Butler � Parker � Nr. 385 � 385
Günter Dönges �
Parker terminiert � das ›Killerspiel‹ �
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Butler Parker gestattet...
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Butler � Parker � Nr. 385 � 385
Günter Dönges �
Parker terminiert � das ›Killerspiel‹ �
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Butler Parker gestattete sich den Luxus, ein wenig überrascht und auch amüsiert zu sein. Er befand sich in der Vorhalle eines Postamtes und sah sich einem jungen Mann gegenüber, der plötzlich näher gekommen war und ihn mit einer Banane bedrohte. Der Zwanzigjährige war ordentlich gekleidet, trug eine dunkle Stoffhose, ein Hemd mit Krawatte und sogar ein bürgerliches Jackett. Er richtete die Banane auf Parker und behauptete dann lächelnd, er habe soeben einen Fangschuß angebracht. »Und damit, Mann, sind Sie tot«, redete der junge Mann weiter, »ich buche Sie ab und brauche jetzt Ihre Unterschrift.« »Sie erlauben, daß meine bescheidene Wenigkeit irritiert ist«, erwiderte Josuah Parker. »Kann ich mir vorstellen«, antwortete der seltsame Jüngling. »Damit haben Sie nicht gerechnet, wie?« »In der Tat.« Parker dirigierte ihn unauffällig in eine Ecke des Raumes. »Mit Ihrer Südfrucht dürfte wohl nicht zu spaßen sein.« Die Hauptpersonen: Ben Blenden attackiert Parker mit einer Banane. Ken Gaynor zieht ein seltsames Killerspiel auf. John Mattlew aktiviert zwei miese Schläger. Judy Fairchild bittet Parker als Heilsarmistin um eine Spende. Mike Littering wird in einer Badewanne aufgefunden. Harry Setters trinkt einen unbekömmlichen Kaffee. Lady Agatha befaßt sich mit einem geldträchtigen Killerspiel. Butler Parker tut genau das, was man von ihm nicht erwartet. 3
»Ihre Unterschrift bitte«, bat der junge Mann ungeduldig. »Ich bin heute prächtig in Form. Ich denke, ich werde heute noch ein paar Opfer schaffen.« »Sie scheinen sich auf der Straße des Erfolges zu befinden«, meinte Josuah Parker, der kein Wort verstand. Er drückte sich absichtlich vage aus und hoffte, mehr aus dem Burschen herausholen zu können. »Ich habe bereits vor einer Stunde jemand vergiftet. War eine Kleinigkeit. Die Hübsche trank Tee und wurde dadurch ins Jenseits befördert.« »Ein Vorgang, den man nur als ungemein bedauerlich bezeichnen kann«, kommentierte der Butler dieses eigenartige und sehr freimütige Geständnis. Er fragte sich insgeheim, ob er es vielleicht mit einem Psychopathen zu tun habe. Der junge Mann hatte die Banane übrigens längst wieder eingesteckt und zündete sich gerade eine Zigarette an. »Die Kleine hat eben nicht aufgepaßt«, meinte er und zog eine Karte aus der Brusttasche. Er reichte sie Parker und bat ihn um die Unterschrift. Doch dann stutzte er plötzlich, nahm die Karte höher und blickte den Butler prüfend an. »Moment mal«, sagte er unsicher. »Sie sind doch Dave Webstern, wie?« »Wenn Sie darauf bestehen!« Parker gab sich zurückhaltend. »Und Butler, wie?« »Dies entspricht durchaus den Tatsachen.« »Aber hier auf dem Bild sehen Sie irgendwie anders aus, Webstern.« Der junge Mann schaute sich ein Foto auf der Karte sehr intensiv an. »Solche Ablichtungen pflegen häufig zu täuschen«, erwiderte der Butler in seiner höflichen Art. Er war durchaus ein Butler und entsprechend gekleidet. Er trug einen schwarzen Covercoat 4
über dem ebenfalls schwarzen Zweireiher. Auf dem markanten Kopf saß ein schwarzer Bowler, der im Volksmund auch Melone genannt wird. Am angewinkelten linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm. »Also gut«, sagte der junge Mann, der sich wie ein professioneller Mörder benahm. »Sie sind Webstern. Ihre Unterschrift! Und dann brauche ich noch Ihre Karte, damit ich weitermachen kann.« »Sind Sie sicher, daß Sie meine Wenigkeit tatsächlich voll getroffen haben?« fragte Parker, der Zeit gewinnen wollte. »Und ob! Hab’ ich ja deutlich gesagt, Webstern. Nein, nein, kommen Sie mir nur nicht mit Mätzchen. Sie sind tot!« »Sie haben meine Person vollinhaltlich überzeugt.« Josuah Parker nahm die Karte entgegen und warf einen neugierigen Blick auf das kleine Paßfoto, das ab oberen rechten Rand mit zwei Heftklammern befestigt war. Es zeigte ein glattes Gesicht, das zu einem Mann gehörte, der einen Eckkragen trug. Auf dem Kopf dieses Mannes saß ein Bowler. »Sie erlauben, daß man die Personalien überprüft«, meinte Butler Parker und gab sich umständlich. Er wartete diese Erlaubnis natürlich nicht ab, sondern überlas einige Eintragungen, die mit einer Schreibmaschine vorgenommen worden waren. Danach wohnte ein gewisser Dave Webstern in Chelsea und bezeichnete sich als Butler. Er war vierundfünzig Jahre alt, unverheiratet und Sammler alter Taschenuhren. Auch die genaue Adresse des Mr. Dave Webstern war angegeben. Josuah Parker nahm den gereichten Kugelschreiber entgegen und unterschrieb mit seinem tatsächlichen Namen. »Und jetzt die Killer-Karte, Mister Webstern«, bat der junge Mann. »Die genaue Uhrzeit von heute trage ich später ein. Auch meinen Namen. Wie gesagt, ich habe noch viel zu tun. Zwei Opfer muß ich heute noch schaffen. Wenigstens…« 5
Parker war so entgegenkommend, dem jungen Mann seine Visitenkarte höflich zu überreichen. * »Ihre Visitenkarte?« staunte Lady Agatha Simpson nachhaltig und schüttelte dann den Kopf. »Sie haben diesen jungen Mann nicht umgehend geohrfeigt?« »Dies Mylady, hätte ihn möglicherweise ein wenig verunsichert«, antwortete der Butler. Er befand sich im Haus der Lady Agatha in Sheppherd’s Market und stand einer recht fülligen und durchaus majestätischen Erscheinung gegenüber. Lady Agatha hatte das sechzigste Lebensjahr überschritten, doch sie strahlte eine imponierende Vitalität aus. Sie war groß und verfügte über die Gesten einer Tragödin. Mylady, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, war eine sehr vermögende Dame, die sich praktisch jeden Luxus leisten konnte. Sie hielt sich für eine einmalig begabte Kriminalistin und ritt dieses Steckenpferd in allen Gangarten, bekam aber nie mit, daß Josuah Parker stets eine schützende Hand über sie hielt, zumal sie zielbewußt jedes nur erreichbare Fettnäpfchen aufsuchte, um genußvoll hineinzutreten. Agatha Simpson war gefürchtet ob ihrer Direktheit und Ungeniertheit. Sie sagte stets das, was sie gerade dachte. Ihre Offenheit war eigentlich schon wieder bewunderungswürdig und verblüffte stets. Ein Gefühl für Gefahr oder Angst ging ihr völlig ab. Sie hielt es für sicher, daß ihr nichts passieren konnte. »Man hat Sie also verwechselt«, erinnerte sie sich. »Der junge Mann hielt meine bescheidene Wenigkeit für einen Butler namens Dave Webstern«, pflichtete Parker ihr bei. »Aber Sie wissen nicht, wer dieser Lümmel ist, der Sie erschos6
sen haben will?« Sie runzelte die Stirn. »Ich, Mister Parker, hätte ihn gezwungen, Farbe zu bekennen.« »Bevor es dazu kommen konnte, Mylady, zog der junge Mann es vor, wieder blitzschnell das Weite zu suchen.« »Albern, sehr albern«, ärgerte sie sich. »Sie haben natürlich wieder mal alles falsch gemacht.« »Mit einer Ausnahme vielleicht, Mylady«, schränkte Parker höflich ein. »Die Adresse des Mister Dave Webstern ist bekannt.« »Natürlich eine falsche Adresse.« wußte sie wieder mal mit letzter Gewißheit. »Aber darauf kommt es auch gar nicht an, Mister Parker. Vergessen wir diesen Zwischenfall. Wahrscheinlich hat es sich um einen dummen Scherz gehandelt.« »Ein Scherz, Mylady, den der erwähnte junge Mann sehr ernst meinte«, entgegnete der Butler. »Meine Wenigkeit als Dave Webstern mußte den Tod bestätigen. Es dürfte sich dabei um eine Art Spielregel gehandelt haben.« »Sie wittern Kriminalfälle, wo keine sind«, amüsierte sie sich. »Sie haben nicht das Feeling, das man eben haben muß, Mister Parker, Sie sollten sich damit abfinden.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Josuah Parker deutete eine überaus höfliche Verbeugung an. »Es wird also nicht gewünscht, sich mit dem tatsächlichen Mister Dave Webstern in Verbindung zu setzen?« »Hatte ich das vor?« Agatha Simpson stutzte ein wenig. »Meiner Wenigkeit kam dies so vor«, behauptete der Butler. »Nun ja, eine kleine Ausfahrt kann natürlich nicht schaden«, sagte sie. »Momentan liegt ja ohnehin nichts an, Mister Parker, oder?« »Die Unterwelt scheint offensichtlich eine kleine Verschnaufpause eingelegt zu haben, Mylady.« »Gut, in zehn Minuten werde ich nach…« 7
»… Chelsea, Mylady«, half Parker diskret aus. »… werde ich also nach Chelsea fahren«, machte sie deutlich. »Und dann werde ich diesem Mann ein paar sehr deutliche Fragen stellen. Ich hoffe auf einen hübschen Zwischenfall, Mister Parker. Mir kommt da übrigens gerade ein Gedanke.« »Was zu erwarten war, Mylady«, reagierte Parker sehr ernst. »Bei diesem albernen Zwischenfall könnte es sich natürlich um eine Art Morddrohung handeln«, sagte sie. »Nicht Sie waren gemeint, Mister Parker, nein, ich!« »Man sollte keine Möglichkeit ausschließen, Mylady«, sagte der Butler. Er hielt es für wenig sinnvoll, nach den Gründen dieser Feststellung zu fragen. * Eine auch nur halbwegs überzeugende Kopie Parkers war Dave Webstern auf keinen Fall. Gewiß, er war ein Butler, wie er eingeräumt hatte, doch er war um etwa einen halben Kopf kleiner und dicklich. Er machte einen mitgenommenen Eindruck und schien Angst zu haben. Dave Webstern Wohnte in einem kleinen Apartment in Chelsea und hatte sich viel Zeit gelassen, Mylady und Parker in seine Wohnung zu bitten. Lady Agatha hatte erst mit fordernden Faustschlägen gegen die Tür für ein Öffnen gesorgt. »Wollen Sie einer Dame nicht etwas anbieten?« grollte sie. Das rosige, runde Gesicht hatte sich inzwischen vor Aufregung hochrot eingefärbt. Webstern offerierte der älteren Dame Brandy und Sherry. »Beginnen wir mit dem Sherry«, meinte Lady Agatha. »Und dann will ich endlich wissen, warum man Sie erschossen hat.« Webstern lächelte ein wenig schief und wieselte auf kurzen Beinen durch den mittelgroßen Raum. Er servierte der älteren 8
Dame einen Brandy und eilte dann an eines der beiden Fenster. Er schob die Gardine etwas zur Seite und spähte verstohlen nach unten auf die Straße. »Sie haben zur Zeit eine Art Arbeitspause eingelegt, Mister Webstern?« erkundigte sich Parker. »Arbeitspause? Sie meinen, ob ich arbeite?« Dave Webstern wandte sich wieder seinen beiden Gästen zu. »Nein, nein, zur Zeit arbeite ich nicht. Ich habe meinen letzten Dienst gekündigt.« »Zur Sache«, schaltete Lady Agatha sich ungeduldig ein. »Wie war oder ist das nun mit Ihrer Ermordung? Sie sind also mit einer Banane erschossen worden?« »Nein, keineswegs«, gab der Kollege Josuah Parkers entschieden zurück. »Nicht mich hat man erwischt, sondern Ihren Butler, Mylady. Mich erwischt man so leicht nicht, ich passe höllisch auf.« »Befinden Sie sich in psychiatrischer Behandlung?« wollte die ältere Dame gereizt wissen. »Oder wollen Sie mich veralbern? Falls ja, dann wird es mir eine große Freude sein, Sie zu ohrfeigen.« Bevor Webstern auf diese Frage näher eingehen konnte, läutete es an der Wohnungstür. »Der Killer«, flüsterte Webstern und legte seinen Zeigefinger an seine Lippen. »Ich wette, er will mich überraschen, aber ich werde ihm ein Schnippchen schlagen.« Er wieselte zur Tür seines Apartments und warf einen Blick durch den Spion. Nach wenigen Augenblicken kehrte er zu Mylady und Parker zurück. »Ein Telefonangestellter«, sagte er fast amüsiert. »Als ob ich auf einen billigen Trick hereinfallen würde.« »Sie erlauben, Mister Webstern?« Parker hatte sich bereits in Richtung Tür in Bewegung gesetzt und benutzte ebenfalls den Spion, um sich den Besucher anzusehen. 9
Der Butler war überrascht, als er ein ihm bereits bekanntes Gesicht ausmachte. Vor der Tür stand genau jener seltsame Mensch, der ihm im Postamt die Banane gezeigt hatte. Dave Webstern bekam nicht mit, wie Parker unhörbar die Türkette aushakte, den Schlüssel im Schloß umdrehte und dann die Tür weit aufriß. Der junge Mann zuckte zusammen und wollte sofort wieder die Flucht ergreifen. Doch diesmal war Parker gewappnet. Mit dem Bambusgriff seines Regenschirmes faßte er um die Gurgel des Davonstürmenden und ruckte kurz an. Der junge Mann fühlte sich gebremst und landete polternd auf dem Boden des Korridors. Dabei fiel ihm eine Plastiktüte aus der Hand, die gerade so groß war, um einige Sandwiches aufzunehmen. Die Tüte war offensichtlich mit Wasser gefüllt. »Es erweist sich wieder mal, daß die Welt wirklich relativ klein ist«, sagte Josuah Parker und deutete mit der Schirmspitze in das Apartment. »Wenn Sie sich freundlicherweise hereinbemühen würden?« »Mein Hals«, krächzte der junge Mann. »Ein vorübergehendes Unwohlsein«, tröstete der Butler ihn. »Falls es sich jedoch um die Verrenkung eines Wirbels handeln sollte, wird Lady Simpson Ihnen mit Sicherheit Erste Hilfe angedeihen lassen.« Der junge Mann versuchte es mit einer zweiten Flucht, doch damit hatte der Butler bereits gerechnet. Mit der Schirmspitze piekte er in die Muskulatur des rechten Oberschenkels. Der junge Mann gab daraufhin auf und stöhnte. »Säure«, rief Dave Webstern, als der Betroffene ins Apartment gehumpelt kam. Dabei deutete Parkers Berufskollege auf den kleinen Plastikbeutel und wich zurück. »Offen gesagt, Parker, ich verstehe kein Wort«, gestand Mike Rander. Der Anwalt der älteren Dame war mit seiner Sekretärin 10
Kathy Porter im Haus der Lady Agatha und hatte sich gerade den Bericht des Butlers angehört. Mike Rander, vierzig Jahre alt, erinnerte durchaus an einen bekannten Filmstar, der sich auf die Dauerstellung eines gewissen James Bond spezialisiert hatte. Er hatte früher mal in den USA mit Parker manches Abenteuer bestanden und verwaltete jetzt das Vermögen der älteren Dame. Dabei war Kathy Porter behilflich, die eigentlich noch immer die Gesellschafterin und Sekretärin der Lady Simpson war. Kathy Porter, groß, schlank, eine aparte Schönheit mit exotischem Touch, war einige Jahre jünger als Mike Rander und mit ihm liiert. Sie wohnten und arbeiteten in Randers Kanzlei in der nahen Curzon Street und amüsierten sich ein wenig über die ältere Dame, die sie unbedingt miteinander verheiraten wollte. »Die Sache ist doch höchst einfach, mein Junge«, meinte Lady Agatha wissend und auch ein wenig herablassend. »Ich hatte dieses Spiel sofort durchschaut. War es nicht so, Mister Parker?« »Mylady blieben selbst die feinsten Details nicht verborgen«, antwortete der Butler. »Die Sie jetzt den lieben Kindern erzählen werden«, meinte die Hausherrin. »Ich möchte mich nicht wiederholen.« »Es handelt sich um ein sogenanntes Killerspiel«, begann Josuah Parker. »Die jeweiligen Mitspieler stellen von sich aus eine Identitätskarte her, der die Adresse und einige besonders hervorstechende Gewohnheiten zu entnehmen sind. Diesem persönlichen Steckbrief ist ein Paßfoto angeheftet, damit spätere Verwechslungen nicht vorkommen.« »Sie haben gut hingehört, Mister Parker, als ich Ihnen dieses Killerspiel erklärte«, ließ Lady Agatha sich fast anerkennend vernehmen. »Myladys präzise Hinweise kann man einfach nicht 11
vergessen«, meinte der Butler. Sein glattes Gesicht blieb ausdruckslos wie stets. Er war durch keine noch so kühne Behauptung zu erschüttern. »Gut, es gibt also Mitspieler, die einen eigenen Steckbrief anfertigen«, erinnerte Kathy Porter nun. »Und was geschieht mit diesen Steckbriefen?« »Sie werden sich wundern, Kindchen«, freute sich die ältere Dame. »Diese Steckbriefe werden einem Spielleiter übergeben, Miß Porter, der sie dann an die Mitspieler verteilt. Er sorgt natürlich dafür, daß man sich untereinander nicht kennt. Es geht nun darum, die abgebildete Person auf diesem Steckbrief zu töten.« »Das riecht ja nach organisiertem Mord«, empörte sich Kathy Porter. »Man spielt dieses Spiel bisher auf eine unblutige Art«, entgegnete Josuah Parker. »Wie bereits erwähnt, wird eine Banane zu einer Schußwaffe, eine Plastiktüte mit Wasser zur Säure oder eine Apfelsine zu einer Eierhandgranate.« »Ich wundere mich noch immer«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen. »Und was geschieht, wenn ein Killer sein Opfer erwischt hat?« wollte Mike Rander wissen. »Er liefert seine Killerkarte an den Mörder ab, nachdem er seinen Tod mit der Unterschrift bestätigt hat. Der Mörder kann sich also mit dem nächsten Opfer befassen. Wer schließlich überlebt, wird zum Sieger erklärt.« »Ein scheußliches Spiel«, ließ Kathy Porter sich vernehmen. »Das aber ungemein lukrativ sein kann«, meinte der Butler. »Es gibt Spiele, wo die Teilnehmer sich einkaufen müssen. Mylady konnten in Erfahrung bringen, daß Mister Webstern fünfzig Pfund zahlen mußte.« »Wie dieser Bengel, der das Säureattentat mit Wasser ausfüh12
ren wollte?« fragte Mike Rander. »In der Tat, Sir«, bestätigte der Butler. »Er heißt übrigens Ben Blendon und ist Student. Von Mister Blendon war darüber hinaus zu erfahren, daß es Spiele gibt, deren Teilnahme nicht unter zweitausend Pfund pro Spieler möglich ist.« »Demnach kommen auf den Sieger eines solchen Killerspiels ja ganz schöne Summen zu«, antwortete der Anwalt überrascht. »Mister Blendon weiß von einem Killerspiel, Sir, in dessen Jackpot, wie es heißt, weit über fünfzigtausend Pfund waren.« »Moment mal, Mister Parker«, ließ Mylady sich in diesem Augenblick entrüstet vernehmen. »Davon haben Sie mir noch gar nichts gesagt. Schneller kann man sich sein Geld ja nun wirklich nicht verdienen. Darüber werde ich mich noch mit Ihnen unterhalten müssen.« Sie liebte das Geld und ließ keine Gelegenheit außer acht, ihre Haushaltskasse aufzustocken. Mike Rander und Kathy Porter, die ihre Marotte nur zu gut kannten, tauschten einen schnellen, amüsierten Blick miteinander. »Und seit wann wird dieses Killerspiel betrieben?« erkundigte sich Kathy Porter. »Schon seit einigen Monaten, Miß Porter«, antwortete Parker. »Es erfreut sich inzwischen einer großen Beliebtheit in gewissen Kreisen und dürfte sich noch ausweiten.« »Ein makabres Spiel mit dem Tod«, sagte Mike Rander. »Hoffentlich schlägt so etwas eines Tages nicht um und wird zum blutigen Ernst.« »Dies, Sir, ist in der Tat zu befürchten«, antwortete der Butler. »Meine Wenigkeit erlaubt sich, in diesem Zusammenhang an das Geld des Gewinners zu denken. Die Versuchung dürfte sehr groß sein.« »Aus einer Banane wird dann ein wirkliches Schießeisen«, sagte Agatha Simpson, »und aus Wasser Säure. Mister Parker, 13
ich sollte dem einen Riegel vorschieben.« »Nach Lage der Dinge, Mylady, sind den zuständigen Behörden die Hände gebunden«, erwiderte der Butler. »Und wer sind diese Spielleiter?« wollte Kathy Porter wissen. »Vorerst dürfte es sich noch um reine Organisationstalente handeln«, beantwortete Parker die Frage. »Aber man sollte keineswegs ausschließen, daß solche Killerspiele auch von Psychopathen veranstaltet werden, die den Nervenkitzel um jeden Preis anbieten.« »Und ich wette, Parker, daß solche Leute auch Mitspieler gewinnen werden«, meinte der Anwalt. »Wir leben immerhin in einer Welt, in der alles möglich ist.« »Wenn es erlaubt ist, Sir, möchte meine Wenigkeit sich Ihrer Betrachtungsweise vollinhaltlich anschließen«, lautete Parkers Antwort. Bevor er dieser Bemerkung noch etwas hinzufügen konnte, meldete sich das Telefon. In einem Kriminalfilm hätte dieses »Stichwort« nicht wirkungsvoller fallen können. Butler Parker begab sich gemessen ans Telefon, hob ab und nannte seinen Namen. »Hier spricht der Koordinator«, sagte eine sehr mechanisch und fremd klingende Stimme. »Mister Parker, Sie sind soeben zum Zielobjekt erklärt worden.« »Könnten Sie meiner Wenigkeit erklären, was man sich darunter vorzustellen hat?« fragte der Butler in seiner höflichen Art. »Sie sind zum Abschuß freigegeben worden«, lautete die Antwort. »Für Ihre Ermordung ist eine besondere Prämie ausgesetzt worden.« »Sollte es sich um eine Variante des sogenannten Killerspiels handeln?« erkundigte sich Parker weiter. »Richtig. Und dieses Spiel wird nach unseren Regeln gehandhabt. Sie können beruhigt sein, was Ihre Ermordung betrifft. Ihr Tod zählt nur dann, wenn es dabei zu körperlichem Kontakt 14
kommt.« Bevor Parker weitere Fragen stellen konnte, wurde auf der Gegenseite aufgelegt. * Die Änderungsschneiderei des Lester Prinwell im Stadtteil Whitechapel sah völlig harmlos aus. Sie befand sich im Souterrain eines Wohnblocks und machte einen erbärmlichen Eindruck. Im kleinen Schaufenster hingen Kleidungsstücke, die auf ihre Abholer warteten. Vor einer Nähmaschine, die sicher aus den Anfängen der Mechanisierung stammte, saß ein untersetzter, rundlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, der die beiden Eintretenden mehr als überrascht anschaute. »Man wünscht einen überaus umsatzstarken Tag«, grüßte Butler Parker und lüftete höflich die schwarze Melone. »Möge auch der Gewinn Ihren Vorstellungen entsprechen.« »Ich verstehe kein Wort«, sagte der Änderungsschneider. »Sie sind Mister Lester Prinwell?« fragte Parker. »Stimmt. Sie wollen hier was ändern lassen?« Er blickte Lady Simpson ungläubig an. »Nicht unbedingt, junger Mann«, schaltete die ältere Dame sich ein. »Ich wünsche eine Auskunft von Ihnen.« »Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson mit einigen Hinweisen dienen zu können«, meinte der Butler. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker.« »Parker… Parker? Kann es sein, daß ich von Ihnen schon mal gehört habe?« »Vor allen Dingen von mir, junger Mann«, machte die passionierte Detektivin ihm deutlich. »Ich höre, daß man in Ihren Hinterräumen spielen kann?« »Wer behauptet denn das?« staunte Lester Prinwell treuherzig. 15
»Ihre Adresse ist in der Szene bekannt, Mister Prinwell«, entgegnete der Butler. »Wie zu beobachten war, müssen Sie gerade Gäste haben.« »Gäste? Hier bei mir?« Prinwell war inzwischen aufgestanden und schüttelte den Kopf. »Spieler, Mister Prinwell«, redete Parker weiter. »Aber auf sie erstreckt sich keineswegs Myladys Interesse. Man wünscht zu erfahren, seit wann Sie von einem sogenannten Koordinator wissen.« »Koordinator?« Prinwells Gesicht wurde zu einem Fragezeichen. »Was soll das denn?« »Eine Person, die das Killerspiel betreibt, Mister Prinwell.« »Killerspiel? Hören Sie, was soll das alles? Ich bin Schneider und kein Auskunftsbüro.« Josuah Parker wußte längst, daß Prinwell sehr verstohlen auf einen Klingelknopf gedrückt hatte, der sich unter der Platte der Nähmaschine befand. Der Butler rechnete mit dem plötzlichen Erscheinen einiger handfester Männer. Er hatte sich nicht getäuscht. Eine schmale Tür im Hintergrund wurde vorsichtig geöffnet. Eine männliche Gestalt, im Halblicht des Raumes kaum auszumachen, schob sich weiter vor. »Ich wiederhole noch mal, daß bei mir nicht gespielt wird«, sagte Lester Prinwell jetzt laut und deutlich. »Ich möchte nur wissen, wer Ihnen diesen Bären aufgebunden hat.« In diesem Augenblick hielt Josuah Parker es für angebracht, den Anfängen zu wehren. * Er griff beiläufig nach dem Deckel eines Schraubglases, das vorn
an der Kante des Arbeitstisches stand. Dieser Deckel war mit
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Stecknadeln gefüllt und wartete nur darauf, benutzt zu werden. Es waren inzwischen zwei noch recht junge Männer, die sich an Mylady und Parker herangeschoben hatten. Sie zeigten keine Waffen und setzten wohl auf ihre vermeintliche körperliche Überlegenheit. Sie sahen sich schließlich zwei Personen gegenüber, die man nun wirklich nicht mehr als Teenager bezeichnen konnte. »Gibt’s hier Ärger, Prinwell?« fragte einer der beiden jungen Männer in schleppendem Tonfall, der mit Sicherheit von einem Filmhelden stammte. »Hier wird behauptet, bei mir würde illegal gespielt«, antwortete Lester Prinwell. »Raus«, schnauzte der junge Mann die ältere Dame an und beging damit einen Kardinalfehler. Lady Agatha legte stets Wert auf Höflichkeit. Man durfte sie in solch einer rüden Tonart nicht ansprechen. »Sehen Sie sich das hier an, junger Mann«, erwiderte sie und präsentierte ihm zwischen Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand eine Art Stopfnadel. »Und was ist damit?« wollte der Angesprochene ahnungslos wissen und lächelte schief. »Das hier!« Agatha Simpson war sehr schnell. Sie stach wie mit einem Florett zu und veranlaßte den Mann dazu, schleunigst nach links auszuweichen. Was er allerdings besser nicht getan hätte, denn damit geriet er in die Reichweite des Pompadours der älteren Dame. In diesem Handbeutel befand sich Myladys sogenannter Glücksbringer, nämlich ein Hufeisen, das von einem mächtigen Brauereipferd stammte. Der Pompadour jagte in einem Halbbogen nach vorn und setzte sich auf der Backe des jungen Mannes ab. Der hatte den festen Eindruck, von einem unsichtbaren Pferd getreten worden zu sein und geriet sofort aus dem Gleichgewicht. 17
Der Getroffene taumelte haltlos gegen einen Garderobeständer, verfing sich in dort aufgehängten Kleidungsstücken und breitete sich dann unverzüglich auf dem Boden aus. Erst dann hatte er endlich Zeit und Gelegenheit, ausgiebig zu ächzen und zu stöhnen. Josuah Parker war selbstverständlich nicht untätig geblieben. Sein Gegenüber war von einer geballten Ladung Stecknadeln erwischt worden, die ihn offensichtlich irritierte. Die Nadeln machten sich auf seiner Hemdbrust breit und nahmen es ausgesprochen übel, daß der Mann diese Spitzkörper mit der Hand wegwischen wollte. Dabei verhakten sie sich, legten sich quer und stachen vielfältig zu. Der Genadelte jaulte gequält und ging in die Knie. »Entschuldigen Sie die überzogene Reaktion eines alten, müden und relativ verbrauchten Mannes«, meinte Parker und lüftete überaus höflich die schwarze Melone. Und da er sie schon mal in der Hand hatte, legte er die Wölbung auf die Nase des Mannes. Die Innenseite von Parkers Kopfbedeckung war mit Stahlblech ausgefüttert. Die Ablage fiel dementsprechend aus. Die Nase verformte sich ein wenig und produzierte auf Umwegen dicke Tränen in den Augen des Mannes. Lester Prinwell war eindeutig geschockt. Er hatte sich das alles anders vorgestellt. Er war gegen die Wand zurückgewichen und hob abwehrend beide Hände. Er blickte Lady Agatha aus großen, ängstlichen Augen an. »Sie wagen es, eine alte Dame anzugreifen?« donnerte Lady Agatha ihn an. Ihr dunkles, tragendes und sonores Organ bebte vor Entrüstung. »Nein, nein, Lady«, widersprach Prinwell mit halb erstickter Stimme. »Ich werde mich hüten.« »Sie bedrohen mich?« fragte die ältere Dame empört weiter. 18
»Sie besitzen die Unverschämtheit, mich zu attackieren?« »Bestimmt nicht«, hechelte Prinwell. »Ich denke nicht daran, Lady.« »Aber vielleicht sollten Sie an den bereits erwähnten Koordinator denken«, schlug Josuah Parker gemessen vor. Er ließ die beiden jungen Männer nicht aus den Augen. »Koordinator?« Lester Prinwell schluckte vor Aufregung. »Ich werde nicht noch einmal fragen«, äußerte die Detektivin und ließ ihren Pompadour kreisen. »Fragen Sie Butch Growell«, kam die leise Antwort. »Der hat von dem mal gesprochen. Erst vor ein paar Tagen. Aber sagen Sie ihm ja nicht, daß Sie diesen Tip von mir haben.« »Und wo findet man den erwähnten Mister Growell?« lautete Parkers nächste Frage. »Im Spielzimmer«, flüsterte Prinwell und deutete mit der Hand auf die Tür, durch die die beiden jungen Männer gekommen waren. * Über dem Spieltisch hing eine grün abgeschirmte Lampe, die ihr kalkweißes Licht auf das grüne Tuch warf. Der Raum um den Spieltisch herum war so gut wie dunkel. Tabakqualm, den man mit dem Messer geradezu schneiden konnte, waberte im Raum, in dem sich sechs Männer aufhielten. Am Tisch saßen vier, die bereits um ein kleines Vermögen pokerten. Die beiden übrigen standen hinter den Spielern und blickten wie hypnotisiert auf die Karten, die gerade neu verteilt wurden. Sie alle bekamen nicht mit, was sich an der Tür abspielte, durch die Lady Agatha und Parker gerade traten. »Darf man höflichst um Ihre Aufmerksamkeit bitten?« ließ der Butler sich vernehmen. Und die Angesprochenen taten genau 19
das, was Parker vorausberechnet hatte. Sie wandten ausnahmslos die Köpfe zur Tür und… zuckten dann sichtlich zusammen. Sie blickten nämlich in eine kleine, grelle Sonne. Parker hatte eine seiner Miniatur-Blitzlichtbomben ausgelöst. Sie war kaum größer als ein Stück Würfelzucker und befand sich am oberen Ende eines völlig regulär aussehenden Kugelschreibers. Die Geblendeten sahen nicht, daß Parker und Agatha Simpson sich auf diese Blitzlichtbombe entsprechend vorbereitet hatten. Mylady schützte ihre Augen mit einem nassen Bügeltuch, das vorn aus der Schneiderei stammte, Parker hingegen benutzte eine Art Schweißbrille ohne Bügel, die er sich auf die Nase geschoben hatte und die die Augenhöhlen schützte. Die Spieler im Hinterzimmer gerieten ziemlich aus der Fassung. Sie sahen nichts als ein grelles Weiß auf ihrer Netzhaut, möglicherweise aber auch bunte geometrische Figuren, mehr aber auch nicht. Sie wagten es nicht, nach Waffen zu greifen, rieben sich die Augen und waren völlig hilflos. Parker schritt auf einen der Männer am Spieltisch zu. Er hatte sich von Prinwell genau beschreiben lassen, wie Butch Growell aussah. Dieser Mann, der vielleicht nähere Auskunft über den Koordinator geben konnte, war schlank, mittelgroß und hatte eine Stirnglatze. Er war nach Parkers Schätzung vielleicht vierzig Jahre alt. »Sie brauchen schnelle Hilfe«, machte Parker diesem Mann klar und veranlaßte ihn, vom Stuhl aufzustehen. Dabei zeigte sich, daß Parker über erstaunliche Körperkräfte verfügte. Er umfaßte Growells rechten Oberarm und zog ihn hoch. »Meine Augen«, stöhnte Growell und gab Parkers Griff nach. »Ein durchaus verständlicher Hinweis«, meinte der Butler und führte den Widerstandslosen zur Tür. Die übrigen Spieler im Hinterzimmer waren mit sich selbst beschäftigt und reagierten 20
nicht. Lady Agatha war an den Spieltisch getreten und blickte sehr interessiert auf die vielen Banknoten auf dem grünen Tisch. »Schmutziges Geld«, sagte sie verächtlich, um dann die Scheine einzusammeln. »Mylady denken daran, dieses Schandgeld einem Hilfsfonds zu überweisen?« fragte Parker. »Das auch«, sagte sie, »nach Abzug meiner Unkosten natürlich, Mister Parker.« Die Detektivin war ungewöhnlich flink, als sie die Scheine in ihren Pompadour stopfte. Dann schaute sie sich kurz um, entdeckte eine Art Hausbar, die man auf einem Beistelltisch an der Wand eingerichtet hatte, und fand mit sicherem Instinkt eine Flasche Cognac. Es handelte sich um eine sehr teure Nobelmarke aus Frankreich. »Ich muß an meinen Kreislauf denken«, sagte sie zu ihrem Butler und nahm die Flasche an sich. »Dies alles hat mich doch sehr mitgenommen, Mister Parker. Ich bin schließlich kein Backfisch mehr.« »Einem gängigen Spruch zufolge, Mylady, ist Vorsorge besser als Heilen«, erwiderte der Butler und erreichte dann diskret, daß die ältere Dame endlich das Feld räumte. Lange konnte die Wirkung der kleinen Blitzlichtbombe nicht mehr dauern. »Verdammt, wer sind Sie?« stöhnte Butch Growell, der sich von seinem Schock endlich erholt hatte. Er versteifte sich und wollte nicht weiter mitgehen. »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich in gewohnt höflicher Form vor. »Sie haben die Ehre, einer Einladung Lady Simpsons folgen zu dürfen.« * Er saß neben Lady Agatha im Fond von Parkers Wagen und
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rührte sich nicht. Butch Growell schwitzte vor Angst und stemmte sich in jeder Kurve gegen auftretende Fliehkräfte. Er wollte auf keinen Fall den körperlichen Kontakt mit der älteren Dame herstellen, denn da war etwas, was ihm Angst einflößte. Agatha Simpson hatte nämlich die Spitze einer ihrer Hutnadeln gegen die rechte Hüfte des Mannes gedrückt. Diese Hutnadel, die es mit jedem Bratspieß hätte aufnehmen können, wartete nur darauf, sich in sein Muskelfleisch bohren zu können. »Kann ich nicht endlich erfahren, warum Sie mich gekidnappt haben?« fragte er, als Parkers Wagen einen südlichen Außenbezirk Londons erreicht hatte. Er hielt das allgemeine Schweigen nicht länger aus und wollte Gewißheit haben. »Das bringt doch nichts. Ich werde Ihnen einen Vorschlag machen, Lady: Sie setzen mich ab, dafür werde ich das alles hier vergessen.« »Damit dürfte Ihr Problem nicht gelöst sein, Mister Growell«, antwortete Parker für seine Herrin. Er brauchte die Bordsprechanlage nicht zu benutzen. Die schußsichere Trennscheibe zwischen den Vordersitzen und dem Fond des Wagens war versenkt. Parkers Privatwagen war ein ehemaliges Londoner Taxi, hochbeinig und eckig, was die Aufbauten betraf. Dem bereits angejahrten Wagen sah man nicht an, daß es sich um eine Trickkiste auf Rädern handelte. Von Eingeweihten wurde dieses Gefährt liebevoll-spöttisch als hochbeiniges Monstrum bezeichnet. »Ich soll ein Problem haben?« fuhr Growell hoch. »Der sogenannte Koordinator wird davon ausgehen, daß Sie Angaben zu seiner Person machen werden, Mister Growell. Und damit dürfte er Sie zum Zielobjekt erklären.« »Ich weiß doch überhaupt nicht, wer der Koordinator ist«, empörte sich Growell umgehend. Dann erst ging ihm auf, daß er bereits zuviel gesagt hatte. Er senkte den Kopf und preßte die 22
Lippen fest aufeinander, wie Parker im Rückspiegel deutlich sah. »Der Koordinator leitet das, was man bereits als Killerspiel bezeichnet«, setzte Parker ihm geduldig und gemessen auseinander. »Die betreffenden Regeln muß man Ihnen ja wohl nicht erklären, Mister Growell.« »Okay, ich hab’ von diesem Koordinator schon gehört. Auch von diesem verdammten Killerspiel«, räumte Growell ein. »Es soll auch schon ein paar Tote gegeben haben. Mehr hab’ ich aber nicht auf Lager.« »Das wird sich noch zeigen, junger Mann«, schaltete Lady Simpson sich ein. »Und schreien Sie nicht gleich, falls ich in einer der nächsten Kurve gegen Sie rutschen sollte. Ich werde aufpassen, damit ich nicht aus Versehen zustoße.« »Lady, bitte, nehmen Sie diese verdammte Nadel weg«, bat Growell, dessen Hände mit Handschellen versehen waren. »Damit können Sie ja glatt ‘nen Menschen umlegen.« »Sie erwähnten bereits erste Tote«, erinnerte Parker vom Steuer her. »Dazu vielleicht einige Details, Mister Growell?« »Die nächste Kurve kommt bestimmt, junger Mann«, warnte die ältere Dame gefährlich freundlich. »Dann kann ich für nichts garantieren.« »Ich weiß von Harry Setters und Mike Littering«, gab Growell schleunigst Auskunft. »Die beiden Typen sind umgebracht worden.« »Auf welche Art und Weise, Mister Growell?« lautete Parkers nächste Frage. »Harry Setters muß vergiftet worden sein. Littering kam in seiner Badewanne um«, sagte Growell mit gepreßter Stimme, da Parkers Wagen sich einer an sich recht sanften Kurve näherte. »Mehr weiß ich dazu nicht.« »Und welchem Beruf gingen die erwähnten Herren nach?« 23
»Setters machte in Geldverleih, Littering in Fensterreinigung.« »Mylady wünscht noch zu erfahren, wieso man die beiden Sterbefälle mit dem Koordinator in Verbindung bringt«, sagte Parker. »Na ja, man soll in beiden Fällen so ‘ne Schießscheibe bei den Toten gefunden haben. Darauf soll der Name Koordinator gestanden haben. Hören Sie, ich gebe nur wieder, was man sich so erzählt.« Er zog scharf die Luft ein, als Parker die Kurve nahm. Er spürte die Spitze der Hutnadel und stöhnte vor Erleichterung, als der Wagen sich wieder auf der Geraden befand. »Habe ich sonst noch Fragen an dieses Subjekt, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame bei ihrem Butler. »Falls Mister Growell es wünscht, kann er natürlich jederzeit aussteigen«, erwiderte Josuah Parker. »Und ob ich das wünsche«, schnaufte der Mann. »Je schneller, desto lieber.« * »Ich weiß gar nicht, was Sie überhaupt wollen«, sagte Ken Gaynor, ein Mann von etwa achtundzwanzig Jahren. Er gab sich arrogant und sehr selbstsicher. Er hatte Mylady und Butler Parker vor wenigen Minuten eingelassen und war der festen Ansicht, es mit zwei im Grund recht senilen Personen zu tun zu haben. »Wer hat Ihnen überhaupt gesagt, daß ich so etwas wie ein Killerspiel aufgezogen habe? Ich sollte Sie eigentlich wegen Rufschädigung verklagen.« Ken Gaynor bewohnte eine Art Studio in Bayswater. Es handelte sich dabei um einen nicht gerade einfachen Ausbau eines Dachgeschosses. Der Umbau mußte mit Sicherheit sein Geld gekostet haben, wie Parker auf den ersten Blick festgestellt hatte. 24
Ken Gaynor war Student der Ökonomie, wie der Killer mit der Banane, Ben Blendon, ausgesagt hatte. Er leitete das makabre Spiel, an dem sich auch Parkers Berufskollege Webstern beteiligt hatte. »Die Namen der Herren Ben Blendon und Dave Webstern sind Ihnen bekannt, Mister Gaynor«, erkundigte sich Parker. »Bevor Sie antworten, sollten Sie einer Dame erst mal eine Sitzgelegenheit und eine Erfrischung anbieten«, ließ Agatha Simpson sich grollend vernehmen. »Ich denke nicht daran«, blaffte Ken Gaynor. »Ich fordere Sie auf, mein Studio zu verlassen, und zwar ein bißchen plötzlich, wenn ich bitten darf. Zwingen Sie mich nicht, handgreiflich zu werden.« »Darf man erfahren, Mister Gaynor, wie Sie sich eine solche Handgreiflichkeit in etwa vorstellen?« wollte Josuah Parker in seiner höflichen Art wissen. »Etwa so!« Lady Agatha verabreichte dem Arroganten urplötzlich eine Ohrfeige. Da sie Golf spielte und auch den Sportbogen schoß, war ihre Muskulatur gut entwickelt. Zudem waren ihre Hände nicht gerade klein. Ken Gaynor taumelte zur Seite, stolperte über einen Hocker und landete krachend auf dem Teppichboden. Er blieb einen Augenblick benommen liegen, stemmte sich dann hoch und blickte die ältere Dame völlig verblüfft an. »Das… das machen Sie nicht noch mal«, sagte er dann mit gepreßter Stimme. »Natürlich nicht, junger Mann«, erwiderte Agatha Simpson. »Was Sie da erlebt haben, war nur eine Andeutung.« »Und in etwa ein Akt der Notwehr«, fügte Josuah Parker hinzu. »Ich werde die Polizei anrufen. Und mein Daddy wird Ihnen einen Prozeß an den Hals hängen, der sich gewaschen hat.« Ken 25
Gaynor kroch einen Meter zurück, stand dann hastig auf und lief zu einem halbhohen Wandschrank, auf dem ein Telefonapparat stand. Als er nach dem Hörer langen wollte, zuckte er zurück. Vor seiner Hand erschien Parkers Melone, die sich in eine FrisbeeScheibe verwandelt hatte. Sie schlug mit dem Rand gegen den Apparat und wirbelte ihn zu Boden. »Guter Gott«, stöhnte Ken Gaynor. »Sagen Sie mal, sind Sie wahnsinnig? Sie hätten mir die Hand zerschlagen können.« »Sie wäre in Mitleidenschaft gezogen worden, falls dies die Absicht meiner Wenigkeit gewesen wäre«, machte Parker deutlich. Er schritt gemessen auf den jungen Mann zu, der ängstlich zur Seite wich. Der Butler hob seine Kopfbedeckung auf, überprüfte sie kurz und setzte sie dann wieder an ihren Platz. »Nach dieser kurzen und allgemeinen Abstimmung sollte man auf das Thema zurückkommen«, schlug Butler Parker vor. »Sie betätigen sich also als Leiter eines sogenannten Killerspiels, Mister Gaynor. Nach Myladys Kenntnis wissen allein Sie, welche Personen gegeneinander spielen. Demnach muß es Unterlagen geben, deren Einsicht wünschenswert wären.« »Und zusätzlich will ich noch wissen, welche Summen auf dem Spiel stehen«, warf die Detektivin ein. »Bei uns wird nicht um Geld gespielt«, erklärte Gaynor umgehend. »Dies werden Ihre Unterlagen sicher ausweisen, Mister Gaynor«, meinte Josuah Parker. »Ich , ich habe keine Unterlagen«, behauptete der Mann. »Ich habe mit dem Killerspiel überhaupt nichts zu tun. Blendon und Webstern lügen, wenn sie das behaupten.« »Gerade erklärten Sie nachdrücklich, daß es in Ihrem Spiel nicht um Geld geht, Mister Gaynor. Demnach wird aber wohl gespielt, nicht wahr?« 26
»Sie… Sie haben mich völlig durcheinander gebracht«, behauptete der Student. »Sie unterschieben mir da Sachen, die ich niemals gesagt habe.« Er hatte seinen Satz noch nicht beendet, als er losspurtete und die Tür zu seinem Studio anvisierte. Er war sehr schnell und geschmeidig und entwickelte sich zusätzlich sogar zu einem Flugkörper, nachdem Parker ihm fast beiläufig ein Bein gestellt hatte. Ken Gaynor erhob sich vom Teppichboden und strebte der Decke zu, ohne sie allerdings zu erreichen, geriet in eine gefährliche Schräglage, kippte über die linke Schulter ab und absolvierte dann eine Bruchlandung, die auf einer Truhe endete. * »Und haben Sie Unterlagen gefunden, Mylady?« fragte Mike Rander. Er und Kathy Porter hatten sich zu einem kleinen Imbiß im Haus der älteren Dame eingefunden. Parker servierte Sandwiches, die mit geräuchertem Fisch, Roastbeef und Käse belegt waren. Dazu reichte er kontinental gebrühten Kaffee und englischen Tee. »Mister Gaynor erwies sich nach der geschilderten Bruchlandung als ungemein kooperativ, Sir«, antwortete Parker für Lady Agatha, die ihn auffordernd angesehen hatte. »Mister Gaynor beeilte sich, Mylady die gewünschten Unterlagen auszuhändigen.« »Er hatte sie nicht aus der Wohnung geschafft?« wunderte sich Kathy Porter »Zeit dazu hatte er doch wirklich. Blendon und Webstern werden ihn sicher informiert haben.« »Mister Gaynor neigte eindeutig dazu, Miß Porter, sich zu überschätzen«, beantwortete der Butler die Frage. »Die Unterlagen waren von ihm nur sehr oberflächlich in seinem Studio ver27
steckt worden. Sie befanden sich in einer Mauernische, die von einem Bild verdeckt wurde.« »Gaynor… Gaynor…! Der Name kommt mir bekannt vor«, warf Mike Rander ein. »Mister Ken Gaynors Vater, Sir, ist der Besitzer einer Kaufhaus-Kette«, wüßte der Butler zu berichten. »Er gilt als betucht und einflußreich.« »Und entsprechend arrogant gab sich sein Sohn«, sagte die Hausherrin. »Aber ich habe ihm Manieren beigebracht. So schnell wird er eine Lady Simpson bestimmt nicht vergessen, mein Junge.« »Sie kennen jetzt die Teilnehmer dieses Killerspiels, Mylady?« fragte Kathy Porter. »Ich habe mir alles genau eingeprägt«, behauptete Agatha Simpson. »Mister Parker wird Ihnen die Details nennen, falls er sie nicht schon wieder vergessen hat.« »An Mister Gaynors Killerspiel sind fünfzehn Personen beteiligt«, faßte Josuah Parker umgehend zusammen. »Die Teilnahme beträgt fünfzig Pfund.« »Was sind das für Personen, die solch ein idiotisches Spiel mitmachen, Parker?« »Studenten, der Butler namens Webstern, Bankangestellte, einige selbständige Kaufleute, zwei Hausfrauen und ein paar Handwerker.« »Sehr gemischter Verein«, meinte der Anwalt. »Man lernte sich in einem Pub kennen, Sir. Dort unterbreitete Mister Ken Gaynor sein Killerspiel. Das allgemeine Interesse daran war derart groß, daß er die Teilnehmerzahl begrenzen mußte. Er ist gerade damit beschäftigt, ein zweites Spiel zu organisieren. Der Einstand pro Spieler wird drastisch erhöht. Die Beteiligung beträgt in diesem Fall pro Spieler zweihundert Pfund.« 28
»Und dieser clevere Lümmel behält zwanzig Prozent für sich und zwar zur Deckung seiner Unkosten«, warf die Detektivin ein. »Das hat mich doch sehr beeindruckt. Schneller kann man sein Geld wirklich nicht verdienen.« »Ken Gaynor ist nicht der einzige, der solche Killerspiele aufzieht, nicht wahr?« erkundigte sich Kathy Porter. »Mit Sicherheit nicht, Miß Porter«, entgegnete der Butler. »Mister Gaynor weiß allein schon von vier anderen Killerspielen, die hier in der Stadt laufen.« »Es dürfte sich um eine Art Seuche handeln«, sagte Mike Rander. »Eine Zusatzbeschreibung, Sir, der man nur voll und ganz beipflichten kann«, gab der Butler zurück. »Vielleicht sollten Sie noch wissen, daß dieses sogenannte Killerspiel bereits vor Jahren in den USA grassierte und vor allen Dingen von Colleges und Hochschulen gespielt wurde.« »Aber von einem Koordinator weiß Gaynor nichts, oder?« ließ Kathy Porter sich vernehmen. »Davon will Mister Gaynor noch nie etwas gehört haben«, erwiderte Josuah Parker. »Ich will den Dingen wirklich nicht vorgreifen«, meinte die ältere Dame, »aber für mich ist der Fall bereits klar und fast gelöst.« »Sie haben eine Theorie aufgestellt, Mylady?« Mike Rander sah die Hausherrin gesammelt und ernst an, obwohl er ihre verwegenen Theorien nur zu gut kannte. »Natürlich, mein lieber Junge«, entgegnete sie. »Dieser junge Fant ist der Koordinator. Für mich gibt es da überhaupt keinen Zweifel. Und für Sie hoffentlich auch nicht.« Mike Rander hatte es daraufhin sehr eilig, die Kaffeetasse zum Mund zu führen.
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* � Der Anwalt saß auf dem Beifahrersitz von Parkers Wagen und ließ hinüber nach Wapping fahren. Die beiden Männer nutzten die seltene Gelegenheit, ohne Mylady agieren zu können. Die ältere Dame hatte sich zu einer Meditationsstunde in ihre Gemächer zurückgezogen und sich ausgebeten, nicht gestört zu werden. Kathy Porter war bei ihr im Haus geblieben, um in ihrer Nähe zu sein, falls sich etwas tat. »Sie wissen, Parker, daß wir bereits verfolgt werden?« fragte Mike Rander nach einer Weile. »Es handelt sich um einen Mini-Cooper, Sir«, antwortete der Butler höflich und wie selbstverständlich. »Im Wagen befinden sich zwei jüngere Männer, die Baseball-Kappen tragen.« »Sie denken an diesen Koordinator?« »In der Tat, Sir. Vielleicht sollte meine Wenigkeit noch mal daran erinnern, daß der Anrufer von einem körperlichen Kontakt sprach, als er von meiner Eliminierung sprach.« »Das kann eine Finte sein, Parker. Gehen Sie davon aus, daß man Sie aus dem Hinterhalt unter Beschuß nehmen wird.« »Solch eine Möglichkeit sollte man allerdings nicht ausschließen, Sir«, entgegnete der Butler. »Vom Gefühl her jedoch möchte meine Wenigkeit die Worte des Koordinators wörtlich nehmen.« »Sie glauben, dieser Gangster würde das sportlich sehen?« Rander lachte skeptisch. »Er scheint einem ganz bestimmten Ritual zu huldigen, weil er sich überlegen fühlt.« »Hoffentlich setzen Sie nicht auf das falsche Pferd, Parker. Wieso, um auf ein anderes Thema zu kommen, fuhren Sie zu diesem Änderungsschneider Prinwell?« »Mister Prinwell gilt in der Szene als Nachrichtenhändler, Sir. Sein Hinweis auf Mister Growell zeigte, daß dieser Besuch sich 30
lohnte.« »Growell erwähnte die beiden Opfer des Koordinators, ja?« »Er verwies auf die Opfer Littering und Setters, Sir, die dem Killerspiel des Koordinators ihren Tribut zollen mußten. In der kleinen Firma des Mister Littering erfährt man vielleicht gewisse Hinweise auf dieses Killerspiel.« »Okay, ich lasse mich überraschen, Parker. Aber was ist jetzt mit diesen beiden Mini-Typen? Ich denke, wir sollten sie stellen.« »Eine Befragung der Verfolger könnte durchaus von Nutzen sein, Sir«, erwiderte der Butler. »Einen direkten Hinweis auf den Koordinator darf man allerdings kaum erwarten.« »Die beiden Typen wissen doch längst, daß wir sie bemerkt haben, Parker.« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir«, lautete die Antwort des Butlers. »Dies bezieht sich jedoch nicht auf den Honda-Wagen, der permanent dem Mini-Cooper folgt.« »Ein Honda ist auch noch hinter uns her?« staunte der Anwalt. Ihm war dieser Wagen entgangen. »In ihm dürften die wirklichen Verfolger sitzen, Sir«, murmelte Josuah Parker. »Der Koordinator wird die feste Absicht verfolgen, möglichst schnell zur Sache zu kommen.« »Na schön, Parker, dann zaubern Sie mal«, erwiderte der Anwalt und streckte sich entspannt aus. Er wußte aus Erfahrung, daß man sich auf den Butler in jeder Lebenslage verlassen konnte. * Parker hatte die Verfolger auf ein Terrain gelotst, das ihm sehr vertraut war. Östlich der Tower Bridge befanden sich die St. Katharine’s 31
Docks, die zu einer Riesenbaustelle geworden waren. London hatte die Docklands neu entdeckt und gestaltete diese Region völlig um. Die einstmals tote und heruntergekommene Gegend hatte neue Betriebe der High-Tech-Industrie angezogen. In ehemaligen Lagerhäusern befanden sich jetzt Büros, Apartmentwohnungen und Agenturen. Dennoch gab es immer noch große Baulücken und Blocks, die auf eine Neugestaltung warteten. Es war das ideale Gelände, um sich mit Vertretern der kriminellen Szene auseinanderzusetzen. Hier war und blieb man unter sich. Mit einer Gefährdung unschuldiger Mitmenschen war ganz sicher nicht zu rechnen. Butler Parker verschwand mit seinem hochbeinigen Gefährt zwischen Schutthalden und halb abgerissenen Werftanlagen. Er hatte ein wenig Gas gegeben und ließ den Mini-Cooper förmlich stehen. Dann wischte Parker um eine größere Schutthalde herum, passierte einen kleinen Trümmerberg und… hatte den Honda plötzlich vor sich. Genau das war seine Absicht gewesen. Der Butler hatte eine Art Schublade unter seinem Fahrersitz vorgezogen und entnahm dem Behälter eine Eierhandgranate, die zwar nur aus Plastik bestand, aber sehr echt aussah. Sie stammte aus einem Spielwarengeschäft und gehörte zu einem Set, das man erstaunlicherweise für Kinder kaufen konnte. Die Hersteller dieser an sich schon perversen Artikel, die den Krieg verharmlosen und verherrlichen sollten, machten laut Auskunft der Verkäuferin mit diesem ›Einzelkämpfer-Set‹ gute Umsätze. Der Fahrer des Honda merkte zu spät, wer ihm plötzlich im Nacken saß. Als er Parkers hochbeiniges Monstrum ausmachte, gab er Gas und wollte entkommen, doch er hatte keine Chance. Parker ließ den starken Rennmotor unter der eckigen Haube seines Wagens kurz aufrauschen, überholte dann links und… warf 32
die Eierhandgranate geschickt durch das geöffnete Fenster in den Fond des Honda. Der Fahrer hatte den Wurf mitbekommen, bog nach rechts ab und zeigte Panik. Er hatte den Gegenstand identifiziert und rechnete mit Ärger. Er brüllte seinem Beifahrer etwas zu, bremste hart, drückte die Wagentür auf und rannte in Deckung, die sich in Form eines verrotteten Bretterstapels anbot. Sein Mitfahrer tat es ihm nach. Er fiel förmlich aus dem Wagen, stolperte, fing sich wieder und folgte seinem Partner. Die beiden Männer entwickelten eine beachtliche Grundgeschwindigkeit und bekamen daher nicht mit, was sich hinter ihnen tat. Josuah Parker hatte ebenfalls gehalten. Er stand bereits neben seinem Wagen und hielt die Gabelschleuder schußbereit in den schwarz behandschuhten Händen. Er hatte die Lederschlaufe, die die Gummistränge miteinander verband, mit einer hart gebrannten Ton-Erbse »geladen« und brachte unmittelbar darauf seinen ersten Treffer an. Der Fahrer des Honda, der den Bretterstapel fast erreicht hatte, verlor plötzlich die Kontrolle über seine Muskeln. Die Beine wurden ihm förmlich weggeschlagen. Er legte sich auf den Bauch, schrammte etwa dreißig Zentimeter über den Boden und blieb dann regungslos liegen. Der Beifahrer sah natürlich, was mit seinem Fahrer passierte. Er bremste seinen Schwung, war völlig irritiert und wandte sich hastig um. Er sah Parker neben dem hochbeinigen Gefährt, langte mit der rechten Hand unters Jackett und hatte die feste Absicht, eine Schußwaffe zu ziehen. Parker durchkreuzte dieses Vorhaben. Seine zweite Ton-Erbse war bereits unterwegs und erwischte zielgenau die hohe Stirn des potentiellen Schützen. Der Getroffene blieb daraufhin einen Moment wie versteinert stehen, knickte dann ein und fiel rücklings zu Boden. Er landete auf ver33
rosteten Konservenbüchsen und verursachte einen nicht unbeträchtlichen Lärm. »Das macht Ihnen so schnell keiner nach, Parker«, ließ Mike Rander sich vernehmen. Er tauchte neben dem Butler auf und zündete sich lässig eine Zigarette an. »Die beiden Personen werden meiner Wenigkeit mit Sicherheit gram sein«, meinte Josuah Parker. »Durchaus verständlich, Parker«, erwiderte der Anwalt und lächelte spöttisch. »Sie halten sich ja noch nicht mal an die üblichen Spielregeln.« * Mike Rander hatte die Schußwaffe des Beifahrers an sich genommen und blickte zum Mini-Cooper hinüber, der kurz neben einem Schuttberg aufgetaucht war. Als er seinen Arm samt Waffe hob, ließ der Fahrer des Mini-Coopers blitzschnell die Kupplung kommen, die Reifen durchtouren und setzte sich dann in Richtung Hauptstraße ab. »Hartgesotten wirkten die gerade nicht«, meinte Rander und wandte sich wieder Parker zu, der die beiden Honda-Fahrer gerade verschnürte. Er benutzte dazu zähes Paketband, das mit Nylonfäden zusätzlich verstärkt war. Er hatte die Arbeit gerade beendet, als die beiden Honda-Fahrer wieder zu sich kamen und einige Sekunden brauchten, um sich neu zu orientieren. »Bringen Sie freundlicherweise Verständnis für die Handlungsweise meiner Person auf«, bat Josuah Parker sie in seiner höflichen Art. »Mister Rander und meine Wenigkeit hatten den Eindruck, von Ihnen verfolgt zu werden.« »Habt ihr noch alle Tassen im Schrank?« fragte der Fahrer und bäumte sich förmlich auf. »Schneidet uns sofort los«, drohte der Beifahrer. »Oder wir las34
sen euch durch die Mangel drehen.« »Was machen wir mit diesen Typen, Parker?« fragte Mike Rander. Er tat wie Parker so, als hätte man nichts gehört. »Man könnte sie zu einer mehr oder weniger kurzen Seereise einladen, Sir«, antwortete der Butler. »Und wie bekommen wir sie auf ein Schiff?« »Es gibt da eine Spedition, die den Mittelmeerraum bedient«, beantwortete der Butler höflich und sachlich die Frage. »Ein Verbringen der beiden Personen in einen passenden Container dürfte keine Schwierigkeiten bereiten.« »Seid ihr wahnsinnig?« empörte sich der Beifahrer und strampelte und scharrte mit den Beinen. »Und wie lange würde solch eine Seereise dauern, Parker?« Rander schien erneut nichts gehört zu haben. »Es kommt auf den betreffenden Frachter an, Sir. Haben Sie in dieser Hinsicht besondere Wünsche?« »Na ja, drei oder vier Tage sollten die Burschen schon aus dem Verkehr gezogen werden.« »Dann empfiehlt sich wohl Spanien, Sir.« »Okay, Parker, leiten Sie das in die Wege.« »Sollte man vorher vielleicht nicht doch versuchen, die beiden Herren zu vernehmen?« »Reine Zeitverschwendung«, meinte der Anwalt und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Die Burschen werden nie singen, das sieht man doch auf den ersten Blick.« »In der Tat, Sir.« Parker schickte sich an, zum hochbeinigen Wagen zurückzugehen. »Moment mal, Leute, Moment«, rief der Fahrer des Honda nachdrücklich. »Wer sagt denn, daß wir nicht singen werden?« »Meine Menschenkenntnis«, entgegnete Mike Rander. »Da haben Sie sich aber in den Finger geschnitten«, behauptete der Fahrer. »Und ob wir singen werden!« 35
»Man muß natürlich davon ausgehen, Sir, daß die Herren verständlicherweise lügen werden«, wandte der Butler ein. »Eben«, sagte Rander und zeigte sich gelangweilt. »Vielleicht kommen wir über das Kennzeichen viel schneller weiter.« »Der Wagen ist geklaut«, warf der Beifahrer hastig ein. »Der bringt euch keinen Schritt weiter.« »Sind die beiden Knaben überhaupt wichtig für uns?« fragte Mike Rander den Butler. »Wie wär’s denn, Leute, wenn ihr euch mal mit John Mattlew befassen würdet?« tippte der Fahrer des Honda hastig an. »Der hat uns nämlich angeheuert.« »Und wie lautete der Auftrag?« Mike Rander gähnte. Er schien nicht ganz bei der Sache zu sein. Er wirkte gelangweilt. »Wir sollten euch ‘ne Abreibung verpassen«, lautete die Antwort, »ein paar Knochen brechen oder so, aber so was hätten wir natürlich nie gemacht.« »Natürlich nicht.« Rander lächelte ironisch. »Und wo findet man diesen Mattlew, Leute?« Er bekam umgehend eine erschöpfende Antwort. * John Mattlew mochte fünfzig sein. Er war ein Hüne von einem Mann und hatte Hände, die, was ihre Größe betraf, an Kohlenschaufeln erinnerten. Mattlew betrieb auf einem verwinkelten Hinterhof im Stadtteil Stepney einen Handel mit gebrauchten Reifen und verlieh auch Kleinanhänger. Er blickte seine Besucher stirnrunzelnd an und überlegte sichtlich, was sie wohl hierhergetrieben hatte. Er grinste schief, als Parker seine schwarze Melone lüftete. »Ich wette, Sie haben sich verlaufen«, meinte Mattlew, von 36
dem Parker sich vorn an der Straße eine genaue Personenbeschreibung hatte geben lassen. »Sie sind John Mattlew?« vergewisserte sich Mike Rander. »In voller Größe«, lautete die Antwort. »Und wer sind Sie?« »Es geht um Mister Josuah Parker«, redete der Anwalt weiter. »Sie heuerten zwei Leute an, um ihn zu verfolgen?« »Wie kommen Sie denn auf einen solchen Blödsinn?« fragte John Mattlew und schob sich wie zufällig an eine Werkbank heran, die rechts vom Eingang zu seinem Betrieb stand. Auf dieser Werkbank lagen einige handliche Rohrstücke, Werkzeuge aller Art und Montagehebel. »Wir erwischten zwei Burschen, die Ihren Namen nannten, Mattlew«, sagte Mike Rander. Er tat so, als hätte er die halbe Drehung des Reifenhändlers nicht mitbekommen. Der Anwalt wußte, daß auch Parker dieses Hinwenden nicht entgangen sein konnte. Sie waren ein eingespieltes Team, das in der Vergangenheit schon viele Abenteuer bestanden hatte. »Okay, zwei Typen haben also meinen Namen genannt«, erwiderte Mattlew. »Und wo sind die Kerle?« »Im Kofferraum meines Wagens«, antwortete der Butler. »Sie hatten die Aufgabe, einige Knochen zu brechen, wie man sich auszudrücken beliebte.« »Das könnt ihr auch von mir haben.« Der Hüne war wirklich nicht langsam. Er riß einen Montagehebel hoch und hatte die Absicht, damit auf Parker loszugehen. Doch Mattlew erlebte eine böse Überraschung. Er zuckte plötzlich zusammen und starrte fast ungläubig auf den stricknadelgroßen Pfeil, an dessen Schaft sich kleine, bunte Federn befanden. Dieser Pfeil steckte in seinem Unterarm und löste Panik in dem großen Mann aus. Er ließ den Montagehebel fallen und wurde wesentlich kleiner. Dann stieß er eine Art Wimmern hervor und hielt seinen Arm 37
förmlich anklagend in die Höhe. Er wagte es nicht, den Pfeil aus dem behaarten Unterarm zu ziehen. »Was… was ist das?« fragte er schließlich. »Ein Blasrohrpfeil nach Art der Amazonas-Indianer«, antwortete Josuah Parker höflich. »Sie sollten sich nicht unnötig bewegen, Mister Mattlew, sonst könnte Ihr Blutkreislauf den Wirkstoff zu schnell durch Ihren Körper transportieren.« »G… g… gift?« stotterte der Reifenhändler, dessen Gesicht grau geworden war. »Nicht unbedingt, Mister Mattlew«, entgegnete der Butler. »Aber Sie werden sich gleich nicht mehr sonderlich wohl fühlen.« »Mir is’ schlecht«, behauptete der Mann auch schon, ließ sich auf einem Kanister nieder und stierte nach wie vor auf den Pfeil. Das wirklich seltsame Geschoß stammte aus dem hohlen Schirmstock des Butlers und war von komprimierter Kohlensäure angetrieben worden. Die dazu notwendige Patrone befand sich im unteren Teil des Bambusgriffs und gab per Knopfdruck die erforderliche Antriebsladung an den Pfeil ab. »Nicht, daß der Mann einen Kollaps bekommt«, warnte Mike Rander. »Haben Sie nicht so etwas wie ein Gegenmittel bei sich, Parker?« »In der Tat, Sir«, antwortete der Butler. »Während meine Wenigkeit danach sucht, könnte Mister Mattlew aber vielleicht Auskunft darüber geben, für wen er die beiden Verfolger engagierte.« »Der Koordinator«, kam leise, aber dennoch prompt die Antwort von John Mattlew. »Der Koordinator hat mich angerufen und mir dafür zweihundert Pfund in den Betrieb geschickt.« Mattlews Gesicht war inzwischen schweißbedeckt. Er reagierte kaum, als Parker den Pfeil an sich nahm. »Und wer ist der Koordinator?« fragte Mike Rander. Er rech38
nete nicht mit der Nennung eines Namens. »Keine Ahnung, wer das ist«, sagte Mattlew. »Der hat angerufen, mehr weiß ich nicht.« Josuah Parker hatte den bunt gefiederten Pfeil in die Falten seines Universal-Regenschirmes geschoben und nahm einen Kunden wahr, der gerade das kleine Grundstück betreten hatte. Dieser Mann trug einen blauen Overall, eine langschirmige Kappe und hatte sich einen Motorradreifen über die linke Schulter geschoben. Der Butler dachte unwillkürlich an das Killerspiel und an die Tatsache, daß der ominöse Koordinator ihn zum Zielobjekt erklärt hatte. * »Ich brauch ‘ne neue Decke«, rief der Mann, der nach Parkers Schätzung etwa dreißig Jahre zählte. Er zog den Arm aus dem Reifen und winkte Mattlew zu. Er gab sich völlig harmlos, doch Parkers inneres Alarmsystem hatte sich bereits deutlich gemeldet. Der Butler spürte ein Vibrieren in seinen Nerven, eine kaum zu beschreibende Kälte in seinem Kopf. Für ihn war das ein sicheres Zeichen dafür, daß akute Gefahr im Verzug war. Parker grüßte allerdings in seiner höflichen Art und… ließ dann seine Kopfbedeckung fliegen. Sie sirrte aus dem Handgelenk heraus auf den Mann zu, der völlig überrascht wurde. Bevor er sich ducken konnte, hatte die Melone ihn bereits erreicht und seine Brust getroffen. Der Mann taumelte zurück, gurgelte leicht und nahm dann auf dem Boden Platz. Er schnappte nach Luft und stierte den Butler an. »Sie werden meines tiefen Mitgefühls sicher sein, falls meine 39
Wenigkeit einen Irrtum begangen haben sollte«, sagte der Butler und ging dann auf den jungen Mann zu, dessen Blick bereits wieder klar wurde. Er zog die Beine an und machte sich bereit, plötzlich aufzuspringen. Dabei langte er in seine rechte OverallTasche. »Was ist los, Parker?« erkundigte sich Mike Rander. »Möglicherweise handelt es sich bei dem Besucher um einen Teilnehmer am Killerspiel des Koordinators«, antwortete Josuah Parker. Dann deutete er mit der. Spitze seines Schirmes zurück auf John Mattlew, der inzwischen wohl Morgenluft gewittert hatte. Der wollte so schnell wie möglich an das Gegenmittel kommen und den Anwalt attackieren. Mattlew hatte sich diesmal mit einem Rohrstück ausgerüstet und wollte es auf Mike Rander niedersausen lassen. Nun zeigte sich, daß der Anwalt keineswegs nur phlegmatischlässig war. Ohne jeden erkennbaren Übergang verwandelte Mike Rander sich in einen Einzelkämpfer, der sich so gut wie in jeder Kampfart auskannte. Rander riß das rechte Bein hoch, während er den Körper wegdrehte, um dem ihm zugedachten Schlag auszuweichen. Seine Schuhspitze knallte gegen den Unterkiefer des Hünen, der daraufhin eindeutig Zahnschmerzen bekam. Mattlew wurde gegen die Werkbank geschleudert und rutschte an ihr ab. Er sammelte sich aber wieder und schwang die mächtigen Fäuste. Nein, er hatte keine Chance… Mike Rander trieb ihn mit blitzschnellen Handkantenschlägen zurück gegen die Wand seiner Werkstatt und schlug dann abschließend mit beiden Händen zu. Daraufhin ging John Mattlew zu Boden und paßte. Er hüstelte, keuchte, schnappte nach Luft und entspannte sich schließlich. Der junge Mann vor Parker hatte bis zu diesem Zeitpunkt fasziniert zugeschaut und wollte nun sein Glück versuchen. Er 40
sprang auf, wie Parker es erwartet hatte, und hielt plötzlich ein langes Klappmesser in der Hand. Er machte deutlich, daß er die feste Absicht hatte, es Parker in den Unterleib zu jagen. Der Butler ließ sich erst gar nicht auf einen Zweikampf ein. Er warf den altväterlich gebundenen Regenschirm senkrecht hoch in die Luft und griff im geeigneten Moment nach dem unteren Drittel des Schirmstocks. Dann schwenkte er den Bambusgriff nach unten und setzte ihn auf das Handgelenk des Angreifers. »Meine Hand«, stöhnte der falsche Monteur. »Sie sind Teilnehmer am Killerspiel?« erkundigte sich der Butler. »Sie haben noch eine zweite Hand«, erinnerte Mike Rander kühl, »Nein, nein, lassen Sie die Hand in Ruhe«, stöhnte der junge Mann. »Ich spiele mit…« »Wann hat der Koordinator Sie hierhergeschickt und Sie auf meine Wenigkeit aufmerksam gemacht?« wollte der Butler wissen. »Vor anderthalb Stunden«, lautete die ein wenig verblüffende Antwort. »Seitdem hab’ ich hier gewartet, bis Sie aufkreuzten.« Horace Pickett war vor Jahren ein Meister seines Fachs gewesen und hatte sich für fremde Brieftaschen interessiert. Nach einem peinlichen Fehlgriff – die Brieftasche gehörte einem Mafioso – war er von Gangstern gehetzt worden und wäre sicher umgekommen, wenn Parker sich nicht für ihn eingesetzt hätte. Seit dieser Zeit stand Horace Pickett auf der Seite des Gesetzes und machte sich eine Ehre daraus, für Mylady und Parker arbeiten zu können. Der etwa sechzigjährige Mann, groß und schlank, erinnerte an einen pensionierten Offizier. Seine Verbindungen zur kriminellen Szene waren nach wie vor ausgezeichnet. Er unterhielt viele Kontakte zu Informanten und war ein Meister der Observation. Dieser bemerkenswerte Mann traf sich mit Parker und Mike 41
Rander auf dem Hinterhof eines griechischen Lokals in der Nähe von Soho. Er war von Parker telefonisch verständigt worden und prompt zur Stelle. »Die Luft ist hier völlig sauber«, meldete Pickett nach der Begrüßung, »aber ich habe noch zwei Bekannte mitgebracht, die alles absichern.« »Eine Maßnahme, die man nur als weise bezeichnen kann und muß«, gab Josuah Parker zurück. »Sie haben diesen Hinterhof sicher nicht ohne Grund vorgeschlagen.« »Der Inhaber ist ein guter Bekannter von mir, man kann sich auf ihn verlassen, Mister Parker.« »Es geht um einen sogenannten Koordinator, Mister Pickett«, schickte der Butler voraus. »Sollten Sie diesen Namen schon mal gehört haben?« »Und ob, Mister Parker.« Pickett nickte. »Eine böse Sache ist das. Zwei Leute sollen bereits umgebracht worden sein.« »Sind Ihnen möglicherweise die Namen der Opfer bekannt, Mister Pickett?« »Ich hab’ sie mir sicherheitshalber gemerkt, als davon hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurde«, lautete Picketts Antwort. »Es handelt sich um Mike Littering und Harry Setters.« »Zwei Opfer, die besonders gekennzeichnet gewesen sein sollen, Mister Pickett.« »Beide hatten eine Schießscheibe für Kleinkaliberschießen bei sich. Und der Name Koordinator soll quer durchgeschrieben worden sein.« »Man dürfte demnach über diesen Koordinator rätseln, Mister Pickett.« »Sehr sogar, Mister Parker«, konnte Pickett weitere Auskunft geben. »Hier hat ein Unbekannter sein mörderisches Spiel aufgezogen. Und das geht gegen die Szene, wenn Sie verstehen, was ich meine.« 42
»Die Herren Setters und Littering gehörten der Unterwelt an?« »Eindeutig, Mister Parker«, bestätigte der ehemalige Eigentumsumverteiler und nickte. »Setters machte in Geldverleih und hatte eine ganz schöne Macht. Littering hatte sich auf Wäschereien spezialisiert und ließ sich Schutzgelder zahlen. Auch er war eine kleine Größe in der Szene.« »Die sicher nicht erst seit einigen Monaten tätig waren, Mister Pickett.« »Ganz sicher nicht, Mister Parker. Littering und Setters waren etabliert und hatten ihre Reviere. Natürlich zahlten sie ihre Prozente an das Syndikat.« »Demnach hat der erwähnte Koordinator also durchaus die Absicht, dieses Syndikat zu provozieren, Mister Pickett?« »So wird das allgemein gesehen, Mister Parker«, bestätigte Pickett. »Es herrscht überall Alarmstimmung. Die Mörder sind nicht zu lokalisieren, sie stammen wahrscheinlich nicht aus der Szene.« »Man sucht nach ihnen, hat aber bisher noch keine Spur gefunden, wie zu vermuten ist.« »Genau, Mister Parker. Man weiß inzwischen nur von diesem verrückten Killerspiel, das da durchgezogen wird. Theoretisch kann ja jeder Passant einer der Killer sein.« »Ihnen ist ein Mister John Mattlew bekannt, Mister Pickett?« »Ein Schläger-Vermieter für grobe Sachen«, lautete Picketts Antwort. »Seine Leute sind noch nicht mal gut.« »Und wohl daher bestens geeignet gewesen, um Mister Rander und meine Wenigkeit in eine bestimmte Position zu bringen«, vermutete der Butler. Um Pickett ins Bild zu setzen, berichtete er von der doppelten Verfolgung. Pickett verstand sofort und nickte lächelnd. »Der Koordinator ist davon ausgegangen, daß Sie die beiden Wagen ausmachen würden«, sagte er dann. »Und er wußte wohl 43
auch, daß Sie die beiden Honda-Leute dazu bringen würden, ihren Auftraggeber zu nennen.« »Eben Mister Mattlew«, entgegnete der Butler. »Und in der Nähe dieses Betriebes ließ, er den jungen Mann Position beziehen. Das erklärt auch die Zeitvorgabe für ihn. Der Koordinator wußte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, daß man sich bei Mister Mattlew einfinden würde.« »Sie haben es mit einem sehr gefährlichen Täter zu tun, Mister Parker«, warnte Horace Pickett. »Dieser Mörder denkt um Ecken herum.« »Eine interessante Herausforderung«, gab der Butler zurück. »Ob der Koordinator nicht in der Nähe von Mattlews Werkstatt war, als Sie und Mister Ränder kamen?« »Dies sollte man jetzt wohl als gegeben betrachten«, meinte der Butler. »Der Koordinator muß über gewisse Kenntnisse verfügen, was die kriminelle Szene betrifft.« »Weil er Setters und Littering umgebracht hat, nicht wahr?« »Hat umbringen lassen«, korrigierte der Butler. »Er selbst dürfte sicher kaum in Erscheinung getreten sein.« »Er muß also auch Mattlew kennen.« »Und noch sehr viele andere Personen, die der Unterwelt zuzurechnen sind«, bestätigte der Butler. »Der Koordinator kopiert offensichtlich ein Spiel, das wie eine Seuche grassiert.« »Und was könnte er damit bezwecken, Mister Parker?« fragte Pickett. »Noch sind die Motive nicht klar zu erkennen«, bedauerte der Butler, »aber es könnte sich durchaus um Rache handeln. Vielleicht will der Koordinator aber auch nur Macht anstreben und damit natürlich auch seine Finanzen aufbessern.« »Ein scheußliches Spiel«, sagte der ehemalige Eigentumsumverteiler und schüttelte sich. »Jeder noch so harmlos aussehende Passant kann ein Mörder sein. Wissen Sie, ich frage mich nur, 44
woher er seine Mitspieler nimmt.« »Vielleicht weiß man in einigen Stunden bereits mehr«, äußerte der Butler. »Meine Wenigkeit wird sich mit einem dieser Mitspieler näher befassen.« »Sie meinen den Mann, der Sie niederstechen wollte?« »Er darf sich bereits jetzt als Myladys Gast betrachten«, erwiderte Josuah Parker. »Er wartet im Kofferraum meines Gefährts darauf, nach Shepherd’s Market verbracht zu werden.« »Dann dürfte ja einiges auf ihn zukommen«, meinte Pickett und lächelte wissend. »Dies ist in der Tat keineswegs auszuschließen«, gab der Butler zurück. * »Wie kann man nur solche taktischen Fehler begehen?« räsonierte Lady Agatha eine Stunde später. Mike Rander und Butler Parker hatten gerade berichtet, was sich während Myladys Meditation zugetragen hatte. Agatha Simpson schüttelte verweisend den Kopf. »Sie denken an die beiden Honda-Knaben und an Mattlew?« fragte der Anwalt, während Parker eine Erfrischung reichte. Die Hausherrin trank Cognac mit einem Schuß Tee und nahm dazu winzige Törtchen, die mit Früchten und Sahne zusätzlich dekoriert waren. »Solche Lümmel läßt man nicht laufen«, präzisierte die ältere Dame ihren Vorwurf. »Sie hätten mich ohne jeden Umweg zu diesem Selektor geführt.« »Eine solche Blöße hätte sich der Koordinator wohl kaum gegeben, Mylady«, erwiderte Mike Rander und korrigierte beiläufig den Versprecher der älteren Dame. »Dennoch!« Sie zog ein grimmiges Gesicht. »Ich denke, ich 45
werde mich wohl wieder einschalten müssen, damit die allgemeine Übersicht nicht verlorengeht.« »Mylady denken an den jungen Mann, der die feste Absicht hatte, meine Wenigkeit mit einem Messer zu tangieren?« erkundigte sich der Butler. »Natürlich, Mister Parker.« Sie lächelte ohne Übergang. »Sie sind sich hoffentlich im klaren darüber, daß er Sie zwar niederstechen wollte, mich aber im Grund meinte.« »Der Koordinator dürfte inzwischen längst wissen, welche Gefahr von Mylady ausgehen.« »Das will ich meinen.« Sie war mit dieser Deutung mehr als einverstanden. »Gibt es sonst noch etwas, was ich unbedingt tun müßte, Mister Parker?« »Mylady werden sich noch mit dem Umfeld der Herren Setters und Littering befassen wollen.« »Selbstverständlich. Und wer sind die beiden Lümmel?« »Die bisher bekannten Opfer des Mörderspiels, Mylady.« »Treffen Sie alle erforderlichen Vorbereitungen, Mister Parker. Diesem Subjekt muß das Handwerk so schnell wie möglich gelegt werden.« »Glauben Sie, daß er sich an seine Spielregeln halten wird, Mister Parker?« fragte Kathy Porter. »Spielregeln, Kindchen?« Lady Agatha wirkte ein wenig irritiert. »Mord nur durch körperlichen Kontakt«, erinnerte Kathy Porter. »Noch dürfte der Koordinator sich überlegen fühlen, Miß Porter«, vermutete Josuah Parker. »Mit Schüssen aus dem Hinterhalt ist deshalb vorerst kaum zu rechnen.« »Dieses Subjekt muß größenwahnsinnig sein, Kindchen«, warf die passionierte Detektivin ein. »Ich habe es mit einem Psychopathen zu tun, nicht wahr, Mister Parker?« 46
»Der kühl rechnet, Mylady«, pflichtete Parker ihr bei. »Der Koordinator wird inzwischen längst wissen, daß seine Rechnung nicht aufgegangen ist, was die Adresse des Mister Mattlew betrifft.« »Keine unnötigen Einzelheiten, Mister Parker«, verbat Lady Agatha sich streng. »Sie müssen global denken, nur dann werden Sie Erfolg haben.« »Miß Porter und ich werden uns mal mit diesem Ken Gaynor befassen«, schlug Mike Rander vor. »Sehr schön«, kommentierte Agatha Simpson diesen Hinweis. »Es handelt sich um den Spielleiter des Killerspiels, Mylady, dessen Vater eine Kaufhaus-Kette besitzt.« »Um wen denn sonst, mein Junge?« antwortete die ältere Dame. »Ich kann mich noch sehr genau an diesen jungen Fant erinnern. Aber warum wollten Sie sich ausgerechnet mit ihm beschäftigen? Das bringt doch nichts.« »Mylady wünschen sicher letzte Gewißheit darüber, wer er tatsächlich ist.« »Der verzogene Sohn eines reichen Vaters«, meinte sie abfällig. »Dem man einen Nervenkitzel besonderer Art durchaus zutrauen sollte«, fuhr Parker fort. »Mylady schließen sicher nicht aus, daß Mister Ken Gaynor ein zweites Killerspiel leitet, in dem es um Menschenleben geht.« »Das sagte ich ja bereits«, gab sie zurück. »Eine Lady Simpson rechnet stets mit allen Möglichkeiten.« * Vertrauenerweckend sah die Firma des verblichenen Mike Littering nicht gerade aus. Sie befand sich im Osten der Stadt in der Nähe von Limehouse und war in einer Bürobaracke untergebracht. Daneben standen in einer offenen Remise einige alters47
schwache und angerostete Pick-up-Wagen, die mit Aluminiumleitern bestückt waren. Als Mylady und Parker auf das Firmengelände fuhren, entdeckten sie einige nicht gerade billige Limousinen, die den europäischen Nobelmarken zuzurechnen waren. Parker hielt neben einer solchen, stieg aus und lieh Mylady seine hilfreiche Hand, als sie den Wagen verließ. Als die Detektivin sich umschaute, kam ein schlanker, drahtiger Mann aus der Bürobaracke. Er mochte fünfundzwanzig sein, trug einen dunkelblauen Anzug mit breiten Kreidestreifen und schwarze Handschuhe. Er gab sich sehr lässig und überlegen. »Man erlaubt sich, einen erträglichen Nachmittag zu wünschen«, grüßte der Butler und bemerkte mit schnellem Blick, daß der junge Mann eine sicher gefüllte Schulterhalfter trug. »Sie haben Pech«, antwortete der junge Mann. »Die Firma ist geschlossen, das heißt, für heute wenigstens.« »Die Wagen deuten auf eine Art Gesellschafterversammlung hin«, sagte Butler Parker und zeigte mit der Schirmspitze auf den exklusiven Wagenpark. »Stimmt fast haargenau«, läutete die Antwort. »Mister Littering ist gestorben. Seine Firma soll übernommen werden. Vielleicht kommen Sie in ein paar Tagen noch mal vorbei, ja?« »Mister Littering segnete das Zeitliche?« »Er ertrank in seiner Badewanne.« »War er Nichtschwimmer?« schaltete Lady Simpson sich ein wenig boshaft ein. »Keine Ahnung.« Der junge Mann zuckte die Achseln. »Das wär’s dann wohl, ja?« »Auf keinen Fall«, erwiderte Lady Agatha. »Ich hatte vor, mich zu beschweren. Und das werde ich jetzt auch tun, haben Sie mich verstanden? Holen Sie mir irgendeinen Verantwortlichen! Die Scheiben meiner Stadtwohnung sind nur oberflächlich gerei48
nigt worden. Und dafür werde ich keinen Penny bezahlen.« Der junge Mann zögerte einen Moment, nickte dann und wandte sich ab. Er wollte in die Bürobaracke zurückgehen und merkte zu spät, daß Lady Agatha ihm dicht auf den Fersen war. Er blieb stehen, drehte sich blitzschnell um und beging den Fehler, sie mit beiden Händen abwehren zu wollen. Daraufhin trat die ältere Dame ihm auf den linken Fuß. Sie war füllig, groß und nicht gerade leicht. Ihr Körpergewicht setzte die Zehenpartien des jungen Mannes unter erheblichen Druck. Er stöhnte gequält und wußte nicht, was er von dieser Besucherin halten sollte. Bevor er sich darüber klarwerden konnte, stand Josuah Parker bereits neben ihm und verabreichte ihm eine Dosis aus seiner Sprayflasche. Sie sah, was die Größe betraf, nach einem Schnupfenmittel aus, stand unter hohem Druck und sprühte etwas ins Gesicht des jungen Mannes. Er schnappte nach Luft, hüstelte ein wenig und wurde dann weich und schlaff. Schließlich fiel er gegen Myladys Busen und rutschte an der älteren Dame hinunter zu Boden. »Immer diese Aufdringlichkeiten«, tadelte Agatha Simpson und blickte auf den am Boden Liegenden, dessen Gesichtsausdruck sich inzwischen gelöst hatte. Ein heiteres, entspanntes Lächeln umspielte seine Lippen. Er kicherte ein wenig albern, als Parker ihm die Faustfeuerwaffe aus der Schulterhalfter zog. »Das fängt ja sehr erfreulich an, Mister Parker«, sagte die ältere Dame und stieg über den jungen Mann hinweg. »So in etwa hatte ich mir den Nachmittag vorgestellt. Gegen Steigerungen habe ich überhaupt nichts einzuwenden.« * Die vier Männer im Alter zwischen fünfunddreißig und fünf49
undvierzig Jahren saßen in einer Besucherecke auf billigen Polstermöbeln und tranken Bier aus Dosen. Sie alle waren auffallend gut gekleidet, rauchten ausnahmslos Importe und blickten ein wenig irritiert auf Butler Parker, der die Tür geöffnet hatte und Lady Agatha den Vortritt gab. »Hoffentlich störe ich«, sagte die ältere Dame aufgeräumt, dennoch klang ihre dunkle, tragende Stimme ein wenig grollend. »Wer… wer sind Sie?« fragte einer der vier Männer. Er schien der älteste in der Runde zu sein und stand auf. »Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson begrüßen zu dürfen«, schickte der Butler voraus. »Mein bescheidener Name ist Parker, Josuah Parker.« »Parker?« kam die ein wenig gedehnte Antwort. »In der Tat«, gab der Butler zurück, »Mylady ermitteln in Sachen Killerspiel, um sofort zum Thema zu kommen.« »Sehr schön, aber das interessiert uns nicht«, antwortete der Mann. »Wir sind hier ‘ne geschlossene Gesellschaft.« »Deren Mitglieder vielleicht längst schon zu sogenannten Zielobjekten durch den Koordinator erklärt wurden«, machte Josuah Parker den Männern deutlich. »Zielobjekt? Was wissen Sie vom Koordinator?« Der Wortführer blickte Parker gespannt an. »Mister Littering dürfte bereits Opfer dieses Killerspiels geworden sein.« »Hauen Sie ab, Parker! Und nehmen Sie Ihre Lady mit«, fuhr der Mann den Butler an. »Verdrücken Sie sich, bevor wir handgreiflich werden.« »Sie wollen sich tatsächlich mit einer wehrlosen Frau anlegen?« hoffte Lady Agatha freudig. »Stop, Lemmy«, schaltete sich ein schlanker Vierzigjähriger ein. »Nur nicht durchdrehen. Wir sollten erst mal zuhören.« »Enttäuschen Sie Mylady nicht«, bat der Butler. 50
»Sie sind hinter dem Koordinator her?« fragte der Mann, der Lemmy hieß. Er bemühte sich deutlich um Ruhe. »Der auch einen Mister Setters umgebracht haben dürfte«, erinnerte Josuah Parker. »Stimmt«, sagte der Vierzigjährige, »ich heiße Mel… Mein Nachname tut nichts zur Sache, denke ich. Wieso sind die Lady und Sie hinter diesem Koordinator her?« »Meine Wenigkeit wurde ebenfalls zum Zielobjekt erklärt«, antwortete der Butler, »was sicher auch für Sie gelten dürfte.« »Auch ich bin selbstverständlich betroffen«, warf Agatha Simpson ein. »Aber dies war ja auch nicht anders zu erwarten.« »Der Koordinator muß sich in Ihrer Szene gut auskennen«, stellte Parker fest. »Über dieses Thema werden auch Sie sich bereits unterhalten haben.« »Da spielt irgendwer verrückt«, entgegnete der Mann, der sich als Mel vorgestellt hatte. »Klar doch, daß wir nach diesem Mistkerl suchen.« »Sie hegen bereits einen bestimmten Verdacht?« »Eben nicht, Parker. Jeder in der Szene kann dieses verdammte Killerspiel aufgezogen haben. Und wo sollen wir die Killer suchen? Die gehören ganz sicher nicht zu uns.« »Sie müssen Gründe für diese Annahme haben.« »Einen normalen Killer hätte Littering niemals an sich rangelassen«, antwortete der Mann, dessen Vorname Lemmy war. »Nein, Littering muß völlig ahnungslos gewesen sein.« »Als er in einer Badewanne saß, in der er überrascht wurde?« »Seine Wohnung war total gesichert, so mit Riegeln und Sicherheitsketten«, führte Lemmy hinzu. »Und das ganze Zeug war noch intakt, als man später die Tür aufbrach.« »Hatte der Täter die Möglichkeit, durch ein Fenster einzusteigen?« »Die Fenster waren geschlossen und ebenfalls gesichert. Und 51
dann die Lage der Wohnung, Mann, in der vierten Etage eines Wohnblocks. Von außen kann da keiner rein.« »Ein interessantes Problem«, fand Lady Simpson. »Hoffentlich haben Sie sich darüber schon Ihre Gedanken gemacht.« »Der Verblichene ertrank?« wollte Parker wissen. »Ist es ferner richtig, daß man auf seiner Brust eine Zielscheibe mit dem Namen des Koordinators fand?« »Nicht auf der Brust«, erklärte der Gangster. »Diese Schießscheibe fanden seine Leute in der Tasche seines Bademantels. Und ob Littering ertrank, steht auch noch nicht fest. Vielleicht war auch der Whisky vergiftet, den er getrunken hatte.« »Von Gift wurde auch im Fall des Mister Setters gesprochen, wenn Mylady richtig unterrichtet wurde.« »Gift in seiner Kaffeemaschine oder so«, lautete die Antwort. »Und bei Setters hat man diese verdammte Schießscheibe in seinem Briefkasten entdeckt.« »Ein Fall, der wie für mich gemacht ist«, warf die ältere Dame sehr zufrieden ein, um sich dann an die vier Männer zu wenden. »Sie sind also auch zu diesem Flug… äh, ich meine, zu diesen Zielobjekten erklärt worden?« »Nur ich bisher«, meldete sich Mel zu Wort. Er griff nach der Innentasche seines Jacketts und erregte damit die Wachsamkeit des Butlers, der sofort die Schirmspitze hob. Doch der Mann zog keineswegs eine Waffe, sondern eine Zielscheibe hervor, die er dem Butler überreichte. Sie war eindeutig für ein Kleinkalibergewehr gedacht. Mit roten Buchstaben, die vermutlich aus einem Kinder-Setzkasten stammten, war das Wort Koordinator aufgedruckt worden. »Wann, wenn man überhaupt sich erkundigen darf, wurde Ihnen diese Schießscheibe zugesandt?« fragte Josuah Parker. »Heute morgen«, lautete die Antwort. »Dann wurde ich auch noch angerufen. Von irgendeiner undeutlichen Stimme. Sie sagte 52
mir, ich war jetzt auch Zielobjekt und sollte verdammt auf mich aufpassen.« »Der Koordinator wird Sie kaum ohne Grund ausgewählt haben«, stellte der Butler fest. »Ich hab’ keinen blassen Schimmer«, behauptete Mel achselzuckend. »Aber ich werde aufpassen, darauf können Sie Gift…« »Dieses Wort scheint Ihnen nicht sonderlich zu behagen.« »Wer sagt uns eigentlich, daß nicht Sie und die Lady verrückt spielen?« fragte Mel lauernd. »Wir wissen doch, daß Sie sich dauernd mit uns anlegen! Vielleicht sind Sie durchgedreht und spielen verrückt? Solche Leute kommen doch auf die absurdesten Ideen.« Sein Hinweis fiel eindeutig auf fruchtbaren Boden. Die beiden anderen Männer aktivierten sich und wollten aufdringlich werden. Josuah Parker hatte den Eindruck, für eine allgemeine Ruhigstellung sorgen zu müssen. * Natürlich waren sie bewaffnet, doch sie kamen nicht mehr dazu, ihre diversen Pistolen zu ziehen. Der Butler hatte seinen altväterlich gebundenen Regenschirm in einen Kendo-Stock verwandelt. Er hielt ihn mit beiden Händen waagrecht in die Luft und benutzte die Enden dazu, die Angriffslüsternen in einem Wirbel von Schlägen und Stößen außer Gefecht zu setzen. Seine Gegner hatten eigentlich keine Chance, an ihre Waffen zu kommen. Sie stöhnten, hoben abwehrend die Arme und wurden mit harten Schlägen zurückgetrieben. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie entnervt auf dem Boden des Büros saßen und sich greinend beklagten. »Mußte das denn sein, Mister Parker?« tadelte die ältere Dame und zeigte auf die vier Männer. »Ein paar Ohrfeigen hätten doch 53
auch gereicht, wie?« »Meine Wenigkeit dachte an Schußwaffen, Mylady«, erklärte Josuah Parker, der bereits damit beschäftigt war, die Kerle zu entwaffnen. Sie leisteten keinen Widerstand und blickten den Butler ausgesprochen ängstlich an. »Wollen Sie sich nicht wehren?« donnerte Lady Agatha die Gangster an. Sie blickten zu Boden und verzichteten auf eine Antwort. »Scheußlich«, ärgerte sich die ältere Dame. »Ich hatte mir das aber nun wirklich anders vorgestellt. Und was soll nun geschehen, Mister Parker? Diese Subjekte sind doch völlig uninteressant für mich.« »Meine Wenigkeit möchte Mylady auf keinen Fall widersprechen. Die Hinweise auf die beiden verstorbenen Littering und Setters haben den Besuch aber lohnend gemacht.« »Ich werde über die Vergiftungen nachdenken«, versprach sie. »Und was steht nun auf meinem Programm?« »Mylady könnten vielleicht noch ermitteln, wer jener Mann ist, der bisher nur seinen Vornamen nannte.« »Richtig«, freute sie sich und nickte wohlwollend. »Ohne Grund dürfte er ja nicht diese Schießscheibe bekommen haben.« »Lady, schon gut, schon gut«, sagte Mel, als die Detektivin auf ihn zuschritt. »Ich bin Mel Patson. Ist ja kein Geheimnis.« Während er noch sprach, rieb er die linke Seite seiner Kinnlade und tastete vorsichtig nach der immer stärker werdenden Schwellung auf der Stirn. »Und was treiben Sie so, mein Bester?« Die ältere Dame fragte verdächtig leutselig, und Mel Patson merkte instinktiv, daß er sich in akuter Gefahr befand. »Ich… ich mache in… in Versicherungen.« »Was darf Mylady sich darunter vorstellen?« wollte Josuah Parker wissen. 54
»Na ja, ich versichere Leute«, kam die ein wenig zögernde Antwort. Mel Patson sprach undeutlich, seine Kinnlade schien sich ein wenig verklemmt zu haben. »Sie vertreten eine bestimmte Gesellschaft, Mister Patson?« wollte der Butler wissen. Natürlich war ihm längst klar, um welche Art von Versicherung es sich handelte. »Das… das auch«, erwiderte Patson undeutlich. »In erster Linie aber verkaufen Sie Ihr sehr persönliches Angebot, Mister Patson?« »Das auch«, räumte der Gangster ein. »Könnte man auch Schutzbriefe zu dem sagen, was Sie anbieten und verkaufen?« »Verdammt, Sie wissen doch längst, worum es da geht«, brach es aus Mel Patson hervor. »Aber mir soll erst mal einer nachweisen, daß ich dabei Druck ausübe.« »Im Grund sind Sie demnach ein Konkurrent des verstorbenen Mister Littering gewesen?« »Wir sind uns niemals ins Gehege gekommen«, verteidigte sich Patson schleunigst. »Jetzt kommen Sie bloß nicht auf die Idee, ich hätte die Masche mit dem Killerspiel abgezogen.« »Dies, Mister Patson, sollten und müßten Ihre Freunde beurteilen und auch entscheiden«, gab Parker zurück. »Mylady und meine Wenigkeit wünschen Ihnen noch eine angeregte Unterhaltung.« Er lüftete die schwarze Melone und geleitete seine Herrin zurück zum hochbeinigen Gefährt. Dabei passierte man den jungen Mann, der sich noch immer in einer anderen Welt zu befinden schien. Er lächelte Mylady und Parker glücklich an und winkte ihnen andeutungsweise. *
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Es war Abend geworden. Lady Agatha befand sich wieder in ihrem Haus in Shepherd’s Market und erschien in einem jener Gästezimmer, die Parker in den labyrinthartigen Gewölben des Hauses eingerichtet hatte. Der junge Mann, der sich als Gast des Hauses betrachten durfte, blickte die ältere Dame und ihren Butler unruhig-aggressiv an. Er trug noch immer den Overall und machte gerade in dieser Umgebung deutlich, daß dieser Schutzanzug nicht zu ihm paßte. Das Gästezimmer, zwar fensterlos, war recht ansprechend eingerichtet. Es gab eine Bettcouch, eine Sitzgruppe mit einem Couchtisch, einen Schrank, TV und ein Bad. Über mangelnden Komfort konnten sich die Bewohner also kaum beklagen. »Darf man sich nach Ihrer Allgemeinverfassung erkundigen?« fragte Josuah Parker, während er ein Tablett mit einem Imbiß abstellte. »Hören Sie! Sie halten mich hier gegen meinen Willen fest«, beschwerte sich der junge Mann. »Das wird Konsequenzen haben.« »Mit Konsequenzen haben Sie in der Tat zu rechnen«, antwortete Josuah Parker. »Darf man Sie höflich daran erinnern, daß Sie die feste Absicht hatten, meine Wenigkeit niederzustechen?« »Weil Sie mich angegriffen hatten«, verteidigte sich der junge Mann wütend. »Sie wollen demnach von Ihrer bisherigen Aussage abrücken und behaupten, nichts von einem Koordinator und von einem Killerspiel zu wissen?« »Was soll denn das nun wieder sein?« Der junge Mann hatte sich tatsächlich für eine neue Verteidigungslinie entschieden und tat ahnungslos. »Ich fühle mich gleich angegriffen und werde mich in berechtigter Notwehr verteidigen müssen«, schaltete Lady Agatha sich 56
ein. »Ich sollte Sie angegriffen haben?« Der verhinderte Messerstecher runzelte die Stirn. »Mit Worten vorerst, junger Mann«, definierte die ältere Dame. »Aber gleich werden Sie mich wohl anspringen.« »Ich denke nicht daran.« Er setzte sich auf die Kante der Bettcouch und wollte seine Gastgeber ignorieren. »Man wünscht Ihnen auch weiterhin einen mehr oder weniger angenehmen Aufenthalt«, sagte Parker. »Möchten Sie vielleicht einem Angehörigen eine Nachricht hinterlassen?« »Nachricht hinterlassen?« Er hob den Kopf und sprang auf. »Was soll das denn heißen? Wie lange wollen Sie mich hier noch festhalten?« »Bis zur Entdeckung des auch Ihnen bekannten Koordinators.« »Koordinator… Koordinator?! Verdammt, ich kenne ihn nicht.« »Man wird Sie rechtzeitig informieren, sobald sein Killerspiel beendet sein wird.« »Kein weiteres Wort mehr, Mister Parker«, verlangte Lady Simpson grollend. »Ich habe meine Zeit schließlich nicht gestohlen.« »Einen Moment, bitte«, sagte der junge Mann hastig. »Was passiert, falls ich Ihnen sage, wie das alles gekommen ist?« »Mit einer Lady Simpson kann man nicht handeln«, sagte die energische Dame streng. »Lassen Sie mich dann laufen? Es ist doch schließlich nichts passiert. Und überhaupt, ich hätte doch nie richtig zugestochen, das müssen Sie mir einfach glauben.« »Ich glaube Ihnen überhaupt nichts, junger Mann«, herrschte Agatha Simpson ihn an. »Ich muß hier raus, sonst bekomme ich Ärger«, redete der junge Mann hastig weiter. »Ich verliere sonst meinen Job… Verdammt, hätte ich mich doch nie auf dieses dämliche Spiel einge57
lassen.« »Sie sollten aus Ihrem Herzen nicht die sprichwörtliche Mördergrube machen«, schlug Josuah Parker vor. »Eine rückhaltlose Aussage wird sich nur vorteilhaft für Sie auswirken, wie man Ihnen versichern darf.« »Ich bin ein Rindvieh gewesen«, stöhnte der junge Mann. »Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich Ihnen widerspreche«, lautete Myladys Antwort. * Parker kam nicht mehr dazu, weitere Fragen zu stellen. Ein Piepser in der Ziertuchtasche seines schwarzen Zweireihers hatte sich gerade diskret gemeldet, ein Zeichen dafür, daß er oben im Haus gebraucht wurde. Er entschuldigte sich formvollendet bei seiner Herrin, die ihm wohlwollend zunickte. »Nehmen Sie sich Zeit, Mister Parker«, sagte sie. »Ich werde mich inzwischen mütterlich mit diesem jungen Fant unterhalten.« Parker verließ die Gewölbe, erreichte das Souterrain des Hauses und begab sich hinauf ins Erdgeschoß. Er öffnete den großen Wandschrank neben dem verglasten Vorflur in der Wohnhalle und schaltete die hausinterne Fernsehanlage ein. Auf dem Monitor erschien umgehend ein gestochen scharfes Bild. Es zeigte zwei Mitglieder der Heilsarmee, die vor der Haustür standen und einen durchaus frommen Eindruck machten. Sie trugen die ihnen eigene Uniform, das weibliche Mitglied sah recht angenehm und auch ein wenig schüchtern aus. Parker schaltete die Wechselsprechanlage ein und erkundigte sich nach den Wünschen des Pärchens. »Wir kommen im Namen des Heils«, sagte der männliche Soldat in Richtung Mikrofon, das im Türpfosten eingebaut war. 58
»Wir bringen eine frohe Botschaft.« »Herzlichen Dank«, antwortete Parker. »Wir veranstalten eine kleine Haussammlung«, erklärte der weibliche Soldat. »Kleine Sach- und Geldspenden sind willkommen.« »Ihnen wird selbstverständlich aufgetan werden«, entgegnete Josuah Parker. Er betätigte den elektrischen Türöffner und ließ die beiden Heilsarmee-Soldaten eintreten. Sie warteten höflich, bis die schwere Haustür aufgeschwenkt war, traten dann in den Vorflur und blieben hier stehen. Gefährlich sahen sie nicht aus, und erstaunlicherweise hatte sich die Metall-Sonde im Türrahmen nicht gerührt. Waffen herkömmlicher Art schienen sie nicht mitgebracht zu haben. »Wenn Sie sich einen Moment gedulden wollen«, bat der Butler und verschwand in der Tiefe der großen Wohnhalle. Am Treppenabgang, der ins Souterrain führte, blieb er stehen und beobachtete die beiden Soldaten des Heils. Nein, sie zeigten keine Ungeduld. Sie unterhielten sich noch nicht mal miteinander und standen einfach da in höflich-abwartender Haltung, durchaus korrekt und diszipliniert. Gangster oder nicht? Das war hier die Frage! Parker hatte längst in sich hineingehorcht. Seine private Alarmanlage hatte sich noch nicht gerührt. Sollte es sich tatsächlich um zwei echte und damit ehrenwerte Heilsarmee-Soldaten handeln? Parker kam gemessen zurück zum verglasten Vorflur und präsentierte auf einem ovalen Silbertablett eine Fünf-Pfund- Note. »Hoffentlich entspricht dies in etwa Ihren Erwartungen«, sagte er. Die Wechselsprechanlage zwischen Wohnhalle und Vorflur funktionierte ausgezeichnet. »Wer gibt, wird Dank empfangen«, sagte der männliche Soldat. Der Butler tat so, als hätte er die Absicht, die Tür zum Vorflur zu 59
öffnen, zögerte diesen Moment aber geschickt hinaus. »Bisher hat die Heilsarmee das bescheidene Heim der Lady Simpson stets überschlagen«, stellte er fest. »Auch dieser Acker und dieses Feld werden jetzt bestellt werden«, antwortete der weibliche Soldat schüchtern und schlug die Augen nieder. »Sie werden stets herzlich willkommen sein.« Josuah Parker streckte seine rechte Hand wieder vor und legte sie um den Türknauf. Die beiden Soldaten der Heilsarmee rührten sich nicht von der Stelle. Aber dafür rührte sich plötzlich Parkers körpereigenes Alarmsystem. Gefahr lag in der Luft. * Der Butler bewegte den Türknauf, zog die Glastür leicht an und… erlebte sofort eine massive Attacke. Die beiden Heilsarmee-Soldaten gaben jede Höflichkeit auf und warfen sich gegen die Tür, Sie wollten sie mit dem Gewicht ihrer Körper auffliegen lassen, doch sie hatten nicht mit dem Mißtrauen und der Schnelligkeit des Butlers gerechnet. Er drückte die Tür im letzten Augenblick zu und trat dann einen halben Schritt zurück. Die Soldaten prallten gegen das schwere Panzerglas der Tür und verstauchten sich die Schultern. Der weibliche Uniformierte stöhnte verhalten, der männliche produzierte einen unheiligen lästerlichen Fluch. Natürlich wollten die beiden Einlaßbegehrenden sich nach mißglückter Attacke schleunigst absetzen, doch das ging nun nicht mehr. Unbemerkt und lautlos hatte sich die schwere Haustür hinter ihnen wieder geschlossen. »Sollte meine Wenigkeit Sie mißverstanden haben?« wollte 60
Josuah Parker wissen, als die beiden Soldaten sich zu ihm umwandten und ihn nun keineswegs mehr demütig musterten. »Los, machen Sie auf«, verlangte der männliche Soldat gereizt. »Sie beteiligen sich nicht zufällig am Killerspiel des Koordinators?« fragte Parker, ohne auf das Verlangen des Mannes einzugehen. »Machen Sie sofort die Tür auf, Parker«, wiederholte der Mann noch mal und nannte zusätzlich Parkers Namen. »Auf welche Art sollte meine Wenigkeit in das sprichwörtliche Jenseits befördert werden?« »Jenseits? Wovon reden Sie überhaupt?« Dann aber winkte der Soldat Parker mit einer Handbewegung heran. Der Butler kam dieser ein wenig geheimnisvollen Aufforderung nach und… zuckte gespielt zusammen, als der Soldat plötzlich eine schwere Pistole zog und die Mündung auf Parker richtete. »Sie haben tatsächlich die Absicht, auf meine Wenigkeit zu schießen?« wollte der Butler wissen. Die Waffe konnte seiner Ansicht nach unmöglich echt sein. Die Türsonde hatte nicht angesprochen, also mußte die Waffe aus Plastik sein. »Ich drücke sofort ab, falls Sie die Tür nicht umgehend öffnen«, drohte der Mann gereizt. »Sie würden vor einem Mord nicht zurückschrecken?« wunderte sich der Butler. Selbst wenn die Waffe echt gewesen wäre, hätte sie kaum die gedachte Wirkung haben können, denn das Glas war schußfest. »Los jetzt, Parker, ich gebe Ihnen höchstens noch ein paar Sekunden.« »Und was geschieht danach?« »Das werden Sie dann schon sehen.« »Sie setzen meine Wenigkeit unter einen gewissen Zugzwang«, bekannte Josuah Parker. Er beobachtete auch den weiblichen Soldat der Heilsarmee. Die junge Frau umspannte mit ihren 61
Händen krampfhaft die Spendendose aus Blech. Ob dies etwas zu bedeuten hatte, wußte Parker noch nicht. »Ihre Zeit ist gleich um«, warnte der männliche Soldat inzwischen. »Der Koordinator hat Sie geschickt, nicht wahr?« tippte der Butler noch mal an. »Sie sind so oder so geliefert, Parker.« Der Soldat korrigierte den Lauf der Waffe und lächelte verkrampft. »Sie sehen nicht nach einem Mörder aus«, machte Parker ihm klar. »Sie entstammen unmöglich der Unterwelt. Warum haben Sie sich auf dieses Killerspiel eingelassen?« »Okay, sie wollen es nicht anders«, erwiderte der Soldat, doch er drückte noch immer nicht ab. »Einen Moment, wenn man höflich bitten darf«, schlug der Butler vor. »Falls Sie zu einer Aussage bereit sind, könnte man sich auf eine Art und Weise trennen, als hätte man sich nie gesehen.« »Die Tür auf, Parker, oder ich schieße Sie zusammen!« »Nun denn, meine Wenigkeit entscheidet sich für die zugedachten Schüsse.« Der Soldat ließ die Waffe sinken und nagte an seiner Unterlippe. Er war ratlos und wußte nicht, wie er aus der Situation wieder herauskam. »Wir… wir nehmen Ihr Angebot an«, ließ der weibliche Soldat sich plötzlich vernehmen und trat einen halben Schritt vor. »Wir sind im Killerspiel und sollten Sie mit Farbstoff markieren.« »Könnten Sie sich möglicherweise ein wenig deutlicher ausdrücken?« »Wir markieren unsere Opfer mit Farbstoff. Mein Partner hat eine Plastikpistole, die damit gefüllt ist.« »Und was, wenn man fragen darf, enthält Ihre Spendendose?« erkundigte sich Josuah Parker. 62
»Was sie enthält? Nichts, gar nichts! Was soll sie denn enthalten?« »Sie präsentieren sie in einer Art, die auf eine gewisse Vorsicht Ihrerseits deuten läßt.« »Das sieht nur so aus«, entgegnete der weibliche Soldat eifrig. »Würden Sie sie freundlicherweise umdrehen?« »Was soll denn das?« fragte die Frau ärgerlich. »Fürchten Sie sich etwa vor der Säure, die sich in der Sammelbüchse befindet?« tippte Parker an. Er war gespannt, ob seine plötzliche Deutung sich als richtig erwies. * Seine Deutung stimmte. Der weibliche Soldat holte zum Wurf aus, ließ den Arm aber wieder sinken. »Sie befinden sich auf einer Falltür«, machte Parker ihnen klar. »Es steht im Belieben meiner Wenigkeit, Sie in einer Grube verschwinden zu lassen.« »Sie bluffen doch nur«, rief der weibliche Soldat. »Falls sich der Boden unter Ihnen senken sollte, dürfte zumindest ein wenig von der Säure verschüttet werden«, warnte der Butler die beiden Boten des Heils. »Sie müssen sich entscheiden, ob Sie dieses Risiko eingehen wollen.« »Falltür… Fallgrube?« Der weibliche Soldat blickte nach unten in Richtung Parkettboden. »Denken Sie an die erwähnte Säure in Ihrer Sammelbüchse«, erinnerte Josuah Parker. »Okay, Sie haben gewonnen«, sagte sie und… stellte die Sammelbüchse vorsichtig auf den Boden. »Woher haben Sie das mit der Säure gewußt?« »Es war ein angespannte Vorsicht, mit der Sie die Sammelbüchse hielten«, erklärte der Butler. »Aber nun zu Ihrem Killer63
spiel: Sie haben Zeit und Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Seit wann hat man Sie auf meine Wenigkeit angesetzt?« »Wir… wir haben vor zwei Stunden etwa unsere Spielmitteilung bekommen«, antwortete der weibliche Soldat. Der männliche Bringer des Heils nickte und machte einen immer noch ratlos-wütenden Eindruck. »Auf welche Weise erfolgte Ihre Spielmitteilung?« lautete Parkers nächste Frage. »Wir bekamen Namen und Adresse von Ihnen, Parker«, schaltete der männliche Soldat sich ein. »Und wir durften keine Schußwaffen mitnehmen, ich meine, eine echte.« »Die Verwendung von Säure entsprach demnach Ihrer Vorstellung?« »Säure ist ja wohl leicht übertrieben«, wiegelte der männliche Soldat ab. »In der Sammelbüchse befindet sich Essig-Essenz, nicht mehr.« »Ist dies heute Ihr erster Einsatz in diesem Killerspiel?« »Wir haben fast eine Woche lang auf unseren Einsatz gewartet.« »Und nach welchen Regeln verläuft solch ein Spieleinsatz, um auch dies noch zu klären?« »Jeder Mitspieler bekommt ein Zielobjekt, auf das er sich konzentrieren muß«, meinte der weibliche Soldat. »Und wenn die Sache geklappt hat, setzt man die Meldung ab.« »Auch in dieser Hinsicht wird es sicher ein besonderes Verfahren geben.« »Wir werden während unseres Einsatzes pro Tag einmal angerufen«, sagte der weibliche Soldat weiter aus. »Mehr als drei Tage hat ein Spieler aber nicht. Wenn er sein Zielobjekt bis dahin nicht geschafft hat, scheidet er aus, wird selbst zum Zielobjekt und hat seinen Einsatz verloren.« »Sie überfordern das Verständnis meiner Wenigkeit«, behaup64
tete der Butler höflich. »Wir haben drei Tage Zeit, unser Objekt zu schaffen«, übersetzte sie geduldig und lächelte ein wenig schüchtern. »Der Einsatz pro Spieler beträgt tausend Pfund. Wenn man innerhalb von drei Tagen keinen Erfolg hat, ist der Einsatz verloren und man wird selbst zum Zielobjekt.« »Mit anderen Worten, aus dem Spieler wird ein mögliches Opfer?« »Richtig, Mister Parker.« Sie nickte. »Und welch ein Gewinn erwächst Ihnen, falls Sie ihr Zielobjekt schaffen, wie Sie es auszudrücken belieben?« »Dann bekommt man ein neues Objekt vom Koordinator zugewiesen und bleibt im Spiel. Der Sieger des Spiels kann mit etwa fünfzigtausend Pfund rechnen .« »Darf man erfahren, wie sich diese Summe errechnet?« »Jedes Zielobjekt hat einen ganz bestimmten Wert, den der Spielleiter bestimmt«, übernahm der männliche Soldat nun wieder die Erklärung. »Demnach ist also auch auf meine Wenigkeit ein bestimmter Preis ausgesetzt?« »Sie sind als Zielobjekt tausend Pfund wert«, sagte der weibliche Heilsbringer fast begeistert. »Meine Wenigkeit wäre Ihre erste Prämie gewesen?« »Wir hatten uns das alles leichter vorgestellt«, bedauerte die Frau. »Aber Sie sollten meine Wenigkeit nicht töten?« »Natürlich nicht«, erwiderten die beiden Heilsarmee-Soldaten geradezu synchron. »Und was erwarten Sie nun von meiner Wenigkeit?« »Wir werden gehen und aus dem Spiel aussteigen«, schwindelte der männliche Soldat. »Sie werden dabei je tausend Pfund verlieren«, warnte Josuah 65
Parker, »und Sie könnten zum Zielobjekt der übrigen Mitspieler erklärt werden.« »Wir werden uns absetzen«, versprach der männliche Soldat. »Falls Sie nicht bereits beobachtet werden«, gab Josuah Parker zurück. »Der Koordinator dürfte das Killerspiel perfekt durchgedacht und aufgezogen haben. Wie kam es überhaupt zu diesem Kontakt? Der Koordinator dürfte nicht gerade annonciert haben.« »Wir haben früher schon mal in einem Killerspiel mitgemacht«, bekannte der weibliche Soldat, »das heißt, ich bin’s gewesen. Und dann wurde ich eines Tages vom Koordinator angerufen und habe meinen Freund hier interessiert.« »Demnach haben Sie sicher eine Ruhepause verdient«, meinte Josuah Parker. Er drückte auf einen Knopf seiner Fernbedienung und… ließ die beiden Heilsarmisten durch die Falltür nach hinten in die Grube treten. Sie verschwanden mit einem gemeinsamen Aufschrei. * »Eindeutig Salzsäure, Sir«, meldete Butler Parker, als er in den kleinen Salon zurückkam. Mylady, Kathy Porter und der Anwalt hatten sich zum gemeinsamen Dinner eingefunden, und Parker konnte nun einige Delikatessen servieren. Da die ältere Dame ihrer Körperfülle den Kampf angesagt hatte, verlangte sie entsprechende Speisen. Parker bot kaltes Roastbeef mit einer pikanten Remouladensauce an, einige Backkartoffeln mit saurer Sahne, diverse Salate, etwas geräucherten Lachs, eine Nierenpastete und eine reichhaltige Käseplatte. Mylady überblickte das Angebot und nickte zufrieden. »Sie denken an den Rumkuchen, Mister Parker«, erinnerte sie 66
dann, »und nur ein wenig Sahne dazu.« »Es ist alles vorbereitet, Mylady«, sagte Parker. »Und wie war das mit der Schwefelsäure?« fragte sie beiläufig, während sie sich bediente. »Salzsäure«, korrigierte der Butler höflich und ebenfalls wie beiläufig. »Von Essig-Essenz konnte in Wahrheit keine Rede sein.« »Haben wir es mit Wahnsinnigen zu tun?« fragte Kathy Porter und schüttelte sich leicht. »Mit gelangweilten Snobs, Miß Porter, die sich einen gewissen Schauder verschaffen wollten«, antwortete der Butler. »Und was sind das für Leute, die Sie eingebunkert haben?« wollte Mike Rander wissen. »Die angebliche Heilsarmistin, Sir, ist eine gewisse Judy Fairchild«, berichtete Parker. »Miß Fairchild ist die Tochter eines Firmenbetreibers, der sich mit der Konstruktion von Bohrinseln befaßt. Sie dürfte das sein, was man sehr vermögend zu nennen pflegt.« »Und der Heilsarmist, Parker?« »Dabei handelt es sich um Peter Staggers, Sir, der vor gut einem Jahr das elterliche Erbe angetreten hat. Auch ihn muß man als sehr vermögend einschätzen.« »Beide also Nichtstuer«, ließ die passionierte Detektivin sich vernehmen, »aber kaum vorstellbar, daß solche Leute selbst vor einem Mord nicht zurückschrecken.« »Angekränkelt müssen solche Typen wohl doch sein«, meinte Kathy Porter. »Sie haben alles, was man sich nur wünschen kann, und suchen wohl nach neuen Sensationen.« »Ich werde dafür sorgen, daß sie hinter Schloß und Riegel kommen«, kündigte die ältere Dame an. »Dann haben sie tatsächlich für Jahre eine neue Sensation.« »Meine Wenigkeit möchte Mylady, wenn es denn erlaubt ist, 67
voll und ganz beipflichten«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Konnten Mylady in Erfahrung bringen, wer der junge Reifenträger ist?« »Es war sehr leicht, ihn zu einem Geständnis zu bringen«, gab die ältere Dame zufrieden zurück. »Schon nach drei Ohrfeigen überschüttete er mich förmlich mit Einzelheiten aus seinem Leben.« »Er griff Sie an, Mylady?« fragte Mike Rander lächelnd. »Ich hatte den Eindruck, daß er es darauf ankommen lassen wollte«, erwiderte sie. »Ich machte ihm sofort klar, daß ich mich in Notwehr verteidigen würde.« »Wahrscheinlich stammt auch dieser junge Mann aus vermögendem Haus«, tippte Kathy Porter an. »Richtig, Kindchen«, redete Lady Agatha weiter und bediente sich zum drittenmal von der Roastbeef-Platte. Da ihr die Remouladensauce ausgezeichnet mundete, füllte sie nachdrücklich ihren Teller. »Könnte man mehr über diesen jungen Burschen erfahren«, erinnerte Mike Rander. »Er heißt… Nun, wie auch immer, mein Junge… er hat einen Vater, der Verleger ist und ihm praktisch jeden Wunsch ermöglicht.« »Der junge Mann heißt Randy Fuldom«, erinnerte Parker diskret. »Wie ich bereits sagte«, fuhr Lady Agatha Simpson fort und nickte. »Randy Fulbuert oder so… Namen sind unwichtig. Hauptsache, er kann tun und lassen, was er will. Sein Vater erfüllt ihm jeden Wunsch. Und er beteiligt sich am Killerspiel.« »Gibt es einen gewissen Zusammenhang zwischen diesen Personen?« fragte Kathy Porter. »Sind sie vielleicht in einem Club? Verkehren sie in einem bestimmten Lokal?« »Die beiden sogenannten Heilsarmisten, Miß Porter, haben 68
noch nie von Mister ›Randy Fuldom‹ gehört«, wußte der Butler zu berichten. »Der Koordinator dürfte aber sehr gut wissen, aus welchen Kreisen er seine Mitspieler rekrutiert.« »Es will mir einfach nicht in den Kopf, daß es Menschen gibt, die aus Langeweile andere Menschen umbringen.« Mike Rander schüttelte den Kopf. »Soviel Blasiertheit und Arroganz gibt es doch nicht.« »Die Realität, Sir, spricht leider eine andere Sprache«, meinte Josuah Parker. »Der Koordinator muß sich in beiden Szenen eigentlich recht gut auskennen«, sagte Kathy Porter nachdenklich. »Er kennt die reichen Blasierten und Gangster wie diesen Mattlew.« »Mattlew, Kindchen? Hatte ich bereits mit solch einem Subjekt zu tun?« »Der Gangster, der Schläger vermietet, Mylady«, lieferte Mike Rander das Stichwort. »Eine völlig unwichtige Figur am Rand«, entgegnete die ältere Dame und winkte abfällig. »Der Koordinator ließ die Gangster Littering und Setters umbringen, Mylady«, warf Josuah Parker ein. »Sein Hauptinteresse dürfte der Unterwelt gelten.« »Wie ich es bereits von Beginn an gesagt habe«, behauptete Agatha Simpson. »Aber auf mich wollte man ja wieder mal nicht hören. Natürlich geht es einzig und allein um die Unterwelt. Mister Parker, noch ein wenig von der Nierenpastete.« »Er muß sich in beiden Kreisen auskennen«, wiederholte Mike Rander Kathy Porters Worte. »Ich denke, dort sollte man ansetzen.« »Sie hatten die Möglichkeit, sich mit der Person des Mister Ken Gaynor zu befassen, Sir?« fragte der Butler. »Ja, was ist mit ihm?« schnappte die Hausherrin sofort zu. »Ich traue dem Lümmel nicht über den Weg. Wer ist das eigentlich?« 69
»Mister Ken Gaynor ist der Leiter des zivilen Killerspiels, Mylady, um es mal so auszudrücken«, erinnerte der Butler in bekannt diskreter Weise. »Er veranlaßte einen jungen Mann, meine Wenigkeit mit einer Banane erschießen zu lassen.« »Wer sonst, Mister Parker?« Sie lächelte überlegen. »Ich wollte nur überprüfen, ob Sie auch tatsächlich noch den Gesamtüberblick haben. In Ihrem Alter könnte man vergeßlich werden.« Kathy Porter und Mike Rander hüteten sich, einen Blick zu tauschen. Sie blickten starr aneinander vorbei und unterdrückten aufsteigende Lachreize. * »Ich habe nicht die Absicht, mich zu verstecken, Mister Parker«, sagte die ältere Dame eine Stunde später. »Selbstverständlich werde ich mich meinen Killern stellen.« »Mylady wurden erfreulicherweise noch nicht zum Zielobjekt erklärt«, gab Josuah Parker zurück. »Das ist nichts als Täuschung, Mister Parker. In Wirklichkeit dürfte ich der Hauptfeind dieses Selektors sein.« »Der Koordinator könnte in der Tat so denken und agieren«, erwiderte der Butler in seiner höflichen Art. »Haben Mylady besondere Wünsche, was die Nachtstunden betrifft?« »Was könnte mich denn reizen, Mister Parker?« wollte sie wissen. »Mylady hatten vielleicht die Absicht, Mister Ken Gaynors Vater einen Besuch abzustatten.« »Aha.« Sie hatte eindeutig keine Ahnung, von wem der Butler redete, doch sie nickte wohlwollend. »Warum eigentlich nicht, Mister Parker? Ich muß schließlich jeder Spur nachgehen.« Sie brauchte nur zwanzig Minuten, bis sie sich umgekleidet hatte. Dann erschien sie in der großen Wohnhalle und machte 70
einen ungemein energiegeladenen Eindruck. Sie schwenkte ihren wohlgefüllten Pompadour und nickte Parker zu. »Rechnen Sie damit, daß man mich bereits unten an der Straße abfangen will«, warnte sie den Butler. »Und wo finde ich den Mann, dem ich auf den Zahn fühlen will?« »Mister Gregory Gaynor dürfte sich in seinem Haus in Wimbledon aufhalten, Mylady, wie zu erfahren war.« »Mir kommt da gerade eine Idee, Mister Parker.« »Myladys Kombinationsgabe ist immer wieder überraschend.« »Dieser Gregory könnte doch durchaus der Selektor sein.« »Eine verblüffende Theorie, Mylady, über die man nachdenken sollte.« Selbst jetzt blieb Parkers Gesicht glatt und ausdruckslos. Er war eben das Urbild eines höflichen, hochherrschaftlichen Butlers, den nichts zu erschüttern vermochte. Während die ältere Dame sich über ihre neue Theorie geradezu begeistert ausließ, dirigierte der Butler sie in den Fond seines hochbeinigen Monstrums und setzte sich ans Steuer. »Ich werde natürlich bereits verfolgt, nicht wahr?« fragte sie schon nach wenigen Minuten. »Meine Wenigkeit muß leider bedauern, Mylady.« »Sie lassen sich täuschen, Mister Parker. Natürlich ist man bereits hinter mir her.« »Könnten Mylady meiner Wenigkeit wenigstens einen vagen Hinweis geben?« »Natürlich nicht«, grollte sie. »Ich kann mich ja schließlich nicht um alles kümmern. Wie wäre es denn mit diesem Morris, Mister Parker? Oder mit dem Mercedes? Der Bentley sieht auch nicht gerade schlecht aus!« »Die Aufmerksamkeit meiner Wenigkeit wird sich auf die beschriebenen Fahrzeuge konzentrieren«, versprach Josuah Parker. »Einer von ihnen wird von den Killern benutzt«, wußte sie 71
wieder mal mit letzter Sicherheit. »Man sollte jede Eventualität einkalkulieren, Mylady.« »Sehr schön, Mister Parker. Jetzt wissen Sie ja, woran Sie sind. Lassen Sie sich nur nicht überraschen.« Sie kuschelte sich in der Wagenecke zurecht und genoß die Fahrt nach Wimbledon. Und sie wartete natürlich auf einen hübschen Überfall, wie sie es nannte. Es tat sich allerdings nichts. * Gregory Gaynor entpuppte sich als drahtiger Fünfziger, der die Szene beherrschte. Er hatte zu einer Party geladen, wie Parker im vorhinein gewußt hatte. Der Butler hatte sich im Büro des KaufhauskettenBetreibers erkundigt und entsprechende Auskunft erhalten. Als Mylady und Parker im ausgedehnten Garten des Landhauses erschienen, reagierte Gregory Gaynor umgehend und kam auf die beiden neuen Besucher zu. Er gab sich leutselig und ein wenig herablassend. Er war sich seines Wertes voll bewußt. »Lady Simpson«, stellte Parker vor. »Sie sind das also?« Die ältere Dame hatte ihre Lorgnette hervorgeholt, die Stielbrille aufgeklappt und musterte Gaynor wie ein seltenes Insekt. Sie beherrschte dies in einer Form, die beim Beobachten mit Sicherheit eine gewisse Nervosität aufkommen ließ. »Lady Simpson?« fragte Gregory Gaynor nachdenklich. Dann wußte er, wo er seine Besucherin unterbringen mußte und wurde sehr freundlich und bemühte sich um Charme, was ihm übrigens nicht sonderlich schwer fiel. »Herzlich willkommen, Mylady«, sagte er. »Sie kamen zufällig vorbei?« 72
»Aber überhaupt nicht, junger Mann«, erwiderte Lady Agatha. »Ich bin sehr gezielt hierhergekommen. Sie haben da einen Sohn oder auch eine Tochter, die mir überhaupt nicht gefallen.« »Einen Sohn«, erwiderte Gregory Gaynor. »Hat er etwas angestellt? Wieder mal? Ich würde das sehr bedauern.« »Womit beschäftigt sich dieser junge Mann noch, Mister Parker?« »Mit einem sogenannten Killerspiel, Mylady«, erinnerte der Butler. »Richtig«, bestätigte die ältere Dame. »Und ich muß sagen, daß es sich um ein geschmackloses Spiel handelt.« »Hatten sie persönlichen Ärger mit meinem Jungen? Falls ja, Mylady, dann bitte ich bereits jetzt um Entschuldigung. Ich werde ihm natürlich gründlich den Kopf waschen. Und sollten Sie materiellen Schaden gelitten haben, wird der selbstverständlich reguliert.« »Ist Ihr Sohn Ken möglicherweise anwesend, Sir?« fragte Parker. »Müßten Sie das wissen?« Gregory Gaynor musterte den Butler mit einem ausgesprochen herablassenden Blick. »Worauf Sie sich verlassen können, junger Mann«, grollte die ältere Dame. »Sie können sich unten in der Küche etwas reichen lassen«, schlug Gaynor senior dem Butler vor, um sich dann wieder Lady Simpson zuzuwenden. Sie hatte den Hinweis natürlich mitbekommen und stand dicht vor einer Explosion. Mit Butler Parker durfte man nie in solch einer oder ähnlichen Form reden. »Herzlichen Dank, Sir«, meinte Josuah Parker schnell und deutete eine Verbeugung an. Lady Agatha begriff diesmal umgehend, daß Parker nicht bleiben wollte. Sie schaltete um und nickte ihm gekonnt herablassend zu. 73
»Es kann etwas länger dauern, Mister Parker«, sagte sie, »und betrinken Sie sich diesmal nicht.« Sie lächelte dem Butler boshaft zu, kicherte ein wenig wie ein Schulmädchen und ließ sich dann von Gregory Gaynor entführen. Parker gestatte sich den Luxus eines angedeuteten Lächelns und begab sich zurück in Richtung Haus. Er fand die Küche im Souterrain, stellte sich einigen Angestellten vor und nahm dann an einem Tisch in einem Nebenraum Platz. Er ließ sich mit Kaffee und einigen Sandwiches versorgen. Es war eine etwas ältliche Angestellte, die sich für ihn interessierte. »Sie waren noch nie hier, nicht wahr?« fragte sie. »Mylady pflegt normalerweise einen völlig anderen Umgang«, gab Josuah Parker gemessen zurück. »Und auch Sie, wenn ich so sagen darf, dürften schon in besseren Häusern gedient haben.« »Das können Sie wohl sagen«, folgte die erwartende Antwort. Die Angestellte nahm neben Parker Platz. »Hier jagt zwar eine Party die andere, aber Klasse ist das nicht. Man hat da so seine Erfahrungen.« »Der Junior des Hauses soll dem Vernehmen nach ebenfalls recht partysüchtig sein.« »Und wie«, entgegnete die ältliche Angestellte, »aber der Junior feiert nicht hier. Er lädt seine Clique in ein Bootshaus an der Themse ein. Da sind die jungen Leute völlig unter sich. Und da soll es ziemlich toll hergehen.« »Die Jugend von heute«, seufzte der Butler diskret. »Sachen könnte ich Ihnen erzählen«, plapperte die Angestellte weiter. »Sachen…!« »Genieren Sie sich nicht«, bat Josuah Parker. Er hatte den sicheren Eindruck, an der richtigen Stelle zu sein. Während die Angestellte nun redete wie ein Wasserfall, beobachtete Parker die übrigen Bedienungen, die ein- und ausgingen und Platten mit 74
Delikatessen und Getränken schleppten. Josuah Parker fragte sich insgeheim, ob der Koordinator wohl wußte, daß er sich hier aufhielt. * Der Butler war hellwach, als ein junger Angestellter an den Tisch trat. Er trug eine gestreifte Weste, dunkle Hose und hielt ein Servierbrett vor seinem Leib. Parker nahm den Universal-Regenschirm ein wenig hoch und machte sich auf einen plötzlichen Angriff gefaßt. Der junge Mann hatte den Tisch erreicht und wandte sich an die Angestellte. »Wir brauchen noch mehr Champagner«, sagte er. »Die Brüder saufen wie die Löcher.« »Mister Ken Gaynor ist anwesend?« fragte Parker knapp. »Eben mit ein paar Freunden eingetroffen«, lautete die Antwort. »Und sie ziehen wieder mal ihre Show ab.« Der Angestellte gab sich amüsiert. Er schien die Shows, die Ken Gaynor veranstaltete, recht gut zu kennen. Deshalb schob er sich näher an den Tisch heran und dämpfte seine Stimme zu vertraulichem Flüstern. »Daß der Senior sich das bieten läßt, begreif ich einfach nicht.« »Ist es möglich, einen Blick auf die von Ihnen erwähnte Show zu werfen?« »Sie sind neu hier?« »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, antwortete der Butler. »Meine Wenigkeit steht in Diensten der Lady Simpson.« »Okay, kommen Sie mit raus an den Grill, dann können Sie alles aus nächster Nähe beobachten«, schlug der Angestellte vor. Er zwinkerte dem Butler zu und wandte sich ab. Parker blickte die Hausangestellte an. 75
»Einer der festen Angestellten des Hauses?« erkundigte er sich. »Seit gut einem Jahr«, lautete die Antwort. »Der Junior, hat ihn damals eingestellt. Er läßt sich häufig von ihm chauffieren.« »Dürfte man den Namen des Kollegen erfahren?« »Bruce Owens. Unter uns, er ist manchmal ziemlich impertinent. Er nimmt sich seinen Kollegen gegenüber viel heraus.« »Er dürfte demnach das besitzen, was man eine Vertrauensstellung zu nennen pflegt.« Während sie noch antwortete, stand sie auf, um die angeforderten Getränke bereitzustellen. Parker erhob sich ebenfalls und beobachtete Bruce Owens, der mit der Angestellten auf der Kellertreppe verschwand. Nach knapp drei Minuten erschien er wieder und schleppte einen mit Champagnerflaschen gefüllten Korb. Der Mann setzte den Korb ab und winkte dem Butler. »Können Sie mir mal kurz helfen, Kollege?« fragte er und deutete auf den Henkelkorb. »Verfügen Sie über meine Wenigkeit«, erwiderte Parker. »Wie zu vernehmen war und ist, unterhält Mister Ken Gaynor gewisse Kontakte zu einer Szene, die man anrüchig zu nennen pflegt.« »Der Junior treibt sich überall herum, wo es spannend ist«, erwiderte Bruce Owens und lächelte abfällig. »Irgendwann wird er sich mal die Finger verbrennen, wetten?« Parker übernahm einen Teil des Henkels und trug den Korb dann zusammen mit Bruce Owens nach draußen. Man hielt sich von der festlich beleuchteten Rasenfläche fern und wählte einen schmalen Weg, der hinter einer hohen Hecke hinüber zum Pool führte. Dort war die Bar aufgebaut, die neu mit Champagner bestückt werden sollte. Im Halbdunkeln ließ Parker plötzlich den Korbhenkel los und setzte die Spitze seines Universal-Regenschirmes auf die Brust des verdutzten Angestellten. 76
»Betrachten Sie sich als erledigt«, sagte Josuah Parker dann in seiner höflichen Art. »Sie wurden zum Zielobjekt erklärt.« »Aber… aber nicht mit mir«, erwiderte Bruce Owens, ohne es mit der Angst zu kriegen, und stieß mit dem schweren Korb nach Parker. Der Stoß fiel allerdings unglücklich aus. Der Korb war zu schwer. Owens ließ ihn fallen und attackierte nun seinerseits. Er hielt plötzlich ein Klappmesser in der linken Hand und hatte die feste Absicht, es in Parkers Unterleib zu rammen. Es blieb allerdings beim Versuch. »Mann, sind Sie verrückt? Sie haben meinen Arm gelähmt«, beschwerte sich Bruce Owens einige Augenblicke später und mühte sich ab, den linken Arm zu heben. Er schaffte es aber nicht. Die Schirmspitze hatte eine wichtige Muskelpartie getroffen und paralysiert. »In einigen Stunden werden Sie wieder frei über Ihren Arm verfügen können«, beruhigte der Butler seinen Berufskollegen. »Sie wissen also vom Killerspiel?« »Nichts weiß ich.« Owens blickte Parker abschätzend an. »Sie suchen sicher kaum ohne Grund den Kontakt mit meiner Wenigkeit. Der Koordinator hat Sie auf meine Person angesetzt?« »Wovon reden Sie eigentlich?« Owens blickte zur Rasenfläche hinüber, wo es lärmend zuging. Man hörte Rufe, Gelächter, animierte Schreie und lustvolles Quieken. »Ihre Killer-Karte«, verlangte Parker. »Halten Sie sich an die Spielregeln, Mister Owens!« »Killer-Karte? Was soll denn das nun wieder sein?« Bruce Owens schüttelte ratlos den Kopf. Dann warf er sich zurück und rannte los. Er hielt auf das Landhaus zu und war wenige Sekunden später bereits in der Dunkelheit verschwunden. Parker hätte diese Flucht durchaus stoppen können, doch er 77
verzichtete darauf. Er hoffte, daß Owens sich möglichst bald mit seinem Koordinator in Verbindung setzen würde. »Verdammt, wo stecken Sie denn, Owens?« hörte er eine ihm durchaus bekannte Stimme. Sie gehörte Gaynor Junior, der wenig später auf dem Weg erschien, den Butler ausmachte und erstaunt stehenblieb. »Wo kommen denn Sie her?« fragte Ken Gaynor. »Mylady stattet Ihrem Herrn Vater einen Höflichkeitsbesuch ab, Mister Gaynor«, antwortete der Butler. »Und was Mister Owens betrifft, so läßt er sich entschuldigen.« »Einen Höflichkeitsbesuch?« Gaynor kam näher. »Mylady fahndet in Sachen Koordinator, Mister Gaynor«, erläuterte der Butler. »Dann war sie es tatsächlich«, meinte Gaynor und lächelte. »Ich glaubte nämlich, sie gesehen zu haben.« »Mylady interessiert sich nach wie vor für Ihre Person, um der Wahrheit die Ehre zu geben.« »Ach nee. Und was verspricht die alte Dame sich von mir?« »Mylady könnte sich durchaus vorstellen, Mister Gaynor, daß Sie noch ein zweites Killerspiel organisiert haben, in dem es allerdings nicht nur um Killer-Karten, sondern um echte Opfer geht.« »Unter uns mal, Parker, Ihre alte Dame spinnt doch, oder?« Ken Gaynor lächelte abfällig. »Die jagt doch einem Phantom nach.« »Zusammen mit meiner bescheidenen Wenigkeit, Mister Gaynor.« »Sie haben da eben von einem Koordinator gesprochen. Was muß man sich darunter vorstellen?« »Einen Psychopathen, Mister Gaynor, der aus reinem Nervenkitzel Morde inszeniert.« »Und so etwas trauen Sie mir zu?« Gaynor lächelte nicht mehr. 78
»Durchaus, Mister Gaynor. Vertrauen gegen Vertrauen.« »Aha. Und Sie haben bereits erste Beweise dafür?« »In der Tat, Mister Gaynor«, bestätigte der Butler gemessen. »Man fand in Ihrem Studio, wie Sie sich erinnern werden, die gesamten Unterlagen zu jenem Killerspiel, dessen Leiter Sie sind.« »Das war Pech, Parker.« Ken Gaynor hob bedauernd die Schultern. »Das war das, was man eine ausgemachte Dummheit nennen sollte, Mister Gaynor«, erklärte Butler. »Nachdem meine Wenigkeit ihre beiden Mitspieler Ben Blendon und Dave Webstern kontaktierte, mußten Sie davon ausgehen, daß man Sie aufsuchen würde. Dennoch schafften Sie die Unterlagen Ihres Killerspiels nicht aus dem Studio. Sie hatten keineswegs etwas dagegen, daß sie gefunden wurden.« »Reden Sie weiter, Parker. Ich höre Ihnen gern zu.« »Sie legten Wert darauf, daß man Sie als den Leiter eines zwar unappetitlichen, aber noch relativ harmlosen Spiels betrachtete. Dadurch wollten Sie sich als Koordinator des mörderischen Killerspiels tarnen.« »Sie denken zuviel links herum, Parker«, meinte Ken Gaynor und lachte leise. »Aber was Sie da sagen, gefällt mir irgendwie. Sie trauen mir also durchaus ein echtes Killerspiel zu?« »Durchaus, Mister Gaynor.« Josuah Parker deutete ein Kopfnicken an. »Das aber müssen Sie mir erst mal beweisen, Parker.« »Dazu bedarf es nicht meiner Wenigkeit, Mister Gaynor«, schickte der Butler voraus. »Sobald man gewisse Angehörige der kriminellen Szene informiert hat, werden diese Herren das für Mylady und meine Person liebend gern erledigen.« Parker ließ Ken Gaynor stehen und begab sich auf die Rasenfläche, denn er hatte innerhalb der letzten Minute bemerkt, daß 79
seine Anwesenheit wohl unerwünscht war. Er hatte einige Aufschreie gehört, die er für sehr echt hielt. Parker ging davon aus, daß Lady Agatha provoziert worden war. * Die ältere Dame war in voller Aktion. Der Mann jaulte auf wie ein geprügelter Hund und tanzte auf dem noch intakten Bein. »Wagen Sie es nicht noch mal, sich über eine hilflose Dame lustig zu machen«, erklärte sie dem Tanz-Solisten, dessen Schienbein mit Myladys Schuh kollidiert war. »Ich glaube, ich sollte Sie noch zusätzlich ohrfeigen.« Sie beließ es nicht bei dieser Ankündigung, sondern setzte ihren Pompadour ein und knallte ihn gegen die rechte Hüfte des Mannes, der daraufhin wie ein gefällter Baum zur Seite kippte. Applaus brandete auf. Die Umstehenden amüsierten sich köstlich über die kriegerische Dame. Gregory Gaynor trat auf Lady Agatha zu und wollte ihr die Hand küssen, eine Geste, die Mylady völlig mißverstand oder auch mißverstehen wollte. Sie verabreichte die angekündigte Ohrfeige und bedachte den Gastgeber damit. Gregory Gaynor entpuppte sich danach als recht begabter Parterre-Akrobat, absolvierte einen Überschlag, der allerdings einige Mängel aufwies, und blieb dann auf dem Rasen liegen. Diesmal gab es allerdings keinen Applaus. Man war etwas betreten, bemühte sich um den Hausherrn und erkannte, daß er noch sehr benommen war. Agatha Simpson schob sich durch die Gruppe der Hilfsbereiten und machte deutlich, daß sie als ehemalige Pfadfinderin in Erster Hilfe ausgebildet war. Sie ließ sich mit barscher Stimme einen Sektkühler geben und… kippte das mehr als kühle Wasser mitsamt den Eis80
würfeln auf das Gesicht und die Brust des Mannes. Daraufhin wurde Gregory Gaynor blitzschnell wieder munter, richtete sich auf und blickte die resolute Dame in einer Mischung aus Ärger, Respekt und Aggression an. »Wie gut für Sie, Lady, daß Sie eine Frau sind«, sagte er schließlich. »Sie wollen sich mit mir anlegen? Tun Sie sich keinen Zwang an, junger Mann.« »Ich vergreife mich nicht an Frauen«, erklärte Gregory Gaynor und stand auf, wobei ihm einige Gäste halfen. Parker schob sich vor und baute sich neben Lady Agatha auf. Er beobachtete einige jüngere Gäste, die vermutlich mit Ken Gaynor gekommen waren. Über Jeanshosen trugen sie Smokingjacketts. Sie waren mit modischen Ketten behängt und mit Sicherheit Mitglieder einer gewissen seidenen Halbwelt. »Ich hingegen vergreife mich jederzeit an Männern«, behauptete die ältere Dame, »aber sie sollten schon etwas Format haben. Kommen Sie, Mister Parker, ich langweile mich bereits seit einer Viertelstunde.« »Mylady wurden inkommodiert?« erkundigte sich der Butler und deutete auf den junge Mann, der wie ein gefällter Baum zu Boden gegangen war. »Dieser Lümmel nannte mich altes Mädchen«, erwiderte Lady Agatha. »Ich mußte ihm Manieren beibringen.« Sie setzte ihre Fülle in Bewegung und schritt majestätisch zum Landhaus hinüber. Parker folgte ihr in gemessenem Abstand und geleitete sie zum hochbeinigen Wagen. Er wunderte sich nicht darüber, daß Gaynor junior sich nicht blicken ließ. Auch von seinem Angestellten und Vertrauten Owens war weit und breit nichts zu sehen. »Ich weiß, mein Bester, Sie hatten hier zufällig in der Gegend zu tun«, sagte Lady Agatha ironisch, nachdem Chief-Superinten81
dent McWarden sie am anderen Morgen begrüßt hatte. »Überhaupt nicht, Mylady«, entgegnete McWarden, der fünfundfünfzigjährige, untersetzte und bullig aussehende Mann, der im Yard ein Sonderdezernat leitete. Er war Spezialist in der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und suchte immer wieder das Haus der Agatha Simpson auf, um sich hier Rat zu holen. Er schätzte die ältere Dame, verehrte sie insgeheim sogar, ohne es sich allerdings anmerken zu lassen, und bewunderte Butler Parker. »Ich habe bereits gefrühstückt«, sagte die Hausherrin genußvoll. »Sie sind etwas zu spät gekommen.« »Ich würde keinen Bissen runterbekommen, Mylady«, erklärte der hohe Yard-Beamte. »Ich stehe unter Streß.« »Sie arbeiten also wieder mal an einem Fall, den Sie allein nicht lösen können?« fragte sie gezielt boshaft. »Ich habe es mit Killerspielen zu tun, Mylady, aber ich denke, daß Sie davon bisher noch nichts gehört haben.« »Mister Parker, wurde darüber bisher in diesem Haus gesprochen?« fragte sie bei ihrem Butler an. »Nur im Rahmen dessen, was man vage den Zeitungen entnehmen konnte, Mylady.« »Soll ich Ihnen Einzelheiten erzählen?« schlug McWarden vor. Er nickte beiläufig-dankbar, als Parker ihm einen Sherry servierte, was Mylady als sparsame Frau mit verweisendem Kopfschütteln kommentierte. »Sollten die bisher harmlosen Spiele eine kriminelle Steigerung erfahren haben, Sir?« tippte Parker an. »Das kann man wohl sagen.« McWarden lehnte sich zurück und nickte. »Es gibt da plötzlich einen Koordinator, wie unsere verdeckten Agenten aus der Szene berichten. Und es dürften bereits die ersten drei oder vier Morde passiert sein.« »Drei oder vier Morde?« staunte die ältere Dame. 82
»Die Namen der Toten spielen eigentlich keine Rolle«, fügte der Yard-Beamte hinzu. »Sie alle aber sind keine Bandenführer, um es mal pauschal auszudrücken. Dieser Koordinator ließ sie von Killern umbringen, von denen wir bisher keine Spur haben.« »Mylady geht davon aus, daß Sie wahrscheinlich über eine Theorie verfügen, Sir.« »Richtig, Mister Parker. Hier dürfte irgendein Newcomer das Killerspiel abgekupfert haben, um sich ein besonders großes Stück aus dem Unterweltskuchen herauszuschneiden.« »Ihre sogenannten V-Leute konnten mit keinerlei Hinweisen dienen, Sir?« fragte Parker höflich. »In der Szene herrschen Panik und Mißtrauen«, erwiderte McWarden. »Diese Killer müssen nach einer völlig neuen Methode arbeiten. In zwei Fällen ermordeten sie ihre Opfer in verschlossenen Räumen.« »Was stelle ich mir denn darunter vor, McWarden?« Mylady runzelte die Stirn. »Die Opfer wurden eindeutig vergiftet. Einen Mann fanden wir in seiner Badewanne, den anderen in seinem Büro. Sämtliche Türen und Fenster waren verschlossen. Wir fragen uns, wie man den Opfern das Gift beigebracht hat.« »Wahrscheinlich und logischerweise vor dem Verschließen der Türen und Fenster von innen«, gab der Butler zurück. »Daran haben wir auch schon gedacht«, sagte der Yard-Beamte und hob ratlos die Hände. »Die beiden Toten aber hätten niemals Unbekannte an sich herangelassen, dazu waren sie einfach zu mißtrauisch.« »Verbeißen Sie sich nicht in solche Details«, sagte die Detektivin wegwerfend. »Sie brauchen also Hilfe, mein Bester?« »Vielleicht interessieren Sie sich für diesen Fall, Mylady«, tippte McWarden an. 83
»Ich werde darüber nachdenken«, versprach sie leutselig. »Mister Parker wird Ihnen aber noch einige Fragen stellen müssen. In meinem Sinn, um das deutlich zu sagen.« »Diese Killerspiele, Sir, haben sich in der Stadt wie eine Seuche ausgebreitet?« fragte Parker sofort. »Sie sind vorerst nicht zu stoppen«, gab McWarden Auskunft. »Inzwischen geht es dabei um viel Geld, wie wir wissen. Es wird in allen Schichten der Bevölkerung gespielt und dementsprechend sind auch die Summen, die eingesetzt werden und die zu gewinnen sind.« »Kann man dagegen nicht gesetzlich vorgehen, McWarden?« erkundigte sich die ältere Dame. »Wir können nichts tun«, bedauerte der Mann vom Yard. »Zivile Spiele verstoßen ja nicht gegen die Gesetze. Sie wollen wirklich nicht genau erfahren, wie dieses Killerspiel im Detail gespielt wird?« »Mylady wird sich privat informieren, Sir«, antwortete der Butler für seine Herrin. Er gab McWarden damit zu verstehen, daß man bereits sehr wohl wußte, um was es ging. »Dann bin ich ja erleichtert«, bedankte sich der Chief-Superintendent. »Sollte ich Neuigkeiten von diesem Koordinator erfahren, werde ich Sie umgehend benachrichtigen.« Er hatte erfahren, was er wissen wollte. Daran war nicht zu zweifeln. Er hatte auf den Busch geklopft und konnte nun beruhigt davon ausgehen, daß ein gewisser Butler Parker bereits damit beschäftigt war, dem Koordinator auf die Schliche zu kommen. McWarden, der von Parker zur Haustür gebracht wurde, blieb unter dem Vordach stehen. »Passen Sie höllisch auf sich auf, Mister Parker«, warnte er den Butler. »Dieser Koordinator arbeitet nicht nach der üblichen Masche. Seine Killer müssen Leute sein, die ganz sicher nicht zur 84
Unterwelt gehören.« »Man wird die nötige Vorsicht walten lassen, Sir.« versicherte Parker. »Nach den bereits bekannten Spielregeln kann jeder Passant ein Killer sein.« »Eine Vorstellung, die man als ausgesprochen unbehaglich bezeichnen kann und muß, Sir.« »Unter uns, Sie haben bereits Kontakt mit diesem Killerspiel und dem Koordinator?« »Es zeichnen sich gewisse vage Umrisse ab, Sir«, beantwortete der Butler die Frage. »Sobald sie konkrete Gestalt annehmen, wird man Sie umgehend benachrichtigen.« »Okay, Mister Parker, dann ein Tip von mir«, sagte der ChiefSuperintendent und dämpfte die Stimme. »Kümmern Sie sich mal um Mel Patson aus der Szene. Ich glaube, daß er sich mit der Killerspiel-Masche eine eigene Suppe kochen will.« »Sie werden sicher nicht ohne Grund auf diese Person verweisen, Sir.« »Mel Patson hat das Geschäft eines gewissen Mike Littering übernommen, der ein Opfer des Koordinators geworden ist. Patson gilt als sehr hungrig und ehrgeizig. Sie sollten sich diesen Mann mal aus der Nähe ansehen.« Während McWarden ihm die Adresse des Gangsters nannte, dachte Parker an genau diesen Mann, mit dem er längst Kontakt hatte. Es handelte sich um jenen Typ, der wahrscheinlich noch immer einen gewissen Ärger mit seiner Kinnlade hatte. * »Lächerlich, dieses Subjekt hat mit dem Selektor überhaupt
nichts zu tun«, meinte die ältere Dame, als Parker ihr von
McWardens Vermutung berichtet hatte. Sie saß bereits im Fond
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des hochbeinigen Monstrums und ließ sich in Richtung City fahren. »Wenn es gestattet ist, möchte meine Wenigkeit sich Myladys Betrachtungsweise vollinhaltlich anschließen«, erwiderte der Butler. »McWarden ist wieder mal auf dem Holzweg«, freute sie sich ungeniert. »Er sucht den Koordinator in der falschen Szene, Mylady.« »Wo auch sonst, Mister Parker.« Sie lächelte schadenfroh. »Ich werde ihm wieder mal einen fertig gelösten Fall präsentieren können. Was machen übrigens meine Gäste? Ich wollte Sie schon während des Frühstücks danach fragen, aber dann kam mir der gute McWarden dazwischen. Sie verwöhnen diese Subjekte doch hoffentlich nicht, oder?« »Ihnen wurde nur ein sogenanntes kontinentales Hotelfrühstück serviert, Mylady.« »Aha. Und was stelle ich mir darunter vor?« »Einige Scheiben Brot, ein wenig Butter und eine Miniportion Marmelade. Dazu Kaffee, den man auf keinen Fall als stark bezeichnen kann.« »Immer noch zu üppig«, räsonierte sie umgehend. »Es wird Zeit, daß ich diese Personen der Polizei übergebe. Es sind Kinder aus gutem Haus, nicht wahr?« »So könnte man sagen, Mylady. An Geld dürfte es den jungen Leuten sicher nie gefehlt haben.« »Ich werde Sie nach…« »… Mister Ken Gaynor, Mylady.« »… nach Ken Gaynor fragen müssen«, fuhr sie nach der diskreten Hilfestellung fort. »Sie könnten dieses verkommene Subjekt ja schließlich kennen, wie?« »Meine Wenigkeit war bereits so frei, sie beim Servieren des Frühstücks entsprechend zu befragen, Mylady. Die Herren strit86
ten nicht ab, mit Mister Ken Gaynor befreundet zu sein. Man kennt sich von einer sogenannten Clique her.« »Die sich doch irgendwo treffen wird, nicht wahr, Mister Parker?« »Man hat sich eine Art Clubhaus in einer Bootsunterkunft eingerichtet, wie Mylady sich erinnern werden.« »Aha, Mister Parker.« Sie runzelte die Stirn und forschte in ihrem Gedächtnis nach. »Eine Hausangestellte des Mister Gregory Gaynor wies meine Wenigkeit daraufhin, Mylady.« »Unwichtig, Mister Parker«, entschied sie umgehend. »Dieses Bootshaus wird mir nichts bringen.« »Oder höchstens einige Informationen, Mylady.« »Sie sind und bleiben ein hoffnungsloser Optimist, Mister Parker«, amüsierte sie sich. »Nun gut, ich werde Ihnen den Gefallen tun und bei Gelegenheit dieses Bootshaus aufsuchen.« »Mylady befinden sich bereits auf dem Weg dorthin.« »Auch gut, Mister Parker.« Agatha Simpson lehnte sich zurück. »Sie werden aber sehen, daß wir wertvolle Zeit verschenken werden. Sie kennen dieses Bootshaus?« »Es wurde meiner Wenigkeit genau beschrieben, Mylady. Die erwähnte Hausangestellte servierte mehrfach anläßlich einiger Partys.« »Also gut«, reagierte Lady Agatha großmütig. »Sie sollen wieder mal Ihren Willen haben. Ich weiß, daß ich einfach zu nachgiebig bin. Ich sollte das eines Tages wirklich mal ändern.« Parker verzichtete auf eine Antwort und konzentrierte sich auf den Krankenwagen, der sich ihnen seit einigen Minuten angeschlossen hatte und näher rückte. Parker dachte selbstverständlich an das Killerspiel und an die Mitspieler, die bestimmt alle Möglichkeiten nutzen würden, sich an Mylady und ihn möglichst unauffällig heranzumachen. 87
* � Man hatte die City bereits verlassen und befand sich auf einer Straße in Richtung Wapping. Der Krankenwagen folgte nach wie vor. Vorn im Fahrerhaus saß neben dem Fahrer ein junger Mann, der einen weißen Kittel trug. Das Bootshaus, das Parker aufzusuchen gedachte, befand sich im oberen Bogen der Themse zwischen Whitby und Canary Wharf. Es handelte sich um einen umgebauten Lastkahn, der an einem Kai für immer festgemacht worden war. Die Hausangestellte hatte ihm alles sehr genau beschrieben. »Sie sehen natürlich wieder mal Gespenster, Mister Parker«, mokierte sich Lady Agatha, als der Butler sie auf den Krankenwagen aufmerksam gemacht hatte. »Mylady unterschätzen keineswegs den Erfindungsreichtum der Killer«, warnte der Butler. »Auch das ist richtig«, sagte sie nachdrücklich. »Eine Lady Simpson vermag man nicht zu täuschen. Lassen Sie sich in meinem Sinn etwas Hübsches einfallen, Mister Parker.« Parker bog von der Hauptstraße ab und war gespannt, ob der Krankenwagen folgen würde. Vor dem Abbiegen aber hatte er ein eingebautes Tonbandgerät eingeschaltet, das laut und deutlich und auch sehr überzeugend ein qualvolles Stottern des Motors vortäuschte. Dazu kräuselten aus einer Düse über dem Auspuff dunkle Ölwölkchen, die einen schweren Motorschaden vortäuschten. Parker stoppte bereits nach wenigen Metern am Straßenrand und beobachtete verstohlen den Krankenwagen, der die Abbiegung bereits passiert hatte, dann aber schnell zurücksetzte und ebenfalls einbog. Damit waren die Fronten klar. Der Butler stieg aus, nahm seinen Regenschirm mit und grüßte 88
in den Fond des Wagens. Er tat so, als wollte er Hilfe holen. Der Krankenwagen kam näher, und Parker hatte plötzlich ein recht ungutes Gefühl in der Magengegend. Hielt der Koordinator sich an seine Spielregeln? Galt für ihn nach wie vor, daß der Mord nur unter Wahrung eines körperlichen Kontakts erfolgen durfte? Oder pfiff dieser psychopathische Spielleiter jetzt auf seine eigene Vorgabe und ließ aus der Distanz heraus schießen? Der Krankenwagen hielt, der Fahrer stieg aus. Auch er trug einen weißen Kittel und gab sich sympathisch. Er mochte ungefähr dreißig sein, war mittelgroß und schlank. Ein Blick auf seine Schuhe sagte dem Butler, daß es sich um eine teure Maßarbeit handelte. Eine Fußbekleidung dieser Art konnte ein Fahrer sich kaum leisten. »Sie haben ‘ne Panne?« rief der Fahrer ihm zu. »Eine gewisse Unregelmäßigkeit des Motors«, gab Parker zurück. »Man wird sicher Hilfe brauchen.« »Wo wollen Sie denn hin? Ich könnte sie abschleppen. Ich bin nicht im Einsatz.« »Zu liebenswürdig«, bedankte sich der Butler. »Mylady möchte zur Canary Wharf.« »Das ist doch nur noch ein Katzensprung«, meinte der Fahrer und lächelte durchaus überzeugend. Er stand etwa anderthalb bis zwei Meter vor dem Butler. Sein Mitfahrer hatte das Fahrerhaus inzwischen ebenfalls verlassen und wartete. »Haben Sie ein Abschleppseil?« fragte der junge Weißkittel. »Im Kofferraum«, erwiderte Parker und wandte dem Fahrer den Rücken zu. Dabei hakte er seinen Universal-Regenschirm vom Unterarm und machte sich bereit, ihn umgehend einzusetzen. Und dann, wie aus sicherem Instinkt, wirbelte Parker um seine Längsachse und ließ den bleigefüllten Bambusgriff des Schirm89
stocks gegen die Hüfte des Mannes krachen. Er hatte den richtigen Zeitpunkt gewählt. Der Fahrer des Krankenwagens hielt einen schweren Hammer in der rechten Hand und war im Begriff, ihn auf Parker niedersausen zu lassen. Er nahm nun allerdings davon Abstand. * Der Beifahrer wollte sich ins Fahrerhaus retten, doch dazu ließ Parker ihm keine Zeit. Er hatte seinen Universal-Regenschirm aus den Händen gleiten lassen und benutzte seine schwarze Melone als Frisbee-Scheibe. Die Kopfbedeckung sirrte in sanftem Bogen blitzschnell durch die Luft und erreichte den Hinterkopf des Mannes, der sich gerade hinter der geöffneten Fahrertür in Sicherheit bringen wollte. Wie vom Blitz getroffen sackte der Beifahrer zusammen und blieb auf der Straße liegen. »Recht ansprechend, Mister Parker«, lobte die ältere Dame verhalten. Sie stieg aus dem Fond des Wagens und marschierte energisch zu dem stöhnenden Hammerschwinger. Der Mann wollte aufstehen, nach dem Schlaginstrument greifen und dann wegkriechen, als er von Myladys Pompadour erwischt wurde. Seine Knochen knackten, als Myladys Glücksbringer sich auf die Hand legte. Der Mann kümmerte sich nicht weiter um den Hammer, sondern vergoß Tränen und erklärte mit halb erstickter Stimme, seine Finger wären gebrochen. »Das möchte ich aber auch sehr hoffen, junger Mann«, sagte Lady Agatha nachdrücklich. »Und falls dem nicht so ist, werde ich noch ein wenig nachhelfen.« Der Butler ging zu dem Beifahrer hinüber, der gerade wieder 90
zu sich kam. »Dies ist längst kein Spiel mehr«, sagte Josuah Parker zu ihm. »Sie werden mit Konsequenzen rechnen müssen.« »Mein Kopf… Mein Kopf«, bedauerte sich der ebenfalls junge Mann. »Kommt Ihnen gar nicht die Idee, daß auch Sie zum Zielobjekt erklärt wurden?« erkundigte sich der Butler. »Sie… Sie wollen ein Mitspieler sein?« staunte der junge Mann. »Gibt es eine Altersgrenze?« »Nein, nein, davon war nie die Rede.« »Wann bekamen Sie den Hinweis auf Mylady und auf meine Wenigkeit?« »Vor ein paar Stunden. Wir sollten Sie außer Gefecht setzen.« »Mit einem Hammer, den man nur oberflächlich einsetzen sollte?« »Verdammt, nur so«, redete der junge Mann sich heraus. »Sie und Ihr Partner wurden vom Koordinator angerufen?« »Sie kennen das verdammte Spiel ja«, meinte der junge Mann. »Ein Aussteigen war nicht mehr drin, sonst wären wir zu Zielobjekten erklärt worden. Das alles ist inzwischen heller Wahnsinn geworden.« »Eine Erkenntnis, die Sie aber nicht daran hinderte, zum Mörder zu werden.« »Was sollten wir denn machen? Haben Sie eine Ahnung, was es bedeutet, selbst Zielobjekt zu werden? Dann haben Sie keine Chance mehr, dann leben Sie nur noch ein paar Tage. Wir mußten einfach mitmachen.« »Sie ahnen natürlich längst, wer der Koordinator ist?« »Wir haben keine Ahnung, wirklich nicht.« »Dachten Sie nicht schon mal an einen gewissen Ken Gaynor?« »Ken…? Ausgeschlossen, der spielt auch nur mit.« »Aber Ihr Koordinator muß Sie und Ihre Freunde aus dem 91
Kreis der Clique doch sehr gut kennen, nicht wahr?« »Natürlich… Ken Gaynor sagten Sie?« »Der Mann, der in Ihrer Clique bisher den Trend angegeben hat.« »Nein, das kann ich nicht glauben… Ken Gaynor?!« Er runzelte trotz seiner Kopfschmerzen die Stirn. »Darüber hinaus hat Gaynor gewisse Beziehungen zur Unterwelt, wie Sie wissen. Er rühmt sich doch damit.« »Die Kontakte hatte er tatsächlich, aber er hat sie doch abgebrochen.« »Dafür muß es Gründe gegeben haben.« Parker nutzte die Gunst, die sich ihm bot. Der junge Mann sagte ohne jeden Druck aus. Er hatte deutlich gemacht, daß er nur halbherzig als Killer unterwegs war. Seine Angst, selbst zum Zielobjekt erklärt zu werden, schien echt und sehr groß zu sein. »Das liegt ein paar Wochen zurück, als Ken mit einigen aus unserer Clique in Soho war«, redete der junge Mann weiter. »Dabei hat es dann Krach gegeben. Ken ist ziemlich mies behandelt worden. Man hatte ihn lächerlich gemacht.« »Dies sollten Sie meiner Wenigkeit ausführlicher erläutern«, verlangte Josuah Parker nachdrücklich. »Ich selber war dabei, Sir«, berichtete der Mitfahrer zögernd. »Ken hatte sich aufgespielt. Und dann ging er einigen Leuten auf die Nerven. Sie zwangen ihn mit Messern, einen Tresen abzulecken, auf den sie vorher gespuckt hatten. Es war widerlich.« »Litt sein Ansehen danach als Cliquenführer?« »Natürlich, man belächelte ihn. Aber er hat ja viel Geld, und ihm gehört auch das Bootshaus. Aber seit dieser Tresensache war er nicht mehr der, der er mal war.« »Mister Ken Gaynor befindet sich zur Zeit im Bootshaus?« »Nein, nein, der ist weggeflogen«, lautete die überraschende Antwort. »Er ist rauf nach Edinburgh, sein Vater hat da ein 92
Landhaus. Ken will für ein paar Tage Urlaub machen. Das hat er uns erst vor wenigen Stunden am Telefon gesagt.« »Ein Anruf, der sicher kaum ohne Grund erfolgte«, vermutete Josuah Parker. * »Ich kann mir solch ein Flug nicht leisten, McWarden, ich muß schließlich mit jedem Penny rechnen«, sagte Lady Agatha nachdrücklich, als man sich auf dem Hubschrauberplatz des Yard traf. »Deshalb haben Sie wohl auch Ihre Karten auf den Tisch gelegt, Mylady, nicht wahr?« gab der Chief-Superintendent zurück. »Ich befinde mich in einer Zwangslage«, räumte die Detektivin ein. »Und Sie haben sie natürlich wieder mal schamlos ausgenutzt, McWarden.« »Ich stelle Ihnen immerhin einen Klein-Jet der Regierung zur Verfügung, Mylady«, erinnerte McWarden. »Weil Sie nur auf diese Weise an den Koordinator herankommen werden«, meinte sie ärgerlich. »Haben Sie wenigstens das Bootshaus ausgenommen, McWarden?« »Mit den beiden Männern aus dem Krankenhaus haben wir noch zusätzlich sechs junge Leute vorläufig festgenommen. Die meisten davon haben bereits zugegeben, sich am Killerspiel beteiligt zu haben.« »Konnten Ihre Beamten bereits ermitteln, wer für die Morde an den Gangstern verantwortlich ist, Sir?« schaltete Josuah Parker sich ein. Man ging gemeinsam zum Hubschrauber herüber, der das Trio nach Heathrow bringen sollte, wo der Klein-Jet bereits auf sie wartete. »Soweit sind wir noch nicht«, erwiderte McWarden. »Aber das 93
alles ist nur noch eine Frage der Zeit. Die gelangweilten Söhnchen und Töchter werden sehr bald Farbe bekennen, darauf gehe ich jede Wette ein. Sie sind nun von der Wirklichkeit eingeholt worden und werden endlich begreifen, auf was sie sich da eingelassen haben.« »Mylady können mit weiteren Spielern dienen«, sagte Parker sanft und höflich. »Das dachte ich mir bereits«, entgegnete der Chief-Superintendent. »Sie haben auch schon abgeräumt, nicht wahr?« »Es handelt sich um zwei angebliche Mitglieder der Heilsarmee, Sir. Hinzu kommt ein junger Mann, der es darauf anlegte, meine Wenigkeit mit einem Messer zu ermorden.« »Ich nehme, was immer Sie mir bieten, Mister Parker«, freute sich McWarden. »Und ich werde ganz sicher nicht fragen, warum Sie sich nicht schon vorher mit dem Yard in Verbindung gesetzt haben.« »Ich würde Ihnen darauf auch nicht antworten, McWarden«, ließ die ältere Dame sich grollend vernehmen. »Ohne mich würden Sie auch diesen komplizierten Fall nicht lösen.« »Eine Frage im Vertrauen, Mister Parker«, schickte McWarden voraus. »Wieso sind Sie sicher, daß Gaynor Sie und Mylady in diesem Landhaus erwartet?« »Mister Ken Gaynor weiß im Grund, daß auch der neuerliche Mordanschlag nicht greifen würde, Sir. Er geht davon aus, daß man die beiden Teilnehmer am Killerspiel nach ihm befragt. Deshalb nannte er auch das Ziel seiner Reise. Er wartet dort auf Mylady und meine Wenigkeit.« »Sicher sind Sie aber nicht, wie?« »Nach Mister Gaynors Persönlichkeitsstruktur, Sir, kann es nur so sein«, entgegnete der Butler. »Im Grund räumte er bereits während der Party seines Vaters in Wimbledon ein, daß er der Koordinator ist.« 94
»Ein hübsches Fluggerät«, war in diesem Moment Myladys Stimme zu vernehmen. »Ich denke, ich werde mich zu dem Piloten setzen und ihm etwas Hilfestellung geben.« »Aber… aber Sie wollen doch nicht selbst fliegen, Mylady, oder?« sorgte sich McWarden umgehend. »Was ist schon dabei«, gab sie lächelnd zurück. »Ich denke, der Pilot kann noch etwas von mir lernen.« * »Er liegt an der Leine«, sagte der Chief-Superintendent, kam aus dem Cockpit und nahm neben Mylady Platz. »Meine Kollegen lassen ihn seit seiner Landung nicht aus den Augen. Er ist auf dem Weg zum Landhaus seines Vaters.« »Er benutzte sehr offen den Firmen-Jet seines Vaters, Sir?« fragte Parker. »Richtig, Mister Parker. Das geht aus der Mitteilung der Flugsicherung eindeutig hervor. Er besitzt übrigens einen Pilotenschein. Ob sein Vater von diesem Flug weiß, interessiert ja wohl kaum.« »Er will mir eine Falle stellen«, wußte die ältere Dame. »Die mit Sicherheit nach einem Unfall aussehen soll, Mylady«, warf Josuah Parker ein. »Meine Wenigkeit möchte sogar noch einen Gedanken hinzufügen.« »Wahrscheinlich genau den, den ich denke«, sagte Lady Agatha und lächelte wissend und überlegen. »Was erwägen Sie denn, Mylady?« fragte der Chief-Superintendent. »Lassen Sie es sich von Mister Parker sagen«, lenkte sie geschickt ab. »Sie werden sich wundern, mein Bester.« »Mister Ken Gaynor plant sicher, auch sich selbst umzubringen«, erklärte der Butler. »Er denkt wohl an einen gemeinsamen 95
Tod, um einen Schlußpunkt zu setzen.« »Er weiß wohl, daß einer seiner Mitspieler früher oder später auspacken wird«, ließ McWarden sich vernehmen. »Es geht um seine Selbstachtung, Sir«, korrigierte der Butler. »Nach der Demütigung und dem Autoritätsverlust innerhalb seiner Clique kann er sich ein Weiterleben wohl nicht mehr vorstellen.« »Ich schon, Mister Parker«, erklärte die ältere Dame. »Ich denke da an eine enge und feuchte Zelle. So etwas muß doch aufzutreiben sein, McWarden, wie?« »Dieser Bursche muß seelisch völlig kränk sein.« »Wie seine Mitspieler, Sir«, erinnerte der Butler. »Sie waren durchaus bereit, aus ihrer versnobten Langeweile heraus Menschen umzubringen.« »Wie wollen wir vorgehen?« erkundigte sich der Chief-Superintendent bei Parker. »Man sollte auf keinen Fall den Weg benutzen, der zu Mister Gaynors Landhaus führt«, überlegte Parker halblaut. »Auf der anderen Seite wird Ken Gaynor unterstellen, daß man so denkt. Seitenwege zum Haus bergen daher Gefahr und Tod.« »Ich werde mit einem Fallschirm über dem Grundstück abspringen«, kündigte die Detektivin an. »An Bord dürften keine Fallschirme sein, Mylady«, erinnerte der Butler höflich. »Dann bestellen Sie per Funk welche, McWarden«, verlangte Agatha Simpson. »Man kann mich dann nach der Zwischenlandung über dem Haus absetzen. Sie, Mister Parker, dürfen mich dabei begleiten.« »Meiner Wenigkeit fehlt es an einer gewissen Praxis«, sagte Josuah Parker vorsichtig. »Sie sind wehrlos, wenn Sie am Schirm hängen, Mylady«, warnte der Chief-Superintendent. 96
»Dann besorgen Sie mir noch zusätzlich eine hübsche Maschinenpistole«, verlangte sie weiter. »Ich werde dann vom Schirm aus das Feuer eröffnen.« »Sie können ja auch mit einem Hubschrauber einschweben, Mylady«, schlug McWarden belustigt vor. »Um dann abgeschossen zu werden, mein Bester?« Sie schüttelte den Kopf. »Man sieht und hört wieder mal, daß Sie vom Nahkampf überhaupt keine Ahnung haben. Ich werde Ihnen die Grundbegriffe wohl noch beibringen müssen.« »Ich dürfte ein gelehriger Schüler sein«, versprach der ChiefSuperintendent und warf Parker einen schnellen, amüsierten Blick zu. * »Wir haben sie ausgemacht«, meldete ein Zivilfahnder der Polizei. »Eine komische Geschichte, Sir.« »Lassen Sie sie hören, Sergeant«, sagte McWarden. Er, Lady Simpson und Parker standen neben einem Geländewagen und blickten den Mann neugierig an. »Gaynor und ein Begleiter waren nur kurz im Landhaus, sie verließen es nach etwa einer halben Stunde und gingen dann in Richtung Tal. Wir verloren sie für etwa fünfzehn Minuten aus den Augen. Und als wir sie dann wieder entdeckten, hingen sie in einem Lastennetz.« »In einem Lastennetz?« staunte der Chief-Superintendent. »Und dieses Netz hängt an einem Teleskopkran, Sir«, berichtete der Sergeant ruhig und konzentriert weiter. »Wie sie da reingekommen sind, wissen wir nicht.« »Ich glaube, mein lieber McWarden, ich werde mich wundern«, sagte Agatha Simpson. »Wenn es erlaubt ist, möchte meine Wenigkeit sich dem 97
anschließen«, fügte der Butler hinzu. »Wer, zum Teufel, hat sie denn in dieses Netz gesteckt?« fragte der Chief-Superintendent stirnrunzelnd. »An der bewußten Baustelle wird zur Zeit nicht gearbeitet«, sagte der Zivilfahnder. »Dort soll eine Brücke gebaut werden, die beim letzten Hochwasser weggerissen wurde.« »Mister Parker, ich verlange umgehend eine Erklärung«, reagierte die ältere Dame leicht gereizt. »Man sollte den Ort des Geschehens vielleicht erst mal in Augenschein nehmen«, schlug Josuah Parker vor und deutete mit der Schirmspitze auf den Geländewagen. »Es sind höchstens zehn Minuten bis dorthin«, sagte der Fahnder. »Die Straße geht völlig in Ordnung.« »Haben Sie sie benutzt?« »Nein, natürlich nicht, wir haben uns vorsichtig durchs Gelände bewegt.« »Mylady bestehen darauf, ebenfalls diesen Weg durch das Gelände zu nehmen«, sagte der Butler, der an die Gerissenheit Ken Gaynors dachte. Grundlos hatte er sich zusammen mit seinem Vertrauten Owens wohl kaum in dieses Lastennetz begeben. Er ging sicher davon aus, beobachtet worden zu sein. Er hatte Neugier ausgelöst und hoffte, daß man auf dem regulären und schnellsten Weg zur Brückenbaustelle kommen würde. Josuah Parker dachte an Minen. »Sie komplizieren wieder mal alles, Mister Parker«, räsonierte die ältere Dame. »Wie will der Lümmel mir gefährlich werden, wenn er in einem Netz hängt?« »Auf dem Umweg über eine Mine, Mylady, um nur ein Beispiel zu nennen.« »Daran dachte ich allerdings gerade auch«, behauptete sie. »Ich traue diesem jungen Fant nicht über den Weg.« »Ich werde den Weg nach Minen absuchen lassen«, sagte 98
McWarden, griff nach dem Funksprechgerät und gab eine entsprechende Anordnung durch. Dann nickte er Mylady zu. »Folgen Sie mir dichtauf und verursachen Sie keinen unnötigen Lärm«, warnte sie den Mann vom Yard. »Sie sind ein Großstädter, der sich in der Natur nicht auskennt.« Sie hatte diesen Satz noch nicht ganz ausgesprochen, als ihr linker Fuß scheppernd gegen eine leere Konservendose trat. »So etwas nämlich darf Ihnen nicht passieren«, sagte sie eindringlich. »Merken Sie sich das!« McWarden verzichtete auf eine Antwort. Er marschierte hinter Mylady her, die ihrem Butler folgte. Der Zivilfahnder hatte die Spitze übernommen und führte die Gruppe durch das Gelände. Nach einer kaum bewaldeten Kuppe ging es wieder bergab, dann um eine kleine Felsnase herum und in ein enges Tal, durch das ein Wildwasser floß. Der Zivilfahnder hatte die Situation völlig richtig beschrieben. Am Ausleger eines Teleskopkrans hing ein kräftiges Seil, das ein Lastennetz trug. In diesem saßen Ken Gaynor und Bruce Owens. Sie vermöchten sich kaum zu rühren, wie es den Anschein hatte. Das Lastennetz schaukelte leicht im Wind. Parker trat aus der Deckung hervor und lüftete höflich die schwarze Melone. »Sie?!« Ken Gaynor bemühte sich, überrascht zu wirken. »Sie hatten doch mit der Ankunft meiner Wenigkeit gerechnet, Mister Gaynor«, sagte der Butler. »Das ja, Parker, aber so schnell. Naja, ich habe nichts dagegen. Meine Lage hier ist mies.« »Wie sind Sie denn in dieses Netz geraten, junger Mann?« erkundigte sich die ältere Dame. Sie hatte sich seitlich hinter dem Butler aufgebaut. »Ärger mit Freunden«, erwiderte Gaynor. »Die wollen uns aushungern, fürchte ich.« 99
»Sie haben Freunde hier in dieser Bergeinsamkeit?« wunderte sich der Butler. »Freunde aus der Clique, die im Landhaus oben sind und nicht mehr mitspielen wollen«, lautete die fast überzeugende Antwort. »Okay, Parker, Sie haben es geschafft.« »Mylady hat es geschafft«, korrigierte der Butler. »Wie auch immer.« Gaynor lachte ein wenig hysterisch. »Holen Sie uns runter, Parker, hier oben ist es verdammt eng. Man kann keine Hand rühren.« »Eine Tatsache, die man nur als erfreulich bezeichnen kann, Mister Gaynor. Demnach können Sie nicht schießen.« »Sie wären doch schneller, Parker. Nun machen Sie schön, holen Sie uns runter.« »Man wird Sie der Polizei überstellen, Mister Gaynor. Man wird Sie als Koordinator anklagen und wegen Mord verurteilen.« »Ich habe keinen Menschen umgebracht.« »Und wer ermordete zum Beispiel die Herren Littering und Setters?« »Die beiden Heilsarmisten«, lautete die verblüffende Antwort. »Judy Fairschild und Peter Staggers. In dieser Maske haben sie die beiden Gangster voll reingelegt und vergiftet. In beiden Fällen haben sie den Kaffee und den Whisky vergiftet.« »Man wird Sie zur Rechenschaft ziehen, Mister Gaynor.« Parker begab sich gemessen zur Kabine des Krans, blieb dann aber plötzlich stehen und wandte sich zu Gaynor und Owens um. »Sie erwarten, daß man Sie herunterläßt?« erkundigte er sich höflich. »Drehen Sie den Zündschlüssel um und nehmen Sie den rechten, roten Hebel«, sagte Gaynor. »Vorsichtig, nur ganz leicht vorschieben, sonst knallen wir ins Wasser.« »Sie erwarten wirklich, daß man den Motor des Krans 100
zündet?« »Nun machen Sie schon, Parker.« »Weder Mylady noch meine bescheidene Wenigkeit verspüren Lust, himmelwärts zu steigen, um es mal so auszudrücken.« »Wieso, was ist denn?« »Sie dürften die Fahrerkabine und auch den Motor präpariert haben. Mit einer ausreichenden Sprengladung ließe sich Ihr Problem leicht lösen.« »Was für ein Unsinn, Parker…« »Man wird Sie auf eine andere Art herablassen«, versprach der Butler und langte nach seiner Gabelschleuder. »Wenn Sie erlauben, wird man Sie jedoch vorher zeitweise unschädlich machen.« Das reichte, um Gaynor durchdrehen zu lassen. Er wurde hysterisch, fluchte, schäumte und schimpfte, bis seine Stimme sich überschlug. »Machen Sie ihn schon endlich fertig«, rief Owens wütend. »Ich halt’ das nicht mehr aus, ich wußte gleich, daß das ‘ne Schnapsidee war, aber er wollte ja nicht auf mich hören. Er wollte mal wieder ganz raffiniert und einmalig sein.« »Wie gut, daß ich Sie noch rechtzeitig gewarnt habe«, sagte Lady Agatha zu Parker. »Sie wären in die Luft geflogen.« »Und wie«, rief Owens. »Was wären Sie ohne mich«, behauptete die ältere Dame. »Sie sollten sich bei Gelegenheit bei mir bedanken.« »Wie Mylady zu wünschen belieben«, gab Parker in gewohnter Höflichkeit zurück. ENDE
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