This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
V lTAEYIlCX): Harpokr. cxiyis, Suda CXl 60. 77 Hesperia 4 (1935) 21 = LSS 10 A 5, wodurch zugleich gegen Deubner (1932) 18 - das Datum der Plynteria auf den 29. Thargelion fixiert wurde. Nicht zu den Plynteria gehört die Prozession der Pallas zum Meer in Phaleron, Burkert ZSRG 22 (1970) 356-68. 78 Phot. ed. Reitzenstein cdyaS Tp6lTov; Zenob. Ath. 2, 30 p. 361 Miller; Markellos bei Euseb. Adv. Mare.!, 3; Burkert (1966) 118, 71. 74
1. Panathenäen
173
dazu vom Tod der Kinder Medeias: alles spricht dafür, daß auch in Athen das außergewöhnliche Ziegenopfer, einmal im Jahr, mit dem Ende des Arrhephorendienstes, dem Weg der Jungfrauen unter die Erde zusammengehört. Ein Mythos erzählt, Athena habe Gorgo getötet und abgehäutet und mit der so gewonnenen Aigis angetan sich in den Gigantenkampf gestürzt7 9 • Das Ziegenopfer ist nur der Auftakt zu den folgenden, größeren, blutigeren Taten; der erste Krieg der athenischen Urgeschichte ist der Kampf des Erechtheus gegen Eleusis. Auch dort geht dem Tod des Erechtheus das Jungfrauenopfer, die Opferung der eigenen Tochter durch den Vater voraus. Solche Mythen vom vorbereitenden Mädchentod gab es freilich in Fülle, die Beziehungen von Ritus und Mythos konnten hin- und herspringen; war die Stelle der Arrhephoria im Mythos durch den Tod der Kekropstöchter besetzt, so konnte Euripides das Opfer der Erechtheustöchter dem anderswo lokalisierten Kult der Hyakinthiden zuschieben80 • Ganz fest ist jedenfalls die vorwegnehmende, den Sieg garantierende Funktion des J ungfrauenopfers81 ; so deuten die Arrhephoria voraus auf den größeren ,Mord', in dem die ,Auflösung' zum Jahresende ihren Höhepunkt findet. Und wenn die Mädchen etwas, ,eingehüllt' wie Säuglinge, aus der Tiefe nach oben bringen, bedeutet dies vielleicht wieder die Geburt im Frauenbereich, die dem ,Mord' der Männer die Waage hält. Panathenäen
Die Panathenäen82 sind das Geburtsfest der Polis Athen, am Ende des ersten Monats des attischen Jahres. Gewaltig waren die Opfer zu diesem Fest, so daß danach der Monat Hekatombaion, Monat der Hekatomben genannt war. Wenn der vorangehende Monat die ,Auflösung' brachte, so vollzieht sich in den Panathenäen die neue Gründung der Ordnung. Ungewöhnlich weit freilich ist die Frist gedehnt, sind doch 45 Tage von den Skira bis zum Neujahrsfest. Die Situation der ,Auflösung' wird nochmals in anderer Weise 70
80
81
82
o. Kap. I 7 Anm. 39. o. Kap. I 7 Anm. 33. Die attischen Epheben leisten ihren Eid im Heiligtum der Aglauros, o. Kap. I 7 Anm. 32. A. Mommsen (1898) 41-159; Deubner (1932) 22-35; Ziehen RE XVIII 2 (1949) 457-93; J. A. Davison JHS 78 (1958) 23-42; 82 (1962) 141-2; H. A. Thomson AA (1961) 225-31.
174
lII. Auflösung und Neujahrsfest
wiederholt in den Kronia83 am 12. Hekatombaion, in denen bei lustigem Feiern die Ordnung von Herrn und Sklaven auf den Kopf gestellt ist. Möglich, daß hier Kompromisse vorliegen zwischen Ritualen verschiedener Herkunft in einer bereits pluralistischen Stadtgesellschaft ; sie konnten nebeneinandergestellt werden, insofern sie Ähnliches aussagten, zumal dem Ritual als solchem die Tendenz zur Wiederholung innewohnt. Auch das Panathenäenfest ist komplexer als daß wir alle Einzelheiten genau rekonstruieren könnten. Seit etwa 570 wurde es alle vier Jahre prächtig ausgestaltet zu den ,Großen Panathenäen' mit ihrem panhellenisehen Agon84 ; doch die Grundelemente des Festes, das das Jahr eröffnet, müssen auch den ,Kleinen" jährlichen Panathenäen eignen. Sie bestehen, natürlich, im Opferzug und im Agon. Ein vorbereitendes Nachtfest geht voraus, eine "Pannychis "zugleich mit Sonnenaufgang formiert sich dann der riesige Hauptzug85 • Die Parthenonskulpturen haben diese Selbstdarstellung der Polis an ihrem Fest zum zeitüberdauernden Kunstwerk erhöht 86 • Alle Glieder der Gemeinde haben ihren Platz, die jugendlichen Reiter und die ,Zweige tragenden' Alten87 , die Mädchen mit dem Opfergerät und die Matronen; vor allem gehören zum Zug schon bei den Kleinen Panathenäen über 100 Schafe und Kühe, die schließlich am "großen Altar" geschlachtet werden88 ; so kann für die ganze Bürgerschaft auf dem Marktplatz Fleisch zum Festtagsbraten verteilt werden. tt
;
tt
83
84
85
86
87
88
Vgl. Deubner (1932) 152-5. Pherekydes FGrHist 3 F 2; Euseb. Chron. a. Abr. 1451 (566 v. Chr.); Schol. Aristeides p. 323, 29 Dind.; Weihinschrift der ersten Agonotheten (... TOV &]yo[va esa]av TIPOTO[l] YAav[1<]6mSl 1<6p[el) A. Raubitschek, Dedications from the Athenian Acropolis (1949) Nr. 326; vgl. zh den Panathenäischen Amphoren J. D. Beazley AJA 47 (1943) 441-65; D. A. Amyx Hesperia 27 (1958) 178-86. Die ersten ,kleinen' Panathenäen werden auf Erichthonios zurückgeführt: Arist. Fr. 637; Marm. Par. FGrHist 239 A 10; Hellanikos FGrHist 323a F 2; Androtion FGrHist 324 F 2; Philochoros FGrHist 328 F 8; [Eratosth.] Cat. 13; Schol. PI. Parm. 127a; Harpokr., Phot., Suda nava6f}vala; seltener auf Theseus: Paus. 8, 2, 1; Plut. Thes. 24, 3. Regelung der Kleinen Panathenäen LS 33 (= IG lI/IlP 334 + Hesperia 28 [1959] 239) B 32-4. Verwiesen sei auf G. Lippold (1960) 148-51. Philochoros FGrHist 328 F 9 = Schol. Aristoph. Vesp. 544; Xen. Symp. 4, 17. Waffentänze der TIaiSes Aristoph. Nub. 988 m. Schol.; schwarze Gewänder der Epheben: Philostr. V. Soph.2, 1, 5 (Il 59 ed. Teubn.). Vgl. auch Kap. I 5 Anm. 7. LS 33 (0. Anm. 85) B 16; für 41 Minen lassen sich über 160 Kühe kaufen.
1. Panathenäen
175
Neues setzt ein: man beginnt lImit Sonnenaufgang", neues Feuer wird eingeholt und im Fackellauf vom Hain des Akademos zur Akropolis gebracht 89 • Ein Schiff auf Rädern begleitet den Zug, auf dem gleich einem Segel der jetzt fertiggestellte Peplos der Göttin zur Burg gebracht wurde90 • Die Ankunft des Neuen, die Ankunft der Göttin im Schiff, dies ist ein uraltes, über Jahrtausende zurückzuverfolgendes Motiv, das als Bild des ,Advents' noch in unseren Liedern klingt. Wie die Festreihe Arrhephoria-Skira-Buphonia auf die Panathenäen vorausweist und diese ihrerseits deren gegenläufige Entsprechung und Erfüllung sind, zeigt sich in einer Reihe von Einzelheiten. Schon die Wahl der Opfertiere ist nicht zufällig: nicht Ziege, nicht Widder, nicht Stier gehört zur großen Prozession, sondern Schafe und Rinder91 ; dazu tritt das stolze Pferd, unvergeßlich für den Betrachter der Parthenonskulpturen, nicht als Opfertier, sondern als lebendige Schnelligkeit und Kraft, Inbegriff präsenter Macht. Die jungen Männer, die Epheben, treten in den Vordergrund als die eigentlichen Träger der Polis. In den Peplos, den die inzwischen entlassenen Arrhephoren zu weben begonnen hatten, sind die Bilder vom Gigantenkampf eingewirkt9,2, triumphale Erinnerung an die Krise, für die Athena sich mit dem Fell der Gorgo-Ziege gewappnet hatte. Auch der Erichthonios- Mythos verklammert die beiden Ufer, zwischen denen der Abgrund der ,Auflösung' liegt: er erzählt vom Erichthonios-Kind, das den Kekropiden den Tod gebracht hat, und vom erwachsenen Erichthonios, der die Panathenäen gestiftet hat. Erichthonios erfand Wagen \ und Viergespann, hieß es, und fuhr darauf im ersten Panathenäenagon93 • Denn dies war die charakteristische, eigenartig~te Sportart an den Panathenäen: das Wagen89
90
91
92
93
Aristoph. Ran. 1090-8 m. Schol.; der letzte wird verprügelt. ncxvcx61')vcxlS 01<0:<1>1') IG II/IIP 3198 = SIG 894; Strattis Fr. 30 (CAF 1 719); Deubner (1932) 32-4; T. 39 Nr. 32; Himerios 47, 12-7. Zur Ankunft der Göttin im Schiff Burkert (1967) 295-6. Schol. B Il. 2, 550: 6tii\ecx Tfj • A61')vq: 6vovO'lv. Welchen Platz das Opfer der ,Stiere und Widder' an Erechtheus 11. 2, 550 im Panathenäenfest hat, ist unbekannt. Eur. Hek. 466-74 m. Schol.; Arist. Fr. 637; F. Vian, La guerre des ge an ts (1952) 251-3. Der Peplos wurde seit Einrichtung der Großen Panathenäen anscheinend nur alle 4 Jahre gewebt, Deubner (1932) 30; Davison JHS 78 (1958) 25-6; der Brauch selbst ist gewiß älter; vgl. auch die minoischen Siegelbilder ARW 7 (1904) 148. o. Anm. 84.
176
III. Auflösung und Neujahrsfest
rennen mit dem ,Apobates', dem Absprung des gewappneten Kriegers vom fahrenden Wagen94• So ergreift der Krieger, der König bei seinem ,Advent' Besitz von seinem Land. Erechtheus und Erichthonios sind offensichtlich nur zwei Varianten des gleichen Namens 95 ; Erechtheus allein wird im Kult gebraucht, als der ursprüngliche, wohl nichtgriechische Name. Erichthonios, der ,in besonderer Weise der Erde angehört', ist demgegenüber eine gräzisierte, um der Etymologie willen vielleicht in attischen Epen aufgekommene Neubildung. Der Mythos hat dann differenziert, indem er von der Geburt des Erichthonios, vom Tod des Erechtheus erzählt, und die Genealogen haben ausgeglichen, indem sie Erechtheus zu einem späteren König nach Erichthonios machten, der als der ,Erdgeborene' am Anfang stehen mußte. Im Festzyklus konfrontiert der letzte Jahresmonat das geheimnisvolle Kind mit dem Opfertod des Königs; die Panathenäen folgen als Inauguration des neuen Königs: Erechtheus ist tot, es lebe Erichthonios! Was an Arrhephoria, Skira, Buphonia sich auflöste, wird neu gefügt im Geburtstagsakt der Polis. Über dem Panathenäenzug, der sich um die Cella zieht, über den Kampfszenen der Metopen zeigen die Giebelfelder des Parthenon die Ephiphanie der Athena in und für Athen. Die Darstellung der Athena-Geburt im Ostgiebel, mit der Flucht des Axtträgers, blickt kaum zufällig nieder auf den Buphonienaltar96 • Der Streit Athenas und Poseidons ums attische Land97 , der vom Westgiebel her die Besucher der Akropolis als erstes grüßte, faßt ins Bild den gleichen Konflikt, den der Ritus um Ende und Anfang markiert und ausspielt. Zwei Kultmale98 geben dem Heiligtum, dem der Panathenäen94
95
96 97
98
Dion. HaI. 7,73,2-3; Harpokr. cmoßc(TT)S; Reisch RE I 2814-7; zu Bilddarstellungen Metzger (1951) 359-60; (1965) 71-2; schon auf spätgeometrischen attischen Amphoren, AA 78 (1963) 210-25; Philadelphia 30-33-133. - Die Athener weihten die Stelle, wo König Demetrios vom Wagen sprang, dem Zeus Kataibates, Plut. Demetr. 10. PR I 198; E. Ermatinger, Die attische Autochthonensage bis auf Euripides, Diss. Zürich 1897; Escher RE VI 404-11; 439-46; Erechtheus und Erichthonios auf einer attischen Schale (mit Beischriften), Berlin F 2537 = ARV 2 1268, F. Brommer, Charites E. Langlotz (1957) 152-3, T. 21. Zu Athenageburt und Rinderopfer Cook III (1940) 656-62. PR I 202-4; H. Bulle RML III 2861-6; Apollod. 3,177-9. Hdt. 8,55; Strabo p.396; Paus. 1, 24, 3; 26,5. J. M. Paton (ed.), The Erechtheum (1927) 104-10; N. M. Kontoleon, Tc 'Epex6el0v OOS OiKo66(..\T)(..\a x6ov{as ÄaTpe{as (Athen 1949).
1. Panathenäen
177
zug sich zubewegt, seine einmalige Weihe: das Stückchen ,Meer', der salzwassergefüllte Eindruck von Poseidons Dreizack, in die N ordhalle des Erechtheion einbezogen und doch unter freiem Himmel belassen, ein Ort für ,Opfergüsse'99, und der Ölbaum der Athena im Pandroseion, auf den das Erechtheion mit seinen Westwand-Fenstern herabzublicken scheint. ,Meer' und Ölbaum sind die Unterpfänder, die die beiden großen Götter als Machterweis ihrer Polis darbrachten. Poseidon ist nach dem Urteil des Kekrops oder des Zeus unterlegen, und doch gehört er, oder vielmehr Erechtheus, nicht minder zur Stadt Athen wie die Göttin Athena selbst. Poseidon ist im Ku1t mit Erechtheus identifiziert; der Mythos macht eine zeitlich-kausale Abfolge daraus: aus Zorn über seine Niederlage führt Poseidon seinen Sohn Eumolpos gegen Athen und bringt Erechtheus den Tod1oo. Die Entsprechung vom unterlegenen Poseidon und vom versinkenden Erechtheus ist auch so noch empfunden. Athena, erzählte man, hat ihrem Vater Zeus zum Dank für seine ihr günstige Entscheidung die Buphonia auf ihrer Burg eingerichtet101 : nochmals spiegelt sich so die Abfolge Skira-Buphonia. Der Mythos vom Wettstreit des Poseidon mit Athena ist also, gleichsam ins Olympische transponiert, eine Variation des Grundthemas, das aus ältester Tradition im ,Haus des Erechtheus' den Ton angibt: die Göttin neben dem, Ger als Gott oder Urkönig, als Opfer in der Tiefe wirkt. Zur Akropolis, zur ,hohen Burg' gehört das Stückchen Meer, das im Heiligtum aufgebrochen ist. Auch zu babylonischen Tempeln gehört ein Stückchen von ,Apsu', dem Ur-Ozean102, den sein Sohn Ea tötete, um darauf seinen Palast, seinen Tempel zu errichten. "Full fathom five thy father lies"103, scheint Ariels Lied um diese Tempel zu klingen; darüber wächst der immergrüne, Generationen überdauernde, Nahrung spendende Ölbaum der Göttin. 99
ßOIJOS TO 6vexo 1G 12 372, 79; 203; Theatersessel 1G lI/lIP 5026: 6VllXOOV.
Eur. Erechtheus; ein Vasenbild zeigt Poseidon mit Eumolpos gegen Athena und den Oelbaum heranreitend, L. Weidauer AK 12 (1969) 91-3, T. 41. 101 Hsch. LlIOS 6äKOl. 102 E. Dhorme, Les religions de Babylonie et d'Assyrie (1949) 32. Ein ,Meer'Bassin im Tempel zu J erusalem, 1. Kön. 7, 23-6, 2. Chron. 4, 2-6; XeXO"IJO unter dem Tempel von Hierapolis, Luk. Syr. Dea 13. 103 Shakespeare, Tempest I 2.
100
12 Burkert, Homo Necans
178
UI. Auflösung und Neujahrsfest
Exkurs: Das Troianische Pferd
Nach attischer TraditionlO~ ist Troia am 12. Skirophorion erobert worden, am Tag der Skira, während die Dorier ihr Sonderfest, die Karneen105, mit der Iliupersis assozüerten. Dies scheinen willkürliche Einfälle jenseits alles Wißbaren zu sein. Doch bedenkt man, daß die antiken Aitiologen immerhin von lebendiger Erfahrung ihrer Feste ausgehen konnten, wird man doch nach dem Sinn dieser kühnen Behauptungen fragen. In der Tat: die Skira sind ein Fest der ,Auflösung'. Die Stadtgöttin, der König entschwindet, dafür kommen die feindlichen N achbarn, die Eleusinier. Um ein Haar läßt der Mythos Athen erobert werden. Im Ritus ersteigen die eleusinischen Keryken tatsächlich die Akropolis, um dort das Stieropfer darzubringen, nachdem die Athenapriesterin die Burg in Richtung Eleusis verlassen hat. Wenn eine ,heilige Stadt' überhaupt zu erobern ist, dann in dieser Krisenperiode am Jahresende. Auch"Troia ist von Pallas Athene verlassen: Odysseus und Diomedes haben das Palladion106 entführt. Den Griechen aber, die Troia erobern, geht ein merkwürdiges Tier voran, ein Opfertier für Athena, von der Göttin selbst geschaffen: das Hölzerne Pferd. Die Troianer selbst brechen die Bresche in ihre Mauer, um das Tier der Göttin auf ihrer Akropolis zu weihen107 • Ja ein Priester tritt an das Pferd heran und stößt ihm eine Lanze in die Seite, Laokoon108 , der freilich für diesen Akt sogleich aufs schrecklichste büßen muß. Allgemeiner Festschmaus schließt sich, desungeachtet, an, der bis in die Nacht dauert. Da entsteigen den geöffneten Seiten des Pferds die Krieger, die die wehrlosen Feiernden töten. 104
105
106
107
108
Clem. Strom. 1, 104. Daes diesen Monat nur in Athen gibt (RE lIlA 547; inder Kleruchie Lemnos: ASAA 3/5 [1941/3] 76), muß attische Tradition vorliegen. Offenbar schon Alkman 52 Page; Demetrios von Skepsis Schol. Theokr. 5, 82b vgl. d; die Karneen werden mit der dorischen Landnahme assozüert (Schol. Theokr. 5, 82bc u. a.), auch mit der Gründung Kyrenes (Kallim. hy. 2, 65-96); vgl. im übrigen Nilsson (1906) 118-29. Zum Datum von Troias Zerstörung PR II 1288-9. F. Chavannes, De Palladii raptu, Diss. Berlin 1891; PR II 1225-7; 1233-7 L. Ziehen RE XVIII 2, 171-89. PR U 1227-30; 1237-54; neue Fragmente aus Stesichoros' IHu Persis in Pap. Ox. 2619, M. L. West ZPE 4 (1969) 135-42, mit Schilderung der Aufnahme des Pferdes in Troia, 1TPOS vaov ES eXKp[61TO]i\lV, ... ayvov ayai\j.la 6e5:s ii 6; 10. PR Il 1246-52; Verg. Aen. 2,50-6; vgl. Od. 8, 507.
1. Exkurs: Das Troianische Pferd
179
Seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. hat man das hölzerne Pferd auf Rädern dargestelltl° 9 ; es ist dies eines der glanzvollsten Themen der mündlich-epischen Tradition, an phantastischer Eindringlichkeit und technischer Unmöglichkeit - der Flucht des Odysseus unterm Widder durchaus vergleichbar. Es gibt aber Relikte anderer Versionen: Odysseus selbst wird nach apokryphen Traditionen in ein Pferd verwandelt110 ; und dies si€ht aus, als sei der lTTOAl1rOpeOS, der Zerstörer Troias, eben mit dem troianischen Pferd selbst identisch. Odysseus findet seinen Tod~ indem sein Sohn Telegonos ihn mit einer hochaltertümlichen Lanze jungpaläolithischen Typs ersticht den ins Pferd verwandelten, sagt eine Fassung111 • Hier wird deutlich ein Pferdeopfer erzählt, in dem das Tier mit einer Lanze getötet wird. Eben diese Form des Opfers ist in Rom Brauch, beim Opfer des Equus October1l2, dessen auffallende Züge die Religionswissenschaft seit langem faszinieren. Kaum Beachtung aber hat man dem mythischen Aition für dieses Opfer geschenkt, das immerhin bereits durch Timaios bezeugt ist: Dieses Erstechen des Pferdes sei die Rache der Troianer-Abkömmlinge dafür, daß Troia durch ein Pferd zugrunde ging. Was immer an realen Beziehungen hinter der alten 109
110 111
112
12*
R. Hampe, Frühe griechische Sagenbilder in Böotien (1936) T. 2; Schefold (1964) T.6a. Sextus Math. 1, 264; 267; Ptolemaios Chennos Phot. BibI. 150a16. Servo auct. Aen. 2, 44; zur Lanze des Telegonos Schol. HQ Od.11, 134; Eust. 1676, 45; Burkert (1967) 285-6; A. Hartmann, Untersuchungen über die Sagen vom Tod des Odysseus (1917). Ed. Meyer (Hermes 30, 1895, 263) sah, daß die Pferdeverwandlung mit dem pferdegestaltigen Poseidon Arkadiens (Paus. 8, 25, 5) zusammenhängt; auf der Akropolis von Pheneos wurde Poseidon Hippios und Athena Tritonia verehrt, beim Heiligtum der Artemis Heurippa gab es eine Pferdeherde, angeblich von Odysseus gestiftet, Paus .. 8, 14, 4-6, dazu Münzen HN2 452. F. Schachermeyr, Poseidon und die Entstehung des griechischen Götterglaubens (1950) 189-203 sieht im Troianisehen Pferd = Poseidon den Gott des Erdbebens, das Troia VI zerstörte; solche Naturallegorie erklärt nicht die rituellen Einzelheiten im Mythos. Timaios FGrHist 566 F 36 = Polyb. 12, 4b; die Beziehung zum Equus October ist gesichert durch die aitiologische Herleitung vom Troianischen Pferd, an die noch in Verrius' Zeiten das ,vulgus' glaubte, Festus 178/81 M.; Polybios polemisiert dagegen mit dem Hinweis, daß es bei vielen Barbaren, die nichts mit Troia zu tun hätten, Pferdeopfer gebe, und zwar zu Beginn eines Feldzuges; fälschlich schließt hieraus U. Scholz, Studien zum altitalischen und altrömischen Marskult und Marsmythos (1970) 89-91, Timaios spreche gleichfalls von einem Opfer vor dem Feldzug, im Frühjahr, nicht vom October equus. Vgl. auch o. Kap. I 7 Anm. 48. - Beim Taurobolion wird der Stier mit einem Speer getötet, Prud. Peristeph.10, 1027.
180
IU. Auflösung und Neujahrsfest
Troia-Tradition bei Etruskern und Römern steht113, daß man das Opfer des gespeerten Pferdes114 mit dem Untergang Troias am verhängnisvollen Pferdefest ver band, zeugt von tieferem Verstehen; während im literarischen Epos, durch die generationenlange Erzählkunst der Sänger, das Kultische sich in den mechanischen Trick verwandelt hat, blieb doch unterschwellig eine Ahnung von dem, was einmal, vielleicht sogar in Troia-llion, als ,Auflösungsopfer' mit dem Erstechen des Pferdes vollzogen wurde. Wie der dem Pferd Entstiegene die Macht ergreift, schildert ja auch die bekannte Gyges-Sage115 ; ihm enthüllt sich, in Verkehrung aller Sitte, die Königin, sie hilft ihm den König zu töten und die Macht an sich zu reißen; sie ist offenbar die Hypostase der göttlichen Liebhaberin des Königs, die die Griechen Aphrodite nannten; von der Verehrung der vergöttlichten ,Hetäre' des Gyges wußten die Griechen noch zu erzählen116 • In Abydos bestand gar ein Heiligtum von ,Aphrodite der Hure'117, die doch ihre Ehre und ihr Fest hatte. Man erzählte dazu, wie einst die Stadt von bösen Zwingherren befreit wurde: diese brachten ein Opfer dar, schmausten, betranken sich und schliefen mit ihren Hetären; da öffnete eine von ihnen die Tore, die bewaffneten Bürger drangen ein und machten die Wehrlosen nieder. Indem Aphrodite an ihrem Fest Ordnung und Sitte auflöst, können diese e contrario eben dadurch neu begründet werden. In eben diesem Schema haben sich die Zeitgenossen alsbald den Staatsstreich des Pelopidas, die Ermordung der spartahörigen Regierung Thebens im Jahr 379 erzäh1t118 : die Polemarchen feierten AphroA. Alföldi, Die troianischen Urahnen der Römer (1957) hat gezeigt, daß die Tradition mindestens ins 5. Jh. v. Chr. zurückgeht. 114 Die Griechen haben später gelegentlich Sovpe1oS hnros mit , Speer' assoziiert, Eur. Tro. 14; doch im ältesten literarischen Zeugnis, Od. 8, 493; 512 ist die Vorstellung vom ,Hölzernen Pferd' längst fixiert. 116 PI. Resp. 359c-60b, dazu W. Fauth RhM 113 (1970) 1-42; das Pferd der Gygessage ist mit dem Troianischen Pferd zusammengestellt von P. M. Schuhl RA 7 (1936) 1,83-8; G. M. A. Hanfmann HSCPh 63 (1958) 76-79; Fauth 22. Vgl. auch G. Dumezil, Le probleme des Centaurs (1929) 274; N. Yalouris MH 7 (1950) 65-78. 116 über 'ETa{PTlS ~.lVfllJa Klearchos Fr. 29 Wehrli=Ath. 573a; Strabo 13p. 627; Fauth 38; vgl. auch W. Fauth, Aphrodite Parakyptusa, Abh. Mainz 1966, 6. 117 Neanthes FGrHist 84 F 9 = Ath. 572ef. Aphrodite 'ETa{pa in Ephesos Ath. 572e; in Athen: Hsch. Phot. 'ETa{pas tepov. 118 Xen. Hell. 5, 4, 4-6; nicht bei Plut. Pelop. 19, Gen. Socr. 577c; darum ist kontrovers, ob das Thebanische Aphroditefest historisch ist, ob es sich 113
2. Argos und Argeiphontes
181
disia zum Abschluß ihres Amtes; im Gewande von Hetären aber ließen sich die Verschwörer einschmuggeln, die dann, sich entschleiernd, die Ahnungslosen niederstießen. Xenophon erwähnt kurz eine andere, realistischere Tradition, gibt aber den Vorzug der mythischen Version, die die erschütternde Peripetie in den Rahmen des ,Auflösungsfestes' stellt. Besonders merkwürdig ist die Sage, die die Gründung von Erythrai durch Knopos, Sohn des Kodros, in Form einer Eroberung erzählt119 : Knopos hat eine Hekatepriesterin aus Thessalien mitgeführt, die angesichts der Feinde, der bisherigen Erythräer, ein Stieropfer bereitet. Die Hörner des Tieres werden vergoldet, er wird mit Binden geschmückt und zum Altar geführt. Doch hat man ihm ein Wahnsinn erregendes Mittel eingegeben: Plötzlich reißt der Stier sich los und rennt, laut brüllend, hinüber zu den Feinden. Sie fangen ihn ein und opfern ihn ihrerseits, sie halten den Festschmaus mit seinem Fleisch. Da werden sie alle vom Wahnsinn erfaßt, und sie fallen nun leicht den angreifenden Kodriden zur Beute. Die Opferer und Esser müssen den Enthaltsamen, den Aggressiven unterliegen. Die Opfer-Verschuldung bedeutet Ende und Untergang - der anderen, über die man den Sieg der jeweils eigenen Ordnung triumphieren läßt.
2. Argos und Argeiphontes Nirgends in Griechenland ist unsere Überlieferung so ausführlich wie in Athen; für die anderen Städte haben wir oft nur winzige, verstreute Hinweise auf Kulttatsachen und daneben die literarisch, panhellenisch gewordenen Mythen. Doch lassen sich auch Fragmente auf Grund der vollständiger erhaltenen Muster beurteilen und ein-
119
um eine ,Privatfeier' oder festen Brauch handelt, vgl. Nilsson (1906) 374-7. Plut. Comp. Cim. et Luc. 1 •A
182
III. Auflösung und Neujahrsfest
ordnen. Der Rhythmus von Auflösung und Neubeginn, der in Athen von den Arrhephoria über Skira und Buphonia bis zu den Panathenäen führt, ist alles andere als singulär. Im Grunde ist es ja die Abfolge des ,normalen' Opfers, die darin in gewaltiger Vergrößerung erscheint, in der Reihe von vorbereitendem Mädchendrama, unheimlichem Stieropfer und krönendem Festschmaus in den ,Hekatomben' des Neujahrsfestes. Der gleiche Festesrhythmus ist an vielen anderen Orten, in den Kulten anderer Stadtgottheiten erkennbar. Gewiß ist mit Spielarten, lokalen Varianten und Überlagerungen zu rechnen; doch die Grundstrukturen erweisen sich immer wieder als analog, und oft stimmen auch Einzelheiten in frappanter Weise zueinander. Besonders aufschlußreich sind die Mythen, die ja die älteste literarische Tradition repräsentieren; sie werden durchsichtig, wenn man in ihren Peripetien die Opferstationen erkennt, durch die sie gegliedert sind. Die Stadt Argos! ist in der griechischen Geschichte durch die Übermacht Spartas in eine Nebenrolle gedrängt worden, während Athen ihre kulturelle Bedeutung verdunkelt hat. So steht der mächtigen Entfaltung von der geometrischen bis zur archaischen Epoche Stagnation und Dauerkrise in der historischen Zeit gegenüber. Im homerischen Epos heißen die Griechen schlechthin ,Argeier , oder ,Danaer', und die griechischen Mythen konzentrieren sich in besonderer Dichte auf die Argolis. Drei mykenische Königsburgen standen hier nahe beisammen, Mykene, Tiryns, und die Larisa von Argos; doch selbst noch ältere, neolithische Traditionen haben ihre Spuren hinterlassen. Eine bedeutende Siedlung war Lerna2 , das vielleicht einen altanatolischen Namen trägt, Stätte der Mythen und Mysterien; eine andere neolithische Siedlung lag an dem Hügel, wo in griechischer Zeit das Hauptheiligtum der Landschaft Argolis war, 45 Stadien von Argos entfernt, näher bei Mykene gelegen: das Heraion3 , das maßgebende Heiligtum der Göttin Hera schon bei Homer; ,Hera die Argiverin' heißt die Göttin, wie Pallas zu Athen gehört, ftHpll ' Apye11l wie ncxAA6:s ' A61lvcx{1l. 1
2
3
M. Mitsos, noi\lTlKT] ta-ropia TOV "Apyovs (1945); •ApYOi\lKT] TTpoO'umoypacp{a (1952). J. L. Caskey Hesperia 23 (1954) 3-30; 24 (1965) 25-49; 25 (1966) 147-77; 26 (1967) 142-62; 27 (1968) 125-44; 28 (1969) 202-7. Ch. Waldstein, The Argive Heraeum I/II (1902/5). C. W. BIegen, Prosymna. The Helladic settlement preceding the Argive Heraeum (1937). A. Frickenhaus, Tiryns I (1912) 114-20.
2. Argos und Argeiphontes
183
,Hekatombaia' so gut wie ,Heraia' heißt das Hauptfest dieses Heiligtums4, das zugleich eines der ganz großen Feste der Stadt Argos ist. Das Bild der Opferprozession, die da von Argos hinaus zum Heiligtum sich bewegte, mit der Herapriesterin auf ihrem altertümlichen Ochsenwagen, ist uns vertraut durch die Erzählung von Kleobis und Biton, die an Stelle der Rinder ihre Mutter, die Priesterin, zum Tempel zogen5 • Durch die Weihung der Kouroi nach Delphi wurde schon um 600 dieses Beispiel argivischer Frömmigkeit der griechischen Welt vor Augen gestellt. Auch einen Peplos haben argivische Mädchen für Hera gewoben, wie wir aus Kallimachos erfahren6 ; die Überreichung dieses Peplos fügt sich in das Fest der Hekatombaia-Heraia ein. Zur Opferprozession tritt, wiederum wie in Athen, der Agon; er findet im Bereich der Stadt selbst statt. Pindar erwähnt ihn einige Male, wenn er auch nicht zur Spitzengruppe der panhellenischen Agone aufstieg. Der Preis besteht in ,Erz', in einem ehernen Schild7 • Dies verbindet den Agon mit der Prozession, bei der ein ,heiliger Schild' mitgetragen wurde: "Diejenigen, die ihre Knabenzeit rein und unverdorben bewahrt haben, übernehmen einen heiligen Schild und führen so die Prozession an: dies ist ihre Ehre"8. Die Knabenzeit liegt hinter ihnen, jetzt kommt die Zeit des Waffentragens: so markiert die Prozession 4
6
6
7
8
Schol. Pi. Nem. 10 inscr.; Schol. Pi. 01. 7, 152cd; Schol. Pi. 01. 9, 132a; Schol. Pi. Py. 8, 113c; Schol. Pi. Nem. 10, 35; 39. Nilsson (1906) 42-5. A. Boethius, Der argivische Kalender, Uppsala Universitets Arsskrift 1922, 1 konnte wahrscheinlich machen, daß die Heraia in den Monat Panamos fielen (66); daß dies der erste Monat des Jahres war, zeigt überraschend eine Inschrift, P. Charneux BCH 81 (1957) 200; 82 (1958) 7. Hdt. 1, 31; die Statuen: Lippold (1950) 25; SIG 5; vgl. Paus. 2, 20, 3; Münzen: Imhoof-Blumer (1885) 37; T. K XXXIV; M. Guarducci Studi U. E. Paoli (1955) 365-76. Vgl. auch Palaiphatos 51 und Aen. Tact. 17. Kallim. Fr. 66; Agias und Derkylos FGrHist 305 F 4. Demetrios Poliorketes feierte Hochzeit an den Heraia, Plut. Dem. 25. Ö T' EV "ApYEl XCXAKOS Pi. 01. 7, 83; ayoov 6 XO:AKEOS Sä~ov OTPVVEI lTOTl ßov6vO'{cxv "HpcxS ae6AOOv TE Kp{O'lV Pi. Nem. 10, 22-3; Schol. Pi. 01. 7, 152 vgl. Schol. Pi. Nem. 10,39; König Nikokreon stiftete Erz, Kaibel Epigr. 846 = IG IV 583; im Stadion an der Aspis, Paus. 2,24,2; Myrtenkranz Schol. Pi. 01. 7, 152c; Münzen Imhoof-Blumer (1885) 41, mit Schild und Kranz; Sieger-Inschriften: TTjV E~ .,ApyovS aO'lT{Scx I G II/IIP 3162; 3169; 3158; IV 589; 590; 591; 597; 611; V 1,658; VII 49; XIV 739; 746; 747; 1102; 1112; SIG 1064,9. In der Kaiserzeit wurden auch die Nemeen in Argos gefeiert, Paus. 2, 24, 2 und die Münze Imhoof-Blumer (1885) 33 mit der Aufschrift NEMEIA HPAIA. Plut. 1, 44 (Paroemiogr. Gr. I 327) r-..J Zenob. 2, 3 (132); Diog. 1, 92 (I 195): Apostol. 3, 27 (11 292); Diog. 1, 53 (11 9); Makar. 8, 23 (11 217).
184
III. Auflösung und Neujahrsfest
des Festes die Initiation der waffenfähigen Epheben, die auch im Agon sich vollzieht. Wo dieser Schild aufbewahrt und für die Prozession ,heruntergenommen' wurde, ist unbekannt; nur daß er der Hera heilig war, steht fest. Sprichwörtlich war die Redensart: "stolz wie einer, der den Schild in Argos abgenommen hat"9. Ein Mythos erzählt, Lynkeus habe diesen Schild seinem Sohn Abas übergeben, als dieser ihm den Tod des Danaos gemeldet habe1o : damit wurde Lynkeus König von Argos, gestützt auf die gewappnete Jungmannschaft. Der neue König nach dem Tode des alten, die Schildübergabe an den Sohn, dies ist die Situation des Neujahrsfestes, die die Heraia mit den Panathenäen gemeinsam haben; die Namensgleichheit HekatombaiaHekatombaion ist kein Zufall. Der Mythos macht Lynkeus' Gattin Hypermestra zur Herapriesterinl l : die Neuordnung der Polis Argos steht im Machtbereich der Hera Argeia. Wenn die Heraia ein Neujahrsfest sind, müßte auch ein Fest der ,Auflösung', vielleicht ein Stieropfer, vorausgegangen sein. Davon sprechen in Argos allenfalls Andeutungen: Pausanias nennt ein ,Wasser Eleutherion' beim Weg ins Heraheiligtum, das die Priesterinnen dort "für Reinigungsopfer und für die geheimen unter den Opfern verwenden"12; es gab also ,unsagbare' Opfer, für die von dieser bestimmten Quelle Wasser heraufzutragen war. Varro erwähnt einen argivischen Heros, der dem attischen ,Ochsenanschirrer' , Buzyges, entspreche, mit dem Namen ol-l0yvPO$, ,der mit im Kreis geht'13; man wird an das ,Herumtreiben' der Buphonienstiere um den Altar des Zeus erinnert, zumal Buzyge und Ochsenopfer ihrerseits aufeinander bezogen sind. Aber angesichts der Vielzahl paralleler Kulte in einer Polis ist keine Kombination zu sichern. Weiter aber führt der Mythos. Wie die attischen Buphonia als ein Ur-Verbrechen geschildert werden, 9
10
Zenob. 6, 52 (I 175) = Bodl. 959, Suda 00 245. - Auch der Schild des Euphorbos wurde im Heraion gezeigt, Paus. 2, 17, 3, Nikomachos Porph. V. Pyth. 27 = Iambl. V. Pyth. 63. Hygin. fab. 170 clipeum quem Danaus consecraverat Iunoni ... refixit et donavit Abanti ludosque consecravit qui quinta quoque anno aguntur, qui appellantur a(jnis ev Apyel (also Ursprungsmythos des Heraia-Agons; fehlt bei Nilsson [1906] 42-5); ähnlich Hygin. fab. 273. Vgl. Servo auct. Aen. 3,286. Euseb. Hieron. a. Abr. 582, nach Hellanikos, Jacoby FGrHist I a 455. Paus. 2, 17, 1. - Unsicher ist, ob das Bad der Hera in der Quelle Kanathos, das sie wieder zur Jungfrau macht (Paus. 2, 38,,2-3; Hpcx TTcxp6ev{cx Schol. Pi. 01. 6, 149g), zum Heraion gehört; Hera Akreia in Argos: Agias und Derkylos FGrHist 305 F 4, Kallim. Fr. 65, Paus. 2, 24, 1. Varro bei Aug. civ.18, 6; r. r. 2, 5, 4. N
11 12
fI
13
2. Argos und Argeiphontes
185
das eine ,goldene', vegetarische Zeit beendete, so weiß auch der argivische Mythos von einem Ur-Verbrechen, von dem ersten Mord, der unter Göttern geschah: es ist die Tötung des Argos durch Hermes, Argos, der 10, die Geliebte des Zeus, in eine Kuh verwandelt, im Heiligtum der Hera hütete14• Zum Heraion also gehörte diese epochemachende Gewalttat. "Als Hermes auf Befehl des Zeus den Argos, den Wächter der 10, getötet hatte, wurde ihm der Prozeß gemacht. Hera und die anderen Götter stellten ihn vor Gericht, weil er als erster von den Göttern die Befleckung des Todes auf sich geladen hatte. Als die Götter nun zu Gericht saßen, da scheuten sie sich vor Zeus, da doch Hermes seinem Befehl unterstellt gewesen war; zugleich wollten sie die Befleckung von sich abschieben und den Gott vom Mord freisprechen: erregt wie sie waren, warfen sie gegen ihn die Stimmst eine, und so wurde vor den Füßen des Hermes ein Steinhaufen aufgetürmt" - so Antikleides nach Xanthos dem Lyder15• Der Töter wird frei durch die symbolische Steinigung; die primitiven Steinhaufen, in denen Hermes zugegen ist, zeugen von dem ersten Blutvergießen und seiner Überwindung16• Hermes ist der Erfinder des Opfers auch im homerischen Hermeshymnos, wo er ßov
14
186
In. Auflösung und Neujahrsfest
doch vor allem davon, daß die ,Argostötung'als geringfügig und nebensächlich genommen wird. Der Mythos gibt dieser Tat eine andere Dimension: das erste göttliche Blutvergießen, das erste Opfer also, umgeben von einer typischen, Unschuldskomödie' mit Gericht, Verurteilung, scheinbarer Steinigung. Auf Tenedos, beim Opfer eines Kalbs zu Ehren des Dionysos Anthroporrhaistes, werfen die Beteiligten auf den, der getötet hat, mit Steinen, "um die Befleckung von sich abzuschieben"19; Aischylos' Metapher vom e0l-lcx ÄevO"lI..lOV, dem "Opfer, das Steinigung nach sich zieht", läßt ahnen, daß derartiges häufiger war20 . Vor allem erinnert die Gerichtskomödie an die attischen Buphonia. Dort, in Athen, sind es die Nachkommen des Hermes, die eleusinischen Keryken, die den Stier töten. Entsprechend spiegelt die Tat des Hermes Argeiphontes, des ,Töters in Argos' , ein argivisches Buphonienritual. Tatsächlich hat der Mythos Argos, den ,Rinderhirten', dem Stier so weit wie möglich angenähert: "Argos hatte den Stier getötet, der Arkadien verwüstete, und bekleidete sich mit dessen Haut"21. Angetan mit der Stierhaut zeigen ihn mehrere Vasenbilder. Der Besieger des Stiers wird, mit der Haut des Opfers umhüllt, gleichsam selbst zum Stier, um dann vom ,ochsenmör der , Hermes eingeschläfert und zu Tode gebracht zu werden, durch einen Steinwurf, wie der Mythos sagt 22 , so daß die folgende Steinigung Gleiches mit Gleichem vergalt; zum Stieropfer gehört die Axt, die die Steinaxt fortsetzt. Durch den lo-Mythos steht die Tat des Hermes wiederum im Zusammenhang eines vorbereitenden Mädchendramas. Die Königstochter 10, die Geliebte des Zeus, ist im Machtbereich der Hera eingeschlossen, im Heraion von Argos bewacht, an den heiligen Ölbaum gefesselt23 . Mit dem Tod des Argos zerreißen diese Bande: hinaus in
19 20 21
22 23
keiten (vgl. A'iOAOS zu AioAEis), wohl aber die Wortbildung. Vielleicht geht das epische Beiwort vom Lokativ (Il. 6, 224; 14, 119; Od. 4, 174) aus, ,in Argos glänzend', dann der ,Mörder in Argos'. Seit der Ilias ist das Hinterglied sicher als ,Täter' verstanden (wie avSpElcpOVTflS, nOAVcpOVTflS). Ael. nato an. 12, 34; U. Kap. In 4 Anm. 20. Aisch. Ag. 1118; Burkert (1966) 119. Apollod. 2, 4; Schol. Eur. Phoin. 1116; Vasenbilder mit Argos in Stierhaut: sf. Amphora BM B 164 = ABV 148, 2, Cook In (1940) 632; rf. Hydria Boston 08. 417 = ARV 2 579, 84, Cook In 633; rf. Krater Ruvo, J atta 1498 = ARV2 1409, 9, Cook I (1914) 460; Katalog der Argos-Darstellungen: R. Engelmann JdI18 (1903) 37-58. Apollod. 2, 7. Apollod. 2, 6; Plin. n. h. 16, 239; vgl. sf. Amphora München 573 J. = Cook
2. Argos und Argeiphontes
187
die Weite flieht die Kuh, vom Stachel der Bremse in alle Fernen gehetzt. Eine doppelte Realität des Kultes scheint hinter dem Spiel des Mythos mit Königstochter und Kuhgestalt zu stehen: 10 ist Herapriesterin, wie schon in Hesiods Katalogen stand. Die Priesterin hat ihren Platz im Heiligtum, sie wacht dort über die immer brennende Lampe 24 - auch dies eine Gemeinsamkeit von Heraion und Erechtheion -. Doch wenn beim Fest der Heraia die Priesterin in feierlichem Zug von Argos zum Heiligtum geleitet wird, hat sie dieses vorher verlassen, in einem Akt der ,Auflösung'; ist auch die Lampe so lange erloschen? Schärfer, drastischer wird das Drama auf der TierEbene durchgespielt: wie der Stier im ,unsagbaren Opfer' fällt, werden die Kühe seiner Herde herrenlos; von den ,Rindern des Argos', die ,der Hera heilig waren', erzählte man in Argos, ,Euboia' aber hieß der Hügel, an dem das Heraion lag25 ;.sie sind ,freigelassen', um fürs Opfer eingefangen zu werden. Beim Tod des Stieres wird - so ist aus dem Mythos zu schließen - eine Kuh ,wie wahnsinnig' davongejagt. Dem Fest der Hekatompen freilich entgehen auch die angeblich wilden Kühe nicht. Die Prozession der Heraia antwortet auf das Stieropfer der ,Auflösung' noch in besonderer Weise durch ihre charakteristische Eigentümlichkeit, das Tragen des heiligen Schildes. Zwar handelt es sich in historischer Zeit, wie Pindar bezeugt, zumindest bei den im Agon gewonnenen Schilden um Bronzeschilde, um Hoplitenschilde des Typs, wie sie seit etwa 700 v. ehr. üblich sind. Das Ältere aber ist der große Schild aus Stierhaut, der mit dieser seiner Herkunft vom Rind so unmittelbar verbunden war, daß in einem auch sprachlich sehr altertümlichen Homervers der Schild einfach mit dem indogermanischen Wort für ,Rind' bezeichnet wird: ßOOV26 • Das Rind muß getötet werden, will man den Schild gewinnen; eben in dieser Gestalt aber, als
24 25
26
III T. 49, 1; rf. Stamnos Wien 3729 = ARV 2 288, 1, Cook III T. 49, 2. -10 war Priesterin der Hera, Hes. Fr. 124 M.-W. = ApolIod. 2, 5; 1
188
111. Auflösung und Neujahrsfest
aufgespannte Haut, führt der ßoOS eine neue Existenz, wird verläßlichster Kampfgenosse des Kriegers, schützende Haut vor der eigenen Haut. So sichert der tote Stier den Lebenden; so tritt der dem Knabenalter Entwachsene, indem er den Schild aufhebt, in den Schatten und den Schutz des Toten. Der gewappnete Krieger ist insofern selbst in der Rolle jenes Argos, der den Stier erlegte, um sich dessen Haut umzulegen. Argos der Rinderhirt ist damit in gewisser Weise Verkörperung von Macht und Ordnung von Argos der Stadt: der Herr der Herde, der Herr der Landschaft, der den Namen eben dieser Landschaft selber trägt. Der Mythos macht Argos zum Gegenspieler des Zeus; daß er bei alle dem diesem Zeus selbst ganz eng angenähert wird, hat man seit langem gesehen 27 : Argos heißt Panoptes, der "alles sieht", ebenso wie Zeus, der allwissende Himmelsgott, als Zeus Panoptes angerufen wird; Mythographen beschreiben Argos mit 4 Augen, oder auch mit 3 Augen, so wie es ein Zeusbild mit 3 Augen gerade in Argos gab 28 . Ein Bild des Alls sehen die Dichter in den unzählig vielen Sternaugen des Argos29, wie Zeus das All ist. Die DoppeIgesichtigkeit des Argos erinnert zudem an Mythen von Doppelwesen, die getötet, zerschnitten werden mußten, damit diese unsere Welt entstehen konnte3o • Argos ist, im Rahmen der Stadt Argos, geradezu Verkörperung des ,Kosmos" der umgreifenden Ordnung. Eben um zu bestehen, muß diese Ordnung durch den Tod besiegelt sein; sie wird aufgelöst um der neuen Begründung willen. Argos wird getötet, im ,unsagbaren' 27 PR I 396,1, kritisch Ed. Meyer, Forsch. z. alten Gesch. I (1892) 72; 6) Ze\i TICXVOTITCX Aisch. Eum. 1045. Altar ilIFO:L TTANOTITA in Argos BCH 33 (1909) 445. Cook I (1914) 457-62; 111 (1940) 631. 28 Argos mit 4 Augen: [Hesiod] Aigimios Fr. 294 M.-W.; doppelköpfig auf Vasenbildern, sf. Amphora BM B 164 (0. Anm.. 21), Glockenkrater aus Ruvo, Genua 1145 = ARV2 1054, 48, Cook 11 (1925) 380. - Marduk hat 4 Augen und 4 Ohren: Enuma Elis ANET 62. - Argos mit 3 Augen: Pherekydes FGrHist 3 F 66 (das dritte am Hinterkopf). Zeus mit 3 Augen (das dritte auf der Stirn), angeblich der Zeus Herkeios des Priamos, im Tempel des Zeus Larisaios in Argos: Paus. 2, 24, 3. 29 Eur. Phoin. 1116-7 TCx lJeV cruv CXO"TPOOV E1TlToi\cxicrlV ÖIJIJCXTCX ßi\ETIOVTCX TCx Se l
Wenn Verrius (Festus 52 M.) und Ovid fast. 1, 103-14 Ianus dem dann geteilten Chaos gleichsetzen, wenden sie auf Ianus eine kosmogonische Idee an, die schon hinter der Anthropogonie in Platons Symposion (189d-193d) steht. Im Neujahrsfest von Philadelphia tritt als Doppelkopfmaske ,Saturnus' auf, Repräsentant der ,Auflösungsperiode' vor dem Neuanfang, Lydos mens. 4, 2 p. 65 Wuensch.
3. Agrionia
189
Opfer des Stiers, damit die jungen Krieger den ,heiligen' Schild auf ihre Schultern laden können und so die Ordnung der Stadt weitertragen, in die Zukunft hinein wie Aeneas, attollens umeris famamque et fata nepotum31 •
3. Agrionia Im Mythos von Argos ist der Tod des Argos der Anlaß, daß 10, die Königstochter, als wahnsinnige Kuh in die Ferne gehetzt wird. Königstöchter, die in ihrem Wahn gleich Kühen durch die Wälder und Berge irren, sind erst recht bekannt durch den Mythos aus Argos' unmittelbarer Nachbarschaft, aus Tiryns, wo König Proitos herrschte. Auch hier wirkt Hera, Hera von Tiryns, deren kleine Sitzstatue aus Birnbaumholz als eines der ältesten, ehrwürdigsten griechischen Götterbilder galt; als Argos Tiryns zerstörte, wurde das Bild ins argivische Heraion überführt, wo es noch Pausanias auf einer Säule aufgestellt sah. "Unbedeutend" erschien es dem Periegeten1 , und schon im 5. Jahrhundert hatte man so empfunden, als man erzählte, Proitos' Töchter hätten dieses armselige Bild verspottet und sich so den Zorn der Göttin zugezogen2 • Auch andere Motive für den Zorn Heras waren denkbar; jedenfalls war es die Begegnung mit Hera in ihrem Heiligtum, die die tirynthischen Königstöchter jäh aus ihrem wohlbehüteten Dasein riß. "Umherschweifenden Wahnsinn" (i]AocruVll) erregte die Göttin in ihnen, erzählten die hesiodischen Kataloge3 , 31
Vergil Aen. 8, 731.
Paus. 2, 17, 5; 8, 46, 3. Zu diesem Bild Akusilaos FGrHist 2 F 28; Demetrios vonArgos FGrHist 304 F1; Si mon (1969) 320,29. Daß das Bild aus Birnbaumholz bestand, hängt wohl mit dem Fest der ,Birnenwerfer' und dem Mythos von der Birne als erster Nahrung nach der Sintflut zusammen, Plut. q. Gr. 303ab. - Zu Tiryns gehörte ein Heros Argos mit einem heiligen Hain Argos, Hdt.6, 75-80; Argos als Stifter des Herabildes bei Demetrios FGrHist 304 F 1. - Vgl. A. Frickenhaus, Tiryns (1912) T. 2; F. Oelmann Bonn. Jbb. 157 (1957) 18; T. 1, 3/4. 2 Akusilaos von Argos FGrHist 2 F 28; vgl. Bacch. 11,40-58; 82-112; nach Servo auct. Buc. 6,48 haben sie das Gold der Herain eigenen Gebrauch genommen, d. h. wohl, sich selbst wie Hera geschmückt. In Athen fiel Goldschmuck der Arrhephoren der Göttin anheim, Harpokr. apPTl<popeiv. 3 Hes. Fr. 37, 10-15 vgl. Fr. 130-3 M.-W.; J. Schwartz, Pseudo-Hesiodeia (1960) 369-77; 545-8; vgl. PR II 246-252; F. Vian, Melampous et les Proitides, REA 67 (1965) 25-30. 1
190
III. Auflösung und Neujahrsfest
sie brachen aus Heiligtum und Stadt aus und irrten über die ganze Erde hin; von "aller möglichen Unschicklichkeit"4 sprach man, von schamloser Entblößung, und von ihrem Wahn, daß sie sich für Kühe hielten und muhend die Peloponnes durchzogen 6 • Die älteste Quelle, die Kataloge6 , geben ein etwas anderes Bild: "um ihrer häßlichen Lüsternheit willen vernichtete die Göttin ihre zarte Jugendblüte": "Über den Kopf ergoß sie ihnen gräßlichen Aussatz, weißes Ekzem überzog die ganze Haut, die Haare waren ausgefallen vom Kopf, kahl waren ihre schönen Häupter". Sexuelle Gier und Widerlichkeit wie von Krankheit und Alter: es ist die radikale Antithese zum Bild der lieblichen, sittsamen Jungfrau, das Bild vom Hexensabbath. Vergleichbar ist der Mythos von Pandareos' Töchtern, auf den die Odyssee anspielt: ihre Mädchenzeit, die unter dem Schutz von Athena und Artemis steht, findet ein jähes Ende; kurz vor der Hochzeit werden sie von Harpyien entführt und den "verhaßten Erinyen" zu Dienerinnen gegeben 7 • Auch die in der Wildnis schweifenden Proitiden sind zu erinyenhaften Wesen geworden. Affektierte Widerlichkeit fanden die athenischen Interpreten bei den sich zusammenrottenden, knoblauchessenden Weibern der Skira8 ; die Weiberherrschaft in der Komödie des Aristophanes, die Verwirklichung des an den Skira gefaßten Plans ist beherrscht vom Bild der lüsternen Vettel. Alter, Häßlichkeit, Sprengen der Sitte, ,Ausschweifung' aller Art gehören zusammen zur Phase der ,Auflösung', im athenischen Ritus wie im Proitidenmythos. Auch dieser spiegelt demnach vermutlich ein weiberbündisches Ritual. Die Beschreibung der gräßlichen Verwandlung der Proitiden ist von realen Krankheiten hergenommen; doch Imitation der Symptome findet sich im Ritus, der in der Tat Jungfrauen mit weißem Schorf bedeckt auftreten läßt. jJET'cXKoO'jJlcxs (l1rCxO'llS Apollod. 2, 27; YUjJvcxi Ael. v. h. 3, 42. Vielleicht sind die Proitiden in den ihre Brüste entblößenden Mädchen von der Metope von Thermos (7. Jh. v. Chr.) dargestellt, Schefold (1964) 35 Abb.6, J. Dörig AM 77 (1962) 72-91; zweifelnd Simon (1969) 320, 29. 5 Servo und Prob. zu Verg. Buc. 6, 48; Kuhverwandlung Schol. Stat. Theb. 3, 453. 6 Res. Fr. 133. Daß Hera Subjekt ist, ergibt sich aus Philodem; M.-W. zu Fr. 132. 7 Od. 20, 66-78 ein in dieser Form isoliertes Stück Überlieferung; das Scholion zu V. 66 nennt die ,Krankheit' der Pandareostöchter KVVCX, was Roscher (0. Kap. II 1 Anm. 28) mit der Kynanthropie kombiniert hat; vgl. M. C. van der KoH, RE XVIII 2, 499-504. 8 O. Kap. III 1 Anm. 42. 4
3. Agrionia
191
"Mit weißem Mehl eingerieben wie die Korbträgerinnen" , heißt es bei einem attischen Komiker, mit Bezug auf irgend ein Opferritual9 • "Jungfrauen, das Haupt mit weißem Gerstenmehl verquirlt" sind die weissagenden ,Thriai , im Dienst des Delphischen Apollon nach der Beschreibung des Hermes-Hymnos1o. Mit Lehm maskieren sich ,Artemis vom Alpheios' und ihre Nymphen in der Kultlegende von Letrinoi. Daß dies rituellem Brauch entspricht, deuten die grotesken Masken aus dem Heiligtum der Artemis Orthia in Sparta an. Ähnliche Masken fanden sich auch im 'Heraion von Samos. Die ältesten Gorgonenbilder aber sind überlebensgroße ,Topfmasken', Weihgeschenke der Hera von Tirynsll. Die Verwandlung der Proitiden ist eine rituelle Maskierung, die Hera den Jungfrauen aufzwingt. Mit dem Zorn der Hera konkurriert im Proitidenmythos die Macht des Dionysos; auch hierfür wird bereits Hesiod zitiert, vermutlich die ,Melampodie'12. Melampus, der Seher und Reinigungspriester, galt ja zugleich als Stifter des Dionysoskultes1 3 • In dieser Version sendet Dionysos den Wahnsinn über die Proitiden, weil sie seine Orgien nicht willig übernehmen wollten. Doch ist das Dionysische hier nicht etwas radikal anderes, sondern nur eine leichte Umakzentuierung der Strukturen, die auch im nicht-dionysischen Ritual gegeben sind: die Auflösung der Ordnung, die den Zorn, die Abwendung der Großen Göttin bedeutet, wird zum Machterweis des eben hier wirkenden rasenden Gottes; der Wahnsinn wird ambivalent: Fluch oder Begnadung? Die Melampodie ist wahrscheinlich jünger als die Kataloge, so daß man im Proitidenmythos das Vordringen des Dionysoskults irri 6. Jahrhundert greifen kann. Doch folgt die neue Interpretation dem alten Rhythmus von Auflösung und Neubeginn. Hermippos Fr. 26 (CAF I 231). Hy. Merc. 553-5. Vgl. auch die Graien im Perseus-Mythos. 11 Artemis Alpheiaia: Paus. 6, 22, 9; vgl. Harpokr. O:TIOI-\6:TTOOV: Tii\el<j>ov yap Tc{) TITli\C9 Kcxi TC9 TIlTVPCfl TOUS I-\VOVI-\EVOVS. Orthia: JHS Suppl. 5 (1929) 163, T. 47-62; Nilsson (1955) 161. Samos: H. Walter, Das griech. Heiligtum (1965) 28. Tiryns: G. Karo, Führer durch Tiryns (19342 ) 47; RE VI A 9
10
1465. 12
13
Hes. Fr. 131 = Apollod.2, 26; I. Löffler, Die Melampodie, Versuch einer Rekonstruktion des Inhalts (1963) 37-9; doch ist die Rekonstruktion auf Grundlage der verschiedenen Hesiodfragmente und -testimonia sehr unsicher, vgl. R. Pfeiffer Ausgew. Schriften (1960) 30-3. Die Trennung von Proitiden- und Melampusmythos (Nilsson [1955J 613, 2) ist durch Hes. Fr. 37 jedenfalls widerlegt. Hdt. 2, 49.
192
IU. Auflösung und Neujahrsfest
Zur Raserei, ob von Hera oder Dionysos verursacht, gehört das Opfer. Wir fassen dies nur in der Melampus-Version der Sage, die in einer zweiten Stufe die Situation des Wahnsinns noch zu steigern weiß: Proitos hat das erste Angebot des Melampus, der die rasenden Mädchen heilen will, abgelehnt; "da wurden die Mädchen noch toller, und dazu noch mit ihnen zusammen alle anderen Frauen; denn auch sie verließen ihre Häuser, brachten ihre eigenen Kinder um und liefen in die Einsamkeit ct14. So ist wiederum Unsagbar-Gräßliches geschehen: Mord der eigenen Kinder. Die Auflösung wird zur Perversion. Zur Antithese der lieblichen Jungfrau kommt die Antithese der liebenden Mutter: auch sie ist zur Hexe geworden, die Kinder umbringt, ja frißt. Bei jenem ,Stiermord" der im Argeiphontes-Mythos gespiegelt ist, war der Urkönig und Allvater das Opfer, hier ist es das Kind; doch dieser Unterschied ist eine Beziehung der Polarität; Vatermord und Sohnesmord sind die beiden Varianten des ,unsagbaren ( Opfers, die eins ins andere umschlagen können. So kann im Ritual - dies ist schon jetzt zu postulieren - ein Jungtier eintreten, Stierkalb statt Stier. Wie das Unerhörte doch noch zu einem glücklichen Ende kommt, erzählt wiederum nur die Melampus-Fassung ausführlich: "Melampus nahm die kräftigsten der Jünglinge und verfolgte unter Kampfgeschrei und mit einem bestimmten ekstatischen Tanz die Frauen und Mädchen aus den Bergen bis Sikyon"16. Merkwürdig, wie der Mythos hier von Tiryns nach Sikyon überspringt; die gängigste Version versetzt die Reinigung der Proitiden an einen dritten Ort, ins Heiligtum der Artemis Hemera im arkadischen Lusoi16. Verschiedene lokale Traditionen scheinen im Mythos zusammengefaßt zu sein. Es muß doch wohl auch einen tirynthischen Abschluß des Mythos gegeben haben17 , oder jedenfalls einen Abschlußritus in Tiryns, der freilich die
Apollod. 2, 28; 3, 37 TOUS E1TlIJ.CXOL1S{OVS exovO'cxl lTcxiScxs Tas O'O:P1
3. Agrionia
193
Einverleibung von Tiryns durch Argos kaum unverändert überleben konnte. Jedenfalls ist die Raserei der Mädchen und Frauen nur ein Ausnahmezustand, dem die Neuerrichtung der Polis-Ordnung folgt, als Gegenpol der Perversion. Die außer Rand und Band geratenen Weiber bekommen die überlegene Kraft der Männer zu fühlen. Es sind die Jünglinge, die Epheben, die sich hier bewähren, es ist ihr Anführer, Melampus, der dadurch zum neuen König wird18 • Er heiratet alsbald die eine der glücklich geheilten Proitiden; so kehrt auch der Dionysospriester wieder in deri Machtbereich der Hera ein, der Göttin der geordneten Ehe. Demetrios Poliorketes feierte in Argos seine Hochzeit am Fest der Heraia19 • Nicht ohne Opfer ist es jedoch auch bei diesem Schlußakt abgegangen. "Bei der Verfolgung fand die älteste der Proitostöchter, Iphinoe, den Tod u20 • Auf dem Marktplatz in Sikyon zeigte man ihr Grab. Im Ritus ist natürlich so wenig wie zuvor beim mythischen Kindermord an ein Menschenopfer zu denken; die Selbstidentifizierung der rasenden Proitiden mit Kühen weist daraufhin, daß eben ein Rinderopfer auch die Heilung und Rettung begleitete. Damit schließt sich der Ring der Entsprechungen zu den argivischen Heraia-Hekatombaia. Der ekstatische Tanz der von Melampus geleiteten Epheben ist offensichtlich eine ritualisierte Jagd, um die wilden Tiere einzufangen. Die Jagd wiederholt und erfüllt sich im Tieropfer, das die Krisen der Gesellschaft markiert und überwindet. Der Proitidenmythos erzählt die Geschichte einer Initiation, den Weg von der Jungfrau zur Königin, der über das Zerbrechen der alten Ordnung, durch eine wahnwitzige Zwischenperiode, am Tod vorbei zum Ziel führt. Und in der Überwindung der Perversion etablieren sich die jungen Männer mit ihrem König.
ApolIod. 2, 29; Schol. Pi. Nem. 9, 30; Paus. 2, 18, 4; PR II 252. Nur Pindar (Paian 4, 28-35) läßt Melarnpus das Königtum ablehnen. 19 o. Kap. III 2 Anm. 6. 20 Apollod. 2, 29; Grab der Iphinoe mit Inschrift vom Marktplatz von Sikyon: Praktika 1952, 394-5 = SEG 15 (1958) Nr. 195. Dramatische Bilddarstellung der Reinigung der Proitiden durch Ferkelopfer : Krater von Canicattini, Boll. d' Arte 35 (1950) 97-107, E. Langlotz-M. Hirrner, Die Kunst der Westgriechen (1963) 24, Trendall (1967) 602 nr. 102, AK 13 (1970) 67; T. 30,2; dazu eine Vase aus Neapel (H.1760) und ein Carneo, RML II 2573. Zur ,Reinigung' durch Melampus vgl. auch Alexis Fr. 112 (CAF II 337); Diphilos Fr. 126 (CAF II 577); 6vaiCXlS 'Te arropprrrolS Kai Ka6O:PIJoiS Paus. 8, 18, 7. 18
13
Burkert, Homo Necans
194
III. Auflösung und Neujahrsfest
Nur eine Glosse Hesychs gibt einen Hinweis darauf, daß die Pro itidensage in Argos mit einem Fest verbunden war: "Agrania, Fest in Argos, zu Ehren einer der Proitostöchtertt 21 • ,Ehrung t einer Heroine setzt ihren Tod voraus; das Fest gilt also der von Melampus und seinen Epheben getöteten, geopferten Iphinoe. Zugleich notiert Hesych: "Agriania: Totenfest bei den Argivern tt • Beim Totenfest, Nekysia, schwärmen die Seelen, die Masken aus, fordern für eine begrenzte Zeit ihr Recht, um dann wieder dem normalen Leben zu weichen; man ,versöhnt t sie, um vor ihnen fortan Ruhe zu haben; oft werden sie in aller Form verjagt 22 • Mit dem Tod der Proitostochter bei jener wilden Jagd fand die mythische Ausnahmeperiode ihr Ende; eine Ausnahmezeit kehrt alljährlich wieder, ,zu ihren Ehrent, um überwunden zu werden. Auch die Antithesis des Todes muß helfen, die Thesis des Lebens zu begründen. Agriania, Agrionia ist einer der verbreitetsten griechischen Festnamen, der vielerorts auch einem Monat, Agrionios, den Namen gegeben hat 23 • Besonders dicht sind die Zeugnisse in Böotien, und von dort hat der Böotier Plutarch auch einige charakteristische Einzelheiten des Rituals überliefert, zu dem in Orchomenos ein dem Proitidenmythos genau parallel laufender Mythos erzählt wurde. Freilich ist in Böotien Dionysos ganz in den Vordergrund getreten, man erzählt von Dionysischer Epiphanie und Dionysischer Raserei, wie im Kult der Dionysospriester die zentrale Rolle spielt.
EOpTTJ ev "Apyet, hrl J.,lt~ T&V npohov 6vyaTepoov. - ' Ayptavta' veKVata TI'apa ' Apye{otS Kat ayooves ev 9iJßatS. u. Kap. IV 3. Nilsson (1906) 271-4, der das Fest als ,Versammlung' der Toten parallel den Anthesterien verstehen möchte; näher liegt doch Verbindung mit äyptoS, *'Ayptaoov (Thrakerstamm 'Ayptcxves Hdt. 5, 16). Agrionia Theben: o. Anm. 21; IG VII 2447; L. Robert BCH 59 (1935) 193-8 (zu Ehren von 6tovvaos Ka5J.,leios); Orchomenos: Plut. q. Gr. 299f; Chaironeia: Plut. q. symp. 717a; I G VII 3348 etc.; Monatsname ' AyptoovtoS auch Oropos: IG VII 247,18; SEG 24 (1969) Nr. 343; Lebadeia: IG VII 3082; 'Ayptavtos Rhodos, Kameiros: LSS 94; 99; Peraia: LSS 110; Lindos: IG XII 1, 906 = LS 141; IG XII 1,1066,1077 etc.; Kos: Hippokr. Epid. 7, 4 (V 372 L.), R. Herzog, Abh. Berlin 1928, 6, 49-50; Melite: IG IX 2, 206b 7; Epidauros: IG IV 12 109 II 13; 112, 27; Messene: LS 64,7; Sparta: IG V 1,18 B 8; 'Ayeppavtos Eresos (vgl. neppaJ.,lOS statt Priamos Alkaios 42,2 LP): IG XII 2, 527, 27; 45; 6tovvaos OOJ.,lT)aTTJs Kat ayptoovtoS Plut. Anton. 24, 5; , Ayptoovla Kat NVKTeAla Plut. q. Rom. 291a. In Kos ist Agrionios der erste Monat des Jahres, im Spätherbst (Herzog a. 0.).
21 ' Aypavta' 22 23
3. Agrionia
195
Orchomenos, die Stadt des Minyas, ist wieder ein Ort mit besonders alten Traditionen. Des Minyas Töchter24 sind es hier, die vom Wahnsinn bis zum Kindermord getrieben werden, ehe die Wildheit der Frauen in einer nicht weniger wilden Verfolgung untergeht. "Allein enthielten sich der dionysischen Tänze die Töchter des Minyas, Leukippe, Arsippe und Alkathoe ... Dionysos aber ergrimmt. Und sie waren an ihren Webstühlen beschäftigt, sie arbeiteten im Dienst der Athena Ergane so recht um die Wette. Da plötzlich schlängelten sich Efeu- und Weinranken um die Webstühle, in den Wollkörben nisteten Schlangen, von der Decke träufelten Tropfen von Wein und Milch"25. Die Epiphanie des Dionysos bringt dionysischen Wahnsinn: "Da warfen sie Lose in ein Gefäß, und die drei losten. Und als das Los der Leukippe heraussprang, gelobte sie laut, dem Gott ein Opfer zu bringen, und sie riß Hippasos, ihren Sohn, zusammen mit ihren Schwestern in Stücke lC26 , "wie ein Rehkitz"27; "und dann stürmten sie hin zu den ursprünglichen Mänaden. Die aber jagten sie von sich wegen ihrer Mordbefleckung. Da wurden sie zu Vögeln"28, zu Eulen und Fledermäusen, den Tieren der Nacht. Das ,unsagbare Opfer' (60l-\cx) , auf dem Höhepunkt des Wahnsinns dargebracht, ist hier ganz das dionysische Zerreißungsopfer. Mänaden mit zerrissenen Rehkitzen haben die Vasenmaler öfters dargestellt 29 . Das Gräßliche führt zur Diastase: der dionysische Schwarm teilt sich in zwei Gruppen angesichts dieser ,Tat', die ,Ursprünglichen', Reinen weisen die Befleckten von sich. Der Mythos blendet ab mit der Metamorphose, in der die Situation von Flucht und Verfolgung zum bleibenden Naturbild fixiert ist: stets sind die Wesen der Nacht gehaßt und verfolgt von den Vögeln des Tages. 24
25 26 27 28
29
Rapp RML II 3012-6; PR I 690. Ael. v. h. 3, 42. Ant. Lib. 10, 3 nach Korinna (665 Page) und Nikandros. Ael. 1. c. Ael.1. c.; vg1. Plut. q. Gr. 29gef; Ov. met. 4, 399-415. Die Namen der drei Minyaden sind Leukippe (Leuconoe Ov. 4, 168), Alkathoe (Plut., Ant. Lib.) bzw. Alkithoe (Ael., Ov.) und Arsippe (Ant. Lib., Ae1.) bzw. Arsinoe (PIut.); Ant. Lib. endet mit Verwandlung in V\Jl(Tep{s, yi\aü~, ßv~a (eine Eulenart), Ael. mit KOPOOV11, yi\aü~, vVKTep{s; Ovid hat nur die Fledermäuse. - Aischylos Xantriai hat entweder den Minyaden- oder den Proitidenmythos behandelt. Z. B. Skyphos Athen NM 3442, Harrison (1922) 452; vg1. H. Philippart RBPh 9 (1930) 5-72. Dionysos ein Reh zerreißend: Stamnos BM E 439 = ARV 2 298, Harrison (1922) 450.
13*
196
II!. Auflösung und Neujahrsfest
Eine Verfolgung bringt das Ritual, das Plutarch30 ausdrücklich auf den Minyadenmythos bezieht: "Die Männer der Minyaden wurden, weil sie in Schmerz und Trauer schwarze Gewänder trugen, die ,Rußigen' genannt, sie selbst aber ,Oleiai', die ,Verderblichen'; und bis heute nennen die Orchomenier die Frauen aus dieser Familie so. Und jedes zweite Jahr an den Agrionien wird eine Flucht und eine Verfolgung dieser Frauen durch den Priester des Dionysos veranstaltet, der ein Schwert trägt. Es ist aber erlaubt, die Frau, die er einholt, zu töten; und so hat in unserer Zeit Zoilos, der Priester, eine Frau ge- . tötet". In eben der Rolle, die Melampus, Archeget des Dionysoskultes, im Mythos spielt, erscheint hier der reale Dionysospriester von Orchomenos; gleich den bewaffneten Epheben trägt er ein Schwert; dem Tod der ältesten Proitostochter entspricht die Tötung einer Frau aus dem Geschlecht der Oleiai. Der Ernstcharakter des Rituals scheint hier ins Äußerste gesteigert; freilich schildert Plutarch im folgenden, wie eben dieser eine, historisch verbürgte Fall ritueller Menschentötung zur Krise, ja zur Änderung des Brauchs geführt hat. Zoilos starb eines qualvollen Todes, die Orchomenier nahmen, nach inneren Wirren, seiner Familie das Priestertum. Anscheinend hat Zoilos mit dem Fanatismus des Zeloten den theatralisch-spielerischen Charakter des Rituals verkannt und eben dadurch dieses ad absurdum geführt. Sinnvolles Funktionieren des Rituals ist auch im dionysischen Bereich durch Tieropfer gewährleistet. Daß der Flucht der ,verderblichen' Frauen ein geheimnisvolles, ,unsagbares' Opfer vorausging, Dionysos dem Rohfleischesser, dem nächtlichen Agrioniengott zur Nachtzeit dargebracht, ist aus dem Mythos zu ergänzen; auch die Verfolgung hätte mit einem Tieropfer ihr Ziel erreicht. Die Gemeinschaft spaltet sich am Agrionienopfer in zwei Gruppen, die doch beide dem Dionysos dienstbar sind. Der Gegensatz der Geschlechter, der Frauen und Männer ist dadurch noch unterstrichen, daß die· Männer die ,Rußigen' heißen, was über den Trauerbrauch auf eine rituelle Vermummung weist, während die Anführerin der Frauen, Leukippe, die ,weiße Stute' im Namen führt. So verfolgt Melampus, der ,Schwarzfuß' , die vom weißen Aussatz gezeichneten Proitiden - Rußvermummung gegen Mehlvermummung. Daß die Hellen in Wahrheit die Befleckten, die Rußigen die innerlich Reinen sind, diese Verkehrung von Innen und Außen deutet die polaren 80
q. Gr. 29gef. Der Text AtoAEiol wurde gegen Buttmanns Konjektur 'OAEiol verteidigt von Toepffer (1889) 189-90. für die doch Plutarchs Etymologie otov oAo6:S spricht.
3. Agrionia
197
Spannungen an, die hier ausgetragen werden: eines ist nicht ohne das andere denkbar, ja eines ist im anderen enthalten. Die ,Weißen' werden zu Flügelwesen der Nacht; doch die Ordnung des Tages, die triumphiert, behält die Erinnerung an das Dunkel. Schwarze Gewänder trugen die attischen Epheben beim Panathenäenfest31 , wie Theseus mit schwarzem Segel aus Kreta zurückkam, um König zu werden. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Licht die Angabe eines Zeitgenossen über tatsächlich bestehende Rituale verbreiten kann. Auch aufs Agrionienfest seiner Heimatstadt Chaironeia gibt Plutarch einen kurzen Hinweis32 : "Bei uns suchen an den Agrionia die Frauen den Dionysos, als sei er entlaufen; dann lassen sie ab davon und sagen, er sei zu den Musen geflohen und bei ihnen verborgen; wenig später, wenn das Mahl zu Ende ist, stellen sie einander Rätsel und Scherzfragen". Dies bedeutet, meint Plutarch, daß durch die Anwesenheit des Logos "das Wilde, Rasende verborgen wird, von den Musen in gütigem Gewahrsam gehalten". Hier scheinen die Frauen unter sich zu sein, in eigener Regie vollbringen sie den Wechsel vom Wilden zum musisch Beherrschten: Das Wilde, Rasende ist verschwunden; unruhiges Suchen, wie nach etwas Verlorenem, findet sein Ende, löst sich überraschend in einem ,Mahl', einem Opferschmaus, in dem die drängende Angst umschlägt in heiteres Spiel. Wir wissen nicht, in welcher Weise andere Gruppen der Gesellschaft an diesem Fest beteiligt waren; doch schon die Momentaufnahme Plutarchs zeigt die vertraute Struktur von neuer ,musischer' Ordnung nach der ,Auflösung'. Von blutiger Verfolgung des Dionysos und seiner Dienerinnen durch den König Perseus erzählte man in Argos; man zeigte die Gräber der gefallenen Mänaden, der ,Frauen vom Meer', ja konnte vom Tod des Gottes selber sprechen; und doch knüpfte sich an das Ereignis die Gründung des Dionysostempels, der Kult des Gottes33 • 31
32
33
o. Kap. III 1 Anm. 87; vgl. auch den Sieg des Melanthios über Xanthos (dazu P. Vidal-Naquet Proc. Cambridge Philol. Soc. 14 [1968] 49-64). q. symp. 717a. Gräber der "AAlen Paus. 2, 22, 1; Grab der Xope{cx Paus. 2, 20, 4; Tempel des Dionysos Kresios mit dem Grab der Ariadne Paus. 2,23, 7-8 mit Berufung auf Lyseas (FGrHist 312 F 4); unklar ist, was Deinarchos von Delos im einzelnen erzählte, FGrHist 399 F 1, doch sprechen die Testimonien vom Tod des Gottes (vgl. o. Kap. II 5 Anm. 41); nach Schol. T H. 14,319 warf Perseus Dionysos in den Lerna-See. Nonnos 47, 475-741 hat die Perseus- mit der Melampusversion verquickt; inwieweit er Euphorion folgt (Fr. 18 Powell), ist unsicher.
198
III. Auflösung und Neujahrsfest
Flucht und Verschwinden des Dionysos schildert auch bereits die llias: der gewalttätige Lykurgos, der Sohn des Dryas, "scheuchte die Ammen des rasenden Dionysos über die heilige Nysa-Ebene hin; sie warfen, alle zugleich, ihr Opfergerät zu Boden, vom männermordenden Lykurgos geschlagen mit dem Ochsenschläger ; Dionysos, erschreckt, tauchte hinab in die Woge des Meeres, Thetis nahm ihn in ihrem Schoß auf, den angsterfüllten; heftiges Zittern hatte ihn erfaßt beim Schrei des Mannes 34• tc Ins dionysische Opfer, das die Frauen, die den wahnsinnigen Gott hegen und pflegen, bereitet haben, bricht die Verfolgung durch den bewaffneten Mann; bis zum Meer hin geht die Jagd, die Axt schwingt Lykurgos, wie um ein Rind zu erschlagendie später bezeugten Versionen lassen ihn, selbst rasend in der Verfolgung des rasenden Gottes, die eigenen Kinder mit der Axt erschlagen: Opfer um Opfer. Von der Logik der Erzählung her ist Lykurgos der Feind des Dionysos; als warnendes Beispiel vom verhängnisvollen Kampf eines Menschen gegen einen Gott erzählt Diomedes in der llias diese Geschichte. Gerne hat man den Lykurgosmythos als historisches Zeugnis vom Widerstand gegen den eindringenden Dionysoskult ausgewertet 35 • In den unabweisbaren Zusammenhang mit dem orchomenischen Agrionien-Ritual und mit dem Melampusmythos gestellt, rückt Lykurgos aber gerade an die Stelle des Dionysospriesters. Nicht ein historischer Konflikt liegt vor, sondern die in ein und demselben Ritual ausgespielte polare Spannung zwischen göttlichem Wahnsinn und menschlicher Ordnung. So sind die Gegenspieler aufeinander bezogen36 im Dienst des gleichen Gottes, oder jedenfalls des gleichen 34
35
36
Il. 6, 130-40; Eumelos, Europia Fr. 10 Kinkel = Schol. All. 6, 131; dann die Lykurgie des Aischylos, Fr. 69-100 Mette; Soph. Ant. 955-65; Hygin. fab. 242; 132; Apollod. 3, 34-5; Dionysoshymnus bei Page, Literary Papyri (1941) 520-5 = Fr. 56 Heitsch, Die griech. Dichterfragmente der röm. Kaiserzeit (1963); PR I 688; Vasenbilder: Brommer (1960) 355; Mosaiks: P. Bruneau, C. Vatin BCH 90 (1966) 391-427; ein neu es aus Trikka: BCH 92 (1968) 867-8. - Ob ßOUlTAll~ Il. 6, 135 Axt (vgl. Leonidas Anth. Pal. 9, 352) oder Peitsche sei, war umstritten, vgl. Schol.T. Nilsson I (1955) 565; 611-2; Harrison (1922) 369; Rohde (1898) II 39-43 deutet so Proitiden- und Minyadenmythos, will aber Lykurgos ausnehmen (40, 2). Daneben war die naturmythologische Deutung beliebt, Lykurgos als Vertreter des Winters (PR I 687-8) oder der Sommerglut (Rapp RML II 2203) gegen den Vegetationsgeist. Vgl. W. F. Otto (1933) 100 zum Opfer von Tenedos (u. Kap. III 4 Anm. 20): "Der Sinn des Mythos ist, daß der Gott das Furchtbare, das er tut, selbst erleidet".
3. Agrionia
199
Festes, dessen Phasen auch nach polaren Göttern benannt werden können. Die Minyaden, die Dionysos widerstrebten, werden seine Priesterinnen, die ihm zu Ehren das schauerliche Opfer vollziehen; diejenigen, die die Minyaden verjagen, sind ihrerseits dionysische Mänaden. Pentheus, der Feind des neuen Gottes, wird selbst als Dionysos kostümiert 37 , um zum Zerreißungsopfer der wahnsinnigen Bacchantinnen zu werden. Auch Lykurgos wird in einer Fassung des Mythos zum dionysischen Zerreißungsopfer. Die Rollen im Rahmen des Rituals schlagen ineinander um. Manche haben, wie Strabon erwähnt, überhaupt Dionysos und Lykurgos einander gleichgesetzt 3B • Noch ein kaiserzeitliches Dionysosmosaik39 stellt Lykurgos, wie er mit der Axt die Tochter erschlägt, ins Zentrum. Auch diese Gewalttat ist ein Dionysos-Opfer. Die Amme des Dionysos, mit der Axt verfolgt, und der Sprung ins Meer, diese Motive bestimmen auch den anderen Dionysos-Mythos, den das homerische Epos kennt, den Mythos von Ino-Leukothea. Sie, die Kadmostochter, die "jetzt" im Meer als Göttin Ehre genießt, rettet Odysseus mit ihrem Schleiertuch40 . Die Verwandlung der Königstochter zur Göttin wird stets mit der Dionysosgeburt in Theben verknüpft: Ino hat das Dionysoskind gepflegt und aufgezogen; Hera sendet, um sich zu rächen, den Wahnsinn über Ino und ihren Gatten Athamas. In der Regel erzählt man von einem doppelten Kindermord, durch den die Familie des Athamas vernichtet wurde: Athamas erschlug seinen eigenen Sohn Learchos, indem er ihn "wie einen Hirsch erjagte"41, Ino aber floh mit ihrem zweiten Sohn, Melikertes ---.:... oder auch: Ino tötete selbst Melikertes im kochenden Wasser eines Dreifußkessels42 und floh mit dem toten Kind vor Athamas' Eur. Bacch. 821-35, vgl. E. R. Dodds, Euripides Bacchae (1960)2 zu 854---5. Strabon 10 p.471; Weihungen ee~ I\V]KOVPY<1': D. SourdeI, Les cultes d'Hauran a l'epoque Romaine (1952) 81-8; ein Altar des I\V]KOUpyOS aus Cotiaeum (Phrygien): JRS 15 (1925) 163-4, T. 22. 39 Cuicul (Algerien), bei Nilsson (1957) 114. 40 Od. 5, 333-5; Alkman 50b Page; Eur. Med. 1282-89 m. Schol; Hyg. fab. 2; Ov. met. 4,539-42; Apollod. 3, 28; PR 1601-5; Schirmer RML II 2011-7; Eitrem RE XII (1925) 2293-2306. 41 OOS EAOCPOV ellpevO'os Apollod. 3, 28 vgl. Schol. Od. 5, 334; Schol. Luk. p. 266, 13; Ov. fast. 6,481-98; Servo Aen. 5,241. 42 ApolIod. 3, 28 vgl. Eur. Med. 1284-9; Schol. Pi. III p. 192, 8; 194, 22 Drachmann. - Merkwürdig die Weihung eines Menneas eeC;X l\evKoee~ ~eyeipoov unter Nennung seines Urgroßvaters, TOU CX1TOeeOOeeVTos sV TCj> Mßl1TI, SI' 00 ot opTol &YOOVTOI OGI 611: Der Lebes, als Graburne, bedeutet Tod und Vergottung zugleich. 37
38
200
III. Auflösung und Neujahrsfest
Wüten -, jedenfalls stürtze sie sich schließlich mit ihrem Sohn von hoher Klippe ins Meer. Wieder erfolgt im Wahnsinn das ,unsagbare Kinderopfer, folgt die Diastase von Flucht und Verfolgung. Das Dreifußmotiv, der Hirschvergleich, überhaupt die Namen Athamas und Ino stellen eine enge Verbindung her zu der Werwolfmotivik von Lykaon bis Phrixos43 • ,Wolfswuf, AUcrcrCJ., ist auch hier am Werk, wie auch bei Lykurgos. Wie dieser, schwingt Athamas das Doppelbeil auf der Verfolgung; wie dort, stürzen hier Amme und Kind ins Meer. Unzweifelhaft liegen dem Leukothea-Mythos Kulttatsachen zugrunde. Leukothea war eine in vielen Heiligtümern verehrte Göttin"; doch eben weil ihr Kult so verbreitet war und weit über die griechische Welt hinausgriff, verschwimmen für uns die Konturen. Auf welchen Lokalkult die meisterzählte Form des Mythos zielt, ist schwer zu sagen. Von der Wiederkehr des Melikertes-Palaimon am Isthmischen Heiligtum wird noch die Rede sein. Eine merkwürdige Verbindung von Opfer und Klage fand Xenophanes im Leukotheakult Eleas46, der vielleicht aus Phokaia übernommen war; Xenophanes verspottete diese paradoxe Verbindung, die doch in der Spannung zwischen Töten und Überleben die ,Unschuldskomödie der Jägerwelt unmittelbar fortführte. Leukothea-Heiligtum und die Phallagogie der Dionysia ist verbunden auf Delos46 • Vor allem erhob Megara Anspruch auf Leukothea: hier sei Inos Leichnam gefunden und bestattet worden, hier sei ihr der göttliche Name, Leukothea, zuerst verliehen worden47 • Unweit zeigte man den Felsen, von dem sie sprang; auch gab es eine ,weiße Ebene l48 , auf der Athamas Ino verfolgt hatte. Von der Erzählung her ist diese Fixierung der Verfolgung auf ein abgegrenztes Areal paradox; verständlich wird sie im Blick auf ein Ritual analog den Agrionia von Orchomenos, das die Entladung der Aggression zugleich in festen Grenzen hält. Die Verfolgung über die ,weiße Ebene\ projiziert in den Kult der ,weißen Göttin dies schlägt wiederum die Brücke zu den Proitiden, zu Leukippe, ja vielleicht zu den Skira. l
l
I ,
43 44
45 47
48
o. Kap. II 1-4. Verwiesen sei auf Eitrem RE XII 2293-2306. Nilsson behandelt Leukothea nicht, obwohl cuncta Graecia (eie. n. d. 3, 39) sie verehrte. VS 21 A 13 = Arist. rhet. 1400b 6. 46 o. Kap. I 7 Anm. 54. Paus. 1, 42, 7; Zenob. Par. 4,38. MOAOVp\S nhpa Paus. 1,44, 7-8; Schol. Pi. III p. 194, 9 Drachmann; Schol. Lyk. 229. AeVKOV ne5{ov Schol. Od. 5,334; Eust. 1543,26; Nonnos 10, 76; Et. M. 561, 44; Steph. Byz. repa:vela; wohl = KaAf)s 5p6\.loS Plut. q. conv. 675e.
4. Tereus und die Nachtigall
201
4. Tereus und die Nachtigall Der Greuel des Kindermords durch die eigene Mutter, in die Vogelwelt projiziert wie bei den Minyaden, prägt den Mythos von der Nachtigall, der gleich dem von Lykurgos und von Leukothea schon im Homerischen Epos erscheint. Unaufhörlich klagt die Nachtigall um Itylos oder Itys, ihren von ihr selbst getöteten Sohn. In ungebrochenem Strom ist die Nachtigallenlyrik vom Homer bis in die neuere Literatur gedrungen; und von hier aus geprägt, fand man gar keine Schwierigkeit darin, daß der "schöne aber wehmütige Gesang der Nachtigall" "den Gedanken an eine schwere Schuld und tiefe Trauer des Vogels weckte"!. Dabei bedarf es doch nur einer kleinen Distanz zum Herkömmlichen, um einzusehen, welches Mißverständis, ja welche perverse Unterstellung dem Vogelgesang gegenüber die menschliche Phantasie sich hier geleistet hat. Nicht von der natürlichen Wirklichkeit ist diese bestimmt, sondern von der menschheitsgeschichtlichen Tradition des Gräßlichen, gerade in den Ritualen der Nacht. In der Odyssee greift Penelope nach dem Nachtigallenmythos als dem Urbild der Klage: "wie wenn des Pandareos Tochter, die grünliche Nachtigall, schön singt, wenn neu der Frühling heraufgekommen, in den dichten Blättern der Bäume sitzend, und vielfach wechselnd gießt sie hin die vielhallende Stimme, um den Sohn wehklagend, Itylos, den lieben, den sie einst mit dem Erz getötet im Unverstand, den Knaben des Herrschers Zethos ... "2. Pherekydes3 ergänzt die Erzählung, in die Zethos' Bruder Amphion von Theben mit seiner Gemahlin Niobe einbezogen sind: rasende Eifersucht auf die größere Kinderzahl der Niobe hat Aedon, Zethos' Gemahlin, zur Mordtat getrieben; zur Nachtzeit ergriff sie die Waffe, um einen ihrer Neffen zu töten, doch sie traf im Dunkel das eigene, das einzige Kind. Die Flucht nach der Tat, die Verwandlung in den Vogel ist schon im Namen ,Nachtigall' vorausgesetzt. Reicher an Figuren und Bezügen ist die Gestalt des Mythos, die zur Nachtigall die Schwalbe gesellt. Sie hat sich in Athen durchgesetzt,
1
2
3
Roscher RML I 85 vgl. ibo II 569-73; Höfer RML III 2344-8; V 371-6; PR II 154-62; Sophocles, Fragments ed. L. Pearson II (1917) 221-38; Vasenbilder: Brommer (1960) 372. Od. 19,518-23; übersetzung von W. Schadewaldt. FGrHist 3 F 124.
202
III. Auflösung und Neujahrsfest
doch war sie schon in einem Hesiod zugeschriebenen Werk erzählt', vermutlich in der ,Ornithomantia'; schon im 7. Jahrhundert zeigt die Tempelmetope von Thermos ,Aedon' und ,Chelidon', die den ItylosKnaben in ihre Mitte genommen haben 6 • Hesiod und Sappho kennen die Schwalbe als Tochter des Pandion6 , und ,viele Dichter' haben die Nachtigall ,Daulias' genannt, wie Thukydides bezeugt7; Sophokles hat in seinem ,Tereus', der die meisten späteren Zeugnisse beeinflußt hat, wohl nicht allzuviel geneuert8 • Tereus, König von Daulis, Thraker von Herkunft, ist Schwiegersohn des attischen Königs' Pandion, verheiratet mit Prokne. Am Anfang des Verhängnisses steht die Mädchentragödie, die Verschuldung des Königs: Tereus hat Proknes jungfräuliche Schwester Philomela in seine Gewalt gebracht, hat sie vergewaltigt und ihr, damit die Tat geheim bleibt, die Zunge ausgeschnitten; sie ist gefangen in einem einsamen Gehöft 9 • Dort webt Philomela einen Peplos, sie webt in ihn die Darstellung ihrer Leiden; als die Webarbeit vollendet ist, wird der Peplos der Königin überbracht. So erfährt Prokne von dem Verbrechen, und jetzt kommt es zum Aufstand der Frauen gegen den König, in dem sich die Ehefrau und das geschändete Mädchen zusammenfinden. Ihr Opfer freilich wird, statt des Vaters, der Sohn: Itys - so heißt in dieser Fassung der Knabe in der Regel- wird zerfleischt, teils gekocht, teils gebraten und dem Vater zum Mahl vorgesetzt. Als Tereus nachträglich entdeckt, was ihm geschehen ist, ergreift er die Doppelaxt und verfolgt das schreckliche Schwesternpaar - in dieser Situation blendet die Erzählung über in den Vogelbereich: Prokne wird zur klagenden Nachtigall, Philomela zur Schwalbe, die mit verstümmelter Zunge nur zwitschern kann, Tereus aber, der Beilträger, zum ,Epops', dem spechtartigen, holzspaltenden Vogel10, der nicht ganz richtig meist mit ,Wiedehopf' übersetzt wird. '" Fr. 312 M.-W. = Ael. v. h. 12, 20. Schefold (1964) 33-4; T. 20. 6 Hes. Erga 568; Sappho 135 LP. 7 Thuk. 2, 29. 8 Fr. 581-95 Pearson. Vgl. Aisch. Hik. 60-8; Fr. 609 Mette; Apollod. 3,193-5; Hygin. fab. 45. Bei den Römern (Philokles? vgl. Radke RE XXIII 249-50) wird Philomela zur Nachtigall. Für sich steht Boio bei Ant. Lib. 11. 9 hrl TOOV xoopioov Apollod. 3, 194; iSpvaev sv Kooll1J
596. 10
D' Arcy Thompson, Glossary of Greek birds (1936 2 ) 95-100.
4. Tereus und die Nachtigall
203
Daß hier eine ,Flucht und Verfolgung( veranstaltet wird wie im Agrionienritual, liegt auf der Hand; in der Tat ist der Mythos mit dem dionysischen Bereich verwachsen: Ovid schildert, wie der nächtliche Aufstand der Frauen ein Dionysosfest zum Vorwand nimmt; als Mänade kommt Prokne zu Philomelal l . Die Greuelmahlzeit entspricht einem dionysischen Opfer gerade in der Einzelheit, daß das Fleisch ,teils gebraten, teils gekochte wird12 : so verfuhren die Titanen mit dem getöteten Dionysosknaben; ,Gekochtes zu braten( ist daher dionysischorphischen Mysten verboten. Das gleiche Motiv gehört freilich auch zum ,unsagbaren Opfere des Lykaon, des Thyestes, des Harpagos. Schwierig freilich ist es, eben wegen der Verbreitung des Mythos, entsprechende Rituale zu lokalisieren. Pandareos gehört nach Milet, Zethos nach Theben, Pandion nach Athen, Tereus nach Daulis. An diesem Ort, unweit Böotiens, haftet immerhin die Tradition besonders fest. Hier fand die gräßliche Mahlzeit statt, versichert Pausanias13, und sein Verweis auf ein angebliches ornithologisches Mirakel, daß Schwalben nicht in Daulis nisten, weist auf epichorische Tradition. "Und dies war für die Menschen der Anfang der Befleckung auf der Speisetafel«, dieser Zusatz des Pausanias erhebt das Mahl von Daulis zum Ur-Verbrechen, zur ersten Fleischmahlzeit überhaupt; dies konkurriert mit den Mythen von den attischen Buphonia, von L ykaon und Tantalos, von der Tötung des Argos als dem ersten Mord, und gibt wohl einen in Daulis erhobenen Anspruch wieder. Ferner nennt Pausanias14 ein Athena-Heiligtum in Daulis, dessen ältestes Kultbild von Prokne aus Athen mitgebracht worden sei. Prokne, die Königin, erscheirit damit als Athenapriesterin von Daulis, wie Königin Praxithea in Athen. Philomelas Peplos-Wirken gehört in den Bereich der Athena Ergane, der auch die Minyaden so ausschließlich ergeben waren; auch die Arrhephoren weben am Peplos, und der Zusammen-
11
12
13
14
Ov. Met. 6, 587-605; das Dionysische sicher schon bei Sophokles; vgl. Ace. trag. 642. L. Koenen in: Studien zur Textgeschichte und Textkritik (Festschr. G. }achmann [1959]) 83-7 konjiziert dementsprechend 0PV1S syevET' SK TWV 6pyioov Aristoph. av. 16. Ov. Met. 6, 645-6, als ,Opfer nach väterlichem Brauch' bezeichnet (648); o. Kap. II 1 Anm. 29. 10, 4, 8; vgl. Strabo 9 p. 423; Et M. 250, 1; Steph. Byz. LlCXÜA1S; Apollod. 3, 195. Andererseits wird BCXUAOV als ,Dickicht' erklärt (Paus. 10, 4, 7). Hsch. LlCXVAis' EOpTTJ sv "ApYE1, l.li~ll~cx T1lS TTpohov lTPOS 'A1
204
III. Auflösung und Neujahrsfest
bruch ihres Dienstes in der Begegnung mit der Akropolisschlange entspricht Philomelas Katastrophe. In Verbindung mit dem Königsnamen Pandion haftet Tereus andererseits an Athenl5 . Vom attischen Fest Pandia freilich ist nahezu nichts bekannt, außer daß es dicht auf die großen Dionysien folgte l6 ; dies kann Zufall sein, zumal andererseits ein Opferfür ,Epopst im Herbst, am 5. Boedromionl7 , belegt ist. Fester noch gehört der Kult des Pandion und des Tereus zu Megara, wo einige Einzelheiten durch Pausanias überliefert sind. In Megara war das Grabmal des Pandionls , der dort einen Kult genoß, in Megara war auch das Grab des Tereus, zu dem eine besonders merkwürdige Opferzeremonie gehörte: "Sie opfern ihm jedes Jahr, wobei sie Steinchen beim Opfer statt der Opfergerste verwenden Hl9 • Wie, auf welches Opfertier diese Steinchen geworfen wurden, wissen wir nicht; soviel aber ist klar, daß hier eine ins harmlose gewendete, symbolische Steinigungszeremonie vollzogen wird, die Verschuldung und Entschuldigung anzeigt. So haben die Götter nach der Tötung des Argos durch die symbolische Steinigung des Hermes die Schuld von sich abgewälzt. Auch in Megara steht im Bereich des Tereus ein ,unsagbares Opfer" im Mythos gefaßt als Urschuld, die Mord und Fleischnahrung unter den Menschen etablierte. In Tenedos wird zu Ehren des Dionysos Anthroporrhaistes, des ,Menschenzerreißers', ein neugeborenes Kalb geopfert, nachdem man ihm Kothurne angelegt hat, offenbar um es dem Gott der Tragödie so weit wie möglich anzunähern; mit dem heiligen Doppelbeil wird es erschlagen, der Opferer aber flieht bis zum Meer, verfolgt von den Steinwürfen der Teilnehmer, die so von der Mitschuld sich reinigen 20 • Für Plutarch ist Dionysos Omestes mit dem Agrionios identisch2l • So schließt sich der Ring der vergleichbaren Rituale. Auf der Akropolis stand eine Statue der Prokne mit Itys von Alkamenes, Paus. 1,24, 3; G. P. Stevens Resperia 15 (1946) 10-1. 16 Phot. navolcx. Deubner (1932) 176. 17 Im Opferkalender von Erchia, LS 18 ß 20; E 12. 18 Paus. 1, 5, 3; 39, 4; 41, 6, bei der Klippe der Athena Aithyia, die in Gestalt eines Wasserhuhns einen attischen König unter ihren Flügeln nach Megara trug (Rsch. • Ev 0' Ai.9vlCX) - vgl. damit o. Kap. I 7 Anm. 54; u. Kap. IU 6 Anm. 8. 19 Paus. 1,41, 8-9, vgl. o. Kap. I 1 Anm.16. Eine megarische TereusTradition kennt auch Strabon 9 p. 423, der sie fälschlich Thukydides (2, 29) zuschreibt. 20 Ael. nato an. 12,34; Nilsson (1906) 308-9; (1955) 156; Cook I (1914) 659; II (1925) 654-73. 21 Plut. Anton. 24, 5. 15
4. Tereus und die Nachtigall
205
Der Mythos hat Tereus zum Thraker gemacht; doch werden die Namen gerade vom Griechischen her durchsichtig: Epops, der ,Überschauer', ist gewiß ein Vogelname, ist aber doch von ähnlichen Formen wie Epopetes, Epopeus nicht zu trennen; alle diese Namen begegnen als Beinamen des Zeus22 , weisen auf einen ,überschauenden' Allgott oder Himmelsgott. In Erchia wird dem ,Zeus Epopetes' in gleicher Weise wie dem Epops geopfert. So wird vom Namen her Tereus der Epops vollends zum Äquivalent des Argos Panoptes; selbst ,Tereus' beginnt so griechisch zu klirigen, daß Epops als Übersetzung oder Umschreibung erscheint: Er ist der ,Beobachter" der über Philomela wacht wie Argos über 10, der königliche Wahrer der Macht, der freilich gleich diesem bestimmt ist, dem Aufstand, der ,Auflösung' zum Opfer zu fallen. Weist der Name Philomela auf ein einleitendes Schafopfer, wie der Kekropstochter Pandrosos das Voropfer eines Schafes zusteht 23 ? Kein Peplos ohne Schafwolle. Und Itylos, diese älter bezeugte Namensform, wurde bereits in Verbindung gebracht mit dem lateinischen vitulus ,Kalb', haAos ,Stier', dem Wort, das Italien den Namen gab. Dann wäre im Namen des Knaben ein Hinweis auf das Tier, das zum ,unsagbaren' Opfer diente, das Stierkalb. Welche nichtgriechische Sprache freilich dann im Hintergrund des Mythos steht, ist nicht aufzuhellen 24 • Die Übereinstimmung der Agrionienriten mit den Neujahrsfesten der Städte Athen und Argos im Rhythmus des Geschehens ist deutlich geworden. Im Mythos von den Proitiden wie in dem von der Nachtigall taucht dabei das Dionysische erst in den jünger bezeugten Versionen auf. Hier kann man wohl das Vordringen des Dionysoskultes seit dem Ende des 7. Jahrhunderts fassen, der doch den alten Spuren 22
23
24
Hsch. ' ETIo1T'T1ls' Zeus, vgl. Stesichoros 280 Page; Hsch. ' ETI0'l'IOS' Zeus Kcxl 'ATIo"A"Aoov; vgl. Kallim. hy. 1, 82; Ap. Rh. 2, 1123; Opfer All 'ETIOOTIeTEI LS 18 r 20; Hsch. 'ETIOOTIeTi}s' Zeus TIcxpa 'A611VCX{OIS. Vgl. PR I 117, 2. Hsch. ETI0'l" ETIOTITl1S ... Zu Tl1peuS - Tl1peiv Schol. Aristoph. Av. 102; Et. M. 757, 45 vgl. ETIOTITCXS Kcxl Tl1Pl1TO:S Et. M. 65, 44. Harpokr. ETI{!3010V = Philochoros FGrHist 328 F 10. Die Glosse ITcx"AoS, OÜLTov"AoS ist den Griechen mindestens seit Hellanikos (FGrHist 4 F 111) bekannt, Timaios bezeichnete das Wort als griechisch (FGrHist 566 F 42), andere als etruskisch (M. Pallottino, Testimonia linguae Etruscae [1954] nr. 839); vgl. M. Leumann Glotta 27 (1938) 90. - Die Version bei Ant. Lib. 11 weist nach Lykien, während eine phrygische Variante in der !3SKKos-Geschichte (Schol. Aristid. III 361, 13 Dind.; ägyptisiert Hdt. 2, 2) enthalten sein könnte, insofern die stumme Amme im einsamen Gehöft an Philomela erinnert.
206
IU. Auflösung und Neujahrsfest
des Rituals folgt. Gegenüber der Gesamtgemeinde tritt das Private, tritt die Familienordnung in den Vordergrund, wie an Stelle des Stieres das Stierkalb auftritt - das kleinere Opfer konnten sich auch private Vereine leichter leisten -. Erscheinen die Polisfeste demgegenüber als das Ältere, so schließt das nicht aus, daß die Kultvereine bündische Traditionen der Vor-Poliszeit wieder aufleben lassen. Was im vorgegebenen Rahmen die Besonderheit des Dionysos ausmacht, ist das ,Rasen', das individuelle Erlebnis der Ekstase - das freilich nicht deutlich vom Weinrausch unterschieden wird -. Es fügt sich im Opferritual in die Zwischenperiode, die Verkehrung der Ordnung, den Ausbruch der Wildheit. Die Sprengung des Etablierten wird hier zur göttlichen Lust, zur Offenbarung des Gottes25 • Ein Opfer ist immer noch damit verbunden, doch erscheint es mehr als Initialzündung der Raserei, die um ihrer selbst willen ausgekostet wird. Die Ordnung, die gesprengt wird, ist im privaten Bereich vor allem die Ehe. Diese Beziehung betonen die Mythen wiederholt: Die Minyaden weigerten sich dem Mänadenschwarm zu folgen, weil sie an ihren Männern hingen26 ; Aedon die Nachtigall zog sich Heras Zorn zu, weil sie sich rühmte, ihre Ehe sei glücklicher als die der Götterkönigin Hera27 • Wenn zwischenmenschliche Ordnung sIch so gefestigt wähnt, wird sie um so sicherer von höherer Macht zerbrochen und ins Gegenteil verkehrt. Dionysos bringt die Antithese zur Familie: die Frau hat das Haus zu hüten - Mänaden schwärmen in die Wildnis; die Frau ist sittsam gekleidet - wild, lüstern, schamlos entblößt tobt der dionysische Schwarm. Die Frau hat zu arbeiten, zumal am Webstuhl - "von Webstühlen, von Spindeln hinweg" scheucht Dionysos Frauen und Mädchen. Die Frau hat ihren Mann zu lieben, ihren Kindern zu leben - in der Nacht der Agrionia tötet die Mutter ihr Kind, um den Mann zu treffen. Haß und Mord statt liebendem Beisammensein: die Nacht bringt ans Licht, was am Tag verdrängt und verborgen ist; und dadurch eben führt die Entladung im Wahnsinn zur Reinigung, "findet Erlösung von den anhaftenden Übeln dem, der in rechter 25
26
27
Den Unterschied zwischen einer als Krankheit und einer als Erlösung empfundenen, ,mystischen' Besessenheit arbeitet auch D. Sabbatucci, Saggio sul misticismo greco (1965) 55-68, heraus, nur daß die Gleichung orphisch = ,mystisch' (65) fraglich ist. Ae1. v. h. 3, 42. In Athen dürfen Dionysos- und Herapriesterinnicht miteinander sprechen, PIut. Fr. 157 Sandbach vgl. q. Rom. 291a. Ant. Lib. 11, 3.
5. Antiope und Epopeus
207
Weise wahnsinnig wurde und sich ergreifen ließ 28. Wenn Hera und Dionysos zu Gegnern werden, so bedingen sie sich doch gegenseitig; die Mädchentragödie wird zur Initiation, zur Vorbereitung der Ehe. Der Kampf der Männer und Frauen an den Dionysien auf Chios endet mit der Hochzeit, aus der die Legende den berühmtesten Chier hervorgehen läßt, Homer29 • Der Festsaal der Villa dei misteri bei Pomp ei liegt neben dem ehelichen Schlafgemach30 • 1l
5. Antiope und Epopeus Ein mythischer König Epopeus, dessen Name so unmittelbar an Epops und Zeus Epopetes erinnert, empfing in Sikyon die Ehrungen eines Heros: sein Grab war im heiligen Bezirk der Athena, in unmittelbarer Nähe ihres Altars!. Kult der Göttin und Grab des Heros, diese Konstellation erinnert an die Beziehung der attischen Athena zu Erechtheus: der getötete König der Urzeit steht neben der sieghaften olympischen Göttin, wie ,Versöhnung' des Toten dem olympischen Feueropfer gegenübersteht. Erechtheus ist weithin identisch mit Poseidon; Epopeus von Sikyon aber wird im Mythos gar zu einem Doppelgänger des Zeus, was die Einheitlichkeit der Reihe Epops, Epopsios, Epopetes, Epopeus bestätigt 2 • Der gängige Mythos verbindet allerdings Sikyon mit Böotien, Epopeus mit Antiope3 , der Königstochter aus dem böotischen Hyria, deren Söhne Zethos und Amphion Theben mit seiner Mauer umgaben. Ob dies' auf eine historische Verbindung von Hyria-Theben mit Sikyon weist oder ob die Sänger der Epen aus eigener Phantasie ähnliche Namen und Erzählungen verwoben haben, steht dahin. In den 28
29
30
1
2
3
Plat. Phaidr. 244e. Seleukos bei Harpokr. 'QI-l1lpiSCXl (fehlt Nilsson [1906J 306): ... cxi YVVCXiKES 1fOTe TWV Xioov sv b.lovver{olS 1fCXpcx
208
III. Auflösung und Neujahrsfest
ältesten Zeugnissen ist gerade die Verbindung Böotien-Sikyon nicht zu fassen: in der Odyssee, im Frauenkatalog der Nekyia4, steht Antiope als Tochter des Asopos, Gemahlin des Zeus und Mutter von Zethos und Amphion in rein böotischer Umgebung, während in einem Exkurs der Kyprien 6 erzählt war, wie "Epopeus, weil er die Tochter des Lykurgos geschändet hatte, seine Stadt durch Eroberung verlor"; das erhaltene Exzerpt nennt nicht einmal den Namen des Mädchens. Inden Hesiodischen Katalogen dagegen erhielt Antiope eine eigene ,Ehoie' , die vermutlich, neben dem Drama des Euripides, die Zusammenfassung bei Apollodor bestimmt6 • Hier ist Böotisches und Sikyonisches verbunden, wie auch im 6. Jahrhundert der Dichter Asios7 es voraussetzt: Antiope, die Tochter des Asopos, gebar Zethos und Amphion, "schwanger von Zeus und zugleich vom Völkerhirten Epopeus". Erst bei Euripides faßbar und vielleicht erst von ihm dem Tragödiengott zu Ehren im Mythos etabliert ist die dionysische Atmosphäre des Antiopemythos. Trotz der komplizierten Überlagerungen ist in diesem die vertraute Grundstruktur durchaus erhalten. Am Anfang steht die Mädchentragödie: Antiope verliert ihre Jungfräulichkeit in den Armen des Zeus und wird Gemahlin des Epopeus von Sikyon. In der dionysischen Version tritt Zeus selbst in Gestalt eines Satyrn im Kithairon aufS, während das realistische Epos Epopeus selbst, ohne göttlichen Doppelgänger, als Verführer nennt. Verführer oder Retter, der männliche Partner, der sich des Mädchens bemächtigt, hat damit den Tod sich zugezogen. Antiopes Verwandte - sei es der Vater 40d. 11,260-5. Die Doppelung der Gründung Thebens - Zethos und Amphion einerseits, Kadmos andererseits - wurde in verschiedener Weise ausgeglichen, Pherekydes FGrHist 3 F 41; Apollod. 3,40; F. Vian, Les origines de Thebes (1963) 69-75. 5 Prakl. Chrest., p. 103, 20 Allen. 6 Hes. Fr. 181-2; Eur. Antiope: H. v. Arnim, Supplementum Euripideum (1913) 9-22; Apollod. 3, 41-4 vgl. Hyg. fab. 8; Schol. Ap. Rh. 4, 1090. Von Euripides angeregt der paestanische Kelchkrater Berlin F 3296, RML II 2186, Trendall (1967) 203. Hellenistische Reliefbecher: U. Hausmann AM 73 (1958) 50-72. 7 Fr. 1 Kinkel = Paus. 2,6,4. 8 Euripides laut Malalas p. 49 ed. Bonn. (TGF p. 410); Schol. Ap. Rh. 4, 1090; Ov. Met. 6, 110; 2 kaiserzeitliche Mosaiks, Cook III (1940) 467 T. XXXIX; 469; rationalisiert bei Kephalion FGrHist 93 F 5.
6. Antiope und Epopeus
209
Lykurgos, der Vater Nykteus oder der Onkel Lykos9 - ziehen gegen Sikyon und erobern es, Epopeus fällt, Antiope ist in der Gewalt der ,wölfischen' Mächte. Heimlich hat sie Zwillinge geboren und ausgesetzt; ihr bleibt Sklaverei, Entehrung, Mißhandlung. Die Königin Dirke ist es, die in dieser Phase als Stiefmutter, als Hexe ihr Regiment führt. In dionysischer Interpretation ist sie freilich zugleich die geweihte Bacchantin10, die die junge, ungeweihte Frau durch Leiden zu~ Ziel zu führen hat. Antiopes Passion endet mit einem dramatischen Umschlag der Rollen: als Dirke sie durch einen wilden Stier zu Tode bringen lassen will, stürmen Zethos und Amphion, zu Jünglingen herangewachsen, das Gehöft, Dirke wird ihrerseits an den Stier gefesselt und zu Tode geschleift. Lykos dankt ab, die Zwillinge übernehmen die ihnen zustehende Herrschaft und erbauen die Mauern von Thebenl l. Während in den Agrionien-Mythen Mädchen und Frauen gemeinsame Sache machen im Aufstand gegen die Männer - Proitiden und die Frauen von Argos, Philomela und Prokne -, richtet sich hier die Aggression der wilden Frauen, deren Anführerin Dirke ist, gegen die Junge, die Sklavin. Dergleichen kam im Ritus vor: ins Heiligtum der Mater Matut~ holen die Frauen eine Sklavin, "ohrfeigen sie und schlagen sie mit Ruten"12. Der Rutenschlag ist in der Villa dei misteri dargestellt: so wird die junge Frau in den Kreis der Matronen eingeführt. Diese Mißhandlung, die Initiation sein kann, steht im Antiope-Mythos im Rahmen der Ausnahmezeit: Nykteus und Lykos, der ,Nächtliche' und der ,Wolf', sind hier die Könige, aktiv und gefährlich aber ist zur Wolfszeit die Frau, Dirke. Ihr Sturz, der Sturz des Weiber- oder Hexenregiments, führt zur Gründung der Stadt, zur Neueinsetzung der Herrscher des Tags. ,Die von den weißen Pferden', I\EVKOlTooi\oo heißen die Söhne des Zeus13 ; ihnen gegenüber steht der Stier als Werkzeug des letzten Opfers der Zwischenzeit. Im Gegensatz von Rind und Pferd ist der Übergang zum neuen Stadium nochmals markiert. Antiopes Vater heißt Lykurgos in den Kyprien, Nykteus bei Euripides, in dessen Fassung dem Königsbruder Lykos die Rolle des grausamen Zwischenkönigs zufällt. 10 Hygin. fab.7 baccha juerat; 8: per bacchationem kommt Dirke zu Antiopes Fluchtort (nach Euripides); Paus. 9, 17, 6. 11 Schlußszene des Euripideischen Dramas, Pap. Flinders Petrie 1 = p. 21 von Arnim, vgl. Anm. 6. 12 Plut. q. Rom. 267d. Zur Villa dei misteri o. Kap. III 4 Anm. 30. 13 TOO l\euKO'ITOOAc.u Eur. HF 29; Phoin. 606; Hsch. Llles KOVpOI. l\eVKoo 'ITWAc.u Eur. Antiope, Pap. Flinders Petrie 1, 71, p. 22 v. Arnim. 9
14 Burltert, Homo Necans
210
IH. Auflösung und Neujahrsfest
Wie eng der Mythos von der Machtübernahme der jungen, kriegerischen Reiter mit der tatsächlichen Organisation des Kriegswesens der Polis Theben verbunden ist, läßt noch einmal der Böoter Plutarch14 beiläufig erkennen: das Grab der Dirke, berichtet er, ist "den Thebanern unbekannt, außer denen, die das Amt der Reiterführer (hnrcxpxos) bekleidet haben. Denn der jeweils vom Amt zurücktretende führt seinen Nachfolger, ihn allein, zur Nachtzeit dorthin; sie vollbringen dort gewisse Opfer, ohne Feuer zu verwenden, deren Spuren sie zuschütten und unsichtbar machen, und noch in der Dunkelheit entfernen sie sich, auf getrennten Wegen". Ein geheimes Opfer am geheimen Grab der Dirke ist der Akt, durch den ein neuer Hipparchos das Amt vom Vorgänger übernimmt. Etwas Verschüttetes muß da aufgedeckt werden, Blut muß fließen, ein Tier wird zerstückelt und vergraben. In der nächtlichen Tötungshandlung wiederholt sich die Gewalttat, mit der die ,von den weißen Pferden' die Macht an sich gerissen haben. Von den Riten der Zwischenzeit, des Übergangs ist sonst nichts bekannt, es sei denn ein Rest, ins Magische gewendet; Pausanias15 erwähnt das Grab des Amphion und Zethos vor Theben, einen nicht eben großen Grabhügel, von kaum behauenen Steinen eingefaßt. Von diesem Hügel suchen die Männer von Tithorea im Frühsommer, wenn die Sonne im Stier steht, Erde zu stehlen, während die Thebaner das Grab bewachen, um dies zu verhindern. Denn diese Erde, sagte man, bringe Fruchtbarkeit, entweder für Tithorea oder für Theben. Zwei Gruppen stehen sich gegenüber, fremde Tithoreer und einheimische Thebaner, Räuber und Abwehrer, gewiß zur Nachtzeit, am Grab der mythischen Reiter draußen vor der Stadt, im Zeichen des Stieres. Dies ist kaum ohne Beziehung zu dem anderen, einsamen nächtlichen Ritus, der Inauguration des Hipparchen am Grab der von Amphion und Zethos getöteten Dirke. Das Graben heilkräftiger Erde gehört in Lemnos allem Anschein nach zu einem Fest der Erneuerung16 ; die Skirophoria in Athen scheinen mit dem ,Tragen weißer Erde' zu tun zu haben. Genauere Verifikation lassen diese Assoziationen jedoch nicht zu. 14
16 16
Gen. Socr. 578b. Wie man die Spuren eines Opfers verwischt, zeigt hy. Merc. 140. Geheim ist das Grab des Oidipus am Kolonos Hippios in Athen, nur Theseus und seinen Nachfolgern bekannt (Soph. OK 1518-32), geheim auch das Grab des Sisyphos am Isthmos (u. Kap. III 7, Anm. 39). 9, 17, 4-7, vgl. J. G. Frazer, Pausanias V (1898) 57; Cook I (1914) 736. Burkert (1970) 10; u. Kap. III 6 Anm. 21/2; o. Kap. III 1 Anm. 44.
5. Antiope und Epopeus
211
Deutlicher fast ist die kultische Situation in Sikyon: den Tempel der Athene, der "an Größe und Schmuck damals alle anderen Tempel übertraf t17 , hat Epopeus geweiht mit einem Siegesopfer. Im Bild der gewappneten Göttin erkennt sich die wehrhafte, siegesgewillte Bürgerschaft von Sikyon. Doch neben dem Altar der Athena ist das Grab des Stifters Epopeus, und ihm ganz nahe sind die ,Götter des Abwendens t, die 6eoi &-rrOTPO-rrCX10l verehrt; "vor ihnen vollzieht man die Riten, die bei den Griechen zur Abwehr von Unheil Brauch sind((18, düstere Opfer offenbar, Ausdruck von Gereiztheit und Angst. Gefahr und Tod wird signalisiert gleich neben Sieg und Unsterblichkeit. Der Kult, der das Leben, den Lebensmut zu erneuern hat, wird dies als Nacheinanderakzentuiert haben, vom Tod des Königs, der Abwehr des Bösen zum triumphalen Opfer für Athena. Die Analogie zu Athen, zu den Festen um Erechtheus und Athena Polias bewährt sich. Während indessen dort der Mythos eine Gestalt aufspaltete in Erechtheus, den Toten, und Erichthonios, den Stifter der Panathenäen, hat die sikyonische Erzählung beide Stationen in etwas verwickelter Weise im Leben des einen Epopeus untergebracht: er wurde erst tödlich verwundet, feierte dann seinen Triumph und starb erst dann an seiner Wunde19 . So konnte Epopeus als Opfer zugleich doch Stifter des Kultes sein. Eine Statue der Antiope stand in Sikyon im Heiligtum der Aphrodite 20 , das so wichtig war, daß in klassischer Zeit ein Goldelfenbeinbild der Göttin für den Tempel geschaffen wurde. Nur eine Priesterin, eine bejahrte Frau, durfte den Tempel selbst betreten, dazu ein jährlich bestelltes Mädchen, Lutrophoros betitelt. Dies erinnert an den Sosipolis-Kult in Olympia21 ; und die Antiope-Statue weist vielleicht darauf hin, daß zu Epopeus und seinem Athena-Heiligtum eine ähnlich polare Beziehung bestand wie dort zwischen Männerwelt und Frauenwelt. Die Opfer der Männer, die die Ordnung der kriegerischen Göttin begründen, wären ja nicht möglich, wenn nicht Aphrodites Macht stets neues Leben zeugen würde. Das Ende des ] ungfrauendienstes, der Einbruch der Ausnahmezeit, der Tod des Königs ist Voraussetzung für den Antritt der jungen Generation. 17 18 19
20 21
Paus. 2, Paus. 2, Paus. 2, anderen Paus. 2, O. Kap.
14*
11, 1. Eine Athena-Münze von Sikyon: Imhoof-Blumer (1885) 31. 11, 1. 6, 3. - Bei Res. Fr. 224 ist ,Sikyon' Sohn des Erechtheus, in einer Genealogie (Paus. 2, 6, 5) Enkel des Epopeus.
10, 4. II 2 Anm. 49.
212
III. Auflösung und Neujahrsfest
6. Die Weiber von Lemnos Hatten die Feste und Mythen der ,Auflösung' schon mehrfach über die Grenzen des Griechentums hinausgewiesen, in der Gestalt der Leukothea wie im Namen der Skira, so führt der berühmteste Mythos vom Frauenaufstand in eine Stadt, in der vorgriechische Bevölkerung und Kultur bis ins 6. Jahrhundert selbständig blieb und im Kult noch länger fortwirkte: Hephaistia auf Lemnos, die Stadt des Hephaistos und der Kabiren. Die Griechen nannten die Einwohner ,Tyrsener'; diese sprachen und schrieben eine unbekannte Sprache vermutlich klein asiatischen Typs; die Eroberung durch Miltiades, die Besiedlung mit attischen Kleruchen bedeutete keinen völligen Bruch der Kontinuität!. "Unter allen Greueln hat Vorrang der von Lemnos", singt der Choephoren-Chor bei Aischylos2; längst vor ihm schon war im Rahmen der Argonautenerzählung die Geschichte von den männermordenden Lemnierinnen verbreitet worden. Sie beginnt, in der stets gleichen Typik, mit einem Ehebruch, der diesmal jedoch kollektiv den Männern angelastet wird: der Zorn der Aphrodite - die hier an Stelle der Ehegöttin Hera steht - hat die Frauen von Lemnos getroffen, sie entwickeln einen üblen Körpergeruch, der die Männer vertreibt3 • Sie halten sich schadlos an thrakischen Sklavenmädchen. Da erhebt sich gegen sie die Verschwörung der Frauen, bricht auf in nächtlichem Aufstand: in einer Blutnacht werden sämtliche männlichen Bewohner der Insel umgebracht, nicht nur die Ehemänner, sondern auch Väter
1
2
3
Zur Geschichte von Lemnos C. Fredrich AM 31 (1906) 60-86; 241-55; F. L. W. Sealey BSA 23 (1918/9) 148-74; C. Fredrich, IG XII 8 p. 2-6; RE XII 1928-30. Wichtige neue Aufschlüsse brachten die italienischen Ausgrabungen, ASAA 15/16 (1932/3) vorläufig angezeigt, die aber 1939 abgebrochen wurden; vgl. EAA III 230-1; IV 542-5. Zur athenischen Eroberung Hdt. 6, 137-40; vgl. Philochoros FGrHist 328 F 100/101. Cho. 631; vgl. PR 11 849-59; zur Rekonstruktion des alten Argonautenmythos P. Friedlaender RhM 69 (1914) 299-317 = Studien zur antiken Literatur und Kunst (1969) 19-34; K. Meuli, Odyssee und Argonautika (1921); U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Hellenistische Dichtung 11 (1924) 232-48. Zum Mythos in Verbindung mit dem Fest F. G. Welcker, Die aeschylische Trilogie Prometheus und die Kabirenweihe zu Lemnos (1824) 155-304; G. Dumezil, Le crime des Lemniennes (1924); Burkert (1970). Kaukalos ? FGrHist 38,2; Apollod. 1, 114; Schol. Ap. Rh. 1, 609 (Apollonios selbst verschweigt die BvO'ooBia); Schol. Eur. Hek. 887; Zenob. Ath. 1,19 p. 351 Miller; Eust. 158,17; Dion or. 33,50; u. Anm.14.
6. Die Weiber von Lemnos
213
und Söhne der entmenschten Weiber4• Sie sind radikaler noch als Prokne. Fortan gehört den Frauen die Insel, die hier amazonengleich regieren. Und doch kann dies nur ein übergang sein, eine Zwischenzeit. Ein Mann nur hat ein besonderes Schicksal, der eigentliche Repräsentant der patriarchalischen Gesellschaft, der König Thoas. Ihn sucht seine Tochter Hypsipyle zu retten, sie versteckt ihn in einer hölzernen, sargartigen Truhe (A6:pVO:~), die dann, von Hypsipyle selbst oder von den ihr Geheimnis' ausspähenden Frauen gemeinsam, ins Meer hinausgestoßen wird6 • Valerius Flaccus6 malt aus, wie der König erst im Dionysostempel, unter dem Gewand des Gottes, verborgen wird und dann, in der Maske des Gottes, von den Bacchantinnen unter Führung Hypsipyles zum Meer geleitet wird. Wieviel davon ältere, lokalverbundene Tradition wiedergibt, ist nicht zu sagen. Aufs engste mit Dionysos verbunden ist Thoas schon bei Euripides, er ist der Sohn des Gottes 7• Merkwürdigerweise wird der Tod des Osiris in eben dieser Weise erzählt: Seth schließt ihn in eine A6:pVO:~ ein, der Nil trägt ihn hinaus ins Meers. Bereits für die Griechen des 5. J ahrhunderts waren Osiris und Dionysos identisch. In der Weite des Meeres verschwindet geheimnisvoll sowohl Heiliges wie Unheil. Vom Meere her kehrt auch das neue Leben zurück nach Lemnos, wie der König meerwärts entschwand. Es ist das Argonautenschiff, das erste Schiff überhaupt, auf dem die tüchtigsten jungen Männer ganz Griechenlands sich zusammengefunden hatten, das eines Abends an der Küste von Lemnos erscheint 9 ; seine Ankunft verwandelt die Männerfeindschaft der vermeintlichen Amazonen ins direkte Gegenteil: sie ließen, laut Aischylos, noch vor der Landung die Argonauten <1 Ii
6 7
8
9
rro:v apcrev 01-10V yevos Ap. Rh. 1, 618; ,Väter und Männer' ApolIod. 1, 115; am ausführlichsten Stat. Theb. 5,85-334; Val. Flacc. Arg. 2, 107-427. Ap. Rh. 1, 620-6; Theolytos FGrHist 478 F 3, Xenagoras FGrHist 240 F 31, und Kleon von Kurion Schol. Ap. Rh. 1, 623/6a; vgl. Eur. Hypsipyle Fr. 64, 74-87, 105-111 Bond (1963); Schol. Pi. III p. 2, 8-13 Drachmann. Die Larnax auf der rf. Schale Berlin 2300 = ARV2 409, 43, G. M. A. Richter, The furniture of the Greeks, Etruscans and Romans (1966) 385. Auf das weit verbreitete Motiv der ,Arche' (Danae, Auge, Tennes, Osiris etc.) sei nicht weiter eingegangen. Arg. 2, 242-302, vgl. Immisch RML V 806. Hyps. Fr. 64, 111 und AP 3, 10; Euvei5cxt in Athen, Priester des Dionysos Melpomenos, als Nachkommen von Iason und Hypsipyle: Toepffer (1889) 181-206. Plut. Is. 356c. Osiris = Dionysos: Hdt. 2, 42; wohl auch schon bei Hekataios. Ap. Rh. 1, 630-52; Stat. Theb. 5, 335-47.
214
III. Auflösung und Neujahrsfe3t
schwören, mit ihnen die Werke der Aphrodite nachzuholen1o . Ein Agon zu Ehren der Toten bewährt die Kraft der lebenden Nachfolger; die Frauen von Lemnos stiften den Preis, ein Gewand den Siegernl l . Mit der Investitur ist die Hochzeit verbunden, oder vielmehr ein ungeordnetes Massenbeilager, mit dem e contrario die Periode von Geschlechterhaß und Männerlosigkeit schließt. Schon die Ilias kennt Euneos, den Herrn vom ,Guten Schiff, Sohn von Iason und Hypsipyle, als Herrscher auf Lemnos1 2 • Wieder ist es ein lokaler Zufall, der uns, freilich erst aus der Spätantike , über das Ritual Auskunft gibt, das "auf Grund der von den Frauen von Lemnos gegen die Männer begangenen Untat alljährlich begangen wird, ein Fest der Reinigung und des Neuen Feuers. Als Aition des Ritus wird der Mythos genannt, der eben dieses Fest in Einzelheiten spiegelt. Philostrat von Lemnos1 3 berichtet aus erster Hand - er selbst oder ein naher Verwandter war in Hephaistia "Priester des Hephaistos, nach dem die Stadt benannt ist "Gereinigt wird die Insel zu bestimmter Zeit im Jahr, und man löscht das Feuer auf der Insel neun Tage lang. Ein Festgesandtschaftsschiff aber holt Feuer aus Delos, und wenn es eintrifft, bevor die Totenopfer zu Ende sind, darf es nirgends auf Lemnos vor Anker gehen, sondern es treibt auf dem offenen Meer vor den Küstenvorsprüngen, bis es nach heiligem Brauch erlaubt ist, einzulaufen. Sie rufen nämlich zu diesem Zeitpunkt unterirdische, geheime Götter an und bewahren darum, meine ich, das Feuer rein im Schoß des Meeres. Wenn aber das Gesandtschaftsschiff eingefahren ist und sie das Feuer verteilt haben für alle übrigen Bedürfnisse des Lebens und insbesondere für die Handwerke, die des Feuers bedürfen, von da an, sagen sie, beginnt für sie ein neues Leben". lt
lt
-:
10
11
12 13
Fr. 40 Mette, vgl. Pi. Py. 4, 254; Herodor FGrHist 31 F 6. Daher !\';IJV1CXl als Komödientitel und -stoff, Aristoph. Fr. 356-75, Nikochares Fr. 11-4 (CAF I 772), Antiphanes Fr. 144-5 (CAF II 70), vgl. Alexis Fr. 134 (CAF II 345), Diphilos Fr. 54 (CAF II 558), Turpilius 90-9 Ribbeck. Simonides 547 Page; Pi. Py.4, 253 m. Schol.; vgl. Ap. Rh. 2, 30-2; 3, 1204-6; 4, 423-34. H. 23, 747 vgl. 21, 41; 7, 468-9; 14, 230; o. Anm. 7. Her. p. 232 Boissonade (Paris 1806) = p. 325 Kayser (Zürich 1844 = 18532 ) = ed. Teubner (1871) II 207. Zur Korruptel KCXt Kcx6' evcx TOÜ houS gegen A. Wilhelm (Kcx6' eVO:Tou hous, Anz. d. Ak. d. Wiss. Wien 1939, 41-6) Burkert (1970) 3: KCX1POV Kcx6' evcx TOÜ hous (?); vgl. Kcx6' EVcx KCXlp6v Plut. Is. 380d (= Manetho FGrHist 609 F 22). - Vgl. Nilsson (1906) 470-1. - Hephaistospriester Philostratos: IG XII 8, 27.
6. Die Weiber von Lemnos
215
Dies ist eine der klarsten und eindrücklichsten Beschreibungen einer Zeit der Ausnahme und ,Auflösung', in der das normale Leben fast zum Erliegen kommt: es gibt kein Feuer, kein normales Essen, kein Götteropfer und keine Leichenfeier ; Bäcker und Schmiede streiken, und auch die Hausgemeinschaft zerbricht. Der hellenistische Historiker Myrsilos von Lesbos14 behauptet, Medea habe aus Eifersucht gegen Hypsipyle ihren Zauber über die Frauen von Lemnos geworfen, "und es gebe bis heute alljährlich einen bestimmten Tag, an dem die Frauen wegen ihres üblen Geruchs Mann und Söhne von sich fernhalten ". Der fabulöse Gestank, an dem die Ehen auf Lemnos scheiterten, kehrt also mit kalendarischer Regelmäßigkeit alljährlich wieder, der groteskeste Zug des Mythos wird zur Tatsache; dies ist eindeutig ein Ritual, das zu jener Ausnahmeperiode gehört. Wie jener üble Geruch zustandekam, läßt die Parallele der attischen Skira ahnen: da kauen die Frauen, die sich zusammenrotten, Knoblauch, "um nicht nach Salben zu duften"15. Was immer ihre Geschlechtsgenossinnen auf Lemnos Analoges unternahmen16, auch sie jedenfalls verekeln sich den Männern und treiben sie von sich, die Frau den Mann, die Mutter die Söhne. Der Mythos steigert dies zu männermordendem Haß, er macht aus dem Tag der Geschlechtertrennung die Zwischenzeit des Matriarchats. Auch dies verbindet das Lemnische Fest mit den Skira; und in Athen ist fest bezeugt, was durch den Mythos von Thoas durchschimmert: die rituelle Wegführung des Königs17 . Freilich ist der Weg zum Skiron weniger dramatisch als die Sargtruhe auf Lemnos; was auf Lemnos tatsächlich geschah, wissen wir nicht; die Phallagogie an den Delischen Dionysia18 zeigt eine andere Möglichkeit, wie das Entschwinden im dionysischen Opferfest rituell dargestellt werden konnte. Opfer gehörten jedenfalls zu der Ausnahmezeit auf Lemnos, Opfer ohne Feuer, bei denen man allenfalls rohe Fleischstücke kosten konnte, die Reste zu vergraben oder aber ins Meer zu werfen hatte. Aus den ausgehobenen Opfergruben, in die das Blut rinnt, scheinen 14 16 16
17 18
FGrHist 477 F 1. Philochoros FGrHist 328 F 89, o. Kap. III 1 Anm. 42. Eine Randglosse Antig. hist. mir. 118 = Myrsilos FGrHist 477 F 1b nennt TIi}ycxvov, ein Kraut, dessen Geruch Schlangen vertreiben (Arist. hist. an. 612a 28) und sexuelle Abstinenz bewirken (Schol. Nik. Alex. 410) soll; vielleicht gehört dieses Gewürz zum Lemnischen Ritual, wie es nach Schol. Nik. 1. c. in Mysterien gebraucht wurde. O. Kap. III 1 Anm. 35. O. Kap. I 7 Anm. 54.
216
111. Auflösung und Neujahrsfest
Mächte der Tiefe zu steigen und die Insel in Besitz zu nehmen. Die Münzen von Hephaistia zeigen oft einen schreitenden Widder19 : es ist anzunehmen, daß ein Widderopfer beim Hauptfest der Stadt seine Rolle spielte. Auch Erechtheus erhält seinen Widder 20. Eine besondere Rolle spielt auf Lemnos das Graben heiliger, ,Lemnischer Erde' durch die Priesterin der Artemis an jenem Berg Mosychlos, wo Hephaistos vom Himmel fiel. ,Lemnische Erde', Scheiben rötlichen Tons, mit dem Bild einer Ziege gesiegelt, gewann den Ruf eines vielseitig verwendbaren Heilmittels, den es im vorderen Orient bis ins 20. Jahrhundert bewahrte21 • Galen22 fuhr eigens nach Lemnos, um die Gewinnung Lemnischer Erde zu beobachten; in der Neuzeit geschah sie am 28. August unter Aufsicht des örtlichen Popen. Dioskurides23 sprach von einem Ziegenopfer bei dieser Gelegenheit, wovon aber in Galens Zeit die Lemnier nichts wissen wollten. Daß das Graben am Berg des Hephaistos mit dem Feuerfest 'Iin Hephaistos' eigener Stadt zusammenhängt, ist unabweisbar; daß statt des Hephaistospriesters die Priesterin der Artemis agiert, deutet auf die Abwesenheit des Gottes, auf jene Zwischenzeit, in der die Mächte der Tiefe beschworen werden. Dann fällt das Fest in den August, fast in die gleiche Zeit wie die attischen Skira; und auch deren Name enthält einen Hinweis auf eine besondere, weiße Erde, die getragen wird. Dann, zum Ende der Zwischenzeit, drängen sich die Menschen am Strand, um Ausschau zu halten nach dem Schiff, mit dem das neue Leben wiederkehrt, neues, reines Feuer: Hephaistos kommt in seine Stadt zurück. So hat das Urschiff, die Argo, ins sterile Frauenreich neue Lebensrnacht gebracht. Vor allem erhalten, wie Philostrat betont, die Handwerker, die mit Feuer umgehen, Bäcker also und Schmiede, vom neuen Element. Mythische Handwerker sind die Kabiren, Kinder oder Enkel des Hephaistos auf Lemnos24• Ihr Heilig19 Königliche Museen zu Berlin, Beschreibung der antiken Münzen (1888) 279-83; HN2 262-3; Cook 111 (1940) 233-4; Hemberg (1950) 161, vgl. 102; 284 zu Samothrake. 20 O. Kap. 111 1 Anm. 38. 21 C. Fredrich ,AM 31 (1906) 72-4; F. W. Hasluck BSA 16 (1909/10) 220-30; Cook III (1940) 228-34. 22 XII 169-75 Kühn. 23
5,113.
24 Akusilaos FGrHist 2 F 20; Pherekydes FGrHist 3 F 48. Ausgrabungsbericht: ASAA 1/2 (1939/40) 223-4; 3/4 (1941/3) 75-105; 15/16 (1952/4) 317-40; D. Levi in: Charisterion A. K. Orlandos III (Athen 1966) 110-32; Hemberg
(1950) 160-70.
6. Die Weiber von Lemnos
217
turn, das Kabirion, ist auf Lemnos unweit Hephaistia ausgegraben worden; erstaunlich ist in ihm die Kontinuität des Kultes vom Vorgriechischen zum Griechischen. Eine Gemeinde von Mysten sammelte sich dort zu geheimen Feiern, in denen der Wein eine große Rolle spielte; Verehrer der mythischen Schmiede, sind sie wohl ein einer Schmiedegilde nachgebildeter Männerbund. Der Mythos sagt, die Kabiren seien aus Lemnos vor Entsetzen ob des Weiber-Greuels geflohen 25 • Sie müssen, wenn ihr Kult fortbesteht, doch wohl zurückgekommen sein, im Wiedereinbringen des neuen Feuers, mit dem die Handwerker ihre Arbeit aufnehmen. Zu den Argonauten gehören die Dioskuren, die immer wieder als ,Große Götter t den Kabiren angeglichen worden sind26, bis zur Identifizierung; Hephaistos, Kabiren, Dioskuren - und Odysseus - tragen den spitzrunden Hut (niAos). Anführer der Argonauten ist lason, dessen Name von lasion, dem Gatten der Demeter, und lasion, dem Bruder des Dardanos auf Samothrake kaum·zu trennen ist 27 • Ziel der Argonautenfahrt ist die Einholung des Vließes eines im Sonnenland geheimnisvoll geopferten Widders. Der Herold, der die Verhandlungen zwischen Argonauten und Lemnierinnen führt, heißt Aithalides 28 , der ,Mann des Rußest, wie Lemnos selbst als Insel des Hephaistos Aithale heißt. So eng ist die Argonautensage in Einzelheiten mit Lemnos verwachsen. Vom Kult, vom Vorgriechischen her gesehen, ist Argo das Kabirenschiff, das neues Feuer und neues Leben bringt. Sieger im Lemnischen Agon, erzählt Pindar29, war Erginos, der Weißhaarige, den die andern verlachten: der Sieg des Hephaistos in der ihm eigenen Stadt inmitten rituellen ,Osterlachenst 30 ist hier noch in der griechischen Übermalung angedeutet. Bei aller Ähnlichkeit im Rhythmus von Auflösung und Neubeginn zwischen dem Lemnischen Fest und den entsprechenden Festen von Athen, Argos, Theben oder Sikyon zeigt sich doch ein charakteristischer Unterschied: in Lemnos sind es nicht Schildträger oder 25 26
27
28
29 80
Phot. KaßElpOl. Hemberg (1950) pass.; F. Chapoutier, Les Dioscoures au service d'une deesse (1935) pass. Vgl. die karische Stadt Iasos. Ap. Rh. 1, 641-51; Pherekydes FGrHist 3 F 109 = Schol. z. d. St.; Ai6cxA{a Polyb. 34, 11, 4; Steph. Byz. Ai6aAll. Pi. 01. 4, 19-23, vgl. Schol. 32c; Kallim. Fr. 668. P. Sartori, Sitte und Brauch III (1914) 167; vgl. Mannhardt (1875) 502-8; GB X 121-31.
218
IH. Auflösung und Neujahrsfest
weiße Reiter, die die Männerordnung wieder errichten, nicht eine militärische Organisation, sondern ein Handwerkerbund. Vielleicht ist darum Lemnos der griechischen Eroberung erlegen. Und doch wirkten in den vom aristokratischen Griechentum aus gesehen ,unteren' Schichten Kräfte, die auch bei Griechen Resonanz fanden und in der sozialen Krise und Reform der Polis zum Tragen kamen. Die Münzen von Hephaistia31 zeigen, außer dem erwähnten Widder, die Filzmützen der Kabiren, den Heroldstab des Hermes-Aithalides, außerdem Trauben und Weinreben: daß das ,Kabirische' dem Dionysischen ganz eng benachbart ist, ja in dieses bruchlos übergeht, ' zeigen die Trinkbecher aus dem Kabirion bei Theben32 ebenso wie der Lemnische Mythos, der Thoas dem Dionysos-Osiris so unmittelbar angeglichen hat. Hephaistos' Rückkehr im Dionysischen Zug ist eines der beliebtesten Motive der Vasenmaler33, seit in Korinth das Anstokratenregiment der Tyrannis gewichen war; Alkaios von Lesbos hat das Thema in die Literatur eingeführt, in griechischer Verwandlung ein Nachhall von der nicht griechischen Insel des Hephaistos.
7. Die Wieder kehr des Delphins Der Umschlag von Vernichtung zu Neubeginn führt immer wieder über das Meer, am deutlichsten auf der Insel Lemnos, doch auch im Meeressprung der Leukothea und des von Lykurgos gehetzten Dionysos. Attische Aitiologen sahen auch die Abfahrt des Theseus nach Kreta in den Skirophoria gespiegelt1 . Für Menschen, die am Meere leben, liegt dies ganz nah: so vieles verschwindet in der unendlichen Weite und Tiefe, um nie mehr wiederzukehren, anderes treibt überraschend an den Strand und bringt Gewinn. Todesangst und rettendes Glück sind da einander ganz nah, Verlust und Wiederfinden. Wenn das ,unsagbare Opfer' vom Meer empfangen und verborgen wird, scheint Reinheit und Unschuld wie von selbst wiederhergestellt; doch muß es Folgen haben: das Meer ist gerecht, es empfängt und gibt. 31 0 .
Anm. 19; herangezogen bereits von Welcker
(0.
Anm. 2).
32
P. Wolters, G. Bruns, Das Kabirenheiligtum bei Theben (1940); Neue deutsche
33
Ausgrabungen (1959) 237-48; Hemberg (1950) 184-205; G. Bruns AA 1967, 228-73. F. Brommer JdI52 (1937) 198-212; A. Seeberg JHS 85 (1965) 102-9.
1
o. Kap. III 1 Anm. 45.
7. Die Wiederkehr des Delphins
219
Die Wiederkehr vom Meer erscheint fast stereotyp begleitet vom Bild des schönsten, gewandtesten, menschenähnlichsten Meeresbewohners: des Delphins. Zu panhelleniseher Geltung, wenn auch nur zum vierten Rang, brachten es die Isthmischen Spiele im Heiligtum des Poseidon unweit Korinth2 • Ihre Kultlegende knüpft in der Regel an den Meersprung der Leukothea an: Hier, am Isthmus von Korinth, sei der Leichnam des Knaben Melikertes von einem Delphin ans Land getragen worden; Sisyphos, der kluge Gründer von Korinth, beiläufig einer der ,Erfinder t des Bestattungsrituals, habe den toten Knaben bestattet und ihm, dem nunmehr Palaimon benannten, zu Ehren die Wettspiele eingerichtet 3 • Der Knabe auf dem Delphin war vielfach in Werken der Plastik dargestellt, erscheint auch auf den Korinthischen Münzen als Kennzeichen der Isthmischen Spiele4 - bald als schlaffer Leichnam, bald als munterer Reiter dargestellt: konnte der in einem eigenen Heiligtum, dem Palaimonion, verehrte wirklich gestorben sein? Zwei Zentren bestimmen, wie so oft, das Heiligtum am Isthmus, das des Palaimon und das des Poseidon: Heros und Gott, ,chthonischest und olympisches Ritual, Kuppelbau und Tempel; zwischen beiden begann und endete das Stadion für den Wettlauf. Freilich ist der Kuppelbau im Palaimonion, den Pausanias sah und den die kaiserzeitlichen Münzen zeigen, erst in römischer Zeit errichtet WOfden 5 , wobei das ältere Stadion teilweise überbaut wurde; wie der Palaimon-Bezirk ursprünglich aussah, ist nicht geklärt. Daß aber Palaimon seinen Kult hatte, ist der seit Pindar bezeugten aitiologisehen Legende zu entnehmen, die wahrscheinlich sogar schon im 2
3
4
5
K. Schneider, RE IX 2248-55, überholt durch die Ausgrabung des Heiligtums durch O. Broneer, Hesperia 22 (1953) 182-95; 24 (1955) 110-41; 27 (1958) 1-37; 28 (1959) 298-343; 31 (1962) 1-25; Roux (1956) 91-103. Pi. Fr. 56; Arist. Fr. 637; Prokles (Xenokrates-Schüler) bei Plut. q. conv. 677b; Musaios FGrHist 455; Aristid. or 46, 32-5 Keil; Apollad. 3, 29; Schal. Pi. III p. 192-4 Drachmann; Schal. Eur. Med. 1284; wohl schon bei Eumelos, Jacoby zu FGrHist 451 F 4, A. Barigazzi Riv. di Filol. 94 (1966) 129-48 zu [Dion] or. 37, 11-4. Paus. 2, 1, 8; 3, 4; Münzen: Imhoof-Blumer (1885) 10-12, T. BI-XIII; vgl. Philostr. im. 16 (II 362, 24 ed. Teubn. 1871). Paus. 2,2,1; Imhoof-Blumer (1885) T. B. XI-XIII; Hesperia 27 (1958) 15-7; F. Robert, Thymele (1939) 156-9; Roux (1958) 100-2, fig. 11; IG IV 203. Philostrat (Il 362, 27) läßt Poseidon selbst das unterirdische ä:SUTOV für Palaimon aufbrechen. .
220
III. Auflösung und Neujahrsfest
alten Epos des Eumelos vorkam6 • Vielleicht genügte zunächst eine einfache Opfergrube für das nächtliche Opferritual. Denn zur Nachtzeit wurde dem Palaimon ein schwarzer Stier geschlachtet; nach Plutarchs Urteil erinnerte dies eher an eine Mysterienweihe (Tei\eTf]) als an ein Sport- und Volksfest 7. Von mysterienhaftem ekstatischen Klagegesang spricht auch Philostrat8 , von ,Weihen' und Orgiastik Aelius Aristides, zuvor vom ,Eid'9: Pausanias10 erwähnt das Palaimonion als Stätte heiliger Eide; auch der Eid, den die Kämpfer vor den Spielen zu leisten hatten, fand dann gewiß dort statt: die Begegnung mit Palaimon im unterirdischen Gewölbe, zur Nachtzeit, ging den Tagen der Wettbewerbe voraus; von der Trauer zur Lebenskraft, vom Tod zur Lebensordnung geht auch hier der Lauf, von Palaimons Opfergrube zum Altar Poseidons. Dem Meeresgott gilt das Fest an der Stelle, wo Meer- und Landweg sich kreuzen. Vom Meer her kamen Delphin und toter Knabe: der Mythos macht das Isthmische Fest zum Schlußakt einer Tragödie, deren gräßliches Zentrum er anderwärts ansiedelt, im Hause des Athamas und an der Molurischen Klippe bei Megaral l. Vermutlich haben die wandernden Sänger, wie bei Antiope und Epopeus, verschiedene Lokaltraditionen verbunden. Dann wäre freilich auch am Isthmus selbst ein ,unsagbares Opfer' am Meere zu postulieren, auf das die Rückkehr des Delphinknaben antwortet. In der Tat: am Strand unterhalb des Heiligtums, neben einem Altar des Melikertes, wurde eine Fichte gezeigt, mit der die Geschichte von Sinis dem ,Fichtenbeuger' , Pityokamptes, verbunden war12 • Er ließ seine Opfer von den zurückschnellenden Fichten zerreißen oder zerschmettern, bis Theseus ihm ein gleiches Schicksal bereitete. ,Auf Grund' dieses blutigen Siegs, der Tötung des Sinis, hat Theseus die Isthmischen Spiele gestiftet, wie eine wohl attisch V gl. Anm. 3. Plut. Thes. 25; Taüpov Ilei\ava Philostr. II 363, 1; Tavpo
7
7. Die Wiederkehr des Delphins
221
beeinflußte Tradition wollte13 . Ein Fichtenkranz war Preis für den Sieger14. Die zerfetzten Opfer aufgehängt am Baum, der keine eßbaren Früchte trägt: dies ist ein Bild des ,unsagbaren Opfers' von schauriger Deutlichkeit. Tatsächlich ist ein solcher Opferritus mittels auseinanderschnellender Bäume in Gallien bezeugt15. Die Dichter und Exegeten freilich haben es vorgezogen, eine andere Vorgeschichte, die von Leukothea, zu erzählen; der Fichtenkranz wurde sogar, von der Klassischen bis zur Hellenistischen Zeit, nach dem Vorbild von Nemea durch einen Eppich-Kranz ersetzt. Später restituierte man den Fichtenkranz, den Kranz vom Opferbaum. Die ,mysterienhafte' Klage um Palaimon blieb Bestandteil des Isthmischen Festes. Losgelöst von solch düsterem Hintergrund, heiter-befreiend hat die Legende des 6. Jahrhunderts fast am gleichen Ort das Bild des Delphinreiters weiterentwickelt, in den Farben des eben damals erneuerten Dionysoskultes: so landet Arion, der dionysische Dichter, vom Delphin gerettet im Heiligtum des Poseidon. Korinthische Schiffer wollten ihm Gold und Leben nehmen, als er mit ihnen von Tarent nach Korinth unterwegs war; Arion spielte im vollen Schmuck des Sängers auf seiner Kithara sein letztes Lied und sprang ins Meer, und ein Delphin erschien und trug ihn bis nach Tainaron. Dort, gewiß in dem bekannten Poseidon-Heiligtum, sah Herodot ein Standbild des Delphinreiters. Ihr eigentliches Ziel aber erreicht die Geschichte in Korinth, in der Residenz des Tyrannen Periandros, als Arion erscheint und die Verbrecher überführt. Korinther und Lesbier erzählen davon, sagt Herodot16 • Daß die hübsche Legende einen präzisen Sinn hat, wurde längst gesehen17 : Arion ist, wie Herodot in eben diesem Zusammenhang bezeugt und auch schon Pindar weiß, der ,Erfinder des Dithyrambos'18. 13
14
15
16
17
18
Marm. Par. FGrHist 239 A 20; Plut. Thes. 25; Schol. Nik. Alex. 605. Plut. q. conv. 677b; KalI. Fr. 59; Schot Ap. Rh. 3,1240; vorübergehend durch aEAlvov ersetzt, Pi. 01. 13,33; Nem. 4,88; Isthm. 2, 16; 8, 64; Nik. Alex. 604-6 m. Schol. 605; Schol. Pi. 111 p. 193, 11. E. Thevenot, Hommages a W. Deonna (1957) 442-9. Vgl. die Tanne des Pentheus, Eur. Bacch. 1064ff.; Dionysosbilder aus dem Holz dieser Tanne, Paus. 2, 2, 7. Hdt. 1, 24; dazu das angebliche Danklied Arions, Poetae Melici Graeci 939 Page. C. M. Bowra, Arion and the dolphin, MH 20 (1963) 121-34 = On Greek margins (1970) 164-81. Pi. 01. 13, 18-9 m. Schol; Hellanikos FGrHist 4 F 86; Aristoteles Fr. 677 = Prokl. Chrest. 320a 31; Dikaiarchos Fr. 75 W.; Schol. PI. Resp. 394c; Tzetz. Lyk. p. 2, 15 Scheer.
222
IH. Auflösung und Neujahrsfest
Diese Einführung des dionysischen Chorgesangs ist nicht zu trennen vom Hervorbrechen der dionysischen Motive, der Thiasoi der Dicksteiß-Tänzer auf den korinthischen Vasen eben seit der PeriandrosZeit1 9 • Nach dem Sturz des Aristokratenregimes der Bakchiaden, die sich unmittelbare Nachkommen des Dionysos nannten 20, mußte der Kult dieses Gottes neue, demokratischere Formen finden; daß ein Dichter und Musiker aus Lesbos diesen volkstümlich-derben Tänzen die musikalische Gestaltung gab, ist durchaus glaubhaft. Auf einer dieser Vasen beschäftigen sich die Tänzer mit, einem Delphin: schütten sie Wein ins Wasser 21 ? Jedenfalls ist die Assoziation der dionysischen Tänze mit dem Delphin fast in Arions Zeit damit bereits bezeugt. Wenig später sind, in Frühformen der dionysischen Kom ödie, auch in Athen Delphinreiter und Delphinmasken populär geworden 22 • Was Lesbier und Korinther vom Dichter des Dionysos erzählten, läßt der homerische Hymnos Dionysos dem Gott selbst widerfahren: er gerät in die Gewalt tyrrhenischer Seeräuber, die ihn auf hoher See in Fesseln legen wollen. Doch die Bande fallen ab, Reben wachsen auf und umwinden Mast und Segel, Efeu umschlingt den Mast, die Schiffer springen vor Entsetzen ins Meer und werden in Delphine verwandelt. Nur den Steuermann, der allein den Räubern widersprochen hatte, schont der Gott, ja er macht ihn "ganz glücklich", indem er ihn in den heiligen Dienst stellt 23 • 19
20
21
22
23
H. Payne, Necrocorinthia (1931) 118-24; F. Brommer, Satyroi (1937) 20-22; L. Breitholz, Die dorische Farce im griech. Mutterland (Göteborg 1960); Pickard-Cambridge/Webster (1962) 100-1; 171-3. Dicksteißtänzer in Athen: A. Greifenhagen, Eine attische schwarzfigurige Vasengattung und die Darstellung des Komos im 6. Jh., Diss. Königsberg 1929. H. Seifert, Dithyrambos und Vasenmalerei in Athen, Diss. Würzburg 1970. Die älteste Darstellung des Dionysos auf dem Amphoriskos mit der Rückkehr des Hephaistos, Athen N. M. 1092, bei G. Loeschcke AM 19 (1894) 510; Payne Nr. 1073; Brommer21; Webster, List of Monuments Nr. 38. Satyros Pap. Ox. 2465 fr. 3 coI. II, H. Lloyd-Jones Gnomon 35 (1963) 454. Paris, Louvre MNC 674; Payne Nr. 989; Pickard-Cambridge/Webster (1962) 172, List of Monuments Nr. 43. Sf. Skyphos Boston 20.18, M. Bieber, The history of the Greek and Roman theater (1961) fig. 125a; sf. Schale Louvre CA 1924, AA 1942, 71 Abb. 3; sf. Lekythos Kerameikos, ibo Abb. 4/5; rf. Psykter New York, Norbert Schimmel Collection: G. M. Sifakis BICS 14 (1967) 36-7; pI. VI; er vermutet, daß die Beischriften ETTI AEI\
7. Die Wiederkehr des Delphins
223
Erst aus der Kaiserzeit ist das zugehörige Ritual bezeugt: in Smyrna wird "im Monat Anthesterion eine Triere, hoch erhoben, bis zum Marktplatz geleitet; der Priester des Dionysos lenkt sie gleichsam als Steuermann, nachdem sie am Meer die Ankertaue gelöst hat"24. Die Bilder des Dionysos-Schiffs, das getragen oder auf Rädern gefahren wird, haben wir indes bereits aus dem 6. Jahrhundert v. ehr.; so auf einer klazomenischen Vase26 , die in Ägypten gefunden wurde - Männer in seltsam ägyptisch anmutenden Schurzen tragen das Schiff -, so auf drei attischen Vasen, die um 500/480 datiert werden; hier steht das Schiff auf Rädern altertümlicher Form 26 . Der im Zuge 24 Philostr. V. Soph. 1. 25, 1, II 42, 24-7 ed. Teubn. (1871); Aristid. or. 17, 6 Keil = I 373 Dindorf (mit bezeichnendem Aition: die feindlichen Chi er wollten, während die Smyrnäer auf dem Berge feierten, die Stadt erobern, wurden aber von den Zurückkehrenden vernichtet und verloren ihre Schiffe: Dionysia als Neugewinnung der Stadt, vgI. o. Kap. III 1 Exkurs, bes. Anm. 118) "'" or. 21. 4 Keil = I 440 Dindorf. Nilsson (1906) 268. - Auf Münzen von Magnesia tragen 4 Männer einen Schiffsbug mit Dionysosknaben (?), M. Bernhart Jb. f. Numismatik u. Geldgesch. 1 (1949) 22. KOTOyooytO des Dionysos sind bezeugt in Milet: LSAM 48, in Priene: SIG 1003 = LSAM 37, in Ephesos: Acta S. Timothei ed. Usener (Progr. Bonn 1877, Nilsson [1906] 416, 5, mit rituellem Kampf). - Ankunft des Delphinreiters und Stadtgründung in der tarentinischen Tradition von PhalantosTaras, besonders auf Tarentiner Münzen, vgI. RE IV A 2286-7. Dionysien in Tarent: PI. Leg. 637b; Tarent = Satyrion Diod. 8,21; Verg. Aen. 7, 801; Prob. georg. 2, 197; Steph. Byz. LOTUptov. 250xford 1924, 264; J. Boardman JHS 78 (1958) 2-12; Pickard-Cambridge (1962) 84, List of Monuments Nr.82. Männer, die ein Boot tragen, auf ägyptischen Darstellungen z. B. AOB 494; 497; Schiffswagen z. B. AOB 199; E. Panofsky, Grabplastik (1964) fig. 8. - Zur Ankunft des Gottes im Schiff vgI. auch ANEP 676; 677; 686; Burkert (1967) 295-6. 26 Sf. Skyphos Acr. 1281a, Pickard-Cambridge (1968) fig. 12; sf. Skyphos Brit. Mus. B 79, Pickard-Cambridge (1968) fig. 13, Deubner (1932) T. 14, 2; sf. Skyphos Bologna 130, C. H. E. Haspels, Attic black-figured Lekythoi (1936) 253 Nr. 15, Pickard-Cambridge (1968) 13, Deubner (1932) T. 11, 1; dazu sf. Amphora ,in Corneto' J dI 27 (1912) 76-7 = Tarquinia 678, E. Simon (1969) 284 fig.276, wo der gleiche statuarische, sitzende, übergroße Dionysos im Schiff fahrend dargestellt ist. Die Schiffswagenprozession wird wegen der Parallele aus Smyrna (0. Anm. 24) meist den Anthesterien zugewiesen (Nilsson [1906] 269; [1955] 572; 583; Deubner [1932] 102-3; zögernd Pickard-Cambridge [1968] 12-3), obwohl das Fest in Smyrna Dionysia heißt und die Dionysia von Priene (SIG 1003, 20-4) nicht in den Anthesterion fallen; für die großen Dionysien traten ein A. Frickenhaus JdI27 (1912) 61-69; E. Bethe Hermes 61 (1926) 463. Zu dem primitiven ,cross-bar-wheel' H. L. Lorimer JHS 23 (1903) 132-151; G. Childe beiC. Singer, E. J. Holmyard, A. R. Hall, A History of technology I (1954) 214; Burkert (1967) 295.
224
IH. Auflösung und Neujahrsfest
mitgeführte Opferstier weist doch wohl auf den Dithyrambos am Fest der Dionysia; die großen Dionysien sind in Athen im Zug der dionysischen Reform um 560 gestiftet und sukzessive erweitert worden 27 ; zuletzt gegen Ende des 6. Jahrhunderts fand der Dithyrambos durch Lasos von Hermione seine klassische Form. Gewiß ist der Gott der Großen Dionysien der ,Dionysos von Eleutherai' im Kithairon; aus Richtung Eleutherai wurde sein Bild zu Beginn des Festes stets von neuem eingeholt. Doch die Ankunft des neuen Lebens samt Übermut und Überschwang läßt sich so sinnenfällig ins Bild des Schiffes fassen, daß der Schiffswagen zumindest zeitweilig der Prozession die Mitte gab. Selbst in die Panathenäenprozession hat man ja den Schiffswagen eingeführt2B • Der Gott in seinem WeinstockSchiff, von Delphinen umschwärmt, dies . ist die Epiphanie des ,Gottes der aus der Feme kommt' schlechthin; am schönsten ist sie dargestellt in der Augenschale des Exekias29 • Arion stammt von Lesbos; auch ein in Lesbos lokalisierter Mythos schildert, wie aus der blutigen Katastrophe vom Meer her neues, geheiligtes Dasein ersteht: das Haupt des Orpheus sei, erzählte man, nach der Zerreißung des Sängers durch die thrakischen Mänaden zusammen mit der Leier nach Lesbos übers Meer getrieben; Fischer haben es aufgefischt, und es wurde in einer unterirdischen Höhle beigesetzt, in Antissa "dort wo jetzt das Bakchos-Heiligtum ist"30. Ans Begräbnis des im dionysischen Taumel Zerrissenen schließt sich die Feier, in der die Leier des Toten neu zum Klingen kommt. An Antissa knüpft die Tradition Terpandros an, der im 7. Jahrhundert die äolische Musik ins griechische Festland brachte31 . In Athen kannte
27
28
29
30
31
Zu den Dionysien Deubner (1932) 138-42; Pickard-Cambridge (1968) 57-101; zu Lasos Pickard-Cambridge (1962) 12-5. o. Kap. III 1 Anm. 90. Zu Pegasos von Eleutherai o. Kap. I 7 Anm. 53. München 2044 = ABV 146, 21; vgl. o. Anm. 26; Hermippos Fr. 63 (CAF I 243); Nilsson (1906) 270; A. Lesky Gnomon 26 (1954) 211. "Über Dionysos als den ,Kommenden Gott' W. F. Otto (1933) 75-81. Luk. Adv. ind. 109 = OF T. 118; Phanokles Fr. 1 Diehl/Powell = Stob. 4,20, 47 = OF T.77; im Gebiet von Antissa, Myrsilos FGrHist 477 F 2; vgl. Philostr. Her. 5, 3 (II 172, 12 ed. Teubn.); 10, 7 (II 181, 17); V. Ap. 4, 14; Aristid. or. 24, 55 Keil = 1841 Dindorf; Hygin. astr. 2,7; Prokl. Resp. I 174 Kroll = OF T.119; Nikom. Harm. Exc.l p. 266,8-12 Jan = OF T.163. Zum Motiv des weissagenden Kopfes W. Deonna REG 38 (1925) 44-69; in einem Geheimkult in Neuseeland (1864): Globus 7 (1865) 149. Vgl. im übrigen PR II 406-8; Ziegler RE XVIII 1242; 1293. Phot. ~eTCx Aecrßtov ~S6v = Arist. Fr. 545.
7. Die Wiederkehr des Delphins
225
man jedenfalls im 5. Jahrhundert die lesbische Orpheus-Sage, wie die Vasenbilder zeigen32• Eine parallele Legende, einen benachbarten Ritus spiegelnd, führt ins lesbische Methymna: Dort haben Fischer in ihren Netzen aus dem Meer ein merkwürdiges Götterbild aus Olivenholz gefischt, Phallos und Kopf zugleich; mit Billigung des Orakels erhielt es als ,Dionysos Phallen' seinen Kult, seine Opferfeste. Eine eherne Kopie des Klotzes sah Pausanias in Delphi33• Vom "Herumtragen des Götterbildes an den Dionysien" spricht eine Inschrift aus Methymna3!1; wurde es jährlich neu aus dem Meer gefischt? Kopf oder Phallos, Persönlichkeit oder Zeugungskraft des Getöteten, erhoben zum Zentrum neuen Lebens - dies ist gröber, weniger sublimiert als die Orpheustradition von Antissa, und doch hängt beides strukturell aufs engste aneinander. Den umgekehrten Weg von der Troas nach Thrakien läßt die Kultlegende von Ainos ein Holzbild des Hermes treiben35• Fischer finden es, werfen es ins Meer und ziehen es zum zweitenmal heraus; daraufhin opfern sie ihm Erstlinge ihres Fangs, indem sie es einer dem andern herumreichen, und ,errichten' es schließlich in einem Tempel in der Stadt. Das ,Herumtragen' scheint den phallischen Hermes besonders eng mit dem Phallen von Methymna zu verbinden. Auch in Ainos bewegt sich der Kult im Milieu der ,niederen' Stände, was Kallimachos gerade reizte, die Legende zu behandeln. Zurück zur hohen Dichtung und zugleich in eine dem PalaimonMythos vergleichbare Düsterkeit führt die Sage vom Tod des Hesiod. Schon die Athener des Peloponnesischen Krieges wußten, daß er in Zwei rotfig. Vasen, ARV2 1174, 1 (Cook III [1940] T. 16) und ARV2 1401, 1 (Cook III 101), Brommer (1960) 358; dazu eine rf. Hydria in Basel. Vgl. Cook III 101-2, T. 17; 18. 33 Paus. 10, 19, 3 (.61oVVO'OV KecpaÄfjva Hss.,
~2
15 Burkert, Homo Necans
226
IH. Auflösung und Neujahrsfest
einem Heiligtum umkam, dem des Zeus N emeios unweit Oineon und Naupaktos36 • In einer sakralen Sphäre angesiedelt, wird dieses Sterben im Schema des Opferrituals erzählt; es beginnt mit der Mädchentragödie: man warf dem Sänger vor, er habe eine Jungfrau geschändet; und darum haben ihre Brüder Hesiod im Heiligtum des Zeus erschlagen und ins Meer geworfen. Am dritten Tag danach jedoch, als die Lokrer bei Rhion ans Meer zogen, das Ariadne-Fest zu feiern, brachte eine Schar von Delphinen den Leichnam ans Ufer 37 • Man setzte Hesiod im Heiligtum des Zeus Nemeios bei - wo dieses Grab ist, wissen allerdings nur die Eingeweihten3B • Die Mörder waren geflohen, entgingen aber ihrer Strafe nicht. Pausanias spricht von einem Poseidonfest in Rhion, während das Ariadnefest auf Dionysos weist: eben die Polarität von Dionysischem und Poseidon prägt auch die Palaimon- und die Arion-Legende. Auch am Isthmos gab es geheime Gräber 39• So ist der Tod des Dichters, der mit seiner Theogonie den Griechen ihre Götter gab, in die Struktur des Heiligen, des Opfers aufgenommen, mit seiner Ambivalenz; am Ende steht wohl doch die Begnadung, die Erhöhung zur Dauer im Heiligtum; ja die Sukzession wird eben durch die Katastrophe hindurch vollzogen: Sohn jener tödlichen Verbindung, erzählte man, sei der nächste große Gestalter der Mythen gewesen, Stesichoros40 • Thuk. 3, 96, 1. Certarnen Homeri et Hesiodi 14, p. 42 Wilamowitz (1915) = p. 234, Z.224-53 Allen, nach Alkidamas (M. L. West CQ 17 [1967] 446) und Eratosthenes (Fr. 17-21 Powell); PIut. Sept. Sap. Conv. 162d; Paus. 9,31, 6; zum Ende der Mörder Plut. Soll. an. 96ge; 984d; PoIl. 5,42. Vom Ariadnefest spricht das Certarnen, p. 42, 11 Wil. = Z. 234 Allen, von ti T6'W ·Plc.üv 6vo-{a Plut. 162e, einem Poseidonfest (Paus. 10, 11, 6; ßlovuo-la der NaV1T
36
37
8. Fisch-Advent
227
8. Fisch-Advent Der Delphin des Poseidon ist in den griechischen Mythen symbolischer Zierat: Attribut des Meeresgottes, Ausdruck elegant-spielerischer Schönheit und freundlicher Geselligkeit, in tieferer Schicht vielleicht Andeutung des gebärenden Mutterschoßes, der empfängt und wieder hervorbringt!. Eine viel handfestere Bedeutung hat der Fisch als Fisch im kleinasiatisch-phönikischen Gegenstück zum Leukothea-Mythos, dem von Atatgatis und Ichthys. Schon Xanthos der Lyder erzählte im 5. Jahrhundert v. Chr.: Atargatis, eine böse Königin wurde "von Moxos dem Lyder gefangengenommen und samt ihrem Sohn Ichthys im See von Askalon wegen ihres Hochmuts ertränkt; und sie wurden von den Fischen aufgefressen" 2 • Der König läßt Mutter und Sohn ins Wasser stürzen, wie Athamas Leukothea und Melikertes ins Meer jagt; und wie Leukothea ist Atargatis danach und eben wegen ihrer Leiden eine Göttin, ja sie ist die Große Göttin von Askalon; die Griechen nannten sie auch Derketo. Am See von Askalon ist ihr Heiligtum, heilig sind 'llle Fische, die darin gehalten werden3 • Ktesias hat den Mythos weiter gräzisiert und verharmlost: nicht gefressen, nein, gerettet sei Derketo von den Fischen worden, als sie sich selbst in Scham und Verzweiflung, nach der Geburt ihrer unehelichen Tochter Semiramis, ins Wasser stürtzte. Ein Fisch trug sie ans Ufer, und darum sind die Fische ihr heilig; die Syrer dürfen nicht von ihnen essen. Daß die Göttin halb als Fisch, halb als Mensch dargestellt werde, bezeugt Ktesias bei dieser Gelegenheit wie später Lukian4 • sonders den Dionysos Pelagios von Pagasai verehrt; auf dessen Weisung habe ein Fischer die Knochen des Ermordeten aus dem Meer gefischt, so daß sie bestattet werden konnten. - Nach einer Kultlegende von Brasiai (Lakonien) ist dort in einem Larnax SemeIe tot an Land getrieben und festlich bestattet worden, Dionysos aber von lno in einer Höhle aufgezogen worden (Paus. 3, 24, 3-4, ohne Angaben über Riten). 1
2
3
4
E. B. Stebbins, The dolphin in the literature and art of Greece and Rome. Diss. Baltimore 1929. M. Rabinovitch, Der Delphin in Sage und Mythos der Griechen (1947). FGrHist 765 F 17 = Ath. 346e; die durch FGrHist 90 F 16 Xanthos zugewiesene Namensform Moxos stimmt zu hethitisch Muksus, Muksas, vgl. H. J. Houwink Ten Kate, The Luwian population groups of Lycia and Cilicia Aspera (1961) 44-50. Zu Atargatis P. Perdrizet Melanges Cumont (1936) 885---91; P. Lambrechts, P. Noyen Nouv. Clio 6 (1954) 258-77. Diod. 2, 4, 3. Ktesias FGrHist 688 F 1 = Diod. 2, 4; Strabo 16 p. 785; Luk. Dea Syr. 14.
15*
228
UI. Auflösung und Neujahrsfest
Das Fisch-Tabu der Syrer fiel den Griechen immer wieder auf5 . Daß es sich dabei aber nicht um ein einschichtiges Verbot handelt, sondern' um die bezeichnende Ambivalenz des heiligen Rituals, beweist der detaillierte Bericht des Mnaseas von Patara6 : "Die Priester - der Atargatis - bereiten alltäglich der Göttin echte Fische zu und legen sie ihr auf einem Tisch vor, gekocht ebenso wie gebraten; und dann essen die Priester der Göttin diese Fische selber auf'. Denn "Gatis, die Königin der Syrer, war so auf leckere Kost erpicht, daß sie das Gebot ergehen ließ, niemand dürfe ohne Gatis Fische essen", berichtet Antipatros von Tarsos7, oder, wie es Mnaseas formuliert, sie gebot "Fisch nicht zu essen, sondern zu ihr ins Heiligtum hinaufzubringen". Die Fische werden also nicht etwa nicht gegessen, weil sie heilig sind, sie sind vielmehr darum heilig, weil sie gegessen werden in einer sakralen Opfermahlzeit, in Gemeinschaft mit Atar-Gatis, der Großen Göttin, der Mutter des ,Fisches' Ichthys schlechthin. Von ihrem Sohn, präzisiert Mnaseas8 , stammen insbesondere die Fische Galene, Myraina, Elakaten ab, große, geschätzte Speisefische; sie wurden vermutlich vor allem im heiligen See gehalten. Ebenso gehörte zum Tempel der ,Syrischen Göttin' in BambykeHierapolis ein Teich mit heiligen Fischen9 • Ihre erstaunliche Zahmheit den Priestern gegenüber wird gerühmt - drängen sie sich freiwillig zur Opfermahlzeit ? - ; Opfer wurden zum See herabgeführt, und man erzählte dazu1o, Hera gehe voran und halte Zeus zurück, daß er die Fische nicht erblickt; sie würden sonst sterben. Dies ist also ein für den Götterkönig verborgenes Opfer, ein Opfer der ,Abwendung', angsterregend und doch notwendig, eine Sache der göttlichen Frau:
5
6 7 8
9
10
Seit Xen. Anab. 1, 4, 9; Wächter (1910) 97-8; vgl. R. Eisler, Orpheus the fisher (1921) pass.; F. J. Dölger, Ichthys I (1910) 120-42; U (1922) 175-447. Bei Ath. 346de. Bei Ath. 346cd. Bei Ath. 301d. Luk. Dea Syr. 14; 45-8; Ael. nato an. 12, 2; Plin. n. h. 32, 17. Mit Berufung auf Ktesias (FGrHist 688 F 1) spricht Diod.2, 4, 2 vom See in Askalon, [Eratosth.] Cat. 38, p. 180 Robert vom See in Bambyke. - Fische, die zum Opfer bei Flötenspiel erscheinen, gehören zum Apollonheiligtum in Sura bei Myra in Lykien, Polycharmos FGrHist 770 F 1/2 = Ath. 333d-f; Plut. Soll. an. 976c; Plin. n. h. 32, 17; Ael. nato an. 8, 5; 12, 1. ,Lydia' Varro r. r. 3, 17, 4. Aus verwandtem Bereich stammt die bekannte Fabel vom Flötenbläser und den Fischen, Hdt. 1, 141, Ennius Sat. 65 Vahlen. - Ein Teich mit heiligen Fischen in Smyrna: SIG 997. Luk. Dea Syr. 47.
8. Fisch-Advent
229
der Typ des ,unsagbaren Opfers', am See der heiligen Fische vollzogen, scheint deutlich durch. Griechen haben die Syrische Göttin auch mit Aphrodite gleichgesetzt: ein Ei fiel vom Himmel in den Euphrat, wurde von Fischen ans Ufer getragen, von Tauben ausgebrütet; ihm entstieg Aphroditell • An Hesiod anknüpfend, erzählte man .auch12, Delphine und ,Geleitfische', TIOJ,llriA01, s~ien"zusammen mit Aphrodite aus dem Blut des Uranos entstanden": die Epiphanie der Göttin fällt zusammen mit der Ankunft der ,heiligen' Fische. Die strukturelle Identität 'des syrischen Fisch-Tabus zur gewöhnlichen, blutigen Opfermahlzeit bedarf kaum der Hervorhebung: eben das Geheiligte dient zur Speise, weshalb die Mahlzeit selbst streng reglementiertes, heiliges Werk ist. Jedes Fischgericht wird für die Syrer zur Opfermahlzeit, wie jedes Schlachten ein Opfer ist. Und wie dem Verspeisen des Bratens das blutige Geschäft der Tötung vorangeht, setzt auch der scheinbar unblutige Fischfang Gewalttat und Mord voraus, vor allem den Sturz in die Wassertiefe. Im UranosMythos ist die Kastration eines Opfertiers gespiegelt, dessen Genitalien man rückwärts, ohne sich umzusehen, ins Wasser warf; in Bambyke leitet man die Opfertiere zum See; Versenkung im Wasser ist auch in den Mythen von Askalon vorausgesetzt. Rationalisiert wirkt dies wie eine simple Fischfütterung ; der Charakter des Heiligen, Festlichen ist von diesem Zweck indes nicht ableitbar. Hier ist auf den Fischfang projiziert, was in anderem Bereich sich ausgebildet hatte: die feste Tradition des ]äger-Opfer-Rituals, in dem das Drama des schuldha#en Tötens der Nahrung notwendig vorausgeht. Tatsächlich ist der Fischfang, menschheitsgeschichtlich, wesentlich jünger als die Großtierjagd13, wenn er auch schon im ]ungpaläolithicum und 11
12
13
Nigidius Figulus Fr. 100 Swoboda = Schol. Germ. p. 81; 145 Breysig; Hygin. fab. 197. Andere erzählten, Aphrodite habe sich auf der Flucht vor Typhon (vgl. Pi. Fr. 91) in den Euphrat gestürzt und in einen Fisch verwandelt, Diognetos von Erythrai FGrHist 120 F 2 = Hygin. astr. 2, 30; Ov. met. 5, 331; fast. 2, 459; Manil. 4, 579-82. - In Aphaka am Libanon war ein Heiligtum der ,Aphrodite' mit heiligem See, in den man Opfergaben versenkte (Zosimos 1, 58; die der Gottheit genehmen Gaben gehen unter, wie im ,Wasser der Ino' Paus. 3, 23, 8); am Festtag, unter Gebeten stürzt ein Feuer vom Berg in den Fluß Adonis, "dies sei Aphrodite Urania" (Sozomenos 2, 5, 5; Zosimos spricht von einer Feuerkugel in der Luft): die Nennung des Berges statt des Himmels verrät den realen Charakter des Ritus: man läßt ein Feuerrad den Berg herabrollen (vgl. Mannhardt I [1875] 507-8). Epimenides FGrHist 457 F 22 = Ath. 282ef. Zur Geburt der Aphrodite o. Kap. I 7 Anm. 56. Müller-Karpe (1966) 162.
230
UI. Auflösung und Neujahrsfest
erst recht im N eolithicum wichtig wird. Für die Griechen war in der Regel nur die Fleischmahlzeit sakral; Fisch war die alltägliche, profane ,Zukost' zur Gabe der Demeter. Hier wirkt die Tradition der meerfernen Einwanderer14, während die alten Randvölker des Mittelmeers die Fischmahlzeit selbst sakralisiert haben. Jägerbräuche sind zu Fischerbräuchen geworden, indem der Fischfang die Jagd ersetzte. Das vorbereitende Jungfrauenopfer ist im Bereich von FischerKulturen häufig belegt: ein Mädchen wird zu Beginn der Saison ins Wasser gestoßen15 ; und das erschreckende Zentrum des symbolisierten Vater- oder Sohnesmords wird gleichfalls zu einem Akt der Vorbereitung - die besondere Struktur der Ausnahmezeit hat hier kein Analogon. Die Katastrophe vereint Mutter und Sohn. die zusammen zu den Fischen stürzen. Dafür schickt dann die Mutter der Tiere selbst den nährenden Segen, den sie selbst gebärend hervorbringt: Atargatis ist die Mutter des Fisches. Was in Askalon und Bambyke zu fassen ist, führt einerseits in die Hochkulturen des alten Orients hinein, andererseits aber auch auf mancherlei Bräuche griechischer Fischer. Im Tempel des Marduk voIi BabyIon wurden heilige Fische dem Gott dargebracht. Die ,WeidnerChronik'16 erzählt, wie "die Fischer von Esagila" auszogen, "für die Tafel des Bel" Fische zu fangen; ein böser König hinderte sie, Ku-Ba'u aber "gab den Fischern Brot, gab ihnen Wasser", und darum wurde Ku-Ba'u von Marduk zur Königin eingesetzt. Ob Königin Ku-Ba'u, die Freundin der Fischer, etwas zu tun hat mit der Göttin KubabaKybebe-Kybele, ist umstritten17 . Jedenfalls ist in BabyIon das Fangen und Darbringen der Fische im Tempel ein zentraler Akt der Frömmigkeit, ohne den keine Herrschaft Bestand hat. Wenig später läßt die Chronik einen anderen Fischer, der einen "Fisch des Geschenkes" für den "Großen Herrn Marduk" gefangen hat, selbst zum König werden. 14 15
16
17
A. Lesky, Thalatta (1947) 1-37, bes. 17-20. O. Kap. I 7 Anm. 24. Übersetzung und Kommentar: H. G. Güterbock Zeitschr. f. Assyriol. 42 (1934) 54-5. Bilder vom Opfer des heiligen Fisches auf Rollsiegeln, F. J. Dölger, Ichthys I (1910) 428-9; IU (1922) T. 18; R. Eisler, Orpheus the fisher (1921) T. 22; Fütterung der Fische: ibo T. 20. Priester in Fischgewand : Dölger IU T. 18,7 = Eisler T. 16; Dölger III T. 17, 1/2. Vgl. Dölger I 425-31. Vgl. W. F. Albright Arch. f. Orientforsch. 5 (1928/9) 229-31; Th. Jacobsen, The Sumerian king-list (1939) 104-5; E. Laroche, in: Elements orientaux dans la religion grecque ancienne (1960) 113-28; R. Gusmani Kadmos 8
(1969) 158-61.
231
8. Fisch-Advent
Ähnliche Ordnung setzt der Mythos von Adapa für den Tempel Eas in Eridu voraus18 : Adapa, von Ea als "Bewahrer der Riten geschaffen, vollzieht den "vorgeschriebenen Fischfang für Eridu "für den Haushalt seines Herrn, inmitten der See, fing er Fische. Er kämpft dann mit dem Südwind, bricht ihm die Flügel, muß sich dafür vor Anus Gericht verantworten, im Trauergewand Buße tun, um schließlich, neu gekleidet und gesalbt, zum Priester Eas in Eridu eingesetzt zu werden. Hier haben Spekulation und Poesie mitgewirkt, ein kompliziertes und vieldeutiges Epos zu schaffen; das Thema vom Fischer als Priester, vom Priester als Fischer im Zusammenhang mit Verschuldung und Entsühnung scheint aber doch aufs Opferritual des Tempels und auf die Thematik des Opfers überhaupt zurückzuweisen. In Ugarit heißt Athirat "Herrin der Seetl, ihr Diener Qds-wAmrr ist Fischer, der "Fischer der Herrin Athirat der See"19. Von zugehörigen Ritualen ist nichts bekannt. Doch schon der Titel schließt die Göttin mit den Heiligtümern der ,Syrischen Göttin einerseits, mit den Tempelordnungen des Zweistromlandes andererseits zusammen. Bei den Griechen sind es nicht die großen Tempel, sondern die geographischen und gesellschaftlichen Randzonen, wo Entsprechendes zu finden ist. Wie die Fischer von Methymna oder Ainos ihren Dionysos- oder Hermesklotz aus dem Meer ziehen, wird an einem anderen Ort alljährlich Dionysos ins Meer getaucht; vielleicht handelt es sich um Halai Aixonides in Attika20 , wo dann, wenn der Thunfischfang begann, der erste Thunfisch dem Poseidon geopfert, d. h. von dem Priester 'und Standespersonen im Heiligtum feierlich verspeist wurde21 . Eine merkwürdige Korrelation von Totenopfer und Fischfang zeigt tl
tl
;
tl
t
18
19
20
21
ANET 101-3 (die Zitate: A 9; 15; B 50) /'"'">.J AOT 143-6; vgl. ANET Addenda 671-2: man diskutiert Gleichsetzung des Adapa mit dem Fischmenschen Oannes bei Berossos FGrHist 680 F 1,4. M. H. Pope-Wo Röllig in: Wörterbuch der Mythologie ed. H. W. Haussig I (1965) 246-9. M. C. Astour, Hellenosemitica (1965) 206. Orakel bei Philochoros FGrHist 328 F 191 = Schol. T 11.6, 136 und Plut. Aet. phys. 914d, vgl. ]acoby z. d. St. (CcA1EVE1V Schol., CcA1EVO'lV Plut., cAAalEvO'lv Wilamowitz, Maass, vgl. ]acoby z. d. St.; es kommt aber auch cAA1EiS in Argos [Steph. Byz. S. v.] in Frage); K. Tümpel, ß16vvO'os cAA1EVS, Philologus 48 (1889) 681-96. Krates FGrHist 362 F 2 vgl. Antigonos von Karystos bei Ath. 297e. Die Thunfischjagdbeginnt mit einem Gebet - wie noch heute in Sardinien-, Ael. nato an. 15,3-6; man jagt Thunfische mit dem Dreizack, Diog. 5,22 (Paroem. Gr. I 255), Apost. 8,96 (Paroem. Gr. II 459).
232
III. Auflösung und Neujahrsfest
der Bericht des Hegesandros22 über Apollonia auf der Halbinsel Chalkidike und den Bolbe-See: der See sei benannt nach Bolbe, die dem Herakles einen Sohn Olynthos gebar. Sein Grabmahl ist am Fluß Olynthiakos, der in den Bolbe-See mündet. Im Monat Anthesterion und Elaphebolion, im Frühjahr, opfern die Apolloniaten ihren Toten, darunter auch ihrem Heros an seinem Grabmahl am Fluß. Und dann, sagen sie, "schickt Bolbe dem Olynthos seine Fischmahlzeit, und um diese Zeit steigt eine unendliche Menge von Fischen aus dem See in den Fluß ... ; und die Umwohner alle legen sich für ihren Verbrauch eine ordentliche Menge Pökelfisch an". Die Göttin des Sees schickt den Menschen die reichliche Nahrung, wenn sie ihren toten Sohn mit Opfern ehren; dem düsteren Opfer am Ufer antwortet die Ankunft der Fische. In die hohe Literatur der Griechen eingegangen ist Diktys, der ,Netzmanni, der Fischer auf der Insel Seriphos. Ihm geriet der Kasten ins Netz, in dem Danae mit dem Perseusknaben verborgen war. Mutter und Kind waren ins Meer gestürzt worden, wie Ino und Melikertes, wie Atargatis und Ichthys, nur daß die Sarg-Truhe, die auch im Lemnischen Mythos vorkommt, zur rettenden Arche wurde23 • Aischylos hat in seinen ,Netzfischern' die Ankunft der Danae ins dionysische Milieu verlegt: die Weinbauern und die Kohlenbrenner ziehen inmitten der Satyrn das Netz aus dem Wasser24 • Die Ankunft der Gottesbraut und des göttlichen Kindes in der Arche möchte man für ein rein erzählerisches Motiv halten. Doch für die Fischer von Seriphos hatte der Perseus-Mythos eine konkretere Bedeutung: nach Aelian25 fangen sie eine bestimmte Fischart, den TeTT1~ eVO:Alos, grundsätzlich nicht, und wenn er ihnen ins Netz geht, werfen sie ihn ins Meer: "sie sagen, die Fische seien Spielgenossen des Perseus, des Zeus-Sohnes". Ein spezieller Verzicht unterscheidet den Fischer von
22
23
24 25
Hegesandros bei Ath. 334e; das Wort cm61Tvp1S für Fischopfer erscheint in der koischen Inschrift SIG 1106 = LS 177,42; 62. Zu Danae Hes. Fr. 136,3-6; RML I 946-9, III 1986-2060; PR II 229-33. Brommer (1960) 206-6. Fr. 464--74 Mette. Nat. an. 13,26. Vgl. Paus. 2, 18, 1: Perseus exe1 ... 'T1J.,lclS ... J.,ley{a'TOS ev 'Te ~ep{
,8. Fisch-Advent
233
Seriphos von einem beliebigen Fischer, und dieses Tabu wird bezogen auf Perseus, der unter den Fischen spielt, Fischprinz inmitten der Meeresbewohner. Es ist gewiß kein Zufall, daß Fischopfer gerade im Kult der Hekate belegt sind26 , der Tochter des Perses oder Perseus. Dies führt freilich wieder an den Rand der griechischen Welt und darüber hinaus. Wäre doch selbst Themistokles bei den Griechen nicht zu Ruhm gelangt, wenn er auf Seriphos geboren wäre 27 • Pankrates28 , Dichter des zweiten Jahrhunderts n. ehr., erzählt eine Legende um den heiligen ,Geleitfisch' Trol.l1riÄos, der besonders bei den Göttern von Samothrake in Ehren stehe: im goldenen Zeitalter habe Epopeus, Fischer von der Insel Ikaros, diese heiligen Fische gefangen und sie alle mit seinem Sohn zusammen in feierlicher Mahlzeit verspeist. Da sei wenig später ein Seeungeheuer an das Schiff des Alten herangeschwommen und habe ihn vor den Augen des Sohns verschlungen. Vom Meertier verschlungen wird, wer die heiligen Fische aß - hier ist umgekehrt zusammengeordnet, was im Kreislauf des wiederholten Rituals ebenso gut anders zu verstehen ist: weil der Alte im Meer versank, lassen sich die Fische fangen und essen. Wieder führt die Nennung der Götter von Samothrake aus dem Griechischen hinaus. Kabiren, Ruß, feuerlose Zeit und einen bestimmten Fisch ö:6eplvll ordnet schon Hipponax29 zusammen, ohne daß alle Einzelheiten des Fragments zu deuten wären. Eine ganz besondere Rolle spielt das Fischopfer, nach den Bilddarstellungen zu schließen, im Mysterienkult der thrakischen Reiter 30, der mit den Großen Göttern von Samothrake wiederum zusammenzuhängen scheint. Bei'den Griechen selbst finden sich Relikte vom Wassersprung, ins Spielerische, Lustige gewendet: Von einem Wettauchen ist in Hermione31 die Rede, im Kult des ,Dionysos mit dem schwarzen 26
27 28 29
30
31
Eust. 87,31; 1197, 23; Apollodor FGrHist 244 F 109 = Ath. 325ab. Hekate llepcrT}fs: Hesiod nach Schol. Od. 10, 139; Ap. Rh. 3, 467 etc., llepcrEoos 1TCXp6EVOS Lyk. 1175. - Fischopfer einer maskierten Frau an eine Artemis oder Bendis auf einem etruskischen Stamnos: G. SchneiderHermann AK 13 (1970) 52-70. - Phlyake, auf Altar Fisch verspeisend: A. D. Trendall, Phlyax vases (1967 2 ) T. 4c. Plut. Them. 18. Bei Ath. 283a. Fr. 78 Masson = III D Beutler, vgl. Fr. 4 Masson = 5 Diehl. F. J. Dölger, Ichthys I (1910) 143-50; 443-6; II (1922) 420-47. D. Tudor, Corpus monumentorum religionis equitum danuvinorum I (1969). Paus. 2, 35, 1 vgl. 2, 34, 10-11: Kult des Poseidon und der Aphrodite TIOVT(CX Kcxi !\'l-\eV1CX in Hermione.
234
lII. Auflösung und Neujahrsfest
Ziegenfell t ; die Redensart vom ,Delischen Taucher t32 weist auf Ähnliches auf Apollons Insel - ein Schwimmer oder Taucher begleitet Theseus' ankommendes Schiff auf der Fran<;ois-Vase. Der Mythos vom Meeressprung des Theseus, der das Geschmeide aus der Tiefe holt, spiegelt eine solche Taucher-Probe 33 • Ein ausgelassenes Fest der Provinzialen, an dem aber auch vornehme Römer teilnahmen, war in Ostia das Maiuma-Fest34 , an dem man sich gegenseitig ins Wasser warf. In griechischen Mythen tauchen oft analoge Motive auf: als Skiron vom Skironischen Felsen ins Wasser stürzt, kommt die Schildkröte geschwommen36 - so wichtig waren die Schildkröten für die Strandbewohner, daß Aigina sie zum Wappentier erhob -. Andromeda, Hesione werden geradezu als Köder am Meeresstrand ausgestellt, um das große Seetier, das Ketos, anzulocken, das der Held erlegen kann36 • In Tanagra löst die Prozession der Frauen zum Strand den Überfall durch das Meeresungeheuer, den Triton, aus, der dann in dionysischer Jagdzeremonie mit Wein gefangen und getötet wird37 • Vermutlich hat die Jagd auf Robben und Wale das Bild vom Ketos geprägt, die 32
33
34
36
36
37
Sokrates-Apophthegma Diog. Laert. 2, 22; 9, 12; Herondas 3, 51. Das Bild der Fran90is-Vase (ABV 76, 1) z. B. bei Schefold (1964) T.51a. Bacch. 17; Brommer (1960) 165; 185. - Der Meergott Glaukos ist im Mythos Metamorphose eines Fischers, der ins Meer sprang, PR I 610-3; RML I 1678-86. Cod. lust. 11, 46; Lydos Mens. 4, 80 p. 133 Wuensch; Suda fL 47; Piscatorii ludi Festus 238 M. ApolIod. Epit. 1, 2; Diod. 4, 59; auf Vasenbildern mit Skirons Sturz (Brommer [1960J 160-2; 190-1). Aphrodite Urania in Elis setzt den Fuß auf eine Schildkröte, Plut. Praec. coni. 142d, ls. 381e; Paus. 6, 25, 1. Man erzählt, Lais sei mit ,Schildkröten' zu Tode geprügelt worden Ath.598a, Schol. Aristoph. Plut. 179. Schildkröte als Feind und Opfer Res in Ägypten: H. G. Fischer Bull. Metr. Mus. 24 (1966) 193. PR II 237-42; 549-58. Der Andromedamythos, bei loppe in Palästina lokalisiert (Konon FGrHist 26 F 1, 40; Strabo 16 p. 759; los. bell. lud. 3, 420; Paus. 4, 35, 9; Plin. n. h. 5, 69; 128) hat ein ägyptisches Gegenstück im Pap. Amherst (A. Erman, Die Literatur der Ägypter [1923J 218-20; Th. H. Gaster Bibliotheca Orientalis 9 [1952J 82-5; S. Morenz Forschungen und Fortschritte 36 [1962J 307-9): Yam, das Meer, verlangt Tribut, Astarte geht hinab zum Meer, Seth kämpft für sie - offensichtlich ägyptische Version eines kanaanäischen Mythos (vgl. auch O. Anm. 19). Ein hethitisches Gegenstück: J. Friedrich Archiv Orientalny 17 (1949) 230-54. Paus. 9, 20, 4-5; vgl. Demostratos bei Ael. nato an. 13, 21; Ephoros FGrHist 70 F 225; Ath. 551a. Tritonen auf einer altertümlichen Tonstatuette aus Tanagra : RML V 1164.
8. Fisch-Advent
235
Jagd auf Meeressäuger mit rotem, warmen Blut38 • Damit ist der Bereich des Delphines wiederum berührt. Bezeichnend allerdings ist, wie die griechischen Mythen und weithin auch die maßgebenden griechischen Kulte von der Alltagspragmatik, von der Notdurft des Fischers sich abgelöst haben und ihre psychagogisch-soziale Funktion in rein symbolischer Weise ausspielen; freilich steht das Hochkultivierte in Gefahr, gleichsam an Blutarmut einzugehen. Auf ganz verschiedenen Ebenen zeigen sich die gleichen Strukturen des Opferrituals ausgeprägt. Das Neujahrsfest der Polis mit der ,Auflösung im ,unsagbaren Opfert und der Wiederherstellung der Ordnung in Festschmaus und Agon ließ sich am detailliertesten in Athen und Argos beobachten, in Sikyon und auch in Theben wenigstens erahnen; im außergriechischen Bereich tritt das Feuerfest von Lemnos dem zur Seite, wo indes die Handwerkergilde gegenüber dem griechischen Kriegerbund hervortritt. Eine Umakzentuierung der gleichen Strukturen sind die vordringenden dionysischen Kulte, einerseits im Agrionien-Typ, wobei die Ausnahmezeit zur Ekstase um das Zerreißungsopfer im Draußen wird, andererseits im Typ des dionysischen Advents, in dem der Gott vom Meer her in die Stadt einzieht. Hierbei sind symbolisierte Formen von Fischer-Ritualen mit im Spiel, die vor allem im außergriechischen Bereich Relevanz gewonnen haben; Jungfrauenopfer und Meeressturz findet Antwort in der Ankunft der Nahrung aus dem Meer. Wie sich die Rituale von Jägern, Fischern, nomadisierenden Viehzüchtern und Stadtbewohnern auseinander entwickelt und gegenseitig beeinflußt und überlagert haben, ist im einzelnen nicht zu dokumentieren. Um so bemerkenswerter ist die Einheitlichkeit der Struktur, die eben diesen wechselseitigen Austausch möglich machte. Aus der Grundform des Opfers mit Vorbereitung, blutigem Zentrum und Restitution wird ein weitgespannter Bogen, dem der Mythos mit den Themen der Mädchentragödie , der Königs- oder Sohnestötung und der Sukzession der jungen Generation folgt. Nahrung und Ordnung, zivilisiertes Leben wächst aus der Antithese, der Todesbegegnung. Erst der homo necans wird zum homo sapiens. t
38
Vgl. die Mutter der Robben und den Mythos vom ]ungfrauenopfer bei den Eskimos, o. Kap. I 8 Anm. 27.
IV. ANTHESTERIA 1. Bezeugung und Verbreitung Das Anthesterienfest, das in Athen im Frühjahr zu Ehren des Dionysos gefeiert wurde, erweist seine Bedeutung schon durch die Tatsache, daß es einem Monat den Namen gegeben hat, nicht etwa nur in Athen; der Monatsname Anthesterion ist im ganzen Gebiet der Ionier bezeugt, in Eretria auf Euboia, auf der Insel Tenos, an der klein asiatischen Küste von Milet über Priene, Ephesos, Teos und Erythrai bis Smyrna, in den ionischen Kolonien Thasos, Kyzikos, Massalial. Bereits Thukydides notierte diese Übereinstimmung und zog daraus den Schluß, der auch für die moderne Wissenschaft unabweisbar ist: dieses Fest, dieser Monatsname muß älter sein als die ionische Besiedlung Kleinasiens2 • Damit werden die Anthesterien zu einem der ältest bezeugten Feste Griechenlands; und sofern sie mit Dionysos und Wein zu tun haben, muß auch der Weingott Dionysos um 1000 v. Chr. längst fest installiert gewesen sein. Seit die Linear-B-Texte von Pylos Dionysos3 vor 1200 v. Chr. bezeugen, wird man sich leichter zu dieser Konsequenz bekennen, auch wenn denkbar wäre, daß der Name des Gottes zum Weinfest erst sekundär dazugetreten isü-Den Eretria: IG XII 9, 189 = LS 92, 9; Apollonia, Chalkidike: Ath. 334f.; Tenos: IG XII 5, 872, 48; Paros: ibo 112; Kios: CIG 3723; Milet: SIG 633, 47; Priene: SIG 1003,20-30; Amorgos: IG XII 7,55; 62; 67. Teos: SIG 38,33; Erythrai: SIG 1014, 37; Smyrna: Philostr. V. Soph. 1, 25, 1, II 42,24 ed. Teubn. (1871); Thasos: LSS 69; Kyzikos: CIG 3655, 20; Olbia: CIG add. 2083b; Massalia Iustin 43,4,6 (u. Kap. IV 3 Anm. 12). In Syrakus: Timaios FGrHist 566 F 158, Diog. Laert. 4, 8, Antigonos bei Ath. 437e. Vgl. Farnell V (1909) 214-24; 317-20; Nilsson, Studia de Dionysiis Atticis (Lund 1900) 115-38; (1906) 267-71; Anthesterien und Aiora, Eranos 14 (1916) 181-200 = Opuscula I (1951) 145-65; (1955) 582-4; 594-8; Foucart (1904) 107-63; Harrison (1922) 32-74; (1927) 275-94; Deubner (1932) 93-123; van Hoorn (1951); Pickard-Cambridge (1968) 1-25. 2 Thuk. 2, 15, 4 mit den Scholien Pap. Ox. VI p. 124 nr. 853. Deubner (1932) 122-3. 3 PY Ya 102; Xb 1419; Gerard-Rousseau (1968) 74-6; L. R. Palmer, The interpretation of Mycenaean Greek texts (1963) 250-8. - Kaum weniger wichtig ist die Ausgrabung des Tempels von Aghia Irini auf Keos: er diente, seit etwa 1500 v. ehr., kontinuierliGh dem Kult, und zwar seit archaischer Zeit sicher dem Dionysoskult, J. L. Caskey Hesperia 33 (1964) 326-35; Simon (1969) 289.
1
1. Bezeugung und Verbreitung
237
Namen Anthesteria haben die Griechen stets auf ,Blühen' bezogen, insbesondere auf die Blüte der Weinreben'; und es besteht kein Anlaß, von dieser schlichten Namensdeutung abzugehen. Ein umfassendes und ins einzelne gehendes Bild des Festes läßt sich wiederum nur in Athen gewinnen. Hier tritt zu den Angaben der Lokalhistoriker und den Anspi~lungen der attischen Dichter eine festumrissene Gattung der Keramik, die Choenkrüge 5 ; ihre Zugehörigkeit zum Haupttag des Festes, der eben danach Choes hieß, Tag der ,Kannen' schlechthin, steht außer Frage; und die Malereien, die sie tragen, sind nicht ohne Beziehung zu den Ereignissen des Festes. Die Masse der Zeugnisse konzentriert sich aufs 5. und 4. Jahrhundert v. Chr.; doch fehlen nicht vereinzelte Belege aus hellenistischer und späterer Zeit, so daß das Lebensalter dieses Festes 1000 Jahre weit überstieg. Daß der Haupttag des Festes der 12. Anthesterion war, steht bereits im Thukydidestext6 ; es ist dies eben der Tag der ,Choes', der populärste, oft allein genannte Teil des Festes. Voran ging der " Istros FGrHist 334 F 13 = Harpokr. •Aveeo-rllptoov; vgl. Macr. Sat. 1, 12, 14; Et. M. 109,12; An. Bekk. I 403,32; übersetzung , Floralia' Iustin 43, 4, 6. Lltovvaos "Avetos IG II/III2 1356, Paus. 1, 31, 4; Ll. EVCxvells Phanodemos FGrHist 325 F 12, vgl. Euanthes als Vater des Weinspenders Maron Od. 9, 197; •AvetaTf}p Thera IG XII 3, 329 (,Bekränzer' Wilamowitz [1932J 77, 2). Nicht zu Dionysos gehören "Hpa 'Aveefa, < HpoaCxveeta, &veeaq>opotin Argos (Nilsson [1906J 357), &veeaq>opot in Sizilien (PoIl.!, 37). •Aveeo-rpfSes in Rhodos (LSS 96 vgl. Hsch. &veeo-rllptCxSes, An. Bekk. 215, 16), "Aveeta in Paiania (LSS 18). - Die Ableitung von *&va-esaaaaeat (A. W. Verrall JHS 20 [1900J 115-7; Harrison [1922J 47-9) ist schon wegen der gerade nicht ionisch-attischen (Apokope abzulehnen. - Tf}pta als Suffix für Festnamen ist bereits mykenisch: *i\exeo-rpCA)Tf}pta GerardRousseau (1968) 201-3. 5 Ausführlich behandelt von Deubner (1932) 238-47, zusammenfassend von van Hoorn (1951), dazu J. R. Green BICS 8 (1961) 23-7; ferner S. P. Karouzou, Choes, AJ A 50 (1946) 122-39; H. R. Immerwahr, Choes and Chytroi, T APhA 77 (1946) 245-60; E. Simon, Ein Anthesterien-Skyphos des Polygnotos, AK 6 (1963) 6-22; Metzger (1965) 55-76; E. Simon, Gnomon 42 (1970) 710-1. Skeptisch A. Rumpf, Attische Feste - Attische Vasen, Bonn. Jbb. 161 (1961) 208-14. Keineswegs alle, aber viele Darstellungen auf Choenkrügen beziehen sich auf die Anthesterien; oft ist dies durch den im Bild nochmals gemalten Choenkrug gesichert. Andererseits gibt es auch Anthesterien-Bilder auf andersartigen Gefäßen. - Typische Choenkrüge erweisen Anthesteria auch für Unteritalien: van Hoorn (1951) 50-2; vgl. Anm. 1; IV 5 Anm. 11. 6 2, 15, 4; T'iJ SooSeKCxT1J wird von Torstrik, Hude, Jacoby (FGrHist IU b Suppl., Notes p. 160-1) als Interpolation getilgt, steht indes schon Pap.
238
IV. Anthesteria
Tag des ,Fässeröffnens', Pithoigia, am 11. Anthesterion, es folgt der Tag der ,Töpfe', Chytroi, am 13. des Monats 7 • Zu beachten ist dabei allerdings, daß nach der alten religiösen Zeitordnung der Sonnenuntergang das Ende eines Tages markierte, daß Abend und Nacht als ,Vorabend' jeweils dem kommenden Tag schon zugerechnet waren. So begegnen sich Pithoigia und Choes am Abend des 11., Choes und Chytroi am Abend des 12. Anthesterion. Schon in der Antike hat diese fließende Grenze gelegentlich Verwirrung gestiftet. ,Fässer" ,Kannen', ,Töpfe' - der handfeste, volkstümliche Charakter des Festes zeigt sich schon in diesen Bezeichnungen. Tatsächlich war für die Finanzen der Polis 8 dieses Fest, im Unterschied etwa zu Panathenäen, Mysterien, Großen Dionysien, quantite negligeable; es spielte sich weithin auf der Ebene des ,Volksbrauchs' ab, anders als die jüngeren, im 6. Jahrhundert von Tyrannen und Polis eingeführten Dionysia. So war auch das zu den Anthesterien gehörige Heiligtum des ,Dionysos in den Weihern'9, das Thukydides zu den ältesten Athens rechnet, offenbar von der Welle athenischer Ox. 853, gibt also jedenfalls antike Tradition wieder; den überlieferten Text verteidigt A. W. Gomme, A historical commentary on Thucydides II (1956) 52-3. - [Dem.] 59, 76. 7 Philochoros FGrHist 328 F 84 (vgl. ]acoby z. d. St.); Kallim. Fr. 178; Apollodor FGrHist 244 F 133; Schol. Thuk. p. 121, 20 Hude; vgl. Nilsson (1955) 594. Aristoph. Ach. 1076 U1TO TOUS XOCXS YO:P Kcxi X,iTpovs veranlaßte Didymos (Schol. z. d. St. 1""0.1 Suda X 622) zur Behauptung, Choes und Chytroi seien am selben Tag. S In der Hauptgelderrechnung IG II/IIP 1496 bringen die Kleinen Dionysien 311 Dr., die Großen Dionysien 808 Dr., die Anthesterien nichts ein. 9 TO (TOV) SV !\h.lVCXlS LlIOVVCTOV genannt Thuk. 2,15,4; Isaios 8, 35; [Dem.] 59, 76; Philochoros (?) FGrHist 328 F 229; Kallim. Fr. 305; Strabo 8 p. 363; Schol. Aristoph. Ran. 216 (sv 4> Kcxi OiKOS Kcxi veoos TOV eeov); Steph. Byz. !\{I.lVCXl. Nicht bei Pausanias, der vielmehr das Heiligtum am Dionysostheater als ältestes Dionysosheiligtum bezeichnet, 1, 20, 3. Philostr. V. Ap. 3, 14 nennt aber noch ein aycxAI.lCX TOV LlIOVVCTOV TOV !\ll.lvcxiov; vgl. van Hoorn RA 25 (1927) 104-20. Daß an diesem Heiligtum keine ,Weiher' waren, diskutiert Strabo a. O. und Schol. Thuk. Pap. Ox. VI Nr. 853. W. Dörpfeld hat zwischen Areopag und Pnyx ein kleines Heiligtum ausgegraben, wo später die Iobacchen (IG II/IIP 1368 = SIG 1109 = LS 51) ihr Kultlokal hatten; es wird vermutungsweise mit dem Limnaion identifiziert: AM 20 (1895) 161-76; 46 (1921) 81-96; ]udeich (1931) 291-6; Pickard-Cambridge (1968) 21-5. G. T. W. Hooker ]HS 80 (1960) 112-7 plädierte für die Ilissos-Gegend, Guepin (1968) 283 will in dem IlissosTempel (u. Kap. V 3 Anm. 2) das Limnaion finden. Ein Bild des Tempels vielleicht auf dem Chous München 2464, van Hoorn (1951) Nr. 699 T. 61.
2. Pithoigia und Choes
239
Prachtbauten nicht mehr erreicht worden; es ist nicht sicher identifiziert und war schon in Pausanias' Zeit anscheinend verschwunden - vielleicht war es ersetzt worden durch das private Kultlokal der ,Iobacchen' -. Es verkümmerte wohl eben in folge des besonders heiligen Gebots, das an ihm haftete: nur an einem einzigen Tag im Jahr durfte es geöffnet werden, eben am Tag der Choes. Ein anderes Rätsel an ihm war sein Name: Weiher und Sümpfe waren auch il}~ historischer Zeit im Bereich Athens kaum zu finden. Was zu athenischen Gegebenheiten so schlecht paßt, muß wohl einer noch älteren, auswärtigen Tradition entstammen. Es gibt keinen autochthonen ,Ursprung' der Religion.
2. Pithoigia und Choes In dreifacher Hinsicht hat das Anthesterienfest seit langem Aufmerksamkeit erregt: einmal als Fest der Kinder!. Die drei- bis vierjährigen Kinder werden am Choen-Tag beschenkt, und die Bilder der Kinder, ihrer Gabentische und ihrer Spielsachen auf den Choenkännchen sind einzigartige Zeugnisse des privaten Lebens in Athen. Für Religionshistoriker faszinierend waren die Anthesterien als Fest der Toten: Gespenster oder Totenseelen, heißt es, kommen an diesen Tagen aus der Unterwelt in die Stadt, um zum Schluß des Festes wieder verjagt zu werden2 • Nicht geringere Neugier erregen die Hindeutungen auf eine ,Heilige Hochzeit' an eben diesem Fest: die ,Königin' von Athen, die Gattin des Archon Basileus, wird dem Gott Dionysos als Gattin übergeben3 • Animismus und Fruchtbarkeitsmagie kommen so beide auf ihre Rechnung. Darüber trat sogar in den Hintergrund, was doch in den Tagesnamen wie in den Äußerungen der Athener im Zentrum stand: das Öffnen der Fässer, das Trinken des neuen Weines. Diese schlichten Handlungen haben hier feste, ritualisierte Form gefunden; dieses Ritual zu verstehen, ist die Hauptaufgabe der Anthesterien-Interpretation. 1 2
3
u. Anm. 27-9. u. Kap. IV 3; die Interpretation der Anthesterien als Totenfest wurde vor allem von Harrison (1922) 32-49 forciert, vgl. auch Nilsson (1955) 694-7, der eine "äußerliche", aber "sehr alte" Verbindung von Dionysos- und Seelenfest annimmt (697). u. Kap. IV 4.
240
IV. Anthesteria
"Die Athener fangen mit dem neuen Wein am 11. des Monats Anthesterion an, und sie nennen den Tag Pithoigia", schreibt Plutarch4., und gibt die fromme Deutung: "offenbar brachten sie seit alters vor dem Trinken den Göttern eine Spende dar und beteten, daß der Genuß dieses besonderen Saftes ihnen nicht zum Schaden, sondern zum Heil ausschlagen möge". Die Weinfässer also sind es, die an diesem Tag geöffnet werden, genauer jene großen Tongefäße (1TieOl), die man nach dem Gären des Weins versiegelt hatte. Daß der Wein danach einige Monate unangetastet ruhen muß, bis ins Frühjahr, ist eine merkwürdig künstliche Regel, die aber sogar außerhalb Griechenlands, bei den Römern, galt 5 • Jedenfalls ist das Trinken des Weins nicht ins Belieben des Einzelnen gestellt, sondern die Gemeinschaft sammelt sich und gedenkt des Gottes; gerade mit dem Anfang scheint Gefahr verbunden: es wäre immerhin möglich, daß dieses Trinken ,zum Schaden ausschlägt'. Weinbauern kennen auch heute noch feste Bräuche: gemeinsamer Erntebeginn, gemeinsame Kelterung. So ist hier das Kosten des neuen Weins gemeinsame Feier im Bereich des Heiligtums. Denn nur auf die Pithoigia kann sich der Berich des Atthidographen Phanodemos6 beziehen: "am Heiligtum des Dionysos sv I\illVCX1S' pflegten die Athener den neuen Wein, den sie hintransportierten, für den Gott aus den Fässern zu mischen, dann auch selbst davon zu kosten. Daher habe auch Dionysos den Namen ,Limnaios' bekommen, weil der neue Wein, mit Wasser vermengt, so zuerst zum Mischtrank wurde. Erfreut über die Mischung besangen die Leute mit Liedern
4 5
6
q. conv. 655e. - Monat fh601Yl00V in Peparethos: IG XII 8, 645, 5. Die Vinalia am 23. April sind degustandis vinis instituta, Plin. n. h. 18, 287 vg1. Varro 1. 1. 6,16; Festus 65 M.; Ov. fast. 4, 863-900; Wissowa (1912) 115, 8. FGrHist 325 F 12 = Ath. 465a: 1TPOS 'Tet> tepet>
2. Pithoigia und Choes
241
den Dionysos, tanzten und riefen ihn an als den Schönblumigen, den Dithyrambos, den Rasenden, den Stürmenden". Daß man den Wein dem Gott des Weins an einem Heiligtum mischt und spendet, das verschlossen bleibt, ist undenkbar; schon darum muß bei Phanodemos von den Anthesterien die Rede sein. Geöffnet allerdings war das Heiligtum sV !\{f...\VCX1S nur an den Choen, am 12. des Monats 7 ; daß bereits der 11. Tag der ,Fässeröffnung' hieß, erklärt sich eben aus der sakralen Tagesrechnung: der Abend des Pithoigia-Tages geht über in die ,Choes'; gegen Abend werden die Fässer geöffnet, mit Sonnenuntergang öffnet sich das Heiligtum. Plutarch bezeugt für seine Heimat Böotien, daß dort der neue Wein ,nach dem Abendwind' , dem ,Agathos Daimon' zu Ehren, angebrochen wurde8 • Den Tag über strömten die Leute zusammen von den über ganz Attika verteilten Weingütchen ; Kleinbauern, die selten in die Stadt kamen, Sklaven und Taglöhner der Grundbesitzer, die ihrerseits in der Stadt wohnten - eine bunte Menge, Bekannte und Unbekannte, große 1T{601 auf knarrende Eselfuhrwerke verladen: so sammelt man sich am Platz vor dem Heiligtum und wartet, bis bei sinkender Sonne das Heiligtum sich auftut und dem Gott aus den geöffneten Fässern die erste Spende ausgegossen wird. Monatelang hat man zugewartet, Gelüsten und banger Neugier zum Trotz; jetzt werden die harzgedichteten Verschlüsse erbrochen, die Spannung, wie das Ergebnis eines Arbeitsjahres geraten sei, löst sich in Behagen- Grund genug, den Gott des Weins zu preisen. Wenn dann am darauffolgenden Tag der ,Kannen' das Kosten des Weins sich steigert zum Wett-Trinken, wobei jeder seinen Krug Wein vorgesetzt erhält, auch Sklaven und Taglöhner, ja sogar die Kinder9 , dann scheint dies eine allgemeine Lustbarkeit so simpler Art zu sein, daß sie keiner weiteren Erklärung bedarf. Aristophanes läßt in den ,Acharnern' das Glück des Dikaiopolis, des friedenschließenden Antihelden, im Choen-Trinken gipfeln: auch hier siegt 7
8 9
16
[Dem.] 59, 76. Ebenso ist das Heiligtum des Dionysos in Theben (Paus. 9, 16, 6) nur einen Tag geöffnet, vgl. Paus. 2, 7, 5 (Dionysos in Sikyon); 7, 20, 1 (Patrai). Am 6. Tag des Monats Prostaterios, Plu. q. conv. 655e. Prokl. Schol. Hes. Erga 368, zu Pithoigia: o\lTe OiKETflV OUTe j.llCT6ooTOV eipyelv ..fis CxnOACXVCTeoos TOU oivov 6ej.llTov Tjv ... Vgl. Antigonos v. Karystos Ath. 437e. Darum ist der ,schwarze' Choentag für die Sklaven ein ,weißer' Tag, Kallim. Fr. 178, 2. Zu den Kindern Anm. 27-9. Ausgaben für Staatssklaven an X6es: IG II/IIP 1672, 204. Burk~rt,
Homo Necans
242
IV. Anthesteria
Dikaiopolis und erhält als Preis einen Weinschlauch, genug, um Dutzende von Choenkannen zu füllen: so multipliziert die Sauferei sich selbst - kein Wunder, daß die Wissenschaft sich mit der Feststellung begnügte, die Choen seien unleugbar ein lustiges Fest gewesen10. Doch um das Verhältnis von Lustigkeit und Ernst steht es merkwürdig. Eindeutig ist bezeugt, daß der Choentag ein ,Tag der Befleckung' (!..uo:pa TJIJEPO:) warll. Man begann den Tag, indem man allem natürlichen Appetit zuwider Blätter kaute, Blätter einer bestimmten Weißdornart, pOIJVOS, die auch sonst für gut zur Abwehr von Ge:" spenstern galt12. Man bestrich die Türen mit Pech - ein gewöhnliches Mittel zum Abdichten der Holzbretter13 ; doch wenn an diesem Tag von allen Türen der Stadt das klebrige Schwarz strahlte, so daß eine Türe nur mit besonderer Vorsicht zu öffnen war, war dies ein sehr sinnenfälliger Ausdruck eines dies at er . Alle Heiligtümer waren an diesem Tag geschlossen14, womit auch das normale Leben zu einem Gutteillahmgelegt war: man konnte keine Eide im Heiligtum leisten, also keine wichtigen Geschäfte abschließen, keine Hochzeit einleiten. Kein ,normaler' Opferschmaus um einen der vielen Altäre konnte stattfinden. Dabei waren die Heiligtümer nicht fest verrammelt, sondern nur mit Seilen umgeben; die symbolisch angedeutete Grenze hatte Aristoph. Ach. 1000-1234. "The Anthesteria ... plainly a cheerful feast" Pickard-Cambridge (1968) 15. 11 Phot. I..llopa T]IJEpO' sv Tois XouCTlv 'AVeECTT1)p1OOVOS lJ1)v6S ... kürzer Hsch. 1J1opoi T]IJEPOl' TOV 'AVeECTT1)p1OOVOS lJ1)v6S ... (vgl. Eust. 456, 6). Im Widerspruch zur klaren Angabe des Photios herrscht die Tendenz, die Chytren als die eigentliche IJIOpa T]IJEPO zu behandeln: Farnell V (1909) 216; PickardCambridge (1968) 14. 12 Phot. PO:IJVOS' CPUTOV 8 sv ToiS XouCTiv WS 6:AE~lCPO:PIJOKOV SIJOCTOOVTO eWeEV; Phot. IJIOpa T]IJEpO. Zu PO:lJvoS Nik. Ther. 861-2: IJOUV1) yap Vi]CTTElPO ßPOTOOV alTO Kfipos SPUKEl (862) mit Schol. 860 = Sophron Fr. 166 Kaibel, Euphorion Fr. 137 Powell; Dioskor. 1, 90; Ov. fast. 6, 129-68 über spina alba; Rohde (1898) I 237, 3; Harrison (1922) 39-40. 13 Phot. PO:lJvoS' ..• Koi lThT1J SXpiOVTO Ta OOOIJOTO (CTOOIJOTO Cd.); Phot. IJIOpa T]IJEpO' .•. Koi lThT1J Tas eupOS EXplOV. Zur Verwendung des Pechs vgl. die Bauabrechnung aus Eleusis IG II/IIP 1672, 170 lThT1)S KEPO:IJIO lTEVTE 6:AEi~Ol Tas opocpaS TOV 'EAEUCTIV{OU •.. Koi Tas eupos. - Beim Babylonischen Neujahrsfest bestreicht der Priester die Türen des Heiligtums mit Zedernharz, ANET 333. 14 Pollux 8, 141 lTEPICTXoIV{CTOl; lTEPICTXO{VICTIJO Alkiphr. 4, 18, 11; im aitiologischen Mythos Phanodemos FGrHist 325 F 11; Vasenbilder: K. Friis ]ohansen Acta archaeologica 38 (1967) 175--98 (der zu Unrecht von ,Chytren' spricht). 10
2. Pithoigia und Choes
243
jeder selbst in sein Bewußtsein zu erheben: der Zugang zu den Göttern ist an diesem Tag unterbrochen. Einzig das Heiligtum, das sonst stets verschlossen ist, steht offen, das des Dionysos sv Ai!.lVC
244
IV. Anthesteria
Gesang gehören doch auch bei ihnen zusammen, mit Lied und Spruch einander zuzutrinken, war ein fein entwickeltes Gesellschaftsspiel. Am Choentag sitzt man gemeinsam unter einem Dach, doch wie von einer gläsernen Wand umgeben: getrennte Tische, getrennte Krüge; alle umschließt das allgemeine Schweigen, das man sonst nur von den Höhepunkten der Opferhandlung kennt, wenn der Herold sein EVq>TUJEiTE ruft. Das Ritual spricht seine klare Sprache: das sogenannte WettTrinken hat den Charakter einer Opferhandlung. Die Besonderheiten des Choentrinkens sind üblich und bekannt beim blutigen Opfer: nicht nur das Schweigen22 , sondern auch der jeweils besondere Tisch23 und die Verteilung in möglichst gleiche Por tionen 24, vor allem aber die Atmosphäre der ,Befleckung( und Verschuldung. Das WettTrinken zeigt in dieser Perspektive seine ursprünglichere Funktion: alle beginnen zugleich, damit keiner sagen kann, der andere habe angefangen26 • Und daß zu Tagesbeginn die unheilabwehrenden Blätter nicht getragen oder aufgehängt, sondern gekaut werden, ist kathartische Vorbereitung für die heilige Mahlzeit, wie sie vom Jägerbrauch herkommt26 • Im Genuß der Nahrung liegt eine Verschuldung, die gleichmäßig auf alle verteilt werden muß; und nur wer sein Teil erhalten hat, gehört dazu, gebunden eben durch die Tat, die er begangen. Eben daher rührt die Bedeutung des Choenfests im Leben der Kinder: wenn ein Kind aus dem Gröbsten heraus war, im dritten Lebensjahr, wurde es dem Familienverband der Phratrie vorgestellt, und im gleichen Jahr nahm es erstmalig am Choenfest teil27 : "Geburt,
22
23
24
25
26
27
eV<j>lll..leiv : Stengel (1920) 111; im Römischen: G. Mensching, Das Heilige Schweigen (1926) 101-2. 1..l0VO<j>ayOI im Poseidonkult in Aigina, Kcx6' CXUTOVS e<j>' TJl..lepCXS EKKcxH5eKcx l..leTO: O"ICUlTl1S Ec;TTIWVTCXI PIut. q. Gr. 301de; avSpcxKexS Kcx6ftl..levoS Aisch. Ag. 1595 beim Thyestes-Mahl - doch ist der Text lückenhaft und korrupt (vgl. E. Fraenkel z. d. St.). LlIOVVO"OS iO"oScxiTllS Plut. De E 389a, Harpokr., Hsch. 'IO"oScxhllS. ,Verteilung der Schuld' im Opferritual: Meuli (1946) 228; bei Hinrichtungen: K. V. Amira, Germanische Todesstrafen, Abh. München 31, 3 (1922) 226; 228. Abführmittel U. ä. vgl. GB VIII 83; vor dem ,festival of first fruits' (Indianer): GB VIII 73; 75-6. Philostr. Her. 12, 2 (II 187, 21 ed. Teubn. [1871]) 'A6ftvllO"lV 01 lTcxiSes ev 1..l1lv\ 'Av6eO"TllplwVI crre<j>cxvovvTCXI TOOV ö:v6ecuv TpiTc.p alTo yeveäs ETel. Aufnahme in die Phratrie im ,,3. oder 4. Jahr": Prokl. Tim. I 88, 18 Diehl; Deubner (1932) 116; 234.
2. Pithoigia und Choes
245
Choes, Ephebie und Hochzeit"28 sind die wesentlichen Stationen in der Entwicklung eines jungen Atheners. Das Kind erhielt einen Blütenkranz, es erhielt seinen Tisch und seinen Krug, freilich von kindlicheren Dimensionen. Die Teilhabe am Wein bedeutet den ersten Schritt zur Teilhabe am eigentlichen Leben der Gesellschaft, am Leben der Erwachsenen. Den Kindern, die vor dem dritten Jahr starben, gab man darum ein Choenkrüglein mit ins Grab, um das im Diesseits versagte Ziel wenigstens fürs Jenseits symbolisch zu vollziehen29 ; ebenso hat man denen, die vor der Hochzeit starben, das Wassergefäß fürs Brautbad, die Lutrophoros, aufs Grab gestellt30 • Die meisten erhaltenen Choenkrüge stammen von solchen Grabbeigaben, die in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts eine Zeitlang besonders in Mode gekommen waren. Initiation durch Teilnahme an einer Opferhandlung, Bindung durch symbolische Verschuldung: diese Interpretation des Choenrituals wird bestätigt durch die aitiologischen Mythen, die die Athener zur Erklärung der Bräuche erzählten. Im einzelnen wechselnd, treffen sie doch darin zusammen, daß sie von Mord und Blutschuld sprechen, die dem Trinken des Weins ihren Stempel aufdrückten. Den Anschluß ans heroische Epos leistet die Einführung des Orestes: er sei, nachdem er die Mutter Klytaimestra erschlagen hatte, von den Erinyen verfolgt nach Athen gekommen, um dort entsühnt zu werden. Der König von Athen, Demophon, wagte nicht, dem Schutzflehenden die Tür zu weisen, und doch mußte er vermeiden, durch Kontakt mit dem Befleckten sich selbst und seine Mitbürger zu beflecken; darum der kuriose Ausweg: Orestes darf sein Haus betreten, doch erhält er
28
29
30
yC(j.lCUV, YEVVtlO"EOOS, xooov, E
246
IV. An thesteria
seinen eigenen Tisch, seinen eigenen Weinkrug, keiner wechselt mit ihm ein Wort; aufgenommen und ausgeschlossen zugleich, feierte Orest mit den Athenern das erste Choenfest31 ; alle benahmen sich wie der Mordbefleckte, alle Athener sind an diesem Tag ,Oresteioi'32. So künstlich die Hereinziehung des Orestes ins Athenische anmuten mag, die innere Spannung des Rituals ist im Pflichtenkonflikt und klugen Ausweg des Königs treffend ausgedrückt: Speisegemeinschaft, die zugleich aufgehoben ist; das Tabu des Mörders33, das paradoxerweise auf alle Athener ausgedehnt wird: der Mörder darf die Heiligtümer nicht betreten - die Heiligtümer sind am Choentag geschlossen; der Mörder ist von Herd und Tisch fernzuhalten - es gibt keine Tischgemeinschaft an den Choen; man darf mit dem Mörder kein Wort wechseln - schweigend leeren die Athener ihre Choenkannen. Der Choentag ist ein ,Tag der Befleckung', I-AlCXPO: TtIJEpcx: ,befleckt', IJICXPOS, ist vor allem der Mörder. Man trinkt den neuen Wein, als wäre Blutschuld damit verbunden: direkter noch drückt dies der andere aitiologische Mythos zum Choentag aus, der von Leuten erzählte, die aus Ätolien den Wein nach Athen brachten: sie wurden erschlagen, als Sühnefest für sie aber hat das Orakel eben das Choenfest eingerichtet34 . Ätolien war ein Zentrum des Weinbaus oder wenigstens der Weinmythen: Oineus, der Weinmann, herrschte dort, seinem Großvater Orestheus hatte eine Hündin den ersten Weinstock geboren35 . Daß in den attischen Mythen zum Choentag eine Konfusion zwischen Orestheus und Orestes mitspielt, 31
33
3'
35
Eur. Iph. Taur. 947-60; Phanodemos FGrHist 325 F 11 = Ath. 437cd nennt Demophon, vgl. Plut. q. conv. 643a; 613b; Apollodor FGrHist 244 F 133 = Schol. Aristoph. Ach. 961, Eq. 95 nennt Pandion, vgl. Jacoby zu 325 F 11, III b Suppl. p. 184. Das Gericht über Orest in Athen auch Hellanikos FGrHist 323a F 22; Marm. Par. FGrHist 239 A 25; Verbindung mit Anthesterien auch Schol. Lyk. 1374. Man nimmt an, daß das Orest-Aition der Choen ins 6. Jh. zurückgeht, von Aisch. Eum.448-52; 474---5 implizit abgelehnt wird, Jacoby III b Suppl., Notes p.28-9; vgl. R. Pfeiffer, Kallimachosstudien (1922) 104---12. 32 Kallim. Fr. 178, 2. Wächter (1910) 64---76; L. Moulinier, Le pur et l'impur dans la pensee et la sensibilite des Grecs (1950) 81-92; bes. Soph. OT 236-43; PI. Euthyphr. 4b; zum Schweigen Aisch. Eum. 448; Eur. HF 1219; Or. 75; Fr. 427; LSS 115 B 54 (Kyrene). Aelian Fr. 73 Hercher = Suda
2. Pithoigia und Choes
247
hat man mit Recht vermutet 36 • Die Gemeinsamkeit, über den Namensanklang hinaus, liegt aber eben im Motiv des Blutvergießens; in der nach Ätolien weisenden Fassung der Erzählung sind die Athener nicht nur die Genossen des Orestes, sondern die verantwortlichen Nachkommen der Mörder. In die Literatur eingegangen ist der parallele Mythos aus Ikaria, dem durch Weinbau und Weinbauernsitten berühmten attischen Dorf, das heute Dionyso heißt. Bei Ikarios ist Dionysos selbst eingekehrt, hat ihm die Rebe gebracht und ihn den Anbau, die Ernte, das Keltern des Weins gelehrt. Froh lud Ikarios die Fässer mit der neuen Gottesgabe auf seinen Wagen und brachte sie den Dorfgenossen. Doch die ,Fässeröffnung' wurde zur Katastrophe: als die Zecher vom ungewohnten Weingenuß berauscht zu Boden sanken, glaubte man, Ikarios habe sie vergiftet; die aufgebrachte Menge erschlug den Spender des Weins mit Knütteln, sein Blut mischte sich mit dem Wein. Verzweifelt suchte seine Tochter Erigone den verschwundenen Vater, von ihrem Hund Maira geleite( bis sie den Leichnam in einem Brunnen fand. Da hat sich Erigone erhängt37 • So schwelgt der Weinmythos von Attika, dem Weinland, in der Ausmalung des Gräßlichen. Dieser Wein ist ein besonderer, alles andere als harmloser Saft. Was das Ritual aussagt, bestätigen die Mythen von Gewalttat und Tötung um den ersten Wein: das Trinken des neuen Weins hat die Funktion einer Opfermahlzeit, geheiligt eben im Sinn des Unerhörten, 36
37
F. G. Welcker, Nachtrag zu der Schrift über die Aeschylische Trilogie (1826)186; 211; S. Wide, Lakonische Kulte (1893) 82-3. Die späteren Autoren (bes. Hyg. astr. 2, 4 = [Eratosth.J Catast. p. 77-81 Robert; Nonnos 47, 34-264) sind im wesentlichen von der ,Erigone' des Eratosthenes abhängig (Fr. 22-6 Powell; R. Merkelbach, Miscellanea di Studi Alessandrini in memoria di A. Rostagni [1963J 469-526). Die Einkehr des Dionysos ist auf schwarzfigurigen Vasen (BM B 149 = ABV 245, 60; B 153 = ABV 243, 45) dargestellt, ohne Namensbeischrift, so daß der Gastgeber auch Amphiktyon (Philochoros FGrHist 328 F 5; Paus. 1, 2, 5) oder Semachos (Philochoros FGrHist 328 F 206; Euseb. Hieron. chron. a. Abr. 523) heißen könnte, dann auf einer Reihe neu attischer Reliefs (Ch. Picard AJA 38 [1934J 137-52; M. Bieber, The sculpture of the Hellenistic age [1955J 154; EAA III 114; Deutung umstritten). - Nach Paus. 1, 2, 5 hat indes bei der Einführung des Kultes des Dionysos Eleuthereus (vgl. o. Kap. I 7 Anm. 53) das Delphische Orakel (Nr. 545 ParkeWormell [1958J) auf die Ankunft des Gottes bei Ikarios hingewiesen, diese galt also als die älteste und maßgebende Epiphanie. - Ein neu es Mosaik mit boIONYIOI, AKMH, IKAPIOI und 01 TTPQTOI OINON TTIONTEI aus Paphos: Archaeology 21 (1968) 48-53.
248
IV. Anthesteria
Schuldhaft-Verkehrten, inmitten der verkehrten Ordnung dieses Tags. Die Assoziation von Wein und Blut ist, zumal beim überwiegen des roten Weins in den Mittelmeergegenden, naheliegend und auch außerhalb des Griechischen, im Semitischen belegt38 • Doch handelt es sich dabei offensichtlich nicht nur um eine unverbindliche Metapher: heilig wurde das Weintrinken, indem ein ganzes komplexes Ritual vom blutigen Opfer auf die Arbeit und den Genuß des Winzers übertragen wurde39• Denn daß die Opferriten, im Jägerturn verwurzelt, weit älter sind, steht fest, auch wenn die Geschichte der Erfindung und Ausbreitung der Rauschtränke im N eolithicum und den frühen Hochkulturen noch nicht recht zu übersehen ist; möglich, daß Arten des Biers, des vergorenen Gerstentranks, dem Gebrauch des Weins vorausgehen; es ist auch zu bedenken, daß andere Arten von Narkotika in ähnlicher Weise religiös-rituell fruchtbar werden können 4o • Die Männergesellschaft fand hier einen neuen, überwältigenden Erfahrungsbereich, in dem die deprimierende Realität durch den Einbruch eines ganz Anderen verdrängt wird. Und wie die Gruppen seit je ihre Identität und innere Festigkeit durch ein Opferritual gewannen, wurde auch der neue Genuß als geheimes, ,unsagbares' Opfer ausgespielt; in Befreiung und Bindung zugleich bot der Gott des Weins eine neue, stabile Form der Gemeinschaft. Bei den Indoariern ist Soma der heilige Rauschtrank, ein Gott, vom Himmel herabgestiegen, zerquetscht, zerstampft und ausgepreßt, ein Opfer, das doch in allen Verwandlungen Gott bleibt, der die Frommen zurück zum Himmel führt 41 • Die Griechen schon der ,Blut der Reben' (dm cl?m) im Ugaritischen, Baal II iv 37, ANET 133; AT Gen. 49, 11; Sir. 50,15. - ,Blut der Erde' Androkydes Plin. n. h.14, 58. 39 Vor allem wird das Keltern zum blutigen Zerreißungsopfer, schon im Ägyptischen: S. Schott, Das blutrünstige Keltergerät, Zeitsehr. f. ägypt. Sprache u. Altertumskunde 74 (1938) 88-93; D. Wortmann, ZPE 2 (1968) 227-30; Eudoxos bei Plut. Is. 353bc; dann über Apok. Joh. 14, 18-20 bis zu spätmittelalterlichen ,Kelterbildern' ; vgl. Eisler (1925) bes. 226-35; 246-8; 269-79; 334-44. - Die ,Augenschalen' der griechischen Keramik setzen anscheinend die paläolithischen Schädelbecher (Müller-Karpe [1966J 241; Maringer [1956J 123-8; 125: noch in Pompei) fort. 40 Vermutungen über Bier und Dionysos bei Harrison (1922) 413-25 ; Wein aus Sadar-Früchten in <;atal Hüyük: Mellaart (1967) 269; daß ,Soma' ein halluzinogener Fliegenpilz war, sucht R. G. Wasson, Soma, Divine mushroom of immortality (1968) zu erweisen; dagegen J. Brough, Bull. of the School of Or. and Afr. Stud. 34 (1971) 331-62. Ausführlich über Drogen und Ekstase besonders in Amerika La Barre (1970) 143-9. 41 Rig-Veda IX (Uebe~s. K. F. Geldner III [1951J 1-120).
38
2. Pithoigia und Choes
249
klassischen Zeit sind geneigt, Dionysos und Wein gleichzusetzen42 ; die Konsequenz wäre. daß der Weintrinker den Gott selbst genießt, daß die Mythen vom Tod des Weinspenders zur Beschreibung vom Leiden und Sterben und von der Verwandlung des Gottes selbst würden. Hier freilich hatten die Griechen der klassischen Zeit kaum überwindbare Hemmungen: die Götter waren, seit Homer, laut Definition ,unsterblich'; wie könnte also ein Gott sterben, ja zu kannibalischem Mahl herhalten? Ein solcher Mythos wird selbst ,unsagbar', Ö:PPllTOs. Und doch hat man dies eben von einem einzigen Gott erzählt, von Dionysos: die Titanen haben das Dionysoskind verführt, zerstückelt, verzehrt. Dieser Mythos, offenbar in orphischen Mysterien tradiert, war im 5. Jahrhundert bekannt, wie Anspielungen zeigen43 , auch wenn man offiziell ihn ignorierte. Freilich beschreibt er - späterer Allegorese zum Trotz - nicht die WeinbereitungM, sondern ein blutiges Initiationsopfer, mit Kochen und Braten. Das Anthesterienritual impliziert einen etwas anderen, wenn auch weithin analogen Mythos vom Gott, der zerstückelt wurde, dessen Blut der sakramental Eur. Bacch. 284; Kykl. 519-28; Plat. Leg. 773d (Wein als I-\otvol-\evos aeoS); Phanodemos FGrHist 325 F 12; Philochoros FGrHist 328 F 5. "Der Wein ist Dionysos" K. Schefold MH 27 (1970) 119. 43 Ältester sicherer Zeuge für den Mythos vom Tod des Dionysos ist bekanntlich Kallim. Fr. 643 (0. Kap. II 5 Anm. 41); vgl. Jacoby zu Philochoros FGrHist 328 F 7; daß dieser Mythos in frühhellenistischer Zeit erfunden sei, verfocht nach Wilamowitz (1932) 378-80 L. Moulinier, Orphee et l'orphisme a l'epoque classique (1955) 46-60. Als ältere Anspielungen können gelten: 1) Pi. Fr. 133, l1Tolvav 1TOi\OtOV 1TEv6eos; P. Tannery, Rev. de Philol. 23 (1899) 129; H. J. Rose, HThR 36 (1943) 247. 2) Die Gleichsetzung mit Osiris und das betonte Schweigen Herodots über die - in Ägypten keineswegs geheimen - 1T<x6T) des Osiris, 2, 61; 132; 170, G. Murray bei Harrison (1927) 342-3; 3) Plat. Leg. 701c TtTOVtK"
42
250
IV. Anthesteria
genüssene Wein45 ist. Vielleicht freilich hat dieser püstulierte Mythüs immer nur in Andeutungen und Verkleidungen existiert, indem die Erzählung Gütt, Täter, Opfer düch wieder trennte. Immerhin behauptet Philüstrat46 , die Athener trieben am Anthesterienfest Maskenspiel, stellten Bacchantinnen, Nymphen, Hüren dar "inmitten der ürphischen Theülügie denk~ alsO' an Rezitatiün üder Darstellung des ürphischen Diünysüsmythüs am Chüentag. Dies ist Spätantike, gewiß. Düch auch das Wett-Trinken der klassischen Zeit ist eine ,Weihe', TeAETf), ist, vüllzügen im heiligen Schweigen, symbülische Wiederhülung eines blutigen Ritus, Tüdesschuld, die Lebensürdnung begründet. tt
,
3. Karer üder Keren Wenn aufdringliche Menschen in Athen eine ausnahmsweise gewährte Vergünstigung zur Regel machen wüllten, künnte man sie abweisen mit dem wühl in irgend einer Kümödie So' fürmulierten Vers: "Hinaus, ihr ... ! Die Anthesterien sind zu Ende"l. Welcher Vükativ abel diesem ,Hinaus!' fülgte, darüber sind sich die Zeugen nicht einig; die einen sprechen vün ,Keren', "als üb in der Stadt an den Anthesterien die Seelen umgehen 2 , die anderen vün , Karern ' , die als karische Sklaven, die an den Anthesterien ausnahmsweise mitfeiern dürfen, üder als angebliche Ureinwühner Attikas erklärt welden. Daß allerdings die hier genannten Gesellen zu den Anthesterien in einer intimen Beziehung stehen, darüber haben die Erklärer keinen Zweifel. tt
45
46
1
2
So auch Guepin (1968) 294: "sacramental drinking of Dionysus as wine". Foucart (1904) 138-48 wollte die Anthesterien aus dem Osiriskult ableiten, ohne die besondere Funktion des Choentrinkens zu sehen. V. Ap. 4, 21. Vgl. Luc. De salto 39. Zenob. Ath. 1,30, p.362 Miller = Zenob. Par. 4,33, Paroem. Gr. I 93 Erd TOOV TC: CXtITC: E1TlS1')TOVVTOOV 7TO:VTOTe AcxllßO:vetv. Sprichwörter, als Dramenzitate, erscheinen oft in Versform, vor allem als Trimeter, z. B. Zenob. Par. 1, 60; 70; 75; 81; 83; 86; 90; 92; 96 etc.; indem man die Sprichwort-Funktion des Verses übersah, hat man ihn vorschnell zu einem rituellen Ruf gemacht (Deubner [1932] 113-4; Pickard-Cambridge [1968] 14). An zweiter Stelle bei Phot. aupcxSe t
3. Karer oder Keren
251
Unter dem Einfluß der Theorie des Animismus haben Otto Crusius und Erwin Rohde die ,Seelen'-Deutung entschieden vertreten3 ; es bot sich gleich die Parallele der römischen Lemuria' an, aber eine Fülle verwandter Volksbräuche kam alsbald zusammen: immer wieder gibt es Totenfeste, wo die Toten eingeladen, bewirtet und zum Schluß mehr oder weniger drastisch wieder verjagt werden. So wurden die Anthesterien zu einem ,Allerseelellfest' - selbst der Name wurde aufs ,Heraufbeschwören' der Seelen gedeutet 5 , das an den Pithoigia geöffnete Faß sollte Behältnis der Seelen sein; Wein und Trinken stand merkwürdig unverbunden daneben, und es schien sich die Alternative zu ergeben, Dionysos entweder als Weingott oder als ,Herrn der Seelen' gelten zu lassen. Dagegen blieb das philologische Bedenken, daß gemeinhin bei den Griechen die Totenseelen keine Keren, die Keren keine Totenseelen sind, sondern selbständige ,Schadedämonen ' , allenfalls , Gespenster'6, über deren Beziehung zu irgendwelchen toten Ahnen nichts verlautet. Auch hat man darauf hingewiesen, daß die mit Spott abgetane ,Karer' -Deutung alte, feste Tradition wiedergibt; sie allein erscheint in der alten Fassung der Sprichwörtersammlung des Zenobios 7 ; Crusiu~ hat sie auf den Athener Demon, der vor Philochoros im 4. J ahrhundert v. Chr. schrieb, zurückgeführt8 ; die ,Keren'-Version iBt in den Quellen ein Nachtrag, in dem, nach Crusius, Didymos gegen Demon polemisiert. Dann hätte man in Athen selbst von,Karern' gesprochen; es wird schwierig zu erklären, wie dieses Mißverständnis am Orte selbst zustandekam, wenn es denn ein Mißverständnis ist. 3
4
5
6 7 8
O. Crusius in: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste II 35 (1884) 265-7; RML II 1136-66, bes. 1148; 1162; Rohde (1898) I 239,2; Harrison (1922) 34-6; 42-9; Deubner (1932) 113; vgl. Malten RE Suppl. IV 883-900. Varro bei Non. p. 135; Ov. Fast. 5, 442. Parallelen bei E. B. Tylor, Primitive culture II (1871; 19136 ) 40; Rohde, Crusius, Deubner a. O. vgl. G. Dumezil, Le probU:me des Centaurs (1929) 3-52. o. Kap. IV 1 Anm. 4. Wilamowitz (1931) 272. Zenob. Ath. 1, 30, p. 352 Miller = Zenob. Par. 4, 33 (u. Anm. 11). Analecta ad Paroemiographos Graecos (1883; abgedruckt in: Corpus Paroemiographorum Graecorum, Supplementum [1961J II) 48-9; 146, wobei er von "Demonis mira inventa" (49) sprach; zu Demon vgl. FGrHist 327. Daß also die ältere überlieferung von ,Karern' spricht, hat R. Ganszyniec Eranos 45 (1947) 100-13 betont; daß Demon irrt, suchte dagegen M. H. A. L. H. van der Valk REG 76 (1963) 418-20 zu zeigen. Unentschieden PickardCambridge (1968) 14-5; J. Brunel RPh 41 (1967) 98-104.
252
IV. Anthesteria
Freilich ist die Behauptung der Parömiographen, es habe in Athen besonders viele karische Sklaven gegeben 9, unbefriedigend: nach allen anderen Zeugnissen waren die ,Thraker' und ,Geten' unter den Sklaven weit zahlreicher. Immerhin ist auch dieser Erklärungsversuch von der Anschauung der Choen-Riten geprägt: dieser ,schwarze Tag' ist ja - Zeichen der Verkehrtheit - für die Sklaven der ,weiße Tag'lO, an dem auch sie mitfeiern, mittrinken dürfen. Merkwürdiger noch ist die auf Demon zurückgeführte Erzählung: "Einst bewohnten die Karer einen Teil von Attika, und wenn die Athener das Fest der Anthesterien begingen, schlossen sie einen Vertrag mit ihnen und nahmen sie in die Stadt und in die Häuser auf. Wenn dann nach dem Fest solche Karer in Athen zurückgeblieben waren, sagte, wer ihnen begegnete, im Scherz: Hinaus, ihr Karer, die Anthesterien sind zu Ende u11. Wesentlicher als die erstaunliche Behauptung, es habe je Karer in Attika gegeben, ist die Erfahrung eines Brauchtums, die offenbar hinter dem Bericht steht: Fremde Wesen, ,Ureinwohner', kommen am Fest von Draußen in die Stadt, ja in die Häuser, sie haben ein vertragliches Recht darauf, freilich nur für die genau bemessene Frist des Festes. Eben ein solcher Brauch ist für das Anthesterienfest der Stadt Massalia überliefert12 : an diesem Tag konnten nach dem ,Recht der Gastfreundschaft' viele der umwohnenden Gallier in die Stadt gelangen, andere schmuggelten sich auf Karren, auf den Faß-Fuhrwerken offenbar, die von auswärts in die Stadt kamen, ein, und um ein Haar wäre dieser Tag der offenen Tür für Massalia zum Verhängnis geworden. Der Topos von angeblichen Ureinwohnern, die an bestimmten Tagen auftauchen und dann wieder vertrieben werden, findet sich besonders in einem Bereich der Volkskunde: im Maskentreiben13• Und 9 Paus. Att. e 20 (0. Anm. 2), Zenob. Par. 4, 33 an erster Stelle. o. Kap. IV 2 Anm. 9. n Zenob. Ath. 1, 30, p. 352 Miller hat nur diese Version, die Zenob. Par. 4, 33 an zweiter Stelle bringt. 12 Iustin 43, 4, 6; J. Brunel, D'Athfmes a Marseille, REA 69 (1967) 15-30 sah die strukturelle Übereinstimmung mit Besuch und Vertreibung der ,Karer' und stellte auch die Legende von den erschlagenen Ätolern (Kap. IV 2 Anm. 34) dazu. 13 K. Meuli, Schweizer Masken (1943) 13-64; Schweiz. Arch. f. Volkskunde 28 (1927/8) 23-9, besonders 27; über die ,Schurtendiebe' im Lötschental: L. Rütimeyer, Ur-Ethnographie der Schweiz (1924) 364. 10
3. Karer oder Keren
253
von hier aus öffnet sich eine Perspektive, die gestattet, die Widersprüche der Überlieferung auszugleichen. Im Maskenbrauch, wie er in abgelegenen Alpentälern sich bis ins 20. Jahrhundert hielt, haben die vermummten, fratzenhaften Wesen, die da eindringen, vor allem das Recht, Bewirtung zu fordern; der Respekt, den man ihnen zollt, wird damit erklärt, daß sie Ahnen der Menschen oder frühere Bewohner des Landes seien. Gespensterglaube und Maskenbrauch stehen in engster Wechselbeziehung. Für Athen führt dies zu der Hypothese: die ,Gespenster', Kflpes, und die ,Ureinwohner', Ka:pes, die am Choentag die Stadt bevölkern, sind identisch, sind Maskierte - die auf Attisch dann wohl Ka:pes hießen. In der Tat ist es sprachwissenschaftlich einleuchtend, eine alte Flexion K~p, Kapos zu postulieren14, die in den Einzeldialekten normalisiert werden konnte: ,Schadedämon' und ,Butzemann' zugleich, eben den \Maskierten mag dieses Wort bezeichnet haben. Die Assoziation mit den barbarischen Karern lag bei den a-haltigen Formen aber immer nah, und es ist schwer zu sagen, ob etwa bei einem Zeus Karios15 oder dem megarischen Ureinwohner Kar16 die eine oder die andere Erklärung zu bevorzugen wäre. Jedenfalls erscheinen die attischen Ka:peS als mindestens teilweise Entsprechung der ionischen Kflpes, schon insofern als man beide ,vertreibt'; am Tag der ,Karer' kaut man Weißdorn, der die Keren fernhä1t 17 • So wird das Fest anschaulich: Maskierte, bedrohliche Masken dringen am Anthesterienfest in Stadt und Häuser ein; sie kommen von draußen, zugleich mit dem neuen Wein - vielleicht gleich auf den Wagen zusammen mit den Fässern. Vermummte fuhren am Choentag auf Wagen in der Stadt umher und verfolgten jeden, der ihnen begegnete, mit unflätigem Spott18 • Die Darstellungen
14
15
16
17 18
E. Schwyzer Glotta 12 (1923) 17-8; sv Kapos aiO'1J Il. 9, 378, an dessen Bedeutung man in der Antike herumrätselte (vgl. Schol. AB, Eust. 757, 18-56; Hsch. K6:p). Hesych gibt als eine Bedeutung von K6:p auch TIp6ßaTov an, wodurch eine Beziehung zu K6:pvoS, K6:pVEta hergestellt wird. Hdt. 5, 66; Apollon K6:pEtOs in Hierapolis: G. Pugliese Carratelli ASAA 41/2 .(1963/4) 351-70; IEPOV TOU Kap{ov in Torrebis/Lydien: Nikolaos FGrHist
90 F 15. Paus. 1,39,5; Steph. Byz. Kapia; Apollon Kaptv6s in Form eines Pyrami den steins : Paus. 1, 44, 2. O. Kap. IV 2 Anm. 12. Phot. Ta: SK TOOV O:lla~oov r - I Suda T 19 = Paus. Att. T 4 Erbse: sv Tfj TOOV Xooov eopTfj 01 Kooll6:soVTES STIl TOOV O:lla~oov TOUS O:TIaVTOOVTas EO'KOOTIT6v TE
254
IV. Anthesteria
der Choenkannen zeigen mehrfach groteske Masken19 mannigfacher Form, die Erschrecken oder auch Gegenwehr auslösen. Das kunstmäßige Maskenspiel hat sich dann auf die Großen Dionysien konzentriert, auf Komödie und Tragödie; den Anthesterien blieb der primitivere, improvisierende und parodierende Mummenschanz. Das Ineinander von Lustigkeit und Ernst ist beim Maskentreiben besonders augenfällig: ausgelassenes Gelächter auf einem Hintergrund von Erschrecken und Grausen. Insofern paßt das Treiben der fremden ,Karer gerade zum Charakter des Choentrinkens als eines Opferfestes. Gerade beim Opfer, bei seinem Zentrum, der ,unsagbaren Handlung, findet man ja so oft, als Element der ,Unschuldskomödie integriert, den Einbruch der Fremden, die sich ihr Teil holen und eben darum wieder weichen müssen. An die Werwolfbünde ist hier wieder zu erinnern, an die Delpher beim Opfer, an die hirpi Sorani20 • So sind beim sakramentalen Trinken des Weins unbekannte, unheimliche Gäste zugegen, neben den Bekannten und Verwandten, die man geladen hat; niemand darf an diesem Tag abgewiesen werden, jeder erhält seine Kanne Wein, doch schweigend sitzt man an getrennten Tischen hinter den schwarz gestrichenen Türen; so begegnet man im Unheimlichen dem Heiligen. Der allgemein griechische Mythos erzählt von einer anderen Faßöffnung, die wilde Gäste anlockte: Herakles kehrt ein bei Pholos im Pholoe-Gebirge, und ihm zu Ehren öffnet der Gastgeber das alte, große, im Boden versenkte Faß: da stürmen aus dem Gebirge die Kentau-: t
t
t
Kcxi SAOlS6povv. TC 5 'CXlITC Kcxi Tois J\TlVCXiOlS ÜCJTEPOV hroiovv. Harpokr. (Phot., Suda TI 2023) s. v. TIOI.mEicxs nennt allgemein ßIOVVO'lCXKCXi TIol-mcxi, daher sv ToiS ßlovvO'iolS App. Provo 4, 80 (Paroem. Gr. I 453), Schol. Luk. p. 77, 28; 202, 15. IJEeVO'eSVTES KCUlJexSOVO'lV TT1S TJlJepCXS Zenob. Ath. 1, 74, p. 358 Miller f""oo.I App. Provo 4, 80. s~ O:lJex~TlS als Muster unflätigen Spottes: Aristoph. Eq. 464; Dem. 18, 122; PI. Leg. 637b; Men. Perinthia Fr. 4; Philemon Fr. 43 (CAF II 489); Numenios Fr. 2 p. 121 Leeman = Euseb. Praep. Ev. 14, 6, 13; Dion. HaI. ant. 7, 72, 11; Philostr. V. Ap. 4, 20; Schol. Aristoph. nub. 296: T';V TPVYCX Xp16IJEV01, lVcx IJ'; YVOOP1IJ01 yevooVTcxl, OÜTCUS Ta cxtmiw -iJSov TIOl"IJCXTCX ... O:lJex~TlS SmKCXe"IJEVOl. 19 Kind von Maske erschreckt: van Hoorn (1951) Nr. 918, fig. 84 vgl. Nr. 117, fig. 148; Nr. 505 fig. 240; Kind eine groteske Gestalt abwehrend: Nr.l02 fig.26, vgl. Nr.256 fig. 15; Nr. 102 erinnert an den Typ des Herakles KTlPCXIJVVTT\S: Pelike Berlin 3317, Harrison (1922) 166, EAA IV 347 (ähnlich Herakles gegen rEPA~ Pelike Louvre G 234 = ARV2 286,16, vgl. 284,1; 653, 1; 889, 160; RML III 2083). 20 O. Kap. II.
4. Heilige Hochzeit und 'Lenäenvasen'
255
ren herbei, trinken, berauschen sich, fangen Streit an, der mit der blutigen Niederlage der Kentauren endet 2l • Mit Vorliebe ist dieses Thema in der archaischen Vasenmalerei behandelt. Die Kentauren kommen von draußen, den Wein zu kosten, sie werden hernach mit Gewalt vertrieben: ins Heroische gesteigert, bewahrt der Mythos eine Peloponnesische Entsprechung zu den attischen Pithoigia und Choes.
4. Heilige Hochzeit und ,Lenäenvasen' So viel auch an der verkehrten Ordnung des Choentags mit Maskenfreiheit und Trinkkomment sich auskosten ließ, Ziel muß die Überwindung des ,Tags der Befleckung' sein, die Beendigung des götterlosen Ausnahmezustands: den Choes folgen die Chytroi. Wenn die Sonne des 12. Anthesterion untergeht, endet der ,Tag der Befleckung'. Die Choenkrüge sind bis dahin geleert; doch kann man sie nicht einfach wegstellen. Fromme Zecher brachten auch sonst den Kranz, den sie beim Fest getragen hatten, in ein Heiligtum, legten ihn einem Standbild uml . An diesem Tag aber waren die Heiligtümer geschlossen, außer dem des Dionysos ,in den Weihern'. Darum der andersartige Ritus, der den Choentag beschließt; auch ihn hat, sagte man, König Demophon anläßlich der Bewirtung des Orestes erfunden: "er gebot, nach Abschluß des Trinkens die Kränze, die sie getragen hatten, nicht in den Heiligtümern niederzulegen, da sie mit Orestes unter einem Dach geweilt hatten; jeder solle vielmehr seinen Kranz um seine Choenkanne legen und der Priesterin zum Heiligtum ,in den Weihern' bringen, und dann in dem Heiligtum die weiteren Opfer 21
1
ApolIod. 2, 83-5; PR Ir 499-502; Brommer (1960) 135-8. Daß die Kentauren als Masken existierten, suchte Dumezil (1929) zu erweisen, vgl. T. 1; eben diese Art der Tiermaskierung - angeschnalltes Tier-Hinterteil - belegen jetzt die Wandbilder von Vatal Hüyük (0. Kap. 12 Anm. 18; 18 Anm. 28). -Das Bild der Jenaer Lekythos (ARV2 760,41; Harrison [1922J 43), wo die von Hermes beschworenen ~uxa{ aus dem Pithos schwärmen, erklärt sich aus der Funktion der Grabvasen bzw. runden Tonringe bei den Libationen für die Toten; vgl. die sf. Opferröhre aus Frankfurt bei H. V. Herrmann, Omphalos (1959) T.5; A. Furtwängler, Antike Gemmen (1900) T. 20, 32; mit den dionysischen m60iYla hat dies - gegen Harrison - keine unmittelbare Verbindung. Vgl. Timaios FGrHist 566 F 158.
256
IV. Anthesteria
darbringen u2 • So belebten sich denn am Abend des Choentags die Straßen und Gassen Athens mit all den Leuten, die mit geleerter, be-' kränzter Choenkanne dem Heiligtum ,in den Weihern' zustrebten. Nicht jeder war nach dem Genuß von 2% Litern gemischten Weins noch ganz sicher auf den Beinen, und auch von heiligem Schweigen ist jetzt nicht mehr die Rede. Die Situation um das Heiligtum ,in den Weihern' läßt Aristophanes seinen für Gewässer besonders zuständigen Fröschechor quakend besingen: "Laßt uns im Flötenton laut den Hymnus anstimmen, meinen lieblich klingenden Gesang: quak, quak, den wir um den nysäischen Sohn des Zeus, Dionysos, im Gewässer erschallen ließen, wenn trunkenen Zugs am heiligen Töpfefest zu meinem heiligen Bezirk alle Völkerscharen wallen U3 • Kpal1raAOKCiJlloS, ,im angesäuselten Schwarm', in diesem Wort ist die Stimmung des Abends zusammengefaßt, die uns gleichzeitig die Bilder der Choenkannen auf Choenkannen lebendig vor Augen führen': da sehen wir die etwas schwankenden Gestalten, das offenbar längst geleerte Choenkrüglein mit dem Efeukranz in der Hand oder gar an die Leier gehängt, bei Fackelschein dahinterschreiten, tänzeln, taumeln. Am Chytrenfest, sagt Aristophanes, denn mit dem Abend setzt das Neue bereits ein. Wie das Trinken am Choentag dem Zentrum eines blutigen Opfers entsprach, so ist in diesem Sich-Sammeln am Abend erst recht der Abschlußritus des Jäger-Opfer-Komplexes zu erkennen: auf das Töten und Essen folgt das Sammeln der Reste5, um eine symbolische Restitution, eine bleibende Ordnung zu schaffen. In den Choenkannen war der heilige Wein in gleiche Portionen aufgeteilt, jeder hatte
2Phanodemos FGrHist 325 F 3 4
5
11; die letzten Worte ETIena 6velv ev Tc;, tep4> Tex ETIiA011Ta umschreibt Deubner (1932) 99; 100 "die Neige zu spenden" aber 6velv ist nicht OiTevSelV. Ran. 211-9. Deubner (1932) 244; H. R. Immerwahr TAPhA 77 (1946) 247-50; vgl. van Hoorn (1951) Nr. 762 fig. 173; Nr. 385 fig. 85; Nr. 328 fig. 503; Nr. 633 fig. 95; Nr. 40 fig. 97; Nr. 838 fig. 88; Pelike Baselfig. 109; Nr. 602 fig. 107; Nr.651 fig. 168; Nr. 581 fig.527 etc.; Nr.842 fig. 87 = Deubner T. 9, 2 = Metzger (1965) 68,26: ,Priesterin' nimmt Kränze in Empfang (oder: Basilinna in Erwartung des Dionysos: E. Simon AK 6 [1963] 21?). - Plat. Kritias 120b läßt in Atlantis die Schalen, aus denen beim Eidopfer getrunken wird, ins Heiligtum weihen. Zerbrechen der Töpfe im Totenkult: W. Helbig SBMünchen 1900,2,247-51 (dagegen LS 97,9; [Tex Se cX]yyeia cXTIocpepeaeal); im hebräischen Sündopfer: AT Lev. 6,21. O. Kap. I 2.
4. Heilige Hochzeit und 'Lenäenvasen'
257
in gleichem Maße davon genossen; jetzt werden alle diese Krüge an einem geheiligten Ort zusammengebracht. So werden im Mythos immer wieder die Reste des zerstückelten Opfers gesammelt, beigesetzt, ja zu neuem Leben erweckt; auch vom zerstückelten Dionysos wird dies erzählt 6 , ob das Geschehen nun nach Delphi oder nach Kreta verlegt ist. Vielleicht wird von hier aus erst der Name des ,Dionysos in den Weihern' durchsichtig, der zu den lokalen Gegebenheiten Athens so wenig paßt: Weiher und Sümpfe - oder, für Küstenbewohner, das Meer - sind der Ort des Verschwindens und des wunderbaren Auftauchens; hier werden Opfer versenkt, hier spricht man von der Wiederkehr des Gottes aus der Tiefe 7• Hier ist der Ort, wo Dionysos, jenseits von Blutvergießen, Tod und sakraler Mahlzeit, als Gott sich offenbart. Eine ,Priesterin' waltet hier; kaum eine eigens bestellte Priesterin für das regelmäßig verschlossene Heiligtum, sondern eine Frau, die an diesem Tag priesterliche Funktionen übernimmt. Zum Heiligtum ,in den Weihern' gehören 14 Frauen, vom ,König' eingesetzt, die ,Ehrwürdigen'8 schlechthin genannt; an ihrer Spitze steht die ,Königin'9, die Frau des Archon Basileus selbst. Sie vereidigt die ,Ehrwürdigen', ja ihr selbst fällt die spektakulärste Rolle im Festprogramm zu: sie wird dem Gott selbst zur Gemahlin gegeben; in einem Gebäude am Marktplatz, dem Bukolion, kommt es zur Liebesvereinigung des Gottes mit der sterblichen Frau10• 6
7
8
9
10
Philodem De piet. 2, p. 16 Kol. 44 Gomperz cPecxs TCx lJeA11 cruveelcr11S äveßicu; Diod. 3, .62, 6 1TCxAIV S' \I1TO TfjS b.i)IJ11TPOS Tc;'W lJeAwV cruvcxPlJocreeVTcuv; o. Kap. II 5 Anm. 41. Vgl. die Mythen von Aktaion (0. Kap. II 4 Anm. 18), Hippolytos (Sen. Phaedra 1247-8, 1256-79), Pentheus (Eur. Bacch. 1299-1300), Orpheus ([Eratosth.] Catast. 24, p. 140-1 Robert), Osiris (Plut. Is. 358a). So ist in der Quelle von Lerna Dionysos versunken und wieder aufgetaucht, wird dort ,heraufgerufen' (Plut. Is. 364f., vgl. o. Kap. III 3 Anm. 33); vgl. auch Kap. III 8. Die Form yepcxlpcx (Feminin zu yepcxpos vgl. XiIJCXlpCX/XlIJCXpOS) ist inschriftlich gesichert (IG II/III2 6288; XII 3, 420), wurde von Aristarch auch Il. 6, 270 gelesen (Schol. A); sie ist (anders akzentuiert) Et. Gen. = Et. M. 227, 35 und An. Bekk. I 231, 32 vgl. 228, 9 überliefert (= Ael. Dion. y 7 Erbse), bei Harpokr. s. v. (Cd. yepcxlcxi oder yepcxpcxi) herzustellen; [Dem.] 59, 73. 78; PoIl. 8, 108, Hsch. (falsch eingeordnet) ist yepcxpcx{ überliefert. Deubner (1932) 100, 5. Die Demosthenesüberlieferung (59, 74) spaltet sich in ßcxcriAlcrcrCX, das Phrynichos (p. 225 Lobeck) und Aelius Dionysius (13 5 Erbse) anerkennen, und ßcxcr{AIVVCX, das sonst im Kinderspiel Men. Fr. 652a belegt ist. [Dem.] 59, 73; 76; Arist. Ath. Pol. 3, 5. Daß dieser Akt zu den Anthesterien
17 Burke1:t, Homo Necans
258
IV. Anthesteria
An welchem Tag des Anthesterienfestes dies stattfand, ist nicht überliefert. Doch sollte klar sein, daß der ,Tag der Befleckung' dafür nicht in Frage kommt. Und da die ,Königin' dem Gott formell als Gattin übergeben wird, ist ein schamloses Beilager bei Tageslicht ebenso ausgeschlossen; zu Abend veranstaltet man die Hochzeitszüge, der Nacht gehören die Werke der Aphrodite. Da nun die Pithoigia offensichtlich vorbereitenden Charakter haben, bleibt von der Festzeit nur die Nacht, die von den Choen zu den Chytren führt l l . Die Bestätigung liefern Vasen bilder, besonders das einer Choenkanne in N ew Y ork, die die Hochzeit von Dionysos und Ariadne umrahmt von den Zechern des Choentags zeigt1 2 : die Fackel, der baumelnde Choenkrug weist eindeutig auf die Nacht, bei deren Einbruch der ,angesäuselte Schwarm' zum Limnaion zog, die ,heiligen Chytren' zu feiern. gehört (an die Lenäen dachte E. Buschor AM 53 [1928] 102-3), ergibt sich daraus, daß der v6IJos für die Qualifikation der ,Königin' in dem nur am Choentag geöffneten Limnaion stand, [Dem.] 59, 75-6; auch der dann (78) genannte Altar für den Eid der yepcxlpcxl kann nur der des Limnaion sein. Beim (blutigen) Eidopfer hilft den Frauen der eleusinische Hierokeryx (ib.). Zu den im Eid (ib.) genannten eE01V1CX ]acoby zu FGrHist 334 F 3. 11 So auch E. Simon AK 6 (1963) 11, Pickard-Cambridge (1968) 11, gegen Deubner (1932) 109, der "den Vormittag und vielleicht den Beginn des Nachmittags" des Choentags ansetzt. - IJEeTlIJEplVoi y6: IJO 1 als Skandal: Dem. 18,129; vgl. LSS 115 A 11-4. 12 New York Metr. Mus. 06. 1021. 183 = van Hoorn (1951) Nr. 745, fig. 105 = Metzger (1965) 62-3, T. 27, 2. Richtig bemerkt E. Simon AK 6 (1963) 12: "Es gibt Szenen, in denen die Entscheidung: Ariadne oder Basilinna, nicht gefällt werden darf". - Dionysos und Ariadne in der Laube: Chous Leningrad 2074 St. = van Hoorn Nr. 579, Metzger (1951) T. XIII, 1; Zecher mit Chous neben Dionysos, Ariadne, Eros: fr. Kelchkrater Tübingen 5439 = ARV2 1057, 97, AK 6 (1963) T. 5, 1. - Hochzeit des Dionysos auch auf einer Oinochoe der Villa Giulia, L. Curtius in: Vermächtnis der antiken Kunst (1950) Abb. 37-41; H. Marwitz, Antike und Abendland 12 (1966) Abb. 2. - Dionysos tritt an thronende Frau heran: Oinochoe (nicht die Normalform des Chous) im Brit. Mus., Deubner (1932) 101-2, T. 10. Dionysos, geleitet von Fackelträger mit Chous, tritt auf eine Tür zu, hinter der eine Frau wartet: Kelchkrater Tarquinia RC 41. 97 = ARV2 1057, 96, AK 6 (1963) T. 5, 3 (Typ einer Komos-Szene, vgl. van Hoorn [1951] Nr. 761, fig. 117, Immerwahr TAPhA 77 [1946] 250). - Satyrknabe neben gelagertem Paar auf einem unteritalischen Chous, Brindisi: K. Kerenyi RM 70 (1963) 98, T. 43. - Dionysos mit Stierhörnern neben Ariadne auf einer italischen Vase (E. M. W. Tillyard, The Hope Vases [1923] T. 31, 218; van Hoorn p.51; Kerenyi a.O.) wurde mit der Hochzeit im Bukolion kombiniert. H. Marwitz Antike und Abendland 12 (1966) 97-110 möchte auch die Vorlage der ,Aldobrandinischen Hochzeit' auf den attischen Hieros Gamos deuten.
4. Heilige Hochzeit und 'Lenäenvasen'
259
Die Einzelheiten der ,Heiligen Hochzeit' waren natürlich geheim, ,unsagbar'; die Quellen schweigen beharrlich und geben keine rIiIfe, zwischen den beiden denkbaren Möglichkeiten zu entscheiden: symbolische Vereinigung mit einem Bild, einer Herme13 , oder Vertretung des Gottes durch einen Sterblichen, am ehesten den ,König' selbst14 • Selbst die unter Demosthenes' Reden erhaltene Anklagerede gegen Neaira, die den Skandal aufgreift, daß die Tochter einer Hetäre, selbst nicht unbescholten, zur ,Königin' aufgestiegen war, bleibt bei Andeutungen: "Diese Frau hat die unaussprechlichen Opfer für die Stadt dargebracht, hat gesehen, was sie als Nicht-Athenerin nicht hätte sehen dürfen; eine solche Frau hat den Raum betreten, den kein anderer von all den vielen Athenern betritt, nur allein die Frau des ,Königs'; sie hat die ,Ehrwürdigen Frauen' vereidigt, die bei den heiligen Handlungen assistieren, sie wurde dem Dionysos zur Gemahlin gegeben, sie hat für die Stadt die väterlichen Bräuche gegenüber den Göttern vollzogen, viele, heilige, geheime Bräuche"15. Immerhin gibt dies bei aller Unschärfe im einzelnen den Umriß eines Programms: Betreten eines unbetretbaren Raums; im Heiligtum ,in den Weihern' war neben dem Tempel ein unterirdisches ,Haus'16, um das es sich offenbar handelt. Was immer da hinabgebracht, was geholt wurde - man denkt an die Nacht der Arrhephoren - , es folgt ein Eidopfer, das die ,Ehrwürdigen' bindet; ,über den Opferkörben' leisteten sie den Schwur. Es gab 14 ,Ehrwürdige', entsprechend 14 Dionysosaltären in Athen17 ; dies deutet auf eine Vielzahl von Dionysos-Opfern. Höhepunkt ist die 13 14
15
16 17
H. Goldmann AJ A 46 (1942) 64-7. Farnell V (1909) 217 (zweifelnd); Deubner (1932) 107-9, 116-7; vgl. GB II 148. Dagegen E. Simon AK 6 (1963) 12 mit Berufung auf den Theseus-Mythos: der König muß weichen, wenn Dionysos erscheint; doch kennt der Mythos von Kephalos und Prokris (Pherekydes FGrHist 3 F 34) das Motiv, daß der König weicht und in Verkleidung wiederkehrt. Beilager ,mit einer Statue des Leukippos vor der Hochzeit in Phaistos: Ant. Lib. 17, 6. 59, 73 vgl. 85. O. Kap. IV 1 Anm. 9. An. Bekk. 231,32; Ael. Dion. y 7 Erbse (0. Anm. 8); daß all diese Altäre im Limnaion standen, ist nicht gesagt und eher unwahrscheinlich. Foucart (1904) 138-41 hat die merkwürdige Übereinstimmung hervorgehoben, daß Osiris in 14 Teile zerrissen ist (Plut. Is. 358a; 26 Teile: Diod. 1. 21. 2), , wonach entsprechend viele Gräber des Osiris existieren. - Zwei Komasten, eine Frau am Altar, daneben ein Mann mit zwei Fackeln auf einem Chous van Hoorn Nr. 870 fig. 69; Mann mit Chous und Opferkorb, Statue (des Dionysos?), Mann vor Altar auf einem Fragment von der Agora P 5270, L. Talcott AJA 49 (1945) 526-7.
17*
260
IV. Anthesteria
Übergabe an den Gott, und der ,Vollzug' des Ritus - eben das, was Aristoteles unverblümt als Geschlechtsakt bezeichnet. Wenn das sakramentale Trinken am Choentag ein blutiges Opfer symbolisiert, muß die dem Sammeln der Reste folgende Heilige Hochzeit ebenfalls im Rahmen der Restitutionsrituale stehen. Eben dies ist in Brauch und Mythos vielfach bezeugt: das Opfer wird versöhnt, indem eine Frau ihm hingegeben wird18 , ja in der Umarmung gewinnt der Tote neue Lebenskraft, Zeugungskraft. So empfängt Isis, nachdem die Reste des zerstückelten Osiris gesammelt sind, den Horos19 ; so geht der Gott in die Pythia ein, die auf dem Dreifuß sitzt 20 • Höchste Gefahr freilich signalisiert auch hier das ,Heilige' der Heiligen Hochzeit: so gut die Frau den Toten belebt, kann dieser sie töten. Mit diesen Umrissen müßte man sich bescheiden, gäbe nicht aller Wahrscheinlichkeit nach die bildliche Überlieferung einen genauen Hinweis, in welcher Form Dionysos in dieser Nachtin Erscheinung trat. Dutzende von attischen Vasen zeigen eine überaus primitive Form des Dionysosbildes, die darum seit langem die Aufmerksamkeit der Religionswissenschaft erregt hat. Kein menschengestaltiger Gott ist da gebildet, nur eine Maske ist an einer Säule aufgehängt; zuweilen sind es zwei Masken, ianusartig nach beiden Seiten blickend; ein Gewand ist um die Säule geschlungen, rohe Andeutung eines Körpers, doch ohne Arme oder Beine; Kuchen sind vielmehr aufgespießt, Zweige wachsen aus dem Körper, vor dem Bild aber ist ein dreibeiniger Opfertisch aufgebaut, auf dem neben allerlei Speisen vor allem zwei Weinkrüge, Stamnoi, zu sehen sind. Frauen bewegen sich gemessem um das ganze, Wein schöpfend und trinkend - sofern nicht die Phantasie des Malers den gewöhnlichen dionysischen Schwarm der Satyrn und Mänaden einherstürmen läßt21 . 18 19
20
21
O. Kap. I 7 Anm. 40-2; 61. Angedeutet Plut. Is. 368e vgl. 367d; H. Bonnet, Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte (1962) 669-70. O. Kap. I! 6 Anm. 66/6. A. Frickenhaus, Lenäenvasen, 72. Winckelmannsprogr. (1912) beschrieb 29 Vasen; Ergänzung: Pickard-Cambridge (1968) 30,2. Eng mit diesem ikonographischen Typ hängt die Darstellung auf der sf. Lekythos München 1871 zusammen, in der R. Hackl ARW 12 (1909) 196 ägyptische "Mumien:' verehrung", Beazley ABV 470,103 und Si mon (1969) 274 dagegen "Dionysos" fanden. Die von Stackl beigebrachten ägyptischen ikonographischen Parallelen sind nicht leicht zu nehmen: die Darstellung wird dann zu einem weiteren Beleg für Synkretismus Osiris/Dionysos in der Zeit des Hekataios (0. Kap. II! 6 Anm. 8). - Hauptargument für die Zuweisung an die Lenäen
4. Heilige Hochzeit und 'Lenäenvasen'
261
Welchem der attischen Dionysosfeste diese Form der Maskenverehrung zugehört, ist nicht sicher entschieden. August Frickenhaus, der diese Vasen am vollständigsten zusammentrug, nannte sie ,Lenäenvasen'. Da vom Lenäenfest nahezu nichts bekannt ist, läßt sich diese These nicht bündig widerlegen. Doch haben die Choenvasen einige Indizien neuerdings gebracht, die für einen Zusammenhang mit den Anthesterien sprechen 22 • Eine zugehörige Darstellung ist auf einem Choenkrug aufgetaucht 23 , ein zweiter Choenkrug zeigt offenbar einen früheren Augenblick des Rituals: die Maske des Gottes im Liknon, von zwei Frauen mit Wein-Kantharos und Früchtetablett flankiert 24 • An die Pithoigia allerdings ist nicht zu denken: der Wein ist bereits in die Stamnoi abgefüllt25 , in denen er für den täglichen Gebrauch aufbewahrt ist. Weintrinkende Frauen sind für die Griechen ein Skandalon; die Frauen auf den ,Lenäenvasen' aber erfüllen augenscheinlich eine vornehme, heilige Pflicht. So ist in ihnen - als irdisches Gegenbild der mythischen Mänaden - der Frauenbund der ,Ehrwürdigen' zu erkennen, der in der Chytren-Nacht seines Amtes waltet. Ein Text nennt in der Aufzählung der Anthesterienriten zwischen der ,Umseilung' der Tempel am dies ater und den Chytroi selbst die ,Errichtung', lopveils26 : dieses Wort könnte ebenso auf das merkwürdige
22
23
24 25 26
ist der Festname, der zu I\fjVCXl = BCxKXCXl gehört (Frickenhaus 27-8). Literarisch bezeugt ist Dionysos TTEPIKIOVIOS in Theben, Mnaseas Schol. Eur. Phoin. 651, als efeuumrankte Säule, (YTüi\oS; Orakel und Eur. Fr. 203 TGF bei Clem. Strom. 1, 24, 163. Mit Frickenhaus votierten für die Lenäen Deubner (1932) 127-32; Simon (1969) 276; zögernd Pickard-Cambridge (1968) 30-4; unentschieden Metzger (1965) 66-8; für Zuweisung an den Choentag trat, in Kombination mit Phanodemos FGrHist 325F 12 (0. Kap. IV 2 Anm. 6), Nilsson ein, J dI 31 (1916) 329 = Opuscula I (1951) 198 u. ö., (1955) 587; W. Wrede, Der Maskengott, AM 53 (1928) 81-95; Webster bei Pickard-Cambridge (1962) 80. Keine Entscheidung bringt die Weihung eines maskenhaften Dionysosbildes - das ähnlich auf Hermen wiederkehrt - durch zwei Frauen, J. FreI AA 1967, 28-34; E. Simon weist es dem Lenaios zu, (1969) 271,12. Leningrad 19893, van Hoorn (1951) Nr. 603 fig. 53, besser Metzger (1965) T. 27, 3, p.66-7. Im Gegensatz zu den anderen ,Lenäenvasen' sind hier auch Männer neben Idol und Gabentisch dargestellt. Im Bildfeld ein Stierschädel. Athen, Coll. Vlasto, van Hoorn Nr. 271 fig. 38 = ARV2 1249, 13, Nilsson (1955) T. 38, 1. KCXTEO"TCXj.lVIO"j.lEVOS Theophr. Caus. PI. 2, 18, 4. Alkiphr. 4, 18, 11 (CXiPEO"IV Cdd; iÖPVO"IV cj. Meineke). (Hock [1905] 62 möchte es auf die Errichtung der 14 Altäre beziehen; doch Altäre pflegen,
262
IV. Anthesteria
Dionysosbild passen wie auf die zwei Stamnoi, in denen der Wein vor dem Gott des Weines steht. In ihm nimmt wieder Gestalt an, was im ,unsagbaren Opfer' zerteilt und vernichtet war. Man sieht dem Bild so ganz die Mache an: dies ist nicht eine Statue, die unverändert im Tempel steht, sondern es wird für eine einmalige Zeremonie improvisierend aufgebaut; man kann geradezu ablesen, wie das vor sich geht: das wichtigste ist die Maske. Sie wird gebracht, erhöht, befestigt und geschmückt; man holt den Tisch, stellt Speisen auf und Wein. Die ,Königin' mußte einen Raum betreten, den niemand sonst betrat; eine der ältesten Lenäenvasen zeigt eine tanzende Frau vor der großen Dionysosmaske, die in einer Höhle sich aufrichtet 27 • Brachte die ,Königin' die Maske aus dem unterirdischen Oikos im Limnaion? Und woher kam, was für die folgende Hochzeit entscheidend war, die Zeugungskraft? Merkwürdig, wie im Dionysosbild auf Lesbos Kopf und Phallos vereint erscheint 28 • Doch fällt in Athen kein weiterer Lichtstrahl ins Dunkel des ,Unsagbaren'. Nur dies läßt sich klar vorstellen, wie unter Gebeten und Opfern, zwischen verrinnendem Blut und flackerndem Feuer, die Maske aufgerichtet, bekleidet, geschmückt wurde, bis dann im Singen der Hymnen, im Trinken des Weins und im sich steigernden Tanz um die Säule der Gott eben da war, erschienen inmitten der Nacht, um mit unerhörter Lebenskraft seine Heilige Hochzeit zu feiern. Man erkennt auch hier den verwandelten Fortbestand jener prähistorischen Riten der Restitution. Wie dort die Knochen des - Tiers, vor allem der Schädel an einem Platze deponiert oder vielmehr erhöht und geheiligt wurde, so ist hier nach dem Genuß des Heiligen die Maske, Äquivalent des Schädels29 , aufgerichtet worden: ein Gott ist da. So sucht das Ritual die Wiederherstellung der Ordnung nach ihrer Verletzung, den Bestand des Lebens durch den Tod hindurch zu dokumentieren. Die Griechen haben dies sich selbst nicht soziologisch-psychologisch auseinandergelegt, auch nicht in klassischer Zeit von Tod und Auferstehung des Gottes direkt gesprochen; sie erzählten in schlichtem Mythos, daß Dionysos entschwand und aus
27
28
29
in Vorzeit ,errichtet', fortzubestehen.) - Errichtung einer Dionysos-Herme auf einem Sarkophag in Princeton, F. Matz, Die dionysischen Sarkophage III (1969) Nr. 202 T. 211; 218, vgl. Abh. Mainz 1963, 15, 1428-43, auch zum Zusammenhang mit dem ,Maskengott' ; Hock 56. Berlin 1930, Frickenhaus Nr. 1 p. 3; BCH 87 (1963) 319; EAA IV 1104. O. Kap. III 7 Anm. 33. O. Kap. I 6 Anm. 15; H. Baumann Paideuma 4 (1950) 205.
5. Chytroi und Aiora
263
der Ferne wiederkehrte. Eine der ,Lenäenvasen' zeigt die Ankunft des Dionysos, von Hermes eingeführt, am Altar der ,Ehrwürdigen Frauen'3o. Der Fortgang der nächtlichen Feier läßt sich nur in groben Zügen erahnen. In einem doppelten Brautzug mußte der Gott und die Braut vom Limnaion, dessen Pforten sich dann wieder schlossen auf ein Jahr, zum Bukolion an der Agora. geleitet werden 31 . Wer die Maske von der Säule nahm, vielleicht sie aufsetzte und so für eine Nacht den Gott verkörperte, wissen wirnicht 32 . Die Türe auch des Bukolions schloß sich hinter der Gottesbraut. Jubel und Trubel der Zecher freilich wird sich in den Straßen noch lange fortgesetzt haben, wie zur Hochzeit die Pannychis gehört, bis endlich doch der Schlaf d2s letzte Wort behielt an diesem langen, wechselvollen Festtag.
5. Chytroi und Aiora Der Tag der ,Töpfe' hat seinen Namen von der besonderen Festtagsspeise, die für ihn zubereitet wurde: Körner aller Art, zusammen 30 Akr. 325 = ARV2 460, 20, Frickenhaus p. 22, Cook I (1914) 707 (vgl. 708), B. Graef - E. Langlotz, Die antiken Vasen von der Akropolis zu Athen II
(1933) T. 20. 31 Auf die Prozession der ,Königin' deutet man den Skyphos Berlin F 2589 = ARV2 1301, 7, Deubner (1932) T. 18, 2, AK 6 (1963) T. 3, 3, sowie einen Skyphos in Basel, E. Simon AK 6 (1963) 6-22, T. 2; dazu Glockenkrater Louvre G 422 = ARV2 1019, 77, AK 6 (1963) T. 7, 5; Volutenkrater Vatikan, ARV2 590, 5, AK 6 (1963) T. 6, 1, u. a. m. Eine bei Dionysos, d. h. vielleicht im Limnaion beginnende ITolJlTT) ist allegorisch dargestellt auf dem Chous New York 25. 190, Deubner (1932) T. 9, 4; Metzger (1965) 66; O. Brendel AJ A 49 (1945) 519-25, vgl. auch van Hoorn Nr. 273 fig. 23 = ARV2 1323, 36. Der Schiffswagen gehört eher zu den Dionysien als in die Chytrennacht, o. Kap. III 7 Anm. 26; für das von Deubner (1932) 104-7; T. 11 so wichtig genommene Choenkännchen New York 24. 97. 34 = van Hoorn Nr. 757 (dagegen A. Rumpf Bonn. Jbb. 161 [1961J 210-2) hat sich eine neue Situation ergeben durch den Glockenkrater Kopenhagen NM 13829: K. Friis J ohansen, Eine Dithyrambos-Aufführung in Athen, Meded. Da. Vid. Selsk. 4, 2 (1959); Pickard-Cambridge (1962) T. 1, wo festlich gekleidete Männer zur Flöte um den dreibeinigen ,Maibaum' stehend singen. Wenn die Deutung auf den Dithyrambos richtig ist, ist an die Dionysien zu denken. Die Prozession des Dionysios unter der Efeu-Laube auf dem Wagen ist beschrieben Eust. 857, 36 o:y6:i\IJCXTl t.l0VUO'OV ITOIJITEUOVTl ITEP1EKE1TO Kcxi O'K10:S EK K10'0'OV Kcd O:IJITEi\OV. V gl. Hsch. O'Kl6:S, Pollux 7, 174. 32 O. Anm. 13/4.
264
IV. Anthesteria
im Topf weichgekocht und mit Honig gesüßtl . Man hat dieses Gericht, das im Volksbrauch auch außerhalb Griechenlands eine bedeutende Rolle spielt, als Totenspeise bezeichnet2, und gewiß kehrt es im Totenkult wieder, doch nur, weil es in besonders alter Tradition steht. Es handelt sich ganz einfach um~ das primitivste vegetarische Festgericht, aus einer Zeit stammend, als die Künste des Mehlmahlens und Brot- oder Kuchenbackens noch unbekannt waren: alles zusammengetragen, was die Natur an eßbaren Körnern bietet, den Hunger zu stillen, versetzt mit der einzigen Würze, die in der Natur sich fertig findet, mit Honig: das ist die ,Panspermie'. Der Historiker Theopomp berichtete darüber in einem Passus, der in verschiedenen Brechungen durch Zitat erhalten ist; die Kurzfassung 3 behauptet, "niemand kostet( von diesen Töpfen, und hieran klammerte sich die Theorie von der den Lebenden verbotenen Totenkost, zumal daneben von Opfern für den ,Hermes der Erdentiefe' - an den Choen - die Rede ist. Die ausführlichere Fassung jedoch sagt: "bei ihnen - den Athenern - ist Brauch an den Choen, überhaupt keinem der Olympischen Götter zu opfern, sondern dem Chthonischen Hermes; und von dem Topf, den alle in der Stadt kochen, kostet keiner der Priester({4. Das Topfgericht wird also von allen 1
2
3
4
Trä:v O'Trepllex eis Xlhpexv E\vTJO'exVTeS Didymos Schol. Aristoph. Ach. 1076; Xlhpexv TrexvO'Trepllfexs Theopomp FGrHist 115 F 347a. Vgl. Sosibios Ath. 648b SO"T\ SE TC Trvavtov ... TrexvO'Trepllfex SV yi\vKei T)\VTlIleVTl. Zur Panspermie Nilsson (1955) 127-9; bei Neugriechen: B. Schmidt, Das Volksleben der Neugriechen (1871) 60; E. Gjerstad ARW 26 (1928) 154-70; bei Serben, Böhmen: J. Lippert, Christenthum, Volksglaube und Volksbrauch (1882) 421; 635; bei Russen: Wörter und Sachen 2 (1910) 100. Noch bei einer Beerdigung im heutigen Rußland: "Dann bekam jeder in seine Schüssel ein klein wenig Honiggrütze, die wir, der Seele zum Gedenken, ohne jede Zutat auslöffelten", A. Solschenizyn, Im Interesse der Sache (19703 ) 52. "a supper for the souls" Harrison (1922) 37; vgl. Deubner (1932) 112; Nilsson (1955) 595. Schol. Aristoph. Ach. 1076""' Suda X 622 = Theopomp FGrHist 115 F 347a, TfjS SE XlhpexS IlTlSevex yevO'ex0'6ext. Danach "no man tasted" Harrison (1922) 37; "natürlich durfte niemand von dem Opfer essen" Deubner (1932) 112-3; "davon kostet niemand" Nilsson (1955) 595. Schol. R (daraus Schol. M) Aristoph. Ran. 218 = Theopomp FGrHist 115· F 347b: 6vetv exlIToiS Eeos T(ois) XovO'{v (EXOVO'tV Cd., em. A. Wifstrand bei Nilsson [1955] 595 Anm.; Tois XovO'lv auch im Paralleltext F 347a) T&')V IlEV
'Oi\vIlTr{ooV 6eoov ovSev\ TC TrexpaTrexv, <Epll1J SE X6ovl'l'· Kex\ TfjS XVTPexS f}v E\VOVO'tV TraVTes oi KexTCx TTJV Troi\tV, ovSe\s yeveText TWV lepeoov. Es ist Willkür, TOOV tepeoov als "Interpolation" zu bezeichnen (Jacoby III b Noten p. 88, 5 vgl. Harrison [1927] 291, 1). Richtig A. Mommsen (1898) 398.
5. Chytroi und Aiora
265
Menschen in der Stadt an diesem Tag gegessen, nur nicht von den Priestern; diese haben dafür dem Hermes geopfert, nicht den Olympischen Göttern, denn deren Tempel waren ja am Choentag versperrt. Priester und blutige Kost auf der einen Seite, vegetarisches Festmahl auf der anderen, dies ist als Antithese durchgehalten. Hermes ist der Gott, der zwischen Jenseits und Diesseits vermittelt, der Dionysos hinwegträgt und zurückbringt; sein Opfer gehört wohl in die Nacht zwischen Choen und Chytren, während mit dem ,Topfgericht' die Ordnung des Tages endgültig ',errichtet' wird5 . Theopomp gibt als aitologischen Mythos für die Chytroi die Sintflutsage: die wenigen Menschen, die sich retten konnten, kochten einen Topf mit jenem Körnergericht, indem sie alles, was noch zu finden war, zusammenwarfen; so kamen sie wieder zu Kräften, und "nach dem Namen des Tages, an dem sie wieder Mut geschöpft hatten, benannten sie auch das ganze Fest"; zugleich "suchten die damals Überlebenden Hermes im Namen der Umgekommenen zu versöhnen", eben durch die Opfer an Hermes 6 • Zu den Toten stehen also die Chytren in Beziehung; doch der ,Tag der Befleckung' ist nach eindeutigem Quellenzeugnis der Choentag. Die Chytren bedeuten, nach Theopomp, die Wiedergewinnung festen Landes nach der Sintflut, die Rückkehr zum normalen Leben. Das Totengedenken hat den Charakter des Abschieds, der Abwendung: evpa~e Kapes. Sklaven und Taglöhner werden wieder an die Arbeit geschickt, die Masken haben kein Recht mehr. Man kann auch die Orestesgeschichte in dieser Weise zu Ende erzählen: Orestes ist in der Nacht entsühnt worden - nächtlich waren die Sitzungen des Areopags 7 - , nach einem letzten Opfer an die ,Ehrwürdigen' Erinyen sind diese verschwunden. Die Sintflutgeschichte kompliziert das Bild, indem ein ganz neuer Mythos hereingezogen wird; und doch: die Sintflutsage wird nicht selten an ein ,unerhörtes Opfer' geknüpft, das sie ausgelöst hat. So brach nach dem kannibalischen Mahl des Lykaon die Sintflut 5
6
7
Töpfe und "Errichten" (i15PVcrlS) einer Statue, eines Tempels gehört zusammen, Aristoph. Pax 923 m. Schol., Plut. 1198 m. Schol., Phot. Ö\l1TVT)V; Hsch. tl5pvecr6al; Hock (1905) 59-64; vgl. o. Kap. I 5 Anm. 17. Theopomp FGrHist 115 F 347 b: 151acrw6EVTas OUV TOUS O:V6PW1TOVS, 151Tep e60:ppT)crav Ti\lEP~, Tc{) TaVTT)S oVo\la'T11Tpocrayopeucral Kai TT)V EOpTT)V cx1Tacrav ... TOUS TOTe 1TeplyeVO\lEVOVS U1TEp T&'W 6avoVTwv tAo:cracr6al TOV cEp\lfjv. Opfer an Hermen erscheinen oft auf Choenkannen, van Hoorn (1952) 26-7; ob Hermen auch Dionysos darstellen können,ist eine alte Streitfrage (0. Kap. IV 4 Anm. 13; 22; 26). Luk. Herrnot. 64; De dome 18.
266
IV. Anthesteria
herein8 , oder nach dem Mord, der auf Samothrake geschah9 • In der großen Flut, die alles bedeckt, versinkt endgültig das Verbrechen samt den Verbrechern, an neuen Ufern kann neues Leben beginnen. So markiert die Sintflutsage, auch wenn sie wohl sekundär nach Attika gezogen wurde, doch strukturell richtig den Einschnitt zwischen dem sakramentalen Opfer der Choen und dem Neubeginn am Tag der Töpfe. Wie so oft zum Abschluß des Opfers Agone gehören, sind auch an den Chytren Agone bezeugt10 . Zwar blieben sie, trotz gelegentlicher Restaurierungsversuche, hoffnungslos im Schatten der Dionysien und Panathenäen; doch führen die Zeugnisse bis ins Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Die Epheben sind es, natürlich, die hier die Hauptrolle spielen, ist die neugewonnene Ordnung doch Sache der jungen Generation. Den Kindern, den Mädchen und Jungfrauen hielt der Chytrentag eine besondere Lustbarkeit bereit: das Schaukeln. Was uns ein problemloses Vergnügen ist, hat bei den Athenern, wie Choenkannen zeigen, feierlichen Charakter: ein Thronsessel wird aufgestellt, mit vornehmen Kleidern belegt; Feuer wird entzündet; ein geöffneter lTi60S steht daneben im Boden - ob als geöffnetes Weinfaß gedacht oder bestimmt, Spenden für die Toten aufzunehmen, steht dahinl l . 8 9
10
11
O. Kap. 11 1 Anm. 16. O. Kap. 11 6 Anm. 9/10. Vgl. auch Guepin (1968) 287. Philochoros FGrHist 328 F 67 vgl. F 84; [PIut.] Vit. X or. 841f: Restitution durch Lykurgos; Ath. 130d; Diog. Laert. 3, 66; IG 11/1112 2130, 69 (Ephebeninschrift 192/3 n. Chr.): ElTeTEAecn:xv TOUS KvSpovs. Auf Choenkannen sind die Bilder von Agonen häufig (v an Hoorn [1962] 33-9); sie beziehen sich aber keineswegs alle auf die &yooves XVTplV01. Et. M. 42, 3 Aiwpc(' EOpTT) 'ASr,VT)O'lV ('AST)v5:s Cdd., 'AS'l1vcxYs [sic] Gaisford) llV KCXAOÜO'lV evoe11Tvov; Hsch. eVOellTV01S' SVO'lcx T1S [lTcxpa] 'ASr,V'l1O'lV tKcxt ,; TplToyevr,s (ElTl 'Hply6v'l1S Meursius); Hsch. 'AAfjT1S' EOpTT)
5. Chytroi und Aiora
267
Todesbegegnung und Lebensfreude durchdringen sich auch hier: man kann auch den Satyr malen, der mit Schwung das Mädchen schaukelt, oder Eros selbst bei gleichem Tun. Der Mythos, den die Athener dazu erzählen, ist überraschend düster: ein ,umherirrendes' Mädchen habe sich erhängt, und ihr zur Sühne müßten die Mädchen und Frauen Athens nun baumeln12, freilich auf der Schaukel, sodaß die Angst in Übermut umschlägt. Wer Aletis, die ,Schweifende', gewesen sei, wurde dabei in sehr verschiedener Weise erzählt: sie ·sei Erigone, die Tochter des Aigisthos, die den Mörder ihres Vaters, Orestes, anklagend bis Athen verfolgte; als dieser freigesprochen wurde, nahm sie sich selbst das Leben13 ; oder aber Erigone sei die Tochter jenes Ikarios, dem die Einkehr des Dionysos, der erste Wein, den schrecklichen Tod gebracht hatte; als sie den Vater tot fand, erhängte sie sich. Diese Fassung hat, über das Erigone-Gedicht des Eratosthenes hin, die hellenistische und römische Literatur beherrscht14 , während die andere vermutlich bei Sophokles gestaltet war, doch bis ins 6. Jahrhundert zurückging. Daneben steht, halb unverständlich und doch vielleicht die authentischste Tradition bewahrend, die ,Schweifende' sei Tochter eines Tyrrhenerkönigs FR III 28: schaukelndes Mädchen, Frau, eine aufgehängte Tänie zum Zeichen der Festlichkeit, Pithos im Boden wie bei Nr. 1. - 4) Hydria Louvre CA 2191 = ARV2 1131, 173, CV France 635: Eros schaukelt Mädchen; Tänie; Pithos. - 5) Skyphos Berlin 2589 = ARV2 1301, 7, Deubner (1932) T. 18, Nilsson (1955) T. 37, 2: Satyr schaukelt Mädchen. Die Inschrift ist zu lesen Ev6:[v]6E1CX [K]CXAT), Immerwahr 1. c. 256 - 6) Lekythos München 234, Metzger (1951) T. 5, 1: DAIb.IA schaukelt IMEPOL. - Dazu eine apulische Lekythos des Bendis-Malers, New York 13. 232. 3, CambitoglouTrendall (1961) 59, 5, BuH. Metr. Mus. of Art 9 (1914) 235: Frau läßt Mädchen schaukeln; Knabe mit Strigilis auf Altar; Herme. Zu unteritalischen Choen vg1. Kap. IV 1 Anm. 5. - Auf das Fest beziehen sich, wie die reichgeschmückten Gewänder andeuten, auch die Bilder schaukelnder Mädchen auf sf. Amphoren des ,swing painter', Boston 98. 918 = ABV 306, 41; Louvre F 60 = ABV 308, 74. Kultische Hintergründe werden auch vermutet für die minoische Terrakottagruppe des schaukelnden Mädchens aus Haghia Triada, Nilsson (1950) 332 Anm.; S. Marinatos, Antichthon
2 (1968) 1-34. 12 Hygin. astr. 2, 4 = [Eratosth.] Catast. p. 79 Robert (Fest ,Aletis'); Hygin. fab. 130 (,oscillatio' = cxlwpcx); vg1. Ae1. nato an. 7, 28. 13 Marm. Par. FGrHist 239 A 25; Apollod. Epit. 6,25; 28; Schol. Eur. Or. 1648; Ace. Erigona vielleicht nach Sophokles Erigone, vg1. Pearson zu Soph. Fr. 235-6. Nach Kinaithon (Paus. 2, 18, 6) hat Orestes Erigone geheiratet; nach Hygin. fab. 122 wird sie Priesterin in Attika. 14 O. Kap. IV 2 Anm. 37.
268
IV. Anthesteria
gewesen, der die Trompete erfand15 - die tyrrhenische Trompete spielt ihre Rolle beim Choen-Trinken - ; schließlich wird sie auch mit Medea oder Persephone gleichgesetzt16 • Fest ist demnach der Name Erigone, der offenbar im Kult gege· ben war; es ist die Rede von Liedern auf die ,Schweifende', Aletis17 , die vielleicht zum Schaukelfest gesungen wurden. Fest ist auch die Assoziation von Schaukeln und Ersticken18 ; selbst die Lustbarkeit symbolisiert eine Gewalttat, ein Opfer. Den zwei geläufigen ErigoneMythen gemeinsam ist das Bild des toten Vaters, das zur Verzweiflung treibt: der Vatermord zieht nach sich den Tod des Mädchens. Damit bestätigt sich zum letzten Mal das Opferschema der Anthesterienriten: das nachträgliche Mädchenopfer des Polyxena-Typs19 ist
15
16
17
18
19
Hsch. Aioopcx' EOpTTJ ' A6i]v11ow, ftv oi IlEV hrt Tfj MaAeoo TVPP11VOV (Tvpavvov Cd.) 6VYCXTpi q>cxow; Et. Gen. = Et. M. 62, 7 s. v. 'AAfjTtS' ... oi OE TTJV TOV McxAewTov TOV TVPP11VOV 6VYCXTEPCX; Schol. Stat. Theb. 4, 224 Maleus Tuscorum rex, qui tubam primus invenit ("-' 6, 382); nach ihm sei Kap Malea und ApolIon Maleotas (dazu RE XIV 875-881) benannt. Strabo 5 p. 225 erklärt Regisvilla bei Pyrgi als ßcxO"iAetoV MaAew TOV ITeAcxO"yov, ov q>cxO"tV ... O:lTeA6eiv Ev6Evoe eis' A6i]vcxs. Malea ist mit Silen-Tänzen verbunden Poll. 4, 104; Pi. Fr. 156. Vgl. die Tyrrhener als Gegenspieler des Dionysos im homerischen Hymnos, O. Kap. III 7 Anm. 23; der Etrusker Mezentius beansprucht den Wein Latiums für sich, Varro bei Plin. n. h. 14, 88; Fasti Praenestini CIL 12 316; Dion. HaI. ant. 1, 65, 2; Plut. q. Rom. 275e; Ov. fast. 4,863-900; Cato Fr. 12 HRR 12 59. - Die ,tyrrhenische' Trompete schon Aiseh. Eum. 567; Paus. 2, 21, 3; Schol. Aristoph. Ran. 133; Clem. Strom. 1, 74,6 mit Berufung auf Tpcxycpoicxt; merkwürdig Hygin fab. 274,20-1: Das Trompetensignal bedeute Absage an den Kannibalismus. Et. Gen. = Et. M. 62, 9. Medea ist, als Gemahlin des Aigeus, vorübergehend Königin von Athen. Aletis = Persephone, OtOTt TOUS lTVPOUS &AovVTes lTEllllCXTa TIVCX lTp0O"Eq>epov CXUTfj. OVToo Me60otos. Es stellt sich die Frage, ob noch die Diasia (dazu Deubner [1932J 155-7) 10 Tage nach den Chytroi in Beziehung zum Anthesterienfest stehen. Apollonios FGrHist 365 F 5 verbindet auch sie mit dem Sintflut-Aition; nach Plut. Sulla 14, 10 gab es VlTOIlVi]IlCXTCX lTOAAa an die Sintflut in diesem Monat; ob die vopoq>opicx (Apollonios FGrHist 365 F 4; Hsch., Et. M. S. v.) zu den Chytroi (so Deubner [1932J 113, Nilsson [1955J 595) gehört, ist darum unsicher (Jacoby z. d. St.). Arist. Fr. 515 = Ath. 618e; PoIl. 4,55; Plat. Com. Fr. 212 (CAF I 659) = Hsch. &AfjTtS. Paus. 10, 29, 3 zu Polygnots Bild der schaukelnden Phaidra; Servo Aen. 6, 741; Servo Georg. 2, 389; vgl. auch G. Devereux, Melanges C. LeviStrauss (1970) 1246, 55: "certains Eskimos pendaient leurs enfants par le col de leur vetement, ,pour leur donner du plaisir' (ivresse d'anoxemie)" . O. Kap. I 7 Anm. 40.
6. Protesilaos
269
eine letzte Sühnezeremonie für die Vorgänge des Choentags. Erigone, Tochter des Ikarios, war vom einkehrenden Dionysos zur Frau gemacht worden20 , sie ist also zugleich mythisches Gegenbild der ,Königin', die in der Nacht vor dem Schaukelfest als vorzüglichste der Athenerinnen dem Gott hingegeben worden war. Der Schrecken, den der Mythos festhält, ist freilich im Ritus ganz ins Liebliche verwandelt: für Erigone, die ,Frühgeborene' , im Morgenwind zu schaukeln, steigend und sinkend, vom Erdboden gelöst - dies läßt die letzten, unbewältigten Schlacken vom ,Tag der Befleckung' dahinfallen. Durchs ,Unsagbare' hindurchgegangen, kann man sich der Blumen des Frühlings freuen, die dem Anthesterienfest den Namen gaben.
6. Protesilaos Schon im Schiffskatalog der Ilias ist erzählt, was auch in den , Kyprien' am Anfang des Troischen Kriegs geschildert war, wie der erste Grieche, der von den Schiffen auf den Boden Trojas sprang, als erster auch sogleich erschlagen wurde: Protesilaos1 , aus dessen Namen man eben dieses, den ,ersten der Mannen', heraushörte. Daß mit diesem Tod Protesilaos' Wirken keineswegs abgeschlossen war, erfahren wir erst im 5. Jahrhundert. In der Tragödie ,Protesilaos' des Euripides 2 war dargestellt, wie Laodameia, die junge Witwe, sich mit dem Tod des Gatten nicht abzufinden vermochte. Mit leichten Varianten erzählen die späteren Quellen alle dieselbe Geschichte: Laodameia stellt ein Bild des Toten her, aus Wachs oder auch aus Holz, das mit ihr das eheliche Schlafgemach teilt; sie redet mit ihm, weint vor ihm, ja gerät, das Haupt bekränzt, vor dem Bild in bacchantische Raserei. Da zwingt ihr Schmerz den Toten aus dem Hades zurück: Protesilaos erscheint, vereinigt sich mit ihr, wenn auch nur für
20
1
2
Dies nur Ov. met. 6, 125. Vgl. E. Panofsky, A mythological painting by Poussin in the Nationalmuseum Stockholm (Stockholm 1960) 23-8. Il. 2, 695-702; Kypria Fr. 17 Allen = 15 Bethe = Paus. 4, 2, 7; vgl. Hes. Fr. 199, 6; Türk RML III 3155-71; PR II 60-4; L. Radermacher, Hippolytos und Thekla, SB Wien 182,3 (1916) 99-111; G. Herzog-Hauser, Melanges Boisacq (1937) 471-8. TGF p. 563. Schol. Aristid. p. 671, 30 Dindorf.
270
IV. Anthesteria
eine Nacht; am Morgen, heißt es in einer Fassung, wird das Bild verbrannP, jedenfalls gibt sich Laodameia selbst den Tod4 • Diese ,Vampirgeschichte', die mit Vertauschung der männlichen und weiblichen Rolle von Phlegon5 erzählt wird, woraus Goethe die Anregung zur ,Braut von Korinth' geschöpft hat, gilt im allgemeinen als volkstümliches Erzählmotiv. Protesilaos aber war mehr als ein Held der Sage: er hatte einen heiligen Bezirk in Phylake in Thessalien, wo ihm zu Ehren Agone abgehalten wurden, die Pindar erwähnt 6 ; vor allem aber war ein großes, reiches Protesilaos-Heiligtum in Elaius an der Thrakischen Chersonnes, wo auch sein Grab gezeigt wurde; doch nicht als Heros, sondern wie ein Gott wurde er verehrt 7• In Philostrats Zeit freilich standen nur noch Grundmauern, aus denen eine immer noch volkstümlich verehrte Statue ragte; in der Zeit des Xerxeszuges dagegen hatte der persische Statthalter Artayktes reiche Schätze an Weihgaben abtransportiert, wofür sein grausames Ende nach dem Sieg der Griechen dann gerechte Strafe schien. Vor allem habe er, erzählte man, Frauen in den unbetretbaren Tempelraum des Heiligtums gebracht, um dort mit ihnen sexuelle Orgien zu feiern 8 • Nun ist der Liebesakt im Heiligtum für die Griechen das Skandalon schlechthin9 , wenn aber der Perser auf den Gedanken kam, den Tempel zum Serail zu machen, müssen irgendwelche Einrichtungen dies nahegelegt haben; seine unheilige Hochzeit setzt irgend einen Brauch oder 3
4
5
6
7
8
9
Hygin. fab. 104 vgl. 103. Apollod. Epit. 3,30; Eust. 325,22-6; Philostr. imago 2,9,5; Luk. Dial. mort. 23; vgl. Ov. Her. 13. - TTPOTELIJ\AL als Reiter auf einer korinthi~ sehen Pyxis im Louvre, Arch. Zeitg. 1864 T. 184, RML III 3163; Protesilaos im Hades auf einer apulischen Vasenscherbe, Mainz, nach K. Schauenburg J dI 73 (1958) 68-70; Bonn. Jb. 161 (1961) 216. O. Keller, Rerum naturalium scrip tores Graeci minores (1877) p. 57-62 = FGrHist 257 F 36 1. Pi. Isthm. 1, 58-9 m. Schol.; Philostr. Her. 2, 3 (II 143, 19 ed. Teubn.); 2, 8 (II 148, 24 ed. Teubn.); vgl. Konon FGrHist 26 F 1, 13 über Skione; Münzen des Phthiotischen Theben RML III 3166. Hdt. 7,33; 9,116; 120; Thuk. 8,102; Lyk. 532-4; Strabo 7 p. 331; 13 p. 595; Flin. n. h. 4, 49; 16, 238; Arrian. Anab. 1, 11, 5; Philostr. Her. 2, 1 (II 140-1 ed. Teubn.): nur noch Grundmauern und eine durch Zeit und Verehrung deformierte Statue vorhanden - dazu Münzen: W. Drexler Zeitsehr. f. Numism. 14 (1887) 130-2. Verehrung als Gott Paus. 1, 34, 2; Tzetz. Lyk. 533. Hdt. 9, 116-20 (danach Paus. 3, 4, 6, Philostr. Her. 2, 1, I 141, 11 ed. Teubn.). O. Kap. I 7 Anm. 11.
6. Protesilaos
271
wenigstens die Phantasie von einer heiligen Hochzeit im ProtesilaosHeiligtum voraus. Dann aber steht das Grab des Protesilaos und die tödliche Liebesnacht der Laodameia in einem nicht nur novellistischen Zusammenhang. Bezeichnend ist das Mirakel, das dem Frevler erscheint: Salzfische (Tap1xo1) werden wieder lebendig, aus dem Toten, ,Einbalsamierten' bricht gefährliche Kraft hervor. Ein Bild wird errichtet, vor dem eine Frau in sich steigernder Erregung agiert, bis das Bild selbst lebendig wird: dies ließ sich aus den ,Lenäenvasen' ablesen, wo die weintrinkenden Frauen die Maske des Dionysos umschreiten. Das gleiche ist im Laodameia-Mythos vorausgesetzt. Hier wie dort handelt es sich bei der ,Errichtung' um einen Akt der Restitution, dem ein Opfer vorausging. Der Tod des Protesilaos steht in einer besonderen Typik, die auch rituelle Entsprechungen hat: ein Opfer muß fallen, wenn eine neue Station, ein neues Land gewonnen werden SOllI0. Eben der Tod begründet die fortdauernde, gottgleiche Ehrung. Ähnliche Geschichten von der Wiederherstellung des Getöteten in einem Bild erzählt man von Aktaion, von Attis, und natürlich von Dionysosll. Daß der Protesilaos-Kult damit in eine in gewissem Maße dionysische Atmosphäre gerückt wird, überrascht nicht. Protesilaos' Vater Iphiklos ist mit der Melampus-Geschichte verbunden. Die ,Kyprien' machten seine Frau zur Enkelin des Aetolischen Oineusl2 . Philostrat läßt ihn den treuesten Freund des Winzers sein. Ein kaiserzeitlicher Sarkophag stellt die Rückkehr des Protesilaos dar, als man eben Hermes - dem Hermes Chthonios - geopfert hatte; ein anderer zeigt den Abschied des Toten: Laodameia bricht zusammen vor einer DionysosMaskel3 • Im 3. Jahrhundert v. Chr. erzählt Phylarchos eine seltsame Geschichte aus der gleichen Stadt Elaius, nicht ohne zu erwähnen, daß dort das Grab des Protesilaos liegt: dort mußte alljährlich eine Jung10
11 12 13
o. Kap. I 5 Anm. 22, 17. Aktaion Apollod. 3, 31, o. Kap. II 4 Anm. 18; Attis: Diod. 3, 59, 7; Dionysos: Firm. err. 6, 4. PR II 58-60; o. Anm. 1. Sarkophag aus S. Chiara, Neapel, Wiener Vorlegeblätter B 11, 4, RML III 3167 und Sarkophag Vatican, Wiener Vorlegeblätter B 11,3, RML III 3170; C. Robert, Die antiken Sarkophag-Reliefs III 3 (1919) 496-500, T. 132. Protesilaos als "thrakischer Dionysos": M. Mayer Hermes 20 (1885) 123-9. - Lebendigwerden eines dämonischen Bildes während des Gesangs der Frauen in einer mittelalterlichen Geschichte aus Dänemark (,Canta Bovi'): R. Wolfram, Zeitschr. f. Völkerkunde 42 (1932) 145.
272
IV. Anthesteria
frau den ,Penaten' geopfert werden. Im Streit des Königs mit einem Vater darüber, wessen Tochter der Tod treffen soll, kommt es zu einem besonders gräßlichen Opfer: Matusios "tötete die Töchter des Königs und ließ ihr Blut, mit Wein in einem Mischkrug vermischt, dem ankommenden König zum Trank reichen." Als die Tat entdeckt wird, stürzt man Matusios ins Meer samt dem Mischkrug ; danach sei das ,Matusische Vorgebirge' benannt, der Krater aber sei, als Sternbild, an den Himmel versetzt14. So ist gerade das Andenken des Gräßlichen verewigt, geheiligt. Hier wird ein Weintrinken aus dem heiligen Krater des Dionysos geschildert als ein Bluttrinken, in Verbindung mit einem Mädchenopfer. Eben dieses ist von den Göttern gewollt, die in der lateinischen Übersetzung ,Penaten' heißen: es sind offensichtlich die ,Großen Götter' oder die ,Kabiren', wie sie mit Samothrake, Lemnos, Troia in Verbindung gebracht werden15 . Weintrinken spielte in den Geheimriten der Kabiren eine große Rolle; die Schauergeschichte Phylarchs spiegelt analoge Mysterien der Großen Götter. Daß dem ,unsagbaren Opfer' der Sturz ins Meer folgt, steht wiederum in der festen Leukothea-Typik16 . Es ist nicht ohne weiteres möglich, das aus der Matusios-Geschichte zu erschließende Ritual mit dem Protesilaos-Kult zusammen-, zunehmen, obgleich beides je für sich frappante Übereinstimmungen mit den attischen Anthesterien aufweist: dort die Herstellung des Bildes, die Heilige Hochzeit und der Tod der jungen Frau, hier das Trinken des Weins als Blut in Verbindung mit dem Mädchenopfer. Doch geht dies hier voran, während es im Protesilaosmythos abschließt, und Protesilaos' Tod ist nicht zu assoziieren mit dem Trinken aus dem Krater. Die Mythen, die wir zudem nur aus dritter Hand kennen, sind zu deformiert, um sichere Schlüsse zu erlauben. Trotzdem gibt es eine merkwürdige Brücke von Protesilaos zu den Kabiren: auf einer mit Inschriften versehenen Vase aus dem Kabirion bei Theben erscheint neben dem Dionysosgleichen Kabiros und seinem Pais ,Pratolaos'17. Der ,Urmensch' ist der erste Sterbliche, Gestorbene - ins Heroische transponiert, ist Protesilaos der erste Gefallene. 14 15
16 17
FGrHist 81 F 69 = Hygin. astr. 2, 40; Mcx~ovO"icx (CXKpCX) Lyk. 534; Strabo 7 p. 331 Fr. 52; Mastusia Plin. n. h. 4, 49. Vgl. allgemein Hemberg (1950), der dieses Zeugnis nicht behandelt; o. Kap. II 6; III 6 Anm. 24. o. Kap. III 7. Nilsson (1955) T. 48, 1; AM 13 (1888) 421, T. 9; O. Kern Hermes25 (1890) 7.
6. Protesilaos
273
Auch der zerrissene Dionysos wird mit der Anthropogonie verbunden. Dies sind nur vermutungsweise Assoziationen; jedenfalls scheint auch das Anthesterienritual wieder in jene Randzonen zu führen, wo Griechisches und Vorgriechisches sich begegnen; ob hier mit ,Thrakischem' oder auch mit Vorthrakischem, aus Kleinasien Abgeleitetem, zu rechnen ist, ist eine andere Frage.
18 BU.{kert, Homo Necans
V. ELEUSIS 1. Dokumentation und Geheimnis
,Mystisch\ ,Mysterium', ,mysteriös' sind heute noch geläufige Wörter, die vom altgriechischen Kult und insbesondere von dem berühmtesten, der eleusinischen Mysterienfeier herkommen; doch führt die moderne Verwendung leicht in die Irre: Wenn ,Mystik'! individuelle Versenkung bedeutet, Erschließung einer Tiefendimension der Seele bis zum Aufstrahlen eines inneren Lichtes, dann waren die eleusinischen Mysterien, im festgeschlossenen Weihesaal vor Tausenden von Teilnehmern gefeiert, gerade nicht ,mystisch'; das Licht, das Feuer, das da zu ,sehen' war, war zweifellos real. Erst indem Platon im ,Symposion' und im ,Phaidros' von den Mysterien genommene Metaphern für die verinnerlichte Schau des Philosophen nahm, kam über Neuplatonismus und Mönchtum der Begriff der ,Mystik' zustande. Auch ,mysteriös' schlechthin war die Feier allenfalls für Außenstehende; den Geweihten wurden Erklärungen gegeben, die allerdings kraft heiligen Eides nicht nach außen getragen werden durften. Denn dies ist das Grundphänomen, das von den griechischen Wörtern 1..\\JCITllS' ,der Geweihte', Ilveiv ,weihen', I-lVOlllPIOV ,Weihehandlung', ,Weiheort' angesprochen wird: ein Mensch wird durch bestimmte rituelle Handlungen einer Gruppe neu angegliedert, die sich zu einem Kult zusammenfindet, dessen Hauptbestandteil eben diese Einweihungsfeier ist. Die Römer haben ,Mysterien' mit initia wiedergegeben, die Einweihung (I-lVllO"lS) mit initiatio 2 • Wenn man die griechischen Mysterien Initiationen nennt, folgt man lediglich dieser alten Übersetzung. Die Esoterik, die Geheimhaltung ist das Korrelat der Tatsache, daß die Zulassung von der individuellen Weihe - IlVllO"lS', 1
2
Zum Begriff der ,Mystik' vg1. H. Schlötermann, Mystik in den Religionen der Völker (1958); R. C. Zaehner, Mysticism, sacred and profane (1957) ""'-, Mystik, religiös und profan (1960); D. Sabbatucci, Saggio sul misticismo greco (1965), der (155-61) doch ein echt mystisches Erlebnis in Eleusis als Voraussetzung der exoterischen Zeugnisse postuliert. Initia Cic. leg. 2,36; Varro r. r. 2,4,9; initiari Trag. inc. 43 Ribbeck; Cic. Tusc. 1, 29; Samothracum initia Varro 1. l. 5, 58; initiatio in Eleusis Suet. Nero 34, 4.
1. Dokumentation und Geheimnis
275
initiatio - abhängig ist. So setzt ja auch im Christentum die Zulassung zur Kommunion, zum Abendmahl eine Feier der Weihe - die Erstkommunikation, die Konfirmation - voraus, und die altchristlichen Autoren haben in bezug auf Taufe und Abendmahl mit Selbstverständlichkeit von den ,Mysterien' des Christentums gesprochen3 ; die Geheimhaltung allerdings ist im Christentum - außerhalb der Gnosis und gerade im Gegensatz zu ihr - aufgegeben worden. An Dokumenten über den Kult von Eleusis fehlt es keineswegs, im Gegenteil: kein anderer griechischer Lokalkult ist so reich bezeugt. Das Heiligtum selbst, das zu beschreiben Pausanias sich scheute 4 , liegt dank den sorgfältigen Ausgrabungen offen zutage, wir kennen insbesonder den großen Weihesaal- das Telesterion - in seiner Entwicklung von der Peisistratos- bis zur Parthenon-Epoche, mit dem merkwürdig exzentrisch gelegenen, unverrückbaren Allerheiligsten und dem Thron des Hierophanten 5 • Wir haben Weihgeschenke aus dem Heiligtum, Reliefs und Vasenbilder, die zusammen mit analogen, andernorts gefundenen Bildern eine reichhaltige eleusinische Ikonographie6 ergeben; besonders nach Südrußland exportierte attische Gefäße zeigen ganze Inventare eleusinischer Gottheiten und Heroen. Eine große Zahl von Inschriften - Staatsbeschlüsse und Rechnungsurkunden, Ehren- und Grabinschriften - lehrt Einzelheiten kennen über Verwaltung, Priesterschaft, Finanzgebarung des Heiligtums und 3
4
5
6
Schon im N euen Testament ist das Evangelium ein ~UcrT"Pl0V, Matth. 13, 11; Röm. 16,25; Koloss. 1, 26-7; Ephes. 6,19; 3,9; vgl. 1. Kor. 14, 2; 2. Thess. 2, 7. Vgl. Bornkamm, Kittels Theol. Wörterbuch IV 809-34. Zu Clemens u. Anm. 12/3. Ambrosius De mys'teriis (Migne PL XVI 389-410) handelt von Taufe und Abendmahl. Vgl. auch J. C. M. Fruytier, Het woord MYL:THPION in de Catechezen van Cyrillus van Jerusalem, Diss. Nijmwegen 1947. 1, 28, 7. Die gründlichste Gesamtdarstellung, Foucart (1914), liegt vor den neueren Ausgrabungen; auch F. Noack, Eleusis, die bau geschichtliche Entwicklung des Heiligtums (1927) ist durch die späteren Ergebnisse überholt, über die Mylonas (1961) zusammenfassend orientiert; entscheidend J. N. Travlos, Ta ä:V6:KTOPOV TfjS 'EAEUcrivoS, Ephem. 1950/1, 1-16. - Wichtigste Gesamtbehandlungen: Deubner (1932) 69-91; O. Kern RE XVI (1934) 1211-63; Kerenyi (1962) und (1967). Pringsheim (1905); B. Grossmann, The Eleusinian gods and heroes in Greek art, Diss. Washington Univ., Saint Louis (Missouri) 1959 (Mikrofilm); Kerenyi (1962); E. Simon, Neue Deutung zweier Eleusinischer Denkmäler des 4. Jh. v. Chr., AK 9 (1966) 72-92; Metzger (1951) 231-65; (1965)
1-53. 18*
276
V. Die Mysterien von Eleusis
in einigen Glücksfällen auch über die Durchführung der Mysterienfeier selbst. Ein Volksbeschluß um 220 n. ehr. 7 hat das ganze Festprogramm aufgezeichnet, wie es "nach altem Braucht( verlaufen soll, bis zum Zug nach Eleusis am 19. Boedromion; denn die Nacht vor dem 20. war die eigentliche Mysteriennacht. Dazu treten die Zeugnisse der Literatur. Schon der alte ,homerische' Hymnos auf Demeter flicht in den Mythos eine Episode in Eleusis ein, die zweifellos auf Rituelles Bezug nimmt 8 • Lokalhistoriker haben sogar Bücher über die eleusinischen Mysterien verfaßt, natürlich ohne das Geheimnis zu verletzen; es blieb genug an Einzelheiten ,sagbar'9. In Anspielungen über die Mysterien zu sprechen, ohne an das eigentliche Geheimnis zu rühren, wurde geradezu zum Sport für Rhetoren, bis hin zu der fiktiven Rede bei Sopatros10 für den Freund des Mannes, der im Traum die ganze Weihe erlebt hatte. Wichtiger noch ist die Übernahme der Mysteriensprache und Mysterienbilder in 7
8
9
10
IG II/II12 1078 = SIG 885 = LS 8. Weitere wichtige Inschriften: Volksbeschluß über Große und Kleine Mysterien, vor 480: Hesperia 17 (1948) 92 = SEG 12 (1955) Nr. 12 = LSS 1; Kultsatzung um 460: IG 12 6 = SIG 42 = LSS 3; Regelung der Mysterienankündigung, 4. Jh.: Hesperia 26 (1957) 52 = LSS 12; Regelung der Prozession, 1. Jh. v. ehr.: Hesperia 10 (1941) 64-72 = LSS 15; Abrechnungen: IG 12 311-3; II/II121671-81, dazu das Ehrendekret IG II/II12 847 = SIG 540; Bauabrechnungen: IG 12 81 (Brücke); II/II12 1666; 1668; dazu die ,Koroibos-Inschrift', K. Kourouniotis, Eleusiniaka I (Athen 1932) 177 = SEG 10 (1949) Nr.24; Grabepigramme auf Hierophanten: IG II/II12 3639 = Kaibel add. 97a; 3661 = Peek 879; 3811; Hierophantis: 3709. Volksbeschlüsse über Getreideabgaben (&1TCXpxcxi): IG 12 76 = SIG 83 = LS 5 (ca. 423); IG II/II12 140 = SIG 200 = LSS 13 (352 v. ehr.); ein Opferkalender aus Eleusis: IG 112 1363 = LS 7, S. Dow-R. F. Healey HThR 21 (1966) 1-58; zum Agon Eleusinia IG 12 5 = LS 4 (um 500 v. ehr.); der Eintrag im Nikomachos-Kalender IG II/II12 1357 = LSS 10 A 60-76 (0. Kap. III 1 Anm. 1). Hy. Dem. 96-302; F. Wehrli, Die Mysterien von Eleusis, ARW 31 (1934) 77-104; G. E. Mylonas, The hymn to Demeter and her sanctuary at Eleusis (1942. University of Washington Publications 12). Philochoros nepl ~vO"'TllP{oov 'TOOV •A6ftvllO"lV FGrHist 328 Tl; Melanthios nepl 'TOOV EV 'EAevO"ivl ~vO"'TllP{oov FGrHist 326 F 2-4; Theodoros 6 ncxvcxY'11S 1TpoO"cxyopevo~evos, nepl 'TOV KllPVKOOV yevovs FGrHist 346 F 1; unbestimmbar ist, inwieweit Stesimbrotos nepl 'TeAe'TOOV (FGrHist 107 F 12-20; 26-8), Neanthes nepl 'TeAe'TOOV (FGrHist 84 F 14), Hikesios neplllvO"'Tllpioov (Clem. Protr. 5, 64, 5) auch von Eleusis handelten. Rhet. Gr. VIII 110-24 Waltz; [AOYOl CHp]CXKAEOVS ~" Eoo~e[vov 'TeA]ei0"6O:1 'TO: 'EAevO"lvlcx Pap. d. R. Univ. di Milano (1937) Nr. 20 (u. Kap. V 4 Anm. 58).
1. Dokumentation und Geheimnis
277
die Philosophie, vor allem bei Platon und in der Nachfolge Platonsl l : der Weg in die Philosophie wird als Mysterienweihe aufgefaßt, die ,Schau' des reinen Geistes der ,Epoptie' der Mysterien an die Seite gestellt. Es sollte nicht ganz unmöglich sein, die Metapher zurückzuübersetzen in die Wirklichkeit, von der sie genommen war. Der christliche Platonismus hat dementsprechend das Christentum als Mysterium, ja Christus als den Hierophanten12 bezeichnet; die heidnischen, ,falschen' Mysterien wurden natürlich um so leidenschaftlicher bekämpft. Vor allem Clemens von Alexandrien setzt sich im ,Protreptikos' das Ziel, den Schleier vom Geheimnis wegzureißen und ans Licht der Sonne zu bringen, was die Mysteriennacht verborgen hatte13 , damit es in seiner ganzen Kläglichkeit dastehe: Mord und Unanständigkeit, sex and crime. Diesen Angaben gegenüber, die cum ira et studio von feindlicher Seite vorgebracht werden, ist die Wissenschaft mit Recht skeptisch gewesen14 ; doch muß wirksame Polemik zumindest ein Körnchen Wahrheit enthalten, und bei Clemens kreuzt sich überdies der Haß mit der platonischen Sympathie für Mysteriensprache. Anders steht es - was merkwürdigerweise fast immer übersehen wird15 - mit einem Dokument, das Hippolytos von Rom in seiner ,Widerlegung aller Häresien' erhalten hat: hier spricht nicht der P. Boyance, Sur les mystE~res d'Eleusis, REG 75 (1962), bes. 464-73. E. Des Places, Platon et la langue des mysteres, Annales de la fac. des lettres et sciences hum. d' Aix 38 (1964) 9-23; vor allem Symp. 20ge-212a; Phaidr. 249c, 250bc. Vgl. J. Pascher, H BALI/\IKH OilOL, Der Königsweg zu Wiedergeburt und Vergottung bei Philon von Alexandreia (1931), der freilich allzu direkt Philons Mysteriensprache auf tatsächliche Mysterien zurückführen möchte. 12 Clem. Protr. 120, 1 0ct00VXOÜIJCXl TOUS ovpCXVOUS Kcxi TOV 6eov E1rOTrTeücrcxl, ö:ylOS yfVOIJCXl IJvovlJevos' iep0
278
V. Die Mysterien von Eleusis
christliche Bischof, sondern dieser zitiert die Predigt eines Gnostikers, des ,Naasseners', der die grundsätzliche Identität aller Mysterien mit dem gnostisch verstandenen Christentum behauptet, wobei die Attismysterien maßgebenden Einfluß üben. Vermutlich hat ein solcher Gnostiker, gleich anderen homines religiosi der Spätantike, sich in möglichst viele Mysterien einweihen lassen; zugleich fühlte ein Gnostiker im Bewußtsein der ,Freiheit der Kinder Gottes' sich über alle traditionellen Gebote und Verbote erhaben16 . Der fast unmögliche Fall, daß ein Geweihter, von Sympathie für die Weihe durchdrungen, trotzdem darüber spricht, scheint hier eingetreten. Seither ist öffentlich bekannt, was "das große, wunderbare, vollkommenste epoptische Geheimnis" von Eleusis war, vom Hierophanten vorgezeigt: eine geschnittene Ähre17 • Und dies ist alles? Offenbar hat es mit diesem Geheimnis eine besondere Bewandtnis. Daß das Mysteriengeheimnis nie verletzt worden sei, ist doch mehr fromme Propaganda als Tatsache; wie sollte auch, was alljährlich Tausenden von Menschen gezeigt wird, im Ernst ein Geheimnis sein. Eben in der Zeit, als das große Telesterion errichtet wurde, ist das Geheimnis von Eleusis in flagranter, provokatorischer Absicht gebrochen worden durch den ersten Atheisten, den philosophierenden Dichter Diagoras von Melos. Er hatte "die Mysterien allen erzählt, wodurch er sie gemein und gering machte und diejenigen, die sich weihen lassen wollten, davon abbrachte"18. Das Mysteriengeheimnis, auf der Straße erzählt, ist also keine Beglückung, kein Gewinn, sondern ein Nichts, wie Geistergold, das sich bei Tageslicht in Kohlen verwandelt. Die Athener verurteilten Diagoras zum Tode und verfolgten ihn in ihrem ganzen Reich, die eleusinischen Mysterien aber wurden weiterhin gefeiert, bis 800 Jahre nach Diagoras. Diodor berichtet, die gleichen Weihen, die in Eleusis, Samothrake und im Namen des Orpheus vollzogen würden, "lasse man in Kreta, in Knossos, nach altem Brauch ganz offen allen zukommen, und was bei den anderen unter dem Siegel des Geheimnisses überliefert werde, verberge man bei ihnen vor keinem, der dergleichen erfahren wolle"19. Trotzdem fuhren die Menschen nicht nach Knossos, sondern nach Eleusis. 16 ~um
,Pathos der ,Freiheit' des Gnostikers vgl. Porph. abst. 1, 42: ßv80S
E~OV(no:s ••• 17 18
19
Hippol. ref. 5, 8, 39; u. Kap. V 4 Anm. 77. Krateros FGrHist 342 F 16 = Schol. Aristoph. Av. 1073, vgl. Melanthios FGrHist 326 F 2-4; F. Jacoby, Diagoras '0 "A8eos (Abh. Berlin 1959,3). Diod. 5, 77. 3.
1. Dokumentation und Geheimnis
279
Über den Umfang des eleusinischen Geheimnisses gab es Meinungsverschiedenheiten. Der Dichter Aischylos wurde wegen Mysterienprofanation vor Gericht gestellt, weil ein Theaterrequisit an die Mysterien erinnerte; er verteidigte sich, er habe nicht gewußt, daß dies geheim sei20 • Die Bedenklichkeit nahm im Laufe der Zeit eher zu. Pausanias behauptet, ein Traum habe ihn abgehalten, das eleusinische Heiligtum zu beschreiben21 • Der Neupythagoreer Numenios erblickte im Traum die eleusinischen Göttinnen, wie sie im Hetärengewand vor einem Bordell standen: diese bedeuteten ihm, daß er in einem Buch durch ,Interpretation(, durch philosophische Deutung auf den Spuren Platons die Geheimnisse von Eleusis ,prostituierte habe 22 • Dabei war Numenios gewiß nicht so weit gegangen wie der Naassener. In der Kaiserzeit hat man nicht einmal mehr den Namen des Hierophanten genannt 23 • Hinter dem gesteigerten Geheimnis schirmt sich die sinkende Macht der Mysterien ab. Gerade in dieser gleichsam absoluten, gar nicht mehr inhaltsbezogenen Funktion verrät das Mysteriengeheimnis etwas Wesentliches von seinem Geheimnis: was geheim gehalten wird, ist bei Licht besehen gar nicht so bedeutend; entscheidend ist, daß es geheim bleibt. Der Myste ist dadurch ausgezeichnet, daß Nicht-Mysten, Ungeweihte neben ihm leben. Der ,innere ( Kreis der Wissenden hebt sich ab von den Außenstehenden. Und auf diese Dichotomie von ,in( und ,out( reagiert der Mensch, indem er sich geradezu instinktiv zum inneren Kreis drängt. Schon Kinder entdecken immer wieder spontan, wie Geheimhaltung Machtgefühl und Ansehen bewirkt; selig, wer dazu20
21 22
23
OUK s1oEVO:1 ch1 cmopp1')TO: Tjv Arist. EN 1111 a 9; Tumult und Anklage hrt T41 TWV I.lVcrT1KwV 1TSP1
5, 19. Mit Clem. Strom. 2, 60, 3 (der, Herakleides vergröbernd, von einem Prozeß vor dem Areopag spricht, wo doch nur ein spezieller Gerichtshof von Geweihten für einen Mysterienprozeß in Frage kommt, Andok. 1,31) versteht man die Angabe des Aristoteles in der Regel, Aischylos habe bewiesen nicht geweiht zu sein (anders Aristoph. Ran. 886-7); es ist aber auch denkbar, daß unter den Eingeweihten Meinungsverschiedenheiten über die Abgrenzung von P1')T6: und &1TOPP1')TO: bestanden. Vgl. Lobeck (1829) 76-84; Kern RE XVI 1249. 1, 38, 7. Fr. 39 Leemans = Macr. Somn. Sc. 1, 2, 19. Foucart (1914) 173-6; Luk. Lexiph. 10; Eunap. p. 52 Boiss.; IG II/IIP 3811; Inschriften nennen nicht nur in hellenistischer Zeit (z. B. IG II/IIP 1235 = SIG 1019), sondern gelegentlich auch in der Kaiserzeit Hierophanten mit Namen (z. B. IG II/IIP 1794; 1798; 3592 = SIG 869).
280
V. Die Mysterien von Eleusis
gehört. So haben sich zivilisatorisch, künstlich abgetrennte Gruppen der Gesellschaft immer wieder als Geheimbünde konstituiert, vermutlich seit ältester Zeit. Kein imperium ohne arcana imperii; keine geschlossene Gesellschaft ohne ihr ,Geheimnis'. An ihm entscheidet sich, wer zur Gruppe gehört, wer zu verjagen ist; denn der Geschlossenheit nach innen entspricht die Aggression nach außen. Fortbestand kann eine Gruppe nur haben, die immer wieder neue Mitglieder zuläßt; je schwieriger und je weniger reversibel indes der Zugang ist, umso beständiger und durchschlagskräftiger wird die Gemeinschaft sein. Die Errichtung der Barrieren und ihre Durchbrechung in einem Initiationsritual bedingen sich gegenseitig: Geheimnis und Initiation gehören zusammen als Merkmale einer der erfolgreichsten Strukturformen menschlicher Gemeinschaft. Solche Gruppenbildungen haben Jahrtausende überdauert, indem sie sich auf die übermenschliche Autorität des Heiligen beriefen. Als geschlossene Gruppe kann eine Mystengemeinschaft geradezu identisch mit einer Polis-Gemeinde sein; in Mykonos sind Bürgerinnen und ,geweihte' Fremde für einen Demeter-Kult einander gleichgestellt24 ; in Athen steht die Polis-Gemeinde in engster Beziehung zu Eleusis: die Aufsicht über die Mysterien führt der ,König', ßcxenAevs25, der also auf jeden Fall geweiht sein muß, ebenso wie die Epheben, die den Festzug zu organisieren haben. Wenn man erzählt, Herakles sei von Pylios adoptiert worden, ehe er sich der Weihe in Eleusis unterzog26, läßt man Aufnahme in die nach Familien strukturierte Polis und Mysterienweihe nahezu zusammenfallen. Da mit Ausnahme je eines Knaben bei der Feier nur Erwachsene geweiht wurden27 , markiert die Feier noch den Übertritt in die Erwachsenenwelt. Die Athener waren in der Regel Mysten. Der Kyniker DeI?-0nax fiel unangenehm auf, 24 SIG 1024 = LS 96, 20-2. Umstritten ist die Bedeutung von TETEAEO"I-\EVOS, (lTEATtS, TEA10l<E0"6cu LSS 115 B 40-3 (Kyrene). - Die Mysterien von Andania wurden mit der Befreiung Messeniens als ,Erbe des Aristomenes' erneuert (Paus. 4, 26, 8). 26 Arist. Ath. Pol. 57, 1. 26 PIut. Thes. 33, 2; ApolIod. 2, 122 (Interpolation); Iu!. or. 7, 238b TOV I-\VOUI-\EVOV expfjv lTOAlTOypo:
1. Dokumentation und Geheimnis
281
I
weil er sich dem entzog28 . Und doch ist die Mysten-Gemeinschaft von Eleusis gerade so weit von der politischen Gemeinde gelöst, daß sie darüber hinaus wirken konnte: auch Frauen wurden geweiht, auch Sklaven, auch Fremde; besonders bei den Römern kam Eleusis zeitweilig in Mode, die Kaiser von Hadrian bis Kommodus brachten dem Heiligtum seine letzte Glanzzeit 29 . Aber das Fest blieb, bei aller Weltoffenheit, an den Ort gebunden, an die Familien der Eumolpiden und Keryken, die den Hierophanten und den Daduchen stellten. Diesem ausgewogenen Schwebezustand zwischen Weltweite und lokaler Verwurzelung verdankt Eleusis ein gut Teil dessen, was es war: es konnte, indem der Zugang allen empfohlen war, durch die ganze antike Welt ausstrahlen, und besaß doch dank der bodenständigen Tradition seine Identität durch den Wechsel der Zeiten und Moden hindurch, ohne auf Bücher, auf philosophische formulierte Dogmen angewiesen zu sein. Der Handel hatte seit je viel Volks nach Eleusis geführt, zum Markt am Dreiweg zwischen Attika, Böotien und der Peleponnes30 ; die Bildungsmacht Athens31 tat dann das ihre, waren doch in attischer Dichtung und Philosophie die Gottheiten von Eleusis so oft gegenwärtig. Selbsterneuerung des Geheimbundes durch Initiation - diese strukturell-soziologische Beschreibung des eleusinischen Festes erfaßt von außen eine Funktion, eine leere Hülle, will es scheinen; natürlich kann nicht jede beliebige Parole, jedes beliebige Zeichen zum Mysteriengeheimnis werden, sondern nur, was die Dynamik der menschlichen Seele zu entbinden, zu formen und zu leiten vermag. Eine doppelte Thematik von Eleusis wird in der Tradition genannt, die "beiden Gaben"32 der Göttin Demeter: die Getreidenahrung, die die kannibalische Rohheit des Menschen zur ,gezähmten' Sitte wandelte, und die "bessere Hoffnung" für das Leben nach dem Tod. "Selig, wer dies geschaut hat unter den irdischen Menschen; wer aber an den Weihen nicht teilhat, hat niemals gleiches Los im modrigen Dunkel", heißt es in dem alten Demeterhymnos, und ganz ähnlich bei Sophokles: "Dreimal selig die, welche diese Weihen geschaut haben und so in den Hades kommen: für sie allein gibt es dort Leben, für die 28 29
30 31 32
Luk. Demon. 11. Vgl. RE XVI 1255-8; u. Kap. V 5 Anm. 2. Der Markt in Eleusis wird lebendig in den ,Sikyoniern' des Menander, 4. Akt. Vgl. Wilamowitz (1932) 59. Isokr. 4 (Paneg.) 28, vgl. eie. leg. 2, 36; hy. Dem. 480-2; Soph. Fr. 837 Pearson; Krinagoras AP 11,42.
282
V. Die Mysterien von Eleusis
andern ist alles dort Unheil". Ganz selbstverständlich ist die Dichotomie von ,in' und ,out' ins Jenseits projiziert. Getreidenahrung und Todesüberwindung - die kritische Wissenschaft ist in Versuchung, die beiden Gaben der Demeter zu trennen: hier uralte Agrarmagie , dort neuere Jenseitshoffnung33 • Und gewiß haben sich die Akzente im Lauf der Geschichte verlagert, zwischen der Einführung des Ackerbaus, die in Griechenland im 6. Jahrtausend erfolgte, und der ,Entdeckung des Individuums' um 600 v. ehr.; trotzdem ist auch der Ackerbau menschheitsgeschichtlich ,jung', das Thema der Nahrung und das Thema von Tod und Überleben aber ist bereits in den paläolithischen Ritualen gegeben, im Jagd-Opferkomplex, wie auch der geheime Männerbund uralt ist. Opferhandlungen, Tieropfer sind es auch, die die Mysterien der Demeter akzentuieren. Symbolik setzt stets ein programmiertes Handlungsschema voraus, das übertragbar geworden ist: die Getreidesymbolik wächst aus dem Opferritual, wie die Große Göttin selbst aus dem Paläolothicum zu stammen scheint34 • Dies mag zunächst als vorwegnehmende Vermutung gelten. Versucht sei jedenfalls, das Phänomen Eleusis nicht pretiös zu vereinzeln, sondern in historischer Perspektive und im Kreis verwandter Mysterienkulte zu sehen. Demetermysterien gehören zu den verbreitetsten Ritualen in Griechenland; genauer bekannt sind durch Zufall die Mysterien von Andania in Messenien und Lykosura in Arkadien35 , reiches Material, doch wenig Erhellung im einzelnen liefern Unteritalien und Sizilien36 • Bei allen lokalen Verschiedenheiten ist eine gemeinsame Grundstruktur anzunehmen, die dann auch übers Griechische hinausweist zum kleinasiatischen Meterkult. Seit man weiß, daß Griechenland aus Kleinasien den Ackerbau übernahm und daß Kybele die große Göttin von <;atal Hüyük fortsetzt, hat auch religionshistorische Betrachtungsweise dem Rechnung zu tragen. Die Antike sah die Besonderheit von Eleusis in dem einzigartigen
33 34 35
36
Vgl. z. B. Nilsson (1955) 661. O. Kap. I 8. LS 65 = SIG 736 = IG V 1, 1390 und LS 68 = SIG 999 = IG V 2, 514; Paus. 4, 33, 4-6; 8, 37; Nilsson (1955) 478; Stiglitz (1967) 30-46. Oft abgebildet sind die goldenen Ähren aus einem sizilischen Grab, Nilsson (1955) T. 42, 2; P. Wolters, Festschr. J. Loeb (1930) 111-29, und der Tempel mit Ähren auf einer apulischen Grabvase, Nilsson (1955) T. 42, 3; Kerenyi (1962) 158. G. Giannelli, Culti e mit della Magna Grecia (1963 2 ) 31-5; 48; 65-7; 118; 128-8; 154-5; 187-204; 220; G. Zuntz, Persephone. Three essays on religion and cult in Magna Graecia (1971).
2. Koremythos und Schweineopfer
283
Ernst und der einzigartigen ,Reinheit' des dortigen Gottesdienstes 37 ; moderne Realisten sprechen von der Kulturpropaganda Athens; wie immer Verdienst und Zufall sich verkettet haben, für uns ist Eleusis das greifbarste und eindrücklichste Exempel eines umfassenden Komplexes. Dem Skeptiker gibt die Tatsache des Geheimnisses um die Mysterien gleichsam eine Blankovollmacht: was immer aus Zeugnissen zu entnehmen ist, sei, kann er sagen, eben darum nicht das Geheimnis, weil es bekannt geworden ist3B'. Dieser Weg in die Freiheit des NichtWissens oder Nicht-Wissen-Wollens läßt sich nicht verbauen. Wer aber geduldig alle Bruchstücke sammelt, die von dem großen Zusammenhang übrig geblieben sind, und die mannigfaltigen Spiegelungen in Mythos und Philosophie dazunimmt, kann in der Konvergenz der Linien doch Gestalten er kennen, die historisch, soziologisch, psychologisch einen ,Sinn ergeben. Die Bemühung hierum ist dem Triumph der ars nesciendi vorzuziehen. Auch, wenn nur ein Torso sichtbar wird, lohnt sich der Rekonstruktionsversuch.
2. Koremythos und Schweineopfer Ein Opfertier hat jeder, der die Weihen von Eleusis begeht, erst einmal mitzubringen, ein Ferkel (xoipoS). Dies lag noch diesseits des Geheimnisses, darüber konnte man sogar witzeln. So beantwortet der aristophanische Antiheld die Drohung: Du bist des Todes flink mit einem Pumpversuch: "Leih' mir drei Drachmen für ein Ferkelchen, ich muß mich doch weihen lassen, bevor ich des Todes bin"!. Wenn das Iakchos-Lied der Mysten hörbar wird, wittert die Nase des Sklaven Schweinebratenduft 2 • Bilder zeigen, wie die Verehrer ihr Schweinchen 37 38
1
2
Diod. 5, 4, 4. Z. B. Mylonas (1961) 229; 275; P. Roussel BCH (1930) 65, vgl. auch Kerenyi (1962) 39; 67-8; 62, der aber andererseits formuliert: "durch den Mythos in Wort und Bild führt der Weg über das Wort und das Bild hinaus" (40). Aristoph. Pax 374 m. Schol.; vgl. Plat. Resp. 378a; Epicharm Fr. 100 Kaibel. Der Gesamtpreis der Myesis betrug 15 Drachmen, IG II/IIP 1672, 207; 1673,24. Aristoph. Ran. 337 - man hat also offenbar von dem Schwein auch gegessen bzw. gekostet (u. Arun. 10).
284
V. Die Mysterien von Eleusis
herantragen, insbesondere Herakles, das mythische Urbild des eleusinischen Mysten3 • Das Schweineopfer für.Demeter ist keineswegs eine Besonderheit von Eleusis, es ist vielmehr der geläufigste Zug in allen Formen des Demeterkultes. Votivstatuetten von Demeterverehrern mit ihrem Opferschwein oder auch bloße Schweinestatuetten kommen in der ganzen griechischen Welt in Demeterheiligtümern vor, von Kleinasien über Kreta bis Sizilien4 • Das Schweineopfer gehört vor allem auch zu der allgemein verbreiteten Form des Demeterfestes, bei der die Frauen in strenger Abgeschiedenheit für sich feiern, zu den Thesmophorien. Hier freilich gab es keinen Schweinebraten, die Ferkel wurden vielmehr in unterirdische Kammern oder Höhlen, Ileycxpcx, hinabgeworfen ; dies ist literarisch bezeugt für Athen und Potniai, ausgegraben wurde eine solche Opfergrube in Priene 5 • Das Schwein ist das billigste, am leichtesten in Menge zu produzierende Opfertier. Das kleine Opfer aber ist eben darum nicht das abschließende, vollkommene Opfer. Bei den Thesmophorien gehört der ,Megarismos zum ersten, einleitenden Tag; und der Ritus des t
3
4
5
Reliefhydria aus Cumae, Leningrad 51659, Metzger (1965) T.21, Nilsson (1955) T. 47; Lovatelli-Urne (u. Kap. V 3 Anm. 12). Ein lTais &
2. Koremythos und Schweineopfer
285
Hinabstürzens hat auch sonst die Funktion, durch Sich-Versagen, durch Hingabe die größere Erfüllung herbeizuzwingen. Auch in Eleusis gehört das Schweineopfer zur Vorbereitung. Daß Schweine im großen Mystenzug am 19. Boedromion mitgeführt worden wären, ist nie bezeugt und wäre für den langen Marsch auch gar zu lästig gewesen. Dann gehört das Ferkelopfer zu den Vorbereitunszeremonien der Myesis, die für die, "die in Eleusis sich weihen ließen, im Hof des Heiligtums, für die, die in der Stadt sich weihen ließen, im Eleusinion" über der Agora vorgenommen wurden6 • Und doch galt: "solange du nicht zum Anaktoron gelangt bist, bist du nicht eingeweiht"7. Erst im großen Zug nach Eleusis findet die Weihe ihre Erfüllung. Das Ferkelopfer ist ein Voropfer, TIP0'TEAE1CX. Dabei hebt das Mysterienopfer von den ,normalen' Opferhandlungen sich dadurch deutlich ab, daß hier das Opfertier dem Mysten ganz individuell zugeordnet ist: jeder hat sein eigenes Opferschwein zu stellen. Eine Plutarchstelle schildert sogar, wie ein Myste mit seinem Schwein zusammen im Meer badet8 ; ob dies die Regel war an jenem Tag der Vorbereitung, der die "Mysten zum Meer"9 rief, dem 16. Boedromion, wissen wir nicht; jedenfalls mußte das Ferkel so rein sein wie der Myste, der dem Heiligen naht. Daß er das Tier "an seiner statt" dem Tod überantwortet, daß hier Leben für Leben gegeben wird, haben die Griechen ausgesprochen10 ; auch dies war nicht geheim. Das stellvertretende Schweineopfer beim Initiationsfest ist im übrigen ungemein verbreitet in den Pflanzerkulturen der Südseel l ; 6
7
S 9
10
11
LSS 3 C 39-42 nach Sokolowskis freilich unsicherer Ergänzung. Eine eoX6:pcx, 'EÄevaivI ev Tfj cxuÄfj ist [Dem.] 59, 116 genannt. Max. Tyr. 39, 3 k; ~veia6cxI im Telesterion: Dion or. 12, 33; e~oo TOV vew Ta TIpOTEÄelCX ~vf}acxs Themist. or. 5, 71a. Plut. Phok. 28, 6. &Äaoe eÄcxalS IG II/II12 847,20; Tor ~
286
V. Die Mysterien von Eleusis
ein entfernter historischer Zusammenhang mit den Demetermysterien ist durchaus möglich. Bei den Griechen nun ist mit dem Wort und dem Bild des xoipos eine bestimmte Assoziation verbunden, mit der zu spielen ein Aristophanes sich nicht entgehen lassen konnte: xoipos heißt vulgär der weibliche Schoß; nacktes Schweinchen und Sexualobjekt gehen ineinander über. So verkauft der Megarer in den ,Acharnern , seine Töchter im Sack als ,Mysterienschweinchen'12; im Lachen inacht sich Luft, was in unterschwelligen Assoziationen sich staute. Als weiblich wird das Tier erlebt, das im vorbereitenden Opfer für den Mysten selbst zu sterben hat: das Schweineopfer hat den Charakter eines vorwegnehmenden Mädchenopfers. In der Tat wird im griechischen Mythos das Schweine opfer mit dem Versinken des ,Mädchens' ins Totenreich erklärt, mit dem Raub der Kore durch Hades. Als der Herr der Toten mit der geraubten Braut im Boden versank, wurden die Schweine des Hirten Eubuleus mit in die Tiefe gerissen, und darum werfen die Frauen an den Thesmophoria Schweine in die unterirdischen IJ.Eyexpa:13 ; oder man erzählte, Demeter habe die Spuren der geraubten Tochter nicht mehr finden können, da eine Herde Schweine darüber gelaufen war14 : Kore war verschwunden, an ihrem Platz machten sich die Schweine breit, und darum müssen im Heiligtum Demeters die Schweine sterben, wie Persephone dem Totengott anheimfiel. Der Mythos vom Raub der Kore-Persephone 15 ist einer der bekanntesten und verbreitetsten griechischen Mythen; er ist keineswegs spezifisch eleusinisch. Zwar zeigte man bei Eleusis einen Feigenbaum, Aristoph. Ach. 729-817; ,Mysterienschweine' 747; 764; Wortspiel xoipoS 767-75; vgl. Aristoph. Vesp. 1353; 1364 m. Schol.; Varro r. r. 2,4, 10; dazu auch die sog. ,Baubo'-Statuetten (Frau auf Schwein) z. B. Cook II (1924) 132; O. Rubensohn AA 1929, 195-204. 13 Schol. Luk. p. 275, 23-276, 24; Clem. Protr.2, 17, 1; o. Anm. 5. 14 Ov. fast. 4, 465-6 nach Kallimachos; das Schwein als Feind der Saatfelder: Hygin. fab. 277; Servo Georg. 2,380; Schol. Aristoph. Ran. 338; merkwürdig die Tradition bei Porph. abst. 2, 9, Klymene (ein an Persephone gemahnender Name) habe ,aus Versehen' das erste Schwein getötet. 15 Gründlichste Behandlung: R. Förster, Der Raub und die Rückkehr der Persephone (1874). Vgl. PR I 747-806; L. Bloch RML II 1284-1379; ältestes und wichtigstes Zeugnis ist der homerische Demeterhymnus, vgl. Kap. V 1 Anm.8; Versuch, eine orphische Konkurrenzfassung zu rekonstruieren, bei L. Malten ARW 12 (1909) 417-46. Zu den aus Ovid zu rekonstruierenden Fassungen des Mythos bei Kallimachos und bei Nikandros H. Herter RhM 90 (1941) 236-68. 12
2. Koremythos und Schweineopfer
287
wo Kore versank16 , doch weit bekannter waren andere Orte, wo Hades mit seiner Braut in die Tiefe gefahren sein sollte, etwa der See bei Enna17 oder die Kyanequelle bei Syrakus18 . Ebenso wie das Schweineopfer gehört auch dieser Mythos zu den allgemeinen Charakteristiken der Demeterverehrung in der ganzen griechischen Welt und noch darüber hinaus. Seit der Antike hat man den Koremythos für ganz besonders durchsichtig und verständlich gehalten als Beschreibung des bäuerlichen Jahreslaufs: Kore sei das Korn, das unter die Erde muß19, damit aus diesem scheinbaren Tod die neue Frucht keimen kann. Hungersnot droht, wenn Kore verschwindet, doch kehrt sie zurück, zur Freude der Götter und Menschen, und mit ihr kommt Demeters Getreidesegen wieder. Man kann zumal in Athen in volkstümlicher Metonymie Getreide und Mehl als Demeters Tochter ansprechen20 • Doch die Einzelheiten, wie sie etwa der homerische Hymnus enthält 21 , stimmen nicht zu der Naturdeutung; Kore soll je vier Monate in der Unterwelt, acht Monate am Licht der Sonne verbringen - das Getreide aber keimt wenige Wochen nach dem Säen, zumal im Mittelmeergebiet ist es nicht vier Monate unter der Erde; es keimt im Herbst und nicht im Frühjahr, die eleusinischen Mysterien aber werden weder zur Zeit der Aussaat noch zur Zeit des Keimens noch zur Zeit der Ernte gefeiert, sondern etwa einen Monat vor der Aussaat im Herbst. Martin P. Nilsson 22 hat darum eine andere Naturdeutung verfochten, die viel besser stimmt: Kores Weg in die Unterwelt sei die 16 17
18
19
20
21
22
Paus. 1, 38, 5 vgl. Phanodemos FGrHist 325 F 27. Firm. err. 7,3 vgl. Ov. fast. 4, 445-50. Diod. 5,4; Cic. Verr. 4, 107; Ov. met. 5,412-24. Vgl. PR 1758-9; RML II 1313-5. Varro bei Aug. civ. 7,20 vgl. Kleanthes SVF I Nr. 547 = Plut. Is. 377d; Cic. nato deor. 2, 66; Plut. Is. 378f; Schal. Aristoph. Vesp. 1438; Cornutus 28; Porph. nepi 6:YCXA~6:Tc.uV Fr. 7 p. 9* Bidez = Euseb. Praep. Ev. 3, 11, 9; Arnob. 5,32; Orph. hymn. 29, 13-4; vorausgesetzt bei Epigenes, OF 33 = Clem. Strom. 5, 49, 3. Eubulos Fr. 75, 10 (CAF II 191). Antiphanes Fr. 52, 9 (CAFII 31). Vasenmaler lassen über Persephones Kopf die Ähren sich kreuzen, Z. B. Hydria Athen 1443, Metzger (1951) T. 34, 3, Hydria Tyskiewitz (Lyon), Metzger T. 33, 1. 399-403; 445-7; Apollod.l, 33; je ein halbes Jahr: Ov. fast. 4, 614, met. 5, 567, Hygin. fab. 146. ARW 32 (1935) 106-14 = Opuscula II (1952) 577-88, vgl. (1955) 472-4; Widerspruch: K. Kourouniotis Deltion 15 (1933/5) 6-15; L. Malten Gnomon 20 (1944) 121; Nilsson vorausgegangen war F. M. Cornford, Essays and Studies W. Ridgeway (1913) 153-66.
288
V. Die Mysterien von Eleusis
Aufbewahrung des Getreides, zumal des Saatgetreides in unterirdischen Getreidebehältern während der Sommermonate. In dieser Zeit scheint im mediterranen Sommer wirklich alles Leben der Natur zu ersterben; dann aber, zur Zeit der ersten Herbstregen, wird das Staatgut hervorgeholt aus dem unterirdischen Verließ, Kore kehrt an die Oberwelt zurück, der Vegetationszyklus beginnt von neuem. Die große, höchstwahrscheinlich sakrale Rolle der Getreidespeicher in den neolithischen Städten23 kommt dieser Deutung ebenso entgegen wie die Verbindung von Vorratsgefäß und Unterweltsvorstellung im Bild der großen, eingegrabenen Pithoi24 minoisch-mykenischer Zeit; die vier Monate Abwesenheit wären erklärt. Doch spricht nichts dafür, daß Griechen historischer Zeit den Mythos so verstanden haben; der homerische Hymnos setzt Kores Wiederkehr ausdrücklich in den Frühling (401). So ist Nilssons These allgemein, vielleicht zu allgemein und rasch, abgelehnt worden. In doppelter, wenn nicht in mehrfacher Weise läßt sich der Mythos mit den realen Vorgängen des Jahres verbinden; er gewinnt dadurch jeweils eine besondere Relevanz und partielle Durchsichtigkeit, er ist jedoch als ganzer nicht aus den natürlichen Gegebenheiten abzuleiten. Woher aus den Verrichtungen des Bauern sollten so wesentliche und eindringliche Züge stammen wie Kores Blumenpflücken auf der Wiese einerseits, der suchende Zug Demeters durch die Lande andererseits? Nicht Naturerscheinungen sind es, die den Mythos prägen, sondern rein menschliche Thematik: Hochzeit und Tod, Trauer und Zorn und schließliche Versöhnung. Sicher indes ist, daß die Feste des Demeter-Kore-Kultes dem entsprechen. Man findet Feste des ,Blumenpflückens', des ,Wegs hinab' und des ,Wegs hinauf" Kathodos und Anodos, immer wieder in der griechischen Welt bezeugt 25 • Diese Feste stehen nur in loser Verbindung mit den Jahreszeiten; die Thesmophoria können unmittelbar vor der Aussaat begangen werden, wie in Athen, sie können aber auch in den Hochsommer fallen 26 • 23
24
25
26
O. Kap. I 5 Anm. 40. Vgl. auch o. Kap. IV 3 Anm. 21; IV 5 Anm.ll. K6pTlS ..• av6eO"q>6pla Pollux 1, 37 (Sizilien); Strabo 6 p. 256 (Hipponion); Paus. 2, 35, 5 (Hermione); XpvO"av6ela K6pala in Sardes, BMC Lydia p. CIX-X. - ti avaßaO"lS "Tfjs 6eov - ti SVO"lS "Tfjs 6eov (sc. der Kore) in Dardanos (?) IG XII Suppl. 29 = LS 128 im Abstand von 9 Monaten. K6pTlS l
.2. Koremythos und Schweineopfer
289
Überall aber sind die Feste jeweils kalendarisch festgelegt; auch jene fixen ,vier Monate' dürften eher einem Sakralkalender als einer wirklichen Vegetationsperiode entsprechen. Die Rituale sind selbständig, kraft der Tradition in ihrer zwischenmenschlichen Funktion etabliert; der Mythos, auf Festrituale ebenso wie auf Naturvorgänge zielend, bewahrt als Kern ein menschliches Drama. Denn nicht von einem Kreislauf erzählt der Mythos, entgegen allen auf die Vegetation bezüglichen Deutungen. Was geschehen ist, erweist sich als unumkehrbar. Nichts von einer Überwindung des Todes: Hades hat sein Ziel erreicht. Begründet wird im Widerspiel zwischen Hades und Zeus eine Doppelexistenz zwischen Oberwelt und Unterwelt, deren Recht ungebrochen bleibt. Das Leben hat eine Todesdimension gewonnen, was freilich auch eine Lebensdimension des Todes bedeutet. Von Hades geraubt werden, Hochzeit mit Hades zu feiern 27 , dies heißt schlicht soviel wie sterben. Der Koremythos berichtet vom Tod des Mädchens, dem Zeus seine Zustimmung gab: er beschreibt ein Mädchenopfer. Wie fast stets in den Opfermythen, ist die Mädchentragödie indes nur die Einleitung, um deswillen, was folgen soll. Im Jägerzusammenhang ist es die große Jagd, die schreckliche und befreiende Tötungs-Tat, bei den Fischern letztlich die Ankunft des Fisches, der große Fischzug; wenn Demeter Getreidegottheit ist, so ist bei ihr die Getreidenahrung das Ziel, das der Hingabe des Mädchens antworten soll. Mythos und Kult der Demeter ist eine symbolisierende Transformation des älteren Opferrituals ins Agrarische; an Stelle der Opfern1ahlzeit müßte dann das Erntefest stehen. Freilich hat die neue Thematik dabei nur Ersatzfunktion in älteren, vorgegebenen Strukturen; eben darum ist die Bindung an die agrarische Pragmatik nur partiell und lose, die Festrituale können sich von den Jahreszeiten wieder ablösen und für sich aus eigener Kraft leisten, was sie seit je geleistet haben: Ordnung und Erneuerung der Gemeinschaft, wobei aus der persönlichen Initiation auch der individuellen Todesproblematik ein Halt erwächst. Es gibt bezeichnenderweise Varianten des Koremythos, in denen die Beziehung zum Ackerbau ganz zurücktritt. Auf den Weihereliefs von Lokroi Epizephyrioi in Unteritalien ist eine merkwürdige Form des ,Raubes' dargestellt: junge Männer sind es da, vielleicht die Dios27
Vgl. Eur. Herakles 484; Tro. 307-41; 445; Or. 1109; Iph. Aul. 461; Soph. Ant. 816; 891; 1204; 1240; AP 7, 13; 182; 186; 221; 489; 599; 507b.
19 Bl,ukert, Homo Necans
290
V. Die Mysterien von Eleusis
kuren, die das Mädchen entführen, sie übergeben es dann aber dem ernsten, bärtigen Alten, dem Gott der Unterwelt 28 • Hier ist der Verzichtcharakter des Jungfrauenopfers ganz deutlich: das Mädchen, das die jungen Männer schon in den Armen hielten, wird dem Totengott überantwortet. Nun gab es in Lokroi einen merkwürdigen Ritus des ,Jungfrauenopfers': Bürgertöchter hatten sich im prächtigen Tempel der Aphrodite Fremden hinzugeben. Auch hier ein Verzicht, ein Rollentausch im kritischen Übergang vom J ungfrauen- zum Frauenleben ; natürlich blieb das nächtliche Recht der Fremden befristet, die Ordnung des Tags lag in der Hand der Lokrer. So erzählte man in Abydos gerade vom Sturz und von der Vertreibung derer, die im Tempel der Aphrodite Porne die Freuden Aphrodites genossen hatten29 • Die Lokrer glaubten, ihrer Aphrodite ihre militärischen Siege zu verdanken. Auch hier ist das Mädchenopfer, in Form einer Initiation vollzogen, vorwegnehmender Sexualverzicht, der den großen Erfolg verbürgt. Ohne direkte Verbindung zum Getreide, doch nicht ohne Beziehung zum Koremythos ist die älteste literarische Fassung einer ,Kathodos': der sumerische Mythos von Inannas Reise in die Unterwelt30 • Es war eine große Überraschung, als 1951 der Schluß dieses Mythos bekannt wurde; hatte man bislang ,IStars Höllenfahrt' mit der vermuteten Auferstehung von Dumuzi-Tammuz verbunden und hierin abermals den Vegetations zyklus gespiegelt gesehen, so nimmt jetzt der Mythos eine sehr viel aggressivere Wendung. Der Hauptteil beschreibt ein Ritual, das zum Tod führt, ein Mädchenopfer: aus 28
29
30
P. Zancani Montuoro, Il rapitore di Kore nel mito Locrese. Rend. Ace. di Archeol. Napoli 29 (1954) 79-86; sie vermutet, der Mädchenräuber sei Polydeukes zu benennen. Vgl. zu Lokroi o. Kap. I 7 Anm. 21. O. Kap. III 1 Anm. 117. ANET 52; S. N. Kramer Journ. of Cuneif. Stud.5 (1951) 1-17; History begins at Sumer (1956) 155-69; dazu die Verfolgung des Dumuzi durch die gallu, Iraq 22 (1960) 68; alle Versionen jetzt bei S. N. Kramer, The sacredMarriageRite (1969) 107-32. Vgl. O. R. Gurney, Tammuzreconsidered, Journ. of Sem. Stud. 7 (1962) 147-60; A. Falkenstein, Der sumerische und der akkadische Mythos von Inannas Gang zur Unterwelt, Festschr. W. Caskel (1968) 96-110; Th. Jacobsen, Towards the image of Tammuz (1970) 73-103. Die Parallele zum Koremythos ist von Guepin (1968) 120-7 gezogen. In der Einleitung des sumerischen Gedichts ,Gilgames, Enkidu und die Unterwelt' steht der Satz: "After Ereshkigal had been carried off into Kur as its prize" (S. N. Kramer, Sumerian Mythology [19612 J 37; History begins at Sumer [1956J 171), d. h. die Königin der Unterwelt ein aus der Oberwelt geraubtes Mädchen.
2. Koremythos und Schweineopfer
291
freien Stücken entschließt sich die ,reine Inanna', in die Unterwelt zu gehen, sie schmückt sich, sie geht zum Land ohne Wiederkehr. Die sieben Tore der Unterwelt werden ihr aufgetan, beim Durchschreiten jedes Tores wird ihr ein Stück ihrer Ausstattung abgenommen, die Krone, der Stab, Halskette, Brustkette, Ring, Brustplatte, Lendentuch; die sieben Richter der Unterwelt blicken sie an mit den Augen des Todes; sie wird an einem Balken aufgehängt. In der Oberwelt aber trägt ihr Diener die Klage um Inanna von Stadt zu Stadt, nach Ekur, Ur und Eridu. Da rufen Zauberwesen, von Enki geschaffen, Inanna ins Leben zurück; "Inanna steigt auf von der Unterwelt" erklingt es jetzt, wie eine Parole, immer wieder. Gefährliche, bewaffnete Wesen der Unterwelt begleiten sie, Gallu; sie essen nicht, sie trinken nicht, sie können nur vernichten. Alle werfen sich vor ihnen in den Staub, nur Dumuzi bleibt auf seinem Thron sitzen: da packen ihn die Gallu und führen ihn in die Unterwelt. Hier gibt es kein Mutter-Tochter-Drama, nur die eine ,reine Göttin', ihren Tod und ihre verwandelte Wiederkehr. Von Ritualen, die diesem Mythos entsprechen könnten, scheint bisher nichts bezeugt- zu sein. Doch die Brücke zum Griechischen schlägt die kleinasiatische ,Mutter' mit ihrem Gefolge der rasenden Galloi, Kybele 31, die dem ungetreuen Attis Entmannung und Tod bringt. Die Göttermutter, die mit ihren wilden Begleitern durch die Berge dahinstürmt, ist mehr noch die Jägerin als die Stifterin des Getreides. Ihr Zorn legt sich erst, als sie das Tympanon erhält, das aus dem Stieropfer entsteht - in Babyion sind es die kalu-Priester, die das Tympanon in geheimer Opferzeremonie zu bereiten wissen32 • - Auch der ,Mutter' Grimm und wilde Jagd wird mit dem Verlust der Tochter motiviert: das Jungfrauenopfer ist hier wie dort die Vorbereitung, die die Kräfte der Tiefe entfesselt und auf ein Opfer zudrängt, in dem dann Oberwelt und Unterwelt ihr spannungsvolles Gleichgewicht erreichen. Wenn vom Tod des Mädchens, dem Zorn der Mutter, der mißlungenen Rückführung aus der Unterwelt, der so erfolgten Etablierung des Todes und zugleich gewisser Tamburin-Tänze bei den Men31
32
Verwiesen sei auf Hepding (1903); o. Kap. III 8 Anm. 17. Vielleicht sind die griechischen KOp6:Y1CX, ein Männer-Umzug (Mantineia: IG V 2, 265, 16; 27; 266, 41; KOpcxyc.oy6S Athen, IG II/IIP 1247, 20; Hsch. Kopcxyeiv TO &v6:yelv TTtV K6pT'lv) als dämonischer Umzug ähnlich dem der Galloi mit Inanna aufzufassen. - Die Eigenständigkeit des Dumuzi betont dagegen C. Colpe, lisän mity.urti, Festschr. W v. Soden (1969) 23. O. Kap. I 1 Anm.44; Meter und Tympanon: Eur. Hel. 1346-52; Bacch. 123-9; Epidaurischer Hymnus IG IV 1 2 131, Poctae Mel. Gr. 935 Page.
19*
292
V. Die Mysterien von Eleusis
sehen von amerikanischen Indianern erzählt wird33 ; wenn der Tod einer Göttin als Voraussetzung für die Stiftung der Nahrungspflanzen in Japan, in Polynesien ein Thema der Mythen ist 34 ; wenn die zwei Göttinnen als Mutter und Tochter, die gebärende Göttin in Verbindung mit dem Getreide schon im neolithischen C;atal Hüyük aufzutreten scheinen 35 - dann ahnt man die Dimensionen eines Themas, von dem isolierte Zeugnisse geblieben sind, Inseln gleichsam als Gipfel eines versunkenen Bergmassivs. Eleusis steht, bei aller Besonderheit, nicht allein mit dem Thema von Tod, Schmerz und Erwartung, Suchen, Verfehlen und Finden. Und das Routineopfer des ,mystischen Schweinchens' konnte für den Aufnahmewilligen durchaus seine Tiefendimension annehmen: er tritt hier an den Rand des Todes, vernichtet ein Leben für sich, ,an seiner Statt': irreversibel ist der Akt des Tötens, und doch muß er eine Antwort provozieren. Die gestörte Waage des Gleichgewichts des Lebens muß zurückschwingen, wenn Gleichgewicht um eine Mitte des Daseins überhaupt existiert. Daß der Weg in den Tod zum Leben führt, ist die Hoffnung des Mysten.
3. Myesis und Synthema Die spärlichen Andeutungen über die eleusinischen Weiheriten, die wir haben, werden dadurch noch problematischer, daß es verschiedene Orte und verschiedene Stufen der Mysterien gab. In ,Mysten, und in ,Epopten' zerfällt die Gemeinde, die das Fest in Eleusis mitfeiern darf; frühestens ein Jahr nach der Weihe, bei der zweiten Teil.:. nahme am großen Fest, wurde man ,Epopte'l. Zu dieser Differen33 34
36
1
Mythos der Cherokesen bei C. Levi-Strauss, Mythologiques III (1968) 229. Japan: K. Florenz, Die historischen Quellen der Shinto-Religion (1919) 41-2; 144-7. Zur ,Dema' o. Kap. I 5 Anm. 43. Mellaart (1967) 236; 238; (1970) I 170-1; u. Kap. V 4 Anm. 75. ETrWlT7EVOV Se 70VÄO:X1O"TOV alTO 700V !-lEYO:ÄOOV EV1CXV70V SlCXÄEilTOV7ES Plut. Demetr. 26; Philochoros FGrRist 328 F 69/70; Schol. Aristoph. Ran. 745. !-lVC)"7CXl - ElTOlT7CXl bereits IG 12 6, 49 = LSS 3 B 5. Vgl. Plat. Symp. 20ge; Phdr. 250c; Plut. Alk. 22; Sen. nato q. 7,30,6 Eleusis servat quod ostendat revisentibus. Cicero allerdings war nur ein halbes Jahr in Athen (RE VII A 838; Lobeck [1829] 37), auch später sind die Römer kaum zweimal nach Eleusis gekommen. Theon Smyrn. p. 14-5 Riller nennt als Stufen Kcx6cxp!-lOS, 7EÄE7fjS lTCXpo:SocnS (= !-lVl1CYlS?), ElTOlT7E{CX, avo:SEO'lS Kcxi 0'7E!-l!-l0:7CUV
3. Myesis und Synthema
293
zierung tritt zusätzlich die zwischen ,Kleinen' und ,Großen' Mysterien. Sie sind nach Zeit, Ort, Heiligtum getrennt: die ,Kleinen Mysterien' fanden ,in der Stadt', im Bereich ,von Agra' statt, am Ufer des Ilissos, wo bis in die Neuzeit ein kleiner Tempel der Göttermutter stand; ihr Termin war der 20. Anthesterion, sieben Monate vor den ,Großen Mysterien'2. Von dem, was am Ilissos vor sich ging, sind nahezu keine Einzelheiten bekannt; man spricht allgemein von einer, Reinigung', einer ,vorbereitenden Heiligung'3; während oft von der Weihe des Herakles in Eleusis erzählt wird, heißt es einige Male auch, die ,Kleinen Mysterien' seien speziell für Herakles eingerichtet worden 4 • In der klassischen Zeit liegt die Durchführung in den Händen des eleusinischen Personals, Hierophant, Dadurch, Hierokeryx, Demeterpriesterin erhalten ihre Sporteln5• Man konnte Sklaven, die in Eleusis das Heiligtum zu reinigen hatten, zu diesem Zweck rasch bei den Kleinen Mysterien weihen6 • Man verlangte zumindest im 4. Jahrhun-
2
3
4
5
6
ETIi6ECns, WO"TE Kcxi ETEP01S TICXPCXSOVVCXl SVVCX0"6CX1, wie Plut. An seni ger. resp. 795d I-\UO"TCXYOOYWV als Abschluß, I-\UOVI-\EVOS als Anfang nennt. - Daß die I-\VT)O"lS am festen Tag der I-\UO"Ti}PICX sich vollendet, ergibt sich aus Plat. Men. 76e, vgl'. Kap. V 2 Anm. 7; Crassus kam zu spät, Cic. de or. 3, 75; für einen Kaiser freilich konnte man die Mysterien wiederholen, IG II/IIP 3592 = SIG 869, 24. I-\UO"Ti}PICX Tel I-\ESOVCX - Tel OAESOVCX LSS 1; LSS 3 B 32; da die hier genannten Fristen für die O"TIovScxi an Kleinen und Großen Mysterien sich genau entsprechen (Mitte Gamelion bis 10. Elaphebolion bzw. Mitte Metageitnion bis 10. Pyanopsion), ist auch der eigentliche Festtag je am 20. des mittleren Monat~ anzusetzen (A. Mommsen [1898] 406, von Deubner ignoriert). Tel I-\EYO:ACX - Tel TIPOS "Aypcxv I-\UO"Ti}PICX IG lI/IIP 661, 9. 21; 847,22; 1231; EV "AypcxS An. Bekk. 326, 24; vgl. Steph. Byz. "Aypcx; Suda CX 339; Tempel der Meter: IG 12 310,132; F. Studniczka JdI 31 (1916) 169-230; H. Möbius AM 60/1 (1935/6) 234-57 = Studia Varia (1967) 108-37. Schol. Aristoph. Plut. 845 OOO"TIEP TIpoK0:6cxpO"lS Kcxi TIPOO:YVEUO"lS; Iul. or. 5, 173bc: TIPOTEi\EICX; TICXPel TClV 'IAIO"O"OV ... Kcx6cxpl-\ov TEAOVO"lV Polyaen. 5, 17, 1; Athena reinigte sich am Ilissos mit mystica lampas, Stat. Theb. 8, 765. I-\il-\T)I-\cx T(;>V TIEpi TOV LlI0VUO"OV Steph. Byz. "Aypcx. Die Allegorese der ,Kleinen' und ,Großen' Mysterien bei dem Naassener, Hippol. ref. 5, 8, 42-4, kontaminiert Plat. Gorg. 497c (Große/Kleine Mysterien) mit Plat. Symp. 20ge (Myesis/Epopteia). Die Angabe, die Kleinen Mysterien gälten der Persephone, die Großen der Demeter (Schol. Aristoph. Plut. 845), entstammt der Assoziation EAO:TTOVCX/I-\EiSovcx I-\UO"Ti}PICX mit 6Eel 1] TIpEO"ßUTEpCX - 1] VEOOTEPCX (IG II/IIP 1672, 300 vgl. 3546; 3585). Diod. 4, 14, 3; Schol. Aristoph. Plut. 845; 1013; dazu das Relief vom Ilissos, NM 1778, Ephem. 1894 T. 7, Kerenyi (1962) 65, T. 6. Vgl. Anm. 11. LSS 1; 3 C. IG II/IIP 1672, 207; 1673,24, nach den Anthesterien (EiS XoäS 1672, 204).
294
V. Die Mysterien von Eleusis
dert, daß man sich erst in die Kleinen, dann erst in die Großen Mysterien einweihen lasse7 ; doch hat man später auf dieser Forderung offensichtlich nicht beharrt. Ein Telesterion, eine Epoptie hat es in Agrai nicht gegeben. Kaum zufällig ist dagegen dort die Nähe zu Artemis Agrotera8 , die ]agdmotivik, wie ja die ,Meter' dem Kleinasiatischen nähersteht als Demeter. Im übrigen mag die Koppelung mit den eleusinischen Mysterien einen administrativen Ausgleich zwischen dem stadtathenischen und dem auswärtigen, weit glanzvolleren Kult darstellen; ,die Mysterien' schlechthin waren und blieben für die Athener diejenigen, die in Eleusis gefeiert wurden. Sicher ist, daß es für die Großen Mysterien eine ,Einweihung', Myesis, gab, daß das Ferkelopfer mit Eleusis assozüert wird9 ; zur eleusinischen Myesis gehört auch der weitere vorbereitende Akt, von dem eine Hesychglosse spricht: ,,6POV('vO"lS: Anfangszeremonie um die zu Weihenden". Bei Platon bezieht sich der Terminus auf die Korybanten im Meter-Kult1o ; Bilder aber zeigen ein solches ,Auf den Sitz-Setzen' gerade bei der Weihe des Heraklesl l . Es handelt sich um
7
8
9
10
11
Plat. Gorg. 497c m. Schol. (der erste Teil des Scholions ist atthidographische Tradition, vgl. Schol. Aristoph. Plut. 845; der zweite Teil paraphrasiert abkürzend Clem. Protr. 15); Plut. Demetr.26. In der Römerzeit sind keine Kleinen Mysterien mehr bezeugt. Kerenyi (1962) 64 deutet die Ortsbezeichnung sv "AypcxS (z. B. I G 12 310, 132; 324,96; LS 18 A 39) "auf dem Gebiet der Göttin namens Jagdbeute" ; anders P. Chantraine Class. & Med. 17 (1956) 1-4; RPh 40 (1966) 37-9. Auf Agra bezieht sich offenbar Apollodor FGrHist 244 F 142 = Clem. Protr. 2,13,1, IJ.UOIr,PICX heiße cmo MUOÜVTOS TIVOS 'ATTIKOÜ, OV sv KUVllY{c;t olcx
'3. Myesis und Synthema
295
zwei kaiserzeitliche Relieffriese, die in drei Szenen diese mythische Initiation darstellen, auf der Ostothek von Torre Nova und der sogenannten Lovatelli-Urne; sie müssen auf eine gemeinsame, hellenistische Vorlage zurückgehen, von der einzelne Szenen auch auf römischen Architektur-Reliefs, sogenannten Campana-Reliefs, reproduziert sind12 • Auf das Voropfer, das Schweineopfer folgt die ep6voocns in den mittleren Szene: der Myste sitzt verhüllt, mit bloßen Füßen, auf einem Schemel merkwürdiger Form, der mit einem Fell bedeckt ist; einer der reproduzierenden Künstler hat es als Herakles' Löwenfell mißverstanden13, doch Widderkopf oder Widderhorn unter dem Fuß des Sitzenden zeigt klar, daß es sich um ein Widderfell handelt. Eine Priesterin ist von hinten an den Verhüllten herangetreten, auf der Urne hält sie über ihn eine Getreideschwinge, auf der Ostothek führt sie eine brennende Fackel ganz nahe an seine Hand heran. Die antike Bezeichnung solcher Riten ist klar: ,Reinigung' durch Luft, wie das Getreide in der Schwinge vom Wind gereinigt wird, und "Reinigung' durch Feuer14 . Unmittelbar verständlich ist auch die psychische Wirkung - nicht umsonst kommt das Verbinden oder Verhüllen der Augen bei Initiationen immer wieder vor -: blind, hilflos, preisgegeben muß der Initiand das Unbekannte über sich ergehen lassen, der Unterlegene, Nicht-Wissende umgeben von den Glockenkrater BM F 68 = ARV2 1446, 1, Metzger (1951) T. 33, 3; 17; Schalendeckel Tübingen E 183 = ARV2 1477, 7, Nilsson (1955) T.45, 1; Kerenyi (1962) T. 43. Vgl. D. Feytmans ACl14 (1945) 285-318. 12 Der ,Sarkophag' (richtiger: Ostothek; Länge 130 cm; kleinasiatisch, 2. Jh. n. Chr.): G. E. Rizzo RM 25 (1910) 89-167; Deubner (1932) T. 7, 1; Mylonas (1961) fig.84; Kerenyi (1962) T.7. Die Urne (Rom, Thermenmuseum) : E. C. Lovatelli Boll. d. Comm. 7 (1879) 5-18, T. 1/3; Deubner (1932) T. 7,2; Nilsson (1955) T. 43, 2; beste Abbildungen bei Kerenyi (1962) T. 8-11. Die Campana-Reliefs bei H. von Rohden-H. Winnefeld, Architektonische röm. Tonreliefs der Kaiserzeit (1911) 7-8. DieThronosis (wie auf der Ostothek) auch auf einem Marmorrelief in Neapel, Cook I (1914) 426, RM 25 (1910) 104; vgl. Ephem.1911, 44---5. Zur Interpretation Pringsheim (1905) 9-12. P. Roussel BCH 54 (1930) 58-65; Mylonas (1961) 205-8 (hyperkritisch); Kerenyi (1962) 68-71 (in Verbindung mit Agrai). Eine Seitenfigur des Sarkophags entspricht einer Figur vom Relief des Ilissos-Tempels (0. Anm. 2), F. Studniczka J dI 31 (1916) 172/3; daher erwägt H. Möbius AM 60/1 (1935/6) 250 = Studia Varia (1967) 119-20, ob von dort die Vorlage der ganzen Bildfolge stamme, als athenische Abänderung der eleusinischen Version auf der Urne. 13 Auf der Lovatelli-Urne, Kerenyi (1962) T. 9. 14 Servo Aen. 6, 741; Georg. 1, 166.
296
V. Die Mysterien von Eieusis
Aktiven ,Wissenden'; auf sich selbst zurückgeworfen, verunsichert, geängstigt, muß er die folgende Enthüllung, das neue Sehen als beseligende Befreiung erleben; im neuen Kontakt zur Wirklichkeit ist er bereit, Göttliches zu schauen. Daß diese ,Thronosis' auf Eleusis und nicht auf die ,Kleinen Mysterien' Bezug hat, bezeugt der alte Demerthymnus; denn er läßt die Götter Demeter selbst, als sie nach Eleusis kommt, eben diesen Akt vollziehen. Ihr Verhalten, das erzählerisch-psychologisch ganz unmotiviert erscheint, gibt das Vorbild für den, der ihre Mysterien begeht. Als sie die Halle des Königs Keleos betritt, da "wollte sie nicht Platz nehmen auf dem glänzenden Sessel, sondern schweigend blieb sie, die Augen niedergeschlagen, bis ihr Iambe, die sorgsame Dienerin, einen zusammengezimmerten Schemel hinstellte; darüber breitete sie ein schimmerndes Widderfell. Da setzte sie sich nieder und hielt mit den Händen den Schleier übers Antlitz. Lange saß sie schweigend, in Trauer, auf dem Schemel"15. Schemel, Widderfell, geneigtes Haupt, Verhüllung hier wie dort, nur daß die Darstellungen den Mysten zeigen, wo der Mythos von der Göttin spricht. Die Parodie des Aktes bringt Aristophanes in den ,Wolken', indem er Sokrates als Schwindelpriester den Novizen Strepsiades in seine neumodischen meteorologischen Mysterien einweihen läßt. "Setze dich denn nieder auf den heiligen Schemel", "nimm diesen Kranz" - "daß ihr mich aber nicht opfert!", ruft der mißtrauische Initiand da besorgt -. "Halte ruhig!", Staub rieselt auf ihn nieder, feierlich singendes Gebet erklingt, und Strepsiades zieht sich rasch noch den Mantel über den Kopf, um nicht naß zu werden, denn nun erscheinen die Götter, die Wolken16 • Vermutlich hätte wenige Jahre später, nach dem großen Mysterienskandal, auch Aristophanes eine solche Szene nicht mehr gewagt. Doch konnte dieses verhüllte Sitzen 15 16
192-8; F. Wehrli ARW 31 (1934) 78-9. Aristoph. nub. 254-68, als Parodie eines Rituals erkannt von A. Dieterich RhM 48 (1893) 275-83 = Kl. Sehr. (1911) 117-24; freilich sprach er von ,Orphik' (ihm folgend Pringsheim [1904] 26, Harrison [1922] 511-6), weil ihm eine Parodie von Eleusinischem undenkbar schien. Bezeugt aber ist genau Entsprechendes einzig für Eleusis, dort auch der Gebrauch des ß10S' Kc.!:>510V (XpOOVTCXl •.. Kcxi 6 5~50üxoS' EV 'E\evaivl Paus. Att. 5 18 Erbse; o. Kap. III 1 Anm. 38); vgl. W. K. C. Guthrie, Orpheus and Greek religion (1952 2 ) 210-2. Allerdings wird der Komiker sich die Möglichkeit offen gelassen haben, eine Beziehung auf Eleusis zu leugnen; die eleusinischen Rituale waren nicht einzigartig. - Eine Parodie der Fackel-Reinigung könnte das Sengen des Kedestes Aristoph. Thesm. 236-48 sein.
3. Myesis und Synthema
297
als ,Anfang' der Weihe immer noch diesseits des Geheimnisses stehen, es konnte als allgemeine, äußerliche Form der Weihe aufgefaßt werden, die über den Inhalt nichts aussagt; darum ist sie in der bildendEm Kunst darstellbar. Anders ist es mit der dritten, letzten Szene dieser Initiationsfriese l7 : der Myste, prächtig gekleidet, durch sein Zweigbündel als Teilnehmer der Iakchos-Prozession ausgewiesen, tritt an Demeter heran; sie sitzt auf dem geflochtenen Deckelkorb, der ,Kiste', um die sich eine Schlange windet. 'Demeter blickt zurück auf eine jugendliche Frauengestalt, die mit Fackel herbeieilt: dies ist Persephone, die aus der Unterwelt zurückkehrt. Dargestellt ist hier der Göttermythos, in Verbindung mit einem rituellen Gerät, der ,Kiste', und einem sehr allgemeinen Symbol, der Schlange. Hier sind dem Wissenden Andeutungen gegeben, die doch dem Ungeweihten nichts verraten. Der Deckelkorb bleibt geschlossen. Todesschrecken, aber auch geheime sexuelle Faszination löst die Schlange aus; für den Mysten aber hat sie ihre Gefährlichkeit verloren, er kann sie gelassen berühren. Zu Demeter kommen, Kores Rückkehr erleben, Todesangst in ruhige Zuversicht zu wandeln - dies sind Themen der Mysteriennacht in Eleusis. Was aber wirklich vorging, verbirgt sich hinter der glanzvollen Fassade griechischer Kunstmythologie. Daß die Begegnung mit der ,Kiste', der cista mystica l8 zur Weihe gehörte, sagt der vieldiskutierte Spruch, den Clemens von Alexandria überliefert; er bezeichnet ihn als das ,Kennwort' (O'vv6T}l..lcx) der eleusinischen Mysterien: "Ich habe gefastet, ich habe den Kykeon getrunken, ich nahm aus der ,Kiste', werkte, legte zurück in den Korb
17
18
Daß die Friese in dieser Reihenfolge, von rechts nach links, aufeinanderfolgende Stufen der Weihe andeuten, wird weithin angenommen, z. B. Dieterich RhM 48, 276; Harrison (1922) 546; Kerenyi (1962) 70; daß der Myste der 3. Szene mit dem Herakles der 1. Szene identisch sei, wurde dagegen bestritten z. B. von Pringsheim (1905) 23-4, Mylonas (1961) 207, der fälschlich den Mysten der Urne und des Campana-Reliefs (Kerenyi [1962] T. 12) mit dem ikonographisch völlig verschiedenen ,Iakchos' (vielmehr Eumolpos, u. Kap. V 4 Anm.24) gleichsetzt, den der Sarkophag links hinzugefügt, während der Myste weggelassen ist. Zur Schla~ge o. Kap. III 1 Anm. 70. Zur IdO'Tll in Eleusis Pringsheim (1905) 49-64; Metzger (1965) 33-6; 41-4; allgemein O. lahn Hermes 3 (1869) 317-34. Die IdCfTll gehört vor allem zu Demeter- und Dionysosmysterien (vgl. Nilsson [1957] 57), aber auch zu Attis (Hepding [1903] 195, 1; Cumont [1930] T. I, 3), Isis (V. Tran Tam Tinh, Essai sur le culte d'Isis a Pompei [1964] 107; 153), Ma Bellona (Cumont T. II 1).
298
V. Die Mysterien von Eleusis
und aus dem Korb in die ,Kiste'."19 Man hat gegen Clemens vorgebracht, daß er Athen gar nicht kannte und zu so spezieller Kenntnis kaum gekommen sein könne; die Erwähnung des ,Korbes' (Kalathos) weise vielmehr auf Demeterfeiern in Alexandreia20 • Daß es dort Demetermysterien gab, ist indes nicht bezeugt, und Clemens konnte seinem alexandrinischen Publikum kaum Alexandrinisches als ,eleusinisch' anbieten. Der Spruch indes erweist sich als ein echtes ,Kennwort' eben dadurch, daß er im Grunde nichts verrät. Nur dem Wissenden teilt der Geweihte mit, daß er alle vorgeschriebenen Handlungen in der rechten Reihenfolge vollzogen hat; welche Handlungen dies waren, ist hinter den allgemeinsten, nichtssagenden Wörtern verborgen: Deckelkorb und offener Korb, nehmen, ,werken', zurücklegen. Die Wissenschaft rät seit Generationen daran herum, was in ,Kiste' und ,Kalathos' gelegen haben könnte. Clemens' Ton der Entrüstung läßt Sexualsymbole vermuten; männlich oder weiblich oder beides, symbolisch vollzogener Geschlechtsakt oder Geburtsakt sind dann die 19
20
Clem. Protr. 2, 21, 2 (daraus Arnob. 5, 26) KexO''Tl 'TO O'uv61ll.la 'EAEVO'lVioov I.lVO"T1lP{oov· SVTtO''TEvO'a, Emov 'TOV KVKEoova, EAaßov SK KiO''T1ls, spyaO'6:I.lEVOS O:nE6el.l1lv EiS K6:Aa6ov Kai SK KaA6:6ov Eis K{O''T1lV. - O'uv61ll.la ,Parole' Hdt. 9, 98 etc.; gleichbedeutend O'UI.lßOAOV Eur. Rhes. 572/3; signum der BacchusMysterien parodiert: Plaut. Mil. 1016; vgl. Plut. ad ux. 611d; signa und responsa als gegenseitige Erkennungszeichen der Geweihten: Firm. err. 18, 1. Meist sucht man nach einem bestimmten Platz im Ritual, an dem das Synthema gesprochen werden mußte (z. B. Deubner [1932] 80; Kerenyi [1962] 77). Doch die ungeweihten Akarnanen kamen, zu ihrem Verderben, ungefragt in den Weihesaal (Liv. 31, 14); Arnob. 5, 26 quae rogati in sacrorum acceptionibus respondetis malt den Begriff O'UI.lßOAOV nach dem Vorbild des christlichen Symbolon aus. Vgl. Delatte (1955) 12-23. Pringsheim (1905) 49; 300-1; Nilsson (1955) 659 nimmt alexandrinische Erweiterung des eleusinischen Synthema an. Der Kalathos gehört nicht- nur zur Demeterprozession in Alexandreia (Kallim. hy. 6,1-7; Münzen: ACl20 [1951] 359; 361), auch zu Demetermysterien in Paros (Apollodor FGrHist 244 F 89); Göttin auf Kalathos sitzend: Thesmophorion Thasos BCH 89 (1965) 469; Museum Chalkis (um 280 v. Chr.). Großer Kalathos, flankiert von Ähren, auf einer unteritalischen Lekanis, Trendall (1967) 552, 882; T. 215, 5. Im Mythos erscheint der Kalathos bei Persephones Blumenpflücken, eIern. Protr. 2, 17, 1; dazu die Sarkophagreliefs, C. Robert, Die antiken SarkophagReliefs III 3 (1919) Nr.362/3; 373/4; 377/8; 383/4; 387; 389; 393/4; 399; 405/6; 412/3; 415; 419. Die Grabstele der Nikarion (IG II/III2 9796) im Museum Eleusis zeigt im Giebelfeld einen großen Kalathos; seine Bedeutung steht dahin. Was Deubner (1932) 79,9 auf Münzen als Kalathoi anspricht, sind Bakchos-Ringe, J. D. Beazley Numism. Chronic1e VI 1 (1941) 1-7. Epiphanios Expos. Fidei 10 (OF p. 110), der im Zusammenhang mit Eleusis den Kalathos nennt, paraphrasiert offenbar nur Clem. Protr.
3. Myesis und Synthema
299
Möglichkeiten, die wohl in allen Kombinationen durchgespielt worden sind21 . Es gibt für alle diese Deutungen Anhaltspunkte. Den Liebesakt als Mysterion zu bezeichnen, ist eine ganz geläufige Metapher, ja mehr als eine Metapher, insofern es tatsächlich Aphroditemysterien gab und die Dionysosmysterien mit der Ehevorbereitung eng zusammenhängen 22. Es gibt eine Tradition, daß das Zeugungsglied des zerrissenen Dionysos in einer K10"Tll geborgen wurde 23 . Bei den Dionysosmysterien ist die Enthüllung des Phallös in der Getreideschwinge ein zentraler Akt 24 . Eleusis allerdings war seiner besonderen ,Reinheit' wegen berühmt, und die Feier stand im Zeichen der göttlichen Macht des Weiblichen. So spricht ein spätes Zeugnis vom Frauenschoß, KTE1S, als dem Zeichen von Eleusis, und eine fast überdeutliche Anspielung des Aristophanes weist auf solche Assoziationen der ,Kiste': Lysistrate sagt, als die Weiber mit den Männern sich versöhnen, zu den genital bedrängten Vertretern des anderen Geschlechts: "jetzt haltet euch schön rein, damit wir Frauen in der Stadt euch dann bewirten mit dem, was wir in unseren K1CJTCXl hatten"25; die religiöse Metapher vom Sichreinigen und -enthalten (äyVEVElV) weist voraus auf das tolle Fest, das folgen wird. Am wenigsten läßt sich für die Darstellung einer Geburt Einen Phallos als Inhalt der Kiste vermutete A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie (1903; 19232 , 124-6), in Analogie zum 6soS 010: Koi\1TOV der Sabaziosmysterien, Clem. Protr. 2, 16, 2, Firm. err. 10; vgl. Kerenyi (1962) 78 f""o..I (1967) 66. Wiedergeburt durch Berührung mit einem KTe{S erschloß A. Kprte ARW 18 (1915) 16-26 aus Theodoret Gr. aff. cur. 7, 11 (der aber an der früheren Stelle, wo er das Wort KTSfs erst erklärt, von Thesmophorien spricht, 3, 84); zustimmend Kern RE XVI 1239; Widerspruch: Deubner (1932) 81-3. An einen Phallos in der Kiste, einen cunnus im Kalathos dachte Ch. Picard RHR 95 (1927) 220-55, vgl. M. J. Lagrange Rev. bibI. 38 (1929) 71-81; L. Ziehen Gnomon 5 (1929) 152-4; S. Eitrem Symb. Osl. 20 (1940) 140-4. 22 Zu Dionysosmysterien und Ehe o. Kap. III 4; Ilvsicr6cxl u. ä. von der Hochzeit: Alkiphr. 1, 4, 3; Chariton 4, 4, 95; Heliodor 1, 17 etc.; Hochzeitsriten in Mysterien: Firm. err. 2, 1; Dieterich (1923) 121-34; R. Merkelbach, Roman und Mysterium (1962) 16-8. 23 Clem. Protr. 2, 19, 4 m. Schol., mit Beziehung auf die Kabiren. Die abgeschnittenen cxiooicx der Galloi werden in 6CXi\6:IlCXl aufbewahrt, Schol. Nik. Alex. 8; eine 6cxi\6:IlTl erscheint in einem Meter-Ritual bei Polemon, Ath. 478c (Pringsheim [1905J 72-3). Vgl. Meuli (1946) 256: Zeugungsglied des geschlachteten Rentiers in einer Rindenschachtel vergraben; O. Kap. I 7. 2( Am bekanntesten ist das Bild der Villa dei misteri; F. Matz, ~IONY~IAKH TEI\ETH (Abh. Mainz 1963, 15) 7-21. 25 Aristoph. Lys. 1182-4; G. W. Elderkin CIPh 35 (1940) 395.
21
300
V. Die Mysterien von Eleusis
unter Zuhilfenahme eines Genitalsymbols beibringen; da niemand seine Geburt bewußt erlebt, läßt sich auch die eigene Wiedergeburt kaum eindringlich symbolisieren. In den Kontroversen um die Deutung spiegelt sich die Unsicherheit der Interpreten darüber, welches Maß an Direktheit in ritueller Symbolik anzunehmen ist. Für den puritanisch Erzogenen hat nackte Sexualität etwas Umwerfendes, Verwandelndes, etwas vom Charakter eines Mysteriengeheimnisses; durch Wiederholung allerdings nützt sich dieser Reiz rasch ab; die phallischen Hermen, die an den Straßen Athens zu sehen waren, gaben zur Aufregung erst Anlaß, als sie verstümmelt waren. Die dauerhaftere Wirkung geht doch wieder vom Indirekten, Beziehungsreichen, Vieldeutigen aus. Clemens hat in einem Fall den Inhalt einer ,cista mystica' - aus den Mysterien des Dionysos Bassaros - erfahren26 : Sesamkuchen, Pyramidenkuchen, Kugelkuchen, Vielnabelkuchen, Salzklöße, Granatäpfel, Feigenzweige, N arthex, Efeu, runder Kuchen, Mohnkuchen, zu alledem freilich auch eine Schlange. So läßt auch Theokrit die Bacchantinnen allerlei Gebäck aus ihren ,Kisten' nehmen, das auf den Altar niedergelegt wird27 • Mit der Nahrung hat der Inhalt der ,Kiste' zu tun, und mit dem Opfer; ihre Funktion ist das Bewahren und Verbergen zugleich, ist sie doch gleichsam Urbehältnis, älter selbst als die Erfindung der Töpferei28 • Vielgestalt und vieldeutig wird auch der Inhalt der eleusinischen KlcrTT} gewesen sein. Den einzigen speziellen Hinweis kann das Wort ,ich werkte', epyacr6:IJEVOS, vielleicht enthalten. Man könnte an die Arbeit des Spinnens und Webens denken, das als vorbereitender Kontrast zum Ausbruch aus der Alltäglichkeit im Mythos oft erscheint; Kore arbeitet am Webstuhl, ehe sie der Schlange anheimfällt 29 • Näher liegt, sofern Demeter Getreidegöttin ist, eine andere Auffassung, auf die eine Andeutung des Aristotelesschülers Theophrast führt: in 26
27
Protr. 2, 22, 4: crl1crallai ... KaiTIvpall{Ses Kai TOAUTIal Kai TIoTIava TIOAVoll<paAa XOVSPOl Te aAOOV Kat Sp6:KCUV, ÖPY10V ßl0VUcrov Bacrcr6:pov. Theokr. 26, 7. In Dionysios' Bassarika werden die Reste der Omophagie vor Tagesanbruch in KfO'Tal verborgen, 9 v. 39 (D. L. Page, Literary Papyri [1950J 540; E. Heitsch, Die grieche Dichterfragrnente der röm. Kaiserzeit
[19632 J 66). 28 29
Burkert (1967) 292-3. Epigenes bei eIern. Strom. 5, 49, 3 = OF 33; Diod. 5, 3, 4; Porph. antr. 14; Nonnos 6, 123-64. Kalathos, tcrTOS, epya nepcre<povl1S im parischen Mythos: Apollodor FGrHist 244 F 89; ep'ov äTIAVTOV im Kernos: Poiernon Ath.
478d.
3. Myesis und Synthema
301
seinem kulturgeschichtlichen Werk "Über die Frömmigkeit tt schreibt Theophrast, die Menschen hätten, als sie Getreideanbau und Getreideverarbeitung entdeckten, "die Werkzeuge der Verarbeitung als Geheimnis verborgen, und sie traten ihnen als etwas Heiligem gegenüber"30. Verborgenes, dem man trotzdem begegnet, Heiliges im Bereich des Getreides: Theophrast kann nur Demetermysterien meinen, und da er in Athen schreibt, ist die Anspielung auf Eleusis zu beziehen. ,Werkzeuge der Verarbeitung' sind, in schlichtester Form, Mörser und Mörserkeule; das so zerstoßene Getreide, in Wasser mit einem Gewürzkraut gekocht, ergibt den , Kykeon' , den der Myste trinkt, wie Demeter im Haus des Keleos ihn trank, nachdem ihr schweigendes, verhülltes Sitzen sein Ende gefunden hatte31 . Zu vermuten ist demnach, daß zu den Gegenständen in Deckelkorb und offenem Korb Ähren, Mörser und Mörserkeule gehörten. Der Myste hatte wenigstens andeutungsweise eine Ähre zu zerstoßen, an der Herstellung des nächsten Kykeon mitzuwirken. Dies ist freilich im Lichte des Tages erst recht banal. Und doch: auch dies ist ein Akt der Zerstörung, der doch für die Nahrung notwendig ist; und die sexuellen Assoziationen des Stampfens und Mahlens liegen ganz nahe. Aggression, Nahrungstrieb, Sexualität, die Grundthematik des Menschen ist auch hier angesprochen, es liegt an der richtigen Einstimmung, die das Schlichte als das Fundamentale zu erleben gestattet. Ist doch auch im höchsten ,Mysterium' des Christentums die vom Priester vollzogene Handlung ganz ähnlich, wie sie denn weit in klein30
31
Theophrast bei Porph. abst. 2, 6 (W. Pötscher, Theophrastos nEPI EY2:EBEIA2: [1964J p.148) Ta !JEV TT)S epycxO'lcxs öPycxvcx 6e{cxv Tois ß{OIS ElTlKOVp{CXV TrCXPCXO')(OVTCX KPV\jJcxvTeS eis CmOppT)TOV ws tepois cxvToiS Cxm;VTwv. Dazu Theophrast nepl evpT)!J(lTWV Schol. A Il. 1, 449, "-' Schol. Od. 3, 441, Eust. 132, 25, Suda 0907. Die Bedeutung des Theophrastzeugnisses wurde erkannt von Delatte (1955) 5-8, er verwies auch auf Diod. 5, 5, 2 (Demeter erfand die KcxTepycxO'{cx des Getreides) und vor allem Plin. n. h. 7, 191 (Erfindung des molere et conticere in Attica). Man fand Mahlsteine und Mörser in neolithischen Gräbern, Müller-Karpe II (1968) 245; 349. - Eine japanische Schamanin muß bei der Initiation bis zur Bewußtlosigkeit Reiskuchen schlagen. M. Eder, Paideuma 6 (1958) 373-4. - Mörser im kannibalischen TEAelov TrCxO'Xcx von Gnostikern: Epiphanios Pan. 26, 5, 5. - Die Ssabier klagen beim Tammuz-Fest um den Gott, der in der Mühle zermahlen wurde, D. Chwolson, Die Ssabier und der Ssabismus II (1856) 27. Hy. Dem. 206-11; orphische Version Clem. Protr.2, 20-1 = OF 52; mit Verwandlung des Spötters in eine Eidechse (Askalabos) Nikandros bei Ant. Lib. 24 und Ther. 484-7 m. Schol. 484; Ov. met. 5, 446-61. Delatte (1955) 30-5.
302
V. Die Mysterien von Eleusis
asiatisch-hethitische Rituale zurückzuverfolgen ist: das Brechen des Brotes32 • Eine merkwürdie Parallele zur eleusinischen Myesis liefert ein römischer Initiationsbrauch: die feierlichste Form der Eheschließung, die Confarreatio. Sie geschah ja eben "durch eine Art Opfer, das Iuppiter Farreus dargebracht wird, wobei ein Spelt-Brot verwendet wird 33. Als Opfertier wurde ein Schaf geschlachtet, und man pflegte "zwei Sitze aufzustellen, verbunden durch das Fell des Schafes, das Opfertier gewesen war, und dort ließ man die Hochzeitsleute, flamen und flaminica, mit verhülltem Haupt bei der confarreatio Platz nehmen. 34 Auch hier das verhüllte Sitzen auf dem Schaffell, und es folgt die gemeinsame Handlung am Brot, das aus der ältesten neolithischen Getreidenahrung zubereitet ist; es wird gebrochen, gemeinsam gegessen. So begründet das gemeinsame Opfer den Bund fürs Leben. Die Übereinstimmung mit Eleusis wird noch vollständiger, wenn wir Varros Bemerkungen über das Schweineopfer dazunehmen: "Die alten Könige und Adligen in Etrurien pflegten als Einleitung der Hochzeit, Braut und Bräutigam, zur Schließung der Ehe zuerst ein Schwein zu opfern; auch die alten Latiner und die Griechen in Italien scheinen es so gehalten zu haben Cl35 • Einleitendes Schweineopfer, Sitzen auf dem Schaffell und gemeinsamer Genuß der Getreidenahrung, diese Folge hat Eheschließung und Mysterienweihe gemeinsam; Varro versäumt nicht, auf die ,initia Cereris' zu verweisen. Eine polare Be.,. ziehung zwischen Demeter und Hera, Verwandlung und Bewahrung des gesellschaftlichen Status und Standes, ist auch in Griechenland bezeugt36 • Die Begründung der Gemeinschaft durch Opfer hat in ihrer neolithischen Transposition verschiedene eindringliche Formen gefunden; Ehebund und Mysteriengemeinschaft sind zwei verwandte Ergebnisse des Rituals, das den einzelnen in ein neues, überindividuelles Dasein erhebt. CI
CI
32 33
34 35 36
O. Kap. I 6 Anm. 42. Gaius 1, 112; KOlvwv{a TOU <pappos Dion. HaI. ant. 2, 26, 2/3, K01Vü>VOUS Tils iepWTCxTflS Te Kal1TpcbTflS Tpo
4. Die Opferhandlung im Telesterion
303
4. Die Opferhandlung im Telesterion Ziel der Weihe ist der Weg nach Eleusis, die ,Schau' dessen, was im großen Weihesaal in der heiligen Nacht geschieht. Wie mit diesem Massengottesdienst die individuelle Myesis und Vorbereitung, zu der auch eine schlichte Belehrung in mythischer oder halbphilosophischallegorischer Form gehörte!, sich zusammenordnete, ist schwer zu sagen. Schweineopfer und Thronosis gehören zur individuellen ,Reinigung' und gingen dem Mysterizug demnach wohl voran; wenn das Synthema dagegen die vollzogene Weihe garantieren soll, muß das Hantieren mit Korb und ,Kiste' an den Abschluß des Festes gehören. Keine Nachricht existiert darüber, wann der Kykeon getrunken wurde 2, was wohl darauf deutet, daß dies zum geheimen Zentralteil des Festes gehörte. Komplizierter noch wird die Rekonstruktion durch das N ebeneinander von Mysten und Epopten. Allerdings ist zu betonen, daß der eigentlich entscheidende Schritt im Leben eines Menschen die einmalige Myesis ist; dem Mysten gelten alle Verheißungen. Die Epoptie wiederholt, erneuert und vertieft, was in der Myesis grundgelegt ist. Wenn von der seligen ,Schau' die Rede ist, so hat auch schon der Myste daran Teil gehabt 3 ; der Epopte sieht vielleicht mehr, vor allem: er sieht anders, eben als ,Zuschauer' mit weitem, gelassenem Blick, während der ,Myste' zu ,leiden' hat, passiv betroffen ist von den Vorgängen. Wie das Nebeneinander von Myesis und Epoptie organisatorisch bewältigt war, ist nicht überliefert. Denkbar ist entweder, daß die Mysten vor einem zweiten Akt des Gottesdienstes das Telesterion zu verlassen hatten: ite, missa est - aber das Hinausgeschickt1
2
3
'Tfjs 'Tei\e'Tfjs 1Tcxp6:S00"tS Theon p. 14, 26 Hiller; StSCXK'TtKoV - 'Tei\eO"'TtKoV Arist. ITepl
304
V. Die Mysterien von Eleusis
Werden macht die Unvollkommenheit allzu empfindlich bewußt; ein eleusinischer Myste war kein Katechumene mehr. Dann scheint nur eine andere Möglichkeit zu bleiben: die Mysten hatten während einer bestimmten zentralen Zeremonie sich zu verhüllen und so mit sich geschehen zu lassen, was von den Priestern ,getan wurde', während die Epopten zum ersten Mal den freien Blick auf die heiligen Vorgänge hatten. Den Mysten begleitete sein ,Pate', der Mystagoge, bis ins Telesterion4 ; er konnte ihm das rechte Verhalten weisen. Nicht zu wenig, sondern fast zu viele Hinweise gibt es auf das, was in Eleusis geschah; was fehlt, ist Verbindung und innerer Zusammenhang der Einzelheiten. Denn jeder Ritus hat seine Funktion und seinen Sinn doch nur im Gesamtzusammenhang des Festes. Eine wesentliche Hilfe zum Verständnis bietet der Mythos: Demeter kommt nach Eleusis auf der Suche nach ihrer Tochter; der Myste, der vollzieht, was die Göttin damals tat, folgt ihrer Spur. Der Aufbruch aus dem Alltag, der große Zug nach Eleusis entspricht dem ,Suchen' nach Kore; ihm antwortet ein Finden: In Eleusis hat Demeter ihre Tochter wiedergefunden5 • "Mit angezündeten Fackeln wird in der Nacht Proserpina gesucht: wenn sie gefunden ist, wird die ganze Feier mit Jubel und Fackelschwingen beendet"6. Ängstliches Irren wandelt sich durch Todesschrecken zur seligen Freude. Sicher ist auch, daß diese Wandlung mit dem Umschlag von Nacht in Licht zusammenging. "Unter einem gewaltigen Feuer"7 vollendete der Hierophant die Weihen im Telesterion. Hierbei muß jener unverrückbare kleine Raum nicht ganz im Zentrum des Saales seine Rolle gespielt haben, den die genaueren Schriftsteller ,Anaktoron' nennen, 4 5
6
7
LSS 15, bes. 40-1. Llft~TlTEP ... CXUTo6t TfJV KOPTlV EVPES Aristid. or. 22, 11 Keil (1 422 Dind.) vgl. 22, 4 (1 417 Dind.); Himer. or. 6, 5 Colonna; Tzetz .. in Hes. Erg. 32; Orph. hy. 18, 14: Pluton brachte Kore \/1T' 'AT6i60S cxnpov. Lact. inst. epit. 18 (23), 7 facibus accensis per noctem Proserpina inquiritur, et ea inventa ritus omnis gratulatione ac taedarum iactatione tinitur. Kürzer Lact. inst. 1, 21, 24. Vgl. Varro bei Aug. civ. 7, 20. Fulgent. myth. 1, 11. VVKTOS ev 'EAEverivt \/1T0 TIOAA4'> TIvpi Ta ~EyexACX Kcxi CXPPTlTCX ~verTftplcx Hippol. Ref. 5, 8, 40; O"KOTOVS TE Kcxi epc.uTOS eVCXAAa~ CXUT4'> epCXlVo~evc.uv Dion. or. 12, 33; crV B'& TIVPOS SeerTIotvcx Llft~TlTPOS KOPTl Eur. Phaethon (Fr. 781 TGF = Suppl. Euripideum [1913] p. 77) 59 vgl. TIVPepopOVS 6EexS Eur. Phoin. 687 m. Schol. 683; TIÜP TO ~VerTtKoV Himer. or. 60, 4; 8, 8: ou TICXTPOS ~VO"TcxYCUYOÜVTOS ... OU TO Sq:Souxcuv TIÜP ßAETIEt; 29, 1: 6 TOÜ TIVPOS TOÜ KCXT' 'EAEverivcx TIo60s. - 6 S 'enoS YEVO~EVOS Kcxi ~eycx epWS i6cbv, oIov avcxKTopc.uV avotyo~evc.uv Plut. prof. virt. 10, 81de. Clern. Protr. 2, 22, 1: ä~tcx ~ev ovv VUKTOS Ta TEi\eer~cxTcx Kcxi TIVPOS.
4,. Die Opferhandlung im Telesterion
305
während in ungenauem Sprachgebrauch auch das ganze Telesterion Anaktoron heißt8 • An der Seite war ein Eingang, daneben stand der Thron des Hierophanten. Nur dieser durfte den Innenraum betreten9 • Ihn sahen dann die Mysten "aus dem Anaktoron hervor erscheinen in den strahlenden Mysteriennächten Hlo • Ein "großes Licht" wurde sichtbar, "wenn das Anaktoron geöffnet wurde"ll. Hier brannte also das große Feuer; das Dach hatte darüber eine Öffnung zum Rauchabzug12 • Andernorts sprach man, mit einem anderen alten Wort für ,Palast', von dem Megaron der Demeter, und auch da handelte es sich in erster Linie um eine große Feuerstelle. In Lykosura ist ein solches ,Megaron' unter freiem Himmel gefunden13 ; in Eleusis sind Zum Baubefund Mylonas (1961) 69; 83-8; 111; 120-1 nach J. N. Travlos Ephem. 1950/1. 1-16; vgl. Kerenyi (1967) 86-7; O. Rubensohn, Das Weihehaus von Eleusis und sein Allerheiligstes, J dI (1955) 1-49; L. Deubner, Zum Weihehaus der eleusinischen Mysterien (Abh. Berlin 1945/6, 2) verfocht die These, daß aVO:KTopOV das ganze TEAEO"T1]PI0V (dieses Wort Plut. Perikl. 13; I.lVO"TIKOS O"'l'JKOS Strabo 9 p. 395; olKOS Aristid. or. 22, 9 Keil) bezeichne (vgl. schon [1932J 88-90 mit Berufung auf Noack, dessen Ergebnisse durch Travlos-Mylonas überholt sind). 'AVO:KTOPOV bezeichnet den Weihes aal, wenn von der Weihe ,innerhalb des Anaktoron' die Rede ist, Iul. or. 7, 239a; Sopatros p. 114, 24; 121, 24; 123, 24; Themist. or. 5, 71a; aber Deubners Interpretation scheitert an Plut. Prof. virt. 81e EVTOS YEVOI.lEVOS Kcxll.lSyCX
20
B~kert,
Homo Necans
306
V. Die Mysterien von Eleusis
Brandspuren auf der Terrasse die ältesten Zeugnisse des Kultes14 ; auch hier konnte die Feier sich zunächst im Freien abspielen, wenn auch sicher, wie in Lykosura, von der Außenwelt durch Mauern abgeschirmt. Von Lykosura wissen wir zudem, was für den griechischen Kult selbstverständlich ist und nur für Eleusis nicht erwähnt und darum kaum bedacht wird15 : daß ein großes Feuer im Götterfest nicht für sich selbst brennt, sondern um seiner Läuterungs-, seiner Vernichtungskraft wegen. Gaben für die Götter, Opferreste, Leichen werden im Feuer ,gereinigt' und beseitigt. Auch die Feuerstelle im eleusinischen Telesterion muß Zentrum eines Opferrituals gewesen sein; wenn die Quellen darüber schweigen, dann darum, weil es eine exPPllTOS 6vO'lcx war. Diese Hypothese stellt den eleusinischen Gottesdienst in den Gesamtzusammenhang griechischer Kulte hinein und gibt damit einen weiteren Leitfaden an die Hand, den Rhythmus des nächtlichen Geschehens zu erfassen. Dem Weg der zürnenden Demeter folgt der große Zug, der am 19. Boedromion die über 30 km lange Strecke von Athen nach Eleusis zurücklegt16 ; die Begeisterung des gemeinsamen Unternehmens ist auch hier von Aggression getragen. Abzeichen des Mysten, auf den Denkmälern immer wieder dargestellt, ist ein Zweigbündel, vielleicht ß6:KXos genannt17 ; immer wieder findet man das Tragen und Schwin14 15
16
17
Mylonas (1961) 57-8; Kerenyi (1967) 93. Doch hat Kerenyi das Feuer von Eleusis mit dem Verbrennen der Toten auf dem Scheiterhaufen assoziiert und auf die Selbstverbrennung des Brahmanen Zarmanochegas in Eleusis hingewiesen (Strabo 15 p. 720; Cass. Dio 54, 9, 10): (1962) 102-3 f"'
4. Die Opferhandlung im Telesterion
307
gen von Zweigen bei den Götterfesten, was doch im Grund die primitivste, geradezu vormenschliche Art der Bewaffnung ist: der vom Baum gebrochene Ast steigert die Kraft des Armes und mehr noch den Eindruck einer Drohgebärde, verleiht einen überlegenen Status18 • Die Aggression richtet sich auch gegen die Novizen, die von den längst Geweihten erschreckt und gehänselt werden. Bei der Brücke über den Kephisos in Athen ist der Platz für groben Spott; von einer Hure ist die Rede, die auf der Brücke stand, Aristophanes parodiert dies anscheinend in den ,Wespent,' indem er den betrunkenen Philokleon eine kaum verhüllte Hetäre mit zwei Fackeln aufstellen läßt, um Späße wie "vor den Mysterien" damit zu treiben19 • Man hat damit oft den Zug des Mythos verbunden, daß Baubo die trauernde Demeter durch obszöne Entblößung zum Lachen brachte20 • Vielleicht aber ist auch hier mit mehrfachen Bezügen des Mythos zu rechnen; die Späße an jener ersten Brücke (yecpvplO"lJoi) sind noch keine Befreiung, eher ein konträrer Gegensatz, von dem man sich losreißen muß, um über den Berg in die Ebene von Eleusis zu gelangen. "ICXK)(' eIl "ICXKXe21, dieser rhythmische Ruf vereinigt die Schar der Jungen und Alten, Sklaven und Freien, Athener und Fremden; Priesterinnen ziehen mit, ,das Heiliget in verschlossenen l<1
(1962) T. 20/1. 20*
308
V. Die Mysterien von Eleusis
seitig steigert; in klassischer Zeit galt Iakchos dann als göttliche oder dämonische Person, die sehr oft mit Dionysos identifiziert wird23 ; später führte man offenbar auch eine Iakchos-Statue mit 24 • Bis der Zug nach Eleusis gelangt, neigt die Sonne sich zum Untergang. Fackeln flammen auf. ,Mit Iakchos t zieht man ein ins Heiligtum26 • Was dort im einzelnen noch vor sich ging, am Brunnen, am Tor, an der Pluton-Grotte, wissen wir nicht; die ,Irrfahrten t, von denen gesprochen wird26 , lassen an ein längeres Hin und Her des Weges denken. Schließlich aber war das Ziel erreicht: das ,mystenempfangende Haust tat sich auf 27 , das Telesterion. Im Gedränge mußten die Fackeln gelöscht werden; Dunkel umfing die vieltausendköpfige Menge, ab und zu erhellt von ein paar kleinen Flämmchen, vor denen die Priester - Hierophant, Daduchos, Demeterpriesterin - nun agierten. Ein 23 TfjS ßTtIlT)TPOS Scdllovcx Strabo 10 p. 468; Sohn der Persephone Schol. Aristoph. Ran. 324; der Demeter oder des Dionysos Schol. Aristid. p. 648, 15; 21-3 Dindorf; Iakchos = Dionysos: Soph. Ant. 1119; 1151; Fr. 959 Pearson; Eur. Ion 1075-86; Bacch. 725; Philodamos 27-36, p. 166 Powell; Schol. Aristoph. Ran. 343; 395; 399; 404; darum wohl das Hervortreten des Dionysos in Eleusis im 4. Jh. (dazu Metzger [1951J 248-57; [1965J 21; 53; G. Mylonas Ephem. 1960, 68-118; G. Daux BCH 88 [1964J 433; ß1ovuenov IG II/IIP 1672, 67; Weihung 4604). 24 Es gibt einen ·ICXKXCXYc.uyoS, IG II/IIP 1092 B 31, Theatersessel IG II/IIP 5044, Poll. 1, 35; TOV 'I6:KXov \J1ToSoXTt IG II/IIP 847, 21 vgl. 1672, 8. Eine Statue des Iakchos von Praxiteles erwähnt Paus. 1, 2, 4. Man hat die im eleusinischen Bilderkreis typische Gestalt des Jünglings mit den zwei Fackeln und den Jagdstiefeln als Iakchos angesprochen (Pringsheim [1905 J 67-8; 78-89; Metzger [1951J 257-8; [1965] 52; Mylonas [1961J 211 U. a. m.). Die Beischrift auf dem fragmentierten Stamnos des MeidiasMalers Boston 03.842 = ARV2 1315, 2 zeigt, daß es sich vielmehr um [EYMOI\JnO~, d. h. den mythischen Hierophanten handelt; wenn zwei solche Gestalten dargestellt sind, wie auf dem Glockenkrater BM F 68 = ARV2 1446, 1 (Kerenyi [1962] T.2, ,Pourtales-Vase'), muß es sich um Eumolpos und Eubuleus (vereint mit Eumolpos in der orphischen Fassung, Clem. Protr. 2,20,2, Ahnherr der Keryken = Daduchen) handeln. Vgl. FR II 56; E. Simon AK 9 (1966) 89-90; Bestätigung brachte das Weihrelief eines Hierophanten in der gleichen Tracht, AJA 64 (1960) 268, T. 73. 25 SV • EAEVO'i V1 TC;> 'I6:KX ~ O'VVE10'EACXUVE1 V L S S 15, 42. 26 Plut. Fr. 178 Sandbach : TIA6:VCX1 TO: TIp6:ncx KCXt TIEP1Spollcxt KOTIWSE1S Kcxt S10: O'KOTOVS T1VES VTIOTIT01 TIopEicx1 Kcxt eheAEO'To1; vgl. Plat. Phaid. 108a: der Weg in den Hades e01KE O'X{O'E1S TE KCXt TP10S0VS TIOAAO:S eXE1V' aTIO TWV 6V0'1WV TE KCXt VOIlIIlOOV TWV sV66:SE TEKIlCX1POllEVOS Myoo. Zum labyrinthischen Weg ins Jenseits F. Layard, Totenfahrt auf Malekula, Eranos-Jb. 4 (1937) 242-91; D. C. Fox, Labyrinth und Totenreich, Paideuma 1 (1940) 381-94; K. Kerenyi, Labyrinthstudien (1950 2). 27 IlVO'TOSOKOS TE SOIlOS avcxSE1KVVTCX1 Aristoph. Nub. 302.
-.""".' -~ ..
4. Die Opferhandlung im Telesterion
309
Weg in die Unterwelt, an den einige literarische Zeugnisse denken lassen28 , ließ sich im wörtlichen Sinn in Eleusis nicht bewerkstelligen; doch mochte man die Finsternis in dem geschlossenen Raum wohl als Hadesnähe erleben. Doch Schrecken ging erst recht aus von dem, was da getan wurde: Demeters Zorn verlangt ein Opfer. Der Mythos erzählt, wie Demeter den eleusinischen Königssohn nahm - Demophon nennt ihn der Hymnos, Triptolemos die spätere Überlieferung29 - und ihn ins Feuer des Herdes legte. Zur Unsterblichkeit läutern wollte sie ihn, sagt der Mythos, und die Religionswissenschaft kann viel Material für solchen Glauben an Feuermagie beibringen30 ; der Wirklichkeitssinn der Mutter des Knaben indes erkennt ganz richtig: dieser Weg führt in den Tod; ihr ,Unverstand" den die Göttin tad~lt, besteht darin, daß sie diesen Weg scheut. Daß dem Mythos etwas in der Mysterienfeier entsprach, dafür spricht die besondere Rolle eines Kindes, normalerweise eines Knaben in Eleusis: inmitten der übrigen, erwachsenen Mysten wird jeweils ein Kind zur Weihe ausgewählt, es heißt dann ,der von Herd her geweihte Knabe31 • Die Wahl dazu war eine Auszeichnung, die stolzen Eltern lt
28 Luk. Katapl. 22, vgl. Foucart (1914) 401. Doch bezieht sich Lukian nur auf die totale Finsternis, aus der ein schreckerregender Daduchos - hier Teisiphone - erscheint. 29 Hy. Dem. 226-91- Ov. fast. 4, 529-60 nach Kallimachos; Hyg. astr. 2, 14; vgl. Soph. Fr. 604 Pearson; Hyg. fab.147. Vielleicht hat Sophokles im ,Triptol~mos' (468 v. Chr.) Demeter als seine Amme eingeführt; etwa um diese Zeit wandelt sich in der Ikonographie Triptolemos vom bärtigen zum ephebenhaften Typ. Zusammenstellung von 122 Triptolemos-Vasen: Recueil Charles Dugas (1960) 132-9. Das Eleusinische Relief mit der sog. ,Taufe' (z. B. Deubner [1932] T. 6, 3; Nilsson [1955] T. 45, 2; Kerenyi [1962] T. 13), das links abgebrochen ist, stellt nach Pringsheim (1905) 21 Triptolemos als Mysten zwischen den ,Beiden Göttinnen' dar, nach E. Simon AM 69/70 (1954/5) 45-8 aber einen Knaben als Opferdiener an der Spitze eines Zugs von Adoranten zur Göttin. 30 J. G. Frazer, Apollodorus II (1921) 311-7, vgl. M. Delcourt, Pyrrhos et Pyrrha, Recherches sur les valeurs du feu dans les legendes helleniques (1965). 31 IG 12 6 = LSS 3, 108; Isaios Fr.84 Baiter-Sauppe = Harpokr. a
310
V. Die Mysterien von Eleusis
stellten häufig Statuen der so geehrten Kinder im Heiligtum auf. Der ,Herd', ,von dem her' das Kind geweiht wird, ist wahrscheinlich der Staatsherd der Prytanen am Marktplatz 32 ; daß das Kind die Gemeinde repräsentiert, wird dadurch demonstriert, und die Entsprechung zum mythischen Demophon, der das, Volk' im Namen führt, erst recht nahegelegt. Das Kind muß gen au aufmerken, was man ihm sagt, es hat "an Stelle aller derer, die geweiht werden, die Götter zu versöhnen"33. Ein leider sehr zerstörtes Relief zeigt neben der thronenden Demeter zwei Gestalten, die Fackeln ganz nahe an ein zwischen ihnen kauerndes Kind halten34. Das mythische Bild von Demophon-Triptolemos im Feuer ist hier überlagert von einem Fackelritus, der an die Darstellung der Herakles-Initiation erinnert. So wird realiter ein Kind ,im Feuer geweiht'. Ungefährlich ist das nicht. Vielleicht gehört daher zum Ritus, was Kallimachos-Ovid Demeter am Triptolemoskind vollziehen lassen: sie schläfert es mit Mohnsaft ein35 . Man konnte das beruhigende Opiat verwenden, den Kindern die Angst zu nehmen. Mohnkapseln gehören auch in Eleusis zu den Abzeichen der Demeter 36 . 32 Foucart (1914) 279. 33 Porph. abst. 4, 5 cXn. 1TCxncuv 'TOOV IlvovllEVWV cX1ToIlEIAfcro-eTCXl 'TO 6Eiov, cXKPIßOOS 5poov 'Ta 1TPOO"'TE'TCXYIlEVCX. V gl. I G II/IIP 4077: Kinder oi 'TO 1TPO Ilvcr'TOOV aAAcuv sv 'TEAETCXiS crTEIlllcx KOllcxlcrl 6EcrCXV. 34 Sammlung Este, 'Wien 1095; O. Walter Österr. Jahresh. 30 (1936/7) 50-70; Nilsson Opuscula II (1952) 624-7; (1955) T. 44, 2 "Feuerreinigung des Demophon" ; Metzger (1965) 38. Ein ,Feuerzauber' läßt sich mit erwärmtem Wein und Fackel durchführen, Hippol. Ref.4, 31, O. E. v. Lippmann, Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik (1923) 60-6; vorausgesetzt Eur. Bacch.757-8; das eleusinische Weint abu (hy. Dem. 206-8) könnte einer geheimen Verwendung des Weins entsprechen. 350v. Fast. 4, 547-8. Merkwürdig ist auf der Relieflekythos von Kertsch (Louvre CA 2190; Metzger [1965] T.15; Kerenyi [1962] T.42) der Myste, der unter dem auffliegenden Triptolemos ermattet an einem Felsen lehnt. Er entspricht ikonographisch dem Attis auf der Marmorplatte im Cabinet des Medailles, P. Friedlaender, Studien zur antiken Literatur und Kunst (1969) 527, T. 16. 36 Zweigbündel und Mohnkapseln auf einem Fries vom Eleusinion Kerenyi (1962) T. 1a; Mohnstengel und Ähre auf Münzen von Athen-Eleusis: Svoronos (1924) T. 104, 38-45; Mohnkapseln (? ) auf dem Opfertablett des Priesters auf der Lovatelli-Urne (Kerenyi [1962] T.8). Man deutete den Mohn als TfjS 1TOAVYOV{CXS O"IJIlßOAOV, Porph. De cultu simulacr. fr. 6 Bidez = Euseb. Praep. Ev. 3, 11, 7; Cornut. 28, wußte aber von der besonderen Wirkung des soporiterum papaver (Verg. Aen. 4,486; Ov. fast. 4,531, vgl. 4,661). Auf Sarkophagen hält Nyx oder Hypnos Mohnkapseln
4. Die Opferhandlung im Telesterion
311
So steht, wenngleich sublimiert im Mythos und symbolisiert im Ritual, in d.en Mysterien das Thema des Kindermordes37 da, jenes Thema, das so vielen anderen Opferfesten das Zentrum gibt - Lykaia und Pelops in Olympia, Agrionienriten und Prokne ; die Mutter oder Amme vernichtet den Knaben, um den Mann zu treffen, oder schlechthin im Wahnsinn, dies wird immer wieder erzählt als Erklärung und Gegenstück zu ,unsagbaren' Opfern. So antwortet auch in Eleusis ein zweites Opfer dem ersten, dem Vor-Opfer des Mädchens. So findet der von dort erregte Zorn sein Ziel. Natürlich tritt wiederum ein Tieropfer ein, so daß der Mensch geschont und doch der Ernstcharakter des Ritus gewahrt bleibt. Hier beginnt der Bereich des Ö:PPTlTOV, des Ungesagten; doch eine Vermutung liegt nahe: das Widder fell, auf dem Demeter, auf dem der Myste saß, kann ja nur einer Opferhandlung entstammen3B • Der Einzuweihende ist zunächst mit einem Faktum konfrontiert; spätestens bei der Epoptie aber wurde das Geschehen klar: ein Widder wurde geschlachtet und abgehäutet 39 - wie es der Funktion der ,Keryken' in der Nachfolge des Hermes entspricht -, wurde schließlich verbrannt im ,großen Feuer' im Telesterion. Der Widder als Opfer für Kore ist in anderem Zusammenhang bezeugt, gerade in Eleusis 40 ; daß das über Endymion, C. Robert, Die antiken Sarkophagreliefs III 1 (1897) Nr. 50. 58. 65; 83 = New York 47. 100. 4, BulI. Metr. Mus. 15 (1956) 124. Minoische Göttin mit Mohn: S. Marinatos Ephem. 1937, 287; Kreta und das mykenische Hellas (1959) Abb.130-1. Neolithisches: G. R. Levy, The gates of horn (1948) 105-6 (Menschenopfer eingeschläfert ?). 87 O. Kap. I 8 Anm. 4. Im Ägyptischen entspricht der Mythos vom brennenden Horosknaben, wobei die Nilflut das Feuer löscht; vgl. L. Koenen Chronique d'Egypte 37 (1962) 167-74; zur Gleichsetzung Isis-Demeter Plut. Is. 357bc. 38 So auch Kerenyi (1962) 69-70.-. (1967) 60, vgI. o. Kap. V 3 Anm. 16. 39 Über den Daduchen und ÄIOS KC?>8tov Paus. Att. 8 18 Erbse (0. Kap. III 1 Anm. 38). Es ist zu erwägen, ob nicht Xenokrates Fr. 99 Heinze = Plut. De es. carn. 996a •A6T\vaiol 'T4) ~ooVTa 'TOV KptoV EK8eipaVTl 81KT\v ETTS6T\Kav einen Ritus meint (als Anekdote ausgeschmückt von Helladios, Phot. BibI. 534b 38), da das Motiv auch im Aiasmythos vorkommt; vgl. auch zu Marsyas o. Kap. II 5 Anrn. 45. 40 Epistatenabrechnung IG IIjIII2 1673, 62 'ToiS 8T\1.l00"101S ... 1Tp06ul.la'Ta 806sVTa eIs I.lUT\O"lV olS ... ÄTJI.lT\'TPl olS ... KOPT\l KpIOS. An den Eleusinia: Nikornachos-Kalender LSS 10, 63
312
V. Die Mysterien von Eleusis
Widderopfer die Verbindung mit der Welt der Toten herstellt, ist seit der Odyssee bekannt. Verzierungen an den Ecken des ersten Telesterion waren Widderköpfe41 . Der Ungeweihte mochte sich keine Gedanken machen, warum da Widder und nicht etwa Löwen herabblickten; der Geweihte wußte Bescheid. Clemens erzählt für klein asiatische Demetermysterien einen Mythos42, der rituelle Einzelheiten durchscheinen läßt: Demeter zürnt Zeus, der sie vergewaltigt hat - ebenso zürnt, aus gleichem Grund, die arkadische Demeter dem Poseidon43 - ; die Folge sind ,Flehezeremonien' mit den den Griechen· wohlbekannten wollumwundenen Zweigen, ,ein Trank von Galle', ,Herzherausreißen' und ,unsagbare Manipulationen'. Erst agiert offenbar ein Priester mit Flehegebärden und bitterem Trank, dann wird ein Opfertier getötet, sein Herz herausgerissen; dann folgt das ,Unsagbare', das Clemens durchaus verdeutlich: "Zeus riß einem Widder die Hoden ab, brachte sie und warf sie Demeter mitten in den Gewandbausch, falsche Buße leistend für die Vergewaltigung, als habe er sich selbst kastriert"44. Daß der Mythos in die Göttersphäre hebt, was an einem Opfertier geschieht, ist klar. Verschuldung und Sühne wird dabei gleich in doppelter Weise durchgespielt: mit sexueller Verfehlung wird die Aggression als Strafe motiviert, indem die Genitalien aber in den Schoß der Göttin fallen, schlägt die Vernichtung um in eine ,Heilige Hochzeit'. Nichts zwingt, das gleiche für Eleusis anzunehmen; aber Meterund Demetermysterien sind verwandt, und für Einzelheiten gibt es eleusinische Parallelen, über das Widderopfer hinaus. Da ist der Zweig des Schutzflehenden, der am Mysterientag in Eleusis gerade 41 42
43
44
Mylonas (1961) fig. 21, p. 80. Protr. 2, 15, 1-2. Clemens bringt (15, 1-17, 1) eine fortlaufende Erzählung des Demeter-Kore-Mythos, dazwischen sind jeweils Hinweise auf die Kulte eingeschaltet: 'TCXUTCX (TCXIJTCx Mondesert) 01 C1>pvYES TE~dO"KOUO"lV NATTIOI Kcxt KUßSA1J KCXt KOPVßCXO"lV 15, 1; 'TCx O"vllßOACX TfjS IlU"O"Ec.oS 'TCXVTllS 15, 3; ~cxßcx~ic.ov youv lluO"Tllpic.ov crVllßOAOV 16, 2; 'TCXVTllV 'TT]V llueoAoyiav ... eopTCx~oUO"lV 17, 1. Erst 20-1 bezieht sich ausdrücklich auf Eleusis. Arnob. 5, 20-1 folgt Clemens, gibt aber zusätzliche Einzelheiten, z. B. die Stierverwandlung des Zeus. Auch er spricht von ,mysteria, quibus Phrygia initiatur atque
omnis gens Ilia'. Paus. 8, 25, 5-7, Schol. Lyk. 153 (Demeter Erinys, Thelpusa), vgl. Kallim. Fr. 652; Paus. 8, 42, 1 (Phigalia). Protr. 2, 15, 2 (Arnob. 5, 20). Auf eine Parallelversion spielt deutlich Pausanias an, 2, 3, 4: TOV oe sv TEAE'Tfj MllTpoS STIt cEpllfj AEyollEVOV Kat 'T4' KplC;> AOYOV S1TlO"TCxIlEVOS OU Myoo (Lob eck [1829] 151); vgl. auch Hdt. 2, 42. Zum ,Herzherausreißen' o. Kap. I 1 Anm. 22.
4. Die Opferhandlung im Telesterion
313
den Tod bringt45 • Der Hierophant wird, nach der Behauptung nicht nur des Naasseners, durch Schierling zum Eunuchen46 • Von einer ,Heiligen Hochzeit' spricht dagegen ein umstrittener Passus beim Bischof Asterios: es gebe in Eleusis "die ehrwürdigen Begegnungen des Hierophanten mit der Priesterin, er allein mit ihr allein; werden nicht die Fackeln gelöscht, und die große, unzählige Menge glaubt, ihr Heil liege in dem, was die beiden im Dunkel tun? "47 Viel früher zielt auf die sexuellen Assoziationen um die eleusinischen Priestertümer der böse Hieb des Andokides gegen den Daduchen Kallias, dieser habe seine eigene Stieftochter verführt und sei so wahrhaft "Priester von Mutter und Tochter" geworden48 • Der Widerspruch zwischen Eunuchentum und Sexualphantasien ist nicht aufzuheben sondern zu verstehen als polare Spannung. Eine ,Heilige Hochzeit' ist eben darum keine gewöhnliche Hochzeit, sondern etwas Unerhörtes, Unmögliches; sie steht im Zusammenhang des Opfers.
45
46
47
48
Andok. 1,113-6, o. Kap. I 5 Anm. 47. Die Tötung des Schutzflehenden an den Mysterien, die der Daduchos fordert, ist offenbar ein heiliges Sakrileg, Typ der apPllTOS 6uaicx. Hippol. ref. 5, 8, 40 eVvouXlaj.\Evos Se SleX Kooveiou; Servo Aen. 6, 661 qui maxima sacra accipiebant ... herbis ... quibusdam emasculabantur. Iulian or. 5, 173cd; Orig. Cels. 7, 48 Koovelcxa6eis Tex apaevcx j.\EPll; Schol. Pers. 5, 145 Sacerdotes Gereris Eleusiniae ... hoc liquoris genere (sc. cicuta) unguebantur, ut a concubitu se abstinerent, vgl. Plin. n. h. 25, 95. Aus Paus. 2, 14, 1 geht hervor, daß der Eleusinische Hierophant nicht heiraten konnte; doch g~b es verheiratete Hierophanten, Isaios 7, 9; Hypereides Fr. 230 Baiter-Sauppe; IG II/III2 3628. Offenbar lag die Ehe vor dem Amtsantritt; vgl. Paus. 7,25, 13. Asterios Horn. 10, Migne PG 40,324. Gegen seine Angabe wird angeführt, daß die von ihm erwähnten ,zwei Tempel' nach Alexandreia gehören (Kerenyi [1962] 109"" [1967] 117) - aber erst im nächsten Satz geht Asterios zu Eleusis über - und daß es dort kein KcxTcxßaalov gab (Mylonas [1961] 314) - aber die Phantasie konnte die Tür zum unbetretbaren Anaktoron als Eingang ins Jenseits ausmalen. Andoc. 1, 124 iepevs WV TfjS j.\llTPOS Kcxi TfjS 6UYCXTPOS; L. Koenen in: Studien zur Textgeschichte und Textkritik (1960) 87. - Ein weiteres Zeugnis für eine Heilige Hochzeit in Eleusis hat man in der Nachahmung durch Alexander von Abonuteichos (Luk. Alex. 38-9) gefunden, Harrison (1922) 550, Deubner (1932) 85, Widerspruch: Mylonas (1961) 315. - Schol. Plat. Gorg. 497c schöpft aus Clemens, o. Kap. V 3 Anm. 7. - Synes. calv. laud. 7 (zur gereiften Ähre): Elfl TOIJTOIS • EAeuais ayel Tex Llilj.\llTpOS aVCXKCXAVTITilplCX setzt die Hochzeit der Demeter voraus. Tert. ad nato 2, 7 cur rapitur sacerdos Gereris, si non tale Geres passa est scheint, was Asterios beschreibt, mit dem Mythos vom ,Raub' der Kore zu assoziieren.
314
V. Die Mysterien von Eleusis
Nur in Umrissen freilich können wir ahnen, was dem ,unsagbaren Opfer' folgt, Grausamkeit, sexueller Ausbruch und Überwindung in einer göttlichen Ordnung; nichts wissen wir über die reale Ausführung. Die heiligen Rituale haben ihre Stabilität gerade durch Symbolisierung, durch Sublimierung des allzu Direkten. Beim Thesmophorienfest der Frauen scheint der intensiv rote Saft des Granatapfels die Stelle des Blutes zu vertreten49 • In Eleusis spielt als Antithese zu den ,Satzungen' der Demeter die Bohne eine merkwürdige Rolle. Wie erfahren von Pausanias freilich nur, "daß die Athener die Erfindung der Bohnen nicht auf Demeter zurückführen können; wer schon eine Weihe in Eleusis geschaut hat oder die sogenannten Werke des Orpheus gelesen hat, weiß was ich sage"50. An Symbolik und Phantasien um die Bohne ist Abstruses aus pythagoreischer Überlieferung erhalten: man assoziiert die Bohne mit Menschenfleisch und Männersamen, mit Frauenschoß und Kinderkopf ; Bohnen essen bedeutet Kannibalismus 51 . Die Bohnen gehören aber auch zur Gegenwelt der Toten. Die Bohnen-Phantasien erinnern an die orphische Schilderung von Baubo, die Demeter ihren Schoß so präsentiert, daß er wie ein Kindergesicht - Iakchos - aussieht 52 . Dies illustrieren Statuetten aus kleinasiatischen Demeterheiligtümern, in denen ein weiblicher Unterleib als Gesicht erscheint, zwischen zwei aufgereckten Fackeln53 . Mit solchem Gestus weiht Demeter ihre Mysten, höhnt Gregor von Die 6eallo
49
4. Die Opferhandlung im Telesterion
315
Nazianz 54 • In Eleusis freilich kamen keine Baubo-Statuetten zutage. Seltsam ist indes der Hinweis, für die Mysten der ,Beiden Göttinnen' sei der kleine Hai (yexi\eoS) unrein, "weil er mit dem Mund gebiert"55. Die Vertauschung von Oral- und Sexualsphäre, die bei den Griechen ,unsagbare Manipulation' im speziellen Sinn heißt, scheint doch auch in Eleusis eine Rolle zu spielen; auch eine Variante des Mythos weist darauf hin 56 . Die Antithese bis zur Perversion ist notwendige Voraussetzung der These, der 6EO"J,lol der Demeter, auch wenn im ,reinen' Ritual symbolische Andeutung genügt, etwa im Zeigen oder Essen einer Bohne. Im Halbdunkel, zuweilen in völligem Dunkel spielte sich das, Unsagbare' ab. Aus dem Unheimlichen aber wuchs die Epiphanie. Ein Höhepunkt der Feier war die Wiederkehr der Kore aus der Unterwelt. "Wenn Kore heraufgerufen wird, schlägt der Hierophant den Bronzegong", hat Apollodor von Athen geschrieben 57 - dies rechnete er offenbar noch nicht zu den geheimen Handlungen - ; und der Ruf blieb nicht unerhört. Walter F. Otto und Karl Kerenyi haben dazu einen rhetorischen Übungstext hadrianischer Zeit gestellt, der HerakIes mit dem Hierophanten streiten läßt: er, Herakles, bedürfe der 54
55
56
57
In Iul. 1, 141, Migne PG 35,653 0: Kai vvv ETl Tei\ei ToiS O'xiJlJaow; dies ist Zusatz Gregors zu seiner Quelle Clemens. Ael. nato an. 9, 65 01 lJuOVlJeVOl Toiv 6eoiv OUK O:V TIcXO'alVTO yai\eov <paO'lV'
OU YO:P aUTOV eIval Ka6apov 0\flOV, STIel T4'> O'TOlJaTl T{KTel. Schol. Aristeid. p. 53, 15 Dind. (Demeter schenkt Getreide) TIpCnov a6EO'IJOOS O'uyyeVOIJEVl1 Kei\ec1>. Luk. Lexiph. 10 ö
316
V. Die Mysterien von Eleusis
Eleusinischen Weihe gar nicht mehr, er sei ja in einzigartiger Weise eingeweiht durch seine Fahrt in die Unterwelt. "Versperre Eleusis und das heilige Feuer, Daduchos; ich habe weit wahrere Weihen erfahren ... Ich habe die Kore gesehen u58 • Walter F. Otto sah hier seinen Grundgedanken bestätigt, daß die Griechen ihre Götter in personenhaft er Weise direkt erfahren konnten; nichts von Manipulationen mit kruden Sexualsymbolen: die Göttin sehen, ist der Höhepunkt der Mysterien. Karl Kerenyi hat dies ins Zentrum seiner Eleusis-Deutung gestellt, hat eine echte Vision, eine gespensterhafte Erscheinung in der Mysteriennacht postuliert; zur Erklärung einer alljährlich sich wiederholenden Mystenvision sah er sich dann freilich doch genötigt zu erwägen, ob das im Kykeon verwendete Gewürz nicht halluzinogen wirke 59 - eine zweifelhafte Anleihe bei der Chemie. Lobeck hatte demgegenüber längst darauf hingewiesen, mit welcher Selbstverständlichkeit in Liedern und Predigten der Christen von der unmittelbaren Gegenwart Gottes im Gottesdienst die Rede ist60 ; und doch ist vordergründig nichts anderes da als Priester und Ministranten, Glocken und Kerzen, Wasser, Brot und Wein. Insofern müßte auch in Eleusis nicht mehr zugegen gewesen sein als Hierophant und Daduchos, die man ,zusammen' sah61, bei Gong und Feuer, hantierend mit ,Kiste' und Ähre, Werkzeugen und Gefäßen. Die individuelle Erlebnisbereitschaft ist variabel, doch wird sie durch Mittel wie Fasten und Durchwachen der Nacht in besonderer Weise gesteigert; der überindividuelle Ritus, kraft menschheitsgeschichtlicher Tradition mit der Seele verwachsen, kann diese so in seinen Rhythmus aufnehmen, daß viele erleben, was man von ihnen erwartet, und die wenigen anderen sich ihrer Isolierung schämen. Realisten haben vermutet, daß ein Götterbild, vielleicht ein besonders altes, primitives und darum heiliges, vorgezeigt wurde; dergleichen kam bei Mysterienfeiern vor62 • Doch als im Jahr 415 v. Chr. 58
Papiri della R. Universita di Milano (1937) Nr. 20 p. 176-7: an6KAel[aov > E]Aevaeiva Kai 70 nüp [70 lepov], 0\XooüXe, ... j.lV0'7TJpla [noAAet' a]A1l6ea7epa j.lej.lV1lj.lal ... 7TjV K6p1lv eloov. W. F. ütto, Eranos- Jb. 1939, 83-112 = Die Gestalt und das Sein (1955) 315-37; Kerenyi Paideuma 7 (1959) 76-7; (1962) 90,......, (1967) 83-4. Kerenyi (1962) 100; (1967) 96. ZU YATJXOOV in: Initiation. Numen Suppl. 10 (1965) 63-4; (1967) 179-80; "Gespenstische Götterephipanie" (1962) 111. Lobeck (1829) 119. Sopatros Rhet. Gr. VIII 114, 24 enel oÖv eiaoo 700V avcxK76poov yeyeV1lj.lal Kai j.lV0'71lS WV iepocp6:v71lV exj.la Kcxi o\XOOüXov 7e6eaj.lal ... Lobeck (1829) 57; auf Mysterien, in denen Götterbilder entblößt wurden,
7TjV
59
60 61
62
4. Die Opferhandlung im Telesterion
317
adlige Klubs in Athen, nicht ganz zu Unrecht, wie es scheint, beschuldigt wurden, "die Mysterien durchgeführt" zu haben in geheimen Zusammenkünften, da kam niemand auf den Gedanken nach einer Statuette als corpus delicti zu fragen 63 . Es bedurfte keiner besonderen Gerätschaften, den Hierophanten zu spielen. Was sichtbar wurde im flackernden Feuerschein, vielleicht nur für einen Augenblick - wie Orpheus, Hierophant auch er, nur einen Blick auf Eurydike, die "weite Herrscherin
318
V. Die Mysterien von Eleusis
einem Mysteriensaal verglichen, in dem die Sonne als Daduchos Licht spendet, die Götter aber seien "mystische Figuren und heilige Rufe"68. Der Verfasser der ,Epinomis' erwartet von der philosophischen Frömmigkeit ein rechtes Verhältnis zu Opfern und Reinigungen, "indem man sich nicht mit Figuren verkünstelt, sondern in Wahrheit die Arete ehrt"69; auch er schreibt, wie Kleanthes, in Athen. Neben den ,Figuren' stehen die heiligen Rufe. Der Naassener allein berichtet, wie der Hierophant "in Eleusis, unter großem Feuer die großen, unsagbaren Mysterien vollziehend, schallend ruft: einen heiligen Knaben hat die Herrin geboren, Brimo den Brimos" - "d. h. die Starke den Starken", fügt er hinzu 70 • Der Name Brimo taucht für Demeter, für Hekate und auch für eine selbständige Göttin auf 71 ; in Eleusis ist er sonst nicht bezeugt, und schwerer noch ist zu sagen, wer der Knabe sei, der da von der Herrin geboren wurde. Es scheint, daß es selbst bei den Geweihten verschiedene Deutungen gab: genannt wird Iakchos-Dionysos, der Sohn der Persephone72 , oder Plutos, der ist der Mit-Mys te als ,Bruder', vgl. Eid der Isismysten PSI 1162, ZPE 1 (1967) 73; zum Vorgang vgl. die Übertragung ins Christliche Clem. Protr. 12, 120, 1: iepo
4. Die Opferhandlung im Telesterion
319
Sohn der Demeter73 • Oder sind die ,Beiden Göttinnen', die auf den Bilddarstellungen offenbar absichtlich einander angeglichen werden bis fast zur Ununterscheidbarkeit, im Grunde identisch ?74 Die Namen sind nicht entscheidend, die mythologischen Systematisierungen sind sekundär. "Ein Kind ist geboren", neben Todesnot und Blut geschieht das Wunder neuen Lebens im Gebären: dies ist die notwendige Ergänzung des Opferrituals, die erst den Kreislauf des Lebens ermöglicht. So steht am Lykaion, in Olympia, am Parnaß die Geburt des Kindes neben der Opfertötung, Frauenleistung neben Männerwerk. Die Große Göttin gebärend darzustellen, war Brauch schon in den Hausheiligtümern von <;atal Hüyük. Meist scheint sie Mutter der Tiere zu sein; doch ein menschliches Kind gebärend erscheint sie, zwischen Leoparden thronend, in einer Statuette, die sich in einem Getreidebehälter fand 75 • Ist sie bereits die Kornmutter ? Die Mexikaner haben die große Göttin dargestellt, wie sie den Maisgott gebiert, in einem frontalen Bild ganz ähnlich den Plastiken von <;atal Hüyük76 • Historischer Zusammenhang oder Konvergenz - das Bild, das zugehörige Denken, Erleben und rituelle Handeln hat hier
73
74
75 76
lTTOAEIlOV Kcxi Kopf\s Kcxi ßT]Ilf\TPOS Kcxi ßI0VUO"OV ev 'Ei\EVO"ivl TEAeTfjs Hippol. ref. 5, 20, 5; Eur. Or. 964
320
V. Die Mysterien von Eleusis
wie dort seine notwendige Funktion im Gleichgewicht menschlichen Lebens .• Plutos'. der ,Reichtum'. ist primär der Ertrag des landwirtschaftlichen Jahres. das Getreide; in ihm kommt den Menschen die Nahrung zu; dies wird im Opferfest in Nachfolge der älteren Jägerfeste dramatisiert. Sichtbar wurde in Eleusis. vom Hierophanten vorgezeigt. im Schweigen die geschnittene Ähre 77 • Man hat kaum ernst genommen. allenfalls gegen die Authentizität der Nachricht ausgespielt. wie der Naassener die Ähre versteht: sie entspreche dem Attis. den seine Mysten die "sprießende. geschnittene Ähre" nannten. Schon Dumuzi. das Opfer der aus der Unterwelt aufsteigenden Innana. wird - was der Gnostiker nicht wußte - als Ähre dargestellt 78 • Als Hesiod den bekannten Mythos von der Entmannung des Uranos erzählt. gebraucht er das Wort .er mähte': Kronos führt die Sichel. wie dies auch MeterDemeter tut79 • Die scheinbar abwegige Phantasie. die das Schneiden der Ähren zum Kastrationsakt macht. ist historisch gesehen eine Transposition des Jägerverhaltens in den Ackerbau. weshalb im Erntefest das Tieropfer mit enthalten ist. Dieses freilich liegt bereits zurück. wenn der Hierophant die Ähre zeigt; sie bezeugt eine erlösende Verwandlung: was im Dunkel Kastration des Widders war. zeigt sich im Feuerglanz als Schneiden des Getreidehalms. Das unheimlich-erre77
Hippol. ref. 6, 8, 39 >A61lvaiol I-\VOÜVTES > Ei\Everivla Kai hnoEIKvuVTES ToiS hrOlTTEUOVerl TO I-\sya Kai 6avI-\aerToV Kai TEi\EloTaTov ElTOlTTlKOV EKEi I-\VO"TijPlOV, EV erlumfj TE6Eplerl-\sVOV erTCxxvv. Mylonas (1961) 276 nimmt Verwechslung von Phrygischem und Eleusinischem an; er verweist darauf, daß Ähren ja oft dargestellt sind. Doch wer wollte das verbieten? Das Geheimnis verbirgt sich im Allbekannten. - Attis Ähre Iul. or. 6, 168d (O:PPllTOV 6spoS); Firm. err. 3, 2; 2, 7.; Porph. p. 10* Bidez = Enseb. Praep. Ev. 3, 11,12. E. D. van Buren, Symbols of the Gods in Mesopotamian Art (1946) 13; Anal. Or. 12 (1936) 327-36; o. Kap. V 3 Anm. 30. Theog. 181. V gl. Ap. Rh. 4, 986-90: Kerkyra hieß Drepane nach dem Sichelmesser der Demeter, die die Titanen mähen lehrte - oder nach der Kastration des Uranos; nach der Kastration des Kronos durch Zeus: Timaios FGrHist 666 F 79. - Klage um Osiris beim Mähen in Ägypten: Diod. 1, 14 (Foucart [1914] 441; 443). Mesomedes, Eis Tf)V "'Ierlv deutet auf die Stadien der Isis-Demeter-Mysterien: Hochzeit unter der Erde (X66VlOs Vl-\sValOS, 11) und Geburt des Kindes (Vll1TlCxXOV yovCx, 14), lTÜP Tsi\EOV O:PPllTOV (16), Ö TE KPOVI0S O:l-\llTOS (17), lTCxVTa 01' ävaKTOpoov "lerlOl XopEuETal (19/20). - Ins Poetisch-allgemeingültige verwandelt ist das Schneiden der Ähre in den Trostworten zum Tod des Kindes in Euripides' Hypsipyle, Fr. 767,6-7 TGF = Fr. 60, 93-;--6 Bond: ävaYKaioos o'eXEl ßiov 6EpiSElV werTE KCxP1TlI-\OV O"Taxvv Kai TOV l-\eV Elval, TOV oe I-\ij. (""oo.J
78
79
4. Die Opferhandlung im Telesterion
321
gende Werkzeug der Zeugung ist verwandelt in die Frucht der Erde, die doch die Kraft des immer fortzeugenden Lebens in sich schließt. In den Mithrasreliefs ist regelmäßig dargestellt, wie der Schwanz des im Opfer zusammenbrechenden Stieres sich in eine Ähre verwandeltso. Die ,gezähmte' Nahrung kommt dem Menschen noch immer aus dem ,unsagbaren Opfer'; und um zur Speise zu dienen, muß die Ähre abermals ins Feuer gelegt werdens::,. Die Wiederkehr der ,Jungfrau', die Geburt des Kindes, die Ähre, dies sind, dreifach gestaffelt, z'eichen der Wiederherstellung und Erneuerung des Lebens. Es wurde Licht inmitten der Nacht, wenn ,das Anaktoron geöffnet wurde' und der Hierophant aus seiner Türe tratS2 , wenn das ,große Feuer' aufloderte. Die Reihenfolge der Akte freilich steht nicht fest, und an Einzelheiten entgeht uns sicher vieles. Möglich, daß erst jetzt das Trinken des Kykeon erfolgte, das Hantieren mit Kalathos und ,Kiste' durch die Mysten. Indem die Gegenstände in die ,Kiste' zurückgelegt werden, schließt sich das Siegel des Geheimnisses über das, was war. Daß das Leben und seine Nahrung aus Schrecken, Todesbegegnung, Vernichtung sich entfalten, dieses Erlebnis schließt die Mysten zusammen, gibt ihrem Leben eine neue Dimension. Seinen Abschluß fand das Nachtfest außerhalb des Telesterion, vielleicht gar außerhalb des Heiligtums: das Erleben drängte aus der Enge in die Weite. Fackelschwingen und jubelnder Tanz der Mysten, im Chorlied von Aristophanes' Fröschen so eindrucksvoll beschworen, gehören auf die ,Wiese's3. Vielleicht schwärmte man bis zum Rhari-
80
81
82
83
21
F. Cumont, Textes et Monuments relatifs aux mysteres de Mithra I (1899) 186-8; L. A. Campbell, Mithraic Iconography and Ideology (1968) 86-7; vgl. auch W. Mannhardt, Mythol. Forschungen (1884) 187-8. Auch dies deutet der Mythos vom Kind im Feuer an: SECX, Jar kann erst nach dem Rösten im Feuer gedroschen werden. Triptolemos ist zugleich Erfinder des Dreschens: Kallim. hy. 6, 20f. (wobei cnTEKo~E für ,Mähen' auf ,Kastrieren' anspielt). CXAOOS TPl1TTOAEJ,lOV Paus. 1, 38, 6. - Rösten des Getreides, Kinder- und Widderopfer verbindet der Mythos von Ino und Phrixos, PR II 42 vgl. Nova fragmenta Euripidea ed. C. Austin (1968) p. 101-2; o. Kap. II 4 Anm. 27. Plut. Prof. in virt. 81 (0. Anm. 8); ,Öffnen' und ,Schließen' des Anaktoron auch Poseidonios FGrHist 87 F 36 § 51 = Ath.213d; Himerios or. 69, 7 Colonna; Themistios or. 20, 235 ab; Synesios Dion 6, 44c. Aristoph. Ran. 340-53; 372-6; Eur. Ion 1074-86 Kcxt bolas aCl'TEpOOTIaS avex6pEVO"EV cxi6"p ... T6TIOl Kcx6cxpot KCXt AElJ,l6:>VES EOE~CXVTO Plut. Fr. 178, 11 Sandbach; Lact. inst. epit. 23, 7, o. Anm. 6. Burkert, Homo Necans
322
V. Die Mysterien von Eleusis
sehen Feld, wo das erste Getreide gesät und geerntet worden war; Hermesianax läßt die Mutter des Eumolpos, als mythisches Vorbild der Demeterpriesterin, "den Mysten gewaltigen Jubelruf vortragen, dahinkeuchend nach dem Brauch über die Rharische Stätte der Orgien"84. Möglich, daß die Gebärden des Hierophanten noch den Tanz anregten, doch mußte man sich jetzt hüten, die Mysterien ,auszutanzen'. Der abnehmende Mond war inzwischen aufgegangen und konnte als himmlische Fackel bis zum Morgengrauen zum Feste leuchten. Auch große Opfer mit reichlicher Fleischmahlzeit haben noch stattgefunden - mit dem normalen Leben ist auch die ,normale' Form des Kultes wieder etabliert. Die Ephebeninschriften sprechen vom Stieropfer in Eleusis ,an den Mysterien'85 - dies war nicht geheim; sicher konnte es erst nach Abschluß der Weihe vollzogen werden; man konnte nicht mit vollem Bauche ,schauen'. Die Epheben zeigen ihre jugendliche Kraft, indem sie den Stier zum Opfer ,hochheben', was fast zu einem Agon, einem Stierkampf sich entwickelt86 . Auch diese Rolle der jungen Generation im Rahmen des alten Brauchs gehört zum Abschluß des Opferfestes. Wer auf besondere Ehren Anspruch hat, erhält bei der Fleischverteilung die gleiche Portion wie die Eumolpiden 87 . Die diesseitigen Freuden lassen sich's nicht genug sein mit Demeters Gabe. Der Ring des Opfers schließt sich zur bekannten Dreiergruppe: Su-ove-taurilia. Der letzte Ritus, bei Tageslicht, ist eine feierliche Libation: 2 Krüge besonderer Form, Plemochoen, werden gefüllt und ausgegossen, der eine gen Osten, der andere gen Westen88: ein weltumfassen der Gestus. Demeters Gabe geht ja über die ganze Welt hin, wie der
84
85
86
8?
88
Hermesianax Fr. 7, 17 Powell über Antiope, Mutter des Eumolpos, 11 -re TIoi\uv I-\UCJT1;tcrtV 'Ei\evcrivos 1TCXPO: TIsSav evacrl-\ov KPVq>{CUV s~eq>6pet i\oyicuv < PexPloV öpyeloova v61-\cp SlaTIOtTIVUovcra (StaTIOtTIVOOlovcra A, SlaTIol-\TIeuovcra Powell) b..rwil-rp\X ... Hesperia 24 (1955) 220-39 = SEG 15 (1958) Nr. 104 (127/6 v. Chr.) 11-2; [f)pav-ro ... -rOUS ß]OVS Sl'eav-r[oov] -roiS Mvcr-rT)PIOlS wcrau[-roos sv 'Ei\evcriVI, vgl. l G 1I/IIP 1006, 10 sv • Ei\evcrivi -r1J evcrl\X; 1008, 9; sßoveu-rT)crav sv -rql [TIepIß6i\c.p]; 1028, 11 sv -rql TIepIß6i\c.p -rov iepov; 1011, 8; 1029, 7; 1030, 7; Hesperia 34 (1965) 255-72 = SEG 22 (1967) Nr. 111, 7. Bukranien auf Vasen inmitten der Eleusinischen Gottheiten, z. B. Deckel Tübingen o. Kap. V 3 Anm. 11; Hydria Athen 1443, Metzger (1965) T. 19, 1. Vgl. Stengel (1910) 105-12. L. Ziehen Hermes 66 (1931) 227-34; rf. Vasenbild Cook l (1914) 505; Artemidor 1, 8. lG lI/llI 2 1231, 9-13, vgl. 1078, 33-6. Ath. 496a. Deubner (1932) 91. Kerenyi (1962) 135 ,....., (1967) 141.
.5. Opfer, Initiation und Todesüberwindung
323
Triptolemos-Mythos erzählt. Vielleicht rief man dabei zum Himmel: "regne!'\ zur Erde: "empfange !((, \Je - Kve89 • Im Kreislauf natürlichen Lebens wirkt weiter, was in seinen Wurzeln in der Mysteriennacht erlebt wurde. Auch das Getreide kommt von den Toten90 • Ohne solche Ergänzung wäre das Leben ohne Ganzheit: die Weihe ist ,Vollendung', 'TeAOS.
5. Todesüberwindung und Todesbegegnung : Initiation und Opfer Das ,Geheimnis' von Eleusis läßt nach wie vor im einzelnen vielen Vermutungen und Hypothesen Raum. Doch seine Dimensionen lassen sich überblicken. Selbst wenn es gelänge, die Feier im Telesterion ohne Rest gleichsam auf einen Tonfilm zu bannen, wäre wohl das ,Dreimal Selig', der Grund der Jenseitshoffnung der Mysten1 noch immer unerklärt. Wie Menschen sich durch Tradition in eine Gemeinschaft hineinprägen lassen, dies ist ein Grundphänomen, das sich leichter nachvollziehen als rational durchleuchten läßt. Uns scheint, es müsse eine besondere Botschaft von Eleusis gegeben haben, eine geheime, aber bestimmte Verkündigung von der Überwindung des Todes. Doch so überraschend dies dem platonisch Beeinflußten erscheinen mag: es ist in Eleusis nie von ,Unsterblichkeit' die Rede, auch nicht von ,Seele' und Seelenwanderung, auch nicht von Vergottung. Römische Kaiser haben sich mit Triptolemos idendifiziert, Gallienus gar mit Demeter selbst 2, doch in der eigentlich 89
90
Kerenyi a. 0.; Hippol. 5,7,34 TC IJEYCX Kcxi O:PPTlTOV 'Ei\euertvloov I-lUO"TTtPIOV' ue Kue. Prokl. Tim. III 176, 28 Diehl EV Tois 'Ei\euO"lvlolS tepois eis I-lEv TCV ovpcxvcv ävcxßi\ElToVTes eß600v ,ue', KcxTcxßi\E\I'cxvTes SE eis Tf}V yfjv TC ,Kue' (gleiche Gesten bei der römischen Devotion bei Macr. Sat. 1, 9, 12) - zu Proklos' Zeit gehören die Mysterien bereits der Vergangenheit an. Brunneninschrift vom Dipylon IG II/IIP 4876 '0 nav' 6 MTtv' xcxipeTe NUVCPCXl Kcxi\cxl' ue Kue \11TEpxue, freilich nicht "open to the public view" (Mylonas [1961]270), sondern im Innern, "invisible" (BCH 20[1896]80). Hippokr. De victu 4, 92.
10. Kap. V 1 Anm. 32/3. Vgl. auch Epiktet 3, 21, 13-16. 2
Ch. Picard, La patere d' Aquileia et l'6leusinisme a Rome aux d6buts de· l'6poque imp6riale, ACl20 (1951) 351-81; Cameo Paris, Cab. M6d. 276: Cook I (1914) 228; Sardonyxgefäß Braunschweig: A. Furtwängler, Antike· Gemmen III (1900) 338-9; GALLIENA AUGUSTA: A. Alföldi Zeitschr. L Numism. 38 (1928) 174--94.
21*
324
V. Die Mysterien von Eleusis
griechischen Zeit scheint in Eleusis die Unterscheidung von unsterblichen Göttern und sterblichen Menschen gewahrt. Eleusis hatte vor Pythagoras3 und Platon seine Form gefunden. Allen Versuchen, einen eleusinischen ,Glauben' zu rekonstruieren, steht die Vielgestaltigkeit der antiken Interpretationen im Wege, die eine echte Vieldeutigkeit dessen, was in Eleusis geschah, widerspiegelt. Man konnte Varr04 dafür zitieren, daß Eleusis ,nur' mit der Erfindung des Getreides zu tun habe; man konnte den Mythos von Demeters Ankunft euhemeristisch verstehen und eine Erinnerung an die historische Wende von der Unkultur zur Kultur im Fest entdecken5 • Philosophisch Gebildete konnten, spiritualisierend, die Lebenskraft, das Pneuma im Getreide als das eigentlich Göttliche erklären6 , das sich in Eleusis offenbare. Platoniker gingen darüber "hinaus, indem sie in Abkehr vom Naturgeschehen das Drama von Geist und Materie, Abstieg und Aufstieg in der Mysterienhandlung fanden - so auch der Naassener bei Hippölytos7 -. Wahrscheinlich hat sich das, was in mündlicher Unterweisung den Mysten erklärt wurde, im Laufe der Zeiten noch weit stärker gewandelt als christliche Theologie oder kirchlicher Religionsunterricht. Es gab kein Dogma in Eleusis. Ja selbst von der vorphilosophischen Formgebung der griechischen Religion, der ,homerischen', gestalthaften Mythologie scheint Eleusis nur obenhin erfaßt zu sein. ,Götter' waren hier am Werk, aber wie diese Götter hießen, in welcher Beziehung sie zueinander standen, blieb unbestimmt und vieldeutig. Eubuleus, Daeira, Iakchos8 - es
3
4
Ii
6
?
:8
Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wird von den Doxographen auf Thales (VS 11 Al, 24; A 22a) oder Pherekydes (VS 7 A 5) zurückgeführt; zu Seelenwanderung und Pythagoreismus W. Burkert, Weisheit und Wissenschaft (1962) 98-112. Aug. civ. 7, 20: multa in mysteriis eius (sc. Cereris) tradi, quae nisi ad frugum inventionem non pertineant. Daneben steht die Deutung Proserpina - Mond, Varro 1. 1. 5, 68 = Ennius, Epicharmus 59 Vahlen2, vg1. Plut. De fac. lun. 942d u. a. m. Varro deutet das Geheimnis um die Mysteriengötter, ut homines eos fuisse taceretur, Aug. civ. 18,5 vg1. 4, 31; Cic. Tusc.l, 29; Epiktet 3, 21, 15; Servo Aen. 4, 58. Kleanthes SVF I Nr. 547 = Plut. Is. 377d vgl. 367c. Hippol. Ref. 5, 8, 41-4, vgl. Sallustios 4, 7-9 zum Attismythos; im Hintergrund steht Plat. Symp. 20ge-212a. Die platonisch-transzendente Deutung der Mysterien verfechten, gegen die Naturdeutung, allgemein Plutarch, De Iside und Iamblich, De mysteriis. Vgl. auch Numenios, o. Kap. V 1 Anm. 22. O. Kap. V 4 Anm.23/4; zu Daeira Nilsson Opuscula II (1951) 545-7;
Q. Opfer, Initiation und Todesüberwindung
325
mag Geheimmythen gegeben haben, doch das Wesentliche lag anscheinend jenseits des Mythos, oder eher diesseits des sprachlichen Ausdrucks wie des philosophierenden Gedankens. Beständig blieb der Ort, die Tradition der priesterlichen Familien, das Ritual als eigentümliche Mitteilung und prägende Erfahrung. Es kreist um die Begegnung mit dem Tode, indem es diesen im Opfer zelebriert. Denn der Tod bleibt ein Faktum auch für den Mysten, er wird nicht wegeskarnotiert. Die Hoffnung liegt darin, daß die Geweihten gerade im Tode ,selig'· sein werden; wie es das Grabepigramm eines kaiserzeitlichen Mysten ebenso schlicht wie einprägsam ausspricht: "daß der Tod kein Übel sei, sondern Heil"9. Überraschend zeigen die Götter der Unterwelt, die schrecklichen, ein freundliches Gesicht. Versöhnung mit dem Tod wirken die Mysterien; darum das ,Selig', in dem die Mysten in der Feier sich diese Gewißheit gegenseitig bestätigen. Die Bindung an das Fest ist ebenso altertümlich wie die korporativ-elitäre Auffassung, die die ,Seligkeit' des Geweihten nur im Kontrast zum Ungeweihten, der ,im Schlamm liegen wird'lO, zu sehen vermag. Ähnlich beschreibt Herodotl l in ironischer Distanzierung den Unsterblichkeitsglauben der Geten, die Zalmoxis überzeugt hat, "daß er und seine Zechgenossen und ihre Nachkommen nicht sterben werden": Stammeszugehörigkeit und Teilnahme am festlichen Essen und Trinken garantieren die Jenseitshoffnungen. Man kann aus primitiven Gesellschaften Beispiele anführen, wie die Initiation, die Pubertätsweihe oder Einführung in den Geheimbund mit dem Status in dieser Welt auch zugleich den Status nach dem Tod bestimmt12 ; sehen sich doch archaisch gebundene Gemeinschaften mit Selbstverständlichkeit inmitten ihrer Toten, die an ihrem Leben bestimmend teilnehmen. Der Eintritt in ein neues Dasein im Initiationsritus
9
Kerenyi (1962) 171, 368 r--J (1967) 213, 160. V gl. auch Kerenyi (1962) 136-51 ("OoJ (1967) 144---69. IG II/III2 3661, 5-6 ou 1l0VOV eivcxl TOV 66:VCXTOV 6VllTOiS OU KCXKOV, aAA' &ycx-
Mv. 10 Plat. Phd. 69c; Resp. 363cd; Diog. Laert. 6, 39; Plut. Fr. 178,17 Sandbach; vgl. o. Kap. V 1 Anm. 32. 11 Hdt. 4, 95. 12 So besonders in den Initiationen, der ,Totenfahrt' auf Malekula (Melanesien), ]. Layard, Stone men of Malekula (1942); Totenfahrt auf Malekula, Eranos]ahrb. 4 (1937) 242-91. Im einzelnen kann die Entwicklung der Initiations-, Königs-, Totenrituale hier nicht nachgezeichnet werden.
326
V. Die Mysterien von Eleusis
wird regelmäßig durch ein ,Leiden' erlangt13, durch eine Todesbegegnung, die umschlägt in Todesüberwindung: im Opfer, in der Tötungshandlung erhebt sich der Lebenswille triumphierend über das andere, das da fallen mußte14• Hernach mag der reale Tod als bloße Wiederholung dessen, was längst vorausgenommen ist, erscheinen. Das Ritual verlagert die Angst in einer Weise, daß die zustande kommende Prägung der Kontinuität der diesseitigen Lebensform zugute kommt. Die vom Initiationsritus ausgehende Interpretation setzt tiefer an als die agrarmagische Deutung, ist doch der neolithische Ackerbau seinerseits von älteren Traditionen geprägt. Für den verwöhnten Städter der Antike war der Weg nach Eleusis eine Regression, zur Göttin des Getreides, zu den vegetabilischen Wuchskräften ; im Kern führt die Regression noch weiter zurück, über den Ackerbau ins JägerOpfer-Ritual. Dabei ist das ,Primitive' keineswegs im Sinn des Unvollkommenen zu nehmen, des Törichten und Verfehlten, eher im Sinn des Fundamentalen. Es sind schlichte Selbstverständlichkeiten, die darin enthalten sind: daß der einzelne nicht lebensfähig ist, daß er auf überindividuelle Sozialisierung angewiesen ist, der er entstammt; daß im Leben der Gemeinschaft der Tod des einzelnen eingeplant ist, weswegen die Begegnung mit dem Tod sich nicht umgehen läßt; triumphierender Rausch des Überlebens kann sich daran ebenso entzünden wie die Bereitschaft zum Untergang. Daß im Prozeß des Lebens das eine an Stelle des anderen tritt, sich nährend, zeugend, sterbend, ist unabänderlich, ist für die Griechen ,göttlich'15; die Götter gnädig zu finden, bleibt allein zu hoffen.
* * * Die Vielfalt der behandelten Riten und Kultstätten, Mythen und N amen mag verwirrend erscheinen; und doch treten mit fast schon monotoner Eindringlichkeit immer wieder die gleichen dynamischen Strukturen hervor. Das Opfer als Todesbegegnung, als Tötungshandlung, die doch den Fortbestand des Lebens und seiner Nahrung verbürgt, ist aus der Existenzform des paläolithischen Jägers herausgewachsen und prägende Mitte des ,heiligen' Rituals geblieben, Bezugspunkt und bewegende Kraft auch in den mythischen Erzäh13
14
16
O. Kap. I I) Anm. 44/5. So lehren die alten Acheruntici libri der Etrusker: certorum animalium sanguine numinibus certis dato divinas animas lieri ... et ab legibus mortalitatis educi (Arnob. 2, 62). Mit Recht zitiert Nilsson (1955) 675-6 Plat. Symp. 207d, 208b.
6. Opfer, Initiation und Todesüberwindung
327
lungen. Diese Mitte gestaltet sich in kannibalischen Phantasien oder gar Praktiken der Werwolfbünde, in dem als Mord verstandenen Stieropfer, aber auch in dem heilig-unheimlichen Trinken des Weins und in den Opfern, die die Mysteriennacht begleiten. Von diesem Gravitationsfeld aus ist auch das Vorspiel und das Nachspiel bestimmt, das zögernde Anfangen und das sorgfältige Abschließen, der vorwegnehmende Verzicht und der freudige, sieghafte Gewinn. Zum Vorspiel, zur Hingabe gehört das Motiv der Mädchentragödie - Kallisto und 10, Philomela und lno, vor allem aber Kore-Persephone; abschließende Bestätigung bringt der Zug der bewaffneten Epheben, der Agon, von den Lykaia und den Olympien über die Panathenäen bis zu den Chytren und dem eleusinischen ,Stierkampf'; damit verbindet sich der Genuß der glücklich gewonnenen Nahrung, ob sie nun in RinderHekatomben, im Fischzug oder in der Gabe der Demeter sich manifestiert. Die Differenzierungen sind alt und bedeutend; über sie hinweg spannt sich der verbindende Bogen eines Rituals, das weder selbstverständlich noch banal ist, eher erschreckend und doch von unerhörter Mächtigkeit. Die moderne Welt, in der nur noch der Mensch dem Menschen Problem zu sein scheint, hat die Tradition der Rituale sukzessiv abreißen lassen; sie hat zugleich den Tod an den Rand des Daseins und Bewußtseins geschoben. Um so unkontrollierter und zerstörerischer drängen, je mehr die idealistische Tradition abbröckelt, Geheimbündelei, Ekstasesucht, die Verliebtheit in Gewalt und Tod gegen alle scheinbar rationalen Ordnungen. Rituale lassen sich nicht künstlich herstellen, noch weniger ihre Orientierung am Übermenschlichen, das sich nicht mehr auf Rätsel und Geheimnis stützen kann. Gegen die Elemente der Gewalt und der Angst im Überkommenen protestiert die Hoffnung auf einen neuen, gewaltlosen Menschen. Wie dabei die individuelle, selbstbezogene Intelligenz überindividuellen Notwendigkeiten untergeordnet werden kann, um den Fortbestand des Menschen über den Bruch der Generationen zu ermöglichen, ist nicht abzusehen. Vermutlich werden doch schließlich Gesellschaftsformen sich durchsetzen, die der archaischen Psyche des Menschen ihr Recht lassen, wobei nur zu hoffen ist, daß Primitivismus und Gewalt nicht unbeschränkt entbunden werden. Jedenfalls sollte das Wissen um die Traditionen, die sich seinerzeit bewährt haben und dadurch übrig geblieben sind in den vielerlei Experimenten der Menschheitsentwicklung, nicht verlorengehen beim weiteren Experimentieren in eine ungewise Zukunft hinein.
LITERATURVERZEICHNIS Nur mehrfach abgekürzt zitierte Werke sind aufgenommen Astour (1965)
Brelich (1969) Brommer (1960) Burkert (1966) Burkert (1967) Burkert (1968) CambitoglouTrendall (1961) Casabona (1966)
Cook (1914.1924. 1940) Cumont (1930)
Delatte (1955)
Des Places (1969) Deubner (1932) Dieterich (1923) Dodds (1951) Dumezil (1929) Eisler (1925)
M. C. Astour, Hellenosemitica. An ethnic and cultural study in West Semitic impact on Mycenaean Greece. Leiden 1965 A. Brelich, Paides e Parthenoi. Rom 1969 F. Brommer, Vasenlisten zur griechischen Heldensage. Marburg (1956) 19602 W. Burkert, Greek tragedy and sacrificial ritual. Greek Roman and Byzantine Studies 7 (1966) 87-121 - , Urgeschichte der Technik im Spiegel antiker Religion. Technikgeschichte 34 (1967) 281-99 - , Orpheus und die Vorsokratiker. Antike und Abendland 14 (1968) 93-114 A. Cambitoglou, A. D. Trendall, Apulian red-figured vase-painters of the Plain Style. Archaeological Institute of America 1961 J. Casabona, Recherches sur le vocabulaire des sacrifices en Grec des origines a la fin de l'epoque classique. Aix-en-Provence 1966 A. B. Cook, Zeus, vol. 1. II. III. Cambridge 1914. 1924. 1940 F. Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum. Leipzig 19303 (Nachdruck Darmstadt 1959; Les religions orientales dans le paganisme romain, Paris 1906; 19294 ) A. Delatte, Le cyceon, breuvage rituel des mysteres d'Eleusis. Paris 1955 (= Bulletin de l' Academie Royale de Belgique, Cl. d. Lettr. 5. ser. 40, 1954, 690-751) E. Des Places, La religion Grecque. Paris 1969 L. Deubner, Attische Feste. Berlin 1932. A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie. Leipzig (1903) 19233 (Nachdruck Darmstadt 1966) E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational. Berkeley1951 G. Dumezil, Le probleme des Centaurs. Paris 1929 R. Eisler, Orphisch-Dionysische Mysteriengedanken in der christlichen Antike. Leipzig 1925 (Vorträge der Bibliothek Warburg 1922/3 II. Nachdruck Hildesheim 1966)
Literaturverzeichnis
329
Eibl-Eibesfeldt (1970)
1. Eibl-Eibesfeldt, Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen. München 1970
Eitrem (1915)
S. Eitrem, Opferritus und Voropfer der Griechen und Römer. Kristiania 1915 - , Beiträge zur Religionsgeschichte II. Skrift. Videnskapsseiskap Kristiania 1917, 2
Eitrem (1917) Farneil I. II (1896) III. IV (1907) V (1909) Fehrle (1910)
L. R. Farneil, The cults of the Greek states, vol. I. II. III. IV. V. Oxford 1896. 1907. 1909
Fontenrose (1959)
J. Fontenrose, Python. A study of Delphic myth and its origins. Berkeley 1959 P. Foucart, Le culte de Dionysos en Attique, Paris 1904 (Memoires de l' Academie des Inscriptions et Beiles Lettres 37) . - , Les mysteres d'Eleusis. Paris 1914
Foucart (1904)
Foucart (1914)
E. Fehrle, Die kultische Keuschheit im Altertum. Gießen 1910 (Religions geschichtliche Versuche und Vorarbeiten 6; Nachdruck Berlin 1966)
Gerard-Roussea u (1968)
M. Gerard-Rousseau, Les mentions religieuses dans les tablettes myceniennes. Roma 1968 (Incunabula Graeca 29)
Guepin (1968)
J. P. Guepin, The tragic paradox. Myth and ritual in Greek tragedy. Amsterdam 1968
Harrison (1922)
J. E. Harrison, Prolegomena to the study of Greek Religion. Cambridge (1903) 19223 (Nachdruck 1955)
Harrison (1927)
- , Themis. A study of the sodalorigins of Greek religion. Cambridge (1912) 1927 2 (Nachdruck 1962)
Hemberg (1950)
B. Hemberg, Die Kabiren. Uppsala 1950
Hepding (1903)
H. Hepding, Attis, seine Mythen und sein Kult. Gießen 1903 (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 1. Nachdruck Berlin 1967)
Hock (1905)
G. Hock, Griechische Weihegebräuche. Diss. München 1905 O. Höfler, Kultische Geheimbünde der Germanen. I. Frankfurt 1934 G. van Hoorn, Choes and Anthesteria. Leiden 1951
Höfler (1934) van Hoorn (1951) Imhoof-Blumer (1885)
F.lmhoof-Blumer, P. Gardner, Numismatic commentary on Pausanias I-III. London (reprinted from the Journal of Hellenic Studies) 1885. 1886. 1887
J eanmaire (1939)
H. Jeanmaire, Couroi et Couretes. Essai sur l'education spartiate et sur les rites d'adolescence dans l'antiquite hellenique. Lille 1939
Judeich (1931)
W. Judeich, Topographie von Athen. München (1905) 19312 (Handbuch der Altertumswissenschaft)
330 Kerenyi (1952) Kerenyi (1962) Kerenyi (1967) Kirk (1970) Krämer (1966) La Barre (1970) Latte (1960) Lippold (1950) Lobeck (1829)
Lorenz (1963) Mannhardt (1875)
Megas (1956)
Literaturverzeichnis K. Kerenyi, Die Jungfrau und Mutter in der griechischen Religion. Eine Studie über Pallas Athene. Zürich 1952 - , Die Mysterien von Eleusis. Zürich 1962 - , Eleusis. Archetypal image of Mother and Daughter. New York 1967 G. S. Kirk, Myth. Its meaning and functions in ancient and other cultures. Berkeley, Los Angeles 1970 W. Krämer, Prähistorische Brandopferplätze, in: Helvetia antiqua, Festschr. E. Vogt (Zürich 1966) 111-22 W. La Barre, The ghost dance. The origins of religion. New York 1970 K. Latte, Römische Religionsgeschichte. München 1960 (Handbuch der Altertumswissenschaft) G. Lippold, Die griechische Plastik. München 1950 (Handbuch der Altertumswissenschaft) C. A. Lobeck, Aglaophamus sive de theologiae mysticae Graecorum causis. Königsberg 1829 (Nachdruck Darmstadt 1961) K. Lorenz, Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression. Wien (1963) 197025 W. Mannhardt, Wald- und FeldkulteI: Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme. Mythologische Untersuchungen. Berlin 1875 (1905 2 mit geringfügigen Änderungen ; Nachdruck Darmstadt 1963)
G. A. Megas, 'EAAT)vIKal eopTai Kai g611-\a TTlS l\aiKTlS AaTpeias. Athen 1956 Mellaart (1967) J. Mellaart, <;atal Hüyük. Stadt aus der Steinzeit. Bergisch Gladbach 1967 (<;atal Hüyük, a neolithic town in Anatolia. London 1967) Mellaart (1970) - , Excavations at Hacilar 1/11. Edinburgh 1970 Metzger (1951) H. Metzger, Les representations dans la ceramique attique du IVe siecle. Paris 1951 Metzger (1965) - , Recherches sur l'imagerie Athenienne. Paris 1965 Meuli (1946) K. Meuli, Griechische Opferbräuche. Phyllobolia (Festschrift Peter Von der Mühll) 185-288. Basel 1946 Meuli (1967) An Kad Schefold. Gestalt und Geschichte (Festschr. K. Schefold). Bern 1967 (AK Beiheft 4) 159-61 A. Mommsen (1898) A. Mommsen, Feste der Stadt Athen im Altertum. Leipzig 1898 Morris (1967) D. Morris, The naked ape. A zoologist's study of the human anima!. New York 1967 Müller-Karpe H. Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte I: Alt(1966) steinzeit. München 1966 Müller-Karpe (1968) - , II: Jungsteinzeit. München 1968
Li teraturverzeichnis Mylonas (1961) Nilsson (1906)
Nilsson (1950) Nilsson (1955)
Nilsson (1957) Nilsson (1967) Otten (1958) Otto (1933) Parke-Wormell (1958) Pickard -Cambridge (1962) Pickard-Cambridge (1968) Pringsheim (1905) Rohde (1898)
Roux (1956) Rumpf (1961) Schefold (1964) Schwenn (1915)
Simon (1969) Smith (1899)
Stengel (1910) Stengel (1920) Stiglitz (1967) Svoronos (1924)
331
G. E. Mylonas, Eleusis and the Eleusinian mysteries. Princeton 1961 M. P. Nilsson, Griechische Feste von religiöser Bedeutung mit Ausschluß der attischen. Leipzig 1906 (Nachdruck Darmstadt 1957) - , The Minoan-Mycenaean religion and its survival in Greek religion. Lund (1927) 19502 - , Geschichte der Griechischen Religion 1. München (1940) 19552 (= 1967 3 , mit Nachträgen S. 848-70 und T.53) (Handbuch der Altertumswissenschaft) - , The Dionysiac mysteries of the Hellenistic age. Lund 1957 Vgl. Nilsson (1955) H. Otten, Hethitische Totenrituale. Berlin 1958 W. F. Otto, Dionysos. Mythos und Kultus. Frankfurt1933 (1948 2, mit geringfügig geänderter Paginierung) H. W. Parke, D. E. W. Wormell, The Delphic oracle I/II. Oxford 1958 A. Pickard-Cambridge, Dithyramb, tragedy, and comedy. Oxford (1927) 19622, revised by T. B. L. Webster - , The dramatic festivals of Athens. Oxford (1952) 19682, revised by J. Gould and D. M. Lewis H. G. Pringsheim, Archäologische Beiträge zur Geschichte des Eleusinischen Kultes. Diss. Bonn. München 1905 E. Rohde, Psyche. Seelencult und Unsterblichkeits glaube der Griechen. Freiburg (1894) 18982 (= 19299,1°; Nachdruck Darmstadt 1961) G. Roux, Pausanias en Corinthie. Paris 1956 A. Rumpf, Attische Feste - Attische Vasen, Bonner Jahrbücher 161 (1961) 208.:.-14 K. Schefold, Frühgriechische Sagenbilder. München 1964 F. Schwenn, Die Menschenopfer bei den Griechen und Römern. Gießen 1915 (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 15,3. Nachdruck Berlin 1966) E. Simon, Die Götter der Griechen. München 1969 W. Robertson Smith, Die Religion der Semiten. Tübingen 1899 (Lectures on the religion of the Semites, Cambridge 1889. 18942 ) P. Stengel, Opfergebräuche der Griechen. Leipzig 1910 - , Die griechischen Kultusaltertümer. München (1890) 19203 (Handbuch der Klassischen Altertumswissenschaft) R. Stiglitz, Die großen Göttinnen Arkadiens. Der Kultname MErAI\AI SEAl und seine Grundlagen. Wien 1967 J. N. Svoronos, Les monnaies d'Athenes. Athen 1924
332 Toepffer (1889) Trendall (1967) Wächter (1910)
Wilamowitz (1931) Wilamowitz (1932) Wissowa (1912)
Yavis (1949)
Literaturverzeichnis
J. Toepffer, Attische Genealogie. Berlin 1889 A. D. Trendall, The red-figured vases of Lucania, Campania and Sicily 1/11. Oxford 1967 Th. Wächter, Reinheitsvorschriften im griechischen Kult. Gießen 1910 (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 9, 1) U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Der Glaube der Hellenen I. Berlin 1931 - , Band Ir. Berlin 1932 G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer. München (1902) 19122 (Handbuch der Klassischen Altertumswissenschaft) C. G. Yavis, Greek altars. Origins and typology. Saint Louis 1949
NACHWORT 1996 ~
Im Abstand eines Vierteljahrhunderts tritt ein Werk seinem Verfasser in eigentümlicher Distanz entgegen, zeitbezogen, entwicklungs bezogen , und doch unleugbar ein Stück vom eigenen geistigen Leb~n. Wenn es über allen Wechsel der Zeit hinweg noch Interesse findet, so ist doch der Autor am wenigsten berufen, darüber zu urteilen. Defensive mit kleinen Berichtigungen zu verbinden, wird wenig nützen. Wohl aber ist der Versuch einer gewissen Einordnung der Bertrachtungsweise und der Thesen dieses Buchs in fortlaufende Diskussionen und weiter bestehende Probleme am Platze. Das vorliegende Werk ist im Grund eine Studie über Mythos und Ritual in der altgriechischen, vorchristlichen Religion und verleugnet keinesfalls' den hergebrachten Rahmen der Klassischen Philologie. Es bedient sich einer vergleichenden Methode, die einheitliche Strukturen in Abläufen des HandeIns und Erzählens aufzeigt' ul1d herausarbeitet. Es beansprucht dabei allerdings, Funkt10nselemente einer allgemeineren Anthropologie in den Griff zu bekommen, und sieht diese ihrerseits eingebettet in die historische Entwicklung der Menschheit überhaupt: Klassische Philologie weitet sich zur Anthropologie. Dabei werden die auftretenden Elemente und Strukturen als menschlich unmittelbar verständlich im Rahmen einer allgemeinen Psychologie behandelt: ein ,humanistisches' Anliegen bleibt so bei alledem bestehen. Die bestimmenden Einflüsse kamen seinerzeit, im allgemeinen Rahmen philologisch-wissenschaftlicher Arbeit an der griechischen Religion, vpn Kar! Meuli einerseits, von Konrad Lorenz andererseits. . Kar! Meuli, der die klassische Philologie mit einem eindrin genden Interesse an der Volkskunde verband, hatte in seiner großen Studie über die ,Griechischen Opferbräuche' (1946) mit bislang unerhörtem Weitblick die klassisch-griechischen Rituale über die Bräuche sibirischer Jäger bis ins Paläolithicum zurückverfolgt, und er hatte mit dieser gewaltigen Ausdehnung
334
,
I
(i
Nachwort 1996
menschheitsgeschichtlicher Tradition eine Psychologie der ,Ehrfurcht vor dem Leben', der menschlichen Einfühlung und Schuldfähigkeit verbunden, die ebenso überzeugend wie ergreifend erscheint: Es gibt ,Humanität', die sich gerade im Töten, Schlachten und Essen bewährt. Aus ganz anderem Bereich, von der zoologischen Verhaltensforschung her kam der Impuls von Konrad Lorenz. Die Überraschung und Zustimmung, die sein Buch ,Das sogenannte Böse' (1963) bei seinem Erscheinen besonders im deutschsprachigen Raum auslöste, ist heute vielleicht nicht mehr nachfühlbar. In einer noch vom Krieg gezeichneten und bedrohten Welt zeigte Konrad Lorenz die sinnreichen Wurzeln eines Verhaltens auf, das sich als Weltkatastrophe soeben manifestiert hatte, und entwarf damit das hoffnungsvolle Bild einer kontrastreich-harmonisch entfalteten Lebenswelt: Eben das ,sogenannte Böse' hat sein Gutes, indem es der Stabilität dient und das Umkippen des Ökosystems verhindert. Der Mensch hat sich selbst als Glied im Gesamtkreis des Lebens zu betrachten. Man akzeptiert in solcher Sicht die Tatsache der intraspezifischen Aggression, mit besonderer Aufmerksameit für die Mittel, diese zu begrenzen, auszuschalten oder unschädlich zu halten, ja man freut sich der Chancen, die für Freundschaft und Lachen, für Individualität, für Solidarität und Begeisterung aus aggressiven Impulsen erwachsen: Personale, echt menschliche Gemeinschaft, die weder der lieblos zeternden Nachtreiher-Gesellschaft noch dem aggressionslosen Heringsschwarm gleicht. In Verbindung beider Ansätze schlägt das Buch Homo Necans vor, die sakralisierten Tötungshandlungen uralter Tradition, die blutigen Opfer, das Schlachten der Tiere bei festlicher Gelegenheit, als Inszenierungen geregelter Aggression zu verstehen, weshalb denn diese Rituale imstande seien, Gruppensolidarität durch die Schauer des Heiligen zu begründen. Religiöses Verhalten gerade in seinen scheinbar abstoßenden Aspekten von Opfer und Blutvergießen ist dann als eine Art der Bindung zu begreifen, die feste und ernste Gemeinschaft begründet. Die ,heiligen Schauer', die uns in feierlicher Erregung über den Rücken laufen, lehrt Konrad Lorenz als Relikt des aggressiven Haaresträubens verstehen (S. 45). Dies ist die deutlichste Brücke, die von der Feierlichkeit zum aggressiven Verhalten vormenschlicher Tradition zurückführt.
Nachwort 1996
335
Die Überfülle des Problematischen, das mit einer solchen These einhergeht, -bedarf kaum der Andeutung. Ob große Synthesen, die unausweichlich auch ungeheuerliche Vereinfachungen mit sich bringen, überhaupt ,noch' zu wagen sind, ist durchaus bestreitbar. Der Verfasser muß auch gestehen, im einzelnen seither so viel dazugelernt zu haben, daß die Gesamtsynthese kaum mehr neu und von Grund auf in Agriff zu nehmen wäre - weshalb denn eben der nun schon alte Text noch einmal zur Diskussion gestellt wird. Zwei Bereiche sinq allerdings in jedem Fall einläßlicher zu diskutieren: Die Plausibilität, ja Zulässigkeit einer wesentlich auf ,Aggression' aufbauenden Kulturtheorie zum einen, die hochbedeutenden Fortschritte zum anderen, die naturwissenschaftliche Anthropologie und Primatenforschung in der Zwischenzeit erzielen konnten. Das Buch Das sogenannte Böse hieß in seiner englischen Version schlicht On Aggression. Die Aggressionstheorie von Konrad Lorenz hat jedoch sogleich Gegenaggression ausgelöst und scharfen Widerspruch erfahren, worauf Homo Necans (S. 8.1) bereits zu verweisen hatte. Es waren vor allem die Überzeugungen einer damals fortschrittlich genannten Soziologie, die gegen eine Erklärung menschlichen Verhaltens vom Vormenschlichen, vom Tierisch-Biologischen her entschieden Front zu machen drängten, zumal die Ausführungen von Konrad Lorenz mit der These einer genetischen Fixierung des Aggressionsverhaltens verbunden waren. Herausgestellt wurde demgegenüber die offenbar in freier Auswahl geschaffene Vielfältigkeit menschlicher Kulturen, die eine etwaige biologische Determiniertheit weit hinter sich gelassen habe und eben darum die Hoffnung auf eine fortschreitende Humanisierung der Gesellschaft zulasse. Daß demgegenüber menschliche Werte von der Tier-Natur des Menschen hergeleitet werden sollten, daß das biologische Erbe menschliches Verhalten bestimme und erkläre, wurde darum als geradezu gefährlich gebrandmarkt: insbesondere daß Aggression ein ererbtes und darum unausrottbares Verhaltensschema sein sollte, schien ' den Fortschritt der Zivilisation zu negieren. Die Kontroverse hat sich ein Jahrzehnt später in ähnlicher Weise wiederholt, als E. o. Wilson die Soziobiologie als ,neue
336
,
C
Q
Nachwort 1996
Synthese' von Natur- und Kulturwissenschaften vorstellte. l Sie setzte die in der Zwischenzeit vollzogene Entwicklung der Computer-Wissenschaften voraus; die Evolution nach Darwin läßt sich seither anders und genauer verfolgen. Theorien eines ,Sozial-Darwinismus' waren zu Beginn unseres Jahrhunderts robust und eher naiv aufgetreten: ihre Wirkung ins Nazi-Gedankengut hinein sichert ihnen den Abscheu der Nachgeborenen. Insofern die Soziobiologie mit sehr verfeinerten Methoden ähnliche Ansätze wiederaufzunehmen scheint, wird der Widerstand, der ihr entgegentritt, nicht erstaunen. Wie weit sie tatsächlich führen kann, ist eine andere Frage, die emotionslos zu diskutieren bleibt. Das Thema der Aggression war bereits bei diesen neueren Diskussionen in den Hintergrund getreten. Es scheint seither weiter an allgemeiner Bedeutung zu verlieren: Aggression taucht fast nur noch in den Fragestellungen individualpsychologischer Betreuung auf, als ein Phänomen, das tunlichst wegzutherapieren wäre. Daß zugleich dem Medienkonsumenten eine ungeheure Fülle aggressiver Ersatzbefriedigungen angeboten wird, von ungezählten Krimi-Serien bis zu den extraterrestrischen Hightech-Phantasieabenteuern, die zumeist in Gestalt primitivster Kampfmythen auftreten, ist allerdings bezeichnend, selbst abgesehen vom underground der Brutalo-Videos. Dabei ist aggressive Solidarisierung und Begeisterung keineswegs verschwunden. Was in diktatorischen Regimes noch immer in Szene gesetzt werden kann, mag die Außenstehenden wenig interessieren. In unserer eigenen Welt wird aggressive, Solidarisierung fast nur in Form ,rechter' Schlägertrupps wahrgenommen. Daß aber auch die Begeisterung der für ihre Ideale eintretenden Demonstranten eine Form aggressiver Solidarisierung ist, einschließlich der ,heiligen Schauer', die nicht ausbleiben, wird kaum wahrgenommen, bis dann doch Steine fliegen. Kurzum: Es gibt aggressive Solidarisierung, wie sie Konrad Lorenz bei Tier und Mensch beschrieben hat; daß jedoch Gemeinschaft schlechthin "aus gemeinsamer Aggression" entstehe (S. 45). ist eine übertriebene, einseitige
1
E. O. Wilson, Sociobiology: The New Synthesis. Cambridge. Mass. 1975.
Nachwort 1996
337
These, die auch Konrad Lorenz so nicht bewiesen hat. Es dürfte freilich auch an einem Methodenproblem der Sozialwissenschaften liegen, wenn ,Aggression' eher aus dem Blick gerät: Krisenhafte, außerordentliche Reaktionen und Erlebensweisen gehen in den Fragebogen nicht ein, sind obendrein für das normale Konsumverhalten wenig von Belang; ein situationsbezogenes Ausnahmeverhalten wie Aggression läßt sich daher mit den allgemeinen Methoden soziologischer Umfragen nicht in den Griff bekommen. Parallel wirkt eine Eigenheit der mehr und mehr der Werbung verpflichteten Medien: Nichts ist so werbe-widrig wie ein ,böses' Gesicht; was gezeigt wird, muß freundlich strahlen. Wozu dann sollte die Wissenschaft dem Menschen ein böses und nicht ein sympathischhoffnungsfroh lächelndes Gesicht vorhalten? Dazu kommen die - durchaus honorablen - politischen Tendenzen, Ablehnungen und Diskriminierungen der Andersartigen nicht mehr zuzulassen und damit eine weithin und lange übliche Form der kollektiven Aggression nach Möglichkeit auszuschalten. Aber auch ,Triumphgeschnatter' nach Art von Lorenz' Graugänsen wird zumindest in den demokratischen Medien vermieden, ist doch eher kritische Besorgtheit gefragt; so bleibt eine andere Form des kollektiven Genusses symbolischer Aggression offiziell versagt. Dabei liegt der selbsterlebte Krieg jetzt mehr als 50 Jahre zurück; auch die Erregung, die der Vietnam-Krieg zur Zeit der Entstehung von Homo Necans mit sich brachte. ist kaum mehr nachvollziehbar. Dieser Krieg war ja übrigens der erste. in dem die übliche und erwartbare aggressive Solidarisierung nicht mehr zustande kam. indem der Großteil der Jugend der Politik der Alten die Gefolgschaft versagte (vgl. Homo Necans 59 f.). Nun hat vollends die Kriegsangst seit knapp einem Jahrzehnt in einem Maße abgenommen. das vorher unvorstellbar schien. Umso mehr drängen ganz andere, wirtschaftliche Sorgen in den Vordergrund, eine Art von Ängsten. die nicht einfach als Aggression von außen anschaulich zu machen sind und sich darum auch nicht durch Gegenaggression bannen lassen. Bei alledem ist Konrad Lorenz unversehens fast zur Unperson geworden. indem politische Belastungen aus der Zeit vor 1945 aufgewirbelt wurden. Dies hat die Auseinandersetzung
338
Nachwort 1996
mit seinen Leistungen eher gelähmt. Es gibt eindringliche Studien seiner Persönlichkeit,2 die Einzelheiten seiner Theorien veranschaulichen, aber die sachlichen Fragen nicht direkt fördern. Wenn ein 1972 publizierter Ansatz in dieser Weise als zeitbedingt erscheint, ist dies nun allerdings von den Trends der Gegenwart nicht weniger zu vermuten. Sie fallen weniger auf; über gängige Spielregeln wird nicht diskutiert. Selbst Tabubrüche vollziehen sich heutzutage nach eingespielten Regeln. Rücksichtnahmen ,politischer Korrektheit', die mehr und mehr in der Öffentlichkeit erwartet werden, beeinflussen die zulässigen Fragestellungen und erst recht die offiziellen Antworten. Das ,Böse', ob sogenannt oder realiter wirksam, ist manipulierbar, abgesehen von seinem festen Platz in der ritualisierten Vergangenheitsbewältigung. Dies ist nicht als Gegenwartskritik zu verstehen. Die Welt hat sich unwiderruflich geändert. Nicht nur, daß wir Zeugen der elektronischen Revolution sind, die alle Interaktionen mehr und mehr beherrscht. Die Weltbevölkerung hat sich in den letzten 25 Jahren gut und gern verdoppelt. Wenn das eigentlich Gute an der Aggression, nach Konrad Lorenz, darin besteht, daß dem Inidivuum ein gewisser Lebensraum gesichert bleibt, wird sich die Menschheit Aggression demnächst überhaupt nicht mehr leisten können - es sei denn, daß schauerlichste Katastrophen entfesselt werden. Bleibt für die Menschheit doch schließlich nur das Modell des dichtgedrängten, aggressionslosen Heringsschwarms, rhythmisch zuckend im Techno-Sound? Bis vor kurzem galten in anderer Umwelt ganz andere Regeln, und in manchen Teilen der Welt ist es noch sehr viel anders. Es mag sein, daß die Menschheit sich in der Tat in einen Zustand hineinentwickelt, der mit allen vergangenen Kulturen immer weniger Ähnlichkeiten und Kontinuitäten aufweist. Es mag sein, daß die historischen Wissenschaften damit unversehens allesamt zu Altertumswissenschaften werden. Man wird ihnen immerhin das Interesse zugestehen, das kulturelle Gedächtnis zu pflegen und Verständnis zu suchen für das, was so lange unsere Tradition geprägt hat. 2
N. Bischof, Gescheiter als alle die Laffen: Ein Psychogramm von Konrad Lorenz, Hamburg 1991
Nachwort 1996
339
Um von allgemeinen Gegenwartsfragen zum besonderen Thema dieses Buchs zurückzukommen: Es geht in ihm nicht um die Rechtfertigung der Aggression. sondern um die Erklärung eines Faktums: Die Präsenz des Tötens gerade inmitten des sogenannten Heiligen. Es ist als Fortschritt zu akzeptieren. daß in unserer Kultur der Gegenwart ritualisiertes Töten. feierliches Töten ausgeschlossen scheint. Es gibt keine öffentlichen Hinrichtungen mehr. die immer ein wenig nach Menschenopfern ausgesehen haben. Die Schauder. die nach wie vor bei Gelegenheit den Rücken herunterlaufen. finden fast nur noch in der virtuellen Welt ihre Auslöser. Aber es ist nicht nur bedenklich. sondern bleibt zu bedenken. daß weltweit in der kulturellen Tradition. die wir kennen können. Gewalt und Blutvergießen immer besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. und daß sie bewußt gestaltet und fixiert worden sind. in Ritualen und Mythen. dann auch in Geschichtsbüchern. Insofern ist gründliches Interesse am Opferritual als Tötungsakt nach wie vor legitim. Dabei ist die Möglichkeit aggressiver Solidarisierung im menschlichen Sozialverhalten unbestritten; nach wie vor läßt sich empfehlen. das eine mit dem anderen zusammenzusehen. Ein naheliegender moderner Einwand ist. daß die Sicht von Homo Necans mit der zentralen Rolle der blutigen Opfer doch eigentlich vom christlichen Paradigma ausgeht. also einen einseitigen und begrenzten .. westlichen' Standpunkt voraussetzt. Der Verfasser hat keinen Grund. seine eigene kulturelle Herkunft zu leugnen. Doch gibt es genügend Hinweise. daß die hier aufgegriffenen Probleme. die sowieso am vorchristlichen Material demonstriert werden. in Variationen auch in ganz anderen Kulturen wiederkehren. Der junge Buddha sollte sein Erwachsensein durch das Schlachten eines Tieres beweisen: Er verletzte nur sich selbst dabei. 3 Der neue Weg der Erlösung setzt den alten homo necans voraus. indem er sich absetzt. Noch viel weiter ab von allem uns Vertrauten liegen die amerikanischen Kulturen. Doch gerade dort gibt es die Opfer-Ideologie in besonders grausamer Härte. Zwar werden jetzt sogar die Menschenopfer der Azteken ethnologisch bestritten. 4 Die unbestreitbare 3
4
D. Gimaret. Le livre de Bilawhar et Budasf selon la version arabe ismaelienne. Geneve 1971. 81 f. P. Hassler, Menschenopfer bei den Azteken? Bern 1992
340
Nachwort 1996
und schauerliche Prominenz dieses Themas in mittelamerika nischen Bildern und Mythen bleibt erst recht zu erklären. Ein ernstlicher Zweifel bleibt eher bei der Frage, ob die in Homo Necans vorausgesetzte Erlebensweise von, Verschuldung' '.' und Wiedergutmachungs-Willen im Zusammenhang des blutigen Opfers als universal anzusetzen ist. Karl Meuli hatte von Albert Schweitzer die Idee der ,Ehrfurcht vor dem Leben' übernommen; ihm lag persönlich viel daran; 5 wer möchte ihm gern widersprechen? Und doch, es gibt so viele Belege, wie Tiereschlachten nah und fern auch ohne merkliche seelische Beteiligung vollzogen wird, sei es von mediterranen Hirten, sei es bei polynesischen Schweinefesten. Eine Generalisierung ist ebenso problematisch wie der Versuch einer Mehrheitsermittlung nach Prozenten. Erst recht ist fraglich, ob eine "Bereitschaft zur Hemmung und zum entsagenden Gehorsam" allgemein menschlich angelegt ist oder allenfalls einer Minderheit durch Erziehung beizubringen ist. Karl Meuli selbst ging davon aus, daß die ,stark und echt empfindenden' Individuen maßgebend seien. Der Anspruch, von anthropologischen universalia zu handeln, ist aber doch wohl zurückzunehmen. Kein Zweifel, daß sowohl Karl Meuli als auch Konrad Lorenz viel von ihren eigenen Erlebensweisen in ihre Interpretationen einfließen ließen; dies läßt sich nicht nur nicht vermeiden, es ist auch durchaus legitim. Der Zyniker wird zynische Interpretationen vorziehen. Inwieweit Formen des Erlebens vorgeprägt, kulturspezifisch eingeübt oder individuell fast unbegrenzt variabel sind, ist eine Frage, die kaum mit hinlänglicher Sicherheit oder gar definitiv zu beantworten ist. Es bleibt dann immer noch die Feststellung, daß ein Strom unserer eigenen Tradition hier zurückverfolgt wird, der von mehr als beiläufiger Bedeutung war und ist; anders ausgedrückt: Es ist auf jeden Fall festzustellen, daß in den Opferritualen, wie sie in Homo Necans vorgestellt werden, durch den Schauer des Tötens ganz bestimmte Gefühle geweckt und eingeübt worden sind, und zwar eben solche der Bedenklichkeit und Schuld, der ,Ehrfurcht vor dem Leben'.
5
vgl. die Passage aus einem Brief Meulis in F. Graf. Hg .. Klassische Antike und neue Wege der Kulturwissenschaften. Symposium Karl Meuli. Basel 1992. 180.
Nachwort 1996
341
Dies macht, wie immer verwandelt, einen Bestandteil unserer humanen Kuffllttr aus, der nicht leichthin aufzugeben ist. C' Homo Necans zeigt 'sich in der in dem Buch angewandten und teilweise ausdrücklich diskutierten Psychologie von Sigmund Freud beeindruckt und kann die Faszination von Totem und Tabu nicht verleugnen (bes. S. 85ff.). Daß Sigmund Freud gerade in jenem Buch einen erfundenen Mythos als just-sostory vorträgt, war nie Zu übersehen. Freuds Rückgriff auf Robertson Smiths Opfertheorie ebenso wie das begeisterte Echo auf Freud bei Jane Harrison, auch Karl Meulis Beeinflussung durch Freud hatte der in Homo Necans vollzogenen Verbindung vorgearbeitet. Dazu kam während der Entstehung von Homo Necans der Gedankenaustausch mit Georges Devereux, der Freuds Psychologie zu einer ,Ethnopsychiatrie' auszuweiten unternahm. Inzwischen ist auch Sigmund Freud weiter in die Distanz gerückt: vieles, was seinerzeit so erregend und anstößig zugleich erschien, ist selbstverständlich geworden: methodisch fundierte und detaillierte Kritik kann um so eher Platz greifen. In der wissenschaftlich fundierten Psychotherapie gilt Freuds Psychoanalyse heutzutage nur als eine von mehreren teilweise erfolgreichen Praktiken. Freud hat sicher nicht den Universalschlüssel zur Anthropologie geliefert: daß seine Beiträge interpretatorisch hilfreich bleiben, ist ebenso wenig zu bestreiten. Die zentrale These von Homo Necans, wonach die blutigen Opfer als ein umgelenktes Aggressionsritual aus jägerischer Tradition zu verstehen seien, ist damit keineswegs gesichert. Gleichzeitig mit Homo Necans erschien das Buch von Rene Girard mit jenem Titel, der auch über Homo Necans stehen könnte: La violence et le sacre. 6 Belege und Interpretationen in beiden Büchern sind teilweise vergleichbar, suchen doch beide unter den bestehenden Institutionen ein verdecktes ,Verbrechen' aufzuspüren: doch der Grundansatz differiert: Rene Girard geht in diesem und seinen folgenden Werken nicht von
6
R. Girard. La violence et le sacre. Paris 1972. dt. Das Heilige und die
Gewalt. Zürich 1987; Le bouc emissaire. Paris 1982. dt. Der Sündenbock. Zürich 1988
342
Nachwort 1996
vorgeschichtlicher Jagd aus, sondern von einem sozusagen reinen Aggressionsmodell: Gesellschaftliche Spannungen des ,Begehrens' entladen sich, indem ein ,Opfer' bestirnmt, ausgestoßen und vernichtet wird. Es ist das Sündenbock-Modell, auf das Girard ausdrücklich zurückgreift. Es hat den Vorteil, daß der gesellschaftlich-psychologische Prozeß, der hier angesetzt wird, von vornherein eine geistig-semantische Komponente hat, insofern in plötzlicher ,Einmütigkeit' ein Objekt als Opfer bezeichnet wird; dies läßt sich mit semiologischen Theorien zu einer auch theologisch interessanten Geisteswissenschaft entwickeln. Nicht erklären kann es die große Rolle, die unbestreitbar das feierliche Essen in den real existierenden Tieorpfer-Ritualen spielt. Es entwickelt auch keine historische Perspektive, und die empirisch faßbaren Belege scheinen eher zufällig ausgewählt, abgesehen von der fortdauernden Aktualität der Juden -Verfolgungen. Der Ansatz von Homo Necans hat demgegen über den Vorteil, von einer praktischen Notwendigkeit des Tötens im Jägerturn auszugehen, statt von einer vielleicht doch vermeidbaren Krisensituation. Homo Necans konzentriert Opfer auf das Opfermahl; so entsteht eine Linie historischer Kulturentwicklung von der Jagd der Schimpansen über die Altäre des Zeus bis zur Eucharistie. Eben die eine Linie dürfte allerdings besonders problematisch sein. Die Bedeutung der Totenrituale ist wohl doch unterschätzt (S. 60 ff.); vielleicht sind sie älter als die Jagdrituale, sie lassen sich jedenfalls auch unabhängig von diesen verstehen. Die Erkenntnis des Todes als eines allgemeinen Faktums, was Schimpansen ganz offenbar noch fehlt, muß ein entscheidender Einschnitt im Prozeß der ,Honiinisierung' gewesen sein; sie geht zusammen mit dem Erfassen der Zeitdimension, dem Blick in die Zukunft. Es gibt Anthropologen, die die Tatsache der Totenbestattung zur wichtigsten Station in der HominidenEvolution machen möchten. Erst mit dem Bewußtsein vom Tode aber kann Töten als bewußter Akt vollzogen werden; daß Erkenntnis sich im Handeln vollzieht, ist plausibel. So läßt sich ein Ansatz zu rituellen Tötungshandlungen rekonstruieren, der vom Jagdverhalten zunächst ganz unabhängig ist. Auch Karl Meuli hatte die Totenopfer als etwas grundsätzlich anderes als den Jagd-Opfer-Komplex betrachtet. Doch auch noch etwas anderes ist deutlich in dem direkt faßbaren Material: Opfer, in
Nachwort 1996
343
vielerlei Varianten, werden immer wieder als Ersatz zur Rettung eines bedrohten Lebens aufgefaßt. animam pro anima, vitam pro vita. 7 Insofern haben sie ihren Platz besonders bei ,Reinigungen' und ,niagischen' Heilungen. Dies hängt zusammen mit der ,Sündenbock'-Konstellation und fällt doch nicht mit dieser zusammen. Eigentliche Menschenopfer sind in solchem Zusammenhang denkbar: nachweisbar sind sie am ehesten in Verbindung mit Bestattungen. Bestehen bleibt bei alledem, daß rituelle Tötungshandlungen in der allgemeinen Spannung von Tod und Leben ihren Platz haben, dem alles Lebendige ausgesetzt ist. Und so banal es klingt: Die direkteste Verbindung von Zerstörung und Aufbau des Lebens ist im Vorgang des Essens gegeben. Theoretisch läßt sich so auch beim magischen Ersatzopfer und beim Totenopfer ein Hintergrund in der Ursituation von Angst und Verfolgung, in der Dyade von Raubtier und Beutetier konstruieren, wobei im Tötungsakt die passive in die aktive Rolle umschlägt: dies trifft sich dann wieder mit dem Jägerturn des ,Urmenschen'. Doch sollte die Vielfalt möglicher und tatsächlicher kultureller Entwicklungen gegenüber einer einzigen Universal-These offen gehalten ~erden. Daß die in Homo Necans verfolgte eine Linie vieles in der Alten Welt und darüber hinaus verständlich macht, läßt sich getrost behaupten. Verschiedene Wege können nicht nur zum gleichen Punkt führen, sie können sich auch dazwischen mehrfach treffen und überschneiden. Bleiben bei den universalia Probleme, deren definitive Lösung kaum zu erwarten ist, so ist auf der anderen Seite der ungeheure Zuwachs an Wissen nicht aus den Augen zu verlieren, der in den bald 30 Jahren seit der Konzeption von Homo Necans sich ereignet hat und dabei allerdings die rezeptiven Fähigkeiten eines einzelnen immer mehr übersteigt. 8 Nicht nur,· daß die Zeugnisse für missing links zwischen den Primaten in
7
8
Siehe W. Burkert. Creation of the Sacred. Cambridge. Mass. 1996.34-55. Genannt sei als Beispiel einer verständlichen - schon nicht mehr neuesten - Synthese J. Diamond. The Rise and Fall of the Third Chimpanzee. London 1991.
344
Nachwort 1996
Mrika und dem modernen Menschen wesentlich dichter geworden sind, die Genetik hat völlig neue Wege eröffnet, Verwandtschaftsbeziehungen und damit die ihnen zugrunde liegende Evolution zu bestimmen, während zugleich das Funktionieren der Evolution durch die Entwicklung der Computer-Simulationen mit einer ganz anderen Präzision als zuvor beschrieben und getestet werden kann. Die Naturwissenschaft ist im Begriff, den Le~ensprozeß in seinen molekularen Details aufzuklären, von den in den DNAMolekülen vorliegenden Genen bis zum voll entwickelten Lebewesen. Überwältigend ist dabei vor allem die Kompliziertheit dieser Prozesse, was den alten Satz des Aristoteles, "ein Mensch zeugt einen Menschen", als eine ungeheuerliche Vereinfachung erscheinen läßt. Was sich jeweils abspielt, ist eine Kaskade von Einzelereignissen, wobei an spezifischen Entwicklungen in der Regel eine Vielzahl von Genen beteiligt ist; dem Prinzip der genetischen Determination steht dabei das immer wichtigere Prinzip der Selbstorganisation gegenüber. Dazu kommt die ständige Interaktion mit Umweltfaktoren und schließlich die Chancen des Sich-Anpassens und Lernens auf verschiedensten Ebenen. Inwieweit die simple Antithese von ,ererbtem' und ,erlerntem' Verhalten angesichts all dieser Komplikationen überhaupt noch sinnvoll ist, stellt sich durchaus als Frage; das Ausmaß des einen oder anderen läßt sich jedenfalls nur partiell und von Fall zu Fall mit komplizierten Methoden feststellen. Homo Necans hat sich in der Frage genetisch fixierten Verhaltens vorsichtig geäußert (vgl. S.35), besteht allerdings auf der Wirksamkeit der ,Tradition', in der Ererbtes und Erlerntes, Determinationen und Dispositionen, Möglichkeiten und Tendenzen mannigfach ineinanderwirken können. Nun ist aber auch die kulturelle Tradition nicht einfach als schlichtes Kopieren zu verstehen, sondern als komplexes Ineinander von vorgegebenen Anlagen, Imitationen, Selbstorganisationen, .die oft auch unabhängig zu fast identischen Resultaten führen können. Ob nur der vereinfachende Blick des Wissenschaftlers Kontinuitäten in einem bunten Spiel des Zufalls statuiert, wird von Fall zu Fall als Problem auftreten. Als überwunden gilt, vor allem kraft der Computer-Simulationen, der einst dem Sozial-Darwinismus so einleuchtende Ge-
Nachwort 1996
345
danke der Gruppen-Selektion. 9 Er schien seinerzeit dem Appell an die Gruppen-Solidarität eine wissenschaftliche Grundlage zu verleihen; gefade die verfeinerte Wissenschaft hat jetzt auf die grundlegende Bedeutung des ,Egoismus' geführt - was wiederum nicht zufällig derzeitigen Trends entspricht -. Der evolutionäre Vorteil der Kooperation ist offenbar sehr viel kompli zierter zu erklären. Die Thesen von Homo Necans über die Solidarisierung im Tötungsakt, im Opfer lassen sich als historischer Befund verteidigen, doch kann dieser nicht schlicht aus einer angeblichen 'Durchsetzungskraft in der Entwicklung der Menschheit erklärt werden (so S. 35). Der neue Vorstoß der Soziobiologie wurde bereits erwähnt; insofern bej diesem Ansatz der kulturelle Erfolg an der Zahl der erzeugten Nachkommen gemessen wird, sind die Ergebnisse bisher nicht sehr beeindruckend. Wie und warum es zur Durchsetzung bestimmter Regeln in der historisch-kulturell bestimmten Gesellschaft kommt, ist im Grunde immer problematischer geworden. Daß allerdings der einzelne Mensch in seinen Vorlieben und Vorstellungen mehr durch genetische und soziale Faktoren bestimmt ist als durch eigene Spontaneität (S. 36 f.), wird heute vielleicht eher akzeptiert als vor 25 Jahren. Doch ein einfacher und direkter Funktionalismus im Sinne der Auslese ist nicht haltbar. Historisch faßbare Befunde sind freilich damit nicht außer Kraft gesetzt: Opfer qua Tötungsrituale sind in alten Kulturen und anderwärts wichtig und wirksam gewesen, und dies bleibt ein beunruhigendes Erbe. Unbekannt waren dem Verfasser von Homo Necans seinerzeit noch die Schimpansen-Studien von Jane Goodall geblieben; die erste populäre, zusammenfassende Darstellung, In the Shadow oJ Man, erschien 1971. 10 Später noch sind die Zwergschimpansen oder Bonobos als eigene Art erkannt worden. Entscheidend wichtig ist besonders die Beobachtung, daß Schimpansen kleinere Tiere jagen und daß es dann zu einer ,Fleischverteilung' in der Gruppe kommt, die der erfolgreiche ,Jäger' vornimmt; dies war eine große Überraschung. Bei den R. Dawkins. The Selfish Gene. Oxford 1976: The Extended Phenotype. The Gene as the Unit of Selection, Oxford 1982. 10 J. Goodall, In the Shadow of Man, Boston 1971 (rev. 1988): Through a Window: My 30 years with the chipanzees of Gambe, London 1991. 9
346
Nachwort 1996
Bonobos gibt es noch weitergehende, differenziertere Formen der Essensteilung. Die vereinfachende Antithese von Schimpansen- und Menschenverhalten, wie sie Homo Necans S. 25 vorgestellt wird, ist damit widerlegt: Die Schimpansen stehen dem Menschen näher als erwartet, wie ja auch ihre Fähigkeit, Sprache zu erlernen und zu gebrauchen, alle Erwartungen übertroffen- hat. Auf dem Niveau der Gene ist jetzt von einer Übereinstimmung mit homo sapiens sapiens von mehr als 98% die Rede. Und doch scheinen mehr als zwei Millionen Jahre die bei den Stämme zu trennen; dies also der Rahmen, in dem der Prozeß der Menschwerdung zu sehen ist. Die Kontinuität des Verhaltens erscheint bei alledem gelokkert. Verschiedene Schimpansengruppen haben verschiedene ,Kulturen', was ,Techniken' der Nahrungsbeschaffung betrifft; im Umgang mit der Sexualität zeigen die Bonobos ein markant anderes Verhalten als die eigentlichen Schimpansen. Dabei kennen weder die Bonobos noch die anderen Schimpansen Rituale im eigentlichen Sinn, zeigt sich doch ihre Intelligenz gerade in der Individualität und in der Vielfalt des Erlernbaren; nichts gibt dabei zu der Vermutung Anlaß, daß sie etwas wie Religion besäßen. Die ,Erfindung' von Religion muß sich demzufolge in einer bestimmten Phase der späteren Evolution ereignet haben, spätestens im Jungpaläolithicum; es ist am einleuchtendsten, wenn auch unverifizierbar, dies mit der Sprachentwicklung zusammenzusehen. Sprache macht die Entwürfe bezeichneter Wirkungsfelder in ganz neuer Weise möglich. Vielleicht kommt es auch erst auf dieser Stufe zu bewußt durchgeführten Zer~ monien, die sich auch sprachlich vorschreiben und tradieren lq.ssen, im Unterschied zu einfacheren und älteren, ,instinktiven' Gesten und Gebärden etwa des Drohens oder der Unterwerfung. Zu den zoologisch feststellbaren Ritualen im engeren Sinn, etwa bei Haubentauchern oder Graugänsen, besteht dann nur ein Verhältnis der Analogie, nicht der Homologie und lückenlosen Tradition. Nun hat sich aus neueren Funden überraschenderweise ergeben, daß der ,Neanderthaler' und der ,moderne' Mensch Zehntausende von Jahren nebeneinander gelebt haben, bis jener verhältnismäßig rasch verschwunden ist. Sollte dabei die
Nachwort 1996
347
Entwicklung der menschlichen Sprache eine aussschlaggebende Rolle gespielt haben? 11 Es wäre dies der dramatischste Fall der Wirksamkeit von ,Soziobiologie': War der ,Neanderthaler' physiologisch sprachunfähig, ein Handicap, das dann entscheidend wurde? Gab es etwas wie eine ,semantische Revolution' vor etwa 40000 Jahren, faßbar auch in darstellender Kunst und allerlei sonstiger Zeichengebung, die der ,Neanderthaler' nicht mitgemacht hat? In diesem Fall müßte dem menschlichen Ritual sogar eine besonders wichtige Rolle zufallen. Denn offenbar gab es auf der Stufe des Neanderthalers so etwas wie Totenriten. Ritual als Sinnstiftung, Ritual, das dem Rätselhaften eine feste Form gibt, müßte dann der uns geläufigen Wortsprache mindestens um eine Stufe in der Evolution vorausgegangen sein. Dies würde sich zur Sicht von Homo Necans sehr wohl fügen, zumal sich Rituale für den Beginn und den Abschluß einer Jagd leicht vorstellen bzw. rekonstruieren lassen. Doch werden die Thesen von der Sprachfähigkeit oder Sprachunfähigkeit wohl bis auf weiteres kontrovers bleiben, und auch die prähistorischen Befunde sind nicht unumstritten. Vielleicht, daß weitere Funde einmal Klarheit bringen. Verloren gegangen sind dagegen gerade jene Befunde, die Karl Meuli besonders hervorgehoben hatte und Homo Necans von daher übernahm (21), die von Ernst Bächler behaupteten ,Höhlenbären-Bestattungen' in den Schweizer Alpenhöhlen bereits durch ,Neanderthaler'. Die seither erhobene Kritik 12 ist unwidersprochen geblieben: Die Funde lassen andere Erklärungen zu; das auf sie projizierte erstaunlich-erbauliche Bild von ,verehrendem' Ritual ist nicht zu verifizieren und muß aufgegeben werden. Ob weitere Funde einmal mehr Licht in das Verhältnis von ,Neanderthaler' und modernem Menschen über die primitivste Lebenstechnik hinaus erbringen werden, bleibt auch hier abzuwarten. Die Rolle der Jagd in der Entwicklungsgeschichte der Hominiden ist in den letzten Jahrzehnten mit neuem, kontroversem Elan diskutiert worden. Nicht nur durch die Tabuisierung 11 12
So mit aller Vorsicht Diamond a. O. 47f. F. E. Koby, L'Anthropologie 55 (1951) 304-308: G. Bandi in: Helvetia antiqua, Festschrift E. Vogt, Zürich 1966, 1-8.
348
Nachwort 1996
von Gewalt und Aggression, von der die Rede war, hat die Position von Dart und Morris, die in Homo Necans (24f.) aufgegriffen wurde, ihre Popularität verloren und findet kaum noch Sympathie. Es ist besonders die seither mächtig gewordene Front des Feminismus, die im übrigen auch die These von einem prähistorischen Matriarchat in immer neuen Vorstößen zu stützen sucht (vgl. S. 92 ff.), die die Bedeutung der Jagd reduzieren möchte. Denn daß die Jagd weltweit nahezu ausschließlich ein männliches Unternehmen war und ist, läßt sich nicht bestreiten. So ist festgestellt, daß in den noch faßbaren Jägergesellschaften de facto die Frauen mit ihrer Sammeltätitgkeit den größeren Prozentsatz an Nahrungsmitteln beisteuern. Umso mehr muß allerdings das ganz besondere Prestige auffallen, das an der Jagd haftet und dementsprechend vom männlichen Teil der Bevölkerung in Anspruch genommen wird. Wenn Ideologie und Wirklichkeit nicht zusammenstimmen, bleibt die Ideologie doch ein kulturelles Faktum. Die Definition des Menschen als hunüng ape (S. 24) mag grob simplifizierend sein. Und doch war es offenbar der Ausbau der Jagd, weit über die Anfänge im Schimpansenbereich hinaus, was einen Hominidenstamm befähigte, die Savannen Afrikas zu verlassen und, als homo erectus, bald den gesamten eurasischen Raum zu bevölkern, ja Eiszeiten zu überdauern. Nicht zufällig sind in einem zu Afrika konträren Habitat, im sibirisch-arktischen Raum die Eigenheiten des Jägerturns am eindringlichsten zu beobachten geblieben - was zu Karl Meulis Studie zurückführt -. Daß, wie man heute sieht, schon der frühe Mensch am Aussterben ganzer Tierarten ursächlich beteiligt war, am dramatischsten in Amerika,13 mag mehr den Ökologen als den KulturwissenschaftIer interessieren. Es unterstreicht jedoch von der anderen Seite her die.Rolle des bewaffneten Jägers. Im übrigen ist von vorliegendem Buch weder eine zulängliche Darstellung der prähistorischen Religion oder Religionen, noch ein verantwortlicher Überblick über die ethnologisch faßbare Vielfalt religiöser Rituale und Spekulationen zu fordern. Was in diesem Zusammenhang erwähnt wird, ist zugegebenermaßen teilweise eher zufällig zusammengerafft oder sekundären, ihrerseits problematischen Quellen wie Frazers Gold~n 13
Diamond a. 0.304-312.
Nachwort 1996
349
Bough entnommen. Dabei zeigen besonders die neueren Diskussionen ,über Menschenopfer und Kannibalismus, auf wie schwankendem Boden angeblicher Zeugnisse vieles behauptet und konstruiert worden ist. 14 Eine nicht unwichtige Berichtigung ist hier am Platze: Mit anderen ist der Verfasser den allzuschönen Berichten von R. P. Trilles über die Jagdriten der Pygmäen gefolgt (S.80; 82; 160). Daß der Missionar Trilles, gedrängt von Pater Wilhclm Schmid, eine phantastische Mystifikation niedergeschrieben hatte, ist im Nachhinein unbestreitbar. 15 Allerdings ist es bezeichnend für die Entwicklung der Ethnologie gerade der letzten Jahrzehnte, daß das notwendige Ineinander von Beobachter und beobachteten Befunden zunehmend kritisch reflektiert wird, bis die angeblich voraussetzungslose, naive Beschreibung einer fremden Kultur zu einem Ding der Unmöglichkeit wird. Alle früheren Beschreibungen sind umso mehr dem Verdacht der ideologisierenden Verfälschung ausgesetzt. Dies schließt nicht aus, daß man einem von fachlichen Skrupeln nicht angekränkelten allgemeinen Publikum einleuchtende Trugbilder vorspielen kann, wie die angeblich aggressionslosen Tasadays, 16 Das Märchen wurde damals gar zu gerne geglaubt, denn es lag im Trend. Der Mensch erkennt das eigene Spiegelbild, doch lange noch nicht sich selbst.
Die Behandlung der Rituale und Mythen im einzelnen wirft weniger Probleme auf. Es ist seit dem Erscheinen des Buchs
Bestritten wurde die Existenz des Kannibalismus durch W. Arens, The Man-Eating Myth. New York 1979. der aztekischen Menschenopfer durch P. Hassler (oben Anm. 4). der phönikischen Kinderopfer durch S. Moscati. 11 sacrificio punico dei fanciulli: Realta 0 invenzione? Accademia Nazionale dei Lincei. Quaderno 261. Rom 1987; kritisch zu den griechischen Menschenopfer-Berichten D. D. Hughes, Human Sacrifice in Ancient Greece, London 1991; P. Bonnechere. Le sacrifice humain en Grece ancienne. Liege 1994. 15 L. K. Piskaty. Ist das Pygmäenwerk von Herrn Trilles eine zuverlässige Quelle? Anthropos 52 (1957) 33-48. 16 Siehe Th. Fleming. The Politics of Human Nature. New Brunswick 1988. 161; O. Iten. Zwischen allen Welten. Zürich 1995. 161-175. 14
350
Nachwort 1996
sehr viel gearbeitet und publiziert worden; einen vollständigen Literaturnachtrag auch nur zu versuchen scheint kaum sinnvoll; 17 er wäre sogleich überholt. So beschränken sich die folgenden Hinweise auf die Fälle, wo neue Entdeckungen die Lage in wesentlicher Weise verändert haben, und auf die notwendigsten Berichtigungen, soweit sie dem Verfasser zur Kenntnis und zu Bewußtsein gekommen sind. Kap. 11 2 zu Pelops: Die Befunde am Pelopionsind durch neue re Grabungen präzisiert und kompliziert worden. Es scheint Kultkontinuität am Ort seit derspätmykenischen Epoche zu bestehen, doch erhielt die spätere Anlage wohl erst im 6. Jh. ihre Form. Kap. 11 4 zu Aktaion: Der Mythos von Aktaion, Semeie, Artemis ist jetzt in Hesiods Katalogen belegt, Hes. Fr. 217 A West. Kap. 11 7 zu Isthmia: Der Kult des Palaimon ist im Isthmischen Heiligtum erst nach der Wiederbegründung der Spiele durch Kaiser Nero nachzuweisen, nicht im archaischen Heiligtum, E. R. Gebhard Hesperia 61, 1992, 1-77. Kap. 111 1 zu Arrhephoria: Die Topographie ist zu ändern, nachdem das Heiligtum der Aglauros (vgl. auch S. 78) im Osten, nicht am Nordhang der Akropolis entdeckt worden ist: G. S. Dontas, The True Aglaurion, Hesperia 52 (1983) 48-63. Ob die Statue der Athena Polias ein Sitzbild (S. 79,37) war,'ist umstritten: T. L. Shear Hesperia Supplement 17 (1978) setzt im Zusammenhang mit einer neuen Inschrift Athena Archegetis (vgl. Aristoph. Lys. 642) mit der Polias gleich und optiert für eine stehende Figur. Das Datum der Plynteria (S. 172 Anm. 77) wird durch den Opferkalender von Thorikos (G. Daux, Le calendrier de Thorikos au Musee J. Paul Getty, L'Antiquite Classique 52 [1983]
17
Umfassende Erschließung der Literatur bis 1985 leistet Mentor: Guide bibliographique de la religion grecque, Liege 1992; eine gute Übersicht bei J. N. Bremmer. Götter. Mythen und Heiligtümer im antiken Griechenland. Darmstadt 1996.
Nachwort 1996
351
150 -174, Zeile 52 f.) in den Monat Skirophorion verlegt, mit einem Opfer an Athena und Aglauros. Kap. IV 1 zu Dionysos: Dionysos ist, in Verbindung mit Zeus, mykenisch jetzt auch in Kydonia-Chania belegt, Kadmos 31 (1992) 75-81. Kap. IV 3 zu Karer /Ke:ren: Die von E. Schwyzer vorgeschlagene Deklination (S. 253) wird von der Indogermanistik nicht mehr akzeptiert: R. S. P.·Beekes, KiiPEs, KupEs: Root nouns of the type *Cer, *Caros? MSS-36 (1977) 5-8. Kap. IV 4 zu den ,Lenäenvasen': Zusammenfassende Behandlung aller Monumente durch F. Frontisi-Ducroux, Le Dieu Masque, Paris 1991; die Zuordnung zu einem bestimmten Fest bleibt offen. Kap. V zu Eleusis: Alle Zeugnisse zum eleusinischen Personal, einschließlich der ,Knaben' (S. 309), bei K. Clinton, The Sacred Officials of the Eleusinian Mysteries, Philadelphia 1974. Zum Schweineopfer ders., Sacrifice at the Eleusinian Mysteries, in: R. Hägg, N. Marinatos, G. Nordquist, ed., Early Greek Cult Practice, Stockholm 1988: Vorhandene Schächte an der Philon-Stoa werden als megara gedeutet.. Zur eleusinischen Ikonographie ders., Myth and Cult. The Iconography of the Eleusinian Mysteries, Stockholm 1992, mit einem Vorschlag zur Identifizierung der agelastos petra: S.14-27, Abb. S. 24. Auf der Bostoner Vase (Homo Necans S. 308,24) ist mit Mühe JOL, vielleicht IAK]XOL lesbar, Clinton 68 f .. Eine weitere Vase mit dem eleusinischen Knaben (Homo Necans S. 319, Anm. 73), Hydria in der Abbeg-Stiftung, Bern: Abb.22/23. Vieles in der Ikonographie bleibt unsicher. Eine apulische Vase in Malibu bezeichnet das Kind mit Füllhorn, neben EAEYLIL stehend" als ENIAYTOL ,Jahr', Getty Museum Journal 15 (1983) 163 f.; Clinton, Myth and Cult fig. 4a; Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae s. v. Ploutos 12 - ein ,Jahres-Daimon'? Zu S. 318/321: Brimo, ,Symbola', ,Heilige Wiese' erscheinen im Text eines Goldblättchens aus Pherai, 4. Jh. v. Chr., im Kontext dionysischer Mysterien: P. Ch. Chrysostomou, H 0ELLAAIKH
352
Nachwort 1996
0EA EN(N)Oi\IA 'H
CORRIGENDA MINORA S. 9 Z. 17 S. 18 Anm. 44 S. 25 Z. 2 S. 37 Anm. 16 S. 46 Anm. 4 S. 57 Anm. 43 S. 66 Z. 18 Anm.24 S. 68 Anm. 32 S. 71 Anm. 5 Anm.6 S. 75 Anm. 21 S. 83 Anm. 53 S. 90 Anm.12 S. 90 Anm. 16,3 S. 93 Anm. 30,6 S. 114 Anm. 28 S. 116 Z. 16 S. 132 Z. 24 Anm.34 S. 133 Anm. 1 S. 139 Anm. 34 S. 143 Z. 18 Anm.56 S. 144 Anm. 59
S. S. S. S. S.
162 Anm. 36 166 Anm. 52,6 167 Z. 6 172 Anm. 77 173 Z. 27-8
S. 185 Anm. 14,6
Lev.6,2 sumo gala das Paläolithicum Anm.6. 'Hdt. 2,178 J. van Baal, Dema ... (1966); den dunklen Wein Nilsson (1906) Nilsson (1906) de l'art occidentale Grabowsky Nilsson (1906) ,Vgl. auch Anm. 70' zu streichen Aqhat Plut. Is. 364 f (0. Kap. I 2 Anm. 20) Annali 23 (1851) T.QR 10. Jahrhundert Aqhat Aqhat Roux ... (1971); Lucan 5, 165; nach Pausanias nennt sich die Sibylle Plut. Pyth.or. 405c; 6:YPl1VOV nach J. Harrison BCH 24 (1900) 254-62, eher aiyis nach Ael.Dionys.a 48, Paus.Att.a 40. Ch. Kardara Immarados Immarados ZRGG ,so daß .. . Hekatomben genannt war' zu streichen Hesiodeischen Katalogen (Fr. 124-6 M.-W.)
354 S. S. S. S. S. S. S. S. S. S.
S.
201 234 238 260 266 267
Anm.l Anm. 36 Anm. 8 Anm. 21,6 Anm. 11,13 Anm. 11,9 10 276 Anm. 7,3 282 Anm. 36 291 Anm. 32 296 Z. 6 Z.7 Anm.296 327 Ende
Corrigenda Minora
ed. A.C.Pearson Archiv Orientalni Hautgelderrechnung Hackl TAPhA BuB. Metr. Mus. of Art 36 (1941) 235 Hermes SEG 12 (1955) Nr. 2 Culti e miti deBa Magna Grecia Poetae Mel. Gr. Demeterhymnus die Göttin Pringsheim (1905) ungewisse
Literaturverzeicnis: Hinzuzufügen ist S. 328 Burkert (1970) -, Jason, Hypsipyle, and New Fire at Lemnos, CQ 20 (1970) 1-16. S.330 Maringer (1956) J. Maringer, Vorgeschichtliche Religion, Einsiedeln 1956. Register: S. 337 Spalte 1 Z. 28 Aqhat S. 339 Spalte 1 Z. 23 Dionysos, 191; S. 339 Spalte 2 Z. 11 Immarados,
REGISTER 1. Kultorte und Feste Abydos, Aphrodite Porne, 180, 290 Agra, Kleine Mysterien, 293, und Dionysos, 43.14; Meter-Tempel, 238.9, 295.12 Agrionia, Name und Verbreitung, 194; Ritual in Orchomenos, 196f., in Chaironeia, 197 Aigina, Zeus Hellanios, 130; Poseidon, Monophagoi 120, 244.23 Ainos, Hermes 225 Alalach, Opferliste, 17.43 Alexandreia, Demeter 298, 313.47 Andania, Mysterien 282 Anthesteria, 236-269; Name, 236f., 251.5; Bezeugung 236.1; in Massalia, 236.1, 252; in Syrakus, 236.1; und Dionysia in Smyrna, 223, 236.1 Antissa (Lesbos), Bakcheion 224.30, 225.34 Apaturia, 46.4; vgl. Register 3 : Phratrie Aphaka, Aphrodite 229.11 Apollonia (Chalkidike), Olynthos 231f. Argos, Kalender, 183.4; Heraia, 183-189; Arneides, 123 f.; Daulis, 203.13; Herosantheia, 237.4; Heliosaltar, 123; Thyestesgrab, 123; Aphrodite ETTlTPCXY{CX, 84.56 Arkadien, Lykaia, 98-108; Demeter und Poseidon, 312 Arrhephoria, 169-173; Datum, 169.61; Name, 170f. Askalon, Atargatis 227 Athen, Kalender 154.1; Anthesteria, 236-269, Diasia, 245.28, 268.16, Diomeia, 156.11, Dionysia, 46, 223.26, 224, Dipolieia und Buphonia, 154-161, Lenaia, 253(f.).18, 257(f.).10, 260.21, Munichia, 29.34, 75.20, Panathenaia, 46f., 173-177,
Plynteria, 172, Skira, 161-168; Aphrodite Hetaira, 180.117, in den Gärten, 169, hrl 'bnToAvTCt>, 72.12; Athena Polias, 79.37, 162, 168, 172, 175, 207; Erechtheus-Poseidon, 162, 167f., 176f.; vgl. Eleusis, Marathon, Phaleron, Piräus Aulis, Artemis 77.30 Babyion, Neujahrsfest 113.26,160.27, 242.13; Fischopfer 230 Bacchanalia, 73.14 Bambyke, Dea Syria, 29.34, 132, 228 Böotien, Aphrodisia, 71, 180f.; AV~lol TEAETCX{ 180(f.) .118 Boedromia, 166.53 Brasiai, SemeIe, 226(f.).40 Brauron, Artemis, 75.20 Buphonia, 154-161 vgl. 48.15, 177, 184, 186; und Skira, 165; und Athenageburt, 176 Chaironeia, Agrionia, 194.23, 197; Leukothea, 246.34 Cheiron-Höhle, Pelion, 129 Chios, Dionysia, 207; Dionysos Aktaios, 130.23 Choen, 241-254, ,.1Icxpa ';IJ~PCX, 242, Wett-Trinken, 120, 241f., Opfer, 264f. Chytroi, 242.11, 14, 255f., 263-269; Agon, 266 Daulis, Athena, 203; Tereus-Mythos, 202f. Delos, Hörneraltar, 13(f.).26, Opfertiere, 19.46, 23(f.).20, 46.4; Opis und Hekaerge, 75.20; Dionysia, 83f., 215; Leukothion, 83(f.).54, 200; Delischer Taucher, 234; und Lemnos, 214
356
Register
Delphi, Apollontempel 136, 139, Giebel 141, ~
darstellungen, 276.6; Demeter und Hera, 302.36. Eleusis und Athen, 165f., und Skira, 163, 166 Eleutheria, Plataiai, 68.32 Eleutherai, Dionysos 224 Elis, Maultiertabu, 110.11, vgl. Olympia Enna, Kores Katabasis, 287 Ephesos, Artemis, 94.31; Aphrodite Hetaira, 180.116; Dionysos, 223.24; Hekate, 96.40 Erythrai, Ktisis-Sage, 181; Herakles, 160.13 Eryx, Opfer, 10(f.).10 Gadeira, Opfer, 10.10 Gargaphia-Quelle (Kithairon), 129.21 Hagno-Quelle (Lykaion), 99.8 Halai Aixonides, Thynneion, 231 Halos (Thessalien), Zeus Laphystios, 130f. Halikarnassos, Opfer, 10.10 Hekaleia, Marathon, 23 Hephaistia (Lemnos), Feuerfest, 212, 214, 218 Hermione, Taucherfest, 233f. Hierapolis, Apollon Kareios, 253.15 Ida, Zeushöhle, 132.32, vgl. 118.50 Ilissos, Tempel, 238.9, 296.12 Isthmos, Poseidon-Heiligtum, 219221, Palaimonion, 200, 219, Agon, 220f., Steine-Werfen, 12.16 Karneen, 178.105, 253.14 Keos, Dionysos, 236.3 vgl. 246.28; Sirius und Zeus, 126-127 Kerkyra, Opfer 48 Kleitor (Arkadien), Heilige Herden, 23(f.). 20 Korinth, Dionysos, 221f.; Demeter, 284.4; Hera Akraia, 172, 207.30 Kos, Zeus Polieus, 10.7,64.38,166.10, 159.20 Kretaia (Lykaion), 99 Kronia, Athen, 174; Rhodos, 68.46 Kurion (Kypros), Apollon Hylatas, 106.34
Register Kyane- Quelle bei Syrakus, 287 Kynaithos (Arkadien), Dionysos, 23(f.).20 Kyrene, Reinigungsr~tual, 280.24 Kyzikos, Persephone, 10.10, 23(f.).20; Perseus, 232.25 Lanuvium, 76.24 Laodikeia, Stadtgöttin, 77.29 Lemnos, Feuerfest, 214-217; Artemis, 216; Kabirion, 217; Große Göttin, 96.40; Lemnische Erde, 210, 216 Lemuria, 251 Lenaia, 253(f.).18, 257(f.).10, 260.21 Lerna, Dionysos, 90.16, 197.33, 257.7; Neolithisches, 182 Lesbos, Dionysos Phallen (Methymna), 225; Dionysos Enorches, 121.12, Bakcheion (Antissa), 224.30 Letrinoi (Elis), Artemis Alpheiaia, 191 Leukas, ApolIon, 58.46 Leuke (Pontos), Opfer, 10(f.).10, 54.38 Leuktra, Opfer, 10(f.).10, 77.30 Lokroi, Aphrodite, 75.21, 94.33, 290; Kore, 289f. Lupercalia, 104 Lusoi (Arkadien), Artemis, 192 Lykaia, 98-108 Lykoreia und Delphi, 134, 137 Lykosura, Demetermysterien, 93.30, 282, 305, 306 Magnesia am Mäander, Dionysos, 223.24, 314.52; Zeus Sosipolis, 160.26 Magnesia (Thessalien), Zeus Akraios, 129f. Maiuma, 234 Marathon, Hekaleia, 23 Massalia, Anthesteria, 236.1, 252; Saturnalia, 10(f.).10, 58.46 Megalopolis, Zeus Lykaios, 102.24, 107.43 Megara, Athena Aithyia, 204.18; Kar, 253; Leukothea, 200; Tereus, 12.16, 204
357
Melite, Ziegenopfer, 77.26, 180(f.).118 Messene, 'legendäres Menschenopfer, 10(f.).10, 77(f.).30; Trauerriten, 67; vgl. Andania Methymna (Lesbos), Dionysos Phallen, 225 Milet, Dionysos, 223.24; Molpen, 104.29 Munichia, Artemis, 29.34, 75.20 Mykale, Panionion, 46 Mykonos, Demeter, 280; Poseidon, 115 Myra (Lykien), Fische, 228.9 Naukratis, 46.4 N aupaktos, Dionysia, 226.37; Zeus N emeios, 226 Nemeen, 183.7, 187.25 Nestane (Arkadien), Rhea, 93.27 Olympia, Agon, 108-119; Zeusaltar 11lf., 117, Stadion, 111.12, Zeustempel, 116, Giebelfiguren, 110.8, Pelopion, I11f., 114, ~vi\eus, 112f., 117, Mythos und Ritual, 43; Geschichte der Spiele, 109, Wagenrennen, 110; Heratempel, Heraia, 118; Sosipolis, 118 Orchomenos, Agrionia, 194.23, 196; Zeus Laphystios, 130 Ostia, Maiuma, 234 Pagasai, Dionysos Pelagios, 226(f.).40 Panathenäen, 46, 47, 173-177; Große und Kleine, 174 Pandia, 204 Paros, Demeter Thesmophoros, 298.20, 300.29, 314.52 Passah, 15.37 Patrai, Artemis 72.11 Pedasia, Opfer, 10.10 Pelion, Cheiron-Höhle, 129 f. Pergamon, Reinigungsritus, 117 Phaistos, Leukippos, 259.14 Phaleron, Athena Skiras, 164.44 Pheneos (Arkadien), Pferdeherde, 151.20, 179.111 Phigalia, Demeter, 93.30
358
Register
Phlya, Apollon Dionysodotos, 141.45 Phylake (Thessalien), Protesilaos, 270 Piräus, Thesmophorion, 164.41 Pithoigia, 238, 240f., 261, 2Mf., 261 Plataiai, Totenopfer, 68f. Plynteria, 172 Potniai, Demeter, 284 Priene, Demeter, 284.5; Dionysos, 223.26 Pythien, Agon, 133 f., 145-147 Rhion, Poseidon und Ariadne, 226 Rom, Ara Maxima, 48 Salamis (Kypros), Menschenopfer, 29.34 Samos, Heraion, 191 Samothrake, Mysterien, 149, 217, 233, 294.10
Septerion, Delphi, 144-147 Seriphos, Fischtabu, 232f. Sikyon, Aphrodite, 211; Athena und Epopeus, 207, 211; Iphinoe, 192f. Sizilien, Demeter und Kore, 282, 287, 288.25; vgl. Syrakus, Enna Skira, 161-168, 178, 216; i, 162.35, 164.44; und Thesmophoria, 284.5 Skiron, Athena und Demeter, 162, 164.44, 166; Heilige Pflügung, 166 Smyrna, Dionysia, 223.24, 26, 236.1; Heilige Fische, 228.9 Syrakus, Anthesteria, 236.1; vgl. Kyane- Quelle
Tainaron, Poseidon, 221 Tanagra, Dionysos und Triton, 234 Tarent, Delphinreiter, 223.24, 226.37; Dionysia, 223.24; Eselopfer, 23(f.).20
Tarsos, Perseus, 232.25 Tegea, Fluchtritual, 157.13 Temesa, Heros, 75.21 Tempe-Tal, Septerion, 145-147 Tenedos, Dionysos Anthroporrhaistes, 29.34, 157.13, 186, 204 Thasos, Thesmophorion, 284.5, 298.20 Theben, Dionysos, 199, 241.7, 260(f.).21; Agrionia, 194.23; Kabirion, 150, 218; Hipparchen, 210; Aphrodisia, 71, 180f.; }ungfrauenopfer, 77.30 Thelpusa, Apollon, Poseidon, Demetel', 151,21, 312 Thesmophoria, 284, 288, Nl1O'Te{CX, KcxAAlyevElcx 162.34, KTeis, 299.21, ö{ooYIJCX, 157.13, Granatapfel 314; vgl. Paras, Thasos, Piräus Tilphusion, Apollon und Poseidon, 151.21 Tiryns, Hera, 189-191, Schweineopfer, 192.17 Tithorea, Fluchtritual, 157.13; und Theben, 210 Torrhebis (Lydien), Karios, 253.15 Vinalia, 240.5 Xandika, 65.23
2. Götter- und Heroennamen Acheloos, 85 Achilleus, in Olympia beklagt, 118 Adapa,231 Adonis, Auferstehung?, 90.12, Schafopfer in Kypras, 132; vgl. 93 Aerope, 120, 122 Agamemnon, 50.21 Agathos Daimon, 241 Aglauros, 78, 170 Aiakos, Opfer für Zeus Hellanios, 130
Aigisthos, 124f., 267 Aithalides, 217 Akademos, 175 Aktaion, 127-130, 132, 257.6 Aletis, 267f. Amphiktyon und Dionysos, 247.37 Amphion und Zethos, 207-209, 210 Anahita, Heilige Herden, 23(f.).20 Anat,132 Andromeda,234.36
Register Antiope, 207-210 Aphrodite, Geburt, 229 vgl. 84; Orientalin, 94.32, bewaffnet, 94.33, bärtig, 84.56; Bocksopfer, 81, 84.56, Schafopfer (Kypros), 132, Opfer der Böotarchen, 71, 180f.; Mysterien, 299, rituelle Defloration, 75; A. Hetaira (Athen, Ephesos), 180.117, in den Gärten (Athen), 169, Pontia, Limenia (Hermione), 233.31, Porne (Abydos), 180, 290; in Aphaka, 229.11, Argos, 84.56, Lemnos, 212, Lokroi, 75.21, 94.33, 290,Sikyon,211;A.und Gyges, 180, und Hippolytos, 72.12, und Dea Syria, 229. Apollon, in Delphi, 138, 140, mit Dionysos, 140f.; A. Dionysodotos, 141.45, Aktaios, 130.23, Hylatas (Kurion), 106.34, Lykeios (Argos), 124, Lykegenes, 138.24, Lykoreus, 137.22, Kareios (Hierapolis), 253.15, Karinos, 253.16, Thymbraios und Laokoon, 72.11; und Poseidon, 151; Fest in Ithaka, 151; Statue gegen Pest, 50.19. Apsu,l77 Aqat, 90.12, 132 Argonauten, 131, 213 f. Argos Panoptes, 185f., und Stier, 186, und Zeus, 188, und die Stadt Argos, 185.18 Argos, Heros bei Tiryns, 189.1 Ariadne, Fest in Rhion, 226; erhängt, 77.26; Grab (Argos), 197.33; Bilder, 258. Aristaios, 126f. Arkas, und Lykaon, 101, und Pan, 107; und Arkader, 116; Auferstehung,142 Artemis, Jägerin und Jungfrau, 72, 94; A. Agrotera, 77f., 294, AIpheiaia, 191, Ephesia, 94, Hemera (Lusoi), 192, Heurippa (Pheneos), 179.111, Kalliste und Kallisto, 91.19, Kordax (Olympia), 114, 117, Orthia (Sparta), 93.30, 191, Triklaria (Patrai), 72.11; auf Lemnos, 216; im Pelias-Mythos, 114.32;
359
und Aktaion, 128; TTpoTEAEla, 75.20; A. &TTayxo~E\lTl, 77.26 Astarte, 234.36 Atargatis, 227f. Atalante, 72.11 Athamas, und Phrixos, 91, 130f.; und Wölfe, 131; und Ino, 199f. Athena, Geburt, 79.37, 157.13, 176, Tropaion und Aigis, 79; A. Polias (Athen), 79.37, 162.36, 168, 172, 207, Peplos, 175, Priesterin, 162f., 167f., 169, und Poseidon, 176f.; und Buphonia, .154.2, und Pflug, 159.20; A. Alea (Tegea), 93.30, Skiras, 164.44, Tritonia (Pheneos), 179.111 Athirat, 231 Atreus und Thyestes, 119-123 Attis, Name, 95; Ikonographie, 310.35, und Ähre, 320, und Galloi, 291, und ,Kiste', 297.18; Auferstehung?, 90.12; Platonische Interpretation, 324.7; und <;atal Hüyük,93 Autolykos, 137, 149 Baubo, 286.12, 307, 314; auf Paros, 314.52; Statuetten, 314f. Brimo, 318 Daeira, 324.8 Danae, und Perseus, 232f. Danaos, und Schild von Argos, 184 Dardanos, und Samothrake, 149, 217 Demeter, Kore-Mythos, 286f., 304; und Poseidon, 312, Brimo, 318.71, und Hera, 302, und Dionysos, 257.6; Mysterien, 282, Vorbereitung, 73.14, Schweineopfer, 77, 284, vgl. Register 1: Eleusis; Thesmophoria, 284, 288; in Andania, 282.35, Lykosura, 282.35, Mykonos, 280, Paros, 298.20, 300.29, 314.52, Phigalia, 93.30, Potniai, 284, Priene, 284, Sizilien, 282.36, bei Skiron, 162.35; D. Chamyne in Olympia, 114f. Demophon, in Eleusis, 309; und Orestes, 245f., 255
360
Register
Derketo, 227 Deukalion und Pyrrha, 137f., 142 Diktys, 232 Diomos, 166.11 Dionysos, Alter des Kultes, 236, Vordringen, 206f., 208, 218, 222; und Poseidon, 226, und Apollon (Delphi), 140f., und Kabiren, 218, und Proitiden, 191-193, und Melampus, 191, und Lykurgos, 198f., und Iakchos, 308.23, 318, und Protesilaos, 271; Bocksopfer, 81, 91, Stieropfer, 23(f.).20, 268.12, Phallosumzug, 82f., auf Delos, 83f., Meertaufe, 231, und Wein, 249, Masken, 260-262, 14 Altäre, 269, 261.26, Hermen, 261.22, 26, 266.6, Heilige Hochzeit, 267-260, 1ToJ,11T11, 263.31, Mysterien, 207.30, 299.22, 317.64, und Graburne, 64; Geburt, 199, 318(f.).72, und Hermes, 263, und Ariadne, 268, Einkehr bei Ikarios, 247, 267, und Erigone, 269; getötet, 197, zerrissen, 140, 142, 249, 267, 299,23, gekocht und gebraten, 104.29, 203; D. Aktaios, 130.23, Anthios, 237.4, Anthroporrhaistes (Tenedos), 186, 204 vgl. 29.34, 167.13, Bassaros, 300, Bugenes (Lerna), 90.16 vgl. 83, 267.7, Eleuthereus, 83.53, 224, 247.37, Enorches (Lesbos), 121.12, Eriphos (Sparta), 90.14, Isodaites, 244.24, Kadmeios (Theben), 194.23, Kresios (Argos), 197.33, Liknites (Delphi), 142 vgl. 261, Limnaios (Athen), 238, 240f., 266, Lysios (Böotien), 180(f.).118, Melanaigis (Hermione), 233f., Melpomenos (Athen), 213.7, Omestes. 194.23, 204, Pelagios (Pagasai), 226(f.).40, Perikionios (Theben), 260(f.).21; in Agra, 43.14, Brasiai, 226(f.).40, Dionysopolis, 226.33, Ephesos, 223.24, Korinth, 222, Lemnos, 213, Methymna, 226, 262, Milet, 223.24, Orchomenos, 196, Potniai, 246.34, Smyrna, 223, Theben. 241.7; D. und Osiris, 213.8, 249.43, 260.21
Dioskuren, in Lokroi, 289f.; und Kabiren, 160, 217 Dirke, und Antiope, 209, Grab, 210 Dumuzi, und Inanna, 290f., und Ähre, 320; Auferstehung?, 90.12 Eileithyia, in Olympia, 118 Endymion, 110.7, 310.36 Enkidu, Zähmung des Jägers, 72(f.).12 Epopeus von Sikyon, 207f., 211; Fischer, 233 Erechtheus, Tod und Kult, 166f.; und Poseidon, 167, 168.60, 177; und Erichthonios, 176, 211; und Athena, 162.36, 168, 172, 207; Priester, 162; und Dipolieia, 166.3; Töchter, 78, 167f., 173; und Sikyon, 211.19 Ereskigal, 290.70 Erginos, 217 Erichthonios, und die KekropsTöchter, 170, 176; und Erechtheus, 176, 211; und Panathenäen, 174.84 Erigone, 247, 266.11, 267, 269 Erinyen, 190, 266 Eros, Heiligtum an der Akropolis, 170 Eubuleus, 286, 308.24, 311.40, 324, vgl. Zeus Eubuleus Eumolpos, Name, 318.70, Homonyme, 166.54, Ikonographie, 297.17, 308.24, 317; Schafhirt, 311.40; Krieg gegen Athen, 166f., 177; Eumolpiden, 280.26, 281, 322 Euneos, 213.7, 214 Europa, 90.13 Eurydike, 317 Gallu, 18.44, 291, vgl. 299.23 Glaukos, Meergott, 234.33 Gorgo, 79.39, 173, 176; Gorgonen von Tiryns, 191 Gyges,180 Hades, Koreraub, 289 Hainuwele, 67.43 Hekate, als erhängtes Mädchen, 77.26, 96.40; in Erythrai, 181; H.
:Register Pers eis, 233; und Brimo, 318.71; und Artemis, 114.32 Helena, Dendritis, 77.26; und Menelaos, 71f. Helios, Rinderherden, 23(f.).20; Priester in Athen, 162f.; Altar am Inachos, 123 Hephaistos, in Lemnos, 212, 214, 216f.; und Athena-Geburt, 157.13; und Erichthonios-Zeugung, 170; Rückkehr, 218, 222.19; Pilos, 150 Hera, von Argos, Heraion, 182, 187, Herden, 23.20, Herrin der Tiere, 93.30, Priesterin, 183f., 186(f.).23, Schild, 184.9, und lo-Mythos, 91, 185f., und Phoroneus, 185.14; H. von Tiryns, 189; von Samos, 191; H. Akraia (Korinth), 172f., 207.30, Akreia (Argos), 184.12, Antheia, 237.4, Lakinia, 23.20, 93.30; in Olympia, 118; Bad im Kanathos, 184.12; und Demeter, 302; und Dionysos, 199; und Dea Syria, 228 Herakles, Jäger, Krieger, Opferer, 54, 59; Erfinder der Brandbestattung, 64.17; und Acheloos, 85, Dreifußraub, 138f., bei Pholos, 254f., Keramyntes, 254.19, in Eleusis, 280, 284, 293, 294-297, 315f., Scheiterhaufen, 157.13; Kult in Erythrai, 150.13; Idäischer Daktyl, 110.7 Hermes, Widderopfer, 81, 312.44, Rinderopfer, 22; Steinhaufen, 185; Argeiphontes, 185f.; und Brimo, 318.71; H. Chthonios, 264f., 271; und Dionysos, 263; Psychopompos, 255.21; in Ainos, 225; Ahnherr der Keryken, 165 Hesione, 234 Hestia, 54.38, 106.10 Hippodameia, 110, 113 Hippolytos, 72, 75.20, 257.6 Horen, Opfer 104.29 Horos, Zeugung, 260; brennend, 311.37 Hyakinthiden, 78.33, 173 Hypermestra, als Herapriesterin, 184 Hypsipyle, 213, 215
361
lakcho!,!, Kultruf, 39.2, 307f., 324; Ikonographie, 297.17, 308.24; Geburt, 318.72; und Baubo, 314; und Dionysos, 308.23 lambe, 296 lasion, und Demeter, 217 lason, 217 Ikarios, Einkehr des Dionysos, 247, 267; Reliefs, 247.37; Phalloskult, 83.53 Imarrhados, 166.52, 167.55 Inanna, Katabasis, 290f. Ino, und Leukothea, 199f.; Wasser der 1., 229.11; und Phrixos, 321.81 10, und Hera, 91, 185-187 Iphigeneia, 29.34, 77 Iphinoe, Proitide (Sikyon), 193f.; Haaropfer (Megara), 75.20 Isaak, Opferung, 10(f.).10, 29.34 Isis, und Thron, 95; und Osiris, 83.53, 260; Mysterien, 73.14, 317(f.).67, 320.79, ,Kiste', 297.18; Ploiaphesia, 84.55; und Demeter, 311.37 IStar, ,Höllenfahrt', 290; Gilgames' Anklage, 132; und Aphrodite, 94 Itylos, 20lf., 205 Kabiren, auf Lemnos, 212, 216f.; bei Theben, 150, 218; bei Hipponax, 233; ,Penaten' in Elaius, 272; und Dionysos, 218, 299.23 Kadmos, 150, 208.4, vgl. 194.23 Kain,31 Kallisto, 91, 101 Karios, 253.15 Kassandra, und Aias, 72 Kekrops, 155.3, 177; Töchter, 165f., 170, 172 Keleos, 165.48, 296, 315.56 Kentauren, als Masken, 103, 254f. Kephalos, und Prokris, 72(f.)12, 259.14 Kleobis und Biton, 183 Klymene, 286.14 Knopos, 181 Kore, Mythos, 286f., am Webstuhl, 300; Rückkehr, 297, 304, 315, Jahreszeit, 287; und Getreide, 287;
362
Register
Mädchenopfer und Restitution, 77, 96 Koroibos, 123.23 Korybanten, 294 Kronos, und Uranos, 84, 91, 320; in Olympia, 108, 110.7, 116 Krotopos und Linos, 124 Kumarbi, 91.17 Kybele, und <;atal Hüyük, 93, 282; und Galloi, 291; und Artemis, 94; und Ku-Ba'u, 230 Kyklop, und Odysseus, 148-151; und Hephaistos, 150 Laodameia, 269-271 Laokoon, 72.11, 178 Leukippos, in Phaistos, 259.14 Leukothea, Mythos, 199f.; in Chaironeia, 246.34, Delos, 83(f,),54, 200, Isthmos, 219, Megara, 200, Samothrake, 149; Weihung des Menneas, 199.42 Liknites, 142 Linos, 124 Lykaon, 100, 104.29, 121, 126 Lykurgos, verfolgt Dionysos, 198; als Gott, 199; Vater der Antiope, 208f. Lynkeus, 184 Ma Bellona, 297.18 Machaireus, 136 Makaria, Opferung, 77.30 Maleos der Tyrrhener, 268.15 Marduk, Fischopfer, 230 Marsyas, und Widderopfer, 141.45, 311.39 Mater Matuta, 209 Matusios, 272 Medea, und Peliaden, 114.32, Kindermord, 207.30; und Lemnos, 215; und Erigone, 268 Medusa, und Poseidon, 72.11 Melampus, 191-193, 196, 271 Melanthios und Xanthos, 197.31 Melikertes, 199f., 219f. Meter, Widderopfer, 312, 6ai\aiJll, 299.23, 6POVOOO"IS, 294, Taurobolion,
81.45; in Olympia, Demeter, 282 Mezentius, 268.15 Minyaden, 195f. Mithras, Stieropfer, 321 Myrtilos, 110
118;
und
Neoptolemos, Tod in Delphi, 136 Nephele, und Athamas, 131 Niobe, 62.6 Nymphen, in Arkadien, 99, 106; und Artemis Alpheiaia, 191; Weihung in Athen, 323.89 Odysseus, Name, 149, Verwundung, 137, Dolonie, 146, Palladionraub, 178, Kyklop, 148, Ehebett, 74, Tod als Pferd, 179; und Arkadien, 151, 179.111, und Kabiren, 150, 217 Ogygos, 149 Oidipus, Fluch, 47, Grab, 210.14 Oineus, 246, 271 Oinomaos, 110, 113f. Opis und Hekaerge, Haaropfer (Delos), 75.20 Orestes, in Argos, 124, in Athen, 245f., 255, 265, 266.11, 267; tötet N eoptolemos, 136 Orestheus, 246f. Osiris, als toter König, 95, Auferstehung ?, 90.12, Tod, 213, 257.6, 260; und Getreide, 320.79; und Dionysos, 213.8, 249.43, 260.21 Palaimon, 219 f. Pallas, Vater der Athena bzw. getötetes Mädchen, 79.39 Pan, in Athen, 323.89, Cheironhöhle, 130, Lykaion, 99, 106.34, 107f., Olympia, 117.44; und Penelope, 151.20 Pandareos' Töchter, 190, 201 Pandion, in Athen, 202, 204, 246.31; in Megara, 204.18 Pandora, Herrin der Tiere, 93.30 Pandrosos, 172, 205
Register Pasiphae, 90.15 Patroklos, Begräbnis, 61 f. Pegasos von Eleutherai, 83.53 Peleus, 72(f).12 Pelias, 114.32 Pelops, Kult in Olympia, 42, 46, 48.15, 111f., 114; Widderopfer, 113, 115-117; Zerstückelungsmythos, 114f., 142; und Hippodameia,110 Pentheus, 199, 221, 257.6 Persephone, und Erigone, 268; vgl. Kore Perseus, und Fischer von Seriphos, 232f.; und Hekate, 233; verfolgt Dionysos, 197f. Phaidra, 268.18 Philoktetes, 157.13 Philomela, 202, 205 Phoroneus, 185.14 Phrixos, 91, 130f., 321.81 Plutos, Geburt, 318 f. Polyxena, 79 f., 268 Poseidon, in Aigina, 244.23, Arkadien, 312, Athen, 162, 167f., 176f., Delphi, 151.21, Halai Aixonides, 231, Hermione, 233.31, Isthmos, 219, Rhion, 226.37, Tainaron, 221; P. Hippios (Pheneos), 179.111; P. und ApolIon, 151, und Dionysos, 226.37 Pratolaos, 272 Priapos, 73.14, 81, 306.17 Proitiden, 189-193 Prokne, 202f., 204.15 Prometheus, Opferteilung, 14, 42.12 Prosymnos, 83 Protesilaos, 269-271, in Elaius, und Phylake, 270; und Kabiren, 272 Pyrrhos-Neoptolemos, Tod in Delphi, 136 Python, Mythos, 138, 143, 146f.; und Dreifuß, Omphalos, 140,144 Rhea, Höhle am Lykaion, 99, 106, 118; und Dionysos, 257.6; und Pferd, 93.27 Rhesos, 10(f.).10, 50.21, 146 Romulus, und Kyros, 125
363
Sabazios, Mysterien, 299.21, 317.64 Semachos, empfängt Dionysos, 247.37 Semeie, und Aktaion, 128.12; Tod, 226(f.).40 Sinis Pityokamptes, 220 Sisyphos, Erfinder der Bestattung, 219; Grab, 226.39 Skiron, 234 Skiros, Seher, 164.44, 167 Sopatros, 156f. Syria Dea, 29.34, 132, 228f. Tammuz, Klage der Ssabier, 301.30; vgl. Dumuzi Tantalos, 114 Telchinen, 129 Telegonos, 179 Tereus, 104.29, 202f.; Name, 205; in Megara, 204 Thaulon, 156.11, 157.13, 17 Theseus, Zeugung, 72.11, Meersprung, 234, und Ariadne, 259.14, schwarzes Segel, 197; und Athena Skiras 165.45, 218; und Panathenäen' 174.84; und Isthmien, 220f. ' Thoas, König von Lemnos, 84, 213 Thrakische Reiter, 233.30 Thriai, in Delphi, 191 Thyestes, Greuelmahlzeit, 104.29, 119-123, 244.23; Grab, 123; auf Lesbos, 121.12 Titanen, und Dionysos, 30.36, 203, 249 Triptolemos, Aussendung, 322f.; Rinderhirt, 311.40, Dreschen, 321.81; Ikonographie, 309.29; Feuerweihe, 309; und Kaiser, 323 Triton, in Tanagra, 234 Trophonios und Agamedes, 56.40 Tyche von Antiocheia, 77.29 Uranos, 320
Kastration, 84,
Venus victrix, 94.33
91,
229,
364
Register
Zalmoxis, 325 Zethos und Amphion, 207-209, Grab, 210; und Aedon, 201 Zeus, Geburt (Lykaion), 99, 106; und Demeter, 312, und Epopeus, 207f., und Dea Syria, 228; und Stier, 90.13, 159.22, 312.42; Altar in Olympia, 111-113; Z. Akraiosj Aktaios, 129f., Epoptes, Epopsios, Epopetes, 205.22, Eubuleus (Paros), 314.52, Hellanios (Aigina), 130,
Herkeios, 188.28, Ikmaios (Keos), 126, Karios, 253, Kataibates (Athen), 176.94, Laphystios (Halos, Orchomenos), 91, 130f., Larisaios (Argos), 188.28, Lykaios, 98f., 102, Nemeios (Naupaktos), 226, Panoptes (Argos), 188, Polieus (Athen), 154-161, 157(f.).17, (Kos), 10.7, 156.10, Sosipolis (Magnesia), 160.26, (Olympia), 118, Thaulios, 157(f.).17
3. Personen- und Sachverzeichnis Achtjahresperiode, 145.66, 147.77 Ackerbau, Erfindung, 25, 53; Knollenkultur und Mutterrecht? 57.43, 94; Opferriten, 55f.; und Demetermysterien, 282, 287f., 324 Adventus, 175f. Adyton, im Tempel zu Delphi, 139 Ägypten, Ritus und Mythos, 41.7; Opfer, 17.43, 23, 65.21, 91; Jagd, 53; Mumifizierung, 65.21, 260.21; Krieg als Ritual, 58.48, 59; vgl. Register 2: Horos, Isis, Osiris Ähren, in Eleusis, 278, 310.36, 320f., und Kore, 287.20, und Plutos, 319.73; Schneiden als Kastration, 56, 320 Ä toler, und Choenfest in Athen, 246 f. ; und Leukothea-Heiligtum in Chaironeia, 246.34 Aggression, 8, ritualisiert, 35, 44f., und verlagert, 52, 56, 301; stiftet Gemeinschaft, 32f., 45; in Jagd, 25, 28, 70, 88, Opfer, 11f., 45-57, 156, Prozession, 306f., Totenritual, 65, 67f., Initiation, 57, 280, Hochzeit, 74, Krieg, 58; und Sexualität, 71, 74, 80; und Frustration, 76, 95; Hemmung, 70, 88; im Mythos, 43 Agon, und Todesbegegnung, 65, 67.30; und Hochzeit, 73.13, 107; Chytren, 266, Heraia, 183, 184.10, Isthmien, 219, Lemnos, 214, 217,
Lykaia, 99, 106f., Nemeen, 183.7, Olympia, 111-113, Panathenäen, 174, Protesilaos, 270 Agrarmagie siehe Ackerbau Ahnen, und Kares, 251, 253 Aigis, 79.39, 172f. Aischylos, und Eleusis,. 279 Aitiologie im Mythos, 42 Alexander der Große, Jagd, 54, Opfer, 50.22 Alexandros von Abonuteichos, Hieros Gamos, 313.48 Alexandros von Pherai, Tod, 226.40 Altar, 9, 11f., 17; olympisch und chthonisch, 16(f.)41, 68, vgl. Aschenaltar, Opfergrube Altersklassen, und Opferriten, 50; in Arkadien, 105; vgl. Epheben Amphiktyonie, 133 Angeborenes Verhalten?, 33 Angst und Ritual, 34 Animismus, 86.1, 251 Apollon-Hymnus, 42.2, 134f., 138.28 Apollonios von Tyana, und der Besessene, 36 Apotheose, und Tod, 50 Arche, siehe Kasten auf dem Wasser Archetypen, 42 Archilochos, Dionysoskult, 83.53 Archon, Athen, 160f.; siehe Basileus Areopag, 265, 279.20 Arion, 221
Register Aristeas, Arimaspeia, 81.50 Aristophanes, Kultparodien, 286, 296, 299, 307 Arkadien, Rückzugsgebiet, 98, 102; vgl. Register 2: Demeter, Odysseus Arpachija, Getreidespeicher, 56.40 Aschenaltar, 9, 17(f.).43; Lykaion, 99; Olympia, l1lf., 117 Assyrer, Opfer, 17; Jagd, 53 Asvamedha, 23(f.).20, 81(f.).50, 82.51 Atlantis, Opfer, 23, 256.4 Auferstehung, nach Opfer, 24, 90, 159; des Arkas, 101, Pelops, 114, Dionysos, 142, der Jungfrau, 79 Augenschalen, 248.39 Auslese, biologische, durch Ritual, 35f. Axt, siehe Doppelaxt Azteken, Menschenopfer, 48.15, 59, 76,24; Krieg als Ritual, 68.48 Baba, 314.52 Bad, als Reinigung, 10, 117, 184.12 Bär, paläolithische Bestattungen, 21; Figur in der Höhle von Montespan, 22; Bärenfeste, 21, 23, 169.20, 160.25; und Arkader, 101, 104, 106, Bakchiaden, 222 Basileus, in Athen, und Choenfest, 239, 243, 269; und Eleusis, 280 Basilinna, in Athen, und Heilige Hochzeit, 239, 267, 258.12 Baum, für Trophäen, 78 f.; Erhängte, 77, vgl. 221 Bauopfer, 49 Bestattung, seit Paläolithicum, 60; im Krieg, 59; Sisyphos als Erfinder, 219; siehe Brandbestattung Bewirtung, der Masken, 253 Beycesultan, Altar, 17(f.).43 Bier, 248.40 Bild als Ersatz, 22.11; Aktaion, 129, Attis, 271.11, Dionysos, 260-262, 271.11, Pallas, 79.39, Protesilaos, 269-271 Birnbaum, und Hera von Tiryns, 189 Blut, Schockerfebnis, 51, 29; beim Opfer, 9, 11, 12f., 72; im Toten-
365
ritual, 62, 68; und Defloration, 74; in Kosmogonie, 30.36; und Wein, 248, 272; und Granatapfel, 314 Bocksopfer, und Kastration, 81.46; und Dionysos, 90.14, 91 Bohne, und Eleusis, 314f. Brandbestattung, 60.2, 61.4, 64, 306.15 Braten und Kochen, 104.29, 120f., 125, 202 Brechen des Brots, 56.42, 30lf. Bündnis, 46f. Bukoliasten, Maskierung, 128.15 Bukolion, in Athen, 257, 258.12 Caesar, Apotheose, 50.21 <;atal Hüyük, Stierjagd und Leopardenbund, 22f., 64; Tote den Raubvögeln preisgegeben, 63; Gebärende Göttin, 92f., 282, männlicher Partner, 95, zwei Göttinnen, 292; Wein, 248.39 Catilinarier, Eidopfer, 47.10 charter myth, 43.17 Choenkannen, 237, 266; als Grabbeigaben, 245; Bilddarstellungen, 253f., 261, 266.10, 266.11 Christentum, und Opfer, 16f., 96; und Mysterien, 276, 277 Chthonisch und Olympisch, 16(f.).41, 68, 219 Clemens von Alexandreia, über Mysterien, 277, 297f. condere, 64 contarreatio, 302 Definition der Religion, 4, vgl. 51 Defloration, 71, 74, 76 Delphin, und Apollon, 135, Arion, 221, Dionysos, 222, Hesiod, 226, Komödie, 222, Palaimon, 219, Phalanthos, 223.24, Taras, 226.37, vgl. 227 Dema, 57.43 Demeter-Hymnos, 42.12, 276, 296 Demetrios Poliorketes, in Athen. 176.94, in Argos, 183.6, 193 Diagoras von Melos, und Eleusis, 278
366
Register
Dichter und Mythos, 41 Dicksteißtänzer, 82.51, 85, 222 Dithyrambos, Stieropfer, 11.14, 85.60, 224; ,Erfindung', 22lf.; auf Vasenbild, 263.31 Dolonia, 146.68 Domestikation der Tiere, 54 Doppelaxt, Buphonia, 156, 158f.; ßOU1TAt1~, 198.34; Athamas, 200; Tereus, 202; Tenedos, 204, vgl. 29.34, 157.13, 186 Drachenkampf, Delphi, 138 Drama, und Ritual, 43.15 Dreifußkessel, in Delphi, 138-140, bei Lykaia, 104.29, in Olympia, 114, 116, 140, bei Thyestes, 120f., bei Melikertes, 199. Dreizack, 104.30,231,21, vgl. 167, 177 Druiden, Menschenopfer, 58.46 Durkheim, Emile, 33 Efeu, von Mänaden zerrissen, 52; Kranz, 243, 256; Laube, 263.31 Ehe, und Zwischenperiode, 206f. Ehrfurcht vor dem Leben, 30 Ei, Tabu, 51.25; Geburt der Dea Syria, 229 Eichbaum, und Arkader, 101.22, 102 Eichelesser, 98.1, 107 Eid, 46; der Epheben, 78, 173.81, der Gerairai, 257, 259, am Isthmos, 220, in Mysterien, 274 Ekstase, der Pythia, 140.38, 142 Elagabal, Sol-Prozession, 163 Elefantenopfer, bei Pygmäen, 80.44, 82.51, 160.25 Empedokles, gegen Tieropfer, 15, 30f., 91.21 Empfindung, religiöse, 37.13 Enuma Elis, Menschenschöpfung, 30.36 Entblößung, Proitiden, 190.4; Baubo, 307, 314 Epheben, in Athen, Eid, 78.32, 173.81, Panathenäen, 174.87, 175, Mysterien, 280, 322, Chytren, 266; in Argos, Heraia, 183 f. ; gegen Proitiden, 192f.; in Arkadien?, 105
Epiphanie, des Apollon, 147, der Aphrodite, 229, des Dionysos, 195, 206, 224, der Kore (Eleusis), 315; und Götterbilder, 316 Eppich,221 Erde tragen, Lemnos, 216, Theben, 210, Skira, 164f. Erdgeboren, Erichthonios, 170, 176 Erechtheion, Athen, 162, 167, 172, 176f. Erhängen, am Baum, 77.26, und Schaukeln, 268.18; Ariadne, Artemis, 77.26, Erigone, 247, 267f., Hekate, 77.26, 96.40, Inanna, 291, Phaidra, 268.18; Ziegenopfer, 77.26 Erlebnis, und Religion, 20.1, 37, 89f. Erntefest, als Opferfest, 55, 76, 160, 315.56 Ertränken, als Voropfer, 77.26; Aerope, 120; Atargatis, 227; ,Vegetationsdämon', 55.39 Esel, und Dionysos, 83; Opfer, 23(f.). 20,81 Essen, als Zeremonie, 20, 48, 51, 228f., als rituelle Pflicht, 104, 157.15, im Totenritual, 6lf.; den Gott essen?, 90; Essen und Enthaltung, 120, 264 Eteobutaden, 162, 166, 168.59 Etesien, und Opfer auf Keos, 126 Etrusker, A cheruntici libri, 326.14; und Troianer, 180 Euhemerismus, und Mysterien, 324 Fackeln, 32, in Eleusis, 295, 296.16, 304, 308, 310, 314; Fackellauf an Panathenäen, 175 Familie, und die Rolle des Mannes, 26, 70, 94; rituelle Auflösung der F., 192, 206 far, 302, 321.81 Fasten, 163.40, 297f. Feigenbaum, und Katabasis, 286f., und Phallos, 83 Fell des Opfertieres angelegt, 129, 132, 148f. fetiales, 46.3 Feuer, und Opfer, 17, 49, 306, zum Altar gebracht, 112, 116, 175;
Register Neues F., Lemnos, 214f.; F. in Eleusis, 295f., 304, 306, 309f., 311, 317f.; ewiges F., Delphi, 139; F. rollt vom Berg, 229.11; Opfer ohne F., 210, 215, 233 Fichte, am Isthmos, 220f. Fische, Tabu und Opfer, 227 f.; und Atargatis, 227f., Syria Dea, 228f., Hekate, 233; Megara, Smyrna, 228.9, Babyion, 230, Ugarit, 231, Bolbe-See, 232; Anfänge des Fischfangs, 229 f. Fischer, finden Götterbild, 225; Fischerfeste, 230f. Fleischenthaltung, 15, der Athleten, 73, 117; beim Widderopfer, Olympia, 113, 117; beim Stieropfer, 48, 181; Enthaltung von Menschenfleisch, 100, 102 Fleischverteilung, 46f., 322 Fluchtritual, 157.13, bei Agrionia, 192f., 195f., 197f., Leukothea, 199f., Prokne, 202f., Tenedos, 204 vgl. 186; Dipolieia, 156f., 176; Septerion, 145 toedus terire 46 Frauen, vom Mann ernährt, 26, 48, 75; als Gegner, 57, im Aufstand, 164, 190, 192, 202, 209, 214f.; ausgeschlossen, 106, 118 ,Freilassen' des Opfertiers, 23(f.).20, 54, 106, 187 Freiwilligkeit des Opfers, 10.10, 78, 291 Freud, Siegmund, 8.1, 62.8, 86, 89 ,Fruchtbarkeits'-Ritual, 82, 109.2 Füllhorn, 85 Galle, beim Opfer, 13 Geburt, durch die Große Göttin, 92f., 318-320; symbolische G. im Ritual?, 173, 299f.; G. der Athena, 79.37, 157.13, 176, des Dionysos, 199, 318(f.).72, des Zeus, 99, 106, 118 Geheimhaltung, in den Mysterien, 274, 278-280, 283, 323 Generationenkonflikt, und Initiation, 57, Jagd, 88f., Krieg, 58.48, 59f.,
367
und Jungfrauenopfer, 76, 79; vgl. Kindermord Gerstenkörner, beim Opfer, 11f., 139 Geschlecht der Opfertiere, 175.91 Getreidschwinge, siehe Liknon Getreidespeicher, sakral, 55f., 287f. Gewänder, ablegen und anlegen, 102, 105; Preis im Agon, 214; Totengabe, 69 Gigantenkampf, 79, 173, 175 Gilgames-Epos, Enkidus Zähmung, 72(f.).12; Anklage gegen IStar, 132 Glauben, und Ritual, 36, 60.2 Gnosis, Geheimhaltung, 275, Freiheitspathos, 278.16, Kannibalismus?, 301.30, Untergang, 35; vgl. Naassener Göttin, Große, und OpferjParedros, 94f., 177; gebärend, 319; und Jungfrauenopfer, 77.26, 29, 79.39, 91 Goldenes Zeitalter, und Opfer, 30 Goldschmuck, der Arrhephoren, 189.2 Gottesbegriff, und Opferritual, 8991, vgl. 40; 188; Funktion, 96 Grab, geheimgehalten, 210, 226 Grabbeigaben, Choenkannen, Lutrophoren, 245 Granatapfel, 314 Grenzstein, 49, 70 Haare schneiden, vor Hochzeit, 75.20; beim Opfertier, 12; im Islam, 19 Hände, erheben, 32, 89; ausstrecken, 33, schütteln, 44f. Halbiertes Opfer, 46.3 Handwerker, und Feuerfest, 218 Harmodios, 47 f. Harpagos, Greuelmahlzeit, 104.29, 125 Harrison, Jane, 20.48, 39.44, 87.3 Haustiere, beim Opfer, 20.1, 22f., 54, vgl. ,Freilassen' Haut des Opfertiers, ausgespannt, 22, 24, 78, 144, 159, vgl. 18; angelegt, 79.39, 173, 186, 188, vgl. Fell des Opfertieres; verkauft, 14
368
Register
Heilige Hochzeit, 72.11, 90.15; und Anthesterien, 239, 257-260, 263; bei Protesilaos?, 270f.; Meter, 312; Eleusis ?, 313 Heilige, das, und Opfer, 51 Hekatomben, 173, 183 Herdhaus, 17 (f.) .43, 139.32, vgl. 136, 139 Hermen, phallisch, 70, 82.52, verstümmelt, 47.11, 300 Hermes-Hymnus, 22, 42.12, 48, 50.20, 163.37, 185.17 Heroen, und Opfer mahlzeit, 17.41; Polarität zum Gott, 67f., 111-113, 136f., 167f., 177, 207, 211, 219 Herr der Tiere, 94(f.).30; Herrin der Tiere, 93f. Herz, beim Opfer, 13, 29 Hesiod, Tod, 225f. Hetären, 180f. Hetairien, 47 Hethiter, Brotbrechen, 56.42, Halbierungsopfer, 46.3, ,Hundemänner', 103.26, Kochen des Fleisches, 104.29, Totenriten, 50.21, 64.16, 65, Schein kampf, 66.24 Hierokeryx, Hierophant, siehe Register 1: Eleusis Hinrichtung, und Ritual, 58, 244.25 Hippodrom, am Lykaion, 99, in Olympia, 111 Hippolytos von Rom, über Eleusis, 277f. hirpi Sorani, 103.26 Hirsch, Geweih als Trophäe, 21f.; Verwandlung und Tötung, 106.34, 128, 199 Hochzeit, als Opfer, 56.42, 74f., 302, als Mysterion, 299, 302; mit Statue, 259.14, mit dem Toten, 260, mit Hades, 289; vgl. Heilige Hochzeit Höhle, des Cheiron (Pelion), 129, des Dionysos, 148.2, 262, 318(f.).72, Idäische, 118, des Sosipolis (Olympia), 118, des Pluton (Eleusis), 308 Hölzernes Pferd, 178f. Hörner, als Trophäen, 9, bes. in <;atal Hüyük, 22f., 49, 54, 92;
Horn abbrechen, 84f., 95; Hörneraltar (Delos), 13(f.).26 Holokaust, 16(f.).41 Homer, Geburtslegende, 207; Opferschilderungen, 10-14 Honig, als Spende, 66, 127; und Panspermie, 264 Hunde, in Argos erschlagen, 124; und Aktaion, 128f.; Hundsstern siehe Sirius hunting ape, 24 Hyperboreer, Eselsopfer, 81; und Delphi, 147 Initiation, Schema, 20.48; und Opfer, 50, 142, 285, als Todesüberwindung, 325; im Totenkult, 68; und Geheimbund, 280, Wolfsverwandlung, 105; Initiand als Opfer, 57, 296, und Generationenkonflikt, 57, 114.32, symbolische Kastration, 71.5; und Arrhephoren, 171, Choen, 245, Proitiden, 193, 207, Mysterien, 274, Villa dei misteri, 207.30, 209 Iobakchen, 238.9, 239 Inzestverbot, 73.15 Islam, Wallfahrt nach Mekka, 19 Israel, Rolle des Tieropfers, 9, 17 "ist", Bedeutung des, 3.3, 159 Jagd, Bedeutung für die Menschheitsgeschichte, 24--30, und Töten, 30.37, und Krieg, 59, und Sexualität, 88, und Frauen, 94f.; und Fischerei, 229f.; Behandlung der toten Tiere, 20-24; Ritualisierung, 45, 53; im Mythos, 187, 193, im Meter-Kult, 291, 294 , J ahresdaimon', 3 Jahresende, 160, 168 Jahreszeiten und Feste, 287-289 Jenseitshoffnung, 28lf., 323f. J ericho, Porträt-Schädel, 63.15 J esaia, gegen Tieropfer, 15 Judentum, Ende der Opfer, 15 Jungfrau, im Kult, 11, 118, 155, 169, kultische Antithese, 190; Göttin
369
Register als J., 72, 77, 79, 184.12; Pythia als J., 143 Jungfrauenopfer, 76-80, 27lf.; vor Ernte, 289, Fischfang, 76.24, 230, Krieg, 77f., 167f., 173; nach Krieg, 79, bei Bestattung, 80; symbolisch, 171, 205, 268f., 286; und Göttin, 93.27,96 Kaiser, und Eleusis, 280.26, 281.29, 292(f.).1, 323.2 Kalbopfer, siehe Register 1: Tenedos; und Itylos, 205 Kalender, und Jahreszeiten, 288f.; Athen, 154.1, 276.7; Eleusis, 276.7; Argos, 183.4 Kalydonische Eberjagd, 65f. Kampf, ritueller, nach Opfer, 65f.; Daulis, 203.13; Dionysia, 207, 223.24 Kannibalismus, paläolithisch, 26; und Pflanzer, 48.15, 56f.; und Tote, 62; in Geheimbünden, 47, 301.30; Lykaia?, 98-101, 104f.; symbolisiert durch Bohne, 314; im Mythos, 87.4, 114, 119-123, 148, 151, 202, überwunden, 268.15, 281 Karer, 250-253 Karthago, Menschenopfer, 29.34, 99 Kasten auf dem Wasser, Danae, 232; SemeIe, 226(f.).40; Thoas, 84, und Osiris, 213 Kastration, im Krieg, 80, Meterkult, 299.23; des Uranos, 84, 229, 320; des Jagdtieres, 80.44, des Opfertiers, 46.3, 50.23, 81.45, 46, 47, 312; symbolisch, 56, 71.5, 320 Kaufzeremonien, und Opfertier, 48.16, 54.38 Keltern, als Zerreißung, 56, 248.39 Keren,250 Keule, 25, vgI. 54 Kind, geboren, 319 Kindermord, 87.4, 91; im Mythos, 192, 195, 198, 199f., 201, 207.30, 311 Kinderspiel, 35, 239, 244f. Kindheitserlebnisse, und Gesellschaft, 37.15
, Kiste', und Arrhephoren, 169, 171; und Eleusis, 297f., 307, 321; und Dionysos, 299; und Omophagie, 300.27; und Kuchen, 300 Klage, und Opferfest, 118, 123, 200, 220; um Inanna, 291, Tammuz, 301.30, Osiris, 320.79; Totenklage, 64 Knien, als Gestus, 32, 89 Knoblauch, 164.42, 190, 215 Knochen, Sammeln der, 13, 21, 24, 49, 114, 117; und Bestattung, 61.3, 63, 64.18 Knollenfrüchte, und Matriarchat, 53.34, vgI. 57.43 Kochen im Kessel, 97, vgI. Braten und Kochen, Dreifußkessel König, abgesetzt, 160.27, abgeführt, 163, 215, symbolisch getötet, 168, 176, und Sukzession, 180, 184, 207.30
Kontinuität der Kultur, und Ritual, 35, 67, und Götterglaube, 9lf., symbolisiert durch die Frau, 95, 106 Kopf und Füße des Opfertiers, 121, 125, 132; weissagender Kopf, 224; Kopf und Phallos, 225.33, 262 Korb beim Opfer, 11, 259; vgI. ,Kiste' ,Korngeist', 3, 55.39 Kosmogonie, und Urverbrechen, 121 Kranz, bei Opfer, 10, Mysterienweihe, 296, 310.33, Choentrinken, 244f., 255f., Schlacht, 59, Totenkult, 68; Efeu, 243, Fichte, 221, Myrte, 68, 183.7 Krater, mit Wein und Blut, 272; als Urne, 64 Kreta, Mysterien nicht geheim, 278 Krieg, 58f. vgI. 45.1, 76f., im Mythos, 166f. Kriobolion, 81.45 Krypteia, 105 Kuchen, beim Opfer, 14, 56, 300, vgI. 243.21 Kykeon, Eleusis, 301, 303, 315.56, 316, 321 Kyros, von Hündin aufgezogen, 125
370
Register
Labyaden, 146 Labyrinth, 308.26 Lachen, und Aggression, 33, 36, 74, 84; im Kult, 217, 296, 307, vgl. 254; Lächeln, 45.1 Lammopfer, 19.46, 123f., 127.7, im Mythos von Thyestes, 122f. Lampe, im Athena-Tempel, 170f., im Heraion, 187 Langknochenopfer, 21 Lanze, feuergehärtet, 25, 151; des Telegonos, 179; im römischen Hochzeitsbrauch, 74 Latinerbund, Opfer, 46 Leber, beim Opfer,13 ,Lenäenvasen', 260-263 Leopardenmenschen, in <;atal Hüyük, 23, 54, 93, 103, 128, 132f.; ethnologisch, 103 Levi-Strauss, Claude, 6.8, 37 Libation, als Vorbereitung und Abschluß; 18, 20; Verzichtcharakter, 56, 66; für Tote, 69, 255.21, 266; Wein-L., 56, 115; vgl. 127, 177 Liknon, 142, 261, 295, 299 Lorbeer, und Delphi, 139, 147 Lorenz, Konrad, 8.1, 28, 31 Lovatelli-Urne, 295 Lykanthropie siehe Werwölfe
mactare, 14.30 Mädchenopfer siehe Jungfrauenopfer Mänaden, 195, 203, 260, 314.52 Männerbund, 26, 28, 57, 217; und Große Göttin, 93, 96; vgl. Leopardenmenschen, Werwölfe Magie, 20.1, 82.51 Magier, Zweigbündel, 306.17 Mahlen des Getreides, 56, 301 Mammut,22f Manichäer, 35, 48.16 Mannhardt, Wilhelm, 55.39 Mantik, 13, 78.34 Marktplatz, in Argos, 124 Maske, und Schädel, 64, 262; des Dionysos, 260-262 vgl. 213; des Henkers, 58.46, des Opfers, 128; Masken und Totenseelen, 194, bei Anthesterien, 253f., und ,Urein-
wohn er' , 252 f.; bei Artemis, Hera, Orthia, 191; Delphine, 222; Kentauren, 255.21; vgl. Leopardenmenschen, Werwölfe Matriarchat siehe Mutterrecht Maultier-Tabu in Elis, 110.11 Meer, im Tempel, 177; Sturz ins M., 198-200, 221, 234, 272, Hinaustreiben aufs M., 83f., 213, 215, 218f., 257, Versenken im M., 46.3, Reinigung im M., 285, Götterbild vom M., 225 Menschenopfer, wie Tieropfer, 10(f.).10, 29.32, 34, 48, 54.36; in Geheimbünden, 47; Agrionia, 196, Cheiron-Höhle, 130, Lykaia, 98101, 104f., Zeus Laphystios, 131; Verbrecher verwendet, 58.46, vgl. Hinrichtung; Mohnsaft ?, 310(f.).36 Messer, im Opferkorb, 12; des Pelops, 114.32; Delphisches, 135; bei Buphonia, 155, 158 Metamorphose, 195, 202 Meuli, Kad, 20, 87.3, 159 Milch-Spende, 66, 68, 69.34 Minoisch-Mykenisches Opfer, 17 Mitte, Idee der, 144 Mitteilung, im Ritus, 32, 38, 89 Mörder, Tabu, 245f. Mörser, 56, 301 Mohn, 303.2, 310 Mopsos-Moxos, 227 Mumien, 63, 260.21 Musik, aus Opfer, 50, 147 Muttergottheit, 92-94, 96; Mutter der Tiere, 93.27, 230, 235.38 Mutterheirat, 95, 101.21, 128, vgl. Ödipuskomplex Muttermord, 87.4 Mutterrecht, 53.34, 94 Myrte, 68, 183.7 Mysterien, Begriff, 274f.; Geheimnis, 91, 278-80, 283, 323; Vorbereitung, 73, 75.20; Mysten und Bürger, 280f.; Große und Kleine M., 292f.; Rolle der Sexualität, 73.14, 299; Mysterienprozeß, 296, 316f.; agrarische Deutung, 324; philosophische Deutung, 277, 279, 296
~egister
Mystik,274 Mythos, und Ritual, 39-45, 56, 68 1 90, 122f. Naassener, über Eleusis, 277f., 293.3, 318f., 320 Nacht und Tag, 112, 12lf., 126f., 141, 175, 195, 209, 220, 238 Nachtigall, 20lf. Neolithische Revolution, 53 Neujahr, 160, 173, 183.4, 184 Nikomachos, Opferkalender Athens, 154.1, 276.7, 311.40 Nomaden, 53.34, 59 Getober equus, 65, 81, 179f. Ödipuskomplex, 87-89, 91, vgl. Mutterheirat, Vatermord Öl, Libation 66, 68, 127; und Lampe der Athena, 171 Ölbaum, Akropolis, 172, 177; Heraion, 186; Dionysosbild, 225 Olympisch und chthonisch, 16(f.).41 Omophagie, 50f., 142, 300.27 Omphalos, Delphi, 144 Onomakritos, 249.43 operari, 9 f. Opfer, allgemeine Form, 6, 19f., 159, 182; sakralisiertes Töten, 9, 12, 19, 43.14; und Gemeinschaft, 47, Ordnung, 55, 66, 73,88,96, 188f.; und Tote, 62; und Gott, 90, 159; vgl. Ägypten, Assyrer, Islam, Israel, Minoisch -My kenisch, Phöniker, Ugarit, Bocks-, Esel-, Lamm-, Pferde-, Rinder-, Schaf-, Schweine-, Stier-, Widderopfer. Opfergrube, 12f., 17.41, 49, 68, 112, 127, 220 Orpheus, Zerreißungsmythos, 224f., 257.6; und Eurydike, 317 Orphik, Vegetarismus, 15, 51.25, 72(f.).12; Initiation, 296.16; Dionysosmythos, 30.36, 104.29, 203, 249, Demetermythos, 286.15, 308.24, 311.40, 314
371
Paian, 39.2 Paläolithicum, Opfer, 20, 25, 77; Totenriten, 60, 85; Bilddarstellungen, 85, 92f. Palladion, 79.37, 178 Pallas-Prozession, Athen, 157.14, 172.77 Panspermie, 264 Parthenon, 174, 176f. Pech,242 Peisistratos, Legende aus Olympia, 116 Peloponnes, und Pelops, 109, 116 Peplos, für Athena, 169, 175; Hera, 183; der Philomela, 202 Periandros, und Dionysoskult, 22lf. Perser, Jagd, 53 Pferdeopfer, im Totenkult, 62.9, 65; vor Feldzug, 179.112; Leuktra, 77.30; bei Asiatischen Nomaden, 81(f.).50, 82.51, 159.20, 160.25, vgl. Asvamedha, October equus Pfingstochse, 16 Pflanzer siehe Ackerbau Pflug, auf Akropolis, 159; Heilige Pflügung, 166.51; Pflugrind geopfert, 23.20, 65 Phallos, Imponiergehabe, 33, 70, 82; des Opfertiers, 29, 80.44, 81.48, vgl. Kastration; und Grenzstein, 70, Grabstein, 85.61; Prozession, 46, 82-4; in Mysterien, 73.14, 299; und Feuer, 171, Füllhorn, 85.58, Kopf, 225.33, 262; Ph.Vogel,83 Philostratos von Lemnos, 214 Phöniker, Opfer, 16, vgl. Karthago Phratrien, 46.4, 244 Pinarii, an der Ara Maxima, 48 Pisa und Olympia, 109, 110.7 Platon, über Religion und Tradition, 38; über Jahresende, 161; über Mysterien, 274, vgl. 318 Plemochooen, 322 Plutarch, als Delphischer Priester, 134 Potiphar-Motiv, 72.12 Praedeismus, 86
372
Register
Prägung, durch Ritual, 26f., 33, 35, 68,87 Primaten, 25, 33, 60.1, 87f., 103 Prozession, beim Opfer; 10, Totenritual, 63, 68; an den Heraia, 183, Mysterien, 166, 276.7, 304, 306, Panathenäen, 174f., Skira, 162f., mit Palladion, 157.14, 172.77, zum Tempetal, 146f., bei der Heiligen Hochzeit, 263; Elagabal, Hethiter, 163 Prügel, gegen Teufel, 36; beim Fackellauf, 175.89 Prytaneion, Gericht, 158, Speisung, 159, Hierophant, 165.48 Psychoanalyse, 3(f.).4, 34, 38, 41, 62.6, 8, 86f. Pygmäen, siehe Elefantenopfer Pyramide, 67, 253.16 Pythagoras, Unsterblichkeitslehre. 324; Fleischenthaltung, 15, 117.43, 285.10; über Bohnen, 314 Pythia, und Dreifuß, 139f., 142f., 260, als Jungfrau, 143, vgl. 134.3 Radcliffe-Brown, A. R., 33 Räuchergefäß, 11 Raub beim Opfer, 135, 137 Rechtsfriede, und Neujahr, 160f. Regenzauber, 55.39, 99.8 Reine Kleider, 10, 68f. Reinigungsriten, 24, 33, 50, 184, 295 Ren, Knochen gesammelt, 22, Versenkungsopfer, 77 Restitutionsritual, nach Opfer, 24, 30, 49f., 67, 82, 96, 159f., Tod, 67, 269, Schlacht, 78; vgl. Bild als Ersatz Rhampsinit, Schatzhaus, 56.40 Rinderopfer, und Domestikation, 54.36, im Totenkult, 62, 65; in Delos, 19.46, Salamis, 29.34, MykaIe, 46, für Hyakinthiden, 78.33, an Heraia, 183, 187, Panathenäen, 174f. t'ite de passage, 105 Ritus und Ritual, Begriff, 31. Funktion, 33f., 44, 89, und Mythos, 39f. Rom, und Troia, 180.113
Rückwärts gehen, 163.37; werfen, 84,229 Ruf, ritueller, und Gott, 39, 318 Ruß, zur Vermummung, 196, 217, 233 Saatgetreide, aufbewahrt, 55f., 288 Säen, und Opfer, 56, 160.26 Sakralisation, und Desakralisation, 19,30 Salaminioi, 164.44 Salben, der Steine, 68 Sammeln der Reste, 256, siehe Knochen, Sammeln der Samniten, legio linteata, 57.45 Sarapispriester, 95.37 Satyrn, und Phallos, 82; Bilder, 258.12, 260, 266.11; Zeus als Satyr, 208; und ~atal Hüyük, 103. Schädel, erhöht und aufbewahrt, 9, 13, 22, 24, 49, 262; gesonderte Bestattung, 61.3, 63; Schädelbecher, 248.39; und Maske, 64, 262 Schafopfer, 18, 19.46, 50.19, 135, 175, 206, 302; vgl. Lammopfer, Widderopfer Schamanismus, 86.1 Schatten verlieren, 99 Schaukeln, 266f., 268.18 Schenkelknochen, 13, 21 Schiff, Ankunft, 175f., 213f. Dionysien, 223f., Schiffswagen, 263.31; Panathenäen, 175, 224; Ägypten, 223.25 Schild, heiliger, in Argos, 183f., 187-189 Schildkröte, 234 Schirm, 162.35, 165 Schlag, ritueller, 71.4, 209.12 Schlange, 171, und Demeter, 297, Dionysos, 300, Erichthonios, 170f., Kore, 300 Schmidt, P. WiIhelm, 86 Schmiedegötter, 150.14, 217 Schmückung des Opfers, 10, vgl. 291; vor Schlacht, 59 Schuldbewußtsein, und Opfer, 24, 29, 4~ 4a 79, 89, 9~ 244 Schulterblatt des Opfers, 114, 115.35
~egister
Schwanz des Opfertiers, 81, 315.56, 321 Schwarze Gewänder, 174.87, 196f. Schwarzes Opfertier, 18, 113, 172, 220 Schweigen, 243f., 246.33 Schweineopfer, 77, 132, 192.17, 193,20, 283-286, 302 Sedna, Göttin der Eskimos, 93.27, 96.40, 235.38 Seelen der Toten, 194, 239, 250f.; Seelenglaube, 323 Seher, im Krieg, 167, in Olympia, 113,117 Sexualität, 70-85, und Aggression, 28, 43, 88, und Ekstase, 143; im Totenkult, 71.6, nach Agon, 108, 117; Sexualsymbole, 298f., 301, in Mysterien, 300, 313, Schlange, 170f., 297, Waffe, 71, 74, 84f.; Göttin der S., 92.23, vgl. Aphrodite Sexuelle Enthaltung, vor Opfer, 10.7, 72, Agon, 73.13, 117.43, Mysterien, 73.14, 216.16; an Skira, 164.41; des Hierophanten, 313; im Heiligtum, 72,270 Sexuelle Verfehlung des Opfers, im Mythos, 120, 128, 207; 226, 270f., 312 Sichel, 320 Sinn der Riten, 38 Sintflut nach Greuelopfer, 100, 149, 266f., und neue Ordnung, 121, 137, 146, 189.1, 266.6, 268.16 Sirius, Opfer auf Keos, 126-127 ; vgl. 124, 129 Sklaven, vorübergehende Freiheit, 174, 241, 260, 262, 266; ausgeschlossen, 68, 246.34; in Eleusis geweiht, 281 Sklavin mißhandelt, 209 Smith, W. Robertson, 87 Sokrates, und Leon von Salamis, 47.11 Solon, Opferkalender, 162.36, 166; Bestattungsgesetz, 62 Soma, Rauschtrank, 248 Sonne, kehrt Lauf um, 121 Sonnenwende, 163
373
Sparta, Opfer, 60.22, und König, 47(f.).12 Speise-Opfer, 18, 20, 66 Spott, e~ cqJa~oov 263, ye
374
Register
Taufe in Eleusis ?, 309.29 Taurobolion, 81.45, 179.112 Tempel, relativ spät entwickelt, 9, 17 (f.) .43, 118, vgl. Herdhaus Theophrast, über Frömmigkeit, 15, über Buphonia, 155-159 Thron aufstellen, 266 Thunfisch, 231f. Thyiaden, Delphi, 141f. Tier und Mensch, Äquivalenz, 28f., 61, 68, Substitution im Opfer, 29.34,57, 77, 311, im Mythos, 122; Tierverwandlung, 190, vgl. Werwölfe Tierbraut, 76.25, 90.15 Tischgemeinschaft aufgehoben, 120, 243f. Tisch umstürzen, 100, 121, 146 Tiwah-Fest, Borneo, 62.11, 71.6 Tod des Gottes, 188, 197, 249 Todeserlebnis und Todesüberwindung, 20, 30, 43, 61, 325 Tötungshemmung, 26, 29 Topf zerbrechen, 74, 256.4; ,errichfen', 265.5 Torre-Nova-Sarkophag, 295 Totemismus, 48.16, 159.22 Totenmahl, 61 f. Totenopfer, 67, 265f. Totenriten und Opfer, 60f., 232, 256.4 Thyrsos, 52.32 Tradition, durch Ritual, 4, 25, 27, 37, 42, 44, 51, 88f., 97 Tragödie, Opferschilderungen, 10-14 Trauerriten, erzwungen, 67 Troia, und' Dardanos, 149, Eroberung, 178f., und Römer, 180.113 Trompete, 243, 268 Tropaion, 59, 78 Tympanon, 18f., 50, 291 Tyrannenmord, 180(f.).118 Tyrrhener, und Dionysos, 222, 267f.; auf Lemnos, 212 überleben, als Schock, 61 übertragene Verhaltensschemata, 44, im Totenritual, 62, 65, und Götterverehrung, 89
Ugarit, Opfer, 17(f.).43; ,Blut der Rebe', 248.38; vgl. Register 2: Aqat, Anat, Athirat Unbetretbarer Bezirk, 99, 101, 105f. Unbetretbares Heiligtum, 118, 211, 259 Unblutige Opfer, 20, 155, vgl. Kuchen, Libation Unschuldskomödie, 11, 18, 24, 53, 58.46, 89, 117f., 143, 158f., 163.37, 166, 185f., 200, 254 Unsterblichkeit, 324f. Urmonotheismus, 20f., 86 ,Ursprung' der Religion, 20f., 37f., 41,85f. Vampir, 270 Vater, und Opfertier, 53, 67; toter Vater, 268 Vatermord-Motiv, 86, 88, 90f., 192, 230 ,Vegetationsdämon', 55.39, 159.22, 198.35, 287f., 290 ,Venusstatuetten', 92f. Vergoldete Hörner, 10.9, 181 Verhüllen des Kopfes, 295f., 302, 304 Versenkungsopfer, 22, 46.3, 77, 229.11, vgl. Ertränken, Meer Vertragsabschluß, 46 Verzichtrituale, 66, 76, 79,87,89, 290 victima, 14.30 Villa dei misteri, 207, 209 Vorstellung, und Ritus, 36-38 Waffe, rituell abgeschirmt, 25, 27, 32; Waffentragen im Kult, 118, 127, 174.87; Sexualsymbolik, 71, 84f., 101 Wagenfahrt, des Dionysos, 263.31, der Herapriesterin, 183, bei Anthesterien, 253 Wagenrennen, Olympia, 110, Panathenäen, 175f. Wahnsinn, von Hera oder Dionysos gesandt, 189-191, 195, 198-200; als Epiphanie, 206, kathartisch, 206f. Wasser, als Totenspende, 66, 68; mit W. besprengen, 11, 18, 142f.
Register Weben, der Arrhephoren, 169, der Minyaden, 195, der Philomela, 202, der Kore, 300 Wein, ältester, 248.40; Weinbereitung, 240f., 249 f.; rituelles Trinken, 245, 260f.; Libation, 14, 66, 68f.; und Eleusis, 310.34; und Dionysos, 249, und Blut, 248, 249.44, 272; und Kabiren, 217 f.; und Mezentius, 268.15; Weinlose Opfer, 78.33 Weißdorn, 242, 253 Weiße gegen Schwarze, 196f. Weiße Erde, 164 Weiße Göttin, 200 Weiße Haare, 190f. Weiße Pferde, 209 Werwölfe, 98-104, und Aktaions Hunde, 129, und Autolykos, 137; medizinisch, 103.28, 190.7; ethnologisch, 103 Wetterzauber, 126, 130f., vgl. Regenzauber Wett-Trinken, 24lf., 243f. Widderfell, am Pelion, 129, f110S 1
Lemnos, 216, und Marsyas, 141.45, für Meter, 312, in Olympia, 113, 115-117, und Pelias, 114.32, am Pelion, 129, auf Samothrake, 149, an Skira, 163, und Thystes, 122f., vgl. 19.46, 113.26 Wiedergeburt, 57, 271, 299.21, vgl. Restitution Winde, Opfer für, 23(f.).20, 126f. Wolf, und Männerbund, 25.22, 26, 103, vgl. 131, 137f.; Wolfsverwandlung, 132, vgl. Werwölfe; und Hund, 124f., 127 Würfelspiel, 163 Zarathustra, und Tieropfer, 14f. Zerstückelung, Zerreißung, und Schlachtung, 12f., 20.48, 76; in Kult und Mythos des Dionysos, 128.15, 140, 142, Pentheus, 221.15, symbolisch, 52; Pelops und Pelias, 114f., Aktaion, 127f., Minyaden, 195, Pityokamptes, 22Of. Ziegenhörner, 13, Ziegenopfer, 29.34, 75.20, 77-79, 142f., 172f., 216, 246.34 ,Zweck' des Ritus, 38, 43 Zweige schwingen, 32, 174, 284.3, 297, 298.20, 306f., 312f. Zwischenkönig, 123, 125, 209.9
4. Griechische Wörter äßOTOV 58, 99 , Ayeppav10S 194.23 äyevO'Tol 6VO'{Ol 17.41 ayvevelv 299 'Aypavlo 194.21 'Aypevs 127 ayPllvov 144 aSeA<pos 317.67 oiyis 79, 172.76 AiAIVOV 124 o{~01
375
eXAoSe ~VO'Tat 285.9 'AAfjT1S 266.11, 267f. "AAI01197.33 O:ACUS 145, 321.81 avaßoO'lS TfjS 6eoü 288.25 aV01
376
Register
cnroßClTllS 176 cmo6ec.u6e{s 199.42 CmOTIUplS 232.22 cmOpPllT01 6va{al 193.20, aTIopPllTOV 301.30 aTIOTpOTIalOl 6eo{ 211 apye"icpoVTllS 185.18 apKos/apKTos 106.35 apKTeia 75.20 •Apvll{Ses tilJ~pal 123f. apv~Sos 124 O:PPllTOS 6ua{a 142, 184, 249, 306, 311 apPllTOTIOIOS 315.56 O:PPllTOS 317.64,317.67,320.79,323.89 apPllToupyia 312 apPllcpopeiv 169.62 apXeaea1 11, 12, 19f., 47, 54 aTeAils 280.24 acpeTa ~~a 23.20, 187.25 ßCxKXOs 306f. ßaaiAlvva - ßaa{Alaaa 257.9 ßios 50 ßo6pos 12, 17.41, 49, 68, 112, 127 ßou~vYllS 157.14, 159.20, 184 ßOUKOAOI 47.10 ßOVKPCxVIOV 13 f. ßOUTIAil~ 198.34 ßOVS (Rind/Schild) 187f. ßOVTllS 157.17 ßOUTVTIOS 156-8 BOUCPOVIWV 161.32 ßoucpovos 185.17 ßc.uIJOS 17.41 yaAeos 315 yeAoiov 84 rEpalpa 257.8, 259, 261 yecpuplalJoi 303.2, 307.19, 315.56 YAeiiKoS 240.6 yÄilxoov 316.59 YOUPTICxVl 16.39 SalTpOS 157.17 SlaßaTilpla 50 ~lOS K~SlOV 163, 296.16, 311.39 ~1TIoAiela 154.2 Sic.uYlJa 157.13 Sovpelos iTITIoS 180.114
SpwlJeva 43 SuaooSfa 212, 215 Evay{~elV 17.41 evSopa 159.20 eVT~lJvelv 17.41 eÄacpos 106.34, 128, 199.41 e~ älJa~oov 253.18 e~opxeiaeal 317.65 eTIOTITe{a, eTIOTITeUelV 277, 317.64 eTIOTITllS 292.1, 303.3 eTIo,+, 202, 204f. epyaaCxlJevos, epyaafa 298.19, 300f. epyov 59, vgl. p~~elv eplov 300.29 epPllcpopeiv 169.62, 170.67 EaTfa 13, 136, 139, 305.13, 310, vgl. TIais acp' EO'Tfas eaXCxpa 12.20, 17.41, 285.6 evxea6al 11.15 eucplllJeiv 11 Ecp60v 1J11 OTITCXV 104.29
~Ea
321.80
6aACxIJ1l 299.23 6aAAocpopOl 174.87 9avAlos 157.17 6eoivla 257.10 6eaIJos 74, 315 6eaIJocpopoS 74.16 61laaupos 56.40 6povooalS 294f. 6uelv 10.4 6ullXooS 177.99 6vIJa AeuallJOV 186 6upa~e Käpes (Kiipes) 250, 265 laKxayc.uyos 308.24 iSpua1s 49, 50, 97, 261, 265.5, 269, 271 tepCx 51, 90 tepevelv 9 tepeus 12, 264f. tepos ÄOYoS 43.14 tKeTllpfa 58.47, 312f. 'IKlJaios 126 iACxO'Keaeal 67.30, 265.6
Register iTITICXpXOS 210 ITcxAos 205'
377
~UEi\l, ~VT)CilS, ~UO'TtlPI0\l ~UCiTCXYWYOS
Kcx6cx{pEl\1 50.23 KaAcx60s 297f. KCX\lT)epOpoS 11, 48, 191 Kap 253.14 KCXPOI0UAK{CX 13.22, 312 KcxTcxßacnO\l 313.47 KCXTCXYWYICX 223.24, KCXTCXYCUYtl
288.25 12, 16, 74.18 KEVTplaocxl 157.17 . KEP\lOS 81.45, 171, 300.29 KT)PCX~V\lTT)S 254.19 KfjPES 242.12, 253 KtlPVKES 157.17 KfjTOS 234 K{O'TT) 169, 171, 297, 307 KOATIOS: 6EOS 010: KOATIOU 299.21 KopaYlcx, KOPCXYWYo{ 291.31 KOPW\I{OES TICXp6E\lOI 76.24 KPEOUpYO\l il~cxp 120 KTE{S 299.21 KVKEW\I 301, 303 KOO\lEI0\l 313.46
274, 275.3,
299, 303.3 292.1, 304
118 52 NEKVCilCX 194 NT)O'TEi6: 162.34 NO~10S 127 NUKTEAICX 194.23
\lCXOS
\lap6T)~
KCXTCXXVCi~CXTCX
Aap\lCX~
122, 213, 226.40 116, 199.42 AEYO~E\lCX Kcxi OPW~E\lCX 42 f. AE1~W\I 321.83 AEVKO\l TIEO{O\l 200.48 AEVKOTIWACU 209 AEWKOPCXl 76.24, 78.33 Atl1TO\l 131 A{K\lO\l 142 E\I A{~\lCX1S 238.9 AOUTPOepOPOs 118, 211; 245 AVCil0l TEAETCX{ 180.118 AVCiCiCX 127.11, 128, 200 MßT)S
~CXi\lECi6CXl
~EYCXPO\l
140.38, 206 284, 286, 305f.
IlEIA{CiCiEl\1 67.30 ~T)p{cx
13, 113
MtlTEpES 24.20 ~ICX{\lECY6CXl
64, 67 242f., 246 ~o\loepayol 120, 244.23 ~ICXPO: ti~EPCX
~UAEVS
112f., 117
olKos 238.9, 'OAEicxl 196
259, 305.8
ÖA~OS
140.38 12, 19, 66 Q~oyupoS 184 OTIcxio\l 305.12 ÖPKICX 46 0PXElS 50.23 QCi{T) 315.56 ÖCilOl 140, 142 QCilOÜV 50f. OO'TOAOYEi\l 64 OCiepVS 13 OUACX{ 11, 12.16 ou epopa 14.28 OAOAUYtl
TIcxiS äep' ECiTicxs 280, TIcx\l\luXis 174, 263 TICX\lOTITT)S 188 TICX\lCiTIEp~{CX
284.3, 309f.
264.1
TIEACX\lOS 155.8 TIEAEKUS 158.18-19 TIETIAOS 169, 175, 183, TIEPIEACXCilS 155. 7 TIEPlCiXO{\llCi~CX
242.14, 261
TItlYCX\lO\l 215.16 1Tl60{YICX 238 TIi60S 266, 288 TIiAOS 150, 217 TIiO'TlS 47.11 1TlTUOKa~TITT)S
220
TIAa\lT) 308.26 TIAOICXepECilCX 84.55 TIO~TItl
10, 263.31 10.4
TIo\lEiCi6cxl
202
378
Register
rrOTV1CX 6f\pwV 93 f. npCXTOACXOS 272 1TpoayvevalS 293.3 TTpo6valS 113 1TpoKa6cxpalS 293.3 TTpOaeAf\VOl 98.1, 107.44 TTpoTsAelcx 75.20, 285.7, 293.3
Tcxvpo6f\p{cx 23.16 TeAeiv 280.24 TeAel0S 10.9 TeAeTcx{ 43.14, 220, 276.9 T1TCXV1K';
pa~vos 242 pe~elv 9, 10.4
vSpo<popicx 268.16 vSP0
pOla 314.49 aeTTT,;pl0V 145.65 a"KOS 305.8 af\acx~oüv 66.42 O1(f\V'; 145 O1(las 263.31 O1(ipoS, aK{pov, O1(ippos 164.44 aeA1Vov 221.14 aTTCXpcxy~oS 20.48, 52, 76, 114f., 127, 128.15, 140, 142, 195, 220 aTTAayxvcx 13, 29, 47, 104f. aTTovS,;, aTTevSoo 46.3, 66, 256.2 aV~ßOAOV 52.29, 298.19 aVv6f\~cx 297 a<paYlcx 16.41, 59.49, 78 a
<papos 172 <paa~cx 317.64
13.25 51.25 oopcxicx 69.35 oo~oq>cxyicx