Paulus und das Jude tum
ehr. Kaiser
Theologische Existenz heute
GERD LÜDEMANN, Paulus und das Judentum
Theologische Existenz heute Nr. 215 Herausgegeben von Trutz Rendtorff und Kar! Gerhard Steck
GERD LÜDEMANN
Paulus und das Judentulll
CHR. KAISER VERLAG MÜNCHEN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Lüdemann, Gerd: Paulus und das Judentum / Gerd Lüdemann. - München: Kaiser, 1983 (Theologische Existenz heute; Nr. 215) ISBN 3-459-01491-1 NE: GT © 1983 Chr. Kaiser Verlag München Alle Rechte vorbehalten, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung. Fotokopieren nicht gestattet. Umschlag: Christa Manner. - Printed in Germany. Gesamtherstellung: Druckerei Wagner, Nördlingen
Für
W. D. Davies
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 1. Einleitung................... 2. Drei Typen der Behandlung des Themas »Paulus und das Judentum« . . 2.1. Der antijüdische Paulus 2.2. Der jüdische Paulus . . 2.3. Der unjüdische Paulus 2.4. Kritik der obigen Ansätze und Themenstellung. Zur Methode .. . . . . . . . . . . . . . " Paulus' theologisches Denken . . . . . . . " 3. 3.1. Die Berufung des Paulus in ihrem Verhältnis zum Judentum . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. 1 Thessalonicherbrief . . . . . . . . . . .. Exkurs: 1Thess 2,13-16 - keine Interpolation 3.3. Galaterbrief.......... 3.4. Römerbrief . . . . . . . . . . . . . 3.4.1. Die erste Antwort: Röm 9,6-29 . . . 3.4.2. Die zweite Antwort: Röm 9,30-11,10 3.4.3. Die dritte Antwort: Röm 11,11-36 . 4. Paulus' Handeln . . . . . . . . . . 4.1. Paulus' Praxis im Umgang mit Juden( christen) 4.2. Paulus' (Missions-)Geschichte 5. Paulus und das Judentum Anmerkungen . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Frühere Fassungen der nachfolgenden Schrift wurden am 3. 11. 1980 vor dem Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Göttingen, am 23. 4. 1981 vor der Gesamthochschule Kassel und im Januar 1982 als Graduate Colloquy an der Vanderbilt University (Nashville, USA) vorgetragen. Sie ist W. D. Davies (Duke University) gewidmet, dessen Assistent ich 1974/75 war. Ich hatte das Glück, während dieser Assistentenzeit das Manuskript von E. P. Sanders' Buch (s. u. S. 16 f) studieren zu dürfen. Beiden Forschern bin ich in Verbundenheit zu bleibendem Dank verpflichtet, auch wenn sich meine Ergebnisse von den ihrigen z. T. unterscheiden. Die Schrift gibt Einblick in den dritten Band meines Pauluswerkes »Paulus, der Heidenapostel«, der die Entwicklung des Apostels nachzuzeichnen versucht (vgl. Band I. Studien zur Chronologie, FRLANT 123, 1980 [= Band I]; Band II. Antipaulinismus im frühen Christentum, FRLANT 130, 1983 [= Band II]). Vollständigkeit in der Literaturbenutzung wurde hier nicht angestrebt und Erzeugnisse der theologischen Journalistik zum Thema fast völlig unberücksichtigt gelassen. Die Arbeit ist weder für die geschrieben, denen Antijudaismus zu ihrer zweiten Natur geworden ist, noch für andere, die den Antisemitismus der Vergangenheit und Gegenwart durch philosemitische Exegese kompensieren wollen. Versucht ist statt dessen ein historisches Vorgehen, das auf Verstehen im Kontext des ersten Jahrhunderts abzielt und auf seiner Grundlage theologische Urteile für die Gegenwart gewinnen will. Den Herausgebern danke ich für die Aufnahme der Schrift und dem Chr. Kaiser Verlag für gute Zusammenarbeit. Jürgen Wehnert, F. Stanley Jones und Larry Welborn sei für eine kritische Durchsicht des Manuskriptes gedankt. Göttingen, im Oktober 1982
1. Einleitung
Täuscht der Eindruck nicht, so ist das Thema »Kirche und Israel« in den letzten Jahren eines der Hauptthemen der wissenschaftlich-theologischen und kirchlichen Arbeit geworden. So thematisierte katholischerseits das H. Vatikanische Konzil in der Erklärung »Nostra Aetate«, Nr. 41, das Verhältnis zu den Juden und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gab 1975 eine Studie mit dem Titel »Christen und Juden« heraus. 2 Die jüngste Erklärung von kirchlicher Seite zum angesprochenen Thema ist der »Synodalbeschluß der Evangelischen Kirche im Rheinland zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden«3. Neben diese und andere Erklärungen von offizieller Seite sind eine Reihe von Monographien zur Sache getreten. Ich nenne nur: Rosemary Ruether, Nächstenliebe und Brudermord4 ; Charlotte Klein, Theologie und Antijudaismus 5 ; Krister Stendahl, Der Jude Paulus und wir Heiden 6 ; Franz Mußner, Traktat über die Juden 7 . Zusätzlich sind die Hefte der Zeitschrift »Evangelische Theologie« zu nennen, die sich in den letzten Jahren mehrmals thematisch mit dem angegebenen Thema beschäftigt haben. 8 Es ist nun nicht verwunderlich, daß in der oben beschriebenen Neubesinnung Paulus eine große Beachtung geschenkt wird. Handelt es sich bei ihm doch um die einzige Person aus der ersten christlichen Generation, von der Schriften erhalten sind und die dazu dem jüdischen Volk angehört. Ihr wollen auch wir uns im folgenden zuwenden, um durch historische Exegese und ihre systematische Verarbeitung einen Beitrag zur obigen Debatte zu leisten. Dabei ist vorweg auf einen wesentlichen Ertrag der bisherigen Diskussion hinzuweisen, nämlich daß jahrhundertelang Teile des Neuen Testaments von vornherein in einem antijudaistischen Sinne gelesen wurden. 9 Insofern ist die Wirkungsgeschichte für die Erfassung des Textsinns hilfreich und kann vor Voreingenommenheiten bewahren. Andererseits geht es nicht an, unter Berufung auf jenes anerkanntermaßen wirksame antijudaistische Bewußtsein christlicher Exegese jegli11
chen Antijudaismus für Paulus von vornherein in Abrede zu stellen. 10 Denn dann wäre Exegese nur noch reine Willkür. 11 Nein, die Wirkungsgeschichte bereichert nur das Instrumentarium exegetischer Schritte gerade in der hier zur Debatte stehenden Frage um eine wichtige Einzelheit. Sie verhilft der Exegese dazu, sich ihrer eigenen Voraussetzungen besser bewußt und damit gleichzeitig dem Aussagewillen der von ihr untersuchten Texte und der Bedeutung der rekonstruierten Geschehnisse ganz gerecht zu werden. Doch wie handeln wir das Thema »Paulus und das Judentum« sachgemäß ab? Der Paulus betreffende Teil der Frage ist aufgrund des überschaubaren Corpus Paulinum wohl zu bewältigen. Doch was ist unter »Judentum« zu verstehen? Meinen wir das pharisäische oder das sadduzäische oder das essenische oder das galiläische oder das alexandrinische Judentum ?12 Handeln wir ferner von Paulus' Stellung im Judentum 13 oder von Paulus' Haltung zum Judentum? Es ist daher klar, daß zur Bearbeitung des Themas eine präzise Fragestellung und eine saubere Methodik notwendig sind, um nachprüfbare Ergebnisse zu erzielen. Wir wollen nun zunächst einen Blick auf die bisherige Arbeit über »Paulus und das Judentum« werfen, um - bei vorläufig absichtlicher Nichtpräzisierung der Fragestellung - in Auseinandersetzung mit ihr ein durchführbares und Erkenntnisgewinn versprechendes Arbeitsprogramm zu entwickeln.
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2.
Drei Typen der Behandlung des Themas
»Paulus und das Judentum«14
2.1. Der antijüdische Paulus G. Klein faßt in einem Aufsatz mit dem Thema »Präliminarien zum Thema >Paulus und die Juden«( bündig die Auffassung der Bultmannschule zum Thema zusammen. 15 Es geht ihm darum, die Einstellung des Paulus zu den Juden aufzuzeigen, und zwar im Blick darauf, worauf sie sich gründet. Klein faßt sie in drei Punkten zusammen: a) Paulus versenkt sich nicht in die Vergangenheit Israels. Soweit der Apostel Gestalten des Alten Testaments nennt, wie z. B. Abraham in Gal3 und Röm 4, sind diese ausschließlich Interpretamente der christlichen Gegenwart. 16 b) Der Weg Israels vom Einst zum Jetzt kümmert Paulus nicht. Israels Gesamtweg wird in »fast formelhafter Prägnanz (. . .) als ein einziges erfüllungslos ins Leere laufendes (. . .) Engagement für das Gesetz«17 (Röm 9,31) verstanden, für das der Verlaufscharakter belanglos geworden ist. Dort, wo der Apostel wie in 2Kor 3 alten und neuen Bund miteinander vergleicht, bedeutet der neue Bund nicht eine Wiederherstellung des alten, sondern seine Abschaffung durch die Heilsordnung des Evangeliums von Christus. 1B c) Israel hat den Sinn des Gesetzes verfehlt (d~ v6~ov oux Ecp{}-aOEV, Röm 9,31), »weil es statt aus Glauben aus Werken sein Seinsvertrauen schöpfte«19. Die jüdische Werkszuversicht bzw. Israels Entscheidung gegen die Glaubensgerechtigkeit (Röm 10,3ff) sei freilich gar nicht von phänomenologischer Betrachtung jüdischer Gesetzesobservanz her zu verifizieren, sondern allein christologisch. 20 Paulus bringe das Judentum so zur Sprache, wie es im Christusgeschehen enthüllt worden sei. Die Darlegungen Kleins können daher so zusammengefaßt werden: Das Judentum hat nur als scheiterndes theologische Relevanz für Paulus. Die Kirche ist das neue Israel, das an die Stelle des alten getreten ist. 21 Es war Kleins Absicht, den Erkenntnisgrund der paulinischen Verarbeitung der Judenthematik aufzuzeigen. Doch sind seine Darlegungen zumindest unvollständig, da sie Röm 11,11ff 13
nicht einmal erwähnen, geschweige denn diskutieren. Jener Abschnitt mit dem Spitzensatz : »Ganz Israel wird gerettet werden« (V. 26), muß aber doch als Anfrage an seine Interpretation aufgefaßt werden, denn er beweist: Paulus sprach selbst dem ungläubigen Israel noch Zukunft zu, wenigstens an dieser Stelle. 22 Die gleiche Kritik wie an Kleins Interpretation ist an R. Bultmanns Darlegungen zu richten. Weder in seiner» Theologie des Neuen Testaments« noch in anderen Arbeiten wird von ihm Röm 11,11ff thematisiert. 23 Doch eine Bemerkung über Röm 11,25f ist ebenso charakteristisch wie anfechtbar. Er schreibt: »das heilsgeschichtliche ~'Ua1:~QLOv Rm 11,25ff. (sc. entspringt) der spekulierenden Phantasie «24. Am Rande sei erwähnt, daß der soeben skizzierte Typ der Forschung Paulus überwiegend als Diasporajuden auffaßt, der in seinem Denken stark vom Synkretismus (Gnosis, Mysterienreligionen) seiner Zeit beeinflußt wurde. 25 Damit wurde Paulus' Ferne vom Judentum auch religionsgeschichtlich untermauert.
2.2. Der jüdische Paulus Der in den USA lehrende Waliser w. D. Davies bemüht sich in seinem Werk »Paul and Rabbinic Judaism« (1948)26, Paulus als einen Theologen zu verstehen, der sein ganzes Leben lang in Wort und Tat innerhalb des rabbinischen Judentums verblieben sei. Mit den Berichten der Apostelgeschichte sei er immer praktizierender Jude gewesen. 27 Was ihn von anderen Juden unterschied, war die Annahme der Messianität Jesu. 28 Da das Judentum gegenüber Messiasansprüchen indifferent war, sei Paulus selbstverständlich wie Rabbi Akiba, der Bar Kosiba als Messias ansah 29 , innerhalb des Judentums verblieben. 30 Paulus' Annahme der Messianität Jesu und, damit verbunden, die Überzeugung der Ankunft des messianischen Reiches mit Jesus 31 sei fundamental für das Denken des Paulus. Jener Messias Jesus habe eine neue Tora eingeführt (gemäß der rabbinischen Überzeugung, daß im messianischen Reich eine neue Tora erteilt werde32 ), die für Heidenchristen bindend gewesen sei, während geborene Juden wie Paulus die Tora in ihrem Gesamtumfang weiter beachteten. 33 14
Davies' Einordnung des Paulus in das rabbinische Judentum erlaubt es ihm, sämtliche Theologumena des Apostels aus rabbinischen Vorstellungen abzuleiten: so entspreche die Vorstellung vom Leib Christi der rabbinischen vom Leib Adams 34 , das paulinische Konzept von Fleisch und Geist dem rabbinischen vom guten und bösen Trieb 35 u. a. Davies' religions geschichtliche Arbeit36 braucht uns hier in den Einzelheiten nicht weiter zu interessieren; sie ist aber interessant genug, um genannt zu werden, da auch an ihr eine Differenz zum eingangs vorgestellten Typ sichtbar wird. Der Hauptunterschied liegt freilich darin, daß Davies im Gegensatz zu Klein und Bultmann eine Kontinuität zwischen Israel und der Kirche im Denken des Paulus erkennt und für ihn Kirche sozusagen Verlängerung der jüdischen Gemeinde ist. Scheidemarke zwischen beiden Interpretationen ist die Einordnung der Tora, die Paulus laut Klein und Bultmann einer radikalen Kritik unterzieht, während für Davies der Messias in der paulinischen Theologie die Tora verkörpert37 und schon deswegen nicht in ein alternatives Verhältnis zu ihr treten kann. Zu Röm 11,llff hat sich Davies in »Paul and Rabbinie Judaism« erstaunlicherweise selten geäußert. 38 Hier setzen die Arbeiten von M. Barth und F. Mußner ein, die - ob bewußt qder unbewußt - in vielen Fragen eine ähnliche Stellung wie Davies einnehmen. Die Gemeinsamkeiten bestehen in religionsgeschichtlicher Hinsicht. M. Barth kann schreiben: »Auf alle Fälle verdient die Interpretation des Paulus auf dem Hintergrund des Judentums, seines Gottesdienstes und seiner Schriften absolute Priorität. «39 Bezüglich der Praxis des Paulus wird festgestellt, daß Paulus toragemäß lebte. 40 Paulus habe von geborenen Juden ebenfalls nicht verlangt, das Gesetz nicht zu beachten. 41 Soweit die galatischen Gegner überhaupt als Judenchristen anzusehen sind42 , so sind die harten Worte des Apostels im Galaterbrief nicht gegen Juden an sich gerichtet, sondern nur gegen die Einführung von Gesetzesforderungen für Heidenchristen. 43 Aus den in diesem Zusammenhang gemachten Äußerungen des Paulus dürfe keineswegs eine negative Haltung des Heidenapostels gegenüber dem Judentum gefolgert werden; denn Röm 11,25f zeige: Israel als Volk wird durch einen Sonderweg errettet werden. 44 Paulus könne sich das Heil für die Kirche ohne Erfüllung der Israel gemachten Verheißungen nicht vor15
stellen. »Mit dem Untergang des Gottesvolkes müßte die Kirche fallen; mit seiner Rettung und zu seiner Rettung aber darf sie leben. «45 Daher gelte: »Es genügt nicht zu sagen, das Heil kam von den Juden; es kommt von den Juden. «46
2.3. Der unjüdische Paulus Nach den beiden beschriebenen, einander ausschließenden Ansichten zum Thema »Paulus und das Judentum« kommen wir zu einer dritten, die von beiden gleichermaßen abweicht. Nach dem in Kanada lehrenden Texaner E. P. Sanders 47 habe Davies sich damit begnügt, Paulus' (religions geschichtlichen) Hintergrund (»background«) zu bestimmen und parallele Motive zwischen rabbinischer und paulinischer Theologie aufzuweisen, während Bultmann und seine Schule das Wesen der paulinischen mit dem Wesen jüdischer Theologie verglichen hätten. Doch sei beides gleichermaßen unbefriedigend geblieben. Die Methode Davies' führe zu keinem echten Vergleich zwischen rabbinischem Judentum und Paulus48 , und Bultmann vergleiche nur auf Schlagworte reduzierte Wesensbeschreibungen miteinander49 , die überdies inhaltlich unzutreffend bestimmt worden seien: Rechtfertigung aus Glauben sei ebensowenig Wesen der paulinischen 50 wie Werkgerechtigkeit Wesen der rabbinischen Theologie. 51 Sanders möchte demgegenüber das Judentum, wie es sich selbst versteht, mit Paulus, wie er sich selbst auffaßt, vergleichen. Er spitzt dabei den Vergleich auf die Frage zu, wie beide Parteien den Eintritt und das Verbleiben in der jeweiligen Religion auffassen (»how getting in and staying in are understood«52) und nennt dies die Frage nach dem »pattern of religion« (Religions struktur).53 Sanders durchforstet zu diesem Zwecke in stupender Kleinarbeit die tannaitische Literatur 54, die Qumranschriften und die Apokryphen und Pseudepigraphen und gelangt zu folgendem Resultat: Das gemeinsame »pattern« jener Texte sei am besten als »covenantal nomism« (Bundesnomismus) zu bezeichnen. Er bestehe in folgendem: »1. Gott hat Israel erwählt und 2. das Gesetz gegeben. Das Gesetz beinhaltet zweierlei: 3. Gottes Verheißung, an der Erwählung festzuhalten, und 4. die
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Forderung, gehorsam zu sein. 5. Gott belohnt Gehorsam und bestraft Übertretungen. 6. Das Gesetz sieht Sühnmittel vor, und die Sühnung führt 7. zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Bundesverhältnisses. 8. All jene, die durch Gehorsam, Sühnung und Gottes Gnade innerhalb des Bundes gehalten werden, gehören zur Gruppe derer, die gerettet werden. «55
Die paulinische Theologie habe motivmäßig Beziehungen zum obigen »pattern«, weise aber im übrigen erhebliche Unterschiede ihm gegenüber auf. Sie gehöre einem völlig anderen Religionstyp zu, der am besten mit »participationist eschatology« (teilhabende Eschatologie) zu bestimmen sei. Das paulinische »pattern of religion« bestehe in folgendem: »Gott hat Christus als Retter für beide, Juden und Heiden, gesandt (und Paulus zum Apostel für die Heiden berufen); man hat Anteil am Heil, indem man eins wird mit Christus, mit ihm der Sünde stirbt und sich die Hoffnung, mit ihm aufzuerstehen, zu eigen macht; diese Verwandlung wird jedoch nicht vollendet, bevor der Herr wiederkehrt. In der Zwischenzeit ist der, der in Christus ist, von der Macht der Sünde und der Verunreinigung durch Gesetzesübertretungen befreit, und sein Verhalten sollte durch seine neue Situation bestimmt werden; da Christus starb, um alle zu erretten, müssen alle Menschen unter der Herrschaft der Sünde gewesen sein - >im Fleisch< im Gegensatz zur Existenz >im Geist<. «56
Die Frage, warum Paulus gegen das Gesetz besonders im Galaterbrief polemisiere, löst Sanders elegant so: Paulus' fundamentale Kritik am Gesetz bestehe darin, daß es nicht zu Christus hinführe. Das Gesetz zu erfüllen, sei deswegen falsch, weil es kein (Christus-)Glaube ist. »Kurz gesagt: Was Paulus am Judentum für falsch hält, ist, daß es nicht Christentum ist.«57
2.4. Kritik der obigen Ansätze und ThemensteIlung. Zur Methode Keiner der drei oben beschriebenen Ansätze kann völlig befriedigen, obgleich alle wertvolle Einzelbeobachtungen beitragen. Klein, Buhmann und Sanders zeigen gut den christologischen Ausgangspunkt des Paulus bei seinem Nachdenken über die Tora auf. Dieser erlaubt Paulus, die Schrift von Christus her zu verstehen, und motiviert seine Kritik an der Tora. Diese ist freilich mit Sanders nicht auf die Aussage zu beschränken, das Gesetz zu tun sei deswegen falsch, weil es nicht
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Glauben ist. 58 Vielmehr gewinnt Paulus unter Ausgang vom Christusgeschehen59 die Einsicht, daß »das Bemühen des Menschen, durch Erfüllung des Gesetzes sein Heil zu gewinnen, ihn nur in die Sünde hineinführt, ja im Grunde selber schon die Sünde ist.«6o D. h. Paulus' theologische Aussagen sind mit Bultmann polemischer als Sanders meint. 61 Gemeinsam ist Bultmann, Klein und Sanders andererseits die souveräne Ignorierung von Röm 11,11ff. 62 In beiden Fällen ist das durch die angewandte Methode bedingt. Die existentiale Interpretation muß einen Satz wie Röm 11,26 (»Ganz Israel wird errettet werden«) aus Prinzip vernachlässigen, und für Sanders sind zwecks Rekonstruktion des paulinischen »pattern of religion« nicht jene spekulativen Fragen interessant, die z. B. die Schöpfung der Welt oder die zukünftige Welt behandeln 63 , sondern nur die, wie man Christ (Jude) wird und wie man es bleibt. 64 Nun geht die zuletzt dargelegte Gemeinsamkeit exegetisch darauf zurück, daß in beiden Fällen die Prärogative Israels bei Paulus nur im zeitlichen Sinne gesehen wird. 65 Doch ist eine solche Sicht mit Sicherheit falsch, da Röm 11 das Gegenteil belegt. D. h., beide Ansätze verabsolutieren einen Teil der paulinischen Aussagen zum Thema und blenden gleichzeitig andere Stellungnahmen des Apostels aus. An dieser Stelle verdienen die unter 2.2. dargestellten Auffassungen größere Beachtung, da sie die bleibende Prärogative Israels bei Paulus aufweisen. Sie verdienen aber auch in dem weiteren Punkt Beachtung, daß sie (im Gegensatz zu Klein, Bultmann und Sanders) ansatzweise die Praxis und die Geschichte des Paulus als komplementären Bestandteil seines Denkens mitbehandeln. Gleichwohl sind folgende schwerwiegende Einwände gegen die Verfechter der These des »jüdischen Paulus« nicht zu unterdrücken: a) Die Verwendung der Apostelgeschichte zur Stützung der Ansicht, Paulus sei immer ein praktizierender Jude gewesen, kann aus methodischen Gründen nicht in Frage kommen. 66 b) Eine einseitige Verwendung von Röm (9-)11 übersieht die Disparität von Röm 9-11 und weitere Aussagen des Paulus über die Juden (z. B. 1Thess 2,14ff). Ich schlage daher vor, das Thema »Paulus und das Judentum« nochmals zu behandeln, und zwar ausgerüstet mit einer Fragestellung und Methode, die von den soeben behandelten Au-
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toren profitiert, aber ihre Schwächen vermeidet. Es seI 1m folgenden gefragt: Wie bestimmt Paulus (selbst) sein Verhältnis und das seiner Gemeinden zu geborenen Juden, seien sie Anhänger des Messias Jesus oder nicht? Was geschieht - nach Aussage der sie ausdrücklich reflektierenden Paulusbriefe mit den Juden als ethnischer Größe im Prozeß der Selbstdefinition der christlichen Gemeinden während der ersten drei Jahrzehnte nach dem Tode Jesu, an dessen Ende, beschleunigt durch das politische Geschehen (Zerstörung Jerusalems ), die Loslösung vom Judentum stand ?67 Mit diesem Ansatz legen wir uns eine Beschränkung in zweierlei Hinsicht auf. Wir verzichten auf den Versuch einer religionsgeschichtlichen Einordnung des Paulus (vgl. dazu die oben referierten kontradiktorischen Ergebnisse von Bultmann und Davies). Aber auch von der Rekonstruktion der Soteriologie des Paulus wird abgesehen (obgleich sie im Zuge der Argumentation nicht völlig unberücksichtigt gelassen werden kann). Nachdem wir vielmehr in der angegebenen Weise gefragt haben, wie Paulus sein Verhältnis (und das seiner Gemeinden) zu geborenen Juden und zum jüdischen Volk bestimmt, analysieren wir die Geschichte Pauli, soweit sie für sein Verhältnis zum Judentum wichtig ist, und die Praxis Pauli im Zusammensein mit geborenen Juden. Die Praxis ist ja ein elementarer Punkt der Selbstdefinition der christlichen Strömungen im Gegenüber zur überkommenen jüdischen Religion und kann uns wichtige Einsichten vermitteln. Es sei gefragt: Wann, wo und warum wich Paulus (nicht) von jüdischen Normen ab? Nach diesen beiden Abschnitten zum Denken und zum Handeln des Paulus im/gegenüber dem Judentum ist nach dem Ertrag der vorgeführten exegetisch-historischen Rekonstruktionen zu fragen, der implizit auch eine Stellungnahme zur eingangs skizzierten Debatte über Kirche und Israel enthalten wird.
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3. Paulus' theologisches Denken
Vorbemerkung: Wir mustern im folgenden die paulinischen Briefe entsprechend der oben skizzierten Fragestellung in ihrer mutmaßlichen chronologischen Reihenfolge durch. Es ist dabei einerseits der situationsbedingte Charakter der Briefe in Rechnung zu stellen und davor zu warnen, die Anschauung des Paulus über das Judentum rekonstruieren zu wollen. Andererseits entspringen bestimmte, in einer spezifischen Situation gemachte Aussagen einem Gesamtverständnis. Das bedeutet: Neben der Rekonstruktion der Einzelaussage sind jeweils die Grundlinien der Theologie des betreffenden Briefes mitzubedenken.
3.1. Die Berufung des Paulus in ihrem Verhältnis zum Judentum Das älteste paulinische Zeugnis über das Judentum enthält nicht der 1Thessalonicherbrief, sondern die Texte des Corpus Paulinum, welche die sogenannte Bekehrung68 reflektieren: 1Kor 9,1; 1Kor 15,8; Gal1,12-16; PhiI3,6-8. 69 Drei der vier genannten Passagen heben auf den Kontrast zwischen christlicher und jüdischer Existenz des Paulus ab: 1Kor 15,8f Jesus ist Paulus erschienen (V. 8). Verfolgung der Kirche durch Paulus (V. 9)
Gal1,12-16 Offenbarung Jesu Christi (V. 12). Verfolgung der Kirche durch Paulus (V. 13). Er war im Judentum vielen voraus, ein Eiferer für die väterlichen Überlieferungen (V. 14). Berufung des Paulus und Offenbarung des Sohnes Gottes (V. 15f).
Phil 3,6ff
Verfolgung der Kirche durch Paulus (V. 6a). Er war unsträflich nach der Gerechtigkeit im Gesetz (V. 6b).
Das wurde ihm Dreck wegen der Erkenntnis Christi (V. 7f).
Der oben dargelegte Befund scheint die Annahme zu rechtfertigen, Paulus rede von Christentum und Judentum antithetisch und qualifiziere das Judentum ausschließlich negativ, in20
dem er zwischen der Gerechtigkeit aus dem Gesetz bzw. dem Eifern für die väterlichen Überlieferungen und der Offenbarung Jesu Christi eine Alternative aufrichte. 70 Sollte eine solche Einsicht tatsächlich der Inhalt des Damaskusgeschehens gewesen sein, so böte sich in der Tat der Ausdruck »Bekehrung« als angemessene Beschreibung dafür an. Denn in diesem Fall hätte Paulus wirklich seine Religion gewechselt. Demgegenüber ist aber auf folgenden Befund aufmerksam zu machen: Der Inhalt des Damaskusgeschehens war eine Schau des erhöhten Herrn (lKor 9,1; 1 Kor 15,8; Gal1,12; Phi13,8) und das Ziel der an Paulus ergangenen Offenbarung die Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden (Gal1,16; 1Kor 15,8; Röm 1,5; Röm 11,13). Paulus wurde vor Damaskus zum Heidenapostel berufen.?1 Diesen Aspekt des Damaskusgeschehens drückt der Terminus »Bekehrung« nur unvollkommen aus. Aber auch die damit verbundene ausschließlich negative Qualifizierung des Judentums scheint nicht ganz zuzutreffen: So kann die Rechtfertigungslehre m. E. nicht mit dem Damaskusereignis direkt verbunden werden. In Phil3,9 ist sie parenthetisch eingefügt 72 und in Gal1 erscheint sie im Zusammenhang des Berichtes über das Damaskusgeschehen überhaupt nicht, sondern erst ab Gal 2,15ff. Das heißt doch: Sie ist von Paulus erst im Kontext des galatischen Kampfes ausgebildee3 worden. 74 Kann die Rechtfertigungslehre somit auch nicht mit dem Damaskusgeschehen direkt verknüpft werden, so ist gleichwohl zu betonen, daß die Berufung des Paulus nicht bruchlos vonstatten ging. Dafür spricht seine VerfolgertätigkeieS und seine strikte Toraobservanz 76 vor der Berufung. Wenn er den Glauben einer von ihm verfolgten hellenistischen Gemeinde, die sich tastend vom Gesetz emanzipierte 77 , annahm und wie ihre Mitglieder Heidenrnission betrieb, so war damit eine Relativierung der Tora mitgesetzt. Für die Frage »Paulus und das Judentum« ergibt sich aus den soeben gemachten Ausführungen zur Berufung des Paulus folgendes: Paulus hat bei Damaskus nicht seine Religion gewechselt. Weder wurde der Jude Paulus hier Chrises noch wurde das Judentum negativ qualifiziert, denn die im Galaterund im Philipperbrief im Zusammenhang mit dem Damaskusgeschehen aufgestellte Alternative »Gesetzes- oder Glaubensgerechtigkeit« ist für den Zeitpunkt der Berufung (noch) nicht 21
zu verifizieren. Paulus hat aber bei Damaskus das Christusgeschehen als in der Schrift verheißenes, eschatologisches Geschehen erkannt und als Beauftragung an sich, das Evangelium in die Heidenwelt zu tragen. 79 Das Gesetz und das jüdische Volk kommen bei Damaskus noch nicht als eigene theologische Themen in den Blick. Gleichwohl war in dem spezifischen Inhalt der Berufung des Paulus und durch seine pharisäische Vergangenheit der Konflikt mit der Tora und dem Judentum angelegt. 80
3.2. 1 Thessalonicherbrief81 Paulus äußert sich IThess 2,14-16 wie folgt: 14.
Höchstwahrscheinlich gehen V. ISf auf Tradition zurück82 : artox1:ELvELV findet sich außerhalb unserer Stelle nur dreimal bei Paulus, dagegen 70mal im übrigen Neuen Testament; im Blick auf den Tod Jesu ist es singulär bei Paulus. 'EXÖLWXELV und EVaV1:LO; sind singulär bei Paulus; aVartA'YJQwom 1:U; ullaQ1:La~ und
Paulus hat das vorpaulinische Traditionsstück, über dessen Intaktheit wir nichts Näheres sagen können 84, um den Satz ergänzt: »Die uns daran hindern, zu den Heiden zu reden, damit sie gerettet werden« (V. 16a).85 Für diese Annahme sprechen mehrere Gründe: a) Der Sprachgebrauch des Satzes ist paulinisch: vgl. XWAUELV: Röm 1,13; 1Kor 14,39; E{tv'YJ: 45mal bei Paulus; AaAELv: 52mal bei Paulus (vgl. bes. 1Thess 2,2.4); 04>~ELV: 19mal bei Paulus.
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b) Die Syntax von V. 1Sf weist einen Bruch auf: Die Vorwürfe gegen die Juden (insgesamt vier) werden jeweils mit xa( verbunden - mit Ausnahme des letzten. Das läßt sich am besten als Aussage eines Redaktors (= Paulus) verstehen, für den in der Behinderung der Heidenmission die Schuldtitel der Juden kulminieren.
Ein weiteres Licht auf das Verhältnis von Redaktion und Tradition wird durch die Traditionsgeschichte der vermuteten vorpaulinischen Tradition geworfen. Auf der Stufe der Tradition hat der Text 1Thess 2,15f die nächste Parallele in Mk 12,1-9 86 : Es entsprechen einander a) die Tötung der Propheten (1 Thess 2,15; Mk 12,lb-5), b) die Tötung Jesu (lThess 2,15; Mk 12,8), c) die Ansage des Zorngerichts über die Juden (1 Thess 2,16) bzw. die Ansage, daß die Weingärtner vernichtet würden (Mk 12,9). In Mk 12 fehlt bezeichnenderweise das Motiv der Behinderung der Heidenmission 87 , ein Grund mehr, bei Anerkenntnis der gemeinsamen Struktur der vormarkinischen Einheit Mk 12,1-9 und 1Thess 2,15-16 das Motiv der Behinderung der Heidenrnission in 1 Thess 2,16a für einen paulinischen Zusatz zu halten. Der Sinn des Textes 1 Thess 2,15f auf der Stufe der Tradition lautet, daß die Juden wegen der Tötung Jesu und der Propheten sowie der Verfolgung der judenchristlichen Missionare dem Zorngericht verfallen sind. 88 Paulus spitzt die Aussage darauf zu, die Juden seien deswegen dem Gericht ausgeliefert, weil sie ihn an der Heidenpredigt hindern. 89 An welches Gericht ist hier gedacht? Eine Gruppe von Auslegern hat versucht, es mit konkreten historischen Ereignissen wie der Austreibung von Juden aus Rom 9o oder der Hungersnot in Judäa unter Claudius 91 zu verknüpfen. Doch ist eine solche Antwort schon deswegen unbefriedigend, weil Paulus hier in Anschluß an Tradition 92 ein zeitgeschichtlich nicht zu verrechnendes theologisches Urteil fällt. Eine wichtige Voraussetzung zur angemessenen Erklärung unserer Stelle ist die Einsicht, daß 1 Thess von einer brennenden Naherwartung geprägt ist. So entwirft Paulus in 1Thess 4,13ff 93 im Anschluß an Tradition folgendes Zukunftsbild: Der Herr kommt vom Himmel, und nach der Auferstehung der wenigen inzwischen verstorbenen Christen werden die mehrheitlich bis zur Parusie überlebenden Gläubigen, zu de23
nen auch Paulus gehört, zusammen mit den auferweckten Christen dem Herrn entgegen in die Luft entrückt, um immer zusammen mit dem Kyrios zu sein. Bei diesem Entwurf der Zukunftshoffnung in 1Thess 4,13ff ist ein Element nicht genannt, das traditionell mit zur Parusie dazugehört, das Gericht. Nun war die Gerichtserwartung mit Sicherheit Bestandteil der Gründungspredigt des Paulus in Thessalonich, wie aus der Credoformulierung in 1Thess 1,9f hervorgeht: EJtEo'tQE'4Ju'tE JtQo~ 'tOV ttEOV UJto növ dÖWAWV ÖOlJAEVELV ttEep ~ffiV'tL xui uA'Y]{hvep xui UVU!!EVELV 'tGV lJLOV ulJ'to'Ü EX 'tffiv oVQuvffiv, ÖV llYELQEv EX 'tffiv vExQffiv, 'I'Y]ooiiv 'tov QlJ6!!EVOV fJ!!ä~ EX 'tfJ~ 6QYfJ~ 'tfJ~ EQXO!!Ev'Y]~. Die Parallele zwischen 1 Thess 1,10 und 1Thess 2,16 erweist klar, an welche 6QY~ Paulus beim Gericht über die Juden (2,16) denkt: das apokalyptische Gericht, das als Bestandteil des Endgeschehens jeden Tag eintreten kann. Ob dabei Ecp{}UOEV in 1Thess 2,16 von Paulus selbst oder - wahrscheinlicheraus der übernommenen Tradition stammt, spielt für die Erhebung des paulinischen Sinnes keine große Rolle. Die Distanz zwischen Gegenwart und Zukunft ist angesichts der ungestümen Naherwartung des 1 Thess praktisch nicht existent, so daß Paulus als bereits verwirklicht sehen kann, was eigentlich erst die Zukunft bringen wird. 94 Dem negativen Urteil über das ungläubige Judentum 95 entspricht positiv Paulus' Auffassung der Kirche aus Juden und Heiden: Konstituiert wurde die thessalonische Gemeinde (und die Gesamtkirche aus Juden und Heiden, s. sofort) durch die Erwählung (ExAoy~, 1,4) bzw. durch die Berufung (2,12; 4,7; 5,24). Sie ist »im Herrn« (1,1) bzw. »in Christus« (4,16); ebenso die judenchristlichen Gemeinden Judäas (2,14), deren Nachahmer (!!L!!'Y]'tU() die Thessalonicher geworden sind. Der Mimesis-Begriff geht im Corpus Paulinum über das Vorbildliche hinaus. Paulus beschreibt mit ihm »die Existenz des Glaubenden EV XQLO'tep. «96 Insofern reflektiert 1 Thess 2,16 die nach paulinischer Sicht bestehende Zusammengehörigkeit der einen Kirche aus Juden und Heiden in Christus. Ihr entspricht das gemeinsame Leiden in der Gegenwart (1,6 97 ; 2,14; 3,3f), das Paulus offenbar als heilvoll ansieht. 98 N ach diesen Darlegungen zur Ekklesiologie des 1Thessalonicherbriefes und zur Gerichtsansage über die Juden 1Thess 2,15f ergibt sich folgendes für das Thema »Paulus und das Judentum«: In der eschatologischen Zeit ist die Erwählung auf 24
die Kirche aus Juden und Heiden übergegangen. Für die die Heidenrnission des Paulus hindernden Juden bleibt nur der eschatologische Zorn übrig. Es zeigt sich hier, daß die Stellung zu den Heiden die Scheidemarke zwischen Kirche aus Heiden und Juden und nichtgläubigen Juden war. Hier kam ein Konflikt zum Ausbruch, der bereits in der Berufung des Paulus angelegt war. Exkurs: IThess 2,13-16 - keine Interpolation Die voranstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß ich die Interpolationsthese von B. A. Pearson (s. o. Anm. 81) und anderen nicht für richtig halten kann. Da sie im Falle ihrer Richtigkeit die oben begründeten Ansichten zum 1Thess annullieren würde und da sie in letzter Zeit mancherorts akzeptiert wurde (vgl. nur H. Boers, The Form Critical Study of Paul's Letters. I Thessalonians as a Case Study, in: NTS 22, 1976, 140-158, hier: 15lf; H. Koester, I Thessalonians - Experiment in Christi an Writing, in: Continuity and Discontinuity in Church History [FS G. H. Williams], Leiden 1979, 33-44, hier: 38; ders., Apostel und Gemeinde in den Briefen an die Thessalonicher, in: D. Lührmann / G. Strecker [Hg.], Kirche [FS G. Bornkamm], Tübingen 1980, 287-298, hier: 292 Anm. 16), sei sie hier einer Kritik unterzogen: 1. Pearson verweist auf den Widerspruch zwischen Röm 9-11 (bes. Röm 11) und IThess 2,14ff (a.a.O., 85f). Das ist als Argument unbrauchbar, da nicht einzusehen ist, wieso der Widerspruch nicht zu Lasten des Paulus gehen kann (s. u. zu Röm 9-11). 2. Es sei unwahrscheinlich »that Paul would cite the Judaean churches as examples for his Gentile congregations« (a.a.O., 87). Dieses Argument berücksichtigt nicht, daß die Ekklesiologie des Paulus an der Kirche aus Heiden und Juden orientiert ist. Auch sonst rückt Paulus die judäischen Gemeinden in das Blickfeld seiner heidenchristlichen Gemeinden (vgl. Gal 1,22ff). 3. Der fl(fl'Y]oL~-Gebrauch IThess 2,14 stimme nicht mit seinem sonstigen Gebrauch überein (a.a.O., 87). Richtig ist an dieser Behauptung, daß Paulus an keiner anderen Stelle von einer Mimesis einer anderen Gemeinde spricht, sondern durchweg von einer Mimesis seiner selbst (so auch 1Thess 1,6). Doch ist gleichzeitig hervorzuheben: 1Thess 1,6 ist darin 25
singulär bei Paulus, daß von einer stattgehabten Mimesis des Paulus gesprochen und nicht erst dazu aufgefordert wird (so 1Kor 11,1; Phil3,17). D. h., 1Thess 1,6 und 1Thess 2,14 stimmen darin gegen alle anderen Stellen überein, daß auf die Mimesis des Paulus bzw. der judäischen Gemeinden zurückgeblickt wird. Eine weitere Übereinstimmung beider Stellen (gegen alle anderen) besteht darin, daß in beiden Fällen auf die Schicksalsgemeinschaft im Leiden abgehoben wird: 1Thess 1,6 besteht die Mimesis in der freudigen Annahme des Wortes in »großer Drangsal« (tv {}ALtpEL nOAAfI), 1Thess 2,14 darin, daß die thessalonische Gemeinde dasselbe leidet wie die judäischen Kirchen, was 1Thess 3,3 als {}ALtpEL~ interpretiert wird. Angesichts dieser Übereinstimmungen empfiehlt es sich nicht, den Mimesis-Begriff 1Thess 2,14 als Argument für den sekundären Charakter von \1 Thess 2,13-16 heranzuziehen. Er ist ein Argument für die Zugehörigkeit der betreffenden Passage zum Brief (vgl. noch Schade, Christologie [Anm. 84], 124-126. 263f; J. L. White, The Form and Function of the Body of the Greek Letter: A Study of the Letter-Body in the Non-Literary Papyri and in Paul the Apostle, Missoula 21975, 123 Anm. 73). 4. Die Voraussetzung von 1Thess 2,14ff, daß nämlich bedeutende Christenverfolgungen in Palästina stattgefunden hätten, sei zweifelhaft (a.a.O., 86f). Immerhin wissen wir sicher von der Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem und der Verfolgung unter Agrippa (Apg 12). Sodann war die Erwartung einer Drangsal bereits Bestandteil der Gründungspredigt des Paulus in Thessalonich (1 Thess 3,4). In diesem Kontext brauchten - historisch gesehen - überhaupt keine bedeutenden Verfolgungen stattzufinden, um Paulus eine (theologische) Aussage wie in 1Thess 2,15 machen zu lassen. Die »Verfolgungen« in Thessalonich dürften auch nicht signifikant gewesen sein (vgl. dagegen die Nachricht über Philippi: 1Thess 2,2). 5. Zu Ecp{}UOEV - nach Pearson, a.a.O., 82f, kann sich der Aorist nur auf ein Ereignis der Vergangenheit beziehen - s. o. im Text. (Leider diskutiert Pearson weder Mk 12 noch Stecks Arbeit.) 6. Laut Pearson legen formgeschichtliche Analysen des 1Thess nahe, daß 1Thess 2,13-16 eine Interpolation sei. 2,17-3,13 seien formkritisch (im Anschluß an R. W. Funk, The Apostolic Parousia. Form and Significance, in: W. R. Farmer u. a. 26
[Hg.], Christian History and Interpretation [FS J. Knox], Cambridge 1967, 249-268, hier: 250) »apostolic parousia«. Pe ars on betrachtet nun 2,1lf als Einleitung der »apostolic parousia«. Dazwischen sei 2,13-16 interpoliert worden (a.a.O., 89f). Dagegen: 2,1lf ist keine Einleitung zu 2,17ff, sondern schließt doch den Abschnitt 2,1-10 ab; vgl. besonders %u{hbtEQ OLÖU'tE (V. 11) und die feierliche Schlußwendung: 'to JtEQLJtU'tELV v~ä~ as(w~ 'tOU {tEOU 'tOU %UAOUV'tO~ v~ä~ d~ 't~v tU'lJ'tou ßUOLAduv %UL öosuv (V. 12). Zur Form des
IThess vgl. noch White, a.a.O., 70-72 und passim. 7. Nach Koester, Thessalonians, spricht die »absence of any allusion to IThess 2:13-16 in 2 Thessalonians« (a.a.O., 38) für IThess 2,13-16 als Interpolation. Dagegen: Der ganze Abschnitt IThess 2,1-3,10 hat kein Gegenstück im 2Thess (vgl. dazu bereits W. Wrede, Die Echtheit des zweiten Thessalonicherbriefs untersucht, Leipzig 1903, 17.3M) und die Anspielungen des 2Thess auf ihn sind minimal. Fazit: 1Thess 2,13-16 gehört zum ursprünglichen Thessalonicherbrief, sosehr auch zu berücksichtigen ist, daß in V. 15f Tradition verarbeitet bzw. zitiert wurde.
3.3. Galaterbrief In der Forschung scheint sich eine Einigung über den Anlaß des Galaterbriefs und über die Eigenart der galatischen Gegner abzuzeichnen. Die Opponenten waren palästinische Judenchristen, die versuchten, in den heidenchristlichen galatischen Gemeinden Gesetzesforderungen wie Beschneidung und den jüdischen Festkalender einzuführen. 99 Paulus weist dieses Ansinnen schroff zurück. Die Frage entsteht nun: Enthält der Brief Partien, die die Juden theologisch direkt qualifizieren bzw. disqualifizieren? Da Paulus sich im Corpus des Briefes nicht mit den Juden, sondern mit Judaisten und ihren Forderungen gegenüber den galatischen Heidenchristen auseinandersetzt lOO , empfiehlt es sich nicht, bei den in diesem Zusammenhang gemachten Aussagen einzusetzen (obgleich sie im Verlauf der Analyse zu berücksichtigen sind). Vielmehr bietet sich als Ausgangspunkt der inhaltsschwere Begriff »Israel Gottes« (Gal 6,16) an. Das bedeutet dann: Sollte er auf die Judenschaft als empirische 27
Größe zu beziehen sein, so würde Paulus ihr (im Gegensatz zum 1Thessalonicherbrief) theologisch eine positive Rolle zuweisen. Wenn »Israel Gottes« demgegenüber auf die Kirche aus Juden und Heiden zu beziehen ist, hätte Paulus die an Israel ergangenen Verheißungen dem Judentum polemisch entwunden. Das Problem der Interpretation von Gal 6,16 ist eng mit der Frage der Übersetzung verknüpft. Paulus schreibt in V. 15: oihE yaQ JtEQI:tO~i) 'tL Eonv OU'tE aXQoßvo'tLa, aAAa xaLv~ X'tLOL~. V. 16 lautet: xai ÖOOL 'tql xavovL 'tou'tql O'tOLXi)OOVOLV, dQi)vll EJt' alJ'tov~ xai EAEO~ xai EJti 'tOV 'IoQa~A 'tOV 'frEOV. Der Vers kann auf zweierlei Weise übersetzt werden: 1.» Und alle, die nach dieser Richtschnur wandeln, Friede über sie und Erbarmen, (und) über das Israel Gottes«. In diesem Fall ist xaL entweder explikativ101 oder kopulativ102 zu verstehen. 2. »Und alle, die nach dieser Richtschnur wandeln, Friede über sie (,) und Erbarmen (,) auch über das Israel Gottes« (xaL = »auch«; ein Komma ist entweder hinter »sie« oder »Erbarmen« zu setzen).103 Im letzteren Falle (2.) wären die nach der paulinischen Richtschnur Wandelnden nicht identisch mit dem Israel Gottes, im ersteren (1.) wären sie in es zumindest eingeschlossen. Die zweite Übersetzung ließe wohl noch Raum für das ungläubige Israel104 in Gottes Heilsplan, die erste wahrscheinlich nicht. Die Frage ist eindeutig durch formgeschichtliche und inhaltliche Erwägungen zu entscheiden. 105 Zur Formgeschichte : Gal 6,16 ist Teil des Postskripts (6,11-18), das u. a. die wesentlichen Punkte des Briefes zusammenfaßt. 106 In anderen paulinischen Postskripten, wenn auch nicht in allen, findet sich vor dem abschließenden Gnadenwunsch (lThess 5,28; 2Kor 13,13 u. ö.) ein Segenswunsch (vgl. 1Thess 5,23; 2Kor 13,11; Röm 16,20). Dasselbe Phänomen liegt im Galaterbrief vor: Der abschließende Gnadenwunsch steht Ga16,18, der voran stehende Segenswunsch Gal 6,16. Freilich ist der Unterschied dieses Segenswunsches zu den übrigen des Corpus Paulinum (s.o.) zu beachten. Im Galaterbrief handelt es sich um einen konditionalen Segenswunsch107, welcher nur für diejenigen gilt, die nach dem Gal 6,15 aufgestellten Kanon des Paulus wandeln. Er ist zu vergleichen mit der fehlenden Danksagung im Galaterbrief und 28
dem Gal 1,8 ausgesprochenen konditionalen Fluch über solche, die ein anderes Evangelium predigen. D. h., ebenso wie diejenigen verflucht sind, die ein anderes Eva~gelium verbreiten, sollen nur jene gesegnet sein, die nach dem Kanon des Paulus (d. h. des einen Evangeliums) wandeln. Die obige formgeschichtliche Analyse legt daher nahe, daß Paulus in Ga16,16 an die Briefempfänger denkt. Deswegen ist es kaum denkbar, daß Paulus im selben Satz mit xai bd 'tov 'IoQaTjt.. 'tov {tEOV eine die Galater ausschließende Gruppe nachträgt. Vielmehr bezieht sich Paulus mit dem Begriff auf die (die Galater einschließende) Gesamtchristenheit, die nach dem Kanon des Paulus wandelt. Diese Annahme stützt sich auf die Beobachtung, daß Paulus in Gal 6,16 von jüdischer Gebetsliturgie abhängig ist, in der nach dem Wunsch nach Heil und Segen für die jeweilige Gemeinde dasselbe für ganz Israel erbeten wird. lOB Entsprechend spricht Paulus in Ga16,16 einen (konditionalen) Segenswunsch für die Galater aus und richtet anschließend seinen Blick auf die Gesamtchristenheit. 109 Zum Inhaltlichen: Oben wurde gesagt, das Postskript fasse die wesentlichen Punkte des ganzen Briefes zusammen. Was hatte Paulus seinen galatischen Gemeinden geschrieben? Er hatte dargelegt: OL EX nLo'tEw~, Oii'tOL 'ULOL dmv 'AßQaa~ (Gal 3,7). Er hatte ausgeführt, der verheißene Same Abrahams sei Christus (3,16), d. h., Gottes Heilswillen ziele von vornherein auf die Kirche Christi. Und ferner hatte er in 4,21-31 110 Hagar und Sara auf zwei einander entgegengesetzte Bundesschlüsse gedeutet. Hagar beziehe sich auf den Sinaibund und entspreche dem gegenwärtigen Jerusalem, Sara bedeute den Bund der Verheißung und korrespondiere mit dem himmlischen Jerusalem. Die heidenchristlichen Galater seien wie Isaak Kinder der Verheißung (V. 28). Sie sind frei. (Das himmlische Jerusalem ist ihre Mutter [V. 26].) Die Nachkommen des irdischen Jerusalem befänden sich dagegen in Sklaverei (V. 25).111 Vorher (GalI) hatte Paulus seine Vergangenheit im Judentum gezeichnet und davon seine Hinwendung zu Christus als 180-Grad-Wendung abgehoben (vgl. Phil 3). Wenn am Schluß eines solchen Briefes Paulus Friede und Barmherzigkeit über das Israel Gottes wünscht, so konnte das einfach in Anbetracht des Inhalts des Briefes nur als ein Frie-
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denswunsch über diejenigen verstanden werden, die Christus angehören und dadurch Same Abrahams geworden sind. Steht somit der Bezug von »Israel Gottes« auf die Kirche aus Juden und Heiden fest, so ist im Hinblick auf unser Thema »Paulus und das Judentum« folgendes auszuführen: Für den Paulus des Galaterbriefes hat das nichtgläubige Judentum ebenso wie im 1Thessalonicherbrief keine theologische Dignität (mehr). Die aktuelle Auseinandersetzung in Galatien führte ihn dabei zu einer vertieften denkerischen Auseinandersetzung mit dem Judentum, als deren Resultat die Rechtfertigungslehre anzusehen 112 ist. 113 Kirche und Judentum sind damit zu Alternativen auf der theoretischen Ebene erhoben worden 114, zwischen denen es keinen Kompromiß zu geben scheint. Die Frage stellt sich dabei, ob nicht Paulus durch seine Rechtfertigungslehre im Galaterbrief auch den judenchristlichen Teil der einen Kirche getroffen und damit die heidenchristliche Epoche der Kirche eingeleitet hatte (s. weiter unten). Damit kommen wir zum Römerbrief.
3.4. Römerbrief Wir skizzieren kurz den Gedankengang des Römerbriefes bis hin zu den uns besonders interessierenden Kapitel 9-11, um den Kontext recht zu erfassen, in den Röm 9-11 eingebettet ist. Das Thema des Römerbriefes ist die Gerechtigkeit Gottes (1,17). Sie ist als eschatologisches Ereignis im Christusevangelium offenbart worden und eine Gotteskraft, zunächst den Juden und dann den Heiden. Die Gottesgerechtigkeit ist für den Glauben notwendig, weil im Lichte ihrer Offenbarung im Evangelium alle, ob Juden oder Griechen, ihrer bedürfen, erweist sie doch alle Menschen, ob Juden oder Heiden, als unter der Sünde stehend (3,9). Nachdem so Paulus 1,18-3,20 die Notwendigkeit der Gottesgerechtigkeit für den Glauben aufgezeigt hat, erweist er von 3,21-4,25 ihre Möglichkeit für den Glauben. D. h., der Apostel zeigt 1,18-3,20 die Universalität der Sünde auf und weist 3,21ff die Universalität der Gnadenbotschaft nach: Es ist ein 30
Gott, der Beschneidung und Unbeschnittenheit durch Glauben rechtfertigt (3,30). Mittels eines Schriftbeweises aus der Geschichte Abrahams werden diese Darlegungen bestätigt. Abraham wurde vor der Beschneidung gerechtfertigt, um zum Vater aller, Beschnittener und Unbeschnittener, zu werden (4,16). Im Anschluß daran weist der Apostel in Kap. 5-8 die Wirklichkeit der Gottesgerechtigkeit in der gläubigen Existenz nach: als Freiheit vom Tode (Kap. 5), Freiheit von der Sünde (Kap. 6) und als Freiheit vom Gesetz (Kap. 7), um in Kap. 8 in einem Triumphlied mit dem Fazit zu enden: Nichts »kann uns trennen von der Liebe Gottes in Christus Jesus unserem Herrn« (8,39). Der Beginn des darauf einsetzenden 9. Kapitels kann nur als äußerst abrupt bezeichnet werden. Paulus kommt hier auf seine Volksgenossen zu sprechen, um derentwillen er großen Schmerz empfindet (V. 2), ja für die er selbst von Christus weg verflucht zu sein wünscht (V. 3). Der von Paulus dafür nicht eigens mitgeteilte Grund besteht darin, daß die überwiegende Mehrheit der Juden das Evangelium nicht angenommen hat, und das trotz der (in V. 4f aufgeführten) Zuwendungen, mit denen Gott sie mit sich verbunden hat und die in den Verheißungen an die Väter gipfeln. Die Frage stellt sich: Wie steht es mit der Verwirklichung der in der Liste Röm 9,4f enthaltenen Verheißungen an Israel ?1l5 Gefährdet nicht die (überwiegende) Ablehnung des Evangeliums durch die Juden die Gültigkeit der Verheißungen? Und bleibt das Evangelium eine Kraft Gottes für jeden, der glaubt, wenn Gott den ursprünglichen Empfängern der Verheißungen nicht Wort gehalten hat? Kann man sich auf Gott noch verlassen? Das ist der innere Zusammenhang der paulinischen Reflexionen in Röm 9-11, die bereits in 3,1ff anhoben, dann aber wieder fallengelassen wurden. Im folgenden können wir nicht im einzelnen den z. T. komplizierten Gedankengang von Röm 9-11 nachzeichnen 116, sondern fragen lediglich unserer ThemensteIlung gemäß: Wie (dis)qualifiziert Paulus in jenen Kapiteln die Juden, da er auf die oben angeführten Fragen Antwort sucht? Der Apostel gibt m. E. drei verschiedene Antworten1l7 .
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3.4.1. Die erste Antwort: Röm 9,6-29 Die erste Antwort ist enthalten in 9,6-29. Sie beginnt mit dem Satz: »Nicht als ob das Wort Gottes 118 hingefallen wäre, denn nicht alle aus Israel sind Israel« (OUX olov ÖE Ö'tL E%:7tE:7t'tW%EV 6 A6yor; 't0'Ü {}EO'Ü. ou yag :7tUV'tEr; OL E~ 'IoguiJA, O'Ö'tOL 'IoguijA, V. 6), d. h., wie das nachfolgende Abrahamsbeispiel demonstriert, die Verheißung bezieht sich nicht auf das leibliche, sondern auf das geistliche Israel. Gottes Verheißung meint von vornherein nur die durch Gottes freie Gnade Erwählten. In der Kirche aus Juden und Heiden (V. 24119) hat Gott sein Verheißungswort so erfüllt, wie es von Anfang an gemeint war. Zusammenfassend gesagt, erweist Paulus durch Spiritualisierung des Begriffes Israel (vgl. Röm 2,28f)120 die geschehene Verwirklichung der Verheißungen. 121 3.4.2. Die zweite Antwort: Röm 9,30-11,10 Die zweite Antwort ist enthalten in 9,30-11,10: Israel hat die Evangeliumspredigt vernommen, aber will durch Werke gerecht werden, während demgegenüber die Heiden die Glaubensgerechtigkeit erlangt haben (9 ,30ff). Es ist am Eckstein gestrauchelt (9,32b). Trotzdem ist die Folgerung unzulässig, daß Gott sein Volk verstoßen habe (11,1). Zwar sei die Mehrzahl verstockt worden, doch sei ein Rest übriggeblieben (11,5). D. h., Paulus erweist die Verwirklichung der Verheißungen durch einen Verweis auf den empirischen Tatbestand der Judenchristen. Schalten wir nach der Skizzierung der ersten beiden Antworten eine Zwischenbilanz ein und fragen, wie sich diese zueinander und weiter zu den Aussagen des 1Thessalonicherbriefes und des Galaterbriefes verhalten: Untereinander sind die ersten beiden Antworten in Röm 9-11 ausgleichbar und widersprechen sich nicht. Sie erweisen die Erfüllung der Verheißungen einmal im geistlichen Israel und sodann im judenchristlichen Rest, der ja ein Teil des geistlichen Israels ist. Wie verhalten sich dazu die Aussagen des 1Thessalonicherbriefes und des Galaterbriefes? Beide haben als Grundlage dieselbe Ekklesiologie wie Röm 9,6-11,10, das Konzept der Kirche aus Juden und Heiden. Gemeinsamkeit besteht weiter 32
darin, daß den ungläubigen Juden keine theologische Dignität mehr zugesprochen wird, sei es, daß sie explizit (1 Thess 122) oder implizit (Gal, Röm) verworfen werden. 123 Die beiden Antworten des Römerbriefes auf die Frage nach den ungläubigen Juden stimmen also sachlich mit denen des 1Thessalonicherbriefes und des Galaterbriefes überein. Freilich ist hier sofort auf zwei Besonderheiten des Römerbriefes hinzuweisen: a) Paulus sieht - hier zum ersten Mal sichtbar - das ungläubige Judentum als schwere theologische Anfrage an; b) er gebraucht hier im Gegensatz zum Galaterbrief den Namen »Israel« auch für die ungläubigen Juden (Röm 9,6.31; 10,19.21; 11,2.7). Mit diesen Bemerkungen kommen wir zur Darstellung der dritten Antwort des Paulus. 3.4.3. Die dritte Antwort: Röm 11,11-36 Infolge der Nichtannahme des Evangeliums durch die Juden ist das Heil zu den Heiden gekommen (V. 11). Ja, Paulus versieht sein Amt als Heidenapostel, um die Juden eifersüchtig zu machen (V. 13f). Ihre Wiederaufnahme wird wie Leben aus dem Tode sein (V. 1S). Paulus teilt anschließend nach einer Mahnung an die Heidenchristen, sich nicht zu überheben (sie seien nur als Wildlinge in den edlen Ölbaum eingepfropft, V. 17ff), darüber folgendes Geheimnis mit: Ov yaQ (MAW v~a~ ayvoELv, UÖEACPOL, 1:0 ~'V01:iJQLOV 1:0Ü1:0, Lva ~~ ~1:E naQ' Ea'V1:0L~ CPQ6VL~OL, Ö1:L nWQwm~ uno ~E Q0'V~ 1:4> 'IoQa~A YEYOVEV äXQL oi) 1:0 nAiJQw~a 1:00V E{}vOOV ELOEA{}n, xat oihw~ na~ 'IoQa~A ow%oE1:aL 124 (Röm
11,2Sf). Das ist die dritte Antwort auf die Frage nach der Verwirklichung der Verheißungen: Ganz Israel, d. h. die Juden als Volk125 , werden entsprechend den an die Väter ergangenen Verheißungen schließlich gerettet werden. Nun besteht Streit darüber, auf welche Weise ganz Israel laut Paulus gerettet werde. F. Mußner z. B. spricht von einem Sonderweg Israels zum Heil126 , der nicht die Annahme des Evangeliums einschließe, wohl aber auf dem Gnadenprinzip beruhe. 127 Dagegen kann auf V. 23 verwiesen werden, in dem Paulus voraussetzt, daß nur die Aufhebung des Unglaubens, d. h. die Annahme des Evangeliums, die Zugehörigkeit zum Ölbaum sichere. Weiter ist die Rede vom Erregen der Eifersucht der Juden (V. 11) nur dann sinnvoll, wenn die Annahme des Evangeliums durch die Juden erhofft wird. Vgl. besonders
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V. 13f: »Euch Heiden aber sage ich: Insofern ich Heidenapostel bin, preise ich mein Amt, ob ich vielleicht meine Stammesverwandten nach dem Fleisch eifersüchtig machen und einige von ihnen ('nvac; E; atJ'tffiv) retten kann«. Doch spricht Paulus in diesen Versen nur von der unmittelbaren Gegenwart, in der einige Juden das Evangelium annehmen mögen. Auf ihrer Grundlage kann nicht zwingend gezeigt werden, daß Paulus in Röm 1l,25f die Bekehrung aller Juden voraussetzt, um so weniger, als der Apostel hier nicht vom eschatologischen, sondern vom historischen Israel128 redet und sozusagen aus dessen Erwählung in der Vergangenheit die Rettung in der Zukunft folgert (vgl. 1l,28f).129 Man wird eine Entscheidung in der angeschnittenen Frage daher in der Schwebe lassen. 13o
Bevor wir die dritte Antwort mit den ersten beiden vergleichen, empfiehlt es sich, das von Paulus mitgeteilte Geheimnis näher zu untersuchen. Paulus beginnt die betreffende Passage mit der Wendung: OU {tEAOJ v~ä~ ayvoELv. Diese Formel leitet im paulinischen Schrifttum durchweg etwas Neues ein: so in 1Thess 4,13ff die apokalyptische Belehrung, daß trotz des Todes die Verstorbenen der Christus gemeinschaft teilhaftig werden, in 2Kor 1,8 die Nachricht von der Todesgefahr des Paulus in Asien, in Röm 1,13, daß Paulus oftmals nach Rom habe kommen wollen (vgl. noch 1Kor 10,1 und 12,1).131 Als Inhalt der Belehrung in Röm 11,25f wird ein Geheimnis angegeben, d. h. eine apokalyptische Offenbarung, die dem Apostel zuteil geworden ist. Sie lautet: Gott hat über Israel eine Verstockung verhängt. Sie dauert so lange, bis die »von Gott bestimmte Vollzahl der Heiden«132 eingegangen sein wird. So wird ganz Israel gerettet werden. An welchen Zeitpunkt der Rettung ganz Israels denkt Paulus hier? Nun hatte er in Röm 11,15 ausgeführt, daß die Wiederannahme Israels wie Leben aus dem Tode sei. 133 Er hatte ferner die Aussage der Rettung von ganz Israel mit der Schrift begründet, Röm 11,26f: (wie geschrieben steht:) »Kommen wird aus Zion der Erlöser, hinwegschaffen wird er die Gottlosigkeiten von Jakob. Und dies ist von mir aus der Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden hinwegnehmen werde. «134 Nun meint das Kommen des Retters wahrscheinlich die Parusie 135 , und der Ausdruck »Leben aus dem Tode« zielt ebenfalls auf das Endgeschehen. Daher liegt der Schluß nahe: Paulus verlegt die Rettung von ganz Israel an das Ende der Geschichte, da mit der Parusie die Totenauferstehung stattfindet. 34
Vergleichen wir nun die dritte Antwort von Röm 9-11 mit den ersten beiden, so ist ein glatter Widerspruch zwischen ihnen festzustellen. Die ersten beiden sind zweifellos älter als die dritte, wie auch aus ihrer Nähe zu den Aussagen des 1Thessalonicher- und des Galaterbriefes hervorgeht. - Überhaupt dürfte die dritte Antwort erst aus der Zeit der Abfassung des Römerbriefes stammen136 : Darauf weist einmal die Einlei'frEf...üJ u~ä~ ayvm::i:v, die - wie bereits erwähnt tungsformel - im Corpus Paulinum durchweg etwas Neues einführt. Dafür spricht weiter die Beobachtung, daß der Apostel bei der Darstellung der Endgeschichte nie das Schicksal des historischen Israel behandelt (vgl. 1Thess 4,13ff; 1Kor 15; 2Kor 5,1-10). Schließlich kann Paulus die Antwort von Röm 11,25f deswegen erst später gewonnen haben, weil der Mißerfolg der ]udenmission nicht von vornherein feststand und Röm 11,25f diese Erfahrung 137 bereits reflektiert 138 und zu beantworten sucht. 139 (Zur Frage, warum Paulus zu diesem späten Zeitpunkt eine Wende vollzogen hat, s. u. unter 5.) Damit ist unser erster Durchgang durch die paulinischen Briefe beendet. Wir wenden uns nun der Frage zu, inwiefern Paulus' Taten die Kenntnis seiner Stellung zum Judentum bereichern helfen.
ov
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4. Paulus' Handeln
In diesem Kapitel sei zweierlei analysiert: a) Paulus' Praxis im Verkehr mit Juden(christen), b) Paulus' (Missions-) Geschichte, soweit sie sein Verhältnis zum Judentum reflektiert.
4.1. Paulus' Praxis im Umgang mit Juden( christen)140 Der berühmte Zwischenfall von Antiochien 141, dessen Quelle Ga12,11ff ist, hatte folgenden Hergang: In der dortigen Christengemeinde hielten in den vierziger Jahren des ersten Jahrhunderts Juden- und Heidenchristen regelmäßig miteinander Tischgemeinschaft. Dieser Praxis hatte sich auch Kephas angeschlossen. Als Abgesandte des Jakobus in Antiochien erschienen, zogen sich Kephas, Barnabas und die übrigen Juden (christen) von der Tischgemeinschaft mit den Heiden(christen) zurück. Der Grund dafür kann nicht zweifelhaft sein. Jüdische Speisegesetze waren in Antiochien von den Juden Kephas, Barnabas, Paulus und den anderen durch die Tischgemeinschaft mit den Heiden übertreten worden, und Jakobus hatte dagegen durch die Sendung einer Delegation protestiert. Aus Gal 2,14 wissen wir genau, daß Paulus auf das heftigste gegen das Einlenken des Petrus protestierte. Ohne hier das schwierige Problem zu behandeln, welches Verhältnis die antiochenische Rede des Paulus an die Adresse des Petrus zum Gal hat - die Rede geht ja direkt in das Briefcorpus über -, kein vernünftiger Zweifel kann daran möglich sein, daß Paulus in Antiochien von Judenchristen im Verkehr mit Heidenchristen die Nichtbeachtung von Speisegesetzen gefordert hat. Der Grund hierfür liegt im Christusgeschehen begründet, das als eschatologisches Ereignis die neue Schöpfung herbeigeführt hat. Dadurch ist Judentum sowohl als Heidentum transzendiert, so daß die Tora keine letztgültige Bedeutung mehr hat. Da aber in Antiochien die Tora als Heilsprinzip
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durch das Handeln des Petrus wieder eingeführt wurde, mußte es zwischen ihm und Paulus zum theologisch begründeten Konflikt kommen. Andererseits kann sich Paulus Toraweisungen unterwerfen, wenn nicht das Heilsprinzip zur Debatte steht. Das scheint immer dann der Fall gewesen zu sein, wenn der Apostel mit Juden allein verkehrte. Betrachten wir zwei Beispiele: 1Kor 9,20142 spricht Paulus davon, daß er den Juden ein Jude geworden sei, um sie (für Christus) zu gewinnen. Das bedeutet praktisch: In der Begegnung mit Juden kann Paulus ein »praktizierender« Jude sein, doch ohne die Tora als Heilsweg anzuerkennen, wie der zweite Teil von 1Kor 9,20 zeigt: » Ich bin denen, die unter dem Gesetz stehen, ein Gesetzesmann geworden, obwohl ich nicht unter dem Gesetz stehe, damit ich die unter dem Gesetz Stehenden gewinne«. Paulus' Anpassung 143 geschieht ÖLeI 'to EvuyyfAwv (V. 23).144 Das zweite Beispiel, dem wir uns zuwenden wollen, entstammt dem letzten Jerusalembesuch des Apostels. Der Verfasser der Apostelgeschichte berichtet von Paulus' Beteiligung an einem Nasiräat, das im Judentum als frommes Werk galt. 145 Nun steht die lukanische Begründung für die Handlung des Paulus - der Apostel halte immer das Gesetz (Apg 21,24) - sicher in Konflikt mit dem historischen Paulus. Doch hat »Lukas« die Handlung gar nicht verstanden, so daß die eigentliche Frage lauten muß, ob die Apg 21 verarbeitete Tradition historisch sein kann. 146 Das ist nun aus dem 1Kor 9,19ff sichtbar werdenden Freiheitsverständnis des Paulus durchaus zu bejahen147, was bedeutet: Paulus hat sich bei seinem letzten Jerusalembesuch an einer jüdischen Zeremonie beteiligt, deren historischen Umstände uns freilich nicht mehr deutlich sind. 148 Das Fazit der Ausführungen zur Praxis des Heidenapostels lautet: Die paulinische Praxis unterläuft die Tora. 149 Ihre Funktion ist - so sichtbar Gal 2,11ff -, die Existenz der (gesetzesfreien) Heidenchristenheit zu sichern. War freilich der Adiaphoron-Charakter der Tora klar, so konnte sich Paulus ihr unterwerfen.
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4.2. Paulus' (Missions-)Geschichte In diesem Abschnitt sei gefragt, welche mit dem Judentum verbundenen Größen für die (Missions-)Geschichte des Apostels wichtig waren. Da Paulus wiederholt von seinen Reisen nach Jerusalem spricht (s. sofort), legt sich die Frage nahe: Inwiefern wird die Bedeutung der heiligen Stadt der Juden in seiner Missionsgeschichte reflektiert? Den ersten Anhaltspunkt liefert Gal 2, wo sich Paulus über seine zweite Jerusalemreise ausspricht: Der äußere Grund war eine Offenbarung (V. 2a). Der innere Grund erscheint V. 2b: »Und ich legte ihnen (sc. den Jerusalemern) das Evangelium vor, das ich unter den Heiden verkündige (... ), besorgt, vergebens zu laufen oder gelaufen zu sein.« In der Forschung herrscht Einigkeit darüber, daß Gesetzeskonflikte den Anlaß für die Konferenz gegeben haben. Nun ist es äußerst bezeichnend, daß Paulus nach Jerusalem zieht, um den Konflikt dort zur Sprache zu bringen und die Zustimmung der Jerusalemer zu seiner Verkündigung zu erlangen. D. h. doch: Sosehr Paulus von der Wahrheit seines (einen) Evangeliums überzeugt ist - ohne Einigung mit der Jerusalemer Gemeinde ist nach Paulus die Existenz seiner heidenchristlichen Gemeinden nicht denkbar. 150 Dasselbe Ergebnis legt sich ebenfalls aus dem Verlauf der Konferenz und aus der Zeit zwischen Konferenz und dem dritten Jerusalembesuch nahe. Paulus verspricht auf der Konferenz, eine Kollekte in seinen Gemeinden für die Armen der Jerusalemer Gemeinde zu sammeIn. Bleibt auch unklar, ob die Jerusalemer rechtliche Vorstellungen mit dieser Kollekte verbanden 151, so kommt doch mit ihr zum Ausdruck, daß Paulus an der Gemeinschaft mit den Jerusalemern alles liegt. Die Geschichte der Kollekte in den paulinischen Gemeinden ist ein Kommentar hierzu. Bevor Paulus sich in den Westen aufmacht, ist ihm darum zu tun, mit dem erfolgreichen Abschluß der Kollekte seine Gemeinschaft (und die seiner Kirchen) mit den Jerusalemern unter Beweis zu stellen - und das gerade, obwohl ihm die sogenannten Brüder (jerusalemischer Herkunft I52 ) in seinen Gemeinden das Leben schwer machen. Den ursprünglichen Plan, die Kollekte von Gemeindeabgesandten nach Jerusalem bringen zu lassen (lKor 16,3), läßt er fallen und reist selbst mit
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nach Jerusalem153 , um die Kollekte zu übergeben, dies, obwohl er weiß, daß dort sein Leben in Gefahr sein wird (Röm 15,30f). Der Ausgang ist bekannt. Die Apostelgeschichte wird darin zuverlässige Traditionen ausschreiben, daß Paulus diesmal in Jerusalem festgesetzt wurde. Er dürfte in seiner Gefangenschaft - anders kann ich mir das Schweigen der Apostelgeschichte nicht erklären - keine U!lterstützung durch die Jerusalemer Gemeinde erfahren haben. Das große Missionswerk
des Heidenapostels fand ein tragisches Ende, weil Paulus die Gemeinschaft mit dem judenchristlichen Teil der Kirche aus Heiden und Juden nicht aufgeben wollte und konnte. Wenn irgendwo außerhalb von Röm 11, dann wird an diesem Punkte der paulinischen Missionsgeschichte die bleibende jüdisch-ethnische Seite des Apostels sichtbar. Mochte er im Galaterbrief auch vom himmlischen und vom gegenwärtigen Jerusalem gesprochen haben, in seinem Handeln blieb das bestehende Jerusalem mit der judenchristlichen Gemeinde ein wichtiger theologischer Faktor und der Mittelpunkt der Christenheit. 154 Gewiß, die Jerusalemer Gemeinde war zusammen mit den heidenchristlichen Gründungen »in Christus«. Insofern war Paulus' wiederholter Gang nach Jerusalem einerseits ekklesiologisch motiviert. Andererseits dürfte die Würde der Jerusalemer Gemeinde nach Paulus darin begründet gewesen aaQxa war. sein, daß sie pneumatischer Teil des Israel D. h., religiöser und ethnischer Aspekt sichern ihr die Vorrangstellung in der Christenheit. Ihre Existenz zeigt die Verwirklichung der an Israel als Volk ergangenen Verheißungen an (Röm 11,5).155 Die gläubigen Heiden müssen mit ihr als dem echten Ölbaum156 zugehörig in Verbindung bleiben. Der mehrfache Gang des Paulus nach Jerusalem scheint »nichts anderes als die praktische Anwendung dieser Überzeugung«157 gewesen zu sein. Die Jerusalemer Gemeinde repräsentiert also nicht nur den judenchristlichen Teil der Kirche. Sie steht als heiliger Rest repräsentativ für das ganze jüdische Volk und befindet sich nicht zufällig in Jerusalem, der heiligen Stadt der Juden. 158 Insofern erhellt die Geschichte der Beziehung des Paulus zur Jerusalemer Gemeinde auch seine Stellung zum Judentum. 159 Wir können das Kapitel über Paulus' Handeln wie folgt zusammenfassen: Paulus erkannte die von Gott gegebenen Vor-
xu'tu
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züge des jüdischen Volkes an und zollte auch daher der Jerusalemer Gemeinde höchste Beachtung. Die Verbundenheit mit ihr ging so weit, daß er durch seine letzte, zu ihrem Dienste unternommene Jerusalemreise sein Leben riskierte (und in der Folge verlor)160 - - durch seine Wirksamkeit bedrohte er die Existenz von Judentum und Judenchristentum lebensgefährlich. 161 Hierin sahen seine Gegner schärfer als er selbst (vgl. Apg 21,21). Mit diesen Bemerkungen haben wir teilweise bereits auf das Abschlußkapitel vorgegriffen, in dem wir nach einem Überblick über alle Ergebnisse nach dem Ertrag des Ganzen fragen wollen.
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5. Paulus und das Judentum
Die Stellung des Paulus zum Judentum ist komplex und widersprüchlich: Paulus faßte bei Damaskus das Christusgeschehen als eschatologisches Ereignis auf und erkannte es als Beauftragung an sich, das Evangelium unter den Heiden zu verkündigen. Er wechselte dabei nicht seine Religion, obgleich für den ehemaligen Pharisäer die Tora relativiert wurde. Widerstand von jüdischer Seite gegen die Heidenrnission führte Paulus zu dem Urteil, daß der eschatologische Zorn über die ungläubigen Juden bereits gekommen sei (und im Endgericht bestätigt würde), während die Kirche aus Heiden und Juden der Ankunft des Herrn vom Himmel in allernächster Zeit entgegensah. Aus der Auseinandersetzung über die Heidenrnission entwickelte sich so ein bereits in der Berufung angelegter Konflikt zwischen Paulus und den Juden, der im Galaterbrief eine grundsätzlich-theologische Behandlung durch den Apostel empfing, als Gesetzesforderungen gegenüber galatischen Heidenchristen erhoben wurden. Durch diesen Angriff auf die Existenz heidenchristlicher Gemeinden veranlaßt, führt Paulus in Gestalt der Rechtfertigungslehre eine grundsätzliche Kritik an der Tora aus, die - gepaart mit einer gesetzeslosen Praxis 162 - die Grundlagen des Judentums und Judenchristentums zerstören mußte. Doch war das nicht Paulus' letztes Wort und seine letzte Tat: In einer Kehre 163 , sichtbar in der dritten Antwort von Röm 9-11, bringt er zum Ausdruck, Gott werde weiter zum ungläubigen Israel stehen und es am Ende der Tage retten. Die Kehre deutete sich bereits in Paulus' (in Wort und Tat deutlicher) Anerkenntnis der Würde der Jerusalemer Gemeinde an. Denn war ihre Dignität wenigstens zum Teil in ihrer ethnischen Verfaßtheit begründet, so war es von dort nur noch ein kleiner Schritt, »ganz Israel« Heil vorauszusagen. 164 Warum hat Paulus diese Kehre vollzogen? Paulus drückt in Röm 11 die Befürchtung aus, die Heidenchristen könnten sich über die Juden erheben. Sodann findet man am Anfang des 9. Kapitels des Römerbriefes das Eingeständnis, daß sich die meisten Juden dem Evangelium verschlossen
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haben. So mag Paulus zum Zeitpunkt des Römerbriefes ahnen, die Christenheit werde ausschließlich Heidenchristenheit sein, was das Ende der Kirche aus Juden und Heiden bedeuten würde. Einer solchen Entwicklung, die z. Zt. des 1Thessalonicherbriefs noch nicht absehbar war, die aber in der Konsequenz der gesetzeslosen Praxis des Paulus und der Botschaft des Galaterbriefs lag, versucht Paulus mit dem letzten Gang nach Jerusalem zur Dokumentation und Bekräftigung der Einheit der Kirche aus Juden und Heiden zu wehren. Er stellt ihr ferner als Gegengewicht das. Geheimnis von der zukünftigen Errettung Israels entgegen. Das bedeutet, daß die vom Wortlaut her so widersprüchlichen Aussagen von 1Thess 2, 14ff und Röm 11,25f durchaus einem relativ einheitlichen Ausgangspunkt entstammen können, wenn ihre Situationsbedingtheit berücksichtigt wird: In 1 Thess 2,14ff ist die Heidenrnission (und damit die Heidenchristenheit) bedroht, in Röm 11,25f wird der mögliche Verlust der Judenchristenheit in der Gegenwart reflektiert. Beiden Briefen liegt als theologisches Axiom die Kirche aus Juden und Heiden zugrunde. In der paulinischen Theologie und im Handeln des Heidenapostels liegt somit ein christologisch-eschatologischer Universalismus in Streit mit einem jüdischen Partikularismus 165 ; ein Universalismus, weil durch das Christusgeschehen alle Menschen gleichermaßen der Sünde überführt und in eine neue Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung geführt wurden. Die Existenz einer derartig konstituierten Gemeinde war daher die strengste Kritik am Judentum, für das überwiegend der volksreligiöse Charakter bezeichnend blieb. 166 Andererseits hat Paulus den ethnisch-jüdischen Sinn 167 nie verloren, wie es in seinem Handeln und besonders in Röm 11,25f zum Ausdruck kommt. Jene dort gemachte Aussage als Spekulation abzutun, wäre zu einfach. 168 Sie paraphrasierend zu reproduzieren, ist zwar weithin üblich169 , wäre aber vorkritisch und neuzeitlichem Denken nicht (mehr) angemessen. (Das apokalyptisch-mythische Weltbild des Paulus kann von kritischem Denken nicht in die Gegenwart übertragen werden.) Röm 11,25f muß vielmehr auf der Grundlage seines Sinnes in der Situation des Paulus für eine veränderte Gegenwart theplogisch fruchtbar gemacht werden. M. E. lassen sich zwei Aussagen machen: a) negativ: Die Kirche steht in der Gegenwart mit dem Juden42
turn in einem unlösbaren theologischen Konflikt. (Deswegen verlegt Paulus auch die Rettung des jüdischen Volkes in die Zukunft. )170 b) positiv: Die Heidenkirche muß in Verbindung mit ihren jüdischen Wurzeln bleiben. So ist denn der paulinische Partikularismus eine Erinnerung an die Herkunft der Kirche bzw. daran, daß das Heil von den Juden kam. Er hält die heidenchristlich gewordene Kirche dazu an, auf jeglichen Triumphalismus gegenüber den Juden zu verzichten, und macht bereit zum Dialog, ohne daß dabei die grundlegende Differenz zwischen beiden Religionen aus den Augen verloren würde.
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Anmerkungen
1 Abgedruckt bei F. Mußner, Traktat über die Juden, München 1979, 12-14. 2 Gütersloh 1975. 3 Abgedruckt in: EvTh 40, 1980, 260-276. Für weitere Stellungnahmen im Anschluß an diesen Beschluß und für weitere Lit. zum Thema vgI. E. Gräßer, Zwei Heilswege? Zum theologischen Verhältnis von Israel und Kirche, in: P.-G. Müller I W. Stenger (Hg.), Kontinuität und Einheit (FS F. Mußner), Freiburg/Basel/Wien 1981, 411-429, und die in: KuD 27, 1981, 149-240, abgedruckten Beiträge. 4 Untertitel: Die theologischen Wurzeln des Antisemitismus, München 1978. Amerikanischer OriginaItitel: Faith and Fratricide. The Theological Roots of Anti-Semitism, New York 1974. 5 München 1975; inzwischen in englischer Übersetzung erschienen: Antijudaism in Christian Theology, Philadelphia 1978. 6 München 1978. Der amerikanische OriginaItitellautet: Paul among Jews and Gentiles and Other Essays. Philadelphia 1976. Die deutsche Ausgabe enthält leider nicht den wichtigsten (und einflußreichsten!) Aufsatz der amerikanischen Originalausgabe (» The Apostle Paul and the Introspective Conscience of the West~ a.a.O., 78-96). Im folgenden werden die Seitenangaben erst nach der deutschen und dann in Klammern nach der amerikanischen Originalausgabe gegeben. 7 München 1979. 8 EvTh34, 1974, 219-314; 37,1977,501-587; 40, 1980, 191-284; 42,1982, 109-214. 9 VgI. dazu R. RendtorH, Die neutestamentliche Wissenschaft und die Juden. Zur Diskussion zwischen David Flusser und Ulrich Wilckens, EvTh 36, 1976, 191-200, und die bei Mußner, a.a.O., 16f Anm. 7, genannte Literatur. Wie Mußner, ebd., m. R. bemerkt, ist Röm l1,25f ein Testfall. 10 Zu Mußner, a.a.O., 16f Anm. 7; vgI. auch Gräßer, Heilswege (Anm. 3), 414 Anm. 10. 11 VgI. G. Klein, Präliminarien zum Thema »Paulus und die Juden«, in: J. Friedrich I W. Pöhlmann I P. Stuhlmacher (Hg.), Rechtfertigung (FS E. Käsemann), Tübingen/Göttingen 1976, 229-243, hier: 231. 12 »In a weiter of types of Judaism, it is most infelitous to speak of first century Judaism without some specification or some qualification. To omit the qualifying adjective, such as normative, apocalyptic, or hellenistic is in eHect to fashion a meaningless sentence« (S. Sandmel, Judaism, Jesus, and Paul: Some Problems of Method in Scholarly Research, in: Vanderbilt Studies in the Humanities 1, Nashville 1951, 220-250, hier: 226). VgI. zum Problem auch noch J. Z. Smith, Fences and Neighbors: Some Contours of Early Judaism, in: W. S. Green (Hg.), Approaches to Ancient Judaism II,
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Chico 1980, 1-25; W. Schrage, Ja und Nein - Bemerkungen eines Neutestamentlers zur Diskussion von Christen und Juden, EvTh 42, 1982, 126--151, hier: 132-134. 13 Vg!. dazu die Debatte darüber, ob Paulus Hillelit (so J. Jeremias, Paulus als Hillelit, in: E. E. Ellis / M. Wilcox [Hg.], Neotestamentica et Semitica [FS M. Black], Edinburgh 1969, 88--94) oder Schammait (so K. Haacker, War Paulus Hillelit?, in: Das Instituturn Judaicum der Universität Tübingen 1971-72 [1972],106--120; H. Hübner, Gal3,10 und die Herkunft des Paulus, KuD 19, 1973, 215-231), ob er Diasporajude (so C. G. Montefiore, Judaism and St. Paul, London 1914; S. Sandmel, The Genius of Paul, Philadelphia 31979) oder palästinischer Jude war (so W. D. Davies, Paul and Rabbinic Judaism, Philadelphia 41980). 14 Aus der älteren Literatur ist hier zu nennen: F. Philippi, Paulus und das Judentum nach den Briefen und der Apostelgeschichte, Leipzig 1916; A F. Puukko, Paulus und das Judentum, Studia Orientalia 11, Helsinki 1928, 1-87; H. Windisch, Paulus und das Judentum, Stuttgart 1935. 15 S. o. Anm. 11; vg!. noch ders., Bibel und Heilsgeschichte, ZNW 62, 1971, 1-47, hier: 28-43, zu den im obigen Aufsatz (Anm. 11) vertretenen Thesen. Zu den Thesen der Bultmannschule zur Sache vg!. etwa noch E. Dinkler, Prädestination bei Paulus. Exegetische Bemerkungen zum Römerbrief (1957), in: ders., Signum Crucis, Tübingen 1967, 241-266, mit Nachtrag: 266--269. 16 Klein, Paulus, 236. Klein nennt als weitere Texte lKor 10; 2Kor 3; Röm 9,6--13; Röm l1,2b-4 (a.a.O., 234-236). 17 A.a.O., 237. 18 Aa.O., 239. 19 Aa.O., 239. 20 Aa.O., 241. 21 Die obigen Formulierungen finden sich so nicht im Klein-Aufsatz. Sie geben aber m. E. die Generallinie wieder, indem nämlich die Prärogative Israels nur zeitlich gesehen ist; vg!. dazu auch Dinkler, Prädestination (Anm. 15), der eine solche Sicht später in einem Nachtrag der Korrektur unterzog und exegetisch richtig erkannte, daß Paulus eine bleibende Erwähltheit des ungläubigen Israel in Röm 11 annehme (268f). Freilich sei diese Annahme einer Sachkritik zu unterziehen (ebd.). 22 Zur Exegese s. o. Seite 33 f. Zur Kritik an Klein in diesem Punkte vg!. auch D. Zeller, Christus, Skandal und Hoffnung. Die Juden in den Briefen des Paulus, in: H. Goldstein (Hg.), Gottesverächter und Menschenfeinde. Juden zwischen Jesus und frühchristlicher Kirche, Düsseldorf 1979, 256--278, hier: 273 Anm. 66. 23 »Bultmann hat jenes Kapitel, in dem die Verheißung für Israel festgehalten wird, Röm 11, niemals literarisch ausgelegt, vielmehr an diesem nicht mehr durch existentiale Interpretation aufzulösenden Brocken lediglich und wiederholt seine Verlegenheit demonstriert« (P. von der Osten-Sacken, Leistung und Grenze der johanneischen Kreuzestheologie, EvTh 36, 1976, 154-176, hier: 169).
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24 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 41965, 484; vgl. ders., Geschichte und Eschatologie im Neuen Testament (1954), in: ders., Glaube und Verstehen III, Tübingen 31965, 91-106, hier: 101; ders., Geschichte und Eschatologie, Tübingen 31979, 48. Vgl. noch P.-G. Müller, Altes Testament, Israel und das Judentum in der Theologie Rudolf Bultmanns, in: ders./W. Stenger (Hg.), Kontinuität und Einheit (FS F. Mußner), Freiburg/Basel/Wien 1981, 439-472. 25 Vgl. Bultmann, Theologie, 166-192. 26 S. o. Anm. 13. Vgl. noch die allgemeinverständliche Darstellung: W. D. Davies, Invitation to the New Testament, New York 1966, 231-370. 27 A.a.O. (Anm. 13),69-74 u. Ö. Davies verweist in diesem Zusammenhang ferner auf 1Kor 7,18 (a.a.O., 70). 28 A.a.O., 36-57. 29 Vgl. dazu P. Schäfer, R. Aqiva und Bar Kokhba, in: ders., Studien zur Geschichte und Theologie des rabbinischen Judentums, Leiden 1978,65-121, hier: 86-90. 30 Davies, a.a.O., 216f; ders., Paul and the People of Israel, NTS 24, 1977/78,4-39, hier: 4 Anm. 2. 31 Davies, a. a. 0., 7lf: Paul » was living in the Messianic Age which preceded the Age to Come«. 32 A.a.O., 72f; vgl. ders., Torah in the Messianic Age and/or the Age to Come, Philadelphia 1952. Fast identisch damit ist ders., The Setting of the Sermon on the Mount, Cambridge 21966,109-190. Vgl. zur Rolle der (neuen) Tora in der messianischen Zeit E. E. Urbach, The Sages. Their Concepts and Beliefs, Jerusalem 1975, 297-302.818--820 (Lit.); P. Schäfer, Die Torah der messianischen Zeit (1974), in: ders., Studien (Anm. 29), 198--213 (Lit.). 33 Davies, Paul and Rabbinic Judaism, 73. 34 A.a.O., 56f. 35 A.a.O., 23-31. 36 Es hat nicht an scharfen Kritiken gefehlt: vgl. W. G. Kümmel, Jud. 7, 1951, 299-302; J. Jeremias, ThLZ 74, 1949, 147-150. 37 A.a.O., 147-176. 38 Vgl. a.a.O., 75f (eher beiläufig), aber nun ders., Paul and the People of Israel (Anm. 30), 12f. 39 M. Barth, Das Volk Gottes. Juden und Christen in der Botschaft des Paulus, in: Paulus - Apostat oder Apostel? Jüdische und christliche Antworten, Regensburg 1977, 45-134, hier: 122; vgl. ders., Der gute Jude Paulus, in: Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens (FS H. Gollwitzer), München 1979, 107-137, hier: 114. Vgl. F. Mußner, Der Galaterbrief, Freiburg/Basel/Wien 1974 (41981), für die Anwendung dieses Prinzips. 40 Vgl. Mußner, Traktat (Anm. 1), 223: »Paulus hat den Juden nicht vom Gesetz dispensiert«; M. Barth, Die Stellung des Paulus zu Gesetz und Ordnung, in: EvTh 33, 1973, 496-526, hier: 511. Beide Verfasser thematisieren leider nicht die Frage, wie Paulus im Zusammensein mit Heiden(christen) torage~äß leben konnte, ohne diese Gesetzesforderung~n zu unterwerfen.
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41 Mußner, ebd.; M. Barth, Jesus, Paulus und die Juderi, Zürich 1967, 63. Vgl. noch Stendahl, a.a.O., l1f (2f). 42 Dafür: Mußner, Gall1-32; dagegen: Barth, a.a.O., 62ff. 43 Mußner, Traktat (Anm. 1), 228f; Barth, a.a.O., 63. 44 Mußner, a.a.O., 55-61; Stendahl, Paulus (Anm. 6), 14 (4.). Vgl. noch Barth, a.a.O., 75-96, der aber nicht die These des »Sonderwegs« vertritt. 45 Barth, a.a.O., 134. 46 Barth, a.a.O., 102. - Für den unter 2.2. dargestellten Auslegungstyp vgl. noch o. Betz, Die heilsgeschichtliche Rolle Israels bei Paulus, in: Theologische Beiträge 9, 1978, 1-21. 47 E. P. Sanders, Paul and Palestinian Judaism. A Comparison of Patterns of Religion, London/Philadelphia 1977. Vgl. vorher den Aufsatz desselben Verfassers: Patterns of Religion in Paul and Rabbinic Judaism: A Holistic Method of Comparison, HThR 66,1973, 455-478. 48 Davies »did not fully res pond to the challenge raised by Montefiore and Moore: a comparison of essential elements with essential elements« (Sanders, Paul and Palestinian Judaism, 9f). »It would seem that before anyone could conclude that Paul was a Rabbinic Jew who differed from the rest of Rabbinic Judaism only in thinking that the Messiah had come (... ), he would have to carry out more of a comparison than Davies has done« (a.a.O., 11). 49 Vgl. a.a.O., 9 und den Kommentar: »In any case (... ) it is clear that the use of reduced essences as the point of comparison is inadequate if one is seriously interested in comparing two religions« (a.a.O., 13). 50 Aa.O., 438 u. ö. 51 Aa.O, 3f u. ö. Vgl. dazu jetzt auch H. Räisänen, Legalism and Salvation by the Law. Paul's portrayal of the Jewish religion as a historical and theological problem, in: S. Petersen (Hg.), Die Paulinische Literatur und Theologie, Arhus/Göttingen 1980, 63-83. 52 Aa.O., 17f. 53 »Pattern of religion« hat nach Sanders weithin mit denselben Fragen zu tun wie in der systematischen Theologie die Soteriologie (a.a.O., 17). 54 Ihrer Darstellung hat J. Neusner eine scharfe Kritik gewidmet; vgl. ders., The Use of the Later Rabbinic Evidence for the Study of Paul, in: W. S. Green (Hg.), Approaches toAncient Judaism 11, Chico 1980, 43-63; vgl. die Antwort von E. P. Sanders in demselben Band: Puzzling out Rabbinic Judaism, a. a. 0., 65-79. Neusners Hauptvorwurf besteht darin, daß »Sanders does not describe Rabbinic Judaism through the systemic categories yielded by its principal documents« (a.a.O., 49). »All he wants to know is what, in those writings addresses questions of interest to Paul« (a.a.O., 50). Die Kritik Neusners ist wichtig, sie wird aber nicht dem ganzen Werk gerecht. 55 A.a.O., 422 (Übersetzung von}. Wehnert). 56 Aa.O., 549 (Übersetzung von J. Wehnert). 57 Aa.O., 552. Da aus diesem Grund laut Sanders Judentum und (paulinisches ) Christentum total verschieden sind, habe ich seine Ausführungen mit »Der unjüdische Paulus« überschrieben. Damit ist nun freilich nicht gemeint, Paulus habe motivmäßig keine Parallelen mit jüdischen Traditionen (vgl.
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dazu die differenzierenden Bemerkungen von Sanders, a.a.O., 543-551 u. ö.), sondern nur, daß paulinische und jüdische Soteriologie vollkommen verschieden sind und daß Paulus gegen den jüdischen Heilsweg nicht qua Heilsweg polemisiert. 58 Aa.O., 550. 59 Es ist ein Mißverständnis, wenn Sanders meint, Bultmann gewinne die paulinischen Aussagen über das Gesetz von der Anthropologie her (a.a.O., 48lf u. ö.). Vgl. dagegen Bultmanns Bemerkung, »daß der Mensch vor der Offenbarung der nCo'tL<; von Paulus so gezeichnet wird, wie er vom Glauben her sichtbar geworden ist (Theologie, 192 [von mir gesperrt]), und meinen Protest bei Sanders, a.a.O., 474 Anm. 1. 60 Bultmann, Theologie, 264f. 61 Nicht ohne Zufall läßt Sanders die Gegnerfrage ganz beiseite und handelt absichtlich nicht von der Identität des Paulus (a.a.O., 1). 62 Vgl. dazu N. A Dahl, Besprechung von Sanders, Paul and Palestinian Judaism, Religious Studies Review 4, 1978, 153-160, hier: 156b. 63 Sanders, a.a.O., 17. 64 Am Rande eine kritische Bemerkung zum »pattern of religion«: Sanders gebraucht es funktional (a.a.O., 17). Andererseits benutzt er es dann wieder als eine Art Wesensbestimmung (vgl. dazu Dahl, a. a. 0., 157a), was er aber gerade hatte vermeiden wollen (a. a. 0., 12f). Hier wären Differenzierungen nötig gewesen-unterBerücksichtigungdesunentbehrlichenAufsatzesvonEo Troeltsch, Was heißt >Wesen des Christentums, in: ders., Gesammelte Schriften 11. Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik, Tübingen 21922,386--451. 65 Vgl. obe~ Anm. 21 und Sanders, Paul, 551. 66 Vgl. Windisch, Paulus (Anm. 16), 33f: »der Paulus der Apostelgeschichte ist gesetzestreuer als Paulus in seinen Briefen, aber judenfremder als dieser. In seiner Haltung gegenüber den Juden steht der Paulus der Apostelgeschichte dem Marcion (... ) näher als der Paulus der Briefe«. 67 Vgl. eine ähnliche Fragestellung jetzt bei Davies, Paul and the People of Israel (Anm. 30), 5. 68 Erschöpfender Literaturbericht bei E. Pfaff, Die Bekehrung des h. Paulus in der Exegese des 20. Jahrhunderts, Rom 1942 (trotz apologetischer Tendenzen ein hervorragendes Arbeitsinstrument). Vgl. noch B. Rigaux, Paulus und seine Briefe, München 1964, 64-82, und W. G. Kümmel, Römer 7 und das Bild des Menschen im Neuen Testament, München 1974, 139-160. 225f (Lit.); G. Strecker, Befreiung und Rechtfertigung (1976), in: ders., Eschaton und Historie, Göttingen 1979, 229-259, 235ff (Lit.). 69 Vielleicht gehört auch 2Kor 4,6 hierher. S. aber die Bedenken bei Kümmel, a.a.O., 147. 70 Vgl. Z. B. E. Gräßer, »Ein einziger ist Gott« (Röm 3,30), in: »Ich will euer Gott werden«, SBS 100, Stuttgart 1981, 179-205, hier: 20lf. 71 Vgl. dazu besonders Kümmel, a.a.O., 144-148, in Auseinandersetzung mit anderslautenden Meinungen. 72 Vgl. m. R. J. Gnilka, Der Philipperbrief, Freiburg/BasellWien 21976 e1980), 194; Strecker, a.a.O., 237.
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73 Vgl. W. Wrede, Paulus (1904), in: U. Luck / K. H. Rengstorf (Hg.), Das Paulusbild in der neueren deutschen Forschung, Darmstadt2 1969, 1-97, hier: 67ff; A. Schweitzer, Die Mystik des Apostels Paulus, Tübingen 1930, 201-221; Strecker, a.a.O. (Anm. 68),251-259; U. Wilckens, Was heißt bei Paulus: >Aus Werken des Gesetzes wird kein Mensch gerecht (1969), in: ders., Rechtfertigung als Freiheit, Neukirchen-Vluyn 1974, 77-109, hier: 84ft; ders., Christologie und Anthropologie im Zusammenhang der paulinischen Rechtfertigungslehre, ZNW 67, 1976, 64-82, hier: 69. 74 E. Gräßer, Das eine Evangelium. Hermeneutische Erwägungen zu Gal 1,6--10 (1969), in: ders., Text und Situation, Gütersloh 1973,84-122, hier: 94 Anm. 37, wendet gegen Wilckens, Was heißt bei Paulus (s. vorige Anmerkung), ein: »Denn da Paulus lediglich verteidigt, was er den Galatern beim Gründungsbesuch verkündigt hat (1,8f; vgl. besonders auch die Frage in 3,3b: >Im Geiste habt ihr angefangen, und jetzt wollt ihr im Fleische enden?<), kann man allenfalls auf eine jetzt breiter ausgeführte Darlegung des gesetzesfreien Evangeliums schließen« (ebd.). Aus dem Geistempfang und aus der Nichtübermittlung von Gesetzesforderungen wie der Beschneidung folgt doch keineswegs, daß Paulus den Galatern die Rechtfertigungslehre beim Gründungsbesuch übermittelt hatte. M. E. ist umgekehrt zu sagen: Hätten die Galater sie gekannt, wären sie gegenüber den Eindringlingen besser gewappnet gewesen. Vgl. zum Problem noch Räisänen, Legalism (Anm. 51), 81 Anm. 84. 75 Zu ihr vgl. A. Suhl, Paulus und seine Briefe, Gütersloh 1975, 30--35 (Lit.), und die ältere, wertvolle Studie von A. Oepke, Probleme der vorchristlichen Zeit des Paulus (1933), in: U. Luck / K. H. Rengstorf (Hg.), Das Paulusbild in der neueren deutschen Forschung, Darmstadt 21969, 410--446. 76 Er war Pharisäer (Phil 3,5). Vgl. O. Betz, Paulus als Pharisäer nach dem Gesetz, in: P. von der Osten-Sacken (Hg.), Treue zur Thora (FS G. Harder), Berlin 21979,54-71 (Lit.). Nach K. Haacker gehörte Paulus dem schammaitischen Flügel der Pharisäer an (vgl. auch oben Anm. 13). Er habe mit der Rechtfertigungslehre gegen seine eigene Vergangenheit gekämpft, die darin bestand, den Gotteswillen notfalls gewaltsam gegen unentschlossene und abtrünnige Juden durchzusetzen. Daraus ergibt sich für Haacker die Folgerung: . Der Apostel kämpfte nicht gegen die unter dem Einfluß Hillels stehenden Rabbinen. »Paulus und die Rabbinen stimmen vielmehr überein in der Überwindung zelotischer Ansichten, und das heißt: in der Betonung der Gnade Gottes und nicht in der menschlichen Leistung für Gott« (K. Haacker, Paulus und das Judentum, Jud. 33, 1977, 161-177, hier: 167; vgl. noch ders., Die Berufung des Verfolgers und die Rechtfertigung der Gottlosen, Theologische Beiträge 6, 1975, 1-19). Dagegen: a) Der Eifer für die Tora ist ein allgemeiner Wesenszug frühjüdischer Religion und kann nicht auf die (radikalen) Schammaiten beschränkt werden; b) Paulus läßt an keiner Stelle erkennen, daß er nur von einer bestimmten Partei von Juden spricht (vgl. nur Röm 10,2); c) man darf nicht die Polemik einer bestimmten Stunde - unhistorisch - als Umkehrung einer früheren Position verstehen und diese dann noch historisch verifizieren wollen. 77 Vgl. dazu Band 11, 69f.
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78 Das hat Stendahl, Paulus (Anm. 6), 17-37 (7-23), gut herausgearbeitet. 79 VgI. Strecker, Befreiung (Anm. 68), 234. 80 VgI. m. R. E. Gräßer, Albert Schweitzer als Theologe, Tübingen 1979, 191, in Auseinandersetzung mit A. Schweitzers Paulusverständnis. Dieser Aspekt wird von Stendahl, Paulus (Anm. 6) zu Unrecht vernachlässigt. 81 Zur Lit. vgI. die einschlägigen Kommentare und ferner: E. Bammel, Judenverfolgung und Naherwartung. Zur Eschatologie des Ersten Thessalonicherbriefs, ZThK 56, 1959,294-315; O. Michel, Fragen zu 1 Thessalonicher 2,14-16: Antijüdische Polemik bei Paulus, in: W. P. Eckert / N. P. Levinson / M. Stöhr (Hg.), Antijudaismus im Neuen Testament?, München 1967, 50-59; B. A. Pearson,1 Thessalonians 2:13-16: A Deutero-Pauline Interpolation, in: HThR 64, 1971, 79-94; G. E. Okeke, I Thessalonians 2.13-16. The Fate of the Unbelieving Jews, NTS 27, 1980/81, 127-136 (Lit.). 82 VgI. dazu besonders O. H. Steck, Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten, Neukirchen-Vluyn 1967, 274ff. 83 Zur näheren Begründung vgI. Steck, a.a.O., 274 Anm. 6f. 84 VgI. Steck, a.a.O., 275 (Steck hält allerdings die Aussagen über die Hinderung der Heidenmission für traditionell); U. B. Müller, Prophetie und Predigt im Neuen Testament, Gütersloh 1975, 177; H.-H. Schade, Apokalyptische Christologie bei Paulus, Göttingen 1981, 127. 85 So auch W. G. Kümmel, Das literarische und geschichtliche Problem des Ersten Thessalonicherbriefes (1962), in: ders., Heilsgeschehen und Geschichte. Gesammelte Aufsätze 1933-1964, Marburg 1964, 406-416, hier: 412; F. Hahn, Das Verständnis der Mission im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn 1963, 90 Anm. 1. 86 VgI. zum Folgenden Steck, a.a.O., 276. Mk 12,1b-9 scheinen mir mit großer Wahrscheinlichkeit auf Tradition zurückzugehen; vgI. R. Buhmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen 91979, 191. 87 Steck, a.a.O., 275, findet dieses Motiv bereits hinter Mk 12,7. M. E. ergibt sich das nicht aus einer unbefangenen Exegese der Perikope, sondern nur durch einen Seitenblick auf IThess 2,16. 88 Die in diesem Zusammenhang gemachten Aussagen, die Juden seien allen Menschen zuwider und - falls traditionell - sie gefielen Gott nicht, steigern unter Aufnahme zeitgenössischer Judenkritik die Verwerfungsaussage noch. Inhaltlich sind sie als Entgleisung zu betrachten. 89 VgI. m. R. Windisch, Paulus (Anm. 14), 21. 90 VgI. so zuletzt Bammel, Judenverfolgung (Anm. 81), 300 f., 304. Allerdings ist nach Bammel Zeitgeschichtliches und Prophetisches in der paulinischen Aussage verbunden (310). 91 So zuletzt C. H. Buck / G. Taylor, Saint PauI. A Study of the Development of His Thought, New York 1969, 148-150. 92 Wer an der zeitgeschichtlichen Deutung festhalten möchte, hat die Frage nach dem Bezug der Tradition und der Redaktion (= Paulus) jeweils für sich zu beantworten, da die Entschlüsselung nicht Bestandteil des Textes ist. 93 VgI. meine Analyse in Band I, 220-264.
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94 Vgl. Schade, Christologie (Anm. 84), 127f; Okeke, I Thessalonians (Anm. 81), 130f. 95 Natürlich darf 1Thess 2,14H nicht von Röm 11 her ausgelegt werden (zu N. A. Dahl, The Future of Israel, in: ders., Studies in Paul, Minneapolis 1977, 137-158, hier: 137: »Paul can hardly me an that God's wrath has come upon the Jews forever; such a statement would completely contradict the carefully developed argument in Romans 11. Most likely is that in 1Thess 2:16 Paul is not discussing the future of Israel at all, but only a punishment which God has already meted out to the Jews«). Das scheitert an EL~ 'tEA.O~. Warum soll Paulus nicht außerdem seine Auffassung geändert haben? 96 H. D. Betz, Nachfolge und Nachahmung Jesu Christi im Neuen Testament, Tübingen 1967, 169. 97 Vgl. dazu F. Laub, Eschatologische Verkündigung und Lebensgestaltung nach Paulus, Regensburg 1973, 80-84. 98 Vgl. dazu Schade, Christologie (Anm. 84), 126. 99 Vgl. Band I, 58ft; Band 11, 144-152. 100 Vgl. Mußner, Traktat (Anm. I), 229. 101 J. B. Lightfoot, Saint Paul's Epistle to the Galatians, London 1°1890,225; H. Lietzmann, An die Galater, Tübingen 41971, 45; P. Bonnard, L'Epitre de Saint Paul aux Galates, Neuchiitel 21972, 131 Anm. 2. 102 So z. B. H. Schlier, Der Brief an die Galater, Göttingen 41965, 283. 103 Die Übersetzung des letzten xaL in Gal 6,16 mit »auch« vertreten u. a. G. Schrenk, Was bedeutet >Israel Gottes, Jud. 5, 1949, 81-94, hier: 86; P. Richardson, Israel in the Apostolic Church, Cambridge 1969, 80ff. Dabei setzt Richardson ein Komma hinter »sie« und Schrenk eines hinter »Erbarmen«. Die verschiedene Interpunktion schlägt sich auch in der verschiedenen Deutung von »Israel Gottes« nieder: Nach Schrenk geht es auf die Judenchristen, nach Richardson auf das (ungläubige) Israel, das in der Zukunft gerettet werden wird. M. E. ist allein der letztere Vorschlag diskutabel. 104 Freilich nur, wenn Israel Gottes' Bezeichnung des ungläubigen Israel ist (s. vorige Anmerkung). 105 Vgl. zum Folgenden besonders N. A. Dahl, Zur Auslegung von Gal. 6,16, Jud. 6, 1950, 161-170, hier: 164f (die Replik von G. Schrenk, Der Segenswunsch nach der Kampfepistel, ebd., 170-190, ist m. E. nicht überzeugend); G. P. Wiles, Paul's Intercessory Prayers, Cambridge 1974, 129-135. 106 Vgl. H. D. Betz, The Literary Composition of Paul's Letter to the Galatians, NTS 21, 1975, 353-379, hier: 357. 107 Vgl. H. D. Betz, Galatians, Philadelphia 1979, 23. 108 Vgl. Shemoneh Esreh (bab. Rez.) 19. Benediktion (s. den Text bei Billerbeck IV, 214). 109 Mußner, Gal, 417, versteht unter »Israel Gottes« nicht nur wie Richardson, Israel (Anm. 103), 82 f, das in Zukunft gläubige Israel, sondern »ganz Israel« von Röm 11,26. Aber es ist ein methodisches Gebot, den Galaterbrief zunächst ohne Seitenblick auf andere Briefe auszulegen (s. bereits oben Anm. 95). Überdies ist nicht einzusehen, warum Mußner >ganz Israel< und
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nicht das (zweite) Israel von Röm 9,6 in Gal 6,16 wiederfindet, wenn schon Passagen anderer Briefe zur Erklärung herangezogen werden müssen. 110 Zur Parallele zwischen GaI4,21-31 und 2Kor 3,13-18 vg1. Zeller, Christus (Anm. 22), 263-265. 111 Zum Thema >irdisches und himmlisches Jerusalem im Gal< vg1. jetzt A. T. Lincoln, Paradise Now and Not Yet, Cambridge 1981, 9-32. 112 Vg1. U. Wilckens, Der Brief an die Römer (Römer 6-11), Zürich u. a. 1980, 184f. 113 D. h., Paulus erreicht im Kampf gegen die Judaisten Ergebnisse und Formulierungen, die von grundsätzlicher Art sind und die jüdische Religion (negativ) betreffen. 114 Zwar sind Kirche und Judentum bereits im 1Thessalonicherbrief Alternativen. Doch ist der Gegensatz noch nicht so theoretisch untermauert wie im Galaterbrief . 115 Im folgenden »durchdringen und überschneiden sich (... ) drei Fragen unlöslich: die nach dem Sinn der Geschichte Israels, die zweite nach der Gültigkeit der Verheißung und die dritte nach der Treue und Wahrheit Gottes. Entscheidend ist, daß man die mittlere im Zentrum beläßt« (E. Käsemann, An die Römer, Tübingen 31974, 252. Vg1. noch besonders D. Zeller, Juden und Heiden in der Mission des Paulus. Studien zum Römerbrief, Stuttgart 1973, 85ff 109ff). 116 Zur Lit. vg1. die neuen Kommentare von Wilckens (EKK) und Cranfield (ICC) sowie den Sammelband (mit instruktiven Diskussionsbeiträgen) von L. de Lorenzi (Hg.), Die Israelfrage nach Röm 9-11, Rom 1977: daraus besonders W. G. Kümmel, Die Probleme von Römer 9-11 in der gegenwärtigen Forschungslage, ebd., 13-33 = in: ders., Heilsgeschehen und Geschichte 11. Gesammelte Aufsätze 1965-1977, Marburg 1978, 245-260. Vg1. ferner J. Eckert, Paulus und Israel, TThZ 87, 1978,1-13, hier: 10-13. Aus der älteren Literatur sei genannt: F. W. Maier, Israel in der Heilsgeschichte nach Röm. 9-11, Münster 1929 (eingehende Exegese). 117 In der neue ren deutschen Sekundärliteratur überwiegt die Tendenz, die Ausführungen in Röm 9-11 für einheitlich zu halten; vg1. z. B. C. Müller, Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk, Göttingen 1964: die Kapitel seien von der Rechtfertigungslehre her zu interpretieren, so auch Röm 11,25f: »Die Bekehrung Israels wird iustificatio impii sein« (107). Doch setzt Röm 11,25f nicht notwendig eine >Bekehrung Israels< voraus (s. o. S. 33f). Ferner »läßt sich der in der iustificatio impii erfolgende Aufweis der allgemeinen Verfallenheit mit der bleibenden Auszeichnung eines innerweltlichen Teilbereichs« (= die Dignität des historischen Israel in Röm 11) schwerlich zusammendenken (G. Klein, Gottes Gerechtigkeit als Thema der neu esten Paulusforschung [1967], in: ders., Rekonstruktion und Interpretation, München 1969, 225-136, hier: 229 Anm. 9). Die Annahme einer Dialektik hilft hier nicht weiter. - Vg1. zum positiven Aufweis der Uneinheitlichkeit von Röm 9-11 das Folgende. 118 Der Myo~ "to'Ü {}eo'Ü ist nicht identisch mit der Evangeliumspredigt (gegen E. Güttgemanns, Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evange-
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liums? Zur strukturellen Relevanz von Röm 9-11 für die Theologie des Römerbriefs, in: ders., studia linguistica neotestamentica, München 1971, 34-58, hier: 40ff), sondern bezieht sich auf die im unmittelbaren Kontext genannten, den Juden gegebenen Verheißungen, um deren Geltung es im folgenden geht (so m. R. Zeller, Juden [Anm. 115], 114; Kümmel, Probleme [Anm. 116], 250). 119 Dieser Vers zeigt an, daß das zweite Israel in Röm 9,6b nicht nur auf Judenchristen bezogen werden darf (gegen Dinkler, Präde~tination, 267), sondern Juden- und Heidenchristen umfaßt (so Kümmel, in: Lorenzi [Hg.] Israelfrage [Anm. 116], 54; vgl. auch Barrett, ebd., 56). 120 Zu G. Eichholz, Die Theologie des Paulus im Umriß, Neukirchen-Vluyn 1972, 291, nach dem die Röm 9,4 genannten Privilegien dem historischen Israel an dieser Stelle gar nicht abgesprochen werden. Eichholz' These der theologischen Einheitlichkeit von Röm 9-11 (292) rächt sich hier. Andererseits hat er darin recht, daß der Adressat von Röm 9-11 nicht Israel ist, sondern die Christenheit (289-292). Ähnlich wie Eichholz (nur ungeschützter) äußert sich jetzt L. Gaston, Israel's Enemies in Pauline Theology, in: NTS 28, 1982, 400--423, hier: 411f. 121 Daneben hebt Paulus auf die Freiheit der Gnadenwahl Gottes ab (V. 14ff). Doch liegt dieses Argument nicht am Ausgangspunkt der Debatte um die Verwirklichung der Verheißungen. 122 Als Gemeinsamkeit zwischen 1Thessalonicher- und Galaterbrief sei noch das Verfolgungsmotiv im Zusammenhang der negativen Qualifizierung der Juden genannt: vgl. IThess 2,15 mit Gal 4,29; 5,11; 6,12. 123 Vgl. noch J. Jervell (Der unbekannte Paulus, in: S. Petersen [Hg.], Die Paulinische Literatur und Theologie, Ärhus/Göttingen 1980, 29--49), der das Verhältnis von Galaterbrief zu 1Thessalonicherbrief so sieht: » Es liegt nahe anzunehmen, daß die scharfen Angriffe auf die Juden in 1Thess. im Galaterbrief ihre theologische Form und Schwere bekommen haben« (a.a.O., 46). 124 Zum nachfolgenden, mit xu{hb~ YEYQumaL eingeleiteten Zitat s. sofort. 125 Zur Wendung 3tä~ 'IaQu~A. vgl. neben den Kommentaren vor allem c. Plag, Israels Weg zum Heil, Stuttgart 1969, 45--47, dessen Interpolationshypothese (Röm 11,25-27 sei - obwohl paulinisch - späterer Einschub) trotz richtiger Einsichten nicht überzeugt. 126 Mußner, Traktat (Anm. I), 57; vgl. Stendahl, Paulus (Anm.6), 14 (4).
127 Mußner, a.a.O., 60. 128 Vgl. Gräßer, Heilswege (Anm. 3), 426. 129 Vgl. Dinkler, Prädestination (Anm. 15), der m. R. darauf aufmerksam macht, daß laut Röm 11 die Erwählung nie vom historischen Israel genommen wurde (268f). 130 Vgl. noch J. c. Beker, Paul the Apostle, Philadelphia 1980, 324f. 131 Vgl. Band I, 232f. 132 So umschreibt Wilckens, Röm (Anm. 12),254, korrekt den schwierigen Ausdruck 'to 3tA.~Q(()IlU 'tmv ef}vmv an unserer Stelle. Er korrespondiert mit 3tä~ 'IaQu~A. (vgl. bereits Röm 11,12).
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133 Zu Röm 11,15 vgl. besonders U. Luz, Das Geschichtsverständnis des Paulus, München 1968, 392-394 (Lit.); freilich ist m. E. noch mehr als bei Luz der zeitliche Aspekt zu betonen. 134 Vgl. dazu zuletzt D. A. Koch, Christologischer Schriftgebrauch in vorpaulinischen Gemeinden, ZNW 71, 1980, 174-191, hier: 186ff. 135 Vgl. Wilckens, Röm (Anm. 112), z. St. Anders Koch, a.a.O., 187. 136 Richtig Wilckens, a.a.O., 185. 137 Vgl. M. Rese, Die Vorzüge Israels in Röm 9,4f. und Eph. 2,12. Exegetische Anmerkungen zum Thema Kirche und Israel, ThZ 31,1975,211-222, hier: 214f. 138 Vgl. E. P. Sanders, Paul's Attitude Toward The Jewish People, USQR 33, 1978,175-187, hier 178: »One of the advantages of supposing thatitwas only late that the full force of the problem caused by Jewish rejection of Christian evangelization had come horne to Paul is that such a supposition helps explain the tortuousness and ambiguity of Rom. 9-11«. 139 Es ist daher ein Kurz-Schluß, auf der alleinigen Grundlage von Röm 11 direkte Folgerungen für das Verhältnis von Kirche und Israel abzuleiten (zu Mußner, Traktat, 52ff; P. von der Osten-Sacken, Das paulinische Verständnis des Gesetzes im Spannungsfeld von Eschatologie und Geschichte. Erläuterungen zum Evangelium als Faktor von theologischem Antijudaismus, EvTh 37, 1977, 549-587, hier: 584f). 140 Zum folgenden Abschnitt vgl. Sanders, a.a.O. (Anm. 138),177, dem ich voll zustimme. 141 Vgl. Band I, 101ff, und Band 11, 64ff. 142 Zu 1Kor 9,19-23 im Verhältnis zu Gal2,l1ff vgl. P. Richardson, Pauline Inconsistency. I Corinthians 9:19-23 and Galatians 2:11-14, NTS 26, 1979/80,347-362 (Lit.), dem ich aber nicht in allem folgen kann. 143 Es ist mir unbegreiflich, wie J. Jervell (Paul in the Acts of the Apostles, in: J. Kremer [Hg.], Les Actes des Apatres, Gembloux 1979, 279-306) aus 1Kor 9,19ff die Aussage gewinnen kann, Paulus sei ein praktizierender Jude gewesen (a.a.O., 303). Hier muß doch differenziert werden. 144 Vgl. P. Vielhauer, Zum Paulinismus der Apostelgeschichte (1950/51), in: ders., Aufsätze zum Neuen Testament, München 1965, 9-27, hier: 17. Paulus war nicht Judenmissionar, trotzdem aber oft mit Juden zusammen. Er hat trotz seines Selbstverständnisses als Heidenapostel nicht darauf verzichtet, Juden in seine Gemeinden aufzunehmen und mit ihnen zusammenzuarbeiten (vgl. Prisca und Aquila, Sosthenes, Timotheus, Krispus, Silvanus, Apollos u. a.; vgl. dazu W. -H. Ollrog, Paulus und seine Mitarbeiter, Neukirchen-Vluyn 1979, passim). 145 Quelle: Mischnatraktat Nazir; Edition, (deutsche) Übersetzung und Kommentar von M. Boertien, Die Mischna III. Seder: Naschim. 4. Traktat: Nazir, Berlin/New York 1971. 146 Vgl. meine Exegese von Apg 21 in Band 11, 84-98. 147 Vgl. Vielhauer, Paulinismus, 15f. 148 Die in Apg 21,21 enthaltene Tradition, Paulus lehre die Juden, ihre Kinder nicht mehr zu beschneiden, entspricht darin einem historischen Sachver-
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halt, daß ein in einer gemischten Gemeinde lebender Jude - einmal mit der paulinischen Relativierung der Tora täglich konfrontiert - wohl in der Tat dahin tendierte, seine Kinder nicht mehr zu beschneiden. Vgl. noch Michel, Fragen (Anm. 81), 56 Anm. 13. - Die Behauptung von E. Stegemann (Der Jude Paulus und seine antijüdische Auslegung, in: R. Rendtorfflders. [Hg.], Auschwitz - Krise der christlichen Theologie, München 1980, 117-139), Paulus habe die Tora niemals abrogiert (a.a.O., 134), ist in dieser Allgemeinheit einfach unzutreffend; vgl. oben im Text und neuerdings H. Räisänen, Paul's Theological Difficulties with the Law, in: Studia Biblica 1978 (Journal for the Study of the New Testament Supplement Series 3), Sheffield 1980, 301-320, hier: 305-308. 149 Paulus' »Beteiligung« an einem Nasiräat bestand historisch wohl darin, daß er die Auslösungskosten von 4 Nasiräern übernahm und sich zum Zweck der Reinigung in den Tempel begab (vgl. Band 11, 90f). 150 Schlier, Gal, 68f, hat m. E. diesen Tatbestand von den Kommentatoren am besten erfaßt; vgl. noch Hahn, a.a.O. (Anm. 85), 67. 151 So K. Holl, Der Kirchenbegriff des Paulus im Verhältnis zu dem der Urgemeinde (1921), in: U. Luck / K. H. Rengstorf (Hg.), Das Paulusbild in der neueren deutschen Forschung, Darmstadt 21969, 144-178, hier: 170. 152 Vgl. Band 11, 103-161. 153 Zur letzten Jerusalemreise des Paulus ist immer noch lesenswert H. Ewald, Geschichte des Volkes Israel VI. Geschichte des apostolischen Zeitalters bis zur Zerstörung Jerusalems, Göttingen 1858, 490ff. 154 Vgl. m. R. E. Lohse, Art. LL<.oV xL)...., in: ThWNT VII, 334. 155 Obwohl auch Paulus als Israelit dem »Rest« zugehörte (Röm 11,1), war doch die Jerusalemer Gemeinde deutlichster Ausdruck für die Existenz des »Restes«. 156 Zu beachten ist, daß auch im Ölbaumgleichnis (Röm 11,17ff), die besondere Dignität der Juden als Volk durchscheint: Die Juden sind Schößlinge eines edlen Ölbaums, während die Heiden nur solche eines wilden Ölbaums sind; vgl. hierzu K. H. Rengstorf, Das Ölbaum-Gleichnis in Röm 11,16ff. Versuch einer weiterführenden Deutung, in: E. Bammel / C. K. Barrett / W. D. Davies (Hg.), Donum Gentilicium (FS D. Daube), Oxford 1978, 127-164, hier: 16lf. Selbst da sie durch ihren Unglauben in der Gegenwart als Zweige des Ölbaums abgehackt worden sind, ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Annahme wegen ihrer ursprünglichen (ethnischen) Verfaßtheit größer als die Annahme der dem wilden Ölbaum zugehörigen (ungläubigen) Heiden; vgl. hierzu besonders W. D. Davies, Romans 11:13-24. A Suggestion, in: Paganisme, Judalsme, Christianisme (FS M. Simon), Paris 1978, 131-144, hier: 135. 157 A. von Harnack, Neue Untersuchungen zur Apostelgeschichte und zur Abfassungszeit der synoptischen Evangelien, Leipzig 1911, 46. 158 Zur Frage der Bedeutung des Landes bei Paulus vgl. W. D. Davies, The Gospel and the Land, Berkeley u. a. 1974, 164-220. 159 Wenn Paulus in Röm 15,31 von der Kollekte für Jerusalem spricht, kann
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man fragen, ob nicht eine solche ungenaue Redeweise eine Verquickung von judenchristlicher und jüdischer Gemeinde reflektiert. 160 Ewald, Geschichte (Anm. 153), 496, vergleicht Pauli letzte Jerusalemreise mit der Jerusalemreise Jesu, die zu seinem Tod führte. 161 Vg!. dazu Harnack, Untersuchungen, 54 Anm. I, und oben Anm. 148. Zur Kritik an Harnack vg!. die temperamentvolle (m. E. nicht überzeugende) Antwort von A. Jülicher, Die jüdischen Schranken des Harnackschen Paulus, PrM 17.1913, 1-20. Aus der Debatte Harnack-Jülicher ist sehr viel zu lernen. 162 »Die Praxis war hier die Mutter der Theorie (sc. der Rechtfertigungslehre), nicht umgekehrt, wenn auch die Praxis bereits eine Entwertung der Satzungen voraussetzt« (Wrede, Paulus [Anm. 73], 79 [Sperrung von mir]). Vg!. noch in demselben Sinne M. Gogue!, JBL 53, 1934, 264. 163 Die Veränderung der paulinischen Sicht wird zutreffend hervorgehoben von Haacker, Paulus (Anm. 76), 169.17lf; vgl. noch Barth, Volk (Anm. 39), 6lf; J. Jeremias, Einige vorwiegend sprachliche Beobachtungen zu Röm 11,25-36, in: L. de Lorenzi (Hg.), Die Israelfrage nach Röm 9-11, Rom 1977, 193-205, hier: 201. 164 Vg!. das oben Anm. 156 zum Ölbaumgleichnis Gesagte. 165 Zu dieser Spannung von Universalismus und Partikularismus vg!. Davies, Paul and the People of Israel (Anm. 30), 35; vg!. ders., Paul and Rabbinie Judaism, 75: »The logic of his conception of the Church demanded that Paul should not think of Israel after the flesh as having any special office, but this is somehow what he could not conceive (... ). Despite his noble universalism he finds it impossible not to assign a special place to his own people.« 166 Zum antiken Judentum als Volksreligion vgl. K. Hoheise!, Das antike Judentum in christlicher Sicht, Wiesbaden 1978, 175ff. 167 Vg!. dazu noch die bisher fast völlig unberücksichtigt gebliebenen Aufsätze von S. J. Case, The Jewish Bias of Pau!, JBL 47,1928, 2~31, und D. W. Riddle, The Jewishness of Pau!, JR 23,1943, 24~244. 168 S. o. S. 14 das Votum Bultmanns. Aber auch die Sachkritik von Dinkler (Anm. 21) an Röm 11,25f ist voreilig, weil sie sich nicht dem Sinn dieser Aussage in der Situation des Paulus stellt. 169 Darauf laufen auch die Ausführungen von Schrage, Ja (Anm. 12) hinaus: »Das Ja zur Erwählung Israels ist der Rahmen (vgl. Röm 9,1-5 und 11,25-32), aber in diesem Rahmen ist auch das Nein, das zeitlich begrenzte Nein, nicht zu ignorieren und zu verschweigen, bis der vom Zion kommende Christus auch die unverbrüchliche Verheißung an Israel einlösen wird« (151). Ist der letzte Satz wörtlich gemeint? 170 Vg!. G. Strecker, Christentum und Judentum in den ersten bei den Jahrhunderten (1956), in: ders., Eschaton und Historie, Göttingen 1979, 291-310, hier: 304.
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Gerd Lüdemann analysiert die Stellung von Paulus zum jüdischen Volk, wie sie uns in den verschiedenen brieflichen Aussagen und in seinem Verhalten überliefert ist. Als theologische Konsequenz ergibt sich, daß sich die Kirche, die sich auf Paulus beruft, ihrer jüdischen Wurzeln bewußt sein soll, ohne die grundlegende Differenz zwischen Kirche und Synagoge in der Gegenwart zu verleugnen. Der Autor: Dr. Gerd Lüdemann, geb. 1946. 1977-1979 Gastprofessor in Kanada. 1979 Professor für Neues Testament in Nashvillel USA, seit 1983 Professor für Neues Testament in Göttingen.
- : . Theologische Existenz heute