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Parker blufft das „Hypno-Auge“ Günter Dönges »Positiv und dynamisch sollte man den Tag beginnen«, sagte Butler Parker in dozierend-höflichem Ton, um dann mit dem blei gefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms im Sinne seiner Feststellung zuzuschlagen. Der untersetzte, muskelbepack te Mann wurde an der Stirn getroffen, doch er zeigte keine Wir kung. Er musterte Josuah Parker nach kurzem Augenschließen und versuchte dann noch mal, den Butler mit einem Fußtritt zu erwischen. Der Massige nahm sich viel Zeit dazu und schien sich dem Zeitlupentempo verschrieben zu haben. »Hatte ich ihnen bereits einen guten Morgen gewünscht?« er kundigte sich der Butler. Er glaubte, daß sein Gegenüber ein we nig angetrunken war. Der Untersetzte ging auf die Frage des But lers nicht ein, denn er hatte eingesehen, daß mit dem Fuß nichts zu machen war. Er versuchte es deshalb mit der rechten Faust und holte zu einem gewaltigen Schlag aus. Josuah Parker hatte keine Mühe, den ihm zugedachten Schlag ins Leere gehen zu las sen. »Sie sollten vielleicht noch ein wenig trainieren«, schlug der Butler vor, nachdem der Mann sein Gleichgewicht wiederherge stellt hatte. »London bietet eine Fülle von hochwertigen Sport zentren, wie ich bemerken darf.« Die Hauptpersonen: Norman Ballert steht unter Hypnose und wird unangenehm. Marty D. Pinner führt ein zu großes Haus und erregt Verdacht. Doctor Finnegan erweist sich als Spezialist in Hypnose. Brian Fulwell leitet eine Peep-Show und weiß von nichts. William Tooting ist ein hochbegabter Hypnotiseur. Kathy Por ter versucht sich als Stripperin. Lady Agatha Simpson trennt sich mißtrauisch von ihrem Schmuck. Butler Parker läßt sich vom „Meister“ hypnotisieren. Der Morgen war noch jung. Josuah Parker, etwas über mittelgroß, fast schlank, hatte das fünfzigste Lebensjahr längst überschritten und befand sich im 2
Green-Park unterhalb von Shepherd’s Market, der um diese Zeit fast immer menschenleer war. Der Mann, der sich mit ihm anle gen wollte, kam plötzlich aus den Sträuchern und verstellte ihm den Weg. Er hatte bisher kein Wort gesagt, ging auf die Anregung des Butlers nicht ein, holte wieder aus wie ein vorprogrammierter Roboter und versuchte es mit einem zweiten Schlag. »Wie wäre es möglicherweise mit der anderen Hand«, erkundig te sich der Butler. »Sie verfügen über zwei Fäuste, wenn ich dar auf aufmerksam machen darf.« Der Muskelbepackte sah den Butler aufmerksam an, lächelte dann hilflos und wandte sich ab. Er ging zögernd weiter, drehte sich noch mal nach dem Butler um und schob sich dann in das Strauchwerk rechts vom Weg. Des Butlers Neugier war geweckt worden. Gemessenen Schrittes folgte er dem Mann, bis er das dichte Strauchwerk erreichte. Josuah Parker war keineswegs leichtsin nig. Das rätselhafte Verhalten des anderen warnte ihn zusätzlich. Parker schob mit der Spitze seines Universal-Regenschirms einige Zweige zur Seite und entdeckte den Mann, der inzwischen beim Außengitter des Parks angekommen war. Offensichtlich mühelos überstieg der Untersetzte dieses Gitter und ging zu dem schwar zen, altmodischen Morris, der am Straßenrand parkte. Josuah Parker interessierte das Kennzeichen dieses Wagens. Er passierte das Strauchwerk und wollte ebenfalls zum Parkgitter. Doch dann fiel ein Schuß, und Parker verbeugte sich leicht. Das Geschoß pfiff dicht an seinem Körper vorüber und klatschte in die Bohlen einer weit entfernt stehenden Parkbank. Fast unmittelbar darauf heulte ein Automotor auf. Als der Butler sich wieder auf richtete, hatte der kleine Morris bereits Fahrt und jagte im Eil tempo in die nächste Querstraße. Das kreischende Radieren der Reifen quälte die Trommelfelle. Der Butler reagierte leidenschaftslos und überlegt. Man hatte auf ihn geschossen, eindeutig verbunden mit der Absicht, ihn nicht nur zu warnen, sondern auch zu treffen. Dieses Geschoß konnte später noch mal als Indiz eine wichtige Rolle spielen. Parker überquerte die Rasenfläche und untersuchte die Bank. Nach wenigen Augenblicken fand er bereits die Einschlagstelle. Holz war aus den Bohlen gerissen worden. Das Geschoß steckte noch in der Lehne. Mit einem Taschenmesser schnitt Parker die ses Indiz aus dem Holz und ließ es in einer seiner vielen Westen 3
taschen verschwinden. Es war nur leicht deformiert worden. Josuah Parker brach damit seinen Morgenspaziergang ab und schritt zurück nach Shepherd’s Market. War diese seltsame Be gegnung absichtlich inszeniert worden? Parker verneinte diese Frage. Das Verhalten des muskelbepackten Untersetzten war wohl doch zu seltsam und zu planlos gewesen. Um einen Profi konnte es sich unmöglich gehandelt haben. War der Mann viel leicht betrunken gewesen? Hatte er unter Drogeneinfluß gestan den? Josuah Parker hatte den Piccadilly überquert und hielt auf die stille Oase inmitten von London zu, als er das Geräusch eines schnell sich nähernden Wagens hörte. Er nahm gemessen und ohne Hast den Kopf herum und gewahrte einen schwarzen Morris. Um jeder Eventualität vorzubeugen, griff Josuah Parker nach ei nem seiner Patent-Kugelschreiber und warf dieses normal ausse hende Schreibutensil auf den Gehweg. Sekunden später wallten dichte Nebelschwaden auf, die sich schnell ausbreiteten. Der Fahrer des Morris wurde prompt irritiert. Das Quietschen von Bremsen war zuhören, dann folgte ein leichtes Scharren von Blech. Der Motor heulte erneut auf, und Parker sah die schemen haften Umrisse des Wagens, der bereits auf dem Gehweg war. Der Morris wurde herumgerissen, brach mit dem Heck aus und rumpelte dann mit einem luftleeren Pneu zurück auf die Straße. Parker konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß er gerade etwas für seine Gesundheit getan hatte. * »Ich möchte und will es einfach nicht glauben«, sagte Lady A gatha Simpson und sah Josuah Parker vorwurfsvoll an, »da wird nun ein hübsches Attentat begangen, Mr. Parker, und Sie lassen dieses Subjekt einfach laufen. Sagen Sie mir, was ich davon hal ten soll?« »Mylady hegen bestimmte Wünsche?« erkundigte sich der But ler, der seiner Herrin das Frühstück servierte. Lady Agatha war eine überaus stattliche Dame, die ihre Geburtstage seit Jahren nicht mehr zur Kenntnis nahm. Ihrer näheren Umgebung war al lerdings nur zu gut bekannt, daß sie ihren sechzigsten lange hin ter sich hatte. Die passionierte Detektivin war groß, ein wenig 4
mehr als vollschlank und was man so ein Energiepaket nennt. Als unabhängige, immens reiche Frau konnte sie ausgiebig ihrem Hobby frönen, Kriminalfälle aufzudecken. Ihre direkte Art, die Dinge anzugehen, war frappierend und brachte die Gegner immer wieder durcheinander. Lady Agatha bekam allerdings kaum mit, daß es ihr Butler war, der seine schützende Hand über sie hielt und die Ermittlungen steuerte. »Konnten Sie sich wenigstens das Kennzeichen dieses Morris merken?« erkundigte sich Lady Simpson und musterte leicht em pört die Silberplatten, die Parker aufdeckte. Der Butler offerierte geröstete Nierchen, Rührei mit Schinken, Rostbratwürstchen, Por ridge, Toast, Butter und diverse Konfitüren. »Die allgemeinen Sichtverhältnisse, Mylady, ließen eine Identifi zierung des Morris leider nicht zu«, antwortete er beim Servieren, »Mylady sind mit der Morgendiät unzufrieden?« »Das ist ja die reinste Nulldiät«, empörte sich die Hausherrin grollend, »wie soll ich mit diesen wenigen Kalorien bestehen, Mr. Parker?« »Mylady könnten möglicherweise ein zweites Frühstück einpla nen«, schlug Parker höflich vor. »Könnten? Ich erwarte, daß Sie dieses zweite Diätfrühstück richten werden«, entschied sie, »aber lenken Sie nicht vom The ma ab. Man hat schließlich auf Sie und damit natürlich auch auf mich geschossen. Das war ein gezielter Mordversuch!« »Eben dies, Mylady, wagt meine bescheidene Wenigkeit zu be zweifeln«, entgegnete Josuah Parker, »ich darf noch mal darauf verweisen, daß der Angreifer einen geradezu somnambulen Ein druck machte.« »Aha«, gab Parkers Gesprächspartnerin verstehend zurück, um sich dann zu räuspern, »und was stellen Sie sich darunter vor?« »Der Mann im Green-Park schien ein Nachtwandler zu sein, My lady«, erläuterte Parker, »hinzu kam, daß seine Bewegungen un gewöhnlich langsam abliefen.« »Ein Trick, um Sie zu täuschen«, entschied Agatha Simpson, die sich inzwischen mit der >Nulldiät< befaßte, »selbstverständlich werde ich morgen in aller Frühe im Green-Park sein. Dann kann dieser Lümmel sich auf einiges gefaßt machen.« »Meiner bescheidenen Ansicht nach war der Somnambule nicht allein, Mylady«, stellte Parker fest, »das Steuer des erwähnten Morris muß die ganze Zeit über besetzt gewesen sein.« 5
»Das paßt doch wunderbar in meine Theorie, Mr. Parker«, freu te sich Lady Agatha, »zwei Gangster, die mich ermorden wollten. Ich werde diesen Subjekten heimleuchten.« Die resolute Dame schien bereits vergessen zu haben, daß Par ker dieses Erlebnis im Green-Park gehabt hatte. Parker dachte natürlich nicht im Traum daran, eine erklärende Korrektur vorzu nehmen. Er kannte das Temperament und die Einbildungskraft der Lady nur zu gut. »Im Grund bin ich natürlich froh, daß sich endlich wieder etwas tut«, redete sie weiter, »seit fast einer halben Woche hat sich kein Gangster gezeigt, Mr. Parker. Offen gesagt, ich wurde be reits unruhig.« »Mylady müssen unsagbar gelitten haben«, erwiderte Parker höflich. »So in etwa.« Sie nickte zustimmend. »Wer könnte denn im Moment versessen darauf sein, mich umzubringen?« »Dieser Frage, Mylady, erlaubte ich mir bereits in Gedanken nachzugehen«, schickte Parker voraus, »im Augenblick vermag ich leider nicht mit einem entsprechenden Hinweis zu dienen.« »Ich werde nicht bis morgen warten«, entschied sie und nickte grimmig, »das wäre reine Zeitverschwendung. Ich werde sofort den Green-Park und Hyde-Park besuchen, Mr. Parker. Ich bin si cher, daß man mir erneut auflauern wird.« »Mylady wollen diese Parkbesuche allein durchführen?« »Aber natürlich«, gab sie zurück, »Sie sind ja bereits zu be kannt, Mr. Parker, und könnten mir das Wild vergrämen. Nein, nein, ich werde die beiden Parks allein kontrollieren. Vielleicht nehme ich sogar noch den St.-James-Park hinzu. Eine Lady Simp son greift man nicht ungestraft an.« * »Ich komme absolut nicht zufällig vorbei«, meinte ChiefSuperintendent McWarden, ein untersetzter, sehr bissig und auch griesgrämig wirkender Mann von etwa fünfzig Jahren. McWarden leitete im Yard ein Sonderdezernat, das sich auf Kapitalverbre chen spezialisiert hatte. »Mylady befindet sich nicht im Haus, Sir«, meldete Parker, der dem Chief-Superintendent die Haustür geöffnet hatte. 6
»Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten, Mr. Parker.« »Gibt es dafür möglicherweise einen besonderen Anlaß?« »Und ob, Mr. Parker! Auf meinem Schreibtisch landete eine recht seltsame Nachricht. Zuerst dachte ich an ein Naturphäno men, doch dann ging mir ein Licht auf.« »Sie erwecken in meiner bescheidenen Wenigkeit eine gewisse Neugier, Sir.« Parkers Gesicht blieb ausdruckslos wie das eines professionellen Pokerspielers. »In den frühen Morgenstunden entdeckten die beiden Insassen eines Streifenwagens eine eng begrenzte Nebelbildung auf dem Piccadilly, Mr. Parker. Es handelte sich nach den Aussagen um eine massive Nebelwand. Erstaunlich, nicht wahr?« »Darf man sich erlauben, Sir, Ihnen eine Erfrischung anzubie ten?« »Sherry«, antwortete McWarden knapp, »was sagen Sie zu die ser Nebelwand?« »Die Natur, Sir, ist und bleibt ein einziges Wunder.« »Gewisse Kugelschreiber sind für mich auch wahre Wunder«, antwortete McWarden und lächelte verbissen, »diese Nebelwolke baute sich ganz in der Nähe von Shepherd’s Market auf. Zufall oder nicht, das ist die Frage!« »Sollte man davon ausgehen, daß Sie einen bestimmten Ver dacht hegen, Sir?« Parker servierte bereits den Sherry. »Sie sind angegriffen worden, nicht wahr? Sie haben sich mit dieser Nebelwolke verteidigt, oder? Nun rücken Sie schon mit der Wahrheit heraus, Parker! Was braut sich da wieder mal hinter meinem Rücken zusammen?« »Gab es in jüngster Zeit Tathergänge, Sir, in deren Mittelpunkt offensichtlich somnambule Personen standen?« antwortete der Butler mit einer Gegenfrage. McWarden senkte etwas zu schnell den Kopf und widmete sich angestrengt dem Sherryglas. Dann hüstelte er leicht. »Aus welchem Grund fragen Sie, Mr. Parker?« McWarden hatte sich wieder unter Kontrolle und sah den Butler mißtrauisch an. »Solche gelagerten Fälle existieren also«, stellte Josuah Parker höflich fest, »könnte man unter Umständen mehr darüber hö ren?« »Sind Sie von einem Kerl angegriffen worden, der somnambul wirkte?« fragte der Chief-Superintendent. »In etwa, Sir«, erwiderte Parker, »eine letzte Sicherheit möchte 7
ich aber allerdings ausschließen.« »Was stelle ich mir denn darunter vor, zum Teufel?« »Könnten Sie sich entschließen, Sir, meiner Wenigkeit erst mal zu antworten?« »Also gut, Mr. Parker, aber das alles bleibt unter uns. Wir be fassen uns seit vier Wochen mit fünf recht eigenartigen Fällen. Mondsüchtige, um’s mal banal auszudrücken, verübten Überfälle auf Juwelenläden und Privatwohnungen. In allen fünf Fällen wur de große Beute an Schmuck und Bargeld gemacht. Ich fürchte, daß die Dunkelziffer wesentlich höher ist.« »Mondsüchtige Perso nen, Sir.« Parker deutete eine zustimmende, allerdings eher knappe Verbeugung an. »Mit solch einer Person hatte es auch meine bescheidene Wenigkeit zu tun. Diese Person verfolgte die Absicht, Fußtritte und Faustschläge zu plazieren, womit man sich selbstverständlich nicht einverstanden erklären konnte.« »Sehr interessant, Mr. Parker.« McWarden leerte das Glas und reichte es an den Butler weiter, »auch darüber liegen uns einige Meldungen vor. Völlig harmlose Passanten wurden in Morgen stunden grundlos angegriffen. In einem Fall wurde sogar ge schossen.« »Demnach in zwei Fällen, Sir.« »Moment mal, auch auf Sie ist geschossen worden, Mr. Par ker?« »Dies, Sir, sollte damit ausgedrückt werden. Wenn Sie erlau ben, möchte ich Ihnen ein Geschoß zur Verfügung stellen.« »Es lebe meine Nase.« McWarden lächelte triumphierend. »Ich wußte doch gleich, was die Glocke geschlagen hatte, als ich diese Meldung las. Sie hätten sich heute natürlich noch gemeldet, o der?« »Ihr Besuch, Sir, enthob meine Wenigkeit diesem Vorhaben«, erklärte der Butler, »könnte man möglicherweise mehr über die Überfälle erfahren? Mylady wird das sicher zu schätzen wissen.« »Gegen eine Zusammenarbeit hätte ich nichts einzuwenden«, erklärte McWarden. »Wir alle haben davon doch bisher immer profitiert.« »In der Tat, Sir. Mylady besucht zur Zeit übrigens einige Park anlagen und hofft, von einem somnambulen Gegner angegriffen zu werden.« »Das ist aber verdammt leichtsinnig«, meinte der ChiefSuperintendent und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, »sie ist 8
doch nicht etwa allein unterwegs, oder?« »Natürlich nicht, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »Mylady wird von Miß Porter und Mister Rander diskret begleitet. Unmittelbare Gefahr dürfte demnach nicht bestehen.« »Beschwören Sie nur nichts, Parker.« McWarden pochte dreimal auf das Armholz des Sessels. »Wenn Sie mich fragen, Mr. Parker, so haben wir es mit einem Geisteskranken zu tun, der überhaupt keine Hemmungen kennt!« * Mylady befand sich in leicht gereizter Stimmung. Sie hatte den St.-James-Park und den Green-Park bereits aus giebig abgeschritten, ohne daß sich etwas getan hatte. Nun be fand sich die ältere, doch sehr energische Dame im Hyde-Park, der bereits am Morgen recht gut besucht war. Lady Agatha mus terte Einheimische wie Touristen erwartungsvoll und hoffte, daß sie endlich angegriffen wurde. Angst hatte sie überhaupt nicht. Sie wußte nicht, was das war. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, daß ihr etwas passierte… Zur Abwehr etwaiger. Angriffe besaß sie eine harmlos ausse hende, aber ungemein wirkungsvolle Waffe. Es handelte sich da bei um einen sogenannten Pompadour, einen perlenbestickten Handbeutel, wie er von den Damen um die Jahrhundertwende getragen wurde. In diesem Pompadour befand sich ein echtes Pferdehufeisen, das noch recht oberflächlich in dünnem Schaum stoff eingewickelt war. Wenn Lady Agatha mit diesem Handbeutel zuschlug, schien ein ausgewachsenes Pferd auszukeilen. Da die ältere Dame mit Leidenschaft Golf spielte und mit dem Sportbo gen hantierte, verfügte sie über gut entwickelte Muskeln, die solch einen Schlag vernichtend ausfallen ließen. Sie wußte, daß sie nicht allein war. Nicht weit entfernt schlenderte ein attraktiv aussehendes Paar hinter ihr her. Kathy Porter, Myladys Gesellschafterin, und Mike Rander, seines Zeichens Anwalt und Vermögensverwalter der A gatha Simpson, hatten sich aneinandergeschmiegt und ließen die Verfolgte nicht aus den Augen. Butler Parker hatte ihnen deutlich gemacht, wie gefährlich Myladys Alleingang und Suche nach dem Somnambulen ausfallen konnte. 9
Dies erfuhren bald darauf auch zwei noch relativ junge Männer, die auf einer Parkbank saßen und eindeutig zuviel getrunken hat ten. Sie hatten die ältere Dame beobachtet und fanden, daß man sie ein wenig hänseln sollte. Die äußere Erscheinung der Lady verführte zu solchen Aktionen, denn Agatha Simpson trug ein zu weites Tweedkostüm und einen pikanten Hut, der eine aufregen de Kreuzung aus einem Südwester und einem Napfkuchen dar stellte. Man sah es der Dame an, daß sie im Grund ins vergange ne Jahrhundert gehörte. »Was für ein Leichtsinn«, sagte Mike Rander zu seiner Begleite rin, »sehen Sie sich die beiden Knaben an. Sie wollen sich mit Mylady anlegen.« Mike Rander glich, was sein Äußeres betraf, einem britischen Schauspieler namens Roger Moore, der sich auf die Darstellung des sagenumwobenen James Bond spezialisiert hatte. Kathy Por ter hingegen erinnerte mit ihrer geschmeidigen Schlankheit und den ausdrucksvollen, mandelförmig geschnittenen Augen an ein scheues Reh. Die beiden jungen Leute, die ihre Haare grellrot und lila gefärbt hatten, vertraten der älteren Dame den Weg und verglichen sie mit einer alten Fregatte, die man möglichst schnell abtakeln soll te. »Gleich passiert’s, Kathy«, seufzte Mike Rander, »ob wir nicht schon jetzt einen Rettungswagen alarmieren sollten?« Bevor Kathy Porter, Myladys Sekretärin und Gesellschafterin, sich dazu äußern konnte, antwortete die ältere Dame bereits auf ihre Art. Schlicht und ungeniert trat sie mit ihrem großen linken Fuß gegen das Schienbein eines der beiden Männer. Der Getrof fene jaulte auf, verbeugte sich unwillkürlich und kassierte im Anschluß daran eine Ohrfeige, die wie ein Niederschlag wirkte. Der junge Mann rutschte seitlich weg und landete im Gras. Der zweite junge Mann wich zurück, starrte auf seinen Beglei ter, dann auf Lady Agatha und wurde wütend. Er zog blitzschnell eine Art Jagdmesser aus dem Hosengürtel und kündigte an, er würde dem alten Drachen ein paar Streifen aus dem Kostüm schneiden. Mit der Bezeichnung >alter Drachen< meinte er ein deutig Agatha Simpson, die einen recht animierten und erfreuten Eindruck machte. Bevor der junge Mann seine Drohung in die Tat umsetzen konn te, landete der perlenbestickte Pompadour auf seiner rechten Ge 10
sichtshälfte. Der Unterkiefer verrutschte, hakte leicht aus und ließ den Besitzer stöhnen. Von der Gewalt der Berührung wurde der Mann waagerecht auf die Luft gelegt, die ihn natürlich nicht zu tragen vermochte. Krachend landete der >Punker< auf dem mit Kies bedeckten Parkweg. »Wagen Sie es nicht noch mal, eine schutz- und hilflose Frau anzugreifen«, grollte die Lady, »nun los, worauf warten Sie noch?« Die beiden >Punker< krochen über das Gras und beeilten sich, aus der Reichweite der streitbaren Dame zu kommen. Sie mach ten einen ziemlich benommenen Eindruck und brauchten eine gewisse Zeit, bis sie sich wieder fit fühlten. Sie verzichteten aber darauf, Mylady noch mal den Weg zu verstellen, auch darauf, sie mit Worten zu beleidigen. Dann ergriffen sie die Flucht und trab ten auf unsicheren Beinen in einen nahen Seitenweg. »Achtung, Mike«, sagte Kathy Porter, »sehen Sie doch… Ich meine diesen Mann dort! Er scheint sich ebenfalls mit Mylady an legen zu wollen.« »Sieht nach einem Nachtwandler aus, obwohl’s Tag ist«, bestä tigte der Anwalt, »lassen wir uns überraschen.« * Der Mann, auf den Kathy Porter und Mike Rander aufmerksam geworden waren, hielt direkt auf die Lady zu, die stehen geblie ben war und den Entgegenkommenden kritisch musterte. Der etwa Vierzigjährige war ordentlich gekleidet und trug eine Brille. Er schaute allerdings, wie sich jetzt zeigte, an Lady Simpson vor bei und passierte sie. Seine Bewegungen schienen ein wenig e ckig und schlecht koordiniert. »Sie wollen mich sprechen?« erkundigte sich Agatha Simpson hoffnungsvoll. Um den Mann zu stoppen, genierte sie sich nicht, nach seinem rechten Rockärmel zu greifen. Der Mann reagierte nicht, schüttelte die Hand der älteren Dame in einer Art Zeitlu pentempo ab und ging weiter. »Bleiben Sie bei Mylady, Kathy«, bat Mike Rander, »ich werde diesem Burschen da folgen.« Der Mann ging mit staksigen Schritten weiter und hielt auf eine Gruppe von Liegestühlen zu, die ohne Ausnahme von Sonnen 11
hungrigen besetzt waren. Mike Rander beschleunigte seine Schrit te, um möglichst nahe an diesen seltsamen Mann heranzukom men. Der hatte inzwischen die Liegestühle erreicht und ging schnur stracks auf eine junge Frau zu, die eine Handtasche neben sich abgestellt hatte. Der Mann bückte sich, nahm die Tasche und rannte plötzlich los, als würde er von Furien gehetzt. Die Bestohlene schrie überrascht auf, hatte einige Mühe, aus dem flachgestellten Liegestuhl hochzukommen und nahm dann die Verfolgung des Diebes auf, der in Richtung Serpentine Road lief. Mike Rander pfiff auf sein britisches Phlegma, aktivierte die Beine und entpuppte sich bei dieser Gelegenheit als erstklassiger Sportler. Er holte schnell auf und verkürzte den Abstand zu dem Dieb, der kein besonders guter Läufer war. »Geben Sie auf, Mann«, rief Mike Rander, »bleiben Sie stehen, Sie haben keine Chance!« Der Mann reagierte nicht, lief weiter und stolperte dann über das linke Bein, das Mike Rander ihm in den Weg stellte. In hohem Bogen flog der Strauchelnde durch die Luft und schrammte ins Gras. Er blieb regungslos liegen, als der Anwalt neben ihm er schien. »Los Mann, kommen Sie schon hoch«, forderte Mike Rander ihn auf. Der Mann blieb jedoch mit dem Gesicht nach unten im Gras liegen und reagierte nicht. »Machen Sie schon«, setzte Mike Rander hinzu, »‘ne schriftliche Einladung werden Sie mit Sicherheit nicht bekommen.« Der Mann rührte sich nicht. Der Anwalt glaubte natürlich an ei nen Trick, ließ den Liegenden nicht aus den Augen und machte sich bereit, einen blitzschnellen Angriff abzuwehren. Doch der Mann rührte sich einfach nicht. Neugierige hatten sich eingefunden, die verhaltene Kommentare lieferten. Mike Rander bückte sich nach der Tasche, um sie der Besitzerin, die sich eingefunden hatte, zurückzugeben. Als der Anwalt die Tasche berührte, schien der Dieb förmlich zu explodie ren. Er warf sich herum, fletschte die Zähne und knurrte gereizt. Dann schnellte er hoch und attackierte den Anwalt. Mike Rander hatte mit solch einem Angriff gerechnet, wich ge schickt zur Seite aus und bewies, wie durchtrainiert er war. Er zeigte aber auch, wie hart sein Punch war. Mit einem schnell und 12
präzise geschlagenen Haken brachte er den Dieb wieder von den Beinen. »Moment Sir, überlassen Sie das uns«, war in diesem Moment eine befehlsgewohnte Stimme zu vernehmen. Rander wandte sich zur Seite und sah zwei berittene Polizeibeamte, die gerade aus ihren Sätteln stiegen. Sie näherten sich dem Mann, der knockout geschlagen war. Als einer der beiden Beamten den Mann untersu chen wollte, kam es zu einer zweiten Explosion. Der Dieb wehrte sich mit schier unglaublicher Kraft, doch gegen die Griffe der bei den kam er nicht an. Es dauerte dennoch einige Zeit, bis sie ihm Handschellen angelegen konnten. »Der Mann ist ja wie von Sinnen, Mike«, stellte Kathy Porter fest, die inzwischen neben dem Anwalt stand. »Der dürfte unter Drogen stehen«, deutete der Anwalt das selt same Verhalten, »was macht Mylady?« »Sie wundert sich«, war die bantonal gefärbte Stimme der älte ren Dame zu hören, »sie wundert sich sehr, mein Junge!« * »Er stand und steht eindeutig nicht unter Drogen«, sagte ChiefSuperintendent McWarden gegen Mittag. Nach seinem Gespräch mit Butler Parker war er zurück zum Yard gefahren, um jetzt noch mal im altehrwürdigen Fachwerkhaus der Lady Simpson zu er scheinen. Die Detektivin wußte inzwischen, daß Parker aus guten Gründen von seinem Erlebnis am frühen Morgen berichtet hatte. Auch sie hatte sich, wenn auch unter Vorbehalt, für eine Zusam menarbeit mit McWarden entschieden. »Was ist mit dem Knaben denn überhaupt los?« fragte Mike Rander. »Unsere Ärzte zerbrechen sich noch den Kopf«, erwiderte der Yardbeamte, »der Mann aus dem Hyde-Park ist nach wie vor nicht ansprechbar. Wir wissen inzwischen, wer er ist. Er heißt Norman Ballert, wohnt in Stepney und ist Angestellter in einer Reederei.« »Könnte er möglicherweise unter Hypnose stehen, Sir?« schal tete sich der Butler ein. »Unter Hypnose?« Der Chief-Superintendent sah den Butler er staunt an. 13
»Genau das wollte auch ich gerade sagen«, meinte die ältere Dame prompt und räusperte sich. »Sie waren wieder mal etwas zu voreilig, Mr. Parker.« »Hypnose würde manches erklären«, fand Kathy Porter, »ich sehe noch den leeren Blick dieses Mannes. Er schien überhaupt nicht zu wissen, was er tat.« »Wie kommen Sie ausgerechnet auf Hypnose, Mr. Parker?« wollte McWarden wissen. »Mylady konnten in der Vergangenheit schon mal einen ähnlich gelagerten Fall klären«, antwortete der Butler höflich. »Tatsächlich?« fragte Agatha Simpson, um dann bestätigend zu nicken, »natürlich, jetzt erinnere ich mich wieder. Ersparen Sie mir aber Einzelheiten, mein lieber McWarden. Es dürfte doch wohl reichen, daß ich dieses Rätsel jetzt auch in diesem Fall gelöst ha be.« »Von Hypnose sprachen auch die behandelnden Ärzte«, meinte McWarden nachdenklich, »sie sind sich ihrer Sache allerdings nicht sicher. Hypnose würde auch die bisher bekannten fünf Fälle erklären.« »Wie spielten sich die Überfälle denn ab, Sir?« erkundigte sich Kathy Porter. Das sogenannte Quartett, nämlich Butler Parker, Lady Simpson, Kathy Porter und Mike Rander, befand sich im Sa lon des Hauses. Man trank Tee und belebte den Kreislauf, was die Hausherrin betraf. Sie benutzte dazu einen französischen Cognac, der ihre Wangen bereits intensiv gerötet hatte. »Es waren keine gravierenden Überfälle«, meinte McWarden, »die Beute war in allen Fällen mehr oder weniger gering.« »Sie sprachen, Sir, von Juweliergeschäften«, tippte Parker an. »Das schon, Mr. Parker, aber die Geschäfte sind klein, was die Angebote betrifft. Auch die Privatpersonen, die man beraubte, sind nicht gerade begütert. Dennoch – es wurden Uhren, Schmuck, Bargeld und in einem Fall auch Gemälde gestohlen. Der Gesamtwert der Beute beläuft sich auf etwa zehntausend Pfund.« »Und wie gingen die Täter vor?« fragte Mike Rander weiter, »waren es überhaupt mehrere, McWarden?« »Eindeutig, Rander«, bestätigte der Chief-Superintendent und nickte, »das geht aus den Beschreibungen klar hervor. Pro Tat ein anderer Täter, aber in allen Fällen sprechen die Beraubten von einem Mann, der wie in Trance auftrat.« »Hypnose natürlich, wie ich bereits sagte«, warf die ältere Da 14
me ein, »Sie müssen zugeben, mein lieber McWarden, daß ich des Rätsels Lösung wieder mal auf Anhieb gefunden habe.« »Sie sind einmalig, Mylady«, lobte der Chief-Superintendent si cherheitshalber die Detektivin. Sie schenkte ihm daraufhin einen geradezu wohlwollenden Blick und veranlaßte Parker, ihm einen Schluck Cognac zu servieren. »Es waren keine gravierenden Überfälle«, zitierte Mike Rander den Chief-Superintendent, »warum befaßt Ihr Dezernat sich den noch mit diesen kleinen Fischen, McWarden?« »Wehret den Anfängen, würde ich sagen«, gab McWarden zu rück, »wir hatten in der Vergangenheit mit ähnlichen Dingen zu tun. Ihr Hinweis, Mr. Parker, ist richtig. Wir mußten uns schließ lich schon mal mit einem Täter befassen, der seine menschlichen Werkzeuge unter Hypnose für sich arbeiten ließ. Was wir bisher erlebt haben, dürfte nur so eine Art Fingerübung gewesen sein. Den richtigen Ärger werden wir erst noch bekommen, davon bin ich fest überzeugt.« * »Es war nicht leicht, seine hypnotische Sperre aufzubrechen«, sagte Doc Finnegan, »die Sache ist uns erst knapp vor einer Stunde gelungen. Sie war heikel genug.« »Das sollten Sie uns erklären, Doktor«, bat Mike Rander und lehnte sich zurück. Er war zusammen mit Parker in die Praxis des Psychologen gekommen, den die Polizeiärzte um Mitarbeit gebe ten hatten. »Sie müssen davon ausgehen, daß Norman Ballert von seinem Hypnotiseur abgeschottet wurde, seelisch gesehen, verstehen Sie?« Doc Finnegan, ein schlanker Endfünfziger, lächelte wissend. »Einem Laien ist das nur schwer zu erklären.« »Versuchen Sie’s trotzdem«, schlug Rander vor. »Ballert, den man im Hyde-Park festgenommen hat, war in eine andere Persönlichkeit umgeformt worden. Um dieses andere Ich zu verlassen, brauchte er das Stichwort des Hypnotiseurs, das wir natürlich nicht kannten.« »Was stelle ich mir unter einem Stichwort vor, Doc?« setzte Mi ke Rander nach, während Josuah Parker sich nach wie vor auf das Zuhören beschränkte. 15
»Dabei kann es sich um ein bestimmtes Codewort handeln, um eine Zahl, ein Geräusch oder um eine Berührung«, zählte Finne gan auf. »In Ballerts Fall mußten wir behutsam vorgehen, um den armen Teufel nicht noch hypnotisch einzumauern. Nun, es ist uns gelungen. Ich habe Ballert zusätzlich hypnotisiert und so aus ihm das Codewort herausgelockt.« »Und wie lautet es, Doc?« »Apfelwein. Ich weiß, es klingt albern, aber es lautete nun mal Apfelwein. Als er dieses Wort, das er uns unbewußt nannte, von mir hörte, war der Mann sofort wieder Norman Ballert. Er hat kei ne Ahnung, wer ihn hypnotisiert haben könnte. Er weiß überhaupt nicht, was sich im Hyde-Park abgespielt hat.« »Er befindet sich noch in Ihrer Praxis, Sir?« schaltete sich der Butler ein. »Ich habe dem Mann ein Entspannungsmittel gesetzt«, antwor tet der Psychologe, »er schläft jetzt tief und fest.« »Wird er irgendwelche gesundheitlichen Schäden davontra gen?« wollte Mike Rander wissen. »Wahrscheinlich nicht«, lautete die Antwort des Psychologen, »aber man soll mit diesen Hypnosen nicht spaßen. Ein solches Mittel, wenn ich so sagen darf, gehört in die Hand eines verant wortungsbewußten Arztes.« »Es tauchen immer wieder Leute auf, die sich in der Öffentlich keit als eine Art Magier aufspielen, und massenweise Leute hyp notisieren, Doktor«, antwortete der Anwalt, »sie erscheinen sogar im Fernsehen. Ich muß ehrlich gestehen, daß ich immer wieder beeindruckt bin. Kann man eigentlich jeden x-beliebigen Men schen hypnotisieren?« »Auf keinen Fall, Mr. Rander«, erwiderte Doc Finnegan, »eine gewisse innere Disposition müssen Sie schon mitbringen, eine psychische Labilität, womit nichts über den Charakter des jeweili gen Menschen gesagt sein soll. Diese Bühnenhypnotiseure, von denen Sie ja wohl sprechen, suchen sich ihre Leute geschickt aus. Ihnen wird aufgefallen sein, daß es sich dabei um eine Art Aus sortieren handelt.« »Könnten Sie mich hypnotisieren, Doc?« »Es käme auf einen Versuch an, Mr. Rander. Möchten Sie es darauf ankommen lassen?« »Nicht unbedingt.« Mike Rander hob abwehrend die Hände. »Ein Hypnotiseur kann also einen passenden Menschen umfunkti 16
onieren. Ist das richtig?« »Generell schon, Mr. Rander. Sie können einem Hypnotisierten Kälte und Hitze einsuggerieren, Hunger oder Ekel, Angst oder Löwenmut. Er wird auf all Ihre Wünsche eingehen und sie in die Tat umsetzen.« »Könnte man einen Hypnotisierten dazu bringen, ein Verbre chen zu verüben, Doc?« »Sie denken an Diebstahl, Raub und sogar Mord, nicht wahr?« »Solche Fälle geistern immer wieder durch die Presse, Doktor.« »Ein Hypnotisierter muß schon eine gewisse Prädisposition mit bringen, wenn man ihn zu solchen Sachen anstiften will. Eine normal funktionierende innere Sperre oder Hemmschwelle kön nen Sie auch nicht durch Hypnose beseitigen. Sie brauchen dazu schon einen Probanden, der innerlich bereit ist, auf die Wünsche einzugehen. In vielen Fällen wissen die Hypnotisierten natürlich gar nicht, wie hoch ihre innere Hemmschwelle ist, doch ein ge schickter Hypnotiseur wird solche Sperren schnell ausmachen.« »Eine verdammt scheußliche Geschichte«, fand Mike Rander, »da ist also irgendein Bursche hier in der Stadt, der sich in aller Ruhe genau die Leute aussucht, die er für seine Zwecke braucht. Und die, die er getestet hat, wissen wahrscheinlich gar nicht, daß sie auf dem Prüfstand solch eines Mannes waren.« »Darf man sich eine Bemerkung erlauben, Sir?« hakte Josuah Parker ein. »Natürlich, Parker, legen Sie schon los.« Rander lächelte. »Muß es sich bei dem Hypnotiseur unbedingt um eine Person männlichen Geschlechts handeln, Sir?« fragte der Butler in seiner höflichen Art. * Kathy Porter saß in ihrem Mini-Cooper und wartete auf Norman Ballert, der um diese Zeit den großen Backsteinbau verlassen mußte, in dem Dr. Finnegans Praxis untergebracht war. Myladys Sekretärin und Gesellschafterin hatte bereits zur Kenntnis ge nommen, daß Butler Parker und Mike Rander das Haus verlassen hatten. Selbstverständlich hatte man untereinander noch nicht mal einen Blick ausgetauscht. Man kannte sich nicht, und Kathy Porter hatte sich ein wenig verwandelt, was ihr Äußeres betraf. 17
Sie glich einer jungen Hausfrau, die eben erst zwei große Ein kaufstaschen in den Wagen gestellt hatte. Sie trug einen einfa chen Wollmantel und ein Kopftuch. Kathy Porter hatte den Auftrag, Norman Ballert, den hypnoti sierten Mann aus dem Hyde-Park, diskret zu beschatten. Es be stand ja immerhin die Möglichkeit, daß der geheimnisvolle Hypno tiseur versuchte, sich mit seinem Opfer in Verbindung zu setzen. Norman Ballert erschien in der Haustür. Kathy Porter erkannte ihn sofort. Josuah Parker hatte ihr diesen Mann genau beschrie ben. Eine Verwechslung war ausgeschlossen. Norman Ballert schaute sich irgendwie neugierig um und schien noch immer nicht ganz begriffen zu haben, wie er in dieses Haus und in diese Stra ße gekommen war. Dann aber gab er sich einen Ruck und winkte einem Taxi, das gerade auf der Bildfläche erschien. Das Taxi hielt, Ballert stieg ein. Kurz danach setzte sich der Wagen in Bewegung und nahm Richtung Stepney, wo Ballert tat sächlich wohnt. Kathy Porter nahm mit ihrem kleinen Mini-Cooper die Verfolgung auf. Sie vergaß nicht, immer wieder in den Rück spiegel zu sehen. Parker hatte sie vor einem etwaigen Verfolger eindringlich gewarnt. Solche Typen konnte sie nicht ausmachen. Sie mußte sich auf den Verkehr konzentrieren und aufpassen, nicht ungewollt abge hängt zu werden. Der Fahrer des Taxis, ein älterer Mann in Leder jacke und Kappe, verstand sein Metier. Kathy lächelte ein wenig, als sie an ihn dachte. Es war der Butler, der seinen Privatwagen in ein reguläres Taxi verwandelt hatte. Diese Verwandlung war Sache von wenigen Sekunden, da Parkers Privatwagen ein betagtes ehemaliges Taxi war, das nach sehr eigenwilligen Vorstellungen technisch umges taltet worden war. Auf einen einfachen Knopfdruck hin erschien vorn am Wagendach das bekannte Taxischild. Selbst ein Taxame ter klappte innen im Wagen hoch und vervollständigte die Täu schung. Die Verwandlung Parkers dauerte auf keinen Fall länger. Unter dem Fahrersitz befand sich das Lederzeug, wie es Londoner Taxi fahrer mit Vorliebe trugen. Josuah Parker hatte Norman Ballert genau abgepaßt und war sicher nun damit beschäftigt, den Hyp notisierten in ein Gespräch zu verwickeln. Mike Rander hingegen besaß bereits einen beachtlichen Vor sprung und saß in einem echten Taxi. Er wollte Ballert in Stepney 18
abfangen und zwar knapp vor dessen Haus. Butler Parker hatte sich diese Überwachung ausgedacht, obwohl ihm bekannt war, daß auch Chief-Superintendent McWarden einige Leute auf Ballert angesetzt hatte. Der Mann aus Stepney war schließlich die einzige Spur, die man besaß. Jetzt half nur noch eine große Portion Glück. Der Hypnotiseur versuchte wahrscheinlich zu erfahren, was sein Opfer vor der Polizei ausgesagt hatte. Dieser HypnoGangster konnte sich allerdings auch leicht ausrechnen, daß man sein Opfer überwachen würde. Parker wenigstens unterstellte ihm das. Kathy Porter hatte wieder enger aufschließen können, warf den obligatorischen Blick in den Rückspiegel und war erleichtert. Von einem Verfolger war noch immer nichts zu sehen. Die Fahrt nach Stepney verlief wahrscheinlich ohne Zwischenfall. Kathy wollte sich gerade wieder auf die Fahrbahn konzentrieren, als sie im Außenspiegel ihres Mini-Cooper plötzlich zwei Motorrä der ausmachte, die sich ungemein geschickt und eigentlich viel zu schnell durch den dichten Verkehr schlängelten. Die junge Dame spürte sofort, daß von diesen Motorradfahrern Gefahr drohte. * Sie passierten ihren Mini-Cooper, und Kathy Porter versuchte, die Gesichter unter den Jet-Helmen zu erkennen. Doch das war unmöglich, denn die Visiere wirkten wie Spiegel und verwehrten jeden Einblick. Die beiden etwa fünfundzwanzig Jahre alten Fahrer preschten an ihrem Wagen vorüber und schlossen zum Taxi auf, das von Josuah Parker gesteuert wurde. Kathy Porter machte sich wegen Parker und Norman Ballert kei ne Sorgen. Sie kannte schließlich die einmaligen Qualitäten dieses >Monstrums auf Rädern <, wie Freund und Feind das Fahrzeug gern nannten. Ein paar Augenblicke später überschlugen sich die Ereignisse. Die beiden Fahrer hatten das Heck von Parkers’ Wagen erreicht, schoben sich an die hinteren Wagentüren heran und… feuerten plötzlich aus Revolvern auf den Mann im Fond. Sie schossen in schneller Folge je drei Schüsse auf Ballert ab, doch sie erlebten eine kleine, fast schon peinlich zu nennende Überraschung. Die 19
Scheiben bestanden aus Panzerglas, das die Geschosse ohne Schwierigkeiten abprallen ließ. Als Querschläger jaulten und sirr ten die Geschosse dann durch die Luft, erwischten ein paar ande re Wagenscheiben und unschuldiges Autoblech. Damit war das Chaos perfekt. Kathy Porter versuchte zwar noch, diesem Wirrwarr zu entwi schen, doch ein paar sich querstellende Wagen keilten sie schließ lich ein. Kathy bekam gerade noch mit, daß Parkers Taxi nach vorn schoß und Raum gewann. Von den beiden Motorradfahrern konnte Kathy nichts mehr sehen. Sie waren seitlich weggekurvt und wahrscheinlich in einer Nebenstraße verschwunden. Kathy verließ ihren Wagen, um beweglich zu sein. Sie spürte, daß die unmittelbare Gefahr noch nicht überstanden war. Die bei den Motorradfahrer waren zwar nicht mehr zu sehen, doch das spielte keine Rolle. Die junge Dame sah sich umgeben von em pörten und schimpfenden Fahrern, die ihre Wagen ebenfalls ver lassen hatten und die Schäden an ihren Fahrzeugen begutachte ten. Kathy Porter setzte sich ab, sie wollte weg von diesen Men schen, von denen jeder ein potentieller Gegner sein konnte. »Machen Sie keinen Unsinn, Süße«, hörte sie plötzlich eine wei che, fast angenehme Stimme seitlich hinter sich. Im gleichen Moment spürte sie, daß ihr ein harter Gegenstand gegen die hin tere Rippenpartie gedrückt wurde. »Was soll das?« fragte Kathy und blieb unbeweglich stehen. Sie traute dieser Stimme nicht. Ihre Weichheit war gefährlich. »Gehen Sie rüber zu dem kleinen Lieferwagen, Süße«, sagte die weiche Stimme, »ich schieße, falls Sie mich reinlegen wollen.« »Wer sind Sie?« Kathy wußte, mit wem sie es zu tun hatte. Entweder war das bereits schon der gesuchte Hypnotiseur, oder aber dieser Mann arbeitete eng mit ihm zusammen. »Gehen Sie schon, Süße.« Kathy nickte und setzte sich gehor sam in Bewegung. In einer Autoscheibe entdeckte sie gerade hin ter sich einen mittelgroßen, schlanken Mann, der eine Sonnenbril le trug. Er steckte in einem dunklen Schneidermantel und hatte einen weichen Filzhut auf dem Kopf. In seiner rechten, leicht an gehobenen Hand hielt er eine zusammengefaltete Zeitung, die wohl die Schußwaffe verbarg. Sollte sie es mit einem blitzschnellen Ausfall versuchen? Kathy Porter war in so gut wie allen Künsten fernöstlicher Selbstvertei digung erfahren und konnte sich in eine wilde Pantherkatze ver 20
wandeln, wenn die Situation es erforderte. Doch jetzt und hier hatte sie einfach keine Chance und mußte gehorchen. Sie ging auf den Lieferwagen zu, der von seinem Fahrer auf den Gehweg gebracht worden war und durchaus freie Fahrt hatte. Der Mann am Steuer trug ebenfalls eine Sonnenbrille und hatte sich einen weißen Kittel über den Anzug gestreift, einen unordentlich geschlossenen Kittel. »Sie setzen sich neben den Fahrer«, sagte die weiche Stimme, »er ist ebenfalls bewaffnet. Einen Schuß dürfte man kaum hören, oder?« Diese Feststellung entsprach den Tatsachen. Nervöse, einge klemmte und ungeduldige Fahrer weiter hinten in der Straße hup ten, das Trillern von Polizeipfeifen war zu hören. Zwei Uniformier te, die inzwischen eingetroffen waren, versuchten das Verkehrs chaos zu lichten. Kathy Porter hatte sich inzwischen entschieden, vorerst mitzu spielen. Der Mann hinter ihr hatte bisher nicht geschossen, ob wohl er die Möglichkeit dazu besaß. Unmittelbare Lebensgefahr bestand also nicht. Kathy Porter wollte jetzt herausfinden, wer sie hier kidnappte und was man von ihr wollte. Sie hatte den Lieferwagen endgültig erreicht, öffnete die Beifah rertür und stieg in den Wagen. Der Fahrer ließ sie in die Mündung einer kleinen Automatik sehen und überwachte sie sehr genau. Als Kathy saß, stieg der Mann nach, der sie im Verkehrsgewühl abgefangen hatte. Er preßte ihr seine Waffe gegen die Hüfte und deutete mit der freien Hand nach vorn. »Fahr’ los«, sagte er zum Fahrer, »wir haben, was wir brau chen.« * Josuah Parker hatte mitbekommen, daß man seinen Wagen un ter konzentrisches Feuer nahm. Die Schußspuren in den beiden hinteren Wagenscheiben waren schließlich deutlich zu sehen. Par ker hatte mit solch einem Überfall gerechnet, als er die beiden Motorradfahrer im Rückspiegel ausgemacht hatte. Nun, sie waren davongeprescht und hatten sich in Sicherheit gebracht. Josuah Parker schaltete die Bordsprechanlage ein, um sich mit seinem Fahrgast zu unterhalten. Bisher hatte er absicht 21
lich auf jedes Gespräch verzichtet. Der hypnotisierte Mann aus dem Hyde-Park saß still in der Wagenecke und starrte zu Boden. »Auf Sie ist eben geschossen worden«, stellte der Butler fest und bemühte sich, den Jargon der Taxifahrer annähernd zu tref fen. »Hallo, Sie da hinten! Auf uns is’ geschossen worden…« »Schon gut«, erwiderte Norman Ballert, »sicher eine Verwechs lung.« »Die beiden Leute auf den Motorrädern haben Sie gemeint, is’ das klar, Mann?« »Ich weiß es nicht, ob man mich gemeint hat.« Der Mann schaute weiterhin auf den Wagenboden und zeigte kaum Interes se. »Wollen Sie immer noch nach Stepney?« erkundigte sich der Butler. »Könnte ja sein, daß die beiden Kerle Sie dort erwarten.« »Machen Sie sich keine Sorgen«, antwortete Ballert knapp. »Ich würd’ am liebsten sofort zur nächsten Polizeiwache fah ren«, erwiderte Parker, »wer bezahlt mir die Scheiben? Und ü berhaupt, das war doch ‘n Mordversuch.« »Ich werde Ihnen den Schaden ersetzen«, versprach der Reede rei-Angestellte großzügig, »fahren Sie nur weiter. Sie werden das Geld bekommen.« »Und wenn man Sie doch noch erwischt?« wollte Parker wissen. Seine Stimmungsanpassung war bemerkenswert. Er sprach lang sam, ein wenig schleppend sogar und verschluckte Silben. »Fahren Sie weiter«, forderte Norman Ballert, »Ihnen wird nichts passieren.« »Sind da irgendwelche Leute hinter Ihnen her? Soll ich nicht doch zur Polizei fahren?« »Nein, nein, keine Polizei«, gab Ballert ärgerlich zurück, »das da eben war ein Mißverständnis.« »Ein Sechs-Schuß-Mißverständnis«, meinte der Butler, »Mann, Sie haben vielleicht Nerven.« »Ich… Ich möchte aussteigen«, lautete die Antwort des Reede rei-Angestellten. Er griff nach der Türklinke, »halten Sie sofort!« »Nee, ohne Schadenersatz ist da nichts drin«, erklärte Parker, der die Türen per Knopfdruck elektrisch verriegelt hatte, »wir fahren nach Stepney durch.« »Halten Sie sofort!« »Ausgeschlossen.« Parker blieb hart und war gespannt, wie sein Fahrgast darauf reagierte. Noch hatte Parker die versenkbare 22
Trennscheibe zwischen dem Fahrgastraum und der vorderen Wa genhälfte nicht geschlossen. »Halten sie an«, verlangte Ballert noch mal, »halten Sie sofort an, oder…« »Oder was?« Parker war bereit, die Trennscheibe hochschnellen zu lassen, falls sein Fahrgast aktiv wurde. Norman Ballert zeigte zuerst mal keine Reaktion, doch dann warf er sich plötzlich nach vorn und griff mit beiden Händen nach dem Hals des Butlers. Die Trennscheibe war wesentlich schneller. Parker hatte auf den versteckt angebrachten Knopf getreten, worauf die schußsichere Trennscheibe nach oben flog. Ballerts gespreizte Hände stießen gegen das Hindernis. In der Bord sprechanlage war das Aufstöhnen des Mannes zu hören. Ballert ließ sich zurück in den Sitz fallen, nahm die geprellten Hände halb hoch und blies sie vorsichtig mit Atem an. Über die Hände hinweg beobachtete er dann Parker mit lauernd abschätzendem Blick. »Warum haben Sie das getan?« fragte er halblaut. Er bewegte vorsichtig die Finger. »Wollten Sie mich nicht erwürgen?« fragte Parker. »Ich wollte aussteigen«, antwortete Norman Ballert, »der Meis ter wartet auf mich.« »Welcher Meister?« »Der Meister«, wiederholte der Reederei-Angestellte, »ich weiß jetzt, daß Sie kein Taxifahrer sind.« »Parker mein Name, Josuah Parker«, gab sich der Butler zu er kennen, »darf man davon ausgehen, daß Sie von meiner beschei denen Wenigkeit wissen, wenn auch nur aus einer gewissen Dis tanz heraus?« »Parker, Josuah Parker«, wiederholte Norman Ballert verson nen, »ich habe diesen Namen schon gehört. Ich muß ihn schon gehört haben.« »Könnte Ihr sogenannter Meister ihn genannt haben?« fragte Parker weiter. »Ich… Ich weiß es nicht«, meinte Ballert und runzelte die Stirn, »wohin bringen Sie mich?« »Wir machen eine kleine Ausfahrt«, entgegnete der Butler, »meiner Schätzung nach dürfte damit zu rechnen sein, daß Ihr Meister uns folgen wird. Seit wann übrigens, wenn man fragen darf, wissen Sie, daß ich kein regulärer Taxifahrer bin?« 23
»Ich wußte es, als ich in den Wagen stieg«, gab Ballert zurück, »wahrscheinlich hat mein Meister es mir gesagt. Und ich werde Sie auch umbringen müssen.« »Auf einen Befehl des Meisters hin?« »Ich werde Sie jetzt umbringen«, erklärte der ReedereiAngestellte und warf sich vehement gegen die Trennscheibe, die sich natürlich nicht rührte. Doch dies focht den Mann nicht an. Er trommelte und hämmerte mit den Fäusten gegen die Scheibe und schien von Sinnen zu sein. Josuah Parker sah sich daher genötigt, diesem Mann ein Sedativ in Form eines Sprays zu verabreichen. Aus feinen, kaum wahrnehmbaren Düsen strömte eine Art Lachgas in den Fond des Wagens. Ballert, der gerade noch wie verrückt gegen die Trennscheibe gehämmert hatte, setzte sich zurück und gähnte intensiv. »Sie fühlen sich mit Sicherheit wohl, Mr. Ballert«, wußte Parker zu sagen, »wohin sollte ich Sie tatsächlich fahren? Ich gehe da von aus, daß Sie die Zieladresse noch geändert hätten.« »Wir fahren zu den Surrey Docks«, antwortete Ballert langsam und nachdenklich, »dort wartet der Meister auf mich.« »Und wo genau, wenn man höflich fragen darf?« »Bellford-Reederei«, kam die leise Antwort, die fast gemurmelt wurde, »Bellford-Reederei. Der Meister wartet bereits.« »Dann sollte die Geduld des Meisters nicht unnötig auf die Probe gestellt werden«, schlug Parker vor, »ich werde Sie selbstver ständlich sofort zu den Surrey Docks bringen, Mr. Ballert.« Der Reederei-Angestellte war eingeschlafen und antwortete nicht mehr. Josuah Parker änderte die Fahrtrichtung und steuerte die Tower Bridge an. Er horchte in sich hinein und wartete darauf, daß seine innere Alarmanlage sich meldete. Sie schwieg vorerst noch, doch Parker wurde keineswegs leicht sinnig. Er wußte ja nicht, wie dieser bedauernswerte Mann im Fond seines Wagens programmiert war. Wollte Ballert ihn, ohne es selbst zu wissen, in eine tödliche Falle bugsieren? * »Mr. Parker müßte doch längst hier sein, Mike«, beschwerte sich Lady Simpson, »weiß der Himmel, was er inzwischen wieder anstellt.« 24
»Vielleicht macht Ballert Umwege«, vermutete der Anwalt, der zusammen mit Lady Agatha in Stepney auf die Ankunft eines ge wissen Taxis wartete. Er und die ältere Dame saßen in einem an gebeulten Landrover, den Agatha Simpson gesteuert hatte. Sie liebte und bevorzugte diesen soliden Wagen, denn ihr Fahrstil war mehr als eigenwillig. Zudem kannte sie keinen Respekt vor glän zenden Lackfarben und poliertem Blech an anderen Autos. Für sie waren diese Wagen nichts als notwendige Beförderungsmittel, um eine bestimmte Strecke in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen. »Sie haben sich nach diesem Ballert erkundigt, mein Junge«, meinte sie, »er lebt natürlich unauffällig und still dort in diesem Haus, nicht wahr?« »Stimmt haargenau, Mylady«, gab Mike Rander lächelnd zu rück. »Norman Ballert ist ein Mann, der nicht auffällt. Er ist Jung geselle, besucht regelmäßig einen Pub unten an der Straßenecke und hat eine Freundin, die einen Supermarkt hier in Stepney lei tet.« »An Ihrer Stelle, mein Junge, hätte ich einen Blick in seine Wohnung geworfen.« »Mylady, es wäre nicht legal«, erwiderte der Anwalt umgehend. »Schnickschnack, mein Junge.« Sie zeigte ihm eine abfällige Handbewegung. »Sie sollten das nicht zu eng sehen. Nur über diesen Ballert werde ich an diesen Hypnotiseur herankommen, das ist Ihnen hoffentlich klar.« »Er dürfte eines von vielen Opfern sein, Mylady.« »Die ich aber nicht kenne«, gab sie zurück, »Ballert ist meine heiße Spur, Mike. Schade, daß ich ihn nicht verhören konnte, sehr schade. McWarden hat natürlich alles falsch gemacht.« »Natürlich«, sagte Rander ein wenig spöttisch. »Schön, daß Sie meiner Ansicht sind, mein Junge«, lobte die äl tere Dame ihren Begleiter. Sie hatte den feinen Spott überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, »was glauben Sie, hat dieser Hyp notiseur eigentlich vor?« »Ich habe den Eindruck, als ob er dabei wäre, seine Fähigkeiten zu testen«, erwiderte Rander, »die bisherigen Fälle sind ja laut McWarden nicht gerade gravierend. Im Fall Parker wird die Ge schichte aber bereits gefährlich. Es ist immerhin auf ihn geschos sen worden.« »Der nächste Schritt wird ein Mord sein«, vermutete Lady Agat ha grimmig, »doch den werde ich zu verhindern wissen.« 25
»Falls man an diesen geheimnisvollen Hypnotiseur heran kommt, Mylady.« »Das werde ich über diesen Norman Ballert schaffen, Mike. Es wird nun langsam aber allerhöchste Zeit, daß er hier erscheint, finden Sie nicht auch?« »Ich mache mir keine Sorgen, Mylady, Parker ist schließlich ein gerissener Fuchs.« »Ja, er hat viel von mir gelernt«, behauptete sie unverfroren, »er ist ein guter Schüler, das sollte man, wenn auch mit Ein schränkungen, ruhig zugeben. Lächeln Sie etwa, Mike?« »Nur ein Augenzucken im falschen Moment«, behauptete der junge Anwalt und fingerte an seinem rechten Auge. »Sie spra chen da gerade vorn nächsten Schritt des Hypnotiseurs.« »Von Mord…« Sie nickte nachdrücklich. »Ich habe es mit einem Wahnsinnigen zu tun, der sich für einen Übermenschen hält, Mike. Für mich liegt das klar auf der Hand.« »Eine recht interessante Theorie, Mylady.« »Ich werde langsam ungeduldig«, lenkte die Detektivin ab, die sich nicht näher zu ihrer Theorie äußern wollte, »ich glaube, daß ich die Geduld sogar bereits verloren habe.« Lady Agatha wartete die Antwort des Anwalts nicht ab, sondern drückte energisch die Wagentür auf und stieg aus. Sie marschier te auf das kleine, schmalbrüstige Reihenhaus zu, in dem Norman Ballert wohnte. Mike Rander mußte notgedrungen folgen. »Mylady, McWarden hat hier bestimmt ein paar von seinen Leu ten postiert«, warnte der Anwalt. »Für mich ist die Haustür spaltbreit geöffnet«, sagte sie, »ich werde also keinen Einbruch begehen.« »Verdammt, sie ist tatsächlich spaltweit geöffnet«, bemerkte Mike Rander und deutete auf die Tür. Sie lud förmlich dazu ein, aufgedrückt zu werden. »Worauf warten wir dann noch?« Agatha Simpsons Stimme klang froh und unternehmungslustig, »das mit der Tür hätte Ih nen auch früher auffallen können, Mike.« »Stopp, Mylady!« Mike Rander hinderte sie daran, nach dem Türgriff zu langen. Seine Stimme klang scharf. »Was soll denn das?« grollte sie. »Andere waren schon vor uns hier, Mylady.« »Eben, mein Junge, nämlich der Hypnotiseur, das liegt doch auf der Hand.« 26
»Er könnte eine böse Überraschung hinterlassen haben.« »Reine Spekulation, Mike. Sie sind fast so übervorsichtig wie Mr. Parker.« »Darum leben wir alle noch«, entgegnete Mike Rander. »Sie leiden unter Zwangsvorstellungen«, sagte sie ärgerlich, »ich werde mich doch nicht ins Bockshorn jagen lassen!« Die resolute Dame drängte den Anwalt zur Seite und versetzte der Tür einen mehr als derben Fußtritt. Sie schwang langsam auf und… machte sich dann selbständig. * Die Bellford-Reederei an den Surrey Docks entpuppte sich als ein schon betagtes Gebäude, in dem eindeutig nur noch wenige Räume benutzt wurden. Um dieses Gebäude zu erreichen, mußte Josuah Parker auf einen Hinterhof fahren, der von alten Lager häusern umgeben war. Auf diesem Hinterhof standen einige Autos, die teilweise ausgeschlachtet worden waren. Unrat und Müll rundeten den traurigbizarren Eindruck ab. Butler Parker konnte sich bei seinem Fahrgast leider nicht er kundigen, ob man das Ziel erreicht hatte. Norman Ballert schlief inzwischen fest. Er hatte jedoch sein Ziel erreicht, wie sich unmittelbar darauf ergab. In der Einfahrt zum Hinterhof erschien ein alter Lastwagen, der mit viel Fahrt und wenig Geschick heranbrauste, an einer Mauer entlangschrammte und dann mit abgewürgtem Motor stehenblieb. Er wirkte wie ein riesiger Korken in einem Flaschenhals. Josuah Parker hatte keine Möglichkeit mehr, diesen Hinterhof zu verlas sen. Er geriet deshalb nicht in Panik. Josuah Parker setzte auf die technischen Raffinements seines Wagens. Wenn es sein mußte, konnte er auftauchende Gegner reihenweise außer Gefecht set zen. Parker blieb natürlich in seinem sogenannten Monstrum und harrte der Dinge, die da mit Sicherheit kommen würden. Zwei Männer traten auf ihn zu. Sie waren identisch mit den beiden Motorradfahrern, die auf Norman Ballert geschossen hatten. Die Männer trugen auch jetzt Schußwaffen, hielten sie aber gesenkt. Parker beobachtete die 27
beiden, die etwa einen Meter vor seiner Fahrertür stehen geblie ben waren und ihn aus leeren Augen anstarrten. »Ich erlaube mir, einen guten Tag zu wünschen«, rief Parker über seine Außensprechanlage, »kann man irgend etwas für Sie tun? Hegen Sie spezielle Wünsche, was meine bescheidene We nigkeit betrifft?« Sie reagierten nicht, schienen kein Wort gehört zu haben. Sie standen vor dem Wagen, starrten den Butler an und rührten sich nicht. Parker sah in den Rückspiegel. Der Fahrer des Lastwagens hatte die Kabine verlassen und sich neben dem mächtigen Kühler aufgebaut. Auch er machte den Eindruck eines Roboters, der dar auf wartete, für die nächste Handlung aktiviert zu werden. Dieser Mann störte den Butler, denn er konnte gleich zurück in die Fahrerkabine steigen, den Lastwagen in Bewegung setzen und auf Parker zufahren. Ausweichmöglichkeiten gab es hier kaum. Der mächtige Kühler des Lastwagens konnte seinen Privatwagen in einen wüsten Schrotthaufen verwandeln. Josuah Parker griff nach seinem Universal-Regenschirm und entriegelte die Fahrertür. Er wollte sehr schnell handeln, um sei nen Gegnern zuvorzukommen. Dieser Fahrer mußte ausgeschal tet werden. Josuah Parker drückte die Tür ein wenig auf und wartete auf die Reaktion der beiden jungen Männer. Sie rührten sich nicht und schienen das Öffnen der Tür überhaupt nicht mitbekommen zu haben. Parker zog sie wieder ins Schloß, rückte zur anderen Tür hinüber, drückte sie weit auf und stieg aus. Er hob seinen Univer sal-Regenschirm bis in Hüfthöhe und drückte dann auf einen ver steckt angebrachten Auslöseknopf. Vorn aus der hohlen Spitze des Schirms zischte ein stricknadellanger Pfeil und nahm Kurs auf den Lastwagenfahrer. Angetrieben von einer geballten Ladung komprimierter Kohlensäure entwickelte das buntgefiederte Ge schoß eine unheimliche Schnelligkeit. Es war mit bloßem Auge überhaupt nicht wahrzunehmen. Der Lastwagenfahrer zuckte leicht zusammen, als der Pfeil sei nen linken Oberschenkel traf und sich zentimetertief in das Mus kelfleisch bohrte. Erstaunlicherweise aber faßte dieser Mann noch nicht mal nach der Stelle, die mit Sicherheit leicht schmerzen mußte. Er blieb stehen, sah zu Parker hinüber und machte den Eindruck eines Mannes, der sich in tiefer Trance befand. Der Butler war längst wieder in den Wagen gestiegen und hatte 28
die Tür verriegelt. Die beiden jungen Männer auf der Fahrerseite des Monstrums reagierten ebenfalls nicht. Wie angewurzelt stan den sie dort und warteten wohl auf einen Befehl. Der Lastwagenfahrer zeigte inzwischen Wirkung. Er taumelte, erlitt einen ausgeprägten Schwächeanfall und kniete nieder. Eini ge Sekunden später rollte sich der Mann auf dem Boden zusam men und gab seinem Schlafbedürfnis nach. Das chemische Präpa rat, mit dem die Pfeilspitze bestrichen war, tat seine Wirkung. Josuah Parker überlegte gerade, ob er auch die beiden jungen Männer in befristeten Tiefschlaf versetzen sollte, als die Tür des Gebäudes geöffnet wurde. Zu seiner Überraschung erschien Ka thy Porter in dieser Tür. Sie winkte ihm mit langsamen Bewegun gen zu, mit Gesten, die sich im Zeitlupentempo abspielten. Ein Zweifel war so gut wie ausgeschlossen: Kathy Porter war hypnoti siert worden! * Agatha Simpson sah abenteuerlich aus. Der Hut saß eingedrückt und schief auf ihrem Kopf. Ein Strumpf war zerrissen, die Kostümjacke aufgeplatzt. Auf dem Gesicht waren Ruß- und Rauchflecke zu Sehen. »Haben Sie sich verletzt, Mylady?« erkundigte sich Mike Rander. Er war ein wenig besser davongekommen, doch die Detona tion hinter der jetzt zerfetzten Haustür hatte auch ihm mitge spielt. »Was war das gerade?« fragte sie und machte noch immer ei nen leicht verdutzten Eindruck. »Wahrscheinlich eine Sprengstoffladung«, erwiderte der Anwalt und klopfte vorsichtig Staub und Mörtelspritzer vom Anzug. »Natürlich war das eine Bombe«, grollte sie, »wie gut, daß ich Sie gewarnt habe, mein Junge.« »Sie haben mir das Leben gerettet, Mylady«, erklärte der An walt umgehend, »ohne Sie wäre ich sofort ins Haus marschiert.« »Natürlich wollte man mich umbringen«, stellte sie weiter fest. »Sie sind dem Hypnotiseur unheimlich geworden, Mylady.« »Eine Sprengstoffladung! Unerhört!« Sie musterte die Reste der Tür, die nur noch in Andeutungen in ihren Angeln hing. »Ein Glück, daß die Tür solide war«, sagte der Anwalt, »sie hat 29
den Hauptdruck geschluckt.« »Ein Glück, daß ich so vorsichtig war«, behauptete die ältere Dame unverfroren, »schade, daß Mr. Parker das nicht mitbe kommen hat. Er würde sich wieder mal wundern.« Mike Rander sorgte dafür, daß die Detektivin von der Eingangs treppe wegkam. Neugierige Menschen versammelten sich, die von der Detonation angelockt worden waren. Zwei Zivilisten drängten sich energisch durch die Menschen und wiesen sich als Polizeidetektive aus. »Man sollte vielleicht schleunigst zurück nach Shepherd’s Mar ket fahren«, schlug Mike Rander vor, »aus der Menge heraus könnte verflixt schnell ein Schuß auf Sie abgefeuert werden, My lady.« »Unsinn, mein Junge«, widersprach die resolute Dame umge hend, »Sie glauben doch nicht etwa, daß ich Angst habe, oder?« »Man könnte Sie für älter halten, Mylady, als Sie es wirklich sind«, deutete Rander geschickt an, »Ihre Frisur ist in Unordnung geraten.« »Nun ja.« Sie nickte gnädig. »Sie wissen, mein Junge, daß ich mich nur ungern feiern lasse. Gehen wir.« Die beiden Polizeidetektive waren von einem gewissen ChiefSuperintendent eindeutig instruiert worden. Sie übersahen mehr als großzügig Lady Simpson und ihren Begleiter, beschäftigten sich mit den Resten der Tür und hatten nichts dagegen, daß die Dame und ihr Begleiter das Feld räumten. Mike Rander blieb dicht hinter Lady Agatha, die sich wie ein mächtiger Räumpflug durch die Menge schob. Die Neugierigen machten respektvoll Platz und musterten die Frau, die im Grund einen aufgekratzten, sogar et was angeheiterten Eindruck machte. Schuld daran war wohl der Hut, der keck und windschief auf ihren Locken saß. »Hoffentlich unterstellt dieser Hypnotiseur mir kein Fluchtmotiv, Mike«, sorgte sie sich, als sie im Landrover Platz nahm, leider am Steuer, wie Rander seufzend zur Kenntnis nahm. »Er wird dies als eine tückische Variante deuten, Mylady«, be ruhigte der Anwalt die ältere Dame. »Wir werden selbstverständ lich nicht nach Shepherd’s Market fahren«, sagte sie, als sie den Wagen in Bewegung setzte. »Wir werden uns selbstverständlich die Reederei ansehen, in der Ballert als Angestellter arbeitet. Sie haben sich die Adresse gemerkt.« »Doch, natürlich, Mylady«, erwiderte der Anwalt, »die Reederei 30
liegt drüben bei den Surrey Docks. Es ist die Interport, um ganz genau zu sein.« »Hoffentlich werde ich verfolgt«, meinte die Detektivin, die ra sant durch die Straßen fuhr, »ich möchte doch annehmen, daß dieser Gangster versuchen wird, während der Fahrt auf mich zu schießen.« »Hoffentlich nicht, Mylady«, sorgte sich Mike Rander, der be reits leicht schwitzte. Der Fahrstil seiner Chauffeuse war wieder mal beängstigend. »Haben Sie etwa Angst, mein Junge?« fragte Lady Agatha gut gelaunt. »Und ob, Mylady«, gestand Mike Rander, »Glück kann man nicht ununterbrochen haben, fürchte ich.« * Josuah Parker befand sich in einer Zwangslage. Kathy Porter rührte sich nicht von der Stelle. Sie winkte erneut und forderte ihn mehr als deutlich auf, den Wagen zu verlassen und zu ihr zu kommen. Dies bedeutete aber, auf Schutz zu ver zichten und sich den beiden jungen Männern auszuliefern. Kathy Porter winkte noch mal, wandte sich dann ab und ver schwand im Gebäude. Der Butler hatte bereits eine Entscheidung getroffen. Er senkte die Wagenscheibe auf der Fahrbahnseite und lockte beide Männer heran. »Würden sie die Freundlichkeit haben, mir Ihr Ohr zu leihen?« fragte er in seiner höflichen Art. »Anders ausgedrückt, ich habe Ihnen etwas zu sagen.« Sie sahen ihn aus nach wie vor leeren Augen an und reagierten nicht. Sie schienen nichts gehört zu haben. Bevor Josuah Parker einen weiteren Vorschlag machen konnte, ließ Kathy Porter sich wieder sehen. Sie hatte es sich bequem gemacht, wie Parker fand, sich ihrer Oberkleidung entledigt und präsentierte sich in Slip und BH. Kathy winkte erneut, um dann unvermittelt die ne ckische Pose eines Sexygirls einzunehmen. Sie bot einen mehr als erfreulichen Anblick, wie Josuah Parker fand. Kathy Porter absolvierte einige Tanzschritte und schien ei nen Striptease einzuleiten. Ihre Bewegungen waren sehr ge schmeidig, fast schon ein wenig herausfordernd-lasziv. Die junge 31
Dame bereitete dann noch eine Steigerung vor, nestelte am Verschluß ihres BH und kündigte damit an, daß sie auch dieses intime Stück abzulegen gedachte. Es war eindeutig. Kathy Porter war hypnotisiert worden und wußte im Grund überhaupt nicht, welche durchaus gekonnte Show sie da bot. Sie wirkte sehr überzeugend, wie Parker fand. Der Hypnotiseur, der sich wahrscheinlich drüben im Gebäude be fand, hatte ihr suggeriert, einen Striptease zu zeigen. Und Kathy Porter, ganz in Bann dieses Hypno-Gangsters, kam seinen Auffor derungen nach… Josuah Parker hielt es für angebracht, korrigierend einzuschrei ten. Doch da waren immer noch die beiden jungen Männer mit ihren Schußwaffen. Warteten sie nur darauf, daß er den Wagen verließ? Wollten sie dann auf ihn schießen? Doch Butler Parker hatte nicht die geringste Lust, sich als Schießscheibe anzubieten. Er wußte, was zu tun war. Er griff nach einer der vielen Westentaschen unter seinem schwarzen Zweireiher und holte einen weiteren PatentKugelschreiber hervor. Er stellte diese Sonderanfertigungen, die sich äußerlich in nichts von regulären Kugelschreibern unterschie den, in seinem Privatlabor her. Parker richtete die Spitze des Schreibgeräts durch den Fensterspalt auf die beiden jungen Män ner und drückte dann auf den Halteclip, der die Zündung auslös te. Gleichzeitig aber nahm Parker den Kopf herum und kniff beide Augen fest zusammen. Dennoch wurde er fast geblendet, so grell war der Lichtblitz, der vorn aus der Spitze des Kugelschreibers kam. Parker wartete ei nige Sekunden, bis er die beiden Männer wieder in Augenschein nahm. Sie waren voll getroffen worden und hatten die Lider ge schlossen. Sie machten einen verwirrten Eindruck und merkten nicht, daß der Butler seinen Wagen verließ. Mit gemessenen, aber nicht zu langsamen Schritten ging Parker auf die beiden jungen Männer zu und nahm ihnen die Schußwaf fen ab. Sie leisteten keinen Widerstand, Parker steckte die Revol ver ein und sah hinüber zu Kathy Porter. Sie hatte ihren Striptease gestoppt und starrte ins Leere. Der grelle Lichtblitz aus dem Kugelschreiber schien sie irritiert zu ha ben. Doch dann bewegte sie sich wieder, aber sie wußte offen sichtlich nicht mehr genau, was sie tun sollte. Josuah Parker bat die beiden jungen Männer, im Fond des Wa 32
gens Platz zu nehmen. Als sie nicht reagierten, führte Parker sie freundlich-behutsam zur Tür. Er hatte sie vor dem Aussteigen entriegelt, konnte sie jetzt ohne weiteres öffnen und schob die Männer zu Norman Ballert, der nach wie vor fest schlief. Parker drückte die beiden auf die hintere Sitzbank, schloß die Wagentür und verriegelte sie. Dann machte er sich auf den Weg, Kathy Por ter wieder in die Oberbekleidung zu helfen. Natürlich war ihm klar, daß der Hypno-Gangster bereits sehnsüchtig auf ihn warte te. * »Ballert ist seit drei oder vier Tagen krank«, sagte Martin D. Pinner, der Manager der Interport-Reederei, »wollen Sie’s genau wissen, Mylady?« »Aber nein«, lautete die Antwort, »darauf kommt es überhaupt nicht an. Ich möchte aber wissen, wer dieser Norman Ballert ist.« »Ballert ist unser Disponent, Mylady«, gab der Manager Aus kunft, ein kleiner, drahtiger Mann von etwa fünfzig Jahren, »Bal lert ist ein guter Mann, doch, das ist er. Darf man fragen, Mylady, warum Sie sich für ihn interessieren? Sehen sie, normalerweise geben wir keine Auskunft über unsere Angestellten.« »In meinem Fall dürfte das anders sein, junger Mann«, stellte die ältere Dame energisch fest, »ich bin ja schließlich nicht ir gendwer.« »Auf keinen Fall, Mylady«, sagte Martin D. Pinner hastig. »Ich weiß, daß eine Ihrer Banken hier bei uns beteiligt ist. Ich wollte nur eine allgemeine Feststellung…« »Papperlapapp, junger Mann! Zur Sache«, grollte sie. »Wie be urteilen Sie diesen Ballert? Hat er Freunde, Freundinnen? Welche Hobbys reitet er? Kommen Sie endlich zum Thema!« Agatha Simpson und Mike Rander befanden sich in einem an sehnlichen Backsteingebäude, in dem die Räume der Interport untergebracht waren. Das hier war die Firma, in der Ballert arbei tete. Die Adresse stammte von McWarden und hatte sich als rich tig erwiesen. »Ballert ist ein Arbeitstier«, meinte Pinner hastig, »auf Über stunden kommt es ihm nicht an. Besondere Freundschaften hier in der Reederei pflegt er nicht, nein, wirklich nicht. Er führt, wenn 33
ich so sagen soll, ein Eigenleben und läßt keinen an sich heran.« »Könnte man mal einen schnellen Blick in sein Büro werfen?« schaltete sich der Anwalt ein. »Aber natürlich, Sir«, stimmte Pinner sofort zu, »ich werde Sie gleich hinüberführen und…« »Sagen Sie mir nur, wo das Büro ist«, meinte Rander lächelnd, »wetten, daß ich es finden werde?« »Sie werden mir doch keine Schwierigkeiten machen, oder?« Lady Agatha sah den Reederei-Manager kühl an. »Aber auf keinen Fall, Mylady«, erwiderte Pinner und wich ih rem Blick aus. Dann beschrieb er dem Anwalt den Weg und wid mete sich wieder der älteren Dame. Mike Rander war aufgestan den, nickte Lady Simpson kurz zu und verließ das Büro. Er wollte sich möglichst schnell in Ballerts Büro umsehen. Der kleine Raum war schnell gefunden. Er war vollgestopft mit Regalen, Aktenschränken und Ablagen. Es gab eine große Wand tafel, auf der die Namen von Schiffen und Firmen standen. Rander warf einen Blick durch das Fenster und beneidete Ballert nicht um diesen tristen Ausblick. Der Disponent der Interport konnte nur auf die Rückseite eines verkommenen Gebäudes sehen. Die wenigen Fenster dieses Gebäudes waren zerbrochen, der Putz an der Außenwand abgeblättert. Mike Rander wußte eigentlich nicht, wonach er hier suchen woll te. Er ließ sich jedoch von seinem Instinkt leiten und interessiert sich erst mal für einen Aktenschrank mit großen Schubladen. Die unterste zog er weit auf bis zum Anschlag und kippte eingelegte Ordnermappen nach vorn. Die beiden letzten Mappen aus steifem Karton hakten ein wenig. Mike Rander ging in die Hocke, unter suchte die Lade und löste die beiden Mappen aus ihrer Sperre. Dann langte er mit der rechten Hand hinter sie und… fühlte, daß sich dort etwas verbarg. Rander fingerte weiter und zog schließ lich einen größeren Umschlag hervor, den er neugierig öffnete. Er war mehr als überrascht. In dem steifen Umschlag befanden sich Fotos, die an Ein- und Zweideutigkeiten nichts zu wünschen übrig ließen. Es handelte sich um ordinäre Aktbilder, die teilweise schlecht belichtet waren. Rander ging ans Fenster, um sich die Aufnahmen genauer anzu sehen. Nein, sie waren und blieben schlecht, aber eben sehr ein deutig. Die Posen der jeweiligen Frauen machten auf Rander ei nen unbeholfenen Eindruck. In allen Fällen standen, hockten oder 34
knieten die verschiedenen Modelle auf einem runden Podest, das mit einer dünnen Polsterung versehen war. Einige Aktmodelle spielten mit Teddybären, Puppen oder Spiegeln. Mike Rander lächelte, doch er mokierte sich nicht über Norman Ballert. Es war schließlich dessen Privatsache, was er fotografier te. Warum sollten es nicht Aktmodelle sein? Aber Ballert schien zu diesen Aufnahmen zu stehen, sonst hätte er sie sicher nicht so nachdrücklich versteckt. Mike Rander suchte nach weiteren Aufnahmen und fand schließ lich in einer anderen Lade einen Fotoapparat japanischer Produk tion. Es war eine Automatik, die einfach zu bedienen war. Nach kurzem Überlegen steckte der Anwalt die Kamera und auch die Fotos ein. Natürlich wollte er alles bei passender Gelegenheit zu rückgeben. Bevor Mike Rander den Raum verließ, blickte er noch mal durch das Fenster auf die schäbige Rückseite des gegenüberliegenden Gebäudes. Für einen Moment sah er die Umrisse von zwei Perso nen, doch er dachte sich nichts dabei, er konnte einfach nicht wissen, wie nahe er Kathy Porter und Butler Parker war. * Kathy Porter erwartete ihn bereits. Sie stand seitlich neben der Tür und präsentierte sich ihm in fast völliger Nacktheit. Sie hatte inzwischen sogar den BH abge streift, lächelte den Butler mechanisch an und deutete mit dem nackten Arm hinüber zu einer Eisentreppe, die ins Obergeschoß führte. Josuah Parker, erstaunt darüber, nicht vom Hypno-Gangster empfangen worden zu sein, nahm den Kopf herum und… erlebte die nächste Überraschung. Kathy Porters Handkante zischte blitz schnell vor und setzte sich auf seinen Hals. Josuah Parker spürte zwar, daß dieser an sich fällende Schlag etwas gebremst wurde, entschloß sich aber, erst mal in die Knie zu gehen. »Sehr schön«, hörte er dann eine lobende, helle Stimme, »ge nieren Sie sich nicht, schlagen Sie ruhig noch mal zu, falls Sie’s für notwendig halten, Kathy.« Parker reagierte augenblicklich und ließ sich seitlich wegrollen. Er wollte nicht noch mal von dieser Handkante erwischt werden, 35
die dann womöglich härter zuschlug. Akute Lebensgefahr für ihn bestand nach seiner Meinung nicht. Der Hypno-Gangster hatte bisher ja ausreichend Gelegenheit gehabt, wenigstens einen Schuß abzufeuern. Da er es nicht getan hatte, schien er an einem Mord im Moment nicht interessiert zu sein. Parker riskierte es nicht, die Augen zu öffnen. Er wollte den Gangster in Sicherheit wiegen. Er hörte vorsichtige, ein wenig schleifende Schritte, die sich näherten. »Ich weiß nicht, ob Sie tatsächlich ohnmächtig sind«, sagte die helle Stimme plötzlich eindringlich, »falls Sie mich angreifen, werde ich Miß Porter sofort niederschießen.« Parker zeigte keine Reaktion. Er zweifelte übrigens nicht daran, daß der Hypno-Gangster schießen würde. Der Mann war mißtrau isch und raffiniert zugleich. Er sicherte sich ab. Der Hinweis auf Kathy Porter war eindeutig genug. »Ziehen Sie sich wieder an, Kathy«, redete die helle Stimme weiter, »aber setzen Sie den Butler vorher noch hoch.« Kathy Porter griff nach dem Butler und richtete dessen Ober körper auf. Parker machte sich absichtlich schwer. Kathy Porter hatte einige Schwierigkeiten, den Oberkörper ihres Lehrmeisters aufzurichten. »Hören Sie mich, Parker?« fragte dann die helle Stimme ein dringlich. Der Butler wußte jetzt, daß der Hypno-Gangster hinter ihm stand, aber zeigte keine Reaktion. »Sie werden mich jetzt hören, Parker«, redete die Stimme ein dringlich weiter. »Sie werden jeden Widerstand gegen mich auf geben. Sie wissen, daß Ihr Meister mit Ihnen redet Sie werden die Augen öffnen, sich aber nicht rühren.« Josuah Parker fand, daß er nach dem Handkantenschlag noch keine Reaktion zeigen durfte. Dieser Mann, der sich Meister nann te, wartete nur darauf, daß er, Parker, einen Fehler beging. »Sie werden ab sofort meine Befehle ausführen«, drang die hel le Stimme in Parker ein. Er mußte insgeheim zugeben, daß von dieser Stimme ein seltsamer Zwang ausging. Sie reichte sicher nicht aus, ihn in die Abhängigkeit dieses Mannes zu zwingen, doch sie war durchaus geeignet, ein wohliges Einverständnis her zustellen. »Hören Sie genau auf mein Signal«, sagte der Hypno-Gangster, »immer dann, wenn Sie es hören, werden Sie dienstbereit sein. Hören Sie genau hin, Parker.« 36
Der Mann stand eindeutig, hinter ihm, wußte Parker mit letzter Sicherheit. Das Risiko, das er eingegangen war, zahlte sich be reits aus. Der Gangster, der sich Meister nannte, wollte ihn pro grammieren. Parker war gespannt, was dieser Mann von ihm wollte. Die Gedanken des Butlers wurden abgelenkt, als ein hoher, kur zer Piff zu hören war, der von einer Signalpfeife stammte. »Prägen Sie sich diesen Ton ein, Parker«, verlangte die helle Stimme, »immer dann, wenn Sie es hören, werden sie ganz für mich da sein. Sie werden jeden Befehl ausführen. Wenn Sie mich verstanden haben, dann heben Sie den rechten Arm.« Parker hielt es für angebracht, etwas guten Willen zu zeigen. Er ließ ein Zucken durch den Arm gehen, aber nur verhalten und kraftlos. »Sehr schön, Parker«, freute sich die helle Stimme, »prägen Sie sich diesen Pfiff, dieses Signal, genau ein. Hören Sie noch mal!« Die Signalpfeife ertönte erneut. Sie bohrte sich förmlich ins Trommelfell. »Sie werden zurück zum Wagen gehen, Parker«, verlangte die Stimme, »Sie werden Ihre Freunde aus dem Wagen lassen. Sie werden zurück zu Ihrer Arbeitgeberin fahren und ihren Schmuck an sich bringen, haben sie mich verstanden?« Josuah Parker fand es passend, jetzt ein wenig schneller zu at men und die Augenlider flattern zu lassen. Ein Mann seiner Statur mußte einen Niederschlag per Handkante inzwischen überstanden haben. Der Mann, der sich Meister nannte, wiederholte seine Befehle, noch eindringlicher und bohrender. Er blies noch einige Male auf der Signalpfeife und ließ Parker den rechten Arm heben. Der But ler kam diesem Wunsch nach, öffnete sogar die Augen und erhob sich schließlich, um zurück zu seinem hochbeinigen Wagen zu gehen. Er schien eine willenlose Kreatur des Hypno-Gangsters geworden zu sein. * »Sind Sie sicher, daß Sie in Ordnung sind, Mr. Parker?« erkun digte sich die ältere Dame mißtrauisch und musterte Parker aus schmalen, prüfenden Augen. 37
»Mylady dürfen versichert sein, daß meine Wenigkeit selbstver ständlich nicht unter Hypnose stehen«, erwiderte Parker gemes sen, »darf ich die eben erwähnte Bitte noch mal wiederholen?« »Sie wollen meinen Schmuck haben?« Agatha Simpson schüt telte den Kopf und sah Mike Rander zweifelnd an. »In der Tat, Mylady«, beantwortete Parker die Frage seiner Her rin, »der sogenannte Meister, wie der Hypno-Gangster sich nennt, möchte durch diesen Test wahrscheinlich herausfinden, ob meine bescheidene Wenigkeit seinen Wünschen nachkommt.« »Mike, nun sagen Sie doch endlich etwas«, verlangte die Lady. »Natürlich ist Parker in Ordnung«, erwiderte der Anwalt lä chelnd. »Aber er will meinen Schmuck haben.« »Nur einen unbedeutenden Teil, Mylady«, erklärte Parker. »Unbedeutenden Schmuck besitze ich nicht«, gab sie grollend zurück, »eine Lady Simpson trägt keinen Allerweltschmuck, das sollten Sie wissen, Mr. Parker. Und überhaupt, wie konnten Sie Kathy bei diesem Gangster nur zurücklassen? Das begreife ich einfach nicht! Und wieso haben Sie die Gangster freigelassen, die in Ihrem Wagen waren? Schließlich war mir dieser Norman Ballert so gut wie sicher.« »Dies alles, Mylady, geschah, um den sogenannten Meister in Sicherheit zu wiegen«, erklärte Parker höflich. »Sind Sie sicher, Parker, daß dieser Kerl glaubt, Sie seien von ihm unter Hypnose gesetzt worden?« wollte der Anwalt wissen. »Davon sollte und könnte man ausgehen, Sir.« »Sind sie sicher, daß Sie nicht unter Hypnose stehen?« fragte die ältere Dame und sah den Butler prüfend-mißtrauisch an. »Mylady dürfen versichert sein, daß meine Wenigkeit…« »Schnickschnack«, unterbrach sie ihn, »Sie können ja unter Hypnose stehen, aber so tun, als sei alles in Ordnung.« »Wann und wo sollen Sie denn Myladys Schmuck abliefern?« fragte Mike Rander. »Eine gezielte Aufforderung wird noch an meine Wenigkeit er gehen, Sir«, erwiderte Josuah Parker. »Man darf wohl unterstel len, daß der Hypno-Gangster dann per Telefon seinen Signalpfiff ertönen läßt.« »Das überzeugt mich alles nicht«, zweifelte Lady Agatha, »ha ben Sie sich denn wenigstens diesen Gangster angesehen?« »Dies, Mylady, war leider unmöglich«, bedauerte der Butler, 38
»der Meister, um diesen Ausdruck erneut zu verwenden, hätte mißtrauisch werden können. Darüber hinaus lag es meiner We nigkeit fern, Miß Porter zu gefährden.« »Ich würde am liebsten sofort raus nach Surrey zu den Docks fahren«, grollte Agatha Simpson, »wir wissen ja immerhin, wo dieser Hypno-Gangster sich verkrochen hat und wo das gute Kind festgehalten wird.« »Nach Parkers Beschreibung befanden wir uns in ummittelbarer Nähe«, meinte der Anwalt, »von Ballerts Büro aus kann man die Rückseite der Bellford-Reederei sehen. Diesen Namen nannte Norman Ballert doch, oder?« »In der Tat, Sir«, gab Josuah Parker gemessen zurück, »es darf aber davon ausgegangen werden, daß diese Reederei nicht mehr existiert.« »Dennoch, wir sollten Erkundigungen über den Laden einzie hen«, schlug Mike Rander vor, »grundlos dürfte dieser komische Meister sein Hauptquartier in dem Gebäude nicht aufgeschlagen haben, oder?« »Eine ungemein wertvolle Anregung, Sir«, pflichtete Parker dem jungen Anwalt bei, »Ihr Einverständnis voraussetzend, habe ich mich bereits mit Mr. Horace Pickett in Verbindung gesetzt.« »Mit unserem Taschendieb?« Rander lächelte. »Ein sehr begabter Ermittler, Sir, wenn ich so sagen darf.« »Mit erstaunlich guten Manieren«, fügte die Detektivin hinzu, »ich glaube übrigens, Mr. Parker, daß Sie wohl doch nicht unter Hypnose stehen.« »Mylady werden sich demnach für eine gewisse Zeit von einer gewissen Anzahl von Schmuckstücken trennen?« fragte Parker. »Darüber werden wir noch reden. Ich frage mich inzwischen, was dieser Gangster wohl beabsichtigt. Geht es ihm um Geld und Schmuck? Was meinen denn Sie, Mr. Parker?« »Seine endgültigen Absichten dürften noch nicht erkennbar sein, Mylady«, lautete Parkers Antwort, »es müßte auch die Frage beantwortet werden, warum Mr. Ballert für ihn so wichtig ist? Die Tatsache ist nicht aus der Welt zu schaffen, daß man versuchte, den erwähnten Norman Ballert umzubringen, als er sich in mei nem Wagen befand. Der Mann dürfte demnach eine wichtige Schlüsselfigur sein.« »Die sich in ihrer Freizeit mit Peep-Shows befaßt«, ergänzte Mi ke Rander ironisch, »hier, Parker, sehen Sie sich mal die Fotos 39
an, aber kommen Sie mir nicht auf Abwege.« * Butler Parker hatte den Hörer abgenommen und nannte seinen Namen. Kurz danach verzog er schmerzhaft das Gesicht und nahm den Hörer ein wenig vom Ohr. Mike Rander, der in Parkers Nähe stand, registrierte einen hohen Pfeifton. »Meister?« fragte Parker, als der Signalton nicht mehr zu hören war. Er übersah den prompt wieder mißtrauischen Blick seiner Herrin, als er das Wort >Meister< aussprach. »Sind Sie allein, Parker?« fragte die helle Stimme des >HypnoGangsters<. »Allein und zu Ihren Diensten, Meister«, lautete die Antwort des Butlers. »Ich will die Juwelen noch in dieser Nacht sehen, Parker«, for derte die helle Stimme. »Ihr Wunsch, Meister, ist mir Befehl«, behauptete Parker und verlieh seiner Stimme einen gedehnt-mechanischen Unterton. »Wir werden uns in Soho treffen, Parker«, verlangte der HypnoGangster, »in einer Stunde werden Sie eine Peep-Show aufsu chen. Haben Sie mich verstanden?« »Ich werde wo pünktlich sein, Meister?« fragte Parker. »Im Sexyland, Parker«, schärfte die helle Stimme ihm ein, »Ballert wird Ihnen sagen, wo Sie mir den Schmuck übergeben werden.« »Mr. Ballert wird mich informieren, Meister«, bestätigte der But ler. »In einer Stunde, Parker, prägen Sie sich die Zeit ein! Und nun verlange ich von Ihnen prompten Gehorsam… Ende!« Es knackte in der Leitung, und Josuah Parker legte auf. Er wandte sich Mike Rander zu, der ihn lächelnd ansah. »Ich hab’ alles mitbekommen«, sagte der Anwalt, »ich muß zugeben, Ihre Stimme klang verflixt gut. Sie erinnerte mich an die eines sprechenden Computers.« »Vielen Dank, Sir.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Das war Ihr Meister?« schaltete sich die ältere Dame ein. »Der Gangster, der sich Meister nennt, Mylady«, korrigierte Jo suah Parker höflich, »haben Mylady sich entschieden, was den 40
Schmuck betrifft? Mylady können meiner Wenigkeit durchaus ver trauen.« »Rauben Sie meinen Safe aus, Mr. Parker«, sagte sie und nickte gewährend, »Sie kennen ja die Kombination.« »Wollen Sie allein rüber nach Soho?« erkundigte sich Mike Rander. »Ausgeschlossen, mein Junge«, sagte die Detektivin energisch, »wir werden Mr. Parker selbstverständlich nicht aus den Augen lassen. Das sind wir meinem Schmuck und ihm schuldig.« »Was ist mit Miß Porter?« wollte der Anwalt wissen, »wäre jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, raus nach Surrey zu fahren?« »Man sollte wohl davon ausgehen, Sir, daß dieser sogenannte Meister sich von Miß Porter nach Soho begleiten läßt«, erwiderte Josuah Parker, »er dürfte Miß Porter wohl als eine Art Lebensver sicherung betrachten, was seine Person angeht.« »Wollen sie den ganzen Schmuck mitnehmen, Mr. Parker«, sorgte sich die Lady. »Nur die imitierten Stücke, .Mylady«, gab Parker zurück, »ich erlaube mir, in diesem Zusammenhang an das Diadem und die Ohrgehänge zu denken.« »Genau das wollte ich Ihnen gerade vorschlagen«, meinte sie erleichtert, »als hypnotisierter Butler brauchen Sie ja die feinen Unterschiede zwischen Original und Imitation nicht zu kennen.« »Aber wird dieser Meister keinen Verdacht schöpfen?« fragte der Anwalt. »Die Imitationen sind hervorragend, Sir«, beruhigte Josuah Parker ihn. »Die haben ja bereits ein kleines Vermögen gekostet«, warf die ältere Dame ein, »sagen Sie, Mr. Parker, wo sind eigentlich die Originale?« »Moment mal, Mylady, das wissen Sie nicht?« Rander Stimme klang ungeniert amüsiert. »Sie wissen doch, mein Junge, daß ich mir aus Schmuck nichts mache«, erwiderte sie lässig, »wahrscheinlich sind diese Steine in irgendeinem Banktresor, nicht wahr, Mr. Parker?« »In der Tag, Mylady«, bestätigte der Butler, »falls der HypnoGangster die Imitationen natürlich erkennt, müßte man ihm eini ge Originale nachliefern.« »Schon gut, schon gut«, meinte sie, »verspäten Sie sich nicht! Und sorgen Sie dafür, daß Kathy aus den Klauen dieses Subjekts 41
befreit wird! Ich bestehe darauf! Kommen Sie, Mike, sie und ich werden Posten in Soho beziehen… Mir wird dieser Meister nicht entwischen, das garantiere ich Ihnen!« * Das >Sexyland< war eine große Spielhalle, in deren vorderem Drittel Spiel- und Gewinnautomaten aufgestellt waren. Es gab sogenannte Space- und Killerautornaten, die durchweg von Spie lern umlagert wurden. Mittels ausgetüftelter Elektronik konnten verhinderte Raumfahrerkommandanten feindliche Streitkräfte aus dem All abschießen. Immer dann, wenn ein Treffer erzielt wurde, wurden diese Treffer optisch und akustisch angezeigt. Man konnte Autojagden veranstalten, Crossrennen absolvieren und an ande ren Automaten gegen die Walzen spielen und natürlich verlieren. In diesem Teil des >Sexyland< war es sehr laut und ging es recht ungezwungen zu. Die Kommandobrücke, an der man Klein geld eintauschen konnte, war gut besucht. Die Spieler standen förmlich Schlange, um ihr Papiergeld gegen Münzen zu wechseln. Erstaunlicherweise kümmerte man sich überhaupt nicht um But ler Parker, dessen äußere Erscheinung in der Regel Aufsehen er regte. Diese Spieler hier machten durchweg einen isolierten, in trovertierten Eindruck und interessierten sich ausschließlich für die geldschluckenden Automaten. Josuah Parker durchquerte diesen Teil der Spielhalle und folgte den aufdringlichen Hinweisschildern, die förmlich dazu drängten, sich die Peep-Show anzusehen. Parker hielt diskret Ausschau nach Norman Ballert, der hier auf ihn warten sollte, doch dieser Mann war vorerst nicht zu sehen. Der Butler teilte einen schweren Vorhang und befand sich im zweiten Drittel des >Sexyland<. Die Peep-Show bot einen im Grund erbärmlichen Anblick. Alles war hier auf reine Zweckmä ßigkeit abgestellt. Gegen Einwurf einer Münze von beachtlichem Wert konnte man die Tür zu einem engen Kabinett öffnen und darin Platz nehmen. Durch einen Schlitz war es dann möglich, in das Rund einer kleinen, grell beleuchteten Bühne zu blicken, die mit einem zusätzlichen Podium ausgestattet war. Für die Dauer von einer Minute hatte der Betrachter die Möglichkeit, eine sich auf einem Polster räkelnde Frau zu beobachten, die selbstver 42
ständlich nackt war und sich in wechselnden Posen darbot. Nach Ablauf dieser Minute fiel eine Klappe vor den Schlitz und beendete die Show. Nur gegen Einwurf weiterer Münzen brachte man die Klappe dazu, sich wieder zu heben. Für eine weitere Mi nute wurde dann der Blick auf das Modell wieder freigegeben. Parker nahm in einer Sitznische Platz und wartete auf Norman Ballert. Diese Nische – eine von vielen – war kaum beleuchtet. Die Besucher der Peep-Show brauchten also nicht zu befürchten, erkannt zu werden. Josuah Parker dachte an die Fotos, die Mike Rander ihm gezeigt und Norman Ballert aufgenommen hatte. Der Angestellte der Interport-Reederei schien ein Liebhaber recht ge schmackloser Shows zu sein. Es war überraschend, wie viele Männer fast aller Altersklassen ihr sauer verdientes Geld ausgaben, um minutenlang auf eine entblößte Frau zu starren. Das Fotografieren war übrigens aus drücklich erlaubt, wie auf entsprechenden Hinweisschildern stand. Männer kamen und gingen, verschwanden fast scheu, als sei ein schlechtes Gewissen im Spiel, in den Betrachterboxen und blieben erstaunlich lange in diesen Zellen. Der Umsatz an Münzen mußte beträchtlich sein. Plötzlich erschien Norman Ballert. Der Mann, der unter dem Bann des Hypno-Gangsters stand, verließ eine der Beobachterboxen und schritt dann die einzelnen Nischen ab. Josuah Parker erhob sich und lüftete höflich die schwarze Melone, falls Norman Ballert versuchte, auf ihn zu schießen. »Mr. Parker?« Ballert hatte die Nische erreicht und sah den But ler aus großen, ein wenig müden Augen an. »Mr. Norman Ballert, wenn ich nicht sehr irre?« fragte Parker in seiner höflichen Art. »Haben Sie alles für den Meister mitgebracht?« erkundigte sich Ballert. »Der Meister wird zufrieden sein«, gab Parker zurück. »Kommen Sie mit«, sagte Ballert und deutete auf eine Tür im Hintergrund des Halbrunds, »dort findet eine zweite Show statt.« »Wie der Meister es wünscht«, meinte Josuah Parker, »ist er hier?« »Er wartet auf uns, Mr. Parker«, entgegnete Norman Ballert, »er ist nicht allein, er wird von einer jungen Frau begleitet.« Parker ahnte, daß es sich dabei nur um Kathy Porter handeln 43
konnte. Er zeigte aber keine Hast und wartete, bis Norman Ballert sich in Bewegung setzte, um ihm dann zu folgen. Sie schritten an den Boxen vorüber und erreichten die Tür. Ballert klopfte in be stimmtem Rhythmus gegen die Türfüllung. Es dauerte eine Weile, bis geöffnet wurde. Parker ließ Ballert vorausgehen und warf einen prüfenden Blick in den Raum. Auch hier gab es ein Halbrund von Boxen, doch diese Boxen waren erheblich größer als die, die er gerade gese hen hatte. Sie schienen komfortabler eingerichtet zu sein. Als Ballert und er sie passierten, vermißte Parker die Münzautoma ten, die er vorn gesehen hatte. Wahrscheinlich zahlte man hier im voraus und hatte wesentlich mehr Zeit für gewisse Aktstudien. Norman Ballert ging weiter und näherte sich einer Tür, die von einem Vorhang halb verdeckt wurde. Der Mann schien sich hier gut auszukennen. Parker horchte in sich hinein. Seine innere Alarmanlage meldete sich nachdrücklich. * Ballert hatte die Tür gerade geschlossen, als ein greller Pfiff zu hören war. Parker reagierte augenblicklich und nahm eine starre, horchende Haltung an. Er beugte sich ein wenig vor und lüftete im Zeitlupentempo seine schwarze Melone. »Geben Sie Ballert die Juwelen, Parker«, verlangte die helle Stimme eindringlich, »haben Sie mich verstanden? Geben Sie Ballert die Juwelen!« »Umgehend, Meister«, antwortete Parker. Er griff in eine der Innentaschen seines schwarzen Zweireihers und reichte Norman Ballert ein flaches Päckchen. »Es sind nur wenige Schmuckstücke, Meister«, erklärte Josuah Parker stockend, »es sind aber ausgesuchte Steine. Den übrigen Schmuck müßte ich erst aus dem Banksafe holen.« »Das gefällt mir aber gar nicht«, tadelte die helle Stimme, die von überall herzukommen schien. Parker vermochte nicht auszu machen, wo der Hypno-Gangster sich aufgebaut hatte. »Ich kann den Rest morgen abliefern, Meister«, versprach Josu ah Parker. »Also gut, morgen. Dann darf es aber keine Entschuldigung mehr geben, Parker. Prägen Sie sich das genau ein!« 44
»Morgen werde ich den Rest der Simpson-Juwelen überbrin gen«, antwortete Josuah Parker. Er sah Norman Ballert verstoh len an. Der Reederei-Angestellte hatte das Päckchen geöffnet und ging zu einer Wandleuchte hinüber. Hier angekommen, nahm er Stein für Stein hoch und hielt sie gegen das Licht. Parker war oh ne Sorge. Die Imitationen waren ausgezeichnet gearbeitet. Nur ein versierter Fachmann war in der Lage, die Nachbildungen als solche zu erkennen. »Holen Sie jetzt Miß Porter, Parker«, sagte die helle, eindringli che Stimme, »beeilen Sie sich, sie wird sich gleich als Modell zei gen…« »Wie Sie wünschen, Meister.« Parker sah sich suchend um und wurde von Ballert zu einer schmalen Tür bugsiert. Parker ging darauf zu und machte sich bereit, einem Angriff zu begegnen. Für ihn war es klar, daß der Gangster versuchen würde, ihn hier zu erledigen. Der Mann begnügte sich sicher mit dem, was er da gerade abgeliefert hatte. Hinter der Tür befand sich ein schmaler Korridor, der in eine Garderobe führte. Von diesem Korridor zweigte ein noch schmale rer Stichgang nach links ab. Hinter einem weißen Vorhang brann te grelles Licht. Schwüle Musik war zu hören. Parker bog nach links ab und schlug den Vorhang mit Bedacht zur Seite. Auf einem runden Po dest, das mit weichen, großen Kissen bedeckt war, produzierte sich ein Aktmodell, das gerade dabei war, hindernde Kleidungs stücke abzustreifen. Dieses Modell war nicht Kathy Porter, wie Josuah Parker erleichtert feststellte. »Ich bitte höflichst um Entschuldigung«, sagte der Butler zu der irritierten Frau, die ihn erstaunt musterte. »Was wollen Sie hier?« fragte sie ruppig. »Ich dürfte mich augenscheinlich verlaufen haben«, meinte der Butler und lüftete seine schwarze Kopfbedeckung, »könnten Sie mir freundlicherweise verraten, wo ich Miß Kathy Porter finde.« Während Parker diese Frage stellte, fotografierte er mit seinen Augen die Gucklöcher. Er entdeckte einige Gesichter, auch die Linsen von Fotoapparaten. Auch diese Peep-Show war gut be sucht. Fast alle Boxen waren besetzt. Das Aktmodell, an das Parker seine Fragen gerichtet hatte, war verständlicherweise aus dem Takt geraten und wirkte deshalb ein wenig hilflos. 45
»Hauen Sie doch ab«, fauchte sie den Butler an, »Sie stören hier den ganzen Betrieb.« »Was ich, offen gestanden, kaum bedaure«, antwortete Josuah Parker, »darf ich meine Frage nach Miß Porter noch mal wieder holen?« »Gehen Sie endlich«, zischte sie und bedeckte notdürftig die reichlich vorhandenen Blößen, »Sie sehen doch, daß ich arbeite.« Josuah Parker hätte seine Frage ohne weiteres wiederholt, doch in diesem Moment schrillte seine innere Alarmanlage, die allein auf Intuition und Instinkt basierte. Er wandte sich um und ent deckte eine einzelne Hand, deren Finger eine Schußwaffe um klammerten. Daß der Lauf dieser Faustfeuerwaffe auf ihn gerich tet war, wunderte den Butler kaum… * Josuah Parker reagierte mit schier unglaublicher Schnelligkeit. Sein linker Arm schnellte hoch und warf den UniversalRegenschirm senkrecht in die Luft. Mit der linken, schwarz be handschuhten Hand griff Parker dann nach dem Schirmstock und schmetterte den bleigefütterten Bambusgriff gegen das Guckloch. Die Scheibe davor zersplitterte, ein peitschender Schuß war zu vernehmen, doch das Geschoß fuhr hoch zur Decke und zerstörte einen Tiefstrahler. Das Modell schrie natürlich auf, Flüche der enttäuschten und überraschten Zuschauer waren zu hören, dann das Schließen o der auch Öffnen von Zuschauerboxen. Zu sehen war nur noch andeutungsweise etwas, die Lichtverhältnisse im Rund waren durch die Zerstörung des Tiefstrahlers mehr als schlecht gewor den. Josuah Parker verließ das Rund, um sich mit der Person zu be fassen, die die Waffe auf ihn gerichtet hatte. Als er im Korridor stand, sah er hinüber zur Garderobe. Dort standen jetzt drei Peep-Show-Modelle, die sich Bademäntel über die Schultern ge worfen hatten. Sie starrten den Butler entgeistert an, weil sie sich solch einen konservativ gekleideten Mann in dieser Umgebung nicht erklären konnten. »Grund zu mehr oder weniger großer Panik besteht keines wegs«, rief Josuah Parker den Damen zu und lüftete höflich die 46
schwarze Melone, »im Schaurund dürften einige Glühbirnen schockartig ihren Geist aufgegeben haben.« Eine weitere Unterhaltung war leider nicht möglich, wie Parker bedauernd feststellte. Durch die Tür, die nach vorn zu den Zu schauerboxen führte, erschienen einige handfest aussehende Männer, die Billardqueues in Händen hielten. Die drei Typen machten einen finsteren Eindruck und schoben sich profimäßig an den Butler heran. Es war eindeutig ihre Absicht, den Gegner als Billardkugel zu spielen. »Einen Moment, wenn ich bitten darf«, rief Parker. Die drei Männer blieben stehen. Mit solch einer Anrede hatten sie offenbar nicht gerechnet. »Sie nähern sich meiner Wenigkeit wahrscheinlich in feindlicher Absicht«, redete der Butler gemessen weiter, »darf ich Ihnen ver sichern, daß ich keinen wie auch immer gearteten Groll gegen Sie hege?« Die drei Männer brauchten eine gewisse Zeit, bis ihnen der Sinn von Parkers Rede offenbar wurde. »Angst, wie?« fragte der Mann, der einen halben Schritt vor seinen beiden Mitstreitern stand. »Mich leitet eine gewisse Besorgnis, wenn ich so sagen darf«, antwortete der Butler. »Mach schon mal dein Testament«, sagte der zweite der drei Männer. »Meine Sorge gilt natürlich Ihnen, meine Herren«, präzisierte Josuah Parker, der sich langsam in Richtung Gemeinschaftsgarde robe zurückzog, um später mehr Bewegungsfreiheit zu haben. »Witzbold«, meinte der dritte Schlägertyp und grinste tückisch. Er schien sich bereits im vornhinein darauf zu freuen, mit seinem Queue zuschlagen zu können. »Sie werden gestatten, daß ich versuche, der nackten Gewalt zu weichen«, äußerte Parker. Er hatte inzwischen die Gemein schaftsgarderobe der Peep-Show-Modelle erreicht und sah sich kurz nach den Damen um. Sie drängten sich in einer Tür, die nach draußen führte. Ein kühler Luftzug wehte plötzlich durch die überhitzte Garderobe. Parker hatte seinen Universal-Regenschirm in Bereitschaft und wartete auf den ersten Gangster. Angst hatte der Butler überhaupt nicht. Im Kendo, dem Fechten mit Bambus stäben, war er Meister. Die drei Männer hatten die Garderobentür erreicht und wollten 47
es hinter sich bringen. Sie richteten ihre Billardstäbe schlagbereit und beabsichtigten, massiv auf Parker einzudreschen. Sie rechne ten sich natürlich große Chancen aus, denn in Parker sahen sie einen steifen, altmodischen Hinterwäldler, der auf keinen Fall ei nem Profi Konkurrenz machte. Der Butler hatte sich beim Betreten der Gemeinschaftsgardero be orientiert. Auf einem einfachen Tisch vor einem rechteckigen Spiegel stand eine Puderdose mit dem Ausmaß einer kleinen Waschschüssel. Es handelte sich um recht einfachen Puder, mit dem die Modelle sich vor ihrem Auftritt optisch bräunten. Der De ckel dieser Dose war abgenommen worden. Josuah Parker bediente sich. Mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines UniversalRegenschirms schlug er die Dose vom Tisch und beförderte sie in Richtung der drei Kerle, die von diesem golfähnlichen Schlag total überrascht wurden. Bevor sie ihre Augen schließen konnten, stäubte der Puder in fast kompakten Wolken auf ihre Gesichter und veranlaßte das Schließen der Augen. Dadurch fehlte von die ser Sekunde an eine gewisse Übersicht. Parker hingegen besaß sie. Mit gezielten Schlägen setzte er seine Gegner außer Gefecht. Er besorgte das mit erstaunlich höflicher Gelassenheit, die den Ken ner verriet. Er schien sich überhaupt nicht anzustrengen und lüf tete wenig später die Melone, als die drei Männer sich auf dem nicht gerade sauberen Fußboden der Garderobe ausbreiteten. * »Ich hoffe sehr, daß ich ausgesprochen störe«, sagte Josuah Parker wenige Minuten später, als er das Privatbüro des Spielhal lenunternehmers betreten hatte. Er sah sich einem erstaunlich seriös wirkenden Mann gegenüber, der etwa fünfzig schien und tadellos gekleidet war. »Wer… Wer sind Sie?« fragte der Mann und sprang hinter dem Schreibtisch auf. »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte sich der Butler vor, »würden Sie auch die Freundlichkeit haben, Ihren Namen zu nen nen?« »Wie kommen Sie hierher?« Der Mann wußte nicht recht, wie er 48
sich verhalten sollte. »Logischerweise benutzte ich die Treppe, die ins Obergeschoß führt«, antwortete Josuah Parker, »und nun, mein Verehrter, Sie heißen?« »Brian… Brian Fulwell«, antwortete der Mann, »äh, das hier ist privat, verstehen Sie?« »Sie halten unnötig Ausschau nach Ihren drei Mitarbeitern, Mr. Fulwell«, erklärte der Butler, der den Blick des Spielhallenbesit zers wahrgenommen hatte, »die drei Herren fühlen sich zur Zeit ein wenig unwohl, wenn ich so sagen darf.« »Unwohl?« Der Seriöse räusperte sich betroffen. »Ersparen Sie sich Einzelheiten, Mr. Fulwell«, schlug der Butler vor, »würden Sie meiner Wenigkeit liebenswürdigerweise sagen, wo man Mr. Norman Ballert und seinen sogenannten Meister fin den kann?« »Ich kenne keinen Ballert, einen Meister schon gar nicht.« »Der Begriff Hypnose ist Ihnen selbstverständlich ebenfalls fremd!?« »Wieso Hypnose? Was soll diese Frage? Noch einmal, was wol len Sie hier? Ich betrachte Ihr Eindringen als Hausfriedensbruch, verstehen Sie? Gehen sie, oder ich rufe die Polizei an!« »Gibt es Schwierigkeiten?« fragte in diesem Moment eine bari tonal gefärbte Frauenstimme von der Tür her. Parker trat höflich zur Seite und grüßte die eintretende ältere Dame durch das Lüf ten seiner Kopfbedeckung. »Mr. Brian Fulwell, Mylady«, stellte der Butler vor, »Mr. Fulwell gibt sich ein wenig sperrig, was seine Mitarbeit betrifft.« »Wo haben Sie Miß Porter versteckt?« fragte die Detektivin den Seriösen rund heraus, »kommen Sie mir nicht mit Ausreden, jun ger Mann, sonst können Sie was erleben…« »Wer, zum Teufel, ist Miß Porter?« erregte sich Fulwell leicht sinnigerweise. Er übersah das sanfte Pendeln eines perlenbestick ten Handbeutels, der an langen Schnüren am Handgelenk der Lady hing. »Mr. Parker, ich brauche Sie hier nicht mehr«, stellte Agatha Simpson fest, »ich werde mich mit diesem Subjekt allein unter halten.« »Subjekt… Was… Was erlauben Sie sich?« Fulwell plusterte sich auf. »Halten Sie den Schnabel, Sie Lümmel«, grollte Agatha Simp 49
son, »ich erlaube es Ihnen nicht, eine wehr- und hilflose ältere Frau zu beleidigen und wahrscheinlich auch anzugreifen. Ich bin eine sensible Natur.« Josuah Parker befolgte Lady Agathas Anregung und ließ die sensible Natur mit Fulwell allein. Er begab sich in den Lichthof und traf hier auf Mike Rander, der ihn fragend anschaute. »Mylady wird in wenigen Minuten empfindlich belästigt wer den«, wußte Parker bereits im vorhinein. »Die Ärmste«, spottete der Anwalt, »hoffentlich weiß sie sich ih rer Haut zu wehren. Übrigens, Parker, wir haben die Rückseite der Spielhalle beobachtet. Abgehauen ist keiner.« »Mr. Ballert und sein Meister dürften dennoch längst das ge sucht haben, was man das Weite zu nennen pflegt«, erwiderte der Butler, »im Augenblick geht es einzig und allein um Miß Por ter.« »Ich mache mir inzwischen Sorgen, Parker.« »Miß Porter weiß sich mit Sicherheit zu helfen, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »Miß Porter dürfte auf keinen Fall unter Hypnose stehen. Eine nochmalige Analyse ihres Handkantenschlags be rechtigt mich zu dieser Hoffnung.« »Dieser Hypno-Gangster wird inzwischen seinerseits wissen, daß Sie niemals unter seinem hypnotischen Befehl standen.« »Dies, Sir, dürfte dem sogenannten Meister allerdings klar sein«, sagte Parker, »er dürfte darüber hinaus jetzt auch wissen, daß man ihm nur Schmuckimitationen geliefert hat.« »Hatten Sie wirklich die Hoffnung, den Meister hier zu erwi schen, Parker?« »In der Tat, Sir«, bestätigte der Butler, »diese Hoffnung exis tierte. Sie erstreckte sich auch auf das Wiedersehen mit Miß Por ter.« »Hoffentlich bringen wir sie nicht in zusätzliche Schwierigkeiten. Dieser Kerl da drin muß einfach etwas wissen, oder?« »Mylady ist gerade dabei, Aufdringlichkeiten abzuwehren«, meinte der Butler und deutete mit der Spitze seines Schirms dis kret auf die Tür. Durch sie hindurch waren seltsame dumpfe Ge räusche und dann Stöhnen zu vernehmen. Doch weder Parker noch Mike Rander dachten daran, der älteren Dame zur Hilfe zu eilen.
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*
Kathy Porter rieb ausgiebig ihre Handgelenke und sorgte für Zirkulation des Blutes. Bis vor wenigen Augenblicken waren ihre Hände noch gefesselt gewesen. Mit Zähigkeit und Geschick hatte sie sich der dünnen und tief einschneidenden Stricke entledigen können. Ein wichtiges Hilfsmittel dazu waren die Scherben eines kleinen Waschbeckens aus Porzellan gewesen, das die junge Da me mit gezielten Fußtritten aus der Wandbefestigung getreten hatte. Was die Improvisation anging, so war Kathy Porter schon immer Parkers gelehrige Schülerin gewesen. Sie befand sich in einem fensterlosen Raum, in dem es eine Art Feldbett und einen schmalen Wandtisch gab. Die Tür war solide gearbeitet und wurde draußen von zwei Riegeln zusätzlich gehal ten. Kathy hatte genau gehört, wie sie zugeschoben worden wa ren. Ihre Hände waren inzwischen wieder in Ordnung. Kathy lockerte sich auf, um später geschmeidig in Aktion treten zu können. Sie spürte, daß es Zeit wurde, die bisher gespielte Komödie abzubre chen. Mord lag ihrer Ansicht nach drohend in der Luft, denn sie hatte diesen Hypno-Gangster schließlich mehrfach gesehen. Ge wiß, der Mann hatte stets eine Seidenmaske getragen und sein Gesicht verborgen, doch sie kannte seine Bewegungen und hatte sich seine Stimme genau eingeprägt. Sie klang wesentlich dunk ler, wenn er normal redete. Dieser Gangster war unterwegs, um Josuah Parker auszuschalten, wie er ihr gesagt hatte. Vorher aber wollte er den Butler für seine Zwecke einspannen. Was er genau damit meinte, wußte Kathy Porter allerdings nicht. Sie war übrigens zu keinem Zeitpunkt hypnotisiert worden. Sie hatte diesem Mann etwas vorgespielt, als er ihr befahl, sich zu entkleiden. Für ihn war das sicher ein wichtiger Test dafür gewe sen, ob sie unter seinem Bann stand, Kathy hingegen hatte dieser Strip überhaupt nichts ausgemacht. Prüderie war ihr fremd. Sicher war sie sich allerdings nicht, ob dieser Gangster ihr die Komödie abgenommen hatte. Sicherheitshalber unterstellte sie, daß er ihr Spiel durchschaut hatte. Und wenn das so war, dann war der Mann früher oder später gezwungen, sie als spätere Be lastungszeugin zu beseitigen. Wegen Josuah Parker machte Kathy sich keine Sorgen. In der Vergangenheit hatten Gangster immer wieder versucht, diesen 51
bemerkenswerten Mann aus dem Weg zu räumen. Sie hatten stets den kürzeren gezogen und waren auf der Strecke geblieben. Kathy Porter lächelte unwillkürlich, als sie an den Butler dachte, den sie verehrte. Als Hypnotisierter war er überzeugend gewesen, und selbst sie hätte sich beinahe täuschen lassen. Ob er wohl sofort gemerkt hatte, daß sie den ihr befohlenen Handkanten schlag nur vorsichtig ansetzte? Doch! Nur so konnte es gewesen sein, sonst hätte Parker Kathy Porter nicht in der Gewalt des Gangsters zurückgelassen. Wer mochte dieser Hypno-Gangster sein? Was waren seine wirklichen Absichten? Dazu hatte dieser Mann noch nicht mal eine Andeutung gemacht. War diese fast leer stehende Reederei sein tatsächlicher Unterschlupf? Durch die schwere Tür hörte Kathy Porter von weither im Ge bäude ein dumpfes Geräusch. Der Hypno-Gangster kündigte sein Kommen an. Kathy legte sich schnell zurück auf das schmale Feldbett und schob, Arme und Hände unter ihren Rücken. Wenn die Tür gleich geöffnet wurde, mußte der Gangster den Eindruck gewinnen, daß sie noch immer gefesselt war. Sein erster Blick würde natürlich ihr gelten, der zweite Blick aber konzentrierte sich dann bestimmt auf das abgerissene Waschbecken. Genau in diesem Moment wollte Kathy sich abdrücken und hochschnellen. Sie wußte, daß sie nicht viel Zeit haben würde… * Die Tür wurde vorsichtig geöffnet. Kathy Porter kam es darauf an, den Eintretenden, den sie noch nicht ausmachen konnte, vom ersten Moment an entscheidend abzulenken. Sie richtete ihren Oberkörper auf und stöhnte aus giebig. Sie erkannte den Mann, der Norman Ballert hieß. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf sie, was wohl mit dem Revolver zu sammenhing, den er in der rechten Hand hielt. Auf der Mündung saß ein überdimensional großer Schalldämpfer. Kathy reagierte blitzschnell. Sie hatte den völlig abwesenden Blick dieses Mannes gesehen und wußte instinktiv, daß er auf Mord programmiert war. Der Hypno-Gangster wollte sein Werkzeug benutzen, sie – Kathy Por 52
ter – aus dem Weg zu schaffen. Es war eine Frage von Sekunden, wann Norman Ballert schießen würde. Kathy Porter, die einen handtellergroßen Porzellanscherben mit aufs Feldbett genommen hatte, schleuderte ihn zielsicher auf Bal lert, der von diesem Angriff zwar überrascht wurde, doch kaum Wirkung zeigte. Im Werfen rollte Kathy sich geschickt vom Feld bett und hörte gleichzeitig ein widerlich klingendes >Plopp<. Kathy Porter war bereits auf den Knien, warf sich gegen das leichte Feldbett und brachte es sofort in Fahrt. Es schlitterte über den glatten Zementboden auf Ballert zu, der erneut schoß. Dann erreichte ihn das Fußende des Feldbetts und ließ den Mann ein knicken. Bevor Ballert sich wieder aufrichten konnte, war Kathy bereits an der Tür und benutzte ihren linken Fuß samt Schuh, um Ballert endgültig von den Beinen zu bringen. Er verlor die Schuß waffe, knallte gegen die Korridorwand und sie bückte sich, nahm die Waffe an sich und zerrte Ballert dann erst mal in den fenster losen Raum. Dann schloß sie von außen ab und lief zur Steintrep pe, die sie bereits kannte. Sie führte hinauf ins Erdgeschoß der ehemaligen Reederei. Sie hatte diese Treppe noch nicht ganz er reicht, als sie das Zuschlagen einer Tür hörte. Es konnte sich da bei nur um jene Tür handeln, die die Treppe zum Erdgeschoß hin abgrenzte. Ob sie verschließbar war, wußte Kathy nicht, doch sie legte es darauf an, den Hypno-Gangster, der sich wohl absetzen wollte, in eine gewisse Panik zu versetzen. Sie schoß aus dem Lauf heraus auf die Tür, und die Geschosse wirkten wie schwere Fausthiebe. Sie trieben das Türblatt nach außen und machten es dem Gangs ter unmöglich, die Tür ins Schloß zu bringen. Kathy lief nach oben, preßte sich eng gegen die Wand und horchte in den Korridor. Sie hörte schnelle Schritte, die sich ent fernten und leiser wurden. Kathy ließ sich jedoch nicht täuschen und stürmte nicht los, sondern rechnete mit einer raffinierten Falle. Sie nahm ihren Schuh und warf ihn in den Gang. Im gleichen Moment fielen zwei Schüsse, die den Türrahmen trafen und Holz absplittern ließen. Der Gangster hatte also nur darauf gewartet, daß sich in der Tür etwas regte. Kathy verzichtete auf jedes Risiko und wartete erst mal ab. Sie hatte jetzt Zeit und wußte, daß sie so oder so dem Gangster ent wischt war. 53
* »Bin ich froh, Kathy, daß alles in Ordnung ist«, sagte Mike Rander eine Stunde später. Das sogenannte Quartett befand sich im Salon des altehrwürdigen Fachwerkhauses der Lady Simpson. Butler Parker reichte den unvermeidlichen Tee und vergaß natür lich nicht, den Kreislauf seiner Herrin mit Cognac zu stützen. »Sie wissen tatsächlich nicht, wie dieses Subjekt aussieht?« wundert sich die ältere Dame. »Er trug eine Seidenmaske, Mylady«, erwiderte Kathy Porter, »aber ich weiß, daß dieser Mann mittelgroß, fast schlank ist und eine Perücke trug.« »Das wird mich nicht gerade weiterbringen, oder sollte ich mich irren, Mr. Parker?« Agatha Simpson sah den Butler abwartend an. Sie schätzte es nicht, sich festzulegen. »Myladys Bemerkung muß als ungemein treffend bezeichnet werden«, antwortete Josuah Parker höflich und gemessen, »auf der anderen Seite ergibt sich, daß Mr. Brian Fulwell wahrschein lich nicht mit dem Hypno-Gangster identisch ist.« »Haben Sie den Burschen erkannt, der auf Sie im Korridor ge schossen hat, Kathy?« schaltete sich Mike Rander ein. »Leider nicht«, gab sie zurück und schüttelte noch zusätzlich den Kopf, »es kann natürlich auch einer der Robotgangster gewe sen sein, Sie wissen, was ich meine, Mike?« »Ein Hypnotisierter wie Ballert, wie?« »Wäre das nicht möglich, Mike?« »Doch, natürlich«, antwortete Rander, »dieser große Meister scheint sich ja mit ‘ner Menge Fuß volk zu umgeben.« »Gehört auch Brian Fulwell dazu?« fragte die Detektivin und sah den Butler wieder mal abwartend an. »Mr. Brian Fulwell stand auf keinen Fall unter Hypnose, Myla dy«, sagte Josuah Parker, »er dürfte auch wirklich nicht wissen, wer der Hypno-Gangster ist.« »Papperlapapp, Mr. Parker«, grollte die ältere Dame, »er hätte bestimmt noch Farbe bekannt, wenn man mich nicht unnötig ge stört hätte.« »Mit einem solch schnellen Einschreiten der Polizei war nicht zu rechnen, Mylady«, stellte Parker fest. »Sie wurde eindeutig von 54
Angestellten der Spielhalle alarmiert.« »Bei Ihnen in der Reederei erschien auch die Polizei, Kind chen?« erkundigte sich Lady Simpson. »Ein Nachtwächter hatte die Schüsse in der Bellford-Reederei gehört, Mylady«, erklärte Kathy Porter, »er machte einen Kon trollgang auf einem benachbarten Gelände.« »Auf dem Gelände der Interport-Reederei?« fragte der Anwalt. »Das weiß ich nicht«, bedauerte Kathy, »im Grund war ich heil froh, als die Polizei auf der Bildfläche erschien. Mein Bedarf an Abenteuern war reichlich gedeckt.« »Wer ist schon perfekt, Kindchen, wenn ich von mir mal abse he«, erklärte Agatha Simpson in ihrer schlichten Art, »machen Sie sich nur keine Vorwürfe. Bei passender Gelegenheit werde ich diese Schlappe wieder ausbügeln. Richtig ärgern wird sich inzwi schen dieser Hypno-Gangster. Daß man ihm falschen Schmuck geliefert hat, dürfte er ja inzwischen wissen. Nur sehr schade, finde ich, daß Mr. McWarden jetzt über diesen Ballert verfügen kann. Sie konnten ihn nicht noch rechtzeitig wegschaffen, Kind chen?« »Die Polizei war zu schnell und zu massiert zur Stelle, Mylady«, erwiderte Kathy Porter, »ob er Mr. McWarden allerdings etwas über seinen Meister sagen wird und kann, wage ich zu bezwei feln.« »Als er auf Sie schoß, war er eindeutig hypnotisiert, nicht wahr?« wollte Mike Rander wissen. Kathy war noch nicht lange im Haus und hatte bisher nur in großen Zügen von ihren Erlebnissen berichten können. Ein Streifenwagen der Polizei hatte sie vor dem Haus der Lady abgeliefert. Der Chief-Superintendent war erstaun licherweise nicht mitgekommen. Wahrscheinlich konzentrierte er sich ausschließlich auf Norman Ballert, der schließlich die Schlüs selfigur sein sollte. »Er war hypnotisiert«, bestätigte Kathy Porter, »sein leerer Blick war unverkennbar.« »Er war auch hypnotisiert, als er Sie, Parker, im Sexyland er wartete?« »Eindeutig, Sir«, erwiderte der Butler, »nach seiner Flucht aus dem Sexyland muß Mr. Ballert umgehend hinüber zu den Surrey Docks gefahren sein, was in Anbetracht der kurzen Strecke keine besonderen Schwierigkeiten bereitet haben dürfte.« »Ist Ballert für seine Schießerei eigentlich verantwortlich zu ma 55
chen, mein Junge?« erkundigte sich die ältere Dame bei Mike Rander. »Gibt es eigentlich Verbrechen in Hypnose?« »Verantwortlich ist Ballert wohl kaum zu machen, Mylady«, ur teilte der Anwalt. »Falls Mr. Ballert tatsächlich unter Hypnose gehandelt hat«, warf Josuah Parker höflich ein, »um es mal anders auszudrücken, falls es erlaubt ist: einen leeren Blick könnte man natürlich auch vortäuschen.« »Und mein Hypno-Gangster?« fragte die Detektivin verblüfft. »Dieser Mann wäre dann eine Fiktion, Mylady«, redete Parker gemessen weiter, »und den Mann mit der Seidenmaske müßte man in solch einem Fall als eine Art Dekoration ansehen, der nur dazu dient, Verwirrung zu stiften und falsche Spuren zu legen.« »Was macht Ballert?« fragte Mike Rander am anderen Morgen, als Chief-Superintendent McWarden in der Wohnhalle des Hauses erschien. »Nichts, Rander«, erwiderte er gereizt, »er ist einfach nicht an sprechbar.« »Hypnose, nicht wahr?« Mike Rander führte den Gast in den kleinen Salon. McWarden sah den Anwalt fragend an, der sofort verstand. »Lady Simpson ruht noch«, sagte er, »es war ein verdammt langer Tag, McWarden, und auch die Nacht hatte sich gewaschen. Sie wissen ja, was alles passiert ist.« »Gegen Lady Agatha ist Anzeige erstattet worden«, antwortete McWarden und lächelte schwach, »dieser Brian Fulwell will sie wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädi gung vor Gericht zitieren.« »Sie wird kontern, McWarden«, meinte der Anwalt, »und zwar wegen unsittlicher Belästigung und so. Sie wissen doch, sie ist eine sehr schwache, sensible Frau.« »Mit einem Hufeisen im Pompadour«, sagte McWarden, »hat sie denn etwas aus Fulwell herausbekommen?« »Nichts, McWarden, rein gar nichts. Der Mann erwies sich als Niete auf der ganzen Linie. Er will von nichts gewußt haben. Ist Fulwell eigentlich der Polizei bekannt?« »Er hat wirklich keinen Hinweis gegeben?« fragte McWarden mißtrauisch. »Ehrenwort, McWarden. Fulwell gibt sich ahnungslos.« »Er ist kein unbeschriebenes Blatt, Rander«, berichtete der Y 56
ardbeamte, »vor ein paar Jahren demolierten seine Schläger Nachtclubs und Spielhallen, bis er es geschafft hatte, sich selb ständig zu machen. Es gab damals ein paar Schwerverletzte und sogar einen Toten, doch Fulwell war nichts nachzuweisen.« »Hat der Hypno-Gangster unseren Parker nun absichtlich in die ses Sexyland gelockt, um den Verdacht auf Fulwell zu locken?« »Könnte schon sein, Rander. Wissen Sie, ein Gangster wie Ful well braucht nicht mit einer Hypnomasche zu arbeiten, verstehen Sie? Der geht direkt auf sein Ziel los, der verläßt sich auf seine Schläger wie in der vergangenen Nacht.« »Da war er aber verlassen«, meinte der Anwalt ironisch, »Par ker hat mit diesen Typen gründlich aufgeräumt.« »Und sich damit ein paar unversöhnliche Feinde geschaffen«, warnte der Chief-Superintendent, »die lassen die Panne bestimmt nicht auf sich sitzen. Hoffentlich weiß Parker das.« »Ich denke schon, McWarden. Aber noch mal zurück zu Ballert und diesem Hypno-Gangster. Sind denn wenigstens Sie einen Schritt vorangekommen?« »Keinen einzigen, Rander«, bedauerte McWarden, »ich spiele wirklich mit offenen Karten. Wir haben Ballerts Vorleben durch forscht, aber ohne Ergebnisse. Der Mann lebte bisher unauffällig und farblos. Er scheint ein Einzelgänger zu sein, der selbst seine Nachbarschaft meidet.« »Was wird mit ihm geschehen?« »Ballert ist bereits in Untersuchungshaft genommen worden. Er wird natürlich psychiatrisch behandelt, das besorgt Dr. Finnegan, der sich ja schon mal mit ihm befaßt hat.« »Wer ist dieser Finnegan eigentlich, McWarden?« »So eine Art Vertragsarzt der Polizei«, erklärte der ChiefSuperintendent, »Finnegan bemüht sich zur Zeit, die neue Sperre in Ballert zu knacken. Übrigens eine Frage am Rand: Wo steckt denn eigentlich Parker? Er hat mir noch nicht mal die Tür geöff net, ist er etwa unterwegs?« »Er vertritt sich die Füße, wie er es ausdrückt«, meinte der An walt, »was immer er darunter verstehen mag, McWarden. Wenn Sie mich fragen, so befindet er sich auf dem Kriegspfad.« *
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Die Tür zur Gemeinschaftsgarderobe war für den Butler kein Hindernis. Mit seinem Spezialbesteck, das aus seltsam geformten Schlüsseln und Stahlnadeln bestand, brauchte er nur wenige Au genblicke, bis das Schloß fast freudig nachgab. Josuah Parker drückte die Tür mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf und warf einen Blick in die um diese Zeit noch leere Garderobe. Es roch aufdringlich nach Schweiß, billigem Puder und abgestan denem Bier. Die Peep-Show in den Räumen des >Sexyland< wurde erst nach elf Uhr geöffnet. Bis dahin war noch eine halbe Stunde Zeit. Parker schritt durch die Garderobe, kannte den weiteren Weg und hegte die Absicht, Brian Fulwell einen kleinen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Es gab da noch einige Fragen, die er geklärt wissen wollte. Im Haus herrschte Ruhe. Parker durchmaß den Korridor und er reichte dann die Boxen der Peep-Show. Er interessierte sich für die Besucherzelle, aus der man ihn niederschießen wollte. Die Trennscheibe aus Glas war noch nicht ersetzt worden. Er bückte sich nach den Splittern, die auf dem Boden lagen. Lange brauchte er nicht nach Spuren zu suchen. Er fand ein dolchartiges Glas stück, etwa zehn Zentimeter lang. An der Breitseite entdeckte Parker eingetrocknete Blutspuren. Seine Vermutung war damit bestätigt worden. Als er mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Schirmes zugeschlagen hatte, war der Mann verletzt worden, der auf ihn schießen wollte. Leider vermochte Parker nicht zu sagen, um welche Art von Verletzung es sich handelte, doch mußte es wohl die Hand des Schützen sein. Parker stieg über eine schmale Treppe ins Obergeschoß, wo sich die Privaträume Brian Fulwells befanden. Falls der Besitzer des > Sexyland < nicht da war, wollte Parker sich in dessen Privatbüro ein wenig umsehen und nach weiteren Spuren suchen. Brian Fulwell war jedoch anwesend, wie Parker kurz darauf hör te. Nach dem Läuten eines Telefons wurde abgehoben, und Ful well meldete sich. Josuah Parker schob sich näher an die Bürotür heran, die nur halb geöffnet war. Er warf schnell einen Blick in den ihm bereits bekannten Raum. Der so überraschend seriös aussehende Mann saß hinter seinem Schreibtisch. Er war allein in der noch immer leicht verwüsteten Umgebung, was wohl auf Lady Simpson zurückzuführen war. 58
»Das ging ja schnell«, sagte Fulwell in die Sprechmuschel, »wie sieht’s denn aus, Marny? Kannst du ein paar Leute abstellen? Wie? Natürlich würde ich mit diesem Butler allein klarkommen, aber sicher ist eben sicher. Du kennst ihn? Ach nee… Vier Leute hast du für mich? Bestens, Marny. Und wann konnte ich sie ha ben? Ab Mittag, sehr gut. Weißt du, ich will diesen Parker abfan gen und mit ihm Druck auf die Lady ausüben.« Marny, mit dem Fulwell sprach, war jetzt an der Reihe, seinem Gesprächspartner einiges zu berichten. Fulwell hörte nur. Dann endlich kam er wieder dran. »Ich lock’ ihn mit diesem Hypnosetyp in eine Falle«, sagte Brian Fulwell und meinte mit Sicherheit den zuhörenden Butler, »natür lich wird er darauf sofort anspringen. Nein, nein, ich werde schon aufpassen, ich weiß ja jetzt, wie gerissen und gefährlich der Mensch ist. Ich lasse mich immer nur einmal reinlegen, darauf kannst du dich verlassen.« Der Mann, der Marny hieß, war wieder an der Reihe. Er schien Fulwell erneut zu warnen, wie Parker empfand. Wer dieser Marny war, erinnerte sich der Butler, der über ein erstklassiges Ge dächtnis verfügte. Mit einem gewissen Marny Rayners hatte er vor etwa sieben Monaten mal zu tun gehabt, als es darum gegan gen war, eine Erpessung aufzuklären. Marny Rayners war ein kleiner Bandenführer, der seinerzeit mit einem blauen Auge da vonkam, nachdem Parker ihm einen Besuch vor Gericht verordnet hatte. Die Anklage war fallen gelassen worden, da der Erpreßte wohl aus Angst geschwiegen hatte. »Ob ich eine Ahnung habe, wer dieser Hypnotiseur ist?« fragte Brian Fulwell zurück, »nein, da muß ich passen, nicht die gerings te Ahnung, wer der Mann auch nur sein könnte. Natürlich muß das ein Amateur sein. Ich hab’ nichts dagegen, daß Parker und die Lady sich mit ihm befassen. Solch ein Typ hat in unserer Branche eigentlich nichts verloren.« Leider konnte Josuah Parker nicht weiterhören, denn ausge rechnet in diesem Augenblick befahl ihm eine etwas heisere Stimme, möglichst schnell die Flossen hochzuheben. »Denken Sie in diesem Zusammenhang möglicherweise an mei ne Hände?« erkundigte sich der Butler, während er sich langsam umwandte. Er sah sich einem der drei Schläger gegenüber, die er in der Gemeinschaftsgarderobe in kurzfristigen Tiefschlaf versetzt hatte. 59
»Die Flossen«, wiederholte der Schläger und korrigierte die Richtung des Revolverlaufs. Die Mündung zeigte auf Parkers Kör per. »Ich werde Ihrem Wunsch selbstverständlich nachkommen«, meinte der Butler, »und ich möchte der Hoffnung Ausdruck ver leihen, daß Sie meiner Wenigkeit nicht sonderlich gram sind, was gewisse Vorfälle betrifft.« »Wie war das?« fragte der Schläger irritiert. Mit Parkers Aus drucksweise kam er nicht zurecht, nahm aber beruhigt zur Kenntnis, daß der Butler die Arme hinter dem Nacken verschränk te, was ihn hätte vorsichtiger stimmen sollen. * »Sie sollten vielleicht tunlichst davon ausgehen, daß meine We nigkeit keineswegs allein gekommen ist«, sagte Josuah Parker einige Minuten später zu Brian Fulwell, in dessen Büro er stand. »Und Sie sollten davon ausgehen, daß wir Sie für einen Einbre cher gehalten haben«, meinte Fulwell ironisch, »als dieser Einbre cher flüchten wollte, gab’s noch mal einen Irrtum, Parker.« »Man schoß auf diesen vermeintlichen Einbrecher, was man im nachhinein ungemein bedauern wird.« »Sie sehen das völlig richtig, Parker«, antwortete Fulwell, »eine Menge Leute werden an Ihrem Begräbnis teilnehmen, wetten?« »Moment mal, Chef«, schaltete sich der Schläger ein, »dieser Typ soll so einfach erschossen werden?« »Was gefällt dir daran nicht?« wollte Fulwell wissen. »Den möchte ich vorher noch auseinandernehmen, Chef. Haben Sie vergessen, was er mit uns gemacht hat?« »Sie sollten die Gefühle Ihres Mitarbeiters respektieren, Mr. Fulwell«, sagte Josuah Parker. »Einen Dreck werde ich tun…« Fulwell schüttelte den Kopf und wandte sich an den Schläger. »Bring’ ihn runter in die Spielhalle und leg’ ihn um!« »Ihre Ausdrucksweise ist nicht gerade seriös, Mr. Fulwell«, ta delte der Butler. »Aber genau«, konterte Fulwell, »Sie machen mir nicht noch mal Ärger, Parker, verlassen Sie sich darauf…« »Bevor ich das segnen soll, was man im Volksmund das Zeitli 60
che zu nennen pflegt, Mr. Fulwell, würde meine Wenigkeit inte ressieren zu erfahren, ob meine Vermutungen den Tatsachen ent sprechen, was den Hypno-Gangster betrifft.« Der Schläger produzierte tiefe Falten auf seiner Stirn und dach te angestrengt über das nach, was Parker gerade gesagt hatte. Selbst Brian Fulwell nagte an der Unterlippe und zerlegte den Satz des Butlers. »Hypno-Gangster?« fragte er zurück. »Wissen Sie was, Parker, nehmen Sie diese Frage mit ins Grab, dann langweilen Sie sich später wenigstens nicht.« »Mr. Rander dürfte mit dieser Antwort nicht gerade zufrieden sein«, erwiderte Parker und bewegte die Augen überdeutlich zur Seite. Die beiden Männer mußten den Eindruck gewinnen, daß ihr Gast einen Mann ansprach, der sich an die Bürotür herange pirscht hatte. Sowohl der Schläger als auch Brian Fulwell nahmen unwillkürlich den Kopf herum und verschafften dem Butler so die Gelegenheit, etwas für seine Befreiung zu tun. Parkers Hände waren im Nacken verschränkt, der UniversalRegenschirm hing in der linken Armbeuge. Normalerweise lieferte das keine Chance, gegen die Schußwaffe etwas zu unternehmen, denn die Entfernung zwischen ihm und dem Schläger war einfach zu groß. Dennoch, Parker wußte auch für solche Situationen eine Lösung. Im Kragenaufschlag seines schwarzen Zweireihers, in Höhe des Nackens, befand sich eine Art Waffendepot. Bei der dort befindli chen Waffe handelte es sich um ein flaches >Bonbon<, das von den schwarz behandschuhten Fingern an beiden Seiten bereits erfaßt worden war. Parker hob unauffällig die Hände bis zur Höhe der Wölbung seiner Kopfbedeckung. Dann riß er die beiden Wi ckelenden dieses seltsamen >Bonbons< auseinander und schloß gleichzeitig fest seine Augen. Die Wirkung war verheerend. Ein greller Lichtblitz blendete die Augen der beiden Gangster. Selbst Parker, der diesen Effekt nur zu gut kannte, sah für eine Sekunde nur noch rot. Dann aber normalisierten sich die Augen. Er musterte die beiden Männer, die zu einer Art Salzsäule gewor den waren. Sie standen wie leblos im Büro und befanden sich eindeutig in einem Schockzustand. Die Miniatur-Blitzlichtbombe hatte ihre Wirkung getan. »Schießen, schießen«, keuchte Fulwell endlich. 61
»Ich… Ich kann nicht«, stöhnte der Schläger. »Was den Tatsachen entspricht«, schaltete sich Josuah Parker ein, »ich war so frei, Ihrem Mitarbeiter die Schußwaffe wegzu nehmen, Mr. Fulwell. Ich darf wohl davon ausgehen, daß Sie da für Verständnis aufbringen.« Obwohl sie seinen höflichen Gruß bestimmt noch nicht sehen konnten, lüftete Parker die schwarze Melone und verließ das Bü ro. Er verzichtete auf jede weitere Befragung, zumal er ohnehin einen, wichtigen Hinweis zur Klärung des Falles erhalten hatte. * Es war Mittag. Josuah Parker überquerte mit seinem hochbeinigen Monstrum die Themse und parkte seinen eigenwilligen Wagen in der Nähe des Waterloo-Bahnhofs. Zu Fuß begab er sich in die Stamfort Street und näherte sich einem betagten Backsteingebäude, in dem laut Hinweisschildern am Eingang eine Vielzahl von Firmen untergebracht war. Auf einer dieser Tafeln stand der Name M. Rayners. Mit einer Unterzeile wurde darauf hingewiesen, daß die ser M. Rayners einen Versandhandel betrieb. Womit er handelte, war nicht ersichtlich. Parker betrat die ursprünglich wohl pompöse Eingangshalle, die nun aber etwas verkommen wirkte. Der Versandhandel des Mr. Rayners war im Erdgeschoß untergebracht, und zwar in einem Seitenflügel. Parker erreichte die glatte Tür, auf die man eine zweite Firmentafel geschraubt hatte. Er verzichtete, auf den Klin gelknopf zu drücken. Es war Parkers Absicht, unangemeldet zu erscheinen. Sein Spezialbesteck trat noch mal in Aktion. Und wieder dauerte es nur wenige Augenblicke, bis das auffallend gute Yale-Schloß freudig nachgab und sich aufsperren ließ. Parker betrat den Kor ridor, der zur linken Außenwand hin mit Kartons fast zugestellt war, und hörte dann Stimmen, Schritte und leise Musik. Das alles machte einen normalen und unverdächtigen Eindruck. Parker wußte es jedoch besser. Marny Rayners war ein Gangster, der mit Sicherheit dunklen Geschäften nachging. Nach seinem Freispruch seinerzeit war er natürlich noch viel vorsichtiger geworden und umgab sich mit Wohlanständigkeit. 62
Es war dieser Mr. Rayners, der plötzlich aus einem Zimmer kam, Parker entdeckte und ihn in einer Mischung aus Staunen und Unsicherheit ansah. Parker lüftete höflich die schwarze Melo ne. »Sie erlauben, Mr. Rayners, daß ich Ihnen einen guten Tag wünsche?« fragte er höflich. »Hat Mr. Fulwell Sie nicht darüber verständigt, daß er sich gezwungen sah, seine Pläne ein wenig zu ändern?« »Wie kommen Sie hier rein?« brauste Rayners auf. Er war etwa vierzig Jahre alt, groß und schwer. »Die Tür war erfreulicherweise geöffnet.« »Ausgeschlossen, das kann nicht sein.« »Meine Anwesenheit dürfte das Gegenteil bezeugen, Mr. Ray ners«, erwiderte der Butler, »bestehen Sie darauf, dieses Thema Tür noch weiter zu erörtern, oder sollte man nicht lieber ein aktu elleres Problem abhandeln?« »Aktuelles Problem? Hören Sie, Parker, Sie haben mich damals schon fast ins Gefängnis gebracht. Und jetzt…« »Das aktuelle Thema heißt Mord, Mr. Rayners«, unterbrach Par ker den Chef des Versandhandels kühl. »Mord?« Rayners schluckte nervös und wandte sich erleichtert um, als hinter ihm zwei jüngere Männer auftauchten mit durchaus profihaftem Eindruck. Sie schoben sich links und rechts neben Rayners, spannten ihre Muskeln und warteten wohl nur auf ein Zeichen, um Parker anzugreifen. »Mord, Mr. Rayners«, wiederhol te der Butler, »wer mit Mr. Fulwell zusammenarbeitet, gerät in die unmittelbare Nähe eines Mordfalls. Und Sie wollten doch ein deutig für Mr. Fulwell tätig werden, nicht wahr?« »Wie kommen Sie denn darauf?« »Der Zufall brachte es mit sich, daß ich ein entsprechendes Te lefongespräch zwischen Mr. Fulwell und Ihnen mitverfolgen konn te.« »Da müssen Sie sich geirrt haben, Parker. Aber okay, unterhal ten wir uns über Mord, meinetwegen. Haut ab, Jungens, das hier ist Privatbesuch!« Rayners scheuchte die beiden Männer den Korridor hinunter. Dann deutete er in sein Büro, und Parker folgte dieser Einladung. Rayners drückte die Tür hinter sich zu und sah den Butler nervös an. »Wie war das mit dem Mord, Parker?« fragte er dann ungedul 63
dig, »Sie wissen verdammt genau, daß ich mich damit nicht ab gebe. So was ist mir einfach zu heiß.« »Dennoch erklärten Sie sich bereit, einige Ihrer Mitarbeiter zu Mr. Fulwell zu schicken«, antwortete Josuah Parker, »Sie schei nen eine nachtragende Natur zu besitzen, was meine Wenigkeit betrifft.« »Sie hätten mich damals beinahe geschafft, Parker. Reiner Zu fall, daß ich freigesprochen wurde.« »Nötigung und Erpressung, wenn ich korrigieren darf, Mr. Ray ners«, meinte der Butler, »aber lassen wir die Vergangenheit, widmen wir uns der brennenden Gegenwart. Mr. Fulwell scheint zu beabsichtigen, Sie in einen Mordfall hineinzuziehen.« »Da würde ich nicht mitspielen.« »Mr. Rayners, sagt Ihnen der Name Hypno-Gangster etwas?« »Hypno-Gangster? Nie gehört. Was soll das sein?« »Ein Mann, der mittels Hypnose sich menschliche Werkzeuge schafft, die er für seine Zwecke einzusetzen gedenkt.« »Dazu kann ich wirklich nichts sagen, Parker.« Rayners zuckte die Achseln. »Zieht Fulwell so was auf?« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«, antwortete der Butler, »es gab in allerjüngster Vergangenheit bereits einige Mordversuche, die im Endeffekt auf Mr. Fulwells Konto gehen. Wahrscheinlich möchte er jetzt Sie ins Spiel bringen, um die Poli zei zu beschäftigen.« »Da wird er sich aber geschnitten haben, Parker.« Rayners hat te aufmerksam zugehört. »Warum warnen Sie mich eigentlich?« »Um Fulwell zu isolieren«, gab der Butler schlicht zurück, »dar über hinaus gehe ich davon aus, daß Sie nach meinem Weggang Mr. Fulwell anrufen werden.« »Das… Das kann schon möglich sein.« Marny Rayners nickte nachdenklich. »Sie werden ihm den Inhalt unseres Gespräches mitteilen, den ke ich.« »Auch das kann durchaus sein.« Rayners lächelte plötzlich wis send. »Sie wollen Fulwell provozieren und dann in die Enge trei ben, wie?« »Dies ist meine in der Tat erklärte Absicht«, bekannte Josuah Parker. »Sie sind ganz schön raffiniert. Und Sie sind verdammt offen!« »Sie sind das, was man eine Figur auf einem Schachbrett 64
nennt.« »Normalerweise laß ich mich nicht schieben, Parker.« »In diesem Fall wird es Ihnen ein Vergnügen sein, geschoben zu werden, Mr. Rayners.« »Haben Sie eigentlich ‘ne Ahnung, was Fulwell anpeilt?« erkun digte sich der Gangster. »Seine bisherigen Aktivitäten dürften nur Testfälle gewesen sein«, erläuterte Parker, »den großen Coup muß man abwarten, Mr. Fulwell befaßt sich neuerdings mit Erpressungen, nicht wahr?« »Mit Erpressungen?« Rayners wurde hellhörig, denn das war ei gentlich seine Domäne. »Mit Erpressungen im Zusammenhang mit seiner Peep-Show«, redete Parker gemessen weiter. »Der Verdacht liegt natürlich na he, daß ich Ihnen längst Bekanntes erzähle.« »Da sind Sie wieder mal auf dem Holzweg, Parker«, verteidigte sich der Gangster energisch, »okay, ich bin mit Fulwell befreun det. Und hin und wieder helfen wir uns mal gegenseitig aus, aber ‘ne Zusammenarbeit hat’s noch nie gegeben.« »Bis auf die jüngste Absicht, Mr. Fulwell ein paar Hilfstruppen zu schicken«, stellte der Butler klar. »An Ihrer Stelle, Mr. Rayners, würde ich von allen Aktivitäten Abstand nehmen. Denken Sie möglichst stets daran, daß Mr. Fulwell beabsichtigt, Sie an ge planten Morden partizipieren zu lassen.« »Ich glaube, ich versteh’, was Sie meinen, Parker«, vermutete der Gangster, »nee, ich werde ab sofort schwerhörig sein, wenn Fulwell anruft.« »Was Sie nicht hindern sollte, Mr. Fulwell anzurufen«, schlug Parker jetzt überdeutlich vor. »Sie sollten ihn fairerweise über meinen Höflichkeitsbesuch informieren.« * Horace Pickett war ein Gentleman von etwas sechzig Jahren und erinnerte an einen pensionierten Militär im Rang eines Majors. Er hatte weißes Haar, einen grauen Schnurrbart und blitzende, un ternehmungslustige Augen. Seine Haltung war so tadelsfrei, wie seine Manieren. Er war als Erscheinung eine Persönlichkeit, von der am, wie der Amerikaner es ausdrücken würde, ohne weiteres 65
einen Gebrauchtwagen kaufen könnte. Horace Pickett ging dem Beruf eines Eigentumsübereigners nach. Kriminaltechnisch gesehen war er wohl Taschendieb, sogar einer der Spitzenklasse, doch er arbeitete nach ehernen Grundsätzen. Ihn interessierten nur Brieftaschen der betuchten Schicht. Ein Horace Pickett hätte nie einen Normalbürger in Ver legenheit gebracht. Sein Arbeitsfeld war der Flugplatz Heathrow, doch seit einiger Zeit ließ sich Pickett nur zu gern von Butler Par ker >engagieren<, um gewisse Überwachungen durchzuführen. Pickett verfügte über einen großen Bekanntenkreis und konnte somit flächendeckend in London arbeiten. Picketts heimlicher Wunsch war es, eines Tages ganz für den Butler da zu sein. Der Eigentumsübereigner war Parker zu tiefem Dank verpflich tet, hatte er ihn doch vor geraumer Zeit davor bewahrt, von USMafiosi ermordet zu werden. Pickett hatte eine Brieftasche an sich gebracht, in der Kontaktadressen für in London arbeitende Mafia angehörige waren. In allerletzter Minute hatte Josuah Parker un ter Einsatz seines Lebens den Mordanschlag verhindert und einen rückhaltlosen Bewunderer gefunden. Darüber hinaus verehrte Pickett Agatha Simpson. Er war faszi niert von der älteren Dame, deren Offenheit und unkonventionelle Art er schätzte. Sie wußte natürlich, welchem >Beruf< Pickett nachging, doch sie behandelte ihn wie einen Gentleman. Es ergab sich immer wieder, daß sie ihn zum Tee einlud und mit ihm über Stoffe diskutierte, die sie für ihren geplanten Bestseller suchte. Dieser seltsame Horace Pickett traf sich am Nachmittag mit Parker. Die beiden Männer saßen sich in einem Privatclub gegenüber und nippten am gerade servierten Sherry. Pickett paßte wie selbstverständlich in die seriöse Atmosphäre. »Die Firmeneintragung ist noch nicht gelöscht worden«, berich tete der Eigentumsübertrager, »die Bellford-Reederei ist aller dings von den Erben des Gründers an die Interport-Reederei ver kauft worden.« »Wann erfolgte dieser Verkauf, Mr. Pickett?« fragte Josuah Par ker. »Vor etwa einem Vierteljahr«, lautete die Antwort, »die Inter port will sich vergrößern, wie es heißt, Ihr Manager, ein Martin D. Pinner, möchte die alten Geschäftsbeziehungen der BellfordReederei wieder neu beleben.« 66
»Sie wissen sicher, Mr. Pickett, welcher Art diese Geschäftsbe ziehungen waren und sind?« »Massengutfracht«, hieß prompt die Antwort, »die BellfordReederei arbeitete fast ausschließlich für Südafrika.« »Wer steht hinter dem erwähnten Manager namens Martin D. Pinner?« fragte Parker weiter. »Banken, Versicherungen und eine Brauerei, Mr. Parker. Die In terport ist gut im Geschäft. Sie arbeitet fast ausschließlich für eine US-Ölfirma oben in Schottland, die Nordsee-Öl bohrt.« »Ich möchte davon ausgehen, Mr. Pickett, daß Sie natürlich auch den Manager der Interport-Reederei observierten?« »Aber Mr. Parker!« Pickett sah den Butler fast vorwurfsvoll an. »Natürlich habe ich mich vor allen Dingen um Martin D. Pinner gekümmert. Er wird gleich wie ein offenes Buch vor Ihnen liegen, wenn Sie es wünschen.« »Eine gewisse Neugier möchte ich nicht verhehlen, Mr. Pickett.« »Pinner ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seine Frau führt ein großes Haus und ist in vielen Komitees tätig. Sie beschäftigt eine Köchin und einen Gärtner. Die Familie Pinner wohnt in Wimbledon in einer sehr teuren Gegend.« »Sie deuten damit diskret an, daß Mr. Pinner sich Ihrer Ansicht nach solch einen Aufwand kaum leisten kann, nicht wahr?« »Darüber bin ich gestolpert«, bestätigte der Eigentumsübereig ner und nickte, »wissen Sie, Mr. Parker, in meinem Beruf braucht man ein geschultes Auge, wie Sie sich ja wohl denken können. Ich habe mir das Ehepaar also angesehen. Das ergab sich heute mittag. Eines steht fest: Sie hat die Hosen an in der Ehe. Das merkte ich auf den ersten Blick. Entschuldigen Sie bitte den Aus druck.« »Ich habe durchaus nichts gegen eine volkstümliche Umschrei bung eines solchen Zustandes, Mr. Pickett«, meinte der Butler, »abgesehen mal davon, setze ich auf Ihre Beobachtungsgabe. Sie lassen Mr. Pinner weiter beobachten?« »Rund um die Uhr«, bestätigte Pickett, »wissen Sie, ich habe so das Gefühl, daß er ein Doppelleben führt. Es ist zwar reine Ver mutung, aber ich glaube, daß ich recht behalten werde.« Die beiden Männer unterhielten sich noch, als ein Angestellter des Clubs an den Tisch trat und sich diskret zu Parker hinunter beugte. Er teilte dem Butler mit, er würde am Telefon verlangt. Während der Butler dem Angestellten in die Halle folgte, studierte 67
Pickett die anwesenden Clubbesucher und kam schnell zu dem Schluß, daß er sich auf einer fetten Weide befand. Die Briefta schen dieser Männer mußten mit Sicherheit gut gefüllt sein, und Pickett bedauerte es, hier nicht arbeiten zu können. Er rief sich zwar zur Ordnung, als gewisse Gelüste in ihm auf stiegen, doch sein Trieb war stärker als seine Vernunft. Er konnte einfach nicht widerstehen. Pickett erhob sich, ging zu dem Tisch, auf dem die Zeitungen ausgelegt waren, und richtet es so ein, daß er mit. einem Clubgast zusammentraf, der ebenfalls diesen Tisch ansteuerte. Es war schon fast ein ästhetischer Genuß, mit welcher Eleganz Pickett die fremde Brieftasche an sich brachte. Er bot dem Herrn seine Zeitung an, sorgte für einen gewissen Körperkontakt und lächelte entschuldigend, doch keineswegs zu, freundlich. Dann ging Pickett wieder zu seinem Tisch und blickte Parker entgegen, der aus der Halle zurückkehrte. »Ich fürchte, die Dinge haben eine dramatische Wende genom men«, sagte Parker, als er den Eigentumsübereigner erreichte, »mir wurde gerade mitgeteilt, daß Mr. Norman Ballert sich von dieser Welt verabschiedet hat, um es mal so auszudrücken.« »Ballert ist tot?« Pickett, der natürlich eingeweiht war, richtete sich steif auf. »So kann man es natürlich auch ausdrücken«, meinte Parker, »der Bedauernswerte wurde vor der Praxis des Dr. Finnegan er schossen. Und sein Mörder trug eine Gesichtsmaske.« »Wirft das Ihre Ermittlungen zurück, Mr. Parker?« erkundigte sich Horace Pickett, der zusammen mit Parker in die Halle ging. »Keineswegs«, meinte der Butler, »ich möchte behaupten, daß ich den sogenannten Hypno-Gangster inzwischen kenne. Übri gens, Mr. Pickett, ließ es sich vielleicht einrichten, eine Briefta sche dort neben dem Sessel zu finden? Der Eigentümer wird Ih nen mit Sicherheit sehr verbunden sein…« * »Wie konnte das passieren?« wunderte sich Lady Simpson nachdrücklich und sah den Chief-Superintendenten vorwurfsvoll an. »Wurde dieser Ballert denn nicht bewacht?« »Natürlich, Mylady«, erwiderte McWarden zerquält, »zwei Be 68
amten brachten ihn in die Klinik von Dr. Finnegan. Als sie ihn dann nach einer Stunde wieder in Untersuchungshaft zurückbrin gen wollten, wurde aus einem Wagen geschossen.« »Der natürlich spurlos verschwand, nicht wahr?« »Leider, Mylady«, sagte der Chief-Superintendent, »Norman Ballert war sofort tot: Herzschuß! Die beiden Polizeidetektive konnten sich noch das Kennzeichen merken. Nach dem Wagen wird jetzt gefahndet.« »Natürlich ist dieser Wagen gestohlen worden«, vermutete die ältere Dame umgehend, »so etwas kennt man doch, McWarden, hier in meinem Haus wäre Ballert besser untergebracht gewesen, das sehen Sie doch hoffentlich ein, wie? Auch ich hätte seine hypnotische Sperre durchbrochen, darauf können Sie Gift neh men.« »Doc Finnegan hat ihn aber noch behandelt, Mr. McWarden?« schaltete sich Kathy Porter ein. »Aber ohne Ergebnis«, antwortete der Chief-Superintendent, »Doc Finnegan kam keinen Schritt weiter. Er vermutet, daß die hypnotische Sperre diesmal besonders fest angelegt worden war.« »Mal eine Frage am Rand«, schickte Mike Rander voraus, »daß Ballert aber unter Hypnose stand, steht eindeutig fest, oder?« »Eindeutig«, entgegnete McWarden, »Finnegan hatte zu dieser Sitzung noch einen Kollegen zugezogen, der sich gerade auf dem Gebiet der Hypnose besonders gut auskennt. Auch dieser Spezia list zweifelt keine Sekunde daran, daß Ballert hypnotisiert worden war.« »Und wie heißt dieser Spezialist, McWarden?« forschte der An walt weiter. »Ein Dr. Marsh«, gab der Yardbeamte Auskunft, »er ist eine Ka pazität. Moment mal, glauben Sie etwa, Ballert hätte die Hypnose nur vorgetäuscht, Rander?« »Mr. Parker hat sich in diese These verrannt«, freute sich Agat ha Simpson. »Er hat von einer Möglichkeit gesprochen, Mylady«, schränkte der Anwalt ein. »Er verfolgt die falsche Spur«, freute sich Lady Agatha weiter, »er wird wieder mal erleben, daß er ohne meine Hilfe keinen Fall lösen kann.« »Sie haben eine völlig andere Theorie?« erkundigte sich McWar 69
den beiläufig. »Selbstverständlich«, triumphierte die Hausherrin, »ich kenne sogar den Täter!« »Ach nee…« McWarden sah die Lady irritiert an. »Spannen Sie uns nicht auf die Folter«, bat Mike Rander und tauschte mit Kathy Porter einen schnellen, leicht amüsierten Blick. Beide wußten schließlich nur zu gut, wie oft die ältere Dame ihre Meinung änderte. »Sie müssen uns aus der Patsche helfen, Mylady«, drängte McWarden. »Nun gut«, sagte sie fast mitleidig, »überlegen Sie doch, McWarden: Wo hat Ballert gearbeitet? Wo ist Kathy Porter fest gehalten worden? Die beiden Reedereien liegen doch so gut wie Tür an Tür. Und wie heißt Ballerts Chef?« »Martin D. Pinner«, antwortete Rander für den ChiefSuperintendent. »Richtig«, lobte die Detektivin, »richtig, mein Junge! Mr. Parker sieht wieder mal den Wald vor lauter Bäumen nicht, obwohl er diesen Pinner doch aufgesucht hat.« »Pinner von der Interport«, sagte Mike Rander. Er tauschte er neut einen Blick mit Kathy Porter, der allerdings nicht mehr amü siert ausfiel, »es ist richtig, beide Gebäude grenzen aneinander.« »Die Bellford-Reederei und die Interport-Reederei«, fügte Kathy hinzu. »Das muß wirklich kein Zufall sein.« »Man muß nur addieren können«, ließ die Detektivin sich trium phierend vernehmen, »ich kann diesem Subjekt von einem Pinner natürlich nichts nachweisen, verstehen Sie, McWarden, aber mit solchen Kleinigkeiten brauche ich mich ja wohl nicht abzugeben… Mich interessiert immer nur die große Linie.« »Ich bedanke mich für den Tip, Mylady«, sagte McWarden, der es plötzlich eilig hatte, »Ballert war ja immerhin Pinners Ange stellter. Es spricht viel für Ihre Theorie, Mylady.« »Viel, McWarden?« Sie sah ihn aus einer Mischung aus Empö rung und Spott an. »Alles spricht für meine Theorie! Geben Sie doch endlich mal zu, daß ich besser bin als Sie!« * Parkers hochbeiniges Monstrum rollte in eine stille Seitenstraße. 70
Der Butler war auf dem Weg, einem gewissen Martin D. Pinner einen Besuch abzustatten. Nach seiner Unterhaltung mit Horace Pickett schien es ihm angebracht, sich mit dem Manager der In terport-Reederei noch mal etwas privat zu unterhalten. Der Eigentumsübereigner hingegen hatte es übernommen, sich mit den Sitten und Gebräuchen des >Sexyland< vertraut zu ma chen. Er sollte für Parker nur still beobachten und auf jeden Fall auch eine der Peep-Shows aufsuchen. Parker fuhr an einer Reihe von behäbigen Landsitzen vorüber, bis er das Haus von Martin D. Pinner erreichte. Parkers Informant Pickett hatte keineswegs übertrieben. Der Landsitz in einem wei ten, gepflegten Garten, der von der Abendsonne angestrahlt wur de, mußte gerade hier in dieser Wohnlage ein Vermögen gekostet haben. Zusätzlich zum eigentlichen Wohnhaus, dessen Außen wände mit Efeu bewachsen waren, gab es eine Doppelgarage mit einer Wohnung im Obergeschoß. Vor dem Eingang stand auf wei ßem Kies ein schwarzer Rover. Die Reklame für einen Whisky hätte nicht wirkungsvoller sein können. Schwungvoll bog Parker mit seinem hochbeinigen Monstrum in die Auffahrt ein, rollte am Rasen entlang und setzte sich vor die Limousine. Der Butler stieg aus, legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den angewinkelten linken Unterarm und begab sich zum Eingang. Zu seiner Überraschung war die Haustür spaltbreit geöffnet. Parker drückte sie mit der Spitze sei nes Regenschirms vollends auf und betrat dann die Eingangshal le. Als er sich suchend umschaute, bemerkte er im Hintergrund eine Bewegung. Josuah Parker reagierte spontan, zumal seine innere Alarmanla ge sich ohne jeden Übergang meldete. Er ging sofort in die Knie und nahm hinter der gepolsterten Lehne eines Sessels Deckung. Gleichzeitig damit war ein >Plopp< zu hören. Ein Geschoß klatschte in das dicke Lederpolster. Mit solch einem Empfang hatte Parker nicht gerechnet. Er be zweifelte, daß der Schütze Martin D. Pinner war. Dieses Haus schien von Gangstern heimgesucht worden zu sein. Wer sie ge schickt hatte, war für ihn klar. Da mit weiteren Schüssen zu rechnen war, nebelte Josuah Par ker sich erst mal gründlich ein. Dazu verwendete er einen seiner Patent-Kugelschreiber, den er nach Verdrehen beider Hälften ge geneinander in die Mitte der Eingangshalle warf. Das Schreibgerät 71
hatte kaum den mit Teppichen ausgelegten Boden erreicht, als auch schon eine Nebelsäule zur Decke stieg, die sich schnell zu einer Wand ausbreitete. Da Parker davon ausgehen konnte, daß die Aufmerksamkeit des Schützen kurzfristig abgelenkt wurde, wechselte er seinen Standort und nahm hinter dem vorstehenden Kamin Deckung. Um noch tiefer in die Halle zu kommen, griff er mit schwarz be handschuhter Hand nach einem Holzscheit neben dem offenen Feuer und warf es in Richtung Treppe. Das Holzscheit landete an der Wand und verursachte beträchtlichen Lärm. Wie sehr der Schütze irritiert war, zeigte sich darauf, denn es >ploppte< er neut. Das Geschoß landete diesmal an der Glasfüllung eines Schranks und verursachte so einen für Parker erfreulichen Lärm. Der Butler schob sich tiefer in die Halle, passierte den Kamin, sah sich dann plötzlich einer Gestalt gegenüber, die ihm ihre Kör perseite zudrehte, und verzichtete in Anbetracht der Lage auf unnötige Höflichkeitsfloskeln. Mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Schirms klopfte er auf die Schläfenseite der Gestalt, die daraufhin ihre Schußwaffe fallen ließ. Parker beförderte den schallgedämpften Revolver mit der Spitze seines rechten Schuhs unter einen Schrank und benutzte dann den Schirmgriff als Enterhaken. Er schob ihn unter den Hosengür tel des Schlafenden und zerrte ihn zu einem mächtigen Wand schrank hinüber. Ein paar Minuten später stand der Schütze in leicht geknickter Haltung in diesem Schrank und merkte nicht, wie sorgfältig er von außen verriegelt wurde. Josuah Parker schritt die Räume im Erdgeschoß ab, ohne einen Hausbewohner zu finden. Der künstliche Nebel hatte sich inzwi schen etwas gelichtet. Der Butler begab sich ins Obergeschoß und wurde hier fündig. In einem Korridor entdeckte er einen noch jungen Mann, höchs tens fünfundzwanzig Jahre alt. Er war angeschossen worden und blutete aus einer Hüftwunde, die allerdings nicht lebensgefährlich aussah. »Mr. Parker?« fragte der überraschte Mann, der die Augen ge öffnet hatte. »In der Tat«, gab Parker zurück, »kann man davon ausgehen, daß Sie ein Bekannter Mr. Picketts sind?« »Stimmt, Sir«, erwiderte der Bekannte des Eigentumsübereig ners, »hier im Haus ist übel herumgeschossen worden.« 72
»Dies kann und möchte ich unterstreichen«, entgegnete der Butler. »Ich glaube, Pinner hat es erwischt«, sagte der junge Mann, »er ist da drüben in seinem Schlafzimmer.« »Hatten Sie es mit mehreren Eindringlingen zu tun?« fragte der Butler den jungen Mann, der sich vorsichtig aufrichtete. »Nur mit einem, Sir«, lautete die Antwort, »er wurde mit einem Wagen abgesetzt.« »Haben Sie sich möglicherweise das Kennzeichen merken kön nen?« wollte der Butler wissen. »Natürlich, Mr. Parker.« Der junge Mann richtete sich noch ein wenig höher auf, »Mr. Pickett sagte, ich sollte auf alles achten. Und das habe ich auch getan.« »Sie waren allein hier?« »Mein Partner ist hinter dem Wagen her, Sir«, lautete die er freuliche Antwort, »das war doch richtig, oder?« »Perfekt, sollte man sagen«, lobte der Butler gemessen, »kom men Sie für eine Weile allein zurecht?« »Natürlich, Mr. Parker«, erwiderte der junge Mann, »ich hab’ mich nur tot gestellt, nachdem auf mich geschossen wurde. Ich wollte keinen zweiten Schuß riskieren.« »Ihre Geistesgegenwart ist rühmenswert«, stellte Josuah Parker fest, »Mr. Pickett kann stolz auf Sie sein.« Butler Parker lüftete grüßend die schwarze Melone, bevor er hinüber ins Schlafzimmer ging, auf das der junge Mann gedeutet hatte. In der Tür blieb Parker allerdings stehen und nahm erneut die schwarze Melone ab. Im ersten Moment hatte er nämlich durchaus den Eindruck, daß der Manager der Interport-Reederei, Martin D. Pinner, erschossen worden war und nicht mehr unter den Lebenden weilte. * »Meine bescheidene Wenigkeit unterlag einem erfreulichen Irr tum, was Ihr Leben betrifft, Mr. Pinner«, sagte der Butler wenig später, als Pinner wieder ansprechbar war, »wegen Ihrer Verlet zung kann ich Sie durchaus beruhigen. Die stark blutende Wunde am Oberarm dürfte Ihnen das Leben gerettet haben.« »Wieso, Mr. Parker«, stöhnte Pinner. 73
»Der Schütze nahm mit Sicherheit an, Sie tödlich getroffen zu haben. Zudem wurde er durch das Auftauchen meiner Wenigkeit abgelenkt, verließ den Ort des Geschehens und begab sich nach unten in die Halle.« Während Parker diese knappe Feststellung traf, legte er Pinner einen Notverband an und erkundigte sich beiläufig nach der Fami lie des Managers. »Meine Frau ist mit den beiden Töchtern zu ihren Eltern aufs Land«, sagte Pinner, »hören Sie, Mr. Parker, kann man die Polizei aus der Sache heraushalten?« »Sollte es dafür gewisse Gründe geben?« »Ich möchte jeden Skandal vermeiden. Meine Frau, Sie verste hen…« »Warum sollten Sie nicht das Opfer eines Überfalls geworden sein, Mr. Pinner?« fragte Josuah Parker. »Möglicherweise wird Ihre Gattin noch nachträglich um ihr Leben zittern, was wohl ei ner durchaus normalen Reaktion entsprechen würde.« »Haben Sie den Schützen erwischt, Mr. Parker?« »Er befindet sich zur Zeit in einem Ihrer Schränke, Mr. Pinner. Ein hilfsbereiter Passant, der von der Schießerei angelockt wurde, hält eine Art Ehrenwache.« »Ein… Passant?« »Der Sie beobachtete, Mr. Pinner«, erläuterte der Butler höflich, »Lady Simpson und meine Wenigkeit haben einige Mitarbeiter auf Sie angesetzt, um die Terminologie der Polizei zu benutzen.« »Sie haben… Sie haben mich beobachten lassen?« Pinner ver gaß die Schußwunde. »Ist Ihnen inzwischen bekannt, daß Ihr Angestellter Norman Ballert nicht mehr unter uns weilt?« »Nicht mehr weilt? Wie… Wie soll ich das verstehen?« »Er verstarb an einer Schußwunde«, erläuterte der Butler, »er dürfte für einen gewissen Mann, der sich Meister nennen läßt, zu einer Gefahr geworden sein.« »Ballert ist erschossen worden?« »Vor der Praxis des Doktor Finnegan, Mr. Pinner«, sagte der Butler, »der tödliche Schuß wurde aus einem Wagen abgefeuert.« »Ich verstehe das alles nicht.« Pinner dachte angstrengt nach. »Aus einem ähnlichen Grund sollten nun auch sie dazu gebracht werden, das Zeitliche zu segnen«, redete Parker weiter, »der so genannte Meister oder auch Hypno-Gangster scheint zu befürch 74
ten, daß Sie reden könnten.« »Ja, worüber denn, Mr. Parker«, wunderte sich Pinner nicht ge rade überzeugend. »Über Ihre Bereitschaft, diesem Gangster die Räume der Bell fort-Reederei zur Verfügung gestellt zu haben.« »Davon weiß ich überhaupt nichts. Was sind denn das für Be hauptungen, Mr. Parker?« »Seit wann werden Sie von Mr. Fulwell erpreßt?« fragte Josuah Parker jetzt sehr direkt. »Seit wann? Erpreßt? Ich werde nicht…« »Ähnliche oder auch direktere Fragen wird die Polizei stellen, wenn ich höflich daran erinnern darf, Mr. Pinner.« »Wieso sollte ich denn erpreßt werden?« »Weil man Sie niederschießen wollte, Mr. Pinner. Darf man un terstellen, daß Sie ein Besucher dieser Peep-Shows waren, die im Sexyland veranstaltet werden? Drohte man Ihnen, Ihre Frau dar über zu informieren?« »Ich bin nie in einer Peep-Show gewesen«, protestierte Martin D. Pinner, »das ist nicht mein Stil, Mr. Parker!« Der Manager der Reederei machte inzwischen einen nachdenkli chen Eindruck und schien in sich hineinzuhorchen. Er befingerte wie abwesend den von Parker angelegten Notverband. »Sie denken nach, nicht wahr?« tastete der Butler sich weiter vor, »in Ihrer Erinnerung steigen gewisse Bilder auf die mit mehr oder weniger entkleideten Frauen zusammenhängen?« »Doch, das stimmt«, meinte Martin D. Pinner versonnen, »da war was, glaube ich. Ballert hat damit zu tun. Ja, Ballert hängt damit zusammen, aber ich weiß nicht, was es gewesen ist.« »Sie sind zusammen mit Ihrem Angestellten Norman Ballert ausgegangen?« tippte Parker an. »Nein, nicht ausgegangen. Warten Sie doch, mit Ballert hat das alles etwas zu tun und… Jetzt habe ich es!« »Ich möchte Sie beglückwünschen, Mr. Pinner. Mr. Ballert brachte Sie mit einem Mann zusammen, der Sie, um es mal so zu formulieren, sehr beeindruckte.« »Nach meiner Herzattacke«, sagte Martin D. Pinner zögernd, »natürlich, ich hatte es mit dem Herzen, es stolperte, schlug un regelmäßig und mir war schlecht.« »Ihr hilfsbereiter Angestellter rief einen Arzt an?«
»Richtig, einen Arzt. Er kam zu mir ins Büro. Ballert hatte sofort
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reagiert und einen Arzt besorgt. Und danach war alles wieder in Ordnung. Ich fühlte mich prächtig, wirklich.« »Der Name Brian Fulwell weckt in Ihnen keine Erinnerungen, Mr. Pinner?« »Da rührt sich überhaupt nichts, doch an diesen Arzt erinnere ich mich immer deutlicher. Der Mann hatte sehr ausdrucksvolle Augen und eine Stimme, die mich sofort beruhigte. Ein sehr guter Mann!« »Er ließ sich nach der ersten Behandlung häufiger sehen?« »Immer dann, wenn er in der Nähe zu tun hatte. Dann kam er stets auf einen Sprung rauf zu mir ins Büro. Er nahm mir den Puls ab, wir unterhielten uns, und ich fühlte mich sehr gut.« Butler Parker hätte dieses Gespräch gern noch vertieft, doch unten im Haus waren plötzlich harte, fordernde Stimmen zu ver nehmen. Parker fürchtete, die Polizei könne alarmiert worden sein. Er ging aus dem Zimmer hinüber zur Treppe und sah seine Befürchtungen bestätigt. * »Natürlich ist dieser Pinner nur ein willenloses Objekt dieses Hypno-Gangsters gewesen«, konstatierte die Detektivin wie selbstverständlich und ohne Scham, obwohl sie ihn erst vor kur zer Zeit noch für den Gangster gehalten hatte. »Sie müssen zugeben, daß ich das sofort erkannt habe.« Mit strengem Blick musterte sie Kathy Porter und Mike Rander, die bestätigend nickten und es schafften, kein Lächeln zu zeigen. »Myladys Prognosen sind immer wieder verblüffend«, stellte Jo suah Parker höflich fest. »Ich weiß es«, sagte sie schlicht, »aber es ist immer wieder schön, es bestätigt zu bekommen. Wo steckt der Arme jetzt, Mr. Parker?« »Auf Anraten der Polizei wird Mr. Pinner die Nacht in einem Hospital verbringen«, berichtete der Butler, während er Tee ser vierte. Es war inzwischen recht spät geworden, doch Lady Simp son zeigte keine Lust, sich zu Bett zu begeben. »Und was hat dieser Mordschütze erbracht?« forschte Agatha Simpson weiter nach. »Er steht unter hypnotischer Sperre, Mylady«, sagte der Butler, 76
»Doc Finnegan bemüht sich zur Zeit, diese Sperre zu durchbre chen. Eine Identifizierung des Schützen war bisher nicht möglich. Der Mann trug keine Papiere bei sich.« »Und was ist mit Picketts Mann, der den Wagen verfolgt hat?« Mike Rander ließ sich Tee eingießen und Feuer für seine Zigarette geben. »Dieser Mann wurde abgehängt, Sir«, berichtete Parker, »das Kennzeichen des Wagens war leider nicht positiv auszumünzen, da dieser Wagen gestohlen worden war.« »Bringt der Besitzer des gestohlenen Wagens uns weiter, Par ker?« »Dieser Wagen gehört pikanterweise Doktor Finnegan, Sir.« »Ach nee!« Agatha Simpson richtete sich steil auf und deutete zum kleinen Wandtisch, wo Flaschen und Gläser standen. »Ich glaube, Mr. Parker, mein Kreislauf braucht jetzt eine kleine Erfri schung.« »Sehr wohl, Mylady.« Butler Parker füllte einen dreifachen Cog nac in einen Schwenker, den er Lady Simpson auf einem Silber tablett reichte. »Doc Finnegan kam mir eigentlich schon immer verdächtig vor«, sagte sie, nachdem sie ihren Kreislauf nachhaltig gestützt hatte, »ich wundere mich, daß keiner von Ihnen bisher darauf gekommen ist. Was sagen denn Sie zu meinem Verdacht, Mr. Parker?« »Eine Theorie, Mylady, die man nur als bestürzend bezeichnen sollte«, antwortete der Butler, »es darf nicht übersehen werden, daß Dr. Finnegan durchaus der Hypnose mächtig ist.« Kathy Porter und Mike Rander tauschten einen verdutzten Blick, denn mit solch einer Antwort des Butlers hatten sie wirklich nicht gerechnet. »Kombination und Fingerspitzengefühl sind eben alles, wenn man einen Kriminalfall lösen will«, redete Lady Agatha inzwischen aufgekratzt und munter weiter, »ich hätte große Lust, mir Doc Finnegan noch in dieser Nacht zu kaufen.« »Man sollte Dr. Finnegan vielleicht in Sicherheit wiegen, Myla dy«, wiegelte der Butler ab, und Kathy Porter und Mike Rander tauschten jetzt einen beruhigten Blick aus. »In Sicherheit wiegen und dann morgen hart zuschlagen«, sag te die alte Dame wohlwollend, »Sie haben genau das gesagt, was ich dachte, Mr. Parker. So langsam entwickeln Sie ein Gespür für 77
das Richtige. Nur weiter so.« »Meine Wenigkeit wird sich bemühen, Mylady.« Parkers Gesicht blieb ausdruckslos und glatt. »Ich werde mich für das morgige Verhör vorbereiten«, ent schied Lady Agatha und erhob sich, nachdem sie nach dem drei fachen Cognac ausgiebig gegähnt hatte, »schlafen Sie getrost, ich werde wachen und mir die richtigen Fragen bereitlegen.« * Es war weit nach Mitternacht, als Josuah Parker das Fachwerk haus in Shepherd’s Market verließ. Er benutzte natürlich nicht die Haustür, um ins Freie zu gelangen. Seiner Ansicht nach war damit zu rechnen, daß das Haus der Lady Simpson beobachtet wurde. Der Hypno-Gangster oder auch Meister, wie er sich nannte, muß te inzwischen längst wissen, wer sein gefährlichster Gegner war. Der Butler stieg in den regulären Keller des Hauses, öffnete hier eine Geheimtür und betrat den Keller des Nachbarhauses, das zusammen mit ähnlichen Fachwerkhäusern den kleinen Platz säumte. Hier angekommen, ging Parker durch das leerstehende Gebäude und schlüpfte durch eine Hintertür in eine schmale Pa rallelstraße. Dank seiner schwarzen Berufskleidung und der spar samen Beleuchtung in der Straße war er so gut wie nicht auszu machen. Dem Butler ging es darum, ungesehen Shepherd’s Mar ket zu verlassen, um einem bestimmten Hospital einen Besuch abzustatten. Nach wenigen Minuten hielt Parker in der nahen Curzon Street auf einen Ford zu, dessen Fahrer am Steuer saß und sich gerade eine Zigarette anzündete. Parker nahm wie selbstverständlich auf dem Beifahrersitz Platz und lüftete seine schwarze Melone in Richtung Horace Pickett, der ihn auf einen Telefonanruf hin be reits erwartet hatte. »Ich hoffe, Sie in Ihrer verdienten Nachtruhe nicht gestört zu haben«, sagte Parker zu dem Eigentumsübereigner, »aber aus guten Gründen ließ ich meinen Privatwagen vor dem Haus zu rück.« »Sie können doch jederzeit über mich verfügen, Mr. Parker«, antwortete Horace Pickett, »soll man nicht wissen, daß Sie un terwegs sind?« 78
»Sie treffen mit dieser Frage den Kopf des sprichwörtlichen Na gels«, antwortete der Butler, »der Hypno-Gangster scheint inzwi schen das Stadium größter Nervosität erreicht zu haben. Sie oder Ihre Freunde, Mr. Pickett, haben sich mit den Peep-Shows im Se xyland befaßt?« »Ich lasse diesen Spielsaal ununterbrochen beobachten, Mr. Parker. Einige meiner Freunde sind sogar mit viel Freude im Se xyland, was ich allerdings kaum verstehe. Primitiver kann keine Unterhaltung sein, von den Peep-Shows mal ganz zu schweigen.« »Über Fragen des Geschmacks sollte man tunlichst nie strei ten«, erklärte Parker gemessen. »Man konnte bestimmte Fest stellungen treffen, Mr. Pickett?« »Eine ganz bestimmte sogar, Mr. Parker. Eine besondere Art von Gästen oder so besucht die Peep-Shows durch den Hinterein gang. Wohin soll es übrigens gehen?« Parker nannte das Ziel, nämlich das Hospital, in dem Martin D. Pinner lag. Dann erkundigte sich Parker nach den Gästen, von denen Pickett gesprochen hatte. »Wie soll ich’s ausdrücken, Mr. Parker?« schickte Pickett voraus, »meine Bekannten sprechen von seriösen Leuten, die in solche Shows einfach nicht reingehören, verstehen Sie?« »Könnten Sie sich unter Umständen etwas deutlicher fassen?« »Es sind offensichtlich gutbetuchte Männer, die ihre Straßen kreuzer auf einem weiter entfernten Parkplatz abstellen. Sie steh len sich, ja, das ist der richtige Ausdruck, sie stehlen sich klamm heimlich durch die Hintertür in die Show.« »Man möchte wahrscheinlich nicht gesehen werden.« »Meine Freunde haben diese Männer abgefangen, als sie zu ih rem Wagen zurückgingen. Richtig, noch etwas: Diese komischen Besucher blieben meist nur knapp zehn Minuten im Sexyland, länger nicht. Und jetzt frage ich mich, warum sie nicht länger bleiben, wenn sie schon mal dort sind? Finden Sie das Verhalten nicht eigenartig?« »In der Tat«, bestätigte Josuah Parker, »hat es sich einrichten lassen, die Namen dieser Besucher festzustellen?« »Die Namen zwar nicht, aber die, Kennzeichen ihrer Wagen, Mr. Parker. Und in zwei Fällen kennen wir die Taxifahrer, die zwei Männer zum Sexyland brachten.« »Mylady wird die Bemühungen Ihrer Freunde, Mr. Pickett, mit Sicherheit großzügig honorieren«, erklärte Josuah Parker, »ich 79
darf wohl unterstellen, daß man mir die Kennzeichen der Wagen übergeben wird?« »Hier ist der Zettel.« Pickett griff in die Brusttasche und über reichte Parker die Notiz. Dann wies er noch mal drauf hin, daß es sich in allen Fällen, von den beiden Taxifahrten abgesehen, um teure Wagen gehandelt hatte. »Was Brian Fulwell angeht, Mr. Parker, so habe ich mich umge hört«, redete der Eigentumsübereigner weiter, »bei ihm herrscht totale Stille. Fulwell, der vor ein paar Monaten aktiv war, scheint sich nur noch auf sein Lokal zu konzentrieren. Das macht doch hellhörig, wie?« »Eine treffliche Feststellung, Mr. Pickett. Sie sollen mich übri gens auf der Rückseite des Hospitals aus dem Wagen lassen.« »Werden sie lange bleiben, Mr. Parker? Ich kann auf Sie war ten.« »Zur Dauer meines Verweilens vermag ich leider nichts zu sa gen, Mr. Pickett. Alles hängt davon ab, wie energisch der HypnoGangster vorzugehen gedenkt.« * »Ein sehr hübsches Programm«, urteilte Agatha Simpson er freut und beugte sich etwas vor, um die Szene auf dem Bild schirm des Monitors besser verfolgen zu können. Die ältere Dame war vor wenigen Minuten von Kathy Porter geweckt worden. Die hausinterne Alarmanlage, die Josuah Parker konzipiert hatte, war in Tätigkeit getreten. Verborgen installierte Fernsehkameras hat ten sich automatisch eingeschaltet und lieferten ein gutes Bild. Zwei männliche Gestalten waren gerade dabei, das Absperrgit ter zu übersteigen, das die schmale Gasse hinter dem Haus der Lady zur regulären Straße hin abschloß. Die Männer saßen oben auf dem Tor und stiegen in die Gasse ein. Natürlich ahnten sie nicht, daß sie abgelichtet wurden, dennoch bewegten sie sich mit größter Vorsicht. »Sie werden doch nicht aufgeben wollen, Kindchen?« sorgte sich Lady Agatha, als die beiden Männer eine kleine Pause einleg ten. »Kaum, Mylady«, beruhigte Kathy die Hausherrin, »sie haben nur mit dem Widerhaken zu tun. Nein, nein, sie werden weiter 80
machen. Sehen sie doch!« »Das wollte ich mir aber auch ausgebeten haben«, erwiderte Agatha Simpson, »wo steckt Mr. Parker?« »Er ist außer Haus, Mylady«, wußte Kathy, »Mr. Parker hat eine entsprechende Notiz hinterlassen.« »Mr. Parker ist außer Haus und läßt mich allein und hilflos zu rück… er scheint auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Wohin ist er denn?« »Er besucht das Hospital, in dem Mr. Pinner liegt, Mylady.« »Und verpaßt auf diese Weise das Programm hier.« Agatha Simpson lächelte zufrieden. »Mr. Rander ist in seinem Haus in der Curzon Street, Kindchen?« »Ich habe ihn bereits angerufen und gewarnt. Es könnte ja sein, daß man auch ihm einen Besuch abstatten will.« »Sehr gut, Kathy, Sie werden von Monat zu Monat immer bes ser«, lobte die ältere Dame ihre Gesellschafterin, »demnach wird man mich also nicht stören.« »Sie wollen die beiden Männer abfangen, Mylady?« »Aber natürlich, Kindchen, ich konnte ja ohnehin nicht einschla fen. Sehen sie, jetzt haben sie endlich das Gittertor geschafft. Gütiger Himmel, wie steif und ungelenk die beiden Subjekte doch sind!« Die Einbrecher befanden sich inzwischen in der schmalen Gasse und pirschten sich an die zurückliegende Garage heran. Von hier aus wollten sie wohl ins Haus der Lady einsteigen. »Soll ich die elektronischen Sperren abschalten?« erkundigte sich Kathy. »Natürlich, Kindchen, sonst drehen die beiden Lümmel noch ab«, sorgte sich die ältere Dame frohgelaunt, »es sind wohl Hyp notisierte, die der große Meister auf mich angesetzt hat.« »Sie machen einen sehr zielbewußten Eindruck, Mylady«, stellte Kathy Porter fest, »sie sehen eigentlich mehr wie professionelle Gangster aus.« »Wie auch immer, Kindchen«, meinte Lady Agatha, »ich werde sie im Geräteraum erwarten.« Sie stand auf und sah in ihrer Fülle geradezu majestätisch aus. Agatha Simpson trug einen weiten, wallenden Hausmantel. In ihrer rechten Hand pendelte sanft der Pompadour mit dem darin befindlichen >Glücksbringer< in Gestalt eines echten Hufeisens. »Sehr begabt«, stellte sie fest, als einer der beiden Eindringlin 81
ge endlich das Schloß der Garagentür geöffnet hatte. »Kommen Sie, Kindchen, wir wollen unsere Gäste nicht warten lassen.« »Man sollte daran denken, Mylady, daß sie Schußwaffen tra gen«, warnte Kathy. »Nicht mehr lange«, wußte die Detektivin bereits im vorhinein und brachte ihren Pompadour in Schwingung. Sie marschierte energisch aus der Wohnhalle zu den Küchen- und Wirtschafts räumen und baute sich dann an der Tür des Geräteraums auf. Es dauerte nicht lange, bis ein feines Kratzen und Scharren zu vernehmen war. Auf der anderen Türseite war man dabei, das Schloß mittels eines Nachschlüssels zu öffnen. Agatha Simpson brachte sich in Positur und wartete auf eine Gelegenheit für ihren sogenannten Glücksbringer. Es dauerte nicht lange. Da Kathy Porter die elektronischen Zusatzsicherungen abgeschaltet hatte, brauchten die Eindringlinge nur ein normales Schloß zu öffnen. Langsam schwang die Tür auf. Einer der beiden nächtlichen Be sucher schob sich vorsichtig in die Dunkelheit des Geräteraumes und… ließ eine Sekunde später ein Ächzen vernehmen. Mylady hatte ihm den Pompadour auf die Nase gesetzt, was das Riechor gan übelnahm. Der Mann taumelte zurück und fiel gegen seinen Partner, der knapp hinter ihm stand. Bevor der zweite Bursche reagieren konnte, streichelte der >Glücksbringer< seine Schädel decke. »Diese Subjekte haben überhaupt kein Stehvermögen mehr«, tadelte Lady Agatha, nachdem Kathy Porter das Licht eingeschal tet hatte. Die Detektivin sah geringschätzig auf die beiden Män ner am Boden. Sie waren bewußtlos und bekamen nicht mit, daß Kathy Porter ihnen solide Handschellen anlegte. Die Gesellschaf terin der älteren Dame durchsuchte die beiden Männer, fand je eine Schulterhalfter und je einen kurzläufigen Revolver. Zusätz lich barg sie zwei dolchartige Messer und zwei kurze Kabellenden. »Ist der Wasserschlauch angeschlossen, Kindchen?« erkundigte sich Lady Simpson und rückte die beiden Typen so zurecht, daß das später ablaufende Wasser in einem Gully verschwinden konn te. Kathy Porter rollte den Schlauch ab und reichte der Lady die Wasserdüse. »Wasser marsch, Kindchen«, rief Agatha Simpson munter, »ei ne kalte Dusche hat noch nie geschadet.« Sie hatte die Düse so verstellt, daß der Wasserstrahl schmal und hart ausfiel. Damit spritzte sie die beiden Besucher gründlich 82
ab und sorgte immer wieder für Gesichtsmassage. Es dauerte nicht lange, bis die Männer husteten und Wasser spuckten. Sie schlugen die Augen auf und machten keineswegs einen hypnoti sierten Eindruck. »Ich handle hier aus verzweifelter Notwehr«, verkündete Lady Agatha genußvoll, »am liebsten würde ich vor Angst schreien.« Die Gemaßregelten wollten eindeutig etwas sagen, zumindest aber protestieren, doch immer dann, wenn sie den Mund öffne ten, schoß ein scharfer Wasserstrahl in die entsprechende Höh lung und ertränkte jedes Wort. Die beiden Kerle zappelten wie Fische auf dem Zementboden, drehten die Köpfe weg und wurden doch immer wieder von dem harten Wasserstrahl erwischt. »Einen Stuhl oder Hocker, Kindchen«, bat Lady Simpson, »ich möchte mich setzen, ich habe viel Zeit.« Kathy Porter besorgte eine passende Kiste, auf der ihre Chefin Platz nahm. Sie weichte die beiden Eindringlinge weiter ein und ignorierte ihre Bemühungen, etwas zu sagen. Was eine Lady Simpson tat, tat sie immer voll und ganz. * Butler Parker befand sich bereits im Hospital und hatte sich im Magazin, das sich im Kellergeschoß des riesigen Hauses befand, entsprechend ausstaffiert. Er trug einen weißen Ärztekittel, der seinen Universal-Regenschirm verdeckte. Seine Kopfbedeckung hatte Parker ein wenig getarnt. Er hatte eine Chirurgenkappe ü ber die Wölbung der schwarzen Melone gestreift und bot das Bild eines imponierenden Facharztes, der sich zur mitternächtlichen Visite anschickte. Parker wußte in etwa, wo er Martin D. Pinner fand. Dieser Mann lag mit Sicherheit in der Inneren Abteilung des Hauses, das Zim mer wurde garantiert von einem Polizeidetektiv überwacht. Parker benutzte ungeniert den Fahrstuhl, in dessen Kabine eine Übersicht der Abteilungen ausgehängt war. Er ließ sich in das dritte Stockwerk tragen, stieg aus und schritt hinüber zur Inneren Abteilung. Als er um eine Biegung des Korridors kam, stieß er auf eine energisch aussehende Nachtschwester, die ihn völlig entgeis tert musterte. »Ist Sir Rupert bereits anwesend?« fragte Parker höflich, aber 83
bestimmt. »Sir Rupert?« Die Nachtschwester schüttelte den Kopf. »Erwarten Sie ihn bitte am Fahrstuhl«, redete Parker weiter, »wie geht es Mr. Pinner?« »Ich wollte gerade zu ihm, Sir.« »Löblich, sehr löblich«, antwortete der Butler, »er steht hoffent lich unter strengster Aufsicht?« »Aber ja«, reagierte die Schwester beeindruckt, »ein Kriminal beamter sitzt vor der Tür.« »Ausgezeichnet«, meinte Parker, »denken Sie an Sir Rupert. Wo finde ich den Patienten Pinner?« »Gleich drüben im Quergang, Sir. Wer ist, bitte, Sir Rupert?« »Sie kennen Sir Rupert nicht?« Parker sah die Schwester ta delnd an. »Man scheint Sie über gewisse Veränderungen in der Leitung noch nicht orientiert zu haben. Melden sie sich nachher bei mir.« Er ging weiter und ließ eine leicht ratlose, nachdenkliche Frau zurück, die sich dann aber entschloß, zu den Fahrstühlen zu ge hen, um dort auf den angekündigten Sir Rupert zu warten. Parker hatte eine Pendeltür hinter sich und bog in den Quergang ein. Er bekam gerade noch mit, wie zwei Krankenpfleger in weißen Kit teln sich in ein Krankenzimmer schoben. Rein zufällig entdeckte der Butler einen Mann, der es sich unter einer langen Sitzbank bequem gemacht zu haben schien. Er lag ausgestreckt unter die ser Bank und schlief wohl. Parker erreichte die angelehnte Tür und beobachtete die beiden Krankenpfleger, die am Fußende eines Betts standen und einen unentschlossenen Eindruck machten. Sie schienen mit den Kissen in ihren Händen nichts anfangen zu können. Im Bett lag Martin D. Pinner, der Manager der InterportReederei. Er war wach geworden und starrte die Krankenpfleger an. Er richtete sich etwas auf. »Was soll das?« fragte er, »wer sind Sie?« »Mr. Pinner?« fragte einer der beiden Pfleger durchaus höflich. »Natürlich, Pinner«, bestätigte der Manager und richtete sich ahnungsvoll noch weiter auf, »wo ist der Beamte? Wie kommen sie überhaupt hier rein?« »Wir sollen Sie pflegen«, meinte der zweite Mann und hob sein Kissen. Er stelzte um das Fußende des Bettes herum, eindeutig in der Absicht, das Kissen auf Martin D. Pinners Gesicht zu drücken. 84
»Sind Sie verrückt?« stieß der Manager hervor, »was soll denn das? Wer sind Sie eigentlich?« »Der Meister hat uns geschickt«, erwiderte der erste Kranken pfleger eindringlich, »der Meister, Mr. Pinner. Wir sollen es Ihnen bequem machen.« »Hauen Sie ab«, stöhnte Pinner, »Hilfe… Hiiilfe!« Sein Hilferuf erstickte unter einem Kissen. Der zweite Pfleger hatte es ihm aufs Gesicht gedrückt und stemmte sich mit beiden Händen auf die weiche Fülle. Pinner strampelte mit den Beinen und versuchte sich zu wehren, schaffte es jedoch nicht, gegen das Kissen anzukommen. Sein bandagierter Arm erwies sich als großes Hindernis. »Der Meister läßt grüßen«, sagte Parker und betrat vollends das Krankenzimmer, »der Meister haßt Übertreibungen, meine Her ren.« Die beiden Krankenpfleger drehten sich langsam um und starr ten den Butler irritiert an. Parker sah auf den ersten Blick, daß sie unter Hypnose standen. »Der Meister erwartet mich«, redete Parker höflich und ein dringlich weiter, »bringen Sie mich sofort zu ihm. Der Meister will es.« »Der Meister?« Der erste Krankenpfleger nickte zögernd. »Der Meister!« Parkers Stimme klang beschwörend, »wir alle müssen ihm gehorchen. Gehen wir…« Es war verblüffend. Die Männer schienen plötzlich vergessen zu haben, warum sie in diesem Zimmer waren und warum sie Kissen in Händen hielten, Sie ließen sie einfach zu Boden fallen und verschwanden aus dem Krankenzimmer. »Der Meister hat andere Aufgaben für uns«, erklärte Josuah Parker, der hinter ihnen blieb, »wir müssen uns beeilen, den Meister darf man nie warten lassen.« Die Nachtschwester schluckte vor Aufregung, als die drei Män ner ihr entgegenkamen. »Wer sind die beiden?« fragte sie unruhig. »Ich habe sie hier noch nie gesehen.« »Fragen Sie Sir Rupert«, schlug Parker vor, »und überlegen Sie sich inzwischen, wieso zwei Krankenpfleger hier Dienst tun, die Sie offensichtlich nicht kennen. Man wird eine Erklärung von Ih nen erwarten!« 85
Sie überlegte bereits, als der Fahrstuhl sich absenkte und seine Insassen nach unten beförderte. * Die beiden nächtlichen Besucher waren auch innerlich restlos aufgeweicht. Lady Agatha hatte die Kneippkur vorerst beendet und den Männern gestattet, sich aufzusetzen. Da das Wasser recht kalt gewesen war, schienen die Besucher zudem leicht zu frösteln. »Machen wir es kurz«, schlug, Agatha Simpson leutselig vor, »sagen Sie mir, wer Sie geschickt hat. War es der Meister, wie dieser Lümmel sich nennt? Oder war es Fulwell?« Die beiden Männer zeigten verkniffene Gesichter und antworte ten nicht. »Oder sind Sie nur völlig normale Einbrecher?« tippte die Lady an. Noch zeigte sie kaum Ungeduld. »Nor… Normale Einbrecher«, sagte einer von ihnen fast erleich tert. »Aha, und darum sind Sie also bis an die Zähne bewaffnet. Ich glaube, ich werde Ihnen Manieren beibringen müssen. Wie den ken Sie darüber, Kindchen? Sie sind doch hoffentlich nicht ande rer Meinung.« »Eine Lektion haben die beiden schon verdient, Mylady«, ant wortete Kathy Porter. »Ich überlege gerade, ob sie nun in ihre eigenen Messer fallen, oder sich mit beiden Schußwaffen verletzen, Kathy.« »Hören Sie, Lady, was soll das heißen?« fragte der Gangster, der bereits schon mal geantwortet hatte. Seine Stimme klang heiser, was auf keinen Fall mit der gerade überstandenen Was serkur zusammenhängen konnte. »Warten Sie es ab, junger Mann!« Agatha Simpson hatte be reits einen der beiden kurzläufigen Revolver in der Hand und spielte offenbar ahnungslos an dieser Waffe herum. Es ergab sich fast von allein, daß die Mündung auf den Wortführer gerichtet war. Der Marin bekam es mit der Angst zu tun und rutschte ein wenig zur Seite. »Passen Sie. auf, Lady«, sagte er, »das Ding kann losgehen.« »Wirklich?« Agatha Simpson drückte ab und fuhr entsetzt zu 86
sammen, als der Schuß sich löste. Das Geschoß jagte dicht am Oberkörper des Gangster vorbei und landete klatschend in einer Kiste. Der Mann warf sich mit erheblicher Spätzündung zur Seite und starrte die ältere Dame entsetzt an. »Hoppla«, meinte die Detektivin unbeeindruckt, »das hätte ins Auge gehen können. Aber weiter! Sie sind also normale Einbre cher?« »Lady, legen Sie das Ding weg«, bat der Gangster, als die Frau wieder begeistert mit der Waffe hantierte. »Haben Sie etwa Angst, junger Mann?« Sie lächelte kühl und widmete sich dem Mann, der bisher geschwiegen hatte. »Sind Sie nicht doch geschickt worden?« »Ich möchte lieber gehen, Mylady«, entschuldigte sich Kathy Porter hastig und eilte zur Tür, »Sie wissen, ich kann kein Blut sehen.« »Seien Sie nicht so empfindlich, Kindchen«, antwortete Lady Agatha belustigt, »beim letzten Mal traf ich nur zufällig’ eine Kniescheibe, erinnern Sie sich?« »Und einen Unterkiefer, Mylady«, meinte Kathy Porter und schüttelte sich deutlich, »bitte, ich möchte gehen. Ich könnte ja schon Verbandsmaterial holen.« »Gehen Sie, Kindchen, ich weiß, Sie haben schwache Nerven.« Agatha Simpson sah Kathy gespielt kopfschüttelnd nach. Als die Tür sich geschlossen hatte, widmete sich die resolute Dame wie der den beiden Männern, die nur normale Einbrecher sein wollten. Sie hatten natürlich keine Ahnung, daß dieses Gespräch nichts anderes als eine gekonnte Show darstellte. »Wir sind unter uns«, stellte Lady Agatha fest und spielte wie der munter mit der Waffe, »gehen wir also noch mal durch. Und sollte sich zufällig ein Schuß lösen, müssen Sie das entschuldigen. Eine hilf- und wehrlose Frau wie ich kennt sich eben nicht aus.« Sie hatte den Satz kaum beendet, als sich der zweite Schuß lös te. Der Mann, der sich bisher ausgeschwiegen hatte, stöhnte, als das Geschoß seine Hüfte passierte. »Hören Sie auf, aufhören!« Er lehnte sich entsetzt zurück. »Wir sagen aus, Lady! Wir reden, wirklich, aber legen Sie das Ding weg. Sie bringen uns sonst noch um…« »Hoffentlich können Sie mich überzeugen«, erwiderte Agatha Simpson, »ich bin eine sehr skeptische Frau.«
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»Hier wohnt der Meister«, sagte einer der beiden Männer, die im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum saßen. Der Butler vorn am Steuer hielt und wunderte sich ein wenig. Sein Wagen stand vor einem dreistöckigen Haus in Westend, in einer Woh nung, die man als teuer und exklusiv bezeichnete. Er beugte sich etwas vor und entdeckte links vom Eingang eine Bronzetafel. Die Aufschrift besagte, daß hier ein Doktor William Tooting seine Pra xis betrieb. William Tooting war laut Unterzeile auf der Tafel Psy chiater. »Hier wohnt der Meister«, sagte Parker, »warten Sie, ich werde uns melden.« Josuah Parker konnte beruhigt aussteigen und gehen, denn die hinteren Wagentüren waren fest geschlossen. Zudem hatte er die schußsichere Trennscheibe zwischen Fond und Fahrerteil hochfah ren lassen. Die beiden Männer konnten den Wagen also auf kei nen Fall ohne seine Erlaubnis verlassen. Parker stand vor der Haustür und klingelte. Daß die beiden Hypnotisierten ihn hierher dirigiert hatten, wunderte ihn ein we nig. Der Name des Arztes war bisher noch nicht genannt worden. Sollten die beiden Männer ihn genarrt haben? Schritte waren zu hören, Licht wurde eingeschaltet. Parker trat ein wenig zur Seite und hob die Spitze seines UniversalRegenschirms. »Ja, bitte, was kann ich für Sie tun?« fragte ein mittelgroßer, schlanker Mann und rückte seine Brille zurecht. »Doktor Tooting?« fragte Parker erst mal zurück. »Okay. Sie haben Glück, daß ich noch auf bin. Um was geht es denn?« »In meinem Wagen sitzen zwei Herren, die Ihrer sicher wertvol len Hilfe bedürfen«, erklärte Josuah Parker, »ich fand sie in einer Verfassung, die ich als Laie nur als irregulär bezeichnen kann.« »Sie fühlen sich nicht gut?« »Ich meinte eigentlich mehr die beiden Herren, Doktor. Sie wollten unbedingt zu ihrem Meister gebracht werden.« »Dann sind sie richtig«, schaltete sich in diesem Moment eine Stimme ein, die dem Butler nicht ganz unbekannt war. Hinter der halb geöffneten Tür schob sich Brian Fulwell vor. Er hielt einen 88
schallgedämpften Revolver in der Hand, dessen Lauf auf Parker gerichtet war. »Das möchte ich eine Überraschung nennen«, sagte Parker, »Sie erlauben wahrscheinlich nicht, daß ich eine Hand rühre?« »Kommen Sie rein, Parker«, schlug Fulwell vor, »Sie haben die beiden Typen also doch noch abfangen können? Ist Pinner ge schafft worden?« »Mr. Pinner befindet sich in einem Zustand, den man nicht als erfreulich bezeichnen kann«, schwindelte Parker, »ein Notarzt bemüht sich gerade um eine Belebung.« »Kommen Sie, bleiben Sie nicht draußen stehen! Und keine Mätzchen, Parker, diesmal lasse ich mich nicht wieder überra schen…« »Mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Sir.« Parker schob sich an Tooting vorbei in die kleine Halle. Der Psychiater machte einen ängstli chen Eindruck, starrte Fulwell an und hatte Schweißperlen auf der Stirn. Er schloß die Tür, als Fulwell ihn mit einer entsprechenden Kopfbewegung dazu aufforderte. »Erstklassige Arbeit, Tooting«, sagte der Gangster, »Ihre beiden Leute haben prächtig gespurt.« »Sie brachten mich also im Rahmen einer Vorprogrammierung hierher?« wunderte sich der Butler und sah den Arzt an. »Sie sollten Sie hierherbringen, Parker, falls Sie versuchen wür den, nach dem Meister zu fragen«, meinte Fulwell amüsiert, »ich hatte mir ja gleich gedacht, daß Sie im Hospital aufkreuzen wür den.« »Dann stehe ich also tatsächlich dem Meister gegenüber?« staunte Parker überdeutlich. »Das ist der Meister, Parker.« Fulwell deutete auf den Arzt, dem man die Verlegenheit deutlich ansah. »Überrascht, wie?« »Eine Überraschung, möchte ich in der Tat einräumen«, ge stand Josuah Parker, »ich möchte nur meiner Verwunderung dar über Ausdruck verleihen, daß ein Mediziner sich dazu hergibt, für Sie, Mr. Fulwell, zu arbeiten.« »Freiwillig habe ich es nicht…« »Halten Sie den Mund, Doktor«, herrschte Fulwell den Arzt rüde an, »los, Parker, rauf in die Praxis des Meisters! Dann sehen wir weiter.« »Ihr Wunsch ist mir in Anbetracht der Waffe natürlich Befehl, Mr. Fulwell«, antwortete Josuah Parker, »leider scheint Ihre 89
Rechnung aufzugehen.« »Jetzt etwa dürften die Lady und ihre Sekretärin außer Gefecht gesetzt worden sein«, meinte Fulwell genußvoll. »Ein Hinweis, der meine Wenigkeit schaudern läßt«, bekannte der Butler. »Sie haben Ihre Leute nach Shepherd’s Market ge schickt?« »Und in die Curzon Street zu Rander«, bestätigte Fulwell, »ich mache jetzt reinen Tisch.« »Um endlich ungestört arbeiten zu können?« »Worauf Sie sich verlassen können, Parker. Um ein Haar hätten Sie mir die ganze Tour vermasselt.« »Darf man erfahren, welche Absichten Sie hegen?« erkundigte sich der Butler höflich. Man hatte die seriös eingerichtete Praxis des Arztes erreicht. »Doc Tooting besorgt mir ‘ne ganze Armee von Lieferanten«, antwortete Fulwell triumphierend, »er hypnotisiert bestimmte Typen, die dann anschließend für mich arbeiten.« »Diese kleine Armee von Hypnotisierten sollen für Sie Beute machen, Mr. Fulwell, wenn ich nicht sehr irre?« »Richtig, Parker. Sie werden stehlen wie die Elstern, aber sie werden sich nicht mit Kleinigkeiten begnügen.« »Sie werden verstehen, daß meine bescheidene Wenigkeit die sen Hinweis nicht zu fassen vermag.« »In meinen Peep-Shows kommen alle Arten von Typen vor«, schickte Fulwell mokant lächelnd voraus, »ich sortiere die Bur schen genau durch. Und die, die in den richtigen Stellungen sind, werden von meinem Meister entsprechend präpariert und schar ren zusammen, was immer an wertvollem Zeug sie finden. Ein völlig risikoloses Geschäft für mich.« »An dem Sie Doktor Tooting beteiligen, Mr. Fulwell?« »Eben nicht. Tooting ist froh, wenn ich den Mund halte.« »Sie erpressen ihn demnach, wenn ich dies recht verstanden habe?« »Warum ließ er sich auch in meinen Peep-Shows blicken?« frag te Fulwell und grinste anzüglich. »Zuerst wollte ich ihn ja ganz normal hochnehmen und zur Kasse bitten, aber dann hörte ich, daß er hypnotisieren kann. Wissen Sie, Parker, in diesem Moment hatte ich die richtige Eingebung.« »Pinner erging es wohl ähnlich, Mr. Fulwell?« »Der mußte ja auch unbedingt in meine Peep-Show«, sagte der 90
Gangster, »wie auch dieser Ballert. Ich hatte plötzlich genau die Räume, die ich brauchte. Im >Sexyland< wird die Polizei nie et was finden. Da ist alles in bester Ordnung.« »Sie haben also nur notgedrungen mitgemacht, Doktor Too ting?« erkundigte sich der Butler. »Ich wollte…« »Halten Sie doch endlich das Maul, Tooting«, herrschte Fulwell ihn an, »der Meister bin immer noch ich!« »Und dieser Meister schickte die bisherigen Opfer auf eine Art Prüfstand, wie ich vermuten darf?« »Richtig, Parker, was da bisher gelaufen ist, war nur ein Test. Aber jetzt werde ich voll einsteigen. Sie ahnen ja nicht, was an Typen sich in meinen Peep-Shows einfindet, ich brauche nur zu wählen.« »Und Doc Tooting findet dann heraus, welche Besucher sich zum Hypnotisieren eignen?« »So läuft das, Parker. Ist Ihre Neugier jetzt befriedigt?« »In sogenannten großen Zügen schon, Mr. Fulwell. Weitere Ein zelheiten könnten Sie dann später der Polizei gegenüber mittei len.« »Polizei?« Fulwell grinste. »Kommen Sie mir nicht mit Tricks! Sie sind reif wie Ballert und Pinner…« »Warum diese beiden Morde?« fragte Parker und verschwieg, daß Pinner nichts geschehen war. Ihm ging es darum, den Arzt zu schocken. »Sie waren schon zu oft hier in der Praxis«, sagte Fulwell ab winkend, »ich wollte kein Risiko eingehen, denn gerade Ballert ist ja immerhin schon mal bei einem anderen Arzt gewesen, der die Sperre durchbrochen hat.« »Zwei Morde, für die Sie sich verantworten werden«, stellte Parker fest und nahm zur Kenntnis, daß eine majestätische Er scheinung hinter dem Gangster auftauchte. Der Arzt nahm ruck artig den Kopf herum und starrte Lady Simpson an, die gezielt nach einer Glasschale langte und eine Spritze hochnahm. »Drei oder noch mehr Morde, was soll’s?« sagte Fulwell, »gleich sind Sie an der Reihe.« »Mylady dürften etwas dagegen haben, Mr. Fulwell.« »Kommen Sie mir bloß nicht mit diesen uralten Tricks, Parker«, antwortet der Gangster und lachte breit. »Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich mich jetzt umdrehe, o 91
der?« »Es wäre aber empfehlenswert, Mr. Fulwell.« »Lady Simpson ist aufgetaucht, wie? Und diese Kathy Porter und dieser Anwalt, ja?« »Dies entspricht in der Tat den Gegebenheiten.« »Mit mir machen Sie das nicht«, entrüstete sich Fulwell, »und Sie, Tooting, machen gefälligst nicht mit, klar?« »Hinter Ihnen… «, stotterte der Arzt beeindruckt. Hinter der äl teren Dame waren Kathy Porter und Mike Rander aufgetaucht. Rander hielt eine Schußwaffe in der rechten Hand. »Wir werden runter in den Keller gehen, sobald Sie Ihre Spritze haben, Parker«, meinte der Gangster ärgerlich, »ich will jetzt endlich Schluß machen.« Genau in diesem Moment holte Agatha Simpson weit aus und… rammte die Injektionsnadel tief in den Rücken des Gangsters, der unwillkürlich aufjaulte und seine Waffe verriß. Butler Parker lang te mit dem Schirm kurz und konsequent zu; worauf Fulwell tat sächlich Schluß machte. »Alles eine Frage der Kombination«, äußerte die Detektivin am anderen Morgen zu Chief-Superintendent McWarden, »als Fulwell Mr. Parker im Sexyland niederschießen lassen wollte, Sie wissen, diese drei Killer, McWarden, nicht wahr, also von diesem Moment an war mir klar, daß Fulwell der Täter war. Es stimmt doch, Mr. Parker, nicht wahr?« »So erlaubte ich mir, Mylady, mich auszudrücken«, erklärte der Butler und reichte den unvermeidlichen Tee. »Mr. Parker hatte in der Praxis dieses Tooting natürlich keine Chance, wenn ich nicht rechtzeitig erschienen wäre«, redete die ältere Dame weiter, »nun, die beiden Subjekte, die in Shepherd’s Market in meine Arme liefen, nannten mir die Adresse dieses Psy chiaters.« »Ihr Auftreten, Mylady, wirkte bereinigend«, bedankte sich Par ker. »Ich beeilte mich«, berichtete Agatha Simpson weiter, »es war gut, daß ich das Steuer meines Landrovers übernahm, sonst wä ren wir nicht rechtzeitig bei Tooting erschienen.« »Es war eine sehr schnelle Fahrt, nachdem Sie mich in der Cur zon Street aufgepickt hatten«, erinnerte der Anwalt. »Es war eine Meisterleistung«, pflichtete Kathy Porter dem An walt bei. 92
»Nur vier demolierte Wagen und zwei zu Bruch gekommene Streifenwagen«, faßte McWarden mit süß-saurer Miene zusam men, »ich fand die Berichte heute morgen auf meinem Schreib tisch.« »Kleinigkeiten«, sagte die ältere Dame wegwerfend, »es ging um ein Menschenleben… Die beiden Männer in meinem Haus sag ten mir nämlich, wo man Parker festhalten würde.« »Wenn es erlaubt ist, Mylady, möchte ich mich zutiefst und noch mal bedanken«, schickte Parker voraus, »meine Wenigkeit hatte das Glück, in der Praxis des Doktor Tooting nur warten zu müssen.« »Während wir im Landrover saßen«, sagte Mike Rander iro nisch. »So wollen Sie doch verstanden werden, Parker, oder?« »Man scheint meine Worte falsch zu interpretieren«, antwortete der Butler. Und dann geschah etwas sehr Seltenes: Der Anflug eines feinen Lächelns war um seine Augenwinkel wahrzunehmen. »Lächeln Sie etwa, Mr. Parker?« grollte die Hausherrin. »Es handelt sich nur um den Ausdruck tiefster Rührung und Dankbarkeit, Mylady«, versicherte Parker und wandte sich ab, um nicht noch mehr in Versuchung geführt zu werden.
ENDE Nächste Woche erscheint BUTLER PARKER Auslese Band 224 Günter Dönges
PARKER läßt die »Zulus« tanzen
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