Wolfgang Schneider Praktische Regelungstechnik
Wolfgang Schneider
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Wolfgang Schneider Praktische Regelungstechnik
Wolfgang Schneider
Praktische Regelungstechnik Ein Lehr- und Übungsbuch für Nicht-Elektrotechniker 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage Mit 429 Abbildungen, 72 Tabellen und 54 Übungsaufgaben STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 1991 2.,verbesserte Auflage 1994 3.,vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Thomas Zipsner | Imke Zander Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: KLEMENTZ publishing services, Gundelfingen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-528-24662-4
V
Vorwort
Das vorliegende Buch der Regelungstechnik ist für den Maschinen – und Anlagenbauer gedacht, nicht für den Spezialisten aus der Elektrotechnik. Daher stammen die meisten Beispiele aus der Praxis des Planers oder Betreibers von Produktionsanlagen oder Versorgungsanlagen. Es werden weniger die mathematischen Verfahren erläutert, die man in der elektrischen Regelungstechnik findet, sondern es sollen eher praxisnahe, d. h. anlagennahe Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden. Die Grundlagen der Regelungstechnik haben sich in den letzten Jahren wenig geändert, aber die Hochschullandschaft ist in Bewegung geraten. Mit der Einführung von BachelorStudiengängen ist eine Neuorientierung auch in der Regelungstechnik notwendig geworden. Durch die deutliche Reduzierung des Stundenumfangs musste auch die Regelungstechnik auf das Basiswissen und allgemein einsetzbare Fähigkeiten konzentriert werden. Aufbauend darauf werden dann weiterbildende Bücher der Regelungstechnik in Masterstudiengängen benötigt. Das vorliegende Buch ist vor allem für die Ausbildung zum Bachelor im Bereich Technik geeignet. Das besondere dieses Lehr- und Arbeitsbuches sind die zahlreichen ausführlich berechneten Übungsaufgaben, die meisten davon basieren auf realen Anlagen, die aus didaktischen Gründen aber vereinfacht wurden. Das Konzept entstand durch die Lehrtätigkeit an der OhmHochschule Nürnberg in den Studiengängen Maschinenbau, Versorgungstechnik, Verfahrenstechnik und Technische Chemie. Aus Klausuraufgaben wurden durch Erweiterung der Aufgabenstellung umfangreiche Übungsaufgaben, die insbesondere das Selbststudium unterstützen. Nach den Grundbegriffen der Regelungstechnik in werden in Abschnitt I physikalische Modelle vorgestellt, die auch im nicht regelungstechnischen Bereich zum Einsatz kommen. Abschnitt II beschreibt die messtechnische Analyse von Regelstrecken, d. h. die Ermittlung von typischen regelungstechnischen Kennwerten mit Hilfe von meist grafischen Verfahren. Der Aufbau und die Einstellung des analogen Regelkreises nach empirischen Verfahren werden in Abschnitt III erläutert. Abgerundet wird dieses Lehrbuch im Abschnitt IV durch die Vorstellung einiger besonderer Regelkreise, wie sie in der Praxis häufig zum Einsatz kommen. Dank gilt dem Verlag und allen, die zur Erstellung dieses Buches beigetragen haben. Besonderer Dank gilt meinen Laboringenieur, Herr Richard Lorenz für seine unermüdliche Hilfe bei Inhalten und Abbildungen.
Nürnberg, im April 2008
Wolfgang Schneider
VII
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einleitung .........................................................................................................................
1
1 Einführung in die Automation ................................................................................. 1.1 Automationsebenen ............................................................................................ 1.2 Automationsaufgaben ........................................................................................ 1.3 Automation mit Rechnern ..................................................................................
3 4 5 5
2 Grundbegriffe der Regelungstechnik ....................................................................... 2.1 Steuerung ........................................................................................................... 2.2 Regelung ............................................................................................................ 2.3 Benennung von Regelkreisgliedern ................................................................... 2.4 Normierung ........................................................................................................ 2.5 Arbeitspunkt ....................................................................................................... 2.6 Linearisierung ....................................................................................................
7 7 9 15 20 21 22
3 Grafische Beschreibung von Prozessen ................................................................... 3.1 Planung von Mess-, Steuerungs- und Regelungsanlagen ................................... 3.2 Gerätefließbilder ................................................................................................ 3.3 Kennbuchstaben .................................................................................................
26 26 27 29
4 Beschreibungsformen von Signalen ......................................................................... 4.1 Signalverläufe .................................................................................................... 4.2 Mathematische Beschreibung im Zeitbereich .................................................... 4.2.1 Fundamentalgleichung der Regelungstechnik ........................................ 4.2.2 Lösung der Differentialgleichung .......................................................... 4.3 Frequenzbereich ................................................................................................. 4.4 Digitale Signale .................................................................................................. 4.5 Stochastische Signale .........................................................................................
36 37 39 40 41 45 48 49
Darstellungsmethoden ...............................................................................................
51
5 Wirkungsplan ............................................................................................................. 5.1 Elemente des Wirkungsplans ............................................................................. 5.1.1 Block ...................................................................................................... 5.1.2 Wirkungslinie ......................................................................................... 5.1.3 Zusammenfassungsstelle ........................................................................ 5.1.4 Verzweigungsstelle ................................................................................ 5.1.5 Multiplikationsstelle ............................................................................... 5.2 Zusammengesetzte Zeitverhalten ....................................................................... 5.2.1 Kreisschaltung ........................................................................................ 5.2.2 Reihenschaltung ..................................................................................... 5.2.3 Parallelschaltung .................................................................................... 5.2.4 Schwingungsfähiges System ..................................................................
52 54 54 56 57 57 58 60 60 63 65 67
I
VIII
5.3
Inhaltsverzeichnis
Grafische Programmierung ................................................................................ 5.3.1 Benutzeroberfläche ................................................................................. 5.3.2 Vorgehen ................................................................................................
72 73 73
6 Modellbildung ............................................................................................................ 6.1 Modellarten ........................................................................................................ 6.2 Ablauf der Modellbildung .................................................................................. 6.3 Prozessmodelle ................................................................................................... 6.4 Beispiel für Prozessmodelle ............................................................................... 6.4.1 Thermische Modelle ............................................................................... 6.4.2 Mechanisch-translatorische Modelle ...................................................... 6.4.3 Pneumatisches Modell ............................................................................
75 76 77 78 81 81 84 91
7 Testfunktionen ........................................................................................................... 7.1 Sprungantwort .................................................................................................... 7.2 Impulsantwort ..................................................................................................... 7.3 Anstiegsantwort .................................................................................................. 7.4 Antwortfunktionen für elementare Zeitverhalten ............................................... 7.4.1 P-Verhalten .............................................................................................. 7.4.2 I-Verhalten ............................................................................................. 7.4.3 D-Verhalten ............................................................................................
95 96 98 100 101 101 101 103
8 Zustandsdarstellung ................................................................................................... 8.1 Zustandsmatrix .................................................................................................... 8.2 Zustandsmodelle.................................................................................................. 8.2.1 Zustandsmodell 1. Ordnung .................................................................... 8.2.2 Zustandsmodell 2. Ordnung ....................................................................
106 107 107 108 109
II Ermittlung von Kennwerten .....................................................................................
115
9 Übersicht über Regelstrecken ................................................................................... 9.1 Analyse des Verhaltens von Regelstecken ......................................................... 9.2 Komponenten der Regelstrecke .......................................................................... 9.3 Klassen von Regelstrecken ................................................................................. 9.4 Strecken mit oder ohne Rückwirkung ................................................................
117 117 118 119 120
10 Statisches Verhalten von Regelstrecken .................................................................. 10.1 Kennlinien von Regelstreckenkomponenten ......................................................
122 126
11 Stelltechnik ................................................................................................................. 11.1 Stellantrieb ......................................................................................................... 11.2 Ventilkennlinie ................................................................................................... 11.3 Öffnungskennlinie .............................................................................................. 11.4 kV-Kennlinie ....................................................................................................... 11.4.1 Lineares Ventil: KP = konstant ............................................................... 11.4.2 Gleichprozentiges Ventil: KP = f (H) ...................................................... 11.4.3 Ventilkennzeichnung ............................................................................... 11.5 Betriebskennlinie .................................................................................................
134 137 138 140 142 143 144 144 152
Inhaltsverzeichnis
IX
12 Zeitkennwerte ............................................................................................................ 12.1 Totzeitverhalten .................................................................................................. 12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke .......................................................................... 12.2.1 Ermittlung des Beharrungswertes .......................................................... 12.2.2 Ermittlung der Zeitkonstanten T ............................................................. 12.2.3 Ermittlung der Halbwertzeit ................................................................... 12.2.4 P-T1-Funktion in halblogarithmischer Darstellung ................................ 12.3 P-T1-Strecken mit Totzeit ..................................................................................
162 162 166 167 169 173 174 181
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung ..................................................... 13.1 Zeitkonstantensummen-Verfahren ..................................................................... 13.2 Wendetangenten-Verfahren ............................................................................... 13.3 Sondermodell für P-T3-Strecken ........................................................................ 13.4 Sondermodell für Regelstrecken mit ungleichen Zeitkonstanten ....................... 13.5 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-T2-Strecken ........................................... 13.6 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-Tn-Strecken ...........................................
190 192 197 204 208 212 217
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken ....................................................... 14.1 P-T2S-Modell als reines Schwingungsglied ....................................................... 14.1.1 Abklingkonstantenverfahren .................................................................. 14.1.2 Logarithmisches Dekrement ................................................................... 14.1.3 Anschwingverhalten ............................................................................... 14.2 Modell mit Schwingungsglied und Verzögerungsgliedern ................................
223 224 225 226 228 234
15 Integrierbeiwerte ....................................................................................................... 15.1 Verzögerungsarme Strecken .............................................................................. 15.2 Regelstrecken ohne Ausgleich mit Verzögerung ...............................................
240 241 245
III Analoger stetiger Regelkreis .....................................................................................
254
16 Reglerkennwerte ........................................................................................................ 16.1 Grundzeitverhalten des Reglers ......................................................................... 16.2 P-Regler ............................................................................................................. 16.2.1 Bleibende Regelabweichung .................................................................. 16.2.2 Kennlinie des P-Reglers ......................................................................... 16.3 PI-Regler ............................................................................................................ 16.3.1 I-Teil des Reglers ................................................................................... 16.3.2 Nachstellzeit Tn ...................................................................................... 16.3.3 PI-Regler in Parallelschaltung ................................................................ 16.4 PD-Regler ........................................................................................................... 16.4.1 Der Verschwindeimpuls ......................................................................... 16.4.2 PD-Regler ............................................................................................... 16.4.3 Vorhalt TV .............................................................................................. 16.5 PID-Regler .........................................................................................................
255 257 258 259 261 273 274 277 279 282 282 284 285 288
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen .................................................................. 17.1 Methodik der Analyse ........................................................................................ 17.2 Ablauf der Regelkreisanalyse ............................................................................
293 294 296
X
Inhaltsverzeichnis
17.2.1 Ansatz der Differenzialgleichung ........................................................... 17.2.2 Auswertung der Differenzialgleichung .................................................. 17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz .......................................................... 17.4 Regelkreis ohne bleibende Regeldifferenz ......................................................... 17.5 Regelkreise mit schwingendem Verhalten .........................................................
296 298 300 315 323
18 Empirische Einstellregeln ......................................................................................... 18.1 Stabilität ............................................................................................................. 18.1.1 Stabilitätsrand ......................................................................................... 18.1.2 Einstellregeln nach dem kritischen Zustand ........................................... 18.2 Einstellwerte aus der Sprungantwort .................................................................. 18.2.1 Einstellregeln für schnelle Regelkreise .................................................. 18.2.2 Einstellregeln für langsame Regelkreise ................................................ 18.2.3 Umwandlung von kritischen Werten ...................................................... 18.3 Regelgüte ............................................................................................................ 18.3.1 Toleranzband .......................................................................................... 18.3.2 Gütemaß im Zeitbereich ......................................................................... 18.3.3 Integralkriterien ...................................................................................... 18.4 Regleroptimierung ..............................................................................................
333 334 336 337 337 338 339 339 340 341 341 343 345
IV Besondere Regelkreise ...............................................................................................
347
19 Unstetige Regler ......................................................................................................... 19.1 Arten von unstetigen Reglern ............................................................................. 19.1.1 Abtastregler ............................................................................................ 19.1.2 Schrittregler ............................................................................................ 19.1.3 Dreipunktregler ...................................................................................... 19.1.4 Zweipunktregler ..................................................................................... 19.1.5 Zweipunktregler mit Rückführung ......................................................... 19.2 Erzeugen des Stellverhaltens eines Zweipunktreglers ....................................... 19.3 Zeitverhalten von Regelkreisen mit Zweipunktreglern ...................................... 19.3.1 P-T1-Strecke mit Zweipunktregler und Hysterese .................................. 19.3.2 Zeitverhalten eines Zweipunktreglers ohne Hysterese an einer P-Tn-Strecke .............................................................................. 19.4 Verbesserung des Regelverhaltens .....................................................................
348 348 348 348 350 350 351 352 353 353
20 Digitale Algorithmen ................................................................................................. 20.1 Kopplung der Regelstrecke mit dem digitalen Regler ........................................ 20.1.1 Abtastung ................................................................................................ 20.1.2 Auflösung ............................................................................................... 20.1.3 Skalierung ............................................................................................... 20.2 Digitales Modell der Regelstrecke ..................................................................... 20.2.1 Differenzengleichung ............................................................................. 20.2.2 z-Transformation .................................................................................... 20.3 Regelalgorithmen ............................................................................................... 20.3.1 P-Algorithmus ........................................................................................ 20.3.2 I-Algorithmus .........................................................................................
359 359 360 362 364 367 367 369 370 371 372
356 358
Inhaltsverzeichnis
XI
20.3.3 D-Algorithmus ....................................................................................... 20.3.4 Stellungsalgorithmus .............................................................................. 20.3.5 Geschwindigkeitsalgorithmus ................................................................
374 375 375
21 Fuzzy Control ............................................................................................................. 21.1 Aufbau des Fuzzy Reglers ................................................................................. 21.2 Zugehörigkeitsfunktion ...................................................................................... 21.3 Unscharfe Mengen ............................................................................................. 21.4 Fuzzy-Operationen ............................................................................................. 21.5 Defuzzifizierung .................................................................................................
377 378 379 382 385 387
22 Regelschaltungen ....................................................................................................... 22.1 Einschleifiger Regelkreis ................................................................................... 22.1.1 Temperaturregelung eines dampfbeheizten Behälters ............................ 22.1.2 Temperaturregelung eines Lufterhitzers ................................................. 22.1.3 Raumtemperaturregelung ....................................................................... 22.2 Grob-Fein-Regelung .......................................................................................... 22.2.1 Dampfdruck-Temperaturregelung .......................................................... 22.3 Störgrößenaufschaltung ..................................................................................... 22.3.1 Kompensationsregler .............................................................................. 22.3.2 Störgrößenaufschaltung auf den Reglereingang ..................................... 22.3.3 Regelung mit Hilfsregelgröße ................................................................ 22.4 Führungsgrößenaufschaltung ............................................................................. 22.4.1 Zeitplanregelung ..................................................................................... 22.4.2 Heizkurve ............................................................................................... 22.4.3 Anfahrvorgang ....................................................................................... 22.5 Verhältnisregelung ............................................................................................. 22.5.1 λ-Regelung ............................................................................................. 22.5.2 Mengenverhältnis-Regelung .................................................................. 22.5.3 Regelung mit Hilfsstellgröße .................................................................. 22.5.4 Dreikomponentenregelung ..................................................................... 22.6 Kaskadenregelung .............................................................................................. 22.6.1 Kaskadenregelung für einen dampfbeheizten Behälter .......................... 22.6.2 Kaskadenregelung eines Klimasystems .................................................. 22.6.3 Drehzahlregelung ................................................................................... 22.6.3 Positionierregelung ................................................................................. 22.7 Bereichsaufschaltung ......................................................................................... 22.8 Zustandsregler .................................................................................................... 22.9 Adaptiver Regler ................................................................................................ 22.10 Komplexe Regelkreissysteme ............................................................................
388 389 390 391 391 393 394 394 395 396 397 399 399 400 401 401 402 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 411 413
Literaturverzeichnis ........................................................................................................
414
Sachwortverzeichnis ........................................................................................................
415
1
Einleitung Lang und mühsam ist der Weg vom Steinkeil bis zur Fabrik der Zukunft. In der Geschichte der Menschheit stößt man immer wieder auf die Entwicklung von neuen Hilfsmitteln, mit denen der Mensch zu Anfang die Ernährung und später den Komfort schuf. Am Anfang wurde das Jagdtier mit dem Knüppel erschlagen. Der Mensch setzte dabei sein Leben aufs Spiel, um sich und seine Familie zu ernähren. So wurde der Wunsch nach einer Distanzwaffe wach, der in Form des Speers realisiert wurde. Beim Übergang vom Sammler zum Pflanzer suchte der Mensch nach Werkzeugen, mit denen die körperlich anstrengende Handarbeit erleichtert wurde. Mit der Zeit wurden die Werkzeuge immer größer, um schließlich zu mechanischen Einrichtungen, genannt Maschinen, zu werden. Schon die alten Griechen, z. B. Archimedes, erkannten das Prinzip der mechanischen Regelung als selbsttätigen Ausgleich. Aber weder die Handarbeit mit Werkzeugen und Maschinen noch die Mechanisierung der Arbeitsabläufe mit Hilfe der Energie sind durch das gekennzeichnet, was die Automation ausmacht, die Selbsttätigkeit. „Auto“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Selbst“. Der Automat ist eine selbsttätige Vorrichtung ohne Zutun des Menschen. Einer der ersten Regler der Neuzeit war der von James Watt erfundene Fliehkraftregler. Im Jahre 1784 verwendete er dieses Prinzip an der von ihm entwickelten Dampfmaschine, um die Drehzahl bei Belastungsschwankungen möglichst konstant zu halten.
Regler Dampf Kraft F Verstellen der Drosselklappe durch den Regler Auflager
Gewicht G
Belastung
Kegelzahnräder Drehzahl soll durch die Menge des eintretenden Dampfes geregelt werden Schwungrad
Dampfmaschine
Bild 0-1 Fliehkraftregler nach James Watt
Heute werden in der Praxis fast ausschließlich digitale Regler eingesetzt. Alles, was man logisch beschreiben kann, lässt sich damit in einen automatisierten Ablauf umsetzen. Und dabei stehen wir noch am Anfang. Ambient Intelligence wird ein intelligentes Umfeld rund um den Menschen schaffen und ihn bei allen täglichen Problemen und Zielen unterstützen.
2
Einleitung
Die Bedeutung der Regelungstechnik liegt heute vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet: x x x x
Entlastung des Menschen von Routinearbeiten im Prozess und im Betrieb Sicheres und zuverlässiges Betreiben der Anlagen Einfaches Bedienen und Beobachten Kostengünstiges Betreiben
Die automatisierte Anlage arbeitet meist billiger und genauer. Die Ergebnisse sind präziser und zuverlässiger. Der Verbrauch der Ressourcen wird minimiert. Ein ganz entscheidender Punkt zum Erfolg der Automation: heutige Anlagen werden immer komplexer, so dass der Mensch die in der Kürze der Zeit anfallenden Informationen nicht mehr erfassen und daraus die richtigen Entscheidungen fällen kann. Die Automation kann dies, wenn der Automatisierer die Funktionen richtig umgesetzt hat.
3
1 Einführung in die Automation Arbeitet man sich in ein neues technisches Gebiet ein, so muss man sich zuerst mit der Fachsprache vertraut machen. Der Oberbegriff lautet Automation bzw. Control. Das Erstellen eine Automation, bestehend aus der Planung, Auswahl und Vernetzung der gerätetechnischen Ausrüstung, Konfigurierung und Parametrierung der Software, wird Automatisieren genannt. Der Bereich der Automation umfasst mehrere Teilbereiche, die in Bild 1-1 zusammenfassend dargestellt sind.
Leiten Regeln Steuern
Dokumentieren Stellen Messen Schalten Melden
Energie Material
Produkt Prozess
Bild 1-1 Teilbereiche der Automation
Umgebung Prozesse, die automatisiert werden, erstrecken sich über alle Bereiche unserer Welt. Dabei wird Material und/oder Energie eingesetzt und so umgewandelt, dass ein Produkt gewünschter Qualität entsteht. Das Produkt kann materiell (z. B. ein Waschmittel oder eine Waschmaschine) oder ideell (z. B. Behaglichkeit des Raumklimas) sein. Aus jedem Prozess können Informationen entnommen werden. Diesen Vorgang nennt man Messen. Wird die Information nur aufbereitet und gespeichert bzw. gedruckt, spricht man von einer Messdatenerfassung. Die Beeinflussung des Prozesses in einer vorgegebenen Form bezeichnet man als Stellen. Stellglieder werden nach der Art der Hilfsenergie in elektrisch, hydraulisch und pneumatisch wirkende unterteilt. Werden die Stellglieder aufgrund von externen Informationen betätigt, so spricht man von Steuerungen. Diese externen Informationen können als Signale aus dem Prozess stammen. Der Reglerteil des Automationsgerätes erhält durch Messung Informationen aus dem Prozess, vergleicht diese Werte mit vom Menschen vorgegebenen Führungsgrößen, verändert diese Werte nach Vorgabe der Regelaufgabe und gibt diese in Form von Stellgrößen wieder in den Prozess zurück. Dabei wird im Prozess durch die Stellgröße die Messgröße so beeinflusst, dass die Abweichung von der Führungsgröße möglichst gering wird. Da dieser Vorgang im Kreis verläuft, nennt man ihn auch geschlossenen Regelkreis. Die moderne Regelung umfasst viel mehr als nur die Erfüllung der Regelaufgabe. Oft werden komplexe Berechnungen durchgeführt, betriebswirtschaftlich optimale Entscheidungen getroffen und damit das Management unterstützt. Dabei werden nicht nur mit dem „führenden und
4
1 Einführung in die Automation
leitenden“ Menschen, sondern auch mit überlagerten Rechnersystemen Informationen ausgetauscht.
1.1 Automationsebenen Die Automation ist ein Sammelbegriff für alle Steuerungs- und Regelungsaufgaben sowie Managementaufgaben, die von verteilten Rechnersystemen selbsttätig übernommen oder unterstützt werden.
Unternehmensmanagement Planen, Verbessern, Kostenrechnung Managementebene
Optimierungsfunktionen
Betriebsmanagement Koordinieren, Abwickeln
Automationsebene
Prozessleittechnik Bedienen und Beobachten, Auswerten und Optimieren
Verarbeitungsfunktionen
Überwachen, Steuern, Regeln
Feldebene
Messen, 0 ... 100%
Stellen, 0 ... 100%
Zählen, 000 ... 999
Melden, 0/1 oder 1/0
Schalten, 0/1
Grundfunktionen
Schaltschrank Funktion
Material
Prozess Energie
/
Anlage Produkt
Bild 1-2 Ebenen der Automation
Zur besseren Übersicht teilt man die Automationselemente und die dort verarbeiteten Funktionen bestimmten Ebenen zu (Bild 1-2). In der Feldebene finden wir den Prozess mit allen Messfühlern oder Sensoren und Stellgeräten. Der Prozess läuft in der Anlage bzw. in den Geräten ab, aus denen die Anlage aufgebaut ist. Messumformer, Stellantriebe sowie weitere Signalwandler befinden sich in der Übertragungsebene. Je nach Umfang der Wandlungsaufgaben befindet sich die Übertragungsebene direkt im Gerät, in einem kleinen Schaltkasten am Gerät oder bei Großanlagen im Schaltschrank. In der Automationsebene werden Überwachungs-, Regelungs- und Steuerungsaufgaben verarbeitet und manchmal auch adaptiv, d.h. selbsttätig anpassend optimiert. Prozessführungsaufgaben, wie Bedienen und Beobachten, Registrieren und Dokumentieren werden von der Prozessleittechnik übernommen. In einigen Anwendungsgebieten wird die Prozessleittechnik auch als Oberbegriff an Stelle von Automation verwendet. In der Automationsebene läuft die Verarbeitung der Signale in Echtzeit ab.
1.3 Automation mit Rechnern
5
In der Managementebene werden alle Betriebsaufgaben, z. B. durch das Manufacturing Execution System (MES) oder mit der Produktplanung und Steuerung (PPS) und bei Unternehmensaufgaben durch das Enterprise Resource Planning (ERP) unterstützt. Da es sich dabei meist um nicht zeitkritische Vorgänge handelt, ist hier eine Zeit entkoppelte Verarbeitung der Managementfunktionen möglich.
1.2 Automationsaufgaben Ein wesentliches Element der Automation ist das Zeitverhalten der Prozesse oder Betriebsabläufe. Die Automation muss in der Lage sein, bei äußeren Wirkungen oder realistisch anzusetzende Störeinflüssen definierte Zustände oder Betriebspunkte in möglichst kurzer Zeit einzustellen, die nicht dem Volllastzustand entsprechen. Dabei ergibt sich die Frage: Ist das Teillastverhalten zufrieden stellend ? oder: Wird ein neuer Zustand in ausreichend kurzer Zeit erreicht? Einige typische Beispiele für Regelungen seien hier ausgewählt: • Verkehrstechnik: Geschwindigkeitsregelung, Kursregelung, Ampelsteuerung • Energietechnik: Frequenz- und Spannungsregelung, Wärmeerzeugung, Temperaturregelung • Fertigungstechnik: Positionsregelung, Drehzahlregelung, Montagesteuerung • Verfahrenstechnik: Stoffzusammensetzung, Stoffeigenschaften • Versorgungstechnik Behaglichkeitsregelung, Raumtemperaturzustand, Wasserstand • Biotechnik Sauerstoffkonzentration, ph-Wert-Regelung • Verhaltenswissenschaften Werbung, Sozialverhalten, Mediation • Betriebswirtschaft Käuferverhalten, betriebswirtschaftliches Controlling Im Bereich der Technik steht der Entwurf des Systemverhaltens im Vordergrund. Damit können gerätetechnische Ausrüstung und Automationsfunktionen so geplant werden, dass bei gegebenen Randbedingungen das bestmögliche Verhalten erzielt wird. Bei bestehenden Systemen ermöglicht eine nachträgliche Analyse eine Verbesserung der Systemeigenschaften.
1.3 Automation mit Rechnern Heute werden in der Automation alle Signale digital verarbeitet. Die Funktionen werden als Algorithmen für Rechnerbausteine geschrieben. Voraussetzung dafür ist, dass die analogen Signale innerhalb der Anlage, z. B. die physikalische Größe Druck oder das daraus in Messumformer erzeugte Spannungssignal in digitale Signale umgewandelt werden. Dieser Baustein
6
1 Einführung in die Automation
heißt Analog-Digital-Umsetzer (ADU). Bei der Rückwandlung aus der digitalen Automationswelt in die analoge Anlagenwelt kommt ein Digital-Analog-Umsetzer (DAU) zum Einsatz.
Bild 1-3 Digitales System ADU = Analog-Digital-Umsetzer DAU = Digital-Analog-Umsetzer
Bei den digitalen Funktionen unterscheidet man: • Grundfunktionen
Messen Stellen Schalten Melden
• Verarbeitungsfunktionen
Überwachen Steuern Regeln Berechnen
• Managementfunktionen
Bedienen und Beobachten Prozessmanagement Betriebsmanagement
0 … 100% 0 … 100% 0/1 0 / 1 oder 1 / 0
In verschiedenen Branchen sind Funktionslisten erstellt worden, mit denen man aufmassfähige Funktionen auswählen und teilweise auch generieren kann. Ein Beispiel dazu ist die Informationsliste nach der VDI-Richtlinie 3814, Teil 2.
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2 Grundbegriffe der Regelungstechnik Systeme bzw. Prozesse, die automatisiert werden sollen, erstrecken sich über alle Bereiche unseres Lebens. Auch wenn in diesem Buch die technischen Anwendungen im Vordergrund stehen, sind die Methoden jederzeit auf nichttechnische Bereiche übertragbar (Biologie, Soziologie, Volkswirtschaft, ...). Der Sammelbegriff für alle diese Anwendungen ist die Kybernetik. Das kybernetische Prinzip (FEED-BACK-Prinzip) enthält die Erkenntnis, dass vieles in unserer Welt zu einem Ausgleich strebt, auch wenn wir dies innerhalb unseres beschränkten Beobachtungshorizonts nicht immer erkennen. Dies geschieht durch Rückwirkung der Ausgangsgröße auf die Eingangsgröße, d. h. Rückwirkung der Wirkung auf die Ursache. In Bild 1-1 wurde der geschlossene Regelkreis eingeführt. Nachfolgend soll der Unterschied zwischen Regelungen (mit Rückwirkungen innerhalb unseres Beobachtungshorizontes) und Steuerungen (ohne Rückwirkungen) herausgearbeitet werden. Eine kleine Gruppe von Steuerungen basiert auf der Vorgabe externer analoger bzw. digitalisierter Kriterien (Kennlinie, Kurvenscheibe für die Sollwertvorgabe, ...). Diese Steuerungen sind eng mit der Regelungstechnik verknüpft, so dass sie hier mit behandelt werden. Binäre Steuerungen haben dagegen eigene Methoden entwickelt.
2.1 Steuerung Die Steuerung greift aufgrund von logischen Verknüpfungen (Kriterien) in den Prozess ein. Zum Teil werden auch Informationen verarbeitet, die durch Messungen dem Prozess entnommen werden (meist Grenzwerte). Oft kommen die Befehle von außen und werden mit bereits vollführten Aktionen verglichen. Aber nie werden die Einflussgrößen durch die Steuerung selbst merklich beeinflusst. DIN 19 226: Kennzeichen für das Steuern ist der offene Wirkungsablauf über das einzelne „Übertragungsglied“ oder die „Steuerkette“. Am Beispiel einer über die Außentemperatur gesteuerten Heizungsanlage soll dies näher erläutert werden. Die Aufgabe der Automatisierung ist die Einhaltung definierter Größen. In Bild 2-1 ist die gerätetechnische Anordnung für die Einhaltung der Raumtemperatur ϑR auf z. B. 20 °C gegeben. Dazu wird die Außentemperatur ϑA als Haupteinflussgröße auf die Raumtemperatur gemessen. Sinkt die Außentemperatur, so nehmen die Wärmeverluste über die Außenflächen (Wand, Fenster, ...) zu. Dies muss durch eine Vergrößerung der Wärmezufuhr kompensiert werden. Umgekehrt proportional zur Außentemperatur ϑA verändert die Steuerung die Energiezufuhr der Heizung so, dass ϑR konstant bleibt. Es ist unwahrscheinlich, dass durch die zugeführte Wärmeenergie die Messgröße ϑA verändert wird, d. h. die entstehende Raumtemperatur wirkt nicht auf die Außentemperatur zurück. Die Hauptstörgröße (Außentemperatur) wird bei der Steuerung erfasst und ausgeglichen. Die Raumtemperatur wird gesteuert.
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2 Grundbegriffe der Regelungstechnik
Treten weitere Störgrößen auf, wird z. B. das Fenster geöffnet, so ist die Einhaltung der Raumtemperatur unbefriedigend. Der Außentemperaturfühler bekommt keine Information über das geöffnete Fenster.
Bild 2-1 Steuerung einer Raumtemperatur. Gerätetechnische Anordnung
Dies ist aus der schematischen Darstellung in Bild 2-2 zu erkennen. Aufgrund der Außentem zu gesteuert. peratur ϑA wird die Wärmezufuhr Q
Bild 2-2 Schematische Darstellung der Raumtemperatursteuerung, Wirkungsplan
=Q zu − Q Wand − Q Fenster Durch die Energiebilanz Δ Q Wand ergibt sich die Einstellung der Raumtemperatur ϑR. Die Wärmeabfuhr durch die Wand Q hängt von der Temperaturdifferenz Δ ϑ = ϑR − ϑA
Fenster kühlt jedoch den Raum aus, ohne ab. Die Wärmeabfuhr durch das geöffnete Fenster Q dass die Steuerung dies erfährt und durch erhöhte Wärmezufuhr ausgleichen kann. Vorteil der Steuerung: Der automationstechnische Aufwand ist geringer und eine Messung wird nur dann erforderlich, wenn einzelne Störeinflüsse erfasst und ausgeglichen werden sollen. Eine Steuerung reagiert schon, ehe sich die Störung auf die Ausgangsgröße ausgewirkt hat oder sogar von ihr erkannt wird. Durch die frühzeitige Erfassung der Störung treten weder eine Verzugszeit noch Schwingungen auf. Eine Steuerung ist immer stabil. Nachteil der Steuerung: Kleinere Störungen werden nicht, auch nicht indirekt erfasst. Dazu wäre eine lückenlose Messung aller Störungen erforderlich. Eine Einhaltung von vorgegebenen Werten ist also nicht möglich. In der Steuereinrichtung muss die Auswirkung der erfassten Störung möglichst exakt nachgebildet werden. Dies ist nur selten gegeben.
2.2 Regelung
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2.2 Regelung Die Regelung verarbeitet Größen, die auf einer Messung beruhen, vergleicht sie mit einer von außen kommenden Führungsgröße (Sollwert) und greift bei einer Abweichung in den Prozess ein. Das Stellen erfolgt dabei so, dass die von der Messung erfasste Prozessgröße an die Führungsgröße angeglichen wird. Dadurch entsteht ein geschlossener Regelkreis. DIN 19 226: Das Regeln, die Regelung ist ein Vorgang, bei dem eine Größe, die Regelgröße, fortlaufend erfasst, mit einer anderen Größe, der Führungsgröße, verglichen und im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflusst wird. Kennzeichen für das Regeln ist der geschlossene Wirkungsablauf, bei dem die Regelgröße im Wirkungsweg des Regelkreises fortlaufend sich selbst beeinflusst. Der Regelkreis besteht gerätetechnisch aus einer Messeinrichtung, mit der die notwendigen Informationen aus dem Prozess in der zu regelnden Anlage aufgenommen werden, aus der Regeleinrichtung, die versucht, Abweichungen von der Führungsgröße so schnell wie möglich zu verringern und aus der Stelleinrichtung, mit der Massen- oder Energieströme in der zu regelnden Anlage gezielt verändert werden. Gerätetechnischer Aufbau: Messeinrichtung, Regeleinrichtung, Stelleinrichtung. Die Regelung hat die also Aufgabe, trotz störender Einflüsse den Wert der Regelgröße an den durch die Führungsgröße vorgegebenen Wert anzugleichen, auch wenn dieser Ausgleich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten nur unvollkommen geschieht.
Bild 2-3 Regelung einer Raumtemperatur
Am Beispiel einer Raumtemperaturregelung wird der Regelkreis näher untersucht. Regelaufgabe ist die Einhaltung der Raumtemperatur ϑR. Dazu ist die gerätetechnische Anordnung in Bild 2-3 gegeben. Die Raumtemperatur ϑR wird gemessen und mit dem per Hand eingestellten Sollwert ϑS verglichen; proportional zur Differenz (und ggf. zur Dauer zu . Die Regelung dieser Differenz) bewirkt die Regelung eine Änderung der Wärmeenergie Q muss so ausgelegt sein, dass mit steigender Temperatur ϑR die Wärmezufuhr vermindert wird. Im Regelkreis ist demnach einmal eine Wirkungsumkehr erforderlich.
zu auf die Raumtemperatur und Die Regelung wirkt über die Änderung der Wärmezufuhr Q damit auf die Anzeige des Raumthermometers zurück. Dazu ist jedoch als Ursache eine Abweichung vom Sollwert notwendig. Außerdem vergeht eine gewisse Verzugszeit bis die Regelung die Abweichung ausgeglichen hat.
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2 Grundbegriffe der Regelungstechnik
Die zu regelnde Größe muss stets gemessen werden. Aus Bild 2-4 erkennt man, dass die Raumtemperaturregelung im geschlossenen Kreis verläuft. Alle möglichen Störungen, die auf die Raumtemperatur Wirkung haben, z. B. ein Öffnen des Fensters oder die Wärmeabgabe von Personen, die sich im Raum aufhalten, werden berücksichtigt.
Bild 2-4 Schematische Darstellung der Raumtemperaturregelung
Vorteil der Regelung: Es kann ein vorgegebener Wert einer gemessenen Größe so genau wie nötig eingehalten werden. Alle Störeinflüsse werden indirekt erfasst und ausgeglichen. Nachteil der Regelung: Dazu ist jedoch die zu regelnde Größe immer zu messen; dies bedeutet einen höheren gerätetechnischen Aufwand. Weiterhin kann die Regelung erst dann reagieren, wenn eine Abweichung vorhanden ist. Die Wirkung der Abweichung auf eine genaue Fertigung von ebenen Werkstückoberflächen lässt sich leicht nachvollziehen, denn dort sind solche Abweichungen, genannt Oberflächenrauigkeit, nicht tolerierbar.
Übungsaufgabe 2.1 Dosierung einer Gasmenge G mit Hilfe eines Ventils dosiert und durch eine Düse In einer Gasleitung soll die Gasmenge m in einen Behälter eingeblasen werden.
Bild 2-5 Gerätefließbild einer Rohrleitungsstrecke mit Armaturen
a) Es wird der Druck p1 hinter dem Ventil gemessen und mit einem Sollwert p1,Soll, verglichen. Bei Veränderung des Vordruckes p0 als Störgröße wird das (Regel-) Ventil so beeinflusst, dass der Störung entgegengewirkt wird (Bild 2-5). Zur Untersuchung der Anordnung entwerfen wir einen Wirkungsplan, in dem alle wesentlichen Elemente in Form von Blöcken enthalten sind.
G entsteht ein Druckabfall am Regelventil und in den RohrleitunDurch den Massenstrom m gen. Insgesamt steht das Druckgefälle Δ pges = p0 − p2 zur Verfügung. Zieht man davon den
2.2 Regelung
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Druckabfall Δ pV der Leitung bis zur Messstelle (also mit Ventil) ab, so berechnet sich die Regelgröße p1 als physikalische Größe „Druck“ zu: p1 = Δ pges − Δ pV = p0 − p2 − Δ pV Durch die Messeinrichtung wird die Regelgröße p1 als Signal erfasst und mit dem Sollwert p1,Soll durch Differenzbildung der Spannungen verglichen. Ein eingebautes Gerät erzeugt daraus eine Stellgröße y, die zum Stellantrieb weitergeleitet wird. Der Stellantrieb verändert G und damit auch Druck p1 verändert werden. am Ventil den Hub H, wodurch Massenstrom m Der Kreis ist geschlossen (Bild 2-6); es handelt sich um eine Regelung. bar Stellantrieb
H mm
Ventil
. mG kg/s Y V
Rohrleitung
Dpv
p0 p1
– p2
Regler
U
Messeinrichtung e
V –
V p1,soll
Sollwertsteller
Skalenteile
Bild 2-6 Wirkschaltplan der Vordruckregelung
Ein- und Ausgangsgrößen des Reglers sind Spannungen, angegeben in Volt. Die notwendige Wirkungsumkehr wird realisiert, indem man die „Regeldifferenz“ e = USoll – UIst berechnet. Mögliche Störungen, die auf die Regelstrecke einwirken, sind Änderungen des Vordruckes p0 oder des Behälterdruckes p2. Steigt z. B. der Gegendruck p2, so steigt auch der Druck p1. Diese Größe wird als Spannungswert gemessen und über die Regelung im geschlossenen Wirkungsablauf an den Sollwert angepasst. Gleiches gilt für Vordruck p0. Durch die Regelung kann eine Abweichung unabhängig von der Ursache behoben werden. Dazu muss jedoch die Abweichung zunächst vorhanden sein.
b) Es wird der Druck p0 vor dem Ventil gemessen. Bei Abweichungen vom Solldruck p0S wird die Stellung des Ventils mit Hilfe einer Kennlinie so verändert, dass der Druck p1 konstant bleibt (Bild 2-6). Auch durch diese Anordnung wird der Druck p1 konstant gehalten. Die Einhaltung vorgegebener Werte p1 ist gewährleistet, ehe sich eine Störung des Vordrucks p0 ausgewirkt hat. Dazu muss das Übertragungsverhalten des eingebauten Ventils in Form einer linearisierten Kennlinie bekannt sein. Steigt der Vordruck p0 sprunghaft an, so wird entsprechend der Kennlinie das Ventil sprunghaft geschlossen. Ist die Kennlinie optimal angepasst, so ist keine Änderung des Druckes p1 zu erkennen. Es wird der Anstieg des Vordrucks p0 gemessen und entsprechend der Kennlinie Bild 2-7a direkt (ohne Sollwert-Istwert-Vergleich) in den Hub H für das Ventil umgewandelt. Zur Untersuchung des Wirkungsablaufes entwerfen wir wieder einen Schaltplan (Bild 2-8).
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2 Grundbegriffe der Regelungstechnik
Bild 2-7 a) statisches Verhalten b) Zeitverhalten der Vordruckeinstellung
p0
y Stellantrieb
H mm
Ventil
m. G Rohrkg/s leitung
pV
D
p2
–
x
Messfühler u. Umformer p1 bar Steuerung
–
Bild 2-8 Wirkschaltplan der Steuerung
Die Steuerung hat eine „fallende Kennlinie“ (Vorzeichenumkehr). Durch eine Verringerung G indirekt über eine Vergrößerung des Druckverlustes von des Hubes wird der Massenstrom m Rohrleitung und Ventil Δ pV reduziert. Ist die Vergrößerung von Δ pV gleich groß wie der Druckanstieg p0 , so ist keine Änderung des Druckes p1 zu erwarten. Δ p1 = Δ ( p0 ) − Δ (Δ pV ) = 0
Der Druck p1 wird also über eine Steuerkette im offenen Wirkungsablauf gesteuert. Es entsteht keine auch nicht kurzzeitige Abweichung. Eine Rückwirkung des Druckes p1 auf den Druck p0 ist vernachlässigbar; eine Veränderung der Stellung eines Druckminderers einer Haus-Gasversorgungsanlage hat keinen Einfluss auf den Druck des Gasversorgungsnetzes. Der Nachteil dieser Steuerung ist, dass sich Änderungen des Gegendruckes p2 voll auf den Druck p1 auswirken. Δ p2 = Δ p1 (bei Überschallströmung). Steigt der Gegendruck p2 an, so wird dies nicht von der Steuerung bemerkt; sie kann deshalb auch nicht reagieren.
Übungsaufgabe 2.2
Wasserstand eines Behälters
In einer Trinkwasser-Versorgungsanlage soll der Wasserstand eines Vorratsbehälters durch ein Ventil im Zulauf konstant gehalten werden. Der Abfluss ist abhängig von der Entnahme der Verbraucher, kann also nicht beeinflusst werden.
2.2 Regelung
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ab gemessen wird a) Der Wasserstand wird konstant gehalten, indem die Verbrauchsmenge m zu = m ab und das Ventil so eingestellt wird, dass immer der Massenstrom des Wassers m zugeführt wird (Bild 2-9).
y Stellantrieb
x
Steuerung
H h
m. zu
Messumformer Durchflussmesser
Bild 2-9 Gerätefließbild eines Trinkwasser-Vorratsbehälters
m. ab
Aus der Massenbilanz ergibt sich, dass der Wasserstand bei dieser Anlagenart immer konstant bleibt. Aber was passiert, wenn ein Leck im Behälter ist? Wie wird die verdunstete Wassermenge wieder aufgefüllt? Die beiden Fragen zeigen, dass oberflächlich betrachtet die Anlage ihre Aufgabe erfüllt, Abweichungen vom Normalbetrieb (Störungen) jedoch nicht erfasst werden. Dies weist auf die Wirkung als Steuerung hin.
Stellantrieb
m. ab kg/s . – Ventil und mzu Leitung
H mm
x
Messfühler u. Umformer h cm
Behälter
y
Steuerung
zu = m ab Bild 2-10 Wirkungsplan der Steuerung des Wasserstandes durch m
Aus dem Schaltplan erkennt man, dass der Wasserstand h des Behälters angesteuert wird. Die ab wird als Steuergröße x erfasst und entsprechend der in der Steuerung Verbrauchsmenge m enthaltenen Kennlinie in die Stellgröße y bzw. H umgewandelt. Die zugehörige Ventilverstel zu , der gleich der Verbrauchsmenge sein sollte (Bild 2-10). lung erzeugt daraus den Zufluss m
y wünschenswerte Betriebskennlinie Kennlinie Steuerung m. ab
Betriebskennlinie Stellgerät m. zu
Bild 2-11 Kennlinien der Steuerung des Wasserstandes
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2 Grundbegriffe der Regelungstechnik
Die Schwierigkeit dieser Forderung erkennt man aus der Auftragung der beiden Kennlinien. Die Betriebs-Kennlinie des Stellgerätes (Bild 2-11), hier das Ventil im eingebauten Zustand, wird in der Praxis fast immer nichtlinear sein. Selbst die beste Nachbildung in der Steuerung wird noch Abweichungen von dieser tatsächlich geforderten Kennlinie zeigen. Durch Änderungen in den Rohrleitungen wird sich auch die Betriebskennlinie ändern, d. h. eine neue Steuerungskennlinie würde benötigt. Bei einem Leck im Behälter oder bei Verdunstung des Behälterwassers wird die Massenbilanz momentan nur wenig, jedoch summiert über die Zeit, erheblich verändert. Der Wasserstand ab ändert. Die Information „sinkender Wasserstand“ (Δh in cm WS) sinkt, ohne dass sich m wird nicht erfasst und an die Steuerung weitergeleitet.
b) Der Wasserstand wird konstant gehalten, indem der aktuelle Wasserstand h gemessen und das Ventil so eingestellt wird, dass einer Änderung des Wasserstandes entgegengewirkt wird.
Bild 2-12 Gerätefließbild der Regelung des Wasserstandes
Wichtig für die Regelung ist die Definition der Regelaufgabe. Soll, wie hier, der Wasserstand geregelt werden, so muss er auch gemessen werden. Jede Abweichung von dem vorgegebenen Soll-Behälterstand h0 wird erfasst und über eine geeignete Regelung behoben. Aber: Es muss erst eine Abweichung der zu regelnden Größe vorhanden sein, ehe die Regelung eingreift! Aus dem zugehörigen Schaltplan Bild 2-13 erkennt man den geschlossenen Wirkungsablauf. Der Behälterstand h wird als Regelgröße X erfasst und verglichen mit dem Sollwert W. Der Sollwert W ist eine Umsetzung des Sollwasserstandes h0 in die gleiche Einheit, mit der die Regelgröße X gemessen wird.
2.3 Benennung von Regelkreisgliedern
Stellantrieb
H mm
Ventil
m. zu – kg/s
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m. ab Behälter
y
h cm
–
e
Regelung
x
Messfühler u. Umformer
h0
w
Sollwertsteller
Bild 2-13 Wirkungsplan der Regelung des Wasserstands
Die Regelung erzeugt aus der Abweichung e die Stellgröße Y und über den Hub H des Ventils zu , die der Änderung des Abflusses m ab entgegenwirkt. Durch eine Änderung des Zuflusses m ab einem Absinken diese Gegenwirkung kann z. B. bei Vergrößerung der Verbrauchsmenge m des Behälterstandes h verhindert werden.
2.3 Benennung von Regelkreisgliedern Die oben beschriebenen Steuerketten und Regelkreise stellen die Zusammenschaltung einzelner Teilsysteme oder Systeme zu einem Wirkungsweg dar. Die Teilsysteme werden im Folgenden Glieder genannt. Definition nach DIN 19 226:
Die Strecke (Steuerstrecke, Regelstrecke) ist derjenige Teil des Wirkungsweges, welcher den aufgabengemäß zu beeinflussenden Bereich der Anlage darstellt. Die Einrichtung (Steuereinrichtung, Regeleinrichtung) ist derjenige Teil des Wirkungsweges, welcher die aufgabengemäße Beeinflussung der Strecke über das Stellglied bewirkt. Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf einmaschige Regelkreise. Bei einem Regelvorgang müssen folgende Funktionen erfüllt werden:
Messwert erfassen (Sensor) Abtasten Umformen, Umsetzen
Messen
Vergleichen Verstärken Erzeugen des Zeitverhaltens
Regeln
Stellgröße erzeugen Abtasten und Halten Beeinflussen (Aktor)
Stellen
Regeleinrichtung
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2 Grundbegriffe der Regelungstechnik
a) Messen Die Größe, die man konstant oder in gewünschter Abhängigkeit von einem Sollwert halten will, nennt man Regelgröße X. Regelgrößen sind immer dimensionsbehaftet. Um diese Messaufgaben zu erfüllen, wählt man geeignete Größen, die man messtechnisch erfassen kann, z. B.: • Wasserstand: Messung des Druckes der Wassersäule mit einem Drucksensor • Druck: Messung des Federweges an einem Plattenfedermanometer • Temperatur: Messung des Widerstandes eines Pt-100 Widerstandsfühlers. Einheitsmessumformer sind Einrichtungen, die unter Verwendung einer Hilfsenergie eine physikalische Eingangsgröße in eine Ausgangsgröße mit einheitlichem Bereich 0 bis 100% umformen. Das Ziel dieser Umformung ist es, das Regelgrößensignal für die Weiterverarbeitung aufzubereiten. In Bild 2-6 ist zu erkennen, dass die Regelgröße X durch den Messumformer normiert wird. Für die Behandlung dieser Größe reicht es, dass man nur die Änderungen bezüglich des Arbeitspunktes berücksichtigt. Dies wird dargestellt als Differenz Δx.
b) Regeln Bei dem Vorgang einer selbsttätigen Regelung muss die gemessene Größe, also die Regelgröße X, mit der Führungsgröße W verglichen werden. Dieser Sollwert muss in der gleichen physikalischen Form wie die Regelgröße in den Regler eingegeben werden. Der Vergleich ergibt: Ist die Regeldifferenz e = W − X Null, bleibt die Ausgangsgröße des Reglers beim Beharrungswert von Y stehen. Nur wenn e von Null verschieden ist, greift der Regler ein und verändert die Stellgröße. Die Führungsgröße W wird meist von außen an dem Regler oder an einem „Leitgerät“ in Form eines zeitlich konstanten Sollwertes (Festwertregelung) oder während der Regelung veränderlichen Sollwertes W = f (t, ...) (Folgeregelung) eingestellt. Je genauer geregelt werden soll, desto empfindlicher muss der Regler auf die Regeldifferenzen reagieren. Da die Abweichung wünschenswert sehr klein werden soll, ist es notwendig, das Signal durch Einsatz von Hilfsenergie zu verstärken. Es ist von großer Bedeutung, wie der Regler bei einer Regelabweichung eingreifen soll. Dieser Eingriff kann schnell, langsam oder zunächst sehr schnell und dann langsam sein. Die Art des Eingriffes nennt man Zeitverhalten. Dieses Zeitverhalten wird im Regler künstlich erzeugt. Dabei werden die mathematischen Funktionen Multiplikation, Integration und/oder die Differenziation verwendet.
c) Stellen Ein elektrisch, pneumatisch oder hydraulisch angetriebener Stellantrieb erzeugt die Kräfte, die notwendig sind, um alle Widerstände und Reibungskräfte des Stellvorgangs zu überwinden. Zum Stellantrieb gehört in der Regel auch eine Stellungsregler, der die Reglerausgangsgröße als Stellungsregler-Sollwert in den Stellhub oder Stellwinkeln umwandelt. Gerätetechnisch gehören Stellantrieb und Stellglied zusammen zum Stellgerät. Stellgeräte werden immer als ganzes Bauteil geliefert. Von der Wirkung her wird der Teil des Stellgerätes, der die Funktion des Prozesses verändernd beeinflusst, unter dem Namen Stellglied oder Aktor der Regelstrecke zugeordnet. Eine eindeutige Trennung ist nicht möglich. Oft zählt man den Ventilsitz mit Ventilkegel zur Einrichtung, das übrige Ventilgehäuse zur Strecke.
2.3 Benennung von Regelkreisgliedern
17
d) Regelstrecke Die Qualität einer Regelung hängt nicht nur von der Regeleinrichtung ab, sondern in erheblichem Maße von der Regelstrecke. Nachfolgend werden wir den zu beeinflussenden Prozess oder die Anlage, kurz Strecke nennen, bei Regelvorgängen also Regelstrecke. Für einen Regelkreis, bestehend aus Regeleinrichtung und Regelstrecke, ergibt sich die schematische Darstellung in Bild 2-14.
Z U
Bildung der W Führungsgröße
Vergleichsglied e YR Y Regelglied Steller – XR Regler Stelleinrichtung
X
Stellglied
Bildung der XA Aufgabengröße
Strecke Messeinrichtung
Regeleinrichtung Bild 2-14 Regelkreis, aufgeteilt nach Funktionen gem. DIN 19226
XA = Aufgabengröße XR = Rückführgröße Y = dimensionsbehaftete Stellgröße W = Führungsgröße
X Z YR e U
= = = = =
dimensionsbehaftete Regelgröße Störgröße Reglerausgangsgröße Regeldifferenz = W – X dimensionsbehaftete Eingangsgröße des Systems
Übungsaufgabe 2-3 Kursregelung Ein Schiff bewegt sich auf einem See. Die Regelgröße X ist der Kurs des Schiffes bezogen auf die Himmelsrichtung, die Stellgröße Y ist die Ruderverstellung.
Bild 2-15 Beispiel einer Kursregelung
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2 Grundbegriffe der Regelungstechnik
Bei einer Kursabweichung durch z. B. eine Wasserströmung Z1 als Störgröße muss durch eine entgegenwirkende Ruderverstellung diese Strömung kompensiert werden.
a) Zeichnen Sie den Wirkungsplan. Es handelt sich hier um einen Regelkreis, dessen Wirkungsablauf geschlossenen ist. Die Regelstrecke ist das Schiff, die Regelgröße der Ist-Kurs. Der Soll-Kurs wird durch den Kompass vorgegeben. Der Regler wird durch den Steuermann ersetzt. Als Stellgröße wird die Ruderstellung relativ zur Schiffs-Längsachse verwendet.
Störgröße Z = Wasserströmung
Stellgröße Y = Ruderverstellung
Regelgröße X = Ist-Kurs
Regelstrecke = Schiff –
Sollwert W = Sollkurs
Regler = Steuermann Bild 2-16 Wirkungsplan der Kursregelung eines Schiffes
b) Welche weiteren Störgrößen sind möglich? Alle externen Kräfte, die auf das Schiff einwirken, sind Störgrößen. Wenn die Kräfte nicht im Schwerpunkt des Schiffes wirken, z. B. bei böigem Seitenwind, entsteht auf das Schiff ein Drehmoment, das durch ein entgegengerichtetes Rudermoment ausgeglichen werden muss. Bei einer externen Störung (Strömung oder Wind) ist die von der Ruderstellung hervorgerufene Schrägstellung des Schiffes nicht identisch mit seinem absoluten Kurs.
c) Das Schiff fahre auf einem ruhenden See und ohne Seitenwind. Wie verhält sich das Schiff bei einem konstanten Ruderausschlag Δy? Das Schiff fährt im Kreis. Wir werden dieses Verhalten später als I-Verhalten kennen lernen.
Übungsaufgabe 2-4 Glühofen In einem elektrisch beheizten Glühofen soll die Temperatur konstant gehalten werden. Dazu wird durch eine zu- und abschaltbare Heizspirale dem Ofen Wärme zugeführt.
a) Benennen Sie die Regelgröße und erläutern Sie das Verhalten der Stellgröße. Die Regelgröße X ist die normierte Darstellung der Ofentemperatur ϑ, die z. B. durch ein Thermoelement gemessen wird. Da die Stellgröße Y nur die beiden Stellungen Y = 0 und Y = 1 kennt, ergibt sich der mittlere Wert der Stellgröße Ym aus dem Verhältnis von Einschaltzeit tein zur Schaltperiode. Die
2.3 Benennung von Regelkreisgliedern
19
Schaltperiode ist die Summe aus Einschaltzeit und Ausschaltzeit taus. Weitere Informationen entnehmen Sie Kapitel 19. Ym =
tein ⋅100% tein − taus
b) Welche Störgrößen greifen auf den Ofen ein ?
Bild 2-17 Störgrößen eines Glühofens
Beim Auftreten von Störgrößen wird ein Eingreifen des Reglers erforderlich. Die wichtigsten Störeinflüsse sind: • Wärmeverluste des erwärmten Ofens an die Umgebung über die Ofenwände – Z1 = Außentemperatur • Beim Beladen des Ofens muss die Ofentüre geöffnet werden. Dadurch strömt Wärme aus dem Ofen in die Umgebung. – Z2 = Öffnen der Ofentüre • Die Heizleistung der Heizspirale verändert sich mit der Versorgungsspannung. Bei schwankenden Spannungen im Versorgungsnetz ergeben sich Leistungsschwankungen. – Z3 = Netzspannung
c) Zeichnen Sie vereinfacht den Wirkungsplan des Glühofens und die Störeingriffe.
Z1 Ofenwände
Z1
Z1
Innenraum
Heizspirale
ϑIst
–
Zweipunktregler Bild 2-18 Wirkungsplan eines Ofens mit Störeingriffen
ϑSoll
20
2 Grundbegriffe der Regelungstechnik
2.4 Normierung In der Regelungstechnik arbeitet man bevorzugt mit normierten Größen. Diese erhält man, in dem man eine physikalische Größe, z. B. Temperatur, Druck, Durchfluss durch eine Konstante der gleichen Einheit teilt. Normierte Größen haben die Einheit „1“ oder „%“. Man bezeichnet sie auch als dimensionslos. Dabei bezieht man • die Regelgröße auf den Messbereich XM • die Stellgröße auf den Stellbereich YH. Zur Ermittlung der dimensionslosen Regelgröße x bezieht man die gemessene Regelgröße XA auf den Messwert – Nullpunkt X0 und auf den Messbereichsendwert Xmax bzw. auf einen im Messumformer einstellbaren Endwert x=
XA − X0 ⋅100 % . X max − X 0
Beispiel: Regelgröße = Strom I = 10 mA Messbereich IM = Imax – I0 = 20 mA – 4 mA = 16 mA I − I0 10 mA − 4 mA 6 mA i= = = = 0,375 I max − I 0 20 mA − 4 mA 16 mA Für die physikalische Weiterverarbeitung in Einheitsreglern sind folgende Einheitssignale aus Tabelle 2-1 definiert: Tabelle 2-1 Einheitssignale
relative Angabe
0-100 % (0-1)
eingeprägter Gleichstrom
4-20 mA (0-20 mA)
Gleichspannung
0-10 V
pneumatischer Druck
0,2-1 bar
Gerätetechnisch wird dies im Messumformer realisiert (Bild 2-19). Hier ist die Kennlinie eines pneumatischen Messumformers mit dem Eingang 0 bis 100% des Messbereichs und dem Ausgang 0,2 bis 1 bar dargestellt.
1,0 bar
Pneumatisches Signal
0,2 bar
100 % Normiertes Signal
0% X0
Xmax Dimensionsbehaftete Regelgröße
Bild 2-19 Schaltbild und Kennlinie eines pneumatischen Messumformers
2.5 Arbeitspunkt
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Eine Besonderheit liegt in der Störgröße Z. Störgrößen sind messtechnisch schwer erfassbare und sich stochastisch verhaltene Größen, die als Last oder externe Beeinflussung auftreten. Diese Einflüsse verursachen die Abweichung der Regelgröße von der Führungsgröße und machen damit eine Regelung erst notwendig. Die Störgrößen greifen an den unterschiedlichsten Stellen in der Regelstrecke ein. Man muss sich dazu klarmachen, dass eine Regelstrecke aus einem einzelnen Bauteil bestehen kann, aber auch aus einer komplexen Anlage mit vielen unterschiedlichen Anlagenteilen. Für die analytische Betrachtung ist es notwendig, einen Störort zu definieren, auch wenn die Störung tatsächlich räumlich verteilt wirkt.
Z*/%
Störglied Stellglied
Z
Regelstrecke
X(Z*)
X(Y) Y/%
X/%
Messeinrichtung
Regelstrecke
–
W/% Regler
Bild 2-20 Regelstrecke mit Stellteil und Störteil
Dies hat zur Folge, dass alle Störgrößen dimensionslos bzw. in Form von Einheitssignalen vorliegen müssen. Die tatsächlichen Störgrößen werden deshalb über fiktive Umrechnungsglieder umgeformt (Bild 2-20). Für die analytische Betrachtung ist eine weitere Vereinbarung hilfreich: Alle Störgrößen greifen am Eingang der erweiterten Regelstrecke ein. Diese Vereinbarung beeinflusst jedoch das Anfangsverhalten bei einem Störeingriff. Die Auswirkung muss dann im Einzelfall untersucht werden. Beispiel: In Nürnberg verläuft der Außentemperaturbereich nach DIN 4701 von ϑ0 = –16 °C im Winter bis ϑmax = + 32 °C im Sommer. Rechnen Sie die Außentemperatur von ϑ = 0 °C in einen relativen Wert um. Z* =
ϑ − ϑ0 0 − (−16) ° C ⋅100 % = ⋅100 % = 33,3% ϑmax − ϑ0 32 − (−16) ° C
2.5 Arbeitspunkt Die Regelung greift erst ein, wenn eine Abweichung oder eine Änderung auftritt. Deshalb wird in Schaltplänen meist nur die Änderung der physikalischen Größe von einem zunächst frei definierbaren Betriebspunkt untersucht. Nehmen wir als Beispiel den Hub H des Ventils. Im Betriebspunkt beträgt der Hub H0. Bei einer Störung von außen stellt sich der Hub Hl ein; Hl setzt sich zusammen aus dem Wert im Betriebspunkt H0 und der Änderung ΔH von diesem Wert.
H1 = H0 + ΔH.
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2 Grundbegriffe der Regelungstechnik
Für die regelungstechnische Betrachtung ist nur der Wert ΔH und die Richtung der Änderung von Bedeutung. Für den geschlossenen Regelkreis bekommt dieser Betriebspunkt eine besondere Bedeutung. Soll z. B. der Wasserstand auf einen festen Wert eingestellt werden, d. h. Sollwert = Istwert, dann kann dieser Wert durch einen bestimmten Hub H erreicht werden. Die dazu gehörige Störgröße wird dann als Arbeitspunktwert definiert. Der Betriebspunkt der Regelstrecke bei einer Störgröße Z0, umgerechnet in die Einheit der Stellgröße, wird Arbeitspunkt genannt. Im Arbeitspunkt gilt:
X = W oder Δx = Δw = 0
Y0 = Z0 oder Δy = Δz = 0.
und
X Arbeitspunkt X0 = W0
Y0 = Z0
Y
Bild 2-21 Definition des Arbeitspunktes
2.6 Linearisierung Nichtlineare Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung sind in der Regelungstechnik sehr oft vertreten. Der Nichtlinearität liegt ein veränderlicher Proportionalbeiwert zugrunde. Die beschreibenden Kennwerte von Regelstrecke ändern sich mit der aktuellen Störgröße Z oder mit dem Sollwert W. Für die mathematische Behandlung eines Regelsystems ist es wesentlich einfacher, wenn alle Systemkennwerte konstant sind. Deshalb werden die einzelnen Systeme meist linearisiert und aus variablen Kennwerten werden Konstanten. Dazu gibt es verschieden Möglichkeiten:
a) Auswahl kompensierender Reglereinrichtungen Eine selten genutzte Möglichkeit der Linearisierung ist es, das nichtlineare Verhalten von Regelstreckenteilen durch bezüglich der Linearität ausgleichende Geräte durchzuführen. Dies kann erreicht werden, wenn man z. B. die Skalenstellung eines Messumformers so wählt, dass bei gleichen Stellgrößenänderungen Δy proportionale Regelgrößenänderungen Δx entstehen. Ähnliches kann man auch durch die Auswahl eines Stellgerätes erreichen, das durch ein Stellverhalten mit entgegen gerichteter Krümmung der Kennlinie ein nichtlineares Verhalten der Regelstrecke ohne Stelleinrichtung ausgleicht. Siehe dazu auch Kapitel 10.
2.6 Linearisierung
23
b) Statistische Linearisierung Die einfachste mathematische Linearisierung ist die Mittelwertbildung von streuenden Kennwerten. n
Σ K Pi
K P = i=1 n
Weitere Möglichkeiten sind statistische Verfahren, die man bei der Wahrscheinlichkeitsrechnung verwendet, z. B. Korrelationsanalyse oder Methode der kleinsten Fehlerquadrate.
c) Graphische Linearisierung Bild 2-22 zeigt die Kennlinie eines nichtlinearen Regelkreisgliedes mit einer Eingangsgröße.
xa
Tangente
xe = f(xe) Fehler
Dxa
A
xa(A)
Dxe
Bild 2-22 Graphische Linearisierung
xe
xe(A)
Man ersetzt nun in der Nähe des Arbeitspunktes A die gekrümmt Kennlinie durch eine Gerade, indem man die Tangente im Arbeitspunkt zeichnet. Diese Tangente wird durch eine Geradengleichung beschreiben. Der Kennwert KP ist zugleich die Steigung der Kennlinie im Arbeitspunkt. X a = xa ( A) + K p ⋅ Δ xe
d) Linearisierung mit Tabellenwerten In Tab. 2-2 sind die Messwerte einer nichtlinearen Regelstrecke gegeben. Die Kennlinie soll im Bereich X = 25 % bis 75 % linearisiert werden. Tabelle 2-2 Messwerte einer Regelstrecke
X
%
0
25
50
75
100
Y
%
0
5
25
45
50
In Bild 2-23 sind diese Wertepaare als Kennlinie gezeichnet. Man erkennt, dass die Kennlinie S-förmig verläuft. Durch zwei Messpunkte kann man eine Sekante legen, die den Verlauf linearisiert wiedergibt. Die linearisierte Steigung der Kennlinie ergibt sich aus:
24
2 Grundbegriffe der Regelungstechnik KP =
Δy 45% − 5% 40% = = = 0,8 Δ x 75% − 25% 50%
Bild 2-23 Kennlinie nach Werten aus Tabelle 2-2
e) Mathematische Linearisierung Nichtlineare Zusammenhänge treten sowohl an Zusammenfassungsstellen, z. B. bei Multiplikation oder Division, als auch innerhalb eines Blockes auf, wenn der mathematische Zusammenhang eine quadratische Gleichung oder eine Wurzelbeziehung ist. Sie lassen sich ähnlich behandeln wie lineare Zusammenhänge, solange man sich auf kleine Änderungen beschränkt. Nehmen wir die funktionale Abhängigkeit des Abflussventils eines Behälters, beschrieben = K ⋅ Δ p . Dieser Zusammenhang ist in Bild 6-24 graphisch dargestellt (Annahme: durch m Turbulenz im Ausströmventil).
Bild 2-24 Nichtlineare Kennlinie eines Abflussventils
2.6 Linearisierung
25
Die Ausströmgleichung
2 = K 2 ⋅Δp m nimmt für kleine Änderungen um den Betriebspunkt „0“ folgende Form an:
0 +m )2 = K 2 (Δ p0 + Δ p ) (m 2
02 + 2m 0 ⋅m +m = K 2 ⋅ Δ p0 + K 2 ⋅ Δ p m Im Betriebspunkt (alle kleinen Änderungen verschwinden) gilt für den Proportionalbeiwert: K2 =
02 m Δ p0
Das Quadrat der kleinen Änderung wird vernachlässigt. Daraus ergibt sich:
02 + 2m 0 ⋅m = m 0 ⋅m = 2m
02 2 m m ⋅ Δ p0 + 0 ⋅ Δ p Δ p0 Δ p0
02 m ⋅Δp Δ p0
1 m 1 = ⋅ 0 ⋅Δp = K 2 ⋅ m ⋅Δp 2 Δ p0 2m0
0 / Δ p0 = konst. die Neigung der Scheitelsekanten in Bild 6-24 dargestellt, beschreibt Da m diese Gleichung, dass die Tangente halb so steil ist wie die Scheitelsekante im gleichen Punkt. In Bild 6-25 ist der „linearisierte“ Proportionalbeiwert für das Abflussventil in dem Block eingetragen. Bild 6-25 Darstellung eines nichtlinearen Zusammenhangs
Es folgen Beispiele für die Linearisierung von nichtlinearen mathematischen Funktionen. Es wird eine allgemeine Darstellung der Linearisierung nichtlinearer Blöcke angegeben. In vielen Fällen treten zu den Koeffizienten in den Blöcken noch Proportionalbeiwerte (Konstanten) hinzu.
2 = x ⋅x xa0 = xe0 e0 e0
xa = xe0 ⋅ xe + xe0 ⋅ xe xa = 2 ⋅ xe0 ⋅ xe
xa0 = xe0 2 =x xa0 e0
xa0 ⋅ xa + xa0 ⋅ xa = xe 1 1 xa = ⋅ xe = ⋅ xe 2 ⋅ xa0 2 ⋅ xe0
26
3 Grafische Beschreibung von Prozessen Eine Voraussetzung für die Automatisierung ist, dass das System (der Prozess) durchschaubar, d. h. beschreibbar sein muss. Die Sprache des Ingenieurs ist die einer graphischen Beschreibung. Je nach gerätetechnischer Betrachtung bzw. Branche sind eine Vielzahl von Fließbildarten und Plandarstellungen genormt, mit deren Hilfe das System graphisch darstellbar ist. Im Folgenden werden einige Beispiele erläutert.
3.1 Planung von Mess-, Steuerungs- und Regelungsanlagen Die Erstellung von MSR-Anlagen (Mess-, Steuerungs- und Regelungsanlagen) erfolgt in mehreren Schritten, die zwischen dem ersten Entwurf und der endgültigen Inbetriebnahme liegen. Bei der Planung unterscheidet man folgende Phasen: •
Vorplanung, Aufstellung eines Konzeptes
•
Basisplanung oder Entwurfsplanung, Formulierung der Einzelaufgaben
•
Detailplanung oder Ausführungsplanung, Auslegung der Apparate und Geräte.
Jede einzelne Phase erfordert einen angepassten Detaillierungsgrad, der sich in der Darstellungsform wiederspiegeln muss. Gleichzeitig wird berücksichtigt, ob die Darstellung der für den Maschinen- und Anlagenbauer oder für den Elektrotechniker erstellt wird. In der Praxis muss man beide Arten lesen können, damit keine Missverständnisse auftreten. Ein gerätetechnisches Fließbild ist eine mit Hilfe von Bild- und Schriftzeichen vereinfachte zeichnerische Darstellung vom Aufbau und von der Funktion von Anlagen. Je nach Phase der Planung sind drei Fließbildarten genormt. •
Das Grundfließbild in der Vorplanung stellt die Schritte eines Verfahrens dar. Teilanlagen werden durch Blöcke mit eingeschriebener Benennung, Stoff- und Energiefluss durch Linien mit Pfeilen dargestellt.
•
Im Gerätefließbild für die Basisplanung werden Maschinen, Armaturen und Apparate durch Bildzeichen nach DIN 30600 fachübergreifend, nach DIN 2481 speziell für die Kraftwerktechnik, nach DIN 19227 speziell für die Verfahrenstechnik dargestellt. Die Bezeichnung der einzelnen Geräte und Apparate erfolgt mit Kurzzeichen.
•
Im Rohrleitungs- und Instrumentierungsfließbild (RI-Fließbild) ist bei der Detailplanung die gesamte Anlage mit allen konstruktiven Details in entsprechender Kodierung festgelegt. Betriebsdaten von Apparaten einschließlich installierter Reserve werden in Kurzform angegeben.
Die Ausführung der Rohrleitungen sowie die physikalischen und chemischen Daten werden meist in getrennten Listen angegeben, z. B. •
Liste für verwendete Geräte oder Apparate, Mess- und Stellgeräteliste
•
Rohrleitungsliste, Kanalführung und Leitungspläne
•
Massen- und Energiebilanzierung.
3.2 Gerätefließbilder
27
Bei der wirkungsmäßigen Betrachtung beschreibt man allein den Zusammenhang der Größen. Das System besteht aus Übertragungsgliedern, dargestellt durch spezielle Blöcke, wie sie in Kapitel 5 eingeführt werden. Der Verlauf der Wirkungen zwischen den Übertragungsgliedern wird als Signal bezeichnet. Je nach Planungsphase unterscheidet man unterschiedlichen Informationsgehalt. •
Bei der Vorplanung wird der Informationsfluss der Wirkungen übersichtlich im Grundschaltplan dargestellt. In den Blöcken ist meist ein komplexes Übertragungsverhalten enthalten, das im Einzelnen nicht angegeben wird; Rückwirkungsfreiheit ist nicht immer garantiert.
•
Der Wirkungsplan zur Basisplanung und Detailplanung ist ein Beispiel für die Umsetzung der Automations-Funktionen in Form von Ursache-Wirkungs-Gefügen. Anstelle ausführlicher verbaler Beschreibungen der Regel-, Steuer- und Leitfunktionen werden graphische Symbole verwendet. Im Wirkungsplan wird die statische Zuordnung von Signalen oder der zeitliche Ablauf gezeigt.
3.2 Gerätefließbilder Gerätefließbilder stellen Anlagen bzw. Systeme mit ihren vielfachen Verkettungen und Abhängigkeiten möglichst einfach und verständlich dar. Die so entstehenden Pläne sollen durch die Verwendung einheitlicher graphischer Symbole für alle Ingenieure verständlich sein. Ein Bildzeichen steht stellvertretend für einen „Gegenstand“. Die nachfolgenden Zeichen sind entnommen aus DIN 2481. A. Leitungen Wirklinie, Signalleitung Rohrleitung, Wellen, Gestänge Angabe der Durchflussrichtung Die strömenden Stoffe können gekennzeichnet werden durch verschiedene Linienarten. Luft brennbare Gase flüssiges Wasser Dampf Überschneidung von Rohrleitungen können durch einen (Löt-)Punkt dargestellt werden; besser ist die versetzte Darstellung.
Bild 3-1 Auswahl von Bildzeichen
28
3 Grafische Beschreibung von Prozessen
Fortsetzung Bild 3-1 B. Armaturen
C. Stellantrieb allgemein
Hand
Absperrventil, Elektromotor
Durchgangsventil Absperrschieber
Membranantrieb
Durchgangshahn Absperrklappe
Antrieb durch Fluide
Ventil mit stetigem Stellverhalten D. Messgeräte
E. sonstige Regeleinrichtungen Durchflussmessung
Regler
Niveaumessung
Leuchtmelder
Druckmessung
Messwertanzeiger Schreiber
Temperaturmessung Drehzahlmessung
Zähler Einsteller Umschalteinrichtung
F. Wärmetechnische Bauteile Kondensatableiter Wärmetauscher mit Kreuzung der Stoffflüsse Wärmetauscher ohne Kreuzung der Stoffflüsse Wasserdampfkessel mit Überhitzer Wärmeverbraucher Feuerung, Brenner Verdampfer
3.3 Kennbuchstaben
29
Fortsetzung Bild 3-1 G. Antriebs- und Förderbauteile Antriebsmaschine allgemein Stromerzeuger Flüssigkeitspumpe allgemein Verdichter allgemein Stetigförderer allgemein Bandförderer Kupplung allgemein Getriebe
H. Verfahrenstechnische Bauteile Behälter allgemein Behälter mit gewölbtem Boden und Dach Kolonne mit Böden Rührer allgemein
3.3 Kennbuchstaben Alle Apparate, Maschinen und Zusatzteile werden mit den symbolischen Bildzeichen nach Bild 3-1 dargestellt. Zusätzlich werden die Geräte durch einen Kennbuchstaben und eine Zählnummer klassiert. Beispiel: W 16 = Wärmetauscher mit der Zählnummer 16 PM 12 = Elektromotor zur Pumpe P 12 V8
= Ventil mit der Armaturenkennzahl 8
Im Gegensatz zum Allgemeinen Maschinenbau werden in der Verfahrenstechnik alle Regeleinrichtungen durch Kennbuchstaben angegeben (Tabelle 3-1). Es wird nicht mehr das Gerät, sondern die Aufgabenstellung beschrieben, die einem bestimmten Regelsystem zu Grunde liegt. Das Sinnbild ist der Kreis, in dem Kennbuchstaben aus Tabelle 3-1 eingetragen sind. Einige Symbole nach DIN 19227 sind in Bild 3-2 zusammengestellt.
30
3 Grafische Beschreibung von Prozessen
Tabelle 3-1 Kennbuchstaben in der Verfahrenstechnik nach DIN 19227
Kennbuchstabe
Gruppe 1:
Gruppe 2:
Messgröße oder andere Eingangsgröße
Verarbeitung
Erstbuchstabe
Folgebuchstabe
Ergänzungsbuchstabe
Reihenfolge: O, I, R, C, S, Z, A A B
Grenzwertmeldung, Alarm frei verfügbar
C
selbsttätige Regelung, fortlaufende Steuerung
D
Dichte
E
elektrische Größen
F
Durchfluss, Durchsatz
G
Abstand, Länge, Stellung
H
Handeingabe, -eingriff
Differenz
Verhältnis
oberer Grenzwert (high)
I
Anzeige
K
Zeit
L
Stand (auch von Trennschicht)
M
Feuchte
N
frei verfügbar
O
frei verfügbar
P
Druck
Q
Qualitätsgrößen (Analyse, Stoffeigenschaft)
unterer Grenzwert (low)
Sichtzeichen, Ja/Nein (nicht Alarm)
Integral, Summe
R
Strahlungsgrößen
Registrierung
S
Geschwindigkeit, Drehzahl, Frequenz
Schaltung, nicht fortlaufende Steuerung
T
Temperatur
U
zusammengesetzte Größen
V
Viskosität
W
Gewichtskraft, Masse
X
sonstige Größen
Y
frei verfügbar
Z
-
Noteingriff, Sicherung durch Auslösung
3.3 Kennbuchstaben Signalleitung
31 Beispiele:
örtliche MSR-Aufgabe
Druckregelung
Aufgabe in der Warte Angabe des Stellortes Angabe des Messortes
Temperaturanzeige
Stellantrieb Angabe von Stoffflüssen Bild 3-2 Automationssymbole in der Verfahrenstechnik
Übungsaufgabe 3.1 Wasserstandregelung Gegeben ist eine gerätetechnische Anordnungszeichnung (Stand-Regelung, Modellregelkreis A im Regelungstechnik-Labor Fakultät Maschinenbau der Ohm-Hochschule Nürnberg).
Bild 3-3 Wasserstandsregelung, Modellregelkreis 1 Stellventil 3 Behälter 5 Steuerluftversorgung 2 Ablaufhähne 4 Fühler, Messumformer 6 Leitgerät
7 pneumatische Regler 8 Stellantrieb
32
3 Grafische Beschreibung von Prozessen
Der Wasserstand im Behälter (3) soll durch eine Regelung konstant gehalten werden. Die Abflussmenge, die als Störgröße auf den Behälterstand wirkt, kann durch einzelne Ablaufhähne (2) verändert werden. Durch die Regeleinrichtung Fühler und Messumformer (4), pneumatischer Regler (7), Leitgerät (6), Stellantrieb (8) und Stellventil (1) wird der Zufluss so eingestellt, dass der Störung entgegengewirkt wird. a) Zeichnen Sie das Grundfließbild der Anlage In einem Grundfließbild wird nur die Flussrichtung der Hauptstoffströme angegeben. Die wichtigsten Anlagenteile werden durch Blöcke gekennzeichnet. Bei der Wasserstandsregelung ist dies der Behälter mit Armaturen, hier Wasserspeicher genannt. Als Zusatzinformation ist auch die Angabe der physikalischen Daten (Druck, Temperatur) des Wassers möglich (Bild 3-4).
Nr.
Medium
Massenstrom
Druck
Temperatur
1
Wasser
max = 1 kg/s m
p = 3 bar
ϑ = 15 °C
Bild 3-4 Grundfließbild der Wasserstandsregelung (mit Angabe der physikalischen Daten)
b) Zeichnen Sie das Gerätefließbild der Anlage Im Gerätefließbild werden neben den Stoffströmen und Energieflüssen zusätzlich die einzelnen Bauteile symbolisch nach Bild 3-1 dargestellt. Der Wasserdruck p0 im Zulauf wird durch einen geregelten Windkessel konstant gehalten. Damit lassen sich Druckschwankungen des Wassernetzes kompensieren. Dieser vorgeschaltete Regelkreis ist im Gerätefließbild nicht berücksichtigt. Das Stellventil (1) ist ein Durchgangsventil mit stetigem Stellverhalten. Die Ventilspindel wird mit Hilfe eines pneumatischen Membranantriebs verstellt. Der Membranantrieb (8) wird durch einen Stellungsregler angesteuert, der die Zeitverzögerung beim Aufblasen der Membran und die Proportionalabweichung verringert (Bild 3-5). Der Differenzdruck an diesem Ventil wird durch zwei Druckbohrungen in der Leitung erfasst und direkt als Differenzdruck auf einem Röhrenfedermanometer angezeigt.
Bild 3-5 Gerätefließbild des Stellventils (1)
3.3 Kennbuchstaben
33
Der Druckverlust der nachfolgenden Rohrleitungen hängt von der Strömungsgeschwindigkeit ab und von der Dimensionierung der Rohrleitungen und Einbauteile. Da bei der Versuchsdurchführung dieser Druckverlust veränderbar sein muss, z. B. bei der Aufnahme der Öffnungskennlinie (Δ pV = konst.) des Stellventils, ist zusätzlich in die Rohrleitungen ein mit der Hand verstellbares Ventil mit stetigem Stellverhalten eingebaut. Der Durchfluss Vzu wird durch einen Schwebekörper-Durchflussmesser erfasst und durch die Lage des Schwebekörpers angezeigt (Angaben in 1/h). Das Zulaufrohr geht bis zum Boden des Wasserbehälters (3). Der Ablauf aus dem Behälter wird durch drei Durchgangshähne mit unterschiedlichem Querschnitt variiert. Im Fließbild wird stellvertretend nur ein Hahn (Antrieb von Hand) eingezeichnet (Bild 3-6).
Bild 3-6 Gerätefließbild des Behälters mit Zu- und Ablauf (3)
Der Wasserstand im Behälter (3) soll geregelt werden, ist also die zu messende Regelgröße. Unabhängig von dem tatsächlichen Messfühler wird hier das Dreieckssymbol für die Wasserstandsmessung verwendet. Tatsächlich wird die statische Höhe der Wassersäule durch einen Druckmessfühler erfasst und durch den Messumformer in Bild 3-7 (4) in ein pneumatisches Einheitssignal umgewandelt. Das umgeformte Einheitssignal wird einem pneumatischen Einheitsregler (7) zugeführt und gleichzeitig auf einem Schreiber aufgezeichnet. Der Sollwert wird mit Hilfe eines pneumatischen Leitgerätes (6) eingestellt. Der Waagebalkenregler führt den Sollwert-/Istwertvergleich durch (Kräftegleichgewicht an den Federbalgen). Das Düse-/Prallplattensystem hat die Aufgabe der Verstärkung, die nachgebenden Rückführbalge erzeugen „PI-Verhalten“. Die Ausgangsgröße aus dem Regler ist ein pneumatisches Einheitssignal. Dieser Luftdruck wird auf das Leitgerät gegeben und in Stellung „Automatik“ an den Stellungsregler des Ventils weitergeleitet. In der Stellung „Hand“ wird eine Handstellgröße als pneumatisches Einheitssignal vorgegeben und an den Stellungsregler weitergeleitet (Bild 3-7).
Bild 3-7 Gerätefließbild der Regeleinrichtung
34
3 Grafische Beschreibung von Prozessen
c) Zeichnen Sie das Verfahrensfließbild der Anlage Im Verfahrensfließbild sind alle für das Verfahren erforderlichen Apparate, Maschinen und Armaturen sowie die Hauptflussrichtung enthalten. Die im Gerätefließbild verwendeten Symbole finden auch hier Verwendung. Zusätzlich werden die einzelnen Gegenstände mit Kennbuchstaben versehen: B1 = Behälter Nr. 1 V1 = Ventil Nr. 1, Stellventil (1) V2 = Ventil Nr. 2, Störhahn (2) Die Aufgabenstellung wird jedoch symbolisch, nicht durch die entsprechenden Geräte gekennzeichnet (Bild 3-8).
PDI FI LCR LI HR
Differenzdruckmessung mit örtlicher Anzeige
Durchflussmessung mit örtlicher Anzeige Wasserstandsregelung am zentralen Leitregler mit Registrierung auf dem Schreiber örtliche Wasserstandsanzeige Handeinstellung am zentralen Leitgerät mit Registrierung auf dem Schreiber (Sollwert W und Handstellgröße YH) Stellgerät allgemein, Angabe des Stellortes
Bild 3-8 Verfahrensfließbild der Wasserstandregelung
3.3 Kennbuchstaben
35
Zu jedem Fließbild gehört die Angaben der Zustandsgrößen, hier die Stoffströme „1“ und „2“. Der Prozesszustand wird beschrieben durch das Medium, die physikalischen Zustandsgrößen, hier Druck und Temperatur, durch den Massenstrom und bei Mischströmungen auch durch deren Anteile. Tabelle 3-2 Zustandsbeschreibung von Stoffströmen
Nr.
Stoff
Druck
Temperatur
Massenstrom
Anteil
1
Wasser
3 bar
15 °C
max. 1 kg/s
100%
2
Wasser
1 bar
15 °C
max. 1 kg/s
100%
36
4 Beschreibungsformen von Signalen Das Wesen der Regelungstechnik liegt in einem Betriebsverhalten, dass durch • einen Teillastzustand in Beharrung • Zeitverhalten als Übergang zwischen Beharrungszuständen beschrieben wird. Systemdynamische Probleme, wie etwa die Untersuchung von Temperaturschwankungen in Gebäuden, Bewegungen von Fahr- und Flugzeugen, Antriebe in Maschinen usw. finden Anwendung in der Regelungstechnik. Auch im erweiterten Rahmen der Kybernetik stoßen wir überall auf dynamische Vorgänge. Versuchen wir an einem nichttechnischen Beispiel Verständnis für den inneren dynamischen Zusammenhang zu gewinnen.
Straßenbau, Wetter, Urlaub Ausgaben Entscheidung für Bahnfahrt
Anzahl Fahrgäste
Einnahme
Fahrkartenverkauf
Gewinn –
Fahrpreis
Preisbildung Gewinnziel
Bild 4-1 Erlösbildung „Bahn“ nach einem dynamischen Modell
Betrachten wir das System „Bundesbahn“ gemäß Bild 4-1 mit Hilfe eines dynamischen Modells, so kommen wir zu der Erkenntnis, dass alles in unserer Welt zu einem Ausgleich strebt (Kybernetisches Prinzip, FEED-BACK-Prinzip). Steigt der Fahrpreis sprunghaft an (Fahrpreiserhöhung), so wird der träge Fahrgast zunächst nur verhalten reagieren. Er wird sich weiterhin für die Bahnfahrt entscheiden. Die Anzahl der Fahrgäste wird also anfangs nur wenig geändert, die Einnahmen und damit auch der Erlös steigen (Bild 4-2). Jetzt gibt es jedoch eine Konkurrenz für die Bahn, den Straßenverkehr. Immer mehr Fahrgäste stellen fest, dass Autofahren jetzt nicht mehr so viel teurer ist als Bahnfahren; die Anzahl der Fahrgäste nimmt ab und damit auch die Einnahmen. Aber auch diese Entscheidung wird teilweise revidiert. Durch die jetzt stärker frequentierten Straßen nimmt die Fahrzeit zu; ein Teil der Fahrgäste kehrt reumütig zur Bahn zurück. Dieses zeitliche Verhalten ist in Bild 4-2 graphisch dargestellt.
4.1 Signalverläufe
37
Fahrpreis in € t Anzahl Fahrgäste t Einnahmen t0 t t0 = Zeitpunkt der Preiserhöhung
Bild 4-2 Zeitverhalten des dynamischen Modells „Bundesbahn“
In Bild 4-2 ist das Zeitverhalten nur qualitativ angegeben. Damit gibt sich der Ingenieur allerdings nicht zufrieden; er möchte eine quantitative Beschreibung des Zeitverhaltens haben. Wir werden uns deshalb in diesem Abschnitt mit den unterschiedlichen Beschreibungsformen beschäftigen. Zeitverhalten sind gekennzeichnet durch • das zeitliche Verhalten der Eingangssignale • und die Eigendynamik des betrachteten Systems.
4.1 Signalverläufe Ein Signal ist eine Funktion der Zeit, die von dem Informationsparameter einer physikalischen Größe beschrieben wird (Bild 4-3). Als Signale im engeren Sinne gelten solche Größen, die Informationsträger sind. Welche Eigenschaften haben solche Signale? • Analoge Signale können innerhalb des betrachteten Bereiches sämtliche Werte annehmen. • Kontinuierliche Signale können sich zu jedem Zeitpunkt ändern. • Diskrete Signale haben nur eine abzählbare Menge von Werten, z. B. digitale Signale (Ziffern); so wird der Erlös der Bundesbahn aufgerundet auf den nächsten Tausender angegeben. • Ein binäres Signal ist der Sonderfall von diskreten Signalen mit nur 2 Werten. • Diskontinuierliche Signale können sich nur zu bestimmten Zeiten ändern, z. B. zu konkreten Zeitpunkten. So rechnet die Bundesbahn über den Monatsabschnitt als Abrechnungszeitraum statistische Werte ab.
38
4 Beschreibungsformen von Signalen
Bild 4-3 Eigenschaften von Signalen
Beschränkt man sich auf analog-kontinuierliche Signale, so ergeben sich noch weitere Unterscheidungsmerkmale, wie sind in Bild 4-4 dargestellt sind: • Periodische Signale liegen vor, wenn sich der Zeitverlauf in gleich bleibenden Intervallen wiederholt, z. B. die jahreszeitlich abhängige Fahrgastzahl. • Aperiodische Signale lassen sich durch Zeitverschiebung nicht zur Deckung bringen. Die jahreszeitlichen Schwankungen werden durch preispolitische Eingriffe überlagert und führen zu einem neuen stationären Verhalten im nächsten Jahr. • Ein deterministisches Signal ist in seinem zeitlichen Verlauf exakt beschreibbar und daher im Voraus bestimmbar. • Ein stochastisches Signal hängt vom Zufall ab.
Bild 4-4 Typische Zeitverläufe von Signalen
4.2 Mathematische Beschreibung im Zeitbereich
39
Wird der Verlauf der Signale direkt als Funktion der Zeit angegeben, so bezeichnet man die Beschreibungsform als • Beschreibung im Zeitbereich • bei indirekter Beschreibung durch die Frequenz als Beschreibung im Frequenzbereich.
4.2 Mathematische Beschreibung im Zeitbereich Im Zeitbereich wird das Systemverhalten vor allem durch Differenzialgleichungen beschrieben. Diese verknüpfen die Variablen durch Differenzialbeziehungen, die auch Nichtlinearitäten enthalten können. Vereinfacht man die Gleichungen auf ein System mit linearen, zeitinvarianten Beziehungen mit konstanten Kennwerten, so wird die Ermittlung dieser Kennwerte direkt im Zeitbereich bevorzugt. Dies trifft insbesondere auf Systeme zu mit langsam veränderlichen Signalen oder findet Anwendung bei Systemen, deren Störungen mit niedriger Frequenz auftreten: Größenordnung Sekunden bis Minuten. Solche Anwendungsbeispiele findet man als Temperaturverläufe, Druckschwankungen, Durchflussänderungen oder andere Zustandsgrößenverläufen in der Verfahrenstechnik. Bei linearen, zeitinvarianten Systemen kann das Zeitverhalten statt durch die unhandliche Differentialgleichung durch die so genannten Antwortfunktionen (siehe Kapitel 7) beschrieben werden, wenn keine beliebigen Störungen als Eingangsgrößen zugelassen sind, sondern nur determinierte Verläufe (Sprung, linearer Anstieg, ...). Man erhält einfache Lösungen für Differentialgleichungen für diese Sonderfälle, wenn sich das System vor dem Eingreifen der Testfunktion im Beharrungszustand befunden hat.
Übungsaufgabe 4.1 Beschreibung eines Zeitverlaufes im Zeitbereich Im Zeitbereich wird der Signalparameter u als Funktion der unabhängigen Variablen „Zeit“ dargestellt: u = u(t) Oft ist es möglich, die Funktion u(t) innerhalb eines Zeitintervalls analytisch zu beschreiben. a) Zeichnen Sie einen linearen Anstieg und beschreiben Sie diese Funktion mit Hilfe einer Zeitgleichung. Der linearer Anstieg ist in Bild 4-5 dargestellt. 0 ≤ t ≤ t1 → u (t ) = K ⋅ t
K = Konstante ( = Geschwindigkeit); u = Weg; t = Zeit
Bild 4-5 Lineare Anstiegsfunktion im Zeitbereich
40
4 Beschreibungsformen von Signalen
b) Stellen Sie eine harmonische Schwingung dar. Der Zeitverlauf wird durch eine Cosinusfunktion beschrieben: u (t ) = U 0 ⋅ cos(ω0 ⋅ t ) für den Gültigkeitsbereich −∞ < t < + ∞
ω0
= Eigenfrequenz ; U0 = Schwingungsamplitude; τ =
2π =ˆ Schwingungsperiode ω0
Bild 4-6 Schwingungsfunktion im Zeitbereich
ů
4.2.1 Fundamentalgleichung der Regelungstechnik Die grundsätzliche Art der mathematischen Darstellung des Zeitverhaltens eines regelungstechnisches Systems ist: v(t) = f (u(t), w(t), zi(t), …) v(t) u(t) w(t) zi(t)
Ausgangsgröße des betrachteten Systems Eingangsgröße des betrachteten Systems Führungsgröße Störgrößen
Die funktionelle Abhängigkeit zwischen Eingang- und Ausgangsgröße kann durch die Fundamentalgleichung der Regelungstechnik beschreiben werden. ( n)
(m)
an ⋅ v +....+ a2 ⋅v + a1 ⋅v + a0 ⋅ v = b0 ⋅ u + b1 ⋅ u + b2 ⋅u +...+ bm ⋅ u
u(t)
Systemgleichung
v(t)
Bild 4-7 Blockdarstellung der Fundamentalgleichung
Die linke Seite der Fundamentalgleichung beschreibt das dem System eigene Verhalten, die rechte Seite beschreibt die Einwirkungen auf das System von außen. „n“ wird die Ordnung der Differentialgleichung genannt. Die Ordnung entspricht physikalisch der Anzahl der systeminternen Speicher, z.B. Massenspeicher, Energiespeicher, …
4.2 Mathematische Beschreibung im Zeitbereich
41
Nebenbedingung: m ≤ n. In Kapitel 9 wird beschrieben, wie das Fehlen der Parameter a0 (I-Verhalten) oder b0 (D-Verhalten) zu interpretieren ist.
4.2.2 Lösung der Differentialgleichung Sind die Eingangsgröße u(t = 0) und die weiteren Anfangsbedingungen v(0 − ), v(0 − ), v(0 − ), ... bekannt, kann die Differentialgleichung gelöst werden. 0– gilt für kleine Zeiten t → 0, aber t < 0.
0+ bedeutet t → 0, aber t > 0.
Zunächst wird nur die linke Seite betrachtet, genannt homogene Gleichung oder Eigendynamik des Systems. Durch den Ansatz vh(t) = C · eα·t ergibt sich die charakteristische Gleichung des Systems. an · αn + an-1 · αn-1 + … + a2 · α2 + a1 · α + a0 = 0 Sind die n Lösungen α1, α2, … , αn reell und voneinander verschieden, ergibt sich die homogene Lösung: vh (t ) = C1 ⋅ e α1⋅t + C2 ⋅ e α2⋅t + ... + Cn ⋅ eαn⋅t
Die Integrationskonstanten Ci werden aus den Anfangsbedingungen bestimmt. Treten komplexe Lösungen der charakteristischen Gleichung auf, so müssen die Lösungen αi paarweise konjugiert komplex sein. Für 2 konjugiert komplexe Lösungen ergibt sich aus dem Ansatz v h ( t ) = e δ 1⋅t ⋅ [ C 1 1 ⋅ e j ω ⋅t + C 1 2 ⋅ e − j ω ⋅t ]
die Lösung für einen Eingangsprung vh (t ) = A ⋅ eδ1⋅t ⋅ sin(ω ⋅ t + ϕ )
A=
δ1 =
1
ist die Schwingungsamplitude
1− D2 D T0
ϕ = arc tan
ist die Abklingkonstante der Schwingung 1− D2 D
ist die Phasenverschiebung der Schwingung
Die Gesamtlösung entspricht der Addition aus homogener Lösung und partikulärer Lösung v(t) = vh(t) + vp(t) Dabei sind in der partikulären Lösung die Eingangsgrößen u(t) verarbeitet, die bei der homogenen Lösung noch nicht verwendet wurden.
42
4 Beschreibungsformen von Signalen
Übungsaufgabe 4.2 Feder-Dämpfungs-System eines masselos gedachten Fahrzeugs Stoßdämpfer sollen die durch starke Bodenunebenheiten entstehenden Federschwingungen zwischen Fahrzeugaufbau und Radaufhängung dämpfen. Ein Kolben wird in einem Zylinder bewegt und verdrängt Öl durch enge Bohrungen (Bild 4-8).
s=0 s
Feder
Dämpfung
Ersatzbild
F s
s
Bild 4-8 Gerätetechnische Darstellung einer Fahrzeugfederung mit Ersatzschaltbild
F Bewegt sich der Kolben nach rechts (Einfedern) so wird das Öl in die linke Kammer gepresst; bewegt sich der Kolben nach links (Ausfedern), so strömt das Öl in die rechte Kammer zurück. Damit das System bei einer bleibenden Kraft F0 nicht gegen den Anschlag gedrückt wird, ist zusätzlich eine Feder notwendig, die diese Kraft aufnimmt. a) Stellen Sie die Differenzialgleichung des Modells auf. Eine Kraft F0 als Eingangssignal u(t) auf den Stoßdämpfer bewirkt eine Auslenkung s als Ausgangssignal v(t), und zwar entgegen der Kraft der sich spannenden Feder. Aus dem Kräftegleichgewicht ergibt sich die zugehörige Gleichung, das mathematische Modell dieses Gliedes: ds ⋅s + d ⋅ F0 = cN dt N Fc Fd
F0 c s d ds/dt
= = = = =
u(t) … zusätzliche externe Kraft in N Federkonstante in N/m v(t) … Auslenkung in m bezogen auf s0 = 0 m Dämpfungskonstante in Ns/m Geschwindigkeit in m/s
u (t ) = c ⋅ v(t ) + d ⋅ v
Dieses mathematische Modell gilt nur mit Einschränkungen: • Die Trägheitskraft wurde vernachlässigt; die Masse des Fahrzeugs wird als externe Kraft auf die Fahrzeugfederung übertragen. • Der Dämpfungsgrad d wird als konstant angenommen, obwohl bei der realen Federung der Einschwingvorgang stärker gedämpft ist als der Ausschwingvorgang. • Die externe Kraft F0 ändere sich „sprunghaft“; für die Aussage des Modells ist dies der schlimmste anzunehmende Fall.
4.2 Mathematische Beschreibung im Zeitbereich
43
b) Geben Sie die Lösung der Differenzialgleichung in einer Formel an. Differenzialgleichungen werden meist durch Integration gelöst. Allgemein gibt es bei einer Differenzialgleichung eine ganze Lösungsschar. Durch die Anfangsbedingungen wird daraus eine ganz bestimmte Lösung herausgegriffen. Für die weitergehende numerische Verarbeitung ist die Lösungsgleichung besser geeignet als die Differenzialform der Gleichung. Homogene Lösung: d ⋅ v + c ⋅ v h (t ) = 0
Substitution: c v =− ⋅ vh (t ) = W → d dv d dW v = =− ⋅ =W dt c dt
c d − ⋅ dv = dW → dv =− ⋅ dW d c dW c → =− dt dt d
Integration: c ln W = − ⋅ t + ln K d
→ W =K
c − ⋅t d ⋅e
Rücksubstitution: c
−
− ⋅t c ⋅ v h (t ) = K ⋅ e d d
c
→ v h (t ) = −
− ⋅t d ⋅ K ⋅e d c
Die homogene Lösung vh(t) beschreibt die Eigenbewegung, die das System von beliebigen Anfangswerten ausführt, wenn es sich selbst überlassen wird (u(t) = 0). Die homogene Differentialgleichung ergibt sich aus den Eigenschaften und der Struktur des Systems. Partikuläre Lösung: Die partikuläre Lösung beschreibt hier den Beharrungszustand. Dies ist die Bewegung oder der Zustand, den das System unter dem Einfluss der Eingangsgröße nach Abklingen des Einschwingvorganges ausführt (erzwungene Bewegung). Dazu wählt man einen Ansatz in Form der Störfunktion, hier u (t) = F0 = konst. Im Beharrungszustand t → ∞ ergibt sich als Wirkung auf diese externe Kraft F0 folgende Auslenkung:
d ⋅ v + c ⋅ vp (t ) = F0 1 t → ∞ : c ⋅ vB = F0 → vB = ⋅ F0 = vp (t ) c
Allgemeine Lösung: Durch Überlagerung der homogenen und partikulären Lösung ergibt sich die allgemeine Lösung
44
4 Beschreibungsformen von Signalen c
v(t ) = v p + vh =
− ⋅t d 1 ⋅ F0 − ⋅ K ⋅ e d c c
Die in dieser Gleichung noch enthaltene Konstante K erhält man durch Einsetzen der Anfangswerte in die allgemeine Lösung v(t). Hier wird wegen der Differentialgleichung erster Ordnung nur ein Anfangswert benötigt. Die Anfangsbedingung lautet: u(0) = 0 Für t = 0 ergibt sich diese Form der allgemeinen Lösung: 1 d ⋅ F0 − ⋅ K ⋅1 c c 1 c daraus: K = ⋅ F0 = ⋅ vB d d
e−0 = 1 → 0 =
Damit erhält man den gesuchten Verlauf: c
c
− ⋅t − ⋅t 1 d 1 v(t ) = ⋅ F0 − ⋅ ⋅ F0 ⋅ e d = vB − vB ⋅ e d c c d c ⎞ ⎛ − ⋅t d ⎟ 1 v(t ) = vB ⋅⎜ e − ⎜ ⎟ ⎝ ⎠
Dieses mathematische Modell des Stoßdämpfers beschreibt die Auslenkung v(t) als Funktion der externen Kraft u(t) = F0 = konst. in Form der Lösungsgleichung. Dargestellt als Block ergibt sich die Darstellung in Bild 4-9.
u(t) = F0
v(t) = s(t)
Stoßdämpfer
Bild 4-9 Vereinfachtes mathematisches Modell eines Stoßdämpfers, dargestellt als Block.
c) Stellen Sie den Zeitverlauf des Modells auf. Der durch das mathematische Modell beschriebene Zeitverlauf der Auslenkung bei einer sprunghaften Änderung der äußeren Kraft soll graphisch dargestellt werden. Dazu gehen wir von folgenden Zahlenwerten aus: Federkonstante Dämpfungskonstante Anfangsauslenkung externe Kraftänderung
c d v0 u0
= = = =
6 . 104 N/m 1,2 . 105 Ns/m 0m 1,2 . 103 N
Für sehr große Zeiten nimmt die Auslenkung den Beharrungswert an. 1 1, 2 ⋅103 N vB = ⋅ u0 = = 0,02 m c 6 ⋅104 N/m
Im Exponenten taucht das Verhältnis c/d auf: 6 ⋅104 N/m 1 c = = 0,5 s d 1, 2 ⋅105 Ns/m
4.3 Frequenzbereich
45
Das reziproke Verhältnis wird später als Zeitkonstante T eingeführt: T=
d = 2s c
t
s
1
2
4
6
8
e −t / T
–
0,607
0,368
0,135
0,05
0,018
Tragen wir diese zeitlichen Stützpunkte in ein Diagramm ein, so erhalten wir den Zeitverlauf in Bild 4-10. Eine gleich bleibende Kraftänderung von 1200 N bewirkt eine Auslenkungsänderung um 0,02 m. Nach etwa 8 bis 10 Sekunden wird der neue Beharrungswert erreicht. Der Zeitverlauf zwischen Anfangswert und Endwert entspricht einer e-Funktion. Der Anstieg der e-Funktion wird beschrieben durch die Zeitkonstante T.
T = d/c
vab =1/c·xe
0,02
100 v vB · 100 %
v m c= 6·104 N/m d= 1,2 · 105 Ns/m DF= v0 = 1200 N
0,01
0 0
t/T= 1 2
t/T= 2 4
50
t/T= 3 6
0 t s
Bild 4-10
Zeit-Weg-Diagramm des Stoßdämpfers bei sprunghafter Änderung der externen Kraft
ů
4.3 Frequenzbereich Viele technische Systeme sind entweder auf Grund ihres inneren Aufbaus oder durch Anregung von außen in der Lage, Schwingungen auszuführen. Solche Systeme nennt man „schwingungsfähige Systeme“. Die Übertragung des Schwingungsverhaltens aus dem Zeitbereich in den Frequenzbereich bietet einen neuen Einblick in die Systemeigenschaften. Durch die Transformation vom Zeitbereich in den Frequenzbereich werden keine neuen Signale erzeugt, sondern deren Beschreibung wird nur in eine auf einfachere Weise interpretierbare oder berechenbare Form gebracht (Bild 4-11). Anstelle der Zeit wird die Frequenz als unabhängige Variable benutzt und der Signalverlauf als Summe von harmonischen oder gedämpften Teilschwingungen dargestellt.
46
4 Beschreibungsformen von Signalen
Bild 4-11 Schematische Darstellung des Übergangs vom Zeitbereich in den Frequenzbereich
Die Transformation lässt sich anschaulich deuten (Bild 4-12). Das Zeitverhalten wird durch eine Summe von harmonischen Schwingungen unterschiedlicher Frequenz und Amplitude so zusammengesetzt (summiert), dass der tatsächliche Verlauf möglichst genau wiedergegeben wird (hier: Reihenentwicklung).
Bild 4-12 Zerlegung des Zeitbereichs in homogene Schwingungen unterschiedlicher Kreisfrequenz und Amplitude durch eine Reihenentwicklung
Auch die Beschreibung im Frequenzbereich gilt streng genommen nur für lineare, zeitinvariante Systeme. Eine Methode zur Ermittlung von Kennwerten im Frequenzbereich (speziell Bode-Diagramm) wird in Kapitel 24 näher erläutert. Dort ist auch die zugehörige Theorie zur Transformation enthalten. Ein mathematisches Beschreibungsverfahren (Laplace-Transformation) findet man ausführlich in vielen Lehrbüchern und im Internet. Übertragungsfunktion F(s): Ersetzt man das Differential d/dt durch einen Operator, z. B. Operator s = α + j ω s s, so erhält man die Übertragungsfunktion:
4.3 Frequenzbereich
47
an ⋅ s n ⋅V ( s ) +....+ a2 ⋅ s 2 ⋅V ( s ) + a1 ⋅ s ⋅V ( s ) + a0 ⋅V ( s ) = b0 ⋅U ( s ) + b1 ⋅ s ⋅U ( s ) + b2 ⋅ s 2 ⋅U ( s ) +...+ bm ⋅ s m ⋅U ( s ) a ⋅ s n ⋅V ( s ) +....+ a2 ⋅ s 2 ⋅V ( s ) + a1 ⋅ s ⋅V ( s ) + a0 ⋅V ( s ) F (s) = n b0 ⋅U ( s ) + b1 ⋅ s ⋅U ( s ) + b2 ⋅ s 2 ⋅U ( s ) +...+ bm ⋅ s m ⋅U ( s )
Dabei ist s eine komplexe Variable. Eine Möglichkeit der graphischen Abbildung bietet die komplexe s-Ebene mit dem Realteil α und dem Imaginärteil jω.
s-Ebene –3
–2
jw a
0
–1
Bild 4-13 Nicht schwingende Regelstrecke 2. Ordnung in der komplexen Ebene
Eine andere Darstellungsform ist die so genannte Ortskurve. (Bild 4-14). Stellt man den Frequenzgang in Polarkoordinaten dar, dann können Amplitudengang A(ω) und Phasengang ϕ (ω) getrennt dargestellt werden. F ( jω ) = A(ω ) ⋅ e jϕ (ω )
Trennt man bei der Darstellung den Amplitudengang vom Phasengang, so erhält man das Bode-Diagramm (Bild 4-15), eine Darstellungsform, die vor allem bei rotatorischen Vorgängen, z. B. in Produktionsmaschinen, zum Einsatz kommt. Auch bei der Darstellung von Schallspektren in der Akustik leistet das Bode-Diagramm gute Dienste.
j· I (ω) 0
u ω
D=1 K 2D
F(jω) R(ω)
K ∞
ω =0 ω
D=0,5 D=0,4 D=0,3 D=0,2 ω = ω0
Bild 4-14 Ortskurvendarstellung einer schwingungsfähigen Strecke 2. Ordnung
48
4 Beschreibungsformen von Signalen +20dB
10
F
5
2
Amplitudengang in dB
1,0
0dB
0,5
0,2 0,1
–20dB 0,1
0,2
0,5
1,0
2
5 10 Kreisfrequenz ω
Kreisfrequenz in 1/s
0° ϕ
–90°
Phasengang in Grad –180° 0,1
0,2
0,5
1,0
2
5 10 Kreisfrequenz ω
Bild 4-15 Bode-Diagramm eines P-T2-Gliedes
4.4 Digitale Signale Digitale Systeme werden in der Praxis zunehmend eingesetzt. Diese Entwicklung wird begünstigt durch Mikrocomputer-Bausteine mit zunehmender Integrationsdichte und Verarbeitungsgeschwindigkeit. Die Formulierung von Signalen in digitaler Form wird deshalb immer wichtiger. Die digitale Regelung ist ausführlich in Kapitel 20 beschrieben. Digitale Signale sind meist diskret und diskontinuierlich. Diskrete Signale werden durch die Auflösung gekennzeichnet. Dies ist der Wert, um den sich ein Signal ändern muss, damit eine Stelle eines digitalen Datenwortes, gekennzeichnet durch die binären Zeichen 0 oder 1, verändert wird.
T0 x(t)
xT(t)
x
h<
xT
t Bild 4-16 Zeitdiskretes Signal, erzeugt durch Abtastung
1 2 3
k= Tt0
4.5 Stochastische Signale
49
Ein weiterer Baustein ist u. a. für die Diskontinuität verantwortlich. Abtaster sorgen dafür, dass immer nur ein Messwert von der Anlage zum Mikrocomputer weitergeleitet bzw. nur eine Stellgröße vom Mikrocomputer zur Anlage ausgegeben wird. Dies führt zu einem „Abtasten“ der angeschlossenen Ein- und Ausgangssignale. Die Wiederholung zweier Abtastpunkte des gleichen Signals wird Abtastzeit TS (S = Sample) genannt. Durch diese beiden Effekte geht die Differenzialgleichung ( n)
(m)
an ⋅ v +....+ a2 ⋅v + a1 ⋅v + a0 ⋅ v = b0 ⋅ u + b1 ⋅ u + b2 ⋅u +...+ bm ⋅ u
in die Differenzengleichung über. V (k ) + α1 ⋅V (k − 1) + ... + αn ⋅V (k − n) = β 0 ⋅U (k ) + β1 ⋅U (k − 1) +...+ β m ⋅U (k − m)
Der momentan abgetastete Wert des Ausgangssignals v(k) zum Zeitpunkt k kann dann rekursiv aus vergangenen abgetasteten Eingangs- und Ausgangssignalen berechnet werden. Die Kennwerte α i und β i sind nicht identisch mit den Kennwerten ai und bi.
4.5 Stochastische Signale Bei der Entstehung stochastischer Signale wirkt der Zufall mit. Trotzdem sind die Signale nicht völlig regellos, sondern lassen sich mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung quantitativ erfassen. Ähnlich wie bei analogen Signalen muss man auch hier für die einfache mathematische Behandlung vereinfachende Annahmen treffen: • die statistischen Eigenschaften dürfen sich nicht signifikant ändern, wenn der Beobachtungsbereich verschoben wird (Linearität), • die Übertragbarkeit auf ähnliche Prozesse muss gewährleistet sein (Ergodizität). Kenngrößen stochastischer Signale müssen Durchschnittseigenschaften charakterisieren, also Mittelwerte sein. Der arithmetische Mittelwert u wird definiert zu: u=
1T ∫ u (t ) dt T 0
für analoge Signale
T = Beobachtungszeit, während der das Signal u(t) aufgenommen wird u=
1 n ∑ u (k ⋅TS ) ⋅TS TN k =1
für digitale Signale
TS = Abtastzeit TN = Beobachtungsintervall TN = n ⋅ TS Neben dem Mittelwert ist die Streuung eine wichtige Kenngröße für eine Zufallsgröße. Die Streuung S ist ein Maß dafür, in welchem Maße eine Zufallsgröße um ihren Mittelwert streut. Man verwendet als Maßgröße die quadratische Abweichung vom Mittelwert und als Kenngröße den arithmetischen Mittelwert aller quadratischen Abweichungen:
50
4 Beschreibungsformen von Signalen
S =±
1T ∫ (u (t ) − u )2 dt T 0
bzw. für digitale Signale S =±
1 TN
n
∑ (u (k ⋅TS ) − u )2 ⋅TS
k =1
Für genügend große Beobachtungsintervalle T bzw. TN geht die Streuung S in die Standardabweichung σ über, die wegen der symmetrischen Eigenschaft nur mit positivem Vorzeichen angegeben wird. In Bild 4-17 sind die Kenngrößen eines stochastischen Signals dargestellt. Dabei ist vereinfachend vorausgesetzt, dass die physikalische Größe (Messgröße) während der Beobachtungszeit konstant bleibt.
H
+s
-s
u
u(t)
Bild 4-17 Normalverteilung eines konstanten stochastischen Signals
H ... Häufigkeit eines Wertes bzw. Anzahl pro Werteklasse ± σ ... Wahrscheinlichkeit, dass der Mittelwert innerhalb ± 68,3 % liegt u ... arithmetischer Mittelwert
51
I Darstellungsmethoden Die Aufgaben der modernen Regelungstechnik liegen nicht nur darin, für eine „vorgegebene“ Regelstrecke eine mehr oder weniger gut geeignete Regeleinrichtung zu entwerfen. Es gilt, das Verhalten der Regelstrecke schon im Planungsstadium so zu beeinflussen, dass das Gesamtsystem optimal wird. Dazu benötigt man tiefere Kenntnisse über das Verhalten der Regelstrecken. „Die Qualität einer Regelung hängt in erheblichen Maße von der Regelstrecke ab“. Die Zielsetzungen für technische Vorhaben werden ebenso komplexer wie die Techniken, die sie erforderlich machen. Dies bedeutet eine verstärkte Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen. Gerade in der von der Elektrotechnik geprägten Regelungstechnik haben sich Methoden und Verfahren herausgebildet, die für viele Ingenieure nur schwer verständlich sind. Trotzdem bedarf es einer gemeinsamen „Sprache“, um die gestellten Aufgaben zum erwarteten Erfolg zu führen. Gerade hier kann der praxisorientierte Ingenieur seinen Beitrag leisten. Sein Ziel ist der regelungsgeeignete Prozess (Strecke). Dazu muss er jedoch verstehen, was jenseits des Zauns, im Regler, abläuft. Dann wird es ihm leicht fallen, eine geeignete Messeinrichtung und Stelleinrichtung schon in der Entwicklungsphase vorzusehen und den Prozess so zu modifizieren, dass das Gesamtsystem optimal wird. Nachfolgen werden wichtige Darstellungsmethoden erläutert, die für die regelungstechnische Praxis wichtig sind: x Wirkungsplan als Darstellung von Ursache-Wirkungsgeflechten x Bildung von physikalischen Modellen zur Simulation des Zeitverhaltens x Testfunktionen, die das Verhalten von Modellen bei definierten Eingangssignalen beschreiben x Zustandsraumdarstellung zur übersichtlichen Darstellung von Modellen höherer Ordnung.
52
5 Wirkungsplan Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit folgenden Themen: • wie man komplexe Systeme in überschaubare Teilsysteme zerlegen kann, z. B. in Glieder mit elementarem Zeitverhalten (P-, I-, D-Verhalten) • welche Verknüpfungsformen (Schaltungen) dieser Teilsysteme möglich sind • welche Darstellungsformen der gerätetechnischen und wirkungsmäßigen Betrachtung möglich sind • wie man den Wirkungsplan für eine konkrete Anlage aufbaut, d. h. aus elementaren Zeitverhalten und Verknüpfungen zusammensetzt. Ein zu automatisierender Prozess ist meist in seinem Aufbau und seiner Wirkung komplex. Soll die Dynamik eines solchen Systems untersucht werden, so zerlegt man das System in möglichst rückwirkungsfreie Teilsysteme (Makros) und diese wiederum in Grundelemente, in denen sich der Prozess vollzieht. Dieses Vorgehen gilt sowohl für die physikalische Untersuchung (Kapitel 6) als auch für die messtechnische Analyse (Abschnitt II). In beiden Fällen versucht man, das Verhalten der Grundelemente und die vorhandenen Kopplungen zu ermitteln. Dabei beschränkt man sich möglichst auf lineare, zeitinvariante Grundelemente, d. h. auf Elemente, die z. B. durch die konstanten Parameter KI, KP, KD beschrieben werden, die weder vom physikalischen Zustand des Systems, noch von der Zeit abhängig sind. Ebenso werden möglichst lineare Kopplungen (Additions- bzw. Subtraktions-Verknüpfungen) eingesetzt. Die Zerlegung des Prozesses kann auch nach gerätetechnischen Gesichtspunkten erfolgen. Dazu wird der Gesamtprozess in Teilanlagen zerlegt, die meist geometrisch oder funktionsmäßig unterschiedlich sind. Man unterscheidet also zwischen • gerätetechnischer Betrachtung und • wirkungsmäßiger Betrachtung. Zerlegungen die nach diesen unterschiedlichen Betrachtungen durchgeführt werden, unterscheiden sich oft erheblich. Dazu ein Beispiel: Die Konstruktionszeichnung (gerätetechnische Betrachtung) eines Getriebes enthält Angaben über Geometrie, Material sowie Bearbeitungshinweise für Einzelteile, eine Zusammenstellungszeichnung, Angaben zur Montage, Justierung etc. Man kann nach diesen Unterlagen komplizierte Getriebe fertigen, ohne die Fragen der dynamischen Wirkung, z. B. Beschleunigungsverhalten beantworten zu können. Dazu bedarf es der Zerlegung in P-, I- oder D-Glieder, d. h. der wirkungsmäßigen Betrachtung. Trotz einer unüberschaubar großen Anzahl verschiedener Prozesse und Systeme lässt sich die wirkungsmäßige Betrachtung immer auf die 3 elementaren Zeitverhalten (Bild 3-1) zurückführen:
I-Verhalten = Integration P-Verhalten = Multiplikation mit einer Konstanten D-Verhalten = Differenziation Diese Grundbausteine entsprechen linearen Grundrechenoperationen.
53
P-Glied
I-Glied v(t)
u(t)
u(t)
D-Glied v(t)
v(t)
u(t)
KP
KI
KD
Bild 5-1 Elementare Zeitverhalten/Übertragungsverhalten
Nach DIN 19226 wird in den Blöcken die Sprungantwort eingetragen. Die zugehörige mathematische Beschreibung der einzelnen Blöcke lässt sich aus der Fundamentalgleichung ableiten: b0 ⋅ u (t ) = K I ⋅ u (t ) a1
I-Verhalten
a1 ⋅v = b0 ⋅ u (t )
oder
v =
P-Verhalten
a0 ⋅ v(t ) = b0 ⋅ u (t )
oder
b v(t ) = 0 ⋅ u (t ) = K P ⋅ u (t ) a0
D-Verhalten
a0 ⋅ v(t ) = b1 ⋅ u
oder
b v(t ) = 1 ⋅ u = K D ⋅ u a0
Bei den Kopplungen gibt es drei verschiedene Grundarten (Bild 5-2).
Verzweigung u
Überlagerung v1
Verkettung
u1 v
v2 u = v1 = v 2
u2
v = u1 ± u 2
u
ÜV v = f(u)
v
Bild 5-2 Elementare Kopplungen
Bei der linearen wirkungsmäßigen Betrachtung können aus den drei linearen Grundrechenoperationen und den drei Kopplungen drei immer wieder auftretende Schaltungen aufgebaut werden (Bild 5-3): • Reihenschaltung • Parallelschaltung • Kreisschaltung
Reihenschaltung
Parallelschaltung
Kreisschaltung
Bild 5-3 Grundschaltungen des Wirkungsplans, ÜV = Übertragungsverhalten
54
5 Wirkungsplan
5.1 Elemente des Wirkungsplans Für die kybernetische Betrachtung eines Systems ist der wirkungsmäßige Zusammenhang, also die Form der physikalischen Verknüpfungen von Bedeutung, nicht die geometrische Anordnung. Jedes Glied ist längs eines Wirkungsweges mit dem folgenden Glied verbunden. Die Größen wirken in einer vorgegebenen Richtung, der Wirkungsrichtung.
5.1.1 Block Der Block stellt die wirkungsmäßige Abhängigkeit der Ausgangsgröße v(t) als Wirkung von der Eingangsgröße u(t) als Ursache dar (Bild 5-4). Ein Block kann aber auch komplexe Wirkungsgefüge enthalten, z. B. P-T1-Verhalten, PI-Verhalten.
u(t) Ursache
Block
v(t) Wirkung
Bild 5-4 Der Block als Element des Wirkschaltplans
Die Abhängigkeit, die in einem Block dargestellt wird, kann eine empirische Gerätefunktion (aus Messwerten) oder eine theoretische mathematisch-physikalische Funktion sein. Blockkennzeichnungen: • dynamisches Verhalten, Sprungsantwort • statisches Verhalten, Kennlinie • mathematische Beschreibungsfunktion. Ändert sich eine physikalische Größe in einem Wirkungsplan in eine andere, so ist auch dann ein Block einzuzeichnen, wenn kein Objekt vorhanden ist. Solche fiktiven Blöcke treten z. B. bei der Umrechnung in prozentuale Einheitssignale auf.
Übungsaufgabe 5.1 Wasserbehälter als Block im Wirkungsplan zu und Abfluss m ab Als einfaches Beispiel wählen wir einen Wasserbehälter mit Zufluss m (Bild 5-5). a) Druck der Wassersäule dargestellt als P-Glied Ausgangsgröße v(t) = Wirkung sei der Druck am Boden des Behälters, Eingangsgröße u(t) = Ursache die Wasserhöhe h. Die Abhängigkeit des Drucks am Behälterboden von der Wasserstandshöhe wird durch die physikalische Gleichung p = pU + ρ ⋅ g ⋅ h = pu + K P ⋅ h
beschrieben. Da im Wirkungsgefüge nur Änderungen bezogen auf einen Betriebspunkt (z. B. Anfangsbedingung h = h0; p = pU) angegeben werden, kann die Angabe des Umgebungsdrucks pU entfallen. Der Proportionalwert Kp ist: K P = ρ ⋅ g .
5.1 Elemente des Wirkungsplans
pu = Umgebungsdruck
55
po= Druck durch die Wasserhöhe h0
Bild 5-5 Wasserbehälter als Blocksymbol
b) Wasserbehälter als I-Glied Rüstet man den Wasserbehälter nur mit einem Wasserzulauf aus, so hat er integrierendes Zeit zu vorhanden, so steigt (bei zylindrischem Behälter) der Wasserverhalten. Ist ein Zufluss m zu = 0, so bleibt der Wasserstand unverändert. Dieser mit der Zeit linear stand h linear an; ist m ansteigende Wasserstand wird in Bild 5-6 durch die Sprungantwort des I-Gliedes gekennzeichnet.
(hier: integrierendes Verhalten des Behälters ohne Ablauf) Bild 5-6 Blockkennzeichnung durch die Sprungantwort
c) Wasserbehälter mit Rückwirkung Für die Angabe des statischen Verhaltens verwendet man die Kennlinie. In einer Kennlinie wird die Ausgangsgröße über der Eingangsgröße aufgetragen. Der Wasserbehälter wird nur mit einer Ausflussdüse als Ablauf ausgerüstet (Bild 5-7). Die Ausgangsgröße als Wirkung ist ab durch diese Düse, die Eingangsgröße als Ursache ist die Druckdifdann der Massenstrom m ferenz Δ pD vor und hinter der Düse. Die Kennlinie gibt also den Zusammenhang zwischen ab als Funktion von Δ pD wieder (im Beharrungszustand!). m
56
5 Wirkungsplan
(hier: nichtlineares Verhalten des Abflussventils) Bild 5-7 Blockkennzeichnung durch die Kennlinie
In den Block wird zur Kennzeichnung des statischen Verhaltens ein Koordinatenkreuz eingetragen. Nach dem Energiesatz der Strömungslehre (Bernoulli) und dem Massenerhaltungssatz (Kontinuitätsgleichung) ergibt sich ein nichtlinearer Zusammenhang:
~ A ⋅ ρ ⋅ Δ pD (Blendengleichung) m ~ K ⋅ Δ pD m d) Mathematische Funktion als Blockkennzeichnung Die dritte Kennzeichnungsart ist die mathematische Beschreibungsfunktion. Dazu wird in den Block direkt der KP-Wert bzw. der funktionelle Zusammenhang des KP-Wertes eingetragen.
p = f ( h) Æ
Δp = ρ⋅ g ⋅Δh
mit
KP = ρ ⋅ g
Bild 5-8 Blockkennzeichnung durch eine mathematische Funktion
5.1.2 Wirkungslinie Als Wirkungslinien werden diejenigen physikalischen Größen eingezeichnet, die Änderungen des Beharrungszustandes von Block zu Block weiterleiten. Die Wirkungslinie entspricht einem Signal. Die Wirkungsrichtung wird durch einen Pfeil unmittelbar am Eintritt in einen Block (oder in eine Zusammenfassungsstelle) gekennzeichnet. Wirkungsrichtungen können auch entgegen einem Stoff- oder Energiestrom verlaufen. Der Wasserbehälter aus Übungsaufgabe 5.1 werde mit Wasserzulauf und Wasserablauf ausgerüstet (Bild 5-9). Der Wasserstand h eines rückwirkungsfreien Behälters wird im Wesentlichen durch den Unterschied zwischen Zulauf- und Ablaufmenge beeinflusst. Beide Größen, Zu- und Ablauf, verändern den Wasserstand h, wirken also in Richtung Wasserstand als Ursachen.
5.1 Elemente des Wirkungsplans
57
Wirkungslinien mit Angabe der Wirkungsrichtung und des Wirkungssinns am Beispiel eines rückwirkungsfrei angenommenen Wasserbehälters
Bild 5-9
5.1.3 Zusammenfassungsstelle Wirkungslinien mit gleichen physikalischen Größen können an Zusammenfassungsstellen =m zu − m ab addiert oder subtrahiert werden. Ein Beispiel ist in Bild 5-9 angegeben: Δ m Der Wirkungssinn wird durch „+“ oder „–“ gekennzeichnet. Das Vorzeichen „–“ kehrt den ab größer, so fällt der Wasserstand h. Wirkungssinn um. Wird m In Bild 5-10 sind einige Arten von Zusammenfassungsstellen angegeben. Einige Regeln bei Zusammenfassungsstellen: • Das Vorzeichen wird stets rechts vom Pfeil in Pfeilrichtung der Wirkungslinie angetragen. • Eine Wirkungssinn-Umkehr ist nur an Zusammenfassungsstellen zulässig, nicht an Blöcken. • Es können beliebig viele Wirkungslinien mit beliebigem Wirkungssinn zusammengefasst werden.
+ u2
u1
+
v
Addition v=u1 +u2
v
Subtraktion v=u1 –u2
v
Vorzeichenumkehr v=–u1
– u2
u1
+ u1 –
Bild 5-10 Arten von Zusammenfassungsstellen
5.1.4 Verzweigungsstelle Wird eine Wirkungslinie für mehr als einen Block als Eingangsgröße benötigt, verwendet man Verzweigungsstellen.
58
5 Wirkungsplan
(hier Verzweigung des Wasserstandes zum Schreiber und zur Regeleinrichtung) Bild 5-11 Verzweigungsstelle einer Wirkungslinie
Die physikalische Größe wird unverändert in Betrag und Dimension verzweigt. Bei prozentualen Aufteilungen verwendet man Subtraktionsstellen. Im Beispiel Bild 5-11 wird der Wasserstand h des Wasserbehälters unverändert für die Verarbeitung im Schreiber und für die Verarbeitung in der Regeleinrichtung über den Messumformer weitergeleitet.
5.1.5 Multiplikationsstelle Beeinflussen zwei Ursachen unterschiedlicher physikalischer Größen die gleiche Wirkung am gleichen Teilobjekt, dann sind zwei Blöcke einzuzeichnen und mit einer Zusammenfassungsstelle zu verknüpfen. Häufig treten bei Teilobjekten an Regelstrecken zwei Ursachen als Produkt auf. Dies macht das Wirkungsgefüge für eine mathematische Behandlung unhandlich. In der Regelungstechnik ist weniger die absolute Größe, sondern vielmehr deren Änderung von Bedeutung, denn dieser Änderung soll entgegengewirkt werden. So lange die Änderung klein ist, kann die Multiplikation nach dem Überlagerungssatz von Helmholtz durch eine Addition ersetzt werden. Im Wirkschaltplan können bei Multiplikationen und bei Divisionen linearisierte Zusammenhänge verwendet werden, wenn – nur Änderungen betrachtet und – diese Änderungen klein gehalten werden. Der Zusammenhang wird an algebraischen Verknüpfungen in Bild 5-12 aufgezeigt. xa0 = xe10 : xe20 xa0 + xa = ( xe10 + xe1 ) : ( xe20 + xe2 ) ( xa0 + xa ) ⋅ ( xe20 + xe2 ) = ( xe10 + xe1 ) ( xa0 ⋅ xe20 ) + ( xa0 ⋅ xe2 ) + ( xa ⋅ xe20 ) + ( xa ⋅ xe2 ) = ( xe10 + xe1 )
≈0 xe10 ( xa ⋅ xe20 ) = xe1 − ( xa0 ⋅ xe2 ) 1 1 x x − xe2 ⋅ a0 = xe1 ⋅ − xe2 ⋅ e10 2 xa = xe1 ⋅ xe20 xe20 xe20 ( xe20 ) xa = f ( xe1 ) − f ( xe2 )
xa0 = xe10 ⋅ xe20 xa0 + xa = ( xe10 + xe1 ) ⋅ ( xe20 + xe2 ) xa0 + xa = xe10 ⋅ xe20 + xe10 ⋅ xe2 + xe1 ⋅ xe20 + xe1 ⋅ xe2
xa0 xa = xe10 ⋅ xe2 + xe1 ⋅ xe20 = f ( xe2 ) + f ( xe1 )
≈0
5.1 Elemente des Wirkungsplans
59
Bild 5-12 Algebraische Verknüpfungen und deren Linearisierung im Wirkschaltplan
Übungsaufgabe 5.2
Multiplikationsstelle am Beispiel eines Heizkörpers ist vom Produkt aus Wasserdurchsatz m , speziDie abgegebene Wärme eines Heizkörpers Q fischer Wärmekapazität cw und Abkühlung Δ ϑ abhängig. 0 =m 0 ⋅ cw ⋅ Δ ϑ0 Q
Der Index „0“ gilt für einen beliebigen Beharrungszustand.
und der Abkühlung um Δ ϑ liefert: Eine Änderung der Durchflussmenge um m 0 +Q = (m 0 +m ) ⋅ cw ⋅ (Δ ϑ0 + Δ ϑ) Q 0 ⋅ cw ⋅ Δ ϑ0 + m ⋅ cw ⋅ Δ ϑ0 + m 0 ⋅ cw ⋅ Δ ϑ + m ⋅ cw ⋅ Δ ϑ =m Bei kleinen Änderungen kann das letzte Glied vernachlässigt werden; der Beharrungswert 0 =m 0 ⋅ cw ⋅ Δ ϑ0 kürzt sich weg. Damit bleibt: Q
=m ⋅ cw ⋅ Δ ϑ0 + m 0 ⋅ cw ⋅ Δ ϑ 0 Q =Q (m ) Q
(Δ ϑ) +Q
Bild 5-13 Ersatz einer Multiplikationsstelle im Wirkschaltplan durch eine Addition
60
5 Wirkungsplan
5.2 Zusammengesetzte Zeitverhalten Mit den in Abschnitt 5.1 angegebenen Schaltungsregeln lassen sich theoretisch beliebig komplizierte Zeitverhalten von Gesamtsystemen aufbauen. In den nachfolgenden Abschnitten werden einige einfache lineare Beispiele im Zeitbereich verknüpft.
5.2.1 Kreisschaltung In regelungstechnischen Systemen tauchen oft Rückkopplungen auf. Die Ausgangsgröße wirkt dabei negativ auf sich selbst ein und führt zu einer Begrenzung im Zeitverhalten. Neben der physikalischen Rückkopplung der Strecke selbst wird vom Menschen auch der Regler gezielt als Rückkopplung eingesetzt.
Übungsaufgabe 5.3 Druckluftspeicher mit Rückwirkung Ein Druckluftspeicher wird von einem geregelten Kompressor mit Druckluft versorgt. Der Vordruck vor dem Zuflussventil wird auf p0 = 4 bar konstant gehalten.
Zuflussventil p p0 = konst.
m.
Kompressor Bild 5-14 Druckluftspeicher (Ladevorgang)
Folgende Parameter sind gegeben bzw. durch Messung bestimmt worden: Behältervolumen Gaskonstante für Luft Temperatur Luft
VB = 10 m3 RL = 287 J/kg/K ϑL = 20 °C, TL = 293,15 K
Proportionalbeiwert des Zuflussventils für kleine Änderungen: KPV = 1,189 kg/s/bar a) Stellen Sie die Differentialgleichung des Druckluftspeichers und des Zuflussventils auf. Für die Füllung des Speichers mit Luft (ideales Gas) gilt die Gasgleichung: p ⋅V = m ⋅ RL ⋅ TL
Die zeitlich variablen Größen in dieser Gleichung sind der Druck p im Speicher und der Massenstrom zum Speicher.
5.2 Zusammengesetzte Zeitverhalten
61
dp dp RL ⋅ TL ⋅VB = m ⋅ RL ⋅ TL → = ⋅m dt dt VB v = K I ⋅ u (t ) bzw. v(t ) = K I ⋅ ∫ u (t ) dt
Vergleicht man die Differentialgleichung für den Druck p mit der allgemeinen Differentialgleichung für ein I-Glied, so stellt man fest, dass der Druck ein integrierendes Zeitverhalten aufweist, da beide Gleichungen den gleichen Aufbau aufweisen.
zum Behälter, Ausgangsgröße der Druck p des BehälEingangsgröße ist der Massenstrom m ters. Solange dem Behälter ein Massenstrom Luft zugeführt wird, steigt der Druck mit der Zeit an, wird der Luftstrom zu Null, bleibt der Druck zeitlich konstant. Durch Koeffizientenvergleich erhält man den Integrierbeiwert: R ⋅T 287 J ⋅ 293,15K ⋅ bar ⋅ m 2 ⋅ Nm ⋅ s bar 1 KI = L L = = 0,084 ⋅ VB kg/s s kg ⋅ K ⋅10 m3 ⋅105 ⋅ N ⋅ J ⋅ s
Der Massenstrom durch das Ventil ist jedoch nicht unabhängig vom Druck im Speicher. Je höher der Druck im Speicher, desto kleiner wird der Massenstrom durch das Ventil:
~ m
Δp
Δ p = p0 − p
Diese Abhängigkeit wird als Rückwirkung bezeichnet.
= K PV ( p0 − p ) Für kleine Änderungen am Ventil gilt: m Das Ventil zeigt das Verhalten einer proportionalen (starren) Rückwirkung. In Bild 5-15 ist der Wirkschaltplan für den Druckluftspeicher gezeichnet. Der Öffnungsquerschnitt (Hub) des Ventils bleibt konstant, ist deshalb im Wirkschaltplan nicht enthalten; dort werden nur Änderungen angegeben.
Bild 5-15 Wirkungsplan eines Druckluftspeichers
Der Wirkschaltplan besteht aus • einem Block für den integrierend wirkenden Speicher mit m als Eingangsgröße und p als Ausgangsgröße, • einem Block für das proportionale Ventil mit m als Ausgangsgröße (= Eingangsgröße zum Speicher) und Δp als Eingangsgröße, • einem Summenpunkt zur Ermittlung der Druckdifferenz Δp = p0 – p am Ventil und einer Verzweigungsstelle zur unveränderten Weitergabe des Druckes p zum Summenpunkt und zur Ausgabe (z. B. Anzeige).
62
5 Wirkungsplan
b) Welche Form hat die Differentialgleichung des Druckluftspeichers mit Ventil? Der Druckluftspeicher mit Ventil hat nach Bild 5-15 die Form einer Kreisschaltung, konkret I-Glied mit P-Rückführung. dp = K PV ⋅ Δ p = KI ⋅ m P: m dt Summenpunkt: Δ p = p0 − p I:
P eingesetzt in I: dp = K I ⋅ K PV ⋅ Δ p = K I ⋅ K PV ⋅ ( p0 − p ) dt
Diese Differentialgleichung wird in die so genannte MSR-Form umgeformt, d. h. die Ausgangsgröße des Gesamtsystems (hier p) und alle zeitlichen Ableitungen werden nach links geschrieben, die Eingangsgröße (hier p0) auf die rechte Seite. Zusätzlich wird der Beiwert der niedrigsten Ableitung der Ausgangsgröße zu „1“ gemacht: dp + K I ⋅ K PV ⋅ p = K I ⋅ K PV ⋅ p0 → dt
1 dp ⋅ + p = p0 K I ⋅ K PV dt
Wir erhalten eine Differentialgleichung 1. Ordnung, genannt P-Tl-Verhalten. Da beide Gleichungen in der MSR-Form vorliegen, kann ein Koeffizientenvergleich durchgeführt werden. Die Zeitkonstante T ergibt sich zu: T=
1 kg/s ⋅ s bar = ⋅ = 10s K I ⋅ K PV 0,084 bar 1,189 kg/s
Der Proportionalbeiwert KP des Gesamtsystems hat den Wert „1“, d. h. im Beharrungszustand = 0 muss der Behälterdruck p gleich dem Vordruck p0 sein. m c) Diskussion des Zeitverhaltens für einen Eingangsgrößensprung (Sprungantwort) Im Beharrungszustand (Index B) verschwinden alle zeitlichen Ableitungen der Differentialgleichung: vB = K P ⋅ Δ u
bzw.
pB = p0
d. h. im Beharrungszustand ist der Speicherdruck gleich dem Vordruck. Die Anfangsgeschwindigkeit der Ausgangsgröße v = dp / dt erhält man aus der Differentialgleichung des P-T1-Gliedes, indem man die Änderung der Ausgangsgröße selbst für Zeiten kurz nach dem Sprung (t → 0) vernachlässigt. Dass dies zulässig ist, erkennt man aus der graphischen Sprungantwort in Bild 5-16. T ⋅v(0+ ) + (≈ 0) = K P ⋅ Δ u → v(0) =
KP ⋅Δu T
1 T
p(0) = ⋅ p0 Mit Hilfe dieser beiden Kennwerte lässt sich die Sprungantwort näherungsweise skizzieren, wie sie im Wirkschaltplan verwendet wird.
5.2 Zusammengesetzte Zeitverhalten
Bild 5-16
Blocksymbol eines P-Tl-Gliedes
63
5.2.2 Reihenschaltung Die in der Praxis häufigste regelungstechnische Schaltung ist die Reihenschaltung von Geräten. Ein einfaches Beispiel dazu ist die Messkette, eine Reihenschaltung von Sensor, Messumformer und Messwertanzeige. Aber auch physikalisch findet man diese Reihenschaltung als Kaskade von Speichern für Luft, Wasser oder sonstigem Fließgut. Übungsaufgabe 5-4 Reihenschaltung einer Druckluftspeicherkaskade
In Bild 5-17 ist eine Druckluftspeicherkaskade gezeichnet, wenn zwei Druckluftspeicher nach Übungsaufgabe 5.3 in Reihe geschaltet werden. Der Druck aus dem 1. Speicher wird mit dem Index A, aus dem 2. Speicher mit dem Index B gekennzeichnet. a) Stellen Sie die Differentialgleichung der Reihenschaltung auf. Die Differentialgleichungen für die Speicher lauten:
{ A} : TA ⋅ pA + pA = K PA ⋅ p0 {B} : TB ⋅ pB + pB = K PB ⋅ pA
Bild 5-17 Gerätefließbild und Wirkschaltplan einer Druckluftspeicherkaskade
Die Gleichung für Speicher B wird nach pA aufgelöst und direkt und einmal differenziert nach der Zeit in die Gleichung für Speicher A eingesetzt:
64
5 Wirkungsplan 1 1 TB TB ⋅ pB + ⋅ pB = PA → ⋅pB + ⋅ pB = pA K PB K PB K PB K PB 1 T ⋅T T eingesetzt: A B ⋅pB + A ⋅ pB + ⋅ pB = K PA ⋅ p0 K PB K PB K PB
Umgeformt in die MSR-Form: TA ⋅ TB ⋅pB + (TA + TB ) ⋅ pB + pB = K PA ⋅ K PB ⋅ p0
T02 ⋅v +
T1
⋅v + v(t ) =
KP ⋅ Δ u
Es ergibt sich die Differentialgleichung eines (nicht schwingungsfähigen) Gliedes 2. Ordnung. Aus der allgemeinen Form der Differentialgleichung 2. Ordnung 1
ω02
⋅v + 2 ⋅
D
ω0
⋅v + v(t ) = K P ⋅ Δ u
ergeben sich die Kennwerte (siehe Kapitel 14) 1 T D= ⋅ 1 2 T0
1 T + TB = ⋅ A 2 TA ⋅ TB
und T0 =
1
ω0
= TA ⋅ TB
Der Dämpfungsgrad für das oben genannte Beispiel kann nur kriechenden oder aperiodischen Verlauf annehmen. D ≥ 1 ! Für TA = TB gilt: D = 1
Für TA ≠ TB gilt: D > 1
b) Diskussion des Zeitverhaltens für einen Eingangsgrößensprung: (Sprungantwort) Im Beharrungszustand verschwinden alle zeitlichen Ableitungen (Index B = Beharrung) vB = K P ⋅ Δ u
Da beide Druckluftspeicher KPA und KPB den Wert „1“ haben, ergibt sich: pBB = p0; im Beharrungszustand nimmt der Behälter B den Vordruck p0 an. Das Anfangsverhalten wird beschrieben durch die Geschwindigkeit der Ausgangsgröße zum Zeitpunkt t → 0: t
t
T02 ⋅v(0+ ) + T1 ⋅ v(0+ ) + ∫ v(0+ ) dt + 0 = K P ⋅∫ Δ u dt + 0 0
0
= 0+ )
Für kleine Zeiten t → 0, t > 0 (d. h. t verschwinden die Integrale; auch die Ausgangsgröße v(0+) ist vernachlässigbar klein. Daraus ergibt sich: T02 ⋅v(0) = 0
Die Anfangsgeschwindigkeit des Druckes pB (0+ ) ist also = 0. In Bild 5-18 ist die Sprungantwort des proportionalen Gliedes 2. Ordnung mit D ≥ 1 gezeichnet, wie es zur Kennzeichnung des Zeitverhaltens im Wirkschaltplan benutzt wird.
5.2 Zusammengesetzte Zeitverhalten
u(t) = Δp0
v(t) = pB TA, TB, KPA, KPB
65
Bild 5-18 Blocksymbol eines nicht schwingungsfähigen P-T2-Gliedes
5.2.3 Parallelschaltung Das wichtigste Beispiel in der Regelungstechnik für die Parallelschaltung ist der PID-Regler. Aber auch bei regelungstechnischen Modellen findet man häufig eine Parallelschaltung von Wirkungen.
Übungsaufgabe 5.5 Parallelschaltung am Beispiel eines Tendenz-Thermometers Tendenz-Thermoelemente werden eingesetzt, um steigende oder fallende Temperaturen anzuzeigen. Bei konstanter Temperatur ist die Anzeige Null. Wenn kleine Abweichungen der Temperatur von einem Beharrungswert (Sollwert) schnell ein deutliches Signal erzeugen sollen, schaltet man ein flink (P-Verhalten) und ein träge reagierendes (P-T1-Verhalten), sonst gleiches Thermoelement gegeneinander (Bild 5-19). a) Stellen Sie die Differentialgleichung des Thermoelements auf. Die Eingangsgröße beider Blöcke ist die zu messende Temperatur ϑ. Die Größe u(t) = ϑ wird über eine Verzweigungsstelle (u1 = u2) auf beide Blöcke geschaltet.
Ni ϑ
=^ xe
flink (dünn) NiCr
xa1 U =^ x*a
xe
Kp
xa* xa2
ϑ
=^ xe
träge (dick) Kp T Ni
Bild 5-19 Geräteschaltung und Wirkschaltplan eines Tendenz-Thermoelements
Der Block, der das flinke Thermoelement nachbildet, wird als proportional wirkend angesehen: v1 = K P ⋅ u (t ) Das träge Glied wird durch die Differentialgleichung für ein P-Tl-Glied beschrieben: T ⋅v2 + v2 = K P ⋅ u (t )
Da die beiden Thermoelemente aus dem gleichen Thermopaar (z. B. NiCr-Ni) aufgebaut sind, sind die Proportionalbeiwerte KP in beiden Fällen gleich. Der Proportionalbeiwert kann der DIN 43710 entnommen werden.
66
5 Wirkungsplan
Thermoelement Typ NiCr-Ni: KP = 0,0412 mV/K (spezifische Thermospannung) Für den Summenpunkt gilt: v = v1 – v2 Will man dieses Signal z. B. auf einem Drehspulmessgerät als Spannung anzeigen, wird ein weiteres proportionales Glied hinter dem Summenpunkt in Reihe geschaltet. In der nachfolgenden Betrachtung ist dieser Block nicht enthalten. Die Gleichung des Summenpunktes ergibt v2 = v1 − v
bzw. v2 = v1 − v
Eingesetzt in die Gleichung des trägen Gliedes T ⋅v1 − T ⋅v + v1 − v = K P ⋅ u Die Gleichung des flinken Gliedes eingesetzt in diese Gleichung T ⋅ K P ⋅ u − T ⋅v + K P ⋅ u − v = K P ⋅ u T ⋅v + v = T ⋅ K P ⋅ u = K D ⋅ u
Dies ist die Differentialgleichung eines differenzierend wirkenden Gliedes mit Verzögerung 1. Ordnung (D-Tl-Verhalten); KD ist der Differenzierbeiwert des D-Gliedes. b) Diskussion des Zeitverhaltens für einen Eingangssprung Im Beharrungszustand geht das Ausgangssignal vB wieder auf Null zurück: vB = 0 Zur Analyse des Anfangsverhaltens einer Sprungantwort muss die Differenzialgleichung solange integriert werden, bis auf der rechten Seite (Eingangsgröße) keine zeitliche Ableitung mehr steht: t
T ⋅ v + ∫ v dt = K D ⋅ u 0
Zum Zeitpunkt t = 0 des Sprungs Δu ergibt sich: T ⋅ v(0+ ) = K D ⋅ Δ u K v(0+ ) = D ⋅ Δ u = K P ⋅ Δ u T
Die Ausgangsgröße macht zum Zeitpunkt t = 0 einen Sprung, der um den Faktor KD/T = KP verändert ist gegenüber dem Eingangssprung Δu. Für t → 0, aber t ≠ 0 lässt sich das nachfolgende Zeitverhalten durch v (t → 0) beschreiben; die Eingangsgröße ändert sich nicht mehr: u (t → 0) = 0 . K T ⋅v(0+ ) + v(0+ ) = u (0+ ) = 0 → T ⋅v(0) =− D ⋅ Δ u T
Anfangsgeschwindigkeit: v(0) =−
KP ⋅Δu T
In Bild 5-20 wird diese Sprungantwort zur Kennzeichnung des Zeitverhaltens des D-TlGliedes im Wirkschaltplan benutzt.
5.2 Zusammengesetzte Zeitverhalten
67
Bild 5-20 Blocksymbol eines D-Tl-Gliedes
5.2.4 Schwingungsfähiges System In Kapitel 5.2.2 haben wir durch die Reihenschaltung zweier P-Tl-Glieder eine Differentialgleichung 2. Ordnung erhalten, die wir als „nicht schwingungsfähig“ bezeichnet haben. Zwei physikalisch gleichartige Energiespeicher ergeben ein nicht schwingungsfähiges System (D ≥ 1). Ein schwingungsfähiges System besteht aus zwei physikalisch unterschiedlichen Energiespeichern, z. B. durch Austausch zwischen Bewegungsenergie einer Masse (Geschwindigkeitsspeicher) mit der elastischen Energie einer Feder (Kraftspeicher). Die Form der Differentialgleichung eines schwingungsfähigen Systems entspricht der eines P-Gliedes mit Zeitverzögerung 2. Ordnung (P-T2), wie sie für die Reihenschaltung von zwei P-Tl-Gliedern hergeleitet wurde. Der Unterschied liegt darin, dass die Kennwerte T1 und T0 Werte annehmen können, die auch einen Dämpfungsgrad 0 < D < 1 ergeben. Die allgemeine Form der Differentialgleichung lautet T02 ⋅v + T1 ⋅v + v(t ) = K P ⋅ u (t ) oder
1
ω0
2
⋅v +
2D
ω0
⋅v + v (t ) = K P ⋅ u (t )
D > 1 Kriechfall 0 < D < 1 gedämpfte Schwingung D = 0 ungedämpfte Schwingung Für den Dämpfungsgrad D ergibt sich durch Kennwertvergleich T1 =
2D
ω0
und ω0 =
1 1 T Æ D= ⋅ 1 2 T0 T0
ω0 = Kennkreisfrequenz, Eigenfrequenz des dämpfungslos gedachten Systems Je nach Wert des Dämpfungsgrades D zeigt das Verzögerungsglied 2. Ordnung gedämpfte oder aperiodische Eigenschwingung (Bild 5-21). Zum Zeichnen des Schwingungsverlaufes gibt es einige kennzeichnende Merkmale. Diese Merkmale können auch genutzt werden, um aus dem aufgezeichneten Verlauf der Schwingung den Dämpfungsgrad zu bestimmen (siehe Kapitel 14).
68
5 Wirkungsplan
Bild 5-21 Schwingungen mit verschiedenem Dämpfungsgrad D
Übungsaufgabe 5-6 Mathematisches Modell einer schwingungsfähigen P-T2-Strecke Das Zeitverhalten eines vereinfachten Feder-Dämpfungs-Systems eines einzeln aufgehängten Autorades (Bild 5-22) soll untersucht werden.
Bild 5-22 Radaufhängung, nachgebildet als FederDämpfungs-System
Bei der Nachbildung sind folgende Annahmen getroffen worden: • das Rad wird als starr und masselos angesehen • die Reibungskraft wird vernachlässigt, da sie zu einem nichtlinearen Term in der Differentialgleichung führen würde • die Fahrzeug-Masse wird als im Schwerpunkt konzentriert angenommen.
5.2 Zusammengesetzte Zeitverhalten
69
a) Stellen Sie für diese Anordnung das Kräftegleichgewicht auf, wenn zum Zeitpunkt t = 0 eine Person in das Fahrzeug steigt. Die Ursache für eine Auslenkung aus dem Beharrungszustand ist eine sprunghafte Veränderung der Masse des Fahrzeugs m0 um das Gewicht Δm einer Person. u (t ) = Δ m = Konst.
Die Wegänderung als Wirkung, die dadurch erzielt wird, besteht in einer Änderung des Naben-/Fahrzeugabstandes von S0 aus um Δs (Bild 5-22). v(t) = Δs(t) = S(t) Bei der Änderung des Abstandes treten folgende Kräfte auf: Trägheitskraft
FT = m ⋅s
Masse m ≈ konst.
Dämpfungskraft
FD = d ⋅s
d = Dämpfungskonstante
Federkraft
FC = c ⋅ Δ s (t )
c = Federkonstante
Diese Kräfte sind im Gleichgewicht mit der Massenkraft des Fahrzeugs: F0 = m ⋅ g
Kräftegleichgewicht: FT + FD + FC = F0 m ⋅s + d ⋅s + c ⋅ ( Δ s (t ) + S0 ) = ( Δ m + m0 ) ⋅ g
abzüglich der Anfangsbedingung ergibt sich:
c ⋅ S0 = m0 ⋅ g
m ⋅s + d ⋅s + c ⋅ Δ s (t ) = g ⋅ Δ m
Die Kennwerte dieser Differentialgleichung erhält man aus der MSR-Form, d. h. die niedrigste Ableitung auf der linken Seite (Ausgangsgröße) wird zu „1“ gemacht. m d g ⋅s + ⋅s + Δ s (t ) = ⋅ Δ m c c c 1 m Kennwerte: T02 = 2 = ; c ω0
T1 =
2D
ω0
=
d ; c
KP =
g c
b) Zeichnen Sie den Wirkungsplan Beim Wirkschaltplan beginnt man mit dem Block, der die höchste Ableitung enthält, hier die Darstellung der Trägheitskraft FT als Eingangsgröße und die Beschleunigung s als Ausgangsgröße. 1 1 FT = Δ m ⋅s Æ s = ⋅ FT ; K P1 = Δm Δm Für die Trägheitskraft ergibt sich aus dem Kräftegleichgewicht: FT = F0 – FD – FC Diese Gleichung wird als Summenpunkt in Bild 5-23 eingetragen. Bei der Dämpfungskraft taucht der Abstand s in der 1. Ableitung (Geschwindigkeit) auf. Diese erhält man durch einmaliges Integrieren der 2. Ableitung.
s = ∫s dt + 0
mit dem Kennwert
K I1 = 1
1 s
70
5 Wirkungsplan
Mit den übrigen Gleichungen FD = d ⋅ s
mit dem Kennwert
K P2 = d
s = ∫sdt + 0
mit dem Kennwert
K I2 = 1⋅
FC = c ⋅ Δ s
mit dem Kennwert
K P3 = c
F0 = g ⋅ Δ m
mit dem Kennwert
K P4 = g
1 s
lässt sich der Wirkungsplan in Bild 5-23 zeichnen.
Bild 5-23 Wirkschaltplan der Radaufhängung nach Bild 5-22
c) Wie muss die Federkonstante c eingestellt werden, damit die bleibende Abstandsänderung Δs bei einer Person von 80 kg kleiner als 1 cm bleibt? Im Beharrungszustand verschwinden alle zeitlichen Ableitungen. Δs =
g ⋅Δm c
Daraus ergibt sich für die Federkonstante der Einzelaufhängung: c = g⋅
m 80 kg N s 2 N kg Δm = 9,81 2 ⋅ ⋅ = 78, 48 ⋅103 ≈ 78,5 ⋅103 2 m Δs s 0,01m kg m s
d) Wie muss die Dämpfungskonstante d eingestellt werden, damit der Dämpfungsgrad D = 0,5 wird ? Der Dämpfungsgrad D ist in der Gleichung des Kennwertes T1 enthalten: 1 T D= ⋅ 1 2 T0
mit T1 = 2 ⋅ D ⋅T0 =
d 1 D= ⋅ c 2 Δm c
d c
und T0 =
Δm c
5.2 Zusammengesetzte Zeitverhalten
71
Aufgelöst nach der Dämpfungskonstanten d ergibt sich: d = 2⋅ D ⋅c ⋅
Δm = 2⋅ D Δ m⋅c c
Für den Dämpfungsgrad D = 0,5 (gedämpft schwingendes Verhalten) wird berechnet: d = 2 ⋅ 0,5 ⋅ 80 kg ⋅ 78,5 ⋅103 kg /s 2 = 2506 kg/s
e) Zeichnen Sie maßstäblich den Einschwingvorgang Hinweis: Hinsichtlich der Kennwerte siehe auch Kapitel 14: Schwingungskennwerte Zur Festlegung des Zeitmaßstabes ist die Bestimmung der Schwingungsperiode notwendig. m 80 kg s 2 1 = = 0,032s = c ω0 78,5 ⋅103 kg
Kennwert:
T0 =
Kennkreisfrequenz:
ω0 = 31,3
Eigenfrequenz
ωD = ω0 ⋅ 1 − D 2 = 31,3 ⋅ 0,75 = 27,1
Schwingungsperiode
τD =
1 s 1 s
1 s
2π = 0, 23s ωD
Als nächstes soll die Abstandsänderung Δs, bezogen auf den Ausgangszustand in Beharrung S0 zum Zeitpunkt t = 0, für definierte Punkte berechnet werden. Die bleibende Änderung, für die die Dämpfungskonstante d und die Federkonstante c bestimmt wurden, beträgt ΔsB = 1 cm (B = Beharrung). Die Überschwingweite Ü wird berechnet nach −
Ü =e
π ⋅D 1−D 2
−
=e
0.5 π 0,75
= 0,16 =
xˆn+1/ 2 xˆ
xˆn entspricht der ersten Amplituden, hier also xˆn = ΔsB = 1 cm.
Das Überschwingen der zweiten Amplituden xˆn+1/ 2 beträgt also xˆn+1/ 2 = 0,16 ⋅ xˆn = 0,16 ⋅1cm = 0,16cm
Für die dritte Amplitude ergibt sich folglich xˆn+1 = 0,16 ⋅ xˆn+1/ 2 = 0,16 ⋅ 0,16cm = 0,026 cm
Die nächste Amplitude ist schon so klein, dass sie nicht mehr aufgetragen werden kann.
72
5 Wirkungsplan
Bild 5-24 Einschwingvorgang einer Fahrzeugfederung beim Einstieg einer Person (Kennwerte siehe Berechnung)
5.3 Grafische Programmierung Simulationsprogramme geben das Verhalten realer Anlagen, in kurzer Zeit, mit ausreichender Genauigkeit wieder. Änderungen von Parametern und deren Folgen lassen sich anschaulich anhand von Trendverläufen untersuchen. Regelungstechnische Simulationsprogramme bieten die Möglichkeit, das Verhalten von Regelkreisen nachzubilden, zu modellieren. Je besser das Modell in seinem Verhalten dem der nachzubildenden Anlage entspricht, umso genauer werden die Ergebnisse, die das Simulationsprogramm liefert. Die Modellierung beginnt mit der Auswahl geeigneter regelungstechnischer Blöcke, deren sinnvolle Verknüpfung und endet im Parametrieren der ausgewählten Blöcke. Die Auswahl und Verknüpfung der Blöcke folgt dem Ursache – Wirkung – Prinzip: Welcher Block wird auf welche Weise das Ergebnis beeinflussen ? Jedem Block liegt eine mathematische Gleichung zugrunde (in der Regel eine Differentialgleichung). Die Verknüpfung der Blöcke führt zu einer Verschachtelung von Differentialgleichungen, die zur Lösung – je nach Genauigkeit – unterschiedliche Integrationsverfahren benötigen, z. B. das von Runge und Kutta. Die Gesamtheit der Blöcke samt Verknüpfung bezeichnen wir als Blockschaltplan, das Zuweisen von Parametern als Parametrierung. Alle auf dem Markt angebotenen Programme verwenden eine graphische Oberfläche zum Erstellen von Blockschaltplänen. Die Rechenergebnisse werden als Zeitverläufe in einem separaten Fenster (window) dargestellt. Es gibt eine Vielzahl von Simulationsprogrammen. An der Hochschule Nürnberg verwenden wir zur Simulation regelungstechnischer Vorgänge das Programmpaket Winfact. Zu diesem Programmpaket gehört das Programm BORIS, ein blockorientiertes Simulationsprogramm.
5.3 Grafische Programmierung
73
Man geht von einem durch Modellbildung entstandenen Wirkungsplan aus, bildet diesen Plan auf der Benutzeroberfläche ab und untersucht das Zeitverhalten in einem definierten Zeitraum. Interessierte Leser können Informationen zum Programm (sowie eine Demoversion) von der Homepage des Programmherstellers (www.kahlert.com) beziehen.
5.3.1 Benutzeroberfläche
Steuerblöcke
Register für Systemblöcke
Bild 5-25 Aufbau eines Bedienfensters
Abbildung 5-25 zeigt die Arbeitsfläche des blockorientierten Programms Boris. Regelungstechnische Blöcke sind je nach Funktion zu Gruppen zusammengefasst und in unterschiedlichen Registern abgelegt. Nach Auswahl des entsprechenden Registers erscheint eine Werkzeugleiste mit den entsprechenden Symbolen.
5.3.2 Vorgehen a) Systemblöcke auswählen Die einzelnen Blöcke werden ausgewählt durch Anklicken der Symbole mit der Maus (dropdown-Funktion) in der Werkzeugleiste; sie werden sofort im Zeichenbereich angezeigt. • Quellen liefern das Eingangssignal, z. B. einen Störsprung über die Konstante C • Dynamikblöcke liefern das Grundzeitverhalten P, I, D und zusammengesetzte Zeitverhalten, z. B. P-T1 • Funktionen sind Verknüpfungen, z. B. der Summenpunkt als Vergleicher • Senken dienen der Visualisierung der Zeitverläufe, z. B. x,t-Schreiber b) Blöcke ausrichten und Verbindungen herstellen Innerhalb des Zeichenbereichs können die einzelnen Blöcke beliebig verschoben und gedreht werden, bis eine gewünschte Darstellung erreicht ist. Vom Ausgang A eines Blockes wird bei
74
5 Wirkungsplan
gedrückter linker Maustaste eine Verbindungslinie zum Eingang E des nachfolgenden Blockes gezogen. c) Parametrieren Ein Doppelklick auf ein Systemblock zeigt die aktuellen Blockparameter. Diese entsprechen bei regelungstechnischen Blöcken deren Kennwerten.
Bild 5-26 Parametrierblock
Quellen geben ein Eingangsverhalten vor; dies können konstante Parameter oder mathematische Gleichungen mit zugehörigen Funktionsparametern sein. Beim Parametrieren von Senken wird im Wesentlichen die Achsenskalierung für die grafische Ausgabe vorgenommen.
Bild 5-27 Zeitverlauf (Parameter und Ergebnis der Simulation)
d) Simulation Der letzte Schritt vor der Simulation legt die Simulationsparameter fest: Welcher Zeitraum soll in wie viel Schritten abgebildet werden ? Welches Integrationsverfahren soll für die Simulation herangezogen werden ? Nachdem diese Fragen geklärt und im entsprechenden Fenster eingegeben wurden, kann die Simulation mit dem Menübefehl Simulation /Start gestartet werden. Das Ergebnis der Simulation wird in einem separaten Fenster angezeigt.
75
6 Modellbildung Ein technischer Prozess ist ein Ablauf, bei dem mit einer vorgegebenen Zielsetzung (Produkt oder Funktion) Material und Energie eingesetzt, transportiert und umgeformt wird. Die Geräte und Maschinen und technische Infrastruktur, die durch ihr Zusammenwirken den Prozess ausmachen, bezeichnet man als technische Anlage. Mit den grundlegenden Methoden und Hilfsmitteln zur rechnerischen Lösung von Fragen dieser Art, d. h. hier zur rechnerischen Bestimmung von Regel- und Automatisierungsabläufen, beschäftigt sich die Systemdynamik. Ein System ist eine Menge von miteinander in gesetzmäßiger Beziehung stehender Komponenten. Ein System wird durch eine konkrete oder abstrakte Umgrenzung von seiner Umgebung getrennt (Bild 6-1). u1
v1
u2 v2
System
un Umgebung
vm
Bild 6-1 Allgemeine Darstellung eines Systems mit n Eingangsgrößen und m Ausgangsgrößen
Fast immer liegen in der Realität Systeme vor, die mehrere Eingangsgrößen und Ausgangsgrößen besitzen; dies sind Größen, die die Systemgrenze überschreiten. In einem dynamischen System ändert sich der innere Zustand unter dem Einfluss von zeitlich veränderlichen Eingangsgrößen derart, dass sich auch die Ausgangsgrößen verändern.
u(t) i
Übertragungsverhalten
vj(t)
Bild 6-2 Blockdarstellung eines Teilsystems der Eingangsgröße i und der Ausgangsgröße j
Vernachlässigt man den Einfluss aller Eingangs- und Ausgangsgrößen bis auf je eine, so kommt man zu dem einfachsten Teilsystem mit einer Eingangsgröße ui(t) und einer Ausgangsgröße vj(t) (Bild 6-2). Die zeitliche Wirkung von v(t) nach einer Ursache u(t) wird Übertragungsverhalten genannt. Für die Untersuchung der Systemdynamik liefert diese Vorgehensweise oft eine ausreichende Aussagekraft. Linearisierte Teilsysteme lassen sich zum Schluss wieder durch Überlagerung der Wirkungen zusammenfassen. Warum wird in der Regelungstechnik bevorzugt die Simulationstechnik verwendet? Kostspielige Versuche an Prozessen können reduziert werden, dadurch ergibt sich auch eine Verringerung von gefährlichen Zuständen.
76
6 Modellbildung
Der Zeitmaßstab lässt sich variieren, dadurch ist bei langsamen Prozessen eine erhebliche Zeitersparnis, bei schnellen Prozessen eine bessere Beobachtung des Übertragungsverhaltens möglich. Regelverhalten können schon untersucht werden, ehe die Anlage fertig gestellt ist; dadurch lässt sich mit Hilfe der Regelergebnisse vorausbestimmen, ob die Regeleinrichtung später allen Anforderungen entsprechen wird. Durch die Modellbildung lassen sich auch solche Größen beobachten, die im wirklichen Prozess nicht messbar sind. Durch eine Wiederholung der Untersuchung am Modell ist eine stufenweise Optimierung möglich. Alle Funktionen können auch über praktisch realisierbare Grenzen hinaus variiert werden; damit können alle theoretischen Anlagenzustände untersucht werden mit dem Ziel der Schadensanalyse. In Kapitel 6 wird gezeigt, x x x x
für welche Aufgaben die Simulationstechnik eingesetzt werden kann wie man vom physikalischen System zum mathematischen Modell kommt was man unter Übertragungsverhalten versteht welche verschiedenen Modellarten in der Praxis eingesetzt werden.
6.1 Modellarten Modell heißt ein dem Prozess nachgebildetes System, das mit dem vorgegebenen System in mindestens einer Eigenschaft übereinstimmt. Man unterscheidet: x physische Modelle x physikalische Modelle x mathematische Modelle. Die beiden letztgenannten Modellarten finden häufig Anwendung in der Regelungstechnik. Unter physischen Modellen versteht man ähnliche Modelle in verändertem Maßstab oder unter Verwendung analoger physikalischer Beziehungen. Werden physische Modelle in einem veränderten Maßstab nachgebaut, dann sind insbesondere die Ähnlichkeitsgesetzte mit den Parametern wie Renolds-, Nusselt-, Prandl-Zahl einzuhalten. Anwendungsbeispiele sind: x Bauteile im Windkanal x Flugsimulatoren zur Schulung von Piloten x Crash-Versuche in der Automobilindustrie. Durch Änderung des Amplitudenmaßstabes kann z. B. die Auswirkung einer kleinen Änderung, wie durch ein Vergrößerungsglas verstärkt, beobachtet werden. Ebenso können kleine Störungen herausgefiltert werden, indem der Amplitudenmaßstab vergrößert wird.
6.2 Ablauf der Modellbildung
77
Durch Änderungen des Zeitmaßstabes verläuft das Modell schneller oder langsamer als der reale Prozess. „Schneller“ ist insbesondere dann wichtig, wenn man kritische Prozesszustände erkennen möchte, ehe sie in der realen Anlage auftreten. Zeitlupe wird bei Untersuchungen von hochfrequenten Systemen eingesetzt. Zeitmaßstab und Amplitudenmaßstab müssen reproduzierbar sein, damit das Verhalten des Modells auf das Verhalten des Prozesses übertragbar ist. Der Anteil mathematischer Modelle nimmt mit dem Anwachsen der Digitaltechnik in der Regelungstechnik zu (siehe Kapitel 8 und 26). Durch die Beschreibung der in dem System wirksamen physikalischen Gesetze erhält man ein „Prozessmodell“. Das Prozessmodell beschreibt durch mathematische Gleichungen den sich innerhalb des zu untersuchenden Systems vollziehenden Prozess der Wirkungsübertragung. Prozessmodelle sind abstrakte Modelle. Im Gegensatz zu den physikalischen Modellen wird bei parametrischen mathematischen Modellen in der Systemdynamik keine exakte Beschreibung des Originalprozesses angestrebt. Vielmehr soll diese Nachbildung nur mit der für den Anwendungsfall hinreichenden Genauigkeit erfolgen. Einerseits wird damit unnötiger Aufwand bei der Gewinnung des Modells vermieden; andererseits ist oft die Lösung exakter Gleichungssysteme nur schwer zu finden, bzw. nur für Sonderfälle abzuleiten. In diesen Fällen werden vereinfachende Annahmen getroffen, z. B. die Linearisierung. Parameter erhält man durch Messungen, wie sie in Teil III dieses Buches beschrieben sind.
6.2 Ablauf der Modellbildung Ausgangspunkt der Modellbildung ist die Abgrenzung definierter Anlagen, Geräte oder Komponenten von ihrer Umgebung, d. h. man legt fest, was alles zum untersuchten System gehört und damit, wie die Systemgrenzen verlaufen. Beispiel: Bei einem Gebäude legt man die äußere Hüllfläche als Systemgrenze fest. Die Speichermassen der Wände, Decken, Fußboden, … bestimmen damit das Systemverhalten. Über die Systemgrenzen fließt der Wärmeverlust durch die Außenwände, Fenster, … Legt man jedoch die Systemgrenze auf die Innenseite der Wände, dann besteht das System nur aus der Raumluft mit deutlich geringerer Speichermasse und damit mit einem schnelleren Zeitverhalten. Über die Systemgrenze verläuft als wichtigste Größe der Luftwechsel. Dieses Beispiel zeigt, dass beim Zeitverhalten dem Systemspeicher eine entscheidende Bedeutung zukommt. Betrachtet man das System als einen homogenen Speicher mit nur einem physikalischen Zustand, dann spricht man von einem Modell 1. Ordnung oder EinspeicherSystem. Für dieses Einspeicher-System wird ein Speichergesetz bzw. eine Zustandsgleichung 1. Ordnung aufgestellt. Diesem Speicher werden von außen Ströme zugeführt oder nach außen abgeführt. Dieser Vorgang wird durch Gefällegesetze beschrieben. Die dritte Art von mathematischen Beschreibungen bei der Modellbildung sind Bilanzgleichungen. Die Simulation läuft in drei Stufen ab: x Modellbildung Untersuchung des zu automatisierenden Prozesses, Nachbildung durch technisch-physikalische Gleichungen, mathematische Beschreibung des Modells x Kennwertermittlung Ermittlung aller notwendigen technisch-physikalischen Kennwerte, um das Zeitverhalten des Modells möglichst gut an das Zeitverhalten des Prozesses anzupassen
78
6 Modellbildung x Regelkreiseinstellung Auswahl und Einstellung der Regeleinrichtung, Vorausberechnung des Zeitverhaltens eines Regelkreises noch vor der Inbetriebnahme bzw. Einstellung nach empirischen Verfahren.
Der Phasen der Modellbildung sind in Bild 6-3 dargestellt. Das Gesamtsystem wird zerlegt in so viele Teilsysteme wie es die Genauigkeit erfordert. Durch Kopplung aller Teilsysteme kann wieder ein Gesamtmodell aufgebaut werden, das möglichst naturgetreu das Gesamtsystem wiedergeben soll. Eine ggf. notwendige Modellverbesserung verläuft in iterativen Schleifen ab.
Modellverbesserung Bild 6-3 Phasen der Modellbildung
6.3 Prozessmodelle Ein Prozessmodell beschreibt mit Hilfe von technisch-physikalischen Gleichungen den sich im betrachteten System vollziehenden Prozess in Form des Übertragungsverhaltens. Das kleinste Teilmodell ist ein Einspeicher-Modell, beschrieben durch eine Differentialgleichung 1. Ordnung. Die zugehörige Grundstruktur eines solchen Modells ist in Bild 6-4 dargestellt. Durch Aufstellung der Gesetzmäßigkeiten ergibt sich die Differentialgleichung in allgemeiner Form. 1 1 ⋅v + ' v(t ) =±1⋅ ve B ⋅u KP ⋅ KI KP
mit der Zeitkonstanten
1 =T KP ⋅ KI
Zu dieser Differentialgleichung kommt man nach den Anweisungen aus Tabelle 6-1.
6.3 Prozessmodelle
79
Speicher Δ
u
u ur
v ±
KI Rückwirkung
v ±
±
v
±
ur Δ
u
KP
ve
Zustandsgrößen, die den inneren Zustand des Modells beschreiben (speichernde Zustandsgröße, z. B. Druck p)
ve Zustandsgröße, die den Zustand der Umgebung beschreibt (fließende Zustandsgröße, z. B. ) Massenstrom m u
Größen, die den Zustand über die Systemgrenze beschreiben (fließende Größen)
Bild 6-4 Struktur eines Einspeicher-Modells
Typische Zustandsgrößen eines Systems sind: x Temperatur - in °C x x x x
Druck p in bar Wasserstand h in cm Relative Feuchte M in % Weg s in m
Typische Flussgrößen über die Systemgrenze sind:
in kg/s x Massenstrom m x Wärmestrom ) in kW x Leistung Pel in kW x Kraft F in N Die Systemgleichungen für die Modellbildung sind systemartenspezifisch in Tabelle 6-2 zusammengestellt.
80
6 Modellbildung
Tabelle 6-1 Erstellung eines technisch-physikalischen Modells in mathematischer Form
1.
Festlegung des Modells
1.1
Auswahl des betrachteten Systems nach den Systemarten aus Tabelle 6-2, Beschreibung des inneren Zustandes mit Hilfe einer Zustandsgleichung V ~ ∫U dt Speichergesetz:
1.2
Beschreibung der Einflüsse auf das Modell durch den Umfeldzustand Rückwirkungsgesetz: Ur ~ ' V
1.3
Beschreibung des Niveauunterschiedes zwischen Umfeld und System Gefällegesetz: ' V = V − Ve
1.4
Aufstellung der Bilanzgesetze
2.
Modellbegrenzung
2.1
Festlegung der Anfangsbedingungen des Systems V(0) und Ur(0)
2.2
Festlegung der Randbedingungen U(0) und Ve(0)
2.3
Auswahl des Gültigkeitsbereiches des Modells, z. B. bei Linearisierung
3.
Aufstellung der mathematischen Systemgleichung des Modells
3.1
Mindestens eine Eingangsgröße und genau eine Ausgangsgröße wählen
3.2
Eliminieren aller Zwischengrößen des Modells, die nicht gewählte Ausgangsgröße oder Eingangsgrößen sind.
3.3
Sortieren, d. h. Ausgangsgröße und deren Ableitungen auf die linke Seite der Modellgleichung bringen, alle Eingangsgrößen und deren Ableitungen auf die rechte Seite bringen Anmerkung: Integrale durch Differenzieren aller Terme der Gleichung vermeiden
3.4
MSR-Form aufstellen, d. h. den Parameter der niedrigsten Ableitung auf der linken Seite der Modellgleichung zu „1“ machen.
4.
Analyse der Modellgleichung
4.1
P-, I- oder D-Verhalten
4.2
Die Ordnung der Modellgleichung entspricht dem Grad der höchsten Ableitung auf der der linken Seite der Differenzialgleichung; damit wird die Anzahl der Speicher beschrieben.
' U = U −Ur
6.4 Beispiel für Prozessmodelle Tabelle 6-2 Systemarten
81
Systemgleichungen für die Modellbildung (Auswahl) Ausgangsgröße Zustandsgröße
Speichergesetz
Bilanzgesetz
Gefällegesetz Rückwirkungsgesetz
Elektrotechnik (kapazitiv)
Strom I
Ladestrom I C = C ⋅ dU c / dt
6I = 0 6U = 0
U = R⋅ I P = U ⋅I
Elektrotechnik (induktiv)
Spannung U
Induktionsspannung U L = L ⋅ dI / dt
6U = 0
U = R⋅I
Mechanik (translatorisch)
Weg s Geschwindigkeit v
Dämpfungskraft F = d ⋅ ds / dt
6F = 0
Fr = r ⋅ v
Mechanik Rotatorisch
Winkel D Drehzahl n
Trägheitsmoment M = J ⋅ d Z / dt
6M = 0
M R = r ⋅Z
Hydraulik
Flüssigkeitsstand h
Masse m = U ⋅ A⋅ h
dm / dt = 6 m
= f (' p ) m = f (H ) m
Pneumatik
Druck p
Allgem. Gasgleichung p ⋅V = m ⋅ RL ⋅ 4
dm / dt = 6 m
= f (' p ) m = f (H ) m
Thermodynamik
Temperatur X
Innere Energie W = m ⋅ cv ⋅ -
dU / dt = 6)
R L r J RL Cv, cp P
Ohm’scher Widerstand Induktivität Reibbeiwert Trägheitsmoment Gaskonstante Luft spezifische Wärmekapazität elektrische Leistung
⋅ cP ⋅ ' )=m ) = U ⋅ A⋅ ' -
C Kapazität d Dämpfungsbeiwert c Federkonstante U Dichte 4 absolute Temperatur U Wärmedurchgangswert ĭ Wärmeleistung
6.4 Beispiel für Prozessmodelle Prozessmodelle unterschiedlicher Arten unterscheiden sich nicht in der Form der Differentialgleichung, nur in der Definition der Parameter in Abhängigkeit der verwendeten technischphysikalischen Gleichungen. Es werden nachfolgende Beispiele für Prozessmodelle unterschiedlicher Systemarten vorgestellt. Durch geschickte Normierung und Wahl der Kennwerte ist es möglich, unterschiedliche Systeme in gleiche Modellklassen einzuordnen.
6.4.1 Thermische Modelle Bei Thermischen Modellen ist die Zustandsgröße = Ausgangsseite des Speichers die Modelltemperatur. Als Umfeldtemperatur außerhalb der Systemgrenze wird meist die Umgebungstemperatur gewählt, die witterungsabhängig ist. Als Strömungsgrößen treten interne und externe Wärmeströme auf. Man unterscheidet hier den gerichteten Wärmestrom, der mit einem ⋅c⋅'Massentransport verbunden ist ) = m und dem bidirektionalen Wärmestrom, der durch einen Energieaustausch per Wärmeübertragung hervorgerufen wird ) = D ⋅ A⋅ ' - .
82
6 Modellbildung
Übungsaufgabe 6.1 Temperaturverlauf eines Thermometers Zu Beginn hat das Thermometer die Umgebungstemperatur ϑU. Wird das Thermometer in die zu messende Flüssigkeit getaucht, so entsteht durch die Temperaturdifferenz zwischen Thermometer und Messort ein Wärmestrom ) in W (Bild 6-5).
) = D ⋅ A ⋅ (-M − - )
D = Wärmeübergangskoeffizient in W/(m2 K) A = benetzte Fläche des Thermometers in m2 ϑM = Messorttemperatur in °C ϑ = Temperatur der Thermometerflüssigkeit in °C
Bild 6-5 Quecksilber-Thermometer
Durch den Wärmestrom ) ändert sich die innere Energie der Thermometerflüssigkeit: d) = m⋅c⋅ dt m = Masse der Thermometerflüssigkeit in kg c = spezifische Wärmekapazität in J/(kg . K)
a) Beschreiben Sie das Thermometer als Modell in Form einer Differentialgleichung Aus der Energiebilanz ergibt sich: D ⋅ A ⋅ (-M − - ) = m ⋅ c ⋅ umgeformt:
T = Zeitkonstante (in s);
Æ
m⋅c d⋅ + ' -(t ) = -M D ⋅ A dt m⋅c . T= D⋅ A
b) Ermitteln Sie die Modell-Kennwerte Wärmeübergangskoeffizient
D = 1000 W /(m 2 ⋅ K )
Thermometeroberfläche
A = 2 ⋅10−3 m 2
Flüssigkeitsmasse spezifische Wärmekapazität Umgebungstemperatur Messorttemperatur
m = 10−3 kg
c = 4000 J/(kg ⋅ K )
-0 = 20 °C -M = 60 °C
ddt
6.4 Beispiel für Prozessmodelle
83
Die Zeitkonstante T berechnet sich zu: T=
m⋅c 10−3 kg ⋅ 4000⋅ J ⋅ m 2 ⋅ K J = = 2 = 2s − 3 2 D ⋅ A kg ⋅ K ⋅1000 W ⋅ 2 ⋅10 m W
1 1⋅ kg K K 1 = = 0, 25 ⋅ m ⋅ c 10−3 kg ⋅ 4000 J W s
Integrierwert :
KI =
Proportionalwert:
K P = D ⋅ A = 1000
W W ⋅ 2 ⋅10−3 m 2 = 2 K m2 ⋅ K
c) Ermitteln Sie die Lösungsgleichung Nach Kapitel 4 ergibt sich folgende Lösung: -(t ) − -0 = (-M − -0 ) ⋅ (1 − e−t / T ) oder ' -(t ) = ' -B ⋅ (1 − e−t / T ) = 40 K ⋅ (1 − e−t / 2 s ) Der Verlauf ist im Bild 6-6 abgebildet. 60
50
40
30
20
10
0 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9 t/s
10
Bild 6-6 Zeitverlauf des Thermometers nach dem Eintauchen in die Messflüssigkeit
d) Zeichnen Sie den Wirkungsplan
Speicher J
F
1 KI = m·c Rückwirkung DJ
KP = a ·A
JM
Bild 6-7 Wirkungsplan des Thermometers nach Bild 6-5
ů
84
6 Modellbildung
6.4.2 Mechanisch-translatorische Modelle Bei translatorischen Modellen ist meist der Weg oder die Geschwindigkeit als der nach der Zeit abgeleitete Weg die Zustandsgröße. Als Strömungsgrößen treten die inneren und äußeren Kräfte auf.
Übungsaufgabe 6.2 Feder-Dämpfungs-Modell Als Beispiel für ein P-Glied dient das mechanische Feder-Modell.
s=0 F2 s0 F1
Bild 6-8 Gerätebild einer Feder
D
s(t)
s
Legt man an eine Feder eine externe Kraft F1 an, dann gilt folgende physikalische Gleichung: F1 = c ⋅ ' s
1 → ' s = ⋅ F1 c
Ausgehend vom unbelasteten Zustand und dem Weg s0 wird die Feder proportional zu Kraft F1 um den Weg 's gedehnt. Ursache = Eingangsgröße ist die externe Kraft F1, Wirkung = Ausgangsgröße ist die Wegänderung 's. Als Block im Wirkungsplan ergibt sich die Darstellung in Bild 6-9 links.
Externe Ursache
Interne Rückwirkung D
s
F1 KP1 = c1
D
s
–F2 KP2 =c
Bild 6-9 Wirkungsblöcke der Feder
Wird die Feder durch einen äußeren Weg 's gedehnt, dann entsteht als innere Wirkung die Rückwirkungskraft F2. F2 =−c ⋅ ' s Als Bilanzgesetz gilt:
F2 = F1
1 Die Federgleichung mit Anfangsbedingungen lautet: S0 + ' s (t ) = ⋅ (' F (t ) + F0 ) c
6.4 Beispiel für Prozessmodelle
85
a) Ermitteln Sie aus dem Weg-Kraft-Diagramm Bild 6-10 den Proportionalwert KP1 und die Federkonstante c.
s 50 mm
S0 = 25 mm
F F0 = 100 N K P1 =
Bild 6-10 Kennlinie einer Feder
200 N
's 50 mm mm m = = 0, 25 = 2,5 ⋅10−4 'F 200 N N N
Daraus ergibt sich die Federkonstante c =
1 1N N = = 0, 4 ⋅104 K P1 2,5 ⋅10−4 m m
Als Beispiel für ein I-Glied dient der Dämpfer in Bild 6-11. So lange eine externe Zug- oder Druckkraft am Dämpfer anliegt, fließt Hydrauliköl von der Druckseite zur Zugseite. Der Kolben bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit ds/dt.
ds dt
F4
F3
s(t)
Aus der physikalischen Gleichung
Bild 6-11 Gerätebild eines Dämpfers
ds 1 = ⋅ F3 = K I ⋅ F3 (d = Dämpfungswert) dt d
ergibt sich die Integralform S (t ) = K I ⋅ ∫ F3dt + S0 , die im Wirkungsplan Bild 6-12 dargestellt wird.
86
6 Modellbildung
F3
F4
D
D
s
s
KD =d
KI = 1/d Bild 6-12 Wirkungsplan des Dämpfers als I-Glied und als D-Glied
Vertauscht man Ursache und Wirkung, so ergibt sich ein D-Verhalten nach Bild 6-12 rechts ds ds als inverse Funktion der Integration. F4 = d ⋅ = K D ⋅ dt dt b) Ermitteln Sie aus dem Weg-Zeit-Diagramm den Integrierwert KI und den Dämpfungswert d.
s 25mm
F3 =100N
t
Bild 6-13 Weg-Zeit-Diagramm des Dämpfers
10s Aus der physikalischen Gleichung KI = d=
's = K I ⋅ F3 ergibt sich: 't
's 1 25mm 1 mm ⋅ = ⋅ = 0,025 ' t F3 10s 100 N N ⋅s
1 N ⋅s N ⋅s = 40 = 0, 4 ⋅105 KI mm m
Ein Fahrzeug fährt über eine Schwelle der Höhe 's1 = 'xe = 10 cm. Es stehen folgende unterschiedliche Feder-Dämpfungssysteme zur Verfügung (Bild 6-14). Das Rad wird als starr und masselos angesehen. Der Höhenübergang des Feder-Dämpfungssystems soll näherungsweise als sprungförmig angenommen werden.
6.4 Beispiel für Prozessmodelle
87
I.
II.
s2(t) = Dxa(t)
s2(t) = Dxa(t)
s1(t) = Dxe
s1(t) = Dxe
Bild 6-14 Feder-Dämpfungssystem in 2 Varianten
c) Stellen Sie die Differentialgleichung s2 = f(s1, t) für das System I. auf. Welches prinzipielle Verhalten liegt hier vor ? Der Dämpfer nach I. wird durch die Geschwindigkeitsdifferenz von s1 zu s2 angesteuert. FD = d ⋅
⎛ ds d ds ⎞ ( s1 (t ) − s2 (t )) = d ⋅⎜ 1 − 2 ⎟ ⎝ dt dt dt ⎠
Auf die Feder, die starr angebunden ist, wirkt nur der Weg s2(t). FC = c ⋅ s2 (t )
Aus der Kräftebilanz FC = FD ergibt sich: d⋅
ds1 ds − d ⋅ 2 = c ⋅ s2 (t ) dt dt
Schreibt man die Ausgangsgröße und deren Ableitungen auf die linke Seite der Gleichung und die Eingangsgröße auf die rechte Seite, so erhält man die in der Regelungstechnik übliche ds ds d ds2 d ds ⋅ + s2 (t ) = ⋅ 1 Form: d ⋅ 2 + c ⋅ s2 (t ) = d ⋅ 1 oder dt dt c dt c dt Auf der rechten Seite ist die nullte Ableitung nicht besetzt, d. h. die Gleichung weist auf D-Verhalten hin. Die höchste Ableitung auf der linken Seite ist 1. Ordnung. Das Verhalten dx dx entspricht also D-T1-Verhalten. T1 ⋅ a + ' xa (t ) = K D ⋅ e dt dt Für die Kennwerte ergeben sich folgende Ergebnisse mit den Zahlenwerten aus a) und b): 5 N ⋅s d 0, 4 ⋅10 m T1 = = = 10s und KD = T1 = 10 s. N c 4 0, 4 ⋅10 m
88
6 Modellbildung
S2 FD =FC
1/c S1
Bild 6-15 Wirkungsplan des Feder-Dämpfungs-Systems Variante I.
d
d) Geben Sie einen mathematischen Ausdruck für die Lösung der DGL an. Bestimmen Sie hierfür zuerst s2(t o 0) und s2(t o f). Skizzieren Sie den Verlauf von s2(t) für einen Eingangssprung 's1 = 0,1 m. Im Beharrungszustand werden alle zeitlichen Ableitungen, d. h. hier die Geschwindigkeiten zu Null. s2(t o f) = 0 = sB Zum Zeitpunkt t = 0 wird das System I durch einen Eingangssprung 's1 = 10 cm belastet. Die Sprungantwort erhält man durch die Integration der Differentialgleichung aus c), dann t = 0 und einsetzen des Sprunges 's1. T1 ⋅ s2 (t ) + ∫ s2 dt = K D ⋅ ' s1
t→0
T1 ⋅ s2 (0) = K D ⋅ ' s1
Wegen T1 = KD ergibt sich: s2 (t → 0) = ' s1 = 10 cm Durch die Lösung der Differentialgleichung gemäß Übungsaufgabe 4.2 ergibt sich folgender Zeitverlauf: −
s2 (t ) = ' s1 ⋅ e
t T1
−
= 0,1m ⋅ e
t 10s
t
s
0
10
20
30
40
50
60
s2 (t )
m
0,1000
0,0368
0,0135
0,0050
0,0018
0,0007
0,0002
s m 0,10 0,08 0,04 0,02 0,01 10
20
30
40
Bild 6-16 Zeitverhalten des Feder-Dämpfungs-Systems Variante I
50
60 t/s
6.4 Beispiel für Prozessmodelle
89
e) Stellen Sie die Differentialgleichung s2 = f(s1, t) für das System II auf. Welches prinzipielle Verhalten liegt hier vor ? Der Dämpfer wird durch die Geschwindigkeit s2 angesteuert. Die Federkraft ist eine Funktion der Wegdifferenz s1 – s2. Für die Kräftebilanz gilt: FD + Fc = 0 ⇒ d ⋅
ds2 dt FC = c ⋅ ( s2 (t ) − s1 (t ) ) FD = d ⋅
ds2 = c ⋅ ( s1 (t ) − s2 (t ) ) dt
d ds2 ⋅ + s2 (t ) = 1⋅ s1 (t ) c dt
In der MSR-Form:
Diese Gleichung zeigt proportionales Verhalten, da beide nullte Ableitungen vorhanden sind. Die höchste Ableitung auf der linken Seite ist erster Ordnung. Daraus ergibt sich P-T1T1 ⋅ xa + ' xa (t ) = K P1 ⋅ ' xe (t ) Verhalten. Die Kennwerte lauten: T1 = 10 s und KP1 = 1
S2
FD 1/d
Bild 6-17 Wirkungsplan des Feder-Dämpfungs-Systems Variante II
S1
FC c
f) Geben Sie einen mathematischen Ausdruck für die Lösung der DGL an. Bestimmen Sie hierfür zuerst s2(t o 0) und s2(t o f). Skizzieren Sie den prinzipiellen Verlauf von s2(t). Beharrungsverhalten:
' xa (t ) = K P1 ⋅ ' xe (t ) ⇒ ' s2B = ' s1 = 10cm
Anfangsverhalten:
T1 ⋅ s2 (t ) + ∫ s2 dt = ∫ ' s1dt
t → 0 ⇒ s2 (0) = 0
und T1 ⋅
ds2 ds2 1 + 0 = ' s1 ⇒ = ⋅ ' s1 dt dt T1
Die Lösungsgleichung für den Eingangssprung 's1 lautet: −
' s2 (t ) = ' s1 ⋅ (1 − e
t t − T1 ) = 0,1m ⋅ (1 − e 10s )
t
s
0
10
20
30
40
50
60
s2 (t )
m
0,0000
0,0632
0,0865
0,0950
0,0982
0,0993
0,0998
90
6 Modellbildung D
s2 m
s2B = Ds1
T
0,100 0,075 0,050 0,025 0 20
0
40
60
t/s Bild 6-18 Zeitverhalten des Feder-Dämpfungs-Systems Variante II
g) Zeichnen Sie den Wirkungsplan für die Variante II in Normalform In Normalform steht auf der linken Seite die Geschwindigkeit, d. h. die erste Ableitung der Ausgangsgröße oder Zustandsgröße. c d
c d
1 T1
s2 =− ⋅ s2 + ⋅ s1 =− ⋅ s2 +
1 s1 T1
s2
s2
s1
1
1/T1
1/T1 Bild 6-19 Feder-Dämpfungs-System Variante II in Zustandsdarstellung (Normalform)
h) Stellen Sie den Zeitverlauf von Variante I in normierter Form dar. Bei D-T1-Gliedern (Entladefunktion) bezieht man den Zeitverlauf auf den Anfangssprung 'u(0) = 's1. t − T
Aus s2 (t ) = ' s1 ⋅ e
t
ergibt sich: h(t ) =
' s2 (t ) − =e T . ' s1
Die normierte und dimensionslose Funktion h(t) fällt dann von 1 bis 0 entsprechend der e-Funktion.
6.4 Beispiel für Prozessmodelle
91
Wenn man die Zeit t auf die Zeitkonstante T bezieht, erhält man auch für die Zeitachse eine normierte oder dimensionslose Darstellung (Bild 6-20). t/T
0
1
2
4
h(t)
1
0,372
0,135
0,018
h(t) 1 0,5 Bild 6-20 Normierte Entladefunktion des FederDämpfungssystems Variante I
0 0
2
1
t/T
4
3
i) Stellen Sie den Zeitverlauf von Variante II in normierter Form dar. Bei P-T1-Systemen (Ladefunktion) bezieht man den Zeitverlauf auf die Differenz des Beharrungswertes 'vB = 'sB. −
t
t
' s2 (t ) = ' s1 ⋅ (1 − e T )
Aus
h(t ) =
ergibt sich
− ' s2 (t ) = (1 − e T ) . ' sB
Die normierte Funktion h(t) steigt dann entsprechen der e-Funktion von 0 bis 1. t/T
0
1
2
4
h(t)
0
0,632
0,865
0,982
h(t) 1 0,5 0
Bild 6-21 Normierte Ladefunktion des FederDämpfungssystems Variante II
1
2
3
4
t/T
6.4.3 Pneumatisches Modell Fluide Medien in gasförmigen Zustand füllen einen Speicher gleichmäßig aus. Die typische Regelgröße ist hier der Behälterdruck p, der sich in einem geschlossenen Volumen V einstellt. Physikalisch werden gasförmige Medien beschrieben durch die allgemeine Gasgleichung für ideale Gase: p ⋅V = m ⋅ R ⋅4
92 P V M R
4
6 Modellbildung Behälterdruck in bar oder hPa Behältervolumen in m3 Masse des Gases im Behälter in kg Gaskonstante des Gases im Behälter in kJ/(kg · K) absolute Temperatur des Gases in K
m. zu
P
Bild 6-22 Gerätedarstellung eines Behälters
m. ab
a) Ermitteln Sie die Kennwerte der Einzelglieder
=m zu − m ab Ursache ist die Differenz der Massenströme zum und vom Behälter: ' m Wirkung ist der Druck im Behälter. R ⋅4 dp R ⋅4 Aus der Gasgleichung ergibt sich: p = ⋅ m oder = ⋅ 'm V dt V = 0 ergibt sich: p = K I ⋅ ∫ (m zu − m ab ) dt Ausgehend vom Beharrungszustand ' m
. m zu
D
m
–m. ab
p K I = R·VQ
Bild 6-23 Wirkungsplan des Behälters als I-Glied
Bei positiver Massenstromdifferenz steigt der Druck linear an bis zu einer physikalischen Grenze. Entweder reicht der Vordruck vor dem Behälter nicht mehr aus, um noch Masse dem Behälter zuzuführen oder der Behälter platzt. Damit es nicht zu einem Modell mit einer partiellen Differenzialgleichung kommt, wird näherungsweise angenommen, dass sich die thermischen Vorgänge immer im Gleichgewichtszustand befinden. Die absolute Temperatur ist dann konstant und kann im Integrierwert KI mit der Gaskonstanten und dem konstanten Behältervolumen zusammengefasst werden. Der Behälter zeigt beim Ladevorgang I-Verhalten mit konstanter Anstiegsgeschwindigkeit dp/dt. Durch eine Änderung der Gasmasse im Behälter ändert sich dann der Behälterdruck p als dp . ~ 'm oder p ~ ∫ ' mdt Rückwirkung: dt Wird der Vorgang umgekehrt, d. h. strömt Masse aus einem Behälter aus, dann ist der Druck p V dp ab die Wirkung. m ab = die Ursache und der Massenstrom m ⋅ R ⋅4 dt
6.4 Beispiel für Prozessmodelle
93
Dieses Verhalten entspricht D-Verhalten wie es in Bild 6-24 dargestellt ist. Bei zeitlich veränderlichem Druck strömt die Druckluft aus dem Behälter bis der Druck auf Umgebungszustand gefallen ist.
m. ab
p
Bild 6-24 Wirkungsplan eines D-Gliedes
KD = R V· Q
Strömungen im pneumatischen Modell entstehen durch eine Druckdifferenz 'p auf der Zufluss- und Abflussseite und durch den dort freigegebenen Querschnitt proportional zum Hub H = f (' p, H ) . Bei diesem Modell, das nur die Strecke alleine betrachtet, eines Stellventils m werden Stellgröße H und ggf. auch Störgröße z zunächst konstant gehalten, d. h. es entsteht eine Abhängigkeit nur von der Druckdifferenz ' p1 = p0 − p auf der Zuflussseite (siehe Bild 6-25) und von der Druckdifferenz ' p2 = p − pU auf der Abflussseite (Bild 6-26).
m. zu p0
D
p1
H = konst. p m. zu
p0
D
p1
–p
D
p1
m. zu
D
m. zu
Kp1 D
p1
Bild 6-25 Gerätebild, Wirkungsplan und Kennlinie des Stellventils
m. ab p
p
pu m. ab Δ
p2
ΔΔ
p2
z = konst.
m. ab
Δ
p2
pu
. Δ mab
Kp2 Δ
Bild 6-26 Gerätebild, Wirkungsplan und Kennlinie des Störventils
Die zugehörigen Proportionalwerte sind: K P1 =
zu 'm ' p1
und
K P2 =
ab 'm ' p2
p2
94
6 Modellbildung
b) Stellen Sie die Differenzialgleichung des gesamten Systems auf. Das gesamte System besteht aus Stellventil, Druckluftbehälter und Störventil (Bild 6-27).
y H m. zu x
p z
Bild 6-27 Gerätedarstellung des Druckluft-Systems
m. ab
Aus den in a) ermittelten Blöcken der Einzelgeräte ergibt sich der Wirkungsplan Bild 6-28. Auf der linken Seite stehen die Massenströme als Flussgrößen, auf der rechten Seite die Drücke als Zustandsgrößen.
m. zu
Δ
p1
p0
–
Kp1 . Δm
– . mab
p KF Δ
p2
–pu
Bild 6-28 Wirkungsplan des Druckluft-Systems
Kp2 Die Gleichung des I-Blockes ist: Für den Summenpunkt der Massen ergibt sich:
dp dm = KI ⋅ = KI ⋅ ' m dt dt =m zu − m ab 'm
zu = K P1 ⋅ ' p1 = K P1 ( p0 − p) Die beiden P-Blöcke werden beschrieben durch: m ab = K P2 ⋅ ' p2 = K P2 ( p − pU ) m Daraus ergibt sich für das Gesamtsystem die Differenzialgleichung: dp zu − m ab ) = K I ⋅ K P1 ⋅ p0 − K I ⋅ K P1 ⋅ p − K I ⋅ K P2 ⋅ p + K I ⋅ K P2 ⋅ pU = K I ⋅ (m dt
In der MSR-Form lassen sich dann die Parameter TS, KPS1 und KPS2 für das Gesamtsystem S ermitteln. dp K P1 K P2 + ' p (t ) = ⋅ p0 + ⋅ pU K I ⋅ ( K P1 + K P2 ) dt K P1 + K P2 K P1 + K P2 1
⋅
TS
K PS1
K PS2
ů
95
7 Testfunktionen Zur Analyse des dynamischen Verhaltens von Regelsystemen werden bevorzugt solche Testsignale verwendet, die mit den vorhandenen Stelleinrichtungen einfach erzeugt werden können und mathematisch einfach zu beschreiben sind. Dabei muss das Testsignal als Eingangsgröße • deutlich größer sein als stochastische Störsignale (Rauschen), • so klein sein, dass das Regelsystem nicht gegen funktionale Grenzen läuft, z. B. Messbereichsüberschreitungen oder unzulässige Betriebszustände der Anlage. Die Beschränkung auf einige wenige Testfunktionen mit einfacher charakteristischer Signalform erleichtert dann die Vergleiche untereinander hinsichtlich des statischen, stationären und aperiodischen dynamischen Verhaltens. Die häufigsten Testfunktionen sind: • Sprungfunktion v = K · 1(t) • Rechteckfunktion = Sprungfunktion mit zeitlicher Begrenzung • Anstiegsfunktion v = c · t • Rampenfunktion = Anstiegsfunktion mit Amplitudenbegrenzung • Impulsfunktion = Nadelfunktion • Periodische Funktion, z.B. Sinus-Schwingung Jede Differenzialgleichung eines Systems lässt sich einfacher untersuchen, wenn die Analyse auf je eine Eingangs- und Ausgangsgröße beschränkt wird. Die mathematische Beschreibungsform, die sich gut mit der experimentellen Analyse vergleichen lässt, wird „Antwortfunktion“ genannt. Der sich ergebende Verlauf der Ausgangsgröße bei normierter Eingangsgröße ist dann ein charakteristisches Merkmal für das Übertragungsverhalten ÜV des untersuchten Systems (Bild 7-1).
u(t) Testfunktion
Übertragungsverhalten
v(t) Testantwort
Bild 7-1 Blockdarstellung der Antwortfunktion einer mathematischen Analyse
Voraussetzungen: • Das System befindet sich ursprünglich (t < 0) im Beharrungszustand, also für t(0-) unmittelbar vor Zuschaltung der Testfunktion. • Für die messtechnische Analyse schaltet man ein definiertes Eingangssignal zum Zeitpunkt t(0+) auf, also genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die Testfunktion ausgelöst wird. • Die Eingangsgröße verläuft entsprechend der gewählten Testfunktion. • Alle übrigen Eingangsgrößen sind konstant bzw. Null; dieser Zustand wird als Betriebspunkt, beim geschlossenen Regelkreis als Arbeitspunkt (x = w) bezeichnet. • Die Ausgangsgröße verläuft dann bei stabilen Systemen in einer für das System und für die jeweilige Testfunktion typischen Form in den durch die partikuläre Lösung (siehe Kapitel 4) vorgegebenen neuen Beharrungswert oder stationären Zustand. • Zur besseren Vergleichbarkeit werden normierte Testfunktionen verwendet; alle Signale werden auf den Betriebspunkt im Beharrungszustand bezogen.
96
7 Testfunktionen
Beispiele: Testfunktion
Verlauf
Antwortfunktion
Impuls
Impulsantwort g(t)
Sprung
Sprungantwort h(t)
Anstieg
Anstiegsantwort a(t)
∼
Schwingung
Frequenzgang G(s)
7.1 Sprungantwort Die häufigste Antwortfunktion ist die bezogene Sprungantwort. • Sprünge lassen sich in der Praxis relativ leicht z. B. über Ein-Aus-Schalter erzeugen. • Ein Sprung ist für die Regelung das ungünstigste Signal, das praktisch auftreten kann. In allen anderen Fällen ist die Auswirkung auf das Ausgangssignal günstiger. „Die Sprungantwort ist der zeitliche Verlauf des Ausgangssignals als Ergebnis einer Sprungfunktion am Eingang. Wird die Änderung des Ausgangssignals durch Quotientenbildung auf die Sprunghöhe des Eingangssignals bezogen, dann entsteht die bezogene Sprungantwort, genannt Übergangsfunktion“.
u(t) Δ
U0
u t
Bild 7-2 Sprungfunktion: U für t < 0 u (t ) = 0 U 0 + Δ u für t ≥ 0
{
Diese Testfunktion wird am häufigsten benutzt und deren Übergangsfunktion dient auch der symbolischen Darstellung des Systemverhaltens von Blöcken im Wirkungsplan. Wählt man als Startwert für den Testsprung den Wert im Arbeitspunkt U0 und setzt die Sprunghöhe auf den Wert „1“, so erhält man die Einheits-Sprungfunktion, die mathematisch beschrieben wird durch:
Δ u (t ) =
{10
für t < 0 für t ≥ 0
Die dimensionslose Form erleichtert die Verarbeitung der Signalverläufe und den Vergleich der unterschiedlichsten physikalischen Systeme. Hier wird der Eingangssprung u(t) auf die u (t ) = 1(t ) (dimensionslos) Sprunghöhe Δu bezogen. σ (t ) = Δu
7.1 Sprungantwort
97
Das zugehörige Ausgangssignal v(t) wird als Sprungantwortantwort bezeichnet. Bezieht man die Sprungantwort auf den Einheitssprung σ (t), so entsteht die Einheitssprungantwort h(t ) =
v(t ) Δ u ⋅ σ (t )
Die normierte Sprungantwort soll am Beispiel eines Durchlaufspeichers erläutert werden (Bild 7-2).
Bild 7-3
Gerätebild eines einfachen Durchlaufspeichers zur Dämpfung von Schwkungen auf der Verbraucherseite.
Eingangsgröße (= Ursache) ist die Stellung des Zulaufventils vom Kompressor H in mm, Ausgangsgröße (= Wirkung) ist der Druck im Speicher p in bar. Die Blockdarstellung ist in Bild 7-4 angegeben. Bild 7-4 Vereinfachter Wirkungsplan des Durchlaufspeichers
Ausgehend vom Betriebspunkt H0 und p0 wird der Hub H sprunghaft um ΔH1 bzw. ΔH2 verändert. Das zugehörige Zeitverhalten beider Größen ist in Bild 7-5 dargestellt.
Bild 7-5 Zeitverhalten des Durchlaufspeichers als Sprungantwort (Index B = Beharrung)
Vereinbarung: Der Zeitpunkt t = t0 und der Betriebspunkt H0, p0 werden als neuer Abszissen- bzw. Ordinatennullpunkt gewählt, d.h. nur die Differenzen, nicht die absoluten Werte werden in die Dia-
98
7 Testfunktionen
gramme eingetragen. Es ist sinnvoll, nicht nur die Eingangsgröße Δu = ΔH, sondern auch den Verlauf der Ausgangsgröße v(t) = Δp(t) auf die Sprunghöhe zu beziehen. h(t ) =
v(t ) Δ p (t ) = Δu ΔH
Man erhält damit bei linearen Systemen einen deckungsgleichen Verlauf aller Sprungantworten unterschiedlicher Höhe, die Übergangsfunktion h(t) (Bild 7-5). Die Dimension der Übergangsfunktion h entspricht der des Proportionalbeiwertes KP. KP =
Δ pB = h(t → ∞) ΔH
Bild 7-6 Bezogene Sprungantwort des Durchlaufspeichers
7.2 Impulsantwort Bei Prozessanlagen, die nur geringe Regelabweichungen tolerieren bzw. bei Anlagen mit reinem I-Verhalten besteht die Gefahr, dass die Ausgangsgröße bei einer Sprungfunktion so hoch ansteigt, dass kritische Grenzwerte überschritten werden und die Notausschaltung durchgeführt wird. Bei solchen Anlagen muss die Eingangsgröße nach kurzer Zeit wieder auf den Ausgangswert zurückgestellt werden. Man verwendet zweckmäßigerweise als normierte Testfunktion die Impulsfunktion zur Untersuchung dieser Prozesse. „Die Impulsantwort ist der zeitliche Verlauf des Ausgangssignals bei einem Nadelimpuls (DIN 5488) am Eingang. Wird das Ausgangssignal durch Quotientenbildung auf die Zeitfläche (= Zeitintegral A) des Eingangsimpulses bezogen, dann entsteht die bezogene Impulsantwort, genannt Gewichtsfunktion“. ⎧0 für t < 0 ⎪ Impulsfunktion: u (t ) = ⎨ A / t1 für 0 ≤ t ≤ t1 ⎪ für t > t1 ⎩0
Dabei ist A das Zeitintegral der Impulsfläche (Bild 7-7).
7.2 Impulsantwort
99
u A= ∫ u(t)dt= Du·t1 D
u
t
Bild 7-7 Impulsfunktion und Impulsflächen für 3 verschiedene Impulse
t1 Die Impulsbreite soll möglichst klein sein. Bei einer Grenzwertbetrachtung t1 → 0 ergibt sich u (t1 ) → ∞ für t1 → 0. Damit die erzielten Impulsantworten vergleichbar werden, wird auch hier eine normierte Testfunktion verwendet, die Einheits-Nadelfunktion oder Dirac-Funktion δ. Sie entsteht durch Normieren mit der Impulsfläche A zum Zeitpunkt t = 0.
δ=
u (t ) Δ u ⋅ t1
−∞
und
∫ δ (t ) dt ≡1 s–1.
−∞
u(t)
v(t) d
δ (0− ) = 0 δ (0+ ) = ∞ δ (t > 0) = 0
Bild 7-8 Blockdarstellung der Einheits-Nadelfunktion δ durch ein D-Glied
Anmerkung: Zwischen δ (t) und ε (t) (Einheitssprung) besteht der Zusammenhang: ∫ δ (t ) dt = ε (t ) Die Ausgangsgröße des Systems nennt man dann folgerichtig Impulsantwort oder Gewichtsfunktion g(t). Ähnlich wie bei der Sprungantwort wird auch die Impulsantwort auf das Eingangssignal bezogen, hier auf die Impulsfläche (Zeitintegral). g (t ) =
v(t ) Δ u ⋅ t1
In Realität gibt es keinen unendlich hohen Impuls. Deshalb kann die Testfunktion auch als Verschwindeimpuls in Form von D-T1-Verhalten mit der Fläche A = 1 s–1 dargestellt werden.
100
7 Testfunktionen
u u
D
A= ∫ d(t)dt = 1
t
T1
Bild 7-9 Einheits-Verschwindeimpuls t
Der Zeitverlauf des Verschwindeimpulses ist: u (t ) = Δ u ⋅
KD − T ⋅ e 1 mit KD = 1 s T1
7.3 Anstiegsantwort Bei technischen Anlagen, deren Trägheitswirkung die Änderungsgeschwindigkeiten begrenzen, verwendet man oft die Anstiegsfunktion. Gleiches gilt für die Untersuchung von D-Verhalten. „Die Anstiegsantwort ist der zeitliche Verlauf des Ausgangssignals bei einer Anstiegsfunktion mit vorgegebener Änderungsgeschwindigkeit für das Eingangssignal. Zur Darstellung kann das Ausgangssignal auf die Anstiegsgeschwindigkeit des Eingangssignals bezogen werden. Es entsteht die „bezogene Anstiegsantwort“. Anstiegsfunktion:
u (t ) =
{0c ⋅t fürfür tt <≥ 00
u D
u Bild 7-10 Normierte Anstiegsfunktion
T1
t
Δu so, dass c den Wert 1 s–1 hat, so erhält man nach Bild 7-10 T1 u . den Einheitsanstieg α (t ) = 1/ t
Wählt man die Steigung c =
Anmerkung: Zwischen α (t) und ε (t) (Einheitssprung) besteht der Zusammenhang d α (t ) = ε (t ) dt
Die bezogene Anstiegsantwort wird mit der Anstiegsgeschwindigkeit c normiert: v v a(t ) = = c u/t
7.4 Antwortfunktionen für elementare Zeitverhalten
101
7.4 Antwortfunktionen für elementare Zeitverhalten Je nach Testfunktion zeigt die Antwortfunktion ein typisches Zeitverhalten. An diesem Zeitverhalten lässt sich die Struktur des untersuchten Systems ermitteln.
7.4.1 P-Verhalten Ein typisches Beispiel für proportionales Zeitverhalten ist das Wasserventil. Die allgemeine Differentialgleichung für P-Verhalten lautet: v(t ) = K P ⋅ Δ u Δ V (t ) = K P ⋅ Δ H (t )
Beispiel für eine Sprungantwort:
Als Impulsantwort eines P-Systems erhalten wir einen Impuls, als Anstiegsantwort einen proportionalen Anstieg. v(t ) =
{→0 ∞ fürfür tt ≠= 00
(Impulsantwort)
V (t ) = K P ⋅ c ⋅ t (Anstiegsantwort)
Die Anstiegsgeschwindigkeit der Ausgangsgröße wird gegenüber der Eingangsgröße um KP verstärkt (bzw. abgeschwächt).
Bild 7-11 Sprungantwort eines Wasserventils mit P-Verhalten
7.4.2 I-Verhalten Ein typisches I-Glied ist der Wasserbehälter mit Zulauf, aber ohne Ablauf (Bild 5.9). Am Anfang ist der Behälter leer (h = 0). Die allgemeine Differentialgleichung für I-Verhalten lautet: dh 1 v = K I ⋅ u (t ) = ⋅V (t ) dt A t oder für das Beispiel: 1 t v = K I ⋅ ∫ u (τ ) d τ + v0 = ⋅ ∫ V (τ ) d τ + 0 h ( t ) 0 A 0 Als Sprungantwort vereinfacht sich die Gleichung zu t
v = K I ⋅ Δ u ⋅ ∫ d τ + v0 0
v = K I ⋅ Δ u ⋅ t + v0
oder
h(t ) =
1 ⋅V ⋅ t A
102
7 Testfunktionen
Die Sprungantwort des I-Gliedes ist ein linearer Anstieg mit der Anstiegsgeschwindigkeit KI ⋅ Δ u =
1 ⋅V A
Haben Ein- und Ausgang die gleiche physikalische Größe, erhält KI die Einheit einer rezipro1 ken Zeit: K I = . TI Definition: TI, die so genannte Integrierzeit, ist die Zeit, die abläuft, bis die Ausgangsgrößenänderung den gleichen Wert erreicht hat wie der Eingangsgrößensprung.
Bild 7-12 Sprungantwort eines Wasserbehälters (1-Verhalten)
Für die Impulsantwort gilt: t
v(t ) = K I ⋅ Δ u ⋅ t1 ⋅ ∫ δ (τ ) d τ + v0 = K I ⋅ Δ u ⋅ t1 ⋅1 + v0 0
1 V oder h(t ) = ⋅V ⋅ t1 = 1 = h1 = konst. A A
Die Herleitung zeigt, was uns die Erfahrung lehrt: Durch den Impuls wird ein Volumenelement V1 dem Behälter zugeführt, das den Behälterstand auf den Wert hl einstellt (h0 = 0 !). Für die Anstiegsantwort gilt: t 1 v = K I ⋅ ∫ c ⋅ τ d τ + v = K I ⋅ c ⋅ ⋅ t 2 + v0 2 0 1 1 2 oder h(t ) = ⋅V ⋅ ⋅ t 2 A
Es ergibt sich eine Gleichung, in der die Zeit quadriert wird. Der zugehörige Zeitverlauf ist eine Parabel.
7.4 Antwortfunktionen für elementare Zeitverhalten
103
7.4.3 D-Verhalten Differenzieren ist die inverse Operation zum Integrieren. Die Ausgangsgröße xa ist nur vorhanden, wenn sich die Eingangsgröße zeitlich ändert. Nehmen wir als Beispiel eine Anwendung aus der Antriebstechnik. Die Drehzahl n einer Spindel zur Positionierung wird durch die Geschwindigkeit des ablaufenden Zahnriemens bestimmt (Bild 7-13).
Bild 7-13 Zahnriemenantrieb einer Spindel
Die Ausgangsgröße ist die Kreisfrequenz ω (bzw. Drehzahl n) der Spindel, Eingangsgröße ist der Weg s. Nur wenn sich der Weg s zeitlich ändert, dreht sich die Spindel! ds 1 ds = r ⋅ω → ω = ⋅ dt r dt
mit K D =
1 r
Mathematisch kann diese Gleichung für eine Sprungfunktion nicht gelöst werden. Um zur Sprungantwort zu gelangen, machen wir einen Umweg über die „Rampenfunktion“, eine Kombination aus Anstieg und Sprung. Dies ist notwendig, da eine sprunghafte Änderung der Eingangsgröße (hier Weg s) wegen der Massenträgheit von Zahnriemen und Spindel praktisch nicht möglich ist.
Bild 7-14 Rampenfunktion und Rampenantwort eines D-Gliedes
104
7 Testfunktionen
Die Rampenfunktion (Bild 7-14) verhält sich wie eine Anstiegsfunktion, jedoch ist ein oberer Endwert vorgegeben; für kleine Zeiten ergibt sich die Antwort auf einen linearen Anstieg, für große Zeiten eine Sprungantwort. Lassen wir den Anstieg immer steiler verlaufen, so ergibt sich bei einem D-Glied eine ebenso zunehmende Ausgangsgröße. Da der Endwert schneller erreicht wird und danach konstant ist (z. B. Endschalter der Spindel), steht das Ausgangssignal entsprechend kürzer an. Die Antwort auf die zeitliche Änderung des Weges ds/dt bei unterschiedlichen steigenden Zahnriemengeschwindigkeiten ist eine sprunghafte Änderung der Kreisfrequenz ω mit zunehmender Höhe (ω2 > ω1) und abnehmender Breite (kürzere Zeiten t). Der Grenzwert der Rampe ist ein Sprung. Als Antwort ergibt sich ein Impuls.
Testfunktionen
Antwortfunktionen elementarer Systemglieder I-Verhalten
Differentialgleichung
bzw. α (Einheitsanstieg)
D-Verhalten
v(t ) = K P ⋅ Δ u
v = K D ⋅ u
v = KP ⋅ c ⋅ τ
v = KD ⋅ c
v = K I ⋅ Δ u
v = KP ⋅ Δ u
v = 0 für t > 0
v = 0 (für t > 0)
v = K P ⋅ Δ u ⋅ T0 v = KP ⋅ δ
–
v = K I ⋅ u
v(t ) = K I ⋅ ∫ u (t )dt
Anstiegsfunktion u (t ) = c ⋅ τ
P-Verhalten
v = K I ⋅ c ⋅ τ v = 2 ⋅ KI
⋅ c ⋅t 2
Anstiegsantwort
Übergangsfunktion u (t ) = Δ u
v = KI ⋅ Δ u ⋅t
bzw. ε (Einheitssprung) Sprungantwort (entspricht dem Blocksymbol im Wirkungsplan) Gewichtsfunktion u = Δ u ⋅ T0
v = K I ⋅ Δ u ⋅ T0
bzw. δ Nadelfunktion Impulsantwort
Bild 7-15 Zusammenstellung der Antwortfunktionen für elementare Zeitverhalten und elementare Testfunktionen
7.4 Antwortfunktionen für elementare Zeitverhalten
105
Als nächstes muss überprüft werden, ob die in Bild 7-14 angegebene Anstiegsantwort auch mathematisch richtig ist. Gehen wir aus von der Gleichung v(t ) = K D ⋅ u Der Anstieg u wird beschrieben durch
u = c ⋅ t .
Die Ableitung dieser Gleichung
du =c dt
führt zu
xa = K D ⋅ c .
Damit ist v(t) = konst. ein konstanter Ausgangswert, wenn der Anstieg, gekennzeichnet durch die „Steilheit“ c, vorhanden ist, d. h. ≠ 0. Je größer die Anstiegsgeschwindigkeit c, desto höher ist die konstante Ausgangsgröße. Wird die Anstiegsgeschwindigkeit c = 0, so wird auch die Ausgangsgröße v(t) = 0. Die Impulsantwort des D-Gliedes soll hier nicht näher untersucht werden, da diese Antwort unendlich groß wird. Trägheitslose D-Glieder reagieren sehr empfindlich bei impulsartigen Störungen !
106
8 Zustandsdarstellung Mit der Zunahme von digitalen Regelsystemen wird ein Lösungsverfahren immer interessanter, die Zustandsregelung. Einfach mathematische Lösungsverfahren gibt es nur für lineare Differenzialgleichungen 1. Ordnung. Deshalb werden alle Lösungsverfahren für Systeme höherer Ordnung auf Differenzialgleichungen 1. Ordnung zurückgeführt.
xn
.....
Bild 8-1
x1
x2
x3
x4
Rückwirkungsfreies System n-ter Ordnung
Eine lineare Differenzialgleichung n-ter Ordnung beschreibt das System vollständig im Zeitbereich. Das gleiche Zeitverhalten kann auch durch Reihenschaltung von n P-T1-Gliedern beschrieben werden, wobei die Ausgangsgröße des k–1-ten Gliedes zugleich Eingangsgröße des k-ten Gliedes ist. Geht man zunächst von einer rückwirkungsfreien Reihenschaltung eines Regelsystems aus, so lässt sich das Gesamtsystem durch n Differenzialgleichungen 1. Ordnung beschreiben:
x1 = x2 ; x2 = x3 ; x3 = x4 ; xn-1 = xn Die Signale x1, x2, …werden Zustandsgrößen genannt. Der Begriff „Zustand“ beschreibt eine prägnante und möglichst vollständige Kennzeichnung eines Systems oder Objektes durch seine inneren und äußeren Bedingungen. Betrachten wir beispielsweise den Zustand der Raumluft eines beliebigen Raumes, so bedarf es einer Vielzahl von Größen um diesen Zustand zu beschreiben. Dazu zählen u. a.: •
die Raumtemperatur
•
die Raumluftfeuchte
•
die Luftqualität
•
die Strömungsgeschwindigkeit.
Die älteste Form einer Zustandsbeschreibung ist auf Newton (1687) zurückzuführen, der den thermischen Zustand durch die Formel f (V, p, Θ) = 0 beschrieben hat, wobei das Volumen V, der Druck p und die Temperatur Θ die Zustandsgrößen bilden. Diese Gleichung ist heute bekannt als Allgemeine Gasgleichung p·V=m·R·Θ Der Begriff Zustand weist auf einen Gleichgewichtszustand hin. In Realität durchläuft ein System einen Prozess mit zeitlich veränderlichen Eigenschaften. Die Regelungstechnik betrachtet hauptsächlich solche Zustandsänderungen.
8.2 Zustandsmodelle
107
8.1 Zustandsmatrix Beschränkt man sich auf lineare bzw. linearisierte Modelle, so erhält man als Ergebnis der Modellbildung ein System von linearen Zustandsdifferentialgleichungen 1. Ordnung, in der Praxis oft „Ein-Speicher-Objekte“ oder „Knoten“ genannt, ergänzt durch ein System linearer Gleichungen zur Verknüpfung der Ausgangsgrößen mit den Zustandsgrößen. Für alle folgenden Überlegungen werden lineare, zeitinvariante Modelle in einer Symbolik beschrieben, die sich weitgehend international durchgesetzt hat.
z(t) u(t)
g . X
X(t)
b
cT
v(t)
A Bild 8-2
Allgemeine Struktur der Zustandsdarstellung für eine Steuergröße, eine Störgröße und eine Ausgangsgröße
Zustandsgleichung
x(t ) = A ⋅ x(t ) + b⋅u (t ) + g ⋅ z (t )
Ausgangsgleichung
v(t ) = cT x(t ) + d ⋅ u (t )
mit folgenden Bedeutungen: x(t ): Zustandsvektor (n, 1), z (t ): Störskalar, A: Systemmatrix (n, n), g: Störvektor (n), d : Durchgangsvektor (m).
u (t ): Steuerskalar , v(t ): Ausgangsskalar, b: Steuervektor (n), c T : Ausgangsmatrix (m),
Bei der überwiegenden Zahl technischer Regelstrecken ist die Durchgangsvektor d = 0, weil höchst selten ein direkter Durchgriff der Steuergrößen auf die Ausgangsgrößen vorliegt. Meist liegt nur eine Eingangs- und eine Ausgangsgröße vor.
8.2 Zustandsmodelle Der Zustandsbegriff geht davon aus, dass in einem System verknüpfte Komponenten, z. B. Geräte oder Bauteile, in der Lage sind, Materie oder Energie zu speichern. Jeder Zustand eines Speichers wird durch eine Zustandsgröße beschreiben. Dies bedeutet, dass das Gesamtsystem n-ter Ordnung in n Teilsysteme 1. Ordnung zerlegt werden kann. Jedes Teilsystem besteht dann aus einem I-Glied mit Rückwirkung, wie es ist Bild 8-2 dargestellt ist.
108
8 Zustandsdarstellung
Ein Zustandssystem ist gekennzeichnet durch: • mindestens eine Eingangsgröße u(t) • einen Satz n unabhängiger Zustandsgröße Xi(t) mit gegebenen Anfangswerten Xi0 • eine Ausgangsgröße v(t) als Linearkombination der Zustandsgrößen
8.2.1 Zustandsmodell 1. Ordnung Die Zustandsdarstellung ist eine formale mathematische Darstellung von Einspeichergliedern. Ein Zustandsmodell 1. Ordnung enthält genau ein I-Glied.
Übungsaufgabe 8.1 Zustandsdarstellung eines P-T1-Modells Ein Modell 1. Ordnung wird beschrieben durch die Differenzialgleichung T ⋅v + v(t ) = K P ⋅ u (t ) .
a) Formen Sie die Gleichung in eine Zustandsdarstellung um. Die allgemeine Form für die Ausgangsgröße v(t) als Funktion der Eingangsgröße u(t) in Zustandsdarstellung ist:
x(t ) = A ⋅ x(t ) + b ⋅ u (t )
und
v(t ) = cT x(t )
Dazu muss die gegebene Differenzialgleichung so umgeformt werden, dass auf der linken Seite die 1. Ableitung der Zustandsgröße steht, auf der rechten Seite nur die Zustandsgröße selbst und die Eingangsgröße. x = v(t) Umgeformt
T ⋅ x + x = K P ⋅ u
Æ 1 T
x =− ⋅ x +
KP ⋅u T
Die eindimensionale Systemmatrix hat folgende Form: a =− Für den eindimensionalen Steuervektor gilt:
b=
1 T
KP T
Die eindimensionale Ausgangsmatrix für v = 1 · x hat folgende Form: c T = (1 0) b) Zeichnen Sie den Wirkungsplan des Modells In Bild 8-3 ist die mathematische Zustandsgleichung graphisch dargestellt. Das I-Glied hat den Wert KI = 1 s–1. Am Summenpunkt vor dem I-Glied werden die Terme der rechten Seite der Gleichung zusammengefasst.
8.2 Zustandsmodelle
109
u
X KI =1s–1
b=KP/T
v c=1
a = –1/T Bild 8-3 Wirkungsplan eines Zustandsmodells 1. Ordnung
8.2.2 Zustandsmodell 2. Ordnung Ein Zustandsmodell 2. Ordnung ist aufgebaut aus zwei I-Gliedern mit Rückwirkungen. Dabei gibt es zwei verschiedene Strukturen, die sich nur durch den Eingriff der Rückwirkung unterscheiden: • schwingungsfähiges System 2. Ordnung • Reihenschaltung zweier P-T1-Glieder Beim Schwingungsglied wirken die Ausgangsgröße und die Zwischengröße auf den Eingang zurück. Bei der Reihenschaltung wirkt die Ausgangsgröße auf die Zwischengröße zurück. Die mathematische Darstellung in Matrizenform ist für Modelle höherer Ordnung nicht eindeutig. Man unterscheidet hier: • •
Fundamentalform Normalform.
Für die spätere Verarbeitung zeigt die Normalform unter Einbeziehung der Einheitsmatrix Vorteile.
Übungsaufgabe 8.2 Reihenschaltung zweier RC-Glieder Die Reihenschaltung zweier RC-Glieder ist in Bild 8-4 dargestellt. I1(t)
I2(t)
R2
R1 U0
C1
U1
C2
U2
Bild 8-4 Reihenschaltung zweier RC-Glieder
a) Entwerfen Sie den Wirkungsplan Die einzelnen Bauteile der Schaltung werden durch folgende physikalische Gesetze beschrieben: Widerstand: Kondensator: Kontenpunkt:
UR1 = R1 · I1 1 = 1 ⋅ ( I1 − I 2 ) U C1 U1 = U0 – UR1
UR2 = R2 · I2 2 = 1 ⋅ I2 U C2 U2 = U1 – UR2
110
8 Zustandsdarstellung
Daraus ergibt sich der Wirkungsplan Bild 8-5 oder als alternative Darstellung Bild 8-6.
I2
I1
U0
1/C1
1/R1
U2
U1 1/R2
1/C2
Bild 8-5 Wirkungsplan A der RC-Schaltung
UR1
U0
I1
1/R1 U1 1/C1 I2
UR2 1/R2 U2 Bild 8-6 Wirkungsplan B der RC-Schaltung
1/C2 b) Das RC-Modell soll in Form einer Zustandsmatrix dargestellt werden. Aus dem Wirkungsplan Bild 8-6 ergeben sich folgende Gleichungen: 2 = 1 ⋅ I 2 = 1 ⋅U R2 = 1 ⋅U1 − 1 ⋅U 2 U C2 C2 ⋅ R2 C2 ⋅ R2 C2 ⋅ R2
1= U
1 1 1 1 ⋅ I1 − ⋅ I 2 = ⋅U R1 − ⋅U R2 C1 C1 C1 ⋅ R1 C1 ⋅ R2
1= U
1 1 1 1 ⋅U 0 − ⋅U1 − ⋅U1 + ⋅U 2 C1 ⋅ R1 C1 ⋅ R1 C1 ⋅ R2 C1 ⋅ R2
In Matrixschreibweise ergibt sich aus den Gleichungen (8-1) und (8-2): ⎡ 1 − 2 ⎞ ⎢ C2 ⋅ R2 ⎛U ⎜ ⎟=⎢ 1⎠ ⎢ 1 ⎝U ⎢ ⎣ C1 ⋅ R2
oder
⎤ ⎥⎛ ⎞ ⎛ 0 ⎞ ⎥⋅⎜U 2 ⎟+⎜ 1 ⎟⋅U ⎟ 0 ⎛ 1 1 ⎞⎥ ⎝U1 ⎠ ⎜ ⎜ ⎟ −⎜ + ⎝ C1 ⋅ R1 ⎠ ⎟⎥ ⎝ C1 ⋅ R1 C1 ⋅ R2 ⎠⎦
= A ⋅U + b ⋅U 0 U
1 C2 ⋅ R2
(8-1)
(8-2)
8.2 Zustandsmodelle
111
c) Schreiben Sie die Zustandsgleichung in Normalform. In Normalform haben alle Speicher den Wert KI = 1 s–1. Zur Vereinfachung der Gleichungen werden folgende Parameter eingeführt: Zeitkonstanten
T1 = C1 · R1 ;
T2 = C2 · R2;
Zustandsgrößen
x1 = U2 ;
x2 = U1
Eingangsgröße
u = U0
T12 = C1 · R2;
Aus Gleichung (8-1) ergibt sich:
x1 =
1 1 ⋅ x2 − ⋅ x1 Æ x2 = T2 ⋅ x1 + x1 T2 T2
Aus Gleichung (8-2) ergibt sich:
x2 =
1 1 1 1 ) ⋅ x2 + ⋅ x1 ⋅u − ( + T1 T1 T12 T2
Daraus entsteht die Differenzialgleichung 2. Ordnung des Modells: (T1 ⋅ T2 ) ⋅x1 + (T1 + T2 + T12 ) ⋅ x1 + x1 = u
Mit dem Ansatz x1 = x2 ; x = x2 und aufgelöst nach x2 ergibt sich:
x1 = x2 =−
x2 1 T + T2 + T12 1 ⋅ x1 − 1 ⋅ x2 + ⋅u T1 ⋅ T2 T1 ⋅ T2 T1 ⋅ T2
In Matrizenschreibweise: ⎡ 0 ⎛ x1 ⎞ ⎢ 1 ⎜ ⎟=⎢ ⎝x2 ⎠ − ⎢ T1 ⋅ T2 ⎣
oder
⎛ 0 ⎞ ⎤ 1 ⎟ ⎥ ⎛ x1 ⎞ ⎜ T + T2 + T12 ⎥⋅⎜ ⎟+⎜ 1 ⎟⋅ u − 1 x ⎝ ⎠ ⎟ ⎥ 2 ⎜ ⎦ T1 ⋅ T2 ⎝ T1 ⋅ T2 ⎠
x = A ⋅ x + b ⋅ u
Diese Form ist in Bild 8-7 graphisch dargestellt:
u
X2
1 T1 ·T2 T1 +T2 +T12 T1 ·T2
X1
1 T1 ·T2
Bild 8-7 Zustandsmatrix in Normalform
112
8 Zustandsdarstellung
Übungsaufgabe 8.3 Druckluftregelung in Zustandsdarstellung In Bild 8-8 ist eine Druckluftspeicherkaskade gezeichnet. Der Druck aus dem 1. Speicher wird mit dem Index A, aus dem 2. Speicher mit dem Index B gekennzeichnet.
P0
m. 1
m. 0 pA
m. 2
PU
pB
Bild 8-8 Gerätefließbild der Druckluftstrecke
Die beiden Speicher werden durch folgende Integrier-Kennwerte beschreiben: R ⋅Θ 287 J ⋅ 300 K bar 1 K IA = K IB = L = =1 ⋅ V kg/s s kg ⋅ K ⋅ 0,86 m3 Damit werden folgende Werte für die physikalischen Größen angenommen: 287 J Gaskonstante Luft RL = kg ⋅ K Absolute Temperatur der Luft Θ = 300 K (entspricht 27 °C) Behältervolumen V = 0,86 m3 Für die 3 Ventile gelten folgende Proportional-Kennwerte: kg/s K P0 = K P1 = K P2 = 0,1 bar a) Stellen Sie die Differenzialgleichungen auf.
Stellventil
BehälterA
Drossel
BehälterB
Störventil
m. 0
D
p0
m. 1
D
m. 1
Stellgröße u = p0
pA D
p1
m. 2
D
pB m. 2
D
p2
Stellgröße z = pU
Bild 8-9 Wirkungsplan der Druckluftregelstrecke
8.2 Zustandsmodelle
113
Die physikalischen Gleichungen für die Geräte lauten: Stellventil:
0 = K P0 ⋅ ( p0 − pA ) m
Speicher A:
dpA 0 −m 1) = pA = K IA ⋅ (m dt
Drossel:
1 = K P1 ⋅ ( pA − pB ) m
Speicher B:
dpB 1−m 2) = pB = K IB ⋅ (m dt
Störventil:
2 = K P2 ⋅ ( pB − pu ) m
Die Stellventilgleichung und die Drosselgleichung werden in die Speichergleichung für Speicher A eingesetzt.
pA = K IA ⋅ (m 0 −m 1 ) = K IA ⋅ K P0 ⋅ p0 − K IA ⋅ K P0 ⋅ pA − K IA ⋅ K P1 ⋅ pA + K IA ⋅ K P1 ⋅ pB Sortiert:
pA = ( K IA ⋅ K P2 ) ⋅ pB − ( K IA ⋅ K P0 − K IA ⋅ K P1 ) ⋅ pA + K IA ⋅ K P0 ⋅ p0 + 0 ⋅ pu
Gleiches gilt für Speicher B mit der Drosselgleichung und der Störventilgleichung.
pB = K IB ⋅ (m 1−m 2 ) = K IB ⋅ K PA ⋅ pA − K IB ⋅ K P1 ⋅ pB − K IB ⋅ K P2 ⋅ pB + K IB ⋅ K P2 ⋅ pu Sortiert:
pB =−( K IB ⋅ K P1 + K IB ⋅ K P2 ) ⋅ pB + ( K IB ⋅ K P1 ) ⋅ pA + 0 ⋅ p0 + K IB ⋅ K P2 ⋅ pu
Die beiden sortierten Gleichungen werden in Matrix-Schreibweise dargestellt. ⎛ pB ⎞ ⎡−K IB ⋅ ( K P1 + K P2 ) ⎛ ⎞ ⎤ ⎛ pB ⎞ ⎛ K IA ⋅ K P0 ⎞ K IB ⋅ K P1 0 ⎜ ⎟=⎢ ⎟⋅ p0 +⎜ ⎟⋅ pu ⎥⋅⎜ ⎟+⎜ 0 K IA ⋅ K P2 −K IA ⋅ ( K P0 + K P1 ) ⎦ ⎝ pA ⎠ ⎝ ⎝ pA ⎠ ⎣ ⎠ ⎝ K IB ⋅ K P2 ⎠
oder
x = A ⋅ x + b ⋅ u + g ⋅ z
Diese Matrix ist in Fundamentalform angegeben. b) Ermitteln Sie die charakteristischen Kennwerte der Gleichung der Regelstrecke. Die charakteristische Gleichung der Strecke in transformierter Form lautet: det {s ⋅ E − A} = 0
mit s = α + jω als Laplace-Operator. ⎛1 0⎞ ⎛−K IB ⋅ ( K P1 + K P2 ) ⎞ K IB ⋅ K P1 ⎜ ⎟⋅ s −⎜ ⎟= K IA ⋅ K P2 −K IA ⋅ ( K P0 + K P1 ) ⎠ ⎝0 1⎠ ⎝ s + K IB ⋅ ( K P1 + K P2 )
−K IB ⋅ K P1
−K IA ⋅ K P2
s + K IA ⋅ ( K P0 + K P1 )
a = K IB ⋅ ( K P1 + K P2 ) = 1 b = K IB ⋅ K P1 = 1
=
s+a
−b
−c
s+d
=0
bar 1 ⎛ kg/s kg/s ⎞ 1 ⋅ ⋅⎜ 0,1 + 0,1 ⎟= 0, 2 = d kg/s s ⎝ bar bar ⎠ s
bar 1 kg/s 1 ⋅ ⋅ 0,1 = 0,1 = c kg/s s bar s
114
8 Zustandsdarstellung
Die Determinante wird ausmultipliziert: s 2 + (a + d ) ⋅ s + (a ⋅ d − b ⋅ c) = 0 Æ s1,2 =−
⎛ a + d ⎞2 a+d ± ⎜ ⎟ + (b ⋅ c − a ⋅ d ) = α ± ω ⎝ 2 ⎠ 2
Für die beiden Größen α und ω ergibt sich: 1 1 0, 2 + 0, 2 a+d s s =−0, 2 1 α =− =− 2 2 s 2 ⎛ 1 1⎞ 0, 2 0, 2 + ⎜ ⎟ ⎛ a+ d ⎞ ⎛ 1 1⎞ ⎛ 1 1⎞ 1 1 s s ⎟ +⎜ 0,1 ⋅ 0,1 ⎟−⎜ 0, 2 ⋅ 0, 2 ⎟= 0,01 2 =0,1 ω= ⎜ ⎟ +(b ⋅ c− a ⋅ d ) = ⎜ ⎝ 2 ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ 2 s s s s s s ⎜ ⎟ ⎝ ⎠ 2
Daraus ergibt sich für die Pole: 1 1 1 1 s1,2 =−0, 2 ± 0,1 → s1 =−0,1 und s2 =−0,3 s s s s
Das Ergebnis entspricht 2 Polen auf der reellen Achse in der imaginären Ebene (Bild 8-10).
jw 0,2 1/s a
Bild 8-10 Pole der charakteristischen Gleichung, dargestellt in der imaginären Ebene
Für die Modellbildung benötigt man die beiden beschreibenden Zeitkonstanten der P-T2Strecke: TA =−
1 1 = 10 s ; TB =− = 3,3 s . s1 s2
Daraus ergibt sich:
T02 = TA ⋅ TB
; T1 = TA + TB .
1 T T + TB 13,3 s D= ⋅ 1 = A = = 1,15 ; d. h. aperiodisches Verhalten. 2 T0 2 ⋅ TA ⋅ TB 2 ⋅ 33,3 s 2
115
II Ermittlung von Kennwerten Bei der Analyse von Regelsystemen unterscheidet man zwei Methoden: • theoretische Analyse / physikalische Modelle • experimentelle Analyse / parametrische Modelle Nachdem im Abschnitt I die mathematische Modellierung mit Hilfe von physikalischtechnischen Gesetzen im Vordergrund stand, sollen im Folgenden die in den Modellgleichungen enthaltenen Kennwerte experimentell bestimmt werden. Das Ziel der experimentellen Analyse ist es, aus gemessenen Antwortfunktionen von Zustands- und Ausgangsgrößen Modellstrukturen und statische sowie dynamische Kennwerte des untersuchten Regelsystems oder andere Teile eines Regelkreises zu ermitteln. Dies wird in der Praxis auch Identifikation genannt. Es gibt eine Vielzahl von Analysemethoden, die sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten klassifizieren lassen: • Identifikation durch ein Testsignal, das den Prozess gezielt stört • Parameterermittlung für ein vorgegebenes Modell aus dem stochastischen Verlauf • Strukturerkennung. Das am häufigsten eingesetzte Testsignal ist der Eingangssprung. Anhand des Vergleichs des Messschriebes mit klassifikatorischen Merkmalen kann auf ein strukturelles Modell zur Beschreibung dieses Verhaltens geschlossen werden. Aus dem Messschrieb lassen sich typische Verläufe entnehmen. Dann ist es das Ziel der Kennwertbestimmung, aus dem gemessenen Verhalten der Anlage die Werte der Kennwerte für die beste Annäherung zwischen parametrischen Modell und Realität zu finden. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Messwerte grundsätzlich stochastischen Charakter aufweisen, d.h. einer Verteilung durch zufällige Fehler unterliegen. Wenn hier mit Mittelwerten gerechnet wird, so erleichtert dies die Lösung des regelungstechnischen Problems. Ablauf der experimentellen Analyse: • Die untersuchten Ein- und Ausgangsgrößen müssen messtechnisch erfasst werden. • Es werden nur lineare oder linearisierte Systeme untersucht, d. h. Modelle mit konstanten Parametern. • Die nachgebildeten Modelle werden als zeitinvariant angesehen. • Für den zeitlichen Verlauf der Eingangsgröße wird eine Testfunktion, bevorzugt ein Eingangssprung, gewählt (Kapitel 7.1). Das Ergebnis ist ein mathematisches Modell, das grundsätzlich die Struktur der Fundamentalgleichung hat: (n)
an ⋅ x +...+ a2 ⋅x + a1 ⋅ x + a0 ⋅ Δ x (t ) = ( m)
(k )
= b0 ⋅ Δ y (t ) + b1 ⋅ y + b2 ⋅y + ...+ bm ⋅ y + c0 ⋅ Δ z (t ) + c1 ⋅z + ... + ck ⋅ z
116
II Ermittlung von Kennwerten
In dieser Gleichung können einzelne oder mehrere Parameter ai, bi, ci den Wert „0“ annehmen. Es handelt sich um virtuelle Parameter. Die im Inneren des Systems auftretenden Zustandsgrößen werden hier nicht zur Ermittlung des mathematischen Modells herangezogen, da sie meist nicht messbar sind. Eine wesentliche Frage zu Beginn der messtechnischen Ermittlung von regelungstechnischen Kennwerten ist die geforderte Genauigkeit für den Verwendungszweck. Wenn die Parameter zur optimalen Einstellung von Reglern verwendet werden, ist oft eine graphische Auswertung ausreichend. Wird das Modell für die Auslegungssimulation verwendet, wird höchste Genauigkeit gefordert. Störgrößen begrenzen oft die zur Verfügung stehende Messzeit: • Aus betrieblichen Gründen kann das zu untersuchende System nur eine bestimmte Dauer in einem auswertbaren Zustand gehalten werden. • Sicherheitstechnische Begrenzer schalten oft die Anlage ab, ehe ein Beharrungszustand erreicht wurde. • Eine weitere Begrenzung der Messdauer kann bei digitalen Systemen durch die Speicherkapazität des Messdatenspeichers bei gefordert hoher Abtastzeit entstehen. Die durch Messgeräte entstehenden Messfehler sind in der Regel wesentlich kleiner als die durch nicht vermeidbare Störsignale verursachten Fehler, erkennbar als Rauschen des Messsignals. Bei direkten Messverfahren (open loop) ermittelt man das Systemverhalten direkt aus dem gemessenen Verlauf der Eingangs- und Ausgangsgrößen. Dabei werden die Signale oft geglättet, um das Rauschen zu eliminieren. Bei größeren Störungen muss über ein gesondertes Verfahren das Nutzsignal von unerwünschten Störsignalen getrennt werden.
117
9 Übersicht über Regelstrecken Gerätetechnisch betrachtet ist die Regelstrecke der Anlagenteil zwischen Stellort, Einwirkung der Störgröße und Messort. Dabei soll der Verlauf der Stellgröße den Einwirkungen der Störgröße entgegenwirken. Betrachtet man die Regelstrecke als Einheit, genannt erweiterte Regelstrecke, dann können modellhaft Stellgröße und Störgröße als am Regelstreckeneingang wirkend angesehen werden (Bild 9-1).
Erweiterte Regelstrecke
Störgröße z in %
Regelgröße x in %
(einheitenfreies Modell) Stellgröße y in % Bild 9-1 Blockdarstellung einer zu untersuchenden Regelstrecke als einheitenfreies Modell
Signalform
Signalbereich
SE (einheitenfrei)
0 bis 100 %
pneumatisch
0,2 bis 1 bar
eingeprägte Gleichspannung
0 bis 10 V
eingeprägter Gleichstrom
4 (0) bis 20 mA
9.1 Analyse des Verhaltens von Regelstecken Die Regelstrecke ist in der Regel fest vorgegeben und lässt sich bei der Inbetriebnahme in Hinblick auf ein optimales Regelverhalten nur geringfügig verändern. Bei der Analyse von Regelstrecken unterscheidet man zwei grundsätzliche Arten: x Stellverhalten x Störverhalten
x = f (y, t) x = f (z, t).
Das Stellverhalten der Regelstrecke lässt sich über den Handbetrieb testen. Bei den im Maschinen- und Anlagenbau häufigsten Strecken verwendet man als Testfunktion einen Eingangssprung. Man stellt dazu das Stellglied auf Handbetrieb so ein, dass die Regelgröße im Bereich eines vorher festgelegten Arbeitspunktes liegt und wartet den Beharrungszustand ab. Dann verändert man die Stellgröße per Hand sprunghaft um einen definierten Wert, z. B. ' y ≈ 10 % , und beobachtet den Zeitverlauf der Regelgröße (Bild 9-2).
118
9 Übersicht über Regelstrecken 30
x,y %
25
x(t)
20
15
y(t) D
y
10
y0 x0
5 0 0
t0
10
20
30
40
50
t/s
60
Bild 9-2 Stellverhalten einer Regelstrecke
Jeder Regelstreckentyp zeigt dann ein spezielles Verhalten. Vom Charakter her können zwei verschiedene Kennwerteigenschaften unterschieden werden: x statische Kennwerte für t Æ f, z. B. Proportionalbeiwert, Kennlinie, ... x dynamische Kennwerte, z. B. Zeitkonstanten, Totzeit, ... Das Störverhalten wird meist vom Nutzerverhalten geprägt. Deren Eingriffsgrößen können nur selten gemessen werden. Deshalb ist aus dem Regelgrößenverlauf rückwärts auf die Störgröße zu schließen. Dies geschieht, indem man die Auswirkung einer möglichst konstanten Störgröße durch eine gegengeschaltete Stellgröße kompensiert (Bild 9-3).
z %
Störventil
m. ab in kgs
y %
h cm Stellventil
Regelstrecke m. zu in kgs
Messeinrichtung
x %
… Zufluss oder Abfluss eines Wasserspeichers; h … Wasserstand m Bild 9-3 Wasserstands-Regelstrecke als Beispiel für den realen Eingriff von Stell- und Störgröße
9.2 Komponenten der Regelstrecke Die Regelstrecke ist der Teil des Regelkreises, welcher in geeigneter Form beeinflusst werden soll. Neben den Apparaten bzw. der Anlage, in denen die physikalische Regelgröße erzeugt wird, gehören zur erweiterten Regelstrecke auch noch Messgeräte und Stellgeräte. In Sonderfällen wird die Analyse auf Teile der Regelstrecke begrenzt, z. B. auf die Messeinrichtung oder auf die Stelleinrichtung (Bild 9-4).
9.3 Klassen von Regelstrecken
y/% Stellungsregler
Stellungsantrieb
Stelleinrichtung
119
Sensor
Stellgerät
Zeitverhalten der eigentlichen Regelstrecke
Messumformer
x/% Wandler
Messeinrichtung
Bild 9-4 Bauliche Komponenten einer Regelstrecke
9.3 Klassen von Regelstrecken In der Regelstreckenübersicht von Bild 9-5 sind typische Sprungantworten dargestellt. Die erweiterte Regelstrecke besitzt folgende klassifikatorische Merkmale: x Strecke mit Ausgleich (P-Verhalten, beschrieben durch den Kennwert KPS) x Strecke ohne Ausgleich (I-Verhalten, beschrieben durch den Kennwert KIS) x schwingend oder nicht schwingend. Zur Schwingung ist mindestens ein schwingungsfähiges System (z. B. Feder-MasseDämpfung) in der Regelstrecke notwendig. Das Schwingungsverhalten wird durch die Kennwerte Dämpfungsgrad D und die Schwingungsperiode W beschrieben, aus denen sich die Kennzeitkonstanten T0 und T1 ermitteln lassen. x mit oder ohne Totzeit. Die Totzeit ist die Signallaufzeit vom Stellort bis zum Messort innerhalb der Regelstrecke. Dabei darf das Totzeitglied nicht durch eine Parallelschaltung überbrückt werden. x verzögerungsarm oder verzögerungsbehaftet bei P-Strecken verzögerungsarm ohne Zeitkennwerte bei P-Strecken mit Verzögerung 1. Ordnung beschrieben durch die Zeitkonstante T bei P-Strecken mit Verzögerung höherer Ordnung (ab 2. Ordnung) beschrieben durch die Verzugszeit Tu und die Ausgleichszeit Tg; daraus lassen sich die Ordnung n der Regelstrecke und gleich große Zeitkonstanten Ti ermitteln bei I-Strecken verzögerungsarm ohne Zeitkennwert bei I-Strecken mit Verzögerung höherer Ordnung (ab 1. Ordnung) beschrieben durch die Zeitkonstantensumme 6Ti .
120
9 Übersicht über Regelstrecken
Bild 9-5 Übersicht über das Zeitverhalten von Regelstrecken
9.4 Strecken mit oder ohne Rückwirkung Das statische Verhalten von Regelstrecken kann nur für solche Systeme angegeben werden, die mehrere Beharrungswerte der Regelgröße innerhalb des Messbereichs der Regelgröße haben, also für Strecken mit proportionalem Verhalten (P-Verhalten). Unter messtechnischen Gesichtspunkten werden alle übrigen Strecken zu integrierenden Systemen gezählt, auch wenn sie von der Struktur her proportionales Verhalten zeigen. Dies soll an einem Wasserspeicher in unterschiedlicher Ausführung erläutert werden (Bild 9-6). Bei dem Wasserspeicher in Bild 9-6a bleibt der Abfluss durch eine Kreiselpumpe mit konstan ab konstant. Ein Unterschied zwischen Zufluss und Abfluss ' m =m zu − m ab tem Durchsatz m führt zu einem zeitlich konstanten Anstieg oder Abfall des Wasserstandes, bis der Behälter leer läuft oder überfließt. Dieser Speicher zeigt integrierendes Verhalten (I-Verhalten).
9.4 Strecken mit oder ohne Rückwirkung
a) I-Verhalten
b) P-Verhalten
121
c) partielles I-Verhalten
Bild 9-6 Beispiele von Wasserspeichern mit gleichem Volumen
ab vom Wasserstand ab. Ein AnBei dem Wasserspeicher in Bild 9-6b hängt der Abfluss m stieg des Wasserstandes durch Zunahme des Zuflusses führt zu einer Vergrößerung des Abflusses. Bei kleinen Differenzen zwischen Zu- und Ablauf kommt es durch diese Rückwirkung zu einem neuen Beharrungszustand im Behälter. Dieser Speicher zeigt Proportionalverhalten (P-Verhalten). Im Prinzip zeigt der Wasserspeicher in Bild 9-6c das gleiche Verhalten wie Speicher b. Nur stellt sich der Beharrungszustand theoretisch außerhalb der Behälterhöhe ein. Da dieser Speicher sich zwar proportional verhält, innerhalb der Behälterhöhe jedoch einen nahezu linearen Anstieg zeigt (Rückwirkung vernachlässigbar klein), spricht man hier von partiellem I-Verhalten.
122
10 Statisches Verhalten von Regelstrecken Das statische Verhalten von Regelkreiskomponenten wird durch Kennlinien und den dort ablesbaren Proportionalwerten beschrieben. Der Proportionalwert wird berechnet aus der Änderung der Ausgangsgröße Δv(t) und der Eingangsgrößenänderung Δu(t) im Beharrungszustand. Im Beharrungszustand verschwinden alle zeitlichen Ableitungen von u und v in der Fundamentaltgleichung der Regelungstechnik.
v = 0; v = 0; ! ; u = 0; u = 0; ! → Δ vB = K P ⋅ Δ uB Das statische Verhalten wird grafisch dargestellt durch die Kennlinie. Bei der Ermittlung der Kennlinie ist der Zeitverlauf von einem Beharrungszustand zum nächsten ohne Bedeutung. Wichtig ist nur der jeweilige Beharrungspunkt selbst. Dazu hält man die Eingangsgröße U konstant und wartet ab, bis sich auch die Ausgangsgröße V nach hinreichend langer Zeit nicht mehr ändert. Bei proportionalem Verhalten bedeutet dies, dass die Ausgangsgröße einen definierten Wert annimmt. Die Kennlinie ist eine Aneinanderfügung vieler Beharrungszustände, sie kann also nicht „durchfahren“ werden. Vereinbarungsgemäß wird die Ausgangsgröße V über der konstanten Eingangsgröße U aufgetragen (Bild 10-1).
Bild 10-1 Kennlinien eines Regelsystems
Geht man vom Beharrungswert der Sprungantwort einer Regelstrecke mit P-T1-Verhalten aus, so ergeben sich messtechnisch zwei Beharrungszustände, der Betriebspunkt 0 vor dem Sprung und der Beharrungswert 1, nachdem sich durch die Wirkung des Eingangssprungs Δy ein neuer Beharrungswert ΔxB eingestellt hat (Bild 10-2). Der Proportionalwert KP kann aus den Differenzen der Kennlinie zwischen Betriebspunkt 0 und Betriebspunkt 1 berechnet werden nach KP =
Δ xB Δy
123
Bild 10-2 Zeitverhalten und Kennlinie (Ausschnitt) einer P-T1-Strecke
Die Kennlinie eines linearen Systems ist eine Gerade. Da jedoch lineare Kennlinien selten sind, hilft man sich, indem man eine nichtlineare Kennlinie in einem Betriebspunkt durch eine Gerade angleicht. Diesen Vorgang nennt man Linearisierung (Bild 10-3). Der mit der Linearisierung verbundene Fehler ist bei kleinen Änderungen der Eingangsgröße meist vernachlässigbar. Im Bedarfsfall wird bei messtechnischer Analyse eine abschnittsweise Linearisierung durchgeführt.
Bild 10-3 Linearisierung einer nichtlinearen Kennlinie (BP = Betriebspunkt)
124
10 Statisches Verhalten von Regelstrecken
Ist die Kennlinie in grafischer Form gegeben, so wird eine Tangente in einem Betriebspunkt BP gezeichnet. Die Tangente gibt die Steigung der Kennlinie im Betriebspunkt an, entspricht also der ersten Ableitung der Ausgangsgröße nach der Eingangsgröße. KP =
∂v ∂u
oder Tangente
KP =
Δv Δu
Sekante
Die lineare Näherung wird damit: V = V0 + K P ⋅ Δ u Geht die linearisierte Kennlinie durch den Nullpunkt, dann gilt V0 = 0. Liegt die Kennlinie in Tabellenform vor, z. B. durch eine Reihe von Messwerten, wird für die Linearisierung die Sekante benutzt. Dies ist grafisch in Bild 10-3 dargestellt. Die Steigung berechnet sich nach KP =
V1 − V0 Δv = U1 − U 0 Δ u
Legt man an verschiedene Punkte einer nichtlinearen Kennlinie je eine Tangente an (Bild 104), ermittelt daraus die zugehörigen Proportionalwerte und trägt diese über der Eingangsgröße U auf, dann kann man die Abhängigkeit der Proportionalwerte vom aktuellen Betriebspunkt ablesen. Bei linearisiertem Proportionalwert ergibt sich eine horizontale Gerade. K P,lin =
K p1 + K P 2 + K P3 3
K p3 =
K p2 = K p1 =
= konst.
Δ v3 Δ u3
Δ v2 Δ u2
Δ v1 Δ u1
K p = konst. K p = f (u )
Bild 10-4 Anhängigkeit der Proportionalwerte eines Regelsystems von der Eingangsgröße U
125 Sind mehrere Eingangsgrößen vorhanden, z. B. in Bild 10-5 eine Störgröße und eine Stellgröße, so müssen auch mehrere Proportionalbeiwerte durch partielle Differentiation der Funktion nach den Eingangsgrößen bestimmt werden. K P1 =
∂v ∂u1 BP
K P2 =
∂v ∂u2 BP
Für jede Eingangsgröße wird eine eigene Kennlinie benötigt. Die einzelnen Proportionalbeiwerte können unterschiedliche Dimensionen haben, wenn auch die Eingangsgrößen Ui physikalisch unterschiedlich sind.
zu m
Bild 10-5 Vereinfachtes Gerätefließbild und Wirkungsplan einer P-T1-Strecke
Bild 10-6 Kennlinienschar einer P-T1-Strecke mit Stellverhalten und Störverhalten
ab m
126
10 Statisches Verhalten von Regelstrecken
Bei zwei wirkenden Eingangsgrößen in einer Regelstrecke, hier Zufluss- und Abflussventil für einen Behälter, entsteht eine Kennlinienschar (Bild 10-6). Für jede einzelne Kennlinie der Kennlinienschar ergibt sich ein Proportionalwert: K Py =
Δ xBy Δy
K Pz =
zi
Δ xBz Δz
yi
Wenn Stellventil und Störventil gleich groß sind, dann können diese Proportionalwerte durch Mittelwertbildung zu einem linearisierten Proportionalwert zusammengefasst werden.
10.1 Kennlinien von Regelstreckenkomponenten Besteht ein Regelsystem aus mehreren Bauteilen, so kann für jede einzelne Systemkomponente mindestens eine Einzelkennlinie gezeichnet werden. Dazu müssen jedoch die Zwischengrößen messtechnisch verfügbar sein. Nehmen wir z. B. ein System aus Komponenten, so ergeben sich daraus Kennlinien mit Proportionalwerten. Übersichtlich lassen sich die Kennlinien mehrerer Komponenten mit Hilfe der Vier-Quadranten Methode darstellen (Bild 10-7).
K p3 =
K p2 =
Δv Δ x2
Δ x2 Δ x1
K p1 =
Δ x1 Δu
Bild 10-7 Schematische Darstellung von Kennlinien mit Hilfe der Vier-Quadranten-Methode
Im 1. Quadranten des rechtwinkligen Koordinatensystems wird die Kennlinie des Gesamtsystems eingetragen, gefolgt von den Einzelkennlinien der Komponenten im Uhrzeigersinn. Treten mehr als 3 Teilkennlinien auf, so können bis zu 4 Kennlinien auch in den Achsen aufgetra-
10.1 Kennlinien von Regelstreckenkomponenten
127
gen werden, wobei die Eingangsgröße links auf einer Achse, die Ausgangsgröße rechts aufgetragen wird. Der Betriebspunkt eines Systems mit seinen Teilwerten liegt auf Ordnern (gestrichelte Linien in Bild 10-7), die senkrecht auf den Achsen stehen. Aus der Steigung der jeweiligen Kennlinie lässt sich der zugehörige Proportionalwert ermitteln. K P1 =
Δ x1 Δu
K P2 =
Δ x2 Δ x1
K P3 =
Δv Δ x2
Der KP-Wert des Gesamtsystems KPS ergibt sich durch Multiplikation der einzelnen KP-Werte: K PS = K P1 ⋅ K P 2 ⋅ K P3 =
Δ x1 Δ x2 Δ v Δv ⋅ ⋅ = Δ u Δ x1 Δ x2 Δ u
Übungsaufgabe 10.1 Kennlinien einer Druckregelstrecke Ein Druckluft-Pufferspeicher wird aus einem konstanten Netz mit p0 = 9 bar gespeist (Bild 10-8).
(1) (2) (3) (4) (5)
Stellventil, Nennhub 20 mm pneumatischer Stellantrieb Stellungsregler Druckluftbehälter Abflussventil
Bild 10-8
(6) (7) (8) (9)
Störventil Durchflussmesser, Angabe in l/s Luft Druckmessstelle im Behälter in bar Messumformer
Gerätefließbild eines Druckluftspeichers
Der Druckluftzufluss wird über ein lineares Stellventil (1) mit pneumatischem Stellantrieb (2) und Stellungsregler (3) dosiert und strömt in den Druckluftbehälter (4). Das Abflussventil (5) ist so eingestellt, dass der Druck im Behälter je nach Stellung des Stellventils 0 bis 9 bar beträgt. Über das Störventil (6) können Druckluftverbraucher simuliert werden.
128
10 Statisches Verhalten von Regelstrecken
a) Ermitteln Sie die Kennlinien des Stellgerätes Ausgehend von diesem Betriebspunkt wird die Stellgröße y verstellt. Im Beharrungszustand ergeben sich die Messwerte nach Tabelle 10-1. Tabelle 10-1
Nr.
y
Messwerte von Einzelkennlinien der Anlage in Bild 10-8.
H
V
p1
x
mm
l/s
hPa
%
0
50
15,0
1,18
600
50,0
1
58
17,5
1,34
770
71,5
2
65
19,5
1,49
940
92,0
3
54
16,3
1,26
680
60,5
4
42
12,7
1,01
450
31,0
5
35
10,5
0,88
330
16,0
6
29
8,7
0,76
240
5,0
Mit Hilfe der Vierquadrantenmethode werden die Einzelkennlinien und die Kennlinie der erweiterten Regelstrecke eingetragen (Bild 10-9).
Bild 10-9 Kennlinien der Druckluftanlage nach der Vier-Quadranten-Methode
10.1 Kennlinien von Regelstreckenkomponenten
129
Folgende Kennlinien sind in Bild 10-9 eingetragen: a) erweiterte Regelstrecke x = f (y) d) Druckbehälter p1 = f (V ) b) Stellantriebs H = f (y) e) Messumformers x = f (p1) c) lineares Ventils V = f ( H ) Mit Hilfe der Vierquadrantenmethode werden die Einzelkennlinien einer Regelstrecke übersichtlich dargestellt. Zusätzlich kann eine fehlende Kennlinie grafisch ermittelt werden. Da in der Messwerttabelle alle Messwerte eingetragen sind, ist dies hier nicht notwendig. In den ersten Quadranten der Vierquandranten-Darstellung wird die dimensionslose Kennlinie der erweiterten Regelstrecke eingetragen, also die Regelgröße x über die Stellgröße y. Diese Kennlinie ist nicht linear. Die Nichtlinearität wird verursacht durch die Behälterkennlinie, die sich wie p1 ~ V 2 verhält (Bild 10-9). Sowohl die Kennlinie des Stellantriebs als auch die Kennlinie des Ventils sind linear. Die Ventilkennlinie zeigt einen gerätebedingten Anlaufwert von theoretisch 0,1 l/s. Der Druck im Behälter wird direkt als Einheitssignal verwertet. Deshalb ist die Kennlinie des Messumformers an der Achse abgetragen. Die Regelgröße x beträgt 0 % bei 0,2 bar. Da der Druck im Behälter auch unter 0,2 bar fallen kann, kann die Regelgröße x auch negative Werte annehmen. b) Bestimmen Sie grafisch den Proportionalbeiwert der erweiterten Regelstrecke KPSE für verschiedene Stellgrößen Y und tragen Sie diese in ein Diagramm KPSE = f (Y) ein. Der Proportionalbeiwert der erweiterten Regelstrecke kann aus dem Steigungsdreieck für die jeweilige Tangente an die Kennlinie Bild 10-9 ermittelt werden: K PSE =
Δx Δy
Für verschiedene Stellgrößen Y ergeben sich wegen der Nichtlinearität der Stellgröße unterschiedliche Proportionalbeiwerte (Tabelle 10-2). Tabelle 10-2 Berechnete Proportionalwerte der Kennlinie der erweiterten Regelstrecke
Y
Δx
Δy
%
%
%
50
20
8
2,50
60
20
7
2,86
40
20
9
2,22
30
20
11
1,82
KPSE
Diese Proportionalbeiwerte KPSE werden in Bild 10-10 über der Stellgröße Y aufgetragen. Durch die Ergebnispunkte kann eine Ausgleichsgerade gelegt werden. Der Verlauf einer solchen Geraden ist bei streuenden Punkten oft schwierig zu schätzen. Genauere Ergebnisse liefert die mathematisch-statistische Ermittlung der Regressionsgeraden: X a = X a 0 + m ⋅ X e .
130
10 Statisches Verhalten von Regelstrecken
Für i = 1 bis n Wertepaare Xei und Xai lässt sich eine lineare Funktion angeben, bei der dieSumme der Abstandsquadrate der Geraden von den Ergebnispunkten minimal wird. Die Koeffizienten sind: n
⎤ 1⎡ X a 0 = ⎢ ∑ X ai − m ∑ X ei ⎥ und m = n⎣ i=1 ⎦ i=1 n
n
n
n
i=1
i=1
n ⋅ ∑ ( X ei ⋅ X ai ) − ∑ X ei ⋅ ∑ X ai i=1
⎛n ⎞ n ⋅ ∑ X ei2 −⎜ ⎜ ∑ X ei ⎟ ⎟ ⎝ i=1 ⎠ i=1 n
Bild 10-10 Auftragung der KPSE-Werte aus der Kennlinie Bild 10-9 über der Stellgröße Y
Tabelle 10-3 Rechenergebnis für die Koeffizienten der Geradengleichung
i
–
Xei = Yi 2
1
2
3
4
Summe i = 1 bis 4
50
60
40
30
180
Yi
%
2500
3600
1600
900
8600
Xai = KPSEi
–
2,50
2,86
2,22
1,82
9,40
Xei ⋅ Xai
%
125,0
171,6
88,8
54,6
440
10.1 Kennlinien von Regelstreckenkomponenten
131
Es ergibt sich: m=
4 ⋅ 440 − 180 ⋅ 9, 40 1 = 0, 034 2 % 4 ⋅ 8600 − 180
und
1 X a 0 = [9, 4 − 0, 034 ⋅180] = 0,82 4
Diese Ausgleichsgerade läuft durch den Arbeitspunkt mit K PSE = X a 0 + m ⋅ X ei = 0,82 + 0,034
1 ⋅ 50% = 2,52 bei y = 50 % %
und hat die Steigung m=
0,34 . 10 %
Die Kennlinie des Behälters ist wegen des Ausflussgesetzes p ~ V 2 eine Parabel. Da die Nichtlinearität der Kennlinie der erweiterten Regelstrecke nur durch die Parabelform der Behälterkennlinie verursacht wird, ist auch diese Kennlinie parabelförmig. Die Ableitung einer quadratischen Gleichung (Parabel) ergibt eine Gerade. Da der Proportionalbeiwert KPSE die erste Ableitung der Kennlinie über der Stellgröße darstellt, muss auch KPSE aufgetragen über Y eine Gerade ergeben. Diese Regressionsgerade ist also im Rahmen der Messgenauigkeit eine physikalisch plausible Darstellung. Linearisierung würde bedeuten, dass im gesamten Bereich der Stellgröße Y ein konstanter KPSE-Wert gilt. Für den Betriebspunkt ergibt sich aus dem Bild 10-10: KPSE = 2,52 bei X0 = Y0 = 50 %. Rechnen wir mit einem linearen Modell, d. h. KPSE = konstant ≠ f (Y), dargestellt als gestrichelte Linie in Bild 10-10, so liefert das Modell für Y < 50 % größere Werte der Regelgröße X als Messwerte, für Y > 50 % kleinere Werte X (alle Werte im Beharrungszustand). Δ xB = K PSE ⋅ Δ y mit
X = X 0 + Δ xB
Der Modell-Fehler wird umso größer, je größer die Entfernung vom Betriebspunkt ist. c) Vergleichen Sie das Ergebnis von b) mit berechneten Proportionalbeiwerten KPSE, die aus der Messwerttabelle bestimmt werden. Tragen Sie diese Werte in Bild 8.8 ein. Der KPSE-Wert, der sich für einen positiven Sprung von Y = 50 % auf Y = 58 % ergibt, muss gleichgroß dem negativen Sprung von Y = 58 % auf Y = 50 % sein. Grafisch werden solche Differenzen von Tabellenwerten als Sekanten dargestellt (Bild 10-11). Bei Computerauswertungen wird immer das Sekantenverfahren verwendet. Bei gleichmäßiger Krümmung wird der Proportionalbeiwert K PSE =
Δx Δy
über dem Mittelwert der Stellgröße Y + Yn+1 Ym = n aufgetragen. 2
Für die Werte aus Tabelle 10-1 ergibt sich folgendes Rechenergebnis in Tabelle 10-4.
132
10 Statisches Verhalten von Regelstrecken
Bild 10-11 Qualitativer Vergleich der KP-Wert-Ermittlung durch Sekante bzw. Tangente
Tabelle 10-4 Nach der Sekantenmethode berechnete Proportionalwerte (aus Tabelle 10-1)
Y %
X %
Δy %
Δx %
Ym %
KPSE
50
50,0
–
–
–
–
58
71,5
8
21,5
54,0
2,69
65
92,0
7
20,5
61,5
2,93
54
60,5
11
31,5
59,5
2,86
42
31,0
12
29,5
48,0
2,46
35
16,0
7
15,0
38,0
2,14
29
5,0
6
11,0
32,0
1,83
Die KPSE-Werte sind mit *-Zeichen in Bild 10-10 eingetragen. d) Bestimmen Sie im Betriebspunkt die Proportionalwerte der Einzelkennlinien und berechnen Sie daraus den KPSE-Wert der erweiterten Regelstrecke. Vergleichen Sie diesen Wert mit dem KPSE-Wert aus Bild 10-10. Zunächst werden an die Einzelkennlinien Bild 10-9 im Betriebspunkt die Tangenten gezeichnet. Aus dem Steigungsdreieck lässt sich dann der jeweilige Proportionalwert bestimmen. Der KP-Wert der erweiterten Regelstrecke ist dann das Produkt der einzelnen KP-Werte von allen Einzelgliedern, also K PSE = K PA ⋅ K PV ⋅ K PB ⋅ K PM .
10.1 Kennlinien von Regelstreckenkomponenten
133
Dieser Zusammenhang ist auch in Bild 10-12 als Reihenschaltung dargestellt. Bei einer Reihenschaltung von Regelstreckenteilen ist der gesamte Proportionalwert das Produkt der einzelnen Proportionalwerte.
Stellantrieb
Y
KPA
%
Ventil
H
KPA
mm
Vzu
Behälter
KPA
l/s
Messeinrichtung
p1 hPa
KPA
X %
Bild 10-12 Grundschaltplan der erweiterten Druckluft-Regelstrecke
Stellantrieb: ΔH = K PA ⋅ Δy → K PA =
ΔH 20 mm mm = = 0,303 Δy 66 % %
Ventil: ΔV = K PV ⋅ ΔH → K PV =
ΔV 1,38 l/s l/s = = 0, 069 ΔH 20 mm mm
Behälter: Δp1 = K PB ⋅ ΔV → K PB =
Δp1 800 hPa hPa = = 976 ΔV 0,82 l/s l/s
Messeinrichtung: Δx = K PM ⋅ Δp1 → K PM =
Δx 100 % % = = 0,125 hPa Δp1 800 hPa
Erweiterte Regelstrecke: K PSE = K PA ⋅ K PV ⋅ K PB ⋅ K PM = 0,303
mm l/s hPa % ⋅ 0, 069 ⋅ 976 ⋅ 0,125 = 2,55 % mm l/s hPa
Im Vergleich dazu der Proportionalbeiwert aus Bild 10-10: K PSE = 2,52
134
11 Stelltechnik Wenn die Eingangsgröße einer Regelstrecke mit proportionalem Verhalten konstant gehalten wird, wird die Ausgangsgröße nach hinreichend langer Zeit einen Beharrungszustand erreichen. Das Beharrungsverhalten wird meistens grafisch mit Hilfe von Kennlinien beschrieben. Die Kennlinie der erweiterten Regelstrecke wird erheblich durch dieses Stellglied beeinflusst. Durch geschickte Wahl des Stellgliedes kann die Kennlinie der erweiterten Regelstrecke linearisiert werden. Aber auch das Verhalten der Regelstrecke hat erheblichen Einfluss auf die Betriebskennlinie des Stellgliedes z. B. durch Rückwirkungen. Es ist ratsam, sich mit den Stellgeräten eingehend zu befassen, da Fehler bei ihrer Auswahl, Dimensionierung und ihrem Einbau die häufigste Ursache für eine ungenügende Arbeitsweise von Regelkreisen sind. Die meisten Teile einer Regelstrecke sind passive Glieder. Das Ausgangssignal wird allein durch den physikalischen Zusammenhang bestimmt. Am Beispiel eines Heizkörpers soll dies näher erläutert werden (Bild 11-1). Ein Raumheizkörper wird mit Heizwasser der konstanten Vorlauftemperatur versorgt. Ist kein Heizwasserstrom m zu vorhanden, so wird auch keine Wärme abgegeben. Schon eine geringe Zufuhr von Heizwasser führt zu einer erheblichen Wärmeabgabe Φab . Führt man jetzt noch mehr Heizwasser zu, so wird die zusätzliche Wärmeabgabe immer geringer. Dieser physikalische Zusammenhang wird durch die Kennlinie in Bild 11-1 beschrieben: Φab = f (m zu ) . In jeder Regelstrecke muss mindestens ein aktives Glied vorhanden sein. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass die niederenergetische Stellgröße nicht direkt das Ausgangssignal beeinflusst. Sie steuert nur den Massenstrom oder Energiefluss, der das Ausgangssignal trägt. Aktive Glieder haben die Wirkung von Verstärkern. Zur Steuerung der großen Ausgangsenergie durch die kleine Eingangsenergie wird Hilfsenergie aus einer äußeren Quelle benötigt. Diese Hilfsenergie kann als 2. Eingangsgröße angesehen werden (Bild 11-2).
ϑV = Vorlauftemperatur
ϑR = Rücklauftemperatur
m zu = Heizwasserstrom
Φab = Wärmeabgabe des Heizkörpers
Bild 11-1 Heizkörperkennlinie bei Mengenregelung
135
Φab
m zu ¹ cw ¹ (ϑV ϑR )
f (m , Δϑ )
Aktive Glieder haben mindestens zwei Eingangsgrößen. Für ihre Darstellung ist ein Kennlinienfeld erforderlich (Bild 11-3).
Bild 11-2 Beispiele für aktive Glieder
Der Verlauf der Einzelkennlinien wird durch die steuernde Größe H bestimmt. Die Form der Kennlinie ist deshalb beeinflussbar bzw. frei wählbar, z. B. durch die Form des Ventilkegels. In Bild 11-3 zeigt die Kennlinienschar gleichprozentigen Verlauf. Der Abstand der Kennlinienschar untereinander ist durch den physikalischen Zusammenhang m f ( p) bei H = konstant gegeben. Man nennt diese Kennlinie auch Drosselkennlinie. Schaltet man die gekrümmten Kennlinien aus Bild 11-1 und Bild 11-3 zusammen, so erhält man für den Heizkörper mit Ventil einen näherungsweise linearen Verlauf (Bild 11-4). Die nichtlinearen Kennlinien kompensieren sich.
Bild 11-3 Kennlinienschar eines Heizwasserventils
Bild 11-4 Kennlinie eines Heizkörpers mit Ventil
136
11 Stelltechnik
Aus regelungstechnischer Sicht haben lineare Kennlinien Vorteile. Eine Linearisierung wie sie im vorherigen Abschnitt vorgenommen wurde, ist hier nicht notwendig, eine mögliche Fehlerquelle bei der Einstellung des Reglers wird behoben. Auch für die mathematische Behandlung ist es wesentlich einfacher, wenn ein Regelkreisglied eine lineare Kennlinie besitzt. Die Steigung der Kennlinie nennt man Proportionalbeiwert KP. Er ist konstant bei einer geraden Kennlinie und variabel bei einer gekrümmten Kennlinie. Für die Berechnung ist ein konstanter Parameter günstiger als ein Parameter, der eine Funktion der Eingangsgröße ist. Wenn die Ausgangsgröße xa von zwei Eingangsgrößenänderungen xel und xe2 abhängt, so lautet die Gleichung: xa = xa 0 + K P1 ⋅ xe1 + K P 2 ⋅ xe 2
Für das Beispiel des Heizkörpers gilt: K P1
Φ ab und K P 2 H
Φ ab ; mit xe1 p
H , xe 2
p und xa
ϑ
Bei aktiven Gliedern haben wir es also immer mit partiellen Ableitungen bzw. Einzeltangenten an die Einzelkennlinien zu tun.
Bild 11-5 Aufbau von Stellgeräten (Begriffe aus VDI 2174)
Die meisten Stellgeräte, die wir in der Regelstrecke finden, sind aktive Glieder. Sie liegen oft am Eingang der Regelstrecke und steuern den Massen- oder Energiestrom. In Bild 11-5 sind einige Begriffe von Stellgeräten erläutert. Der Stellantrieb erhält seine Signale vom Regler entweder direkt oder unter Zwischenschaltung eines Übertragungsgliedes, falls die Energie des Reglersignals für eine direkte Einwirkung auf den Stellantrieb nicht ausreicht. Über das Stellgerät wird die jeweils erforderliche Anpassung des Wertes der Reglergröße x verwirklicht.
11.1 Stellantrieb
137
11.1 Stellantrieb Der Stellantrieb liefert als Ausgangsgröße einen Stellweg, der ein Hub oder ein Drehwinkel sein kann. Eingangsgröße ist das Stellsignal des Reglers. Jeder Punkt des Stellweges muss gegen äußere Kraft sicher erreicht und gehalten werden können. Der Stellantrieb muss an das dynamische Verhalten der Regelstrecke angepasst sein. In Bild 11-6 ist ein Stellantrieb für pneumatische Hilfsenergie dargestellt. Membranantriebe eignen sich für kleine Stellwege. Der vom Regler erzeugte Druck (Einheitssignal 0,2 – 1 bar bei 1,4 bar Versorgungsdruck) wirkt auf eine (Gummi-)Membran gegen eine Feder. Bauart 1 wird bevorzugt in Ablaufleitungen verwendet. Damit ist die technologisch sichere Stellung bei Ausfall der Luftversorgung gewährleistet. In Zulaufleitungen kommt Bauart 2 zum Einsatz. Bei Druckluftausfall schließt die Feder automatisch das Ventil. Die Kennlinie ist linear, wenn die Federkraft über dem Hub linear ist und die Reibungskräfte und sonstige Gegenkräfte vernachlässigbar sind. Von der Kennlinie (Bild 11-7) wird nur der lineare Teil genutzt. Konstruktiv begrenzt wird die Kennlinie durch den unteren und oberen Anschlag des Stellgliedes.
Bild 11-6 Stellantriebe mit pneumatischer Hilfsenergie
Bild 11-7 Kennlinie eines pneumatischen Stellantriebes
138
11 Stelltechnik
Der Bereich zwischen H = 0 und Hmax wird auch YH = Stellbereich genannt. Üblich sind Stellbereiche YH = 20, 30 und 50 mm. Zur Ermittlung des Proportionalbeiwertes des Stellantriebes K PA = ΔH / Δp St wird wegen der linearen Kennlinie bevorzugt der Stellbereich herangezogen: K PA
YH oder K PA 0,8 bar
YH 100 %
Stellantriebe mit hydraulischer Hilfsenergie haben folgende Vorteile: • •
Inkrompressibilität der Übertragungsflüssigkeit beliebige Verstärkung, sehr hohe Kräfte
•
gute Steuerbarkeit.
Die Nachteile: •
Übertragungslängen sind durch Druckabfall begrenzt
•
geschlossene Systeme mit Rückleitungen
•
I-Verhalten mit großer Trägheit.
Überall dort, wo große Kräfte aufzubringen sind, werden hydraulische Stellsysteme eingesetzt. Die Weiterverarbeitung geschieht jedoch meist elektrisch. Elektro-hydraulische Stellantriebe haben einen hydraulischen Antrieb mit einem als Stellungsregler wirkenden elektrischen Steuerteil. In der Verfahrenstechnik dominiert der pneumatische Stellantrieb. In der Fertigungstechnik werden heute bevorzugt elektrische Antriebe eingesetzt. Als Antriebsmotoren sind in der Praxis am weitesten verbreitet, wegen der einfachen Ansteuerung: •
selbst anlaufende, reversierbare Synchron-Kleinmotoren mit Magnet- oder Hystereseläufer für geringe Stellleistung.
•
Einphasen-Asynchronmotoren mit Kurzschlussläufer und Hilfskondensator für größere Stellleistungen.
Beide Motorenarten laufen mit konstanter Drehzahl und erfordern zur Ansteuerung ein Reglerausgangssignal mit Dreipunkt-Charakteristik.
11.2 Ventilkennlinie Das Stellglied gehört zur eigentlichen Regelstrecke. Es greift in den Prozess durch Ändern eines Massen- oder Energiestromes ein. Die wichtigsten Stellglieder sind in Bild 11-8 zusammengestellt. Das häufigste Stellglied für einen Massenstrom ist das Stellventil. Es besteht aus •
Gehäuse mit Ventilsitz
•
Ventil mit Spindel.
Einige Bauformen sind in Bild 11-9 dargestellt. Welche Bauform angewendet wird, hängt von der zu regelnden Anlage und ihrer hydraulischen Schaltung ab.
11.2 Ventilkennlinie
139
Bild 11-8 Schematische Darstellung der wichtigsten Stellglieder
Bei den hydraulischen Schaltungen unterscheidet man: •
Drosselschaltung, d. h. Beeinflussung des zugeführten Volumenstromes bei Teillast
•
Beimischschaltung, d. h. ein Teil des abgeführten Volumenstroms wird dem zugeführten Volumenstrom beigemischt
•
Verteilschaltung, d. h. bei Teillast wird ein Teil des zugeführten Volumenstroms dem Verbraucher zugeführt, ein anderer Anteil vorbeigeleitet.
140
11 Stelltechnik
Durchgangsventile a) Einsitz-Ventil b) Doppelsitz-Ventil Sp Ventilspindel S Stopfbuchse D Dichtungspackung K Ventilkgel K1 Ventilkegel K2 Ventilkegel Si Ventilsitz
Dreiwegventile c) Mischventil d) Verteilventil A Regeltor B Beimischtor, Bypasstor AB Gesamtströmung H Ventilhub, gezählt ab Schließstellung des Regeltors
Bild 11-9 Bauformen von Ventilen
11.3 Öffnungskennlinie Ventile werden gekennzeichnet durch: • • •
Form der Kennlinie maximalen Durchfluss Regelbereich (Nennhub, Stellverhältnis).
11.3 Öffnungskennlinie
141
Die Form der Kennlinie wird durch die Geometrie des Ventilkegels bestimmt. Von den beliebig vielen möglichen Kennlinienformen haben sich als besonders wichtig herausgestellt: •
lineare Kennlinie
•
gleichprozentige Kennlinie.
Üblicherweise wird bei Öffnungskennlinie der Teillastvolumenstrom auf dem maximalen Volumenstrom Vmax und der Hub H des Ventils auf den Stellbereich Yh oder H max bezogen gezeichnet (Bild 11-10), also in normierter Form. Wie kann die Öffnungskennlinie gemessen werden? Die Öffnungskennlinie ist die freie Querschnittsfläche zwischen Ventilsitz und Ventilkegel in Abhängigkeit von Hub H. Da der freie Querschnitt nicht direkt bestimmt werden kann, wird der Volumenstrom als Ersatzwert genommen. Stellventile haben als aktive Glieder zwei Eingangsgrößen: Hub H und den Differenzdruck ΔpV , gemessen direkt vor und hinter dem Ventil. Je größer der Druckabfall am Ventil, desto größer wird der Stoffstrom sein. Beim Aufnehmen der Öffnungskennlinie wird deshalb ΔpV durch einen künstlichen Widerstand in den Rohrleitungen (z. B. Drosselventil) konstant gehalten. Dargestellt als auf Maximalwert bezogene Kennlinien gehen die Kennlinien für unterschiedliche ΔpV -Werte ineinander über und wir erhalten wieder die Darstellung gemäß Bild 11-10. Die gemessene Kennlinie weicht wegen Herstellertoleranzen und konstruktiver Näherungslösungen meist von der Standardform ab.
Bild 11-10 Standard-Öffnungskennlinie von Ventilen in normierter Form
Bild 11-11 Öffnungskennlinien für verschiedene Werte ΔpV ΔpV 1 > ΔpV 2 > ΔpV 3
142
11 Stelltechnik
11.4 kV-Kennlinie Der maximale Durchfluss durch das Ventil hängt neben dem Hub H und dem Druckabfall ΔpV auch noch von dem Medium ab; je dichter das Medium, desto mehr Masse wird durch die freie Querschnittsfläche fließen. Eine mediumsabhängige Angabe des maximalen Durchflusses ist für die Auslegung bzw. Auswahl des Ventils unübersichtlich. Man hat deshalb Einheitsbedingungen festgelegt, den Durchflusswert kV. Dieser kV-Wert ist ein Zahlenwert, der angibt, welcher Durchfluss in m3/h von kaltem Wasser (p = 1000 kg/m3 bei 5 °C bis 30 °C) bei einem Differenzdruck ΔpV = 1 bar und bei dem jeweiligen Hub H durch das Stellventil hindurch geht: kV = f (H). Wird das Stellventil in eine Anlage eingebaut, so wird nur in Sonderfällen der Differenzdruck ΔpV = 1 bar vorhanden sein. Das tatsächlich strömende Medium wird auch eine andere Dichte, als in den Einheitsbedingungen gefordert, besitzen. Bei einer Strömung durch eine Verengung entsteht der Druckverlust Δp , der dem Quadrat des Durchflusses V und der Dichte ρ proportional ist: Δp ~ ρ ⋅ V 2
Damit kann der kV-Wert auch dann berechnet werden, wenn ein anderes Medium mit der Dichte ρ * bei einem anderen Druck ΔpV * verwendet wird. kV [m3 /h] V * ¹
1[bar] ρ * [kg/m3 ] Δ pV* [bar] 1000 [kg/m3 ]
Trägt man für ein Ventil mit einer linearen Kennlinie (lineares Ventil) die kV-Werte über den relativen Hub H / H100 auf bzw. trägt man die aus den gemessenen Durchflüssen umgerechneten kV-Werte auf, so ergibt sich die Messkurve in Bild 11-12. Die Ausgleichsgerade durch diese Messwerte wird „Grundform" genannt. Mit dieser Grundform der kV-Kennlinie wird das Verhalten einer Bauserie beschrieben, die Messkurve des realen Ventils zeigt fertigungstechnische oder messtechnische Abweichungen. Die Grundform der kV-Kennlinie wird durch zwei definierte Punkte festgelegt: •
Der kVS-Wert ist der Soll-kV-Wert einer Bauserie bei Nennhub Hl00 (= 100 % Öffnung) des Stellventils.
•
Der kV0-Wert ist der theoretische kV-Wert, den die Grundform bei H0, also bei geschlossenem Ventil, erreicht.
Auch für ein gleichprozentiges Ventil erhält man die beiden Bestimmungsgrößen kVS und kV0. Dazu wird der logarithmische Wert von kV über dem linearen Hub H aufgetragen. Dann verläuft auch diese Kennlinien-Grundform grafisch linear von kV0 bis kVS.
11.4 kV-Kennlinie
143
Bild 11-12 Gemessene kV-Kennlinie und Grundform
Das Verhältnis von kVS zu kV0 bezeichnet man als theoretisches Stellverhältnis: S th
kVS . kV0
Bei pneumatisch gestellten Ventilen ist ein Verhältnis Sth = 25 oder 50 üblich. Ein großes Stellverhältnis bedeutet, dass das Ventil in seinem Nennbereich Yh = Hl00 eine große Steigung hat. Der Proportionalbeiwert KP eines linearen Ventils ist konstant.
11.4.1 Lineares Ventil: KP = konstant Die lineare kV-Kennlinie ist dadurch gekennzeichnet, dass zu gleichen Hubänderungen ΔH gleiche Änderungen des kV-Wertes gehören:
ΔkV ΔH
konst.
tan α
Die Gleichung lautet: kV kVS
kV0 È kV0 Ø H 1 ¹ kVS ÉÊ kVS ÙÚ H100
144
11 Stelltechnik
11.4.2 Gleichprozentiges Ventil: KP = f (H). Die gleichprozentige Öffnungskennlinie ist dadurch gekennzeichnet, dass zu gleichen Hubänderungen gleiche prozentuale Änderungen des kV-Wertes gehören. Δk V / k V ΔH
konst.
Die Gleichung lautet: È
kV kVS
1
H Ø
È kV0 Ø ÊÉ H100 ÚÙ . ÉÊ k ÙÚ VS
Die Abweichung der realen Messung von der idealen Grundform wird beschrieben durch den kV100-Wert und den kVr-Wert. Der kV100-Wert ist der tatsächlich vorhandene kV-Wert bei H100. Seine Abweichung vom angegebenen kVS-Wert darf nicht mehr als 10 % von kVS betragen. Für die Stabilität eines Regelkreises ist das Durchflussverhalten in der Nähe des Schließpunktes von besonderer Bedeutung. Hier kann die Ursache einer größeren Abweichung von der erwünschten linearen Kennlinie der Regelstrecke liegen. Betrachten wir die Neigung der gemessenen Kennlinie und der Grundform, so darf diese Abweichung zwischen 10 % Hub und 100 % Hub eine festgelegte Toleranz nicht überschreiten. Der kVr-Wert ist der kleinste kV-Wert, bei dem die Neigungstoleranz noch eingehalten wird (Neigungstoleranz bis zu 30 % ). Da es mit großen versuchstechnischen Schwierigkeiten verbunden ist, den Anfangsverlauf der Kennlinie genau festzustellen, nimmt man das Mittel der Durchflusswerte bei H5 und Hl0 als kVr-Wert: kVr
kV ( H 5 ) kV ( H10 ) . 2
Mit diesen beiden Werten erhält man das tatsächliche Stellverhältnis: S
kV100 kVr
Mit diesem Kennwert wird der real nutzbare Regelbereich eines Ventils beschrieben.
11.4.3 Ventilkennzeichnung Die Ventilkennzeichnung sieht wie folgt aus:
11.4 kV-Kennlinie
145
Übungsaufgabe 11.1 Gleichprozentige Ventilkennlinie In einem Rohrleitungssystem (Bild 11-13) wird mit Hilfe eines Stellventils ein Kaltwasserstrom eingestellt. Das Wasser wird einem Windkessel mit einem konstanten Druck p0 = 3 bar entnommen. Über das direkt am Windkessel angebrachte Stellventil (1) kann der gewünschte Volumenstrom eingestellt und an einem Durchflussmesser (2) abgelesen werden. In der Rohrleitung ist ein Handventil (3) eingebaut, mit dem der Druck direkt hinter dem Ventil auf einen gewünschten Wert und damit auch der Druckabfall ΔpV am Ventil (4) eingestellt werden kann.
(1) Stellventil; (2) Durchflussmesser; (3) Handventil; (4) Druckdifferenzanzeiger am Ventil Bild 11-13 Gerätefließbild einer Durchflussregelung:
Es werden nacheinander verschiedene Stellgrößen H vorgegeben und bei jeder Stellgröße der Wasser-Volumenstrom bei einem auf 500, 1000, 2000 hPa eingestellten Druckabfall am Ventil abgelesen. Tabelle 11-1 Messwerte zur Ermittlung der Öffnungskennlinie
H
500
1000
2000
hPa
hPa
hPa
mm
1/h
1
50
75
105
2
80
120
165
4
115
170
235
6
150
220
310
8
225
320
450
10
300
420
600
12
430
610
860
14
600
850
1210
16
850
1200
1690
18
1140
1600
2260
20
1550
2200
3120
146
11 Stelltechnik
a) Zeichnen Sie die Öffnungskennlinie des Ventils Trägt man den Volumenstrom V über dem Hub H auf, so ergibt sich eine logarithmisch gekrümmte Kurve (e-Funktion). Als Parameter ist der Druckabfall am Ventil Δ pV angetragen. Je größer der Druckabfall, desto größer ist der Volumenstrom der durch das Ventil durchgesetzt wird. Nur im Bereich kleiner Öffnungen findet man eine Abweichung von der eFunktion. Aus den Verläufen der Öffnungskennlinie kann man entnehmen, dass es sich um ein gleichprozentiges Ventil handelt (Bild 11-14).
Bild 11-14 Öffnungskennlinie des gleichprozentigen Ventils
b) Zeichnen Sie die kV-Kennlinie und geben Sie die Ventilkennzeichnung an Logarithmisch gekrümmte Kurven oder e-Funktionen werden im einfach logarithmischen Maßstab zu Geraden, Parabeln und Hyperbeln im doppelt logarithmischen Maßstab. Da in der Technik häufig derartige Gesetzmäßigkeiten auftreten, ist es vorteilhaft, mit logarithmischen Maßstäben zu arbeiten. Die Gerade für ein gleichprozentiges Ventil kann dann schon aus zwei Messpunkten bestimmt werden. Der kV-Wert ist derjenige Volumenstrom in m3/h an kaltem Wasser, der bei einem Differenzdruck von 1000 hPa durch das Stellventil bei dem jeweiligen Hub hindurchgeht. Hier sind
11.4 kV-Kennlinie
147
diese Messbedingungen nur für eine Messreihe vorhanden. Der kV-Wert kann jedoch umgerechnet werden nach: kV [m3 /h] V [m3 /h] ¹
1000 hPa ρ [kg/m3 ] ¹ Δ pV [hPa] 1000 kg/m3
Daraus ergeben sich die Rechenwerte entsprechend der Tabelle 11-2. Tabelle 11-2 Berechnete kV-Kennwerte H
kV
mm
m3/h
1
0,071
0,075
0,074
2
0,113
0,120
0,116
4
0,163
0,170
0,166
6
0,212
0,220
0,219
8
0,318
0,320
0,318
10
0,424
0,420
0,424
12
0,608
0,610
0,608
14
0,849
0,850
0,856
16
1,202
1,200
1,195
18
1,612
1,600
1,598
20
2,192
2,200
2,206
Bild 11-15 kV-Kennlinie im halblogarithmischen Maßstab
148
11 Stelltechnik
Beispielrechnung: kV1 [m3 /h]
0, 05 m3 / h
1000 hPa 500 hPa
Die Tabellenwerte sind im halblogarithmischen Diagramm (Bild 11-15) aufgetragen. Zur zeichnerischen Vereinfachung sind die Normzahlen als Rundwerte nach DIN 323, Blatt 1 angetragen. Das Eintragen des gegebenen Wertes W geschieht nach folgender Formel: L [cm] = D [cm] lg (W /Z) L = Entfernung des Wertepunktes W vom Dekaden-Nullpunkt D = Dekadenlänge W = einzutragender Wert Z =Dekaden-Nullpunkt (nur 0,1; 1; 10; ...) Beispiel: Ll = 10 cm lg (1,202 / 1) = 0,8 cm Alle drei Öffnungskennlinien gehen über in eine gemeinsame Gerade, in die so genannte Grundform der kV-Kennlinie. Aus dieser Grundform lassen sich Anfangs- und Endpunkt ablesen: Das Auslesen eines gegebenen Punktes aus dem Diagramm zur Bestimmung seines Wertes W geschieht nach folgender Formel: W
Z ¹10( L [cm] / D [cm])
1¹10(3,4 /10)
2, 2
Ergebnis: kVS = 2,2 ; kV0 = 0,088 Theoretisches Stellverhältnis: S th
2, 2 0, 088
25
Für den kVr-Wert wurde der Mittelwert von H5 und H10 abgelesen. Zum Beispiel: kVr = (0,075 + 0,120)/2 = 0,098
Tatsächliches Stellverhältnis S
kV100 kVr
22, 4 22
Damit ergibt sich die Ventilkennzeichnung: kVS 2,2 - gl 25-22 c) Bestimmen Sie den Verlauf des Proportionalbeiwertes KP über dem Hub H
Der KP-Wert ist die Steigung der Öffnungskennlinie: ΔV KP ΔH Aus den Messwerten, entnommen aus Tabelle 11-1, ergeben sich die KP-Werte gemäß dem Sekantenverfahren.
11.4 kV-Kennlinie
149
Tabelle 11-3 Proportionalwerte der nicht linearen Kennlinien
H
Hm
KP50
KP100
KP200
mm
mm
2/4
3
17,5
25
35
4/6
5
17,5
25
37,5
6/8
7
37,5
50
70
8/10
9
37,5
50
75
10/12
11
65
95
130
12/14
13
85
120
175
14/16
15
125
175
240
16/18
17
140
200
285
18/20
19
205
300
430
l/h/mm
Berechnungsbeispiel: KP
(115 80) l / h (4 2) mm
17,5
l/h mm
Bild 11-16 Proportionalbeiwert KP des Ventils in Abhängigkeit vom Hub H für verschiedene Öffnungskennlinien
150
11 Stelltechnik
Trägt man diese KP-Werte über den Hub H auf, so erhält man ebenfalls logarithmisch gekrümmte Kurven (Bild 11-16). Alle drei Öffnungskennlinien sind nichtlinear, der KP-Wert ist sowohl eine Funktion des Hubes H als auch eine Funktion des Druckabfalls ΔpV . Trotzdem kann der Einsatz eines gleichprozentigen Ventils sinnvoll sein, wenn die Kennlinienform der hydraulischen Schaltung durch die gleichprozentige Kennlinie des Ventils kompensiert wird.
Übungsaufgabe 11.2 Lineare Ventilkennlinie In einem Rohrleitungssystem mit (siehe Bild 11-13) ist ein lineares Stellventil eingebaut. Auf dem Typenschild wird der Nennhub mit YH = 20 mm und das theoretische Stellverhältnis mit Sth = 10 angegeben. Der theoretische kV-Wert der Serie kVS lässt sich nicht mehr ablesen. a) Zeichnen Sie die Grundform der Kennlinie für kVS = 100 %. Lesen Sie daraus den kV-Wert in % für den Hub H = 8 mm ab. Überprüfen Sie diesen Wert durch Rechnung.
Aus dem theoretischen Stellverhältnis S th
10
kVS k ergibt sich: kV 0 = VS = 10 % kV0 10
Bei einem linearen Ventil verläuft die Grundform der Kennlinie gerade von kV0 = 10 % bis kVS = 100 % (Bild 11-17).
Bild 11-17 Bezogene kV-Kennlinie für ein lineares Ventil mit dem Stellbereich Sth = 10
Für den Hub H = 8 mm (entsprechend 40 %) liest man aus der Kennlinie ab: kV40 = 46 Rechnerische Überprüfung: kV40 kVS
1 È 1 Ø H 40 É1 S th Ê S th ÙÚ H100
0,1 0,9 ¹ 0, 4 0, 46 (entspricht 45 % von kVS).
11.4 kV-Kennlinie
151
b) Berechnen Sie den Hub, auf den das Stellventil eingestellt werden muss, damit der kV-Wert doppelt so groß ist wie bei 8 mm Hub. Überprüfen Sie die Rechnung mit Hilfe der Kennlinie.
Bei H = 8 mm ergibt sich ein bezogener kV-Wert von 46 %. Der doppelte kV-Wert ist kV
2 46 %
92 %
Stellt man die Formel für das lineare Ventil um, so erhält man: H H100
1 kV kVS S th 1 1 S th
0,92 0,1 0,9
0,911 H
18, 2 mm
Das gleiche Ergebnis erhält man, wenn man ausgehend von 92 % aus dem Diagramm den zugehörigen Hub H = 18 mm abliest. c) Bei einem Hub H = 10 mm wurde ein Durchfluss V =1,08 m3/h Wasser bei einer Druckdifferenz am Ventil ΔpV = 800 hPa gemessen. Welcher Wert ergibt sich für kV100 = kVS aus der Grundform der Kennlinie? Bestimmen Sie den Proportionalbeiwert KP des Ventils.
Zunächst wird der Volumenstrom in den KV-Wert umgerechnet, d. h. umgerechnet auf den Druck Δ pV =1000 hPa. kV50
1000 hPa V50 Δ pV50
1, 08
m3 1000 hPa h 800 hPa
1, 21
Dieser kV-Wert wurde bei einem Hub H = 50 % gemessen. Aus der Gleichung für die lineare Grundform des Ventils berechnet sich der kVS-Wert: kV50 kV100 kV100
1 È 1 Ø H 50 É1 S th Ê S th ÙÚ H100 kVS
kV50 0,55
0,1 0,9 ¹ 0,5
0,55
2, 2
Ein lineares Ventil besitzt einen konstanten KP-Wert: K PV
Δk V ΔH
kV100 kV0 Yh
Der kV0-Wert kann aus dem theoretischen Stellverhältnis Sth berechnet werden unter Zuhilfenahme des Wertes kV100 K PV
kVS ; kV0
kV100 ¹
(2, 2 0, 22) m3 /h 20 mm
1 S th 0,1
2, 2 ¹ 0,1 0, 22 m3 /h mm
Die unvollständige Ventilkennzeichnung lautet: kVS 2,2 - lin 10 - ?
152
11 Stelltechnik
11.5 Betriebskennlinie Das Ventil mit einer bestimmten Öffnungskennlinie wird in ein Rohrleitungssystem eingebaut. Damit hängt der Druckabfall am Ventil nicht mehr alleine vom Hub H ab, sondern wird sich mit dem Durchsatz ändern. Der Druckabfall im Rohrnetz ist also ein Anteil vom Druckgefälle, welches z. B. die Pumpe in der Anlage zur Verfügung stellt. Das Rohrnetz hat eine Rückwirkung auf die Kennlinie des Ventils. Die Kennlinie des Ventils im eingebauten Zustand nennt man Betriebskennlinie.
Bild 11-18 Druckverlauf einer hydraulischen Schaltung ; a) hydraulische Schaltung, b) Druckverlauf
Nur wenn bei allen Hubstellungen ein unveränderter Druckabfall ΔpV vorhanden ist, oder anders ausgedrückt, wenn der Druckabfall in dem Leitungssystem selbst bei größtem Durchfluss vernachlässigbar ist, wird die Öffnungskennlinie der Betriebskennlinie entsprechen. Dies wird nur der Fall sein bei kurzen Leitungen mit großem Durchmesser. In allen anderen Fällen wird sich der am Stellventil gemessene Druckabfall ΔpV mit dem Hub H und damit auch mit dem Durchsatz ändern. Der Druckabfall ΔpV wird durch physikalische Gegebenheiten festgelegt, insbesondere durch den Druckverlust der Rohrleitungen. In Bild 11-18 soll an einer einfachen hydraulischen Schaltung verdeutlicht werden, welche Druckanteile in einer Anlage auftreten können. Man fasst alle Druckverluste in den Leitungen und in den Verbrauchern zu einem gemeinsamen Druckabfall im Netz ΔpL zusammen. Bild 11-19 gibt den Druckverlauf für einen Betriebszustand (konstanter Volumenstrom) wieder. Je nach Durchsatz durch die Anlage verändert sich der Druckverlauf. Je weiter das Ventil geöffnet wird, desto mehr nimmt der Volumenstrom zu und damit auch der Druckabfall ΔpL im Netz. ΔpL ~ ρ ¹
w2 oder ΔpL ~ V 2 2
11.5 Betriebskennlinie
153
Gleiches gilt für den Druckverlust der Pumpe. Da der maximale Pumpendruck p0 konstant ist, bleibt für den Druckabfall am Ventil ΔpV mit zunehmendem Volumenstrom immer weniger übrig: Δpges
p0
ΔpL ΔpV ΔpP
Dieser Zusammenhang ist in Bild 11-19 am Beispiel der Netz- und Pumpenkennlinie einer hydraulischen Schaltung dargestellt. Bei voll geöffnetem Ventil ist der kleinste Druckabfall am Ventil ΔpV vorhanden. Für die Betriebskennlinie ist es von Bedeutung, wie groß der Druckabfall ΔpV100 bei voll geöffnetem Ventil bezogen auf den Druckabfall am geschlossenen Ventil ist.
Bild 11-19 Netz- und Pumpenkennlinie einer hydraulischen Schaltung
ΔpV0 (hier = maximaler Pumpendruck p0) ist. Dieses Verhältnis nennt man Ventilautorität PV
ΔpV100 Δpges
ΔpV100 . p0
Dieser Wert ist für die Auswahl der Betriebskennlinie von großer Bedeutung. Unter Beachtung der quadratischen Abhängigkeit des Volumenstroms vom Druckabfall in den Rohrleitungen ΔpL ΔpL100
È V Ø ÉÊ V ÙÚ 100
2
ergibt sich die Gleichung der Betriebskennlinie: V V V100 ËÈ k Ø 2 Û 1 PV Ì É VS Ù 1Ü Ì Ê kV Ú Ü Í Ý
154
11 Stelltechnik
Dabei ist für den jeweiligen Hub H der Ausdruck kV/kVS aus der Grundform der Ventilkennlinie zu entnehmen. Die folgenden Bilder zeigen die Betriebskennlinien für verschiedene Ventilautoritäten, d. h. für unterschiedliche Netze für ein gleichprozentiges Ventil (Bild 11-20a) und für ein lineares Ventil (Bild 11-20b). Wenn das Stellventil verstellt wird, sollte sich die Regelgröße immer proportional verändern. Jetzt hat aber nicht nur das Ventil, sondern auch Leitung, Pumpe ... Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Ventilstellung und Regelgröße (Betriebskennlinie). Wird in der Praxis ein Ventil gewünscht, das im eingebauten Zustand eine möglichst lineare Betriebskennlinie zeigt, so entnehmen wir dem Bild 11-20, dass bei kleiner Ventilautorität PV ein gleichprozentiges Ventil, bei großem PV ein lineares Ventil sinnvoll ist.
Bild 11-20 Normierte Betriebskennlinien; a) gleichprozentiges Ventil, b) lineares Ventil
PV V100
Ventilautorität Nenndurchfluss
Sth Theoretisches Stellverhältnis H Hub H100 Nennhub
Als Auslegungsregel gilt: Î! 0,3 lineares Ventil PV Ï Ð
0,3 gleichprozentiges Ventil
V
Durchfluss PV = 1 Öffnungskennlinie
11.5 Betriebskennlinie
155
Übungsaufgabe 11.3 Ventilkennlinie (Betriebskennlinie) Für die Aufnahme der Betriebskennlinien wird wieder die Anlage zur Durchflussregelung nach Bild 11-13 verwendet. Während einer Versuchsreihe wird jetzt jedoch das Handventil (3) nicht mehr verstellt. Dadurch ergeben sich Betriebskennlinien mit variablem Druckverlust am Ventil ΔpV f ( H ) . Es werden drei Versuchsreihen mit verschiedenen Ventilautoritäten PV aufgenommen. Mit der Anpassung von Handventil (3) können drei unterschiedliche hydraulische Schaltungen simuliert werden, ohne dass die Anlage mechanisch umgebaut werden muss. a) Zeichnen Sie den Wirkungsplan des Stellventils, eingebaut in das hydraulische System. Berechnen und zeichnen Sie mit Hilfe der Ventilkennzeichnung Beispiel 11-1 des gleichprozentigen Stellventils (1) die Drosselkennlinie für H = 40, 60, 80 %.
Für das Stellventil im eingebauten Zustand werden drei verschiedene Wirkungskennlinien dargestellt: •
Netzkennlinie
•
Drosselkennlinie
•
Öffnungskennlinie
ΔpL f (V ) V f (ΔpV ) , H = konstant V f ( H ), Δp konstant V
Aus der Ventilkennzeichnung kVS 2,2 - gl 25 - 22 und mit Hilfe von È
kV
1
H Ø
È 1 Ø ÊÉ H100 ÚÙ ÉÊ S ÙÚ th
kV kVS
kVS ¹ 0,145
2, 2
È 1Ø ÉÊ 25 ÙÚ
(1 0,4)
0,145
m3 ¹ 0,145 h
0,319
m3 h
ergeben sich die kV-Werte: H kV
% m3/h
40 0,319
60 0,607
80 1,156
Mit Hilfe von ΔpV [hPa] V >l/h @ 100 ¹ kV ¹ 1000 hPa
319
l 250 ¹ h 1000
160
l h
lassen sich diese kV-Werte in Volumenströme bei anderen Drücken umrechnen. Es ergeben sich die Zahlenwerte der Tabelle 11-4, die in Bild 11-21 auch grafisch dargestellt sind.
156
11 Stelltechnik
Tabelle 11-4 Durchflusswerte für die Drosselkennlinie
H/%
40
60
ΔpV hPa
80
l V / h
250
160
304
578
500
226
429
817
750
276
526
967
1000
319
607
1156
1500
391
743
1416
2000
451
858
1635
2500
504
960
1828
3000
553
1051
2002
Bild 11-21 Drosselkennlinie des Ventils kV 2,2 - gl 25 - 22
Öffnungskennlinie und Drosselkennlinie sind nur ein Teil der Schaltung durch die Betriebskennlinien bestimmt werden. In Bild 11-22 ist der Wirkschaltschaltplan eines gleichprozentigen Ventils, zusammengesetzt aus den Einzelwirkungen gezeichnet. f (V )
Netzkennlinie
ΔpL
Drosselkennlinie
V
Öffnungskennlinie
V = f (H ) .
f (ΔpV )
11.5 Betriebskennlinie
157
Bild 11-22 Wirkschaltplan eines gleichprozentigen Ventils, eingebaut in ein Rohrnetz
Die Netzkennlinie wird ermittelt, indem man von der zur Verfügung stehenden Druckdifferenz Δpges = p0 – pU den Druckabfall am Ventil ΔpV abzieht. Es werden also für alle gemessenen Betriebspunkte die Druckdifferenzen auf die Geräte aufgeteilt. Der Druckabfall im Rohrnetz wird umso dominanter, je länger die Rohrleitungen sind und je geringer deren Querschnitt. b) Bei der Aufnahme der Betriebskennlinie wurden die folgenden Werte gemessen: Tabelle 11-5 Messwerte der Betriebskennlinie
Messreihe 1
Messreihe 2
Messreihe 3
H
V
ΔpV
V
ΔpV
V
ΔpV
mm
1/h
hPa
1/h
hPa
1/h
hPa
2
210
3000
208
2950
206
2900
4
288
2950
286
2900
284
2850
6
393
2900
390
2850
372
2600
8
539
2850
534
2800
484
2300
10
736
2800
709
2600
606
1900
12
997
2700
900
2200
718
1400
14
1298
2400
1109
1750
838
1000
16
1635
2000
1266
1200
895
600
18
1953
1500
1427
800
944
350
20
2087
900
1476
450
984
200
158
11 Stelltechnik
Zeichnen Sie mit Hilfe dieser Messwerte die Betriebskennlinien. Tragen Sie in das gleiche Diagramm die Öffnungskennlinie für den Vordruck p0 = 3000 hPa bei einem Umgebungsdruck pU = 0 hPa ein.
Bild 11-23 Betriebskennlinie nach Messwerten für verschiedene Rohrnetze
Die Tabellenwerte sind in Bild 11-23 als Betriebskennlinien für die Messreihen 1 bis 3 eingetragen. Gleichzeitig wird die Öffnungskennlinie, berechnet aus der Grundform der kVKennlinie, umgerechnet auf ΔpV = 3000 hPa eingetragen. Tabelle 11-6 Berechnete Öffnungskennlinie des linearen Ventils.
H
mm
2
4
6
8
V3000
1/h
210
291
400
553
10
12
14
16
18
762 1051 1451 2002 2763
20 3811
Für kleine Öffnungen H verhalten sich die Betriebskennlinien wie die Öffnungskennlinie bei maximaler Druckdifferenz. ǻpges
p0 pU
3000 hPa
Je nach Widerstand ǻpL in den Rohrleitungen weichen die Betriebskennlinien von der Öffnungskennlinie mit zunehmendem Hub ab, der Volumenstrom V nimmt zu. Wegen ǻpL ~ V nimmt der Druckverlust am Ventil ΔpV bei konstanter Gesamtdruckdifferenz ǻpges immer mehr ab (Bild 11-24), je größer der Volumenstrom wird.
11.5 Betriebskennlinie
159
Bild 11-24 Schematische Darstellung des Druckabfalls Δpges = ΔpV + ΔpL
c) Zeichnen Sie die bezogene Betriebskennlinie für verschiedene Ventilautoritäten PV =
Die Ventilautorität berechnet sich nach:
ΔpV 100 900 = = 0,3 Δp ges 3000
Die Ventilautorität der Öffnungskennlinie ist immer PV =1. Die Volumenströme werden auf den größten Volumenstrom einer Messreihe bezogen: V 210 ⋅100 % = ⋅100 % = 10,1% 2087 V 100
Damit ergeben sich die Tabellenwerte in Tab 11-7. Tabelle 11-7 Relative Durchflüsse bezogen auf den maximalen Durchfluss für verschiedene Ventilautoritäten PV.(MR = Messreihe, ÖK = Öffnungskennlinie) H H100
V V100
V V100
V V100
V V100
%
%
%
%
%
PV
1
0,3
0,15
0,07
10
5,5
10,1
14,1
20,9
20
7,6
13,8
19,4
28,9
30
10,5
18,8
26,4
37,8
40
14,5
25,8
36,2
49,2
50
20,0
25,3
48,0
61,6
60
27,6
47,8
61,0
73,0
70
38,1
62,2
75,1
85,2
80
52,5
78,3
85,8
91,0
90
72,5
93,6
96,7
95,9
100
100
100
100
100
ÖK-3000
MR-l
MR-2
MR-3
160
11 Stelltechnik
Die Diagonale in Bild 11-25 ist die wünschenswerte Betriebskennlinie. Diese Idealform wird zwischen PV = 0,3 bis PV = 0,07 gut angenähert. Dies führt zu dem Auslegungskriterium PV < 0,3 für gleichprozentige Ventile.
Bild 11-25 Bezogene Betriebskennlinie aus Messwerten eines gleichprozentigen Ventils für verschiedene Ventilautoritäten PV
d) Zeichnen Sie die Netzkennlinie des Rohrleitungssystems aus Messreihe 1 Bei der Netzkennlinie wird der Druckverlust in den Leitungen, Verbrauchern, ... über dem zugehörigen Volumenstrom aufgenommen. Da der Gesamtdruck ǻpges konstant bleibt, wird ǻpL berechnet mit Hilfe der Messwerte:
ǻpL
ǻpges ǻpV
z. B. Messreihe 1, H = 20 mm:
ǻpL
3000 hPa 900 hPa
Daraus ergibt sich das Diagramm Bild 11-26.
Bild 11-26 Netzkennlinie des Rohrleitungssystems aus Messreihe 1
2100 hPa
11.5 Betriebskennlinie
161
e) Vergleichen Sie die Proportionalbeiwerte der Öffnungskennlinie bei ΔpV= 3000 hPa mit denen der Betriebskennlinie aus der ersten Messreihe. Der Proportionalwert des Ventils wird ermittelt aus der linearisierten Steigung der Kennlinien. Er wird berechnet nach xa ǻV 81 l/h l/h . KP 40,5 xe ǻH 2 mm mm Daraus ergeben sich in Tab. 11-8 die Werte für Messreihe 1 und für die Öffnungskennlinie ǻpV = 3000 hPa.
Wie schon oben beschrieben, zeigt der KP-Wert eines gleichprozentigen Ventils, aufgetragen über dem Hub H, auch in Bild 11-27 den Verlauf einer e-Funktion. Die Betriebskennlinie zeigt für kleine Hübe einen ähnlichen Verlauf. Für größere Hübe hat die Betriebskennlinie jedoch einen Wendepunkt, was zu einem Maximalwert des KP-Wertes führt. Tabelle 11-8 Berechnung der Proportionalwerte für Messreihe 1 (in allen Fällen ist ΔH = 2 mm) H
Hm
V3000
ΔV
KP3000
VMr1
ΔVMr1
KPMr1
mm
mm
l/h
l/h
l/h/mm
l/h
l/h
l/h/mm
2
–
210
–
–
210
–
–
4
3
291
81
40,5
288
78
38,0
6
5
400
109
54,5
393
105
52,5
8
7
553
153
76,7
539
146
73
10
9
762
209
104,5
736
197
98,5
12
11
1051
285
142,5
997
261
130,5
14
13
1451
400
200
1298
301
150,5
16
15
2002
551
275,5
1635
337
168,5
18
17
2763
761
380,5
1953
318
159
20
19
3811
1048
524,0
2087
134
67
Bild 11-27 Vergleich der Proportionalwerte KP für die Öffnungskennlinie und die Betriebskennlinie
162
12 Zeitkennwerte Unter dem Zeitverhalten versteht man die zeitlichen Änderungen von Regelgröße oder Stellgröße. Das Zeitverhalten kann beschrieben werden durch eine parametrische Gleichung. Das dynamische Verhalten von Regelstrecken wird durch für das jeweilige Systemverhalten typische Zeitkennwerte beschrieben. In diesem Kapitel werden Ermittlungsverfahren für proportionale Regelstrecken mit Totzeit und / oder mit einer Zeitkonstanten vorgestellt. Die Kenntnis der Kennwerte •
Totzeit Tt
•
Zeitkonstante T
sind notwendig, damit der Regler optimal eingestellt, d. h. an die vorhandene Regelstrecke angepasst werden kann.
12.1 Totzeitverhalten Von allen Zeitverzögerungen hat die Totzeit das unangenehmste Verhalten, da nicht nur die Information über eine Änderung der Regelgröße x um die Totzeit verspätet gemessen wird, sondern auch die Reaktion der Stellgröße y um die Totzeit verspätet Wirkung zeigt. Vereinfacht kann man die Totzeit als die Signallaufzeit vom Stellort bis zum Messort bezeichnen. Gibt man z. B. Material auf den Anfang des Transportbandes, so erfasst man erst nach Ablauf der Totzeit dieses Material am Ende des Transportbandes. Am Beispiel einer Dusche soll dies näher erläutert werden (Bild 12-1). Ein 3-Wege-Mischer ist zunächst so eingestellt, dass nur kaltes Wasser (y = 0 %) fließt. Zum Zeitpunkt t = 0 wird der Mischer auf reinen Heißwasserbetrieb (y = 100 %) umgeschaltet. Aus dem Duschkopf wird jedoch weiter kaltes Wasser fließen, bis der erste Tropfen vom Heißwasser den Weg vom Mischer bis zum Duschkopf zurückgelegt hat. Diese Zeitverzögerung ist die Totzeit. Für dieses Beispiel gilt: Tt
Volumeninhalt der Rohrleitung Volumenstrom
l ¹ π ¹ D2 / 4 V
2 m ¹ π ¹ 0, 022 ¹ m 2 / 4 104 m3 / s
6,3 s
Erst nach 6,3 s ist der erste Tropfen Heißwasser am Duschkopf angekommen. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass Heißwasser aus dem Duschkopf fließt. Da die Rohrleitung zunächst noch kalt ist, wird die Wärmekapazität des Heißwassers teilweise genutzt, um diese Rohre aufzuheizen. Zusätzlich zu der Totzeit zeigt die Rohrleitung der Dusche noch eine Zeitverzögerung 1. Ordnung, gekennzeichnet durch die Zeitkonstante T (siehe Bild 12-2). Bei dünnen Rohren mit geringer spezifischer Wärmekapazität ist die Zeitkonstante klein, bei dicken Gussrohren, die sich nur langsam aufheizen, ist die Zeitkonstante groß. Erst nach ca. der Zeit, die der vierfachen Zeitkonstanten zzgl. Totzeit entspricht, hat das Wasser, das aus dem Duschkopf austritt, die gleiche Temperatur wie das Heißwasser. tB ! 4 ¹ T Tt ϑ
ϑheiß
(B = Beharrung)
12.1 Totzeitverhalten
Bild 12-1 Schematische Darstellung einer Dusche mit 3-Wege-Mischventil
Bild 12-2 Zeitverhalten der Duschkopf-Austrittstemperatur
163
164
12 Zeitkennwerte
An dem Beispiel kann man sich den Unterschied zwischen Totzeit Tt und Zeitkonstante T verständlich machen: – die Zeitkonstante T ist ein Maß für die Speicherkapazität der die Regelgröße verursachenden Anordnung (hier Mischventil und Rohrleitungen Æ Wärmespeicherung) – die Totzeit Tt gibt die Laufzeit der Flussgröße vom Stellort bis zum Messort an (Transport).
Übungsaufgabe 12.1 Proportionale Strecken mit Totzeit Ein Transportband (1) für Kohlenstaub (Bild 12-3) ist 36 m lang und wird mit einer Geschwindigkeit von 1,25 m/s bewegt. Der Kohlenstaub wird zugeführt aus dem Behälter (2) über eine verzögerungsarme Dosierklappe (Stellgröße y). Die Öffnung der Klappe beträgt 0 bis 30 cm ˆ 0 bis 100 % Bei maximaler Öffnung wurde an einem linearen optischen Massenstrommessgerät (3) eine Anzeige von x = 90 % aufgenommen, bei geschlossener Klappe x = 10 % ˆ m = 0 kg/s Bei x = 50 % Anzeige wurde ein Massenstrom vom m = 60 kg/s gemessen.
Bild 12-3 Gerätefließbild einer Kohlenstaubförderung
a) Welcher maximale Massenstrom stellt sich bei voller Öffnung der Dosierklappe ein? Zeichnen Sie dazu den Grundschaltplan der Anlage und ermitteln Sie die Proportionalbeiwerte der Einzelglieder. Vereinfacht wird angenommen, dass alle Komponenten lineares Verhalten zeigen. Die Förderanlage besteht wirkungsmäßig aus einer Reihenschaltung bestehend aus Stellantrieb, Öffnungsklappe, Transportband und Messeinrichtung (Bild 12-4).
12.1 Totzeitverhalten
165
Bild 12-4 Grundschaltplan der Kohlenstaubförderung
Der Proportionalbeiwert der gesamten Regelstrecke berechnet sich aus dem Produkt der einzelnen Glieder der Reihenschaltung: K PSE
K PA ¹ K PK ¹ K PT ¹ K PM
oder aus den Messwerten: K PSE
Δx Δy
(90 10)% 100%
0,8
Die Proportionalwerte der Einzelglieder werden berechnet aus den in der Aufgabenstellung angegebenen jeweiligen Ausgangsgrößenbereiches zu den Eingangsgrößenbereichen. Proportionalbeiwert des Stellantriebes: K PA
ΔH Δy
30 cm 100 %
0,3
cm %
In der Realität hat der Stellmotor der Dosierklappe I-Verhalten mit Dreipunkt-Ansteuerung. Die Stellzeit ist vernachlässigbar gegenüber der Totzeit, weshalb hier von verzögerungsarmen Verhalten des gesamten Stellgerätes gesprochen werden kann. Proportionalbeiwert des Transportbandes: K PT
Δm ab,B Δm zu,B
1 (B = Beharrung)
Im Beharrungszustand ist die dem Transportband zugeführte Masse gleich der abgeführten Masse. Proportionalbeiwert der Messeinrichtung: K PM
Δx Δm ab
(50 10) % (60 0) kg/s
0, 67
% kg/s
Mit diesen Angaben lässt sich der Proportionalbeiwert der Öffnungsklappe bestimmen: K PK
Δm zu ΔH
K PSE K PA ¹ K PT ¹ K PM
0,8 0,3
cm % ¹1¹ 0, 67 % kg/s
3,98
kg/s cm
Bei voller Öffnung (H = 30 cm) berechnet sich daraus der maximale Massenstrom zu: m ZU = K PK ⋅ H = 3,98
kg / s ⋅ 30 cm = 119,4 kg/s cm
166
12 Zeitkennwerte
b) Nach welcher Zeit stellt sich dieser Massenstrom ein? Nach Ablauf der Totzeit Tt zeigt der Massenstrom am Ende des Transportbandes m ab den gleichen Wert wie der Massenstrom am Anfang des Transportbandes m zu . m ab (t )
m zu (t Tt )
Diese Totzeit berechnet sich mit s = Weg und v = Geschwindigkeit zu: Tt
s v
36 m 1,25 m/s
30 s
Der Massenstrom m ab ist direkt proportional zum Massenstrom m zu , jedoch um die Totzeit Tt = 30 s verzögert. Dieser Vorgang ist idealisiert in Bild 12-5 dargestellt. In Wirklichkeit ist der Übergang m nicht sprunghaft sondern zusätzlich zeitverzögert. Dies gilt für den zugeführten Massenstrom und den abgeführten Massenstrom.
Bild 12-5 Zeitverhalten der Massenströme am Transportband
12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke Die Regelstrecke 1. Ordnung mit Ausgleich, die P-Tl-Strecke, lässt sich beschreiben durch einen Proportionalbeiwert KP und durch die Zeitkonstante T. Diese Zeitkonstante wird physikalisch verursacht durch die Speicherwirkung von Material-, Energie- oder Trägheitsspeichern. Bei der parametrischen Modellbildung mit Hilfe von Messschrieben werden P-Glied und TGlied in Reihe geschaltet (Bild 12-6) und getrennt nach statischen Verhalten und dynamischen Verhalten bestimmt.
12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke
167
Bild 12-6 Parametrisches Modell einer P-T1-Strecke
12.2.1 Ermittlung des Beharrungswertes Für die grafische Ermittlung der Zeitkonstanten T muss der Beharrungswert bekannt sein. Nicht immer kann man bei der versuchstechnischen Durchführung warten, bis dieser Beharrungswert xB erreicht ist. Er ist jedoch leicht aus dem Verlauf zu extrapolieren, wenn man mit Hilfe des Strahlensatzes die Änderungen der Regelgröße xi aufträgt, die für gleiche Zeitabstände Δt vom Messschrieb zurückgelegt werden (Bild 12-7).
Bild 12-7 Grafische Ermittlung des Beharrungswertes aus einem Messschrieb
Anleitung zur Ermittlung des Beharrungswertes: Auf dem gegebenen Kurvenstück werden mindestens 3 Punkte gewählt, und zwar in zeitlich gleichen, aber möglichst großen Abständen Δt. Einer dieser Punkte kann auch der Nullpunkt sein, wenn die Strecke keine Totzeit hat. Durch Parallele zur Zeitachse ergeben sich die Punkte 1’, 3’ und 2’. Der Abstand dieser Punkte X2´– X1´ und X3´ – X2´ wird je um 90° gedreht. Die verlängerte Verbindung der Punkte 2“ und 3“ liefert XB. Je mehr Einzelpunkte gewählt werden und je größer der Zeitabstand Δt ist, desto genauer wird das grafische Ergebnis für den Beharrungswert sein. Liegen diese Punkte als Tabellenwerte vor, so gibt es eine rechnerische Lösung. Auch hier ist Voraussetzung, dass die Messwerte in gleichen Zeitabständen Δt aufgetragen werden. Nach dem Strahlensatz ergibt sich aus Bild 12-7:
168
12 Zeitkennwerte X 2 X1 X B X1
X3 X2 XB X2
Diese Gleichung gilt sowohl für die Differenzen Δx (sofern die Δ-Werte vom Nullpunkt aus gemessen werden) als auch für die absoluten Werte X. Aufgelöst nach dem Beharrungswert ergibt sich: XB
X 22 X 3 ¹ X1 2 X 2 X 3 X1
Die Gleichung kann statt für absolute Werte X auch für Differenzen Δx angegeben werden: Δx22 Δx3 ¹ Δx1
ΔxB
2Δx2 Δx3 Δx1
Bezogen auf den Nullpunkt X0 für t = 0 ergibt sich: ΔxB
Δx12 Δx2 ¹ Δx0
Δx12
2 Δx1 Δx2 Δx0
2 ¹ Δx1 Δx2
Übungsaufgabe 12.2 Beharrungswert eines Kochtopfes Beim Abkühlvorgang eines Kochtopfes wurden folgende Temperaturen gemessen: Tabelle 12-1 Abkühlvorgang
t
min
0
5
10
ϑ
°C
60
44,3
34,7
0
1
2
Nr.
a) Auf welche Temperatur kühlt sich der Kochtopf im Beharrungszustand ab? Die Antwort ist trivial: auf Umgebungstemperatur.
ϑUmgebung
ϑBeharrung
Bei den Messwerten ist die Forderung Δt = konst. erfüllt; hier Δt = 5 min.
ϑB
ϑ12 ϑ2 ¹ ϑ0 2 ϑ1 ϑ2 ϑ0
(44,32 60 ¹ 34, 7) C2 (2 ¹ 44,3 60 34, 7) C
19, 6 C
b) Wiederholen Sie die Berechnung mit Temperaturdifferenzen. Δϑ1 ΔϑB
ϑB
ϑ0 ϑ1 15, 7 K; Δϑ12 2Δϑ1 Δϑ2
ϑ0 ΔϑB
Δϑ2
ϑ0 ϑ2
(15, 7 2 ) K 2 (2 ¹15, 7 25,3) K
60 C 40, 4 K 19, 6 C
25,3 K 40, 4 K
12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke
169
Das Ergebnis des Beharrungswertes ist unabhängig davon, ob man mit absoluten Werten oder mit Differenzen rechnet.
12.2.2 Ermittlung der Zeitkonstanten T Zur Ermittlung der Zeitkonstanten einer P-T1-Strecke wird die Sprungantwort aufgenommen. Die Zeitkonstante T kann durch die Tangente im Startpunk t = 0 des Messschriebes grafisch bestimmt werden. Legt man z. B. die Tangente in den Punkt X0, so schneidet diese Tangente die Parallele zur Zeitachse durch den Beharrungswert XB. Die Zeitdifferenz zwischen diesem Schnittpunkt und dem Punkt X0 entspricht der Zeitkonstanten. Weitere Zeitkonstanten erhält man, indem man Tangenten an beliebige Punkte des Messschriebes legt (Bild 12-8) und die Zeitdifferenz am Beharrungswert abliest.
Bild 12-8 Grafische Ermittlung der Zeitkonstanten T aus einem Messschrieb
Der zeitliche Verlauf der e-Funktion kann steigend sein (Ladefunktion aus Bild 12-9) oder fallend (Entladefunktion aus Bild 12-9). Bei der Ladefunktion ist der Startwert x = 0 unten und der Beharrungswert oben im Diagramm eingetragen. Bei der Entladefunktion werden Startwert x = 0 und Beharrungswert xB vertauscht. Da dies in der Praxis oft zu Verwirrungen führen kann, beschränken wir uns hier auf die mathematische Beschreibung in Form einer Ladefunktion.
Bild 12-9 Sprungantworten einer P-T1-Strecke, Definition der Differenzen; a) Ladefunktion, b) Entladefunktion
170
12 Zeitkennwerte
Die grafische Ermittlung der Zeitkonstanten durch Anlegen der Tangente an den Messschrieb ist nur ungenau durchzuführen und führt zu einer großen Streuung der Ergebnisse bei gleichen Parametern. Als Hilfskonstruktion verwendet man deshalb die Lösung der Differentialgleichung 1. Ordnung für konkrete Werte. Die Lösungsgleichung einer Sprungantwort der P-T1Funktion lautet: Δx (t )
X (t ) X 0
Δx(t ) ΔxB
(1 e t / T )
( X B X 0 ) ¹ (1 e t / T )
ΔxB ¹ (1 e t / T )
Diese Gleichung gibt auf der linken Seite das Verhältnis Regelgrößendifferenz zu Beharrungsdifferenz an und liegt zwischen 0 und 1. Die rechte Seite ist nur eine Funktion der Zeit t bezogen auf die Zeitkonstante T. Für konkrete Zeitpunkte ergeben sich folgende Werte: Tabelle 12-2 Berechnete Ausgleichsverhältnisse für ganzzahlige Werte der Zeitkonstante T
t/T Δx/ΔxB
0,5
1
2
3
4
0,393
0,632
0,865
0,950
0,982
Bild 12-10 Konkrete Werte einer P-T1-Sprungantwort
Beispiel: t=1·T
Æ
(1 – e–1) = 0,632 = Δx/ΔxB
Mit Hilfe des so genannten „63,2%-Wertes“ kann man recht genau die Zeitkonstante T aus einer Sprungantwort ermitteln.
12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke
171
Bild 12-11 Grafische Ermittlung der Zeitkonstanten T aus der Sprungantwort
Durch Umformung der Lösung der Differentialgleichung ( X B X 0 ) ¹ (1 e t / T )
( X (t ) X 0 )
X (t ) X 0 XB X0
1 e t / T
umgeformt: e t / T
t X B X (t ) ; T XB X0
È X X0 Ø ln É B Ê X B X (t ) ÙÚ
kann die Zeitkonstante berechnet werden: T
t1 È X X0 Ø ln É B Ê X B X (t1 ) ÙÚ
Ebenfalls kann man die Zeit t2 beginnend mit t = 0 ausrechnen, zu der sich eine bestimmte Regelgröße X(t2) einstellt: t2
È XB X0 Ø T ¹ ln É Ê X B X (t2 ) ÙÚ
Für die Regelgrößendifferenzen bezogen auf t = 0 vereinfacht sich diese Lösungsgleichung. Die jeweilige Differenz ist bezogen auf X0= 0. t3
È Ø ΔxB T ¹ ln É Ê ΔxB Δx(t3 ) ÙÚ
Die ausschnittweise Berechnung der Zeitkonstanten für zwei Messpunkte xl bei tl und x2 bei t2 bei bekanntem Beharrungswert liefert:
172
12 Zeitkennwerte
Δt
t2 t1
T¹
È ΔxB Ø ln É Ê ΔxB Δx2 ÙÚ È ΔxB Ø ln É Ê ΔxB Δ x1 ÙÚ
È Δx Δx1 Ø T ¹ ln É B Ê ΔxB Δx2 ÙÚ
Bild 12-12 Ausschnittsweise Berechnung der Zeitkonstanten T aus zwei Messpunkten
T
t2 t1 È X X1 Ø ln É B Ê X B X 2 ÙÚ
Übungsaufgabe 12.3 Freier Auslauf aus einem Wasserspeicher Bei einem mit h0 = 2m gefüllten Wasserspeicher ohne Zufluss wird zum Zeitpunkt t = 0 das Abflussventil geöffnet. Der Speicher läuft leer bis hB = 0 m.
Bild 12-13 Wasserspeicher mit Abflussventil
Zum Zeitpunkt t1 = 200 s wird eine Wasserstand h(t1) = 1 m gemessen.
12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke
173
a) Ermitteln Sie die Zeitkonstante T des Wasserspeichers mit zugehörigem Abflussventil. T
t1 h h ln B 0 hB h(t1 )
200 s 2 m ln 1 m
200 s ¹1, 443
288,5 s
b) Wie lange dauert es, bis der Wasserstand bis auf 10 cm gefallen ist? t2
T ¹ ln
hB h0 hB h(t2 )
288,5 s ¹ ln
2 m 0,1 m
288,5 s ¹ ln 20
864,3 s
(entspricht 14 Minuten und 24 Sekunden). c) Auf welchen Wasserstand ist der Behälter nach t3 = 10 min gefallen? h(t3 ) h0 h(t3 )
(hB h0 ) ¹ (1 e t3 / T )
h0 ¹ e t3 / T
2 m ¹ e 600 s / 288,5 s
2 m ¹ 0,125
0, 25 m
Bild 12-14 Abflussverhalten des Wasserspeichers
12.2.3 Ermittlung der Halbwertzeit Die Halbwertzeit ist die Zeit, in der der Startwert X0 entweder um die Hälfte bezogen auf den Beharrungswert gefallen oder gestiegen ist. tH
t ¹ ln
XB X0 X B X (tH )
T ¹ ln 2
T ¹ 0, 693
Damit kann die Zeitkonstante in die Halbwertzeit umgerechnet werden und umgekehrt.
174
12 Zeitkennwerte
12.2.4 P-T1-Funktion in halblogarithmischer Darstellung Trägt man den Zeitverlauf einer P-Tl-Strecke im halblogarithmischen Maßstab auf, dann wird die e-Funktion zu einer Geraden (Bild 12-15). Bei der Ladefunktion trägt man auf der Ordinaten (xB – x) logarithmisch auf, bei der Entladefunktion den Logarithmus von (x – xB). Mit nur einem geringen Aufwand lassen sich aus dem halblogarithmischen Diagramm sowohl die Zeitkonstante T als auch die Halbwertszeit tH bestimmen.
Bild 12-15 P-T1-Strecke in halblogarithmischer Darstellung
12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke
175
Ausgangspunkt zur Bestimmung der Zeitkonstanten T ist die Gleichung für die abschnittsweise Berechnung von zwei Punkten. Dafür gilt: Δt T
ln
ΔX B ΔX (t1 ) ΔX B ΔX (t2 )
Für den Fall Δt/T = 1 berechnet sich: e1
2, 718
ΔX B ΔX (t1 ) ΔX B ΔX (t1 T )
Multipliziert man einen beliebigen Startwert im halblogarithmischen Diagramm mit dem Faktor 2,718, dann kann man zwischen den beiden Punkten als Zeitabstand die Zeitkonstante T ablesen. Für einen Ausgangspunkt gemäß Bild 12-15 mit XB – X5 = 10 ergibt sich als Zielpunkt: XB – X6 = 10 · e1 = 10 · 2,718 = 27,18 Der Abstand zwischen den beiden Punkten 5 und 6 definiert die Zeitkonstante T, hier T = 15 s. Die Halbwertszeit ist der zeitliche Abstand von (XB – X5) und (XB – X5) · 2. Dem Beispiel folgend ist es die Dauer bis XB – X7 = 2 · 10 = 20. Abgelesen ergibt sich tH = 10,4 s.
Übungsaufgabe 12.4 P-T1-Strecke, Ermittlung der Zeitkonstanten Für einen Druckluftspeicher wurden die folgenden Messreihen aufgenommen: Tabelle 12-3 Zeitverhalten eines Druckluftspeichers
Messreihe t
P (1)
P (2)
in s
P (3)
P (4)
in hPa
0
300
440
780
980
4
361
503
715
914
8
395
541
674
870
12
415
564
647
840
Stellsprung H in mm 9 + 12
12 + 15
18 + 15
21 + 18
a) Zeichnen Sie die Sprungantworten der Messreihen und ermitteln Sie grafisch den Beharrungswert pB und die Zeitkonstanten T. Die Messreihen sind in Bild 12-16 grafisch dargestellt. In allen vier Reihen ist noch kein Beharrungswert erreicht. Zur grafischen Ermittlung des Beharrungswertes nach dem Strahlensatz wird die Zeitachse in gleiche Abschnitte Δt eingeteilt. Da die tabellarischen Messwerte ebenfalls in konstanten Zeitabständen, hier Δt = 4 s, aufgenommen sind, bietet es sich an, diese Werte zu übernehmen. Es ergeben sich folgende Werte für den Beharrungswert:
176
12 Zeitkennwerte
Tabelle 12-4 Beharrungswerte des Druckluftspeichers (grafische Ermittlung)
Messreihe
–
1
2
3
4
PB
hPa
440
600
600
780
ΔPB
hPa
140
160
180
200
Aus diesen Beharrungswerten lässt sich mit Hilfe der Gleichungen Δx (T )
ΔxB (1 e 1 )
der Wert berechnen, der zu der Zeit t = T gehört. Beispiel Messreihe 1:
Δp (T )
ΔpB ¹ (1 e 1 ) 140 hPa ¹ 0,632
p(T )
p0 Δp(T )
(300 88,5) hPa
88,5 hPa 388,5 hPa
Beispiel Messreihe 3: Δp (T )
ΔpB ¹ e 1
p(T )
p0 Δp (T )
180 hPa ¹ 0,368
66, 2 hPa
(600 66, 2) hPa
666, 2 hPa
Aus den Kurven Bild 12-16 bis 12-19 wird der zugehörige Wert für t = T abgelesen. Tabelle 12-5 Zeitkonstanten des Druckluftspeichers
Messreihe
–
1
2
3
4
p(T)
hPa
389
541
666
854
T
s
7
8
9
10
b) Überprüfen Sie diese Werte rechnerisch mit Hilfe der tabellarischen Messwertreihen. Voraussetzung ist, dass die Werte zu konstanten Zeitabständen Δt aufgenommen werden. Dann lässt sich der Beharrungswert berechnen nach XB
X12 X 2 ¹ X 0 2 X1 X 2 X 0
Beispiel Messreihe 1: 0, 4, 8 s;
pB1
3612 395 ¹ 300 2 ¹ 361 395 300
Δt = konst.
437,8 hPa
12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke
Bild 12-16 Sprungantwort der Druckluftstrecke, Messreihe 1
Bild 12-17 Sprungantwort der Druckluftstrecke, Messreihe 2
177
178
Bild 12-18 Sprungantwort der Druckluftstrecke, Messreihe 3
Bild 12-19 Sprungantwort der Druckluftstrecke, Messreihe 4
12 Zeitkennwerte
12.2 Zeitverhalten der P-T1-Strecke
179
Tabelle 12-6 Berechnete Beharrungswerte des Druckes des Druckluftspeichers
Messreihe
–
1
2
3
4
PB
hPa
441
599
600
779
ΔPB
hPa
141
159
180
199
Diese Werte stimmen im Rahmen der Messgenauigkeit mit den Ergebnissen von a) überein. pB
p12 p2 ¹ p0 2 ¹ p1 p2 p0
Der Differenzwert des Druckes ΔpB kann direkt berechnet werden: Tabelle 12-7 Berechnete Beharrungswerte des Differenzdruckes
t
s
0
4
8
Δp
hPa
0
61
95
ΔpB
Δp12
612 2 ¹ 61 95
2 ¹ Δp1 Δp2
138 hPa abgelesen ΔpB= 140 hPa
Zur Berechnung der Zeitkonstanten T werden zwei Tabellenwerte benötigt. Damit ein großer Bereich berücksichtigt wird, wählen wir die Zeitpunkte t = 0 s und t = 12 s. Beispiel Messreihe 1: Δt x ln B xB x
T
12 s 141 ln 141 115
7,1 s
Tabelle 12-8 Berechnete Zeitkonstanten des Druckluftspeichers
Messreihe
–
1
2
3
4
T
s
7,1
7,9
8,9
10,1
c) Zeigen Sie, dass die Strecke nichtlinear ist. Sowohl der Proportionalbeiwert KP, als auch die Zeitkonstante T hängen von der Stellgröße H des Ventils ab. KP = f(H); T = f(H) Für den Proportionalbeiwert gilt: Messreihe 1: K P
ΔpB ΔH
140 hPa 3 mm
46, 7
hPa mm
180
12 Zeitkennwerte
Aufgetragen wird dieser Wert, wie bei Tabellen üblich, als Sekantenverfahren über der mittleren Stellgröße H (siehe Bild 12-20 und Bild 12-21). Tabelle 11-9 Kennwerte der Druckluftstrecke in Abhängigkeit vom Hub H
Messreihe
–
1
2
3
4
H
mm
10,5
13,5
16,5
19,5
Kp
hPa/mm
46,7
53,3
60,0
66,7
T
s
7
8
9
10
Bild 12-20 Abhängigkeit des Proportionalbeiwertes KP von der Stellgröße des Ventils
Bild 12-21 Abhängigkeit der Zeitkonstanten T von der Stellgröße des Ventils
12.3 P-T1-Strecken mit Totzeit
181
d) Vergleichen Sie die Halbwertzeit tH, berechnet aus der Zeitkonstante, mit dem grafischen Ergebnis, abgelesen aus dem Kurvenverlauf aus a). Die Halbwertzeit tH ist die Zeit, die abläuft, bis nach einem Sprung die Hälfte des Beharrungswertes erreicht ist. Aus den Bildern 12-17 bis 12-19 lässt sich die Halbwertzeit ablesen: Tabelle 12-10 Halbwertzeiten des Druckluftspeichers
Messreihe
–
1
2
3
4
x(tH)
hPa
370
520
690
880
tH gemessen
s
4,8
5,5 ~
6,3
7,0
tH berechnet
s
4,85
5,54
6,24
6,93
Berechnet wird die Halbwertzeit mit Hilfe der Beziehung: tH
t ¹ ln 2
T ¹ 0, 693 ů
12.3 P-T1-Strecken mit Totzeit Das Typische einer reinen P-T1-Strecke ist die endliche Anstiegsgeschwindigkeit der Regelgröße zum Zeitpunkt t = 0 nach einem Testsprung: x (t
0 )
a.
Tritt am Anfang eine erkennbare aber kleine Verzögerung auf, so kann diese durch eine Ersatztotzeit beschrieben werden. Diese Ersatztotzeit kann auch eine echte Totzeit enthalten. Bei einer Regelstrecke mit einem dominierenden Speicher, d. h. ein Speicher ist deutlich größer als alle übrigen Speicher, ergibt sich daraus ein P-T1-Tt-Modell nach Bild 12-22: •
ein dominierendes Zeitkonstantenglied mit einer großen Zeitkonstanten
•
eine echte Totzeit und viele kleine Zeitkonstanten.
Bild 12-22 Modellstruktur einer Strecke mit P-T1-Tt-Verhalten
Bei der einfachen Approximation legt man durch den Messschrieb eine Wendetangente. Der Schnittpunkt der Wendetangente durch die Zeitachse (für x = 0) ergibt die Ersatztotzeit, der Schnittpunkt durch eine Parallele zur Zeitachse durch den Beharrungswert (xB) ergibt die Ersatzzeitkonstante.
182
12 Zeitkennwerte
Bild 12-23 Küpfmüller-Approximation einer Regelstrecke mit proportionalem Verhalten
In Bild 12-23 ist ein Vergleich zwischen tatsächlicher Strecke und Modell dargestellt. Nicht nur im Anfangsbereich ist diese Approximation nicht befriedigend, wenn keine echte Totzeit vorliegt. Auch im Bereich nahe am Beharrungswert kann die Abweichung erheblich werden, wenn der Unterschied zwischen kleinen und großen Speichern nur gering ist.
Bild 12-24 Approximation einer Regelstrecke höherer Ordnung nach Strejc
Eine Verbesserung der Approximation geht von der abschnittsweisen Berechnung der P-T1Funktion aus. Nach der Strejc-Approximation können zwei beliebige Messpunkte der Übergangsfunktion gewählt werden. Zweckmäßigerweise wählt man Punkt 1 und Punkt 2 so, dass sie vor und hinter dem vermutlichen Wendepunkt liegen (Bild 12-24).
12.3 P-T1-Strecken mit Totzeit
183
Die P-T1-Funktion wird dann so behandelt, als ob sie im Punkt 1 erst starten würde. Ist der Beharrungswert xB bekannt, so berechnet sich die Zeitkonstante T dieser Funktion nach der Formel T
t2 t1 ΔxB Δx1 ln ΔxB Δx2
Ist die Zeitkonstante bestimmt, so wird die Totzeit rückwärts von Punkt 1 zum Punkt 0 berechnet t0
t1 T ¹ ln
ΔxB Δx0 ΔxB Δx1
T ¹ ln
ΔxB ΔxB Δx1
und daraus Tt
t1 t0
Übungsaufgabe 12.5 P-T1-Tt-Modell, Ermittlung der Zeitkonstanten und der Totzeit Für eine Heizungsanlage (Bild 12-25) wurde die Abkühlkurve der Vorlauftemperatur aufgenommen.
Bild 12-25 Gerätetechnische Anordnung einer Heizungsanlage
Bis 16:00 Uhr wurde über den Wärmetauscher (1) eine Wärmeleistung von Φ zu = 1 MW aus dem Fernwärmenetz entnommen und in das Heiznetz (3) eingespeist.. Um 16:00 Uhr wurde die Fernwärmezufuhr abgeschaltet (Y = 0 %), die Kreislaufpumpe (2) jedoch weiter betrieben. Für die Vorlauftemperatur des Heizkreislaufes wurden folgende Werte gemessen: Tabelle 12-11 Abkühlverhalten der Heizungsanlage
Uhrzeit
–
16:00
17:00
18:00
19:00
20:00
21:00
22:00
ϑ
°C
78,0
68,1
57,4
48,9
42,2
36,9
32,7
a) Welchen Beharrungswert wird die Vorlauftemperatur einnehmen? Die Laufzeit des Heizwassers vom Wärmetauscher bis zur Vorlauftemperaturmessstelle (4) wirkt sich als Totzeit aus. Die Wärmekapazität der Heizungsanlage inklusive Heizkörper verursacht eine Verzögerung 1. Ordnung. Weitere kleinere Verzugszeiten, z. B. durch Messfühler
184
12 Zeitkennwerte
und Umformer können zu der Totzeit dazugerechnet werden. Dadurch ergibt sich ein P-T1-TtVerhalten. Für die Ermittlung des Beharrungswertes ϑB dürfen nicht die Messwerte bei t = 16:00 Uhr genommen werden, da im Anfangsverlauf die Totzeit den Wert verfälscht. Da die weiteren Verzugszeiten sehr klein sind, der Wendepunkt also sehr früh auftritt, wird mit der Auswertung der P-T1-Funktion um 17:00 Uhr begonnen. Im Beharrungszustand wird die Vorlauftemperatur den Wert der mittleren Raumtemperatur annehmen.
ϑ12 ϑ2 ¹ ϑ0 2ϑ1 ϑ2 ϑ0
48,92 36,9 ¹ 68,1 16,9 C 2 ¹ 48,9 36,9 68,1 ( 0 ˆ 17:00 Uhr; 1 ˆ 19:00 Uhr; 2 ˆ 21:00 Uhr; Δt
ϑB
2h
konst.)
b) Zeichnen Sie den zeitlichen Temperaturverlauf und ermitteln Sie grafisch die Zeitkonstante T und die Totzeit Tt.
Bild 12-26 Abkühlverlauf der Heizungsanlage, grafische Ermittlung des Beharrungswertes ϑB, der Zeitkonstanten T und der Totzeit Tt
12.3 P-T1-Strecken mit Totzeit
185
Die Messwerte und der angenäherte Verlauf sind in Bild 12-26 eingetragen; deutlich ist die Totzeit zu erkennen. Die grafische Kontrolle des Beharrungswertes ergibt ϑB = 18 °C. Als Startpunkt für die ausschnittsweise Berechnung wird der Zeitpunkt t = 1 h (17:00 Uhr) verwendet. Damit ergibt sich der Differenzwert um 17:00 Uhr: ΔϑB = 68,1 °C – 18 °C = 50,1 K
Der Wert der Messkurve für t = T ist: Δϑ (T )
ΔϑB ¹ e 1
50,1 K ¹ 0,368
18,4 K
Daraus ergibt sich die Temperatur in °C:
ϑ (T ) ϑB Δϑ (T )
(18 18, 4) C
36, 4 C
Der zugehörige Wert auf der Zeitachse ist ca. 21:00 Uhr. Die Zeitdifferenz 17:00 Uhr bis 21:00 Uhr ergibt den Wert für die Zeitkonstante zu T = 4 h =240 min Ebenfalls aus der Messkurve kann die Totzeit Tt abgeschätzt werden: Tt = 15 min. c) Kontrollieren Sie mit Hilfe des halblogarithmischen Diagramms, ob es sich ab 17:00 Uhr tatsächlich um eine P-T1-Funktion handelt. Ermitteln Sie aus diesem Diagramm die Werte T und Tt. Im halblogarithmischen Diagramm wird die Temperaturdifferenz zu ϑ(t) – ϑB logarithmisch über der linearen Zeit aufgetragen. Als Umrechnungsbeziehung gilt: L = D · log (W /Z) = 10 cm · log (60/10) = 7,8 cm (D = Dekadenlänge; W = einzutragender Wert; Z = Zählbeginn der Dekade) Tabelle 12-12 Differenzwerte des Temperaturverlaufes für die Heizungsanlage
t
ϑ(t)
ϑ(t) – ϑB
L
Uhr
°C
K
cm
16:00
78,0
60,0
7,8
17:00
68,1
50,1
7,0
18:00
57,4
39,4
6,0
19:00
48,9
30,9
4,9
20:00
42,2
24,2
3,8
21:00
36,9
18,9
2,8
22:00
32,7
14,7
1,7
Die Zeitkonstante t = T ergibt sich aus dem Zeitabstand, den zwei Temperaturdifferenzen der halblogarithmischen Achse mit dem Abstand e–1 haben. Dazu wird ein beliebiger Temperaturdifferenzwert Δϑ mit e1 = 2,718 multipliziert und der zeitliche Abstand der beiden Differenzen
186
12 Zeitkennwerte Δϑ2 Δϑ1
Δϑ1 ¹ e 16 K
L1
2 cm und Δϑ2
16 K ¹ 2, 718
43,5 K
L2
6, 4 cm
an der linearen Zeitachse (Bild 12-27) abgelesen. Daraus ergibt sich: T = 4 h.
Bild 12-27 Halblogarithmisches Diagramm zur Ermittlung der Zeitkonstanten, der Halbwertzeit und der Totzeit
Wenn man einen beliebigen Temperaturdifferenzwert mit 2 statt mit e multipliziert, dann kann man an der Zeitachse die Halbwertzeit ablesen. Δϑ3
Δϑ1 ¹ 2 16 K ¹ 2
32 K L3
5,1 cm
An der Zeitachse liest man die zu der Temperaturdifferenz Δϑ3 Δϑ1 gehörende Halbwertzeit in Bild 12-27 ab: tH = 2,7 h Als Temperaturdifferenz im Beharrungszustand ergibt sich Δϑ 60 K . Zeichnet man durch diesen Wert eine Parallele zur Zeitachse, so ergibt sich aus dem Schnittpunkt mit der Geraden die Totzeit: Tt = 15 min. Aus dem nahezu linearen Verlauf der Geraden erkennt man, dass es sich bei dieser Anlage tatsächlich um eine Strecke 1. Ordnung handelt.
12.3 P-T1-Strecken mit Totzeit
187
d) Berechnen Sie für das P-T1-Tt-Modell die zugehörigen Kennwerte und vergleichen Sie diese mit c). Für den Proportionalbeiwert der Heizungsanlage gilt gemäß Definition: KP
Änderung der Ausgangsgröße (Beharrung) sprunghafte Änderung der Eingangsgröße
ΔϑB ΔΦ
Ausgangsgröße im Beharrungszustand ist die Temperaturdifferenz. Eingangsgröße ist die Änderung des Wärmestroms, der von der Fernwärmeübergabestelle an das Heiznetz übertragen wird. Der Wärmestrom ändert sich von 1 MW auf 0 MW. Die Änderung ist also ΔΦ
Φ ( 16:00) Φ (! 16:00) 1 MW
Daraus ergibt sich: KP
60 K 1 MW
60
K MW
Die Zeitkonstante wird in Analogie zu dem Verfahren vom Strejc abschnittsweise mit Hilfe von zwei Messpunkten berechnet. Da es hier um vernachlässigbar kleine weitere Verzugszeiten additiv zur Totzeit handelt, ist kein ausgeprägter Wendepunkt zu erkennen. Als Punkt 1 wird ein Punkt gewählt, für den die Anfangsänderung noch gering ist, der aber sicher nach Ablauf der Totzeit liegt, hier 17:00 Uhr:
t1 = 1 h
→ Δϑ1 = 50,1 K
Punkt 2 soll soweit entfernt sein, dass sich eine möglichst große Temperaturänderung einstellt: 22:00 Uhr: T
t2 = 6 h Δt È Δϑ Ø ln É 1 Ù Ê Δϑ2 Ú
→ Δϑ2 = 14,7 K
300 min È 50,1 Ø ln É Ê 14,7 ÙÚ
244, 7 min oder 4 h 5 min
Bild 12-28 Schematische Darstellung eines P-T1-Tt-Modells
188
12 Zeitkennwerte
Mit dieser Zeitkonstanten ist der Verlauf des Modells für t > Tt festgelegt. Man kann also vom Punkt 1 aus rückwärts den Punkt 0 ermitteln, zu dem Δϑ(t) gerade ΔϑB wird. Die zugehörige Zeitdifferenz wird wieder aus der Formel für die abschnittsweise Bestimmung der P-T1Funktion bestimmt: Δt
T ¹ ln
ΔϑB Δϑ1
245 min ¹ ln
60 K 39,4 K
103 min
Aus Bild 12-28 ergibt sich dann für die Totzeit: Tt
t1 Δt
120 min 103 min
17 min .
e) Berechnen Sie die Uhrzeit, zu der die Vorlauftemperatur auf 45 °C abgekühlt ist bei freier Auskühlung. Welche Vorlauftemperatur kann für 24:00 Uhr vorausberechnet werden? Mit den unter c) und d) bestimmten Modellkennwerten lassen sich jetzt beliebige Punkte dieser Heizungsanlage vorausbestimmen. Soll z. B. der Zeitpunkt ermittelt werden, zu dem die Vorlauftemperatur auf 45 °C abgefallen ist, so wird zunächst die Zeitdifferenz Δt bei vorgegebener Zeitkonstanten T für den Abfall von Δϑ• = 60 K auf Δϑ(Δt) = (45 – 18) K berechnet. Es werden immer die Differenzen unterhalb des Zeitverlaufs in die Lösung der Differentialgleichung eingesetzt. Für die Entladefunktion gilt: Δt = T ⋅ ln
ΔϑB 60 K = 245 min ⋅ ln = 196 min Δϑ (Δt ) (45 - 18) K
Hinzu kommt noch die Totzeit Tt: t
Tt Δt
17 min 196 min
213 min
was einer Uhrzeit von 19:33 Uhr entspricht. Die Vorlauftemperatur zum Zeitpunkt 24:00 Uhr wird bestimmt mit Δϑ (t )
ΔϑB ¹ e Δ t / T .
Als Zeitdifferenz wird eingesetzt: Δt
(24:00 Uhr – 16:00 Uhr) Tt
ϑ (24:00)
60 K ¹ e 463 / 245
463 min
9 K ϑ (24:00) 18 C 9 K
27 C
Um 24:00 Uhr ist die Vorlauftemperatur also auf 27 °C abgefallen. f) Um wie viel Uhr muss am Morgen die Heizung mit Φ zu = 2 MW aufgeheizt werden, damit die Vorlauftemperatur den Sollwert ϑ = 78 °C um 6.30 Uhr erreicht? (Lineares Modell!) Wird zu einem beliebigen Zeitpunkt die Fernwärmezufuhr Φ zu = 1 MW eingeschaltet und haben sich die Umgebungsbedingungen nicht geändert, so wird sich erst für t → ∞ die Vorlauftemperatur ϑ = 78 °C wieder einstellen. Die Wärmezufuhr Φ zu1 = 1 MW wird benötigt, um die Heizungsanlage im Beharrungszustand ϑB zu halten. Soll diese Temperatur früher erreicht werden, muss während der Schnellaufheizung eine höhere Wärmezufuhr Φ zu 2 bereitgestellt werden, die zu einem höheren Beharrungswert führt. Dieser Aufheizvorgang wird bei
12.3 P-T1-Strecken mit Totzeit
189
78 °C abgebrochen. Ab diesem Zeitpunkt reicht zur Beibehaltung dieser Temperatur wieder die Wärmemenge Φ zu1 (Bild 12-29). Der neue Beharrungswert berechnet sich zu ΔϑB
ϑB2
K P ¹Φ zu 2
60
120 K 18 C
K ¹ 2 MW 120 K MW 138 C
Näherungsweise wird angenommen, dass sich die Vorlauftemperatur während der Nacht auf 18 °C abgekühlt hat. Da der Aufheizvorgang nur von 18 °C bis 78 °C abläuft, kann die Zeit für diesen „Ladevorgang" bestimmt werden. Δt
È Ø ΔϑB 2 T ¹ ln É Ê ΔϑB 2 Δϑ (t ) ÚÙ
È 120 Ø 245 min ¹ ln É Ê 60 ÙÚ
170 min
Die Aufheizzeit muss von 6:30 Uhr abgezogen werden. Unter Berücksichtigung der Totzeit, während der die Vorlauftemperatur noch unverändert bleibt, ergibt sich: Aufheizzeit t = Tt + Δt = 17 min + 170 min = 187 min = 3 h 7 min Der Aufheizvorgang wird also um 3:23 Uhr gestartet. (Bild 12-29).
Bild 12-29 Schematische Darstellung des Zeitverlaufs einer Schnellaufheizung
190
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung Am Eingang einer Regelstrecke höherer Ordnung wird zum Zeitpunkt t = 0 ein Testsprung Δy angelegt. Als Reaktion entsteht die Sprungsantwort Δx(t) mit einem typischen s-förmigen Verlauf. Aus diesem Zeitverhalten kann ein parametrisches Regelstreckenmodell ermittelt werden.
Bild 13-1 Von der Regelstrecke zum Regelstreckenmodell mit n gleichgroßen Zeitkonstanten
Ab einer Strecke mit 2 Speichergliedern und Ausgleich bezeichnet man das mit n P-T1Gliedern nachgebildete Modell als P-Tn-Modell. Der s-förmige Verlauf beginnt mit einer Anstiegsgeschwindigkeit x (0) 0 , zeigt danach eine zunehmende Geschwindigkeit bis zum Wendepunkt, danach abnehmende Geschwindigkeit und läuft dann in den konstanten Beharrungswert. Der flache Anfangsverlauf einer Übergangsfunktion kann zwei Ursachen haben • eine echte Totzeit •
mehrere in Reihe liegende Speicherglieder.
Mit zunehmender Zahl der Speicherglieder und mit zunehmender Größe der jeweiligen Zeitkonstanten wird der Anfangsverlauf immer flacher. Sprungantworten von P-Tn-Strecken unterscheiden sich prinzipiell nur wenig von Strecken mit einem dominierenden Speicher und Totzeit bzw. Ersatztotzeit (Bild 13-2). Der s-förmige Verlauf kann durch die Lage und Steigung der Wendetangente im Wendepunkt charakterisiert werden. Aus den beiden Zeitabschnitten Tu = Verzugszeit und Tg = Ausgleichszeit ergibt sich ein wichtiger Kennwert, mit dem die Regelbarkeit einer Regelstrecke angegeben werden kann. Diesen Kennwert nennt man auch Schwierigkeitsgrad S.
191
S
Tu Tg
Æ Regelbarkeit der Regelstrecke
Je größer das Verhältnis aus Verzugszeit und Ausgleichszeit ist, desto schwerer ist die Strecke zu regeln.
Bild 13-2 Sprungantworten von proportionalen nicht schwingenden Regelstrecken höherer Ordnung
In Analogie dazu wird der Schwierigkeitsgrad einer Strecke mit Ersatztotzeit und Ersatzzeitkonstanten (Bild 13-2) beschrieben durch S
Tt . T
Es ist oft eine Frage des Gefühls, ob man eine Regelstrecke durch ein P-T1-Tt-Modell oder durch ein P-Tn-Modell nachbildet. Immer dann, wenn der Verlauf oberhalb des Wendepunktes nur noch von einem dominierenden Speicherglied geprägt wird, bietet das P-T1-Tt-Modell die bessere Approximation. Bei mehreren in Reihe geschalteten und etwa gleich großen Speichergliedern wählt man bevorzugt das P-Tn-Modell. Eine echte Totzeit kann immer rechnerisch oder grafisch durch Verschiebung des Achsen-Nullpunktes um diese Totzeit abgespaltet werden. Während der Verzugszeit Tu erhält ein Regler keine Informationen über Störungen, die schon seit t = 0 auf die Regelstrecke einwirken. Seine Reaktion auf diese Störungen kommt deshalb um diese Verzugszeit Tu zu spät. Es ist also für die Regelbarkeit von Vorteil, wenn nur eine geringe Verzugzeit durch die Strecke hervorgerufen wird.
192
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Andererseits wird die Reaktion des Reglers auf eine Störung dann erleichtert, wenn nach Ablauf der Verzugszeit die Regelgröße x nur langsam ansteigt, wenn also die Ausgleichszeit Tg groß ist. Das Ziel der Regelung ist die Störung zu beheben und damit die vorübergehende Regelabweichung e wieder aufzuheben (e = 0!). Tabelle 13-1 Regelbarkeit von P-Tn-Modellen
S = Tu/Tg
Regelbarkeit
P-Tn-Modell (gleichgroße Zeitkonstanten)
< 0,1
gut
n = 1, 2
0,1 bis 0,4
einigermaßen
n = 3, 4
> 0,4
schlecht
n = 5, ..., 10
Um die Regelbarkeit von Modellen mit einem Schwierigkeitsgrad S > 0,4 zu verbessern, wird in der Praxis die Strecke durch Regelschaltungen gemäß Kapitel 22 ergänzt. Die nachfolgenden Betrachtungen beziehen sich jedoch nur auf die Strecke (ohne Regler).
13.1 Zeitkonstantensummen-Verfahren Bei dem P-T1-Tt-Modell lässt sich die Zeitkonstante Tl und die Totzeit Tt verhältnismäßig einfach aus der Lösung der Differentialgleichung 1. Ordnung berechnen. Bei einem P-Tn-Modell ist dies nur dann der Fall, wenn wir von gleich großen Zeitkonstanten für alle n Verzögerungsglieder ausgehen, die in Reihe geschaltet sind (Bild 13-3).
Bild 13-3 P-Tn-Modell mit gleich großen Verzögerungsgliedern
Ein Näherungsverfahren mit Hilfe der Zeitkonstantensumme (Bild 13-4) beruht darauf, dass die auf den Beharrungswert bezogenen Ordinatenwerte der Sprungantwort, die zu Summe
n ¹ Ti
Ç Ti
gehören, sich nur verhältnismäßig wenig mit der Ordnungszahl ändern. Für ein Modell von n = 2 bis 6 Verzögerungsgliedern ergibt sich ein mittlerer Wert von
Ç
È Δx(t Ti ) Ø É Ù ΔxB Ê Ú
0,575 0, 02
13.1 Zeitkonstantensummen-Verfahren
193
Dieses Ergebnis lässt folgenden Schluss zu: Nimmt man einen Fehler von 2 % in Kauf, dann entspricht die Zeitkonstantensumme der Zeit, bei dem die Regelgröße Δx ca. 57,5 % vom Beharrungswert ΔxB erreicht hat. Tabelle 13-2 Bezogene Regelgrößen für t = ΣTi mit gleichgroßer Zeitkonstantensumme
n
Ç Ti )
Δx(t
ΔxB
2
3
4
5
6
0,594
0,577
0,566
0,560
0,557
Bild 13-4 Vergleich verschiedener P-Tn-Modelle bei gleicher Zeitkonstantensumme
Damit lässt sich die Zeitkonstantensumme gemäß Bild 13-5 ablesen: Dividieren wir die Zeitkonstantensumme ¦Tj durch die Anzahl der Verzögerungen n, so erhalten wir die Größe der einzelnen Zeitkonstanten Ti: n
Ç Tj T
j 1
n
194
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Bild 13-5 Bestimmung der Zeitkonstantensumme mit Hilfe des Ordinatenwertes 57,5 %
Theoretisch kann ein Modell durch eine bestimmte Anzahl n an Verzögerungsgliedern nachgebildet werden. Das beste Ergebnis liegt aber nur dann vor, wenn n gemäß der nachstehenden Gleichung berechnet wird: n
Tu ¹10 1 Tg
Tu = Verzugszeit Tg = Ausgleichszeit
Tabelle 13-3 Zeitkonstantensummen-Verfahren
Ablesen aus Bild 13-5
Æ ΔxB
Berechnen
Æ x(t0,575) = 0,575 · ΔxB
Ablesen aus Bild 13-5
Æ t0,575 = Σ Ti
Ablesen aus Bild 13-5
Æ Tu, Tg
Berechnen
Æ Tu / Tg; n 10 ¹ Tu / Tg 1
Berechnen
Æ T = ΣTi / n
■ Übungsaufgabe 13.1 P-Tn-Modell mit Hilfe einer Zeitkonstantensumme Die Sprungantwort einer Druckregelstrecke wurde gemessen (Bild 13-6). a) Ermitteln Sie mit dem Zeitkonstantensummen-Verfahren ein P-Tn-Modell mit gleichgroßen Verzögerungsgliedern Aus der Sprungantwort Bild 13-6 der Druckregelstrecke kann man für Δx/ΔxB = 57,5 % die Zeitkonstantensumme ΣTi = 49 s ablesen.
13.1 Zeitkonstantensummen-Verfahren
195
Bild 13-6 Sprungantwort einer Druckregelstrecke (Original)
Grundsätzlich kann daraus ein beliebiges Modell mit n =1, 2, ... aufgestellt werden. Nur eines dieser Modelle bildet das Anfangsverhalten gut nach. Dazu zeichnet man in die Sprungantwort des Originals die Wendetangente und ermittelt daraus die Verzugszeit Tu und die Ausgleichszeit Tg. Tu Tg
16 s 55 s
À
Tu Tg
16 55
0,291
Mit Hilfe der Näherungsformel ergibt sich: n
Tu ¹10 1 0, 291¹10 1 4 Tg
Das Ergebnis ist ein Modell mit 4 Verzögerungsgliedern, die in Reihe geschaltet sind und die alle die gleiche Zeitkonstante Ti
Ç Ti n
49 s 4
12, 25 s
aufweisen. In Bild 13-7 erkennt man, dass das Modell gut den zeitlichen Verlauf des Originals wiedergibt.
196
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Bild 13-7 Vergleich zwischen Original und verschiedenen Modellen einer P-Tn-Strecke
b) Bilden Sie die Regelstrecke durch Modelle mit 2 und 6 Zeitkonstanten nach
Bild 13-8 Nachbildung durch alternative Modelle
Ein Modell mit n = 2 und 6 Speichergliedern ergibt: T1,2
Ç Ti n
49 s 2
24,5 s
T1,2,3,4,5,6
Ç Ti n
49 s 6
8, 2 s .
Die Modelle schneiden sich alle im Punkt, der der Zeitkonstantensumme zugeordnet wird. Mit der Lösungsgleichung für die Strecke n. Ordnung können einzelne Punkte überprüft werden: Δx(t )
t n 1 ΔX B ¹ [1 (1 n ) ¹ e t/T ] T (n 1)!
13.2 Wendetangenten-Verfahren
197
13.2 Wendetangenten-Verfahren Ist die Genauigkeitsanforderung höher oder liegt n, berechnet nach der Näherungsformel, zwischen zwei ganzen Zahlenwerten, geht man oft zum Wendetangenten-Verfahren über (Bild 13-9). Unter der Voraussetzung n gleichgroßer Zeitkonstanten der Verzögerungsglieder ergeben sich die Werte aus Tabelle 13-4.
Bild 13-9 Wendetangenten-Verfahren mit konstantem Wendepunkt
Tabelle 13-4 Theoretische Zeitkennwerte für P-Tn-Strecken mit gleichgroßen Zeitkonstanten T
n
Tu/Tg
TWP/T
xWP/xB
Tu/T
Tg/T
1
0
0
0
0
1
2
0,104
1
0,264
0,282
2,718
3
0,218
2
0,323
0,805
3,695
4
0,319
3
0,353
1,425
4,463
5
0,410
4
0,371
2,100
5,119
6
0,493
5
0,384
2,811
5,699
7
0,570
6
0,394
3,549
6,226
8
0,642
7
0,401
4,307
6,711
9
0,709
8
0,407
5,081
7,164
10
0,773
9
0,413
5,869
7,590
Das Wendetangenten-Verfahren beruht darauf, dass die gegebene Übergangsfunktion (Sprungantwort) durch ein Modell mit mehreren Verzögerungsgliedern gleicher Zeitkonstante angenähert wird, das im Wendepunkt mit der Originalstrecke übereinstimmt. Aus der gemessenen Sprungantwort der Original-Regelstrecke liest man die Kennwerte Tu und Tg ab und bildet das Verhältnis S = Tu / Tg. In Tabelle 13.4 sucht man für den nächstgelegenen Wert die Zahl n der erforderlichen P-T1-Glieder.
198
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Zur Ermittlung der Zeitkonstanten T stehen drei Verhältniszahlen zur Verfügung: TWP Tu Tg ; ; T T T
Bild 13-10 Zeitverlauf verschiedener Modelle mit n gleichgroßen Zeitkonstanten
In der Literatur wird meist die Ausgleichszeit Tg konstant gehalten. Bessere Nachbildungen erhält man, wenn die Wendepunktzeit TWP konstant gehalten wird. Für die Zahl n ergibt sich der Ordinatenwert des Wendepunktes xWP/xB. Aus der Sprungantwort des Originals lässt sich dazu die Zeit TWP ablesen und der zugehörige Wert T für n gleichgroße Verzögerungsglieder berechnen.
■ Übungsaufgabe 13.2 P-Tn-Modell mit Hilfe des Wendetangenten-Verfahrens Die Nachbildung der Druckregelstrecke soll mit Hilfe des Wendetangenten-Verfahrens erstellt werden. a) Ermitteln Sie mit Hilfe der Wendentangente ein P-Tn-Modell mit gleichgroßen Verzögerungsgliedern. Vergleichen Sie die Modellparameter bei verschiedenen Festpunkten. Aus der Sprungantwort Bild 13-11 lassen sich die Verzugszeit Tu und Ausgleichszeit Tg ablesen: Tu = 13 s, Tg = 48 s Daraus ergibt sich: S = Tu / Tg =13 s / 48 s = 0,271.
13.2 Wendetangenten-Verfahren
199
Bild 13-11 Sprungantwort der Regelstrecke mit Wendepunkt
Die Regelstrecke lässt sich durch ein P-T3-Modell oder durch ein P-T4-Modell nachbilden. •
xWP = konst. n = 3 Æ T = TWP / n – 1 =30 s / 2 = 15 s ; xWP = 0,323 n = 4 Æ T = 30 s / 3 = 10 s ; xWP = 0,353
Die Abweichung des tatsächlichen Schwierigkeitsgrades S0 = 0,271 der Originalstrecke von dem der Modelle S3 = 0,218 und S4 = 0,319 resultiert aus der Drehung der Wendetangente um den Wendepunkt. Der Wendepunkt wandert mit geringerer Ordnung des Modells nach unten. Obwohl der Schwierigkeitsgrad des Originals etwa bei 3,5 liegt, ist die Nachbildung als P-T4Modell besser (Bild 13-12). Daraus lässt sich schließen, dass im Zweifelsfall immer das nächstgrößere Modell gewählt werden sollte.
200
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Bild 13-12 Vergleich der Nachbildung nach dem Wendepunktverfahren
Mit Hilfe der Verhältnisse in Tabelle 13-4, Spalte 5 und 6 gibt es weitere Möglichkeiten einer Nachbildung: •
Tu = 13 s = konst. und n = 4 Tu T
1, 425
daraus: •
Tg T
T
4, 463
Tu Tu / T
13 s 1, 425
Tg
9,1 s
4, 463 ¹ T
4, 463 ¹ 9,1 s
40, 6 s
Tg = 48 s = konst. und n = 4 Tg T Tu T
4, 463
T
1, 425
Tu
Tg Tg / T 1, 425 ¹ T
48 s 4, 463
10,8 s
1, 425 ¹10,8 s 15, 4 s
In Bild 13-13 ist das Zeitverhalten dieser Modelle mit der gemessenen Übergangsfunktion verglichen. Die beste Nachbildung ergibt das Wendepunkt-Modell. Das Tu-Modell eilt dem Original voraus, das Tg-Modell eilt etwas nach. Alle Modelle sind bei normalen Anforderungen an die Regelgenauigkeit so gut, dass damit eine Optimierung durchgeführt werden kann. Beim Einstellen wird also die Original-Regelstrecke nicht benötigt.
13.2 Wendetangenten-Verfahren
201
Bild 13-13 Vergleich verschiedener P-T4-Modelle
Tabelle 13-5 Zeitkennwerte für P-T4-Modelle mit unterschiedlichen Festpunkten
Tu
Modellart
Tg
TWP
T
Original
13
48
30
?
Tu = konst.
13
50,0
33,6
9,1
TWP = konst.
15,5
49
30
10
Tg = konst.
15,4
48
35,1
10,8
ΣTi
14,4
45,1
30,3
10,1
(alle Einheiten in s)
■ Übungsaufgabe 13.3 Automatisierte Auswertung einer P-Tn-Strecke. Das Zeitverhalten einer Regelstrecke höherer Ordnung nach einem Stellsprung Δy = 50 % liegt in Form einer Messwerttabelle vor. Tabelle 13-6 Messwerttabelle
t in s
<0
5
15
25
35
90
120
X in %
10
11,5
25,2
46,8
64,0
90,0
90,0
Δx % in Δt s
0,3
1,37
2,16 = max.
1,72
0,47
0
202
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
a) Bestimmen Sie abschnittsweise die mittleren Sígnalgeschwindigkeiten. In welchem Zeitintervall liegt der Wendepunkt? Beispiel für t = 5 s bis t = 15 s: Δx Δt
25, 2 % 11, 5% 15 s 5 s
13, 7 % 10 s
1,37
% s
Die größte Steigung findet man in Zeitabschnitt von t = 15 s bis t = 25 s. Dies ist also das Intervall, in dem sich der Wendepunkt befindet. È Δx Ø ÉÊ Δt ÙÚ WP
46,8 % 25, 2 % 25 s 15 s
2,16
% s
b) Berechnen Sie aus der Geschwindigkeit in Wendepunkt-Intervall die Ausgleichszeit Tg.
Bild 13-14 Skizze der Berechnungsvorschrift für die Ausgleichszeit Tg
Aus
ΔxB Tg
È Δx Ø ÉÊ Δt ÙÚ WP
ergibt sich: Tg
ΔxB È Δx Ø ÉÊ Δt ÙÚ WP
80 % % 2,16 s
37 s
13.2 Wendetangenten-Verfahren
203
c) Legen Sie den Wendepunkt näherungsweise in die Mitte des Wendepunktintervalls. Berechnen Sie mit Hilfe der Wendepunktzeit die Verzugszeit Tu.
Bild 13-15 Skizze der Berechnungsvorschrift für die Verzugszeit Tu
Aus dem Verhältnis È Δx Ø ÉÊ Δt ÙÚ WP
xWP Δt *
ergibt sich: Δt *
xWP È Δx Ø ÉÊ Δt ÙÚ WP
26 % % 2,16 s
12 s
Zieht man von der Wendepunktzeit die Zeitdifferenz Δt * ab, so ergibt sich die Verzugszeit Tu. Tu
TWP Δt *
20 s 12 s
8s
d) Bilden Sie die Regelstrecke durch ein Modell mit gleichgroßen Zeitkonstanten nach. Die Regelbarkeit der vorliegenden Regelstrecke berechnet sich zu: Tu Tg
8s 37 s
0, 216
Daraus kann die Ordnung der Regelstrecke bestimmt werden: n 10 ¹
Tu 1 10 ¹ 0, 216 1 3 (Regelstrecke 3. Ordnung) Tg
Die drei gleichgroßen Zeitkonstanten lassen sich mit Hilfe der Wendepunktzeit berechnen: T
TWP n 1
20 s 2
10 s
204
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Der Proportionalwert der Regelstrecke berechnet sich nach: K PS
xB x0 Δy
90 % 10 % 50 %
1, 6
13.3 Sondermodell für P-T3-Strecken In seltenen Fällen liegt der Schwierigkeitsgrad der Strecke Tu/Tg so ungünstig, dass weder mit n, noch mit n – 1 gleichgroßen P-Tl-Gliedern eine befriedigende Näherung erzielt werden kann.
Bild 13-16 P-T3-Modell mit einer angepassten Zeitkonstanten T3
Dies tritt z. B. bei einem Modell 3. Ordnung auf, das weder mit zwei noch mit drei gleichgroßen P-T1-Gliedern zufrieden stellend nachgebildet wird. Deshalb hilft man sich dadurch, dass man ein Modell aus 3 P-Tl-Gliedern aufbaut, wobei zwei gleiche Zeitkonstanten T und eine kleinere Zeitkonstante T3 verwendet werden (Bild 13-16). Das Verhältnis T3/T kann mit Hilfe der Kurve Bild 13-17 für ein vorgegebenes Verhältnis Tu/Tg bestimmt werden. Da nth linear von Tu/Tg abhängt, gilt für die Berechnung nach Tabelle 13-4: nth
2
Tu / Tg 0,104 0, 218 0,104
1, 088 8, 77 ¹ Tu / Tg
Die zu nth gehörige theoretische Zeitkonstante kann ebenfalls durch lineare Interpolation berechnet werden. Bei Strecken mit niedrigem Schwierigkeitsgrad wird bevorzugt die Ausgleichszeit Tg konstant gehalten. Für die Verhältnisse gilt nach Tabelle 13-4: Tg Tth
(3, 695 2, 718) ¹ (nth 2) 2, 718
0, 764 0,977 ¹ nth
Für die theoretische Zeitkonstante gilt: Tth
Tg Tg / Tth
Die Zeitkonstantensumme soll unverändert bleiben. Für die Strecke mit ungleichen Zeitkonstanten gilt dann:
ÇT
nth ¹ Tth
2 ¹ T T3
T Ø È T É2 3 Ù Ê TÚ
13.3 Sondermodell für P-T3-Strecken
Bild 13-17 Zeitkonstantenverhältnis T3/T für ein Modell 3. Ordnung
Der Wert T3/T kann in Bild 13-17 abgelesen oder nach der Formel berechnet werden: 4
Ø T3 È Tu É 0,104Ù ¹ 5921 T Ê Tg Ú
205
206
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Für die zwei großen Zeitkonstanten des P-T3-Modells gilt: T
nth ¹ Tth T 2 3 T
und für die angepasste 3. Zeitkonstante: T3
T¹
T3 T
Damit sind die 3 Zeitkonstanten des Modells bekannt.
Tabelle 13-7 Ablauf der Nachbildung einer P-T3-Strecke
Bearbeitungsschritt
Berechnung
Mit Hilfe der Wendetangente aus der Sprungsantwort ablesen
Tu, Tg
Berechnung des Schwierigkeitsgrades der Regelstrecke
S
Berechnen oder ablesen aus Bild 13-17
nth
Berechnen oder ablesen aus Bild 13-17
Tu Tg
Tg Tth
1, 088 8, 77 ¹
Tu Tg
0, 764 0,977 ¹ nth Tg
Berechnen
Tth
Berechnen
ÇT
Berechen oder ablesen aus Bild 13-17
Ø T3 È Tu É 0,104Ù ¹ 5921 T Ê Tg Ú
Tg / Tth
nth ¹ Tth 4
Berechnen
Berechnen
T
T3
ÇT 2
T3 T
T¹
T3 T
13.3 Sondermodell für P-T3-Strecken
207
■ Übungsaufgabe 13.4 Modell eines Wärmetauschers Die Sprungantwort eines Wärmetauschers bei einer Stellgrößenänderung von Δy = 20 % wurde aufgezeichnet.
Bild 3-18 Messwerte der Sprungsantwort eines Wärmetauschers
a) Ermitteln Sie Verzugszeit, Ausgleichszeit, Schwierigkeitsgrad und Proportionalwert. Aus Bild 3-18 kann abgelesen werden: Tu = 5 s; Tg = 29 s; S = Tu/Tg = 0,172 K PS
ΔxB Δy
12 K 20 %
0, 6 K/%
b) Bilden Sie das P-T3-Modell mit einer angepassten dritten Zeitkonstanten T3 nach. nth Tg Tth Tth
1, 088 8, 77 ¹
Tu Tg
1, 088 8, 77 ¹ 0,172
0, 764 0,977 ¹ nth Tg Tg / Tth
29 s 3,3
0, 764 0,977 ¹ 2, 6
8,8 s
2, 6
3,3
208
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
ÇT
nth ¹ Tth
2, 6 ¹ 8,8 s
22,8 s
4
Ø T3 È Tu É 0,104Ù ¹ 5921 T Ê Tg Ú
T
T3
ÇT
22,8 s 2 0,127
T 2 3 T T T¹ 3 T
0,172 0,104 4 ¹ 5921
0,127
10, 7 s
10, 7 s ¹ 0,127 1, 4 s ů
13.4 Sondermodell für Regelstrecken mit ungleichen Zeitkonstanten Bei Strecken höherer Ordnung wird normalerweise das Zeitverhalten der Originalstrecke durch ein Modell mit gleichgroßen Zeitkonstanten genügend genau nachgebildet. Weitere Verbesserungen stoßen hier an die Grenzen der Messgenauigkeit. In ganz seltenen Fällen soll jedoch nicht nur der Verlauf, sondern auch der Schwierigkeitsgrad der Strecke simuliert werden. Dies ist natürlich mit n gleichen P-Tl-Gliedern nicht möglich, da hier nur die in Tabelle 13-4 angegebenen Verhältnisse möglich sind. Vergleicht man ein Modell mit n gleichgroßen Zeitkonstanten mit einem Modell aus n – 1 gleichgroßen Zeitkonstanten und einem weiteren P-Tl-Glied, so wird sowohl bei einer Verdoppelung als auch bei einer Halbierung der letzten Zeitkonstanten der Schwierigkeitsgrad verbessert; im ersten Fall vergrößert die Verdoppelung hauptsächlich die Ausgleichszeit Tg, eine kleinere Zeitkonstante wirkt sich vor allem vor dem Wendepunkt aus, also auf die Verzugszeit Tu. Glieder mit kleinen Zeitkonstanten haben ihren Endwert bereits nach ca. 4 · T erreicht. Sie können also zum weiteren Verlauf des Zeitverhaltens nichts mehr beitragen. Eine Verbesserung des Schwierigkeitsgrades kann demzufolge durch Anpassung einer Zeitkonstanten im Modell erfolgen. Für ein vorgegebenes Verhältnis Tu/Tg wird nth durch Interpolation aus der Tabelle 11.1 ermittelt. Anschließend liest man aus der gleichen Tabelle den Wert bei n–1 ab. Da für die Regelung insbesondere das Anfangsverhalten von Bedeutung ist, kann die letzte Zeitkonstante näherungsweise nach folgender Vorschrift bestimmt werden: (Tu / Tg ) (Tu / Tg )n 1
nth
n1
Tg
Ë È Tg Ø È Tg Ø È Tg Ø Û Ì ÉÊ T ÙÚ É Ù É Ù Ü ¹ (nth n1 ) th n 1 ÌÍ Ê Tth Ú n Ê Tth Ú n 1 ÜÝ
Tth Tth
(Tu / Tg )n (Tu / Tg )n 1
Tg Tg / Tth
13.4 Sondermodell für Regelstrecken mit ungleichen Zeitkonstanten
209
Da die Zeitkonstantensumme auch hier unverändert bleiben soll, gilt:
ÇT
(n1 ) ¹ T Tn
T Ø È T É n1 n Ù Ê T Ú
nth ¹ Tth
Als Näherungsformel für die Ermittlung von Tn gilt: 4
ËÈ T Ø ÈT Ø Û ÌÉ u Ù É u Ù Ü ¹ a Ì Ê Tg Ú Ê Tg Ú n 1 ÜÝ n Í
Tn T
Ordnung n a
Alternativ:
Tn T
2 bis 3
3 bis 4
4 bis 5
5921
9610
14 580
(nth n1 ) 2
Für die n–1 gleichen Zeitkonstanten T ergibt sich aus der Zeitkonstantensumme: T
nth ¹ Tth n1 Tn / T
und für die angepasste letzte Zeitkonstante: Tn
T¹
Tn T
Hinweis: Bitte verwechseln Sie die hier als Tn definierte Zeitkonstante eines n-ten P-T1Gliedes nicht mit der Nachstellzeit eines I-Reglers, die in der Regelungstechnik auch mit Tn bezeichnet wird.
■ Übungsaufgabe 13.5 Modell einer Heizungsanlage In einer weit ausgedehnten Heizungsanlage wurde um 17:00 Uhr der Sollwert der Vorlauftemperatur um 16 K verkleinert. a) Aus der Störungsantwort sollen alle Parameter ermittelt werden, die für die Aufstellung eines Modells notwendig sind. Besonders wird Wert darauf gelegt, dass der Schwierigkeitsgrad Tu/Tg des Strecke im Modell gleich bleibt. Aus der Störungsantwort Bild 13-19 ergibt sich durch Anlegen der Wendetangente Tu = 24 s und Tg = 68 s Der Schwierigkeitsgrad S
Tu Tg
24 s 68 s
0,353
liegt so, dass er sowohl durch ein Modell mit 4 als auch mit 5 gleichgroßen P-T1-Gliedern näherungsweise nachgebildet werden kann.
210
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Bild 13-19 Messschrieb der Störsprungantwort einer Vorlauftemperaturabsenkung
Tabelle 13-8 Zeitkennwerte für ein P-T4- und ein P-T5-Modell jeweils mit gleichgroßen Zeitkonstanten
n
Tu/Tg
Tg/T
T
4
0,319
4,463
15,2 s
5
0,410
5,119
13,3 s
(Tg = konst.) Exakt nachgebildet werden kann S nur durch Anpassung der letzten Zeitkonstanten. Für den grafisch ermittelten Schwierigkeitsgrad ergibt sich: nth
n1
(Tu / Tg ) (Tu / Tg )n 1 (Tu / Tg )n (Tu / Tg )n 1
4
0,353 0,319 0, 410 0,319
Für die zu nth gehörige Zeitkonstante gilt: È Tg Ø ÉÊ T ÙÚ th Tg Tth Tth
Ë È Tg Ø È Tg Ø È Tg Ø Û Ì ÉÊ T ÙÚ É Ù É Ù Ü ¹ (nth n1 ) th n 1 ÌÍ Ê Tth Ú n Ê Tth Ú n 1 ÜÝ 4, 463 [5,119 4, 463] ¹ (4,37 4) Tg (Tg / Tth )
68 s 4,706
14, 45 s
4, 706
4,37
13.4 Sondermodell für Regelstrecken mit ungleichen Zeitkonstanten
211
Daraus kann die Zeitkonstantensumme berechnet werden:
ÇT
Tth ¹ nth
14, 45 s ¹ 4,37
63,15 s
Aus dem Verhältnis Tn T
(nth n1 ) 2
(4,37 4)2
0,137
ergibt sich die Zeitkonstante T für die ersten vier P-T1-Glieder T
ÇT n1 (Tn / T )
63,15 s 4 0,137
15, 26 s
und die Zeitkonstante Tn für das letzte P-T1-Glied Tn
T T¹ n T
15, 26 s ¹ 0,137
2,1 s
Das Modell ist in Bild 13-20 dargestellt, der zugehörige Zeitverlauf in Bild 13-21.
Bild 13-20 P-T5-Modell einer Heizungsanlage
Bild 13-21 Zeitverlauf der Vorlauftemperatur des Modells im Vergleich mit der Originalstrecke (0)
ů
212
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
13.5 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-T2-Strecken Für Strecken höherer Ordnung lässt sich mit diesem Wendetangenten-Verfahren meist ein zufrieden stellendes Modell finden. Alternativ kann man die Regelstrecke nachbilden, indem man konkrete Punkte des s-förmigen Verlaufs der Sprungantwort abliest und darauf auf das Modell schließt. Diese konkreten Punkte ergeben Zeitprozentkennwerte. Ist der Schwierigkeitsgrad der Strecke S = Tu/Tg kleiner als 0,104, so wird diese Übergangsfunktion durch ein Modell 2. Ordnung angenähert; eine zufrieden stellende Nachbildung wird hier nur durch ein Modell mit ungleichen Zeitkonstanten TA und TB erreicht. Zur Erläuterung dient Bild 13-22.
Bild 13-22 Übergangsfunktion 2. Ordnung mit den für die Modellbildung benötigten charakteristischen Punkten
Der gemessenen Sprungantwort entnimmt man die Zeit t1 bei x1/xB = 0,72 ( ˆ 72 % des Endwertes). Für die Zeit t2 0, 2847 ¹ t1 wird aus der Sprungantwort x2/xB bestimmt. In Tabelle 13-10 findet man zu diesem Wert x2/xB die zugehörigen Verhältnisse: TA TB ; und τ t1 t1
TB TA
Daraus können die gesuchten Zeitkonstanten TA und TB der beiden hintereinander geschalteten P-T1-Glieder berechnet werden, die die gemessene Sprungantwort am besten annähern. Für die grafische Nachbildung der Strecke werden wieder Verzugszeit Tu und Ausgleichszeit Tg sowie Wendepunktzeit TWP ,
xWP xB
benötigt. Diese Werte können mit den Zeitkonstanten TA und Tn des Modells aus den Werten der Tabelle 13-10 berechnet werden.
13.5 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-T2-Strecken
213
Tabelle 13-9 Zeitkonstanten für die Nachbildung einer Strecke 2. Ordnung x2/xB
τ = TB/TA
TA/t1
TB/t1
0,300
0,0011
0,7950
0,000875
0,275
0,0535
0,7555
0,04041
0,250
0,104
0,7209
0,0797
0,225
0,168
0,6814
0,1144
0,210
0,220
0,6523
0,1435
0,200
0,263
0,6302
0,1657
0,190
0,321
0,6025
0,1934
0,180
0,403
0,5673
0,2286
0,170
0,534
0,5188
0,2770
01675
0,590
0 5006
0 2953
0,165
0,661
0,4791
0,3167
0,164
0,699
0,4684
0,3274
0,163
0,744
0,4563
0,3395
0,1625
0,7755
0,4482
0,3476
0,1620
0,811
0,4394
0,3564
0,1615
0,860
0,4279
0,3680
0,1610
0,962
0,4056
0,3902
0,160965
1,000
0,3979
0,3979
Tabelle 13-10 Kennwerte für eine P-T2-Strecke mit ungleichen Zeitkonstanten TA und TB τ = TB/TA
Tu/Tg
Tu/TA
Tg/TA
TWP/TA
xWP/xB
0
0
0
1
0
0
0,02
0,016
0,018
1,081
0,081
0,058
0,05
0,030
0,035
1,171
0,175
0,104
0,10
0,050
0,064
1,292
0,256
0,148
0,15
0,062
0,087
1,398
0,335
0,177
0,20
0,072
0,107
1,496
0,402
0,197
0,30
0,084
0,141
1,675
0,516
0,224
0,40
0,092
0,169
1,842
0,611
0,240
0,50
0,097
0,193
2,000
0,693
0,250
0,60
0,100
0,214
2,151
0,766
0,256
0,70
0,102
0,234
2,299
0,832
0,260
0,80
0,103
0,251
2,441
0,892
0,263
0,90
0,103
0,267
2,581
0,948
0,264
1,00
0,104
0,282
2,718
1,000
0,264
214
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
■ Übungsaufgabe 13.6 P-T2-Modell Zwei Druckluftspeicher mit unterschiedlichem Volumen sind in Reihe geschaltet und werden über ein Stellventil mit Druckluft aus dem Kompressor versorgt. Die Übergangsfunktion wurde aufgenommen. Dazu wurden alle Verbraucher abgeschaltet und das Stellventil sprunghaft von 0 auf 100 % verstellt. Vom Umgebungsdruck (0 %) aus steigt der Druck im zweiten Behälter entsprechend dem Messwertverlauf Bild 13-23. Im Beharrungszustand wurde der Kompressordruck p0 ˆ xB erreicht.
Bild 13-23 Sprungantwort einer Druckluftspeicheranlage
a) Ermitteln Sie das zu den Messwerten gehörende P-T2-Modell mit Angabe der Zeitkonstanten TA und TB . Der Zeitwert t1 ist aus dem Messschrieb für xl/xB = 0,72 abzulesen, hier t1 = 44 s. Daraus wird der Zeitwert t2 berechnet: t2
0, 2847 ¹ t1
0, 2847 ¹ 44 s 12,5 s
Zugehörig zu diesem Zeitwert ergibt sich aus dem Messschrieb x2 xB
0,18
Mit Hilfe der Tabelle 13-9 lassen sich die Zeitkonstanten der Behälter A und B berechnen:
13.5 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-T2-Strecken x2 xB TA t1 TB t1
τ
0,18
215
0, 403
0,5673
TA
0,5673 ¹ 44 s
0, 2286
TB
0, 2286 ¹ 44 s 10 s
25 s
Probe:
τ
TB TA
10 25
0, 4
Das zugehörige Modell hat den Aufbau von Bild 13-24, wobei die Reihenfolge der beiden Speicher keine Rolle spielt.
Bild 13-24 P-T2-Modell einer Druckluftspeicheranlage
b) Ermitteln Sie die Zeitkennwerte des Modells, die für die Nachbildung des Zeitverhaltens notwendig sind. Das Zeitverhalten der Übergangsfunktion (Sprungantwort) wird beschrieben durch Verzugszeit Tu, Ausgleichszeit Tg, Wendepunkt TWP und xWP. Alle diese Werte können mit Hilfe der Tabellen 13-9 und 13-10 bestimmt werden. Für τ
TB TA
0, 4 und TA = 25 s ergibt sich:
Tg Tu 0,169 ; Tu 0,169 ¹ 25 s 4, 2 s; TA TA TWP 0, 611; TWP 0, 611¹ 25 s 15,3 s; TA
1,842; Tg xWP xB
1,842 ¹ 25 s
46,1 s
0, 24
c) Zeichnen Sie aus dem Eingangssprung den Druckverlauf im ersten Behälter über der Zeit und aus diesem Zeitverlauf den Druckverlauf im zweiten Behälter. Wählen Sie dazu ein Zeitraster von Δt = 5 s. Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine proportionale Strecke mit zwei physikalisch gleichen Drossel-Speicher-Gliedern P-T1. Diese Strecke ist ohne Regler nicht schwingungsfähig. Es lässt sich der theoretische Verlauf jedes einzelnen Behälters als Sprungantwort zeichnen, wenn der KP-Wert und die Zeitkonstanten TA und TB für das Modell aus a) übernommen werden. Der Zeitverlauf der Ausgangsgröße x des Modells (Bild 13-25) ist unabhängig davon, ob
216
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
zuerst Speicher A und dann Speicher B als Folgeglied gewählt wird oder umgekehrt. Da im Beharrungszustand der Druck im zweiten Speicher gleich dem Vordruck ist, gilt: KPSE = 1 Ursache ist ein sprunghafter Anstieg des Vordruckes um 100 %, bezogen auf den Beharrungswert (normierter Eingangssprung) zum Zeitpunkt t = 0. In Bild 13-25 ist zum Zeitpunkt t = 0 die Anstiegsgeschwindigkeit (Wirkung) x0
ΔxA0 TA
100 % 25 s
4
% s
grafisch dargestellt. Nach 5 s und konstanter Anstiegsgeschwindigkeit ist der Druck im Behälter A auf 20 % bezogen auf den Beharrungswert angestiegen. Das neue Druckgefälle als treibende Kraft für den Druckanstieg im Behälter A beträgt damit nur noch ΔxA5 = 80 %; die Zeitkonstante bleibt beim linearen Modell unverändert.
Bild 13-25 Übergangsfunktion eines P-T1 und eines P-T2-Modells durch grafische Näherung
Es ergibt sich von diesem Zeitpunkt t = 5 s aus eine neue Anstiegsgeschwindigkeit x5
ΔxA5 TA
80 % 25 s
3, 2
% s
In dem Zeitraster Δt = 5 s ergeben sich in gleicher Weise weitere Punkte, mit denen der Druckverlauf im Behälter A näherungsweise gezeichnet werden kann.
13.6 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-Tn-Strecken
217
Anmerkung: In gleicher Weise wird der Zeitverlauf eines P-T1-Modells mit Hilfe eines digitalen Algorithmus dargestellt. Das Zeitraster wird dort Abtastzeit genannt. Je kleiner die Abtastzeit, desto genauer ist die numerische Nachbildung. In Bild 13-25 ist dies durch die gestrichelte Kurve dargestellt. Wie verhält sich der Behälter B auf den Eingangssprung? Die Anstiegsgeschwindigkeit im Behälter B ist von der momentan bestehenden Druckdifferenz ΔxAB zwischen den beiden Speichern abhängig. Zum Zeitpunkt t = 0 s ist diese Differenz 0, die Anstiegsgeschwindigkeit also x0 0 . Zum Zeitpunkt t = 5 s beträgt die Druckdifferenz ΔxAB = 20 %. Für die Anstiegsgeschwindigkeit ergibt sich: x5
ΔxAB TB
20 % 10 s
2
% . s
Nach 10 s ist der Druck im Behälter B auf 10 %, im Behälter A auf 35 % gestiegen. Die neue Anstiegsgeschwindigkeit wird grafisch angetragen als x10 =
25 % % = 2,5 . 10 s s
Die größte Druckdifferenz ΔxAB tritt bei t = 15 s auf (Wendepunkt). Wiederholt man die Konstruktion für weitere Zeitschritte t = 5 s, so erhält man die näherungsweise Übergangsfunktion von Speicher B und damit das Zeitverhalten der P-T2-Strecke. In gleicher Weise lassen sich Übergangsfunktionen mit 3, 4, und mehr Behältern, die in Reihe geschaltet sind, ermitteln.
13.6 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-Tn-Strecken Das in Abschnitt 13.2 beschriebene Wendetangentenverfahren hat den Nachteil, dass für das Einzeichnen der Wendetangente keine genaue Anweisung gegeben werden kann. Die Wendetangente wird „nach Gefühl" gezeichnet. Trotzdem erhält man in der Regel Modelle, die die tatsächliche Anlage genügend genau nachbilden. Die Linearisierung bedeutet dabei meist einen viel größeren Fehleranteil als die grafische Ungenauigkeit. Ein anderer Nachteil der Wendetangente ist jedoch gravierender. Der Schrieb muss bei diesem grafischen Verfahren „mit der Hand“ ausgewertet werden. Dies erscheint im Zeitalter der rechnergestützten Auswertung von Messdaten doch etwas altmodisch. Es soll hier nicht von blinder Computergläubigkeit gesprochen werden! Aber wenn man den Prozess in seinem Zeitverhalten einmal erkannt hat, benötigt man ein numerisches Verfahren, mit dem Nichtlinearitäten oder Modellveränderungen quasi automatisch (d. h. adaptiv) erkannt werden. Deshalb wurde auch für Strecken höherer Ordnung die Zeitprozentkennwert-Methode entwickelt. Bei dieser Methode werden durch die Auswertung keine zusätzlichen Fehler erzeugt. Zusätzlich können zur Kontrolle mehrere Punkte der Sprungantwort herangezogen werden. Zur Bestimmung der Zeitprozentkennwerte wird der Endwert xB der Sprungantwort gleich 100 % gesetzt. Dann werden aus der Messwerttabelle der Sprungantwort numerisch, z. B. durch Interpolation, die zu den Werten 10 %, 30 %, 50 %, 70 % und 90 % des Endwertes gehörenden Zeiten t10, t30, t50, t70 und t90 ermittelt. Dieser Vorgang ist in Bild 13-26 grafisch dargestellt.
218
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
Bild 13-26 Werten x
Bestimmung der Zeitprozentkennwerte aus den auf den Endwert bezogenen prozentualen
Für die Auswertung werden nur zwei prozentuale Werte x und der Endwert xB benötigt. Zur Klassifizierung, d. h. Abschätzung der Ordnung n des Modells wird ein Verhältnis von È t10 Ø È t10 Ø È t10 Ø È t30 Ø È t10 Ø È t30 Ø ÉÊ t ÙÚ oder ÉÊ t ÙÚ oder ÉÊ t ÙÚ oder ÉÊ t ÙÚ oder ÉÊ t ÙÚ oder ÉÊ t ÙÚ 90 70 50 70 30 50
benötigt. Mit Hilfe von Bild 13-27 lässt sich damit die Ordnung n des Modells bestimmen. Mit Rücksicht auf die Genauigkeit sind weiter auseinander liegende Wertepaare günstiger. Man wählt bei nicht ganzzahligen Werten n üblicherweise den nächstgelegenen ganzzahligen Wert. Aus Tabelle 13-11 lässt sich das zugehörige Verhältnis tx/T ablesen und die n gleichen Zeitkonstanten für das Modell berechnen: T
tx tx / T
Tabelle 13-11 Auf die Zeitkonstante T bezogene Zeitprozentkennwerte für die Ordnungszahlen n = 1 bis 10 eines P-Tn-Modells mit gleichgroßen Zeitkonstanten
n
t10/T
t30/T
t50/T
t70/T
t90/T
1
0,11
0,36
0,69
1,20
2,30
2
0,53
1,10
1,68
2,44
3,89
3
1,10
1,91
2,67
3,62
5,32
4
1,74
2,76
3,67
4,78
6,68
5
2,43
3,63
4,67
5,89
7,99
6
3,15
4,52
5,67
7,01
9,27
7
3,89
5,41
6,67
8,11
10,5
8
4,66
6,31
7,67
9,21
11,8
9
5,43
7,22
8,67
10,3
13,0
10
6,22
8,13
9,67
11,4
14,2
13.6 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-Tn-Strecken
219
Bild 13-27 Verhältnis der Zeitprozentkennwerte zur Abschätzung der Ordnung n eines P-Tn-Modells
■ Übungsaufgabe 13.7 Modell einer Raumheizung nach der ZeitprozentkennwertMethode Um die Dynamik der Heizung in einer Heizzone zu untersuchen, wurde der Temperaturanstieg des Leitraums (ohne Thermostatventil) nach einer Nachtabsenkung im Zeitabstand von 6 Minuten aufgeschrieben. Tabelle 13-12 Messwerte der Raumtemperatur während einer Schnellaufheizung
t (min)
0
6
12
18
24
30
ϑ (°C)
17,50
17,65
18,12
18,67
19,14
19,48
t (min)
36
42
48
54
60
90
ϑ (°C)
19,69
19,82
19,90
19,95
19,97
20
a) Ermitteln Sie daraus die Zeitprozentkennwerte t10, t30, t50, t70 und t90. Anleitung: Zwischenwerte können durch lineare Interpolation ermittelt werden. Die Temperatur zum Zeitpunkt t = 0 beträgt 17,5 °C, der Beharrungswert (100 %) für t → ∞ 20 °C. Daraus ergibt sich die Temperaturdifferenz ΔϑB 2,5 K ˆ 100 % Der 10 %-Wert ist: Δϑ10
0, 25 K
bzw. ϑ10
17, 75 C
Den zugehörigen Zeitwert erhält man durch lineare Interpolation
220
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
x10 t10
17, 75 17, 65 0, 21 18,12 17, 65 6 ¹ 60 s 75,6 s 435,6 s
Δt
0,21¹ 360 s
75,6 s
Die übrigen Ergebnisse sind nachfolgend zusammengestellt: Tabelle 13-13 Zeitprozentkennwerte, errechnet aus den Messwerten Tabelle 13-12.
x
Δϑx
ϑx
tx
%
K
°C
s
10
0,25
17,75
435,6
30
0,75
18,25
805,1
50
1,25
18,75
1141,3
70
1,75
19,25
1556,5
90
2,25
19,75
2314,3
100
2,50
20,00
Æ∞
b) Bestimmen Sie mit Hilfe von Bild 13-27 die Zahl n der Verzögerungsglieder eines P-Tn-Modells mit gleichgroßen Zeitkonstanten T. Grundsätzlich werden nur zwei Werte benötigt. Hier sollen jedoch alle Verhältnisse, die ablesbar sind, bestimmt und mit theoretischen Werten verglichen werden. Nach allen Verhältnis-Werten liegt die Ordnung der Strecke zwischen n = 2 und n = 3 (näher an n = 3). Die Heizzone kann also durch ein Modell mit 2 oder 3 gleichgroßen P-T1-Gliedern nachgebildet werden. Tabelle 13-14 Strecke.
Vergleich zweier Modelle, berechnet aus Zeitprozentkennwerten, mit der gemessenen
theoretisch aus Bild 13-27 gemessen
n=2
n=3
t10/t90
0,188
0,14
0,21
tl0/t70
0,280
0,22
0,31
t10/t50
0,382
0,32
0,41
t30/t70
0,517
0,45
0,53
t10/t30
0,541
0,48
0,58
t30/t50
0,705
0,65
0,72
c) Bestimmen Sie die Zeitkonstanten des Modells. Mit Hilfe der Werte tx/T aus Tabelle für n = 2 und n = 3 kann die Zeitkonstante berechnet werden:
13.6 Zeitprozentkennwert-Verfahren für P-Tn-Strecken
221
Tabelle 13-15 Berechnung der Zeitkonstanten für die Modelle 2. und 3. Ordnung Modell
n=2
n=3
tl0/T
0,53
1,10
T in s
822
396
t30/T
1,10
1,91
T in s
732
422
t50/T
1,68
2,67
T in s
679
427
t70/T
2,44
3,62
T in s
638
430
t90/T
3,89
5,32
T in s
595
435
+ ° 18,6 % 693,2 ® °¯ - 14,2 %
°− 6,2 % 422,0 ® °¯ + 3,1 %
Mittelwert T in s
Anhand der Streuung um den Mittelwert, kann die Größenordnung des Modellfehlers abgeschätzt werden. Für n = 2 ist die Streuung zu groß. Wiederholt man das Verfahren für n = 3, so schwankt das Ergebnis um bis zu 6 %. Eine höhere Modellgenauigkeit kann nur erreicht werden, wenn ein Modell mit ungleichen Zeitkonstanten verwendet wird. In Bild 13-28 ist ein Vergleich zwischen P-T2-Modell, P-T3-Modell und Original-Heizzone durchgeführt. Dabei sind P-T3-Modell und Original fast deckungsgleich, wogegen das P-T2-Modell erhebliche Abweichungen zeigt.
Bild 13-28 Vergleich von Messwerten und Modellen für die Schnellaufheizung in einer Heizzone
222
13 Nachbildung von P-Strecken höherer Ordnung
In der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik findet das beschriebene Modell Einsatz bei der „Optimierung". Der „Heizungsoptimierer“ errechnet selbsttätig den optimalen Ausschaltpunkt einer Heizungszone für die Nachtabsenkung und den spätestens möglichen Wiedereinschaltpunkt am Morgen. Dazu wird ein Mikrocomputer mit einem Simulationsprogramm benötigt, in dem die Heizzone mathematisch nachgebildet ist, z. B. durch ein P-T3-Modell.
223
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken Bei Regelstrecken, die mehr als einen Speicher enthalten, können sich unter gewissen Bedingungen Schwingungen der Ausgangsgröße einstellen. Ausschlaggebend für die Schwingungsfähigkeit ist, dass die Speicher physikalisch unterschiedlich wirksam sind, und dass Energieverlust und damit Dämpfung des Systems nicht zu groß ist. Als Beispiele seien genannt: x x x x
elektrischer Schwingkreis mit Energieaustausch zwischen elektrischem und magnetischem Feld (Elektromotor) mechanisches Feder-Masse-Dämpfungs-System (Fahrzeugfederung) mechanisches drehelastisches Massenträgheits-System (Spindel-Vorschubeinheit) Austausch zwischen kinetischer und potenzieller Energie (Gewicht an einem Kran)
Eine Regelstrecke mit einem Schwingungsglied (P-T2s) ist nicht immer deutlich von einer solchen mit zusätzlichen Verzögerungsgliedern zu unterscheiden (Bild 14-1).
Bild 14-1 Zeitverlauf von Sprungantworten x Reines Schwingungsglied (P-T2S) x P-Schwingungsglied und zusätzliche Verzögerungsglieder (P-Tn-T2S), n = Anzahl der Verzögerungsglieder x
Weist die zu klassifizierende und nachzubildende Sprungantwort ein deutlich schwingendes Verhalten auf, so versucht man zunächst die Nachbildung durch ein reines P-T2s-Glied zu erreichen. Eine Verbesserung kann durch Reihenschaltung weiterer Verzögerungsglieder erzielt werden. Schwingungsfähige Systeme, die einen aperiodischen Verlauf zeigen (D t 1), werden in der Regel durch P-Tn-Modelle nachgebildet. Die schwingungsfähige Regelstrecke wird gekennzeichnet durch die messbaren Parameter Dämpfungsgrad D und Schwingungsperiode W. Diese Parameter werden umgerechnet in die Parameter T0 und T1 der Differenzialgleichung bzw. deren Lösung.
224
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken
Tabelle 14-1 Verhalten eines Systems bei verschiedenen Dämpfungsgraden
D
Verhalten
Bemerkung
>1
aperiodisch kriechend
=1
aperiodischer Grenzfall
0
abklingendes Schwingen
=0
Dauerschwingung
<0
aufklingendes Schwingen
Æ Wmin
14.1 P-T2S-Modell als reines Schwingungsglied Ein reines Schwingungsglied kann durch ein Modell 2. Ordnung beschrieben werden.
Bild 14-2 Blockdarstellung eines Schwingungsgliedes
Die Sprungantwort eines P-T2s-Gliedes wird beschrieben durch die Differentialgleichung T02 ¹ x T1 ¹ x 'x t
K P ¹ 'yz oder
1
Z02
¹ x
2D
Z0
¹ x x
K P ¹ yz
Die wichtigsten Eigenschaften lassen sich aus folgenden Kennwerten ablesen: x
1 T0 ist die Eigenkreisfrequenz des dämpfungslos gedachten Übertragungsgliedes.
Die Kennkreisfrequenz Z0
1 T1 ¹ 2 T0 ist eine Maßzahl für das Abklingen der Schwingung (Tab 14-1).
x
Der Dämpfungsgrad D
x
Die Eigenfrequenz der gedämpften Schwingung berechnet sich aus
Z Z0 ¹ 1 D 2 x
Die Zeit für eine volle Schwingung oder die Dauer einer Schwingungsperiode ist 2S 2S W0 für D 0 und W für 0 D 1 .
Z0
x
2S ¹ f .
Z
Für den Proportionalbeiwert KP gilt wie bei allen P-Strecken: 'xB KP . 'yz
14.1 P-T2S-Modell als reines Schwingungsglied
225
Für den Fall D < 1 lassen sich die Kennwerte W und D aus den Messkurven einfach ermitteln. Aus der Lösung der Differentialgleichung 2. Ordnung für einen Eingangssprung K P ¹ 'yz ¹ ËÍ1 A ¹ e G ¹t ¹ sin(Z ¹ t M ) ÛÝ
'x(t )
erkennt man an der Sinus-Funktion, dass es sich um eine homogene Schwingung mit Phasenverschiebung handelt. Die e-Funktion mit negativem Exponenten führt dazu, dass die Schwingung abklingt gegen den Wert K P ¹ ' yz
'xB
(da e –
0) .
Bild 14-3 Kennwerte der Differentialgleichung 2. Ordnung
M ist die Phasenverschiebung der Schwingung gegenüber der reinen Sinus-Schwingung. 1 D2 D
a b
tan M
Für die Amplitude A der abklingenden Schwingung um den Beharrungswert 1 (Bild 14-3) gilt: A
a 2 b2
1 1 D2
14.1.1 Abklingkonstantenverfahren Die Abklingkonstante G berechnet sich nach
G
D T0
1 TA
226
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken
Ist die Schwingungsamplitude auf 36,8 % der ersten Amplitude gefallen, dann entspricht diese Zeit der Abklingzeit TA. Die Abklingkonstante G stellt die reziproke Zeitkonstante der Hüllkurve der Übergangsfunktion dar, wobei die beiden Exponentialkurven xˆ A ¹ eG ¹ t die gedämpfte Schwingung einhüllen. Aus der abgelesenen Schwingungsperiode W und der Abklingkonstanten TA ergibt sich: W
D
4S 2
¹ TA 2 W 2
T0
D ¹ TA
T1
2 ¹ D ¹ T0
Dieses Verfahren ist schnell durchführbar, aber wegen der grafischen Ablesung ungenau.
14.1.2 Logarithmisches Dekrement Mit Hilfe der Lösung der Differentialgleichung 2. Ordnung, lassen sich alle Zeitpunkte des P-T2s-Modells berechnen.
Bild 14-4 Schwingungsamplituden des P-T2S-Gliedes
Insbesondere die erste Amplitude = Überschwingweite xÜ des Ausgangssignals über dem Beharrungswert nach sprunghafter Anregung ist interessant, da sie nur von dem Dämpfungsgrad D abhängt. Dieser Zusammenhang ist in Bild 14-4 dargestellt. Dieser Wert xÜ gibt auch das Verhältnis zweier beliebiger aufeinander folgender Halbschwingungen an, wenn sich das System linear verhält. xˆn 1/ 2 xˆn
14.1 P-T2S-Modell als reines Schwingungsglied
227
Für eine halbe Schwingungsperiode zwischen t1 und t2, also für
W
t2 t1
2
ergibt sich: xˆn 1/ 2 xˆn
eZ0 ¹D¹(t1 t2 )
eZ0 ¹D¹W /2
S ¹D
e
1 D2
Für die erste Halbschwingung von t = 0 aus lässt sich damit auch xÜ berechnen. xÜ 1
e
S ¹D 1– D2
Tabelle 14-2 Zusammenhang zwischen xÜ und D
D
0,05
0,10
0,20
0,30
0,40
0,50
0,60
0,70
0,80
xÜ
0,854
0,729
0,527
0,372
0,254
0,163
0,095
0,046
0,015
Weitere Werte lassen sich in Bild 14-5 ablesen.
Bild 14-5 Überschwingweite in Abhängigkeit vom Dämpfungsgrad bezogen auf 'xB=100 %
Für die rechnerische Auswertung der Schwingung aus Messwerten bildet man das logarithmische Dekrement / zweier aufeinander folgender gleichgerichteter Amplituden.
/
È xˆ Ø ln É n Ù Ê xˆn 1 Ú
È Ø É xˆn Ù 2 ¹ ln É Ù ˆ É xn 1 Ù Ê 2Ú
2¹
D ¹S 1 D2
228
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken
Wird die o. g. Gleichung nach dem Dämpfungsgrad aufgelöst, so ergibt sich: D
/ 4S 2 / 2
14.1.3 Anschwingverhalten Der Dämpfungsgrad D lässt sich auch aus dem Verhältnis von Zeit t0,5 für das Erreichen von 50 % des Endwertes und Zeit t1,0 für das erstmalige Erreichen des Endwertes bestimmen (siehe Bild 14-4). Bestimmt man mit dem logarithmischen Dekrement und aus dem Verhältnis t1,0 / t0,5 jeweils den Wert D, so stimmen diese Werte bei einer reinen P-T2s-Strecke überein. Ist der tatsächliche Wert t1,0 / t0,5 kleiner als der, der er sich aus Bild 14-6 ergibt, so ist mindestens ein zusätzliches Verzögerungsglied zur Nachbildung notwendig.
Bild 14-6 Verhältnis t1,0 / t0,5 in Abhängigkeit vom Dämpfungsgrad
Übungsaufgabe 14.1 Ermittlung der Kennwerte einer schwingungsfähigen Strecke ohne zusätzliche Verzögerungsglieder Ein Versuchsstand zur Drehzahlregelung besteht aus einem fremd erregten Gleichstrommotor, der mit einem konstanten Moment ML belastet ist. Durch eine Einstellung der Ankerspannung Y von 0 auf 2,5 V ändert sich die Drehzahl n entsprechend dem Messschrieb aus Bild 14-7 und 14-8 von 0 auf 10 Umdrehungen pro Minute a) Bestimmen Sie den Dämpfungsgrad D nach verschiedenen Verfahren. Aus dem Anfangsverlauf Bild 14-7 liest man ab: t0,5
1,18 s, t1
1,91 s
14.1 P-T2S-Modell als reines Schwingungsglied
229
Daraus ergibt sich das Verhältnis: t1 t0,5
1,91 s 1,18 s
1, 62
Für dieses Verhältnis kann man in Bild 14-6 den theoretischen Dämpfungsgrad D ablesen. Æ D = 0,25 Mit der Überschwingweite xÜ = 44 % bezogen auf den Beharrungswert nach Bild 14-7 entnimmt man aus Bild 14-5: Æ D = 0,25 Aus dem Einschwingverhalten über mehrere Perioden aus Bild 14-8 lassen sich die einzelnen maximalen Amplituden ablesen, z. B. xn = 44,4 % und xn+1 = 8,8 %. Es ergibt sich das logarithmische Dekrement:
/
È xˆ Ø ln É n Ù Ê xˆn 1 Ú
È 44, 4 Ø ln É Ê 8,8 ÙÚ
1, 618
Daraus lässt sich der Dämpfungsgrad berechnen: D
/
1, 618
4S 2 / 2
4S 2 1, 6182
0, 249
Bild 14-7 Gemessener Anfangsverlauf des Gleichstrommotors
230
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken
Bild 14-8 Einschwingverhalten des Gleichstrommotors
Das gleiche Verfahren kann auch für halbe Perioden eingesetzt werden:
/
È Ø É xˆn Ù 2 ¹ ln É Ù ˆ É xn 1 Ù Ê 2Ú
Damit ergeben sich folgende Ergebnisse aus Tabelle 14-3: Tabelle 14-3 Dämpfungsgrad, berechnet aus verschiedenen Halbschwingungen
/
D
19,7
1,625
0,250
1½
8,8
1,612
0,248
2
3,9
1,628
0,251
n
xˆn (%)
½
44,4
1
Auch aus diesen Werten ergibt sich als Mittelwert D = 0,25.
14.1 P-T2S-Modell als reines Schwingungsglied
231
Bild 14-9 Hüllkurve des Schwingungsvorgangs vom Gleichstrommotor
Aus der Hüllkurve des Schwingungsvorgangs in Bild 14-9 kann man ablesen: n/nB(TA) = 36,8 % Æ TA = 4 s und W = 6,5 s. Der Dämpfungsgrad berechnet sich mit diesen Werten zu: D
W 4S 2 ¹ TA 2 W 2
6,5 s 4S 2 ¹16 s 2 42, 25 s 2
0, 25
Die Werte nach den unterschiedlichen Verfahren stimmen ausreichend überein. Es kann also ein reines P-T2s-Modell ohne zusätzliche Verzögerungen verwendet werden. b) Beschreiben Sie das Zeitverhalten der Drehzahlregelstrecke durch ein Modell. Geben Sie alle dazu notwendigen Parameter an. Als Eingangssprung verwenden wir eine sprunghafte Änderung der Gleichspannung von 0 auf 2,5 V. Im Beharrungszustand stellt sich eine bleibende Drehzahländerung von nB = 10 min–1 ein. Eine Regelung der Strecke durch einen Drehzahlregler findet nicht statt.
232
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken
Der Proportionalwert Kp-Wert des Modells berechnet sich wie folgt: KP
nB y
10 min 1 1 min ¹ 2,5 V 60 s
0, 067
1 V ¹s
Aus dem Messschrieb (Bild 14-8) kann folgende Schwingungsperiode W = 6,5 s abgelesen werden. Damit berechnet sich der Kennwert T0
W ¹ 1 D2 . 2S
Der Dämpfungsgrad D wurde bereits in Teilaufgabe a) ermittelt (D = 0,25). T0
6,5 s ¹ 1 0, 252 2S
1s
Der Kennwert T1 beträgt: T1
2 ¹ D ¹ T0
2 ¹ 0, 25 ¹1 s
0,5 s
Mit den ermittelten Kennwerten lässt sich die Differentialgleichung des P-T2s-Modells angeben, die das Modell beschreibt: T02 ¹ n T1 ¹ n n
KP ¹ y
1 s 2 ¹ n 0,5 s ¹ n n
0, 067
1 ¹y V ¹s
mit n in [1/s]
Der zugehörige Wirkungsplan ist in Abb. 14-10 dargestellt.
Bild 14-10 Wirkungsplan einer Drehzahlregelstrecke
c) Setzen Sie die Kennwerte in die Lösungsgleichung des P-T2s-Modells ein. Die Lösungsgleichung für die Sprungantwort einer Differentialgleichung 2. Ordnung lautet: n
K P ¹ y ¹ 1 A ¹ e- t/TA ¹ sin(Z ¹ t M )
Im Beharrungszustand für t o f gilt: nB
K P ¹ y 10 min 1
14.1 P-T2S-Modell als reines Schwingungsglied
A ¹ e–Z0 ¹ D ¹ t ¹ sin(Z ¹ t M )
0
233
da e – 0
Für die Amplitude A gilt: A
1 1 D2
1, 033
Die Abklingfunktion wird beschrieben durch e t/TA
e t/4 s .
Die Sinusschwingung wird beschrieben durch
Z ¹t
2S
¹t
W
360
t 6,5 s
und hat die konstante Phasenverschiebung
M
1 D2 D
arc tg
75,5
Vergleich mit dem Messwert:
M* M
t1,0
1,91 ¹ 360 W 6,5 180 105,8 74, 2 ¹ 2S
105,8
Die Lösungsgleichung mit allen Kennwerten lautet n
0, 067
Ë 1 t È ØÛ ¹ y Ì1 1, 033 ¹ e t/4s ¹ sin É 360 ¹ 75,5Ù Ü Ê ÚÝ V ¹s Í 6,5 s
d) Welcher Wert ergibt sich für n bei einer Spannungsänderung y = 20 V nach 4 s? n
0, 067
n 1,34
1 È 4 Ø ¹ 20 V ¹ (1 1, 033 ¹ e1 ¹ sin É 360 ¹ 75,5Ù Ê Ú V ¹s 6,5
1 1 1 (1 0,338) 1, 79 107, 6 s s min
Aus dem Messschrieb ist abzulesen, für t = 4 s n nB
1 1 1,35 n 1,34 1,35 1,81 s s
108,5
1 min
e) Nach welcher Zeit hat sich bei y = 20 V die Drehzahl bis auf 3 1/min an den neuen Beharrungswert angeglichen? Zur Bestimmung der Zeit, nach der die Schwingungsamplituden kleiner sind als ein Grenzwert, verwendet man die umhüllende e-Funktion (Bild 14-9). Für die Zeitkonstante dieser eFunktion gilt: TA
1
Z0 ¹ D
T2 D
1s 0, 25
4s
234
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken
Diese e-Funktion läuft für t gegen den Beharrungswert. nB
0, 067
1 1 ¹ 20 V 1,34 V ¹s s
80, 4
1 min
Der Grenzwert der Amplituden soll nH
1 min
3
sein. Daraus ergibt sich: nH nB
1 min 1 80, 4 min 3
0, 0375
e t/TA
Der gewünschte Grenzwert wird also nach 2 Schwingungsperioden oder nach vier Extremwerten erreicht. Aus dem Messschrieb entnimmt man, dass der vierte Extremwert xˆn (1/ 2) nur noch wenig über dem Grenzwert liegt.
14.2 Modell mit Schwingungsglied und Verzögerungsgliedern Schwingungsfähige Regelstrecken haben oft zusätzliche, wenn auch meist kleinere, Verzögerungsglieder. Solche Strecken lassen sich nur schwer mit ausreichender Genauigkeit nachbilden. Es soll erwähnt werden, dass die messtechnische Analyse solcher Systeme im Frequenzbereich oder die digitale Identifikation bessere Ergebnisse liefert. Solche Strecken lassen sich im Zeitbereich durch die Reihenschaltung eines P-T2S-Gliedes und einem oder mehreren P-T1-Gliedern nachbilden. Entscheidend für die Auswahl des P-T2SGliedes ist, dass das Schwingungsverhalten erkennbar und auswertbar ist. Dies ist nur für D < 0,4 möglich. Sonst ist es besser, das Zeitverhalten durch eine P-Tn-Strecke mit aperiodischen Verhalten nachzubilden, z. B. indem man eine „Schmiegefunktion“ in die Restschwingung legt (Bild 14-11). Der Einfluss dieser Schmiegefunktion sollte größer sein als der Einfluss des Schwingungsgliedes. Dies gilt immer dann für den Parameter b: b
T ¹ Z0 ! 2
b
Tg ¹ Z0 ! 2 (P-Tn-Schmiegefunktion)
(P-T1-Schmiegefunktion)
Tabelle 14-4 Parameter für die Modellauswahl mit / ohne zusätzliche Verzögerung
D t 0,4 0,5
Z0 ¹ Tg D
D 0, 4 0,5
Z0 ¹ Tg
P-Tn-Modell P-T2S-Tn-Modell P-T2S-Modell
14.2 Modell mit Schwingungsglied und Verzögerungsgliedern
235
Bild 14-11 Sprungantwort eines Schwingungsmodells höherer Ordnung mit Schmiegefunktion
Zur Ermittlung der Kennwerte für das P-T2S-Tn-Modell legt man zuerst die Schmiegefunktion als gedachte Mittellinie des Schwingungsverlaufs in die Messkurve. Damit lässt sich für den Bereich, in dem die Schmiegefunktion quasi in Beharrung ist, der Dämpfungsgrad D mit Hilfe des logarithmischen Dekrements bestimmen. Für diesen Dämpfungsgrad ergibt sich ein theoretisches Verhältnis t1,0/t0,5 aus Bild 14-11 für eine Strecke mit reinem Schwingungsverhalten. Bei schwingenden Regelstrecken mit zusätzlicher Verzögerung gilt: È t1,0 Ø È t1,0 Ø É Ét Ù Ù Ê 0,5 Ú gemessen Ê t0,5 Ú theoretisch
Je weiter die beiden Verhältnisse auseinander liegen, desto stärker ist der Einfluss des P-TnGliedes im Modell (z. B. nachbildbar durch die Wendetangente). Genügt eine Abschätzung mit Hilfe der Schmiegefunktion nicht, so kann das direkte Verfahren verwendet werden. ů
Übungsaufgabe 14.2 Lageregelung eines Flugzeuges, P-Tn-T2S-Modell Bei der Längslagenbewegung eines Flugzeuges entstehen Auftriebs- und Vortriebskräfte, die zu einer Bewegungsgleichung höherer Form führen und mindestens eine Eigenschwingung enthalten. Für den Flugsimulator einer Flugschule soll ein vereinfachtes Modell für die Ermittlung des Steigwinkels des Flugzeugs erstellt werden. Aus dem Flugschreiber einer Schu-
236
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken
lungsmaschine ist der Zeitverlauf des Steigwinkels D nach einer sprunghaften Änderung der Stellung des Steuerknüppels bekannt (Bild 14-12). Die hochfrequenten Störungen durch Turbulenzen und mechanische Vibrationen wurden elektrisch herausgefiltert, so dass nur noch der Vorgang der Steigwinkeländerung erfasst ist.
a) Ermitteln Sie den Dämpfungsgrad D der Längslagenbewegung und die Kennkreisfrequenz Z0. Aus dem Schrieb lassen sich die Amplituden der Schwingung um den erwarteten Beharrungswert des Steigwinkels DB, zugleich Mittelwert der Schwingung, ablesen. Die Festlegung des Mittelwertes der Schwingung ist meist ungenau; bei der Ermittlung des Dämpfungsgrades durch zwei gegenüberliegende Amplituden verdoppelt sich der Fehler. Deshalb wählt man zur Bestimmung des logarithmischen Dekrements besser jede zweite Amplitude, d. h. Amplituden in gleicher Schwingungsrichtung. Im Bild 14-12 sind die Amplituden der Halbschwingungen xˆn von n = 0 bis n = 4 durchnummeriert und in die Tabelle 14-5 eingetragen.
Bild 14-12 Steigwinkel eines Flugzeuges, Sprungantwort als Messschrieb auf dem Flugschreiber. Ermittlung des Schwingungsverhaltens
14.2 Modell mit Schwingungsglied und Verzögerungsgliedern
237
Zahlenbeispiel:
/ D
È xˆ Ø ln É n Ù Ê xˆn 1 Ú
È xˆ Ø ln É 2 Ù Ê xˆ3 Ú
È 0, 016 Ø ln É Ê 0, 009 ÙÚ
/
0,575
4S 2 / 2
4S 2 0,5752
0,575
0, 091
In Tabelle 14-5 sind die so berechneten Dämpfungsgrade D für verschiedene Amplitudennummern eingetragen. Man erkennt in Tabelle 14-5, dass der Dämpfungsgrad D ab der 2. Amplitude konstant bleibt: D 0, 092 .
Dies bedeutet, dass bis dort die kleinen (versteckten) Zeitverzögerungen ihren Beharrungswert erreicht haben und nur noch eine dominierende Schwingung erkennbar ist. Im Anfangsbereich ist das Verhalten der sonstigen Zeitkonstanten so ausgeprägt, dass dort kein sinnvolles Ergebnis erkennbar ist. Tabelle 14-5 Schwingungsamplituden und Dämpfungsgrad des Steigwinkels D aus Bild 14-12
Das Zeitverhalten kann demzufolge durch ein Modell mit Schwingungsglied und durch weitere noch zu definierende Verzögerungsglieder nachgebildet werden. Zur vollständigen Beschreibung des Schwingungsgliedes gehört neben dem Dämpfungsgrad D noch die Kennkreisfrequenz
Z0
1 T0
Aus dem Messschrieb entnimmt man die Schwingungsperiode
W
6, 25 s
Damit berechnet sich der Kennwert T0: T0
W 2S
1 D2
6, 25 s 1 0,12 2S
0,99 s oder Z0
1 1s T0
Den Einfluss zusätzlicher Verzögerungen kann man mit dem Verhältnis t1,0/t0,5 abschätzen. Aus dem Schrieb Bild 14-12 ergibt sich:
238
14 Kennwerte für schwingungsfähige P-Strecken È t1,0 Ø Ét Ù Ê 0,5 Ú gemessen
6, 0 s 4,3 s
1, 40
Dieses Verhältnis ist kleiner als der theoretische Wert bei reinem Schwingungsverhalten beim Dämpfungsgrad D = 0,1 È t1,0 Ø Ét Ù Ê 0,5 Ú gemessen
1,53 (aus Bild 14-6)
Der Einfluss der sonstigen Verzögerungsglieder ist also zu berücksichtigen. b) Ermitteln Sie näherungsweise mit Hilfe der Schmiegefunktion das Modell der sonstigen Verzögerungsglieder. Die Schmiegefunktion wird weitgehend nach Gefühl als theoretische Mittellinie der Schwingung in den Schrieb gelegt. Man kann aber auch für den unter a) ermittelten Dämpfungsgrad D = 0,1 rückwärts die Amplitude x1/2 berechnen.
Bild 14-13 Steigwinkel eines Flugzeuges, Sprungantwort als Messschrieb auf dem Flugschreiber. Ermittlung der zusätzlichen Verzögerungsglieder
14.2 Modell mit Schwingungsglied und Verzögerungsgliedern xˆ
n
XV xˆ1,5
1 2
xˆn
239
0, 729 (Amplitudenverhältnis) xˆ1
0, 021
xˆ1,5 XV
0, 021 0, 729
0, 029
xˆ0,5
xˆ1 XV
0, 029 0, 729
0, 040
Das Anfangsverhalten von Schmiegefunktion und Schwingungsverlauf ist gleich, der erste Schnittpunkt zwischen den beiden Zeitverläufen kann grob zu 2/3 der Differenz der Amplituden abgeschätzt werden. 1 0, 67( xˆ1/ 2 xˆ0 ) 1 0, 67(1, 26 1) 1,174
Die Schmiegefunktion beschreibt den Verlauf der sonstigen Verzögerungsglieder. Mit Hilfe des Wendetangenten-Verfahrens kann der Zeitverlauf der Schmiegefunktion durch ein P-TnModell mit gleichgroßen Verzögerungsgliedern beschrieben werden. Legt man die Wendetangente in die Schmiegefunktion Bild 14-13, so erhält man folgende Werte: Verzugszeit Tu = 1,4 s ; Ausgleichszeit Tg = 4,4 s Der Schwierigkeitsgrad S
Tu Tg
1, 4 s 4, 4 s
0,318
ergibt mit Hilfe von Tabelle 13-4 Æ n = 4 und Tg/T = 4,463 Das Modell besteht aus vier gleichgroßen Verzögerungsgliedern mit den Zeitkonstante T
Tg Tg / T
4, 4 s 4, 463
0,99 s 1 s
Der Proportionalbeiwert des Modells kann nicht aus den in der Aufgabenstellung gegebenen Angaben ermittelt werden. Gibt man als Eingangsgröße eine sprunghafte Änderung des Steuerknüppels um den Wert 1 vor, so gilt: KP
'xB 'y
0, 25 1
0, 25
Damit ergibt sich das Modell, das vereinfacht in Bild 14-14 dargestellt ist.
Bild 14-14 P-T2S-Tn-Modell des Flugzeuges
240
15 Integrierbeiwerte Ein wesentliches Merkmal bisher behandelter Regelstrecken ist die Tatsache, dass die Ausgangsgröße (Regelgröße x) nach einer sprungförmigen Änderung der Eingangsgröße (Stellgröße y) einem neuen, festen Endwert zustrebt und diesen dann beibehält. Oder anders ausgedrückt: Die Regelgröße bewegt sich nach einer Änderung der Ausgangsgröße auf einen neuen Beharrungswert zu. Regelstrecken ohne Ausgleich dagegen besitzen (zumindest innerhalb des Messbereichs) keinen festen Endwert. Es besteht demnach keine Proportionalität zwischen der Eingangsgrößenänderung und der Ausgangsgrößenänderung. Eine Proportionalität besteht nur zwischen der Änderungsgeschwindigkeit der Ausgangsgröße und der Eingangsgrößenänderung selbst. x
K IS ¹ Δy (t ) oder X
X 0 K IS ¹ Δy (t ) dt
Ô
Diese Kennzahl wird in der Regelungstechnik als Integrierbeiwert der Regelstrecke (KIS) bezeichnet.
Bild 15-1 Übergangsfunktionen von Strecken ohne Ausgleich mit und ohne Verzögerungen
Ein einfaches Beispiel für eine solche Strecke stellt ein Eimer dar, der mit Wasser gefüllt werden soll. Sobald der Wasserhahn aufgedreht wird, steigt der Wasserstand mit der Zeit an. Wird der Wasserhahn nicht rechtzeitig abgedreht, so läuft der Eimer über. Analog den Strecken mit Ausgleich können auch Strecken ohne Ausgleich Verzögerungen beinhalten. In Bild 15-1 sind Übergangsfunktionen von Strecken ohne Ausgleich abgebildet, jeweils mit und ohne Verzögerung. Der zugehörige Integrierwert KIS lässt sich grafisch aus der Asymptoten am Anstieg der I-Strecke ermitteln. Je größer die Steigung, desto größer ist KIS. Wenn in der Reihenschaltung einer Regelstrecke ein Glied mit integrierendem Verhalten (IVerhalten) ohne eine Rückwirkung vorhanden ist, zeigt die gesamte Regelstrecke ein Verhalten ohne Ausgleich.
15.1 Verzögerungsarme Strecken
241
Ein Beispiel für eine I-Strecke ist die Kursregelung eines Schiffes. Wird das Ruder eines Schiffes gegen die Längsachse um den Winkel α verstellt, so wird durch das Ruder auf das Schiff ein proportionales Drehmoment ausgeübt. Diesem Rudermoment wirken entgegen: •
das Trägheitsmoment des Schiffes
•
eine der Geschwindigkeit v proportionales dämpfendes Reibungsmoment
•
ein durch das strömende Wasser oder durch den Wind bewirktes externes Moment, ggf. als Rückstellmoment
Bleibt der Ruderausschlag ohne externe Störgröße konstant, dann fährt das Schiff im Kreis. Es ergibt sich I-Verhalten.
Bild 15-2 Kursbestimmung eines Schiffes
15.1 Verzögerungsarme Strecken Nur im Arbeitspunkt Y0 = Z0 ist eine I-Strecke in Beharrung, d. h. wenn die zugeführte Energie oder der zugeführte Massenstrom im Gleichgewicht ist mit der abgeführten Energie bzw. Massenstrom des Systems. Geht man von einer sprunghaften Änderung Δy = konst. aus, so kann die Integration auf der rechten Seite der Gleichung durchgeführt werden und man erhält: X (t )
X 0 K IS ¹ Δy ¹ t oder Δx(t )
K IS ¹ Δy ¹ Δt
Bei einer Störgrößenänderungen Δz(t) auf der Entnahmeseite des Systems zeigt sich der für die I-Strecke typische Abfall der Regelgröße bis zum Wert X = 0. Bei Stellgrößenänderungen Δy(t) auf der Zuführungsseite steigt die Regelgröße bis zu einer physikalischen oder messtechnischen Begrenzung, z. B. Behälteroberkante. Der maximale Wert xmax ist dann vorhanden, wenn die Stellgröße Y ihren größten Wert annimmt. Dieser ist durch den Stellbereich YH vorgegeben. Messungen an realen Anlagen lassen
242
15 Integrierbeiwerte
die Bedingung y = YH nur selten zu. Deshalb wird für die messtechnische Analyse meist mit geringeren Sprunghöhen gearbeitet. x
K IS ¹ Δy (t ) À K IS
(Δx / Δt ) Δy (t )
x Δy (t )
1 TI
Die Integrierzeit TI ist als reziproker Integrierwert eines reinen I-Gliedes (mit KP = 1) definiert. Aus der Sprungantwort kann der Integrierwert ermittelt werden: K IS
Δx Δt ¹ Δy
■ Übungsaufgabe 15.1 Kennwerte einer verzögerungsarmen I-Strecke Für einen zylindrischen Wasserspeicher sollen die Kennwerte zur Modellbildung ermittelt werden. Dazu wurde der Abfluss abgesperrt ( Vab 0! ) und zwischen den einzelnen Messpunkten jeweils ein konstanter Zufluss V eingestellt. Wenn der Wasserstand im Behälter um zu
Δh = 5 cm angestiegen war, wurde die Zeit registriert und der Zufluss auf einen neuen konstanten Wert eingestellt. Tabelle 15.1 Messwerte des Füllvorgangs eines Wasserspeichers
h
cm
60
65
70
75
80
0
220
320
390
440
t
s
Vzu
3
m /h
0,4
0,9
1,3
1,8
Nr.
–
0–1
1–2
2–3
3–4
a) Bestimmen Sie den gemittelten Integrierbeiwert KlS.
Bild 15-3 I-T0-Modell des Wasserspeichers
Der Wasserspeicher ohne Abfluss zeigt I-Verhalten. Solange ein Zufluss vorhanden ist, steigt der Wasserstand an. Verzögerungsglieder sind nicht vorhanden, wenn die Zuflussmessstelle nahe am Speicher angeordnet ist. Das Zeitverhalten kann also durch ein verzögerungsarmes IModell nach Bild 15-3 beschrieben werden.
15.1 Verzögerungsarme Strecken
243
Bild 15-4 Zeitverhalten des Wasserspeichers bei sprunghafter Änderung des Zuflusses
Ausgangsgröße ist der Wasserstand h, Eingangsgröße der Zufluss Vzu . Das Zeitverhalten gemäß den Messwerten ist in Bild 15-4 dargestellt. Für jeden Messabschnitt lässt sich daraus ein Integrierwert entsprechend der Formel KI
Δh Vzu ¹ Δt
z. B. K I1 2
5 cm 1 ¹ 0,9 m3 / h 100 s
0, 056
cm 1 ¹ m3 /h s
berechnen. Bei linearem Verhalten des Speichers (konstanter Querschnitt) ist der KI-Wert in allen Messabschnitten gleich, trotz unterschiedlichem Zufluss. Anmerkung: Da hier für die Störgröße Z 0 Vab 0 gilt, kann an Stelle der Differenz die absolute Größe des zugeführten Volumenstroms eingesetzt werden.
244
15 Integrierbeiwerte
Tabelle 15.2 Abschnittsweise Berechnung des KI-Wertes
Nr.
–
0–1
1–2
2–3
3–4
Vzu
m3/h
0,4
0,9
1,3
1,8
Δh
cm
5
5
5
5
Δt
s
220
100
70
50
KI
cm/s m3 /h
0,057
0,056
0,055
0,056
b) Zeichnen Sie die Kennlinie 2. Art und ermitteln Sie daraus den KI-Wert Bei der Kennlinie 2. Art trägt man die zeitliche Änderung der Regelgröße x
dh dt
Δh Δt
über die Eingangsgröße Y
Vzu auf (Bild 15-5).
Tabelle 15.3 Berechnung der Anstiegsgeschwindigkeit
Vzu
xa
Δh Δt
m3/h
0,4
0,9
1,3
1,8
cm/s
0,023
0,050
0,071
0,10
Bild 15-5 Kennlinie 2. Art des Wasserspeichers
Mittelwert:
KI
0, 056
cm/s m3 /h
15.2 Regelstrecken ohne Ausgleich mit Verzögerung
245
Die berechneten Kennlinienpunkte können durch eine Gerade verbunden werden. Die Steigung dieser Geraden ist der Integrierbeiwert KI. KI
Δx ΔVzu
0, 055 cm/s 1 m3 /h
0, 055
cm/s m3 /h
c) Wie groß ist die Querschnittsfläche A und der Durchmesser d des zylindrischen Wasserspeichers? Die Querschnitt des Wasserspeichers ist reziprok zum KI-Wert. A d
1 m3 /h 1 h 100 cm ¹ ¹ 0, 055 cm/s 3600 s 1 m
1 KI 4¹ A
π
0,505 m 2
0,8 m ů
15.2 Regelstrecken ohne Ausgleich mit Verzögerung Nichtschwingende Regelstrecken ohne Ausgleich mit Verzögerung 1. bis n. Ordnung können durch Modelle nachgebildet werden, die aus einem Einzelglied mit integrierendem Verhalten und n Verzögerungsgliedern 1. Ordnung bestehen. Die Sprungantwort ist um die Verzögerung ΣTi nach rechts verschoben gegenüber dem reinen I-Glied. Die in Bild 15-6 eingezeichneten Tangenten (gestrichelte Linien) schneiden auf der Zeitachse diese Zeitkonstantensumme ΣTi ab.
Bild 15-6 Regelstrecken ohne Ausgleich mit n gleichgroßen Verzögerungsgliedern
246
15 Integrierbeiwerte
Der Integrierbeiwert KI entspricht der Steigung der Sprungantwort. Um Fehler zu vermeiden, ist die Steigung dort zu ermitteln, wo sie einen geradlinigen Verlauf (Asymptote) angenommen hat. (Δx / Δt )asympt KI Δy wobei Δy die konstante Stellgrößendifferenz bezogen auf den Beharrungszustand ist und Δx die Regelgrößenänderung im Zeitintervall Δt (Bild 15-7).
Bild 15-7 Sprungantwort einer I-Strecke höherer Ordnung
Wie schon bei Regelstrecken mit Ausgleich muss auch bei den Regelstrecken ohne Ausgleich eine eventuell vorhandene echte Totzeit durch Verschiebung des Nullpunktes um diese Totzeit abgespaltet werden. Mit Hilfe der Kennwerte XU und ΣTi kann eine dimensionslose IntegrierKennzahl C ermittelt werden, die nur von der Zahl n der Verzögerungsglieder abhängt. Der Ausdruck C
XU K I ¹ Ç Ti ¹ Δy
X U Δt ¹ Ç Ti Δx
ist eine dimensionslose nur von der Zahl n der Verzögerungsglieder abhängige Größe.
ΣTi = Zeitkonstantensumme, XU = zugehöriger Ordinatenwert
15.2 Regelstrecken ohne Ausgleich mit Verzögerung
247
Für eine bekanntes Modell ergibt sich die Zeitkonstante für n gleichgroße Verzögerungsglieder zu: T
Ç Ti n
Tabelle 15.4 Zusammenhang zwischen der Zahl n der P-T1-Glieder und der Integrier-Kennzahl C
n
1
2
3
4
5
C
0,368
0,271
0,224
0,195
0,175
Bild 15-8 Dimensionslose Kennzahl C zur Ermittlung der Ordnung der I-TnStrecke
Ähnlich wie bei der P-Strecke ist auch bei der I-Strecke bei gleicher Zeitkonstantensumme der Endverlauf unabhängig von der Anzahl der Verzögerungsglieder (Bild 15-9). Das Anfangsverhalten nähert sich bei einer Zunahme der Ordnung der Regelstrecke (n → ∞) immer mehr dem Verhalten einer reinen Totzeit.
Bild 15-9 Regelstrecke ohne Ausgleich mit gleicher Zeitkonstantensumme
248
15 Integrierbeiwerte
■ Übungsaufgabe 15.2 Wasserspeicher mit I-Tl-Verhalten Ein Wasserdurchlaufspeicher wird über ein Stellventil mit motorischem Stellantrieb mit Frischwasser versorgt. Der Stellantrieb kann nur stillstehen (y = 0) oder mit konstanter Drehzahl n (y = 1) betrieben werden. Der Massenstrom im Ablauf hängt nur vom Wasserstand im Behälter ab (siehe Bild 15-10).
Bild 15-10 Gerätefließbild eines Wasserdurchlaufspeichers mit motorischem Stellantrieb
Ausgehend vom leeren Wasserbehälter wird das Stellventil mit konstanter Drehzahl geöffnet. Gleichzeitig werden der Hub H des Ventils und der Wasserstand h des Behälters über der Zeit aufgezeichnet (Bild 15-11). Der Stellbereich des Ventils beträgt YH = 20 mm, die Füllhöhe des Wasserspeichers beträgt hmax = 5 m.
Bild 15-11 Messschriebe des Ventilhubes H und des Wasserstandes h eines Durchlaufspeichers
15.2 Regelstrecken ohne Ausgleich mit Verzögerung
249
a) Zeichnen Sie den Wirkungsplan der Anlage mit allen im Gerätefließbild angegebenen Größen. Um das dynamische Verhalten des Wasserdurchlaufspeichers mit motorischem Antrieb zu bestimmen, verwendet man als Testfunktion eine Sprungfunktion. Die Eingangsgröße y des Stellantriebs wird zum Zeitpunkt t = 0 von y = 0 auf y = 1 sprunghaft verändert. Die sogenannte Sprungantwort wird auf einem x,t-Plotter aufgezeichnet. Ein Blick auf den Zeitverlauf des Wasserstandes verrät, dass die Anlage insgesamt ein integrierendes Verhalten aufweist. Dieses Verhalten wird durch den motorischen Stellantrieb verursacht. Der Hub als Ausgangsgröße des Antriebs steigt als Sprungantwort linear an. Im Wirkschaltplan wird dafür integrierendes Verhalten eingetragen (Bild 15-12). Das Ventil selbst weist ein proportionales Verhalten auf, mit dem zugeführten Massenstrom m zu als Ausgangsgröße und dem Hub H als Eingangsgröße. Der Wasserbehälter als Speicher zeigt durch die Rückwirkung verursachtes proportionales Verhalten. Solange eine Differenz zwischen Zulauf und Ablauf vorhanden ist, ändert sich der Wasserstand h mit der Zeit, bei Δm m zu m ab 0 bleibt der Wasserstand konstant.
Bild 15-12 Wirkschaltplan des Wasserspeichers mit motorischem Stellantrieb
Im Wirkschaltplan ist ein Messumformer eingetragen, der den dimensionsbehafteten Wasserstand h in eine dimensionslose Regelgröße X umwandelt. Das Zeitverhalten der Strecke insgesamt kann durch ein I-T1-Modell nachgebildet werden.
b) Ermitteln Sie aus den Schrieben Bild 15-11 und Bild 15-13 alle Kennwerte, die für das I-T1-Modell notwendig sind. Für alle Blöcke im Wirkungsplan Bild 15-12 werden die Kennwerte aus den Messschrieben entnommen. Nach einem Sprung der Stellgröße Y von 0 auf 1 steigt der Ventilhub linear mit der Zeit an (reines I-Verhalten). Für den Integrierbeiwert des Stellantriebs gilt nach Bild 15-11: K ISA
dH / dt y
ΔH Δt ¹ y
18 mm 360 s ¹100 %
0, 0005
mm s×%
0, 03
mm %×min
250
15 Integrierbeiwerte
Bild 15-13 Messschrieb für den Zulauf m zu und den Ablauf m ab des Wasserspeichers
Der Proportionalbeiwert des Ventilhubs berechnet sich nach: K PV
Δm zu ΔH
Da sowohl m zu als auch H linear mit der Zeit ansteigen, kann der Messwert zu einem beliebigen, jedoch für beide Werte gleichen Zeitpunkt abgelesen werden. Auch die Ermittlung der Differenzen Δm zu und ΔH für eine gleiche Zeitdifferenz Δt bei t0 > 0 ist möglich. t
180 s K PV
0, 445 kg/s 8,9 mm
0, 05
kg/s mm
Die Zeitkonstantensumme des Wasserspeichers kann auf der Zeitachse abgelesen werden als Schnittpunkt der Tangente an den Messschrieb des Wasserstandes h. Man liest als Zeitkonstantensumme ab:
ΣTi = 60 s = T Der KP-Wert des Wasserspeichers lässt sich analog zum Ventil bestimmen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass der Speicher einen Beharrungswert erreicht hat. Dies ist etwa nach t ! 4 ¹ T geschehen. Man erkennt auch aus dem Schrieb Bild 15-11, dass der Wasserstand ab 4 · 60s = 240 s linear ansteigt. K WS
(Δh / Δt )B Δm zu / Δt
(Index B: Beharrung)
15.2 Regelstrecken ohne Ausgleich mit Verzögerung
251
Die Differenzen Δh und Δm zu werden für die gleiche Zeitdifferenz Δt = (360 – 240) s = 120 s abgelesen. Damit ergibt sich: 1, 2 m /120 s kg 0,3 /120 s s
K PS
4
m kg/s
Der Messumformer wird so ausgelegt, dass er bei leerem Behälter den Wert 0 %, bei der Füllhöhe hmax = 5 m den Wert 100 % anzeigt. K PM
Δx Δh
100 % 5m
20
% m
Mit den obern berechneten Kennwerten lässt sich der Integrierbeiwert der erweiterten Regelstrecke berechnen: K ISE
K ISA ¹ K PV ¹ K PS ¹ K PM
K ISE
0, 0005
mm kg/s m % ¹ 0, 05 ¹4 ¹ 20 %×s mm kg/s m
0, 002
1 s
Nach der Stellzeit TI = 1 / KISE = 500 s ist die Füllhöhe des Behälters erreicht. Aus der Struktur im Wirkungsplan erkennt man, dass die Verzögerungszeit ΣTi nur durch eine Zeitkonstante nachgebildet wird. Trotzdem soll hier die Anzahl der Verzögerungsglieder über die Kennzahl C aus der Tabelle 15-4 abgeschätzt werden. Die Kennzahl C berechnet sich nach: C
XU K ISE ¹ Ç Ti ¹ Δy
Aus dem Schrieb Bild 15-11 liest man ab: hU = 0,22 m Mit Hilfe des KP-Wertes des Messumformers berechnet sich daraus die Regelgröße XU
K PM ¹ hU
20
% ¹ 0, 22 m m
0, 044 C
0, 044 1 0, 002 ¹ 60 s ¹100 % s
0,367
Der nächstliegende Wert in Tabelle 15-4 ist
C = 0,368 für n = 1. Anmerkung: Bei der Ermittlung des Proportionalbeiwertes für den Speicher wurde die Nichtlinearität, die durch den Ablauf verursacht wird, vernachlässigt. c) Ermitteln Sie den Proportionalbeiwert der Drosselstelle am Ablauf. Mit Hilfe des Wirkschaltplans Bild 15-12 lassen sich die physikalischen Gleichungen des Speichers dh dt
K I ¹ Δm
und der Drosselstelle am Ablauf Δm ab
K PD ¹ Δh verknüpfen:
252
15 Integrierbeiwerte Δm
Δm zu Δm ab
dh K I ¹ m zu K I ¹ Δm ab K I ¹ K PD ¹ Δh dt dh K I ¹ K PD ¹ Δh K I ¹ Δm zu dt
Teilt man die Gleichung durch K I ¹ K PD so entsteht die MSR-Form der Differenzialgleichung: 1 dh ¹ Δh K I ¹ K PD dt
1 ¹ m zu K PD
T
Die MSR-Form der Dgl. bestätigt, dass es sich hier um eine Strecke erster Ordnung handelt. Durch Koeffizientenvergleich der Differentialgleichung mit der allgemeinen Form der Differentialgleichung lassen sich die Kennwerte des Systems berechnen: T
1 K I ¹ K PD
1 K PD
K PS
Der Proportionalbeiwert der Drossel beträgt: K PD
1 K PS
1 kg/s 4m
0, 25
kg/s m
Für den Integrierbeiwert des Speichers gilt: KI
1 K PD ¹ T
1m 0, 25 kg/s ¹ 60 s
0, 067
m 1 ¹ kg/s s
d) Ermitteln Sie den Behälterdurchmesser für dem zylindrischen Wasserspeicher. Der I-Beiwert enthält als Eingangsgröße ein Massenstrom. Für zylindrische Behälter gilt dann: KI
A
1
ρ¹A 1 ρ ¹ KI
A
1
ρ ¹ KI
mit ρ Wasser
1 m3 1 kg/s ¹ 1000 kg 0, 067 m/s
1000 kg/m3
0, 015 m 2 d
4¹ A
π
0,14 m
15.2 Regelstrecken ohne Ausgleich mit Verzögerung
253
e) Zeigen Sie die Linearisierung des nichtlinearen Wasserspeichers. Der Proportionalbeiwert der Drossel ist nicht konstant, sondern er hängt physikalisch vom Massenstrom ab (Ausflussgesetz nach Torrecelli).
Bild 15-14 Nichtlineare Kennlinie des Drosselventils, verursacht durch das Ausflussgesetz
Die Linearisierung des Kennwertes KPD ergibt sich nach folgender Herleitung aus Bild 15-14: m ab Δp
1 m 0 ¹ ¹ Δp 2 Δp0 1 Δm 0 Δm ab ¹ ¹ ρ ¹ g ¹ Δh 2 Δp0
K PD
K P ¹ Δp Δm ab
ρ ¹ g ¹ Δh
254
III Analoger stetiger Regelkreis Auch wenn der digitale Regler die Anwendungen dominiert, die Denkweise, die hinter dem stetigen analogen Regler steckt, ist auch heute noch unverzichtbar. Der PID-Regler basiert auf den mathematischen Grundfunktionen Multiplizieren, Integrieren und Differenzieren. Und die Mathematik ist eine zeitlose Wissenschaft. In Abschnitt III wird das Verhalten des geschlossenen Regelkreises, aufgebaut aus unterschiedlichen Regelstrecken (Abschnitt II) und stetigen Standardreglern untersucht. Diese Zusammenarbeit zwischen Strecke und Regler ist ein vielseitiges Gebiet, für das sich in der Praxis unterschiedlichste Analyseverfahren entwickelt haben. Zur besseren Übersicht unterscheidet man die Analyse in x
statisches oder stationäres Verhalten und
x
dynamisches Verhalten bei Änderungen am Regelkreis.
Diese Änderungen am Regelkreis treten auf x
beim An- und Abfahren
x
nach Störungen und
x
bei Führungsgrößenänderungen.
Beim Anfahren wurde früher die Stellgröße im Handbetrieb so eingestellt, dass ein möglichst stoßfreies Schließen des Regelkreises und die eingestellte Führungsgröße innerhalb möglichst kurzer Zeit erreicht wurden. Selbstverständlich werden solche Vorgänge heute automatisch durch einen Regler durchgeführt. Ist der Anfahrvorgang abgeschlossen, so soll der Regler die Regelgröße möglichst eng an einen vorgegebenen Sollwert halten und periodische Schwankungen vermeiden. Stochastische Störungen sollen mit möglichst kleiner Abweichung bzw. Überschwingung in kürzest möglicher Zeit ausgeregelt werden. In Kapitel 16 wird der Regler in seiner grundsätzlichen Wirkungsweise und mit den in der Praxis üblichen Kennwerten erläutert. Sein Zusammenspiel mit der Regelstrecke wird in Kapitel 17 analysiert, wobei es hier weniger um die Lösung des Zeitverhaltens, sondern vielmehr auf die Vorhersage des Anfangsverhaltens, des Beharrungsverhalten und des Schwingungsverhaltens geht. Gerade beim Beharrungsverhalten lautet die Frage oft: Wird die Einstellung zu Verletzungen der Begrenzungen führen oder wird der Regelvorgang innerhalb der zulässigen Bereiche ablaufen? Wie der Regler optimal eingestellt wird, darüber geben dann empirische Einstellregeln in Kapitel 18 Auskunft.
255
16 Reglerkennwerte In diesem Kapitel wird die Funktionsweise der Regler dargestellt. Dazu werden die Reglerkennwerte und deren Ermittlung aus Messschrieben erläutert. Mit dem Verständnis für Reglerkennwerte ergibt sich die Fähigkeit, immer den richtigen Regler auszuwählen und eine verbesserte Reglereinstellung zu finden. Unter einer Regeleinrichtung versteht man die Gesamtheit aller Geräte, die eine der Regelaufgabe entsprechende Beeinflussung bewirkt. Dies sind: • Sensor, Messumformer, Abtaster, Umsetzer • Vergleicher • Bauteil zur Erzeugung des geforderten Zeitverhaltens des Reglers • Umsetzer, Abtaster, Stelleinrichtung (Stellantrieb, Stellungsregler, Stellgeräte). Die gerätetechnische Darstellung des Reglers findet man in Bild 16-1.
Bild 16-1 Gerätefließbild einer Regeleinrichtung
Die Aufgabe der Regeleinrichtung besteht darin, eine Regelgröße X(t) laufend mit einem fest vorgegebenen oder zeitveränderlichen Sollwert W(t) zu vergleichen und beim Auftreten einer Abweichung e(t) ein zeitlich veränderliches Stellsignal Y(t) zu liefern, das geeignet ist, die Abweichung zu verringern oder ganz zu beseitigen. Bei digitalen Reglern werden Vergleicher und die Bauteile des Zeitverhaltens durch einen Prozessor ersetzt, in dem digitale Algorithmen ablaufen. Hinsichtlich der Aufgabenstellung unterscheidet man: • Festwertregler mit konstanter, aber einstellbarer Führungsgröße W = konst. • Folgeregler, bei der die Führungsgröße eine Funktion einer anderen messbaren Größe oder der Zeit ist. Der strukturelle Aufbau einer Regeleinrichtung ist in Bild 16-2 dargestellt. Je nach Art des Reglers können einzelne Baugruppen der Regeleinrichtung entfallen. In der Praxis ordnet man oft die Mess- und Stelleinrichtung der Regelstrecke zu. Man erhält dann bei „Einheitsreglern" dimensionsgleiche Regel- und Stellgrößen, die das Schnittstellenproblem erleichtern. Da heute vorwiegend digitale Regler zum Einsatz kommen, wird nachfolgend auf die Beschreibung der technischen Realisierung von elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Reglern verzichtet. Ziel ist es, die in der Praxis verwendeten Reglerkennwerte zu beschreiben.
256
16 Reglerkennwerte
Bild 16-2 Funktioneller Aufbau eines Reglers
Die Einteilung von in der Praxis eingesetzten Reglern lässt sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten vornehmen, z. B. nach der Art der verwendeten Hilfsenergie, nach dem Stellverhalten der Ausgangsgröße oder nach dem Zeitverhalten (Bild 16-3). Nicht aufgeführt sind Regler mit Sonderzeitverhalten, wie Regler für endliche Einstellzeit (Deadbeat), Regler mit zur Regelstrecke reziprokem Zeitverhalten (Kompensationsregler) oder sich selbst einstellende (adaptive) Regler.
Bild 16-3 Übersicht über Reglerarten
Das wichtigste Kennzeichen eines Reglers ist sein Zeitverhalten. Zusätzlich unterscheidet man, ob der Regler die Ausgangsgröße stufenlos erzeugt (stetig) oder in einer oder mehreren Stufen (unstetig). Ein Sonderfall sind die quasistetigen Regler, die so viele Stufen aufweisen, dass man das Stellverhalten von einem stetigen Regler kaum unterscheiden kann. Dazu gehört auch die immer wichtiger werdende Gruppe von Digitalreglern, bei denen zwar die Ausgangs- und Eingangsgröße abgetastet werden, die aber wegen der guten Auflösung heutiger AD- bzw. DA-Umsetzer und schnellen Abtastung quasi stetig sind. Hinsichtlich der Hilfsenergie wird heute außer im Ex-Schutz-Bereich nur noch eine elektrische Niederspannungsstromversorgung verwendet, in der Regel 24 V~.
16.1 Grundzeitverhalten des Reglers
257
16.1 Grundzeitverhalten des Reglers Die Aufgabe des Reglers, den Istwert x an den Sollwert w heranzuführen, d. h. die auftretende Regeldifferenz e = W – X möglichst zu vermeiden, kann nur dann erfolgreich verlaufen, wenn die Stellgröße Y an die Störgröße Z angepasst wird. Die Stellgröße muss demzufolge jeden beliebigen Wert innerhalb eines bestimmten Bereichs annehmen können. Diesen Bereich nennt man Stellbereich YH. Des Weiteren ist erwünscht, dass der Zusammenhang zwischen Reglereingang (= Regeldifferenz e) und Reglerausgang (= Stellgröße y) innerhalb des Stellbereichs linear verläuft. Der Regler hat dann eine lineare stetige Kennlinie Y = f(e) und konstante Kennwerte. Das Zeitverhalten des Reglers kann proportionalen, integralen oder differentiellen Charakter haben. Man spricht dann von einem • P-Teil des Reglers • I-Teil des Reglers • D-Teil des Reglers. Eine übliche Form des Regleraufbaus ist die Parallelschaltung (Bild 16-4).
Bild 16-4 Aufbau eines PID-Reglers in Parallelschaltung
Reglergleichung zu Struktur Bild 16-4: Y
Y0 ΔyP ΔyI ΔyD
Ô
Y0 K PR ¹ e K IR ¹ edt K DR ¹ de / dt
Der Regler ersetzt die Fähigkeit des Menschen, eine durch die Sinnesorgane (Messtechnik) erkannte Abweichung durch einen Handeingriff (Stelltechnik) zu ersetzen. Der Mensch setzt dabei Muskeln (P), Gehirn (I) und Tastorgane (D) ein. Die gleiche Funktion kann auch ein Regler haben. Die Richtung von Δy ist dabei abhängig vom Vorzeichen von e. • Verstärkung:
P ˆ Kraft; je größer die Regeldifferenz e, desto größer ist die Reaktion ΔyP
• Speicherung:
I ˆ Gedächtnis; je länger die Regeldifferenz e vorliegt, desto größer wird die Reaktion ΔyI
• Änderungsgeschwindigkeit: D ˆ Gefühl; je schneller sich die Regeldifferenz ändert, desto größer ist die Reaktion ΔyD
258
16 Reglerkennwerte
Der D-Baustein ist als alleiniger Regler ungeeignet, weil er nur auf Änderungsgeschwindigkeiten der Regelabweichung anspricht, konstante Regelabweichungen jedoch nicht erkennt. In der Praxis haben sich Regler bewährt, die als Kombination verschiedener Grundzeitverhalten wirken, insbesondere PI-Regler oder PID-Regler. Ein reiner P-Regler oder PD-Regler hat den Nachteil einer bleibenden Reglerabweichung außerhalb des Arbeitspunktes. Der Regler ist dann optimal eingestellt, wenn er nach Einwirkung einer Störung oder nach einer Veränderung des Sollwertes innerhalb kürzester Zeit mit möglichst geringen Ausschlägen, den neuen Beharrungszustand erreicht. Bei Reglern mit I-Verhalten wird die Regeldifferenz e zu Null. Im Auslegungszustand und nach Inbetriebnahme nimmt der Regler zunächst seinen Arbeitspunkt ein. X0 = W0 und Y0 = Z0 Bei Störungen Δz oder Sollwertänderungen Δw ändert sich der Betriebszustand des Reglers in Abhängigkeit von den Regelparametern. Y = Y0 + Δy
für Δy = 0
=> Y = Y0
Z = Z0 + Δz
für Δz = 0
=> Z = Z0
X = X0 + Δx
für Δx = 0
=> X = X0
W = W0 + Δw für Δw = 0
=> W = W0
Dazu wird z. B. eine zur Störgrößenänderung proportionale Stellgrößenänderung ΔyI erzeugt, die diese Störgrößendifferenz kompensiert.
16.2 P-Regler Der Wirkungsplan eines P-Reglers mit den Eingangsgrößen X, W und Y0 ist in Bild 16-5 dargestellt. Bei einem proportional wirkenden Regler oder Reglerteil ist die Stellgröße Y(t) direkt (ohne Zeitverzug) proportional zur Regeldifferenz e(t) = W(t) – X(t). Mit Hilfe eines definierten Eingangssprungs Δx oder Δw kann der eingestellte Proportionalwert KPR des Reglers ermittelt werden. K PR
ΔyP e
YH mit e XP
Δw Δx
Daraus ergibt sich die Reglergleichung eines P-Reglers: YP YP Y0 YH KPR XP e X W
P-Anteil der Reglerausgangsgröße Offsetwert (Stellgröße im Arbeitspunkt) Stellbereich Proportionalwert des Reglers Proportionalbereich (regelbarer Bereich der Regelgröße) Regeldifferenz dimensionsbehafteter Istwert der Regelgröße Sollwert in der Einheit der Regelgröße
Y0 K PR ¹ e
16.2 P-Regler
259
Bild 16-5 Darstellung eines P-Reglers im Wirkungsplan
16.2.1 Bleibende Regelabweichung Der Nachteil eines reinen P-Reglers ist die bleibende Regelabweichung. Die Arbeitsweise des P-Reglers soll am Beispiel eines einfachen Wasserstandsreglers erläutert werden (Bild 16-6).
Bild 16-6 Gerätefließbild eines Wasserstandsreglers mit P-Verhalten
Die Regelstrecke besteht aus Zulaufventil, genannt Stellventil, Wasserbehälter und Ablaufventil (Störventil). Die Messaufgabe übernimmt ein Schwimmer, der die Höhe des Wasserstandes an das Gestänge (P-Regler) weiterleitet. Der Bereich der Regelgröße wird begrenzt durch die Höhe des Wasserbehälters: leer ˆ 0 %
ˆ 0m
voll ˆ 100 %
ˆ z. B. 1,2 m
Der Sollwert kann durch eine Gewindestange in Richtung der Schwimmerbewegung eingestellt werden. Die Einstellung des Sollwertes ist jedoch wegen der bleibenden Regelabweichung des P-Reglers nicht unabhängig von der Stellgröße Y des Stellventils.
260
16 Reglerkennwerte
Die horizontale Hebelstange dient als proportionaler Umsetzer. Je nach Lage des Drehpunktes kann eine Abweichung des rechten Endes der Hebelstange verstärkt oder abgeschwächt werden. Der Schwimmer gibt den aktuellen Wasserstand als Regelgröße direkt und ohne Hilfsenergie über ein Gestänge auf den Ventilkegelhub als Stellgröße und beeinflusst damit direkt die durch das Ventil strömende Wassermenge. Bei einer Änderung des Wasserstandes X ändert sich der Hub Y des Stellventils proportional gemäß dem Hebelgesetz (Bild 16-7): Δy / mm Δx / cm
K PR
a b
oder
Ventilhub Wasserhöhe
Anmerkung: Bitte nicht die Dimensionen mm gegen cm kürzen. Ein Wert KPR = 0,1 mm/cm bedeutet: bei 10 cm Änderung des Wasserstandes ändert sich der Ventilhub um 1 mm.
Bild 16-7 Der Drehpunkt des Gestänges als einstellbarer Proportionalwert
Im Gleichgewichtszustand ist der zugeführte Massenstrom gleich dem abgeführten Massenstrom. m zu
m ab
0,01 kg/s
Ist dieser Massenstrom der Auslegungsmassenstrom, dann gehört zur Regelgröße X0 eine Stellgröße Y0, nur abhängig von der Lage des Drehpunktes vom Gestängehebel. Nur in diesem Punkt stimmt der Sollwert W0 mit der Regelgröße X0 überein, d. h. die Regeldifferenz wird zu Null. Diesen Punkt nennt man Arbeitspunkt. Der zugehörige Hub Y0 des Stellventils gibt einen Zufluss m zu, 0 frei, der dem Abfluss m ab, 0 entspricht. Da m ab die Störgröße Z0 des Behälters ist, ist hier die Störgrößenabweichung Δz = 0. Der Arbeitspunkt eines P-Reglers wird also durch zwei voneinander unabhängige Parameter festgelegt: und
X=W
in cm
e = 0 (keine Regeldifferenz)
Y0 = Z0/KPV
in mm
Δz = 0 (Auslegungsstörgröße)
KPV = Proportionalbeiwert des Stellventils in kg/s Massenstrom je mm Hub
16.2 P-Regler
261
Ändert sich die Wasserentnahme der Verbraucher m ab = Z0 entsprechend 50 % des Stellbereiches YH um die Störgrößenabweichung Δz = 0,002 kg/s entsprechend 10 % von YH, muss auch der Zufluss m zu in gleicher Größe geändert werden, damit stationäre Verhältnisse erhalten bleiben. Dies ist nur möglich durch eine bleibende Veränderung des Hubes Y um Δy. Nach dem Hebelgesetz ändert sich damit auch der Wasserstand X um Δx, obwohl der Sollwert W unverändert ist. Diese Abweichung ebl W X nennt man „bleibende Regeldifferenz des P-Reglers".
16.2.2 Kennlinie des P-Reglers Das statische Übertragungsverhalten des P-Reglers ist in Bild 16-8 gezeichnet. Anstelle der Differenzen Δy = f (Δe) stellt man bei linearen Kennlinien durch den Nullpunkt oft den Gesamtbereich des linearen Verlaufs Y = f (X, W) dar. Der Proportionalwert KPR des Reglers entspricht der Steigung der Kennlinie: K PR
Δy Δx
YH XP
oder
Stellbereich Proportionalbereich
Er ergibt sich entweder aus dem Steigungsdreieck an einer beliebigen Stelle der linearen Kennlinie oder aus den Kennwerten Stellbereich und Proportionalbereich. Der Stellbereich YH des Reglers wird meist angegeben mit 100 %, hier jedoch zu 20 mm.
Bild 16-8 Kennlinie und Kennwerte des P-Reglers
Der Proportionalbereich XP ist ein vor allem bei Kompaktreglern verwendeter Reglerparameter. Er ist der Bereich, um den die Regelgröße X (bei konstantem Sollwert W) geändert werden muss, damit sich die Stellgröße über den gesamten Stellbereich YH = 100 % ändert. Der Pro-
262
16 Reglerkennwerte
portionalbereich definiert die maximale bleibende Regelabweichung, die vom System auftreten kann. Dieser Wert wird oft als kennzeichnender Parameter für den Regler verwendet, stellvertretend für den Proportionalbeiwert KPR. XP
YH ¹
1 K PR
100% K PR
Ein Proportionalbereich XP > 100 % tritt immer dann auf, wenn der Proportionalwert KPR < 1 ist. Beim Einbau der Stelleinrichtung auf der Zuführungsseite der Regelstrecke ergibt sich eine fallende Kennlinie. Der Wertebereich des Proportionalwertes bei fallender Kennlinie ist in Bild 16-9 dargestellt: 0 K PR , d. h. durch Drehung der Kennlinie im den Arbeitspunkt lässt sich jeder Proportionalwert von 0 bis + ∞ erzeugen. Eine waagerechte Kennlinie (KPR = 0) bedeutet, dass bei jeder Regeldifferenz e die Stellgröße unverändert auf dem Wert Y0 stehen bleibt, d. h. der Regler ist ausgeschaltet (Bild 16-9). Eine senkrechte Kennlinie (KPR Æ ∞) ist für X = W im Gleichgewicht. Dies ist zugleich das Verhalten eines I-Reglers.
Bild 16-9 Variation des Proportionalwertes eines P-Reglers
■ Übungsaufgabe 16.1 Kennlinien des Wasserstandsreglers nach Bild 16-6 Das Stellventil hat einen Stellbereich YH = 20 mm und bei voller Öffnung einen Volumenstrom Vz u 0, 5 l/s . Die nutzbare Behälterhöhe des Wasserspeichers beträgt Xmax = 120 cm. Es wurden bei konstantem Hebelverhältnis folgende Gleichgewichtszustände gemessen.
16.2 P-Regler
263
Tabelle 16-1 Messwerttabelle des Wasserstandsreglers
X
cm
100
80
60
40
20
Y
mm
0
5
10
15
20
a) Zeichnen Sie die Kennlinie Y = f (X)
Bild 16-10 Gemessene Kennlinie der Wasserstandsregelung
Ergebnis: lineare fallende Kennlinie b) Ermitteln Sie die Reglerkennwerte KPR, XP und das Hebelverhältnis a/b. K PR
Δy Δx
20 mm 80 cm
0, 25
XP
YH ¹
1 K PR
20 m m ¹ cm 0, 25 m m
K PR
a b
0, 25
mm cm
Æ
mm cm
a
0, 025
80 cm cm ¹b cm
c) Welcher Volumenstrom ergibt sich im Arbeitspunkt für den Sollwert W0 = 60 cm? Annahme: Stellventil mit linearer Kennlinie Berechnung der Abweichung vom Arbeitspunkt: X0 = W0 = 60 cm Æ Δx = X100 – X0 = 100 cm – 60 cm = 40 cm
264
16 Reglerkennwerte Æ Δy = KPR · Δx = 0,25 mm/cm · 40 cm = 10 mm = Y0
Umrechnung der Stellgröße in die Störgröße: Z max YH
K PV
0,5 l/s 20 mm
0, 025
l/s mm
Z0 = Y0 · KPV = 10 mm · 0,025 l/(s mm) = 0,25 l/s Erläuterung: Y0 = 10 mm entspricht 50 % von YH; Z0 = 0,25 l/s entspricht 50 % von Vzu
0, 5 l/s
In der einheitenfreien Darstellung gilt für den Arbeitspunkt Y0 = Z0
Bild 16-11 Der Arbeitspunkt des Wasserstandsreglers
d) Welche Stellgröße des Wasserstandsreglers stellt sich bei unveränderten Hebelverhältnissen ein, wenn der Abfluss auf Z1 = 0,1 l/s sinkt? Der Nullpunkt der Störkennlinie liegt bei Z = 0,0 l/s. Dazu muss im Beharrungszustand das Ventil geschlossen sein, d. h. Y = 0 mm. Da die Kennlinie bei X = 100 cm durch den Nullpunkt geht, kann hier mit absoluten Werten gerechnet werden. Y
Z K PV
0,1 l/s ¹ mm 0, 025 l/s
4 mm (entspricht dem abgelesenen Wert aus Bild 16-11)
Alternativ: Rechnung mit relativen Werten bezogen auf den Arbeitspunkt Δz = Z1 – Z0 = (0,1 – 0,25) l/s = – 0,15 l/s Δy
Δz K PV
0,15 l/s ¹ mm 0, 025 l/s
6 mm Æ Y = Y0 + Δy = 10 mm – 6 mm = 4 mm
16.2 P-Regler
265
e) Wie groß ist die bleibende Regeldifferenz e? fallende Kennlinie: Δx
Δy K PR
6 mm ¹ cm 0, 25 mm
24 cm
X = X0 + Δx = 60 cm + 24 cm = 84 cm e = W0 – X = 60 cm – 84 cm = –24 cm ■
■ Übungsaufgabe 16.2 Ermittlung der Kennlinien eines Einheits-Reglers Die Genauigkeit der Skale des Proportionalwertes eines Einheitsreglers mit YH = 100 % soll untersucht werden. Am Eingang des Reglers werden X und W für den Arbeitspunkt auf je 50 % eingestellt. Der Offsetwert Y0 wird direkt am Regler auf 50 % eingestellt: 0 bis 10 V entsprechen 0 bis 100 % a) Ermitteln Sie die Kennlinie des P-Reglers An einem Linienschreiber werden X, W und Y aufgeschrieben. Nach Einstellung eines KPRWertes im Arbeitspunkt wird die Eingangsgröße X sprunghaft verändert. Daraus ergibt sich beispielhaft folgender Schrieb (Bild 16-12):
Bild 16-12 Messschrieb eines P-Reglers (Einstellwert KPR = 1)
266
16 Reglerkennwerte
Aus dem Schrieb lassen sich folgende Werte ablesen, die in Tabelle 16-2 eingetragen sind: Tabelle 16-2: Messwerttabelle eine P-Reglers
KPR
X/%
W/%
Y/%
1
50
50
50
1
70
50
32
1
90
50
14
1
30
50
68
1
10
50
86
Bild 16-13 Kennlinie aus Tabelle 16-2
Aus der Steigung der Kennlinie Bild 16-13 ergibt sich: KPR = Δy / Δx = 36 % / 40 % = 0,9 Anmerkung: Eingestellt war KPR = 1,0 Aus dem Proportionalbereich XP berechnet sich der Proportionalwert zu: KPR = YH / XP = 100 % / XP = 100 % / 110 % = 0,91
16.2 P-Regler
267
b) Es werden weitere Messwerttabellen für unterschiedliche Proportionalwerte aufgenommen. Zeichnen Sie die Kennlinien y = f (W,X) Tabelle 16-3 Messwerttabelle eines P-Reglers (Fortsetzung)
KPR
X/%
W/%
Y/%
KPR
X/%
W/%
Y/%
3
50
50
50
0,4
50
50
50
3
55
50
35
0,4
70
50
42
3
65
50
5
0,4
100
50
30
3
40
50
80
0,4
20
50
62
3
35
50
95
0,4
0
50
70
Bild 16-14 Kennlinien eines P-Reglers für verschiedene Proportionalwerte
Aus Bild 16-14 entnimmt man: Je größer der Proportionalwert, desto steiler wird die Kennlinie. Die Kennlinien drehen sich im Arbeitspunkt.
268
16 Reglerkennwerte
c) Es werden Messwerttabellen für einen konstanten Wert KPR = 2 für unterschiedliche Sollwerte W aufgenommen. Tabelle 16-4 Messwerttabelle eines P-Reglers (Fortsetzung)
KPR
X/%
W/%
Y/%
KPR
X/%
W/%
Y/%
2
50
50
50
2
90
70
10
2
70
50
10
2
50
30
12
2
30
50
90
2
30
30
50
2
50
70
90
2
10
30
90
2
70
70
50
–
–
–
–
Bild 16-15 Kennlinien eines P-Reglers für verschiedene Sollwerte
Aus Bild 16-15 kann man entnehmen, dass eine Veränderung des Sollwertes eine Parallelverschiebung der Reglerkennlinie bewirkt. ■
16.2 P-Regler
269
■ Übungsaufgabe 16.3 Einfluss der Störgröße auf den Betriebspunkt eines PReglers Gegeben ist ein Einheitsregler mit dem Proportionalwert KPR = 0,5. a) Zeichen Sie die Reglerkennlinie Y = f (X) im Arbeitspunkt Y0 = 40 % und X0 = 60 %. Tragen Sie an die Reglerkennlinie den Proportionalwert XP an. Vorgehen: • Arbeitspunkt eintragen • Steigungsdreieck anlegen, KPR = 0,5 ergibt eine Steigung von 5 Skt. zu 10 Skt. • Kennlinie zeichnen • Für YH = 100 % ergibt sich der Proportionalbereich XP = 200 %
Bild 16-16 Kennlinie eines Einheitsreglers mit KPR = 0,5
b) Zeichen Sie in das Diagramm eine lineare Streckenkennlinie mit KPS = 2 durch den Arbeitspunkt X0 = W0 und Y0 = Z0 gemäß dem Wirkungsplan des Regelkreises nach Bild 16-17. Die Störgröße wirkt negativ zur Stellgröße YZ = Y – Z. Die Streckenkennlinie steigt mit 2 Skalenteile X zu einem Skalenteil Y.
270
16 Reglerkennwerte
Bild 16-17 Wirkungsplan des einmaschigen Regelkreises
Bild 16-18 Kennlinien für Regelstrecke und Regler
Anmerkung: Die Kennlinien können auch in einem Diagramm dargestellt werden, in dem nur die Differenzen eingetragen werden.
Bild 16-19 Kennlinien von Strecke und Regler mit dem Nullpunkt im Arbeitpunkt
16.2 P-Regler
271
c) Zeichnen Sie die Streckenkennlinien für je einen Störung ± 10 %.
Bild 16-20 Störverhalten des Regelkreises im Beharrungszustand
Lesen Sie die Stellgrößenänderung und bleibende Regeldifferenz ab. Vergleichen Sie diese Werte mit den theoretischen Werten. • Die Streckenkennlinie verschiebt sich parallel um ± 10 %. • Die Reglerkennlinie bleibt unverändert. • Durch die Störgrößenänderung Δz tritt eine bleibende Regeldifferenz auf Reglergleichung: Streckengleichung: ΔyP
ΔyP Δx
K PR ¹ Δw K PR ¹ Δx K PS ¹ ΔyP K PS ¹ Δz
f ( z , w)
ΔyP K PR ¹ Δw K PS ¹ K PR ¹ ΔyP K PS ¹ K PR ¹ Δz K PR ¹ Δw K PS ¹ K PR ¹ Δz (1 K PS ¹ K PR ) ¹ ΔyP Δ yP
K PR K PS ¹ K PR ¹ Δw ¹ Δz 1 K PS ¹ K PR 1 K PS ¹ K PR
272
16 Reglerkennwerte Δx f ( z , w) Δx K PS ¹ K PR ¹ Δw K PS ¹ K PR ¹ Δx K PS ¹ Δz (1 K PS ¹ K PR ) ¹ Δx K PS ¹ K PR ¹ Δw K PS ¹ Δz K PS ¹ K PR K PS Δx ¹ Δw ¹ Δz 1 K PS ¹ K PR 1 K PS ¹ K PR
Tabelle 16-5 Berechnete Werte der bleibenden Regeldifferenz Arbeitspunkt: Y0 = Z0 = 40 % X0 = W0 = 60 %
Δz / %
Δw / %
ΔyP / %
Y/%
Δx / %
X/%
+10
0
5
45
–10
50
–10
0
–5
35
+10
70
0
+10
2,5
42,5
5
65
0
–10
–2,5
37,5
–5
55
Anmerkung: Die abgelesenen und die berechneten Werte sind identisch. d) Zeichnen Sie die Reglerkennlinie für je eine Sollwertänderung ± 10 %.
Bild 16-21 Führungsverhalten des Regelkreises im Beharrungszustand
■
16.3 PI-Regler
273
16.3 PI-Regler Der in der Praxis am häufigsten eingesetzte Regler ist der PI-Regler. Er vereinigt die Vorteile des P-Reglers, direkte Reaktion auf Abweichungen und des I-Teils, Vermeidung einer bleibenden Regeldifferenz. Außerdem ist der PI-Regler relativ einfach einzustellen, d. h. an unterschiedliche Regelstrecken anzupassen. Die unerwünschte bleibende Regeldifferenz des P-Reglers rührt von dem starren Zusammenhang zwischen Regelabweichung und Stellgröße her. Dies kann vermieden werden, indem nicht die Stellgröße, sondern die Stellgrößengeschwindigkeit von der Regeldifferenz abhängig gemacht wird. Ein solcher Regler ist nur in Beharrung, d. h. dy/dt wird zu Null, wenn keine bleibende Regeldifferenz mehr vorhanden ist. I-Regler haben den Nachteil der größeren Schwingungsneigung beim Regelvorgang, da das I-Glied eine zusätzliche Verzögerung in den Regelkreis bringt. Deshalb wird der I-Regler nur für untergeordnete Regelkreise (Folgeregler) verwendet oder wenn der Regelkreis nur zur langsamen Korrektur von Regelgrößen dient. Vorwiegend werden hydraulische und elektromechanische Reglerbausteine verwendet, die von sich aus bereits I-Verhalten haben. Im Gegensatz zum P-Regler, bei dem die Stellgröße Y0 im Arbeitspunkt (X = W) immer einen festen Wert annimmt, kann die Stellgröße beim I-Regler bei Regelabweichung Null jeden beliebigen Betrag haben, der von der Vorgeschichte abhängt. Aus der Gleichung des I-Gliedes y I
dyI dt
K IR ¹ e
K IR ¹ (W X )
t
bzw. ΔyI
Ô
K IR ¹ e dt und YI
YI 0 ΔyI
0
sieht man, dass die Stellgröße abhängig ist von der Fläche zwischen Sollwert W minus Regelgröße X und der Zeit abhängt (Bild 16-22).
Bild 16-22 Führungssprungantwort einer Regelstrecke mit I-Regler
274
16 Reglerkennwerte
16.3.1 I-Teil des Reglers Beim integrierenden Reglerteil ändert sich die Reglerausgangsgröße = Stellgröße so lang, bis die Regeldifferenz e zu Null wird.
Bild 16-23 Blocksymbol eines I-Reglers
Das Zeitverhalten der Stellgröße lässt sich am besten durch eine Sprungantwort darstellen. Der I-Regler zeigt als Sprungantwort eine linear von der Zeit t abhängige Ausgangsgröße, wie sie in Bild 16-24 aufgetragen ist. Für einen Sprung der Regeldifferenz e = konst. zum Zeitpunkt t = 0 gilt: t
ΔyI
Ô
K IR e dt
K IR ¹ e ¹ t
0
Bild 16-24 Sprungantwort eines idealen I-Reglers
Die Regelparameter des I-Reglers, der das dynamische Verhalten beschreibt, ist der Integrierbeiwert des Reglers KIR. K IR
y e
dy / dt e
Je größer KIR, desto schneller greift der I-Regler ein, aber desto größer wird auch die Schwingungsneigung (kleinere Dämpfung).
16.3 PI-Regler
275
■ Übungsaufgabe 16.4 Kennwerte des I-Reglers Gegeben ist die Sprungantwort eines I-Reglers.
Bild 16-25 Gemessene Sprungantwort eines I-Reglers
a) Ermitteln Sie den eingestellten Integrierbeiwert KIR. K IR
Δy / Δt Δe
5,5 V /110 s 1V
0, 05
1 s
b) Ermitteln Sie den Stellgrößenverlauf für folgenden Verlauf der Regeldifferenz:
Bild 16-26 Zeitverlauf der Regeldifferenz als Eingangsgröße eines I-Reglers; Einheitsregler: 0 bis 10 V entsprechend 0 bis 100 %
276
16 Reglerkennwerte
Startwert der Ausgangsstellgröße YI0 = 5 %; Integrierbeiwert aus Teil a YI(50 s) = YI0 + ΔyI = YI0 + KIR · Δe ·Δt = 5 % + 0,05 1/s · 20 % · 50 s = 55 % YI(70 s) = YI(50 s) = 55 % YI(120 s) = YI(70 s) + 0,05 1/s · (–10 %) · 50 s = 55 % – 25 % = 30 %
Bild 16-27 Stellgrößenverlauf eines I-Reglers
c) Ermitteln Sie die Integrierzeit TI. Beim reinen I-Einheitsregler gilt: TIR
1 K IR
1 0, 05 1/s
20 s
Bild 16-28 Die Integrierzeit bei unterschiedlichen Sprüngen der Regeldifferenz Δe
■
16.3 PI-Regler
277
16.3.2 Nachstellzeit Tn An I-Reglern wird oft anstelle des KIR-Wertes die Nachstellzeit Tn eingestellt. Definition: Die Nachstellzeit ist diejenige Zeit, welche bei der Sprungantwort benötigt wird, um auf Grund der I-Wirkung eine gleichgroße Stellgrößenänderung zu erzielen, wie sie sofort infolge des PAnteils entsteht.
Bild 16-29 Sprungantwort eines PI-Reglers
Aus Bild 16-29 ergibt sich: y PI e
ΔyP 1 ¹ Δt e
oder bei Δt
Tn Tn
K IR
ΔyPI K IR ¹ e
K PR ¹ e K IR ¹ e
K PR K IR
À K IR
K PR Tn
Je größer der KIR-Wert des Reglers oder je kleiner die Nachstellzeit Tn eingestellt wird, desto schneller reagiert der I-Teil des Reglers auf Änderungen der Regeldifferenz e. In Beharrung befindet sich der PI-Regler nur, wenn e = 0 ist, d. h. wenn ΔYP wieder den Wert Null erreicht hat. Dazu muss der I-Anteil durch Integration den gesamten Stellgrößenanteil übernehmen. Diesen Vorgang kann man in dem Kennlinien-Diagramm des Reglers verfolgen: Zum Zeitpunkt t = 0 tritt z. B. eine Störung Z1 auf. Der P-Anteil des Reglers wird dann direkt reagieren und den Zustand 1 in Bild 16-30 annehmen. Durch die Integration wandert der IAnteil senkrecht nach oben in Richtung Zustand 2 und kompensiert dabei gleichzeitig den PAnteil, der sich in Richtung auf Zustand 0 bewegt. Im Beharrungszustand hat der I-Anteil den Zustand 2, der P-Anteil den Zustand 0 angenommen.
278
16 Reglerkennwerte
Bild 16-30 Stellgrößenverlauf eines PI-Reglers im Kennliniendiagramm
Bei einem idealen PI-Regler muss die Nachstellzeit Tn unabhängig von Proportionalwert des P-Teils einstellbar sein. Dies erreicht man durch die Reglerstruktur in Bild 16-31.
Bild 16-31 PI-Regler mit nachgeschaltetem P-Teil
Daraus ergibt sich folgende Differentialgleichung: t
y1
1 ¹ e dt Tn
Ô 0
t
y2
y1 e
1 ¹ e dt e Tn
Ô 0
y
È 1 t Ø K PR ¹ É ¹ Ô e dt eÙ À y ÉÊ Tn ÙÚ 0
Anfangsverhalten: t Æ 0 e(0 )
0 Æ y (0 )
K PR ¹ e K PR ¹ e Tn
y(0) = KPR · e 1 ¹ y (0) Tn
16.3 PI-Regler
279
Bild 16-32 Anfangsverhalten der Sprungantwort eines PI-Reglers
In Bild 16-32 erkannt man, dass die Nachstellzeit einfach durch die rückwärtige Verlängerung der Sprungantwort abzulesen ist. Dabei bleibt dieser Zeitabschnitt Tn unabhängig von der Eingangssprunghöhe e oder vom Proportionalwert KPR des Reglers.
16.3.3 PI-Regler in Parallelschaltung Insbesondere bei digitalen Reglern wird als Regelparameter der Integrierbeiwert KIR gegenüber der Nachstellzeit Tn bevorzugt.
Bild 16-33 PI-Regler in Parallelschaltung
t
yI
Ô
K IR ¹ e dt 0
t
yP
K PR ¹ e y
y P yI
Ô
K PR ¹ e K IR e dt 0
Anfangsverhalten: y(0) = KPR · e (wie in Struktur nach Kapitel 16.3.2) y (0 )
K IR ¹ e
280
16 Reglerkennwerte
Bild 16-34 Sprungantwort des PI-Reglers in Parallelschaltung
In Bild 16-34 ist die Anstiegsgeschwindigkeit y (0 ) konstant. Bei einem geänderten KPRWert verändert sich der Verlauf der Anstiegslinie durch Parallelverschiebung.
■ Übungsaufgabe 16-5 Kennwerte des PI-Reglers Die Kennwerte eines PI-Einheitsreglers sollen ermittelt werden. Als Struktur wird die Darstellung von Bild 16-31 gewählt. Nach einer sprunghaften Änderung der Regeldifferenz e ergab sich folgender Schrieb:
Bild 16-35 Messschrieb für einen PI-Regler
16.3 PI-Regler
281
a) Lesen Sie aus die dem Schrieb die geeigneten Stellgrößenanteile und Zeitanteile ab und berechnen Sie daraus die Reglerparameter. K PR
Δy P e
K IR
ΔyI 1 ¹ Δt e
5% 10 %
Tn
K PR K IR
yI
K IR ¹ e dt
0,5
10 % 20 s ¹10 %
0,5 0, 05 ¹1/ s
0, 05
1 s
10 s
t
Ô
K IR ¹ e ¹ Δt
0, 05 1/s ¹10 % ¹ 60 s
30 %
0
b) Vergleichen Sie die berechneten Werte mit abgelesenen Werten.
Bild 16-36 Ausgewerteter Messschrieb
Ergebnis: Tn = 10 s; yP = 5 %; yI = 30 % c) Vergleichen Sie die Sprungantworten des PI-Reglers bei e = 10 % für folgende Einstellungen: KP
1,0
1,0
2,0
Tn
50 s
25 s
25 s
Nr.
1
2
3
282
16 Reglerkennwerte
Bild 16-37 Sprungantwort des PI-Reglers für verschiedene Reglereinstellungen.
Man erkennt deutlich, dass die Nachstellzeit Tn unabhängig vom Proportionalwert KPR ist. ■
16.4 PD-Regler In manchen Fällen kann es erwünscht sein, dass der Regler zuerst sehr stark eingreift, dann aber das Verhalten eines P-Reglers zeigt. Diesen Reglertypen nennt man PD-Regler. Der D-Teil des Reglers reagiert proportional zur Geschwindigkeit der Regeldifferenz e. Ein schneller Anstieg der Regelgröße – beispielsweise in der physikalischen Form einer Wassersäule – führt zu einer schnellen Reaktion des Reglers.
16.4.1 Der Verschwindeimpuls Problematisch wird das D-Verhalten bei einem Eingangssprung, da der Sprung theoretisch eine unendlich hohe Geschwindigkeit aufweist. Die Stellgröße reagiert auf den Eingangssprung ebenfalls mit einem Ausgangssprung, entsprechend der positiven Regeldifferenz, die wiederum Folge eines Sollwertsprunges sein kann. Der Ausgangssprung kann dabei Werte bis zum oberen Anschlag, bei einem positiven Sollwertsprung und Werte bis zum unteren Anschlag der Regeleinrichtung bei einem negativen Sollwertsprung annehmen.
16.4 PD-Regler
283
Bild 16-38 Sprungantwort eines reinen D-Teils
Dieser unerwünschte Impuls lässt sich durch ein D-T1-Verhalten, auch Verschwindeimpuls genannt, vermeiden.
Bild 16-39 D-T1-Glied einer Regeleinrichtung
Verwendet wird der Verschwindeimpuls als Baustein eines Reglers mit P- und/oder IVerhalten. Zur Vermeidung einer bleibenden Regeldifferenz kann der Verschwindeimpuls in Form einer Störgrößenaufschaltung auf den Reglereingang geschaltet werden. Analyse der Sprungantwort: TR ¹ y y
K DR ¹ e TR ¹ y y dt
t 0 : y (0)
Ô
K DR ¹e TR
K DR ¹ e Þ Ñ ß Sprungantwort zum Zeitpunkt t = 0 Ñ à
Weiterer Verlauf der Stellgröße nach dem Anfangssprung: e(0 )
0 TR ¹ y (0 )
K DR ¹e TR
0 y (0 )
Beharrungswert der Stellgröße für t → ∞: yB = 0
K DR ¹e TR2
284
16 Reglerkennwerte
Bild 16-40 Sprungantwort eines D-T1-Gliedes mit gleichem Sprung Δe
Je größer TR, desto mehr wird der Anfangsimpuls gedämpft. Nach einem Zeitintervall, der dem vierfachen von TR entspricht, ist der Vorgang abgeklungen.
16.4.2 PD-Regler Zur Analyse eines reinen PD-Reglers verwendet man die Anstiegsantwort.
Bild 16-41 Wirkungsplan des PD-Reglers
y
yP y D
K PR ¹ e K DR ¹ e
Bei einem linearen Anstieg (konstante Geschwindigkeit) steigt der P-Teil proportional zu KPR. Der D-Teil des Reglers zeigt für die konstante Eingangsgeschwindigkeit eine konstanten Ausgangsgröße.
16.4 PD-Regler
285
e 1 %/s
y P
K PR ¹ e
yD
K DR ¹ e
yPD
yP yD
Bild 16-42 Anstiegsantwort eines idealen PD-Reglers
16.4.3 Vorhalt TV Der Vorhalt, die Vorhaltzeit TV, ist die Zeit, bei der der D-Teil des Reglers eine Stellgrößenänderung früher erzeugt als ein zugehöriger Einheits-P-Regler. Anders ausgedrückt: Die Antwortfunktion des D-Anteils auf einen Eingangssprung eilt der gleichen Antwort des P-Anteils um TV-Zeiteinheiten voraus. Anmerkung: Nachstellzeit Tn Æ I-Teil verzögert, Vorhaltzeit TV Æ D-Teil vorauseilend Zum Verständnis des Vorhaltes verwendet man die Analogie zur Jagd (Bild 16-43).
Bild 16-43 Der Vorhalt bei der Jagd
286
16 Reglerkennwerte
Wenn ein Jäger auf flüchtendes Wild schießen will, muss er die Fluchtgeschwindigkeit schätzen und mit einem bestimmten Winkel vorhalten, damit das Geschoss genau ins Ziel trifft. Eine vom Jäger abgeschossene Kugel fliegt mit der Geschwindigkeit von 200 m/s. Sie benötigt für den Flug zu einem Ziel in 200 m Entfernung also 1 Sekunde. Der Keiler als Zielobjekt bewegt sich mit der Geschwindigkeit von 10 m/s, er hat nach 1 s dann 10 m zurückgelegt. Eine direkt auf den Keiler abgefeuerte Kugel verfehlt das Ziel also um 10 m. Der Jäger muss also um 10 m vorhalten.
Bild 16-44 Der Vorhalt des PD-Reglers
■ Übungsaufgabe 16.6 Kennwerte des PD-Reglers Gegeben ist ein Messschrieb der Sprungantwort eines PD-T1-Reglers in Parallelschaltung.
Bild 16-45 Messschrieb eines PD-T1-Reglers
a) Ermitteln Sie aus dem Messschrieb die Vorhaltzeit TV Ermittlung des Proportionalwertes: Abgelesen: ΔyP = 5 %; e = 10 %
K PR
Δy P e
5% 10 %
0,5
Der Anfangssprung setzt sich zusammen aus ΔyP = 5 % und yD(0) = 20 %
16.4 PD-Regler
287
Der Zeitkennwert kann für t = TR an der Entladefunktion abgelesene werden. Δy (TR )
0,368 ¹ yD (0)
0,368 ¹ (25 % 5 %)
7,36 %
yP Δy (TR ) 12,36 %
y (TR )
abgelesen aus dem Schrieb: TR = 4 s Aus der Definition K DR ¹e TR
yD (0)
ergibt sich: 20 % ¹ 4 s 10 %
K DR
T y0 ¹ R e
K DR
K PR ¹ TV TV
8s K DR K PR
8s 0,5
16 s
b) Zeichen Sie die Anstiegsantwort dieses Reglers für e 1 %/s Der P-Teil des Reglers steigt wegen KPR = 0,5 halb so schnell an wie die Regeldifferenz e. y P
K PR ¹ e
0,5 ¹1
% s
0,5
% z. B.: yP(8 s) = 4 % s
Der konstante D-Anteil wird mit dem KDR-Wert aus Teil a) berechnet: K DR ¹ e
yD,B
8 s ¹1
% s
8 % (B … Beharrung)
Das Anfangsverhalten wird durch die Zeitkonstante TR geprägt. Bei t = TR ergibt sich rechnerisch für die Stellgröße über den 63,2 %-Wert: yD (TR )
0, 632 ¹ yD,B
5, 06 %
Nach 4 · TR ist der Beharrungswert (bis auf 1,8 %) erreicht. Weitere Werte siehe Tabelle 16-6. Die Stellgröße des PD-T1-Reglers ergibt sich aus der Summe des P-Teil und des D-T1-Teils. Tabelle 16-6 Tabellenwerte des Zeitverhaltens vom D-T1-Teil
t / TR a
(1 e
t TR
)
yD(t) = a · yD,B
0,5
1
2
4
0,393
0,632
0,865
0,982
3,14
5,06
6,92
7,86
288
16 Reglerkennwerte
Bild 16-46 Prognose der Anstiegsantwort eines PD-T1-Reglers
Anmerkung: Ähnlich wie beim PI-Regler kann man mit dem PD-T1-Regler auch andere Schaltungsvarianten erzeugen, z. B. durch einen nachgeschalteten P-T1-Teil. ■
16.5 PID-Regler Der PID-Regler vereinigt alle Formen der Reaktion von der • einfühlsamen (verzögerten) Differentiation mit Trenderkennung • über die direkte Multiplikation in Abhängigkeit zur Abweichung • bis zur nachhaltigen Integration (= inverse Funktion zur Differentiation)
Bild 16-47 Wirkungsplan eines PID-T1-Reglers
16.5 PID-Regler
y1
yD y I
T1 ¹ y y
289 TV ¹ e e
1 ¹ e dt Tn
Ô
Ë Û 1 K PR ÌTV ¹ e e ¹ e dt Ü Tn Í Ý
Ô
Bei dieser Schaltung lassen sich D-Teil über TV und I-Teil über Tn separat einstellen.
Bild 16-48 Sprungantwort eines PID-T1-Reglers
Anmerkung: Neben der abgebildeten Schaltung gibt es weitere Schaltungsvarianten des PID-Reglers. Stellungsalgorithmus: Y = Y0 + Yp + YI + YD
290
16 Reglerkennwerte
Tabelle 16-7 Zusammenstellung der Reglerkennwerte
Typ
I
P
D
Funktion
Gedächtnis
Kraft
Gefühl
Math. Gleichung
y I
K IR ¹ e
yI
K IR ¹ e dt
Ô
K IR
Kennwert
K PR Tn
yP
K PR
K PR ¹ e YH XP
(T1 ⋅ y D +) y D = K DR ⋅ e
yP e
K DR
K PR ¹ TV
Sprungantwort e
yI
yP
t
Tn
yP
t
t
t
Anstiegsantwort e
yI
YP
t
t
YD
t
TV
t
■ Übungsaufgabe 16.7 Kennwerte eines PID-Reglers An einem PID-T1-Regler soll die Genauigkeit der Einstellwerte getestet werden. Dazu wurde folgende Sprungantwort aufgenommen (Bild 16-49). Regler-Einstellwerte: Proportionalbereich XP = 200 %
Nachstellzeit Tn = 16 s
Vorhaltzeit TV = 18 s
Parasitäre Zeitkonstante TVz = 4 s = T1
a) Berechnen und vergleichen Sie den Proportionalwert KPR mit dem eingestellten Wert.
Aus der Sprungantwort des Reglers Bild 16-49 kann abgelesen werden: e = 10 %; yP = 5 %
Daraus errechnet sich: K PR
yP e
5% 10 %
0,5
16.5 PID-Regler
291
Bild 16-49 Gemessene Sprungantwort eines PID-T1-Reglers
An der Reglerskala war eingestellt: XP = 200 %
Umgerechnet: K PR
YH XP
100 % 200 %
0,5
b) Vergleichen Sie den abgelesenen Integrierwert des Reglers mit dem eingestellten Wert
Aus dem Anstieg ergibt sich nach t = 90 s ein Wert y(90 s) = 35 % ΔyI = 35 % – 5 % = 30 %
Daraus errechnet sich: K IR
ΔyI Δt ¹ e
30 % 90 s ¹10 %
0, 033
1 s
An der Reglerskala war eingestellt: Tn = 16 s Am Schrieb Bild 16-49 kann durch rückwärtige Verlängerung des Anstieges abgelesen werden: Tn = 15 s
292
16 Reglerkennwerte
Umgerechnet ergibt sich: K PR Tn
K IR
0,5 16 s
0, 031
1 0,5 oder s 15 s
0, 033
1 s
Kontrollrechnung:
abgelesen: y(50 s) = 22 %; e = 10 % Y
Y0 yp yI
Y0 K PR ¹ e K IR ¹ e ¹ Δt
0 % 0,5 ¹10 % 0, 032 s 1 ¹10 % ¹ 50 s
21 %
c) Ermitteln Sie aus der Sprungantwort des Reglers die parasitäre Zeitkonstante
Zeitkonstanten lassen sich aus Schrieben mit Hilfe des 63,2%-Wertes ermitteln. Y(T1) = (1 – 0,632) · yD(0)
Für den Anfangssprung yD(0) wird abgelesen: YD(0) = 27,5 % – 5 % = 22,5 % Daraus berechnet sich: yD(T1) = 0,368 · 22,5 % = 8,3 % Das D-T1-Glied schmiegt sich im Beharrungszustand an den I-Anstieg des Reglers an. Deshalb wird der 63,2%-Wert über eine Parallele zum I-Anstieg abgelesen. Aus dem Schnittpunkt mit dem Messschrieb Bild 16-49 lässt sich ablesen: T1 = 4 s d) Ermitteln Sie den Differenzierbeiwert KDR .
Für den Anfangssprung gilt: yD (0)
K PR ¹ TV ¹e T1
K DR ¹ e T1
22,5 %
Umgerechnet ergibt sich: K DR
yD (0) ¹ T1 e
22,5 % ¹ 4 s 10 %
9s
An der Reglerskala war eingestellt: TV = 18 s Daraus errechnet sich K DR
K PR ¹ TV
0,5 ¹18 s
9s
Kontrollrechnung für y(4s) und e = 10 %: È t Ø K DR ¹ e Y0 K PR ¹ e K IR ¹ Δt ¹ e ¹ É e T1 Ù Δt ÉÊ ÙÚ
Y
Y0 yP yI yD
Y
1 9 s ¹10 % 0 % 0,5 ¹10 % 0, 032 ¹ 4 s ¹10 % ¹ 0,368 14, 6 % s 4s
Abgelesen: Y = 14,5% ■
293
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen Der normale Aufbau eines Regelkreises ist die einschleifige Struktur. Diese einfache Regelschaltung hat den Vorteil, dass das Verhalten leicht überschaubar ist und gängige empirische Einstellregeln verwendet werden können. Im geschlossenen Regelkreis wird die Ausgangsgröße x der Regelstrecke als Regelgröße zur Eingangsgröße der Regeleinrichtung. Die Ausgangsgröße y der Regeleinrichtung als Stellgröße bewirkt eine Angleichung der Regelgröße x an den Sollwert w. Zur Beschreibung des Zeitverhaltens haben sich zwei Arten durchgesetzt: • Zusammensetzung der Differenzialgleichung im Zeitbereich • Laplace-Transformation und Rücktransformation in den Zeitbereich. Am Beispiel des einschleifigen Regelkreises (Bild 17-1) soll zunächst das Verständnis für das Zusammenwirken von Regler und Regelstrecke mit Hilfe der Methode der Differenzialgleichungsanalyse geweckt werden. Vermaschte Regelkreise lassen sich nur mit hohem mathematischen Aufwand analysieren. Hier kommt die Methode der Laplace-Transformation zum Einsatz.
Bild 17-1 Einheitenfreie Darstellung des einmaschigen Regelkreises
Bei der Analyse des Regelkreisverhaltens unterscheidet man: • Störverhalten, d. h. einen Eingriff der Störgröße am Regelstreckeneingang • Führungsverhalten, d. h. Eingriff der Führungsgröße am Eingang des Reglers. Man versucht bei der Analyse eines Signals, die Einflüsse der jeweils anderen Eingangsgröße des Regelkreises konstant zu halten. Am Ende werden die Auswirkungen von Störungen und Führungsgrößen überlagert (Superposition). Die Störgrößen zi sind in Wirklichkeit regellose stochastische Signale. Für diese Analyse werden jedoch grundsätzlich Eingangssprünge Δzi verwendet.
294
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Anmerkung: Zur Vereinfachung der Darstellung der Gleichungen werden in Kapitel 17 an Stelle der Differenzen Δx, Δy, Δz, Δw die kleinen Buchstaben x, y, z, und w verwendet. Die genannten Differenzen beziehen sich auf den Arbeitspunkt. Beim Führungsverhalten wird der Sollwert w auf eine konstant einstellbare Führungsgröße eingestellt; ausgehend von einer im Arbeitspunkt optimal eingestellten Regelung spricht man dann von einer Festwertregelung. Schwerer einzustellen sind Regelkreise, die mit veränderlichen Führungsgrößen arbeiten: • Folgeregelung nach einem Zeitplan • Folgeregelung nach externen Zuständen. In diesem Kapitel gilt wie schon beim Störverhalten die Beschränkung auf einen konstanten Eingangssprung Δw.
17.1 Methodik der Analyse Die Analyse von Regelkreisen mit Hilfe der Methode der Differenzialgleichung liefert schnelle, aber leider nur grundsätzliche Aussagen über das Zeitverhalten. Typische Fragen sind: • Welche Störgrößenänderung bezogen auf den Arbeitspunkt verkraftet eine vorgegebene Regelstrecke mit definiertem Regler? • Wie schnell reagiert die Regelstrecke nach einer Sollwertänderung? • Wie scharf kann ich den Regler einstellen, dass er bei definierter „Normstörung“ nicht in eine Begrenzung < 0 % oder > 100 % läuft? Das Vorgehen ist wie folgt: Ausgehend von einer Reglerstruktur (hier einmaschiger Regelkreis) mit gegebenen Parametern für Strecke und Regler wird die Differenzialgleichung des Systems aufgestellt und in die MSR-Form umgewandelt. Das gleiche Vorgehen wird auch gewählt, wenn nur eine Regelkreiskomponente untersucht werden soll. Die Analyse dieser Ergebnisgleichung wird dann getrennt nach Beharrungsverhalten, Anfangsverhalten und Schwingungsverhalten durchgeführt. Der Ablauf der Analyse der Differenzialgleichung ist in Tabelle 17-1 nach Art eines Kochrezeptes aufgestellt.
17.1 Methodik der Analyse
295
Tabelle 17-1 Checkliste der Regelkreisanalyse
A) Ansatz 1. Gleichung der Regelstrecke oder Gleichungen von Regelstreckenteilen 2. Gleichung des Reglers oder Gleichungen von Reglerbauteilen 3. Gleichung der Summenpunkte 4. Auswahl einer Ausgangsgröße (x, y, e, yz); Eliminieren der anderen Größen, die nicht als Ausgangsgrößen gewählt wurden 5. Ordnen, d. h. Ausgangsgrößen und deren Ableitungen auf die linke Seite der Differenzialgleichung, Eingangsgrößen w oder zi und deren Ableitungen auf die rechte Seite der Differenzialgleichung bringen 6. Den Parameter bei der niedrigsten Ableitung auf der linken Seite (= Ausgangsseite) zu „1“ machen; dadurch entsteht die Standardform der Differenzialgleichung in MSR-Form B) Auswertung (nicht Lösung) 1.
Nur eine Eingangsgröße auf der linken Seite (zi oder w) auswählen, die anderen Eingangsgrößen werden zu „0“ gesetzt; als Testfunktion wird der Eingangssprung gewählt
2.
Beharrungszustand untersuchen; alle zeitlichen Ableitungen der Differenzialgleichung werden zu „0“ Æ xBw, xBz, …
3.
Beginn der Sprungantwort untersuchen; Æ x (t 0); !
4.
Schwingungsverhalten untersuchen;
5.
Wirkung aller Ausgangsgrößen auf die gewählte Ausgangsgröße addieren
Æ D, τ
Zur Lösung der Differenzialgleichung wird auf das Kapitel 4 verwiesen. Zur Vereinfachung der Schreibweise der Gleichung werden oft typische Regelkreis-Kennwerte eingeführt: • Kreisverstärkung V0 als Produkt aller Proportionalwerte längs des Regelkreises V0 = KPS · KPR mit KPS = KP1 · KP2 · KP3 · … • Integrierverstärkung VI VI = KPS· KIR oder VI = KIS · KPR • Regelfaktor R: 0 < R < 1 R
1 1 V0
xB mit Regler xB ohne Regler
296
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
In Tabelle 17-2 sind einige in der Praxis häufig vorkommenden Gleichungen von Strecken und Reglern zusammengestellt. Tabelle 17-2 Differenzialgleichung von Regelstecken und Reglern (Auswahl); zugehörige Regelkreisstruktur siehe Bild 17-1
Verhalten
Gleichung Differenzialgleichungen von Regelstrecken
P
x
P-T1
T ¹ x x
P-T2
T02 ¹ x T1 ¹ x x
I
x
I-T1
T ¹ x x
K PS ¹ yz K PS ¹ yz
K PS ¹ yz
K IS ¹ yz oder x
Ô
K IS ¹ yz dt
K IS ¹ yz
Differenzialgleichungen von Reglern P
y
K PR ¹ e
I
y
K IR ¹ e
D-T1
T ¹ y y
PID
y
[+ Y0]
K DR ¹ e
K PR ¹ e K IR ¹ e K DR ¹ e oder y
K PR ¹ e K IR ¹ e dt K DR ¹ e
Ô
17.2 Ablauf der Regelkreisanalyse An einigen ausgewählten Beispielen von Regler-Strecken-Kombinationen soll das Zusammenwirken der Blöcke im geschlossenen Regelkreis gezeigt werden.
17.2.1 Ansatz der Differenzialgleichung Als Beispiel wird ein einmaschiger Regelkreis gewählt, der aus einer reinen P-Strecke und einem P-Regler besteht. Es wird nur das Störverhalten berücksichtigt, d. h. w = 0. A 1. Gleichung der Regelstrecke (P-Verhalten) x K PS ¹ yz A 2.
Gleichung des Reglers
A 3.
Gleichung des Summenpunktes
(P-Verhalten)
y
K PR ¹ e
yz
yz
Das Vorzeichen der Störgröße z kann positiv und negativ sein. Ist die Störgröße z. B. eine Entnahme aus einem Wasserspeicher, dann wirkt z negativ. Wird bei einer Zunahme der Störgröße die Regelgröße x größer, so gilt am Summenpunkt das Plus-Zeichen, wird die Regelgröße kleiner, dann wird das Minus-Zeichen rechts vom Richtungspfeil angetragen. Da nur die Störgröße geändert wird, der Sollwert w jedoch konstant bleibt, gilt: e = w – x mit w = 0 → e = –x
17.2 Ablauf der Regelkreisanalyse
297
Anmerkung: In jedem Regelkreis muss genau eine Vorzeichenumkehr vorhanden sein, damit einem Anstieg der Regelgröße durch Verkleinerung der Streckeneingangsgröße yz entgegengewirkt wird. Diese Vorzeichenumkehr ist hier am Vergleicher realisiert. A 4.
Auswahl der Ausgangsgröße
In den vier Gleichungen (Differenzialgleichungen Nullter Ordnung) sind fünf Variable enthalten, davon eine Eingangsgröße, und zwar die Störgröße z. Alle vier „Kreisgrößen“ können theoretisch als Ausgangsgröße gewählt werden, z. B. • Regelgröße
x = f(z, w, t)
• Stellgröße
y = f(z, w, t)
• Regeldifferenz
e = f(z, w, t)
• Stell-/Stördifferenz yz = f(z, w, t) Hier wird die Regelgröße x als Ausgangsgröße gewählt. Eliminieren von e, y und yz: x
K PS ¹ ( y z ) und y
x
K PS ¹ K PR ¹ e K PS ¹ z
K PR ¹ e K PS ¹ K PR ¹ x K PS ¹ z
In dieser Gleichung sind nur die Variable x als Ausgangsgröße und die Variable z als Eingangsgröße enthalten. [x = f(z, w = konstant, t)] Wählt man als Ausgangsgröße die Stellgröße y, so ergibt sich:
A 5.
y
K PR ¹ e
K PR ¹ x und x
y
K PR ¹ K PS ¹ y z
K PS ¹ y z
K PR ¹ K PS ¹ y K PR ¹ K PS ¹ z
Ordnen
In einer geordneten regelungstechnischen Differenzialgleichung steht die gewählte Ausgangsgröße eines Systems auf der linken Seite, alle Eingangsgrößen des Systems auf der rechten Seite. Dazu gehören auch, wenn vorhanden, alle Ableitungen nach der Zeit.
A 6.
x ¹ (1 K PS ¹ K PR )
K PS ¹ z
y ¹ (1 K PS ¹ K PR )
K PS ¹ K PR ¹ z
Bilden der MSR-Form
Das Zeitverhalten regelungstechnischer Systeme wird unabhängig von deren technischer Realisierung durch gleichartige Kennwerte beschrieben. Diese Kennwerte sollen auch für den Regelkreis gelten. Dazu muss die Differenzialgleichung in eine typische Form gebracht werden, aus der sich die Kennwerte direkt ablesen lassen. Diese Form nennt man auch MSR-Form (Messen-Steuern-Regeln). Das Besondere dieser Form ist, dass die niedrigste Ableitung auf der linken Seite, d. h. die gewählte Ausgangsgröße, zu „1" gemacht wird. Damit haben die einzelnen Terme der Gleichung die Dimension der Ausgangsgröße. Die Parameter zu den übrigen Termen nehmen kennzeichnende Bedeutung an. x
K PS ¹z 1 K PS ¹ K PR
K PS ¹z 1 V0
R ¹ K PS ¹ z und y
K PSE ¹ K PR ¹z 1 K PSE ¹ K PR
R ¹ V0 ¹ z
298
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
17.2.2 Auswertung der Differenzialgleichung Um einen Überblick über das Zeitverhalten des Kreises zu bekommen, reicht es oft, nur einzelne Zeitbereiche (Anfang, Beharrung, ...) des Verhaltens zu untersuchen. Die Lösung der Differenzialgleichung wird erst benötigt, wenn es um die Ermittlung konkreter Zwischenzustände geht. B 1.
Testfunktion
Meist wählt man als Testfunktion einen Eingangssprung. Das Zeitverhalten wird getrennt nach Störverhalten (sprunghafte Änderung der Störgröße z) und Führungsverhalten (sprunghafte Änderung der Führungsgröße w) untersucht. Bei linearem Verhalten aller Kreisglieder ist eine einfache Überlagerung der Ergebnisse der Einzelsprünge aller Eingangsgrößen zum Gesamtverhalten des Kreises zulässig, z. B.: xB (Gesamt) = xB (Störung) + xB (Führung); Index B ... Beharrung Δz ist eine zusätzliche Störung, die auf den in Beharrung befindlichen Regelkreis einwirkt. Dieser Beharrungszustand für t < 0 muss nicht, sollte jedoch möglichst identisch mit dem Arbeitspunkt AP sein. AP → X0 = W0 und Y0 = Z0 B 2.
Beharrungsverhalten
Unter Beharrungsverhalten versteht man das Zeitverhalten des Regelkreises (bzw. Regelkreisgliedes) für sehr große Zeiten (t → ∞) nach Einwirken der Testfunktion. In der Differenzialgleichung der allgemeinen Form (Fundamentalgleichung) (n)
an ¹ x .... a2 ¹ x a1 ¹ x a0 ¹ x
b0 ¹ y b1 ¹ y b2 ¹ y ... c0 ¹ z c1 ¹ z !
verschwinden dann alle zeitlichen Ableitungen x , x,..., y , y,..., z, z ,! für t → ∞.
Es können dabei nur drei Fälle auftreten (Bild 17-2): • Die nullte Ableitung auf der rechten Seite fehlt, dies bedeutet, dass keine bleibende Regeldifferenz auftritt, z. B. xB = 0. • Die nullten Ableitungen auf beiden Seiten sind vorhanden; es tritt eine bleibende Regelb0 c0 ¹ y K P1 ¹ y oder xB ¹ z K P2 ¹ z . differenz auf, z. B. xB a0 a0 • Die nullte Ableitung auf der linken Seite fehlt; der Beharrungswert ist unendlich groß, z. B. 0 K P2 ¹ z .
17.2 Ablauf der Regelkreisanalyse Differenzialgleichung in Beharrung
Sprungantwort
a0 0; b0
xB 0 keine bleibende Regeldifferenz
0
a0 0; b0 0
b0 y a0 bleibende Regeldifferenz
a0
0 y kein Beharrungswert
0; b0
0
299 Zeitverhalten
xB
Bild 17-2 Zusammenstellung der drei möglichen Beharrungsverhalten bei einer Sprungantwort
B 3.
Anfangsverhalten
Das Anfangsverhalten untersucht die Reaktion des Regelkreises (bzw. des Regelkreisgliedes) für kleine Zeiten t → 0 oder zum Zeitpunkt t = 0, zu der der Eingangssprung auf das System wirkt. Auch hier unterscheiden wir drei Fälle (Bild 17-3): • Die höchste Ordnung der Ableitung n auf der linken Seite der Differenzialgleichung ist gleich der höchsten Ordnung der Ableitung m rechts; dann zeigt das System als Sprungantwort für t = 0 ebenfalls einen Sprung der Ausgangsgröße mit nachfolgender Sprungantwort, z. B. x(0) K P ¹ z . • Die höchste Ordnung n links ist um einen Grad höher als m rechts; als Sprungantwort zeigt das System für t = 0 eine endliche Anstiegsgeschwindigkeit der Ausgangsgröße, z. B. x (0) K P ¹ z; x(0) 0 • Die höchste Ordnung n links ist um mehr als einen Grad höher als m auf der rechten Seite; das System hat zum Zeitpunkt t = 0 keine zeitliche Änderung der Ausgangsgröße und auch keine Anstiegsgeschwindigkeit, also horizontale Tangente, x (0) 0; x(0) 0
300
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Differenzialgleichung ( n)
Sprungantwort
Zeitverhalten
(m)
an ¹ x ... ... bm ¹ y
n=m
x(0)
bm ¹y an
n=m+1
bm ¹y an xa (0) 0
n=m+i
( m)
x (0)
x (0)
i≥2
0
# x (0)
0
x(0)
0
Bild 17-3 Zusammenstellung der drei möglichen Anfangsverhalten bei einer Sprungantwort (Systeme mit m > n sind physikalisch nicht realisierbar)
B 4.
Schwingungsverhalten
Das Schwingungsverhalten wird durch den Dämpfungsgrad D
1 T1 ¹ 2 T0
und die Schwingungsperiode
τ
2π ¹ T0 ¹
1 1 D2
beschrieben.
17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz Regelstecken, die mit einfachem P-Regler geregelt werden, haben den Nachteil der bleibenden Regeldifferenz im Beharrungszustand. Mit Hilfe der Differenzialgleichung kann die Größe der bleibenden Regeldifferenz abgeschätzt werden.
17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz
301
■ Übungsaufgabe 17.1 Durchflussregelstrecke mit P-Regler Ein Durchflussregelkreis besteht aus einem näherungsweise verzögerungsfreien Stellantrieb mit flinkem Stellungsregler, einem gleichprozentigen Stellventil, einer Durchflussmessstelle direkt hinter dem Stellventil mit eingebautem Messumformer und einem verzögerungsfreien PRegler (Bild 17-4).
Bild 17-4 Gerätefließbild einer Durchflussregelstrecke mit P-Regler
Bei verschiedenen Vordrücken p0 = konst. wurde die Kennlinienschar der erweiterten Regelstrecke aufgenommen (Bild 17-5). Dabei ist der Vordruck p0 umgerechnet als Störgröße z in Einheiten der Stellgröße y aufgetragen. Für den Arbeitspunkt gilt: X0 = W0 = 50 % Y0 = Z0 = 50 % Im Arbeitspunkt soll die Kennlinie eines P-Reglers mit XP = 50 % in dieses Diagramm eingetragen werden. a) Ermitteln Sie aus dem Diagramm Bild 17-5 die bleibende Regeldifferenz der Regelstrecke ohne Regler und als geschlossener Regelkreis, wenn vom Arbeitspunkt ausgehend die Vordrücke Zl bzw. Z2 eingestellt werden. Als Stellbereich des Ventils gilt: YH = 100 Mit der Angabe des Proportionalbereichs des P-Reglers XP = 50 % ist der Anstieg der Regelkennlinie festgelegt. K PR
YH YP
2
Δy Δx
302
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Bild 17-5 Kennlinienschar der Durchflussregelstrecke nach Messwerten, Reglerkennlinie XP = 50 %
Die Reglerkennlinie muss durch den Arbeitspunkt laufen. In Bild 17-5 ist diese Kennlinie als strichpunktierte Gerade eingetragen. Zur Kontrolle lässt sich der zu YH gehörige Wert XP an der x-Achse ablesen. Wird jetzt die Störgröße von Z0 auf Zl geändert, so erhalten wir den neuen Betriebspunkt des geschlossenen Regelkreises als Schnittpunkt zwischen der Reglerkennlinie (strichpunktiert) und der durchgezogenen Streckenkennlinie für Zl. Aufgrund der Störung Δz1
Z 0 Z1
50 % 36 % 14 %
verändert der Regler seine Stellgröße um Δy1
Y1 Y0
38 % 50 %
12 %
kann jedoch bei dieser Einstellung die Regelabweichung Δx1
X1 W0
56 % 50 %
6%
nicht vermeiden. Für die Störgröße Z2 ergibt sich: Δz2
22 %
Δy2
15,5 %
Δx2
8 % .
Man kann erkennen, dass die bleibende Regelabweichung nur vermieden werden kann, wenn ein Regler mit einem Proportionalbereich XP = 0 % oder einem Proportionalwert KPR Æ ∞ eingesetzt wird, der die Störgrößenänderung durch eine Stellgrößenänderung in gleicher Größe kompensiert. Dies werden wir noch unter Punkt d) näher behandeln.
17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz
303
Ist der Regler ausgeschaltet, betrachten wir also die Regelstrecke ohne Regler, so wird sich Y0 nicht ändern. Tritt jetzt eine Störung Z auf, so verschiebt sich der Betriebspunkt auf einer Linie y = konst. (Bild 17-5 gestrichelt). Für die bleibende Regeldifferenz lesen wir ab: xl (ohne Regler) = 50 % x2 (ohne Regler) = –25 %. Durch den P-Regler mit XP = 50 % wird die Regeldifferenz Δx = e = X0 – W0 von z. B. 25 % auf –8 % reduziert. Nur im Arbeitspunkt tritt gemäß Definition X0 = W0 keine Differenz auf. b) Zeichnen Sie den Wirkungsplan des Regelkreises. Stellen Sie die lineare Differenzialgleichung des Regelkreises auf. Der Massenstrom durch das Ventil wird durch den Hub H und/oder durch den Vordruck p0 beeinflusst. Das Ventil wird also im Wirkschaltplan durch zwei Blöcke und einen Summenpunkt dargestellt (Bild 17-6). Durch die Blöcke Stellantrieb, Vordrosselung und Fühler/Umformer werden aus den dimensionsbehafteten Größen dimensionslose Größen erzeugt, indem z. B. die Messwerte auf den Messbereichsendwert bezogen werden.
Bild 17-6 Wirkungsplan der Durchflussregelung
Da sowohl die Störung z als auch die Stellgröße y verzögerungsfrei eingreifen, kann die Störung an den Eingang der erweiterten Regelstrecke verlegt werden. Das Vorzeichen von z muss positiv sein; wenn der Vordruck steigt, steigt auch der Durchfluss. In der dimensionslosen Darstellung dieses Regelkreises ergibt sich: Gleichung der erweiterten Regelstrecke:
x
K PS ¹ yz
K PS ¹ y K PS ¹ z
Gleichung des Reglers:
y
K PR ¹ e
K PR ¹ w K PR ¹ x
304
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Die Vorzeichenumkehr ist im Regler realisiert (fallende Kennlinie). In einem einmaschigen Regelkreis kann immer nur eine Ausgangsgröße gewählt werden, hier die Regelgröße x. Alle übrigen Kreisgrößen e und yz werden eliminiert: x
K PS ¹ z K PS ¹ K PR ¹ w K PS ¹ K PR ¹ x
Sortieren, d. h. die gewählte Ausgangsgröße x auf die linke Seite der Differenzialgleichung (nullter Ordnung), die Eingangsgrößen w und z auf die rechte Seite: x K PS ¹ K PR ¹ x
K PS ¹ z K PS ¹ K PR ¹ w
In der MSR-Form wird die niedrigste Ableitung auf der linken Seite zu 1 gemacht: x
K PS K PS ¹ K PR ¹z ¹w 1 K PS ¹ K PR 1 K PS ¹ K PR
Mit Hilfe der Definitionen der Kreisverstärkung V0
K PS ¹ K PR sowie R
1 (Regelfaktor) 1 V0
ergibt sich: x
R ¹ K PS ¹ z R ¹ V0 ¹ w
Wählen wir y als Ausgangsgröße, so ergibt sich: y
K PR ¹ w K PR ¹ x
y
K PR ¹ w K PR ¹ K PS ¹ y K PR ¹ K PS ¹ z
(1 V0 ) ¹ y y
K PR ¹ w V0 ¹ z
R ¹ V0 ¹ z R ¹ K PR ¹ w
c) Vergleichen Sie die rechnerischen Werte aus der linearen Differenzialgleichung mit den gemessenen Werten aus Bild 17-5. Durch Anlegen der Tangente an die Streckenkennlinie für Z0 im Arbeitspunkt erhalten wir den Proportionalbeiwert der erweiterten Regelstrecke (Bild 17-7) K PS
Δx Δy
50 % 25 %
2.
In einer linearen Differenzialgleichung bleibt dieser Wert konstant; anstelle der gekrümmten Kennlinien aus Bild 17-5 ergeben sich rechnerisch Geraden, die in Bild 17-7 eingetragen sind.
17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz
305
Bild 17-7 Kennlinienschar der Durchflussregelstrecke mit Hilfe der linearen Differenzialgleichung, Reglerkennlinie eines P-Reglers
K PS ¹ ( y Z 0 ) geht durch den Arbeitspunkt mit der Steigung z. Eine andere
Die Gerade x
Störgröße bedeutet eine Parallelverschiebung der Kennlinie. In Bild 17-7 ist dies für Δzl = +14 % und Δz2 = –22 % eingetragen (siehe Punkt a dieser Übungsaufgabe). In gleicher Weise wird die Gerade für den Regler y
K PR ¹ ( w0 x) eingetragen. Hier führt
die Änderung des Sollwertes w zu einer Parallelverschiebung; in diesem Beispiel für Δw3 = +20 % und Δw4 = –20 %. Die Kennlinienscharen für die Streckengleichung und die Reglergleichung dienen nur der Veranschaulichung der Ergebnisse der linearen Differenzialgleichung. Im Folgenden wird deshalb die rechnerische Lösung verwendet. Zahlenwerte: K PS V0
K PR
2 K PS ¹ K PR
2¹ 2
4
R
100 % XP
100 % 50 %
1 1 V0
1 1 4
2 0, 2
• Störverhalten, d. h. Δw = 0: (R = Rechnung, M = Messung) Δx1 ( R ) Δy1 ( R )
K PS ¹ R ¹ Δz1
0, 2 ¹ 2 ¹14 %
R ¹ V0 ¹ Δz1
0, 2 ¹ 4 ¹14 %
Δx2 ( R ) 0, 2 ¹ 2 ¹ ( 22 %) 8,8 % Δy1 ( R ) 0, 2 ¹ 4 ¹ ( 22 %) 17, 6 %
5, 6 % 11, 2 %
Δx1 ( M ) 6 % Δy1 ( M ) 12 % Δx2 ( M ) 8 % Δy1 ( M ) 15,5 %
Die Abweichungen zwischen Messung und Rechnung resultieren nicht aus den Ablesefehlern, sondern sie werden durch die Linearisierung bei der Rechnung verursacht. Zur Erinnerung: Die Analyse der Regelstrecke und die Auslegung des Reglers erfolgt in der Regel um den Bereich des Arbeitspunktes. Ausgehend vom Arbeitspunkt wird entweder das Störverhalten
306
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
oder das Führungsverhalten untersucht. Über die Sprungantwort wird der Proportionalwert der Strecke bestimmt. Dieser Proportionalwert wird für alle nachfolgenden Betrachtungen als konstant angesetzt. Zeichnet man jedoch die Kennlinie der Regelstrecke auf, so stellt man fest, dass in den allermeisten Fällen die Kennlinie der Strecke nicht linear ist – und damit auch der Proportionalwert der Strecke nicht konstant sein kann. Je nichtlinearer die Strecke ist, umso stärker schwankt der Betrag des Proportionalwertes. Mit der Annahme eines konstanten Proportionalwertes wird diese Kennlinie linearisiert. Je weiter man sich bei der Auslegung vom Arbeitspunkt entfernt, desto größer wir der Linearitätsfehler. • Führungsverhalten: (d. h. Δz = 0) Δx3 ( R ) Δy3 ( R)
R ¹ V0 ¹ Δw3
Δx4 ( R ) Δy4 ( R )
0, 2 ¹ 4 ¹ ( 20 %)
16 %
0, 2 ¹ 2 ¹ ( 20 %)
8 %
0, 2 ¹ 4 ¹ 20 % 16 %
R ¹ K PR ¹ Δw3
0, 2 ¹ 2 ¹ 20 %
8%
• Überlagerung von Störgröße und Führungsgröße Δx5 ( R ) Δy5 ( R)
Δx3 Δx1 16 % 5, 6 % 21, 6 % Δy3 Δy1 8 % 12 % 4 %
d) Stellen Sie die Differenzialgleichung der gleichen Strecke mit I-Regler auf. Berechnen Sie damit die Stellgröße, die notwendig ist, einer Störung Δz1 ohne bleibende Regeldifferenz entgegenzuwirken. Zu der Strecke x = KPS (z + Y) wird der ideale I-Regler y R K IR ( w x) geschaltet. In der Differenzialgleichung für die Regelgröße wird die Stellgröße y eliminiert: x K PS ¹ z K PS ¹ y K PS ¹ z K PS ¹ K IR ¹ w K PS ¹ K IR ¹ x x K PS ¹ K IR ¹ x K PS ¹ z K PS ¹ K IR ¹ w 1 ¹ x x K PS ¹ K IR
1 ¹ z w K IR
Wählt man die Stellgröße als Ausgangsgröße, so ergibt sich: y = K IR ⋅ w − K IR ⋅ K PS ⋅ z − K IR ⋅ K PS ⋅ y y + K IR ⋅ K PS ⋅ y = K IR ⋅ w − K IR ⋅ K PS ⋅ z 1 ⋅ y + y = K IR ⋅ w − z K IR ⋅ K PS
Die Systemgleichung zeigt ein Zeitverhalten 1. Ordnung, bei dem im Beharrungszustand keine bleibende Regelabweichung vorhanden ist
Æ xB = w
und die Stellgröße bei Störverhalten die Störgröße aufhebt Æ yB = –z.
17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz
307
Bild 17-8 Kennlinienschar der Durchfluss-Regelstrecke (lineare Differenzialgleichung) mit Reglerkennlinie eines I-Reglers
Bei Führungsverhalten ist die Stellgröße 1 ¹w . K PS
yBw
Das Anfangsverhalten kann graphisch durch die Kreis-Zeitkonstante Tx
Ty
1 K PS ¹ K IR
angegeben werden. Das Beharrungsverhalten ist in Bild 17-8 dargestellt; die Kennlinie des I-Reglers ist eine Parallele zur y-Achse durch den Arbeitspunkt „0". Sie entspricht der linearen Kennlinie eines PReglers für XP → 0. Auf den Zeitverlauf soll hier nicht näher eingegangen werden. ■
■ Übungsaufgabe 17.2 Druckregelstrecke mit P-T1-Verhalten, geregelt durch einen P-Regler Eine Druckregelstrecke (Bild 17-9) besteht aus einem Stellventil V1 mit verzögerungsarmem Stellantrieb, einem Druckluftspeicher B1 und einem konstanten Verbraucher V2. Über ein Magnetventil V3 kann ein weiterer Verbraucher sprunghaft zugeschaltet werden. Störsprung Δz = –10 % .
308
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Der Druck im Speicher als Regelgröße wird durch den nachgeschalteten Messumformer dimensionslos gemacht. Dies ist nicht notwendig, wenn der Druckmessbereich im Einheitssignalbereich 0,2 bis 1 bar liegt. a) Ermitteln Sie die in der linearen Differenzialgleichung enthaltenen Kennwerte der Regelstrecke. Arbeitspunkt X0 = W0 = 50 % und Y0 = Z0 = 50 %
Bild 17-9 Gerätefließbild eines Druckluftregelkreises
Die Handstellgröße YHand wurde sprunghaft verstellt und der Zeitverlauf y(t) und x(t) als Einheitssignal in % aufgeschrieben (Bild 17-10).
Bild 17-10 Messschrieb der Stellsprungantwort der dimensionslosen Druckluftregelstrecke
17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz
309
Auf die Nichtlinearitäten, die in jeder realen Regelstrecke vorhanden sind, wird hier nicht weiter eingegangen. Das Zeitverhalten der Regelstrecke wird aus der Sprungantwort eindeutig als proportionales Verhalten mit Zeitverzögerung 1. Ordnung erkannt. Dieses Verhalten wird durch folgende Differenzialgleichung beschrieben: T ¹ x x
K PS ¹ y .
Neben der Regelgröße x und der Stellgröße y, die dem Messschrieb zu entnehmen sind, benötigt man für die mathematische Beschreibung der Regelstrecke die Kennwerte • Proportionalbeiwert KPS und • Zeitkonstante T. Der Proportionalwert wird aus dem Beharrungszustand bestimmt. Aus Bild 17-10 liest man ab: K PS
xB y
36 % 18 %
2.
Die Zeitkonstante wird bei 63,2 % vom Beharrungswert abgelesen: x(t
T)
0, 632 ¹ xB
22,8 % .
Aus dem Schrieb (Bild 17-10) liest man damit ab: T = l0 s. b) Der Regelkreis wird durch einen P-Regler geschlossen. Stellen Sie die Differenzialgleichung des Regelkreises für Regel- und Stellgröße auf. Gleichung der Strecke: TS ¹ x x Gleichung des Reglers: y
K PS ( z y )
K PR ( w x)
Kreisgleichung der Regelgröße: TS ¹ x x
K PS ¹ z K PS ¹ K PR ¹ w K PS ¹ K PR ¹ x
V0 V0
TS ¹ x (1 V0 ) ¹ x
1/ R R ¹ TS ¹ x x N Tx
K PS ¹ z V0 ¹ w
R ¹ K PS ¹ z R ¹ V0 ¹ w
Kreisgleichung der Stellgröße: 1 1 ¹ y x w ¹ y x K PR K PR T 1 ¹ y K PS ¹ z K PS ¹ y TS ¹ w S ¹ y w K PR K PR w
310
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen TS È 1 Ø ¹ ý É K PS ¹y K PR K PR ÙÚ Ê
1 R ¹ K PR
R ¹ TS ¹ y y N Ty
K PS ¹ z w TS ¹ w
R ¹ V0 ¹ z R ¹ K PR ¹ w R ¹ TS ¹ K PR ¹ w
Beide Differenzialgleichungen beschreiben das Verhalten mit Zeitverhalten 1. Ordnung. Die Kreis-Zeitkonstante ist in beiden Fällen gleich (Tx = Ty). c) Skizzieren Sie das Zeitverhalten nach einer sprunghaften Störung z = –10 % für Regel- und Stellgröße ausgehend vom Arbeitspunkt X0 = W0 für die Reglereinstellungen XP1 = 200 % und XP2 = 50 %. Bei linearen Differenzialgleichungen gilt das Superpositionsprinzip, d. h. erst wird der Zeitverlauf der Störung untersucht und anschließend das Führungsverhalten. Die Wirkung der beiden Verhalten lässt sich dann linear überlagern (z. B. durch Addition der Beharrungswerte). Für das Störverhalten vereinfachen sich die Gleichungen für Regel- und Stellgröße zu: R ¹ TS ¹ x x
R ¹ K PS ¹ z und R ¹ TS ¹ y y
R ¹ V0 ¹ z .
• Beharrungsverhalten: (d. h. t , somit x, y xBz
R ¹ K PS ¹ z und yBz
0)
R ¹ V0 ¹ z
Tabelle 17-3 Zahlenwerte für das Beharrungsverhalten (P-T1-Strecke mit P-Regler)
Zahlenwerte für K PR V0 R
100 % XP
K PR ¹ K PS 1 1 V0
XP = 200 % K PR V0
100 % 200 %
K PR
0,5
0,5 ¹ 2 1 1 11
R
XP = 50 %
0,5
2
V0
4
R
0, 2
xBz
R ¹ K PS ¹ z
xBz
0,5 ¹ 2 ¹ ( 10 %)
10 %
xBz
4 %
yBz
R ¹ V0 ¹ z
yBz
0,5 ¹1¹ ( 10 %)
5 %
yBz
8 %
Diese Werte sind in Bild 17-11 eingetragen. Um die Wirkung einer Änderung des Proportionalbereichs zu demonstrieren, sind zusätzlich die Werte der Strecke ohne Regler eingetragen: xB (o.R.) K PS ¹ z yB (m.R.) 0 %
2 ¹ ( 10 %)
20 %
17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz
311
• Anfangsverhalten:
Die Anstiegsgeschwindigkeit für t → ∞ kann aus den Gleichungen der Stellgröße und Regelgröße ermittelt werden. Dazu wird jeweils x(0) = 0 und y(0) = 0 gesetzt, denn zu diesem Zeitpunkt ist zwar schon die Störung z vorhanden, hat sich jedoch noch nicht als Änderung auf die beiden Größen ausgewirkt. R ¹ TS ¹ x (0) 0
R ¹ K PSE ¹ z x (0)
R ¹ TS ¹ y (0) 0
R ¹ V0 ¹ z y (0)
R ¹ K PS K PS ¹z ¹z R ¹ TS TS R ¹ V0 V0 ¹z ¹z R ¹ TS TS
Man erkennt, dass die Anstiegsgeschwindigkeit der Regelgröße unabhängig von der Reglereinstellung ist. Die Kreis-Zeitkonstante Tx R ¹ TS kann jeweils am Beharrungswert R ¹ K PS angetragen werden. Daraus ergibt sich folgender Anstiegswinkel: R ¹ K PS ¹ z R ¹ TS
Gegenkathete Ankathete
tg α x
x (0) .
Zur Berechnung des Winkels αx wird zusätzlich ein Maßstabsfaktor benötigt, der die unterschiedliche Skalierung von Zeitachse und Ordinate berücksichtigt.
αx
arc tg ( x (0) ¹ Fx ) mit Fx
t (s) 10 cm ¹ 10 cm x (%)
Damit wird die Anstiegsgeschwindigkeit dimensionslos gemacht.
αy
arc tg ( y (0) ¹ Fy )
Tabelle 17-4 Zahlenwerte für das Anfangsverhalten (P-T1-Strecke mit P-Regler)
Zahlenwerte für Tx
R ¹ TS
Ty
XP = 200 % Tx
XP = 50 %
0,5 ¹10 s
Tx
5s
2s
x (0)
K PS ¹z TS
x (0)
2 ¹ ( 10 %) 10 s
y (0)
V0 ¹z TS
y (0)
F ( x)
t (s) 10 cm ¹ 10 cm x (%)
Fx
20 s 20 %
1
s %
Fx
1
s %
F ( y)
t (s) 10 cm ¹ 10 cm y (%)
Fx
20 s 10 %
2
s %
Fx
2
s %
αx
arc tg ( 2
αx
63, 4
αy
arc tg (1
αy
82,9
αx
arc tg ( x (0) ¹ Fx )
αy
arc tg ( y (0) ¹ Fy )
2
1 ¹ ( 10 %) 10 s
% s ¹1 ) s %
% s ¹2 ) s %
% s
1
% s
63, 4 63, 4
x (0)
2
y (0)
4
% s
% s
312
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Die rechnerischen Ergebnisse lassen sich leicht im Zeitverlauf Bild 17-11 skizzieren und vergleichen. Nach ca. 4 · Tx hat die Regelgröße (bis auf 2 %) den Beharrungswert erreicht. Ein kleinerer Proportionalbereich bedeutet also nicht nur eine geringere bleibende Regelabweichung, sondern zusätzlich noch eine schnellere Einstellung dieses Beharrungswertes. Man erkennt außerdem, dass der Zeitverlauf der Regelgröße mit dem der Stellgröße korreliert ist. d) Skizzieren Sie das Zeitverhalten nach einem Führungssprung w = + 10 % für Regel- und Stellgröße für die Reglereinstellungen (XPl = 200 % und XP2 = 50 %) Beim Führungsverhalten ergeben sich folgende Gleichungen: R ¹ TS ¹ x x R ¹ TS ¹ y y
R ¹ V0 ¹ w R ¹ K PR ¹ w R ¹ TS ¹ K PR ¹ w
• Beharrungsverhalten xBw
R ¹ V0 ¹ w und yBw
R ¹ K PR ¹ w
Das Beharrungsverhalten ist identisch mit dem eines Kreises, der aus einer verzögerungsarmen Regelstrecke und P-Regler aufgebaut ist (siehe Übungsaufgabe 17.1). Auch beim Führungsverhalten zeigt dieser Regelkreis eine bleibende Regeldifferenz w – xBw, die umso kleiner wird, je kleiner der Proportionalbereich XP oder je größer der Proportionalwert KPR eingestellt ist (Bild 17-12). Tabelle 17-5 Zahlenwerte für Führungssprung (P-T1-Strecke mit P-Regler)
Zahlenwerte für xBw ebl yBw
R ¹ V0 ¹ w w xBw R ¹ K PR ¹ w
XP = 200 % xBw ebl yBw
XP = 50 %
0,5 ¹1¹10 % 10 % 5 %
5%
8%
ebl
5%
0,5 ¹ 0,5 ¹10 %
xBw
2,5 %
2%
yBw
4%
Bild 17-11 Störsprungantwort des Regelkreises (P-T1-Strecke, P-Regler, z = –10 %) für Regelgröße
17.3 Regelkreis mit bleibender Regeldifferenz
313
Bild 17-12 Störsprungantwort des Regelkreises (P-T1-Strecke, P-Regler, z = –10 %) für Stellgröße
• Anfangsverhalten
Die Regelgröße im geschlossenen Kreis zeigt das Verhalten der e-Funktion für Verzögerung 1. Ordnung, wie es schon für das Störverhalten beschrieben wurde. Nur wird jetzt das Anfangsverhalten abhängig von der Reglereinstellung. x (0)
V0 ¹ w ; αx TS
arc tg ( x (0) ¹ Fx )
Die Gleichung der Stellgröße muss zunächst umgeformt werden. Man geht immer davon aus, dass das System für t < 0 in Beharrung ist. In der Gleichung ist mit w eine zeitliche Ableitung der Führungsgröße vorhanden, die dieser Forderung widerspricht. Ein Sprung zum Zeitpunkt t = 0 führt zu einer Unstetigkeitsstelle. Diesem Problem können wir aus dem Weg gehen, indem wir die Gleichung einmal integrieren. Die Integrationskonstanten werden alle zu Null, wenn wir die Anfangsbedingungen zu Null wählen: t
Ô
R ¹ TS ¹ y y dt
t
Ô
R ¹ K PR w dt R ¹ TS ¹ K PR ¹ w .
0
0
Für t → 0 ergibt sich daraus: t
Ô dt
0 eingesetzt: R ¹ TS ¹ y (0)
0
und daraus: y (0)
K PR ¹ w .
R ¹ TS ¹ K PR ¹ w
314
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Bild 17-13 Führungssprungantwort des Regelkreises (P -Tl-Strecke , P-Regler, Δw = 10 % ) für Regelund Stellgröße
Die Stellgröße zeigt (Bild 17-13) zum Zeitpunkt t = 0 einen Sprung, dessen Höhe abhängig von der Reglereinstellung ist. Wenn die Eingangsgröße w eines verzögerungsfreien P-Reglers sprunghaft verändert wird, muss sich auch die Ausgangsgröße y sprunghaft verändern und zwar proportional zum Verstärkungsfaktor KPR. In Abschnitt 17.2 wurde gezeigt, dass die Ausgangsgröße als Sprungantwort einen Sprung zeigt, wenn die höchste Ableitung der rechten und der linken Seite der Differenzialgleichung von gleicher Ordnung sind. Dies ist auch hier zu erkennen. Der weitere Verlauf kann mit der ursprünglichen Form der Differenzialgleichung beschrieben werden, wenn wir die Anfangsbedingung y(0) in die Gleichung einsetzen. Anfangsverhalten für t Æ 0, aber t ≠ 0: Nach einem Sprung w(t = 0) ändert sich die Führungsgröße anschließend zeitlich nicht mehr: w (t 0) 0
17.4 Regelkreis ohne bleibende Regeldifferenz R ¹ TS ¹ y (t 0) y (0) R ¹ TS ¹ y (0) K PR ¹ w
315
R ¹ K PR ¹ w R ¹ K PR ¹ w
und daraus das Anfangsverhalten: R ¹ K PR K PR ¹w R ¹ TS
y (0)
yBw y (0) . R ¹ TS
Nach einem positivem Sprung verläuft die Stellgröße mit endlicher Stellgeschwindigkeit nach unten (y(0) > yBw). Auch hier gilt wieder, wie im Steigungsdreieck in Bild 17-13 abzulesen ist:
αy
arc tg ( y (0) ¹ Fy )
Tabelle 17-6 Anfangsverhalten bei Führungsverhalten (P-T1-Strecke mit P-Regler)
Zahlenwerte:
XP = 200 %
XP = 50 %
x (0)
V0 ¹w TS
x (0)
1 % ¹10 % 1 10 s s
x (0)
4
y (0)
K PR ¹ w
y (0)
0,5 ¹10 %
y (0)
20 %
y (0)
R ¹ K PR K PR ¹w R ¹ TS
y (0)
0,5 ¹ 0,5 0,5 ¹10 % 0,5 ¹10 s
y (0)
8
5%
Fx
t (s) 10 cm ¹ 10 cm x (%)
Fx
10 s 10 %
1
Fy
t (s) 10 cm ¹ 10 cm y (%)
Fy
10 s 20 %
0,5
αx
arc tg ( x (0) ¹ Fx )
αx
arc tg (1
% s ¹1 ) s %
αy
arc tg ( y (0) ¹ Fy )
αy
arc tg ( 0,5
0,5
% s
s % s % 45
% s ¹ 0,5 ) s %
14
% s
% s
s %
Fx
1
Fy
0,5
αx
76
αy
76
s %
17.4 Regelkreis ohne bleibende Regeldifferenz Der Vorteil eines Reglers mit I-Anteil ist, dass die bleibende Regeldifferenz e vermieden wird. Der I-Teil kommt erst dann zu Ruhe, wenn
Ô e dt zu Null wird. Dazu muss aber e = 0 sein.
■ Übungsaufgabe 17.3 Wasserstandsregelung mit PI-Regler Ein Wasserhochbehälter (Bild 17-14) mit einer Füllhöhe h = 4 m und mit Rückwirkung des Abflusses auf den Wasserstand habe näherungsweise lineares P-T1-Verhalten.
316
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Bild 17-14 Gerätefließbild der Wasserstandsregelung
Aus Messungen ist bekannt: Proportionalbeiwert: KPS = 4 (dimensionslos); Zeitkonstante: T = 600 s Der Behälter wird durch ein (gleichprozentiges) Ventil mit näherungsweise P-Verhalten gespeist: Stellbereich: YH = 20 mm 100 a) Stellen Sie die Differenzialgleichung des Regelkreises für die Regelgröße x auf. Als Arbeitspunkt wird festgelegt: X0 = W0 = 80 % ( 3,2 m) Y0 = 50 % ( 10 mm); Z0 = 50 % ( 10 Skt.) Der Wirkungsplan der Wasserstandsregelung ist in Bild 17-15 dargestellt. Vereinfachend wird angenommen, dass die Störgröße z am Eingang der Regelstrecke wirke. Der abfließende Massenstrom m ab , der maßgeblich für die Störgröße verantwortlich ist, muss dann in Einheiten der Stellgröße y (hier in %) ausgedrückt werden. Nur dann dürfen z und y zu yz zusammengefasst werden. Mathematisch käme dies einer Reduktion von z auf y gleich. In der Praxis kann dazu bei vorhandener Störung die Stellgröße so lange verändert werden bis der Zustand vor dem Einwirken der Störung erreicht ist. Die Änderung von y entspricht betragsmäßig der Störgröße in Einheiten der Stellgröße. Die Vorzeichenumkehr liegt im Vergleicher des Reglers mit der Regeldifferenz e = w – x.
Bild 17-15 Wirkungsplan der Wasserstandsregelung
17.4 Regelkreis ohne bleibende Regeldifferenz
317
Gleichung der Regelstrecke: T ¹ x x
K PS ¹ y
Gleichung des Reglers: t
y
K PR ( w x) K IR ¹ Ô ( w x) dt 0
Eingesetzt: T ¹ x x
K PS ¹ z K PS ¹ K PR ¹ ( w x) K PS ¹ K IR Ô ( w x) dt
Durch einmalige Differentiation erhält man daraus: T ¹ x x
K PS ¹ z V0 ¹ w V0 ¹ x K PS ¹ K IR ¹ w K PS ¹ K IR ¹ x
Sortieren, d. h. Ausgangsgröße x und deren Ableitungen nach links, Eingangsgrößen z, w und deren Ableitungen nach rechts: T ¹ x (1 V0 ) ¹ x K PS ¹ K IR ¹ x
K PS ¹ z K PS ¹ K IR ¹ w V0 ¹ w
Daraus ergibt sich die MSR-Form T 1 ¹ x ¹ x x K PS ¹ K IR R ¹ K PS ¹ K IR
T1 T2
1 K ¹ z w PR ¹ w K IR K IR
0
b) Werten Sie das Zeitverhalten aus. • Beharrungsverhalten, d. h. alle Ableitungen verschwinden
xB = w (Index B = Beharrung) Wie zu erwarten, zeigt die Regelgröße im geschlossenen Regelkreis mit PI-Regler weder bei Störverhalten noch bei Führungsverhalten eine bleibende Regelabweichung. • Anfangsverhalten (t Æ 0)
Durch Integration erhält man: T02 ¹ x T1 ¹ x Ô x dt
1 K ¹ z Ô w dt PR ¹ w K IR K IR
Diese Gleichung beschreibt das Anfangsverhalten, wenn die Integrationen vernachlässigt werden. Da sich x für kleine Zeiten t nur wenig vom Arbeitspunkt unterscheidet, ergibt sich: T ¹ x (0) K PS ¹ K IR
1 K ¹ z PR ¹ w K IR K IR
Sowohl für Stör- als auch für Führungsverhalten steigt die Regelgröße mit endlicher Geschwindigkeit an:
318
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
x (0) z
K PS ¹ z; x (0) w T
V0 ¹w T
In beiden Fällen entspricht dies dem Anfangsverhalten des Regelkreises mit P-Regler. • Schwingungsverhalten
Der Dämpfungsgrad D wird berechnet nach D
T1 2 ¹ T0
1 K PS ¹ K IR ¹ 2 ¹ R ¹ K PS ¹ K IR T
1 1 2 R T ¹ K PS ¹ K IR
c) Der I-Teil des Reglers wird so eingestellt, dass für die Nachstellzeit Tn = T gilt. Auf welchen Wert muss der P-Teil des Reglers eingestellt werden, damit der Dämpfungsgrad D = 1,25 wird? Zur Ermittlung des Dämpfungsgrades D müssen die Einstellwerte des Reglers bekannt sein. Beim Einheitsregler gilt für den Proportionalbeiwert des Reglers: K PR
YH XP
100 % XP = Proportionalbereich des Reglers in % XP
Integrierbeiwert des Reglers K IR
YH X P ¹ Tn
100 % Tn = Nachstellzeit des Reglers in s X P ¹ Tn
XP und Tn sind häufig verwendete Einstellwerte am analogen Einheitsregler. Die Beiwerte der Gleichung des Dämpfungsgrades werden durch die Einstellwerte ersetzt. D
1 Tn ¹ X P 2 R T ¹ K PS ¹100 %
1 V0 2
Tn 1 ¹ T V0
Aufgelöst nach V0 ergibt sich die quadratische Gleichung È T Ø V02 É 2 4 D 2 ¹ Ù ¹ V0 1 0 Tn Ú Ê 2
V0
(2 D 2 ¹
È Ø T T 1) É 2 D 2 ¹ 1 1 Tn Tn ÙÚ Ê
Für T = Tn und D = 1,25 errechnet sich: V0
Î 0, 25Þ 2,125 1,875 Ï ß Ð 4, 00à
Für den Einstellwert XP erhalten wir also zwei Lösungen (KPS = 4): XP
K PSE ¹100 % V0
Î1600 %Þ Ï ß Ð 100 % à
Sehen wir davon ab, dass der Wert 1600 % bei den meisten Reglern nicht einstellbar ist, sind beide Lösungen zulässig. Für beide Einstellwerte erhalten wir D = 1,25. Zwischen diesen bei-
17.4 Regelkreis ohne bleibende Regeldifferenz
319
den Werten muss der Dämpfungsgrad ein Minimum haben, und zwar genau dort, wo der Ausdruck unter der Wurzel 0 wird. 2
È 2 T Ø ÉÊ 2 Dmin ¹ T ÙÚ 1 0 Dmin n
Tn T
Der minimale Dämpfungsgrad wird nur durch das Verhältnis Tn/T bestimmt; je kleiner die Nachstellzeit Tn eingestellt wird, desto stärker wird das Schwingungsverhalten des Regelkreises. Setzen wir beispielsweise Tn = T, wird Dmin = 1 bei V0 = 1 bzw. XP = 400 %. d) Skizzieren Sie das Zeitverhalten der Regelgröße nach einem Störsprung z und einem Führungssprung w von jeweils 10 %. Für die Reglereinstellung XP = 100 % und für den Proportionalbeiwert der Strecke KPSE = 4 errechnet sich die Kreisverstärkung zu: K PSE ¹
V0
100 % XP
4
und der Regelfaktor zu R
1 1 V0
0, 2 .
Die nachfolgenden Werte des Störverhaltens werden in Bild 17-16 eingetragen. Bei einer Störgröße z = 10 % ist der Beharrungswert xBz = 0 und die Anstiegsgeschwindigkeit am Anfang x (0) z
K PS ¹z T
4 ¹10 % 600 s
0, 067
% . s
Bild 17-16 Zeitverhalten der Regelgröße nach einem Störsprung z = 10 % im Regelkreis mit P-T1-Strecke und PI-Regler; KPS = 4; T = 600 s = Tn; XP = 100 %
320
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Dies entspricht der Anstiegsgeschwindigkeit der Strecke ohne Regler und des Regelkreises mit P-Regler. Der Regelkreis mit PI-Regler verhält sich also am Anfang ähnlich wie diese beiden Systeme. Deshalb ist in Bild 17-16 auch das Zeitverhalten mit P-Regler eingetragen. x Bz (P − Regler) = R ⋅ K PS ⋅ z = 8 %
Wegen D = 1,25 ist die Strecke nicht schwingend. Die maximale Regelabweichung bleibt kleiner als 8 %
32 cm Wasserstand.
Die Kreis-Zeitkonstante Tx (Kreis mit P-Regler) wird berechnet nach Tx
R ¹T
0, 2 ¹ 600 s 120 s
Der Wert kann in Bild 17-16 am Beharrungswert abgelesen werden. Der Kreis mit P-Regler hat nach ca. 4 ¹ Tx 480 s , der Kreis mit PI-Regler nach 5 ¹ Tx 600 s den jeweiligen Beharrungswert erreicht. Das Führungsverhalten ist in Bild 17-17 dargestellt. Der Beharrungswert beträgt xBw
w 10 % ˆ 40 cm Wasserstand
und das Anfangsverhalten x (0)
V0 ¹w T
4 ¹10 % 600 s
0, 067
% . s
Nach ca. 4 · 150 s = 600 s wird der Beharrungswert erreicht.
Bild 17-17 Zeitverhalten der Regelgröße nach einem Führungssprung w = 10 % im Regelkreis mit P-T1Strecke und PI-Regler: KPS = 4; T = 600 s = Tn; XP = 100 %
17.4 Regelkreis ohne bleibende Regeldifferenz
321
e) Stellen Sie die Regelkreisgleichung für die Stellgröße auf (Annahme: T = Tn). Skizzieren Sie das Zeitverhalten der Stellgröße für die Kennwerte aus c). In die Reglergleichung y
K PR ¹ w K PR ¹ x K IR ¹ w K IR ¹ x
wird die umgeformte Streckengleichung eingesetzt. x y
K PS ¹ z K PS ¹ y T ¹ x K PR ¹ w K PR ¹ x K IR ¹ w K IR ¹ K PS ¹ z K IR ¹ K PS ¹ y K IR ¹ T ¹ x
Die beiden Terme, die noch die Geschwindigkeit der Regelgröße enthalten, können nur für T = Tn eliminiert werden: K PR ¹ x 100 % ¹ x XP
K IR ¹ TS ¹ x ! 100 % ¹ T ¹ x Tn T X P ¹ Tn
Mit Hilfe der Laplace-Transformation wird später noch ein Verfahren vorgestellt, bei dem diese Einschränkung nicht mehr notwendig ist. Sortiert y K IR ¹ K PS ¹ y 1 ¹ y y K IR ¹ K PS
Ty
K IR ¹ w K PR ¹ w K IR ¹ K PS ¹ z und in die MSR-Form gebracht
1 K PR ¹w ¹ w z K PS K PS ¹ K IR
ergibt sich eine Differenzialgleichung 1. Ordnung. Das Störverhalten ist in Bild 17-18 dargestellt, das Führungsverhalten in Bild 17-19.
Bild 17-18 Zeitverhalten der Stellgröße nach einem Störsprung z = 10 % im Regelkreis mit P-T1Strecke und PI-Regler: KPS = 4; T = 600 s = Tn, XP = 100 %
322
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Mit den Kennwerten aus d) ergibt sich: • Beharrungswert yBz
z
10 % und yBw
1 ¹w K PS
• Anfangsverhalten: 1 X P ¹ Tn Ty K PS ¹ K IR 100 % ¹ K PSE
10 % 4
100 % ¹ 600 s 100 % ¹ 4
2,5 %
150 s
Störsprung: Ty ¹ y (0)z 0
z y (0)z
1 ¹z Ty
10 % 150 s
0, 067
% s
Das Anfangsverhalten der Stellgröße (Bild 17-19) nach einem Sollwertsprung muss ebenfalls ein Sprung sein, da die höchste Ableitung links von gleichem Grad ist wie die höchste Ableitung rechts. Durch Integration der Gleichung für die Stellgröße ergibt sich: Ty ¹ y Ô y dt
1 K PSE
¹ Ô w dt Ty ¹ K PR ¹ w t 0 : y (0)
K PR ¹ w 1¹10 % 10 %
Nachfolgend fällt die Stellgröße wie eine Entladefunktion auf den Wert yBw ab. 1 ¹ w yBw (s.o.) K PS 1 K PR 2,5 % 10 % yBw y (0) K PS ¹w 150 s Ty Ty
Ty ¹ y (0) y (0)
y (0)
0, 05
% s
Die Stellgröße im Regelkreis zeigt D-T1-Verhalten. Nach ca. 4 · Ty = 600 s erreicht die Stellgröße Beharrungszustand.
Bild 17-19 Zeitverhalten der Stellgröße nach einem Führungssprung w = 10 % im Regelkreis mit P-T1Strecke und PI-Regler: KPS = 4, T = 600 s = Tn, XP = 100 %
17.5 Regelkreise mit schwingendem Verhalten
323
17.5 Regelkreise mit schwingendem Verhalten Ab einer Systemgleichung 2. Ordnung kann sich der einmaschige Regelkreis gedämpft schwingend (0 < D < 1 und D ≥ 1) verhalten. Die Analyse des Regelkreises gibt Auskunft, welches Schwingungsverhalten dann im geschlossenen Kreis vorliegt.
■ Übungsaufgabe 17.4 Wasserstandsregelung mit strukturinstabiler Regelung Aus einem Wasserspeicher wird das Wasser nicht durch freies Ausströmen, sondern über eine drehzahlregelbare Pumpe entnommen. Dadurch erhält der Wasserspeicher I-Verhalten (Bild 17-20).
Bild 17-20 Gerätefließbild einer Wasserstandsregelung
Der Wasserbehälter hat zylindrische Form mit einem Durchmesser D = 1,6 m und einer Höhe hmax = 4 m. Der Zulauf wird durch ein motorisch angetriebenes Stellventil gestellt (KPV = 2 m3/h/%). Die Pumpe im Ablauf hat einen Proportionalbeiwert von KPz = 2,3 m3/h/%. Die Regelgröße wird über eine Bohrung im Behälterboden als statischer Druck erfasst und über einen Messumformer in ein Einheitssignal umgewandelt (KPM = 0,25 %/cm). Der Regelkreis wird geschlossen durch einen I-Regler (KIR = 0,021 s). a) Bestimmen Sie den dimensionslosen Integrierbeiwert der Regelstrecke.
Bild 17-21 Wirkschaltplan der Wasserstandsregelung mit I-Strecke und I-Regler
324
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Der Integrierbeiwert der erweiterten Regelstrecke wird nach dem Wirkschaltplan Bild 17-21 als Produkt der Einzelglieder berechnet (Reihenschaltung). K PV ¹ K IB ¹ K PM
K IS
Darin ist der Integrierbeiwert des Behälters reziprok zum Behälterquerschnitt: 1 AB
K IB
4
4
π ¹ D2
π ¹1, 62 m 2
0,5
1 . m2
Der Beiwert wird umgerechnet auf die Dimension der Ausgangsgröße (hier cm), bezogen auf die Dimension der Eingangsgröße (hier m3/h). K IB
0,5
1 100 cm 1 h ¹ ¹ m 2 1 m 3600 s
0, 014
cm 1 ¹ m3 /h s
Da die Proportionalbeiwerte bekannt sind, gilt für den Integrierbeiwert der erweiterten Strecke für die Stellgrößenänderung: K IS ( y )
2
m3 /h cm 1 % ¹ 0, 014 3 ¹ ¹ 0, 25 % cm m /h s
0, 007
1 s
und für die Störgrößenänderung: K IS ( z )
2,3
m3 /h cm 1 % ¹ 0, 014 3 ¹ ¹ 0, 25 % cm m /h s
1 0, 008 . s
b) Stellen Sie die Differenzialgleichung des Regelkreises für die Regelgröße x und für die Stellgröße y auf. Ausgehend von der jeweils gewählten Ausgangsgröße werden die Gleichungen der Einzelglieder eingesetzt (bevorzugt entgegen der Wirkungsrichtung). Gleichung für den Messumformer: x
K PM ¹ h x
K PM ¹ h
Gleichung des Behälters: h
dh dt
K IB (Vzu Vab )
x
K PM ¹ K IBVzu K PM ¹ K IB ¹ Vab
Gleichung des Ventils und der Pumpe: V K ¹ y und V K ¹z zu
x
PV
ab
Pz
K PM ¹ K IB ¹ K PV ¹ y K PM ¹ K IB ¹ K Pz ¹ z
K IS ( y ) ¹ y K IS ( z ) ¹ z
Gleichung des Reglers: y
Eingesetzt: Sortiert:
K IR ¹ w K IR ¹ x x
K IS ( y ) ¹ K IR ¹ w K IS ( y ) ¹ K IR ¹ x K IS ( z ) ¹ z
x K IS ¹ ( y ) ¹ K IR ¹ x
K IS ( y ) ¹ K IR ¹ w K IS ( z ) ¹ z
17.5 Regelkreise mit schwingendem Verhalten
325
MSR-Form für die Regelgröße x: 1 ¹ xx K IS ( y ) ¹ K IR
w
K IS ( z ) 1 ¹ ¹ z K IS ( y ) K IR
Wählt man als Ausgangsgröße die Stellgröße, so erhält man: 1 ¹ yy K IS ( y ) ¹ K IR
1 K ( z) ¹ w IS ¹z K IS ( y ) K IS ( y )
c) Skizzieren Sie das Zeitverhalten des Regelkreises nach einem Störsprung z = 10 % bzw. nach einem Führungssprung w = 10 %. Zum Zeitpunkt t = 0 ist der Regelkreis im Arbeitspunkt in Ruhe. Dies erreicht man z. B. durch kurzfristiges Zuschalten eines P-Reglers. Tritt ein Störsprung bzw. ein Führungssprung auf, so liefert die Differenzialgleichung für t → ∞ das Ergebnis: xB = w; yB = z. Dies bedeutet, dass keine bleibende Regelabweichung erwartet wird (I-Regler!) und dass die Störgröße durch die Stellgröße kompensiert wird. Das Schwingungsverhalten wird durch die Kennwerte Tl und T0 beschrieben: 1 K ISE ( y ) ¹ K IR
T0 T1
1 0, 007 1/s ¹ 0, 02 1/s
84,5 s
1
ω0
0
Damit wird der Dämpfungsgrad D unabhängig von der Einstellung des Reglers D
1 T1 ¹ 2 T0
0.
D = 0 bedeutet Dauerschwingung mit konstanter Amplitude symmetrisch um den Beharrungswert. Schon bei kleinsten Störungen oder Führungsgrößenänderungen zeigt der Regelkreis mit I-Strecke und I-Regler Dauerschwingungen, der Regelkreis ist strukturinstabil. Die Schwingungsperiode der Dauerschwingung kann berechnet werden nach:
τ
2π ¹ T0
2π ¹ 84,5 s
531 s
Dies ist die Dauer einer Schwingung für Regel- und Stellgröße, für Stör- und Führungsverhalten. Störverhalten: Die Phasenlage der Schwingung wird schon im Anfangsverhalten erkennbar. Betrachten wir zunächst das Störverhalten. Anfangsverhalten: T02 ¹ x Ô x dt
K IS ( z ) 1 ¹ ¹z K IS ( y ) K IR
326
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
x (0) z
y (0) z
0
K IS ( z ) 1 ¹ 2 ¹z K IS ( y ) T0 ¹ K IR
0, 008 1/s 1s ¹ ¹10 % 2 0, 007 1/s 84,5 s 2 ¹ 0, 02
0, 08
% s
Das Zeitverhalten nach einem Störsprung z = 10 % ist in Bild 17-22 skizziert. Die Regelgröße x zeigt den Verlauf einer Sinusschwingung. Zum Zeitpunkt t = 0 fällt der Wasserstand (= Re gelgröße) mit einer Geschwindigkeit x (0) 0, 08 % ( –3,2 mm/s). Diese Phasenverschiebung von 180° (Vorzeichenumkehr) wird verursacht durch die sprunghafte Vergrößerung des abfließenden Volumenstroms Vab . Die Anfangsgeschwindigkeit bestimmt auch die Amplitude der Schwingung. Mit dem Lösungsansatz: x x
A ¹ sin(ω0 ¹ t ) B ¹ cos(ω0 ¹ t ) ω0 ¹ A ¹ cos(ω0 ¹ t ) ω0 ¹ B ¹ sin(ω0 ¹ t )
kann über die Anfangsbedingungen die Amplitude der Schwingung berechnet werden: t t
0 x 0 x
À A
x (0)
ω0
À B 0 x0 0 A ¹ 0 B ¹1 x(0) 0, 08 %/s ω0 ¹ A ¹1 ω0 ¹ B ¹ 0 0, 08
% ¹ 84,5 s s
6, 67 %
Bild 17-22 Störverhalten des Regelkreises mit I-Strecke und I-Regler: KIR = 0,2 s-1; z = 10 %
Die Sinusschwingung wird beschrieben durch x
1 Ø È 6, 76 % ¹ sin É 0, 012 ¹ t Ù oder x Ê s Ú
1 È Ø 6, 76 % ¹ sin É 0, 012 ¹ t π Ù . Ê Ú s
17.5 Regelkreise mit schwingendem Verhalten
327
Der Störsprung z =10 % vergrößert den Abfluss um
ΔVab
2,3 m3 /h/% ¹10 %
23 m3 /h .
Dadurch schwankt der Wasserstand unabhängig von der Lage des Arbeitspunktes um Δxmax hmax
6, 76 % 6, 76 % ¹
400 cm 100 %
27 cm
Die Stellgröße y schwingt als Kosinusfunktion um den Beharrungswert z. Der Startwert dieser Schwingung ist y (0) z; y (0) 0 . Daraus ergibt sich y
1 Ø È 10 % ¹ cos É 0, 012 ¹ t Ù oder y Ê s Ú
1 È Ø 10 % ¹ cos É 0, 012 ¹ t π Ù . Ê Ú s
Der Ventilhub schwankt ausgehend vom Arbeitspunkt zwischen 0 und 20 %, entsprechend Vzu = 0 bis 40 m3/h.
Führungsverhalten: Für das Anfangsverhalten nach einem Sollwertsprung gilt: x (0) w
0
T02 ¹ y Ô y dt y (0) w
1 K ISE ( y )
1 ¹w K ISE ( y ) ¹ T02
¹w 1 ¹10 % 1 0, 007 ¹ 84,52 s 2 s
0, 2
% s
Das Zeitverhalten nach einem Sollwertsprung w = 10 % ist in Bild 17-23 dargestellt. Die Regelgröße schwingt symmetrisch um den neuen Sollwert.
Bild 17-23 Führungsverhalten des Regelkreises mit I-Strecke und I-Regler: KIR = 002 s-1; w = 10 %
328
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Die Amplitude der Schwingung ist xmax = w = 10 %, die Phasenverschiebung ϕ = – π/2. Die Stellgröße schwingt symmetrisch um die Ausgangsgröße Y0 im Arbeitspunkt. Die Amplitude ist % ymax y (0) ¹ T0 0, 2 ¹ 84,5 s 16,9 % , s die Phasenverschiebung beträgt: ϕ 0 . ■
■ Übungsaufgabe 17.5 Wasserstandsregelung eines I-Behälters mit P-Regler Ein kleiner Vorratsbehälter in einer Laboranlage hat P-T1-Verhalten. Er wird über ein Ventil mit einem motorischen Stellantrieb mit I-Verhalten versorgt. Daraus ergibt sich für die Strecke I-T1-Verhalten. Durch Messung an der erweiterten Regelstrecke ergaben sich folgende Kennwerte: Streckenzeitkonstante T = 31 s; Integrierbeiwert KIS = 0,02 1/s. Die Störgröße greift näherungsweise am Eingang der Regelstrecke ein (siehe Bild 17-24).
Bild 17-24 Wirkungsplan einer I-T1-Strecke mit P-Regler
a) Stellen Sie die Differenzialgleichung des Regelkreises nach Bild 17-2 für die Regel- und Stellgröße auf. Ein I-Glied ist dadurch gekennzeichnet, dass die nullte Ableitung auf der linken Seite fehlt. Für die Regelgröße x als Ausgangsgröße und yz als Eingangsgröße gilt deshalb: x1
K IS ¹ yz
KIS ist die Steigung des reinen I-Gliedes (siehe Bild 17-25). Im Integrierbeiwert sind alle Proportionalbeiwerte enthalten, die das Glied dimensionslos machen. Für die reine Zeitverzögerung gilt: T ¹ x x 1¹ x1
Bild 17-25 Zeitverhalten eines I-Gliedes (KIS = 0,02 s-1) mit und ohne Zeitverzögerung (TS = 15 s)
17.5 Regelkreise mit schwingendem Verhalten
329
Durch Reihenschaltung der beiden Anteile ergibt sich die Differenzialgleichung der erweiterx x K ISE ¹ yz mit yz y z ten Regelstrecke: TS ¹ Der Zeitverlauf ist in Bild 17-25 dargestellt. Für den P-Regler nach Bild 17-24 gilt: y
K PR ¹ e
K PR ¹ ( w x)
Durch Eliminieren von y, TS ¹ xx
K IS ¹ z K IS ¹ K PR ¹ w K IS ¹ K PR ¹ x
ordnen (Ausgangsgrößen links, Eingangsgrößen rechts) TS ¹ x x K IS ¹ K PR ¹ x
K IS ¹ z K IS ¹ K PR ¹ w
und die niedrigste Ableitung freimachen TS 1 ¹ x ¹ x K IS ¹ K PR K IS ¹ K PR
T1 T02
1 ¹zw K PR
erhalten wir die Differenzialgleichung des Kreises für die Regelgröße x. Durch Eliminieren von x, d. h. Reglergleichung x
w
1 ¹y K PR
x
w
1 ¹ y x K PR
w
1 ¹ y K PR
eingesetzt in die Streckengleichung T ¹w
T 1 ¹ y w ¹ y K PR K PR
K IS ¹ z K IS ¹ y
ordnen T 1 ¹ y ¹ y K IS ¹ y K PR K PR
K IS ¹ z w T ¹ w
und niedrigste Ableitung freimachen 1 1 T T ⋅ y + ⋅ y + y = − z + ⋅ w + ⋅w K IS K IS ⋅ K PR K IS ⋅ K PR K IS
ergibt sich die Differenzialgleichung des Kreises für die Stellgröße. b) Auf welchen Wert wird der Regler eingestellt, damit der Dämpfungsgrad D = 0,35 wird? D
1 T1 ¹ 2 T0
1 K IS ¹ K PR ¹ 2 ¹ K IS ¹ K PR T
1 1 ¹ 2 K IS ¹ K PR ¹ T
Aufgelöst nach dem Proportionalbeiwert des P-Reglers: 4D2
1 K IS ¹ K PR ¹ T
K PR
1 4D2 ¹ K
1s IS ¹ T
4 ¹ 0,352 ¹ 0, 02 ¹ 31 s
3, 4
330
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Wählt man den Proportionalbeiwert XP des Reglers als Einstellwert, so ergibt sich XP
1 ¹100 % K PR
30, 4 % 30 %
c) Skizzieren Sie das Zeitverhalten von Regel- und Stellgröße für einen Störsprung z~= 10 %. Beharrungsverhalten: t → ∞, alle zeitlichen Ableitungen verschwinden ΔxBz ΔyBz
1 1 ¹z ¹10 % 3, 4 K PR z 10 %
2,9 %
In beiden Differenzialgleichungen sind jeweils die nullten Ableitungen links und rechts vorhanden. Es ergibt sich ein endlicher Beharrungswert ≠ 0 (siehe Bild 17-26).
Bild 17-26 Zeitverhalten von Regel- und Stellgröße des Regelkreises mit I-T1-Strecke und P-Regler für eine Störgröße z = 10 %
Anfangsverhalten: t → 0 In der Differenzialgleichung des Kreises für die Regelgröße x ist die höchste Ableitung links 2 Grade höher als die höchste Ableitung rechts. Die Anfangsgeschwindigkeit wird also Null sein: x (0) z 0 . Gleiches gilt auch für die Stellgröße: y (0)z 0 . Schwingungsverhalten: Für den Dämpfungsgrad D = 0,35 erhalten wir bei schwingungsfähigen Systemen das Amplitudenverhältnis XV
xˆn +1/2 xˆn
e
π ¹D 1 D 2
0,309
und damit jeweils die nachfolgende Amplitude der Schwingung.
17.5 Regelkreise mit schwingendem Verhalten
331
Für die Regelgröße ergibt sich: xˆ0 xˆ1
xB 2,9 % xˆ0 ¹ 0,309 0,91 %
y0 yˆ1
yB 10 % yˆ0 ¹ 0,309 3, 09 %
xˆ2 xˆ3
xˆ1 ¹ 0,309 0, 28 % xˆ2 ¹ 0,309 0, 09 %
yˆ 2 yˆ3
yˆ1 ¹¹0,309 0,95 % yˆ 2 ¹¹0,309 0,30 %
Die zugehörige Schwingungsdauer wird berechnet nach:
τ
2π ¹ T0
τ
2π ¹
2π
TS K ISE ¹ K PR
31 s 0, 02 1/s ¹ 3, 4
134 s
Damit lässt sich das Zeitverhalten von Regel- und Stellgröße ausreichend genau skizzieren (Bild 17-27). d) Skizzieren Sie das Zeitverhalten von Regel- und Stellgröße für einen Führungssprung Da xBz = xBw = 2,9 %, ist der Beharrungszustand der Regelgröße für Stör- und Führungsverhalten gleich. Wir betrachten deshalb nachfolgend nur das Zeitverhalten der Stellgröße. Beharrungsverhalten: t → ∞, yBw = 0 Die niedrigste Ableitung auf der rechten Seite der Differenzialgleichung fehlt, die Stellgröße zeigt nach Sollwertänderungen keine bleibende Änderung. Anfangsverhalten: Zum Zeitpunkt t = 0 muss das System in Beharrung sein (Voraussetzung!). Da der Sollwert w in der Gleichung in der zweiten Ableitung auftritt, muss die Gleichung zweimal integriert werden (alle Anfangsbedingungen = 0). t
T02 ¹ y T1
t t
Ô y dt Ô Ô 0
y d 2t
00
1 K ISE
t
¹ Ô w dt 0
TS ¹w K ISE
TS TS t 0: ¹ y (0) ¹w K ISE ¹ K PR K ISE y (0) K PR ¹ w 3, 4 ¹ 2,9 % 10 %
Da die höchste Ableitung links ( y) von gleichem Grad ist wie die höchste Ableitung rechts ) , zeigt die Stellgröße zum Zeitpunkt t = 0 einen Sprung in Höhe von 10 %. (w Nachfolgend fällt die Stellgröße mit der Geschwindigkeit y (0) ab. T02 ¹ y T1 ¹ y Ô y dt
1 K ISE
¹w
TS ¹ w K ISE
332
17 Analyse von einschleifigen Regelkreisen
Für t → 0 aber t ≠ 0 ändert sich nach dem Sprung der Sollwert w nicht mehr. Für y(0) wird der Anfangssprung eingesetzt. T02 ¹ y (0)
1 ¹ K PR ¹ w K IS ¹ K PR
1 ¹w K IS
y (0)
0
Bild 17-27 Zeitverhalten der Stellgröße des Regelkreises mit I-T1-Strecke und P-Regler für einen Sollwertsprung w = 2,9 %
Das Schwingungsverhalten wird mit den gleichen Kennwerten wie in Punkt c) beschrieben. Das zugehörige Zeitverhalten der Stellgröße ist in Bild 17-27 dargestellt. ■
333
18 Empirische Einstellregeln Ziel aller regelungstechnischen Aufgaben ist es, den Regler oder die Regeleinrichtungen so auszuwählen und einzustellen, dass die vorgegebene Regelaufgabe mit einer zulässigen Regelabweichung und in möglichst kurzer Zeit erfüllt wird. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als Entwurf oder Synthese von Regelkreisen. Die Synthese von Regelkreisen beinhaltet • Auswahl einer geeigneten Regelschaltung (z. B. einfacher einmaschiger Regelkreis, Regler mit Störgrößenaufschaltung, Kaskadenregelung) • gerätetechnische Auslegung von Mess- und Stelleinrichtungen mit geeigneter Auswahl von Messort und Stellort • Parametrierung der Reglerbausteine, Sollwertführung, Zeitschaltprogramm. In diesem Kapitel werden Entwurfsverfahren präsentiert, die experimentell für standardisierte Regelkreise ermittelt wurden und eine einfache Auslegung für geschlossene Regelkreise ermöglichen. Nachfolgend wird erläutert, • wie man für eine vorgegebene Regelstrecke einen geeigneten Regler auswählt, • wann sich der geschlossene einmaschige Regelkreis stabil verhält, • wie man die Güte einer Regelung beurteilen kann, • nach welchen Verfahren die Parameter des Reglers eingestellt werden können. In den vorangegangenen Kapiteln wurde deutlich gemacht, dass praktische Regelstrecken immer auch Nichtlinearitäten enthalten, mindestens in Form von Begrenzungen. Wenn wir uns im Folgenden auf lineare, zeitinvariante Systeme beschränken, so leistet dieses idealisierte System gute Dienste zur Erklärung der Wirkungsweise der verschiedenen Regler und liefert zumindest näherungsweise zuverlässige Reglereinstellwerte. Es entbindet den Betreiber der Anlage jedoch nicht, zyklisch die Qualität des Regelablaufes zu beobachten und insbesondere bei extremen Teillastzuständen die Stabilität zu überprüfen. Die wichtigsten Gesichtspunkte bei der Auslegung einer Regelung sind • Stabilität, d. h. Erreichen eines Ausgleichsvorgangs innerhalb einer zulässigen Zeit, • Genauigkeit im Gleichgewichtszustand oder Beharrungszustandes, • Güte beim Einschwingen (Anregelzeit und Ausregelzeit), • Einhalten von Grenzen während des Regelungsvorgangs (begrenztes Überschwingen), • Empfindlichkeit gegenüber Parameteränderungen. Ein nichtlineares System ist im Bereich definierter Abweichungen vom Arbeitspunkt stabil, wenn das zugehörige linearisierte System unter Berücksichtigung einer ausreichenden Stabilitätsreserve stabil ist. In diesem Kapitel werden ausschließlich Regelkreise betrachtet, die zu einem Beharrungszustand führen.
334
18 Empirische Einstellregeln
18.1 Stabilität Jeder Regelkreis (ab 3. Ordnung) kann aufgrund der Rückführungsstruktur instabil werden, d. h. es können Schwingungen auftreten, deren Amplituden anwachsen. Wird ein solcher falsch eingestellter Regelkreis z. B. durch eine Störung angestoßen, so kann ein Aufschaukeln der Amplituden zur Zwangsabschaltung oder sogar zur Zerstörung der Anlage führen. Diesen Vorgang nennt man oszillatorische Instabilität (Bild 18-2 für D < 0).
Bild 18-1 Regelkreisstruktur zur Analyse des Führungsverhaltens
Bei instabil eingestellten Regelkreisen ist ein gleichförmiges Anwachsen bzw. Abnehmen der Regelgröße nach einer Störung möglich, bis der Wert z. B. durch Anschläge zur Ruhe kommt (monotone Instabilität). Bei strukturstabilen Regelkreisen ist es immer möglich, durch eine geeignete Einstellung der Reglerparameter • P-Teil des Reglers
XP bzw. KPR und Offsetwert Y0
• I-Teil des Reglers
Tn bzw. KIR und Integrierwert YI
• D-Teil des Reglers TV bzw. KDR und Verzögerungszeit TD einen stabilen Verlauf zu erreichen. So wird ein stabil eingestellter Regelkreis nach einer einmaligen sprunghaften Störung für große Zeiten auf einen Beharrungswert laufen, der innerhalb des Messbereichs der Regelgröße x liegt. Ein Regelkreis arbeitet genau dann stabil, wenn er z. B. nach einer sprungförmigen Änderung eines Eingangssignals (Störungs- oder Führungsgröße) für t → ∞ eine Ruhelage einnimmt. Am Beispiel einer P-T3-Strecke mit P-Regler nach Bild 18-1 wird für verschiedene Reglereinstellungen die Abhängigkeit von der Dämpfung gezeigt (Bild 18-2 und 18-3).
18.1 Stabilität
335
Bild 18-2 Führungsverhalten des Regelkreises nach Bild 18-1 für verschiedene Einstellungen des PReglers im kritischen Bereich
Bild 18-3 Führungsverhalten des Regelkreises nach Bild 18-1 für verschiedene Einstellungen des PReglers im aperiodischen Bereich
Für kleine Proportionalwerte KPR (große Proportionalbereiche XP) ergibt sich ein aperiodischer Verlauf (D ≥ 1). Bei mittleren KPR-Werten zeigt die Regelgröße im geschlossenen Regelkreis eine gedämpfte Schwingungen (0 < D < 1). Bei einer bestimmten Einstellung des Reglers, hier bei KPR = 16, zeigt der Regelkreis gerade Dauerschwingung (D = 0). Diese Einstellung nennt man auch kritischen Zustand. Diese Grenze darf nicht überschritten werden, denn bei noch größeren Proportionalwerten entstehen aufklingende Schwingungen. Die Ein-
336
18 Empirische Einstellregeln
stellwerte eines P-Reglers, die zum Dauerschwingen führen, werden als kritischer Proportionalwert KPR Krit = 16 bezeichnet. Die Schwingungsperiode, die sich bei dieser Einstellung ergibt, heißt τKrit. Hier ergibt sich für die Einstellung KPR = 16 ein Wert τkrit = 36 s. Unter V0Krit versteht man die kritische Kreisverstärkung, die als Produkt der Proportionalwerte von Strecke und des kritisch eingestellten Regler berechnet wird, hier: K PR Krit ¹ K PSE = 16 · 0,5 = 8.
V0 Krit
Aus den Bildern 18-2 und 18-3 ist die bleibende Regeldifferenz abzulesen; das ist der Abstand des Beharrungswertes der Regelgröße vom Sollwert ebl = w – xB. Mit steigendem Proportionalwert nimmt die bleibende Regeldifferenz immer mehr ab; aber erst für KPR Æ ∞ wird diese Differenz zu Null. Auch die Anregelzeit τan wird mit steigendem Proportionalwert immer kürzer, dafür dauert es länger, bis die Regelgröße den Beharrungswert innerhalb eines vorgegebenen Toleranzbandes erreicht hat, d. h. die Ausregelzeit τaus wird größer. Viele Einstellkriterien von Regelkreisen basieren darauf, dass man sich gezielt, d. h. in Richtung kleinerer Proportionalwerte, von diesem Stabilitätsrand entfernt hält. Für diese Verfahren ist die Kenntnis der Lage des Stabilitätsrandes unbedingt erforderlich. Es wird nachfolgend eine Methode gezeigt, wie man den kritischen Zustand ermitteln kann.
18.1.1 Stabilitätsrand Ziel ist die messtechnische Ermittlung der kritischen Kennwerte. Dazu wird die Regelstrecke mit einem (reinen) P-Regler geregelt. Ausgehend von einem kleinen Proportionalwert KPR des Reglers wird der Wert KPR ständig vergrößert. Dadurch wird die Dämpfung D des Regelkreises geringer, was sich in zunehmender Schwingungsneigung zeigt. Bei einer bestimmten Einstellung des P-Reglers erhält man gerade Dauerschwingung (D = 0). Der Stabilitätsrand ist erreicht. In der Praxis wird gelegentlich statt des Proportionalwertes KPR der Proportionalbereich XP angegeben. Dieser ist oft dimensionsbehaftet (gleiche Einheit wie die Regelgröße) und gibt die maximal möglich bleibende Regeldifferenz an. Der Proportionalbereich wird wie folgt berechnet: XP
YH K PR
100 % oder X P Krit K PR
YH K PR Krit
mit YH als Stellbereich.
Da die Ablesung am Regler sehr ungenau ist, wird in der Praxis die Auswertung des Schriebes durchgeführt (Bild 19-4). Mit Hilfe der Amplituden der Regelgröße xˆ und der Stellgröße yˆ lässt sich der kritische Proportionalbereich wie folgt berechnen: X P Krit
xˆ ¹ YH yˆ
Ebenfalls aus dem Schrieb kann die Schwingungsperiode der Dauerschwingung abgelesen werden zu τKrit.
18.2 Einstellwerte aus der Sprungantwort
337
Bild 18-4 Dauerschwingungsversuch eines einmaschigen Regelkreises mit P-Regler
18.1.2 Einstellregeln nach dem kritischen Zustand Eine der ältesten und einfachsten Methoden zur experimentellen Ermittlung des Stabilitätsrandes wurde von Ziegler und Nichols vorgeschlagen. Der Einsatzbereich liegt hauptsächlich in der Verfahrenstechnik für Festwertregler. Es lassen sich Einstellwerte für optimales Störverhalten definieren, die zwar keine optimales, jedoch eine stabiles Regelverhalten ergeben. In Tabelle 18-1 sind diese Einstellwerte für verschiedene Reglertypen angegeben. Tabelle 18-1 Regler-Einstellwerte für Störverhalten zum Schwingungsversuch nach Ziegler und Nichols
Regler
KPR/KPR Krit
XP/XP Krit
Tn/τKrit
TV/τKrit
P
0,5
2
–
–
PI
0,455
2,2
0,85
–
PID
0,588
1,7
0,5
0,125
18.2 Einstellwerte aus der Sprungantwort Es leuchtet schnell ein, dass der Dauerschwingungsversuch an realen Anlagen selten durchführbar ist. Zum einen ist die Gefahr, dass unzulässige Grenzwerte überschritten werden, sehr groß. Zum anderen ist es kaum möglich, während des Versuches keine zusätzlichen Störungen auf die Anlage einwirken zu lassen. Deshalb wurden die Regelstrecken im Labor mit Hilfe von Simulationsmodellen nachgebildet und getestet. Da für die Nachbildung die Kenntnis der Streckenkennwerte, z. B. Tu, Tg und KPSE notwendig ist, bietet es sich an, diese Kennwerte direkt für ein Einstellkriterium zu verwenden.
338
18 Empirische Einstellregeln
18.2.1 Einstellregeln für schnelle Regelkreise Von Chien, Hrones und Reswick wurden günstigste Einstellwerte mittels eines Analogrechners für verschiedene Übergangsfunktionen ermittelt. Diese Einstellregeln kommen vor allem bei elektrischen Regelstrecken oder mechanisch-elektrischen Antrieb zum Einsatz. Als Optimierungskriterium wählten sie Regelvorgänge aus, bei denen entweder geringes Überschwingen auftrat (D ≈ 1) oder bei denen der Dämpfungsgrad D den Wert 0,45 hat (nach Bild 14-5 ≈ 20 % Überschwingen). In allen Fällen wurde als günstigste Einstellung die gewählt, die die kürzeste Ausregelzeit τaus ergab (Tabelle 18-2). Tabelle 18-2 Reglereinstellwerte für Störverhalten und Führungsverhalten aus der Sprungantwort nach Chien, Hrones und Reswick
D≈1 0 % Überschwingung
Regler Typ
Parameter
P
T V0 ¹ u Tg
PI
T V0 ¹ u Tg
0,6
0,35
0,7
0,6
Tn
4 ¹ Tu
1, 2 ¹ Tg
2,3 ¹ Tu
1¹ Tg
T V0 ¹ u Tg
0,95
0,6
1,2
0,95
Tn
2, 4 ¹ Tu
1¹ Tg
2 ¹ Tu
1,35 ¹ Tg
TV Tu
0,42
0,5
0,42
0,47
PID
Störung
Führung
D ≈ 0,45 20 % Überschwingung Störung
0,3
Führung 0,7
Es ist berücksichtigt, dass der Regler um so schwächer (kleinerer KPR-Wert) eingestellt werden muss, je größer der Schwierigkeitsgrad der Regelstrecke S TU / Tg ist. Die empirisch ermittelten Werte sind so vorgegeben, dass bei kleineren Proportionalwerten des Reglers bzw. bei kleineren Kreisverstärkungen sich eine größere Dämpfung D ergibt. In Tabelle 18-2 sind die Einstellwerte nicht nur für Störverhalten, sondern auch für Führungsverhalten angegeben. Ein Regler muss unterschiedlich eingestellt werden, je nachdem ob eine Störung möglichst rasch ausgeglichen werden soll oder ob er einem zeitlich veränderlichen Sollwert möglichst gut folgen soll. Insbesondere greift die Führungsgröße direkt am Regler ein und zeigt als Sprungantwort einen Sprung der Stellgröße, wogegen der Störeingriff durch das Zeitverhalten der Strecke gemildert wird. Soll der Einschwingvorgang optimal verlaufen, muss bei Führungsverhalten eine kleinere Nachstellzeit Tn eingestellt werden.
18.2 Einstellwerte aus der Sprungantwort
339
18.2.2 Einstellregeln für langsame Regelkreise Gerade für Regelstrecken im Anlagenbau führen die Einstellwerte von Chien, Hrones und Reswick zu unbefriedigenden Ergebnissen. Hier werden die Einstellregeln verwendet, die unter Leitung von Samal aufgestellt wurden (Tabelle 18-3). Tabelle 18-3 Empirische Einstellwerte nach Samal
Kennwerte
V0 · Tu/Tg
PI PID
TV/Tg
Störverhalten
Führverhalten
Störverhalten
Führverhalten
Störverhalten
Führverhalten
kriechend
0,11
0,13
–
–
–
–
schwingend
0,22
0,25
–
–
–
–
kriechend
0,16
0,10
0,51
0,57
–
–
schwingend
0,37
0,18
0,41
0,46
–
–
kriechend
0,68
0,38
0,60
0,51
0,68
0,60
schwingend
0,70
0,55
0,70
0.65
0,81
0,75
Regler P
Tn/Tg
18.2.3 Umwandlung von kritischen Werten Einstellwerte, die aus der Sprungantwort entnommen werden, können mit Bild 18-5 in kritische Werte umgewandelt werden. Richtwert: T V0 Krit ¹ u Tg
1,85
Dazu wird die Sprungantwort der proportionalen Regelstrecke höherer Ordnung aufgenommen und ausgewertet (Tu, Tg, KPS). Aus dem Verhältnis Tu/Tg = 0,218 für eine Regelstrecke 3. Ordnung lässt sich an Kurve a der Wert V0 Krit = 8 ablesen. Das gleiche Diagramm lässt sich auch dann verwenden, wenn eine Regelstrecke mit Totzeit Tt und einer Zeitkonstanten T vorliegt (Kurve b). Beispiel: Bei einer Regelstrecke 3. Ordnung mit Ausgleich beträgt nach Bild 18-5 der Schwierigkeitsgrad S = Tu/Tg = 0,21. Ebenfalls lässt sich für ein Regelstreckenmodell mit drei gleichgroßen Zeitkonstanten ablesen: V0 Krit = 0 und IJKrit/Tg = 1
340
18 Empirische Einstellregeln
Bild 18-5 Kritische Kreisverstärkung und Schwingungsdauer von Regelkreisen mit P-Regler
18.3 Regelgüte Bei ungünstiger Wahl der Regelparameter können Regelkreise im Teillastfall instabil werden. Die tatsächlich gewählten Kennwerte müssen deshalb von den kritischen Werten genügend weit abliegen. Je weiter man von dem Stabilitätsrand entfernt ist, umso besser ist der Regelvorgang gedämpft. Dies bedeutet aber, dass es immer länger dauern wird, bis die Regelgröße wieder in den Bereich seines Beharrungswertes kommt. Genau das ist ebenso unerwünscht wie die Instabilität. Irgendwo in der Mitte muss es einen Kompromiss geben, der ausreichende Dämpfung garantiert und trotzdem schnellere Regelvorgänge ermöglicht. Was als „günstigste“ Einstellung bezeichnet wird, ist Ansichtssache. Mit persönlichen Anschauungen des Bearbeiters kommt man jedoch nicht weiter. Wir brauchen konkrete Kriterien, mit denen die Güte eines Regelvorgangs numerisch bewertet werden kann.
18.3 Regelgüte
341
18.3.1 Toleranzband In der Fertigungstechnik ist es üblich, enge Toleranzen für die geometrischen Maße vorzugeben. Bei den Toleranzen für die Einhaltung der Regelgenauigkeit ist man deutlich großzügiger. Eine absolut genaue Regelung kann es nicht geben. Da Störungen stochastischer Natur sind, also regelmäßig und zufällig auftreten, wird das Regelsignal immer verrauscht sein. Beharrung bedeutet, dass das Signal innerhalb eines definierten Bandes von Werten bleibt. Dazu legt man um die Signalschwankungen ein Toleranzband. Bei der Wahl des Toleranzbandes gilt: • Je kleiner die Toleranz, umso größer wird der gerätetechnische Aufwand, diesen Bereich einzuhalten.
Bild 18-6 Definition des Toleranzbandes (für Führungs- und Störverhalten)
Dieses Toleranzband sollte abhängig sein von der Ursache, die zu der Abweichung geführt hat. So wählt man beim Störverhalten ein Band von ± 5 % des Störsprungs, umgerechnet auf die Stellgröße y oder beim Führungsverhalten ± 3 % einer Sollwertrampe, umgerechnet auf die Dimension der Regelgröße x (Bild 18-6). Nur so ist ein Vergleich der Gütewerte des Regelvorgangs möglich. Zusätzlich wird gefordert, dass die Antwort auf eine Testfunktion, im Allgemeinen die Sprungantwort, aufgenommen wird. Da in den seltensten Fällen die Störgröße mitgeschrieben wird, sollte zur Ermittlung des Anfangszeitpunktes der Störung auch um den Startwert X0 für t ≤ 0 ein Toleranzband gelegt werden (Bild 18-6 b).
18.3.2 Gütemaß im Zeitbereich Aus der Störsprungantwort eines einfachen Regelkreises lassen sich typische Kennwerte ablesen, die eine zahlenmäßige Bewertung der Regelgüte zulassen (Bild 18-7).
342
18 Empirische Einstellregeln
Bild 18-7 Störsprungantwort eines Regelkreises mit PI-Regler; Ermittlung der Regelgüte
• Die Überschwingweite XÜ gibt den Betrag der größten Regelabweichung an, der nach dem Störsprung auftritt. Dieser Wert ist aus Sicherheitsgründen oft begrenzt. Ist z. B. kein Überschwingen zulässig, muss der Regler auf den Dämpfungsgrad D = 1 eingestellt werden. • Als Ausregelzeit τaus, ist die Zeitspanne definiert, die beginnt, wenn der Wert der Regelabweichung nach dem Störsprung das vorgegebene Toleranzband verlässt, und die endet, wenn er in das Toleranzband des Beharrungswertes zum dauernden Verbleib wieder eintritt. Insbesondere Regelvorgänge mit kurzfristigen Störungen werden oft so ausgelegt, dass eine kurze Ausregelzeit vorhanden ist. Dazu muss man jedoch eine schwach gedämpfte Schwingung in Kauf nehmen (Bild 18-7).
Insbesondere bei Führungsverhalten soll die Regelgröße mit nur geringer Überschwingweite folgen (Bild 18-8, Einstellung 2). Dabei wird oft eine längere Ausregelzeit in Kauf genommen.
Bild 18-8 Führungssprungantwort eines Regelkreises mit PI-Regler; Ermittlung der Regelgüte
18.3 Regelgüte
343
Bei einem Regelkreis mit P-Regler tritt die bleibende Regeldifferenz ebl auf. Damit diese so klein wie möglich wird, muss der Proportionalwert des Reglers KPR so groß wie möglich eingestellt werden, aber mit gerade noch ausreichender Dämpfung (Bild 18-9). Oft wird zur Beschreibung der Regelgüte die Anregelzeit τan verwendet. Darunter versteht man die Zeitspanne, die beginnt, wenn der Wert der Regelgröße nach einem Sprung das Toleranzband verlässt, und die endet, wenn er erstmalig in den Bereich des Toleranzbandes um den Beharrungswert wieder eintritt. Da eine kurze Anregelzeit auch eine große Überschwingweite XÜ bedingt, reicht normalerweise die Angabe eines der beiden Werte.
Bild 18-9 Störsprungantwort eines Regelkreises mit P-Regler; Ermittlung der Regelgüte
18.3.3 Integralkriterien Die im vorherigen Abschnitt eingeführten Kennwerte für das Gütemaß sind zwar für die Beurteilung des Ergebnisses geeignet, sind jedoch für die Auslegung im Zeitbereich zu wenig konkret. Selbst die gewichtete Funktion für die Regelgüte RG
K1 ¹ Tan K 2 ¹ Taus K3 ¹ xü
MIN!
bereitet wegen der subjektiven Wahl der Gewichtungsfaktoren Ki Schwierigkeiten. Deshalb wurden als Gütemaß die Integralkriterien eingeführt. Bei einer digitalen Regelung ist es heute kein Problem mehr, die Regelfläche τ aus
Ô
e dt
0
zu berechnen (Bild 18-10) und zwar vom Zeitpunkt t = 0 bis zur Ausregelzeit τaus. Dazu verwendet man einen Absolut-Block und einen Integralblock aus dem Funktionsvorrat des digitalen Reglers. Als Testfunktion ist auch nicht mehr die Sprungfunktion notwendig. Optimales Regelverhalten liegt dann vor, wenn die lineare Regelfläche, z. B. bezogen auf die Störfläche, minimal wird. Multipliziert man die lineare Regelfläche mit dem Integrierbeiwert KI, so erhält man die bleibende Stellgrößenänderung yI durch den I-Teil des Reglers.
344
18 Empirische Einstellregeln
τ aus
Bild 18-10 Regelfläche
³
e dt als Gütemaß im Zeitbereich (Betragsoptimum)
0
Allgemein gilt für das Integral: τ aus
I
Ô
! f [e(t )] dt MIN ,
0
wobei f[e(t)] eine beliebige Funktion sein kann. Aufgrund der verschiedenartigen Anforderungen, die an das Regelverhalten von Regelkreisen gestellt werden können, ist es nicht möglich, ein universell geeignetes Gütemaß festzulegen. Möchte man z. B. möglichst kurze Ausregelzeiten IJaus haben, wählt man als Funktion die zeitbeschwerte betragslineare Regelfläche f [e(t )]
e(t ) ¹ t ¹ dt .
Bild 18-11 Integral der quadratischen Regelfläche als Gütemaß im Zeitbereich
In sehr vielen Fällen hat sich das Minimum der quadratischen Regelfläche als Gütekriterium bewährt (Bild 18-11) τ aus
I
Ô 0
e 2 dt .
18.4 Regleroptimierung
345
Der Vorteil ist, dass die jeweilige Fläche leicht berechnet werden kann. Da das Integral nicht bis t → ∞, sondern nur bis zur Ausregelzeit IJaus berechnet wird, ist es möglich, auch Regelvorgänge mit bleibender Regelabweichung zu optimieren. Hofmeister hat diese mathematischen Kriterien in verbale Beschreibungen umgewandelt: • Anforderungskriterium Nr. 1: Kleinste Überschwingung nach einmaliger sprunghafter Störung bei noch ausreichender Dämpfung des Ausregelvorganges (zeitbeschwerte betragslineare Regelstrecke) • Anforderungskriterium Nr. 2: Möglichst kleine Überschwingungen sowohl nach unregelmäßigen sprunghaften als auch nach langsamen periodischen Störungen (Betragsoptimum) • Anforderungskriterium Nr. 3: Stark gedämpftes Einschwingverhalten, insbesondere geringe Überschwingungen im Führungsverhalten (Quadratische Regelfläche).
18.4 Regleroptimierung Nach den empirischen Einstellregeln ergibt sich ein Verhalten des Regelkreises, das zumindest stabil, meist auch nach dem gewählten Kriterium zufrieden stellend ist.
harte Schwingung Bild 18-12 klein
weiche Schwingung
Verbesserung der Einstellung bei PI-Reglern; obere Reihe: D zu groß, untere Reihe: D zu
346
18 Empirische Einstellregeln
Verbesserungsrichtungen für Störverhalten (siehe Bild 18-12): • Bei aperiodischem Verhalten und wenn das erste Überschwingen nach einer Sprunghaften Störung zu groß ist, wird der Proportionalwert KPR vergrößert. • Hat man eine schleichende Annäherung an den Sollwert, die zu langsam ist, dann wird der Integrierwert KIR des Reglers vergrößert oder die Nachstellzeit Tn verkleinert. • Bei oszillierendem Regelvorgang um eine asymmetrische Schmiegefunktion wird der Proportionalwert des Reglers verkleinert und ggf. der Integrierwert geringfügig vergrößert. • Bei einer symmetrischen Schwingung, die aber zu langsam ist, wird der Integrierwert verkleinert.
347
IV Besondere Regelkreise Der stetige Regler aus Kapitel 16 gilt als Standardregler. In der Praxis werden viele Varianten dieses Reglers eingesetzt, die im Prinzip das gleiche Regelverhalten zeigen, jedoch alternatives Stellverhalten haben. Bei einfachen Geräten im Haushalt, in der Heizungstechnik oder in der Verfahrenstechnik werden Zweipunktregler (Kapitel 19) eingesetzt, die auf Grund des einfaches Aufbaus erhebliche Kostenvorteile haben. Dabei nimmt man bewusst eine Schwankungsbreite des Reglers in Kauf. Die analogen Regler, aufgebaut aus Widerständen und Kondensatoren sowie Operationsverstärkern sind längs durch den Chip ersetzt worden, auf dem der Regelalgorithmus geladen wird. Auch wenn heute der Industrieregler nach außen wie ein analoger Regler aussieht, innen drin steckt immer ein digitaler Regler (Kapitel 20). In der Massenfertigung kommen Fuzzy Regler (Kapitel 21) zum Einsatz. Diese ersetzen den Regelalgorithmus durch einfach zu formulierende logische Regeln. Es ist jedoch ein hoher Aufwand bei der Formulierung der Fuzzy-Sets notwendig. Auch wenn in diesem Buch der einmaschige Regelkreis dominiert, in der Praxis findet man überwiegend Regelschaltungen, wie sie in Kapitel 22 beschrieben werden. Es werden dort alle gängigen Verfahren vorgestellt, die das Regelverhalten des Regelkreises verbessern können.
348
19 Unstetige Regler Die Entscheidung, ob ein stetiger oder ein unstetiger Regler verwendet wird, hängt im Wesentlichen von der Art des Stellantriebes ab. • Kontinuierliches Stellglied
Æ
stetiger Regler
• Schaltendes Stellglied
Æ
unstetiger Regler mit 2 bis m Schaltstufen
Unstetige Regler sind in ihrem Aufbau einfach und damit preiswert. Ursprünglich wurden sie für Aufgaben verwendet, bei denen keine hohen Anforderungen an die Regelgenauigkeit gestellt wurden. Mit zunehmender Digitalisierung hat sich gezeigt, dass unstetige Regler, insbesondere Regler mit abtastenden Zeitverhalten, in manchen Punkten dem kontinuierlichen Regler überlegen und preislich deutlich günstiger sind.
19.1 Arten von unstetigen Reglern Die unstetige Arbeitsweise beruht auf der Verwendung von Schaltern, mit denen das gewünschte Stellverhalten erzeugt wird. Unter Schaltern sind mechanische, elektromechanische oder elektronische Bauelemente zu verstehen.
19.1.1 Abtastregler Abtastregler teilen die Stellgröße in m Stufen auf. Die Anzahl m errechnet sich aus der Anzahl n der binären Ausgänge eines Digital-Analog-Umsetzers nach m = 2n.
Bild 19-1 n-Bit Digital-Analog-Umsetzer
Diese Art der Regelung wird in Kapitel 20 beschrieben.
19.1.2 Schrittregler Alternativ sind pulsweitenmodulierte, amplitudenmodulierte Ausgaben oder DreipunktSchrittausgaben als Frequenzsignal zur Ansteuerung von motorischen Stellgliedern möglich. Wird beim Auftreten einer größeren Regeldifferenz e der Stellmotor eingeschaltet, dann wird gleichzeitig auf die Rückführung betätigt. Die Rückführung wird wegen eines Verzögerungsgliedes nur allmählich größer und täuscht, da sie e entgegengeschaltet ist, eine Verkleinerung vor, bis die Unempfindlichkeitszone erreicht wird und der Schalter y auf Null steht. Dadurch werden Stellmotor und Rückführung abgeschaltet.
19.1 Arten von unstetigen Reglern
349
Entsprechend der Entladefunktion der Strecke wird die verzögerte Rückführung kleiner, bis der Kipppunkt des Dreipunktschalters wieder erreicht ist. Motor und Rückführung werden wieder eingeschaltet. Als Sprungantwort ergibt sich die Treppenkurve in Bild 19-2, die der Sprungantwort eines PI-Reglers ähnlich ist.
Bild 19-2 Zeitverhalten eines Schrittreglers
Alternativ ist eine Stellimpulsfolge möglich, wie sie in Bild 19-3 dargestellt ist. Die Messschaltung des Reglers verarbeitet den stetig gemessenen Istwert im Vergleich zum fest eingestellten Sollwert. Überschreitet die Regeldifferenz e eine bestimmte einstellbare Toleranz, dann spricht ein Ausgangsrelais für die richtige Stellrichtung an. Damit das Relais nicht zu lange betätigt wird und dadurch der Stellantrieb zu weit gefahren wird, sorgt der Regler für die von e abhängige Stellimpulslänge.
Bild 19-3 Stellimpulsfolge eines Schrittreglers
350
19 Unstetige Regler
19.1.3 Dreipunktregler Grundelement ist ein Dreipunktschalter, der in seiner Arbeitsweise einem positiven und einen negativen Schaltausgang entspricht. Die kann z. B. bei einem Elektromotor zu folgenden Betriebsarten führen: –1
Linkslauf
0
Stillstand
+1
Rechtslauf
Bild 19-4 Kennlinie eines Dreipunktreglers
Den Bereich zwischen den beiden Schaltpunkten bezeichnet man als Empfindlichkeit, Hysterese oder tote Zone des Dreipunktschalters. Der Dreipunktschalter wird bevorzugt benutzt für die Überwachung von Größen, wie Temperatur, Druck, Drehzahl auf maximale und minimale Werte.
19.1.4 Zweipunktregler Ein Zweipunktregler ist ein unstetiger Regler, der nur folgende Schaltzustände kennt: EIN = 1 und AUS = 0 Bei 1 wird die Stellgröße eines Stellgerätes z. B. auf den voreingestellten Wert YH = 100 %, bei 0 ist das Stellgerät geschlossen.
Bild 19-5 Kennlinie eines Zweipunktreglers
19.1 Arten von unstetigen Reglern
351
Zur Erzeugung eines eindeutigen Schaltpunktes und zur Steuerung der Schalthäufigkeit wird symmetrisch um den Sollwert W eine Schaltdifferenz XD gelegt, genannt Hysterese. Die Funktion des Zweipunktreglers lässt sich am besten am Bimetall-Temperaturregler erkennen, der in vielen Hausgeräten (Bügeleisen, Waschmaschine, …) eingebaut ist. Dieser Bimetallstreifen ist bei Raumtemperatur etwa eben, krümmt sich aber zunehmend mit steigender Temperatur. Diese Krümmung wird verursacht durch zwei aufeinander geschweißte Metalle unterschiedlicher Wärmedehnung.
Bild 19-6 Bimetall-Regler
Der Bimetallstreifen wirkt als Messwerk. Durch das Anbringen einer einstellbaren Kontaktschraube und eines Gegenkontaktes am Metallstreifen wird der Vergleicher realisiert. Der Kontakt bildet gleichzeitig das Stellglied. Bei zu hoher Temperatur wird der Kontakt geöffnet und die Stromversorgung unterbrochen. Durch innere mechanische Reibung oder äußere Federkräfte wird zwangsläufig ein Unterschied zwischen Ein- und Ausschaltwert bewirkt. Diese erwünschte Hysterese verringert die Schalthäufigkeit. Die Schaltdifferenz XD ergibt sich aus der Differenz des Schaltpunktpaares XD
X aus X ein mit dem Sollwert W
X aus X ein . 2
Charakteristisch für alle Zweipunktregler ist, dass sich kein Beharrungswert im Sinne des stetigen Reglers ausbilden kann. Die Stellgröße pendelt ständig um einen Mittelwert und zwingt allen anderen Kreisgrößen diese Schwingung auf.
19.1.5 Zweipunktregler mit Rückführung Die Amplitude dieser Schwingung ist ein Maß für die Genauigkeit des Zweipunktreglers. Wünscht man einen engeren Schwankungsbereich, dann setzt man einen Zweipunktregler mit Rückführung ein.
352
19 Unstetige Regler
Bild 19-7 Zweipunktregler mit thermischer Rückführung
Bringt man zusätzlich auf den Bimetallstreifen eine kleine Heizwicklung parallel zur Stellspannung an, so wird früher eine Temperaturerhöhung vorgetäuscht als in der Realität vorhanden ist. Durch einen einstellbaren Vorwiderstand kann somit ein größeres Überschwingen vermieden werden.
19.2 Erzeugen des Stellverhaltens eines Zweipunktreglers Obwohl der Zweipunktregler nur zwei Schaltpunkte der Stellgröße kennt, kann er trotzdem jede beliebige gemittelte Stellgröße Ym im Regelkreis erzeugen. Dies geschieht durch ein an den Betriebszustand des Gerätes angepasstes Zeitverhalten (Bild 19-8).
Bild 19-8 Zeitverhalten des Zweipunktschalters
19.3 Zeitverhalten von Regelkreisen mit Zweipunktreglern
353
Die Schaltperiode beträgt τ tein taus . Die Frequenz f = 1/τ gibt die Schalthäufigkeit des Schalters an. Damit lässt sich die mittlere Stellgröße berechnen: Ym
tein ¹100 % tein taus
tein
τ
¹100 %
Geht man davon aus, dass der Sollwert des Regelkreises in der Mitte des Regelbereiches liegt, so schaltet das Stellglied doppelt so viel Energie als zum Erreichen des Sollwertes notwendig wäre. Es steht also 100 % Leistungsüberschuss LÜ zur Verfügung. Der zugehörige Kennwert ist ebenfalls aus dem Zeitverhalten des Schalters zu berechnen: LÜ
taus ¹100 % tein
Ist der Leistungsüberschuss größer als 100 %, d. h. liegt nur geringe Störungen vor, so ist die Einschaltzeit kürzer als die Ausschaltzeit.
19.3 Zeitverhalten von Regelkreisen mit Zweipunktreglern Das Zeitverhalten von Regelkreisen mit unstetigen Reglern wird in Anlaufverhalten, Anstiegsverhalten und Abfallverhalten aufgeteilt. Da während jeder Phase die Stellgröße Y konstant ist, zeigt sich jeweils die Stellsprungantwort der Regelstrecke.
19.3.1 P-T1-Strecke mit Zweipunktregler und Hysterese Da die reine P-T1-Strecke keine Verzugszeit oder Totzeit aufweist, kehrt sich das Zeitverhalten im Schaltpunkt direkt um (Bild 19-9). Der Zeitverlauf läuft in Analogie zur Anstiegsfunktion und zur Abfallfunktion.
Bild 19-9 Zeitverhalten der P-T1-Strecke mit Zweipunktregler und Hysterese (LÜ < 100 %)
354
19 Unstetige Regler
Beim Leistungsüberschuss unter 100 % für w > 50 % ist der Anstieg flacher als der Abfall (Bild 19-9) und führt zu einer Einschaltzeit tein, die größer ist als die Ausschaltzeit taus. Die Regelgröße pendelt zwischen Xaus und Xein ohne Überschwingen. Der Sollwert berechnet sich nach
W
Die Schaltdifferenz beträgt
XD
Für die Zeitkonstante gilt
T
Der Proportionalwert berechnet sich nach K PS
X aus X ein . 2 X aus X ein . t1 . XB X0 ln X B X1 XB X0 ΔZ
ΔX B . ΔZ
Einschaltzeiten und Ausschaltzeiten lassen sich nach der Formel für P-T1-Modelle berechnen: tein
T ¹ ln
X B X1 X B X1 X D
und
Die mittlere Stellgröße ergibt sich zu
X2 X0 . X2 X0 XD
taus
T ¹ ln
Ym
tein . tein taus
Beim Leistungsüberschuss über 100 % oder w < 50 % ist der Anstieg steiler als der Abfall (Bild 19-10). Die Einschaltzeit ist kleiner als die Ausschaltzeit. Auch hier kehrt der Verlauf der Regelgröße X direkt im Schaltpunkt um, da keine Verzugszeit oder Totzeit vorliegt.
Bild 19-10 Zeitverhalten einer P-T1-Strecke mit Zweipunktregler und Hysterese (LÜ > 100 %)
19.3 Zeitverhalten von Regelkreisen mit Zweipunktreglern
355
Übungsaufgabe 19.1 Ermittlung der Kennwerte eines Regelkreises mit P-T1-Strecke und Zweipunktregler mit Hysterese Für einen Zweipunkt geregelten elektrischen Lufterhitzer wurde das Regelverhalten gemäß Bild 19-11 gemessen. Die Stellgröße des Regelkreises beträgt Pel = 1 kW bei 100 %. a) Ermitteln Sie die Streckenkennwerte. Für einen konstanten Zeitabstand Δt = 8 s kann man ablesen:
ϑ0 = 10 °C ϑ 1 = 26,5 °C ϑ 2 = 37,5 °C Daraus ergibt sich für den Beharrungswert:
ϑB
ϑ12 ϑ2 ¹ ϑ0 2 ¹ ϑ1 ϑ2 ϑ0
26,52 37,5 ¹10 C 26,5 37,5 10
59,5 C .
Der Proportionalwert hat folgenden Wert: K PS
ϑB ϑ0 Pel
59,5 C 10 C 1 kW
49,5
K . kW
Für die Zeitkonstante ergibt sich: T
t2
ϑ ϑ0 ln B ϑB ϑ2
16 s 59,5 10 ln 59,5 37,5
19, 7 s .
Bild 19-11 Messschrieb des Zeitverhaltens eines Lufterhitzers
356
19 Unstetige Regler
b) Ermitteln Sie den Sollwert der Regelung und die Schaltdifferenz. Aus dem Schrieb lässt sich ablesen: ϑaus = 38 °C ϑein = 22 °C. Der Sollwert W liegt in der Mitte zwischen Einschalttemperatur und Ausschalttemperatur. W
ϑaus ϑein 2
38 C 22 C 2
30 C .
Die Schaltdifferenz (Hysterese) wird berechnet zu:
ϑD
38 C 22 C 16 K .
c) Berechnen Sie die mittlere Stellgröße Für die mittlere Stellgröße ist die Kenntnis der Einschaltzeit und der Ausschaltzeit notwendig. taus
T ¹ ln
ϑaus ϑ0 ϑaus ϑ0 ϑD
19, 7 s ¹ ln
28 12
19, 7 s ¹ ln
37,5 21,5
16, 7 s
Abgelesen wird: taus § 17 s. tein
T ¹ ln
ϑB ϑein ϑB ϑein ϑD
11, 0 s
Abgelesen wird: tein § 11 s. Daraus ergibt sich die mittlere Stellgröße Ym
tein ¹100 % tein taus
11 s ¹100 % 27,5 s
40 % .
Anmerkung: Δw = 20 K entspricht 40 % von ΔϑB = 50 K
19.3.2 Zeitverhalten eines Zweipunktreglers ohne Hysterese an einer P-Tn-Strecke Durch Totzeit oder Verzugszeit einer Regelstrecke kommt es zu Überschwingen über den Schaltpunkt hinaus. Daraus ergibt sich die Schwankungsbreite XS = Xoben – Xunten, ein wichtiges Maß für die Qualität eines unstetigen Regelkreises. Bei Regelstrecken mit Verzugszeit oder Totzeit kann die Schaltdifferenz des Reglers gegen Null gehen. Dadurch wird der Schwankungsbreitenanteil durch die Hysterese vernachlässigbar klein und nur noch durch das Über- und Unterschwingen verursacht (Bild 19-12 und 19-13). Durch Über- und Unterschwingen tritt das Phänomen der bleibenden Regeldifferenz ebl eines Zweipunktreglers auf. Die Sollwertlinie ist nicht mehr Mittelachse der Regelschwingung. Die bleibende Regeldifferenz hängt von der Lage des Sollwerte im Regelbereich bzw. vom Leistungsüberschuss LÜ ab. Nur bei LÜ = 100 % gibt es keine Regeldifferenz. LÜ
È ΔX B Ø ÉÊ W 1ÙÚ ¹100 %
19.3 Zeitverhalten von Regelkreisen mit Zweipunktreglern
357
Die Schwankungsbreite XS wird verursacht von dem Verhältnis von Verzugszeit Tu und Ausgleichszeit Tg: XS
Tu ¹ ΔX B . Tg
Für die bleibende Regeldifferenz gilt: ebl
Tu È ΔX B Ø ¹ ÉW Ê Tg 2 ÙÚ
Bild 19-12 Zweipunktregler ohne Hysterese mit Strecke höherer Ordnung (LÜ < 100 %)
Bild 19-13 Zweipunktregler ohne Hysterese mit Strecke höherer Ordnung (LÜ > 100 %)
358
19 Unstetige Regler
Die Frage, ob an einer Strecke höherer Ordnung ein Zweipunktregler mit zusätzlicher Hysterese notwendig ist, kann nur durch die Schaltfrequenz f beantwortet werden. Die Schaltfrequenz berechnet sich zu: f
1 Tu
2 È W Ë W Û Ø ¹É Ì Ü Ù ÉÊ ΔX B Í ΔX B Ý ÙÚ
Die kleinste Schaltfrequenz fmin liegt bei LÜ = 100 %.
19.4 Verbesserung des Regelverhaltens Der unstetige Regler hat auf Grund seiner preisgünstigen Herstellung einen festen Einsatzbereich in der Massenproduktion. • Das Regelergebnis ist im Verhältnis zum Aufwand zu sehen. Ein einfacher Zweipunktregler kann für die Aufgabenstellung zufriedene Ergebnisse schaffen. Minimale Toleranzen sind nur mit hohem Aufwand zu erreichen. Oft reicht eine Regelgenauigkeit in einem Toleranzbereich X Δx . • Beim Zweipunktregler wird oft die große Schwankungsbreite bemängelt. Durch eine Rückführung kann diese Breite angepasst reduziert werden. • Eine bleibende Regelabweichung ist zu erwarten, wenn der Leistungsüberschuss nicht 100 % beträgt. Durch Anpassung der Stellgröße auf einen anderen Wert als 100 % kann der Sollwert W immer in die Mitte des Regelbereiches gelegt werden. Damit wird auch die bleibende Regeldifferenz verhindert.
359
20 Digitale Algorithmen In vielen Regelgeräten hat heute der Mikroprozessor Einzug gehalten, oftmals ohne dass man dies überhaupt weiß. Die Reglerfirmen bieten Geräte an, die äußerlich wie konventionelle Regler aufgebaut sind und teilweise die Eingabe von Sollwerten etc. wie bisher üblich über Drehköpfe ermöglichen. Intern werden die Signale jedoch digital verarbeitet. Die digitale Regelung erfasst Mess- und Regelgrößen nur diskontinuierlich. Im Gegensatz zur analogen Regelung wird ein momentaner Wert gemessen, anschließend im Rechner verarbeitet und dann zu einem Stellglied ausgegeben. Erst nach der Ausgabe kann ein neuer Wert gemessen werden. Diesen Vorgang nennt man Abtastung. Da aber der Vorgang schnell abläuft, ist das Zeitverhalten eines digital geregelten Kreises von dem eines analogen Regelkreises kaum zu unterscheiden. Ein dezentraler digitaler Regler, genannt DDC-Regler, hat die Aufgabe, die Reglerfunktionen zu erfüllen, die dort in Form eines Programms mit digitalem Algorithmus vorliegen. Zusätzlich werden Steuerfunktionen übernommen oder Optimierungskriterien ausgewertet. Vorteile des digitalen Reglers: • Hochintegrierte elektronische Bausteine sind auf kleinstem Raum unterzubringen. • Die Bauteile sind wegen standardisierter Massenproduktion kostengünstig herzustellen. • Die Reglerparameter sind langzeitstabil, d. h. sie können nicht driften. • Der Algorithmus ist durch Block-Parametrierung für viele Regelkreise verwendbar. • Mess- und Stellgrößen lassen sich über beliebig große Entfernungen transportieren. • Damit kann die Regelung in ein übergeordnetes Automationssystem eingebunden werden. • Führungsgrößen und Parameter lassen sich im laufenden Betrieb lokal, per Hand, aus der Ferne oder automatisch ändern.
20.1 Kopplung der Regelstrecke mit dem digitalen Regler Ein digitaler Regelkreis kann selbsttätig Messwerte und Sollwerte einlesen, Stellgrößen ausgeben und dabei in Echtzeit, also in der Geschwindigkeit des Prozesses, in der zu regelnden Anlage alle notwendigen Berechnungen durchführen. Neben dem Mikroprozessor sind weitere Bauteile erforderlich, die die Verbindung zur Regelstrecke aufbauen und die dort aufgenommenen Größen in die „Sprache" des Rechners übersetzen (Bild 20-1). Der Messstellenumschalter, auch Multiplexer (MUX) genannt, wird vom Adressbus des Mikrocomputers gezielt angesteuert. Durch eine besondere Steuerlogik ist gewährleistet, dass immer nur ein Kanal eingeschaltet ist, alle anderen Kanäle ausgeschaltet sind. So vermeidet man „Datensalat“. Da der Multiplexer den Messwert nur kurze Zeit abtastet, der nachgeschaltete Umsetzer etwas länger benötigt, wird zwischen diesen beiden Elementen meist eine Zwischenspeicherung des Analogwertes eingebaut. Den Vorgang der Abtastung und Zwischenspeicherung nennt man "Sample & Hold". Damit ändert sich der Wert während des Umsetzungsvorganges nicht, man hat einen definierten Abtastzeitpunkt.
360
20 Digitale Algorithmen
Bild 20-1 Mikroprozessor als digitaler Regler mit Ein- und Ausgangsmodulen
Der Rechnerbus teilt sich aus regelungstechnischer Sicht in drei Teile auf: • Der Adressbus steuert gezielt das Abtastglied an. • Der Steuerbus legt den Abtastzeitpunkt fest. • Der Datenbus überträgt den aktuellen Wert zum Speicher des Prozessabbildes. Ein Analog-Digital-Umsetzer (ADU) wandelt die analogen Signale der Regelstrecke in die binären Signale des Mikroprozessors um und speichert sie dort als Prozessabbild ab. Diese Informationen werden mit einem programmierten und parametrierbaren Algorithmus weiter verarbeitet. Beim Digital-Analog-Umsetzter (DAU) wird das Prozessabbild der Stellgröße vom Binärwert in den Analogwert umgeformt und als reale Stellgröße z. B. als eingeprägte Gleichspannung zur Anlage ausgegeben. Bei Eingabe-/ Ausgabe-Modulen werden Multiplexer, Analog-Digital-Umsetzer bzw. Digital-Analog-Umsetzer sowie einige weitere elektrische Bauteile zur Messwertaufbereitung auf einer Platine vereinigt. Diese Platine wird auf den BUS des Rechners oder an die Buserweiterung als E-/A-Modul gesteckt.
20.1.1 Abtastung Digitale Automationssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Messwerte nur zu diskreten Zeitpunkten abtasten (Bild 20-2). Der Abtaster ist ein schneller elektronischer Schalter, der zum Zeitpunkt k aus dem kontinuierlichen analogen Signal v(t) den aktuellen Wert einliest. Aus dem stetigen Verlauf wird eine Treppenfunktion. Der Wert k ist eine Laufvariable mit k = 0, 1, 2, … Die Zeit zwischen zwei Abtastpunkten mit dem Abstand Δk = 1 wird Abtastzeit TA genannt. Der abgetastete Wert v(k) bleibt bis zum nächsten Abtastvorgang des gleichen Messpunktes konstant.
20.1 Kopplung der Regelstrecke mit dem digitalen Regler
361
Bei genügend kleiner Abtastzeit TA kann ein eindeutiger Signalverlauf durch eine Folge von Impulsen hinreichend genau angenähert werden. Das diskontinuierliche Signal v(k) entspricht nur zu den Tastzeiten k dem jeweiligen Momentanwert des Signals v(t). Die Genauigkeit der Annäherung wird umso besser, je kleiner die Abtastzeit gewählt wird. Damit nimmt aber der Rechenaufwand entsprechend zu. Die Abtastzeit TA sollte nur so klein wie nötig sein, damit der Mikrocomputer noch ausreichend Zeit für andere Automationsaufgaben hat. Andererseits darf der Messwertverlauf nicht durch ein zu langsames Abtasten verfälscht werden. Die obere Grenze, d. h. die größte zulässige Abtastzeit wird durch das Shannon’sche Abtasttheorem festgelegt. Danach wird ein Signal nicht verfälscht, wenn pro Schwingungsperiode mindestens zweimal abgetastet wird. TA
Π ωmax
1 2 ¹ f max
fmax ist die Frequenz der kleinsten im Modell zu berücksichtigen Schwingung.
Bild 20-2 Vergleich des kontinuierlichen Signalverlaufs mit einem rekonstruierten Verlauf, der fehlerhaft abgetasteten wurde (Aliasing).
Der in Bild 20-2 dargestellte Aliasing-Fehler täuscht nicht existente niederfrequente Signalverläufe vor. Dieser Fehler kann vermieden werden, wenn nicht relevante hohe Frequenzen durch ein vorgeschaltetes analoges P-T1-Glied als Tiefpass, das hohe Frequenzen sperrt (Anti-AliasFilter), unterdrückt wird. Bei aperiodischen Zeitverläufen muss die Abtastzeit so gewählt werden, dass sie kleiner ist als die Hälfte der kleinsten relevanten Zeitkonstanten. Automationssysteme, die in der Antriebstechnik eingesetzt werden, erfordern, aufgrund niedriger Zeitkonstanten der Strecken, niedrige Abtastzeiten. Dies führt zu hohen Kosten in der Anschaffung. Automationssysteme, die im Bereich der Versorgungstechnik zur Temperaturregelung in Klimaanlagen eingesetzt werden, haben größere Abtastzeiten, da die Temperaturen in Räumen sich langsam ändern und damit große Zeitkonstanten aufweisen. Im Durchschnitt betragen die Abtastzeiten zwischen 0,1 Sekunde und 1 Minute.
362
20 Digitale Algorithmen
Bild 20-3 Abtastung eines kontinuierlichen Signals mit Signalspeicherung
Das Betriebssystem entkoppelt in Form von Multitasking die Abtastung der Messwerte von den einzelnen Regel- und Steuerprogrammen. Ein Systemprogramm tastet zyklisch alle Messwerte nacheinander ab und schreibt das Ergebnis in ein so genanntes Prozessabbild, vergleichbar mit einer Tabelle, in der die Daten hinterlegt sind. Steuerungs- und Regelungsprogramme greifen nur auf das Prozessabbild zu. Ergebnisse, die vom Automationssystem ausgegeben werden sollen, werden erst im Prozessabbild abgespeichert und dann über das Ausgangsmodul zur Anlage überragen. Die Arbeitsweise eines digitalen Systems lässt sich wie folgt zusammenfassen: • Messwerte einlesen, • Messwerte digitalisieren, • Messwerte im Prozessabbild zyklisch abspeichern, • Programme im Automationssystem (DDC) abarbeiten, • Ergebnisse im Prozessabbild abspeichern, • Stellgrößen aus dem Prozessabbild zyklisch ausgeben.
20.1.2 Auflösung Der Rechner verarbeitet nur binäre Signale. Der analoge Messwert wird deshalb in einen binären Code übertragen. Sehr häufig findet man in der Praxis eine so genannte 12-Bit-Auflösung, d. h. es werden Zahlen mit 12 „0“- oder „1“-Signalen in entsprechenden parallelen Leitungen dargestellt (Bild 20-4).
20.1 Kopplung der Regelstrecke mit dem digitalen Regler
363
Bild 20-4 Analog-Digital-Umsetzer mit 12 Bit-Auflösung
Da die Binärzahl als Ausgangsgröße nur schwer verständlich ist, gibt man oft die zugehörige Dezimalzahl als Rohwert an, z. B. 011001100110 → 1638 0 ¹ 211 1¹ 210 1¹ 29 26 25 22 21 0 ¹ 20
1024 + 512 + 64 + 32 + 4 + 2 = 1638
Im Analog-Digital-Umsetzer erfolgt die Wandlung des analogen Wertes, z. B. als eingeprägte Gleichspannung 0 ÷ 10 V automatisch in eine Binärzahl oder in einen Rohwert. Der Proportionalbeiwert berechnet sich für eine maximale Eingangsspannung von 10 V und 12-BitAuflösung (Bild 20-3) nach:
K P ADU
212 1 U max
4095 10 V
409,5
1 . V
Das abgetastete analoge Signal wird in ein Signal mit endlicher Stellenzahl als Bits = Binärsignal umgewandelt. Der maximale Quantisierungsfehler entspricht q/2 aus Bild 20-5, d. h. der Analogwert muss sich um q ändern, damit sich der Binärwert um 1 Bit erhöht. Je nach Stellenzahl, die beim Umsetzungsprozess von analog in binär oder umgekehrt genutzt wird, unterscheidet man die Ausführungen in Tabelle 20-1. Es ist besonders darauf zu achten, dass sich der Zeitaufwand beim Wandlungsprozess mit Zunahme der Stellenzahl erheblich vergrößert, die Abtastzeit dadurch vergrößert werden kann. Tabelle 20-1 Auflösung einer Analog-Digital-Umsetzung
Parallele Leitungen
größter Rohwert
Auflösung in % bez. Messbereich
in V bez. 10 V
8 Bit
256
0,391
0,039
10 Bit
1024
0,0977
0,00977
12 Bit
4096
0,0244
0,00244
13 Bit
8192
0,0122
0,00122
16 Bit
65 536
0,00153
0,000153
364
20 Digitale Algorithmen
Bild 20-5 Quantisierungsfehler g bei der Abtastung
Bei größeren Entfernungen der Messstelle von der Umformung wird wegen des Fehlers durch Spannungsabfall der unveränderliche Gleichstrom verwendet. Dazu wird direkt vor dem Multiplexer der Gleichstrom in eine Spannung umgewandelt werden. Verwendet man einen 500 Ω-Widerstand in Parallelschaltung, so erhält man nach dem Ohm'schen Gesetz: U
R¹I
500 Ω ¹ 20 mA 10 V .
20.1.3 Skalierung Die Binärzahl als Prozessabbild steht im Rechner zur beliebigen Verarbeitung zur Verfügung, kann also dort einer Variablen zugewiesen werden. Der Wert dieser Variablen sollte für den Benutzer einfach verständlich sein. Man spricht hier von einer Nutzeradressierung oder „Bedienen und Beobachten“. Der Nutzer bevorzugt die Angabe des Zahlenwertes, den eine analoge Messeinrichtung anzeigen würde. Dazu werden im Automationssystem Programmbausteine in Form von Software verwendet, die man als „Kennlinienanpassung“ oder Skalierung bezeichnen kann. MW = (RW / DZ) * MB MW = Messwert als Anzeigewert RW = aktueller Rohwert DZ = maximaler Rohwert MB = Messbereich des Fühlers
Ein weiterer Softwarebaustein wandelt die vorgegebene Stellgröße aus dem Prozessabbild in die Eingangsgröße des Analog-Digital-Umsetzers um. Dieser erwartet einen Binärwert entsprechend seiner Auflösung. Die Variable Y1 wird umgerechnet in eine Binärzahl Z2, angegeben als Rohwert. RW = (Y1 / SB) * DZ RW = Eingangswert zum DAU Y1 = Stellgröße als Anzeigewert SB = Stellbereich der Stellgröße DZ = maximaler Rohwert
20.1 Kopplung der Regelstrecke mit dem digitalen Regler
365
Übungsaufgabe 20.1 Analog-Digital-Umsetzung Ein Temperaturfühler mit einem Messbereich von 20 bis 100 °C befinde sich in einem Flüssigkeitsbad mit einer Temperatur von 40 °C. Das Automationssystem mit einem eingebauten 12-Bit-A/D-Umsetzer, an welches der Fühler angeschlossen ist, liefert einen Rohwert von 1638. a) Berechnen Sie den Anzeigewert für den Bildschirm. Ein 12-Bit-Analog-Digital-Umsetzer wandelt das Signal in 212 – 1 = 4095 Stufen um. Der Messbereich beträgt 80 K. Der Nullpunkt der Temperaturmessung beträgt 20 °C. Der berechnete Messwert lautet: MW = 20 + (1638 / 4095) * 80 = 52 b) Berechnen Sie den Rohwert für ein Stellsignal. Ein Dreiwegeventil wird zu 45° bezogen auf 90° maximalen Öffnungswinkel geöffnet. Der Digital-Analog-Umsetzer habe ebenfalls 12-Bit-Auflösung. Damit ergibt sich für den Rohwert: RW = (45. / 90.) * 4095 = 2047 c) Zeigen Sie den Signalverlauf im digitalen Regelkreis mit den oben genanten Werten. Den Ablauf der Umformungen im digitalen Regelkreis kann man in Bild 20-6 verfolgen. Als Beispiel wird die Temperaturregelung eines Erhitzers einer Klimatisierungsanlage gewählt. Die Zulufttemperatur wird im Luftkanal hinter dem Erhitzer gemessen, z. B. mit einem Pt-100Fühler als temperaturabhängigen Widerstand. Dieser Fühler, eingebaut in eine mit elektrischer Hilfsenergie versorgten Messbrücke, liefert als Ausgangssignal (Gleichstromsignal) die Regelgröße x. Bei einer Zulufttemperatur von 25 °C und einem Messbereich von –20 °C bis +80 °C fließt folgender elektrischer Strom: xI
ϑZL ϑ0 ¹ IG ϑMB
ϑ0
Temperatur bei 0 mA - =ˆ Nullpunkt
25 20 ¹ 20 mA 100
9 mA
ϑMB Temperatur-Messbereich (hier: 100 K) maximaler Stromausgang IG
Direkt vor dem Messstellenumschalter ist ein 500-Ω-Widerstand parallel geschaltet, der aus dem Strom die Spannung erzeugt. xU
x1 ¹ 500 Ω
4,5 V
Ein 12-Bit-Analog-Digital-Umsetzer wandelt diese Spannung in die Dualzahl um. Z1
xU ¹ 409,5
1 V
1843
Der zugehörige binäre Code ist: 011100110011 (niedrigstes Bit auf der rechten Seite).
366
20 Digitale Algorithmen
Bild 20-6 Lufterhitzer mit digitaler Regeleinrichtung
Tabelle 20-2 Umwandlung eines Rohwertes in eine Binärzahl
n
11
2n
2048
Bit
0
1
1
1
1843
819
307
51
Rest
1843
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
64
32
16
8
4
2
1
0
0
1
1
0
0
1
1
51
51
19
3
3
3
1
0
1024 512 256 128
Der Programmbaustein PB1 macht daraus den digitalen Anzeigewert: TZ = (1843 / 4095) * 100 – 20 = 25. Ein einfacher P-Regelalgorithmus, wie er noch in Kapitel 20.3 erläutert wird, berechnet die Stellgröße zu Y1 = 40, die einem Öffnungswinkel von 40° am Stellventil entspricht. Über den Programmbaustein PB3 (meist identisch mit PB1) wird aus dem Stellwinkel die Dualzahl als Dezimalwert berechnet: Z2 = (40. / 90.) * 4095 = 1820. (1820 ˆ 011100011100) Der Digital-Analog-Umsetzer macht daraus einen Spannungswert y = (1820 / 4095) * 10 V = 4,44 V,
20.2 Digitales Modell der Regelstrecke
367
der vom Rechner gesteuert über den Multiplexer auf die Ansteuerung des Motors geht und dort das Ventil auf die Position stellt. y = (4,44 V / 10 V) * 90° = 40° Dabei ist lineares Verhalten des Stellantriebs vorausgesetzt. Entsprechend der hydraulischen Schaltung und der Vorlauftemperatur stellt sich eine Heizwassertemperatur ϑHW ein, die durch Wärmeübertragung die Zulufttemperatur ϑZL im Erhitzer verändern kann. Der Regelkreis ist damit geschlossen.
20.2 Digitales Modell der Regelstrecke In den Abschnitten II und III wurde die Regelstrecke durch ein stetiges physikalisches oder parametrisches Modell nachgebildet.
Bild 20-7 Regelkreis mit Beobachter in Form eines digitalen Modells
20.2.1 Differenzengleichung Bei digitalen Modellen liegt die Übergangsfunktion nicht mehr in Form einer Differenzialgleichung vor. (n)
an ¹ v .... a2 ¹ v a1 ¹ v a0 ¹ v
( m)
b0 ¹ u b1 ¹ u b2 ¹ u ... bm ¹ u
Der Differenzialquotient dv/dt wird durch den Differenzenquotienten Δv/Δt ersetzt. Das Modell liegt als Differenzengleichung vor. Diese wird oft in rekursiver Form angegeben. Damit kann der „Beobachter“ fortlaufend berechnet und die zugehörigen Parameter in Form einer Adaption ständig an den aktuellen Anlagenzustand angepasst werden.
α 0 ¹ v(k ) α1 ¹ v(k 1) ... α m ¹ V (k m)
β 0 ¹ u (k ) β1 ¹ u (k 1) ... β m ¹ u ( k m)
368
20 Digitale Algorithmen
Bild 20-8 Zeitdiskretes Signal
Es ist zu beachten, dass die Parameter αi und βi nicht identisch sind mit den Parametern ai und b i. Die Differenzenquotienten werden in Funktion aktueller und früherer Werte ausgedrückt: Δv TA
Δ3v TA3
v(k ) v(k 1) Δ2v ; TA TA 2
v(k ) 2 ¹ v(k 1) v(k 2) ; TA 2
v(k ) 3 ¹ v(k 1) 3 ¹ v(k 2) v(k 3) TA3
Bild 20-9 Nachbildung des Zeitverlaufs eines Systems durch Differenzenquotienten
20.2 Digitales Modell der Regelstrecke
369
Beispiel: Differenzialgleichung a2 ¹ v a1 ¹ v a0 ¹ v
b0 ¹ u b1 ¹ u
nachgebildet durch eine Differenzengleichung: a2 ¹ >v(k ) 2v(k 1) v(k 2)@ TA
2
a1 >v(k ) v(k 1)@ TA
a0 ¹ v (k )
b0 ¹ u (k )
b1 >u (k ) u (k 1)@ TA
umgeformt in eine Rekursionsgleichung: Ë a Û a v(k ) ¹ Ì 22 1 a0 Ü TA Í TA Ý v(k ) ¹ >α 0 @
Ë 2¹ a Ë a Û Ë Ëb Û a Û b Û v(k 1) ¹ Ì 22 1 Ü v(k 2) ¹ Ì 22 Ü u (k ) ¹ Ìb0 1 Ü u (k 1) ¹ Ì 1 Ü TA Ý TA Ý Í Í TA Ý Í TA Í TA Ý v(k 1) ¹ >α1 @ v(k 2) ¹ >α 2 @ u (k ) ¹ > β 0 @ u (k 1) ¹ > β1 @
Bei zeitlich varianten Abtastsignalen lassen sich diese fünf Rekursionskoeffizienten durch fünffaches Aufstellen der Gleichung mit Hilfe der Matrizenrechnung ermitteln. Aus fünf unabhängigen Gleichungen kann man die fünf unbekannten Rekursionskoeffizienten des Modells ermitteln. Dazu müssen der aktuelle Abtastwert v(k) und u(k) sowie bei einer Strecke 2. Ordnung sechs vergangene Werte bekannt sein.
>α 0 @ v(k 1) ¹>α1 @ v(k 2) ¹ >α 2 @ v(k 1) ¹ >α 0 @ v( k 2) ¹ >α1 @ v(k 3) ¹ >α 2 @ v(k 2) ¹ >α 0 @ v( k 3) ¹ >α1 @ v(k 4) ¹ >α 2 @ v(k 3) ¹ >α 0 @ v( k 4) ¹ >α1 @ v(k 5) ¹ >α 2 @ v(k 4) ¹ >α 0 @ v( k 5) ¹ >α1 @ v( k 6) ¹ >α 2 @ v(k ) ¹
> β0 @ u (k 1) ¹ > β1 @ u ( k 1) ¹ > β 0 @ u ( k 2) ¹ > β1 @ u ( k 2) ¹ > β 0 @ u ( k 3) ¹ > β1 @ u (k 3) ¹ > β 0 @ u (k 4) ¹ > β1 @ u ( k 4) ¹ > β 0 @ u ( k 5) ¹ > β1 @ u (k ) ¹
20.2.2 z-Transformation Eine andere Methode der Bildung digitaler Modelle ist die z-Transformation der stetigen Übertragungsfunktion. Die Lösung von Differenzialgleichungen mit kontinuierlichen Eingangsgrößen wird mit der Laplace-Transformation vereinfacht. Für die Berechnung von Impulsfolgen, wie sie bei der Abtastung digitaler Systeme entstehen, hat die z-Transformation die gleiche Bedeutung. Die z-Transformierte wandelt eine Impulsfolge δ in eine Funktion f(z) der komplexen Variablen z. Das Ziel ist es, digitale Modelle durch einfachere Berechnungen im Bildbereich der Transformation zu ermitteln. Bei zeitdiskretem Verhalten werden Signale als Treppenfunktionen dargestellt. Statt dem stetigen Zeitverlauf entsteht bei digitalen Systemen eine Treppenfunktion, das ist eine Folge von Rechteckimpulsen. Der Rechteckimpuls lässt sich mathematisch darstellen durch: v1 (t )
v1 ¹ σ (t ) v1 ¹ σ (t TA ) mit σ = Einheitssprung.
370
20 Digitale Algorithmen
Bild 20-10 Treppenfunktion eines digitalen Systems
Die Übertragungsfunktion
G( s)
1 e TA ¹s s
bewirkt, dass der Wert des digitalen Signals über eine Abtastperiode konstant gehalten wird. Für die Treppenfunktion ergibt sich daraus:
v (s)
Ç vi ¹ e k¹TA ¹s
k 0
Ç vi ¹ eTA ¹s
k
.
k 0
Ersetzt man eTA ¹s durch z, dann entsteht die z-Transformierte
v( z )
Ç vk ¹ z k .
k 0
Beispiel:
t
stetige Funktion
x(t )
e T
zeitdiskrete Funktion
x(k )
e
z-Transformierte
Ë k ¹TA z Ìe T ÌÍ
k ¹TA T
Û Ü ÜÝ
Çe
k ¹TA T
¹ z k
k 0
20.3 Regelalgorithmen Mit Hilfe eines digitalen Regealgorithmus berechnet der Mikroprozessor innerhalb der Abtastperiode das Prozessabbild der Stellgröße. Der digitale Regler übernimmt die Funktion des analogen PID-Reglers. Die Grundgleichung des idealisierten PID-Reglers lautet:
20.3 Regelalgorithmen
371 t
Δy
K P ¹ e K I Ô e dt K D ¹ 0
de oder Y Y0 dt
YH XP
t È 1 deØ e e dt Tv É Ù ÉÊ Tn d t ÙÚ 0
Ô
Y0 = Stellgröße im Arbeitspunkt Die Stellgröße hängt von aktuellem Wert, Intergral und Geschwindigkeit der Regeldifferenz e ab. Der Rechner verarbeitet dies als Differenzengleichung Y
Δe . Y0 N K P ¹ e K I ¹ Ç e ¹ Δt K D ¹ Δ
t yp yI yD
Meist wird jeder der drei Teile yP, yI und yD getrennt berechnet und am Ende summiert.
20.3.1 P-Algorithmus Der P-Algorithmus erzeugt eine proportionale Änderung der Stellgröße (bezogen auf den Arbeitspunkt), wenn eine Regeldifferenz vorhanden ist. Wie schon bei der analogen Regelung beschrieben, ist eine bleibende Regelung unvermeidlich.
Bild 20-11 Blockschaltbild und Kennlinie des P-Teils, Definition der Kennwerte: XP = Proportionalbereich, XV = Verschiebung, KP = Proportionalbeiwert, YH = Stellbereich
Nur im Arbeitspunkt X0 = W0 bei Y = Y0 (Δy = 0) wird die Regeldifferenz zu Null. In Bild 20-11 ist der P-Teil mit den notwendigen Kennwerten dargestellt. Für den P-Algorithmus wird zunächst die Regeldifferenz e berechnet. In BASIC würde die Zeile wie folgt lauten: E = W1 – X1. In jedem Regelkreis muss eine ungerade Anzahl der Vorzeichenumkehr vorhanden sein, damit eine Abweichung vom Sollwert behoben und nicht aufgeschaukelt wird. Diese Vorzeichenumkehr ist hier in der Regeldifferenz verwirklicht (fallende Kennlinie), darf also nicht durch eine weitere Vorzeichenumkehr z. B. im Stellantrieb wieder aufgehoben werden. In einem zweiten
372
20 Digitale Algorithmen
Programmschritt wird die Regeldifferenz mit dem Proportionalbeiwert KP multipliziert (BASIC): YP = KP * E. Da YP nur die Stellgrößenänderung angibt, kann die Stellgröße im nächsten Schritt berechnet werden Y = Y0 + YP. Die Bedeutung des KP-Wertes lässt sich aus Bild 20-11 entnehmen, er ist die Steigung der Kennlinie: KP = YH/XP. Das Listing würde in Basic wie folgt ausschauen: (W, X einlesen; Y0, YH und XP definieren) 40 KP = YH/XP 50 E = W1 – X1 60 YP = KP * E 70 Y = Y0 + YP (Y ausgeben) Zahlenbeispiel: Regelgröße
X1 = 24 °C;
Sollwert Wl = 25 °C
Regeldifferenz E = W1 – Xl = 1 K
Stellbereich YH = 10 V; Proportionalbereich XP = 5 K Proportionalbeiwert KP = YH / XP= 2 V/K Stellgröße YP = KP * E = 2 V
Stellgröße im Arbeitspunkt Y= = 5 V Stellgröße zum Stellantrieb Y = Y0 + YP= 7 V
20.3.2 I-Algorithmus Die Gleichung für den I-Anteil bildet die Integration Regeldifferenz über der Zeit nach. Für den analogen idealen I-Regler gilt folgende Differentialgleichung, die das dynamische Verhalten beschreibt: t
yI
K I Ô e dt 0
YH X P ¹ Tn
t
Ô e dt 0
Dies entspricht der Fläche zwischen Regelgröße x und Sollwert w (Bild 20-11). Nur im Arbeitspunkt wird yI als Kennzahl für die Fläche einen Wert zeigen, der ungleich Null ist. Die „Regelfläche" aus Bild 20-12 soll durch einen geeigneten Algorithmus nachgebildet werden. Durch die Abtastung wird nur zu definierten Zeitpunkten ein Messwert eingelesen und
20.3 Regelalgorithmen
373
bleibt dann unverändert. Den zeitlichen Abstand zwischen zwei Abtastungen bildet die Abtastzeit TA. Das Integral wird näherungsweise ersetzt durch die Summe der „Abtastbalken" mit der Breite TA und der Höhe Regeldifferenz e.
Bild 20-12 Regelfläche als Summe der Flächen von abgetasteter Regeldifferenz E und Abtastzeit TA
Der digitale Algorithmus lautet dementsprechend: YIK = YIK - 1 + KI * EK * TA [K = Abtastzeitpunkt] In der Praxis wird die Abtastzeit im Integrierwert KI integriert. KI = KP * TA/TN [TN = Nachstellzeit] Zahlenbeispiel (Fortsetzung): I-Anteil der Stellgröße zum Zeitpunkt t = 0 Æ YI(0) = 2 V Sollwert W = 25 °C = konst. Nachstellzeit TN = 300 s; Abtastzeit TA = 5 s (ausreichend für eine Temperaturregelung, da sich die Regelgröße X nur langsam ändert) Integrierbeiwert KI = KP * TA/TN = 0,033 V/K
Regelgröße zum Zeitpunkt t = 1 X(1) = 25,5 °C Regeldifferenz E0 = W – X(1) = –0,5 K Stellgröße YI(1) = YI(0) + KI * E = 1,9835 V
Regelgröße zum Zeitpunkt t = 2 X(2) = 26,2 °C Regeldifferenz E1 = W – X(2) = 1,2 K Stellgröße YI(2) = YI(1) + KI * E = 1,9439 V usw.
374
20 Digitale Algorithmen
20.3.3 D-Algorithmus Der D-Anteil des Reglers ist abhängig von der Geschwindigkeit, mit der sich die Regeldifferenz ändert yD
KD ¹
de . dt
Durch Übergang vom Differential zur Differenz ergibt sich daraus: yD
KD ¹
Δe . Δt
Bild 20-13 Ermittlung der Geschwindigkeit der Regeldifferenz im Abtastintervall
Zur Bestimmung der Differenz von e werden gemäß Bild 20-12 zwei Abtastpunkte benötigt: Δe
ek ek-1 oder DE = E – E0
Daraus ergibt sich der digitale Algorithmus: YD = KD * (E – E0) mit KD = KP * TV/TA [TV = Vorhaltezeit] Zahlenbeispiel (Fortsetzung): Vorhaltzeit
TV = 0,1 s
Differenzierbeiwert
KD = 2 V/K 0,1 s/5 s = 0,04 V/K
Differenz der Regeldifferenz
E1 – E0 = - 1,2 K + 0,5 K = –0,7 K
Stellgröße (D-Anteil)
YD = –0,028 V
Stellgröße (gesamt)
Y = YD + Y0
20.3 Regelalgorithmen
375
20.3.4 Stellungsalgorithmus Genau wie beim analogen Regler, der auf unterschiedliche Arten gerätetechnisch verwirklicht werden kann, gibt es auch verschiedene Regelalgorithmen. Ein häufig benutzter Algorithmus wird aus der Summe von einem P-, I- und D-Glied gebildet, wie er oben beschrieben wurde. Insbesondere für kleine Abtastzeiten wird diese Berechnungsvorschrift für die Stellgröße eingesetzt. Man nennt ihn Stellungsalgorithmus. Y (k )
È e( k ) e( k 1) Ø ÙÚ K D ¹ e( k ) e( k 1) Ê 2
Y0 K P ¹ e( k ) yI ( k 1) K I É
mit k als aktuellen Abtastzeitpunkt. In diesem Algorithmus ist zusätzlich zum einfachen I-Algorithmus die sog. Trapezregel berücksichtigt. Hierin ist e(k) = w(k) – x(k) die im k-ten Abtastschritte gemessene Regeldifferenz, e(k – 1) die Regeldifferenz einen Abtastschritt früher. In dem Wert yI (k – 1) ist der bis zum vorherigen Abtastschritt aufgelaufene I-Anteil der Stellgröße als Fläche enthalten, zu dem beim k-ten Schritt noch die nach der Trapezregel berechnete Fläche während der letzten Abtastzeit hinzuaddiert wird (Bild 20-14). Der D-Teil wird durch den Differenzenquotienten angenähert, der aus der Regeldifferenz des k-ten und k–l-ten Schrittes gebildet wird. Dazu wird der P-Teil, berechnet aus einer konstanten Y0 und der Regeldifferenz e(k), addiert.
Bild 20-14 Bildung der Fläche F während des Abtastschrittes TA durch die Trapezregel
Für den Stellungsalgorithmus werden also neben dem aktuell abgetasteten Wert auch noch Werte von einem früheren Abtastschritt benötigt. Bei jedem weiteren Schritt wird die Stellung der Stellgröße durch den Algorithmus neu berechnet.
20.3.5 Geschwindigkeitsalgorithmus Bei größeren Abtastzeiten oder bei adaptiven Reglern wird oft der Geschwindigkeitsalgorithmus angewandt. Durch einmalige Differenziation der Differenzialgleichung nach der Zeit ergibt sich: Y
Y0 K P ¹ e K I Ô e dt K D
dy de Æ dt dt
KP
de d 2e KI ¹ e KD 2 dt dt
376
20 Digitale Algorithmen
An Stelle der Differenziale werden Differenzen eingesetzt: Δy Δt
KP
Δe Δ(Δe) KI ¹ e KD oder Δy Δt Δt 2
K P ¹ Δe K I ¹ Δe ¹ Δt K D
Δ(Δe) Δt
Die Differenzen werden aus den Messwerten zweier aufeinander folgender Abtastschritte gebildet: Δy
y (k ) y (k 1) und Δe
e(k ) e(k 1)
Bild 20-15 Graphische Darstellung der Differenzbildung bei Abtasten von Messwerten
Die Differenz der Differenz der Regeldifferenz wird gemäß Bild 20-15 gebildet nach Δ(Δe) [e(k ) e(k 1)] [e(k 1) e(k 2)] [e(k ) 2e(k 1) e(k 2)]
Δt wird ersetzt durch die konstante Abtastzeit TA.
Damit ergibt sich folgende Berechnungsvorschrift als Geschwindigkeitsalgorithmus: y (k ) y (k 1) [ K P K I ¹ TA K D / TA ] ¹ e(k ) [ K P 2 K D / TA ] ¹ e(k 1) [ K D / TA ] ¹ e(k 2) Für die Berechnung der Stehgröße y(k) müssen ein vergangener Wert der Stellgröße und neben dem aktuellen Messwert der Regeldifferenz Werte von zwei früheren Abtastzeitpunkten abgerufen werden.
Die hier beschriebenen Algorithmen erzeugen in Zusammenspiel mit A/D- und D/A-Umsetzer und Multiplexer eine quasistetige Regelung, wenn die Abtastzeit kleiner als 1/10 der dominierenden Zeitkonstanten des Kreises ist. In die Gleichungen können die gleichen Parameter KP, KI und KD eingesetzt werden wie beim analogen Regler. Ein Vorteil der digitalen Regelung ist, dass diese Parameter auch während des Betriebs der Anlage durch eine geeignete Rechenvorschrift an geänderte Randbedingungen angepasst werden können. Eine solche Regelung ist ein einfaches Beispiel für die Adaptive Regelung.
377
21 Fuzzy Control In vielen Bereichen können Betriebszustände von Anlagen nicht eindeutig einem konkreten Zahlenwert zugeordnet werden. In der Technischen Gebäudeausrüstung z. B. ist der Behaglichkeitszustand von Räumen nur durch eine statistische Verteilung formulierbar. Der Abnutzungsvorrat bei der Instandhaltung unterliegt ebenfalls statistischen Schwankungen und lässt sich kaum mathematisch beschreiben. Der unscharf arbeitende Fuzzy-Regler bekommt diese Aufgaben in den Griff. Bei aufwändigen Regelaufgaben lässt sich der technische Aufwand durch unscharfe Formulierung erheblich reduzieren. Zur Lösung von Regelaufgaben, die unscharfe Formulierungen enthalten, wurde durch die Erweiterung der Mengenlehre das Fuzzy Control entwickelt. Unscharfe Mengen werden über linguistische Zugehörigkeitsaussagen mit unscharfer Logik verknüpft. Das unscharfe Ergebnis wird über konkrete Regeln, z. B. Schwerpunktermittlung, in scharfe Stellgrößen umgewandelt und ausgegeben. An Stelle der mathematischen Gleichung eines PID-Reglers werden verbale „Wenn-Dann-Beziehungen“ beschrieben, die untereinander mit UND-, ODER- und NICHTVerknüpfungen verbunden sind. Man findet den Fuzzy-Regler im Wesentlichen in der Konsumgüterindustrie: • In der Photoindustrie werden über die Diagonale optimierten Helligkeits- und Schärfeeinstellungen bei Photoapparaten oder Verwacklungsschutz bei Videokameras vorgenommen. • Bei Haushaltsgeräte wird mengen- und schmutzabhängig eine Schaumbremse in der Waschmaschine geregelt oder bei Staubsaugern wird eine an den Bodenbelag angepasster Saugleistung eingestellt. • In der Gebäudetechnik wird witterungsabhängig und nutzerabhängig ein Verhalten der Heizzentrale oder bei luftqualitätsabhängigen Klimaanlagen vorgegeben. • Bei der Unterhaltungselektronik passt sich der Raumklang automatische beim Einregeln der Quadrophonie an den jeweiligen Raum an. • Moderne Kraftfahrzeuge haben eine wetterabhängige Fahrwerkregelung mit Antiblockiersystem und Spurhaltesystem. • In der Medizintechnik wird die blutwertabhängige Insulindosierung schon während des Essens zugegeben. Die Vorteile der unscharfen Formulierung sind: • Bei nichtlinearem Verhalten sind die Fuzzy-Regler vielfach robuster. • Die Umfeldeinflüsse (Störgrößen) lassen sich leichter einbinden. • Sie erfordern kürzere Entwicklungszeiten gegenüber dem PID-Regler. • Durch die Auswertung einfacherer Sensoren wird die Serienproduktion preiswerter. • Es können unterschiedliche Datenformate logisch verknüpft werden, z. B. „Wenn kalt und Nacht“.
378
21 Fuzzy Control
Aber es gibt auch Nachteile: • Es gibt keine empirischen Einstellregeln. • Bei komplexen Strukturen wird die Anzahl der logischen Zuordnungen sehr groß. • Selbst bei Beschränkung auf einfache Strukturen ist die Einstellung nur durch Experimente möglich. Fuzzy Regler findet man deshalb nur in der Serienfertigung.
21.1 Aufbau des Fuzzy Reglers Der Aufbau des Regelkreises lässt sich durch herkömmliche Regelschaltungen realisieren. Nur der Regler selbst arbeitet unscharf. Der Sollwert wird durch die Fuzzifizierung vorgegeben (Bild 21-1).
Bild 21-1 Regelkreis mit Fuzzy-Regler
Eingangsgröße in den Fuzzy Regler ist die Regelgröße, die von einem herkömmlichen Sensor erfasst und dann erst verarbeitet wird. Es können auch eine oder mehrere Störgrößen als Zusatzinformation erfasst werden. Die Regeldifferenz wird durch eine Zugehörigkeitsfunktion beschrieben, die Istwert und Sollwert linguistisch vergleicht. Mit dem Fuzzy-Regler kann das Zeitverhalten eines PID-Reglers nachgebildet werden, wenn die Regelgröße X, die Geschwindigkeit Δx/Δt und das Regelintegral
Ç Δx ¹ Δt bezogen auf den Arbeitspunkt X0 = W0 über einen „Fuzzy-Satz“ fuzzifiziert wird (Bild 21-2). Der I-Teil soll eine verschwindend kleine bleibende Regeldifferenz garantieren, der D-Teil sorgt als vorausschauende Analyse einen Vorhalt im Stelleingriff und damit ein gedämpftes Ausregelverhalten. Linguistisch bedeutet das z. B. bei einer Raumheizung: „Wenn die Temperatur schnell sinkt (Geschwindigkeit ϑ ), dann muss überproportional viel geheizt werden.“
21.2 Zugehörigkeitsfunktion
379
Bild 21-2 Fuzzy-PID2-Regler
Alternativ zur Regelgröße oder zur Störgröße können auch die Regeldifferenz und deren Integrale sowie deren Ableitungen als Eingangswert in den Fuzzy-Regler verwendet werden. Die Basis der Zugehörigkeitsfunktion verschiebt sich dann um den aktuellen Sollwert.
21.2 Zugehörigkeitsfunktion Durch die Zugehörigkeitsfunktion μ werden scharfe Werte in unscharfe Zugehörigkeiten übertragen. Typische unscharfe Aussagen sind z. B. niedrig/hoch oder wenig/mittel/viel. Die Zugehörigkeitsfunktion gibt an, mit welchem Anteil 0 bis 1 ein Wert einer unscharfen Aussage zugehört. Sie gibt also an, in welchem Maß ein Element zu einer entsprechenden Menge gehört. Die Zugehörigkeitsfunktion kann mathematisch beliebig formuliert werde. Beispiele dazu finden Sie in Bild 21-3.
Bild 21-3 Standardformen der Zugehörigkeitsfunktion μ (M = Modalwert)
380
21 Fuzzy Control
Übungsaufgabe 21.1 Zugehörigkeitsfunktionen a) Zeichnen Sie die Zugehörigkeitsfunktion für eine Sprungantwort
μ1 (ϑ )
Î 1, wenn ϑ 22C Ï Ð 0, wenn ϑ 22C
Bild 21-4 Zugehörigkeitsfunktion einer Sprungfunktion
Abgelesen: μ1(20 °C) = 1; μ1(24°C) = 0 b) Zeichnen Sie die Zugehörigkeitsfunktion einer Rampe
μ2 (ϑ )
Î1, wenn ϑ 18 C Ñ 26 ϑ Ñ , wenn 18 C
ϑ
16 C Ï Ñ 26 18 ÑÐ0, wenn ϑ ! 26 C
Bild 21-5 Zugehörigkeitsfunktion einer Rampe
Abgelesen: μ2(23 °C) = 0,375 Anmerkung: Die Rampe kann auch zum Trapez oder zum Dreieck erweitert werden. c) Zeichnen Sie den Wärmestrom ϑ = 0,5 · ϑmax als Singleton Enthält eine unscharfe Menge nur ein Wertepaar {ϑ1, μ3(ϑ1)} mit dem Zugehörigkeitswert μ(ϑ1) = 1, so wird der Wärmestrom ϑ1 als Singleton bezeichnet.
21.2 Zugehörigkeitsfunktion
381
Die Menge A entspricht dann z. B. der unscharfen Menge (ϑ1 = mittel Heizen) oder der scharfen Menge ϑ = 0,5 · ϑmax.
Bild 21-6 Zugehörigkeitsfunktion eines Singletons
Abgelesen: μ3(0,2 · ϑmax) = 0; μ3(0,5 · ϑmax) = 1
d) Zeichnen Sie die Zugehörigkeitsfunktion einer stetigen Verteilung.
μ4 (ϑ )
1 1 ϑ 22
2
Bild 21-7 Zugehörigkeitsfunktion einer Verteilung, die in der Nähe von 22 °C liegt
Abgelesen: μ4(19 °C) = 0,25; μ4(24 °C) = 0,33 Bei 22 °C hat μ4 den Wert 1, für alle anderen Werte ist die Zugehörigkeitsfunktion < 1.
382
21 Fuzzy Control
21.3 Unscharfe Mengen In Analogie zum digitalen Regler, bei dem das stetige Signal in ein abgetastetes Binärsignal umgewandelt wird, muss für den Fuzzy-Regler das stetige Signal einer unscharfen Beschreibung in Form von Zugehörigkeitsfunktionen umgewandelt werden. Diesen Vorgang nennt man Fuzzifizieren.
Bild 21-8 Vorgang der Fuzzifizierung
Das Signal kann dabei mehreren Zugehörigkeiten zugeordnet werden, die als linguistische Variable dargestellt werden. Linguistische Variable unterschieden sich von numerischen Ausdrücken dadurch, dass ihre Werte nicht Zahlen sind, sondern Wörter und Ausdrücke der Umgangssprache. Da Wörter nicht so präzise wie Zahlen sind, werden die einzelnen Werte der linguistischen Variablen durch so genannte Fuzzy-Sets als unscharfe Mengen dargestellt. Dazu teilt man den Messbereich oder Stellbereich einer physikalischen Größe in bestimmte Wertebereiche auf (Bild 21-9).
Bild 21-9 Darstellung unscharfer Mengen in Form von Fuzzy-Sets
Zusammengestellt wird die Fuzzy-Menge wie folgt geschrieben:
μ ( x)
^ μ ( xwenig ); μ ( xmittel ); μ ( xviel ) `
21.3 Unscharfe Mengen
383
Genauso wie eine Messgröße kann auch eine Stellgröße fuzzifiziert, d. h. den Wertebereichen kaum geöffnet, wenig geöffnet, mittel geöffnet, viel geöffnet und fast ganz geöffnet zugeordnet werden. Diese Zuordnung wird bei der Defuzzifizierung benötigt.
Übungsaufgabe 21.2 Formulierung von Fuzzy-Sets a) Beschreiben Sie die gemessene Außentemperatur –16 °C bis +32 °C durch einen Satz von fünf Zugehörigkeitsfunktionen. Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes werden im Allgemeinen als kalt bezeichnet, Temperaturen oberhalb der Heizgrenze als warm. In mitteleuropäischen Breiten tritt eine Temperatur von ca. 8 °C statistisch am häufigsten während der Heizperiode auf, wird deshalb hier linguistisch als „mittel“ bezeichnet. Abweichungen nach oben und unten werden mit „sehr“ gekennzeichnet. Ab einer Außentemperatur von +32 °C wird die Zugehörigkeit zu sehr warm mit μ = 1 angesehen. Bezogen auf das menschliche Gefühl gibt es keine Trennungslinie zwischen warm und kalt. Die Steilheit der einzelnen Zugehörigkeitsfunktionen sind in Bild 21-10 nach Gefühl eingetragen und sind unterschiedlich steil.
Bild 21-10 Fuzzy-Set für eine Außentemperatur
b) Geben Sie die unscharfe Menge für die scharfe Außentemperatur +8 °C an. Aus Bild 21-10 kann man für ϑA = +8 °C ablesen: Zugehörigkeit zu sehr kalt: Zugehörigkeit zu kalt: Zugehörigkeit zu mittel: Zugehörigkeit zu warm: Zugehörigkeit zu sehr warm:
0,00 0,29 1,00 0,12 0,00
Zusammengestellt wird für das Fuzzy-Set geschrieben:
μ(8 °C) = {0,00; 0,29; 1,00; 0,12; 0,00}
384
21 Fuzzy Control
c) Beschreiben Sie die Raumtemperatur von +16 °C bis +32 °C durch ein Fuzzy-Set. Als „angenehm wird der Wertebereich 20 bis 26 °C der Raumtemperatur ϑR bezeichnet, wobei aber nur der Wert +22 °C 100%-ig warm ist. Der Wertebereich „kalt“ verläuft von 16 bis 21 °C und warm von 24 bis 32 °C. Einige Raumtemperaturen sind damit mehreren linguistischen Ausdrücken zugeordnet.
Bild 21-11 Fuzzy-Set für die Raumtemperatur
Die Raumtemperatur ϑR = 25 °C gehört mit 0 % zum Wertebereich kalt, mit 25 % bzw.
μangenehm = 0,25 zum Wertebereich angenehm und mit 12,5 % bzw.
μwarm = 0,125 zum Wertebereich warm:
μ(25 °C) = {0,00; 0,25; 0,125} Kontrollrechnung:
μangenehm μ warm
26 25 26 22
24 25 24 32
0, 25
0,125
21.4 Fuzzy-Operationen
385
d) Fuzzifizieren Sie die Stellgröße Y in die Wertebereiche wenig, mittel und viel.
Bild 21-12 Fuzzy-Sets einer Stellgröße 0 bis 100 %
Die Wertebereiche der Stellgröße werden oft als Singletons angegeben. Damit wird die Berechnung der Stellgröße bei der Defuzzifizierung vereinfacht.
21.4 Fuzzy-Operationen Bei Fuzzy-Control werden die aus der Steuerungstechnik bekannten Verknüpfungen verwendet. Ein Element gehört zur Schnittmenge, wenn die Teilmengen durch ein UND verknüpft werden.
μ ( x)
min ^μ1 , μ2 }
Ein Element gehört zur Vereinigungsmenge, wenn die Teilmengen durch ein ODER verknüpft werden.
μ ( x)
max ^μ1 , μ2 }
Für ein System mit drei Eingangsfunktionen Ui und drei Ausgangsfunktionen Vj mit fallender Logik ergibt sich folgende Regelbasis: Regel 1
Wenn
U = wenig
, dann
V = viel
Regel 2
Wenn
U = mittel
, dann
V = mittel
Regel 3
Wenn
U = viel
, dann
V = wenig
386
21 Fuzzy Control
Durch die fallende Logik wird die Vorzeichenumkehr der Regeleinrichtung nachgebildet. Wenn mehrere Zugehörigkeitsfunktionen μ(U) für einen scharfen Wert > 0 sind, dann werden die Zugehörigkeitsfunktionen μ(V) als Vereinigungsmenge zusammengefasst (Bild 21-13).
Bild 21-13 Inferenz, d. h. logische Zuordnung von Zugehörigkeitsfunktionen
Der Zahlenwert U = 70 % für nach Regel 3 zu 0,25 Zugehörigkeit zu „viel“ und nach Regel 2 zu 0,50 Zugehörigkeit zu „mittel“. Über die Inferenz ergibt sich eine Zuordnung für V von μwenig = 0,25 und μmittel = 0,50, gekennzeichnet durch die jeweiligen Flächenelemente. Regel 1 entfällt wegen Zugehörigkeit 0,00. Eine Inferenz ist eine Verarbeitungsvorschrift für WENN … DANN-Regeln unter Berücksichtigung eines aktuellen Ereignisses. Sie hat eine Schlussfolgerung als Ergebnis. Bisher wurden Fuzzy-Mengen auf einfachen Grundmengen betrachtet. Der Begriff lässt sich jedoch verallgemeinern, wenn man von der einfachen Grundmenge übergeht auf die Kreuzproduktmenge mehrerer Größen, genannt Fuzzy-Relation. WENN … UND … ODER … UND NICHT … DANN. Eine zweistellige Fuzzy-Relation wird durch ein zweidimensionales Kennfeld in Form einer Relationsmatrix festgelegt (Bild 21-14). U1
U2
Ergebnis V
Wenig
Mittel
Viel
Wenig
ganz
viel
mittel
Mittel
viel
mittel
wenig
Viel
mittel
wenig
nichts
Bild 21-14 Zweistellige Fuzzy-Relation
21.5 Defuzzifizierung
387
21.5 Defuzzifizierung Die Verwendung von Zugehörigkeitsfunktionen für das Ausgangssignal nennt man Defuzzifizierung.
Bild 21-15 Defuzzifizierung einer unscharfen Menge über das Schwerpunktverfahren
Als logisches ODER werden die beiden Trapezflächen „wenig“ und „mittel“ zusammengefasst und der Flächenschwerpunkt der Vereinigungsmenge ermittelt. Aus μwenig = 0,25 und μmittel = 0,5 kann in Bild 21-15 aus der Lage des Flächenschwerpunktes der scharfe Wert für die Ausgangsgröße zu V = 42 % abgelesen werden. Die rechnerische Ermittlung des Schwerpunktes ist aufwändig. Alternativ kann die Ausgangsgröße auch aus Singletons (Swenig = 25 %; Smittel = 50 %; S8 = 75 %) berechnet werden. V
μ wenig ¹ S wenig μ mittel ¹ Smittel μ viel ¹ S viel μ wenig μmittel μ viel
0, 25 ¹ 25 % 0,50 ¹ 50 % 0, 00 ¹ 75 % 0, 25 0,50 0, 00
41, 7 %
388
22 Regelschaltungen In der Praxis ist der einschleifige Regelkreis die am häufigsten verwendete Regelschaltung. Ein solcher einschleifiger Regelkreis hat eine übersichtliche Struktur mit genau einer Regelgröße und einer Stellgröße. Er lässt sich mit vorgegebenen Einstellregeln verhältnismäßig einfach einstellen, d. h. parametrieren. Es gibt jedoch Regelstrecken, bei denen diese einschleifige Schaltung nicht mehr zu zufriedenstellenden Ergebnissen führt. Dies gilt insbesondere • wenn sich zwischen Stellort und Messort große Verzögerungen oder Totzeiten ergeben, • bei Regelstrecken mit kurzen Ausgleichzeiten, die zu großem Schwierigkeitsgrad S = Tu/Tg führen, i.A. ab S > 0,3, • bei schwach gedämpften Regelstrecken, • wenn Regelstrecken durch ein physikalisches Allpassverhalten kurzfristig ein vom Wirkungssinn her umgekehrtes Verhalten zeigen, • für Regelstrecken mit nichtlinearem oder zeitvariantem Verhalten, • wenn außergewöhnlich große Störungen auf die Regelstrecken einwirken, • bei besonders hohen Anforderungen an die Regelgüte in Form der Anregelzeit, des Überschwingens oder der Ausregelzeit. Eine Verbesserung lässt sich erzielen, wenn die Signalwege zwischen Stelleingriff und Störung verkürzt werden, oder wenn Störungen bereits vor Eintritt in eine Regelstrecke weitgehend durch besondere Maßnahmen beseitigt werden. Hierzu müssen allerdings die Störungen messbar und über ein Stellglied beeinflussbar sein. Nachfolgend wird eine Auswahl der verschiedensten Möglichkeiten zur Verbesserung des regelungstechnischen Verhaltens aufgezeigt. Diese Maßnahmen haben eine strukturelle Erweiterung des Grundregelkreises zur Folge und führen damit zu einem vermaschten Regelsystem oder zu mehrschleifigen Regelkreisen. Bei mehrschleifigen Regelkreisen gibt es grundsätzlich zwei Erweiterungsmöglichkeiten, die miteinander kombinierbar sind: • es werden mehrere Messgrößen erfasst und durch eine geeignete Regelschaltung verknüpft (Mehrkomponentenregelung), • von einer Regelschaltung aus gibt es mehrere Stellausgänge (Mehrgrößenregelung). Damit kann der Regelablauf wesentlich verbessert werden, da zusätzliche Informationen aus der Regelstrecke ermittelt werden und an mehreren Stellorten die Regelstrecke beeinflussen können. Je nach Art der Beeinflussung spricht man von Störgrößenaufschaltung, Führungsgrößenaufschaltung, Verhältnisregelung, Kaskadenregelung oder Bereichsaufschaltung.
22.1 Einschleifiger Regelkreis
389
Bild 22-1 Beispiel einer Mehrgrößen- und Mehrkomponentenregelung
Eine Besonderheit der mehrschleifigen Regelkreise ist die so genannte Adaption. Hierbei werden durch einen mathematischen Algorithmus Kennwerte von Strecken oder Reglern während des laufenden Betriebes verändert. Dies ist insbesondere bei nichtlinearen Regelkreisen vor Vorteil.
22.1 Einschleifiger Regelkreis Es werden einige Anwendungsbeispiele für den einschleifigen Regelkreises vorgestellt. In Bild 22-2 ist die einschleifige Struktur dargestellt. Ein einschleifiger Regelkreis besitzt grundsätzlich nur eine Regelgröße und eine Stellgröße.
Bild 22-2 Wirkungsplan des einschleifigen Regelkreises
390
22 Regelschaltungen
22.1.1 Temperaturregelung eines dampfbeheizten Behälters In einem Behälter soll die Temperatur eines durchfließenden Mediums konstant gehalten werden. Die Beheizung geschieht mittels Wasserdampf, der in einer Rohrschlange kondensiert.
Bild 22-3 Gerätefließbild eines dampfbeheizten Behälters mit einschleifiger Temperaturregelung und einschleifigen Standregelung des zu beheizenden Mediums
Regelgröße x ist die Flüssigkeitstemperatur ϑ, die im Behälter gemessen wird. Stellgröße y ist der Hub H des Stellventils in der Dampfleitung. Die Regelgröße x wird mit einem konstant eingestellten Sollwert w für die Flüssigkeitstemperatur verglichen und durch den Regler in die Stellgröße y gemäß dessen Struktur und Parametrierung umgeformt und auf das Stellventil gelegt. Weitere mögliche Messgrößen, die später bei den Regelschaltungen z. B. als Störgrößen Verwendung finden, sind: • Stand h des Mediums im Behälter in cm • Dampfdruck pD vor den Dampfventil in bar • Dampfmenge m D durch die Rohrschlangen in m3/h • Zugeführte und abgeführte Frischwassermengen m w,zu bzw. m w,ab • Zulauftemperatur ϑzu in °C • Temperatur ϑR der Rohrschlange
Weitere mögliche Stellgrößen sind: • • • •
Frischwasserventil Abflussventil Vordruck-Dampfventil Kondensat-Rückstauventil
22.1 Einschleifiger Regelkreis
391
Die Standregelung des Mediums kann z. B. durch den Stand h des Mediums als Regelgröße und die Stellgröße des Frischwasserventils realisiert werden. Daraus ergeben sich zwei einschleifige und voneinander unabhängige Regelkreise.
22.1.2 Temperaturregelung eines Lufterhitzers Als Regelgröße x wird die Lufttemperatur hinter einem Lufterhitzer (Bild 22-4) gemessen.
Bild 22-4 Temperaturregelung eines Lufterhitzers, Gerätefließbild
Die Regelgröße wird mit einem konstanten Sollwert verglichen und beeinflusst das Dreiwegeventil als Stellgröße (y = 0 – 90°) so, dass bei sinkender Temperatur mehr Heizwasser aus dem Heizkreis entnommen wird. Die hydraulische Schaltung, bei der der Heizwasserstrom durch den Erhitzer konstant ist, nennt man Beimischschaltung. Weitere Messgrößen bzw. potenzielle Störgrößen sind: • Außentemperatur ϑA vor dem Lufterhitzer, • Luftstrom m L durch den Lufterhitzer, • Vorlauftemperatur ϑV des Heizkreises, • Heizwasserstrom m W durch den Erhitzer.
Als weitere Stellgröße kann die Drehzahl n der Heizwasserpumpe verwendet werden, mit der der Heizwasserstrom verändert wird.
22.1.3 Raumtemperaturregelung Bei Klimasystemen dient die bewegte Luft gleichzeitig der Frischluftzufuhr als auch dem Energie- und Feuchtetransport. Die Luft ist also gleichzeitig Austauschmedium und Energieträger. Eine Klimazentrale besteht z. B. aus folgenden Bauteilen und Betriebsmitteln:
392
22 Regelschaltungen
• Sensoren für die Außentemperatur ϑAU und die relative Luftfeuchtigkeit ϕAU der Außenluft, • Mischkasten zur Beimischung von Abluft zur Frischluft mit den Ziel der Energie und Feuchterückgewinnung, • Sensoren für die Temperatur ϑAB und relative Feuchte ϕAB der Abluft mit dem Ziel der Enthalpieschaltung, • Lufterhitzer in Beimischschaltung zur Erwärmung der Mischluft (siehe Abschnitt 22.1.1) • Temperatursensor ϑF für die Frostschutzregelung, • Luftkühler in Verteilschaltung für die Abkühlung und Entfeuchtung der Luft, • Zuluftventilator und Abluftventilator zur Luftförderung, • elektrischer Dampfbefeuchter zur Befeuchtung der Luft, • Sensoren für die Zulufttemperatur ϑZU und die Feuchte der Zuluft ϕZU , • Sensor für die Raumtemperatur ϑR , • Luftverteilsysteme über Luftkanäle bis zum Luftauslass in den Räumen.
Die Außentemperatur als Frischluft wird über unterschiedliche Luftbehandlungsverfahren aufbereitet und als Zuluft in das Luftkanalnetz geleitet. Nach dem Einleiten und Durchströmen des zu klimatisierenden Raumes wird die Luft als Abluft abgesaugt und teilweise als Fortluft an die Umgebung zurückgegeben. Dabei ist die Außenluftmenge gleich der Fortluftmenge. Als Regelgrößen stehen zur Verfügung: • • • •
Frostschutztemperatur ϑF , Zulufttemperatur ϑZU , Zuluftfeuchte ϕZU , Raumtemperatur ϑR bzw. Ablufttemperatur ϑAB .
Bild 22-5 Gerätefließbild einer Klimazentrale mit einfacher Raumtemperaturregelung
22.2 Grob-Fein-Regelung
393
Zur Störgrößenaufschaltung können weiterhin verwendet werden: • Vorlauftemperatur des Heizmediums ϑV,H , • Vorlauftemperatur der Kühlmediums ϑV,K , • Außentemperatur ϑAU .
Stelleingriffe in das Klimasystem sind: • • • • • • •
Stellung der Luftklappen am Mischkasten, Dreiwegeventil am Lufterhitzer, Drehzahl der Heizmittelförderpumpe, Dreiwegeventil am Luftkühler, Drehzahl von Zuluft- und Abluftventilator, Dampfmengen-Dosierventil, Drosselklappe am Raumeinlass.
22.2 Grob-Fein-Regelung Die Grob-Fein-Regelung setzt sich aus zwei in Reihe geschalteten einschleifigen Regelkreisen zusammen. Bei der Grobregelung als Vorregelung reicht grundsätzlich ein einfacher P-Regler aus. Damit lassen sich große Störungen, die von der Versorgungsseite des Mediums her kommen, glätten. Beispiele sind: • Druckminderer bei allen technischen Gasen • Durchflussvorregelung bei Wasserwerken • Speichertemperaturregelungen in Wärmeversorgungssystemen
Die Besonderheit ist, dass ein mit einem groben P-Regler geregelter Puffer verwendet wird und damit Auswirkungen der Störungen auf die nachgeschaltete Regelkreiseinheit, die Feinregelung, gemindert werden.
Bild 22-6 Wirkungsplan einer Grob-Fein-Regelung
394
22 Regelschaltungen
22.2.1 Dampfdruck-Temperaturregelung Bei der Grob-Fein-Regelung für den Dampf beheizten Behälter mindert der Vorregler die Druckschwankungen auf der Frischdampfseite. Die Temperaturregelung als Hauptregelung entspricht einer einmaschigen Temperaturregelung.
Bild 22-7 Grob-Fein-Regelung der Temperaturregelung eines Dampf beheizten Behälters
22.3 Störgrößenaufschaltung Die Störgrößenaufschaltung dient der Minderung der Auswirkung der Störgröße auf die Regelgröße. Das Prinzip besteht darin, die Störung weitgehend durch ein Steuerglied ohne einen zusätzlichen Regelkreis zumindest im eingeschwungenen Zustand zu kompensieren. Dazu muss wiederum die zu kompensierende Hauptstörgröße messbar sein. Ein solcher Kompensationseingriff aufgrund einer gemessenen Störgrößenänderung kann entweder auf den Stelleingang der Strecke oder auf den Reglereingang vorgenommen werden, so dass zwischen diesen zwei Fällen unterschieden werden muss.
22.3 Störgrößenaufschaltung
395
22.3.1 Kompensationsregler Bei der Störgrößenaufschaltung in Form eines Kompensationsreglers wird stetig eine gegen die Störauswirkung gerichtete zusätzliche Störgröße berechnet und auf den Reglerausgang geschaltet. Ausgehend von Arbeitspunkt Y0 = Z0 wird die Störgröße Δz(t) gemessen und entsprechend dem Streckenverhalten der Regelstrecke in die gegengerichtete Stellgröße Δy(t) umgewandelt. Greift die Störgröße (vereinfacht) am Eingang der Regelstrecke ein, dann weist die Störgrößenaufschaltung proportionales Verhalten auf.
Bild 22-8 Störgrößenaufschaltung auf den Reglerausgang (Kompensation)
An dem Beispiel des Behälters (Bild 22-8) soll die prinzipielle Wirkungsweise der Störgrößenaufschaltung demonstriert werden. Eine Störgröße bei dieser Anordnung ist die momentan aktuelle Zuflussmenge in den Erhitzer. Diese wird gemessen und kann nun auf den Stelleingang der Strecke (Reglerausgang) geschaltet werden.
Beispiel: Temperaturregelung mit Störgrößenaufschaltung auf den Reglerausgang Einen wichtigen Störeinfluss auf die Temperaturregelung haben die Schwankungen der kalten Frischwassermenge. Durch die Zufuhr von kaltem Wasser in den aufgeheizten Behälter sinkt die zu regelnde Temperatur schlagartig ab. Um dies zu verhindern, muss möglichst zeitgleich die über den Dampfstrom zugeführte Heizwärme vergrößert werden. Die Kompensationsaufschaltung K wird zeitlich und von der Größe her so gesteuert, dass die Dampfmenge proportional zur zusätzlichen Frischwassermenge verläuft.
396
22 Regelschaltungen
Bild 22-9 Störgrößenaufschaltung auf den Reglerausgang beim Dampf beheizten Behälter
22.3.2 Störgrößenaufschaltung auf den Reglereingang Wird die Störgröße mit dem richtigen Vorzeichen auf den Reglereingang geschaltet, so kann das Signal am Reglereingang als Sollwertänderung interpretiert werden. Die Störgrößenaufschaltung meldet dem Regler jede Störgrößenänderung. Der Regler kann somit sofort reagieren; es muss nicht gewartet werden, bis eine Änderung der Durchflussmenge sich in einer Änderung der Temperatur (Regelgröße) niederschlägt.
Bild 22-10 Störgrößenaufschaltung auf den Reglereingang
22.3 Störgrößenaufschaltung
397
Bild 22-11 Gerätefließbild einer Störgrößenaufschaltung auf den Reglereingang
Da der Regler nur die Regeldifferenz als Eingangsignal erhält, hier also das Mischsignal von Regelgröße, Sollwert und Störgrößen, erfolgt bei einer Störgrößenänderung eine Änderung der Regeldifferenz e, die ebenso gut von einer Sollwertänderung herrühren könnte. Bei einem PRegler wird dadurch bei richtiger Einstellung die bleibende Regeldifferenz kompensiert. Ein Regler mit I-Anteil würde auf eine neue Regelgröße hinfahren. Das jeweilige Steuerglied muss D-T1-Verhalten (Verschwindeimpuls) zeigen, da wegen e W X U1 U 2
eine bleibende Regelabweichung entsteht. Im Beharrungszustand zeigt das D-T1 Glied den Wert Null.
22.3.3 Regelung mit Hilfsregelgröße An Stelle einer Störgröße kann auch eine sonstige Regelgröße auf den Reglereingang gelegt werden. So meldet bei Strecken höherer Ordnung ein „vorgeschobener Beobachter“ dem Regler frühzeitig, dass eine Störgröße die Regelstrecke beeinflusst hat. Diese Hilfsregelgröße muss ebenfalls als Verschwindeimpuls auf den Regelereingang geschaltet werden.
398
22 Regelschaltungen
Bild 22-12 Wirkungsplan einer Hilfsregelgrößenaufschaltung
Da die Ausgangsgröße des D-T1-Gliedes proportional zur Änderungsgeschwindigkeit der Hilfsregelgröße ist, ergeben sich zwei Vorteile: • Im Beharrungszustand ergibt sich keine Beeinflussung des Reglers. • Hohe Änderungsgeschwindigkeiten der Hilfsregelgröße führen zu einem stärkeren Eingreifen des Reglers.
Nachteil: • Bei stochastischen Störgrößen ist diese Schaltung nicht brauchbar, da dadurch zusätzliche Unruhe in den Regelkreis gebracht wird.
Als Hilfsregelgröße könnte z. B. auch die Dampfmenge hinter dem Stellventil (Bild 22-11) herangezogen werden.
Bild 22-13 Gerätefließbild einer Hilfsregelgrößenaufschaltung
22.4 Führungsgrößenaufschaltung
399
22.4 Führungsgrößenaufschaltung Bei einer Folgeregelung ist die Führungsgröße W eine Funktion • • • •
der Zeit, einer internen Messgröße, z. B. Ofentemperatur oder Ist-Position, einer externen Messgröße, z. B. Außentemperatur , einer Vorgabe des Bedieners der Anlage.
Man kann hierbei auch von einer Vorsteuerung sprechen, da die Führungsgröße nach externen oder internen Kriterien variiert wird, ohne dass es zu Rückwirkungen auf die gemessene Größe kommt. Die Aufgabe der Regelung ist es, den Verlauf der Regelgröße X möglichst genau an den Verlauf der Führungsgröße anzupassen. Bei einer Zeitplanregelung wird der Sollwert der Regeleinrichtung von einer übergeordneten Instanz (Personal, Funktionsbaustein einer Steuerung, …) nach einem Zeitschaltplan vorgegeben. Anwendungsbeispiele: • • • •
Batch-Prozess in der Verfahrensindustrie, Positionierung in der Fertigung, Temperaturregelung von Industrieöfen oder Trocknern, Anfahr- oder Lastwechselvorgänge.
22.4.1 Zeitplanregelung Oft wird zur zeitlichen Steuerung von Positioniervorgängen oder Trocknungsvorgängen in Industrieöfen ein konkretes Solltemperaturprofil mit einzelnen Anstiegen zur Änderung von Sollwerten verwendet. Da der Sollwerteingang direkt auf den P-Teil eines Reglers wirkt, lässt sich damit das Zeitverhalten verbessern.
Bild 22-14 Chemischer Reaktor mit Zeitschaltplan
400
22 Regelschaltungen
Ist bei der Reaktion zweier Komponenten der Umsetzungsgrad im chemischen Reaktor nicht messbar, kann man den Temperatursollwert nach dem Aufheizen so lange konstant halten, bis die Umsetzung entsprechend theoretischen Berechnungen garantiert erfolgt ist. Anschließend wird das Reaktionsprodukt gezielt abgekühlt.
Bild 22-15 Zeitgeführter Sollwert der Reaktortemperatur
22.4.2 Heizkurve
Bild 22-16 Wirkungsplan eines Regelkreises mit außentemperaturabhängiger Sollwertführung
Bild 22-17 Heizkurve in Abhängigkeit von der Außentemperatur ϑa
22.5 Verhältnisregelung
401
22.4.3 Anfahrvorgang Um den Anfahrvorgang sanfter für die Stelleinrichtung zu gestalten, wird eine Anfahrrampe verwendet. Dadurch wird der harte Eingriff des Reglers auf die Regelstrecke gemildert. Die Rampe besteht aus einem linearen Anstieg von W0 bis zu einem maximale Führungsgröße W1 (Bild 22-18). Der Anstieg a kann eingestellt werden über die Laufzeit tA, die der Sollwert von W1 bis W0 benötigt. W (t ) W0 a ¹ t |ttA 0
mit a
W1 W0 tA
und W1
Wmax
Bild 22-18 Anfahrvorgang einer Drehzahlregelung
22.5 Verhältnisregelung Manchmal wird als gutes Regelergebnis nicht ein konkreter Wert sondern ein exaktes Verhältnis zweier Größen gefordert. Die Verhältnisregelung wird vor allem bei der Mischung zweier Mengenströme eingesetzt, die in einem festen Verhältnis zueinander stehen, z. B. bei einer Feuerung mit konstantem Verhältnis von Brenngas oder Heizöl zu Verbrennungsluft. Während der Mengenstrom des Brenngases nach äußeren Gesichtspunkten geregelt wird, z. B. nach der momentan geforderten Heizleitung, stellt die Verhältnisregelung die dafür erforderliche Luftmenge zur Verfügung. Die Luftmengenregelung ist dann eine Folgeregelung, Führungsgröße ist die Stellgröße der Regelung des Brennstoffes. YFührung = WFolge
402
22 Regelschaltungen
22.5.1 λ-Regelung Das Gas-Luft-Gemisches für einen Brennofen soll geregelt werden. Gas und Luft werden dem Brenner des Ofens zugeführt. Die Gaszufuhr xG kann von Hand über den Sollwert wG vorgegeben oder in Abhängigkeit von der Temperatur xT im Ofen über den Temperaturregler verstellt werden (gestrichelt eingetragen in Bild 22-19). Um eine möglichst gute Verbrennung zu erreichen, muss die Luftzufuhr xL in einem bestimmten Verhältnis zum Gasverbrauch xG stehen. Es soll gelten: xL = KV · xG. Dies geschieht durch den Verhältnisregler, einem P-Regler, der den Sollwert wL = KV · xG für den Luftregler vorgibt. Durch diese Verhältnisregelung werden die beiden Regelkreise für Gas- und Luftzufuhr verkoppelt.
Bild 22-19 Brennerregelung als Verhältnisregelung
22.5.2 Mengenverhältnis-Regelung Das Verhältnis von Frischwasser und Dampfmenge soll konstant gehalten werden (Bild 22-20). Die Verhältnisregelung sorgt dafür, dass die Heizdampfmenge bereitgestellt wird, die für die schwankende Frischwassermenge erforderlich ist. Die Dampfmenge wird geregelt, die Temperatur wird gesteuert, da sie nicht gemessen und auf den Regler geschaltet wird. Solange keine sonstigen Störgrößen, wie Dampfdruckänderungen oder Frischwassertemperaturschwankungen auftreten, ist das Regelergebnis zufrieden stellend. Trifft dies nicht zu, so muss die Regelschaltung um die Hauptregelgröße, d. h. Behältertemperatur, erweitert werden (siehe Kapitel 22.3.3).
22.5 Verhältnisregelung
403
Bild 22-20 Gerätefließbild einer Verhältnisregelung
22.5.3 Regelung mit Hilfsstellgröße Bei der Hilfsstellgrößenregelung wird das Stellsignal nicht nur auf das zugehörige Stellglied gegeben, sondern es beeinflusst auch vorübergehend ein zweites Stellventil, das evtl. eine stärkere Wirkung auf die Regelgröße aufweist. Bei der in Bild 22-21 eingezeichneten Regelung wird bei fallender Temperatur im Behälter das Dampfstellventil weiter geöffnet und gleichzeitig vorübergehend über einen Verschwindeimpuls (D-T1) der Frischwassermengenstrom verkleinert. Durch diese zweite Maßnahme wird die Temperaturabsenkung abgefangen, bis sich der vergrößerte Dampfstrom durch erhöhten Wärmeübergang in den Rohrschlagen bemerkbar macht.
404
22 Regelschaltungen
Bild 22-21 Regelung mit Hilfsstellgröße
22.5.4 Dreikomponentenregelung Bei der Dreikomponentenregelung handelt es sich um eine Schaltung, mit der auch bei schwer zu regelnden Strecken noch gute Ergebnisse erzielt werden können. Sie hat weiterhin den großen Vorteil, dass sie relativ leicht einzustellen ist, da sich zwei der Messgrößen kompensieren. Hierbei sind mindestens zwei Regelaufgaben zu formulieren: • Das von der Temperatur beeinflusste Verhältnis der beiden Mengenströme ist konstant zu halten. • Durch Aufschaltung der Störgröße „Frischwassermenge“ wird die Temperatur vorbeugend geregelt. • Durch Aufschaltung der Hilfsregelgröße „Dampfmenge“ erhält die Temperaturregelung einen vorausschauenden Beobachter.
22.6 Kaskadenregelung
405
Bild 22-22 Gerätefließbild einer Dreikomponentenregelung
22.6 Kaskadenregelung Bei einer Kaskadenregelung wird die Regelstrecke in mehrere Teilstrecken zerlegt. Die Ausgangsgröße einer jeden Teilstrecke muss messbar sein. Eine Hilfsregelgröße X1 wird zur Bildung eines zweiten unterlagerten Regelkreises herangezogen. Der Führungsregler wirkt nicht direkt auf die Stellgröße Y1, sondern liefert den Sollwert für den unterlagerten Folgeregler (W1 = Y2). Durch diese Schaltung entsteht ein unterlagerter Regelkreis, der sehr schnell auf Störungen der 1. Teilstrecke reagieren kann, z. B. auf die Störung Z1.
Bild 22-23 Wirkungsplan einer Kaskadenregelung
406
22 Regelschaltungen
Der Hauptregelkreis regelt alle Störungen aus der 2. Teilstrecke aus und ist für das Führungsverhalten zuständig. Die schnellere Teilstrecke wird normalerweise mit einem PI-Regler, die langsamere Teilstrecke mit einem P-Regler geregelt. Aus dem Bild wird ersichtlich, dass zuerst der Hilfsregelkreis losgelöst vom Hauptregelkreis ausgelegt werden kann. Anschließend wird dann der Hauptregler optimiert, wobei das Verhalten des Hilfsregelkreises bei der Auslegung berücksichtigt werden muss. Zusammenfassend gilt bei der Kaskadenregelung: • Das Störverhalten bezüglich Störungen im ersten Streckenabschnitt wird verbessert. • Die Dämpfung des Regelkreises wird erhöht und damit die Stabilitätsgüte verbessert. • Bei Verwendung von P-Reglern an Strecken mit Ausgleich wird der statische Regelfaktor gegenüber dem einläufigen Regelkreis erhöht. Bei der Inbetriebnahme wird zuerst der Hilfsregelkreis, dann der Hauptregelkreis optimiert.
22.6.1 Kaskadenregelung für einen dampfbeheizten Behälter In dem Beispiel des Wärmetauschers (Bild 22-24) können Störgrößen, die vom Dampfdruck oder von der Temperatur des Dampfes herrühren, sofort über den unterlagerten Folgeregelkreis ausgeregelt werden. Temperaturänderungen im Behälter, hervorgerufen durch Mengenstromoder Temperaturschwankungen im Zulauf bewirken über den Hauptregler eine Sollwertänderung für den unterlagerten Regelkreis. Dieser sorgt dann für eine schnelle Verstellung der Dampfzufuhr.
Bild 22-24 Gerätefließbild einer Kaskadenregelung
22.6 Kaskadenregelung
407
Hierbei können jetzt Störungen, die im ersten Regelstreckenteil einwirken, durch den Hilfsregler bereits soweit ausgeregelt werden, dass sie sich im zweiten Regelstreckenteil gar nicht oder nur stark reduziert bemerkbar machen. Der Führungsregler muss dann in diesem Falle nur noch geringfügig eingreifen. Damit nicht zu viele Reglerparameter optimiert werden müssen, versucht man oft den Hauptregler als PI- und den Hilfsregler nur als P-Struktur auszuführen.
22.6.2 Kaskadenregelung eines Klimasystems Ein einmaschiger Regelkreis zur Raumtemperaturregelung, wie er in Kapitel 22.1.3 vorgeschlagen wurde, führt zu einem sehr langsamen Regelvorgang bei Klimasystemen. Bei einer Luftwechselzahl n = 3 h-1 wird die behandelte Luft erst nach über 20 Minuten zu einer merklichen Messwertänderung am Abluftventilator bewirken. Störgrößen am Eingang des Klimasystems, z. B. Außentemperatur, führen zu einer großen Verzugszeit Tu. Deshalb wird die Regelstrecke des Klimasystems mindestens in zwei Teilstrecken aufgeteilt: • Regelstreckenteil 1 vom Einlass der Frischluft bis zur Zuluftmessung als Hilfsregelgröße • Regelstreckenteil 2 von der Zuluftmessung aus bis zur Raumtemperaturerfassung. Da die Festlegung eines geeigneten Messortes im Raum schwierig ist, wird oft die Ablufttemperatur als Hauptregelgröße verwendet.
Bild 22-25 Kaskadenregelung eines Klimasystems
Da die Raumluftverteilung zu einer großen Verzugszeit im zweiten Teil der Regelstrecke führt, wird der Regler als reiner P-Regler eingestellt. Der Stellbereich dieses P-Reglers wird auf den Messbereich der Zulufttemperatur begrenzt.
408
22 Regelschaltungen
Bild 22-26 Stellcharakteristik des Führungsreglers
Der Folgeregler vergleicht die Führungsgröße W2 mit der gemessenen Zulufttemperatur X2. Der als PI-Regler konfigurierte Folgeregler bestimmt die auf den Lufterhitzer wirkende Stellgröße Y2, die so geregelt wird, dass keine bleibende Regeldifferenz ebl zwischen Raumtemperatur und Raumtemperatursollwert entsteht. In der Reihe von Kaskadenreglern, die auf ein Stellgerät einwirken, reicht ein I-Teil, um die bleibende Regelabweichung zu vermeiden.
22.6.3 Drehzahlregelung Für die Drehzahlregelung in der Automation werden meist Gleichstrommotoren mit Permanentmagneten eingesetzt. Das Feld, welches durch Anlegen einer Feldspannung UF erzeugt wird, kann als konstant angesehen werden. Für die Gleichstrommaschine kann das Ersatzschaltbild nach Bild 22-27 angegeben werden.
Bild 22-27 Ersatzschaltbild eines Gleichstrommotors
Bei der Drehzahlregelung von elektrischen Antrieben kommt grundsätzlich die Kaskadenregelung zum Einsatz. Sowohl zur Stromregelung als auch zur Drehzahlregelung wird jeweils ein PI-Regler verwendet. Der Folgeregler ist dabei der Stromregler. Der Führungsregler liefert ein Ausgangssignal, dass dem zur Erreichung einer gewünschten Drehzahl geforderten Drehmoment proportional ist. Diese wiederum entspricht bei konstantem Feld gleichzeitig dem Sollwert des Ankerstromes.
22.6 Kaskadenregelung
409
Bild 22-28 Wirkungsplan der Drehzahlregelung in Form einer Kaskadenregelung
22.6.3 Positionierregelung Durch Hinzufügen einer weiteren Kaskade kann der Drehzahlregelkreis zu einem Lageregelkreis erweitert werden (Bild 22-29).
Bild 22-29 Kaskadierung einer Positioniereinrichtung
Die Positionierregelung besteht aus einer Kaskadierung von • Stromregler, • Drehzahlregler, • Lagerregler.
410
22 Regelschaltungen
22.7 Bereichsaufschaltung Bei der Bereichsaufschaltung wird der Regler auf unterschiedliche Wirkungsbereiche aufgeteilt. Bei einer Sequenzregelung (Split-Range) werden mehrere Ausgangsgrößen in Abhängigkeit von einer Regeldifferenz e angesteuert. Als Anwendungsbeispiel ist in Bild 22-30 einer Erhitzer-Kühler-Sequenz einer Lüftungsanlage gezeichnet. Die Stellgröße eines Zulufttemperatur-Folgereglers wird aufgeteilt auf die Erhitzerstellgröße und die Luftkühlerstellgröße.
Bild 22-30 Sequenzregelung am Beispiel einer Erhitzer-Kühler-Regelung
Bild 22-31 Stellsequenz von Erhitzer und Kühler
Es ist von Vorteil, jede Teilstellgröße mit einem eigenen P-Regler auszurüsten. Damit kann der jeweilige P-Regler optimal an die Charakteristik von Erhitzer und Kühler angepasst werden. Unter Einbeziehung des Mischkastens ergibt sich die Stellsequenz in Bild 22-31. Zwischen Erhitzer- und Kühler-Stellgröße liegt meist ein Totband, um ein zeitliches Überscheiden beider Größen zu vermeiden.
22.9 Adaptiver Regler
411
Da die beigemischte Abluft eine kostenlose Energie liefert, wird die Stellgröße des Mischkastens zuerst seinen Wert bis an eine maximal zulässige Grenze vergrößern, festgelegt durch einen minimalen Außenluftanteil. Erst dann wird der Lufterhitzer angesteuert. Anmerkung: Beim Anfahren der Anlage am Morgen kann die Ablufttemperatur niedriger sein als die Außentemperatur ϑau ! ϑAB . In diesem Fall wird der Lufterhitzer direkt angesteuert.
22.8 Zustandsregler Voraussetzung für die Zustandsregelung ist die Existenz eines geeigneten RegelstreckenModells. Das Modell n-ter Ordnung wird in n P-T1-Blöcke aufgeteilt und jedes einzelne P-T1Glied mit einem eigenen P-Regler geregelt. Die Summe aller Einzelstellgrößen wird auf das Stellgerät gelegt (siehe Kapitel 8).
22.9 Adaptiver Regler Bei einem adaptiven Regler werden Parameter im laufenden Betrieb an die geänderten Umfeldbedingungen angepasst. Wenn nichtlineare Anlagen über einen weiten Lastbereich betrieben werden müssen oder wenn Schaltzustände erheblich die Regelbarkeit eines Systems beherrschen, dann hilft manchmal nur noch die Adaption. Bei der Adaption werden fortlaufend Parameter korrigiert. Nachfolgend werden zwei Arten erläutert: • Adaption von Strecken-Parametern zur Anpassung des Modells an den aktuellen Lastpunkt • Adaption von Reglerparametern zur ständigen Optimierung der Reglereinstellung
Mit dem nachfolgenden Modell soll der optimale Ausschaltzeitpunkt und der optimale Einschaltzeitpunkt für eine Kesselgruppe zur Beheizung von Gebäuden berechnet werden. Das Modell soll den Zeitverlauf des Abkühl- oder Aufheizvorganges möglichst genau wiedergeben. Als Modellgleichung wird dazu eine P-T1-Funktion mit Totzeitglied ausgewählt. • Der Parameter KP beschreibt die momentane Kesselkapazität. • Die Totzeit Tt beschreibt die Reaktion einer Zonentemperatur unmittelbar nach der Nachtabschaltung. • Die Zeitkonstante T ist ein Maß für die Außenflächen bezogene Speichermasse der betrachteten Zone und lässt sich aus der freien Auskühlung berechnen.
412
22 Regelschaltungen
Bild 22-32 Adaptives Streckenmodell, hier RaumluftModell
Regelparameter lassen sich nach verschiedenen mathematischen Funktionen optimieren. Dies kann im einfachsten Fall die Vorgabe eines kleinen Stellsprungs sein, der über die Wendetangente der Regelgröße nach empirischen Einstellregeln die optimalen Reglerparameter vorgibt. Es kann aber auch die Lösung einer n-dimensionalen Matrix sein, aus der sich n Strecken- und Reglerparameter berechnen lassen.
Bild 22-33 Schematische Darstellung eines adaptiven Reglers
22.10 Komplexe Regelkreissysteme
413
22.10 Komplexe Regelkreissysteme Eine Mischluftklimaanlage ist aufgebaut aus • • • • • • •
Fortluftklappe Luftfilter Mischkasten Ablufttemperaturfühler Abluftfeuchtefühler Erhitzer Frostwächter
• • • • • • •
Mischtemperaturfühler Kühler Zuluftventilator Dampfbefeuchter Abluftventilator Zulufttemperaturfühler Zuluftfeuchtefühler Raumtemperaturfühler
• •
Feuchtebegrenzungsregler (RE4) Frostschutzregler (RE5)
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Feuchte-TemperaturMaximalauswahl Temperatur-FrostschutzMaximalauswahl
Als Regelkreise sind realisiert: • Temperatur-Kaskade (RE1 + RE2) • Abs. Feuchteregler (RE3)
Sonderschaltungen: • • •
Sommerkompensation Enthalpieschaltung Feuchtebegrenzung
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In Bild 22-34 ist die komplexe Regelschaltung gezeichnet.
Bild 22-34 Komplexe Regelschaltung eines Klimasystems
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Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis Mann, H.; Schiffelgen, H.; Froriep, R.: Einführung in die Regelungstechnik. 10. Aufl. München: Fachbuchverlag Hanser, 2005 Reuter, M.; Zacher, S.: Regelungstechnik für Ingenieure, 11. Aufl. Wiesbaden: Vieweg Verlag, 2004 Samal, E.; Becker, W.: Grundriss der praktischen Regelungstechnik, 20. Aufl. München: Oldenbourg Verlag, 2004 Schlitt, H.: Regelungstechnik, 2. Aufl. Würzburg: Vogel Verlag, 1993
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Sachwortverzeichnis 12-Bit-Auflösung 362 63,2%-Wert 170 A Abklingkonstante 225 Abtaster 49, 360 Abtasttheorem, Shannon 361 Abtastung 359 Abtastzeit 49, 360 Adaption von Reglerparametern 411 Adaption von Streckenparametern 411 Aliasing-Fehler 361 Analog-Digital-Umsetzer 360 Analyse, experimentelle 115 Änderungskriterium 345 Anfahrvorgang 254, 401 Anfangsverhalten 299, 313 Anregelzeit 343 Anschwingverhalten 228 Anstiegsfunktion 100, 353 Anstiegsgeschwindigkeit 311 Antriebe, elektrische 138 Antwortfunktion 101, 104 Arbeitspunkt 22, 258, 260 Arbeitspunktwert 22 Asymptote 246 Auflösung 48 Ausgleichszeit 190 Ausregelzeit 342 Ausschaltzeit 351 Automation 3 Automationsebene 4 Automatisieren 3 B Beharrungsverhalten 298, 312 Beharrungswert 167 f. Beharrungszustand 122 Beimischschaltung 391 Berechnung, ausschnittweise 171 Betragsoptimum 344 Betriebskennlinie 152 ff. –, normierte 154 Betriebspunkt 22, 124 Bimetall 351
Bimetallstreifen 351 Block 53, 72 Blockschaltplan 72 Bode-Diagramm 47 C Chien/Hrones/Reswick 338 D D-Algorithmus 374 Dämpfungsgrad 67, 224 Dauerschwingung 336 Dauerschwingungsversuch 337 DDC-Regler 359 Defuzzifizierung 387 Dekrement, logarithmisches 227 Determinante 114 Diagramm, halblogarithmisches 174 Differenzengleichung 367, 371 Differenzenquotient 368 Differenzialgleichung 39 Digital-Analog-Umsetzer 360 Dirac-Funktion 99 Drehzahlregelung 408 Dreikomponentenregelung 404 Dreipunktregler 350 Drosselkennlinie 135 Druckverlust der Rohrleitung 152 Dynamikblock 73 E E-/A-Modul 360 Echtzeit 359 Eigendynamik 41 Einheitsanstieg 100 Einheitsmessumformer 16 Einheitssignal 20 Einheitssprungantwort 97 Einschaltzeit 354 Einspeicher-System 77 Energieaustausch 223 Entladefunktion 169 Entwurfsverfahren 333 Erhitzer-Kühler-Sequenz 410 Ersatztotzeit 181
F Feldebene 4 Festwertregler 255 Fließbild 26 Flussgröße 79 Folgeregelung 399 Folgeregler 255, 405 Formulierung, unscharfe 377 Frequenzbereich 45 Führungsgröße 16 Führungsregler 405 Führungsverhalten 293 Fundamentalgleichung 40 Fundamentalgleichung 115 Fuzzifizierung 378, 382 Fuzzy-Regler 377 Fuzzy-Sets 382 G Gasgleichung 91 Gerätefließbild 26 ff. Geschwindigkeitsalgorithmus 375 f. Gewichtsfunktion 98 Gleichgewicht 241 Gleichstrom 364 Gleichung, charakteristische 41 –, physikalische 81 Glied, aktives 135 Grob-Fein-Regelung 393 Grundfunktionen 6 Grundschaltung 53 Grundzeitverhalten 258 H Halbschwingungen 226 Halbwertzeit 173 Hauptregelkreis 406 Hauptregelung 394 Heizkurve 400 Hilfsenergie 256 –, hydraulische 138 –, pneumatische 137 Hilfsregelgröße 398 Hilfsregelkreis 406 Hilfsstellgrößenregelung 403 Hüllkurve 226 Hysterese 350
416 I I-Algorithmus 372 f. Identifikation 115 Impulsantwort 98 Impulsfunktion 98 Inferenz 386 Instabilität, oszillatorische 334 Integralkriterien 343 Integrierbeiwert 240 ff., 274, 279 Integrier-Kennzahl 246 Integrierverstärkung 295 Integrierzeit 102, 242 I-Regler 273 I-Strecke, Anstieg 240 I-Verhalten 121 –, partielles 121 K KIR-Wert 277 KP-Werte, Multiplikation der einzelnen 127 kV-Kennlinie 142 ff. –, Grundform 142 kVS-Wert 142 Kaskadenregelung 405 Kennbuchstaben 29 Kennkreisfrequenz 224 Kennlinie 122 f. Kennlinienschar 125 Kennwert, kritischer 336 Kennwertbestimmung 115 Kompensation 118 Kompensationsregler 395 Kopplung, elementare 53 Kreisverstärkung 295 Kreisverstärkung, kritische 336 L Ladefunktion 169 langzeitstabil 359 Laplace-Operator 113 Leistungsüberschuss 353 Linearisierung 22, 123 –, mathematische 23 Logik, unscharfe 377 Lösung, homogene 43 –, partikuläre 43 M Managementebene 5 Managementfunktionen 6 Mehrgrößenregelung 388
Sachwortverzeichnis Mehrkomponentenregelung 388 Mengenverhältnisregelung 402 Messaufgabe 16 Messstellenumschalter 359 Messumformer 16 Mittelwert 49 Modell 76 Modell 2. Ordnung 212 Modell 3. Ordnung 204 Modell, parametrisches 115 Modellbildung 73, 77 MSR-Anlagen 26 MSR-Form 297 Multiplikation 58 Multitasking 362 N Nachstellzeit 277 Nadelimpuls 98 Nichtlinearität 22 Normalform 111 O Öffnungskennlinie 141 Ordner 127 Ortkurve 47 P P-Algorithmus 371 f. Parallelschaltung 65 PD-Regler 282 ff. Phasenverschiebung 233 PID-Regler 254, 288 ff. –, Schaltungsvarianten 289 Pol 114 Positionierregelung 409 Prinzip, kybernetisches 7, 36 Proportionalbereich 261 Proportionalverhalten 121 Proportionalwert 122, 258, 261 Prozess 3, 75 Prozessabbild 362 Prozessmodell 77 P-T1-Funktion, Approximation 182 P-T2s-Glied 223 P-Tn-Modell 190 Pumpenkennlinie 153 P-Verhalten 121 Q Quantisierungsfehler 363
R Rampenfunktion 103 Rechnerbus 360 Regelabweichung, bleibende 259 Regelbarkeit 191 Regeldifferenz 16, 257 –, bleibende 261, 357 Regeleinrichtung 15, 255 Regelfaktor 295 Regelfläche 343 –, quadratische 344 –, zeitbeschwerte 344 Regelgüte 340 ff. Regelkreis 17 –, Analyse 294 f. –, einmaschiger 296 –, einschleifiger 388 –, geschlossener 9, 254 –, mehrschleifiger 388 –, Synthese 333 Regelkreisverhalten 293 Regelschaltung, komplexe 413 Regelstrecke 15, 17, 117 –, erweiterte 129 Regelstreckenübersicht 119 Regelung 9 Regelverhalten 347 Regler, adaptiver 411 –, quasistetiger 256 –, unstetiger 348 Reglergleichung 258 Regleroptimierung 345 Reglerparameter, optimale 412 Regressionsgerade 129 Reihenschaltung 63, 133 Rekursionsgleichung 369 Relationsmatrix 386 RI-Fließbild 26 Rohwert 364 Rückführung 348, 351 Rückkopplung 60 S Samal 339 Schaltdifferenz 351 Schaltperiode 353 Schmiegefunktion 234 Schnittmenge 385 Schrittregler 348 Schwankungsbreite 357 Schwerpunktverfahren 387 Schwierigkeitsgrad 190, 208
Sachwortverzeichnis Schwingungsfähigkeit 233 Schwingungsglied 109, 223 Schwingungsperiode 224 Schwingungsverhalten 45, 300, 323 Schwingungsversuch 337 s-Ebene, komplexe 47 Sekante 23, 124 Sequenzregelung 410 Signal 37 –, aperiodisches 38 –, binäres 363 –, diskontinuierliches 37 –, diskretes 37 –, periodisches 38 –, stochastisches 49 Simulation 74 Simulationsprogramm 72 Singleton 380 Skalierung 364 Speicherglied 190 Speicherwirkung 166 Sprungantwort 96 ff. Stabilität 333 f. Stabilitätsrand 336, 340 Stabilitätsreserve 333 Standregelung 391 Stellantrieb 16, 136 f. –, elektro-hydraulischer 138 Stellbereich 138, 257 Stellgerät 16, 136 Stellglied 134, 138 Stellgröße, mittlere 353 Stellimpulsfolge 349 Stellungsalgorithmus 375 Stellverhalten 117 Stellverhältnis 143 f. Steuerung 7 Störgröße 19, 21, 117 Störgrößenaufschaltung 394, 396 Störverhalten 118, 293 Strahlensatz 167 Streuung 49 Strömungsgröße 84 Struktur, einschleifige 293
417 System 75 –, schwingungsfähiges 67 Systemdynamik 75 Systemgrenze 81 Systemmatrix 107 T Tangente 23, 124, 169 Temperaturregelung 390 Testfunktion 95 ff., 298 Testsignal 95 Toleranzband 341 Totzeit 162 Transformation 46 Trapezregel 375 Treppenfunktion 369 U Übergangsfunktion 98 Überschwingen 356 Überschwingweite 226, 342 Übertragungsfunktion 46 Übertragungsverhalten 75 Ursache 54 V Variable, linguistische 382 Ventil, gleichprozentiges 144 Ventilautorität 153 Ventilkennzeichnung 144 Verarbeitungsfunktionen 6 Vereinigungsmenge 385 Verfahren, numerisches 217 Verhalten, integrierendes 120 –, statisches 120 Verhältnisregelung 401 Verlauf, aperiodischer 335 –, s-förmiger 190 Verschwindeimpuls 99, 283, 397 Verzugszeit 190 Vier-Quadranten Methode 126 Vorhaltezeit 285 Vorregelung 393
W WENN ... DANN-Regeln 386 Wendepunkt 190 Wendepunktzeit 198 Wendetangente 181, 190 Wendetangenten-Verfahren 197 ff. Wert, empirischer 338 –, kritischer 339 Wirkung 52, 54 Wirkungsablauf 7 Wirkungslinien 56 Wirkungsplan 73 Wirkungsrichtung 56 Wirkungssinn 57 Wirkungsumkehr 9 Wirkungsweg 15 Z Zeitkonstante 164, 166, 169, 171 Zeitkonstanten, gleich große 192 Zeitkonstantensumme 192, 204, 209, 245 Zeitplanregelung 399 Zeitprozentkennwert 212 Zeitprozentkennwert-Methode 217 Zeitverhalten 37 –, elementares 52 Ziegler/Nichols 337 Zone, tote 350 z-Transformation 369 z-Transformierte 370 Zugehörigkeitsfunktion 378 ff. Zusammenfassungsstellen 57 Zustand, kritischer 335 Zustandsdarstellung 107 Zustandsgleichung 107 Zustandsgröße 79, 84, 106 Zustandsmatrix 110 Zustandsmodell 108 Zustandsregelung 106 Zweipunktregler 350 ff.