Parker spielt den Schmetterball Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Es war wirklich ni...
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Parker spielt den Schmetterball Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Es war wirklich nicht die oft zitierte feine englische Art, die praktiziert wurde. Vor dem hübschen alten Haus im Stadtteil Belgravia mißbrauchten einige ungehobelt aussehende Männer den gepflegten Rasen und waren damit beschäftigt, ihn in einen Grillplatz zu verwandeln. Sie hatten ihr Brennmaterial gleich mitgebracht und übergossen es mit Benzin. Als die Flammen loderten wie bei einem mittleren Brand, umtanzten sie das Feuer und pflügten mit den hohen Hacken ihrer Stiefel den Rasen. Dabei gaben sie grölende Laute von sich, die entfernt an ein Lied erinnerten. Butler Parker war verständlicherweise peinlich berührt. Er war ein Mann der Ordnung, der Würde und der guten Erziehung, was sich bereits in seiner korrekten Kleidung ausdrückte. Er trug einen schwarzen Zweireiher, schwarze Schuhe und eine schwarze Melone. Über seinem angewinkelten Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm, der noch aus der victorianischen Zeit zu stammen schien. Butler Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, etwas über mittelgroß, fast schlank und ausgestattet mit dem ausdruckslosen und glatten Gesicht eines profimäßigen Pokerspielers, war rein zufällig in diese kleine Nebenstraße
geraten. Er hatte sie als Abkürzung benutzt, um zu seinem Wagen zurückzugehen. Nun aber blieb er stehen und beobachtete das seltsame Treiben. Die Campingfreunde hatten sich Bierdosen mitgenommen, die sie leerten und dann einfach in den kleinen Vorgarten warfen. Sie rupften die Blumen aus den Beeten und zerlegten eine Kübel-Agave in Streifen. Josuah Parker war Brite durch und durch. Normalerweise hätte er solch einen Vorgang würdevoll übersehen. Jeder hatte schließlich das Recht, sich nach Belieben zu vergnügen, sofern er seine Mitmenschen nicht belästigte. Hier schien das allerdings der Fall zu sein. Parker entdeckte nämlich hinter einem der Fenster das völlig verängstigte Gesicht einer alten Frau, die fassungslos auf das wilde Treiben in ihrem Vorgarten schaute. Sekunden später zog sich dieses Gesicht schon wieder hastig zurück. Parker, seines Zeichens Butler, überquerte die Straße. Er hatte vor, den jungen Männern dort im Vorgarten ein paar höfliche Fragen zu stellen. Zudem wollte er sich bei der Frau erkundigen, ob sie mit der brutalen Zerstörung ihres Vorgartens vielleicht einverstanden war. Man hatte ihn bereits bemerkt. Zwei der insgesamt sechs jungen Männer bauten sich vor dem niedrigen Eisengitter auf, das den Vorgarten zum
Gehweg abteilte. Sie grinsten den Butler ausgesprochen unverschämt an und musterten ihn wie eine seltsame Erscheinung aus einer anderen Welt. »Willste mitmachen, Opa?« fragte der erste junge Mann. »Oder willste nich' lieber Leine ziehen?« erkundigte der zweite sich bereits drohend. »Ich erlaube mir, den Herren einen wunderschönen Nachmittag zu wünschen.« Parker lüftete höflich seine schwarze Melone. »Man scheint sich zu amüsieren.« »Schwirr' bloß ab, alter Sack«, sagte der erste junge Mann. »Oder biste scharf auf ein paar Brandflecken in deinem Anzug?« erkundigte sich der zweite. »Mitnichten und keineswegs«, lautete Parkers Antwort. »Darf ich unterstellen, daß die Eigentümer oder Bewohner des Hauses mit diesem Lagerfeuer einverstanden sind?« »Das geht dich doch'n feuchten Dreck an, oder?« Ein dritter Rowdy gesellte sich zu den beiden ersten. »Komm' doch rein und frag' mal«, forderte ein vierter den Butler auf. »Ein Vorschlag, den aufzugreifen ich mir erlauben werde«, gab der Butler zurück. »Sie gestatten?« Er drückte die niedrige Tür auf, betrat den Vorgarten und schien die sechs Rowdys schon vergessen zu haben. Steif, würdevoll und gemessen, als habe er einen Ladestock verschluckt, schritt Josuah Parker zur Haustür. Hier angekommen, legte er seinen schwarz behandschuhten Finger auf die Türklingel und wartete dann auf das Ergebnis seiner Bemühungen.
Die sechs jungen Männer hatten sich hinter dem Butler aufgebaut und tuschelten miteinander. Dann pfiffen sie begeistert, als die Haustür spaltbreit geöffnet wurde. Das ängstliche Gesicht einer alten Dame war zu sehen. »Parker mein Name«, stellte der Butler sich vor und lüftete erneut die schwarze Melone, »Josuah Parker. Darf ich davon ausgehen, Madam, daß Sie das Lagerfeuer in Ihrem Vorgarten akzeptieren und erlauben?« »Wie... Wie bitte?« Die alte Frau mit dem gütigen Gesicht hatte den Butler nicht recht verstanden. Sie machte einen verwirrten Eindruck. »Sind Sie mit der Grillparty in Ihrem Vorgarten einverstanden?« fragte der Butler jetzt schon wesentlich direkter. »Na... Natürlich, Sir«, stotterte sie und nickte wie ein Automat. »Natürlich bin ich einverstanden. Ich ... Ich freue mich sogar darüber, wirklich.« »Dann erlaube ich mir, noch einen erholsamen Nachmittag zu wünschen«, antwortete Josuah Parker und grüßte. »Ihre eben geäußerte Freude ist in der Tat deutlich zu erkennen.« * Lady Agatha Simpson war eine äußerst stattliche Dame, die an die Walküre einer Wagner-Oper erinnerte, als man für derartige Rollen noch füllige Sängerinnen bevorzugte. Sie war bereits über sechzig, doch eine genauere Jahresangabe hätte man von ihr nicht erwarten können. Lady Agatha, mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert, war eine immens reiche
Frau, seit vielen Jahren verwitwet und Amateurdetektivin von besonderem Rang, wie sie glaubte. Dazu fühlte sie sich schriftstellerisch begabt. Es war ihr erklärtes Ziel, eine gewisse Agatha Christie um Längen zu schlagen. Sie plante seit geraumer Zeit, einen Bestseller zu schreiben, hatte sich bisher jedoch noch nicht für ein bestimmtes Thema entschließen können. Agatha Simpson war eine ungemein energische Dame und sportlich dazu. Sie spielte mit Begeisterung Golf und war auch bei den Sportbogenschützen gefürchtet. Kraftvoll brachte sie Golfbälle und Sportpfeile in Ziele, die als solche eigentlich nicht gedacht waren. Darüber hinaus hielt sie sich noch für technisch begabt. Es gab eigentlich nichts, was sie nicht mal ausprobieren mußte. Dabei war es für sie völlig unerheblich, ob sie diese technischen Geräte nun beherrschte oder nicht. Sie mußte einfach ihren ausgeprägten Spieltrieb betätigen. Kenner gingen ihr gern aus dem Weg. Wo die Lady auftauchte, lagen kleine bis mittlere Katastrophen in der Luft. Ahnungslose Menschen hingegen unterschätzten sie regelmäßig und mußten dann reichhaltig Lehrgeld zahlen. Lady Agatha war unterwegs und trug eines ihrer viel zu weiten TweedKostüme im Chanel-Look, ihren aparten Hut, der eine verwegene Kreuzung aus Südwester und Tropenhelm darstellte; sie langweilte sich ein wenig, hatte vor knapp zehn Minuten eine Wohltätigkeitsveranstaltung verlassen und wurde dabei von ihrer Gesellschafterin und Sekretärin begleitet.
Die fünfundzwanzigjährige Kathy Porter hatte kastanienbraunes, mittellanges Haar, das ein pikant geschnittenes Gesicht mit großen und ausdrucksvollen Augen rahmte. Die junge Dame glich auf den ersten Blick einem scheuen Reh, das jeder Gefahr hastig aus dem Weg zu gehen pflegt. Die Wirklichkeit sah allerdings erheblich anders aus. Kathy Porter war in fast allen Künsten ostasiatischer Selbstverteidigung bewandert und konnte sich in Sekunden in eine wilde Katze verwandeln. Darüber hinaus war sie eine äußerst gelehrige und begabte Schülerin eines gewissen Butler Parker. »Was sagen Sie zu diesen Subjekten, Kind?« fragte Agatha Simpson plötzlich und blieb stehen. Ihre Augen verengten sich ein wenig. Die Detektivin beobachtete eine Gruppe von vier jungen Männern, die sich als Straßenkünstler minderer Qualität betätigten. Aus Autolacksprühdosen mißhandelten diese Subjekte, wie Lady Agatha sie bezeichnete, die Front eines gepflegten und hübsch aussehenden Hauses in einer recht stillen Seitenstraße. Sie sprühten gängige Farben auf das Weiß der Hausfront und genierten sich nicht, anzügliche und eindeutige Motive zu zeichnen. »Was sagen Sie dazu?« wiederholte Lady Agatha noch mal. Ihre Stimme klang bereits ein wenig drohend. »Nicht besonders künstlerisch, Mylady«, gab Kathy Porter zurück. »Das sind doch Schmierereien, Kindchen«, antwortete die energische Dame. »Über Kunst sollte man nicht richten oder streiten, Mylady«, fand Kathy Porter. Ihr war nicht entgangen, daß
der perlenbestickte Pompadour an Myladys linkem Handgelenk bereits in gefährliches Schwingen geriet. In diesem Handbeutel, wie ihn die Damen der Jahrhundertwende trugen, befand sich ein echtes Pferdehufeisen, das nur oberflächlich mit dünnem Schaumstoff umwickelt war. Agatha Simpson war natürlich nicht zu bremsen. Ihr stand der Sinn nach Abwechslung. Sie hatte vor, sich mit den vier jungen Männern über Kunst an sich zu unterhalten. Kathy Porter wußte, daß es sinnlos war, Lady Agatha ablenken zu wollen. Was sie sich mal in den Kopf gesetzt hatte, führte sie auch aus. Da gab es einfach nichts, was sie hätte aufhalten können. Die Detektivin baute sich vor dem niedrigen Eisenzaun des hübschen Hauses auf und verzog geringschätzig ihren Mund. Das mißfiel den vier jungen Burschen, die die ältere Dame längst beobachtet hatten. Einer von ihnen beging den Kardinalfehler, auf die Frau zuzugehen. Er schien in ihr einen neuen Hintergrund für seine Malerei gefunden zu haben, hob die Sprühdose leichtsinnig an und richtete die Düse auf Lady Simpson. Bruchteile von Sekunden später bereute er es! * Butler Parker hatte seiner Herrin höflich zugenickt und lüftete die schwarze Melone. Er wandte sich um und sah sich den sechs Grillfreunden gegenüber, die eine Art Mauer bildeten und ihn offensichtlich daran hindern wollten, zurück zur Straße zu gehen.
»Alte Frauen anquatschen, wie?« fragte der junge Mann, der der Anführer war. Er sprach schleppend und gespielt nachlässig. »Mich deucht, meine Herren, Sie haben den Grund meines Besuches mißverstanden«, antwortete Parker in seiner höflichen und zurückhaltenden Art. »Ich denke, Jungens, wir sollten das Fossil mal'n bißchen grillen«, redete der Anführer weiter und schaute seine Begleiter an. Er war groß, stark und fühlte sich dem Butler selbstverständlich überlegen. »Sie sehen in meiner bescheidenen Person einen Menschen, der jedem Streit aus dem Weg zu gehen wünscht«, erklärte Josuah Parker. ' »Un' in mir seh'n Sie'n Typ, der sich nich' beleidigen läßt«, gab der junge Anführer zurück. »Auf sowas reagier' ich hart.« Und er wollte hart reagieren! Ohne jede Vorwarnung schlug er blitzschnell mit seiner rechten Faust in Richtung Unterleib des Butlers. Der Schlag war mit voller Kraft geführt und hätte selbst einen durchtrainierten Athleten mit Sicherheit zu Boden geschickt. Parker hingegen ging nicht in die Knie. Obwohl der gedachte, ..bösartige Tiefschlag fast ansatzlos geführt wurde, war der Butler schneller. Er schob die Wölbung seiner schwarzen Melone vor die Faust des jungen Mannes, der daraufhin förmlich grunzte, um dann zu stöhnen. Das Gesicht des Schlägers war schmerzverzerrt. Dann hechelte der Rowdy nach Luft, wurde kreideweiß
im Gesicht und verbeugte sich tief vor Parker. Dies war allerdings nicht als eine Art Höflichkeitsakt zu verstehen. Der Mann litt unsäglich. Seine geballte Faust war gegen die Wölbung der Kopfbedeckung geprallt und hatte sich dort leicht verformt. Die Innenseite der Melone war nämlich mit solidem Stahlblech ausgefüttert, das den Schlag völlig absorbiert hatte. Die restlichen fünf jungen Männer waren einen Moment ratlos. So hatten sie ihren Anführer noch nie erlebt. Er weinte nämlich und setzte sich. Dabei betrachtete er seine Faust. Es war ihm unmöglich, die Finger auch nur millimeterweise zu strecken. »Macht ihn fertig«, keuchte er endlich. »Sollte man etwaige Mißverständnisse nicht vielleicht ausdiskutieren?« schlug Parker gemessen vor. Die restlichen fünf jungen Männer schienen ihn überhaupt nicht zu schrecken. Sie gingen auf sein Angebot nicht ein und warfen sich fäusteschwingend auf den Butler, um ihn weisungsgemäß zu rösten. Ihr Anführer hatte ihnen schließlich einen klaren Befehl erteilt. Josuah Parker, ein durchaus friedfertiger Mensch, mußte zu seinem tiefen Bedauern Gegenmaßnahmen ergreifen. Dazu benutzte er den altväterlich gebundenen Regenschirm, der so ungemein harmlos und hausbacken aussah. Er war es jedoch keineswegs. In den Händen des Butlers verwandelte sich dieser Regenschirm in eine äußerst wirkungsvolle Nahkampfwaffe, die es in sich hatte. Parker benutzte ihn als
eine Art Kendo-Schlagstock und ließ ihn durch die Luft wirbeln. Er blockte damit ab, was immer ihn treffen sollte. Er ließ den Schirmstock auf Schultern, Oberarme und Handgelenke hinuntersausen und brauchte wirklich nur knapp eine Minute, bis die restlichen fünf Burschen schluchzend am Boden saßen und mit Sicherheit nicht mehr an ihr Grillvergnügen dachten. Sie sahen ihn scheu an und begriffen einfach nicht, was ihnen widerfahren war. Die erste Kollektivniederlage ihres Lebens durchzustehen, kostete sie sämtliche vorhandenen Nerven. »Sie dürfen versichert sein, meine Herren, daß ich mich an die Spielregeln gehalten habe«, sagte Parker und wischte sich mit der schwarz behandschuhten Linken einige unsichtbare Stäubchen vom schwarzen Zweireiher. »Darf ich Sie jetzt höflichst bitten, hier ein wenig für Ordnung zu sorgen? Ich sähe es nicht sonderlich gern, wenn die Besitzerin des Hauses es selbst tun müßte.« Parker wirkte ungemein überzeugend. Die fünf jungen Männer machten sich daran, den kleinen Vorgarten wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Der Anführer der Gruppe konnte sich daran allerdings nicht beteiligen, denn seine rechte Hand war immer noch zur Faust geballt und gefühllos. »Vielleicht sollten Sie Ihre Hand röntgen lassen«, schlug Parker vor, während er die Aufräumarbeiten beobachtete. »Darüber reden wir noch«, schluchzte der Anführer. »Dafür mach' ich Sie fertig.«
»Sie scheinen meiner bescheidenen Person gram zu sein«, antwortete Josuah Parker. »Ich kann das sogar verstehen, allerdings nicht, warum Sie diesen hübschen Vorgarten derart verwüsteten. Geschah dies aus einem Gefühl der Langeweile heraus, oder sollten hier vielleicht andere Gründe im Spiel sein?« »Ich sag' gar nichts!« Der Anführer der Rowdys sah den Butler giftig wenn auch unter Tränen - an. »Ich sag' überhaupt nichts.« »Nun gut«, Parker nickte. »Man wird sich wahrscheinlich noch mal sehen, denke ich.« »Mein Wort darauf!« Der Anführer nickte. »Un' dann bin ich dran!« »Meine Karte!« Butler Parker griff in eine der vielen Westentaschen und überreichte dem Superrowdy seine Visitenkarte, aus der hervorging, daß er der Butler einer gewissen Lady Agatha Simpson war. Selbstverständlich war auch die Adresse genau verzeichnet, die sich auf ein Haus in Shepherd's Market bezog, einem teuren Wohnviertel in der Nähe von Hyde Park. »Was halten Sie von einer kleinen Sammlung zugunsten der alten Dame drüben im Haus?« erkundigte sich Parker dann. Er sah die jungen Rowdys freundlich und aufmunternd an. »Ich bin sicher, daß da einige hübsche Pfundnoten zusammenkommen werden.« Er täuschte sich nicht. Die Burschen, eben noch fast reißende Wölfe, aktivierten ihre caritative Ader und legten einige Pfundnoten zusammen. Sie kamen auf den anerkennenswerten Betrag von weit über fünf-
zehn Pfund und schoben die Banknoten durch den Schlitz des Briefkastens. »Ich möchte mich im Namen der Besitzerin des Hauses recht herzlich bedanken«, meinte Parker. »Und da behauptet man immer, die Jugend von heute habe kein Herz! Welch ein schrecklicher Irrtum! Und nun wünsche ich den Herren eine gute Heimfahrt ...« Sie zogen ab wie die sprichwörtlich begossenen Pudel, verstauten ihre Grillutensilien in einen kleine Kastenlieferwagen, schoben sich in den Wagen und fuhren davon. Josuah Parker verzichtete darauf, noch mal zu kungeln. Er konnte sich vorstellen, daß die Besitzerin des hübschen Hauses zwar alles verfolgt, aber immer noch Angst davor hatte, ihm Rede und Antwort zu stehen. Fragen konnte man aber zu einem späteren Zeitpunkt stellen, wenn diese Angst abgeklungen war. * Drei der jungen Sprühdosenkünstler waren fassungslos. Eben noch hatten sie mit einem wüsten Spaß gerechnet und im Geist bereits gesehen, wie die rote Farbe das Gesicht und das Kostüm der älteren Dame färbte, da wurden sie grausam enttäuscht. Der junge Mann mit der Sprühdose taumelte zurück und blieb erst an der Hauswand stehen. Er sackte an ihr hinunter und nahm auf der Erde Platz. Er hatte die Sprühdose längst aus der Hand verloren und griff zögernd nach seinem Kinn. Obwohl er genau wußte, daß weit und breit kein Pferd vorhanden war, hatte er den Eindruck, von solch einem Vierbeiner
per Huftritt erwischt worden zu sein. Er konnte ja nicht wissen, was sich im Pompadour der Lady befand. Die drei verbliebenen Künstler wußten im Grund ebenfalls nicht, was sich wie zugetragen hatte. Okay, die stattlich aussehende Frau hatte mit dem perlenbestickten Handbeutel leicht, zugelangt, aber daraus hätte doch kaum solch ein fürchterlicher Niederschlag werden können. Sie rückten Lady Simpson zu Leibe. Kathy Porter verhielt sich abwartend und hütete sich, in das Geschehen einzugreifen. Sie kannte ihre Chefin und Gesellschafterin, die sich so etwas energisch verbeten hätte. Die drei verbleibenden Wandmaler stürmten auf Lady Agatha ein und... wurden von einem gewaltigen Rundumschlag erwischt. Der Pompadour krachte durch ihre Gesichter und erwischte nacheinander ihre Nasen. Daraufhin bremsten die drei jungen Männer notgedrungen ihren Schwung und schauten Agatha Simpson betroffenratlos an. Bevor sie sich erneut zu formieren vermochten, ging die Detektivin zum Gegenangriff über und benahm sich dabei wie ein unartiges Schulmädchen. Sie trat mit ihrem rechten Schuh gegen die diversen Schienbeine der Künstler. Und sie traf genau. Die drei jungen Männer setzten sich. Sie stöhnten, massierten sich Nasen und Schienbeine und hatten überhaupt keine Lust mehr, sich rowdyhaft aufzuführen. »Wagen Sie es nicht noch mal, eine wehrlose alte Frau anzufallen«, sagte Agatha Simpson grollend. »Noch bin ich nur verärgert, aber ich könnte ernstlich böse werden.«
Kathy Porter beobachtete die Fensterfront des Hauses. Hinter einer sich bewegenden Gardine war für einen Moment das entgeisterte Gesicht eines älteren Mannes zu sehen, der die Welt offenbar nicht mehr verstand. Kathy hörte ein Hupsignal, wandte sich um und sah auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Caravan, an dessen Steuer ein gepflegt aussehender, etwa dreißig Jahre alter Mann saß. Er trug einen elegant gestutzten Oberlippenbart, hatte eine Stirnglatze und setzte sich hastig eine Sonnenbrille auf. Als er merkte, daß Kathy Porter ihn beobachtete, versuchte er sein Gesicht durch das Hochheben der flachen Hand zu tarnen und fuhr Sekunden später mit durchdrehenden Reifen davon. Kathy Porter hatte jedoch keine ausreichende Zeit, sich das Kennzeichen des Ford zu merken. »Ich hätte nicht übel Lust, diese Subjekte noch etwas zu strafen«, sagte Lady Simpson unternehmungslustig. »Sie haben doch niemals mit Erlaubnis des Hausbesitzers diese Schmierereien aufgesprüht.« »Wünschen Sie, daß ich nachfrage, Mylady?« erkundigte Kathy Porter sich. »Besorgen Sie Reinigungsmittel, Kindchen«, ordnete die ältere Dame an.« Im Haus wird es doch wohl Bürsten, Seife und Schmirgelpapier geben.« Als Kathy Porter zur Tür ging, erhoben die vier Sprühdosenkünstler sich wie auf ein geheimes Kommando und setzten sich wie olympiareife Sprinter ab. Sie liefen zur Straße und waren bald darauf zwischen den hier abgestellten Autos verschwunden.
»Nun, was ist?« fragte Agatha Simpson ungeduldig und ärgerte sich über die Flucht der vier Burschen, die sie nicht hatte verhindern können. Sie stand nun neben Kathy Porter, die erneut läutete. Im Haus rührte sich nichts. »Der oder die Besitzer scheinen nicht zu Hause zu sein, Mylady«, schwindelte Kathy Porter, obwohl sie es besser wußte. »Schön, dann werden wir später noch mal vorbeischauen«, meinte die Detektivin. »Aber dieser Sache werde ich auf den Grund gehen, verlassen Sie sich darauf, Kathy! Ich rieche es förmlich, hier kündigt sich ein neuer Fall an. Spüren Sie denn nichts?« »Noch nicht, Mylady«, schwindelte Kathy Porter weiter. »Nun, man hat's eben, oder man hat's nicht«, antwortete die selbstbewußte Dame fast mitleidig. »Für mich steht es fest, daß wir es mit organisiertem Bandentum zu tun haben. Ab sofort werde ich mich darum kümmern!« * »Das kann doch kein Zufall gewesen sein, Mr. Parker«, sagte Agatha Simpson streng. Sie befand sich in ihrem Salon im Erdgeschoß des altehrwürdigen Fachwerkhauses in Shepherd's Market, das auf den noch wesentlich älteren Gewölben einer ehemaligen Abtei errichtet worden war. Der kleine Platz, an dem das Haus stand, war so etwas wie eine Oase der Ruhe und des Friedens inmitten der Millionenstadt London. Hier schien die Zeit eine längere Pause eingelegt zu haben.
Die Hausbesitzerin hatte von ihrem erfreulichen Erlebnis berichtet und sich dann den Bericht ihres Butlers angehört. Beide Ereignisse zeigten verblüffende Parallelen. »Warum sagen Sie nichts, Mr. Parker?« fragte die Lady grollend. »Den treffenden Worten Myladys ist nichts hinzuzufügen«, gab Parker in seiner gemessenen Art zurück. »Sie glauben also auch, daß hier Terror ausgeübt wird?« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady.« »Warum ängstigt man diese Hausbewohner?« fragte Agatha Simpson und sah Parker gereizt an. »Ich hoffe, Sie haben eine passende Antwort parat, Mr. Parker?« »Ich möchte mir erlauben, Mylady auf eine Tatsache hinzuweisen, die Mylady selbstverständlich bereits bekannt ist.« »Natürlich ist sie mir bekannt!« Sie hätte nie zugegeben, etwas übersehen zu haben. »Was war es denn noch?« »Beide Häuser, an denen die erwähnten Sachbeschädigungen vorgenommen wurden, Mylady, gehören zu einem kleinen Wohnviertel im Stadtteil Chelsea.« »Das wußte ich natürlich sofort, Mr. Parker.« »Wenn es erlaubt ist, die Dinge noch enger einzugrenzen, Mylady, so möchte ich sagen, daß beide Häuser praktisch Grundstück an Grundstück liegen, wenn man die Rückseiten der Häuser und Hintergärten in die Rechnung mit einbezieht.« »Selbstverständlich, daran dachte ich sofort«, schwindelte die ältere Dame in bewährter Weise. »Das sind doch
Tatsachen, über die ich schon gar nicht mehr rede.« »Es erhebt sich die Frage, Mylady, ob es nicht Zwischenfälle ähnlicher Art bereits in naher Vergangenheit gegeben hat.« »Jetzt sagen Sie schon endlich, woran Sie denken! Ich möchte wissen, ob Sie meine Theorie endlich erkannt haben.« Mylady hatte nicht die Spur einer Ahnung. »Ich muß bekennen, Mylady, daß meine bescheidene Wenigkeit zur Zeit leider noch nicht mit einer Theorie aufzuwarten vermag. Vielleicht könnten Mylady das Rätsel bereits gelöst haben!?« »Papperlapapp, Mr. Parker!« Sie sah ihn ungnädig an. »Ich werde Ihnen schon rechtzeitig sagen, was ich vermute. Ich möchte sehen, wann Sie selbst darauf kommen.« »Mylady dürfen versichert sein, daß ich mir Mühe geben werde.« »Stellen Sie fest, was da in diesem Viertel bisher passiert ist«, verlangte die resolute Dame. »Stellen Sie das möglichst umgehend fest! Das sind Kleinigkeiten, um die ich mich nicht kümmere. Und zudem muß ich jetzt an meinem Roman arbeiten.« Die Lady rauschte aus dem Salon und stampfte die Treppe hinauf in ihr sogenanntes Studio. Sie bekam nicht mit, wie Kathy Porter dem Butler zuzwinkerte. »Haben Sie eine Theorie, Mr. Parker?« erkundigte sich Kathy Porter dann. »Diese Frage, Miß Porter, werde ich hoffentlich in einigen Stunden positiv beantworten können«, erwiderte Josuah Parker. »Ich werde mir gestatten,
erst mal einige Informationen zu sammeln. Falls Mylady nach mir fragt, so können Sie ausrichten, daß ich mir ein wenig die Füße vertrete.« * Herb Falters, etwa dreißig Jahre alt, Oberlippenbart und Stirnglatze, machte einen verärgerten Eindruck. Er kam gerade aus dem kleinen Büro einer Autowerkstatt und schien unfreundliche Dinge gehört zu haben. »Ich glaub's noch immer nicht«, sagte er und sah seine Streitmacht kopfschüttelnd an. »Zehn ausgewachsene, harte Burschen lassen sich von 'nem wackligen Butler und 'ner alten Fregatte außer Gefecht setzen! Ich glaub's einfach nicht, obwohl ich was davon gesehen habe...« Die Grillfreunde und die Fassadensprüher zeigten sich zerknirscht. Zudem litten sie noch unter der Spezialbehandlung, der man sie unterzogen hatte. »Immerhin weiß ich jetzt, mit wem wir's zu tun haben«, redete Herb Falters weiter. »Die Alte is' 'ne gewisse Lady Simpson, der Butler steht bei ihr im Dienst. Klarer Fall, daß wir noch in dieser Nacht 'ne Spezialshow abziehen, und zwar vor ihrem Haus.« »Wie sieht's denn mit der Prämie aus, Falters?« erkundigte sich der Anführer der Grillfreunde, ein gewisser Jeff Ventor. Er konnte sich nur mühsam verständlich machen, denn sein Unterkiefer war erheblich geschwollen.
»Keine Sorge, die wird prompt gezahlt«, erwiderte Herb Falters. »Bisher hat ja alles bestens geklappt.« »Das mein' ich aber auch, Herb«, schaltete sich der Anführer der Fassadenmaler ein. Er hieß Ben Laners und mochte dreißig sein. »Für meine Hand zieh' ich dem die Haut in Streifen«, schwor Jeff Ventor und rieb sich die Fingerknöchel, in die noch immer kein Gefühl zurückgekehrt war. Hinzu kam der Schmerz in seinem Kinn. Hier war er von Parkers Schirmstock leicht touchiert worden. »Aber vorher spiel' ich mit ihr noch was 'rum«, verlangte Ben Laners, der sich nachdrücklich an den Pompadourschlag erinnerte. Sein Gesicht sah leicht geschwollen aus. »Quasselt nicht, sondern laßt euch für die kommende Nacht was einfallen«, sagte Herb Falters. »Wo die beiden Typen zu finden sind, ist ja klar.« »Dieser Butler hat mir sogar noch 'ne Visitenkarte in die Hand gedrückt«, beklagte sich Jeff Ventor, der Anführer der Grillfreunde. »Scheint sich ziemlich sicher zu fühlen«, überlegte Ben Laners halblaut. »Das haben diese arroganten Burschen immer so an sich.« Herb Falters glaubte Bescheid zu wissen. »Zahlt es ihm und der alten Schrulle heim! Ihr könnt euch völlig frei bewegen, ihr habt freie Hand!« Herb Falters zündete sich eine Zigarette an und hörte zu, was die beiden Gruppenführer an Vorschlägen anzubieten hatten. Es zeigte sich, daß sie erfinderisch waren. In ihnen tobte noch die Wut über die erlittene Blamage. Bisher hatte alles wunderbar
geklappt, und sie hatten planmäßig und erfolgreich arbeiten können. Nun sollte sich das Blatt plötzlich wenden? Jetzt, wo sie so dicht vor der fetten Gesamtprämie standen? Das war ausgeschlossen! Sie waren bereit, diesmal besonders hart zuzuschlagen. Herb Falters war nicht so bei der Sache, wie er nach außen hin tat. Er stammte nicht aus London, sondern war von Manchester aus in die englische Hauptstadt engagiert worden. Auch seine Mitarbeiter stammten von dorther. Falters hatte einen fest umrissenen Auftrag übernommen, der kein Problem war. Wenigstens bisher nicht. Nun aber fragte er sich, wieso es zu diesen beiden eigenartigen Zwischenfällen gekommen war. Zwei Laien, dazu noch feine Pinkel in seinen Augen, wie er es nannte, hatten gezielt zugeschlagen und kräftig Ärger gemacht. Wer waren diese beiden Typen, die da in Shepherd's Market wohnten? Falters' Auftraggeber hatte sich dazu kaum geäußert. Er kannte angeblich weder eine Lady Simpson noch einen Butler Parker. Falters hatte eben erst mit diesem Auftraggeber gesprochen und verlangte schnellste Erledigung des Auftrags, weil er angeblich unter Zeitdruck stand. Er hatte ihm allerdings geraten, Lady Simpson und ihren Butler gründlich auszuschalten. Herb Falters, ein Gangster der mittleren Kategorie, aber mit großen Ambitionen, wollte diesen ersten wirklichen Großauftrag prompt erledigen und sich damit in London ein Image schaffen. Die Stadt gefiel ihm außerordentlich gut. Hier boten sich in der Zukunft bestimmt noch bessere Geschäfte an.
Hier war die Möglichkeit, an das ganz große Geld heranzukommen. »Okay, ich bin für 'nen kleinen Großbrand«, sagte er jetzt. Er hatte die Vorschläge mit halbem Ohr vernommen und traf nun seine Entscheidung. »Zündet den beiden Typen die Bude über den Köpfen an, Jungens! Nur nicht genieren! Nehmt ausreichend Benzin mit! Gegen Mitternacht muß die Feuerwehr von London Hochbetrieb haben, es soll sich 'rumsprechen, wer wir sind!« * Butler Parker vertrat sich die Füße und lustwandelte durch die schmalen Straßen in Chelsea, durch jene Straßen, die sein Interesse erregt hatten. Er suchte gezielt nach weiteren Spuren, die auf Grillpartys und Wandmalereien hindeuteten. Er brauchte wirklich nicht lange zu suchen und entdeckte in jenem Wohnviertel weitere verwüstete Vorgärten, eingeworfene Fensterscheiben und zusätzliche Schmierereien, deren Farben aus Sprühdosen stammen mußten. Genau in diesem engen Viertel, das hauptsächlich aus gepflegten älteren Häusern bestand, schienen die Rowdys sich besonders ausgetobt zu haben. Dies mußte natürlich seine Gründe haben. Josuah Parker vermied es, diverse Hausbesitzer aufzusuchen. Er wollte die Menschen nicht in Schwierigkeiten bringen. Er sah schließlich immer noch das ängstliche Gesicht der alten Frau, die ihm gegenüber behauptet hatte, die Grillparty in ihrem Vorgarten mache ihr Freude. Natürlich hatte sie unter Druck gestanden und
schreckliche Angst vor den Rowdys gehabt. Parker schritt das kleine Planquadrat ab und entdeckte gewisse Zusammenhänge. Die Grillfreunde und Wandmaler hatten sich eindeutig auf einen bestimmten Häuserkomplex konzentriert, der von vier Straßen eingegrenzt wurde und von zwei schmalen Gassen durchzogen war. Was bezweckten diese Belästigungen? Was wollte man mit diesem Psychoterror erreichen? Besonders wohlhabend konnten die Bewohner der mißhandelten Häuser sicher nicht sein, wenn man mal davon absah, daß ihnen die mehr oder weniger kleinen Häuser gehörten. Sie stellten allerdings einen erheblichen Wert dar, denn hier im Stadtteil Chelsea waren Grundstücke knapp und die Quadratmeterpreise hoch. Plötzlich glaubte der Butler zu wissen, welchen Plan die Rowdys verfolgten. Sollten die Hausbesitzer gezwungen werden, ihre Grundstücke und Häuser zu verkaufen? Parker lüftete höflich seine schwarze Melone, als er im winzig kleinen Vorgarten eines Hauses einen alten Herrn entdeckte, der Gerümpel und Unrat aller Art zusammenharkte. Dieser Mann war seiner Schätzung nach etwa siebzig Jahre alt, hielt sich aber militärisch straff und hatte ein immer noch energisch geschnittenes Gesicht. »Ich erlaube mir, einen erholsamen Abend zu wünschen«, sagte der Butler und blieb stehen. »Man scheint, wenn mich nicht alles täuscht, Ihren Vorgarten mit einer Müllhalde verwechselt zu haben.« »Schreckliche Schweinerei«, erwiderte der alte Herr mit leicht
schnarrender Stimme. »Muß man mir während der vergangenen Nacht in den Vorgarten gekippt haben.« »Moral und Sitte neigen sich einem allgemeinen Tiefpunkt zu, Sir«, stellte Parker fest. »Weil nicht mehr durchgegriffen wird«, sagte sein Gesprächspartner anklagend. »Hoffentlich haben Sie die Polizei verständigt, Sir«, gab Parker zurück. »Polizei, Polizei!« Der alte Herr schnaubte verächtlich. »Lassen wir das.« »Mir entging nicht, daß erstaunlich viele Vorgärten hier in der Gegend verwüstet worden sind. Von einigen schrecklichen Wandmalereien mal ganz zu schweigen.« »Kann schon sein.« Der Hausbesitzer nickte und verschloß dann sein Gesicht. Parker glaubte förmlich zu hören, wie ein Eisenvorhang herunterging und ein Schloß einrastete. Der alte Herr wandte sich abrupt ab und verschwand in einem schmalen Gang, der hinter das Haus führte. Ganz eindeutig wollte er einem weiteren Gespräch aus dem Weg gehen. Parker schritt durch die Straße und bog in eine der beiden schmalen Quergassen ein. Es war wirklich ein Zufall, daß er an der Ecke noch mal stehen blieb und sich umdrehte. Vor dem Haus des alten Herrn parkte jetzt ein unscheinbar aussehender Vauxhall, aus dem zwei schlanke Männer stiegen, die etwa dreißig Jahre alt waren. Sie marschierten ebenfalls in den schmalen Seitengang und verschwanden hinter dem Haus.
Josuah Parker, an sich nicht neugierig, änderte seine Pläne und ging zurück zu dem Haus. Er hatte das sichere Gefühl, ein wenig gebraucht zu werden. * Der Garten hinter dem zweistöckigen Haus war winzig klein, aber gepflegt. Es gab einen teppichähnlichen Rasen und rechts an der hohen Brandmauer einen kleinen Pavillon, der mit grünen Ranken förmlich überwuchert war. »Sie sollten sich entscheiden, Major«, sagte eine nasal klingende, unangenehme Stimme. »Wir warten nicht länger.« »Wir können nämlich auch ganz anders«, fügte eine zweite Stimme hinzu. Sie klang fast freundlich, zu freundlich eigentlich. Diese Eigenschaft war fast schon eine körperliche Bedrohung. »Was soll ich denn machen?« Das war die Stimme des alten Herrn. Sie hörte sich verzweifelt und ängstlich an. »Sagen Sie mir, was ich tun soll? Verkaufe ich an Sie, bekomme ich Ärger. Verkaufe ich nicht, dann ebenfalls.« »Sie sind doch ein gelernter Stratege«, sagte die erste Stimme spöttisch und nasal. »Suchen Sie sich aus, was besser für Sie ist!« »Und weniger Ärger bringt«, setzte die zweite freundliche Stimme hinzu. »Wo ist da der Unterschied, wenn man mich so oder so zusammenschlagen wird?« fragte der alte Herr, den man Major nannte. »Würden Sie mich etwa schützen?« »Wir könnten dafür sorgen, daß Sie ungeschoren aus der Stadt kommen, Major«, sagte die nasale Stimme.
»Aber dann müßten Sie sich verdammt schnell entscheiden.« »Unsere Geduld geht nämlich langsam zum Teufel«, fügte die freundliche Stimme hinzu. »Ich mache Ihnen 'nen Vorschlag«, schaltete sich wieder die nasale Stimme ein. »Sie unterschreiben noch heute, am besten gleich jetzt. Sie kassieren, und wir bringen Sie aus der Stadt. Lassen Sie sich in 'ner netten Gegend nieder, wo man Sie nicht findet.« »Den Vertrag haben wir bei uns«, lockte die freundliche Stimme. »Das jetzt nur noch am Rande. Wenn Sie nicht mitziehen, Major, drehen wir die Schraube schärfer an!« »Lassen Sie mir Zeit bis ...« »Wir geben Ihnen 'ne Stunde«, unterbrach ihn die nasal klingende Stimme. »Und wir werden dann das Bargeld gleich mitbringen.« Die freundliche Stimme hatte einen beruhigenden Unterton angenommen. »Der Preis ist aber wirklich lächerlich«, beschwerte sich der Major. »Läßt sich da tatsächlich nichts mehr machen?« »Wir zahlen in jedem Fall mehr als unsere Konkurrenten«, fuhr die nasale Stimme fort. »Und Sie wissen es, Major!« Parker hatte kaum Zeit, sich in Deckung zu bringen. Er stand schon zu nahe am Pavillon, geriet jedoch keineswegs in Panik, sondern blieb einfach stehen, wo er war. Mit der Spitze seines Universal-Regenschirms schob er einige grüne Ranken über seinen schwarzen Zweireiher. Sie kamen aus dem Pavillon.
Die beiden Männer, einer etwa vierzig, der andere etwa fünfunddreißig Jahre alt, marschierten dicht an Parker vorüber und verschwanden in Richtung Straße. Dann tauchte der alte Herr auf. Er machte einen unsicheren und verzweifelten Eindruck. »Ich möchte Sie bitten, Sir, mein Benehmen zu entschuldigen«, sagte Parker, lüftete seine schwarze Melone und streifte die grünen Ranken zur Seite. »Aus Gründen, die später zu erklären ich mir erlauben werde, mußte ich Ohrenzeuge dieser Unterhaltung werden.« »Was ... Wie ... Zum Teufel!« Der alte Herr bekam einen roten Kopf und sah wütend den Butler an. »Darf ich vorschlagen, Sir, daß Sie sich möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt erregen?« redete Parker weiter. »Ich darf Ihnen versichern, daß ich Ihnen helfen möchte.« »Kommen Sie mir bloß nicht mit Tricks«, schrie der Major den Butler an. »Verlassen Sie sofort mein Grundstück - oder ich rufe die Polizei! Wer hat Ihnen überhaupt erlaubt, hier zu erscheinen? Gehen Sie! Mit Tricks brauchen Sie mir nicht zu kommen. Ich weiß längst, was ich zu tun habe. Ich habe meine Lektion gelernt.« Parker sah ein, daß ein vernünftiger Dialog aussichtslos war. Er grüßte erneut und schritt dann durch den schmalen Seitengang zur Straße zurück. Er war recht zufrieden. In seinem Kopf schälte sich immer mehr eine ganz bestimmte Theorie heraus. Er glaubte inzwischen zu wissen, um welche Dinge es hier ging. Als er die Hausecke erreicht hatte, stand er plötzlich den beiden Männern gegenüber. Sie ließen ihn in die Mündung zweier kurzläufiger Revolver
blicken und forderten ihn auf, sich an einer Rundfahrt durch die Stadt zu beteiligen. »Solch einer freundlichen Einladung kann ich einfach nicht widerstehen«, antwortete Parker in seiner höflichen Art. »Ich bin schon jetzt davon überzeugt, daß Sie meiner bescheidenen Wenigkeit Dinge bieten werden, die mich überraschen.« * Besondere Sehenswürdigkeiten zeigten die beiden Männer dem Butler allerdings nicht. Er saß neben jenem Mann, der die freundliche Stimme besaß, auf dem Rücksitz des Ford. Der Mann hatte den Lauf der Waffe gegen Parkers Hüfte gepreßt und schien sehr mißtrauisch zu sein. Er wollte erst mal wissen, wer Parker war. »Meinen Namen nannte ich Ihnen bereits«, erinnerte Josuah Parker. »Ich habe die Ehre und den Vorzug, der Butler Lady Simpsons sein zu dürfen.« »Sind Sie sicher?« fragte der Freundliche. Seine Stimme klang spöttisch. »Vollkommen«, gab Parker zurück. »Sind Sie nicht zufällig von einem gewissen Herb Falters angeheuert worden?« fragte der Freundliche weiter. »Könnte doch sein, oder?« »Ein Herr namens Herb Falters ist mir unbekannt.« »Die Butlermasche ist nicht schlecht«, stellte der Nasale vom Steuer her fast anerkennend-belustigt fest. »Sieht verdammt seriös aus.« »Sie können versichert sein, meine Herren, daß ich dem Beruf eines But-
lers nachgehe«, antwortete Parker gemessen. »Und was wollten Sie vom Major?« fragte der Nasale. »Mich trieb das zu ihm, was man gemeinhin die nackte Neugier nennt«, entgegnete Parker. »Wenn Sie gestatten, werde ich das näher erklären.« »Okay, wir gestatten.« Der Nasale nickte vom Steuer her. »Bei meinen kleinen Ausgängen, um ein wenig frische Luft zu schnappen, fielen mir zerstörte Vorgärten und beschmierte Hausfassaden auf«, sagte Butler Parker gespielt naiv und ahnungslos. »Und erstaunlicherweise entdeckte ich diese Unschönheiten in einem ganz bestimmten, meiner Ansicht nach abgegrenzten Areal.« »Ein schlaues Bürschchen, wie?« Der Freundliche lächelte und wandte sich an seinen Begleiter vorn am Steuer. »Ich erlaubte mir daraufhin einige Gedanken zu machen.« »Was Sie nicht sagen, Parker!« Der Freundliche nickte. »Reden Sie weiter!« »Ich kam zu dem Schluß, daß dies nicht ohne bestimmte Gründe geschehen ist und noch geschieht.« »Wir haben's ja mit 'nem richtigen Detektiv zu tun«, rief der Mann nasal von vorn nach hinten. »Vielen Dank, Sir, ich fasse Ihre Bemerkung als ein Kompliment auf!« Parker nickte. »Ich muß gestehen, daß Kriminalromane meine geheime Leidenschaft sind.« »Und jetzt wollen Sie 'rausbekommen, warum sich da so gewisse Dinge tun, wie?« Der Freundliche tat ebenfalls naiv. »In der Tat, so möchte ich es ausdrücken.«
»Und was vermuten Sie, Mr. Parker?« Der Druck des Revolvers minderte sich ein wenig. Der Freundliche schien der Ansicht zu sein, daß man es mit einem einfältigen Mann zu tun hatte. »Ich las vor geraumer Zeit einen Kriminalroman, der an sich nicht besonders spannend war«, schickte Josuah Parker voraus. »Das Motiv für die Schreckenstaten hingegen scheint sich mit dem hier zu decken.« »Und das Motiv sah wie aus?« wollte der Fahrer wissen. »Erpressung, Nötigung, Psychoterror«, antwortete Parker. »So ganz ohne Grund?« wunderte sich der Freundliche gespielt. »Man wollte damit Bauern zwingen, ihre Farmen zu verkaufen«, redete Parker weiter. »Besagter Grund und Boden war für den Bau einer Firmengroßanlage vorgesehen. An dieser Stelle soll und muß ich darauf hinweisen, daß die Industriegruppe selbstverständlich nichts von diesen üblen Machenschaften ahnte.« »Und sowas spielt, sich Ihrer Ansieht nach jetzt in Chelsea ab?« tippte er Freundliche an. »Ich neige dazu, diese Frage zu bejahen«, antwortete Josuah Parker. »Sehr schön«, sagte der Freundliche. Seine Stimme wurde fast salbungsvoll. »Wetten, daß Sie in 'ner halben Stunde anders darüber denken werden?« »Könnten Sie sich vielleicht etwas deutlicher ausdrücken?« bat der Butler. »Nach einer Spezialbehandlung werden Sie die ganze Geschichte für immer vergessen«, prophezeite der
Freundliche und lachte leise. »Aber lassen Sie sich überraschen!« »Sie machen meine bescheidene Wenigkeit in der Tat recht neugierig«, gestand Parker, der weiterhin Naivität vortäuschte. * »Ich war zufällig in der Nähe«, behauptete Chief-Superintendent McWarden, ein untersetzter, grimmig aussehender Mann mit leichten Basedowaugen, die ihm das Aussehen einer Bulldogge verliehen. Er leitete ein Sonderdezernat des Yard und trug sein Schicksal mit mehr öder weniger Fassung, es immer wieder mit Lady Simpson und Butler Parker zu tun zu haben. »Sie arbeiten also an einem Fall, den Sie wieder mal nicht lösen können«, stellte Agatha Simpson ironisch fest. »Aber das wundert mich schon lange nicht mehr.« »Mr. Parker ist nicht zufällig zu Hause, Mylady?« erkundigte McWarden sich und schluckte die Ironie, zog aber ein saures Gesicht. »Er vertritt sich die Füße«, antwortete die Detektivin. »Aber was das bedeutet, wissen wir ja, nicht wahr?« »Sie, ähem, Sie arbeiten an einem neuen Fall?« wollte McWarden ziemlich ungeniert wissen. »Wollen Sie mich etwa ausfragen, Mc Warden?« »Darf ich Ihnen etwas anbieten, Sir?« schaltete Kathy Porter sich ein. »Mister McWarden wird sicher nicht lange bleiben«, durchkreuzte die Hausbesitzerin diesen Plan und bedachte ihre Gesellschafterin mit einem vernich-
tenden Blick. »Und zudem ist der Sherry ausgegangen.« »Ich brauche nichts«, meinte McWarden gereizt. »Herzlichen Dank für Ihre Gastfreundschaft, Mylady!« »Sie ärgern sich über etwas, wie?« Lady Agatha freute sich. »Ich habe es da mit einem Fall zu tun, der tatsächlich ärgerlich ist«, räumte McWarden ein. »Da weiß man ganz genau, daß brave Menschen erpreßt werden, aber man kann einfach nichts dagegen unternehmen, verstehen Sie, Mylady? Zwei Zeugen hatten sich bereit erklärt, uns Informationen zu liefern, aber sie mußten es bitter bezahlen.« »Vielleicht haben wir doch noch einen Schluck Sherry, Miß Porter, oder nicht?« Agatha Simpsons Interesse war sofort geweckt worden. Ihre Frage nach dem Sherry kam jedoch zu spät. Kathy Porter servierte ihn bereits. »Genieren Sie sich nicht, McWarden«, forderte die ältere Dame ihren Besucher auf, der seine fünfzig Jahre erreicht hatte. »Natürlich werde ich Ihnen wieder mal helfen.« »Es geht um seltsame Immobiliengeschäfte, Mylady«, begann der Chief-Superintendent, nachdem er von dem köstlichen alten Sherry getrunken hatte. »Wir haben den Verdacht, daß Hausbesitzer gezwungen werden, ihre Grundstücke und Häuser zu wahren Spottpreisen zu verkaufen. Es handelt sich um Objekte in allerbester Wohnlage. Aber wie. gesagt, wir .bekommen keine Informationen.« »Und wie zwingt man die Hausbesitzer zum Verkauf?« Lady Simpson warf Kathy Porter einen
triumphierenden Blick zu. »Man setzt sie unter körperlichen und seelischen Druck, nicht wahr?« »Das vermuten wir, Mylady. Nein, noch anders ausgedrückt, wir wissen es sogar, aber wir können nicht einschreiten. Wie schon gesagt, wir haben keine Zeugen und damit leider auch keine Beweise.« »Das wird sich ändern, McWarden.« »Sie sagen das in einem Ton, Mylady, als ob Sie bereits mehr wüßten?« McWarden wurde sofort hellhörig. »Ich weiß gar nichts, McWarden, gar nichts.« »Um welchen Stadtteil handelt es sich, Sir?« schaltete Kathy Porter sich ein. »Da haben wir es mit Chelsea zu tun, dann mit Kensington und schließlich auch noch mit Belgravia. Ich sagte ja schon, zwei Zeugen, die sich zur Verfügung stellen wollten, ja, die eigentlich schon Anzeige erstattet hatten, spielten plötzlich nicht mehr mit.« »Wieso mußten diese beiden Zeugen ihre Aussagebereitschaft bitter bezahlen, Sir?« fragte Kathy Porter weiter. »Sie liegen im Krankenhaus«, antwortete der Chief-Superintendent. »Einer von ihnen wurde von einem Auto angefahren, dessen Fahrer nicht ermittelt werden konnte. Der zweite Zeuge stürzte eine steile Treppe hinunter, wie er sagt, aber ich vermute, daß er genau weiß, daß er gestoßen wurde.« »Ich werde mich dieser Dinge annehmen, McWarden«, reagierte die ältere Dame aufgebracht. »Warum kommen Sie erst jetzt damit zu mir?« »Die Dinge liegen erst seit einigen Tagen oder gut anderthalb Wochen zu-
rück, Mylady«, entschuldigte McWarden sich. »Wir dachten, wir würden sie allein in den Griff bekommen, aber...« »Ist bekannt, Sir, wie viele Häuser inzwischen in den drei Stadtteilen verkauft wurden?« wollte Kathy Porter wissen. »Nein, leider nicht. Verkäufe sind schließlich Dinge, in die die Polizeibehörde sich nicht einschalten kann und darf. Sie kennen doch unsere Gesetze, Miß Porter.« »Ich glaube, daß sich hier ein Thema für meinen Bestseller anbietet«, vermutete die Detektivin und blitzte den Chief-Superintendent an.« Diese Subjekte werden bald von mir hören.« »Werden Sie Mr. Parker verständigen, Mylady?« »Ich werde ihn natürlich informieren, sonst ist er beleidigt«, sagte Lady Agatha. »Sie wissen doch, wie sensibel er ist.« * »Sind Sie sicher, meine Herren, daß Sie sich auf dem rechten Weg befinden?« fragte Parker doppelsinnig. Er zeigte noch immer die ahnungslose Naivität und schien sich zu wundern, daß seine beiden Begleiter ihn in der Nähe von Paddington Station in einer Doppelgarage aussteigen ließen. Sie hatten eine schmale Toreinfahrt und einen engen Hinterhof passiert und standen mit dem Ford in einer großen Garage. Der Mann mit der nasalen Stimme schloß das Tor, während der Freundliche neben dem Butler stehen blieb und ihm nach wie vor den Revolverlauf in die rechte Hüfte preßte.
»Wir sind richtig, Parker«, meinte der Nasale, nachdem er das Tor geschlossen hatte. »Nur noch ein par Schritte, ja? Dann haben Sie's geschafft.« »Sie beabsichtigen doch nicht etwa, sich an einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann zu vergreifen?« Ein erster Unterton der Sorge klang in Parkers Stimme. »Es handelt sich nur um'n kleines Privatgespräch«, meinte der Freundliche. »Danach werden Sie bestimmt nicht mehr neugierig sein.« »Ich würde meinen, daß ich meiner Neugier bereits jetzt und hier abschwören könnte«, versprach Josuah Parker. »So einfach wollen wir's aber doch nicht machen, oder?« Der Nasale ging voraus. Er öffnete eine Seitentür, hinter der eine schmale Treppe in ein Haus führte. Nach ein paar Stufen war wohl das Erdgeschoß erreicht. Parker sah sich in dem Zimmer um, in das man ihn führte. Es war nur mittelgroß, und die Fenster waren mit schweren Blendläden verschlossen. Die Tür in den angrenzenden Raum war dick wattiert. Die beiden Männer steckten erst mal ihre Schußwaffen weg und griffen nach Kabelenden, die mit Wollappen umwickelt waren. Sie ließen die Schlaginstrumente probeweise durch die Luft zischen. Parker täuschte Angst vor und wich gegen die nackte Wand zurück. Der Raum bot übrigens keine Ausweich- oder Schutzmöglichkeit. Er war völlig unmöbliert bis auf einen Tisch, der unter einem geschlossenen Fenster stand. »Das Verfahren ist ganz einfach«, sagte der Mann nasal und grinste.
»Wer hier wieder 'rauskommt, erinnert sich an nichts mehr und ist auch nicht mehr neugierig.« »Weil er weiß, daß wir ihn sonst noch mal zu uns einladen«, fügte der Freundliche lächelnd hinzu. »Und noch mal und solange, bis er kapiert! Haben wir uns deutlich genug ausgedrückt?« »Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie meiner bescheidenen Person körperliche Pein zufügen wollen?« fragte der Butler bestürzt. »Richtig«, antwortete der Mann nasal und näherte sich dem Butler. Er übersah leichtsinnigerweise den altväterlich gebundenen Regenschirm, der noch immer korrekt am linken Unterarm des Butlers hing. »Wir bringen Sie nachher sogar wieder zurück«, meinte der Freundliche. »Aber jetzt erst mal zur Sache, Mr. Parker, oder wie Sie sonst heißen mögen! Sie arbeiten also für Herb Falters, wie?« Auch er übersah den UniversalRegenschirm des Butlers. Für ihn war der nur ein Gerät, um das niederschlagreiche Londoner Wetter abzuwehren. »Mr. Herb Falters?« wiederholte Parker, um sich den Namen genau einzuprägen. »Meinen Sie Mr. Falters aus dem Eastend, meine Herren?« »Wir meinen Herb Falters aus Soho, Mr. Parker.« Der Mann mit der nasalen Stimme wurde hochmütig und ... wollte blitzschnell mit seinem Kabelende zuschlagen. Er führte diesen Schlag auch tatsächlich aus, doch sein Ziel traf er nicht. Parkers Regenschirm war wesentlich schneller.
Wie ein Florett schoß die Stahlspitze vor und traf genau den Solarplexus des Schlägers. Er traf ihn nachhaltig. Der Mann näselte plötzlich nicht mehr, sondern grunzte unmelodisch und keuchte. Seine zum Schlag erhobene Hand blieb unbeweglich in der Luft stehen, während das Kabelende zu Boden fiel. Der Mann war wie gelähmt. Der Freundliche stierte fasziniert auf die Szene, mit der er natürlich nicht gerechnet hatte. Dann aber wollte er ebenfalls zuschlagen, doch auch er erlitt eine peinliche Niederlage. Die improvisierte Florettspitze bohrte sich in seinen rechten Oberarm und schien dort einen empfindlichen Nerv getroffen zu haben. Der Freundliche ließ sein Schlaginstrument ebenfalls fallen und vergoß einige dicke Tränen. »Sie dürfen versichert sein, meine Herren, daß mir Gewalt äußerst fern liegt«, entschuldigte sich Parker. »Eine informative Unterhaltung wäre mir wesentlich lieber.« Aber die wollten sie nicht haben. Die beiden Männer erholten sich von ihrer Erstarrung und stürzten sich mit schwingenden Fäusten auf den Butler, der ein wenig zurückwich. »Sie ahnen nicht, wie peinlich mir das alles ist«, sagte Josuah Parker, bevor er dann mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Regenschirms gezielt, aber nicht zu hart, zuschlug. * »Weiter, weiter«, drängte Lady Simpson, wobei ihre Augen freudig funkelten. »Ich hoffe, Sie haben die beiden Subjekte anschließend in ein Spital bringen müssen.«
»Mitnichten und keineswegs, Mylady«, erwiderte Parker, der sich wieder im altehrwürdigen Stadthaus seiner Herrin eingefunden hatte und Bericht erstattete. »Ich war so frei, den beiden Herren eine kleine Lektion zu erteilen, mehr nicht.« »Guter Gott, wann treten Sie endlich der Heilsarmee bei?« wollte die kriegerische Dame wissen. »Diese Frage, Mylady, stellte sich mir bisher noch nicht«, beantwortete Parker diese Frage, wobei Kathy Porter, die sich ebenfalls im Salon befand, ein aufsteigendes Lächeln gerade noch unterdrücken konnte. »Haben Sie die beiden Subjekte wenigstens mitgebracht?« fragte Lady Agatha weiter. »Wenn Sie's schon nicht können, dann werde ich es eben tun müssen. Sie werden mir sagen, von wem sie bezahlt werden.« »Ich war so frei, Mylady, die beiden Herren in ihrem Quartier zurückzulassen«, gestand Parker. »Eine Befragung würde nichts erbringen, wie ich vermute. Der Mann mit der nasalen Stimme heißt übrigens Charles Shoon und stammt aus Liverpool. Der Mann mit den freundlichen Manieren ist ein gewisser Lester Crown, der ebenfalls in Liverpool beheimatet ist.« »Aber diese beiden Lümmel arbeiten doch nicht auf eigene Rechnung, oder?« Agatha Simpsons Stimme grollte bereits wieder. »Mit Sicherheit nicht, Mylady«, erwiderte Parker. »Ich habe mich in ihrer Notwohnung ein wenig umgesehen. Notwohnung deshalb, weil die Herren sich wirklich nur auf Zeit eingerichtet haben. Ich fand in einem banalen Versteck, nämlich unter einer Fußbodendiele, den Betrag
von zweitausend Pfund in kleinen Banknoten.« »Haben Sie wenigstens das Geld mitgenommen?« »In der Tat, Mylady! Man wird es einer caritativen Organisation zuleiten, wenn ich dies vorschlagen darf.« »Sorgen haben Sie!?« Die Detektivin schüttelte den Kopf. »Haben Sie denn kein Verhör angestellt, Mr. Parker? Von wem stammen die zweitausend Pfund? Für wen terrorisieren sie diese Hausbesitzer? Wer sind die wirklichen Drahtzieher? »Darüber lassen sich wohl nur Vermutungen anstellen, Mylady.« »Welche, Mr. Parker? Ich bestehe darauf, daß Sie mir nichts verschweigen.« »Diesen recht ungewöhnlichen und interessanten Fund erlaubte ich mir zu machen, Mylady.« Während Parker noch redete, präsentierte er seiner Herrin einen Mokkalöffel. »Wollen Sie meinen Sinn für Humor prüfen?« Agatha Simpsons Augen blitzten. »Dies, Mylady, würde ich mir niemals gestatten«, schickte der Butler gemessen voraus. »Darf ich Mylady bitten, einen Blick auf die Gravur zu werfen?« Der Mokkalöffel stammte mit Sicherheit nicht aus einem Kaufhaus, wie Kathy Porter sofort feststellte. Er war mit kunstvollen Ornamenten geschmückt und stellte einen Wert dar. »Was sind denn das für Zeichen?« fragte Agatha Simpson und wog den Mokkalöffel prüfend auf der flachen Hand. »Schweres Silber, würde ich sagen.« Sie reichte den Mokkalöffel an Kathy Porter weiter, schaute sich die
Gravur einen Moment an und nickte dann! »Arabische Schriftzeichen«, meinte sie und sah den Butler abwartend an. »Arabische Schriftzeichen mit einer Art Krone«, bestätigte Josuah Parker. »Man sollte vielleicht der Frage nachgehen, Mylady, wie dieser wertvolle Mokkalöffel in den Besitz der Herren Shoon und Crown gelangt ist. Daraus ergeben sich dann möglicherweise weitere Erkenntnisse!« * Es war spät geworden. Josuah Parker unternahm seinen üblichen Rundgang durch das altehrwürdige Haus seiner Herrin und überzeugte sich, daß sämtliche Sicherheitseinrichtungen eingeschaltet waren. Das stilvolle Fachwerkhaus war in der Vergangenheit schon häufig das Ziel nächtlicher Besucher gewesen, die allerdings samt und sonders ihre Überraschungen erlebt hatten. Das Gebäude war im Grund eine raffiniert gesicherte Festung mit mehr als nur einem doppelten Boden. Selbst der geschickteste Dieb hätte hier sein Waterloo erlebt. Parker hatte sich dieses System einfallen lassen und die Sicherungen zum Teil selbst eingebaut. Ihm ging es darum, den Schlaf der Hausherrin zu schützen. Parker rechnete mit Besuchern. Nicht umsonst hatte er den Grillfreunden seine Visitenkarte hinterlassen. Seiner Erfahrung nach würden diese Fanatiker in den nächsten Stunden versuchen, ins Haus einzudringen. Rache wurde in Kreisen
der Unterwelt stets groß geschrieben, wie er ebenfalls aus Erfahrung wußte. Nach seinem Rundgang begab er sich in das Souterrain des Hauses, wo sich seine privaten Räume befanden. Er bewohnte hier eine kleine Zimmerflucht, an die sich sein Labor anschloß, eine Art überdimensional große Bastelstube, die mit allen technischen Raffinessen eingerichtet war. Hier erfand und baute der Butler seine technischen Spielereien und Überraschungen, die seine Gegner immer wieder verwirrten und vor Rätsel stellten. In dieser Bastelstube öffnete der Butler den Waffenschrank. Er entschied sich in Anbetracht der späten Stunde für ein echtes Blasrohr, das aus den Wäldern des Amazonas stammte. Es war fast drei Meter lang und erlaubte ein präzises Zielen. Parker suchte sich einige Blasrohrpfeile aus, deren Spitzen er sorgfältig untersuchte. Dann trug er das Blasrohr samt der dazu passenden Munition nach oben ins Haus und verschwand in einem Wandschrank, der in der großen Wohnhalle stand. Nach wenigen Minuten verließ er einen anderen Wandschrank, der bereits in der Wohnung eines zweiten Fachwerkhauses stand, das sich rechtwinklig an das Haus der Lady Simpson anschloß. Es gab hier Geheimgänge, die nur die Eingeweihten kannten. Die benachbarten Häuser an diesem kleinen Platz gehörten ausnahmslos der älteren Dame und waren unbewohnt. Sie standen deshalb leer, um ahnungslose Mieter nicht zu gefährden. Wie bekannt war das eigentliche Haus der Lady immer wieder das Ziel harter und
brutaler Gangster, die keine Rücksicht übten. Parker nahm an einem Fenster im Obergeschoß des Nachbarhauses Platz und genoß den Frieden der Nacht. Dieser kleine Platz in Shepherd's Market war tatsächlich so etwas wie eine Oase. Vom Lärm der Millionenstadt war hier so gut wie nichts zu sehen oder zu vernehmen. Parker hing seinen Gedanken nach, die um den Mokkalöffel kreisten. Wie war er in den Besitz der beiden Gauner Shoon und Crown gelangt? Warum hatten sie diesen Löffel ebenfalls in das Geldversteck gelegt? Es konnte nicht der Silberwert allein gewesen sein. Dieser Mokkalöffel mußte für Shoon und Crown sonst noch wichtig sein. Für den nächsten Tag beabsichtigte Parker, die Gravur auf dem Löffel von einem Orientalisten deuten zu lassen. Dann wußte man wohl schon mehr. Inzwischen hatten Shoon und Crown natürlich längst das Verschwinden der zweitausend Pfund und des Mokkalöffels entdeckt. Wie würden sie darauf reagieren? Beabsichtigten sie ebenfalls, noch in dieser Nacht hier zu erscheinen? Gerieten sie dann mit der Gruppe der Grillfreunde zusammen? Trafen sie auch auf die Sprühdosenkünstler? Gehörten die Grillfreunde und Wandmaler zu einer Gruppe, die vielleicht von Herb Falters geleitet wurde? Dieser Name war von den beiden Gangstern Shoon und Crown wiederholt genannt worden. Herb Falters war für sie Konkurrenz, das hatte Parker unschwer herausgehört. Vor welchem Hintergrund sich das alles abspielte, hatte Chief-Superinten-
dent McWarden deutlich gemacht. Agatha Simpson hatte ausführlich über ihre Unterhaltung mit McWarden berichtet. Grundstücke und Häuser sollten auf dem Umweg über Terror aller Art verkauft werden. Wer hatte diesen Terror ausgelöst? Wer wollte sich in den Besitz der Immobilien bringen und dann an wen verkaufen? Daß es hier um Riesengeschäfte und beträchtliche Summen ging, lag auf der Hand. In den Stadtteilen Chelsea, Kensington 'und Belgravia wurden die Quadratmeter praktisch mit Gold aufgewogen. Parker reagierte äußerst gelassen, als eine kleine rote Signallampe vor ihm aufflackerte. Sie befand sich auf einem schmalen, schwarzen Kästchen, das kaum größer war als eine Zigarettenpackung. Dieses Warnzeichen sagte ihm, daß ein Sensor auf eine Bewegung zur Einfahrt in den quadratischen Platz, an dem die Häuser lagen, angesprochen hatte. Butler Parker griff nach seinem Nachtsichtgerät und beobachtete vier Männer, die von der Durchgangsstraße kamen und sich vorsichtig an das Blumenbeet heranpirschten, das sich in der Mitte des kleinen Platzes befand. Es war also soweit! * Ihr Plan war mehr als einfach. Jeder Gangster trug zwei kleine Plastikkanister, die mit Benzin gefüllt waren. Der Inhalt dieser Kanister sollte gegen die Vorderfront des Fachwerkhauses gespritzt werden. Dann brauchte man nur noch ein Streichholz, um es
dieser alten Lady und ihrem Butler mal gründlich zu zeigen. Sie gingen hintereinander und legten am Blumenbeet eine Verschnaufpause ein. Hier wollten sie sich darüber einig werden, wie man die Hausfront unter sich aufteilte. Mit Zwischenfällen rechneten die vier jungen Kerle überhaupt nicht. Einer stellte gerade seinen Kanister ab, als er einen stechenden Schmerz in der linken Gesäßhälfte verspürte. Er zuckte zusammen, fuhr unwillkürlich herum und suchte nach dem Verursacher dieser Pein. Er wollte sich an seinen Nebenmann wenden, doch auch der zuckte gerade in diesem Moment zusammen und faßte nach seiner rechten Gesäßhälfte. »Was soll das?« fragte er und wandte sich dem zuerst Getroffenen zu. »Was?« fragte der und spürte einen bleierne Schwere in seinen Gliedern. »Das!« Der zweite Gangster wollte noch seine stechende Gesäßhälfte betasten, aber seine Kräfte reichten schon nicht mehr aus. Er schaffte es noch nicht mal, herzhaft zu gähnen, obwohl ihm danach zumute war. Er legte sich auf die Seite, zog die Knie an und schloß die Augen. Er schlief noch schneller ein als der Gangster, den es zuerst erwischt hatte. »Wir nehmen die linke Hausseite«, sagte der dritte Gangster und nickte seinem Nebenmann zu. Doch der reagierte nicht. Er fiel kopfüber in die weiche Beeterde und rollte dann zur Seite. »Hei, was ist?« fragte der vierte Gangster überrascht. »Laß den Blödsinn!«
Dann fuhr er hoch, als sei er von einem Rieseninsekt gestochen worden. Er jaulte verhalten auf und langte nach seinem Gesäß, in das sich ein Stachel gebohrt zu haben schien. Er fühlte gerade noch, daß da tatsächlich ein mindestens stricknadellanger Stachel im Fleisch war, doch dann schwanden auch ihm die Sinne. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern gähnte er noch schwach, doch dann schob sein Oberkörper sich in die Blumenpracht, und der Mann blieb danach regungslos liegen. * »Die lassen sich verdammt viel Zeit«, ärgerte sich Jeff Ventor. Er saß zusammen mit seinem Partner Ben Laners im Fahrerhaus des kleinen Kastenlieferwagens und wartete sehnsüchtig darauf, daß wilde und gierige Flammenzungen an der Hausfassade hochzüngelten. Bisher war dieses Schauspiel ausgeblieben. »Die Jungens wollen's eben besonders gründlich machen«, antwortete Ben Laners beruhigend. »Wenn schon, denn schon! Die haben immerhin 'nen ganz schönen Zorn im Bauch.« Die beiden Anführer der Grillfreunde und Fassadensprüher warteten also weiter, wurden jedoch nach etwa dreiundvierzig Sekunden leicht nervös. Es hatte sich noch immer nichts getan. »Das haut doch nicht hin«, ärgerte Jeff Ventor sich. »Ich hätte mitgehen sollen.« »Und deine Hand?« erkundigte Ben Laners sich skeptisch. »Eben!« Jeff Ventor dachte an seine mißhandelte Rechte, deren Finger immer noch verstaucht waren. Der
Schlag gegen die Melonenwölbung zeitigte eine nachhaltig starke Wirkung. »Ob ich mal nachsehen soll?« fragte Ben Laners. »Irgendwas kann da doch nicht stimmen.« »Verrückt, wie?« Jeff Ventor schüttelte den Kopf und zeigte mit dem linken Daumen nach hinten in den Aufbau des kleinen Kastenlieferwagens. »Wir schicken die Reserve 'rüber.« Dagegen hatte Ben Laners nichts einzuwenden. Als Anführer einer Gruppe hatte man schließlich aus der richtigen Entfernung heraus seine Leute einzusetzen. Wozu war man schließlich Vormann? Er öffnete das kleine Schiebefenster und brachte sein Gesicht an die Öffnung. »'raus«, sagte er knapp zu den noch vorhandenen vier jungen Burschen, die eigentlich recht froh waren, sich endlich auch mal in Szene setzen zu können. »Paßt aber auf, irgendwas könnte da drüben an dem Fachwerkschuppen nicht stimmen!« Die Schläger stahlen sich vorsichtig aus dem Kastenaufbau, formierten sich und verschwanden wenig später in der Dunkelheit. Sie pirschten sich an den kleinen Platz heran, der von den hübschen, alten Fachwerkhäusern umstanden war. Sie erreichten das Blumenbeet und suchten hier nach ihren Freunden. Nichts! Sie tuschelten miteinander, waren einen Moment ratlos und kamen dann zu dem zwingend logischen Schluß, ihre Freunde müßten wohl schon drüben am Haus sein. Es bot sich also
an, sie dort zu suchen und ihnen unter Umständen zu helfen. Sie trugen übrigens keine Benzinkanister und ahnten nicht, wie positiv sich das für sie auswirkte. Sie erreichten die Hausfront und suchten hier nach den Feuerteufeln. Doch sie fanden und hörten nichts. Ihre Vorgänger waren wie vom Erdboden verschwunden. Sie schienen sich in Luft aufgelöst zu haben. Das machte sie natürlich unsicher. Sie beratschlagten leise miteinander und traten schleunigst den Rückmarsch an, legten ein äußerst schnelles Tempo vor und hatten den Kastenlieferwagen schon nach wenigen Minuten erreicht. »Nun?« fragte Jeff Ventor, der die Oberleitung des Unternehmens hatte. »Nichts«, sagte einer der vier jungen Schläger und schüttelte den Kopf. »Die sind nich' mehr da.« »Vielleicht sind sie im Haus?« fragte Ben Laners. »Die Tür is' zu«, sagte der junge Bursche. »Un' die hätten sie ja bestimmt aufgelassen, oder?« »Und jetzt?« Ben Laners sah Jeff Ventor fragend an. »Keine Ahnung.« Jeff Ventor brach unter der Last der Verantwortung fast zusammen. »Ich glaube, wir hauen erst mal ab, oder?« »Und was wird Falters sagen?« »Is' mir egal«, gab Jeff Ventor zurück. »Hier stimmt doch was nicht. Und Benzin haben wir ohnehin keins mehr.« Die Männer stiegen ein, der kleine Kastenlieferwagen setzte sich in Bewegung. Er transportierte professionelle Rowdys, die jetzt allerdings einen ratlosen und nervösen Eindruck machten. Immerhin waren
vier ihrer Freunde wie durch Zauberei verschwunden. * »Hatten Mylady eine angenehme Nacht?« erkundigte sich Parker am anderen Morgen. Er servierte seiner Herrin das Diätfrühstück. Lady Agatha hatte sich vor einigen Wochen entschieden, etwas gegen ihre ausgeprägte Fülle zu unternehmen und sich auf schmale Kost gesetzt. »Ich habe selbstverständlich kaum ein Auge zugetan«, behauptete die Sechzigjährige wie gewöhnlich. »Während Sie wahrscheinlich wie ein Murmeltier schliefen, habe ich über unseren neuen Fall nachgedacht!« »Mylady sind zu einem ersten Urteil gekommen?« »Was dachten denn Sie, Mr. Parker?« Sie schaute ihn streng an. »Ich werde ab sofort die Initiative ergreifen. Ich werde diesem Terror ein Ende bereiten.« Nach dieser mehr als pauschalen Feststellung widmete sie sich ihrem frugalen Frühstück. Es bestand aus einigen gegrillten Würstchen, Eiern mit Speck und einigen Scheibchen Lachs. Dazu aß sie nur drei Scheiben Toast, die sie recht oberflächlich mit Landbutter bestrich, also immerhin knapp unter vier Millimeter blieb. Dazu erfrischte sie ihren Körper noch mit Obstsaft, der mit einem Schuß Kognak versetzt war, mit Rumtee und mit einigen wenigen Käsesorten. »Das kann nur McWarden sein«, seufzte sie auf, als die Türglocke sich meldete. »Vielleicht Neuigkeiten, die Myladys Fall betreffen«, deutete
Parker an, verließ das kleine Speisezimmer und sah sich wenig später dem Chief-Superintendent gegenüber, der ihn aus schmalen, prüfenden Augen musterte. »Darf ich mir erlauben, einen besonders schönen Morgen zu wünschen, Sir?« fragte Parker. »Ich störe doch hoffentlich nicht, wie?« McWarden schnüffelte. »Mylady frühstückt, Sir.« »Ich werde nicht lange bleiben«, versprach der Chief-Superintendent und ließ sich von Parker ins Zimmer führen. Er verbeugte sich knapp. »Immer im Dienst, nicht wahr?« spöttelte die ältere Dame. »Sie sehen schlecht aus, McWarden. Haben Sie Sorgen?« »Ein Gedeck für den Chief-Superintendent?« fragte Parker. »Sie werden doch hoffentlich schon gefrühstückt haben, oder?« Agatha Simpson warf schnell einen abschätzenden Blick auf ihre Diäteinheiten. »Nur eine Tasse Tee«, bat McWarden. »Ich habe nicht viel Zeit. Auf mich warten anstrengende Verhöre. Vor einigen Stunden ist da nämlich eine verrückte Geschichte passiert.« »Beneidenswert, McWarden«, antwortete die Detektivin. »Mein Leben verläuft leider recht ereignislos.« »In Finsbury, Sie wissen, Mylady, im Nordosten der Stadt, hörten Passanten Klopfsignale unter der Straßendecke.« »Es wird sich um Bauarbeiter gehandelt haben.« »Sie kamen aus einem Gully, Mylady. Die Passanten verständigten die Polizei, die ihrerseits die
Feuerwehr alarmierte. Es dauerte eine ganze Weile, bis man Kontakt mit den Personen aufnehmen konnte, die sich im Sammler eines Abwasserkanals verirrt hatten.« »Es handelte, wie ich Ihren Worten entnehmen muß, um mehrere Personen, Sir«, schaltete Josuah Parker sich würdevoll ein. »Genau um vier Männer«, bestätigte McWarden und warf dem Butler erneut einen prüfenden Blick zu. »Sie machten einen völlig verstörten und erschöpften Eindruck.« »Wer wandert auch schon freiwillig in Abwässerkanälen herum?« wunderte sich Lady Agatha. Nun beobachtete auch sie ihren Butler. »So freiwillig sind diese vier jungen Kerle ganz sicher nicht in das Kanalsystem geraten«, redete der Chief-Superintendent weiter. »Sie waren untereinander mit Handschellen verbunden.« »Was Sie nicht sagen!« Agatha Simpson räusperte sich. »Und dann war da noch etwas«, zählte McWarden weiter auf. »Die Handschellen waren durch die Tragegriffe von Plastikkanistern geführt worden. Sie wissen schon, sie konnten so unterwegs nicht weggeworfen werden. Eine flüchtige Untersuchung hat ergeben, daß die Kanister mit Benzin gefüllt gewesen sein müssen.« »Was soll ich dazu sagen, Mr. Parker?« Lady Agatha wandte sich an ihren Butler. »Ja, was sagt man dazu?« fragte auch der Chief-Superintendent. »Wir haben uns die vier Männer natürlich näher angesehen. Alle vorbestraft wegen Körperverletzung. Es handelt
sich um lange Listen. Wie können solche Burschen in das Kanalsystem gekommen sein? Und dazu noch in dieser Aufmachung? Da macht man sich doch so seine Gedanken, nicht wahr?« »Sie drängen sich geradezu auf, Sir«, pflichtete Josuah Parker dem ChiefSuperintendent bei. »Sie wissen zufällig nichts darüber, Mr. Parker?« erkundigte sich McWarden. »Mir ist unerfindlich, Sir, wie die vier Herren nach Finsbury gelangten«, lautete Parkers Antwort. »Wurden sie in Haft genommen?« »Man wird sie noch heute wieder auf freien Fuß setzen müssen. Sie haben schließlich nichts Kriminelles getan.« »Aber sie werden doch gesagt haben, wer sie in die Kanäle geschickt hat, oder?« erkundigte sich Lady Agatha. »Darüber verweigern sie jede Auskunft, Mylady. Sie wollen in einem Lokal bei den East India Docks betäubt und ausgeraubt worden sein. Wir sind nicht in der Lage, ihnen das Gegenteil zu beweisen.« »Benzinkanister!« Agatha Simpson ließ das Wort auf der Zunge zergehen. »Was mögen diese Subjekte wohl vorgehabt haben?« »Da ist man nur auf Vermutungen angewiesen, Mylady.« »Und die wären?« Sie sah den YardMann erwartungsvoll an. »Brandstiftung«, erwiderte Chief-Superintendent McWarden. »Aber fragen Sie mich nicht, Mylady, an welches Haus die Schläger gedacht haben. Oder haben Sie da vielleicht eine Ahnung?« »Wie sollte ich, McWarden!? Ich weiß ja gar nichts von diesen Leuten.«
»Auch Sie haben keine Vorstellung, Mr. Parker?« »Noch ein wenig Tee?« erkundigte sich der Butler, die Frage überhörend. »Danke, nichts mehr!« McWarden stand auf. »Richtig, was ich noch sagen wollte! Beinahe hätte ich's vergessen. Alle Kanalwanderer klagen über Schmerzen im Gesäß. Sie behaupten, man habe ihnen dort Spritzen ins Fleisch gejagt. Aber vielleicht können es auch Blasrohrpfeile gewesen sein, nicht wahr?« McWarden lächelte spöttisch, verbeugte sich und ließ sich von Parker zur Tür bringen. Man sah es dem Chief-Superintendent deutlich an, daß ihm dieser Abgang imponierte. * Professor Basil Lindby war ein kleiner Mann mit großem Kopf und noch größerer Brille. Er hatte eisgraue, stets forschende Augen und beugte sich tief über den Mokkalöffel, den Butler Parker ihm gereicht hatte. Er brauchte nur wenige Sekunden, bis er die arabische Gravur identifizieren konnte. »Es stammt von Feisal el Achem«, sagte er und reichte Parker den Mokkalöffel fast angewidert zurück. »Völlig neues Stück, überhaupt nichts Antikes.« »Mylady würde gern wissen, wer der Besitzer des Stückes ist«, erwiderte Josuah Parker. Er hatte den Fachwissenschaftler in dessen Haus in Brompton aufgesucht. »Feisal el Achem ist der Scheich eines winzig kleinen Königtums am Golf von Oman, Mr. Parker.«
»Ein demnach noch herrschender Monarch, Sir?« »Aber sicher. Können Sie mit dem Begriff Oman überhaupt etwas anfangen?« Professor Lindby sah den Butler streng an, als habe er einen Prüfling vor sich. »Meiner bescheidenen Kenntnis nach, Sir, dürfte dieses Scheichtum sich an der Ostküste der arabischen Halbinsel befinden, genauer gesagt wohl in der Nachbarschaft so bekannter Scheichtümer wie Dubai, Maskat und Oman.« »Richtig, setzen, äh, Sie sind gut informiert, Mr. Parker. Der Scheich von Achem ist steinreich. Man hat vor einigen Jahren riesige Ölfelder gefunden, die jetzt erschlossen werden. Bis vor etwa fünf Jahren war das Scheichtum so unbedeutend, daß man überhaupt nicht davon sprach.« »Scheich Feisal el Achem wird mit Sicherheit erfreut sein, wenn man ihm den Mokkalöffel zurückerstattet.« »Ich habe ihn mal gesehen«, erinnerte der Professor. »Ein ziemlich ungeschliffener und ungehobelter Patron, wenn Sie mich fragen, Mr. Parker. Er scheint noch in Begriffen des Mittelalters zu denken. Ich wollte in seinem Scheichtum Grabungen vornehmen, aber er hätte mich um ein Haar auspeitschen oder sogar köpfen lassen. Er hält sich für einen Halbgott.« »Dann werde ich mir erlauben, Mylady von einer Reise in dieses Scheichtum abzuraten«, meinte Parker. »Tun Sie das nur ja, Mr. Parker! Sie würde wahrscheinlich böse Überraschungen erleben.« Josuah Parker wechselte noch einige Höflichkeiten mit Professor Lindby,
verließ dann dessen Haus und setzte sich ans Steuer seines hochbeinigen Monstrums. Es handelte sich um ein ehemaliges Londoner Taxi aus grauer Vorzeit, das jedoch nach seinen Wünschen und Vorstellungen auf den neusten Stand der Technik gebracht worden war. Unter dem eckigen Aufbau der Karosserie gab es Delikatessen, wie man sie aus der Welt des Tourenwagenrennsports kannte. Darüber hinaus war dieses seltsame Auto eine Trickkiste auf Rädern, wie mancher Gangster schon viel zu spät erkannt hatte. Parker nutzte die Gelegenheit seines momentanen Alleinseins. Agatha Simpson und Kathy Porter befanden sich im Stadthaus der Detektivin, um wichtige Post aufzuarbeiten. Parker hatte angeblich nur vorgehabt, die Gravur auf dem Mokkalöffel deuten zu lassen. Nachdem er nun wußte, wer der Besitzer des Löffels war, wollte er gleich einen Schritt weitergehen und den Löffel zurückerstatten. Die Adresse war schnell gefunden. Von einer Telefonzelle aus rief Parker einen guten Bekannten im Auswärtigen Amt Ihrer Majestät an. Nach schon drei oder vier Minuten wußte er, daß die Botschaft des Scheichtums Achem im Stadtteil Belgravia lag. Es handelte sich um ein dreistöckiges Haus in einer stillen Straße. Schwere Broncetafeln neben dem Eingang unterstrichen die Bedeutung seiner Bewohner. In dem winzig kleinen Vorgarten stand ein Fahnenmast, an dessen Spitze eine außerordentlich bunte und exotische Flagge wehte.
Butler Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum unter den von Säulen getragenen Vorbau des Hauses, stieg aus und läutete. Hinter der Tür war daraufhin ein nasal klingender Ton zu vernehmen. Sekunden später wurde geöffnet. Zwei Araber in weiten, wallenden Gewändern verbeugten sich vor Parker und kreuzten ihre Arme vor der Brust. Sie waren ungemein höflich. »Ich würde gern eine Fundsache abgeben«, sagte Josuah Parker, nachdem die beiden Orientalen sich wieder aufgerichtet hatten. Während er noch sprach, präsentierte er ihnen den bewußten Mokkalöffel. Was dann erfolgte, überraschte selbst den Butler, den normalerweise kaum etwas aus der Ruhe brachte. Die beiden eben noch höflichen Araber wurden ausgesprochen unhöflich, stürzten sich auf Parker und schleppten ihn ins Haus. * Normalerweise hätte Josuah Parker sich solch eine rüde Behandlung nicht bieten lassen, doch er war neugierig geworden. Er fragte sich, warum der an sich doch recht harmlose Mokkalöffel eine derartig wütendwilde Reaktion ausgelöst hatte. Hatte Professor Lindby ihm nicht deutlich gesagt, daß der kleine Löffel auf keinen Fall ein antikes Stück war und zu einem völlig normalen, wenn auch sehr teuren Besteck gehörte? Wenig später wurde Parker dann doch ein wenig unwirsch. Die beiden Burnusträger wollten ihm die Arme auf den Rücken drehen und noch mehr Gewalt anwenden. Parker leistete die Andeutung von
Widerstand, worauf die beiden Araber sich auf dem Boden wiederfanden. Sie rutschten bis zur Zimmerwand hinüber und blieben dort regungslos liegen. Parker war betroffen. Mit diesem Effekt hatte er nicht gerechnet. Er kümmerte sich um die beiden Schlafenden und fand unter ihren Burnussen je einen Revolver. Er nahm die Waffen an sich und entlud die Trommeln. Nachdem er die Patronen unter das Polster eines Sessel geschoben hatte, steckte er die beiden Waffen zurück in die modernen Schulterhalfter der beiden Männer. Er prüfte den korrekten Sitz seiner schwarzen Melone, legte den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den angewinkelten linken Unterarm und schritt dann würdevoll zur nächsten Tür. Er klopfte und trat ein. Hinter einem mit Blattgold verzierten, riesigen Schreibtisch saß ein europäisch gekleideter Araber, der den Butler irritiert anschaute, um sich dann zu erheben. »Wie kommen Sie hier herein?« fragte der Mann dann in tadellosem Englisch. »Ich gestatte mir, einen wunderschönen Morgen zu wünschen«, antwortete Josuah Parker und lüftete seine schwarze Melone. »Darf ich bei dieser Gelegenheit darauf verweisen, daß Ihre beiden Türsteher nicht gerade über die besten Manieren verfügen?« »Wie ... Wie bitte?« »Sie begegneten meiner bescheidenen Wenigkeit mit dem, was man gemeinhin Brachialgewalt nennt. Mein Name ist übrigens Parker, Josuah Parker.«
»Brachialgewalt?« Der etwa vierzigjährige Mann sah über Parkers Schulter zur Tür, die der Butler gerade passiert hatte. Parker wandte sich um und sah sich erneut den beiden weiß gekleideten Burnusträgern gegenüber, die ihre Revolver gezogen hatten. »Was hiermit zu beweisen ist«, sagte Parker, ohne seine Stimme zu erheben. »Die Manieren des Scheichtums scheinen sich noch nicht ganz dem Normalstandard angepaßt zu haben.« »Was wollen Sie?« fragte der Vierzigjährige und stoppte die beiden Burnus-träger mit einer knappen, herrischen Handbewegung. »Ich möchte ein Fundstück zurückerstatten«, antwortete Parker und präsentierte erneut den bewußten Mokkalöffel. Der Vierzigjährige starrte auf den kleinen Gegenstand, der auf Parkers schwarz behandschuhter Innenhand lag, um sich dann ein Lächeln abzuringen. »Woher haben Sie diesen Mokkalöffel?« fragte er dann. »Er wird also hier im Haus vermißt?« »Seine Hoheit vermissen ihn tatsächlich«, sagte der europäische Gekleidete. »Darf ich jetzt wissen, woher Sie ihn haben?« »Ich fand ihn auf der Straße, um es allgemein mal so zu umschreiben. Sie sind, wie ich vermute, der Sekretär des Scheichs oder Emir? Sie werden verzeihen, daß mir die Titel nicht recht geläufig sind.« »Ich bin der Sekretär des Emirs von Achem«, stellte der Mann sich vor und kam um seinen Blattgoldschreibtisch herum. »Ich heiße Awud Salhut. Sie
haben den Mokkalöffel also auf der Straße gefunden?« »Mir scheint, daß Sie sich das kaum vorstellen können«, antwortete Josuah Parker. »Sie erlauben, daß ich mich Ihrer Auffassung anschließe. Mokkalöffel dieser Art müßten ja erst mal auf solch eine öffentliche Straße verbracht werden.« »Was ... Was wollen Sie damit andeuten?« fragte Awud Salhut. »Nach meinem bescheidenen Verständnis wurde besagter Mokkalöffel hier aus der Residenz des Emir entwendet«, erklärte Parker, der sich vorsichtig weiter an eine Möglichkeit heranpirschte, die er plötzlich entdeckt hatte. »Um aber noch einen kleinen Schritt weiterzugehen: Dieser an sich banale Mokkalöffel könnte vielleicht unter Umständen beweisen, daß Sie, Mr. Salhut, Kontakte hegten und pflegten, die der Emir von Achem entweder nicht kennt oder nicht schätzen würde.« Parker hatte genau den Punkt getroffen, auf den es ankam. Der Sekretär nickte den beiden Burnusträgern zu, die prompt wieder ihre Waffen hoben und die kurzen Läufe auf den Butler richteten. »Ich werde Sie jetzt mit einem Terroristen verwechseln«, sagte Awud Salhut und lächelte mokant. »Ich werde später behaupten, daß Sie versucht haben, in die Privaträume des Emirs einzudringen. Dabei wurden Sie überrascht und nach kurzem Kampf tödlich getroffen. Wie gefällt Ihnen das?« »Ich möchte nicht versäumen, mich für Ihre außerordentliche Offenheit zu bedanken«, erwiderte Parker. Dann sah er zu, wie die beiden Burnusträger
abdrückten. Der Butler konnte nur hoffen, daß die Araber ihre Waffen nicht nachgeladen hatten! * Lady Agatha Simpson befand sich in voller Aktion. Nach dem Hungerfrühstück, wie sie es bezeichnet hatte, saß sie am Steuer ihres Land-Rover und lehrte London das Fürchten. Sie bewegte den hochbeinigen, kastenförmigen und robusten Wagen, der eigentlich für unwegsames Gelände konstruiert war, mit Lust und Freude durch die Straßen. Sie schien mit dem Fahrzeug die Tätigkeit eines Räumoder Schneepflugs übernommen zu haben: Vor dem Kühler teilte sich der Verkehr blitzschnell, hinter dem Heck war ein breiter, fahrzeugleerer Streifen. Verängstigte und total irritierte Autofahrer hatten ihre Wagen angehalten und wischten sich den Angstschweiß von der Stirn. Diese Reaktionen hingen mit dem eigenwilligen Fahrstil der Dame am Steuer zusammen, der an den eines Kamikaze-Fliegers erinnerte. Agatha Simpson pflegte stets erst im letzten Moment auf das Bremspedal zu treten. Solch eine Taktik überstanden nur Fahrer, deren Nerven besonders stabil waren. Kathy Porter, die neben der Lady saß, hatte sich selbstverständlich angeschnallt, stemmte sich aber zusätzlich mit den Füßen gegen das Bodenbrett des Wagens. Darüber hinaus klammerte sie sich mit ihren Händen an die reichhaltig vorhandenen Haltegriffe. Sie litt,
Angst und Schrecken standen ihr im Gesicht. »Eine Fahrdisziplin haben diese Leute!« Lady Simpson schüttelte verwundert den Kopf, nachdem sie einen Bentleyfahrer an die Seite gedrückt hatte. »Der Mann muß mich doch gesehen haben!« »Vielleicht fahren Sie etwas zu schnell, Mylady«, sagte Kathy Porter. »Schnickschnack, Kindchen!« Agatha Simpson war da ganz anderer Meinung. »Ich halte mich genau an die Richtgeschwindigkeit, aber die nutze ich allerdings auch aus. Ich möchte den Verkehr doch nicht lahmlegen.« Sie hielt auf einen Lastwagen zu, dessen Fahrer der sicheren Annahme war, er solle gerammt werden. Der Mann riß das Steuer herum und landete vor dem Ziergitter eines Denkmals. Er blieb einen Moment sitzen, bis er sich von diesem tollkühnen Angriff erholt hatte. Dann riß er die Wagentür auf und schleuderte der älteren Fahrerin eine wilde Orgie von Flüchen nach, die sie zu seinem Glück schon gar nicht mehr hörte. Lady Simpsons Ziel war Soho. Sie wollte herausfinden, wer dieser Herb Falters war, dessen Namen sie von ihrem Butler erfahren hatte. Parker hatte ihn seinerseits von den beiden Männern gehört, die den alten Major unter Druck gesetzt hatten und denen er den Mokkalöffel weggenommen hatte. Parker wußte natürlich nichts von diesem Unternehmen, sonst hätte er seine Bedenken angemeldet. Herb Falters war ja mit Sicherheit der Mann, der die Fassadenmaler und Grillfreunde befehligte. Es mußte sich also um
einen Mann handeln, der so friedfertig war wie eine gereizte Klapperschlange. Kathy Porter hatte keine Chance gehabt, Mylady dieses Unternehmen auszureden. Was die ältere Dame sich mal in den Kopf gesetzt hatte, war nicht wieder rückgängig zu machen. »So, das hätten wir.« Agatha Simpson stellte den Land-Rover auf einen Parkplatz und stieg aus. »Sie haben natürlich keine Ahnung, wie ich an diesen Falters herankomme, nicht wahr?« »Es wird nicht leicht sein, Mylady.« »Wo besorgt Mr. Parker sich seine Informationen?« Lady Simpson lächelte wissend. »Nun, er hat da einige Informanten, die teilweise zur Unterwelt gehören, Mylady.« »Richtig. Und genau da werde ich ansetzen. Was Mr. Parker kann, kann ich schon lange, Kindchen! Es kommt eben nur darauf an, an wen man sich wendet und wie man die Fragen stellt.« »Sie kennen eine Kontaktstelle, Mylady?« wunderte sich Kathy Porter. »Man darf sich nicht mit Kleinigkeiten abgeben«, redete die Detektivin weiter. »In diesem Fall heißt das, mit einem Mann zu sprechen, der in der Unterwelt etwas gilt.« »Den Mylady aber nicht kennen?« Kathy Porter geriet in akute Sorge. »Ich kenne ihn nicht, aber er wird mich bald kennenlernen, Kindchen. Ich denke an Stirling Mall.« Kathy Porter hörte für einen erheblich langen Moment auf zu atmen. Stirling Mall war immerhin ein Gangster der ersten Garnitur. Und
ausgerechnet an diesen Mann wollte Lady Agatha sich wenden? »Das dort muß sein Club sein«, sagte die ältere Dame und deutete auf ein schwarz gestrichenes Haus, das Distanz und Exklusivität ausstrahlte. »Hoffentlich zeigt er sich gesprächig, sonst werde ich wohl etwas nachhelfen müssen.« Während sie das sagte, geriet ihr Pompadour in leichte Pendelbewegung. * Die beiden Burnusträger drückten ab. Bruchteile von Sekunden später schauten sie verdutzt auf ihre Schußwaffen, die stumm blieben. Parkers Gesicht war unbeweglich und ausdruckslos, doch innerlich atmete er befreit auf. Er hatte sich immerhin auf eine Art Russisches Roulette eingelassen. Die Waffen hätten durchaus nachgeladen sein können. Die beiden Burnusträger hatten sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt und stürzten sich erneut auf den Butler. Sie wollten ihn auf jeden Fall weisungsgemäß ausschalten. Parker machte kurzen Prozeß. Er hielt seinen UniversalRegenschirm sach- und fachgerecht in beiden Händen und benutzte den bleigefütterten Bambusgriff als Hockeyschläger. Bevor die Burnusträger ihre Krummdolche zum Einsatz bringen konnten, lagen sie bereits wieder auf dem Boden, der hier von einem kostbaren Teppich bedeckt war. Awud Salhut, der Sekretär des Emirs, stand wie erstarrt hinter seinem
Blattgoldschreibtisch und starrte den Butler entgeistert an. Mit solch einer Lösung hatte er sicher nicht gerechnet. »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte Parker höflich. »Normalerweise neigt meine bescheidene Wenigkeit nicht zu solchen Handlungen. Ich bin im Grund meines Wesens ein äußerst friedfertiger Mensch, wie ich versichern darf.« Awud Salhut war das nicht. Er reagierte und riß die Schublade seines Blattgoldschreibtisches auf. Parker ging von der Vermutung aus, daß der Sekretär wohl nach einer Schußwaffe greifen wollte, die er in der Lade verwahrte. Um den Mann also nicht in Versuchung zu bringen, reagierte auch Parker. Awud Salhut sah die schwarze Melone auf sich zukommen. Sie glich einer Diskusscheibe, der er nicht mehr ausweichen konnte. Als der Stahlrand der Melone seine Nasenwurzel berührte, stöhnte Awud Salhut auf und setzte sich. Übrigens sehr nachdrücklich. Seine zur Seite gerutschte Gestalt sagte deutlich aus, daß er sich für wenigstens zehn Minuten nicht mehr erhob. Josuah Parker war untröstlich. Immer wieder zwang man ihn dazu, sich seiner Haut zu wehren. Nützliche Gespräche waren ihm wesentlich lieber. Bei einem Blick in die Schublade fand er auch prompt eine Automatik beachtlichen Kalibers. Der Butler entfernte das Magazin, prüfte die Kammer und ließ alles in einer großen Bodenvase neben dem Schreibtisch verschwinden. Dann schritt er würdevoll und gemessen zur
Doppeltür, die hinter dem Schreibtisch zu sehen war. Sie öffnete sich, bevor er sie erreicht hatte. Jetzt waren vier Burnusträger ihm eindeutig feindlich gesinnt. Sie schwangen mittelalterlich aussehende Krummsäbel und benahmen sich äußerst unhöflich. Es war ihre erklärte Absicht, den Butler an Leib und wohl auch an Seele zu schädigen. Josuah Parker wußte, wann er unerwünscht war. Hier war es der Fall. Der ruhende Sekretär schien noch vor seinem Einnicken Zeit gefunden zu haben, weitere Wachen zu alarmieren. Der Butler aktivierte also einen seiner Nebelwerfer. Dabei handelte es sich um einen kirschkerngroßen, schwarzen Knopf, der unterhalb der Ziertuchtasche seines Zweireihers angenäht und praktisch unsichtbar war. Parker riß ihn los und warf ihn mit Nachdruck auf den Teppich. Das Ergebnis war verblüffend. Vor den anstürmenden Säbelschwingern schoß eine grellrote Nebelwolke hoch, die nicht nur jede Sicht nahm, sondern darüber hinaus auch noch für einen mittelschweren Hustenreiz sorgte. Parker hatte sich diese Patentwaffe ausgedacht und in seinem Privatlabor angefertigt. Sie erlebte hier ihre erste Bewährungsprobe. Während die vier Burnusträger ausreichend mit sich zu tun hatten, verließ Parker den ungastlichen Ort, um in nächster Zeit noch mal unter anderen Vorzeichen vorzusprechen. Er wollte jetzt nicht weiter aufdringlich sein. Zudem hatte er die Brieftasche des Sekretärs eingesteckt. Er interessierte
sich für ihren Inhalt, den er in aller Ruhe studieren wollte. * Stirling Mails Club war wirklich nicht anzusehen, daß der Inhaber zu den Spitzen der Unterwelt gehörte, Stirling Mall selbst besaß natürlich, was die Behörden anbetraf, eine fast weiße Weste. Die illegale Arbeit ließ er von willigen, brutalen und erstklassig bezahlten Kreaturen besorgen. Er war vor vielen Jahren mal für einige Zeit im Gefängnis gewesen und hatte keine Lust, dort noch mal untergebracht zu werden. Er saß in seinem Büro, das erstaunlich sachlich eingerichtet war. Stirling Mall war damit beschäftigt, einige Abrechnungen zu prüfen, die mit seinem Club allerdings nichts zu tun hatten. Diese Abrechnungen bezogen sich auf seine illegalen Geschäfte. Er war vor allen Dingen im Versicherungsschwindel tätig und hatte beste Beziehungen zu den Docks, zu Transportunternehmern und einigen Banden, die für ihn Diebstähle größten Stils ausführten. Er sah kurz hoch, als sein engster Mitarbeiter Norman Elgin hastig eintrat. Elgin war ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, sah gut aus, war sportlich, knochenhart und raffiniert. Im Augenblick wirkte er ein wenig mitgenommen. Seine Nase blutete. Mit einem Taschentuch wischte er an ihr herum. »Was ist denn mit Ihnen los, Elgin?« erkundigte sich Stirling Mall erstaunt. Mall war ein massiger, gemütlich aussehender Mann von schätzungsweise fünfzig Jahren. Er
trug einen Smoking, denn er wollte sich in einer halben Stunde seinen ausgesuchten Gästen zeigen. »Wir... Wir haben eine Verrückte im Club«, berichtete Norman Elgin. »Eine Verrückte? Drücken Sie sich gefälligst deutlicher aus, Elgin!« »Sie hat unsere beiden Türsteher zusammengeschlagen, hätte um ein Haar die Bar zertrümmert und will jetzt Sie sprechen.« »Wer ist sie?« Stirling Mall war aufgestanden. »Den Namen hab' ich nicht behalten, aber sie muß gleich hier sein.« »Und meine beiden Leibwächter, Elgin?« Stirling Mall lächelte ironisch. »Wie will sie an Roy und John vorbeikommen? « Stirling Mall hatte den Satz noch nicht beendet, als die beiden Leibwächter sich ins Büro schleppten. Sie taumelten, als seien sie total betrunken. Ihr Haar war zerzaust, ihre Smokings verrutscht und eingerissen. In ihren Augen stand die wilde Panik. Außerdem, das fiel Mall sofort auf, waren sie ohne Waffen. »Was ist denn mit euch los?« fuhr Mall seine beiden wirklich tüchtigen Leibwächter an. »Sie wollten sich an einer wehrlosen, alten Frau vergreifen«, grollte in diesem Moment eine baßbaritonal gefärbte Stimme von der Tür her. Dann schob sich eine stattlich aussehende, füllige Dame ins Büro. An ihrem Handgelenk pendelte ein perlenbestickter Pompadour. »Vorsicht, Mr. Mall«, rief Elgin und drückte sich zur Seite. Die beiden Leibwächter taumelten schleunigst in eine Ecke des Zimmers und nahmen schützend ihre Unterarme hoch.
»Wer... Wer sind denn Sie?« fragte Stirling Mall verdutzt. Dann ging ihm plötzlich ein Licht auf. »Lady Simpson, nicht wahr?« »Sind Sie dieser Mall?« fragte die resolute Dame und nickte. »Stirling Mall.« Der Gangsterchef verbeugte sich weltmännisch. »Was kann ich für Sie tun, Mylady?« Elgin und die beiden Leibwächter verstanden die Welt nicht mehr. Auf eine Handbewegung Mails hin verschwanden sie schleunigst aus dem Büro. »Ihre Angestellten sind dumm, anmaßend und schlecht erzogen«, schickte die ältere Dame erst mal voraus und nahm im Besuchersessel Platz. »Sie kennen mich also?« »Wer kennt Sie nicht, Mylady?« konterte Mall höflich. Er war sichtlich nervös. Er hatte nicht übertrieben. Natürlich kannte er die Lady, aber noch besser kannte er ihren Butler. Und den fürchtete er ungemein. Bisher hatte er das Glück gehabt, daß Parker sich für ihn noch nicht interessierte. »Okay, junger Mann«, meinte Agatha Simpson. »Ich brauche eine schnelle Auskunft. Und kommen Sie mir nur ja nicht mit der Ausrede, Sie hätten diesen Namen noch nie gehört. Er lautet Herb Falters.« »Herb Falters?« Stirling Mall wußte mit diesem Namen tatsächlich nichts anzufangen. »Hat er etwas angestellt?« »Die Fragen stelle ich, junger Mann!« Sie sah ihn gereizt an. »Lenken Sie nicht ab! Wo finde ich dieses Subjekt?« »Das müßten meine Mitarbeiter erst mal ausfindig machen, Mylady«, antwortete Mall hastig.
»Ja, worauf warten Sie eigentlich noch?« grollte sie. »Da steht ein Telefon! Hoffentlich ist Ihnen bekannt, wie man es bedient! Ich habe meine Zeit nicht gestohlen. Nehmen Sie schon endlich den Hörer ab, aber etwas plötzlich!« Stirling Mall bekam einen trockenen Mund, hätte sich am liebsten aufgeregt, dachte dann aber an einen gewissen Josuah Parker und griff gehorsam nach dem Hörer. Er wollte keinen Ärger haben. * »Auch Sie werden das noch lernen, Mr. Parker«, sagte Lady Simpson, als sie ihre Geschichte erzählt hatte. »Man muß mit den Leuten nur höflich und menschlich reden.« »Mylady erfuhren von Mr. Stirling Mall die Adresse dieses Herb Falters?« fragte Parker. Er trug den schmalen Lunch auf, der aus einem Pilzomelett, geröstetem Speck und einer Portion Rührei bestand. Dazu gab es Roastbeef und ein kaltes Hühnchen. Kurz, Lady Simpson hielt wieder mal auf strenge Diät und achtete auf ihre Linie. »Ich war sogar schon bei diesem Herb Falters«, antwortete Lady Agatha und nickte. »Zu seinem Glück war der Lümmel aber nicht da. Ich werde ihn gegen Abend noch mal besuchen, doch dann kann er sich auf einiges gefaßt machen.« »Er wohnt oberhalb einer Autowerkstatt und Garage«, schaltete Kathy Porter sich ein. »Wie ich erfahren habe, hat er das alles vor knapp einem Monat gemietet und will dort
angeblich eine Schnellreparatur einrichten.« »Unter den Namen Herb Falters?« »Richtig, Mr. Parker!« Kathy Porter nickte. »Da wäre noch etwas. Wenn ich das sagen darf, Mylady?« »Reden Sie, Kindchen, reden Sie!« Agatha Simpson beschäftigte sich mit dem Roastbeef. »In der Wohnung über der Werkstatt scheint ein Kampf stattgefunden zu haben, Mr. Parker. Einige Spuren deuten einwandfrei darauf hin.« »Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.« Die Lady maß dieser Feststellung keine Bedeutung bei. »Mylady glaubt nicht, daß Herb Falters Besuch von Mitarbeitern dieses Stirling Mall bekommen hat«, sagte Kathy Porter. »Dann müßten seine Männer Tiefflieger sein«, sagte die ältere Dame geringschätzig. »Gleich nach meiner Unterhaltung mit Mall bin ich zu diesem Herb Falters gefahren. Und sie können sich darauf verlassen, daß ich nicht geschlichen bin.« »Ganz sicher nicht, Mylady.« Parker nickte ernst und sah noch nachträglich im Geist das Verkehrschaos, das seine Herrin auf den Straßen Londons angerichtet haben mußte. Dennoch neigte er zu Kathy Porters Auffassung. Einmal auf diesen Herb Falters aufmerksam gemacht, hatte Mall mit Sicherheit einige seiner Leute dorthin gehetzt und Falters erst mal in Verwahrung genommen. Ein Gangster vom Format dieses Stirling Mall war an jedem Geschäft interessiert. Wahrscheinlich waren Malls Leute bereits dabei, Herb Falters zu > verhören <.
»Darf ich mich erkühnen, Mylady einen Vorschlag zu unterbreiten?« erkundigte er sich bei der Lady. »Wenn Sie einen Rat brauchen, können Sie sich jederzeit an mich wenden«, antwortete sie großzügig. »Wären Mylady mit einem neuerlichen Besuch bei Mr. Stirling Mall einverstanden?« »Wozu sollte das gut sein?« Sie sah ihn streng, aber auch leicht irritiert an. »Vielleicht ist es Mr. Mall inzwischen gelungen, Herb Falters zu finden«, umschrieb der Butler seine Befürchtung. »Sie glauben, er könnte versuchen, mich hereinzulegen?« Sie hatte verstanden, und ihre Augen funkelten verärgert. »Einem Stirling Mall ist alles zuzutrauen, Mylady«, gab der Butler zurück. »Nun gut, etwas Bewegung nach diesem Hungerlunch wird mir ohnehin guttun«, sagte sie. »Fahren wir also, obwohl ich Ihnen schon jetzt, sagen kann, daß das eine sinnlose Benzinverschwendung sein wird.« * »Verfügen Sie über mich, Mylady«, sagte Stirling Mall nach knapp dreißig Minuten und strahlte die resolute Dame an. »War mein Tip nun richtig?« »Grundsätzlich schon«, antwortete Josuah Parker. Er stand mit Lady Simpson im Büro des Gangsters. »Mr. Herb Falters war allerdings leider nicht zu erreichen.« »Also, dafür kann ich natürlich nichts.« Stirling Mall zuckte bedauernd die Achseln.
»Sind Sie sicher, junger Mann?« Myladys Stimme grollte wie ein aufkommendes Gewitter. »Mr. Parker ist der Ansicht, daß Sie diesen Falters zu sich, sagen wir, eingeladen haben.« »Ausgeschlossen, Mylady, ich schwöre!« »Schnickschnack, junger Mann, darauf pfeife ich!« »Dieser Falters interessiert mich überhaupt nicht«, sagte Stirling Mall und warf dem Butler einen schnellen Blick zu. »Es sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, daß ich nur noch saubere Geschäfte betreibe.« »Hoffentlich wird Mr. Falters nichts passieren«, sagte der Butler.. »Man könnte sonst auf den Gedanken kommen, Sie, Mr. Mall, hätten da ein wenig Regie geführt, um es mal so auszudrücken.« »Wenn Sie wollen, können Sie das ganze Haus auf den Kopf stellen«, sagte Mall genießerisch. »Sie werden ihn nicht finden!« Stirling Mall befand sich in Begleitung seines engsten Mitarbeiters Elgin und seiner beiden Leibwächter Roy und John. Er fühlte sich sicher und beschützt. Dennoch hatte er ein ziemlich flaues Gefühl im Magen. Parkers Anwesenheit irritierte ihn. Dieser Mann mit dem ausdruckslosen Pokergesicht war in der Unterwelt gefürchtet. Zudem schien er nicht zu glauben, was er da gerade gehört hatte. »Mylady verzichten selbstverständlich darauf, die Räume Ihres Hauses zu durchsuchen«, sagte Butler Parker gemessen. »Ihr Angebot allein beweist schon, daß man Mr. Falters an irgendeinen anderen Ort verbracht haben könnte.«
»Verdammt, ich habe ihn hochnehmen lassen!« Stirling Mall wurde wütend. »Dieser Mann interessiert mich nicht. Ich kenne ihn noch nicht mal.« »Diesem Zustand könnten Sie durchaus abhelfen.« »Und warum sollte ich das wohl tun?« »Um an Informationen zu gelangen, Mr. Mall.« »Also schön.« Stirling Mall seufzte. »Ich hab' nicht nur mit diesem Gedanken gespielt, ich hab' sogar versucht, Falters hochnehmen zu lassen.« »Sie Lümmel!« Agatha Simpson sah den Gangsterchef entrüstet an. »Um ihn Ihnen zu servieren, Mylady«, fügte Mall hastig hinzu. »Wirklich ich wollte ihn auf 'nem silbernen Tablett servieren, aber Falters war nicht in seiner Garage. Darauf schwöre ich jeden Eid.« »In welchem Zustand befand die Wohnung sich, Mr. Mall?« wollte Josuah Parker wissen. »Elgin, schildern Sie es!« Stirling Mall wandte sich an seinen Vertrauten. »In der Wohnung über der Garage oder Werkstatt, Sir, muß ein Kampf stattgefunden haben«, berichtete Norman Elgin. »Es muß da ziemlich hart zugegangen sein, würde ich sagen. Wir haben sogar Blutspuren gefunden.« »Und sonst?« »Die ganze Bude war auf den Kopf gestellt worden«, berichtete Norman Elgin weiter. »Wir haben uns danach sofort abgesetzt. Mehr weiß ich nicht.« »Wen beobachteten Sie nach dem Verlassen der Wohnung?«
»Die Lady und ihre Begleiterin«, sagte Norman Elgin. »Die Lady war etwa fünf bis zehn Minuten in der Werkstatt und oben in der Wohnung. Länger auf keinen Fall.« »Wieso waren Sie vor mir dort?« Agatha Simpson war entrüstet und verärgert. Ihrer Ansicht nach hätte man sie, was ihren Fahrstil anbetraf, niemals schlagen können. »Meine Leute sind eben gut«, warf Stirling Mall ein. »Und die kennen da ein paar Abkürzungen, Mylady, die Sie nicht kennen.« »Soll ich ihm glauben oder nicht, Mr. Parker?« Die ältere Dame wandte sich, an ihren Butler. Parker schaute Stirling Mall kurz an, um dann andeutungsweise zu nicken. »Das paßt mir aber gar nicht«, ärgerte Lady Agatha sich. »Ich hingegen glaube, daß ich nach Strich und Faden belogen werde.« »Mylady, ich will wirklich keinen Ärger mit Ihnen haben«, schwor Stirling Mall verzweifelt und wischte sich einige Schweißtropfen von der Stirn. »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Ich weiß ja noch nicht mal, um was es überhaupt geht. Aber es muß 'ne verdammt dicke Sache sein, wenn Sie sich einschalten!« »Wehe, junger Mann, wenn ich dahinter komme, daß Sie mich angelogen haben.« Myladys Pompadour geriet in leichte Schwingungen. »Sie würden das bitter bereuen. Sie können mich von jetzt an gerechnet in einer Stunde in meinem Haus anrufen und Ihre Aussage korrigieren. Dann will ich vergessen. Aber wie gesagt, komme ich dahinter, daß Sie eine schutzlose ältere Dame
hereinlegen wollen, dann sollten Sie die Insel schleunigst verlassen.« Die Lady rauschte hinaus. Parker lüftete andeutungsweise seine schwarze Melone und ließ vier betroffene und nachdenkliche Gangster zurück, die normalerweise nicht wußten, was Glacehandschuhe sind, vier Gangster, die sonst erst hart zuschlugen, um dann ihre Fragen zu stellen. * »Hat er nun die Wahrheit gesagt?« Lady Simpson war mit dem Ausgang der Unterhaltung nicht so recht zufrieden. Sie hätte Stirling Mall liebend gern härter angefaßt. Sie saß zusammen mit Kathy Porter auf dem Rücksitz von Parkers hochbeinigem Monstrum und ließ sich noch mal zur Garage bringen, die Herb Falters gemietet hatte. Dieser Vorschlag war von Parker gekommen. Sein Gefühl sagte ihm, daß man sich dort vielleicht doch noch umsehen sollte. »Eine letzte Sicherheit, Mylady, dürfte es nicht geben«, antwortete Josuah Parker. »Von Mr. Malls Schläue ausgehend neige ich allerdings dazu, ihm zu glauben.« »Seit wann sind Sie derart vertrauensselig, Mr. Parker?« wunderte die Detektivin sich. »Mr. Mall, Mylady, weiß in der Tat mehr, als er zugab«, redete der Butler weiter. »Er fürchtete meiner bescheidenen Ansicht nach, in Dinge hineingezogen zu werden, die er nicht sonderlich schätzte
»Können Sie sich nicht deutlicher ausdrücken?« raunzte Lady Agatha. »Ich fürchte, Mylady, die Antwort bereits optisch anbieten zu können.« Parker hatte die Straße erreicht, in der die Werkstatt, die Garage und auch die kleine Wohnung Herb Falters' lagen. Vor dem grauen, alten Haus standen drei Streifenwagen der Polizei. Eine Menschenmenge hatte sich angesammelt, und man konnte davon ausgehen, daß in diesem Haus etwas passiert war. »Der Chief-Superintendent, Mylady«, rief Kathy Porter und deutete auf McWarden, der gerade aus einem Zivilwagen stieg. »Halten Sie an, Mr. Parker!« Agatha Simpson wartete ungeduldig, bis das hochbeinige Monstrum stand. Dann stieg sie aus und pflügte ihre Fülle durch die Menge der Neugierigen. Sie sorgte für eine breite Gasse, durch die Kathy Porter und Josuah Parker mühelos folgten. »Diesmal komme ich rein zufällig vorbei«, sagte Lady Agatha und tippte McWarden auf die Schulter. Der Chief-Superintendent fuhr herum und starrte seine Konkurrentin an. »Zufällig?« fragte er dann. »Was ist passiert?« wollte Lady Agatha wissen. »Kommen Sie mir nur nicht mit faulen Ausreden, McWarden!« »Ein Mord, Mylady!« McWarden gab sich zurückhaltend. »An welcher Person, Sir?« fügte der Butler würdevoll hinzu. »Es handelt sich um einen gewissen Herb Falters, aber den kennen Sie ja wohl nicht, oder?« McWarden beobachtete Lady Agatha und Butler Parker mißtrauisch.
»Ich werde mitkommen«, erwiderte die ältere Dame. »Mylady, es ist nicht...« »Ich werde mitkommen, McWarden!« Sie schubste ihn mit ihrer Fülle zur Seite und marschierte auf die beiden Constabler zu, die den Zugang zur Werkstatt bewachten. Sie wollten zwar Mylady verwehren, die Räume zu betreten, doch dann warnte sie der Instinkt. Sie sahen eine resolute Dame vor sich, deren Augen funkelten. Sie rechneten mit Ärger und blieben wie angewurzelt stehen. Dabei schielten sie auf den ChiefSuperintendent, der ihnen mit einer schnellen Handbewegung bedeutete, nur ja nichts zu unternehmen. Mylady betrat die Werkstatt-Garage und war wenige Sekunden später mehr als betroffen. Sie hatte einen kurzen Blick auf Herb Falters geworfen, doch dieser hatte ihr genügt. Der Anführer der Grillfreunde und Fassadensprüher war auf brutale Art umgebracht worden. Er lag unter einem von einer Hebebühne abgerutschten Wagen und sah aus, als sei er von Schwertern zerschnitten worden. * »Haben Sie mir nicht erzählt, daß diese Wüstensöhne Schwerter mit sich herumgeschleppt haben?« fragte Agatha Simpson. »Mir ist da nämlich gerade eine Idee gekommen, Mr. Parker.« Der Butler hatte mit dieser Frage gerechnet und räumte ein, daß er im Haus Feisal el Achems Schwerter gesehen habe. »Dann ist die Sache für mich völlig klar«, erwiderte die Detektivin. »Herb
Falters ist von den Männern dieses Sekretärs umgebracht worden. Wie heißt er noch?« »Awud Salhut, Mylady.« »Das ist der Mann, den wir überführen müssen, Mr. Parker.« Agatha Simpson befand sich wieder in Hochform. »Oder noch besser, es wird dieser Emir von Achem sein. Nun, ich warte auf Ihre Antwort, Mr. Parker.« »Eine Beweisführung, Mylady, dürfte schwierig sein.« »Das ist Ihre Sache! Mit solchen Kleinigkeiten gebe ich mich nicht ab.« Sie ließ sich im Fond des Wagens zurücksinken und nickte zufrieden. Man hatte gerade die Werkstatt verlassen und befand sich auf dem Weg nach Shepherd's Market. »Hat Herb Falters überhaupt für diesen arabischen Sekretär gearbeitet?« warf Kathy Porter ein. »Warum sollte er nicht, Kindchen?« Lady Simpson lächelte wissend und überlegen. »Ach, ich verstehe, worauf Sie anspielen. Mr. Parker fand den Mokkalöffel bei diesen beiden Gangstern Shoon und Crown. Danach sind nur sie es gewesen, die für diesen Salhut gearbeitet haben? Aber Kindchen! Begreifen Sie denn nicht, wie raffiniert dieser Ausländer ist? Er hat zusätzlich auch noch Falters engagiert, um möglichst schnell an sein Ziel zu gelangen.« »Nach Myladys Theorie haben beide Gruppen unabhängig voneinander gearbeitet?« fragte Parker. »Jetzt haben Sie's endlich durchschaut, Mr. Parker.« Die ältere Dame lächelte noch wissender. »Konkurrenz hebt bekanntlich das Geschäft, so heißt es doch, oder? Dieser Sekretär hat im Auftrag seines Emirs zwei Gangster-
gruppen getrennt eingesetzt, um die Hausbesitzer zu verjagen. Schneller hätte er doch gar nicht ans Ziel gelangen können.« »Aber woher konnte Awud Salhut wissen, daß Mylady sich für Mr. Falters interessierte?« wandte Parker würdevoll ein. »Weil dieser Araber nicht wußte, von wem Sie den Mokkalöffel hatten, Mr. Parker.« Agatha Simpsons logische Ergüsse waren nicht zu bremsen. »Er wußte, daß dafür nur ein kleiner Kreis von Männern in Betracht kam: Falters, und dann die beiden Gangster Shoon und Crown.« »Die demnach inzwischen auch nicht mehr leben dürften, Mylady«, ließ Kathy sich vernehmen. »Damit muß man rechnen, Kindchen.« Lady Simpson sah wieder mal alles ganz deutlich vor sich. »Machen wir doch die Probe aufs Exempel, Mr. Parker! Fahren wir bei diesen beiden Subjekten vorbei. Ich bin sicher, daß McWarden sich schon bald mit zwei weiteren Leichen befassen muß.« Parker war mit diesem Vorschlag sofort einverstanden und änderte die Fahrtrichtung. Nach zwanzig Minuten hatte er die bewußte Toreinfahrt und, Garage erreicht. Mit seinem Spezialschlüssel öffnete er diverse Türen, bis man in der behelfsmäßig eingerichteten Wohnung stand, die die beiden Gangster Shoon und Crown bewohnten. Hier hatten sie ihn bekanntlich mit ihren Kabelenden behandeln wollen. »Keine Leichen, Mylady«, sagte Parker. »Dann liegen sie wahrscheinlich in einem Hafenbecken oder in der Themse«, meinte die Detektivin. »Daß
die Wohnung hier leer ist, hat überhaupt nichts zu besagen. Der Araber ist eben raffiniert und verschlagen.« »Darf ich mich erkühnen, Mylady eine andere Theorie anzubieten?« schickte Parker voraus, als sie wieder im Wagen saßen. »Sie wird zwar ihre Fehler haben, aber bitte! Man soll mir nicht nachsagen, ich würde Meinungen unterdrücken. Die Lady schien gelangweilt zu sein, doch in Wirklichkeit spitzte sie die Ohren. »Herb Falters könnte von Stirling Malls Männern entführt worden sein, Mylady. Oder vielleicht hat man ihn sogar in seiner Wohnung nachdrücklich befragt. Er hatte Angst, verriet seinen Auftraggeber und wurde dann ermordet. Die Art seiner Ermordung sollte dann vortäuschen, er sei mit Schwertern umgebracht worden.« »Ganz annehmbar«, fand die altere Dame spontan und nickte vorsichtig. »An solch eine Möglichkeit habe ich selbstverständlich auch gedacht. Sie sind mir zuvorgekommen.« »Mylady mögen das verzeihen.« Parker verzog keine Miene. »Die Obduktion wird wohl ohnehin genau ergeben, ob Mr. Falters durch Schwerthiebe zu Tode gekommen ist oder wie sonst.« »Im Grund ist das ja auch völlig gleichgültig«, entschied die resolute Dame überraschend. »Hauptsache ist doch, daß dieser Ölscheich der eigentliche Täter ist. Und an den werde ich mich halten. Dieser Herr wird mich noch gründlich kennenlernen!« *
Sie lernte ihn bereits am anderen Morgen kennen. Parker hatte diskrete Ermittlungen angestellt und herausgefunden, daß der Emir von Achem sich in London aufhielt. Er befand sich schon seit gut vier Wochen in der Stadt und war ein gern gesehener Besucher von Partys und größeren Gesellschaften. Darüber hinaus verhandelte er mit Finanzmaklern und Firmengruppen. Agatha Simpson hatte sich für ihren Besuch bei dem Emir von Achem besonders gekleidet, und Parker kostete es tatsächlich einige Mühe, sein unbewegliches Gesicht beizubehalten. Lady Agatha trug wadenlange, bauschige Hosen, die an Knickerbocker erinnerten. Ihre Füße befanden sich in dafür höchst modernen Tennisschuhen. Die Fülle ihres Busens wurde von einer weiten, weißen Bluse umspielt. Auf ihrem Kopf saß eine kesse, langschirmige Kappe. Lady Agatha hatte nämlich vor, an diesem Morgen in Wimbledon Tennis zu spielen. Sie trug einen Dreß, wie ihn die Damen um die Jahrhundertwende bevorzugten - mit der größten Selbstverständlichkeit und Selbstsicherheit. Als sie vor dem Clubhaus eines exklusiven Vereins ausstieg, erregte sie diskretes Aufsehen, doch keiner der Anwesenden wagte es, auch nur andeutungsweise zu lächeln. Lady Agatha war eine bekannte Persönlichkeit, und man kannte sowohl ihre Vorhand als auch ihren Schmetter- und Passierball. »Zeigen Sie mir diesen Ölscheich«, forderte sie Parker auf. »Ich habe große Lust, ihm zur Begrüßung den
Tennisschläger über den Kopf zu ziehen.« Butler Parker kam dieser Aufforderung gern nach. Er geleitete seine Herrin durch den großen Clubraum auf die Terrasse und deutete auf einen sportlich aussehenden Mann, der modernen Tennisdreß trug und etwa fünfzig Jahre alt war. Besagter Spieler war schlank und besaß eine katzenhafte Gewandtheit. Er übte mit seinem Trainer und blieb dem Berufsspieler kaum etwas schuldig. Die Bälle kamen scharf und plaziert über das Netz und verrieten die Kraft eines Armes. Der Emir von Achem war mittelgroß, hatte ein tiefbraunes und markant geschnittenes Gesicht und trug einen kleinen Kinnbart. »Ganz nett«, räumte die ältere Dame ein. »Ich werde mit ihm ein Match spielen. Arrangieren Sie das, Mr. Parker!« Parker schritt zum Spielfeld hinüber und wartete, bis eine kleine Satzpause eingelegt wurde. Dann betrat er den Platz und schritt gemessen auf den Emir zu, der sich den Schweiß von der Stirn wischte. Der Mann aus Achem war übrigens nicht ohne Begleitung. Zwei europäisch gekleidete Araber standen neben dem Hochsitz, auf dem ein Schiedsrichter Platz genommen hatte. »Ich bitte um Vergebung, Exzellenz«, sagte Parker und lüftete seine schwarze Melone. »Ich komme im Auftrag Lady Simpsons. Sie bittet um einen kleinen Schlagabtausch, wenn ich es so ausdrücken darf.« »Lady Simpson? Lady Simpson?« Der Emir zog die Stirn kraus. »Diesen Namen habe ich schon wiederholt gehört. Sie sitzt in einigen wichtigen
Aufsichtsräten, nicht wahr? Sie ist an vielen Firmengruppen beteiligt?« »In der Tat, Exzellenz!« »Es ist mir ein Vergnügen. Und wo ist die Dame?« Der Emir schaute zur Terrasse und suchte nach seiner Partnerin für das Match. »Mylady nähert sich bereits«, erwiderte Parker und deutete diskret auf Lady Agatha, die anmarschierte, als ginge es in eine Schlacht. »Guter Gott«, murmelte der Emir betroffen. »Allah sei mir gnädig!« »Mylady ist eine recht engagierte Spielerin«, sagte Parker. »Die sicher nicht verlieren kann," wie?« Der Emir von Achem, offensichtlich westlich erzogen, stöhnte noch mal auf. »Sie scheint die Queen Victoria überlebt zu haben.« »Es ist mir eine Ehre, mit Mylady spielen zu dürfen«, sagte der Emir höflich. Auf der Terrasse drängten sich inzwischen die Zuschauer und Clubgäste. Man erwartete ganz eindeutig einen Spaß. »Verlieren wir keine Zeit«, sagte die resolute Dame grimmig und maß den verdutzten Emir mit eisigem Blick. »In Form scheinen Sie ja zu sein, wie ich gemerkt habe.« »Wie darf ich das verstehen, Mylady?« »Darüber später mehr«, gab Agatha Simpson zurück. »Nach dem Match möchte ich mich mit Ihnen über einige Immobiliengeschäfte unterhalten, die mir nicht gefallen.« »Mylady, ich weiß wirklich nicht...« Der Emir wurde ärgerlich. »Papperlapapp«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Haben Sie Angst, es mit mir aufzunehmen? «
»Ganz sicher nicht, Mylady:« Der Emir von Achem wurde eisig. »Sie sollen Ihren gewünschten Schlagabtausch, bekommen. Ich glaube, Sie bestehen darauf.« »Worauf Sie sich verlassen können!« Die Sechzigjährige nickte grimmig. »Bekennen Sie wenigstens hier auf dem Platz Farbe!« * Der Emir von Achem war ein höflicher Mensch. Er stand an der Grundlinie und spielte einen wirklich freundlich gemeinten Ball über das Netz, von dem er sicher sein konnte, daß die ältere Dame ihn auch erreichte. Er zeigte damit zusätzlich an, daß ihm die gesellschaftliche Stellung Agatha Simpsons durchaus bekannt war. Die Lady nahm den Ball an und spielte ihn zurück. Aber wie sie das tat! Der Ball zischte mit der Schnelligkeit und Wucht einer Gewehrgranate knapp über die Netzkante und riß dem Emir fast den Schläger aus der Hand, als er ihn retournieren wollte. Der Emir verschlug den Ball und machte einen äußerst verdutzten Eindruck. Mit solch einem Ball hatte er ganz sicher nicht gerechnet. Er mußte den Punkt abgeben und hätte sich am liebsten das Handgelenk massiert. Was sich dann tat, war eine harte Auseinandersetzung. Der Emir, ein wenig verärgert, schlug wesentlich härter und bekam prompt Bälle serviert, die ihn in Trab hielten. Es zeigte sich, daß Lady Agatha eine ausgezeichnete
Tennisspielerin war, die ihre Bälle zu setzen verstand. Sie hetzte den Emir von einer Seite des Spielfeldes in die andere und brachte den sportlichen Mann in Schweiß. Ihre Passierschläge hatten es in sich. Und sie genierte sich darüber hinaus nicht, nach vorn ans Netz zu eilen und einige Bälle zu töten. Es war schon ein recht eigenartiges Schauspiel, das den Zuschauern auf der nahen Terrasse geboten wurde. Da war eine ältere Dame in einem Tennisdreß, der aus einem vergangenen Jahrhundert stammte, da war ein sportlicher Fünfziger, der durch und durch fit war, und dennoch spielte die ältere Dame mit dem Mann fast so etwas wie Katz' und Maus. Josuah Parker, der sportliche Schauspiele dieser Art kannte, interessierte sich mehr für die Zuschauer. Er beobachtete die Menschen auf der Terrasse, aber auch die Leute am Rand des Spielfeldes. Er befand sich in einer Art Alarmstimmung. Sein Gefühl sagte ihm deutlich, daß Gefahr in der Luft lag, eine Gefahr, die nicht unmittelbar vom Emir von Achem ausging. Und dann passierte es plötzlich! Josuah Parker hörte dicht neben sich einen Aufschrei, wandte sich diesmal schneller um als sonst und sah nur wenige Meter hinter sich eine junge Tennisspielerin im Sportdreß, die ohnmächtig am Boden lag. Parker sah aber noch mehr. Neben ihr kullerte eine Eierhandgranate herum. Die junge Spielerin schien von ihr getroffen worden zu sein. Es war nur noch eine Frage weniger Sekunden, bis dieser heimtückische Sprengkörper detonierte.
Parker reagierte wie gewohnt: kühl und konzentriert. Er nahm sich diesmal allerdings nicht die Zeit, sich bei einem der Tennisspieler zu entschuldigen, als er dessen Schläger auslieh. Er hatte ihn blitzschnell in der Hand, war mit schnellem Schritt neben der jungen, noch benommenen Dame und hob die Handgranate hoch. Dann warf er sie wie einen Tennisball in die Luft und donnerte mit dem ausgeliehenen Schläger gegen diesen seltsamen Ball. Die Eierhandgranate kam in Fahrt, stieg steil hoch und jagte dann seitlich ins freie Feld. Sie hatte den Boden noch nicht ganz erreicht, als sie bereits detonierte. Eine Panik entstand. Menschen schrien durcheinander, liefen nach allen Seiten weg und räumten das Feld. Parker blieb am Netz stehen und wollte sich um die junge Sportlerin kümmern, als ein zweiter Tennisball auf ihn zukam. Es handelte sich erneut um eine Eierhandgranate! Parker nahm sie auf und spielte auch sie seitlich an den Rand des Spielfelds. Daß dabei die Saiten des Tennisschlägers zu Bruch gingen, störte ihn nicht weiter. Auch diese Handgranate detonierte, ohne Unheil anzurichten. Sie zerfetzte zwar einige Sitzplätze auf den ansteigenden Rängen und wirbelte Holzteile und Plastikschalen durcheinander, aber darauf kam es jetzt nicht an. »Mylady sollten vielleicht eine kleine Spielpause einlegen«, schlug der Butler seiner Herrin vor, die auf ihn zukam. »Man bringt hier Fremdkörper ins Spiel, die mit einem Tennisball
regulärer Art nur eine Ähnlichkeit aufweisen!«
entfernte
* »Wem galt denn nun dieser Anschlag?« wollte Chief-Superintendent McWarden wissen. »Ihnen, Mylady, Ihnen, Mr. Parker, oder war vielleicht dieser Ölscheich gemeint?« »Eine zufriedenstellende Antwort, Sir, ist nur schwer zu finden«, antwortete Josuah Parker. Er hatte McWarden einen Sherry serviert und versorgte Lady Agatha erneut mit einem Kognak, da sie sich über ihren geschwächten Kreislauf beschwert hatte. Man befand sich im Stadthaus der älteren Dame in Shepherd's Marked. Seit dem Zwischenfall in Wimbledon waren zwei Stunden verstrichen. »Haben Sie nichts bemerkt?« Der Chief-Superintendent wandte sich an Lady Simpson. »Ich habe nur mitbekommen, daß dieser Hasenfuß von einem Emir blitzschnell das Feld räumte«, gab Lady Agatha zurück. »Gütiger Himmel, war dieser Mann schnell! Er hätte einen Sprinter glatt in den Schatten gestellt.« »Woher die beiden seltsamen Tennisbälle kamen, Sir, war nicht zu erkennen«, ließ Parker sich wieder vernehmen. »Sie müssen von einem Zuschauer geworfen worden sein. Hatten Sie schon Gelegenheit, Sir, dem Emir entsprechende Fragen zu stellen?« »Der Mann empfängt nicht.« McWarden schüttelte gereizt den Kopf. »Er hat diplomatischen Status, ich komme also nicht an ihn heran.
Sein Sekretär behauptet, er fühle sich unpäßlich.« »Angst hat er, dieser Scheich«, raunzte die resolute Dame verächtlich. »Und dazu spielt er noch miserabel Tennis.« »War der Sekretär ebenfalls draußen auf dem Tennisplatz, Sir?« erkundigte sich Parker. »Natürlich, er brachte seinen Emir ja auf dem schnellsten Weg zurück in die Residenz.« »Was wissen Sie eigentlich über diesen Emir von Achem?« Agatha Simpson sah forschend den Chief-Superintendent an. »Ich verlange eine genaue Auskunft, McWarden, keine Ausflüchte.« »Der Mann ist superreich«, zählte McWarden sofort auf. »Sie wissen, unter dem Sand seines Emirats ist öl und nichts als öl. Er kauft hier in London auf, was nicht niet- und nagelfest ist. Darin unterscheidet er sich kaum von anderen Scheichs und Emiren. Er ist vor allen Dingen an Häusern und Grundstücken interessiert, beste Lage, versteht sich. Darüber hinaus steigt er in Firmen und Gesellschaften ein. Er will seine Öldollars eben sicher anlegen.« »Ist das schon alles?« »Er hat eine westliche Erziehung genossen, Mylady«, berichtete der ChiefSuperintendent weiter. »Er hat hier ein privates, teures College besucht und war auf der Militärschule von Sandhurst. Nachteiliges über ihn ist nicht bekannt.« »Und wie sind die Verhältnisse in seinem Emirat, Sir?« schaltete der Butler sich ein. »Vollkommen sicher, Mr. Parker! Es gibt da keine Leute, die ihn aus dem
Sattel heben wollen. Er herrscht mit eiserner Hand, wie es so treffend heißt. Opposition ist ihm unbekannt. Sein Wille allein ist Gesetz.« »Ist er verheiratet?« »Unverheiratet, Mylady. Aber er hat seine Affären. Sie interessieren sich sehr für ihn, nicht wahr?« »Nicht, um ihn zu heiraten«, spottete die streitlustige Dame. »Nur rein gesellschaftlich, Mylady?« »Unser Zusammentreffen in Wimbledon war fast zufällig«, schwindelte Lady Agatha. »Dieser Ölscheich hat bei einigen Gesellschaften vorgefühlt, an denen ich beteiligt bin, das ist auch schon alles.« »Mit dem Mord an diesem Herb Falters hat das alles nichts zu tun?« McWarden traute seiner Konkurrentin natürlich nicht über den Weg. Er wußte aus Erfahrung, daß sie ihn nach Belieben schamlos belog. »Ist die Leiche dieses Herb Falters bereits obduziert worden?« fragte Parker, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. »Natürlich, Mr. Parker. Der Gerichtsmediziner ist aber nicht in der Lage, ein genaues Urteil zu fällen.« »Wie soll ich denn das verstehen, McWarden?« Agatha Simpson runzelte die Stirn. »Nun ja, er spricht von glatten Schnitten, die von einem Säbel herrühren könnten«, erwiderte McWarden und zuckte die Schultern. »Aber woher sollten die wohl stammen? Säbel! Er meint aber auf der anderen Seite, diese glatten Schnitte könnten auch von den schar-
fen Karosserieblechen stammen. Der Mann will sich nicht festlegen.« »Wurde er nun ermordet oder nicht?« Lady Agatha tauschte einen Blick mit ihrem Butler. »Auch das ist noch nicht endgültig geklärt.« McWarden schien die Wahrheit zu sagen, denn er wirkte ratlos. »Unfall oder Mord!? Ich weiß es nicht. Könnten Sie mir da vielleicht ein wenig weiterhelfen, Mylady?« »Wie sollte ich, wenn Ihr Gerichtsmediziner schon vor einem Rätsel steht?« Die Lady zuckte die Achseln. »Demnach haben die beiden Eierhandgranaten auch nicht Ihnen gegolten?« »Habe ich sie zurückgespielt oder Mr. Parker?« Sie lächelte spöttisch und wandte sich an ihren Butler. »Ihre Vorhand war übrigens nicht besonders gut, Mr. Parker, um das mal deutlich zu sagen. Sie werden noch viel üben müssen!« * McWarden hatte das Haus gerade verlassen, als das Telefon läutete. Josuah Parker ging an den Apparat und meldete sich. Gleichzeitig legte er einen kleinen Hebel um, damit seine Herrin über einen Verstärker mithören konnte. »Hier ist Shoon«, meldete sich eine Männerstimme. »Shoon, kennen Sie mich noch, Mr. Parker?« »Sie sind mit Ihrem Partner Crown so freundlich gewesen, meiner bescheidenen Wenigkeit einige Fragen zu beantworten«, erwiderte der Butler höflich. »Sollten Sie inzwischen das
bekommen haben, was man gemeinhin Schwierigkeiten nennt?« »Schwierigkeiten?« Der Mann mit der nasalen Stimme, die für ihn so typisch war, lachte kurz und bitter auf. »Crown lebt nicht mehr. Man hat ihn abserviert.« »Könnten Sie sich möglicherweise etwas deutlicher ausdrücken?« »Man hat ihn umgebracht, Mr. Parker. Ermordet! Und wenn ich nicht aufpasse, bringt man auch mich um die Ecke.« »Existiert da ein akuter Anlaß?« wollte Parker wissen. »Ich sage nur, Mokkalöffel!« »Haben Sie sich einem anderen und neuen Beruf zugewandt, Mr. Shoon?« »Sie wissen genau, was ich meine! Sie haben uns einen Mokkalöffel weggenommen, der explosiver ist als Nitroglyzerin.« »Übertreiben Sie nicht ein wenig, Mr. Shoon?« »Hören Sie, Mr. Parker, ich bin bereit, Ihnen ein paar sagenhafte Tips zu geben, aber die rücke ich nicht ohne Geld 'raus, haben wir uns verstanden?« »An welche Summe dachten Sie, Mr. Shoon?« »Zwanzigtausend Pfund. Und das is' noch geschenkt.« »Was könnten Sie dafür bieten, Mr. Shoon? Mit einem Hinweis müßten Sie schon dienen können?« »Ich werde Ihnen sagen, mit welcher Masche hier Grundstücke und Häuser aufgekauft werden. Und ich werde Ihnen sagen, wer hinter dieser ganzen Schweinerei steckt.« »An der Sie sich beteiligt haben, nicht wahr? Sie, Mr. Crown und auch Mr. Falters.«
Auf der Gegenseite wurde es einen Moment still. Dann lachte Shoon leise auf. »Okay, Sie wissen also, wo's lang geht, Mr. Parker, aber Sie haben keine Ahnung, wer der Drahtzieher ist. Und den kann ich Ihnen ans Messer liefern.« »Wo befindet Ihr Partner Crown sich jetzt?« »Der Junge dürfte in Richtung Nordsee treiben, Mr. Parker. Man hat ihn in die Themse geworfen.« »Und Sie konnten entwischen?« »Weil ich vorsichtiger war. Aber jetzt möchte ich mich absetzen. Also, wie sieht's aus? Zwanzigtausend Pfund, in kleinen Scheinen ...« »Ich möchte sagen, daß sich solch ein Transfer wohl einrichten läßt«, gab der Butler zurück. »Ihre Angst vor einem gewissen Awud Salhut muß ungemein groß sein.« »Vor... Vor wem?« fragte Charles Shoon. Seine Stimme klang noch nasaler. »Wo und wann könnte man sich treffen? « fragte Parker. Er wollte das Gespräch abkürzen und sich so schnell wie möglich mit diesem Mann in Verbindung setzen. »Ich komm' in den Hyde Park«, schlug Shoon vor. »Ich bin sowieso in der Nähe. Wie wär's mit der Nordseite der Serpentine-Bridge?« »Erwarten Sie mich dort in etwa zwanzig Minuten«, antwortete Josuah Parker. »Ich werde das Geld mitbringen.« Er legte auf und wandte sich seiner Herrin zu, die ablehnend den Kopf schüttelte.
»Mylady haben Bedenken?« erkundigte sich Parker. Er wußte, daß es Agatha Simpson nicht um's Geld ging. »Das ist doch eine Falle«, antwortete die ältere Dame geringschätzig. »Haben Sie denn das nicht herausgehört?« »Wenn Mylady gestatten, werde ich dennoch das verabredete Stelldichein wahrnehmen«, bemerkte der Butler. »Sicherheitshalber werde ich jedoch meinen Spezial-Covercoat überziehen. Man sollte das Schicksal in der Tat nicht unnötig herausfordern.« * Josuah Parker schritt gemessenen Schrittes über einen der Wege, die den Hyde Park kreuzten. Sein Ziel war das Gewässer, das in seiner Form einem Bumerang ähnelte. Es war inzwischen fast Mittag, und die Sonne gab sich alle Mühe, London ein wenig zu verwöhnen. Es herrschte ein überraschend mildes, schon fast warm zu nennendes Klima. Und Parker trug einen knielangen, schwarzen Covercoat altväterlichen Zuschnitts, der zu einem kühlen Regentag gepaßt hätte. Er trug ihn nicht ohne Grund. Die Innenseite dieses mantelähnlichen Kleidungsstücks war schußsicher ausgekleidet. Der Butler rechnete durchaus mit einem heimtückischen Schuß aus dem Hinterhalt. Er wußte schließlich nicht, ob Lester Crown tatsächlich ermordet worden war, und hatte keine Ahnung, auf welcher Seite Charles Shoon stand. Die Antwort auf diese Fragen erfolgte schneller als erwartet.
Er passierte eine recht unübersichtliche Stelle, die zu seiner Linken mit Sträuchern und hohen Gewächsen bepflanzt war. Er hörte plötzlich ein hohles »Plopp« und verspürte im gleichen Moment einen harten Schlag knapp unter seinem linken Schulterblatt. Josuah Parker spielte seine Rolle hervorragend. Er knickte ein, als sei er getroffen worden, schleppte sich dann taumelnd zu einer Bank, die erfreulicherweise in der Nähe stand, erreichte sie nicht mehr und ließ sich im Gras nieder. Nun ist der Hyde Park samt seinem Rasen kein heiliger Ort, der von Passanten mit Hochachtung gemieden wird. Auf den Rasenflächen ist es durchaus erlaubt das zu tun, was man im Augenblick gerade für richtig hält. Man kann sich hier niederlegen und ein kleines Nickerchen machen, man kann sich sonnen, Zeitung lesen und das Gras wie normales Gras behandeln. Es fiel also überhaupt nicht auf, als Parker sich ins Grüne setzte und dann entspannt ausstreckte. Andere Passanten gönnten ihm nach guter britischer Tradition keinen Blick. Es war schließlich Privatsache dieses wie ein Butler aussehenden Mannes, eine kleine Verschnaufpause nach Gutdünken einzulegen. Es dauerte nur eine Minute, bis zwei Passanten sich dem Butler näherten. Sie unterhielten sich lebhaft miteinander und achteten ebenfalls nicht auf Parker. Es waren zwei dunkelhäutige Männer, die vermutlich aus dem nahen Osten stammten. Sie trugen europäische Kleidung und hielten es für richtig, sich in Parkers Nähe ebenfalls auf den Rasen zu setzen.
Sie redeten weiter miteinander und widmeten sich dann dem Butler. Einer der beiden hielt eine Zigarette in der Hand und schien um Feuer bitten zu wollen. Um die Täuschung vollkommen zu machen, stellte der Araber tatsächlich die entsprechende Frage. »Aber bitte sehr«, erwiderte Parker und richtete sich auf. Der Araber erstarrte zu einer Salzsäule und stierte Parker aus aufgerissenen Augen an. Dann starrte er allerdings schon nicht mehr, denn der bleigefütterte Bambusgriff des Universal-Regenschirms legte sich auf die Stirn des Erstarrten. Der Mann fiel daraufhin friedlich ins Gras zurück und überließ seinem Begleiter die weiteren Aktionen. Dieser hatte sich inzwischen von seiner völligen Überraschung erholt, sprang auf und wollte sein Sprinttalent testen. Seine Anfangsgeschwindigkeit war beachtlich, aber dennoch kam er nicht weit. Plötzlich befand sich ein stricknadellanger Pfeil in seinem linken Oberschenkel, der sich als äußerst hinderlich erwies. Der Mann stolperte, verlor das Gleichgewicht und landete der Länge nach im Gras. Als er sich aufraffen wollte, war plötzlich eine junge, sportlich gekleidete Dame zur Stelle, die laut und fast ein wenig schadenfroh lachte und sich neben dem Araber ins Gras warf. Der Mann aus dem Nahen Osten war noch nicht ganz betäubt. Er hatte noch die Kraft, nach seiner Schußwaffe zu langen, die sich augenscheinlich in einer Schulterhalfter befand. Die junge Dame hingegen schätzte das gar nicht. Schnell und unauffällig setzte sie den Araber mit einem Handkantenschlag
außer Gefecht und schickte ihn anschließend in das oft zitierte Land der Träume. * Man lustwandelte einträchtig zu Parkers hochbeinigem Monstrum, das in der Nähe der Park Lane stand. Die junge Dame, es handelte sich natürlich um Kathy Porter, hatte sich bei ihrem Araber eingehakt und preßte ihm dessen Waffe gegen die Hüfte. Der Araber konnte sich diesem entschiedenen Charme Kathy Porters nicht entziehen. Er ging gehorsam mit. Kathy Porter trug übrigens zu ihrem Hosenanzug einen weiten, federleichten Mantel, der die Waffe geschickt tarnte. Der Mann aus dem Morgenland hatte keine Chance, sich seiner Begleiterin zu entziehen. Körperlich war er sicher wesentlich stärker als seine Begleiterin, doch ein gewisses Lähmungsgift in seinem Blutkreislauf machte ihn müde. Der Araber an Parkers Seite hatte sich ebenfalls bereits in sein Schicksal gefügt. Parker blieb einen halben Schritt hinter ihm und hätte ihm höflich versichert, sein Regenschirm sei durchaus schnell und lang genug, um einen Fluchtversuch im Keim zu ersticken. Nach etwa zehn Minuten durften die beiden Araber im Fond von Parkers Wagen Platz nehmen. Sie taten das mit stoischer Ruhe und hofften wohl, unterwegs bei passender Gelegenheit aussteigen zu können. Innere Türklinken waren schließlich vorhanden. Sie konnten natürlich nicht wissen, daß Parker die beiden Türen
von seinem Armaturenbrett aus elektrisch verriegelt hatte. »Glauben Sie, daß wir verfolgt werden, Mr. Parker?« fragte Kathy Porter, als der Butler den Wagen in Bewegung setzte. »Es wird Beobachter gegeben haben, Miß Porter«, vermutete Josuah Parker. »Beobachter aus einer sicheren Entfernung heraus.« »Rechnen Sie mit einem weiteren Überfall?« »Dies würde meinen Interessen entgegenkommen«, entgegnete Parker. Er konnte sich mit Kathy Porter ungestört unterhalten, denn die Trennscheibe zwischen dem Fond und den Vordersitzen war geschlossen. »Die beiden Männer sind wieder voll da, Mr. Parker«, sagte Kathy Porter, die einen unauffälligen Blick in den Rückspiegel getan hatte. »Sie unterhalten sich.« »Gewiß in ihrer Muttersprache, Miß Porter.« Parker nickte höflich und deutete dann auf eine Kontrollampe am Armaturenbrett. »Die Unterhaltung wird selbstverständlich mitgeschnitten und später übersetzt werden.« »Ob Shoon gar nicht kommen wollte? Oder ist er vorher abgefangen worden?« »Er dürfte sich meiner bescheidenen Ansicht nach nicht mehr im Besitz seiner Freiheit befinden«, vermutete der Butler. »Er wurde gezwungen, den Anruf zu tätigen.« »Glauben Sie, daß dieser Awud Salhut seine Hände im Spiel hat?« »Mit letzter Sicherheit, Miß Porter.« »Und wie denken Sie über den Emir von Achem?«
»Eine Antwort darauf, Miß Porter, möchte ich mir noch aufsparen«, erwiderte Josuah Parker gemessen. »Ich bitte, dies verstehen zu wollen.« »Die beiden scheinen sich aber viel zu sagen zu haben«, meinte Kathy Porter nach einem weiteren Blick in den Rückspiegel. »Sie reden ununterbrochen miteinander.« »Die Tonbandkassette der internen Übertragungsanlage ist lang ausgelegt«, beruhigte Parker seine Begleiterin. »Hoffentlich haben die beiden Herren sich Essentielles zu sagen.« »Hoffentlich werden wir inzwischen verfolgt«, sagte Kathy Porter und lächelte. »Haben Sie schon etwas herausgefunden?« »Zur Zeit muß ich leider noch bedauern«, erwiderte der Butler in seiner gemessenen Art. »Ich fürchte allerdings, daß meine bescheidenen Hoffnungen getrogen werden.« »Sie glauben nicht an einen weiteren Überfall?« »Sowohl Awud Salhut als auch der Emir werden sich auf die vollkommene Verschwiegenheit ihrer Landsleute verlassen können.« »Könnten es die Männer sein, die diesen Herb Falters umgebracht haben?« »Die Obduktion hat leider noch keine eindeutigen Ergebnisse gezeitigt, Miß Porter. Vergessen Sie bitte nicht, daß auch Mr. Stirling Mall und seine Mitarbeiter durchaus als Mörder in Betracht kommen. An einen tragischen Unfall in der Garage, der tödlich endete, möchte ich nicht glauben.« »Wirklich immer noch nichts, Mr. Parker?« Kathy Porter seufzte. Sie hatte nichts gegen eine Verfolgung, die
vielleicht nähere und konkretere Aufschlüsse gebracht hätte. Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum inzwischen über Paddington hinaus weiter nördlich nach St. John's Wood gelenkt. Inzwischen mußte zu erkennen sein, ob ihnen ein bestimmter Wagen folgte. »Ich kann Sie jetzt beruhigen«, meinte Parker und lächelte andeutungsweise. »Meiner bescheidenen Ansicht nach scheint ein etwas zu unauffällig wirkender Toyota beharrlich unserer Spur zu folgen. Ich muß gestehen und einräumen, daß mich dies ein wenig verblüffte. * Lady Agatha ärgerte sich maßlos. Sie war in ihrem Haus in Shepherd's Markt zurückgeblieben und wartete seit einer Stunde auf Parkers und Kathy Porters Rückkehr. Inzwischen war ein Verdacht zur Gewißheit geworden: Der Butler hatte sie an der Nase herumgeführt. Ihr Ärger verflog jedoch, als die Türglocke sich rührte. Die Lady schritt in die Wohnhalle und öffnete hier einen kleinen Wandschrank, in dem ein Fernsehmonitor untergebracht war. Sie schaltete das Gerät ein, und die über der Haustür versteckt installierte Fernsehkamera lieferte ihr ein klares Bild. Vor der Tür stand zu ihrer freudigen Überraschung ihr Tennispartner aus Wimbledon. Der Emir von Achem trug natürlich westliche Kleidung, aber seine beiden Begleiter präsentierten sich in orientalischer Tracht. In ihren Schärpen befanden sich Krummschwerter, die bei der älteren
Dame sofort gewisse Assoziationen auslösten. War dieser Gangster Herb Falters nicht vielleicht von Schwertern oder Säbeln zu Tode gebracht worden? < Die Detektivin hatte keine Bedenken, die Tür zu öffnen, per Knopfdruck selbstverständlich. Hier im Haus war alles elektronisch zu regeln. Butler Parkers Vorsichtsmaßnahmen waren geradezu perfekt. Der Emir von Achem betrat den Vorflur, der von der Wohnhalle durch eine normal aussehende Glastür getrennt wurde. Seine beiden Säbelträger folgten prompt, und schon schloß sich hinter ihnen die Haustür. Der Emir von Achem sah die ältere Dame hinter der Glastür und wartete darauf, daß sie von einem seiner Begleiter geöffnet wurde. Er selbst ließ sich zu solch einer ordinären und gewöhnlichen Handlung wohl nicht herab. Die Lady lächelte strahlend. Sie bot das Bild einer älteren Dame, die sich über diesen Besuch geschmeichelt fühlt. Und sie lächelte noch breiter, als die Glastür sich natürlich nicht öffnen ließ. Sie war elektronisch verriegelt. »Sie machen sich die Sache sehr einfach«, sagte Lady Agatha. Über eine Wechselsprechanlage konnte sie sich verzerrungsfrei mit ihrem Besucher unterhalten. »Wie darf ich das verstehen, Mylady?« fragte Feisal el Achem und schüttelte irritiert den Kopf. »Ich möchte Ihnen meine Aufwartung machen und mich bedanken. Darf ich Sie an die beiden Eierhandgranaten erinnern? Möglicherweise haben sie auch mir gegolten.«
Die beiden Leibwächter schienen in panikartige Unruhe geraten zu sein. Instinktiv spürten die Wüstensöhne, daß sie sich zusammen mit ihrem Herrn in einer Art riesiger Mausefalle befanden. Die Haustür wies nämlich auf der Innenseite weder Schloß noch Klinke auf. Und die Glastür war einfach nicht zu öffnen. Sie traten zwei Schritte zurück und warfen sich mit aller Wucht gegen die Füllung. Es nutzte überhaupt nichts. Parker hatte selbstverständlich bestes Panzerglas einbauen lassen, das jedem Schuß trotzte. Die beiden Wüstensöhne prallten von der Glastür zurück und schauten sich verdutzt an. »Sie scheinen den Zweck meines Besuches mißzuverstehen«, sagte der Emir von Achem, der einen leicht wütenden Eindruck machte. »Ich möchte wieder gehen.« »Das könnte Ihnen so passen, junger Mann!« Die resolute Hausherrin triumphierte und schüttelte den Kopf. »Sie sind natürlich mein Gast, und Sie werden sich hoffentlich wohl fühlen.« Sie drückte auf einen Zierknopf an der Wandvertäfelung. Daraufhin teilte sich der Boden unter den drei Männern. Er klappte in zwei Teilen zur Seite und ließ die drei Orientalen blitzschnell nach unten verschwinden. Sekunden später hatte der Boden sich wieder geschlossen und sah solide und begehbar aus. »Nicht mit mir«, murmelte die ältere Dame. »Mr. Parker wird sich wundern, wer mir da freiwillig ins Netz gegangen ist. Wie dumm manche Menschen doch sind! Es ist nicht zu fassen!« *
Der Toyota war schneller geworden, holte auf und passierte Parkers hochbeiniges Monstrum. Kathy Porter kannte im Wagen vier Männer, die auf keinen Fall aus dem Nahen Osten stammten, was ihre Hautfarbe betraf. Sie sahen europäisch aus und machten einen entschlossenen Eindruck. Der Toyota schnitt rücksichtslos den Kurs des hochbeinigen Monstrums und drängte den Wagen an den Straßenrand. Der Fahrer des Toyota hatte sich einen außerordentlich guten Platz ausgesucht, wie er wohl fest glaubte. Man befand sich auf einer engen Straße, die an einem kleinen Parkgrundstück verlief. Dieses Grundstück wurde von einer hohen Mauer begrenzt und ließ zu dieser Seite hin keine Flucht zu. Aus dem Toyota fielen förmlich vier Männer. Sie stürmten auf Parkers Wagen zu und genierten sich nicht, dabei ihre diversen Schußwaffen zu zeigen. Ihre Ausrüstung konnte sich sehen lassen. Sie besaßen Revolver und sogar eine kurzläufige Maschinenpistole. »So sieht man sich wieder«, sagte Parker, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Er hatte den Anführer der Grillfreunde erkannt. »Das da ist der Mann, der die Fassadensprüher angeführt hat«, rief Kathy Porter überrascht aus. Sie meinte den anderen Mann, der jetzt die Wagentür auf ihrer Seite aufreißen wollte. Was natürlich nicht klappte. Der Butler hatte auch die beiden vorderen Türen elektrisch verriegelt und lüftete in Richtung Grillfreundanführer
seine schwarze Melone. Dieser Mann war eifrig damit beschäftigt, die Fahrertür aufzuzerren, was ihm wegen der geprellten Hand nicht so gelang, wie er es sich wohl vorgestellt hatte. Die übrigen beiden Männer mühten sich mit den Hintertüren des hochbeinigen Wagens ab, aber natürlich auch hier ohne Erfolg. Die beiden Wüstensöhne im Fond des Wagens gestikulierten aufmunternd, konnten aber sonst nichts machen. »Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie etwas wünschen?« erkundigte Parker sich inzwischen über die Außensprechanlage seines Wagens. »Es wäre sinnlos, die Scheiben einschießen zu wollen. Sie bestehen aus Panzerglas, wie ich versichern darf.« Die beiden Anführer der Grillfreunde und Fassadensprüher wichen je einen halben Schritt zurück und waren ehrlich überrascht. Einen solch sprechenden Wagen hatten sie noch nie erlebt. »Auch die Karosserie hält natürlich jedem Beschluß stand«, redete der Butler gemessen weiter. »Aber jetzt sollte ich wohl besser schweigen und Ihnen das Reden überlassen.« »Wir... Wir sprengen die Karre in die Luft«, behauptete Jeff Ventor, der Anführer der Grillfreunde. »Sofort aufmachen, oder es passiert'n Unglück«, sagte Ben Laners, der Anführer der Fassadensprüher. »Ist Ihnen bekannt, daß Ihr ehemaliger Anführer Falters inzwischen ermordet worden ist?« fragte Parker über die Sprechanlage nach draußen. »Sofort aufmachen«, brüllte Ventor gereizt.
»Wir stecken den Schlitten in Brand«, drohte Laners. »Arbeiten Sie inzwischen weiterhin für einen Ölmillionär, oder haben Sie sich etwa einem Mr. Stirling Mall angeschlossen?« lautete Parkers nächste Frage. Er ließ die vier ratlosen Männer nicht aus den Augen und blieb vorsichtig. Er hatte zudem längst den Rückwärtsgang eingelegt, um im Bedarfsfall blitzschnell zurückstoßen zu können. Sie gingen auf seine Frage nicht ein, sondern versuchten die Wagenscheiben mit den Griffstücken ihrer Waffen einzuschlagen. Schüsse wagten sie nicht abzufeuern. Das hätte selbst in dieser recht ruhigen Gegend Alarm ausgelöst. Die schweren Panzerscheiben zeigten noch nicht mal Kratzer. Die vier Gangster erinnerten den Butler an hungrige Wölfe, die um ihr nahes Opfer tänzelten, jedoch nicht in der Lage waren, ihre Zähne in die Beute zu schlagen. Parker machte dem Spiel ein Ende. Seine linke, schwarz behandschuhte Hand griff zum Armaturenbrett des Wagens. Sein Zeigefinger legte einen unscheinbar aussehenden Kipphebel um. Bruchteile von Sekunden später zischten aus einer Vielzahl von Düsen, die unter dem Wagenboden angebracht waren, einschläfernde Schwaden in die frische Luft. »Wir sollten noch ein wenig warten«, sagte er zu Kathy Porter, die wieder mal fasziniert war. »Nach meinen bescheidenen Berechnungen müßten die vier Herren innerhalb der nächsten zehn Sekunden ihrem dringenden Schlafbedürfnis nachgeben. Es handelt sich natürlich
nur um mittlere Werte, wie ich hinzufügen muß. Legen Sie meine bescheidene Person also bitte nicht fest!« * »Ich bin dienstlich hier«, sagte Chief-Superintendent McWarden grimmig und musterte den Butler mit scharfem Blick. »Und Sie wissen, warum das so ist, Mr. Parker. Diesmal werden keine Ausflüchte helfen.« »Sie möchten Mylady sprechen, Sir?« erkundigte Parker sich förmlich wie immer. »Und Sie, Mr. Parker!« McWarden räusperte sich. »Diesmal sind Sie zu weit gegangen.« »Meinen Sie meine bescheidene Wenigkeit, Sir?« »Und auch Lady Simpson«, erklärte McWarden. »Sie ahnen ja nicht, was los ist. Es wird diplomatische Verwicklungen geben. Die Regierung Ihrer Majestät verlangt härteste Strafverfolgung.« Lady Agatha hatte den letzten Teil dieses Satzes noch gehört. Während McWarden seiner Entrüstung noch Luft verschafft hatte, war er von Josuah Parker in den Empfangssalon geführt worden. Hier verbeugte der Chief-Superintendent sich knapp. »Sie kommen leider wieder mal zu spät, McWarden«, sagte die Detektivin überraschend freundlich. »Ich hatte gerade mein Dinner. Aber ein Täßchen Tee läßt sich bestimmt noch auftreiben, nicht wahr, Mr. Parker?« »Ich will keinen Tee, Mylady, ich verlange eine Erklärung«, reagierte McWarden erbost. Er schüttelte auch den Kopf, als die ältere Dame einen
Platz anbot, was an sich recht ungewöhnlich war. »Sie scheinen wieder mal Ärger zu haben«, meinte Lady Agatha. »Ob das Ihrer Galle auf die Dauer bekommen wird?« »Mylady, ich verfolge hiermit und jetzt eine offizielle Anklage«, antwortete McWarden, der nicht über den Zustand seiner Galle diskutieren wollte. »Der Emir von Achem, der Ihnen bekannt sein dürfte, klagt Sie der Entführung, der Körperverletzung, der seelischen Grausamkeit und der Freiheitsberaubung an.« »Ist das alles?« Agatha Simpson sah McWarden erstaunt an. »Mylady, ich muß doch sehr bitten!« McWarden warf sich in die Brust. »Das sind schwerwiegende Anklagen. Der Emir von Achem unterliegt dem diplomatischen Status.« »Er ist ein ziemlich schlechter Tennisspieler«, erwiderte die ältere Dame geringschätzig. »Mylady, er behauptet, sie hätten ihn und seine beiden Begleiter ins Haus gelockt und in einen Keller stürzen lassen. Dort wurde der Emir nach seinen Angaben etwa zwei Stunden lang festgehalten.« »Diese Orientalen sind begabte Märchenerzähler, McWarden, wissen Sie das? Denken Sie an die Geschichten Sindbads, des Seefahrers.« »Darf man erfahren, Sir, wie der Emir sich befreien konnte?« wollte Josuah Parker dann wissen. »Er konnte sich nicht befreien!« »Dann wird er jetzt immer noch festgehalten, wenn ich Ihren Hinweis richtig deute, Sir?« »Unsinn, Mr. Parker! Er wurde mit einem Trick betäubt. Als er wieder zu
sich kam, saß er im Hyde Park neben einem Denkmal. Seine beiden Begleiter übrigens auch.« »Und war betrunken, wie?« Agatha Simpson schüttelte den Kopf. »Wer's nicht verträgt, soll auch nicht trinken. Sind Sie anderer Meinung, McWarden?« »Mylady, der Emir kann sich genau erinnern, wie er hier in diesem Haus um seine Freiheit gebracht wurde.« McWarden fühlte sich wieder mal auf den Arm genommen. Er deutete in die große Wohnhalle. »Dort im Vorflur sind nach seinem Bericht zwei Bodenhälften unter seinen Füßen weggeklappt, und daraufhin landete er mit seinen Begleitern in einem Keller. Wie er ihn verlassen hat, weiß er nicht. Aber meiner Ansicht nach ist er betäubt worden.« »Warum schreibt dieser Mann keine Märchen?« fragte Lady Simpson und sah ihren Butler kopfschüttelnd an. »Mr. Parker, ist der Fußboden im Vorflur etwa nicht mehr in Ordnung?« »Er befindet sich in einem ausgezeichneten Zustand, Mylady«, antwortete Butler Parker. »Ich werde ihn untersuchen lassen. Und die gerichtliche Verfügung und Erlaubnis habe ich bereits mitgebracht.« McWarden freute sich, endlich mal hier im Haus eine Untersuchung vornehmen zu können. Er ahnte schon seit langer Zeit, daß dieses altehrwürdige Gebäude voller Geheimnisse und Überraschungen steckte. Nun bot sich ihm die Chance, einen Zipfel dieser Geheimnisse zu lüpfen. »Wenn Sie fertig sind, McWarden, dann nehmen Sie eine Tasse Tee«,
schlug die Detektivin süffisant vor. »Aber passen Sie auf, daß Sie nicht auch in diesen Phantasiekeller fallen!« McWarden ließ sich von Parker zurück zur Haustür bringen. Der ChiefSuperintendent winkte zwei jüngere Männer aus seinem Dienstwagen und nickte dem Butler dann siegessicher zu. »Meine beiden besten Spezialisten«, sagte er genußvoll. »In zehn Minuten werden sie die Fallgrube gefunden haben, Mr. Parker. Und damit werden dann gewisse Extratouren für immer beendet sein!« * »Sie machen einen abgespannten Eindruck, lieber McWarden«, stellte Lady Simpson nach einer halben Stunde fest, als der ChiefSuperintendent in den kleinen Salon zurückkehrte. »Waren Ihre Begleiter erfolgreich, Sir?« erkundigte Josuah Parker sich höflich. »Wenn ich Ihnen meine Mitarbeit anbieten darf, so sollten Sie über meine bescheidenen Fähigkeiten verfügen.« »Ich werde das Parkett freilegen lassen«, sagte McWarden grimmig. »Mit anderen Worten, Sie haben natürlich keine Falltür gefunden, nicht wahr?« Lady Agatha lächelte amüsiert. »Sie muß aber da sein. Der Emir hat nicht gelogen. Er hat alles ganz genau beschrieben.« »Und warum ist er nicht mitgekommen, um Ihnen alles zu zeigen, lieber McWarden?« Lady Simpson schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Könnte er sich vielleicht in der Adresse geirrt haben?«
»Ausgeschlossen, Mylady! Er ist ja von Ihnen eingelassen worden.« »Dieser Mann muß unter Wahnvorstellungen leiden«, behauptete die ältere Dame genießerisch. »Ich glaube, ich werde mich mal mit diesem Wirrkopf unterhalten müssen.« »Bitte, nur das nicht!« McWarden wurde bleich. »Das würde mit Sicherheit zusätzliche diplomatische Verwicklungen ergeben.« »Zu welchem Ergebnis, Sir, sind Ihre Spezialisten gekommen?« wollte Josuah Parker wissen. »Nun ja, noch haben sie die Falltür nicht gefunden.« McWarden glich gerade jetzt mehr denn je einer gereizten und bissigen Bulldogge. »Aber selbst wenn ich das Parkett aufreißen lassen sollte, ich werde...« »Sir, darf ich mir die Freiheit nehmen, einen Einspruch dagegen zu erheben?« Parker war jetzt ganz Würde. »Dieses Haus steht unter dem, was man gemeinhin und auch amtlich Denkmalschutz nennt. Nur allein durch eine königliche Order könnte hier eine Ausnahme gemacht werden. Bis jedoch die Genehmigung vorliegt, dürften einige Monate vergehen.« »Diese Falltür muß raffiniert getarnt sein«, sagte McWarden. »Natürlich ist sie das«, spöttelte die Hausherrin. »Sie ist vierfach abgesichert, nicht wahr, Mr. Parker?« »Dreifach, Mylady«, korrigierte Parker, um sich an die Wahrheit zu halten. »Dreifach also.« Agatha Simpson nickte dem Chief-Superintendent zu. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, McWarden, trinken Sie einen Tee, von mir aus auch einen Sherry, aber quälen
Sie sich nicht länger mit dieser Falltür ab!« »Es gibt sie also?« McWarden fragte das fast ohne Energie. »Natürlich gibt es sie«, erwiderte die Detektivin. »Gut, der Emir von Achem hat nicht gelogen. Es hat sich alles so abgespielt, wie er es behauptet. Sind Sie jetzt zufrieden?« »Sie wollen mich jetzt aufziehen.« McWarden wollte die Wahrheit nicht akzeptieren. »Aber eines Tages werde ich dieses Haus auf den Kopf stellen dürfen. Und darauf freue ich mich schon jetzt.« Er winkte seinen beiden erfolglosen Spezialisten zu und ließ sich von Parker zur Haustür bringen. Als er den Vorflur passierte, schaute er nachdenklich auf den Parkettboden und schüttelte den Kopf. »Es haben sich noch Bedenken ergeben, Sir?« erkundigte der Butler sich in seiner höflichen Art. »Hier hat der Emir gestanden, und hier ist er durchgefallen«, sagte er leise und wandte sich an seine Begleiter. »Haben Sie auch wirklich alles genau untersucht?« »Unter dem Parkett ist Beton, Sir, nichts als Beton«, erwiderte der erste Spezialist. »Und altes Mauerwerk dazwischen«, fügte der zweite hinzu. »Daran besteht überhaupt kein Zweifel.« Parker wußte, daß sie die Wahrheit sagten. Über dem normalerweise tiefer gelegenen Eingang hatte sich eine entsprechende Platte seitlich geschoben. Nein, die Spezialisten irrten sich nicht. »Er hat mir ja fast schon leid getan, Mr. Parker«, sagte Lady Simpson, als der Butler zurück in den Salon gekommen war.
»Mr. McWarden hätte damit rechnen sollen und müssen, Mylady«, gab Josuah Parker gemessen zurück. »Die Geheimnisse dieses Hauses wird selbst der Emir von Achem nicht lüften können.« »Was machen unsere sechs Gäste?« wollte die ältere Dame wissen. »Bis auf die Herren Ventor und Laners werde ich mir erlauben, sie noch im Lauf der Nacht wieder auf freien Fuß zu setzen«, entgegnete Parker höflich. »Sie sind für die Lösung des Falls unwichtig und nur das, was man als Mitläufer bezeichnen könnte.« »Auch diese beiden Wüstensöhne, Mr. Parker?« »Ihre in ihrer Muttersprache geführte Diskussion im Fond des Wagens wird bald vorliegen«, gab Parker zurück. »Miß Porter befindet sich zur Zeit bei Professor Lindby und läßt das Band übersetzen.« »Nur Mitläufer?« Lady Agatha dachte an die Fassadensprüher. »Sie werden mit Sicherheit keine Fassaden mehr farblich neu gestalten wollen«, versicherte der Butler. »Die bisherigen Erlebnisse werden sie möglicherweise sogar zurück auf den sprichwörtlichen Pfad der Tugend bringen. Falls nicht, werden sie sich früher oder später wegen anderer Delikte verantworten müssen. Was im Moment vorliegt, würde nicht ausreichen, Anklage gegen sie zu erheben.« »Und diese beiden Anführer Ventor und Landers?« »Werden sich dazu äußern müssen, wie ihr Auftraggeber Falters zu Tode gekommen ist.« »Nun gut, regeln Sie diese unwichtigen Kleinigkeiten, Mr. Parker. Ich
werde mich noch etwas mit meinem Roman befassen. Stören Sie mich nur, wenn es unbedingt erforderlich ist! Ich muß mich konzentrieren.« »Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit fest verlassen.« Parker war klar, daß seine Herrin sich zur Ruhe begeben wollte, doch das hätte sie nie zugegeben. Sie wollte den Anschein erwecken, als arbeite sie noch an ihrem Meisterwerk. Sie war noch nicht ganz im Obergeschoß des Hauses verschwunden, als das Telefon sich meldete. Parker hatte das Läutewerk auf eine optische Signalgebung umgestellt. Agatha Simpson konnte das Läuten also nicht mehr hören. »Hier ist Crown«, sagte die Stimme des Mannes, der Parker schon mal eine Falle gestellt und in den Hyde Park gelockt hatte. »Ich ... Ich hab' nicht kommen können, mir ist was dazwischen gekommen.« »Deswegen sollten Sie sich keine Sorgen machen, Mr. Crown«, antwortete Josuah Parker. »Wann möchten Sie meine bescheidene Person diesmal wo sehen?« »Miß Porter möchte Sie sehen«, sagte Crown, dessen Partner Shoon angeblich schon in der Themse schwamm und in Richtung Meer trieb. »Dieser Hinweis ist kein Trick, Parker. Nur dann, wenn Sie sich mächtig beeilen, werden Sie noch verhindern können, daß man die Kleine auf 'ne komische Art und Weise dressiert.« »Wo kann ich Miß Porter erreichen?« »In der Residenz des Emirs. Sie wissen schon. Aber lassen Sie nur ja die Polizei aus dem Spiel, sonst gibt's 'ne Katastrophe!«
* Man hatte ihr die Hände auf dem Rücken zusammengeschnürt und sie in einen blattgoldverzierten Sessel gedrückt. Kathy Porter sah mitgenommen aus. Sie hatte sich mit allen Künsten der Selbstverteidigung gewehrt, aber gegen die Übermacht von sechs Männern war sie einfach nicht angekommen. Ihre Jeans waren an der Taille eingerissen, die Jeansweste und die Bluse bestanden nur noch aus Fetzen. Die junge Dame ärgerte sich maßlos. Wie eine Anfängerin hatte sie sich überraschen lassen, nachdem sie das Haus Professor Lindbys verlassen hatte. Man hatte in der Nähe ihres kleinen Mini-Cooper auf sie gewartet und ihre wütende Gegenwehr schnell ausgeschaltet. Nun befand sie sich eindeutig in der sogenannten Residenz des Emirs von Achem und wußte sehr wohl, daß sie als Köder diente. Wen man hierher locken wollte, stand fest: Butler Parker sollte ebenfalls außer Gefecht gesetzt werden, und wahrscheinlich auch Lady Simpson. Diese seltsamen Immobilienkäufer wollten reinen Tisch machen. Dabei würde es ihnen auf einen Mord ganz sicher nicht ankommen. Natürlich befaßte Kathy Porter sich mit dem dünnen Strick, der ihre Handgelenke zusammenschnürte. Sie besaß sehr geschmeidige Finger und biegsame Gelenke. Leider blieb ihr nicht viel Zeit, etwas für ihre Befreiung zu unternehmen. Die Tür zu dem kleinen Raum öffnete
sich. Awud Salhut trat ein, den sie inzwischen kannte. Der Sekretär des Emirs blieb vor ihr stehen und sah sie interessiert an. »Die Dinge laufen ausgezeichnet«, sagte er lächelnd. »Ich denke, daß Mr. Parker bald erscheint.« »Den Sie dann umbringen werden, nicht wahr?« »Ich glaube kaum, daß man sich mit einem Mann seines Schlages verständigen kann, oder?« »Er sitzt Ihnen zu dicht auf den Fersen, Mr. Salhut, Ihnen und dem Emir.« »Der Emir hat keine Ahnung, was wirklich geschieht.« Awud Salhut lächelte abfällig. »Zudem hat er London verlassen und befindet sich auf seinem Landsitz.« ' »Dann haben Sie das alles hinter seinem Rücken aufgezogen?« Kathy Porter nutzte die Gesprächsbereitschaft des Mannes, um Informationen zu sammeln. »Was sollte ich denn hinter seinem Rücken zum Beispiel aufgezogen haben, Miß Porter?« »Sie haben zwei Gangsterbanden engagiert, um Terror auf Haus- und Grundbesitzer ausüben zu lassen. So wollten Sie an besonders günstige und billige Grundstücke gelangen. Mr. Parker hat dieses Spiel längst durchschaut.« »Möglich, aber er wird das nie beweisen können.« Awud Salhut lächelte spöttisch. »Er wird auch nie erfahren, daß ich den eigentlichen Schnitt machen werde.« »Er hat keine Ahnung? Das nehme ich Ihnen nicht ab. Sie tun das doch alles in des Emirs Auftrag.« »Ich kaufe in seinem Auftrag, Miß Porter, das ist schon richtig, aber er
wird die falschen Rechnungen bezahlen.« »Da komme ich nicht mehr mit, das ist mir zu hoch.« Kathy Porter stellte sich naiv. Sie sah den Sekretär des Emirs ungläubig an. »Sehr einfach, Miß Porter! Ich kaufe billig und präsentiere dem Emir dann später die regulären Rechnungen. Die Differenz gehört mir. Und die wird nicht unbeträchtlich sein.« »Das ist allerdings eine sehr einfache Methode«, räumte Kathy Porter scheinbar überrascht ein. »Wie sind Sie eigentlich an diesen Herb Falters gekommen? Er hat doch die Grillpartys und Fassadenmalereien durchführen lassen?« »Gangster diesen Kalibers sind überall zu bekommen.« Awud Salhut winkte geringschätzig ab. »Für Geld ist überhaupt alles zu bekommen, kein Problem.« »Gleichzeitig aber haben Sie auch die beiden Gangster Shoon und Crown eingesetzt, nicht wahr?« »Diese Gruppen sollten sich gegenseitig Konkurrenz machen. Und es hat sich gelohnt, wie Sie inzwischen ja wissen! Ich besitze bereits ganze Häuserzeilen.« »Und Shoon ist tot.« »Wie Herb Falters.« Awud Salhut nickte. »Nutzlose Sklaven belasten nur unnötig und stellen in diesem Fall sogar eine Gefahr dar. Auch Crown wird bald sterben.« »Ein Gewissen haben Sie wohl nicht, oder?« »Kommen Sie mir nicht mit solchen Dingen, Miß Porter!« Awud Salhut verzog sein Gesicht. »Ein Bankkonto in der Schweiz ist wesentlich besser.
Irgendwann möchte ich aufhören, den Sekretär zu spielen.« »Wieso haben Sie mich überhaupt vor dem Haus des Professors erwartet?« fragte Kathy Porter weiter. Die Informationsquelle sprudelte munter, sie wollte diesen Redefluß nicht freiwillig stoppen. »Meine Leute haben das Haus dieser skurrilen Lady überwacht. Eine recht einfache Sache. Zudem mußten Sie sich ja wegen des Mokkalöffels an einen Wissenschaftler wenden.« »Der Mokkalöffel!« Kathy Porter seufzte in gespielter Verzweiflung auf. »Damit fing der ganze Ärger erst richtig an, fürchte ich.« »Auch für mich, Miß Porter.« Awud Salhut nickte. »Man hätte ihn nicht stehlen dürfen. Er war und ist einfach ein zu gefährliches Beweisstück.« »Das verstehe ich nicht, das ist mir zu hoch. Ein einfacher Mokkalöffel sollte Ihnen gefährlich werden können?« »Er beweist, daß einige Gangster hier in der Residenz gewesen sind. Er beweist, daß ich mit Falters, Shoon und Crown gesprochen habe. So einfach ist das. Sie müssen hier im Haus gewesen sein, sonst hätten sie nicht an diesen Löffel kommen können.« »Sie haben also Herb Falters umbringen lassen, nicht wahr? Dieser Mord geht nicht auf das Konto dieses Stirling Mall?« »Ich habe ihn hinrichten lassen. In meiner Heimat werden Diebe so bestraft.« »Und wenn er den Löffel nicht gestohlen hat? Wenn es Shoon oder Crown getan haben?«
»Falters mußte sterben, weil ich da noch nicht ganz klar sah. Inzwischen weiß ich, daß Shoon der Dieb gewesen ist. Dafür treibt er in der Themse.« »Und sein Partner Crown?« »Hat seine Schuldigkeit getan und wird ebenfalls sterben. Damit dürfte dann wieder Ruhe herrschen.« »Da Sie mir das alles erzählen, werde auch ich wohl nicht lange leben, wie?« »Das hängt nun ganz von Ihnen ab, Miß Porter.« »Sie wollen mich nur beruhigen.« »Sie gefallen mir, Miß Porter. Ich würde Sie gern mit in meine Heimat nehmen.« »Sie wollen mich wohl in einem Harem verschwinden lassen, wie?« »Auf der anderen Seite kann ich mir jederzeit eine andere, ebenfalls attraktive Frau kaufen«, meinte Awud Salhut. »Das ist heutzutage kein Problem. Nein, nein, ich denke, ich werde auch Sie umbringen lassen. Sicher ist sicher.« »Und wann soll das geschehen?« »Sobald Mr. Parker hier erscheint. Ich bin überzeugt, daß er bereits unterwegs ist.« * Vor der Residenz erschien ein RollsRoyce teuerster Ausführung. Er fuhr unter das von Säulen getragene Vordach und hielt geräuschlos. Zwei in Burnusse gehüllte Araber sprangen vorn aus dem Wagen und rissen den hinteren Schlag auf. Sie verbeugten sich tief, als ein mittelgroßer, recht beleibter Scheich ausstieg, der in ein Prachtgewand gehüllt war. Er trug ei-
nen Spitzbart, eine dunkel getönte Brille und hatte ein herrisches, aber auch majestätisch nobles Benehmen. Er schritt auf die Tür der Residenz zu, die von seinen beiden Leibwächtern bereits erreicht war. Sie läuteten Sturm. Es dauerte eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde. Zwei Leibwächter des Emir von Achem sahen ihre Glaubensbrüder überrascht an. Der Scheich sagte kein Wort, dafür redeten seine Leibwächter mehr. Sie sprudelten ihr Arabisch und verneigten sich dann in Richtung des Scheich, der knapp nickte. Der Potentat übersah die hauseigenen Wächter und schritt durch die nun weit geöffnete Tür in die riesige Vorhalle der Residenz. Er tat das mit einer würdevollen Selbstverständlichkeit, als gehöre ihm hier jeder Zentimeter. Seine Begleiter benützten erneut ihr Arabisch und schafften es, daß einer der beiden hauseigenen Wächter ans Telefon ging und eine Meldung durchgab. Der Scheich blieb still wie eine Statue stehen, als ginge ihn das alles nichts an. Nach knapp drei Minuten erschien Awud Salhut auf der Bildfläche. Er maß den Scheich mit einem schnellen, prüfenden Blick, verbeugte sich tief und wartete, bis die beiden Begleiter ihren Spruch heruntergesagt hatten. »Sehr geschickt, Mr. Parker«, meinte der Sekretär des Emir von Achem dann auflachend und nickte dem Scheich zu. »So ungefähr habe ich mir Ihren Auftritt vorgestellt.« »Dann sollte man sich gegenseitig weiter nichts vormachen«, antwortete der Scheich. »Sie wissen, wen ich abholen möchte?«
»Miß Porter, nicht wahr?« Der Sekretär des Emirs lächelte. »Sie hat die Residenz vor knapp zehn Minuten verlassen. Es hat ihr hier nicht mehr gefallen. « Butler Parker knöpfte sich den weiten, wallenden Burnus auf und zog ihn aus. Dann deutete er auf seine beiden Begleiter. »Studenten aus Saudi-Arabien«, sagte er. »Man sollte sie gehen lassen, würde ich sagen.« »Sie bleiben erst mal als meine Gäste«, entschied Awud Salhut. »Ihnen wird nichts passieren. Sie aber sollten mir jetzt folgen, Mr. Parker. Ich denke, wir haben noch viel miteinander zu besprechen.« Awud Salhut ging voraus und kümmerte sich nicht weiter um den Butler, der notgedrungen folgte. Immerhin existierte da eine Geisel namens Kathy Porter. Er hatte also Rücksicht zu nehmen. Sie erreichten einen kleinen Raum, und Awud Salhut deutete auf einen blattgoldbehandelten Sessel. »Dort saß eben noch Miß Porter«, meinte er. »Und noch geht es ihr gut, Mr. Parker.« »Hoffentlich wird das so bleiben, Mr. Salhut.« »Das hängt von Ihnen ab, Mr. Parker. Sie haben sich störend in meine Geschäfte eingeschaltet, und ich fürchte, daß Sie nicht aufgeben werden.« »Ich fürchte genau das Gegenteil, Mr. Salhut«, antwortete Josuah Parker, der jetzt wieder in seinem üblichen schwarzen Zweireiher vor dem Sekretär des Emirs stand. »Mir scheint, daß Sie sämtliche Trümpfe in Händen halten.«
»Sie schätzen Ihre Situation schon richtig ein, Mr. Parker.« »Und wie wollen Sie Mylady, Miß Porter und meine bescheidene Wenigkeit aus dem Weg räumen?« »Sehr einfach, Mr. Parker. Dafür wird ein gewisser Stirling Mall die Verantwortung übernehmen müssen.« »Sie arbeiten bereits mit ihm zusammen?« »Er wird die beiden Gruppen übernehmen, die Falters engagiert hatte. Ich denke, daß die Behörden ihm durchaus einige Morde zutrauen. Verdächtigen sie ihn nicht bereits im Fall Falters?« »Glauben Sie wirklich, einen Stirling Mall hereinlegen zu können?« Parker wunderte sich sichtlich. »Er ist schlau wie ein Fuchs.« »Und gierig wie ein Hai, wenn er Geld wittert.« Awud Salhut machte eine abfällige Handbewegung. »Agatha Simpson war im Grund so freundlich, mich mit diesem Mann bekannt zu machen, als sie von meinen Leuten beschattet wurde. Stirling Mall hat in der Unterwelt einen erstklassigen Leumund.« »Dann dürfte bald mit einigen Morden zu rechnen sein.« Parker nickte andeutungsweise. »An ein GentlemanAgreement denken Sie wohl noch nicht mal im Traum, oder?« »Mylady, Miß Porter und Sie müssen sterben.« Awud Salhuts Stimme drückte fast schon Bedauern aus. »Ventor und Laners können für Stirling Mall weiterarbeiten. Vielleicht bietet er sie eines Tages der Polizei als Mörder an, aber das ist sein Problem.« »Und was geschieht mit Crown, dessen Partner Shoon Sie haben umbringen lassen?«
»Danach fragte bereits Miß Porter. Crown wird sterben müssen. Sie wissen doch, dieser Mokkalöffel! Übrigens, ich möchte ihn selbstverständlich zurück haben, Mr. Parker. Sie haben ihn nicht zufällig bei sich?« »Ich bedaure außerordentlich, Mr. Salhut.« »Dann schaffen Sie ihn herbei, damit das Besteck wieder vollständig ist. Der Emir von Achem kann in solchen Dingen sehr kleinlich sein.« »Haben Sie bestimmte Vorstellungen, wie ich ihn beibringen könnte?« »Sehr einfach, lassen Sie Lady Simpson kommen. Sie brauchen sie nur anzurufen. Dort steht das Telefon. Falls Sie aber nicht mitspielen wollen, Mr. Parker, wird Miß Porter einige böse Stunden durchleben, die ich keiner Frau zumuten würde, falls ich nicht müßte.« »Sie dürften dieses Spiel gewonnen haben, Mr. Salhut.« Parker nickte. »Wenn Sie erlauben, werde ich jetzt Mylady verständigen. Man sollte immer anerkennen und einsehen, wenn man seinen Meister gefunden hat.« * Butler Parker hatte die Nummer gewählt und sprach mit seiner Herrin. Er teilte ihr mit, daß gewisse Ereignisse eingetreten seien, die ihr Erscheinen in der Residenz des Emirs von Achem erforderten. »Warum so hektisch?« fragte Lady Simpson in diesem Moment zurück und zwar sehr laut und grimmig. Awud Salhut fuhr herum und ... starrte entgeistert auf die ältere Dame,
die in der Tür des Zimmers stand und einen grimmigen Eindruck machte. Der perlenbestickte Pompadour in ihrer linken Hand pendelte heftig. »Sie ...!?« Awud Salhut schluckte. »Ich!« Die resolute Dame schnaubte wie ein Nashorn kurz vor dem Angriff. »Damit haben Sie Lümmel wohl nicht gerechnet, wie?« »Mylady bestanden darauf, sofort mitzukommen«, erläuterte Parker. »Und ... Und meine Leute vorn im Haus?« Awud Salhut wirkte plötzlich nervös. »Werden nach ärztlicher Versorgung wieder vollkommen intakt sein«, gab die ältere Dame zurück. »Doch nun zu Ihnen, Sie Subjekt!« Awud Salhut reagierte blitzschnell. Er suchte sein Heil in der Flucht, klinkte die Tür auf, die sich knapp hinter ihm befand, und wollte sich absetzen. Erstaunlicherweise gelang ihm das sogar, wie sich zeigte. Butler Parker schickte zwar seine Melone auf die Reise und setzte sie als Diskus ein, doch dieses seltsame Wurfgeschoß verfehlte knapp das Ziel und landete im Türrahmen. Auch Agatha Simpson hatte in dieser Nacht Pech, was ihren Pompadour betraf. Der perlenbestickte Handbeutel zischte über Salhuts Kopf hinweg in den Nebenraum. Damit befand der Sekretär des Emirs von Achem sich auch schon außerhalb der Gefahrenzone. Er schlug einen scharfen Linkshaken und war dann hinter einer weiteren Tür verschwunden. »Ich habe alles aufgenommen«, sagte die ältere Dame. Weder sie noch Parker unternahmen auch nur den Versuch, Awud Salhut zu verfolgen.
Ja, sie schienen diesen Mann inzwischen bereits vergessen zu haben. »War die Übertragung zufriedenstellend, Mylady?« erkundigte Josuah Parker sich. Aus seiner rechten Brusttasche holte er den Minisender, der seine Unterhaltung mit Awud Salhut nach draußen übertragen hatte. »Damit dürfte dieses Subjekt überführt sein«, entgegnete die Detektivin. »Und gnade Gott diesem Mr. Mall, wenn seine Leute nicht richtig spuren!« »Wie war die Verständigung mit Mr. Stirling Mall, Mylady?« »Kurz und knapp.« Sie lächelte grimmig. »Er hütete sich, mir mit Ausflüchten zu kommen, und erklärte sich sofort bereit, seine Leute ausschwärmen zu lassen.« * Kathy Porter hatte freie Hände. Mit Geduld und Können hatte sie den dünnen Strick von ihren Handgelenken losgemacht. Kathy war klar, daß Mylady und Mr. Parker alles tun würden, sie aus dieser mißlichen Lage zu befreien. Und dann stürmte auch schon Awud Salhut in den Raum. »Los, aufstehen!« schrie er Kathy Porter an. »Los, machen Sie schon! Wir müssen weg.« »Sind Mr. Parker und Lady Simpson etwa schon eingetroffen?« erkundigte Kathy Porter sich. Sie stand auf, behielt die Hände auf dem Rücken. »Diese Narren!« Awud Salhut schüttelte den Kopf. »Als ob sie eine Chance gegen mich hätten!«
Er rief den beiden Leibwächtern einen knappen Befehl zu. Sie sprangen sofort auf Kathy Porter zu und ... gingen Bruchteile von Sekunden später bereits zu Boden. Kathy hatte dieses Problem mit zwei blitzschnellen Handkantenschlägen gelöst. Awud Salhut wurde von dieser Entwicklung total überrascht. Er fuhr einen halben Schritt zurück, wollte nach einer Waffe greifen, doch er hatte die Sprungkraft und Geschmeidigkeit der jungen Dame völlig falsch berechnet. Das eben noch scheue und ein wenig ängstliche Reh hatte sich in eine wilde Pantherkatze verwandelt. Kathy Porter hechtete auf den Sekretär des Emirs und riß ihn zu Boden. Awud Salhut hatte keine Möglichkeit mehr, an seine Schußwaffe zu gelangen. Er wehrte sich verzweifelt und war auch nicht schlecht, doch gegen die Künste der jungen Frau hatte er Keine Chance. Sie riß die sichergestellte Waffe hoch, als die Tür aufgedrückt wurde. Drei Männer weißer Hautfarbe stürmten in den Raum, blieben dann aber wie festgewurzelt stehen, als sie die bewaffnete Frau sahen. »Hände hoch«, sagte Kathy Porter kühl. »Umdrehen!« »Hören Sie, Miß«, antwortete einer der Männer hastig. »Ich bin Elgin, Norman Elgin. Sie wissen doch, der Sekretär von Stirling Mall.« »Also doch! Sie arbeiten mit dem Emir zusammen.« »Mit Lady Simpson, Miß Porter, mein Ehrenwort! Sie hat uns eben erst alarmiert! « »Eine billigere Erklärung hätten Sie gar nicht finden können«, meinte Kathy > Porter auflachend.
»Sie klingt in der Tat unglaubwürdig, aber sie stimmt dennoch«, war in diesem Moment Parkers Stimme zu vernehmen. »Die Herren Mall und Elgin waren so freundlich, Mylady ihre Mitarbeit förmlich aufzudrängen.« Kathy Porter sah den Butler entgeistert an, der in der Tür stand. »Das ist allerdings eine echte Überraschung.« Kathy Porter ließ die Waffe sinken. »Mr. Mails Mitarbeiter waren so freundlich, den Sekretär des Emirs zu verfolgen. Man ging von dem Gedanken aus, daß Mr. Salhut sich auf dem schnellsten Weg zu Ihnen begeben würde, Miß Porter.« »Befinde ich mich denn nicht in der Residenz des Emirs?« »In einem in der Nähe befindlichen Haus, das für das Personal des Emirs angemietet wurde«, erläuterte Parker weiter. »Und wahrscheinlich wird man hier auch diesen Mr. Crown finden, der ein wichtiger Kronzeuge der Anklage werden dürfte.« * »Ich komme als Privatmann vorbei«, sagte Chief-Superintendent McWarden, nachdem Parker ihn in den Salon des Stadthauses der Lady Simpson geführt hatte. »Um sich zu bedanken, nicht wahr?« Agatha Simpson saß am Frühstückstisch und nahm ihre schmale Diät ein. Sie war bester Stimmung und deutete auf einen freien Stuhl. Als McWarden sich gesetzt hatte, entdeckte er vor sich ein Gedeck. »Sie sind doch hoffentlich in der Stimmung, mit mir zu frühstücken,
nicht wahr?« erkundigte die ältere Dame sich. »Sie... Sie laden mich zum Frühstück ein?« McWarden schluckte. Das war für ihn eine echte Überraschung. »Liebe Freunde habe ich immer gern um mich«, gestand die Hausherrin salbungsvoll. »Nun, wie sind Sie zufrieden?« »Geständnisse am laufenden Band«, berichtete McWarden, während Josuah Parker vorlegte. »Ventor und Laners haben bestätigt, daß sie von Herb Falters engagiert wurden, um diesen Terror auszuüben. Crown ebenfalls. Und Shoons Leiche ist inzwischen gefunden worden.« »Und was ist mit diesem Lümmel Awud Salhut?« »Das wollte ich gerade erzählen, Mylady. Er hat sich umgebracht! Durch Gift! Er hat aber ein Geständnis hinterlassen und all das bestätigt, was Miß Porter berichtete und was Sie auf Tonband aufgenommen haben. Er allein ist für diese ganze Aktion verantwortlich.« »Hoffentlich hat er auch niedergeschrieben, wem die Handgranate auf dem Tennisplatz galt. Ich hoffe, daß ich das Opfer sein sollte!« »Mr. Parker sollte umgebracht werden. Awud Salhut hat die beiden Eierhandgranaten geworfen.« »Nun ja, er wußte eben nicht, wer die eigentliche Seele dieser Ermittlungen war«, meinte die ältere Dame. »Was sagt dieser Emir?« »Er hat die Anklage gegen Sie zurückgenommen, Mylady.« »Nun sagen Sie bloß, er kann sich an keine Falltür mehr erinnern!?« »Er meint, er müsse das wohl geträumt haben. Ich glaube das zwar
nicht, aber mich soll's jetzt nicht mehr kümmern.« »Sie zeigen ja direkt Einsicht und Vernunft, McWarden«, wunderte die Detektivin sich. »Was sagen Sie zu diesem Stirling Mall? Hätten Sie gedacht, daß er mitarbeiten würde?« »Er weiß genau, warum er mitgemacht hat, Mylady.« »Nämlich?« Sie sah ihn abwartend an. »Er hat einfach Angst vor Ihnen und will keinen Ärger.« »Das möchte ich mir auch ausgebeten haben. Der Mann war ganz brauchbar, aber früher oder später wird man sich mit diesem Burschen doch noch befassen müssen. Was meinen Sie, Mr. Parker?« »Diese Möglichkeit ist durchaus nicht auszuschließen, Mylady«, warf Josuah Parker würdevoll ein. »Nach einer alten Spruchweisheit läßt die Katze das mausen nicht. Mit anderen Worten, irgendwann wird Mr. Mall eine kriminelle Handlung begehen. Vielleicht hat ihn das Vorbild dieses Awud Salhut animiert, ähnlich zu arbeiten.« »Hoffentlich, Mr. Parker, hoffentlich. Das wäre dann ein neuer Fall.« »Konnten Ihre Mitarbeiter die Grillfreunde und Fassadenmaler festnehmen, Sir?« erkundigte Parker sich. »Ventor und Laners haben uns alle Namen genannt. Einen Teil dieser Rowdys haben wir bereits, den Rest werden wir auch noch bekommen. Man wird ihnen einen ordentlichen Denkzettel verpassen.« »Ist eine weitere Frage gestattet, Sir?«
»Natürlich, Mr. Parker. Ich ahne schon, worauf Sie hinaus wollen.« »Werden die unter Druck getätigten Immobiliengeschäfte annulliert werden?« »Dies hat der Emir von Achem bereits in die Wege geleitet, Mr. Parker. Darüber hinaus wird er die Leute, die unter Druck verkauft haben, noch zusätzlich entschädigen, wie er mir sagte. Ich denke, diese Entschädigungen werden nicht gerade klein ausfallen. Der Mann ist ja stinkreich.« »Ich werde ihm in dieser Hinsicht noch heute auf den Zahn fühlen«, warf die resolute Dame ein. »Er hat um einen Besuch gebeten.« »Bei dieser Gelegenheit werden Mylady ihm den bewußten Mokkalöffel zurückgeben«, sagte Josuah Parker. »Und die Falltür zeigen, wie?« stichelte Chief-Superintendent McWarden. »Vielleicht«, meinte die ältere Dame. »Falls sie existiert, soll er sie sehen.« »Sie existiert, Mylady, ich weiß es!« McWarden ärgerte sich schon wieder. »Sie ist mit einem raffinierten Trick so getarnt, daß selbst meine Experten sie nicht finden konnten, aber sie existiert. « »Dann würde ich an Ihrer Stelle nur sehr vorsichtig durch den Vorflur gehen«, spöttelte Lady Agatha. »Es könnte ja sein, daß der Boden unter Ihren Beinen nachgibt. Und er war vorsichtig, als er ging. Er trat im Vorflur nur leise auf und inspizierte den Parkettboden. Er schien zu hoffen, daß der Boden unter ihm nachgab, doch er rührte sich selbstverständlich nicht.
»Wann kommt dieser Emir?« erkundigte Lady Agatha sich bei Parker, als McWardens Wagen auf der Durchgangsstraße verschwunden war. »In etwa einer Stunde, Mylady«, erwiderte Parker. »Erst in einer Stunde?« Die Detektivin seufzte. »Was machen wir bis dahin, Mr. Parker? Ich langweile mich schon wieder. Es wird höchste Zeit, daß ich mich wieder mit einem neuen Fall befasse.« »Mylady dürfen versichert sein, daß dies in Kürze der Fall sein wird«, antwortete Parker gemessen und verzog keine Miene. »Die Morgenzeitungen berichten von einem mehr als rätselhaften Unfall, dem ein Raumfahrtwissenschaftler zum Opfer
fiel. Falls Mylady es wünschen, werde ich mir gestatten, erste Details darüber in Erfahrung zu bringen.« »Tun Sie das, Mr. Parker!« Die Detektivin nickte begeistert. »Ich spüre es schon wieder in den Fingerspitzen: Hier kündigt sich ein neuer Fall an.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und servierte seiner Herrin Zeitungsausschnitte zu diesem Unfall. Er hatte sie bereits vorsorglich bereitgestellt. Auch er war an dieser Sache interessiert, doch er hütete sich, es zu sagen. Ein Butler wie er hielt die Fäden zwar stets in der Hand, doch er zeigte sie nicht.
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Günter Dönges schrieb für Sie wieder einen Nr. 183
PARKER rammt die Mondfähre Butler Parker war ein wenig unangenehm berührt, als er zusammen mit Lady Agatha in einer Mondfähre saß, die auf dem Erdtrabanten aufsetzen sollte. Er räumte seiner skurrilen Herrin gegenüber offen ein, daß er sich leicht überfordert fühlte. Auf solch eine Art und Weise war er von Gangstern noch nie behandelt worden, die in der Internationalen Spionage tätig waren. Er zweifelte an einer glücklichen Landung, zumal Lady Agatha das Manöver ausführen wollte, was nur schiefgehen konnte... Günter Dönges schrieb einen Parker-Krimi mit Witz, Hochspannung und Sinn für absurde Situationen. Parker-Krimis bieten Stunden amüsierender Unterhaltung, die Sie sich gönnen sollten.