliche offene dorso-ventrale Bauchsüplung bei schweren Formen der Peritonitis. Chirurg 54: 299–305 Simon C, Stille W (1997) Antibiotikatherapie in Klinik und Praxis. 9. Auflage. Schattauer, Stuttgart New York, S. 448– 450 Teichmann W, Wittmann DH, Andreone PA (1986) Scheduled reoperations (Etappenlavage) for diffuse peritonitis. Arch Surg 121: 147–152 Wettstein M, Kudlek C, Häussinger D (2000) Spontan bakterielle Peritonitis. Diagnose, Therapie und Prophylaxe. Deutsch Ärztebl 97: B 2370–2373
SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Intraabdominelle Abszesse M. Sachs, T. Vogl
IV
38.1
Definition
38.2
Klinik
38.2.1 38.2.2
Klinische Klassifikationen – 389 Klinische Symptomatik – 389
38.3
Diagnostik
38.3.1 38.3.2
Klinische Diagnostik – 389 Bildgebende Diagnostik – 390
38.4
Therapie
38.4.1 38.4.2 38.4.3 38.4.4
Chirurgische Therapie – 390 Interventionelle Therapie – 391 Medikamentöse Therapie – 391 Differenzierte Therapie bei Patienten mit Leberabszessen
Literatur
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– 389
– 389
– 389
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– 392
In den klassischen Lehrbüchern bzw. Operationslehren der Chirurgie des 20. Jahrhunderts (Kirschner-Nordmann; Bier-Braun-Kümmell; Garrè-Borchard-Stich-Bauer) wurden die unterschiedlichen »intraabdominelle Abszesse« jeweils am Schluss eines Kapitels unter dem Abschnitt »Komplikationen« der Grunderkrankung bzw. der chirurgischen Therapie abgehandelt. Erst seit der Einführung interventioneller Methoden werden die verschiedenen intraabdominell gelegenen »Abszesse« zunehmend als klinische Entität erkannt, da trotz ihrer sehr unterschiedlicher Pathogenese gemeinsame Therapieprinzipien aufgestellt werden konnten. Während früher der Grundsatz »ubi pus ibi evacua« bei Vorliegen eines intraabdominell gelegenen Abszesses oft nur durch eine Laparotomie in Allgemeinnarkose befolgt werden konnte, kann dies heute in vielen Fällen weniger invasiv durch interventionelle perkutane Punktions- und Drainagemethoden in Lokalanästhesie erreicht werden. Dieses neue Denken in der Medizin ist bereits früh in der belletristischen Literatur [Oreibasios 1858] karikiert worden: »There is no body cavity that cannot be reached with a #14 needle and a good strong arm.«
389 38.1 · Definition SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
38.1
Definition –
Definitionsgemäß handelt es sich bei einem intraabdominellen Abszess um eine innerhalb der Abdominialhöhle gelegene,abgegrenzbare Ansammlung von infiziertem (eitrigem) Material. Es müssen 2 Gruppen von intraabdominellen Abszessen unterschieden werden: Abszesse in intraabdominell gelegenen Organen (z. B. in der Leber oder in der Milz) und intraperitoneale Abszesse. Unter einem intraperitonealen Abszess wird ein abgrenzbare Ansammlung von Eiter verstanden, die allseits von Peritoneum umgeben ist.Terminologisch korrekt müsste in diesem Falle eigentlich von einem intraabdominellen Empyem gesprochen werden, da es sich definitionsgemäß um eine Eiteransammlung in einer präformierten Körperhöhle (Peritonealhöhle) handelt und nicht um einen durch Einschmelzung enstandenen eitergefüllten Gewebshohlraum (wie z.B.in der Leber). 38.2
38
Klinik
38.2.1 Klassifikationen Prinzipiell kann in jedem Abschnitt der in zahlreiche Kompartimente aufgeteilten Peritonealhöhle ein Abszess auftreten.
–
–
Paranephritisch (retrofaszial; im sog. hinteren Retroperitoneum lokalisiert Im sog. vorderen Retroperitoneums »Psoasabszess« (hinter dem parietalen Peritoneum gelegen) Pankreasabszess (infizierte Pseudozyste)
Klassifikation nach Pathogenese bzw. Ätiologie Postoperativ (z. B. infolge Anastomoseninsuffizienz)
Amöbenabszesse (Leber) Abszesse bei Patienten mit M. Crohn
38.2.2
Klinische Symptomatik
Die klinische Symptomatik der intraabdominell gelegenen Abszesse ist einheitlich: unspezifische Bauchschmerzen, Fieber (insbesondere abends), Leukozytose, Erhöhung der Konzentration bestimmter Entzündungsparameter im Serum (z. B. CRP). Nur bei oberflächlicher Lage sind die allgemeinen Entzündungszeichen (»rubor, calor, tumor«) im Bereich der Bauchdecke nachweisbar. 38.3
Diagnostik
38.3.1
Klinische Diagnostik
Topographische Klassifikation 1.
2.
3.
▼
In intraabdominellen Organen – Leber – Milz Intraperitoneal – Subphrenisch rechts (suprahepatisch) – Subphrenisch links (perilienal) – In der Bursa omentalis – Subhepatisch rechts bzw. links – In der Mesenterialwurzel des Dünndarms – Im Bereich des Zökums (perityphlitisch) – Im Bereich des Colon sigmoideum (oft retroperitoneal) – In der Douglashöhle bzw. im kleinen Becken – Zwischen den Dünndarmschlingen (Schlingenabszesse) Retroperitoneal – Perinephritisch (zwischen den beiden Blättern der Facia renalis Gerota gelegen)
Klinisch bewährt hat sich besonders bei Patienten mit Verdacht auf intraabdominellen Abszess die Probepunktion (diagnostische Punktion) unter sonographischer Kontrolle: Bei Aspiration von Eiter kann eine bakteriologische Untersuchung durchgeführt werden, außerdem kann die gewonnene Flüssigkeit auf Bilirubin (Differenzialdiagnose: »Biliom«, »Serom«) oder auf Pankreasenzyme (infizierte Pankreasnekrose, Pankreasabszess) untersucht werden. Die am häufigsten dabei nachgewiesenen Erreger sind Staphylokokken, Enterokokken, Keime der Bacteroides-Gruppe und »mikroaerophile« Streptokokken [Simon 1997], seltener Escherichia coli, Morganella sp., Klebsiella sp. und Pseudomonas sp. und andere.
390
38.3.2
IV
Kapitel 38 · Intraabdominelle Abszesse SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bildgebende Diagnostik
Die Visualisierung von intraabdominellen Abszessen erfolgt mittels sonographischer, computertomographischer oder MR-tomographischer Techniken. Das sonomorphologische Erscheinungsbild der intraabdominell gelegenen Abszesse reicht von nahezu echofreien Raumforderungen über homogen echoarme bis zu gemischt reflexarmen/reflexreichen Herden. Bei gashaltigen Abszessen zeigen sich oft mobile Reflexund Wiederholungsechos. Differenzialdiagnostisch müssen abgekapselter Aszites (»Serom«) und zerfallende Tumoren abgegrenzt werden. Abszessformationen innerhalb der Leber oder Milz müssen von Zysten, Kapselhämatomen, zerfallenden Tumoren differenziert werden. Eine sichere ätiologische Zuordnung ist mit sonomorphologischen Kriterien meist nicht möglich,hier müssen CT und MRT weiterhelfen. Ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium bei der Computertomographie ist die Kontrastmittelanreicherung im Randbereich der abgrenzbaren hypodensen Flüssigkeitsansammlung im Bereich der sog.Abszesskapsel (⊡ Abb. 38.1). Einfache, solitäre Leberabzesse können von komplexen Herdbefunden differenziert werden, die durch multilokuläres Vorkommen, Septierungen und kapselnahe Lokalisation charakterisiert sind [Vogl 2001]. 38.4
Therapie
38.4.1
Chirurgische Therapie
Die Prinzipien der chirurgischen Therapie intraabdominell gelegener Abszesse wurden bereits in der Antike aufgestellt: Inzision der darüberliegenden Haut, vollständige Ausräumung der Eiteransammlung mit Hilfe des Fingers [Oreibasios 1858]. Heute existieren 3 verschiedene Therapieverfahren: ▬ offene chirurgische Abzessdrainageoperation (durch Laparotomie), ▬ die perkutane Abszessdrainage und/oder ▬ die medikamentöse Behandlung. Diese Verfahren sind weniger miteinander konkurrierende, sondern eher sich ergänzende Verfahren. Die Laparotomie ist auch heute noch Therapie der ersten Wahl bei denjenigen Abszessen, bei denen die Ursache der intraabdominellen Eiteransammlung mitentfernt werden sollte:
a
b ⊡ Abb. 38.1a, b. 71-jährigen Patienten mit einem subphrenischen Abszess 3 Jahre nach laparaskopischer Cholezystektomie. a Computertomographie des Oberbauches. Nachdem eine sonographisch gesteuerte Abszessdrainage (12-Ch-SpülSaug-Drainage) den etwa 5¥4¥3 cm großen Abszess zwar drainieren aber nicht sanieren konnte, wurde der Patient zur Laprotomie überwiesen. In dem Abszess fand sich ein b 16¥7 mm großer Gallenstein, der auch auf der Computertomographie zu erkennen ist. Mikrobiologisch konnten Escherichia coli, Morganella sp., Klebsielle sp. und Bacteroides sp. nachgewiesen werden
▬ Divertikulitisabszess im Bereich des Sigmoids:
Abszessausräumung und Sigmaresektion, ▬ Schlingenabzess bei M. Crohn:
Abszessausräumung und Fistelsanierung durch Dünndarmsegmentresektion, Anlage eines Ileostomas, ▬ perityphlitischer Abszess: Abszessausräumung und Appendektomie, ▬ Abszess bei postoperativer Anastomoseninsuffizienz: Abszessausräumung und Anastomosenneuanlage bzw. Anus-praeter-Anlage [Krupski 1999]. Es sollten grundsätzlich weiche, dicklumige (>12 Ch) Drainagen zur Sekretableitung verwendet werden.
391 38.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Kombinierte Spül-Saug-Drainagen sollten bevorzugt werden.Intraperitoneale Drainagen können aber auch zu Komplikationen führen: Arrosion von Blutgefäßen und Hohlorganen (inbesondere im Bereich von Anastomosen) und möglicherweise auch zu einer Kontamination der Bauchhöhle von außen. Die ersten beiden Komplikationen werden seit der Verwendung von weichen Silikondrainagen (z.B. »easy-flow«-Drainagen) anstelle der früher üblichen starren Drains kaum noch beobachtet. 38.4.2
Interventionelle Therapie
Die perkutane Drainage unter sonographischer Kontrolle durch den Chirurgen bzw. unter computertomographischer Kontrolle durch den interventionellen Radiologen gilt heute als Therapie der ersten Wahl bei subphrenischen, subhepatischen und parakolischen Abszessen, d. h. lateral bzw. nahe an den Bauchdecken gelegene Abszesse.Ist ein Abszess perkutan nicht ohne Verletzung der Pleura (Pneumothorax, Pleuraempyem) oder wichtiger Organe (Darm) oder Gefäße erreichbar, sollte die perkutane Punktion unterbleiben. Kontraindiziert sind die Drainageverfahren bei Amöbenabzessen und Echinokokkuszysten [Vogl 2001] Die Grundätze der chirurgischen und perkutanen Drainagebehandlung sind gleich: es soll die Drainage am tiefsten Punkt des Abszesses platziert werden und die Entfernung von der Drainagenspitze zur Haut sollte möglichst kurz sein. Besonders bewährt hat sich klinisch die – nach seinem Erfinder benannte – zweilumige »van-Sonnenberg-Drainage«, die einen dünnen Spülkanal und einen dickeren Abflusskanal aufweist. Peripher von der Spitze (Pig-tail-Konfiguration) finden sich große Perforationen. Die Drainage kann mit einem festen Führungsstab oder in Seldinger-Technik nach einer Hautinzision in Lokalanästhesie eingelegt werden. Diese Drainagen sollten unter sono- oder computertomographischer Kontrolle platziert werden. Mögliche Techniken sind: ▬ Die freie Punktion nach vorheriger sonographischer Markierung. Die Nadellage wird dann seitlich der Nadel mit dem Schallkopf kontrolliert. ▬ Spezielle Punktionsschallköpfe (Linearschallköpfe mit zentralem Führungskanal). Der Katheter muss entweder kontinuierlich oder mindestens 2-mal täglich mit physiologischer Kochsalzlösung gespült werden. Er sollte erst nach Sistieren der putriden Sekretion (Cave: Drainagendislokation oder
38
-verlegung) wieder entfernt werden. Im Zweifelsfall kann Kontrastmittel über die Drainage instilliert und radiologisch eine Lagekontrolle durchgeführt werden. 38.4.3
Medikamentöse Therapie
Eine primäre medikamentöse Therapie der intraabdominell gelegenen Abszesse wird heute nur bei Amöbenabzessen und kleineren tuberkulösen Abszessen durchgeführt. Eine zusätzliche antibiotische Therapie nach Antibiogramm sollte in der Regel bei allen intraabdominell gelegenen Abszessen durchgeführt werden, um die Gefahr des Auftretens eines Rezidivs zu verringern. Bei dem zu erwartenden Keimspektrum haben sich die bei der Peritonitistherapie ( s. Kap. 37) angewandten Antibiotikakombinationen besonders bewährt: ▬ Cefotaxim + Metronidazol (z.B.Claforan + Clont), ▬ Cefoxitin + Piperacillin (z. B. Mefoxitin + Pipril), ▬ Ciprofloxacin + Metronidazol (z. B. Ciprobay + Clont), ▬ Imipenem + Gentamicin (z. B. Zienam + Refobacin). 38.4.4
Differenzierte Therapie bei Patienten mit Leberabszessen
Ein Vergleich der 3 Therapieverfahren in Literaturrecherchen ist problematisch, da bei der Therapieplanung ätiologische Faktoren sowie die klinische Symptomatik erfasst werden müssen.Am Beispiel der pyogenen Leberabzesse konnte an Hand einer Literaturrecherche gezeigt werden, dass die Erfolgsrate der perkutanen Abszessdrainage bei Patienten mit singulären Leberabszessen und jeweils sicheren Drainagerouten zwischen 70 und 93% angegeben wurde, bei einer Komplikationsrate zwischen 1 und 15% [Bufalari 1996, Gohl 1999,Volg 2001]. Die Erfolgsraten der offenen chirurgischen Drainagebehandlung lagen etwas niedriger (zwischen 50 und 70%) bei höheren Komplikationsraten (zwischen 10 und 40%). Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass v. a. komplizierte Abszesse (gekammert, multiples Auftreten, unsichere Drainagerouten) einer chirurgischen Behandlung zugeführt werden und dass bisher keine prospektivrandomisierten Studien vorliegen.
392
Kapitel 38 · Intraabdominelle Abszesse SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Literatur Differenzierte Therapie bei pyogenen Leberabszessen 1.
IV
2.
3.
Indikationen zur perkutanen Abszessdrainage – Nur bei sichere Drainageroute (keine größeren Blutgefäße bzz. Pleura im Bereich der Drainageroute) – Wenn kein Aszites nachweisbar ist Indikationen zur offenen chirurgischen Abszessdrainage bzw. Lebersegmentresektion – Bei unsicherer perkutaner Drainageroute – Bei nicht erfolgreicher perkutaner Drainage – Infizierte Echinococcuszyste – Leberabszess als Folge einer akuten Cholezystitis – Infizierte nekrotische Lebertumoren Indikationen zur primär medikamentösen Abszessbehandlung (nach diagmostischer Punktion und Erregernachweis) – Amöbenabszesse – Multiple kleinere Leberabzesse
Bufalari A, Giustozzi G, Moggi L (1996) Postoperative intraabdominell abscesses: percutaneous versus surgical treatment. Acta Chir Belg 96: 197–200 Gohl J, Gmeinwieser J, Gusinde J (1999) Intraabdominelle Abszesse. Interventionelle vs chirurgische Therapie. Zentralbl Chir 124: 187–194 Krupski G (1999) Interventionelle chirurgische Radiologie sive interventionelle Chirurgie. In: Kremer K, Lierse W, Platzer W et al. (Hrsg.) Chirurgische Operationslehre, Ergänzungs- und Registerband. Thieme, Stuttgart, S. 138–164 Oreibasios (1858) Oevres d’Oribase, text grec, en grand partie inédit, collationé sur les manuscrits [...] par le docteurs Bussemaker et Daremberg. Tome Troisième. L’imprimerie Impériale, Paris, p 585 Shem S (1978) The house of God. Black Swan, London Simon C, Stille W (1997) Antibiotikatherapie in Klinik und Praxis. 9. Aufl. Schattauer, Stuttgart New York, S. 448–450 Vogl TJ, Estifan F (2001) Pyogener Leberabszess: Interventionelle vs chirurgische Therapie: Technik, Ergebnisse und Indikationstellung. Fortschr Röntgenst. 173: 663–667
V SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Pankreaserkrankungen 39
Akute Pankreatitis V. Keim
– 395
40
Chronische Pankreatitis J. Mössner
41
Pankreasneoplasien – 415 U. Halm, H. Witzigmann
– 404
39 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Akute Pankreatitis V. Keim 39.1
Klinik und Diagnostik
39.2
Ätiologie
39.3
Schweregrad und Prognose
39.4
Therapie
39.4.1 39.4.2
Basistherapie – 398 Therapie der schweren (nekrotisierenden) akuten Pankreatitis – 398 Ernährungstherapie – 400 Therapie von Komplikationen – 401 Chirurgische Therapie – 402 Ungesicherte und obsolete Therapieansätze – 402
39.4.3 39.4.4 39.4.5 39.4.6
Literatur
>>
– 396
– 396 – 396
– 398
– 402
Eine akute Pankreatitis ist eine einmalige, akutentzündliche Episode, bei der eine Narbe zurückbleiben kann. Auslöser der Pankreatitis sind reichlicher Alkoholkonsum bzw. eingeklemmte Gallengangssteine, daneben Hyperlipoproteinämie bzw. Hyperkalzämie. Es wurden genetische Risikofaktoren nachgewiesen: Mutationen in den Genen des kationischen Trypsinogens, des sekterorischen Trypsininhibitors SPINK 1 und des CFTR (»cystic fibrosis transmembrane conductance regulator«). Die Mutationen des kationischen Trypsinogens spielen insbesondere bei der autosomal-dominant vererbten, hereditären Pankreatitis eine Rolle, wohingegen SPINK-1- und CFTR-Mutanten bei allen anderen Pankreatitisformen gefunden wurden [Etemad 2001].
396
39.1
V
Kapitel 39 · Akute Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Klinik und Diagnostik
Die akute Entzündung des Pankreas ist eine Erkrankung, die mit ausgeprägten, zumeist in den Rücken ausstrahlenden Abdominalbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen einhergeht. Der Nachweis der Pankreatitis erfolgt durch die Messung der Serumlipase. Bei mehr als 3fach erhöhter Lipase ist eine Pankreatitis sehr wahrscheinlich. Liegt der Beschwerdebeginn jedoch bereits einige Tage zurück, ist die Sensitivität der Lipase deutlich geringer [Yadav 2002]. Da differenzialdiagnostisch zahlreiche Erkrankungen abgegrenzt werden müssen, sollte die Pankreatitis durch ein bildgebendes Verfahren – zumeist die Sonographie – bestätigt werden. Typische sonographische Kriterien sind ein druckschmerzhaftes, vergrößertes und echoarmes Organ. Gleichzeitig können am Organrand reflexarme Formationen zu sehen sein, welche auf Fettgewebenekrosen hinweisen. Ist das Pankreas nicht ausreichend darstellbar (z. B. wegen Luftüberlagerung), sollte zur Diagnosesicherung ein Kontrast-CT durchgeführt werden. Im nächsten Schritt müssen 2 Probleme parallel gelöst werden: ▬ Ätiologie der Erkrankung, ▬ Abschätzung des Schweregrades der Pankreatitis. 39.2
Ätiologie
39.3
Schweregrad und Prognose
Die Beurteilung des Schweregrads ist wichtig, da die milden, ödematösen Formen der Pankreatitis (ca. 80–85% der Patienten) in der Regel problemlos ausheilen, wohingegen die schweren, nekrotisierenden Formen mit einer beträchtlichen Mortalität assoziiert sind [Talamini 1996]. Zur Differenzierung zwischen milder und schwerer Verlaufsformen der Erkrankung wird die Messung des C-reaktiven Proteins (CRP) mit einem Grenzwert von 120 mg/dl verwendet. In den ersten Tagen der Erkrankung kann jedoch nicht zuverlässig zwischen beiden Formen unterschieden werden. Wichtig Die Höhe der Lipase oder anderer Pankreasenzyme korreliert nicht mit dem Schweregrad der Pankreatitis [Lankisch 1999].
Andere Verfahren sind nicht ausreichend validisiert (TAP, PMN-Elastase, Procalcitonin), nicht routinemäßig verfügbar (IL-6) oder zu aufwendig (⊡ Tabelle 39.1). Mit Hilfe eines Kontrast-CTs kann eine Pankreasnekrose nachgewiesen werden, dies ist jedoch nicht immer mit einem schweren Verlauf assoziiert (⊡ Tabelle 39.2). Wichtig
Die Aufklärung der Ursache ist für die Behandlung von Bedeutung.Bei etwa 40–50% der Patienten finden sich Gallengangssteine und nur in diesem Fall ist eine endoskopische Intervention erforderlich. Bei Vorliegen einer Hyperlipidämie bzw. Hyperkalzämie bei HPT erfolgt die Therapie der Grundkrankheit. Die wichtige Differenzierung zwischen einer biliären Pankreatitis und dem akuten Schub einer chronischen Pankreatitis gelingt in der Regel mittels Sonographie. Bei Nachweis von Gallengangskonkrement und erweiterten Gallenwegen ist die biliäre Pankreatitis gesichert. Bei grenzwertig weitem Ductus hepatocholedochus ohne gleichzeitige Cholezystolithiasis ist die Entscheidung schwierig. Ein recht zuverlässiges Verfahren zum Nachweis kleiner Konkremente ist die Endosonographie, die jedoch nicht in allen Kliniken verfügbar ist. Finden sich nur die typischen Zeichen der mechanischen Cholestase (Erweiterung des Gallengangs und/oder erhöhte Werte für yGT, AP, Bilirubin), so kann ausnahmsweise auch ein entzündlicher Kopftumor bei chronischer Pankreatitis vorliegen.
Ein einfacher klinischer Score – Ikterus, Temperatur, Abdominalbeschwerden, Darmgeräusche und Bauchdeckenspannung – besitzt fast eine ähnliche Aussagekraft wie eine umfangreiche Labordiagnostik bzw. die bildgebenden Verfahren.
Darüber hinaus ist zu bedenken,dass sich aus einer initial milden Form eine schwere, tödlich verlaufende Erkrankung entwickeln kann. Somit ist die Abschätzung des Schweregrades nach wie vor ein erhebliches Problem, das große Erfahrung und Detailkenntnisse erfordert. In Zweifelsfällen muss zur Beurteilung des Patienten eine regelmäßige klinische Untersuchung, u. U. auch mehrfach täglich erfolgen. Besteht der Verdacht auf eine schwere Pankreatitis,sollte,falls nicht ohnehin zur Primärdiagnostik geschehen, innerhalb von 48 h nach Klinikaufnahme ein kontrastmittelverstärktes CT durchgeführt werden. Patienten mit schwerer Pankreatitis sollten auf eine Intensivstation aufgenommen werden; die übrigen Patienten können bei Vorhandensein adäquater Über-
397 39.3 · Schweregrad und Prognose SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 39.1. Ranson-Parameter bei akuter Pakreatitis (Werte für biliäre Pankreatitis) >55 Jahre
>70 Jahre
Normalwerte
>16.000/mm3 >200 mg/dl >350 U/l >250 U/l
>18.000/mm3 >220 mg/dl >400 U/l >250 U/l
7.000 ± 3.000/mm3 <105 mg/dl 20–225 U/l 7–40 U/l
Aufnahmewerte Leukozyten Nüchternblutzucker Serum-LDH Serum-GOT 48 h nach Aufnahme Hämatokritabfall Harnstoffanstieg Serumkalzium Arterieller pO2 Basendefizit Geschätzte Flüssigkeitssequestration
>10% >5 mg/dl <8 mg/dl <60 mmHg >4 mEq/l 6.000 ml
>2 mg/dl 9,2–10,8 mg/dl >5 mEq/l 4.000 ml
⊡ Tabelle 39.2. Einteilung des Schweregrads einer akuten Pankreatitis nach dem Balthazar-Score. (Mod. nach [Balthazar 1994]) Stadien
Punktebewertung
Definition
A
0
Normales Pankreas
B
1
Nicht die Organgrenzen überschreitende Pankreatitis Segmentäre/diffuse Pankreasvergrößerung mit Konturunregelmäßigkeiten, inhomogener Parenchymstruktur, Gangerweiterung, kleinen intrapankreatischen Flüssigkeitsansammlungen
C
2
Die Organgrenzen überschreitende Pankreatitis, wie B, plus Beteiligung des peripankreatischen Fettgewebes
D
3
Wie B und C, plus eine unscharf begrenzte Flüssigkeitsansammlung
E
4
Wie B und C, plus 2 unscharf begrenzte Flüssigkeitsansammlungen und/oder intra-/ peripankreatischer Luftnachweis Ausmaß der Nekrosen
0
Keine Nekrosen
2
Bis zu 1/3 der Drüse nekrotisch
4
1/
6
>50% der Drüse nekrotisch
10
3
bis 1/2 der Drüse nekrotisch
Maximal
39
398
Kapitel 39 · Akute Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
wachungsbedingungen auf einer Allgemeinstation bleiben. Interventionelle Maßnahmen sind erst nach ausreichender Stabilisierung des Patienten sinnvoll.
V
39.4
Therapie
39.4.1
Basistherapie
Die Therapie der milden Pankreatitis besteht im Wesentlichen aus Nahrungskarenz, parenteraler Volumen-, Glukose- und Elektrolytzufuhr und einer adäquaten Schmerzbehandlung. Die weiteren Maßnahmen sind Kreislaufüberwachung, Bilanzierung, Kontrolle von Blutzucker, Nieren- und Lungenfunktion. Therapiemaßnahmen bei akuter Pankreatitis (Mod. nach [Rünzi 2000]) Ausreichende parenterale Flüssigkeitssubstitution (ZVD-gesteuert!, Ziel: 8–10 cmH2O)
Intensivüberwachung obligat bei schwerer
Verlaufsform Suffiziente Schmerztherapie Nahrungskarenz Magensonde nur bei Subileus/Erbrechen Stressulkusprophylaxe bei schwerer Verlaufsform (Protonenpumpenblocker) Prophylaktische Antibiose allenfalls bei Nekrosen Früher enteraler Kostaufbau (bei schwerer Verlaufsform) vermutlich günstig Mehrfach abgestufter Kostaufbau nicht notwendig Endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie bei schwerer biliärer Pankreatitis frühzeitig durchführen (innerhalb von 24 h) Interdisziplinärer Ansatz, gegebenenfalls Verlegung in ein Zentrum
chenforschung erfolgen. Initial ist eine abdominelle Sonographie ausreichend, mit deren Hilfe sich bereits Hinweise auf z. B. einen erneuten Schub der Erkrankung bzw. Pseudozystenbildungen ergeben. Bei nicht ausreichend einsehbarem Pankreas oder bei einer unklaren Situation ist ein Kontrast-CT notwendig. Die ERCP ist bei Verdacht auf eine biliäre Obstruktion, gestützt durch Laborparameter und/oder Sonographie, indiziert. Bei alkoholinduizierter Pankreatitis ist eine ERCP nicht zwingend erforderlich. Das Vorhandensein von Fieber allein als auch der Schweregrad stellen keine Indikation dar. Wichtig Keine routinemäßige ERCP.
Die Indikation zur dringlichen ERCP (<24 h) besteht bei biliärer Obtruktion mit Cholangitis in Abhängigkeit vom klinischen Gesamtbild abhängig. In der Regel sollte sie innerhalb von 48–72 h erfolgen [Fölsch 1997]. Eine ERCP sollte weiterhin nach Abklingen aller akuten Pankreatitiden unklarer Genese erwogen werden (frühstens jedoch nach 8–12 Wochen),um eine tumorinduzierte Pankreatitis (über Obstruktion des Pankreasganges) auszuschließen. Zukünftig dürfte sich hier die MRCP als nichtinvasive Methode etablieren. Wurde eine biliäre Pankreatitis nachgewiesen und/oder finden sich Gallenblasensteine bzw. Gallenblasensludge, ist eine elektive Cholezystektomie indiziert [Boerna 2002]. Bei sehr alten bzw. fraglich operablen Patienten reicht zur Verhinderung des Rezidivs wahrscheinlich eine weite Papillotomie aus, da Restkonkremente über die große Öffnung abgehen können. Besteht der Verdacht auf eine chronische Pankreatitis sollte nach Abklingen des akuten Schubes die weitere Diagnostik angeschlossen werden ( s. unten). 39.4.2
Bei blandem Verlauf fallen die Lipasewerte recht rasch in den Normbereich ab (nach ca. 3–5 Tagen). Das CRP steigt jedoch zumeist bis zum 3.–4. Krankheitstag an; Normwerte werden erst nach 2–3 Wochen erreicht. Eine kurzfristige Kontrolle des Lokalbefundes mittels bildgebender Verfahren (z. B. Kontroll-CT) ist nicht erforderlich.Ergeben sich jedoch neue Probleme (erneut auftretende Schmerzen,Verschlechterung der Allgemeinsituation bzw. der Laborwerte) sollte Ursa-
Therapie der schweren (nekrotisierenden) akuten Pankreatitis
Die Behandlung der schweren Pankreatitis ist ein interdisziplinäres Problem, das in Zusammenarbeit mit Chirurgen und Intensivmedizinern gelöst werden sollte. Alle Patienten mit einer dem Staging nach schweren Pankreatitis sollten nach Möglichkeit täglich von jeweils demselben Internisten und Chirurgen gemeinsam untersucht werden, damit bei notwendig
399 39.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
werdenden operativen Maßnahmen der Chirurg den Patienten bereits von Anfang an kennt. Volumenmangel Bei schwerer akuter Pankreatitis können die Flüssigkeitsverluste bis zu 40% des zirkulierenden Blutvolumens betragen. Der tägliche Flüssigkeitsbedarf beträgt im Initialstadium der akuten Pankreatitis mindestens 3 l; erheblich höhere Flüssigkeitsmengen können notwendig sein. Die Flüssigkeitsgabe wird entsprechend des ZVD’s ( s. oben), des Blutdrucks (>100 mmHg systolisch) und der Urinausscheidung (>100 ml/h) gesteuert. Die Substitution führt zu einer besseren Gefäßfüllung, damit erhöhten Organperfusion, welche möglicherweise das Ausmaß der Nekrose reduziert und über diesen Mechanismus einen Einfluss auf die Prognose der Erkrankung haben könnte. Ob die Gabe von Plasmaexpandern oder gar eine therapeutische Hämodilution erforderlich ist,gilt als umstritten. Schmerztherapie Eine suffiziente Schmerztherapie stellt eine weitere wichtige Säule in der Behandlung in der Behandlung des Patienten dar.Als geeignet erweisen sich periphere, notfalls auch zentral wirksame Analgetika ohne Wirkung auf den Sphinkter oddi. Generell angestrebt wird eine individuell angepasste Monotherapie (z. B. mit Metamizol, Tramadol oder Buprenorphin). Die häufig derzeit noch zur Primärbehandlung empfohlene Dauerinfusion von Procain ist weniger wirksam als die i.v.-Applikation von Buprenorphin [Jacobs 2000]. Bei nicht ausreichender Wirkung ist eine Kombinationstherapie aus peripher wirksamen mit zentral wirksamen Schmerzmittel notwendig (z.B.Metamizol + Tramadol). Die perkutane Applikation von Fentanyl hat den potenziellen Vorteil gleichbleibende Wirk-
39
spiegel. Die Gabe von Bupivacain über einen Periduralkatheter bietet sich als Alternative bei Therapieversagern an (⊡ Tabelle 39.3). Wichtig Enzympräparate eignen sich im akuten Schub nicht zur Schmerztherapie.
Antibiotische Therapie Eine prophylaktische Antibiotikagabe ist bei leichten Verlaufsformen nicht gerechtfertigt; sie kann aber bei relevanten Nekrosen, da sich bei bakterieller Besiedlung die Prognose entscheidend verschlechtert, indiziert sein. Die Infektion von Nekrosen oder Pseudozysten ( s. unten) kann über die Ausbildung einer Sepsis zu Multiorganversagen führen und stellt gegenwärtig die wichtigste Ursache für die Mortalität bei der akuten Pankreatitis dar. Die Besiedelung erfolgt nicht sofort, sondern im Verlauf von 1–3 Wochen [Gerzof 1987]. Aufgrund des nachgewiesenen Erregerspektrums scheinen die Bakterien aus dem Colon zu stammen, entweder direkt aus dem Querkolon in das darüber liegende Pankreas einwandern oder aber über den Lymphweg ins Pankreas transportiert werden [Banks 1990]. Zur Identifizierung infizierter Nekrosen ist die sonographisch oder computertomographisch geführte Feinnadelpunktion (FNP) mit anschließender Gramfärbung des Aspirates der »golden standard« [Rünzi 2000]. Es sind keine laborchemischen Parameter zur sicheren Indentifikation infizierter Nekrosen verfügbar. Ob Procalcitonin (PCT), ein Propeptid des Calcitonins, als möglicher Serumparameter eine der FNP vergleichbare diagnostische Treffsicherheit aufweist, ist derzeit Gegenstand laufender Untersuchungen [Kylanpaa-Back 2001; Muller 2000].
⊡ Tabelle 39.3. Schmerzmedikation bei akuter Pankreatitis Präparat
Dosierung
Tramadol (Tramal)
50 mg i.v.
Pentazocin (Fortral)
30 mg i.v.
Sedierung (zentralen Wirkort), kontraindiziert bei Gravidität
Buprenorphin (Temgesic)
0,3 mg i.v.
Kopfschmerzen, Verwirrheitszustände
Piritramid (Dipidolor)
7,5 mg i.v.
Pethidin (Dolantin)
50 mg i.v.
Bupivacain (Bucain)
0,125–0,5% (Periduralkatheter)
Nebenwirkung/Kontraindikation
PDK-typische Komplikationen bzw. Kontraindikationen
400
V
Kapitel 39 · Akute Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
In einer älteren Metaanalyse [Rünzi 2000] konnte gezeigt werden, dass die prophylaktische Antibiotikagabe bei nekrotisierender Pankreatitis möglicherweise einen günstigen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat. Eine aktuelle größere multizentrische Studie hat dies jedoch nicht bestätigen können [Isenmann 2004]. Bei indiziertem Einsatz sind pankreasund nekrosegängige Präparate einzusetzen, die im Einzelfall nach Resistogramm angepasst werden müssen. Hierbei sollten primär Imipenem 3¥500 mg/Tag oder eine Kombination von Ofloxacin (3¥200 mg) + Metronidazol (3¥500 mg) über 14 Tage eingesetzt werden [Sharma 2001]. Wichtig Die Dauer der antibiotischen Therapie bzw. einer Prophylaxe wird vom klinischen Bild bestimmt. Eine Mindestdauer von 7–10 Tagen wird empfohlen.
Untersuchungen zur Rolle der selektiven Darmdekontamination sind aufgrund methodischer Schwächen nicht aussagekräftig und erlauben derzeit keine Empfehlung. Der Nutzen einer primären Pilzprophylaxe gilt ebenfalls derzeit als nicht gesichert [Rünzi 1999; Rünzi 2000]. 39.4.3
⊡ Tabelle 39.4. Ernährungstherapie bei akuter Pankreatitis Milde und mäßig schwere Form 2–3 Tage
Keine orale Ernährung i.v.-Gabe von Flüssigkeit und Elektrolyten
3–7 Tage
Kostaufbau Kohlenhydratreich, fett- und proteinarm
Schwere Form 1–2 Tage
Keine orale Ernährung
2 Tage
Platzierung einer enteralen Ernährungssonde
Ab 3. Tag
Kontinuierliche enterale Ernährung mit einer Elementardiät Ziel: 25–35 kcal/kgKG/Tag 1,2–1,5 g Protein/kgKG/Tag 4–6 g Kohlenhydrate/kgKG/Tag bis zu 2 g Fett/kgKG/Tag
Falls dieses Ziel enteral nicht erreicht werden kann oder ein paralytischer Ileus vorliegt, sollte mit einer parenteralen Ernährung kombiniert werden bzw. eine alleinige parenterale Ernährung erfolgen.
Ernährungstherapie
Hinsichtlich der Ernährung bei Pankreatitis hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Mittlerweile setzt sich die Ansicht durch,dass eine frühe enterale Ernährung bei dieser Erkrankung möglicherweise sinnvoll ist [Meier 2002]. Nahrungskarenz Es wird ein Stufenkonzept vorgeschlagen (⊡ Tabelle 39.4), das v. a. vom Schweregrad der Erkrankung abhängig ist. Bei allen Patienten sollte initial eine enterale Nahrungskarenz für 2–4 Tage erfolgen, mit parenteraler Gabe von Volumen, Elektrolyten und Glukose. Die ehemals propagierte generelle Platzierung einer Magensonde gilt heute als obsolet. Indiziert ist sie bei Patienten mit Ileus/Subileus; obligat bei Erbrechen. Die Gabe von Protonenpumpenblockern zur Hemmung der Säuresekretion hat sich bewährt.
Enterale Ernährung Liegt eine milde Verlaufsform vor, kann bereits nach wenigen Tagen mit einen enteralen Kostaufbau begonnen werden ( s. unten). Bei einer schweren Verlaufsform bzw. einer längeren Krankheitsdauer wird empfohlen, ab dem 3. Krankheitstag mit einer enteralen Ernährungstherapie zu beginnen. Hierzu sollte eine Ernährungssonde distal des Treitz-Bandes im Jejunum platziert und nach Lagekontrolle mit der Gabe einer Elementardiät begonnen werden. Derzeit existieren keine allgemein akzeptierten Empfehlungen zur Zusammensetzung der Diät, eine kohlenhydratreiche Kost ist sinnvoll. Nur wenn die enterale Ernährung nicht (z. B. Ileus, Magenausgangsstenose) oder nur teilweise möglich ist,erscheint eine zusätzliche oder vollständige parenterale Ernährung indiziert. Kostaufbau Die Wiederaufnahme der oralen Ernährung wird im Wesentlichen vom klinischen Verlauf bestimmt. Die Entscheidungsparameter sind weitgehend subjektiv,
401 39.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
es können die Schmerzarmut, der verbesserte Allgemeinzustand sowie das Wiederauftreten von Stuhlgang als Kriterien herangezogen werden Ein vorübergehender Amylase- und/oder Lipaseanstieg zu Beginn des Kostaufbaus ist nicht ungewöhnlich und bedingt nicht notwendigerweise eine erneute Nahrungskarenz. Nur bei erneuter Schmerzsymptomatik sollte der Kostaufbau vorübergehend unterbrochen werden. Beim oralen Kostaufbau sollten zunächst kohlenhydratreiche Nahrungsmittel bevorzugt und Fett möglichst vermieden werden. Es gibt derzeit keinen fundierten Beleg für den noch häufig praktizierten mehrstufigen Kostaufbau mit gradueller Steigerung der Fettzufuhr (»Pankreasdiät Stufe 1–4«). Die 2stufige Empfehlung mit Tee und Zwieback als Basisstufe vor einer leichten Mischkost wird erfahrungsgemäß gut vertragen und daher empfohlen. Eine zusätzliche Gabe von Pankreasenzymen zum Kostaufbau ist ungesichert und wahrscheinlich nicht notwendig. 39.4.4
Therapie von Komplikationen
Die Komplikationen einer akuten Pankreatitis können sich lokal,d.h.intra- und extrapankreatisch sowie systemisch zeigen. Intrapankreatische Ursache sind die Ausbildung von Nekrosen,Abszessen und Pseudozysten, die jeweils mit und ohne Infektion auftreten können. Extrapankreatische Komplikationen, wie die Stenose der benachbarten Hohlorgane (Ductus choledochus, Duodenum und Kolon), sind durch eine entzündliche Pankreasschwellung bedingt. Ein paralytischer Ileus ist häufig, insbesondere bei nekrotisierender Pankreatitis. Gastrointestinale Blutungen, Dünndarminfarkte und Milzbeteiligung sind eher selten aber, wenn sie auftreten, lebensbedrohlich. Den Verlauf beeinflussende systemische Komplikationen sind: Schock, intravasaler Volumenmangel sowie respiratorische und renale Insuffizienz. Pseudozysten, Pankreasabszess Bei infizierten Pseudozysten und Pankreasabszessen kann versucht werden, eine primäre interventionelle (perkutane) Drainage einzusetzen. Asymptomatische (nichtinfizierte) Pseudozysten sind nur bei lokaler Symptomatik (Obstruktion, Blutung, wesentliche Größenzunahme im Verlauf) zu therapieren,die spontane Rückbildungsrate liegt bei bis zu 50% [Rünzi 2000]. Symptomatische Pseudozysten >6–10 cm sollten primär interventionell drainiert werde.Die perkutane
39
Katheterdrainage gilt als sichere und effektive Methode zur Dekompression. Alternativ kann in erfahrenen Zentren eine endosonographische Zystogastrostomie oder -duodenostomie mit einem doppelten PigtailKatheter für 3–6 Wochen durchgeführt werden. Bei längerdauernder interventioneller Drainage steigt die Infektionsrate sprunghaft. Es ist unklar wielange die Pseudozyste drainiert werden muss [Rünzi 2000]. Der Pankreasabszess ist meist Spätfolge einer akuten Pankreatitis durch sekundärer Besiedlung der Nekrose mit Bakterien. Falls keine Komplikationen eingetreten sind, sollte die Therapie des Abszesses bis zur vollständigen Demarkierung konservativ erfolgen.Ist eine Sanierung erforderlich,kann auch hier bei günstiger Lage eine interventionelle Drainage unter Ultraschall- oder CT-Kontrolle durchgeführt werden. Die operative Behandlung kann bei ungünstigem Zugangsweg erforderlich sein und sollte nach der akuten Phase der Pankreatitis durchgeführt werden. Respiratorische Insuffizienz Eine frühzeitige maschinelle Beatmung ist angezeigt, sobald der paO2 auf <60 mmHg, die arterielle O2-Sättigung auf <90% (unter nasaler O2-Gabe von maximal 6 l/min) fällt und/oder sich eine Tachypnoe von mehr als 20/min mit drohender Erschöpfung entwickelt (diese Grenzwerte gelten nicht für Patienten mit vorbestehenden hypoxischen Lungenerkrankungen). Eine drucklimitierte Beatmung (obere Begrenzung 25–30 mm Hg) wird bevorzugt, hier soll ein initialer PEEP (positiv endexpiratorischer Druck) von 5–10 mbar angestrebt werden. Bei Verschlechterung (inspiratorische O2-Konzentration [FiO2] >0,4) sind ergänzende Maßnahmen (kinetische Therapie wie Bauchlagerung,bronchoalveoläre Lavage,intensivierte Bronchialtoilette) indiziert. Bei einem Lungenversagen muss eine mechanische Ventilation erfolgen. Akutes Nierenversagen Eine rasche und ausreichende Volumenzufuhr (Ziel: ZVD 8–10 cmH2O) ist die wichtigste Prävention des akuten Nierenversagens. Bei Oligurie können Diuretika versuchsweise eingesetzt werden.Bei refraktärem Anstieg der Retentionsparameter (Kreatinin >2 mg/ dl, Harnstoff >100 mg/dl) und/oder Hyperkaliämie empfiehlt sich der frühzeitige Einsatz einer Nierenersatztherapie (kontinuierliche venovenöse Hämofiltration [CVVHF] oder Hämodialyse [CVVHD]). Metabolische Komplikationen Eine Hyperglykämie tritt häufig auf und ist nötigenfalls mit Altinsulin zu therapieren. Bei relevanter
402
Kapitel 39 · Akute Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Hypalbuminämie ist Albumin oder Frischplasma zu substituieren. Bei Auftreten einer schweren, symptomatischen Hypokalzämie (Kalzium <1,7 mM) trotz normalem Serumalbumin ist eine vorsichtige parenterale Kalziumsubstitution indiziert.
V
Gerinungsstörungen Intravasale Gerinnungsaktivierungen mit Thrombosierungen sind häufig, diffuse intravaskuläre Koagulationen (DIC) selten. Eine niedrig dosierte Prophylaxe mit Heparin bzw.niedermolekularem Heparin wird daher empfohlen. Der therapeutische Nutzen einer Antithrombin-III-Substitution nicht belegt [Rünzi 2000]. 39.4.5
Chirurgische Therapie
Es gibt die Tendenz, eine chirurgische Therapie bei akuter Pankreatitis deutlich seltener bzw. erheblich später durchzuführen. Eine Intervention bei ödematöser Pankreatitis wird als nicht notwendig (obsolet) angesehen. Die nekrotisierende akute Pankreatitis kann heute v. a. durch den Einsatz einer frühzeitigen Antibiotikatherapie bei etwa 60–70% der Patienten konservativ unter Einsatz aller intensivmedizinischer Therapiemodalitäten (evtl. Beatmung, Dialyseverfahren, Kreislaufunterstützung mit Katecholaminen) behandelt werden. Bei etwa 30–40% der Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis sind chirurgische Maßnahmen notwendig, insbesondere nach einer Sekundärinfektion der Nekrosen und Verschlechterung der klinischen Situation. Nur wenige Patienten mit sterilen Nekrosen benötigen eine operative Therapie. Eine Operation bei nekrotisierender Pankreatitis sollte dann erfolgen, wenn eine klinische Stabilisierung des Patienten mit intensivmedizinischen Maßnahmen nicht möglich ist (persistierender Verlauf über >3 Wochen, beginnendes Multiorganversagen). Durchgeführt werden heute die Nekrosektomie (schonende Entfernung von Nekrosen) in Kombination mit einem Lavageverfahren – entweder offen (»open packing«) oder geschlossen (kontinuierliche retroperitoneale Lavage; [Boerma 2002; Rünzi 2000; Uhl 2002]. 39.4.6
Ungesicherte und obsolete Therapieansätze
Alle Versuche,nach Beginn der Symptomatik den Verlauf der Erkrankung entscheidend zu beeinflussen,
scheiterten. Ein therapeutischer Nutzen insbesondere von Proteaseinhibitoren (Gabexatmesilat), Somatostatin, Glukagon, und Radikalfängern (z. B. Selen) konnte bei allen bisher durchgeführten Studien nicht belegt werden. Die Plasmapherese kann in Einzelfällen (z. B. Hyperlipidämie) eingesetzt werden,ihr therapetischer Nutzen ist allerdings nicht durch kontrollierte Studien belegt. Der Nutzen einer therapeutischen Peritoneallavage ist nicht gesichert. Die Datenlage zum Einsatz der Hämodilation (»Zytokinelimination«) erlaubt keine sichere Bewertung
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403 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG prediction of infected necrosis in severe acute pancreatitis. Gut 46: 233–238 Rünzi M, Layer P, Büchler MW et al. (2000) Therapie der akute Pankreatitis. Leitlinien der DGVS, DGC, DGVC. Z Gastroenterol 38: 571–581 Rünzi M, Layer P (1999) Nonsurgical management of acute pancreatitis. Use of antibiotics. Surg Clin North Am 7: 759–765 Sharma VK, Howden CW (2001) Prophylactic antibiotic administration reduces sepsis and mortality in acute necrotizing pancreatitis: a meta-analysis. Pancreas 22: 28–31
39
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Chronische Pankreatitis J. Mössner 40.1
Pathologie
40.2
Epidemiologie
40.3
Klinik
40.4
Diagnostik
40.5
Therapie
40.5.1 40.5.2 40.5.3 40.5.4 40.5.5 40.5.6 40.5.7 40.5.8
Prinzipien der Therapie – 407 Therapie des akuten Schubs der chronischen Pankreatitis Schmerztherapie – 409 Therapie der exokrinen Pankreasinsuffizienz – 410 Zusatztherapie – 412 Therapie der endokrinen Insuffizienz – 412 Interventionelle endoskopische Therapie – 412 Chirurgische Therapie – 413
Literatur
>>
– 405 – 405
– 405 – 406 – 407 – 409
– 413
Die chronische Pankreatitis ist durch die schubweise oder kontinuierliche Zerstörung des Pankreasgewebes im Rahmen der chronischen Entzündung definiert. Nach einer subklinischen Phase unterschiedlicher Dauer kommt es meist zu rezidivierenden akuten Schüben und zur exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz. Die Ätiologie ist in den Industrienationen in 80% der Fälle langjähriger Alkoholmissbrauch. Die Therapie ist rein symptomatisch: Alkohol- und Nikotinkarenz sowie eine suffiziente Schmerztherapie z. T. unter Einsatz invasiver Verfahren. Mittels interventioneller Endoskopie sind Gallengang-, Pankreasgang- und Pseudozystendrainagen sowie in der Kombination mit extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie die Entfernung präpapillärer Pankreasgangkonkremente möglich. Die interventionelle Endoskopie hat sehr wahrscheinlich keinen Einfluss auf den Langzeitverlauf der Erkrankung. Die Therapie der exokrinen Insuffizienz erfolgt mit Schweinepankreatin mit dem Ziel der Beseitigung/Besserung der Maldigestion. Die Applikation fettlöslicher Vitamine, Einhaltung einer fettrestringierten Diät oder Gabe von mittelkettigen Triglyzeriden ist nur bei therapierefraktärer schwerer Maldigestion indiziert. Die Therapie der endokrinen Insuffizienz kann vorübergehend mit oralen Antidiabetika erfolgen, in der Regel mit Insulin. Eine Indikation zur Operation kann zur Schmerztherapie, Therapie von Komplikationen sowie bei Karzinomverdacht bestehen.
405 40.3 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
40.1
Pathologie
40.2
In Industrienationen ist die chronische Pankreatitis in 70–80% aller Fälle alkoholinduziert. Es besteht eine Korrelation zwischen der Menge und Dauer des Alkoholkonsums und dem Risiko eine chronische Pankreatitis zu entwickeln [Durbec 1978]. In 20–30% der Fälle ist eine auslösende Ursache nicht erkennbar (idiopathische chronische Pankreatitis). Bei 1/3 der Fälle ist die idiopathische chronische Pankreatitis mit Mutationen des »cystic fibrosis transmembrane conductance regulator« (CFTR) assoziiert [Cohn 1998; Scharer 1998]. Mutationen, die noch eine Partialfunktion des CFTR ermöglichen, prädisponieren offensichtlich zu einer chronischen Pankreatitis. Seltene weitere Ursachen einer chronischen Pankreatitis sind eine chronische Obstruktion, primärer Hyperparathyreoidismus sowie hereditäre Formen. Bei der hereditären Pankreatitis lassen sich in 2/3 der Fälle Punktmutationen des kationischen Trypsins finden [Teich 1999; Whitcomb 1996]. Ferner finden sich bei nichthereditären Formen, sowohl bei der idiopathischen Pankreatitis als auch bei einigen alkoholinduzierten Fällen, SPINK-Mutationen (Serin Proteasen Inhibitoren vom Kasal-Typ; [Witt 2000]). Die Aufklärung genetischer Veränderungen, die entweder die Krankheit verursachen oder bei zusätzlichen, z. T. noch unbekannten Kofaktoren, die Krankheitspenetranz beeinflussen, hat noch zu keinen therapeutischen Konsequenzen geführt.
Epidemiologie
In den westlichen Industrienationen wird mit einer Prävalenz von 10–12 Fällen auf 100.000 Einwohner gerechnet. Die Prävalenz der Erkrankung steht in Zusammenhang zum Alkoholkonsum einer Bevölkerung [Durbec 1978]. 40.3
Klinik
Die symptomatische Therapie ist stadiengerecht und setzt daher eine Kenntnis des klinischen Bildes und der Komplikationsmöglichkeiten voraus [Mössner 1998; Steer 1995]. Die chronische Pankreatitis wird in Stadien eingeteilt: ▬ Stadium I: Präklinisches Stadium ohne manifeste Symptomatik mit bereits chronisch entzündlichen Veränderungen des Organs. ▬ Stadium II: Klinische Symptome in Form von rezidivierenden akuten Schüben und sekundären Komplikationen. Mit zunehmendem Untergang von Pankreasgewebe lässt die Intensität der klinischen Symptome nach. Einige Patienten zeigen auch ein chronisches Schmerzsyndrom und einen Krankheitsverlauf ohne typische Schübe. Die häufigste Komplikation ist die Entstehung von Pankreaspseudozysten mit unterschiedlichster Symptomatik (⊡ Tabelle 40.1).
⊡ Tabelle 40.1. Komplikationsmöglichkeiten und Symptomatik von Pankreaspseudozysten Komplikation
40
Symptomatik
Obstruktion des Duodenums/Magens
Erbrechen, Schmerzen
Obstruktion des Ductus choledochus
Ikterus, Schmerzen
Rasche Größenzunahme Æ Gefahr der Ruptur – in die freie Bauchhöhle – infizierter Zysteninhalt – ins Retroperitoneum – in den Thoraxraum – in die Pleura – in die Bronchialwege – ins Duodenum
Schmerzen Pankreatogener Aszites Peritonitis Harnstau, Schmerzen Pleuraerguss, Atemnot Produktiver Husten Mögliche »Selbstheilung der Pseudozyste«
Milzvenenkompression Æ Splenomeglie, Fundusvarizen
Infektion Æ Abszess/Empyem
Fieber, Sepsis, Schmerzen
Gefäßarrosion
Lebensbedrohender Blutungsschock
Thrombose, Schmerzen Varizenblutung
406
Kapitel 40 · Chronische Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
▬ Stadium III: Progrediente exokrine und endo-
krine Insuffizienz mit zunehmender Diarrhö und Steatorrhö,weiterem Gewichtsverlust sowie Symptomen des Diabetes mellitus. Etwa 10% aller Patienten werden aufgrund eines primär schmerzlosen Verlaufs erst im Stadium III aufgrund eines progredienten Gewichtsverlustes klinisch auffällig.
V
Leitsymptom sind rezidivierende oft gürtelförmige Schmerzen im Oberbauch, Rückenschmerzen sowie Gewichtsverlust. Die Pathogenese der Schmerzen ist vielschichtig. Pathogenese von Schmerzen bei chronischer Pankreatitis Entzündlicher Pankreaskopftumor Æ Duo-
denal- und/oder Ductus-choledochusKompression Entzündliche Infiltration des Retroperitoenums Pseuodzyste Æ Kompression benachbarter Organe, Pankreaskapselspannung Pankreasgangobstruktion durch Narben oder Gangkonkremente/Proteinpräzipitate Æ Gangdruckerhöhung Æ Kapselspannung Entzündliche Infiltration sensibler Nervenfasern Pankreasischämie bei Arteriosklerose Extrapankreatische Ursachen: Magen-, Duodenalulkus Meteorismus bei Maldigestion Psychogene Ursachen bei Alkoholkrankheit
Im Stadium II ist der Gewichtsverlust durch unzureichende Kalorienzufuhr aufgrund nahrungsabhängiger Schmerzen erklärt, im Stadium III durch zunehmende Maldigestion. Bei eingeschränkter exokriner Pankreasfunktion kommen Fettstuhl und andere Merkmale der schweren Maldigestion, wie Folgeerkrankungen des Mangels fettlöslicher Vitamine, hinzu: Vitamin-E-Mangel (Hautveränderungen), Vitamin-A-Mangel (Nachtblindheit), Vitamin-K-Mangel (Gerinnungsstörungen), Vitamin-D-Mangel (Osteomalazie). Das Spätstadium ist charakterisiert durch eine zunehmende endokrine Insuffizienz mit Diabetes mellitus. Die Symptomatik kann durch Folgeerkrankungen des Alkohol- und Nikotinabusus wie arterielle Verschlusskrankheit, chronische Bronchitis, Lungenkar-
zinom, Fettleber, Leberzirrhose mit oder ohne portale Hypertension erweitert werden. Die typische Trias von Gewichtsverlust mit oder ohne Steatorrhö, Diabetes mellitus und Pankreaskalzifikationen findet sich bei 1/3 der Patienten,meist erst im Stadium III. Komplikationen Häufigste Komplikation ist die Entstehung von Pseudozysten, die je nach Größe, Lokalisation und Verlauf ein unterschiedliches Bild bieten können. In bis zu 5% ist mit der Entstehung eines Pankreaskarzinoms auf dem Boden der chronischen Pankreatitis zu rechnen [Lowenfels 1993]. Insbesondere bei der hereditären chronischen Pankreatitis ist aufgrund der jahrzehntelangen chronischen Pankreasentzündung das Karzinomrisiko erhöht. Exokrine Insuffizienz Die Lipasesekretion muss wenigstens zu 90% erniedrigt sein, bevor es zu einer manifesten Steatorrhö kommt: Die Steatorrhö ist durch voluminöse, gelbliche, übelriechende Stühle mit einem täglichem Gesamtstuhlgewicht von deutlich über 200 g und einer Stuhlfettausscheidung von mehr als 7 g/Tag gekennzeichnet. Endokrine Insuffizienz Die endokrine Insuffizienz geht oft nicht mit der exokrinen Insuffizienz parallel. 20% der Patienten haben auch nach 10-jähriger Krankheitsdauer noch keinen Diabetes. 40.4
Diagnostik
Laborchemische Untersuchungen. Die Serumamylase und -lipase sind nur im akuten Schub erhöht. Cholestaseparameter sind bei Kompression des Ductus choledochus erhöht; bei ausgeprägter Cholestase ist auch Bilirubin erhöht. Endoskopische Verfahren. Die Ösophago-GastroDuodenoskopie dient zum Ausschluss eines Ulkus, Nachweis einer Duodenalstenose oder begleitender portaler Hypertension bei zusätzlicher Lebererkrankung oder Milzvenenthrombose. Die endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie (ERCP) ist unverändert der »golden standard« zum Nachweis oder Ausschluss einer chronischen Pankreatitis mit typischen Pankreasgangveränderungen wie Rarefizierung, Verplumpungen und
407 40.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
zystische Erweiterungen der Seitenäste, Stenosierungen und Erweiterungen des Hauptganges. Der Stellenwert der Endosonographie ist bislang unklar. Die Diagnose eines Pankreaskarzinoms auf dem Boden einer chronischen Pankreatitis und die Differenzierung entzündlicher vs.maligner Pankreaskopftumor bleibt schwierig. Endosonographisch lässt sich gut der Abstand einer Pseudozystenwand zum Magen oder Duodenum messen und es lassen sich Gefäße in der Zystenwand nachweisen, beides Kriterien, die vor geplanter endoskopischer Zystendrainage wichtig sind. Bildgebende Verfahren. Die transabdominelle Sonographie ist das Verfahren der Wahl zur Beurteilung der Zu- oder Abnahme der Organgröße, Änderungen der Binnenechos, Nachweis von Kalzifikationen, Gangsteinen,Erweiterungen des Pankreashauptganges und der Gallenwege sowie von Pseudozysten. Die Abdomenleeraufnahme oder Pankreaszielaufnahme kann nur zur Diagnose fortgeschrittener Stadien oder zur Verlaufskontrolle herangezogen werden, da Verkalkungen im Frühstadium fehlen. Die Computertomographie zeigt ähnliche Veränderungen wie die Sonographie, hat aber eine höhere Sensitivität insbesondere bei Meteorismus. Die Magnetresonanz-Cholangio-Pankreatikografie (MRCP) ist als nichtinvasives Verfahren bei rein diagnostischer Fragestellung der ERCP vorzuziehen. Die MRCP ist im Nachweis früher Pankreasgangveränderungen der ERCP wahrscheinlich unterlegen.Bei technisch erfolgloser ERCP,z.B.nach Magenresektionen mit tiefer Fußpunktanastomose des abführenden Duodenums, kann die MRCP bei unklarer Cholestase die diagnostische invasive perkutan transhepatische Cholangiografie (PTC) ersetzen. Die »all in one« Magnetresonanzuntersuchung, Kombination aus MR-Tomografie + MR-CP + MR-Angiografie, hat eher einen Stellenwert in der Pankreaskarzinomdiagnostik.
40
nicht geeignet. Am praktikabelsten ist die Konzentrationsbestimmung der Pankreaselastase im Stuhl. Der Pancreolauryl-Test (Fluoreszein-Dilaurat-Test) hat eine Sensitivität von 70%. Bei ausreichender Pankreasfunktion spalten nach oraler Applikation des nichtresorbierbaren Fluoreszein-Dilaurats Pankreasesterasen Fluoreszein von seiner Bindung an Dilaurat ab. Konzentrationsmessung von Fluorescein im Serum oder Urin ist daher ein indirekter Hinweis der Aktivität der Pankreasenzyme im Duodenum. Die quantitative Stuhlfettbestimmung im DreiTage-Sammelstuhl ist das einzig valide Verfahren zum Nachweis einer Steatorrhö und kann bei Überprüfung des Erfolges einer Pankreasenzymtherapie erforderlich werden. 40.5
Therapie
Nur 50% der Patienten leben noch 10 Jahre nach Diagnosestellung [Lowenfels 1994]. Todesursachen sind aber weniger Multiorganversagen oder Sepsis bei akuten Schüben mit nekrotisierender Pankreatitis,operationsbedingte Letalität oder Spätkomplikationen eines Diabetes mellitus, sondern Erkrankungen aufgrund der »Lebensgewohnheiten«: erhöhtes Risiko ein Malignom, u. a. Lungenkarzinom, aufgrund des Nikotinabusus zu entwickeln und wahrscheinlich auch der gestörten Immunabwehr bei Alkoholabusus. Folgekomplikationen der nikotinbedingten Arteriosklerose; alkoholbedingte Unfälle; inadäquate Insulintherapie bei mangelnder Compliance. Anamnese, Klinik, Laborparameter, Pankreasfunktionsanalysen und unterschiedliche bildgebende Verfahren ermöglichen eine Charakterisierung des jeweiligen Krankheitszustands, eine Voraussetzung vor differenzierter Einleitung einer medikamentösen, interventionell-endoskopischen oder chirurgischen Therapie. Bei einem nichtheilbaren chronischen Krankheitsbild ist eine stadiengerechte Therapie erforderlich.
Funktionsdiagnostik. Zur Beurteilung der Funktion
dienen direkte und indirekte Funktionsuntersuchungen: Der Sekretin-CCK (Cholecystokinin)-Test oder Ceruletid-Test hat als direkter Test eine Sensitivität von bis zu 90%. Der Test wird kaum noch angewandt: einerseits ist er sehr teuer, andererseits zieht ein pathologisches Ergebnis nicht unbedingt therapeutische Konsequenzen nach sich. Die indirekten Funktionstests haben nur eine Sensitivität von rund 60% und sind zur Frühdiagnostik
40.5.1
Prinzipien der Therapie
Die symptomatische Therapie gliedert sich in mehrere Arme (⊡ Tabelle 40.2; [Mössner 1998]): ▬ Behandlung der Alkoholkrankheit zur Vermeidung der Folgeprobleme,Verbesserung der Compliance und – allerdings fraglichen – Besserung der Entzündungsaktivität und Verzögerung der Progression; soziale Reintegration,
408
Kapitel 40 · Chronische Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 40.2. Symptomatische Therapie der chronischen Pankreatitis
V
Maßnahme
Ziel
Alkoholkarenz
Soziale Reintegration Verbesserung der Compliance Verzögerung des Krankheitsverlaufs (?) Reduktion der Komplikationen (?)
Nikotinkarenz
Verzögerung der Arteriosklerose Besserung der Schmerzen (?)
Medikamentöse Schmerztherapie – Oral, sublingual – Intravenös – Transdermal – Peridural – Intrathekal – Plexus-coeliacus-Blockade
Schmerzfreiheit
Interventionelle Endoskopie – Gallengangsdrainage
Schmerzfreiheit Beseitigung einer Cholestase Verhinderung einer sekundär biliären Leberzirrhose Verhinderung einer Cholangitis Beseitigung des Pruritus
– Pankreasgangdrainage
Schmerzfreiheit Verzögerung der chronisch destruktiven Entzündung (?)
– Pseudozystendrainage Transkutan Endoskopisch transgastral, -duodenal
Schmerzfreiheit, Rupturverhinderung
– Pankreasgangsteinentfernung
Schmerzfreiheit Verzögerung der Entzündung
– ESWL + endoskopische Steinextraktion
Therapie der exokrinen Insuffizienz – Schweinepankreatin (säuregeschützte Mikrotabletten, -pellets)
Beseitigung/Besserung der Maldigestion
– Konventionelles Pankreatin bei fehlender – Magensäure (Pilzlipase) (gentechnologisch hergestellte mikrobielle säureresistente Lipase) – Fettlösliche Vitamine – Diät
Therapie der endokrinen Insuffizienz – Vorübergehend orale Antidiabetika
Therapie des pankreopriven Diabetes
– Insulin
Operation
Schmerztherapie Therapie von Komplikationen Karzinomverdacht Verzögerung des Krankheitsverlaufs
409 40.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
▬ Therapie des akuten Schubes, ▬ Schmerztherapie basierend auf dem jeweiligen
Pathomechanismus der Schmerzen. ▬ Therapie der exokrinen Insuffizienz mit Schwei-
nepankreasextrakten, ▬ Therapie der endokrinen Insuffizienz mit Insulin, ▬ Anpassung der Ernährung an die exokrine und en-
dokrine Restfunktion, ▬ Therapie der Komplikationen, sei es interventio-
nell endoskopisch oder chirurgisch. 40.5.2
Therapie des akuten Schubs der chronischen Pankreatitis
Beim akuten Schub einer chronischen Pankreatitis bestehen, verglichen mit einer akuten Pankreatitis anderer Genese, keine Unterschiede in der Therapieplanung. Beurteilung des Schweregrades Klinik, CT mit Kontrastmittelgabe und CRP dienen der Beurteilung des Schweregrades. Die Indikation und Häufigkeit des Einsatzes der Computertomographie ist vom klinischen Verlauf abhängig.Bei leichtem Verlauf ist ein CT nicht indiziert (CRP <100 mg/l; keine extrapankreatischen Komplikationen). Klinische Scoring-Systeme (Ranson, APACHE II, Glasgow) werden außerhalb von Zentren und Intensivstationen ebenfalls nur wenig eingesetzt. Die konservative Basistherapie des akuten Schubes einer chronischen Pankreatitis ist der Therapie der akuten Pankreatitis ähnlich und beinhaltet: ▬ kurzfristige orale Nahrungskarenz, ▬ Schmerztherapie, ▬ parenterale Ernährung bei längerer Notwendigkeit einer oralen Nahrungskarenz oder, wahrscheinlich besser, frühzeitige enterale Ernährung via Jejunalsonde, ▬ intensive Überwachung, ▬ Behandlung von Komplikationen.
40
Proteaseninhibitoren haben keinen Stellenwert in der Therapie des akuten Schubes einer chronischen Pankreatitis.Die Behandlung erfolgt bei schwerem Verlauf mit Nekrosen und Organversagen auf der Intensivstation interdisziplinär (durch Internisten (Gastroenterologen)/Viszeralchirurgen) primär konservativ. Operationsindikationen sind die infizierte Nekrose und der Abszess, der durch eine interventionelle Therapie nicht erfolgreich behandelt werden konnte. Therapierefraktärer Verlauf mit progredientem Organversagen und lokale Komplikationen können seltene Operationsindikationen sein. Weitere Operationsindikationen sind therapierefraktäre Schmerzen und Karzinomverdacht. Der Beginn des Kostaufbaus orientiert sich am Rückgang der Beschwerden. Der Kostaufbau wird bei rückläufiger Klinik stufenweise mit Zwieback und Tee begonnen, dann mit fettreduzierter Diät fortgeführt. 40.5.3
Schmerztherapie
Vor Beginn der Therapie müssen die Ursachen der Schmerzen geklärt werden um eine kausale Therapie zu ermöglichen [Mössner 1998]. Schmerzen bei akutem Schub der chronischen Pankreatitis In ⊡ Tabelle 40.3 sind häufig eingesetzte Analgetika aufgeführt. Zur Primärbehandlung der Schmerzen des akuten Schubes wurde früher die Dauerinfusion von Procain empfohlen. Opiate sind jedoch effektiver. Generell wird eine individuell angepasste Monotherapie angestrebt, bei nichtausreichender Wirkung eine Kombinationstherapie, z. B. peripher wirksame mit zentral wirksamen Schmerzmitteln (z. B. Metamizol + Tramadol). Die Gabe von Bupivacain (0,125–0,5%) über einen Periduralkatheter ist eine Alternative bei Therapieversagern. Enzympräparate eignen sich im akuten Schub nicht zur Schmerztherapie.
⊡ Tabelle 40.3. Häufig eingesetzte Analgetika Handelsname
Genericum
Applikation
Höchstdosierung
Novalgin Tramal Fortral Temgesic Novocain
Metamizol Tramadol Pentazocin Buprenorphin ProcainHCl 0,5%
Oral, i.v. i.v. oder als Infusion i.v. Sublingual Infusion
4- bis 6¥1 g 4¥100 mg 0,5 mg/kgKG alle 3–4 h 3- bis 4¥0,2 mg 1–2 g/Tag
410
Kapitel 40 · Chronische Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die perkutane Applikation des Opioids (z. B. Fentanyl) hat den potenziellen Vorteil, gleichbleibende Wirkspiegel zu erreichen. In einer Vergleichsstudie war Fentanyl oral appliziertem Morphin mit verzögerter Freisetzungsgalenik nicht überlegen. Ein hoher Prozentsatz der Patienten benötigte zusätzlich oral Morphin mit rascher Freisetzungsgalenik; zusätzlich waren unter Fentanylpflaster Hautnebenwirkungen zu beobachten.
V
Chronische Schmerzen Pankreasenzyme sind zur Therapie der Schmerzen wahrscheinlich wirkungslos [Mössner 1999]. Es bestand die Vorstellung, dass Proteasen der Pankreatinpräparate die Pankreassekretion hemmen (»negativer Feedback«) und über eine Druckerniedrigung in den Gängen die Schmerzen lindern. Die nachfolgende Therapieempfehlung geht auf eine Empfehlung der Deutschen Schmerzliga und auf die WHO-Empfehlungen zur Therapie chronischer Schmerzen zurück. Ihre besondere Wirksamkeit bei chronischer Pankreatitis ist bisher nicht untersucht. Therapieempfehlungen der WHO bzw. Deutschen Schmerzliga Stufe 1: Allgemeinmaßnahmen:
–
Ausschaltung der Noxe, spezielle Therapie bei Alkoholkranken – Diätempfehlungen (kleine Mahlzeiten) Stufe 2a: Peripher wirkendes Analgetikum – Paracetamol (ben-u-ron) bis 500 mg alle 4–6 h – Metamizol (Novalgin), bis 500–1000 mg alle 4–6 h Stufe 2b: Peripher und schwach zentral wirkendes Analgetikum – Stufe 2a + Codeinphosphat: 30–100 mg alle 4–6 h – Stufe 2a + Tramadol (Tramal) 20 mg alle 3–4 h Stufe 2c: Peripher wirkendes Analgetikum + Psychopharmakon – Stufe 2a + Neuroleptikum Levopromazin (Neurocil) 10–20 mg alle 8 h – Stufe 2a + Antidepressivum Lomipramin (Anafranil) 25 mg alle 8 h
▼
Stufe 3: Stark wirksame Opioide fakultativ ergänzt durch Stufe 2a – Buprenorphin (Temgesic) bis 5,4 mg/Tag – Pentazocin (Fortral) bis 360 mg/Tag Stufe 4: Operation bei Gefahr der Opiatabhängigkeit oder Versagen der medikamentösen Therapie
Die regelmäßige Medikamentenapplikation sollte der Einnahme bei Bedarf vorgezogen werden. Bei der Wahl des Schmerzmittels bzw. der Kombination mehrerer Präparate muss berücksichtigt werden, dass die Therapie aller Voraussicht über mehrere Wochen durchgeführt werden muss. In einer Vergleichsstudie war Tramadol bei adäquater individueller Dosierung sogar Morphin überlegen.Morphin hatte darüber hinaus die bekannte Nebenwirkung einer deutlichen Verlängerung der orozäkalen und Kolontransitzeit. Zu berücksichtigen sind Entwicklung einer Medikamentenabhängigkeit sowie eine Potenzierung von Nebenwirkungen der Medikamente bei Alkoholabusus! Die endosonographisch gesteuerte Zöliakusblockade mit Äthylalkohol, Lokalanästhetika oder Steroiden stellt eine ultima ratio dar und muss gegen eine Operation abgewogen werden. Die Wirksamkeit einer Säureblockade oder von Enzympräparaten zur Schmerztherapie ist nicht gesichert. Schmerzen bei Komplikationen und Begleiterkrankungen Die Behandlung pankreatischer und extrapankreatischer Komplikationen (z. B. Pseudozysten, Kompression von Duodenum, Gallengang und Gefäßen, Pankreasgangstenosen bzw. -steinen) bzw. von Begleiterkrankungen geht parallel mit der medikamentösen Therapie. 40.5.4
Therapie der exokrinen Pankreasinsuffizienz
Indikation für den Einsatz von Pankreasenzymen Das exokrine Pankreas hat eine sehr hohe »Reservekapazität«. Zu einer Steatorrhö kommt es erst bei einem Funktionsverlust von über 90%. Die Kohlenhydrat- und Proteinverdauung kann zum Teil von Enzymen des Speichels (Amylase), des Magens (Pepsin) und der Dünndarmmukosa (Peptidasen, Sacharida-
411 40.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
40
sen) übernommen werden. Die Fettverdauung ist jedoch weitgehend abhängig von der Lipase des Pankreas.Zwar synthetisieren auch die Fundusdrüsen des Magens eine Lipase. Diese allein kann aber nicht die Fettdigestion übernehmen. Pankreasenzyme werden bei pankreatogener Steatorrhö (in der Regel >7 g/Tag) und Gewichtsverlust eingesetzt. Zum exakten Nachweis einer pankreatogenen Steatorrhö ist die Stuhlfettbestimmung erforderlich. Eine Stuhlvisite sollte durchgeführt werden; eine visuelle Beurteilung einer erhöhten Stuhlfettausscheidung gelingt nur und auch nicht immer bei einer bereits schweren Steatorrhö.Bei nachgewiesener chronischer Pankreatitis mit anhaltenden abdominellen Schmerzen/Beschwerden kann probatorisch über einen Zeitraum bis zu 8 Wochen eine Pankreasenzymsubstitution versucht werden.Bei Nichterfolg sollte die Behandlung abgebrochen werden. Ein möglicher positiver Effekt könnte auf der Reduktion eines Maldigestion bedingten Meteorismus beruhen.
kreasresektionen insgesamt erniedrigt.Die Indikation zur Pankreatintherapie sollte daher unter diesen Kautelen großzügig gestellt werden. Die Wirksamkeit einer Pankreatinsupplementierung nach Pankreatikojejunostomie konnte in einer placebokontrollierten Studie belegt werden. Eine differenzierte Enzymsubstitution ist bei Patienten nach totaler bzw. partieller Magenresektion erforderlich. Hier kann ein nichtsäuregeschütztes Granulat gewählt werden.
Auswahl der Enzympräparate Überwiegend werden Schweinepankreatinpräparate eingesetzt [Layer 1994].Hierzu liegen die meisten Studien vor und die Dosis-Wirkungs-Beziehung der Präparate ist bekannt. Die klinische Wirkung von Pilzlipasepräparaten ist belegt, weitere Studien zu ihrer Wirkung wären jedoch wünschenswert.
Kommt es nicht zu einer deutlichen Besserung der Steatorrhö, auch nach Steigerung der Lipasedosis auf 100.000 U Lipase/Hauptmahlzeit, kann zum Schutz der Lipase die zusätzliche Gabe von Protonenpumpenblockern erwogen werden.Der H+-K+-ATPase-Inhibitor Omeprazol führt zu einer geringfügig verbesserten Fettdigestion bei klinisch wahrscheinlich wenig relevanter reduzierter Proteindigestion.
Galenik des Enzympräparates Da die Lipase des Schweinepankreatins durch Proteasen und Säure zerstört wird, ist es notwendig bei erhaltener Magensäuresekretion das Pankreatin vor dem Einfluss der Magensäure zu schützen. Für die Wirkung eines Enzympräparates ist ferner seine Partikelgröße (ungehinderte Magenentleerung) und die Geschwindigkeit der Enzymfreisetzung im Duodenum von Bedeutung. Als günstigste Partikelgröße gilt ein Durchmesser von <2 mm [Halm 1999]. Die Enzymfreisetzung sollte innerhalb von 30 min erfolgen. Nach Magen- und Pankreasresektionen kann eine sog. pankreatikocibale Dyssynchronie beobachtet werden: Der zu schnelle Übertritt des Chymus aus dem Restmagen in den Dünndarm oder auch eine Pankreassekretion nicht mehr direkt in das Duodenum sondern über eine Pankreatikojejunostomie in distale Dünndarmabschnitte, verhindern die zeitgerechte Durchmischung des Chymus mit dem hormonell und nerval stimulierten Pankreassekret. Darüber hinaus ist die Pankreassekretion nicht nur aufgrund der chronischen Entzündung sondern auch nach Pan-
Anforderungen an ein Pankreatinpräparat Hohe Lipaseaktivität Schutz der Lipase vor Zerstörung durch Magensäure
Durchmischung des Pankreatins mit dem Chymus und zeitgleiche Magenentleerung
Rasche Freigabe des Pankreatins aus dem Säureschutz im Duodenum
Kombination der Enzympräparate Pankreasenzympräparate sollten keine Gallensäuren enthalten und nicht mit ihnen kombiniert werden, da Gallensäuren eine pankreatogene Diarrhö verstärken. Eine Ausnahme stellt die Behandlung einer Mukoviszidose mit gestörter Cholerese dar. Notwendige Tagesdosis Die Dosierung eines Pankreasenzympräparates ist individuell. Als Anfangsdosis sind 25.000–50.000 U Lipase/Hauptmahlzeit sinnvoll.Die Dosierung von Pankreasenzympräparaten bei Zwischenmahlzeiten richtet sich nach deren Umfang. Nebenwirkungen der Pankreatintherapie Berichte über das Auftreten von Kolonstenosen unter hochdosierter Therapie mit säuregeschützten Multiunitpräparaten betrafen nur Patienten mit zystischer Fibrose, nicht jedoch mit chronischer Pankreatitis. Diese Fallberichte haben somit keine Auswirkung auf die Dosisentscheidung bei Patienten mit exokriner Pankreasinsuffizienz anderer Ursachen.
412
Kapitel 40 · Chronische Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
40.5.5
Zusatztherapie
Diät Eine Pankreasdiät gibt es nicht. Alkoholabstinenz sowie die Einnahme kleinerer aber häufigerer Mahlzeiten sind sinnvoll. Eine Fettrestriktion sollte nicht erfolgen, wenn die exokrine Pankreasinsuffizienz durch Enzymgabe weitgehend kompensiert ist.Die Wirkung einer zusätzlichen Gabe einer MCT (»medium-chaintriglycerides«-)Kost ist nicht gesichert.
V
Vitamintherapie Bei nachgewiesener schwerer exokriner Insuffizienz liegt nicht selten ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) vor. Eine parenterale Substitution erscheint initial sinnvoll. Alkoholkarenz Obwohl der Stellenwert der Alkoholkarenz bezüglich der Rezidivprophylaxe nicht belegt ist,wird die Karenz allgemein empfohlen,da sich die Prognose verbessere. Wichtig Wegen eines Alkokolgehaltes bis zu 0,5% ist sog. »alkoholfreies« Bier bei Alkoholkrankheit nicht erlaubt.
Antioxidative Therapie Freien Radikalen wird nicht nur eine Rolle in der Pathogenese der Pankreatitis sondern auch in der Schmerzentstehung zugeschrieben. In einer unizentrischen offenen Studie wurden Patienten mit chronischer oder rezidivierender Pankreatitis mit einem antioxidativem Cocktail bestehend aus L-Methionin, b-Karotin, Vitamin C, Vitamin E und organischem Selen behandelt. Die Autoren berichten über eine Reduktion der Schmerzen und eine Senkung der Hospitalisationsfrequenz (Uden et al.). Der Xanthinoxidaseinhibitor Allopurinol hemmt die Bildung freier Radikale. In einer randomisierten doppelblinden Crossover-Studie wurde deshalb zur Schmerzlinderung Allopurinol eingesetzt.Allopurinol war wirkungslos. Eine Therapie mit Antioxidantien zur Rezidivprophylaxe bzw. Schmerztherapie ist nach der jetzigen Datenlage daher nicht angezeigt.
40.5.6
Therapie der endokrinen Insuffizienz
Die Therapie der endokrinen Insuffizienz unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Therapie des Insulinmangeldiabetes (Typ-I-Diabetes). Bei fehlender Compliance und insbesondere fortgesetztem Alkoholkonsum sollte keine intensivierte Insulintherapie erfolgen. Es besteht die Gefahr einer schweren, auch letalen Hypoglykämie unter Insulintherapie.Ursachen sind mangelnde Compliance bei Alkoholkrankheit und nichtadäquate Kohlenhydratzufuhr wegen nahrungsabhängiger Schmerzen. In einigen Fällen lässt sich der Diabetes vorübergehend noch mit oralen Antidiabetika behandeln. 40.5.7
Interventionelle endoskopische Therapie
Nach einer Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten besteht nach überwiegender Meinung eine Indikation zur interventionellen endoskopischen Therapie in ausgewählten Fällen der chronischen Pankreatitis [Mössner 1998]. Stenting von Pankreasgangstenosen Indikation für passagere Pankreasgangstents kann eine symptomatische Obstruktion (Schmerz, Gangerweiterung proximal der Stenose und/oder Aszites bzw. Pleuraerguss) sein. Pankreasstents sollten bevorzugt bei isolierten,papillennahen Stenosen eingesetzt werden. Es fehlen kontrollierte Daten zur Beurteilung der Indikation zur Stentplatzierung und des Einflusses auf den Verlauf der chronischen Pankreatitis [Cremer 1991; Kozarek 1996].Zur Frage der Häufigkeit des Pankreasgangprothesenwechsels liegen ebenfalls keine Daten vor. Ein Wechsel nach bestimmten Intervallen ist empfehlenswert (z. B. 3 Monate). Bei Patienten mit langdauerndem,chronischem Schmerzverlauf ist eher eine chirurgische Maßnahmen (laterale Gangdrainage, Resektion) indiziert. Wichtig Ein Therapiewechsel mit chirurgischer Option sollte spätestens nach 1 Jahr erfolgloser konservativer/interventioneller Therapie erwogen werden.
413 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Pankreasgangsteine Eine Indikation zur interventionellen Endoskopie bei Pankreasgangsteinen besteht bei Steinen, die für eine Obstruktion verantwortlich erscheinen. Die Therapie besteht in einer Steinextraktion, die in der Regel mit einer extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) kombiniert werden muss. Die ESWL zusammen mit endoskopischer Drainage ist eine sichere Technik und insbesondere erfolgreich bei Patienten mit nur einem präpapillären Konkrement [Adamek 1999; Sauerbruch 1992]. Der langfristige Einfluss auf Schmerzbesserung ist aber eher gering. Zudem verhindert die Maßnahme nicht das Fortschreiten der exokrinen Insuffizienz. Beim schmerzfreien Patienten sollte keine interventionelle Therapie erfolgen.Technische Therapieversager der Endoskopie sind Kandidaten für chirurgische Maßnahmen. Pankreaspseudozysten Die Symptomatik (z. B. Schmerzen, Kompression, Blutung, Infektion) entscheidet über die Indikation zur Intervention (interventionelle Therapie, chirurgische Therapie). Die Zystengröße allein ist nicht ausschlaggebend. Symptomatische Pankreaspseudozysten können perkutan drainiert werden. In der Regel ist eine innere Drainage (operative oder endoskopische Therapie) der perkutanen vorzuziehen. Wichtig Vor endoskopischer Zystendrainage muss ein bildgebendes Verfahren (CT, Endosonographie) zur Klärung der Fragen Zystenabstand zum Hohlorgan und Gefäße in der Zystenwand erfolgen.
Stenting von Gallenwegstenosen Die Prothesenimplantation bei Gallenwegstenosen infolge chronischer Pankreatitis ist sinnvoll. Insbesondere Gallenwegstenosen mit Cholestase können vorübergehend mit Stents versorgt werden. Eine Besserung der Leberschädigung ist beschrieben [Hammel 2001]. Zum Zeitpunkt des Wechsels von Gallengangkunststoffprothesen besteht keine Einigkeit. Kontrollierte Langzeitergebnisse hierzu liegen nicht vor. Bei mangelnder Compliance und daher fehlender Kontrolle der Stentfunktionsfähigkeit muss mit der Gefahr einer septischen Cholangitis gerechnet werden [Kiehne 2000]. Standard in der Langzeitbehandlung sind chirurgische Eingriffe (Pankreaskopfresektion, in Ausnahmefällen biliodigestive Anastomose).
40.5.8
40
Chirurgische Therapie
Komplikationen (z. B. Gallengang- und Duodenalstenose,Versagen endoskopischer Therapie) können eine Indikation zur Operation darstellen. Karzinomverdacht und gegebene Resektabilität indiziert eine Operation. Die Methode der Wahl ist eine duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion [Beger 1989]. Interventionelle endoskopische und chirurgische Therapie können sowohl alternative als auch konkurrierende Therapieverfahren bei Komplikationen der chronischen Pankreatitis sein. Kontrollierte Vergleichsstudien fehlen.
Literatur Adamek HE, Jakobs R, Buttmann A et al. (1999) Long term follow up of patients with chronic pancreatitis and pancreatic stones treated with extracorporeal shock wave lithotripsy. Gut 45: 402–405 Beger HG, Büchler MW, Bittner RR, Oettinger W, Roscher R (1989) Duodenum-preserving resection of the head of the pancreas in severe chronic pancreatitis. Ann Surg 209: 273–278 Cohn JA, Friedman KJ, Noone PG et al. (1998) Relation between mutations of the cystic fibrosis gene and idiopathic pancreatitis. N Engl J Med 339: 653–658 Cremer M, Deviere J, Delhaye M, Baize M, Vandermeeren A (1991) Stenting in severe chronic pancreatitis: results of medium-term follow-up in seventy-six patients. Endoscopy 23: 171–176 Durbec JP, Sarles H (1978) Multicenter survey of the etiology of pancreatic diseases. Relationship between the relative risk of developing chronic pancreatitis and alcohol, protein and lipid consumption. Digestion 18: 337–350 Halm U, Löser C, Löhr M, Katschinski M, Mössner J (1999) A double-blind, randomized, multicentre, crossover study to prove equivalence of pancreatin minimicrospheres versus microspheres in exocrine pancreatic insufficiency. Aliment Pharmacol Ther 13: 951–957 Hammel P, Couvelard A, O’Toole D et al.(2001) Regression of liver fibrosis after biliary drainage in patients with chronic pancreatitis and stenosis of the common bile duct. N Engl J Med 344: 418–423 Kiehne K, Fölsch UR, Nitsche R (2000) High complication rate of bile duct stents in patients with chronic alcoholic pancreatitis due to noncompliance. Endoscopy 32: 377–380 Kozarek RA, Traverso LW (1996) Endoscopic treatment of chronic pancreatitis. An alternative to surgery. Dig Surg 13: 90–100 Layer P, Holtmann G (1994) Pancreatic enzymes in chronic pancreatitis. Int J Pancreatol 15: 1–11 Lowenfels AB, Maisonneuve P, Cavallini G et al. (1993) Pancreatitis and the risk of pancreatic cancer. N Engl J Med 328: 1433–1437
414
V
Kapitel 40 · Chronische Pankreatitis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Lowenfels AB, Maisonncuve P, Cavallini G et al. (1994) Prognosis of chronic pancreatitis; An international multicenter study. Am J Gastroenterol 89: 1467–1471 Mössner J, Keim V, Niederau C et al. (1998) Leitlinien zur Therapie der chronischen Pankreatitis. Z Gastroenterol 36: 359–367 Mössner J (1999) Palliation of pain in chronic pancreatitis: use of enzymes. Surg Clinics North America 79: 861–872 Sauerbruch T, Holl J, Sackmann M, Paumgartner G (1992). Extracorporeal lithotripsy of pancreatic stones in patients with chronic pancreatitis and pain: a prospective follow up study. Gut 33: 969–972 Sharer N, Schwarz M, Malone G et al. (1998) Mutations of the cystic fibrosis gene in patients with chronic pancreatitis. N Engl J Med 339: 645–652
Steer ML, Waxman I, Freedman S (1995) Chronic pancreatitis. N Eng J Med 332: 1482–1490 Teich N, Mössner J, Keim V (1999) Screening for mutations of the cationic trypsinogen gene: are they of relevance in chronic alcoholic pancreatitis? Gut 44: 413–416 Uden S, Bilton D, Nathan L et al. (1990) Antioxidant therapy for recurrent pancreatitis: placebo-controlled trial. Aliment Pharmacol Ther 4: 357–371 Whitcomb DC, Gorry MC, Preston RA et al.(1996) Hereditary pancreatitis is caused by a mutation in the cationic trypsinogen gene. Nat Genet 14: 141–145 Witt H, Luck W, Hennies HC et al. (2000) Mutations in the gene encoding the serine protease inhibitor, Kazal type 1 are associated with chronic pancreatitis. Nat Genet 25: 213–216
41 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Pankreasneoplasien U. Halm, H. Witzigmann 41.1
Pathologie
41.1.1 41.1.2
Gutartige Tumoren – 416 Maligne Tumoren – 416
41.2
Epidemiologie
41.2.1 41.2.2
Risikofaktoren – 417 Hereditäre Formen – 417
41.3
Klinik
41.4
Diagnostik
41.4.1 41.4.2
Bildgebende Verfahren Tumormarker – 418
41.5
Therapie
41.5.1 41.5.2 41.5.3 41.5.5 41.5.6
Operative Therapie – 418 Adjuvante und neoadjuvante Therapie Palliative Therapie – 420 Schmerztherapie – 421 Ernährung – 421
Literatur
>>
– 416
– 417
– 417 – 417 – 417
– 418 – 419
– 422
Pankreasneoplasien können aus dem exokrinen oder endokrinen Anteil des Organs entstehen. Dieses Kapitel beschränkt sich auf die Tumoren des exokrinen Pankreasanteils. Der häufigste Pankreastumor, das duktale Adenokarzinom, stellt eine besondere Herausforderung dar, da in der Regel die Diagnosestellung im fortgeschrittenen Stadium erfolgt und die therapeutischen Möglichkeiten begrenzt sind.
416
Kapitel 41 · Pankreasneoplasien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
41.1
Pathologie
41.1.1
Gutartige Tumoren
Gutartige Neubildungen des exokrinen Pankreas sind selten. Zu ihnen gehören das seröse und das muzinöse Zystadenom sowie das intraduktal papillärmuzinöse Adenom. Die als »borderline« eingestuften Tumoren haben ein unsicheres malignes Potenzial.
V
⊡ Tabelle 41.1. TNM-Klassifikation der Pankreaskarzinome. (Mod. nach [Wittekind 1997]) T1
Tumor auf das Pankreas beschränkt, maximaler Durchmesser 2 cm
T2
Tumor auf das Pankreas beschränkt, maximaler Durchmesser >2 cm
T3
Tumor breitet sich über das Pankreas hinaus in Duodenum, Ductus choledochus und/oder peripankreatisches Gewebe aus
T4
Tumor breitet sich direkt in Magen, Milz, Kolon und/oder benachbarte große Gefäße aus
TX
Keine Aussage zur direkten Tumorausdehnung möglich
N0
Keine regionären Lymphknoten befallen
N1
Regionäre Lymphknoten befallen (coeliacale, Milz-, suprapankreatische, linke gastropankreatische, untere pankreatische paraaortale und periduodenale Lymphknoten)
N1a
Metastase in einem einzelnen regionären Lymphknoten
N1b
Metastasen in mehreren regionären Lymphknoten
NX
Keine Aussage zum Befall regionärer Lymphknoten möglich
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen nachweisbar
MX
Fernmetastasen können nicht beurteilt werden
Klassifikation der Pankreastumoren Benigne
– – –
41.1.2
Seröses Zystadenom Muzinöses Zystadenom Intraduktal papillär-muzinöses Adenom Borderline – Muzinös zystischer Tumor mit mäßiger Dysplasie – Intraduktaler papillär-muzinöser Tumor mit mäßiger Dysplasie – Solid-pseudopapillärer Tumor Maligne – Duktales Adenokarzinom – Undifferenzierte Karzinome – Azinuszellkarzinom – Muzinöses, nichtzystisches Karzinom – Muzinöse zystische Neoplasmen – Intraduktales papillär-muzinöses Karzinom Nichtepitheliale Tumoren Sekundäre Tumoren (Metastasen)
Maligne Tumoren
Bei ca.85% der malignen Pankreastumoren handelt es sich um duktale Adenokarzinome. Sowohl das duktale Adenokarzinom als auch andere, seltenere Karzinomformen wie das Azinuszellkarzinom und das adenosquamöse Karzinom haben eine ähnlich schlechte Prognose. Die Karzinome sind in etwa 70% im Pankreaskopf, in 20% im Corpus und in 10% im Pankreasschwanz lokalisiert. Die TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung der Pankreastumoren sind in ⊡ Tabelle 41.1 und 41.2 dargestellt. Zahlreiche molekulare Veränderungen liegen in Pankreaskarzinomen vor.Regelmäßig lassen sich Mutationen im K-ras Gen und p16 Gen nachweisen. Die Gene p53, SMAD4, BRCA2 und andere sind ebenfalls
⊡ Tabelle 41.2. Stadieneinteilung der Pankreaskarzinome. (Mod. nach [Wittekind 1997]) Stadium 0 Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IVa Stadium IVb
Tis T1–2 T3 T1–3 T4 T1–4
N0 N0 N0 N1 N0–1 N0–1
M0 M0 M0 M0 M0 M1
häufig mutiert. Ähnlich wie bei der Entstehung anderer gastrointestinaler Tumoren werden Vorstufen der Malignomentstehung,sog.pankreatische intraepitheliale Neoplasien beschrieben. Bereits in diesen frühen Stadien lassen sich Mutationen des K-ras Gens nachweisen.
417 41.4 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
41.2
Epidemiologie
Das duktale Adenokarzinom des Pankreas ist einer der bösartigsten Tumoren mit einer sehr schlechten Prognose. Weniger als 1% aller Patienten leben länger als 5 Jahre. Die Mortalität liegt in Deutschland bei 5,5–8,5/105 jährlich und stellt damit die fünfthäufigste Krebstodesursache bei Männern und Frauen dar. Der Altersgipfel der Erkrankung liegt in der 7. Dekade.Vor dem 45. Lebensjahr tritt das Pankreaskarzinom nur selten auf. 41.2.1
Risikofaktoren
Die Ätiologie des Pankreaskarzinoms bleibt in den meisten Fällen unklar. Raucher haben ein etwa um den Faktor 2,5 erhöhtes Risiko.Insgesamt werden etwa 25% aller Pankreaskarzinome dem Tabakrauchen zugeschrieben. Zu weiteren angeschuldigten exogenen Faktoren wie fettreiche Ernährung, Kaffee, Fleischkonsum und Alkohol oder potenziell protektiven Faktoren wie Obst und Gemüse liegen keine eindeutigen Ergebnisse vor. Sie können daher nicht als gesicherte Risikofaktoren bzw. protektive Faktoren betrachtet werden. Im Vergleich zur Normalbevölkerung haben Patienten mit chronischer Pankreatitis möglicherweise ebenfalls ein erhöhtes Risiko, an einem Pankreaskarzinom zu erkranken. In einer historischen Kohortenstudie betrug das Risiko für ein Pankreaskarzinom 10 Jahre nach der Diagnosestellung einer chronischen Pankreatitis 1,8% und nach 20 Jahren 4,0%,was einem deutlich erhöhten Risiko gegenüber der Normalbevölkerung entspricht. 41.2.2
Hereditäre Formen
Das Risiko für ein Pankreaskarzinom ist bei Patienten mit einer hereditären Pankreatitis gegenüber der Normalpopulation um bis zu 53fach erhöht. Das Risiko scheint v. a. von der Dauer der chronischen Pankreatitis abhängig zu sein. Weitere familiäre Häufungen ohne Vorliegen einer hereditären Pankreatitis sind beschrieben. Nach Ergebnisse von Familienuntersuchungen sind etwa 5% der Pankreaskarzinome erblich bedingt.
41.3
41
Klinik
Frühsymptome sind häufig nicht vorhanden oder unspezifisch. Wichtig Die häufigsten Symptome sind uncharakteristische Bauchbeschwerden, epigastrische Schmerzen, ungewollte Gewichtsabnahme und Inappetenz.
Gelegentlich kann eine depressive Verstimmung den anderen Symptomen vorangehen. Auch das Neuauftreten eines Diabetes mellitus, rezidivierende Thrombophlebitiden oder eine akute Pankreatitis können erste Symptome sein. Die meisten Pankreaskarzinome werden jedoch erst durch Symptome eines fortgeschrittenen Tumorleidens wie Verschlussikterus, Kachexie, Aszites im Rahmen einer Peritonealkarzinose oder Fernmetastasen diagnostiziert. 41.4
Diagnostik
41.4.1
Bildgebende Verfahren
Prinzipiell sollte bei Patienten über 45 Jahre mit ungewollter Gewichtsabnahme, Schmerzen im Epigastrium oder Rücken, zunehmender Inappetenz oder Leistungsknick auch an ein Pankreaskarzinom gedacht werden.In der Hand des Geübten lassen sich mit der transabdominellen Ultraschalluntersuchung Tumoren ab einer Größe von ca. 1,5 cm erfassen. Zeigt sich in der transabdominellen Sonographie außer der Raumforderung im Pankreas bereits ein metastasiertes Tumorleiden, so wird in der Regel ohne weitere bildgebende Diagnostik eine Biopsie des Primärtumors oder einer Metastase zur histologischen Sicherung durchgeführt. Methode der Wahl zur Primär- und Ausbreitungsdiagnostik eines Pankreaskarzinoms ist die kontrastmittelverstärkte Spiralcomputertomographie (SpiralCT). Hierdurch kann die Irresektabilität in über 90% korrekt vorausgesagt werden. Hinsichtlich der Resektabilität ist die CT deutlich schlechter mit einer korrekten Vorhersage bis zu 72%. Die Magnetresonanztomographie (MRT) lässt möglicherweise eine genauere Beurteilung der Tumorausdehnung zu. Insbesondere die Kombination mit der Magnetresonanz-Cholangio-Pankreatikographie (MRCP) stellt einen Vorteil der MRT dar.
418
V
Kapitel 41 · Pankreasneoplasien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die Endosonographie ist ein sehr sensitives Verfahren zum Nachweis eines Pankreastumors.Der Vorteil der Methode liegt v. a. in der Detektion kleiner Tumoren, die mit der transabdominellen Sonographie und der CT nicht erfasst werden.Mit der endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) kann die Diagnose eines Pankreaskarzinoms mit einer Sensitivität und Spezifität von jeweils über 90% gestellt werden. Hauptkriterien sind die Stenosierung oder ein Abbruch des Gangsystems. Der große Vorteil der Methode besteht in der gleichzeitigen Möglichkeit der Therapie eines Verschlussikterus durch Einlage einer Drainage nach endoskopischer Papillotomie.Aufgrund der Invasivität ist bei Pankreastumoren ohne Verschlussikterus die MRCP aufgrund der fehlenden Invasivität der ERCP vorzuziehen. Die Positronenemissionstomographie (PET) kann zur Differenzialdiagnose einer malignen oder entzündlichen Raumforderung hilfreich sein.Sensitivität und Spezifität werden jedoch durch erhöhte Blutglukosespiegel und entzündliche Veränderungen eingeschränkt. Besondere diagnostische Schwierigkeiten bereiten Tumoren unklarer Dignität und zystische Raumforderungen ohne zugrundeliegende Pankreatitis.Bei diesen Tumoren ist die Resektion zur Diagnose und Therapie notwendig. 41.4.2
Tumormarker
Allen Tumormarkern ist gemein,dass ihre Sensitivität und Spezifität in der Primärdiagnostik unzureichend ist. Als bester einzelner Marker konnte CA 19-9 mit einem positiven prädiktiven Wert von ca. 70% und einem negativen prädiktiven Wert von ca. 90% etabliert werden. Hohe CA 19-9-Werte weisen auf ein fortgeschrittenes Pankreaskarzinom hin. Bei kleinen Tumoren ist die Sensitivität jedoch ungenügend, andererseits finden sich erhöhte Werte auch bei nichtmalignen Erkrankungen wie bei der chronischen Pankreatitis oder einer benignen Gallenwegobstruktion. 41.5
Therapie
41.5.1
Operative Therapie
Benigne Tumoren Benigne Tumoren wie die Zystadenome oder benigne intraduktal papillär-muzinöse Tumoren sollten auf-
grund der präoperativ unsicher einzuschätzenden Dignität komplett reseziert werden. Maligne Tumoren Bei unklaren Raumforderungen im Pankreas bleibt die Resektion trotz verbesserter diagnostischer Möglichkeiten die einzige Möglichkeit zur Klärung der Dignität. Bei resektabel beurteilten Tumoren ist eine prä- oder intraoperative Biopsie kontraindiziert. Eine Laparoskopie zur Vermeidung einer Laparotomie ist nur bei 10–20% der Patienten sinnvoll. Dies betrifft insbesondere Patienten mit Karzinomen im Pankreaskorpus und -schwanz, welche meistens inoperabel sind und solche Patienten, bei denen ein Verdacht auf einen Peritonealkarzinose besteht (Aszites). Die präoperative Implantation einer Gallengangdrainage bei Verschlussikterus erscheint nicht zwingend notwendig. Retrospektiv erhobene Daten zeigten sogar eine höhere Rate von Wundinfektionen und Pankreasfisteln nach präoperativer Drainage bei allerdings nicht erhöhter Mortalität. Die präoperative Implantation einer Gallenwegdrainage ist daher nur obligat bei lange bestehendem Ikterus mit eingeschränkter Leberfunktion oder einer Cholangitis. Wichtig Jede Resektion eines malignen Tumors sollte eine R0-Resektion zum Ziel haben. Daher gelten Fernmetastasen und der Verschluss bzw. die subtotale Stenosierung arterieller Gefäße (A. hepatica, A. mesenterica superior) als absolute Kontraindikationen für eine Tumorresektion.
Der Verdacht auf einen Befall der V. mesenterica superior oder der Pfortader stellt ebenso wie die regionale Lymphknotenmetastasierung kein Ausschlusskriterium für eine potenziell kurative Resektion dar. Nicht selten wird erst während der Resektionsphase (»point of no return«) festgestellt,dass eine R0-Resektion nicht möglich ist. Grundsätzlich stehen zur Resektionsbehandlung – je nach Lokalisation und Ausdehnung des Tumors – die partielle Duodenopankreatektomie (sog. KauschWhipple Operation) und die Pankreaslinksresektion sowie die Erweiterung der beiden Verfahren bis hin zur totalen Duodenopankreatektomie zur Verfügung (⊡ Tabelle 41.3). Ob die pyloruserhaltende Variante der partiellen Duodenopankreatektomie bezüglich Mortalität, Morbidität und der onkologischen Radikalität gleichwertige Ergebnisse als die klassische
419 41.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
41
⊡ Tabelle 41.3. Operationsverfahren beim Pankreaskarzinom Operationsverfahren
Definition
Partielle Duodenopankreatektomie
Durchtrennung des Pankreas am linken Rand der V. mesenterica superior (Kausch-Whipple-Operation)
Subtotale Duodenopankratektomie (erweiterte Kausch-Whipple-Operation)
Entfernung von Kopf und gesamten Korpus mit Durchtrennung des Pankreas am linken Rand der Aorta
Hemipankreatektomie links
Entfernung des Schwanzes und eines Teiles des Korpus mit Durchtrennung des Pankreas am rechten Rand der Aorta, Splenektomie
Subtotale Pankreaslinksresektion
Entfernung des Schwanzes und des gesamten Korpus (4/5-Linksresektion), ggf. auch von Teilen des Kopfes, Splenektomie
Totale Duodenopankreatektomie
Entfernung des gesamten Pankreas, Splenektomie
Kausch-Whipple Operation aufweist, muss durch zukünftige Studien untermauert werden. Die systematische Lymphadenektomie stellt eine wesentliche Komponente der chirurgischen Therapie dar. Der posteriore pankreatoduodenale Lymphknoten wird als Sentinel-Lymphknoten beschrieben. Die Standardlymphadenektomie umfasst die Lymphknoten der 1. Station (supra- und infrapankreatische, vordere und hintere pankreatoduodenale Lymphknoten), bei der Linksresektion sowie bei der totalen Pankreatektomie mit Splenektomie auch die Lymphknoten um die Milzgefäße und am Milzhilus. Die bis heute vorliegenden Daten sind bezüglich einer Prognoseverbesserung durch eine erweiterte Lymphknotendissektion (d. h. Lymphadenektomie und Dissektion des neuralen Plexus der A. mesenterica superior und paraaortal) nicht konklusiv. Bei Infiltration oder Adhärenz der V. mesenterica superior/V. portae durch den Tumor sollte eine Gefäßsegmentresektion zur Erreichung einer lokalen Tumorfreiheit durchgeführt werden. Eine Verlängerung der Überlebenszeit wird durch diese Eingrifferweiterung in der Regel nicht erreicht. Bei Inoperabilität kann durch eine Hepatikojejunostomie in der Regel eine dauerhafte Sicherung des Galleabflusses erzielt werden. Eine Hepatikojejunostomie führt zu einer Normalisierung der Bilirubinwerte und macht endoskopische Stentwechsel überflüssig. Da 15–20% der Patienten im späteren Verlauf eine Magenausgangsstenose entwickeln, sollte die Indikation zur simultanen, prophylaktischen Gastroenterostomie großzügig gestellt werden.
Als Standard gilt eine postoperative Letalität von unter 5%. Die Insuffizienz der pankreatikoenteralen Anastomose ist die häufigste Todesursache nach Duodenopankreatektomie. Die frühpostoperative Morbidität beträgt bis zu 40%. Die 5-Jahresüberlebensrate nach Resektion liegt unter 10%. In hochspezialisierten Zentren mit entsprechender Patientenselektion wurde in letzter Zeit über 5-Jahresüberlebensraten von 20% berichtet. Die Pankreatoduodenektomie führt zu einer deutlichen, jedoch vertretbaren Einschränkung der Lebensqualität. 41.5.2
Adjuvante und neoadjuvante Therapie
Aufgrund der hohen Rate an Lokalrezidiven nach kurativer Resektion stellt die adjuvante Therpaie in Form einer Strahlentherapie, einer Chemotherapie oder deren Kombination einen prinzipiell sinnvollen Therapieansatz dar. Die Ergebnisse neuerer randomisierter Studien zur postoperativen Radiochemotherapie unter Einschluss von 5-FU zeigten jedoch keine Verbesserung der Überlebensdaten, sodass diese Therapie derzeit nicht empfohlen werden kann. Daten zur adjuvanten Chemotherapie oder Radiochemotherapie mit Gemcitabin liegen derzeit noch nicht vor. Patienten sollten nach Möglichkeit in Studienprotokolle eingeschlossen werden. Patienten mit lokalisiertem, aber irresektablem Tumor könnten von neoadjuvanten Therapieansätzen wie der Radiochemotherapie profitieren, um eine Resektabilität zu erzielen.Die bisher erhobenen Daten
420
Kapitel 41 · Pankreasneoplasien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
lassen jedoch bisher keinen Überlebensvorteil gegenüber der alleinigen Operation erkennen, sodass diese Therapieform im Rahmen von Studien erfolgen sollte. 41.5.3
V
Palliative Therapie
Aufgrund des zum Zeitpunkt der Diagnose in der Regel fortgeschrittenen Tumorleidens bleibt für die Mehrheit der Patienten nur eine palliative Therapie. Diese richtet sich nach den wichtigsten Symptomen Verschlussikterus, Schmerzen, Duodenalstenose, Gewichtsverlust und Kachexie.Diese symptomorientierte »best supportive care« spielt damit in der palliativen Therapie eine wichtige Rolle und sollte neben der Verlängerung des Überlebens das wesentliche therapeutische Ziel darstellen. Endoskopische und perkutan-transhepatische Therapie Die ERCP ist bei inoperablen Tumoren eine effektive Methode zur Therapie des Verschlussikterus. Allerdings kommt es im Verlauf zur Obstruktion v. a. von Plastikdrainagen mit erneutem Verschlussikterus oder Cholangitis. Selbstexpandierende Metallstents haben auf Grund ihres weiten Durchmessers nach Entfaltung eine längere Offenheitsrate als Plastikprothesen.Bei transpapillär nicht möglicher Drainage der Gallenwege stellt die perkutan-transhepatische Drainage eine effektive Methode zur Therapie des Verschlussikterus dar. Bei Patienten mit nichtresezierbarem Pankreaskopfkarzinom kommt es bei 15–20% im Verlauf zu einer Obstruktion des Duodenallumens mit konsekutivem Völlegefühl, Erbrechen und rascher Gewichtsabnahme. Bei schlechtem Allgemeinzustand der Patienten oder Peritonealkarzinose kann die Implantation eines selbstentfaltenden Metallstents eine Alternative zur Gastrojejunostomie darstellen, um die Passage zumindest für flüssige und breiige Kost wiederherzustellen. Palliative Radiotherapie und Radiochemotherapie Die Radiotherapie hat eine lokal begrenzte Wirkung, die den Primärtumor, jedoch nicht die häufig vorhandenen Metastasen, beeinflussen kann. Ein palliativer Therapieerfolg kann bei lokal fortgeschrittenen Tumoren durch eine Schmerzreduktion erzielt werden. Die zusätzliche Chemotherapie soll außer einer systemischen Wirkung strahlensensibilisierend wirken. Bisher durchgeführte Studien kamen zu unterschied-
lichen Ergebnissen, sodass bisher nicht sicher ist, ob die Radiochemotherapie eine längeres Überleben bewirkt. Die palliative Radiochemotherapie sollte nach Möglichkeit im Rahmen von Studien stattfinden. Palliative Chemotherapie Aufgrund der raschen Ausbreitung des Tumors und der häufig bereits zum Zeitpunkt der Diagnosevorliegenden Metastasierung ist prinzipiell eine systemisch wirkende Therapie sinnvoll. Zahlreiche Studien zur Wirksamkeit und Toxizität einer palliativen Chemotherapie wurden in den letzten Jahren publiziert. Insgesamt waren in den meisten Studien die Ansprechraten und die Überlebenszeiten niedrig, sodass die palliative Chemotherapie insgesamt in Frage gestellt wurde. Lange Zeit galt 5-FU als die wirksamste Substanz zur palliativen Chemotherapie des Pankreaskarzinoms. Wichtig Nach harten onkologischen Kriterien gibt es derzeit jedoch keine Standardchemotherapie des Pankreaskarzinoms, da die Ansprechraten fast immer unter 20% liegen.
Allerdings lässt sich mit den bildgebenden Verfahren Tumorgewebe von entzündlicher Begleitreaktion häufig schlecht differenzieren. Klinische Beobachtungen während der Chemotherapie mit Gemcitabin, einem Pyrimidinnucleosidanalogon, zeigten teilweise eine deutliche Verbesserung tumorassoziierter Symptome. Es wurde daher vorgeschlagen, die Endpunkte zur Beurteilung einer Chemotherapie zu erweitern und Parameter des klinischen »Benefits« als Hauptzielpunkt zu untersuchen. Mit Gemcitabin behandelte Patienten zeigten mit 23,8% eine signifikant häufigere Besserung des klinischen »Benefits« gegenüber 4,8% im 5-FU-Arm.Außerdem war die 1-Jahresüberlebensrate im Gemcitabin-Arm mit 18% signifikant länger als in der mit 5-FU behandelten Gruppe (2%). Wichtig Aufgrund dieser Ergebnisse wurde Gemcitabin in die palliative Therapie des Pankreaskarzinoms eingeführt und wird außerhalb von Studien als Monotherapie empfohlen.
Wesentliche Toxizitäten sind die Myelosuppression, Übelkeit und Erbrechen, wobei Toxizitäten vom
421 41.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Schweregrad IV selten sind.Ebenfalls selten sind grippeähnliche Symptome, Ödeme und eine ARDS-ähnliches Krankheitsbild. Das günstige Toxizitätsprofil erlaubt die Kombination mit anderen potenziell wirksamen Zytostatika. Kombinationschemotherapien mit Gemcitabin sollten möglichst im Rahmen von Studien durchgeführt werden.Verbesserungen werden möglicherweise durch die Kombination von Gemcitabin mit 5FU/Folinsäure oder Cisplatin erzielt. Überzeugende Daten zu einer »Second-line«-Therapie liegen nicht vor, sodass diese Therapie außerhalb von Studien nicht empfohlen werden kann. Palliative Chemotherapie Gemcitabin-Monotherapie 1. Zyklus 1000 mg/m2 KOF i.v. über 30 min Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36, 43
Ab dem 2. Zyklus 1000 mg/m2 KOF i.v. über 30 min Tag 1, 8, 15 Wiederholung nach dem 1. Zyklus Tag 57, dann jeweils Tag 29
Gemcitabin und 5-FU/Folinsäure (in ausgewählten Fällen) Gemcitabin 1000 mg/m2 KOF i.v. über 30 min Tag 1, 8, 15, 22, gefolgt von Folinsäure 200 mg/m2 KOF i.v. über 2 h Tag 1, 8, 15, 22, gefolgt von 5-FU 750 mg/m2 KOF i.v. über 24 h Tag 1, 8, 15, 22 Wiederholung jeweils Tag 43
Gemcitabin und Cisplatin (in ausgewählten Fällen) Gemcitabin 1000 mg/m2 KOF i.v. über 30 min Tag 1, 8, 15
Cisplatin 50 mg/m2 KOF i.v. über 30 min Tag 1, 15
Wiederholung jeweils Tag 29
41.5.5
Schmerztherapie
Ein wesentliches tumorassoziiertes Symptom beim Pankreaskarzinom sind Schmerzen. Sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung nur bei 30–40% der Patienten Schmerzen vorhanden, treten bei nichtresektablen Tumoren im Verlauf bei nahezu allen Patienten Schmerzen auf. Das Auftreten von Schmerzen wird
41
der Infiltration des Retroperitoneums und der Nervenplexus zugeschrieben. Wichtig Die Präsenz von Schmerzen vor einer Resektion ist ein unabhängiger prognostischer Faktor und mit einer signifikant schlechteren Prognose verbunden.
Schmerzen sind häufig die führende Symptomatik im Verlauf der Erkrankung und werden oft inadäquat behandelt.Eine suffiziente Schmerztherapie ist daher essenziell. Die medikamentöse Schmerztherapie richtet sich nach dem üblichen Schema der Weltgesundheitsorganisation und schließt in der Regel Opioide mit ein. Die intraoperative Splanchnikektomie kann zu einer über mehrere Monate anhaltenden Reduktion der Schmerzsymptomatik führen. Endosonographisch gesteuert lässt sich die Plexusblockade mit Ethanol und Buprenorphin komplikationsarm und effektiv durchführen. 41.5.6
Ernährung
Weiteres wesentliche Symptome von Pankreaskarzinomen sind die progrediente Gewichtsabnahme und die Inappetenz. Bereits zum Zeitpunkt der Diagnose liegt in der Regel ein erheblicher Gewichtsverlust von ca. 10–20% vor. Die Gewichtsabnahme resultiert aus der Tumorkachexie, der exokrinen Pankreasinsuffizienz, der Inappetenz und ggf. einer Duodenalstenose. Patienten in einem reduzierten Ernährungszustand haben eine schlechtere Prognose. Durch die hochdosierte Gabe von Pankreatin kann ein Gewichtsverlust verhindert sowie die Fett- und Energieaufnahme gesteigert werden. Nach Pankreatoduodenektomie besteht ebenfalls häufig eine exokrine Pankreasinsuffizienz mit Steatorrhoe. Die Therapie mit Pankreatin kann die Steatorrhoe bessern. Die zusätzliche Verabreichung von oral zugeführten Kalorien in Form einer flüssigen Diät kann einer weiteren Gewichtsreduktion entgegenwirken.
422
Kapitel 41 · Pankreasneoplasien SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Literatur
V
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VI SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Syndrome 42
Übelkeit und Erbrechen B. Braden
– 425
43
Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom G. Holtmann, S. Haag
44
Diarrhö – 448 W. F. Caspary
45
Kurzdarmsyndrom J. Stein
46
Obstipation – 478 S. Müller-Lissner
47
Anale Inkontinenz – 489 T. Wehrmann, A. Riphaus
48
Eiweißverlustsyndrom J. Stein
49
Meteorismus und Flatulenz B. Lembcke, J. Stein
50
Ileus – 507 E. Hanisch, J. Stein
51
Obere und untere gastrointestinale Blutung B. Braden, C. F. Dietrich
– 435
– 466
– 495
– 500
– 514
42 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Übelkeit und Erbrechen B. Braden 42.1
Pathophysiologie und Ätiologie
42.1.1 42.1.2
Pathophysiologie Ätiologie – 427
42.2
Klinik
42.3
Diagnostik
42.4
Therapie
42.4.1 42.4.2 42.4.3 42.4.4
Allgemeinmaßnahmen/Ernährung Medikamentöse Therapie – 431 Endoskopische Verfahren – 433 Chirurgische Verfahren – 433
Literatur
>>
– 426
– 426
– 429 – 430 – 430 – 430
– 434
Übelkeit (Nausea) ist ein rein subjektives Symptom. Es wird damit das Gefühl beschrieben, das dem Erbrechen (Vomitus, Emesis) vorausgeht. Beim Erbrechen führen repititive Kontraktionen der Bauchmuskulatur zu einer plötzlichen Druckerhöhung, die eine kraftvolle retrograde Entleerung des Mageninhaltes bewirken. Erbrechen ist ein komplexer physiologischer Vorgang, bei dem willkürliche und unwillkürliche Kontraktionen eine Rolle spielen. Unter Regurgitation versteht man den retrograden Fluss des Speiseröhreninhalts (z. B. Achalasie). Die wilkürliche Regurgitation von Speise durch aktive Kontraktion der Bauchmuskulatur, um sie erneut zu kauen und zu schlucken, bezeichnet man als Rumination. Ruminieren geht nicht mit Übelkeit einher und wird gehäuft bei Kindern und psychisch Kranken beobachtet. Sitophobie beschreibt die Angst vor Schmerzen und Unwohlsein, die mit der Nahrungsaufnahme verbunden werden.
426
Kapitel 42 · Übelkeit und Erbrechen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
42.1
VI
Pathophysiologie und Ätiologie
Übelkeit und Erbrechen sind häufig vorkommende Symptome, die das Wohlbefinden stark beeinträchtigen. Es ist ein verhältnismäßig unspezifisches Symptom, dem eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen zugrunde liegen können (⊡ Tabelle 42.1). Zum einen stellt der Brechreiz eine physiologische Schutzfunktion des Körpers gegen exogene Toxine dar, zum anderen kann Erbrechen eine Störung im Gastrointestinaltrakt, des zentralen Nervensystems oder anderer Organsysteme widerspiegeln. Reflektorisch kann Übelkeit und Erbrechen bei allen schweren Störungen des Körpergleichgewichts auftreten, als Begleitreaktion bei systemischen Infektionen oder bei Schmerz, Ekel und Angst. 30% aller Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung leiden an Erbrechen, mehr als 60% klagen über
Übelkeit, was die Lebensqualität stark beeinträchtigt [Davis 2000]. 42.1.1
Pathophysiologie
In der Phase der Übelkeit liegt meist eine Sympathikusaktivierung vor: Kaltschweißigkeit, Tachykardie, Pupillenerweiterung und vermehrter Speichelfluss. Im oberen Magen-Darm-Trakt finden sich in dieser Phase Veränderungen der Motilität: eine Erschlaffung des Magens, retrograde Dünndarmperistaltik und tonische Längskontraktionen der pharyngoösophagealen Muskulatur. Das eigentliche Erbrechen mit vehementer retrograder Entleerung des Mageninhaltes in der nachfolgenden Phase wird durch Kontraktionen der Bauchmuskulatur,des Zwerchfells und des M.geniohyoideus bewirkt [Andrews 1996]. Bei der Entstehung des Er-
⊡ Tabelle 42.1. Ursachen von Übelkeit und Erbrechen Organsystem
Ursache
Gastrointestinal
Bakterielle, virale Gastroenteritis Nahrungsmittelvergiftung Ösophagitis, Gastritis, Gallenkolik, Ulkuskrankheit Überfüllung des Magens, virale Hepatitis, Gastroparese, mesenteriale Ischämie, akutes Abdomen Obstruktion: Magenausgangsstenose, Ileus, chron. intestinale Pseudoobstruktion Berührung der Rachenschleimhaut Strahlentherapie Starke Schmerzen
Zentralnervös
Hirndruckerhöhung, Meningitis, Migräne, M. Meniere, Kinetosen
Psychogen
Anorexie, Bulämie, Angst, Unangenehme Geruchsempfindungen, ekelerregende visuelle Stimuli
Medikamentös-toxisch
Digitalis, Zytostatika, b-Blocker, Antibiotika, Opiate, Alkohol, Nikotin, Pilzvergiftung (u. a.)
Metabolisch-endokrin
Diabetische Keto- und Laktatazidose, Urämie, Thyreotoxikose, M. Addison, Hyper- und Hypoparathyreoidismus, Schwangerschaft
Urogenital
Nierenkolik (reflektorisch)
Kardiovaskulär
Myokardinfarkt (Hinterwand) Arterielle Hyper- und Hypotonie Lungenembolie
Andere
Glaukom (reflektorisch) Zyklisches Erbrechen
427 42.1 · Pathophysiologie und Ätiologie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
brechens sind zentrale und periphere Mechanismen beteiligt.Viele Aspekte der komplexen Regulation sind noch unvollständig verstanden. Periphere Mechanismen Spannungsrezeptoren vermitteln bei Überdehnung oder Entzündung der Darmmuskulatur und Serosa afferente Impulse in den Splanchnikusnerven, die zentralwärts geleitet werden. Chemorezeptoren der gastrointestinalen Mukosa registrieren pH, Osmolarität und Temperatur des Darminhalts und stimulieren durch ein Neurotransmittersystem, zu dem auch die Serotonin-freisetzenden enterochromaffinen Zellen (5-Hydroxytryptamin; 5-HT) gehören, Nervenendigungen des Vagussystems über 5-HT3-Rezeptoren. Die abdominellen Signale werden über afferente Nerven des Vagussystems und große Splanchnikusnerven zum Nucleus tractus solitarius in der Formatio reticularis der Medulla oblongata und zur Area postrema, der Chemorezeptorentriggerzone, am Boden des 4.Ventrikels geleitet. Zentrale Mechanismen Die Chemorezeptorentriggerzone in der Area postrema ist chemosensibel bzw.-rezeptiv; der Nucleus tractus solitarius scheint nicht durch Toxine direkt stimuliert zu werden. Toxine und chemische Stimuli (z. B. Herzglykoside,Zytostatika) können mit dem Blut über die stark kapillarisierte Area postrema die Chemorezeptorentriggerzone erreichen und den emetischen Stimulus bewirken. Auch aus der Zerebrospinalflüssigkeit können Stoffe durch Spalten zwischen den Ependymalzellen des 4.Ventrikels das Interstitium der Area postrema erreichen und Signale hervorrufen,die zum Nucleus tractus solitarius weitergeleitet werden. Auch vestibuläre Reize aus dem Labyrinth (Kinetosen) gelangen zur Chemorezeptor-Triggerzone. Vorwiegend über Neurotransmitter (Dopamin,Serotonin, GABA, Noradrenalin, Substanz P, u. a.) werden die afferenten Impulse von dort an das Brechzentrum weitergeleitet. 42.1.2
Ätiologie
Medikamentös-toxische Ursachen des Erbrechens In der Klinik tritt Erbrechen am häufigsten als Nebenwirkung medikamentöser Therapien auf, meistens zu Beginn der Therapie. Zahlreiche Medikamente können Übelkeit und Erbrechen auslösen, wobei unterschiedliche Wirkmechanismen eine Rolle spielen.Do-
42
paminagonisten (L-Dopa,Bromocriptin),Nikotin,Digitalisglykoside und Opiate evozieren Erbrechen durch zentrale Stimulation der Area postrema. Andere Substanzen, z. B. nichtsteroidale Antirheumatika und Erythromycin, aktivieren periphere afferente vagale Nervenendigungen, die dann das Signal zu den Hirnstammkernen weiterleiten, wo der Vorgang des Erbrechens koordiniert wird. Ekzessiver Alkoholgenuss führt sowohl über eine lokale Wirkung am Gastrointestinaltrakt als auch durch zentrale Aktivierung am Hirnstamm zum Erbrechen. Aber auch bei vielen anderen Medikamenten,z.B.Antiarrhythmika,Diuretika, Antibiotika, orale Antidiabetika, orale Kontrazeptiva, kann Erbrechen als Nebenwirkung auftreten. Chemotherapie-induziertes Erbrechen (PCNV) Die eindrücklichste Form des medikamentös ausgelösten Erbrechens findet sich bei der Behandlung mit Zytostatika (»post chemotherapy nausea and vomiting«; PCNV). Man unterscheidet das akute Erbrechen innerhalb von 24 h nach Chemotherapieapplikation, die verzögerte Emesis, die ein bis 7 Tage danach auftreten kann, und antizipatorisches Erbrechen bereits vor Beginn wiederholter Chemotherapie. Antizipatorische Emesis tritt auf, wenn bei früheren Chemotherapiezyklen schwere Nausea und Emesis erlitten wurden.Beim antizipatorischen Erbrechen reicht allein der Gedanke an die Chemotherapie bzw. der Anblick des Zytostatikums oder auch des Arztes aus, um Übelkeit und Erbrechen auszulösen. Risikofaktoren wie Alter, weibliches Geschlecht, niedriger sozioökonomischer Status, Applikation hoch emetogener Zytostatika und Erbrechen in früheren Chemotherapiezyklen begünstigen das Auftreten von Erbrechen unter Chemotherapie [Osaba 1997]. Das emetogene Potential des Chemotherapeutikums (⊡ Tabelle 42.2) scheint die individuellen Faktoren in der Vorhersage der Emesissymptomatik deutlich zu übertreffen [Pater 1994].Insbesondere Cisplatin, Dacarbazin und Carmustin wirken hochemetogen. Dabei finden sich erhöhte Spiegel von Serotonin im Plasma bzw. dessen Metabolit, 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES), im Urin. Zudem lässt sich parallel zum Anstieg der 5-HIES im Urin eine erhöhte Konzentration des in enterochromaffinen Zellen vorhandenen Chromogranin A im Blut feststellen. Nach Vagotomie fällt das Cisplatin-induzierte Erbrechen geringer aus, weswegen die periphere Stimulation vagaler Afferenzen über 5-HT3-Rezeptoren der intestinalen Mukosa wahrscheinlich erscheint. Als Mechanismus der Serotoninfreisetzung wird eine direkte Schädigung der enterochromaffinen Zellen durch die
428
Kapitel 42 · Übelkeit und Erbrechen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 42.2. Emetogenes Potential verschiedener Zytostatika Emetogenes Potential
Grad 1
Grad 2
Grad 3
Grad 4
Grad 5
Inzidenz des Erbrechens
Gering <10%
Mäßig 10–30%
Mittelstark 30–60%
Hoch 60–90%
Sehr hoch >90%
Zytostatikum
Bleomycin
Asparaginase
Cyclophosphamid (p. o. <750 mg/m2)
Carboplatin
Carmustin >250 mg/m2
Busulfan (p. o., <4 mg/kgKG/Tag)
Cytarabin <1 g/m2
Dactinomycin <1.5 mg/m2
Carmustin <250 mg/m2
Cisplatin >50 mg/m2
Chlorambucil
Docetaxel
Doxorubicin 20–60 mg/m2
Cisplatin <50 mg/m2
Cyclophosphamid >1500 mg/m2
Fludarabin
Doxorubicin <20 mg/m2
Epirubicin <90 mg/m2
Cyclophosphamid 750–1500 mg/m2
Dacarbazin >500 mg/m2
Hydroxyurea
Etoposid
Idarubicin
Cytarabin <1 g/m2
Lomustin >60 mg/m2
Melphalan
Fluoruracil <1000 mg/m2
Ifosfamid
Dactinomycin >1,5 g/m2
Mustargen
Mercaptopurin
Gemcitabin
Methotrexat 250–1000 mg/m2
Doxorubicin >60 mg/m2
Streptozotocin
Methotrexat <50 mg/m2
Methotrexat 50–250 mg/m2
Mitoxantron <15 mg/m2
Irinotecan
VI
Thioguanin
Mitomycin
Melphalan i.v.
Vincristin
Paclitaxel
Methotrexat >1000 mg/m2
Vinblastin
Teniposid
Mitoxantron >15 mg/m2
Vinorelbin
Topotecan
Procarbazin p. o.
zytotoxischen Substanzen diskutiert. Sauerstoffradikalenbildung, wie sie durch Interaktion von Cisplatin mit der DNS entsteht, lässt sich im Tierversuch durch Gabe von Antioxidantien abfangen,wodurch auch das Cisplatin-induzierte, aber nicht das durch direkte Serotoningabe ausgelöste Erbrechen verhindert werden kann. Im Gegensatz zum akuten, chemotherapieinduzierten Erbrechen, werden die verzögerte und antizipatorische Emesis nicht durch serotoninabhängige Mechanismen vermittelt. Der wesentliche Risikofaktor für das Auftreten der verzögerten Emesis (1–7 Tage) nach Chemotherapie ist eine starke akute Symptomatik am ersten Behandlungstag.In manchen Fällen kann die Symptomatik auch über 2 Wochen anhalten. Neben einer vermehrten Noradrenalinaus-
scheidung mit möglicherweise direkter Stimulation von Rezeptoren der Chemorezeptorentriggerzone werden als Ursache der verzögert auftretenden Emesis nach Chemotherapie neurotoxische Effekte diskutiert, die eine Störung der Magenentleerung bewirken können. Antizipatorisches Erbrechen wurde bisher als klassische Konditionierung verstanden. Darüberhinaus haben sicher auch die Erwartungshaltung des Patienten, seine Wahrnehmung betroffener Mitpatienten, eine ängstliche Grundhaltung und eine gesteigerte autonome Reagibilität Bedeutung. Infektiös ausgelöstes Erbrechen Gastrointestinale und systemische Infektionen sind häufig von Übelkeit und Erbrechen begleitet und
429 42.2 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
zeichnen sich durch einen akut einsetzenden Beginn aus. Insbesondere bei Kleinkindern unter 3 Jahren treten oft akute Gastroenteritiden mit heftigem Erbrechen auf. Häufige virale Erreger akuter Gastroenteritiden sind Rotaviren, Reo-, Norwalk-, SnowMountain- und Adenoviren; bei immunkompromittierten Patienten finden sich auch Gastroenteritiden mit Cytomegalie- oder Herpes-simplex-Viren. Zu häufigen bakteriellen Erregern, die zu einer gastrointestinalen Infektion mit Nausea und Vomitus führen können,zählen Staphylococcus aureus,Salmonellen, Bacillus cereus und Clostridium perfringens. Diese Bakterien werden meist durch kontaminierte Lebensmittel aufgenommen. In vielen dieser Fälle wird das Erbrechen durch bakterielle Toxine ausgelöst, die eine direkte Wirkung am Hirnstamm entfalten. So ist inzwischen das emetogene Toxin von Staph.aureus isoliert und charakterisiert wordem,das sich von den bekannten Enterotoxinen A–E oder vom Toxin des toxischen Schocksyndroms unterscheidet. Postoperative Nausea und Emesis (PONV) Postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV) treten in der Regel in den ersten 2 Tagen nach einer Allgemein-, Regional- oder auch Lokalanästhesie auf. Eine Fülle verschiedener Erklärungsmechanismen werden diskutiert, z. B.: ▬ Serotoninfreisetzung durch direkte abdominelle intraoperative Manipulationen, ▬ Auslösung von Erbrechen durch Opioidrezeptoren im Hirnstamm, ▬ opioidbedingte verzögerte Magenentleerung, ▬ Stimulation der Chemorezeptortriggerzone durch Anästhetika, ▬ postoperative Schmerzen. Während früher unter Äther- und Zyklopropannarkose etwa 80% aller operierten Patienten unter Erbrechen litten, liegt die Inzidenz des PONV heute bei modernen Anästhesieverfahren nur noch bei 20–30%. 42.2
Klinik
Patienten mit akutem oder chronischem Erbrechen sind durch die Dehydratation bzw. Malnutrition bedroht, dies sowohl durch die Vermeidung von Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme als auch durch den Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten durch den Vomitus. Speicheldrüsen und Magen produzieren etwa 1–2 l Sekret/Tag, die reich an Natrium, Kalium
42
und Salzsäure sind. Bei anhaltendem Erbrechen führt der Verlust von Flüssigkeit, Elektrolyten und sauren Valenzen zur Dehydrierung,Hypokaliämie und metabolischen Alkalose. Wichtig In schweren Fällen kann es zu erheblichen Störungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts kommen; es kann eine Hypovolämie bis hin zum Multiorganversagen eintreten.
Daher ist es wichtig, bei der körperlichen Untersuchung auf Zeichen der Dehydrierung zu achten: stehende Hautfalten, trockene Schleimhäute, Oligurie, halonierte Augen, Hypotonie mit reflektorischer Tachykardie. Bei eingeschränkter Bewusstseinslage mit verminderten Husten- und Schluckreflexen besteht das Risiko der Aspiration des Erbrochenen. Heftiges Erbrechen kann durch die plötzliche Druckerhöhung beim retrograden Entleerungsvorgang an der Kardia zu Schleimhauteinrissen führen, die erheblich bluten können (Mallory-Weiss-Läsion). Insbesondere nach starkem Alkoholabusus tritt in seltenen Fällen bei unkoordiniertem Erbrechen eine spontane Ösophagusruptur (Boerhaave-Syndrom) auf, die aus einer übermäßigen, plötzlichen Erhöhung des intraabdominellen Druckes resultiert. Begleitende Symptome wie abdominelle Schmerzen, Fieber, Ikterus, Diarrhö, Schwindel oder ähnliche Symptome bei Personen des sozialen Umkreises liefern hilfreiche Hinweise zur Diagnose und Ätiopathogenese des Erbrechens. Ein Gewichtsverlust kann eine maligne Grunderkrankung und/oder eine langbestehende mechanische Obstruktion anzeigen. Der Blick auf die Pupillen kann ebenfalls dienliche Hinweise geben: Mydriasis und harte Bulbi deuten auf ein Glaukom; enge,stecknadelkopfgroße Pupillen finden sich nach Opiateinnahme. Eine Anisokorie tritt bei intrazerebralen Einblutungen oder Ischämien, aber auch bei zerebralen Tumoren mit erhöhtem Hirndruck auf. Das Vorliegen neurologischer Symptome wie Kopfschmerzen, Meningismus, Schwindel und fokal neurologische Ausfallserscheinungen weist auf eine zentrale Genese des Erbrechens hin. An den Fingernägeln lassen sich oftmals Spuren finden, die auf ein selbstinduzierten Erbrechen hindeuten (z. B. Bulämie). Bei der Inspektion der Mundhöhle lässt sich dann häufig auch eine Verminderung des Zahnschmelzes feststellen.
430
Kapitel 42 · Übelkeit und Erbrechen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
42.3
VI
Diagnostik
In vielen Fällen ergeben sich aus einer sorgfältigen Anamnese und körperlichen Untersuchung bereits wegweisende Hinweise, die zur Diagnose führen. Bei akuter Symptomatik von Übelkeit und Erbrechen ist die Ursache oft leicht ersichtlich, z. B. eine akute gastrointestinale Infektion, Schwangerschaft, exogene Toxine und Medikamentennebenwirkungen. Akute infektiöse (bakterielle, virale), meist toxisch induzierte Gastroenteritiden, sind in der Praxis die häufigsten Auslöser einer Symptomatik mit Nausea und Vomitus. Chronische Übelkeit und Erbrechen (Symptompersistenz >4 Wochen) werfen hingegen häufiger diagnostische und therapeutische Probleme auf. Wichtig Mit Ausnahme weniger basaler Laborparameter (Blutbild, Elektrolyte, Retentionswerte, Säure-Basen-Status) sollte sich die weitere apparative und Labordiagnostik gezielt an der aufgrund der Be-
▼
gleitsymptomatik und der körperlichen Untersuchung erhobenen Verdachtsdiagnose oder den wahrscheinlichen Differenzialdiagnosen orientieren (⊡ Tabelle 42.3 und 42.4).
Wichtig ist die klinische Einschätzung, ob es sich um eine vorübergehende, spontanlimitierende Erbrechenssymptomatik oder eine akut bedrohliche Situation handelt, die eine stationäre oder gar eine intensivmedizinische Therapie erfordert. 42.4
Therapie
42.4.1
Allgemeinmaßnahmen/ Ernährung
Das vordringlichste Therapieziel in der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen besteht darin, die Flüssigkeits- und Elektrolytverluste auszugleichen,um bedrohliche Störungen im Säure-Basen-Haushalt und
⊡ Tabelle 42.3. Gezielte weiterführende Labordiagnostik beim Leitsymptom Erbrechen Probenmaterial
Test
Verdachtsdiagnose
Blut, Serum
Lipase, Amylase, CRP Transaminasen, Hepatitisserologie Cholestaseparameter, CRP CK, Troponin Glukose Harnstoff, Kreatinin LDH, Lactat Blutkulturen Kortisol, ACTH Alkoholspiegel Digitalisspiegel Drogenscreening
Pankreatitis Hepatitis Choledocholithiasis, Cholecystitis Myokardinfarkt Diabetische Ketoazidose Urämie Ischämie Sepsis M. Addison, M. Cushing Alkoholintoxikation Digitalisüberdosierung Intoxikation
Stuhl
Darmpathogene Erreger und Toxine
Gastroenteritis
Urin
Schwangerschaftstest Glukose, Ketonkörper Kortisol Drogenscreening
Hyperemesis gravidarum Diabetische Ketoazidose M. Addison Barbiturat-, Opiatabusus
Liquor
Zellzahl, Antikörper
Meningitis
Erbrochenes
Toxikologisches Screening
Medikamentenintoxikation Pilzvergiftung
431 42.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
42
⊡ Tabelle 42.4. Apparative Diagnostik beim Leitsymptom Erbrechen Apparative Diagnostik
Klinische Indikation
Abdomensonographie
Akutes Abdomen, Gallenkolik, Nierenkolik, Pankreatitis, Appendizitis, Ileus, entzündliche Darmerkrankungen, ovarieller Prozess
Gastroskopie
Reflux, Hernie, Achalasie, Stenose, Ulkuserkrankung, Tablettenintoxikation (zur Giftelimination), Ösophagitis, Hämatemesis
Manometrie
Ösophageale Motilitätsstörung
Abdomenleerröntgenaufnahme
Akutes Abdomen, Ileus, Perforation
Tc-Szintigraphie 13C-Octanoatoder 13C-Acetat-Atemtest
Magenentleerungsstörung
Barium-Passage
Endoskopisch nicht passierbare Stenosen
Enteroklysma nach Sellink
Stenosen im Dünndarm
ERCP
Choledocholithiasis, Sphinkter-Oddi-Dyskinesie, biliäre Pankreatitis
Angiographie
Mesenterialischämie
EKG
Thorax- und Oberbauchschmerz, Elektrolytentgleisung
Röntgenthoraxaufnahme
Thoraxschmerz, Aspiration, Boerhave-Syndrom
Kraniale Computer- bzw. Kernspintomographie
Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörung, Stauungspapille, fokal neurologische Ausfälle
eine Hypovolämie zu vermeiden. Die Volumensubstitution besteht in der Regel in der Gabe von intravenösen Kochsalzlösungen mit den Erfordernissen angepasster Kaliumsupplementation. Mangelzustände infolge der verminderten Nahrungszufuhr durch Erbrechen selbst oder das Vermeiden der Nahrungsaufnahme müssen durch adäquate Kalorien- und Vitaminzufuhr ausgeglichen werden. Wenn möglich, ist eine kausale Therapie der dem Erbrechen zugrundeliegenden Erkrankung anzustreben (z. B. Vermeiden emetisch wirksamer Medikamente,Operation einer Stenose,Eliminierung von Toxinen). Bei Retentionsmagen oder Ileus verschafft eine gastrale Dekompression durch eine Magensonde zumeist Linderung. Bei Vorliegen einer Gastroparese kann die diätetische Empfehlung, viele kleine Mahlzeiten einzunehmen, hilfreich sein. Eine Reduktion des Nahrungsfettgehalts bei Patienten mit verzögerter Magenentleerung wirkt oft verträglicher. 42.4.2
Medikamentöse Therapie
Zur medikamentösen Behandlung von Übelkeit und Erbrechen werden Antiemetika und Prokinetika ein-
gesetzt [AGA 2001]. Konventionelle Antiemetika wirken als Muskarin-, Histamin-, Dopamin oder Serotoninrezeptorantagonisten am zentralen Nervensystem. Darüberhinaus zeigen auch Phenothiazine, Butyrophenone, substituierte Benzamide, Steroide und Benzodiazepine antiemetische Wirkung (⊡ Tabelle 42.5). Inzwischen wurden auch in mehreren Studien die beeindruckende antiemetische Wirkung von Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten belegt, die einen Einsatz dieser Substanzen insbesondere bei der akuten und verzögert auftretenden Erbrechenssymptomatik unter Chemotherapie vielversprechend erscheinen lassen. So konnte in einer Untersuchung bei Patienten unter Chemotherapie mit Cisplatin gezeigt werden, dass die Kombination von Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten mit einer antiemetischen Standardprophylaxe aus Granisetron und Dexamethason das Auftreten von Erbrechen nahezu völlig verhindert (93%); während dies mit konventionellen antiemetischen Regimen nur in 67% der Fall ist [Navari 1999]. Prokinetische Substanzen,die die gastrointestinale Kontraktilität stimulieren und die Transportfunktion fördern, werden bevorzugt bei Patienten mit gastrointestinalen Motilitätsstörungen eingesetzt. Domperidon und Metoclopramid, substituierte Benzamide, die hauptsächlich als Dopaminantagonisten wirken,besitzen sowohl antiemetische als auch proki-
432
Kapitel 42 · Übelkeit und Erbrechen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 42.5. Antiemetika
VI
Substanzgruppe
Antiemetikum
Wirkungssort
Hauptindikationen
Dopaminantagonisten
Metoclopramid, Alizaprid, Domperidon
Chemorezeptortriggerzone
PCNV, PONV, akute Gastroenteritis, verzögerte Magenentleerung
5-HT3-Rezeporantagonisten
Odansertron, Dolasetron, Granisetron, Tropisetron
Zentrale und periphere 5-HT3-Rezeptoren
Akute PCNV, Erbrechen nach Strahlentherapie
Glukokortikosteroide
Dexamethason, Methylprednisolon
Chemorezeptortriggerzone
Spätphase der PCNV
Neuroleptika vom Bytyrophenon-Typ
Haloperidol, Droperidol
Chemorezeptortriggerzone
PONV
Neuroleptika vom Phenothiazin-Typ
Triflupromazin, Promethazin, Chlorpromazin
Chemorezeptortriggerzone
Hyperemesis gravidarum
Histamin1-Rezeptorantagonisten
Dimenhydrinat, Hydroxyzycin, Diphenhydramin
Brechzentrum
Vestibuläres Erbrechen, Kinetosen
Anticholinergika
Scopolamin (transdermal)
Parasympathikus
Kinetosen, Reisekrankheit
Benzodiazepine
Lorazepam, Alprazolam, Diazepam
Limbisches System
Antizipatorisches Erbrechen, Spätphase der PCNV
Neurokinin-1-Rezeptorenantagonisten
Aprepitant
Akute und verzögerte PCNV
PCNV: chemotherapieinduzierte Nausea und Vomitus; PONV: postoperative Nausea und Vomitus.
netische Eigenschaften. Daher bieten sie bei Gastroparese, Formen der funktionellen Dyspepsie und postoperativen Zuständen Vorteile. Bei Patienten mit funktionellem Erbrechen, bei denen keine organische oder metabolische Ursache gefunden werden kann und die auf eine konventionelle antiemetische Therapie (z. B. mit Dopaminrezeptorantagonisten) nicht ansprechen, kann ein Therapieversuch mit trizyklischen Antidepressiva erfolgversprechend sein. Im Kap.58 werden die einzelnen Substanzgruppen mit ihrem Nebenwirkungsprofil und Interaktionen im Detail erörtert. ⊡ Tabelle 42.5 gibt einen Überblick über die meist eingesetzten Antiemetika und ihre Hauptanwendungsgebiete. Dosierungen der gebräuchlichen Antiemetika sind in Kap. 58, ⊡ Tabelle 58.2 angegeben.
Zytostatikainduziertes Erbrechen (PCNV) Vor der Ära der 5-HT3-Antagonisten wurden Kombinationen von hochdosiertem, intravenösen Metoclopramid (2 mg/kgKG) mit Dexamethason, Histaminantagonisten, Diphenhydramin oder Benzodiazepinen zur Prävention des akuten Erbrechens unter hochemetogener Chemotherapie eingesetzt. Inzwischen haben 5-HT3-Antagonisten bahnbrechende Verbesserungen erzielt: Eine intravenöse Monotherapie verhindert bei 40–60% der Patienten das cisplatininduzierte Erbrechen; in Kombination mit Dexamethason lässt sich die Erfolgsrate auf 70–90% steigern.
433 42.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Trotz einiger pharmakologischer Unterschiede ist bei äquipotenter Dosierung die therapeutische Wirksamkeit und die Verträglichkeit der zugelassenen 5-HT3-Antagonisten im Wesentlichen vergleichbar. Auch scheint die Effektivität der oralen Applikationsform der intravenösen Gabe äquivalent zu sein (⊡ Tabelle 42.6).
Für die Therapie des verzögerten Erbrechens nach Cisplatingabe erzielt die Monotherapie mit 5-HT3-Antagonisten keine Vorteile. Hier erwiesen sich Kombinationen von Dexamethason entweder mit Metoclopramid oder einem 5-HT3-Antagonisten, beginnend 24 h nach der Chemotherapie über 3 Tage fortgeführt, als wirksamste Prävention der verzögerten Emesis. Auch in der Therapie des durch Radiatio induzierten Erbrechens haben 5-HT3-Antagonisten ihren Stellenwert gegenüber konventionellen Antiemetika behauptet. Eine eindeutige Überlegenheit zeigte sich v. a. bei der Ganzkörperbestrahlung im Rahmen einer Konditionierungstherapie. Zur Behandlung des antizipatorischen Erbrechens werden Benzodiazepine empfohlen, die auch anxiolytisch wirken (z. B. Lorazepam 1–2 mg i.v. oder Alprazolam 0,5–2 mg). Cannabinoide werden bisher in Deutschland nicht eingesetzt. Postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV) Zu den herkömmlich bei PONV eingesetzten Medikamente zählt Metoclopramid. Unter den unzähligen postoperativ getesteten Antiemetika erwiesen sich Droperidol und 5-HT3-Antagonisten am wirksamsten in der Prävention und Therapie der PONV. Dabei erscheint es deutlich schwieriger, die Übelkeit zu unterdrücken, als das Erbrechen zu verhindern. Die erforderlichen Dosierungen zur Behandlung der PONV
⊡ Tabelle 42.6. Dosierung und Applikationsform von 5-HT3-Antagonisten zur Prävention und Behandlung des akuten Erbrechens bei hochemetogener Chemotherapie Substanz
Tagesdosis (i.v.)
Tagesdosis (p. o.)
Odansetron Granisetron Tropisetron Dolasetron
1¥8 mg 1- bis 3-mal 3 mg 1¥5 mg 1¥100 mg
1¥24 mg 1¥2 mg 1¥5 mg 1¥200 mg
42
mit 5-HT3-Antagonisten liegen weit unter denen, die zur Prävention der PCVN benötigt werden [Drechseler 2001]. Die Nebenwirkungen von Droperidol (Sedierung, Dysphorie) erfordern bei höherer Dosierung eine verlängerte postoperative Überwachung und führen zu einer Beeinträchtigung des postoperativen Befindens, daher wird oft (trotz schwächerer antiemetischer Wirkung) das besser verträgliche Metoclopramid vorgezogen. 42.4.3
Endoskopische Verfahren
Die Endoskopie spielt eine große Rolle in der Diagnostik pathologischer Veränderungen im oberen Gastrointestinaltrakt, die Übelkeit und Erbrechen auslösen können (z. B. Ösophagitis, Gastritis, Ulkuserkrankung, Passagehindernis). Darüberhinaus lassen sich mechanische Obstruktionen im oberen Gastrointestinaltrakt endoskopisch interventionell angehen (z. B. Bougieren peptischer Stenosen,pneumatische Ballondilatation oder Botulinustoxin-Injektion bei Achalasie, Ballondilatation einer Magenausgangsstenose, palliative Tubus-/Stentversorgung bei Ösophagusoder Kardiakarzinom, lokale Tumorablation durch Laser- oder Argon-Plasma-Koagulation). Zudem kommt der Ösophagogastroduodenoskopie bei akuten Intoxikationen eine Bedeutung in der Giftelimination und Bergung von Tablettenresten zu, solange die Substanzen den Magen noch nicht passiert haben. 42.4.4
Operative Verfahren
Auch bei schweren Formen der Gastroparese bringen chirurgische Magenresektionsverfahren kaum Verbesserungen. Eine perkutan endoskopisch angelegte Gastrostomie (PEG) kann bei ausgeprägter Magendistension eine symptomatische Erleichterung erzielen. Nur in wenigen Fällen einer vagotomiebedingten Magenretention kann eine Gastrektomie einen klinischen Benefit erzielen [Eckhauser 1998]. Erfordern die Auswirkungen der Gastroparese wiederholt eine intravenöse Flüssigkeitssubstitution und Prokinetikagabe, sollte eine Jejunostomie (FKJ) erwogen werden [Fontana 1996]. Falls zusätzlich eine intestinale Motilitätsstörung oder chronisch intestinale Pseudoobstruktion vorliegt, ist eine heimparenterale Ernährung über ein intravenöses Portsystem indiziert.
434
Kapitel 42 · Übelkeit und Erbrechen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die Implantation elektrischer Schrittmacher im Magen kann möglicherweise in Zukunft die Therapie schwerer Formen der Gastroparese darstellen. In bisherigen Studien zeigte die Schrittmacherimplantation einen positiven Einfluss auf die Symptomatik von Erbrechen und Übelkeit, Lebensqualität, Gewicht und Body-Mass-Index [GEMS Study group 1999].
Literatur
VI
AGA (2001) AGA technical review on nausea and vomiting. Gastroenterology 120: 263–286 Andrews PLR (1996) The mechanisms of emesis induced by chemothery and radiotherapy. In: Tonato M (ed) Antiemetics in the supportive care of cancer patients. Springer, Berlin Heidelberg Ney York, 3–24 Davis M, Walsh D (2000) Treatment of nausea and vomiting in advanced cancer. Support Care Cancer 8: 444–452 Drechsler S, Färber L (2001) Serotonin-3-Rezeptorantagonisten-Pharmakologie und klinische Anwendung. Uni-med, Bremen
Eckhauser FE, Conrad M, Knol JA, Mulholland MW, Colletti LM (1998) Safety and long-term durability of completion gastrectomy in 81 patients with postsurgical gastroparesis syndrome. Am Surg 64: 711–717 Fontana RJ, Barnett JL (1996) Jejunostomy tube placement in refractory diabetic gastroparesis: A retrospective review. Am J Gastroenterol 91: 2174–2178 GEMS Study Group (1999) Long-term results of gastric stimulation four times higher than the slow wave frequency in patients with drug-refractory gastroparesis. Gastroenterology 116: G4131 Navari RM, Reinhardt RR, Gralla RJ et al. (1999) Reduction of cisplatin-induced emesis by selective neurokinin-1receptor antagonist. N Engl J Med 340: 190–195 Osaba D, Zee B, Pater J et al. (1997) Determinants of postchemotherapy nausea and vomiting in patients with cancer. Quality of life and symptom control commiitees of the national cancer institute of canada clinical trials group. J Clin Oncol 18: 297–308 Pater J, Slamet L, Zee B et al. (1994) Inconsistency of prognostic factors for post-chemotherapy nausea and vomiting. Support Care Cancer 2: 161–166
43 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom G. Holtmann, S. Haag 43.1
Definition
43.1.1 43.1.2
Dyspepsie – 436 Reizdarmsyndrom – 436
43.2
Prävalenz und Inzidenz
43.2.1 43.2.2 43.2.3
Kategorisierung der Patienten – 437 Überschneidungen mit anderen Erkrankungen Häufigkeit in der klinischen Praxis – 437
43.3
Pathophysiologie
43.3.1 43.3.2 43.3.3
Störungen der motorischen und der sensorischen Funktion Psychische Faktoren – 439 Nahrungsmittelunverträglichkeit und -allergie – 440
43.4
Diagnostik
43.4.1 43.4.2 43.4.3
Funktionelle Dyspepsie – 440 Reizdarmsyndrom – 442 Nutzen weiterer diagnostischer Verfahren
– 436 – 437
– 438 – 438
– 440
43.5
Therapie
43.5.1 43.5.2 43.5.3
Medikamentöse Therapie – 442 Weitere Therapieoptionen – 445 Ausblick – 446
Literatur
>>
– 436
– 442
– 442
– 446
Die Krankheitsbilder funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom sind die wichtigsten Vertreter der sog. funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen. Diese sind durch mehr oder weniger typische Symptome gekennzeichnet, ohne dass mit der üblicherweise verfügbaren Diagnostik eine strukturelle oder biochemische Abnormalität nachweisbar ist, die die Symptome erklärt.
436
Kapitel 43 · Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
43.1
Definition
43.1.1
Dyspepsie
2.
VI
Der Begriff Dyspepsie umfasst ein breites Spektrum von auf den Oberbauch bezogenen Symptomen. Der Begriff wird unabhängig von Ursache der Symptomatik verwendet. Dyspeptische Beschwerden umfassen entsprechend nicht nur Schmerzen, sondern auch frühzeitiges Sättigungsgefühl oder Völlegefühl, Übelkeit oder andere unangenehme auf den Oberbauch bezogene Sensationen [Malfertheiner 2001]. Von chronischen dyspeptischen Beschwerden wird ausgegangen, wenn die Symptome über 3 Monate persistieren oder innerhalb von 12 Monaten insgesamt 12 Wochen bestehen [Talley 1999]. Bei rund 50% der Patienten, die sich wegen chronischer dyspeptischer Beschwerden in Behandlung begeben, lässt sich mit der verfügbaren klinischen Routinediagnostik die Ursache nicht klären [Kagevi 1989]. Bei chronischen dyspeptischen Beschwerden ohne eine mit Hilfe der im Rahmen der üblichen Diagnostik nachweisbaren Ursache ist die Diagnose einer funktionellen (oder »non-ulcus«) Dyspepsie gerechtfertigt [Malfertheiner 2001]. Wichtig Wichtig Die funktionelle Dyspepsie ist somit durch mehr oder weniger spezifische Symptome und den Ausschluss struktureller Läsionen, die diese Symptome verursachen können, gekennzeichnet.
43.1.2
Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist demgegenüber durch vornehmlich auf den Unterbauch bezogene Symptome und das Fehlen struktureller oder biochemischer Abnormalitäten, die die Symptome erklären, charakterisiert [Thompson 1999]. Kriterien für das Reizdarmsyndrom (chronische oder chronisch rezdivierende Symptome) 1.
▼
Abdominelle Beschwerden oder Schmerzen, oft in Beziehung zur Defäkation (meist Erleichterung nach Defäkation)
3. 4.
Veränderung der Defäkation hinsichtlich mindestens 2 der folgenden Aspekte – Frequenz – Konsistenz – Passage mühsam, Gefühl der unvollständigen Entleerung Häufig assoziiert mit dem Gefühl der abdominellen Distension oder Blähungen Ausschluss einer definierten strukturellen oder biochemischen Abnormalität als Ursache der Beschwerden
Klinisch bestehen ausgeprägte Überlappungen mit der funktionellen Dyspepsie, sodass angenommen werden kann, dass beide Erkrankungen letztlich Manifestationen sehr ähnlicher Grunderkrankungen darstellen. Im angelsächsischen Sprachraum wird für dieses Krankheitsbild meist der Begriff des »irritable bowel syndrome« (IBS) verwendet. Der in Deutschland gelegentlich verwendete Begriff des spastischen Kolon sollte nicht verwedet werden [Hotz 1999]. Hervorzuheben sind die ausgeprägte Überschneidungen zwischen dem Reizdarmsyndrom und der funktionellen Dyspepsie sowie oft variable Symptommuster bei den betroffenen Patienten [Agreus 1995; Talley 2000]. 43.2
Prävalenz und Inzidenz
In verschiedenen Ländern durchgeführte epidemiologischen Studien weisen Prävalenzraten dyspeptischer Beschwerden zwischen 7 und 41% auf [Gschossmann 2001]. Die Variabilität ist wahrscheinlich durch die geographischen Unterschiede in der Prävalenz von H. pylori (H.p.) und damit zusammenhängend der Prävalenz peptischer Ulzera sowie die diagnostischen Kriterien und die zur Symptombewertung herangezogene Methodik bedingt. Die Prävalenz von Symptomen eines Reizdarmsyndroms liegt zwischen 10 und 25% und etwa 1/3 der Patienten begibt sich wegen dieser Symptome in ärztliche Behandlung [Warner 1991; Locke 1996].
437 43.2 · Prävalenz und Inzidenz SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
43.2.1
Kategorisierung der Patienten
Funktionelle Dyspepsie Patienten mit funktioneller Dyspepsie werden oft anhand der Leitsymptome in die Untergruppen eingeteilt [Talley 1991]. Kategorisierung von Patienten mit funktioneller Dyspepsie Dyspepsie vom Motilitätstyp Leitsymptom lässt an eine Verzögerung der Magenentleerung oder eine Dysmotilität des oberen GI-Trakts denken Symptome: frühzeitige Sättigung, postprandiales Völlegefühl, Übelkeit, Blähungen im oberen Abdomen ohne sichtbare Dehnung oder durch Mahlzeiten oft verschlimmerte Beschwerden im oberen Abdomen. Schmerzsymptomatik steht nicht im Vordergrund Dyspepsie vom Ulkustyp Leitsymptom Oberbauchschmerzen Symptome: lokalisierter Oberbauchschmerz (d. h. kann durch Zeigen mit 1 oder 2 Fingern einem einzigen kleinen Bereich zugeordnet werden); Schmerzen werden oft durch Nahrungsaufnahme, Antazida oder H2-Blocker gelindert; vor den Mahlzeiten oder im Nüchternzustand auftretende Schmerzen oder Schmerzen, von denen der Patient bisweilen aus dem Schlaf gerissen wird. Periodische Schmerzen von Remissionen und Rezidiven (schmerzfreie Abschnitte von mindestens 2 Wochen Dauer, zwischen denen wochenoder monatelange Schmerzphasen liegen können) Dyspepsie vom Refluxtyp Sodbrennen, saures Aufstoßen Bei Patienten, die ausschließlich unter refluxtypischen Beschwerden leiden, liegt wahrscheinlich eine Refkuxerkrankung (ggf. ohne erosive Schleimhautdefekte) und keine funktionelle Dyspepsie vor. Einige Autoren schließen Patienten mit refluxartigen Symptomen nicht in die Kategorie funktionelle Dyspepsie ein. Auch bei Fehlen ösophagealer Schleimhautläsionen besteht bei Patienten mit refluxartiger Symptomatik ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Symptome und Säurereflux in den Ösophagus. Diese Sympto-
▼
43
me weisen somit gewöhnlich auf einen zugrunde liegenden gastroösophagealen Reflux hin Unspezifische Dyspepsie Keiner der anderen Untergruppen zuzuordnende Oberbauchsymptome
Tatsächlich wird diese Kategorisierung in der klinischen Praxis oft als Leitschnur für die zu initiierende Therapie verwendet. Die Bedeutung der Symptomeinteilung im Hinblick auf das Behandlungsergebnis ist jedoch ungewiss, da viele Patienten ein breites Spektrum von Symptomen angeben und entsprechend verschiedenen Gruppen zugeordnet werden könnten [Holtmann 1994]. Eine gut kontrollierte Studie legt nahe, dass eine auf das Leitsymptom ausgerichtete Behandlung durchaus den Therapieerfolg beeinflusst; Patienten mit ulkus- und refluxtypischen Symptomen sprachen am besten auf eine sekretionshemmende Therapie an [Talley 1998]. Reizdarmsyndrom Patienten mit Reizdarmsyndrom werden anhand des Defäkationsverhaltens in Patienten vom ObstipationsTyp,dem Diarrhö-Typ und den sog.»Alternatern«,die keiner Gruppe sicher zugeordnet werden können, unterteilt. 43.2.2
Überschneidungen mit anderen Erkrankungen
Symptome eines Reizdarmsyndroms und einer funktionellen Dyspepsie treten oft gleichzeitig auf oder im zeitlichen Verlauf wird erst die eine, dann die andere Erkrankung klinisch manifest. Zusätzlich geben die Patienten gehäuft extraintestinale Symptome wie Rückenschmerzen,Zephalgien oder Gelenkbeschwerden an [Holtmann 1994]. Gleichzeitig werden anamnestisch signifikant häufiger Cholezystektomie, Hysterektomien und andere Eingriffe berichtet. 43.2.3
Häufigkeit in der klinischen Praxis
Etwa 50% aller Personen, die an einer funktionellen Dyspepsie oder einem Reizdarmsyndrom leiden,nehmen ärztliche Hilfe in Anspruch [Holtmann 1994].Damit verursachen diese Krankheitsbilder 2–5% aller
438
Kapitel 43 · Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Konsultationen beim Allgemeinmediziner und bis zu 40% aller Konsultationen beim Gastroenterologen.
VI
43.3
Pathophysiologie
43.3.1
Störungen der motorischen und der sensorischen Funktion
Es wird davon ausgegangen, dass eine gestörte Magen- und Dünndarmmotilität sowie veränderte sensorische Funktionen im Rahmen der Pathogenese der funktionellen Dyspepsie und des Reizdarmsyndroms eine zentrale Rolle einnehmen. Gastrointestinale Motilität Störung der gastrointestinalen Motilität werden seit vielen Jahren als Ursache der Symptome angenommen. In zahlreichen Studien konnten zumindest bei einer Untergruppe von Patienten mit funktioneller Dyspepsie eine verzögerte Entleerung fester Partikel aus dem Magen oder eine veränderte antroduodenale Motilität nachgewiesen werden.Heute wird die Auffassung vertreten, dass bei bis zu 50% der Patienten mit funktioneller Dyspepsie eine Magenentleerungsverzögerung nachweisbar ist [Quartero 1998]. Zusätzlich konnten in verschiedenen Studien Störungen motorischer Funktionen bei Patienten mit Reizdarmsyndrom nachgewiesen werden. Diese Funktionsstörungen betreffen Veränderungen des Transit (z. B. Magenentleerung oder Transport von Faeces durch das Kolon) bzw. die Kontraktionen (z. B. verminderter Zunahme der Antrummotilität postprandial). In neueren Studien wurden Barostaten zur Messung von Tonusveränderungen eingesetzt.Eine dieser Untersuchungen konnte bei 16 von 40 Patienten mit funktioneller Dyspepsie eine postprandial eingeschränkte Fundusrelaxation nachweisen [Tack 1998]. Die Störung der Fundusrelaxation war mit dem Leitsymptom frühzeitiger Sättigung verbunden. Interessanterweise ist eine intakte Vagusinnervation für die postprandiale Fundusrelaxation von Bedeutung [Azpiroz 1986], und in mehreren Studien konnte bei einer Untergruppe von Patienten mit funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen eine Störung der vagalen Innervation nachgewiesen werden [Holtmann 1998]. Bei Patienten mit Reizdarmsyndrom sind ebenfalls Veränderungen der Magenentleerung nachgewiesen worden, Störungen der Dickdarmmotilität werden berichtet. Allerdings sind Messung der
Dickdarmmotilität aus methodischen Gründen wesentlich aufwendiger,sodass weniger Daten verfügbar sind. Viszerale sensorische Funktion Bereits 1973 beobachtete Ritchie [Ritchie 1973] bei Patienten mit Reizdarmsyndrom eine verminderte Schwelle für die Wahrnehmung rektaler Ballondistensionen. Ähnlich ist bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie eine Herabsetzung der Wahrnehmungsschwellen für eine gastrale und duodenale Distension feststellbar [Holtmann 1996; Holtmann 1996a]. Dies deutet auf eine Störung der viszeralen afferenten Funktion hin. Da bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie oft gleichzeitig Symptome eines Reizdarmsyndroms bestehen, könnte dies Ausdruck einer generalisierten Störung der viszeralen Sensorik sein. So waren in den Studien bei den Patienten,die eindeutig der Kategorie »funktionelle Dyspepsie«, »Reizdarmsyndrom« oder einer Kombination der beiden Krankheitsbilder zuzurechnen waren, die duodenalen Schwellen im Vergleich mit Kontrollpersonen vermindert. In einer weiteren Studie bei Reizdarmsyndrompatienten und Patienten mit funktioneller Dyspepsie erwiesen sich die sensorische Schwelle und die Schmerzschwelle bei einer rektalen Ballondilatation als herabgesetzt. Sowohl die Patienten mit Reizdarmsyndrom als auch die mit funktioneller Dyspepsie hatten außerdem auch bei einer Ballondistension des Ösophagus signifikant niedrigere sensorische Schwellen, während die rektalen und ösophagealen sensorischen Schwellen sich zwischen Patienten mit Dyspepsie und Patienten mit einem Reizdarmsyndrom nicht unterschieden [Trimble 1995]. Bislang ist offen, ob eine viszerale Hyperalgesie mit einer Veränderung der Schwellen im Gastrointestinaltrakt (d. h. Veränderung der Mechanorezeptoren in der Schleimhaut, der Muskulatur der Serosa oder dem Mesenterium) oder der Signalverarbeitung im Rückenmark oder im Gehirn bedingt ist. Duodenogastraler Reflux Auch dem duodenogastralen Reflux ist eine wichtige Rolle im Rahmen der Pathogenese der funktionellen Dyspepsie zugeschrieben worden. Beim nichtoperierten Patienten ist mittlerweile jedoch überzeugend nachgewiesen, dass ein duodenogastraler Reflux bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie weniger häufig auftritt als bei Kontrollpersonen und weder mit der Symptomatik noch einer antralen Hypermotilität zusammen hängt [Malagelada 1991].
439 43.3 · Pathophysiologie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Magensäuresekretion In mehreren Studien wurde versucht, eine Veränderung der Magensäuresekretion bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie nachzuweisen. Diese Studien ergaben übereinstimmend keine Unterschiede zwischen Patienten mit funktioneller Dyspepsie und gesunden Kontrollen hinsichtlich der basalen und maximal stimulierten Säuresekretion [Nyren 1987]. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Säure indirekt eine Rolle in der Pathogenese der Symptome spielt. So könnte die Mukosa bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie empfindlicher auf eine Säureexposition reagieren. Histologische Gastritis Die Infektion mit Helicobacter pylori (H.p.) ist beim Menschen die häufigste Ursache für eine histologische Gastritis, eine H.p.-Gastritis wird bei rund 40–80% der Patienten mit funktioneller Dyspepsie nachgewiesen [Loffeld 1988; Greenberg 1990].Allerdings ist eine chronische Gastritis bzw. H.p.-Infektion auch bei symptomfreien Personen mit einer Prävalenz zwischen 20–80% ähnlich häufig [Dooley 1989]. Außerdem fanden sich in den bis heute vorliegenden Studien keine überzeugenden Belege für einen Zusammenhang zwischen H.p. und bestimmten Symptomen [Holtmann 1994; Agreus 1995]. All dies lässt Zweifel hinsichtlich der Bedeutung einer chronischen Gastritis im Rahmen der Entstehung von Symptomen bei funktioneller Dyspepsie. Histologische Duodenitis Eine histologisch nachweisbare Duodenitis ohne Erosionen lässt sich bei mindestens 20% aller Patienten mit funktioneller Dyspepsie finden [Johnsen 1991].Ob eine nur mikroskopische nachweisbare Duodenitis Symptome verursachen kann,ist jedoch strittig,da sie auch bei symptomfreien, ansonsten gesunden Personen auftritt [Johnsen 1991]. Immerhin entwickelten in einer Nachbeobachtungsstudie bei Patienten mit erosiver oder nicht erosiver Duodenitis 48% der Teilnehmer ein Ulkus duodeni [Mearin 1995]. Dies lässt vermuten,dass Patienten mit (mindestens) einer erosiven Duodenitis zum Krankheitsbild des chronischen Ulkus duodeni gehören und nicht der funktionellen Dyspepsie zugerechnet werden sollten.
43.3.2
43
Psychische Faktoren
Stress Akuter Stress beeinflusst die gastrointestinale Motilität [Holtmann 1991; Stanghellini 1983]. Es ist allerdings zweifelhaft, ob sich chronische dyspeptische Symptome allein durch solchen Mechanismen erklären lassen. Bislang konnte nicht belegt werden, dass Stress besonders ausgeprägte Effekte bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie hat.So fand sich auch in einer Studie bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie unter Stress normale vegetative (einschließlich gastrointestinaler) und humorale Reaktionen [Camilleri 1986]. Die Bedeutung belastender Lebensereignisse wie der Verlust naher Angehöriger oder einer Scheidung im Rahmen der Pathogenese der funktionellen Dyspepsie ist nach wie vor etwas strittig; zur Klärung dieser Frage sind weitere Studien erforderlich [Dinan 1993]. Persönlichkeitsmerkmale Allgemein sind Patienten mit funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom ängstlicher und depressiver als gesunde Kontrollpersonen und weisen höhere Neurotizismus-Scores auf [Jess 1994; Talley 1986; Walker 1992]. Bei Angst und Depression verursachenden Symptomen könnte es also einfach so sein, dass Patienten mit funktioneller Dyspepsie, die gleichzeitig diese Krankheitsbilder aufweisen, damit eher zu einem Arzt gehen. Ursachen für Funktionsabnormalitäten und psychiatrische Komorbidität Es besteht kein Zweifel, dass bei Patienten mit Reizdarmsyndrom und funktioneller Dyspepsie zahlreiche Funktionsabnormalitäten des Verdauungstrakt nachweisbar sind. Offen ist, ob eine Störung des Verdauungstrakts, des Rückenmarks oder des ZNS diese Veränderungen bedingt. Die augenfällige psychiatrische Komorbidität – die v. a. bei Patienten mit schweren Manifestationen nachweisbar ist – könnte eine im ZNS lokalisierte Störung nahelegen. Allerdings ist es gleichermaßen denkbar,dass eine übergeordnete Störung,die entweder den Metabolismus oder die Rezeptorzellbindung der Neurotransmitter betrifft, gleichzeitig die gastrointestinalen und psychiatrischen Störungen verursacht. Insofern ist denkbar, dass ein gemeinsamer Nenner dieser Erkrankungen zukünftig nachweisbar sein wird.
440
43.3.3
VI
Kapitel 43 · Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Nahrungsmittelunverträglichkeit und -allergie
Patienten mit funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom berichten oft über eine Verschlimmerung der Symptomatik nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel [Houghton 1993]. Zwar erscheint die Vermutung plausibel, dass die chemischen Eigenschaften oder spezifische Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln das Auftreten von Symptomen begünstigen (z. B. Getränke mit niedrigem pH-Wert bei Patienten mit viszeraler Hyperalgesie),doch ist über die Rolle von Nahrungsmittelunverträglichkeiten für die Entwicklung der Symptome sehr wenig bekannt. Eine echte Nahrungsmittelallergie ist allerdings sehr selten und für die Mehrzahl der Patienten mit funktioneller Dyspepsie wohl kaum von größerer Bedeutung ( s. Kap. 18). 43.4
Diagnostik
Für die Management von Patienten mit funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom sind 4 Ziele von zentraler Bedeutung: 1. wie können die Symptome gelindert werden; 2. werden die Beschwerden durch eine potenziell heilbare strukturelle Läsion verursacht; 3. wie kann das Risiko diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen gering gehalten werden und 4. wie kann die Symptomatik im Hinblick auf die Ressourcen möglichst effizient beherrscht werden. Im Hinblick auf die einzelnen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen kann auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten verwiesen werden [Malfertheiner 2001]. 43.4.1
Funktionelle Dyspepsie
Ein großer Teil der Patienten mit seit vielen Jahren bestehenden, milden, die Lebensqualität nichtbeeinträchtigenden Beschwerden dürfte allein durch die angemessenen Aufklärung über die Natur der Beschwerden, Prognose und mögliche therapeutische Optionen ausreichend behandelt sein, während ein anderer Patient mit heftigen Symptomen durchaus einer intensiven und ggf. auch invasiven Diagnostik unterzogen werden sollten.
Wichtig Die Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts und die Koloskopie wird als diagnostisches Verfahren der Wahl mit der höchsten diagnostischen Aussagekraft bei Patienten mit Dyspepsie angesehen [Talley 1998].
Bei der Bewertung der im Rahmen der Endoskopie oder anderer Untersuchungen erhobenen Befunde muss bedacht werden, dass nicht alle nachgewiesenen strukturellen Anomalien als Ursachen oder Erklärung der Symptome angesehen werden können. So kann eine H.p.-Gastritis oder eine axiale Hiatursgleithernie nicht ohne weiteres als Ursache der Beschwerden angesehen werden. Da gelegentlich vom Kolon ausgehende Prozesse sich in Oberbauchbeschwerden manifestieren, ist die Indikation zur Koloskopie auch bei Oberbauchbeschwerden großzügig zu stellen [Malfertheiner 2001]. Grundsätzlich sind die empirische (d. h. an den Symptomen orientierte medikamentöse) Behandlung und die sofortige differenzialdiagnostische Abklärung die beiden Alternativen, die zur Verfügung stehen. Eine empirische Therapie ist nicht gerechtfertigt, wenn Alarmsymptome (Gewichtsverlust, Bluterbrechen,Teerstuhl) bestehen,die Anhalt für eine strukturelle Läsion als Ursache der Beschwerden gibt.Weiterhin sollten ein Alter über 45–50 Jahren und die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika Anlass für eine sofortige endoskopische Abklärung geben (⊡ Abb. 43.1; [Talley 1998]). In letzter Zeit wird von einigen ein nichtinvasives H.p.-Screenig als alternative diagnostische Strategie bei Dyspepsie angesehen.Dabei wird mittels 13CHarnstoff-Atemtest, Stuhltest oder Serologie der H.p.-Status bestimmt und anschließend entweder unmittelbar eine H.p.-Eradikationstherapie eingleitet oder bei nur H.p.-positiven Patienten eine weitere endoskopische Diagnostik vorgenommen. Diese Strategie beruht auf der Annahme, dass mit Ausnahme der NSAID-Ulzera nahezu alle peptischen Ulzera durch H.p. verursacht sind und zusätzlich bei fehlender H.p.-Kolonisation das Risiko für ein Magenkarzinom geringer ist. Neuere randomisierte Studien legen nahe, dass das Behandlungsergebnis zumindest kurzfristig bei dieser Strategie vergleichbar ist. Auf der anderen Seite ist aus randomisierten Studien zum Vergleich der initial endoskopischen Abklärung der Beschwerden mit einer empirischen Therapie bekannt, dass die endoskopische Behandlung die
441 43.4 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
43
⊡ Abb. 43.1. Vorgehen bei relevanten dyspeptischen Beschwerden
Effektivität der medikamentösen Therapie steigerte und zudem nahezu alle Patienten über kurz oder lang endoskopiert wurden [Bytzer 1994]. Weiterhin zeigen Kosten-Nutzen-Analysen,dass die initiale endoskopische Abklärung nicht teurer ist als eine initial empirische Behandlung [Silverstein 1996]. Bedacht werden muss auch, dass der definitive Ausschluss bestimmter Erkrankungen durch eine endoskopische Untersuchung zur »Beruhigung« beitragen und z. B. Krebsängste abbauen helfen und insofern letztlich einer übermäßigen Inanspruchnahme
ärztlicher Leistungen entgegen wirken kann. Damit kommt der Diagnostik eine Bedeutung zu, die weit über die eigentliche Aufgabe hinausgeht,Ursachen der Symptome zu identifizieren und damit eine zielgerichtete Therapie zu ermöglichen.Für die Beurteilung der Effektivität diagnostischer Maßnahmen müssen zudem nicht nur die Aufwendungen für eine diagnostische Maßnahmen und die daraus resultierenden therapeutischen Handlungen berücksichtigt werden, sondern auch sekundäre Kosten – wie zum Beispiel die einer Krankschreibung.
442
43.4.2
VI
Kapitel 43 · Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Reizdarmsyndrom
Beim Reizdamsyndrom wird analog vorgegangen. Die Koloskopie sollte über 50 Jahre stets zum Ausschluss eines Dickdarmprozesses eingesetzt werden. Bei jüngeren Betroffenen ohne Alarmsymptome ist der Einsatz ratsam. Eine kurzfristige (routinemäßige) Wiederholung ist nicht gerechtfertigt. Bei Diarrhöen sind stets die zur differenzialdagnostischen Klärung eines Malassimilations- und Malabsorptionssyndroms erforderlichen Untersuchungen durchzuführen.Bei Patienten vom Obstipations-Typ ist eine »Outlet«-Obstruktion als Ursache der Symptome auszuschließen.
Grundsätze der Therapie der funktionellen Dyspepsie und Reizdarmsyndrom Basiend auf Anamnese und klinischen Befund
43.4.3
Nutzen weiterer diagnostischer Verfahren
Die Sonographie des Abdomens ist ein weiteres häufig eingesetztes diagnostisches Verfahren bei funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom. Der diagnostische Gewinn ist bei typischer Symptomatik jedoch gering. Potenzielle Befunde wie Gallensteine gehen in aller Regel mit typischen Symptomen einher, die in aller Regel gut von den Symptomen einer funktionellen Dyspepsie abzugrenzen sind. Pankreasmalignome und -lymphome sind relativ selten und deren Nachweis/Ausschluss macht zumindest eine einfache bildgebende Diagnostik erforderlich. Blutbild,Parameter der akuten Entzündungsreaktion (d. h. C-reaktives Protein [CRP]) und Leberfunktionsprüfungen (z. B. Transaminasen) werden als notwendig angesehen, um bei Patienten mit chronischer oder rezidivierender Dyspepsie und Reizdarmsyndrom einen entzündlichen Prozess oder eine relevante Leberkrankheit auszuschließen. Ebenso sollten bei Patienten mit Reizdarmsyndrom Untersuchungen zum Ausschluss parasitärer Erkrankungen vorgenommen werden. 43.5
Therapie
Der erste Schritt besteht im Aufbau einer positiven kooperativen Beziehung zum Patienten, dazu gehört die Entwicklung eines individuellen Behandlungsplans, der die Besorgnisse und Ängste des Patienten berücksichtigt. Außerdem kommt es darauf an, realistische Therapieziele zu vermitteln.
sollte eine positive Verdachtsdiagnose gestellt und dem Patienten vermittelt werden. Verzicht auf invasive Untersuchungen und Vermeiden »unklarer Aussagen«; keine kurzfristigen Wiederholungsuntersuchungen (z. B. eine Endoskopie des oberen GI-Trakts) ohne substanzielle Indikation. Klärung der Frage warum der Patient mit möglicherweise chronischen Symptomen gerade jetzt den Arzt aufsucht. Versuch einer Ernährungsumstellung (z. B. fettarme Kost, kleine Mahlzeiten, getrennte Aufnahme von fester Nahrung und Flüssigkeiten, Vermeiden von Speisen, die Symptome auslösen). Zurückhaltende Verschreibung von Arzneimitteln, die gezielt gegen die den Patienten am stärksten belastenden Symptome wirken sollen; Beachtung der Placeboreaktion. Verhaltens- oder Psychotherapie in mittelschweren bis schweren Fällen. Planung gezielter Verlaufbeobachtungen als Bestandteil des Patientenmanagement.
Arzt-Patienten-Interaktion: Allgemeine Therapiemaßnahmen Der Patient muss sich verstanden fühlen. Aufbau einer positiven Arbeitsbeziehung. Beruhigung des Patienten, falsche Vorstellungen über die Ursachen der Symptome korrigieren (»Krebsangst«). Erstellung und Erläuterung eines Behandlungsplanes. Entwicklung und Vermittlung realistischer Behandlungsziele.
43.5.1
Medikamentöse Therapie
Die funktionelle Dyspepsie und das Reizdarmsyndrom sind gekennzeichnet durch das Fehlen einer krankheitsspezifischen Mortalität.Vor diesem Hintergrund muss hinsichtlich der Risiko-Nutzen-Abwägung jede bei diesen Patienten einzusetzende Behandlungsoption sehr sicher und auch für eine Langzeittherapie geeignet sein.
443 43.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Arzneimitteltherapie der funktionellen Dyspepsie Zur Zeit in vielen Ländern verfügbar Eingeführte (Basis)therapeutika
– –
Prokinetika H2-Blocker (häufig verschrieben, Wirksamkeit fraglich) – Protonenpumpenhemmer Potenzielle Therapien mit noch ungeklärter Wirksamkeit – Prokinetikakombinationen – Sucralfat – Antidepressiva – Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga – Fundusrelaxanzien (z. B. Buspiron, Sumatriptan, Nitrate) Kaum von Nutzen – H.p.-Eradikationstherapie – Antazida – Erythromycin – Prostaglandinanaloga – Anticholinergika/Spasmolytika – Somatostatinanaloga
In den meisten Ländern zzt. für die klinische Routineanwendung nicht verfügbar Neue viszerale Analgetika
– – –
Opiatagonisten 5-HT3- und 5-HT4-Rezeptoragonisten NK1-Rezeptorantagonisten Vielversprechende neue Prokinetika – Neue 5-HT4-Agonisten – Cholecystokinin-A-Rezeptorenblocker
Placebo. In den meisten placebokontrollierten Stu-
dien zeigt sich unter Placebotherapie eine Besserung der Symptome.Hierzu wird vielfach fälschlich die Auffassung vertreten,diese Placeboreaktion lasse auf psychische Faktoren schließen, die im Rahmen der Pathophysiologie dieser Erkrankung eine wichtige Rolle spielen. Andererseits wurde auch bei anderen Erkrankungen mit eindeutiger Pathophysiologie wie peptischen Ulzera eine bemerkenswerte Reaktion auf Placebo verzeichnet. Wahrscheinlicher ist es, dass die Placeboreaktion bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom auf einen spontanen Rückgang der »Krankheitsaktivität« in Verbindung mit einer unspezifischen Wirkung der Therapie zurückzuführen ist.
43
Antazida. Antazida werden häufig bei Patienten mit
funktioneller Dyspepsie verwendet, doch konnten randomisierte kontrollierte Studien keinen signifikanten Vorteil gegenüber Placebo belegen [Holtmann 1993]. Säurehemmung. In einigen placebokontrollierten
Studien mit funktioneller Dyspepsie wurde ein signifikanter Vorteil einer Therape mit H2-Rezeptoranatgonisten gezeigt, während andere keinen Unterschied im Hinblick nachweisen konnten [Holtmann 1993]. Zwei groß angelegte randomisierte Studie belegen die Wirksamkeit der PPI-Therapie [Talley 1998]. Insgesamt erscheint die Wirksamkeit bei ulkustypischen, nicht jedoch bei dysmotilitätsartiger Dyspepsie einem Placebo überlegen. Zytoprotektion. Nur in 2 Studien wurden bislang die Wirkungen von Sucralfat untersucht [Holtmann 1993]. Während eine Studie eine signifikante Überelegenheit gegenüber Placebo belegte, fiel die andere Studie negativ aus. Das Prostaglandinanalogon Misoprostol ist bei funktioneller Dyspepsie unwirksam [Holtmann 1993]. Prokinetika. Es werden 2 Klassen von Prokinetika bei
funktioneller Dyspepsie oft verwendet: Dopaminrezeptorenblocker (Metoclopramid und Domperidon) und das chemisch verwandte substituierte Piperidylbenzamid Cisaprid (wegen Herzrhythmusstörungen vom Markt genommen), das wahrscheinlich ein 5HT4-Blocker ist. In vielen Studien zeigte sich unter einer Therapie mit diesen Prokinetika eine signifikante Besserung der Symptome, auch wenn nicht alle Studien positiv ausfielen [Holtmann 1993]. Metoclopramid weist wegen seiner zentralen antidopaminergen Effekte Nebenwirkungen auf (Dystoniereaktionen, Schläfrigkeit, erhöhte Prolaktinspiegel und selten, besonders bei alten Patienten, tardive Dyskinesie). Bei Domperidon ist das Risiko zentralnervöser Nebenwirkungen geringer, da es nicht die Blut-Hirn-Schranke überschreitet. Aus diesem Grund wird das Domperidon heute als das Mittel der Wahl in dieser Substanzklasse angesehen. H.p.-Eradikationstherapie. Die Infektion mit H.p.
könnte theoretisch im Rahmen der Pathogenese der funktionellen Dyspepsie eine Rolle spielen.Allerdings ist diese bislang nicht umfassend aufgeklärt und pathophysiologisch erklärt. In klinischen Studien können die langfristigen Effekte (bis zu 1 Jahr) nach einer Eradikation von H.p.bei
444
VI
Kapitel 43 · Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Patienten mit funktioneller Dyspepsie als gut untersucht angesehen werden. Legt man nur Studien zugrunde, die keine wesentlichen methodischen Limitationen aufweisen, kommt eine systematische Metaanlyse zu dem Ergebnis, dass die H.p.-Eradikation im Hinblick auf die Besserung der Symptome keine wirksame Behandlungsmassnahme darstellt [Laine 2001]. Trotz der fehlenden Wirksamkeit einer Eradikation von H.p.für die langfristige Besserung der Symptome, kann bei therapierefraktären Patienten im Einzelfall eine H.p.-Eradikation als »ultima ratio« erwogen werden. Die ökonomische Konsequenzen einer großzügigen Indikationststellung zur H.p.-Eradikationstherapie sind dabei ebenso zu bedenken wie grundsätzliche Überlegungen zum Antibiotikaeinsatz und der Effekte auf die Induktion von Resistenzen. Viszerale Analgetika. Eine viszerale Hyperalgesie wird als eine der zentralen Funktionsstörungen bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom angesehen. Aus diesem Grund sind in den letzten Jahren bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom verschiedene Substanzen untersucht worden, die die viszerale Hypersensitivität des Darms beeinflussen. Der periphere k-Rezeptoragonist Fedotozin erwies sich in 2 placebokontrollierten Studien hinsichtlich der Linderung von Oberbauchschmerzen, Übelkeit und der Besserung des Symptomgesamtscore Plazcebo signifikant überlegen [Fraigtag 1994; Galmiche 1994]. In der Entwicklung sind verschiedene vielversprechende Substanzen, die u. a. auf serotoninerge Rezeptoren einwirken. Antidepressiva. Randomisierte, placebokontrollierte
Studien zur Wirkungen von Antidepressiva und anderen psychotropen Substanzen bei funktioneller Dyspepsie fehlen weitgehend.Allerdings legen die verfügbaren Studien zum Reizdarmsyndrom eine Wirksamkeit nahe, wobei üblicherweise bereits sehr niedrige Dosen von trizyklischen Phamaka wirksam sind [Gorard 2000]. Simethicon. Bei einem Teil der Patienten wird ein Zu-
sammenhang zwischen dem Auftreten der Symptome und übermäßiger Gasbildung vermutet. In einer neueren Studie wurde unter einer Simethicontherapie eine signifikant günstigere Beeinflussung der Symptome als mit Cisaprid beobachtet [Holtmann 1999]. Pflanzliche Arzneimittel. In neueren placebokontrol-
lierten Studien zur funktionellen Dyspepsie und zum
Reizdarmsyndrom zeigte sich eine Besserung der Symptome unter einer Behandlung mit einigen pflanzlichen Arzneimitteln. Diese pflanzlichen Arzneimittel werden gewöhnlich aus verschiedenen Pflanzen gewonnen, und bisher ist noch unbekannt, welche der enthaltenen Komponenten für die Effekte verantwortlich sind. Ein nicht zu vernachlässigendes Problem bei diesen pflanzlichen Pharmaka dürfte die schwierige Standardisierung dieser Präparate darstellen. Spasmolytika. Bei Patienten mit Reizdarmsyndrom sind Muskelrelaxantien vom Typ des Mebeverin oder des Pfefferminzöl wirksam.Bei Patienten mit krampfartigen Oberbauchbeschwerden kann gelegentlich auch eine Besserung erzielt werden. Diese Substanzen lösen gelegentlich Refluxbeschwerden aus. Auf diese »Nebenwirkung« sollte geachtet werden. Verschiedenes. Auch wenn formale Arzneimittelprü-
fungen bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie und Reizdarmsyndrom bislang fehlen, kann gelegentlich der Einsatz von Nitraten oder NO-Donatoren (z. B. Molsidomin) erwogen werden. Nitrate und NO-Donatoren vermindern den Tonus der glatten Muskulatur des Verdauungstrakts und sind damit zumindest theoretisch geeignet Symptome zu bessern, die mit Kontraktionen des Dünn- oder Dickdarms einhergehen. Des Weiteren vermindern Nitrate den Tonus des proximalen Magens. Da eine gestörte postprandiale Fundusrelaxation bei einer Untergruppe von Patienten eine Rolle spielt, ist dieser Effekt möglicherweise ebenfalls therapeutisch nutzbar. In ähnlicher Weise ist auch der Kalziumantagonist Mebeverin bei einem Teil der Patienten hilfreich, wenngleich auch diese Substanz bislang nicht formal bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie geprüft worden ist. Zusammenfassende Bewertung von Substanzen beim Reizdarmsyndrom Im Rahmen der Konsensuskonferenz Reizdarmsyndrom der Deutschen Gesellschaft für Verdauungsund Stoffwechselkrankheiten [Holtmann 1992] wurde auch eine systematische Bewertung der verschiedenen medikamentösen Behandlungsmodalitäten vorgenommen. Dabei wurden Evidenzgrade zugrunde gelegt. Die Bewertung der verschiedenen motilitätsbeeinflussenden Substanzen ist in der ⊡ Tabelle 43.1 zusammengefasst. Dieser Bewertung zufolge können Prokinetika zu den wirksamen Substanzen beim RDS gezählt wer-
445 43.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
43
⊡ Tabelle 43.1. Bewertung der Wirksamkeit unterschiedlicher Pharmaka zur Behandlung des RDS im Rahmen der Konsensuskonferenz. (Mod. nach [Hotz 1999]) Substanz
Kategorien der Evidenza
Vorwiegende Indikation
Antidiarrhoika
4
Nur bei Diarrhö mit oder ohne Schmerzen
Psychopharmaka/Antidepressiva, trizyklische Substanzen
4
Chronische Schmerzen, Komorbidität mit Depression
(Prokinetika)b
(4)
Obstipation
Anticholinergika (Butylscopolamin u. a.)
3
Schmerzen/Spasmen
Muskelrelaxantien
3
Schmerzen/Spasmen
2
Blähungen
Bakterienpräparate z. B. E.-coli-Nissle
2
Blähungen
Phytotherapeutika
2
Blähungen und Schmerzen
Loperamid Diphenoxylat
Mebeverin Pfefferminzöl Oberflächenaktive Substanzen Polisiloxanpräparate
a
b
Bewertung der Evidenz: 5=gesichert: Wirksamkeit durch mehrere randomisierte placebokontrollierte Studien belegt; 4=wahrscheinlich gesichert: mehrere Studien legen eine Wirksamkeit nahe und weisen in die gleiche Richtung; 3=Wirksamkeit möglich: einzelne oder widersprüchliche Studienergebnisse zur Wirksamkeit; 2=Wirksamkeit unsicher: Substanz nicht ausreichend untersucht, Wirksamkeit aufgrund publizierter und eigener Erfahrungen sowie des Wirkprinzips möglich; 1=Wirksamkeit unwahrscheinlich: Studien sprechen gegen eine Wirksamkeit. Überwiegend Studien zum Cisaprid. Diese Substanz wurde wegen potenzieller kardialer Nebenwirkungen (LongQT-Syndrom) vom Markt genommen.
den. Dennoch kann nicht gefolgert werden, dass Prokinetika wie das Domperidon oder Metoclopramid, die nahezu ausschließlich die Motilität des oberen Gastrointestinaltrakts beeinflussen,ebenfalls günstige Effekte haben.Die häufig bei Patienten mit Reizdarmsyndrom eingesetzten Ballaststoffe sind nicht unproblematisch, da sie bei einem Teil der Patienten die Symptome verstärken [Rees 1994]. 43.5.2
Weitere Therapieoptionen
Es wird angenommen, dass psychische Faktoren für die Manifestation der funktionellen Dyspepsie und des Reizdarmsyndroms eine wichtige Rolle spielen; entsprechend wird häufig bei Patienten mit therapierefraktären Beschwerden eine psychosomatische Interventionen als therapeutische Alternative angesehen.
Wichtig Eine alleinige psychosomatische Intervention kann aber nicht als Ersatz für eine adäquate medizinische Versorgung angesehen werden.
Ebenso kann die medizinische Versorgung allein – zumindest bei Patienten mit schwerwiegenden und rezidivierenden Symptomen – nicht ausreichend sein.Vor diesem Hintergrund sind für diese Krankheitsbilder integrierte Versorgungskonzepte notwendig, bei denen die medizinische und psychosomatische Versorgung interdisziplinär erfolgt. Psychosomatische Behandlung Spezifische psychosomatische Interventionen sind zu erwägen bei Patienten, die auf die oben genannten Maßnahmen nicht ausreichend und andauernd ansprechen. Psychosomatischen Interventionen sind
446
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Kapitel 43 · Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
vorzugsweise im Rahmen eines integrierten Versorgungskonzeptes anzuwenden. Bei Patienten mit gastrointestinalen Funktionsstörungen werden zumeist psychodynamische und kognitive Verhaltenstherapien kurzer Dauer (10–20 h) durchgeführt. Beide Therapieformen unterstützen den Patienten dabei Bedingungsfaktoren für das Auftreten der Symptome zu erkennen.Die Symptome werden als Ergebnis einer komplexen Interaktion zwischen endogenen Faktoren (d.h.Emotionen),exogenen Einflüssen (d. h. psychischer Stress oder Lebensereignisse) und biologischen Funktionen (d. h. Motilitätsstörungen oder viszerale Hyperalgesie) betrachtet. Darüber hinaus können bei diesen Patienten unspezifische Maßnahmen wie zum Beispiel die Tiefenmuskelentspannung angewandt werden. Obwohl bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie häufig psychologische Interventionen erfolgen,liegen nur begrenzt Erkenntnisse vor, die eine Wirkung dieser Behandlung belegen [Haug 1994].Zusätzlich gelten die methodischen Limitation, die für pharmakologische Interventionen gelten in gleicher Weise auch für psychosomatische Interventionen. 43.5.3
Ausblick
In den letzten Jahren wurden wesentliche neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Pathogenese funktioneller Magen-Darm-Erkrankungen gewonnen und damit die Grundlagen für eine rationale Diagnostik und Therapie gelegt.Während eine kurative Therapie nicht verfügbar ist,lassen die derzeit laufenden Forschungsanstrengungungen erwarten, dass in absehbarer Zeit die Behandlungsmöglichkeiten verbessert werden. Bis zu einer kurativen Behandlung dieser Patienten ist es aber noch ein langer Weg,zumal angenommen werden muss, dass sich hinter dem Symptomenkomplex »funktionelle Dyspepsie« eine Vielzahl unterschiedlicher Störungen und Erkrankungen verbirgt.
Literatur Agreus L, Engstrand L, Svardsudd K, Nyren O, Tibblin G (1995) Helicobacter pylori seropositivity among Swedish adults with and without abdominal symptoms. A populationbased epidemiologic study. Scand J Gastroenterol 30: 752–757 Agreus L, Svärdsudd K, Nyren O, Tibblin G (1995) Irritable bowel syndrome and dyspepsia in the general population: overlap and lack of stability over time. Gastroenterology 109: 671–680
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Diarrhö W. F. Caspary 44.1
Definition
44.2
Epidemiologie und Ätiologie
44.3
Pathogenese
44.3.1 44.3.2 44.3.3 44.3.4 44.3.5 44.3.6 44.3.7
Osmotische Diarrhö – 450 Sekretorische Diarrhö – 451 Motilitätsstörungen als Ursache der Diarrhö – 453 Exsudation (Entzündung) – 453 Störungen der Resorption als Ursache der osmotischen Diarrhö – 453 Bakterielle Einflüsse im Dünn- und Dickdarm – 454 Epitheliale Barrieren und ihre Beeinflussung – 454
44.4
Akute Diarrhö
44.5
Chronische Diarrhö
44.5.1 44.5.2 44.5.3 44.5.4 44.5.5 44.5.6 44.5.7 44.5.8 44.5.9 44.5.10
Diarrhö bei Alkoholabusus – 459 Diarrhö nach Magenoperationen – 459 Diarrhö nach Cholezystektomie – 460 Diarrhö nach Dünn- und Dickdarmresektion – 460 Diarrhö bei endokrinen Krankheiten – 460 Diarrhö bei neuroendokrinen Tumoren – 461 Mikroskopische Kolitis – lymphozytäre und kollagene Kolitis Diarrhoea factitia – 461 Diarrhö bei Langstreckenläufern – 463 Diarrhö bei Patienten auf Intensivstationen – 464
Literatur
>>
– 449 – 449
– 449
– 455 – 457
– 461
– 465
Das Wort Diarrhö (Durchfall) setzt sich aus den griechischen Wörtern dia (durch) und rhein (fließen) zusammen. Diarrhö ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, das Haupt- oder Begleitsymptom zahlreicher Krankheiten des Gastrointestinaltrakts, aber auch extraintestinaler Krankheiten sein kann. Akute Diarrhöen werden überwiegend durch Infektionen mit Bakterien, Viren und Parasiten hervorgerufen. Chronische Diarrhöen (Durchfalldauer >3–4 Wochen) haben vielfältige Ursachen, die oft erst nach ausführlicher und oft aufwendiger Diagnostik erkannt wird. Eine chronische Diarrhö lässt sich nach typischen Stuhlcharakteristika einteilen: osmotische Diarrhö, Diarrhö mit Steatorrhö, entzündliche Diarrhö und sekretorische Diarrhö.
449 44.3 · Pathogenese SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
44.1
Definition
Am häufigsten wird eine Diarrhö wie folgt definiert: DEFINITION >3 dünnflüssige Stühle/Tag, mit einem Gewicht >200 g/Tag. Diarrhö: eine zu schnelle und häufige Entleerung eines zu flüssigen Stuhls.
Die Hälfte des Stuhltrockengewichts besteht aus Bakterien. Pflanzenfaserstoffe erhöhen die Stuhlgewichte und die Stuhlfrequenz [Caspary 1999; Fine 1998]. Der Stuhl kann bei der Diarrhö wässrig sein, aber auch breiige Konsistenz haben. Der Wassergehalt des Stuhls ist inkonstant und kann erheblich variieren (60–85%). Eine Steatorrhö (= Stuhlfettausscheidung >7 g/Tag) geht häufig mit einem reduzierten Wassergehalt des Stuhls – trotz oft erheblich erhöhter Stuhlgewichte – einher. Unter Pseudodiarrhö verstehen wir eine gesteigerte Defäkationsfrequenz ohne Konsistenzänderung des Stuhls und Stuhlgewichten unter 200 g/Tag. Sie kommt bei Motilitätsstörungen wie auch bei anorektalen Krankheiten (Colon irritabile, Proktitis) vor. Des Weiteren wird zwischen akuter und chronischer Diarrhö unterschieden. Ein Durchfall, der länger als 3–4 Wochen anhält, ist als chronisch anzusehen und bedarf der exakten diagnostischen Abklärung. 44.2
44.3
44
Pathogenese
Auf 4 unterschiedliche Mechanismen lassen sich fast alle Diarrhöen zurückführen [Caspary 1999]: 1. Gesteigerte intestinale Ionensekretion oder Hemmung normaler aktiver Ionenresorption (sekretorische Diarrhö). 2. Gestörte intestinale Motilität mit erhöhter propulsiver Muskelkontraktion. 3. Exsudation von Schleim, Blut und Protein aus entzündetem Gewebe mit Steigerung der Permeabilität des zerstörten Darmepithels (entzündliche Diarrhö). 4. Vorhandensein ungewöhnlicher Mengen schlecht oder überhaupt nicht resorbierbarer, osmotisch wirksamer Substanzen (osmotische Diarrhö). Dabei können sich bei dem gleichen Krankheitsbild sehr häufig die pathogenetischen Mechanismen gegenseitig beeinflussen (⊡ Abb. 44.1): Bei einer Entzündung kommt es nicht nur zum Verlust von Schleim, Blut und Protein, sondern über die Freisetzung von Entzündungsmediatoren des Immunsystems – häufig vermittelt über das enterale Nervensystem – zu einer wechselseitigen Beeinflussung der Motilität,Sekretion wie auch der Resorption. Die pathophysiologische Konsequenz einer gesteigerten Sekretion ist eine verstärkte Propulsion, die durch schnellere Passage zu einer verminderten Resorption führt.Dadurch gelangt noch mehr Flüssigkeit in das Darmlumen,was die Propulsion wiederum verstärkt, sodass eine Diarrhö resultiert (⊡ Abb. 44.2).
Epidemiologie und Ätiologie
Da Diarrhö lediglich ein Symptom zahlreicher Krankheiten und keine Krankheit sui generis ist, lassen sich keine epidemiologischen Daten angeben. Daten existieren für akute Diarrhöen, die bakteriell, durch Viren oder Parasiten hervorgerufen werden ( s. Kap. 14). Mehr als 4 Millionen Kinder <5 Jahren sterben weltweit an infektiösen Durchfällen, d. h. 10.000 Kinder sterben/Tag, bzw. 7/min. Kinder in der »Dritten Welt« haben an 50–60 Tage Durchfall/Jahr, ca. 10% der Episoden führen zur Dehydratation. Zum Vorkommen infektiöser Diarrhöen s. Kap. 14. ⊡ Abb. 44.1. Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen pathophysiologischen Mechanismen bei Diarrhö: gegenseitige Beeinflussung von Resorption, Sekretion, Motilität unter Einwirkung des enteralen Nerven- sowie des Immunsystems
450
Kapitel 44 · Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Typisch für eine osmotische Diarrhö ist, dass sie aufhört, wenn der Patient nicht mehr isst oder parenteral ernährt wird [Caspary 1999; Fine 1998; Powell 1995].
Osmotische Lücke. Durch die fehlende Resorbierbar-
VI
⊡ Abb. 44.2. Pathophysiologie der Diarrhö. Erhöhte Sekretion von Flüssigkeit bewirkt durch gesteigerte Propulsion eine schnelle Passage, die zur verminderten Resorption führt. Durch die osmotische Wirksamkeit nicht resorbierter Substanzen wird die Propulsion weiter beschleunigt, sodass es zur Diarrhö kommt
44.3.1
Osmotische Diarrhö
Eine osmotische Diarrhö wird durch Aufnahme schlecht resorbierbarer Substanzen, meist Kohlenhydrate oder divalente Kationen, verursacht (⊡ Tabelle 44.1).
keit ist die Flüssigkeit im Jejunum zunächst hyperton. Bedingt durch die hohe Permeabilität des Dünndarms wird durch Einstrom von Wasser und Natrium sehr bald Isotonie (290 mosmol/l) hergestellt.Im Ileum und Kolon wird ein Teil der Flüssigkeit und des Natriums rückresorbiert. Der bei der osmotischen Diarrhö entleerte Stuhl ist isoton, enthält aber zur Aufrechterhaltung der Isotonie deutlich weniger Natrium (Na) und Kalium (K) als im Normalfall. Diese osmotische Lücke wird durch nichtresorbierte Substanzen determiniert (Magnesiumsulfat, PEG, Laktulose, Laktose, Sorbit, kurzkettige Fettsäuren als deren Abbauprodukte; [Binder 1992; Eherer 1992]). Da die Osmolalität des Stuhls immer Isotonie (290 mosmol/l) bewahrt, kann die osmotische Lücke (»osmotic gap«) durch eine Stuhlanalyse bestimmt werden. Es ist falsch und nicht notwendig, die Osmolalität direkt im Stuhl mittels Osmometer zu bestimmen, da durch persistierende bakterielle Fermentation im Kolon die Osmolalität nach Evakuation des
⊡ Tabelle 44.1. Vorkommen einer osmotischen Diarrhö Exogen Laxanzien
PEG (Golytely), Mg(OH)2, MgSO4, Na2 S, Na2PO4 (Glaubersalz)
Antazida
Mit MgO oder Mg(OH)2
Diätetisch
Sorbit, Mannit, Xylit, Fruktose (meist in kalorienverminderten Lebensmittel, Diabetikerdiät)
Medikamente
Colchizin, Colestyramin, PAS, Laktulose, Lactitol, Acarbose, Neomycin
Endogen Angeboren
Disaccharidasenmangel (Laktase, Saccharase, Trehalase), Glukose-, Galaktoseoder Fruktosemalabsorption, Ab- und Hypolipoproteinämie, angeborene Lymphangiektasie, »microvillus inclusion disease«, »Tufting«-Enteropathie, Pankreasinsuffizienz (Mukoviszidose),
Erworben
Postenteritischer Disaccharidasenmangel, Pankreasinsuffizienz, bakterielle Überbesiedlung, Sprue/Zöliakie, Autoimmunenteropathie, Lambliasis, metabolische Krankheiten (Hyperthyreose, Nebennierenrindeninsuffizienz), entzündliche Krankheiten (eosinophile Enteritis, Mastozytose), Proteinmangel, Kurzdarmsyndrom, Jejunum-Ileum-Bypass
44
451 44.3 · Pathogenese SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Stuhls innerhalb von 3 h bei 37°C auf über 370 mosmol/l ansteigt. Da der Stuhl immer – auch bei Diarrhö – isoosmolar zum Blut ist, kann die Osmolalität indirekt errechnet werden [Caspary 1999; Fine 1998; Powell 1995].
⊡ Tabelle 44.2. Typische Befunde bei osmotischer und sekretorischer Diarrhö Osmotisch
Sekretorisch
Durchfall sistiert
Durchfall persistiert
290
290
Na+ (mÄq/l)
30
100
K+ (mÄq/l)
30
40
Na+ + K+ ¥2
120
280
Osmotische Lücke
170 (>60)
10 (<60)
48 -h-Fastenperiode
Bestimmung der osmotischen Lücke bei Diarrhö
Stuhl sammeln Homogenisieren Zentrifugieren Im Überstand Bestimmung von: Natrium und Kalium Osmotischen Lücke = 290 mosmol/l – (Na [mÄq/l] + K [mÄq/l]) ¥ 2
Ist z. B. das Ergebnis aus [Na + K] ¥ 2=100 mÄq/l, besagt dies, dass bei einer anzunehmenden normalen Osmolalität von 290 mosmol/l 190 mÄq nichtresorbierbarer Bestandteile im Stuhl vorhanden sein müssen. Es handelt sich damit um eine osmotische Diarrhö. Kann durch bakterielle Fermentation im Kolon der Anteil des Kohlenhydrats reduziert werden, wird die osmotische Lücke wie auch die Diarrhö geringer werden. Nichtresorbierbare und auch im Kolon nichtabbaubare Substanzen wie MgSO4 oder PEG (z. B. Golytely) entfalten ihre volle osmotische Wirksamkeit und werden eine große osmotische Lücke bedingen, d. h. der Gehalt an Na und K ist gering, der Anteil an nichtresorbierten Bestandteilen ist hoch (⊡ Tabelle 44.2). Die zur Koloskopie benutzten PEG-Lösungen (z. B. Golytely) induzieren somit eine typische osmotische Diarrhö. Bei der sekretorischen Diarrhö besteht ebenfalls ein blutisotoner Stuhl, es besteht aber keine osmotische Lücke. Dies bedeutet,dass durch die Bestimmung der Konzentration von Na und K im Stuhl eine diagnostische Unterscheidung zwischen osmotischer und sekretorischer Diarrhö möglich ist. 44.3.2
Sekretorische Diarrhö
Eine sekretorische Diarrhö zeichnet sich klinisch in Gegensatz zur osmotischen Diarrhö dadurch aus,dass die Durchfälle auch unter Nahrungskarenz anhalten. Es gibt 4 unterschiedliche Kategorien von Krankheiten,bei denen eine sekretorische Diarrhö auftreten kann:
Analyse der Stuhlflüssigkeit Osmolalität (MOsmol/kg)
1. Angeborene Defekte von Ionentransportprozessen: kongenitale Chloriddiarrhö mit Alkalose bedingt durch Defekt des Cl–/HCO3-Austauschers im Ileum und Kolon. 2. Intestinale Resektion, 3. diffuse Dünn- und Dickdarmkrankheiten mit Schädigung oder Reduktion der Epithelzellen. 4. Abnorme Mediatoren, durch Veränderungen des intrazellulären zyklischen Adenosinmonophosphats (cAMP), zyklischen Guanosinmonophosphats (cGMP), Kalzium und/oder Proteinkinasen gebildet. Sie bewirken eine Reduktion der neutralen NaCl-Resorption oder eine Steigerung der Chloridsekretion. Als Mediatoren fungieren endogene Hormone oder Neuropeptide, entzündliche Zellprodukte (z. B. Zytokine), bakterielle Enterotoxine, Laxantien, Fett- und Gallensäuren [Caspary 1999; Fine 1998; Powell 1995]. Die wichtigsten Bestandteile bei der sekretorischen Diarrhö im Darmlumen sind Na, K, Cl, und HCO3. Die Unfähigkeit, diese Elektrolyte zu resorbieren und/ oder aktive Cl-Sekretion determinieren die Menge an Flüssigkeit, die in das Kolon gelangen bzw. es verlassen.Die Stuhlosmolalität (290 mosmol/kg H2O) ist bei der sekretorischen Diarrhö fast ausschließlich durch das Produkt aus [Na + K] ¥ 2 bestimmt,d.h.es besteht keine osmotische Lücke.
452
Kapitel 44 · Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Bei einer Natriumkonzentration im Stuhl <90 mmol/l und einer osmotischen Lücke <50 mosmol/l liegt eine sekretorische Diarrhö vor, beträgt die Natriumkonzentration <60 mmol und die osmotische Lücke >100 mosmol/l, besteht eine osmotische Diarrhö.
VI
Die direkte Bestimmung der Osmolalität mit dem Osmometer kann in seltenen Fällen indiziert sein: bei einem Stuhl-Na >150 mmol/l und einer Osmolalität von >375–400 mosmol muss eine Kontamination mit konzentriertem Urin angenommen werden.Alternativ ist ein Sammelfehler anzunehmen, wenn bei Kohlenhydratmalabsorption der gesammelte Stuhl mehrere Stunden steht und die bakterielle Fermentation im Stuhlsammelgefäß weiter persistiert. Liegt die Stuhlosmolalität <200–250 mosmol/l, ist mit einer Kontamination mit verdünntem Urin oder Wasser zu rechnen. Eine sekretorische Diarrhö kann exogen (Laxantien, Medikamente, [bakterielle] Toxine sowie Darmallergie) oder endogen (angeboren, bakterielle Endotoxine, endogene Laxativa, hormonproduzierende Tumoren) bedingt sein. Krankheiten mit sekretorischer Diarrhö Infektionen
–
▼
Enterotoxigene Bakterien V. cholerae, toxigene E. coli (LT, ST), Campylobacter jejuni, Yersinia enterocolitica, Clostridium difficile, Staphylococcus aureus (toxisches Schocksyndrom) – Chronisch Infektionen mit Mykobakterien, Pilzen, Parasiten Laxanzien Phenolphthalein, Anthrachinone, Bisacodyl, Oxyphenisatin, Senna, Aloe, Rizinolsäure, Dioctyl-Natrium-Sulfosuccinat Medikamente Diuretika (Furosemid, Thiazide), Theophyllin, Cholinergica, Chinidin, Colchicin, Prostanoide (Misoprostol), Di-5-Aminosalicylsäure, Gold Darmresektion Entzündliche Darmerkrankungen Mikroskopische Kolitis, M. Crohn, Colitis ulcerosa Gallensäurenmalabsorption
Fettsäurenmalabsorption Krankheiten mit Zottenschwund
Sprue/Zöliakie, Autoimmunenteropathie, Dünndarmlymphom Tumoren Villöses Rektumadenom, Zollinger-EllisonSyndrom, Vipom, Karzinoidsyndrom, medulläres Schilddrüsenkarzinom, Glukagonom, Mastozytose (Histamin) Hyperthyreose Kollagenose Angeborene Krankheiten «Microvillus inclusion disease«, »tufting«Enteropathie, kongenitale Chloridorrhö (Fehlen des Cl–/HCO3-Austauschers), kon genitale Natriumdiarrhö (Fehlen des Na+/H+Austauschers)
Erst nach 1965 wurde entdeckt, dass der Dünndarm nicht nur Wasser und Elektrolyte resorbiert, sondern auch Wasser und Elektrolyte zu sezernieren vermag. Michael Field entdeckte 1968 die Bedeutung der intrazellulären zyklischen Nukleotide für die Sekretion von Chlorid und Wasser. Später kam hinzu, dass sowohl Neurotransmitter, Hormone, Bakterientoxine und auch verschiedene Laxantien die Sekretion von Chlorid und Wasser durch Veränderungen des intrazellulären cAMP, cGMP oder Ca2+ induzieren. Die Regulation des Elektrolyttransports im Dünn- und Dickdarm kann endokrin, parakrin, neurokrin oder immunogen erfolgen [Field 1990; Kaunitz 1995]. Bei zahlreichen bakteriellen oder viralen Infektionen wie auch bei Vorliegen von hormonproduzierenden Tumoren (Karzinoid,VIPom) treten sekretorische Durchfälle auf. Während die Sekretionsmechanismen im Dünndarm überwiegend in der Kryptenregion lokalisiert sind, findet die Resorption an der Oberfläche der Zotten statt. Sekretorische Diarrhöen werden durch spezifische Veränderungen der Mechanismen des Wasser- und Elektrolyttransports,meist durch Stimulation der Chlorid- und Bikarbonatsekretion und der Hemmung der Natrium- und Chloridresorption, induziert [Field 1990; Kaunitz 1995]. Die Sekretion wird am häufigsten durch intrazelluläre Messenger (cAMP, intrazelluläre Ca2+) vermittelt. Die Tatsache der unterschiedlichen Lokalisation von Resorptions- und Sekretionsmechanismen im Dünndarm lässt es auch zu, den bei sekretorischen Durchfällen übermäßigen Flüssigkeitsverlust durch optimale Resorption wieder auszugleichen.Bei sekre-
453 44.3 · Pathogenese SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
44
torischen Durchfällen ist die Resorption z. B. für Kohlenhydrate, Wasser und Elektrolyte nicht gestört, es besteht lediglich eine massiv gesteigerte Sekretion.
Anorektums die Stuhlfrequenz ohne Erhöhung der Stuhlgewichte steigern [Caspary 1999; Fine 1998; Fine 1999; Powell 1995].
Grundlage der Rehydratation durch WHO-Lösung.
44.3.4
Optimal für die Resorption – und damit Therapie der Wahl zum Flüssigkeitsersatz bei sekretorischen Durchfällen – eignet sich eine Lösung, die Na+ und Glukose im stöchiometrischen Verhältnis von 2:1 enthält (sog. WHO-Lösung; [Alpers 1998; Avery 1990; Farthing 1991; Hirschhorn 1968; Santosham 1982; Thillainnayagam 1998]). Eine Nahrungskarenz ist bei bakteriell bedingten sekretorischen Durchfällen nicht sinnvoll! Resorption, Sekretion und Motilität des Dünndarms stehen eng mit dem enteralen Nervensystem (»Darmgehirn«) in Verbindung und beeinflussen sich gegenseitig. Neurotransmitter im Plexus myentericus beeinflussen die Motilität,Neurotransmitter im Plexus submucosus die Sekretion und auch die Resorption von Wasser und Elektrolyten [Gelbmann 1993; Hirschhorn 1968]. Diabetische Enteropathie. Bei der diabetischen En-
teropathie (Durchfälle nach lange bestehendem Diabetes mellitus) ist die a-adrenerge Innervation im Dünndarm gestört. Da die a-adrenerge Wirkung zur Steigerung der Resorption von Wasser- und Elektrolyten aus dem Dünndarm beiträgt, überwiegt bei der diabetischen Diarrhö die Sekretion von Wasser und Elektrolyten in das Darmlumen. Durch medikamentöse Gabe von a-Adrenergika (Clonidin) kann durch Resorptionssteigerung der Sekretion entgegengewirkt werden; somit können die Durchfälle bei der diabetischen Diarrhö effektiv mit Clonidin behandelt werden [Chang 1986; Fedorak 1985]. 44.3.3
Motilitätsstörungen als Ursache der Diarrhö
Störungen der Motilität mit rascher Passage des Darminhalts (»intestinal hurry«) können durch reduzierte Kontaktzeit mit dem Oberflächenepithel zu Diarrhöen führen. In den meisten Fällen wird aber eine erhöhte Passage als sekundäres Phänomen bei osmotischer Diarrhö oder bei entzündlichen Krankheiten durch das enterale Nervensystem bewirkt. Eine verlangsamte Motilität kann durch bakterielle Überbesiedlung sekundär eine Diarrhö und Steatorrhö induzieren. Schließlich können Motilitätsstörungen des
Exsudation (Entzündung)
Die Zerstörung der Integrität der Darmmukosa bei Entzündungen und Ulzerationen führt zum Verlust von Schleim,Protein und Blut in das Darmlumen (z.B. bei Colitis ulcerosa).Der Stuhl kann dabei fast nur aus Schleim, Exsudaten und Blut bestehen. Steigerungen der intestinalen Exkretion von Wasser- und Elektrolyten ist eher das Resultat einer Resorptionsverminderung für Wasser und Elektrolyte als einer gesteigerten Sekretion [Powell 1995; Sartor 1991]. 44.3.5
Störungen der Resorption als Ursache der osmotischen Diarrhö
Die wichtigste Aufgabe des Dünndarms ist die Resorption der Nahrung. Nach pankreatischer Vorverdauung erlaubt die große Resorptionsoberfläche des Dünndarms eine effektive terminale Digestion durch die in der Bürstensaummembran lokalisierten Enzyme sowie die Resorption der Digestionsprodukte über verschiedene spezifische Transportprozesse,wobei im Dünndarm Prozesse der Digestion und Resorption in unmittelbarer struktureller und funktioneller Nachbarschaft ablaufen.Die Wasser- und Elektrolytresorption ist überwiegend an die Resorption der Nahrungsbestandteile gekoppelt [Caspary 1999]. Damit der Dünndarm postprandial nicht mit Nahrung überschwemmt wird,spielt die Motorik (Motilität) des Gastrointestinaltrakts eine wichtige Rolle. Zum einen bremst die Magenentleerung den Weitertransport in den Dünndarm, zum anderen fördert die Eigenmotorik des Dünndarms den Transport des Nahrungsbreis durch den Dünndarm. Störungen der Motilität (z. B. diabetische Gastroparese), Fehlen von Magenanteilen nach Operation (Magenresektion nach Billroth II) können zu Störungen der Resorption führen (Postgastrektomiemalabsorption mit Steatorrhö, Anämie, Osteomalazie, Osteoporose). Malabsorption. Eine unvollständige Resorption (Mal-
absorption) von Nahrungsbestandteilen aus dem Dünndarm kann vorkommen: 1. Bei Störungen der exokrinen Pankreasfunktion (z. B. chronische Pankreatitis).
454
VI
Kapitel 44 · Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
2. Reduktion der Gallesekretion in das Darmlumen (Cholestase), 3. bei zu kurzem Darm (Darmresektion, Kurzdarmsyndrom), 4. morphologischen Veränderungen des Dünndarms (z. B. Zottenverlust und damit Oberflächenverlust), 5. genetisch bedingtem Fehlen spezifischer Transportprozesse oder Enzymen der Endverdauung in der Mukosazelle (z. B. Laktasemangel), 6. Abflussbehinderung durch dem Lymphsystem (Fettmalabsorption), 7. zu schneller Passage durch den Dünndarm (»intestinal hurry«). Dünndarmresektion – chologene Diarrhö. Nach
Dünndarmresektionen hat der untere Dünndarm (Ileum) eine erheblich höhere Adaptationspotenz und kann alle Funktionen des oberen Dünndarms bald adaptativ übernehmen. Der obere Dünndarm (Jejunum) vermag jedoch nicht die spezifischen Mechanismen der Gallensäurenrückresorption und der Vitamin-B12-Resorption des terminalen Ileums zu erwerben. Deshalb tritt nach Resektionen von >30–50 cm terminalen Ileums ein enteraler Gallensäurenverlust auf, der im Kolon durch seine membranschädigende Wirkung wässrige Durchfälle bewirkt (chologene Diarrhö; [Caspary 1999; Hoffmann 1969]). Die durch Gallensäuren bedingte Permeabilitätssteigerung im Kolon bewirkt eine Hyperresorption von Oxalsäure [Caspary 1975], die zur enteralen Hyperoxalurie und Bildung von Nierensteinen (Oxalatsteinen) führen kann. 44.3.6
Bakterielle Einflüsse im Dünn- und Dickdarm
Durchfälle können auftreten,wenn die Resorption gehemmt ist oder die Sekretion gesteigert ist, oder auch dann, wenn zu wenig Zeit für die Resorption zur Verfügung steht. Im Dünndarm nichtresorbierte Kohlenhydrate (z. B. Laktose bei Laktasemangel) gelangen in den Dickdarm, in dem sie bakteriell durch anaerobe Fermentation abgebaut werden.
stehenden kurzkettigen Fettsäuren können wieder rückresorbiert werden,sodass trotz Malabsorption im Dünndarm ein Teil der zugeführten Kalorien noch im Dickdarm energetisch verwertet werden kann. Außerdem entstehen bei der bakteriellen Fermentation Gase (H2, CH4, C02), die zu den klinischen Symptomen Meteorismus und Flatulenz führen. Wesentlich für die laxative Wirkung nichtresorbierbarer Substanzen ist ihre Abbaufähigkeit im Kolon. Polyäthylenglycol (PEG),das zur Darmreinigung vor einer Koloskopie eingesetzt wird, kann im Dickdarm von Bakterien nicht abgebaut werden und entfaltet somit seine volle osmotische Wirksamkeit ähnlich dem Magnesium. Nichtresorbierte Kohlenhydrate (Laktose, Laktulose, Lactitol, Therapie mit dem a-Glukosidasenhemmer Acarbose) werden im Dickdarm von Bakterien abgebaut, die entstehenden kurzkettigen Fettsäuren werden resorbiert und energetisch genutzt. Damit wirkt die Bakterienflora des Dickdarms einer osmotischen Diarrhö entgegen. Nur wenn mehr Kohlenhydrate in den Dickdarm gelangen als fermentiert werden können, kommt es zu einer osmotischen Diarrhö [Caspary 1986; Fine 1998; Goldberg 1978; Hammer 1990]. Fette. Triglyzeride, die aus dem Dünndarm bei fehlender Resorbierbarkeit in den Dickdarm gelangen, werden dort bakteriell zu freien Fettsäuren und Hydroxyfettsäuren abgebaut, wobei letztere insbesondere im Dickdarm laxativ wirken [Bright-Asare 1973]. Bakterien im Gastrointestinaltrakt. Normalerweise findet sich nur eine geringe Anzahl von Bakterien im Dünndarm (Jejunum: 0–104/ml, Ileum: 103–108/ml, Kolon im Vergleich: 1010–1012/ml). Strukturelle Veränderungen, Störungen der Motilität, erhöhte Anzahl von Bakterien und defekte Abwehr sind die wichtigsten 4 Mechanismen, die zu einer bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms führen. Die bakterielle Überbesiedlung der oberen Dünndarmabschnitte kann zu Durchfällen und zahlreichen klinischen Folgen führen ( s. Kap. 14; [Bjorneklett 1985; King 1979]).
Fermentation von Kohlenhydraten. Die durch Fer-
Epitheliale Barrieren und ihre Beeinflussung
mentation entstehenden kurzkettigen Fettsäuren (Laktat,Azetat,Butyrat,Propionat) bewirken eine Steigerung der Osmolalität im Dickdarm und führen zu osmotisch bedingten Durchfällen, die mit einem sauren Stuhl-pH einhergehen. Die im Dickdarm ent-
Von Bedeutung für den Abwehrmechanismus und die Entstehung von Krankheiten durch Bakterien, Viren, Protozoen, Toxinen oder aber auch Antigenen ist eine intakte Barrierenfunktion des Dünndarmepithels.Die
44.3.7
455 44.4 · Akute Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
epitheliale Dünndarmbarriere ist komplex und dynamisch, sie verhindert eine passive Permeation von Substanzen, die sich nach Eindringen in die Mukosa schädlich auswirken könnten. Die Aufrechterhaltung einer »gesunden« Barriere hängt von der Integrität der Plasmazellmembranen,den »tight junctions« (epitheliale Schlussleisten) sowie der epithelialen sekretorischen Produkte (z. B. Bikarbonat, IgA) ab. Die Zerstörung der Barriere führt zu einem gesteigerten Eindringen von schädlichen luminalen Bestandteilen wie Antigenen (z.B. a-Gliadin bei Sprue/Zöliakie), Proteasen, H+, Faktoren, die chemotaktisch auf Entzündungszellen wirken. Eine so hervorgerufene Entzündung kann durch Beeinflussung subepithelialer Gewebe sekundär den epithelialen Transport und die Barrierenfunktion beeinflussen. Die Reparaturmechanismen der Mukosa sind komplex, Erneuerung und gesteigerte epitheliale Zellproliferation spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Beeinflussung der Barrierenfunktion lässt sich besonders gut bei der Entstehung akuter Durchfälle darstellen. Dabei kann durch ein infektiöses Agens die Epithelzelle direkt geschädigt werden (E.histolytica, Rotavirus, Shigella), oder nur durch Toxine subzelluläre Mechanismen (Sekretion) beeinflusst werden (E. coli, Lamblien, Cryptosporidien, Helminthen). Man unterscheidet zwischen folgenden Pathogenitätsmechanismen: 1. Invasiv, 2. enterotoxisch, 3. zytotoxisch und 4. enteroadhäsiv. Eine Schädigung der Epithelzellen kann jedoch auch durch eine Aktivierung des Immunsystems (Komplementsystem,zytotoxische Lymphozyten oder antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität durch T-Lymphozyten, von Proteasen durch Mastzellen oder Phagozyten), durch eine Hypersensitivitätsreaktion (z. B. Sprue/Zöliakie) oder idiopathisch/autoimmun bei der Colitis ulcerosa und M. Crohn entstehen. Störungen der Barrierenfunktion unterschiedlichster Genese lassen sich diagnostisch durch eine erhöhte Permeabilität der Dünndarmmukosa nachweisen. Hierzu appliziert man oral kleinmolekulare Substanzen (Laktulose, Rhamnose, Mannit), die normalerweise kaum die Darmmukosa durchdringen können und wertet deren erhöhtes Erscheinen im Urin als Hinweis für eine gesteigerte Permeabilität. Es handelt sich hierbei jedoch nur um einen unspezischen Parameter, der nur Information über die Per-
44
meabilitätsstörung Auskunft gibt, jedoch nicht über deren Genese. Auch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) bewirken im Dünn- und Dickdarm eine gesteigerte intestinale Permeabilität und gehen mit der NSAR-Enteropathie einher.Bakterien scheinen bei der NSAR-Enteropathie eine wichtige Rolle zu spielen, da eine Vorbehandlung mit Metronidazol die NSARSchädigungen zu verhindern vermag ( s. Kap. 13; [Bjarnason 1993]). 44.4
Akute Diarrhö
Die meisten akuten Durchfälle sind durch eine enterale Infektion bedingt. Alter, Veränderungen des immunologischen Status, Proteinmangelernährung und mangelnde Hygiene bestimmen die Infektionsrate und die Komplikationen. Protektive Faktoren gegen eine enterale Infektion sind: saures Magenmilieu, sekretorisches IgA und IgM im Dünndarm, die physiologische Mukosabarriere des Dünndarms und die Motilität. Pathogene Bakterien besitzen zahlreiche Virulenzcharakteristika, mit denen sie die den Abwehrmechanismus des Wirts überwinden und zur Infektion führen. Diagnostik. Die meisten akuten Durchfälle sind leicht,
dauern nur wenige Tage an und sind in der Regel durch selbstlimitierte Infektionen bedingt. Deshalb benötigen die meisten Patienten (ca. 90%) keine spezifische Diagnostik oder Therapie. Zusätzliche Symptome bei akuter Diarrhö mit Hinweis auf eine schwere Infektion, die zum Arzt führen sollten sind: hohes Fieber, Benommenheit, blutige Durchfälle, schwerer Abdominalschmerz. Immunsupprimierte Patienten mit Durchfällen bedürfen ebenfalls einer diagnostischen Abklärung. Das diagnostische Vorgehen und therapeutische Management ist in ⊡ Abbildung 44.3 zusammengefasst. Mangement und Therapie. Die Therapie des Symptoms der akuten Diarrhö hat sich nach der Grunderkrankung und der Schwere des Krankheitsbildes zu richten: Fieber >39°C, Krankheitsgefühl, Tenesmen, blutige Durchfälle, längerer Verlauf, Dehydratation (⊡ Abb. 44.3).In den meisten Fällen sind akute Durchfälle (z. B. im Rahmen einer Reisediarrhö) von kurzer Dauer und selbstlimitierend ( s. Kap. 14).Eine symptomatische Therapie mit oraler Flüssigkeit ist meist ausreichend, eine kulturelle Diagnostik sowie eine Antibiotikatherapie sind nicht erforderlich. Eine symptomatische Therapie kann zusätzlich mit Lo-
456
Kapitel 44 · Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
VI
⊡ Abb. 44.3. Diagnostik und Therapie bei akuter Diarrhö. EIEC enteroinvasive E. coli; EHEC enterohämorrhagische E. coli; ETEC enterotoxische E. coli; EPEC enteropathogene E. coli
peramid (Imodium) oder Saccharomyces boulardii (Perenterol) erfolgen. Finden sich die in ⊡ Abb. 44.3 genannten schweren Verlaufsformen (Dehydratation, blutiger Stuhl, Fieber, Dauer >48 h, starke Bauchschmerzen, ältere Patienten, Immunsuppression), sollte eine orale Flüssigkeitssubstitution mit der WHO-Glukose-ElektrolytTrinklösung (Elotrans) sowie eine prophylaktische Antibiotikatherapie (Ciprofloxacin oder Norfloxacin) erfolgen. Ist die Dehydratation gravierend, handelt es sich um ein Kind oder einen alten Menschen, ist die Krankenhausaufnahme zu erwägen. Bei anhaltendem Erbrechen muss die Flüssigkeit- und Elektrolytsubstitution parenteral erfolgen. WHO-Lösung als Basistherapie zur Rehydratation.
Als Basistherapie dient zum Ersatz des Flüssigkeitsverlustes und zur Verhinderung einer Dehydratation die Gabe der WHO-Lösung (Elotrans, Isotonic ra-
tiopharm, Saltadol, Santalyt). Andere Modifikationen dieser Lösung haben sich als weniger wirksam erwiesen [Alpers 1998; Avery 1990; Farthing 1991; Hirschhorn 1968; Santosham 1982; Thillainnayagam 1998], da meist zu wenig Natrium und relativ zu viel Kohlenhydrate enthalten sind, was zu keiner optimalen Resorption der Flüssigkeit aus dem Darm führt. Schwarzer Tee, Mineraldrinks, Orangen- und Apfelsaft sind nicht geeignet, wenn sie nicht erheblich mit Kochsalz angereichert werden.Zusammensetzungen der in Deutschland erhältlichen oralen Rehydrierungslösungen im Vergleich zur WHO-Lösung sind in ⊡ Tabelle 44.3 zusammengestellt. Daraus ist auch ersichtlich, dass verschiedentlich empfohlene Getränke (Gatorade, Coca Cola, Apfel-, Orangensaft) zu wenig Natrium und relativ zu viel Kohlenhydrate besitzen [Alpers 1998; Avery 1990; Hirschhorn 1968; Kaunitz 1995; Powell 1995; Santosham 1982; Thillainnayagam 1998].
44
457 44.5 · Chronische Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 44.3. Zusammensetzung oraler Rehydratationslösungen zur Therapie der Diarrhö im Vergleich zu Getränken Lösung
K [mmol/l]
Cl [mmol/l]
Citrat [mmol/l]
Bikarbonat [mmol/l]
Glukosea [mmol/l]
90 90 90 90 60 90 60
20 20 20 20 20 20 20
80 80 80 80 50 80 60
30 30 30 30 30 – 20
30 (alternativ) – – –
111 (20)a 111 (20) 111 (20) 111 (20) 90 (17,8) 111 (20) 90 (17,8)
23,5 1,6 <1 <1 250
<1 <1 25 50 8
17 – ?? ?? 0
– – ?? 50 0
Na [mmol/l]
Rehydratationslösungen WHO-Lösung D-Iso-ratiopharm Elotrans Isotonic ratiopharm Oralpädon 240 Saltadol Santalyt
30 –
Getränke Gatorade Coca Cola Apfelsaft Orangensaft Hühnerbrühe a b
13,4 ?? ?? 0
(40) (100)b (120) (120)
Zahlen in Klammern geben den Anteil an Kohlenhydraten in [g/l] an. Reissirup anstatt Glukose.
Antibiotika. Wirksame Antibiotika bei Diarrhö mit Fieber sind Cotrimoxazol, Ciprofloxacin (Ciprobay) und Norfloxazin (Tarevid). Bei US-Soldaten mit akuten Durchfällen im 1. Golfkrieg konnte gezeigt werden, dass keiner der aus dem Stuhl kultivierten Keime (meist enterotoxische E. coli und Shigellen) auf Ciprofloxacin resistent war, während zahlreiche der genannten Bakterien auf Cotrimoxazol, Tetrazykline und Ampicillin resistent waren [Hyams 1991]. Bei schwerem Krankheitsverlauf sollte eine Stuhluntersuchung erfolgen, wobei sich schon bei der mikroskopischen Untersuchung des Stuhls Hinweise auf die Genese der akuten Diarrhö finden lassen: Nachweis/Fehlen von neutrophilen Granulozyten,Parasiten. Entsprechend dem kulturellen Nachweis ist eine spezifische Chemotherapie einzuschlagen ( s. Kap. 14). Treten bei Patienten im Krankenhaus Durchfälle auf, ist in erster Linie an eine antibiotikaassoziierte pseudomembranöse Enterokolitis zu denken ( s. Kap. 16). Rektoskopie/Sigmoidoskopie und Nachweis des Toxins von Cl. difficile sichern die Diagnose. Das Therapeutikum der ersten Wahl ist Metronidazol, das ebenso gut wirksam ist, wie das erheblich kostenintensivere Vancomycin. Immunsupprimierte Patienten sollten im Rahmen einer akuten Reisediarrhö sofort mit Antibiotika
(Ciprofloxacin, Norfloxacin) behandelt werden ( s. Kap. 14). 44.5
Chronische Diarrhö
Als chronische Diarrhö bezeichnen wir eine Durchfallerkrankung, die länger als 3–4 Wochen anhält. Ursachen einer chronischen Diarrhö sind in ⊡ Tabelle 44.4 aufgeführt,wobei die Einteilung nach typischen Stuhlcharakteristika erfolgt [Caspary 1999; Fine 1998; Fine 1999; Powell 1995; Read 1980]. Wichtige Hinweise für die Ursache und Lokalisation ergeben sich aus der Art und Beschaffenheit des Stuhls: großvolumige Stühle sprechen für eine Krankheit des Dünndarms oder des proximalen Kolons, kleinvolumige Stühle deuten auf eine Krankheit des linken Kolons oder Rektums hin. »Dünndarm-Stühle« sind meist hell, wässrig, fast immer unblutig, sie können aber auch dickflüssig und stinkend sein und unverdaute Nahrungsbestandteile enthalten.Kleinvolumige »Dickdarm-Stühle« enthalten oft Schleim und Blut und gehen mit Tenesmen einher. Von Bedeutung erscheint die Objektivierung einer Diarrhö, was durch Inspektion des Stuhls in Praxis und Klinik sowie eine quantitative Sammelperiode über 48 oder 72 h erfolgen sollte. Der Patient ist anzuhalten,ein Stuhlprotokoll zu führen,das Anzahl,Men-
458
Kapitel 44 · Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 44.4. Ursachen einer chronischen Diarrhö (> 4 Wochen Dauer) nach typischen Stuhlcharakteristika
VI
Osmotische Diarrhö
Sekretorische Diarrhö
Ingestion von Mg, PO4, SO4
Laxanzienabusus
Kohlenhydratmalabsorption
Kongenitale Syndrome (Chloriddiarrhö)
Steatorrhö
Bakterielle Toxine
Malabsorptionssyndrome Mukosakrankheiten (Sprue) Kurzdarmsyndrom Zustand nach Darmresektion Bakterielle Überbesiedung Mesenteriale Ischämie
Gallensäurenmalabsorption
Maldigestion Exokrine Pankreasinsuffizienz Intraluminaler Gallensäuremangel
Chronisch entzündliche Darmerkrankung Colitis ulzerosa M. Crohn Lymphozytäre Kolitis Kollagenkolitis Divertikulitis Vaskulitis Medikamente
Entzündliche Diarrhö
Motilitätsstörungen
Chronisch entzündliche Darmerkrankung Colitis ulzerosa M. Crohn Divertikulitis
Postvagotomiediarrhö
Infektiöse Krankheiten Pseudomembranöse Enterokolitis Invasive bakterielle Infektionen Ulzerierende virale Infektionen Zytomegalie, Herpes simplex Invasive Parasiten Amöbiasis Ischämische Kolitis Strahlenenteritis Neoplasien Kolorektale Karzinome Lymphom
Postsympathektomiediarrhö Diabetische Enteropathie Hyperthyreose Irritables Darmsyndrom Neuroendokrine Tumoren Gastrinom Vipom somatostatinom Mastozytose Karzinoid-Syndrom Medulläres Schilddrüsenkarzinom Neoplasien Kolorektale Karzinome Lymphom Villöses Adenom M. Addison Idiopathische sekretorische Diarrhö
ge, Konsistenz und Uhrzeit der Stühle wie auch Nahrungszufuhr beinhalten sollte. Von diagnostischer Wichtigkeit ist das Ansprechen der Diarrhö auf Fasten oder Persistieren der Durchfälle. Chronische Diarrhö Ansprechen auf Fasten
– – – ▼
Inkontinenz Gallensäurenverlust Steatorrhö
– –
Osmotische Diarrhö Nahrungsmittelallergie Kein Ansprechen auf Fasten – Laxanzienabusus – Chronisch entzündliche Darmerkrankung – Neuroendokrin (VIP, Karzinoid, medulläres Schilddrüsenkarzinom) – Hyperthyreose – Kongenitale Diarrhö – Bakterielle Überbesiedlung
459 44.5 · Chronische Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
44
⊡ Tabelle 44.5. Medikamente, die Durchfälle bewirken können Acarbose
Di-5-Aminosalicylsäure
Alkohol Antazida (Magnesiumhaltig) Antihypertensiva Antibiotika Biguanide (Metformin) Chinidin Cholinergica Colchicin Digitalispräparate
Fruktose Gallensäuren (Chenodeoxycholsäure) Goldpräparate Guanethidin Kaliumsupplementierung Koffein Magnesiumsupplementierung Meclofenamat Methyldopa
Chronische Durchfälle gehen häufig auch mit Allgemeinsymptomen einher. Aus der klinischen Begleitsymptomatik ergeben sich oft diagnostische Hinweise auf die Grunderkrankung,die sowohl zur Diarrhö wie auch zu systemischen Symptomen führt. Das Malabsorptionssyndrom ist eine häufige Ursache einer chronischen Diarrhö: ▬ durch Malabsorption von Kohlenhydraten [Caspary 1986; Caspary 1999], ▬ durch Malabsorption von Fetten [Bright-Asare 1973],] ▬ durch Malabsorption von Gallensäuren [Caspary 1999; Hofmann 1969].
44.5.1
Diarrhöen finden sich als Nebenwirkungen zahlreicher Medikamente (⊡ Tabelle 44.5). Zahlreiche Zytostatika bewirken Durchfälle. Am häufigsten treten Diarrhöen nach folgenden Zytostatika auf: Cytosin-Arabinosid,Actinomycin D, Daunorubicin, Doxorubicin, Floxuridin, 5-Fluorouracil, 6-Mercaptopurin, Methotrexat und Mitomycin. Die Kombination von Fluorouracil plus Leucovorin kann schwere wässrige Durchfälle induzieren.Bei Therapie mit Interleukin-2 ist in 80% mit Durchfällen zu rechnen. Durchfälle unter Zytostatika werden bei leichteren Formen mit Loperamid (Imodium) behandelt. Bei schweren Durchfällen hat sich die Gabe von Octreotid (Sandostatin) 50–100 µg alle 8 h s.c. bewährt [Harris 1995]. In der Regel treten die Durchfälle kurz nach Einnahme des Medikaments oder Dosissteigerung auf,sie können jedoch auch nach chronischer Behandlung mit gleicher Dosierung auftreten. Patienten sollten insbesondere auch nach Selbstmedikation gefragt werden, da in der Anamnese in der Regel nur die vom Arzt verschriebenen Medikamente angegeben werden.
44.5.2
Nichtsteroidale Antirheumatika (außer ASS) Lactulose, Lactitol Prokinetika (Cisaprid) Propranolol Prostanoide (Misoprostol) Sorbit Theophyllin Zytostatika
Diarrhö bei Alkoholabusus
Durchfälle kommen auch nach chronischem oder akutem Genuss von hoher Mengen an Alkohol vor.Der Wirkungsmechanismus von Alkohol ist komplex: beschleunigter intestinaler Transit durch gesteigerte Propulsion einerseits, Verminderung der Disaccharidasenaktivität, verminderte Gallesekretion und Steatorrhö durch Reduktion der exokrinen Pankreassekretion andererseits. Auch eine Störung der Resorption von Natrium und Wasser unter Alkohol kann für die Diarrhö verantwortlich sein.
Diarrhö nach Magenoperationen
Dumpingsyndrom Durchfälle treten nach Magenoperationen als Symptom des Frühdumpings auf. Flush, orthostatische Dysregulation, Übelkeit, Bauchschmerzen und Diarrhö treten ca. 30 min nach Nahrungszufuhr auf. Als Ursache wird die Sturzentleerung des hypertonen Nahrungsbreis in den Dünndarm angesehen. Durch die permeable Dünndarmmukosa kommt es zum Eintritt von Plasmaflüssigkeit in das Darmlumen (um Hypertonizität auszugleichen).Die resultierende große Flüssigkeitsmenge wird dann mit unkontrollierter Freisetzung von Neuropeptiden – die am ehesten für die klinische Symptomatik verantwortlich sind – in den unteren Dünndarm weitertransportiert. Die Dumpingsymptomatik kommt bei der Billroth-II-Resektion häufiger vor als nach Billroth-I-Resektion ( s. Kap. 9). Therapie. Die Therapie des Frühdumpingsyndroms besteht in einer »Anti-Dumping«-Kost,die verhindern
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Kapitel 44 · Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
soll, dass große hyperosmolare Flüssigkeitsmengen im Dünndarm anfallen: häufige kleine Mahlzeiten, keine freien Zucker, Trennung von Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr (d. h. Trinken erst 1 h nach dem Essen), Resorptionsverzögerer wie Guar und Acarbose (Glucobay; einschleichend 50 mg 1- bis 3-mal/Tag) haben ebenfalls einen günstigen therapeutischen Effekt. Dies lässt vermuten, dass auch die überstürzte Resorption aus dem Dünndarm ein Auslöser der Dumpingsymptomatik ist. Der Somatostatinanalog Octreotid (Sandostatin) hat sich in der Dosierung von 50–200 µg alle 8 h s.c.als wirksam bei schwerer Dumpingsymptomatik erwiesen. Ob dabei dem resorptionsverzögernden Effekt von Octreotid oder der Hemmung der Neuropeptidfreisetzung aus dem Darm die therapeutische Wirkung zukommt, ist unklar. Diarrhö nach Vagotomie Eine Diarrhö nach Vagotomie kommt hauptsächlich nach trunkulärer Vagotomie vor. Ein Erhalt der hepatischen Äste des N. vagus vermindert das Risiko für eine Postvagotomiediarrhö. Pathophysiologisch sind verantwortlich: Rasche Magenentleerung, rascher Transit durch den Dünndarm sowie Gallensäurenmalabsorption. Therapie. Colestyramin (Quantalan, Lipocol) in der
Dosierung von 4¥4 g/Tag ist bei vielen Patienten wirksam, aber auch Codein, Loperamid und Verapamil (1 h vor den Mahlzeiten) habe sich in Verbindung mit Colestyramin bewährt [Caspary 1999].
44.5.4
In Vordergrund steht die chologene Diarrhö nach Resektionen des Ileums. Bei einer Resektion von <100 cm Ileum kann der Gallensäurenverlust durch Steigerung der Lebersynthese kompensiert werden (kompensierte chologene Diarrhö). Bei Resektionen von >100 cm Ileum ist in der Regel der enterale Gallensäurenverlust nicht mehr kompensierbar (dekompensierte chologene Diarrhö). In dieser Situation tritt zur Diarrhö auch eine Steatorrhö auf [Caspary 1999; Fine 1998; Hofmann 1969; Powell 1995]. Therapie. Bei der kompensierten chologenen Diarrhö sind Gallensäuenbinder, wie Colestyramin (Quantalan, Lipocol) oder Colestipol (Cholestabyl) in der Dosierung von 4¥4 g/Tag, Mittel der Wahl [Hofmann 1969]. Da Colestyramin zur leichten Steatorrhö und Reduktion der Resorption von fettlöslichen Vitaminen führt, ist der Vitaminstatus (Vitamin A, E, b-Karotin) zu überprüfen und evtl. parenteral zu substituieren (ADEK-Falk 1 ml alle 4 Wochen i.m.). Bei der dekompensierten chologenen Diarrhö verschlimmern Gallensäurenbinder durch Zunahme der Steatorrhö die Symptomatik. In dieser Situation sind normale Nahrungsfette durch MCT-Fette zu ersetzen (Ceres-Speiseöl, Ceres-Margarine). Bei ausgedehnter Ileumresektion kann die zusätzliche Gabe von Säureblockern (Ranitidin, Omeprazol) hilfreich sein.
44.5.5 44.5.3
Diarrhö nach Dünnund Dickdarmresektion
Diarrhö bei endokrinen Krankheiten
Diarrhö nach Cholezystektomie
Chronische Durchfälle kommen zu ca. 10% nach Cholezystektomie vor. Eine Gallensäurenmalabsorption wurde als Ursache postuliert, da einige Patienten prompt auf eine Therapie mit Colestyramin ansprechen. Die fäkale Gallensäurenausscheidung ist jedoch nur gering erhöht, sodass eher eine andere Ursache dafür anzusehen ist (z. B. rasche Darmpassage). Therapie. Die Therapie besteht in Colestyramin 3- bis 4-mal 4 g/Tag, Aluminiumhydroxid (bindet ebenfalls Gallensäuren), Loperamid oder Plantago semen ovatae (Mucofalk, Metamucil), um die Konsistenz des Stuhls zu verbessern.
Diarrhö bei Diabetes mellitus Durchfälle kommen bei 0,1–7% der insulinpflichtiger Diabetiker im Mittel nach 8 Jahren Krankheitsdauer vor. Die typische diabetische Diarrhö geht mit episodisch oder auch kontinuierlich auftretenden wässrigen Durchfällen einher, die häufig auch nachts auftreten und mit Inkontinenz verbunden sind. Stuhlgewichte variieren zwischen 250 bis zu 1500 g/Tag,häufig besteht auch eine Steatorrhö, die erhebliche Ausmaße annehmen kann.Die Durchfälle sprechen in der Regel nicht auf Antidiarrhoika (z. B. Loperamid) an. Häufig besteht bei den Patienten eine autonome Neuropathie mit orthostatischer Kreislaufdysregulation,Impotenz, Pupillenstörungen, Störungen der Herzfrequenzvariabilität.Als Ursache ist eine durch die Neuropathie bedingte Motilitätsstörung des Gastrointestinaltrakts anzusehen. Im Darm besteht eine reduzierte Aktivität
461 44.5 · Chronische Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
von a2-Rezeptoren, was zu einer Störung der Resorption von Wasser und Elektrolyten führt. Therapie. Gabe von a2-Agonisten (Clonidin, Catapre-
san) 2¥75–150 µg/Tag führt sowohl im Tierexperiment (Streptozotocindiabetes der Ratte) zur Reduktion der gesteigerten Sekretion wie auch beim Patienten zum Sistieren der Diarrhö [Fedorak 1985]. Die orthostatischen Nebenwirkungen von Clonidin sind beim normotensiven Diabetiker mit autonomer Neuropathie in der Regel geringer als bei Nichtdiabetikern ohne Hypertonie. Nicht selten steht eine Steatorrhö im Vordergrund, die durch bakterielle Überbesiedlung des Dünndarm beim Fehlen der »housekeeper«-Funktion der migrierenden myoelektrischen Komplexes (MMC) bedingt ist. In diesem Fall ist eine intermittierende Antibiotikatherapie mit Doxycyclin 2¥100 mg/Tag oder Metronidazol 2- bis 3¥400 mg/Tag indiziert [Bjorneklett 1985; Fine 1998; Kind 1979; Powell 1995]. Da der Diabetes meist schlecht eingestellt ist, steht die Optimierung der Diabeteseinstellung im Vordergrund. Diarrhö bei Krankheiten der Schilddrüse und Nebenschilddrüse Durchfälle mit leichter Steatorrhö kommen bei der unbehandelten Hyperthyreose vor (ca. 25%). Motilitätsstörungen (rasche Magenentleerung, rasche Dünndarmpassage) sind am ehesten dafür verantwortlich; die Resorptionsfunktion ist nicht beeinträchtigt. Schilddrüsenhormone können eine Sekretion im Dünndarm über eine Erhöhung des intrazellulären zyklischen Adenosinmonophosphats (AMP) bewirken. Auch eine Gallensäurenmalabsorption kann zur Diarrhö beitragen. Therapie. Primäre Therapie ist die Behandlung der
Grundkrankheit,zusätzlich ggf.symptomatische Therapie mit Loperamid. Bei der Hypothyreose steht die Obstipation – gelegentlich mit Sigmavolvulus,Rektumprolaps,Ileus und Pseudoobstruktion – im Vordergrund. Durchfälle mit Steatorrhö kommen jedoch bei einigen Patienten vor. Als Ursache dafür ist eine bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms anzunehmen. Der Hypoparathyreoidismus geht nicht selten mit Diarrhö und Steatorrhö einher. Häufiger besteht jedoch eine Obstipation oder sogar eine Pseudoobstruktion. Auch eine intestinale Lymphangiektasie mit enteralem Proteinverlust wurde zusammen mit der Malabsorption beim Hypoparathyreoidismus beschrieben.
44
Die Therapie besteht in der Behandlung der Grunderkrankung. 44.5.6
Diarrhö bei neuroendokrinen Tumoren
Durchfälle bei neuroendokrinen Tumoren sind durch die pharmakologischen Wirkungen der entsprechenden vom Tumor im Übermaß sezernierten Peptide bedingt.Mechanismen der Diarrhö und übrige klinische Manifestationen unterscheiden sich entsprechend der vom Tumor gebildeten spezifischen Peptidhormone (⊡ Tabelle 44.6). Zur Therapie s. Kap. 12. 44.5.7
Mikroskopische Kolitis – lymphozytäre und kollagene Kolitis
Mikroskopische Kolitis – klinisch manifest als lymphozyäre und kollagene Kolitis – zeichnet sich durch chronische sekretorische Durchfälle aus, wobei der Dickdarm endoskopisch normal aussieht. Beide Krankheitsbilder sind ausführlich in Kap. 27 beschrieben [Kingham 1982; Lindström 1976]. Therapie. Kürzlich wurde über den Therapieerfolg mit Bismuthsubsalicylat 3¥400 mg/Tag sowohl bei lymphozytärer wie auch bei kollagener Kolitis berichtet. In Deutschland ist allerdings kein Bismutsubsalicylat auf dem Markt (International: Peptobismol). Therapie der Wahl ist derzeit Budenosid in der Dosierung von 9 mg/Tag (Budenofalk, Entocort).
44.5.8
Diarrhoea factitia
Die faktitielle Diarrhö bereitet diagnostisch oft erhebliche Schwierigkeiten und einen hohen Kostenaufwand. Folgende Einteilung nach Reich u. Gottfried wird hier übernommen: 1. Selbst-induzierte Infektionen, 2. Selbstmedikation, 3. simulierte Krankheit, 4. chronische Wunden. Laxantienabusus. Patienten mit faktitieller Diarrhö
nehmen am häufigsten Abführmittel ein oder simulieren eine Diarrhö durch Zugabe von Wasser, Urin oder anderen Flüssigkeiten zum Stuhl. Fast alle Patienten sind Frauen und haben sehr häufig in Medizin-/Medi-
462
Kapitel 44 · Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 44.6. Diarrhö durch Hormone oder Neuropeptide
VI
Krankheit
Hormon/Neuropeptid
Ursache der Diarrhö
Andere Manifestationen
Zollinger-EllisonSyndrom (Gastrinom)
Gastrin
Säureinaktivierung von Pankreasenzymen und Gallensäuren Æ Steatorrhö Intestinale Wasser- und Elektrolytsekretion Reduzierte Resorption durch Schädigung des Darmepithels Erhöhte Motilität
Peptische Ulkuskrankheit, erosive Ösophagitis
Karzinoidsyndrom
Serotonin, Substanz P, Bradykinin, Motilin, Prostaglandine, andere
Erhöhte Motilität Intestinale Wasser- und Elektrolytsekretion Steatorrhö
Flush, Asthma, Rechtsherz insuffizienz, Hypotonie
Medulläres Schilddrüsenkarzinom
Kalzitonin, Prostaglandine, andere
Intestinale Wasser- und Elektrolytsekretion Erhöhte Motilität
Schilddrüsenvergrößerung oder -knoten
Vipom
VIP
Intestinale Wasser- und Elektrolytsekretion
Hypokaliämie, Anazidität, Flush, Hypotonie
Glukagonom
Glukagon
Intestinale Wasser- und Elektrolytsekretion
Nekrolytisches Erythema migrans, Diabetes, Anämie, Glossitis
Somatostatinom
Somatostatin
Hemmung der intestinalen Resorption Steatorrhö durch Hemmung der Pankreassekretion
Diabetes, Gallensteine
Systemische Mastozytose
Histamin
Intestinale Wasser- und Elektrolytsekretion Gastrale Hypersekretion Zottenatrophie
Flush, Übelkeit/Erbrechen, Erythema pigmentosum, Dermatograhismus
zinisch-technischen Berufen gearbeitet. Laxantienabusus kommt bei ca. 4–15% der Patienten mit chronischer Diarrhö vor. Der Anteil erhöht sich auf 20–30%, wenn man nur die Patienten betrachtet, die sich nach vorheriger erfolgloser Diagnostik beim Gastroenterologen zu weiterführender Diagnostik vorstellen. Da die Patienten häufig psychisch unauffällig wirken, sind Arzt und Patient oft schockiert, wenn eine faktitielle Diarrhö bei einem stationären Aufenthalt festgestellt wird.
schlegelfinger (bei Senna-Präparaten),zyklische Ödeme, Nierensteine (Uratsteine). In der Vorgeschichte sind häufig Operationen aus teils nichtersichtlichen Gründen: explorative Laparotomien,Magenresektion, Vagotomie, Cholezystektomie, Hysterektomie. Nach Absetzen der Laxantien entwickeln sich häufig Ödeme auf dem Boden eines sekundären Hyperparathyreoidismus oder eines Pseudo-Bartter-Syndroms. Die Ödeme bilden sich nach Absetzen der Laxantien innerhalb von 1–2 Monaten spontan zurück.
Hypokaliämie. Häufig besteht bei der chronischen
Melanosis coli. Die Melanosis coli ist eine dunkle Pig-
faktitiellen Diarrhö eine Hypokaliämie. Des Weiteren können vorkommen: Hautpigmentationen,Trommel-
mentierung der Dickdarmschleimhaut – endoskopisch schwarz oder getigert aussehend – als Folge län-
463 44.5 · Chronische Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
geren Einnahme von Anthrachinonen (Senna, Cascara, Aloe). Diphenolische Laxantien (Phenolphthalein, Oxyphenisatin,Bisacodyl) oder osmotische Laxantien führen nicht zur Melanosis coli. Bei dem Pigment handelt es sich um Lipofuszin, das aus geschädigten Zellorganellen besteht,die in Lysosomen intraepithelialer Makrophagen aufgenommen wurden und in die Lamina propria einwandern. Die Pigmentablagerungen sind am häufigsten im Zäkum oder im Rektosigmoid zu finden. Die Melanosis beginnt ca. 4 Monate nach chronischer Einnahme von Laxantien und verschwindet 4–7 Monate nach Ende der Laxantieneinnahme. Eine Melanosis coli zeigt somit eine chronische Einnahme von anthrachinonhaltigen Laxantien an. Diagnostik. Bei der Diagnostik sollte man an eine fak-
titielle Diarrhö denken,wenn der Patient schon mehrfach wegen unklarer Diarrhö in Behandlung war. Da Patienten Laxantien auch intermittierend einnehmen, sollten Stuhlanalysen wiederholt werden. Der einfachste Test besteht in der Alkalisierung von 3 ml eines Stuhlüberstands oder Urins mit einem Tropfen 1 N Natriumhydroxid (NaOH). Färbung zu pink oder rot bei spektrophotometrischer Bestimmung (550–555 nm) zeigt den Nachweis von Phenolphthalein, einem in Deutschland allerdings nicht häufig verwandten Laxans. Im Urin können andere Laxantien bestimmt werden: Bisacodyl und seine Metabolite, Anthrachinone und seine Derivate (⊡ Tabelle 44.7) Der Stuhl sollte auf Osmolalität und Elektrolyte untersucht werden. Ergibt sich eine sekretorische Diarrhö (osmotische Lücke <100), hat der Patient wahrscheinlich sekretorisch wirkende Laxantien eingenommen. Beträgt die osmotische Lücke >125 (osmotische Diarrhö),muss an magnesiumhaltige Laxantien gedacht werden: eine Magnesiumkonzentration im Stuhl von >45 mmol/l oder tägliche Stuhlausschei-
44
dung von Magnesium >15 mmol/Tag spricht für eine durch Magnesium induzierte Diarrhö. Liegt die mit dem Osmometer gemessene Stuhlosmolalität deutlich unter 290 mosmol/l, muss eine Verdünnung des Stuhls mit Wasser oder verdünntem Urin angenommen werden. Liegt die Osmolalität deutlich über der des Plasmas, kann eine Stuhlverdünnung mit konzentriertem Urin angenommen werden. Dies kann gesichert werden durch eine hohe Konzentration von Na+ und K+ (>165 mval/l) sowie eine hohe Konzentration von Harnstoff und Kreatinin (⊡ Abb. 44.4). Da die Diagnostik aufwendig ist, ist eine Durchsuchung des Patientenzimmers zu erwägen. Manche Ärzte halten dies für unethisch und für einen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Patienten.Eine Studie zeigte, dass die Durchsuchung des Patientenzimmers auf Laxantien oder andere Medikamente bei der Abklärung einer faktitiellen Diarrhö effektiver war, als alle diagnostischen Maßnahmen. Es ist durchaus zu diskutieren, ob man sich zu dieser Maßnahme entschließt, um dem Patienten weitere kostenintensive und auch gefährliche diagnostischen Maßnahmen oder auch mögliche gefährliche Therapien zu ersparen (z. B. total parenterale Ernährung über ZVK). 44.5.9
Diarrhö bei Langstreckenläufern
Durchfälle treten bei ca. 10–25% von Langstreckenläufern (Marathonläufer, Triathleten) auf. Frauen (40–70%) sind häufiger betroffen als Männer, jüngere Langstreckenläufer häufiger als ältere [Fine 1998]. Sie kommt häufiger bei unerfahrenen als bei erfahrenen Läufern, die ihr Laufpensum steigern, vor. Stuhldrang und ungeformte Stühle treten während oder unmittelbar nach Ende des Langstreckenlaufs auf, gelegentlich sogar mit (okkultem) Blut. Die Ursache ist unklar. Diskutiert werden erhöhte Motilität des Kolons durch die mechanische Erschütterungen beim
⊡ Tabelle 44.7. Screening bei Verdacht auf Laxantienabusus Test
Art des Laxans
Probenmaterial
Laxantienscreen im Urin
Diphenolische Laxantien Bisacodyl Anthrachinone: Senna, Cascara NaCl, Magnesiumphosphat
20 ml Urin
Laxantienscreen im Stuhl
Rizinusöl, Magnesiumhydroxid, Phenolphthalein
Wie im Urin plus 20 ml flüssiger Stuhl
464
Kapitel 44 · Diarrhö SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
VI
⊡ Abb. 44.4. Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf Laxantienabusus
Rennen über gepflasterte Straßen. Eine intestinale Ischämie bedingt durch Umleitung des Bluts in die Skelettmuskulatur ist ebenfalls ein möglicher pathogenetischer Faktor.Über eine ischämische Kolitis nach Langstreckenlauf wurde berichtet. Ein Volumenmangel mag die ischämische Reaktion aggravieren. Einige Autoren berichteten über eine erhöhte Freisetzung von Neuropeptiden (Gastrin, VIP, Motilin) bei Langstreckenläufern. Manche Läufer nehmen prophylaktisch Loperamid oder auch nichtsteroidale Antirheumatika ein. Die Wirkung ist allerdings nicht gesichert. 44.5.10
Diarrhö bei Patienten auf Intensivstationen
Durchfälle sind bei Patienten auf Intensivstationen ein häufiges Problem. Die häufigsten Ursachen sind Antibiotika, andere Medikamente (Theophyllin, magnesiumhaltige Antazida, H2-Rezeptorenblocker und Zytostatika), enterale Ernährung mit hyperosmolaren Formuladiäten,Infektionen (z.B.pseudomembranöse Enterokolitis nach Antibiotikatherapie) und intestinale Ischämie. Antibiotika prädisponieren zur Diarrhö über mindestens 2 Mechanismen: ▬ Osmotische Diarrhö durch gestörte Fermentation von Kohlenhydraten.
▬ Sekretorische Diarrhö durch Cl.-difficile-Toxin ( s. Kap. 16).
Im Krankenhaus erwerben 20% der hospitalisierten Patienten Clostridium difficile, bei ca. 50% der Intensivpatienten mit Durchfällen unter Antibiotikatherapie liegt eine Cl.-difficile-Infektion vor. Tube-feeding-Syndrom. Das Tube-feeding-Syndrom ist ebenfalls häufig Ursache von Durchfällen bei Patienten auf Intensivstationen ( s. Kap 56). Als Ursache dafür kommen in Frage: hohe Osmolalität der Formula-Diät, zu rasche Applikation, Motilitätsveränderungen mit rascher Transitzeit, Zottenreduktion nach längerer alleiniger parenteraler Ernährung, präexistente Malabsorption, bakterielle Kontamination der applizierten Nährlösung. Da enterale Formuladiäten einen hohen Anteil an Kohlenhydraten enthalten, kann die Störung der Fermentation unter Antibiotika mit zum Auftreten von osmotischen Durchfällen beitragen. In der Regel besteht dann eine große osmotische Lücke, mit einem sauren Stuhl-pH. Teststreifen (Clinitest-Streifen) auf reduzierende Substanzen zeigen den Gehalt an Kohlenhydraten an. Therapie. Die therapeutische Maßnahme besteht in
der Reduktion der Gesamtzufuhr oder in der Verdün-
465 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nung der Nährlösungen. Insbesondere laktosehaltige Formuladiäten sollten vermieden werden.
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Kurzdarmsyndrom J. Stein 45.1
Ätiopathogenese
45.1.1 45.1.2 45.1.3 45.1.4 45.1.5
Ursachen – 467 Gastrale Hyperazidität – 467 Verlust der Ileozökalklappe – 467 Malabsorption und -digestion – 468 Adapationsmechanismen – 468
45.2
Klinik
45.2.1 45.2.2 45.2.3
Vitaminmangelzustände – 469 Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes – 469 Störungen des Säuren-Basen-Haushaltes – 470
45.3
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
45.4
Therapie
45.4.1 45.4.2 45.4.2
Phasengerechte Therapie – 470 Therapie bei Komplikationen – 472 Operative Verfahren – 472
Literatur
>>
– 467
– 469
– 470
– 470
– 477
Beim Kurzdarmsyndrom (KDS; engl. »short bowel syndrome«) handelt es sich um ein – infolge der Resektion quantitativ und/oder funktionell bedeutender Dünndarmabschnitte auftretendes – Malabsorptionssyndrom. Das Ausmaß der klinischen Erscheinungen hängt zum einen von der Länge des verbleibenden Restdarms, zum anderen aber vom Ort der Resektion ab. Das KDS des Erwachsenen unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom KDS bei Kindern. So reichen bei Neugeborenen bereits 40 cm Dünndarm für das Überleben ohne Notwendigkeit einer langzeitparenteralen Ernährung. Bei vorhandener Ileozäkalklappe sind gar 15 cm ausreichend. Bei Erwachsenen muss hingegen mit einer langzeitparenteralen Ernährung gerechnet werden, wenn weniger als 70 cm Dünndarm verbleiben (<20% der Normallänge).
45
467 45.1 · Ätiopathogenese SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
45.1
Ätiopathogense
45.1.1
Ursachen
Zu den häufigsten Ursachen, die beim Erwachsenen zur Resektion von Teilen des Dünndarms führen, zählen M. Crohn, Störungen der intestinalen Durchblutung und der Darmvolvulus. Bei Kindern, insbesondere bei Neugeborenen stehen gastrointestinale Malformationen, Darmischämien und die nekrotisierende Enterokolitis im Vordergrund (3–5 Neugeborene/1.000 Geburten leiden an einem KDS). Quantitativ bedeutend sind auch traumatisch bedingte Darmnekrosen (⊡ Tabelle 45.1). 45.1.2
Gastrale Hyperazidität
Bereits bei einer Resektion von mehr als 30% des Dünndarms kommt es bei mehr als 50% der Patienten zur einer passageren (Wochen bis Monate) Zunahme der Magensekretion (gastrale Hyperazidität).Es findet sich jedoch weder für die Länge noch die Lokalisation (proximale oder distal der Resektion) eine eindeutige Korrelation. Als Ursache wird der vorübergehende Fortfall eines – direkt oder indirekt wirkenden – intestinalen Hemmstoffs (z. B. VIP, GIP) der Säuresekretion postuliert. Alternativ könnte ein verminderter Abbau oder eine vermehrte Bildung (GIP) eines Stimulators verantwortlich sein. So wurden postoperativ z. B. für Gastrin erhöhte Serumspiegel gemessen. Ursächlich wäre ein verminderter intestinaler Abbau denkbar. Neben einer Verkürzung der Kontaktzeit und einer daraus unzureichenden Durchmischung mit dem
⊡ Tabelle 45.1. Ursachen des Kurzdarmsyndroms beim Erwachsenen Vaskuläre Ursachen
Mesenterialarterien-, bzw. -venenthrombose, Volvulus, Inkarzeration des Darms
Entzündlichen Darmerkrankungen
M. Crohn, Enteritis necroticans, Strahlenschäden
Operationsfolgen
Jejunaler Bypassoperation, Trauma des Darms mit nachfolgender Resektion
Chymus, wird v. a. in der Anfangsphase der Inaktivierung von Pankreasfermenten als Folge der beschriebenen gastralen Hypersekretion eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Nach Resektion des proximalen Dünndarms finden sich für Cholezytokinin (CCK) und Sekretion deutlich erniedrigte Serumkonzentrationen, die im Sinne einer gestörten positiven Rückkopplung dann zu einer verminderten Stimulation der Bauchspeicheldrüse führen. Dagegen kommt der, v. a. nach Resektion des Duodenums gefundenen, Verminderung der Enterokinaseaktivität keine entscheidende Rolle zu. 45.1.3
Verlust der Ileozökalklappe
Der Verlust der Ileozäkalklappe führt über eine Beschleunigung der Nahrungspassagezeit und der damit verbundenen Abnahme der Kontaktzeit mit dem Chymus zu einer zusätzlichen Minderung der Resorptionskapzität des Darms (⊡ Tabelle 45.2). Der Verlust der Klappe führt zu einer Keimaszension und damit zu einer proximal fortschreitenden bakterielen Überwucherung des Dünndarms. Eine im Dünndarm stattfindende bakterielle Dekonjugation von Gallensäuren führt zu einer Verstärkung der Steatorrhö und Diarrhö.
⊡ Tabelle 45.2. Faktoren, die den klinischen Verlauf des Kurzdarmsyndroms beeinflussen. (Mod. nach [Shanbhogue 1994]) Günstig
Ungünstig
Verbliebene Dünndarmlänge
>20%
<20%
Resezierter Darm
Jejunum
Ileum
Ileozäkalklappe
Vorhanden
Entfernt
Kolon
Vorhanden
Entfernt
Begleitende Darmerkrankung (z. B. M. Crohn, radiogene Enteritis)
Fehlt
Vorhanden
Systemerkrankung (z. B. Sklerodermie, Amyloidose)
Fehlt
Vorhanden
Patientenalter
Erwachsen
Sehr hohes oder sehr geringes Alter
Zeit nach Resektion
>1 Jahr
<1 Jahr
468
45.1.4
VI
Kapitel 45 · Kurzdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Malabsorption und -digestion
Die Resorptionsleistung des verbliebenen Restdarms wird zum einen durch Lokalisation und Fläche der verbliebenen Abschnitte, zum anderen durch die Funktionsfähigkeit pro Fläche definiert. Letztere wird durch die Grunderkrankung selbst (z. B. Rezidiv eines M. Crohn), durch aus ihr resultierende Zusatzschäden (z. B. bakterielle Fehlbesiedlung, Medikamente) oder durch Sekundäreffekte einer Malabsorption (z. B. Vitamin-B12-Mangel) beeinflusst. Andererseits wird die Resorptionsleistung durch postoperative Adaptationsprozesse verbessert. Für die Resorptionsleistung von Kohlenhydraten, Eiweißen und mit einigen Abstrichen für Fett ist unabhängig vom resezierten Dünndarmabschnitt allein das Ausmaß der Resektion maßgebend. Auf das Jejunum kann am ehesten verzichtet werden, dies liegt an der normalerweise hohen »funktionalen Reserve« und der guten Adaptationsfähigkeit des Ileums. Dennoch können sehr ausgedehnte Resektionen (>50%) des mittleren Dünndarms zur Malabsorption von Fett, Kohlenhydraten, Eiweiß,Vitaminen (außer B12) sowie Wasser und Elektrolyten führen. Neben einer Laktosemalabsorption (schlechte Adaptation des Enzyms), sind Störungen der Folsäureresorption besonders häufig.Von den Spurenelementen scheinen Zink und Kupfer besonders betroffen. Einerseits führt der Verlust der resorbierenden Oberfläche per se zum Auftreten einer Malabsorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K),anderseits wirkt der mit einer Resektion des Ileums einhergehende Gallensäureverlust agravierend. Bereits eine Resektion von mehr als 25 cm des terminalen Ileum (funktionelles KDS) kann zu einem Verlust von Gallensäuren in das Kolon führen.Eine Konzentration von Gallensalzen >3 mmol/l führen im Kolon zu einer Erhöhung der Permeabilität der »tight junctions«,verbunden mit einer gesteigerten Sekretion von Wasser und Elektrolyten. Die Folge sind wäßrige Diarrhön (chologene Diarrhö). Bei über 50 cm Resektion des terminalen Ileum kann es infolge gesteigerter Gallensalzverluste zu einer Unterschreitung der kritischen mizellären Konzentration und somit zur Steatorrhö kommen. Ab einer Restlänge von 50–100 cm beginnt der Gallensäureverlust die kompensatorisch gesteigerte Lebersynthese zu übersteigen und führt zunehmend zu einer Abnahme des Gallensäurepools sowie der Konzentration von Gallensäuren im Duodenum. Es kommt zur Beeinträchtigung der Mizellenbildung mit eingeschränkter Emulgierung von Fett. Zudem wird
das pH-Optimum für Lipase verschoben. Es kommt zur Ausbildung einer lithogenen Galle mit Prädisposition zur Cholelithiasis. Die vermehrt in den Dickdarm gelangenden Gallensäuren führen über Komplexierung von Kalzium zudem zu einer vermehrten Oxalsäuresorption, was das gehäufte Auftreten von Oxalatsteinen bei Patienten mit KDS erklärt.Liegt eine Steatorrhö vor, wird die Resorption von Kalzium und Magnesium durch Seifenbildung (Kalkseifenbildung) im Lumen zusätzlich vermindert. 45.1.5
Adaptationsmechanismen
Postoperativ finden im gesunden Restdarm sowohl strukturelle als auch funktionelle Adaptationsvorgänge statt, die bei distaler Dünndarmresektion geringer sind als bei proximaler [Alpers 2002]: ▬ Steigerung der Proliferationsrate der epithelialen Krypten, ▬ Zunahme von Kryptentiefe und Zottenhöhe, ▬ Dilatation und Elongation der verbleibenden Darmabschnitte. Aus den morphologischen Änderungen resultieren eine Verlängerung der intestinalen Transitzeit, eine Zunahme der resorbierenden Oberfläche und des Enzymbesatzes pro Längeneinheit, verbunden mit einer Verbesserung der Nährstoffresorption. Verschiedene Faktoren sind an dem Mechanismus der Adaptation beteiligt. Von essenzieller Bedeutung ist das intraluminale Angebot von Nährstoffen und die Sekretion biliärer und pankreatischer Enzyme. Die intestinale Adaptation verläuft in der Regel in 3 Phasen (⊡ Tabelle 45.3) Die unmittelbare postoperative Phase ist geprägt von enormen Flüssigkeitsund Elektrolytverlusten. Je nach Ausmaß der Resektion sind Flüssigkeitsverluste bis 5 l/Tag, bei Jejunostomiepatienten sogar 6–8 l/Tag zu beobachten. Diese Phase der Hypersekretion kann bis zu 2 Monate (in Einzelfällen auch länger) andauern und ist durch die unzureichende Nährstoffabsorption geprägt von Elektrolytentgleisungen, Vitaminmangelzuständen und Gewichtsabnahme. Die Phase der intestinalen Adaptation tritt ab dem 3. postoperativen Monat ein und dauert in der Regel bis zu 1 Jahr. In dieser Phase sollten die Flüssigkeitsverluste auf weniger als 2,5 l zurückgehen. Die Dauer bis zur maximalen Adaptation kann mehrere Jahre betragen. In der Regel werden in einem Zeitraum von 2 Jahren 90–95% des Adaptationspotentials der Restdarmabschnitte erreicht. In der Phase der Stabilisation gehen Diarrhöen
469 45.2 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
45
⊡ Tabelle 45.3. Phasengerechte Therapie des Kurzdarmsyndroms Phase 1 (Hypersekretion)
Totalparenterale Ernährung, H2- oder Protonenpumpenblocker, Octreotid, enterale Zufuhr isotoner Lösungen zur Stimulation des Restdarms
Phase 2 (Adaptation)
Langsamer überlappender Kostaufaufbau, Gabe von Glutamin und Wachstumshomonen, MCT-Fette, Cholylsarcosin bei Steatorrhö, Antidiarrhöika, H2- oder Protonenpumpenblocker, Octreotid
Phase 3 (Maximum der Adaptation = Stabilisation)
Mischkost: langsamer Beginn mit ca. 400 kcal/Tag und Steigerung um 200 kcal/Tag, häufig kleine Mahlzeiten, ggf. weitere bedarfgerechte (enteral oder parenteral) Substitution essenzieller Makro- und Mikronährstoffe
und Steatorrhö infolge zunehmender Adaptation zurück. 45.2
Klinik
Das Kurzdarmsyndrom äußert sich klinisch als globales Malabsorptionssyndrom, dessen Symptomatologie und Ausprägung durch Ausmaß und Lokalisation der Resektion, der zugrundeliegenden Erkrankung und den zeitlichen Abstand zur Operation bestimmt wird. 45.2.1
Vitaminmangelzustände
Eine Vitamin-B12-Malabsorption ist häufig bereits nach Resektionen von mehr als 50 cm des terminalen Ileums zu verzeichnen. Die Resektion der Ileozäkalklappe führt zu einer weiteren Verkürzung der intestinalen Transitzeit und birgt das Risiko einer bakteriellen Besiedlung des Dünndarms mit der Gefahr einer zusätzlichen Dekonjugation von Gallensäuren und Abbau des Vitamin-B12-intrinsic-factor-Komplexes. Die daraus resultierende perniziöse Anämie manifestiert sich in Form einer megaloblastären Anämie, Thromobozytopenie und Hunter-Glossitis (Lackzunge) sowie neurologische Störungen im Sinne einer funikulären Myelose (nicht bei Folsäuremangel).Das Auftreten einer Polyneuropathie als Folge eines Thiamin und Riboflavinmangels ist beschrieben. Direkte Folge der Fettresorptionsstörung ist der Mangel an fettlöslichen Vitaminen. Unbehandelt kommt es zum Auftreten von Nachtblindheit (Vitamin A), Gerinnungsstörungen (Vitamin K) und, im
weiteren Verlauf, zu Knochenstoffwechselstörungen (Vitamin D) bis hin zur Osteoporose. 45.2.2
Störungen des Wasserund Elektrolythaushaltes
Quantitative (geringe resorbierende Oberfläche) und qualitative (Kalkseifenbildung bei Steatorrhö) Störungen der Kalziumresorption führen zum Auftreten einer z. T. ausgeprägten Hypokalzämie, die sich klinisch in Parästhesien bis hin zu Tetanien mit Karopedalspasmen und tonisch klonischen Krämpfen äußert. Zentrales Problem bei Patienten mit Jejunostomie stellt das Management großer Wasser-,Elektrolyt- insbesondere von Magnesiumverlusten dar [Miranda 2000, Ross 2001]. Bei einer jejunalen Restlänge von >100 cm (Stomaverlust <2 l/Tag) erlaubt die vorhandene resorptive Kapazität eine ausreichende orale Versorgung, d. h. die Patienten (»Absorber«) sind in der Lage ihre täglichen Stomaverluste bei entsprechender Versorgung oral zu kompensieren. Demgegenüber sind Patienten mit einer Restdarmlänge <100 cm (Stomaverlust >3 l/Tag) ständig auf eine parenterale Substitution angewiesen (»Sekreter«). Die bei Jejunostomieträgern fast regelmäßig auftretende Magnesiummangel äußert sich klinisch durch vermehrte Müdigkeit, Depression und allgemeiner Muskelschwäche. Kalium treten aufgrund einer kompensatorisch gesteigerten Resorptionsfähigkeit erst ab einer Jejunumlänge <50 cm auf. Bei Patienten mit einem KDS und erhaltener Kolonpassage kommt es unmittelbar postoperativ zunächst nur zu einer geringen klinischen Symptomatik. Erst im weiteren Verlauf kommt es zu Auftreten einer Malnutrition und weiterer z. T. typischer Komplika-
470
Kapitel 45 · Kurzdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
tionen, die auf die reduzierte resorptive Kapazität des Kolons v. a. für Makronährstoffe sowie die bakterielle Besiedlung dieses Darmabschnittes zurückzuführen sind. 45.2.3
VI
Störungen des Säuren-BasenHaushaltes
Laktatazidose Die eher seltene, dann aber oft übersehene D-Laktatazidose wird nur bei Patienten mit erhaltenem Kolon beobachtet [Godey 2000].Ursache ist eine erhöhte Zufuhr raffinierter Kohlenhydrate, die bei Übertritt in den Dickdarm durch Bakterien zu kurzkettigen Fettsäuren und Laktat abgebaut werden. Die damit verbundene Senkung des Kolon-pH begünstigt das Wachstum grampositiver, säureresistender Anaerobier (Bifidobacterium, Lactobacillus, Eubacteriaceae), die ebenfalls D-Laktat produzieren. Da D-Laktat vom Menschen nicht ausreichend metabolisiert werden kann, stellt sich eine D-Laktatazidose, verbunden mit neurologischen Symptomen wie Sehstörungen, Verwirrtheit und Gangunsicherheit ein.Den Patienten wird daraufhin oftmals fälschlicherweise Alkoholabusus unterstellt. Die Diagnose erfolgt durch Bestimmung des DLaktats im Blut (beweisend >3 mmol/l, normal <0,5 mmol/l). Das nach distaler Dünndarmresektion auftretende Gallensäurenverlustsyndrom führt zum Auftreten von Gallen- und Nierensteinen. Gallensteine werden bei ca. 30%, Nierensteine bei etwa 10% der Patienten beobachtet. 45.3
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
Die Diagnose wird durch den Nachweis eines Malabsorptionssyndroms gestellt. Die weitere Diagnostik dient dann der Quantifizierung von Störungen,die für die klinische Symptomatik mitverantwortlich sind. Erster Schritt ist die Quantifizierung und Charakterisierung der Diarrhö durch Messung der Stuhlentleerungen/Tag, des Stuhlgewichtes und des Stuhlfettgehaltes. Zur Erfassung früh auftretender Mangelzustände dient die Messung der Serumkonzentrationen von Folsäure, Eisen (Ferritin), Kalzium, Phosphat und Kupfer.Zur Ermittlung des Magnesiumstatus dient die Ausscheidung im Urin nach i.v.-Belastung; die Serumkonzentration ist wenig aussagekräftig. Bei Vor-
liegen einer Steatorrhö sind Serumkonzentrationen fettlöslicher Vitamine (A,D,E,K) hilfreich.Zu den spät auftretenden Mangelzuständen, die oftmals unbeachtet erst nach Jahren klinisch manifest werden, zählen das Auftreten einer megaloblastären Anämie infolge eines Vitamin-B12-Mangels (die Speicherkapazität der Leber reicht für 8–12 Jahre), Knochenstoffwechselstörungen infolge von Störungen des Kalzium- und/oder Vitamin-D-Stoffwechsels sowie Nieren- und Gallensteinbildungen. 45.4
Therapie
Die Therapie des KDS beruht je nach Resektionsausmaß und in Abhänigkeit von Stadium in einer je nach Adaptationstadium überlappenden bzw. kombinierten Therapie von (langzeit)parenteraler/enteraler Ernährung, ggf. mit medikantösen Zusätzen bzw. einer chirurgischen Behandlung ggf. unter Einbeziehung der Dünndarmtransplantation [Scolapio 2001]. 45.4.1
Phasengerechte Therapie
Phase der Hypersekretion Nach ausgedehnter Dünndarmresektion steht in der unmittelbaren postoperativen Phase (Phase der Hypersekretion) zunächst eine ausreichende, unter engmaschiger Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushaltes durchzuführende parenterale Ernährung (TPE) des Patienten im Vordergrund. Die Dauer der anfänglichen TPE ist dabei vom Ausmaß und der Art der Resektion abhängig.Die rasch anzustrebende Entwöhnung und der damit verbundene orale Nahrungsaufbau setzen einen ausreichenden Ernährungsstatus und das tolerieren einer oralen Kost voraus. In der initialen Phase adaptiert sich der verbliebene Restdarm (Adaptationsphase). Die sich anschließende zweite (Erhaltungsphase) hat zum Ziel, andauernde Funktionsstörungen durch geeignete Maßnahmen, wenn möglich, zu beseitigen bzw. in schwerwiegenden Fällen das Auftreten von Mangelerscheinungen zu verhindern [Scolapio 2001]. Adaptationsphase Diese Phase nimmt Wochen bis Monate in Anspruch. Sie ist durch die Übernahme von Funktionen des resezierten Darms durch den verbliebenen Restdarm gekennzeichnet.Ohne ein orales Nahrungsangebot erfolgt keine oder eine ungenügende enterale Adaptation. Eine rasche orale Nahrungsaufnahme ist daher
471 45.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
45
⊡ Tabelle 45.4. Therapeutische Interventionsmöglichkeiten beim Kurzdarmsyndrom Medikament
Dosierung (pro Tag)
Gastrale Hypersekretion
H2-Bocker (z. B. Sostril, Pepdul) Protonenpumpenblocker (z. B. Antra, Pantozol)
300 bzw. 40 mg p.o. bzw. i.v. 20–40 mg p.o./i.v.
Hypermotilitäta
Loperamid (Imodium) Kodein Diphenoxylat/Atropin (Lomptil) Tinctura opii
4–6 mg p.o. 30 mg p.o. 2,5–5 mg p.o. 10–60 mg p.o.
Sekretorische Diarrhö
Octreotide (Sandostatin) Budenosid (Entokort)
2- bis 3-mal 50–100 µg s.c 3¥3 mg p.o.
Bakterielle Über-/Fehlbesiedlung
Tetracycline (z. B. Doxycyclin)
2¥100 mg
Kompensiertes GSVS
Colestyramin
Bis 4 g p.o.
a
Sollten jeweils 1 Stunde vor der Mahlzeit und dem Schlafengehen eingenommen werden.
von zentraler Bedeutung. Sie sollte jedoch stets überlappend mit dem langsamen Abbau der TPE erfolgen. Beginnend mit Tee und klaren Suppen, erfolgt der Nahrungsaufbau über Anreicherung der Suppen mit Kohlenhydraten. Die Fette sollten mittelkettige Fettsäuren enthalten. In dieser Phase eignen sich auch Elementardiäten, die durch eine Pumpe und eine gastrale Sonde kontinuierlich und entsprechend langsam appliziert werden können ( s. Kap. 53). Um die Resorption zu optimieren, kann versucht werden, medikamentös die Nahrungspassagezeit zu senken und damit die Kontaktzeit im Darm zu verlängern. Wegen der durch die gastrale Hyperazitität drohenden Inaktivierung von Pankreasenzymen,sollte eine prophylaktische Gabe eines Säureblockers erfolgen (⊡ Tabelle 45.4).Die zusätzliche Gabe von Pankreasenzympräparaten kann in Pulver- oder Granulatform kann sich als hilfreich erweisen. Erhaltungsphase Nach Abschluss der oftmals Monate dauernden strukturellen und funktionellen Adaptationsprozesse des Restdarms,erfolgt zunächst eine Abschätzung der verbleibenden funktionellen Ausfälle und der Einleitung geeigneter Maßnahmen in Form einer bedarfgerechten Substitution von Makro- und Mikronährstoffen, die die Lokalisation des resezierten Dünndarmsabschnittes zu berücksichtigen hat.
Wichtig Grundsätzlich muss nach distaler Dünndarmresektion zwischen kompensierter (<1 m Ileum) und nichtkompensierter (>1 m Ileum) Gallensäuremalabsorption unterschieden werden, wozu die Bestimmung des Stuhlfettgehaltes dient.
Beim kompensierten Gallesäurenmalabsorption liegt eine chologene Diarrhö ohne wesentliche Steatorrhö vor, die durch Colestyramin behandelbar ist. Beim nichtkompensierten Gallensäureverlustsyndrom kommt es zum Auftreten einer deutlichen Steatorrhö, die durch Colestyramin noch verstärkt wird. In diesem Fall ist auf eine regelmäßige Substitution fettlöslicher Vitamine (derzeit in ausreichendem Maße nur i.v. möglich) unter Kontrolle ihrer Serumkonzentrationen sowie Blutbild- und Quick-Wert-Bestimmung zu achten. Fette sollten zu 50% in Form mittelkettiger Fettsäuren (MCT-Fette) gegeben werden (⊡ Tabelle 45.5).Ein neuer vielversprechender Therapieansatz in der Behandlung des Gallensäureverlustsyndroms besteht in der Gabe von Cholylsarcosin, einer konjungierten Gallensäure, die keinerlei segretagoge Wirkungen aufweist. Erste Studien zeigten bei einer Gabe von 4–6 g Cholylsarcosin/Tag eine deutliche Zunahme der Kalzium- und Fettresorption [GruyKapral 1999]). Der Stellenwert von Somatostatinanaloga (z. B. Octreotid) wird zunehmend kontrovers diskutiert (in
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Kapitel 45 · Kurzdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 45.5. Ernährungstherapie in Abhängigkeit der Resektion bei Kurzdarmsyndrom Patienten mit Jejunostomie Salzreiche Diät Oxalsäurearme, fettarme Diät; ggf. Ersatz des Fettes bis zu 50–75% durch MCT Vitamin-B12-Supplementation Supplementation von fettlöslichen Vitaminen, Kalzium, Magnesium, Zink
VI
Restjejunumlänge 100–150 cm Dauerhaft Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution i.v. Evtl. supplementäre enterale Ernährung Restjejunumlänge <100 cm Dauerhaft supplementäre parenterale Ernährung und/oder enterale Ernährung Patienten mit Jejuno-Kolon-Anastomose Oxalsäurearme, fettarme Diät; ggf. Ersatz des Fettes bis zu 50–75% durch MCT Vitamin-B12-Supplementation Supplementation von fettlöslichen Vitaminen, Kalzium, Magnesium, Zink Patienten mit Ileostomie Resektat >50 cm: Vitamin-B12-Supplementation Resektat >100 cm: Vitamin-B12-Supplementation; oxalsäurearme, fettarme Diät
der Adaptationsphase aufgrund der Antagonisierung von Wachstumshormen kontraindiziert). Dennoch kann ein Einsatz in der Intialphase (Phase der Hypersekretion) unter der Vorstellung der Hemmung der gastroduodenopankreatischen Flüssigkeitssekretion angezeigt. in jüngster Zeit werden verschiedene (Wachstums)hormontherapien mit und ohne Glutamin propagiert [Byrne 1995; Drucker 2002; Jeppesen 2001; LiLing 2001], von denen GLP-2 die nachhaltigste Wirkung zugeschrieben wird. 45.4.2
Therapie bei Komplikationen
Oxalatnephrolithiasis Zur Prophylaxe einer Oxalatnephrolithiasis sollte bei distaler Dünndarmresektion eine oxalatarme und kalziumreiche (1000–1200 mg/Tag) Diät eingehalten werden [Stein 2003].
Bakterielle Fehl-/Überbesiedlung Auf das Vorliegen einer bakteriellen Über/Fehlbesiedlung sollte insbesondere bei Resektion der Ileozäkalklappe geachtet werden. Die Diagnose erfolgt durch den Glukose-H2-Atemtest oder den aufwendigeren Direktnachweis im Dünndarmaspirat ( s. Kap. 23). D-Laktatazidose Die Therapie der D-Laktatazidose besteht im unmittelbaren Ausgleich der Azidose durch Bikarbonatgabe und Absetzen der enteralen Nahrungszufuhr.Der therapeutische Nutzen einer antibiotischen Therapie ist umstritten. Diätetisch erfolgt eine Einschränkung der Zufuhr raffinierter Kohlenhydrate. Der Mediator der neurologischen Symptomatik ist unklar,da die Infusion von D-Laktat bei Darmgesunden keinerlei neurologische Symptomatik nach sich zieht. Möglicherweise kommt bei Patienten mit KDS ursächlich das Fehlen eines weiteren Kofaktors in Betracht.Aufgrund der Ähnlichkeit zur Wernicke-Enzephalopathie wurde in jüngster Zeit die prophylaktische Gabe von Thiamin vorgeschlagen. 45.4.5
Operative Verfahren
Es wurden in der Vergangenheit eine Reihe verschiedener chirurgischer Techniken entwickelt, um Patienten mit einem KDS eine enterale Ernährung zu ermöglichen. Gemeinsames Ziel dieser Bemühungen war dabei, zum einen die Verlängerung der Nahrungspassagezeit und zum anderen die Vergrößerung der resorptiven Oberfläche. Ileozäkalklappenersatz Allen genannten Techniken (z. B. Denervierung von Darmabschnitten, Invagination zwischen Kolon und Dünndarm, submuköse Tunnelung) ist gemein, dass durch eine partielle Obstruktion des Dünndarms vor der Einmündung in den Dickdarm eine Klappenfunktion erzielt wird. Durch eine Reihe schwerwiegender Komplikationen, insbesondere infolge häufig auftretender Stenosen,aber auch durch den postopertiv oftmals rasch eintretenden Verlust der Klappenfunktion, konnte die Ileozäkalklappenrekonstruktion bislang klinisch nicht überzeugen. Antiperistaltische Dünndarmsegmente Durch eine nach oral gerichtete Peristaltik sowie eine Unterbrechung des intrisischen Nervenplexus wird versucht,die Kontaktzeit zwischen Nahrung und Restdünndarm zu verlängern. Häufig geht jedoch bereits
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nach einigen Monaten die oralwärts gerichtete Peristaltik verloren. Kurze antiperistaltische Segmente erwiesen sich als wenig effektiv, während lange Segmente zu einer Obstruktion führen. Die optimale Länge des Inversionssegmentes liegt bei 10 cm für Erwachsene und bei 3 cm bei Kindern.Die klinischen Ergebnisse sind uneinheitlich. Rezirkulierende Darmschleifen Sie erbrachten keine Verbesserung der Ernährungssituation bei Kurzdarmpatienten. Nahrungstase und bakterielle Überwucherung führten zu einer hohen Komplikationsrate, sodass diese Technik nicht weiter verfolgt wird. Koloninterposition Kolonsegmente können sowohl isoperistaltisch,proximal des verbleibenden Dünndarms,oder antiperistaltisch, distal des verbleibenden Restdünndarms eingefügt werden. Durch die langsamere Kolonperistaltik kommt es zu einer verzögerten Nahrungsabgabe an den Restdünndarm. Lange antiperistaltische Segmente führen allerdings häufig zu einer Obstruktion; zu kurze Segmente bleiben unwirksam.Insbesondere bei Patienten mit schneller Nahrungspassage und ausgeprägter Diarrhö erbrachte dieses Verfahren klinisch überzeugende Ergebnisse. In einigen Fällen wurde eine TPE überflüssig. Intestinales Pacing Über in die Dünndarmmuskularis eingepflanzte Elektroden wird hierbei versucht den Dünndarm zu stimulieren und so eine retrograde Peristaltik auszulösen. Initial vielversprechende an Hunden durchgeführten Untersuchungen ließen sich beim Menschen nicht wiederholen. Während beim Hund die Dünndarmperistaltik durch einen im Duodenum gelegenen Schrittmacher hervorgerufen wird, der durch Spaltung der Dünndarmmuskularis ausgeschaltet werden kann, finden sich beim Menschen die Schrittmacherpotentiale über die gesamte Länge des Dünndarms, was eine effiziente Unterdrückung des natürlichen Schrittmachers unmöglich macht. Neomukosabildung Die intestinale Mukosa besitzt die Fähigkeit, durch laterale Ausbreitung Defekte zu verschließen. Eine longitudinale Wachstumstendenz besteht hingegen nicht. Wird ein Dünndarmsegment längs aufgetrennt und z. B. auf die Kolonserosa vernäht, so kommt es durch Proliferation von Mukosazellen zur
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Bedeckung der Kolonserosa mit funktionierender Dünndarmschleimhaut. Ileummukosa weist dabei eine schnellere Wachstumstendenz als jejunale Mukosa auf. Begrenzt wird dieses, bisher nur im Tierexperiment erprobte, Verfahren durch eine postoperative Konstriktionstendenz der Neomukosa auf einen Bruchteil der ursprünglich gewonnenen Fläche. Daten zur Anwendung beim Menschen liegen nicht vor. Dünndarmverlängerung nach Längsspaltung Der dilatierte Dünndarm wird am Mesenterialansatz längsgespalten. Anschließend werden 2 Darmrohre gebildet,die hintereinander geschaltet werden.Die erneute Vergrößerung des Darmlumens führt dann sekundär zu einer Vermehrung der resorptiven Oberfläche. Bei Patienten mit stark dilatiertem Restdünndarm führt die dadurch erzeugte Darmverlängerung zu einer Verzögerung der Nahrungspassage und zu einer Verringerung einer bestehenden Diarrhö. Durch eine deutlich verbesserte Ernährungssituation konnte in den meisten Fällen auf eine TPE verzichtet werden [Thompson 1991]. Dünndarmtransplantition (DTX) Die DTX kommt für Patienten nicht in Frage, die die heimparenterale Ernährung problemlos tolerieren. Die Letalität und Morbidität für die meisten Patienten mit heimparenteraler Ernährung sind sehr gering und nehmen zzt. mit stetiger Entwicklung der Technik noch weiter ab. Die Indikation für eine DTX kommt zzt. nur für folgende Situation in Frage [Goulet 2000; Müller 2003): 1. Entwicklung einer Leberzirrhose unter parenteraler Ernährung; 2. Unmöglichkeit der Durchführung einer totalparenteralen Ernährung (TPE) durch Verlust von vaskulären Zugängen; 3. exzessiver gastrointestinaler Flüssigkeitsverlust, der eine permanente Hospitalisierung erforderlich macht. Da sich die die DTX noch in der Etablierungsphase befindet und insbesondere bei erhaltenem Resdarm die Lebensqualität unter TPN erstaunlich akzeptabel sein kann, wird der Zeitpunkt für die Indikation derzeit so gewählt, dass die Transplantation vor Ausbildung einer schweren Leberdysfunktion wie Leberzirrhose und bei Vorliegen von katheterbedingten Komplikationen wie Kathetersepsis oder- thrombose erfolgt [Müller 2003].
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Kapitel 45 · Kurzdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Die Kontraindikationen sind identisch mit denen anderer Organtransplantationen.
VI
Empfängervorbereitung Vor jeder Dünndarmtransplantation muss eine sorgfältige Evaluierung des Empfängers erfolgen. Dies beinhaltet die kritische Beurteilung, ob die TPE unter optimalen Bedingungen durchgeführt wird oder ob die Morbidität des Patienten (z. B. exzessive Flüssigkeitsverluste) durch Verbesserung der medikamentösen Therapie beeinflussbar ist.Bei Kindern ist von wesentlicher Bedeutung, inwieweit der Residualdarm in der Lage ist, unter enteraler Ernährung noch zu adaptieren. Diese Adaptation kann einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren beanspruchen. Da bei den Patienten in der Regel viele Voroperationen durchgeführt wurden, muss die vorliegende anatomische Situation durch radiologische bzw. endoskopische Untersuchungstechniken verifiziert werden. Wichtig Von wesentlicher Bedeutung ist die Beurteilung der Kapazität der Peritonealhöhle.
In Frage kommende Patienten haben in der Regel häufige abdominelle Voroperationen, die ein Schrumpfen der Bauchhöhle zur Folge haben.Dieses Problem kann durch die Einlage von Expandern angegangen werden. Liegt eine etablierte Leberzirrhose vor, so ist die Indikation für eine kombinierte Leber-DünndarmTransplantation gegeben. Die Aufklärung des Patienten bzw. der Familie erfordert u. a. die Vorbereitung auf einen prolongierten postoperativen Verlauf und Rehabilitation. Ist der Patient für eine DTX akzeptiert, wird eine selektive Darmdekontamination (SDD) begonnen. Spendervorbereitung und Donoroperation Im Idealfall sollte der Spender ca. 20% kleiner sein als der Empfänger. Die virologische Evaluation umfasst die Testung auf CMV, EBV, Herpes, Mumps, HIV und Hepatitis. Nur blutgruppenidentische und crossmatch-negative Spender werden akzeptiert. Der Spender erhät SDD in typischer Dosierung (4bis 5-aml/Tag: 80 mg Tobramycin + 100 mg Cholestinsulfat + 500 mg Amphotericin B pro 5 ml) über eine Magensonde sowie eine niedrigdosierte (ca. 25 ml/h) enterale Ernährung mit Immunonutrition. Die Perfusion des Transplantates wird mit 500 ml UV-Lösung über die infrarenale Aorta nach vorherge-
hender systemischer Heparinisierung und subdiaphragmalem Crossclamping durchgeführt. ! Cave Eine übermäßige Perfusion des Darms (>1/l) kann die Mikrovaskularisation erheblich schädigen, was nach Reperfusion zum Verlust der Villusepithelien führt [Müller 2003].
Für eine kombinierte Leber-Dünndarm-Transplantation müssen der Truncus coeliacus sowie die A. mesenterica superior präpariert werden, im Falle einer isolierten DTX muss die A. mesenterica superior mit einem entsprechenden Aortenkonduit gesichert werden. Die zusätzliche Entnahme von Gefäßen aus der Beckenregion empfiehlt sich, um entsprechende Verlängerungen der Gefäßanastomosen vornehmen zu können. Insgesamt beträgt die kalte Ischämietoleranz des Dünndarms 6–10 h. Empfängeroperation Aufgrund von multiplen Voroperationen kann sich die Empfängeroperation als extrem schwierig darstellen. Die Arterialisation des Transplantats erfolgt über eine End-zu-Seit-Anastomose auf die infrarenale Aorta. Die V. mesenterica superior eines Dünndarmtransplantats kann End-zu-End mit der V. mesenterica superior des Empfängers oder in End-zu-Seit-Technik zur Portalvene des Empfängers anastomosiert werden.Bei einer kombinierten Leber-Dünndarm-Transplantation erfolgt die Hepatektomie unter Erhalt der retrohepatischen inferioren V. cava. Die Implantation des neuen Organs erfolgt mit der Piggyback-Technik. Die Empfängerportalvene wird abschließend entweder zur inferioren V. cava oder zur Transplantatportalvene End-zu-Seit anastomosiert. Die intestinale Kontinuität wird durch entsprechende proximale und distale Anastomosen wiederhergestellt, wobei im distalen Bereich eine proximale doppelläufige Ileostomie vorgeschaltet wird (⊡ Abb. 45.1 und 45.2). Postoperatives Management, Abstoßungsprävention, Monitoring Die immunologische Situation der DTX ist durch die große Menge lymphatischen Gewebes und durch die Expression großer Mengen Klasse-II-Antigene auf der Oberfläche epithelialer Zellen charakterisiert.Dies bedingt eine hohe Rate an Abstoßungsepisoden. Durch die Einführung von FK506 (Tacrolimus) hat sich die Situation gebessert, trotzdem muss im Vergleich zur Lebertransplantation höher dosiert werden. Zusätzlich werden Methylprednisolon und Prostaglandin E1
475 45.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
45
⊡ Abb. 45.1. Empfängeroperation: Rekontruktion von A. und V. mesenterica superior auf die infrarenale Aorta direkt oder mittels A-iliaca-Interonat und V. mesentrica superior retropankreatisch End-zu-Seiz auf die V. portae. (Nach Müller et al. 2003)
appliziert (Quadruple-Immunsuppression ⊡ s. Tabelle 45.6).Tacrolimusspiegel (Vollblut) zwischen 20 und 25 ng/ml sollten angestrebt werden (anfänglich 0,15 mg/kgKG/Tag i.v.). Bei ausreichender Resorption wird die Umstellung von i.v.-Tacrolimus und Mycophenolat-Mofetil (MMF; 2¥0,5–1,0 g/Tag) auf oral durchgeführt. Als Ersatz (Nachfolge) von Antilym⊡ Tabelle 45.6. Quadruple-Immunsuppression nach Dünndarmtransplantation Immunsuppression
Dauer
Antilymphozytenpräparatea
5–7 Tage
Tacrolimus
Basisimmunsuppression
Mycophenolat-Mofetilb
Basisimmunsuppression
Prednisolon
Stufenschema
a
b
Alternativ wird zunehmend die Applikation eines Il-2-Rezeptorantagonisten empfohlen (z. B. Simulect, Daclizumab). Rapamycin als zukünftige Alternative.
phozytenpräparationen (ATG, ALG) werden zunehmend Il-2-Rezeptorantagonisten eingesetzt. Rapamycin könnte zukünftig anstelle von MMF eine potente immunsuppressive Kombination darstellen, die es erlaubt,Tacrolimus in weniger toxische Bereiche zu senken [Müller 2003]. Diagnostik und Therapie der akuten Abstoßung Um Abstoßungsepisoden, die sich klinisch mit Fieber, abdominellen Schmerzen, Erbrechen, wäßriger Diarrhö und Ileuszeichen manifestieren können, beherrschen zu können, sind endoskopische Biopsien an multiplen Stellen des distalen Dünndarms auf einer Strecke von wenigstens 30 cm erforderlich, um die Diagnose histologisch sicher zu verifizieren. Immunhistochemische Untersuchungen beinhalten die Färbung von CD3- und CD25-positiven Zellen,sie sind deutlich sensitiver als die Histolgie. Die Therapie der akuten Abstoßung erfolgt nach internationalen Standards und sollte ohne zeitliche Verzögerung erfolgen, da es mit Fortschreiten der Abstoßung zur Ausbildung einer Peritonitis mit Mikroperforationen des Dünndarms kommt: ▬ 3¥500 mg Urbason i.v. ▬ Bei Steroidresistenz: OKT3 (altenativ: ATG, ALG, Il-2–Rezeptorantagonisten).
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Kapitel 45 · Kurzdarmsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 45.2. Empfängeroperation: Interposition des Spenderdünndarms mit End-zu-End-Anatomose des Jejunums, End-zu-Seit-Anastomose des terminalen Ileums mit dem Kolon und Ileostomaanalage. Bei gutkalibriger Empfänger-V.-mesenterica kann die venöse Anastomose auch am Pankreasunterrand erfolgen. (Nach Müller et al.)
VI
Im Gegesatz zur akten Rejektion sind chronische Abstoßungen deutlich schwieriger zu diagnostizieren. Klinisch finden sich chronische Diarrhöen, Malabsorption sowie Gewichtsverlust. Graft-versus-Host-Disease (GvHD) Aufgrund der großen Menge an lymphatischem Gewebe, das im Falle des Dünndarms mittransplantiert wird, war befürchtet worden, dass es ähnlich der Knochenmarkstransplantation, zu einer hohen Rate an GvHD-Ereignissen kommt. Dies hat sich jedoch nicht bestätigt. Eine GvHD ist nach DTX sehr selten beobachtet worden. In jedem Falle sollten neu auftretende Hautveränderungen biopsiert werden, um eine GvHD histologisch zu verifizieren.
Infektionen Die Abstoßung,als ein universelles Phänomen mit der DTX assoziiert, bedingt eine Erhöhung der intestinalen Permeabilität und dadurch eine bakterielle Translokation mit nachfolgender Sepsis. Gleichzeitig wird im Falle der Abstoßung die Immunsuppression erhöht, was wiederum die Infektabwehr kompromittiert. Aus diesem Grund erhalten in der Regel die Patienten eine breiteste antibiotische Abdeckung sowie eine antifungale Prophylaxe mit Fluconazol. Zur CMV-Prophylaxe kommen Ganciclovir und Aciclovir zum Einsatz. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die CMV-Infektion des Dünndarms zum Verlust des Transplantates und zum Tod des Patienten führen kann. Die Symptome und histologischen Merkmale einer CMV-Enteritis kön-
477 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nen dabei eine Abstoßung imitieren. Aus diesem Grunde ist es notwendig, in allen Biopsien eine CMVInfektion mittels In-situ-Hybridisationstechnik auszuschließen. Um das Risiko einer CMV-Infektion zu minimieren, wird vorgeschlagen, wenn immer möglich, ausschließlich seronegative Spender zu verwenden. Im Rahmen der erhöhten Immunsuppression kann es zur »post transplant lymphoproliferative disease« (PTLD) kommen, die stark EBV-assoziiert ist und eine hohe Letalität aufweist. Das Zentrum mit der meisten Erfahrung auf dem Gebiet der DTX (Pittsburgh) hat eine PTLD-Rate von 9,3% zwischen 49 und 383 Tagen nach DTX mit einer 50%igen Letalitätsrate angegeben. Bei Vorliegen einer EBV-Infektion (EBVPCR-Titeranstieg) ist eine Hochdosistherapie mit Ganciclovir (2-mal 10 mg/kgKG) angezeigt, die bis zum Abfall des Titers ggf. über Monate weitergeführt werden muss. Ernährung Neben der nach größeren darmchirurgischen Eingriffen TPE, die über den 5. postoperativen Tag hinaus weitergeführt wird, sollte unmittelbar postoperative (ca.6 h) bereits mit einer enteralen Ernährung – wenn möglich in Form einer Immunonutrition begonnen werden, was zu einer schnelleren Reparatur (Minimierung) des Reperfusionsschaden und einer zügigen Normalisierung der Transplantatfunktion führt [Müller 2003].
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Obstipation S. Müller-Lissner 46.1
Definition und Epidemiologie
46.2
Ätiologie und Pathogenese
46.2.1 46.2.2 46.2.3 46.2.4
Allgemeine Lebensweise und Ernährung – 479 Verzögerter Kolontransit – 480 Funktionelle Obstruktion des Anorektums – 481 Psyche – 483
46.3
Klinik und Diagnostik
46.4
Therapie
46.4.1 46.4.2 46.4.3 46.4.4
Basisbehandlung – 484 Laxantien – 485 Prokinetika – 486 Biofeedback-Training – 486
46.5
Schlussbemerkung
Literatur
>>
– 479 – 479
– 483
– 484
– 488
– 488
Der Begriff »Obstipation« bezeichnet verschiedene Symptome und ist insofern unscharf. In Umfragen bezeichnen sich 10–20% der Bevölkerung als verstopft, aber nur 1/4 von ihnen hat eine niedrige Stuhlfrequenz [Everhart 1989]. Einige Patienten befürchten schädliche Folgen durch die lange Verweildauer des Stuhls im Körper und sind tatsächlich durch die niedrige Stuhlfrequenz beunruhigt. Die meisten aber geben als Hauptbeschwerde ein abdominelles Unwohlsein an Tagen ohne Stuhlentleerung und/oder die Notwendigkeit zum heftigen Pressen zur Stuhlentleerung an.
479 46.2 · Ätiologie und Pathogenese SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
46.1
Definition und Epidemiologie
Die funktionellen Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts finden seit dem Internationalen Kongress in Rom 1988 vermehrt Beachtung. Damals wurden diagnostische Kriterien (»Rom-Kriterien«) und Empfehlungen zum diagnostischen und therapeutischen Vorgehen erarbeitet. Diese zunehmend Verbreitung findenden Kriterien wurden 1998 revidiert [Thompson 1999]. Danach sollen für die »Diagnose« Obstipation wenigstens 2 der folgenden Symptome für mindestens 3 Monate innerhalb des vergangenen Jahres vorliegen: 1. heftiges Pressen bei wenigstens 25% der Defäkationen, 2. knollige oder harte Stühle bei wenigstens 25% der Defäkationen, 3. Gefühl der inkompletten Entleerung bei wenigstens 25% der Defäkationen, 4. Gefühl der analen Blockierung bei wenigstens 25% der Defäkationen, 5. manuelle Manöver zur Stuhlentleerung bei wenigstens 25% der Defäkationen, 6. zwei oder weniger Entleerungen pro Woche.
46.2
46
Ätiologie und Pathogenese
Zur Obstipation führende Pathomechanismen finden sich auf verschiedenen Ebenen, z. B. der Ernährung, der Darmmotilität und der Defäkation.Die Festlegung der Relevanz eines einzelnen Befundes für die Symptomatik ist bisweilen schwierig. Der Differenzierung in organische und funktionelle Formen der chronischen Obstipation kommt wenig praktische Bedeutung zu. 46.2.1
Allgemeine Lebensweise und Ernährung
Bei der Klage über Verstopfung wird der Arzt meist mit der chronischen Obstipation konfrontiert. Die akute funktionelle Obstipation, z. B. auf Reisen oder durch Bettlägerigkeit,sind selten Anlass zur ärztlichen Konsultation. Beim Nichtobstipierten kann körperliche Bewegung einen Stuhlreiz auslösen. Ambulante chronisch Obstipierte sind jedoch nicht weniger körperlich aktiv als Gesunde [Klauser 1992]. Wichtig
Der Begriff akute Obstipation ist nicht einheitlich definiert.Er umfasst das Ausbleiben des Stuhlgangs über mehrere Tage bei vorher häufigerem Stuhlgang. Bei begleitenden Zeichen eines Ileus sollte man aber nicht von akuter Obstipation sprechen. Epidemiologie. Die Obstipation ist eine der verbrei-
tetsten gastrointestinalen Erkrankungen . Die Prävalenzrate wird mit 2% angegeben und 1,2% aller Arztkonsultationen in den USA erfolgen aufgrund von Obstipation. Die Häufigkeit der Obstipation nimmt mit dem Alter zu und steigt nach dem 75. Lebensjahr expotenziell an. Sie tritt 3-mal häufiger bei Frauen als bei Männern auf. Sie ist bildungs- und einkommensabhängig, vermehrt bei Patienten mit niedrigem Einkommen sowie einem Mangel an formeller Ausbildung, als Hinweis darauf, dass Umgebungsfaktoren an der Entwicklung einer Obstipation beteiligt sind. In den USA nehmen 15% der Frauen und 2% der Männer regelmäßig Abführmittel und in Deutschland werden ca. 150 Mio. EUR jährlich für freiverkäufliche oder verschreibungspflichtige Laxanzien ausgegeben.
Empfehlungen an Obstipierte, sich mehr zu bewegen, sind daher weder logisch noch in ihrer Wirksamkeit belegt.
Schon Hippokrates und dem im 13. Jahrhundert tätigen persischen Arzt Hakim war bekannt, dass die Ballaststoffzufuhr beim Gesunden eine wichtige Determinante der Kolonfunktion ist. Die Hypothese, dass die sog. Zivilisationskrankheiten durch den Rückgang des Ballaststoffverzehrs in den letzten 100 Jahren bedingt seien, stammt aus den 1950er Jahren. Der Ballaststoffverzehr schwankte in der früheren Geschichte der Menschheit allerdings wesentlich stärker als im letzten Jahrhundert: Während Homo habilis als Sammler vor 2 Mio. Jahren mit ca. 90% einen ähnlich großen Anteil seiner Nahrung aus Pflanzen deckte wie die Menschen nach der Etablierung des Ackerbaus, nahm Homo sapiens als Jäger rund 50% seiner Kalorien in Form von Fleisch zu sich. Unsere Nahrung hat einen Anteil von immerhin ca. 80% Vegetabilien. Zwar ist es möglich, durch faserarme Kost bei Gesunden leichte Obstipationsbeschwerden zu erzeugen, eine vergleichende Diätanalyse zeigt aber keinen Unterschied im Ballaststoffverzehr zwischen Obstipierten und Kontrollpersonen [Klauser 1992].
480
Kapitel 46 · Obstipation SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Obstipierte haben im Mittel verminderte Stuhlgewichte und verlängerte Transitzeiten, ob sie nun mit faserreicher Kost ernährt werden oder nicht [Müller-Lissner 1988].
Verzögerter Kolontransit
46.2.2
VI
Bei einem Teil der Obstipierten lässt sich ein verzögerter Transit nachweisen, der auch durch hohe Ballaststoffzufuhr nicht wesentlich zu beeinflussen ist. In spezialisierten Zentren betrifft dies rund 50% der Patienten. Diese Patienten haben weniger häufig Kontraktionswellen im Kolon, die den Darminhalt in Richtung Anus transportieren (sog. »mass movements«). In manchen Fällen liegt eine endokrine oder neurologische Krankheit vor oder es handelt sich um eine unerwünschte Arzneimittelwirkung (⊡ Tabelle 46.1). In den meisten Fällen ist die Ursache unklar. Mögliche endokrine Ursachen der Obstipation
Hypophysenvorderlappeninsuffizienz Hypothyreose Hypoparathyroidismus Phäochromozytom Schwangerschaft Zweite Zyklushälfte
Die Bedeutung hormoneller Ursachen wird gemeinhin überschätzt. Rund 50% der prämenopausalen Frauen berichtet über selteneren Stuhlgang in der 2. Zyklushälfte, die objektive Transitverzögerung ist jedoch gering. Von den neurologischen Ursachen sind der M. Parkinson und Querschnittslähmungen besonders erwähnenswert.Der M. Parkinson geht sowohl mit einer Transitverzögerung als auch einer Defäkationsstörung durch gestörte Relaxation des Sphinkters einher, zusätzlich bremsen die dopaminergen und anticholinergen Parkinsonmedikamente den Darmtransit. Die Bedeutung der viszeralen Neuropathie beim Diabetes mellitus zeigt sich in einer Verdoppelung der Häufigkeit der Obstipation bei Diabetikern mit vs. ohne Neuropathie. Ursächlich liegt dem ein Verlust der nahrungsinduzierten sigmoidalen Motilität (»gastrokolischer Reflex«) zugrunde. Auch nach Querschnittslähmung bleibt dieser »Reflex« aus,da er über die Nn.splanchnici pelvini geleitet wird. Allerdings besteht hier durch die Schädigung des ersten Motoneurons eine zusätzliche Entleerungsstörung durch Spastik des äußeren Sphinkters. Idiopathisches Megakolon und Megarektum Bei einer kleinen Untergruppe der Patienten lässt sich eine Dilatation des Kolons, des Rektums oder beider darstellen, die nicht durch eine fassbare Obstruktion verursacht sind. Als Grenzweite gelten 6,5 cm, jedoch sind beim Megakolon und Megarektum Durchmesser um oder über 10 cm die Regel [Gattuso 1997A]. Die Muscularis propria ist erstaunlicherweise verdickt [Gattuso 1997].
⊡ Tabelle 46.1. Medikamente, die häufig eine Obstipation verursachen, und die adäquate therapeutische Konsequenz Obstipierendes Medikament
Maßnahmea
Antihypertensiva (Kalziumantagonisten, Clonidin)
Änderung des Wirkprinzips (z. B. ACE-Hemmer, b-Blocker)
Antidepressiva (tri- und tetrazyklische)
Serotoninwiederaufnahmehemmer
Antazida (kalzium- und aluminiumhaltig) bei Refluxkrankheit der Speiseröhre
Säuresekretionshemmer
Eisenpräparate
i.m./i.v.-Applikation oder Laxantien
Antazida (kalzium- und aluminiumhaltig) zur Phosphatbindung bei Dialysepatienten
Laxantien
Antiepileptika
Laxantien
Opiate
Laxantien
Parkinsonmittel (anticholinerg oder dopaminerg)
Laxantien
a
Bei manchen Medikamenten ist ein Präparatewechsel sinnvoll, bei anderen nur die zusätzliche Gabe eines Abführmittels. Natürlich ist zunächst zu prüfen, ob das Medikament abgesetzt oder die Dosis reduziert werden kann.
481 46.2 · Ätiologie und Pathogenese SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
46.2.3
46
Funktionelle Obstruktion des Anorektums
Im Gegensatz zur mechanischen Obstruktion des Darmlumens durch z. B.Neoplasien können Formveränderungen des Anorektums und des Beckenbodens sowie Störungen der Sphinkterfunktion zu einer funktionellen Obstruktion des Defäkationsweges und damit zur Obstipation führen (⊡ Tabelle 46.2). Sie können nur mit funktionellen Untersuchungsmethoden erkannt werden (funktionelle proktologische Untersuchung, Defäkographie), nicht mit den traditionellen morphologischen Verfahren (Koloskopie, Kolonkontrasteinlauf).Sowohl die Auslösung des rektoanalen Inhibitionsreflexes als auch die subjektive Wahrnehmung der Rektumfüllung sind Voraussetzungen für eine ungestörte Defäkation. Entsprechend leistet eine Hyposensibilität des Rektums auf Dehnungsreize einen Beitrag zur Obstipation. Dies verschlechtert die Situation beim langsamen Transit, der ja durch die längere Verweildauer zu kleineren Stuhlvolumina und härterer Stuhlkonsistenz führt. Solche Schafskotstühle sind schwieriger zu entleeren. Sphinkterfunktionsstörungen Das aganglionäre Segment des Kolons ist ein zwar seltenes, aber recht bekanntes pädiatrisches Krankheitsbild (M. Hirschsprung). Durch das Fehlen der intramuralen Ganglien erschlafft das Kolon nicht und hemmt dadurch die Stuhlpassage aus den höheren Kolonabschnitten. Das befallene Segment kann so kurz sein, dass es nur das untere Rektum mit dem inneren Analsphinkter betrifft und daher in der konventionellen Röntgenuntersuchung des Kolons nicht erkannt werden kann. Da die Funktionsstörung nicht so massiv ist wie beim Befall eines längeren Segmentes, wird die Diagnose u. U. erst spät gestellt. Wenn die Defäkation durch die Bauchpresse unterstützt werden soll, muss der Patient die Bauchmuskulatur kontrahieren, die Beckenbodenmuskeln aber relaxiert halten. Manche Patient(inne)n kontra-
⊡ Abb. 46.1. Schematische Darstellung der rektalen Formveränderungen beim Pressen bei Normalbefund (links), Bekkenbodensenkung (Mitte) und paradoxer Sphinkterkontraktion (rechts). Hellgrau: Ausgangszustand; schraffiert: während Entleerung des Rektuminhalts; dunkelgrau: entleertes Rektum. Bei Beckenbodensenkung wird der abdominelle Druck teilweise zur Dehnung des Beckenbodens verbraucht und kommt nicht der Stuhlentleerung zugute
hieren aber beim Betätigen der Bauchpresse auch den äußeren Sphinkter und blockieren dadurch den Defäkationsweg (Dyssynergie des Beckenbodens; Anismus; o«utlet obstruction«; ⊡ Abb. 46.1). Es handelt sich somit um den falschen Gebrauch eines gesunden Muskels. Wann oder wodurch dieser fehlerhafte Gebrauch erlernt wird, ist unklar. Die Dyssynergie des Beckenbodens ist öfters mit einem langsamen Kolontransit kombiniert. Ein Problem dieser Störung liegt darin, dass es keinen positiven Beweis für die Diagnose gibt. Zwar kann die paradoxe Kontraktion des Sphinkter externus auf verschiedene Weise demonstriert werden (⊡ Tabelle 46.3). Es kann sich aber um ein Artefakt handeln, weil der Patient sich im Untersuchungslabor nicht so entspannt verhält wie auf der häuslichen Toilette.Dies wird dadurch unterstrichen, dass sich manometrisch auch bei einem Teil der Patienten mit Inkontinenz und bei Gesunden eine paradoxe Kontraktion findet [Vorderholzer 1997]. Die Störung wird in manchen Zentren selten diagnostiziert, in anderen macht sie 1/3 der Obstipierten aus. Die Verwendung einer ambulanten Druckmesseinheit senkte die Häufigkeit der Diagnose Anismus
⊡ Tabelle 46.2. Mechanismen und Ursachen der funktionellen anorektalen Obstruktion Betroffene Struktur
Störung (Name)
Pathophysiologischer Mechanismus
Innerer Sphinkter Äußerer Sphinkter Rektumwand, zirkulär Rektumwand, meist vorn Beckenboden
M. Hirschsprung Dyssynergie des Beckenbodens, Anismus Intussuszeption Rektozele Beckenbodensenkung
Keine Relaxation Paradoxe Kontraktion Luminale Obstruktion Druckverschwendung Druckverschwendung
482
Kapitel 46 · Obstipation SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 46.3. Synopse der anorektalen Funktionstests mit ihren Ergebnissen bei Dyssynergie des Beckenbodens (Anismus)
VI
Test
Normalbefund
Bei Anismus
Inspektion beim Pressen
Leichte Senkung des Anus
Retraktion
Digitale Untersuchung
Keine Änderung/Erschlaffung
Kontraktion
Manometrie
Relaxation
Kontraktion
EMG
Sistieren der Aktivität
Zunahme
Ballonexpulsionstest
Expulsion
Keine Expulsion
Defäkographie
Öffnung des Analkanals; Zunahme des anorektalen Winkels; Entleerung, praktisch komplett
Analkanal bleibt geschlossen; Winkel gleich oder kleiner; dorsale Inzisur (M. puborectalis); keine oder geringe Entleerung
um 80%! Es ist daher sicher falsch, aufgrund einer paradoxen Sphinkterkontraktion in einem einzigen Verfahren und ohne wiederholte Aufklärung über »korrektes Pressen« die Diagnose »Dyssynergie des Beckenbodens« zu stellen. Auf die (unwillkürliche) Spastik des äußeren Sphinkters bei M. Parkinson und Schädigung des ersten Motoneurons z. B. bei Querschnittsläsionen wurde bereits hingewiesen. Formveränderungen Beim Einsatz der Bauchpresse zur Defäkation kann es bei mangelhafter Fixierung des Rektums zum teilweisen Prolaps des Rektums ins Rektumlumen kommen (innerer Rektumprolaps). Das invaginierte Darmsegment kann eine Rektumfüllung simulieren,sodass der Patient Stuhldrang verspürt und zu defäzieren versucht. Da dieser Versuch erfolglos ist, vermittelt er das Gefühl der inkompletten Entleerung. Die mechanische Schädigung der invaginierten Darmwand wird als Ursache des solitären Rektumulkus betrachtet. Die dauernde Traumatisierung durch den Prolaps verursacht Veränderungen der Darmwand, die bis zum Ulkus führen können, aber nicht müssen (Syndrom des solitären Rektumulkus; SRUS). Charakteristisch ist eine Verdickung der Rektumwand, v. a. der inneren zirkulären Muscularis propria. Die beiden Muskelschichten können separiert sein, nodulär verdickt und in Bündeln verlaufen.z.T.strahlt Muskulatur zwischen die u. U. zystisch erweiterten Drüsenschläuche ein [Kang 1996]. Der innere Prolaps gilt als die häufigste Ursache chronischer rektaler Ulzerationen [Levine 1987]. Bei Frauen findet sich häufig eine vordere Rektozele. Größere Zelen leisten einerseits einem Prolaps
der Rektumvorderwand Vorschub. Andererseits können sie die Defäkation dadurch stören, dass der beim Pressen aufgewandte Druck vollständig zur Dehnung der Rektozele nach außen verbraucht wird und nicht der Aufweitung des Analkanals und der Stuhlaustreibung zugute kommt (⊡ Abb. 46.2). Ein Teil des Rektuminhalts bleibt in der Zele. Die Rektozele kann bei der digitalen Untersuchung getastet werden, ihre klinische Relevanz lässt sich aber am besten mittels Defäkographie darstellen [Ekberg 1990]. Da Rektozelen auch bei asymptomatischen Personen vorkommen [Shorvon 1989], muss eine Therapieentscheidung immer Klinik und Befund einbeziehen. Auch die abnorme Dehnbarkeit des Beckenbodens bei der Beckenbodensenkung verschwendet abdominellen Pressdruck ( s. Abb. 46.1).Ursachen sind Geburtstraumen und chronisches Pressen. Ein Dehnungsschaden des N. pudendus kann zusätzlich eine Stuhlinkontinenz bedingen.
⊡ Abb. 46.2. Schematische Darstellung der rektalen Formveränderungen beim Pressen bei Intussuszeption (links) und Rektozele (rechts). Grau: Ausgangszustand, schraffiert: nach maximal möglicher Entleerung des Rektuminhalts
483 46.3 · Klinik und Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
46
Stuhlimpaktion Wegen ihrer Häufigkeit insbesondere im pflegebedürftigen geriatrischen Krankengut verdient die Stuhlimpaktion (Koprostase) des Rektums besondere Erwähnung.Bei immobilen Patienten können sich aus größeren Stuhlmengen feste Klumpen (»Steine«; Koprolithen) im unteren Kolon bilden (⊡ Abb. 46.3). Die Obstruktion des Darmlumens kann bis zum mechanischen Ileus führen, der eine chirurgische Intervention erfordert. Das Rektum wird durch den impaktierten Stuhl oft so stark gedehnt, dass der rektoanale Inhibitionsreflex ausgelöst wird und der innere Analsphinkter dauerhaft relaxiert bleibt. Daraus resultiert eine Stuhlinkontinenz.An den Kotsteinen vorbei kann breiiger oder flüssiger Stuhl passieren (paradoxe Diarrhö). Die Situation wird häufig über längere Zeit verkannt; es wird eine echte Diarrhö vermutet,obwohl eine rektale Austastung des Enddarms eine einfache Diagnosestellung ermöglicht. 46.2.4
Psyche
Die Studien, die psychische Parameter bei Obstipierten untersuchten, kommen trotz Verwendung unterschiedlicher Skalen zu bemerkenswert ähnlichen Ergebnissen. Danach haben Obstipierte zwar insgesamt eine geringere Lebensqualität als Kontrollpatienten, dies ist aber vornehmlich auf die Patienten mit normalem Transit und Verdacht auf eine Defäkationsstörung zurückzuführen. Entweder beeinträchtigen somit Defäkationsstörungen die Lebensqualität stärker, oder psychisch auffällige Patienten klagen häufiger über Missempfindungen bei der Defäkation. Im Gegensatz zum irritablen Darm liegen bei chronischer Obstipation keine Studien zur Psychotherapie vor, die zur Klärung dieser Frage beitragen könnten. 46.3
Klinik und Diagnostik
Wichtig ist, dass die Anamnese aktiv erhoben wird, da der Patient manche Symptome nicht spontan schildert. Besonderes Augenmerk muss dabei auf eine kürzliche Änderung der Symptomatik und sog. »Alarmsymptome« gerichtet werden, da beide Hinweise auf eine »organische« Erkrankung sind und eine entsprechende Diagnostik verlangen. Ansonsten kann die Diagnostik bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten recht sparsam gehalten werden. Bei der klinischen proktologischen Untersuchung soll der Patient auch angehalten werden, zu
⊡ Abb. 46.3. Stuhlimpaktion. Ihre Folgen beruhen teils auf der Obstruktion des Darmlumens, teils auf der dauernden Dehnung des Rektums, die zu einer permanenten Erschlaffung des inneren Analsphinkters führt und teils auf druckinduzierter Schleimhautschädigung des Rektums und Entleerungsstörungen der Harnblase
pressen und den Sphinkter externus zu kontrahieren (»Zwicken«, »Kneifen«), da hierbei wichtige Informationen über Defäkationsstörungen erhoben werden können. Die Koloskopie ist indiziert, wenn eine organische Kolonerkrankung (Kolitis, Malignom) in Betracht kommt, zur Diagnostik bei chronischer Obstipation trägt sie nichts bei.Auch Laboruntersuchungen sind meist überflüssig. Die Symptomatik kann Anhaltspunkte dafür liefern, ob es sich eher um einen langsamen Transit oder um eine Defäkationsstörung handelt [Koch 1997]: Während seltener Stuhlgang und abdominelles Völlegefühl für die Transitstörung sprechen, weisen ein anales Obstruktionsgefühl und v. a. digitale Manipulationen wie Unterstützung des Damms oder einer Rektozele oder die digitale Ausräumung auf eine Defäkationsstörung hin (⊡ Tabelle 46.4). Der nächste diagnostische Schritt ist die hochdosierte Probebehandlung mit Ballaststoffen.Am besten
484
Kapitel 46 · Obstipation SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 46.4. Anamnestische Hinweise auf die unterschiedlichen Formen der chronischen Obstipation Pathomechanismus
Hinweise
Mangelnde Kolonfüllung
Ballaststoffarme Ernährung bei Diätanalyse »Pseudoobstipation« (als »nichtnormal« bewertetes Ausbleiben des Stuhlgangs in den ersten 1–2 Tagen nach laxantieninduzierter Darmentleerung)
Langsamer Kolontransit
Kein spontaner Stuhldrang Aufgetriebener Bauch, Völlegefühl Lange Anamnese Obstipierendes Arzneimittel Neurologische Erkrankung, z. B. diabetische Neuropathie Endokrine Ursache
Funktionelle anorektale Obstruktion
Gefühl der unvollständigen Entleerung des Rektums Blockierungsgefühl beim Pressen Heftiges Pressen trotz Stuhldrangs und weichen Stuhls Manuelle Unterstützung der Rektozele zur Entleerung Digitale Ausräumung
VI
eignen sich Weizenkleie und Präparate aus z. B. Flohsamen. Kleie ist billiger, letztere werden aber besser vertragen [Francis 1994]. Wenn darunter die Beschwerden ausreichend gebessert sind,so ist eine weitere Diagnostik nicht sinnvoll [Vorderholz 1997A]. Die Transitzeitmessung dient in erster Linie der Objektivierung der Angaben des Patienten, die hinsichtlich der Stuhlfrequenz recht zweifelhaft sein können. Die Behauptung, während der vergangenen Woche »praktisch überhaupt keinen Stuhlgang gehabt« zu haben, kann bei normaler Transitzeit leicht widerlegt werden. Die Messung lässt sich praktischerweise mit der hochdosierten Probebehandlung mit Ballaststoffen kombinieren, da sie ohnehin bei ballaststoffreicher Ernährung durchgeführt werden soll. Das Ergebnis liegt meist entweder eindeutig im Normbereich (d. h. deutlich unter 60 h) oder eindeutig im pathologischen Bereich (d. h. deutlich über 60 h). Grenzfälle um 60 h sind ungewöhnlich [Vorderholz 1997A]. Der Verdacht auf eine Defäkationsstörung wird am besten mittels Defäkographie abgeklärt. Die Strahlenbelastung dieser Methode ist aber zu beachten,v.a.bei jungen Frauen. Wenn sich der Verdacht auf eine Dyssynergie des Beckenbodens ergibt, so folgt als nächstes die anorektale Manometrie. Ergibt sich ein Normalbefund,ist der Verdacht widerlegt.Findet sich eine paradoxe Kontraktion, so kann jetzt dem Patienten in Ruhe die Funktion der verschiedenen an der Kontinenz und Defäkation beteiligten Muskeln erklärt und ihm wahrnehmbar gemacht werden. Es handelt
sich damit bereits um eine erste Biofeedback-Sitzung ( s. unten). 46.4
Therapie
Die chronische Obstipation ist harmlos, wenn auch u. U. lästig. Sie ist insofern nur dann abklärungsund/oder behandlungsbedürftig, wenn ein Leidensdruck besteht. 46.4.1
Basisbehandlung
Wic Wichtig Die wichtigste Maßnahme ist die Aufklärung darüber, dass es keine minimal erforderliche Stuhlfrequenz gibt und dass durch seltenen Stuhlgang keine Nachteile für die Gesundheit zu erwarten sind.
Die Ernährung soll reich sein an Pflanzenfasern, also viel Obst, Gemüse,Vollkornbrot, Müsli u. ä. enthalten. Effektiver sind Ballaststoffe mit schlechter bakterieller Spaltbarkeit,da sie ihre Wasserbindungsfähigkeit über die gesamte Darmpassage beibehalten. Für die initiale Behandlung und wenn die Diät nicht ausreicht, sind Faserpräparate wie Weizenkleie oder Plantago-ovata-Samenschalen angezeigt. Wenn
485 46.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
46
⊡ Tabelle 46.5. Allgemeinmaßnahmen zur Therapie der chronischen Obstipation Maßnahme
Bewertung
Kommentar
Aufklärung über physiologische Bandbreite der Stuhlfrequenz
Empfohlen
Manche Patienten befürchten Autointoxikation
Regelmäßiger Toilettengang (bevorzugt nach Frühstück)
Ungesichert
Kolonmotilität nach dem Frühstück am stärksten
Nüchtern ein Glas Wasser trinken
Ungesichert
Ausnutzung des »gastrokolischen Reflexes«
»Ausreichende« Flüssigkeitszufuhr (>1,5 l)
Zweifelhaft
Pathophysiologisch unwahrscheinlich
Faserreiche Kost (25–30 g)
Gesichert
Bakteriell schlecht spaltbare Ballaststoffe!
Vermeiden von obstipierenden Nahrungsmitteln
Zweifelhaft
Kein Nahrungsmittel als obstipierend belegt
Körperliche Aktivität (mindestens 15–20 min/Tag)
Zweifelhaft
Unzulässige Extrapolierung vom Nichtobstipierten
es gelingt, mit diesen Mitteln das Pressen zu vermeiden, so ist oft auch die Voraussetzung für das Auftreten einer funktionellen Obstruktion beseitigt, und es sind auch beim Nachweis struktureller Veränderungen wie Rektozele oder innerem Prolaps keine weiteren Maßnahmen notwendig [Vorderholz 1997A]. Eine Reihe von Maßnahmen zur Behandlung der chronischen Obstipation wird immer wieder auch in Lehrbüchern kritiklos empfohlen, obwohl ihre Wirksamkeit unbelegt ist (⊡ Tabelle 46.5). Während sich für manche Empfehlungen immerhin noch physiologische Mechanismen zur Plausibilität heranziehen lassen (Frühstück zur Anregung der Kolonmotilität, danach Zeit für den Toilettenbesuch), fehlt anderen selbst dies (mehr trinken als die »normalen« ca. 1,5 l; körperliche Bewegung). 46.4.2
Laxantien
Wie viele Patienten mit den o. g. Maßnahmen ausreichend behandelbar sind, ist unbekannt. Eine Selbstmedikation mit Laxantien ist weit verbreitet und wird vermutlich oft zu Unrecht betrieben. Nach Ausschöpfen der Basistherapie ist gegen ihre auch langfristige Anwendung aber nichts einzuwenden. Unter Laxantien im engeren Sinne versteht man neben den schlecht resorbierbaren und daher osmotisch wirkenden Salzen v. a. »Kontaktlaxantien« oder »stimulierende Laxantien« genannte Substanzen. Die heute erhältlichen Präparate dieser Gruppen gehören entweder den Anthrachinonen (z. B. Sennoside) oder den Diphenylmethanen an (z. B. Bisacodyl, Natrium-
picosulfat). Wegen ihrer zuverlässigen Wirksamkeit und guten Verträglichkeit werden sie von den Patienten auch gegen den Rat großer Teile der Ärzteschaft gekauft und eingenommen. Sie müssen nicht täglich genommen werden, 1–2 Einnahmen wöchentlich reichen meist aus. Da Natriumpicosulfat im Gegensatz zum Bisacodyl im Dünndarm nicht resorbiert wird, muss es nicht dragiert, sondern kann in Tropfenform gegeben werden. Daher ist es feiner dosierbar.Von den Anthrachinonen sind diverse Präparate unterschiedlicher Zusammensetzung im Handel. Die zu Werbezwecken oft herausgestrichene Eigenschaft »rein pflanzlich« ist weder von Vor-, noch von erkennbarem Nachteil. Die verfügbaren toxikologischen Daten wurden mit reinen Sennosiden gewonnen, weshalb diesen – vor anderen Vertretern der Gruppe wie Aloe – der Vorzug gegeben werden sollte.Manche Patienten berichten über eine Gewöhnung an die Substanzen und wechseln hin und wieder das Präparat. Neuerdings hat sich das schon seit Jahren für die Darmreinigung vor diagnostischen und therapeutischen Eingriffen eingesetzte Polyethylenglycol 3350 (Macrogol) zur Dauerbehandlung der Obstipation bewährt, sogar bei schwierigen Patienten mit langsamem Transit [Attar 1999]. Macrogol soll täglich genommen werden. Eine Gewöhnung scheint nicht vorzukommen. Im Gegenteil sinkt die erforderliche Dosis in den ersten Behandlungswochen ein wenig. Auch der Zuckeralkohol Sorbit und das Disaccharid Laktulose erfreuen sich großer Beliebtheit.Sie führen aber zu erheblichen Blähungen und sind bei langsamem Transit schlecht wirksam.
486
Kapitel 46 · Obstipation SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 46.6. Die wichtigsten Laxantien mit ihren wesentlichen Vor- und Nachteilen
VI
Gruppe
Beispiel
Nachteil
Salze
Glaubersalz, Bittersalz, MgOH
Elektrolytstörung, evtl. »Bauchgrimmen« Keine Daueranwendung
Lösliche Makromoleküle
Macrogol, Methylcellulose, Kalzium-Polycarbophil
Evtl. Geschmack bei Dauertherapie
Zuckerstoffe Blähungen
Laktulose, Sorbit
Bei schwerer Obstipation schlecht wirksam;
»Stimuliantien«
Natriumpicosulphat, Bisacodyl, Senna
Evtl. »Bauchgrimmen«, teilweise Gewöhnung, bei Abusus Elektrolytstörung
Die zusätzliche Gabe einer dieser Substanzen (⊡ Tabelle 46.6) ist bei ungenügender Wirksamkeit der Ballaststofftherapie gerechtfertigt. Beim idiopathischen Megakolon und Megarektum steht die regelmäßige Gabe von Laxantien im Vordergrund der Behandlung [Gattuso 1997A]. Bei rektalen Formen der Obstipation können Bisacodyl und z. B. Glycerin als Suppositorien gegeben werden.Allerdings ist die Präferenz des Patienten entscheidend, sowohl hinsichtlich des Applikationswegs als auch der Substanz überhaupt. Aufgabe des Arztes ist es, den Patienten hinsichtlich der verschiedenen Eigenschaften der Präparate und besonders des geeigneten Einnahmemodus (täglich,ein- bis mehrmals wöchentlich) zu beraten. Der in der englischsprachigen Literatur verwendete Begriff »therapierefraktäre Obstipation« ist angesichts der diversen verfügbaren Präparate unverständlich. Die Behandlung der Stuhlimpaktion erfolgt durch manuelle Ausräumung, die oft eine i.v.-Sedierung des Patienten erforderlich macht. Neuerdings wurde gezeigt, dass auch die orale Gabe von Macrogol (ca. 100 g in 1 l/Tag) das Problem innerhalb 2–3 Tagen zu beheben vermag. Wichtig ist die anschließende Rezidivprophylaxe der Koprostase durch regelmäßige Behandlung der zugrundliegenden chronischen Obstipation mit geeigneten Laxantien. Nebenwirkungen dieser Laxantien sind bei chronischer Überdosierung zu erwarten, die eine Variante des Münchhausen-Syndroms darstellt. Bei vernünftiger Dosierung wurden sie nie beschrieben [MüllerLissner 1992]. Ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Anthrachinonen und Kolonkarzinom war in mehreren gut kontrollierten epidemiologischen Studien nicht zu finden.
46.4.3
Prokinetika
Die o. g. Laxantien wirken entweder über die Konservierung von Wasser im Darmlumen oder stimulieren sogar die Flüssigkeitssekretion des Kolons,wenn auch die »stimulierenden« Laxantien zusätzlich einen deutlichen prokinetischen Effekt haben.Da die chronische Obstipation in erster Linie eine hypomotile Störung ist, erscheint es logisch, eine Besserung durch Prokinetika zu versuchen. Dafür kommen nach bisherigem Wissen in erster Linie 5-HT4-Agonisten in Betracht. Das erste wirksame Medikament dieser Gruppe war Cisaprid. Seine Wirksamkeit beschränkte sich allerdings auf unkomplizierte Patienten in Praxen und betraf nicht schwierige Patienten in spezialisierten Zentren. Die Substanz ist wegen kardialer Begleiteffekte nicht mehr im Handel. Die neueren 5-HT4-Agonisten Prucalopride und Tegaserod sind vermutlich ähnlich wirksam wie Cisaprid, ohne bisher problematische Nebenwirkungen erkennen zu lassen. 46.4.4
Biofeedback-Training
Seit der Beschreibung des Anismus im Jahre 1985 sind mehr als 10 Studien zum Biofeedback-Training bei dieser Störung publiziert worden. Sie sind recht heterogen, sowohl was die Anzahl und Charakterisierung der Patienten, die Technik und Intensität des Trainings, die Nachbeobachtung als auch die Ergebnisse betrifft (⊡ Tabelle 46.7). Eine zusammenfassende Bewertung fällt schwer, da sich mehr Fragen als Antworten ergeben. So verwundern nicht nur die extrem unterschiedlichen Erfolgsraten zwischen unter 10% und nahe 90%,sondern auch die Diskrepanz zwi-
487 46.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
46
⊡ Tabelle 46.7. Therapiestudien mit Biofeedback-Training bei Anismus Autor
n
Technik
Zielgröße
Follow-up
Ergebnis
Bleijenberg 1987
10
EMG, dann simulierter Stuhl (Porridge)
Spontane Defäkation
1–18 Monate
7/10 »kompletter Erfolg«
Kawimbe 1991
15
EMG
EMG, Symptomatik
6 Monate
Frequenz, Pressen, Schmerz gebessert
Turnbull 1992
5
Manometrie
Stuhlfrequenz
–
Frequenz mehr als verdoppelt, Schmerz und Aufgetriebensein gebessert
Koutsomanis 1994
20
EMG
Symptomatik
6–12 Monate (18 Patienten)
Bei 50% manche Symptome gebessert
Bleijenberg 1994
20
11 EMG, dann Porridge (s.o.)
Symptomatik
?
9/11 Erfolg nach EMG-Training
9 Ballonexpulsion, Porridge
2/9 Erfolg nach Ballontraining
Papachrysostomou 22 1994
EMG plus Ballonexpulsion
Symptomatik und diverse Messwerte
–
29% komplette, 57% partielle Besserung
Keck 1994
12
Manometrie
Symptomatik, Manometrie
?
1/12 klinisch, 12/12 manometrisch gebessert
Siproudhis 1995
27
Manometrie plus Ballonexpulsion
Symptomatik, Manometrie
14 Monate (1–36)
14 klinischer Erfolg, 6 Therapieversager trotz korrektem Pressen
Koutsomanis 1995
59
31 EMG
Symptomatik, diverse Messwerte
?
14/31 vs. 12/28 gebessert nach eigener Einschätzung. Stuhlfrequenz gesteigert
28 Muskeltraining
Park 1996
23
EMG
Symptomatik
–
19/23 gebessert
McKee 1999
30
Manometrie
Symptomatik, diverse Messßwerte
>1 Jahr
9/28 gebessert (6 Stoma, 1 Kolektomie)
schen manometrischem und klinischem Therapieerfolg [Siproudhis 1995]. Höhere Erfolgsraten korrelieren dabei nicht mit der Komplexität oder Intensität der Technik.Auch ist verblüffend, welch große Zahlen von Patienten von einzelnen Zentren publiziert werden, während die Störung in anderen ebenfalls spezialisierten Zentren selten gefunden wird. Nicht einmal die Behandlung der Therapieversager ist ähnlich: In
einem Zentrum wurde fast 50% von diesen ein Kolostoma angelegt! Es sei daher nochmals auf den fehlenden »golden standard« zur Diagnose und den verblüffenden Effekt einer neuen Messmethode auf die Prävalenz der Erkrankung erinnert.
VI
488
Kapitel 46 · Obstipation SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
46.5
Schlussbemerkung
Die wichtigsten Aussagen des Kapitels lassen sich wie folgt zusammenfassen: ▬ Die Obstipation verlangt wenig Diagnostik. Die Anwendung der Rom-Kriterien erlaubt eine sichere Diagnosestellung aufgrund der Anamnese. Eine Koloskopie ist entbehrlich, wenn Alarmsymptome fehlen. Wiederholte Koloskopien sind unsinnig. ▬ Ballaststoffe lohnen immer einen Versuch, sind aber kein Wundermittel und werden von einigen Patienten schlecht vertragen. ▬ Die verfügbaren Laxanzien sind wirksam und sicher. Die Auswahl richtet sich nach der Obstipationsform und der individuellen Verträglichkeit und Präferenz. ▬ Chirurgische Maßnahmen sind sehr selten angezeigt. Die subtotale Kolektomie ist ein zweifelhaftes Verfahren.
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47 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Anale Inkontinenz T. Wehrmann, A. Riphaus 47.1
Epidemiologie
47.2
Ätiologie und Pathogenese
47.3
Klinik
47.4
Diagnostik
47.5
Therapie
47.5.1 47.5.2
Konserative Therapie – 492 Operative Therapie – 492
Literatur
>>
– 490 – 490
– 490 – 490 – 491
– 494
Der unfreiwillige Abgang rektalen Inhalts über zumindest 1 Monat innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren wird als anale Inkontinenz definiert. Es wird hierbei zwischen einer Inkontinenz für Winde (Flatus), für flüssigen Darminhalt sowie für festen Stuhl differenziert (Schweregradeinteilung). Der analen Inkontinenz können sehr unterschiedliche Pathomechanismen zu Grunde liegen. Von der funktionellen analen Inkontinenz sind jedoch zweifelsfrei abzugrenzen (Differenzialdiagnosen): 1. Freiwilliges Einkoten (Enkopresis) im Rahmen eines psychosomatischen Krankheitsbildes (antisoziales Verhalten, Erregung von Aufmerksamkeit), 2. fehlende Stuhlregulation bei demenziellen Zuständen, 3. Benetzung der Unterwäsche mit Schleim bei Rektumprolabs, 4. Destruktion des Sphinkters durch Rektum- oder Analkarzinom sowie 5. Überschreiten der normalen Sphinkter- und Rektumkompetenz bei massiver wässriger Diarrhö (z. B. Cholera).
490
47.1
VI
Kapitel 47 · Anale Inkontinenz SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Epidemiologie
Die anale Inkontinenz ist ein soziales »Tabuthema«, daher sind epidemiologische Untersuchungen rar.Nur ein kleiner Teil der Patienten sucht speziell wegen Inkontinenz einen Arzt auf und in etwa 50% der Fälle wird die Diagnose anale Inkontinenz erst durch gezieltes Nachfragen des Arztes gestellt. In der Allgemeinbevölkerung wird die Prävalenz auf ca. 0,5–1% geschätzt. Die Prävalenz ist bei über 65Jährigen nahezu doppelt so hoch. Bei Pflege- und Heimpatienten liegt die Prävalenz der analen Inkontinenz gar bei 20–40%,sodass dem Krankheitsbild eine relevante sozioökonomische Bedeutung zukommt.Inzwischen wurde auch eine signifikante Reduktion der Lebensqualität von Patienten mit Inkontinenz, v. a. im Berufs- und Sexualleben, dokumentiert. 47.2
Ätiologie und Pathogenese
Die anale Kontinenz wird durch ein komplexes Zusammenspiel funktioneller und morphologischer Komponenten bewahrt. Eine Schädigung eines oder mehrerer dieser Faktoren führt zur Inkontinenz,zahlreiche Erkrankungen können eine anale Inkontinenz verursachen (⊡ Tabelle 47.1). Pathophysiologisch resultiert die anale Inkontinenz entweder aus einer gestörten Funktion der Sphinkter, einer gestörten rektalen Sensorik, einer verminderten Reservoirfunktion des Rektums oder einer Schädigung der Innervation. Nicht selten liegen kombinierte Veränderungen vor. 47.3
Klinik
Da eine Inkontinenzproblematik meist nicht spontan vom Patienten angegeben wird, ist eine gezielte Exploration erforderlich. Es sollte hierbei das Ausmaß der Inkontinenz getrennt für festen und flüssigen Stuhl sowie für Winde ermittelt werden.Ferner sollten mögliche pathophysiologisch relevante Vorerkrankungen (einschließlich Medikation) erfragt und die soziale Relevanz (z. B. Partnerschafts- oder Sexualprobleme) der Inkontinenzproblematik für den Patienten evaluiert werden. Auch das gelegentlich gleichzeitige Vorliegen einer Harninkontinenz muss berücksichtigt werden. Das Ausmaß einer analen Inkontinenz wird subjektiv zumeist von den einzelnen Patienten sehr different angegeben. Um zu einer objektiven Einschätzung
⊡ Tabelle 47.1. Ursachen (Erkrankungen) der analen Inkontinenz Funktionelle Störungen
Idiopathische Inkontinenz, Rektumprolabs, chronische Obstipation (Überlaufinkontinenz)
Neurologische Veränderungen
Multiple Sklerose, Quer schnittslähmung, Tabes dorsalis, Kaudasyndrome, Diabetes mellitus, degenerative ZNS-Erkrankungen
Entzündliche Prozesse
Chronisch-entzündliche Darmerkrankung, venerische Infektion, Abzedierung
Traumatische Läsionen
Pfählung, Dammriss, Beckenringfraktur, operative Läsionen
Radiogene Schädigung
Strahlenproktitis
Systemische Muskelerkrankungen
Muskeldystrophie, Dermatomyositis
Kongenitale Veränderungen
Atresie, Menigomyelozele
zu gelangen empfiehlt sich daher der Einsatz eines Kontinenzscores, am besten unter Zuhilfenahme eines standardisierten Fragebogens (z. B. Kontinenzscore nach Jostarndt). 47.4
Diagnostik
Der Nachweis der sehr heterogenen Pathomechanismen der analen Inkontinenz erfordert eine differenzierte Diagnostik. Es hat sich gezeigt, dass eine effektive konserative oder operative Therapie der analen Inkontinenz nur bei Kenntnis des exakten pathophysiologischen Hintergrunds möglich ist. Sind aufwendige therapeutische Methoden auf Grund der Komorbidität des Patienten nicht indiziert, ist eine apparative Diagnostik entbehrlich. Andernfalls umfasst die Basisdiagnostik neben Anamnese und rektaler Untersuchung, die funktionelle Proktoskopie, die anorektale Manometrie sowie die anale Endosonografie.
491 47.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
47
Anale Inspektion und Palpation. Bei Inkontinenten bestehen häufig Hautmazerationen, Fissuren, Vernarbungen oder ein Mukosaprolabs. Es sollte gezielt nach Fistelöffnungen gefahndet werden. Bei der digitalen Palpation kann grob der anale Ruhe- und Kneifdruck, die funktionelle Sphinkterlänge, das Vorliegen eines lokalisierten Sphinkterdefekts (Vernarbung) oder einer Rektozele erfasst werden. Proktorektoskopie. Die Methode dient zunächst dem Ausschluss entzündlicher und neoplastischer Veränderungen des Rektums sowie des Analkanals. Die funktionelle Proktoskopie (endoskopische Diagnostik unter Betätigung der Bauchpresse) kann eine Intussuszeption, eine Rektozele oder einen Mukosaprolabs nachweisen. Durch Luftinsufflation ist die Wandelastizität des Rektums (»Compliance«) beurteilbar. Anorektale Manometrie. Die Funktion des internen (Ruhedruck) und externen (Kneifdruck) Analsphinkters, die sensorische Innervation (Perzeptionsschwellen, rektoanaler Inhibitionsreflex, kutaneoanaler Reflex) und die Wandelastizität des Rektums (Compliance) wird quantitativ ermittelt. Auch wenn der Nachweis einer Inkontinenz durch die Manometrie nicht möglich ist (großer Überlappungsbereich von Messwerten Gesunder und Inkontinenter; ca. 5% unauffällige Manometrien bei Inkontinenten), so kann die anorektale Manometrie zahlreiche pathophysiologische Ursachen aufzeigen. Anale Endosonographie. Die Methode erlaubt die Visualisierung des internen und externen Analsphinkters, des M. puborectalis sowie struktureller Defekte der Perianalregion (Fistel, Abzess etc.; [⊡ Abb. 47.1]). Der Nachweis lokalisierter Defekte der Sphinkteren gelingt endosonographisch zuverlässig, sodass ein (schmerzhaftes) elektromyografisches Mapping kaum noch erforderlich ist. Eine Korrelation zwischen der sonographisch bestimmten Sphinkterdicke sowie manometrischen Druckprofilen ist auf Grund der beschriebenen Asymmeterien zumindest fragwürdig. Dennoch scheint das Verfahren Hinweise auf eine generalisierte Sphinkteratrophie (z.B.bei generalisierter Muskeldystrophie) oder -hypertrophie (hereditäre Proctalgia fugax) geben zu können. Elektrophysiologische Diagnostik. Ziel dieser Verfahren ist die sichere Differenzierung zwischen muskulärer und nervaler Schädigung des Kontinenzapparates. Früher wurde die Elektromyographie (EMG) auch zur Lokalisationsdiagnostik von Sphinkterdefekten einge-
⊡ Abb. 47.1. Anale Endosonografie. Darstellung des echoarmen internen Analsphinkters sowie des echoreichen externen Analsphinkters. (Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Prof. Dr. V. Paolucci, Klinik für Abdominalchirurgie)
setzt. Leider können diese Untersuchungen nur von wenigen, erfahrenen Neurophysiologen angeboten werden und stehen daher vielerorts nicht zur Verfügung. Kontinenztests. Beim Flüssigkeitsretentionstest werden mittels des abgeschnittenen Endes eines Infusionssystems einem auf einem Toilettenstuhl sitzenden Patienten 1,5 l körperwarme, physiologische Kochsalzlösung transrektal infundiert. Das retinierte Volumen bis zum ersten Abtropfen von Flüssigkeit in den metallenen Toilettenbehälter wird als maximales Retentionsvolumen bezeichnet. Es liegt bei Gesunden stets >0,8–1,0 l. Beim Metallkugeltest wird eine 2 cm große Kugel ins Rektum appliziert und das maximale an die Kugel angehängte Gewicht bestimmt, bei der die Kugel vom sitzenden Patienten gerade eben noch gehalten werden kann. Bei Gesunden sind dies meist >600–800 g. Bei beiden Verfahren sind die Übergänge zur Inkontinenz jedoch unscharf und die interindividuelle Reproduzierbarkeit ist nicht besonders gut, daher haben sie sich in der klinischen Routine nicht durchgesetzt.
47.5
Therapie
Am Effektivsten sind jene therapeutische Maßnahmen, die gezielt den identifizierten Pathomechanismus der Inkontinenz korrigieren. Daher hat die neurogene Inkontinenz im Allgemeinen eine ungünstigere Prognose als die muskuläre Form. Stellt sich
492
Kapitel 47 · Anale Inkontinenz SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
auf Grund der Allgemeinsituation des Patienten nicht die Indikation zu gezielten differenzialtherapeutischen Maßnahmen oder versagen diese,bleibt die palliative Versorgung mittels geeigneter Windelsysteme oder durch Anlage eines Anus praeter sigmoidalis. 47.5.1
Konserative Therapie
Hier ist zu unterscheiden zwischen Allgemein- und pflegerischen Maßnahmen sowie einer gezielten medikamentösen Therapie und kontrollierten Trainingsmethoden.
VI
Allgemeinmaßnahmen Als Allgemeinmaßnahme ist in nahezu allen Fällen eine Stuhlregulierung sinnvoll. Gelingt es z. B. 2 Stuhlentleerungen täglich zu definierten Zeitpunkten durch die Anwendung von Entleerungshilfen (z. B. Lecicarbonsuppositorien) zu erzielen,ist das Rektum im restlichen Zeitraum meist leer und größerer, unfreiwilliger Stuhlabgang kann so vermieden werden. Pflegerisch gilt es die Perianalschleimhaut möglichst reizlos zu halten, z. B. durch Verwendung geeigneter Windelsysteme und hautfreundlicher Puder. Medikamentöse Therapie Ziel der medikamentösen Therapie sollte zum einen die Unterbindung einer evtl. bestehenden Diarrhö sowie einer zu weichen Stuhlkonsistenz sein. Dies kann im ersten Fall durch geeignete Antidiarrhoika (z. B. Clonidin oder Depot-Somatostatin) errreicht werden, im zweiten Fall v. a. durch die Gabe von Loperamid (3¥2 mg/Tag). Zusätzlich wirkt die Loperamidmedikation kontinenzfördernd durch eine Erhöhung des internen Analsphinktertonus, einer Steigerung der Rektumcompliance sowie einer Unterdrückung des rektoanalen inhibitorischen Reflexes. Diese Effekte sind jedoch nur schwach ausgeprägt. Biofeedback-Training Beim kontrollierten Biofeedback-Training kann der Patient unter optischer Kontrolle des Effekts entweder die Willkürkontraktion des externen Analsphinkters kräftigen oder die Schwelle der Rektumperzeption für (Ballon-)Dehnungsreize vermindern (⊡ Abb. 47.2). Erstere Trainingsform ist v. a. bei der idiopathischen Inkontinenz indiziert, die zweite Form ist für Patienten mit sensorischer Inkontinenz (z. B. Diabetiker) empfehlenswert. Das nachher ambulant vom Patienten selbst durchgeführte Training (ausreichende mentale Fähigkeiten und Patientenmotivation erforder-
⊡ Abb. 47.2. Schematische Darstellung des analen Biofeedback-Trainings
lich!) sollte initial unter Anweisung eines Fachmanns erlernt werden. Ein 6- bis 12-monatiges Training ist empfehlenswert. In zahlreichen prospektiven Studien konnte bei geeigneter Selektion der Patienten in ca. 60–70% der Fälle eine klinisch relevante Besserung der Kontinenzfunktion objektiviert werden. Wichtig Eine neurogene Inkontinenz stellt keine Indikation für ein Biofeeback-Training dar.
Unkontrollierte, aktive und passive Trainingsmethoden Unkontrollierte, aktive und passive Trainingsmethoden (»Beckenbodengymnastik«, Elektrostimulation) sind dem Biofeedback-Verfahren unterlegen und sollten daher zumindest primär nicht zum Einsatz kommen. 47.5.2
Operative Therapie
Sphinkterrekonstruktion Indikationen sind v. a. nachgewiesene Rupturen der Sphinktermuskulatur. Zumeist sind Frauen mit einer Sphinkterläsion postpartal betroffen. Eine Sphinkterschädigung kann aber auch nach Operationen an analen Fisteln oder Hämorrhoiden auftreten.Eine seltene Ursache stellt hier die Pfählungsverletzung dar. Bei frischen Läsionen sollte stets eine Rekonstruktion mit End-zu-End-Naht des Sphinkters versucht
493 47.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
werden. Die durch die Muskulatur geführten U-Nähte sollten dabei locker geknotet werden, um ein Durchschneiden zu verhindern. Dies wäre unweigerlich mit einem Fehlschlag der Rekonstruktion verbunden. Bei schon länger bestehenden Verletzungen muss der Sphinkter großzügig freigelegt werden. Dies geschieht unter Abpräparation von Anoderm und Analschleimhaut. Da die Identifizierung der korrekten Gewebeschicht im Bereich der Narbe schwierig ist, wird die Präparation an der normalen Muskulatur begonnen. Die elektrische Stimulation kann dabei als Identifikationshilfe herangezogen werden.Die fibrotischen Enden des Sphinkters werden nicht reseziert,sondern auf einer Länge von 2 cm mobilisiert und überlappend vernäht. Eine exzessive Mobilisierung ist zu vermeiden, da sie eine Ischämie und Denervierung der Muskulatur verursacht. Auf eine protektive Kolostomie wird in der Regel verzichtet. Die Erfolgsrate der überlappenden Sphinkterplastik liegt bei fast 90%. Als Faktoren, die sich auf dieses Ergebnis ungünstig auswirken sind zu nennen: Alter >65 Jahre, vorausgegangene fehlgeschlagene Rekonstruktion,Zeitintervall >10 Jahre zwischen Verletzung und Rekonstruktion. Levatorplastiken (vordere und hintere sowie kombinierte Form) Diese Methoden wurden zur Behandlung der idiopathischen Inkontinenz (z. B. neurogen) entwickelt. Ihre Wirksamkeit liegt generell unter der der Sphinkterrekonstruktion. Langzeitergebnisse nach hinterer Levatorplastik [Yoshiaka 1989]: ▬ Kontinenzrate für festen und flüssigen Stuhl: 34%, ▬ Kontinenzrate für festen Stuhl: 57%, ▬ keine Besserung der Kontinenz: 9%. Trotz dieser guten Resultate beklagten immerhin noch 63% der Patienten Stuhlschmieren,weshalb die alleinige hintere Lavatorplastik weitgehend verlassen wurde. Bevorzugt wird heute die anteriore Levator- und Externusplastik (»preanal repair«), insbesondere bei Patienten mit neurogener Stuhlinkontinenz ohne Sphinkterverletzung. Häufig kommt bei diesen Patienten in der Videodefäkographie zusätzlich eine Rektozele zur Darstellung. In ca. 70% der operierten Patienten kann eine gute Kontinenzleistung sowohl für festen wie auch für dünnen Stuhl erreicht werden. Ob die Kombination beider Verfahren (»total pelvic repair«) die Ergebnisse verbessern kann, muss abgewartet werden. Erste Berichte sprechen bei einem
47
Follow-up von 2 Jahren mit einer Wiederherstellung der Kontinenz für flüssigen und festen Stuhl in über 89% der Fälle dafür. Bei Patienten, bei denen die vorherigen Standardoperationen (Sphinkterrekonstruktion, postanal, »preanal«,»total pelvic repair«) die Kontinenzleistung nicht wesentlich verbessern konnten, ist die dynamische (d. h. über einen implantierten Neurostimulator permanent ausgelöste Muskelkontraktionen) Grazilistransposition indiziert. Da der M. gracilis beim Gehen keine wesentliche Funktion hat eignet er sich besonders gut. Nach Mobilisation des distalen Muskelanteils wird dieser um den Anus gewickelt und kann diesen dann durch aktives Anspannen schließen. Nachteil: der Muskel besteht aus schnell ermüdenden Typ-2-Fasern, sodass dem Patienten eine Kontraktion über 24 h am Tag nicht möglich ist. Erst durch zusätzliche elektrische Stimulation kann eine dauerhafte Muskelkontraktion erzeugt werden, da durch nachfolgenden Umbau der Typ-2-Muskelfasern zu Typ-1-Fasern der Muskel unermüdbar wird. Durch Ausschalten der elektrischen Stimulation mittels einer Fernbedienung entspannt sich der Muskel wodurch die Entleerung des Rektums ermöglicht wird. Die bisher vorliegenden Ergebnisse sind ermutigend: bis zu 75% der Patienten geben eine zufriedenstellende Kontinenzleistung an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein sehr selektioniertes Patientenkollektiv handelt, bei dem in der Regel eine Vielzahl fehlgeschlagener operativer Eingriffe vorausgegangen ist. Neuroprothese, künstlichen Analsphinkter Die Implantation einer Neuroprothese oder eines künstlichen Analsphinkters befindet sich zur Zeit noch in der klinischen Evaluierung. Die Implantation einer Neuroprothese bietet hauptsächlich den Patienten Perspektiven, bei denen Sphinkter und Beckenboden zwar intakt sind,jedoch neurologisch bedingt nur unzureichend funktionieren. Das Indikationsgebiet für die künstlichen Sphinktere überlappt mit dem der dynamischen Grazilisplastik. Sie sind die einzige Alternative, sofern kein vitaler Muskel vorhanden ist. Bestehend aus einer Silikonmanschette werden sie den Anus platziert. Über einen Schlauch ist die Manschette mit einer Pumpe verbunden, die beim Mann im Skrotum und bei der Frau im Labium majus untergebracht ist. Über einen 2. Schlauch ist die Pumpe mit einem druckregulierendem Ballon verbunden, der im Rektum platziert wird. Bei Patienten mit gehäuften perianalen Infektionen ist diese Technik aufgrund eines erhöhten Infek-
494
Kapitel 47 · Anale Inkontinenz SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
tionsrisikos allerdings weniger geeignet. Durch Füllung des gesamten Systems mit einem verdünnten Kontrastmittel ist es radiologisch gut darstellbar. Die Kontinenzrate wird mit bis zu 73% angegeben, verbunden mit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität.
VI
Kolostomie Bietet keine der beschriebenen konservativen oder chirurgischen Behandlungsverfahren eine Verbesserung der Inkontinenz,sollte auch die Möglichkeit einer Kolostomaanlage in Betracht gezogen werden.Dies gilt insbesondere für rollstuhlabhängige oder bettlägerige Patienten, bei denen eine Kolostomie jeder chirurgischen partiellen Wiederherstellung der Sphinkterfunktion Vorrang gegeben werden sollte. Die Technik der inkontinenzbedingten Kolostomianlage unterscheidet sich nicht von anderen Indikationen. Rektopexie-Techniken Bei 80–88% der Patienten mit einem Rektumprolaps werden unterschiedliche Grade von Inkontinenz angetroffen. Die Wahl des operativen Verfahrens wird vom Ausmaß des Prolapses und seinen Begleitsymptomen wie Zystozele, Rektozele, Enterozele, Inkontinenz und Obstipation sowie der Komorbidität des Patienten bestimmt. Die chirurgischen Ziele sind: 1. Resektion von überschüssigem Kolon; 2. Fixierung des Rektums an das Sakrum; 3. Beseitigung von Inkontinenz und Obstipation. Grundsätzlich werden perineale und transabdominelle Verfahren unterschieden. Für alte, multimorbide Patienten wird ein perineales Operationsverfahren (nach Delorme) empfohlen, das der gleichzeitig bestehenden Inkontinenz durch die Plikation der Rektumwand entgegenwirkt. Dieses Verfahren zeichnet sich dadurch aus,dass es in regionaler Anästhesie ausgeführt werden kann und die postoperative Rekonvaleszenz sehr schnell erfolgt. Die Rezidivrate des Rektumprolapses beträgt allerdings bis zu 25%, die Chance, die Inkontinenz günstig zu beeinflussen, liegt für perineale Verfahren bei 45–60%.
Abdominelle Verfahren (Ripstein, Wells) fixieren das Rektum präsakral unter Verwendung von Fremdmaterial (Ivalon sponge, Marlex) in Kombination mit Resektionen redundanter Kolonanteile und können laparoskopisch durchgeführt werden. Die Rezidivrate des Prolaps beträgt hier 0–13%, während die Kontinenzleistung in 60–90% zunimmt.
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48 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Eiweißverlustsyndrom J. Stein 48.1
Ätiologie und Pathogenese
48.2
Klinik
48.2.1 48.2.2
Erkrankungen mit Störungen des Lymphabflusses – 497 Erkrankungen mit Ulzerationen der Schleimhaut und/oder mukosale Barrierestörungen – 497 Mukosale Erkrankungen ohne Hinweis auf ulzerative Erkrankungen – 498
48.2.3
>>
– 496
48.3
Diagnostik
48.4
Therapie
Literatur
– 496
– 498 – 498
– 499
Unter einem enteralen Eiweißverlustsyndrom (Syn.: exudative Enteropathie) versteht man den übermäßigen Verlust von Plasmaproteinen in das Darmlumen hinein. Auch unter physiologischen Bedingungen gehen täglich kleinere Mengen der Serumproteine ins Darmlumen verloren. Der rasche und nahezu vollständige intestinale Abbau infolge enzymatischer Aufspaltung und bakterieller Degradation erschwerte lange Zeit quantitative Aussagen über die tatsächliche Ausscheidung. Im Jahr 1949 wiesen Albright et al. erstmals mittels komplexer Bilanzierungsstudien an Patienten mit einer Hypoproteinämie indirekt nach, dass eine erhöhte intestinale Ausscheidung zugrunde liegen müsse. Es blieb jedoch Citrin et al. (1957) vorbehalten, mit i.v.-appliziertem 131J-Albumin erstmals bei einem Patienten mit einer hypertrophen Gastropathie (M. Ménétrier) den intestinalen Eiweißverlust unmittelbar nachzuweisen.
496
Kapitel 48 · Eiweißverlustsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
48.1
VI
Ätiologie und Pathogenese
Zu den Ursachen eines gesteigerten enteralen Proteinverlustes zählen Störungen des »turn-over« der Epithelzellen (mukosale Erkrankungen ohne Hinweis auf ulzerative Erkrankungen), Ulzerationen oder eine Verlegung des Lymphabflusses (⊡ Tabelle 48.1). Insbesondere im letzteren Fall kann der Eiweißverlust als passive Sekretion von Plasmaproteinen in den Darm angesehen werden. Dabei folgen die Plasmaproteine einerseits ihrem Konzentrationsgradienten,anderseits besteht aufgrund einer Lymphabflussbehinderung, z.B.als Folge einer Rechtsherzinsuffizienz,auch ein erhöhter hydrostatischer Druck in den Lymphgefäßen [Milovic 2003]. 48.2
Klinik
⊡ Tabelle 48.1. Klassifikation des Eiweißverlustsyndroms Erkrankungen mit Ulzerationen der Schleimhaut Benigne
Erosive Gastritis/Enteritis »graft versus host disease« M. Crohn NSAR-Enteropathie Pseudomembranöse Kolitis Chemotherapie
Neoplasien
Kaposi-Sarkom a-Kettenkrankheit M. Waldenström Lymphome Neuroblastom Melanom Magenkarzinom
Mukosale Erkrankungen ohne Hinweis auf ulzerative Erkrankungen M. Ménétrier (foveoläre Hyperplasie) Hypertroph hypersekretorische Gastropathie (glanduläre Hyperplasie) Virale Enteritiden Aids-Enteropathie Bakterielle Überwucherung Parasitäre Erkrankungen Eosinophile Gastroenteritis Einheimische Sprue Systemischer Lupus erythematosus Amyloidose Mixed-connective-tissueSyndrom Kollagenkolitis Kollagenosen Purpura Hennoch-Schoenlein Rheumatoide Arthritis Atopische Dermatitis Neurofibromatose
Das enterale Eiweißverlustsyndrom umfasst eine Vielzahl von Krankheitsbildern, die sich in einem mehr oder weniger ausgeprägten intestinalen Eiweißverlust mit nachfolgender Hypoproteinämie manifestieren. Wichtig Leitsymptom ist das hypoproteinämisch bedingte Ödem.
Eine Hypoproteinämie wird immer dann beobachtet, wenn der intestinale Verlust die Syntheserate des Körpers übersteigt. Kompensatorisch kommt es dabei initial zu einer gesteigerten (hepatischen) Synthese einzelner Plasmaproteine (bei Albumin bis zu 100%), sodass zumindest bei einem nur mäßig ausgeprägten Eiweißverlust der Abfall im Serum ausgeglichen werden kann. In der Regel kommt es zu einer generalisierten Ödembildung. Periorbital wird Flüssigkeit eingelagert (Lidödem). Die durch den Eiweißverlust bedingte negative Gesamtstickstoffbilanz führt zunehmend zu Muskelabbau und Gewichtsverlust. Bei ausgeprägtem Eiweißverlust kommt es infolge einer bakteriellen Degradation zum Anfall osmotisch wirksamer Teilchen,gefolgt von osmotisch bedingten Diarrhöen. Insbesondere bei Erkrankungen, die zu Störungen des Lymphabflusses führen (⊡ s. unten) führt die damit verbundene Fettmalabsorption zum Auftreten einer Steatorrhö. Der mit dem intestinalen Albuminverlust einhergehende Kalziumverlust wird für das Auftreten hypokalzämischer Tetanien verantwortlich gemacht.
Erkrankungen, die zu Störungen des Lymphabflusses führen Kongenitale intestinale Lymphangiektasie M. Whipple Obstruktion der mesenterialen Lymphgefäße
Sarkoidose
Kardiale Erkrankungen
Perikarditis constrictiva Kardiomyopathie Fontane-Operation
Lymphome
497 48.2 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
48.2.1
Erkrankungen mit Störungen des Lymphabflusses
Wird experimentell der Druck im Ductus thoracicus erhöht, kommt es durch Stauung und Dilatation des Lymphgefäßsystems zu einem sekundären Verlust von Protein in den Darm. Somit ist anzunehmen, dass die Hypoproteinämie bei Pericarditis constrictiva und Herzinsuffizienz nicht so sehr durch eine Störung der Albuminsynthese in der Leber, sondern vielmehr durch einen erhöhten intestinalen Verlust von Eiweiß zustande kommt, da es als Folge des erhöhten Venendruckes mit Rückstau in den Ductus thoracicus zu einem reduzierten Lymphabfluss kommt. Röntgenologisch kann ein Ödem der Mukosa nachweisbar sein,in der Dünndarmbiopsie findet sich oftmals eine Dilatation der submukösen Lymphgefäße. Die intestinale Lymphangiektasie (M.Waldmann) ist v. a. eine Erkrankung des Kindes oder des Jugendlichen. Über 90% der Fälle werden vor dem Erreichen des 30. Lebensjahres symptomatisch. Eine familiäre Häufung ist selten; die Erkrankung zeigt keine Geschlechtspräferenz. Ursächlich ist die Erkrankung durch eine Blockierung des Lymphgefäßsystems bedingt, die wahrscheinlich in Höhe des Zwerchfells liegt. Lymphographisch lässt sich nachweisen, dass es sich bei der intestinalen Lymphangiektasie um eine generalisierte Erkrankung handelt, da auch periphere Lymphgefäße ektatisch sind. Neben einem z.T.exzessiven enteralen Eiweißverlust mit konsekutiver Hypoproteinämie und Ödemen, gilt die als Folge eines Lymphozytenverlustes in den Darm auftretende Lymphopenie nahezu als beweisend. Daneben werden abdominelle Schmerzen und Erbrechen und – v. a. bei Kindern bis zum 10. Lebensjahr – Wachstumsverzögerung, hypokalzämische Krisen sowie reversible Störungen auf der Basis eines Makulaödems beobachtet. Die Diagnose des spezifischen Defektes erfolgt bioptisch im Jejunum. Als histologisches Korrelat findet sich eine z. T. monströse Dilatation der Lymphgefäße in der Mukosa und Submukosa.Die Dilatation der Lymphgefäße kann im gesamten Dünndarm diffus auftreten, kann jedoch auch nur umschrieben lokalisiert sein. Bis zu 50% der Patienten zeigen deutlich erniedrigte Werte für Transferrin,Fibrinogen,IgA,IgM und IgG. Im Gegensatz zum nephrotischen Syndrom sind die Serumcholesterinwerte jedoch nicht erhöht. Eine milde Steatorrhö (7–9 g/24 h) ist ebenfalls als nahezu obligat anzusehen.Als Folge des enteralen Lymphozytenverlustes ist die zelluläre Immunität oftmals beeinträchtigt, während die humorale Immunität keine Be-
48
einträchtigungen aufweist. So ergaben Hauttests mit mikrobiellen Antigenen (Tuberkuloprotein, Candidaantigen) bei der Mehrzahl der Patienten mit intestinaler Lymphangiektasie keine Reaktion. Bei zahlreichen Patienten mit kongestiven Herzerkrankungen wurde ebenfalls über einen sekundären z. T. exzessiven intestinalen Eiweißverlust berichtet. Am häufigsten genannt wurden eine Pericarditis constrictiva, Pulmonalstenosen, Trikuspidalinsuffizienz und Vorhofseptumdefekte, die über eine Rechtsherzstauung und einem dadurch bedingten Lymphabflussstau zu einem enteralen Eiweißverlust führen können. Die in jüngster Zeit zur palliativen Korrektur der angeborenen Trikuspidalatresie durchgeführte Fontan-Operation (Verschluss des ASD mit klappentragender Prothese zwischen Vorhof und Pulmonalarterie) führt – ähnlich wie die im Rahmen der GlennOperation durchgeführte kavopulmonale Anastomose – in 5–10% zu einem ausgeprägten enteralen Eiweißverlust. 48.2.2
Erkrankungen mit Ulzerationen der Schleimhaut und/oder mukosale Barrierestörungen
Ulzerationen der Mukosa können hierbei umschrieben oder diffus sein und sowohl bei benignen als auch malignen Veränderungen des Gastrointestinaltrakts entsprechend dem Ausmaß der Ulzeration zur Exudation von Proteinen in den Darm führen ( s. Tabelle 48.1). Neben den bis heute mehr als 40 verschiedenen gastrointestinalen Krankheitsbildern, bei denen das Auftreten eines enteralen Eiweißverlustes beschrieben wurde, erscheinen zunehmend Fallberichte und kontrollierte Studien, die auf eine durch die Langzeiteinnahme nichtsteroidaler Antipholgistika (NSAR) hervorgerufene Enteropathie hinweisen,die sich ebenfalls in einem intestinalen Blut- und Eiweißverlust manifestiert.Diese mit dem Begriff der NSAR-Enteropathie bezeichnete neue Entität, die NSAR-induzierte Schäden distal des Duodenums beschreibt, muss deshalb ebenfalls in die Differenzialdiagnose eines intestinalen Blut- und Eiweißverlustes mit einbezogen werden ( s. Kap. 13).
498
48.2.3
VI
Kapitel 48 · Eiweißverlustsyndrom SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Mukosale Erkrankungen ohne Hinweis auf ulzerative Erkrankungen
Die häufigste mit enteralem Eiweißverlust einhergehende gastrointestinale Erkrankung ist eine 1888 erstmals von Ménétrier beschriebene mit einer foveolären Hyperplasie einhergehende Magenerkrankung (M. Ménétrier). Kennzeichnend sind große geblähte Magenfalten (»Polyadénomes en Nappe«) sowie sich verzweigende hyperplastische Magendrüsen mit zystischen Dilatationen.Die hyperplastischen schleimsezernierenden Drüsen verdrängen hierbei zunehmend die Parietalzellen des Magens, was eine zunehmende Hypochlorhydrie bis zur Achlorhydrie hervorrufen kann. Nach neueren Befunden scheint der Eiweißverlust auf einer daraus resultierenden Permeabilitätsstörung der gastralen Schlussleisten zu beruhen. Die Ursache der Erkrankung ist ungeklärt, gelegentlich wird Alkoholismus beobachtet, eine Assoziation mit Helicobacter pylori wird ebenfalls diskutiert. Das klinische Bild reicht von völliger Symptomfreiheit bis hin zu profusen Durchfällen mit exzessivem Eiweißverlust und konsekutiver Hypoalbuminämie, was in schweren Fällen eine totale Gastrektomie erfordern kann. Hiervon abzugrenzen ist die glanduläre Hyperplasie, die mit einer Zunahme der Drüsenzellen im Bereich des Korpus einhergeht. Der Eiweißverlust kommt hierbei als direkte Folge der erhöhten gastralen Eiweißsekretion zustande, d. h. Folge einer Hypersekretion, nicht einer Hyposekretion. Als Ursache kommen gastrinproduzierende Tumoren oder eine GZellhyperplasie des Antrums in Betracht. Die plötzlichen intestinalen Proteinverluste, die meist in Folge von viralen und bakteriellen Infekten des Darmes auftreten, scheinen durch vorübergehende strukturelle und funktionelle Veränderungen der Mukosa, die jedoch schnell reparabel sind, bedingt zu sein. Eine Steigerung der Zelldesquamation im Rahmen einer allergischen Gastroenteropathie kann v. a. bei Kindern sowohl im Magen als auch im Dünndarm zur übermäßigen Exudation von Protein führen. Als Charakteristika finden sich Gesichtsödeme,periphere Eosinophilie, Hypoalbuminämie und -g-Globulinämie.Gastrointestinale Symptome bilden sich oftmals erst nach dem Genuss bestimmter Nahrungsmittel, sehr häufig nach milcheiweiß(b-Lactoglobulin)haltigen Nahrungsmitteln aus.
48.3
Diagnostik
Die Diagnose basiert auf dem Nachweis einer Hypoproteinämie, wenn eine Nierenerkrankung mit Eiweißverlust, eine reduzierte Syntheseleistung der Leber oder eine Malabsorption ausgeschlossen sind.Die Erfassung des enteralen Eiweißverlustes erfolgt durch die Bestimmung der fäkalen Ausscheidung von a1Antitrypsin oder von 51Cr-markierten Plasmaproteinen ( s. unten), ggf. gefolgt von einer szintigraphischen Lokalisationsdiagnostik. In der Mehrzahl der Fälle ist die exudative Enteropathie durch Magen-, Dünn- oder Dickdarmerkrankungen verursacht. Die endoskopische Untersuchung des oberen Gastrointestinaltrakts ist in der initialen Diagnostik obligat. Befallene Dünndarmanteile jenseits des Treitz-Bandes werden röntgenologisch mittels der Enteroklysmatechnik nach Sellink beurteilt.Sind Magen und Dünndarm unauffällig, ist eine enteroskopische Abklärung mit Biopsie des Dickdarmes obligat. Es wird heute allgemein akzeptiert, dass die fäkale Ausscheidung von a1-Antitrypsin den verlässlichsten Parameter zur quantitativen Bestimmung eines enteralen Eiweißverlustes darstellt [Karbach 1989].In zahlreichen Studien konnte eine klare Korrelation zu den klassischen Methoden, insbesondere der 51Cr-Albumin-Clearance nachgewiesen werden [Milovic 2003]. 48.4
Therapie
Die Therapie besteht primär in der Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung (z. B. Korrektur von Herzfehlern), ggf. Resektion lokal befallener gastrointestinaler Abschnitte.Bei intestinaler Lymphangiektasie gilt als primäres Ziel die Entlastung des Lymphsystems durch Gabe einer fettarmen und -modifizierten Kost. Als Hauptenergieträger dienen neben Kohlenhydraten (50% der Gesamtenergie) mittelkettige Triglyzeride (MCT-Fette) mit Fettsäuren einer Kettenlänge von C6:0 bis C12:0,die unter Umgehung des Lymphkreislaufes resorbiert werden [Tift u. Lloyd 1975]. Initial kann die i.v.-Gabe von Humanalbumin erforderlich sein. Zum therapeutischen Management der NSAR-Enteropathie sind bislang nur wenige, meist experimentelle Untersuchungen durchgeführt worden ( s. Kap. 13). Dies betrifft neben dem Absetzen des Medikamentes bzw. einer Dosisreduktion entweder Präventivmaßnahmen mit Pro-Drugs (Sulindac, Nabumeton), der gleichzeitigen Gabe von Prostaglandinen oder die Verabreichung von Glukose-Zitrat-Komple-
499 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
xen. Auch erste Therapieversuche mit Metronidazol und Sulfasalazin wurden beschrieben. Bei der glandulären Hyperplasie wurde verschiedentlich vom erfolgreichen Einsatz von Anticholinergika, H2-Blockern und Protonenpumpenblockern berichtet [Krag 1978]. Ausgehend von der Beobachtung, dass bei bis zu 90% der Patienten mit nachgewiesenem M. Ménétrier gleichzeitig H. pylori nachweisbar ist, scheint zumindest eine Subgruppe der Patienten von einer H.p.-Eradikation zu profitieren [Bayerdörffer 1994]. Im Jahr 1976 beschrieben Kondo et al. die Behandlung eines enteralen Eiweißverlustes durch Gabe von Tramexamsäure, einem Hemmstoff der Fibrinolyse. Sie wiesen bei Patienten mit exudativer Gastroenteropathie eine erhöhte Fibrinolyseaktivität in der Magenschleimhaut nach. Möglicherweise führt eine erhöhte Fibrinolyseaktivität im Plasma zu einer weiteren Zunahme der Permeabilität der Lymphgefäße, was zu einem erhöhten intestinalen Eiweißverlust führt. Eine niedrigdosierte Dauertherapie mit Prednison (20 mg) wurde sowohl zur Behandlung des Eiweißverlustes beim M. Ménétrier als auch nach Fontan-Operation erfolgreich angewandt. Als zugrunde liegender Mechanismus wird neben einer Membranstabilisierung der Endothel- und Lymphgefäßwand eine Verminderung des Lymphvolumens diskutiert. Darüber hinaus wurden in Einzelfällen eine erfolgreiche symptomatische Anwendung von Cromoglycinsäure und Octreotide beschrieben [Ballinger u. Farthing 1998].
48
Literatur Ballinger AB, Farthing MJ (1998) Octreotide in the treatment of intestinal lymphangiectasia. Eur J Gastroenterol Hepatol 10: 699–703 Bayerdörffer E, Ritter MM, Hatz R (1994). Healing of protein losing hypertrophic gastropathy by eradication of Helicobacter pylori- is Helicobacter pylori a pathogenic factor in Ménétrier’s disease? Gut 35: 701–704 Citrin Y, Sterling K, Halsted JA (1957). Mechanisms of hypoproteinemia with giant hypertrophy of gastric mucosa. New Engl J Med: 906–909 Jarnum S, Jensen H (1966) Medium chain triglycerides (MCT) in the treatment of protein-losing enteropathy and malabsorption syndromes. Scand J Gastroenterol 1: 306–313 Karbach U, Ewe K (1989). Enteric protein loss in various gastrointestinal diseases determined by intestinal alpha 1antitrypsin clearance. Z Gastroenterol 27: 362–365 Krag E, Frederiksen HJ, Olsen N, Henriksen JH (1978) Cimetidine treatment of protein-losing gastropathy (Menetrier’s disease). A clinical and pathophysiological study. Scand J Gastroenterol 13: 636–639 Kondo M, Nakanishi K, Bamba T et al. (1976) Experimental protein-losing gastroenteropathy: role of tissue plasminogen activator. Gastroenterology 71: 631-634 Milovic V, Caspary WF, Stein J, Grand RJ (2003) Protein-losing gastroenteropathy. In: T. LaMont, B. Rose (eds.) Update in Gastroenterology, CD, Vol 11.1 Tift WL, Lloyd JK (1975) Intestinal lymphangiectasia: Longterm results with MCT diet. Arch Dis Child 50: 269–274
SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Meteorismus und Flatulenz B. Lembcke, J. Stein 49.1
Grundlagen
49.2
Pathophysiologie
49.2.1 49.2.2 49.2.3 49.2.4
Verhaltensstörungen – 501 Darmgasbildung durch Nahrungsmittel – 501 Bakterielle Gasbildung – 502 Behinderungen des Gasaustausches – 502
49.3
Klinik
49.4
Diagnostik
49.5
Therapie
49.5.1 49.5.2 49.5.3
Prävention und Allgemeinbehandlung Ernährung – 504 Medikamentöse Therapie – 505
Literatur
>>
– 501 – 501
– 502 – 503 – 504 – 504
– 506
Meteorismus und Flatulenz sind häufige gastrointestinale Symptome, deren praktische Bedeutung stark variiert. Als Symptome organisch fassbarer Erkrankungen können sie definitiv oder intendiert kausal behandelt werden, während ihre Therapie auf der Grundlage funktioneller Störungen symptomatisch oder auch empirisch bleibt und neben Medikamenten diätetische sowie physikalische Maßnahmen einschließt.
501 49.2 · Pathophysiologie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
49.1
Grundlagen
Das Problem Meteorismus ist so alt wie die medizinische Literatur. Bereits Hippokrates gibt eine detaillierte Beschreibung unterschiedlicher Ursachen übermäßiger Darmgasbildung bzw. -ansammlung. DEFINITION Meteorismus ist definiert als (vermehrte) Luftoder Gasansammlung im Darm, Flatulenz als der rektale Abgang intestinaler Gase.
Flatusfrequenz von 10–20/Tag ausgestoßen. Die meisten Patienten mit Flatulenz lassen sich objektiv nicht vom Kollektiv der Gesunden unterscheiden. Grundsätzlich sind Ursachen von Meteorismus und Flatulenz: ▬ Verhaltensstörungen, ▬ Darmgasbildung durch Nahrungsmittel, ▬ bakterielle Gasbildung, ▬ Behinderungen des Gasaustauschs. 49.2.1
Das subjektive Empfinden für die intestinale Gasmenge ist jedoch sehr unzuverlässig; tatsächlich messbare Darmgasvolumina bei Gesunden und Patienten mit Blähungsbeschwerden im Rahmen eines Reizdarmsyndroms liegen um 100–200 ml,sodass die häufige Vorstellung eines ausgeprägten Blähbauchs durch eine übermäßige Darmgasansammlung bei funktionellen Störungen unzutreffend ist. Gerade bei ostentativ vorzeigbarem Blähbauch liegt meistens eine verstärkte Lendenwirbelsäulenlordosierung vor, die früher als Hysteriesymptom gedeutet wurde [Lembcke 1987]. Neben dem durch äußere Faktoren (Darmwandspannung, Motilität, Nahrungsunverträglichkeiten, emotionale Faktoren) beeinflussten Gefühl verstärkter Darmgasansammlungen kommt es jedoch bei einer Reihe von Störungen gastrointestinaler Funktionen zu einer Zunahme des intestinalen Gasvolumens durch Aeorophagie (Luftschlucken) oder verstärkte intestinale Gasbildung (bakterieller Kohlenhydratmetabolismus) bzw. Resorptionsstörungen für Darmgase [Lasser 1975; Lembcke 1987; Levitt 1972]. Kurzfristige Blähungsbeschwerden wie z. B. nach Luftinsufflation bei endoskopischen Untersuchungen bedürfen im allgemeinen keiner Therapie und werden daher hier nicht weiter berücksichtigt.Dominierendes Gas ist hierbei – wie auch bei der Aerophagie – Stickstoff (N2) aus der atmosphärischen Luft, der schlecht diffusibel ist. Demgegenüber sind die bakteriellen Darmgase Wasserstoff (H2) und Kohlendioxyd (CO2) sehr leicht diffusibel; Sauerstoff (O2) entstammt vorwiegend verschluckter Luft,Schwefelwasserstoff (H2S) und Methan (CH4) sind bakterielle Metabolite beim Abbau der Nahrung oder endogener Substrate. 49.2
Pathophysiologie
Täglich werden beim Gesunden ca. 500–1500 ml Darmgas über das Rektum [Tomlin 1991] mit einer
49
Verhaltensstörungen
Aerophagie und Rumination (willkürliches Aufstoßen) sind heute eher seltene Erscheinensformen gestörten Verhaltens. Grundsätzlich kann durch Aerophagie aber eine deutliche Magen- und Darmblähung erreicht werden. Das Verschlucken weniger (2–3) ml Luft bei der Nahrungsaufnahme ist physiologisch; bei tiefer Inspiration (z. B. bei Angst oder Schmerz) wird verstärkt Luft geschluckt (1–2 ml); entsprechend sind Darmgasüberlagerungen bei retrograder Pyelographie stärker ausgeprägt als bei der i.v.-Pyelographie. Die tatsächliche Bedeutung hastigen Essens für ein verstärktes Luftschlucken ist nicht geklärt [Lembcke 1990]. 49.2.2
Darmgasbildung durch Nahrungsmittel
Nahrungsmittel können in unterschiedlicher Weise zu Meteorismus und evtl. Flatulenz führen: ▬ Luft als natürlicher oder bei der Verarbeitung zugesetzter Bestandteil, ▬ Neutralisation von Fettsäuren, ▬ Nahrungsmittelallergien, ▬ physiologische Malabsorption von Kohlenhydraten, ▬ unverdauliche Kohlenhydrate, ▬ Kohlenhydratmalabsorptionssyndrome. Für die 3 letztgenannten Mechanismen der Darmgasbildung ist die Metabolisierung von Kohlenhydraten durch die physiologische Bakterienflora des Kolons verantwortlich, d. h. es bestehen Überschneidungen mit den in Kap. 49.2.3 genannten pathophysiologischen Bezügen. Die quantitative Bedeutung der Darmgaszunahme durch Luft als natürlichen oder bei der Verarbeitung zugesetzten Bestandteil (z. B. Schlagsahne, Sufflées) ist nicht bekannt; kohlensäurehaltige Getränke
502
VI
Kapitel 49 · Meteorismus und Flatulenz SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
entwickeln zwar eine rasche und beträchtliche Freisetzung von CO2 bei Körpertemperatur, diese findet jedoch schon im Magen statt.Auch infolge Neutralisation von Fettsäuren im Duodenum durch das Bikarbonat des Pankreassekrets wird CO2 in größerer Menge freigesetzt. In beiden Fällen wirken spontanes Aufstoßen bzw. die rasche Diffusion von CO2 Distensionsbeschwerden und Meteorismus im Oberbauch entgegen. Einzelne Patienten mit Nahrungsmittelallergien reagieren äußerst rasch nach Aufnahme des Allergens mit heftigem Meteorismus bzw. Flatulenz in Verbindung mit Durchfällen. Der zu kurze zeitliche Zusammenhang (15–30 min), Menge und Art des Allergens (z. B. Nüsse, Soßenkräuter) schließen dabei eine Malabsorption als Pathomechanismus aus; wahrscheinlicher sind hier eine intestinale Hypermotilität und Hypersekretion als propulsive Faktoren für die natürlich vorhandenen Darmgase [Lembcke 1990]. Als »physiologische Malabsorption« von Kohlenhydraten wird ein (unbemerkter) Übertritt von Kohlenhydraten in das Kolon verstanden, der beim Menschen in einer Größenordnung von ca.25 g/Tag erfolgt und durch grundsätzlich abbaubare, aber z. B. sterisch nicht erreichte Kohlenhydrate (sog. resistente Stärke) bedingt ist [Anderson 1981]. Beim Gesunden ist diese Kohlenhydratmalabsorption immer asymptomatisch; die erreichten Konzentrationen an Wasserstoff können bei Reizdarmpatienten Beschwerden hervorrufen. Im Gastrointestinaltrakt des Menschen nichtabbaubare bzw. nichtresorbierbare Kohlenhydrate und Zucker(alkohole) (z. B. Laktulose/Lactitol, Raffinose, Stacchyose, Zellulose, Fruktose in größeren Mengen, Xylit, Sorbit) führen in gleicher Weise zur Darmgasbildung durch bakteriellen Abbau [Anderson 1981; Ravich 1983]. Die Übergänge zur Symptomatik der Kohlenhydratmalabsorption bei der therapeutischen Hemmung intestinaler a-Glukosidasen bzw. unter krankhaften Bedingungen (z. B. beim Laktasemangel, der einheimischen Sprue, Kurzdarm, entero-kolischen Fisteln) sind hier fließend. 49.2.3
benden Milieus sowie die Zusammensetzung der Bakterienflora bedeutsam. Unter pathologischen Bedingungen (bakterielle Überbesiedlung u. a. bei Dünndarmdivertikeln, Stase-Syndromen durch Motilitätsstörungen, Achlorhydrie) können sog. Fäkalkeime auch im Dünndarm zum Abbau von Kohlenhydraten führen. Die bakterielle Bildung von Methan erfolgt beim Menschen fakultativ, vorwiegend aus endogenen Substraten (Muzine). Für die Symptomatik gasbedingter Beschwerden ist Methan wenig bedeutsam. Die bakterielle Bildung von H2S erfolgt vorwiegend aus exogenen Quellen (Kohl) und ist in erster Linie für den Stuhlgeruch verantwortlich [Suarez 1998]. 49.2.4
Behinderungen des Gasaustausches
Zu beachten sind a) Störungen der Gasausbreitung entlang des Gastrointestinaltrakts und b) Störungen der transmuralen Diffusion intestinaler Gase. Die Diffusion von Gasen folgt physikalischen Gesetzmäßigkeiten, d. h. in Abhängigkeit von ihrem Partialdruckgradienten und ihrer Diffusionskonstante. Störungen der Gaspassage entlang des Gastrointestinaltrakts können durch Behinderung der Eruktation (Aufstoßen) bei Fundoplikatio (»gas bloat syndrome«),durch Lageveränderungen (z.B.postprandiale Rückenlage beim Säugling mit Behinderung des duodenogastrischen Refluxes), Behinderungen der Darmpassage durch Obstruktion, Adhäsionen oder Dolichokolon auftreten, Behinderungen der Darmgasresorption infolge Pfortaderstauung, Herzinsuffizienz oder lokale Zirkulationsstörungen (Invagination, Volvulus). Eine Diffusion von Gasen in das Darmlumen unter extremen Atoniebedingungen ist möglich, spielt für die klinische Problematik von Meteorismus und Flatulenz aber keine Rolle [Lembcke 1990; Lembcke 1987].
Bakterielle Gasbildung 49.3
Bakterien können aus Kohlenhydraten (und Aminosäuren) große Mengen an Wasserstoff (und Kohlendioxyd) durch vielfältige Fermentationsmechanismen bilden. Für die Gasbildung im Kolon sind die Art und Komplexität der Kohlenhydrate, ihre Eintrittsgeschwindigkeit in das Kolon, der pH-Wert des umge-
Klinik
Meteorismus ist unabhängig von Flatulenz möglich; Flatulenz setzt demgegenüber eine erhebliche Darmgasvermehrung bzw.den raschen Übertritt von Darmgasen in das untere Kolon voraus. Bei gradueller Induktion einer Kohlenhydratmalabsorption kommt es
503 49.4 · Diagnostik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
zunächst zur Zunahme von Meteorismus, dann zu zunehmender Flatulenz und schließlich zur Diarrhö. Topographische Elemente und Volumen der Darmgase spielen für die Klinik der Darmgassyndrome eine große Bedeutung. Das »gas bloat syndrome« oder die Freisetzung von CO2 durch Neutralisation im Duodenum verursachen Beschwerden im Oberbauch; die Malabsorption von Kohlenhydraten kann erst nach bakterieller Gasbildung im Kolon Meteorismus verursachen, der entsprechend mit einer rechtsseitigen Tympanie einhergeht.Schweregradabhängig wird sich diese auf die weiteren Kolonabschnitte ausbreiten. Aufgrund der vielfältigen Einflussgrößen ist die Variationsbreite groß. So wirkt sich eine Malabsorption von Laktose bei Patienten mit Laktasemangel in sehr unterschiedlicher Weise aus, je nach aufgenommener Laktosemenge, Fettgehalt der Milch, Temperatur, Operationen (z. B. Wegfall der Ileozäkalklappe; [Suarez 1995]).Beim Reizdarmsyndrom führt die Malabsorption von Laktose zu stärkeren Blähungsbeschwerden als bei Kontrollen ohne Reizdarmsyndrom. Fruktose wird unter physiologischen Bedingungen nur in beschränkten Mengen (ca. 15–35 g) resorbiert [Ravich 1983]; der Anteil der Individuen mit Fruktosemalabsorption nimmt mit zunehmender Menge und Konzentration des Substrats zu. Gleichzeitige Anwesenheit von Glukose fördert die Resorption von Fruktose.Sorbit hemmt sie und Patienten mit Reizdarm reagieren stärker auf die Malabsorption von Fruktose als Gesunde. Diese Fruktosemalabsorption ist also keine eigenständige Krankheit sondern eine von vielen Bedingungen, unter denen ein Reizdarmsyndrom verstärkt symptomatisch wird. Wichtig Auf keinen Fall darf die Malabsorption von Fruktose mit der hereditären Fruktoseintoleranz verwechselt werden.
49
Syndrome mit bakterieller Überwucherung setzen einen lokalen Stasebezirk (Divertikel, Blindsack, Stenose, eine Fistel zu einem bakteriell stark besiedelten Darmabschnitt oder eine Motilitätsstörung (z. B. bei diabetischer Neurogastroenteropathie, progressiver systemischer Sklerodermie, Amyloidose) voraus. Praktisch wichtig ist auch die Nahrungsabhängigkeit der Symptomatik sowie die Frage nach der Einnahme von Medikamenten bzw. speziellen Diätetika [Lembcke 1990; Lembcke 1987]. 49.4
Diagnostik
Die Ziele der Diagnostik bei Patienten mit Meteorismus und Flatulenz lassen sich charakterisieren als: ▬ Zuordnung von Beschwerden und Befund zum Symptomenkomplex funktioneller Beschwerden bzw. zu (extra)intestinalen Ursachen vermehrter Gasbildung, ▬ Erfassung bzw. Ausschluss organischer Grunderkrankungen unter den Aspekten therapeutischer Konsequenzen und Dringlichkeit, ▬ Erkennung von Verhaltensstörungen. Entsprechend dem Spektrum der wesentlichen zum Auftreten von Meteorismus beitragenden Umstände, Störungen und Erkrankungen sollten diagnostische Maßnahmen (⊡ Tabelle 49.2) gezielt eingesetzt werden. Basisdiagnostik Ausführliche Anamnese (Diätanamnese/Ernährungsgewohnheiten)
Körperliche Untersuchung (Perkussion des Abdomens!)
»Stuhlvisite« (Inspektion, Gewicht, Test auf okkultes Blut)
BSG, Blutbild, GPT, Elektrophorese, Bilirubin, Blutglukose
H2-Konzentration der Atemluft nüchtern und
Von großer klinischer Bedeutung ist die Klärung, ob das Symptom Meteorismus ohne oder mit einer Darmgasvermehrung einhergeht. Normaler Darmgasgehalt (perkutorisch,sonographisch,radiologisch) lenkt den Verdacht auf eine funktionelle Störung und erspart eine häufig weitreichende Diagnostik. In der Regel ist hierbei die Nachtruhe durch die Beschwerden nicht gestört. Bei der Sprue oder der bakteriellen Überwucherung stellt die Malabsorption von Kohlenhydraten nur einen Teilaspekt der Symptomatik dar.
Laktosetoleranztest (H2, Blutglukose) Abdominelle Sonographie Abdomenübersichtsaufnahme ÖGD mit Duodenalbiopsie Ileo-Koloskopie (Röntgendoppelkontrasteinlauf ) Enteroklysma n. Sellink Gezielte Funktionsprüfungen, b-Carotin, Stuhlfett, Manometrie
504
Kapitel 49 · Meteorismus und Flatulenz SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Differenzialdiagnose. Die Differenzialdiagnose um-
VI
fasst heterogene Erkrankungen: funktionelle Beschwerden ohne Darmgasvermehrung beim Reizdarm, Malabsorptionssyndrome, chronisch intestinale Pseudoobstruktion (CIPO), Leberzirrhose mit Aszites, Herzinsuffizienz oder Kolonkarzinom. Eine neu aufgetretene Symptomatik ist dabei immer eher ein Indiz für eine gravierende, organische Genese; mitunter sind aber allein diätetische Besonderheiten ausschlaggebend (z.B.Wechsel auf »zuckerfreie« Kaugummi und Drops zur Gewichtsreduktion: Meteorismus durch Zuckeralkohole Xylit oder Sorbit; neu begonnene vegetarische Ernährung; [Lembcke 1987]). Die Indikation zur weiterführenden Diagnostik (Endoskopie, Röntgenuntersuchung des Dünndarms, Funktionsprüfungen,Motilitätsuntersuchungen) wird daher in entscheidendem Maße von nichtschematisierbaren, klinischen, für Arzt und Patienten individuellen Erwägungen geleitet werden [Lembcke 1990].
49.5.1
Prävention und Allgemeinbehandlung
Eine Prävention von Meteorismus und Flatulenz ist durch Vermeidung größerer Mengen obligat blähender Nahrungsmittel (z. B. Zwiebeln, Bohnen, Rosenkohl) und Nahrungskomponenten (z. B. Sorbit, Xylit, Fruktose) möglich. Darüber hinaus sind körperliche Bewegung und die Vermeidung beengender Kleidung (enge Gürtel oder taillierende Korsage) geeignet, Beschwerden infolge Behinderung der Gasverteilung präventiv entgegenzuwirken. Von der Führung eines Ereignis-/Beschwerdeprotokolls zur Dokumentation von Metorismus und Flatulenz ist abzuraten, da hierbei eine neurotisierende Fokussierung auf diese vegetativen Funktionen zu beobachten sein kann [Levitt 1976; Sutalf 1979]. Wärmeanwendung kann in Einzelfällen spastische oder durch Distension hervorgerufene meteoristische Beschwerden bessern [Lembcke 1990].
Wichtig Die Bestimmung erhöhter Nüchtern-H2-Konzentrationen in der Atemluft ist ein Indiz für eine verstärkte bakterielle Darmgasbildung (DD: Pneumatosis cystoides intestinalis); Normalwerte schließen aber eine Kohlenhydratmalabsorption oder bakterielle Überwucherung nicht aus. Die Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens erlaubt die Abschätzung der Darmgasmenge mit hinreichender (±20%) Genauigkeit, gibt aber in jedem Fall einen Anhalt für Menge und Lokalisation pathologischer Darmgasansammlungen.
49.5
Therapie
Die Behandlung von Meteorismus und Flatulenz fußt neben kausal zu behebenden Faktoren entscheidend auf diätetischen Prinzipien; pharmakotherapeutische Maßnahmen sind nicht generell wirksam oder nur temporär symptomatisch einsetzbar [Lembcke 1990; Lembcke 1987].Bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms stellt die Therapie von Blähungsbeschwerden nur einen Teilaspekt im Gesamtkonzept dar. Endoskopische Maßnahmen haben als Therapie nur in individuellen, schwerwiegenden Einzelfällen einen Platz (z. B. endoskopische Kolondekompression beim Ogilvie-Syndrom oder endoskopische Zäkostomie bei der Pseudoobstruktion).
49.5.2
Ernährung
Grundsätzlich ist die ärztliche Empfehlung bzw. Verordnung einer diätetischen Einschränkung bzw. Elimination von Nahrungsstoffen nur angezeigt, wenn die Verursachung oder Auslösung der Beschwerden diagnostisch belegt oder die individuelle Ernährungsform des Patienten unsinnig ist. Pauschalempfehlungen sind weder hilfreich noch seriös. Meteorismus/Flatulenz nach kaum resorbierten Kohlenhydraten wird immer auf die Elimination der Nahrungsstoffe ansprechen, wenn diese kausal für die Symptomatik verantwortlich sind. Hierfür bedarf es keiner Studien.Beispiele sind die Elimination von Sorbit oder Xylit, auch die Verwendung von Honig (Fruktose) als alleiniges Süßungsmittel kann Blähungsbeschwerden verursachen und sollte dann der Verträglichkeit angepast werden [Anderson 1981; Lembcke 1990; Lembcke 1987; Levitt 1972; Ravich 1983]. Bei der Laktosemalabsorption ist der Nachweis zu erbringen, dass diese häufige Störung (5–25% der deutschen Bevölkerung) auch tatsächlich unter den für den Patienten relevanten Bedingungen ursächlich für Meteorismus und Flatulenz ist [Suarez 1995]. Der quasi experimentelle Nachweis einer Malabsorption von Laktose unter den Bedingungen eines 50g-Laktosetoleranztests ist dann eine arbiträre Größe, wenn der Patient wenig oder keine Milch trinkt oder Laktose in anderer Form (z. B. als Milchzuckerpräparat) nicht zu sich nimmt. Ein pathologischer Laktosetole-
505 49.5 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
ranztest belegt den Laktasemangel. Für therapeutische Empfehlungen sollte jedoch zusätzlich die für den Patienten relevante Menge Milch ausgetestet werden [Suarez 1995]. Neben der Dokumentation der Labordaten (H2- und Blutglukoseanstieg) ist dabei auf die klinische Symptomatik unter der Testdurchführung (und bis 6 h danach) zu achten; ein pathologischer Test ohne symptomatisches Korrelat ist diagnostisch irreführend und therapeutisch bedeutungslos. ! Cave Die Empfehlung einer Vermeidung von »Milch und Milchprodukten« bei nachgewiesener Laktosemalabsorption ist irreführend und unnötig. Käse z. B. enthält kaum Laktose; in Naturjoghurts und selbst hergestellter Dickmilch ist die Laktose weitgehend vergoren. Andererseits ist Milch für eine gesunde Ernährung kein Dogma.
Ballaststoffe können insbesondere in Zeiten der Ernährungsumstellung blähend wirken; hier gilt der Rat, die gewünschte Menge nur langsam (Monate) anzustreben, eine Verteilung über den Tag auszunutzen und körperliche Bewegung zu empfehlen. Bei der einheimischen Sprue (Zöliakie) ist die Ernährungstherapie die alleinige kausale Therapie. Mit dem Behandlungserfolg der strikt glutenfreien Diät bessern sich die Symptome der Kohlenhydratmalabsorption meistens innerhalb weniger Wochen. Ein Laktasemangel verbleibt jedoch nahezu immer, sodass Milch entsprechend o. g. Kriterien für die Laktosemalabsorption vermieden werden sollte. 49.5.3
Medikamentöse Therapie
Pharmakotherapeutische Optionen stellen die Karminativa, Adsorbentien, Entschäumer und Prokinetika dar. Der Natur des Sujets folgend basiert die wissenschaftliche Datenlage dabei vorwiegend auf empirischen Angaben, wenngleich einzelne aussagekräftige pacebokontrollierte Studien vorliegen [Lembcke 1990]. Karminativa. Karminativa (Extrakte volatiler Öle) wie sie in Zimt, Nelke Ingwer, Kümmel und Pfefferminze enthalten sind, sollen das Aufstoßen erleichtern und – ebenso wie Alkohol (»Digestiv«) – die Gasresorption durch eine Hyperämie fördern. Diese Vorstellungen sind, abgesehen von einer Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters unter Pfefferminzöl, nicht experimentell belegt, haben aber z. T. Eingang in Kü-
49
chentraditionen gefunden; so stellt z. B. Kümmel ein häufiges Gewürz bei blähenden Kohlspeisen oder auch bei Laugenbrezeln dar. Bei Kindern ist Fencheltee ein beliebtes Hausmittel. Carl Anton Ewald äußerte bereits 1910 über die »ganze Sippe der Carminativa«: »Bei der Wertschätzung der Carminativa ist wohl stets der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen«. In der praktischen Gastroenterologie haben derartige individuelle Spezialitäten den Vorteil gegenüber einem Placebo,dass ihr rationaler Hintergrund zumindest beim Patienten nicht in Frage steht [Lembcke 1990]. Kohle. Unbewiesen ist auch die Gabe von Adsorbentien (Kohle, Kaolin, Kreide) oder Antazida. Simethicon. Oberflächenaktive Substanzen wie Me-
thylpolysiloxane (80 mg Dimethicon + 4,2 mg hochdisperses Siliziumdioxid = 84,2 mg Simethicon, z. B. Lefax, Ceolat) führen zur Bildung größerer Luftblasen, die rascher eliminiert werden sollen. Die Wirksamkeit bei Meteorismus ist für Erwachsene durch mehrere Studien belegt, die den Evidenzgrad Ib erfüllen. Dies gilt jedoch nicht für die sog. 3-Monats-Koliken bei Säuglingen (Evidenzgrad IIb). Bei Patienten mit Blähungsbeschwerden bei nichtulzeröser Dyspepsie erwies sich die Gabe von 3¥84 mg Simethicon der Verabreichung von 3¥10 mg des in Deutschland nicht mehr verfügbaren Prokinetikums Cisaprid als deutlich überlegen [Holtmann 1999]. Gegenüber Placebo verbessert die Gabe von 50 mg Simeticon vor einer blähenden Mahlzeit bei Patienten mit Oberbauchbeschwerden die Symptome Blähungen und Distension signifikant. Postoperative Blähungsbeschwerden werden durch 4¥40 mg Simethicon signifikant besser als durch Placebo gebessert. Bei Meteorismus aufgrund experimenteller Kohlenhydratmalabsorption erwies sich die Gabe von Dimethylpolysiloxan als nicht ausreichend effektiv. Unter den Bedingungen akuter unspezifischer Diarrhö in Mexiko mit Darmgasbeschwerden erwies sich die Gabe von 125 mg Simeticon in Kombination mit Loperamid (2 mg) der alleinigen Gabe von Loperamid oder Simeticon oder Placebo überlegen (raschere Besserung der Blähungsbeschwerden und kürzere Diarrhödauer [Kaplan 1999]). Die Elimination von Gas kann durch Metoclopramid oder Cisaprid beschleunigt werden; Cisaprid ist in Deutschland jedoch nicht mehr zugelassen und bei Reizdarmpatienten von geringerer Wirksamkeit als Simeticon.
506
Kapitel 49 · Meteorismus und Flatulenz SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bismuthsubsalicylat. Der durch H2S-Bildung indu-
VI
zierte übelriechende Stuhlgeruch kann durch Bismuthsubsalicylat (International: Peptobismol, in Deutschalnd nicht verfügbar!) reduziert werden [Suarez 1998]. Bei Meteorismus im Rahmen einer bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms ist – bei nicht zu beseitigender Ätiologie – die intermittierende Antibiotikaanwendung (z. B. Tetracyclin, Metronidazol) indiziert, zumeist aus Gründen des Malassimilationssyndroms, weniger aufgrund des Meteorismus. Dabei kommt es zu einer quantitativen und qualitativen Änderung der pathologischen Mischflora im Dünndarm, die das Krankheitsbild temporär zu bessern vermag. Bei der chronisch intestinalen Pseudoobstruktion (CIPO) besteht eine primäre neuro- oder myogene Passagestörung mit bakterieller Überbesiedlung und teils dramatischem Blähbauch. Konservative Maßnahme mit graduell gesichertem Wert sind die Gabe von Erythromycin als Motilinagonist, total parenterale Ernährung; bei unzureichendem Effekt: endoskopische oder operative Entlastung.
Literatur Anderson IH, Levine AS, Levitt MD (1981) Incomplete absorption of the carbohydrate in all-purpose wheat flour. New Engl J Med 304: 801–802 Holtmann G, Gschossmann J, Karaus M et al. (1999) Randomized double-blind comparison of simethicone with cisapride in functional dyspepsia. Aliment Pharmacol Ther 13: 1459–6145
Kaplan MA, Prior MJ, Ash RR et al. (1999) Loperamide-simethicone vs loperamide alone, simethicone alone, and placebo in the treatment of acute diarrhea with gasrelated abdominal discomfort. A randomized controlled trial. Arch Fam Med 8: 243–248 Lasser RB, Bond JH, Levitt MD (1975) The role of intestinal gas in functional abdominal pain. New Engl J Med 293: 524–526 Lembcke B (1990) Leitsymptom: Meteorismus. Dtsch Ärztebl 87: B 2685–2690 Lembcke B (1987) Kohlenhydratmalabsorption und funktionelle Darmstörungen. In: Hotz J, Rösch W (Hrsg.) Funktionelle Störungen des Verdauungstrakts. Interdisziplinäre Gastroenterologie. Springer, Berlin Heidelberg New York, 35–57 Levitt MD (1972) Intestinal gas production. J Am Diet Assoc 60: 487–491 Levitt MD, Lasser RB, Schwartz JS, Bond JH (1976) Studies of a flatulent patient. N Engl J Med 295: 260–262 Ravich WJ, Bayless TM, Thomas M (1983) Fructose: incomplete intestinal absorption in humans. Gastroenterology 84: 26–29 Suarez FL, Savaiano DA, Levitt MD (1995) A comparison of symptoms after the consumption of milk or lactose-hydrolyzed milk by people with self-reported severe lactose intolerance. New Engl J Med 333: 1–4 Suarez FL, Springfield L, Levitt MD (1998) Identification of gases responsible for the odour of human flatus and evaluation of a device purported to reduce this odour. Gut 43: 100–104 Suarez FL, Furne JK, Springfield J, Levitt MD (1998) Bismuth subsalicylate markedly decreases hydrogen sulfide release in the human colon Gastroenterology 114: 923–929 Sutalf LO, Levitt MD (1979). Follow-up of a flatulent patient. Dig Dis Sci 24: 652–654 Tomlin J, Lowis C, Read NW (1991) Investigation of normal flatus production in healthy volunteers. Gut 32: 665–669
50 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Ileus E. Hanisch, J. Stein 50.1
Epidemiologie
50.2
Klassifikation und Ätiologie
50.3
Pathophysiologie
50.4
Klinik
50.5
Diagnostik
50.6
Therapie
50.6.1 50.6.2 50.6.3
Allgemeine therapeutische Strategien – 511 Konservative Therapie – 511 Spezielle chirurgischeTherapie – 512
Literatur
>>
– 508 – 508
– 509
– 509 – 511 – 511
– 512
Unter Ileus ist eine Transportstörung von Teilen des Darms oder des gesamten Darmtrakts zu verstehen, die über 80% durch ein mechanisches Hindernis wird und nur selten aufgrund einer funktionellen Motilitätsstörung der Darmmotorik entsteht. Proximal eines Hindernisses kommt es durch eine gestörte Resorption bei gleichzeitiger Transsudation in den Darmschlingungen zu erheblichen intravasalen Flüssigkeitsverlusten. Dabei werden ausgeprägte Elektrolytverschiebungen (Chlorid, Natrium, Kalium) beobachtet.
508
Kapitel 50 · Ileus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Epidemiologie
50.1
– Etwa 4% aller Laparotomien einer chirurigschen Klink weden wegen eines Ileus durchgeführt, von denen 70% den Dünndarm betreffen [Treutner 1995].Bis zu 30 % der Patienten mit primärem kolorektalem Karzinom präsentieren sich unter dem Bild einer Obstruktion.
– – –
Klassifikation und Ätiologie
50.2
VI
Hauptursachen des mechanischen und paralytischen Ileus Mechanischer Ileus Subakut-schmerzhafter Verlauf, besonders bei Strangulation! Okklusions- oder Obturationsileus ohne Mesenterialbeteiligung – Tumor – Striktur, Briden – Gallenstein – Würmer-Konvolute – Verschluckte Fremdkörper Strangulationsileus Einklemmung, Abschnürung von außen mit Mesenterialbeteiligung = primäre Zirkulationsdrosselung, daher akutes Bild, Sofortoperation! – Verwachsungsstränge, Meckel-Divertikel – Inkarzeration (Bruchpforten, Zwerchfellbrüche, Röntgenuntersuchung: Enterothorax?!) – Invagination – Volvolus
Dynamischer oder funktioneller Ileus (paralytischer Ileus) Stadienhafter Ablauf, Begleitstörung und Folgezustand anderer primärer Grundkrankheiten Primär paralytischer Ileus
– –
Peritonitis! Darmischämie/-gangrän (Mesenterialthrombose/Embolie) – Durchwanderungsperitonitis (verschleppter mechanischer Ileus!) Sekundär paralytischer Ileus Neurogen, reflektorisch, spastisch
▼
–
Postoperative Darmatonie/Ileus (hypokaliämischer Ileus nach Erbrechen und Blutverlust) Retroperitoneale Prozesse (Wirbelsäulen-, Nierenverletzung, Hämatome) Reflektorische Darmatonie bei Gallen-/ Nierenkolik Intraabdominelle Blutung (extrauterine Gravidität), Trauma Intoxikationen, Stoffwechselstörungen
Gemischter Ileus (mechanische + funktionelle Faktoren) Ileus e Graviditate Gallensteinileus Stumpfes Bauchtrauma mit Darmmesenterialhämatom
In fast 50% aller akuter Dünndarmverschlüsse liegt eine inkarzerierte Hernie vor. Es sind immer zuerst die Bruchpforten zu untersuchen, besonders die Femoralringe (adipöse Patienten!). Zu beachten ist, dass sich die Ursachen des Darmverschlusses bei Erwachsenen und Kindern unterscheiden (⊡ Tabelle 50.1) hervorgeht. Gallensteinileus Ein Gallenstein, der einen Ileus hervorruft, ulzeriert generell ins Duodenum und verursacht die Symptome einer sehr starken Obstruktion: starke Schmerzen und häufiges Erbrechen. Das Erbrochene kann Blutbeimengungen aus der Ulzeration enthalten und so zur Fehldiagnose eines peptischen Ulkus führen. Nach 1 oder 2 Tagen stoppt der Stein am unteren Ende des Ileums (engster Punkt des Dünndarms) und die
⊡ Tabelle 50.1. Ursachen des Darmverschlusses Erwachsene
Kinder
Hernie 41%
Hernie 38%
Adhäsionen 29%
Pylorusstenose 15%
Invagination 12%
Ileozäkale Invagination 15%
Volvolus 4%
Atresien und Pankreas anulare 14%
Verschiedenes 4%
Verschiedenes 11%
509 50.4 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Symptome treten erneut auf. Diese Reihenfolge der Symptome ist dringend verdächtig auf einen Dünndarmverschluss durch einen Gallenstein [Aschoff 1998]. Akuter Dickdarmverschluss Ein akuter Dickdarmverschluss verursacht selten so akute Beschwerden wie der des Dünndarms.Den akuten Episoden des Dickdarmverschlusses gehen oft leichtere Formen eines subakuten Verschlusses voraus. Die Hauptursachen des Dickdarmverschlusses sind Kolonkarzinom (70%), Volvulus (10%) und Divertikulitis (5%).Koprostase im Rektum kann manchmal ebenfalls eine gewisse Obstruktion mit Blähung des Abdomens verursachen. Ist eine inkarzerierte Hernie ausgeschlossen,dann ist das Kolonkarzinom bei Menschen in der 2. Hälfte des Lebens die häufigste Ursache des Darmverschlusses. Die Symptome sind oft schleichend.
50
Es handelt sich um eine akute Kolonobstruktion ohne irgendwelche mechanischen Ursachen. Postoperativer Ileus Aufgrund einer intraabdominellen Infektion oder Abszessbildung,eines Hämatoms,einer Anastomoseninsuffizienz, einer intestinalen Durchblutungsstörung kommt es unmittelbar postoperativ zum Auftreten eines paralytischen Ileus (Übersicht bei [Behm 2003]). 50.3
Pathophysiologie
Das zentrale pathophysiologische Substrat aller Ileusformen ist die Darmdistension. Durch eine Erhöhung der Wandspannung mit konsektutiver Störung der Mikrozirkulation und Hypoxie der Darmwand bei gestörter Mukosabarriere und Stase kann es zu einer zunehmenden Flüssigkeitssequestration in Darmlumen, Darmwand und Stase kommen.
Divertikulitis des Kolons Wichtig Wichtig
Verursacht eine Divertikulitis einen Darmverschluss, dann sind die Symptome von denen eines Kolonkarzinoms nicht zu unterscheiden.
Eine chronische Entzündung kann einen beträchtlichen Teil des Kolons betreffen und einen subakuten und schließlich akuten Dickdarmileus verursachen. Volvolus Ein Volvulus (Verdrehung einer Darmschlinge um ihre eigene Achse) des Dickdarms kommt im allgemeinen an 2 Stellen vor: im Bereich von Sigma und Zäkum. Das Sigma ist bei weitem am häufigsten betroffen. Das Mesokolon ist hier lang und die Basis schmal, sodass eine Drehung der Schlinge leichter möglich ist. Ein ileozäkaler Volvolus ist seltener. Der akute Verschluss manifestiert sich durch absolute Obstipation,akute abdominelle Schmerzen und rapide Blähung des Abdomens. Sind die Gefäße der Darmschlinge komplett verschlossen, wird sie schnell gangränös, es kommt zur Peritonitis. Instestinale Pseudoobstruktion ! Cave Differenzialdiagnostische Probleme können im Rahmen einer akuten Pseudoobstruktion des Kolons (Ogilvies-Syndrom) auftreten.
50.4
Klinik
Schmerzen sind häufig bereits zu Beginn sehr stark.Sie werden ins Epigastrium und um den Nabel lokalisiert, manchmal auch ins Hypogastrium; gewöhnlich kommen die Schmerzen anfallsweise. Ist ein größerer Teil des Mesenteriums beteiligt oder besteht gleichzeitig eine Peritonitis,kann der Schmerz auch kontinuierlich sein. Spasmen entstehen durch die Darmperistaltik, die die Obstruktion zu überwinden versuchen. Wichtig Erbrechen ist fast immer ein anzutreffendes Symptom. Je höher die Obstruktion sitzt, desto eher und heftiger setzt das Erbrechen ein.
Bei einem Dickdarmverschluss kann Erbrechen fehlen, aber Übelkeit und Anorexie bestehen gewöhnlich. Beim Erbrechen durch einen Darmverschluss wird zunächst der Mageninhalt erbrochen, dann erscheint grünes galliges Material; liegt der Verschluss weiter distal im Dünndarm, verändert sich die Farbe in gelb oder grünlichbraun, und das Erbrochene wird fäkulent. Wichtig Fäkulentes Erbrechen ohne Peritonitis ist diagnostisch für einen Darmverschluss.
510
VI
Kapitel 50 · Ileus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Es sollte aber als Spätsymptom angesehen werden.Fäkulentes Erbrechen zeigt fast immer einen Verschluss im distalen Dünndarm an. Gelegentlich tritt es bei einem Verschluss des Dickdarms auf, aber nur bei Insuffizienz der Ileozäkalklappe. Obstipation und Windverhaltung sind Symptome eines Darmverschlusses, die aber nicht immer schon am Anfang evident sind. Ist der Darm an einer Stelle verschlossen, kann der Darminhalt nicht passieren, die distalen Darmanteile können aber noch eine Zeit lang Stuhl absetzen. Blähungen treten bei den akuten Fällen oder Verschluss des proximalen Dünndarms gewöhnlich erst spät auf.Bei subakuter oder partieller Obstruktion des distalen Dünndarms betrifft die Blähung allmählich Schlinge um Schlinge, sodass bei der Inspektion ein typisches leiterförmiges Bild zu erkennen ist. Druckempfindlichkeit ist bei überblähten Darmschlingen generell anzutreffen, eine gleichzeitige Bauchdeckenspannung deutet auf eine Peritonitis hin. Eine sichtbare Peristaltik ist kein konstanter Befund, aber füh-
rend in der klinischen Diagnostik [Henne-Bruns 2000]. Bei den sehr akuten Fällen mit einer Strangulation ist die Peristaltik oft nicht zu sehen. Eine Schocksymptomatik deutet auf eine schwere Symptomatik und häufig auf eine späte Diagnose hin. Obstruktion des proximalen Dünndarms. Es entste-
hen akute Symptome,Erbrechen tritt frühzeitig auf,ist häufig und heftig,der anfängliche Schmerz ist stärker, Blähung des Abdomens ist kein Frühbefund. Das Erbrochene ist grün und gallig. Obstruktion des distalen Dünndarms. Die Symptome
sind weniger ausgeprägt als eben beschrieben.Schock und Schmerzen können bestehen; das Erbrechen tritt etwas später auf und es dauert einige Zeit, bis es fäkulent wird. Nach ein paar Stunden tritt Überblähung des Abdomens auf. In subakuten Fällen kann das Leiterphänomen bei geblähtem Abdomen vorhanden sein; die Peristaltik ist sichtbar.
⊡ Tabelle 50.2. Schematische Differenzialdiagnose des postoperativen Ileus Physiologische Darmruhe
Paralytischer Ileus (häufigste Ursache lokale oder diffuse Peritonitis)
Mechanischer Ileus
Verlauf und Zeit
Normalerweise nicht länger als 3–4 Tage
Schleichender Übergang aus der postoperativen Darmatonie
Nicht vor dem 5.–6. Tag, deutlich nach normaler Aufhebung der physiologischen Darmruhe
Meteorismus
Mäßiger, diffus
Schwerer, diffus
Isoliert mit Darmsteifungen
Druckschmerz (DS)
Kein DS
Diffuse, harte Abwehrspannung
Umschriebener DS
Spiegelbildung
Keine oder nur vereinzelt
Multiple, ausgedehnte, (evtl. bei Nahtinsuffizienz oder Darmperforationen – subphrenische Luftsichel)
Lokalisiert, isoliert, evtl. Plätschergeräusche im Abdomen
Schmerzen
Keine
Diffus, unterschiedlich stark ausgeprägt
Wechselnd, kolikartig mit freiem Intervall
Magensonde
Atonie mit geringer Überlaufentleerung
Atonie mit deutlicher Überlaufentleerung
Atonie mit Entleerung entsprechend Ileuslokalisation
Allgemeinzustand
Keine oder nur geringe Veränderung des Allgemeinzustandes und der Kreislaufparameter
Schockzeichen, Schockindex! (Pulserhöhung bei gleichzeitigem RR-Abfall). Entsprechend mehr oder weniger deutlich ausgeprägte Niereninsuffizienz
Mäßig bis schwer ausgeprägte Schockzeichen, Oligurie bis Anurie
511 50.6 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Obstruktion des Dickdarms. Der Schmerz ist weniger akut, der Schock geringer ausgeprägt (außer bei einigen Fällen mit Volvulus und Invagination), Erbrechen tritt recht spät auf und ist nicht häufig; frühzeitig auftretende Blähung des Abdomens ist fast die Regel. Die Folgen des Dickdarmverschlusses hängen von der Schlussfähigkeit der Ileozäkalklappe ab. Ist die Klappe insuffizient (bei etwa 15–20% der Patienten mit einem Dickdarmverschluss) und tritt ein Reflux in den Dünndarm auf, dann ähneln Zustand des Patienten und Röntgenbild oft einem partiellen Verschluss des Dünndarms. Ist die Ileozäkalklappe schlussfähig, so liegt eine ausgeschaltete Darmschlinge zwischen Klappe und Stenose; durch die starke Blähung dieser Schlinge droht eine Gangrän des Zäkums. In einem solchen Falle weist Druckempfindlichkeit in der rechten Fossa iliaca auf die drohende oder bereits eingetretene Komplikation hin. Klinisches Bild, spezielle Symptomatologie und schematische Differenzialdiagnose vom postoperativen, paralytischen und mechanischen Ileus sind aus ⊡ Tabelle 50.2 ersichtlich.
50.5
Diagnostik
Die Röntgenleeraufnahme des Abdomens kann die klinische Verdachtsdiagnose bestätigen und ermöglicht eine Differenzierung zwischen Dick- und Dünndarmileus [Goldberg 1979]. Beim Gallensteinileus ist pathognomomisch Luft in den Gallengängen anzutreffen (Pneumobilie), des Weiteren kann ein Volvolus bereits auf der Übersichtsaufnahme mit hoher Sicherheit diagnostiziert werden. Ein Kolonkontrasteinlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel unterstützt die klinische Verdachtsdiagnose einer Obstruktion. Eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens im Kontext von sorgfältiger Anamnese und klinischer Untersuchung ist in der Hand des erfahrenen Klinikers häufig wegweisend bei der Ursachenforschung [Leger 1975]. 50.6
Therapie
50.6.1
Allgemeine therapeutische Strategien
Die funktionelle Okklusion ist zunächst Gegenstand abwartender Behandlung, die mechanische Okklusion verlangt immer den chirurgischen Soforteingriff unter
50
differenzierter zeitlicher Indikation [Henne-Bruns 2000; Post 2000]. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Okklusion durch Strangulation bzw. Obturation. Wichtig Der Strangulationsileus in lokalisierter und diffuser Form verlangt eine vordringliche notwendige Operation zur Beseitigung des Hindernisses, das den Darm ischämisch bedroht. Der Obturationsileus zeigt eine langsamere Entwicklung und kann entsprechend nach differenzialdiagnostischer Abklärung verzöger chirurgisch therapiert werden [Post 2000].
Ist der Ileus auf eine Peritonitis zurückzuführen, muss die Ursache der Peritonitis sofort angegangen werden (Prinzip der chirurgischen Herdsanierung, s. Kap. 37). ! Cave Jede Ileusform kann mit ausgeprägtem Elektrolytentgleisungen einhergehen, darüber hinaus wird die Hämodynamik durch Volumenverluste (Erbrechen) und/oder -verschiebungen (intraluminal, extraluminal in das Abdomen bei Peritonitis) erheblich beeinträchtigt. Jede operative Intervention muss deshalb intensivmedizinisch begleitet werden, um Elektrolyt- und Volumenstatus engmaschig zu kontrollieren und auszugleichen.
50.6.2
Konservative Therapie
Nach Ausschluss eines mechanischen Ileus, einer Peritonitis oder einer Perforation kann beim paralytischen Ileus mit der medikamentösen Anregung der Darmperistaltik begonnen werden. DOSIERUNG Neostigmin 3 mg + Dexapanthenol 3 g in 500 ml 0,9% NaCl über 4 h i.v. Kontraindiziert bei mechanischem Ileus, Asthma bronchiale, M. Parkinson und Thyreotoxikose. Vorsicht bei Kreislaufdepression und Bradykardie. Nach Darmresektionen kann es zur Nahtinsuffizienz kommen. ▼
512
Kapitel 50 · Ileus SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
50.6.3 Oder Distigminbromid (Ubretid) 0,5–1 mg in 250 ml 0,9% NaCl über 2 h i.v. oder Pyridostigminbromid (Mestinon) 1–2 mg i.m. oder Ceruletid (z. B. Takus) 2 ng/kgKG/min in 500 ml 0,9% NaCl über 5 h i.v. Kontraindiziert bei akuter Pankreatitis und mechanischem Ileus. Vorsicht bei Kreislaufdepression, schwerer Niereninsuffizienz und Choledocholithiasis.
VI Eine therapeutische Koloskopie ist bei Überblähung des Kolons angezeigt. Zur Entlastung kann hierbei eine Dekompressionssonde eingelegt werden; im Allgemeinen ist innerhalb von 24 h eine wieder einsetzende Motorik des Gastrointestinaltrakts zu erwarten. Komplikationen Die Hauptgefahr eines konservativen Vorgehens beim Ileus liegt in der Unterschätzung des Krankheitsbildes und in einer Überschätzung der Effektivität der konservativen Therapiemöglichkeiten. Wichtig Der Patient mit einem Ileus unklarer Genes ist ein klassisches Beispiel für die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit.
Als häufigste Komplikationen gelten: ▬ hypovolämischer Schock mit Elektrolytentgleisung, ▬ metabolische Azidose (Bikarbonatverlust) durch rezidivierendes Erbrechen und den Verlust großer Mengen von Magen-Darm-Sekreten über die die Sonde, ▬ Durchwanderungsperitonitis mit nachfolgender Sepsis, ▬ akutes Nierenversagen, ▬ akute respiratische Insuffizienz im Rahmen eines protahierten Schockgeschehens. Um eine Verschleierung des Krankheitsbildes zu vermeiden, sollten initial – soweit vertretbar – keine Schmerzmittel verabreicht werden.
Spezielle chirurgische Therapie
Gallensteinileus Über eine Enteroromie wird der Gallenstein entfernt und der aufgestaute Darminhalt abgesaugt. Die in der Regel dem Gallensteinileus zugrunde liegende Fistel zwischen Gallenblase und Duodenum muss im Akutfall nicht korrigiert werden. Da bis zu 40% der Patienten eine Choledocholithiasis aufweisen, wird der Gallengang postoperativ mittels ERCP abgeklärt [HenneBruns 2000]. Dünndarmileus Der Dünndarm muss insgesamt vom Treitz-Band bis zur Ileozäkalregion inspiziert werden. Adhäsionen und Briden werden unter sorgfältiger Respektierung der Integrität der Darmwand gelöst [Post 2000; Treutner 1995].Von wesentlicher Bedeutung ist die Beurteilung der Durchblutungssituation von Darmanteilen, die durch Hernien oder Briden beeinträchtigt werden. Im Zweifel muss der betroffene Abschnitt reseziert werden, ggf. erfolgt eine Second-Look-Operation. Der Vorteil von Darmplikaturen oder Darmschienen ist bisher wissenschaftlich nicht erwiesen. Dickdarmileus Da der Dickdarmileus häufig zeitlich verzögert operiert wird, kann eine entsprechende präoperative Diagnostik und Vorbereitung, mit nachfolgend einzeitigem Vorgehen – Resektion mit primärer Anastomose – erfolgen. Zunehmend finden kolorektale Stents Anwendung, die es ermöglichen, den Patienten einzeitig zu operieren, um eine Kolostomie zu vermeiden [Baron 2001; Post 2000].
Literatur Aschoff AJ, Kramer SC, Rieber A et al. (1998) Diagnosis of gall stone ileus. Z Gastroenterol 36: 853–858 Baron TH (2001) Expandable metal stents for the treatment of cancerous obstruction of the gastrointestinal tract. N Engl J Med 344: 1681–1687 Behm B, Stollmann N (2003) Postoperative ileus: etiologies and interventions. Clin Gastroenterol HHepatol 1: 71–80 Goldberg HI, Dodds WJ (1979) Roentgen evaluation of small bowel obstruction. Dig Dis Sci 24: 245 Henne-Bruns D, Löhnert M (2000) Aktueller Stand zur Diagnostik und nichtoperativen Therapie des Dünndarmileus. Chirurg 71: 503–509 Lopez-Kostner F, Hool GR, Lavery IC (1997) Mangement and causes of acute large- bowel obstruction. Surg Clin North Am 77: 1265–1290
513 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG Leger L, Nagel M (1975) Chirurgische Diagnostik: Krankheitslehre und Untersuchungstechnik. Springer, Berlin Heidelberg New York Mauro MA, Koehler RE, Baron TH (2000) Advances in gastrointestinal intervention: the treatment of gastroduodenal and colorectal obstructions with metallic stents. Radiology 2000 215: 659–669 Post S, Schuster KL (2000) Verlassenes, Bewährtes und Aktuelles zur operativen Dünndarmileustherapie. Chirurg 71: 524–531
50
Stewart J, Diament RD, Brennan TG (1993) Management of obstructing lesions of the left colon by resection, ontable lavage, and primary anastomosis. Surgery 11: 502–505 Treutner KH, Bertram P, Loser S, Winkeltau G, Schumpelick V (1995) Prophylaxe und Therapie intraabdomineller Adhäsionen: Eine Umfrage an 1200 Kliniken in Deutschland. Chirurg 66: 398–403
SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Obere und untere gastrointestinale Blutung B. Braden, C. F. Dietrich 51.1
Ätiologie und Pathophysiologie
51.2.
Klinik
51.3
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
51.4
Therapie
51.4.1 51.4.2 51.4.3 51.4.4
Allgemeinmaßnahmen/Ernährung Medikamentöse Therapie – 517 Endoskopische Verfahren – 518 Chirurgische Verfahren – 520
Literatur
>>
– 515
– 515 – 516
– 517 – 517
– 521
Eine Blutung im Gastrointestinaltrakt kann aus jedem Bereich zwischen Mund und Anus ihren Ausgang nehmen. Die Blutungsart (arteriell-spritzend, venös-sickernd), Blutungslokalisation und Blutmenge (latent bis vital bedrohlich) sind heterogen und von der zugrundeliegenden Erkrankung abhängig. Etwa 90% aller gastrointestinalen Blutungen haben ihre Ursprung im oberen Gastrointestinaltrakt, oberhalb der Flexura duodenojejunalis; ca. 1–2% entstehen im Dünndarm und ca. 9% im Kolon und Rektum. Auch aus prognostischen Gründen werden obere gastrointestinale Blutungen nach Forrest klassifiziert ( s. Kap. 8). Als primäre Letalitätsfaktoren bei oberen gastrointestinalen Blutungen haben sich ein höheres Alter (>60 Jahre) und Rezidivblutungen herausgestellt. Als sekundäre Letalitätsfaktoren gelten ein erheblicher Hämoglobinabfall auf Werte <8 g/dl und eine Forrest-Ia-Blutung.
515 51.2 · Klinik SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
51.1
Ätiologie und Pathophysiologie
Ulzera in Magen und Duodenum stellen die häufigsten Ursachen gastrointestinaler Blutungen dar (⊡ Tabelle 51.1 und 51.2), wobei die Mehrzahl dieser Ulzerationen auf einer chronischen Infektion mit Helicobacter pylori beruhen und somit eine antibiotisch therapierbare Infektionskrankheit darstellen. Die unzureichende mukosale Schutzfunktion durch gehemmte Prostaglandinsynthese infolge der Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAID) lässt sich meist anamnestisch als mögliche Ursache der Ulkusentstehung eruieren. Untere gastrointestinale Blutungen treten in jungen Jahren selten auf. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder Meckel-Divertikel, die mit ulze-
⊡ Tabelle 51.1. Blutungsursachen und deren Häufigkeit im oberen Gastrointestinaltrakt Blutungsursache
Häufigkeit [%]
Ulcus duodeni
27
Ulcus ventriculi
24
Ösophagusvarizenblutung
20
Erosive Gastritis
13
Refluxösophagitis
10
Mallory-Weiss-Läsionen
5
Andere (Angiodysplasie, Neoplasie, Hämobilie, Hämosuccus pancreaticus)
2
rierender gastraler Mukosa ausgekleidet sind,können die Ursache sein. 10% aller unterer gastrointestinalen Blutungen liegen Hämorrhoidalblutungen zugrunde. Im Alter spielen Divertikelblutungen, arteriovenöse Malformationen und neoplastische Veränderungen eine größere Rolle. 51.2
Klinik
Hämatemesis beschreibt Bluterbrechen, Melaena Teerstuhl und der (massive) Blutverlust durch das Rektum wird Hämatochezie genannt. Massives, hellrotes Bluterbrechen ist meistens durch eine arterielle Blutung im Rahmen eines Ulkus oder durch eine akute Ösophagusvarizenblutung bedingt, wogegen das mehr kaffeesatzartige Erbrochene auf eine geringere Blutungsaktivität hindeuten kann. Hämatochezie weist auf eine Blutungslokalisation im unteren Gastrointestinaltrakt hin, kann jedoch auch bei schneller Darmpassage durch eine massive Blutung des oberen Gastrointestinaltraktes bedingt sein. Melaena ist typisch für eine Blutung des oberen Gastrointestinaltraktes. Aber auch eine Blutungsstelle im Dünndarm oder im rechtsseitigen Kolon kann mit Melaena einhergehen. Eine Blutungsmenge von ca.100–200 ml Blut aus dem oberen Gastrointestinaltrakt führt zu sichtbarem Teerstuhl,der sich aufgrund der meist beschleunigten Passage auch explosionsartig entleeren kann. Jedoch tritt Teerstuhl in der Regel nicht parallel zu der Blutungsaktivität auf und bleibt manchmal auch über Tage weiter bestehen, auch wenn die Blutung sistiert, sodass die Blutungsaktivität hierdurch nicht zu bestimmen ist.
⊡ Tabelle 51.2. Blutungsursachen und deren Häufigkeit im unteren Gastrointestinaltrakt Blutungsursache
Häufigkeit [%]
Besonderheit
Divertikulose Polyp/Karzinom Gefäßmissbildungen Hämorrhoiden Rektumulzerationen
40 15 11
Häufigste Ursache jenseits des 60. Lebensjahres Gewichtsverlust, Veränderung der Stuhlgewohnheiten Teleangiektasien finden sich relativ häufig Frische hellrote Blutauflagerungen auf geformten Stuhl Frische hellrote Blutauflagerungen (lokale NSAID?)
Seltene Ursachen Bauchaortenaneurysma Endometriose
51
Arrosion und Einblutung in den Dünn- oder Dickdarm Zyklusabhängige Blutungen
Bis zu 50% der Patienten mit gastrointestinalen Blutungen geben die Einnahme von NSAID an.
516
Kapitel 51 · Obere und untere gastrointestinale Blutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bei heftiger akuter Blutung mit erheblichem Blutverlust (>1000 ml/Tag) stellen sich die Zeichen des Volumenmangelschocks ein: Tachykardie, Hypotonie (positiver Schockindex),feuchte-kühle Haut und Zentralisation. Bei chronischem Blutverlust steht die (Eisenmangel)anämie im Vordergrund mit Blässe der Haut und Schleimhäute, Schwäche, Dyspnoe und evtl. Tachykardie. 51.3
VI
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
Diagnostik und Therapie von Varizenblutungen aus Ösophagus und Magen werden in Kap. 6 gesondert behandelt. Das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei einer gastrointestinalen Blutung hängt von der Blutmenge (kreislaufrelevant?) und der Lokalisation der Blutung ab. Die meisten (90%) gastrointestinalen Blutungslokalisationen liegen oberhalb des TreitzBandes (Flexura duodenojejunalis) und sind damit endoskopisch günstig zu erreichen,wogegen die Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel wegen ihrer geringen Aussagekraft und fehlenden therapeutischen Optionen keine Rolle in der Abklärung der akuten Blutung spielt. Eine lokale Blutstillung ist in den meisten Fällen endoskopisch möglich. Bei einer gastrointestinalen Blutung mit Teerstuhl liegt die häufigste Ursache ebenfalls im oberen Gastrointestinaltrakt, speziell postpylorisch im Duodenum, sodass auch bei Teerstuhl primär eine Ösophagogastroduodenoskopie durchzuführen ist. Eine orthograde Spülung des Darmes via Magenoder Duodenalsonde kann angeschlossen werden,um
optimale Sichtverhältnisse im Kolon zu erreichen.Erst sekundär soll (nach Anwendung von Klysmata) eine flexible Anorektosigmoidoskopie (am besten mit einem Koloskop) und Proktoskopie angeschlossen werden. Bei negativem Ergebnis wird, je nach Blutungsausmaß, eine weitere Vorbereitung zur totalen Koloskopie oder eine Angiographie initiiert. Die Angiographie benötigt für einen positiven Nachweis einer Kontrastmittelextravasation eine gewisse Mindestblutungsaktivität (>0,5 ml/min; ⊡ Tabelle 51.3). Mittels Enteroskopie lassen sich Blutungsquellen im oberen und mittleren Dünndarmabschnitt identifizieren und z. T. auch (mit entsprechend langen Instrumenten) endoskopisch angehen. In der akuten Blutungssituation ist die Enteroskopie jedoch aus zeitlichen und untersuchungstechnischen Gründen ungeeignet. Die Kapselendoskopie hat sich der Enteroskopie überlegen erwiesen hinsichtlich der Lokalisation der Blutungsquelle bei rezidivierenden Blutungen aus dem Dünndarm. Miniaturisierte Videokameras in Tablettengröße, die geschluckt werden, senden auf ihrer Passage durch den Gastrointestinaltrakt Bilder des Darmlumens mit einer Frequenz von 2 Bildern/s. Bei akuten, intensiveren gastrointestinalen Hämorrhagien kann die Kapselendoskopie aufgrund unzureichender Sichtverhältnisse infolge der Blutansammlung im Darmlumen und der Untersuchungsdauer keine diagnostische Hilfe (und ohnehin keine Interventionsmöglichkeit) bieten. In seltenen Fällen kann trotz vital bedrohlicher Blutung aus dem Kolon oder Dünndarm die Blutungsquelle nicht identifiziert werden. Als ultima ratio kann in diesen Fällen die operative Exploration mit evtl.intraoperativer Enteroskopie zur Lokalisation des Blutungsursprungs sinnvoll sein.
⊡ Tabelle 51.3. Diagnostik bei gastrointestinaler Blutung Methode
Ziel
1.
Ösophagogastroduodenoskopie
Ausschluss obere GIB
2.
Anorektosigmoidoskopie und Proktoskopie
Nachweis unterer GIB
3a. Hohe Blutungsaktivität: Angiographie
Methode der Wahl, therapeutische Optionen (Embolisation)
3b. Geringere Blutungsaktivität: Koloskopie
Nachweis unterer GIB
4.
Erythrozyten-Technetium-Szintigraphie
Komplementär nach Einsatz der anderen Verfahren
5.
Intermittierende Blutungen: Selektive Dünndarmpassage (Sellink) Kapselendoskoie
Abklärung seltener Ursachen
517 51.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Bei den Laboruntersuchungen (Kreuzblut, sofortige Bestellung von Blutkonserven!) steht die wiederholte Bestimmung des Blutbildes und des Gerinnungsstatus im Vordergrund. ! Cave Bei einer akuten Blutung ist der Abfall der Hämoglobinkonzentration erst nach kompensatorischer Flüssigkeitsverschiebung in den Intravasalraum zu beobachten. Ein fehlender Hb-Abfall sagt also nichts über die Intensität der akuten Blutung aus.
Es gibt vielfältige weitere Ursachen von schwarzem Stuhl und negativem Hämoccult-Test.Eisen,aber auch Wismut und eine Vielzahl von Nahrungsmitteln können zu verfärbtem Stuhl führen, der nicht mit Teerstuhl verwechselt werden sollte. 51.4
Therapie
51.4.1
Allgemeinmaßnahmen/ Ernährung
Kreislaufstabilisierung Die Stabilisierung der Kreislaufsituation hat absoluten Vorrang und sollte auf einer Intensivstation erfolgen. Die Überlebensrate ist von den Komplikationen an den Schockorganen geprägt, sodass initial die parenterale Flüssigkeitssubstitution erfolgen muss. Hierfür stehen unter Notfallbedingungen primär nur kolloidale und kristalloide Lösungen zur Verfügung. Erstere wirken aufgrund ihres onkotischen Druckes als Plasmaexpander und sind sehr effektiv, können aber zu anaphylaktoiden Reaktionen führen und haben in größeren Mengen gegeben,gerinnungshemmende Eigenschaften, die ihren Einsatz limitieren. Kristalloide Lösungen verteilen sich intra- und extravasal, sodass zum intravasalen Flüssigkeitsausgleich, je nach der Konzentration der Elektrolyte,nur 1/3 der applizierten Flüssigkeitsmenge zur Verfügung steht. Blutprodukte Blutprodukte sind zwar Mittel der Wahl, brauchen aber eine Vorbereitungszeit: Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe.Die Gabe von ungekreuztem Blut der Gruppe 0 ist nur in extremen Notsituationen zulässig. Gerinnungsprodukte (»fresh frozen plasma«, AT-IIIKonzentrate) werden je nach Gerinnungssituation gegeben. Bei der Transfusionstherapie ist der Hämatokrit eine Zielgröße und sollte mindestens 30% betragen. Ein höherer Wert ist bei weiterbestehender
51
aktiver Blutung, (arteriosklerotischen) Gefäßerkrankung oder fortgeschrittenem Alter erstrebenswert, da bei diesen Patienten der Toleranzbereich deutlich kleiner ist. Bei Massentransfusionen (>4 Erythrozytenkonzentrate) sollte auch bei initial unauffälligem Gerinnungsstatus Frischplasma (FFP) gegeben werden. ! Cave Gefahr der Kreislaufüberlastung durch zu große Mengen Flüssigkeit, insbesondere bei Patienten mit vorbestehender Herzinsuffizienz Bei dem geringsten Verdacht auf das Vorliegen einer eingeschränkten Leberfunktion sind zur Verhinderung der hepatischen Enzephalopathie durch die hohe endogene Eiweißbelastung bei gastrointestinaler Blutung hohe Einläufe (33% Laktulose) und die orale Gabe von Laktulose (initial 100 ml, anschließend 20–50 ml alle 4–6 h) indiziert.
Die Gabe von schlecht resorbierbaren Antibiotika (z. B. Paromomycin-Humatin) ist umstritten. 51.4.2
Medikamentöse Therapie
Säuresuppression Protonenpumpenhemmer. Die Entwicklung von ef-
fektiven säuresuppressiven Medikamenten und die Beobachtung, dass eine potente Säuresuppression eine beschleunigte Ulkusheilung bewirkt, haben den klinischen Einsatz von H2-Antagonisten und v.a.Protonenpumpenhemmer bei akuten Ulkusblutungen propagiert ( s. Kap. 8). Zudem scheint eine Säureinhibition die Fibrinolyse zu vermindern; dies stabilisiert das Koagel, das sich um das blutende Gefäß ausbildet. Invivo-pH-Studien belegen eine bessere Wirksamkeit von Protonenpumpenhemmern gegenüber H2-Rezeptorantagonisten hinsichtlich der Säuresuppression. Eine Neutralisierung des intragastralen pH-Wertes erfordert hochdosierte Infusionen von Protonenpumpenhemmern.Metaanalysen bisheriger Studien zeigen jedoch keinen eindeutigen Effekt einer säuresupprimierenden Therapie mit H2-Antagonisten. Unter hochdosierter Gabe von Protonenpumpenhemmern bei der akuten oberen Gastrointestinalblutung reduziert sich die Zahl der transfundierten Blutkonserven, erforderlichen Operationen und Rezidivblutungen. Die Mortalität bleibt hingegen unbeeinflusst [Daneshmend 1992; Khuroo 1997; Lau 2000; Lin 1998]. In den meisten Studien wird ein initialer intravenöser Bolus von 80 mg Omeprazol, gefolgt von 8 mg/h
518
Kapitel 51 · Obere und untere gastrointestinale Blutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 51.4. Standarddosierung der Protonenpumpenhemmer
VI
Präparat
Standarddosis [mg]
Esomeprazol Lansoprazol Omeprazol Pantoprazol Rabeprazol
20 30 20 20 20
Infusion oder 40 mg iv. alle 8 h über 72 h empfohlen. Die oralen Standarddosierungen der gebräuchlichen Protonenpumpenhemmer sind in ⊡ Tabelle 51.4 angegeben. Somatostatin. Somatostatin vermindert die Gastrin-
konzentration, die Säure- und Pepsinproduktion und senkt den Druck im Splanchnikusgebiet. Dennoch konnten bisherige Studien keinen eindeutigen Vorteil für den Einsatz von Somatostatin bzw. seiner Derivate mit längerer Halbwertzeit bei der akuten Blutung aus gastroduodenalen Ulzera belegen. Helicobacter-pylori-Eradikation Mehr als 90% der Ulcera duodeni und etwa 70% der Ulcera ventriculi beruhen auf einer Helicobacter pylori (H.p.-)Infektion. Die Entdeckung der H.p.-Infektion als kausaler Faktor in der Ulzerogenese hat die medikamentöse Ulkustherapie revolutioniert und die Anzahl erforderlicher Magenresektionen drastisch zurückgehen lassen ( s. Kap. 8 und 58). Langfristig lässt sich die Entstehung von gastroduodenalen Rezidivulzera und damit die Wahrscheinlichkeit erneuter Ulkusblutungen durch eine H.p.-Eradikation verhindern [Vergara 2000]. Die jährliche Reinfektionsquote nach erfolgreicher Eradikation liegt bei 0,5%. 51.4.3
Endoskopische Verfahren
Die modernen endoskopischen Techniken der Blutstillung haben die Notwendigkeit einer Operation, die Menge an transfundierten Blutkonserven, die Mortalität und die Rezidivblutungsrate gesenkt [Cook 1992]. Eine primäre Blutstillung ist endoskopisch bei 90–95% der Patienten zu erzielen. Endoskopische Methoden wie Injektionstechniken, thermische Koagulationsverfahren und mechanische Hämostaseverfahren erweisen sich als effektiver, eine gastrointestinale Blu-
tung zu stoppen, als eine allein medikamentöse Therapie. Falls von der hämodynamischen Situation vertretbar, sollte auch bei der Notfallgastroskopie eine mindestens 4stündige Nahrungskarenz angestrebt werden.Bei Zeichen der aktiven Blutung muss im Einzelfall unter Abwägen der Risiken auch unter Nichtbeachtung einer entsprechenden Nüchternperiode die Untersuchung sofort durchgeführt werden. Auch bei der Notfallkoloskopie ist eine gute Darmreinigung unverzichtbar,um zu einer definitiven Diagnose zu kommen und eine entsprechende Therapie einleiten zu können. Sollte eine perorale Darmreinigung (ggf. Spülung über eine Magensonde) nicht möglich oder unzureichend sein, sind hohe Reinigungseinläufe durchzuführen. Die Mehrzahl der Blutungen aus dem unteren Gastrointestinaltrakt erfordern keine Notfalltherapie, in 75–90% sistieren untere intestinale Blutungen spontan. Ebenso wie im oberen Gastrointestinaltrakt stehen Injektionstechniken (Adrenalin, Polidocanol, Fibrin) und Koagulationsverfahren zur Verfügung. Auch bei starken Divertikelblutungen kann eine endoskopische Intervention die Blutung zum Stillstand bringen [Jensen 2000]. Bei ausgeprägter Divertikelbildung sind selbst intensivierte,vorbereitende Darmreinigungsmaßnahmen oft nicht ausreichend und die Endoskopie nur unter eingeschränkten Sichtbedingungen möglich. Bei der Gerätewahl für die Notfallendoskopie sollte ein sog. therapeutisches Gerät mit großlumigem Arbeitskanal (mindestens: 3,7, besser 6 mm) gewählt werden, um ein effektives Absaugen von Blut, Koageln und Speiseresten zu gewährleisten. Eine adäquate Spüleinrichtung (am günstigsten Spülpumpe) und 2 leistungsfähige Absaugeinrichtungen sind sehr empfehlenswert.Entscheidend ist ein erfahrenes,jederzeit rufbereites endoskopisches Team, das mit allen diagnostischen und therapeutischen Interventionen vertraut ist. Wichtig Die Annahme einer Hämorrhoidalblutung schließt das Vorliegen eines Polypen oder Karzinoms in höheren Kolonabschnitten nicht aus.
Mechanische Methoden Hämoclips Clips eignen sich zu Blutstillung bei peptischen Ulzera mit Gefäßstümpfen, bei Mallory-Weiss-Läsionen, Ulcera Dieulafoy, Papillotomieblutungen, Divertikelblu-
519 51.4 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
tungen,Angiodysplasien und nach Polypektomien im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt [Scapa 1997]. Kleine Perforationen z. B. nach submukosaler Resektion lassen sich mit endoskopisch platzierten Clips verschließen. Clips können in einem 2,2 mm starken Katheter durch den Instrumentierkanal flexibler Endoskope vorgeschoben,im gastrointestinalen Lumen je nach Clipstärke von 2–12 mm Spannweite mittels des Clipapplikators gespreizt werden,bevor sie nach exakter Platzierung der Branchen fest um die Blutungsquelle geschlossen werden [Sohendra 1997]. Bandligatur und Endoloops Gummibandligaturen lassen sich endoskopisch nur platzieren, wenn weiches Gewebe in den zylinderförmigen, auf die Endoskopspitze aufgesetzten Stutzen ansaugbar ist. Dies ist bei Ösophagus- und Fundusvarizen gegeben, bei derben Uzera aber meistens nicht der Fall. Bei Blutungen aus einer Dieulafoy-Exulzeration können Ligatur oder Endoloop durch Raffung und Strangulation des Gewebes bzw. des blutenden Gefäßes zur Blutstillung führen (⊡ Tabelle 51.5; [Sohendra 1997]). Endoloops eignen sich zur Blutungsprophylaxe vor endoskopischer Polypektomie:Vor Abtragung des Polypen kann das Kunststoff-Lasso um den Polypenstiel geworfen und zugezogen werden, womit die Blutzufuhr über die Gefäße im Polypenstiel unterbunden ist. Gummibandligaturen werden erfogreich zur Behandlung von Hämorrhoiden eingesetzt (Gummibandligatur nach Barron) und eignen sich insbeson-
dere bei großen und prolabierenden Hämorrhoidalknoten, da sie zu einer echten Gewebsreduktion führen. Das mit dem Gummiband abgeschnürte Gewebe nekrotisiert und fällt nach 2–3 Tagen ab. Auf ausreichenden Abstand zur Linea dentata ist bei der Platzierung der Gummibänder zu achten, um keine perianalen Schmerzen auszulösen. Injektionstherapie Adrenalininjektion Die submuköse Injektion von verdünntem Adrenalin (1:10.000) unmittelbar um oder neben die vermutete Blutungsstelle bewirkt neben der Tamponade des blutenden Gefäßes eine Vasokonstriktion. Der vasokonstriktive Effekt ist kurzzeitig, aber mindestens 5 min andauernd, wodurch die normale Thrombusbildung beginnen kann. Die Adrenalininjektion ist sicherlich das häufigst angewandte Verfahren der endoskopischen Blutstillung, ist einfach durchführbar und kostengünstig, verhilft nach initialer Anwendung bei heftigen Blutungen oft zu einer verbesserten Übersicht und lässt sich mit anderen mechanischen oder thermischen Methoden kombinieren. Sklerosierung Sklerosierende Substanzen wie Polidocanol, Ethanolamin und Natriumtetradecylsulfat verursachen tiefe Ulzerationen, Nekrosen und venöse Thrombosierungen im weiteren Verlauf. Die akute Wirkung der Blutstillung der Sklerosierungsmittel beruht auf der Tamponade des Gefäßes. Die Injektion von absolutem Alkohol führt zu einer Gewebedehydratation und
⊡ Tabelle 51.5. Technik der Blutstillung (verwendete Substanzen oder Hilfsmittel) Substanz
51
Indikation
Wirkmechanismus
Adrenalin
Ulkus, Mallory-Weiss
Mechanische Kompression, Vasokonstriktion
Fibrinkleber (teuer)
Ulzerationen
»Verklebung«, Kompression
Bandligatur
Ösophagusvarizen Hämorrhoiden
Polidocanol (3–5%)
Ösophagusvarizen
Sklerosierung
n-Butyl-2-cyanoacrylat (Histoacryl oder Glubran)
Fundusvarizen
Obliteration
Hämoclip
Ulkus, sichtbares Gefäß, Mallory-Weiss-Läsion, Blutung nach Polypektomie
Gefäßclipping
BICAP- und EHT-Sonden, Argon-Plasma-Koagulation
Angiodysplasien
Koagulation
520
VI
Kapitel 51 · Obere und untere gastrointestinale Blutung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
ebenfalls zu ausgeprägter Nekrosebildung bis hin zur Perforation. Gegenüber oder zusätzlich zu der gewebeschonenden Adrenalininjektion zeigt die Sklerosierungstechnik keine Vorteile [Rajgopal 1992], weswegen sie bei blutenden peptischen Ulzera keine Verwendung mehr finden sollte. Bei der Sklerosierungsbehandlung von Hämorrhoidalblutungen werden bis zu 10 ml einer 5%igen Phenollösung in Mandelöl (Sklerosierung nach Blanchard) um die zuführenden Arterienäste oberhalb der Hämorrhoidalknoten gespritzt. Bei der Sklerosierung nach Blond wird pro Knoten 0,1–0,3 ml Polidocanol (5% Äthoxysklerol) submukös in die Basis des Hämorrhoidalknotens injiziert ( s. Kap. 35). Thrombin- und Fibrininjektion Die Injektion von Thrombin und Adrenalin scheint der Adrenalinmonoinjektion hinsichtlich Mortalität und Rezidivblutungsrate überlegen zu sein [Kubba 1996]. Fibrinkleber bestehen aus Fibrinogen und Thrombin, die mit einer doppellumigen Nadel gleichzeitig injiziert werden. Wiederholte Injektionen von Fibrinkleber und Adrenalin senken die Rezidivblutungs- und Operationsrate [Rutgeerts 1997]. Die teuren Gerinnungsfaktoren werden aus Plasmapooling gewonnen; eine virale Transmission wurde bisher nicht beschrieben. Die Injektion von Cyanoacrylat (Glubran, Histoacryl), die bei der akuten Varizenblutung eine zuverlässige sofortige Gefäßobliteration erzielt,spielt in der Therapie von Ulkusblutungen keine Rolle, da nur zusätzliche Komplikationen (arterielle Embolien) in Kauf genommen werden. Thermische Blutstillungstechniken Diese Verfahren sind meist mit hohem apparativen Aufwand verbunden.Die einfachsten Verfahren bestehen in der mono- oder bipolaren (BICAP-Sonde) Elektrokoagulation. Unter endoskopischer Sicht wird über die Sonde ein Koagulationsstrom direkt auf die Blutungsquelle appliziert. Multipolare Sonden (Gold probe (Microvasive), BICAP probe (Circon-AMCI)) haben positive und negative Elektroden an der Arbeitsspitze, weswegen die Koagulation auf die Umgebung der Sondenspitze beschränkt bleibt.Die Anbringung einer Neutralelektrode am Körper des Patienten entfällt (⊡ Tabelle 51.5). Durch festes Andrücken der Sonde auf das blutende Gefäß lässt sich eine Tamponade und damit eine höhere Blutstillungsrate erreichen. Problematisch ist das Anhaften der Sonde am Gewebe und die relative Perforationsgefahr bei zu langer oder starker Stro-
mapplikation. Bei der Elektro-Hydro-Thermo-Sonde vermindert die zusätzliche Gabe von Wasser den Temperatureffekt. Teflonbeschichteten Hitzesonden (»heater probes«) wirken eher durch die Temperaturentwicklung an der Aluminiumspitze als durch einen Koagulationsstrom. Bei der Argon-Plasma-Koagulation (APC) und beim Einsatz des Nd:YAG-Lasers ist die Tiefeneinwirkung besser steuerbar und ein direkter Gewebekontakt nicht erforderlich.Die Argon-Plasma-Koagulation kann auch bei ungünstigen Positionen der Blutungsquelle z. B. im Bulbus duodeni in einer seitlichen Applikation erfolgen. Ausströmendes Argongas (z. B. 1–2 l/min) wird durch die angelegte Spannung ionisiert, wodurch zwischen der Argon-Sonde und dem Gewebe ein elektrisches Feld entsteht, dessen thermische Energie zur Gewebekoagulation führt. Insbesondere bei Angiodysplasien und bei diffusen Sickerblutungen aus Tumoren erweist sich die ArgonPlasma-Koagulation als schonendes Verfahren der Blutstillung. 51.4.4
Chirurgische Verfahren
Die endoskopische Blutstillung bei blutenden gastroduodenalen Ulzera stellt heutzutage den »golden standard« dar. Eine primäre Blutstillung ist endoskopisch bei 90–95% der Patienten zu ereichen. Eine definitive Blutstillung gelingt in 85–95%.Bei den seltenen insbesondere arteriellen Blutungen, bei denen primär die Blutstillung endoskopisch nicht gelingt, ist eine frühzeitige interdisziplinäre Konsultation und ggf. weiteres chirurgisches Vorgehen erforderlich ( s. Kap. 8). Bei großen Ulcera (>2 cm), Lokalisation des Ulkus an der Bulbushinterwand in Nachbarschaft der A. gastroduodenalis und hämodynamisch wirksamen Blutungen ist das Versagen der endoskopischen Therapie wahrscheinlich, weswegen bei diesen Patienten bei einer erneuten Blutung die Operation frühzeitig erwogen werden sollte. Gefäßumstechung oder Ulkusexzision sind schonenderer operative Verfahren als die partielle Magenresektion, bergen aber weiterhin die Gefahr der Rezidivblutung ( s. Kap. 8). Bei schweren, andauernden Blutungen aus Divertikeln kann ein chirurgischer Eingriff oder bei bestehenden Kontraindikationen eine Angiographie mit intraarterieller Embolisation oder ggf. z. B. Vasopressin-Infusion (intrarteriell z. B. 0,4 U/min) erforderlich sein.
521 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Literatur Cook DJ, Guyatt GH, Salena BJ, Laine LA (1992) Endoscopic therapy for acute non-variceal upper gastrointestinal hemorrhage – a meta-analysis. Gastroenterology 102: 139–148 Daneshmend TK, Hawkey CJ, Langman MJS et al. (1992) Omeprazol vs placebo for acute upper gastrointestinal bleeding: a randomised double blind controlled trial. Brit Med J 304: 143–147 Jensen DM, Machiado GA, Juthaba R, Kovacs TOG (2000) Urgent colonoscopy for the diagnosis and treatment of severe diverticular hemorrhage. New Eng J Med 342: 78–82 Khuroo MS, Yattooo GN, David G et al. (1997) A comparison of omeprazol and placebo for bleeding peptic ulcer. N Engl J Med 336: 1054–1058 Kubba AK, Murphy W, Palmer KR (1996) Endoscopic injection for bleeding peptic ulcer: a comparison of adrenaline with adrenaline plus human thrombin. Gastroenterology 111: 623–628 Lau JY, Sung JJ, Lam YH et al. (1999) Endoscopic retreatment compared with surgery in patients with recurrent bleeding after initial endoscopic control of bleeding ulcers. New Engl J Med 340: 751–756
51
Lau JY, Sung JJ, Lee KKC et al. (2000) Effect of intravenous omeprazole on recurrent bleeding after endoscopic treatment of bleeding peptic ulcers. New Engl J Med 343: 1–4 Lin HJ, Low C, Lee FY, Perng CL, Tseng GY (1998) A prospective randomized comparative trial showing that omeprazole prevents rebleeding in patients with bleeding peptic ulcer after successful endoscopic therapy. Arch Int Med 158: 54–58 Rajgopal C, Lessels A, Palmer KR (1992) Mechanisms of action of injection therapy for bleeding peptic ulcer. Brit J Surgery 79: 782–784 Rutgeerts P, Rauws E, Wara P et al. (1997) Randomised trial of single and repeated fibrin glue compared with injection of polidocanol in treatment of bleeding peptic ulcer. Lancet 350: 692–696 Scapa E (1997) Treating gastrointestinal bleeding with endoscopic hemoclips. Surg Endos Laparas 7: 94–96 Soehendra N, Bohnacker S, Binmoeller KF (1997) New and alternative hemostatic techniques. Gastrointest Endos Clin North Am 7: 641–656 Vergara M, Casellas F, Saperas E et al. (2000) Helicobacter pylori eradication prevents recurrence from peptic ulcer hemorrhage. Eur J Gastroenterol Hepatol 12: 733–737
VII SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Ernährung 52
Anorexia nervosa und Bulimia nervosa H. Csef
– 525
53
Sonden- und Applikationstechniken N. Hoepffner, A. J. Dormann, J. Stein
54
Indikationen unterschiedlicher Sondendiäten A. Wächtershäuser, A. Jordan, J. Stein
55
Medikamentenapplikation über Sonden T. Gaschott, J. Stein
56
Komplikationen – 576 J. Stein, A. Jordan, N. Hoepffner
57
Heimenterale Ernährung – 590 A. Jordan, A. Wächtershäuser
– 537
– 558
– 566
52 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Anorexia nervosa und Bulimia nervosa H. Csef 52.1
Grundlagen
52.2
Anorexia nervosa
52.2.1 52.2.2 52.2.3 52.2.4
Pathophysiologie, Ätiologie und Pathogenese Klinik – 527 Diagnostik – 528 Therapie – 529
52.3
Bulimia nervosa
52.3.1 52.3.2 52.3.3 52.3.4
Pathophysiologie, Ätiologie und Pathogenese Klinik – 531 Diagnostik – 531 Therapie – 532
52.4
Anorexia nervosa und Bulimia nervosa im Vergleich
52.5
Verlauf und Prognose
Literatur
>>
– 526 – 526 – 526
– 530 – 530
– 532
– 533
– 535
Die Anorexia nervosa und die Bulimia nervosa sind als die Prototypen der psychogenen Essstörungen typische psychosomatische Krankheitsbilder. Nach zahlreichen epidemiologischen Studien nimmt die Häufigkeit beider Essstörungen in den westlichen Zivilisationsländern erheblich zu. Bei der multifaktoriellen Ätiologie und Pathogenese lassen sich relevante biologische, psychische und soziale Faktoren identifizieren. Die Leitsymptome der psychogenen Essstörungen wie Untergewicht, Erbrechen, Durchfälle oder abdominelle Schmerzzustände und gastrointestinale Komplikationen führen nicht selten zu Konsultationen beim Internisten oder Gastroenterologen. Die Hauptsäulen der Therapie bestehen aus Psychotherapie und medikamentöser Therapie (Psychopharmaka). Unbehandelt führen Magensucht und Bulimie zu einem chronischen bis letalen Verlauf. Die Gesamtmortalität liegt trotz verbesserter Therapiestrategien noch bei 10–15%. Prävention, frühzeitige Diagnosestellung und unverzügliche effektive Therapie dieser potenziell heilbaren Krankheitsbilder sind wichtig.
526
52.1
VII
Kapitel 52 · Anorexia nervosa und Bulimia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Grundlagen
Die Magersucht und die Bulimia nervosa sind klassische psychosomatische Krankheiten,sie haben jedoch für klinisch tätige oder niedergelassene Gastroenterologen, für Stoffwechselexperten und Ernährungsberater gleichermaßen große Bedeutung. Die häufig vorkommenden Symptome wie Untergewicht,Erbrechen, Durchfälle oder abdominelle Schmerzzustände führen nicht selten zur Konsultation beim Gastroenterologen, sodass es durchaus sein kann, dass er die entsprechende Erstdiagnose oder klinische Verdachtsdiagnose stellt. Gastrointestinale Komplikationen wie Ileus, Peritonitis, Pankreatitis, Darmulzera oder Magenruptur erfordern den Gastroenterologen als Spezialisten. Die Anorexia nervosa kann bei zunehmendem Untergewicht in der somatischen Dekompensation zum internistischen Notfall werden. Der Ausschluss gastroenterologischer Erkrankungen bei den klinischen Leitsymptomen Erbrechen, Untergewicht, Durchfällen und Abdominalschmerzen sowie die Behandlung gastroenterologischer Komplikationen bei Magersucht und Bulimie stellen die Hauptaufgabe des Gastroenterologen dar. Es gibt Komorbiditäten von Essstörungen und gastroenterologischen Erkrankungen, z. B. Komorbidität von Anorexia nervosa und Morbus Crohn [Jenkins 1988; Wellmann 1981] sowie von Bulimia nervosa und Diabetes mellitus Typ I [Herpertz 2000; YaryuraTobias 2001]. Die Koinzidenz oder Kombination der genannten Erkrankungen wirft erhebliche behandlungstechnische Probleme auf und erfordert eine gute interdisziplinäre Kooperation von Gastroenterologie und Psychosomatik. Die psychogenen Essstörungen Anorexia nervosa und Bulimia nervosa gehören zu den »Lieblingskrankheiten« der Psychosomatiker. Über sie wird im Vergleich zu anderen psychosomatischen Krankheitsbildern ausgesprochen zahlreich geforscht und publiziert [Franke 1994]. Diese Vorreiterfunktion im Fachgebiet der Psychosomatik hat einige plausible Gründe: ▬ Die Magersucht ist vermutlich das erste Krankheitsbild überhaupt,das unter psychosomatischen Gesichtpunkten beschrieben und erklärt wurde [Bruch 1980; Franke 1994]. ▬ Magersucht und Bulimia nervosa gelten primär als psychogene Erkrankungen. Sie können jedoch massive somatische Folgen haben [Brotmann 1985; Fichter 1991; Goebel 1994]. Die aktuell in Langzeitkatamnesen erhobenen Mortalitätsraten von 5–15% [Herzog 1992; Hewitt 2001] für die Ma-
gersucht belegen, dass die biologischen Folgen einer psychischen Störung hier in einer Weise deutlich werden, wie wir es von keinem anderen psychosomatischen Krankheitsbild kennen. ▬ Es besteht international Übereinstimmung darin, dass es in den vergangenen 2 Jahrzehnten zu einem rapiden Anstieg der Inzidenz von psychogenen Essstörungen gekommen ist [Becker 1999; Csef 1997]. ▬ Anorexia und Bulimia stimulieren den therapeutischen Optimismus dadurch,dass Psychotherapie hier in einem kurativen Ansatz erfolgt: Psychotherapie ist das Mittel der Wahl [Peterson 1999; Zwaan 1996]. 52.2
Anorexia nervosa
52.2.1
Pathophysiologie, Ätiologie und Pathogenese
In den psychosomatischen Ätiologiemodellen zur Anorexia nervosa besteht international weitgehend Konsens darüber, dass es sich um eine multifaktorielle Genese sehr heterogener Faktoren handelt. Unterschieden werden: 1. Genetische, biologische und neurochemische Faktoren [Csef 1997], 2. psychische Faktoren, z. B. frühkindliche Belastungen, Sozialisationsbedingungen in Kindheit und Adoleszenz, Verlust- und Trennungserlebnisse, Selbstwertprobleme [Bruch 1980; Smolak 2002], 3. soziokulturelle Faktoren, z. B. Schlankheitsideal, kollektive Rollenkonflikte, einseitige Leistungsorientierung [Csef 1997; Franke 1994]. Bei den genannten prädisponierenden Faktoren kommt es meist in einer spezifischen auslösenden Lebenssituation zur Symptomentstehung und damit zur Manifestation des Krankheitsbildes. Der weitere Verlauf wird sowohl durch krankheitsperpetuierende Faktoren als auch durch Bewältigungsmöglichkeiten (»Coping«) beeinflusst [Fichter 1990]. Krankheitsperpetuierende Faktoren bewirken eine Aufrechterhaltung der anorektischen Symptomatik (z. B. Stress, unbewältigte familiäre oder partnerschaftliche Konflikte, neurobiologische Folgen der Essstörungen, sekundäre somatische Veränderungen, zunehmende somatische Eigendynamik). Die Bewältigungsmöglichkeiten können das Krankheitsbild positiv beeinflussen. Sie können spontan durch den Patienten (po-
527 52.2 · Anorexia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
52
⊡ Abb. 52.1. Biopsychosoziales Modell der Anorexia nervosa
sitive Lebensveränderungen, neue tragfähige Beziehungen, Erfolge) oder durch gezielte spezifische Verhaltensänderungen im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung erfolgen (⊡ Abb. 52.1). 52.2.2
Klinik
Das charakteristische Leitsymptom der Magersucht ist das Untergewicht, wobei ein Body-Mass-Index (BMI) gefordert wird,der kleiner als 17,5 ist ( s. Kap. 52.2.3). Hinsichtlich des klinischen Bildes der Magersucht liegen 2 Hauptformen vor: 1. Die restriktive oder asketische Form der Magersucht,in der das Untergewicht überwiegend durch Nahrungsrestriktion beigeführt wird. 2. Die bulimische Form der Magersucht, die durch ein bulimisches Essverhalten mit Heißhungeranfällen »Fressattacken« und anschließendem selbstinduzierten Erbrechen charakterisiert ist (BMI <17,5). Es besteht ein fließender Übergang zum Krankheitsbild der Bulimia nervosa, bei der meist Normalgewicht vorliegt, aber auch Übergewicht oder leichtes Untergewicht bestehen kann. Je nachdem, ob eine bulimische oder restriktive Form der Magersucht vorliegt, welches konkrete Essverhalten ausgeübt wird und welche gewichtsregulierenden Manipulationen durchgeführt werden, liegen zahlreiche weitere klinische Symptome vor.
Bei der Magersucht können das Essverhalten und die gewichtsreduzierenden Manipulationen zu erheblichen organischen Folgezuständen und internistischen Komplikationen führen [Brotmann 1985; Fichter 1991; Goebel 1994].Diese sind entweder Folge der Nahrungsrestriktion (biologischer Starvation-Status) oder von Erbrechen, Laxanzien- oder Diuretikaabusus, die zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden. Vielgestaltige Komorbiditäten wie andere Suchterkrankungen (Alkohol-,Medikamenten- oder Drogenmissbrauch), Depressionen,Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen komplizieren das Gesamtbeschwerdebild erheblich [Fichter 1991]. Die Anamnese und eine sorgfältige Verhaltensanalyse sind bedeutsam für die Beurteilung internistischer Befunde z. B. der Laborwerte. So hängen z. B. die Serumelektrolyte stark davon ab, welche der üblichen Verhaltensweisen die Patientinnen in welchem Ausmaß hat und wie diese interagieren [Brotmann 1985; Köpp 1996]. Sowohl Erbrechen als auch Laxanzienund Diuretikaabusus haben erheblichen Einfluss auf die Serumelektrolyte (⊡ Tabelle 52.1). Deutlicher und stabiler ist der internistische Befund bei der körperlichen Untersuchung. Da für die Magersucht ein Mindestuntergewicht gefordert wird, sind die hierfür typischen Befunde meist gegeben, während bei der Bulimia nervosa eine größere Varianz feststellbar ist (⊡ Tabelle 52.2). Wichtiges klinisches Merkmal ist die Amenorrhö [Brotmann 1985; Csef 1997]. Die subjektiven Angaben der Patientin mit Amenorrhö lassen sich bei der An-
528
Kapitel 52 · Anorexia nervosa und Bulimia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 52.1. Typische Serumelektrolytveränderungen bei Erbrechen, Laxanzien- und Diuretikaabusus. (Mod. nach [Brotman 1985]) Natrium
Kalium
Chlorid
Bikarbonat
pH-Wert
Erbrechen
n≠Ø
Ø
Ø
≠
≠
Laxanzien
n
Ø
n≠
nØ
Ø
Diuretika
nØ
Ø
Ø
≠
≠
≠= erhöht; Ø= erniedrigt; n= normal.
VII
⊡ Tabelle 52.2. Häufige Befunde der körperlichen Untersuchung bei Anorexia und Bulimie. (Mod. nach [Köpp 1996])
Kachexie Trockene Haut Lanugobehaarung Petechien Ödeme Akrozyanose Hypothermie Bradykardie Arrhythmie Hypotension Sialadenose Zahnschäden
Anorexie
Bulimie
+ + + + (+) + + + (+) + (–) –
(+) – – – (+) – – – (+) (+) + +
+ = vorhanden; (+) = fakultativ vorhanden; - = nicht vorhanden.
⊡ Tabelle 52.3. Häufigkeit des Vorkommens pathologischer Laborbefunde bei Anorexie (n=103). (Mod. nach [Herzog 1992]) Hyperamylasämie Hypokaliämie Erhöhte SGPT Hypochloridämie Erhöhte BSG Erhöhte SGOT Hb-Erniedrigung Erhöhtes Serumkreatinin Hyponatriämie Erhöhtes Serumbilirubin Hypoalbuminämie Leukozytopenie
47,8% 35,9% 27,4% 24,2% 22,8% 21,1% 19.8% 18,8% 18,0% 15,7 5 13,4% 12,1%
Gewichtszunahme während der Wachstumsperiode ausbleiben. W 42 H
orexia durch entsprechende Hormonwerte objektivieren (präpubertäre Hormonmuster des LH und des FSH, deutlich erniedrigte Östradiol- und Progesteronwerte). Das Symptom Amenorrhö wird bei der Bulimia nervosa bei 40–50% der Patientinnen angegeben. In ⊡ Tabelle 52.3 sind die typischerweise veränderte Laborwerte bei der Magersucht aufgeführt. 52.2.3
Diagnostik
Als Diagnosekriterien gelten: 1. Tatsächliches Körpergewicht mindestens 15% unter dem erwarteten (entweder durch Gewichtsverlust oder nie erreichtes Gewicht) oder Quetelets-Index (entspricht BMI) <17,5. Bei Patienten in der Vorpubertät kann die erwartete
(W= Körpergewicht in [kg]; H = Körpergröße in [m]) 2. Selbstherbeigeführter Gewichtsverlust a. Vermeidung von hochkalorischen Speisen; und eine oder mehrere der folgenden Möglichkeiten: b. selbst induziertes Erbrechen; c. selbst induziertes Abführen; d. übertriebene körperliche Aktivitäten; e. Gebrauch von Appetitzüglern und/oder Diuretika. 3. Körperschemastörung in Form einer spezifischen psychischen Störung: die Angst, zu dick zu werden, besteht als eine tiefverwurzelte überwertige Idee; die Betroffenen legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst fest.
529 52.2 · Anorexia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
4. Eine endokrine Störung auf der HypothalamusHypophysen-Gonaden-Achse. Sie manifestiert sich bei Frauen als Amenorrhö und bei Männer als Libido- und Potenzverlust. Eine Ausnahme stellt das Persistieren vaginaler Blutungen bei anorektischen Frauen mit einer Hormonsubstitutionstherapie zur Kontrazeption dar. Erhöhte Wachstumshormon- und Kortisolspiegel, Änderungen des peripheren Metabolismus von Schilddrüsenhormonen und Störungen der Insulinsekretion können gleichfalls vorliegen. 5. Bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklungsschritte verzögert oder gehemmt (Wachstumsstopp; fehlende Brustentwicklung und primäre Amenorrhö beim Mädchen; beim Jungen kindliche Genitalien). Nach Remission wird die Pubertätsentwicklung häufig normal abgeschlossen, die Menarche tritt aber verspätet ein. Bei der Diagnostik der Magersucht sind zahlreiche klinisch sehr relevante Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen: ▬ Internistische Erkrankungen, die mit Untergewicht oder Erbrechen einhergehen, ▬ neurologische Erkrankungen mit Untergewicht oder Erbrechen (z. B. Hirntumoren), ▬ organische psychische Störungen, ▬ Schizophrenie, ▬ affektive Störungen, ▬ Zwangsstörungen, ▬ Substanzmissbrauch, ▬ Persönlichkeitsstörungen und ▬ Impulskontrollstörungen. Folgende Labor- und apparative Untersuchungen sind sinnvoll: ▬ Routinelaborwerte und endokrinologische Parameter: T3, T4, TSH, Cortisol, FSH, LH, Östradiol, ▬ radiologische Diagnostik bei Bradykardie,Rhythmusstörungen, Elektrolytveränderungen, ▬ neurologische Diagnostik: EEG, kraniales CT und MRT (zum Ausschluss hirnorganischer Ursachen) sowie ▬ Knochendichtemessung bei längerer Erkrankungsdauer und/oder Amenorrhö. 52.2.4
Therapie
Entsprechend der Heterogenität ätiologischer Faktoren und der sehr unterschiedlichen Verlaufsdynamik
52
sind bei der Behandlung der Magersucht folgende Therapieansätze sinnvoll. Sie können je nach klinischer Situation und Krankheitsverlauf auch kombiniert zur Anwendung kommen. 1. Allgemeinmaßnahmen/Ernährung, 2. medikamentöse Therapie mit Psychopharmaka, 3. Psychotherapie. Die klinische Gesamtsituation bestimmt, welche dieser 3 genannten Behandlungsmodalitäten im Vordergrund stehen wird. Prävention Angesichts des folgenschweren Verlaufs und der Häufigkeitszunahme der psychogenen Essstörungen in den westlichen Zivilisationsländern sind präventive Maßnahmen von großer Bedeutung. Um dieser großen Herausforderung zu begegnen, hat in den USA das National Institute of Mental Health (NIMH) eine Expertenkommission gegründet, um geeignete Präventionsstrategien zu implementieren. Die Kommission hat in einem ersten Schritt ein multifaktorielles Risikoprofil identifiziert: genetische Disposition, soziale Lernvorgänge, Übergewicht in der Kindheit, Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper (»body image dissatisfication«), niedriges Selbstwertgefühl, Diätund Essverhalten. Als geeignetes Setting für Präventionsprogramme schlug die Kommission Gruppenprogramme in Schulklassen oder in Sportvereinen vor. Auch der Einsatz von Computertechnologie wurde überprüft (CD-roms, »internet based homework«, »guided chat rooms«). Allgemeinmaßnahmen/Ernährung Somatische Therapieansätze stehen in folgenden Situationen im Vordergrund: 1. Internistische Therapie bei lebensbedrohlichem Untergewicht (Sondenernährung, Substitutionstherapie, Korrektur pathologischer Stoffwechselentgleisungen). 2. Behandlung somatischer Komplikationen. 3. Langfristig Substitutionstherapie und Kompensation der Unter- und Mangelernährung (z. B. Osteoporosebehandlung, Kalzium- und VitaminD-Zufuhr, ggf. niedrigdosierte Behandlung mit Östradiol-Gestagen-Kombinationspräparaten). Praktische Handlungsanweisungen zur somatischen Therapie internistischer Notfälle oder medizinischer Komplikationen finden sich in entsprechenden Übersichtsarbeiten [Brotmann 1985; Csef 2000; Fichter 1991].
530
Kapitel 52 · Anorexia nervosa und Bulimia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Ernährungsberatung und die Etablierung des gewünschten Essverhaltens in einem strukturierten Gruppenprogramm bilden eine wesentliche Säule der Therapie der Magersucht. Die American Dietetic Association hat 2001 ein Positionspapier veröffentlicht, in dem die Guidelines der »medical nutrition therapy« ausgeführt werden.
VII
Medikamentöse Therapie Vorwiegend in den USA vertritt eine Gruppe von Forschern die Auffassung, dass Anorexia nervosa und Bulimia nervosa eine Form der Depression darstellen und deshalb eine thymoleptische Behandlung das Mittel der Wahl darstellt [Becker 1999; Fichter 1993]. Es gibt eine Reihe von empirischen Untersuchungen, die den engen Zusammenhang von psychogenen Essstörungen und Depressionen nahe legen [Brownell 1995; Fichter 1993; Levine 1992]. Hier sind insbesondere die hohe Komorbidität von Depression und Essstörungen auf der Symptomebene, der positive Effekt von Antidepressiva und neurobiologische Befunde auf der Neurotransmitterebene erwähnenswert [Becker 1999; Levine 1992]. Die große Heterogenität, die wir bei der Magersucht und der Bulimia nervosa vorfinden, lässt jedoch vermuten, dass dieser enge Zusammenhang mit der Depression nur für eine Untergruppe dieser Patienten zutrifft. Die in jüngster Zeit enorm intensivierte neurobiologische Erforschung des Serotoninstoffwechsels und des serotonergen Neurotransmittersystems erbrachte Hinweise darauf, dass Magersucht und Bulimia nervosa Serotoninmangelsyndrome sind [Pearson 2002]. Werden bei der Therapie der Magersucht Psychopharmaka eingesetzt, so erfolgt dies mit folgenden Zielsetzungen: 1. Therapie von anorexiespezifischen Symptomen, wie Erbrechen, Heißhungeranfälle oder motorische Hyperaktivität. 2. Behandlung einer begleitenden behandlungsbedürftigen Depression (psychiatrische Komorbidität). 3. Behandlung weiterer psychiatrischer Komorbiditäten wie Angststörungen oder Zwangsstörungen. Von den Substanzgruppen wurden in der Therapie der Magersucht folgende Psychopharmaka in Interventionsstudien evaluiert: ▬ Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) Fluoxetin, Fluvoxamin.
▬ Trizyklische Antidepressiva (je nach Symptomatik
der psychiatrischen Komorbidität) Imipramin, Clomipramin. ▬ Neuroleptika bei ausgeprägter Hyperaktivität Promethazin. Psychotherapie Aus der ätiologischen Konzeption einer vorwiegend psychogenen Bedingtheit der Magersucht ergibt sich für die Therapie,dass psychotherapeutische Verfahren das Mittel der Wahl darstellen [Bruch 1980; Zwaan 1996]. Es gibt klinische Situationen, in denen somatische Therapieverfahren – Sondenernährung oder Psychopharmaka – dringend indiziert sind. Im Langzeitverlauf hat sich – in großer internationaler Übereinstimmung – ergeben, dass die Güte der psychotherapeutischen Behandlung für den weiteren Verlauf entscheitend ist [Zwaan 1996]. Ein Vergleich von Spontanverlauf und Katamneseergebnissen nach psychotherapeutischen Behandlungen zeigt, dass durch Psychotherapie immerhin 60–80% der Fälle geheilt oder gebessert werden können. Der Anteil chronifizierter Verläufe und die Mortalitätsrate können durch Psychotherapie erheblich reduziert werden. Die meisten empirischen Psychotherapiestudien zur Magersucht stammen von der Verhaltenstherapie [Zwaan 1996] und der Psychoanalyse. Die psychotherapeutische Behandlung kann im ambulanten oder im stationären Setting durchgeführt werden. Spezifische Indikationskriterien erleichtern die Entscheidung ob eine ambulante oder stationäre Psychotherapie erfolgen sollte. In Deutschland stehen für die stationäre Behandlung von Magersüchtigen zahlreiche sehr spezialisierte psychosomatische Abteilungen oder psychosomatische Fachkliniken zur Verfügung.Die jeweiligen Kliniken arbeiten entweder nach einem verhaltenstherapeutischen oder nach einem psychodynamischen Konzept. 52.3
Bulimia nervosa
52.3.1
Pathophysiologie, Ätiologie und Pathogenese
Innerhalb der psychogenen Essstörungen gehen die Krankheitsbilder Anorexia nervosa und Bulimia nervosa häufig ineinander über, und zwar in beiden Richtungen.Eine früher »restriktive Magersüchtige«, die überwiegend durch Nahrungsrestriktion das Untergewicht herbeiführte, kann über Entwicklung von bulimischen Essverhalten (Heißhungeranfälle
531 52.3 · Bulimia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
und anschließendes selbstinduziertes Erbrechen) im Rahmen einer Therapie fast normalgewichtig werden, jedoch das bulimische Essverhalten behalten. Viel häufiger ist der umgekehrte Fall: Eine Patientin mit leichtem Übergewicht entwickelt über Diäten oder andere Versuche der Gewichtsreduktion das Krankheitsbild einer Bulimia nervosa, das zuerst mit Übergewicht, dann mit Normalgewicht und schließlich mit Untergewicht einhergeht, bis schließlich die Diagnosekriterien der Magersucht erfüllt sind und eine bulimische Anorexia nervosa diagnostiziert wird. Angesichts der vielgestaltigen Übergänge von Magersucht und Bulimia nervosa im Langzeitverlauf ist es nicht verwunderlich, dass die wesentlichen biologischen, psychischen und psychosozialen Faktoren für Entstehung und Aufrechterhaltung des Krankheitsbildes sehr ähnlich sind. Insofern hat ⊡ Abb. 52.1 auch weitgehend Gültigkeit für die Bulimia nervosa. Es gibt einige Unterschiede: Zwillingsuntersuchungen haben ergeben, dass die genetische Disposition bei der Magersucht größer ist als bei der Bulimia nervosa [Becker 1999; Schepank 1991]. Psychiatrische Untersuchungen zur Komorbidität bei psychogenen Essstörungen konnten zeigen, dass die Prävalenzraten der Depression und die Häufigkeit von Suizidversuchen bei der Bulimia größer ist als bei der Anorexia nervosa [Brotmann 1985; Csef 1997]. Bei der Psychogenese von Essstörungen spielen traumatische Erlebnisse in der Kindheit und Adoleszenz eine große Rolle. Es liegen zahlreiche Studien zum Zusammenhang von sexuellem Missbrauch und Essstörungen vor. Übereinstimmend hat sich dabei ergeben, dass die Häufigkeit von sexuellem Missbrauch in der Anamnese bei Bulimiekranken viel häufiger ist als bei Magersüchtigen [Smolak 2002].
52.3.2
Klinik
Das klinische Bild der Bulimia nervosa ist vielgestaltiger als jenes der Anorexia nervosa. Im Vergleich zur Magersucht liegen viel weniger objektive Kriterien vor, die auf das Krankheitsbild hindeuten. Das geforderte Mindestuntergewicht (Body-Mass-Index <17,5) gibt dem klinischen Beobachter bei der Magersucht bereits die Chance einer zutreffenden »Blickdiagnose«,da das Untergewicht sichtbar ist. Die Bulimia-Patientinnen sind oft normalgewichtig. Sie haben meist große Schamgefühle und Schuldgefühle wegen ihrer Essstörung und verbergen diese deshalb sowohl vor ihren Angehörigen als auch vor Ärzten. In jenen Fällen, in
52
denen die Patientinnen ihr krankhaftes Essverhalten bewusst verschweigen, ergibt sich der Verdacht auf das Vorliegen einer Bulimia nervosa durch verschiedene Körpersymptome (z. B. gastrointestinale Komplikationen, Zahnschäden, Parotisschwellungen, Elektrolytstörungen, Schnittverletzungen bei Selbstbeschädigungen). 52.3.3
Diagnostik
Als Diagnosekriterien gelten: 1. Eine andauernde Beschäftigung mit Essen, eine unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln; die Patientin erliegt Essattacken, bei denen große Mengen Nahrung in sehr kurzer Zeit konsumiert werden. 2. Die Patientin versucht, dem dickmachenden Effekt der Nahrung durch verschiedene Verhaltensweisen entgegenzusteuern: selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, zeitweilige Hungerperioden, Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika. Wenn die Bulimie bei Diabetikerinnen auftritt, kann es zu einer Vernachlässigung der Insulinbehandlung kommen. 3. Die psychopathologische Auffälligkeit besteht in einer krankhaften Furcht davor, dick zu werden; die Patientin setzt sich eine scharf definierte Gewichtsgrenze, weit unter dem prämorbiden, vom Arzt als optimal oder »gesund« betrachteten Gewicht. 4. Häufig lässt sich in der Vorgeschichte mit einem Intervall von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren eine Episode einer Anorexia nervosa nachweisen. Diese frühere Episode kann voll ausgeprägt gewesen sein oder war eine verdeckte Form mit mäßigem Gewichtsverlust und/oder einer vorübergehenden Amenorrhö. In der ICD-10 werden auch Kriterien für »atypische« Fälle von Magersucht und Bulimia nervosa angeführt, ebenso für Essattacken bei anderen psychischen Störungen (Polyphagie oder Hyperphagie) und für Formen des Erbrechens bei anderen psychischen Störungen, (dissoziative Störungen, hysterisches Erbrechen, psychogene Hyperemesis gravidarum). Klinisch relevante Differenzialdiagnosen, sinnvolle apparative Untersuchungen und Labordiagnostik sind bei der Bulimia nervosa weitgehend identisch mit den im Kap. 52.2.3 für die Magersucht gemachten Ausführungen.
532
52.3.4
Kapitel 52 · Anorexia nervosa und Bulimia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Therapie
Prävention Da das Risikoprofil für die Entstehung einer Bulimia nervosa dem der Magersucht sehr ähnlich ist und darüber hinaus häufig Übergänge zwischen den beiden Krankheitsbildern bestehen, sind die Präventionsmaßnahmen identisch ( s. Kap. 52.2.4).
VII
Allgemeinmaßnahmen /Ernährung Allgemeinmaßnahmen und Ernährungsberatung sind bei der Bulimia nervosa ähnlich wie bei der Anorexia nervosa. Die einzelnen Maßnahmen werden natürlich auf das jeweilige Problemverhalten abgestimmt. Insofern spielt der Faktor »Symptomkontrolle bezüglich Erbrechen« bei der Bulimia nervosa eine größere Rolle als bei der Anorexia nervosa, da nur etwa 15–30% der Magersüchtigen das Symptom »Erbrechen« haben, während es bei der Bulimia nervosa ca. 85% sind. Die Allgemeinmaßnahmen und Ernährungsberatung beinhalten bei der Bulimia nervosa meist folgende Einzelmaßnahmen: ▬ Ernährungsprotokoll der Patientin über Zusammensetzung, Menge und Zeitpunkt der verzehrten Nahrung, ▬ Protokollierung emotionalen und situativen Besonderheiten von Heißhungerattacken und anschließendem selbstinduzierten Erbrechen, ▬ Hilfestellung beim Essen (Erstellen eines Essensplans), ▬ Ernährungsberatung (Aufklärung über den Zusammenhang von restriktivem Essen und Heißhungerattacken, Aufgeben einer »inneren Liste« von »verbotenen Speisen«, kritische Diskussion von Diätmaßnahmen). Medikamentöse Therapie Bei der Bulimia nervosa wurde sehr systematisch der Einsatz von Psychopharmaka untersucht und in placebokontrollierten Interventionsstudien überprüft. Bereits vor mehr als 20 Jahren erfolgte in den USA der »Siegeszug« des Serotoninwiederaufnahmehemmers (SSRI) Prozac. Prozac wurde ursprünglich als Antidepressivum eingesetzt. Pharmakologische Studien haben jedoch bald Hinweise geliefert,dass Serotonin und SSRI einen erheblichen Einfluss auf Essverhalten, Hungergefühl und Sättigung haben. Nachdem weiterhin wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass die bulimiespezifischen Symptome Heißhungeranfälle und Erbrechen signifikant durch SSRI reduziert werden können, erfolgten gezielte placebokontrollierte Interventionsstudien (z. B. [Levine 1992]).
Wichtig Es liegt mit den SSRIs ein medikamentöses Therapieprinzip vor, dass nicht nur die depressive Begleitsymptomatik bessert, sondern gezielt bulimiespezifische Symptome bessern kann.
Psychotherapie Die psychotherapeutischen Maßnahmen, die sich bei psychogenen Essstörungen als wirksam erwiesen, finden auch bei der Bulimia nervosa Anwendung ( s. Kap. 52.2.4). Im psychotherapeutischen Therapieprozess stellt die Bulimia nervosa andere Herausforderungen als die Magersucht. Hier ist es nicht das lebensbedrohliche Untergewicht und der drohende »Hungertod« wie bei der Magersucht. Die Bulimia nervosa hat andere Komplikationen (Suizidalität als Hauptkomplikation,zusätzlich gastrointestinale Komplikationen) und sie hat ein anderes Spektrum von psychiatrischen Komorbiditäten. Wichtig Bulimisches Essverhalten ist häufiger mit Selbstbeschädigungen, Impulskontrollstörungen, anderen Suchterkrankungen (Drogen, Alkoholismus) und Persönlichkeitsstörungen assoziiert als die Magersucht.
Auch das häufigere Vorkommen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit und Adoleszenz verweist auf ein spezifisches Störungsmuster bei einer Subgruppe, das bereits 1983 als » Compulsive oretic multilative Syndrome« genannt wurde. Dieses klinisches Syndrom fasst zusammen: Essstörung mit bulimischem Essverhalten, Zwangssymptome, Impulskontrollstörungen,große Neigung zu Aggressivität und Selbstbeschädigung sowie sexuelle Störungen. 52.4
Anorexia nervosa und Bulimia nervosa im Vergleich
Magersucht und Bulimia nervosa haben zahlreiche Gemeinsamkeiten, jedoch auch grundlegende Unterschiede [Becker 1999; Cesf 1997; Csef 2000]. Beide Formen der psychogenen Essstörungen sind sehr heterogene Krankheitsbilder, tauchen gemeinsam mit verschiedensten internistischen oder psychiatrischen Komorbiditäten auf und haben im Langzeitverlauf die Tendenz, dass sie ineinander übergehen können [Csef 1997]. Das Durchschnittsalter bei der
533 52.5 · Verlauf und Prognose SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
52
⊡ Tabelle 52.4. Magersucht und Bulimia nervosa im Vergleich
Prävalenz in Risikogruppen (15–30 J.)
Anorexia nervosa
Bulimia nervosa
0,8%
4,0% Gesteigert
Appetit »Hyperoexie«
Reduziert, »Anorexie«
Essverhalten
Hypophagie, Narungsrestriktion
Hyperphagie
Heißhungerattacken, (Nahrungszufuhr)
»Hungern«, Essensverweigerung
»Fressanfälle«
Verhaltensziel (finaler Aspekt)
Abnehmen wollen, schonungsloses Streben nach Abmagerung (»relentless pursuit of thinness«)
Nicht zunehmen wollen, Angst vor Gewichtszunahme, (»weight phobia«)
Impulskontrolle (»Impulsdurchbruch« im Fressanfall)
Verstärkt, »Kontrollzwang«
Vermindert, Kontrollverlust
Körpergewicht
Immer Untergewicht, mindestens 15% unter Normalgewicht
Meist Normalgewicht, leichtes Untergewicht oder Übergewicht oder Übergewicht möglich, Übergänge zur Magersucht und Adipositas
Erbrechen
Bei 15–30%
Bei ca. 85%
Amenorrhö
60–100% je nach Untergewicht
40–50%
Leidensdruck
Gering, starke Verleugnungstendenzen
Groß
Therapieverlangen
Gering
Groß
Erstmanifestation liegt bei der Magersucht früher als bei der Bulimia nervosa. Im Langzeitverlauf ist der Übergang in eine Bulimia nervosa möglich (⊡ Tabelle 52.4). 52.5
Verlauf und Prognose
Der oft schwierige und komplikationsreiche Verlauf von Magersucht und Bulimie erfordert eine enge interdisziplinäre Kooperation von Psychosomatik/Psychotherapie und Gastroenterologie. Die Qualität dieser Kooperation hat entscheidenden Einfluss auf den weiteren Krankheitsverlauf und die Prognose. Je nach klinische Situation ergänzen sich die jeweiligen Therapieansätze. Gastroenterologische Aufgabengebiete Erkennen »verborgener« (verschwiegener) Essstörungen
Erkennen und behandeln somatischer Komplikationen
Vermittlung von Fachpsychotherapie ▼
Patientenführung bei chronischen Verlaufsformen (»psychosomatische Grundversorgung«) Differenzierte Verlaufsdiagnostik (Differenzialdiagnosen, Komorbiditäten, Erkennen von Fehldiagnosen)
Für die psychotherapeutische Langzeitbehandlung sind der Fachpsychotherapeut oder die psychosomatische Fachklinik zuständig, da dies sehr spezifische Fachkompetenz erfordert. Bei Magersüchtigen ist nach gestellter Verdachtsdiagnose nicht selten die Vermittlung in eine Fachpsychotherapie das erste Problem. Bei der Magersucht sind die fehlende Krankheitseinsicht und die geringe Complaince geradezu pathognomisch. Dies führt dazu,dass die Patienten oft eine adäquate Behandlung ablehnen. Hier kann der niedergelassene Gastroenterologe einen besonderen Zugang haben und die Behandlungsmotivation der Patientin fördern, um anschließend eine Fachpsychotherapie erfolgreich zu vermitteln. Eine besondere Herausforderung für Gastroenterologen stellt die Kombination von Diabetes mellitus
534
VII
Kapitel 52 · Anorexia nervosa und Bulimia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
vom Typ I und Bulimia nervosa dar.Hier kann die Essstörung zu erheblichen Stoffwechselentgleisungen führen [Herpertz 2000; Yaryura-Tobias 2001]. Die Kombination dieser beiden Erkrankungen führt nicht selten zu letalen Krankheitsverläufen.Insulin stellt ein hochpotentes Mittel für autodestruktive Manipulationen dar. Niedergelassene Hausärzte und Internisten haben oft die wichtige Aufgabe, jene Patienten mit Anorexia nervosa oder Bulimie zu betreuen, die einen chronischen Krankheitsverlauf zeigen. Sie haben nicht selten 5–10 stationäre Aufenthalte in psychosomatischen oder psychiatrischen Kliniken hinter sich, zeigen oft ein komplexes Krankheitsbild mit zahlreichen Komorbiditäten. Nicht selten hat die Patientin gerade zum Internisten, der ihr möglicherweise in mehreren kritischen Situationen bereits beholfen hat, eine besondere Vertrauensbeziehung. Im Langzeitverlauf bleibt der Internist Garant dafür, dass die Diagnose der Essstörungen immer wieder kritisch evaluiert wird. Es gibt eben auch Magersucht und Bulimie als Fehldiagnose [Brownell 1994; Fichter 1990], wobei ein riesiges Spektrum von Erkrankungen bis hin zum Hirntumor in Frage kommt. Gastroenterologische Differenzialdiagnosen haben hier vorrangige Bedeutung, zumal insbesondere die Bulimie nervosa überwiegend im Gastrointestinaltrakt »ausgetragen » wird. Oft muss gerade, wenn neue Aspekte oder Widersprüche auftreten, die Diagnose nochmals hinterfragt werden und zusätzliche somatische Diagnostik durchgeführt werden. In besonderer Weise ist die gastroenterologische Fachkompetenz gefragt, wenn seltene Komplikationen wie z. B. Magenruptur eine dringende Krankenhauseinweisung erforderlich machen [Goebel 1994; Köpp 1996]. Hauptindikationen für eine stationäre Behandlung [Brotman 1985] Arrhythmien ohne Elektrolytstörung (ausgenommen milde Brady- oder Tachyarrhythmie) Jegliche Arrhythmie im Kontext mit einer anderen medizinischen Komplikation (z. B. Schwindel, Brustschmerz) Arrhythmien im Zusammenhang mit Erbrechen, Laxanzien- oder Diuretikaeinnahme EKG- oder hämodynamische Veränderungen mit Symptomen (z. B. Schwindel, Brustschmerz)
▼
>40% Gewichtsverlust insgesamt oder >30% Gewichtsverlust in den letzten 3 Monaten
Unabhängig von der Essstörung bestehende andere Erkrankungen, v. a. Diabetes, Asthma o. ä.
Die Einschätzung des Krankheitsverlaufs und der Prognose hängt wesentlich von den angewandten Therapieverfahren, von den evaluierten Kernvariablen und vom Katamnesezeitraum ab. Insgesamt besteht wissenschaftlicher Konsens darüber, dass psychotherapeutisch unbehandelte Anorexie- und Bulimie-Patientinnen durchwegs einen wesentlich schlechteren Verlauf haben als Behandelte. Langzeitstudien liegen bislang nur über die Anorexia nervosa vor, da zur Bulimia nervosa erst seit 1980 international vereinbarte Diagnosekriterien aufgestellt wurden. Werden somatische Zielvariablen wie Körpergewicht und Menstruationsstatus sowie Verhaltensmerkmale wie Erbrechen, bulimisches Essverhalten und Laxanzienabusus in den Mittelpunkt gerückt, so zeigt sich in Langzeituntersuchungen bei psychotherapeutisch behandelten Patienten in 70–80% der Fälle ein guter Verlauf [Deter 1995; Hentze 1991; Herzog 1992]. Die positiven Ergebnisse von Psychotherapiestudien erlauben es uns, der Behandlung der Magersucht und Bulimia nervosa mit therapeutischem Optimismus zu begegnen [Zwaan 1996]. Vergleichen wir diese Essstörungen im gesamten Spektrum psychosomatischer Erkrankungen mit anderen wie M. Crohn, Colitis ulcerosa oder Asthma bronchiale, so muss festgehalten werden, dass bei den Essstörungen die psychotherapeutischen Interventionen in einem kurativen Ansatz erfolgen. Zudem sind die Ergebnisse von Evaluationsstudien durchaus ermutigend. Dass es auch ganz schwere Verläufe von Bulimia nervosa und Magersucht mit zahlreichen schwerwiegenden Komorbiditäten gibt, die im Suizid, in der Psychose oder in somatische Komplikationen enden, ist die andere Seite der Essstörungen. Diese Schattenseite muss die psychosomatische und internistische Fachwelt dazu herausfordern,die Suche nach effizienteren Therapiestrategien, nach differenziellen Indikationsstellungen und v. a. auch nach besseren Konzepten der interdisziplinären Kooperation in der Krankenversorgung voranzutreiben. Gerade die große Heterogenität von Magersucht und Bulimia nervosa, ihre sehr vielgestaltige Psychopathologie und die zahlreichen Komorbiditäten, die mit ihnen verbunden sein können, führen dazu, dass
535 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
es keine bestimmten Vorgehensweisen gibt,die für alle Essgestörten günstig sind [Hentze 1991]. Eine extrem zwanghafte Magersüchtige, die ausschließlich durch Nahrungsrestriktion einem sehr asketischen Ideal folgt,nie erbrochen hat und keine psychiatrischen Komorbiditäten hat, ist sicherlich anders zu behandeln als eine Magersüchtige mit bulimischem Essverhalten, die täglich mehrmals erbricht, gleichzeitig exzessiven Alkoholmissbrauch zeigt und mehrere Suizidversuche hinter sich hat.Die Bulimie einer Diabetikerin müssen wir anders behandeln als die Bulimie im Rahmen eines Borderline-Syndroms. Ziel der weiteren psychosomatischen Forschung muss es sein, auch jenen Magersüchtigen und Bulimiekranken helfen zu können, die bislang therapeutisch schwer zugänglich waren. Damit wären die zum Teil noch recht hohen Mortalitätsraten der Magersucht von 5–15% zu senken [Hewitt 2001]. Die bisherige Verlaufsforschung hat versucht, Prädiktoren zu identifizieren, die auf einen ungünstigen Krankheitsverlauf hinweisen. Prädiktoren für einen ungünstigen Krankheitsverlauf
Genetische Disposition Hereditäre psychopathologische Belastung Schwere prämorbide Entwicklungsstörung Große Zeitspanne zwischen Krankheitsbeginn und Therapie Mangelhafte Therapiebereitschaft Geringe Introspektionsfähigkeit Kombination mit anderen Krankheiten und Süchten Ausgeprägte psychische Symptomatologie – Zwänge, Selbstbeschädigung, Suizidversuche Abbrüche der Therapie Somatische Folgen der Krankheit Sozialmedizische Folgen der Krankheit – Sozialer Abstieg – Keine berufliche Perspektive – Rentenverfahren – Hospitalisation Fehlende Kontinuität der Langzeittherapie – »Therapieabriss« nach stationärer Behandlung
In der Heidelberg-Mannheim-Studie,wurde der Langzeitverlauf von 103 Magersüchtigen über 9–19 Jahre dokumentiert [Deter 1995]. Dabei wurden die Todes-
52
ursachen der verstorbenen Magersüchtigen analysiert (Mortalitätsrate von 10,7%). Ein erhöhtes kurzfristiges Mortalitätsrisiko zeigte sich besonders bei Patienten mit massiven bulimischen Verhaltensweisen, die zu schweren Elektrolytstörungen und dann zur Herzrhythmusstörungen oder zu akuten gastrointestinalen Erkrankungen (Darmulzera,Peritonitis,Pankreatitis) neigen. Mittelfristig vom Tode bedroht erscheinen chronisch anorektische Patienten, die somatische Komorbiditäten haben.Internistische Zusatzerkrankungen wie Diabetes mellitus oder M. Crohn wurden hier hervorgehoben. Die psychosomatische Verlaufsforschung zur Magersucht und Bulimie macht die besondere Dramatik dieser Krankheitsbilder deutlich,da auf der einen Seite langfristige Heilungen, auf der anderen Seite desolate Verläufe und hohe Mortalitätsraten stehen. Die betroffenen Patientinnen und Patienten führen dem Arzt eine eigentümliche Dialektik vor Augen, die er selbst im Umgang spürt.Er fühlt sich oft zwischen therapeutischem Optimismus und Hilfslosigkeit hin- und hergerissen. Letztlich ist und bleibt insbesondere die Magersucht ein existentieller Notruf, eine Hilfesuche trotz aller Widerspenstigkeit und eine Gratwanderung zwischen Leben und Tod.
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536
VII
Kapitel 52 · Anorexia nervosa und Bulimia nervosa SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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53 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Sonden- und Applikationstechniken N. Hoepffner, A. J. Dormann, J. Stein 53.1
Wahl der Sonden und Applikationstechnik
– 538
53.2
Nasogastrale/nasojejunale Sonden
53.2.1 53.2.2 53.2.3
Indikationen und Kontraindikationen – 538 Handhabung und Durchführung – 539 Komplikationen, Risiken – 540
– 538
53.3
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
53.3.1 53.3.2 53.3.3 53.3.4
Indikationen und Kontraindikationen – 542 Pulltechnik (Fadendurchzugsmethode) nach Gauderer Perkutane Direktpunktion – 543 Entfernung bzw. Austausch der PEG – 544
53.4
Perkutan sonographisch gesteuerte Gastrostomie (PSG) nach Gebel – 548
– 540 – 542
53.5
Röntgenologisch gesteuerte Gastrostomie
53.5.1 53.5.2
CT-gesteuerte Gastrostomie (bzw. Jejunostomie) nach Seitz Analage einer Gastrostomie unter Durchleuchtung – 550
53.6
Button
53.6.1 53.6.2
Indikationen und Kontraindikationen Anlage und Handhabung – 551
53.7
Jejunostomie
53.7.1 53.7.2
JET-PEG – 552 Endoskopische perkutane Jejunostomie (EPJ)
53.8
Operative Verfahren zur Anlage gastroenteraler Ernährungssysteme – 553
53.8.1 53.8.2
Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ) – 553 Perkutane laparoskopische Gastrostomie (PLG) und Jejunostomie (PLJ) – 554
– 551
– 551
Applikationsformen und -techniken
53.9.1 53.9.2 53.9.3
Bolusgabe – 554 Kontinuierliche Gabe – 555 Applikationstechniken – 556
– 556
– 550
– 550
53.9
Literatur
– 549
– 552
– 554
538
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
>>
VII 53.1
Die Entwicklungen enteraler Ernährungstechniken zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrafen in erster Linie die Art der zugeführten Nahrung und die Applikationsformen. Mechanische Hilfspumpen, die einen gleichförmigen Nahrungstransport ermöglichen sollten, wurden seit Ende der 1930er Jahre eingesetzt. In den Folgejahren erfolgte die Einführung neuartiger Ernährungsonden aus Silikonen und Polyethylen, die geschmeidiger und deutlich dünnlumiger waren als die vormaligen Gummisonden. Die Suche nach einer besonders energiereichen, aber aufgrund von Entsorgungsproblemen ballaststoffarmen Astronautenkost führte im Rahmen der Weltraumforschung in den 1950er- und 60er-Jahren zur Entwicklung niedermolekularer Formeldiäten, deren Weiterentwicklung in den Folgejahren zu den geschmacklich besseren und auch deutend billigeren Peptiddiäten, die seither erfolgreich zur Ernährungstherapie bei Krankheitsbildern eingesetzt werden. Wesentliche technische Neuentwicklungen der letzten Zeit waren die Einführung der perkutan endoskopisch kontrollierten Gastrostomie (PEG; [Gauder 1980]), die perkutan endoskopische Jejunostomie (PEJ) sowie die Entwicklung 2- und 3-lumiger Sonden.
Wahl der Sonden und Applikationstechnik
Nach Indikationsstellung zur künstlichen enteralen Ernährung (funktionsfähiger Intestinaltrakt) erfolgt die Auswahl des möglichen Zugangsweges (⊡ Abb. 53.1) und Sondierungsverfahrens (⊡ Abb. 53.2). Entscheidend hierfür sind: ▬ voraussichtliche Dauer der Ernährungstherapie, ▬ Allgemein- und Ernährungszustand des Patienten, ▬ Grundkrankheit (z. B. akute Pankreatitis, Gastroparese), ▬ Zeitpunkt (intraoperativ, postoperativ), ▬ anatomische Besonderheiten nach Voroperationen (z. B. Gastrektomie, B-II-Magen, Kurzdarmsyndrom). 53.2
Nasogastrale/nasojejunale Sonden
Den einfachsten Zugangsweg zum Gastrointestinaltrakt stellen transnasale Sondensysteme dar. Die Anlage erfolgt mittels Vorschubmethode transnasal in Magen,Duodenum oder Jejunum.Zum Ausschluss einer Sondenfehllage ist eine radiologische Kontrolle erforderlich. Die Platzierung in distale Duodenalabschnitte oder in das Jejunum erfolgt meist unter Zuhilfenahme radiologischer oder endoskopischer Techniken ( s. unten).
Wichtig Nasale Sonden sind für eine längerfristige Ernährung (>6 Wochen) nur eingeschränkt geeignet, da diese ein Fremdkörpergefühl im Rachen erzeugen, eine Refluxösophagitis und Druckulzera auslösen können und zur Dislokation neigen.
53.2.1
Indikationen und Kontraindikationen
Insbesondere von dem ambulanten Patienten kann die nasale Sonde als psychische Belastung empfunden werden, da das offensichtliche Tragen der Sonde im sozialen Umfeld auf das Kranksein des Patienten schließen lässt. Dementsprechend finden nasale Sonden primär Anwendung bei kurzfristiger enteraler Ernährungsdauer und bei Bestehen von Kontraindikationen gegen andere Techniken der enteralen Nährstoffzufuhr. Als Indikationen gelten: ▬ kurzzeitige Ernährungstherapie, ▬ schwere Gerinnungsstörungen ( s. Kontraindikationen einer PEG). ▬ Die Anlage einer perkutanen Ernährungssonde ist kontraindiziert. ▬ Duodenal- oder Jejunalsonden: erhöhte Aspirationsgefahr, besonders bei Bewusstlosen und Patienten mit Magenentleerungstörungen, geplante frühe postoperative Sondenernährung (gastrojejunale Dissoziation, s. unten).
539 53.2 · Nasogastrale/nasojejunale Sonden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
53.2.2
53
Handhabung und Durchführung
Ist die Ernährung über einen transnasalen Ernährungskatheter indiziert, sollten dünnlumige (Ch. 8), gewebefreundliche Polyurethan- bzw. Silikonkautschuksonden Anwendung finden, die mit entsprechenden Pflastersets fixiert werden, um einer Dislokation bzw. einem Herausrutschen vorzubeugen. Wichtig Indikationsstellung, Verfahrenswahl und Sondenanlage sind grundsätzlich ärztliche Aufgaben. Der Arzt kann das Legen einer Magensonde an erfahrenes Pflegepersonal delegieren.
⊡ Abb. 53.1. Mögliche Zugangswege zur Sondenapplikation
Gastrale Sondenernährung Sie ist immer dann indiziert, wenn Erkrankungen mit Einschränkungen der Kau- und Schluckbewegungen (z. B. Operationen im Mund-, Kiefer- und Larynxbereich, Lähmungen der Kaumuskulatur, Innervationsstörungen des Kehlkopfs etc.) vorliegen. Die Platzierung der Sonde ist auch beim intubierten, nichtkooperativen Intensivpatienten meist problemlos möglich. Wichtig
Als Kontraindikationen gelten: ▬ Wandveränderungen der Speiseröhre, z. B. Ösophagusvarizen, Divertikel, Entzündungen, Stenosen (relative Kontraindikation), ▬ Ösophagusperforation, ▬ Magenausgangsstenose oder Gastroparese (Magensonde), ▬ unstillbares Erbrechen, ▬ unkooperativer Patient.
⊡ Abb. 53.2. Auswahl der Sondenapplikation
Vor Beginn der Zufuhr der Sondennahrung muss eine Lagekontrolle entweder durch Aspiration von Magensekret oder durch Einblasen von Luft in die Magensonde bei gleichzeitiger Auskultation über dem Epigastrium vorgenommen werden.
Dünndarmsonden Eine duodenale und/oder jejunale Nährstoffzufuhr ist an weiche, filiforme Sonden gebunden, die vom Pa-
540
VII
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
tienten bei längerer Liegedauer gut toleriert werden und nicht versteifen (!). Darüber hinaus erfordert diese Form geeignete Nährsubtrate sowie Pumpensysteme, die eine kontinuierliche Zufuhr sicherstellen. Die Sonde wird, wie oben beschrieben, in den Magen vorgeschoben. Ist die Pyloruspassage schwierig oder eine schnelle Passage erwünscht, so kann die Platzierung nach Kontrastmittelgabe auch unter Durchleuchtung erfolgen. Bei neueren Sonden wird auf einen Ballon verzichtet,sie haben statt dessen einen Drahtmandrin zur Versteifung, sodass sie genauso wie normale Magensonden eingeführt werden können. Die für Kinder gedachte Version hat diesen Mandrin nicht (Perforationsgefahr) und ist wegen der damit verbundenen Biegsamkeit deutlich schwieriger zu platzieren. Die Kindersonde kann allerdings mit einer halben magensaftlöslichen Gelatinekapsel an der Spitze einer normalen Magensonde befestigt und dann gemeinsam vorgeschoben werden. Nach Auflösung der Gelatinekapsel (ca. 30 min) wird die Magensonde entfernt, während die Ernährungssonde im Magen zurück bleibt. Mehrlumige nasogastroduodenale Sonden: gastroduodenale Dissoziation Inbesondere zur kurzzeitigen postoperativen Ernährung und beim kritisch Kranken mit manifesten Magenentleerungsstörungen erweisen sich 2- und 3-lumige nasoenterale Sonden als vorteilhaft, da sie neben der enteralen Nahrungsapplikation die gleichzeitige Flüssigkeitsentlastung des Magens ermöglichen (⊡ Abb. 53.3). 53.2.3
Komplikationen, Risiken
Eine konsequente Beachtung der Kontraindikationen machen die nasogastralen/-enteralen Sonden zu einer außerordentlich risikoarmen Methode. Als Komplikationen/Risiken gelten: ▬ Nasenbluten, ▬ Via falsa: Verletzung der Ösophagusschleimhaut Æ submukosale Platzierung! ▬ Sondierung der Trachea. Cave: bei sedierten und bewusstlosen Patienten fehlen Schutzreflexe! ▬ Ösophagus- und Magenperforation: seltene Komplikation, nur bei Vorerkrankungen der Speiseröhre (Divertikel!) und des Magens (Ulkus); ▬ Druckulzera und Perforationen im Ösophagus und Magen bei längerer Liegedauer sowie erhöh-
⊡ Abb. 53.3. Doppellumige nasoenterale Sonden bieten insbesondere beim kritisch Kranken (reflektorische Magenatonie) die Möglichkeit der gleichzeitigen enteralen Nahrungapplikation und gastralen Magensaftaspiration
te Aspirationsgefahr durch das Offenhalten des unteren Ösophagussphinkters. Wichtig Die nasale Platzierung ist bei Traumapatienten mit Beteiligung der Schädelbasis risikoreich.
53.3
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
Die Nachteile der nasoenteralen Sondenernährung – insbesondere bei längeren Liegedauern: Irritationen im Nasen-Rachen-Raum,Dislokation,kosmetische Beeinträchtigung – führten zur Entwicklung der perkutan endoskopisch kontrollierten Gastrostomie. Die Technik wurde mehrfach modifiziert und verbessert und hat die herkömmlichen, mit einer deutlich höheren Komplikationsrate einhergehenden,chirurgischen Gastrostomieverfahren (Witzel-Fistel, Magenfistel nach Stamm) verdrängt.Im Folgenden wird dieses Verfahren anhand von 3 unterschiedlichen Möglichkeiten, der Fadendurchzugsmethode nach Gauderer,der Pushtechnik (Seldinger-Technik) und der perkutanen Direktpunktion ausführlicher dargestellt (⊡ Abb. 53.4).
53
541 53.3 · Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
a
b
c
d
e ⊡ Abb. 53.4a–f. Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG). a Diaphanie in Rückenlage: an der geeigneten Punktionsstelle scheint das Licht des Endoskops durch Magenwand und Bauchdecke, der der Magen direkt anliegt. b Endoskopisch ist an dieser Stelle der von außen imprimierende Finger gut zu sehen: so wird die optimale Position der PEG gewählt. c Die Schleuse für den Faden hat den Magen punk-
f tiert, links steht die Zange bereit, um den Faden zu fassen. d Der Zugfaden läuft durch die Schleuse nach innen, wird mit dem Endospkop zum Mund herausgezogen. e Die PEG-Sonde wird mit ihrer Spitze mitsamt der Schleuse durch die Bauchdecke nach außen gezogen. f Die PEG-Sonde mit Halteplatte: korrekter Sitz im Magen
542
53.3.1
VII
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Indikationen und Kontraindikationen
Eine enterale Langzeiternährung chronisch Kranker über eine perkutan-endoskopisch kontrollierte Gastrostomie kann, sofern eine orale Nahrungsaufnahme unmöglich ist, indiziert sein bei: ▬ reversiblen und irreversiblen Schluckstörungen, ▬ Schädel-Hirn-Trauma, ▬ Hirntumoren, ▬ Tumorobstruktionen im oberen Gastrointestinaltrakt (Ösophagus, Kardia), HNO-Bereich (Oropharynx, Larynx); ▬ Strahlentherapie, ▬ Tumorkachexie, ▬ Bewusstseinstrübung, ▬ Kurzdarmsyndrom, ▬ Missbildungen, ▬ Intoleranz transnasaler Sonden. Die PEG erweist sich darüber hinaus als eine geeignete Maßnahme zur Dekompression bei Tumorpatienten mit Obstruktion des oberen Gastrointestinaltrakts. Dabei reichen die üblichen 15-Ch.-Sonden aus [Cannizzaro 1995; Scheidenbach 1999].Auch zur Gastropexie bei intermittierendem Magenvolvulus ist die PEG verwendet worden [Altenwerth 1994]. Die Indikation für eine PEG sollte in der Regel für mehr als 6 Wochen gegeben sein. Eine deutliche Diaphanoskopie vorausgesetzt, stellen auch gastrointestinale Voroperationen (z. B. Magenresektion nach Billroth I und II),keine absoluten Kontraindikationen dar. Ulcera ventriculi sollten vor der PEG-Anlage zur Abheilung gebracht werden. Eine strenge und konsequente Beachtung der Kontraindikationen machen die PEG zu einer außerordentlich risikoarmen Methode. Als Kontraindikationen gelten: ▬ schwerwiegende Gerinnungsstörung (Quick <50%, PTT >50 s, Thrombozyten <50.000/µl ▬ ausgeprägte Peritonealkarzinose, ▬ massiver Aszites, ▬ Peritonitis, akutes Abdomen, ▬ Anorexia nervosa, schwere Psychose, ▬ pathologische Magenwandveränderungen (Ulkus, schwere Gastritis, Tumor) ▬ deutlich eingeschränkte Lebenserwartung, ▬ generelle Kontraindikatonen gegen eine enterale Ernährung, ▬ fehlendes Einverständnis des Patienten, ▬ fehlende Diaphanie (relative Kontraindikation).
53.3.2
Pulltechnik (Fadendurchzugsmethode) nach Gauderer
Bei der Fadendurchzugsmethode wird unter endoskopischer Kontrolle der mit Luft aufgeblasene Magen unter Lokalanästhesie durch die Bauchwand punktiert [Gauderer 1984; Gauderer 2001; Russel 1984]. Ein Faden wird durch die Punktionsnadel in den Magen geschoben, das Ende mit dem Endoskop gefasst und durch den Mund herausgezogen. Jetzt wird die Sonde selbst oder eine Schleuse an den Zugfaden gebunden und peroral-transösophageal in den Magen und mit ihrem äußeren Ende durch Magenwand und Bauchdecke gezogen. Eine innere Halteplatte als Widerlager liegt dann der Magenmukosa an und fixiert die Magenwand an die Bauchwand. Die Sonde wird auf der Bauchhaut unter mäßigem Zug durch die äußere Halteplatte fixiert. Die Schleuse kann entweder direkt zur gastralen Ernährung oder aber als Schleuse für eine dünnere jejunale Ernährungssonde, die eigens endoskopisch im Dünndarm platziert werden muss, dienen. Folgende Einzelheiten sind für ein komplikationsarmes Vorgehen wichtig: ▬ Rasieren der epigastrischen Bauchhaut.Wenn nötig, ausreichende Sedierung und entsprechende Überwachung des zumeist schwerkranken Patienten. Es ist wichtig, dass die Patienten während des Eingriffs ruhig liegen, nicht würgen oder husten. ▬ Beginn der Untersuchung in Linksseitenlage mit einer vollständigen Gastroduodenoskopie, gründliches Freisaugen des Magens (ohne Flüssigkeit keine Aspiration), Kennenlernen der anatomischen Verhältnisse (Ulkus, Tumor, Narben, Anastomosen, freie Passage). ▬ Drehen des Patienten in Rückenlage, Aufblasen des Magens,sehr gründliches und geduldiges Aussuchen der besten Punktionsstelle: die Diaphanie des endoskopischen Lichtes muss eindeutig, die Impression des Fingers von außen im Magen ebenfalls gut zu sehen sein. Sie soll an der Punktionsstelle den Magen nicht tangential, sondern mittig von anterior imprimieren. Andernfalls droht der Stich zum Schnitt zu werden mit Abgleiten der Nadel am Magen, Blutung und Perforation. An der ausgesuchten Stelle wird die Lokalanästhesie platziert, die Nadelspitze muss im Magen an gewünschter Stelle erscheinen (Testpunktion). Vorsicht mit dem Endoskop, nicht das Abwinkelungsgummi punktieren lassen.
543 53.3 · Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
▬ Nach einer Stichinzision der Haut mit einem Skal-
pell, Punktion mit der Schleuse,rasches Einführen des Fadens (darauf achten,dass die Luftfüllung erhalten bleibt), Greifen des Fadens mit der Biopsiezange, Extraktion nach außen. Dieser 4. Schritt muss sehr rasch und konzentriert erfolgen. ▬ Jetzt kann in Ruhe die Sonde mit der Halteplatte platziert und fixiert werden (Vorsicht bei der Passage stenosierender Ösophagustumore – bei gefühlvollem Zug gelingt sie immer, wenn ein Endoskop passieren konnte). ▬ Die Lage der PEG muss nicht endoskopisch kontrolliert werden, Instillation und Rückaspiration von etwas Kochsalzlösung sind ausreichend. Die PEG kann bei korrekter Lage sofort benutzt werden. Komplikationen Die PEG hat sich als sichere, nebenwirkungsarme, praktikable und für den Patienten wenig belastende Methode erwiesen. Als seltene schwerwiegende methodenbedingte Komplikationen sind bei allen Techniken Aspiration, Tumoraussaat im Punktionskanal, gastrokolische Fisteln, Blutungen, nekrotisierende Fasziitis,Magenperforation,Peritonitis mit einer Inzidenz von etwa 1% zu befürchten.Die Letalität liegt unter 0,5% [Chung 1990; Deinzer 1999; Nicholson 2000]. Die häufigste Komplikation bei PEG stellen peristomale Wundinfektionen dar. Die Rate lokaler Infektionen liegt hier bei etwa 10–14%, ohne Antibiotikaphrophylaxe doppelt so hoch [Dormann 1999; Külling 2000; Mathus 1999]. 53.3.3
Perkutane Direktpunktion
In manchen Fällen, z. B. hochgradige maligne Ösophagusstenose kann die oben genannte Technik nicht oder nur bei gleichzeitiger Intervention (z. B. Bougierung) eingesetzt werden. Komplikationen dieses Vorgehens, wie z. B. Perforationen und Bakteriämien bedrohen die Patienten vital [Schlaeffer 1996; Schoenemann 1996]. Zusätzlich besteht die Gefahr von Implantationsmetastasen im Stichkanal durch Zellverschleppung aus dem proximalen Gastrointestinaltrakt. In diesen Fällen werden meist alternativ laparoskopische oder radiologisch kontrollierte Techniken zur PEG-Anlage eingesetzt [Dewald 1999]. Das prinzipiell davon abweichende Verfahren der Direktpunktionstechnik, erstmalig 1994 von Russell beschrieben (⊡ Abb. 53.5), ist von den technischen Voraussetzungen für diese Patienten besser geeignet,
53
da eine Passage der Tumorstenose mit der Halteplatte vermieden wird. Allen Verfahren der Direktpunktionstechnik ist gemeinsam,dass die Sonden mit einer Rückhaltevorrichtung ausgestattet sein müssen, die sich erst nach intragastraler Platzierung entfaltet. Es besteht insbesondere bei Verfahren ohne Gastropexie die Gefahr der Sondendislokation [Hardegg 1991]. Ballonkatheterdirektpunktion (Introducermethode nach Russel) Nach Ausschluss einer Magenausgangsstenose und Nachweis der Diaphanoskopie erfolgt die lokale Anästhesie (z. B. 10 ml Xylocain 1%). Der Magen wird mittels einer 16-F-Splitkanüle in Seldinger-Technik sondiert. Der am Ende des Katheters befindliche Ballon wird geblockt und die Splittkanüle entfernt. Problematisch und kritisch erweist sich bei dieser Methode die innere Fixierung der Sonde sowie die mögliche Beschädigung des Ballons mit Dislokation der Sonde [Russel 1994]. Perkutane Direktpunktion (Introducermethode) Seit 2003 ist in der Bundesrepublik Deutschland ein neues System zur Anlage einer PEG (Freka Pexact Ch 15) als endoskopisch kontrolliertes Direktpunktionsverfahren mit 2facher Gastropexie verfügbar. Dieses System findet Anwendung bei Patienten mit hochgradigen Stenosen, bei denen eine DurchzugsPEG nicht mehr anzulegen ist, aber auch in Fällen in denen eine passagere PEG-Anlage z. B. perioperativ geplant ist [Dormann 2000]. Die Anlage der PEG wird bei allen Patienten nach präinterventioneller Antibiotikaprophylaxe (z. B. 1mal 1 g Ceftriaxon i.v. 30 min vor der Untersuchung) und unter Analgosedierung (z. B. 5 mg Dormicum + 50 mg Dolantin i.v.) durchgeführt. Die Endoskopie erfolgt mit einem Stenosegerät (z.B.GIF-N-30,Fa.Olympus) durch nasale oder orale Intubation,ggf.mittels eines Führungsdrahtes (0,035˝) geschient unter radiologischer Kontrolle (⊡ Abb. 53.6). Durchführung und Handhabung Nach Ausschluss einer Magenausgangsstenose erfolgt die lokale Anästhesie (z. B. 10 ml Xylocain 1%) an der Stelle der Diaphanie. Anschließend wird der Magen mit dem doppelnadeligen Gastropexiegerät unter sterilen Bedingungen punktiert. Bei sicherer intragastraler Lage wird die Fadenhalteschlaufe geöffnet, der Faden gefasst, nach Fixierung in der Schlaufe das gesamte Pexiedevice entfernt und der Faden verknotet. In einem Abstand von ca. 2 cm erfolgt die zweite Gas-
544
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
b
VII
a
c
d
⊡ Abb. 53.5a–h. Ballonpunktionstechnik nach Russel. a Diaphanie in Rückenlage: an der geeigneten Punktionsstelle scheint das Licht des Endoskops; b Punktion des Magen nach Seldinger-Technik; c, d Nach Stichinzision Einführen des SplitDilatators und vorsichtiges Aufdehnen des Stomakanals
durch mehrmaliges Drehen; e Entfernen des Dilatators und f Einführen des Ballonkatheters; g Entfernen des Split-Dilatators und Füllen des Ballons; h Anbringen der äußeren Fixierung
tropexienaht. Nach einer ca. 5 mm breiten Stichinzision zwischen den beiden Fäden punktieren wir mit dem in einer Peel-off-Schleuse befindlichen Trokar. Hierbei ist auf eine gute Luftinsufflation zu achten, um Verletzungen der Magenhinterwand durch den Trokar zu vermeiden. Bei sicherer intragastraler Lage wird der beiliegende 15-F-Ballonkatheter durch die Schleuse eingebracht,mit 3 ml Aqua dest.geblockt und das Endoskop entfernt. Zur Fixierung wird die äußere Halteplatte gegen die Bauchwand geschoben. Die weitere Versorgung kann analog anderer PEGVerfahren erfolgen.Am 10.Tag nach Anlage werden die beiden Gastropexiefäden entfernt. Die weiteren Verlaufskontrollen führen wir dann wöchentlich durch. Ein Wechsel des Ballonkatheters erfolgt geplant nach ca. 30–40 Tagen, häufig wird dann gleichzeitig ein But-
tonsystem ( s. Kap. 53.6) angelegt, um eine bessere Langzeitstabilität zu erlangen [Dormann 1999]. 53.3.4
Entfernung bzw. Austausch der PEG
Wichtig Bei komplikationslosem Langzeitverlauf gibt es keine klinische Notwendigkeit eine PEG-Sonde routinemäßig zu wechseln.
Bei adäquater Versorgung können enterale Sondensysteme über mehrere Jahre ohne Auswechselung benutzt werden (eigene Erfahrungen zeigen Liege-
545 53.3 · Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
e
f
g
h
53
⊡ Abb. 53.5e–h
dauern von >6 Jahren). Die Notwendigkeit zum Sondenwechsel besteht: ▬ Beim Auftreten von Materialschäden (Leckagen, Sondenein- bzw. abriss), ▬ bei nicht behebbarer Verstopfung. Endoskopische Entfernung Auf Empfehlung einer interdisziplinären Konsensuskonerenz [Löser 1997] wird für PEG-/PEJ-Sonden mit fester innerer Halteplatte – trotz anders lautender Empfehlungen einzelner Studien – wegen der potenziellen, dann aber meist schwerwiegenden Komplikationen (gastrointestinale Obstruktionen mit Ausbildung eines Ileus, Fistelbildungen, Perforationen mit z. T. letalen Ausgängen) auch bei Erwachsenen die endoskopische Sondenentfernung vorgeschlagen (⊡ Abb. 53.7). Nichtendoskopische Entfernung Bei vorhersehbar zeitlich begrenzter Notwendigkeit zur enteralen Ernährung mittels PEG (z. B. Strahlen-
und/oder Chemotherapie) sollten PEG-Sondensysteme, die nicht endoskopisch, durch einfaches Herausziehen aus dem granulierten Stomakanal entfernt werden können, bevorzugt werden. Wichtig Sofern keine schwerwiegenden Komplikationen vorliegen sollte eine frisch angelegte PEG/-PEJSonde nicht innerhalb der ersten 10 Tage nach Anlage entfernt werden (unzureichende Granulation).
Nachsorge nach Sondenentfernung Nach Entfernung der Sonde sollte unmittelbar ein externer Verband mit Kompresse angelegt werden, der bis zum Zuheilen (in der Regel 3–5 Tage) der externen Austrittstelle einmal täglich zu wechseln ist.
546
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
a
VII
⊡ Abb. 53.6a–p. Schematische Darstellung der PEG-Anlage nach Gastropexie in Direktpunktionstechnik. a Perkutanes Gastronomie-Set (1 Gastropexie-Device, 2 Tokar mit Peel-awaySchleuse, 3 Ballonsonde CH15, 4 Nahtmaterial, 5 Skalpell, 6 Luerspitze). b Wahl der geeigneten Punktionsstelle. c Markierung der Einstichpositionen für die Gastropexie. d Nach Desinfektion und Lokalanästhesie senkrechte, langsame Punktion an der vorgesehenen Einstichstelle. e Vorschub und Öffnung der Fadenhalteschlaufe direkt unter der Fadeneinschubnadel. f Vorschub des Fadens durch die Schlaufe in den Magen. g Rückzug der Fadenhalteschlaufe und Fixierung des Fadens an der Spitze der Einstichnadel. h Entfernung der kompletten
Gastropexie-Device, Freigabe des Fadens. i Verknoten der beiden Fadenenden, Setzen der 2. Gastropexie an der vorgesehenen Stelle in gleicher Weise. j Nach Stichinzision mit dem Skalpell Einführen des Trokars unter endoskopischer Kontrolle bis in den Magen. k Entfernung des Trokars aus der Peel-awaySchleuse. l Verschluss der Schleuse mit dem Finger zum Halten der Magenextension. m Einführen der Ballonsonde bis in den Magen. n Füllung des Ballons mit Aqua unter endoskopischer Kontrolle. o Entfernung der Peel-away-Schleuse. p Fixierung der Ballonsonde durch Herunterschieben der externen Halteplatte
547 53.3 · Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG ⊡ Abb. 53.6b–p
d
b
c
g
f
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h
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53
548
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Endoskopischer Sondenaustausch Hierbei wird die liegende Sonde etwa 5 cm über dem Hautniveau abgeschnitten, ein Führungsfaden über die Sonde nach gastral vorgeschoben und das intragastrale Ende der PEG-Sonde mit einer Schlinge unmittelbar oberhalb der inneren Halteplatte gefasst und nach peroral entfernt. Die Neuanlage erfolgt in der Fadendurchzugstechnik ( s.o.). Alternativ kann im Einzelfall auch die Anlage eines Buttonsystems ( s. Kap. 53.6) erwogen werden.
a
VII
Nichtendoskopischer Sondenaustausch Bei granuliertem Stomakanal stehen für den nichtendoskopischen Austausch Sonden mit innerem weichen Haltedom (z.B.Ponsky-Non-Balloon Austauschgastrostomie-Sonde,Firma Abbott) bzw.– analog zum Buttonsystem – Sonden mit luftinsufflierbaren oder mechanisch extendierbaren inneren Halteplatten zur Verfügung (z.B.Bard Tri-Funnel-Sonde,Flocare Gastrotube, Pfrimmer-Nutricia).
b
Wichtig Beide Systeme erfordern eine radiologische Lagekontrolle nach Kontrastmittelgabe als Beleg der sicheren gastralen Lage. c
53.4
d ⊡ Abb. 53.7a–d. Endoskopische Entfernung der PEG. a Zunächst erfolgt die endoskopische Einstellung der Halteplatte, b, c danach wird die Halteplatte durch leichtes Vorschieben nach gastral gelöst und oberhalb der inneren Halteplatte mit der Schlinge umfasst. c, d Nach Abschneiden der Sonde etwa 5 cm über Hautniveau wird der gastrale Teil der Sonde peroral entfernt und der Stomakanal mit einer Kompresse verschlossen
Wichtig Bei komplikationsloser Sondenlage und -entfernung kann der Patient unmittelbar essen und trinken. Gelegentlich kann es in den ersten Stunden zu einem meist geringen Austritt von Mageninhalt kommen.
Perkutan sonographisch gesteuerte Gastrostomie (PSG) nach Gebel
Diese von Gebel 1991 erstmals beschriebene Methode beruht auf einer sonographisch gesteuerten Direktpunktion des flüssigkeitsgefüllten Magens. Indikationen und Kontraindikationen Als Indikationen gelten: ▬ endoskopisch nichtpassierbare maligne Stenosen im Oropharynx oder Ösophagus, ▬ nicht platzierbare Magen-, Duodenal- oder Jejunalsonde, ▬ nichtoperabler Patient (schlechter Allgemeinzustand, hohes Narkoserisiko). Handhabung und Durchführung Kann der Patient nicht ausreichend trinken (z. B. okkludierendes Ösophaguskarzinom), erfolgt die Platzierung entweder über eine nasogastrale Sonde, ggf. mit Hilfe eines flexiblen Terumodrahts gelegt, oder nach direkter sonographisch gesteuerter Magenpunktion über einen Zeitraum von ca.15 min die Instillation
53
549 53.5 · Röntgenologisch gesteuerte Gastrostomie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
von 500–1500 ml physiologischer Kochsalzlösung.Zur Verzögerung der Magenentleerung erhält der Patient gleichzeitig 20–40 mg N-Butylscopolaminiumbromid i.v. Nach dopplersonographischem Ausschluss möglicher Gefäßanomalien im Punktionsgebiet, erfolgt die sonographisch kontrollierte Direktpunktion (3,5MHz-Schallkopf) und Anlage einer Pigtailsonde (alternativ Ballonsonde) in Seldinger-Technik (⊡ Abb. 53.8). Nach obligatorischer radiologischer Kontrolle der Sondenlage, wird die Sonde zusätzlich durch eine Intrakutannaht von außen fixiert. Zur Vermeidung eines Refluxes wird vor Entfernung über die noch liegende nasogastrale Sonde die verbliebene Flüssigkeit abgesaugt (Wiederfindung ca. 70%). Die Benutzung der PSG ist 3 Tage nach Anlage möglich [Bleck 1998; Gebel 1991]. Komplikationen Eine erfolgreiche Anlage gelingt in etwa 90% der Fälle. Lokale Entzündungen sind selten (<5%). Ihre Handhabung erfolgt analog zum Vorgehen bei PEGSonden ( s. Kap. 55). Bei 10–13% kommt es zu Material bedingten Komplikationen.In etwa 8 % wurde ein Sondenbruch, in ca. 13% Sondenverschlüsse infolge von Medikamenteninkompatibilitäten beschrieben ( s. Kap. 55). 53.5
b a
c
d
Röntgenologisch gesteuerte Gastrostomie
Der Vorteil dieser Technik liegt analog zur PSG in der Anwendbarkeit auch bei okkludierenden Prozessen im Oropharynxbereich und Ösophagus. Indikationen und Kontraindikationen Sie unterscheiden sich nicht von denen der PSG, d. h. ▬ endoskopisch nicht überwindbare Stenosen im Oropharynx oder Ösophagus, ▬ fehlende Diaphanoskopie. Als Kontraindikationen gelten auch hier: ▬ nicht behebbare Gerinnungsstörung, ▬ ausgedehnter perigastrischer Aszites, ▬ großer linker Leberlappen, ▬ Interposition des Kolons, ▬ lokale abdominelle Voroperationen (Magenhochzug, evtl. Billroth I/II).
e
f
⊡ Abb. 53.8a–f. Prinzip der sonographisch gesteuerten Gastrostomie nach vorheriger Flüssigkeitsfüllung des Magens über eine nasogastrale Sonde. a Nach tiefer Lokalanästhesie der Haut (e), des Peritoneums (a) und der Magenwand (f) mit einer 0,7-mm-Nadel wird der Magen gefüllt b und anschließend c mittels Seldinger-Technik punktiert. d Nach ausreichender Dilatation wird dann über den noch liegenden Seldinger-Draht (j) die Ernährungsonde weit in den Magen vorgeschoben e. Nach Entfernung des Drahts wird der sich nun entfaltende »Pigtail« von außen mit einer Hautnaht (n) und Pflaster fixiert f
550
53.5.1
VII
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
CT-gesteuerte Gastrostomie (bzw. Jejunostomie) nach Seitz
Handhabung und Durchführung Nach Platzierung einer nasogastralen Sonde – bei hochgradigen Stenosen des Oro- bzw. Hypopharynx oder des Ösophagus ggf. unter Durchleuchtung mittels eines Führungsdrahts (z. B. Terumodraht) – werden nach i.v.-Gabe von 20–40 mg Butylscopalamin (Distension des Magens) 500–1000 ml Raumluft über die Sonde insuffliert. Nach Lokalanästhesie (10–20 ml 1%iges Lidocain) erfolgt die Punktion des Magens und die Freisetzung des T-Ankers im Magenlumen. Durch Zug am Ankerfaden wird die Magenvorderwand an der Bauchdecke fixiert und der Zugangsweg nach einer Hautinzision in kleinen Schritten (2–3 French) von 5 auf 16 F aufdilatiert. Anschließend wird die 17-F-Einführungshülse (»Peelaway-Sheet«) eingebracht und nach Entfernung des Madrins schließlich der 14-F-Silikonballonkatheter eingeführt, der abschließend mit 5 ml 0,9%iger Kochsalzlösung geblockt wird. 53.5.2
Anlage einer Gastrostomie unter Durchleuchtung
Die 1983 erstmals von Tao u. Gillies beschriebene Gastrostomie unter Durchleuchtung unterscheidet sich hinsichtlich Komplikationsraten und Patienten-«Outcome« neueren Untersuchungen zufolge nicht wesentlich von der PEG oder chirurgischen Verfahren [Deinzer 2001; Deurloo 2001]. Handhabung und Durchführung Zur besseren Abgrenzung des Kolonrahmens erweist sich eine retrograde Füllung mit wasserlöslichem Kontrastmittel oder die orale Gabe von Barium am Vortag als sinnvoll. Zusätzlich sollte die sonographische Abgrenzung des linken Leberlappens erfolgen. Nach Luftinsufflation (500–1000 ml Raumluft) und Lokalanästhesie (z. B. 10–20 ml 1%iges Lidocain), wird der geblähte Magen unter Durchleuchtung in Seldinger-Technik punktiert.Nach ausreichender Dilatation (Ballonkatheter oder Dialatorset) des Stomas – sie sollte in kleinen Abständen erfolgen (max. 3-F-Schritte) – erfolgt die Anlage der Sonde analog zur RusselTechnik.
Wichtig Gelingt die Einlage der nasogastralen Sonde zur Luftinisufflation nicht, muss eine CT-gesteuerte Punktion des undilatierten Magens erfolgen.
Komplikationen Die erfolgreiche Anlage liegt bei über 97%. An schwerwiegenden Komplikationen können Peritonitis (ca.1%),hämodynamisch wirksame Blutungen (<1%) oder in selten Fällen Katheterleckagen und Aspiration auftreten. 53.6
Button
Ergänzend zur perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) wurden in den letzten Jahren verschiedene Buttonsysteme (»skin-level gastrostomy tube«) entwickelt. Der seit 1984 erhältliche »Mushroom«-Button (Pilzkopf aus Silikon) bietet als Vorteile eine sichere Fixierung und ein flaches Profil. Zu seinen Nachteilen zählen schmerzhafte Anlage und Entfernung, da ggf. eine Dilatation notwendig ist. Relativ häufig treten Ventildefekte,Fistelverletzungen und Undichtigkeiten auf. Seit 1991 werden in Deutschland v. a. Silikonballonbuttons verwendet.Ihre Vorteile liegen in der leichteren Platzierungen und Wechsel, den selteneren Ventildefekten und ihrer Größenvielfalt [Borge 1995; Dormann 1999; Peitgen 1997]. Wichtig Der Button ist ein Austauschsystem zur Zweitplatzierung nach vorheriger Anlage einer PEG. Der Silikonballonbutton besteht aus einem in Hautniveau liegenden Ventilknopfsystem, einem in der Länge variierenden Verbindungskanal und einem Ballon.
Im Ventilkopf befinden sich 2 Ventile. Über die seitliche Öffnung kann der Ballon mit 5–7,5 ml Aqua dest. geblockt werden. Zentral befindet sich ein Antirefluxventil,das den Austritt von Magensaft verhindert.Eine Klappe dient zum Verschluss der zentralen Öffnung in Ernährungspausen (⊡ Abb. 53.9).
551 53.6 · Button SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
53
Das Vorgehen entspricht zunächst dem Vorgehen analog zum Wechsel bzw. der Entfernung einer PEG. Unter endoskopischer Sicht wird die auf ca. 4–5 cm abgeschnittene PEG in den Magen gezogen. Der Längenmesser für das Stoma wird auf das abgeschnittene Ende der PEG-Sonde aufgesetzt und mit der PEG als Schienung in den Magen geführt. Nach Bestimmung der Stomalänge (Skalierung am Längenmesser) und Entfernung des Längenmessers wird der Button unter Zuhilfenahme von Gleitgel vorgeschoben [Dormann 1999]. Wichtig
⊡ Abb. 53.9. »Button«: Anti-Reflux-Ventil (1); Verschlusslasche (2); Ventil für Ballonfüllung (3); Röntgenkontraststreifen, Schaft (4); Rückhalteballon (5); abgerundete endständige gastrale Öffnung (6)
53.6.1
Indikationen und Kontraindikationen
Hauptzielgruppen für die enterale Langzeiternährung über ein Buttonsystem sind mobile Patienten, z. B. mit ALS oder Tumoren, Kinder mit Mukoviszidose, Patienten mit Komplikationen bei liegender PEG (z. B. Ulkus, Ekzem), die sich nach Anlage oft spontan zurückbilden können. Demente Patienten neigen häufig zu Eigenmanipulation an der PEG. Der Button wird wesentlich besser toleriert und senkt oft das Risiko von Verletzungen. Ein Button kann auch als Platzhalter für Tumorpatienten in der Remission dienen. Als Kontraindikationen gelten: ▬ floride Stomainfektion, ▬ ein PEG-Stoma, das nicht älter als 4 Wochen ist, ▬ ein langer (>4,5 cm), gewundener Stomakanal, ▬ PEG-Dislokation und Stomaverschluss.
Bei adipösen Patienten muss die Stomalänge im Sitzen bestimmt werden, da Längendifferenzen bis 1 cm bestehen.
In der Regel sollte der Button beim Erwachsenen im Hautniveau noch etwa 0,5 cm Spiel haben. Hierdurch werden Drucknekrosen vermieden. Der Ballon des Buttons wird immer vor Anlage durch Füllung auf Funktionstüchtigkeit überprüft. Manipulationen mit Greifzangen von gastral dürfen wegen der Gefahr einer Beschädigung des Ballons in keinem Fall erfolgen. Die Lagekontrolle mittels radiologischer Durchleuchtung (röntgendichter Marker) ist bei der endoskopisch kontrollierten Erstanlage nicht notwendig. Die Applikation der Sondenkost erfolgt durch einen Winkeladapter,der im Kanal des Buttons arretiert und direkt mit dem Überleitsystem verbunden wird. Bezüglich der durchschnittlichen Liegezeit und Haltbarkeit der verschiedenen Ballonsysteme sind lediglich Daten zum Mic-Key-Button mit einer Liegedauer von durchschnittlich 5,1 Monaten publiziert [Dormann 1999].Vergleichsdaten zu den anderen Systemen liegen derzeit noch nicht vor. 53.7
53.6.2
Jejunostomie
Anlage und Handhabung
Die in der Regel ambulante Anlage des Buttons erfolgt, wenn die PEG (>14 F) sicher eingeheilt ist. Wichtig Der Button darf nur in einen gut ausgebildeten und vollständig ausgeheilten Stomakanal eingesetzt werden, frühestens 4 Wochen nach Anlage der PEG.
Prinzipiell stehen 2 Techniken zur Verfügung. Zum einen kann eine bereits liegende PEG in eine Jejunostomie umgewandelt werden (JET-PEG), zum anderen kann eine direkte endoskopisch kontrollierte Punktion des Jejunums erfolgen (EPJ).Als Indikationen gelten: ▬ eine Gastroparese bei metabolischer Neuropathie (z. B. Diabetes mellitus). ▬ Vorliegen einer Magen-, Pylorusstenose oder duodenalen Stenose,
552
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
▬ ausgeprägter gastroösophagealer Reflux, ▬ Störungen der antroduodenalen Motilität (Mage-
natonie), z. B. beim kritisch Kranken. 53.7.1
JET-PEG
Die Platzierung einer Sonde jenseits des Treitz-Bandes über eine liegende PEG (jejunal tube trough PEG = JET-PEG) ermöglicht eine direkte jejunale Ernährung trotz konventionell gelegter PEG.
VII
Handhabung und Durchführung Die Umwandlung einer bereits liegenden PEG in eine Jejunostomie (JET-PEG) erfolgt, in dem durch die vorhandene PEG eine längere, jejunal endoskopisch zu platzierende Sonde eingebracht wird (⊡ Abb. 53.10). Alternativ bietet sich die Anlage mittels SeldingerTechnik an: Hierbei wird zunächst endoskopisch (ggf. radiologisch) eine Führungsdraht durch die PEGSonde vorgeschoben, über den dann die Jejunalsonde jenseits des Treitz-Bandes platziert wird. Wichtig Eine wesentliche Voraussetzung für eine dauerhafte Platzierung der Dünndarmsonde ist, dass diese spannungsfrei und gerade – ohne Schlaufen – durch das Magenlumen in den Dünndarm gelegt wird. Eine im Magen verbleibende Schleife erhöht das Risiko einer Sondendisloktion.
Komplikationen Die über eine liegende PEG transpylorische Einlage einer Duodenal- bzw. Jejunalsonde gilt allgemein als einfaches endoskopisches Verfahren (zusätzlicher zeitlicher Mehraufwand 10–15 min). Lang- und Kurzzeitkomplikationen entsprechen denen einer normalen PEG. Als problematisch erwiesen sich jedoch im Langzeitverlauf Sondenokklusion und »Kinking«,v.a. aber das Umschlagen der Sonde und retrograde Wandern in den Magen [Mathus 1999; Shike 1996]. Zur Fixierung im Dünndarm scheinen sich herkömmlichen Clips zu eignen [Ginsberg 1993]. 53.7.2
Endoskopisch perkutane Jejunostomie (EPJ)
Ist eine PEG aus technischen Gründen ( s. Kap. 53.4.1) nicht möglich, so steht neben der operativen
⊡ Abb. 53.10. Pinzip der transpylorischen endoskopischen Jejunostomie (JET-PEG). Die über PEG zunächst gastral platzierte Dünndarmsonde wird endoskopisch transpylorisch nach distal vorgeschoben
Katheterjejunostomie (FKJ) die direkte endoskopische perkutane Jejunostomie (PEJ) zur Verfügung [Shang 1999]. Indikationen und Kontraindikationen Als Indikationen zur Anlage einer EPJ gelten: ▬ ausgedehnte Operationen an Magen und Ösophagus(eil)resektionen, Ösophagektomie, Magenhochzug), ▬ Anastomoseninsuffizienz nach Gastrektomie oder Ösophagusresektion, ▬ iatrogene Ösophagusperforation und ▬ ösophagotracheale Fisteln. Absolute und relative Kontraindikationen sind entsprechend der Anlage einer PEG bzw. JET-PEG zu beachten. Handhabung und Durchführung Die Anlage einer EPJ wird mittels der Fadendurchzugsmethode (normales PEG-Set) wie bei Anlage einer PEG (8-stündige Nahrungskarenz, Antibiotikaprophylaxe, Sedierung) durchgeführt. Nach Magenresektion (z. B. Billroth-II-Operation) genügt in der Regel ein einfaches Gastroskop zum Erreichen der 2. Jejununalschlinge. Ansonsten wird die Benutzung eines Kinderkoloskops oder eines Enteroskops (z. B. Olympus SIF-100) empfohlen.Wegen des engeren Lumens und der deutlich höheren Motilität des Darms ist eine Spasmolyse unverzichtbar.
553 53.8 · Operative Verfahren zur Anlage gastroenteraler Ernährungssysteme SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Die im Gegensatz zur PEG oftmals schwierigere Diaphanoskopie (u. U. Abdunkelung des Raums) gilt als unabdingbares Muss!
Zur optimaleren Punktion hat sich das Verfahren der »Double-needle«-Technik nach Mellert während des Punktionsvorgangs bewährt [Mellert 1994]. Zur Vermeidung einer Dislokation wird während des Punktionsvorgangs die Punktionskanüle endoluminal endoskopisch mittels einer Aligatorzange fixiert. Wichtig Im Gegensatz zur PEG-Anlage ist eine unmittelbare radiologische Kontrolle zum Ausschluss eines Extravasats und zur Lagekontrolle der internen Halteplatte unbedingt erforderlich.
Komplikationen Die EPJ stellt ein standardisiertes Verfahren mit einer geringen Komplikationsrate zur Sicherung der enteralen Ernährung bei Problempatienten dar [Rumala 2000]. Im Vergleich zur operativen Katheterjejunostomie ist der Personal- und Sachkostenaufwand vergleichsweise gering. Als Frühkomplikationen (<3 Monate nach Anlage) finden sich in 3–4% der Fälle eine lokale Peritonitis und in 4–5% eine Wundinfektion.An Langzeitkomplikationen (>3 Monate nach Anlage) finden sich in eine periostale Wundinfektion sowie periostomale Hypergranulation (<1%). Bei der Anlage einer EPJ sind im Vergleich zur PEG häufiger Mehrfachpunktionen (14,5% vs. 1,9%) zu verzeichnen [AGA 1995; Rumala 2000]. 53.8
Operative Verfahren zur Anlage gastroenteraler Ernährungssysteme
Klassische operative Verfahren wie Witzel-, Kaderund Janeway-Fistel oder die Gastrostomie nach Stamm spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Neben der chirurgisch oder laparoskopisch angelegten Feinnadelkatheterjejunostomie [Nguyen 2000],erweisen sich zunehmend laparoskopische Verfahren wie die laparoskopische Gastrostomie nach Janeway [Meyer 1995] als komplikationsarme Alternativen.
53.8.1
53
Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ)
Die Anlage einer FKJ erfolgt offen chirurgisch (intraoperativ) oder laparoskopisch. Indikationen und Kontraindikationen Als Indikationen gelten: ▬ große abdominalchirurgische Eingriffe am oberen Gastrointestinaltrakt (z. B. Ösophagusresektion mit Magenhochzug, Whipple-Operation), ▬ fortgeschrittenes, nichtresektables Magen- oder Pankreaskarzinom, sofern eine Gastroenterostomie nicht möglich ist, ▬ schweres Polytrauma (sofern eine Indikation zur Laparatomie besteht und wenn eine längere künstliche Ernährung wahrscheinlich erscheint – Ausnahme: eine intraoperativ bestehende Darmschwellung s. Kontraindikationen). Als Kontraindikationen gelten: ▬ ausgeprägte Darmschwellung, ▬ chronische oder akute Entzündungen im Dickund Dünndarm, ▬ schwere Peritonitis, ▬ fortgeschrittende Peritonealkarzinose. Handhabung und Durchführung Zunächst erfolgt die Wahl der Punktionsstelle im mittleren 1/3 der Verbindungslinie zwischen Nabel und Rippenbogen. Die Bauchdecke wird mit einer Splittkanüle schräg durchstoßen, die Jejunalsonde ins Abdomen eingeführt. Mit der Splittkanüle tunnelt der Operateur den Dünndarm (»Serosatunnel«) auf einer Länge von 5–10 cm und führt die Kanüle in das Darmlumen ein. Die bereits durch die Bauchdecke eingelegte Polyurethansonde (Ch. 9) wird durch den Splittkanal in das Darmlumen eingeführt. Die Splittkanüle wird anschließend gezogen und verworfen (⊡ Abb. 53.11). Um den Austritt von Sondenkost in die freie Bauchhöhle zu vermeiden, wird die Sondeneintrittsstelle am Dünndarm mittels einer Tabaksbeutelnaht gesichert und die Dünndarmschlinge mit Nähten am Peritoneum fixiert. Nach Verschluss des Abdomens wird die FKJ mit einer Fixationsplatte und einem besonders reißfesten Faden (z. B. Mersilene) von außen fixiert.
554
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
53.8.2
Perkutane laparoskopische Gastrostomie (PLG) und Jejunostomie (PLJ)
Laparoskopische Gastrostomie nach Janeway u. Kader Die laparoskopische Gastrostomie nach Janeway ist eine Weiterentwicklung der bereits 1913 beschriebenen konventionellen Technik [Meyer 1995; Ritz 1998]. Das hierbei aus einer Längsfalte im Magenkorpus gebildete Stoma wird durch den M. rectus abdominis ausgeleitet, der dabei eine Sphinkterersatzfunktion übernimmt und dem Patienten die Unannehmlichkeit eines permanent liegenden Katheters erspart. Komplikationsraten und Mortalität beider Techniken liegen nach mehreren prospektiven Studien <5% und damit deutlich unter denen klassischer chirurgischer aber auch endoskopischer Verfahren [Murayama 1996; Nguyen 2000]. Der klinische Stellenwert, der in wenigen Zentren laparoskopisch durchgeführten Jejunostomie, bleibt weiteren prospektiven Studien vorbehalten.
VII
53.9
Applikationsformen und -techniken
Der gewählte Applikationsmodus (gastral/jejunal,Bolus/kontinuierlich) beeinflusst maßgeblich die Verträglichkeit und das Nebenwirkungsspektrum der enteralen Sondenernährung.Er richtet sich nach Art der Grunderkrankung und der der notwendigen Sondenlage. ⊡ Abb. 53.11. Prinzip der Feinnadelkatheter-Jejunostomie (FKJ)
Wichtig Vor Beginn der enteralen Ernährung sollte eine Röntgenkontrolle erfolgen. Bei korrekter Platzierung des Katheters ist das Risiko einer Leckage gering.
Komplikationen Die Hauptgefahr ist das Entstehen eines Ileus, der von der fixierten Dünndarmschlinge ausgeht.Eine Torsion ist daher unbedingt zu Vermeiden [Ho 1988].
53.9.1
Bolusgabe
Bei intakter gastroduodenaler Passage und Magenmotilität ist die Bolusapplikation möglich. Hierbei werden in einem Zeitraum von ca.15 min bis zu 300 ml Sondennahrung portionsweise über eine großlumige Spritze (60–100 ml) appliziert. Wichtig Eine Bolusapplikation ist nur nur bei gastraler Sondenlage und intakter Reservoirfunktion des Magens indiziert. Bei gastralen Entleerungsstörungen und dem damit verbundenen gastroösophagealen Reflux- und Aspirationssrisiko ist sie kontraindiziert.
555 53.9 · Applikationsformen und -techniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Sie findet v. a. bei Patienten mit Kopf- und Halstumoren sowie geriatrischen Patienten Anwendung. Beim kritisch kranken Patienten erweist sie sich aufgrund einer meist bestehenden Störung der gastroduodenalen Motilität in der Regel als ungeeignet. Vorteilhaft ist der geringe Materialaufwand (keine Pumpe), weitgehender Erhalt der Mobilität sowie der geringere Schulungsaufwand (einfach zu erlernen). Nachteilig sind ein höherer Zeitaufwand (wiederholte Nahrungsgaben) sowie Verträglichkeitsprobleme (Übelkeit,Völlegefühl, Diarrhöen).
53.9.2
Kontinuierliche Gabe
Sie gilt als Methode der Wahl beim kritisch Kranken (nahezu regelhaft gestörte antroduodenale Motilität), anderen gastrointestinalen Motilitätsstörungen und ist unabdingbar bei transpylorischer jejunaler Sondenernährung. Moderne Pumpen ermöglichen zudem höhere Nahrungszufuhr (bis 200 kcal/h). Das geringe Eigengewicht neuerer portabler Pumpen ermöglicht auch den ambulanten Einsatz bei Kindern. In der Regel wird kontinuierlich
⊡ Tabelle 53.1. Vor- und Nachteile unterschiedlicher Sondenapplikationsformen Bolusapplikation
53
Schwerkraftapplikation
Pumpengesteuerte Applikation
Vorteile
Wenig Materialbedarf
Geschlossenes System
Exakte Einstellung der Zulaufgeschwindigkeit (1 ml/h–1000 ml/h)
Kurze Verweildauer der Sondennahrung in Behältnissen
Einfache Handhabung
Langsamer, kontrollierter Kostaufbau
Relative Unabhängigkeit durch geringen Materialbedarf
Unkomplizierte Regulation per Rollklemme
Selten Unverträglichkeitsreaktionen
Geringe Kosten
Nachfüllen von Flüssigkeit möglich
Bei Störungen optische und akustische Alarmfunktionen
Einfache Handhabung, schnell zu erlernen
Durch Akkubetrieb der Ernährungspumpen Mobilität für mehrere Stunden möglich
Nachteile
Häufige Nahrungsgabe, z. B. 5¥300 ml
Mehr Materialbedarf als bei Bolusapplikation
Mögliches Abhängigkeitsgefühl von technischen Geräten
Hoher Zeitaufwand
Stetige Einlaufkontrolle nötig
Relativ hohe Kosten der Materialien
Sehr häufig Unverträglichkeitsprobleme, wie Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
Nur bei wachen und orientierten Patienten einzusetzen
Ausführliche Einweisung und Schulung von Patient und betreuenden Personen erforderlich
Hohe Kontaminationsgefahr bei unsachgemäßer Handhabung
Höhere Kosten
Unsauberes Handling
Nur bei wachen, orientierten Patienten einzusetzen
556
Kapitel 53 · Sonden- und Applikationstechniken SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
über ca. 16 (14–18) h mit einer nächtlichen Pause appliziert. 53.9.3
Applikationstechniken
Vor- und Nachteile der Schwerkraft- und Pumpen-gesteuerten Sondenapplikation sind in ⊡ Tabelle 53.1 aufgeführt.
Literatur
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Indikationen unterschiedlicher Sondendiäten A. Wächtershäuser, A. Jordan, J. Stein 54.1
Erstellen eines Ernährungsregimes
54.2
Nährlösungen
54.2.1 54.2.2 54.2.3 54.2.4
Inhaltsstoffe – 560 Chemisch definierte, niedermolekulare Diäten (CDD) – 562 Nährstoffdefinierte, hochmolekulare Diäten (NDD) – 563 Nährstoffmodifizierte Spezialdiäten – 564
Literatur
>>
– 559
– 559
– 565
Die Vielfalt der heute verfügbaren Trink- und Sondennahrungen sowie Ergänzungsnahrungen ermöglicht eine bedarfsgerechte Ernährung von Patienten, denen eine ausreichende orale Nahrungsaufnahme nicht möglich ist. Für die Ernährung über enterale Zufuhrwege stehen industriell gefertigte bilanzierte Diäten zur Verfügung, die in ihrer Zusammensetzung weitestgehend dem als RDA (»recommended daily allowances«) definierten Tagesbedarf entsprechen. Modifizierte Spezialdiäten mit abweichender Nährstoffzusammensetzung orientieren sich an den Anfordernissen bei speziellen Erkrankungen (z. B. Spezialdiäten für Patienten mit Diabetes mellitus, Nieren- oder Leberinsuffizienz).
559 54.2 · Nährlösungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
54.1
Erstellen eines Ernährungsregimes
Substrate zur enteralen Ernährung stehen heute in gebrauchsfertiger Form in großer Anzahl zur Verfügung. Die Entscheidung für die richtige Nahrung setzt einige grundlegende Kenntnisse über die Unterscheidungsmerkmale und speziellen Inhaltsstoffe voraus (⊡ Abb. 54.1).Die Auswahl eines geeigneten Produkts erfolgt nach den inviduellen Erfordernissen des Patienten auf der Basis folgender Kriterien: ▬ Grund- und Begleiterkrankungen des Patienten, ▬ Alter des Patienten, ▬ Ernährungszustand des Patienten, ▬ Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf, ▬ gastrointestinale Funktion, ▬ spezifische krankheitsbedingte Anforderungen hinsichtlich der Ernährung (z. B. diätetische Restriktionen). Nach Auswahl der geeigneten bilanzierten Diät ist der Energie- und Nährstoffbedarf des Patienten in Abhängigkeit seines aktuellen Ernährungsstatus und Krankheitsbilds zu bestimmen. Hierbei werden mögliche individuelle bzw.klinische Bedürfnisse oder Einschränkungen berücksichtigt. Der Energiebedarf Erwachsener wird üblicherweise nach den Formeln von Harris u. Benedict berechnet, welcher dann individuell um die entsprechenden Aktivitätsfaktoren erweitert wird.
⊡ Abb. 54.1. Entscheidungshilfe zur Auswahl geeigneter Sondenkost. (*Cave: Dialysepflichtige Patienten haben erhöhten Eiweißbedarf.) BS Ballaststoffe, MCT mittelkettige Trigly-
54
Der Aufbau der enteralen Ernährung ist stufenweise zu beginnen. Je weiter aboral die Sondenlage und je länger die vorhergehende Nahrungskarenz, desto langsamer sollte der enterale Kostaufbau erfolgen. Die Applikation der Sondenkost kann kontinuierlich per Ernährungspumpe oder mittels Schwerkraft über entsprechende Systeme erfolgen. Bei kontinuierlicher Ernährung wird eine Zufuhrrate von 20 ml/h am 1.Tag empfohlen.Bei guter Verträglichkeit kann die Dosis täglich um 20 ml/h gesteigert werden. Eine Bolusapplikation ist ausschließlich bei gastraler Sondenlage möglich. Im Aufbau werden Boli von 50–100 ml im Abstand von 2–4 h verabreicht. Die Menge der Sondenkost pro Portion wird kontinuierlich gesteigert. Je nach Verträglichkeit ist die Aufbauphase bis zum Erreichen des täglichen Bedarfs nach 3–5 Tagen abgeschlossen. Die enterale Ernährung bedarf während des gesamten Verlaufs insbesondere aber in der Aufbauphase einer sorgfältigen Überwachung,um gezielt auf möglicherweise auftretende Komplikationen ( s. Kap. 56) reagieren und das Ernährungsregime jeweils entsprechend dem Verlauf steuern zu können. 54.2
Nährlösungen
Nach der Diätverordnung für diätetische Lebensmittel werden Nährlösungen zur enteralen Ernährung als bilanzierte Diäten bezeichnet. Auch frühere Bezeich-
zeride, VKAS verzweigtkettige Aminosäuren, CDD chemisch definierte Diät
560
Kapitel 54 · Indikationen unterschiedlicher Sondendiäten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nungen wie Formel- oder Formuladiäten sind gängige Begriffe.
VII
▬ die Menge und Relation der Nährstoffe an den
Wichtig
▬
Bilanzierte Diäten sind vorwiegend industriell hergestellte Zubereitungen mit exakt definierter Zusammensetzung. Ihre Nährstoffzusammensetzung bzw. die Mindest- und Höchstmengen der täglich verabreichbaren Nährstoffe ist in § 14b sowie Anlage 6 und 7 der DiätVO geregelt [Großklaus 1990].
▬
In der Verordnung wird unterschieden zwischen bilanzierten Diäten zur vollständigen oder zur ergänzenden Ernährung. Substrate zur vollständigen Ernährung müssen den Vorgaben der DiätVO zu Mindest- und Höchstmengen der verschiedenen Nährstoffe entsprechen. Eine bedarfsdeckende Zufuhr an Mikronährstoffen ist in der Regel bei Verabreichung von 1500–2000 ml einer bedarfsdeckenden bilanzierten Diät gesichert. Diäten zur ergänzenden Ernährung können von diesen Vorgaben abweichen. Sie können z. B. nur ausgewählte Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten und eine stark abweichende Nährstoffzusammensetzung aufweisen. Dementsprechend finden sie gezielt zur Supplementation bestimmter Makrobzw.Mikronährstoffe Einsatz (z.B.Eiweißergänzungsnahrungen). Bilanzierte Diäten kommen überwiegend in flüssiger, selten in pulvriger und fester Form in den Handel. Sie sind sowohl für die Verabreichung über Ernährungssonden als auch als Trinknahrung z. B. zur Ergänzung bei nicht bedarfsdeckender Normalkost geeignet.Als Sondenkost sind sie geschmacksneutral. Trinknahrungen werden in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten. Wichtig Nach § 21 DiätVO unterliegen bilanzierte Diäten der Kennzeichnungspflicht durch den Hersteller, die zum einen dem Schutz des Verbrauchers dienen, zum anderen wichtige Informationen für den Anwender beinhalten (z. B. Art der Diät, empfohlener Anwendungsbereich, Nähr- und Wirkstoffverteilung, Energiedichte, Osmolalität bzw. Osmolarität, Darreichungsform).
Bilanzierte Diäten eignen sich sowohl in der klinischen Praxis als auch in der Heimversorgung in hervorragenderweise für die Krankenernährung, da:
▬
▬
durch die Erkrankung vorgegebenen Bedarf adaptiert werden können; Spezialdiäten zur Versorgung von Patienten mit eingeschränkter Verdauungs- oder Resorptionsleistung bzw. speziellen Stoffwechselanforderungen zur Verfügung stehen; flüssige Formen problemlos auch über dünnlumige Sonden applizierbar sind; sind bei korrekter Handhabung hygienisch einwandfrei und stellen ein geringes Kontaminationsrisko dar; sie sich durch eine gute Lagerfähigkeit bei langer Haltbarkeit auszeichnen.
Selbsthergestellte Sondennahrungen erfüllen in der Regel nicht die Anforderungen einer industriell hergestellten bilanzierten Diät. Sie entsprechen nicht den gesetzlich festgelegten Anforderungen an Mindestund Höchstmengen der Nährstoffzufuhr und sind nicht vollbilanziert herstellbar. Aus hygienischen Gesichtpunkten ist eine Herstellung unter strikten hygienischen Bedingungen erforderlich. Bei den gängig verwendeten dünnlumigen Ernährungssonden (Ch. 7–15) kann es durch die schlechteren Fließeigenschaften der selbsthergestellten Sondenkost leicht zu Okklusionen kommen. Die Herstellung ist personal-, material- und daher kostenintensiv.Aus diesen Gründen sollte die sog. »Küchensonde« keinen Einsatz mehr finden [Klein 1997]. Die bilanzierten Diäten können nach ihren Nährstoffkomponenten und ihrem Anwendungsbereich in hochmolekulare, nährstoffdefinierte (NDD), niedermolekulare, chemisch definierte Diäten (CDD) und nährstoffmodifizierte Spezialdiäten unterteilt werden (⊡ Tabelle 54.1). 54.2.1
Inhaltsstoffe
Proteine Proteine liegen in enteralen Nährlösungen als intakte Proteine oder als Proteinhydrolysate in Form von Oligopeptiden oder kristallinen Aminosäuren vor. Die wichtigsten Proteinquellen sind Milch- und Sojaeiweiß.Die überwiegende Zahl der auf dem Markt befindlichen Formeldiäten ist glutenfrei. Eiweißmodifizierte bilanzierte Diäten stehen für Erkrankungen zur Verfügung, bei denen die Menge und Art des zugeführten Eiweiß an die jeweilige Stoffwechselsituation angepasst werden muss, wie z. B. bei Leber- und Niereninsuffizienz. Spezielle Aminosäuren (z. B. Gluta-
561 54.2 · Nährlösungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 54.1. Einteilung definierter bilanzierter Diäten zur enteralen Ernährung Nährstoffdefinierte Diäten (NDD) Hochmolekulare Substrate 1.
Standarddiät: intaktes Protein, Poly-, Oligosaccharide, LCT 1 kcal/ml Ballaststofffrei
2.
Modifizierte NDD: ballaststoffhaltig Energiedichte >1,5 kcal/ml Proteingehalt >20% der Gesamtenergie MCT-haltig Erhöhter Gehalt verzweigtkettiger Aminosäuren Erhöhter Fettgehalt (>45% der Gesamtenergie) Fettsäuremodifiziert (w-3-Fettsäuren) Glutaminhaltig
Chemisch definierte Diäten (CDD) Niedermolekulare Substrate 1.
Oligopeptiddiät: Oligopeptide, Oligo-, Monosaccharide, MCT 1 kcal/ml Ballaststofffrei
2.
Modifizierte CDD: krankheitsadaptiert durch Modifikation der Kohlenhydrat-, Fett- oder Proteinkomponente (z. B. nierenadaptiert: eiweißarm, elektrolytarm)
min, Arginin) sind in bilanzierten Diäten zur Ernährung kritisch Kranker zugesetzt (Burrin 2004). Fette Der Fettanteil von Formeldiäten kann zwischen 10 und 35% schwanken. Sie sind als langkettige Triglyzeride (LCT) – Fettsäuren mit einer Kettenlänge ab 12 C-Atomen – und/oder als mittelkettige Triglyzeride (MCT) mit einer Kettenlänge von 6–12 C-Atomen enthalten. LCT werden aus Maiskeim- oder Sojaöl gewonnen. Die Quelle für MCT-Fette ist Kokosöl. Bilanzierte Diäten sind wegen der ausschließlichen Verwendung pflanzlicher Öle als Fettkomponente cholesterinfrei. Modifikationen der Fettkomponente gibt es zum einen hinsichtlich der Art der Fette (LCT, MCT, w-3-Fettsäuren) und zum anderen hinsichtlich des Anteils an der Gesamtenergie. In neuen Konzepten wird der Einsatz von kurzkettigen Fettsäuren und sog. strukturierten Lipiden diskutiert.
54
Strukturierte Lipide Strukturierte Lipide werden durch Transesterifikation von MCT- und LCT-Fetten gebildet. Diese chemische Mischung erlaubt die Herstellung von Lipiden mit gewünschter Zusammensetzung.Vorteile strukturierter Lipide werden in der Möglichkeit gesehen, dass sowohl eine effiziente Energiequelle als auch essenzielle Fettsäuren bereitgestellt werden können. Die Nützlichkeit strukturierter Lipide in der enteralen Ernährung sind derzeit Gegenstand klinischer Untersuchungen [Stein 1999; Roy 2004]. Kurzkettige Fettsäuren Zu den kurzkettigen Fettsäuren (KKFS) gehören Azetat,Propionat und Butyrat.Diese Fettsäuren entstehen physiologischerweise bei der bakteriellen Fermentation wasserlöslicher Ballaststoffe im Kolon.In Studien konnte gezeigt werden, dass KKFS den intestinalen Blutfluss fördern,die mukosale Proliferation stimulieren und die Resorption von Wasser und Elektrolyten steigern [Evans 1992]. Aufgrund dieser Effekte wird den KKFS eine mögliche positive Wirkung hinsichtlich der Vermeidung funktioneller und struktureller Veränderungen im Dünn- und Dickdarm, die häufig bei kritisch Kranken zu beobachten sind, zugesprochen [Wächtershäuser 2000]. Bisher sind KKFS nicht in kommerziellen Formeldiäten enthalten. Aktuelle Studien geben jedoch Anlass dazu, den KKFS eine Bedeutung als enterales Substrat in der Ernährung kritisch Kranker beizumessen [Gottschlich 1997]. Kohlenhydrate Der Anteil von Kohlenhydraten in Formeldiäten beträgt 40–90%. Kohlenhydrate liegen in Form von intakten Polysacchariden (Maltodextrin) oder als Oligobzw. Monosaccharide vor. Sie werden überwiegend aus Maisstärke gewonnen. Je geringer die Molekülgröße ist, desto höher ist die Osmolarität der Lösung und desto süßer deren Geschmack. Die industriell gefertigten Formeldiäten sind laktosearm bzw. laktosefrei [Gottschlich 1997]. Für Patienten mit Diabetes mellitus bzw. gestörter Glukosetoleranz sind kohlenhydratmodifizierte bilanzierte Diäten verfügbar. Ballaststoffe Einige nährstoffdefinierte Diäten (NDD) enthalten Ballaststoffe in einer Menge von ca. 10 g/1000 kcal (1 kcal = 4,187 kJ). Ballaststoffe werden ihren Eigenschaften entsprechend in lösliche und unlösliche Ballaststoffe unterteilt. Sie haben eine große Wasserbindungskapazität und erhöhen das Stuhlvolumen und -gewicht. Die damit verbundene Verminderung des
562
VII
Kapitel 54 · Indikationen unterschiedlicher Sondendiäten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
intraluminalen Drucks und die quantitative und qualitative Änderung der Darmflora können klinisch von Nutzen sein. Im Dickdarm findet eine bakterielle Verstoffwechselung der wasserlöslichen Ballaststoffe zu kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat, Propionat und Azetat statt. Butyrat ist der Hauptenergielieferant der Kolonschleimhaut. Ein unzureichendes Angebot von Butyrat reduziert die Natrium- und Wasserresorption und hat negative Effekte auf die Zellproliferation der Dickdarmschleimhaut. Bei Patienten mit Diarrhö können ballaststoffhaltige Diäten einen positiven Effekt haben, da die erhöhte Verfügbarkeit kurzkettiger Fettsäuren zu einer Regeneration der Kolonschleimhaut führt. Gleichfalls können ballaststoffreiche Formula zu einer Stuhlregulation bei Obstipation beitragen [Palacio 1990]. Derzeit verfügbare Formeldiäten beinhalten zwischen 1,2 und 1,5 g Ballaststoffe, vorwiegend in Form von unlöslichen Ballaststoffen gewonnen aus Sojabohnen. Bei der Herstellung bilanzierter Diäten ist eine Zugabe von Ballaststoffen sowohl hinsichtlich der Menge als auch der Art der Ballaststoffe beschränkt,da diese durch Aufquellen zu Veränderungen der Fließeigenschaften führen und somit die Gefahr einer Sondenokklusion besteht [Wright 2000].Durch technologische Verbesserungen sind aber mittlerweile zahlreiche Formeldiäten mit hohem Anteil wasserunlöslicher Ballaststoffe wie z. B. Pektin, Guar und Gummi Arabicum verfügbar. Diesen wird über die genannten Effekte hinaus eine Verbesserung der Glukosetoleranz und eine Senkung der Cholesterinspiegel zugesprochen [Olree 1998]. Einige Formeldiäten enthalten neuerdings auch Fruktooligosaccharide (FOS),die ebenfalls zu den wasserlöslichen Ballaststoffen gehören.Diese können eine positive Wirkung auf die Zusammensetzung der bakteriellen Darmflora haben und sich positiv bei Patienten mit Obstipation auswirken [Olree 1998]. Der Einsatz einer ballaststoffreichen NDD ist sinnvoll, wenn ein Patient mit intakter Digestions- und Resorptionsleistung enteral ernährt werden muss [Scheppach 1993]. Ballaststoffhaltige Formeldiäten sind bei Stenosen, entzündlichem Schub eines M. Crohn und beim postoperativen Kostaufbau nach großen abdominellen Eingriffen kontraindiziert. Wasser Der Wassergehalt bilanzierter Diäten liegt zwischen 70 und 85%; abhängig von der Energiedichte eines Substrats. Bilanzierte Diäten mit einer Energiedichte von 1 kcal/ml (normokalorische bilanzierte Diät)
haben durchschnittlich 80% freie Flüssigkeit. Bei höherer Energiedichte (hochkalorische bilanzierte Diäten) beträgt der Anteil freier Flüssigkeit nur ca. 70%. Dies ist bei der Flüssigkeitsbilanzierung zu bedenken. 54.2.2
Chemisch definierte, niedermolekulare Diäten (CDD)
Wichtig Die Hauptnährstoffe der chemisch definierten Diäten sind durch enzymatische Vorverdauung so weit aufgeschlossen, dass eine unmittelbare Resorption möglich ist.
Die Eiweißkomponente besteht aus Proteinhydrolysaten (Oligopeptiden), die durch Hydrolyse von Kasein, Weizenproteinen und anderen Proteinen gewonnen werden [Shike 1999]. Die heute eingesetzten Oligopeptiddiäten zeigen einige Vorteile gegenüber den früher verfügbaren sog. Elementardiäten, die ausschließlich freie Aminosäuren enthielten. Zum einen bewirken Di- und Tripeptide eine geringere Osmolarität als freie Aminosäuren. Zum anderen scheint die Nettoresorption von Diund Tripeptiden wesentlich schneller und effizienter zu sein als die entsprechender Mengen freier Aminosäuren, was insbesondere unter pathologischen Konditionen (z. B. bei Kurzdarmsyndrom und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen) von herausragender Bedeutung ist [Grimble 1990; Matthews 1979]. Kohlenhydrate liegen in Form von partiell hydrolysierter Stärke als Maltodextrin und Oligosacchariden vor. Die Fettkomponente enthält einen hohen Anteil an MCT-Fetten. Bei den CDD ist der Fettanteil mit 10–20% zugunsten des Kohlenhydratanteils von 60–70% reduziert. Die Energiedichte beträgt in der Regel 1 kcal/ml. CDD sind generell frei von Laktose und Ballaststoffen. Bedingt durch die vorverdaute Form der Proteine und Kohlenhydrate weisen CDD eine erhöhte Osmolarität von 350–400 mosmol/l auf, was eine einschleichende Dosierung mit Hilfe einer Ernährungspumpe erforderlich macht. Die Resorption erfolgt nahezu vollständig in oberen Dünndarmabschnitten, was zu einer Reduzierung von Stuhlvolumen und Stuhlfrequenz führt. Eine langfristige orale Ernährung mit Oligopeptiddiäten erweist sich wegen des meist schlechten Geschmacks als sehr problematisch. Eine bessere Akzeptanz wird durch die Applika-
563 54.2 · Nährlösungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
tion von CDD über intestinal platzierte, dünnlumige Ernährungssonden erzielt. Aus physiologischer Sicht eignen sich chemisch definierte Diäten bei: ▬ Patienten mit eingeschränkter Digestions- und Resorptionsleistung (z. B. akuter Schub bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Kurzdarmsyndrom, Strahlenenteritis, Pankreasinsuffizienz); ▬ Kostaufbau nach längerfristiger parenteraler Ernährung (>7–10 Tage), da eine totale parenterale Ernährung eine Atrophie der Dünndarmzotten verbunden mit Störungen der Nährstoffassimilation zur Folge haben kann; ▬ Patienten mit Nahrungsmittelallergien (aufgrund des Vorliegens der Eiweiße als Hydrolysate haben CDD eine sehr geringe allergene Wirkung). Klinische Studien konnten jedoch bei der Mehrzahl der ursprünglich mit chemisch definierten Diäten behandelten Krankheiten, wie z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen [Verma 2000] und Kurzdarmsyndrom, keinen Vorteil dieser Diäten belegen [Shike 1999]. Folglich gibt es derzeit nur noch wenige Indikationen für chemisch definierte Diäten. Erfolgt ein Kostaufbau mit CDD sollte nach erfolgreicher Aufbauphase eine schrittweise Umstellung auf eine nährstoffdefinierte Diät (NDD) versucht werden.
54.2.3
54
Nährstoffdefinierte, hochmolekulare Diäten (NDD)
Die Standardpräparate der NDD entsprechen weitgehend der Nährstoffrelation von 15–20% Protein, 25–35% Fett und 45–55% Kohlenhydrate. Abweichungen von dieser Relation sind in bestimmten Situationen sinnvoll und sind in der Zusammensetzung enteraler Nährlösungen für spezielle Krankheitsbilder berücksichtigt. Die Hauptnährstoffe liegen als hochwertiges natives Protein (überwiegend Milch- und Sojaprotein), Oligo- und Polysaccharide (Maltodextrin) und pflanzliche Öle in Form von Triglyzeriden mit langkettigen Fettsäuren (Sonnenblumen-, Soja- und Safloröl) vor. Wichtig Der Einsatz von NDD setzt dementsprechend eine weitgehend intakte Verdauungs- und Resorptionsleistung voraus. Die NDD entsprechen hinsichtlich des Gehalts an Protein, Kohlenhydraten, Fett, Vitaminen und Mineralstoffen den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Modifikationen der NDD bestehen hinsichtlich der Energiedichte und des Ballaststoffgehalts. NDD werden mit einer Kaloriendichte von 1–1,5 kcal/ml, mit
⊡ Tabelle 54.2. Produktübersicht chemisch definierter Diäten (Herstellerangaben, Stand April 2004 – keine Garantie auf Vollständigkeit) Art der Sondenkost
Indikation (beispielhaft)
Hersteller/Produktname
Chemisch definiert, Standard 1 kcal/ml Ballaststofffrei
Bei ausgeprägter Malassimilation, Nahrungsmittelallergie
Abbott: Osmolite (S) B. Braun: Nutricomp Peptid (S) Fresenius Kabi: Survimed OPD (S/T); Provide Xtra (T) Nestlé: Salvipeptid liquid MCT (S/T) Novartis: Isosource MCT (S/T) Pfrimmer Nutricia: Nutrison Pepti (S), Peptisorb (S)
Protein- und Elektrolytreduziert 1,3–1,5 kcal/ml Ballaststofffrei
Niereninsuffizienz
Abbott: Suplena (S/T)a Fresenius Kabi: Survimed renal (S/T) a Nestlé: Salvipeptidnephro (S/T) (Pulver mit Eiweiß- und Energiekomponente) Pfrimmer Nutricia: Renilon (S)a RenaCare: Renamil (S/T)a
S Sondenkost, T Trinknahrung. a für Dialysepatienten nur in Kombination mit elektrolytarmem Eiweißpräparat geeignet.
564
Kapitel 54 · Indikationen unterschiedlicher Sondendiäten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 54.3. Übersicht über nährstoffmodifizierte Spezialdiäten (Herstellerangaben, Stand April 2004 – keine Garantie auf Vollständigkeit) Art der Sondenkost
Indikation (beispielhaft)
Hersteller/Produktname
Diabetikernahrung
Diabetes mellitus, gestörte Glukosetoleranz
Abbott: Glucerna (S) B. Braun: Nutricomp Diabetes (S/T) Fresenius Kabi: Fresubin Diben (S/T), Fresubin Diabetes (S) Nestlé: Salvimulsin Diabetes (S/T), Sondalis Diabetes (S) Novartis: Novasource Diabetes (S/T) Pfrimmer Nutricia: Nutrison Diabetes (S)
Fettreich
Respiratorische Insuffizienz
Abbott: Pulmocare (S/T) B. Braun: Nutricomp (S/T) Fresenius Kabi: Supportan (S/T) Nestlé: Modulenlipid (S/T)
Reich an MCT-Fetten
Fettverdauungsstörungen (z. B. Pankreasinsuffizienz), intestinale Lymphangiektasie, Chylothorax, Chylusfisteln
B. Braun: Nutricomp MCT (S) Fresenius Kabi: Fresubin HP 750 MCT (S) Nestlé: Salvimulsin MCT (S/T), Salvimulsin MCT 800 (S/T) Novartis: Isosource MCT (S/T) Pfrimmer Nutricia: Nutrison MCT (S), Biosorbin MCT (S/T)
Reich an VKAS
Leberzirrhose
B. Braun: Nutricomp Hepa (S/T) Fresenius Kabi: Fresubin Hepa (S/T)
Immunonutrition (reich an immunstimulierenden Substraten z. B. Glutamin, Arginin, RNS-Nukleotide, w-3-Fettsäuren, Antioxidanzien)
Kritisch Kranke, Intensivpatienten
B. Braun: Nutricomp Immun (S) Fresenius Kabi: Reconvan (S) Novartis: Impact (S/T), Resource Support (T) Pfrimmer Nutricia: Stresson (S), Stresson MultiFibre (S)
VII
S Sondenkost, T Trinknahrung, MCT mittelkettige Triglyzeride, VKAS verzweigtkettige Aminosäuren.
und ohne Ballaststoffe, angeboten. Die Osmolarität liegt mit 250–300 mosmol/l im physiologischen Bereich.Die Verabreichung erfolgt oral als Trinknahrung oder über enterale Ernährungssonden. NDD finden bei supplementärer oraler Verabreichung aufgrund der geschmacklichen Vielfalt gute Akzeptanz. Bei einer längerfristigen, ausschließlichen enteralen Nährstoffzufuhr ist jedoch in der Regel eine Applikationshilfe erforderlich.Der Großteil der Patienten,die einer enteralen Ernährungstherapie bedürfen,ist mit einem Standardpräparat der bilanzierten Diäten adäquat versorgt.Für Patienten,deren Krankheitsbild mit speziellen Anforderungen an die Ernährungstherapie einhergeht, stehen Spezialdiäten zur Verfügung.
Ebenso sollten Kinder keine Erwachsenensondenkost sondern spezielle kindgerechte Trink- und Sondennahrungen bekommen. 25.2.4
Nährstoffmodifizierte Spezialdiäten
Nährstoffmodifizierte Spezialdiäten weisen einen im Vergleich zu den Standardnahrungen abweichenden Gehalt an Eiweiß, Fett oder Kohlenhydraten auf, der den Anfordernissen bei speziellen Erkrankungen gerecht wird. Variationen können auch hinsichtlich des Gehalts an Mineralstoffen und Vitaminen bestehen.
565 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
So gibt es z. B. Spezialdiäten zur Gabe bei Leber-, respiratorischer oder Niereninsuffizienz, bei Diabetes mellitus, mit einem hohen MCT-Fettanteil und für kritisch kranke Patienten (⊡ s. Tabelle 54.2 und 54.3; differenzierte Angaben bei [Stein 2003]).
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Medikamentenapplikation über Sonden T. Gaschott, J. Stein 55.1
Arzneimittelauswahl
55.2
Interaktionen zwischen Arzneistoffen und Nährstoffen während der enteralen Ernährung
55.2.1 55.2.2 55.2.3 55.2.4 55.2.5
Physikalische Inkompatibilitäten – 568 Pharmazeutische Inkompatibilitäten – 568 Pharmakologische Inkompatibilitäten – 568 Physiologische Inkompatibilitäten – 569 Pharmakokinetische Inkompatibilitäten – 569
55.3
Anmerkungen zu ausgewählten Arzneistoffen
55.4
Richtlinien für die Verabreichung von Arzneistoffen über eine Ernährungssonde – 572
Literatur
>>
– 567
– 567
– 570
– 574
Fortschritte in der enteralen Ernährung, die sich in der Formulierung der enteralen Nahrung und in dem Legen der Sonde äußern und deren Vorteile, wie Kosteneinsparung, geringere Komplikationsraten, leichtere Handhabung auch im ambulanten Bereich, erhöhte Lebensqualität des Patienten und verkürzte Therapiedauer [Gilbar 1999; Probst 1997], erleichtern eine frühere Umstellung von der parenteralen zur enteralen Ernährungsweise oder ersetzen sogar die parenterale Ernährung. Mit dem Wechsel auf die enterale Ernährung wird häufig die Applikationsart von Arzneimitteln umgestellt: Zur Reduktion von Arzneimittelkosten und auftretenden Nebenwirkungen wird die i.v.-Applikation durch die Applikation der Medikamente über die Sonde ersetzt [Klang 2000]. In Ausnahmefällen bietet die rektale oder transdermale Verabreichung eine Alternative [Probst 1997].
567 55.2 · Interaktionen zwischen Arzneistoffen und Nährstoffen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
55.1
Arzneimittelauswahl
Wichtig Die Kompatibilität von Arzneistoffen mit enteralen Formuladiäten wurde in vielen Fällen noch nicht ausreichend untersucht [Klang 2000; Williams 1996]. Deshalb ist bei der Verabreichung von Medikamenten während einer enteralen Ernährung Vorsicht geboten.
Die sorgfältige Auswahl eines geeigneten Präparates unter Berücksichtigung der Arzneiform und der Kinetik des Arzneistoffs, möglichen Wechselwirkungen mit der Sondennahrung, die Art der Zufuhr, Position und Durchmesser der Sonde sowie die Applikationsrhytmen ist unabdingbar. So kann z. B. die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen, deren Absorption pH-abhängig ist, durch die Sondenposition beeinflusst werden [Lourenco 2001].Des Weiteren ist das Risiko einer Sondenverstopfung bei der interstitiellen enteralen Ernährung im Vergleich zur kontinuierlichen geringer, was auf das regelmäßige Spülen der Sonde in den applikationsfreien Phasen zurückzuführen ist [Lourenco 2001].
In einigen Fällen ist es sogar sinnvoll,auf einen anderen therapeutisch gleichwertigen Arzneistoff umzustellen. ⊡ Tabelle 55.1 beinhaltet eine Checkliste zur Arzneimittelauswahl bei Patienten mit Ernährungssonde [Probst 1997]. 55.2
Interaktionen zwischen Arzneistoffen und Nährstoffen während der enteralen Ernährung
Interaktionen zwischen Nahrungs- und Arzneimitteln können in einer Vielzahl von klinischen Problemen wie unzureichende Absorption von Nährstoffen oder Arzneistoff, veränderte Metabolisierung, Ausscheidung oder Pharmakodynamik des Arzneistoffs, veränderte Toleranz gegenüber der enteralen Formuladiät sowie physikalische Inkompatibilitäten enden [Thomson 1997]. Die meisten Interaktionen, die während der enteralen Ernährungsphase zwischen Arznei- und Nährstoffen auftreten, sind auf eine einzige der nachfolgend aufgeführten Inkompatibilitäten zurückzufüh-
⊡ Tabelle 55.1. Checkliste zur Arzneitmittelauswahl bei Patienten mit Ernährungssonde. (Mod. nach [Thomson 1994]) Patient und Sonde
Arzneiform
Ist beim Patienten eine orale Gabe möglich? Wenn ja, ist dieser Weg vorzuziehen (PEG-Sonden erlauben noch Schluckvorgänge). Um welche Art und Größe der Sonde handelt es sich? Wo liegt das Sondenende? Steht für den Arzneistoff eine flüssige Form zur Verfügung? Kann auf die Rezeptur einer flüssigen Form zurückgegriffen werden? Welche Osmolalität und welchen pH-Wert hat die Flüssigkeit? Kann eine parenterale Form oral gegeben werden? Bietet eine rektale oder transdermale Gabe eine Alternative zur enteralen Verabreichung? Ist das Zerkleinern einer festen Arzneiform bedenklich?
Arzneistoff
Ist der Arzneistoff stabil gegenüber Licht, Magensäure, Enzymen des Magens? Ist die Resorption des Arzneistoffs bei der vorliegenden Position der Sonde gewährleistet? Gibt es Wechselwirkungen zwischen der Sondennahrung und den Arzneimitteln? Ist eine Inkompatibilität zwischen Sondennahrung und Arzneimittel zu erwarten? Haben die Arznei- oder Hilfsstoffe einen Einfluss auf die Magen-Darm-Motilität, Speichelbildung oder Geschmacksempfindung?
Therapie
Sind die Dosis oder das Dosisintervall anzupassen? Sollten besondere Parameter während der Therapie überwacht werden (»Drug«-Monitoring)? Bietet sich für einen Arzneistoff mit problematischer Applikation ein anderer, therapeutisch gleichwertiger Arzneistoff an? Sind alle zu verabreichenden Arzneimittel unbedingt notwendig?
55
568
Kapitel 55 · Medikamentenapplikation über Sonden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
ren und lassen sich daher relativ einfach effektiv vermeiden [Thomson 1997]. 55.2.1
VII
Physikalische Inkompatibilitäten
Durch Mischung der Sondennahrung mit einem Arzneimittel können sich Änderungen bezüglich der Teilchengröße oder der Viskosität (z. B. Koagulation, Gelbildung) ergeben, Emulsionen können brechen oder Präzipitationen, Trübungen bzw. Ausflockungen können auftreten [Klang 2000; Thomson 1997; Utermohlen 1999]. Diese Veränderungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Verstopfung der Sonde während der Verabreichung. Säurebildende Sirupe sowie Suspensionen mit einem pH-Wert <4 sollten vermieden werden, um das Risiko physikalischer Inkompatibilitäten zu vermindern [Klang 2000; Lourenco 2001; Thomson 1997]. Ist das Arzneimittel stark sauer oder auf einen pH-Wert <4 gepuffert, so besteht die Gefahr, dass es mit Sondennahrung verklumpt, was zu einem Verstopfen der Sonde führen kann. Erreicht die Sondennahrung einen pH-Wert <5,kommt es gehäuft zur Ausfällung von Proteinen [Probst 1997]. So zeigen casein- oder sojaproteinreiche enterale Nahrungen häufig physikalische Inkompatibilitäten mit Säften, die entweder Alkohol enthalten oder einen sauren bzw. neutralen pHWert aufweisen [Klang 2000]. Umgekehrt kann das in den Formuladiäten enthaltene Protein auch zur Präzipitation eines gleichzeitig verabreichten Arzneimittels führen. Eine Verstopfung des Schlauches kann bei folgenden Arzneistoffen auftreten: Sucralfat,Kaliumchlorid, Theophyllin, Phenytoin, Ciprofloxacin (als Suspension), Clarithromycin (als Suspension), Itraconazol [Klang 2000].Ebenso kann es durch die Mischung von Psyllium mit der enteralen Nahrung zu einer Verstopfung der Sonde kommen, wobei das Risiko bei gekühlter enteraler Nahrung größer ist als bei solcher, die auf Raumtemperatur erwärmt wurde [Davidson 1991]. Die emulsionsbrechende Aktivität der Sondennahrung ist abhängig von ihrem Protein-, Peptid- und Aminosäurengehalt: Intaktes Protein ist im Vergleich zu Peptiden oder freien Aminosäuren stärker in der Lage, eine Emulsion zu brechen [Thomson 1997]. Das Zufügen von Eisen, Zink oder Kalzium zur enteralen Nahrung kann zu einer Gelbildung führen [Klang 2000]. Sucralfat, über eine Sonde appliziert, kann sich im Ösophagus verhärten: Besonders groß ist das Risiko bei gleichzeitiger Anwendung von Antazida, bei vor-
handenen Motilitätsstörungen sowie bei einer Präzipitation von Protein durch den sauren Mageninhalt [Klang 2000]. 55.2.2
Pharmazeutische Inkompatibilitäten
Hierzu zählen Veränderungen in der Arzneiform, die zu abweichender Wirkstärke, Effizienz oder Toleranz führen können. Zerquetschen von magensaftresistenten Tabletten oder das Öffnen von Kapseln mit langsamer Wirkstofffreisetzung sind Versuche, pharmazeutische Inkompatibilitäten zu vermeiden, die jedoch zur Verstopfung der Sonde führen [Klang 2000; Thomson 1997; Utermohlen 1999].Dies beschleunigt den Zerfall der Arzneiformen im Magen,was zu Nebenwirkungen aufgrund einer zu schnellen Arzneistoffresorption bzw. mit einer Inaktivierung säurelabiler Arzneistoffe (z. B. Digoxin, Lansoprazol, Omeprazol) führt. Deshalb sollte alternativ eine andere Applikationsart (Injektion des Arzneistoffs), eine andere Applikationsform (Flüssigkeit) oder ein äquivalenter Wirkstoff gewählt werden [Klang 2000]. Aus dem Grund der pharmazeutischen Inkompatiblität wurden bereits Listen mit Arzneistoffen in oraler Applikationsform erstellt, die nicht zerkleinert werden dürfen [Estoup 1994; Mitchell 1996; Parker 1983; Thomson 1997]. Wegen einer möglichen Aerosolbildung wird außerdem davon abgeraten,Arzneimittel mit zytostatisch wirksamen Arzneistoffen zu zerkleinern [Probst 1997]. 55.2.3
Pharmakologische Inkompatibilitäten
Pharmakologische Inkompatibilitäten sind die am häufigsten in der klinischen Praxis auftretenden Interaktionen zwischen Arzneistoffen und Nährstoffen. Hierbei handelt es sich um eine Intoleranz der enteralen Nahrung, die auf den pharmakologischen Wirkmechanismus des Arzneistoffs zurückzuführen ist [Thomson 1997]. Diese Intoleranz kann sich in Form von gastrointestinalen Beschwerden, veränderten Geschmackswahrnehmungen, veränderten biochemischen Parametern oder durch antagonistische Aktivitäten äußern. Ausgewählte Arzneistoffe bzw. Arzneistoffgruppen, deren Applikation bei gleichzeitiger enteraler Er-
569 55.2 · Interaktionen zwischen Arzneistoffen und Nährstoffen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nährung zu pharmakologischen Inkompatibilitäten führen können, werden in Kap. 55.3 dargestellt. 55.2.4
Physiologische Inkompatibilitäten
Bedingt durch nichtpharmakologische Wirkungen eines Arzneimittels verändert sich bei der physiologischen Inkompatibilität die Toleranz gegenüber der verabreichten Sondennahrung [Thomson 1997]. Diarrhö, die am häufigsten auftretende physiologische Inkompatibilität,kann entweder als Folge einer erhöhten Osmolalität des Arzneimittels vorkommen oder aufgrund der Begleitstoffe (z. B. Sorbitol, Mannitol, Lactose, Saccharin, Sucrose, Polyethylenglykol, Propylenglykol), die häufig nicht auf der Verpackung oder in der Produktinformation aufgeführt werden [Klang 2000; Thomson 1997].Die Osmolalität der Sondennahrung liegt im Durchschnitt bei 300 mosmol/kg und darf 500–600 mosmol/kg nicht überschreiten. Der Magen verträgt Osmolalitäten bis zu 1000 mosmol/kg; Flüssigkeiten mit höherer Osmolalität führen zu Diarrhö (als Folge einer hohen Flüssigkeits- und Elektrolytmenge, die im Dünndarm nicht aufgenommen werden kann),Übelkeit,Blähungen (infolge einer verzögerten Magenentleerung) und Erbrechen. Bei Dünndarmsonden hingegen wird aufgrund von fehlenden Verdünnungsvorgängen in Mund,Speiseröhre und Magen eine noch strengere Isotonie gefordert [Probst 1997]. Daher müssen zur Vermeidung gastrointestinaler Unverträglichkeiten hyperosmolare Arzneimittel in den Magen appliziert werden [Lourenco 2001]. Zur Behandlung der Diarrhö kann ▬ die enterale Nahrung verdünnt, ▬ der Ballaststoffgehalt erhöht, ▬ Opiate zugegeben, ▬ die Geschwindigkeit der enteralen Ernährung vermindert ▬ oder diese unterbrochen werden. Urtikaria, Asthma, Übelkeit oder anaphylaktischer Schock können ebenfalls bei Überempfindlichkeit von Patienten gegenüber Süß-, Geschmacks- oder Farbstoffen auftreten [Thomson 1997]. Wichtig Physiologische Inkompatibilitäten können durch einen Wechsel der Applikationsart, der Applika-
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55
tionsform (zerkleinerte Tabletten, die in Wasser suspendiert werden, weisen häufig eine niedrigere Osmolalität auf ) oder des Arzneistoffs bzw. durch eine Erniedrigung der Osmolalität des applizierten Medikaments nach entsprechender Verdünnung (auf 500–600 mosmol/kg) vermieden werden [Thomson 1997].
55.2.5
Pharmakokinetische Inkompatibilitäten
Zu den pharmakokinetischen Inkompatibilitäten zählen die Änderung von Bioverfügbarkeit, Verteilung, Metabolismus oder Exkretion des Arzneistoffs durch Bestandteile der Sondennahrung [Klang 2000; Thomson 1997], bzw. die Änderung der Funktion von Nahrungsbestandteilen durch Arzneimittel [Thomson 1997]. So wird z. B. Hydralazin verstärkt bei kontinuierlicher enteraler Ernährung im Vergleich zur intermittierenden Ernährung resorbiert [Klang 2000; Semple 1991]. Weitere pharmakokinetische Inkompatibilitäten sind in Abschn. 55.3 aufgeführt. Das in der enteralen Nahrung enthaltene Fett (bzw. die daraus gebildeten langkettigen Fettsäuren) kann die Pharmakokinetik bestimmter Arzneistoffe beeinflussen [Klang 2000]: Die durch die Lipide verminderte Magenentleerungsgeschwindigkeit verbessert einerseits die Auflösung schwacher Säuren (z. B. Phenytoin,Carbamazepin),andererseits wird die Zerstörung säurelabiler Arzneistoffe gefördert. Durch die vermehrt gebildeten Gallensäuren erhöht sich außerdem die Absorption von fettlöslichen Arzneistoffen wie Griseofulvin und von fettlöslichen Vitaminen. Wichtig Der Proteingehalt der enteralen Formuladiät übt möglicherweise über seine Wirkung auf das mikrosomale Oxidaseenzymsystem einen Einfluss auf die Pharmakokinetik bestimmter Arzneistoffe aus [Thomson 1997]: Durch einen hohen Proteingehalt wird die Aktivität der Enzyme erhöht, was eine verstärkte Ausscheidung bestimmter Arzneistoffe nach sich zieht. Ein niedriger Proteingehalt vermindert den renalen Plasmafluss, sodass einige Arzneistoffe einer verringerten renalen Eliminierung unterliegen.
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570
Kapitel 55 · Medikamentenapplikation über Sonden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Einige Vitamine (Niacin, Riboflavin, Vitamin C in großen Mengen) können ebenfalls das mikrosomale Enzymsystem und somit die Pharmakokinetik von Medikamenten beeinflussen [Klang 2000].
55.3
VII
Anmerkungen zu ausgewählten Arzneistoffen
Acetylsalicylsäure Einer Studie zufolge [Nelson 1980], bei der nach Unterbrechung der enteralen Ernährung ASS in Form zerkleinerter Tabletten und in Wasser suspendiert jejunal über eine Sonde verabreicht wurde,waren die erreichten Resorptions- und Plasmaspiegeldaten mit denen nach oraler Gabe von ASS vergleichbar.Allerdings war die Eliminationshalbwertszeit etwa doppelt so lang als erwartet. Amoxicillin/Flucloxacillin Da die Suspensionen hohe Osmolalitäten aufweisen, sollten zur Vermeidung von Diarrhö die rekonstituierten parenteralen Arzneiformen über die Sonde appliziert werden. Die Resorption von Flucloxacillin wird durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme vermindert,hier ist eine Unterbrechung der enteralen Ernährung 1 h vor der Arzneistoffgabe sinnvoll. Antazida Die Gabe von Antazida ist aufgrund ihrer Wirkung im Magen nur bei gastralen Sonden sinnvoll. Die Verstopfungsgefahr der Sonde ist v. a. bei aluminiumhaltigen Antazida, die mit Phosphaten und Proteinen der Sondennahrung unlösliche Verbindungen bilden, besonders groß. Deshalb sollte bei der Applikation von Antazida die enterale Ernährung für 2 h unterbrochen werden [Lourenco 2001]. Werden Antazida mit mehreren Arzneimitteln hintereinander gegeben, sollten sie als letztes mit einem Abstand von 15 min appliziert werden [Klang 2000]. Carbamazepin Tegretalsuspension baut infolge ihres schnellen Anflutens hohe Plasmaspitzenspiegel auf, die bei Dauermedikation zu gastrointestinalen Beschwerden und Sedierung führen können.Die Resorption vermindert sich jedoch, wenn direkt nach der Suspension Sondennahrung verabreicht wird, was die Verträglichkeit deutlich verbessert. Obwohl auch eine während der enteralen Ernährungsphase gleichzeitig applizierte
Carbamazepinsuspension vermindert und verlangsamt absorbiert wird,ändert sich die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs nicht signifikant [Bass 1989]. Um die Wirksamkeit von Carbamazepin zu verstärken, sollte die Suspension mit gleichem Flüssigkeitsvolumen verdünnt werden, da wahrscheinlich die unverdünnte Suspension aufgrund ihrer erhöhten Viskosität einer verstärkten Adhäsion an der Sondenwand unterliegt [Clark-Schmidt 1990; Klang 2000; Thomson 1997]. Die Retardtablette, die gleichmäßigere Plasmaspiegel und längere Dosierintervalle ermöglicht,kann ohne Verlust des Retardeffektes in Wasser suspendiert verabreicht werden. Cefalexin Da der Hauptresorptionsort für Cefalexin das Duodenum ist, ergeben sich bei Applikation des Arzneistoffs über eine jejunale Sonde verminderte Plasmaspiegel [Adams 1994]. Cimetidin/Ranitidin Die flüssigen Arzneiformen verursachen aufgrund ihrer hohen Osmolalität relativ häufig Diarrhöen.Alternativ können die parenteralen Arzneiformen mit wesentlich niedrigerer Osmolalität über eine jejunale Sonde verabreicht werden [Adams 1994]. Ciprofloxacin/Ofloxacin Bei zeitgleicher Sondenernährung nimmt die Bioverfügbarkeit der genannten Fluorochinolone ab [Adams 1994; Healy 1996; Mueller 1994].Die Tabletten können fein gemörsert über die Sonde gegeben werden, die orale Gabe der Infusionslösung ist wegen der hohen Kosten keine gute Alternative. Bei gleichzeitiger Gabe mit der Sondennahrung ist darauf zu achten, dass hohe Mengen an Aluminium, Eisen und Magnesium die Arzneistoffresorption vermindern [Adams 1994]. Digoxin Da parenterale und flüssige Arzneiformen hohe Osmolalitäten aufweisen, sollten bevorzugt zerkleinerte Tabletten, in Wasser suspendiert, oder alternativ flüssige Arzneiformen,mit der Sondennahrung gemischt, appliziert werden [Adams 1994]. Fluconazol Die orale Bioverfügbarkeit von nahezu 100% bleibt auch bei Zerkleinerung der Tabletten und Verabreichung über eine nasogastrale oder jejunale Sonde erhalten [Nicolau 1995; Thomson 1997].
571 55.3 · Anmerkungen zu ausgewählten Arzneistoffen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Ketoconazol Da dieser Arzneistoff nur bei niedrigem pH-Wert ausreichend gelöst und resorbiert wird, ist eine Verabreichung von Ketoconazol über eine jejunale Sonde nicht zu empfehlen [Adams 1994]. Lithium Die Retardierung von Lithiumpräparaten wird durch das Zerreiben im Mörser zerstört. Die dabei auftretenden hohen Plasmaspitzenwerte lassen sich durch Aufteilung der Tagesdosis auf mehrere Gaben vermeiden [Thomson 1997]. Loperamid Imodiumsirup enthält als Begleitstoff Saccharin, das weniger häufig als Sorbitol Diarrhö verursacht und daher für die intrajejunale Verabreichung gut geeignet ist [Adams 1994]. Morphin Die Applikation einer viskosen Lösung zwingt aufgrund der kurzen Wirkdauer bei Patienten mit chronischen Schmerzen zur 4- bis 6-maligen Gabe/24 h. Kapseln mit Retardpellets können ebenfalls über die Sonde verabreicht werden. Hierzu werden die Pellets in einen trockenen Medikamententrichter gefüllt, der auf der Sonde sitzt. Mit Hilfe einer Spritze können die Pellets mit viel Flüssigkeit durchgespült werden. Bei den Retardkapseln MST Continus long, die ein morphinsulfathaltiges Granulat mit einer definierten Korngrößenverteilung enthalten, eignet sich als Spülflüssigkeit wegen der hohen Lipophilie des stark wachshaltigen Granulats nur die flüssige Sondennahrung selbst. Wasser, Tee oder Säfte sind zur Applikation nicht tauglich, da die Granula an der Oberfläche der Sonde und des Trichters haften, vom Wasser nicht benetzt werden und zum Zusammenklumpen neigen [Liefhold 1996; Thomson 1997]. Eine Alternative für Patienten mit chronischen Schmerzen bietet sich durch die transdermale Anwendung von Fentanyl (Durogesic Pflaster). Nifedipin Wichtig Aufgrund der Photoinstabilität des Wirkstoffs Nifedipin muss die Zerkleinerung von Tabletten unter Lichtschutz erfolgen und die daraus hergestellte Suspension umgehend verabreicht werden. Die im Handel befindlichen Tropfen (z. B. Nifehexal) besitzen den Nachteil einer kurzen Wirkdauer.
55
Die Retardpräparate Adalat SL und Adalat retard können vorsichtig und nicht zu fein zerkleinert werden, ohne dass das Retardierungsprinzip, Kristalle definierter Größe und Oberfläche, verloren geht. Omeprazol/Lansoprazol Die Applikation der Infusionslösung in den Magen ist aufgrund der Säureinstabilität von Omeprazol und Lansoprazol nicht sinnvoll. Antra-Kapseln enthalten den Wirkstoff in Form von magensaftresistenten Granula, die nach Öffnen der Hartgelatinekapsel über die Sonde appliziert werden können. Problematisch ist allerdings, dass diese Granula relativ leicht die Sonde verstopfen. Bei Dünndarmsonden hat es sich deshalb bewährt, das Granulat 15 min lang in 20 ml einer 8,4%igen Natriumhydrogenkarbonatlösung zu suspendieren und dann umgehend zu verabreichen [Adams 1994; Kklang 2000; Thomson 1997]. Paracetamol Die jejunale Verabreichung von Paracetamol geht mit einer guten Absorption des Wirkstoffs einher. Das Analgetikum sollte allerdings aus Stabilitätsgründen nicht mit der Sondennahrung gemischt werden. Lösliche Tabletten, als Bolus verabreicht, stellen eine günstige Alternative dar [Adams 1994]. Phenytoin Bei der Gabe des Antiepileptikums Phenytoin vermindert sich die Bioverfügbarkeit durch gleichzeitige enterale Ernährung [Bauer 1982; Maynard 1987; O’Hagan 1994],wobei die Serumspiegel häufig sogar in subtherapeutische Bereiche abfallen [Thomson 1997].Begründet werden kann dies möglicherweise damit,dass sich Phenytoin,als schwache Säure am besten unter alkalischen Bedingungen, wie sie im Dünndarm herrschen, löst. Da die enterale Nahrung (pH ca. 6,6) den intestinalen pH-Wert herabsetzt, wird evtl. die Phenytoinresorption reduziert [Lourenco 2001]. Auch die Zusammensetzung der enteralen Nahrung kann die Phenytoinresorption beeinflussen: In-vitro-Studien zufolge vermindern Proteine, Kalzium und Fetttröpfchen die Absorption des Antiepileptikums [Lourenco 2001; Miller 1988]. Anstelle von Proteinhydrolysaten sollte deshalb Fleisch als Grundlage eingesetzt werden [Guidry 1989].Anderen Studien zufolge kann Phenytoin auch an den Wänden von nasogastralen Sonden adsorbiert werden [Cacek 1986]. Um Wechselwirkungen mit der Sondennahrung zu umgehen,werden folgende Empfehlungen gegeben [Mitchell 1996]:
572
Kapitel 55 · Medikamentenapplikation über Sonden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
▬ Steht eine Retardform für Phenytoin zur Verfü-
▬
▬
VII
▬
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gung (in Deutschland nicht der Fall [Thomson 1997]), die gesamte Dosis auf einmal applizieren. Vor und nach der Phenytoingabe die Sondenernährung für 2 h unterbrechen [Bauer 1982; Thomson 1997; Williams 1996], bzw. bei Einmalgabe pro Tag die enterale Ernährung 2 h vor bis 6 h nach der Phenytoinapplikation unterbrechen. Phenytoin nicht mit der Sondennahrung mischen [Adams 1994]. Vor und nach der Phenytoinverabreichung die Sonde mit jeweils 60 ml Wasser spülen [Estoup 1994]. Die Suspension 1:2 [Miyagawa 1990] bzw. 1:1 [Klang 2000] mit Wasser verdünnen und die Sonde vor und nach der Applikation mit 30–60 ml Wasser gespülen, um die Freisetzung zu erhöhen. Durch die Verdünnung der Suspension erhöht sich die Wirksamkeit von Phenytoin. Zurückzuführen ist dies wahrscheinlich auf eine verstärkte Adhäsion der unverdünnten Suspensionen an der Schlauchwand aufgrund der erhöhten Viskosität [Klang 2000]. Werden mit oben genannten Maßnahmen keine ausreichenden Serumkonzentrationen erreicht, soll die Injektionslösung über die Sonde gegeben werden. Ansonsten muss auf die i.v.-Gabe von Phenytoin zurückgegriffen werden [Holtz 1987]. Bei einer langfristigen Verabreichung über die Sonde evtl. auf die orale Gabe eines anderen Antiepileptikums umgestellen [Thomson 1997].
Sucralfat Das speziell für die enterale Ernährung entwickelte Ulcogant IC ist dünnflüssiger als die normale Ulcogant Suspension und stellt zur Ulkusprophylaxe eine gute Alternative zu den Antazida dar, da der pH-Wert des Magensafts unbeeinflusst und damit der Säureschutz gegen Bakterien erhalten bleibt [Thomson 1997]. Theophyllin Die Resorptionsquote von Theophyllin ist bei gleichzeitiger Gabe mit einer kontinuierlichen Sondennahrung vermindert [Gal 1986]. Theophyllinlösungen (z. B. Solosin Tropfen, Euphyllin quick) müssen aufgrund ihrer kürzeren Wirkdauer 3- bis 4-mal/24 h verabreicht werden. Kapseln mit Retardpellets (Bronchoretard Kapseln) können nach dem Öffnen bei ausreichendem Sondendurchmesser durch die Sonde gespült werden. Dies muss allerdings zügig geschehen, damit die Pellets nicht zu quellen beginnen.
Wichtig Die Theophyllinclearance erhöht sich durch proteinreiche, kohlenhydratarme Nahrung. Speziell proteinangereicherte Sondennahrungen können deshalb zu subtherapeutischen Theophyllinserumspiegeln führen [Thomson 1997].
Warfarin Wichtig Eine relativ häufig vorkommende pharmakologische Inkompatibilität stellt diejenige zwischen verabreichtem Warfarin und dem in der enteralen Nahrung enthaltenem Vitamin K dar [Lourenco 2001; Thomson 1997]. Bei einer Therapie mit oralen Antikoagulanzien sollten dashalb enterale Formeldiäten mit mehr als 80 mg Vitamin K/ 1000 kcal (1 kcal=4,187 kJ) vermieden werden.
Patienten mit enteraler Ernährung zeigen eine gewisse Resistenz gegenüber der Wirkung von Warfarin.Begründet wird dies hauptsächlich durch eine Bindung von Warfarin an Proteine der Sondennahrung (v. a. bei casein- oder sojaproteinhaltigen enteralen Nahrungen) und daraus folgender Malabsorption [Kuhn 1989; Lourenco 2001]. Deshalb wird eine 2-stündige Nahrungspause vor und nach einer Warfaringabe empfohlen [Petretich 1970]. Außerdem sollte die Prothrombinzeit bei den entsprechenden Patienten regelmäßig überwacht werden [Estoup 1994]. Der Vitamin-K-Gehalt der Sondennahrung in jedem Fall berücksichtigt werden, obwohl die Wirkungsabschwächung primär nicht auf die antagonisierende Wirkung von in der Sondennahrung enthaltenem Vitamin K zurückzuführen ist. Hinweise für einen ähnlichen Effekt bei dem in Deutschland vorrangig verwendeten Phenprocoumon ließen sich bisher nicht auffinden. 55.4
Richtlinien für die Verabreichung von Arzneistoffen über eine Ernährungssonde
Bei der Verabreichung von Arzneistoffen über eine Ernährungssonde sollten folgende Richtlinien beachtet werden: 1. Die kontinuierliche enterale Ernährung ist vor der Applikation des Arzneimittels stoppen. 2. Vor und nach Verabreichung die Sonde mit 15– 30 ml (bei Kindern mit 5–10 ml) warmem Wasser
573 55.4 · Richtlinien für die Verabreichung von Arzneistoffen über eine Ernährungssonde SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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6.
7.
spülen. Dies dient zur Reinigung und Prüfung der Funktionstüchtigkeit der Sonde, der Verdünnung des applizierten Arzneimittels, eines erleichterten Wirkstofftransports in den Magen oder Dünndarm sowie einer verstärkten Absorption. Als Spülflüssigkeit nur Wasser verwenden; andere Flüssigkeiten erhöhen die Osmolalität oder die Gefahr einer Schlauchverstopfung.Eine sehr sorgfältige Spülung der Sonde wird nach einer in Ausnahmefällen möglichen Applikation eines zerkleinerten Retardpräpartes empfohlen, da die enthaltenen Hilfsstoffe häufig zum Quellen neigen [Thomson 1997]. Jedes Arzneimittel separat und immer zur gleichen Zeit verabreichen. Zwischen der Gabe verschiedener Arzneimittel jeweils mit 3–10 ml warmem Wasser zu spülen ist. Bei der Verabreichung von Arzneistoffen mit enger therapeutischer Breite sollten die Blutspiegel beim Patienten engmaschig überwacht werden. Die Arzneimittel aufgrund von möglichen Inkompatibilitäten nicht direkt mit der enteralen Formuladiät mischen. Ist dies jedoch nötig, die Sondennahrung möglichst unverzüglich aufbrauchen, bzw. in regelmäßigen Abständen auf sichtbare Veränderungen (z. B. Präzipitation) untersuchen. Idealerweise sollten Arzneimittel als Flüssigkeit verabreicht werden. Grundsätzlich spricht auch nichts dagegen,die parenterale Form eines Arzneistoffs über die Ernährungssonde zu geben, was allerdings häufig mit erhöhten Kosten und einer veränderten Bioverfügbarkeit verbunden ist. In jedem Fall ist vorher sicherzustellen, dass der Wirkstoff gut resorbierbar ist, nicht im sauren pH-Wert des Magens zerstört wird (bei Verwendung einer gastralen Sonde), nicht stark irritierend auf die Magen-DarmSchleimhaut wirkt,das Arzneimittel nicht zu stark sauer oder basisch reagiert und seine Osmolalität tolerierbar ist. Feste Arzneiformen nur in Notfällen zerkleinern und über eine Sonde mit einem entsprechend großen Durchmesser verabreichen werden. Bei Sonden mit zu geringem Durchmesser kann eine Adhärenz und Aggregation von Partikeln an der Innenwand der Sonde zur Verstopfung führen.
55
Wichtig Magensaftresistente, sublinguale, bukkale Arzneiformen oder solche mit verzögerter Wirkstofffreisetzung dürfen nur in Ausnahmefällen und nach Absprache mit dem jeweiligen Arzneimittelhersteller zerkleinert werden!
Alternativ sollten andere Arzneiformen gewählt werden, wobei allerdings auf eine Veränderung des Dosierungsintervalls, der Anzahl an verabreichten Dosen sowie auf eine Angleichung der jeweiligen Dosis geachtet werden muss. Bei Retardtabletten zerstört das Zerkleinern das Retardierungsprinzip und der Arzneistoff wird rascher freigesetzt, was zu Überdosierungen und verkürzter Wirkdauer führen kann.In Einzelfällen (z. B. Tegretal-Retardtabletten) erlaubt allerdings das Retardierungsprinzip das Teilen einer Retardform; hier bleiben die Mikrokristalle in definierter Größe erhalten [Thomson 1997]. Hartgelatinekapseln mit Retardpellets können ebenfalls geöffnet werden, falls deren Größe die Applikation über die Sonde erlaubt, da das Retardierungsprinzip hierbei erhalten bleibt (z. B. bei Bronchoretard mit Theophyllin als Wirkstoff). Magensaftresistente Tabletten dürfen zerkleinert werden, wenn das Sondenende im Duodenum oder Jejunum liegt. Sublingual- und Bukkaltabletten wurden entwickelt, um eine lokale Wirkung von Arzneistoffen im Mund und Rachenraum zu ermöglichen, einen hohen »First-pass«-Effekt bestimmter Wirkstoffe zu vermeiden oder eine rasche Resorption zu ermöglichen (z. B. Buprenorphin, Glyceroltrinitrat, Isosorbiddinitrat). Sie können daher bei intakter Mundschleimhaut als Alternative zur Arzneimittelgabe über die Sonde angesehen werden.So kann z.B.Lorazepam in Form von Tavor Expidet auch sublingual verabreicht werden. Problematisch ist ebenfalls die Zerkleinerung von Arzneimitteln mit enger therapeutischer Breite, bei denen dies zu unvorhersehbaren Plasmaspiegeln bis in den toxischen Bereich führen kann, Arzneimitteln, die licht-, sauerstoff- oder feuchtigkeitsempfindliche Arzneistoffe beinhalten sowie umhüllten Arzneimitteln,deren Wirkstoffe die Mund- oder Magenschleimhaut reizen [Parker 1983].
574
VII
Kapitel 55 · Medikamentenapplikation über Sonden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
8. Bei der Verabreichung von flüssigen Medikamenten darauf achten,dass diese z.T.einen hohen Sorbitolgehalt aufweisen, was zu Nebenwirkungen wie Diarrhö führen kann. Daher sollten sorbitolreiche Säfte vorzugsweise mit Wasser so weit verdünnt werden, bis die Osmolalität der Mischung im physiologischen Bereich liegt. Außerdem ist beim Ersatz von festen Arzneiformen durch wirkstoffgleiche Flüssigkeiten zu beachten, dass die Resorption häufig schneller erfolgt, was zu unerwünscht hohen Plasmaspitzenkonzentrationen oder einer verkürzten Wirkdauer führen kann. 9. Flüssige Arzeneimittel vor solchen Arzneimittel verabreichen, die verdünnt werden müssen. 10. Zerkleinerte Tabletten bzw. der Inhalt von geöffneten Hartgelatinekapseln in 10–30 ml (bei Kindern 5–10 ml) Wasser von Raumtemperatur verdünnt in die Ernährungssonde applizieren. Weichgelatinekapseln können mit einer Nadel angestochen und ihr flüssiger, meist öliger Inhalt kann mit Spritze und Kanüle aus der Hülle herausgezogen werden; allerdings ist dieses Verfahren mit einer relativ schlechten Dosiergenauigkeit verbunden. Eine vollständige Gabe des Arzneistoffs wird durch das Auflösen der Weichgelatinekapsel in 15–30 ml (bei Kindern 5–15 ml) warmem Wasser ermöglicht, was jedoch mit erheblichem Zeitaufwand verbunden sein kann. 11. Hypertone, viskose Arzneimittel oder solche, die zu Reizungen des Gastrointestinaltrakts führen, sind ebenfalls mit 15–60 ml Wasser (bei Kindern 10–15 ml) zu verdünnen. Außerdem sollten Arzneistoffe, die gastrointestinale Nebenwirkungen hervorrufen können, verabreicht werden, während sich die enterale Formuladiät noch im Magen-Darm-Trakt befindet.Längere Sondenpausen vermeiden. 12. Bei der Nüchterneinnahme von Medikamenten (z. B. von Ampicillin, Flucloxacillin, L-Thyroxin, Roxithromycin) während der enteralen Ernährungsphase sollte die Verabreichung der Formeldiät mindestens 15 min vorher bis 15 min nach der Arzneimittelgabe unterbrochen werden. Andere Autoren [Lourenco 2001; Williams 1996] empfehlen sogar, die enterale Ernährung erst 2 h nach der Arzneimittelapplikation zu beginnen. 13. Verschiedenartige Generika sind zu vermeiden,da die Interaktion des Arzneistoffs mit der Formeldiät ein unterschiedlich starkes Ausmaß sein kann. 14. Potenzielle Interaktionen zwischen Arzneistoffen und Nährstoffen können vermieden werden durch:
Auswahl einer anderen Applikationsart, z. B.
intramuskulär, intravenös, subkutan, Auswahl einer anderen Arzneiform (flüssige
Arzneiformen bevorzugen), Verwendung einer abweichenden Formeldiät,
die mit dem entsprechenden Arzneistoff kompatibel ist, Verabreichung eines alternativen Arzneistoffs mit identischer Wirkung, der mit der verabreichten Formeldiät kompatibel ist, Veränderung des Ernährungs- oder Medikationsschemas (z. B. verteilte Gabe des Arzneimittels). 15. Ist die Sonde durch Arzneimittel verstopft, diese mit Wasser, kohlensäurehaltigen Getränken, Pepsinwein oder einer Suspension aus Pankreasenzympräparat und Natriumhydrogenkarbonat gespülen [Thomson 1997]. Die zuletzt genannte Methode verspricht die besten Erfolge.
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Komplikationen J. Stein, A. Jordan, N. Hoepffner 56.1
Gastrointestinale Komplikationen
56.1.1 56.1.2
Diarrhö – 577 Regurgitation/Aspiration
56.2
Sondenbedingte Komplikationen
56.2.1 56.2.2 56.2.3 56.2.4 56.2.5 56.2.6
Druckläsionen – 581 Sondendislokation – 582 Sondenokklusionen – 583 Sondendefekte – 583 PEG-spezifische Komplikationen – 584 FKJ-spezifische Komplikationen – 586
56.3
Metabolische Komplikationen
56.3.1 56.3.2 56.3.3
Dehydratation/»Tube-feeding«-Syndrom »Refeeding«-Syndrom – 588 Hyperglykämie – 588
Literatur
>>
– 577
– 580
– 581
– 586 – 586
– 588
Die Komplikationen der enteralen Ernährung werden in gastrointestinale, sondenbedingte und metabolische Komplikationen differenziert. Die Art und Häufigkeit ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Neben der Grunderkrankung und dem damit eng verbundenen metabolischen Status (Katabolismus, postoperativer Stress, Postaggressionsstoffwechsel) spielen Applikationstechnik (intermittierende vs. kontinuierliche Applikation, Art der Sondenkost) und Platzierung der Sonde (gastral vs. intestinal) eine entscheidende Rolle. Nicht zuletzt ist auch die Erfahrung des Therapeuten für den Verlauf der Ernährungstherapie von ausschlaggebender Bedeutung. Die Komplikationsrate lässt sich verringern, indem die Richtlinien zur Sondenernährung, wie Sondenkostaufbau, Zufuhrgeschwindigkeit, Portionsgröße, Pflege der Sonde und Überwachung des Patienten, beachtet werden. Hinsichtlich der vielfältigen Möglichkeiten, die zur Genese von Komplikationen bei enteraler Ernährung beitragen können, ist bei deren Auftreten zunächst nach der Ursache zu forschen, um gezielt und effektiv gegen das Problem angehen zu können. In der Regel ist eine Behebung in der überwiegenden Zahl der Komplikationen mit einfachen pflegerischen Maßnahmen möglich.
577 56.1 · Gastrointestinale Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
56.1
Gastrointestinale Komplikationen
Die häufigsten Komplikationen einer enteralen Ernährung sind gastrointestinalen Ursprungs. Gastrointestinale Komplikationen gehören in der Regel nicht zu den akuten Komplikationen, doch kann eine Ernährungstherapie dadurch in hohem Maße beeinträchtigt werden. Nicht selten muss die Zufuhr der Sondenkost aufgrund intestinaler Beschwerden wie Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen oder abdomineller Krämpfe unterbrochen oder reduziert werden, wodurch eine ausreichende Nährstoffversorgung des Patienten gefährdet ist. Wichtig Die Ätiologie gastrointestinaler Beschwerden ist sehr komplex. Neben der enteralen Ernährung als solcher können auch therapeutische Maßnahmen wie Antibiose, Chemo- und/oder Strahlentherapie oder die Grunderkrankung mit ihren häufig umfassenden Begleiterscheinungen ursächlich für die Entstehung von Komplikationen sein bzw. diese verstärken. Bei Auftreten von Komplikationen ist zunächst nach der Ursache zu forschen.
Ernährungsassoziierte Ursachen für gastrointestinale Beschwerden sind eine zu schnelle Steigerung der Zufuhrrate in der Initialphase der enteralen Ernährung, eine zu rasche Verabreichung, zu große und zu häufige Bolusportionen. Durch Einhaltung der Richtlinien zur Sondenernährung lassen sich diese Komplikationen in der Regel vermeiden bzw. beheben. In seltenen Fällen sind Nährstoffintoleranzen (z.B.Laktoseintoleranz, Milcheiweißallergie, Fettmalabsorption) Auslöser gastrointestinaler Beschwerden. Die Auswahl einer entsprechenden angepassten Formeldiät kann hier Abhilfe schaffen. 56.1.1
Diarrhö
Durchfälle werden häufig als unvermeidbare Konsequenz einer enteralen Ernährung angesehen.Tatsächlich zählt die Diarrhö zu den häufigsten Komplikationen einer enteralen Ernährung,die Angaben zur Häufigkeit in der Literatur schwanken jedoch stark. Man geht davon aus, dass bei etwa 25% der Patienten auf Normalstationen und bis zu 63% der intensivpflichtigen Patienten unter enteraler Ernährung Diarrhöen auftreten.
56
Diese bringen nicht nur Unannehmlichkeiten für den Patienten mit sich, sondern sind mit einem erheblichen pflegerischen Aufwand verbunden und erhöhen die Behandlungskosten. Ausgeprägte Diarrhöen bergen die Gefahr metabolischer Entgleisungen (z. B. Flüssigkeits- und Elektrolytimbalanzen). Außerdem nimmt das Risiko einer Kontamination mit enteralen Erregern und die Häufigkeit von Hautläsionen zu [Kelly 1983]. Wichtig Diarrhöen führen nicht selten zu einer Unterbrechung bzw. Reduktion der enteralen Nährstoffzufuhr und beeinträchtigen in hohem Maße die Zielsetzung der Ernährungstherapie.
In ⊡ Abb. 56.1 ist ein Rationalisierungsschema zur Vorgehensweise bei Diarrhöen unter enteraler Ernährung dargestellt. Die Pathogenese einer Diarrhö bei Patienten mit enteraler Ernährung ist bisher noch ungeklärt. Als auslösende Faktoren werden unter anderem Hypoalbuminämie,bakterielle Kontamination der Sondennahrung, Zusammensetzung der Sondenkost und begleitende medikamentöse Maßnahmen diskutiert. Antibiotikassoziierte Diarrhö Das Bestehen einer Verbindung zwischen einer mit der enteralen Ernährung assoziierten Diarrhö und einer antibiotischen Begleittherapie ist seit langem bekannt. Jedoch ist die Inzidenz einer Diarrhö bei enteral ernährten Patienten mit Antibiose wesentlich höher als bei Patienten mit oraler Kost bei gleicher Medikation, was auf einen synergistischen Effekt der beiden Therapieoptionen hinsichtlich der Auslösung von Diarrhöen hindeutet. Antibiotikaassoziierte Diarrhöen sind Folge einer akuten entzündlichen Darmstörung, die bei und nach Anwendung von Antibiotika auftreten. Die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen sind noch nicht eindeutig geklärt.Als vorrangige Ursachen werden Störungen des mikrobiellen Kohlenhydratstoffwechsels angesehen ( s. Kap. 16). Unter physiologischen Bedingungen werden unverdaubare Nahrungsbestandteile, insbesondere wasserlösliche Ballaststoffe, im Kolon mikrobiell zu kurzkettigen Fettsäuren (KKFS) abgebaut, die für die Aufrechterhaltung einer normalen Kolonozytenfunktion essenziell und auch in die Natrium- und Wasserresorption involviert sind.Antibiotikainduzierte Veränderungen der Kolonflora führen zu einer Reduktion
578
Kapitel 56 · Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
VII
⊡ Abb. 56.1. Rationalisierungsschema zur Vorgehensweise bei Diarrhöen unter enteraler Ernährung. (Mod. nach [Montejo 1999])
579 56.1 · Gastrointestinale Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
der KKFS-Produktionsrate. Ein therapeutischer Ansatz ist die Umstellung der Formeldiät auf ein Produkt mit hohem Anteil wasserlöslicher Ballaststoffe,da diese zu einem Ausgleich des intraluminalen Substratmangels beitragen können. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass eine Virulenzsteigerung von Clostridium difficile als Folge des antibiotikabedingten Verlusts der Kolonisationsresistenz im Dickdarm eine bedeutende Rolle in der Genese antibiotikassoziierter Diarrhöen spielt. Bis zu 30% der antibiotikabedingten Diarrhöen werden Clostridium difficile zugeschrieben. Wichtig Erster Schritt in der Diagnostik der Diarrhö sollte deshalb immer eine mikrobiologische Stuhluntersuchung mit Clostridium-difficile-ToxinNachweis (Toxin A und B) sein.
In einigen Untersuchungen konnte ein positiver Effekt von Saccharomyces boulardii, einem Hefepräparat (z.B.Perenterol,Santax,Perocur),in der Prävention bzw. Behandlung antibiotikaassoziierter und Clostridium-difficile-bedingter Diarrhöen bzw.Kolitiden belegt werden [Bleichner 1997; Surawicz 2000]. Der Wirkmechanismus von Saccharomyces boulardii ist bisher noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Diskutiert werden unter anderem ein inhibitorischer Effekt auf die durch bakterielle Toxine induzierte intestinale Sekretion, die Stimulation der Sekretion von Immunglobulinen im Darm, Stimulation der Produktion von Bürstensaumenzymen (Hydrolasen) und ein antagonistischer Effekt gegenüber einer Fehl- bzw. Überbesiedlung mit pathogenen Keimen [Bleichner 1997]. Mikrobielle Kontamination enteraler Nährlösungen Enterale Nährlösungen bieten nach bakterieller Kontamination insbesondere bei hohen Temperaturen ideale Voraussetzungen für eine schnelle Proliferation der Keime. In verschiedenen Untersuchungen konnte eine Kontamination mit Clostridium difficile [Bliss 1998], Pseudomonas und Enterobacter spezies [Lucia Rocha Carvalho 2000] nachgewiesen werden.Studien zur Kontaminationsrate kommerziell und selbsthergestellter Sondennahrungen fanden Keimzahlen bis zu 109 KBE/ml. Es sind Patienten gefährdet, bei denen die Sondennahrung intestinal verabreicht wird bzw. die gleichzeitig Medikamente erhalten, die mit einer Erhöhung des ph-Wertes im Magen einhergehen [Freedland 1989].
56
Wichtig Bereits eine Kontaminationsrate von 103 KBE/ml kann Auslöser für nosokomiale Infektionen sein. Beschrieben werden nicht nur Diarrhöen, sondern auch Sepsis, Pneumonien und Harnwegsinfekte.
Eine Kontamination enteraler Nährlösungen kann durch zahlreiche Faktoren bedingt sein [Lucia Rocha Carvalho 2000]: ▬ nicht ausreichend gereinigte Materialien und Oberflächen, die während der Vorbereitung der Nährlösungen beansprucht werden; ▬ Supplemente, die zur Zubereitung bzw. Modifikation der Formeldiäten benötigt werden (z. B.Wasser zur Zubereitung pulverförmiger Formeldiäten,Verdünnung von Flüssigdiäten mit Wasser zur Reduktion der Osmolarität); ▬ unzureichende Lager- oder Transportbedingungen; ▬ Aufbewahrung angebrochener Flaschen mit Sondennahrung und zubereiteter Pulvernahrungen bei Raumtemperatur; ▬ unzureichende Einhaltung der Hygienevorschriften (hygienische Händedesinfektion etc.) bei der Vorbereitung der Nährlösungen; ▬ nicht korrekte Handhabung der Überleitsysteme; ▬ Verwendung der Applikationssysteme von mehr als 24 h; ▬ retrograde Kontamination durch aufsteigende Keime. Geschlossene Systeme stellen die sicherste Methode zur Bereitstellung nichtkontaminierter enteraler Nährlösungen dar. Auch Flüssignahrungen in Flaschen bzw. Containern werden bei korrekter Handhabung als sicher angesehen [Dentinger 1995]. Wichtig Ein erhöhtes Risiko einer Keimbesiedlung besteht beim Anrühren pulverförmiger Formeldiäten und Mischen und Verdünnen gebrauchsfertiger Formeldiäten.
Ist der Einsatz pulverförmiger Formeldiäten indiziert, sollte zur Herstellung der flüssigen Form abgekochtes Wasser (2 min bei 100°C) verwendet werden und die Zubereitung unter hygienischen Bedingungen in sauberen und trockenen Gefäßen erfolgen [Lucia Rocha Carvalho 2000]. Es sollte zügig gearbeitet und nur
580
Kapitel 56 · Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
portionsgerechte Mengen zubereitet werden. Manche Autoren empfehlen eine Reduktion der Hängezeit dieser Präparate auf maximal 8 h.Die Empfehlung basiert auf experimentellen Daten, die eine Log-Phase des bakteriellen Wachstums bei Raumtemperatur von 3–6 h belegen, gefolgt von einer logarithmischen Zunahme der Keimzahl in 2–10 h [Freedland 1989]. Wichtig
VII
Die Notwendigkeit des Verdünnens enteraler Nährlösungen mit dem Ziel einer Senkung der Osmolarität wird heute als überholt angesehen. Industriell hergestellte Sondennahrungen weisen mit ca. 300–400 mosmol/l eine physiologische Osmolarität auf. Es konnte gezeigt werden, dass eine Verdünnung isoosmolarer Lösungen keine Verbesserung der gastrointestinalen Toleranz bewirkt [Freedland 1989].
Um den Risikofaktor einer bakteriellen Kontamination enteraler Nährlösungen und somit die Komplikationsrate bei enteraler Ernährung möglichst gering zu halten, sind bei dem Umgang mit allen Systemen gleichermaßen die Richtlinien zur korrekten,hygienischen Handhabung einzuhalten [Morion 2000]. Hypoalbuminämie Neuere klinische Studien belegen einen Zusammenhang zwischen einer Hypoalbuminämie und dem Auftreten von Diarrhöen bei enteraler Ernährung [Hwang 1994]. Ein möglicher Erklärungsansatz für dieses Phänomen ist,dass eine Hypoalbuminämie mit einer Beeinträchtigung der intestinalen Flüssigkeitsresorption verbunden ist. Es gibt Hinweise aus tierexperimentellen Studien, dass die Gabe von Peptiddiäten im Vergleich zu hochmolekularen Standarddiäten bei akuter Hypoproteinämie zu einer besseren intestinalen Resorption führt. Dies wird auf den effizienten Transportmechanismus von Di- und Tripeptiden zurückgeführt [Granger 1988]. Bisher fehlen jedoch Daten aus klinischen Studien an Patienten, die eine entsprechende generelle Empfehlung erlauben. Osmotisch aktive Medikamente Die Verabreichung einiger Medikamente bei enteral ernährten Patienten kann zur Auslösung von Diarrhöen führen (⊡ Tabelle 56.1). Sorbitol wird häufig zur Geschmacksverbesserung Medikamenten beigemischt und ist in zahlreichen flüssigen Medikamenten enthalten. Es handelt sich hierbei um einen schlecht
⊡ Tabelle 56.1. Medikamente, die häufig Diarrhöen bei enteral ernährten Patienten auslösen Osmotisch
Magnesiumhaltige Antazida Sorbitolhaltige Medikamente Kaliumsupplemente Phospatsupplemente Magnesiumsupplemente Osmotisch wirksame Laxanzien (z. B. Laktulose)
Nicht osmotisch
Sekretorisch wirksame Laxanzien (z. B. Bisacodyl) Antibiotika Prokinetika (z. B. Cisaprid, Metoclopramid, Erythromycin)
resorbierbaren Zuckeralkohol, der in höheren Dosen osmotisch wirksam werden kann. Einige Studien konnten sorbitolhaltige Medikamente als Auslöser von Diarrhöen bei enteral ernährten Patienten identifizieren. Bei Identifikation eines dieser Medikamente sollte eine Umstellung auf ein alternatives Präparat oder eine parenterale Verabreichung in Erwägung gezogen werden. 56.1.2
Regurgitation/Aspiration
Störungen eines regelrechten aboralen Nahrungstransports durch gastrointestinale Motilitätsstörungen oder mechanische bzw. funktionelle Obstruktionen können eine Akkumulation der Nahrung mit nachfolgender Regurgitation hervorrufen und schlimmstenfalls zu einer Aspirationspneumonie führen [Hamaoui 1997]. Erste Anzeichen einer Störung des Weitertransports der Nahrung sind abdominelle Beschwerden, Blähungen und Übelkeit bzw. Erbrechen.Bei nichtkommunikativen Patienten können abdominelle Spannung und ein erhöhtes gastrales Residualvolumen Hinweise geben. Bei Auftreten dieser Symptome sollte zunächst die enterale Nährstoffzufuhr reduziert werden und nach der Ursache geforscht werden. Häufig Ursache ist eine Störung der Magenentleerung (Gastroparese). Dies wird insbesondere bei intensivpflichtigen Patienten als Folge eines erhöhten Sympathikotonus im Postaggressionsstoffwechsel beobachtet. Aber auch Homöostasestörungen wie Hypokaliämie, Hyperglykämie und Hypomagnesiämie und einige in der Intensivme-
581 56.2 · Sondenbedingte Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
dizin gängige Medikamente (z. B. Opiate, Dopamin) können mit einer Beeinträchtigung der Magenentleerung einhergehen [Mallampalli 2000]. Ernährungsbedingte Faktoren,die aufgrund einer Stimulation von Chemorezeptoren im Duodenum und Ileum zu einer Verzögerung der Magenentleerung führen sind eine hohe Osmolalität und ein erhöhter Fettgehalt der Nahrung. Eine Aspirationspneumonie zählt zu den schwerwiegenden Komplikationen einer enteralen Ernährung. Bereits die Aspiration geringer Mengen Sondenkost kann eine Aspirationspneumonie auslösen. Die Angaben in der Literatur zur Inzidenz einer Regurgitation mit nachfolgender Aspiration von Sondenkost weichen stark voneinander ab (5–95%). Diese hohe Varianz ist möglicherweise Ausdruck der noch fehlenden Standardisierung der Definition des Begriffs Aspiration [Hamaoui 1997]. Identifizierbare Risikofaktoren für eine Aspiration sind bereits vorausgegangene Aspirationspneumonien, ein beeinträchtigter mentaler Status, neurologische Erkrankungen, fehlender Husten- und Schluckreflex, mechanische Ventilationstherapie und das Alter des Patienten [Hamaoui 1997]. Stark gefährdet sind außerdem Patienten mit bekanntem gastroösophagealem Reflux (GERD; [Lien 2000]). Weiterhin ließ sich zeigen, dass eine kontinuierliche enterale Ernährung im Vergleich zu einer Bolusgabe mit einer geringeren Inzidenz an ernährungsassoziierten pulmonalen Komplikationen einhergeht [Ciocon 1992]. Entgegen der allgemeinen Annahme, korrelieren Messungen der Magenentleerung und das gastrale Residualvolumen nicht mit dem Aspirationsrisiko [Mallampalli 2000]. Der Einfluss der Art der Sonde (transnasal vs.perkutan) ist gegenwärtig Gegenstand der Diskussion. Die Annahme, dass eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) einen Vorteil gegenüber einer transnasal platzierten Sonde aufweist, da diese nicht den bei transnasalen Sonden beobachteten Effekt einer Relaxation des unteren Ösophagusspinkters aufweist,konnte durch prospektiv randomisierte Studien nicht bestätigt werden [Baeten 1992].Auch der Vorteil dünnlumiger im Vergleich zu dickerlumigeren transnasalen Sonden hinsichtlich einer Verminderung von Regurgitation und Aspiration ist bisher noch unbewiesen [Hamaoui 1997]. Gesichert ist hingegen der Vorteil einer transpylorischen Positionierung der Sondenspitze, wobei die Applikation der Sondenkost intrajejunal distal des Treitz-Bands die beste Protektion gegen Aspiration bietet [Hamaoui 1997]. Bei Patienten mit gastroöso-
56
phagealem Reflux kann die jejunale Platzierung der Ernährungssonde zu einer Verbesserung des Refluxes führen, wenn gleichzeitig eine Dekompression des Mageninhalts über eine gastrale Ablaufsonde erfolgt (z. B. JET-PEG; [Lien 2000]). Erster Schritt in der Planung von Maßnahmen zur Prävention einer Aspirationspneumonie ist die Bestimmung der Herkunft des Aspirats. Neben einer Aspiration von Sondennahrung, kann es auch zur schluckaktbedingten Aspiration von Speichel kommen. Ist dies der Fall, ist eine Unterbrechung der enteralen Ernährung wenig sinnvoll [Hamaoui 1997].Bei Auftreten von abdominellen Beschwerden in Folge von Magenentleerungsstörungen und Neigung zu Regurgitation und Aspiration von Sondenkost, sollte immer auf eine Hochlagerung von ca. 30–45° während und nach der Sondenkostgabe geachtet werden. Eine Verringerung der Applikationsgeschwindigkeit und der Einsatz einer Sondenkost mit niedrigerer Osmolalität können bei manchen Patienten Abhilfe schaffen. Da Formeldiäten mit niedrigerer Osmolalität auch eine niedrigere Energiedichte aufweisen, ist auf eine ausreichende Energie- und Nährstoffversorgung ggf. durch eine kontinuierliche Applikation mittels Ernährungspumpe zu achten. Bei ausgeprägter Symptomatik ist eine Therapie mit prokinetisch wirkenden Substanzen (z. B. Metoclopramid, Domperidon) indiziert. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, sollte eine Änderung der Sondenlage von gastral nach duodenal/ jejunal in Erwägung gezogen werden [Mallampalli 2000]. 56.2
Sondenbedingte Komplikationen
Sondenbedingte Komplikationen hängen mit der Art des gewählten Zugangs und dem Material und Durchmesser der verwendeten Ernährungssonden zusammen. Komplikationen, die durch die Anlagetechnik bedingt sind, werden ausführlich in Kap. 53 besprochen. Hier soll der Schwerpunkt auf sondenbedingte Langzeitkomplikationen gelegt werden. Diese Art der Komplikationen kann durch korrekte Pflege und regelmäßiges Monitoring der Therapie sehr oft vermieden werden. 56.2.1
Druckläsionen
Sonden können durch permanenten Druck oder Zug Druckläsionen an Haut und Schleimhaut verursachen.
582
VII
Kapitel 56 · Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
An Druckpunkten im Bereich des Nasopharynx, Ösophagus, Magens und Duodenums kann es zur Entstehung von Ulzerationen, Nekrosen, Abszessen und schlimmstenfalls Perforationen kommen.Beschrieben wurde auch die Bildung von Ösophagotrachealfisteln als Folge von ausgedehnten ösophagealen Drucknekrosen [Hamaoui 1997]. Besonders gefährdet sind Patienten, die mit einer nasoenteralen Ernährungssonde aus Polyvinylchlorid (PVC) versorgt sind, da sie chemische Weichmacher enthalten, die sich bei Applikation von Sondenkost nach kurzer Zeit aus dem Material herauslösen. Die Sonden werden spröde und hart. Neben schmerzhaften Druckulzera, sog. »Ulzerastraßen«, können diese Sonden ein ausgeprägtes Fremdkörpergefühl im Nasen-Rachen-Raum verursachen.
Seltener werden Druckläsionen bei perkutan implantierten Sonden (PEG) beobachtet.Wird eine PEG-Sonde unter zu starkem Zug angelegt, können durch den Druck der inneren Halteplatte (»Bumper«) mukosale Ulzerationen an der Mageneintrittsstelle der Sonde entstehen. Bei fortbestehender Fixation unter Zug kann es zu einem Einwandern der inneren Halteplatte in die Mukosa kommen (»Buried-bumper-Syndom«; s. unten). 56.2.2
Sondendislokation
Eine akzidentelle Entfernung der Sonde ist eine häufige Komplikation bei nasoenteraler Sondenlage. Diese können schon durch schwache Zugwirkung herausgezogen oder in ihrer Lage verändert werden.
Wichtig PVC-Sonden sind für eine enterale Ernährungstherapie als obsolet anzusehen.
Mit den mittlerweile verfügbaren dünnlumigen (£12 Ch.) Silikon- und Polyurethansonden sind die Komplikationen sehr selten geworden. Die Materialien enthalten keine zusätzlichen Weichmacher. Polyurethan hat eine hohe Knickstabilität und eine glatte Oberflächenstruktur,was einen optimalen Nahrungsdurchfluss gewährleistet.Silikonkautschuk ist weicher und instabiler. Für die Sondenplatzierung ist deshalb ein Mandrin erforderlich. Nach Anlage einer transnasalen Ernährungssonde muss diese zur Vermeidung einer Dislokation fixiert werden. Eine Fixation der Sonde unter Zug kann Läsionen an den Nasenflügeln und an der Nasenschleimhaut hervorrufen. Es muss darauf geachtet werden, eine korrekte Fixierung der Sonde ohne Zug auf die Nasenschleimhaut vorzunehmen. Zusätzlich sollte täglich eine gründliche Nasenpflege durchgeführt werden. Bei Auftreten von Ulzerationen ist die Haut- bzw. Schleimhaut sofort von dem Druck zu entlasten, ggf. ist die Ernährungssonde zu entfernen und eine Neuanlage durch das andere Nasenloch vorzunehmen. Wichtig Bei ausgeprägten Druckläsionen durch nasoenterale Sonden bzw. bei längerfristig geplanter enteralen Ernährung besteht die Indikation zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG).
Wichtig Zur Vermeidung einer Sondendislokation sollte immer eine korrekte Fixierung der Sonde vorgenommen und die Sonde an der Eintrittsstelle mit wasserfestem Marker markiert werden. Vor jeder Nahrungsapplikation sollte die Sondenlage überprüft werden.
Die Inzidenz wird in der Literatur mit 40–68% angegeben. Risikofaktoren sind unruhige Patienten, starkes Husten, endotracheale Intubation und nasotracheales Absaugen [Hamaoui 1997]. Hinweise auf eine Sondenfehllage sind: Aspiration von Magen- oder Dünndarmsekret nicht möglich, bei Luftapplikation kein Einströmgeräusch in den Magen hörbar oder die Markierung an der Sonde befindet sich nicht mehr in der korrekten Position. Bei Dislokation der Sondenspitze in den Ösophagus besteht eine erhöhte Aspirationsgefahr, was eine Neuanlage der Sonde erforderlich macht. Dislokationen perkutaner Ernährungssonden sind wesentlich seltener. Möglich ist die intraabdominelle Dislokation einer FKJ-Sonde (Feinnadelkatheterjejunostomie) mit Gefahr des Einlaufens von Nährlösung in das Abdomen mit nachfolgender Peritonitis. Die aborale Dislokation von Gastrostomiekathetern mit innerer Halteplatte (z. B. PEG) kann zu einem Spasmus bzw.Verschluss des Pylorus mit Rückstau des Mageninhalts,Ileus,Ulzerationen und Pankreatitis als Folge einer Blockierung der Papilla vateri führen. Bei sehr unruhigen Patienten kann es zu einer akzidentellen Entfernung der PEG-Sonde kommen.Tritt dies ein bevor sich der Fistelgang gebildet hat (<2 Wochen),
583 56.2 · Sondenbedingte Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
besteht die Gefahr des Übertritts von Mageninhalt oder Sondenkost in die Peritonealhöhle.In diesem Fall ist eine endoskopisch kontrollierte Neuanlage erforderlich, nachdem sich das alte Stoma geschlossen hat. Bei bereits ausgebildetem Fistelkanal kann die PEGSonde gegen ein Button-System (Kap.53) ausgetauscht werden,an dem ein unruhiger Patient durch die flache externe Halteplatte kaum manipulieren kann. Duodenal und jejunal platzierte Sonden können durch Bewegungen des Dünndarmes umschlagen oder abknicken. Um ein Umschlagen der Sonde zu verhindern sollte die Sondenspitze möglichst intrajejunal distal des Treitz-Bands platziert werden. 56.2.3
Sondenokklusionen
Eine Obstruktion der Ernährungssonde ist eine häufige Komplikation der enteralen Ernährungstherapie. Primär tritt ein Verschluss des Sondenvolumens durch eine Koagulation von Sondenkost auf, indem die Sonde nicht ausreichend bzw. mit nichtgeeigneter Spülflüssigkeit (z. B. säurehaltige Getränke oder Teesorten) gespült wird. Nicht selten kann es auch durch unsachgemäße Verabreichung von Medikamenten (z. B. durch nicht ausreichende Zerkleinerung von Medikamenten, Präzipitation inkompatibler Medikamente, Verabreichung nichtgeeigneter Medikamente) zu Sondenokklusionen kommen [Hamaoui 1997]. Grundsätzlich ist vor Verabreichung von Medikamenten über Ernährungssonden zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen dies möglich ist. Zur ausführlichen Information zum Thema der Medikamentenapplikation über Sonden sei auf Kap. 55 verwiesen. Ein wesentlich höheres Risiko einer Sondenobstruktion scheint bei regelmäßiger Aspiration von Mageninhalt (z. B. zur Bestimmung des Residualvolumens) zu bestehen, da dies zu einer Koagulation der Sondenkost mit nachfolgender Verstopfung der Sonde führen kann [Powell 1993]. Weiterhin ist die Häufigkeit von Sondenokklusionen von dem Durchmesser des Sondenlumens abhängig. Liegt eine Obstruktion einer PEG-Sonde vor,ist zu prüfen, ob die Sonde im Stichkanal beweglich ist. Ist dies nicht der Fall, ist an das Vorliegen eines »Buriedbumper«-Syndroms zu denken ( s. unten). Eine Obstruktion durch Abknicken der Sonde wird insbesondere bei dünnlumigen Silikonkautschuksonden beobachtet. Diese Sonden zeichnen sich zwar wegen des weichen Materials durch hohen Tragekomfort aus, neigen aber wegen der relativen Instabilität zum Abknicken.
56
Wichtig Sondenokklusionen können durch fachgerechte Handhabung der Ernährungssonden und korrekte Pflege in der Regel vermieden werden.
Tritt eine Verstopfung der Sonde während der enteralen Ernährung auf, sollte zunächst versucht werden diese zu lösen. Das Spülen der Sonde mit warmem Wasser unter leichtem Druck und nachfolgendem Versuch der Aspiration des Sondeninhaltes wird in den meisten Fällen die Verstopfung beseitigen. Führt diese Maßnahme nicht zum Erfolg, kann versucht werden, durch Instillation von kohlensäurehaltigem Mineralwasser die Verstopfung aufzulösen [Hamaoui 1997]. Auch Cola, Pepsinwein und Multibionta finden Einsatz bei Sondenokklusionen. Von einigen Autoren wird eine Lösung aus Pankreasenzymen und Natriumbicarbonat zur Auflösung von Verstopfungen empfohlen. Wichtig Nicht geeignet zum Lösen von Okklusionen ist das Ausüben von hohem Druck mit kleinvolumigen Spritzen (<20 ml) und das Durchstoßen mit einem Mandrin.
56.2.4
Sondendefekte
Die zur Herstellung gängiger Sonden verwendeten Materialien (Silikonkautschuk und Polyurethan) sind elastisch und flexibel und den üblichen Belastungen problemlos gewachsen. In der Regel können diese Katheter über mehrere Jahre liegen, ohne dass es zu Materialermüdungen kommt. Die in seltenen Fällen beobachteten Defekte wie Katheterbrüche,Perforationen und Knickstellen sind meist auf eine unsachgemäße Handhabung zurückzuführen.So kann es durch den Versuch eine okkludierte Sonde mechanisch zu öffnen zu einer Perforation kommen. Ein langzeitiges Abknicken der Sonde und Abklemmen der Sonde durch die Ritsch-Ratsch-Klemme immer an derselben Stelle kann zu nicht mehr korrigierbaren Knickstellen und nachfolgend zum Katheterbruch führen. Auch sind Katheterbrüche infolge Applikation ungeeigneter Lösungen (z. B. hochprozentige Alkoholika) beschrieben. Zur Vermeidung dieser Komplikationen sollte von Manipulationen an der Sonde wie mechanisches Eröffnen von Okklusionen und unsachgemäße Repara-
584
Kapitel 56 · Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
turversuche abgesehen werden. Die Sonde sollte nicht dauerhaft abgeklemmt und die Position der RitschRatsch-Klemme regelmäßig gewechselt werden. Tritt ein Katheterbruch bzw. eine Perforation des Katheters auf, ist in der Regel eine Neuanlage der Sonde indiziert. Ist bei perkutanen Sonden der Abstand des Defekts zur Sondeneintrittsstelle ausreichend (ca. 5–8 cm), kann die Sonde unterhalb des Defekts abgeschnitten und ein neuer Ansatz angebracht werden. 56.2.4
VII
PEG-spezifische Komplikationen
Peristomale Wundinfektionen Bei perkutan implantierten Ernährungssonden (PEG, PEJ, FKJ; s. Kap. 53) kann es zu lokalen Wundinfektionen kommen. Bei der perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) stellt dies mit bis zu 30% die häufigste methodenbedingte Komplikation dar (⊡ Abb. 56.2). Typische Zeichen einer lokalen Infektion an der Sondeneintrittsstelle sind Rötung, Schwellung, Schmerzen und Sekretbildung. Aber auch lebensbedrohliche systemische Infektionen werden beschrieben. Das richtige und v.a.frühzeitige Erkennen von Infektionen im Bereich des PEG-Stomas ist ein entscheidender Faktor für die wirksame Behandlung und Vermeidung septischer Komplikationen. Dementsprechend ist eine regelmäßige Beobachtung der Inzisionsstelle und eine sorgfältige und systematische Dokumentation von besonderer Bedeutung.In der Klinik ist initial täglich eine Inspektion und Neuversorgung des PEG-Stomas notwendig. Bei ambulanter Versorgung können auch Laien, z. B. pflegenden Angehörigen kurzfristige Veränderungen der Wunde als Entzündungszeichen erklärt werden. Sie sind darüber zu
⊡ Abb. 56.2. Lokalinfektion an der Sondeneintrittsstelle bei perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG)
informieren, dass bei Auffälligkeiten der Inzisionsstelle eine Pflegefachkraft oder ein Arzt heranzuziehen ist. Wichtig Häufige Ursache für Wundinfektionen sind Lücken im hygienischen Verhalten der pflegenden Personen. Verbesserungen sind durch die Verwendung von Pflegestandards zu erzielen, die eine bindende Vorgehensweise pflegerischer Tätigkeiten entsprechend dem neuesten Stand der medizinischen Kenntnis vorgeben.
Von Bedeutung ist darüber hinaus die Verbandstechnik. Auch ein zu festes Anziehen der äußeren Halteplatte der PEG-Sonde geht mit einer signifikant höheren Rate an Lokalinfekten einher [Chung 1990]. Ein lange kontrovers diskutierter Aspekt ist die Anwendung einer einmaligen Antibiotikaprophylaxe bei PEG-Anlage zur Senkung der Infektionsrate. Wichtig Nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) für die Anlage einer PEG wird derzeit eine Antibiotikaprophylaxe mit z. B. 2 g eines Cephalosporins empfohlen [Löser 1996]. Diese Empfehlung gilt insbesondere für Patienten mit eingeschränkter Immunfunktion (z B. HIV, Turmorerkrankungen).
Leckagen Zu den Langzeitkomplikationen nach Anlage einer perkutanen Sonde (PEG, FKJ; s. Kap. 53) zählen Leckagen von Magen-/Darminhalt oder Sondenkost durch den Stichkanal mit der Gefahr einer Peritonitis. Ursächlich kann hierfür ein Sondendefekt, aber auch eine Infektion des Stomas und eine Erweiterung bzw. ein initial zu großzügig angelegter Stichkanal verantwortlich sein. Ist ein Sondendefekt die Ursache, ist in der Regel eine Neuanlage der Sonde erforderlich. Infektionen im Stomabereich werden durch entsprechende pflegerische Maßnahmen und ggf. antibiotische Behandlung therapiert. Führen bei einem erweiterten Stoma pflegerische Maßnahmen nicht zum Erfolg, sollte die PEG-Sonde entfernt und Maßnahmen zur Reduktion der Fistelausfuhr (Nahrungskarenz, Gabe von H2-Blockern, Platzierung einer Ablaufsonde) vorgenommen werden, um den Stomaverschluss zu fördern. Es besteht
585 56.2 · Sondenbedingte Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
56
dann die Möglichkeit der Sondenplatzierung durch das bereits vorhandene Stoma, wenn dieses bis zu einem entsprechenden Stomadurchmesser abgeheilt ist [Mushin 1985] oder durch ein neu angelegtes Stoma. «Buried-bumper«-Syndrom Das »Buried-bumper«-Syndrom ist eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation nach Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG; s. Kap. 53). Es kommt zu einer Überwucherung der inneren Halteplatte der PEG-Sonde mit hypertropher Magenschleimhaut und zu einem Einwachsen der Halteplatte in die Magenwand (⊡ Abb. 56.3). Es handelt sich hierbei um eine Komplikation, die meist erst nach Monaten oder Jahren einer enteralen Ernährungstherapie auftritt. Die Häufigkeit wird mit ca. 1,6% bei Patienten mit Langzeiternährung via PEG angegeben [Mamel 1989]. Begünstigt wird ein »buried bumper« wahrscheinlich durch sukzessiven Zug an den extrakorporalen Anteilen der PEG-Sonde. Hierdurch kann es zu nekrotischen Veränderungen der gastralen Mukosa und Submukosa mit Durchwanderung der inneren Halteplatte durch die Magenwand kommen. Die interne Halteplatte wird in der Folge durch regenerierendes Epithel überwuchert. Als weiterer begünstigender Faktor wird eine nicht ausreichende Pflege der PEG-Sonde, insbesondere eine regelmäßige Mobilisation (Bewegung der Sonde im Stomakanal), angesehen.
a
Wichtig Hinweise auf das Vorliegen eines »Buried-bumper«-Syndroms sind ein zunehmender Widerstand beim Spülen der Sonde bis hin zum kompletten Verschluss, Austritt von Flüssigkeit neben der Sondeneintrittsstelle, entzündliche Veränderungen und Schmerzen im Bereich des Einstichkanals und eine eingeschränkte Beweglichkeit der Sonde im Stichkanal.
Durch eine endoskopische Untersuchung ist die Lage der inneren Halteplatte zu kontrollieren [Spalinger 1999]. Bei einem »Buried-bumper«-Syndrom ist die Halteplatte oftmals komplett mit Magenepithel überwuchert. Mitunter bildet sich in dem Regenerationsgewebe ein Fistelkanal,durch den die applizierte Flüssigkeit in das Magenlumen gelangt. Eine Lokalisation der Halteplatte ist häufig nur durch Anspülen der Sonde oder mittels eines durch die PEG-Sonde vorgeschobenen Führungsdrahts möglich. Bei einer begin-
b ⊡ Abb. 56.3a, b. »Buried-bumper«-Syndrom: a Eingewachsene b bzw. teilweise eingewachsene Halteplatte bei PEG
nenden Überwucherung der Halteplatte kann diese in der Regel komplikationslos endoskopisch freigelegt werden. Gelingt die endoskopische Entfernung nicht, ist die chirurgische Explantation der PEG-Sonde indiziert [Spalinger 1999]. Besteht der Verdacht eines »Buried-bumper«-Syndroms ist eine umgehende diagnostische Abklärung und adäquate Behandlung erforderlich, da das Risiko einer Perforation der Magenwand oder auch der gesamten Abdominalwand mit Ausbildung einer gastrokutanen Fistel besteht [Spalinger 1999].
586
Kapitel 56 · Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Wichtig Zur Vermeidung eines »Buried-bumper«-Syndroms sollte nach Ausbildung des Stichkanals die Sonde in regelmäßigen Abständen im Stichkanal mobilisiert werden, indem die Sonde einige Zentimeter in den Magen vorgeschoben und um die eigene Achse gedreht wird, und eine tägliche Sondenpflege und -reinigung vorgenommen werden.
56.2.5
VII
FKJ-spezifische Komplikationen
Dünndarmnekrose Die Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ) stellt einen Zugang zur enteralen Ernährung dar, der im Rahmen großer abdomineller chirurgischer Eingriffe gelegt wird. Eine seltene Komplikation dieser Methode ist eine Dünndarmnekrose infolge Ischämie, die 0,15– 0,29% der methodenbedingten Komplikationen ausmacht [Munshi 2000].An der Entstehung einer Dünndarmnekrose bei chirurgischen Patienten, die mit einer Jejunostomie zur supplementären Ernährungstherapie versorgt wurden, scheinen verschiedene Faktoren beteiligt zu sein.Als zugrundeliegender Mechanismus wird ein vermehrter mesenterialer Blutfluss bei gleichzeitig metabolisch überlastetem Dünndarm angesehen. Ein bei kontinuierlicher Nährstoffzufuhr zusätzlich gesteigerter Blutfluss, kann durch Hypoperfusion und/oder inadäquaten Flüssigkeitsersatz zu einer Dünndarmischämie mit nachfolgender Nekrose führen [Gaddy 1986]. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für einen verminderten mesenterialen Blutfluss wie solche mit chronischer Herzinsuffizienz, Arrythmien, Hypotension, Hypovolämie und/oder antihypertensiver Therapie, besteht eine größere Gefahr einer Darmischämie bei jejunaler Nahrungszufuhr. Bei Auftreten von abdominellen Schmerzen und Zeichen eines Ileus sollte insbesondere bei diesen Patienten an die Möglichkeit einer Darmischämie gedacht und ein vorübergehendes Aussetzen der enteralen Ernährung in Betracht gezogen werden [Munshi 2000]. Pneumatosis intestinalis Eine weitere seltene Komplikation der FKJ ist die Pneumatosis intestinalis. Hierbei handelt es sich um zystische Luftansammlungen in der Darmwand. Die Ätiologie bei Patienten mit FKJ ist bisher nicht eindeutig geklärt, scheint aber multifaktoriell zu sein. Diskutiert werden Darmhypoxie,anaerobe gasbilden-
de Keime, Obstruktionen der Lymphwege und Eindringen intraluminaler Luft in die Mukosa durch die Kathetereintrittsstelle [Hamaoui 1997].In den meisten Fällen scheint eine erfolgreiche Behandlung dieser seltenen Komplikation mit konservativen Methoden wie parenterale Ernährung,Breitbandantibiotika,O2-Therapie und Aufrechterhaltung einer regelrechten Hämoglobinkonzentration möglich zu sein [Hamaoui 1997]. Dünndarmobstruktion Eine Dünndarmobstruktion infolge FKJ-Anlage tritt mit einer Häufigkeit von weniger als 1% auf. Sie resultiert aus einer Rotation des Jejunum um die an der Abdominalwand fixierte Jejunalschlinge. Dies kann zu einer Obstruktion ähnlich einem Volvulus führen [Hamaoui 1997]. 56.3
Metabolische Komplikationen
Metabolische Komplikationen während enteraler Ernährung sind in der Regel mit einer bereits instabilen Stoffwechselsituation eines Patienten assoziiert. Zugrundeliegende metabolische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Nieren- und Leberinsuffizienz bedürfen bei der Planung und Durchführung einer enteralen Ernährungstherapie besonderer Berücksichtigung. In der Regel treten metabolische Störungen bei enteraler Ernährung häufiger bei kritisch kranken Patienten auf.Zu den möglichen Komplikationen zählen Wasserretention mit Ödembildung, hypertone Dehydratation (»Tube-feeding«-Syndrom), Elektrolytstörungen, Hyperglykämie und ein Anstieg der harnpflichtigen Substanzen. Eine regelmäßige Kontrolle der Laborwerte ist notwendig,um metabolische Komplikationen frühzeitig erkennen und behandeln zu können. In ⊡ Tabelle 56.2 sind die möglichen metabolischen Komplikationen, deren Prävention und therapeutische Maßnahmen aufgeführt. Einige für die enterale Ernährung typische bzw. häufiger vorkommende metabolische Komplikationen sollen im Folgenden ausführlich diskutiert werden. 56.3.1
Dehydratation/»Tube-feeding«Syndrom
Bei enteraler Ernährungstherapie kann eine Dehydratation aufgrund zu geringer Flüssigkeitszufuhr oder exzessiver Flüssigkeitsverluste bei Diarrhö, Diurese,
587 56.3 · Metabolische Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
56
⊡ Tabelle 56.2. Metabolische Komplikationen: Ursachen, Prävention, Therapie Komplikation
Ursache
Prävention/Therapie
Hypertone Dehydratation
Ungenügende Flüssigkeitszufuhr, große Flüssigkeitsverluste (Diarrhö, Ostomien, Fieber etc.), hohe Osmolalität der Nährlösung (»Tube-feeding«-Syndrom)
Steigerung der Flüssigkeitszufuhr ent sprechend der Flüssigkeitsbilanz, Nährlösung mit physiologischer Osmolalität/Infusionstherapie zur Normalisierung der Plasmaosmolalität
Hyperhydration
Aggressive Ernährungstherapie bei mangelernährten Patienten (»Refeeding«Syndrom)
Identifizierung von Risikopatienten, Berücksichtigung der Einschleichphase/ Reduktion der Zufuhrrate
Hyperglykämie
Insulinmangel, Stresssituationen
Sondenkost mit überwiegend komplexen Kohlenhydrate einsetzen, kontinuierliche Applikation mit Ernährungspumpe
Hypernatriämie
Inadäquate Flüssigkeitszufuhr, Verlust von freiem Wasser (Diabetes insipidus), Niereninsuffizienz
Flüssigkeitszufuhr steigern entsprechend der Flüssigkeitsbilanz, natriumarme Sondenkost
Hyponatriämie
Zu geringe Natriumzufuhr, hohe Verluste (Diarrhöen, Ostomien etc.), Diuretika, exzessive Wasserzufuhr
Natriumsubstitution (enteral/parenteral), ggf. Flüssigkeitszufuhr einschränken
Hyperkaliämie
Niereninsuffizienz
Kaliumrestriktion
Hypokaliämie
Aggressive Ernährungstherapie bei mangelernährten Patienten (»Refeeding«Syndrom), hohe Verluste (Diarrhöen, Ostomien etc.), Diuretika
Identifizierung von Risikopatienten, Berücksichtigung der Einschleichphase/ Reduktion der Zufuhrrate, Kaliumsubstitution
Hyperphosphatämie
Niereninsuffizienz
Phosphatrestriktion
Hypophosphatämie
Aggressive Ernährungstherapie bei mangelernährten Patienten (»Refeeding«Syndrom), hohe Kohlenhydratzufuhr
Identifizierung von Risikopatienten, Berücksichtigung der Einschleichphase/ Reduktion der Zufuhrrate, Phophatsubstitution
Ostomien, Fisteln, Wunden oder Fieber auftreten. Risikopatienten sind außerdem alte Menschen mit eingeschränktem Durstgefühl und intensivpflichtige Patienten (Trauma, Sepsis, SIRS). Die genaue Bestimmung des Flüsssigkeitsbedarfs eines Patienten und eine exakte Ein- und Ausfuhrbestimmung sind hilfreich zur Erzielung einer ausgeglichenen Flüssigkeitsbilanz. Die Flüssigkeitszufuhr wird aus dem Flüssigkeitsgehalt der Sondenkost, der Flüssigkeit zum Spülen der Sonde und Verabreichen von Medikamenten und zusätzlich parenteral bzw.oral verabreichter Flüssigkeit berechnet. Der zusätzlich berechnete Bedarf wird über den Tag verteilt via Sonde verabreicht.
Eine spezifische Komplikation der enteralen Ernährung ist das »Tube-feeding«-Syndrom. Bei Zufuhr einer hyperosmolalen Nährlösung erfolgt im oberen Dünndarm eine schnelle Wiederherstellung der Isotonizität durch Einstrom von Flüssigkeit aus dem Körper.Bei gleichzeitig inadäquater Flüssigkeitszufuhr resultiert eine hypertone Dehydratation begleitet durch Hypernatriämie, Hyperosmolalität des Plasmas und hoher relativer Dichte des Harns.Das »Tube-feeding«Syndrom kann durch sorgfältige Flüssigkeitsbilanzierung und Vermeidung zu hoher Osmolalität der Nährlösung verhindert werden. Die Behandlung erfolgt durch Unterbrechung der enteralen Ernährung und
588
Kapitel 56 · Komplikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
einer Infusionstherapie zur Normalisierung der Plasmaosmolalität. 56.3.2
VII
»Refeeding«-Syndrom
Ein bekanntes Phänomen einer forcierten Ernährungstherapie bei extrem mangelernährten Patienten ist das sogenannte »Refeeding«-Syndrom.Hierbei handelt es sich um einen Zustand komplexer metabolischer Störungen, die aus einer exzesiven Nährstoffzufuhr mit dem Ziel einer schnellen Repletion der Organspeicher und der Körperzellmasse resultieren [Solomon 1990]. Kennzeichnend sind Hypophosphatämie,Hypokaliämie,Hypomagnesiämie und massive Natrium- und Flüssigkeitsretention. Symptomatisch äußerst sich das Refeeding-Syndrom in Muskelschwäche, Tetanie, Arrythmien, Herzmuskeldysfunktion und hämolytischer Anämie bis hin zum Tod durch Herz- oder Lungenversagen [Hamaoui 1997]. Empfehlungen zur Vermeidung eines »Refeeding«-Syndroms beinhalten folgende Punkte: ▬ Identifizierung von Risikopatienten durch ausführliche Anamnese. ▬ Kontrolle der Serumelektrolyte vor Beginn der Ernährungstherapie. ▬ Die initiale Zielsetzung der Ernährungstherapie sollte 20–30 kcal/kgKG/Tag und 1–1,2 g Protein/kgKG/Tag nicht überschreiten. Dies kann innerhalb 1–2 Wochen entsprechend der Toleranz bis zum errechneten Bedarf gesteigert werden. ▬ Engmaschige Kontrolle der Laborparameter (insbesondere Kalium, Magnesium und Phosphat) und ggf. Supplementation. ▬ Regelmäßiges Monitoring für Anzeichen von Flüssigkeitseinlagerungen. ▬ Initial täglich Flüssigkeitsbilanzierung und Gewichtskontrolle. ▬ Die Gewichtszunahme sollte 1 kg/Woche nicht überschreiten.Jede zusätzliche Gewichtszunahme ist ein Hinweis auf Flüssigkeitsretention und muss entsprechend behandelt werden [Brooks 1995]. 56.3.3
Hyperglykämie
Eine hyperglykämische Stoffwechsellage wird seltener bei enteraler als bei parenteraler Ernährung beobachtet. Sie kommt insbesondere bei Zuständen mit gestörter zellulärer Glukoseutilisation wie Diabetes mellitus,metabolischem Stress oder Sepsis und unter Steroidtherapie vor.Aber auch die exzessive nicht an den
Bedarf bzw. Stoffwechsel angepasste Verabreichung von Glukose kann zur Hyperglykämie führen. Treten unter enteraler Ernährung Störungen der Glukosetoleranz auf, ist zunächst das Glukoseangebot zu reduzieren und nach der Ursache zu forschen. Gegebenenfalls ist eine vorübergehende oder auch dauerhafte Insulintherapie erforderlich. Bei Diabetikern kann eine Neueinstellung des Diabetes erforderlich sein. Entsprechende Sondennahrungen für Diabetiker sind im Handel verfügbar.
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Heimenterale Ernährung A. Jordan, A. Wächtershäuser 57.1
Voraussetzungen für heimenterale Ernährung
57.1.1 57.1.2 57.1.3
Psychische und physische Voraussetzungen Technische Voraussetzungen – 591 Organisatorische Voraussetzungen – 592
57.2
Praktische Durchführung
57.3
Therapieplanung- und überwachung
57.4
Komplikationen der heimenteralen Ernährung – 593
57.5
Psychosoziale Aspekte der heimenteralen Ernährung – 593
57.6
Ökonomische Aspekte der heimenteralen Ernährung – 594
Literatur
>>
– 591
– 591
– 592 – 592
– 595
In den 1980er Jahren hat sich die enterale Ernährung in der Gesamttherapie von Erkrankungen, die häufig mit einer Mangelernährung einhergehen, wie Tumorerkrankungen, Aids, chronische Darmerkrankungen, aber auch in den Bereichen Geriatrie und Neurologie, zunehmend etabliert. Noch bis vor einigen Jahren war eine enterale Ernährung nur im klinischen Bereich möglich. Heute wird eine schnellstmögliche Entlassung der Patienten in den außerklinischen Bereich angestrebt, ursächlich hierfür Kostenfaktoren und der Patientenwunsch. Voraussetzung ist, dass sich der Patient zu Hause ausreichend sicher versorgt fühlt. Es haben sich Strukturen entwickelt, die es sich zum Ziel gemacht haben, einen reibungslosen Übergang des Patienten aus dem klinischen in den häuslichen Bereich und eine adäquate fortlaufende Betreuung dauerhaft enteral ernährter Patienten zu ermöglichen. Dies bedarf der Erfüllung einiger grundlegender Voraussetzungen.
591 57.1 · Voraussetzungen für heimenterale Ernährung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
57.1
Voraussetzungen für heimenterale Ernährung
Die Indikation zu einer heimenteralen Ernährung besteht, wenn: ▬ die Ernährung eines Patienten dauerhaft durch eine orale Zufuhr nicht sichergestellt werden kann, ▬ der Patient sich in einem medizinisch stabilen Zustand befindet und ▬ keine Gründe für einen weiteren Krankenhausaufenthalt vorliegen. In dieser Situation sollte eine schnellstmögliche Rückführung des Patienten in seine vertraute häusliche Umgebung in Erwägung gezogen werden,nicht jedoch ohne vorher zu prüfen,ob die Voraussetzungen für die Durchführung einer ambulanten Ernährungstherapie in dem individuellen Fall gegeben sind. 57.1.1
Psychische und physische Voraussetzungen
Neben der prinzipiellen Indikation für eine heimenterale Ernährung müssen auch von Seiten des Patienten und deren Angehörigen einige grundlegende Voraussetzungen erfüllt werden. Zunächst muss die Einwilligung des Patienten zur Durchführung dieser Maßnahme vorliegen. Grundlegend ist die Motivation des Patienten und seiner Angehörigen sowie deren Kooperationsbereitschaft. Weiterhin ist zu klären, ob der Patient mit Hilfe seiner Umgebung überhaupt in der Lage ist, die Ernährungstherapie selbstständig durchzuführen. In die Beurteilung dieser Fragestellung sind verschiedene Faktoren miteinzubeziehen.Von großer Bedeutung ist der mentale Status des Patienten,der sowohl vom Krankheitsprogress als auch der psychischen Verfassung in Folge der Krankheit abhängig ist. Hier sollte auch die zukünftig zu erwartende Entwicklung im Krankheitsverlauf mitentscheidend sein. Weiterhin sind die intellektuellen und verhaltensmäßigen Fähigkeiten des Patienten und dessen Angehörigen und deren grundsätzliche Bereitschaft zur Unterstützung des Patienten zu bewerten. Viele Patienten und auch deren Angehörige machen sich Sorgen über den weiteren Verlauf der Therapie und sind mit der Situation zunächst völlig überfordert. Viele Angehörige fürchten, dass sie die Versorgung des Patienten in der häuslichen Umgebung nicht aufrecht erhalten können. Im Vorfeld sollten der Patient und seine Angehörigen ausführlich über die
57
Möglichkeiten und Grenzen einer ambulanten Ernährungstherapie informiert und das Bewusstsein für die neuen Lebensumstände mit all ihren Anforderungen geweckt werden.Durch Aufklärung und Schulung sollten dem Patienten die Ängste gegenüber der Therapie genommen und die Motivation zur Mithilfe gesteigert werden. Ist eine selbstständige Versorgung durch den Patienten oder dessen Angehörige nicht möglich, muss frühzeitig vor der Entlassung Kontakt zu einer pflegenden Institution (Pflegedienst, Pflegeheim etc.) aufgenommen werden.Dies erfolgt in der Regel durch den Sozialdienst der Klinik. 57.1.2
Technische Voraussetzungen
Vor der Entlassung eines Patienten in den heimenteralen Bereich ist ein adäquater Zugangsweg zur Verabreichung der Nährlösungen zu schaffen.Häufig wird eine heimenterale Ernährung über Monate oder sogar Jahre durchgeführt. Nicht selten kehren die Patienten ins Berufsleben zurück und nehmen am normalen Alltag teil.Voraussetzung für eine erfolgreiche und für den Patienten tolerierbare Durchführung der ambulanten enteralen Ernährung ist die Anlage eines dauerhaften Zugangsweges ( s. Kap. 53), der auch kosmetisch für den Patienten und seine Umgebung zu akzeptieren ist. Optimal ist eine perkutan gelegte Sonde (PEG, FKJ), die sich durch die Möglichkeit einer langen Liegedauer auszeichnet und den Vorteil bietet, dass sie unsichtbar unter der Kleidung getragen werden kann. Für sehr mobile Ernährungspatienten bieten sich derzeit auf dem Markt befindliche Buttonsets an, die über ein bereits ausgebildetes Magenstoma platziert werden. Sie zeichnen sich durch eine sehr flache externe Halteplatte aus und werden zur Ernährung mittels Sicherheitsverbinder mit dem Applikationssystem verbunden. Sie ermöglichen dem Patienten weitestgehende Beibehaltung aller Aktivitäten und somit eine verbesserte Lebensqualität [Dormann 1999]. Transnasale Sonden haben zum einen den Nachteil einer begrenzten Liegedauer (£4 Wochen), zum anderen können sie für den Patienten als psychische Belastung empfunden werden, da das offensichtliche Tragen der Sonde im sozialen Umfeld auf das Kranksein des Patienten schließen lässt, was insbesondere im ambulanten Bereich ein Problem darstellen kann. Ist die Ernährung über eine transnasale Ernährungssonde indiziert, sollten dünnlumige (8–12 Charière), gewebefreundliche Polyurethan- bzw. Silikonkautschuksonden Einsatz finden.
592
Kapitel 57 · Heimenterale Ernährung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
57.1.3
VII
Organisatorische Voraussetzungen
Der Transfer eines Patienten von der Klinik in den häuslichen Bereich stellt eine besondere Anforderung dar. In der Klinik befindet sich der Patient in einer Einheit,in der alle Leistungen aus einer Hand erbracht werden. Die Leistungen, die von den verschiedenen Fachabteilungen und den unterschiedlichen Berufsgruppen erbracht werden, unterliegen einer strengen hierarchischen Verantwortlichkeit und Kompetenzzuweisung mit verbindlicher Regelung der fachlichen Kommunikation und Dokumentation. Dagegen wird der Patient im ambulanten Bereich mit einer Vielzahl voneinander unabhängiger Leistungserbringer konfrontiert. Um einen reibungslosen Übergang vom stationären in den ambulanten Bereich zu gewährleisten, ist die Kooperation der verschiedenen Disziplinen von besonderer Bedeutung. Wichtig Entscheidend für die erfolgreiche Durchführung der ambulanten Ernährungstherapie ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Klinikarzt, Hausarzt, Ernährungsfachkräften, ambulantem Pflegedienst und Apotheke bzw. Herstellerfirma mit klarer Zuweisung der Kompetenz- und Verantwortungsbereiche.
Durch die mittlerweile in zahlreichen Kliniken vorhandenen Ernährungsteams, Brücken- bzw. Koordinierungsschwestern und sog. Home-Care-Teams [McKinnon 1997] ist eine engere Verzahnung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung möglich, sodass ein reibungsloser Übergang des Patienten in den außerklinischen Bereich gewährleistet ist. 57.2
Praktische Durchführung
Zur Vorbereitung des Patienten auf den eigenständigen Umgang mit der Sondenernährung nach Entlassung aus der Klinik wird ein Schulungstermin vereinbart. Die Schulung erfolgt abgestimmt auf die mentale Situation des Patienten oder der Angehörigen schrittweise und hält sich dabei an ein festes Konzept. Je nach Zustand und Mitarbeit des Patienten dauert die Schulung bei enteraler Ernährung 2–4 Tage. Mit der Vorbereitung der Entlassung sind parallel zur Schulungsphase verschiedene organisatorische Tätigkeiten verbunden, die den reibungslosen Übergang
des Patienten vom stationären in den häuslichen Bereich ermöglichen sollen. Der Krankenkasse wird die Notwendigkeit der Fortsetzung der enteralen Ernährungstherapie im ambulanten Bereich mitgeteilt und eine Kostenübernahme beantragt. Der Hausarzt ist über die geplante ambulante Weiterbetreuung in Kenntnis zu setzen und erhält alle dafür notwendigen Informationen. Die Versorgung des Patienten mit den notwendigen Materialien für die Durchführung der Ernährungstherapie ist zu organisieren. Bei Einschaltung eines ambulanten Pflegedienstes muss dieser über den Entlassungstermin und den Umfang der notwendigen Versorgung informiert werden. Pflegedienste, die spezielle Leistungen wie die ambulante enterale Ernährungstherapie anbieten, müssen bestimmte Qualitätskriterien einhalten (24-h-Rufbereitschaft, Dokumentation der Pflege und Behandlung etc.) und nach allgemein gültigen Qualtitätsstandards gemäß dem neuesten medizinisch-pflegerischen Stand arbeiten. Ziel dieser Maßnahmen ist die adäquate Versorgung des Patienten im heimischen Bereich unter Berücksichtigung seiner individuellen Lebensumstände. 57.3
Therapieplanung und -überwachung
Vor der Entlassung des Patienten wird ein individueller Therapieplan erstellt, der im Verlauf der ambulanten Therapie regelmäßig überprüft und ggf.angepasst wird. Dazu werden bei mobilen Patienten regelmäßige Kontrolltermine,optimalerweise einmal monatlich, in der im Klinikum zuständigen Institution vereinbart (z. B. Ernährungsteam) oder Hausbesuche durch im ambulanten Bereich tätige Fachkräfte für die enterale Ernährung durchgeführt. Maßnahmen zur Überwachung der enteralen Ernährungstherapie sind in ⊡ Tabelle 57.1 aufgeführt. Der Patient wird darüber hinaus zu einer Selbstüberwachung angeleitet (Flüssigkeitsein- und -ausfuhr,Gewicht,Inspektion der Kathetereintrittsstelle). Zusätzlich sollte jederzeit, auch außerhalb der Dienstzeiten des Ernährungsteams, ein kompetenter Ansprechpartner für den Patienten erreichbar sein. Neben einer ausführlichen Schulung und Aufklärung des Patienten dient eine regelmäßige Überwachung der Therapie insbesondere der Vorbeugung schwerwiegender Komplikationen und somit einer Vermeidung von zusätzlichen Krankenhausaufenthalten durch die enterale Ernährungstherapie.
593 57.5 · Psychosoziale Aspekte der heimenteralen Ernährung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
57
⊡ Tabelle 57.1. Kontrollparameter während enteraler Ernährung Was? 1.
2.
57.4
Wie oft?
Klinische Parameter Durstgefühl, Stuhlfrequenz, -konsistenz
Täglich
Körpergewicht
2-mal pro Woche
Flüssigkeitsbilanz
Bei Bedarf
Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA)
1-mal pro Monat
Laborparameter Hämoglobin, Hämatokrit, Serumharnstoff und -kreatinin, Serumnatrium, -kalium, -phosphat
Wöchentlich bis monatlich
Blutzucker
Monatlich, bei Diabetes täglich bis wöchentlich
Cholesterin, Triglyzeride, Leberenzyme (SGOT, SGPT, AP), Gesamteiweiß, Albumin
Monatlich
Transferrin, retinolbindendes Protein, Serumzink, -magnesium, -selen, Vitamine A, D, E, K
Nach Bedarf
Komplikationen der heimenteralen Ernährung
Im Vergleich zur parenteralen Ernährung hat sich die enterale Ernährung als komplikationsärmer erwiesen und erfordert einen geringeren Überwachungsaufwand. Sie ist jedoch nicht komplikationsfrei. Die Häufigkeit gastrointestinaler und sondenbedingter Komplikationen kann bei der enteralen Ernährung erheblich in Abhängigkeit von Applikationsart und -ort, des Ernährungsregimes und der Grunderkrankung schwanken. Weiterhin ist der prozentuale Anteil an Komplikationen abhängig von der Erfahrung des Therapeuten. Die Komplikationsrate lässt sich verringern, indem die Richtlinien zur Sondenernährung, wie Sondenkostaufbauplan, Zufuhrgeschwindigkeit, Portionsgröße, Nahrungstemperatur und Pflege der Sonde, eingehalten werden [Hamaoui 1997]. Eine qualifizierte Schulung des Patienten im Umgang mit der Applikationstechnik und regelmäßige Kontrollen des Gelernten sind deshalb unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche heimenterale Ernährungstherapie. Treten Komplikationen auf, muss zunächst nach der Ursache geforscht werden. Neben der enteralen Ernährung als solcher können auch therapeutische Maßnahmen wie Antibiose,Chemo- und Strahlentherapie oder die Grunderkrankung die Ursache für Beschwerden sein (z.B.Diarrhö,Übelkeit,Erbrechen).In
der Regel können die Komplikationen der enteralen Ernährung durch leichte pflegerische Maßnahmen behoben werden,sodass eine Rehospitalisierung der Patienten aufgrund von Problemen der Ernährungstherapie nur sehr selten erforderlich ist.Dennoch bringen Komplikationen der enteralen Ernährung zum einen Beeinträchtigungen der Nährstoffversorgung mit sich, da sie häufig in einer Verminderung oder sogar vorübergehendem Aussetzen der Sondenkostzufuhr resultieren und tragen somit wesentlich zu einer Reduzierung des erwarteten »Outcome« unter enteraler Ernährung bei [Dormann 1999]. Zum anderen ist zu beobachten, dass die Compliance von Patienten gegenüber dieser Ernährungsform mit zunehmender Komplikationsrate abnimmt. 57.5
Psychosoziale Aspekte der heimenteralen Ernährung
Für den Patienten und dessen Angehörige ergeben sich durch die enterale Ernährungstherapie völlig neue Lebensumstände. Neben der psychischen Belastung durch die Grunderkrankung kommt die Belastung durch die neue Form der Ernährung hinzu. Die Mahlzeiten werden auf ihre funktionale Rolle limitiert. Die orale Nahrungsaufnahme gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen und ist verbunden mit Freude und Genuss, was es dem Patienten schwer macht,Sinn und Nutzen der Therapie einzusehen und
594
VII
Kapitel 57 · Heimenterale Ernährung SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
sich damit auseinanderzusetzen. Häufig ist mit dieser Form der Ernährung insbesondere bei transnasaler Sondenlage ein Schamgefühl gegenüber der Umwelt verbunden,sodass der Patient soziale Kontakte meidet und sich isoliert. Weiterhin kann es durch die Sondenernährung zu einer Einschränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens kommen (Essen und Trinken, Bewegungsfreiheit,Abhängigkeit von Pflegepersonen etc.; [Roberge 2000]). Hinzu kommt, dass die Nahrungsaufnahme nun die Auseinandersetzung mit technischem Gerät und Hilfsmitteln erforderlich macht. Es kann spekuliert werden, dass diese veränderten Lebensumstände zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen. Tatsächlich gibt es bisher wenige Studien, die sich mit dieser Thematik beschäftigen. In einer kürzlich erschienen Studie zur Lebensqualität von Patienten mit Tumoren im HNO-Bereich und Ösophagus, die einer heimenteralen Ernährung bedurften, wurde in einem Beobachtungszeitraum von 1 Monat keine Einschränkung der Lebensqualität durch die heimenterale Ernährung gesehen, wenn auch ein nicht unerheblicher Teil der Patienten angab, dass die Technik der Sondenernährung mit Schwierigkeiten innerhalb der Familie und im sozialen Umfeld einhergeht [Roberge 2000]. In diesem Fall ist es wichtig, dass dem Patienten zu Hause kompetente Hilfe zur Seite steht. Um zu verhindern, dass sich der Patient als kompletter »Pflegefall« fühlt,sollten sowohl der Patient als auch die Angehörigen so früh wie möglich in das Behandlungskonzept einbezogen werden und entsprechend ihren Fähigkeiten Teile der Versorgung übernehmen,im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe.Die überwiegende Zahl der Patienten bzw. deren Angehöriger ist nach ausführlicher Schulung und Training in der Lage, die Sondenkostapplikation und Sondenpflege (Spülen der Sonde) selbstständig durchzuführen, was für den Patienten ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung seiner Autonomie ist.Im Mittelpunkt aller Maßnahmen sollte immer der Patient stehen. Er sollte maßgeblich in alle notwendigen Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden und vorab über alle Möglichkeiten informiert und über die jeweiligen Vor- und Nachteile aufgeklärt werden. Ein wichtiger Aspekt in Bezug auf die Beurteilung der Lebensqualität bei Patienten mit heimenteraler Ernährung ist die enge Verknüpfung des Ernährungszustands eines Patienten mit dem Wohlbefinden und folglich der Lebensqualität.
Wichtig Eine Malnutrition führt zu einer Beeinträchtigung des Stoffwechsels und der Immunabwehr, einhergehend mit Störungen der Organaktivität, Organatrophie, verzögerter Wundheilung und erhöhter Infektanfälligkeit [Chandra 1983]. Für den Patienten ist dies verbunden mit einer verminderten Belastbarkeit, Apathie und Schwäche, insgesamt mit einer verminderten Lebensqualität und einer Zunahme von Morbidität und Mortalität. Auch die schlechtere Toleranz gegenüber kausalen therapeutischen Maßnahmen (z. B. Chemo- und Strahlentherapie bei Tumorpatienten) ist belegt [Dewys 1980; Viagno 1994].
57.6
Ökonomische Aspekte der heimenteralen Ernährung
Untersuchungen zur Kosteneffizienz einer heimenteralen Ernährung konnten zeigen, dass im Vergleich zu einer stationären Behandlung eine Reduktion der Therapiekosten möglich ist [Howard 1995; Reddy 1998; Sartori 1996]. Es wird von einer Kostenersparnis von 90–95% gegenüber einer stationär durchgeführten enteralen Ernährung ausgegangen [Howard 1997]. Bisher gibt es wenige Daten zu den tatsächlichen Kosten einer heimenteralen Ernährung. Einer Kostenanalyse zufolge betragen in den USA die Gesamtkosten für eine heimenterale Ernährung pro Jahr durchschnittlich ca. $ 18.000 bei einer Variation von $ 5000–$ 50.000 [Reddy 1998]. Es wurde gezeigt,dass der Großteil der Kosten mit ca.$ 25–50/24 h (durchschnittlich $ 33/24 h) im Jahr 1992 durch die für die enterale Ernährungstherapie benötigten Materialien verursacht wurde (Sondenkost, Applikationssets, Verbandmaterialien, Leihgebühr für Ernährungspumpen; [Howard 1997]). Die große Spannbreite der Kosten resultiert überwiegend aus der unterschiedlichen Häufigkeit an Komplikationen und damit verbundenen Behandlungskosten. Der typische Patient mit künstlicher Heimernährung erleidet 1- bis 2-mal pro Jahr eine ernährungsassoziierte Komplikation, jedoch weist die Spannbreite von keiner bis 10 Komplikationen auf die große individuelle Varianz hin [Reddy 1998]. Den Ergebnissen einer italienischen Arbeitsgruppe zufolge, die eine Kostenanalyse der enteralen Ernährung bei 34 Patienten mit HNO-Tumoren durchführten, lagen die Kosten für Patienten mit PEG bei EUR 12,30/24 h gegenüber EUR 11,65 bei transnasaler
595 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Sonde [Sartori 1996]. Die größere Inzidenz an Komplikationen bei transnasaler Sondenlage, die einen Sondenwechsel erforderlich machen, lassen jedoch höhere indirekte Kosten bei dieser Form der Ernährung vermuten. Bei einer oralen Ernährungstherapie mittels Trinknahrungen sind die höheren Kosten für die speziellen trinkbaren bilanzierten Diäten zu berücksichtigen [Castillo Rabaneda 1998].
Literatur Castillo Rabaneda RM, Gomez Candela C, de Cos Blanco AI et al. (1998) Evaluation of the cost of home enteral nutrition in relation to different access routes. Nutr Hosp 13: 320–324 Chandra RK (1983) Nutrition, immunity, and infection: Present knowledge and future directions. Lancet I: 688–691 Dewys WD, Begg C, Lavin PT et al. (1980) Prognostic effects of weight loss prior to chemotherapy in cancer patients. Am J Med 69: 491–497 Dormann AJ, Wigginghaus B, Grunewald T, Huchzermeyer H (1999) Freka button gastrostoma. Initial long term results. Dtsch Med Wochenschr 124: 1204–1205 Hamaoui E, Kodsi R (1997) Complications of enteral feeding and their prevention. In: Rombeau JL, Rolandelli RH (eds.) Enteral and tube feeding. Saunders, Philadelphia/PA, pp 554–574 Howard L, Ament M, Fleming CR, Shike M, Steiger E (1995) Current use and clinical outcome of home parenteral and enteral nutrition therapies in the United States. Gastroenterology 109: 355–365
57
Howard L, Malone M, Wolf BM (1997) Home enteral nutrition in adults. In: Rombeau JL, Rolandelli RH (eds) Enteral and tube feeding. Saunders, Philadelphia/PA, pp 510–522 Klose J, Heldwein W, Rafferzeder M et al. (2003) Nutritional status and quality of life in patients with percutaneous endoscopic gastrostomy (PEG) in practice: prospective oneyear-follow-up. Dig Dis Sci 48: 2057–2063 Liley AJ, Manthorpe JA (2003) The impact of home enteral tube feeding in everyday life: a qualitative study. Health Soc Care Community 11: 415–422 Löser C, Fölsch UR (2000) Feeding of patients with ENT diseases using an enteral tube system (PEG/PEJ tubes). A review. Laryngorhinootologie 79: 442–446 Löser C, Herz U, Kuchler T et al. (2003) Quality of life and nutritional state in patients on home enteral tube feeding. Nutrition 19: 605–611 McKinnon BT, Wolson MK, George P (1997) Managed care. In: Rombeau JL, Rolandelli RH (eds.) Enteral and tube feeding. Saunders, Philadelphia/PA, pp 599–611 Reddy P, Malone M (1998) Cost and outcome analysis of home parenteral and enteral nutrition. J Parent Ent Nutr 22: 302–310 Roberge C, Tran, M, Massoud C et al. (2000) Quality of life and home enteral tube feeding: a French prospective study in patients with head and neck or oesophageal cancer. Br J Cancer 82: 263–269 Sartori S, Trevisani L, Tassinari D et al. (1996) Cost analysis of long-term feeding by percutaneous endoscopic gastrostomy in cancer patients in an Italian health district. Supp Care Cancer 4: 21–26 Vigano A, Watanabe S, Bruera E (1994) Anorexia and cachexia in advanced cancer patients. Cancer Surv 21: 99–115
VIII SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Klinische pharmakologische Aspekte 58
Prokinetika, Antiemetika B. Braden
– 599
59
Ulkustherapeutika W. Rösch
60
Grundlagen der Chemotherapie F. Gieseler
61
Grundlagen der Strahlentherapie I. Fraunholz, H. D. Böttcher
– 618
62
Prinzipien der Immunsuppression A. Stallmach
– 627
– 605
– 612
58 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Prokinetika, Antiemetika B. Braden 58.1
Antiemetika
58.1.1 58.1.2 58.1.3 58.1.4 58.1.5 58.1.6 58.1.7 58.1.8 58.1.9
Substituierte Benzamide – 600 Benzodiazepine – 600 Canabinoide – 600 Phenothiazine – 602 Butyrophenone – 602 Anthistaminika – 602 Serotoninantagonisten – 602 Glukokortikosteroide – 602 Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten
58.2
Prokinetika
58.2.1 58.2.2 58.2.3 58.2.4
Substituierte Benzamide – 603 Motilinagonisten – 603 Cholinergika – 604 Andere motilitätssteigernde Substanzen
Literatur
>>
– 600
– 603
– 603
– 604
– 604
Übelkeit und Erbrechen ( s. Kap. 42) sind Symptome, die als Begleitsymptome vieler Erkrankungen mit einer starken Beeinträchtigung des Wohlbefindens einhergehen. Während – wenn möglich – die zugrundeliegende und auslösende Erkrankung behandelt werden sollte, bleibt in vielen Fällen von Nausea und Emesis nur die symptomatische Therapie. Konventionelle Antiemetika wirken als Muscarin-, Histamin- und Dopaminrezeptorantagonisten im zentralen Nervensystem (⊡ Tabelle 58.1). In einigen Fällen beruhen die Symptome Übelkeit und Erbrechen auf einer gestörten gastrointestinalen Motilität. Substanzen, die auf gastrale Serotonin (5-HT4)-, Dopamin- und Motilinrezeptoren wirken, beschleunigen die Magenentleerung und lindern Symptome der Gastroparese [AGA 2001].
600
Kapitel 58 · Prokinetika, Antiemetika SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 58.1. Rezeptoraffinitäten gebräuchlicher Antiemetka Substanzklasse
Dopamin-2Rezeptor
Histamin-1Rezeptor
MuscarinRezeptor
5-HT3Rezeptor
Anticholinergika Antihistaminika Phenothiazine Butyrophenone Benzamide 5-HT3-Rezeptorantagonisten
+ + ++++ ++++ +++ –
+ ++++ +++ +++ + –
++++ +++ ++ ++ – –
– – – – + +++++
58.1
Antiemetika
Die Dosierungen gebräuchlicher Antiemetika sind in ⊡ Tabelle 58.2 aufgeführt.
VIII
58.1.1
Substituierte Benzamide
Metoclopramid Metoclopramid ist eines der am häufigsten eingesetzten konventionellen Antiemetika [Albibi 1983]. Der Hauptwirkmechanismus des Metoclopramid besteht in der Blockade von Dopamin- (D2)-Rezeptoren. Darüberhinaus wirkt es agonistisch an 5-HT4-Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt, wodurch sich die prokinetische Wirkung auf Magen und Dünndarm erklärt ( s. Kap. 58.2.1). Zudem zeigt Metoclopramid einen schwachen antagonistischen Effekt an 5-HT3Rezeptoren, dies begründet die antiemetische Wirkung in hohen Dosierungen (2–10 mg/kgKG/Tag iv.) bei cisplatininduziertem Erbrechen. Hohe Dosierungen verursachen jedoch auch eine beträchtliche Nebenwirkungsrate (10–20%). Insbesondere bei Kindern kommt es häufiger zu motorischer Unruhe,extrapyramidalmotorischen Störungen (Dyskinesien,Opisthotonus,Dystonien) und Diarrhö.
Domperidon Domperidon überschreitet die Blut-Hirn-Schranke nicht. Daher treten extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen kaum in Erscheinung. Kopfschmerzen und Hyperprolactinämie sind unter Domperidon trotzdessen häufig auftretende Nebenwirkungen. Domperidon entfaltet seine Wirkung an der Chemorezeptorentriggerzone in der Nähe der Area postrema. Alizaprid Alizaprid hat im Vergleich zu Metoclopramid eine höhere D2-Rezeptoraffinität, wirkt nicht stärker antiemetisch und besitzt nahezu keine prokinetische Wirkung. Das Nebenwirkunsprofil ist dem des Metoclopramid vergleichbar. 58.1.2
Benzodiazepine
Wichtig
Benzodiazepine weisen nur geringe antiemetische Eigenschaften auf.Daher spielen sie in der Therapie von Nausea und Vomitus nur eine untergeordnete Rolle. Bei psychogenem und bei antizipatorischem Erbrechen zeigen sie aufgrund ihrer sedierenden und anxiolytischen Wirkung günstige Ergebnisse (z. B. Lorazepam 1- bis 3-mal 1 mg/Tag p.o.).
Die durch Metoclopramid hervorgerufenen Dyskinesien lassen sich mit Biperiden (2,5–5 mg Akineton langsam i.v.) antagonisieren.
58.1.3
Metoclopramid induziert eine Hyperprolactinämie, die zu einer Gynäkomastie und Galaktorrhö führen kann. Die Bioverfügbarkeit nach oraler Applikation liegt bei 80%. Die Substanz wird zu 20% renal eliminiert, daher muss bei Nierenversagen die Dosis reduziert werden.
Cannabinoide
Cannabinoide besitzen antiemetische Eigenschaften, haben eine psychisch aktivierende und appetitanregende Wirkung [Tramer 2001]. Zudem reduzieren sie die Motilität von Magen und Dünndarm. Stark ausgeprägte Nebenwirkungen (Ataxie, Sehstörungen, Somnolenz,Verwirrung, Schwindel) limitieren jedoch den Einsatz von Cannabinoiden, insbesondere bei älteren
601 58.1 · Antiemetika SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 58.2. Dosierungen und Nebenwirkungen von Antiemetika Gruppe
Substanz
Handelsname
Tagesdosis
Nebenwirkungen
Benzodiazepine
Lorazepam Alprazolam
Tavor; Laubeel Tafil
1- bis 3¥1 mg p.o. 1- bis 3¥0,5 mg p.o.
Sedierung, paradoxe Reaktionen, Amnesie, Atemdepression, Ataxie
Phenothiazine
Triflupromazin
Psyquil
1- bis 3¥10 mg p.o. oder 1- bis 2¥70 mg rektal oder 5- bis 10 mg i.v.
Sedierung, Akathisie, orthostatische Hypotension, Mundtrockenheit
Promethazin
Atosil
25 mg i.v. oder p.o.
Haloperidol
Haldol
1- bis 3¥1 mg p.o. 2,5–5 mg i.v.
Droperidol
Dehydrobenzperidol
2,5–5 mg i.v.
Dimenhydrinat
Vomex
3¥50 mg p.o. 1- bis 3¥150 mg rektal, 1¥100 mg i.v.
Hydroxyzin
Atarax
50 mg p.o.
Diphenhydramin
Emesan
1- bis 3¥50 mg p.o, 1- bis 3¥50 mg rektal
Dexamethason
Fortecortin
Methylprednisolon
Urbason
8–24 mg i.v. oder 4–16 mg p.o. 3¥40 mg i.v., 16–32 mg p.o.
Blutzuckerentgleisung, Psychosen, Unruhe (z. T. typische Steroidnebenwirkungen)
Anticholinergica
Scopolamin
Scopoderm TTS
1,5 mg Pflaster/72 h
Tachykardie, Unruhe, trockener Mund, Glaukom,
5-HT3-Antagonisten
Granisetron
Kytril
1- bis 3¥3 mg i.v. oder 2 mg p.o.
Odansetron
Zofran
32 mg oder 3¥8 mg i.v. oder 2¥8 mg p.o.
Obstipation, Kopfschmerzen, Verlängerung der kardialen Überleitung
Dolasetron
Anemet
100 mg i.v. oder 200 mg p.o.
Tropisetron
Navoban
1¥5 mg i.v. oder p.o.
Butyrophenone
Histamine
Glukokortikoide
Substituierte Benzamide
Neurokin-1-(Nk1-) Rezeptorantagonisten
Metoclopramid
Sedierung, Dysphorie, EPMS, Unruhe, Akathisie
Starke Sedierung, Glaumkom, Sehstörung, Mundtrockenheit, Miktionsstörung
Paspertin;
3¥20 mg p.o.
Gastrosil
oder i.v., »high dose«: 2–10 mg/kgKG i.v.
Alizaprid
Vergentan
2- bis 3¥100 mg i.v., 200 mg p.o.
Domperidon
Motilium
3¥10 mg p.o.
Keine EPMS, Kopfschmerzen, Hyperprolaktinämie
Aprepitant
Emend
125 mg Tag 1 80 mg ab Tag 2
Verstopfung, Durchfall, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Appetitverlust, Leberwerterhöhungen
EPMS: extrapyramidalmotorische Störungen.
EPMS, Dyskinesien, Unruhe, Hyperprolaktinämie, Kopfschmerzen, Diarrhö, Tachykardie
58
602
Kapitel 58 · Prokinetika, Antiemetika SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Patienten. Während Dronabinol bei jungen Patienten Euphorie auslöst, führt es bei älteren eher zu dysphorischen Zuständen.Cannabinoide (Nabilon und Dronabinol) sind in Deutschland nicht zugelassen. 58.1.4
VIII
Phenothiazine
Phenothiazine wirken aufgrund eines zentralen antidopaminergen Effektes an der Area postrema antiemetisch. Die in Deutschland häufig eingesetzten Substanzen,Promethazin (Atosil) und Triflupromazin (Psyquil) stehen in oraler, rektaler und intravenöser Applikationsform zur Verfügung. Nebenwirkungen: Phenothiazine wirken stark sedierend und rufen relativ häufig extrapyramidalmotorische Symptome hervor. Zudem treten orthostatisch hypotone Dysregulationen und eine unangenehme Mundtrockenheit auf. Aufgrund der hohen Nebenwirkungsrate der Phenothiazine werden meist andere Substanzgruppen bevorzugt. 58.1.5
Butyrophenone
Die Butyrophenone, Haloperidol (Haldol) und Droperidol (Dehydrobenzperidol) haben als zentral wirksame Dopaminantagonisten einen antiemetischen Effekt. Droperidol hat in der Behandlung des postoperativen und chemotherapieinduzierten Erbrechens eine gute Wirksamkeit. Wichtig Aufgrund der hohen Nebenwirkungsrate ist oftmals die Kombination von Butyrophenonen in niedriger Dosierung mit 5-HT3-Antagonisten sinnvoll, wobei sich eine Wirkungssteigerung gegenüber den Einzelsubstanzen erzielen lässt.
bulärorgans haben sie sich bewährt; in der Antiemese anderer Ätiologie spielen sie keine Rolle mehr. Nachteilig wirkt sich die zum Teil erhebliche Sedierung der Patienten aus. 58.1.7
Die Einführung der 5-HT3-Antagonisten hat einen entscheidenden Durchbruch in der Therapie des zytostatika- und strahlentherapieinduzierten Erbrechens erzielt.Alle derzeit auf dem Markt befindlichen 5-HT3-Antagonisten (Granisetron > Tropisetron > Ondansetron > Dolasetron) sind hochpotente und selektive Substanzen, die eine kompetitive Blockade peripherer und zentraler 5-HT3-Rezeptoren bewirken. 5-HT3-Antagonisten stellen die Therapie der 1. Wahl in der Prävention des in den ersten 24 h auftretenden Erbrechens nach Gabe von Zytostatika dar. Die verzögerte Form des Erbrechens nach hochemetogenen Chemotherapeutika spricht schlechter auf 5-HT3-Antagonisten an, da sie nicht serotoninvermittelt ist. Die orale Bioverfügbarkeit von 5-HT3-Antagonisten liegt in therapeutischer Dosierung bei 60–75%. 5-HT3-Antagonisten sind im allgemeinen gut verträglich; die Toxizität ist gering. Als Nebenwirkungen treten Obstipation, Kopfschmerzen und reversible Verlängerungen der kardialen Überleitungsgeschwindigkeit auf. Während bei einmaliger Anwendung die Obstipation mit einer Inzidenz von 0–5% praktisch keine Rolle spielt, ist dies bei mehrtägiger Einnahme bei ca. 35% der Patienten ein belastendes Problem. 5-HT3-Antagonisten werden Cytochrom-P450-abhängig in der Leber metabolisiert, wobei der Cytochrom-P450-Metabolismus anderer Medikamente nicht wesentlich beeinflusst wird. 58.1.8
Butyrophenone bewirken eine starke Sedierung. Extrapyramidalmotorische Störungen können auftreten. Viele Patienten klagen oftmals über eine ausgeprägte Dysphorie. 58.1.6
Antihistaminika
H1-Rezeptorantagonisten haben aufgrund antidopaminerger und antimuscarinerger Eigenschaften geringe antiemetische Wirkung. Bei Kinetosen und bei Übelkeit und Erbrechen infolge Störungen des Vesti-
Serotoninantagonisten
Glukokortikosteroide
Verschiedene antiemetische Wirkmechanismen der Glukokortikoide werden diskutiert: ▬ Permeabilitätsverminderung der Blut-HirnSchranke, ▬ Verminderung eines passagären Hirnödems, ▬ Reduktion der Prostaglandinsynthese und inflammatorischer Veränderungen im Gastrointestinaltrakt nach Chemotherapie. Die Rolle von Glukokortikoiden als Antiemetika unter Chemotherapie (insbesondere bei der Spätsympto-
603 58.2 · Prokinetika SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
matik) und in der postoperativen Antiemese ist inzwischen unbestritten.In Kombination mit 5-HT3-Antagonisten führen sie zu einer deutlichen Wirksamkeitssteigerung. Die Liste der Steroidnebenwirkungen ist lang; bei kurzfristiger Anwendung spielen sie jedoch meist keine Rolle. Hier können Blutzuckerentgleisungen, Psychosen und Unruhezustände problematisch sein. 58.1.9
Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten
Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten verhindern die Freisetzung von Substanz P im Nucleus ambiguus und wirken somit antiemetisch.Bei postoperativem,strahlen- oder chemotherapieinduziertem Erbrechen zeigte diese neue Wirkstoffklasse vielversprechende Erfolge [Navari 1999]. Der Neurokin-1-(NK1-)Rezeptorantagonist Aprepitant (Emend) ist inzwischen in Deutschland zugelassen und wird in einer Dosis von 125 mg am Tag 1,gefolgt von 80 mg an Tag 2 und 3 meistens in Kombination mit Dexamethason (oral 12 mg Tag 1, 8 mg Tag 2–4) und Odansetron (i.v. 32 mg Tag 1) insbesondere effektiv bei Chemotherapien mit Cisplatin eingesetzt. Kontraindiziert ist Aprepitant bei Patienten,die Medikamente einnehmen, die über das CYP-3-4-System metabolisiert werden.
verstärkt den Tonus des unteren Ösophagussphinkters und erhöht die gastrale Motilität. Die Magenentleerung fester und flüssiger Phasen wird durch Domperidon beschleunigt. Aufgrund des fehlenden Übertritts der Blut-Hirn-Schranke bleiben jedoch extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen aus. Cisaprid Cisaprid ist ein bis zu 15fach stärkerer 5-HT4-Rezeptoragonist als Metoclopramid. Es begünstigt die Freisetzung von Acetylcholin aus den postganglionären Nervenendigungen des Plexus myentericus. Im Gegensatz zu Metoclopramid, dessen prokinetische Wirkung auf den oberen Gastrointestinaltrakt beschränkt bleibt, wirkt Cisaprid auch auf die Dünn- und Dickdarmmotilität. Aufgrund fataler proarrhythmischer Effekte in Kombination mit Medikamenten,die das QT-Intervall verlängern oder mit dem cytochrom-P450-abhängigen Metabolismus des Cisaprid interagieren, wurde Cisaprid inzwischen vom Markt genommen. Durch den Wegfall des Cisaprids steht kein Medikament mehr zur Verfügung, das rein prokinetisch wirkt. Alternativ können derzeit für den oberen Gastrointestinaltrakt die Antiemetika Metoclopramid und Domperidon eingesetzt werden, die auch über prokinetische Eigenschaften verfügen. 58.2.2
58.2
Prokinetika
58.2.1
Substituierte Benzamide
Metoclopramid Metoclopramid hat neben antidopaminergen und 5-HT3-Rezeptorantagonisteneigenschaften auch eine 5-HT4-rezeptoragonistischen Wirkung und damit einen prokinetischen Effekt. Über eine verstärkte Acetylcholinfreisetzung erhöht Metoclopramid den Druck im unteren Ösophagussphinkter. Im Magen steigert Metoclopramid die Frequenz und Amplitude antraler Kontraktionen, fördert die antroduodenale Koordination und die Phase-III-Aktivität. Obwohl Metoclopramid die Magenentleerung beschleunigt, zeigte sich in den meisten Studien keine Wirkung auf die Symptomatik der Gastroparese. Domperidon Domperidon wirkt ähnlich wie Metoclopramid am oberen Gastrointestinaltrakt [Pandolfino 2000]. Es
58
Motilinagonisten
Erythromycin Das Makrolidantibiotikum Erythromycin ist ein hochpotenter Motilinagonist, der die Stärke und Frequenz antraler Kontraktionen erhöht und Phase-IIIKontraktionen auslöst. Die i.v.-Applikation führt zu einer deutlichen Beschleunigung der Magenentleerung. Aber auch die niedrig dosierte orale Erythromycingabe (3¥50 bis 3¥250 mg p.o.) bewirkt eine anhaltende Verkürzung der Magenentleerungszeiten. Höhere Dosierungen scheinen starke Kontraktionen mit eher inhibitorischen Effekt hervorzurufen. Bisher ist Erythromycin nicht zur Therapie der Gastroparese zugelassen. Am unteren Gastrointestinaltrakt finden sich deutlich weniger Motilinrezeptoren, weswegen Erythromycin kaum Effekte auf die Kolontransitzeit zeigt. Derzeit befinden sich zahlreiche andere Makrolidanaloga, die als Motilinrezeptoragonisten wirken und weniger antibiotisch wirksam sind, in klinischer Erprobung.
604
58.2.3
Kapitel 58 · Prokinetika, Antiemetika SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Cholinergika
Neostigmin Bei Darmatonie können Parasymathomimetka wie Neostigmin die Peristaltik wieder anregen. Neostigmin zeigt als indirektes Cholinergikum bei der postoperativen Darmatonie, bei der intestinalen Pseudoobstruktion [Ponec 1999] und auch bei der Obstipation im Rahmen eines Reizdarmsyndroms gute therapeutische Erfolge (0,5–2 mg Neostigmin als langsame i.v.-Infusion). 58.2.4
VIII
Andere motiltätssteigernde Substanzen
Ceruletid Ceruletid ist ein Cholecystokininagonist (CCK), der hauptsächlich im oberen Gastrointestinaltrakt wirkt, eine starke Kontraktion der Gallenblase auslöst, aber auch bei der postoperativen Darmatonie Verwendung findet (40 µg Takus in 500 ml NaCl 0,9% mit 4 ml/min i.v.) Übelkeit, abdominelle Krämpfe, Diarrhö, Kopfschmerzen und orthostatische Dysregulationen können auftreten. Tegaserod Tegaserod ist ein partieller 5-HT4-Rezeptoragonist. Bei Patienten mit Reizdarm und Obstipation be-
schleunigt sich unter Tegaserod (2¥2 mg p.o.) die Dünn- und Dickdarmpassage [Prather 2000]. Im Gegensatz zu Cisaprid scheint Tegaserod keinen Einfluss auf das QT-Intervall zu haben. Weitere 5-HT4Agonisten (z. B. Prucaloprid, ein Benzfuranderivat) sind in klinischer Erprobung.
Literatur Albibi R, McCallum RW (1983) Metoclopramide: pharmacology and clinical application. Ann Intern Med 98: 86–95 AGA (2001) AGA technical review on nausea and vomiting. Gastroenterology 120: 263–286 Navari RM, Reinhardt RR, Gralla RJ et al. (1999) Reduction of cisplatin-induced emesis by selective neurokinin-1-receptor antagonist. N Engl J Med 340: 190–195 Pandolfino LE, Howden CW, Karhilas PJ (2000) Motility-modifying agents and management of disorders in gastrointestinal motility. Gastroenterology 118: S32–S47 Ponec RJ, Saunders MD, Kimmey MB (1999) Neostigmin for the treatment of acute colonic pseudoobstruction. New Engl J Med 341: 137–141 Prather CM, Camilleri M, Zinsmeister AR et al. (2000) Tegaserod accelerates orocecal transit in patients with constipationpredominant irritable bowel syndrome. Gastroenterology 118: 463–468 Tramer MR, Carroll D, Campbell FA et al. (2001) Cannabinoids for control of chemotherapy induced nausea and vomiting: quantitative systematic review. Br Med J 323: 16–21
59 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Ulkustherapeutika W. Rösch 59.1 Physiologie und Pharmakologie der Magensäurensekretion – 606 59.2 Antazida
– 606
59.3 Sucralfat
– 607
59.4 Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten (H2-Blocker) 59.5 Protonenpumpeninhibitoren (PPI) 59.6 Prostaglandin-E-Analoga 59.7 Parasympatholytika Literatur
>>
– 607
– 608
– 611
– 611
– 611
Kaum ein gastroenterologisches Krankheitsbild hat in den vergangenen 30 Jahren einen derartigen Wandel hinsichtlich der medikamentösen Therapie erfahren wie das Ulkusleiden. Ulkustherapeutika, die noch in den 1970er Jahren als Meilenstein betrachtet wurden, wie das Carbenoxolon-Natrium, bei dem erstmals eine Beschleunigung der Ulkusheilung dokumentiert werden konnte, sind verschwunden – nicht zuletzt wegen der mineralokortikoiden Nebenwirkungen. Andere wie die Muscarinrezeptorantagonisten (Pirenzepin) sind mit dem Schlagwort der medikamentösen Vagolyse großgeworden, aber ebenso wie die proximal selektive Vagotomie wieder verlassen worden. Die in den 1980er Jahren gewonnene Erkenntnis, dass das Ulkusleiden bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten eine durch Helicobacter pylori (H.p.) hervorgerufene Infektionskrankheit darstellt oder dass zumindest die Rezidivneigung des peptischen Ulcus durch eine H.p.-Gastritis gesteuert wird, hat zu einem Umdenken in der Therapie geführt. Mittels Sanierung der Infektion durch eine Kombination von Antibiotika mit einer antisekretorischen Therapie ist Heilung möglich. Ulkustherapeutika werden jedoch nicht nur beim klassischen Ulkusleiden, sondern auch bei der Dyspepsie, der Refluxkrankheit der Speiseröhre, bei der ASS-/NSAR-Gastropathie und beim operierten Magen eingesetzt, sodass die wichtigsten aktuellen Medikamente nachfolgend dargestellt werden.
VIII
606
Kapitel 59 · Ulkustherapeutika SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
59.1
Physiologie und Pharmakologie der Magensäurensekretion
Das Verständnis der Magensäuresekretion und deren pharmakologische Beeinflussung hat in den letzten 2 Jahrzehnten die Entwicklung neuer Medikamente zur Ulkustherapie ermöglicht. Es spielen verschiedene membranständige Rezeptoren, aber auch intrazelluläre Signaltransduktionswege, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaße, in der Regulation der gastralen Säuresekretion eine Rolle. Während die Rezeptoren für Gastrin, Acetylcholin und Histamin an der kontraluminale Seite der Parietalzelle lokalisiert sind, ist die sekretorische Endstrecke für Protonen der lumenwärtes gerichteten Seite dieser Zellen zugewandt. Wie in ⊡ Abb. 59.1 vereinfacht dargestellt, ermöglichte erst die Entwicklung direkt wirkender Protonenpumpeninhibitoren (PPI) eine vollständige Hemmung der Säuresekretion. 59.2
Antazida
Die Säureneutralisation stellt ein bereits in der Antike praktiziertes Theapieprinzip bei dyspeptischen Beschwerden dar, das auch heute noch im Vorfeld der Mukosa
⊡ Abb. 59.1. Physiologie und Pharmakologie der Magensäurensekretion: Stimulation der Belegzelle über 3-, Hemmung über 2-Rezeptor-Typen. Stimulation der Protonenpumpe
ärztlichen Diagnostik weite Verbreitung findet. Freiverkäufliche Antazida auf Natriumbikarbonat-, Kalziumkarbonat-, Aluminiumhydroxyd- oder Magnesiumhydroxydbasis (⊡ Tabelle 59.1) werden immer dann eingenommen, wenn der Betroffene glaubt, seine Magensäure mache ihm zu schaffen. Neben der Säureneutralisation wird auch die Pepsininaktivierung, die Adsorption von Gallensäuren und die Freisetzung von Prostaglandinen therapeutisch genutzt. Durch hohe Dosen eines aluminiumhydroxydhaltigen Antazidums (über 1000 mval Neutralisationskapazität) kann ein Ulcus duodeni beschleunigt zur Abheilung gebracht werden [Petersen 1977], ähnliche Ergebnisse wurden auch beim Ulcus ventrikuli mit wesentlich niedrigeren Dosen (z. B. 120 mval Neutralisationskapazität) erzielten. Einnahmekomfort und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (⊡ Tabelle 59.2) haben dieses Therapiekonzept jedoch mit Aufkommen der H2-Blocker,auch in Kombination mit diesem Wirkprinzip, nicht weiter verfolgen lassen. Nachdem in kontrollierten Studien gezeigt wurde, dass Antazida bei funktioneller Dyspepsie nicht wirksamer als Placebo sind, spielt diese Substanzklasse in der gastroenterologischen Fachpraxis keine Rolle mehr. Auch zur Stressulkusprophylaxe oder zur Magenschutztherapie bei ASS/NSAR oder Kortisongabe Lumen
durch Ca2+ und cAMP, induziert durch Acetycholin, Gastrin und Histamin, Hemmung durch Somatostatin und Prostaglandin E2. (Mod. nach Mutschler et al. 2001)
607 59.4 · Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten (H2-Blocker) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 59.1. Antazida Präparat (Handelsname)
Substanz(en)
Gavison
Alginsäure, Aluminiumhydroxid Aluminium-MagnesiumSilikathydrat
Maalox, Maaloxan, Progastrit
Aluminiumhydroxid, Magnesiumhydroxid
Phosphalugel
Kolloidales Aluminiumphosphat
Rennie
Calciumcarbonat, Magnesiumcarbonat
Riopan
Aluminium-Magnesiumhydroxid-sulfathydrat (= Magaldrat)
Solugastril
Aluminiumoxid, Calciumcarbonat
Talcid
Aluminium-Magnesiumhydroxid-Carbonathydrat (Hydrotalcit)
Trigastril
Aluminiumhydroxid, Magnesiumhydroxid, Calciumcarbonat
liegen keine schlüssigen Therapiestudien vor, bzw. es gibt heute wirksamere Alternativen. Lediglich bei episodischem Sodbrennen spielen Antazida,wohl auch aus Kostengründen noch eine gewisse Rolle,um rasche Beschwerdefreiheit,wenn auch nur vorübergehend,zu gewährleisten.Eine Wirkungsverlängerung wird dabei in Kombination mit einem OTC-H2-Blocker (z. B. Pepcid dual) erreicht. 59.3
⊡ Tabelle 59.2. Wechselwirkungen von Antazida und anderen Medikamenten Wirkungen
Gelusil
Sucralfat
Das basische Aluminiumsaccharosesulfat Sucralfat (Sucralfat-ratiopharm,Sucralphil,Ulcogant) bildet auf der Ulkusoberfläche Komplexverbindungen mit basischen Proteinen und verhindert dadurch den Angriff aggressiver Faktoren wie Salzsäure, Pepsin und Galle. Ferner verstärken Sucralfat bzw. freigesetzte Aluminiumionen die Prostaglandinsynthese,was mit einer beschleunigten Ulkusabheilungsrate einhergehen sollte. Sucralfat wird heute nur noch gelegentlich in Suspensionsform (4¥1 g) bei der alkalischen Refluxösophagitis, z. B. nach Gastrektomie eingesetzt, evtl. in
59
Adsorption
Resorption
Renale Ausscheidung
Betroffene Medikamente Isoniazid Tetrazykline
Erhöht
Sulfonamide Antikoagulantien?
Erniedrigt
Tetrazykline Digitalis Chlorpromazin Pentobarbital Carbenoxolon
Erhöht
Salizylate
Vermindert
Chinidin Amphetamin
Kombination mit einem Prokinetikum. Die Ergebnisse sind genauso wenig überzeugend wie bei der Gabe von Aluminiumhydroxyd, Cholestyramin oder nichttoxischen Gallensäuren. Sucralfat kann beim kritisch Kranken zur Stressulkusprophylaxe eingesetzt werden (6¥1 g via Magensonde). Obwohl Hinweise für eine bakteriostatische Wirkung von Sucralfat bestehen, ergab eine umfassende Metaanalyse nur eine tendenzielle Reduktion der Pneumonierate unter Sucralfat verglichen mit H2Blockern oder Antazida [Cook 1996]. Bei schwerer Einschränkung der Nierenfunktion sollte Sucralfat wegen des Aluminiumanteils nicht gegeben werden. 59.4
Histamin-H2-RezeptorAntagonisten (H2-Blocker)
Histamin ist der stärkste Säurestimulator; klassische Antihistaminika erwiesen sich jedoch als unwirksam bei der Säureblockade.Erst als Sir James Black 1972 die Existenz von H1- und H2-Rezeptoren im menschlichen Organismus nachweisen konnte,war der Weg zur Entwicklung wirksamer Ulkustherapeutika vorgezeichnet. Mit dem Cimetidin, das 1977 auf den Markt kam, wurde die bislang stationär durchgeführte Ulkustherapie zu einem ambulanten Gewerbe, Standardtherapie wurde jedoch die Behandlung mit der Nachfolgesubstanz Ranitidin, das eine 10-mal größere Affinität zum H2-Rezeptor und keine Affinität
608
Kapitel 59 · Ulkustherapeutika SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 59.3. Dosierung und Pharmakokinetik von H2-Blockern
VIII
Substanz
Tagesdosis [mg]
Bioverfügbarkeit [%]
Renale Ausscheidung [%]
HWZ [h]
Cimetidin Ranitidin Nizatidin Roxtidinacetat Famotidin
800 300 300 150 40
57–66 50 60
56 30 65 49 32
1,5–2 2–3 0,5–2 4–6 2,5–4
40–45
zum Androgenrezeptor aufwies und in therapeutischen Dosen keinen hemmenden Einfluss auf das arzneimittelabbauende P450-System der Leber zeigte (⊡ Tabelle 59.3). Ranitidin beherrschte für ein Jahrzehnt die Therapie säureassoziierter Erkrankungen, von der Ulkuskrankheit über die Refluxkrankheit bis zur Dyspepsie,der ASS-/NSAR-Gastropathie und dem Zollinger-Ellison-Syndrom. Nicht nur für die Akuttherapie, sondern auch zur Rezidivprophylaxe erwiesen sich die H2-Blocker als therapeutische Revolution. Eine medikamentöse Langzeitbehandlung mit 150 mg Ranitidin konnte die Rezidivrate des Zwölffingerdarmgeschwürsleidens um 80%, nämlich auf 13% im ersten Jahr und 9,7% im zweiten Jahr senken. Die Entdeckung eines noch wirksameren Therapieprinzips, nämlich der Protonenpumpenblockade sowie die Wiederentdeckung von Helicobacter pylori führte zu einem Niedergang der H2-Blocker nach dem Motto das Bessere ist des Guten Feind, sodass H2-Blocker heute in der Ulkustherapie praktisch nicht mehr eingesetzt werden. Auch Kombinationen von H2-Blockern mit Antibiotika in der Tripeltherapie zur H.p.Eradikation sind vergleichenden Schemata mit PPI eindeutig unterlegen. Seit Sommer 2000 sind die H2-Blocker aus der Rezeptpflicht entlassen und als OTC-Präparate frei verfügbar. Die Indikation wurde dabei vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM auf die Indikation Sodbrennen eingeschränkt, um nicht Symptome eines Magenneoplasmas durch diese Selbstmedikation zu kaschieren. 59.5
Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
Die 1990er Jahre sind zu Recht als das Jahrzehnt der Protonenpumpenhemmer, der Prazole, tituliert worden. Die Säurehemmung war an der gemeinsamen
Endstrecke aller rezeptorvermittelten Botenstoffe,der H+-K+-ATPase, möglich (⊡ Abb. 59.1). Parallel dazu verlief die Wiederentdeckung von Helicobacter pylori, sodass nach dem Mukosa-Schaden-Modell von Stolte die Therapie peptischer Läsionen auf eine neue Basis gestellt wurde. Der Säurefaktor trat gleichwertig neben die Mukosaläsion: während man früher den Säurefaktor durch eine Magenteilresektion (oder eine Vagotomie) auszuschalten versuchte, wird heute primär der Mukosaschaden,in erster Linie die chronische H.p.-Gastritis angegangen. Wirkungmechanismus Bei Benzimidazolderivaten handelt es sich um Prodrugs,die erst im sauren Milieu in die entsprechenden aktiven Sulfenamide umgewandelt werden. Nach Magenpassage (magensaftresistender Überzug!) werden die Substanzen im Dünndarm resorbiert und gelangen über den Blutweg in die Canaliculi der Belegzelle. Hier kommt es im sauren Milieu über eine als Zwischenstufe entstehende Spiroverbindung zur Umlagerung in die entsprechende Sulfensäure. Diese geht unter Wasserabspaltung in den eigentlichen wirksamen Metaboliten, das zyklische Sulfenamid, über (⊡ Abb. 59.2). Letzteres reagiert mit der a-Einheit der H+-K+-ATPase,das Enzym wird irreversibel blockiert. Eine Enzymregeneration ist nur durch Neubildung möglich, sodass die Wirkung der verschiedenen Benzimidazolderivate trotz ihrer zunächst kurzen Halbwertszeit (⊡ Tabelle 59.4) 1–3 Tage anhält. Wichtig Da die Bildung des Spiroderivats durch Protonierung nur im sauren Milieu erfolgt, reichern sich die PPI pH-abhängig am Wirkort an.
Therapeutisches Spektrum Bei 99% aller Ulcera duodeni und bei 70–80% aller Ulcera ventriculi wird ein H.p.-Nachweis geführt;
609 59.5 · Protonenpumpeninhibitoren (PPI) SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
59
⊡ Abb. 59.2. Bioaktivierung von Omeprazol und irreversible Bindung an die H+/K+-ATPase. (Nach Mutschler et al. 2001)
daher steht die Sanierung der H.p.-Infektion heute im Mittelpunkt der Ulkustherapie.Die Daten der MACHII-Studie belegen dabei, dass bei der Kombinationstherapie von 2 Antibiotika mit einem PPI der letztgenannten Substanz eine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Säureblockade schafft einen pH-Bereich, der die Antibiotika, gleichgültig ob in der französi-
schen oder italienischen Tripeltherapie und weitgehend unabhängig von evtl. Primärresistenzen, optimal zur Wirkung bringen kann. Therapieversager können in der Regel in einem 2. Anlauf durch eine Quadrupletherapie oder eine 2-wöchige Hochdosisdualtherapie saniert werden. Die Rezidivrate des Ulkusleidens kann durch diese H.p.-Therapie auf unter
610
Kapitel 59 · Ulkustherapeutika SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 59.4. Dosierung und Pharmakokinetik von Protonenpumpenblockern Substanz
Dosierung [mg]
Bioverfügbarkeit [%]
Einfluss von Nahrung
Eiweißbindung [%]
HWZ [h]
Renale Ausscheidung [%]
Omeprazol Lanzoprazol Pantoprazol Rabeprazol Esomeprazol
20 30 40 20 40
ª50 80–90 ª75 ª50
Nein Ja (Nein) Nein Nein
ca. 95 97 98 97
ca. 0,7 1–1,5 ª1 ª1 ª1
80 32 80 35 80
3% gesenkt werden, wobei im Einzelfall zu prüfen ist, ob es sich bei Persistenz des Erregers um einen Therapieversager, eine Recrudeszenz oder eine Reinfektion handelt.
VIII
Wichtig Beim H.p.-negativen Ulkus ist in erster Linie an die häufig verschwiegene (oder geleugnete) Einnahme von ASS oder NSAR zu denken.
Die NSAR-Gastropathie, primär gekennzeichnet durch eine Typ-C-Gastritis, geht mit einer hohen Ulkusprävalenz,bevorzugt im Magen einher.Zur Therapie des NSAR-Ulkus haben sich,insbesondere wenn die Rheumatherapie nicht unterbrochen werden kann, wiederum die PPI durchgesetzt, bei denen es nicht zu einer Toleranzentwicklung wie bei den H2Blockern kommt. Zur Prävention sind PPI ebenso geeignet: eine Magenschutztherapie sollte dabei in erster Linie bei Patienten mit positiver Ulkusanamnese, bei über 60jährigen, bei langdauernder und hochdosierter NSARTherapie und bei Patienten praktiziert werden, die zusätzlich Glukokortikoide oder Antikoagulantien einnehmen. Alternativ kämen hier auch orale Prostaglandine in Betracht ( s. Kap. 59.6). Beim rezidivierenden H.p.-negativen Ulkus sowie beim Ulkus im operierten Magen wird heute eine medikamentöse Langzeittherapie bevorzugt, ebenso wie beim Zollinger-Ellison-Syndrom, wobei hier Dosen bis 320 mg eines Prazols erforderlich werden können. Zumindest in der Therapie der Refluxkrankheit der Speiseröhre bestehen keine Unterschiede zwischen den einzelnen PPI, äquipotente Dosen vorausgesetzt: Omeprazol 20 mg (Antra mups), Pantoprazol 40 mg (Pantozol,Rifun),Lansoprazol 30 mg (Agopton, Lanzor) und Rabeprazol 20 mg (Pariet). Die Behandlung erfolgt in der Akutphase mit der o. g. Standard-
dosierung; bei der in 75% bei der endoskopienegativen Refluxkrankheit (NERD) bzw. in 90% bei der Refluxösophagitis (ERD) erforderlichen Langzeittherapie reicht zumeist die halbe therapeutische Dosis zur Remissionserhaltung aus. Die Entwicklung des ersten isomeren Protonenpumpenblockers Esomeprazol (Nexium) hat zu einer Verschiebung der Kostengewichte zu ungunsten der sonst als Razemate vorliegenden klassischen PPIs geführt.Die stärkere antisekretorische Wirkung,bedingt durch einen unterschiedlichen Arzneimetabolismus, halbiert die Dosis der Akuttherapie bei der H.p.-Therapie und der nichterosiven Refluxkrankheit. Risiken und Nebenwirkungen Protonenpumpenhemmer gelten als die sichersten Arzneimittel, über die wir heute verfügen. Klinisch relevante Interaktionen im Lebermetabolismus sind von den neueren Substanzen nicht bekannt. Unerwünschte Wirkungen können Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Obstipation, Diarrhö und Hautveränderungen sein. Zwar kommt es durch die starke Säurehemmung zu einem Serumgastrinanstieg auf das 2- bis 3fache der Norm, doch führt dies allenfalls zu einer Hyperplasie der ECL-Zellen der Korpusschleimhaut, also einer Proliferation endokriner Zellen ohne klinische Relevanz. Ferner ist unter der Langzeitmedikation mit einem Abfall des Vitamin-B12-Spiegels,allerdings nicht in einen therapiebedürftigen Bereich zu rechnen, während Eisen- und Kalziumresorption unbeeinflusst bleiben. Kontrovers diskutiert wird die Beobachtung, dass sich eine präexistente H.p.-Gastritis unter einer PPI-Langzeittherapie aus dem Antrum in die Korpusregion verlagern kann. Da eine korpusdominante Gastritis gehäuft beim Magenkarzinom zu finden ist, steht zu Diskussion, ob vor einer PPI-Langzeittherapie, z. B. bei der Refluxkrankheit der Speiseröhre,
611 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
eine Sanierung einer H.p.-Gastritis empfohlen werden sollte. Magenkarzinoide sind bislang beim Menschen unter einer antisekretorischen Therapie nicht beobachtet worden; die vor knapp 10 Jahren vorwiegend in Deutschland beobachteten Seh- und Hörstörungen unter Omeprazol haben einer kritischen Überprüfung durch die Europäischen Gesundheitsbehörden nicht standhalten können. Die anteriore ischämische Optikusatrophie (AION) war dabei Folge einer akuten Blutung und nicht mit der i.v.-Gabe von Omeprazol in Verbindung zu bringen. Protonenpumpenblocker werden hauptsächlich über CYP2C19 und in geringem Umfang über CYP3A metabolisiert.Folglich kann die Elimination von Warfarin, Diazepam und Phenytoin und anderen oxidativ biotransformierten Arzneistoffen verzögert werden. 59.6
Prostaglandin-E-Analoga
Basierend auf dem Wisssen, dass ASS und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) die Schutzmechanismen der Magenmukosa über eine Hemmung der Prostaglandinsynthese zu alterieren vermögen,lag es nahe, den dadurch ausgelösten Prostaglandinmangel der Magenschleimhaut durch Gabe von Prostaglandinen bzw. Prostaglandinanaloga zu kompensieren. Misoprostol (Cytotec), das einzige derzeit als Ulkustherapeutikum im Handel befindliche Prostaglandin-E-Derivat, hat sich jedoch wegen gravierender Nebenwirkungen wie Durchfall (20–40%!), Bauchkrämpfe (bis 20%) und Uterustonisierung (in der Schwangerschaft kontrainduziert) nicht durchsetzen können, hat jedoch eine Nische bei der Gastroprotektion gefunden. Das Medikament wirkt bei gleichzeitiger Einnahme von ASS/NSAR protektiv im Magen,weniger im Zwölffingerdarm, da die antisekretorische Wirkung eher schwach ist. Eine Kontraindikation besteht bei Frauen im gebärfähigen Alter. Im direkten Vergleich mit Omeprazol hat sich Misoprostol sowohl was die Heilung NSAR-induzierter Ulzera anbelangt als auch bei der Magenschutztherapie als unterlegen erwiesen. Das Kombinationspräparat Arthotec (Diclofenac 50 mg + Cytotec 200 µg) bzw. Arthotec forte (Diclofenac 75 mg+ Cytotec 200 µg) spielt heute nur noch eine untergeordnete Rolle,nachdem die ersten COX-2-selektiven Antirheumatika mit Rofecoxib (Vioxx),Celecoxib (Celebrex) und Valdecoxib (Bextra) auf den Markt gebracht wurden, die die unerwünschten gastralen Nebenwirkungen nicht mehr aufweisen (Kap. 13). Es wird empfohlen, bei Pa-
59
tienten mit positiver Ulkusanamnese auch bei Gabe der Coxibe eine Magenschutztherapie zu praktizieren. 59.7
Parasympatholytika
Parasympatholytika unterdrücken durch kompetitive Hemmung von Muscarinrezeptoren die Salzsäureund Pepsinogensekretion. Dieser Effekt könnte mit den klassischen Parasymphatolytika (z. B. Atropin) erst mit Dosierungen erreicht werden, die bereits zu erheblichen Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Tachykardie, Akkommodationsstörungen) führen. Pirenzepin (Gastricur, Gastrozepin, Ulcoprotect) Pirenzepin besitzt eine deutlich höhere Affinität zu ganglionären M1-Rezeptoren als zu postganglionären Muscarinrezeptoren vom Typ M2 und M3, was zu einer im Vergleich zu Atropin deutlich selektiveren Verringerung der Magensekretion führt. Nach oraler Gabe wird die Substanz lediglich zu 30% resorbiert, die Ausscheidung erfolgt in vorwiegend unveränderter Form im Urin und in den Fäzes (Plasmahalbwertszeit ca. 10 h). Die Nebenwirkungen entsprechen denen üblicher Parasymphatolytika,sind aber weniger deutlich ausgeprägt. Bei im Vergleich zu H2-Antagonisten und PPI deutlich schlechterer Verträglichkeit,wird Pirenzepin, wenn überhaupt, verschiedentlich noch in der Stressulkuspropylaxe einsetzt. In der Ulkustherapie kommt ihm keinerlei Bedeutung mehr zu.
Literatur Classen M (1992) Ranitidin. Dokumentation eines Erfolges. Verlag für Medizin. Dr. Ewald Fischer, Heidelberg Cook DJ, Reeve BK, Guyatt GH et al. (1996) Stress ulcer prophylaxis in critically ill patients: Resolving discordant metaanalyses. JAMA 275: 308–314 Halter F (1982) Antazida. Urban & Schwarzenberg, München Mutschler E, Geisslinger G, Kroemer HK, Schäfer-Korting M (2001) Mutschler Arzneimittelwirkungen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart Peterson W, Sturdevant RAL, Frankl HD et al. (1977) Healing of duodenal ulcer with an antacid regimen. N Engl J Med 297: 341–346 Rösch W (2000) Moderne Protonenpumpenhemmer in der Gastroenterologie. Uni-med, Bremen Rösch W, Meyer U (1981) Konservative Ulkustherapie im Wandel der Zeit. Arznei Müller-Rorer, Bielefeld
SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Grundlagen der Chemotherapie F. Gieseler 60.1
Epidemiologie
60.2
Pathophysiologische Besonderheiten gastrointestinaler Tumoren – 613
60.2.1 60.2.2 60.2.3
Langsame Proliferationsrate gastrointestinaler Tumoren Mutationen gastrointestinaler Tumoren – 613 Tumorstadien gastrointestinaler Tumoren – 614
60.3
Eingesetzte Zytostatika
60.4
Tumorbiologie und Chemosensitivität
60.4
Zusammenfassung und Perspektiven
Literatur
>>
– 613
– 613
– 614 – 615 – 616
– 616
Die Therapie von Patienten mit fortgeschrittenen gastrointestinalen Tumoren ist nach wie vor in vielen Bereichen experimentell und nicht durch valide randomisierte Studien nach den Kriterien der »evidence based medicine« begründet. Dies ist insofern erstaunlich, als gastrointestinale Tumoren zu den häufigsten Malignomen in der westlichen Welt gehören. Eine der Ursachen für das Fehlen gut begründeter Standardtherapien ist, dass gastrointestinale Tumoren eine Reihe molekulargenetischer und zellbiologischer Besonderheiten aufweisen, die ihre Therapie mit konventionellen chemotherapeutischen Prinzipien erschweren.
613 60.2 · Pathophysiologische Besonderheiten gastrointestinaler Tumoren SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
60.1
Epidemiologie
Im deutschen Krebsatlas von 2002 standen unter den 20 häufigsten Krebstodesursachen Malignome im Darmbereich mit 12,4/12,3% (m./w.), Malignome des Magens mit 5,9/6,4%, Malignome der Bauchspeicheldrüse mit 5,6/6,1% und Malignome der Speiseröhre mit 3,4/3,4%. 60.2
Pathophysiologische Besonderheiten gastrointestinaler Tumoren
60.2.1
Langsame Proliferationsrate gastrointestinaler Tumoren
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine sinnvolle Chemotherapie ist die Selektivität der eingesetzten Therapeutika.Die Selektivität der konventionellen Chemotherapie beruht im Wesentlichen darauf, dass die Hauptangriffspunkte der Zytostatika in bestimmten Zellzyklusphasen zu finden sind (⊡ Tabelle 60.1). Je mehr Zellen sich zum Zeitpunkt der Therapie in dieser sensiblen Zellzyklusphase befinden, umso erfolgreicher ist die durchgeführte Chemotherapie. Wichtig Die Effektivität einer Chemotherapie sinkt prinzipiell mit der Verlängerung der zellulären Proliferationsrate und steigt mit einer Verlängerung der Applikationszeit des Zytostatikums.
⊡ Tabelle 60.1. Hauptangriffspunkte ausgewählter Zytostatika im Zellzyklus Substanz
Sensibelste Zellzyklusphase
Stickstoff lost Chlorambucil BCNU Streptozocin Methotrexat 5-Fluorouracil Zytosinarabinosid Hydroxyharnstoff Doxyrubicin Daunorubicin Mitomycin
M, G1/S G1/S, S G1/S Alle Phasen S Alle Phasen S S S S CM,G1 und/oder G2
60
Während z. B. ein Burkitt-Lymphom oder eine akute lymphatische Leukämie eine Volumenverdopplungszeit von 1–3 Tagen aufweist, ist sie bei gastrointestinalen Tumoren besonders hoch, sie liegt z. B. bei Kolonkarzinomen im Durchschnitt bei 80 Tagen. Das Problem der verringerten Wachstumsrate verstärkt sich noch bei zunehmender Tumorgröße.Während kleine Tumoren oder maligne Zellen in Suspensionszellkultur ein logarithmisches Wachstum aufweisen, vermindert sich die Wachstumsrate mit zunehmender Tumorgröße. Dies ist in vitro bereits ab 108 Zellen zu beobachten, was einem Tumorgewicht von <1 g entspricht. Durch diese verringerte Wachstumsrate reduziert sich auch der Effekt einer Chemotherapie mit zunehmender Tumorgröße, ein Phänomen, das bereits 1825 beschrieben wurde und als »Gompertz-Kinetik« bezeichnet wird [Gompertz 1825]. Heute wissen wir, dass Malignome mit zunehmender Größe durch reduzierte Angiogenese und damit verbundener geringerer Durchblutung, Azidose und anderen Gründen sowohl einen steigenden Anteil sterbender Zellen, als auch einen geringeren Anteil proliferierender Zellen aufweisen. Wichtig Diese Form der Resistenz, die mit der Tumorgröße und der reduzierten Proliferationsrate einhergeht wird auch als »kinetische« Resistenz bezeichnet.
60.2.2
Mutationen gastrointestinaler Tumoren
Das Kolonkarzinom gehört zu den molekulargenetisch am besten aufgeklärten Malignomen. Humane kolorektale Tumoren weisen zu 73% eine Deletion des Chromosom 18 und zu 75% eine Deletion des Chromosom 17 auf [Vogelstein 1987]. Diese Beobachtungen führten im weiteren Verlauf zur Entdeckung des p53-Proteins als ein wichtiges Regulationsprinzip der zellulären Apoptose. P53 wurde auch als »guardian of the genome« bezeichnet und aktiviert den Suizid der Zelle (Apoptose) bei irreparablen DNS-Schäden [Ahnen 1996; Sigal 2000]. Am Beispiel des Kolonkarzinoms ist exemplarisch gezeigt worden, dass im Laufe einer Sequenz von einer gutartigen Läsion bis zum malignen Tumor regelhaft definierte molekulargenetische Alterationen auftreten (»Adenom-Karzinom-Sequenz«). Funktionell betreffen diese Veränderungen Gene, die die DNS-
614
Kapitel 60 · Grundlagen der Chemotherapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Methylierung, die DNS-Reparatur und die Apoptose regulieren. Diese Erkenntnisse sind nicht nur für das Verständnis der Tumorentstehung wichtig, sondern auch für die Auswahl der eingesetzten therapeutischen Prinzipien. In der Therapie hämatologischer Systemerkrankungen werden häufig Chemotherapeutika eingesetzt, die die zelluläre Apoptose durch eine Störung der DNS-Physiologie induzieren. Ein Beispiel sind Anthrazykline, die zu den wichtigsten Chemotherapeutika in der hämatologischen Therapie gehören. Sie induzieren Apoptose, indem sie DNS-Schäden erzeugen und gleichzeitig die DNS-Topoisomerase, die u. a. für die Reparatur der Schäden notwendig ist, hemmen [Gieseler 1999].
hier adjuvante Konzepte eine sinnvolle Berechtigung haben. Die Wahrscheinlichkeit resistenter Klone steigt mit der Anzahl der Zellen [Norton 1977]. Bei einer angenommenen Mutationsrate von 10–5–10–6 liegt die Wahrscheinlichkeit bei 105 Zellen noch bei 0,905,während die Wahrscheinlichkeit bei 107 Zellen bereits auf 0,000045 gesunken ist [Norton 1977]. 107 Zellen entsprechen aber lediglich einem Tumor mit einem Gewicht von weniger als 1 g. Somit ist bereits mathematisch begründbar, dass gastrointestinalen Tumoren bei der Diagnose bereits vielfach gegen chemotherapeutische Interventionen resistent sind. Dieses mathematische Modell wurde später als »Norton-SimonHypothese« bezeichnet [Norton 1986].
Wichtig
VIII
Dieses therapeutische Prinzip ist bei den gastrointestinalen Tumoren, die regelhaft Mutationen im Bereich der DNS-Reparaturgene und der Apoptoseregulation aufweisen, nicht sinnvoll [Gieseler 2000].
60.2.3
Tumorstadien gastrointestinaler Tumoren
Eine kurative Therapie bei gastrointestinalen Tumoren ist nach wie vor lediglich mit einer chirurgischen Resektion möglich.Die internistische Onkologie spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle im Rahmen einer neoadjuvanten Therapie, eines »Downstaging«Konzepts oder einer adjuvanten Chemotherapie. Die therapeutischen Möglichkeiten bei nichtresektablen Tumoren beschränken sich auf palliative bzw. symptomatische Therapien, die multimodal durchgeführt werden. In diesem Indikationsbereich wird die Chemotherapie eingesetzt, um die Lebensqualität der Patienten zu erhalten oder eine bereits eingeschränkte Lebensqualität zu verbessern. Eine möglich Lebensverlängerung spielt hier eine untergeordnete Rolle [Hoffman 1998; Popescu 1999; Waters 1997]. Der Anteil von Patienten, die bereits bei der Diagnosestellung ein fortgeschrittenes Tumorstadium aufweisen, liegt bei Magenkarzinomen bei 80–90%, bei Pankreaskarzinomen über 80% und bei Ösophaguskarzinomen bei etwa 85%. Therapeutische Interventionen haben bei diesen Patienten bereits ab der Diagnose einen palliativ-/symptomatischen Charakter. Lediglich beim Kolonkarzinom sind etwa 50% der Patienten in einem Zustand der Resektabilität, sodass
60.3
Eingesetzte Zytostatika
Die oben beschriebenen vielfachen Resistenzmechanismen führen dazu, dass es im Bereich der gastrointestinalen Onkologie nur wenige Zytostatikagruppen mit nachgewiesener Wirkung gibt. Durch die lange Replikationszeit der Tumoren können im wesentlichen zellzyklusunabhängige zytostatische Prinzipien eingesetzt werden. Hierzu gehören z. B. Pyrimidinantagonisten und Analoga, wie das 5-Fluorouracil (5-FU),dessen molekularer Wirkmechanismus je nach Applikationsart entweder die Hemmung der Thymidylatsynthase oder die Hemmung der RNS-Prozessierung ist [Ghoshal 1997; Wu 1993]. Den gleichen Wirkmechanismus hat auch das Fluoropyrimidyncarbamat Capecitabine,das ein Prodrug von 5-Fluorouracil ist und durch die hepatische Carboxylesterase Cytidindesaminase und intratumorale Thymidinphosphorylase aktiviert wird [van Cutsem 1999]. Gemcitabin hemmt die Ribonukleotidreduktase und die Cytidindesaminase und führt durch den Einbau in die DNS zu einem maskierten Kettenabbruch [Plunkett 1995]. Durch die beschriebenen regelhaften molekularen Resistenzmechanismen, wie Mutationen im Bereich der DNS-Reparatur und des apoptoseinduzierenden Signalwegs, ist eine Induktion der Apoptose durch Herbeiführung von DNS-Schäden bei gastroinestinalen Tumoren nicht sehr wirkungsvoll. Zu den Medikamenten, die diesem Wirkmechanismus aufweisen gehören z. B. Antrazykline, Epipodophyllotoxine und andere Topoisomerase-II-Inhibitoren. Im Gegensatz zur Topoisomerase II wird die Topoisomerase I unabhängig vom Zellzyklus exprimiert,
615 60.4 · Tumorbiologie und Chemosensitivität SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
sodass hier wiederum ein therapeutischer Ansatz bei gastrointestinalen Tumoren gegeben ist [DÁrpa 1995; Kellner 2000]. Irinotecan (CPT-11) hemmt die Topoisomerase I durch Stabilisierung ihres Komplexes mit der DNS und zeigt eine zytostatische Wirkung nicht nur bei Kolonkarzinomen, sondern auch bei Ösophagus- und Magenkarzinomen [Rosen 1998]. Eine Kombination von Irinotecan mit 5-Fluorouracil erhöht zwar die Ansprechrate, aber auch die Nebenwirkungen und sollte deshalb in der palliativen Situation mit Vorsicht eingesetzt werden [deGramont 1997; Saltz 2000; Sargent 2001]. Besonders in Kombination mit Pyrimidinantagonisten haben Platinkomplexe zellzyklusunabhängige Effekte durch eine kovalente Bindung der Aquokomplexe an DNS und Proteine. Dies führt zu einer Vernetzung der DNS und Induktion von »inter-« und »intra-strand Cross-links« vornehmlich an Guanin und Adenin und DNS-Protein »Cross-links« [Marchan 2001]. 60.4
Tumorbiologie und Chemosensitivität
Die Einsatz konventioneller Chemotherapie ist bei metastasierten gastrointestinalen Tumoren auf palliative Effekte beschränkt.Obwohl ca.50% der Tumoren auf die Therapie mit einer partiellen Remission reagiert, sind Vollremissionen und somit Heilungen der Patienten eine Rarität. Der Vergleich einer palliativen Therapie mit 5-Fluorouracil bei metastasierten Kolonkarzinomen (UICC IV, Dukes D) mit einer adjuvanten Therapie im Stadium Tx N1 M0 (UICC III, Dukes C) zeigt, dass für diese Wirkungseinschränkung tumorbiologische Faktoren verantwortlich sind. Eine adjuvante Therapie mit 5-Fluorouracil und Folinsäure führt zu einer Reduktion der Mortalitätsrate um 22–33% verglichen mit der alleinigen chirurgischen Resektion [Wolmark 1999].
60
Tumorbiologisch unterscheiden sich beide Konstellationen dadurch, dass im Falle der adjuvanten Therapie lediglich Mikrometastasen vorliegen, während in der palliativen Situation manifeste Fernmetastasen nachweisbar sind. Um zu überleben, muss sich die Tumorzelle an diese biologisch völlig unterschiedlichen Situationen anpassen. Der Einbruch eines Tumors in das Gefäßsystem führt zur intravasalen Freisetzung einzelner Tumorzellen. Intravasale Mikrometastasen können nur überleben,wenn sie Adhäsionsmoleküle z. B. aus der Familie der CD44- oder ICAM-Proteine, exprimieren [Choi 2000; Dippold 1993; Streit 1996] und Faktoren sezernieren, die zu einer lokalen Gerinnungsaktivierung führen. Zu diesen Faktoren gehört das »cancer procoagulant A« und der »tissue factor«, deren Auftreten eine frühzeitigen Tumornachweis erlaubt [Kozwich 1994]. Besonders im Randbereich der Mikrometastasen wird Thrombin aktiviert, welches über entsprechende »proteinase activated receptors« (PAR-1 und PAR-4) zu einer Proliferationssteigerung der Tumorzellen führen kann [D’Andrea 2001; Even-Ram 2001]. Extravasale Mikrometastasen müssen ganz andere Überlebensstrategien entwickeln. Sie exprimieren Metalloproteinasen um in das umliegende Gewebe einzudringen und aktivieren lokal die Angiogenese [Kim 1998]. Zum Teil wird eine starke inflammatorische Reaktion ausgelöst, die offensichtlich manchen Tumoren einen Überlebensvorteil verschafft. Umgekehrt wird eine gehäufte Rate an Kolonkarzinomen bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beobachtet [Bernstein 2001]. Zu den »inflammatorischen Malignomen« gehört neben Morbus Hodgkin und dem inflammatorischen Mammakarzinom auch das Kolonkarzinom (⊡ Tabelle 60.2). Ein entsprechender therapeutischer Ansatz sollte so frühzeitig wie möglich im Verlauf der beschriebenen pathophysiologischen Vorgänge eingreifen. Hierzu gehört sicher die Blockade des Gerinnungssystems einschließlich des Thrombins, die Inhibition von
⊡ Tabelle 60.2. Pathophysiologische Mechanismen der Metastasierung Metastasierungsphase
Vorgang
Pathophysiologie
Intravasale Phase
Freisetzung einzelner Tumorzellen durch Gefäßeinbruch
Expression von Adhäsionsmolekülen, lokale Gerinnungsaktivierung
Eindringphase
Durchtritt der Tumorzellen in das Gewebe
Migrationsfähigkeit, Metalloproteinasen
Extravasale Mikrometastase
Bildung von Mikrometastasen
Proliferation, Angiogenese, lokale Entzündung
616
Kapitel 60 · Grundlagen der Chemotherapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Metalloproteinasen und die Inhibition einer Angioneogenese. In den letzten Jahren sind Substanzen entwickelt worden, die entsprechende therapeutische Ansätze ermöglichen, die laufenden Studien werden zeigen, ob Therapiestrategien, die sich an diesen pathophysiologischen Prinzipien orientieren, erfolgreicher sind als Therapien, die ausschließlich mit zytotoxischen Substanzen durchgeführt werden. 60.5
Zusammenfassung und Perspektiven
Wichtig
VIII
Moderne therapeutische Ansätze kombinieren die klassische Chemotherapie mit antitumoralen Strategien, die an den pathophysiologischen Mechanismen orientiert sind. Diese sollten so frühzeitig wie möglich in der Tumorentwicklung einsetzen, um die Ausbildung manifester Metastasen mit allen erwähnten molekularen und zellkinetischen Resistenzmechanismen zu verhindern.
Durch gezielte Inhibition einer entzündlichen Reaktion mit nichtsteroidalen Antiphlogistika kann eine Chemoprävention des Kolonkarzinoms mit 50– 70%iger Risikoreduktion nach längerer Einnahme durchgeführt werden [Reddy 1999; Smalley 1999]. Die Inhibition von Zyklooxigenasen durch nichtsteroidale Antiphlogistika führt zu einer Suppression proinflammatorischer Prostaglandine [Hinz 1999]. Andererseits induziert z. B. Indomethacin Caspase 3 und damit direkte proapoptotische Effekte [Kim 2000]. Für das Überleben einzelner intravasaler Tumorzellen und die Angiogenese im Bereich von Mikrometastasen scheint die lokale Aktivierung des Gerinnungssystems entscheidend zu sein. Hier ergibt sich insbesondere durch die Thrombinhemmung mit niedermolekularen Heparinen ein therapeutischer Ansatz, der bereits in klinischen Studien belegt wurde [von Tempelhoff 2000]. Therapiestudien zur Verbesserung der adjuvanten Therapieergebnisse beim Kolonkarzinom werden zur Zeit durchgeführt [Gieseler 2000]. Metalloproteinaseinhibitoren und Angiogenesehemmstoffe sind in den letzten Jahren entwickelt worden und werden bereits in klinischen Studien eingesetzt. Es ist zu hoffen, dass gezielte Beeinflussung der pathophysiologischen Mechanismen bei der Tumor-
entstehung und Progression die bisher bescheidenen Ergebnisse der zytotoxischen Chemotherapie verbessert [Gieseler 2000; Gieseler 1999].
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60
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SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Grundlagen der Strahlentherapie I. Fraunholz, H. D. Böttcher 61.1
Allgemeine Ausführungen
61.1.1 61.1.2 61.1.3 61.1.4 61.1.5
Kombinationstherapien – 619 Spezielle Bestrahlungstechniken Fraktionierung – 619 Bestrahlungsplanung – 619 Nebenwirkungen – 620
61.2
Therapie
61.2.1 61.2.2 61.2.3 61.2.4 61.2.5 61.2.6
Ösophaguskarzinom – 620 Magenkarzinom – 622 Pankreaskarzinom – 622 Kolonkarzinom – 623 Rektumkarzinom – 623 Analkarzinom – 624
Literatur
>>
– 619 – 619
– 620
– 626
Die Strahlentherapie ist v. a. im Rahmen von multimodalen Konzepten in die Behandlung von gastrointestinalen Tumoren integriert. Die Vorteile dieser lokoregionär einsetzbaren, organ- und funktionserhaltenden Therapie können durch die Kombination mit Operation und Chemotherapie ergänzt und die Wirkung intensiviert werden, wobei es nur zu einer geringfügigen, akzeptablen Erhöhung von Nebenwirkungen kommt.
619 61.1 · Allgemeine Ausführungen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
61.1
Allgemeine Ausführungen
61.1.1
Kombinationstherapien
Bei der Kombination mit einer Operation soll durch die präoperativ durchgeführte Strahlentherapie der Tumor verkleinert, besser abgegrenzt und möglichst in ein operables Stadium überführt werden.Durch die postoperative Radiatio können tatsächlich nachgewiesene oder vermutete Tumorzellen im Operationsgebiet oder im Bereich der Ausbreitungswege devitalisiert werden. Bei der Kombination mit einer Chemotherapie kann v.a.die simultan durchgeführte,kombinierte Radiochemotherapie die Ergebnisse der Strahlentherapie verbessern. Sie führt zu einer lokalen Wirkungsverstärkung, wobei auch ein systemischer Effekt diskutiert wird. Für einige Substanzen konnte eine überadditive, strahlensensibilisierende Wirkung gezeigt werden. Klinisch relevant sind vor allem 5-FU, Cisplatin und Mitomycin C und unter den neueren Substanzen die Taxane und Gemzitabine. Ähnlich wie mit der Operation kann es auch bei dieser Kombinationstherapie z. B. bei überlappenden Toxizitäten zu verstärkten Nebenwirkungen kommen. 61.1.2
Spezielle Bestrahlungstechniken
Brachytherapie Im Rahmen der Strahlentherapie kann eine Dosisintensivierung am Tumor durch den Einsatz der Brachytherapie (Heranbringen eines umschlossenen radioaktiven Strahlerträgers an einen Tumor, sog. Kontakttherapie) erreicht werden. Wegen des steilen Dosisabfalls und der damit verbundenen Schonung des gesunden Gewebes wird dabei mit wenigen Fraktionen von hohen Einzeldosen eine sehr effektive Wirkung am Tumor erzielt. Die intrakavitäre Brachytherapie kann z. B. als lokale Dosisaufsättigung oder als alleinige palliative Therapie innerhalb von Hohlorganen wie dem Ösophagus sinnvoll eingesetzt werden. Die interstitielle Brachytherapie, bei der Strahlerträger invasiv direkt in den Tumor eingebracht werden (sog. »Spickung«) wird u. a. bei der primären Radiotherapie des Analkarzinoms als Boost-Therapie durchgeführt. Auch bei Rezidiven nach Bestrahlung kann im Einzelfall eine interstitielle Brachytherapie noch möglich sein. Die Brachytherapie wird meist in HDR-Technik (»high dose rate«) als (mehrmalige) Kurzzeitbestrahlung mit hoher Dosisleistung und aus
61
Strahlenschutzgründen praktisch ausschließlich im Nachladeverfahren (Afterloading) durchgeführt. Intraoperative Radiotherapie Bei der intraoperativen Radiotherapie (IORT) wird nach operativem Zugang eine hochdosierte Einzeitbestrahlung auf den Tumor bzw.das Tumorbett appliziert, wobei umliegende Organe mechanisch aus dem Strahlengang verlagert werden können. Es handelt sich um eine noch experimentelle Therapieform, die einen großen logistischen Aufwand erfordert (ideal: Beschleuniger im OP-Saal) und aufgrund der erhöhten Wirksamkeit der sehr hohen Einzeldosen Probleme bei der Abschätzung der Toleranz der gesunden Gewebe aufwirft. Größere Erfahrungen liegen für IORT bei Karzinomen des Pankreas, des Magens und des Rektums vor. 61.1.3
Fraktionierung
Bei der üblicherweise durchgeführten perkutanen Strahlentherapie (Teletherapie) ist eine Dosisintensivierung durch die Strahlenempfindlichkeit der den Tumor umgebenden gesunden Organe bzw. Gewebe limitiert. Da durch Parameter wie Gesamt- und Einzeldosis, Bestrahlungsvolumen und Behandlungszeitraum die biologische Wirksamkeit und damit das Ausmaß der akuten und chronischen Nebenwirkungen bestimmt wird,kann durch geänderte Fraktionierungsschemata versucht werden, die »therapeutische Breite« zu vergrößern. So werden bei der hyperfraktionierten akzelerierten Radiotherapie im Gegensatz zur konventionellen Fraktionierung kleinere Einzeldosen mehrmals am Tag verabreicht. Die Akzelerierung wirkt der Repopulierung, d. h. der vermehrten Zellprolieferation nach strahleninduziertem Zelluntergang entgegen.Eine Bestrahlungpause von mindestens 6 h zwischen den einzelnen Fraktionen sollte aufgrund der Dauer der Erholungsvorgänge im gesunden Gewebe eingehalten werden,um schwerwiegende Nebenwirkungen zu vermeiden. Die hyperfraktionierte Radiotherapie, die sich bei den schnell proliferierenden Kopf-Hals-Tumoren bewährt hat, wird z. B. vereinzelt in Studien bei Ösophagus- oder Pankreaskarzinomen untersucht. 61.1.4
Bestrahlungsplanung
Aufgrund des Tiefendosiskurvenverlaufs von Photonen – für die verwendeten Energien liegt das Dosismaxi-
620
Kapitel 61 · Grundlagen der Strahlentherapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
mum in einer Gewebetiefe von wenigen Zentimetern – wird zwangsläufig umgebendes gesundes Gewebe mitbestrahlt. Durch die Kombination und Gewichtung mehrerer (Steh- oder Rotations-)Felder aus verschiedenen Einstrahlrichtungen wird versucht, das Zielvolumen möglichst komplett und homogen zu erfassen und dabei den Anteil an gesundem Gewebe,der mit einer relevanten Dosis bestrahlt wird,zu minimieren.Durch die individuelle CT-gestützte und computergesteuerte (3D)-Bestrahlungsplanung kann anhand des Isodosenverlaufes und der Dosisvolumenhistogramme die Einbeziehung des Zielvolumens und die Schonung der Risikoorgane in der klinischen Routine optimiert werden. Wichtig
VIII
Vorraussetzung für eine konformierende Strahlentherapie ist die exakte Patientenlagerung, die neben der Bequemlichkeit für den Patienten die tägliche Reproduzierbarkeit berücksichtigen und die Möglichkeiten von speziellen Fixations- und Lagerungsmitteln ausschöpfen sollte.
Besondere Einschränkungen ergeben sich durch die Beweglichkeit bzw. den unterschiedlichen Füllungszustand von Organen (z. B. Blase und Rektum). 61.1.5
Nebenwirkungen
Die radiogenen Nebenwirkungen sind organ- bzw.gewebespezifisch. Die akuten Reaktionen, die unter der Bestrahlung besonders in schnell proliferierenden Geweben wie z. B. der Darmschleimhaut auftreten, können symptomatisch behandelt werden und klingen in der Regel nach Therapieende wieder ab. Die chronischen Spätfolgen, die definitionsgemäß nach dem 90. Tag nach Bestrahlungsbeginn auftreten, sind vergleichsweise selten und stellen meist die dosislimitierenden Gewebetoleranzen dar. Abgesehen von sog. »consequential late effects« (z. B. an der Blase) gibt es im allgemeinen keinen Zusammenhang zwischen der Schwere der akuten Reaktionen und dem Auftreten von Spätfolgen. Wichtig Die unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit der Organe wird mit der Toleranzdosis umschrieben, nach der eine bestimmte Nebenwirkung an diesem Organ bei 5% innerhalb von 5 Jahren aufgetreten ist.
Diese sogenannte TD5/5 reicht von 50 Gy für den Dünndarm, 55 Gy für Kolon und 60 Gy für Rektum bis zu >70 Gy für die Harnblase. Diese Dosis ist volumenabhängig, d. h. die Toleranzdosis ist kleiner, wenn das gesamte Organ bestrahlt wird. Die beste Prophylaxe von radiogenen Nebenwirkungen besteht daher in einer optimalen Bestrahlungsplanung. 61.2
Therapie
61.2.1
Ösophaguskarzinom
Für lokal umschriebene, nichtmetastasierte Tumore bestehen sowohl mit der Operation als auch mit der Strahlentherapie kurative Behandlungsmöglichkeiten.Die Indikation zur primären Radio(chemo)therapie wird in dieser Situation am ehesten bei hochsitzenden, schwer zu operierenden Tumoren im oberen 1/ gestellt. Damit können im Vergleich zur Operation 3 bei Vermeidung einer Laryngektomie vergleichbare Ergebnisse erzielt werden [Chan 1999]. Bei lokal fortgeschrittenen nichtresektablen Karzinomen, medizinisch inoperablen Patienten oder Operationsverweigerern ist in Übereinstimmung der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) und denen der Deutschen Krebsgesellschaft die Radiatio die Therapie der Wahl. Sofern keine Kontraindikationen vorliegen und der Allgemeinzustand des Patienten es zulässt (Karnofsky ≥ 60%), sollte jeweils eine simultane Radiochemotherapie durchgeführt werden,die im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie die lokale Tumorkontrollrate erhöhen und die Rate an Fernrezidiven senken kann [Cooper 1999; Herskovic 1992]. Die Kombination aus Cisplatin und 5-FU hat sich dabei in randomisierten Studien gegenüber Mitomycin C und 5-FU als überlegen erwiesen. Neuere Zytostatika wie die Taxane (z. B. Kombination Cisplatin/Paclitaxel) sollten nur im Rahmen kontrollierter prospektiver Studien eingesetzt werden. Mit der primären Radiochemotherapie werden bei akzeptabler Toxizität und Organ- und Funktionserhalt 2-JahresÜberlebensraten von 20–40% beschrieben [Herskovic 1992]. Bei lokal fortgeschrittenen, primär nicht (R0)resektablen Ösophaguskarzinomen kann durch eine präoperative Radiochemotherapie ein Downstaging und damit evtl.Operabilität herbeigeführt werden.Da sich die Daten auf Phase-II-Studien zu Tumoren mit suprabifurkalem oder zervikalem Sitz beziehen, wird dieses Vorgehen nur im Rahmen klinischer Studien empfohlen.
621 61.2 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Eine präoperative alleinige Strahlentherapie ist nicht angezeigt, ebenso wie sich bei R0-resezierten Tumoren aufgrund der Datenlage keine Indikation für eine postoperative Strahlentherapie ableiten lässt. Eine postoperative Radiotherapie bzw. Radiochemotherapie bei ausreichendem Allgemeinzustand sollte allerdings bei R1- oder R2-resezierten Tumoren erfolgen. Bei fortgeschrittenen, metastasierten Tumoren und Lokalrezidiven oder bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand kann durch eine palliative kleinvolumige Strahlentherapie bei etwa 75% der Patienten zumindest eine vorübergehende Beschwerdelinderung erreicht und – evtl. in Kombination mit Laserabtragung, Dilatation und Tubus-/Stentimplantation – die Nahrungspassage wiederhergestellt werden. Als eine für den Patienten wenig belastende Methode wird dabei die intraluminale Brachytherapie empfohlen. ! Cave Als Kontraindikation für eine Strahlentherapie gelten Fisteln zu Trachea oder Bronchialsystem.
61
stand von 3–5 cm nach kranial und 5 cm nach kaudal sowie die regionalen Lymphknoten (d. h. bei suprabifurkalem Sitz Einschluss der supraklavikulären und bei distalem Sitz der zöliakalen Lymphknoten). Der Boost wird auf die Tumorregion mit einem Sicherheitsabstand von 2 cm und die befallenen Lymphknoten verabreicht. Als kritische Organe bei der Planung sind Rückenmark sowie Herz und Lungen zu berücksichtigen. Bestrahlungsplanung. Ösophaguskarzinome werden meist in Rückenlage und – z. T. in Abhängigkeit von der Lokalisation – mit individuellen Feldanordnungen unter Einsatz von Individualsatelliten oder eines Multileafkollimators am Linearbeschleuniger bestrahlt (⊡ Tabelle 61.1). Die ⊡ Abb. 61.1. zeigt eine 5Felder-Planung mit jeweils 2 divergenzfrei angesetzten Stehfeldern von 0° und 180° (mit Myelonsteg im kranialen Anteil) kombiniert mit einem schräg dorsalen Feld von 130°. Bestrahlt wurde mit 6 und 25 MVPhotonen.
Zielvolumen. Bei der kurativen Bestrahlung umfasst
das klinische Zielvolumen den endoskopisch befallenen Ösophagusabschnitt mit einem Sicherheitsab-
Nebenwirkungen. Unter der Bestrahlung ist durch Ödembildung und Ösophagitis, evtl. verstärkt durch
⊡ Tabelle 61.1. Strahlentherapie des Ösophaguskarzinoms Zielvolumen
Gesamtdosis
Fraktionierung
50,4 Gy 10 Gy
5¥1,8 Gy/Woche 5¥2 Gy/Woche
Definitive Radiochemotherapie Tumor und Lymphabfluss Tumor-Boost
oder Brachytherapie-Boost: 2¥7 Gy (in 0,5 cm Gewebetiefe); 1¥/Woche 5-FU 1000 mg/m2 (24-h-Inf.) und Cisplatin 20 mg/m2 jeweils Tag 1–5 und 29–33 Präoperative Radiochemotherapie Tumor und Lymphabfluss
50,4 Gy
5¥1,8 Gy/Woche
5-FU 1000 mg m2 (24-h-Inf.) und Cisplatin 20 mg/m2 jeweils Tag 1–5 und 29–33 Definitive Radiotherapie Tumor und Lymphabfluss Tumor-Boost
50,4 Gy 20 Gy
5¥1,8 Gy/Woche 5¥2 Gy/Woche
oder Brachytherapie-Boost: 2¥7 Gy (in 0,5 cm Gewebetiefe); 1¥/Woche Postoperative Radiotherapie Tumor und Lymphabfluss
50,4 Gy
5¥1,8 Gy/Woche
50,4 Gy
5¥2 Gy/Woche
Palliative Radiotherapie Tumor (und Lymphabfluss)
oder alleinige Brachytherapie, z. B. 5–7 Gy (in 0,5 cm Gewebetiefe); 1–2¥/Woche, je nach Symptomatik wiederholen
622
Kapitel 61 · Grundlagen der Strahlentherapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 61.1. Isodosenverteilung bei Bestrahlung eines Ösophaguskarzinoms (Farbverteilung: Zielvolumen-Grundbestrahlung, -Boost; Isodosen: 100%, 95/94%, 85%, 70%, 50%, 30%, 10%)
VIII Soorbefall, zunächst mit einer Zunahme der Schluckbeschwerden zu rechnen. Die Sicherstellung der Ernährung, z. B. über eine PEG-Sonde, ist daher von erheblicher Bedeutung. Eine umschriebene Pneumonitis,die typischerweise 4–6 Wochen nach Abschluss der Therapie auftreten kann, wird kurzfristig mit Steroiden behandelt. Als Spätfolgen können narbige Stenosen oder Strikturen,umschriebene Lungenfibrose und Perikarditis auftreten. Schwere Komplikationen während oder nach der Therapie stellen Hämorrhagien infolge von Gefäßarrosionen oder Fistelbildung bei Infiltration von Trachea oder Bronchien dar. 61.2.2
Magenkarzinom
Die Strahlentherapie ist bei der Behandlung des Magenkarzinoms wenig etabliert. Multimodale Konzepte wie die präoperative oder postoperative Radio(chemo)therapie werden im Rahmen von Studienprotokollen untersucht. Nach R1-Resektion kann eine postoperative Strahlentherapie die Gesamtprognose nicht verbessern. Eine definitive Strahlentherapie (etwa bei Kontraindikationen gegen Operation und/oder Chemotherapie) oder palliative Strahlentherapie (z. B. kleinvolumig als Schmerzbehandlung) muss individuell diskutiert werden. Die intraoperative Strahlentherapie (IORT), bei der nach operativem Zugang eine hohe Strahlendosis umschrieben auf die Tumorregion appliziert werden kann, ist außerhalb von Studien nicht indiziert.
Einen Paradigmenwechsel bei der kurativen Behandlung des Magenkarzinoms könnten die Ergebnisse einer Intergroup-Studie einleiten. 603 in kurativer Intention operierte Patienten im Stadium Ib bis IV M0 waren randomisiert einer adjuvanten Radiochemotherapie mit 5-FU und Leukovorin zugeführt oder nachbeobachtet worden. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,3 Jahren waren in der Behandlungsgruppe sowohl das krankheitsfreie Überleben (49% vs. 32%) als auch das Gesamtüberleben (52% vs. 41%) signifikant verbessert. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Ergebnisse prospektiv nachzuvollziehen bzw. durch Modifikation des Protokolls weiter zu optimieren sind [MacDonald 2001]. 61.2.3
Pankreaskarzinom
Bei der Behandlung des Pankreaskarzinoms kommt die Strahlentherapie – vorzugsweise in der Kombination mit Chemotherapie – in adjuvanten oder palliativen Situationen zum Einsatz. Wichtig Den Leitlinien der DEGRO zufolge sollte eine adjuvante Radiochemotherapie mit 5-FU Patienten nach kurativer Resektion fortgeschrittener Tumoren (pT3 oder pN1, R0, M0) und Patienten in gutem Allgemeinzustand nach R1- oder R2-Resektion angeboten werden.
Beim lokal fortgeschrittenen, inoperablen Pankreaskarzinom gilt auch gemäß den interdisziplinären Leitlinien die Radiochemotherapie derzeit als wirksamste Therapiemaßnahme (⊡ Tabelle 61.2). Die mediane Überlebensrate dieser Patienten lässt sich damit um ca. 3–8 Monate verlängern. Die prä- und postoperative Strahlentherapie, alleine oder in Kombination mit 5-FU oder anderen Substanzen wie Cisplatin oder Gemzitabine ist Gegenstand vieler randomisierter Studien [Spitz 1997; Yeo 1997]. Die intraoperative Bestrahlung (IORT) z. B. mit einer einmaligen Dosis von 20–30 Gy,gefolgt von einer postoperativen perkutanen Radiochemotherapie mit 5-FU wird ebenfalls unter Studienbedingungen geprüft. Die alleinige Strahlentherapie kommt in der palliativen Situation v. a. im Rahmen der Schmerzbehandlung bei retroperitonealer Infiltration zum Einsatz. Bei ca. 50–70% der Patienten kann damit eine Schmerzreduktion erzielt werden.
623 61.2 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
61
⊡ Tabelle 61.2. Strahlentherapie des Pankreaskarzinoms Zielvolumen
Gesamtdosis
Fraktionierung
45 Gy 5,4 Gy –14,4 Gy
5¥1,8 Gy Woche 5¥1,8 Gy/Woche 5¥1,8 Gy/Woche
50,4 Gy 9 Gy
5¥1,8 Gy/Woche 5¥1,8 Gy/Woche
36–45 Gy
5¥1,8 Gy/Woche
Adjuvante Radiochemotherapie Tumor und Lymphabfluss Tumor-Boost (bei R0-Resektion) Tumor-Boost (bei >R0-Resektion) 5-FU 650–1000 mg/m2 Tag 1–5 und 22–26 Definitive Radiochemotherapie Tumor und Lymphabfluss Tumor Boost 5-FU 650–1000 mg/m2 Tag 1–5 und 29–33 Palliative Radiotherapie Tumor (und Lymphabfluss)
Zielvolumen. Das Zielvolumen umfasst die (ehemali-
ge) Tumorregion – beim Pankreaskopfkarzinom mit duodenalem C-Bogen – sowie die jeweiligen regionalen Lymphabflussgebiete. Ist eine postoperative Radiatio abzusehen, sollten die Resektionsränder durch Clips markiert werden. Als dosislimitierende Risikoorgane sind Dünndarm, Magen, Leber, Nieren und Rückenmark zu berücksichtigen. Nebenwirkungen. Es ist mit z. T. erheblichen akuten
Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen sowie Gewichtsverlust zu rechnen. Im weiteren Verlauf können chronische Ulzerationen oder Strikturen am Dünndarm aber auch Spätfolgen am hepatobiliären System auftreten. 61.2.3
Kolonkarzinom
Der Wert einer Radio(chemo)therapie bei Patienten des UICC-Stadiums III, die – möglichst in kontrollierten prospektiven Studien – einer adjuvanten Therapie zugeführt werden sollten, ist nicht geklärt. In Einzelfällen kann jedoch bei ausgedehnter Lymphknotenmetastasierung oder bei inkompletter Resektion eine Radio- bzw. Radiochemotherapie empfohlen werden. Die Therapieschemata entsprechen denen beim Rektumkarzinom,wobei die klinischen Zielvolumina individuell nach Lokalisation,Ausbreitungsgebiet und klinischem Befund festzulegen sind.
61.2.4
Rektumkarzinom
Die Strahlentherapie hat einen festen Platz innerhalb der multimodalen Therapie lokoregionär fortgeschrittener Rektumkarzinome. Die postoperative adjuvante Radiochemotherapie mit 5-FU kann dabei im Vergleich zur alleinigen Operation die Häufigkeit von Lokalrezidiven um etwa 50% bis unter 10% senken und das Überleben um mindestens 10% verlängern [Pahlman 1995]. Sofern keine Behandlung innerhalb eines kontrollierten Studienprotokolls erfolgt, wird von der DEGRO im UICC-Stadium II und III eine postoperative Radiochemotherapie mit 5-FU in Anlehnung an das O’Connell-Schema empfohlen. Dies steht im Gegensatz zu den interdisziplinären Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft, die eine postoperative Radiochemotherapie nur noch für Tumoren im mittleren und unteren 1/3 und nach erfolgter totaler Mesorektumexstirpation nur noch im Stadium III vorsehen. Abzuwarten sind die sog. S3-Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft, in denen ein Konsensus bezüglich der Indikationsstellung der DEGRO-Leitlinien erwartet wird. Nach lokoregionär inkompletter (R1/ R2)-Tumorresektion (und nach intraoperativem Tumoreinriss bzw.Tumoreinschnitt) sollte – bei Übereinstimmung der Leitlinien – ebenfalls eine postoperative Radiochemotherapie erfolgen.Die postoperative alleinige Bestrahlung kann die Lokalrezidivrate senken,hat aber keinen Einfluss auf die Überlebensdauer. Die präoperative Strahlentherapie, die in den Studien aus Skandinavien (in der unkonventionellen
624
VIII
Kapitel 61 · Grundlagen der Strahlentherapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Fraktionierung von 5¥5 Gy/Woche) einen signifikanten Vorteil hinsichtlich lokaler Tumorkontrolle und z. T. auch Gesamtüberleben bei resektablen Tumorstadien erbrachte, wird v. a. in Hinblick auf eine weitere Optimierung durch die Kombination mit einer Chemotherapie in verschiedenen prospektiven randomisierten Studien untersucht [SRCT 1997]. Außerhalb von Studien wird die präoperative Radiotherapie (vermutlich besser Radiochemotherapie) übereinstimmend empfohlen bei primär nichtkurativ R0-operablen T4-Tumoren. Die definitive alleinige Radio(chemo)therapie sollte nur bei allgemeiner Inoperabilität erwogen werden. Eine palliative Strahlentherapie, die auch im Sinne einer Schmerztherapie wirksam ist,kann bei inoperablen Rezidiven sinnvoll sein. Auch in der Kombination mit perkutaner Radio(chemo)therapie konnte die intraoperative Radiotherapie bisher keinen Benefit erzielen und sollte daher nur im Rahmen von Studien zum Einsatz kommen. Zielvolumen. Das Zielvolumen erstreckt sich auf die Tumorregion mit einem Sicherheitsabstand von 5 cm nach kaudal sowie die regionalen Lymphabflusswege (pararektale,präsakrale und A.-iliaca-interna-Lymphknoten). Nach kranial reicht es bis zur Aortenbifurkation in Höhe Oberkante LWK 5. Der Einschluss des Kreuzbeins – und nach abdominoperinealer Rektumexstirpation des Perineums – ist obligat. Der Boost wird auf die ursprüngliche Primärtumorregion verabreicht. Dabei ist die intraoperative Clipmarkierung des Tumorbettes sehr hilfreich. Bei Rezidiven wird üblicherweise nur die Tumorregion mit ausreichendem Sicherheitsabstand, d. h. ohne Lymphabfluss bestrahlt. Bestrahlungsplanung. Rektumkarzinome werden meist in der 3- oder 4- Felder-Box-Technik unter Verwendung von individuell gefertigten Absorbern oder unter Einsatz eines Multileafkollimators bestrahlt (⊡ Abb. 61.2). Sofern nicht operativ der Dünndarm z.B.durch eine Netzblombe verlagert worden ist,kann in Bauchlage, wie in ⊡ Abb. 61.3 dargestellt ist, ein Lochbrett verwendet werden, auf dem der Darm aus dem Bestrahlungsfeld heraus nach vorne fällt.Sinnvoll ist die Bestrahlung mit gefüllter Blase, sodass zumindest die Blasenvorderwand vom Zielvolumen entfernt wird (⊡ Tabelle 61.3). Nebenwirkungen. Neben Zystitis, Proktitis und Re-
aktionen der Haut und ggf. (genitalen) Schleimhaut steht v. a. die radiogene Enteritis mit Diarrhö im
⊡ Abb. 61.2. Multileaf-kollimiertes 0°-Feld bei Bestrahlung eines Rektumkarzinoms
⊡ Abb. 61.3. Isodosenverteilung bei Bestrahlung eines Rektumkarzinoms; 4-Felder-Box-Planung bei Lochbrettlagerung; (Farbverteilung: Zielvolumen, Isodosen: 107%, 100%, 95/94%, 85%, 70%, 50%, 30%, 10%)
Vordergrund. An Spätfolgen können chronische Zystitis und Proktitis sowie seltener Darmstenosen oder -fisteln auftreten. Aufgrund der hohen Strahlenbelastung an Hoden bzw. Ovarien muss, sofern keine Hodenkapsel angelegt werden kann, über dauerhafte Sterilität aufgeklärt werden. 61.2.5
Analkarzinom
Die Therapie der Wahl bei der Behandlung des Analkarzinoms ist gemäß den interdisziplinären Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft die simultane Radiochemotherapie. Im Vergleich zur Operation – direkt
625 61.2 · Therapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
61
⊡ Tabelle 61.3. Strahlentherapie des Rektumkarzinoms Zielvolumen
Gesamtdosis
Fraktionierung
45 Gy 5,4 Gy
5¥1,8 Gy/Woche 5¥1,8 Gy/Woche
Adjuvante Radiochemotherapie (O’Connell/NCI-Protokoll): Tumor und Lymphabfluss Tumor-Boost
5-FU 500 mg/m2 Tag 1–3 und 29–31; (vor Strahlentherapie: 5-FU 500 mg/m2 in 1. und 5. Woche, Tag 1–5; nach Strahlentherapie: 5-FU 450 mg/m2 in 4. und 8. Woche, Tag 1–5) Adjuvante Radiochemotherapie (DEGRO) Tumor und Lymphabfluss Evtl. Tumor-Boost
50,4 Gy 5,4 Gy
5¥1,8 Gy/Woche 5¥1,8 Gy/Woche
5-FU 1000 mg/m2 (24-h-Inf.)Tag 1–5 und 29–33; gefolgt von 4 Zyklen 5-FU 500 mg/m2 (2-h-Kurzinf.) über 5 Tage in 4-wöchigem Abstand Präoperative Radiochemotherapie Tumor und Lymphabfluss
50,4 Gy
5¥1,8 Gy/Woche
50 Gy
5¥2 y/Woche
Gesamtdosis
Fraktionierung
50,4 Gy 5,4 Gy
5¥1,8 Gy/Woche
5-FU 1000 mg/m2 Tag 1–5 und 29–33 (24-h-Infusion) Palliative Radiotherapie Tumor (und Lymphabfluss)
⊡ Tabelle 61.4. Strahlentherapie des Analkarzinoms Zielvolumen Definitive Radiochemotherapie Tumor und Lymphabfluss Ggf. Tumor-Boost
5-FU 1000 mg/m2 Tag 1–4 und 29–32 und Mitomycin C 10 mg/m2 Tag 1 und 29 Definitive Radiotherapie Tumor und Lymphabfluss Tumor-Boost
vergleichende randomisierte Studien wurden allerdings nicht durchgeführt – können damit bei erhaltener Sphinkterfunktion sowohl höhere lokale Tumorkontrollraten als auch Heilungsraten erzielt werden. Die abdominoperineale Rektumexstirpation wird daher nur noch bei Nichtansprechen der Strahlentherapie oder beim Rezidiv durchgeführt.Die simultan verabreichte Chemotherapie erbringt im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie um bis zu 20% höhere Remissionsraten [Bartelink 1997; UKCCCR 1996]. Dabei konnte sich die bereits in den 1970er Jahren eingeführte Kombination aus 5-FU und Mitomycin C
50,4 Gy 10 Gy
5¥1,8 Gy/Woche 5¥2 Gy/Woche
gegenüber anderen Chemotherapieschemata wie 5FU und Cisplatin oder 5-FU-Monotherapie behaupten [Flam 1996]. Ein zusätzlicher Boost auf die Tumorregion wird im Rahmen der kombinierten Radiochemotherapie meist nur bei großen Tumoren oder bei einem nach der Grundbestrahlung noch vorhandenen Resttumor verabreicht. Bei einer alleinigen Strahlentherapie ist die Dosisaufsättigung im Tumor, d. h. die Boost-Bestrahlung obligat. Wegen der nicht selten verzögerten Tumorrückbildung sollten Stanzbiopsien erst frühestens 6 Wochen nach Therapieende erfolgen.
626
Kapitel 61 · Grundlagen der Strahlentherapie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Zielvolumen. Das Zielvolumen umfasst den Analka-
nal mit Perianalregion und distalem Rektum sowie den lokoregionären Lymphabfluss (perirektale, präsakrale und A.-iliaca-interna-Lymphknoten), wobei die Unterkante der Iliosakralgelenke die kraniale Feldgrenze darstellt. Die Bestrahlung der Leisten wird überwiegend empfohlen. Ihr Wert bei klinisch nichtbefallenen Leistenlymphknoten ist jedoch nicht geklärt. Bestrahlungsplanung. Die Therapie erfolgt entsprechend dem Rektumkarzinom meist in Bauchlage in 4Felder-Box-Technik mit 15–20 MV-Photonen. Die Leisten können zur Schonung der Glutealmuskulatur nur über das ventrale Photonenfeld bestrahlt und jeweils mit einem Elektronenfeld lokal aufgesättigt werden (⊡ Tabelle 61.4).
VIII
Nebenwirkungen. Das Spektrum der Nebenwirkungen entspricht im Wesentlichen dem bei der Behandlung des Rektumkarzinoms,wobei lokale akute Strahlenreaktionen an Haut und Schleimhaut gehäuft auftreten.
Literatur Bartelink H, Roelofsen F, Eschwege F et al. (1997) Concomitant radiotherapy and chemotherapy is superior to radiotherapy alone in the treatment of locally advanced anal carcinoma: Results of a phase III randomized trial of the European Organisation for Research and Treatment of Cancer Radiotherapy and Gastrointestinal Cooperative Groups. J Clin Oncol 15: 2040–2049 Chan A, Wong A (1999) Is combined chemotherapy and radiation therapy equally effective as surgical resection in localized esophageal carcinoma? Int J Radiat Oncol Biol Phys 45: 265–270 Cooper JS, Guo M, Hershkovic A et al. (1999) Chemoradiotherapy of locally advanced esophageal cancer: longterm follow-up of a prospective randomized trial (RTOG 85–01). Radiation Oncology Group. JAMA 281: 1623–1627
Flam M, John M, Pajak T et al. (1996) Role of mitomycin in combination with fluorouracil and radiotherapy, and of salvage chemoradiation in the definitive nonsurgical treatment of epidermoid carcinoma of the anal canal: results of a phase III randomized intergroup study. J Clin Oncol 14: 2527–2539 Herskovic A, Martz K, Al-Sarraf M et al. (1992) Combined chemotherapy and radiotherapy compared with radiotherapy alone in patients with cancer of the esophagus. N Engl J Med 326: 1593–1598 Kurzgefasste Interdisziplinäre Leitlinien 2002. Diagnostik und Therapie maligner Erkrankungen, 3. Aufl. W. Zuckschwerdt, München Bern Wien New York MacDonald JS, Smalley SR, Benedetti J et al. (2001) Chemoradiotherapy after surgery compared with surgery alone for adenocarcinoma of the stomach or gastroesophageal junction. N Engl J Med 345: 725–730 Pahlman L, Glibelius B (1995) The value of adjuvant radio(chemo)therapy for rectal cancer. Eur J Cancer 31: 1347–1350 Radiotherapie der kolorektalen Karzinome in Leitlinien in der Radioonkologie. http://www.degro.org/leitlinien_ idx.htm Spitz F, Abbruzzese J, Lee J et al. (1997) Preoperative and postoperative chemoradiation strategies in patients treated with pancreaticoduodenectomy for adenocarcinoma of the pancreas. J Clin Oncol 15: 928–937 Strahlentherapie des Ösophaguskarzinoms in Leitlinien in der Radioonkologie. http://www.degro.org/leitlinien_ idx.htm Strahlentherapie des Pankreaskarzinoms in Leitlinien in der Radioonkologie. http://www.degro.org/leitlinien_ idx.htm Swedish Rectal Cancer Trial (1997) Improved survival with preoperative radiotherapy in resectable rectal cancer. N Engl J Med 336: 980–987 UKCCCR Anal Cancer Trial Working Party (1996) Epidermoid anal cancer: results from the UKCCCR randomized trial of radiotherapy alone vs radiotherapy, 5-fluorouracil and mitomycin. Lancet 348: 1049–1054 Yeo C, Abrams R, Grochow L et al. (1997) Pancreaticoduodenectomy for pancreatic adenocarcinoma: postoperative adjuvant chemoradiation improves survival. A prospective, single-institution experience. Ann Surg 225: 621–633
62 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Prinzipien der Immunsuppression A. Stallmach 62.1
Immunsuppressiva in der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen – 628
62.2
Glukokortikoide
62.3
Zytotoxische Immunsuppressiva
62.3.1 62.3.2 62.3.3
Azathioprin, 6-Mercaptopurin – 631 Methotrexat – 631 Mycophenolat Mofetil – 632
62.4
Inhibitoren der Signaltransduktion
62.4.1 62.4.2 62.4.3
Ciclosporin A – 632 Tacrolimus – 634 Sirolimus – 634
62.5
Neutralisation proinflammatorischer Zytokine als Wirkprinzip der Immunsuppression – 634
Literatur
>>
– 629 – 631
– 632
– 635
Die heute gebräuchlichsten Immunsuppressiva lassen sich generell in 3 Kategorien einteilen: erstens hochwirksame entzündungshemmende Mittel aus der Familie der Kortikosteroide wie das z. B. Prednison, zweitens zytotoxische Medikamente wie Azathioprin, Methotrexat, Mycophenolat Mofetil oder Cyclophosphamid und drittens Pilz- und Bakterienwirkstoffe wie Cyclosporin A, Tacrolimus und Sirolimus, die als Inhibitoren der Signalübermittlung in T-Lymphozyten wirken. Die Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor-a (TNF-a) nehmen eine Sonderstellung ein, da sie sowohl zytotoxisch wirken (Induktion der Apoptose von TNF-a-produzierenden Zellen), als auch das proinflammatorische Zytokin selber neutralisieren. Andere, in der klinischen Erprobung befindliche Immunsuppresiva hemmen die Einwanderung von immunkompetenten Zellen in den Intestinaltrakt und tragen so zur Begrenzung der lokalen Entzündung bei (Übersicht bei [Stallmach 1999]). Die prinzipiellen Wirkungen der aktuell in der Klinik eingesetzten Immunsuppressiva sind in ⊡ Abb. 62.1 veranschaulicht.
628
VIII
Kapitel 62 · Prinzipien der Immunsuppression SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Abb. 62.1. Vereinfachte Darstellung der Entstehung der zellulären Immunantwort mit den Angriffspunkten der besprochenen Immunsuppressiva
62.1
Immunsuppressiva in der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
In den vergangenen Jahren konnten entscheidende Fortschritte im Verständnis und der Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen erzielt werden. Während die vor bis wenigen Jahren eingesetzten Behandlungsmethoden fast alle empirisch entstanden sind, hat sich durch das bessere Verständnis der Physiologie der mukosalen Immunantwort und ihrer Störungen eine neue Dimension etabliert: Die Behandlung von entzündlichen Erkrankungen ist einerseits »aggressiver« geworden, d. h. es werden häufiger und früher typische Immunsuppressiva eingesetzt. Andererseits wird sehr gezielt in die pathologische Entzündungsreaktion im Darm eingegriffen. So gehört z. B. die Anwendung von Antikörpern gegen den proinflammatorischen Tumornekrosefaktor-a (TNF-a) zum therapeutischen Spektrum bei Patienten mit kompliziertem M. Crohn. Für das bessere Verständnis der Wirkungsweise der verschiedenen Immunsuppressiva soll im folgenden kurz auf die Entstehung von Immunantworten eingegangen werden. Bei der erworbenen, antigenspezifischen Immunantwort wird die Erkennung des Antigens durch 2 unterschiedliche Gruppen von hochvariablen Rezeptormolekülen vermittelt:
▬ den von B-Zellen produzierten Immunglobulinen
und ▬ den antigenspezifischen Rezeptoren der T-Zellen.
Voraussetzung für das Entstehen einer Immunantwort gegen ein Antigen ist die Präsentation dieses Antigens auf der Zelloberfläche von antigenpräsentierenden Zellen.Die wichtigsten professionellen antigenpräsentierenden Zellen (APC) sind hochspezialisierte dendritische Zellen (einzige Funktion: Antigenpräsentation). Für die Antigenpräsentation auf der Zelloberfläche werden prozessierte Antigene aus dem Zytosol mit MHC-Klasse-I-Molekülen an die Zelloberfläche transportiert. Hier wird der Peptid-MHCKlasse-I-Komplex von CD8-positiven Zellen durch den T-Zellrezeptor erkannt. Peptide aus dem vesikulären System werden mit MHC-Klasse-II-Molekülen als Komplex auf der Zelloberfläche präsentiert, der durch CD4-positive Zellen erkannt wird.Hieraus folgt in der Regel die Aktivierung von CD4-positiven Zellen, die u. a. Makrophagen stimulieren oder die Aktivierung von CD4-positiven Helferzellen, die B-Zellen stimulieren, Immunglobuline zu produzieren. Um eine Immunantwort zu vermitteln, müssen naive T-Zellen nach Stimulation proliferieren, um anschliessend zu antigenspezifischen Effektor-T-Zellen zu differenzieren. Untersuchungen zur Immunantwort gegen bakterielle und parasitäre Erreger zeigen, dass der Verlauf von Infektionskrankheiten wesentlich durch die selektive Aktivierung von mindestens
629 62.2 · Glukokortikoide SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
62
⊡ Abb. 62.2. Prinzip der Signaltransduktion
2 verschiedenen CD4-positiven Zellsubpopulationen beeinflusst wird. Diese Subpopulationen können phänotypisch nicht von einander differenziert werden; sie unterscheiden sich aber im Muster der durch sie produzierten Zytokine. Die sogenannten TH1-Zellen produzieren Interferon-g und Interleukin-2 (IL-2), während die TH2-Zellen IL-4, IL-5, IL-6 und IL-10 produzieren. TH1- und TH2-Zellen repräsentieren Differenzierungsformen von TH0-Stammzellen.Die genauen Mechanismen,die zur Induktion von TH1- oder TH2-Zellen bei der Immunantwort führen, sind zur Zeit noch nicht vollständig verstanden. Durch TH1-Zellen werden als Effektorfunktionen die zelluläre Zytotoxizität (T-Zellproliferation, Nk-Zell-Aktivierung, Induktion von zytotoxischen T-Zellen, Makrophagenaktivierung) gefördert, während TH2-Zellen die humorale Immunität (u. a. antikörpervermittelte Zytolyse) stimuliert. Als klinisches Zeichen einer TH1-dominierten Immunantwort kann die Granulombildung bzw. die humorale Antwort, insbesondere vom IgG1-Typ bzw. die allergische Reaktion vom IgE-Typ als Hinweis für eine TH2-dominierte Immunantwort verstanden werden. Auch die Autoantikörperbildung spricht für ein Überwiegen der TH2-Immunantwort. Aus Stammzellen im Knochenmark bzw. in der Lamina propria differenzieren sog. TH0-Zellen. Nach Antigenkontakt durch Präsentation auf APC kommt es u. a. durch den Einfluss von Zytokinen (IL-2, IFN) zur Differenzierung in TH1-Zellen, die durch die von ihnen produzierten Zytokine wiederum die Proliferation, Differenzierung und Aktivierung von CD8-positiven zytotischen Zellen, Nk-Zellen und Monozyten/Makrophagen fördern. Wie aus der ⊡ Abb. 62.2 ersichtlich ist, haben Zytokine eine zentrale Funktion bei der Regulation von Zellproliferation, -differenzierung und -aktivierung. Durch die Wirkung von Zytokinen auf die immunkompetenten Zellen werden in diesen Transkriptionsfaktoren aktiviert,die die Aktivierungssignale von der Zelloberfläche in den Kern übertragen. Hieraus folgt
die spezifische Veränderung der Genexpression (Genregulation).Die Proliferation und Differenzierung von immunkompetenten Zellen wird dabei durch ein komplexes Netzwerk von Transkriptionsfaktoren reguliert. Wichtig Ein Molekül, z. B. ein Zytokin, bindet an einen Rezeptor und aktiviert diesen. Hieraus folgt die Aktivierung von intrazellulären Signalkaskaden (Moleküle der Signaltransduktion). Schließlich resultiert eine spezifische Veränderung der Genexpression, die eine vermehrte Transkription von Genen proinflammatorischer Zytokine bedingt.
Eine umfassende Darstellung der Transkriptionsfaktoren würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, weiterführende Informationen bei [Neurath 1998]. 62.2
Glukokortikoide
Glukokortikoide sind die wichtigsten antiinflammatorisch- bzw.immunsuppressivwirkenden Substanzen bei entzündlichen Darmerkrankungen. Die Wirkung der Glukokortikoide,aber auch ihre Nebenwirkungen, werden zum größten Teil über spezifische intrazellulär lokalisierte Glukokortikoidrezeptoren vermittelt. Diese gehören zu einer großen Genfamilie eukaryontische Transkriptionsfaktoren, die auch Rezeptoren für die Steroide Östrogene, Testosteron und Androgene sowie Rezeptoren für Schilddrüsenhormone,Vitamin D etc. enthalten [Fuller 1991]. Auf nahezu allen Zellen des Körpers sind Glukokortikoidrezeptoren lokalisiert; ihre Anzahl schwankt zwischen 2.000 und 70.000/Zelle. Die Dichte unterliegt einer Autoregulation; so führt die Therapie mit Glukokortikoiden durch einen rezeptorvermittelten negativen Feed-back-Mechanismus zu einer Reduktion der Rezeptordichte [Webster 1994].
630
VIII
Kapitel 62 · Prinzipien der Immunsuppression SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Der Glukokortikoidrezeptor ist ein intrazytoplasmatisch lokalisiertes phosphoryliertes Protein mit einer molekularen Masse von 92 kDa [Orti 1992]. Das Gen ist auf dem kurzem Arm des Chromosomen 5 lokalisiert und besteht aus 10 Exons. Durch alternatives Spleißen werden 2 verschiedene BotenRNS-Stränge transkribiert, die dann in 2 verschiedene Proteine translatiert werden. Diese werden auch als Glukokortikoidrezeptor-a und -b bezeichnet. Der Glukokortikoidrezeptor-a ist ein aktiver Rezeptor, der die Hormonwirkung vermittelt. Die inaktive Form des Glukokortikoidrezeptors-a ist mit Hitzeschockproteinen (HSP 90, HSP 70 und HSP 56) assoziiert [Denis 1988]. Diese Bindung stabilisiert die Rezeptorkonfiguration und verhindert gleichzeitig die Bindung des nichtaktivierten Rezeptors an die DNA [Dahmer 1984]. Die lipophilen Glukokortikoide diffundieren passiv durch die Zellmembran in das Zytoplasma der Zielzelle. Im Zytoplasma binden sie an den C-terminalen Teil des Glukokortikoidrezeptors-a und bewirken eine Dissoziation der Hitzeschockproteine. Aus dieser Abspaltung der Hitzeschockproteine folgt die Freilegung von sog. »nuclear localisation signals« an der Oberfläche des Glukortikoidrezeptors. Diese interagieren mit Kernproteinen und bewirken eine Translokation des Glukortikoid-GlukokortikoidrezeptorKomplexes in den Zellkern [Bamberger 1996]. Im Kern kann der Komplex durch sogenannte »Typ-1und Typ-2-Mechanismen« die Gentranskription modulieren: ▬ Der Typ-1-Mechanismus führt üblicherweise zu einer Stimulation der Transkriptionsrate des glukortikoidregulierten Gens. Insbesondere die metabolischen Wirkungen der Glukokortikoide werden so vermittelt. ▬ Der Typ-2-Mechanismus besitzt v. a. bei der entzündungshemmenden Wirkung eine wichtige Funktion. Die Transkription von Genen entzündungsfördernder Proteine, wie z. B. Interleukin 2, kann durch die Hemmung der Wirkung des Transkriptionsfaktors »activating protein« (AP-1) inhibiert werden. Dabei verhindert der Glukortikoidrezeptor-a-Komplex die Interaktion des AP-1 mit der basalen Transkriptionsmaschinerie [Jonat 1990]. Neben der Inhibition des Transkriptionsfaktors AP-1 kann auch der Transkriptionsfaktor NFkB gehemmt werden. Dabei behindert der Glukortikoidrezeptorkomplex sowohl den Transport in den Kern als auch die Bindung des Transkriptionsfaktors an die DNA.
Der Glukortikoidrezeptor-b ist selbst nicht transkriptionell aktiv.Da er aber wie der Rezeptor-a an glukokortikoidresponsive Elemente binden kann und mit dem Glukokortikoidrezeptor-a Heterodimere bilden kann, hat er antagonistische Wirkungen. Die antiinflammatorische Wirkung von Glukokortikoiden wird dadurch vermittelt, dass Glukokortikoide die Proliferation und Differenzierung von Entzündungszellen im Knochenmark (und wohl auch im Intestinaltrakt), die Migration von Enzündungszellen aus der Blutzirkulation in den Darm und die Aktivierung der inflammatorischen Zellen unterdrücken (⊡ Tabelle 62.1).
⊡ Tabelle 62.1. Entzündungshemmende Wirkungen von Glukokortikoiden auf zellulärer Ebene Zelltyp
Inhibitorische Wirkung auf
Neutrophile
Chemotaxis, Gewebsinfiltration
Lymphozyten
Proliferation, Differenzierung, Lymphokinfreisetzung, Zytotoxizität
Monozyten/ Makrophagen
Chemotaxis, Phagozytose, Zytokinfreisetzung, Proteinasentranslation/ -sekretion, Stickstoffmonoxid, Prostaglandinfreisetzung, Leukotrienfreisetzung
Eosinophile
Differenzierung, Chemotaxis, Degranulation
Basophile
Proliferation, Differenzierung, Migration, Histaminfreisetzung, Leukotrien-C4-Freisetzung, »platelet-activatingfactor-Synthese
Endothelzellen
Expression von Adhäsionsmolekülen, Zytokinfreisetzung, permeabilitätsfördernde Mechanismen
631 62.3 · Zytotoxische Immunsuppressiva SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
62.3
Zytotoxische Immunsuppressiva
62.3.1
Azathioprin, 6-Mercaptopurin
ferner in diesen Zellen Apoptose auslösen [Hildner 1998]. 62.3.2
Azathioprin ist ein imidazolsubstituiertes 6-Mercaptopurin (6-MP), aus dem in vivo mehrere Metaboliten entstehen. Azathioprin wird sehr rasch in 6-MP umgewandelt. Die immunsuppressive Wirkung von Azathioprin bzw. 6-MP korreliert mit der intrazellulären Synthese von Thioguaninnukleotiden (6-TGN). Die Synthese dieser Metaboliten resultiert aus der Hypoxanthin-Guaninphosphoribosyl-Transferase vermittelten Konversion von 6-MP in die Thioinosinsäure mit Hemmung der Purinsynthese und darausfolgender verminderter DNA-Synthese (⊡ Abb. 62.3). Für 6-MP sind 2 Abbauwege beschrieben: ▬ Durch die Xanthinoxidase wird die inaktive Thioharnsäure metabolisiert. Die Schwankungen der Aktivität der Xanthinoxidase bei verschiedenen Individuen sind klein; eine komplete Xanthinoxidasedefizientz sehr selten. ▬ Der andere Abbauweg wird durch die Thiopurinmethyltransferase (TPMT) vermittelt. Die enzymatische Aktivität dieses Enzyms wird durch genetische Variationen bestimmt. In einer Studie wurde die Häufigkeit einer TPMT-Defizienz mit 1:300 angegeben; 11% der Menschen zeigen intermediäre Enzymaktivitäten. Niedrige Aktivitäten der TPMT korrelieren also mit höheren Konzentrationen aktiver Metaboliten. Der Effekt von Azathioprin ist auf die zelluläre Immunität stärker ausgeprägt als auf die humorale Immunantwort. Es konnte gezeigt werden, dass die 6-TGN die Produktion von IFN-g und TNF-a hemmen und
⊡ Abb. 62.3. Azathioprinmetabolismus
62
Methotrexat
Methotrexat (MTX) wurde erstmals Anfang der 1950er Jahre zur Therapie entzündlicher Erkrankungen eingesetzt. So hat sich zunächst eine »niedrigdosierte MTX-Pulstherapie« bei der Psoriasis etabliert.Anfang der 1990er Jahre erwies sich dieses Therapieprinzip beim M. Crohn als wirksam. MTX hemmt die Enzyme Dihydrofolatreduktase und Thymidylatsynthetase, wodurch die Synthese von DNA und RNA in rasch proliferierenden Zellen blockiert wird. Der genaue Wirkungsmechanismus dieser Therapieform bei entzündlichen Erkrankungen ist nicht ausreichend geklärt. Neben der antiproliferativen Wirkung von MTX besteht wohl ein inhibitorischer Effekt auf die Produktion von TH1-Zytokinen (IFN-g und TNF-a). TH2typische Zytokine, wie Interleukin-4, werden durch MTX hingegen nicht gehemmt, teilweise sogar induziert [Hildner 1999; Neurath 1999]. Interessanterweise wird auch die Zytokinproduktion in Makrophagen nur wenig beeinflusst. Als weiteren Wirkmechanismus ist die Inhibition der Chemotaxis für Leukozyten zu nennen. Dabei inhibiert MTX die 5-Aminoimidazol-4-CarboxamidRibonukleotid-Transformylase (AICAR-Transformylase). Erhöhte intrazelluläre AICAR-TransformylaseKonzentrationen fördern via einer komplexen Reaktionsfolge die Freisetzung von Adenosin, einer potenten antiinflammatorischen Substanz. Über Vermittlung des Adenosin-A2-Rezeptors werden einerseits die Akkumulation von Leukozyten als auch deren Funktion im Gewebe unterdrückt [Cronstein 1993].
632
Kapitel 62 · Prinzipien der Immunsuppression SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
62.3.3
VIII
Mycophenolat Mofetil
Mycophenol Mofetil (MMF) ist der Morpholinoethylester der Mycophenolsäure (MPA), welche die eigentlich wirksame Substanz darstellt. MPA wirkt als nichtkompetiver, reversibler Hemmstoff der Inosinmonophosphat-Dehydrogenase. Inosinmonophosphat (IMP) nimmt als Intermediärprodukt der Purinbiosynthese eine zentrale Position ein. IMP kann sowohl in Guanosinmonophosphat (GMP) als auch in Adenosinmonophosphat (AMP) metabolisiert werden. Die Hemmung der IMP-Dehydrogenase führt in Lymphozyten bei gleichzeitiger Zunahme der AMPund ADP-Konzentration zur Verminderung des intrazellulären Pools an GMP, GDP und GTP, sodass essenzielle Substanzen für die Synthese von DNA und RNA fehlen [Hughes 1996]. Genetische Untersuchungen zeigen, dass Kinder mit Lesch-Nyham-Syndrom, dem genetischen Defekt der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase (HGPRTase), einen zerebralen Entwicklungsdefekt aber keinen Immundefekt aufweisen. Die HGPRTase katalysiert die Guanosin-Synthese aus dem Wiederverwertungsstoffwechsel (»salvage pathway«). Im Gegensatz dazu weisen Kinder mit einer hereditären Defizienz der Adenosindeaminase einen selektiven Mangel an T- und B-Lymphozyten auf, während alle anderen Blutzellen quantitativ normal vertreten sind. Offensichtlich können verschiedene Zellsysteme ihren Bedarf an Guanosin-Nukleotiden in unterschiedlichem Ausmaß durch die De-novo-Synthese oder den »salvage pathway« decken. Während die meisten Zellen beide Stoffwechselsysteme nutzen, sind neuronale Zellen vom Wiederverwertungsstoffwechsel abhängig. Im Gegensatz dazu decken Lymphozyten ihren Bedarf an Purinnukleotiden ausschliesslich durch die De-novo-synthese. Wichtig MMF hemmt somit relativ selektiv die Proliferation von Lymphozyten [Ransom 1995].
62.4
Inhibitoren der Signaltransduktion
62.4.1
Ciclosporin A
Ciclosporin A (Cyclosporin A, CsA; Sandimmun) ist ein phobes hydrzyklisches Peptid aus 11 Aminsäuren, das ursprünglich aus dem Pilz Tolypocladium infla-
tum isoliert wurde und seit Beginn der 1980er Jahre synthetisch hergestellt wird. Die immunsupressive Wirkung von CsA beruht auf einer Synthesehemmung von Interleukin-2, Interleukin-4 und IFN-a. So konnte in vitro, gezeigt werden, dass CsA die antigen- oder mitogeninduzierte Proliferation oder Zytokinproduktion von T-Zellen hemmt. Durch CsA werden vorwiegend die frühen Schritte der T-Zellaktivierung beeinflusst [Shevach 1985; Gelfand 1987]. Die immunsuppressive Wirkung führt zu einer Unterdrückung der primären Immunantwort nach Antigenkontakt; CsA hat jedoch nur einen geringen Effekt auf immunologische Sekundärreaktionen. Die Wirkungen von CsA auf die Signalkaskade in T-Zellen sind in den letzten Jahren intensiv untersucht worden. Nach Aktivierung von T-Zellen über den T-Zellrezeptorkomplex folgt u. a. ein Anstieg der intrazellulären Kalziumkonzentration. Dieser Kalziumanstieg aktiviert Calcineurin. Aus der Calcineurinaktivierung folgt die Translokation des zytosolischen NF-ATc in den Nukleus. Hier bindet NF-ATc an die nukleären Komponenten NF-ATn; dieser Komplex bewirkt als Transkriptionsfaktor die Transkription proinflammatorischer Zytokine.CsA/FK506 bindet intrazellulär an Cyclophilin; dieser Komplex inaktiviert Calcineurin und bewirkt somit eine nahezu komplette Inhibition der nukleären Translokation von NF-Atc (⊡ Abb. 62.4; [Ho 1996]). Dadurch wird eine starke Inhibition der Transkription von proinflammatorischen Zytokinen vermittelt. Wichtig ist, dass in T-Zellen der Lamina propria NF-AT – im Gegensatz zu Lymphozyten des peripheren Blutes – überwiegend bereits im Zellkern lokalisiert ist. Da die Inhibition der nukleären Translokation von NF-AT mit der immunsupressiven Wirkung von CsA in kausaler Verbindung gebracht wird, ist die mögliche immunsuppressive Wirkung von CsA auf Lymphozyten der Lamina propria geringer.Als ein klinisches Beispiel für diese unterschiedliche Wirkungspotential kann die Beobachtung angesehen werden, die bei einem Patienten, der wegen einer Nierentransplantation erfolgreich mit CsA behandelt wurde,nach 6-jähriger Behandlungsdauer mit CsA die Entwicklung einer Colitis ulcerosa beschreibt [Passfall 1992]. Die immunologischen Reaktionen im darmassoziierten Immunsystem sind nur teilweise mit der Immunabwehr des Gesamtorganismus vergleichbar. Werden nichtmenschliche Primaten mit Chlamydia trachomatis rektal infiziert, wird durch CsA erwartungsgemäß die primäre Antikörperantwort und die zelluläre Immunantwort peripherer Lymphozyten
633 62.4 · Inhibitoren der Signaltransduktion SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
62
⊡ Abb. 62.4. Einfluss von Cyclosporin A auf die Signalkaskade nach Antigenaktivierung von T-Zellen
unterdrückt. Bei CsA-behandelten Tieren findet sich jedoch eine Expansion antigenreaktiver Lymphozyten in den mesenterialen Lymphknoten. Das Einwandern dieser antigenreaktiven Lymphozyten in die Zirkulation sowie die Antikörperantwort im Serum wird durch CsA unterdrückt [Zeitz 1989]. Somit wird auch ein »Homing« in die Lamina propria, in der die Zellen ihre Effektorfunktionen ausüben, verhindert. Antigene werden aus dem Darmlumen in die Peyer-Plaques des Dünndarms bzw. in die Lymphfollikel des Dickdarms aufgenommen. In diesen Follikeln werden Antigene von antigenpräsentierenden Zellen präsentiert. Hieraus folgt die antigenspezifische Aktivierung von naiven B- und T-Zellen. Nach Antigenkontakt wandern stimulierte B- und T-Zellen über afferente Lymphbahnen in mesenteriale Lymphknoten. Nach klonaler Proliferation gelangen diese antigenaktivierten, aber noch nicht terminal differenzierten B- und T-Lymphoblasten über den Ductus thoracicus in die Zirkulation, aus der sie zurück in den efferenten Schenkel des darmassoziierten Immunsystems einwandern und hier ihre Effektorfunktionen ausüben.CsA inhibiert dabei den Migrationsprozess aus mesenterialen Lymphknoten.Werden immunkompetente Zellen aus diesen Lymphknoten isoliert und in vitro mit spezifischen Antigenen stimuliert, findet sich eine starke Proliferationsantwort. Man muss daher postulieren, dass unter dem systemischen Einfluss von CsA ein »Priming« von Lymphozyten im intestinalen Immunsystem stattfindet.In Studien konnte gezeigt werden, dass CsA in vivo neben seinen bekannten Effekten zusätzlich die Migration von antigenreaktiven Lymphozyten aus dem Gewebe inhibiert [Klaus 1986].
Diese Ergebnisse könnten erklären, warum bei Patienten,die zunächst erfolgreich mit CsA behandelt wurden, bei Dosisreduktion oder nach Absetzen der Medikation ein »Rebound-Phänomen« auftritt. Diese Patienten entwickeln ein therapeutisch schwer zu beinflussendes Rezidiv, das häufig stärker ausgeprägt ist, als der prätherapeutische Zustand. Möglicherweise expandieren während der CsA-Behandlung in der Mukosa stimulierte Lymphozyten in den organisierten lymphatischen Geweben, obwohl gleichzeitig die systemische humorale und zelluläre Immunantwort gehemmt wird.Nach Wegfallen der suppressiven Wirkung von CsA würde eine Freisetzung der im lokalen Immunsystem stimulierten Zellen in die Zirkulation mit Wiedereintritt in den Darm in den efferenten Anteil des darmassoziierten Immunsystems erfolgen. Bei oralen Gabe beträgt die Bioverfügbarkeit von CsA nur etwa 35% (20–50%), was ein kontinuierliches Drug-Monitoring erfordert. Die Substanz wird nahezu quantitativ metabilisiert.Die Halbwertszeit liegt bei 6–16 h. Die Ausscheidung der Metaboliten (>30) erfolgt biliär und renal. Wichtig Die mittlere tägliche Erhaltungsdosis beträgt 4 bzw. 5 mg/kgKG (i.v. bzw. oral) auf 2 Einzeldosen verteilt. Die Talspiegel (Vollblutspiegel am Morgen vor der nächsten Gabe) sollten zwischen 150–350 ng/ml liegen.
Als bedeutsame Nebenwirkunge gelten die dosisabhängige Nierenschädigung, reversible Störungen der Leberfunktion, Kardiotoxizität, Tremor, Hirsutismus, Gingivahyperplasie und Ödeme.
634
Kapitel 62 · Prinzipien der Immunsuppression SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
62.4.3
! Cave CsA darf nicht zusammen mit potenziell nephrotoxischen Substanzen gegeben werden. CYP3A4-Substrate wie z. B. oral applizierbare Azole-Antimykotika (Ketoconazol) hemmen den hepatischen Abbau von CsA.
62.4.2
VIII
Tacrolimus
Tacrolimus (FK 506; Prograf) ist eine Makrolid-Lacton mit einem hemiketal-maskierten a,b-Dikettonamid in einem 23 gliedrigen Ring, das aus Streptomyces tsukubaenis isoliert wurde. Ähnlich wie CsA beruht die immunsuppressive Wirkung auf der Hemmung von zellvermittelten und humuralen Immunantworten. Auch der molekulare Wirkungsmechanismus von Tacrolimus gleicht dem von CsA. Allerdings bildet Tacrolimus mit einem anderen Immunophillin,dem FKBindungsprotein-12 (FKBP-12 = Makrophilin), einen Komplex. Dieser hemmt analog zum Csa/CiclophilinKomplex die kalziumabhängige Protein-PhosphataseAktivität des Calcineurin-Calmodulin-Komplexes ( s.o.). Tacrolimus blockiert zudem die Aktivierung von B-Zellen, und zwar einerseits indirekt durch seine Wirkung auf T-Zellen, anderseits direkt über eine Blockade der TNF-a-Transkrition ( s.o.). Die orale Bioverfügbarkeit von Tacrolimus ist mit 5–50% extrem variabel (Mittel ca.15%),was eine DrugMonitoring notwendig macht. Die Substanz wird nahezu vollständig hepatisch metabolisiert (<9 Metabolite). Da auch Tacrolimus hauptsächlich durch CYP3A4 abgebaut wird, können Inhibitoren oder Induktoren vob CYP3A4 zu erheblichen Interaktionen führen. Wichtig Die Dosierung liegt zwischen 0,1–0,3 mg/kgKG/ Tag, verteilt auf 2–3 Einzeldosen.
Die Nebenwirkungen gleichen denen von CsA (Ausnahme Gingivahyperplasie, Hirstismus). Zudem wurden neurotoxische Symptome wie Paästhesien und Sehstörungen sowie depressive Zustände und Schlafbzw. Traumstörungen beschrieben.
Sirolimus
Das aus Streptomyces hygroscopicus isolierte Rapamycin (Sirolimus, Rapamune) bindet wie Tacrolimus an das Immunophilin-FKB-12. Der Rapamycin/FKBPKomplex blockiert allerdings den Calcineurin-Calmodulin-Komplex nicht, sodass Ramycin die IL-2Synthese nicht hemmt. Der Komplex bindet an sog. TOR-Proteine (»targets of rapamycin«), die eine Phosphatidyl-Inositol-3-Kinase-Domäne besitzen und bei der IL-2 Signaltransduktion eine wichtige Rolle spielen. Über diesen Mechanismus soll Rapamycin die Proliferation von B- und T-Lymphozyten hemmen [Klupp 2001]. 62.5
Neutralisation proinflammatorischer Zytokine als Wirkprinzip der Immunsuppression
Im akuten Schub einer chronisch entzündlichen Darmentzündung kann eine Ansammlung von aktivierten Makrophagen/Monozyten, die das proinflammatorische Zytokin TNF-a freisetzen,nachgewiesen werden. Mit der Entwicklung von neutralisierenden Antikörpern hat sich für den M.Crohn eine Therapieform etabliert, die vorher bereits erfolgreich bei Patienten mit rheumatoider Arthritis eingesetzt wurde. Es handelt sich bei dem zugelassenen Antikörper Infliximab (Remicade) um einen chimären monoklonalen Antikörper,der die lösliche Form des TNF-a bindet.Für die bis zu 12 Wochen und mehr anhaltende Wirkung einer einmaligen Infusion des Antikörpers ist wahrscheinlich die Bindung an membranständiges TNF-a mit nachfolgender komplementvermittelter Lyse der Immunzellen verantwortlich zu machen. Als alternative Möglichkeit die biologischen Wirkungen von TNF-a zu blockieren, wird zur Zeit die Gabe rekombinanten Rezeptoren überprüft. In diesem Ansatz bindet TNF-a an die freien, nicht zellmembrangebundenen Rezeptoren, die somit TNF-a »abpuffern«. Über mögliche Effekte bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen liegen keine Berichte vor. In einem in vitro-Modell unter Verwendung von humanen, fetalen Darmexplantaten fand sich jedoch ein günstiger Effekt der TNF-Rezeptoren auf die Ausprägung der mononukleären Zellinfiltration und eine verminderte Freisetzung von Metalloproteinasen, die für die Gewebedestruktion verantwortlich gemacht werden [Pender 1998]. Da vergleichbare Ergebnisse
635 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
von anti-TNF-a-mAk und rekombinanten TNF-a-Rezeptoren bei anderen chronischen Entzündungen (z. B. rheumatoide Arthritis; [Moreland, 1997, Elliott, 1994]) beobachtet wurden, kann spekuliert werden, dass dieser Ansatz bei steroidrefraktären Verläufen einem Teil der Patienten helfen könnte.
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62
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IX SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Therapie von iatrogenen Komplikationen 63
Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden und Behandlungstechniken – 639 T. Zöpf, J. F. Riemann
63 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden und Behandlungstechniken T. Zöpf, J. F. Riemann 63.1
Komplikationen der oberen Intestinoskopie
63.1.1 63.1.2 63.1.3
Ösophagusperforation – 640 Perforation des Magens – 644 Komplikationen der perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) – 644 Komplikationen bei der endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) und endoskopischen Papillotomie (EPT) – 644
63.1.4
63.2
Komplikationen bei der internistischen Laparoskopie – 646
63.3
Komplikationen bei der Koloskopie
63.3.1 63.3.2 63.3.3
Mechanismen der instrumentellen Kolonperforation – 647 Klinik der instrumentellen Kolonperforation – 648 Therapie der instrumentellen Kolonperforation – 649
Literatur
>>
– 640
– 646
– 651
Die invasiven gastroenterologischen Untersuchungs- und Therapiemethoden sind relativ sichere Verfahren. Komplikationen – mit z. T. desaströsen Folgen – treten dennoch auf. Die Kenntnis der Risiken endoskopischer Eingriffe ist essenziell für deren Vermeidung und Management.
640
63.1
Kapitel 63 · Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Komplikationen der oberen Intestinoskopie
Die diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) ist eine sehr sichere Methode mit einer Gesamtkomplikationsrate von 0,1% und einer Mortalitätsrate von <0,005%. Die Perforation eines Hohlorgans ist eine seltene aber sehr gefürchtete Komplikation der Endoskopie.Die häufigste Lokalisation von instrumentellen Perforationen im Rahmen der oberen Intestinoskopie ist der Ösophagus, gleichwohl sind aber auch Perforationen des Magens und Duodenums beschrieben [Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. 63.1.1
IX
Ösophagusperforationen
Instrumentelle Ösophagusperforationen Die Ösophagusperforation ist die am raschesten fatal verlaufende Perforation des gesamten Gastrointestinaltrakts. Die Hauptlokalisationen für eine Perforation bei der oberen Intestinoskopie ist der Hypopharynx und der Ösophagus. Durch den Ersatz der starren Endoskope durch flexible Geräte konnte die Inzidenz der Perforationen von 0,11% auf 0,03% gesenkt werden. Gründe für die instrumentelle Ösophagusperforation sind die sehr dünne Wandschicht von Ösophagus und Hypopharynx und das Fehlen einer protektiven Serosa. Begünstigend für den oft schweren Verlauf der Ösophagusperforationen sind das nur lockere umgebende Bindegewebe, welches die Ausbreitung von Infektionen und die Entzündung benachbarter, lebensnotwendiger Organe nicht verhindern kann [Pankaj 1994]. Einerseits resultieren die meisten instrumentellen Perforationen des Ösophagus von therapeutischen Manövern wie Dilatationen, Sklerotherapie, Fremdkörperentfernung etc. Andererseits sind Strikturen oder Divertikel die Hauptrisikofaktoren für eine Perforation auch bei der diagnostischen Endoskopie. Perforationen treten oft beim Vorhandensein von Obstruktionen auf. Da diese meist im distalen Ösophagus vorkommen, zeigen Studien eine deutliche Prädominanz von thorakalen Ösophagusperforationen [Adamek 1997]. Perforation durch die Endoskopspitze Ein häufiger Ort für die Stichverletzung ist die schwierige Passage des Sinus piriformis im Bereich des oberen Ösophagussphinkters auch ohne Läsion; in der Ära der starren Endoskopie »Bab-el Mandeb« oder »Tor der Tränen« genannt.
Gründe für eine zervikale instrumentelle Ösophagusperforation sind die sehr dünne buccopharyngeale Faszie und das Fehlen einer longitudinalen Muskelschicht. Weiterhin kann während der Endoskopie die Ösophagushinterwand gegen den 6. und 7. Halswirbel oder bei starker Kyphose oder Hyperextension des Halses gegen hypertrophe Halswirbelsporne gepresst und perforiert werden. Hieraus ergibt sich, dass v. a. ältere und gebrechliche Patienten für diese Art der Perforation gefährdet sind. Eine weitere Ursache für die Stichverletzung ist die Perforation eines Divertikels.Diese Gefahr besteht theoretisch in jeder Region des Ösophagus. Eine Quantifizierung ist aufgrund der unterschiedlichen Häufigkeitsangaben von Ösophagusdivertikeln (2– 15%) schwierig. Perforationen beim Vorhandensein von Stenosen Jede Art von Obstruktion, unabhängig von ihrer Dignität, stellt einen Risikofaktor für eine Perforation dar. Die Behandlung einer Striktur ist für die Mehrheit der instrumentellen Ösophagusperforationen verantwortlich, jedoch ist das Vorhandensein einer Stenose auch der Hauptrisikofaktor für eine Perforation bei der rein diagnostischen oberen Intestinoskopie und repräsentiert 75–90% der Perforationen der diagnostischen Endoskopie. Die Perforation tritt meist nicht im Bereich der Stenose, sondern im normalen Ösophagus proximal davon auf. Hierbei spielen longitudinale Scherkräfte, die beim Versuch der Passage der Stenose mit dem Endoskop oder bei der Bougierung auftreten eine Rolle. Nach dem Laplace-Gesetz tritt die Perforation im Areal mit dem größten Durchmesser, wie z. B. der prästenotischen Dilatation, auf [Michel 1981]. Bei der Ballondilatation von Stenosen kommt es v.a.zu radialen Kräften und somit zu Perforationen im Bereich der behandelten Stenose. Bei der Ballondilatation der Achalasie kommt es durch die brüsken Radialkräfte zum kontrollierten Einriss der Muskelschicht.Als Risikofaktoren für eine Perforation gelten Hiatushernien, koexistente Strikturen und atypische Manometriemuster wie komplette Relaxation oder erniedrigter Sphinktertonus des unteren Ösophagussphinkters [Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. Das Perforationsrisiko bei der endoskopischen Stenosenbehandlung liegt verfahrensunabhängig bei 2–7% [Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. Ein weiterer unabhängiger Risikofaktor für eine Ösophagusperforation ist die Malnutrition, welche häufig im zu behandelnden Patientenkollektiv zu finden ist.
641 63.1 · Komplikationen der oberen Intestinoskopie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Perforation durch Wandschwäche Als Mechanismus für die Perforation durch Wandschwäche werden nekroinflammatorische Prozesse verantwortlich gemacht. Exemplarisch hierfür treten durch Sklerotherapie hervorgerufene Perforationen verzögert 5–7 Tage nach dem Eingriff durch Ausbreitung des ulzerösen Prozesses auf. Ulzera treten bei mehr als 2/3 der Behandlungen auf und werden zumeist nicht als Komplikation, sondern als Zeichen einer effektiven Therapie angesehen. Die Perforationsrate im Rahmen der Sklerosierungstherapie wird mit 2,9%/Patient oder 0,5%/Sklerosierung angegeben.Dabei zeigt sich keine Abhängigkeit vom verwendeten Sklerosierungsmittel, von der Menge des verwendeten Sklerosierungsmittels,von der Injektionstiefe oder der Injektionstechnik (paravarizeal vs. intravarizeal; [Korula 1989]). Perforation bei der Behandlung von Tumorstenosen Bei der endoskopischen Behandlung von Tumorstenosen handelt es sich um rein palliative Verfahren. Hierzu zählen die Dilatation/Bougierungstherapie,die thermo- oder photoablative Therapie und die Stentimplantation. Bougierung und Dilatation von Tumorstenosen weisen ein identisches Perforationsrisiko von 2–7% auf [Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. Die bisherige Datenlage lässt keine klare Aussage bezüglich eines evtl.erhöhten Perforationsrisikos nach vorrausgegangener Strahlentherapie zu. In zahlreichen Studien zur photoablativen Tumortherapie mit dem Nd:YAG-Laser liegt das Perforationsrisiko um 5% [Ell 1986; Zöpf 1997]. Bei der in den USA verwendeten bipolaren Elektrokoagulation von Tumorstenosen zeigt sich durch die zirkumferenzielle Energieabgabe ein erhöhtes Perforationsrisiko insbesondere bei nichtzirkumferenziellen Tumoren. Das Perforationsrisiko bei der Implantation von Metallstents bei malignen Tumorstenosen liegt inzwischen um 3%.Hierbei ist das Risiko bei den modernen Stents mit ihren Applikationssystemen unabhängig vom verwendeten Stenttyp. Erste Daten zeigen ein möglicherweise erhöhtes Perforationsrisiko der Stentimplantation nach vorrausgegangener Radio(chemo)therapie. Pathologie der Ösophagusperforation Die Bandbreite der Ösophagusperforationen reicht von mild verlaufenden, oft nicht erkannten Mukosaeinrissen (intramurale Perforation), bis hin zur gravierenderen mediastinalen und intrapleuralen Perfo-
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ration. Simple Mukosaeinrisse oder Abrasionen sind eine meist unvermeidbare Konsequenz von Interventionen wie Dilatationen und werden von den meisten Autoren nicht als echte Komplikationen angesehen. Trotzdem können sich selbst einfache Einrisse infizieren, dann tiefere Schichten erreichen und zur intramuralen Abszessbildung oder extensiver Dissektion führen. Die resultierende Mediastinitis kann fatal verlaufen [Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. Klinisch apparent verlaufende Perforationen gehen meist tiefer. Komplette Perforationen des thorakalen Ösophagus führen zu einer sofortigen Exposition von oralen Sekreten und refluierendem Mageninhalt und resultieren in einer nekrotisierenden Entzündung. Innerhalb von 8–12 h kommt es zu einer bakteriellen Superinfektion mit aeroben und anaeroben Keimen. Meist handelt es sich dabei um eine gramnegative Mischflora mit Prädominanz von Streptokokken, Staphylokokken, Bakteroides und auch Pseudomonas. Unerkannt kann der Prozess rasch in die Pleura oder andere Räume der Umgebung penetrieren und zu Sepsis und Tod führen. Pleuraergüsse können sich mit einer Sekretionsgeschwindigkeit von bis zu 1 l/h entwickeln und kardiorespiratorisch wirksam werden [Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. Perforationen des zervikalen Ösophagus können, wenn die Infektion entlang der Faszien des Halses zieht, ebenfalls zur Mediastinitis führen. Meist ist der Prozess jedoch in Form eines periösophagealen Abszesses begrenzt. Sehr selten führen Interventionen im Ösophagus zu ösophagopleuralen Fisteln ohne begleitende Mediastinitis. Klinik der Ösophagusperforation Es gibt 3 Kardinalzeichen der Ösophagusperforation: ▬ Schmerz, ▬ Fieber und ▬ Emphysem (subkutan oder mediastinal). Schmerz ist das häufigste Symptom und meistens, zumindest zu Beginn,an der Perforationstelle lokalisiert. Bei zervikalen Verletzungen wird er im Bereich des Halses verspürt, häufig mit einer Empfindlichkeit des M. sternocleidomastoideus. Bei thorakalen Perforationen wird der Schmerz in der substernalen Region verspürt, häufig durch Schlucken und tiefes Atmen verstärkt. Eine Abwehrspannung des Oberbauches ist ebenfalls ein häufiges Symptom der thorakalen Perforation, selbst ohne intraperitoneale Perforation. Mediastinalemphysem und subkutanes Emphysem sind Kennzeichen der Perforation. Das Mediasti-
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Kapitel 63 · Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
nalemphysem wird radiologisch, das Hautemphysem kann auch klinisch als Krepitation nachgewiesen werden. Das zervikale Hautemphysem ist häufiger bei zervikalen Ösophagusperforationen (in 95% radiologisch, in 60% durch Palpation erkennbar), das Mediastinalemphysem häufiger bei thorakalen Perforationen (in 40% radiologisch, in 30% durch Palpation erkennbar). Der Pleuraerguss ist eine häufige Begleiterscheinung einer mediastinalen Beteiligung und tritt in >50% der Patienten mit thorakalen Verletzungen,aber nur in <10% bei zervikalen Perforationen auf. Bei intrapleuralen Perforationen entwickelt sich der Erguss sofort und ist häufig von einem Pneumothorax begleitet. Er infiziert sich frühzeitig und hat eine typische bräunlich-rote Farbe und einen fauligen Geruch. Charakteristischerweise ist der Amylasegehalt aufgrund der Speichelamylase sehr hoch [Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. Bei der mediastinalen Perforation kann ebenfalls ein initialer Pleuraerguss auftreten, dieser ist jedoch als Irritation der mediastinalen Pleura zu werten. Bleibt die Mediastinitis unerkannt, kann die purulente Flüssigkeit in die Pleurahöhle rupturieren und ist dann nur schwer vom Erguss durch intrapleurale Perforation zu unterscheiden. Eine dramatische Infektion mit Sepsis ist häufig der Endpunkt einer unbehandelten Perforation. Thorakaler Schmerz und niedriges Fieber sind auch häufige Nebenwirkungen der endoskopischen Varizensklerosierung und kommen in bis zu 50% der Fälle vor [Korula 1989]. Der Schmerz kann Folge einer lokalisierten Mediastinitis oder Ösophagusspasmus sein und von einer Odynophagie begleitet sein. Schmerz und Fieber sind in der Regel vorübergehend und dauern weniger als 24 h an. Wichtig Perforationen nach Sklerotherapie treten üblicherweise erst 5–7 Tage nach Behandlung auf. Beschwerden in diesem Zeitraum sind daher äußerst suspekt und sollten zu einer raschen Diagnostik führen.
Diagnose der Ösophagusperforation Die spontane Ösophagusperforation ähnelt klinisch einer Vielzahl anderer Akuterkrankungen, wie Ulkusperforation, Pankreatitis, Spannungspneumothorax und kardiovaskuläre Notfälle. Die instrumentelle Perforation ist dagegen aufgrund des charakteristischen Settings leicht zu diagnostizieren. Der Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung ist die frühzeitige Diagno-
se, daher muss die potenzielle Gefahr der instrumentellen Perforation im Gedächtnis behalten werden. Wichtig Jeder Patient mit deutlichen Schmerzen nach der Endoskopie sollte bis zum Beweis des Gegenteils als potenziell perforiert angesehen werden.
Ein früher Hinweis für den Endoskopiker sind ungewöhnliche und wenig vertraute Aspekte während der Endoskopie und das Fehlen von typischen endoskopischen Landmarken. Meist ist der Endoskopiker im nachhinein überrascht über die Leichtigkeit der Passage des Endoskops durch das extraösophageale Gewebe und das Unvermögen sich ein Rupturereignis in Erinnerung zu rufen [Adamek 1997; Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. Beim Verdacht auf eine Ösophagusperforation sollte sofort eine Röntgenthorax- und eine Abdomenaufnahme im Stehen durchgeführt werden. Damit kann in 90% aller Fälle die Diagnose gestellt werden. Charakteristisch sind Pneumomediastinum,Hautemphysem,Hydrothorax oder Hydropneumothorax.Perforation des mittleren Ösophagusdrittels führt überwiegend zu rechtsseitigem Erguss, wogegen distale Ösophagusperforationen eher zu linksseitigem Erguss führen.Weitere hilfreiche Zeichen sind der Verlust der normalen zervikalen Lordose als Folge der periösophagealen Entzündung.Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es etwa 1 h dauert, bis sich ein Weichteilemphysem ausbildet und mehrere Stunden bis ein Pleuraerguss radiologisch evident wird [Adamek 1997; HabrGama 1989; Pankaj 1994]. Im Anschluss an die Röntgenleeraufnahmen sollte – sobald der Schluckreflex wieder einsetzt – eine Gastrografinröntgenuntersuchung im Stehen und/oder Linksseitenlage erfolgen. Diese Untersuchungen detektieren ca.60% der zervikalen und mehr als 90% der mittleren und distalen Ösophagusperforationen. Der seltene Fall einer intramuralen Perforation mit Dissektion kann durch das charakteristische Doppellumen in der Kontrastuntersuchung erkannt werden.Zervikale Perforationen können durch die rasche Kontrastmittelpassage übersehen werden, v. a. in aufrechter Position. In zweifelhaften Fällen kann die Computertomographie einen Beitrag zur Diagnose leisten. Der Stellenwert einer »Second-look«-Endoskopie wurde in den letzten Jahren unterschiedlich bewertet.Aus heutiger Sicht besteht keine Indikation zur diagnostischen Endoskopie nach einer akuten Perforation [Adamek 1997; Habr-Gama 1989; Pankaj 1994].
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643 63.1 · Komplikationen der oberen Intestinoskopie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Therapie der instrumentellen Ösophagusperforation Trotz signifikanter Verbesserung der Therapieergebnisse in den letzten Dekaden wird die Therapie der instrumentellen Ösophagusperforationen kontrovers diskutiert. Gründe hierfür sind, dass es bislang nur Untersuchungen an kleinen Patientenkollektiven gibt und dass viele Studien nicht zwischen der Ursache der Perforation (instrumentell,spontan,Anastomoseninsuffizienz etc.) unterscheiden. Weiterhin gibt es große Unterschiede in der Patientenselektion und den spezifischen chirurgischen Maßnahmen, was zu Schwierigkeiten in der Extrapolierung der Daten führt [Adamek 1997; Habr-Gama 1989; Michel 1981; Pankaj 1994]. Es gibt keine Leitlinienvorgaben für die Therapie von instrumentellen Perforationen. Somit bleibt die Therapieentscheidung individuell. Weiterhin muss bei der Therapieentscheidung die Lokalsituation und die Grunderkrankung sowie das Alter des Patienten und die Erfahrung des Untersuchers Berücksichtigung finden. Ein enges interdisziplinäres Vorgehen mit dem chirurgischen Partner sowie eine gute Dokumentation verstehen sich von selbst. Grundsätzlich ist die chirurgische Sanierung der »golden standard« für die meisten Fälle von Ösophagusperforationen. Da die Thorakotomie immer noch eine beträchtliche Morbidität aufweist, die Ergebnisse oft nicht sehr befriedigend sind und die betroffenen Patienten nicht selten maligne Grunderkrankungen aufweisen, existiert ein großes Interesse an konservativen oder endoskopischen Behandlungsmöglichkeiten. Bislang fehlen allerdings randomisierte Studien zum Vergleich von konservativer und operativer Therapie. Bislang sind 3 unterschiedliche Therapieregime beschrieben: ▬ Die konservative Therapie mit gezielter antimikrobieller Abdeckung, Nahrungskarenz, parenteraler Ernährung und Drainage.
▬ Die endoskopisch-interventionelle Therapie mit
Metallclip-, Fibrinkleberapplikation und Metallstentimplantation. ▬ Die chirurgische Therapie mit Übernähung und Resektion [Adamek 1997; Bisgaard 1997; Zinsser 1999]. Bei Perforationen im Rahmen einer Achalasiebehandlung wurde in Studien (Perforationsrate 2,2–6,4%) in nur 1,2–6,4% eine operative Therapie durchgeführt. Sowohl nach operativer, als auch nach konservativer Therapie lag die Mortalitätsrate bei 0% (⊡ Tabelle 63.1). In einer Studie an 75 Patienten mit instrumenteller Ösophagusperforation bei benigner Grunderkrankung wurden 1/3 der Patienten operativ, 2/3 der Patienten konservativ behandelt. Die Mortalitätsrate war nach chirurgischer Therapie mit 24% ähnlich hoch wie nach konservativer Therapie mit 18,7%. In einer eigenen Studie traten bei insgesamt 1011 Interventionen von Strikturen 17 Perforationen (1,7%) auf. Die Perforationsrate lag bei Dilatation (1,9%) und Bougierung (1,6%) auf einem vergleichbaren Niveau.6/17 Patienten wurden operiert ohne Letalität; 11/17 Patienten wurden konservativ geführt, wobei 2 Patienten (18%) mit maligner Grunderkrankung im Verlauf verstarben. In einer Metaanalyse von 10 Studien mit insgesamt 159 Patienten mit instrumenteller Ösophagusperforation nach Bougierung von fortgeschrittenen Ösophaguskarzinomen wurden 23% der Patienten operativ, 43% konservativ und 34% konservativ mit zusätzlicher Metallstentimplantation behandelt. Die Mortalität lag nach operativer Therapie bei 22%, nach konservativer Therapie bei 21% und nach konservativer Therapie mit Stent bei 13%.Die frühzeitige Metallstentimplantation scheint also die Mortalität der Perforation zu senken [Bisgaard 1997]. Cipoletta et al.beschreiben 2 Fälle von kleinen Perforationen nach Ballondilatation ösophagojejunaler Anastomosenstenosen, die frühzeitig mittels endos-
⊡ Tabelle 63.1. Perforationen nach Ballondilatation bei Achalasie Autor
Patienten [n]
Perforationsrate [%]
Operationsrate [%]
Mortalität
Borotto 1996 Nair 1993 Schwartz 1993 Klinikum Ludwigshafen
218 178 110 112
3,5 2,2 6,4 5,3
1,8 2,2 6,4 1,2
0 0 0 0
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Kapitel 63 · Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
kopischer Metallclipapplikation behandelt wurden. Beide Patienten konnten nach kurzer Zeit komplikationslos die Klinik verlassen [Cipoletta 2000]. Rabago et al. beschreiben die erfolgreiche Versiegelung von ösophagealen Fisteln mittels Fibrinkleberapplikation bei 3 Patienten. Die Autoren betonen dabei die Notwendigkeit, dass der Fistelkanal zuvor aufgerauht werden muss und eine zugrundeliegende Stenose simultan aufgeweitet werden muss [Rabago 2000]. Die Metall- oder Plastikstentapplikation zur Überdeckung des Defektes ist eine Alternative,allerdings ist bei benignen Grunderkrankungen meist keine gute Verankerung des Stents im Ösophagus zu erzielen [Bisgaard 1997]. Mögliche Kriterien für die konservative Therapie stellen die gedeckte Perforation, der gute Allgemeinzustand des Patienten, die interventionell beeinflussbare Läsion z. B. mittels Clip, Fibrinkleber oder Stent, sowie schwere Begleiterkrankungen oder maligne Grunderkrankungen, welche die Prognose eines operativen Eingriffes zusätzlich verschlechtern. Wichtig für eine gute Prognose der konservativen Therapie scheint das frühzeitige Erkennen des Defektes nach der Intervention zu sein [Adamek 1997; Bisgaard 1997; Borotto 1996; Cipoletta 2000]. 63.1.2
Perforation des Magens
Perforationen des Magens kommen im Vergleich zu Ösophagusperforationen ungleich viel seltener vor. Dies liegt nicht zuletzt an der starken Muskelschicht der Magenwand. Durch Zunahme neuerer Techniken, v. a. der endoskopischen Mukosaresektion (EMR) nimmt die Häufigkeit zu. Standardtherapieverfahren bei der instrumentellen Magenperforation ist die Operation, neuerdings auch mit Einsatz laparaskopischer Techniken.Bei Auftreten eines begrenzten Defekts unmittelbar nach EMR kann sehr erfolgreich mittels endoskopischer Metallclipapplikation eine definitive Versorgung erzielt werden [Habr-Gama 1989; Pankaj 1994]. 63.1.3
Komplikationen der perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG)
Die perkutane endoskopische Gastrostomie ist ein sehr sicheres, komplikationsarmes Verfahren zur Sicherstellung einer enteralen Ernährung bei Problemen der
oralen Ernährung. Die häufigste Komplikation ist die lokale Wundinfektion nach PEG-Anlage, die in bis zu 30% der Fälle beschrieben ist. Durch eine periinterventionelle Antibiotikaprophylaxe, z. B. Cephalosporin i.v., kann die Infektionsrate deutlich gesenkt werden; sie wird daher empfohlen [Gutt 1996; Lockett 2002]. Im eigenen Patientenkollektiv traten bei insgesamt 1755 PEG-Anlagen 2 letale Komplikationen auf (0,11%).Beide Patienten waren multimorbide und entwickelten eine postinterventionelle Peritonitis [Elste 2000]. Eine seltene Komplikation ist die eingewachsene Halteplatte,meist durch zu straffe Fixierung derselben mit resultierendem Ulkus und Überwucherung hervorgerufen. Klinisch fördert die Sonde meist nicht mehr ausreichend und lässt sich nicht mehr mobilisieren. Häufig gelingt die endoskopische Freilegung der Halteplatte, in manchen Fällen ist hier aber eine chirurgische Entfernung nicht zu vermeiden ( s. Kap. 56). Kontrovers wird die Ursache diskutiert, ob Metastasen im Bereich des PEG-Kanals durch Tumorzellverschleppung im Rahmen der PEG-Anlage,oder aber durch hämatogene oder lymphogene Ausbreitung entstehen. Ein liegender Ösophagusmetallstent ist keine Kontraindikation zur Anlage einer PEG. In seltenen Fällen kann durch den Durchzug der Halteplatte der Stent dislozieren. Die Lagekorrektur kann aber meist endoskopisch durchgeführt werden. 63.1.4
Komplikationen bei der endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) und endoskopischen Papillotomie (EPT)
Die ERCP weist zunächst dieselben Komplikationen auf, wie die obere Intestinoskopie [Habr-Gama 1989]. Durch die Manipulation an der Papille, das Einführen von Drähten und Kathetern in Gallen- und Pankreasgang sowie durch die Schnitttechniken wie endoskopische Papillotomie (EPT) oder Precut-Techniken weist die ERCP ein zusätzliches, spezifisches Komplikationsspektrum auf (⊡ Tabelle 63.2). Im eigenen Patientenkollektiv weist die diagnostische ERCP eine Letalität von 0,02%, die therapeutische ERCP eine Letalität von 0,37% auf [Elste 2000]. Ursachen hierfür waren die nekrotisierende postinterventionelle Pankreatitis mit konsekutivem Multiorganversagen, die
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645 63.1 · Komplikationen der oberen Intestinoskopie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 63.2. Komplikationen der ERCP/EPT Autor
Halme 1999 Masci 2001 Zinsser 1999 Loperfido 1998
Patienten [n] 590 2103 1717 2769
Pankreatitis [%]
Cholangitis [%]
Blutung [%]
Perforation [%]
Letalität [%]
Diagnose: 1,5 Therapie: 3,9 1,8 3,8 1,3
0,6
2,6
0,57 2,1 0,87
1,13 1,3 0,76
0,7 2,2 0,57 0,2 0,58
0,9 0,12 0,1 0,21–0,49
Duodenalperforation mit konsekutiver Peritonitis,die postinterventionelle Cholangiosepsis sowie der hämorrhagische Schock nach Blutung. Akute postinterventionelle Pankreatitis. Die häufigs-
te Komplikation der ERCP ist die akute postinterventionelle Pankreatitis. Sie tritt in bis zu 5% klinisch apparent und in bis zu 16% als transiente Hyperamylasämie auf. Als unabhängige Risikofaktoren für die post-ERCP-Pankreatitis gelten [Chen1994; Freeman 2001; Masci 2001]: ▬ Vorausgegangene post-ERCP-Pankreatitis, ▬ vermutete Sphinkter-Oddi-Dysfunktion, ▬ weibliches Geschlecht, ▬ Fehlen einer chronischen Pankreatitis, ▬ Ballondilatation des biliären Sphinkters, ▬ schwierige Kanülierung, ▬ Sphinkterotomie des Pankreasgangs, ▬ mehrfache Kontrastmittelinjektion in den Pankreasgang, ▬ Alter <60 Jahren, ▬ Anwendung von Precut-Techniken. Die Therapie der post-ERCP-Pankreatitis unterscheidet sich nicht von der der idiopathischen oder biliären akuten Pankreatitis. In mehreren Studien konnte bislang kein signifikanter protektiver Effekt einer prophylaktischen Gabe von Octreotid,Methylprednisolon oder Nifedipin aufgezeigt werden. Es gibt erste Hinweise dafür, dass Patienten, unter einer Low-dose-Heparinisierung seltener eine post-ERCP-Pankreatitis entwickeln.Die prophylaktische Endoprotheseneinlage in den Pankreasgang nach EPT bei Patienten mit Sphinkter-Oddi-Dysfunktion scheint das erhöhte Pankreatitisrisiko zu senken [Tarnasky 1998]. Blutungen. Schwere Blutungen treten nach EPT in 1–3% der Fälle auf. Früher wurde allgemein die A. retroduodenalis für schwere Blutungen nach Papilloto-
mie verantwortlich gemacht. Nach einer Expertenkonferenz 1986 erscheint es wahrscheinlicher, dass Blutungen aus kleinen Gefäßen in der Duodenalwand bei unzureichender Elektrokoagulation resultieren [Habr-Gama 1989]. In aller Regel lassen sich diese durch Unterspritzung mit Suprareninlösung stillen. Perforationen. Im Rahmen der ERCP mit- und ohne
EPT treten 4 verschiedene Arten von Perforationen auf. In bis zu 30% kann bei asymptomatischen Patienten nach ERCP retroperitoneal eine geringe Menge freier Luft detektiert werden.Diese resultiert am ehesten auf Grund von gesteigerter Luftinsufflation und nach langer Untersuchungsdauer und ist kein sicheres Zeichen einer Perforation. Diese Patienten benötigen keine weitere Therapie [Howard 1999; Martin 2000; Stapfer 2000]. Nicht selten kommt es zu Perforationen durch den Führungsdraht im Rahmen der Sondierung von Gallen- und Pankreasgang. Dies fällt meist während der Untersuchung durch eine atypische Lage der Drahtspitze in Bezug auf das Gallen- oder Pankreasgangsystem auf. Hier kann durch kurzfristige Endoprotheseneinlage die Entwicklung periduktaler Inflammationen verhindert werden. Kommt es hierbei zum Anstieg der Entzündungsparameter, so sollte in jedem Fall eine breite antimikrobielle Abdeckung erfolgen. Schwerwiegender sind die sog. periampullären Duodenalperforationen nach EPT. Diese erkennt der erfahrene Untersucher oft unmittelbar nach der Papillotomie. Hochgradig suspekt sind die Entwicklung von retroperitonealer Luft oder Kontrastmittelübertritte noch während der Untersuchung. Charakteristisch sind unspezifische abdominelle Beschwerden und Entwicklung von Leukozytose und ansteigenden Entzündungsparametern. Eine unmittelbare Endoprothesenversorgung oder Einlage einer nasobiliären Sonde mit- oder ohne zusätzliche nasoduodenale
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Kapitel 63 · Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 63.3. Verlauf der Perforationen bei ERCP/EPT
IX
Autor
Patienten [n]
Mechanismus
Stapfer 2000
14
Drahtperforation: 3 Periampullär: 6 Duodenal: 5
Howard 1999
40
Drahtperforation: 14 Periampullär: 22 Duodenal: 4
Sonde fördert durch Fernhalten der aggressiven Gallen-, Pankreas- und Duodenalsekrete den Spontanverschluss der Perforation. Hiermit lassen sich 50– 100% aller periampullären Duodenalperforationen erfolgreich behandeln. Bei Entwicklung von retroduodenalen Flüssigkeitsansammlungen in der Computertomographie und/oder bei klinischer Verschlechterung sollt in enger Kooperation mit dem chirurgischen Partner die explorative Laparotomie erfolgen (⊡ Tabelle 63.3). Die schweren Duodenalperforationen treten im Rahmen von schwierigen Manövern mit der Endoskopspitze auf. Sie liegen meist entfernt von der periampullären Region im Bereich der medialen Duodenalwand. Häufig werden sie klinisch erst spät apparent, da es durch die überwiegend retroperitoneale Lage des Duodenums selten zur freien intraperitonealen Luft kommt. Bei postinterventioneller klinischer Verschlechterung und Anstieg der Entzündungsparameter muss daher immer eine Duodenalperforation vermutet werden. Diese wird durch eine Gastrografinpassage und/oder abdominelle Computertomographie diagnostiziert. Bei klinisch weiterbestehendem Verdacht auf eine Duodenalperforation trotz negativer Bildgebung sollte die Bildgebung nach spätestens 8 h wiederholt werden. Wichtig Eine Duodenalperforation entfernt von der periampullären Region erfordert immer die chirurgische Intervention.
Sie weist eine hohe Letalität von 25–50% auf.
Konservative Therapie [%]
Chirurgische Therapie [%]
Letalität [%]
67 50 0
33 50 100
0 0 40
100 86 0
0 14 100
0 5 25
63.2
Komplikationen bei der internistischen Laparoskopie
Die internistische,diagnostische Laparoskopie ist ein sehr sicheres und komplikationsarmes Verfahren. Schwere Komplikationen treten in 0,15–2,32% auf mit einer Letalität von 0,06–0,5% [Adamek 1996; Arnold 1999; Henning 1985].Die Komplikationsrate der internistischen Laparoskopie liegen damit deutlich unter der der chirurgischen explorativen Laparotomie. Schwere Komplikationen können durch trokarinduzierte Blutungen der kleine Bauchwandgefäße, Verletzungen der Leber, des Kolons oder des Omentums hervorgerufen werden. Darüber hinaus können Verletzungen durch Biopsiemanöver oder Infektionen der Bauchhöhle auftreten. Vorübergehende abdominelle Missempfindungen treten in bis zu 20% der Fälle auf. Nur in Einzelfällen ist eine chirurgische Therapie der laparoskopieinduzierten Komplikationen nötig. 63.3
Komplikationen bei der Koloskopie
Die Koloskopie wurde in den späten 1960er Jahren eingeführt und ist seither zum Standardverfahren zur Diagnostik, Behandlung und Verlaufskontrolle kolorektaler Erkrankungen geworden. Trotzdem handelt es sich sowohl bei der diagnostischen, als auch bei der therapeutischen Koloskopie um ein invasives Verfahren mit den Risiken der Blutung,Perforation und Tod. Aus praktischen Gründen wird bezüglich der Komplikationen zwischen rein diagnostischer und therapeutischer Koloskopie unterschieden. Die Häufigkeiten der Komplikationen sind in ⊡ Tabelle 63.4 aufgelistet [Dafnis 2001; Frühmorgen 1979; Jentschura 1994;Waye 1992].
647 63.3 · Komplikationen bei der Koloskopie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 63.4. Häufigkeit von Komplikationen der Koloskopie
Blutung Perforation Letalität
Diagnostisch [%]
Therapeutisch [%]
0,02–0,03 0,1–0,8 0,01–0,2
0,31–2,7 0,5–3 0,01–0,34
Als Risikofaktoren für eine Blutung gelten die Größe des Polypen, sowie die Dicke des Polypenstiels. In einer skandinavischen Studie konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass die Unerfahrenheit des Untersuchers sowohl bezüglich der Blutungskomplikation (Odds-ratio 6,0), als auch bezüglich der Perforation (Odds-ratio 2,24) einen Risikofaktor darstellt [Dafnis 2001]. Blutungen treten bei der rein diagnostischen Koloskopie praktisch fast nie auf,bei der therapeutischen Koloskopie jedoch auch mit einer Verzögerung von bis zu 14 Tagen.Diese Blutungen sind meist durch eine erneute Koloskopie mittels Clipapplikation oder Injektionstherapie zu handhaben [Habr-Gama 1989].In seltenen Fällen ist eine chirurgische Umstechung oder gar eine Segmentresektion nötig. 63.3.1
Mechanismen der instrumentellen Kolonperforation
Man unterscheidet zwischen der mechanischen und der pneumatischen Kolonperforation [Habr-Gama 1989]. Mechanische Perforation bei diagnostischer Koloskopie Bei den instrumentellen Kolonperforationen kommt es zu freien Perforationen in die Peritonealhöhle, zur retroperitonealen Perforation und zur gedeckten Perforation, die durch Anteile des Netzes oder intaperitonealem Fettgewebe abgedeckt werden. 2/3 der Kolonperforationen finden im Sigma statt. Dies liegt zum einen an der Anatomie des Sigmas mit seinem kurvenreichen Verlauf und der damit verbundenen schwierigen Passage.Am häufigsten führt das forsche Einführen des Endoskops zur instrumentellen Perforation. Aber auch die Tatsache, dass sich die Endoskopspitze leicht in einem Divertikelsack verfängt, der bei weiterem Vorschub dieses rupturiert, führt häufig
63
zur Perforation [Brayko 1984]. Große Defekte an der antimesenterialen Seite des Kolons kommen durch Dehnung des betroffenen Darmabschnittes durch den Endoskopschaft bei Vorschub gegen Widerstand zustande. Auch die sogenannte »slide-by-technique«, bei der das Endoskop ohne direkte Sicht durch Vorbeigleiten der Endoskopspitze an der Darmwand in eine a-Schleife überführt wird, oder aber das Auflösen einer a-Schleife kann zu großen Defekten durch Wandüberdehnung führen. Ein analoger Mechanismus führt zur Überdehnung im Bereich fixierter Darmsegmente z. B. bei postoperativen Adhäsionen. Ein weiterer Mechanismus ist die Lazeration des Darmes im Bereich erkrankter Areale. Hierzu zählen Tumorerkrankungen, Strikturen, akute Divertikulitis, entzündliche oder ischämische Darmerkrankung und frische chirurgische Anastomosen [Habr-Gama 1989]. Kontrovers wird die Beobachtung diskutiert, dass es bei tief sedierten Patienten durch fehlende Schmerzrückmeldung häufiger zu überraschenden Perforationen kommt,ohne dass der Endoskopiker einen merklichen Widerstand überwunden hat [HabrGama 1989]. Mehrfachperforationen sind v. a. bei der diagnostischen Koloskopie beschrieben. Pneumatische Kolonperforation Im Rahmen der Luftinsufflation bei der Koloskopie kann ein für eine pneumatische Perforation ausreichender Druck im Kolon erzeugt werden.Dies gilt insbesondere für Areale mit verminderter Wandstärke, wie sie bei transmuralen Entzündungsprozessen, Ulzerationen und malignen Neoplasien vorherrschen. Aufgrund seiner geringeren Wanddicke ist nach dem Laplace-Gesetz das Zäkum auch ohne Läsion besonders gefährdet, gefolgt von Colon transversum, Sigma und Rektum. Durch die Mobilität des Sigmas und das Vorhandensein der Flexuren kann auch in einem beliebigen isolierten Darmsegment eine Druckerhöhung mit nachfolgender pneumatischer Perforation auftreten. Dies gilt insbesondere bei kompetenter Ileozäkalklappe im Sinne einer geschlossenen Schlinge. Ob eine Luftinsufflation alleine zu einer Divertikelruptur führen kann wird heute bezweifelt [Brayko 1984]. In Grundlagenuntersuchungen an explantierten Sigmata konnte durch endoskopische Luftinsufflation kein ausreichender Druck zur Divertikelruptur erzielt werden. Somit besteht diese Gefahr vornehmlich bei florider Divertikulitis.
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IX
Kapitel 63 · Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Perforationen bei therapeutischer Koloskopie Zu Perforationen im Rahmen von therapeutischen Koloskopien kommt es v. a. durch thermische Verletzungen durch die sogenannte »hot biopsy« und die Schlingenpolypektomie. Die Gewebeschädigung ist dabei unmittelbar abhängig von der lokal auftretenden Stromdichte und umgekehrt proportional zum Polypenstieldurchmesser. Somit wird beim engen Schließen der Polypektomieschlinge um den Polypenstiel die Stromdichte größer und damit der thermische Defekt kleiner. Dies erklärt auch, dass bei kleinen Polypen die Gefahr geringer ist als bei breitbasigen Polypen. Zu transmuralen Gewebeschädigungen kann es auch kommen, wenn der Polypenkopf während der Schlingenabtragung in Kontakt zur gegenüberliegenden Darmwand ist. Zu erheblichen Darmverletzungen kann es während der Elektrokoagulation durch Explosion entflammbarer intraluminaler Gase wie Wasserstoff oder Methangas kommen. Dies ist bei den heutigen Darmvorbereitungsregimen aber die absolute Ausnahme. Selbstverständlich kann es im Rahmen der therapeutischen Koloskopie auch zu mechanischen Perforationen durch blindes vorschieben der geschlossenen Biopsiezange, der geschlossenen Polypektomieschlinge, etc. kommen [Brayko 1984; Frühmorgen 1979; Gedebou 1996; Jentschura 1994]. 63.3.2
Klinik der instrumentellen Kolonperforation
Die Symptome und klinischen Zeichen der Kolonperforation variieren sehr und hängen von Faktoren ab wie Größe, Lokalisation und Mechanismus der Perforation,dem Ausmaß der peritonealen Kontamination, der zugrunde liegenden Kolonerkrankung und dem klinischen Zustand des Patienten.Generalisierter oder lokalisierter Abdomenschmerz bzw. Missempfindung sind übliche Symptome während der Koloskopie.Es ist in jedem Fall ratsam auf übermäßige Schmerzäußerungen des Patienten während perforationsträchtigen Manövern zu achten. Es ist ausgesprochen ungewöhnlich und suspekt,wenn Patienten nach Abschluss der Untersuchung über signifikante Beschwerden klagen. Der Verdacht auf eine Perforation erhärtet sich bei Zeichen des Peritonismus.D.h.wenn der Schmerz über einen Zeitraum von 2–3 h anhält, sich verstärkt oder generalisiert, insbesondere wenn er mit einer lokalen oder diffusen Empfindlichkeit,Abwehrspannung oder Loslassschmerz verbunden ist. Es muss betont wer-
den, dass eine sedierenden und/oder analgetischen Prämedikation die Ausprägung der Symptome verschleiern kann [Brayko 1984; Jentschura 1994; Luchette 1992; Orsoni 1997]. Ein weiteres Zeichen der Kolonperforation während der Untersuchung ist, wenn trotz anhaltender Luftinsufflation das Darmlumen nicht anhaltend offengehalten werden und damit keine Sicht aufrechterhalten werden kann. Ein geblähtes Abdomen nach der Koloskopie ist meist Folge einer exzessiven Luftinsufflation und an sich kein Hinweis für eine Perforation. Im Rahmen des Luftübertritts aus dem Kolon in den Peritonealsack nach erfolgter Perforation oder bei Entwicklung eines Ileus auf dem Boden der resultierenden Peritonitis kann es ebenfalls zu einem geblähten Abdomen kommen. Es kann zum Verlust der Leberdämpfung bei der Perkussion kommen und der Patient kann womöglich die Luft nicht per vias naturales ablassen,trotz klinischem Meteorismus.Obwohl die klinischen Zeichen Fieber, Tachykardie und Leukozytose nach einer Koloskopie verdächtig auf eine Perforation sind, treten diese Zeichen auch beim sog. Postpolypektomiesyndrom ( s. unten) auf [HabrGama 1989]. Röntgenleeraufnahmen des Abdomens können Luft im Sinne eines Darmwandemphysems, freie abdominelle Luft oder Luftausbreitung im zugehörigen retroperitonealen Kompartiment anzeigen. Bei retroperitonealer Perforation des Rektums breitet sich die Luft beidseits am lateralen Rand des M. psoas aus und kann das Zwerchfell, Mediastinum, das Subkutangewebe der Bauchwand und das Skrotum erreichen. Die extraperitoneale Perforation des Colon ascendens und transversum weist eine einseitige Luftansammlung, die medial bis zum M. psoas reichen kann, die Wirbelsäule aber in der Regel nicht überschreitet, auf. Die detektierbare Menge an freier Luft korreliert häufig nicht mit dem klinischen Bild. Eine Perforation kann auch ohne Pneumoperitoneum vorhanden sein. Ursache hierfür kann ein nur geringer Luftaustritt, Durchführung der Abdomenröntgenaufnahme nicht in aufrechter Position oder zu kurzer zeitlicher Abstand zwischen Perforation und Abdomenröntgenaufnahme sein [Habr-Gama 1989; Jentschura 1994]. Verzögerungen bei der Diagnose können bei debilen oder dementen Patienten auftreten. Zusätzlich kann eine Steroidtherapie die Symptomatik verschleiern und zu einer Verzögerung der Diagnose führen.
649 63.3 · Komplikationen bei der Koloskopie SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Postpolypektomiesyndrom, Serositis und transmurale Koagulation Es gibt Patienten mit lokalisierter und limitierter Darmperforation, welche innerhalb 6–24 h nach Koloskopie lediglich lokalisierte Schmerzen und Empfindlichkeit ohne Zeichen der diffusen Peritonitis entwickeln. Ein Pneumoperitoneum im Abdomenröntgen bestätigt den Verdacht einer Perforation. Diese sog. »Mini-« oder Mikroperforationen nehmen eine Zwischenstellung zwischen grober Perforation mit diffuser Peritonitis und dem Postpolypektomiesyndrom ein. Die Symptomatik verschwindet komplett innerhalb 48–72 h unter konservativer Therapie mit Nahrungskarenz und i.v.-Antibiotikatherapie [HabrGama 1989]. Es gibt zahlreiche Berichte über Fälle mit asymptomatischem Pneumoperitoneum, Hautemphysem oder Pneumatosis coli nach einer Koloskopie. Grund für diese Beobachtungen sind wahrscheinlich Mikroperforationen, die sich rasch wieder verschließen ohne signifikante Kontamination des Peritoneums. Eine Dissektion insufflierter Luft in die Wandschichten des Kolons kann durch klaffende Einrisse der Mukosa ohne Perforation entstehen. Hierzu zählt auch das Postpolypektomiesyndrom. Diese Komplikation in Folge einer Koloskopie wird auch als Serositis oder transmurale Koagulation angesehen. Die Symptomatik entwickelt sich typischerweise innerhalb von Stunden nach der Koloskopie und beinhaltet lokalisierten Schmerz, Druckempfindlichkeit und lokale Abwehrspannung verbunden mit Fieber, Tachykardie und Leukozytose. Das initiale klinische Bild lässt sich nicht von der lokalisierten Perforation mit Peritonitis unterscheiden mit der Ausnahme, dass die Abdomenröntgenaufnahme keine freie Luft zeigt. Unter konservativer Therapie unter Einbeziehung von Antibiotika ist der klinische Verlauf unspektakulär und die Restitution erfolgt innerhalb 48–72 h [Dafnis 2001; Jentschura 1994; Luchetta 1992; Orsoni 1997]. 63.3.3
Therapie der instrumentellen Kolonperforation
Die Therapieentscheidung bei instrumenteller Kolonperforation ist mangels randomisierter Studien zum Vergleich von operativer und konservativer Therapie immer eine individuelle Entscheidung und muss in jedem Fall in enger Kooperation mit dem chirurgischen Partner zusammen erfolgen. Es gibt bis heute keine Leitlinienvorgaben zu diesem Themenkomplex.In die
63
Therapieentscheidung müssen immer die adäquate Vorbereitung des Darmes präinterventionell, der zugrunde liegende pathologische Prozess und der Allgemeinzustand des Patienten,als auch die Erfahrung des Untersuchers Einzug finden. Speziell bei der instrumentellen Kolonperforation ist der Mechanismus der Perforation ein wesentlicher Faktor für die Therapieentscheidung (primär chirurgisch vs. konservativ). So sind aus oben aufgeführten Gründen die Verletzungen nach einer diagnostischen Koloskopie meist deutlich schwerer,als nach einer Koloskopie mit therapeutischer Intention. Chirurgische Therapie Im allgemeinen herrscht die Meinung vor, dass Patienten mit instrumenteller Kolonperforation einer unmittelbaren chirurgischen Versorgung zugeführt werden sollten. Eine frühzeitige Laparotomie soll mit geringerer Morbidität und Mortalität verbunden sein, allerdings werden diese Empfehlungen v. a. durch die umfangreiche Literatur zur nichtiatrogenen Kolonperforation gestützt. Hierbei fanden unterschiedliche Autoren an jeweils sehr kleinen Patientenkollektiven eine signifikant erhöhte Mortalität, wenn die Operation mit einer Verzögerung von mehr als 6–12 h erfolgte. Andere Autoren betonen, dass die verzögerte chirurgische Sanierung nicht nur den klinischen Verlauf und die Inzidenz der Peritonitis negativ beeinflussen, sondern auch Einfluss auf die Operationsmethode hat. Allerdings sind keine kontrollierten Daten zur chirurgischen Therapie koloskopischer Perforationen verfügbar. Aufgrund unterschiedlicher Beobachtungen,dass Patienten auch nach verzögerter Diagnosestellung einer Perforation einen günstigen klinischen Verlauf aufzeigen konnten sind folgende Empfehlungen bezüglich der Indikation zum chirurgischen Handeln bei koloskopischer Perforation ableitbar [Gedebou 1996; Jentschura 1994; Lee 2001; Mana 2001]: 1) die Diagnose wird frühzeitig gestellt, 2) klinische Zeichen der Peritonitis sind vorhanden, 3) primär diagnostische Koloskopie (meist schwerere Verletzungen), 4) Verschlechterung des klinischen Zustands unter Beobachtung und konservativer Therapie, welche durch ansteigende Herzfrequenz und Temperatur, Persistenz fehlender Darmgeräusche, Sepsis oder Zunahme des Pneumoperitoneums charakterisiert ist. 5) Vorhandensein einer Obstruktion distal der Perforationsstelle.
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Kapitel 63 · Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Zusätzliche pathologische Befunde, die während der Koloskopie erkannt wurden, wie z. B. große breitbasige Polypen, die einen malignen Aspekt bieten, können die Therapieentscheidung zugunsten der Operation beeinflussen.
IX
Konservative, nichtoperative Therapie Daten zur konservativen Therapie instrumenteller Kolonperforationen bestehend aus intensiver Überwachung, nasogastrischer Drainage, parenteraler Ernährung und i.v.-Antibiose sind ebenfalls fragmentarisch und anhand kleinster Fallzahlen meist retrospektiv erhoben worden. Weiterhin fehlen diesen Berichten häufig beschreibende Variablen wie Mechanismus der Perforation, Güte der Darmvorbereitung, Zeit zwischen Perforation und Diagnose, Allgemeinzustand des Patienten, präoperatives Management oder Antibiotikatherapie. In der Literatur bezüglich der nichtiatrogenen Kolonperforation wird die Kontamination des Peritoneums als Hauptrisikofaktor für die Inflammation nach Kolonperforation verantwortlich gemacht.Aus diesem Grund kann eine gute Darmvorbereitung in Verbindung mit einer als klein eingeschätzten Verletzung ein nichtchirurgisches Vorgehen rechtfertigen. Wichtig Eine konservative Therapie ist gerechtfertigt, wenn das klinische Erscheinungsbild eine nichtperforierte, subseröse Verletzung (Postpolypektomiesyndrom) nahe legt.
Das Hauptproblem ist mangelnde Sicherheit einer solchen Diagnose, da es bei Abwesenheit freier Luft keine klinischen Zeichen oder Symptome gibt, die eine Perforation sicher ausschließen [Habr-Gama 1989; Lee 2001; Mana 2001]. Es gibt eine Subgruppe von Patienten mit limitierter,begrenzter Perforation,die mehr als 6–8 h nach der Koloskopie auffällig werden und nur lokale Symptome und Zeichen einer Peritonitis ohne systemische Entzündung aufweisen. Es ist gerechtfertigt, diese Patienten einer konservativen Therapie zuzuführen unter der Vorstellung, dass die Perforation nicht zu einer signifikanten peritonealen Kontamination geführt hat. Vorraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Patienten zusammen mit dem chirurgischen Partner engmaschig bezüglich Symptomen und Zeichen einer klinischen Verschlechterung, die wegweisend für eine anhaltende Darmleckage oder unkontrollierte Infektionsausbreitung sind, überwacht werden. Treten die-
se Zeichen auf, so ist eine unverzügliche chirurgische Exploration indiziert. Eine vorsichtig durchgeführte Röntgenkontrastdarstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel kann die Perforationsstelle und -größe sichtbar machen. Gerade bei Patienten mit klinisch wenig apparentem Bild, bei denen die Entscheidung zwischen konservativem und operativem Verfahren zur Diskussion steht sollte der Endoskopiker folgende Angaben zur Entscheidungsfindung beitragen können: 1) Zeitpunkt und Mechanismus der Perforation, 2) Güte der Darmvorbereitung, 3) mögliches Ausmaß der peritonealen Kontamination, 4) Vorhandensein zusätzlicher Darmerkrankungen, 5) zu erwartende Größe des Defektes, 6) Allgemeinzustand des Patienten. Als Entscheidungshilfe zur Therapie kann der in ⊡ Abb. 63.1 dargelegte Algorithmus dienen [Orsoni 1997]. Es gibt bislang kein optimales Antibiotikaregime für die Kolonperforation und die Wahl der einzelnen Substanzen muss weitgehend empirisch erfolgen. Gramnegative aerobe und anaerobe Keime sind die häufigsten Erreger gegen die die Therapie gerichtet sein muss. Gramnegative Aerobier sind primär für die frühe fatal verlaufende Peritonitis, die anaeroben Organismen, v. a. Bacteroides fragilis, für die späte intraabdominale Abszessbildung verantwortlich. Kombinationen von Aminoglykosiden + Clindamycin, Aminoglykoside + Clindamycin + Ampicillin, Aminoglykosid + Penicillin + Metronidazol,aber auch Monotherapie mit Cefoxitin haben sich als vergleichbar wirksam herausgestellt. In jedem Fall sollte nach anfänglicher breiter Abdeckung nach Erhalt der Kulturergebnisse eine individuelle Antibiotikatherapie erfolgen.In Abhängigkeit des klinischen Verlaufs sollte die Antibiotikatherapie für mindestens 24–72 h durchgeführt werden. Da in einem Fallbericht über ein Wiedereröffnen einer Darmperforation nach primärer Netzabdeckung unter Mobilisation mit nachfolgendem Tod berichtet wird, empfiehlt es sich, die Patienten auch bei günstigem Primärverlauf länger stationär zu überwachen [Brayko 1994; Dafnis 2001; Luchette 1992; Orsoni 1997]. Es gibt inzwischen mehrere Fallberichte über eine erfolgreiche endoskopische Therapie mit Metallclips von instrumentellen therapeutischen Kolonperforationen [Lee 2001; Mana 2001]. Bezüglich Cliptherapie bei Perforation im Rahmen einer dia-
651 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
63
⊡ Abb. 63.1. Möglicher Algorithmus zur Therapie instrumenteller Kolonperforationen. (Mod. nach [Orsoni 1997])
gnostischen Koloskopie existiert bislang lediglich ein einzelner Fallbericht [Mana 2001].
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652
IX
Kapitel 63 · Therapie von Komplikationen bei gastroenterologischen Untersuchungsmethoden SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
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X SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Sozialmedizinische Aspekte 64
Indikationen zur Anschlussrehabilitation bei gastrointestinalen Krankheiten – 655 E. Zillessen
64 SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Indikationen zur Anschlussrehabilitation bei gastrointestinalen Krankheiten E. Zillessen 64.1
Definition und Häufigkeit
64.2
Aufgaben der medizinischen Rehabilitation, insbesondere der Anschlussheilbehandlung – 656
64.3
Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit und -prognose – 657
64.3.1 64.3.2 64.3.3
Rehabilitationsbedürftigkeit – 657 Rehabilitationsfähigkeit – 657 Rehabilitationsprognose – 657
64.4
Zielorientierung der Rehabilitation
64.5
Gesetzliche Grundlagen
64.6
Besondere Erfahrungen und Indikationen bei gastroenterologischen Krankheiten – 658
64.6.1 64.6.2 64.6.3 64.6.4
Gastrektomie – 658 Darmtumoren – 659 Chronische Pankreaserkrankungen – 659 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
64.7
Ambulante Rehabilitation
64.8
Zugangswege zur Anschlussrehabilitation
Literatur
– 661
– 656
– 657
– 657
– 660
– 660 – 661
656
Kapitel 64 · Indikationen zur Anschlussrehabilitation bei gastrointestinalen Krankheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
64.1
X
Definition und Häufigkeit
Anschlussheilbehandlungen (»AHB«) sind Rehabilitationsleistungen, die sich unmittelbar nach oder in engem zeitlichen Zusammenhang an eine Krankenhausbehandlung anschließen. Sie dienen der möglichst raschen Wiedereingliederung ins Erwerbsleben oder zur Abwendung von Behinderung oder Pflegebedürftigkeit. Dabei soll der Wechsel vom Krankenhaus in eine Rehabilitationseinrichtung möglichst nahtlos sein, d. h. innerhalb von 14 Tagen nach der Akutbehandlung erfolgen. Ausnahmen von dieser Frist sind – in Abstimmung mit dem Kostenträger – möglich, wenn tatsächliche oder medizinische Gründe einen Aufschub erzwingen, z. B. eine Strahlenbehandlung. Im Jahr 2002 haben die AHB durch die gesetzliche Rentenversicherung mit 205.171 (24% aller medizinischen Rehabilitationen) einen neuen Höchststand erreicht. Krankheiten mit bösartigen Neubildungen (30%) führen vor den Kreislauferkrankungen (21%). In der Gastroenterologie wird lediglich bei Karzinomen des Verdauungskanals häufig eine AHB veranlasst (⊡ Tabelle 64.1). Bei somatoformen Störungen, z. B. dem Reizdarmsyndrom, sind Anschlussrehabilitationen (<100) nicht vorgesehen und bleiben eine große Ausnahme, obwohl die subjektive Belastung und Aktivitätseinbußen dieser Betroffenen im Vergleich zu Karzinom- oder CED-Patienten nicht selten erheblich sind.
⊡ Tabelle 64.1. Häufigkeit von Anschlussheilbehandlungen durch die GRV im Jahr 2002 bei gastrointestinalen und hepatobiliären Krankheiten Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
16.052 1030
Benigne Krankheiten des Pankreas
750
Krankheiten von Ösophagus, Magen und Duodenum
314
Benigne Krankheiten der Leber
258
Benigne Krankheiten der Gallenwege
128
64.2
Aufgaben der medizinischen Rehabilitation, insbesondere der Anschlussheilbehandlung
Anschlussrehabilitation ist ebenso wenig die Fortsetzung der Krankenhausbehandlung mit anderen Mitteln wie eine »Erholungskur« nach dem Krankenhausaufenthalt. Rehabilitation hat zum Ziel, dem Erkrankten (= Beeinträchtigten,Behinderten!) zu vermitteln,seelisch,körperlich und sozial mit einer chronischen Krankheit oder mit Krankheitsfolgen im Alltag zurechtzukommen. Rehabilitation umfasst somit die Hilfe zur Wiedergewinnung und Erhaltung der aktiven Teilhabe am normalen Leben, insbesondere im Beruf (Arbeitsplatz), aber auch im eigenen Haushalt, in Familie und Gesellschaft.Dies gilt auch und gerade, wenn die Krankheit selbst nicht heil- oder behandelbar ist. Die Mittel sind nicht nur die der medizinischen und Krankenpflegebehandlung. Die Verflechtung somatisch orientierter medizinischer Behandlungsangebote wie Ernährungs-, Bewegungs-, physikalischer, Sport- und krankengymnastischer Therapie mit Psycho-, Ergo- und Kunsttherapie, Sozial- und beruflicher Rehaberatung,die Anleitung zur Selbstmessung und -therapie und die Einweisung in Hilfsmittel, z. B. bei der Stomaversorgung, oder der Therapie einer erektilen Dysfunktion sind typisch für die Rehabilitationsbehandlung, die nur von einem multiprofessionellen therapeutischen Team geleistet werden kann. Unsere Krankenhauswelt ist arzt- und weniger patientenzentriert.Ein sektoraler,meist abteilungsbezogener Blickwinkel dominiert. Das verstellt oft den Blick auf den sozialen Kontext von Krankheit. Um die Notwendigkeit medizinischer Rehabilitation abzuschätzen,sollte der behandelnde Krankenhausarzt vor der Entlassung eines Patienten 2 Fragen stellen: 1. »Wie werden Sie mit Ihrer Erkrankung in der eigenen Wohnung, im Alltag, im Familien- und Berufsleben zurechtkommen?« 2. »Wie wirkt sich das soziale Umfeld auf die Krankheitserscheinungen und auf die Prognose aus?« Er muss es den Patienten fragen, aber auch sich selbst.
657 64.5 · Gesetzliche Grundlagen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
64.3
64.3.1
Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit und -prognose
▬ in einem definierten Zeitraum (zumeist 3–4,selten
Rehabilitationsbedürftigkeit
▬ in einem bestimmten Umfeld, ▬ unter Nutzung der vorgesehenen Nachsorge.
Ergeben sich bei diesen Fragen Einschränkungen (Fähigkeitsstörungen, drohende Beeintächtigungen), die nicht durch eine Verlängerung der Krankenhausbehandlung behebbar sind, sondern die durch gezielte Diagnostik, Schulung, Anleitung, Training, Psychotherapie, Sozial- oder Berufsberatung,Anpassung des häuslichen oder beruflichen Umfeldes zu beseitigen oder zumindest erheblich zu verringern wären,ist der Patient rehabilitationsbedürftig.
bis 8 Wochen),
Neben dem sozialmedizinischen Gesichtspunkt, haben Gesetzgeber und Sozialversicherungen hier auch den Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit einer solchen Rehamaßnahme im Blick: Die Fähigkeit zum Verbleib in der eigenen Wohnung, zur häuslichen Selbstversorgung, zum selbständigen Umgang mit einem Hilfsmittel bzw. zur Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit muss mithilfe der AHB erreichbar sein. 64.4
64.3.2
Rehabilitationsfähigkeit
Typischerweise wird in der medizinischen Rehabilitation der mobile Patient behandelt, der weder einer Grund- noch einer Behandlungspflege bedarf. Seine kardiopulmonale Leistungsfähigkeit und seine Mobilität sollten zulassen, dass er Bett und Zimmer verlassen und an Rehabilitationsangeboten aktiv teilnehmen kann. Er sollte zur Selbstversorgung (Körperpflege, An- und Auskleiden, Essensaufnahme) in der Lage und intellektuell zu Lernprozessen befähigt sein. In der Regel gehört hierzu auch die bereits wiedererlangte Reisefähigkeit mit einem öffentlichen Verkehrsmittel. Einzelne und vorübergehende Defizite dieser Einflussfaktoren der Rehabilitationsfähigkeit können in manchen, personell und apparativ entsprechend ausgestatteten AHB-Kliniken auch befristet überbrückt werden. Auch Pkw- oder Krankentransporte können in begründeten Fällen genehmigt werden. Wichtig Unverzichtbar sind allerdings die Bereitschaft und Motivation des Rehabilitanden für diese Maßnahme.
64.3.3
64
Rehabilitationsprognose
Die Rehabilitationsprognose ist eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage über die Erreichbarkeit eines definierten Rehabilitationsziels ( s. unten) ▬ durch die vorgesehene Rehabilitationsmaßnahme (AHB) beim betreffenden Rehabilitanden,
Zielorientierung der Rehabilitation
Damit sind bereits die typischen und häufigsten übergeordneten Ziele einer medizinischen Rehabilitationsbehandlung aufgezählt.Im Gegensatz zur kurativen Behandlung, die nach Möglichkeit kausal orientiert ist, ist die Rehabilitationsbehandlung final ausgerichtet. Diesen übergeordneten Zielen werden auf einer zweiten Ebene konkrete einzelne und individuelle Therapieziele zugeordnet (z.B.Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Überwindung von Ängsten, mit einem Enterostoma Teilhabe an Aktivitäten wie Sauna- oder Schwimmbadbesuch). Die Definition erreichbarer individueller Ziele,ein hieran orientierter Maßnahmen- und Zeitplan, die Einbeziehung aller die Fähigkeiten einschränkender Einflussfaktoren bei Hintanstellung aller unbeeinflussbaren Faktoren kennzeichnet die Rehabilitation. Sie geht von (chronischer) Krankheit in einem biopsychosozialen Modell (ENGEL) aus, dessen Komponenten sich wechselseitig beeinflussen und ordnet demzufolge den Begriff Funktions-/Fähigkeitsstörung nicht einem Organ oder Organsystem, sondern der eingeschränkten Handlungsmöglichkeit des Individuums zu. In diesem Sinne ist Rehabilitation »ganzheitlich« orientiert. 64.5
Gesetzliche Grundlagen
Anschlussrehabilitationen der Krankenversicherung sind in SGB V § 40, der Rentenversicherung in SGB VI §§ 10 (medizinische Voraussetzungen), 11 (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und 15 (Nachsorgeleistungen) geregelt. Anschlussheilbehandlungen unterliegen nicht der 4-Jahres-Frist nach § 12,2 (1)
658
Kapitel 64 · Indikationen zur Anschlussrehabilitation bei gastrointestinalen Krankheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
⊡ Tabelle 64.2. AHB-Indikationen bei gastroenterologischen Erkrankungen und Zustand nach Operationen an den Verdauungsorganen, einschließlich Malignomen Z. n. akuter Virushepatitis (schwere bzw. protrahierte Verlaufsform) a/b
an einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu berücksichtigen (z. B. anlässlich der Krankenhausbehandlung). Die Zuzahlung vermindert sich oder entfällt bei geringem Nettoerwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen, Kindergeldanspruch oder Pflegebedürftigkeit (Einzelheiten sind beim Sozialdienst oder Kostenträger zu erfragen.).
Chronisch aktive Hepatitisb Z. n. Operationen an Leber, Gallenblase und Gallenwegena
64.6
Leberzirrhoseb Z. n. akuter Pankreatitisa/b Chronische Pankreatitisa/b Z. n. Pankreasoperationen Malabsorptions-/Maldigestionssyndrome Z. n. Magen- und Darmoperationena Colitis ulcerosa
Besondere Erfahrungen und Indikationen bei gastroenterologischen Krankheiten
Nach operativen Eingriffen wird die AHB wesentlich häufiger beansprucht als nach konservativer Krankenhausbehandlung, obwohl dies aus der Perspektive einer Rehabilitationseinrichtung nicht zwingend ist.
M. Crohn Z. n. primärer Behandlung (Operation, Bestrahlung) einer malignen invasiven Neoplasie der Verdauungsorganec/d a
X
b
c
d
Nicht bei leichtem oder komplikationslosem Verlauf. Steht Drogenabhängigkeit und/oder Alkoholkrankheit im Vordergrund, kann ein Eilantrag auf Entwöhnungsbehandlung gestellt werden. Präkanzerosen und das Carcinoma in situ gehören nicht dazu. Nicht nach Krankenhausbehandlung wegen Folgeerkrankung (z. B. Ileus oder Rückverlagerung eines Enterostoma).
SGB VI. Das 2001 verabschiedete SGB IX räumt vermehrt Mitwirkungsrechte des Versicherten bei der Wahl von Ort und Leistung ein, deren Umfang sich in der Verwaltungspraxis noch etablieren muss. Eine Anschlussheilbehandlung setzt eine hierfür anerkannte Diagnose und die Leistung in einer hierfür vom Kostenträger anerkannten Einrichtung voraus. Die Diagnosen- bzw. Indikationskataloge der verschiedenen Kostenträger sind nicht ganz kongruent. ⊡ Tabelle 64.2 listet die AHB-Indikationen des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) bei gastrointestinalen Krankheiten auf: Bei einer Anschlussheilbehandlung haben Versicherte ab 18 Jahren, Rentner sowie ihre mitversicherten Angehörigen für längstens 14 Tage innerhalb eines Kalenderjahres eine Zuzahlung von derzeit EUR 10,00 pro Tag zu leisten.Hierbei sind geleistete Zuzahlungen
64.6.1
Gastrektomie
Das Magenkarzinom gehört zu den häufigen malignen Tumoren des Gastrointestinaltrakts und wird, wenn möglich, der operativen Therapie zugeführt. Häufigstes Operationsverfahren ist die Totalentfernung des Magens.Auch bei technisch ähnlich operierten Patienten sind Folgesymptome und Lebensqualität unterschiedlich.Viele Gastrektomierte leiden unter Appetitlosigkeit und dyspeptischen Symptomen (⊡ Tabelle 64.3).Eine weitere Gewichtsabnahme nach der Operation ist häufig. Anämie und Osteomalazie drohen. Die Rehabilitationsbehandlung kann mittels Analyse des Essverhaltens und der Kalorienaufnah-
⊡ Tabelle 64.3. Typische Beschwerden nach Gastrektomie wegen Magenkarzinom Symptom
[%]
Appetitlosigkeit Völlegefühl, epigastrisches Druckgefühl Gehäuftes Luftaufstoßen Epigastrische Schmerzen Sodbrennen Dysphagie Übelkeit Erbrechen Durchfall Früh- und Spätdumping Untergewicht
30–50 27–83 54 12–37 12–50 8–40 12–29 9–25 6–24 8–66 bis 90
659 64.6 · Besondere Erfahrungen und Indikationen SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
me, Funktionsdiagnostik der Dünndarmpassage und Malassimilation,Ernährungsberatung,Verhaltenstherapie oder medikamentösen Interventionen hierauf Einfluss nehmen. Nicht selten sind postoperative Komplikationen – insbesondere biliärer Reflux oder Anastomosenstenosen – zu behandeln. Auch wenn nur eine Minderzahl dieser Patienten ins Erwerbsleben zurückfindet (23%; [Armbrecht 1996]), sind Angebote zur Krankheitsbewältigung, zum körperlichen Aufbautraining und zur beruflichen Reintegration häufig erforderlich. 64.6.2
Darmtumoren
Kolorektale Neoplasien nehmen unter den gastroenterologischen AHB den ersten Rang ein. Ursache sind die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms, die relativ gute Prognose, die Anlage eines Enterostoma und die Standardisierung der adjuvanten Chemotherapie bei diesen Tumoren.Wundheilungsstörungen der Sakralhöhle sind nach radikaler Rektumexstirpation und Strahlentherapie häufig. In der Rehabilitation können die selbständige Stomaversorgung einschließlich der Irrigation trainiert, Chemotherapien initiiert oder fortgeführt, die Stuhlkonsistenz beeinflusst und Inkontinenzursachen geklärt und oft behandelt werden. Rehabilitationsbezogene Funktionseinschränkungen beim kolorektalen Karzinom: Diagnostik und Therapie während AHB Unmittelbare Operationsfolgen (Sakralwunde, Motilitätsstörungen, Hernien)
Verdauungsstörungen (Verlust des terminalen Ileums, Rektums, Bestrahlungsfolgen)
Passagebehinderungen (Stenosen) Defäkationsstörungen, insbesondere Stuhlinkontinenz
Dysurie, Harninkontinenz, Komplikationen im Urogenitalbereich, Potenzstörungen
Stomaanlage und/oder -komplikationen Schmerzen (Narbe, Verwachsungen, Tumorrezidiv)
Chemotherapie (Durchführung, Fortsetzung, Folgen)
Krankheitsbewältigung Psychische Anpassungsstörungen (Angst, Depression)
▼
64
Soziale Anpassungsstörungen und Absicherung
Einleitung beruflicher Rehabilitation
Auch bei unkompliziert und mit großer Wahrscheinlichkeit kurativ operierten Patienten setzt die Auseinandersetzung mit der Erfahrung, krebserkrankt (gewesen?) zu sein,erst mit einer zeitlichen Distanz zu Diagnosestellung und Operation ein. Angst vor dem Rezidiv, vor Schmerz oder Siechtum, vor Nachsorgeuntersuchungen sind ebenso häufig wie eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion.Menschen mit einer schlechten Prognose und die, die anfangs verdrängen, gewinnen durch Enttabuisierung der Diagnose, durch angepasste Schmerztherapie, durch Stillen ihres Informationsbedarfs und offenen Umgang mit Zukunftsängsten wieder mehr Sicherheit und ihre innere Freiheit. Eine kleine Gruppe mit hohem Rehabilitationsbedarf sind Patienten, bei denen wegen einer familiären Polyposis eine subtotale Kolonresektion oder Kolektomie erfolgt ist. Diese sind meist jung, angstvoll, aus vollem Wohlbefinden heraus operiert worden, und es ergeben sich häufig zusätzliche Anforderungen an eine berufliche Rehabilitation. 64.6.3
Chronische Pankreaserkrankungen
Chronische Pankreaserkrankungen sind relativ selten (Inzidenz 2–9/100.000,Tendenz steigend),haben aber eine hohe sozialmedizinische Relevanz, überwiegend infolge chronischer Pankreatitis. Im Vordergrund können Untergewicht und Schwäche, Schmerzen, Operationsfolgen,dyspeptische Beschwerden oder ein insulinbedürftig werdender Diabetes mellitus stehen. Die klinisch stumme Verlaufsform wird erst durch die exokrine Pankreasinsuffizienz auffällig. Der chronischen Pankreatitis liegt hierzulande in ca. 75% ein chronischer Alkoholabusus zugrunde. Da etwa jede vierte chronische Pankreatitis nicht alkoholinduziert,sondern »idiopathisch« ist,sei andererseits vor Unterstellungen gewarnt! Die Patienten sind oft vorgealtert. Es bestehen muskuläre und kardiopulmonale Trainingsdefizite. Infolge postprandialer Schmerzen kann eine sekundäre Anorexie auftreten.Viele dieser Patienten bedürfen einer dauerhaften und ausreichenden Schmerztherapie.
660
Kapitel 64 · Indikationen zur Anschlussrehabilitation bei gastrointestinalen Krankheiten SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Patienten mit chronischer Pankreatitis werden häufig wegen verminderter Erwerbsfähigkeit berentet, mit durchschnittlich 48,5 Jahren auch vergleichsweise früh, 6,6 Jahre früher als z. B. Patienten mit ischämischen Herzerkrankungen. Besonders gefährdet sind Menschen mit schwerer körperlicher Arbeit. Wegen der hohen und frühzeitigen Gefährdung des erwerbsbezogenen Leistungsvermögens und wegen der komplexen somatischen wie psychosozialen Problematik ist der Rehabilitationsbedarf bei diesen Patienten sehr hoch. Ob die Suchtproblematik, die Maldigestion, der Schmerz, Folgekrankheiten wie der Diabetes mellitus oder die physische Leistungsschwäche im Vordergrund stehen, muss im Einzelfall geprüft werden. Das Reha-Team ist hier besonders gefordert. 64.6.4
X
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Die Manifestation einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung stellt in der Regel den Betroffenen vor derart komplexe Probleme, dass eine Rehabilitationsbehandlung angezeigt ist. Eine ähnliche Situation kann sich nach einer Bauch- oder Fisteloperation ergeben. Bei schweren Schüben, bei vielfältigen Symptomen, bei schwerem Krankheitsverlauf trotz ambulant verordneter adäquater Medikation kann Rehabilitationsbedarf entstehen, ebenso nach Stomaanlage oder bei Stuhlinkontinenz. Mangelnde Krankheitsbewältigung kann zu Depression,Angststörungen oder regressiven Tendenzen führen.Versagenserlebnisse im persönlichen oder beruflichen Bereich wirken verstärkend. Solche psychischen Belastungen oder Entwicklungen begründen Rehabilitationsbedarf.Gerade jüngere Betroffene sind gefährdet.Psychische Belastungs- oder Verhaltensfaktoren gehen folglich in die Beurteilung der Rehabilitationsfähigkeit und -bedürftigkeit ein. Am Arbeitsplatz können CED Grenzen setzen. In unserer eigenen Erhebung bei 200 Betroffenen hatte sich bei jedem siebenten Patienten (der Arbeiterrentenversicherung) Bedarf an berufsfördernden Reha-Leistungen ergeben. Über die Aspekte für das Erwerbsleben hinaus, führen Schamgefühl, Diskriminierungen,gerade bei Stomaträgern oder Stuhlinkontinenz, eine hierdurch eingeschränkte Wegefähigkeit und schließlich die Unberechenbarkeit der Krankheitsschübe zur großen Gefahr von Isolierung und sozialem Rückzug, dem es frühzeitig durch rehabilitative Maßnahmen zu begegnen gilt.
Typische Rehabilitationsziele bei Patienten mit CED Erreichen und Stabilisierung der Remissionsphase
Schmerzreduktion Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und des Ernährungszustandes
Ausgleich von Defiziten (Vitamin B12, Kalzium, Eisen, Anämie)
Reduzierung der Stuhlfrequenz und Therapienebenwirkungen
Verbesserung der Stomaversorgung oder Stuhlinkontinenz
Verminderung von Depressivität und Ängstlichkeit
Krankheitsbewältigung (Coping) Verbesserung der Befindlichkeit und sozialen Kompetenz
Soziale und/oder berufliche Integration
Bei den CED erweisen sich Rehabilitationsfähigkeit und -prognose in der Praxis nur selten als problematisch,wenn z.B.unrealistische Reha-Ziele wie Heilung oder Schubfreiheit erwartet werden. Am häufigsten vereitelt ein bereits fixierter Rentenwunsch den Erfolg der Rehabilitationsbehandlung. 64.7
Ambulante Rehabilitation
Über ambulante Rehabilitation wird viel geredet und geschrieben, praktisch macht sie derzeit 2% aller medizinischen Rehabilitationen aus,vorwiegend mit orthopädischer und kardiologischer Indikation. Schon aus quantitativen Gründen kämen in der Gastroenterologie allein für die Rehabilitation nach Tumoroperation ambulante Maßnahmen in Frage. Selbst in der Nähe von Ballungsräumen macht bisher die zeitgerechte Akquise ausreichender Patientenzahlen Schwierigkeiten, wenn ein komplexes, der stationären Rehabilitation entsprechendes Rehabilitationskonzept zum Zuge kommen soll. Die Patienten selbst wünschen in dieser Situation ganz überwiegend eine wohnortferne Behandlung. Die ambulante Rehabilitation dieser Patienten würde Sinn machen, wenn es gelingt, jeweils zeitnah Patientengruppen mit ähnlichen Problemen zu bilden und hierfür spezielle Konzepte wohnortnah mit der ambulanten Langzeitbehandlung zu vernetzen.
661 Literatur SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Rehabilitationsnachsorge darf nicht mit der Tumornachsorge zur Früherkennung von Rezidiv,Zweittumor oder Metastasen verwechselt werden.Vielmehr geht es hiebei um systematische befristete therapeutische Leistungen, die den Rehabilitationserfolg sicherstellen sollen. Dies kann die Anbindung der Rehabilitanden an Selbsthilfeorganisationen, die Weiterführung einer Entspannungs- oder Psychotherapie, Teilnahme am Behindertensport o. ä. bedeuten. Bei Patienten mit chronischer Hepatitis oder Pankreatitis sind dies oft ambulante Maßnahmen zur weiteren Suchttherapie. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wäre oft ein »case-management« zur weiteren beruflichen Rehabilitation sinnvoll. 64.8
Zugangswege zur Anschlussrehabilitation
Rehabilitationsleistungen werden auf Antrag des Versicherten bewilligt. Bei der Antragstellung ist typischerweise der Kliniksozialdienst behilflich. Er sollte vom behandelnden (Stations)arzt rechtzeitig Informationen zur Rehabilitationsbedürftigkeit und -fähigkeit und zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Krankenhausentlassung erhalten. Ist ein Patient gesetzlich sozialversichert und noch nicht Altersrentner, ist typischerweise die gesetzliche Rentenversicherung Rehabilitationsträger, andernfalls die gesetzliche Krankenversicherung. Einige Kostenträger kennen das direkte (BfA-)Einweisungsverfahren, bei dem das Krankenhaus direkt mit der (anerkannten) AHB-Klinik die Aufnahme vereinbart,andere Kostenträger behalten sich selbst die Zuweisung mittels Schnelleinweisung vor. Durch das neue SGB IX wurde die Antragstellung für die Versicherten vereinfacht. Bei mitversicherten Kindern und Jugendlichen ist der zuerst angegangene Reha-Träger leistungspflichtig. Bei privat Krankenversicherten sind Rehabilitationsleis-
64
tungen oft ausgeschlossen, die Kosten für eine AHB werden aber in der Regel übernommen (nach vorheriger Beantragung und Begründung).
Literatur Armbrecht U (1996) Der Patient nach totaler Gastrektomie. Z Gastroenterol 34 (S2): 24–25 Armbrecht U (2001) Chronische Pankreatitis: Gewichtsverlust und Leistungsschwäche – Erfahrungen aus einer spezialisierten Rehabilitationsklinik. Die Rehabilitation 40: 332– 336 Berg A et al. (1999) Die Rehabilitationsbegutachtung für sozialmedizinische Gutachter – ein Diskussionsbeitrag zur Qualitätssicherung. Die Rehabilitation 38: 107–126 Deutsche Krebsgesellschaft (Hrsg) (1999) Qualitätssicherung in der Onkologie – Interdisziplinäre Leitlinien: Diagnose und Therapie maligner Erkrankungen. Leitlinie zur Rehabilitation beim kolorektalen Karzinom. W. Zuckschwerdt, München Bern Wien New York, S 139 ff Gesellschaft für Rehabilitation bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (Hrsg) (1999) Leitlinien. www.grvs.de Herz R, Schaube J (1996) Gastroenterologische Anschlussheilbehandlung an der Mittelrheinklinik Bad Salzig: Zehnjahresüberblick. Z Gastroenterol 34 (S2): 15–19 Koch U, Gundelach C, Tiemann F, Mehnert A (2000) Teilstationäre onkologische Rehabilitation – Ergebnisse eines Modellprojekts. Die Rehabilitation 39: 363–372 Rosemeyer D (1996) Anschlussheilbehandlung nach Pankreassoperationen. Z Gastroenterol 34 (S2): 37–40 Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) (1994) Aktualisierter Indikationskatalog für Anschlussheilbehandlungen des VDR. Deutsche Rentenversicherung 7: 527–534 Zillessen E (1996) Was leistet die Anschlussheilbehandlung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen? Z Gastroenterol 34 (S2): 47–50 Zillessen E (2002) Ambulante/teilstationäre Rehabilitation von Patienten mit Krankheiten der Verdauungsorgane und des Stoffwechsels. Z Gastroenterol 40 (S1): S119– S123
SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Sachverzeichnis
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Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
A Abszesse 389ff – Definition 389 – Diagnostik 389 – Differenzialtherapie 392 – Klassifikation 389 – Klinik 389 – Symptomatik 389 – Therapie 389 Achalasie 40 – Ätiologie 40 – Diagnostik 40 – Symptomatik 40 – Therapie 41 Acne inversa 361 Adrenalininjektion 519 Aids 155ff akute Pankreatitis 396ff – Antibiotika 399 – Ätiologie 396 – Ernährungstherapie 400 – Klinik und Diagnostik 396 – Komplikationen 401 – Schmerztherapie 399 – Schweregrad und Prognose 396 – Therapie 398 – Volumenmangel 399 Albendazol 150, 152 Alizaprid 600 Alkoholika 116 ambulante Rehabilitation 660 – Zugangswege 661 Amöbiasis 144 – Diagnostik 144 – Differenzialdiagnose 144 – Epidemiologie 144 – gesetzliche Bestimmungen 145 – Inkubationszeit 144 – Klinik 144 – Prophylaxe 145 – Therapie 144 – Übertragungsweg 144 Amsterdam-Kriterien 320, 321 Amyloidose 244
– Ätiopathogenese 244 – Definition 244 – Diagnostik 245 – Klinik 245 – Prognose 246 – Therapie 246 – Vorkommen 244 Analekzem 357 – Klinik 357 – Therapie 357 Analfissur 359 – Klinik 359 – Pathogenese 359 Analkarzinom 365 – Diagnostik 365 – Klinik 365 – Nachsorge 367 – Radiochemotherapie 366 – Strahlentherapie.624, 625 – Therapie 366 – TNM-Klassifikation 366 – UICC-Stadieneinteilung 366 – WHO-Klassifikation 365 Analprolaps 369 Angiodysplasie 228 – Diagnostik 228 – Klinik 228 – Pathophysiologie 228 – Therapie 228 Anisakiasis (Anisakidose) 147 – Diagnostik 148 – Differenzialdiagnose 148 – Epidemiologie 147 – Inkubationszeit 147 – Klinik 147 – Prophylaxe 148 – Therapie 148 – Übertragungsweg 147 Anismus 487 – Therapiestudien 487 Anorektums 356ff Anorexia nervosa 526ff – Allgemeinmaßnahmen 529 – Ätiologie 526 – Diagnostik 526 – Ernährung 529 – Klinik 527 – Komorbiditäten 527
– – – – – –
Krankheitsverlauf 534 Pathogenese 526 Prävention 529 Prognose 533 Psychotherapie 530 Serotoninwiederaufnahmehemmer 530 – Therapie 539 – trizyklische Antidepressiva 530 – Verlauf 533 Anschlussrehabilitation 655ff – Definition 655 – Häufigkeit 656 – Zugangswege 661 Antazida 605 Antiemetika 432, 600ff – Anthistaminika 602 – Benzamide 600 – Benzodiazepine 600 – Butyrophenone 602 – Canabinoide 600 – Dosierung 601 – Glukosteriode 602 – Nebenwirkungen 601 – Neurokinin-1-Rezeptorantagonisaten 603 – Phenothiazine 602 – Serotoninantagonisten 602 Antiphlogistika 115 aortoenenterische Fistelbildung 230 Appendizitis 306 – Ätiologie 307 – Diagnostik 307 – Differenzialdiagnose 307 – Epidemiologie 307 – Klinik 307 – Pathogenese 307 – Therapie 308 Arachidonsäurenstoffwechsel 113 Askariasis 148 – Diagnostik 148 – Differenzialdiagnose 148 – Epidemiologie 148 – Inkubationszeit 148 – Klinik 148
665 Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
– Therapie 148 – Übertragungsweg 148 ASS/NSAR 74 – Primärprevention 74 atypische Kolitiden 289ff Autoimmunenteropathie 183ff Azathioprin 253, 631 – Nebenwirkungen 254
B Bacillus-cereus-Enteritis 129ff – Epidemiologie 129 – Erreger 129 – Inkubationszeit 129 – Klinik 129 – Pathophysiologie 129 – Therapie 129 – Übertragungsweg 129 Backward-flow-Theorie 50 bakterielle Lebensmittelintoxikationen 127ff bakterielle Überbesiedlung 83, 233ff – Ätiologie 234 – Diagnostik 236 – Hypo-/Anazidität 234 – Intestinale Stase 234 – Klinik 285 – Malassimilation 235 – Pathophysiologie 233 – Therapie 237 Bakterienflora 233 – Magenchirurgie 234 Ballondilatation 643 – Perforation 643 Balthazar-Score 397 Bandligatur 519 Bandwurmbefall (Taeniosen) 148 – Diagnostik 149 – Differenzialdiagnose 149 – Epidemiologie 148 – Inkubationszeit 149 – Therapie 149 – Übertragungsweg 149
Bauchaortenaneurysma 230 Bestrahlungsplanung 619 Bethesda-Kriterien 320, 321 Bilharziose (Schistosomiasis) 148, 149 – Diagnostik 149 – Differenzialdiagnose 149 – Epidemiologie 149 – Inkubationszeit 149 – Klinik 149 – Prophylaxe 150 – Therapie 149 – Übertragungsweg 149 biopsychosoziales Modell 527 Bismuthsubsalicylat 506 Blue-rubber-bleb-Nävus-Syndrom 230 Blutstillung 519 – Technik 519 Blutung 516 – Blutprodukte 517 – Diagnostik 516 – Kreislaufstabilisierung 517 – Säuresuppression 517 – Ursachen 515 Bolusgabe 554 Botulinumtoxin 44ff – Ösophagusmotilitätsstörungen 44 Bougierungsbehandlung 37 Brachytherapie 619 Bulimia nervosa 526 – Ätiologie 530 – Diagnostik 531 – Klinik 531 – Krankheitsverlauf 534 – Allgemeinmaßnahmen/ Ernährung 532 – Pathogenese 530 – Prävention 532 – Prognose 533 – Psychotherapie 532 – Therapie 531 – Verlauf 533 Buried-bumper-Syndrom 585 Button 550 – Indikationen 551 – Kontraindikationen 551
A–C
– Anlage und Handhabung 551 Butyrophenone 602
C Ciclosporin/Tacrolismus 268 Campylobacterenteritis 129 – Diagnostik 130 – Differenzialdiagnose 130 – Epidemiologie 129 – Erreger 129 – Inkubationszeit 130 – Klinik 130 – Komplikationen 130 – Pathophysiologie 128 – Prophylaxe 130 – Therapie 130 Cannabinoide 600 Capecitabine 332 Ceruletid 512, 604 Chagas-Krankheit 145 – Diagnostik 145 – Differenzialdiagnose 145 – Epidemiologie 145 – Inkubationszeit 145 – Klinik 145 – Prophylaxe 145 – Therapie 145 – Übertragungsweg 145 chemisch definierte Diäten 563 – Produktübersicht 563 Chemoembolisation 109 Chemosensitivität 615 Chemotherapeutika 332 Chemotherapie 613ff Cholera 130 – Diagnostik 131 – Epidemiologie 131 – Erreger 130 – Inkubationszeit 131 – Klinik 131 – Komplikationen 131 – Pathophysiologie 131 – Prophylaxe 132 Cholestryramin 158
666
Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Chromogranin A 104 chronisch entzündliche Darmerkrankungen 249ff – Besonderheiten 275 – Synovitis 280 – Ernährung 277, 278 – extraintestinale Manifestationen 280 – Gallensteine 281 – Malabsorption 277 – Mangelernährung 277 – Nephrolithiasis 281 – Ösophagus 20 – Osteopenie/Osteoporose 281 – primär sklerosierende Cholangitis 281 – Schwangerschaft 275 – Stammskelettarthritis 280 – Spondyloarthritiden 280 chronische Pankreatitis 404ff – Diagnostik 406 – endokrine Insuffizienz 412 – Epidemiologie 405 – Klinik 405 – Pathologie 405 – Schmerztherapie 409 – Stenting 412 – Therapie 407 – Zusatztherapie 412 Ciclosporin A 632 CIPO 347 – Diagnostik 348 – Endoskopie 349 – Ernährungstherapie 352 – Histopathologie 351 – Labor 349 – Radiologie 349 – Sonographie:.349 – Symptome 348 – Therapie 351 Cisaprid 603 Clostridium-perfringens-Enteritis 128 – Erreger 128 – Epidemiologie 128 – Inkubationszeit 129 – Klinik 129 – Pathophysiologie 128
– Therapie 129 – Übertragungsweg 128 Colitis ulcerosa 264, 266ff – Ätiologie 249 – chronisch aktiver Verlauf 269 – Diagnostik 264 – intestinale Komplikationen 266 – Karzinomprophylaxe 270 – Klinik 264 – Kolonperforation 272 – Notfallindikationen 272 – Operationsindikation 271 – Pathogenese 264 – Remissionserhaltung 270 – Remissionsinduktion 266ff – Therapie 266 Cowden-Syndrom (CS) 316 COX-2-Hemmer 117 Crohn’s disease activity index (CDAI) Cyclosporiasis 145 – Diagnostik 146 – Differenzialdiagnose 145 – Epidemiologie 145 – Inkubationszeit 145 – Klinik 145 – Therapie 146 – Übertragungsweg 145
D Desmoide 206, 344 Desmoide 315 Deutsche Schmerzliga 410 Devaskularisationsverfahren 58 Dexapanthenol 511 Diabetes mellitus 460 Diarrhö, antibiotikaassoziierte 169ff – Allgemeinmaßnahmen 172 – Ätiologie 169 – Diagnostik 172 – Inzidenz 169 – Klinik 170 – Pathogenese 169
– Prophylaxe 174 – Rezidivtherapie 174 – Spektrum 171 – Therapie 172 Diarrhö 448ff – akute 455 – Alkoholabusus 459 – Cholezystektomie 460 – Definition 449 – Dickdarmresektion 460 – Epidemiologie und Ätiologie 449 – Exsudation 453 – Hormone 462 – Intensivstation 463 – Langstreckenläufer 463 – Magenoperationen 459 – mikroskopische Kolitis 461 – Motilitätsstörungen 453 – osmotische 450 – Pathogenese 449 – sekretorische 451 – Neuropeptide 462 Diarrhoea factitia 461 Dihydralazin 116 Distigminbromid 512 Diversionskolitis 293 – Pathophysiologie 294 – Klinik 295 – Diagnostik 295 – Therapie 295 Divertikelkrankheit 303 – Therapie 303 Divertikulitis 297ff – Ätiologie 298 – Diagnostik 301 – Klinik 299 – Operationstechniken 304 – Pathogenese 298 – Pathologie 298 – Therapie 302 Divertikulose 297ff – Ätiologie 298 – Diagnostik 301 – Klinik 299 – Pathogenese 298 – Pathologie 298 – Therapie 302
667 Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
D-Laktatazidose 472 Domperidon 600, 603 Drei-Feld-Lymphadenektomie 27 Dumpingsyndrom 81, 87, 459 Dünndarmtransplantation 473 – Abstoßungsprävention 474 – aktute Abstoßung 475 – Donoroperation 474 – Empfängeroperation 474 – Empfängervorbereitung 474 – Graft-versus-Host-Disease (GvHD) 476 – Monitoring 474 – Quadruple-Immunsuppression 475 – Spendervorbereitung 474 Dünndarmtumoren 202ff – Ätiologie 202 – Diagnostik 204 – Klassifikation 203 – Klinik 204 – Prädispositionen 202 – Therapie 204 Dünndarmverlängerung 473 Dyspepsie (s. Reizdarmsyndrom) 436ff
E Eisensalze 116 Eiweißverlustsyndrom 495 – Ätiologie 496 – Diagnostik 498 – Klassifikation 496 – Klinik 496 – Pathogenese 496 – Therapie 498 Endoloops 519 Endometriose 343ff – Ätiologie 343 – Diagnostik 343 – Differenzialdiagnose 343 – Klinik 343 – Prognose 343 – Therapie 343
Endoskopische Mukosaresektion (EMR) 93 Endoskopische perkutane Jejunostomie (EPJ) 552 – Durchführung 552 – Indikation 552 – Kontraindikation 552 Endosonographie, anale 491 Enteroaggregative E. coli (EAEC, EaggEC) 135 – Erreger 135 – Fieber 135 – Klinik 135 Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) 134 – Diagnostik 134 – Differenzialdiagnose 134 – Epidemiologie 134 – Erreger 134 – gesetzliche Bestimmungen 135 – Inkubationszeit 134 – Klinik 134 – Pathophysiologie 134 – Prophylaxe 135 – Therapie 134 – Übertragungsweg 134 Enteroinvasive E. coli (EIEC) 135 – Diagnostik 135 – Epidemiologie 135 – Erreger 135 – Inkubationszeit 135 – Klinik 135 – Pathophysiologie 135 – Therapie 135 – Übertragungsweg 135 Enteropahtogene E. coli (EPEC) 132 – Diagnostik 133 – Inkubationszeit 133 – Klinik 133 – Pathophysiologie 133 – Therapie 133 – Übertragungsweg 133 Enterotoxische E. coli (ETEC) 133 Diagnostik 133 Inkubationszeit 133 Klinik 133
C–F
Pathophysiologie 133 Prophylaxe 134 Therapie 133 Übertragungsweg 133 eosinophile Ösophagitis 22 Epidermoysis bullosa 20 – Ösophagus 20 Eradikationstherapie 73 – Dualtherapie 73 – Quadruple-Therapie 73 – Reserveschemata 73 – Rifabutin-Tripletherapie 73 – Therapieschemata 73 – Therapieversager 73 – Tripeltherapie 73 Erbrechen 425 – Allgemeinmaßnahmen 430 – Ätiologie 426 – Diagnostik 430 – Ernährung 430 – Klinik 429 – Labordiagnostik 430 – Pathophysiologie 426 – PCNV 427 – Therapie 430 – Ursachen 426 Ernährungsregimes 558 Erythromycin 603 Escherichia-coli-Infektionen 132 Etappenlavage 385 Ethracrynsäure 116
F familiäre adenomatöse Polyposis 312 – Diagnostik 312 – Klinik 312 – Therapie 315 Feigwarzen 368 Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ) 553 – Durchführung 553 – Indikation 553 – Kontraindikationen 553 Fibrininjektion 520
668
Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Fisteln 259 – chirurgische Therapie 259ff FKJ – spezifische Komplikationen 586 – Dünndarmnekrose 586 – Dünndarmobstruktion 586 – Pneumatosis intestinalis 586 Flatulenz 500ff – Ernährung 504 – Prävention 504 Fluoropyrimidine 332 5-Fluorouracil 332 Fokale segmentale Ischämie (FSI) 225 FOLFOX-IV-Protokoll 333 Frühdumpingsyndrom 81
G Gallensteinileus 509 GAN (gastrointestinal autonomic nerve)-Tumoren 205 Ganglioneurom 206 Gastrektomie (s. auch Magenresektion) – Eisen 84 – Eisenresorption 85 – Ernährungstherapie 85 – Flüssigkeitszufuhr 86 – Spurenelemente 84 – Vitamine 85 – Zink 84 Gastrinom 75ff, 103 Gastritis 65ff – Allgemeinmaßnahme 68 – Ätiologie 66 – Diagnostik 67 – Klinik 68 – medikamentöse Therapie 68 – Pathogenese 66 – Therapie 68 Gastritis, akute 66ff – Allgemeinmaßnahme 68 – chronische 67 – Enteroplant 68
– Misoprotol 68 – OTC-Präparate 68 – Vitamin-B12-Substitution 68 Gastritis-Typ 66ff – A-Gastritis 66 – B-Gastritis 66 – C-Gastritis 66 – Sydney-Klassifikation 67 gastroduodenale Dissoziation 540 Gastroenteropathien 111 – Medikamente 116 gastrointestinale Blutung 514 – Ätiologie 514 – Diagnostik 516 – Klinik 515 – Pathophysiologie 515 – Therapie 517 gastroösophageale Refluxkrankheit 4ff – Capsaicin 6 – Chromoendoskopie 4 – Diagnostik 4 – Epidemiologie 4 – Gastroplicatio (Verfahren Endocinch) 11 – Heliobacter pylori 8 – Injektionstherapie (Verfahren Enterix) 10 – intestinale Metaplasie 8 – Klassifikation 5 – Klinik 4 – Muse, Einteilung 5 – Pathologie und Pathogenese 4 – pH-Metrie 4 – Protonenpumpenblocker 7 – Radiofrequenztherapie (Verfahren Stretta) 10 – Rezidivprophylaxe 7 – Savary und Miller 5 – Schweregrad 4 – Step-down-Therapie 6 – Striktur 8 – Therapie 5 – Zylinderzellmetaplasie 4
Gastropexie 546 GERD (s. gastroösophageale Refluxkrankheit) 4ff Giardia lamblia 161 Glucagonom 10 Gluten 179 – Hafer 179 – Vorkommen 179 GnRH-Analoga 344 Graft-versus-Host-Disease (GvHD) 210ff – Diagnostik 212 – Klassifikation 212 – Klinik 210 – Ösophagus 20 – Pathologie 210 – Stadieneinteilung 211 – Schweregrade 211 – Therapie213
H Haarnestsinus:.361 HAART 155, 156 Hakenwurmbefall 150 – Diagnostik 150 – Epidemiologie 150 – Klinik 150 – Therapie 150 – Übertragungsweg 150 Hämangiome 230 Hamartom 207 hamartomatöse Polyposen 315ff – Diagnsotik 316 – Klinik 316 Hämatemesis 515 Hämatochezie 515 Hämoclips 518 Hämorrhoiden 362 – Epidemiologie 362 – Gummibandligatur 363 – Klinik 362 – Prädilektionsstellen 362 – Sklerotherapie 363 heimenterale Ernährung 590ff
669 Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
– Komplikationen 593 – Kontrollparameter 593 – ökonomische Aspekte 594 – psychosoziale Aspekte 593 – Therapieplanung 592 – Therapieüberwachung 592 – Voraussetzung 591 Helicobacter-pylori-Eradikation 518 Helminthosen 147ff Hepatic arterial steal syndrome 57 hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) 319 – Diagnostik.322 – Epidemiologie 320 – Frühnerkennung 323 – Genetik 320 – Klinik 320 – Nachsorge 324 – Therapie 323 Hidradenitis suppurativa 361 Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten (H2-Blocker) 607 HIV-Infektionen 155ff – bakterielle Infektionen 163 – Diarrhöen 155 – Grundlagen 155 – HIV-Enteropathie 159 – Kaposi-Sarkom 166 – Non-Hodgkin-Lymphom 167 – Protozoenerkrankung 160 – virale Infektionen 164 H.p.-Therapie 72ff hypertrophe Analpapille 358
I ileonaler Pouch 273 – Kontraindikationen 273 – Operationstechnik 273 – operative Strategien 273 Ileostomie 371
Ileozökalklappenersatz 472 Ileus 507 – Ätiologie 508 – Diagnostik 511 – Differenzialdiagnose 510 – Epidemiologie 508 – Klassifikation 508 – Klinik 509 – Pathologie 509 – Ursachen 508 Immunsuppression 628ff Infektionskrankheiten 126ff – Ätiologie 126 – Epidemiologie 126 – Klinik 127 – Krankheitsbilder 127 – Pathogenese 126 – Therapie 127 Infliximab 254, 634 Inkontinenz, anale 489ff – Ätiologie 490 – Diagnostik 490 – Epidemiologie 490 – Klinik 490 – Pathogenese 490 – Therapie 491 – Ursachen 490 Insolinome 103, 107 – Diazoxid 107 – Interferon-a2b 107 – Octreotid 107 – Therapie 107 Intestinale Pacing 473 intestinale Stase 234 Irinotecan 334 Isospora belli 161 Isosporodiose 146 – Diagnostik 146 – Differenzialdiagnose 146 – Epidemiologie 146 – Inkubationszeit 146 – Klinik 146 – Therapie 146 – Übertragungsweg 146 Jeep’s disease 361 Jejunostomie 551ff – perkutane laparoskopische (PLJ) 554l
F–K
JET-PEG 552 – Durchführung 552 – Komplikationen 552 juvenile Polyposis (JP) 315ff
K Kaliumchlorid 116 Kaposi-Sarkom 155, 166 Kapselendoskopie 516 Karminativa 505 Karzinodide 103 Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom 230 Kock-Pouch (kontinentes Ileostoma) 274 Kokzygodynie 370 Kolitis, antibiotikaassoziierte 174 – Probiotika 174 Kolitis, Clostridium-difficile-assoziierte 169ff Kolitis, penicillinassozierte 170 Kolitis, pseudomembranöse s. Diarrhö Kollagenkolitis 289 – Verlaufsform 289 Kollagenosen 21 – Ösophagus 21 Koloninterposition 473 Kolonperforation 649 – Therapie 649 kolorektales Karzinom 326 – Allgemeinmaßnahmen/ Ernährung 329 – chirurgische Therapie 336 – Diagnostik 327 – FOLFOX-IV-Protokoll 333 – Klinik 327 – laparoskopische Resektion 338 – Lebenserwartung 329 – Mayo-Klinik-Protokoll 330 – Notfallbehandlung 336 – Pathophysiologie 327 – Prävention 328
670
Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
kolorektales Karzinom – Rezidive 339 – Roswell-Park-Protokoll 330 – Saltz-Protokoll 332 – Standardeingriffe 338 – Therapie 326 – TNM-Klassifikation 327 – UICC-Tumorstadien 329 Kolostomie 371 Komplikationen 639ff – Intestinoskopie 640 – Koloskopie 646 – Laparoskopie 646 Kondylomata accuminata 368 Kortikosteroide 116 Kozygodynie 370 Kryotherapie 109 Kryptosporidien 160, 161 Kryptosporodiose 146 – Diagnostik 146 – Differenzialdiagnose 146 – Epidemiologie 146 – Inkubationszeit 146 – Klinik 146 – Therapie 146 – Übertragungsweg 146 Kurzdarmsyndrom 466ff – Adaptionsmechanismen 468 – Ätiopathogenese 467 – Diagnostik 470 – Differenzialdoagnostik 470 – Elektrolythaushalt 469 – Ernährungstherapie 472 – Fettresorptionsstörung 469 – Hyperazidität 467 – Ileozökalklappe 467 – Interventionsmöglichkeiten 471 – Klinik 469 – Komplikationen 472 – Kurzdarmsyndrom 467 – Laktazidose 470 – Malabsorption 468 – Säuren-Basen-Haushalt 470 – Therapie 470 – Ursachen 467 – Vitaminmangelzustände 469
L Lambliasis 146 – Diagnostik 147 – Differenzialdiagnose 147 – Epidemiologie 146 – Inkubationszeit 147 – Klinik 147 – Therapie 147 – Übertragungsweg 146 Laugenverätzung 35 Laxantienabusus 463 Leberegelbefall (Fasciolose) 150 – Diagnostik 150 – Differenzialdiagnose 150 – Epidemiologie 150 – Inkubationszeit 150 – Klinik 150 – Prophylaxe 151 – Therapie 150 – Übertragungsweg 150 Lebertransplantation 58 Leiomyome 98, 206 Leishmaniose 162 Levatorplastiken 493 Lymphangiom 207 Lymphome, intestinale 194 – Chemotherapie 199 – Chirurgie 198 – Diagnostik 196 – Klinik 196 – Pathophysiologie 195 – Prävention 197 – Prognose 198 – Stadienenteilung 198 – Strahlentherapie 199 – Therapie 198 – Therapieoptionen 200
M Magenfrühkarzinom 90 Magenkarzinom 90 – Chemotherapie 94 – TNM-Klassifikation 94
– UICC-Stadium 94 Magenlymphome 95ff – Behandlungsstrategien 95 Magenresektion 81 – atrophische Gastritis 83 – bakterielle Überbesiedlung 83 – Dumpingsyndrom 81 – Knochenstoffwechselveränderungen 85 – Magenstumpfkarzinom 83 – Malabsorptionssyndrom 83 – Refluxösophagis 81 Magensäuresekretion 606 Magenstumpfkarzinom 83 Magentumoren 89ff – Diagnostik und Staging 91 – Klassifikation 90 – Klinik 91 – Pathophysiologie 90 – Prävention 92 – Prognose 92 – Therapie 92 Magersucht 527 Malabsorptionssyndrom 181, 453 – Differenzialdiagnostik 181 Manometrie, anorektale 491 Marisken 358 Mebendazol 148 Men 104 6-Mercaptopurin 631 Mesenterialarterienthrombose (MAT) 224 – Diagnostik 224 – Klinik 224 – Pathophysiologie 224 – Therapie 224 Mesenteriale arterielle Embolie (MAE) 223 – Diagnostik 223 – Klinik 223 – Pathophysiologie 223 – Therapie 223 mesenteriale Ischämie, akute 220ff – Diagnostik 220
671 Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
– Klinik 220 – Pathologie 220 – Therapie 220 mesenteriale Ischämie, chronische 227ff – Diagnostik 227 – Klinik 227 – Pathophysiologie 227 – Therapie 228 Mesenterialevenenthrombose (MVT) 225 – Diagnostik 225 – Klinik 225 – Pathophysiologie 225 – Therapie 225 Meteorismus 500ff – Allgemeinbehandlung 504 – Darmgasbildung 501 – Definition 504 – Diagnostik 503 – Ernährung 504 – Gasaustausch 502 – Grundlagen 501 – Klinik 502 – Pathophysiologie 501 – Prävention 504 – Therapie 504 – Verhaltensstörungen 501 Methotrexat 254, 631 Metoclopramid 600, 603 Microvilluous Inclusion Disease 183ff mikroskopische Kolitis 289 – Diagnostik 290 – Klinik 289 – Pathophysiologie 289 – Therapie 293 Mikrosporidien 161, 162 Mikrosporodiose 147 Mikrosporodiose 147 – Diagnostik 147 – Differenzialdiagnose 147 – Epidemiologie 147 – Inkubationszeit 147 – Klinik 147 – Therapie 147 – Übertragungsweg 147 Morbus Behcet 20
– Ösophagus 20 Morbus Crohn 249 – Ätiologie 249 – Diagnostik 249 – Fistelkomplikationen 258 – intestinale Komplikationen 257 – Klinik 249 – minimal-invasive Chirurgie 263 – operative Prinzipien 258 – Pathologie 249 – postoperative Rezidivprophylaxe 264 – Remissionserhaltung 256 – Remissionsinduktion 252 – Stenosen 261 – steroidabhängiger, Verlauf 253 – steroidrefraktärer Verlauf 253 – Strikturen 261 – Therapie 258 Morbus Ménétrier 499 Morbus Osler-Weber-Rendu 229 – Diagnostik 230 – Klinik 229 – Pathophysiologie 229 – Therapie 230 Morbus Waldmann.497 Motilitätsstörungen 346 – Anamnese 348 – Ätiologie 347 – Diagnostik 348 – Endoskopie 349 – Epidemiologie 347 – Ernährungstherapie 352 – Histopathologie 351 – Klinik 347 – Labor 349 – Ösophagus 40 – Pathogenese 347 – Radiologie 349 – Sonographie 349 – Therapie 351 Mycophenolat Mofetil 632 Mykobakterien 163
K–N
N Nährlösungen 561 – Ballaststoffe 561 – Fette 561 – Kohlenhydrate 561 – kurzkettige Fettsäuren 561 – Proteine 560 – strukturierte Lipide 561 nährstoffmodifizierte Spezialdiäten 564 Nahrungsmittelallergie 186 – Allgemeinmaßnahmen 191 – Definition 187 – Diagnostik 189 – Ernährung 191 – Klinik 188 – Pathologie 187 – Prävention 191 – Symtome 188 – Therapie 191 nasogastrale nasojejunale Sonden 538 – Durchführung 539 – Indikationen 538 – Komplikationen 540 – Kontraindikationen 538 Nebenschilddrüse 461 – Diarrhö 461 Neomukosalbildung 473 Neostigmin 511, 603 neuroendokrine Tumoren 103 Neurofibrom 206 Neuroprothese 493 neutropene (nekrotisierende) Kolitis 292 – Diagnostik 293 – Klinik 293 – Pathophysiologie 292 – Therapie 293 nichtokklusive mesenteriale Ischämie (NOMI) 224 – Diagnostik 224 – Klinik 224 – Pathophysiologie 224 – Therapie 224
672
Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
niedermolekulare Diäten (CDD) 562 Non-Hodgkin-Lymphom 167 – Klassifikation 195 NO-Prodrugs 18 Nowalk-Virus-Infektionen 143 – Diagnostik 143 – Epidemiologie 143 – Erreger 143 – Inkubationszeit 143 – Klinik 143 – Therapie 143 – Übertragungsweg 143 NSAR 114 – Helicobacter pylori 114 NSAR-Enteropathie 114, 119 – Therapie 119 NSAR-Gastroduodenopathie 114 NSAR-Gastroenteropathien 112ff – Ätiologie 112 – Epidemiologie 112 – Medikamente 116 – Pathogenese 112 – Phrophylaxe 116 – Therapie 116 NSAR-Kolonopathie 114, 119 – Therapie 119 Nussknacker-Osophagus 47 – Ätiologie 45 – Diagnostik 45 – Symptomatik 45 – Therapie 45
O Obstipation 479ff – Allgemeinmaßnahmen 485 – Ätiologie 479 – Basisbehandlung 484 – Biofeedback-Training 486 – Definition 479 – Epidemiologie 479 – Ernährung 479 – Formen 484
– – – – – – – – – – –
Funktionstests 482 Klinik und Diagnostik 483 Kolontransit 480 Laxantien 485 Lebensweise 479 Megakolon 480 Megarektum 480 Obstruktion 481 Pathogense 479 Prokinetika 486 Sphinkterfunktionsstörungen 481 – Therapie 484 – Ursachen 480 Octreotide 158 osmotische Lücke 451 Ösophagetomie 27 Ösophagitis, eosinophile 189 Ösophagus, chemische Verletzungen 34 – chemische Grundlagen 434 – Diagnostik 345 – Komplikationen 436 – Symptomatik 434 – Therapie 436 Ösophagus, Fremdkörper 31 – Diagnostik 432 – Epidemiologie 432 – Komplikationen 432 – Symptomatik 432 – Therapie 433 Ösophaguskarzinom 621 – Strahlentherapie 621 Ösophaguskrankheiten 3ff, 15ff – Bestrahlung 21 – Graft-versus-Host-Erkrankungen 20 – Hauterkrankungen 19 – Infektion 16ff – Kollagenosen 21 – M. Behcet 20 Ösophagusmotilitätsstörungen 47 – Diabetes mellitus 47 – Manometrie 46 – Ösophagospasmus 45 – Sklerodemie 47 Ösophagusperforation 639
– Diagnose 642 – Klinik:.641 – Pathologie 641 – Perforation 641 Ösophagusschädigung 21 – Medikamente 21 Ösophagustumoren 25ff – adenoid zystisches Karzinom 25 – adenosquamöses Karzinom 25 – chirurgische Strategie 28 – Diagnostik 25 – Epidemiologie 25 – epitheliale Tumoren 25 – Granularzelltumor 25 – Kaposi-Sarkom 25 – kleinzelliges Karzinom 25 – Klinik 25 – Leiomyom 25 – Lipom 25 – malignes Melanom 25 – Metastasen 25 – mukoepidermoides Karzinom 25 – neoadjuvante Therapie 28 – neuroendokrine Tumoren 25 – nichtepitheliale Tumoren 25 – palliative Chemotherapie 28 – Pathologie 25 – Plattenepithelpapillom 25 – Radiochemotherapie 28 – Radiotherapie 28 – Rhabdomyosrkom 25 – Therapie 27 – TNM-Klassifikation 26 – UICC-Stadieneinteilung 26 Ösophagusvarizen 51 – Einteilung 51 Ösophagusvarizenblutung 50ff – Allgemeinmaßnahmen 52 – Ätiologie 50 – Ballonsonden 55 – Diagnostik 51 – Duplexsonographie 52 – Endoskopie 54 – Endosonographie (EUS) 52 – Klinik 51
673 Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
– – – – – – – –
Linton-Nachlas-Sonde 55 Nitroglycerin 52 NO-Donatoren 53 Ocetreotid 53 Pathophysiologie 50 Prävention 52 Primärprophylaxe 61 Senkstaken-Blakemore-Sonde 55 – Somatostatin 53 – Terlipressin 53 – Therapie, konservative 52 – Therapie, operative 56 – Therapie, Strategien 59ff – transjugulärer intrahepatischer – portosystemischer Shunt (TIPS) 55 – Varizenligatur (EVL) 54 – vasoaktive Medikamente 53 – Vasopressin 53 Ösophagusverätzungen 36 – Schweregrad 436 Oxalatnephrolithiasis 472 Oxaliplatin 333 Oxyuren (Madenwurmbefall) 151 – Epidemiologie 134 – Diagnostik 134 – Differenzialdiagnose 134 – Inkubationszeit 134 – Klinik 134 – Pathophysiologie 134 – Therapie 134 – Übertragungsweg 134 Oxyuren-Befall (Madeneuwurmbefall) 151
P p-Aminosalizylsäure 116 Pankreasabzess 401 Pankreaserkrankungen 395ff Pankreasgangsteine 413 Pankreaskarzinom 419ff – 5-FU/Folsäure 421 – adjuvante Therapie 419 – Chemotherapie 421
– Cisplatin 421 – Ernährung 421 – Gemcitabin 421 – Operationsverfahren 419 – Schmerztherapie 421 – Strahlentherapie 623 Pankreasneoplasien 415ff – Diagnostik 417 – Endosonographie 418 – Epidemiologie 417 – ERCP 418 – Ernährung 421 – Klassifikation 416 – Klinik 417 – neoadjuvante Therapie 419 – palliative Therapie 420 – Pathologie 415 – Positronenemissionstomographie (PET) 418 – Schmerztherapie 421 – Stadieneinteilung 416 – Therapie 418 – TNM-Klassifikation 416 – Tumormarker 418 Pankreaspseudozysten 405, 413 – Computertomographie 407 – endokrine Insuffizienz 406 – Funktionsdiagnostik 407 – Komplikationen 405 – MRCP 407 – Symptomatik 405 Pankreatinpräparate 411 – Auswahl 411 – Galenik 411 – Kombination 411 – Nebenwirkungen 411 – Tagesdosis 411 Papillotomie (EPT) 644 Paragangliom 206 Parasympatholytika 611 Paratyphus s. Typhus pathogene Keime 127 Pemphigus vulgaris 20 – Ösophagus 20 perianale Thrombose 357 – Klinik 357 – Therapie 357 periproktaler Abszess 360
N–P
– Diagnostik 360 – Klassifikation 360 – Klinik 360 – Therapie 360 peristomale Wundeninfektionen 584 Peritoneum 377ff Peritonitis 379 – Definition 380 – Diagnostik 383 – Einteilung 382 – Klassifikation 380 – Klinik 380 – Mannheimer Peritonitisindex 383 – Pathophysiologie 380 – Prognose 386 – Stadieneinteilung 382 – Therapie 383 – Ursachen 380 perkutan sonographisch gesteuerte Gastrostomie (PSG) 548 – Durchführung 548 – Indikation 548 – Komplikationen 549 perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) 538, 540 – Austausch 544 – Ballonkatheterdirektpunktion 543 – Direktpunktion 543 – Entfernung 544 – Indikationen 542 – Komplikationen 543 – perkutane Direktpunktion 543 – Pulltechnik 542 perkutane laparoskopische Gastrostomomie (PLG) 554 Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) 315ff Pfortaderhochdruck 50 – Ätiologie 50 Phenothiazine 602 Pillenösophagitis 21 Pilzinfektionen 17 – Therapie 17
674
Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
Pneumatosis cystoides intestinali (PCI) 240ff – Ätiopathogenese 240 – Diagnostik und Differenzialdiagnostik 241 – Histologie und Pathologie 240 – Klinik 241 – Therapie und Prognose 241 Polyposossyndrome 312ff portosystemische Shuntoperationen 57ff – partielle Shunts 57 – selektive Shunts 58 – totale Shunts 57 postoperativer Ileus 509 postoperative Übelkeit (PONV) 429 Postpolypektomiesyndrom 649 Postvagotomiediarrhö 87 Postvagotomiedysphagie 87 Postvagotomiesyndrom 86 – Dumpingsyndrom 87 – Pathophysiologie 86 – Postvagotomiediarrhö 87 – Postvagotomiedysphagie 87 – Therapie 87 Pouchitis 271, 275 Präbiotika 279 Praziquantel 149 Probiotika 279 progressive Systemsklerose 230 proinflammatorische Zytokine 634 Prokinetika 603 – Benzamide 603 – Cholinergica 603 – Motilinagonisten 603 Proktalgia fugax 370 Prostaglandinderivate 117 Prostaglandin-E-Analoga 611 Protonenpumpenhemmer 608, 610 – Kontraindikationen 75 – Nebenwirkungen 610 – Risiken 610 – Spektrum 608 – Wirkungsmechanismus 608 Protozoeninfektionen 144
Pruritus-ani-Analekzem 357 – Ursachen 357 Pseudoobstruktion 347 – Ursachen 347 Pseudozysten 401 Pyodermia fistulans sinifika 361 Pyrantel 148 Pyrantelembonat 150 Pyridostigminbromid 512
R Ranson-Parameter 397 Refeeding-Syndrom 588 Rehabilitation 657 – chronisch entzündliche Darmerkrankungen 660 – Pankreaserkrankungen 659 – Darmtumoren 659 – Gastrektomie 658 – gesetzliche Grundlagen 657 – Zielorientierung 657 Rehabilitationsabedürftigkeit 657 Rehabilitationsfähigkeit 657 Rehabilitationsprognose 657 Rehydratation 453 Reizdarmsyndrom 436ff – Analgetika 444 – Antidepressiva 444 – Arzneimitteltherapie 443 – Arzt-Patienten-Interaktion 442 – Ballondistension 438 – Definition 436 – Diagnostik 440 – Duodenitis 439 – Dyspepsie 436 – Gastritis .439 – Häufigkeit 437 – Helicobacter pylori 440, 443 – Kategorisierung 437 – Komorbidität 439 – Kriterien 436 – Magensäuresekretion 439 – Motilität 438
– Nahrungsmittelunverträglichkeit 440 – Pathophysiologie 438 – Persönlichkeitsmerkmale 439 – Prävalenz und Inzidenz 436 – Prokinetika 443 – Reflux 438 – Reizdarmsyndrom436 – Säurehemmung 443 – Simethicon 444 – Spasmolytika 444 – Stress 439 – Therapie 442 – Zytoprotektion 443 Rektopexie-Techniken 494 Rektozele 369 Rektum 369 Rektumkarzinom 331 – adjuvante Therapie 331 – High-grade-Karzinome 338 – neoadjuvante Therapie 331 – Strahlentherapie 338 Rektumkarzinom 623 – Strahlentherapie 623, 625 Rektumprolaps 369 Rektumzele 369 Reserpin 116 röntgenologische gesteuerte Gastrostomie 549 – Indikation 549 – Kontraindikation 549 Rotavirus-Infektionen 143 – Diagnostik 143 – Epidemiologie 143 – Erreger 143 – Inkubationszeit 143 – Klinik 143 – Therapie 143 – Übertragungsweg 143
S Salmonellosen 136 – Diagnostik 136 – Differenzialdiagnose – Epidemiologie 136
136
675 Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
– Erreger 136 – Inkubationszeit 136 – Klinik 136 – Prophylaxe 137 – Therapie 136 – Übertragungsweg 136 Saltz-Protokoll 334 Salvage-Protokolle 95 Sarkome 97ff Schilddrüse 461 – Diarrhö 461 Schwangerschaft 275 – Antibiotika 276 – Immunsupressiva 276 – Kortikosteroide 275 – Mesalazin 275 Schwannom 206 Serotoninantagonisten 602 Shigellose (Shigellenruhr) 137 – Diagnostik 138 – Differenzialdiagnose 138 – Epidemiologie 137 – Erreger 137 – gesetzliche Bestimmungen 138 – Inkubationszeit 138 – Klinik 138 – Pathophysiologie 137ff – Prophylaxe 138 – Therapie 138 – Übertragungsweg 137 Shigellosen 137 Simethicon 505 Sinus pilonidalis 361 Sirolimus 634 Sklerosierung 519 solitäres Rektumulkus 368 Somatostatinanalog 108 Somatostatiom 103 Sonden 566ff – Aspiration 580 – Dehydratation 586 – Diarrhö 576 – Druckläsionen 681 – gastrointestinale Komplikationen 577 – Hyperglykämie 588
– Medikamentenapplikation 566 – metabolische Kompliationen 586 – pharmakokinetische Inkompatiblitäten 568ff – pharmazeutische Inkompatibilitäten 568ff – physikalische Inkompatibilitäten 568ff – physiologische Inkompatibilitäten 568ff – Richtlinien 572 – sondenbedingte Komplikationen 581 – Sondendefekte 583 – Sondendislokation 581, 583 Sondenapplikationsformen 555 Sondendiäten 558ff Sondentechiken 538ff Spätdumpingsyndrom 83 Sprue, extratintestinale 178 Sprue, refraktäre 180ff – Ätiologie 181 – Definition 180 – Diagnostik 182 – Klinik 182 – Pathogenese 181 Sprue 176ff – Ätiologie und Pathogenese 177 – Cyclophoshamid 181 – Definition 177 – Diagnostik und Klinik 177 – Infliximab 181 – Mycophenolat 181 – Therapie 177 Staphylokokkenenteritis 128 – Diagnostik 128 – Differenzialdiagnose 128 – Epidemiologie 128 – Erreger 128 – Inkubationszeit 128 – Klinik 128 – Phatophysiologie 128 – Therapie 128 – Übertragungsweg 128 Steißbeinabszess 361
P–S
Steißbeinfistel 361 Stomaarten 372 Stomakomplikationen 371, 375 Stomaoperation 373 Stomapflege 371, 373 Stomaversorgung 371 Strahlenschäden 213, 215 – Diagnostik 215 – Klinik 214 – Manifestation 212 – Pathophysiologie 213 – Prävention 216 – Therapie 216 – Therapieoptionen 217 Strahlentherapie 618ff – Analkarzinom 624 – Bestrahlungsplanung 619 – Bestrahlungstechniken 619 – Fraktionierung 619 – Kolonkarzinom 623 – Kombinationstherapie 619 – Magenkarzinom 622 – Nebenwirkungen 620 – Ösophaguskarzinom 620 – Pankreaskarzinom 622 – Rektumkarzinom 623 Strikturprophylaxe 37 Stromatumoren (GIST) 97ff – Diagnostik und Staging 98 – Epidemiologie 98 – Klassifikation und Stadieneinteilung 98 – Klinik 98 – Prognose 101 – Therapie 99 Strongyloidiasis (Zwergfadenwurmbefall) 151 – Diagnostik 151 – Differenzialdiagnose 151 – Epidemiologie 151 – Inkubationszeit 151 – Klinik 151 – Therapie 151 – Übertragungsweg 151 Stuhlimpaktion 483 Sucralfat 607 Sydney-Klassifikation 67 Symbiotika 279
676
Sachverzeichnis SOI BUAKAO-PATTAYA KLANG
T Tacrolimus 634 Tegaserod 604 Teleangiektasie s. M. Osler-WeberRendu Tetrazykline 116 Thiabendazol 152 Thiazide 116 Thiobendazol 151 TNF-a-mAK 635 TNF-a-Rezeptoren 635 toxisches Megakolon 268 Toxoplasmen 162 Trans-coeliacus-KompressionsSyndrom 230 Tube-feeding-Syndrom 586 tuberkulöse Enterokolitis 139 – Diagnostik 139 – Differenzialdiagnose 139 – Epidemiologie 139 – Erreger 139 – gesetzliche Bestimmungen 140 – Klinik 139 – Pathologie 139 – Therapie 140 – Übertragungsweg 139 Tufting-Enteropathie 183ff Tumorbiologie 615 Tumordebulking 106 Tumoren (GEP) 102ff – Ätiologie 102 – Diagnose 102 – Epidemiologie 102 – Strahlentherapie und Radioligandentherapie 110 – Therapie 104 Typhus 140 – Diagnostik 141 – Differenzialdiagnose 141 – Epidemiologie 140 – Erreger 140 – gesetzliche Bestimmungen 141
– – – – –
Inkubationszeit 140 Klinik 140ff Prophylaxe 141 Therapie 141 Übertragungsweg 140
Virusenteritiden 143ff Virusinfektionen 18 – Therapie 18 Volvolus 509
W
U
WHO-Lösung Übelkeit 425 – Allgemeinmaßnahmen 430 – Ätiologie 426 – Diagnostik 430 – Ernährung 430 – Klinik 429 – Pathophysiologie 426 – Therapie 430 – Ursachen 426 UFT 333 Ulkus 70ff – Therapie, chirurgische 76 – Therapie, konservative 72 Ulkusblutung 70ff – Ätiologie 71 – Diagnostik 72 – Grundlagen 71 – Klinik 71 – Management 76 – Operationstechnik 78 – Pathogenese 71 – Rezidivblutung 77 Ulkustherapeutika 606ff – Pharmakologie 606 – Physiologie 605 Ulmer-Schule 385 Ulzera 74 – Sekundärprophylaxe 74 Urease-Schnelltest (HUT-Test) 67
V vaskuläre Krankheiten Vipom 103
220ff
453
Y Yersiniose 142 – Diagnostik 142 – Epidemiologie 142 – Erreger 142 – gesetzliche Bestimmungen 143 – Inkubationszeit 142 – Klinik 142 – Prophylaxe 142 – Therapie 142 – Übertragungsweg 142
Z Zyklooxygenasehemmung 112 Zytomegalievirus 164 Zytomegalievirusinfektion 143 – Diagnostik 144 – Epidemiologie 143 – Erreger 143 – Inkubationszeit 143 – Klinik 143 – Prophylaxe 144 – Therapie 144 – Übertragungsweg 143 Zytostatika 116, 614 – emetogenes Potential 428