Planet der Intrigen
Kristallprinz Atlan auf der Freihandelswelt unter Piraten, Gaunern und Spionen von Ernst Vlcek
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Planet der Intrigen
Kristallprinz Atlan auf der Freihandelswelt unter Piraten, Gaunern und Spionen von Ernst Vlcek
Atlan - Held von Arkon - Nr. 128
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Was bisher geschah Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man das Jahr 10.497 v.A. – eine Zeit, die dem 9. Jahrtausend v.Chr. entspricht, eine Zeit also, da die Erdbewohner in Barbarei und Primitivität verharren und nichts mehr von den Sternen oder dem großen Erbe des untergegangenen Lemuria wissen. Arkon hingegen – obzwar im Krieg gegen die Maahks befindlich – steht in voller Blüte. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III, ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII töten ließ, um selbst die Herr schaft übernehmen zu können. Auch wenn Orbanaschol seine Herrschaft gefestigt hat – einen Mann hat der Imperator von Arkon zu fürchten: Atlan, Sohn Gonozals, den rechtmä ßigen Thronerben und Kristallprinzen des Reiches, der inzwischen zum Mann herangereift ist. Nach der Aktivierung seines Extrahirns hat Atlan den Kampf gegen die Macht Gonozals aufgenommen und strebt den Sturz des Usurpators an. Doch Atlans Möglichkeiten und Mittel sind noch begrenzt. Er muß sich vorerst mit einer Art Guerillatätigkeit zufriedengeben – dies beweist auch sein Einsatz auf der Freihandelswelt Jacinther IV. Sie gilt als PLANET DER INTRIGEN …
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz läßt sich zu einer Freihandelswelt bringen.
Fartuloon, Morvoner Sprangk und Eiskralle - Begleiter des
Kristallprinzen.
Jepson Tropp - Kapitän eines Marktschiffes der Piraten von
Richmonds Schloß.
Prillgram Galbass - Gouverneur auf Jacinther IV.
Orfina - Eine Mätresse des Gouverneurs.
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1.
Als wir uns entschlossen, den seltsamen Vorfällen bei den Grauzayna auf den Grund zu gehen, hatten wir keine Ahnung, daß wir den Abschied ei nes Volkes aus dieser Welt miterleben würden. Das Raumschiff war ziemlich groß; es maß in seiner Gesamtlänge etwa zweihundert Schritt und war halb so breit. Es hatte die Form einer sieben fingrigen Hand, wobei die »Handfläche« der eigentliche Schiffsrumpf war, die »Finger« schienen dagegen die Antriebsdüsen zu sein. Das war aber nur eine Vermutung, denn um Antriebsdüsen im her kömmlichen Sinn handelte es sich bestimmt nicht, weil sich die sieben »Finger« in ständiger Bewegung befanden. Sie wiegten sich wie Halme im Wind oder wie Unterwassergewächse in der Strömung – bewegten sich aber entgegengesetzt den auf sie wirkenden Kräften der Sogmanton-Barrie re, so, als wollten sie sich dem hyperenergetischen Partikelsturm entge genstemmen. Wir legten mit unseren vier Staubeiern an der Hülle des Fingerschiffes an. Jepson Tropp sicherte sich mit einem Seil und stieg dann aus. Er benö tigte nicht lange, um die Schleuse zu knacken. Nachdem er darin ver schwunden war, folgten wir anderen: Fartuloon, Eiskralle, vier Piraten und ich. Als ich mich über das im Mahlstrom schlängelnde Seil zu dem fremden Schiff hinüberhangelte, tat ich das mit besonderer Vorsicht. Schon einmal war ich hilflos in den Hyperstürmen der Sogmanton-Barriere getrieben, und wenn mich Jepson Tropp damals nicht gerettet hätte, wäre ich wohl ir gendwo in den Hyperraum verweht worden; noch einmal wollte ich nicht wieder in eine solche Situation kommen. Endlich erreichte ich die Schiffsschleuse, wo Tropp bereits wartete. Er holte uns einen nach dem anderen herein, und als wir alle versammelt wa ren, schloß er die Außenschleuse. Nach einer Weile öffnete sich die Innen schleuse. Vor uns lag das Reich der Grauzayna. Obwohl die Schiffsbeleuchtung nicht brannte, brauchten wir unsere Helmscheinwerfer nicht einzuschalten. Denn überall im Schiff fanden ständig kleinere Explosionen statt, in deren Folge es zu hellen Leuchter scheinungen kam. »Es muß sich um denselben Vorgang wie bei dem Grauzayna handeln, den wir gefunden haben«, stellte Jepson Tropp fest. »Ich habe dieses Phänomen auch auf der Hülle des Raumschiffs beob achtet«, meldete ein Pirat. Einige andere stimmten zu, daß sie die gleiche Beobachtung gemacht hätten. Mir war auch nicht entgangen, daß auf der
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Schiffshülle ständig kleinere Explosionen stattfanden. »Worum kann es sich dabei handeln, Fartuloon?« fragte ich den Bauch aufschneider. Der zuckte nur die Achseln. »Es ist kalt hier«, ließ sich Eiskralle vernehmen. »So, als ob die Kälte durch den Schutzanzug dringt und man befürchten muß, unter ihrer Ein wirkung zu zerbröckeln.« Eiskralle schüttelte sich demonstrativ. Die Piraten lachten. Sie kannten inzwischen die Ängste des Chretkors. Sein Körper besaß eine kristalline Struktur und war gegen extreme Temperaturunterschiede anfällig. In zu großer Hitze mußte er befürchten, zu zerschmelzen, zu große Käl te konnte seinen Körper erstarren lassen und den kristallinen Metabolis mus zum Zerbröckeln bringen. Mit dieser Angst mußte er ständig leben, und sie war schon beinahe zu einer Hysterie geworden. Aber obwohl er ständig seine Besorgnis äußerte, konnte man nicht sagen, daß er wirklich furchtsam war. »Ich glaube, es ist das erste Mal, daß die Grauzayna Arkoniden erlau ben, ihr Schiff zu betreten«, sagte Jepson Tropp, während er an der Spitze unserer kleinen Gruppe in den zur Schiffsmitte führenden Korridor vor drang. Die seltsamen Leuchterscheinungen begleiteten uns. Die Explosionen hatten nur geringe Sprengkraft, und auch die Detonationen waren verhält nismäßig leise – es war ein verhaltenes Knistern und Knattern und stand in keinem Verhältnis zu der Lichtentwicklung. »Da!« rief Jepson Tropp und deutete nach vorne. Ich sah gerade noch, wie ein Schemen den Korridor überquerte und in einem Seitengang verschwand. »Das war ein Grauzayna!« behauptete ein Pirat. Ich zweifelte nicht, daß er recht hatte, obwohl ich an dem Wesen keine Einzelheiten hatte feststel len können. Aber es war anzunehmen, daß sich außer den Grauzayna keine anderen Lebewesen auf diesem Schiff aufhielten. »Wir sollten ihn verfolgen«, schlug ich vor. Jepson Tropp winkte ab. »Wir werden noch früh genug Kontakt zu den Grauen bekommen«, meinte er leichthin. »Sie können nicht ewig vor uns davonlaufen.« Da ich irgendwie das Gefühl hatte, daß es sich lohnen würde, dem Grauzayna nachzustellen, schlug ich Jepson Tropp vor, daß wir uns tren nen sollten. Er hatte nichts dagegen. »Wenn du schon so scharf darauf bist, die Bekanntschaft eines Grauzay na zu machen, dann nimm du seine Verfolgung auf«, erklärte er lachend. »Ich für meinen Teil bin mehr an den Büchsen der Grauen interessiert.«
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Fartuloon, Eiskralle und ich trennten uns von den Piraten und schlugen uns in die Richtung, in der der Grauzayna geflüchtet war. Je tiefer wir in das Schiff vordrangen, desto häufiger wurden die Explosio nen. Es läßt sich leicht ausrechnen, bis wann die fortschreitende Kettenreak tion zur Vernichtung des Schiffes führt, meldete sich mein Extrasinn. Das beunruhigte mich nicht, denn wenn die augenblickliche Entwick lung gleichblieb, dann hatten wir immer noch Zeit genug, das Schiff recht zeitig zu verlassen. Im Licht der Explosionen sahen wir bald, daß sich das Bild schlagartig veränderte. Überall waren schwere Eisenträger zu sehen, die wie abgenagte Gerippe aufragten. An ihnen befanden sich noch Reste von Wänden und Decken – auch der Boden unter unseren Füßen war löchrig, es schien, als ob die Korrosion das Metall zerfressen hätte. Wir hatten eine gute Sicht bis weit nach vorne, nach unten und nach oben: Wir konnten durch die Lücken in den Metallgerippen sehen, hatten einen Einblick in die über und unter uns liegenden Schiffsdecks. Vor uns tauchte wieder der Schemen auf. Diesmal sah ich Einzelheiten genug, um das Wesen als Grauzayna identifizieren zu können. Ohne mei ne Freunde auf meine Entdeckung aufmerksam zu machen, stürzte ich nach vorne. Der Grauzayna warf mir aus seinen drei Augen einen verwir renden Blick zu, dann wandte er sich zur Flucht. Er hatte die unvermeidliche Büchse umgeschnallt und hielt sie fest in seiner siebenfingrigen Tentakelhand, während er auf seinen sieben Laufze hen des Schlangenbeins davoneilte. Ich hatte gestern zum erstenmal einen Grauzayna erblickt. Die Piraten hatten ihn eingefangen, als er aus der Sogmanton-Barriere getrieben kam, und ihn auf Richmonds Schloß gebracht. Ich hatte vorher überhaupt keine Ahnung von der Existenz dieser Fremdwesen gehabt. Aber Jepson Tropp klärte mich über sie auf. Die Piraten waren vor Jahren zum ersten Mal auf das Fingerschiff ge stoßen. Bei einem Raubzug durch die Sogmanton-Barriere hatten sie es entdeckt, es für eines der vielen Wracks gehalten und es zu plündern ver sucht. Von den etwa zwanzig Staubeiern war nur eines zum Planetoiden der Piraten zurückgekehrt. Der Überlebende hatte berichtet, daß, kaum als sie bei dem Fingerschiff angelegt hatten, ein Wesen mit nur einem Bein und einem Arm in der Luftschleuse erschienen sei, eine Büchse geöffnet hätte, die es umgehängt trug, worauf sich sämtliche Staubeier in Nichts aufgelöst hätten. Der eine Pirat kam nur mit dem Leben davon, weil er sich mit seinem Staubei in si cherer Entfernung aufgehalten hatte.
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Inzwischen wußte man, daß die Grauzayna keine Sauerstoffatmer wa ren. Ihren Namen hatten sie erhalten, weil ihre lederartige Haut von grauer Farbe war und sie nur ein Bein und einen Arm besaßen – »Zayna« war ein Slangausdruck der Piraten und hieß soviel wie Krüppel. Obwohl die Piraten noch weitere Begegnungen mit den Grauzayna ge habt hatten, konnten sie zu ihnen keinen Kontakt finden. Und so woben sich Legenden um diese Wesen und ihre Büchsen, denen man übernatürli che Kräfte zuschrieb. Es ging sogar das Gerücht, daß einmal ein Pirat eine dieser Büchsen erbeutet hatte und dadurch telepathische Fähigkeiten er langte. Damit war kein anderer als der augenblickliche Piratenführer Han wigurt Sheeron gemeint, der tatsächlich ein Telepath war. Ob er seine Fä higkeit aber von einer Grauzayna-Büchse erhalten hatte, wagte ich zu be zweifeln. Als nun gestern ein Grauzayna aus der Sogmanton-Barriere getrieben wurde, herrschte ziemliche Aufregung in Richmonds Schloß. Sie war nicht einmal unberechtigt, denn der Graue wies einige seltsame Besonderheiten auf. Er war klinisch tot, und auf seinem wie mumifiziert wirkenden Körper fanden ständig kleinere Explosionen statt; es war eine unaufhaltsame Ket tenreaktion. Abgesehen davon, daß ständig Atomgruppen seines Körpers explodierten, war sein Metabolismus jedoch unbeschadet, was bedeutete, daß sich weder das Vakuum des Weltraums schädlich auf ihn ausgewirkt hatte, noch daß es Spuren der Hyperstrahlung an ihm gab. In Richmonds Schloß war man überzeugt, daß auf dem Schiff der Grau en eine Seuche ausgebrochen sei, oder daß sie auf irgendeine andere Art und Weise dahingerafft wurden: Die Piraten dachten sofort an die Erbeu tung der nun verwaisten Büchsen, doch waren sie sich darin einig, mit der Plünderung des Fingerschiffes noch zu warten, bis sie sicher sein konnten, daß es dort keine Überlebenden mehr gab. Ihr Respekt vor den Grauzayna war beachtlich! Ich dachte keineswegs an Beute, als ich mich impulsiv entschloß, das Fingerschiff aufzusuchen, sondern dachte eher daran, daß man den Grauen durch ein schnelles Eingreifen vielleicht helfen konnte. Deshalb erbat ich von Sheeron die Erlaubnis zu dieser Expedition. Nach einigem Zögern schloß sich uns Jepson Tropp mit vier Piraten an, und wir starteten in vier Staubeiern. Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, als ich die Verfolgung des Grauzayna aufnahm. Sei vorsichtig, damit du nicht in eine Falle gelockt wirst] warnte mich mein Extrasinn. Ich hatte meinen Strahler entsichert und war bereit, beim geringsten An zeichen einer Gefahr zu schießen. Fartuloon und Eiskralle folgten mir. Der
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kleinwüchsige und schlanke Chretkor konnte leicht mit mir Schritt halten, aber Fartuloon fiel immer mehr zurück, weil die Lücken in dem Metallge rippe zumeist klein waren und er darauf achten mußte, daß er sich den Raumanzug nicht an einer der scharfen Bruchstellen aufriß. Es schien so, als hätte ich den Grauzayna in die Enge getrieben. Denn er blieb plötzlich stehen und hob seine Büchse in die Höhe. Vorsicht] warnte mein Extrasinn. Aber ich achtete nicht darauf, weil ich nicht an die übernatürliche Kraft der Grauzayna-Büchsen glaubte. Deshalb unternahm ich auch nichts, als der Graue den unterarmlangen Zylinder nach mir warf. Ich sah wie gebannt auf das seltsame Geschoß, das auf mich zuschweb te. »Diese Kälte!« hörte ich Eiskralles Entsetzensschrei in meinen Kopfhö rern. Dann versank die Umwelt um mich, und ich hatte nur noch Augen für das seltsame Energiegebilde, das der Büchse entwich. Es konnte keinen Zweifel darüber geben, daß es sich um einen der ge fürchteten Gantries handelte, jenen fremdartigen Energiewesen aus dem Hyperraum.
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2.
Eiskralle war schreiend geflüchtet. Ich war allein mit dem Grauzayna. Zwischen uns tanzte flimmernd der Gantrie. Seltsamerweise fürchtete ich das Energiewesen überhaupt nicht, obwohl ich schon mit eigenen Augen gesehen hatte, wie Gantries ganze Staubeier mit ihren Besatzungen durch Strukturrisse in den Hyperraum entführt hat ten. Ich unternahm nicht einmal den Versuch einer Gegenwehr, als das Energiewesen mich umflirrte. Sei ganz ruhig, das ist das Beste, was du in dieser Situation tun kannst, riet mir mein Extrasinn. Du könntest mit deiner Waffe nichts ausrichten und würdest den Grauen nur verscheuchen. Ist dir aufgefallen, daß die Kettenreaktion bei ihm bereits in ein fortgeschrittenes Stadium getreten ist? Natürlich war es mir aufgefallen, daß überall an seinem Körper ständig Explosionen stattfanden. »Ich bin in friedlicher Absicht gekommen«, sagte ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob der Grauzayna Arkonidisch verstand. Aber ich hoffte, daß er am Klang meiner Stimme meine Gefühle einigermaßen richtig er kennen konnte – sofern der Außenlautsprecher meine Stimme nicht zu sehr verzerrte. Der Gantrie umschwärmte mich immer noch. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß dieses Energiewesen jene Kälte ausgestrahlt hatte, vor der Eiskralle in heller Panik geflüchtet war. Mir bereitete die Anwesenheit des Gantries dagegen kein Unbehagen. Das ließ mich vermuten, daß der Grauzayna womöglich den Kontakt mit mir suchte. Hätte er sich wirklich in die Enge getrieben gefühlt, so hätte er dem Gantrie wahrscheinlich auf getragen, mich zu vernichten. Daß es zwischen diesen so verschiedenartigen Wesen so etwas wie eine Symbiose gab, daran zweifelte ich jetzt nicht mehr. »Ihr habt unsere Botschaft vernommen«, hörte ich in diesem Augen blick den Grauzayna sagen, doch kam seine Stimme nicht durch die Kopf hörer, sondern ich empfing sie mit meinem Geist. »Warum sind nur so we nige unserem Ruf gefolgt?« Ich war irritiert – weniger durch die Tatsache, daß ich von einem Grauzayna telepathisch angesprochen wurde, sondern durch den Inhalt sei ner Worte. »Wir haben keine Botschaft empfangen«, erwiderte ich, nachdem ich meine Fassung wiedergewonnen hatte. »Wir hatten nicht einmal eine Ah nung, daß ihr nach uns gerufen habt. Wenn wir euren Ruf vernommen hät
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ten, wären wir bestimmt in größerer Zahl gekommen, um euch zu helfen.« Jetzt staunte der Grauzayna. »Nicht ihr solltet uns Hilfe bringen, sondern wir wollten euch helfen, die Hürde zu einer besseren Existenz zu nehmen«, sagte er. »Wie konnte es nur möglich sein, daß unser Verkünder die Botschaft nicht überbrach te?« Er meint jenen Grauzayna, den die Piraten tot aus der Sogmanton-Barrie re gefischt haben, erklärte mir mein Extrasinn. »Euer Bote hat uns erreicht«, erklärte ich. »Doch er konnte uns die Mel dung nicht mehr überbringen, denn er war längst tot, als wir ihn fanden.« »Er war nicht tot«, behauptete der Grauzayna, »er hatte nur die meta physische Metamorphose abgeschlossen und befand sich im neuen Da seinszustand. Sein Körper war noch hier, doch sein Geist befindet sich be reits in der neuen Welt. Bevor er seinen Körper nachholen wollte, erbot er sich, euch die Botschaft zu überbringen. Die Botschaft war in seinem Talama gespeichert.« Mit dem Talama kann er nur die Büchse meinen, die jeder Grauzayna mit sich trägt, zog mein Extrasinn den Schluß. Ich entsann mich daran, daß der Grauzayna seine Büchse bei sich ge habt hatte, aber … »Das Talama des Boten war geöffnet, als wir ihn fanden«, erklärte ich. »Es enthielt überhaupt nichts – es war leer.« »Das ist schade«, meinte der Grauzayna. »Der Ruf wäre zwingend für euch gewesen. Ihr hättet ihm nachkommen müssen und wäret uns in eine andere Existenz gefolgt.« Ich erschauerte unwillkürlich. Aus den Worten des Grauzayna ging her vor, daß die sogenannte Botschaft in Wirklichkeit ein hypnosuggestiver Befehl gewesen war, dem sich keiner in Richmonds Schloß hätte entzie hen können. Es war ein glücklicher Zufall, daß sich die Büchse des Boten während seiner Reise durch die Sogmanton-Barriere geöffnet hatte. Ich stellte mir wieder schaudernd vor, daß die 10.000 Piraten dem Grauzayna wie eine willenlose Herde gefolgt wären … Wohin denn ei gentlich? In den Hyperraum!, gab mir mein Extrasinn die Antwort. Es deutet alles darauf hin, daß die Grauzayna auf einer anderen Existenzebene in eine neue Daseinsform flüchten. Das haben sie bestimmt den Gantries zu ver danken. »Wir wußten von all dem nichts«, sagte ich unbehaglich. »Als wir den Toten fanden, dessen Körper unter einer unheimlichen Kettenreaktion der Vernichtung zustrebte, machten wir uns auf den Weg, um euch zu helfen. Nun sehen wir, daß ihr alle von der unheimlichen Macht bedroht seid.« »Wir werden nicht bedroht«, erwiderte der Grauzayna. »Wir haben die
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Metamorphose bewußt herbeigeführt, weil wir die Sinnlosigkeit unserer erbärmlichen Existenz eingesehen haben. Die wahre Erfüllung können wir nur in der Daseinsform finden, die uns der Hyperraum bietet. Die Gan tries, wie ihr die Bewohner des Hyperraums nennt, sind unsere treuen Die ner auf dem Weg zu einem neuen Leben. Wir haben lange vergebens nach der Erfüllung gesucht – hier haben wir sie endlich gefunden. Wir waren nie für das Leben in diesem Universum geschaffen. Wir konnten uns das Universum nicht Untertan machen und uns auch nicht sei nen Gesetzen unterwerfen. Deshalb benötigten wir die Talama – sie stell ten für uns eine Art Krücke dar, auf die wir uns stützen konnten. Jetzt brauchen wir sie nicht mehr, denn die neue Daseinsform bietet uns all das, was wir auf unserer Suche nach dem wahren Leben nicht fanden. Es ist schade, daß nicht alle von euch unserem Ruf gefolgt sind. Aber es tröstet mich, daß wir wenigstens einige an unserer Erfüllung teilhaben las sen können. Ihr dürft uns in den Hyperraum folgen.« »Nein!« entfuhr es mir entsetzt. »Wir … wir sind für eine solche Da seinsform noch nicht reif genug. Wir sind noch zu sehr an unsere Körper gebunden …« »Ihr braucht eure Körper so wenig aufzugeben wie wir«, sagte der Grauzayna. »Was du als eine tödliche Kettenreaktion bezeichnest, ist in Wirklichkeit eine Metamorphose. Unsere Körper wandeln sich, passen sich den Gesetzen des Hyperraums an – und sie werden vollwertige Be standteile der anderen Existenzebene, wenn wir durch das Tor der Dimen sionen gleiten. Es ist bald soweit – ihr werdet uns dankbar dafür sein, daß wir euch mitgenommen haben.« »Vielleicht – aber soweit wollen wir es nicht kommen lassen«, sagte ich schnell, in der Hoffnung, den Grauzayna vielleicht doch noch umstimmen zu können. »Wir sind noch nicht auf jener geistigen Höhe, daß wir uns mit reiner Lebensphilosophie begnügen können. Nicht die Abstraktion des Le bens streben wir an, sondern die Lösung der realen Probleme dieser Da seinsform. Wir müssen erst die Gesetze dieses Universums erforschen und sie dann zu meistern versuchen. Zum Gegensatz von euch haben wir noch lange nicht alle Geheimnisse enträtselt.« »Ich verstehe dich«, sagte der Grauzayna. »Es ist wohl so, daß ihr ein fach Jahrtausende eurer Evolution nicht einfach überspringen könnt. Ich verstehe, daß du Angst hast, etwas zu verlieren, wenn du uns folgst. Das ist der Grund, warum du hierbleiben möchtest.« »Jawohl«, sagte ich und fügte schnell hinzu: »Alle meine Artgenossen denken so wie ich.« »Dann wird es Zeit, daß ihr dieses Schiff verlaßt, denn wir nehmen es mit zur anderen Existenzebene«, erklärte der Grauzayna. »Wenn ihr nicht rechtzeitig von Bord geht, dann gibt es kein Zurück mehr für euch. Halt!
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Bevor du gehst, möchte ich doch noch versuchen, euch zu helfen. Willst du ein Geschenk von mir annehmen?« »Jedes – nur nicht das Geschenk eines Lebens in einer anderen Dimen sion«, antwortete ich. »Ich möchte dir das Erbe meines Volkes übergeben«, sagte der Graue. »Da wir in unserem neuen Dasein keine Krücken mehr brauchen, möchte ich unsere Talama deinem Volk überlassen. Jedes Talama hat einen ande ren Inhalt, der nicht für jeden segensreich ist. Ich überlasse es dir, die Talama unter deinen Artgenossen zu verteilen. Sie mögen euch viele neue Erkenntnisse bringen und euch auf eurem langen und beschwerlichen Weg zu den endgültigen Erkenntnissen eine Hilfe sein!« Ich hatte die anderen über Sprechfunk herbeigerufen. Fartuloon und Eis kralle waren als erste eingetroffen. Die beiden zeigten sich wenig beein druckt. Aber als die Piraten den Berg von Grauzayna-Büchsen sahen, starrten sie darauf, als handle es sich um einen Milliardenschatz. Und aus ihren Kommentaren hörte ich auch heraus, daß sie sich von dem Verkauf der Talama einen entsprechend hohen Erlös erhofften. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, sagte ich: »Der Graue hat die Büchsen mir ausgehändigt. Er setzte mich sozusa gen als Verwalter seines Erbes ein. Also werde auch ich allein bestimmen, was mit den Büchsen zu geschehen hat.« »Wir haben es immer so gehalten, die Beute untereinander gerecht zu teilen«, meinte Jepson Tropp. »Der Graue hätte genausogut einen von uns als Vertrauten wählen können.« »Dessen bin ich gar nicht sicher«, erwiderte ich. »Aber darüber können wir uns später unterhalten. Jetzt müssen wir machen, daß wir von Bord kommen, bevor das Fingerschiff in den Hyperraum stürzt!« »Was sagst du da?« »Du hast schon richtig verstanden, Jepson«, sagte ich. »Der Graue ver riet mir, daß er zusammen mit seinen Artgenossen mit Hilfe der Gantries im Hyperraum eine neue Daseinsgrundlage finden will. Er hat uns sogar eingeladen, ihn zu begleiten.« Die Piraten rafften so viele Talama an sich, wie sie in den Taschen und an den Gürteln ihrer Raumanzüge unterbringen konnten. Insgesamt han delte es sich um dreiunddreißig Büchsen. Nachdem wir sie verstaut hatten, machten wir uns auf den Rückweg. Die Leuchterscheinungen wurden immer häufiger, die Explosionen im mer stärker. Wir wurden nachhaltig daran erinnert, daß sich das Schiff im mer schneller der Grenze zum Hyperraum näherte. Wir erreichten die Schleuse, und einer der Piraten zerschmolz das Schloß des Innenschotts einfach mit einem Energiestrahl. Ich hoffte, daß die Metamorphose der Grauzayna schon so weit fortgeschritten war, daß
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sie keinen Schaden mehr erleiden konnten, wenn die Atmosphäre aus ih rem Schiff entwich. Unsere vier Staubeier hingen noch immer in ihrer Magnetverankerung an der Schiffshülle. Sie wurden von Energieblitzen umzuckt, der Mahl strom zerrte an ihnen. Wir hangelten uns am Seil zu den Flugeiern und verschwanden schleu nigst einer nach dem anderen durch die Schotte. Durch die transparente Panzerscheibe sah ich, wie die anderen Staubeier vom Fingerschiff abstie ßen, auf dessen Hülle nun ein wahres Stakkato von Explosionen ablief. Jepson Tropp, mit dem ich ein Staubei teilte, nahm im Pilotensitz Platz und löste die Verankerung. Sofort wurden wir von einem Wirbel erfaßt und davongeschleudert. Hinter uns verschwand das Fingerschiff im dich ten Partikelsturm. Bevor ich das Schiff der Grauzayna ganz aus den Augen verlor, sah ich den Strukturriß im Raum-Zeit-Gefüge, der das Tor zum Hyperraum dar stellte. Darauf trieb das Fingerschiff zu. Wenig später zuckte ein gewalti ger Blitz auf. Die im Mahlstrom treibenden Partikel glühten auf, entfachten einen hy perenergetischen Sturm, der so heftig war, daß die Sicherungen des Stau beis beinahe durchgeschlagen wurden. Die Drift schüttelte uns durch und trug uns mit unglaublicher Geschwindigkeit aus dem Zentrum der Sog manton-Barriere. »Das ist gerade noch gutgegangen«, stellte Jepson Tropp erleichtert fest, als wir die Randzonen des unheimlichen Glühens erreicht hatten und in ein verhältnismäßig ruhiges Gebiet der Sogmanton-Barriere kamen. Ich warf ihm von der Seite einen Blick zu. »Bist du eingeschnappt?«, fragte ich ihn. Er gab keine Antwort, sondern tat, als müsse er sich auf die Armaturen des Staubeis konzentrieren. Nach einer Pause fuhr ich fort: »Ich habe mir alles noch einmal überlegt. Als mir der Graue die Büch sen übergab, knüpfte er keine Bedingungen daran. Er sagte, daß ich die Talama unter meinen Artgenossen verteilen solle und meinte, daß der In halt der Büchsen auf jeden eine andere Wirkung haben würde. Er wies auch darauf hin, daß es nicht für jeden ein Segen sein werde, ein Talama zu besitzen …« »Worauf willst du hinaus?« fragte Jepson Tropp unwirsch. »Ich habe es schon angedeutet. Der Graue will, daß ich die Büchsen verteile. Aber er sagte nichts davon, daß ich daran nichts verdienen dürfe.« Jetzt grinste Jepson Tropp. Er war versöhnt. »Das ist die richtige Einstellung, Atlan. Ich werde die Büchsen auf mei ne Handelsreise mitnehmen. Ich bin sicher, daß sie mir auf Jacinther IV förmlich aus den Händen gerissen werden …«
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Er unterbrach sich abrupt, so, als hätte er schon zuviel verraten. »So«, sagte ich; jetzt war die Reihe an mir, eingeschnappt zu sein. »Das Gerücht, das seit Tagen durch Richmonds Schloß kursiert, stimmt also. Ein Schiff soll mit Beutegütern beladen werden und einen Freihandelspla neten anfliegen. Es ist mir allerdings ganz neu, daß du der Kommandant sein wirst.« »Ja, ich habe das Kommando bekommen«, sagte Jepson Tropp gepreßt. »Es handelt sich um die GROVEMOOS. Wir werden Jacinther IV anflie gen und den Plunder dort verhökern. Ich starte schon morgen.« »Warum hast du es mir bisher verschwiegen?« Er blickte mich an und sagte ernst: »Wir sind Freunde, Atlan, in Ordnung. Aber ich habe mich bisher be müht, das Geschäftliche vom Privaten zu trennen. Du bist kein Pirat und wirst nie einer sein. Ich dagegen bin es, eigne mich aber überhaupt nicht für die Politik. Das sind die Grenzen, die unserer Freundschaft gesetzt sind. Sheeron verlangte die Geheimhaltung über meinen Auftrag, also gab es keinen Grund für mich, dich zu informieren. Ich verlange auch nicht, daß du mich über deine nächsten Schritte im Kampf gegen Orbanaschol aufklärst.« Ich akzeptierte seine Einstellung, und mir wurde jetzt erst bewußt, daß ich bisher eigentlich noch gar nicht auf die Idee gekommen war, ihn für meine Pläne zu gewinnen. »Geschäft bleibt eben Geschäft«, stimmte ich zu und grinste. »Deshalb werde ich den Verkauf meiner Grauzayna-Büchsen selbst übernehmen.« »Was soll denn das schon wieder?« wunderte er sich. »Nichts weiter, als daß ich dich nach Jacinther IV begleiten und meine Ware selbst an den Mann zu bringen versuchen werde.« »Du bist übergeschnappt«, sagte er. »Jacinther IV ist ein Tummelplatz des arkonidischen Hofadels. Du würdest dich in größte Gefahr begeben.« »Das gerade reizt mich daran.« »Du mußt vorerst einmal Sheerons Genehmigung einholen. Ich be zweifle, daß er sie dir geben wird.« »Das wird sich noch herausstellen. Ich werde gleich nach unserer Rück kehr in Richmonds Schloß bei ihm vorsprechen.«
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3.
Der gigantische Kugelraumer schwebte nahe der Breitseite von Rich monds Schloß und wurde von den Piraten gerade mit Gütern verschieden ster Art beladen. Richmonds Schloß war ein gewaltiger Asteroid von unregelmäßiger Form. Doch war auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen, daß es sich um einen Himmelskörper handelte. Die Piraten hatten im Verlauf der Jahrzehnte unzählige Raumschiffe, Raumschiffteile und gut erhaltene Wracks auf der Oberfläche des Asteroi den verankert und darauf bündelweise weitere Wracks und Raumschifftei le aufmontiert und aneinandergeschweißt, bis von dem Himmelskörper kaum noch etwas zu sehen war. So war dieses phantastische Gebilde entstanden, in dem die 10.000 Pira ten lebten und das sie Richmonds Schloß nannten. Die Welt innerhalb von Richmonds Schloß war aber noch phantastischer als der äußere Anblick. So war »oben« und »unten« nicht generell festgesetzt. Wenn man von einem Schiffsteil in einen anderen kam, wurde der Boden manchmal zur Decke und umgekehrt, oder aber die Anziehungskraft war von den Wän den wirksam. Zu den chaotischen Umweltbedingungen kamen noch die Eigenheiten der Piraten. Ihr oberster Führer war zwar Hanwigurt Sheeron, aber sie hat ten sich in unzählige Gruppen aufgesplittert, die sich untereinander befeh deten. Einig waren sie sich eigentlich nur, wenn Gegner von außen ihre Exi stenz bedrohten – oder wenn ein Schiff mit der Beute zu einem der Frei handelsplaneten geschickt wurde. Die Besatzung solcher Handelsschiffe wurde in der Regel von all jenen Gruppen gestellt, von denen sich Beute an Bord des Schiffes befand. Selt samerweise vergaßen dann die Piraten ihre Händel, und die »gemischte« Mannschaft hielt eisern zusammen. Auch beim Verladen der Beute ging es ohne größere Reibereien zu. Zwar versuchten manche Gruppen, ihre Ware besser unterzubringen, oder mehr Laderaum zu ergattern als eine der rivalisierenden Gruppen, aber es gab dabei kaum größere Auseinandersetzungen. Es genügte immer, daß Hanwigurt Sheeron ein Machtwort sprach, um einen Streit zu schlichten. Alle Ladeluken der GROVEMOOS waren geöffnet. Die Piraten brach ten die Waren in Staubeiern heran, oder auf Transportscheiben – größere Güter wurden auch mittels Leit- und Tranktorstrahlen verladen. Jepson Tropp steuerte das Staubei in einen Hangar. Nachdem auch die anderen eingetroffen wären, suchten wir einen von Sheerons Tresoren auf
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und verstauten dort die Talama. Es hätte sich schnell herumgesprochen, welche Beute wir gemacht hat ten, und so war es kein Wunder, daß die Piraten aus den entferntesten »Nestern« herbeiströmten, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeu gen, was an den Gerüchten Wahres war. Ich zog mich mit Fartuloon und Eiskralle in unsere Unterkunft zurück, wo wir bereits von Morvoner Sprangk erwartet wurden. Er war zurückge blieben, um sich um Farnathia zu kümmern. »Ist es wahr?« fragte er. »Ihr habt den Grauzayna ihre Büchsen abjagen können?« »Sie haben sie uns freiwillig überlassen«, erklärte ich und erzählte ihm von meinem Erlebnis. Abschließend fügte ich hinzu: »Ich glaube, die Talama sind gar kein so großer Segen für ihre Besitzer, sondern schaden ihnen höchstens. Das zumindest glaubte ich den Worten des Grauen zu entnehmen. Deshalb werden wir sie als Waffe einsetzen.« »Wie hast du dir das vorgestellt. Atlan?« fragte Fartuloon stirnrunzelnd. »Du weißt nicht einmal, welchen Inhalt die Büchsen haben, also kennst du auch nicht ihre Wirkung.« »Es genügt, wenn die Talama Verwirrung schaffen«, erwiderte ich. Ich blickte Fartuloon an und fragte dann unverwandt: »Kennst du den Freihan delsplaneten Jacinther IV?« Der Bauchaufschneider lachte. »Und ob.« »Erzähle mir einiges darüber«, verlangte ich. »Es ist schon einige Zeit her, daß ich selbst auf Jacinther IV war«, be gann er. »Aber den Erzählungen anderer nach zu schließen, hat sich seit damals nichts geändert. Jacinther IV ist eine von jenen Welten, die von der arkonidischen Regierung traditionsgemäß für Geschäfte aller Art freige halten werden. Jacinther IV unterscheidet sich aber doch von anderen Freihandelswel ten. Das ist vor allem dem alten Fertomash Agmon, dem Beauftragten des Imperiums, zuzuschreiben, der es verstand, den arkonidischen Adel nach Jacinther IV zu locken. Es gehört schon fast zum guten Ton, daß die Ade ligen und Reichen von Arkon regelmäßig nach Jacinther IV fliegen, um dort ihren Bedarf an ausgefallenen Dingen zu decken. Kurz, Jacinther IV ist der Einkaufsplanet der arkonidischen Snobs.« »Das wollte ich hören«, rief ich begeistert, als Fartuloon geendet hatte. »Jacinther IV ist genau der richtige Ort, um einen Schlag gegen Orbana schol und dessen Clique zu führen. Diese Chance möchte ich mir nicht nehmen lassen.« Ich fügte noch hinzu, daß die GROVEMOOS am nächsten Tag zu die ser Freihandelswelt starten würde.
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»Das wäre in der Tat eine günstige Gelegenheit für uns, die Lage im Imperium zu sondieren und unsere Möglichkeiten für einen Konterschlag zu erwägen«, stimmte Fartuloon nachdenklich zu. »Aber selbst wenn wir unter der Flagge der Piraten fliegen, ist es ein nicht ungefährliches Unter nehmen. Fertomash Agmon ist ein treuer Anhänger Orbanaschols.« »Um so besser«, sagte ich. »Dann wissen wir bereits, wo wir zuschla gen könnten. Vielleicht machen wir Agmon sogar ein Talama zum Ge schenk. Aber von der Wirkung der Grauzayna-Büchsen verspreche ich mir gar nicht soviel. Sie sollen bloß der Vorwand für unsere Reise nach Jacin ther IV sein. Ich hole nur noch Sheerons Segen ein, dann kann es losge hen.« Wenig später befand ich mich auf dem Weg zum Piratenführer. Hanwigurt Sheeron war um mehr als einen Kopf kleiner als ich. Er war ein fetter kahlköpfiger Zwerg, der ständig schwitzte und stöhnte – er war herrschsüchtig, eitel und arrogant. Er war sich seiner Macht als Telepath überaus bewußt und gab sich auch entsprechend selbstherrlich. Aber in meiner Gegenwart zeigte er Un sicherheit, denn es kränkte ihn in seiner Eitelkeit, daß er meine Gedanken nicht lesen konnte. »Warum kommst du zu mir, Atlan?« fragte er barsch. Ich lächelte. »Hast du es noch nicht aus den Gedanken von Jepson Tropp erfahren?« »Ich möchte es von dir hören.« »Wie du willst, Sheeron. Ich möchte dich bitten, mich und meine Ge fährten mit dem GROVEMOOS nach Jacinther IV fliegen zu lassen.« »Warum?« »Sagen wir, um uns die Zeit bis zu Farnathias Genesung zu vertreiben«, antwortete ich ausweichend. »Warum versuchst du, mir deine wahren Absichten zu verbergen?« pol terte er los. »Glaubst du, ich weiß nicht, daß du nur nach Jacinther willst, um dort herumschnüffeln zu können?« »Obwohl es nicht ganz so ist, will ich dir nicht widersprechen, Shee ron«, meinte ich leicht amüsiert. »Gibst du uns die Erlaubnis, an dem Flug teilzunehmen?« »Hm«, machte er überlegend. »Kannst du mir garantieren, daß du nichts unternehmen wirst, was mein Schiff und meine Leute gefährden könnte?« »Ich lasse Farnathia in Richmonds Schloß zurück«, erwiderte ich. »Das sollte Garantie genug sein. Aber ich will mich auch erkenntlich zeigen. Jepson war davon überzeugt, daß die Grauzayna-Büchsen einen hohen Ge winn bringen würden, und er muß es ja wissen …« »Ja?« fragte Sheeron lauernd, als ich eine Pause machte. »Der gesamte Erlös aus den Büchsen soll dir gehören«, eröffnete ich
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ihm dann. »Es sei denn, ich müßte mit den anderen teilen.« »Das ist absurd«, behauptete er. »Der Graue hat die Büchsen dir anver traut, also kannst du darüber frei verfügen. Hoffentlich erweist du dich als Geschäftsmann so tüchtig wie als Verhandlungspartner. Ich werde veran lassen, daß auf GROVEMOOS vier Plätze für euch freigehalten werden. Aber denke daran, nichts zu unternehmen, was meine Leute gefährden kann.« »Danke, Sheeron«, sagte ich. »Wußte ich doch, daß du froh sein wür dest, uns für einige Zeit loszuwerden.« »Verschwinde mir endlich aus den Augen«, rief er ärgerlich. »Ich kann es nicht ertragen, daß mir meine Gesprächspartner ihre Gedanken vorent halten.« Vor dem Start suchte ich noch einmal Farnathia auf. Sie war noch immer schwach und wirkte kränklich. Aber die Deforma tionen waren so weit zurückgegangen, daß sie annähernd ihr früheres Aus sehen zurückerhalten hatte. Ich war überzeugt, daß sie nach Abschluß des Genesungsprozesses wieder so schön wie früher sein würde. Wer gesehen hatte, was der Parasit aus ihr gemacht hatte, hätte es nie für möglich gehalten, daß sie jemals wieder zu einem normalen Menschen werden würde. »Du willst mich verlassen, Atlan?« sagte sie. Ich wollte nach ihrer Hand greifen, doch sie verbarg sie unter der Bett decke. Als ich sie von dort hervorholte, sah ich, warum Farnathia die Hand vor mir versteckte: Die Finger wiesen an den Gelenken Beulen auf, die Haut war rauh und faltig. Ich drückte meine Lippen darauf. »Ich bleibe nicht lange fort, Farnathia«, versprach ich. »Wenn du willst, dann gehe ich überhaupt nicht …« »Nein, das will ich nicht«, sagte sie leise. »Handle so, wie du es tun mußt. Was hast du vor, Atlan? Nein, sage es mir nicht. Nur – versprich mir, daß du vorsichtig sein wirst.« »Ich werde bald zurück sein«, erklärte ich. »Bis dahin bist auch du ge nesen, und wir können nach Kraumon zurückkehren. Dann wird alles an ders werden.« Sie schloß die Augen und lehnte sich zurück. »Geh jetzt bitte, Atlan«, bat sie. »Je länger du bei mir bist, desto schwe rer fällt mir der Abschied. Geh – und kehre wohlbehalten wieder zurück.« Ich hauchte ihr einen Kuß auf die geschwollenen Lippen, dann wandte ich mich ab. »Vier Glück, Atlan!« Ich weiß nicht, ob sie die Worte sprach, oder ob ich es mir nur eingebil det hatte. Als ich mich noch einmal nach ihr umdrehte, lag sie so ruhig
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und entspannt da, als sei sie eingeschlafen.
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4.
Als wir vier die Messe betraten, veränderte sich die Stimmung unter den Piraten fast schlagartig. Die angeregten Unterhaltungen versandeten, Be merkungen wurden laut, die sich gegen uns richteten. Ich tat so, als merke ich das alles nicht und bahnte mir einen Weg durch die Tischreihen zu einem freien Platz im Hintergrund. Am Nebentisch er blickte ich Jepson Tropp mit dreien seiner Offiziere. Ich kam nicht weit. Ein bulliger Kerl mit kahlem Schädel und einem Rotbart verstellte mir den Weg. Er hatte ein brutales Gesicht und schmale, geschlitzte Augen. »Was habt ihr hier zu suchen?« fragte er herausfordernd. »Schert euch zur gemeinen Mannschaft!« Ich erwiderte seinen Blick eiskalt, bis er die Augen senkte. Aber er gab den Weg nicht frei. Ich sah, wie seine Linke in Reichweite des Vibrator messers wanderte. Da schob sich Eiskralle an mir vorbei und packte das Handgelenk des Rotbarts. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er die Kälte spürte, die von dem Chretkor ausging, seine Lippen zitterten vor unterdrücktem Schmerz und vor Wut. »Laß ihn los, Eiskralle«, befahl ich dem Chretkor. »Wir wollen nicht, daß er sich Erfrierungen holt.« Eiskralle tat, wie ich ihm geheißen hatte, und der Pirat zog sich auf sei nen Platz zurück, sich das unterkühlte Handgelenk massierend. Wenn Eis kralle gewollt hätte, dann hätte er den Piraten zu Eis erstarren lassen kön nen. Wir erreichten ohne weiteren Zwischenfall den freien Tisch und ließen uns nieder. Jepson Tropp saß so, daß er mir den Rücken zukehrte. »Du hast mit der GROVEMOOS eine gute Landung hingelegt«, sagte ich zum Rücken des Kommandanten. Jepson Tropp knurrte nur irgend et was Unverständliches. Ich fragte geradeheraus: »Kannst du mir nicht mehr in die Augen blicken?« Da erst wandte er sich umständlich um, starrte mich mit ausdruckslosem Gesicht an und sagte sarkastisch: »Danke für dein Lob, Atlan. Ich weiß es zu schätzen.« Er hatte mir schon wieder den Rücken zugekehrt, als ich ihn fragte: »Wann, glaubst du, werden wir das Schiff verlassen und die Ware auf den Markt bringen können?« Er zuckte nur die Achseln. Fartuloon stieß mich an und gab mir durch ein Kopfschütteln zu verstehen, daß ich Jepson in Ruhe lassen sollte. Aber das wollte ich nicht. Es behagte mir nicht, daß ich von Jepson auf diese
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Weise abgekanzelt wurde; er sollte wenigstens Farbe bekennen. Er hatte sich schon während des Fluges kühl und reserviert verhalten; kaum daß ich ihn zu Gesicht bekommen hatte. Während und auch nach der geglückten Landung auf dem Südkontinent von Jacinther IV war es uns untersagt gewesen, unsere Kabinen zu verlassen. Draußen fegte ein Orkan über den Raumhafen von Broschaan, wie der kleine Südkontinent hieß, und machte es unmöglich, die Ladung zu lö schen. Aber das war kein Grund für mich, untätig zu bleiben. Ich ertrug es nicht, in der Kabine eingesperrt zu sein, und so hatte ich, zusammen mit meinen Kameraden, den Kommandanten aufgesucht. Jacinther IV war bekannt für seine widrigen Witterungsverhältnisse, Or kane wie dieser waren keine Seltenheit. Das Wetter konnte aber innerhalb einer halben Stunde ins andere Extrem umschlagen, und dann brannte die Sonne heiß und stechend vom Himmel. Manchmal hielten die Gewitter aber auch tagelang an. Solange wollte ich aber keinesfalls ausharren. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Jepson«, sagte ich zu sei nem Rücken. »Hast du verstanden, was ich gesagt habe?« Er erhob sich. »Natürlich«, sagte er. »Jetzt habe ich keine Zeit. Ich muß zum Markt kommissar, um mit ihm über einen Standplatz zu verhandeln.« »Das trifft sich ja ausgezeichnet«, meinte ich und erhob mich ebenfalls. »Ich wollte dich nämlich um Landurlaub bitten. Meine Freunde und ich wollen uns die Wartezeit vertreiben und uns ein wenig in der Stadt umse hen. Ich glaube kaum, daß wir irgend jemandem an Bord abgehen wür den.« »Keiner geht von Bord, solange die Ladung nicht gelöscht ist«, erklärte Jepson. »Und was euch betrifft, so weißt du, was Sheeron gesagt hat. Er möchte nicht, daß ihr uns Schwierigkeiten aufhalst. Aber die würden wir durch euch bestimmt bekommen, wenn ihr in der Stadt herumschnüffelt. Dort seid ihr nämlich für Prillgram Galbass' Leute Freiwild.« Prillgram Galbass war der von Agmon eingesetzte Gouverneur für den gesamten Kontinent Broschaan. Auch die Stadt und der Raumhafen stan den in seinem Einflußgebiet, nur über die Freihandelszone, den Markt, be saß er keine Machtbefugnisse – zumindest keine offiziellen. Obwohl mir Jepsons Haltung gegen den Strich ging, mußte ich seine Argumente anerkennen. Er konnte es nicht riskieren, daß wir Galbass' Sol daten in die Arme liefen. Das hätte den Piraten möglicherweise einen Pla netenverweis einbringen können. »Ich werde euch in der Freihandelszone absetzen, dann könnt ihr euch meinetwegen zum Teufel scheren«, sagte er abschließend. Dann wandte er sich zum Gehen. Seine drei Begleiter folgten ihm, schadenfroh grinsend. »Jepson Tropp ist nicht wiederzuerkennen«, meinte Morvoner Sprangk,
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als wir allein waren. »Ja, ich möchte auch zu gerne wissen, was in ihn gefahren ist«, stimmte ich zu. Ich konnte mir nur zwei Gründe für Jepsons ablehnendes Verhalten denken: Entweder er war schon immer gegen mich gewesen und zeigte es jetzt nur offen, oder er hatte von meiner Abmachung mit Sheeron, die Talama betreffend, erfahren und war mir deshalb böse. Das Warten auf das Ende des Orkans erlaubte es uns, Informationen zur allgemeinen Lage auf Jacinther IV zu beschaffen. Wenn sich auch Jepson Tropps Offiziere von uns distanzierten, die ein fachen Piraten schienen kaum etwas gegen uns zu haben. Von ihnen hörte ich allerlei Klatsch, aus dem ich mehr Wissenswertes erfuhr, als aus jedem Sternenkatalog. Was die Umweltbedingungen betraf, schien Jacinther IV als Handels welt völlig ungeeignet. Die extremen Temperaturstürze, die wechselnden Witterungsverhältnisse und die Natur des Planeten wären eher etwas für Pioniere gewesen. Es herrschte ständig eine feuchtheiße Atmosphäre, die nach der Abküh lung durch Regen und Stürme von der sengenden Sonne sofort wieder an geheizt wurde. Die Treibhausatmosphäre ließ die Flora prächtig gedeihen – außerhalb der Ballungszentren der Zivilisation herrschten Dschungel und Sumpfland vor. Die Tierwelt war entsprechend vielfältig und wild und lockte Großwild jäger in großer Zahl an. Es gab insgesamt vier Kontinente, und auf jedem von ihnen gab es eine Handelsstation, die jeweils von einem Gouverneur betreut wurde. Sie un terstanden Fertomash Agmon, dem Generalbevollmächtigten des Imperi ums. Broschaan auf dem Südkontinent war die Handelsniederlassung, wo die GROVEMOOS gelandet war. Sebentool hieß die Kolonie auf dem Nordkontinent. Der dritte arkonidische Stützpunkt lag auf dem Mittelkontinent, der KevKev hieß. Und die vierte Handelsniederlassung wurde Kortasch-Auromt genannt und befand sich auf der größten Insel des Planeten. Jeder Stützpunkt besaß einen Raumhafen, eine angrenzende Wohnstadt und eine Freihandelszone. Der Markt von Broschaan war nicht auf dem Festland untergebracht, sondern lag im Meer. Die Händler boten ihre Waren auf Flößen, Schiffen, Pontons, stählernen Inseln und sogar auf schwimmenden Beibooten von Raumschiffen feil. Damit wollten die Händler ihre Unabhängigkeit von den Bevollmächtigten des Imperiums demonstrieren, wie man mir versi
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cherte. Über den Gouverneur von Broschaan, Prillgram Galbass, oder den Ge neralbevollmächtigten Fertomash Agmon war praktisch nichts in Erfah rung zu bringen. Ebensowenig wie über die Gouverneure der anderen drei Handelsniederlassungen. Es hieß nur, daß sich die vier Gouverneure unter einander befehdeten, weil jeder die Nachfolge Agmons antreten wollte, der alt und kränklich war und sich schon seit Jahren nicht mehr in der Öf fentlichkeit hatte blicken lassen. Aber um diese internen Auseinandersetzungen kümmerten sich die Pira ten von Richmonds Schloß so wenig wie die anderen Händler. Jacinther IV war der Umschlagplatz für ihre Waren, sonst nichts, wie sie versicher ten. Dennoch wußten sie zu berichten, daß die Intrigen auf dieser Freihan delswelt schon fast das Format jener am Hofe von Arkon erreichten. Und die Günstlinge Orbanaschols kamen nicht nur hierher, um sich ihre snobi stischen Wünsche zu erfüllen, sondern mischten bei den Intrigen kräftig mit. Auf Jacinther IV widerspiegelte sich ganz deutlich die Dekadenz der Arkoniden, die unter Orbanaschols Herrschaft ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte. Und dieser Planet war genau der richtige Ort für meine Rachepläne. Dem stimmte auch Fartuloon vorbehaltlos zu. Wir zogen uns auf meine Kabine zurück und gingen dort verschiedene Möglichkeiten durch, wie Orbanaschol am wirkungsvollsten getroffen werden konnte. Aber dabei kam nicht viel heraus. Sabotage- und Terrorakte wären zwar leicht durchzuführen gewesen, aber neben einem erhöhten Risiko brachten sie nicht viel ein. Auch ein Anschlag auf Fertomash Agmons Leben wäre nicht sehr sinnvoll gewesen, weil Orbanaschol für den alternden Planetenverwalter in einem der vier Gouverneure einen Nachfolger gehabt hätte. Gegen die vier Gouverneure vorzugehen, erschien ebenfalls nicht gera de verlockend – besser wäre es schon, sich ihre Positionskämpfe zunutze zu machen. So beschlossen wir, erst einmal die Lage auf Jacinther IV zu erkunden und danach eine Entscheidung über unser Vorgehen zu treffen. Als wir bei diesem Punkt angelangt waren, kam die Sturmentwarnung über die Rundruf anläge. Das war gleichzeitig der Auftrag an die Piraten, mit dem Löschen der Ladung zu beginnen und die Waren auf den Markt zu transportieren. Für mich war es das Zeichen zum Handeln.
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5.
Am Himmel stand keine einzige Wolke mehr, als wir auf einer AntigravPlattform die GROVEMOOS verließen. Die Sonne stach heiß vom Him mel, die Luft über dem Raumhafen brodelte. Jepson Tropp hatte uns einer der ersten Transportscheiben zugeteilt, die Ware vom Raumschiff zum Markt brachte. Er hatte mich kommentarlos mit allen dreiunddreißig Talama ziehen lassen, und ich hatte das wie selbstverständlich hingenommen. Jepson tat überhaupt, als seien wir für ihn Luft. Auf unserer Transportscheibe waren hauptsächlich Beutestücke von ei nem Luxus-Passagierraumer untergebracht, der in der Sogmanton-Barriere gestrandet war: kostbare Möbel, Teile von kunstvoll verzierten techni schen Geräten, ungeöffnete Tresore, deren Inhalt niemand kannte und die deshalb reißenden Absatz finden sollten (eine ähnliche Spekulation stellte ich auch mit meinen Talama an), ein noch funktionierender Spieltisch, wie man ihn so aufwendig konstruiert selbst in arkonidischen Groß-Casinos nur selten fand … und derlei ähnliche Dinge. Die Piraten durften auf ein gutes Geschäft hoffen. Auf dem Flug über den Raumhafen und Broschaan-Stadt, wurden wir von unzähligen Gleitern eskortiert. Zumeist handelte es sich wahrschein lich um potentielle Käufer, die die Waren jetzt schon begutachteten. Aber ich war sicher, daß sich auch Agenten des broschaanischen Geheimdien stes auf unsere Fersen setzten, um uns einer Überprüfung zu unterziehen. Es störte mich nicht weiter, denn wir fielen unter den Piraten nicht auf – wir trugen dieselbe Kleidung wie sie und verhielten uns wie sie. Höch stens der Chretkor stach durch sein Aussehen heraus. Aber warum sollte nicht auch ein Chretkor zu den Piraten gehören? Broschaan-Raumhafen erschien mir überraschend klein. Die Landequa drate waren nicht groß genug, um voluminöseren Schiffen als der GRO VEMOOS Platz zu bieten. Überhaupt sah ich kein einziges Schiff, das die Ausmaße der GROVEMOOS besaß – mit ihrem fünfhundert Schritt Durchmesser war sie ein Gigant unter lauter Kleintransportern und Privat jachten. Ich wunderte mich darüber, warum man den Raumhafen nicht so ausge baut hatte, daß die Großkampfschiffe der arkonidischen Flotte hier landen konnten. Morvoner Sprangk, der noch unter meinem Vater in der Flotte gedient hatte und die Verhältnisse bestens kannte, wußte die Antwort dar auf. »Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, Flotteneinheiten auf einem Planeten einzusetzen«, erklärte der Veteran. »Entweder die Truppen ver
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lassen die Großkampfschiffe hoch oben in der Atmosphäre und landen mit wendigen Beibooten, oder aber die Großkampfschiffe landen an abgelege nen Orten und entsenden dann erst die Einheiten zu den strategisch wichti gen Punkten. Aber es wäre ein Unding, auf offiziellen Raumhäfen nieder zugehen. Die Raumschiffe wären für den Feind ein zu leichtes Ziel.« Ich konnte dem nicht widersprechen. Auch Broschaan-Stadt war für mich nicht besonders eindrucksvoll – zu mindest was die Ausdehnung und die architektonische Konzeption betraf. Nichts erinnerte hier an die Metropolen des arkonidischen Imperiums. Kaum eine Straße verlief in gerader Linie, und man mußte sich den Weg durch ein wahres Labyrinth von übereinanderführenden und sich ga belnden Hoch- und Tiefstraßen suchen, um von einem Gebäude zum ande ren Komplex zu kommen. Einzelhäuser schien es kaum zu geben, fast überall waren Gebäude ver schiedenster Stilrichtungen ineinander verschachtelt. Straßen führten durch sie hindurch, zogen sich schwungvoll zwischen den Türmchen und anderen Aufbauten dahin und verschwanden dann unter der Planetenober fläche. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß man sich in diesem Irrgarten ohne Computer zurechtfinden würde. Trotzdem herrschte reger Verkehr auf al len Straßen – und er lief sogar verhältnismäßig flüssig ab. Der Hauptver kehr spielte sich jedoch im Luftraum über der Stadt ab. Wir hätten uns mit unserer Transportplattform in diesem Durcheinander von Schwebern und Gleitern wohl kaum zurechtgefunden, wenn wir nicht auf einem Gleitstrahl vom Kontrollturm nach Broschaan-Markt gelotst worden wären. »Was hat diese Feuerwand zu bedeuten?« wandte ich mich an einen der Piraten, die uns begleiteten. Dieses Phänomen war mir sogleich aufgefallen, als wir die Ladeschleu se der GROVEMOOS verlassen hatten. Diese »Feuerwand«, wie ich diese Erscheinung nannte, erhob sich außerhalb der Stadt und nahe der Küste. Sie umspannte ein großes Gebiet und reichte hoch in den Himmel hinauf. Sie mußte aus reiner Energie bestehen, obwohl es sich nicht eigentlich um einen herkömmlichen Schutzschirm handelte. Denn sie glühte nicht gleichmäßig, sondern flackerte ständig, so daß der Eindruck entstand, als leckten hier tatsächlich Flammen bis zum Himmel hinauf. »Die Feuerwand?« der Pirat grinste. »Dahinter verbirgt sich der Gou verneur von Broschaan, Prillgram Galbass. Er läßt sich kaum außerhalb seines Schutzwalles blicken. Er wird schon wissen warum …« Wir hatten bald das chaotische Stadtbild hinter uns gelassen und flogen über den Hafen aufs offene Meer hinaus. Hier, nicht weit von der flachen Küste entfernt, begann der Broschaan
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Markt. Aus der Vogelperspektive erschien einem der Markt auf den ersten Blick als eine dem Festland vorgelagerte Insel. Doch wenn man genauer hinblickte, sah man, daß sich manche Teile der »Insel« in ständiger Bewe gung befanden – Schiffe, die ständig ihren Standort wechselten. Und man sah auch an vielen Stellen das Wasser durchschimmern. Je näher wir kamen, desto deutlicher wurde, woraus sich der Markt wirklich zusammensetzte. Es gab tatsächlich einige im Meeresboden ver ankerte künstliche Inseln, auf denen die Händler ihre Geschäfte abwickel ten. Daneben existierte jedoch eine nicht zu überschauende Zahl von Schiffen aller Größenordnungen, Flöße und sogar Beiboote von Raum schiffen. Leuchtschriften, akustische Signale und bunte Rauchzeichen lockten die Käufer an, oder sie verwirrten sie noch mehr. Die seltsame Atmosphäre, die von dem Markt ausging, schlug einen aber sofort in ihren Bann. Man konnte sich der Anziehungskraft dieses bunten, lärmenden Durcheinanders einfach nicht entziehen. Wir waren mit der Antigrav-Plattform kaum auf einer schwimmenden Insel gelandet, als wir auch schon von einer Menge Schaulustiger umringt waren. »Was kostet der Spieltisch?« »Zweihunderttausend – mal vier.« »Um diesen Betrag kann ich in der Spielbank von Arkon einen Monat lang spielen.« »Und verlieren, edler Herr. Wenn Sie aber diesen Spieltisch erstehen, können Sie den anderen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen.« Die Menge lachte. »Hunderttausend mal vier würde ich dafür vielleicht auslegen …« Damit begann das Feilschen um den Preis. Ein Teil der Menge verlor sich wieder, die anderen wanderten ab, als weitere Antigrav-Plattformen und Beiboote der GROVEMOOS mit neuer Ware auf der schwimmenden Insel landeten. Wir waren mit unseren Talama vorerst noch weitestgehend unbeachtet geblieben. Die unscheinbaren Zylinder stachen kaum ins Auge und wur den vom Glanz der Prunkmöbel überstrahlt. Ein grell geschminkter arkonidischer Edelmann, der sich herablassend nach dem Preis der Büchsen erkundigte, die er als recht originelle Vorrats behälter für seine Duftwässerchen ansah, zog sich schimpfend zurück, als Fartuloon den Preis nannte: »Hundert – mal tausend, hoher Herr!« »Mir ist es lieber, wenn wir unbeachtet bleiben«, sagte ich. »So haben wir wenigstens Zeit, unsere Nachforschungen anzustellen. Wenn nötig, verschenke ich die Talama sogar, um ungebundener zu sein.«
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»Damit würdest du aber Sheeron verärgern«, gab Morvoner Sprangk zu bedenken. »Immerhin hast du ihm einen fetten Anteil vom Erlös der Beute versprochen.« »Ich habe ihm sogar den gesamten Erlös zugesichert«, erwiderte ich lä chelnd. »Aber eine Summe habe ich wohlweislich nicht genannt.« »Wir sollten trotzdem nichts tun, was Sheeron verärgern könnte«, mein te Fartuloon. »Immerhin befindet sich Farnathia in seiner Obhut.« Die Transportscheibe, mit der wir gekommen waren, war inzwischen entladen worden und flog zur GROVEMOOS zurück. Nur zwei Piraten flogen mit, die anderen sechs blieben zurück. Sie hatten inzwischen den Spieltisch – um sechshunderttausend – und zwei verschlossene Tresore verkauft. Nun war der erste Andrang abgeflaut, und sie konnten sich daranma chen, ihre Waren gegen Diebe abzusichern und verkaufsgerecht aufzustel len. Wir überließen ihnen die besten Plätze und breiteten unsere dreiund dreißig Talama hinter einem Warenberg aus. Die Piraten stellten uns eine Fangtaste zur Verfügung, damit wir die Grauzayna-Büchsen vor fremdem Zugriff schützen konnten. Die Fangtaste wurde auf die Individualschwingungen von Fartuloon, Eiskralle, Sprangk und mir programmiert. Jeder andere, der in dieses Ortungsfeld geriet, wur de sofort durch einen Paralysestrahl ausgeschaltet. Diese Sicherheitsmaßnahme war in dieser hektischen Atmosphäre unbe dingt nötig. Denn es wimmelte nicht nur von professionellen Dieben, auch Arkoniden, die reich genug waren, um den ganzen Markt aufzukaufen, machten sich einen Sport daraus, zu stehlen. Und selbst wenn ich die Tala ma umsonst hergeben würde, wollte ich sie mir nicht entwenden lassen. Nach und nach hatten die Piraten fast die gesamte schwimmende Insel belegt. Die wenigen selbständigen Händler, die ihre Verkaufsstände hier aufgeschlagen hatten, wurden zu Statisten degradiert. Aber sie waren auch klug genug, es sich mit den anderen Händlern nicht ganz zu verscherzen, und sie trieben den Konkurrenzkampf nie so weit, daß die anderen so in Rage kamen, daß sie sich gegen die Piraten verbün deten. Die Freihandelszone hatte eben ihre eigenen Ungeschriebenen Gesetze. »Ich glaube, wir sollten uns ein wenig umhören«, sagte ich schließlich. »Der Andrang auf die Talama ist gering genug, so daß ein einzelner die Festung halten kann. Wir anderen ziehen inzwischen Erkundigungen ein. Ich möchte erst einmal mehr über diesen Prillgram Galbass herausfinden. Wie er lebt, wer seine Feinde sind und seine Vertrauten, und mit wem er Kontakt hat.« »Es wäre aber nicht klug, daß jeder von uns etwas auf eigene Faust un ternimmt«, gab Fartuloon zu bedenken. »Wir sollten bei all unseren Unter
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nehmungen zu zweit sein. Der Markt unterliegt zwar nicht der arkonidi schen Gesetzgebung, aber ohne Zweifel reicht der Einflußbereich Ferto mash Agmons und der Gouverneure bis in die Freihandelszone.« »Du hast recht, Bauchaufschneider«, stimmte ich Fartuloon zu. »Solange wir die Situation noch nicht überblicken, sollten wir immer nur zu zweit auftreten. Deshalb werde ich zusammen mit Sprangk gehen. Du bleibst mit Eiskralle an unserem Standplatz zurück.«
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6.
Ich erspähte Jepson Tropp, als er gerade mit einem maskierten Arkoniden über ein edelsteinbesetztes Schminkkästchen verhandelte, und steuerte auf ihn zu. »Der Preis ist mit zwanzig mal tausend niedrig genug gehalten«, hörte ich den Kommandanten der GROVEMOOS gerade sagen. »Ich zahle keinen Preis«, erwiderte der maskierte Arkonide. »Ich gebe Ihnen nur einen Finderlohn von dreitausend. Diese Schatulle war seit Jahr hunderten im Besitz unserer Familie …« »Das könnte jeder sagen«, erwiderte Jepson Tropp ungerührt, der sich nicht zum erstenmal in einer solchen Situation zu befinden schien. »Alle Waren, die Sie hier sehen, haben früher anderen Leuten gehört. Aber die Besitzer verunglückten auf Raumschiffen, und somit wurde es zum kosmi schen Treibgut, das dem gehört, der es findet. Aber ich will Ihnen entge genkommen, Herr, und den Preis mit Rücksicht auf Ihre Familienchronik neu durchkalkulieren …« »Du niederträchtiger Pirat!« heulte da der Edelmann auf. Seine EmotioGesichtsmaske begann zu glühen, als er wütend unter seinem wirbelnden Umhang einen Strahler hervorholte. Seine beiden Begleiter zogen eben falls Waffen und deckten ihrem Herrn den Rücken. Als ich erkannte, wie sich die Situation entwickelte, holte ich meinen Paralysator hervor und lähmte mit drei zielsicheren Impulsen die Waffen hände der drei Angreifer. »Das nächste Mal tragen Sie keine Emotio-Maske, wenn Sie Ihre Ge fühle nicht im Zaum halten können«, sagte ich zu dem Maskierten, der mit seinen Leibwächtern langsam vor den herandrängenden Piraten zurück wich. »Dein Gesicht werde ich mir merken«, schleuderte er mir haßerfüllt ent gegen und verschwand in der Menge. Seine Maske leuchtete immer noch in der Farbe des Zorns: blutrot. »Drohungen von solchen Gecken brauchst du nicht ernst zu nehmen«, beruhigte mich Jepson Tropp; sein Gesicht blieb ausdruckslos. Die Piraten zerstreuten sich wieder, und auch die Neugierigen zogen ab. »Ich bin nur gekommen, um mich abzumelden«, sagte ich. Jepson machte eine abfällige Geste. »Von nun an könnt ihr vier tun und lassen, was ihr wollt. Ich brauche mich nicht darum zu scheren.« Ich nickte bedächtig und starrte auf das Schminkkästchen. »Wieviel würde mich die Schatulle kosten.« »Ein Talama«, sagte Jepson, ohne zu zögern.
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»Du bist unverbesserlich, Jepson«, meinte ich kopfschüttelnd. »Hast du vergessen, was der Grauzayna zu mir sagte? Die Talama sind unterschied lichen und höchst eigenwilligen Inhalts. Du könntest eine böse Überra schung erleben. Aber meinetwegen, Fartuloon soll dir ein Talama aushän digen.« Ich nahm das Schminkkästchen an mich und entfernte mich. »Was willst du mit dieser protzigen Schatulle?« wollte Morvoner Sprangk von mir wissen, als wir über einen Energiesteg auf die nächste schwimmende Insel übersetzten; unter uns kreuzten Händler mit ihren Booten und priesen lautstark ihre Waren an. »Der Maskierte war offensichtlich an der Schatulle interessiert«, ant wortete ich, hob den Deckel und steckte eine Phiole mit Hypnogas in den Verschluß. Grinsend fügte ich hinzu: »Vielleicht können wir mit ihm ins Geschäft kommen.« Ich trug die Schatulle so auffällig, daß sie jedem auffiel. Der Erfolg blieb auch nicht aus. Kaum eine halbe Stunde später, stellten sich uns in einem abgelegenen Gang eines zu einem Kaufhaus umfunktionierten Hochsee schiffes zwei Bewaffnete entgegen. Hinter ihnen tauchte der Mann mit der Emotio-Maske auf. Sie dirigierten uns in eine verlassene Kabine. »Jetzt zahle ich dir alles heim, Bürschchen«, sagte der Maskierte und entriß mir die Schatulle. »Ich bereue mein Verhalten, Herr«, entgegnete ich. »Deshalb bin ich Ih nen auch gefolgt. Ich wollte Ihnen das Kästchen zum Geschenk machen, um Sie zu versöhnen.« Der Maskierte lachte. »Jetzt bist du nicht mehr so dreist wie vorhin, als du unter deinesglei chen warst. Durch meine Emotio-Maske kann ich die Angst sehen, die in Wellen aus deinem Schädel schlägt. Du hast auch allen Grund, dich zu fürchten, denn ich werde dich …« Ich erfuhr nie, welches Schicksal er mir zugedacht hatte. Denn während des Sprechens öffnete er das Kästchen. Dadurch wurde der Verschlußdorn aus der Phile gehoben, und das Hypnogas entströmte – geradewegs in die Atemwege des Maskierten. Damit seine beiden Leibwächter keinen Verdacht schöpften, sagte ich schnell: »Sie haben keinen Grund mehr, mir zu grollen, Herr. Ich mache Ihnen die Schatulle zum Geschenk und beanspruche nicht einmal Finderlohn. Sie sollten sich mit mir versöhnen. Wollen Sie das?« »Ja … ich will es«, sagte der Maskierte zögernd. »Ich will dir nichts mehr nachtragen.« »Dann könnten Sie Ihren Leibwächtern befehlen, uns allein zu lassen,
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damit wir ungestört sind«, sagte ich und fügte geheimnisvoll hinzu: »Es geht um das Geheimnis der geheiligten Talama!« Dies war natürlich für den Maskierten ohne jede Bedeutung und sollte nur dazu dienen, seine Wächter abzulenken. Sie mußten glauben, daß es sich um ein Lösungswort handelte, so daß sie über den Gesinnungswech sel ihres Herrn nicht allzu verwundert sein konnten. »Ja, wir sollten ungestört sein«, sagte der Maskierte. »Dann schicken Sie ihre Leibwächter hinaus!« »Geht hinaus«, befahl der Maskierte den beiden. »Laßt uns allein, damit wir ungestört sind.« Sie zögerten, kamen dem Befehl dann aber doch nach. Als wir allein waren, verlangte ich von meinem Gegenüber, daß er die Emotio-Maske abnehmen solle. Das Hypnogas wirkte bereits so stark, daß er überhaupt keinen Widerstand mehr leistete. Ich blickte in das Gesicht eines jungen Mannes, der nicht viel älter als ich sein konnte. Seine Gesichtszüge waren verweichlicht, die Haut so glatt wie die einer Frau, der Schwung seiner sinnlichen Lippen und die großen Augen verstärkten den femininen Eindruck noch mehr. »Ein Gesicht, das man ständig ohrfeigen könnte«, sagte Sprangk ange widert und drückte damit in etwa das aus, was ich selbst empfand. »Wie heißt du?« wollte ich wissen. »Tharniel Ortoba«, antwortete er, und durch weitere Fragen erfuhr ich von ihm fast seine ganze Lebensgeschichte. Seine Familie hatte während der Regentschaft seines Vaters in Verban nung gelebt. Erst als Orbanaschol wieder an die Macht kam, wurden auch die Ortobas wieder mit allen Ehren in den arkonidischen Hochadel aufge nommen. Tharniels Vater war auf Arkon eine einflußreiche Persönlichkeit und schickte seinen Sohn, der die Laufbahn eines Diplomaten einschlagen sollte, nach Jacinther IV, um sich hier die ersten Sporen zu verdienen. Tharniel stand zuerst in Agmons Diensten, war aber nun schon seit fast zwei Jahren Gouverneur Galbass zugeteilt. Er hatte keinen bestimmten Aufgabenkreis, sondern verbrachte seine Zeit mit Müßiggang – was mich nicht weiter wunderte, denn ich konnte mir nicht vorstellen, daß ein Mann vom Range Galbass, Ortobas Fähigkeiten hoch schätzte. Tharniel war der geborene Nichtstuer. Aber er hatte nicht gelogen, als er behauptete, die Schminkschatulle sei ein Erbstück seiner Familie. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte er sich kaum so für ihre Wiederbeschaf fung eingesetzt. Da er von seiner Familie finanziell kurz gehalten wurde, hatte er jedoch nicht den geforderten Preis entrichten können. Für mich gab es keinen Zweifel, daß Tharniel Ortoba zu jener Sorte von Höflingen gehörte, die vor nichts zurückschreckten und die es durch Intri gen zu etwas bringen konnten.
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»Für wen arbeitest du, Tharniel?« fragte ich. »Ich stehe im Dienste von Orbanaschol …« »Das wollte ich nicht hören«, unterbrach ich ihn. »Ich meine, auf wel cher Seite du auf Jacinther IV stehst.« »Ich bin im Palast von Gouverneur Prillgram Galbass tätig«, antwortete er. »Das hast du schon gesagt, aber es befriedigt mich nicht«, erwiderte ich. »Ich möchte hören, wem du auf Jacinther IV – soweit dir dies überhaupt möglich ist – die Treue hältst. Hast du noch Kontakt zu Agmon?« »Ja.« Ich hatte richtig vermutet, wollte es aber noch genauer wissen. »Hast du in den zwei Jahren, die du bei Galbass dienst, Agmon Informationen über den Gouverneur zukommen lassen?« »Jawohl, ich habe ihn auf dem laufenden gehalten.« »Also spionierst du für Agmon!« Darauf gab er keine Antwort, aber ich benötigte sie auch nicht. »Was hast du über Galbass herausgefunden?« fragte ich weiter. Er erzählte mir eine Menge darüber: daß Galbass ein ausschweifendes Leben führte, korrupt sei und mit den anderen Gouverneuren um Agmons Nachfolge rivalisiere. Das alles waren für mich jedoch keine Neuigkeiten. Ich wollte wissen, ob Galbass etwas gegen Agmon unternommen hatte oder etwas gegen ihn zu unternehmen gedachte. »Er will vermutlich schon«, meinte Ortoba. »Aber Galbass ist nicht der richtige Mann, um Agmon gefährden zu können.« »Mit anderen Worten, du hast nichts über Galbass' Machenschaften her ausgefunden«, vermutete ich. »Er vertraut mir nicht recht«, mußte Ortoba zugeben. Damit war seine Position für mich klar. Tharniel Ortoba war nichts wei ter als ein kleiner Schmarotzer, der vielen Herren dienen wollte, ihnen aber keinen Nutzen brachte. Er war froh, von ihnen durchgefüttert zu wer den, mehr verlangte er nicht – und mehr würde er vermutlich auch nicht erreichen. Ich deutete auf die wertvolle Schminkschatulle. »Ich nehme an, du wolltest sie dir nur beschaffen, um sie dann später gewinnbringend weiterverkaufen zu können. Oder willst du mir immer noch weismachen, daß du daran hängst, weil es sich um ein Erbstück dei ner Familie handelt?« »Ich will die Schatulle jemandem zum Geschenk machen«, antwortete er. »Wem?« »Einer einflußreichen Persönlichkeit, die in den nächsten Tagen nach Jacinther IV kommt«, sagte er.
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Jetzt wurde ich hellhörig. »Um wen handelt es sich?« »Ich weiß es nicht.« Ich packte ihn beim Kragen und schüttelte ihn durch. »Sag mir sofort, um wen es sich bei dieser einflußreichen Persönlichkeit handelt!« verlangte ich drohend. »Ich weiß es wirklich nicht«, beteuerte er. »Galbass machte nur Andeu tungen, nannte aber keinen Namen. Es muß sich aber um jemand Bedeu tenden handeln, weil bereits umfassende Sicherheitsvorkehrungen getrof fen wurden.« Ich ließ Ortoba wieder los. Anscheinend wußte er tatsächlich nichts Konkretes, denn sonst hätte er es mir unter dem Einfluß des Hypnogases verraten. »Du mußt herausfinden, um wen es sich bei dem erwarteten Besuch handelt«, sagte ich eindringlich. »Ich werde mich bemühen«, versprach er. Ich glaubte ihm, denn er wür de es schon in seinem eigenen Interesse tun. »Wir werden uns morgen um die gleiche Zeit, auf diesem Schiff vor dieser Kabine treffen, Tharniel«, schärfte ich ihm ein. Die Nachwirkung des Gases würde zwei Tage anhalten, so daß er sich dem posthypnotischen Befehl aus eigener Kraft nicht widersetzen konnte. »Ich werde kommen«, sagte er. Ich war zufrieden, erlaubte ihn, seine Emotio-Maske wieder aufzusetzen und wollte mich dann mit Sprangk aus dem Staub machen. Du solltest Ortoba befehlen, diese Unterhaltung zu vergessen, riet mir mein Extrasinn. Doch davon wollte ich nichts wissen. An Galbass konnte sich Ortoba nicht um Unterstützung wenden, weil er gegen diesen intrigierte. Er würde unsere Begegnung schon in seinem eigenen Interesse verschweigen.
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7.
Ich mischte mich wieder mit Sprangk unter das Volk. Wir ließen uns vom Menschenstrom mittreiben, hörten uns die Angebo te der Händler an, erstanden so manche Kleinigkeit, um die Leute während des Verkaufsgesprächs ein wenig auszuhorchen, aber unsere Ausbeute war nicht sonderlich ergiebig. Wir bekamen nur bestätigt, was wir sowieso schon wußten: Daß das Gerücht von Fertomash Agmons baldigem Ableben kursierte und sich die Gouverneure untereinander mehr befehdeten als je zuvor. Ich war auch sicher, daß sich auf dem Markt Spione aller vier Gouver neure herumtrieben und war deshalb in meinen Äußerungen vorsichtig. Zumindest vermied ich es, den Eindruck entstehen zu lassen, daß ich für irgendeinen der Gouverneure Partei ergriffen hatte. »Feinste Goraya-Bär-Felle, edler Herr!« pries ein über und über täto wierter Händler seine Ware an. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, daß es viele waren, die seinen Verlockungen erlagen. Denn was sollte man auf ei ner Dschungelwelt wie Jacinther IV schon mit Fellen anfangen? Der Händler aber nannte sofort einen Verwendungszweck: »Legen Sie den Goraya-Bär Ihrer Geliebten zu Füßen, edler Herr, und sie wird von der kuscheligen Wärme dieses Felles wie berauscht sein. Sie wird Ihre Worte daraufhin trinken wie süßen Wein, unter Ihrer Umarmung dahinschmelzen. Im Vertrauen, edler Herr, der Goraya-Bär wurde im Pa last von Prillgram Galbass vielfach erprobt. Unser hochwohlgeborener Gouverneur gehört zu meinen besten Kunden … und es gibt keine unter seinen vielen Mätressen, die sich nicht auf einem Goraya-Bär räkelt …« Das war für mich ein Grund, bei diesem Händler länger zu verweilen. »Es sind wirklich schöne Felle«, stellte ich fest, nachdem ich sie begut achtet hatte. »Aber Ihr Argument, daß sich die Frauen von Gouverneur Galbass darauf wohl fühlen, erscheint mir unglaubwürdig …« »Sie schimpfen mich einen Lügner, edler Herr?« fragte der Tätowierte, und Empörung schwang in seiner Stimme mit. Ich lächelte. »Sagen wir so«, schränkte ich ein. »Die Frauen, die ich kenne, bevorzu gen andere Unterlagen für ihren Schönheitsschlaf. Nichts kann die heilen de und regenerierende Wirkung von speziell darauf abgestimmten Synth tiks ersetzen – auch nicht das Fell des Goraya-Bären.« Der Tätowierte blickte sich um und raunte mir dann zu: »Die Mätressen von Galbass schwören aber auf den Goraya-Bären. Sind Sie interessiert? Kommen Sie mit, edler Herr.« Er winkte und verschwand durch eine Schwenktür in den Aufbauten
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seines Hausboots, das direkt an einem Verbindungssteg verankert war, Sprangk, die Rechte am Paralysator, und ich folgten ihm ins Innere des Hausboots. Es handelte sich dabei um einen Lagerraum, in dem sich Sta pel von Fellen türmten. Nur eine Ecke hatte er freigehalten, wo er seine Schlafstätte eingerichtet hatte. Er nannte sich Plantor, machte sich aber nichts daraus, daß wir uns nicht vorstellten. »Ich habe Fotos«, sagte er geheimnisvoll. »Fotos von Galbass' Mätres sen, auf Goraya-Bären.« Er spannte ein schneeweißes Fell über die eine Wand, entschnürte ein Fellbündel und holte daraus einen Mikro-Projektor hervor. »Eine bessere Referenz kann man gar nicht haben«, behauptete der täto wierte Plantor und schaltete den Projektor ein. »Ich erbringe Ihnen den Beweis, daß sich Frauen auf dem Goraya-Bären wohl fühlen – und Sie kaufen! In Ordnung?« Auf dem schneeweißen Fell, das als Projektionswand diente, leuchtete das Bild einer unsagbar häßlichen und unglaublich fetten Frau auf, die sich auf einem Bärenfell rekelte. »Das ist Galbass' Lieblingsfrau Orfina. Ist das nicht ein gelungener Schnappschuß?« Er projizierte das nächste Dia. Auch das zeigte eine Frau auf einem Go raya-Bären. Sie war nicht minder fett und hielt zudem noch einen Eßnapf, aus dem sie gerade schlürfte. Das Foto war so realistisch, daß ich sie im Geiste schmatzen und rülpsen hörte – ich schüttelte mich. »Das ist Faulia – sie macht keinen Schritt ohne den Goraya-Bären.« »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich Galbass einen Harem aus den häßlichsten Geschöpfen des Universums hat«, meinte Sprangk zweifelnd. »Geschmäcker sind bekanntlich verschieden«, sagte Plantor pikiert, »und es gibt im weiten Universum keine zwei Kulturen mit ein und dem selben Schönheitsideal.« »Mein Freund wollte ja nicht lästern«, versuchte ich den Tätowierten zu beruhigen. »Er zweifelt nur daran, daß die Bilder echt sind. Ich muß geste hen, daß es mir wie ihm ergeht …« »Das sind keine Fälschungen«, behauptete Plantor. »Ich kann Euch be weisen, daß die Bilder echt sind und innerhalb der Flammenmauer in Gal bass' Palast aufgenommen wurden!« »Wenn Sie das können, Plantor, dann kommen wir ins Geschäft«, er klärte ich. Er erbrachte uns tatsächlich den Beweis – und ich war beeindruckt. Er zeigte uns eine Reihe von Dias, die auf dem Palastgelände innerhalb der Feuerwand gemacht worden waren. Der Palast war ein düsteres Bauwerk und bestand aus etwa vierzig fla
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chen ineinander übergehenden Häusern, die von exotischen Pflanzen um rankt waren. Überall standen Kampfroboter, aber sie wirkten veraltet – und ich konnte mir vorstellen, daß etliche von ihnen nicht mehr voll funk tionsfähig waren. Zusätzlich zu den Robotern gab es auch noch patrouillierende Soldaten. Ihre Uniformen waren nicht gerade auf Hochglanz poliert, und auch ihre Waffen machten keinen gepflegten Eindruck, wie überhaupt alles ver schlampt und unordentlich wirkte. Galbass schien auf Disziplin keinen Wert zu legen – und Geschmack hatte er obendrein keinen, wie seine Mätressen zeigten, die an den unmög lichsten Orten für den Fotografen posierten. Aber dafür hatte ich schon längst keinen Blick mehr. Ich interessierte mich dafür, daß es vier Schleusen in der Flammenwand gab, von denen drei Individualsperren hatten – nur die Nordschleuse konnte von jeder mann unbeschadet passiert werden, wenn es gelang, das positronische Schloß zu knacken. Es war auch gut zu wissen, daß es unmöglich war, mit einem Fluggefährt innerhalb der Flammenwand zu landen. Wenn man mit einem Gleiter in den Bereich der Störfelder kam, stürzte man unweigerlich ab. »Das genügt«, sagte ich. »Wir kaufen Ihnen den ganzen Plunder ab.« »Sie wollen alle Felle haben?« staunte Plantor. »Nein, nur die Fotos.« »Ha, ha, was für ein Scherz. Die Fotos sind natürlich unverkäuflich …« »Wieviel?« »Ich sagte doch schon …« Plantor verstummte, als er Sprangks Paralysator auf sich gerichtet sah. »Wieviel?« fragte ich noch einmal. Als sich der Händler weiterhin weigerte, die Fotos zu verkaufen, lähmte ihn Sprangk kurzerhand mit einem schwachen Paralysestrahl. Wir wickelten den Projektor mit den Mikrofilmen in ein Fell und verlie ßen das Hausboot. »Erinnere mich daran, daß wir Plantor als Ersatz für die Bilder ein Tala ma schicken«, bat ich Sprangk, als wir uns auf dem Rückweg befanden. »Sie hinterlassen zu deutliche Spuren.« Ich blickte mich nach dem Sprecher um. Er ging einen Schritt hinter mir, reichte mir nur bis an die Schultern, war zierlich gebaut und offenbar männlichen Geschlechts. Worauf man aber nur aus der Stimme schließen konnte, denn er war in einen weiten, bunt bestickten Umhang gehüllt. Und er trug eine Emotio-Maske. Ich wollte sie ihm mit einer blitzschnellen Bewegung vom Gesicht rei ßen. Aber er wich geschickt aus und sagte: »Das tun Sie besser nicht! Denn sonst werde ich keinen Finger rühren,
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um Ihnen zu helfen.« »Wer sind Sie?« »Nennen Sie mich einfach Pruug – wie den Schutzengel des RezwanKults.« »Wessen Schutzengel sind Sie?« »Ich könnte der Ihre sein«, antwortete er. »Glauben Sie mir, Sie könn ten schon einen gebrauchen. Ihre Aktivitäten sind nicht unbemerkt geblie ben.« Ich mußte Sprangk gewaltsam zurückhalten, damit er sich nicht auf den Kleinen mit der Emotio-Maske stürzte. »Wir können uns zumindest einmal anhören, was unser unbekannter Gönner vorzuschlagen hat«, meinte ich besänftigend. »Das klingt schon besser«, sagte Pruug zufrieden. »Aber vorher möchte ich noch meinen Preis nennen. Ich verlange als Gegenleistung für meine Dienste ein Talama.« »Es gehört schon Ihnen, Pruug«, sagte ich nach kurzem Überlegen. Die Züge seiner Emotio-Maske verschwammen und zeigten ein Grin sen. »Warum wollen Sie mich denn nicht vor den möglichen Folgen des Talama warnen?« fragte er mich. Als ich verblüfft schwieg, fuhr er fort: »Machen Sie sich nur keine Gewissensbisse, ich weiß über die GrauzaynaBüchse Bescheid. Ich fürchte mich nicht davor, daß sie mir schaden könn te. Ich bin sicher, daß sie Segen über mich bringen wird, wenn ich sie öff ne.« »Sie sind ja gut informiert, Pruug«, meinte ich anerkennend, aber mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. »Was haben Sie uns nun vor zuschlagen?« »Zuerst führe ich Sie zu Ihren Gefährten«, antwortete er. »Danke, den Weg finden wir schon allein«, erwiderte Sprangk gereizt. »Wenn so Ihre Hilfe aussieht …« »Ihre Gefährten haben den Standort gewechselt«, erklärte der Masken träger. Er setzte sich in Bewegung, und wir folgten ihm verblüfft. Die Sa che begann mir immer weniger zu gefallen. »Was ist vorgefallen?« fragte ich, während wir uns gegen die Men schenmassen kämpften. »Ihre Freunde haben auf einen gutgemeinten Rat hin ihren Platz ge wechselt«, erklärte Pruug während des Gehens. »Ich sagte schon, daß Sie bei Ihren Nachforschungen zu deutliche Spuren hinterlassen haben, die sich leicht zu den Piraten zurückverfolgen ließen. Nein, widersprechen Sie mir nicht. Ich bin über alles informiert. Aber auch die Gegenseite ist nicht unwissend.« »Und wen meinen Sie damit?« fragte ich.
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»Wenn Sie weiter so vorgehen wie bisher, machen Sie sich alle Interes sengruppen zu Feinden«, antwortete Pruug ausweichend. »Namen will ich keine nennen, das überlasse ich Ihrer Phantasie. Ich will auch nicht ver heimlichen, daß eine Interessengruppe Ihren Standortwechsel mit großer Erleichterung zur Kenntnis genommen hat.« »Ich kann mir schon denken, um wen es sich handelt«, meinte ich grim mig. Jepson Tropp konnte erleichtert aufatmen, denn jetzt brauchte er nicht mehr zu befürchten, durch uns in Schwierigkeiten zu geraten. »Haben die Piraten Sie dafür bezahlt, daß Sie uns aus ihrem Bereich brachten, Pruug?« fragte ich geradeheraus. »Darüber können Sie denken, wie Sie wollen«, erwiderte er. »Aber ge wiß ist es so, daß Sie an Ihrem neuen Platz sicherer sind als bei den Pira ten. Die hätten sich irgendwann etwas einfallen lassen, um Sie loszuwer den.« Das konnte ich nicht glauben. Ich wußte, daß ich nicht mehr Jepsons Sympathien besaß, aber einen Verrat traute ich ihm nicht zu. »Wir sind gleich hier!« Wir kamen auf eine schwimmende Insel mit fünf Stockwerken. Die ein zelnen Etagen waren terrassenförmig angelegt und durch breite Treppen miteinander verbunden. Selbst auf den Stufen hatten Händler ihre Stände errichtet und boten ihre Waren an. Wir gingen zur höchsten Plattform hinauf – und dort, am äußersten Rand, nur durch eine niedrige Energiebarriere vor dem Abgrund geschützt, sah ich Fartuloon und Eiskralle mit den Talama. Der Chretkor verhandelte gerade mit einem großgewachsenen Arkoni den, der nur Beinkleider und Sandalen trug und den nackten Körper ober halb des Waffengürtels und das Gesicht geschminkt hatte. Er leuchtete ganz in Blau mit feinen violetten Schattierungen und Nuancen von. Rot. »Was ist mit dem Talama?« erkundigte sich Pruug ungeduldig, als ich mich Fartuloon näherte, der mir auf halbem Wege entgegenkam. »Gib ihm seinen Lohn«, forderte ich Sprangk auf. Während Sprangk mit dem Maskenträger zu unserem Standplatz ging, traf ich fünf Schritte davor mit Fartuloon zusammen. »Warum seid ihr so spät gekommen?« fragte er besorgt. »Ist etwas pas siert? Ich dachte, ihr würdet uns hier erwarten?« »Wer hat das gesagt?« »Pruug.« Ich stieß Fartuloon zur Seite und stürzte nach vorne. Gerade als der Kleine mit der Emotio-Maske in der Menge verschwinden wollte, erwi schte ich ihn am Umhang. Es gelang ihm aber, sich loszureißen, das Tala ma hielt er fest an den Körper gepreßt. Seine Emotio-Maske pulsierte wie unter großer Erregung.
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»Gefahr!« rief er mir noch zu, dann war er in der Menge verschwunden. Ich zweifelte nicht daran, daß seine Warnung ernst zu nehmen war. Nur, von wo drohte Gefahr?
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8.
»Zweihundert mal hundert ist der Preis«, sagte Eiskralle gerade zu dem blau geschminkten Arkoniden. »Für diese einfache, fast primitive Büchse ist das recht viel«, meinte der Arkonide, während er das Talama abschätzend in der Hand wog. »Ich müßte erst einmal einen Blick hineinwerfen, um zu sehen, ob der Preis auch angemessen ist.« »Sie können das Talama erst öffnen, wenn es Ihnen gehört, edler Herr«, sagte Eiskralle. »Möglich, daß es Ihnen erst nach Tagen gelingt, vielleicht öffnet sich Ihnen die Grauzayna-Büchse schon heute, und sie erfahren dann das höchste Glück des Universums. Es kann aber auch sein, daß Ih nen der Inhalt statt Segen nur Fluch bringt. Es hängt alles von Ihnen ab. Wenn Sie glauben, genügend kosmische Reife zu besitzen, edler Herr, dann sollten Sie das Talama in Ihren Besitz bringen.« »Ein recht unsicheres Geschäft«, meinte der Blaugeschminkte zu den Umstehenden. Inzwischen hatte sich eine recht ansehnliche Menschen menge um unseren Stand gebildet. Fartuloon und ich hatten uns zu Sprangk und Eiskralle gesellt, aber ob wohl mir der Chretkor hilfesuchende Blicke zuwarf, mischte ich mich in das Verkaufsgespräch nicht ein. Ich war auf der Hut, bereit, beim gering sten Anzeichen von Gefahr zurückzuschlagen. Aber ich konnte nirgends in der Menge einen Verdächtigen erblicken. Soldaten waren sowieso keine in der Nähe, für sie war der Markt tabu, und von den Umstehenden konnte jeder unser Gegner sein. Auch der Blaugeschminkte. Ich ahnte, daß die Gefahr von ihm kommen würde. Eiskralle erklärte gerade, daß die Talama das Erbe eines geistig hochste henden Volkes waren, daß jeder Grauzayna eine solche Büchse besessen habe, in die er sein wertvollstes Gut verfrachtete. Es konnte sein, daß sich in einer Grauzayna-Büchse weltliche Schätze befanden; da diese Wesen jedoch vor allem Philosophen gewesen waren, mußte man annehmen, daß die meisten Talama jedoch geistiges Gut bargen. »Versuchen Sie nicht, die Büchse mit Gewalt zu öffnen, edler Herr«, führte Eiskralle weiter aus, während er nervös zu mir herüberblinzelte. »Üben Sie sich in Geduld und warten Sie, bis das Talama sich Ihnen von selbst offenbart.« Der Blaugeschminkte lachte. »Du hast mich neugierig gemacht. Gut, ich will dir die zweihundert mal hundert zahlen. Der Handel ist perfekt. Schlag ein!« Ich spannte mich an, als der Arkonide Eiskralle die Hand hinhielt. Mein Extrasinn prophezeite mir, daß diese Geste das Zeichen für unsere Gegner
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sein müsse, um zuzuschlagen. Ich war also vorbereitet – dennoch wurde ich überrumpelt, als der Zau ber losging. Eiskralle langte zögernd nach der Hand des Arkoniden. Sein Zögern war in dem Wissen seiner besonderen Fähigkeiten begründet. Natürlich konnte er seine Kräfte so lenken, daß sein Griff nur dann tödlich war, wenn er es wollte. Aber die Scheu, anderen, denen er nichts antun wollte, die Hand zu reichen, konnte er nie ganz überwinden. »Schlag schon ein!« verlangte der Blaugeschminkte. Erst nach der zweiten Aufforderung, griff Eiskralle nach der dargebote nen Hand. Plötzlich stürzte einer der Umstehenden vor und ließ über Eis kralles Handgelenk eine Energiefessel einschnappen. »Wißt Ihr denn nicht, daß das ein Chretkor ist!« rief er erregt. »Wenn Ihr ihm die Hand reicht, dann erstarrt Ihr zu Eis!« So sah also die Falle aus, die man uns gestellt hatte! »Du wolltest mich töten, du Hund!« schrie der Blaugeschminkte und griff nach der Waffe. Eiskralle wollte nach ihm schlagen, aber der andere zerrte ihn an der Energiefessel nach vorne, so daß er der Länge nach hinfiel. Eiskralle ver schwand hinter einer Menschenmauer. Ich hatte meinen Paralysator sofort in der Hand und lähmte den Blauge schminkten mit einem breitgefächerten Strahl. Sprangk hatte seine Waffe ebenfalls gezogen und streckte zwei andere Angreifer nieder, die von der Seite kamen und sich auf ihn stürzen wollten. Fartuloon hatte sein Skarg gezogen. Doch gerade als er es zum Schlag erhob, fuhr ein Energiestrahl in die Klinge. Das Skarg glühte auf, Blitze zuckten auf Fartuloons Körper über, und der Bauchaufschneider brach un ter konvulsivischen Zuckungen zusammen. »Keine Gegenwehr mehr, oder wir lassen den Chretkor schmoren!« Der Sprecher dieser Worte hatte einen schweren Strahler auf mich ge richtet. Als er einen Schritt zur Seite wich, sah ich hinter ihm vier weitere Männer, die einen Energiekäfig umringten, in dem sich Eiskralle befand. »Ich zerfließe!« jammerte der Chretkor. »Auf mich strömen thermische Energien ein, die meinen Körper zur Auflösung bringen werden.« Mir war klar, daß unsere Gegner es ernst mit ihrer Drohung meinten. Ich ließ meinen Paralysator fallen. Sofort war einer der Männer da und zog mir den Strahler aus dem Gürtel. Sprangk erging es ebenso. Inzwischen hatte sich die Panik auf der Plattform einigermaßen gelegt. Die Unbeteiligten waren geflüchtet, wir waren von einem Dutzend Män ner umringt, aus deren Gesichtern Entschlossenheit sprach. »Dreh dich um«, wurde mir befohlen. Ich gehorchte und stand jetzt mit dem Gesicht zum Energiegeländer, das
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die Plattform absperrte. Ich konnte tief unter mir die bewegte Meeresober fläche sehen. »Spring hinunter!« Ich zögerte. Erst als ich den Lauf einer Waffe im Rücken spürte, setzte ich mit ei nem Sprung über das Geländer hinweg. Ich war nicht einmal überrascht, als ich feststellte, daß ich nicht haltlos in die Tiefe fiel, sondern langsam hinunterschwebte. Der Überfall auf uns mußte von langer Hand vorbereitet gewesen sein, denn die Installation dieser Antigrav-Einrichtung hatte einige Zeit bean sprucht und mußte schon vor unserem Eintreffen vorgenommen worden sein. Unter mir tauchte ein Luftkissen-Boot auf. Ich schwebte geradewegs darauf zu. Auf Deck befanden sich ein halbes Dutzend Männer, die zu mir hinaufblickten. Sie waren alle bewaffnet. Als ich festen Boden unter mei nen Füßen spürte, ergriffen mich sofort starke Hände und zerrten mich aus dem Antigravbereich. Hinter mir kam Sprangk heruntergeschwebt, dann folgte der bewußtlose Fartuloon und der Energiekäfig mit Eiskralle. Erst nach ihm kamen die Männer, die uns überwältigt hatten, im Antigravfeld auf das Boot herunter. Nachdem sie alle an Bord waren, nahm das Boot Fahrt auf und entfernte sich mit hoher Geschwindigkeit von Broschaan-Markt. Ich erkannte noch, daß wir auf das Festland zusteuerten, dann wurde ich in eine Kabine ge sperrt. Was mit den anderen geschah, erfuhr ich nicht. Kaum war das Schloß hinter mir zugeschnappt, da hörte ich ein Zischen – so als würde durch irgendeine Öffnung ein Gas zu mir hereinströmen. Es war ein Betäubungsgas, das mir wenige Augenblicke später das Be wußtsein raubte. Ich spürte Übelkeit, als ich zu mir kam. Vielleicht war es sogar der Brech reiz, der mich wachgerüttelt hatte. Dunkelheit um mich. Von irgendwo drangen gedämpfte Stimmen zu mir. »Fartuloon?« fragte ich. »Ah«, hörte ich die bekannte Stimme des Bauchaufschneiders. »Du bist endlich wieder bei Bewußtsein. Wie geht es dir, Atlan?« »Den Umständen entsprechend«, erwiderte ich und tastete mich durch die Dunkelheit in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. End lich ertastete ich etwas Weiches, Warmes, und dann spürte ich Fartuloons kraftvollen Händedruck. »Wo sind wir hier?« fragte ich. »Wir waren besinnungslos, als man uns herbrachte«, antwortete Morvo ner Sprangk. »Aber ganz sicher sind wir auf dem Festland. Die Wände
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sind aus Fels. Wir sind in einem Verlies.« »Und Eiskralle?« »Nicht hier«, antwortete Fartuloon. »Wir wissen überhaupt nichts von ihm. Seit wir hier sind, hat sich uns noch niemand gezeigt.« »Wahrscheinlich werden wir beobachtet«, vermutete ich. »Wir müssen uns jedenfalls darauf einstellen.« Fartuloon lachte rauh. »Man hat uns bis auf unsere Kleider alles abgenommen. Ohne fremde Hilfe kommen wir hier nie heraus. Worauf sollen wir also Rücksicht neh men?« Wir verstummten, als aus der Dunkelheit Geräusche zu uns drangen. Ein Klirren, dem ein Quietschen folgte, dann schwang eine Tür auf, und Helligkeit strömte in unser Verlies. Ich mußte geblendet die Augen schlie ßen; als ich sie wieder öffnete, sah ich, daß in der Türöffnung, die immer noch durch einen Schutzschirm abgesichert war, einige Gestalten standen. Die Umrisse ihrer Strahlenwaffen waren ganz deutlich zu sehen. »Ihr seid schneller als erwartet erwacht«, hörte ich eine Stimme sagen. Da man über unseren Zustand Bescheid wußte, hatte ich also richtig ver mutet, daß man uns überwachte. »Kommt jetzt einer nach dem anderen her – aber hintereinander und langsam«, wurden wir aufgefordert. »Laßt euch nicht einfallen, einen Aus bruch zu versuchen – ihr würdet nicht weit kommen.« Fartuloon erreichte als erster die Energiebarriere, hinter ihm kam ich, Sprangk bildete den Abschluß. Jetzt konnte ich Einzelheiten an unseren Kerkermeistern er kennen. Sie trugen Uniformen, die mir nicht unbekannt waren. Ich hatte die gleichen Uniformen schon bei den Soldaten auf Plan tors Dias gesehen. Demnach befanden wir uns in Prillgram Galbass' Gewalt! Die Energiebarriere fiel zusammen, die acht Soldaten nahmen uns in ih re Mitte, die Paralysatoren schußbereit, und führten uns durch einen brei ten, modrigen Gang. An dessen Ende war ein Energiegitter. Dahinter standen zwei Roboter Wache. Es waren hoffnungslos veraltete Modelle – wie ich auf den Dias auch schon erkannt hatte. Das Energiegitter hob sich, wir gingen durch. Man brachte uns in einen mittelgroßen, kahlen Raum, der ein Ebenbild unseres Verlieses zu sein schien. Dort erwartete uns Eiskralle. Seine beiden Hände steckten in einem ein zigen energetischen Fäustling. Daraus ging wieder klar hervor, daß man über die Fähigkeiten eines Chretkors eingehend informiert war. »Ihr bleibt so lange hier, bis sich die gegenüberliegende Tür öffnet!« wurde uns aufgetragen. Dann zogen sich die Soldaten auf dem gleichen
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Weg zurück, den wir gekommen waren. »Wie geht es dir, Eiskralle?« erkundigte ich mich mitfühlend. »Ich weiß nicht, ob ich meine Hände jemals wieder gebrauchen kann«, sagte er weinerlich und hob den energetischen Fausthandschuh an. »Wer weiß, vielleicht fallen sie mir sogar ab …« »Hör mit der Schwarzmalerei auf«, rügte ihn Fartuloon. Er blickte sich um. »Ich fürchte, man hat irgendeine Teufelei mit uns vor, ehe man uns hier herausläßt.« »Wir hätten es schlechter erwischen können«, meinte Sprangk. »Hast du die Uniformen erkannt, Atlan? Es handelt sich um die Soldaten von Gou verneur Galbass. Vielleicht befinden wir uns sogar innerhalb der Flam menwand.« »Ich sehe keinen Grund, warum wir uns darüber freuen sollten«, erwi derte Fartuloon mürrisch. Er fuhr sich mit dem Finger in den Halsaus schnitt. »Verdammt, ist es hier heiß!« »Die Luft ist stickig«, stimmte Eiskralle zu. »Sie ist von einem uner träglichen Geruch durchsetzt.« Er hatte recht. Es lag ein unangenehmer Geruch in der Luft, der die Sin ne benebelte. Ich fühlte mich schon ganz schwindlig. »Man will uns wieder betäuben«, sagte Fartuloon und stürmte zu der gegenüberliegenden Tür, durch die wir den Raum verlassen sollten. Aber sie war noch immer verschlossen. Fartuloon lehnte sich erschöpft und kraftlos dagegen. »Es hat keinen Sinn, unsere Kräfte sinnlos zu vergeuden«, sagte ich. »Besser, wir verhalten uns friedlich und warten ab, was auf uns zu kommt.« Ich fühlte mich auf einmal frei von allen Aggressionen, frei von dem Haß gegen unsere Feinde. Das einströmende Gas soll euch besänftigen, erklärte mein Extrasinn. Jetzt öffnete sich die bezeichnete Tür, und wir konnten ins Freie gehen. Draußen erwarteten uns zehn Kampfroboter. Bei ihnen befand sich nur ein einzelner Soldat. Dieser nahm Eiskralle den energetischen Handschuh ab, so daß er sich wieder frei bewegen konnte. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte der Chretkor diese Chance sofort wahrgenommen und seine Fähigkeiten eingesetzt. Auch wir anderen hät ten zumindest einen Fluchtversuch gewagt. Aber das Gas übte eine hem mende Wirkung auf uns aus. Ich konnte klar denken, logische Überlegungen anstellen, war jedoch nicht in der Lage, irgend etwas zu unternehmen, um meine Lage zu ver bessern. Den anderen erging es ebenso. Vor uns lag ein verwilderter Park, dahinter erhob sich der mir bereits bekannte Komplex aus etwa vierzig flachen, ineinander verschachtelten
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Häusern: die Regierungsgebäude von Prillgram Galbass. Im Hintergrund loderte die Flammenwand. Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß es mir gelingen würde, so schnell hierher zu kommen. Allerdings wären mir andere Begleitumstände lieber gewesen. Wir folgten den Robotern durch den Park in das Regierungszentrum. Die Schlingpflanzen, die die Häuser überwucherten, drangen durch Fen ster und Türen bis tief in die Korridore und Zimmer vor. Insekten um schwirrten uns. Kleine Leuchtkörper spendeten uns trübes Licht. Und dann wurden wir in einen großen Saal geführt, wo wir bereits vom Gouverneur erwartet wurden.
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9.
»Ihr seid also die Spione!« rief er mit keifender Stimme. Ich hatte mir keine Vorstellung vom Aussehen Galbass' gemacht, aber als ich vor ihm stand, da war es ganz selbstverständlich, daß er so und nicht anders aussah. Er war ein kleines, dürres Männchen, dessen v-förmiger Kopf auf einem langen Hals saß. Sein Gesicht war faltig, die Backenknochen waren hoch angesetzt und traten stark hervor, so entstand der Eindruck, daß der Blick seiner stechenden Augen aus unergründlicher Tiefe kam – in ihnen war ein nie verlöschendes böses Funkeln. Er saß in einer Art Thron, zu dem fünf Stufen hinaufführten, die mit Fellen belegt waren. Überhaupt war der ganze Saal mit Fellen ausgelegt – mit Fellen vom Goraya-Bären! Und überall räkelten sich fette Mätressen, so wie ich es auf Plantors Di as gesehen hatte. Sie waren durchweg ein Ausbund an Häßlichkeit, keine von ihnen hatte irgend etwas, das meiner Meinung nach einen Mann hätte reizen können. Ich wandte mich schaudernd ab und zog den Anblick Prillgram Galbass' vor, obwohl auch er nicht gerade einen sympathischen Eindruck auf mich machte. Einige seiner Mätressen saßen auf den Stufen seines Thrones, steckten ständig die Köpfe zusammen, kicherten; andere wieder stopften irgend welche Speisen zwischen ihre wulstigen Lippen, schmatzten und rülpsten, genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. Entlang der Wände standen Roboter Wache. Kein einziger Soldat war zu sehen. Galbass erhob sich halb aus seinem Sitz und deutete mit seinem Zeige finger, dessen Nagel so lang war, daß er sich nach innen krümmte, auf uns. »In wessen Auftrag habt Ihr mir nachspioniert?«, rief er anklagend und mit sich überschlagender Stimme. »Wir haben nichts dergleichen getan, Exzellenz«, beteuerte ich. Die Lü ge kam ganz glatt über meine Lippen, denn das Gas hatte nur meinen phy sischen Widerstand gebrochen, meinen Willen dagegen nicht. »Ach?« machte er höhnisch. »Glaubt nur nicht, mich für dumm verkau fen zu können. Ich habe überall meine Informanten – auch auf dem Markt. Sie haben genügend Beweise zusammengetragen, um euch als Spione zu entlarven. Ich frage euch noch einmal in aller Güte: Für wen arbeitet ihr?« »Wir haben keine Auftraggeber«, antwortete ich. »Zugegeben, wir ha ben Erkundigungen eingezogen. Aber das entsprang reiner Neugier, denn wir sind fremd auf Jacinther IV und wollten Erfahrungen sammeln.«
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»Ihr seid fremd auf Broschaan, ja, aber auf Sebentool kennt ihr euch be stimmt gut aus«, behauptete Galbass. Da wurde mir klar, worauf er hinauswollte: Auf dem Nordkontinent Sebentool hatte bekanntlich der Imperiumsbeauftragte Fertomash Agmon sein Domizil aufgeschlagen. Und dann sprach er seine Beschuldigung auch klar aus: »Ich brauche euer Geständnis nicht einmal, um zu wissen, daß Ihr in Agmons Auftrag handelt. Wahrscheinlich haben die anderen Gouverneure schändliche Lügen über mich verbreitet, so daß Agmon es für angebracht hielt, mich ausspionieren zu lassen.« Galbass sprang erregt von seinem Thron hoch und kam über die Treppe zu uns herunter. »Wir haben mit dem Imperiumsbeauftragten nichts zu tun, Exzellenz«, versicherte ich wieder. Aber Galbass schien es überhaupt nicht gehört zu haben. Während er sich uns in lauernder Haltung näherte, fuhr er fort: »Ich kenne doch die Methoden meiner Kollegen. Sie scheuen vor nichts zurück, wenn es gilt, sich Agmon gegenüber ins rechte Licht zu setzen. Und Agmon, dieser greise Narr, ist schon viel zu senil, um ihre Intrigen zu durchschauen. Er ist schon so gebrechlich; daß er es nicht mehr wagt, sei nen Bau zu verlassen. Er hockt wie eine Spinne im Netz und glaubt, von dort die Fäden über Jacinther IV ziehen zu können. So hält er es schon seit Jahren. Man hört nichts von ihm, bekommt ihn nicht zu sehen. Er glaubt klug zu sein, weil er die anderen über sich selbst in Ungewißheit läßt. Doch in meinen Augen ist das Schwäche. Ja, Schwäche!« Ich hatte nichts dagegen, daß Galbass so aus sich herausging, denn auf diese Weise verriet er uns einige interessante Neuigkeiten. Ich begann mich selbst zu fragen, was dahinterstecken mochte, daß Agmon sich schon seit Jahren nicht hatte blicken lassen. »Statt die Geschäfte selbst in die Hand zu nehmen, bedient sich Agmon solcher zwielichtigen Gestalten wie euch. Als ob er damit bei mir etwas erreichen könnte. Ihr hattet kaum euren Fuß auf Broschaan gesetzt, da ha be ich euch schon durchschaut. Jetzt will ich erfahren, welchen Auftrag ihr von Agmon bekommen habt!« »Sie fürchten den Imperiumsbeauftragten wohl sehr, Exzellenz?« sagte Fartuloon spöttisch. Galbass sah ihn an. »Was?« fragte er drohend. »Ich? Agmon fürchten? Ich habe vor nie mandem Angst! Aber meine Feinde werden bald allen Grund haben, vor mir zu zittern. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich Agmons Posten einnehme.« »Stützen Sie Ihre Hoffnung etwa auf das Eintreffen der wichtigen Per
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sönlichkeit Exzellenz?« fragte ich. »Die Fragen stelle ich!« fuhr er mich an und fügte mit einem schlauen Grinsen hinzu: »Ökonom Freemusch wird jedenfalls frischen Wind nach Jacinther IV bringen. Ich werde dafür sorgen, daß die richtigen Köpfe rol len!« Ich hörte seine letzten Worte nicht mehr bewußt. In meinem Geist hallte immer wieder der eine Name nach – Ökonom Freemusch! Das war also die wichtige Persönlichkeit, von der Tharniel Ortoba gesprochen hatte. Und in der Tat, Ökonom Freemusch war einer der wichtigsten Männer des Imperiums. Er war so etwas wie der Handelsminister über das gesamte Imperium, ein enger Vertrauter Orbanaschols, und er bestimmte weitestgehend den Lauf der Wirtschaft. In diesem Augenblick reifte ein kühner Plan in meinem Kopf. »Ich würde es zu schätzen wissen, wenn ihr von nun an für mich arbei tet«, sagte Galbass gerade. »Solltet ihr euch aber nicht freiwillig zur Zu sammenarbeit entschließen, kann ich auch zu anderen Methoden greifen. Um euch einen Vorgeschmack auf euer Schicksal zu geben, werde ich euch zeigen, was ich mit meinen Feinden mache. Folgt mir!« Ohne sich nach uns umzusehen, ging er voran. Er konnte vor uns abso lut sicher sein, weil das Gas immer noch unsere Aggressionen dämpfte. Als wir am Thron vorbeikamen, erhob sich eine der Mätressen. Sie ging an mir vorbei und streifte mich dabei wie zufällig am Arm. Dabei flüsterte sie mir mit rauchiger Stimme zu: »Ich bin Orfina.« Ich hatte sie sofort erkannt, sie sah genauso aus wie auf dem Dia, das Plantor mir von ihr gezeigt hatte. Aber – was, zum Teufel, bedeutete es, daß sie sich an mich wandte? Sie will deine Gunst, du Einfaltspinsel, klärte mich mein Extrasinn auf. Der Innenhof war mit Steinplatten belegt, hier rankte sich keine einzige Pflanze. Auf dem etwa hundert mal hundert Schritt großen Platz standen an die fünfzig doppelt mannsgroße Blöcke aus einem durchscheinenden Material. Es waren schmucklose Quader, die nicht durch ihre Äußerlichkeit, son dern durch ihren Inhalt bestachen. Ich besah mir den nächststehenden Block und erblickte durch das grün schillernde Material eine menschliche Gestalt. Es handelte sich um einen Mann, der nicht viel größer als Galbass sein konnte. Seine Kleider waren vornehm und fielen locker von seinem Kör per. Er stand etwas gebückt da, in seiner Rechten hielt er noch einen Ener giestrahler. Sein Gesicht war das eines Raubvogels – und es war eine Maske des
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Entsetzens. Man konnte die grenzenlose Angst herauslesen, die der Mann gehabt hatte, bevor ihn der Tod ereilte. »Das ist Bornher Lornio, der geborene Intrigant«, erklärte uns Galbass. »Er wollte doppeltes Spiel mit mir treiben und leugnete seinen Verrat bis zur letzten Sekunde. Doch als ich ihm eine Waffe überließ, zeigte er sein wahres Gesicht. Er stand so da, wie Sie ihn sehen, auf diesem Platz. Er zielte gerade nach meinem Doppelgänger. Noch bevor er abdrücken konn te, ereilte ihn der Tod. Sie sehen es seinem Gesicht an, daß er wußte, was mit ihm geschehen sollte, als sich das Kunstharz über ihn ergoß.« »Sie haben ihn bei lebendigem Leib eingießen lassen, Exzellenz?« er kundigte ich mich. »Dasselbe wird mit euch geschehen, wenn ihr nicht freiwillig eure Ge sinnung ändert«, antwortete er. »Hier stehen sechsundvierzig Verdammte – seht sie euch nur genau an mit euch wäre es eine runde Zahl.« Die in dieses bernsteinfarbene Material eingegossenen Menschen konn ten einem schon das Gruseln lehren. Es handelte sich um Männer und Frauen aus allen Gesellschaftsschichten, und außer Arkoniden waren auch einige Vertreter anderer Intelligenzvölker zu sehen. In Galbass' Sammlung fehlte nicht einmal ein Methanatmer. Der Gouverneur wußte auch zu jedem der Verdammten eine kleine Ge schichte zu erzählen. Da war Loohel, der König der Diebe von KevKev. Er kniete im Kunst harzblock, einen bejammernswerten Ausdruck auf dem Gesicht, die Hände bittend emporgehoben. Er hätte Galbass' Vertrauen erschlichen, nur um dann zu versuchen, wichtige Unterlagen aus seinem Tresor zu entwenden. Der König der Diebe hatte vergeblich um Gnade gewinselt. Nayda, die fette Nayda, die wie frierend das Fell eines Goraya-Bären um sich gewickelt hatte, war eine von Galbass' Mätressen gewesen. Sie hatte geglaubt, ihn zum Sklaven seiner Lust machen zu können und war dabei um einen Schritt zu weit gegangen – dieser Schritt hatte sie in diesen Block geführt. Eine besondere Stellung nahmen die Meuchelmörder unter den Ver dämmten ein. Es waren ihrer zwei Dutzend, die einem aus den Blöcken entgegenstarrten, aber sie hatten nichts Furchterregendes mehr an sich. Nur einer, Gelwansither, der Spürhund, zeigte noch im Tode, daß er et was Besonderes gewesen war. Er stand stolz erhobenen Hauptes da, die Hände in die Hüften gestützt, ein Bein etwas abgewinkelt und vorgestellt, das Körpergewicht auf das andere Bein verlagernd, den Scheitel im grauen Haupthaar streng gezogen, mit den scharfen Augen ein Ziel anvisierend, ein spöttisches Lächeln um die Mundwinkel. So war er in den Tod gegan gen. Aber wenn man Galbass glauben wollte, war er trotz allem eine tragi
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sche Gestalt. Gelwansither hatte Galbass gnadenlos gejagt und ihn schließ lich im Hof der Verdammten gestellt. Er wollte Galbass dasselbe Schick sal wie seinen Opfern zukommen lassen und hatte auch schon alles in die Wege geleitet. Nur hatte er vergessen, den Computer der Eingießvorrich tung umzuprogrammieren, und während er – in jener Pose, in der man ihn immer noch bewundern konnte – darauf wartete, daß Galbass unter Ton nen von Gießharz verschwand, entlud die Eingießmaschine die tödliche Last über ihn selbst. Nur deshalb, so versicherte Galbass, mache Gelwansither diesen stolzen Eindruck. »Na, wollt ihr nicht doch mit mir zusammenarbeiten?« fragte Galbass abschließend. »Warum nicht«, erwiderte ich. »Wir sind freie Männer, an keinen Herrn gebunden und können es uns aussuchen, für wen wir arbeiten wollen.« Galbass bekam einen roten Kopf. »Ich werde euch noch dazu bringen, daß ihr Farbe bekennt«, schrie er. »Ihr werdet noch froh sein, mir alles erzählen zu dürfen, was ihr über Ag mon wißt.« »Sie begehen einen großen Irrtum, Exzellenz«, versuchte Sprangk den Gouverneur zu besänftigen. »Sie können alles mögliche von uns erfahren, nur nicht, daß wir Spione eines Ihrer Feinde sind. Wenn Sie uns das glau ben, dann könnten wir wertvolle Verbündete für Sie werden.« Galbass grinste hämisch. »Sie sind mir entschieden zu vorlaut«, sagte er dann. »Deshalb werde ich Sie als ersten verhören.« Sprangk widersetzte sich nicht, als plötzlich vier Soldaten auftauchten und ihn abführten. Wir anderen wurden von einer Abordnung Roboter ins Verlies zurückgebracht. Diesmal bekamen wir jedoch drei nebeneinander liegende, durch Energiegitter voneinander getrennte Zellen zugewiesen, die sogar beleuchtet waren. Ich hatte die Roboter, die uns hierher brachten, genau unter die Lupe genommen und festgestellt, daß sie nicht mehr voll funktionsfähig waren. Einmal machte ich versuchsweise eine verdächtige Bewegung, und alle Roboter reagierten langsamer als ich. Sie quietschten und rasselten auch beim Gehen, so, als ob etliche Funk tionsteile in ihnen zu locker seien. Als wir dann in unseren Zellen waren, berichtete ich meine Entdeckun gen den anderen. Fartuloon und Eiskralle hatten ebenfalls festgestellt, daß die Roboter im Ernstfall keine unüberwindliche Gefahr darstellen würden. Wir kamen zu dem Schluß, daß Galbass nicht gerade Agmons Lieb lingskind war; denn warum sonst sollte er so kurz gehalten werden, daß er sich nur schrottreife Roboter und häßliche Mätressen leisten konnte?
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»Jetzt weiß ich auch schon, was ich gegen Orbanaschol unternehmen kann«, eröffnete ich Fartuloon und Eiskralle. »Wenn Ökonom Freemusch tatsächlich nach Jacinther IV kommt –, dann würden wir ihn entführen! Was sagst du dazu, Fartuloon?« »Du bist total übergeschnappt, Atlan.« »Wieso, findest du meinen Plan nicht gut?« wunderte ich mich. »Ich will gar nicht von den Schwierigkeiten sprechen, auf die wir bei einer sol chen Entführung stoßen würden«, entgegnete Fartuloon. »Aber bevor wir einen solchen Plan überhaupt ins Auge fassen, müßten wir erst einmal in Freiheit sein. Zugegeben, der Verlust des Ökonomen wäre ein schwerer Schlag für Orbanaschol und würde das Große Imperium erschüttern. Aber …« Er ließ den Rest unausgesprochen und zuckte nur die Achseln. »Wir werden schon einen Ausweg finden«, versicherte ich. »Was wollte eigentlich Galbass' Mätresse von dir, Atlan?« erkundigte sich Eiskralle. »Nichts«, antwortete ich irritiert. »Sie flüsterte mir nur zu, wer sie sei. Das ist aber ohne jede Bedeutung.« »So glaubst du, Atlan?« sagte Eiskralle. »Du meinst also, daß sie es ris kierte, in Gießharz eingegossen zu werden, ohne dabei einen Hintergedan ken zu haben?« »Nun, das gerade nicht«, sagte ich unsicher. »Ich befürchte, daß sie Ge fallen an mir gefunden hat …« »Das ist ja wunderbar!« rief Fartuloon aus. »Du mußt ihr schöne Augen machen, Atlan, vielleicht bringst du sie dazu, daß sie etwas für uns tut.« »Dazu könnte ich mich nie überwinden«, sagte ich bestimmt. »Orfina reizt mich überhaupt nicht, ja, ich finde sie sogar abstoßend, und über haupt, ich könnte Farnathia nie mehr unter die Augen treten, wenn …« »Na, wenn das so ist, will ich nicht weiter in dich dringen«, sagte Fartu loon heuchlerisch. »Lieber gehe ich in den Tod, als dich zur Sünde zu ver leiten.« »Ach, halt den Mund, Bauchaufschneider«, fuhr ich ihn gereizt an. Bald darauf wurde Fartuloon zum Verhör geholt, und wenig später auch Eiskralle. Ich weiß nicht mehr, wieviel Zeit vergangen war, als sich die Tür wie der öffnete und Tharniel Ortoba darin erschien. »So, mein Freund, jetzt bist du an der Reihe«, sagte er zynisch.
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Tharniel Ortoba hatte dafür gesorgt, daß sich keine Zeugen im Verhör raum befanden. Die beiden Roboter, die ihm assistierten, galten nicht als Zeugen, denn ihre Gedächtnisspeicher ließen sich leicht löschen. Ich wurde an einen Elektrostuhl geschnallt, und so altersschwach die Roboter auch waren, ich hatte keine Chance zur Gegenwehr. »So«, sagte Ortoba grinsend, als ich bewegungsunfähig war. »Jetzt wer den wir sehen, ob du unter den Elektroschocks nicht doch ein Geständnis ablegst.« »Was soll dieser Unfug, Tharniel«, sagte ich, in der Hoffnung, ihn um stimmen zu können. »Du weißt besser als jeder andere, daß ich unschuldig bin. Du bist der Verräter, den Galbass sucht. Aber das muß man ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden. Ich bin bereit zu schweigen, wenn du dich erkenntlich zeigst.« »Und wie stellst du dir das vor?« erkundigte er sich amüsiert. »Ich verlange nicht viel«, antwortete ich. »Du sollst meinen Kameraden und mir nur zur Flucht verhelfen. Dann werde ich schweigen wie ein Grab.« »Wenn du im Grab bist, schweigst du bestimmt.« Damit hatte er seine Absicht deutlich erklärt. »Du kannst es dir nicht leisten, mich zu beseitigen, Tharniel«, behaupte te ich. »Galbass würde sofort Verdacht schöpfen. Wenn du mich ermor dest, verrätst du dich selbst.« »Wer spricht denn von Mord!« sagte er mit gespielter Entrüstung. »Es wird sich um einen Unfall handeln.« Er nahm mit einer blitzschnellen Bewegung eine Schaltung vor, und ich bäumte mich unter den elektrischen Stößen auf, die durch meinen Körper gejagt wurden. Nach einer Weile empfand ich den Schmerz nicht mehr so; denn ich hatte mich daran gewöhnt. Aber Ortoba verstärkte die Elektroschocks, kaum daß ich mich ein we nig entspannt hatte. Dabei sagte er: »Ich bin kein Folterknecht und kenne mich daher mit Folterinstrumen ten nicht besonders gut aus. Es kann also leicht passieren, daß ich deine Widerstandskraft überschätze. Ein paar zu starke Elektroschocks, und du wirst tatsächlich für immer schweigen. Ich werde zerknirscht Galbass' Rü gen über mich ergehen lassen und mein Bedauern über mein Mißgeschick aussprechen. Das wird alles sein. Niemand wird dir eine Träne nachwei nen.« Er erhöhte die Stromzufuhr, und ich schrie. Ich sah alles wie durch einen verzerrenden Spiegel. Meine Füße und Hände zuckten, verkrampften
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sich, es riß mir den Kopf hin und her. Ortoba sprach wieder auf mich ein, aber ich konnte nicht mehr hören, was er sagte. Plötzlich war mir, als erschrecke er. Seine Augen weiteten sich, er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ich sah, daß er sich wie in Zeitlu pe umdrehte und zum Bild-Sprechgerät ging. Dort blieb er eine geraume Weile. Als er sich wieder mir zuwandte, grinste er nervös. Er beugte sich über mich und sagte: »Leider kann ich dir nicht mehr Gesellschaft leisten. Ich werde woan ders dringend gebraucht. Aber glaube nur nicht, daß du deshalb deinem Schicksal entgehst. Ich werde eine Schaltung vornehmen, die die Kapazi tät der Stromstöße ständig erhöht. Es ist sogar noch besser, wenn ich dann nicht in deiner Nähe bin, so kann mir niemand böse Absicht unterstellen.« Er verschwand aus meinem Blickfeld. Dann tauchte er noch einmal auf und verließ den Raum. Ich sah ihn noch durch die Tür gehen, dann explo dierte ein Schmerz in meinem Körper, der mir fast die Sinne raubte. Aber ich war noch bei Bewußtsein und erlebte auch die nächste Schock welle bewußt mit. Den darauffolgenden Elektroschock überstand ich nicht mehr mit wachem Geist. Ich hatte bereits Halluzinationen. Ich sah Galbass' Soldaten in den Ver hörraum stürmen. Sie schalteten den Elektrostuhl ab und lösten mit flie genden Händen die Klammern von meinen Armen und Beinen … Ich erlebte diesen Vorgang einige Male … Die Soldaten tauchten auf … Ihre Gesichter drückten Besorgnis aus … Sie kamen durch die Tür herein, wandten sich mir zu, befreiten mich … und dann noch einmal und wieder und immer wieder … und dann erschien mit Orfina im Geist und redete auf mich ein, daß nun alles wieder gut werden würde, und ich nun keine Folter mehr zu befürchten hätte, und daß Ortoba, dieses Scheusal, durch schaut sei, und daß ich nicht zu sterben brauche, denn zum Glück sei das Gespräch abgehört worden, und Ortoba, dieses Scheusal, durchschaut, und daß ich nicht zu sterben brauche … Ja, und dann senkte sich Dunkelheit über mich. Als sich der Schleier hob, erlebte ich das alles noch einmal. Ich lag auf einem weichen, wohlig warmen Fell. Ich wußte sofort, daß es sich um ein Goraya-Bärenfell handelte und auch, daß ich mit einem eben solchen Fell zugedeckt war. Ich öffnete die Augen und sah über mir ein Frauengesicht mit aufge blähten Backen, einem Doppelkinn und wulstigen Lippen, die durch die Schminke noch breiter wirkten. »Erkennst du mich?« fragte der Mund mit rauchiger Stimme. »Orfina …« Sie zwinkerte mit den Augen.
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»Du wurdest im letzten Augenblick gerettet. Ortoba, dieses Scheusal wollte dich durch Elektroschocks töten. Aber euer Gespräch wurde abge hört und Ortoba, dieses Scheusal, daraufhin sofort abberufen … Um ein Haar hätte er dich doch noch geschafft.« Mir war, als hätte ich das alles schon einmal erlebt. »Wo bin ich jetzt?« fragte ich. »In Sicherheit«, sagte Orfina und drückte mich auf das Fellager zurück, als ich mich erheben wollte. »Du bist noch schwach und brauchst Ruhe. Niemand denkt jetzt daran, dir etwas zu tun.« »Und danach – wenn es mir wieder besser geht?« fragte ich. Orfina wandte sich ab. Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie. Seltsamerweise kostete mich diese Geste keine Überwindung. Ich ergriff ihre Hand auch nicht aus Be rechnung, sondern impulsiv; Fartuloons Rat, mich an Galbass' Lieblings mätresse heranzumachen, kam mir in diesem Moment überhaupt nicht in den Sinn. Aber als er mir einfiel, wollte ich meine Hand wieder schuldbe wußt wegziehen. Doch Orfina ließ sie nicht los. »Orfina, ich …«, begann ich. Doch sie unterbrach mich. »Sage es nicht, ich weiß alles«, behauptete sie. »Ich kenne deine Gefüh le. Aber kann ich ihm die Wahrheit sagen?« »Nein«, stimmte ich ihr zu, obwohl, ich überhaupt nicht wußte, was sie meinte. »Man hat die Dias bei dir gefunden, die du Plantor gestohlen hast«, fuhr sie fort. »Mein Bild war von den anderen abgesondert – mir war sofort klar, was es zu bedeuten hatte. Als ich dich dann erblickte, war ich eben falls sofort Feuer und Flamme für dich. Prillgram hat es zum Glück nicht erkannt. Und er glaubte auch, daß du dich für die Bilder nur interessiertest, weil du ein Spion bist. Das ist das doppelte Glück!« »Das finde ich aber gar nicht«, erwiderte ich. »Galbass' Irrtum kann mir das Leben kosten.« »Wenn er von deiner Liebe zu mir wüßte, wärst du schon längst ein to ter Mann«, hielt sie dagegen. Was sollte ich darauf antworten? Ich befand mich ein einem furchtbaren Dilemma, in das ich durch eine Verkettung unglücklicher Umstände ge kommen war. Aber ich durfte Orfina am wenigsten die Wahrheit sagen, um sie nicht vor den Kopf zu stoßen. »Noch bist du nicht verloren«, hörte ich sie sagen, und ihre Hand strich mir zärtlich über das Haar. »Ich werde für dich tun, was in meiner Macht steht.« »Wenn du mich liebst, dann mußt du auch meinen Freunden helfen«, verlangte ich.
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»Wir werden sehen …« »Was hat Galbass mit uns vor?« fragte ich. »Wenn er euch nicht bezwingen kann, wird er euch eingießen«, antwor tete sie. »Aber das werde ich zu verhindern wissen.« »Und wie?« fragte ich hoffnungsvoll. Sie senkte die Augen. »Ich tue alles, um dich nicht zu verlieren, Geliebter. Ich würde dir sogar zur Flucht verhelfen.« Ich schloß sie leidenschaftlich in die Arme und drückte sie so fest, daß ihr die Luft wegblieb. Ich hatte kein schlechtes Gewissen dabei, denn schließlich handelte es sich bei ihr um meine mögliche Lebensretterin. »Nicht so stürmisch«, sagte, sie. »Ich habe noch nichts versprochen, und nur wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, werde ich deine Flucht unterstützten.« »Unsere Flucht«, erinnerte ich sie. Sie nickte und lächelte dann schelmisch. »Wenn Prillgram aber nicht beabsichtigt, dich zu töten, sondern dich als Gefangenen behält, werde ich keinen Finger rühren. Das wäre mir natür lich am liebsten, denn dann hätte ich dich für immer in meiner Nähe.« Mir wurde ganz flau im Magen ob dieser Aussicht.
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Ein Theaterregisseur hätte keine stilechtere Hinrichtungsatmosphäre er schaffen können. Es stimmte alles überein. Hoch über uns ballten sich dunkle Wolkengebilde zusammen, aus denen bald die ersten Blitze zuckten. Regenschauer prasselten nieder und ver dampften auf dem Energiedach, das sich über den »Hof der Verdammten« spannte. Und die sechsundvierzig in Gießharz eingegossenen Opfer bildeten eine an den Tod gemahnende Kulisse. Drohender und gefährlicher waren je doch die fünfzehn Soldaten, die uns mit ihren Paralysatoren in Schach hielten. Zwischen ihnen stand Prillgram Galbass – der Henker. Ein habgieriger, machtbesessener und bösartiger Zwerg, der ein sadistisches Vergnügen daran hatte, seine Gegner lebendig einzugießen. Vor ihm lagen die Grauzayna-Büchsen – und zwar genau so, wie wir sie auf dem Markt zurückgelassen hatten; sie waren immer noch durch den In dividualschirm vor fremdem Zugriff geschützt. Galbass hatte Tharniel Ortoba befohlen: »Durchsuchen Sie die Gefangenen, ob Sie Waffen oder irgend etwas von Wert bei sich haben.« Ortoba gehorchte mit bleichem Gesicht. Als er mich durchsuchte, sah ich, daß seine Hände schweißnaß waren und zitterten. Ich grinste ihn an. »Hast du Angst, daß ich dich doch noch verraten könnte, Tharniel?« fragte ich ihn. Er gab keine Antwort. Als Ortoba seinen Auftrag erledigt hatte und zu Galbass zurückkehren wollte, ordnete dieser an: »Bleiben Sie, wo Sie sind, Ortoba.« Ich sah, daß er nun am ganzen Körper zitterte, sich der Anordnung aber nicht widersetzte. »Ich bin es überdrüssig, mich noch länger mit euch herumzuschlagen«, eröffnete uns Galbass. »Ihr wußtet von Anfang an, welches Schicksal euch droht, wenn ihr den Mund nicht aufmacht. Vielleicht bildet ihr euch etwas auf eure Standfestigkeit ein, mich beeindruckt sie jedoch nicht.« Orfina hatte mich, noch bevor man uns in den Innenhof brachte, aufge sucht und mich gewarnt. Sie hatte gesagt, daß Galbass nicht mehr gewillt war, die unergiebigen Verhöre weiterzuführen und nun den endgültigen Entschluß gefaßt habe, uns einzugießen. »Ich will euch noch eine letzte Chance geben, eure Köpfe zu retten«, er öffnete uns Galbass völlig überraschend. Er deutete auf die Grauzayna
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Büchsen und fragte: »Wozu dienen diese sogenannten Talama?« »Sie sind das Erbe eines geistig hochstehenden Volkes …«, begann ich, aber er winkte ungeduldig ab. »Unsinn!« rief er. »Ich werde euch sagen, wozu die Zylinder dienen. Wahrscheinlich sind sie flugfähig, oder es sind ferngesteuerte Wassertor pedos, in denen ihr Nachrichten nach Sebentool schickt. Wenn ihr mir das Prinzip dieser Talama und ihre Handhabung verratet, will ich euch das Le ben schenken.« Er blickte uns herausfordernd an. »Wie ist es damit?« »Sie gehen von ganz falschen Voraussetzungen aus, Exzellenz«, ver suchte Fartuloon Galbass aufzuklären. Es war abgesprochen worden, daß Fartuloon die Aufmerksamkeit des Gouverneurs auf sich lenken sollte, da mit ich ungestörter war. Orfina hatte ihr Versprechen wahrgemacht. Sie hatte Vorbereitungen für unsere Flucht getroffen. Während Fartuloon mit Galbass diskutierte, näherte ich mich kaum merklich dem Block, in den Gelwansither, der Spürhund, eingegossen war. Fartuloon sagte gerade: »Gut, Exzellenz, ich will versuchen, ein Talama zu öffnen. Aber ich kann keine Garantie dafür übernehmen, was dann passiert.« Galbass grinste. »Ich nehme alles in Kauf, nur um endlich zu erfahren, was es mit diesen Büchsen auf sich hat. Kommen Sie, und holen Sie sich einen der Zylinder. Aber lassen Sie sich nicht irgendeinen Trick einfallen. Meine Soldaten schießen bei der geringsten verdächtigen Bewegung.« Ich war dem Block mit Gelwansither wieder zwei Handbreit näher ge kommen. Orfina hatte gesagt, daß das Versteck unter jener Bodenplatte lag, die an die rechte Ecke des Gießharzblocks stieß. Noch einen halben Schritt, dann hatte ich die Steinplatte erreicht. Fartuloon hatte sich ein Talama geholt und wurde von Galbass wieder zurück auf seinen Platz geschickt. »Exzellenz!« rief in diesem Augenblick Tharniel Ortoba mit gebroche ner Stimme. »Ist es nötig, daß ich noch länger ausharre? Ich meine, wenn die Exekution stattfindet, dann möchte ich nicht …« »O, doch, Sie werden, Ortoba!« herrschte Galbass ihn an. »Sie werden die Exekution als einer der fünf Hauptakteure miterleben. Nur schade, daß es dann nicht eine runde Zahl von Blöcken sein wird.« »Exzellenz!« schrie Ortoba entsetzt auf und taumelte. »Das können Sie nicht ernst meinen! Sie werden doch nicht …!« »Natürlich werde ich«, entgegnete Galbass kalt. »Oder glauben Sie, ich hätte nicht schon längst durchschaut, daß Sie doppeltes Spiel treiben? Sie
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sind ein Verräter, Ortoba, und dafür werden Sie büßen.« Da verlor Ortoba die Nerven. Er griff nach der Waffe. Doch gerade als er sie in Anschlag gebracht hatte, erstarrte er mitten in der Bewegung. Er schrie in Todesangst auf, sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske des Entsetzens – aber er konnte seinen Körper nicht mehr bewegen. Aus un sichtbaren Projektoren hatten sich Fesselfelder um ihn gelegt und hielten ihn fest. Seine Augen weiteten sich, als ein Flugkörper auftauchte und genau über ihm hielt. Eine Schleuse öffnete sich und eine zähe, matte Flüssigkeit quoll daraus hervor. »Seht genau zu, denn das gleiche Schicksal widerfährt auch euch, wenn ihr mir nicht das Geheimnis der Zylinder verratet!« rief Galbass uns zu. Ich achtete nicht darauf. Ich hatte die Bodenplatte erreicht und stellte fest, daß sie unter meinem Gewicht wackelte. Jetzt mußte ich handeln. Blitzschnell bückte ich mich und hob den Stein ab. Darunter war ein Hohlraum, in dem unsere Waffen lagen – selbst Fartuloons Skarg hatte Orfina nicht vergessen. »Achtung!« rief einer der Soldaten. Ich feuerte aus einem Paralysator auf ihn. Bevor sich die anderen mir zuwenden konnten, hatte Fartuloon das Talama gewaltsam geöffnet. Ohne darauf zu warten, was passieren würde, schleuderte er die Grauzayna-Büchse nach Galbass – und ein Blitz zuckte in einer lautlosen Explosion aus der Öffnung. Das Irrlicht wurde immer heller, nahm seltsame Formen an, ja, es schien sich aus eigener Kraft zu bewegen und fuhr mit rasender Geschwindigkeit mitten in die Reihe der Soldaten hinein. Mir wurde klar, daß es sich nur um einen Gantrie handeln konnte, eines jener fremddimensionalen Energiewesen, die die Grauzayna in den Haper raum gelockt hatten. Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß ich einem Gantrie jemals für sein Erscheinen dankbar sein würde. Das Energiewesen wirbelte die Soldaten auf seiner Suche nach einer Strukturlücke in die andere Dimension ganz schön durcheinander. Galbass hatte die Flucht ergriffen. »Fartuloon!« Ich warf dem Bauchaufschneider sein Schwert zu. Er fing es auf und schlug damit einen angreifenden Soldaten nieder. Bei der nächsten Gelegenheit warf ich auch Eiskralle und Sprangk ihre Waffen zu. Die letzten verbliebenen Soldaten, die nicht Opfer des umher geisternden Gantries geworden waren, fielen unter unseren Strahlenschüs sen. Doch kaum hatten wir uns ihrer entledigt, als von der anderen Seite des
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Innenhofes die ersten Roboter auftauchten. »Schnell, weg von hier!« rief ich meinen Kameraden zu und rannte auf das Tor zu, bei dem ich mich mit Orfina verabredet hatte. Sie erwartete uns bereits, ließ uns in das Gebäude ein und Schloß das Tor hinter uns. Orfina war trotz ihrer Fettmassen erstaunlich wendig; davon konnte ich mich überzeugen, als sie vor uns durch einen Korridor lief, der vom Innen hof in gerader Linie durch den Palast führte. Hinter uns fand eine Explosion statt, als sich die Roboter gewaltsam Zu gang in das Gebäude verschafften. Alarmsirenen begleiteten uns mit ihrem durchdringenden Heulen auf unserem Weg. Vor uns tauchte eine Gruppe von fünf Soldaten auf, die noch viel über raschter waren als wir. Orfina hielt plötzlich einen Paralysator in der Hand und lähmte die Soldaten, bevor sie überhaupt begriffen hatten, was eigent lich vorging. Wir gelangten ohne weiteren Zwischenfall in den Park, der den Gebäu dekomplex umgab. Etwa zweihundert Schritt vor uns erhob sich die Feuer wand in den Himmel. »Bringst du uns zum Nordtor?« fragte ich Orfina. Sie war überrascht. »Wieso das?« Ich erklärte ihr, daß Plantor mir verraten hatte, daß lediglich das Nord tor von jedermann passiert werden konnte. Sie lachte. »Versuche es, und du wirst dich in deine Atome auflösen. Plantor ist ei ner von Prillgrams Leuten. Seine Aufgabe besteht zum Teil darin, die Feinde des Gouverneurs mit falschen Informationen über seine Festung zu versorgen. Ihr könnt nur durch das Westtor fliehen – wenn überhaupt!« Ihre letzten Worte bezogen sich auf die Roboter, die plötzlich überall im Park auftauchten. Sie schienen uns noch nicht entdeckt zu haben – kein Wunder, denn mit den Sehlinsen dieser altersschwachen Modelle konnte es nicht mehr zum Besten bestellt sein. Und Ortungsmöglichkeiten boten wir ihnen keine. Wir schlichen uns geduckt durch den Pflanzendschungel, und ich dachte dabei voll Ingrimm an den Händler Plantor. Wenn sich die Gelegenheit bot, würde ich ihn dafür zur Rechenschaft ziehen, daß er versucht hatte, uns in die Irre zu leiten. Uns trennten noch hundert Schritt von der Flammenwand. Ich konnte durch das Gestrüpp bereits die Energieschleuse sehen, vor der sich ein Dutzend schwerbewaffneter Soldaten eingefunden hatten. Sogar zwei Ge schütze hatten sie für unseren Empfang aufgeboten. »Damit habe ich nicht gerechnet«, gestand Orfina. »Mit den Robotern
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wären wir leichter fertig geworden, aber die Soldaten können wir nicht einfach überrennen.« »Wie wäre es damit?« hörte ich Fartuloon sagen und sah, wie er eine Grauzayna-Büchse hochhielt. »Ich habe für alle Fälle zwei Talama an mich genommen. Wenn sich ihre verheerende Wirkung unter den Soldaten herumgesprochen hat, könnte es uns vielleicht gelingen, sie zu bluffen.« »Gib her, Bauchaufschneider«, sagte ich. »Ich war im Werfen schon im mer besser als du.« Er händigte mir das Talama wortlos aus. Ich suchte mir eine kleine Lichtung aus, von wo aus ich freie Flugbahn für das Talama hatte und schickte mich ohne lange Vorbereitung zum klassischen Diskuswurf an. Ich wirbelte einige Mal um meine Achse und schleuderte dann das Talama mit aller Kraft in Richtung des Westtors. Die Grauzayna-Büchse landete nur wenige Schritte vor den Stellungen der Soldaten, prallte ab, wirbelte noch einmal durch die Luft und blieb dann neben dem Schutzschirm eines Geschützes liegen. Ein Aufschrei ertönte, der lauter war als das Geheul der Alarmsirenen. Dann entstand bei den Soldaten ein Tumult. Sie hatten das Talama ent deckt und kannten auch seine Bedeutung. Vielleicht hatte einer von ihnen sogar die Vorgänge auf dem Hof der Verdammten beobachtet. Jedenfalls erzielte das Talama die von uns erhoffte Wirkung. Die Solda ten fürchteten eine tödliche Energieentladung und stoben in wilder Panik nach allen Seiten davon. Wir hinderten sie nicht daran und dachten, daß der Weg nun frei sei. Doch da griffen die Roboter an. Sie hatten ihre Visiere schlecht einge stellt, was nicht einmal überraschte, und ihre Energiestrahlen schlugen so weit von uns entfernt ein, so daß wir nicht einmal von der Hitzewelle be rührt wurden. Dafür verglühten die Roboter reihenweise in dem Glutor kan, den wir mit unseren Energiestrahlern auf sie losließen. Gleichzeitig stürmten wir nach vorne. Orfina hatte wieder die Spitze übernommen. Als sie das erste Geschütz der verlassenen Stellung vor dem Westtor erreichte, schwang sie sich auf den Sitz des Kanoniers und feuerte los. Das hielt uns die Roboter lange genug vom Leib bis wir das Tor eben falls erreicht hatten. Sprangk löste Orfina am Geschütz ab, Fartuloon be diente das zweite Geschütz. Daraufhin raste ein Feuerorkan über den Park hinweg, der greller und fast so hoch wie die den Palast umgebende Flammenwand war. »Diese Hitze!« schrie Eiskralle gequält auf. »Wir haben es gleich überstanden«, versuchte ich ihn zu beruhigen. Inzwischen hatte Orfina die Energieschleuse geöffnet und winkte uns heran. »Nein!« schrie Eiskralle entsetzt, als ich ihn auf die Öffnung in der
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Flammenwand zustieß. »Ich werde zerschmelzen!« Ich wagte es nicht, ihn an der Hand zu packen, weil er sonst in seiner Panik seinen tödlichen Fähigkeiten freien Lauf gelassen hätte. So stieß ich ihn einfach vor mir her; er krümmte sich, taumelte, und sprang dann schließlich mit einem gellenden Schrei durch das Tor. Wir anderen folgten ihm. Orfina blieb in der Öffnung stehen. »Ich komme nicht mit«, erklärte sie bestimmt. Mir fiel ein Stein vom Herzen, aber dann bemächtigte sich meiner die Angst um sie. »Fürchtest du nicht, daß Galbass dich seine Wut spüren lassen könnte?« fragte ich sie. »Ich bin hier sicherer, als wenn ich mit euch flüchten würde«, sagte sie ausweichend. Dann küßte sie mich kurz und leidenschaftlich und stieß mich von sich. »Meine Liebe wird immer dir gehören!« Ich folgte den anderen in die Nacht hinaus, die von urweltlichem Donnergrollen erfüllt war und von Blitzen gespenstisch erhellt wurde. Als ich mich noch einmal nach Orfina umdrehte, sah ich sie im Tor ste hen. So behielt ich sie in Erinnerung. Es gehört vielleicht nicht hierher, aber ich möchte es trotzdem erzählen, weil Orfinas Schicksal mir doch sehr nahe ging. Jahre später kam ich wieder nach Jacinther IV und machte auf Bro schaan-Markt die erschütternde Entdeckung. Ein heruntergekommener Händler bot einen Gießharz-Block an, in den ein Mensch eingegossen war. Es handelte sich um Orfina. Sie stand so da, wie ich sie in Erinnerung hatte: den Blick sehnsüchtig auf mich gerichtet, das Gesicht vom Schmerz des Abschieds gezeichnet, die eine Hand etwas erhoben, so als wolle sie mich zurückhalten oder wenigstens noch einmal berühren … Ich erstand den Block, schmolz Orfina frei und verschaffte ihr ein Be gräbnis auf dem Meer. Wenn ich geahnt hätte, was Galbass mit ihr tun würde – ich hätte sie mit mir genommen. Obwohl ich sie nicht hätte lieben können.
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12.
Wir hatten Glück. Als wir zum Strand kamen, stand dort gerade der Schweber eines Reisebüros; die Touristen waren ausgestiegen, um das ge waltige Naturschauspiel zu betrachten, das sich ihnen über dem sturmum tosten Meer bot. Wir jagten sie mit einigen Strahlenschüssen davon, nahmen den Piloten gefangen und zwangen ihn, uns zum Markt zu bringen. »Bei dem Sturm …!« wollte er aufbegehren. Aber als Eiskralle ihm seine Hand ins Genick drückte, verstummte er eingeschüchtert. Durch die Rückfenster des Schweberbusses sahen wir, daß die Soldaten die Verfolgung mit einigen Luftkissenfahrzeugen aufge nommen hatten. Aber als wir in die Freihandelszone einflogen, drehten sie wieder ab. »Setzen Sie uns auf der nächsten schwimmenden Insel ab«, trug ich dem Piloten auf. Er kam meinem Wunsch nur allzugern nach. Kaum hätten wir festen Boden unter den Füßen, da startete der Pilot so fort wieder, und der Schweberbus wurde vom Dunkel der Nacht ver schluckt. Das Treiben auf dem Markt ging trotz des Gewitters weiter. Hier ging es bei Tag und Nacht und bei jedem Wetter gleichermaßen turbulent zu. Manche Händler hatten ihre Zelte abgebrochen, andere fanden sich jedoch schnell, die ihren Platz einnahmen. Über ganz Broschaan-Markt spannte sich eine Energiekuppel, die den Regen und den Sturm abhielt. Hier spürte man überhaupt keine Auswirkung des Unwetters; nur wenn man sich am Rande einer Plattform aufhielt, sah man die hochaufbrandende Gischt ge gen die Energiebarrieren schäumen. Wir befanden uns im Handumdrehen inmitten des turbulenten Gesche hens, ließen uns von der wogenden Menschenmasse aufnehmen, waren ei nige unter Tausenden. »Wir sind noch lange nicht in Sicherheit«, erklärte Fartuloon, während wir uns stoßen und drängen ließen und selbst drängten und im Vorüberge hen Verhandlungsgespräche mit den Händlern führten. Eiskralle erstand eine Wärmebatterie – ihm war plötzlich wieder kalt, was auf die vorangegangenen Aufregungen zurückzuführen sein mochte. Nicht viel später tauschte er die Wärmebatterie – gegen geringe Aufzah lung – gegen ein Kälteaggregat ein. »Wir sollten uns zuerst einen Unterschlupf suchen«, schlug Sprangk vor. »Dort können wir in Ruhe beraten, wie es weitergehen soll.« Ich erinnerte mich des Händlerschiffs, auf dem ich mit Tharniel Ortoba zusammengetroffen war. Dort schien man genügend Kabinen frei zu ha
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ben, um sie kurzfristig und für kurze Dauer vermieten zu können. Aber das schlug ich mir sofort wieder aus dem Kopf. Ortobas Leibwächter wür den sich wohl ebenfalls daran erinnern. »Warum bitten wir nicht einfach die Piraten um Asyl?« sagte Eiskralle. Das war natürlich die Lösung. Ich wunderte mich darüber, warum ich nicht selbst darauf gekommen war. Trotz des beängstigenden Gedränges versuchten wir den Überblick zu bewahren. Wir wußten nun, daß Galbass seine Leute auch auf dem Markt überall hatte, und ein schnell geführter Stoß mit einem Vibratormesser ge gen einen von uns würde unbemerkt bleiben – abgesehen von dem Betrof fenen. Wir kamen nur langsam weiter, verirrten uns manchmal und bewegten uns im Kreise. Erst als wir zu der schwimmenden Insel kamen, die durch die übereinanderliegenden Etagen charakteristisch war und wo Pruug uns einen Platz zugewiesen hatte, fanden wir die Orientierung wieder. Fartu loon erklärte, daß es ihm nun keine Mühe mehr machen würde, zu den Pi raten zurückzufinden. Beinahe wäre es uns jedoch zum Verhängnis geworden, daß wir zu der schwimmenden Insel mit den terrassenförmigen Etagen zurückgekommen waren. Offensichtlich hatte Galbass an allen Punkten, an denen wir jemals gesehen worden waren, seine Spione postiert, denn wir wurden sofort ent deckt. Das erkannten wir aber nicht sogleich. Es erschien uns nicht einmal ungewöhnlich, daß wir von den Nachdrän genden in eine Geschäftsstraße in der untersten Etage getrieben wurden. Wir erkannten die Gefahr erst, als wir sahen, daß sich in der Straße kaum Passanten aufhielten. Nur drei Männer lungerten herum. Aber da war es schon fast zu spät. »Keine falsche Bewegung! Und in das nächste Geschäft links mit euch!« sagte eine drohende Stimme in meinem Rücken. Aber so leicht machten wir es unseren Gegnern nicht. Wir reagierten al le vier gleichzeitig, ohne uns abgesprochen zu haben. Jeder von uns wuß te, daß wir uns nur durch schnelles Handeln dieser Bedrohung erwehren konnten. Ich schlug mit dem Ellenbogen nach hinten. Ein dumpfes Stöhnen folg te, der Mann hinter mir klappte zusammen. Ich wirbelte herum und schleu derte ihn hinter mich. In diesem Augenblick eröffneten die drei Männer in der Geschäftsstraße das Feuer. Der Mann, den ich zusammengeschlagen hatte, fing die Ener giestrahlen mit seinem Körper auf. Meine Freunde waren ebenfalls in ein Handgemenge verwickelt. Einer der Angreifer taumelte und hielt sich eine blutende Schulterwunde, die
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ihm Fartuloon mit seinem Skarg geschlagen hatte. Ein anderer versuchte, Sprangk ein Vibratormesser in den Leib zu stoßen – der Veteran hob ihn über die Schulter und schleuderte ihn gegen die Wand. Zwei der Angreifer standen wie zu Säulen erstarrt da. Eiskralle bekam einen dritten, der mit dem Strahler auf mich zielte, in seinen tödlichen Griff und ließ auch ihn zu Eis erstarren. Das alles hatte kaum eine Minute gedauert. Ich schickte noch eine Ener giesalve in die Geschäftsstraße hinein, um die drei Männer, die sich dort verschanzt hatten, in Schach zu halten. Dann folgte ich meinen Gefährten ins Freie. Und bald nach diesem Zwischenfall waren wir in der Menge unterge taucht. Wir waren alle wohlauf, nur Sprangk hatte mit dem Vibratormesser einen Kratzer am linken Arm abbekommen. »Das wird Galbass' Leute hoffentlich für eine Weile davon abhalten, noch einmal unseren Weg zu kreuzen«, meinte Fartuloon. »Der Zwischenfall hat uns deutlich gezeigt, daß wir nicht einmal in der Freihandelszone sicher sind«, erwiderte ich stirnrunzelnd. »Wir brauchen ein Versteck, in das Galbass' langer Arm nicht reicht. Und das finden wir nur auf der GROVEMOOS!« Der stillen Hoffnung auf die Hilfe der Piraten, folgte die Ernüchterung, als wir die schwimmende Insel erreichten. Wir fanden lauter fremde Gesich ter. An der Stelle, wo Jepson Tropp seine versperrten Tresore angeboten hatte, hockte nun ein Mutant mit grünschillernder Haut, der seinen Kopf unter einem riesigen Apparat verbarg. Er gab seltsame Laute von sich, während aus einer Öffnung in seinem Kopf-Apparat eine gallertartige Masse herausfloß, die er mit den Händen auffing und mit seinen langen, sensiblen Händen zu abstrakten Kunstwer ken formte. Während ich noch auf ihn starrte, formte er eine Statuette, die von Flammen umhüllt war und die das Aussehen eines Chretkors hatte. Eiskralle wollte sich auf den Mutanten stürzen, aber ich hielt ihn zu rück. »Seit wann halten Sie diesen Standplatz schon besetzt?« erkundigte ich mich bei dem Mutanten. »Seit ihn mir der Marktkommissar zugeteilt hat«, antwortete er. »Vorher waren die Piraten aus der Sogmanton-Barriere hier«, sagte ich, mich dazu zwingend, ruhig zu bleiben. »Wissen Sie, was aus ihnen gewor den ist?« »Sie sind größtenteils abgewandert«, antwortete der Mutant bereitwillig. »Aber einige, die ihren Plunder noch nicht an den Mann gebracht haben, treiben sich hier herum.« »Danke«, sagte ich, dann wandte ich mich an meine Freunde. »Wir ver
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teilen uns und suchen getrennt diese ganze Plattform ab. Auf diese Weise können wir die Piraten leichter aufstöbern.« »Es sieht fast so aus, als hätte uns Jepson fallengelassen«, meinte Fartu loon. »Warum sonst sollte er diesen Platz aufgegeben haben? Die Piraten können noch nicht alle Waren verkauft haben.« Ich antwortete nicht. Wir trennten uns. Fartuloon hat recht. Jepson Tropp will nichts mehr mit euch zu schaffen haben, meldete mein Extrasinn. Ich biß die Zähne zusammen – ich wollte es einfach nicht glauben. Ich schlenderte zwischen den Ständen umher. Plötzlich stach mir etwas ins Auge, das mir bekannt vorkam. Ich sah genauer hin und erkannte eine handspannengroße Statue, die den häßlichen achtarmigen Gott eines Pri mitivvolkes darstellte. Ich hatte die Götzenstatue schon einmal gesehen: auf der Antigravscheibe, mit der wir in die Freihandelszone geflogen wa ren. Ich kam näher, doch der Stand schien leer zu sein. Ich hörte ein Ge räusch, das hinter einem der Warenballen hervorkam und schlich mich mit gezücktem Paralysator heran. Als ich den Warenballen umrundet hatte, steckte ich den Lähmstrahler zufrieden weg. Eiskralle hielt dort einen Piraten mit sicherem Griff fest, der mir vom Sehen bekannt war. »Laß mich los, verdammter Chretkor«, verlangte der Pirat. Ich gab Eiskralle einen Wink, und er ließ den Mann los. »Was hat das alles zu bedeuten?« erkundigte ich mich. »Was hat was zu bedeuten?« fragte der Pirat höhnisch zurück. Ich schlug ihm ins Gesicht, weil das die einfachste Möglichkeit war, ihn schnell zur Vernunft zu bringen. »Wo ist Jepson?« erkundigte ich mich dann. Er zuckte die Achseln. »Irgendwo innerhalb der Freihandelszone.« »Warum hat er mit den anderen den Standort gewechselt?« »Sie haben einen besseren Platz gefunden.« Nach und nach tauchten zwischen den Waren weitere Piraten auf. Aus ihren Gesichtern sprach Ablehnung, ja, beinahe schon Haß. Ihre Hände la gen auf den Waffen. Ich wußte, daß sie zu allem entschlossen waren, entspannte mich aber, als ich im Hintergrund auch Fartuloon und Morvoner Sprangk auftauchen sah. »Was willst du denn von Tropp?« erkundigte sich einer der Piraten spöttisch. »Ich möchte, daß er uns zurück zur GROVEMOOS bringt«, sagte ich. »Euch steht wohl das Wasser schon bis zum Hals, was?«
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Ich packte den vorwitzigen Piraten am Kragen und sagte gepreßt: »In Ordnung, wenn ihr uns nicht verraten wollt, so sich Jepson aufhält, dann wirst du uns zur GROVEMOOS fliegen.« »Einen Dreck werde ich tun«, erwiderte der Pirat. »Ihr seid bei uns ab gemeldet. Tropp hat gesagt, daß er sich jeden persönlich vornimmt, der euch unterstützt.« Ich ließ den Piraten verblüfft los. »Das hat Jepson gesagt?« »Das – und noch mehr. Wir wollen nicht, daß wir euretwegen Schere reien kriegen. Überall auf Broschaan weiß man, daß Ihr vom Gouverneur für vogelfrei erklärt worden seid. Wir können es uns nicht leisten, daß man uns mit euch in Zusammenhang bringt. Sheeron hat euch gewarnt!« Das stimmte. Der Piratenführer wollte nicht, daß seine Leute unseretwe gen Schwierigkeiten bekämen. Auch bei dieser Warnung hatte er es wahr scheinlich nicht belassen und Jepson aufgetragen, uns bei Gelegenheit los zuwerden. Jetzt war der günstigste Augenblick dazu. Ohne die Unterstützung der Piraten waren wir auf Jacinther IV verloren. Ich zog mich mit meinen Gefährten zurück, und wir mischten uns wie der unter die Menschen, die die Freihandelszone bevölkerten. Es waren al les Fremde, jeder von ihnen konnte unser Feind sein, jeder einer von Prill gram Galbass' Kopfjägern.
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13.
Die Emotio-Masken eigneten sich ausgezeichnet dazu, den Träger un kenntlich zu machen. Sie waren aber keine perfekte Tarnung, vor allem dann nicht, wenn man seine eigenen Gefühle nicht in der Gewalt hatte. Ortoba zum Beispiel, der bei unserem ersten Zusammenstoß seiner Wut freien Lauf ließ, war durch das Aufleuchten seiner Emotio-Maske verraten worden. Diese Gesichtsmasken, die sich mit den biomagnetischen Impulsen des Gehirns steuern ließen, wirkten auf andere visionär. Wenn man es wollte, daß man einen gebrechlichen Eindruck machte, dann zeigten die EMO TIO-Masken dem Beschauer ein altes, ausgemergeltes Gesicht. Wollte man Heiterkeit vortäuschen, dann lächelte die Maske. Und wenn mit ei nem das Temperament durchging, dann wurde man von der Emotio-Mas ke verraten. Für uns stellten diese Masken im Augenblick die beste Möglichkeit dar, uns zu tarnen. Das allein genügte jedoch nicht. Wir mußten uns neue Klei der beschaffen und dann untertauchen, ohne daß Galbass' Spione uns ver folgen konnten. Nachdem wir die Emotio-Masken erstanden hatten, suchten wir ein Vergnügungslokal auf, von dem es auf jeder Insel und jedem Schiff in der Freihandelszone mindestens eines gab. Und alle waren sie gesteckt voll. Die Darbietungen reichten von Taschenspielertricks über Nachttänzerin nen bis hin zu Gladiatorenspielen auf Leben und Tod – in der Freihandels zone war alles erlaubt. Hier war man gewissermaßen im Niemandsland, außerhalb der arkonidischen Gerichtsbarkeit. Wir wurden auf Schritt und Tritt von zwielichtigen Gestalten verfolgt, und ich war sicher, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis sich die Meute zusammengerottet hatte und einen neuen Überfall wagen würde. Aber dazu kam es nicht mehr, denn vorher tauchten wir unter. Kaum waren wir in dem Vergnügungsetablissement, da brach Fartuloon die schönste Keilerei vom Zaun. Es gehörte nicht viel dazu – ein schiefer Blick, ein falsches Wort, und schon flogen die Fetzen. Wir hatten uns hinter der Bühne verabredet. Zehn Minuten später, wäh rend hinter uns das Lokal in Trümmer ging, trafen wir uns dort, paralysier ten noch drei Spitzel, die den Hinterausgang bewachten und verschwanden dann spurlos. Nach drei weiteren Täuschungsmanövern, bei denen wir wieder die Kleider wechselten und mit friedlichen Gedanken unseren Emotio-Masken ein entsprechendes Aussehen gaben, suchten wir ein Händlerschiff auf. Fartuloon und Sprangk mieteten auf dem Oberdeck zwei Kabinen, in
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die Eiskralle und ich ihnen nachfolgten. Damit hatten wir endlich einen
Unterschlupf gefunden.
»Hier können wir nicht ewig bleiben«, maulte Morvoner Sprangk.
»Das hat auch niemand vor«, erwiderte ich. »Mein Plan ist es immer noch, den Ökonomen Freemusch zu entführen. Das wird im Großen Impe rium einen Sturm entfachen, der selbst Orbanaschols Thron ins Wanken bringen könnte.« Wir hatten uns den Rest der Nacht und den ganzen darauffolgenden Tag ausgeruht. Jetzt war es wieder Nacht. »Das hörte sich alles schön und gut an«, sagte Eiskralle. »Aber wir wis sen noch nicht einmal, wann und wo Freemusch eintreffen wird. Außer dem sind wir nicht die Jäger, sondern immer noch die Gejagten.« »Eine Fabel aus dem Tierreich gefällig?« fragte ich. Verblüffung unter meinen Gefährten. »Erspare uns lange Geschichten, Atlan«, meinte Fartuloon, »sondern sa ge uns klipp und klar, was du meinst.« »Wenn das gejagte Wild in die Enge getrieben ist, dann stellt es sich den Jägern entweder zum Todeskampf, oder – wenn es klug ist, wird es sich mit seinen Jägern verbünden.« »Du willst mit Galbass verhandeln?« wunderte sich Sprangk. »Das ist Selbstmord«, behauptete Eiskralle. »Er würde nichts schneller tun als uns einzugießen!« »Dann brauchtest du wenigstens nicht mehr um deine Körpersubstanz bangen«, meinte Fartuloon schmunzelnd. Er wurde sofort wieder ernst. »So absurd finde ich Atlans Vorschlag nicht einmal. Wir können uns mit unseren beschränkten Mitteln Galbass' Häscher nicht auf die Dauer vom Leib halten. Früher oder später werden sie uns stellen. Da wäre es schon besser, mit Galbass zusammenzuarbeiten, zumal unsere Interessen mit den seinen nicht einmal tangieren. Die Frage ist nur, womit wir ihn ködern können.« »Das ist kein Problem«, versicherte ich. »Uns geht es doch im Augen blick darum, die Situation auf Jacinther IV zu durchleuchten, um eine Ba sis für unser Vorhaben, Ökonom Freemusch zu entführen, zu schaffen. Warum sollen wir das nicht in Galbass' Auftrag tun?« »Wenn man dich so hört, könnte man meinen, du hättest den Gouver neur bereits als Verbündeten gewonnen, Atlan«, sagte Sprangk seufzend. »So schwer wird das nicht sein«, meinte ich. »Was sagst du dazu, Fartu loon?« Der Bauchaufschneider überlegte eine Weile. Dann meinte er wie zu sich selbst: »Galbass will an die Macht. Er will Agmons Posten, fürchtet den Impe riumsbeauftragen aber zu sehr, als daß er offen gegen ihn Stellung bezöge.
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Wie es auch immer um Agmon steht, er brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, um Galbass auszuschalten. Das weiß Galbass auch, deshalb bleibt er vorsichtig. Um Agmons Nachfolge antreten zu können, muß er vorerst auch noch die anderen drei Gouverneure ausschalten, um keine Konkurrenz fürchten zu müssen. Also wird er vor allem versuchen, sie in den Griff zu bekommen … Ja, so könnten wir ihn ködern: Wir verspre chen ihm, Material gegen die anderen Gouverneure zu besorgen und sie ihm möglicherweise sogar vom Hals zu schaffen.« Fartuloon dachte, zumindest dem Prinzip nach, genau in meinen Bah nen. Sein Gedankengang hatte nur einen Schönheitsfehler: er plante für ei ne lange Zeitspanne. Und Zeit war etwas, das uns nicht ausreichend zur Verfügung stand. Das sagte ich ihm auch und fügte hinzu: »Um schneller ans Ziel zu kommen, müssen wir uns von vornherein auf Agmon konzentrieren. In dem Personenkreis um ihn werden wir auch am ehesten Informationen über Freemusch erhalten. Diesen Vorschlag werde ich Galbass unterbreiten.« »Und wie willst du ihn benachrichtigen?« fragte Eiskralle, der, so schi en es mir wenigstens, mit Schaudern daran dachte, noch einmal die Flam menwand durchqueren zu müssen. Ich grinste. »Ich habe gute Beziehungen zu einem von Galbass' Verbindungsleuten …« »Feinste Goraya-Bärenfelle, edler Herr! Legen Sie Ihrer Geliebten ein Fell zu Füßen, und sie wird von der kuscheligen Wärme …« Ich ließ mich von den Passanten über die Planken des Hausboots schie ben und blieb dann wie interessiert vor dem Tätowierten stehen, der mit seinem einstudierten Sermon die Käufer heranlocken wollte. Meine Emo tio-Maske strahlte unschuldige Einfalt aus. Ich ließ mich noch eine Weile von Plantor beschwatzen, dann fragte ich ihn: »Räkeln sich nicht auch die fetten Mätressen von Gouverneur Galbass auf Goraya-Bärenfellen?« Er erkannte mich sofort an der Stimme. Das merkte ich daran, daß sich seine Augen vor Überraschung weiteten und er entsetzt zurückwich. Es entging ihm auch nicht, daß ich unter meinem Umhang meine Waffe auf ihn richtete – er erstarrte. »Wollen Sie mir nicht Ihre Dia-Sammlung zeigen, Plantor?« sagte ich und deutete mit dem Waffenlauf auf die Kajüte. »Was wollen Sie von mir, edler Herr«, stammelte er. Sein Gesicht war so blaß, daß die Tätowierungen noch stärker hervortraten. »Ich … ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
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»Dann werde ich Sie aufklären«, sagte ich sanft und fügte in einem Tonfall hinzu, der keinen Widerspruch duldete: »In Ihrer Kabine!« Er ging mit schlotternden Knien vor mir her zu den Deckaufbauten. Kaum war er im Innern, da täuschte er einen Schwächeanfall vor und ließ sich auf einen Stapel Felle sinken. Ich war mit zwei schnellen Schritten bei ihm und entwand ihm den Strahler, den er aus einem Versteck hervorge holt hatte. »Wollen Sie wirklich Ihr Leben so leichtfertig aufs Spiel setzen, Plan tor?« sagte ich tadelnd. »Ich habe nicht vor, mich an Ihnen zu vergreifen, obwohl Sie eine Abreibung verdient hätten.« »Ich habe nichts getan«, beteuerte er. »Mund halten, und hören Sie mir zu!« herrschte ich ihn an. »Ich möch te, daß Sie Galbass eine Nachricht überbringen.« »Aber …« Ich ließ in gespielter Wut meine Emotio-Maske rot aufleuchten, und das brachte ihn zum Verstummen. »Richten Sie dem Gouverneur aus, daß wir an einer Zusammenarbeit mit ihm interessiert sind.« Jetzt wurde Plantor keck. »Der Gouverneur wird Ihren Vorschlag rundweg ablehnen. Er weiß, daß Sie ihm nicht entkommen können, und Sie wissen, daß Sie bereits so gut wie tot sind!« »Abwarten. Überbringen Sie Galbass erst einmal diese Nachricht. Sa gen Sie ihm, daß wir bereit wären, für ihn zu arbeiten. Er besitzt über Fer tomash Agmon keine Informationen, die jünger als zwei Jahre sind. Wir sind bereit, für Galbass herauszufinden, was mit Agmon los ist, wie es mit seiner Gesundheit bestellt ist und dergleichen mehr.« »Wie wollen Sie das herausfinden, wo die besten Spione versagt …« Er unterbrach sich. »Über unseren Erfolg oder Mißerfolg sollen Sie sich keine Gedanken machen, Plantor«, wies ich ihn zurecht. »Sie sollen nur die Nachricht überbringen. Aber das Wichtigste kommt noch: Wir sind bereit noch mehr für Galbass zu tun. Sagen Sie ihm, wir würden, wenn nötig, dem Siechtum Agmons auch ein wenig nachhelfen. Als Gegenleistung verlangen wir nur freies Geleit.« Plantor nickte. »Ich werde die Nachricht überbringen.« »Wenn Galbass unsere Unterstützung wünscht, dann soll er einen Un terhändler zur ARGINTAR schicken. Das ist ein Händlerschiff …« Plantor winkte ab. »Ich kenne die ARGINTAR. Aber woran wollen Sie den Unterhändler erkennen?«
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»Er soll diese Büchse bei sich tragen.« Ich holte unter meinem Umhang das letzte mir verbliebene Talama her vor und legte es vor den Händler hin. Er zuckte entsetzt zurück. »Keine Angst, wenn Sie die Büchse nicht öffnen, ist sie völlig ungefähr lich«, sagte ich. »Ich erwarte den Unterhändler also in spätestens fünf Stunden auf der ARGINTAR.«
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14.
Die ARGINTAR war jenes Schiff, auf dem wir zwei Kabinen gemietet hatten. Es war vielleicht etwas leichtsinnig, den Unterhändler dorthin zu bestellen, doch war ich ziemlich zuversichtlich, daß Galbass unseren Vor schlag annehmen würde. Zudem war dort heute nacht große Auktion. Es ging zu wie bei einem rauschenden Fest, und alle Gäste waren verpflichtet, Emotio-Masken zu tragen. Der Maskenzwang war eigentlich der Hauptgrund, warum wir den Unterhändler auf der ARGINTAR empfangen wollten. Denn unter all den Maskenträgern fielen wir nicht auf, konnten den Un terhändler Galbass' jedoch leicht herausfinden, zumindest wenn er die An ordnungen befolgte und das Talama bei sich hatte. Wir hatten in einer der Öffnungen einen winzigen Sender versteckt, der auf einer bestimmten Fre quenz Impulse aussendete. Den Sender zu entdecken, war praktisch un möglich, und die Impulse ließen sich auch nur orten, wenn man die Fre quenz kannte. Fartuloon, Sprangk, Eiskralle und ich hatten uns über das Schiff verteilt und trugen jeder einen Empfänger im Ohr. Da in der Freihandelszone ge ringer Funkverkehr herrschte, war es nicht weiter schwer, die schwachen Impulse des Talama-Senders zu empfangen. Die Fünf-Stunden-Frist war noch nicht abgelaufen, als ich den ersten Empfang hatte. Ich war an der Reling, gleich beim Hauptaufgang postiert und wunderte mich deshalb ein wenig, daß die Funkimpulse aus meinem Rücken kamen. Dennoch folgte ich ihnen. Der Träger des Talama konnte höchstens fünfzig Schritte von mir entfernt sein. Ich setzte mich über Sprechfunk mit den anderen in Verbindung. »Ich habe ihn angepeilt«, meldete ich. Die anderen erklärten, daß sie die Impulse ebenfalls empfingen. Wir kreisten den Unterhändler ein. Und dann stellten wir ihn am Hinterschiff, in der Nähe des Prunksaals, wo die Hauptauktion ablief. Ich hatte natürlich erwartet, daß Plantor der Unterhändler sein würde. Deshalb überraschte es mich, einen anderen Be kannten vorzufinden. »Pruug!« entfuhr es mir unwillkürlich. Für mich bestand kein Zweifel, daß es sich um den Fremden handelte, der sich Pruug nannte und der sich bei meinem ersten Besuch bei Plantor vor dessen Schiff an mich herangemacht hatte. Er trug dasselbe Gewand, und sein Gesicht war durch eine Emotio-Maske mit den gleichen Charak teristika verdeckt – und er hatte das Talama umgehängt.
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»Wo können wir uns hier ungestört unterhalten?« erkundigte er sich un gerührt; seine Stimme klang teilnahmslos. Ich gab meinen Gefährten durch einen Wink zu verstehen, daß sie mei nen Rückzug absichern sollten und brachte Pruug dann zu Sprangks Kabi ne. »Sie fürchten sich wohl vor Verfolgern?« meinte Pruug. Er kicherte. »Aber Sie können unbesorgt sein, ich bin allein gekommen.« Wir erreichten die Kabine und ich bugsierte ihn schnell hinein. Nach und nach trafen auch meine Gefährten ein, die auf Umwegen hergekom men waren, um eventuelle Verfolger abzuschütteln. »Ich hätte mir von Anfang an denken können, daß Sie für Galbass tätig sind«, sagte ich verärgert. Aber ich war weniger auf ihn, sondern auf mich böse. Es paßte alles zusammen. Als ich damals zusammen mit Sprangk bei Plantor war, mußte der Händler Pruug von unserer Anwesenheit verstän digt haben, woraufhin dieser sich eingefunden hatte, um uns angeblich sei ne Hilfe anzubieten. In Wirklichkeit hatte er uns nur in die vorbereitete Falle geführt. Ich nahm damals an, daß Pruug im Auftrag der Piraten handelte, von denen ich wußte, daß unsere Nähe ihnen unerwünscht war. Freilich hätte ich spätestens, als ich in Galbass' Palast erwachte, die Wahrheit erkennen müssen. Doch damals hatte ich andere Sorgen gehabt und überhaupt nicht mehr an Pruug gedacht. Doch meine neue Erkenntnis half mir in keiner Weise weiter. »Vergessen wir, was war«, bat Pruug. »Ich bin mit guter Nachricht zu Ihnen gekommen. Gouverneur Galbass ist gewillt, auf Ihren Vorschlag einzugehen. Er hat mir alle Vollmachten gegeben, um mit Ihnen die Ein zelheiten auszuhandeln.« »Soll das heißen, daß er uns gar nicht in seinen Palast bittet, um die Verhandlungen selbst mit uns zu führen?« staunte ich. »Würden Sie denn kommen?« fragte Pruug zurück. »Nein«, gab ich zu, »das würde zu sehr nach einer Falle riechen. Aber es überrascht mich doch, daß er uns so blind vertraut.« »Er vertraut mir, und ich habe mich bei ihm für Sie verbürgt«, erwiderte Pruug, schränkte jedoch sofort ein. »Der Gouverneur will sich natürlich keine Blöße geben und hat sich gegen Verrat abgesichert. Aber das kön nen Sie sich ja denken. Kommen wir lieber auf wichtigere Dinge zu spre chen. Was verlangen Sie?« »Das habe ich Plantor schon gesagt: freien Abzug aus BroschaanMarkt«, erklärte ich. »Das ist eine Selbstverständlichkeit. Was sonst noch?« »Eine Möglichkeit, um nach Seentool zu gelangen«, zählte ich weiter
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auf. »Am besten wäre ein Gleiter mit entsprechender Ausrüstung an Bord, einem Computer, in dem sämtliche verfügbaren Daten über Agmon, des sen Residenz und die Bewachung gespeichert sind. Es darf sich außerdem nur ein Pilot an Bord befinden. Zwei Mann Besatzung würde ich auch noch in Kauf nehmen, aber mehr nicht, weil wir sonst befürchten müßten, daß man uns die Kehlen durchschneidet.« »Wenn Gouverneur Galbass das wollte, könnte er es billiger haben«, er widerte Pruug, und seine Maske zeigte ein breites Grinsen. »Der Gouver neur hat sich aber entschlossen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Lebend könnten Sie ihm besser dienlich sein. Dennoch sind Ihre Forderungen nicht zu erfüllen. Der Gouverneur kann beim besten Willen keinen Gleiter abstellen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Sie können nämlich nicht einfach nach Sebentool einfliegen. Sie würden sich Ihrer Freiheit nicht lange erfreuen.« Diesem Argument konnte ich mich nicht entziehen; sagte aber nichts dazu. Pruug fuhr fort: »Es bietet sich da eine andere, viel ungefährlichere Möglichkeit an. In wenigen Stunden, bei Morgengrauen, läuft ein Schiff aus, das Waren für Sebentool geladen hat. Zufällig kenne ich den Kapitän recht gut. Ich bin sicher, daß er mir einen Gefallen tut und Sie mitnimmt.« »Wer weiß, ob Galbass damit einverstanden ist«, gab ich zu bedenken. Pruug handelte mir für einen einfachen Unterhändler doch recht eigen mächtig. Kam er etwa gar nicht in Galbass' Auftrag? Aber wie war er dann an das Talama herangekommen? Oder war er mehr als ein einfacher Agent, der vielen Herren diente? »Ich sagte doch schon, daß ich alle Vollmachten besitze«, erklärte Pru ug. »Der Gouverneur ist daran interessiert, mehr über Agmon in Erfahrung zu bringen und möchte, daß Sie so rasch wie möglich handeln.« »Und wie kommen wir auf das Schiff?« fragte ich. »Ich kann Sie sofort hinbringen«, bot sich Pruug an. »Das will erst überlegt sein«, sagte ich und zog mich mit meinen Freun den in die Nebenkabine zur Beratung zurück. Keiner von ihnen hatte ernste Bedenken. Sprangk meinte, daß es in erster Linie wichtig sei, Galbass' Machtbe reich zu verlassen. Es erschien ihm als nicht zu großes Risiko, an Bord des Händlerschiffes zu gehen. Eiskralles Rat, daß wir ständig auf der Hut sein müßten, betraf nicht das eigentliche Problem, denn gefährdet waren wir überall. »Wir können Pruug so viel oder wenig vertrauen wie jedem anderen auf Jacinther IV«, sagte Fartuloon. »Aber es ist schon etwas dran, daß Galbass uns nicht auf ein Händlerschiff locken müßte, um sich unserer zu entledi
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gen.« »Du vertraust Pruug also?« »Ich weiß nicht recht … mißtrauen tue ich ihm nicht gerade. Er ist je denfalls mehr, als er zu sein vorgibt. Er muß großen Einfluß auf Galbass haben. Ich meine wir sollten das Angebot annehmen.« Wir kehrten in die Kabine zurück. »In Ordnung, Pruug. Bringen Sie uns auf das Händlerschiff.« Wir mieteten ein Luftkissen-Boot und fuhren damit zum Hafen hinüber. Fällt dir an Pruug nichts auf? meldete sich mein Extrasinn. Ich betrachtete den kleinen Mann mit der Emotio-Maske, der neben dem Lenker saß und ihm Kursanweisungen gab. Der helle Schein der Lichtreklamen von Broschaan-Markt beleuchtete seine zierliche Gestalt. Doch sein Umhang verhüllte ihn ganz, und die Emotio-Maske widerspie gelte keine Gefühle – die Maske war ein dunkler, konturloser Fleck. Ich konnte mir nicht vorstellen, was mir an Pruug auffallen sollte. Er benahm sich eigentlich nicht anders als bei unserer ersten Begegnung. Als Galbass' Leute euch auf dem Markt überfielen, da hat er euch ge warnt, rief mir mein Extrasinn in Erinnerung. Das stimmte, aber ich sah nicht ein, was für ein Hinweis das sein sollte. »Warum haben Sie uns damals eigentlich gewarnt, als wir auf dem Markt überfallen wurden, Pruug?« erkundigte ich mich. Seine Emotio-Maske reflektierte Heiterkeit. »Es war das Zeichen zum Angriff«, erklärte er freimütig. Also Fehlanzeige. So etwas Ähnliches hatte ich mir gedacht. Ich grübel te weiter über ihn nach, wußte jedoch nicht, wonach ich suchen sollte. Ich wußte überhaupt nichts über ihn, hatte von ihm selbst noch überhaupt nichts zu sehen bekommen. Er war klein und mußte recht zart gebaut sein … Er ist klein und wahrscheinlich ziemlich dürr, echote mein Extrasinn, als wollte er mich narren. Denke doch nach! Auf wen paßt diese Beschrei bung noch? Ich kannte viele Männer, auf die diese Beschreibung paßte. Auf Jacin ther IV gab es allerdings nur einen einzigen … Doch das war absurd! Und überhaupt – Pruugs Stimme und seine ganze Art stimmten mit dem anderen nicht überein. Die Emotio-Maske verbirgt nicht nur das Gesicht des Trägers, erklärte mein Extrasinn. Wenn man die Emotio-Maske geschickt zu handhaben weiß, dann kann mit ihr auch eine gänzlich anders geartete Persönlichkeit vorgetäuscht werden! Von diesem Augenblick an ließ ich Pruug nicht mehr aus den Augen. Und je länger ich ihn beobachtete, desto mehr Ähnlichkeiten stellte ich fest.
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Bald bestanden für mich keine Zweifel mehr, daß mich mein Extrasinn auf die richtige Fährte gebracht hatte. Es war unglaublich, ja, einfach verrückt – aber es mußte schon so sein, wie ich vermutete. Ich hätte Pruug natürlich die Maske vom Gesicht rei ßen können, aber das wäre mir zu plump gewesen. Ich würde schon eine andere, feinere Methode finden, um ihn zu demaskieren. Wir erreichten den Hafen, und Pruug lotste das Luftkissen-Boot zu der weiter draußen ankernden Silhouette eines kaum aus dem Wasser ragen den langgestreckten Schiffes. Das Boot legte an Backbord an, Pruug sagte, wir sollten zurückbleiben und kletterte eine Eisenleiter zu einer Luke hin auf. Er verschwand darin. »LAAK-INTA«, sagte Sprangk. »Wie?« wunderte sich Fartuloon. »So heißt das Schiff«, erklärte Sprangk. »Ich habe die Aufschrift lesen können.« Der Lenker des Bootes drehte sich um und sagte: »Wollen die Herren auf diesem Schiff reisen?« »Was haben Sie daran auszusetzen?« fragte ich ihn. Er hob abwehrend die Hände. »Ich will nichts gesagt haben, aber … Nun, die LAAK-INTA hat nicht gerade den besten Ruf. Die Besatzung wechselt ständig, und viele, die auf diesem Schiff angeheuert haben, hat man nie mehr wiedergesehen. Kapi tän Steemer darf bei seinen Geschäften nicht wählerisch sein und muß je den nehmen, der sich ihm anbietet.« »Danke für die Warnung«, sagte Fartuloon. »Aber wir dürfen in unserer Lage auch nicht wählerisch sein.« Pruug erschien in der Luke. »Ihr könnt heraufkommen«, rief er zu uns herunter. »Es ist alles gere gelt.« Und an den Lenker gewandt, fügte er hinzu: »Warten Sie auf mich, ich komme gleich zurück.« Wir kletterten die Eisenleiter hoch. In der Schleuse hinter der Luke er wartete uns Pruug mit einem hochgewachsenen und breitgebauten Arkoni den unbestimmbaren Alters. Er war stark behaart, selbst auf den Handrücken, und sein Gesicht wurde halb von einem dichten zottigen Bart verdeckt. »Das ist Kapitän Steemer«, stellte uns Pruug den Mann vor. »Er weiß, was er zu tun hat. Wenn ihr euer Ziel erreicht habt, wird er euch Unterla gen aushändigen, in denen sich weitere Instruktionen für euch befinden. Ich ziehe mich jetzt zurück.« Er wandte sich zur Schleuse und murmelte dabei, ohne einen von uns anzusehen: »Viel Glück!« Ich wartete, bis er draußen auf der Leiter war, dann sagte ich mit verhal
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tener Stimme zu ihm: »Das haben Sie ganz raffiniert eingefädelt, Prillgram Galbaß!« Seine Emotio-Maske begann in einer Schreckreaktion heftig zu pulsie ren. Da wußte ich, daß ich richtig getippt hatte.
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Wir bekamen eine einzige Kabine mit sechs Schlafnischen zugeteilt. Zum Glück mußten wir sie jedoch mit sonst niemandem mehr teilen. Kapitän Steemer war sehr wortkarg. Als er uns die Kabine zuwies, trug er uns auf, sie erst zu verlassen, wenn er es uns ausdrücklich gestattete. »Wann laufen wir aus?« wollte ich wissen. »Wenn ich die Mannschaft komplett habe«, erklärte Steemer. »Ich brau che noch acht Mann. Aber bis zum Morgengrauen werde ich sie bestimmt beisammen haben.« Wir nutzten die Ruhepause, um uns auszuschlafen. Einer von uns hielt aber immer Wache. Das Los wollte es, daß ich zuletzt an die Reihe kom men sollte. Doch dies wurde mir erspart. Als Fartuloon mich weckte, er tönte über die Sprechanlage Kapitän Steemers Stimme: »Guten Morgen auf der LAAK-INTA. Wir sind vor einer Stunde ausge laufen und befinden uns bereits auf Kurs nach Sebentool. Ich erwarte Sie in einer Viertelstunde in meiner Kabine zum Frühstück.« Wir waren kaum angekleidet, als unsere Kabinentür aufging und ein mittelgroßer Mann mit beachtlichem Körperumfang darin erschien. Er grinste, als er seine Schweinsäuglein über uns wandern ließ. »Wie Händler seht ihr mir nicht gerade aus«, meinte er abfällig. »Aber es geht mich ja schließlich nichts an. Ich soll euch zum Kapitän bringen.« »Und wer sind Sie?« fragte Sprangk herausfordernd. »Auf der LAAK-INTA gibt es ein ganz bestimmtes Bordgesetz«, klärte er uns auf. »Das heißt, daß niemand nach Namen fragen soll. Ich bin ein Händler, der seine Ware nach Sebentool bringen möchte. Das genügt. Also kommt schon, sonst hat Steemer alles weggeputzt, und ihr sitzt vor leeren Schüsseln.« Der Dicke, der uns führte, kicherte. Wir folgten dem Dicken durch die Schiffsgänge. Mir fiel dabei sofort etwas unangenehm auf: Die LAAK-INTA hatte keine Schwerkraftregler. Auf modernen Hochseeschiffen merkte man überhaupt nichts vom Wel lengang, weil die Antigravprojektoren das Schaukeln ausglichen. Auf die sem Schiff gab es eine solche Einrichtung jedoch nicht, so daß man stän dig schwankenden Boden unter den Füßen hatte. Auf dem Weg zur Kapitänskabine begegneten wir zwei Männern, die verhältnismäßig vornehm gekleidet waren und auch nicht den Eindruck von Seeleuten machten. Sie warfen uns nicht gerade freundliche Blicke zu, und der eine zog beim Anblick von Eiskralle sein Vibratormesser. Sprangk stieß ihm wie nebenbei im Vorbeigehen den Ellenbogen in den Bauch, so daß er sich zusammenkrümmte und das Vibratormesser fallen ließ.
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Der Dicke der uns führte, kicherte. »Immer wenn Paintztom ein Fremdwesen erblickt, sieht er rot. Ihr wer det gut auf euren Chretkor aufpassen müssen.« »In eine schöne Gesellschaft sind wir geraten«, seufzte Fartuloon. »Ich dachte, auf der LAAK-INTA nennt man keine Namen?« sagte ich. »Ich mache schon die achtzehnte Fahrt auf diesem Schiff mit, zehnmal war Paintztom mit von der Partie«, erklärte der Dicke. »Wir sind gute Be kannte.« Als wir Steemers Kabine betraten, waren wir über den Luxus erstaunt. Sie besaß sogar eine Antigraveinrichtung. Wenn man hier war, glaubte man, wie in einem Luftkissen-Boot über das Meer zu schweben. Steemer deutete wortlos auf die freien Plätze an seinem Tisch. Während wir uns setzten, zog sich der Dicke unaufgefordert zurück. Ich blickte mich um. Die Einrichtung der Kabine war gediegen und wertvoll, aber sie paßte nicht zusammen. An der einen Wand hing ein 3-D-Bild von der LAAK-INTA zusammen mit einigen Rißzeichnungen. Daraus war zu ersehen, daß das Schiff die Form eines Dreikantprismas und einen Tiefgang wie ein Eisberg hatte – nur ein Zehntel des Schiffes ragte aus dem Wasser, wenn es voll beladen war. Das hatte den Vorteil, daß es bei hohem Wellengang den Gewalten nicht so sehr wie herkömmliche Schiffe ausgesetzt war. »Greifen Sie nur ruhig zu«, sagte Kapitän Steemer kauend. Wir ließen uns das nicht zweimal sagen, denn wir hatten schon lange nichts Anständi ges mehr zu uns genommen. Kapitän Steemer dagegen wußte zu leben, das mußte man ihm lassen. Was er als »Frühstück« bezeichnete, hätte je dem Bankett beim arkonidischen Hochadel zur Ehre gereicht. »Ich habe Sie kommen lassen, um Ihnen die Sitten und Bräuche auf meinem Schiff zu erklären«, eröffnete uns Steemer. »Die LAAK-INTA ist ein Frachtschiff, Passagiere werden in der Regel nicht befördert. Dies ist eine Ausnahme, weil ich, meinem Freund Pruug einen Gefallen tun möch te. Oberstes Gebot für Sie ist aber: Sprechen Sie zu keinem an Bord über ihre Mission, ihre Vergangenheit oder ihre Herkunft. Wenn Sie unbedingt Wert darauf legen, daß man Sie mit Namen anspricht, dann geben Sie sich Decknamen.« Er machte eine Pause, in der er sich einen ordentlichen Happen zuführ te. Dann fuhr er fort: »Ich habe ein eigenes Frachtsystem entwickelt. Um mir die Kosten ei ner ständigen Mannschaft zu sparen und auch um unabhängiger zu sein, übernehme ich ausschließlich Warentransporte mitsamt den Eignern. Das heißt, ich befördere Händler mitsamt ihren Waren an das gewünschte Ziel. Die Händler stellen gleichzeitig die Mannschaft.« »Und dieses System funktioniert?« fragte Fartuloon.
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Steemer nickte. »Es hat sich bisher immer bewährt. Manche Händler, müssen Sie wis sen, sehen es nicht gern, wenn man in ihren Waren schnüffelt. Sie können ruhiger schlafen, wenn sie gleich nebenan sind. Sie übernehmen auch gleichzeitig die Verantwortung dafür, und ich bin einige Sorgen los.« »Gibt es keine Schwierigkeiten mit den Händlern?« fragte ich. »Ich meine, sind sie auch bereit, sich unterzuordnen?« »Ich bin der Kapitän!« Damit sagte Steemer alles. Trotzdem fügte er hinzu: »Ich stelle an meine Mannschaft keine Anforderungen. Die Leute werden wie Passagiere behandelt, es gibt kaum etwas zu tun, weil die LAAK-INTA von allein läuft – vollautomatisch. Sie haben eine Vergnü gungsfahrt vor sich, meine Herren!« Er hatte es kaum gesagt, als eine Erschütterung wie von einer Explosion durch das Schiff lief. Sie war so stark, daß wir von den Stühlen fielen. »Verflucht!« schrie Steemer. »Die Antigravprojektoren fallen immer dann aus, wenn ich sie am dringendsten benötige. Beim nächsten Orkan werden sie noch ganz zusammenbrechen!« Das, dachte ich, wäre nur ausgleichende Gerechtigkeit, denn wir als Passagiere kamen auch nicht in den Genuß eines Schwerkraftreglers. Gerade als die Antigravprojektoren wieder einsetzten, flog die Tür auf. Darin stand ein verwilderter Geselle mit einem Kombistrahler. »Jetzt hat es sich auskommandiert, Kapitän! Wir verlangen bessere Un terkünfte!« rief er. Steemer, der noch immer an der Schaltwand stand, war geistesgegen wärtig genug, den Schwerkraftregler sofort wieder zu betätigen. Der ver wilderte Mann mit dem Kombistrahler verlor den Halt, als der Boden plötzlich unter ihm zu schwanken begann. Morvoner Sprangk hechtete mit einem gewaltigen Satz durch den Raum und riß den Meuterer mit sich zu Boden. In der Tür blitzte es auf, und ein Energiestrahl zuckte in die Kabine. Aber der Schütze hatte schlecht gezielt, und der Schuß ging über unsere Köpfe hinweg. Im nächsten Moment hatten wir Deckung gesucht. Ich richtete meinen Strahler zur Decke und zerschoß die Beleuchtung. Nur noch die Kontrol lichter der Schaltwand spendeten schwaches Licht. Dafür war der Korridor hell erleuchtet, und die Meuterer boten uns ein gutes Ziel. Fartuloon schickte einen breitgefächerten Lähmstrahl durch die Tür und erwischte zwei Meuterer an den Beinen. Sie brachen zusammen und versuchten, sich aus der Feuerlinie zu schleppen. »Ergebt euch!« rief eine Stimme aus dem Korridor. »Ihr habt überhaupt keine Chance. Kommt mit erhobenen Händen heraus, dann wird euch nichts geschehen.«
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»Verdammt will ich sein, wenn ich das tue«, schrie Steemer wütend. Er stand mit einem schußbereiten Strahler in einer Wandnische. »Wir sitzen in der Falle«, gab ich zu bedenken. »Ich werde diesem Gesindel mein Schiff nicht so ohne weiteres überlas sen«, rief Steemer aufgebracht. »Sie hätten eben vorsichtiger bei der Auswahl ihrer Passagiere sein müssen«, warf Fartuloon ihm vor. »Kennen Sie die Leute nicht?« »Ich habe sie vorher noch nie gesehen«, gestand Steemer. »Es handelt sich um die acht Händler, die ich vor dem Auslaufen noch schnell an Bord holte. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, aber noch leere Laderäume, und es fehlten mir noch acht Mann für die vorgeschriebene Besatzung von vier zehn Mann. Ich war froh, sie im letzten Augenblick gefunden zu haben. Da stellte ich nicht erst viele Fragen.« »Jetzt haben wir die Bescherung«, maulte Sprangk. Wieder ging eine Erschütterung durch das Schiff. Der Boden neigte sich so stark, daß die Sessel und der Tisch aus ihrer Magnetverankerung geho ben wurden und mit lautem Krach gegen die Wand schlugen. Draußen auf dem Korridor ertönte Geschrei. Ich konnte mir gut vorstel len, wie die Meuterer durcheinander stürzten. Jetzt wäre die Gelegenheit für einen Ausfall günstig gewesen. Doch wir mußten selbst darum kämp fen, nicht die Kontrolle zu verlieren. Das Schiff neigte sich auf die andere Seite, und der Tisch und die Sessel nahmen ihre Rutschfahrt über den Boden wieder auf. Als die Wellen das Schiff wieder nach der anderen Seite schaukelten, tauchte in der Tür einer der Meuterer auf. Er warf die Hände in die Luft, suchte verzweifelt nach Halt, wurde jedoch unerbittlich hinein in die Kabine gezogen. Er stolperte mir genau vor die Füße. Ich preßte ihm den Strahler gegen den Hals. »Welch überraschenden Besuch wir da bekommen haben«, stellte ich mit spöttischem Staunen fest. »Drück nur ab«, sagte der Mann mit Todesverachtung. »Das rettet euch auch nicht. Ihr entkommt den Folterkammern von Kortasch-Auromt nicht!« Ich horchte auf. »Wir wollen nicht nach Kortasch-Auromt, sondern nach Sebentool«, sagte ich. Der Meuterer lachte höhnisch auf. »Kapitän!« erscholl eine Stimme auf dem Korridor. »Wenn Sie sich nicht schleunigst auf die Kommandobrücke begeben, wird Ihr Schiff noch kentern!« »Dann werft die Waffen weg und kommt mit erhobenen Händen her ein!« rief Steemer zurück. »Ich werde das Steuer erst übernehmen, wenn
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ihr euch ergebt.« »Seien Sie nicht starrköpfig, Kapitän Steemer«, meldete sich wieder der unsichtbare Meuterer. »Im Grunde haben wir gar nichts gegen Sie. Wir sind nur an Ihren vier Passagieren interessiert.« »Dann holt sie euch!« schrie Steemer und schoß eine Salve in den Kor ridor hinaus. Ich bewunderte seine Charakterstärke und seine Courage. »Das ist hoffentlich nicht ihr letztes Wort«, sagte der Meuterer. »Wenn Sie uns unterstützen, dann ist Ihnen der Dank von Mavillan Ruuver ge wiß.« »Was habt Ihr mit Mavillan Ruuver zu schaffen«, rief Steemer spöttisch zurück. »Wir handeln in seinem Auftrag!« kam die Antwort. »Er ist sehr an Ih ren vier Passagieren interessiert. Er möchte sich ein wenig mit ihnen un terhalten und wird sich all jenen erkenntlich zeigen, die ihm zu dieser Un terhaltung verhelfen. Liefern Sie uns die vier Spione aus, Kapitän, sie sind diesen Einsatz nicht wert.« Steemer überlegte kurz, dann warf er seinen Strahler weg und ging mit erhobenen Händen auf die Tür zu. »Ich ergebe mich!« rief er laut und deutlich. Jetzt hielt ich von seinem Charakter und seiner Courage schon viel we niger. »Dieser Verräter!«, rief Sprangk wütend und zielte mit dem Strahler auf Steemers Rücken. »Nicht schießen!« rief ich ihm zu, und Fartuloon schlug ihm die Waffe aus der Hand. »Wer ist Mavillan Ruuver?« erkundigte ich mich bei dem Meuterer, der mir in die Hände gefallen war. »Was?« staunte er. »Willst du behaupten, du wüßtest nicht, daß Ruuver der Gouverneur von Kortasch-Auromt ist?« Nach allem, was ich gehört hatte, hatte ich es vermutet. Aber jetzt besaß ich Gewißheit. Wahrscheinlich war den Leuten Ruuvers zu Ohren gekom men, daß wir uns mit Galbass verbündet hatten. Gouverneur Ruuver hatte schnell gehandelt und seine Leute an Bord dieses Schiffes gebracht, um uns zu ihm zu bringen. Sicher wollte er genauer wissen, wie wir zu Gal bass standen. Ich muß sagen, ich hatte gar nichts dagegen, Mavillan Ruuvers Be kanntschaft zu machen! »Los, lauf«, sagte ich zu dem Meuterer. Er ließ es sich nicht zweimal sagen und stolperte aus der Kapitänskabine. Ich erhob mich und rief: »Wir ergeben uns!« »Bist du übergeschnappt!« entfuhr es Sprangk entrüstet. »Keineswegs«, erwiderte ich. »Ich sehe nur nicht ein, warum wir für
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Galbass unser Leben aufs Spiel setzen sollen. Ihr habt selbst gehört, daß die Meuterer in Gouverneur Ruuvers Auftrag handeln. Es könnte doch nicht schaden, diesen Mann kennenzulernen und mehr über seine Pläne zu erfahren.« Fartuloon erhob sich. »Das ist auch meine Meinung«, sagte er und warf die Waffe weg. »Warum sollen wir nicht einen Abstecher nach Kortasch-Auromt ma chen?« Morvoner Sprangk schüttelte verständnislos den Kopf, aber er folgte uns mit erhobenen Händen auf den Korridor hinaus. Die acht Meuterer zeigten sich höchst erleichtert, daß wir uns wider standslos ergaben. »So, Kapitän«, sagte ihr Anführer zu Steemer und verlieh seinen Wor ten mit dem Strahler Nachdruck. »Jetzt nehmen Sie Kurs auf Kortasch-Au romt.« ENDE
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