Nr. 296
Orbanaschols Rache Ein Planetenvolk soll ausgelöscht werden - der Imperator kennt keine Gnade von Harvey Patto...
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Nr. 296
Orbanaschols Rache Ein Planetenvolk soll ausgelöscht werden - der Imperator kennt keine Gnade von Harvey Patton
Das Geschehen im Großen Imperium der Arkoniden wird gegenwärtig durch innere Konflikte bestimmt – in höherem Maße jedenfalls als durch die Kämpfe gegen die Methans. Es gärt auf vielen Welten des Imperiums. Und schuld daran ist einzig und allein Or banaschol, der Brudermörder und Usurpator, der in seiner Verblendung und Korrupt heit einen politisch völlig falschen Weg beschritten hat. Die Tage Orbanaschols scheinen gezählt, und es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, wann die Gegen kräfte im Imperium stark genug sind, den Usurpator vom Thron zu stoßen. Kristallprinz Atlan, der eigentliche Thronfolger, und seine verschworenen Gefähr ten, die Orbanaschol bisher schwer zu schaffen machten, sind augenblicklich nicht in der Lage, gezielt einzugreifen, denn Kraumon, ihre geheime Stützpunktwelt, wurde von den Methans zerstört. Dennoch versuchen sie es – sowohl Atlan als auch seine Gefolgsleute! Während Atlan und Fartuloon, den Gefahren auf Celkar und der Beutewelt glücklich entronnen, auf ihrem Weg nach Arkon sind, verfolgt Getray von Helonk, die Rebellin, ebenfalls den Plan, eine Passage nach Arkon zu bekommen, wo Orbanaschol nach wie vor die Macht besitzt. Der Usurpator nutzt die ihm verbliebene Macht, um brutal zuzuschla gen, wenn es ihm geraten erscheint. Dies beweist die Strafaktion gegen ein ganzes Planetenvolk – es spürt ORBANA SCHOLS RACHE …
Orbanaschols Rache
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Die Hautpersonen des Romans:
Mekron Dermitron - Der Mondträger auf der Suche nach Atlan.
Morvoner Sprangk und Karmina Arthamin - Ihre Evakuierungsflotte wird in einen Kampf verwickelt.
Zardok - Ein Opfer der POGIM.
Lengavor - Kommandant der SALVOOR.
Planc Gurtamyn - Ein Kommandoführer der POGIM.
Celkor Kaldyn - Auszug aus seiner »Historie des Großen Imperiums« – erschienen auf Arkon I im
Jahre 10.530 (v.A.)
»# geschieht es oft, daß geistig labile Menschen ihre innere Unsicherheit durch ein betont energisches äußeres Gebaren zu überspielen versuchen. Parallel dazu tritt meist auch ein übersteigertes Mißtrauen ge genüber allen Personen in ihrer Umgebung auf. Gesellen sich außerdem noch Minder wertigkeitskomplexe dazu, kann sich ihr Verhalten bis zu einer psychotischen, grund sätzlich aggressiven Haltung gegenüber je nen Menschen steigern, die ihre tatsächli chen oder vermeintlichen Gegner sind. In Streßsituationen neigen solche Personen be sonders leicht dazu, die Kontrolle über sich gänzlich zu verlieren und regelrecht Amok zu laufen. Für sie existieren die allgemein gültigen Wertmaßstäbe einfach nicht mehr; daß sie sich dabei im Endeffekt selbst zerstö ren, kommt ihrem kranken Geist gar nicht zum Bewußtsein. Diese verhaltenspsychologische Feststel lung muß eingangs getroffen werden, um dem Betrachter die Vorgänge während der letzten Phase der Regierungszeit des Impe rators Orbanaschol III. verständlich zu ma chen. Orbanaschol gehörte zweifellos zu der zuletzt erwähnten Kategorie. Sein starker Minderwertigkeitskomplex resultierte wohl vornehmlich aus der Tatsache, daß sein Bruder, Imperator Gonozal VII, eine hervor ragende Persönlichkeit und ihm in allen Be langen überlegen war. Im Endeffekt führte dies dazu, daß er Gonozal ermorden ließ, um seine Stelle einnehmen und die eigene Person aufwerten zu können. Weitere nega tive Charaktereigenschaften können hier au ßer acht gelassen werden. Das durch den Mord entstehende unter
schwellige Schuldbewußtsein steigerte Or banaschols geistige Labilität jedoch nur noch mehr. Als gegen Ende seiner Regie rungszeit der Widerstand gegen sein diktato risches Regime immer stärker wurde, nah men sein Mißtrauen und seine Aggressivität eindeutig krankhafte Formen an. Zuletzt litt er regelrecht unter Verfolgungswahn und ging wahllos mit äußerster Rigorosität ge gen alle vor, die er als vermeintliche oder potentielle Gegner einstufen zu müssen glaubte. Das führte dann zu jenen Pogro men, die für die Nachwelt nur unter Berück sichtigung vorstehender Faktoren erklärbar sind. Als ein besonders gravierendes Beispiel muß hier das Geschick des Planeten Aycua im Aycualle-System erwähnt werden, der ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen war. Nur ein kranker Geist konnte sich dazu versteigen, hemmungslos verbotene Kampf mittel zur kollektiven Bestrafung der dorti gen Bevölkerung einzusetzen, ohne Rück sicht darauf, wieviel Unschuldige sich unter den vermeintlichen Schuldigen befanden#« Celkor Kaldyn # Auszug aus seiner »Historie des Großen Imperiums« # erschie nen auf Arkon I im Jahre 10.530 (v.A.)
1. »Ein persönlicher Befehl des Imperators, Sonnenträger«, betonte der schlanke Mann mit den harten Gesichtszügen. »Sie haben sofort ein Schiff bereitzustellen, das mit An lagen zur Abregnung chemischer Kampf stoffe ausgestattet ist. Diese werden von ei nem Kommando meiner Dienststelle an Bord gebracht, das diesen Flug mitmachen wird. Ihr zartes Gewissen wird also durch
4 das Geschehen nicht übermäßig belastet werden. Trotzdem haften Sie persönlich für den ordnungsmäßigen Ablauf dieser Aktion. Im Fall eines Fehlschlags wird Seine Erha benheit Ihren Kopf fordern – denken Sie daran!« Der Bildschirm erlosch, die heisere Stim me, die aus der Feldmembrane gekommen war, verstummte. Der Geschwaderkommandant und zweifa che Sonnenträger Zardok blieb trotzdem re gungslos vor dem Gerät sitzen. Er starrte auf die dunkle Bildfläche, auf seinen Netzhäuten zeichneten sich noch die zerfließenden Kon turen des Abbilds des Anrufers ab. Im Geist sah er jedoch ein ganz anderes Bild. Er sah das feiste Gesicht jenes Mannes, der für den Befehl verantwortlich war, den er soeben erhalten hatte. Er glaubte das fi stelnde, bei einsetzender Erregung heftig keifende Organ zu hören, das er von einigen Begegnungen im Kristallpalast auf Arkon I her kannte. Seit Monaten schon gab es sol che Begegnungen nicht mehr, Orbanaschol III. war nur noch für wenige Vertraute per sönlich zu sprechen. Der Kristallpalast glich nun einer Festung, selbst das legendäre Te kayl-Gefängnis konnte nicht besser abge schirmt sein. »Persönlicher Befehl des Imperators …«, murmelte Zardok tonlos vor sich hin. »Wer sonst als dieser Mann hätte sich auch eine solche Gemeinheit ausdenken können! Und ich muß dazu schweigen und gehorchen, denn es geht um meinen Kopf.« Daß es so war, daran konnte es keinen Zweifel geben. Der Anruf war direkt aus dem Hauptquartier der Politischen Geheim polizei des Imperators, kurz POGIM ge nannt, gekommen. Ihre Männer würden die Strafaktion leiten und die wahren Befehlsha ber an Bord des Schiffes sein. Sie würden dem Sonnenträger bei jeder Bewegung auf die Finger sehen und gnadenlos zufassen, sobald ihnen etwas verdächtig vorkam. Der Zielplanet hieß Aycua. Dort wohnten mehrere enge Verwandte Zardoks; außer dem auch einige Freunde, Veteranen des
Harvey Patton Großen Methanskriegs, die ihn auf zahllosen Einsätzen begleitet hatten. Sie hatten sich verbittert dorthin zurückgezogen, denn der Imperator kannte keinen Dank für ihre auf opfernden Dienste. »Wie kann ich sie nur warnen?« fragte sich der einsame Mann. Er schrak aus seinem Grübeln auf, als hin ter ihm Geräusche hörbar wurden. Langsam wandte er sich um und sah seiner Frau ent gegen, die nun den Wohnraum betrat. Arvella war fünfzehn Jahre jünger als Zardok, schlank und gut gebaut. Er hatte sie erst vor einem Jahr geheiratet, als er nach ei ner Verwundung aus der Einsatzflotte aus geschieden und nach Arkon III versetzt wor den war. Als Kommandant eines Siche rungsgeschwaders des Arkonsystems genoß er das Privileg, mit ihr zusammenleben zu dürfen. Sonst gab es auf dem Kriegsplaneten nur relativ wenig Frauen. Sie kam heran und legte ihre Arme um seinen Hals. Das dünne Nachtgewand, das sie trug, ließ ihn ihre Körperwärme spüren. »Weshalb hat man dich mitten in der Nacht geweckt?« fragte sie mit ihrer melodi schen dunklen Stimme. »Sind die Maahks durchgebrochen und stoßen ins Arkonsy stem vor?« Es hatte sich auch auf Arkon III längst herumgesprochen, daß das Kriegsglück nicht mehr auf Seiten der Arkoniden war. Einige Fronten waren zusammengebrochen, ganze Sektoren hatten aufgegeben werden müssen. Auch die Gründe dafür waren be kannt, wurden aber nur im Kreise Vertrauter beim Namen genannt. Auf Befehl Orbana schols wurden immer mehr Einheiten der kämpfenden Flotte abgezogen und für seine persönlichen Zwecke eingesetzt oder viel mehr mißbraucht. Zardok überlegte sekundenlang, ob er Ar vella die Wahrheit sagen sollte. Ihre Großel tern wohnten auf Aycua – nein, es ging ein fach nicht! Er konnte ihr unmöglich mittei len, daß er es war, der Unheil über die alten Leute bringen mußte … Er riß sich zusammen und strich über ihre
Orbanaschols Rache Wange. Das matte Licht der Stehlampe ver barg, wie gequält das Lächeln war, das er sich nun abrang. »Dienstgeheimnis, Liebe«, erklärte er. »Man hat mich mit der Durchführung eines Sondereinsatzes beauftragt, der in zwei Stunden gestartet wird. Ich muß mich gleich fertig machen.« »Gefährlich?« erkundigte sich die junge Frau knapp. Zardok schüttelte den Kopf. »Allem Anschein nach eine reine Routinesa che, Arvella. In spätestens drei Tagen werde ich wieder zurück sein.« »Hoffentlich«, sagte sie und schmiegte sich enger an ihn. »Du hast genug für das Imperium getan, Lieber. Wenn nur der gräß liche Krieg erst vorbei wäre! Dann könnten wir in meine Heimat gehen und uns dort ein nettes Haus einrichten. Dieser unnatürliche Planet, auf dem es nicht das kleinste Fleck chen Natur mehr gibt, ist mir unheimlich.« Zehn Minuten später trug der Sonnenträ ger seine Uniform und brach auf. Seine Unterkunft lag in einer der riesigen subplanetaren Wohnstädte von Arkon III. Diese befanden sich unterhalb der zahlrei chen Landefelder und nahmen jeweils die Besatzungen der Schiffe auf, die sich darauf befanden. Auf diese Weise war gewährlei stet, daß die Männer bei Einsatzalarm schnellstens zu ihren Fahrzeugen gelangen konnten. Zur Zeit war es auf dem zur Gänze mit Metallplastik überzogenen Kriegsplaneten relativ ruhig. Die meisten Einheiten der Im periumsflotte befanden sich weit draußen im Raum im Kampf gegen die Methans. Das Gros der anwesenden Raumer bestand aus den Geschwadern der Systemverteidigung, die umschichtig Patrouille flogen. Auch die Wohnstadt war nur zum Teil belegt, viele der kasernenartigen Gebäude standen leer. Zardok bewohnte zusammen mit seinen Offizieren ein großes, komfortabel einge richtetes Haus. Er schwebte im Antigrav schacht drei Stockwerke tiefer und traf dort mit Filam Dekas zusammen, den er zuvor bereits angerufen hatte. Dekas war zweifa
5 cher Planetenträger und Kommandant des Schweren Kreuzers SENKKO. Dieses Schiff war, da sich ein Großteil des Geschwaders im Raum befand, zur Zeit das einzige, das für den befohlenen Einsatz in Frage kam. Der Kommandant grüßte stramm und schlug die geballte Rechte gegen seine Brustplatte. »Wie befohlen zur Stelle, Erha bener«, schnarrte er. »Die Mannschaft ist bereits alarmiert und dabei, die Senkko zu bemannen. Darf ich fragen, welcher Art un ser Einsatz sein wird, Erhabener?« Dekas war nur mittelgroß und etwas fül lig; sein düsteres, asketisch wirkendes Ge sicht paßte überhaupt nicht zu seiner sonsti gen Erscheinung. Zardok war gut einen Kopf größer als er, schlank und fast weiß häutig. Jetzt wirkte sein schmales Gesicht noch bleicher als sonst. Er nickte Dekas zu. »Genug der Förm lichkeiten, Filam«, sagte er. »Der Imperator selbst hat uns aus den Betten holen lassen. Wir starten zu einer Strafexpedition, unser Ziel heißt Aycua. Wir werden dabei aber nicht allein sein – ein Kommando der PO GIM kommt an Bord! Genügt Ihnen das?« »Verdammt!« entfuhr es dem Planetenträ ger. »Verzeihen Sie, Erhabener, ich wollte nicht …« Zardok unterbrach ihn mit einer müden Handbewegung. »Schon gut, Filam, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich sehe Geheimpo lizisten auch bedeutend lieber von hinten und aus größerer Entfernung. Kommen Sie jetzt, wir müssen uns beeilen. Man könnte es uns verübeln, wenn wir später im Schiff ein treffen als unsere ›Gäste‹.« Sie verließen das Gebäude und traten ins Freie. Hoch über ihnen wölbte sich die durch Antigravprojektoren abgestützte Decke, von der herab zahlreiche Kunstson nen strahlten. Die Straßen der Stadt waren fast leer, nur wenige Raumfahrer bewegten sich auf ihnen zu ihren Quartieren. Der Sonnenträger trat zu einem der vor dem Haus abgestellten Elektrowagen und schob seine Dienstmarke in einen seitlich
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Harvey Patton
angebrachten Schlitz. Geräuschlos glitten daraufhin die Türen des Fahrzeugs auf, die beiden Männer konnten Platz nehmen. De kas setzte sich ans Steuer und lenkte den Wagen auf den nächsten Pfortenbunker zu. Zardok lehnte sich zurück, schloß die Au gen und überlegte.
* Das Aycualle-System mit dem Planeten Aycua lag nur achtzehn Lichtjahre von den drei Zentralwelten Arkons entfernt. Seine helle Sonne konnte aber trotzdem von dort aus nicht gesehen werden. Sie ging in der gleißenden Lichterfülle der anderen Gestirne unter, die hier im Mittelpunkt des Kugel sternhaufens dicht an dicht standen, oft nur wenige Lichtmonate voneinander entfernt. In früheren Zeiten war Aycua ein belieb tes Ausflugsziel für die arkonidische Ober schicht gewesen. Der Planet besaß nur einen großen Kontinent, auf dem aber infolge sei ner günstigen Lage das ganze Jahr über ein frühlingshaftes Klima herrschte. Er gehörte zu den sogenannten Paradieswelten, seine Bevölkerungszahl wurde absichtlich gering gehalten. Dafür gab es um so mehr Luxus hotels mit allem Komfort und zahlreiche Fe rienhäuser für die gut zahlenden Gäste. Auch der frühere Imperator Gonozal VII. verbrachte in jedem Jahr dort seinen Urlaub. Das alles hatte sich im Verlauf des langen Krieges vollständig geändert. Es begann damit, daß Orbanaschol III. Aycua geflissentlich mied. Die dort ansässi gen Familien, in deren Händen sich die mei sten Hotels befanden, waren als treue An hänger des in seinem Auftrag ermordeten Bruders bekannt. Sie bekannten sich auch nach seinem Tode noch zu ihm, und Orbana schol strafte sie dafür auf seine eigene Wei se. Ein Planet, den er gewissermaßen ächte te, wurde auch für die adeligen und reichen Familien Arkons indiskutabel. Die Zahl der Erholungsuchenden nahm in jedem Jahr weiter ab. Die großen Hotels sa hen kaum noch Gäste, die Ferienhäuser stan-
den leer. Das bedeutete den finanziellen Niedergang für ihre Besitzer, die auf diese Einnahmequellen angewiesen waren. Sie fanden auch keine Käufer für diese Objekte, obwohl sie bald zu wahren Schleuderpreisen angeboten wurden. Niemand wagte sie zu erstehen, um nicht bei dem ohnehin bekannt mißtrauischen Imperator in Mißkredit zu ge raten. So wurde es bald vollkommen still um diese früher blühende Welt. Auch Orbanaschol schenkte ihr nun keine Aufmerksamkeit mehr. Er hatte sein Ziel er reicht, der Krieg und anderweitige Intrigen beanspruchten ihn ganz. So entging ihm über Jahre hinweg eine Entwicklung, die sich ganz im stillen vollzog. Er selbst trug das meiste dazu, bei, um sie zu forcieren. Immer mehr Adelige und Angehörige frü her einflußreicher Familien fielen bei ihm in Ungnade und wurden von Arkon I verbannt. Viele wanderten auf Randwelten des Imperi ums aus, wo sie zwar verarmt lebten, aber seinem direkten Zugriff entzogen waren. Viele siedelten sich jedoch auch auf Aycua an, dem Planeten, auf dem es nun genügend billigen Wohnraum gab. Die meisten hatte Orbanaschol enteignet und ihr Besitztum für sich selbst bean sprucht. Die Reichen hatten aber schon im mer, zumeist der Steuern wegen, verstanden, ihre wahren finanziellen Verhältnisse zu verschleiern. So gelang es ihnen meist doch, wenigstens einen kleinen Teil ihres Besitzes zu retten. Damit verschwanden sie von Ar kon und setzten sich heimlich auf den nahe gelegenen Planeten ab. Sie wurden dort mit offenen Armen emp fangen. Den Besitzern der Hotels und Feri enbungalows waren sie direkt ein Geschenk der Götter. Schlecht zahlende Dauergäste waren weit besser als leerstehende Quartie re, die laufend Kosten verursachten und ih nen nichts mehr einbrachten … Zehn Jahre nach Orbanaschols Macht übernahme sah es auf Aycua schon wieder erheblich besser aus. Die maßgeblichen Männer des Planeten hatten sich auf die ge
Orbanaschols Rache änderten Verhältnisse eingestellt, und das mit gutem Erfolg. Die neu eingekommenen Gelder wurden dazu verwendet, eine lei stungsfähige Farmwirtschaft auf die Beine zu stellen. In dem ausgezeichneten Klima brachten alle Kulturgewächse mehrere Ern ten pro Jahr. Man war jetzt nicht mehr dar auf angewiesen, die meisten Nahrungsmittel von anderen Welten einzuführen, wie es frü her der Fall gewesen war. Im Gegenteil, es wurden Überschüsse erzielt und vorzugswei se an die Raumflotte verkauft, die die besten Preise zahlte. So erlebte der fast vergessene Planet eine neue, wenn auch relativ bescheidene Blüte zeit. So manches Luxusgericht, das der Im perator zu sich nahm, wäre ihm vermutlich in die falsche Kehle geraten, hätte er von seiner Herkunft gewußt. Auf die Dauer konnte es jedoch seinen verschiedenen Geheimdiensten nicht verbor gen bleiben, wie es nun auf Aycua aussah. Sie folgten den Spuren mißliebiger Perso nen, und diese führten immer öfter dorthin. Schließlich berichteten eingeschleuste Spit zel in allen Details, was auf dieser Welt vor ging. Als Orbanaschol davon erfuhr, erlitt er einen seiner berüchtigten Tobsuchtsanfälle. Schon damals war er drauf und dran ge wesen, ein Exempel zu statuieren und die ganze »Verräterclique« ausheben zu lassen, die sich auf dem Planeten versammelt hatte. Nur dem Bemühen des von ihm hochge schätzten Geheimdienstmanns Lebo Axton war es zu verdanken gewesen, daß es nicht soweit kam. Der kleine verwachsene Kosmokrimina list, über dessen wahre Herkunft niemand et was wußte, war gerade zur Stelle gewesen. Er hatte geduldig abgewartet, bis dem ver haßten Imperator die Luft weggeblieben war. Dann hatte er sich behutsam einge schaltet und seine eigenen Vorschläge ge macht. Sie klangen durchaus annehmbar, und so war Orbanaschol schließlich auch darauf eingegangen. Von diesem Tag an wurde Aycua von al
7 len Arkonplaneten aus vollständig boykot tiert. Jeder Flugverkehr zu diesem Planeten wurde eingestellt, alle Handelsverbindungen unterbunden. Für seine Bewohner war es ein harter Schlag gewesen. Jeder Versuch, die Blockade zu durchbrechen, wurde von pa trouillierenden Flotteneinheiten bereits im Keim erstickt. Schließlich mußten die Be wohner froh sein, daß man sie auf ihrer eige nen Welt noch in Ruhe ließ. Für einige Zeit ging auch alles gut. Doch jetzt war es auch damit vorbei! Der bereits halb wahnsinnige Orbanaschol hatte sich aus einem vollkommen nichtigen Anlaß wieder an die Existenz Aycuas erinnert. Nie derträchtig grinsend hatte er seine Befehle gegeben, und seine willigen Kreaturen in den Reihen der POGIM zögerten nicht, sie umgehend in die Tat umzusetzen. Über all das dachte der zweifache Son nenträger nun nach. Der Plan des Imperators war einfach teuf lisch, einen anderen Ausdruck fand er nicht dafür. Die ahnungslosen Menschen von Ay cua waren dem sicheren Tod ausgeliefert, wenn seine Durchführung gelang. Gab es nicht doch einen Weg, ihn zu sabotieren? Zardok überlegte hin und her, dann schüt telte er mutlos den Kopf. Wäre er noch wie früher Kommandant eines eigenen Raum schiffs gewesen, hätte er vielleicht etwas ausrichten können. Jetzt sah jedoch alles ganz anders aus, er kam praktisch als Gast an Bord der SENKKO. Er kannte keinen der ihm unterstellten Offiziere gut genug, um ihn ins Vertrauen ziehen zu können. Ein einziger Weg blieb ihm, aber dieser war höchst risikoreich. Wenn man ihn bei seiner Handlung überraschte, war ihm härte ste Bestrafung sicher, vielleicht sogar der Tod! Ich werde es trotzdem versuchen, be schloß Zardok schließlich. Ich könnte Arvel la nicht mehr in die Augen sehen, wenn ich tatenlos zusähe – es geht doch auch um ihre Angehörigen. Die Skrupellosigkeit des Im perators ist eine Schande für das ganze arko nidische Volk.
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Harvey Patton
Bisher war der Sonnenträger ein völlig unpolitischer Mann gewesen. Er war Soldat und tat seine Pflicht an den Posten, auf die man ihn stellte. Natürlich bedrückten ihn die Niederlagen und schweren Verluste, die das Imperium durch die Maahks erlitt. Um die auch unter den Offizieren umlaufenden Ge rüchte über Orbanaschol III. hatte er sich bis vor kurzem nicht gekümmert. Das hatte sich nach seiner Abkommandie rung ins Arkonsystem geändert. Hier hatte er aus erster Hand manches erfahren, daß ihm die Augen aufgehen ließ. Der Fall Ay cua setzte nun den Punkt, an dem er erkann te, daß es so nicht mehr weiterging. Unzählige Male hatte er in den Raum schlachten sein Leben für das Imperium ein gesetzt. Warum sollte er es jetzt nicht auch riskieren, um Zwanzig Millionen Unschuldi ge zu retten?
2. »Wir bekommen Besuch, Mekron«, sagte Salmoon, der gerade aus dem Fenster gese hen hatte. »Ein großer Gleiter – oh, es ist der Gouverneur persönlich! Es muß also wohl irgendwelche Neuigkeiten geben, die er uns mitteilen will.« »Hoffentlich«, meinte Mekron Dermitron und erhob sich von der Konturliege, auf der er geruht hatte. »Das untätige Herumsitzen geht mir langsam auf die Nerven.« Seine Reaktion war verständlich, denn er war stets ein Mann der Tat gewesen. In langjährigem Flottendienst hatte er sich bis zum Schlachtschiffkommandanten heraufge arbeitet und es zum einfachen Mondträger gebracht. Dann war sein Schiff von den Me thans zusammengeschossen worden und wurde bei einer Bruchlandung restlos zer stört. Nur Dermitron und fünf seiner Männer konnten schwerverletzt gerettet werden. Man hatte sie gesund gepflegt und bald wieder in ein Schiff verfrachtet, das sie zum nächsten Flottenstützpunkt bringen sollte. Sie waren jedoch unterwegs desertiert, weil sie nicht mehr für einen Mann wie Orbana-
schol kämpfen mochten. Nach langen Irrwe gen waren sie zum Gefolge des Kristallprin zen gestoßen. Auf Kraumon hatte Mekron Dermitron den Befehl über die MEDON erhalten und mit diesem Schiff eine Reihe von Einsätzen zur Versorgung des Stützpunkts geflogen. Dann waren jedoch die Maahks auf den. Pla neten aufmerksam geworden und hatten ihn überfallen. Nur das Auftauchen einer Flot teneinheit des Imperiums hatte ihre Pläne im letzten Moment vereitelt. Von diesem Ausgang wußte der Mondträ ger aber nichts. Er war zu einem Patrouillenflug unter wegs gewesen und dabei mitten ins Auf marschgebiet der Methanatmer geraten. Die MEDON hatte ihnen nicht mehr entkommen können. Sie hatten tapferen Widerstand ge leistet, gegen die riesigen Walzenraumer je doch keine Chance gehabt. Das Schiff wur de vernichtet, es gelang nur vier kleinen Bei booten mit zehn Männern, dem Inferno zu entkommen. Zuvor hatte Dermitron noch ei ne Warnung an Kraumon abgestrahlt. Ob der Stützpunktkommandant Morvoner Sprangk daraus noch hatte Nutzen ziehen können, hatte er nicht mehr erfahren. Die vier Boote hatten sich eilig absetzen müssen, um von den in diesem Sektor eintreffenden Schiffen der Arkonflotte nicht entdeckt zu werden. Auf spätere Hyperkomanrufe hatte Kraumon nicht mehr geantwortet, das Schicksal der rund fünfzehntausend Bewoh ner blieb ungewiß. Das einzige, was Mekron definitiv wußte, war, daß Atlan nichts zugestoßen sein konn te. Er war nicht auf dem Planeten gewesen, sondern irgendwo im All unterwegs. So gab es aber auch für die Überlebenden der ME DON keine Möglichkeit, ihn irgendwie zu erreichen. Sie waren alle verwundet gewesen, die spärlichen Vorräte in den Booten erlaubten ihnen nicht, länger als einige Tage unter wegs zu sein. Deshalb hatte sich der Mond träger entschlossen, den Planeten Cherkaton anzufliegen. Dort hatte er vor einiger Zeit
Orbanaschols Rache einen spektakulären Einsatz absolviert und mehr als vierhundert zwangsrekrutierte jun ge Männer entführt und nach Kraumon ge bracht. Man hatte ihn und seine Männer mit offe nen Armen aufgenommen. Auf dieser Welt gab es nur wenige, die mit Orbanaschol sympathisiert hatten, und auch sie waren in zwischen ins Lager seiner Gegner umge schwenkt. Das rüde Auftreten seiner Scher gen hatte ihnen die Augen geöffnet. Auch der Gouverneur der kleinen Kolonie hatte sich auf die Seite Atlans geschlagen. Er hatte dafür gesorgt, daß Mekron und sei ne Männer gesund gepflegt wurden und ih nen ein großes Haus zur Verfügung gestellt, das sie nun bewohnten. Seitdem waren nun schon mehrere Wochen vergangen, und Der mitron war zunehmend unruhiger geworden. Ihn quälte die Ungewißheit über das Schick sal Atlans und seiner Gefährten. Cherkaton lag sehr abgelegen und wurde nur selten von Versorgungsschiffen angeflogen. Deshalb erfuhren seine Bewohner nur wenig von dem, was draußen im Großen Imperium vor sich ging. Nun schien es aber doch irgendwelche Nachrichten zu geben, sonst wäre Geraban nicht persönlich gekommen. Dermitron ging mit Salmoon, seinem früheren Ersten Offi zier, zur Tür und sah dem landenden Gleiter entgegen. Der Gouverneur stieg aus und kam mit raschen Schritten auf das Haus zu. Ihm folgte Sofartes, der Leiter des Energie wesens der Stadt Cherkan. Die Männer begrüßten sich, und dann fragte der Mondträger sofort: »Was gibt es, Geraban? Ist etwas passiert, das mich und meine Leute angeht?« Der Gouverneur lächelte über seine Unge duld. Mekron bemerkte das und bat die bei den Besucher ins Haus. Dort hatten sich in zwischen auch die gerade anwesenden Män ner versammelt und sahen ihnen erwartungs voll entgegen. Auch sie hofften, etwas über Atlan zu hören, genauso wie Dermitron. Er wiederholte nun seine Frage, und Geraban nickte.
9 »Zweierlei ist geschehen. Erstens kam heute morgen ein Handelsschiff hier an, die SALVOOR, ein Raumer von sechzig Meter Durchmesser. Das kam uns etwas seltsam vor, denn wann verirrt sich schon einmal ein Händler nach Cherkaton. Bald merkten wir auch, daß mit diesem Fahrzeug etwas nicht stimmte. Die Besatzung, insgesamt zwanzig Mann, hatte sich alle Mühe gegeben, es um zufrisieren, und es war ihr auch ziemlich gut gelungen. Sie wissen ja, wie man so etwas macht, Ihre MEDON flog unter ähnlicher Tarnung. Kurz und gut: Die SALVOOR war bis vor einigen Monaten noch ein Leichter Kreuzer der Imperiumsflotte!« »Deserteure?« fragte der wortkarge Or tungstechniker Ventron knapp. Der Gouver neur machte eine bejahende Geste. »Genau das, Ventron. Natürlich ließen sich unsere Leute auf dem Hafen nichts an merken, paßten dafür aber um so besser auf. Es ließ sich ja nicht ausschließen, daß diese zwanzig Männer Spitzel Orbanaschols wa ren. Seit den turbulenten Ereignissen wäh rend Ihres ersten Hierseins hatte man uns in Ruhe gelassen, aber das konnte ein takti scher Schachzug sein. Wir ließen die Besat zung in die Stadt kommen und uns ihr Ange bot unterbreiten. Der Schiffsführer Glenar von offerierte uns daraufhin eine ganze Kol lektion elektronischer Geräte, die ihre Her kunft nur schwer verleugnen konnten. Sie stammten zweifellos aus einem Schiffs wrack, das diese Männer ausgeschlachtet hatten.« Der Mondträger lächelte. »Diese Ge schichte kommt mir irgendwie bekannt vor«, bemerkte er sarkastisch. »Da gab es einmal sechs Männer, die von einem Transporter desertierten – nun, den Rest kennen Sie ja. Was ist weiter geschehen?« »Einer von meinen Ingenieuren kam, um die Ware zu begutachten«, setzte Sofartes die Schilderung fort. »Seal Krogan war frü her Maschinenoffizier auf einem Schlacht schiff, bis er nach einer schweren Verwun dung entlassen wurde. Er hatte den angebli chen Glenarvon kaum zu Gesicht bekom
10 men, als sich beide schon in den Armen la gen. Sie waren alte Freunde und hatten zehn Jahre lang zusammen Dienst in der Flotte getan.« »Damit war der Schwindel auch schon ge platzt!« ergänzte der Gouverneur. »Glenarvon heißt in Wirklichkeit Lengavor, und er erzählte Krogan seine Geschichte. Während einer Raumschlacht im FrelancSektor gelang es den Maakhs, einen Ver band von dreißig Imperiumsschiffen einzu kesseln und zu vernichten. Nur Lengavor entkam mit seinem Kleinen Kreuzer, und die zwanzig Insassen hatten genug vom Kampf für Orbanaschol. Sie setzten sich auf einen Planeten ab, auf dem sich ein kleiner, jetzt zerstörter Flottenstützpunkt befand. Die Werftanlagen waren noch halbwegs erhalten und Lengavor benutzte sie, um sein Schiff zu frisieren. Die uns angebotene ›Ware‹ stammte von einem Schiff seines eigenen Verbandes, das aufgegeben worden war und herrenlos im Raum trieb. Als die Männer hörten, daß sie von uns nichts zu befürchten haben, entschlossen sie sich sofort, auf Cherkaton zu bleiben.« »Etwas Besseres hätten sie auch kaum tun können«, bemerkte Dermitron lakonisch. »Doch das war Ihren Worten nach nur das erste von zwei Ereignissen des heutigen Morgens. Was hat es mit dem zweiten auf sich?« Sofartes runzelte die Stirn. »Das hat es nicht auf sich, sondern in sich, Mekron. Wie Sie wissen, war Cherkaton schon immer ein Stiefkind des Großen Imperiums. Man hat sich nie die Mühe gemacht, uns mit Video programmen zu versorgen, ausgenommen anläßlich der ›Wahlen‹, zu denen wir pro forma unsere Stimmen abgeben mußten. Heute war das ausnahmsweise wieder ein mal der Fall, denn es gab wieder einen be sonderen Anlaß. Raten Sie einmal, wen wir auf dem Bildschirm zu sehen bekamen.« »Na, wen schon?« bemerkte der Pilot Waynjoon mit seinem ewig lächelndem Ge sicht. »Den Kristallprinzen Atlan während seines triumphalen Einzugs auf Arkon I,
Harvey Patton nicht wahr?« Sein Lächeln gefror, als er bemerkte, wie ernst die Gesichter der beiden Besucher schlagartig geworden waren. Geraban nickte langsam und sah Mekron Dermitron voll an. »Wir haben Atlan gesehen!« sagte er dumpf. »Ihn und auch Fartuloon – aber nicht im Kristallpalast, sondern in einem Gerichts saal, während sie zum Tode verurteilt wur den …«
* Der Mondträger sprang auf, sein Stuhl polterte zu Boden. Er sah den Gouverneur aus weit aufgerissenen Augen an. »Ist das Ihr Ernst?« forschte er bestürzt. »Oder hat sich Orbanaschol wieder einmal einen seiner berüchtigten makabren Scherze geleistet? Ein Täuschungsmanöver viel leicht, mit dem er den Arkoniden etwas vor spiegeln wollte? Diesem Intriganten sähe so etwas ähnlich.« Geraban schüttelte den Kopf. »Das war auf keinen Fall nur eine Vorspiegelung, Me kron. Ursprünglich sollte zuerst ein gewisser Ogor verhandelt werden, wie wir dem Kom mentar eines Reporters entnehmen konnten. Dann ging jedoch irgend etwas schief. Orba naschol griff ein und veranlaßte, daß das Verfahren gegen eine Gruppe von Meute rern und Deserteuren vorgezogen wurde. Dabei gab es plötzlich einen Tumult – zwei Männer sprangen auf und gab sich als Atlan und Fartuloon zu erkennen!« »Was ist mit ihnen geschehen?« fragte Dermitron erregt. »Hat man sie …?« Er konnte nicht mehr weitersprechen, seine Stimme versagte. »Man hat nicht«, beruhigte ihn Sofartes. »Andernfalls würden wir wohl kaum so ru hig darüber reden können. Die Verhandlung fand auf dem Gerichtsplaneten Celkar statt, der Saal war brechend voll. Atlan und Fartu loon befanden sich unter den Angeklagten, und diese nutzten die Gelegenheit. Für einen Moment waren Richter und Wächter glei chermaßen überrascht, und das begünstigte
Orbanaschols Rache die Delinquenten. Es kam zu einem wirren Tumult, dem die Videokameras gar nicht rasch genug folgen konnten. Offenbar ge lang es den Deserteuren, ihren Bewachern die Waffen zu entreißen, und eine wilde Schießerei setzte ein. Dabei muß es Atlan und Fartuloon irgendwie gelungen sein, zu entkommen. Als sich das Chaos, bei dem es Tote und Verletzte gab, wieder gelegt hatte, waren sie jedenfalls spurlos verschwunden. Das sagte auch der kommentierende Repor ter noch, dann wurde die Übertragung ab rupt unterbrochen.« Mekron Dermitron atmete auf. »Haben Ihre Videotechniker eine Aufzeichnung da von angefertigt, Geraban?« erkundigte er sich. Der Gouverneur nickte. »Bei uns wird grundsätzlich alles gespei chert, was von Arkon hereinkommt. Bei ein maligem Sehen und Hören bekommt man leicht dies oder jenes nicht ganz mit, zumal man oft nicht über gewisse Zusammenhänge informiert ist. Kommen Sie, wir fliegen hin über zur Videostation, dort können Sie sich alles in Ruhe ansehen.« Der Mondträger winkte Waynjoon. »Komm bitte mit uns, denn du kennst Atlan erheblich länger als wir. Wir haben ihn ja immer nur gelegentlich zu Gesicht bekom men, entweder war er unterwegs oder wir.« Geraban sah ihn überrascht an. »Meinen Sie, daß es gar nicht der echte Atlan gewe sen sein könnte? Warum sollte sich ein Mann wohl für den Prinzen ausgeben wol len? Schließlich weiß jeder, daß sein Kopf dann nicht mehr viel wert ist.« Dermitron zuckte mit den Schultern. »Es soll schon einmal einen Doppelgänger gege ben haben«, erinnerte er den Gouverneur. »Den Gerüchten nach wurde er von Orbana schol während einer Jagdparty getötet; ein Präzedenzfall wäre also schon da.« Salmoon kam ebenfalls mit, und die fünf Männer flogen zum Fernsehgebäude. Weni ge Minuten später saßen sie vor einer großen Projektionsbildfläche, und die Aufzeichnung wurde abgefahren. »Ein typischer Schauprozeß, Muster Or
11 banaschol«, meinte der Leiter des Energie wesens, als die Szenerie des Gerichtssaals sichtbar wurde. »Wer dabei auf die Ankla gebank kommt, ist meist schon so gut wie tot.« Die Verhandlung gegen die Delinquenten nahm einen schnellen Verlauf. Die Beweise dafür, daß Helcaar Zunth schmutzige Ge schäfte mit Deserteuren gemacht hatte, die er für seine eigenen Zwecke mißbrauchen wollte, waren erdrückend. Außerdem lag Zunths ausführliches Geständnis vor, so daß es über die Schuldfrage in Sachen Desertion praktisch keine Diskussionen mehr gab. Die Richter konnten gar nicht anders, als das To desurteil auszusprechen. Plötzlich wurde aus den Reihen der Ange klagten laute Rufe hörbar. Man konnte ihren Inhalt nicht verstehen, weil die Aufnahme mikrophone zu weit entfernt waren. Die Vi deokamera schwenkte jedoch herum und brachte die Rufer groß ins Bild. Dermitron hielt den Atem an und starrte auf die beiden, in einfache Kombinationen gekleideten Männer. Er sah ein schmales, energisches Gesicht, von hellem langem Haar umrahmt, daneben einen Kugelkopf mit spiegelnder Glatze, gelben Augen und einem schwarzen Vollbart. Doch, das konn ten Atlan und der dicke Bauchaufschneider sein – oder doch nicht …? »Sie sind es!« stieß Waynjoon laut her vor, und auch Salmoon stimmte ihm zu. Der Mondträger hatte nun ebenfalls keinen Zweifel mehr. Besonders Fartuloons Mimik war so charakteristisch, daß sie der beste Schauspieler kaum hätte imitieren können. Dann brach der Tumult los, die übrigen Deserteure gingen auf ihre Bewacher los. Man konnte gerade noch sehen, daß plötz lich ein alter Mann neben Atlan und dem Bauchaufschneider aufgetaucht war, dann schwenkte die Kamera weiter. Als die ersten Schüsse aufblitzten, schaltete der Videotech niker auf einen Wink des Gouverneurs den Projektor ab. »Jetzt haben wir also in diesem Punkt Ge wißheit«, stellte er fest. »Ungewiß bleibt al
12 lerdings das Schicksal der beiden. Die Aus sage des Videoreporters, daß sie entkommen wären, läßt uns immerhin hoffen.« »Was mag sie nur bewogen haben, sich diesem Zunth in die Hände zu geben?« über legte Sofartes. »Daß sie mit ihm zusammen gearbeitet haben sollten, erscheint mir un wahrscheinlich. Die ›Macht der Sonnen‹ hat sich zwar gegen Orbanaschol gestellt, aber sie ist auch dem Prinzen nicht wohlgesinnt. Diese Leute wollten zweifellos einen Mann ihrer eigenen Wahl als Imperator nach Ar kon I bringen.« »Und dorthin wollte auch Atlan!« sagte Dermitron erregt. »Daran kann es für mich gar keinen Zweifel geben. Vom Gerichtspla neten Celkar aus sind es nur noch hun dertzwölf Lichtjahre bis zum Arkonsystem! Er scheint Helfer gefunden zu haben, der Al te, der plötzlich neben ihm stand, redete ha stig auf ihn ein. Vermutlich hat er die beiden irgendwie in Sicherheit gebracht.« Geraban zuckte mit den Schultern. »Seien Sie nicht zu optimistisch«, warnte er. »Im Augenblick dürfte auf Celkar der Teufel los sein, man wird jeden Winkel des Planeten nach ihnen durchstöbern. Zweifel los hat Orbanaschol die Videoübertragung verfolgt und sie gleichfalls erkannt. Daß er alles versuchen wird, sie in seine Mörder hände zu bekommen, steht außer Frage.« »Atlan wird es schaffen«, beharrte der Mondträger. »Nachdem die ›Macht der Son nen‹ erledigt ist, steigen seine Chancen wie der. Es gärt überall im Imperium, und des halb …« Er unterbrach sich, denn ein Mann betrat den Raum und kam eilig auf die Gruppe zu. Er gehörte zu der Hyperfunkstation, die sich mit im Sendegebäude befand. »Wir haben eben eine interessante Nach richt aufgefangen, Gouverneur«, meldete er. »Sie kam auf der Flottenwelle durch, deren neuesten Code wir von Lengavor erhalten haben. Man hat alle Einheiten angewiesen, im Kernsektor des Großen Imperiums eine intensive Fahndung nach Atlan und Fartu loon zu betreiben. Es soll ihnen gelungen
Harvey Patton sein, von Celkar zu entkommen.« »Da haben wir es schon!« triumphierte Dermitron. »Verdammt, wir müssen jetzt et was tun, um ihnen zu helfen. Atlan wird jede Hand und jede Waffe brauchen, wenn er sich nach Arkon I durchschlagen will. Cher katon muß dem Kristallprinzen beweisen, daß seine Bevölkerung treu zu ihm steht.« »Ich werde darüber nachdenken, Me kron«, versprach Geraban. Sie verließen das Gebäude, und Der mitron kehrte mit seinen Gefährten in ihr Haus zurück. Sie unterrichteten die anderen Überlebenden der MEDON, und es gab eine lange Diskussion. Alle kamen überein, Vor bereitungen für eine Hilfsaktion zu treffen. Sie besaßen immer noch die vier Raumboo te, mit denen sie auf den Planeten gekom men waren. Sie waren zwar nur klein und nur ungenügend bewaffnet, aber eben besser als gar nichts. Wenn wir wenigstens noch die vierzehn Schiffe von Kraumon hätten! dachte Mekron Dermitron. Ihre Besatzungen hätten das, was ihnen in mancher Hinsicht fehlte, durch dop pelten Einsatz wettgemacht. Was mag wohl aus ihnen und Atlans ganzem Gefolge ge worden sein? Ob es Morvoner Sprangk und Karmina Arthamin geschafft hatten, sich vor den Angreifern zu retten …?
3. Sie hatten es geschafft! Während sich hinter ihnen die Verbände der Methans und der Imperiumsflotte erbit tert bekämpften, hatte sich Atlans kleine Flotte absetzen können. Der Planet Kraumon war als Stützpunkt verloren, und das war äu ßerst bitter. Tröstlich war allein, daß es ge lungen war, alle Bewohner des Planeten zu evakuieren. Die Schiffe hatten sich getrennt und wa ren einzeln in Transition gegangen, um auf Umwegen ihr Ziel zu erreichen. Dies war der Planet Sorkoth, sechsundzwanzig Licht jahre von Kraumon entfernt. Dort hoffte man, wieder mit Atlan zusammenzutreffen,
Orbanaschols Rache wenn er von seinem Flug mit unbekanntem Ziel zurückkam. Im Gebiet von Kraumon waren Robotsonden zurückgelassen worden, die ihn über das Geschehen informieren soll ten. Durch sie würde er auch erfahren, daß sei ne Gefährten ihn auf Sorkoth erwarteten. Wann er dort auftauchen würde, war jedoch höchst ungewiß. »Wir werden uns wohl auf eine längere Wartezeit einrichten müssen«, meinte Kar mina Arthamin. Sie stand zusammen mit dem Kommandanten Morvoner Sprangk in der Kommandozentrale der ISCHTAR. Das Schiff befand sich in einem Orbit um den vierten Planeten eines kleinen, unbewohnten Systems und wurde auf die nächste Transiti on nach Sorkoth vorbereitet. »Das gefällt mir gar nicht«, gab Sprangk zurück, und sein narbiges Gesicht legte sich in sorgenvolle Falten. »Unsere Schiffe sind mit den Flüchtlingen vollgepackt, die in drei Schichten schlafen müssen, weil es viel zu wenig Betten und sonstige Lager gibt. Auf Sorkoth sieht es aber meines Wissens noch erheblich schlechter aus. Es hätte also kei nen Zweck, sie dort aussteigen zu lassen.« Die Sonnenträgerin nickte. »Das hatte ich ohnehin nicht vor, Morvo ner. Diese Gegend ist jetzt viel zu unruhig, jederzeit können Maahkraumer oder Einhei ten der Arkonflotte auch in diesem System auftauchen. Wir müssen stets bereit sein, er neut zu flüchten, also werden wir notgedrun gen zumindest vorläufig eine Umlaufbahn um den Planeten einschlagen.« »Auch die Verpflegung ist ein ernstes Problem«, warf Helos Trubato, der Erste Of fizier, ein. »Wir haben nur einen Teil unse rer Vorräte mitnehmen können, und das sind hauptsächlich nur Konzentrate. Selbst bei strenger Rationierung werden wir damit kaum länger als zehn Tage auskommen.« »Wir könnten aber einige Beiboote mit Jägerkommandos nach Sorkoth schicken«, überlegte der stets vorausschauende Sprangk, dessen große Stärke sein Organisa tionstalent war. »Soviel ich weiß, gibt es auf
13 dieser Welt viele Großtiere, die uns als Fleischlieferanten dienen können. Auf diese Weise können wir die Vorräte wahrschein lich so lange strecken, bis der Kristallprinz ankommt. Er soll dann bestimmen, was wei ter zu geschehen hat.« »Die Transitionsdaten liegen vor, Kom mandant«, meldete der Mann am Computer und beendete dadurch das Gespräch. Wenig später nahm das Schiff wieder Fahrt auf, verließ den Orbit und strebte dem Transiti onspunkt zu. Als es ihn erreicht hatte, lief das Sprungtriebwerk an und riß die ISCHT AR in den Hyperraum. Sie materialisierte in Nullzeit am Zielort, der lästige Transitionsschmerz durchzuckte die Glieder aller Insassen. Er war noch nicht ganz abgeklungen, als die Besatzung der Kommandozentrale zusammenfuhr. Die Lärmpfeifen gellten alarmierend auf, Karmi na Arthamin und Morvoner Sprangk eilten sofort hinüber zum Ortungsstand. Ihre Ge sichter wurden blaß, als sie erkannten, was hier, einige Lichtmonate vor Sorkoth, im Gange war. In der Nähe des Transitionspunkts waren die Echos vieler Raumschiffe auf den Bild schirmen zu erkennen. Zehn der kleineren Raumer von Kraumon waren bereits vor der ISCHTAR eingetroffen – und sie standen im verzweifelten Abwehrkampf gegen fünfzehn Schlachtkreuzer der Maahks! Diese waren Atlans Schiffen in jeder Hin sicht überlegen. Es handelte sich um Wal zenraumer von je vierhundert Meter Länge, während die Flotte von Kraumon zum größ ten Teil nur aus kleinen Fahrzeugen von hundert Meter Durchmesser bestand. Nur die FARNATHIA, die POLVPRON und die KARRETON waren doppelt so groß. Sie trugen nun auch die Hauptlast des Kampfes. Der Verband hatte eine Karreefor mation gebildet, gegen die die Methans von allen Seiten her anrannten. Grelle Strahlbah nen zuckten durch die Schwärze des Alls, Raumtorpedos schossen mit flammenden Düsen hin und her. Bisher hatte es jedoch noch auf keiner Seite Verluste gegeben, das
14 Gefecht schien erst seit kurzer Zeit im Gang zu sein. »Funkverbindung zur FARNATHIA auf nehmen«, befahl Morvoner Sprangk mit starrem Gesicht. Sekunden später erschien das Gesicht von Avrael Solkann auf dem Bildschirm. Sprangk nickte ihm zu, überließ dann aber die Initiative der Sonnenträgerin, die früher Befehlshaberin eines großen Flottenverban des gewesen war. »Formation sofort auflösen, Avrael!« be stimmte sie. »Wenn wir uns nur auf die Ver teidigung beschränken, wird unsere Nieder lage unvermeidlich sein. Die Walzenraumer sind relativ unbeweglich, weil ihre Antriebe nur in den Hecks angeordnet sind. Wir müs sen die bessere Manövrierfähigkeit unserer Schiffe ausspielen. Schnelle Angriffe flie gen, dann sofort wieder vom Gegner lösen, ehe er sich einschießen kann. Jedes unnötige Risiko ist zu vermeiden – denken Sie an die vielen Flüchtlinge an Bord!« Ihre Worte galten für alle Kommandan ten, denn diese hatten natürlich mitgehört. Schon Sekunden später wurde der Befehl befolgt. Die zehn Schiffe strebten auseinan der, und die Maahks wurden durch dieses Manöver vollkommen überrascht. Ehe sie sich auf die neue Situation einstellen konn ten, hatten die Kugelraumer bereits wieder gewendet und griffen sie nun ihrerseits an. Auch die ISCHTAR raste mit Höchstfahrt auf den Kampf ort zu. An Flucht vor dem übermächtigen Feind dachte niemand. Der Haß gegen die Me thanatmer war bei den Gefolgsleuten Atlans nicht geringer als bei allen anderen Arkoni den. Sie waren nicht nur Gegner Orbana schols, sie bekämpften auch die Maahks, wo sie auf sie trafen. Der Erfolg der neuen Taktik zeigte sich auch bald. Innerhalb kurzer Zeit wurden drei Walzenraumer durch gleichzeitigen Punkt beschuß mit Strahlgeschützen und Kampfra keten voll getroffen und explodierten. Auch die Schiffe Atlans erhielten bei ihren kühnen Angriffen Treffer, konnten sich jedoch der
Harvey Patton Vernichtung stets durch schnelles Abdrehen entziehen. Die ISCHTAR, die den Maahks in Bezug auf Bewaffnung und Stärke ihrer Schutz schirme gleichwertig war, zerstörte ein vier tes Schiff. Dann trafen auch die restlichen drei Raumer am Transitionspunkt ein und stürzten sich mit auf den Feind. Der Befehlshaber der Methans hatte aber inzwischen erkannt, wie ernst die Lage für seine Einheiten wurde. Er ließ Raumminen ausstoßen, die infolge eines guten Ortungs schutzes kaum anzumessen waren. In ra scher Folge kollidierten fünf Schiffe von At lans Flotte mit diesen tückischen Geschos sen, wurden beschädigt und mußten sich zu rückziehen. Die anderen kämpfen verbissen weiter, hatten es nun jedoch bedeutend schwerer als zuvor. »Die Maahks ziehen sich zusammen und wollen sich einigeln«, stellte Karmina dann fest. »Das dürfen wir auf keinen Fall zulas sen, sonst unterliegen wir! Achtung, FAR NATHIA, POLVPRON und KARRETON: Zur ISCHTAR aufschließen, wir bilden einen Angriffskeil und stoßen geschlossen vor. Die übrigen noch kampffähigen Schiffe folgen, um eventuell angeschossene Gegner vernichten zu können.« Die vier Raumer formierten sich und stie ßen vor. Ihnen folgten aber nur noch zwei weitere Schiffe, die anderen setzten sich ab. Ihre Kommandanten meldeten Schäden, die sie dazu zwangen, mit Rücksicht auf die Flüchtlinge den Kampf aufzugeben. Karmina Arthamins strenges Gesicht ver düsterte sich noch mehr. Hoch aufgerichtet stand sie in der Zentrale und gab laufend weitere Anweisungen an die anderen Raumer durch. Dann kam es zum Zusammenprall zwischen beiden Formationen. Als sich die arkonidischen Schiffe wieder vom Feind lösten, waren drei weitere Wal zenraumer explodiert. Doch auch die drei 200-Meter-Schiffe hatten schwere Treffer erhalten und waren kaum noch kampffähig. Nun stand die ISCHTAR praktisch allein ge gen acht Gegner – das Gefecht schien end
Orbanaschols Rache
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gültig verloren. »Sie setzen sich ab!« sagte Morvoner Sprangk plötzlich fassungslos. »Sehen Sie doch, Karmina: die Maahkschiffe gehen in Transition, anstatt uns restlos zu erledigen …« Er behielt Recht, so unwahrscheinlich das auch schien. Weshalb der Feind nun plötzlich die Flucht ergriff, als ihm der Sieg greifbar nahe war, blieb unbegreiflich. Die Walzenraumer transistierten in rascher Folge und ver schwanden mit unbekanntem Ziel. Nach kaum einer halben Minute befanden sich At lans Schiffe allein im Raum vor Sorkoth. Karmina lachte befreit auf. »Ich nehme an, daß sie sich verschossen hatten, Morvoner«, erklärte sie. »Vermutlich hatten sie schon zuvor im Kampf mit Ein heiten der Imperiumsflotte gestanden und waren nicht mehr voll einsatzfähig. Eine an dere Auslegung gibt es kaum, die Methans ziehen sich nur dann zurück, wenn es wirk lich gar nicht mehr anders geht.« Sprangk nickte, doch sein Gesicht blieb besorgt. »Wir sind aber auch ziemlich am Ende«, stellte er nüchtern fest. »Es sieht so aus, als wäre allein die ISCHTAR heil aus dem Kampf entkommen. Wir haben die Ober hand behalten, aber es ist mehr eine Nieder lage als ein Sieg …«
* Der Kommandant behielt mit seiner pessi mistischen Beurteilung Recht. Die nun von den anderen Raumern einlau fenden Funkmeldungen klangen höchst un erfreulich. Größere Verluste an Menschenle ben waren nicht zu beklagen, aber die mei sten Schiffe befanden sich in einem schlim men Zustand. Vier von ihnen konnten dem Befehl, sich um die ISCHTAR zu sammeln, nicht mehr nachkommen. Ihre Triebwerke waren beschädigt, und die Besatzungen hat ten alle Hände voll zu tun, entstandene Lecks abzudichten.
»Daß sich die verdammten Maahks auch gerade hier aufhalten mußten«, knurrte Mor voner Sprangk erbittert. »Das wirft für uns eine Unmenge neuer Probleme auf. Zuerst müssen wir die Schäden an den Raumern zu beheben versuchen, eher ist an den Flug nach Sorkoth nicht zu denken. Im gegenwär tigen Zustand kann keiner mehr transistie ren, ohne in Fetzen gerissen zu werden. Nicht einmal auf einen Flug mit relativisti scher Geschwindigkeit können wir uns wa gen, und bis nach. Sorkoth sind es drei Lichtmonate!« »Die Reparaturen werden vermutlich Wo chen dauern«, sagte Helos Trubato niederge schlagen. »Wie sollen die Evakuierten diese Zeit nur überstehen? Die Lebensmittel sind ohnehin knapp und dürften selbst bei streng ster Rationierung nicht für das Existenzmi nimum ausreichen.« »Immerhin ist unser Schiff noch voll ein satzfähig«, meinte die Sonnenträgerin. »Wir werden es benutzen, um den Planeten in ei ner Kurztransition anzufliegen. Wenn wir dann möglichst viele Jägerkommandos aus schicken, müßte es uns gelingen, das Ver pflegungsproblem einigermaßen zu mei stern. Wir können dann auch eine weitere Robotsonde zurücklassen, die Atlan infor miert, wenn er von Kraumon aus hierher kommt.« Dieses Vorhaben wurde jedoch vorläufig noch zurückgestellt. Die ISCHTAR und die am wenigsten be schädigte KARRETON flogen zu den bewe gungsunfähigen Schiffen. Mit Hilfe von Traktorstrahlen schleppten sie diese zu den anderen Einheiten hin. Das war eine mühsa me und zeitraubende Arbeit, die allein zwei volle Tage beanspruchte. Inzwischen wurden in den anderen Raum ern die Reparaturarbeiten aufgenommen. Es stellte sich bald heraus, daß Trubatos Be fürchtungen zutrafen. Arbeiten, die auf einer Werft innerhalb weniger Stunden durchge führt werden konnten, brauchten jetzt eben so viele Tage. Die Bordmittel waren be grenzt, und die Außenarbeiten, die zudem
16 noch in Raumanzügen ausgeführt werden mußten, gestalteten sich äußerst schwierig. »Es ist unser Glück, daß die Maahks nicht wissen, wie es um uns steht«, sagte Karmina Arthamin nach Ablauf des vierten Tages. »Sie müssen annehmen, daß wir wieder aus dieser Gegend verschwunden sind, sonst wä ren längst neue Einheiten gekommen, um uns endgültig zu erledigen. Trotzdem wer den wir uns bei dem Abstecher nach Sorkoth sehr beeilen müssen. Nach Ablauf der kom menden Nachtperiode brechen wir dorthin auf.« Die Besatzung der ISCHTAR war inzwi schen erheblich reduziert worden. Alle ir gendwie abkömmlichen Männer und die technisch ausgebildeten Flüchtlinge waren auf andere Raumer gebracht worden, um dort zu helfen. Auch Morvoner Sprangk war nun in die KARRETON übersiedelt und sorgte von dort aus für die Koordinierung der Reparaturen. Alle waren fieberhaft beschäftigt. Die Or tungen der POLVPRON waren zwar ständig besetzt, aber die daran sitzenden Männer richteten ihr Augenmerk nur auf eventuelle Transitionsechos in der näheren Umgebung. So entging ihnen vollständig, daß bereits seit längerer Zeit ein fremdes Schiff im frei en Fall auf ihre Formation zutrieb … Die ISCHTAR startete wie vorgesehen und hatte bereits nach zwei Stunden Sorkoth erreicht. Sie landete am Rand einer ausge dehnten Grassteppe, die von großen Herden büffelähnlicher Tiere bevölkert war. Umge hend wurden alle verfügbaren Gleiter und Beiboote ausgeschleust, und ihre Insassen begaben sich auf die Jagd. Die harmlosen Pflanzenfresser schienen kaum natürliche Feinde zu kennen und auch die Arkoniden nicht als solche anzusehen. So konnten innerhalb eines, halben Tages mehr als tausend von ihnen erlegt und in die Kühlräume des Schiffes gebracht werden. »Sie sind so dumm, daß es einem fast weh tut«, kommentierte Helos Trubato. »Das, was wir hier veranstalten, ist eine Metzelei in großem Ausmaß, aber keine Jagd mehr.«
Harvey Patton Karmina zuckte mit den Schultern. »Sie haben Recht, Helos, aber was bleibt uns sonst übrig? Wenn wir sie verschonen, lie fern wir fast fünfzehntausend Menschen dem Hungertod aus. So gesehen, sind tau send dieser Tiere kein zu hoher Preis.« Die Jäger kehrten zurück, die ISCHTAR hob wieder von Sorkoth ab. Eine kleine, nur ballgroße Robotsonde wurde ausgestoßen und in einen Umlauf um den Planeten ge bracht. Dann entfernte sich das Schiff aus dem System und sprang zu den anderen dreizehn Raumern zurück. Wenige Stunden später wurde die Sonde von einem Meteoriten getroffen, der in den Anziehungsbereich des Planeten geraten war. Er war kaum zwei Zentimeter groß, aber seine kinetische Energie war hoch. Er durchschlug das Nachrichtengerät mühelos, es explodierte, und seine Trümmer fielen ebenfalls auf Sorkoth zu, um in der Atmo sphäre spurlos zu verglühen. Wenn Atlan den Planeten erreichte, gab es keinen Hin weis mehr darauf, wo sich seine Gefährten befanden … Die ISCHTAR kehrte in den Normalraum zurück, ihre Ortungen nahmen die Arbeit auf. Sie zeigten, daß sich hier in der Zwi schenzeit nichts verändert hatte, alle Schiffe befanden sich noch am selben Fleck. Die Sonnenträgerin nahm Verbindung mit Mor voner Sprangk auf und berichtete ihm vom erfolgreichen Verlauf der Aktion. »Ausgezeichnet«, sagte der alte Haudegen befriedigt. »Hier läuft es leider nicht so rei bungslos. Die Schwierigkeiten wollen kein Ende nehmen. Vermutlich werden wir im mer noch an dieser Stelle festsitzen, wenn Atlan längst zurück ist.« Die Verbindung war kaum unterbrochen, als der Ortungstechniker zusammenfuhr. »Alarm!« rief er aus. »Ein fremdes Schiff nähert sich unseren Einheiten, antriebslos und mit abgeschalteten Konvertern. Es ist nur noch zwei Millionen Kilometer ent fernt.« Karmina Arthamin reagierte sofort. Sie fragte nicht erst danach, weshalb das Objekt
Orbanaschols Rache den Ortungen der POLVPRON entgangen sein mochte. Es war da, und seine heimliche Annäherung ließ auf keine guten Absichten der Insassen schließen. Sie rief Sprangk nochmals an und unterrichtete ihn mit weni gen Worten. Inzwischen hatte sich die ISCHTAR bereits in ihren Schutzschirm gehüllt und stieß gefechtsbereit auf den un bekannten Raumer zu. »Ein arkonidische Schiff«, stellte der Er ste Offizier fest und wies auf die Bildschir me. »Durchmesser hundert Meter, vermut lich ein Patrouillenkreuzer. Jetzt fährt er ebenfalls seine Konverter hoch und baut den Schutzschirm auf.« Die Sonnenträgerin überlegte fieberhaft. »Wir bluffen!« entschied sie dann. »Rufen Sie das Schiff an und geben Sie sich als Kommandant aus. Was Sie den anderen erzählen, ist gleich, wenn wir nur Zeit ge winnen. Sind wir einmal nahe genug heran, können wir den Kreuzer notfalls mit einem Feuerschlag vernichten.« Trubato nickte, zerrte aus einem Fach ei ne Offiziersjacke der Imperiumsflotte hervor und legte sie hastig an. Er nahm auf dem Kommandantensitz Platz, und auf sein Zei chen hin aktivierte der Funker sein Gerät. In dem anderen Raumer schien man bereits auf die Kontaktaufnahme gewartet zu haben, denn fast sofort erhellte sich der Bildschirm. Er zeigte das Abbild eines älteren Mannes, der die Rangabzeichen eines Orbtons trug. »Patrouillenkreuzer SENC-PORTH, Kommandant Jarko Hangrin«, meldete er sich. »Darf ich Sie ersuchen, sich gleichfalls zu identifizieren, Erhabener?« »Schlachtkreuzer ISCHTAR, Komman dant Senco Gervylan«, gab der Erste Offi zier so gleichmütig wie möglich zurück. Im nächsten Moment biß er sich auf die Zunge, denn ihm war bewußt geworden, daß er gerade einen unverzeihlichen Fehler be gangen hatte. Er hätte jeden beliebigen Schiffsnamen wählen können, nur den der ISCHTAR nicht! Ihr Name mußte inzwischen innerhalb der Imperiumsflotte ebenso bekannt sein,
17 wie der des Imperators. Mit ihm hatte Atlan seinerzeit während der Raumschlacht von Marlackskor operiert, als er durch sein Ein greifen eine, ganze Flotte vor einer vernich tenden Niederlage bewahrt hatte. Das Ereig nis hatte sich bis in die fernsten Winkel des Großen Imperiums herumgesprochen, auch Hangrin mußte davon wissen. Wenn er jetzt schnell genug reagierte und die nächste Flottenbasis über Hyperkom alarmierte, war es um Atlans Schiffe gesche hen! Selbst die sofortige Vernichtung des Patrouillenschiffs konnte dann das Unheil nicht mehr aufhalten. Schon in wenigen Stunden würde dann ein Geschwader der Arkonflotte eintreffen und die manövrierun fähigen Raumer zerstören … Auch Karmina Arthamin hatte augen blicklich erfaßt, worum es nun ging. Sie öff nete bereits den Mund, um dem Feuerleitof fizier den Befehl zum Losschlagen zu ge ben. Sie hielt aber instinktiv inne, als sie das belustigte Lächeln sah, das nun um den Mund des anderen Kommandanten flog. »Kein Grund zur Beunruhigung, Senco«, sagte Hangrin augenzwinkernd. »Ihr netter kleiner Versprecher hat mir ohnehin nur das bestätigt, was ich schon kurz nach Ihrem Auftauchen mitbekam, als eine Dame ein Funkgespräch führte. Das kann nur die Son nenträgerin Karmina Arthamin gewesen sein, die jetzt auf Atlans Seite steht. Sagen Sie ihr, daß sie von uns nichts zu befürchten hat – wir sind auch nicht echt!«
* Schon kurz darauf waren die Fronten ge klärt. Beide Raumer nahmen Kurs auf die angeschlagenen Schiffe, bremsten dort und legten sich Seite an Seite. Dann kam Jarko Hangrin mit drei Begleitern an Bord der ISCHTAR, wo sich auch Sprangk einfand. Sie kamen durch einen Hangar, der voll mit Evakuierten belegt war, und der fremde Kommandant hob verwundert die Brauen. »Weshalb haben Sie all diese Zivilisten an Bord?« erkundigte er sich.
18 Helos Trubato erklärte es ihm, und Han grin nickte. »Ach, so ist das«, meinte er. »Ja, wir ha ben auch gemerkt, daß in diesem Sektor al lerhand los gewesen ist. Wir wollten nach Maccora, aber es gab einfach kein Durch kommen. An allen Transitionspunkten wim melt es nur so von Schiffen, maahkschen wie auch arkonidischen. Überall kommt es zu Gefechten, die Schlacht bei Kraumon zieht auch jetzt noch weite Kreise.« In der Zentrale wurden die Männer von Karmina erwartet, die die fremden Besucher mit kaum verhülltem Mißtrauen betrachtete. Hangrin verneigte sich formvollendet. »Ich grüße Sie, Sonnenträgerin«, sagte er respektvoll. »Sie haben viel Mut bewiesen, als Sie sich vor Marlackskor gegen Ihren ei genen Oberbefehlshaber gestellt haben. Ein Jammer, daß die meisten Offiziere es nicht fertig bringen, sich gegen offensichtlich falsche Befehle aufzulehnen. Das geschieht erst jetzt, wo es schon fast zu spät ist.« Karmina Arthamin sah ihn forschend an. »Soll das heißen, daß Sie auch zu diesem Kreis gehören?« fragte sie interessiert. Jarko Hangrin nickte. »So ist es, Sonnen trägerin. In Übereinstimmung mit meiner Besatzung habe ich es vorgezogen, der regu lären Flotte den Rücken zu kehren. Wir ha ben begriffen, daß der Dickwanst aus dem Kristallpalast verschwinden muß, wenn wir diesen Krieg noch gewinnen wollen. Offizi ell gilt unser Schiff als verschollen. Es dient jetzt als Kurierfahrzeug zwischen Flotten einheiten, die sich darauf vorbereiten, eine Erhebung gegen Orbanaschol durchzufüh ren.« »Dann zieht diese Bewegung also schon weite Kreise«, stellte Morvoner Sprangk fest. »Trotzdem wird es alles anderes als leicht sein, zum Erfolg zu kommen. Das Ar konsystem ist eine wahre Festung mit Tau senden von Schiffen und zahlreichen Ab wehrforts.« Der Kommandant der SENC-PORTH zuckte mit den Schultern. »Das ist uns natürlich klar. In unseren
Harvey Patton Reihen gibt es aber viele hohe Offiziere, die über alle Einzelheiten der Systemverteidi gung informiert sind. Sie werden schon wis sen, was zu tun ist, um den Putsch erfolg reich durchzuführen. Wir tragen das unsere dazu bei, indem wir Nachrichten übermit teln, die nicht per Funk durchgegeben wer den können. In einer solchen Mission sind wir auch jetzt unterwegs, aber der Weg nach Maccora ist uns vorläufig noch versperrt. Deshalb haben wir hier Zwischenstation ge macht, um abzuwarten, bis wieder Ruhe ein gekehrt ist. Dann tauchten fast gleichzeitig Ihre Schiffe und die Maahks auf, das Ge fecht begann.« »Warum haben Sie nicht zu unseren Gun sten eingegriffen?« fragte Sprangk mürrisch. »Sie müssen doch bemerkt haben, daß die Maahks uns überlegen waren. Ein Schiff mehr hätte hier schon den Ausschlag geben können.« »Dafür gibt es zwei Gründe«, warf Ry ban, der Erste Offizier der SENC-PORTH ein. »Zum einen mußten wir annehmen, es mit einem regulären Verband der Imperi umsflotte zu tun zu haben, dem wir natürlich nicht über den Weg laufen konnten. Zwei tens befördern wir eine wichtige Nachricht, die unbedingt ihr Ziel erreichen muß. Hätten wir in den Kampf eingegriffen, und unser Schiff wäre vernichtet worden, wäre eine In formationslücke für Orbanaschols Gegner entstanden, die vielleicht unabsehbare Fol gen gezeigt hätte. Das gab den Ausschlag dafür, daß wir uns passiv verhalten mußten, so schwer uns das auch fiel.« »Akzeptiert«, sagte Karmina Arthamin. »Hier waren höhere Interessen im Spiel, de nen gegenüber alles andere zurückstehen mußte. Können oder dürfen Sie uns sagen, welcher Art die Nachrichten sind, die Sie überbringen? Uns interessiert naturgemäß alles, was gegen Orbanaschol gerichtet ist.« Hangrin schüttelte den Kopf. »Das kann ich leider nicht, Sonnenträgerin, weil ich selbst nichts Genaues weiß. Unsere Kontakt leute haben uns nur ein Infoband mitgege ben, das sich in einer versiegelten Kassette
Orbanaschols Rache befindet. Sobald diese von Unbefugten ge öffnet wird, aktiviert sich eine Vernich tungsvorrichtung. Auf diese Weise ist ge währleistet, daß niemand etwas erfährt, falls wir abgefangen werden. Ich weiß nur, daß die putschenden Flottenverbände schon in Kürze zum Flug ins Arkonsystem aufbre chen sollen.« »Nun, das ist wenigsten etwas«, meinte Helos Trubato. »Was hat Sie aber nach dem Gefecht dazu veranlaßt, in unsere Nähe zu kommen? Das war doch auch riskant für Sie.« Der Kommandant lächelte. »Ihr atypi sches Verhalten hat uns neugierig gemacht. Ihre Schiffe waren sämtlich beschädigt, je der Flottenverband hätte daraufhin den nächsten Stützpunkt angefunkt und um Hilfe ersucht. Sie haben das jedoch nicht getan, sondern damit begonnen, Ihre Schiffe selbst zu reparieren. So gelangten wir zu dem Schluß, daß Sie gleichfalls Illegale sein mußten, und einige abgehörte Funkgesprä che erhärteten diese Annahme noch. Wir be dauern nur, daß sich Atlan nicht bei Ihnen befindet. Sein Mitwirken hätte unserer Be wegung zusätzlichen Auftrieb geben kön nen.« Im Verlauf weiterer Gespräche wurde auch die schlechte Versorgungsanlage der kleinen Flotte erörtert. Die SENC-PORTH hatte eine beachtliche Menge von über schüssigen Nahrungsmitteln an Bord, und Hangrin stellte sie spontan der Sonnenträge rin zur Verfügung. Zusammen mit der Jagd beute ergab das Vorräte für etwa zwanzig Tage, und bis dahin mußten die Reparaturar beiten längst erledigt sein. Die Raumer konnten dann Sorkoth anfliegen, um auf At lan zu warten, falls er nicht inzwischen be reits bei ihnen angekommen war. Mit einem neuen Auftauchen von Maahkschiffen rech nete niemand mehr. Jarko Hangrin wartete noch einen halben Tag. Dann erfaßten die Ortungen keine Strukturerschütterungen in der Umgebung mehr, die Lage schien sich entspannt zu ha ben. Die Besucher kehrten in die SENC
19 PORTH zurück, gleich darauf nahm ihr Schiff Fahrt auf und führte die Transition nach Maccora aus. Karmina Arthamin war inzwischen sehr schweigsam geworden. Sie überlegte kon zentriert und überraschte anschließend Mor voner Sprangk und Helos Trubato mit einem spontanen Entschluß. »Die Lage spitzt sich rasch zu, der Flug der putschenden Flottenverbände zum Ar konsystem muß dicht bevorstehen. Ich neh me mit großer Sicherheit an, daß Atlan in zwischen auch davon erfahren hat und sich daran beteiligen wird, um seinen Anspruch auf den Imperatorenthron zu erhärten. Wa rum sollen wir dann tatenlos hier warten? Die ISCHTAR ist start- und gefechtsklar – wir fliegen ebenfalls nach Arkon!«
4. »Wir sind angelangt, Sonnenträger«, sagte Filam Dekas und brachte den Elektrowagen zum Stehen. Zardok öffnete die Augen und nickte. Die beiden Offiziere stiegen aus und gingen auf den Knotenpunkt zu. Hier, in der sogenannten Großen Halle, mündeten zahlreiche Korridore, die aus allen Richtungen kamen. Sie gingen nicht nur von den Wohnstädten aus, sondern auch von den Werften und sonstigen Fertigungsstätten und den meist stark frequentierten Vergnügungs zentren. An den Einmündungen der Korrido re hielten menschliche Posten und schwer bewaffnete Roboter Wache. Sie kontrollierten jeden, der ankam, und machten auch bei einem Sonnenträger keine Ausnahme. Zardok und Dekas mußten ihre Dienstmarken vorweisen. Ein Roboter nahm sie mit einer Hand entgegen, während die Kombiwaffe in der anderen auf die Männer gerichtet blieb. Die Marke verschwand für Sekunden in einer Körperöffnung der Ma schine. Dort wurde sie durch verschiedene Detektoren abgetastet, die jede Einzelheit der auf ihr in mikroskopisch kleinen Kristal len festgehaltenen Individualdaten mit ihrem Besitzer verglichen.
20 Niemand konnte hier durchkommen, der eine falsche oder ungültige Dienstmarke vorwies. Er wurde sofort paralysiert und zur Dienststelle der Flottenpolizei gebracht, wo man sich dann eingehend mit seiner Person befaßte. Das Große Imperium stand im Krieg und man wußte, daß die Maahks Ge fangene in besonderen Lagern »umformten«, so daß sie anschließend als ihre Agenten oder als Saboteure eingesetzt werden konnten. Infolge der großen Wich tigkeit des Kriegsplaneten wurde hier die Überwachung mit besonderer Sorgfalt ge handhabt. Eine Lahmlegung seiner vielfälti gen kriegswichtigen Anlagen hätte die Ver teidigung des Arkonsystems entscheidend geschwächt. Die Marken kamen wieder zum Vor schein, und der Robot hielt sie den Männern entgegen. »Danke, Sie können passieren«, kam es schnarrend aus dem Sprechgitter an seinem Kopf, und die Waffe ruckte nach oben. Zardok und Dekas griffen nach den runden Plättchen und betraten die Halle, während die Posten vor ihnen salutierten. In dem Knotenpunkt herrschte trotz der Nachtzeit ein reger Betrieb. Ständig kamen Männer aus den einzelnen Korridoren, um sich zu ihren Schiffen zu begeben, die zum Patrouillenflug starten mußten. Andere schwebten aus einem Antigravschacht her ab, Wartungstechniker oder Angehörige des fliegenden Personals, deren Dienst beendet war. Die beiden Offiziere begaben sich zu ei nem anderen Schacht, der aufwärts gepolt war. Das Transportfeld erfaßte sie und trug sie mehr als hundert Meter nach oben, wo sich der Pfortenbunker befand. Bei ihm han delte es sich um eine große Kuppel aus Ar konstahl, die selbst der Explosion einer star ken Atomladung standhalten konnte. Vier Schleusentore führten ins Freie, waren je doch jetzt geschlossen. Sie wurden nur im Alarmfall benutzt, wenn zahlreiche Schiffs besatzungen gleichzeitig an die Oberfläche mußten. Jetzt waren nur die kleinen Mann pforten geöffnet, die vollauf genügten, den
Harvey Patton normalen Personenverkehr zu bewältigen. Der Sonnenträger nickte einigen bekann ten Offizieren zu, die von draußen hereinge kommen waren. Im Vorbeigehen wurden ei nige Worte gewechselt, aber Zardok hielt sich nicht unnütz auf. Er dachte an die Män ner der Geheimpolizei, mit denen er in Kür ze zusammentreffen würde und beeilte sich, zum Schiff zu kommen. Auch hier gab es Wachen, die Dienstmar ken der beiden Männer wurden nochmals kontrolliert. Dann gingen sie durch die nörd liche Mannpforte und betraten die künstliche Oberfläche dieser unnatürlichen Welt, auf der nicht ein einziger Grashalm mehr wuchs. Atomsonnen schwebten, von Fesselfeldern gehalten, hoch in der Luft und übergossen die matt schimmernde Stahlplastikfläche mit ihrem grellen Schein. In der Ferne ragten die Kugelkörper von Kreuzern und Schlacht schiffen wie Gebirgskuppen auf. Rings um den Pfortenbunker standen zahlreiche Robotgleiter bereit. Zardok und. Dekas bestiegen einen davon, denn bis zur SENKKO hatten sie fast zwanzig Kilometer zurückzulegen. Das Landefeld nahm einen Raum von mehreren tausend Quadratkilo metern ein, und es war nur eines von vielen. Filam Dekas tippte die Positionsdaten sei nes Schiffes in die Tastatur der Gleiterauto matik. Gleich darauf hob das Fahrzeug leise summend ab und schoß nach Norden davon. Es bewegte sich in einem genau vorge schriebenen Korridor dahin, der zwischen den Schiffsliegeplätzen hindurchführte. Ma nuell zu steuernde Maschinen gab es hier nicht, um die Unfallgefahr auszuschließen, die durch startende oder landende Raumer stets gegeben war. Auch jetzt senkten sich an verschiedenen Stellen Schiffe auf den Hafen nieder, andere stiegen mit summenden Feldantrieben auf. Gleiter und Transportfahrzeuge wimmelten über die Fahrzeug-Schneisen und beförder ten Männer und Material. Auf Arkon III war der Begriff Ruhe vollkommen unbekannt. Hier schlug das Herz des Großen Imperiums vernehmlich und eindrucksvoll. Diese Welt
Orbanaschols Rache gewährleistete zusammen mit den zahlrei chen Abwehrforts im Raum die Sicherheit des Kristallplaneten Arkon I. Nach kaum einer Minute bremste der Gleiter ab und setzte vor dem Schweren Kreuzer auf. Die SENKKO durchmaß zwei hundertfünfzig Meter und war erst vor drei Monaten in Dienst gestellt worden. Sie ent stammte einer neuen Bauserie, von der sich die Konstrukteure besonders viel verspra chen. Dieser Kreuzertyp war weitgehend au tomatisiert und kam mit einer Besatzung von nur hundertfünfzig Mann voll aus. Die Waf fenbestückung war dafür besonders stark und entsprach fast der eines doppelt so großen Schlachtschiffs. Typisch für Orbanaschol! dachte Zardok resigniert, als er zu dem Schiff aufsah. Raumer wie die SENKKO können es ohne weiteres mit mittleren Schlachtschiffen der Maahks bis zur Länge von einem Kilometer aufnehmen. Und was geschieht mit ihnen? Statt an die Fronten geworfen zu werden, wo man sie nötig brauchte, werden sie aus schließlich hier zur Systemverteidigung ein gesetzt. Kein Wunder, daß wir auf dem be sten Wege sind, diesen Krieg zu verlieren! Im nächsten Augenblick vergaß er jedoch diese Gedanken wieder. Er war ausgestiegen und sah nun das große Fahrzeug unterhalb des Kreuzers, das drei riesige Container her angebracht hatte. Zwei davon waren bereits eingeschifft, der dritte schwebte gerade in einem Traktorstrahl zur Lastenschleuse hin auf. Das gehörte keinesfalls zu den normalen Startvorbereitungen, und der Sonnenträger wußte intuitiv, was da eben an Bord ge bracht wurde: Die chemischen Kampfstoffe, die dazu dienen sollten, den Planeten Aycua im Rahmen einer Strafexpedition in eine Wüste zu verwandeln! Zardok versteifte sich innerlich. Sein blas ses Gesicht blieb unbewegt, aber seine Ge danken rasten, als er nun neben Filam Dekas auf die ausgefahrene Rampe unterhalb der Polschleuse des Raumers zuging. Zwanzig Millionen Arkoniden sollten auf besonders
21 hinterhältige Weise dafür bestraft werden, daß sie den Mann nicht mochten, der ein Brudermörder war und zu Unrecht im Kri stallpalast saß. Ohne mich, Orbanaschol! dachte Zardok grimmig. Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um diesen hinterlistigen An schlag zu vereiteln …
* Der Erste Offizier der SENKKO erwarte te seine Vorgesetzten bereits in der Schleu se. Er grüßte exakt und schlug mit der ge ballten Rechten gegen seine Brustplatte. »Schwerer Kreuzer SENKKO bei den Startvorbereitungen, Erhabene. Alles läuft nach Plan, wir können in einer Stunde star ten. Besatzung und Sonderkommando befin den sich vollzählig an Bord.« Sie waren also schon da, die Henker aus den Reihen der Politischen Geheimpolizei. Damit hatte der Sonnenträger nicht gerech net, aber die Tatsache beeinflußte seine in nere Einstellung nicht. Vielleicht war es so gar ganz gut so, denn er würde noch Zeit finden, sich mit den Anführern der POGIMKommandos zu unterhalten. Sie konnten ihm ungewollt Fingerzeige dafür geben, wie er ihr mörderisches Vorhaben vereiteln konnte! Filam Dekas nickte dem Offizier zu. »Danke, Leshkan«, sagte er freundlich. »Machen Sie nur weiter, wir verlassen uns ganz auf Sie. Wo können wir den Führer der Sonderkommandos finden?« »Es sind zwei Männer, ihre Namen haben sie nicht genannt«, unterrichtete ihn der Of fizier. »Sie halten sich in der Kommando zentrale auf und warten dort auf sie. Weitere dreißig Mann sind damit beschäftigt, den In halt der Container in die Spezialtanks zu entleeren. Darf ich fragen …« »Sie dürfen nicht!« schnitt ihm Zardok brüsk das Wort ab. »Kommen Sie, Filam, begeben wir uns in die Zentrale. Gäste soll man bekanntlich nicht warten lassen, und diese exklusive Art schon gar nicht.«
22 Dekas sah ihn befremdet an, denn so schroffe Umgangsformen war er von dem Sonnenträger nicht gewohnt. Er schwieg je doch, und beide schwebten gleich darauf im zentralen Antigravschacht zum Mitteldeck des Kreuzers empor. In der Kommandozentrale hielt sich be reits ein Dutzend Männer auf und führte die vor jedem Start üblichen Kontrollen durch. Sie nahmen Haltung an, und der Pilot mach te Meldung, aber Zardok kümmerte sich nicht darum. Er überließ die dienstlichen Obliegenheiten dem Kommandanten, denn er war ja ohnehin nur Gast an Bord. Statt dessen wandte er sich den beiden Männern in neutraler Kleidung zu, die gelangweilt an einem Getränkeautomaten lehnten und sich leise unterhielten. Als sie seine Schritte hörten, drehten sie sich zu ihm um. Der Jüngere, ein schlanker Mann mit einem energischen Gesicht und schmalen kalten Augen, war ihm unbekannt. Der andere war beleibt, hatte feiste Wangen und Froschaugen, die ihm forschend und ein wenig spöttisch entgegensahen. Zardok fuhr unwillkürlich zusammen, als er ihn erkannte. »Sie, Gourman Zehlk …?« stieß er ungläubig hervor. Der andere lachte spöttisch auf. »Warum nicht, verehrter Sonnenträger?« fragte er herablassend. »Deshalb brauchen Sie doch nicht gleich die Fassung zu verlieren, alter Freund.« Zardok schüttelte den Kopf, denn er konnte es immer noch nicht glauben. »Sie sind ein Mitglied der POGIM?« forschte er erneut. »Das erscheint mir so unglaublich wie …« Er stockte, weil er kein passendes Bei spiel fand. Zehlk weidete sich offenkundig an seiner Verblüffung. Schließlich nickte er herablassend. »Warum nicht ich?« meinte er seelenru hig. »Waren Sie etwa der Meinung, man müßte einen Geheimpolizisten schon auf den ersten Blick erkennen? In meinem Beruf liegt die Betonung auf dem ›geheim‹, ver gessen Sie das nicht. Agenten, die jeder als
Harvey Patton solche erkennen kann, nützen dem Imperator wenig.« Der Sonnenträger war wie betäubt. Diesen Mann kannte er, seit er nach Ar kon III versetzt worden war. Gourman Zehlk bekleidete offiziell einen hohen Posten in der Verwaltung seiner Wohnstadt. Seine Korpulenz und das runde, meist etwas ver träumt wirkende Gesicht hatten ihn stets als gutmütig und harmlos erscheinen lassen. Zardok hatte oft mit ihm zusammen im Mes seraum gesessen und über alles mögliche diskutiert, wenn er dienstfrei hatte. Zehlk war immer ein guter Zuhörer gewe sen, konnte aber auch gewandt plaudern. Er verstand es, durch scheinbar lässig hinge worfene Bemerkungen ein Thema neu zu beleuchten und aus einer gänzlich anderen Perspektive erscheinen zu lassen. In seiner Gegenwart hatten sich die Anwesenden nie Hemmungen auferlegt. Keiner wäre auch nur entfernt auf den Gedanken gekommen, daß dieser Mann ein Geheimagent war, nur darauf aus, den anderen ihre wahre Meinung zu entlocken … Jetzt erschien Zardok manches in einem gänzlich anderen Licht. Wie war das doch mit Kalschok gewesen, dem Kommandanten der MONGLOOR? Er hatte im vertrauten Kreis nie ein Hehl daraus gemacht, daß er den Imperator für korrupt und absolut unfähig hielt. Eines Tages war er aus seinem Bett heraus verhaftet und we nige Tage später als angeblicher Verräter und Saboteur hingerichtet worden. Und das nur zwei Tage nach einem Abend mit viel Alkohol, an dem er Orbanaschols Sturz ge fordert hatte – in Gegenwart Gourman Zehlks! Es gab noch andere Merkwürdigkeiten, aber dies war das gravierendste Beispiel. Der Sonnenträger selbst hatte sich nie zu ge wagten Äußerungen hinreißen lassen, er war kein Mann, der sein Herz auf der Zunge trug. Jetzt erkannte er, daß das sein Glück gewesen war. Früher hatte er sich nie etwas dabei ge dacht, daß Zehlk unverhältnismäßig oft ab
Orbanaschols Rache wesend gewesen war, manchmal für eine Woche oder länger. Dann war er freundlich lächelnd wieder aufgetaucht und hatte sich über die »lästigen Dienstreisen« beklagt, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließen. Nun konnte sich Zardok denken, welcher Art die se Reisen gewesen waren! Plötzlich spürte er heftige Schmerzen in der rechten Hüfte, wo er seit seiner schwe ren Verwundung ein künstliches Gelenk be saß. Es behinderte ihn nicht in seiner Be weglichkeit, war aber doch der Anlaß für sein Ausscheiden aus der kämpfenden Flotte gewesen. Sobald er sich jedoch stark erregte, traten stets diese Schmerzen auf. Zardok biß die Zähne zusammen, und bald wurde ihm wieder besser. Gourman Zehlk war aber das Verziehen seines Ge sichts nicht entgangen. Er nickte ihm schein bar mitfühlend zu. »Wieder das alte Leiden, Sonnenträger? Freuen Sie sich, daß Sie jetzt nicht mehr draußen sein müssen. Hier im Arkonsystem haben Sie es doch ganz gut. Unser kleiner Ausflug nach Aycua wird Sie wohl kaum übermäßig belasten.« Die zynische Art, mit der der Geheimpoli zist über eine Aktion sprach, bei der das Le ben von zwanzig Millionen Arkoniden auf dem Spiel stand, schockierte Zardok erneut. In seine Augen traten Tränen der Erregung, er mußte um seine Selbstbeherrschung kämpfen. Er atmete erlöst auf, als nun Filam Dekas auf ihn zukam. »Die SENKKO ist startbereit, Sonnenträ ger«, meldete er mit unbewegtem Gesicht. »Der Beladevorgang ist abgeschlossen, der Transporter hat sich entfernt. Haben Sie Be fehle für mich?« Zardok winkte ab. »Machen Sie weiter wie üblich, Filam«, gab er zurück. »Ich wer de Sie erst ablösen, wenn wir die Transition zum Aycualle-System hinter uns haben. Sind die Kabinen für unsere beiden Gäste bereit?« Der Planetenträger bejahte, und Zardok wandte sich an Zehlk und seinen schweigsa men Begleiter. »Eine Ordonnanz wird Ihnen
23 den Weg zeigen, Gourman. Wenn Sie wol len, können Sie Ihre unterbrochene Nachtru he fortsetzen, bis zur Ankunft bei Aycua ha ben wir noch etwa drei Stunden Zeit. Ent schuldigen Sie mich bitte, ich ziehe mich ebenfalls zurück.«
* In seiner Kabine angekommen, warf er sich auf das Bett und begann fieberhaft zu überlegen. Das unvermutete Auftauchen Gourman Zehlks als Agent der POGIM stellte ihn vor neue, unerwartete Probleme. Diesen Mann zu täuschen, würde schwie rig sein, das wußte er. Einem vollkommen Fremden gegenüber wäre es ihm viel leich ter gefallen, sich erfolgreich zu verstellen. Zehlk kannte ihn jedoch zu gut. Als erfahre ner Geheimpolizist mußte er bereits die er sten Anzeichen in seinem Verhalten richtig gedeutet haben. Vielleicht hatte man diesen Mann auch mit voller Absicht zum Leiter der Strafakti on bestimmt. Es war durchaus möglich, daß Orbanaschols Organe davon wußten, daß sich Angehörige von Arvella auf Aycua be fanden. Gourman Zehlks Anwesenheit muß te Zardok nun unweigerlich verunsichern und aller Voraussicht nach davon abhalten, etwas für die Rettung des Planeten zu tun. Der Sonnenträger knirschte verbissen mit den Zähnen. Er dachte an die drei großen Container, die an Bord des Schiffes gebracht worden waren. Ihr Inhalt mußte inzwischen bereits in die Spezialtanks gefüllt worden sein, aus denen sie in die Atmosphäre Aycuas gebla sen werden sollten. Ein schrecklicher, heim tückischer Kampfstoff, der gleichermaßen auf die Flora und Fauna einwirken würde – und ebenso auch auf die Menschen! Was konnte er tun, um sie zu retten? Sabotage schied von vornherein aus. Die Tanks mit der Chemikalie wurden von Zehlks Männern bewacht, die sich in den an grenzenden Laderäumen aufhielten. Man hatte ihnen keine besonderen Unterkünfte
24 zugewiesen, weil der Flug nur kurz war. Zudem hatte Zardok nicht vor, sich zu ex ponieren. Was er tun wollte, mußte heimlich geschehen – kam es heraus, war er so gut wie tot! Die Strafexpedition wurde auf den per sönlichen Befehl des Imperators hin durch geführt. Tat er etwas, um das Vorhaben zu vereiteln, stellte er sich also direkt gegen Or banaschol. Das war in den Augen der Ge heimpolizisten, die tausendfach gesiebt und streng loyal waren, ein todeswürdiges Ver brechen. Zehlk würde in diesem Fall keinen Augenblick lang zögern, ihn als Hochverrä ter erschießen zu lassen. Gegen die POGIM kam auch ein verdienstvoller Soldat und zweifacher Sonnenträger nicht an. Zardok wollte aber nicht auf diese Weise enden. Er hatte vor, die Bewohner von Ay cua zu retten. Er wollte jedoch auch weiter leben und zu Arvella zurückkehren, also mußte er äußerst vorsichtig vorgehen. Der einzige Weg, der ihm offenstand, war eine Warnung über Hyperfunk an die verant wortlichen Männer des Planeten. Sie würden dann schon wissen, was weiter zu tun war. Auch auf Aycua gab es Bodenforts zur Ab wehr von Angriffen der Methans, und viel leicht auch bewaffnete Raumfahrzeuge. Wenn diese geschickt zusammenwirkten, konnte es ihnen ohne weiteres gelingen, den Kreuzer zu zerstören oder zumindest zu ver treiben. Die Strafaktion hatte nur dann Aus sicht auf Erfolg, wenn sie heimlich durchge führt wurde, wie es beabsichtigt war. Der Hyperkom in der Funkzentrale schied für das Vorhaben natürlich aus. Zardok konnte nicht einfach hingehen und die War nung abstrahlen, ohne daß das auffiel. Er konnte jedoch das Reservegerät benutzen, das sich in der Notsteuerzentrale befand. Diese lag in den Maschinenräumen und war bei normalem Flugbetrieb nicht besetzt. Es war nicht einmal nötig, daß Zardok den Warnruf persönlich absetzte. Er brauch te nur ein Tonband zu besprechen, in das Gerät einzulegen und die Automatik so ein zustellen, daß sie den Hyperkom nach einer
Harvey Patton gewissen Zeit selbsttätig aktivierte. Wenn er es geschickt genug anfing, seine Stimme mechanisch verzerren ließ und auch sonst keine Spuren hinterließ, würde Zehlk nie herausfinden können, wer der Warner gewe sen war. Als er soweit gedacht hatte, wurde der Sonnenträger aktiv. Seine Kabine besaß auch einen rückwärti gen Ausgang für Notfälle. Dieser führte auf einen schmalen Korridor, der im allgemei nen nur von Wartungsrobotern benutzt wur de. Von ihm aus konnte man sowohl zu den Beiboothangars wie auch in die Maschinen räume gelangen. Zardok sah auf seinen Armbandchrono und stellte fest, daß ihm etwa eine Stunde Zeit für sein Vorhaben blieb. Die SENKKO war noch nicht gestartet, sie würde erst in zehn Minuten von Arkon III abheben. Dann mußte es rund fünfzig Minuten dauern, bis sie auf Transitionsgeschwindigkeit kam. In nerhalb des Arkonsystems durfte nur mit verhältnismäßig geringer Triebwerksleistung geflogen werden, damit die Emissionen nicht die Tätigkeit der vielfältigen Warnein richtungen störten. Der Sonnenträger verriegelte die Kabi nentür und öffnete dann den Notausgang. Wie erwartet, lag der schmale Gang verlas sen vor ihm. In größeren Abständen ange brachte Leuchtflächen erhellten ihn nur matt. Er zog die Tür hinter sich zu und blieb eine Weile stehen, bis sich seine Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten. Dann ging er langsam und leise los. Er war angespannt und ruhig zugleich. Im Einsatz gegen die Maahks hatte er sich so oft in gefährlichen Situationen befunden, daß er gelernt hatte, alle überflüssigen Ge danken einfach abzuschalten. Nur sein Hüft gelenk begann wieder zu schmerzen, ein motorischer Reflex, der sich jeder Beeinflus sung entzog. Zwanzig Meter weiter verließen Zardok den Korridor, um auf das zwei Etagen tiefer gelegene Maschinendeck zu gelangen. Er benutzte jedoch nicht den seitlichen Anti
Orbanaschols Rache gravschacht, sondern die nach unten führen de Nottreppe. Aus weiter Ferne vernahm er die Durchsage des Kommandanten, der den dicht bevorstehenden Start ankündigte. Gleich darauf zeugte ein lautes Dröhnen da von, daß die Konverter und Transformer ih re Arbeit aufnahmen. Dann schwoll ihr Ar beitsgeräusch schlagartig an, als das Schiff vom Boden abhob. Zardok nickte zufrieden, denn er hatte ge nau den richtigen Zeitpunkt abgepaßt. Die Techniker im Maschinenraum mußten sich jetzt auf ihre Kontrollen konzentrieren und hatten keine Zeit für andere Dinge. Zudem endete der Notschacht in einer Ecke zwi schen zwei großen Aggregaten, die ihn ge gen Sicht deckten. Er verließ die Treppe, blinzelte in das helle Licht und ging dann vorsichtig weiter. Jede Deckung ausnutzend, bewegte er sich an der Innenwand des Maschinenrau mes entlang. Nur einmal hatte er eine freie Strecke von fünf Meter zwischen zwei Speicherbänken zu überwinden. Etwa zehn Meter vor ihm saßen zwei Männer vor ihren Kontrollpulten. Sie wandten ihm jedoch den Rücken zu und sahen ihn nicht. Dann hatte Zardok den Eingang zur Not steuerzentrale erreicht. Das elektronische Schloß war verriegelt, aber das war kein Hindernis für ihn. Als hoher Offizier besaß er einen Universalschlüssel, der ihm alle Tü ren im Schiff öffnete. Sekunden später zog er die Tür hinter sich zu und atmete nun un willkürlich auf. Er legte die Hand auf die Aktivierungsplatte für die Beleuchtung und sah sich dann in dem runden Raum um. Alles war so, wie es sein sollte. Lediglich die Anordnung einiger Geräte unterschied sich von der in den älteren Schiffstypen. Der Hyperkom war mit einer Plastikhaube abge deckt, er entfernte sie und nahm auf dem Kontursitz Platz. Zuerst stellte er die Schaltautomatik ein. Sie würde nach genau einer Stunde anlaufen und den Sender dann aktivieren, wenn die SENKKO gerade vor Aycua aus dem Hyperraum gekommen war. Dann schaltete
25 er das mit dem Hyperkom gekoppelte Band gerät ein und veränderte die Frequenzmodu lation so, daß seine Stimme bis zur völligen Unkenntlichkeit verzerrt wurde. Selbst dem geübtesten Techniker würde es nun nicht mehr möglich sein, den Sprecher zu identifi zieren. Es wäre ihm am liebsten gewesen, wenn er den Spruch nur als gerafften Kurzimpuls hätte abstrahlen können. Dann bestand je doch die Gefahr, daß das Signal auf dem Planeten überhört wurde und alles umsonst gewesen war. Einen dreimal offen gesende ten Hyperkomspruch mußte man aber emp fangen, selbst wenn der dortige Funker sch lief. Jede planetare Funkstation war mit ei ner Robotautomatik ausgerüstet, die dann an seiner Stelle Alarm gab. Zardok hatte sich bereits unterwegs einige knappe Sätze zurechtgelegt, die alles ent hielten, was es zu sagen gab. Er beugte sich nun über das Rillenmikrophon und begann zu sprechen, während sich die Walzen des Recorders langsam drehten. Er konzentrierte sich ganz auf seine wich tige Aufgabe. So entging es ihm, daß sich die Tür hinter ihm geräuschlos öffnete und Zehlk darin erschien. Neben ihm stand Ashbar, sein wortkarger Stellvertreter, mit entsichertem Impulsstrah ler. Er hob bereits die Waffe, aber Zehlk drückte seinen Arm wieder herunter. Mit kaltem Lächeln lauschte er den Worten des Sonnenträgers. Dann hatte Zardok geendet. Er ließ das Band zurücklaufen und spielte es zur Kon trolle ab. Dabei nickte er zufrieden, denn das aus der Membrane kommende Organ besaß nicht die geringste Ähnlichkeit mit seiner Stimme mehr. Im nächsten Moment fuhr er jedoch zu sammen, und seine Augen weiteten sich in tödlichem Schreck. Sein Blick war auf den Bildschirm des Hyperkoms gefallen, und darauf zeichneten sich die Gestalten der bei den Lauscher ab. Zardok wirbelte mit dem Kontursitz her um, seine Rechte fuhr zur Hüfte. Sie kam je
26 doch leer wieder zurück, denn sein Hand strahler lag in seiner Kabine. Er hatte mit al lem gerechnet, nur nicht damit, daß die Männer der POGIM auf sein geheimes Han deln aufmerksam werden gönnten. Er wollte sich mit den bloßen Händen auf sie stürzen, aber das flimmernde Abstrahl feld an Ashbars Waffe sprach eine zu deutli che Sprache. Hilflos blieb er sitzen, während das Band weiterlief, als eindeutiger Beweis für sein »Verbrechen«… Als es abgelaufen war, nickte Zehlk mit spöttischer Anerkennung. »Das haben Sie sich nicht schlecht ausgedacht, Sonnenträ ger«, sagte er. »Es wäre uns wirklich schwer gefallen, nach diesem Band den Sprecher herauszufinden, besser hätten wir es kaum handhaben können. Es tut mir fast leid, daß Ihr schöner Plan nun ins Wasser fällt.« »Wie sind Sie darauf gekommen?« preßte Zardok hervor. Der Kommandoführer lächelte wieder. »Leute in meiner Stellung sind von Berufs wegen mißtrauisch, mein Lieber. Natürlich wußte ich davon, daß Ihre Frau Angehörige auf Aycua hat. Da Sie aber ein alter Soldat und hoher Ordensträger sind, hatte ich ei gentlich nicht damit gerechnet, daß Sie et was unternehmen würden. Dann rief ich aber vorhin in Ihrer Kabine an, ohne Ant wort zu bekommen, und das machte mich stutzig. Ich öffnete die Tür mit einem Uni versalschlüssel, fand das Nest leer und be gann zu überlegen. Dabei fiel mir dieser Ort und der zweite Hyperkom ein, und das ge nügte.« »Was werden Sie nun mit mir anfangen?« fragte der Sonnenträger trocken. Zehlk zuckte mit den Schultern. »Was würden Sie an meiner Stelle mit ei nem auf frischer Tat ertappten Saboteur und Verräter tun? In gewisser Weise tut es mir leid um Sie, Zardok. Sie waren immer ein angenehmer und geistreicher Gesprächspart ner, der mir fehlen wird. Ashbar!« Er hatte ruhig und emotionslos gespro chen, dafür kam nun aber das letzte Wort hart wie ein Geschoß aus seinem Mund.
Harvey Patton Zardok hatte nur damit gerechnet, verhaf tet und vor ein Kriegsgericht gestellt zu wer den, doch nun begriff er. Er wollte aufsprin gen und vorwärts stürzen, aber er schaffte es nicht mehr. Ein Feuerstrahl zuckte aus Ash bars Strahler, traf ihn voll in die Brust und tötete ihn auf der Stelle. Zehlk betrachtete die Leiche ungerührt. »Schließen und versiegeln Sie den Raum«, befahl er seinem Handlanger. »Alles muß so bleiben, wie es war. Ein zweifacher Sonnen träger ist schließlich nicht irgendwer. Die Beweise für seine Schuld müssen erhalten bleiben und später dem Flottenkommando präsentiert werden können.« Die beiden Männer begaben sich in die Kommandozentrale und unterrichteten Fi lam Dekas. Der Kommandant war sichtlich erschüttert, sah jedoch seine Ohnmacht ein. Die SENKKO flog weiter, als ob nichts ge schehen wäre. Sie kam aus der Transition, und sofort wurden Zehlks Männer aktiv. Je acht von ih nen besetzten die drei Beiboote, verließen damit den Kreuzer und flogen voraus. Sie landeten an genau vorbezeichneten Stellen, verließen die Fahrzeuge und machten sich mit Flugaggregaten auf den Weg. Als sie ihre Ziele erreicht hatten, wurde Zehlk durch Kurzfunkimpulse verständigt. Nun schoß auch die SENKKO auf Aycua zu und stieß in die Atmosphäre über dem einzi gen Kontinent vor. Ehe die Bewohner noch an eine Reaktion denken konnten, war es be reits zu spät. Die Tanks mit dem tückischen Kampfstoff hatten sich geöffnet und entleer ten ihren verderbenbringenden Inhalt, der sich rasch verteilte und innerhalb weniger Stunden den Boden erreichte. Das Verhängnis war nicht mehr aufzuhal ten. Als endlich die Bodenforts das Feuer er öffneten, drehte der Kreuzer bereits wieder ab und begab sich auf den Rückflug ins Ar konsystem.
5. Die Strukturtaster in der Raumortungssta
Orbanaschols Rache tion von Cherkan schlugen an. Zwei Objekte waren kaum fünfhundert Millionen Kilome ter über Cherkaton aus dem Hyperraum ge kommen und flogen nun mit Höchstbe schleunigung den Planeten an. Ascarmon beobachtete aufmerksam die Bildschirme und nickte dann seinem jungen Gehilfen zu. »Kein Grund zur Aufregung, Junge. Der mitron und seine Leute kommen zurück, die Form der beiden Boote ist nicht zu verken nen. Da, der Mondträger meldet sich schon.« Zwei Stunden später setzten die Fahrzeu ge auf dem kleinen Raumhafen auf. Es wa ren ehemalige Rettungsboote der MEDON, die Mekron Dermitron nun zu einem Erkun dungs- und Informationsflug im Bereich des Großen Imperiums benutzt hatte. Sie waren granatförmig, acht Meter lang und boten Platz für jeweils vier Männer. Hypertrieb werke in Kompaktbauweise gaben ihnen je doch einen großen Aktionsradius. Dermitron und seine fünf Begleiter flogen sofort zum Verwaltungsgebäude, um dem Gouverneur Bericht zu erstatten. Obwohl die Nacht schon angebrochen war, empfing sie Geraban noch. »Wie sieht es draußen aus, Mekron?« fragte er. »Haben Sie etwas über Atlans wei teres Schicksal in Erfahrung gebracht?« Der Mondträger kniff die leicht schrägste henden Augen in dem breitflächigen Gesicht zusammen. »Fast mehr, als wir verdauen konnten, Gouverneur«, gab er zurück. »Wie sehr Or banaschols Thron bereits wankt, zeigt am besten die Tatsache, daß die Verbreitung von Nachrichten jetzt fast bedenkenlos er folgt. Es kriselt wirklich an allen Ecken und Enden, und die Maahks stoßen immer weiter vor. Sie sollen im Gebiet der Ovalen Sonnen einen großen Durchbruch erzielt und minde stens hundert große Imperiumsschiffe ver nichtet haben.« »Höchste Zeit, daß der verdammte Dick wanst verschwindet«, sagte der gleichfalls anwesende Sofartes impulsiv wie immer. »Doch Sie haben noch nicht von Atlan ge
27 sprochen, Mekron. Was ist mit ihm, reden Sie doch schon.« Dermitron hob die Schultern. »Alles, was Sie sich nur wünschen können«, meinte er sarkastisch. »Wenn man den vielen sich wi dersprechenden Gerüchten glauben sollte, müßte er in den vergangenen Tagen an min destens zwanzig verschiedenen Stellen zu gleich gewesen sein. Daß er zusammen mit Fartuloon von Celkar entkommen ist, ist die einzige wirklich bewiesene Tatsache.« Er trank einen Schluck Tee und rieb sich die rotgeränderten Augen. Dann fuhr er fort: »Wir haben alle aufgefangenen Nachrich ten gespeichert und auf dem Rückweg noch einmal abgehört. Neunzig Prozent davon konnten wir dann nach eingehender Überle gung eindeutig als bloße Phantastereien ein stufen. Bestätigt wurde jedoch, daß inner halb der Heimatflotte eine große Rebellion vorbereitet wird. Ganze Geschwader sollen meutern und sich bereits heimlich auf dem Flug zum Arkonsystem befinden – unter At lans Führung!« »Halten Sie das für wahrscheinlich?« fragte der Gouverneur skeptisch. Zu seiner Überraschung nickte Dermitron. »Sehr sogar, Gouverneur. Der Kristall prinz will nach Arkon, um dort Ordnung zu schaffen. Der Umweg über die Teilnahme an den KAYMUURTES ist gescheitert, und nach der Ausschaltung von Kraumon steht er praktisch ohne Helfer da. Es erscheint al so logisch, daß er sich nun den Rebellen an geschlossen hat, die ihn nur zu gern als An führer akzeptieren werden.« »Das hat viel für sich«, meinte Sofartes nach einer kurzen Überlegungspause. »Er muß jetzt rasch handeln, wenn er den Unter gang des Imperiums noch verhindern will; und nur einer starken Flotte kann es gelin gen, bis nach Arkon vorzudringen.« »Und bei dieser möchten wir sein!« sagte der Mondträger mit Nachdruck. »Es kann im Endeffekt auf jedes Schiff ankommen, wenn es die Systemverteidigung Arkons zu durch brechen gilt. Deshalb bitte ich Sie, Geraban: Stellen Sie uns die SALVOOR zur Verfü
28 gung, die jetzt nur nutzlos auf dem Hafen herumsteht! Ich würde notfalls auch mit un seren kleinen Booten losfliegen, aber ihr Kampfwert ist zu gering.« Geraban wiegte den Kopf. »Ich meine, Sie sollten sich das nochmals reiflich überle gen, Mekron. Ihre Argumente sind gut, aber möglicherweise gehen Sie von ganz falschen Voraussetzungen aus. In diesem Fall be käme die Sache ein völlig anderes Gesicht; dann nämlich, wenn das Gerücht von Atlan und den Meuterern gar nicht stimmt. Dann fliegen Sie vielleicht, statt dem Prinzen zu helfen, geradewegs in Ihr Verderben.« Die Männer redeten noch eine Weile hin und her, kamen jedoch zu keiner Entschei dung. Schließlich erhob sich Dermitron. »Ich bin dafür, daß wir die Diskussion für heute beenden, Freunde. Es ist eine seltsa me, aber oft bewiesene Tatsache, daß Ge spräche während der Nacht meist ganz ande re Resultate erbringen als solche, die am Tag geführt werden. Schlafen wir also am besten erst einmal über alles, wir sind nach dem langen Flug ohnehin übermüdet. Morgen können wir dann weiter reden, und das in größerem Kreise.« Am nächsten Morgen ging die Erörterung weiter. Diesmal nahmen auch der Polizei chef Korschizyn, der wieder völlig gesunde te Prospektor Letschyboa und Lengavor mit seinem Ersten Offizier Kaningor daran teil. Es stellte sich bald heraus, daß der Gou verneur mit seinen Bedenken allein dastand. Alle übrigen Männer sprachen sich entschie den für einen Flug zur Unterstützung Atlans aus. Vor allem der Kommandant der SAL VOOR, ein einfacher Planetenträger, war Feuer und Flamme dafür. Er versicherte, daß seine Männer bedenkenlos mitmachen wür den, die auf Cherkaton erstmals alle Tatsa chen über Atlans Kampf zu Erringung seiner Rechte erfahren hatten. Endlich gab sich Geraban geschlagen und stimmte zu. »Ich bin immer noch nicht restlos über zeugt«, erklärte er. »Ich sehe jedoch ein, daß die Möglichkeit, dem Kristallprinzen Hilfe
Harvey Patton leisten zu können, den Vorrang gegenüber meinen Bedenken haben muß. Welche Hilfe kann Ihnen Cherkaton geben, Mekron?« Der Mondträger atmete auf. »Danke, Gouverneur. Wie steht es um Ihr Schiff, Lengavor? Ist es noch voll kampffähig?« Der Offizier, ein schlanker Mann von sechsunddreißig Jahren mit einem schmalen markanten Gesicht, nickte. »Wir wurden vor dem Kampf mit den Maahks neu versorgt und haben noch alles an Bord, was für einen längeren Einsatz nö tig ist. Allerdings müßte die Besatzung er heblich verstärkt werden. Als wir damals von unserem Trägerschiff ausgeschleust wurden, hatte dieses bereits Treffer erhalten, und nur noch ein Teil meiner Männer konnte den Kreuzer erreichen.« »Zehn Mann von der MEDON kommen jetzt hinzu«, überlegte Dermitron. »Das reicht aber immer noch nicht, vierzig sind das Minimum für einen Raumer dieser Klas se. Wir müßten also noch eine Anzahl von Freiwilligen aus Cherkan haben, Gouver neur. Wird es da Schwierigkeiten geben? Schließlich habe ich selbst seinerzeit die jungen Männer nach Kraumon entführt, die jetzt für uns in Frage kämen.« Sofartes winkte ab. »Machen Sie sich des wegen keine Sorgen, Mekron. Diese Jungen waren ohnehin kaum ausgebildet, hätten Ih nen also nicht allzuviel nützen können. Es gibt aber noch genügend ältere Männer mit Raumerfahrung bei uns, die förmlich darauf brennen, etwas für Atlan tun zu können. Nur ein kurzer Aufruf über den Videofunk, und Sie werden weit mehr Leute haben, als Sie brauchen können.« Er behielt Recht. Der Aufruf ging eine Stunde später hin aus, und schon am Mittag hatten sich mehr als dreihundert Freiwillige vor dem Zentral gebäude eingefunden. Der Mondträger hatte also die Qual der Wahl. Er ließ eine Na mensliste anfertigen und übergab sie dem Büro des Gouverneurs, das alle Angaben über die Männer aus dem Zentralcomputer abrief. Der Rechner traf zugleich bereits ei
Orbanaschols Rache ne Vorauswahl, so daß sich die Anzahl der Tauglichen nach einer halben Stunde schon um fünfzig vermindert hatte. Auch alle Männer über fünfundvierzig Standardjahre wurden abgewiesen, und so blieben schließ lich noch hundertdreiundsechzig übrig. »Etwas viel für so ein kleines Schiff«, meinte Salmoon, aber Mekron schüttelte den Kopf. »Wir können Atlan gar nicht genug Leute zuführen«, sagte er ernst. »Beim Ein dringen ins Arkonsystem wird es zweifellos Verluste geben, für die Ersatz notwendig ist. Die Männer sind zwar aus der Übung, aber sie waren alle einmal Raumfahrer, und die Elementarkenntnisse sind vorhanden. Wäh rend des Fluges werden wir Gelegenheit ha ben, ihnen das Fehlende soweit wie möglich beizubringen.« Er begab sich mit Lengavor zu Geraban, um weitere Einzelheiten zu besprechen. Die SALVOOR mußte entsprechend der Kopf zahl von hundertdreiundneunzig Mann ver proviantiert werden, es wurden zusätzliche Betten benötigt und noch manches andere mehr. Die Liste erhielt Sofartes, der sich er boten hatte, die organisatorischen Dinge in die Hand zu nehmen. Der dynamische Mann bedauerte, daß er schon zu alt war, um mit fliegen zu können. Dafür erledigte er die ihm übertragene Aufgabe mit Eifer und in wahrer Rekordzeit. Schon am Spätnachmittag war alles Nöti ge an Bord des kleinen Kreuzers. Auch die neuen Männer trafen nach und nach ein, zum größten Teil in Uniformen der Imperi umsflotte, die sie von früher her noch im Schrank hängen hatten. Manchem mochte der Abschied nicht leicht gefallen sein, denn niemand wußte, ob es eine Rückkehr gab. Alle waren jedoch gewillt, für Atlan ihr Be stes zu tun. War der unfähige Imperator Or banaschol III. erst gestürzt, standen auch Cherkaton bessere Zeiten bevor. Eine unübersehbare Menschenmenge hat te sich am Raumhafen versammelt und sah der SALVOOR nach, die mit dem leisen Summen der Antigravprojektoren in den Abendhimmel stieg. Sie löste sich erst, auf,
29 als das Schiff längst als winziger Leucht punkt in der Ferne verschwunden war. Ascarmon, der von der Ortungsstation aus alles beobachtet hatte, wischte sich verstoh len die Tränen der Erregung aus den Augen. »Da siehst du den Unterschied, Junge«, sag te er dann zu seinem Gehilfen. »Als damals Orbanaschols Männer da waren, um ihre Zwangsrekrutierung zu betreiben, haben die selben Leute dagegen demonstriert. Heute wissen sie noch nicht, was aus den Jungen geworden ist, die Dermitron nach Kraumon gebracht hat. Und doch sind alle gekommen, um die Kämpfer für Atlan zu verabschieden – das ist das Symbol für eine neue, bessere Zeit!«
* »Nun, wie klappt es mit den Kolonisten, Lengavor?« fragte Mekron Dermitron. Er hatte dem Planetenträger das Kommando über die SALVOOR belassen und gab nur die unbedingt nötigen Anweisungen. Die Mannschaft des Kreuzers war ein einge spieltes Team und hatte es auch übernom men, die Männer von Cherkaton in den praktischen Dingen zu unterweisen. Der mitrons bisherige Untergebene besorgten da für die theoretische Schulung. Der Kreuzerkommandant wiegte den Kopf. »Im großen und ganzen nicht schlecht, Mekron«, gab er zurück. »Die Männer sind mit Feuereifer bei der Sache und finden sich allmählich wieder in den Dienstbetrieb. Mit der Enge an Bord müssen wir uns eben ab finden.« Die SALVOOR hatte die dritte Transition hinter sich und driftete nun antriebslos in ei ner sternenarmen Zone dahin, etwa zwei hundert Lichtjahre von Arkon entfernt. Es war eine Flugpause nötig, um die Energie speicher des Kreuzers wieder aufzuladen. Außerdem sollten neue Informationen ge sammelt werden, die sich auf die Rebellen flotte bezogen. Die Funkortung war pausen los besetzt und lauschte weit in den Raum
30 hinaus. Mekron Dermitron hatte während seiner Einsätze für Atlan gelernt, in allem vorsich tig zu sein. Der Kreuzer mied alle stärker frequentierten Transitionspunkte und be wegte sich auf Umwegen dem Mittelpunkt des Sternenhaufens entgegen. Ein Flug ins Blaue mit all seinen Risiken hätte nur zu leicht mitten ins Verderben führen können. Den entstehenden Zeitverlust nahm der Mondträger in Kauf. Auch die meuternden Flottenverbände mußten ähnlich vorgehen, wenn sie überraschend im Arkonsystem auf tauchen wollten. Vermutlich hatten sie sich weit verteilt und strebten nun von allen Sei ten ihrem Ziel zu. Die eingehenden Nachrichten blieben aber mehr als dürftig. Der offizielle Video funk schied als Informationsquelle völlig aus. Seine Nachrichtensendungen enthielten ein Gemisch von Belanglosigkeiten trivial ster Art. Nur zuweilen gab es sparsam do sierte Berichte über Kämpfe mit den Maahks, und immer nur aus weit entfernten Raumsektoren. Dabei war es ein offenes Ge heimnis, daß die Methanatmer an vielen Stellen bereits Durchbrüche erzielt hatten und die Lage des Großen Imperiums mehr als nur kritisch war. Das alles interessierte Dermitron und sei ne Männer aber nur in zweiter Linie. Sie brauchten Informationen, die sich auf die Flotte der Rebellen und auf Atlan bezogen, aber gerade die gab es nicht. Die Fahn dungsaufrufe nach Atlan und Fartuloon wa ren inzwischen eingestellt worden. Sie hat ten demnach keinen Erfolg gebracht, und nun schwieg man das Problem einfach tot. »Auch auf der Flottenwelle herrscht zur Zeit nur das große Schweigen«, sagte Zuc cor Bransch, der Funker der SALVOOR, auf eine Frage des Mondträgers hin. »Selbst sorgfältig zerhackte und geraffte Sprüche enthalten nichts weiter als Belanglosigkei ten. Es ist zu vermuten, daß alle wirklich wichtigen Befehle nur noch durch Kurier schiffe übermittelt werden.« Der Mondträger nickte. »Das ist nach La-
Harvey Patton ge der Dinge nur logisch, Zuccor«, meinte er. »Die Meuterer könnten sonst alles mithö ren, eine Änderung des Flottencodes kann nicht von heute auf morgen bewerkstelligt werden. Diese Tatsache unterstützt aber un sere Vermutung, daß etwas Großes im Gan ge ist. Man mag von Orbanaschols Vasallen denken, was man will, Dummköpfe sind sie jedenfalls nicht. Wenn sich eine größere An zahl von Kampfschiffen gleichzeitig nicht mehr meldet, lassen sich die entsprechenden Schlüsse leicht ziehen.« Die Schlafperiode brach an, im Schiff kehrte Ruhe ein. Als Dermitron nach acht Stunden in die Zentrale zurückkehrte, war die Lage aber immer noch unverändert. Der mato, der in dieser Zeit die Funkanlage überwacht hatte, zuckte mit den Schultern. »Nichts Neues, Mekron«, sagte er lako nisch. »Arkon-Video hat vor zwei Stunden die Übertragung einer Konferenz Orbana schols mit Flottenbefehlshabern gebracht – eine glatte Fälschung! Die gleiche Sendung wurde bereits vor zwei Monaten ausge strahlt; man hat sie lediglich wiederholt und den agierenden Personen andere Sätze in den Mund gelegt. Die Synchronisation war so mangelhaft, daß es selbst völligen Laien auffallen mußte. Wir haben das Original ge sehen, als wir mit der MEDON den Stütz punkt Bencarv ausgeräumt hatten; entsinnst du dich daran?« Mekron überlegte kurz. »Bencarv …? Ach ja, das Flotten-Verpflegungsdepot, wo wir offen aufgetreten sind und alle Laderäu me bis obenhin gefüllt haben.« Er schmun zelte belustigt. »Vermutlich rätselt man beim Sektoren kommando jetzt noch herum, wer wohl die Übeltäter gewesen sein mögen. Unsere Pa piere waren so gut, daß wohl erst eine Com puterkontrolle die Wahrheit ans Licht ge bracht haben mag. – Stimmt, auf dem Rück flug bekamen wir eine solche Sendung her ein. Es muß auf Arkon I wirklich schon schlecht stehen, wenn die Propagandaleute zu solch primitiven Mitteln greifen müssen. Lieber wäre mir allerdings gewesen, wenn
Orbanaschols Rache du etwas aufgefangen hättest, das uns wei terhilft. Ohne jeden Anhaltspunkt läßt es sich schlecht operieren.« Lengavor war inzwischen ebenfalls in die Zentrale gekommen und hatte zugehört. Nun schaltete er sich ein. »Ich wüßte da einen Rat, Mekron. In rela tiver Nähe zum Arkonsystem liegt der Pla net Aycua, eine verfemte Welt. Dort leben viele Anhänger des früheren Imperators, und sie müssen sich irgendwie Orbanaschols Zorn zugezogen haben. Auf seine Anord nung hin wird Aycua schon seit längerer Zeit vom übrigen Imperium isoliert, kein Schiff darf den Planeten anfliegen oder ver lassen. Ich denke, daß wir bei seinen Be wohnern auf Unterstützung rechnen können. Zumindest könnten wir uns dort solange ver bergen, bis der Sturm auf das Arkonsystem beginnt.« »Keine schlechte Idee«, räumte Der mitron ein. Er aktivierte die Bordpositronik und rief die Daten des Planeten ab. Dann hellte sich sein Gesicht auf. »Nur achtzehn Lichtjahre bis Arkon, und in der Nähe gibt es mehrere strategisch wichtige Transitionspunkte. Eine günstige Position also, größere Schiffsbewegungen könnten uns dort kaum verborgen bleiben. Gut, dann werden wir versuchen, auf diese Welt zu gelangen. Daß sie von allen anderen gemieden wird, kann uns nur recht sein.« Er schaltete den Interkom ein und rief die Besatzung auf ihre Posten. Dann erklärte er den Männern das Vorhaben und erntete all gemeine Zustimmung. »Ich kenne die Geschichte von Aycua«, sagte der Pilot Waynjoon. »Früher war der Planet eine Urlaubswelt, mein Onkel hat ihn oft besucht. Es ging mit ihm bergab, als Or banaschol ihn boykottierte, worauf die Ober schicht von Arkon seinem Beispiel folgte. Mein Onkel gehörte nicht zu ihr, sondern war nur ein freier Archäologe, deshalb flog er auch weiter dorthin, bis die Blockade ver hängt wurde. Er kannte alle bedeutenden Persönlichkeiten, auch den Regierungschef. Wenn wir uns auf ihn berufen und als Geg
31 ner des Imperators zu erkennen geben, wird man uns bestimmt helfen.« Das klang gut, Gegenstimmen wurden nicht laut. Inzwischen hatten sich die Ener giespeicher der SALVOOR wieder gefüllt, das Schiff war einsatzbereit. Lengavor brachte es auf Kurs zum nächsten Transiti onspunkt, der Flug nach Aycua begann.
* »Keine fremden Objekte im Erfassungs bereich«, meldete Ventron knapp wie im mer. Der Ortungsspezialist war mit Der mitron schon auf dem Schlachtschiff HA DESCHA und dann in der MEDON zusam men gewesen. Nun saß er vor den Ortungen des Kreuzers und tastete die Umgebung ab. Natürlich hatte die SALVOOR nicht den kürzesten Weg zum Aycualle-System ein schlagen können, denn alle wichtigen Tran sitionspunkte wurden auch von den Einhei ten der Arkonflotte benutzt. Sie hatte sich auf Umwegen sozusagen herangeschlichen, doch nun lag das System dicht vor ihr. Me kron nickte zufrieden. »Bis auf halbe Lichtgeschwindigkeit be schleunigen, Lengavor; dann Triebwerke ausschalten und im freien Fall weiterfliegen. Wir müssen noch einmal versuchen, Infor mationen über die Meutererflotte zu erlan gen, eventuell auch über Atlan.« Der Kommandant gab die Anweisungen weiter, und das Schiff bewegte sich auf Ay cua, den zweiten Planeten des Systems zu. Der Funker bekam reichlich zu tun, man merkte deutlich, daß der Mittelpunkt des Großen Imperiums ganz nahe war. Ständig gingen Funksprüche über alle gängigen Fre quenzen, aber ihnen war nichts von Bedeu tung zu entnehmen. Nur auf der üblichen Flottenwelle herrschte Totenstille. Zuccor Bransch hob die Schultern und sah den Mondträger resignierend an. »Man muß die Verkehrsfrequenz der Flot te geändert haben«, stellte er fest. »Anders läßt es sich nicht erklären, daß wir keinen einzigen Funkspruch hereinbekommen. Das
32 stellt uns vor große Schwierigkeiten, Mond träger. Das Hyperkomband ist so breit, daß es Tage dauern kann, bis ich die neue Welle finde, wenn mir nicht der Zufall hilft.« Dermitron winkte ab. »Lassen Sie es gut sein, Zuccor, soviel Zeit haben wir nicht. Die Tatsache weist aber jedenfalls darauf hin, daß die Nachrichten über die Rebellen keine bloßen Gerüchte sind. Die Änderung ist zweifellos ihretwegen vorgenommen worden, damit sie nicht verfolgen können, was die Einheiten tun, die noch zu Orbana schol halten.« Er wandte sich ab und trat neben den Kommandanten. Sie sahen auf den Panora maschirm, der das Aycualle-System in star ker Vergrößerung zeigte. Es besaß sechs Planeten verschiedener Größe, von denen je doch fünf unbewohnbar waren. Aycua war nur noch zwanzig Millionen Kilometer ent fernt und erschien als ballgroße grünblaue Kugel auf dem Schirm. »Ich hatte eigentlich damit gerechnet, in der Umgebung auf patrouillierende Schiffe zu stoßen«, gestand Lengavor. »Von Wayn joon weiß ich, daß das System früher unter ständiger Kontrolle stand. Es sieht aber so aus, als hätte man diese Flüge inzwischen aufgegeben, weil man die Einheiten ander weitig braucht.« »Das fällt Ihnen aber reichlich spät ein«, meinte Mekron mit einem Anflug jener fei nen Ironie, die nach den Nackenschlägen der letzten Zeit bei ihm selten geworden war. »Gut, reden wir nicht mehr darüber. Die Luft ist rein, also können wir den Anflug auf Aycua wagen. Richten Sie es so ein, daß wir über der unbewohnten Seite des Planeten an kommen. Dann gehen wir zum Tiefflug über, schleichen uns an den Kontinent heran und suchen uns einen geeigneten Lande platz. Von dort aus nehmen wir dann Ver bindung mit den Bewohnern auf.« Dann kam jedoch alles ganz anders als geplant. Die SALVOOR war noch fünf Millionen Kilometer von Aycua entfernt, als Ventron einen Warnruf ausstieß. »Wir werden vom
Harvey Patton Planeten aus durch mehrere Ortungssysteme erfaßt, Mekron«, meldete er besorgt. Der Mondträger winkte jedoch ab. »Kein Grund zu Beunruhigung, Männer. Da Aycua jetzt nicht mehr überwacht wird, werden auch wieder Schiffe hier landen. Es ist also nur natürlich, daß die Anlagen des Raumhafens besetzt sind. Da, man ruft uns schon an! Melden Sie sich, Lengavor, verra ten Sie jedoch nichts über unsere Identität. Wir müssen zuerst erfahren, ob hier alles in Ordnung ist, dann sehen wir weiter.« Der Kommandant nickte und trat vor das Aufnahmegerät. Der Bildschirm erhellte sich, und auf ihm erschien das Abbild eines mickrig wirkenden älteren Mannes. Er trug eine schlampig aussehende Kombination und zeigte einen verwunderten Gesichtsaus druck. »Hier Raumhafen Aycua, Bodenkontrol le«, meldete er sich. »Welchem Umstand verdanken wir die seltene Ehre Ihres Besu ches? Sollten Sie sich etwa verflogen haben, Erhabener?« Auch Lengavor trug eine neutrale Kombi nation ohne Rangabzeichen. Als er die spöt tischen Worte vernahm, zog er in gespielter Verärgerung die Augenbrauen hoch. »Paßt es Ihnen nicht, daß wir kommen?« erkundigte er sich kühl. »Wir hatten ge glaubt, daß man auf Ihrem Planeten nach der langen Blockade verschiedene Waren nötig brauchen würde. Ihrem Benehmen nach scheint das aber nicht der Fall zu sein. Gut, dann fliegen wir wieder ab und sehen uns anderweitig nach Abnehmern um.« Der Mickrige hob abwehrend die Hände. »So war das doch nicht gemeint, Herr«, protestierte er mit ängstlicher Miene. »Nein, wir haben durchaus nichts gegen Sie, glau ben Sie mir. Händler sind uns sogar hoch willkommen. Was haben Sie denn anzubie ten?« »Das werde ich den richtigen Leuten sa gen«, gab der Kommandant ablehnend zu rück. »Vorausgesetzt natürlich, daß Sie uns endlich die Landeerlaubnis geben. Oder muß ich die bei Ihrem Regierungschef persönlich
Orbanaschols Rache einholen?« Der kleine Mann schien noch weiter zu sammenzuschrumpfen. »Entschuldigen Sie, Herr«, bat er unterwürfig. »Sie dürfen selbstverständlich landen, der Hafen ist frei. Wir werden Ihnen einen Peilstrahl senden und die Landepiste markieren.« Er schaltete hastig ab, und Lengavor schüttelte verwundert den Kopf. »Eine wirk lich merkwürdige Figur«, meinte er. »Daß man so einen Kümmerling in den Kontroll turm setzt, wo der Planet doch jetzt bemüht sein muß, wieder Anschluß zu finden! Den Leuten scheint die lange Isolierung wirklich nicht gut bekommen zu sein.« Dermitron zuckte mit den Schultern. »Vergessen Sie nicht, daß das hier keine Flottenbasis ist, Lengavor. Außerdem haben die Bewohner vermutlich ganz andere Sor gen, sehr gut kann es ihnen kaum gehen. Je denfalls dürfte auf Aycua alles in Ordnung sein, ich habe keine Bedenken, auf dieser Welt zu landen.« Gleich darauf stand der Peilstrahl, und die SALVOOR flog nach einer kurzen Kurskor rektur auf den Planeten zu. Der Hafen lag in der Nähe der Hauptstadt Tishkan, dort war nach Ortszeit früher Vormittag. Der Mickri ge hatte Wort gehalten, denn man hatte ein großes rotes Landezeichen ausgelegt. Lang sam senkte sich das Schiff dem Boden ent gegen und setzte weich auf. Der Feldantrieb lief aus, das Arbeitsgeräusch der Konverter und sonstigen Anlagen verstummte. »Eine erstklassige Landung«, lobte Me kron den Piloten Lengavors. Er wies auf den Außenbildschirm, denn eben landeten zwei Gleiter vor dem Kontrollgebäude, das etwa dreihundert Meter entfernt war. »Dort kommt schon jemand, um uns zu empfangen. Lassen Sie einen Gleiter fertig machen, Lengavor. Ich will selbst hinüber fliegen, um die ersten Kontakte zu knüpfen. Später werden wir …« »Alarm!« brüllte Ventron in diesem Mo ment. »Die Bodenforts des Hafens werden ausgefahren, die Impulsgeschütze richten sich auf uns. Man hat uns hereingelegt, Me
33 kron!« Der Mondträger fuhr zusammen und war mit einem Sprung bei den Ortungsgeräten. Schon der erste Blick zeigte ihm, daß man es wirklich ernst meinte. Die Energieortung bewies, daß die Konverter der Forts ange laufen waren, die Geschütze also mit Ener gie beschickt wurden. Was mochte das nur zu bedeuten haben? »Alarmstart?« fragte der Pilot mit blei chem Gesicht. Mekron schüttelte den Kopf, er hatte sich wieder halbwegs gefaßt. »Das wäre vollkommen aussichtslos. Wir kämen keinen halben Kilometer hoch, dann wären wir schon erledigt. Ich glaube aber, daß wir trotzdem nichts zu befürchten ha ben. Die Bewohner von Aycua dürften nur mißtrauisch sein, und das kann man ihnen kaum verdenken. Orbanaschol hat ihnen schon so viele Schwierigkeiten bereitet, es wäre kein Wunder, wenn er ihnen jetzt ein Schiff mit Spitzeln oder Saboteuren auf den Hals schickte. Nehmen Sie nochmals Ver bindung zum Kontrollturm auf, Lengavor, und erkundigen Sie sich, woran wir sind.« Diesmal kam jedoch nicht der Mickrige ins Bild, sondern ein großer Mann mit kanti gem Gesicht und kalten violetten Augen. Er sprach bereits, ehe ihm der Kommandant selbst eine Frage stellen konnte. »Im Namen des Imperators: Ergeben Sie sich! Wir haben festgestellt, daß Ihr Schiff ein Patrouillenkreuzer der Flotte ist, der le diglich durch Umbauten getarnt wurde. Sie müssen also Deserteure sein, die hier auf Aycua Unterstützung zu finden hofften. Ich gebe Ihnen genau drei Minuten Zeit – bis dahin müssen alle Schleusen geöffnet sein, die Besatzung hat das Schiff waffenlos zu verlassen! Jeder Versuch der Gegenwehr zieht die sofortige Vernichtung nach sich. Die POGIM scherzt nicht, denken Sie dar an!«
6. Die Lage Dermitrons und seiner Männer war im wahrsten Sinn des Wortes aussichts
34 los. Die wenigen Geschütze des kleinen Kreu zers konnten gegen die rings um den Hafen gelegenen Bodenforts auch beim größten Heldenmut nichts ausrichten. Alle zwanzig Kuppeln lagen nun unter starken Schutz schirmen und hätten beim ersten Schuß das Vernichtungsfeuer eröffnet. Der Mondträger hielt aber nichts von falsch verstandenem Heroismus. Im Raum, wo die SALVOOR dank ihrer Wendigkeit schnelle Ausweich manöver fliegen konnte, hätte er den Kampf gegen die Übermacht nicht gescheut. Hier wäre dieses Beginnen nichts als Selbstmord gewesen. Mekron Dermitron sann auf einen ande ren Ausweg. Er brauchte nur Sekunden, um ihn zu finden. Dann wandte er sich mit ent schlossenem Gesicht an den Planetenträger. »Lassen Sie die Schleusen öffnen, Lenga vor«, befahl er mit rauher Stimme. »Die Männer sollen dem Ultimatum nachkommen und die SALVOOR unbewaffnet verlassen. Man wird sie vorerst wohl nur festnehmen und verhören, mehr nicht. Das wird die PO GIM-Leute ablenken und uns die Chance zur Flucht geben!« »Die Beiboote?« fragte Salmoon, der so fort begriff. Das Schiff hatte drei der kleinen Boote an Bord, mit denen Dermitron und neun weite re Männer im Kampf gegen die Maahks aus der todgeweihten MEDON entkommen wa ren. Sie boten allerdings nur Platz für insge samt zwölf Männer, und das bedrückte Me kron sehr. Er nickte auf die Frage des Offiziers. »Wir müssen uns absetzen und irgendwo verbergen. Allzu viele Männer kann die Ge heimpolizei nicht auf Aycua haben, und sie sind wahrscheinlich meist hier in der Haupt stadt konzentriert. Ein Raumschiff, das uns jagen könnte, ist offenbar auch nicht vorhan den. Die ablehnende Haltung der Bevölke rung zu Orbanaschols Regime ist bekannt. Wir können also mit Unterstützung rechnen, kehren so bald wie möglich zurück und ver suchen, die anderen wieder zu befreien.
Harvey Patton Schnell jetzt, die erste Minute ist schon bald vorbei.« Er bestimmte die Männer, die ihn beglei ten sollten. Lengavor lehnte jedoch entschie den ab. »Es muß wenigstens einer zurück bleiben, der den Kopf hinhält«, sagte er ent schlossen. »Los, beeilen Sie sich – und viel Glück!« Dermitron und die fünfköpfige Besatzung der Zentrale eilten aus dem Raum. Sie trafen draußen mit den anderen zusammen, die im Feuerleitstand und in der Funkzentrale ihren Dienst versehen hatten. Alle hatten sich be waffnet, soweit das in der Eile möglich war. Sie warfen sich in den zentralen Antigrav schacht und schwebten hinunter zum Bei boothangar. Die Männer von Cherkaton und der Rest der Besatzung war durch den Piloten unter richtet und angewiesen worden, die SAL VOOR so langsam wie möglich zu verlas sen. Das verschaffte Mekron und seinen Be gleitern die Zeit, die sie brauchten, um die Boote zu bemannen und startklar zu ma chen. Sie huschten durch den Hangar, immer um Deckung bemüht, um von draußen nicht gesehen werden zu können. Die Schleuse des Raumes war ebenfalls geöffnet worden, die Nasen der Boote wiesen ins Freie. Drau ßen verließen gerade die ersten Männer die Ausstiegrampe und gingen langsam mit er hobenen Händen in Richtung Kontrollge bäude. Sechs bewaffnete Gleiter hingen in der Luft, ihre Insassen beobachteten sie arg wöhnisch. Laute Kommandos klangen aus den Außenlautsprechern und forderten die Gefangenen zur Beeilung auf. Allerdings ohne Erfolg, die Männer hielten sich an Der mitrons Anweisung. Der Mondträger und seine Begleiter war fen sich in die Boote. Dermato und Wayn joon übernahmen die Steuerung der beiden seitwärts stehenden Fahrzeuge, das mittlere führte Dermitron selbst. Hastig wurden die Konverter aktiviert, die Felddüsen der Trieb werke bauten sich auf. »Wir starten gleichzeitig«, unterrichtete
Orbanaschols Rache Mekron die beiden Piloten. »Sofort Voll schub geben und so niedrig wie möglich ge radeaus fliegen, Richtung auf das Meer. So bleiben wir im toten Winkel, die Geschütze der Forts können uns nichts anhaben. Alles fertig? Gut, dann los!« Die Impulstriebwerke der drei Boote brüllten auf, das Innere des Hangars war in Sekundenschnelle von waberndem Feuer er füllt. Die schlanken Projektile ruckten hart an und schossen dann mit Höchstbeschleuni gung gleichzeitig ins Freie. Dieses Manöver war äußerst riskant und konnte nur von er fahrenen Piloten ausgeführt werden. Der Raum zwischen den Fahrzeugen betrug nur jeweils zwei Meter, schon bei der kleinsten Unsicherheit war eine Kollision unvermeid lich. Dermitron, Waynjoon und Dermato han delten mit der in langen Kriegsjahren erwor benen Erfahrung. Sofort nach Verlassen des Hangars scherten die beiden äußeren Boote etwas seitlich aus, bis sie etwa dreißig Meter Abstand gewonnen hatten, um dann wieder zum Geradeausflug überzugehen. Wie feuer speiende Phantome huschten die drei Fahr zeuge, immer schneller werdend, davon, kaum dreißig Meter hoch. Hinter ihnen brach das Chaos aus. Zu gleich mit dem ohrenbetäubenden Lärm der Triebwerke schoß eine gewaltige Druckwel le über den Platz. Die aus dem Schiff kom menden Männer wurden zu Boden gewor fen, die Gleiter begannen zu taumeln. Zwei von ihnen krachten zusammen, explodierten, und die Trümmer flogen in weitem Umkreis davon. Davon bemerkten die Fliehenden jedoch nichts mehr. Innerhalb weniger Sekunden hatten die Boote den größten Teil des Ha fens überquert und schossen nun genau auf die leuchtende Glocke des Schutzschirms über einem Abwehrfort zu. Für einen winzi gen Augenblick huschte ein grimmiges Lä cheln über das Gesicht des Mondträgers. »Feuern!« sagte er in das Mikrophon vor dem Pilotensitz. Dermato und Waynjoon reagierten sofort.
35 Im nächsten Moment schossen drei Feuer bahnen aus den im spitzen Bug der Fahrzeu ge eingebauten Impulskanonen. Sie trafen den Schirm nur etwa eine Sekunde lang, dann waren die Boote bereits über das Fort hinweggerast. Das genügte jedoch, um die Energieglocke zum Zusammenbruch zu bringen, denn auf diese kurze Distanz wirk ten sich die Strahlenbündel ohne jeden Streuungsverlust voll aus. Das Fort explo dierte, ein gewaltiger Feuerball stand gleich darauf über dem Rand des Raumhafens. Mekron Dermitron konnte den Erfolg über den Heckbildschirm beobachten, aber sein Gesicht blieb düster. Eine Kampfkuppel war vernichtet – aber neunzehn andere blie ben noch! Sie auf die gleiche Weise auszu schalten, würde nun unmöglich sein. Die Männer der POGIM waren keine Dumm köpfe, sondern hervorragend geschulte Spe zialagenten. Vermutlich war ihr Anführer jetzt bereits dabei, den Einsatz von mobilen Strahlgeschützen rings um den Hafen anzu ordnen, die bei einem neuen Angriff überra schend eingreifen konnten. Die drei Boote hatten inzwischen die Bucht erreicht, an der Tishkan lag. Sie schossen weit aufs offene Meer hinaus, wen deten dann und kehrten etwa hundert Kilo meter weiter nördlich zur Küste zurück. Dort gab es einen Höhenzug, zwischen dem ausgedehnte Täler lagen. Dermitron hatte vor, in dieser Gegend zu landen und die Fahrzeuge zu verbergen. Dann wollte er sich mit seinen Männern aufmachen und Kontakt mit den Bewohnern der kleinen Stadt auf nehmen, die ihm Waynjoon bezeichnet hat te. Sie war früher, als sein Onkel Aycua noch besuchen konnte, ein bekannter Seeba deort gewesen. Ob die Männer dort auf Hilfe rechnen konnten? Sie würden sie nötig brauchen, wenn sie ihr Schiff zurückerlangen wollten.
* »Langsamer werden«, ordnete der Mond träger an. »Die letzte Strecke bis zur Küste
36 fliegen wir nur mit den Feldtriebwerken, um jedes Aufsehen zu vermeiden. Kurs zwei Grad weiter südlich, damit wir durch den Bergzug Deckung gegen die Stadt erhalten. Solange wir nicht wissen, wie es dort aus sieht, müssen wir vorsichtig sein.« Waynjoon und Dermato bestätigten. Alle drei Boote wurden abgebremst und die Dü sen schließlich ganz stillgelegt. Dafür liefen die Antigravprojektoren an und hielten die Fahrzeuge in der Luft. Nun genügten schwa che Stöße aus den Steuerdüsen, um sie vor anzutreiben. Mit der für schnelle Raumfahr zeuge geradezu lächerlichen Fahrt von hun dert Stundenkilometern trieben die Boote auf das Festland zu. Das Meer unter ihnen war ruhig, das Licht der hochstehenden Son ne brach sich in den niedrigen Wellenkäm men der Dünung. Dermato bemerkte die Anomalie zuerst. »Beobachte einmal die Meeresoberfläche, Mekron«, sagte er über die auf Minimallei stung gedrosselte Funkverbindung. »Das Wasser ist voll toter Fische und sonstiger Meeresbewohner, es scheint hier ein großes Sterben gegeben zu haben. Was mag das wohl bedeuten?« Mekron krauste die Stirn. »Das läßt sich schwer sagen«, gab er zurück. »Vielleicht hat es auf Aycua Kämpfe gegeben, die Be wohner werden die Okkupation durch die Schergen des Imperators wohl kaum ohne Gegenwehr hingenommen haben. Eine star ke Explosion oder Erhitzung des Wassers durch Strahlschüsse kann die Tiere getötet haben.« »Oder eine weitere Teufelei der POGIMLeute«, orakelte Ventron, der sich zusam men mit Salmoon und. Zuccor Bransch im Boot des Mondträgers befand. Je näher sie der Küste kamen, um so wahrscheinlicher erschien diese Annahme. Aycua war ein sogenannter Paradiesplanet, aber der einzige Kontinent nahm nur knapp fünfzehn Prozent seiner Oberfläche ein. Al les andere war ein einziger großer Ozean, in dem es nur wenige unbesiedelte Inselgrup pen gab. Fischerei und Unterwasser-Jagd-
Harvey Patton sport hatten seine reichhaltige Tierwelt kaum dezimieren können. Nun trieben mas senweise tote Fische an seiner Oberfläche dahin, die weißen Bäuche nach oben ge kehrt. Man sah aber auch ausgesprochene Tiefseetiere, Polypen, riesige unförmige Ko losse unbekannter Art und Seeschlangen, manche bis zu hundert Meter lang. »Da sind auch tote Seevögel!« stellte Sal moon düster fest. »Die Küste ist nun schon ganz nahe, aber nirgends ist auch nur noch eine Möwe in der Luft. Dabei müßten sie jetzt eifrig dabei sein, sich die Bäuche mit Fischen vollzuschlagen. Folglich sind auch sie alle umgekommen, und das sagt genug. Erinnerst du dich noch an Petearn, Me kron?« Dermitron kniff die Lippen zu einem schmalen. Strich zusammen. Er entsann sich nur zu gut dieses Planeten, den er im Vor jahr gesehen hatte. Ein dringender Hilferuf der dortigen Kolonisten hatte sein Jagdge schwader alarmiert, aber als die Raumer dort ankamen, war schon alles vorbei gewesen. Maahkschiffe hatten Kampfstoffe über Pe tearn abgeregnet und dadurch alles Leben ausgelöscht. »Chemische Kampfmittel?« fragte Ven tron entgeistert. »Nein, das kann ich einfach nicht glauben. Selbst die Methans haben die se Waffe nur sehr selten angewandt. Soweit kann auch die Politische Geheimpolizei nicht gehen, schon gar nicht hier im Mittel punkt des Großen Imperiums.« Daß er soviel redete, bewies, daß der sonst so wortkarge Mann hochgradig erregt war. Auch er hatte Petearn mit seinen Mil lionen Toten gesehen, ein Anblick, den die ehemaligen Besatzungsmitglieder der HA DESCHA nicht so leicht vergessen konnten. Sollte sich Orbanaschol wirklich soweit ha ben hinreißen lassen, um seine Gegner zu strafen? Waynjoon hatte diese Frage gestellt, aber Dermitron verneinte. »Das glaube ich nun wieder nicht«, erklärte er. »Schließlich be wegen sich die Männer der POGIM ohne jeden Schutz im Freien. Das könnten sie in
Orbanaschols Rache diesem Fall kaum, denn todbringende Che mikalien werden nicht innerhalb kurzer Zeit abgebaut oder wenigstens neutralisiert. War ten wir ab, in wenigen Minuten dürften wir erfahren, was sich hier ereignet hat.« Die Boote hatten inzwischen das Festland erreicht und überflogen die felsigen Klippen. Ein langer Fjord tat sich vor ihnen auf, Me kron setzte sein Fahrzeug an die Spitze und nützte die günstige Gelegenheit, unbemerkt weit ins Land vorzustoßen. Am Ende des na türlichen Kanals kam eine Felsbarriere, an den Seiten von Bergen flankiert. Diese wa ren teilweise, bewaldet, und hier zeigte sich schon das nächste Übel. »Alle Bäume sind entlaubt, alle Pflanzen verdorren!« stieß Bransch schockiert hervor. »Sie scheinen doch unrecht zu haben, Mondträger. Offenbar hat man hier wirklich vorsätzlich eine weltweite Katastrophe aus gelöst.« Mekron gab keine Antwort. Er bremste das Boot noch weiter ab und steuerte es be hutsam über die Barriere hinweg. Dahinter tat sich ein weites, offenbar unbewohntes Tal auf, größere grasige Flächen boten eine gute Landemöglichkeit. »Wir gehen mitten im Tal herunter«, be stimmte der Mondträger. Die drei Fahrzeuge fuhren ihre Landestützen aus und setzten in waagerechter Lage auf. Der Untergrund war felsig und trug ihr Gewicht ohne Mühe. Auch hier zeigten die Bildschirme eine tote Vegetation, selbst das Gras hatte sich gelb gefärbt. »Was nun?« erkundigte sich Waynjoon mit gepreßter Stimme. »Der Badeort ist nur wenige Kilometer entfernt, wir könnten ihn innerhalb kurzer Zeit erreichen. Es ist nur sehr fraglich, ob wir überhaupt riskieren können, die Boote zu verlassen.« Dermitron zuckte müde mit den Schul tern. »Was bleibt uns sonst übrig, wenn wir et was zur Befreiung unserer Männer tun wol len?« fragte er zurück. »Immerhin haben wir ausreichend leichte Raumanzüge mit ge schlossenen Versorgungssystemen an Bord.
37 Sie besitzen auch Flugaggregate, also wird uns zugleich der Fußmarsch durch die Berge erspart. Wir legen sie an und steigen aus.« Zehn Minuten später standen alle zwölf Männer im Freien, mit Impulsstrahlern und Paralysatoren bewaffnet. Sie sahen sich auf merksam um, aber nirgends regte sich etwas. Die Mienen ihrer Gesichter unter den trans parenten Helmen waren bedrückt. Es war eben doch ein Unterschied, ob man etwas nur über die Bildschirme beobachten konnte oder direkt aus der Nähe sah. Salmoon ging einige Schritte zur Seite und stieß mit dem Stiefel gegen ein hasen großes totes Pelztier. »Es beginnt eben erst zu verwesen«, stell te er bitter fest. »Der Überfall durch die Mörderclique muß also erst vor kurzer Zeit stattgefunden haben. Länger als zwei Tage dürfte er kaum zurückliegen. Vielleicht hät ten wir ihn verhindern können, wenn wir nicht gar so vorsichtig gewesen wären! Einen Umweg weniger, und Aycua wäre das alles erspart geblieben.« »Für Hätte und Wäre zahlt nicht einmal ein Schrotthändler auch nur einen müden Skalito«, bemerkte Mekron Dermitron lako nisch. »Im Übrigen ist es noch fraglich, ob wir mit unserem Kleinen Kreuzer wirklich etwas hätten ausrichten können. Die Scher gen Orbanaschols müssen mit einem größe ren Raumschiff gekommen sein, Spezial tanks zur Verseuchung eines ganzen Kontin ents brauchen viel Platz. Vielleicht hätten wir bei einem Zusammenstoß den kürzeren gezogen. Dann wären wir jetzt ebenso tot wie dieses Tier und könnten weder Atlan noch sonst irgend jemand mehr helfen!« Er sah auf den Kompaß an seinem Hand gelenk und stellte die einzuschlagende Rich tung fest. Dann aktivierte er wortlos sein Flugaggregat und erhob sich in die Luft. Die anderen Männer folgten ihm in einer langen Kette und begaben sich auf den Flug zu dem kleinen Badeort. Wie mochte es jetzt dort aussehen? Gab es überhaupt noch Überlebende?
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* Planc Gurtamyn zitterte an allen Gliedern. Er lag fest gegen den harten Bodenbelag des Raumhafens gepreßt, auf den ihn die Druckwelle beim Start der drei Boote ge schleudert hatte. Seine Hände waren vor die Ohren geballt, aber das half ihm jetzt nichts mehr. Das donnernde Geräusch der Impul striebwerke hatte ihn so gut wie taub ge macht. Planc zitterte jedoch nicht nur vor Angst, sondern auch aus grenzenloser Wut. Wie hatte er sich nur so übertölpeln lassen können – er, ein langjähriger, mit allen Sch lichen vertrauter hoher Beamter in Orbana schols Politischer Geheimpolizei! Er war daran gewöhnt, daß selbst die Gouverneure oder sonstigen Oberhäupter re bellischer Planeten bleich wurden, sobald er auftauchte und sich zu erkennen gab. Nur ei ner dieser Männer hatte es vor Jahren ge wagt, ihn nach seiner Legitimation zu fra gen, und er hatte das nur um Sekunden über lebt. Gurtamyn, der Mann mit dem harten kantigen Gesicht und den violetten Augen, hatte das Wort »Rücksichtnahme« ganz aus seinem Sprachschatz gestrichen. Er ver mochte selbst nicht mehr zu sagen, für wie viele wirkliche oder vermeintliche tote Geg ner des Imperators er direkt oder indirekt verantwortlich war. Und nun war das ausgerechnet ihm pas siert … Bisher war auf Aycua alles genau nach Plan verlaufen. Er und seine Männer hatten hart und gnadenlos gehandelt, entsprechend dem persönlichen Befehl Orbanaschols. Auch das unvermutete Auftauchen des De serteurschiffs hatte sie nicht aus der Ruhe bringen können. Das Aycualle-System war verfemt, niemand wagte es anzufliegen, die Bewohner des Planeten waren unschädlich gemacht. Gurtamyn hatte also keine Gefahr darin gesehen, den Kleinen Kreuzer landen zu lassen. Sobald er auf dem Raumhafen stand, im Schnittpunkt der Geschütze der
Abwehrforts, gab es kein Entkommen mehr. Daran, daß es Tollkühne geben könnte, die doch einen Ausbruch wagten, hatte er nicht im Traum gedacht. Er hatte also einen unverzeihlichen Fehler begangen – ein Mann in seiner Stellung mußte auch so et was in sein Kalkül mit einbeziehen. Was würde wohl der Imperator … Er kam nicht dazu, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Der Boden unter ihm bebte unter einer schweren Erschütterung. Ein Krachen wurde hörbar, so laut, daß es auch Gurtamyn trotz seiner überbeanspruchten Trommelfelle noch hören konnte. Eine neue Druckwelle fegte gleich darauf über den Hafen. Sie er faßte die liegenden Männer und wirbelte sie mehrere Meter davon, ehe sie in der Ferne verebbte. Auch Planc Gurtamyn wurde nicht von ihr verschont. Der Luftdruck schleuderte ihn auf eine Landestütze der SALVOOR zu, und sein Körper prallte hart dagegen. Ein rasen der Schmerz durchfuhr den Mann. Er schrie gepeinigt auf und versank in einem Meer von bodenloser Schwärze. Als er wieder zu sich kam, hatte man ihn auf eine Antigravtrage gebettet. Seine Brust platte schmerzte wie rasend, rote Ringe tanzten vor seinen Augen. Er spürte, wie sich jemand an seinem linken Arm zu schaf fen machte, dann zischte aus einer Spritzam pulle ein Medikament in seine Adern. Schon Sekunden später wurde ihm besser. Die Schmerzen ließen nach und wurden zu einem dumpfen Pochen, das sich ertragen ließ. Seine Augen klärten sich, und er sah das Gesicht seines Stellvertreters, der über ihn gebeugt stand. Einige weitere Männer standen am Rand seines Blickfelds und hiel ten ihre Waffen auf andere gerichtet, die mit erhobenen Armen dastanden. »Was ist passiert?« fragte Gurtamyn äch zend. »Woher kam die zweite Druckwelle, Heynoc?« »Die Fliehenden haben eines der Abwehr forts vernichtet, Erhabener«, erwiderte der Stellvertreter stockend. »Sie selbst flogen zu
Orbanaschols Rache tief, um von den Fortgeschützen erreicht werden zu können. Die drei Boote sind aufs Meer hinaus entkommen. Bisher haben die Ortungen sie nicht wieder entdeckt.« Planc Gurtamyn richtete sich ruckhaft auf. Erneut wallten die Schmerzen in seiner Brust auf, vor seinen Augen begann es zu flimmern. Er biß jedoch die Zähne zusam men und überwand den Schwächeanfall. Heynoc wollte ihn stützen, aber er schob sei ne Arme brüsk von sich. Dann sah er sich um. Er mußte einige Minuten bewußtlos ge wesen sein, denn inzwischen waren alle Männer aus dem Schiff gekommen. Sie standen mit trotzigen Gesichtern beisam men, von Wächtern mit schußbereiten Strah lern in Schach gehalten. Etwas abseits schwelten noch die Trümmer der abgestürz ten Gleiter, jenseits des Hafens stand die Ex plosionswolke der zerstörten Abwehranlage in der Luft. »Haben wir Tote oder Verletzte?« erkun digte sich Gurtamyn knapp. Heynoc nickte. »Ein paar in den Gleitern, Erhabener, sonst nur Prellungen, die die Einsatzfähig keit unserer Männer nicht beeinträchtigen. Das Fort war nicht besetzt, sondern wurde von der Zentrale aus fernbedient. Sie sind neben den Männern in den Gleitern der ein zige, der schwerer betroffen wurde. Ich habe bereits unseren Arzt …« »Unsinn«, schnitt ihm der Kommando führer das Wort ab. »Das hat Zeit bis später, zuerst müssen wir Maßnahmen zu unserer Sicherung treffen. Die Boote könnten zu rückkehren und uns durch überraschende Attacken weitere Schwierigkeiten bereiten. Ich begebe mich in die Zentrale und werde von dort aus die nötigen Befehle geben. Sor gen Sie inzwischen dafür, daß die Gefange nen in sicheren Gewahrsam gebracht wer den. Die Verhöre werden vorgenommen, so bald ich Zeit dazu habe.« Er winkte, und einer der Gleiter landete vor ihm. Ehe er einstieg, wandte er sich aber noch einmal zu seinem Stellvertreter um. »Noch etwas, Heynoc: Es besteht die Ge
39 fahr, daß die Entkommenen im Schutz der Nacht zurückkehren und versuchen, wieder in den Besitz ihres Schiffes zu gelangen. Wir haben jedoch zu wenig Leute, um es ausreichend bewachen zu können. Bestim men Sie deshalb einige Männer, die seine Sprengung vorbereiten.« Heynocs Gesicht war ein einziges Frage zeichen. »Halten Sie das wirklich für ange bracht, Erhabener?« fragte er zaghaft. »Schließlich könnten wir den Raumer even tuell selbst noch brauchen. Wenn alle Schleusen geschlossen sind …« Gurtamyn unterbrach ihn mit einer ent schiedenen Handbewegung. »Das ist mir nicht sicher genug. Falls die Entkommenen einen Impuls-Codegeber be sitzen, können sie trotzdem hineingelangen. Ich denke nicht daran, auch nur das kleinste Risiko einzugehen – das Schiff wird ge sprengt!« »Jawohl, Erhabener«, sagte Heynoc folg sam.
7. Je näher die zwölf Männer der kleinen Stadt kamen, um so bedrückter wurden ihre Mienen. Die Schergen Orbanaschols, die hier auf Aycua zugeschlagen hatten, hatten wirklich ganze Arbeit geleistet. Die einstmals üppige Vegetation des Pla neten welkte unaufhaltsam dahin. Die mei sten Bäume hatten bereits ihr Laubwerk ver loren und reckten ihre kahlen Äste wie an klagend in den strahlend blauen Himmel. Ei nige zähere Arten waren noch belaubt, aber die Blätter waren fahl geworden und hingen kraftlos herunter. Auch das Buschwerk und alle niederen Pflanzen boten den gleichen trostlosen Anblick. Tiere waren nirgends zu sehen. Das Gelände war flach geworden, am Ho rizont waren die ersten Gebäude zu erken nen. Es handelte sich um die üblichen arko nidischen Trichterbauten, im Durchschnitt etwa dreihundert Meter hoch. Sie hatten frü her, als noch jedes Jahr Millionen von Ur
40 laubern Aycua besuchten, als Hotels ge dient. Die Stadt lag malerisch am Rand einer weitgeschwungenen Bucht mit einem brei ten weißen Sandstrand. An ihrer landeinwärts gelegenen Periphe rie gab es aber auch zahlreiche niedrige Bungalows. Sie waren von den vornehmen Besuchern, die Wert auf Distanz und Ruhe legten, als Ferienhäuser benutzt worden. In zwischen hatten sie aber viel von ihrem frü heren Aussehen eingebüßt. Die bunten Far ben der Wände waren abgeblättert, die Fen sterfronten blind geworden. Der Verfall hat te eingesetzt und war ein unübersehbares Symbol für den Niedergang des Planeten. »Wir landen«, entschied Mekron Der mitron, als sie bis auf zweihundert Meter an die ersten Gebäude herangekommen waren. Die Männer gehorchten und fanden notdürf tig Deckung hinter einer fast blattlosen Hecke. Der Mondträger nahm das mitge brachte Fernglas zur Hand und spähte zu den Häusern hinüber. »Die meisten sind bewohnt«, stellte er nach kurzer Zeit fest. »Es gibt deutliche An zeichen, die darauf hinweisen. Zumindest waren sie es noch vor kurzem«, schränkte er dann ein. »Wie es jetzt darin aussieht, läßt sich von hier aus nicht feststellen. Bis jetzt kann ich jedenfalls keine Lebenszeichen ent decken.« »Doch, da drüben geht jemand!« rief ei ner der Männer aus. Dermitron richtete das Glas in die angegebene Richtung und sah einen Mann, der sich von ihnen fortbewegte. Ihm fiel aber augenblicklich auf, daß mit diesem etwas nicht in Ordnung war. Er bewegte sich wie ein Betrunkener vor wärts, strauchelte und taumelte gegen einen auf der Straße abgestellten Gleiter. Mit einer kraftlos wirkenden Bewegung stieß er sich daran ab und kehrte unsicher zur Hauswand zurück. Dann tastete er sich an ihr entlang und verschwand um die Ecke. Mekron hatte das Fernglas an Salmoon weitergegeben, der ihn nun bestürzt ansah. »Er bewegt sich wie ein Blinder«, stellte er tonlos fest. »Folglich sind nicht nur die
Harvey Patton Pflanzen und Tiere von dem Kampfstoff be troffen worden, sondern auch die Menschen. Allerdings wohl nicht ganz so schwer, sonst würde es gar keine Überlebenden mehr ge ben.« Der Mondträger nickte. »Ich nehme an, daß man hier sorgfältig ausgewählte Wirk stoffkombinationen verwendet hat. Sie müs sen so abgestimmt worden sein, daß sie die Pflanzen und Tiere zum Eingehen brachten, den Metabolismus von Arkoniden aber nur in begrenztem Rahmen geschädigt haben. So konnten die Bewohner von Aycua außer Ge fecht gesetzt werden, und dann war es für die Leute der POGIM leicht, die Herrschaft über den Planeten zu übernehmen.« »So dürfte es gewesen sein«, stimmte ihm Dermato zu. »Eine Welt voll Toter wäre für sie uninteressant. Offenbar hatte es der ver rückte Imperator darauf abgesehen, seine Gegner gleich doppelt zu strafen. Sie wur den zuerst hilflos gemacht und dann noch zusätzlich dem Terror seiner gewissenlosen Handlanger ausgesetzt.« »Verdammte Teufelei!« knurrte Ventron aufgebracht. Auch die anderen Männer ver liehen ihrer Empörung Ausdruck, aber Der mitron gebot Ruhe. Auch in ihm wallte der Zorn über diese Heimtücke auf, aber er be herrschte sich. »Schimpfen bringt uns auch nicht weiter«, sagte er dann. »Ich glaube nicht, daß sich die POGIM auch hier breitgemacht hat, dafür ist dieser Ort zu unbedeutend. Wir fliegen jetzt hinüber zu diesen Häusern und nehmen Ver bindung mit den Einheimischen auf. Von ih nen werden wir alles erfahren können, was wir wissen müssen. Danach richten wir dann unser weiteres Vorgehen ein.« Sie gingen vor dem Haus nieder, aus dem zuvor der Mann gekommen war. Dermitron betätigte den Türmelder, aber es rührte sich nichts darin. Der Eingang war jedoch nicht abgeschlossen, und so trat er zusammen mit Dermato und Salmoon ein. Von einem kurzen Korridor gingen vier Türen ab. Der Pilot öffnete die erste und verzog angewidert das Gesicht. Er sah in ei
Orbanaschols Rache ne Küche, in der ein heilloses Durcheinan der herrschte. Zerbrochene Flaschen und aufgerissene Lebensmittelpackungen lagen auf Tisch und Boden, der Mikrowellenherd enthielt total verbrannte Speisereste. »Als ob hier Wilde gehaust hätten«, sagte Salmoon kopfschüttelnd. »Sollte doch schon ungebetener Besuch hiergewesen sein?« Mekron antwortete nicht, denn er hatte hinter einer anderen Tür das leise Rufen ei ner Frau gehört. Er ging darauf zu und stieß sie auf. Sie führte in einen Wohnraum, in dem eine junge Arkonidin auf einer Pneu moliege saß, ein kleines Kind im Arm. »Bist du es, Krappin?« fragte sie mit schwacher Stimme. Sie war jung und hübsch, aber vollkom men ungepflegt. Das schulterlange Silber haar hing strähnig herab, sie trug nur einen Hausmantel, der deutliche Spuren von Spei seresten zeigte. Ihre Augen starrten Der mitron an, aber sie sah ihn offenbar nicht, denn sie wiederholte ihre Frage. Der Mondträger schaltete den Außenlaut sprecher seines Anzugs ein. »Nein, ich bin nicht Krappin«, sagte er behutsam, um sie nicht zu erschrecken. »Verzeihen Sie bitte, daß wir in Ihr Haus eingedrungen sind. Wir sind Fremde und erst vor kurzem auf Aycua angekommen. Jetzt wollen wir feststellen, was hier in den letzten Tagen geschehen ist.« Die junge Frau schluchzte auf, aber zu gleich erschien ein Ausdruck von Hoffnung auf ihrem Gesicht. »Sie können sehen?« fragte sie aufatmend. »O bitte, kümmern Sie sich doch um die Kleine! Wir haben für sie getan, was wir konnten – aber was kann man schon für ein kleines Kind tun, wenn man sich selbst kaum noch zu helfen weiß …« Sie erhob sich unsicher und hielt Der mitron das etwa halbjährige Mädchen entge gen, das in ein Tuch gehüllt war. »Sie ist schon ganz schwach«, sagte sie seufzend. »Wir haben alles für sie getan, aber jetzt sind unsere Lebensmittel zu Ende. Mein Mann ist fortgegangen, um etwas für sie zu besorgen, obwohl er auch so gut wie blind
41 ist. Oh, was hat man uns nur angetan, wir haben doch nichts …« Sie krümmte sich plötzlich zusammen und begann zu stöhnen. Salmoon und Der mato sprangen rasch hinzu und stützten sie, während Mekron ihr das Kind aus den Ar men nahm. Ihn erfüllte ein grimmiger Zorn, als er das kleine blasse Gesicht sah, das schmal und abgezehrt wirkte. Das Mädchen schlief, es schien mehr tot als lebendig zu sein. Der Pilot griff in eine Tasche seines Raumanzugs und holte eine Kapsel mit ei nem schnell wirkenden Stimulans hervor, das zugleich ein schmerzlinderndes Mittel enthielt. Die junge Frau schluckte sie, und schon nach kurzer Zeit erholte sie sich wie der. Ihre blinden, blaßrosa gewordenen Au gen suchten nach den Männern. »So ergeht es uns mehrmals am Tage«, erklärte sie tonlos. »Die Schmerzen kommen ganz plötzlich, es ist, als ob man innerlich brennen würde. Es dauert Stunden, bis man sich von einem solchen Anfall erholt hat, und dann folgt meist schon wieder der näch ste. Der Kleinen geht es genauso, aber sie ist jetzt schon zu schwach, um noch zu schrei en. Tun Sie etwas für sie, bitte!« Der Mondträger sah hilflos auf das Bün del in seinen Armen. Er war immer nur Sol dat gewesen und hatte nie gelernt, mit so kleinen Kindern umzugehen. Außerdem stellte der Raumanzug ein fast unüberwind liches Hindernis dar, wenn es um solche Dinge ging. »Gib sie her«, forderte Salmoon und nahm ihm das Kind kurzerhand ab. »Es scheint zwar schon eine Ewigkeit her zu sein, seit ich verheiratet war und einen klei nen Sohn hatte, aber alles habe ich doch noch nicht verlernt.« Er legte das kleine Mädchen in einen Ses sel und öffnete die Magnetsäume seines An zugs. »Nicht!« rief Dermitron hastig aus. »Wenn das Teufelszeug in der Luft noch ak tiv ist, wird es dich auch erwischen.« Der Offizier lächelte müde. »Na, wenn schon«, meinte er fatalistisch. »Soll die
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Kleine vielleicht sterben, weil ich dieses Ri siko scheue?«
* »Wie sollen wir Ihnen nur danken?« frag te Krappin. Er war nach etwa einer halben Stunde zu rückgekehrt und hatte sich nicht wenig ge wundert, als er eine wahre Invasion von fremden Männern in seinem Haus antraf. Im Gegensatz zu seiner Frau Cosella konnte er wenigstens noch etwas sehen. Es war ihm gelungen, in einem verlassenen Laden einige Lebensmittel aufzutreiben, außerdem auch verschiedene Medikamente zur Linderung der krampfartigen Schmerzanfälle. Dermitron hatte inzwischen seine Leute ins Haus gerufen, und sie hatten wieder halbwegs Ordnung geschaffen. Der Mikro herd funktionierte wieder, es gab warmes Essen für alle. Salmoon hatte das Kind trockengelegt und ihm dann von der konzen trierten Nährlösung aus seinem Anzugbehäl ter eingeflößt. Auch die anderen Männer hatten inzwi schen ihre Raumanzüge geöffnet, um die dringenden körperlichen Bedürfnisse befrie digen zu können. Mekron Dermitron hatte ohnehin nicht vor, sich länger als unbedingt nötig an diesem Ort aufzuhalten. Er wollte so schnell wie möglich nach Tishkan zu rückkehren, um im Schutz der Nacht das Hauptquartier der POGIM-Männer zu über fallen. Wenn es gelang, die Zentrale, von der aus die Abwehrforts gesteuert wurden, in die Hand zu bekommen, mußte sich die Lage ra dikal ändern. Dann konnten die Gefangenen befreit werden, die SALVOOR konnte wie der starten und über Funk dem Imperium Kunde von dem Verbrechen des Imperators auf Aycua geben. »Sie brauchen uns nicht zu danken, Krap pin«, entgegnete der Mondträger. »Was wir getan haben, war eine Selbstverständlichkeit für zivilisierte Menschen, die gegen Orbana schol und die Schurken unter seinem Befehl sind. Als Gegenleistung erwarte ich nur eine
möglichst genaue Schilderung der Gescheh nisse hier auf Aycua.« Der junge Mann rieb sich die entzündeten Augen. »Vor einigen Tagen stieß ganz plötzlich ein Raumschiff in die Atmosphäre des Pla neten vor. Es hielt sich einige Zeit über dem Kontinent auf und antwortete nicht auf Funkanrufe. Schließlich gab unser Regie rungschef Ratibon den Abwehrforts Feuer befehl, aber da war es bereits zu spät. Das Schiff entkam, und das Unheil begann. Nach einigen Stunden berichtete der Vi deofunk von einer an allen Orten zugleich auftretenden Krankheitswelle. Als erstes kam eine fast unerträgliche Übelkeit, von in neren Schmerzen begleitet. Natürlich wurde das gesamte Sanitätswesen sofort alarmiert, aber ohne Erfolg. Die Ärzte waren genauso betroffen wie alle anderen, sie konnten nur wenig tun. Wenig später setzten die Sehstö rungen ein, die bei den meisten bald in voll ständige Blindheit übergingen. Welches Chaos sich daraus ergab, werden Sie sich denken können. Als die Biochemiker schließlich das Vorhandensein von Fremd stoffen in der Atemluft festgestellt hatten, war es schon zu spät. Sie erkrankten eben falls, kamen also nicht mehr dazu, genaue Analysen vorzunehmen und Abwehrmittel zu empfehlen. Die Vergiftung ergriff fast al le, und Tiere und Pflanzen erlagen ihr ganz.« »Fast alle, sagten Sie?« forschte Der mitron. Krappin nickte. »Es gab auch Ausnahmen, aber das war keineswegs ein Vorteil für uns! Diese Leute entpuppten sich nämlich bald als Agenten des Imperators, die man im Lauf der Zeit hier eingeschleust hatte. Nun ließen sie plötzlich ihre Masken fallen. Schon vor der Ankunft des Giftschiffs muß man sie mit ei nem Gegenmittel versorgt haben, sie blieben voll aktiv. Als erstes setzten sie die Regie rung ab und warfen ihre Mitglieder ins Ge fängnis. Sie waren als einzige noch imstan de, sich normal zu bewegen, und einige von ihnen tauchten nun in allen größeren Orten
Orbanaschols Rache auf. Wer noch die Kraft hatte, sich ihnen zu widersetzen, wurde erbarmungslos niederge schossen. Auch in unserer Stadt ist ein Kom mando dieser Verbrecher aufgetaucht. Sie können froh sein, daß Sie so vorsichtig vor gegangen sind, Dermitron. In diesem Bezirk gibt es kaum noch Menschen, der größte Teil befindet sich in der Innenstadt und wird dort von den POGIM-Männern schikaniert. Jeder, der sich noch halbwegs auf den Bei nen halten kann, wird von ihren Patrouillen liquidiert.« Er hatte kaum den letzten Satz beendet, als er sich unter einem Schmerzanfall zu krümmen begann. Der Pilot Waynjoon gab ihm eine Kapsel, die ihm Linderung ver schaffte. Dann wandte er sich an den Mond träger. Sein sonst immer fröhlich wirkendes Gesicht war nun maskenstarr. »Das genügt, Mekron«, sagte er erbittert. »Wir haben hier den besten Anschauungsun terricht dafür erhalten, wie es überall auf dem Planeten aussieht. Wir müssen schnell stens nach Tishkan fliegen und dort die Zen trale der POGIM-Bande zerschlagen, ehe noch mehr Unheil geschehen kann.« Der Mondträger nickte mit verbissener Miene. »Du hast Recht, so kann es unmöglich weitergehen. Daß man sich nicht scheut, so barbarisch gegen einen ganzen Planeten vor zugehen, ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder, zeigt deutlich, daß Orbanaschol den Kopf zu verlieren beginnt. So reagiert nur jemand, der sich in die Enge getrieben sieht. In diesem Zusammenhang eine Frage, Krapp in: Weiß man hier etwas davon, daß inner halb der Flotte eine Rebellion gegen den Im perator im Gange ist?« Der Aycuaner hatte sich wieder erholt. »Es gab eine Menge Gerüchte darüber, Der mitron. In unserer Isolation waren wir im mer bemüht, wenigstens über den Videofunk und andere Nachrichtenkanäle Verbindung mit ›draußen‹ zu behalten. Unsere Funkstati on fing nun in letzter Zeit immer öfter auf einer sonst kaum benutzten Frequenz seltsa me Sprüche auf. Ihr Inhalt schien alltäglich
43 und unverfänglich, aber ein früherer Nach richtenoffizier stellte fest, daß hier mit Co de- und Tarnbezeichnungen gearbeitet wur de. Es gelang ihm, einen Teil der Botschaf ten zu entschlüsseln, und daraus ging deut lich hervor, daß eine Meuterei im, großen Stil vorbereitet wurde. Art einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt sollten sich die putschenden Einheiten irgendwo in der Nä he des Arkonsystems sammeln, um Orbana schol ein Ultimatum zu stellen. Vor kurzem wurden diese Sendungen eingestellt, also ist anzunehmen, daß diese Aktion jetzt schon angelaufen ist.« »Dann waren wir also auf der richtigen Spur«, stellte Salmoon befriedigt fest. »Wurde in diesem Zusammenhang auch der Name Atlans erwähnt?« Krappin zuckte mit den Schultern. »Nicht direkt, aber es gab immer wieder Leute, die ihn nach seinem Entkommen von Celkar ir gendwo in der Umgebung von Arkon gese hen haben wollten. Diese Gerüchte wider sprachen sich teilweise, doch ein wahrer Kern muß schon daran sein. Es wäre nur lo gisch, wenn sich der Prinz zu den Meuterern gesellen würde, sie verfolgen schließlich das gleiche Ziel wie er.« Mekron Dermitron sah aus dem Fenster. »Wir werden bald wieder aufbrechen müs sen, der halbe Nachmittag ist schon vorbei. Sie können aber sicher sein, daß bald etwas für Aycua getan werden wird, Krappin. So bald es uns gelungen ist, die Zentrale der POGIM-Verbrecher zu zerschlagen, starten wir wieder und geben über Funk bekannt, was hier geschehen ist. Ich bin davon über zeugt, daß sich dann bald Helfer hier einfin den werden.« Er gab sich optimistischer, als er war. Auf Aycua lebten zwanzig Millionen Arkoniden, und die Natur des Planeten war praktisch vernichtet. Hier konnte nur eine groß ange legte Aktion wirksame Hilfe für die Bewoh ner bringen, und die konnte erst anlaufen, wenn Orbanaschol gestürzt war. Noch hatte er die Macht im Großen Imperium. Die zwölf Männer legten ihre Raumanzü
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ge wieder an. Sie ließen alles zurück, was sie entbehren konnten und den Hilflosen von Nutzen sein konnte. Krappin und Cosella bedankten sich überschwenglich. Dem klei nen Mädchen ging es nun schon viel besser, es schlief friedlich im Arm der jungen Frau. Dermitron bat sich noch eine Landkarte aus, auf der die Lage des Raumhafens von Tish kan präzise angegeben war. Er hatte bereits einen Plan für sein weiteres Vorgehen. »Zurück zu den Booten«, befahl er.
* »So, das hätten wir«, sagte Lark Hen nicken, der Arzt in der Einsatzzentrale der POGIM. »Sie können sich wieder ankleiden, Gurtamyn, morgen sind Sie wieder so gut wie neu. Nur hastige Bewegungen sind vor erst nicht angebracht, ihre angeknackste Brustplatte braucht Ruhe.« »Schon gut, Bauchaufschneider«, knurrte der Kommandoführer. »Wie steht es um die Männer aus den abgestürzten Gleitern? Wer den die beiden Überlebenden davonkom men?« Hennicken hob die Schultern, sein schma les Gesicht war pessimistisch. »Ich weiß es nicht, Kommandant. Unter normalen Ver hältnissen würde ich sie ohne Schwierigkei ten durchbringen, aber hier ist leider nichts normal. Die Mittel, die wir ihnen zur Immu nisierung gegen den Kampfstoff verabfolgt haben, bewirken eine Kontrareaktion gegen die üblichen Heilmittel, deshalb kann ich für nichts garantieren.« Planc Gurtamyn gab keine Antwort, son dern entfernte sich grußlos. Er benutzte den Antigravschacht des Kontrollturms, um sich in das Kellergeschoß zu begeben. Dort hatte man die Gefangenen aus der SALVOOR in einem Lagerraum zusammengepfercht. Zwei Geheimpolizisten hielten vor dem Eingang Wache, und auch Heynoc wartete hier auf seinen Vorgesetzten. »Vorsichtig öffnen«, befahl Gurtamyn. »Nur einen Spalt breit, und die Strahler schußbereit halten. Die Deserteure wissen,
daß sie von uns nichts Gutes zu erwarten ha ben. Sie könnten versuchen, uns einfach zu überrennen, wenn wir, ihnen nicht gleich die Zähne zeigen.« Heynoc nickte und ließ die Tür einen hal ben Meter zur Seite schnurren. Wie recht sein Chef mit seiner Warnung hatte, erwies sich gleich darauf. Dutzende von Männern stürzten auf die Tür zu, in den erhobenen Fäusten trugen sie Streben und Metallpla stik, die sie aus den Wandregalen gerissen hatten. Sie kamen jedoch nicht weit, denn sofort summten die auf Paralyse geschalteten Strahler der Wächter auf. Die Angreifer stürzten geschockt zu Boden, und Gurtamyn verzog sein kantiges Gesicht zu einem häßli chen Grinsen. »Beim nächsten Mal wird scharf geschos sen!« bellte er die im Hintergrund Stehenden an. »Mit solchem Gesindel, wie ihr es seid, kenne ich kein Erbarmen. Der Kommandant des Schiffes soll vortreten.« Lengavor löste sich aus der Schar seiner Männer. Seine Züge blieben beherrscht, nur aus seinen Augen sprach kalter Haß. Planc Gurtamyn hatte solche Blicke aber schon zu oft gesehen, um noch davon beeindruckt zu werden. »Komm heraus«, knurrte er. »Wir haben Erfahrung im Umgang mit Verrätern, das darfst du mir glauben, also versuche kei ne Mätzchen.« Der Offizier gab keine Antwort, sondern spuckte demonstrativ aus. Gurtamyns Augen verengten sich, aber er wartete ab, bis der Gefangene die Tür passiert hatte. Dann zuckte seine Hand mit der Neuropeitsche hoch, und im nächsten Moment wälzte sich Lengavor schreiend am Boden. Auch der POGIM-Kommandant fuhr zu sammen. Er hatte die Mahnung des Arztes vergessen, und das rächte sich, denn ein ste chender Schmerz durchzuckte seine Brust. Er biß die Zähne zusammen und wartete, bis die Schmerzwelle abgeebbt war. Dann wink te er den Wächtern. »Bringt ihn nach oben«, befahl er kurz.« Die Männer ergriffen Lengavor, dessen
Orbanaschols Rache Schreien nun in ein dumpfes Stöhnen über gegangen war. Er war fast besinnungslos, der starke Elektroschock hatte sein gesamtes Nervensystem durcheinandergebracht. Heynoc griff mit zu, und sie schleiften ihn die Treppe hoch in einen schon zuvor für Verhöre benutzten Raum. Dort warfen sie ihn auf eine Pritsche und Gurtamyn wartete notgedrungen, bis er sich wieder halbwegs erholt hatte. »So, jetzt wollen wir einmal Klartext re den«, sagte er dann. »Aycua war von je her eine Welt voller Renegaten, und nun hat sie der Imperator endlich gestraft. Der Planet wurde mit chemischem Kampfstoff berie selt, seine Bewohner sind ausgeschaltet. Un sere Leute beherrschen die Lage voll, auf Hilfe durch die kranken Einheimischen kön nen Sie nicht rechnen. Sie wissen, daß ich das Recht habe, Sie als Deserteur der Flotte ohne jede Formalität zu erschießen.« »Dann schießen Sie doch«, erwiderte Lengavor matt. »Ich ziehe einen schnellen Tod einer langen Quälerei vor.« Planc Gurtamyn grinste. »So einfach wer de ich es Ihnen nicht machen, Lengavor. To te können nicht mehr reden, und ich möchte noch einiges von Ihnen erfahren. Ich rate Ih nen, freiwillig alles zu sagen, was ich hören will. Anderenfalls steht unser Arzt bereit, um Ihnen Wahrheitsdrogen zu verabfolgen. Ich werde also auf jeden Fall die Wahrheit aus Ihnen herausbekommen.« Der Kommandant der SALVOOR zuckte mit den Schultern und richtete sich auf. »Was kann man von Leuten der Henkertrup pe des Brudermörders Orbanaschol schon anderes erwarten?« fragte er verächtlich. »Fangen Sie schon an, damit wir es schnell hinter uns bringen und ich Ihr widerwärtiges Gesicht nicht mehr sehen muß.« Heynoc, der im Hintergrund stand, atmete zischend aus und griff unwillkürlich zur Waffe. Gurtamyn winkte jedoch ab, er war an derartige Reaktionen seiner Opfer ge wöhnt. »Gut, daß Sie vernünftig sind«, sagte er ungerührt. »Dann sagen Sie mir, woher Sie
45 kommen und was Sie hier auf Aycua woll ten. Daß Sie diese Welt nur rein zufällig auf gesucht haben, werden Sie mir nicht einre den können.« Lengavor hatte sich während seines Auf enthalts im Keller bereits eine plausibel klin gende Geschichte zurechtgelegt. Er hielt sich im großen und ganzen an die Wahrheit, erwähnte Cherkaton jedoch nicht, sondern nannte statt dessen eine Welt, die vor kurz em durch die Maahks zerstört worden war. Auch die Namen Atlan und Dermitron ka men nicht über seine Lippen. Als Beman nung der drei ausgebrochenen Boote gab er seine Offiziere, den Piloten und den Funker an, insgesamt sechs Männer. »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen«, schloß er. »Wir hatten unterwegs davon ge hört, daß eine Meuterei im Gange wäre, und so wollten wir uns diesen Einheiten an schließen. Aycua erschien mir als Kontakt punkt geeignet, und so kamen wir hierher. Alles weitere wissen Sie selbst.« Planc Gurtamyn hatte ihn nicht unterbro chen, sondern konzentriert zugehört. Nun zog er die Brauen hoch. »Das alles klingt fast plausibel«, räumte er widerwillig ein. »Entweder sind Sie ein sehr geschickter Lügner, oder Sie haben tat sächlich die Wahrheit gesagt. Nun, das wer den wir noch nachprüfen, wir haben dafür recht wirkungsvolle Mittel. Zuvor aber noch eine Frage: Woher stammen die Raumboote, die Sie an Bord hatten? Solche Modelle gibt es in der Imperiumsflotte nicht, das weiß ich genau.« Lengavor setzte zu einer Antwort an, be kam sie jedoch nicht mehr heraus. Das schmetternde Krachen mehrerer gleichzeitig erfolgender Explosionen hallte auf, das Kon trollgebäude bebte in allen Fugen. Gurtamyn sprang verstört auf, er war leichenblaß ge worden. »Kommen Sie, Heynoc«, brachte er heiser hervor. »Wir müssen nachsehen, was da pas siert ist.«
8.
46 Mekron Dermitron und seine Begleiter hatten ihre Fahrzeuge wieder erreicht. In der Zwischenzeit war niemand in dem Tal ge wesen, die vorsichtshalber angebrachten Zeichen waren noch unberührt. »Kommt mit, Ventron und Dermato«, sagte der Mondträger und wies auf das mitt lere Boot. »Wir haben noch einige Stunden Zeit, und die möchte ich ausnutzen, um mich über die Lage auf dem Raumhafen zu informieren. Macht die Spionsonde start klar.« Mekrons Boot hatte einen kleinen Flug körper an Bord, kaum größer als ein Män nerkopf. Er stammte aus den Werkstätten auf Kraumon und eine ausgefeilte Mikro technik hatte eine Menge verschiedenartiger Geräte darin untergebracht. Das wichtigste davon war eine leistungsstarke Elektronen kamera mit Variolinse, die Aufnahmen aus jeder beliebigen Höhe ermöglichte. Eine Spezialbeschichtung machte sie praktisch ortungssicher. Ein leistungsfähiges Fest stofftriebwerk verlieh ihr einen großen Akti onsradius. Daneben verfügte sie noch über einen Mikrogravitator, der zusammen mit winzigen Steuerdüsen als Feldantrieb fun gierte. Als Energiequelle diente eine Atom batterie. Die drei Männer holten die Sonde hervor, Dermitron gab die Anweisungen und Ven tron stellte die Automatik danach ein. Seine klobigen Finger arbeiteten erstaunlich ge schickt an den nur wenige Millimeter großen Hebeln und Knöpfen, deren Bedeutung nur einem Fachmann erkenntlich war. Dann übernahm der Pilot die Einregulierung der Triebwerke, und nach knapp einer Viertel stunde war die Sonde einsatzbereit. Sie wur de in der kleinen Ausstoßluke oberhalb der Steuerkanzel untergebracht, und Mekron übernahm das Fernsteuergerät. Wenige Sekunden später schoß die kleine Kugel in die Atmosphäre empor. Sofort er schien auf einem Bildschirm das durch ihre Kamera übermittelte Bild. Die Landschaft flog nur so darüber hin, denn der Mondträ ger ließ das Triebwerk mit voller Leistung
Harvey Patton arbeiten. Schon nach einer halben Stunde hatte die Sonde den Raum von Tishkan er reicht, und nun schaltete er um. Das Fest stofftriebwerk gab einen Bremsstoß ab und erlosch dann. Dafür lief der Mikrogravitator an, neutralisierte ihr Gewicht und ließ sie sanft dahinschweben. Dermitron korrigierte ihren Kurs durch Einsatz der Steuerdüsen und lenkte sie über die Stadt hinweg auf den Hafen zu. Gleich zeitig ließ er sie bis auf fünfhundert Meter absinken, und die Kamera stellte sich auto matisch auf Weitwinkel-Bilderfassung um. Ein weiterer Tastendruck am Fernsteuerge rät ließ die Spionkugel einen weiten Bogen beschreiben, der sie über die Kette der Ab wehrforts hinwegführte. »Ganz, wie ich es mir gedacht habe«, stellte der Mondträger fest. »Die Kampfkup peln sind wieder unter dem Boden ver schwunden, aber dafür hat man mobile Im pulsgeschütze rings um den Hafen postiert. Schalte das Speichergerät ein, Ventron, da mit wir ihre Standorte genau feststellen kön nen. Wir müssen eine Lücke finden, durch die wir in der Nacht vorstoßen können.« Obwohl die Sonne bereits tief stand, war das durch die Sondenkamera übermittelte Bild gestochen scharf. Nach einer neuen Umrundung des Hafens lenkte Dermitron die Kugel nun über das weite Areal hinweg auf den Kontrollturm zu. Die einsam davor stehende SALVOOR erschien auf dem Bild schirm, und im gleichen Moment schrie Dermato erschrocken auf. »Unser Schiff!« ächzte er. »Man hat es zerstört, Mekron!« Ein kalter Schauer flog über den Rücken des Mondträgers. Der Pilot hatte Recht – die SALVOOR war nur noch ein Wrack. Sie stand zwar noch am selben Fleck, aber schon auf den ersten Blick war zu sehen, daß sie nie mehr würde fliegen können. Es war natürlich unmöglich gewesen, das ganze Schiff zu sprengen, ohne die gesamte Umge bung in Mitleidenschaft zu ziehen. Gurta myns Leute hatten ihre Sprengladungen in dem Triebwerksring gelegt, der rings um die
Orbanaschols Rache Kugelzelle verlief. Nun gähnten darin tiefe Löcher, mindestens zwei Drittel der Düsen waren zerstört … Innerhalb weniger Sekunden verpuffte Mekron Dermitrons Plan wie eine schillernde Seifenblase im Nichts. Er hatte beabsichtigt, mit den Booten bis in die Nähe von Tishkan zu fliegen. Außer halb der Reichweite der Hafenortungen soll ten die Fahrzeuge landen, den Rest des Weges wollten die Männer mit ihren Flug aggregaten zurücklegen. Ihr Ziel sollte ein Bunker sein, in dem sich die Fernbedienung der Abwehrforts befand. Sie besaßen Mikro bomben, mit denen sie den Bunker in die Luft jagen wollten, um sich dann wieder der SALVOOR zu bemächtigen. War das Schiff einmal in ihrer Hand, hat ten die Männer der POGIM bereits verloren. Die neu aufgestellten Geschütze waren zwar beweglich, konnten dafür aber nicht durch Schutzschirme gesichert werden. Es mußte also leicht sein, sie zu zerstören, wenn man ihre Standorte kannte. War das geschehen, beherrschte der Raumer den gesamten Ha fen. Dann konnte man den Schergen des Im perators ein Ultimatum stellen, zu dem ihr Tod die einzige Alternative war. Gewesen wäre – denn die SALVOOR war nun kein Machtfaktor mehr! Dermitron zweifelte keinen Augenblick lang daran, daß man auch die Geschütze des Raumers un brauchbar gemacht hatte. Der Mann mit dem kantigen Gesicht, der Lengavor zur Überga be aufgefordert hatte, mußte die Pläne seiner Gegner vorausgesehen haben, und er hatte konsequent gehandelt. »Was jetzt, Mekron?« fragte Ventron resi gniert. Der Mondträger zuckte nur mit den Schultern, sein Gesicht wirkte wie verstei nert. Mit einer müden Handbewegung leitete er den Rückflug der Sonde ein. Er brauchte noch eine Weile, bis er den Schock über wunden hatte. Dann begann er zu überlegen, welche Möglichkeiten ihm jetzt noch blie ben. Die einfachste Lösung wäre gewesen, Ay
47 cua mit den Beibooten wieder zu verlassen. Vom Raum aus konnte er dann andere Wel ten von dem schreienden Unrecht unterrich ten, das hier geschehen war. Er zweifelte nicht daran, daß sich Flottenkommandanten mit genügend Eigeninitiative finden würden, die daraufhin eingriffen und dem Treiben der POGIM ein Ende setzten. Was ihn dazu veranlaßte, davon Abstand zu nehmen, waren die Gefangenen, die sich in Planc Gurtamyns Hand befanden. Wenn ein Angriff auf den Hafen von Tishkan er folgte, gerieten auch sie in höchste Gefahr. Vielleicht wurden sie dann von den Geheim polizisten kurzerhand niedergemacht, sobald diese in die Enge getrieben waren. Daß fast alle Männer von Cherkaton stammten, bela stete Dermitrons Gewissen am meisten. Er hatte schon früher mit der MEDON mehr als vierhundert junge Leute von dieser Welt nach Kraumon entführt, deren Schicksal jetzt höchst ungewiß war. Auch ein Überraschungsangriff mit den Booten erschien ihm zu riskant. Vielleicht konnte er den Erfolg bringen, wahrscheinli cher war jedoch sein Mißlingen. Gegen Ab wehrforts und mobile Geschütze hatten die kleinen Fahrzeuge kaum eine Chance. Sie waren zwar schnell und wendig, besaßen aber nur relativ schwache Schutzschirme. Schon ein Streifschuß mußte genügen, um sie zum Absturz zu bringen. Damit wären aber auch jene Männer umgekommen, die allein noch imstande waren, etwas für Ay cua zu tun. So blieb also nur noch die Möglichkeit, den ursprünglichen Plan mit einigen Ab wandlungen durchzuführen. Mekron be schloß, aus seinen Männern zwei Gruppen zu bilden. Eine von ihnen sollte den Bunker in die Luft jagen, während die andere die da durch entstehende Verwirrung ausnutzte, um den Kommandoturm zu stürmen. Wenn es gelang, die Gefangenen zu befreien und zu bewaffnen, hatten die Agenten der POGIM verspielt. Die Sonde kehrte zurück und wurde wie der eingeschleust. Es war inzwischen fast
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dunkel geworden, also durfte keine Zeit mehr verlorengehen. Dermitron rief seine Männer ins Freie, um ihnen sein Vorhaben zu unterbreiten. Als er das Boot verließ, wäre er fast ge stürzt. Vor seinen Augen begann es zu flim mern, er nahm seine Umgebung nur noch wie durch einen grauen Schleier wahr. Be stürzt mußte er dann feststellen, daß die an deren zum Teil mit ähnlichen Schwierigkei ten zu kämpfen hatten. Sie stolperten hilflos umher, und Zuccor Bransch hielt beide Hän de vor den Leib gepreßt. Er stöhnte auf, und das sagte dem Mondträger alles. »Jetzt hat es uns also auch schon erwischt …«, sagte er niedergeschlagen. »Verdammt, das hat uns gerade noch gefehlt! Wer soll jetzt noch etwas gegen die Verbrecher unter nehmen, wenn wir ausfallen?« »Was hattest du vor?« erkundigte sich Ventron. Dermitron erläuterte seinen Plan, mit dem im Prinzip alle einverstanden wa ren. Jetzt war allerdings höchst fraglich, ob er sich noch durchführen ließ. Die Sehstö rungen kehrten in unregelmäßigen Interval len wieder, einige Männer verspürten krampfartige Schmerzen im Leib und Übel keit. Vermutlich würden alle innerhalb we niger Stunden genauso hilflos sein wie die bedauernswerten Bewohner des Planeten. »Wir geben trotzdem nicht auf!« erklärte Salmoon entschieden. »Noch können wir es aushalten, und wir haben Medikamente zur Linderung der Beschwerden. Die Lage des Raumhafens ist uns bekannt, wir können die Boote also durch die Automatiken steuern lassen. Es kommt jetzt nur darauf an, schnellstens zu handeln, ehe uns der Kampf stoff außer Gefecht setzt.« Die anderen Männer stimmten ihm zu, und Dermitron gab rasch die notwendigen Befehle. Einige Minuten später waren alle drei Boote wieder besetzt, die Steuerautoma ten wurden programmiert. Dann hoben die Fahrzeuge nacheinander ab und schossen in den Abendhimmel empor.
*
In den Eingeweiden des Mondträgers pochte ein dumpfer Schmerz. Normalerwei se wäre er kaum zu ertragen gewesen, aber die dämpfenden Mittel drückten ihn auf ein gerade noch tragbares Maß zurück. Sie hat ten jedoch keinen Einfluß auf die Störungen des Sehvermögens, die innerhalb kurzer Zeit zu einem Dauerzustand geworden waren. Es bereitete allen zwölf Männern schon Schwierigkeiten, auf den Bildschirmen noch Einzelheiten zu erkennen. Nur die Sicht auf weiter entfernte Gegenstände blieb noch re lativ gut. Dann gaben die Computer ihre Signale, die Boote setzten zur Landung an. Dermitron hatte dafür ein ausgedehntes Farmgelände gewählt, das sich zwischen Tishkan und dem Raumhafen erstreckte. Der letzte Teil der Strecke war im Tiefflug nur mit Feldantrieb bewältigt worden, so daß die Gefahr einer Ortung ausgeschaltet war. Über der Stadt war es fast dunkel, offenbar arbei teten die Kraftwerke kaum noch. Nur über dem Hafen lag ein matter Lichtschein, dort sorgten Gurtamyns Männer für Energie. Mekron schaltete den Interkom ein. »Soweit waren wir«, sagte er. »Die Frage ist jetzt nur, wie es noch weitergeht. Ich bitte alle, die ernste Störungen verspüren, das of fen zu sagen. Falscher Stolz ist hier wirklich nicht angebracht, er würde nur den Ausgang unserer Aktion gefährden.« Es stellte sich heraus, daß nur noch sieben Männer im gewohnten Rahmen einsatzfähig waren. Am schwersten betroffen waren Waynjoon und Bransch, die nur noch Um risse zu erkennen vermochten. Andere kämpften mit stetigem Übelsein und mit an dauernden Leibschmerzen. »Aussichtslos, Mekron«, meinte Ventron, der sich von allen noch am besten hielt. »Mit einer Truppe von Invaliden einen Ein satz gegen zwei verschiedene Ziele vorzu tragen, wäre einfach Wahnsinn. Wir sollten uns nur auf ein Objekt konzentrieren, wenn wir überhaupt etwas erreichen wollen.« Der Mondträger nickte. »Du hast leider recht«, gab er zu. »Mir ist aber gerade eine
Orbanaschols Rache halbwegs annehmbare Idee gekommen. Die Boote nützen uns sowieso nichts mehr, denn schon bald wird sie keiner von uns mehr fliegen können. Ich bin deshalb dafür, sie zu einem letzten uns noch nützlichen Zweck zu verwenden – als fliegende Bomben! Wir programmieren ihre Steuerautomaten so, daß sie auf bestimmte Ziele stürzen und ihre Konverter zur Explosion gelangen. Die Fol ge muß ein heilloses Durcheinander bei den Schergen der POGIM sein, und das können wir ausnützen. Wir fliegen geschlossen zum Kontrollturm, dringen dort ein und befreien Lengavor und seine Männer. Wenn nur ein Teil von ihnen noch kampffähig ist, muß das ausreichen, um uns den Sieg zu bringen.« Er erntete allgemeine Zustimmung, und die entsprechenden Vorbereitungen wurden sofort getroffen. Alle Männer erhielten ein Medikament, das für den äußersten Notfall vorgesehen war. Es schaltete alle Schmerzempfindungen weitgehend aus und aktivierte für einige Stunden alle Kraftreserven der Körper. An schließend mußte es unweigerlich zu einer Gegenreaktion mit rapidem Kräfteverfall kommen, aber das war jetzt bedeutungslos. War der Sieg über die Unterdrücker Aycuas errungen, würde es genügend Zeit zur Erho lung geben. Das größte Handicap blieben die Sehstörungen, die aber immer noch er träglich waren, außer bei Zuccor Bransch und Waynjoon. »Die schleppen wir schon mit«, sagte Dermato, während er die Steuerautomatik seines Fahrzeugs neu programmierte. Die Spionsonde hatte exakte Werte geliefert, die nun verwendet werden konnten. Eines der Boote sollte direkt auf den Bunker mit den Fernsteueranlagen der Abwehrforts stürzen, die beiden anderen auf Punkte, an denen sich mobile Geschütze befanden. So würde es gleichzeitig zu drei Atomexplosionen kommen, die jedoch so weit vom Kontroll turm entfernt waren, daß dieser verschont blieb. Er sollte dafür das Stoßziel des Ein satztrupps der Männer sein. »Keine falsche Rücksichtnahme«, schärf
49 te der Mondträger den anderen ein. »Wir ha ben von den Leuten der POGIM keine Gna de zu erwarten, also müssen wir uns ihrem Verhalten anpassen. Einer von uns muß un bedingt bis zum Hypersender gelangen, um mit höchster Sendestärke einen Notruf abzu strahlen. Wenn uns das gelingt, haben wir alles erreicht, was wir überhaupt noch errei chen können.« Er schätzte die Zeit ab, die sie bis zum Er reichen des Raumhafens brauchen würden. Da er bei dem Flug mit Behinderungen durch die schwerer Erkrankten rechnen mußte, kalkulierte er noch einen Sicherheits spielraum mit ein. Die Bootscomputer wur den entsprechend eingestellt, dann nahmen die Männer ihre Waffen an sich und verlie ßen die Fahrzeuge. Sie bildeten eine Kette, und die weniger Behinderten nahmen die am meisten Betrof fenen zwischen sich. Dann aktivierten sie ih re Flugaggregate, stiegen auf zwanzig Meter Höhe und traten den Flug durch die Nacht an. Unterwegs bemerkte Dermitron, daß seine Sehkraft nun rapide nachließ. Obwohl die Nacht durch die zahllosen Sonnen des Ku gelsternhaufens mit einem silbrigen Däm merlicht erfüllt war, fiel es ihm zunehmend schwerer, seine Umgebung zu erkennen. Auch den anderen erging es nicht besser, wie ihren Äußerungen über den Helmfunk zu entnehmen war. Wenn es so weiterging, mußten alle zwölf schon in wenigen Stunden so gut wie blind sein. Dagegen hielten sich die innerlichen Schmerzen dank des Medi kaments in erträglichen Grenzen. Sie erreichten den Randbezirk des Hafens nach etwa einer Stunde. Hier fiel ihnen die Orientierung leichter, weil das Gelände durch Kunstsonnen beleuchtet wurde. Die Männer gingen am Rand der erhellten Zone zu Boden und bewegten sich zu Fuß weiter. Ventron übernahm die Führung, weil er im mer noch am besten sehen konnte. Die ande ren reichten sich die Hände und folgten ihm in einer Reihe. Sie stolperten mehr schlecht als recht da
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hin, kamen aber dann auf eine schmale Stra ße. Sie führte zwischen einer Reihe von Häusern dahin, in denen früher das Hafen personal gewohnt hatte. Jetzt waren sie ver lassen, boten den Männern aber eine will kommene Deckung. Am Ende der Straße ragte der Kontrollturm auf, dessen Fenster in den unteren Stockwerken erleuchtet waren. »Halt!« sagte Dermitron, als sie bis auf fünfzig Meter an den Bau herangekommen waren. Er brachte seinen Armbandchrono bis dicht vor die Helmscheibe und strengte sich an, die Leuchtziffern darauf zu erken nen. »Wir haben noch zehn Minuten Zeit«, stellte er dann fest. »Waynjoon und Zuccor müssen hier zurückbleiben, wir holen sie später ab. Meint sonst noch jemand, daß er nicht mehr mitmachen kann?« Ein weiterer Mann aus der Stammbesat zung der SALVOOR meldete sich und schied damit aus. Nun war der Einsatztrupp bereits auf neun Männer zusammenge schmolzen, deren Sehvermögen aber im Durchschnitt nur noch fünfzig Prozent be trug. Mekron war alles andere als wohl, wenn er bedachte, wie schlecht die Aussich ten waren, die Aktion erfolgreich abzu schließen. Nun gab es jedoch kein Zurück mehr, dies war die einzige Gelegenheit, die ihnen blieb. Die Rückseite des Kontrollgebäudes lag im Schatten. Dermitron wies Ventron an, die Gruppe bis an den Rand der Lichtzone zu führen. Dort kauerten sich die Männer an die Mauer gepreßt zusammen und warteten mit angespannten Sinnen. Ihre Waffen waren schußbereit – in wenigen Minuten nahte die Entscheidung.
9. Salmoon merkte es als erster. »Sie kommen!« sagte er mit vor Erregung vibrierender Stimme in sein Helmmikro phon. Er meinte die drei Raumboote, die nach Ablauf der Zeit durch die Automatiken inzwischen gestartet worden sein mußten. Er behielt Recht.
Im Rücken der Männer klang ein dumpfes Dröhnen und Brausen auf. Innerhalb weni ger Sekunden schwoll es so stark an, daß sie ihre Außenmikrophone abschalten mußten, um nicht taub zu werden. Drei Phantome huschten über den Himmel, von Flammen der Triebwerke und dem Aufglühen der ge waltsam verdrängten Luft in eine leuchtende Aureole gehüllt. Die Boote rasten mit Voll schub heran, stellten sich über den einpro grammierten Zielen auf den Kopf und fielen wie glühende Fanale der Vernichtung dem Boden entgegen. Gurtamyns Männer im Schaltbunker und an den beweglichen Geschützen reagierten viel zu spät. Die Ortungsanlagen erfaßten die drei Fahrzeuge schon kurz nach ihrem Start. An ihnen saßen jedoch keine blitzschnell han delnden Roboter, sondern Menschen, deren Gehirne einige Zeit brauchten, um die Sach lage voll zu erfassen, Entschlüsse zu treffen und danach zu handeln. Das waren zwar nur Sekunden, aber sie gaben den Ausschlag. Als die Hände endlich auf die Feuerknöp fe fielen und die Abwehranlagen den Be schuß eröffneten, war die Vernichtung schon nicht mehr aufzuhalten. Kein Energiestrahl fand sein Ziel mehr – dafür trafen die flie genden Bomben um so genauer. Sie schlugen auf, und im gleichen Augen blick gaben die Computer den Sprengimpuls an die Konverter. Im nächsten Moment tat sich fast zugleich an drei Stellen der Boden auf. Zwölf schwere Impulsgeschütze vergin gen im atomaren Feuer, ihre Bedienungs mannschaften starben einen schnellen Tod. Auch der Kontrollbunker wurde voll getrof fen und barst auseinander. Sämtliche Leitun gen wurden unterbrochen, die Abwehrforts erhielten keine Befehlsimpulse mehr. Im gleichen Moment sprangen ihre automati schen Sicherheitsschaltungen ein. Es war ihre Aufgabe, die Forts vor einer Selbstzerstörung zu bewahren, die unwei gerlich die Folge eines unkontrollierten Weiterfunktionieren gewesen wäre. Schlag
Orbanaschols Rache artig liefen alle Konverter aus, die Geschüt ze stellten ihr Feuer ein, die Schutzschirme über den Anlagen erloschen. Die stärksten Waffen Planc Gurtamyns waren unbrauchbar geworden. Die Abwehr forts konnten jetzt nur noch in Betrieb ge nommen werden, wenn sie von Menschen besetzt und manuell bedient wurden. Dafür hatte der Kommandoführer der POGIM aber weder Zeit noch Männer. Er hatte den größ ten Teil seiner auf dem Hafen anwesenden Leute – eigene und Immunisierte aus den Reihen von Agenten und Kriminellen auf Aycua – zur Bedienung der mobilen Ge schütze abgestellt. Auch von ihnen existierte jetzt nur noch die Hälfte, und ihre Mannschaften verließen sie fluchtartig. Sie glaubten an einen Angriff aus dem Raum, von weit überlegenen Kräf ten ausgeführt. Als die Druckwelle der De tonationen abgeklungen war, sprangen sie hastig in ihre Gleiter und flohen in Richtung Tishkan. Gurtamyn erfaßte den Ernst der Lage erst, als er zusammen mit Heynoc aus dem Ein gang des Kommandoturms gestürzt kam. Die wenigen noch in dem Gebäude anwe senden Geheimpolizisten verließen ihre Po sten und folgten ihnen verstärkt. Sie sahen die drei expandierenden Feuerbälle am Hori zont, wurden jedoch im nächsten Moment wie von einer Riesenfaust zu Boden gewor fen. Die Druckwelle der Explosionen raste heran und fegte alles hinweg, das keinen fe sten Halt besaß. Sie verschonte auch Mekron Dermitron und seine Gefährten nicht. Im Gegensatz zu Planc Gurtamyn wußten diese Männer je doch, worum es hier ging. Eilig sprangen sie wieder auf und hasteten zur Vorderseite des Gebäudes. Der Mondträger nahm die zwölf Männer nur schattenhaft wahr, die sich nun vor dem Eingang wieder erhoben. Noch hatten sie seine Gruppe nicht bemerkt, sie starrten fas sungslos zu den Explosionsherden hinüber. Dermitron nützte den Überraschungseffekt und schaltete den Außenlautsprecher seines
51 Anzugs ein. »Hände hoch und keine Bewegung mehr!« rief er ihnen zu. »Ihr mörderisches Spiel auf Aycua ist beendet, geben Sie auf.« Er hatte jedoch nicht mit der besonderen Mentalität dieser Agenten gerechnet, deren Lebensinhalt Tod und Versklavung aller An dersdenkenden war. Keiner von ihnen be folgte seine Warnung, alle griffen sofort zur Waffe. Auch als Halbblinder wußte Mekron diese Reaktion noch richtig zu deuten. »Feuer!« sagte er sofort und drückte gleichzeitig ab. Sekunden später war alles vorbei. Vor dem Eingang des Kontrollgebäudes lagen zwölf Tote, zwei von Dermitrons Männern hatten Streifschüsse erhalten. Sie waren aber nicht schwer verwundet, ihre Raumanzüge hatten den größten Teil der Energiestrahlen absorbiert. Der Mondträger atmete auf. Er wartete noch eine Weile, aber es zeigte sich niemand mehr. »Wir dringen in das Ge bäude ein«, bestimmte er dann. »Seid vor sichtig, ihr habt ja eben gesehen, wie diese Leute reagieren.« »Gesehen ist gut«, sagte Dermato bitter. »Obwohl es hier hell ist, kann ich nur noch vage Umrisse erkennen. Wir werden uns be eilen müssen, ehe wir ganz blind sind, Me kron.« Sie betraten den Kontrollturm, durchsuch ten die unteren Geschosse, entdeckten aber niemand mehr. Nur aus den Kellerräumen waren Stimmen zu vernehmen, und Der mitron deutete sie richtig. »Das müssen unsere Männer sein«, be merkte er erleichtert. Im gleichen Augen blick ging eine bis dahin unbemerkt geblie bene Tür auf, und er hob seine Waffe. »Nicht doch, Mekron!« rief Lengavor aus. »Erkennen Sie denn Ihre eigenen Leute nicht mehr?« »Sie können noch richtig sehen?« erkun digte sich der Mondträger verblüfft. »Dann hat man also etwas unternommen, um diesen Bau vor der Wirkung der Chemikalien abzu schirmen. Das ist ein Geschenk der Götter für uns, Lengavor. Bringen Sie uns in den
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Funkraum – jetzt soll alle Welt erfahren, was für ein Verbrechen Orbanaschol hier auf Aycua begangen hat!«
* »Wieder nichts«, sagte Morvoner Sprangk resigniert. »Ich verstehe das einfach nicht, Karmina. Nach dem, was wir von Jarko Hangrin erfahren haben, müssen es viele hundert, wenn nicht gar Tausende von Flot tenschiffen sein, die gegen das Arkon-Sy stem antreten wollen. Wir haben pausenlos in allen Raumsektoren nachgeforscht, die für sie als Bereitstellungspunkte in Frage kom men. Trotzdem haben wir keinen einzigen dieser Raumer entdecken können, und auch über Funk war nichts über ihren Verbleib zu erfahren. Irgendwo müssen sie doch aber stecken. Oder sollte das ganze Unternehmen inzwischen wieder abgeblasen worden sein?« Karmina Arthamin zuckte mit den Schul tern. »Das beginne ich mich auch schon zu fragen, Morvoner. Jetzt haben wir bereits siebzehn Transitionen hinter uns und sind ei nige Male nur ganz knapp einer Entdeckung entgangen. Zudem reichen unsere Lebens mittel nur noch kurze Zeit, weil wir das mei ste bei den havarierten Schiffen zurückge lassen haben. Wir können nur noch einen Versuch machen, dann müssen wir umkeh ren, ob wir wollen oder nicht.« »Wenn wir wenigstens inzwischen etwas Neues über Atlan erfahren hätten«, warf Helos Trubato ein. »Er scheint aber auch spur los verschwunden zu sein. Falls er sich nicht den Rebellen angeschlossen hat, könnte er inzwischen nach Sorkoth geflogen sein.« Die Sonnenträgerin nickte. »Das ist natür lich nicht ausgeschlossen, Helos. Jetzt sind wir aber schon so nahe bei Arkon, daß es mir widerstrebt, früher als unbedingt nötig aufzugeben. Wie viele Transitionspunkte ha ben wir noch auf der Liste?« Es waren drei, die alle zwischen zwanzig und dreißig Lichtjahre vom Arkonsystem entfernt waren. Karmina bestimmte einen,
der sich in der Nähe einer Sonne befand, die nur vier unbewohnbare Planeten besaß. Es gab dort weder arkonidische Stützpunkte noch Bergwerksanlagen mehr. Sie waren schon vor Jahrhunderten aufgegeben wor den, weil alle Bodenschätze ausgebeutet wa ren. »Eigentlich ein ideales Versteck für je mand, der großen Wert darauf legt, nicht ge sehen zu werden«, meinte Sprangk. »Falls wir dort niemand entdecken, wüßte ich nicht, wo wir sonst noch suchen sollten. Bringen Sie die ISCHTAR auf Kurs dort hin.« Trubato nickte und gab den Befehl an den Piloten weiter. Eine Stunde später kam das Schiff oberhalb des Zielsystems aus dem Hyperraum und begann sofort mit der Su che. Alle Planeten wurden durch die Ortun gen abgetastet, aber auch hier gab es eine neue Enttäuschung. Die Metalltaster schlu gen zwar an, registrierten aber nur die Über reste verfallener Stationen auf den beiden mittleren Welten. »Also endgültig aus«, sagte Karmina Ar thamin; ihr Gesicht war düster. »Lassen Sie die Daten für die Rückkehr zu unseren Schiffen errechnen, Helos, und dann …« Sie unterbrach sich, denn der Schirm des Interkoms blendete auf. Er zeigte das Abbild der diensttuenden Funkerin. »Ich empfange einen Spruch auf der allgemeinen Notruffre quenz«, meldete sie. »Der Sender ist aber nur sehr schwach, eine Bildverbindung kommt nicht zustande. Vermutlich ein Schiff, das in Raumnot geraten ist.« Die Sonnenträgerin überlegte kurz. »Schalten Sie zur Zentrale durch«, bestimm te sie dann. »Wenn wir schon sonst nichts ausrichten können, wollen wir wenigstens diesen Leuten helfen. Auf ein paar Men schen mehr oder weniger an Bord kommt es jetzt auch nicht mehr an.« Morvoner Sprangks Miene drückte Miß billigung aus, denn ihm ging die Sicherheit der ISCHTAR über alles. Wenn der Spruch auch von Einheiten der Imperiumsflotte empfangen wurde, konnte es leicht zu einer
Orbanaschols Rache unliebsamen Begegnung kommen. Er schwieg jedoch, weil er wußte, daß Karmina nicht mehr umzustimmen war. Die Umschaltung erfolgte, aber der Hy perbildschirm zeigte nur wallende graue Schlieren. Auch die Stimme, die nun aus der Feldmembrane kam, war sehr leise und wur de zuweilen ganz von statischem Rauschen übertönt. Es waren immer nur einzelne Wor te zu verstehen, die keinen Sinn ergaben. Die Sonnenträgerin runzelte die Stirn und rief zur Funkzentrale durch. »Geben Sie mehr Energie auf das Gerät«, forderte sie, »eine kurzzeitige Überlastung hält es schon aus. Stimmen Sie außerdem noch die Anten ne nach und richten Sie sie genau auf den Einfallwinkel ein.« Gleich darauf wurde der Empfang merk lich besser. Das Bild blieb zwar nach wie vor aus, aber die Stimme des Sprechers war gut zu verstehen. »An alle, die uns hören können«, sagte sie. »Hier ruft Aycua, eine Welt in höchster Not. Unser Planet wurde im Auftrag des Im perators von der POGIM überfallen und mit chemischen Kampfstoffen verseucht. Alle Einwohner sind schwer betroffen, so gut wie blind und von starken krampfartigen Schmerzen geplagt. Wir bitten dringend um Hilfe und rufen alle auf, dem Großen Impe rium Kunde von diesem Verbrechen zu ge ben. Achtung, ich wiederhole …« Helos Trubato ruckte hoch. »Das ist Me kron Dermitrons Stimme!« stieß er erregt hervor. »Glauben Sie mir, Karmina, er ist es ganz bestimmt. Was sagen Sie, Komman dant?« Morvoner Sprangk wiegte den kahlen Kopf. »Er könnte es sein«, räumte er vor sichtig ein. »Die Verbindung ist aber nicht gut genug, um das definitiv sagen zu kön nen. Außerdem erscheint es mir unwahr scheinlich, daß er sich überhaupt noch am Leben befindet. Als er seine Warnung vor den Maahks an Kraumon gab, steckte die MEDON mitten in einem Pulk von Walzen raumern und war so gut wie verloren.« Karmina Arthamin ging jedoch nicht auf
53 seine Worte ein. »Wie weit ist es bis Ay cua?« fragte sie. Trubato rief eilig die Daten aus dem Computer ab und legte sie ihr vor. Schon nach einem kurzen Blick nickte sie. »Alles zur Transition zum Aycualle-Sy stem vorbereiten. Ich halte es für sehr un wahrscheinlich, daß der Notruf auch von an deren empfangen wurde. Wir sind nur drei Lichtjahre von Aycua entfernt, das nächste bewohnte System aber fünf. Auch wenn es nicht Dermitron sein sollte, so ist es doch unsere Pflicht, Orbanaschols Opfern zu hel fen. Ich kenne diese Welt zwar nur dem Na men nach, weiß aber, daß sie größtenteils von Gegnern des Imperators bewohnt ist. Schon das allein würde unser Eingreifen rechtfertigen.« Die ISCHTAR wurde erneut beschleunigt und ging auf Transitionsgeschwindigkeit.
* »Sie, Sonnenträgerin?« fragte Dermitron fassungslos. »Wie kommen denn ausgerech net Sie hierher?« Karmina Arthamin lächelte. »Das gleiche könnte ich Sie auch fragen, Mekron. Wir sollten uns jetzt aber nicht mit solch relativ unwichtigen Dingen beschäftigen, dafür ist später noch Zeit. Steht es wirklich so schlecht um Aycua?« Der Mondträger berichtete ihr in großen Zügen, was in den letzten Tagen auf dem Planeten geschehen war. Er mußte sich mehrmals unterbrechen und krümmte sich unter heftigen Schmerzen zusammen. Das lindernde Medikament verlor an Wirksam keit, die Krämpfe plagten ihn und seine Männer immer mehr. Ihr Augenlicht war so weit geschwunden, daß sie Karmina nur noch an ihrer Stimme erkennen konnten. Indessen raste die ISCHTAR mit Voll schub auf Aycua zu. Der Notruf war offen bar sonst nirgends aufgefangen worden, denn Dermitron hatte nur mit geringer Sen destärke funken können. Als Spätfolge der Explosionen war die Energieversorgung des Kontrollturmes zusammengebrochen. Das
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Harvey Patton
daraufhin angelaufene Notaggregat hatte den Hyperkom nur mit einem Bruchteil der not wendigen Energie versorgen können. Unter den gegebenen Umständen war das jedoch von Vorteil für alle Beteiligten gewesen. Das Schiff landete am frühen Morgen auf dem Hafen von Tishkan. Mekron und seine Männer wurden sofort an Bord geholt und in die Medostation gebracht. Die Fremdstoffe in der Luft des Planeten wurden innerhalb kurzer Zeit analysiert und dann ein Gegen mittel hergestellt, das schon nach wenigen Stunden half. Lengavor und die anderen Ge fangenen waren ganz verschont geblieben. Sie hatten in ihrem Kerker Leitungswasser getrunken, das offenbar mit Immunstoffen versetzt gewesen war. Karmina Arthamin konferierte mit Mor voner Sprangk und Lengavor, um Hilfsmaß nahmen für Aycua zu besprechen. Der Kom mandant der SALVOOR und die Männer von Cherkaton erklärten sich spontan bereit, auf dem Planeten zu bleiben und wieder Ordnung zu schaffen. Die Sonnenträgerin stellte ihnen die Beiboote der ISCHTAR zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe mußte es leicht sein, die Terrorkommandos der POGIM aus zuschalten, um anschließend die Fabrikation und Verteilung des Gegenmittels einzulei-
ten. »Das kann natürlich nur ein Anfang sein«, erklärte Karmina. »Die Natur des Pla neten ist vernichtet, er wird so bald wie möglich geräumt werden müssen. Befreien Sie zuerst die Regierungsmitglieder, Lenga vor, damit sie ein Überlebensprogramm auf stellen können. Aycua hat Lebensmittel im großen Stil produziert, es müssen also Vor räte für einige Zeit vorhanden sein. Sobald Orbanaschol gestürzt ist, werden Sie Hilfe von Arkon erhalten; dafür werden wir sor gen.« In den Hafendepots waren große Mengen von Konserven gefunden worden, die Gurta myns Leute zusammengeraubt hatten. Sie wurden nun an Bord der ISCHTAR ge bracht, so daß das Lebensmittelproblem für die nächste Zeit gelöst war. Schon am Mit tag startete das Schiff wieder – die Suche nach den Meuterern ging weiter. »Wir werden sie finden!« sagte Morvoner Sprangk zu Mekron Dermitron, der neben ihm in der Zentrale stand. »Sie und Atlan – und dann sind die Tage des Mörders auf Ar kon I gezählt.«
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 297: Das Treffen der Rebellen von Hans Kneifel Das Schicksal des Imperiums auf des Messers Schneide – die Gegner mobilisieren ihre letzten Kräfte