OTTO ZIER ER
BILD DER J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 13 DOPPELBÄNDEN
1917 1954 DAS BIL...
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OTTO ZIER ER
BILD DER J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 13 DOPPELBÄNDEN
1917 1954 DAS BILD UNSERER ZEIT Unter diesem Titel ist Band 41/44 der neuen Weltgeschichte erschienen. Der Band behandelt die Geschichte der Gegenwart. Wieder scheint die Menschheit an einem Wendepunkt ihrer Entwicklung zu stehen. Zwei Völkerkriege erschüttern die Grundfesten der bürgerlichen Zeit; gewaltige soziale Umwälzungen, ein unfaßbarer technischer Forlschritt und eine völlige Neuordnung des wissenschaftlichen Weltbildes formen das Bild unserer Tage. Die Geschichte des Abendlandes mündet ein in das gemeinsame Schicksal einer einzigen, unteilbaren Welt. Die neuen Ufer eines heraufsteigenden Zeitalters der Zukunft zeichnen sich ab. Trotz Zerstörung, Massenwahn und alles beherrschender Furcht schimmert das Morgenrot junger Hoffnung über unserer Zeit.
Auch dieser letzte Band des „Bildes der Jahrhunderte" ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthält vorzügliche historische Karten. El kostet in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung und tatbigem Schutzumschlag DM 13.20. Mit dem Bezug des Gesamtwerkes kann in bequemen Monatslieferungen jederzeit begonnen werden. Auf Wunsch werden auch die bereits erschienenen Bücher geschlossen oder in einzelnen Bänden nachgeliefert. (Einzelbd. 1-18 je DM 3.60, Doppelbd. 19-40 je DM 6.60) Prospekt kostenlos vom VERLAG SEBASTIAN LUX
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Graue Riesen Geschichte und Leben der Elefanten
VERLAG SEBASTIAN LUX M U R N A U - M Ü N C H E N - I N N S B R U C K O L T E N
Arbeitselefanten vom Kongo
Elefant und Mensch Wie ein gewaltiger, grauer Eelsklotz steht der Elefant vor uns in seinem Gehege; seine kleinen Augen betrachten uns aufmerksam, last listig; .geruhsam klappen idie mächtigen Ohren auf und ab. Wie Säulen tragen die massigen Beine den riesigen, tonnenförmigen Rumpf: das ganze Tier ist ein Sinnbild wahrhaft urwüchsiger Kraft. Da steckt der Elefant uns den Rüssel futterheischend entgegen, wie einen Riesenfinger, dessen Spitze gewandt das Brot umgreift und zum MaMle hebt. Auf Wink und Ruf des Wärters folgt er weit gelehriger als ein Pferd, er erlernt Kunststücke aller Art und führt sie auf Befehl rvor. So erscheint uns der Elefant besonders eindrucksvoll: gewaltiger, stärker, aber auch geistig befähigter als die anderen Vierfüßler. Wie aber muß ein solcher Riese auf Menschen wirken, die ilun nicht mit dem Rüstzeug unserer heutigen Technik, mit Gewehren höchster Präzision und furchtbarer Durchschlagskraft entgegentreten, die sich nicht mit Eisengittern und massiven Bauten vor ihm schützen können? In den riesigen Urwäldern Zentralafrikas jagen noch heute Zwergvölker den wehrhaften Riesen nur mit dem Giftpfeil, schleichen sich auf wenige Meter an den übermächtigen Gegner heran, obwohl ein erwachsener Mann dieser Stämme kaum größer ist als ein zwölfjähriges Kind unserer Rasse! 2
Solch gefährliche Jagd aber geschieht seit Jahrhunderttausendcn: von jener fernen \ orzeit an, in der die ersten Mensehen begannen, das Feuer zu nutzen und zu sprechen. Seit jener Urzeit sind die Rüsselli ägei- begehrtes Wild kühner Männer, die mit dem Intellekt den unerhörten Unterschied /wischen der gewaltigen Kraft der Riesen und der eigenen körperlichen Unzulänglichkeit Überbrückten und mit List der Giganten Herr wurden. Die Erforschung der Erd- und Menschheitsgeschichte hat ergehen, daß die Verbreitung des Elefantengeschlechtcs seit vielen Jahrtausenden weithin vom Mensehen beeinflußt worden ist. daß es der Mensch war, der beistimmte, ob die Riesen aus den Ländern verschwinden mußten- die sie bewohnten, oder ob er bereit war, mit ihnen zusammen /u hausen. So haben die Elefanten und ihre Verwandten Schon in vorgeschichtlicher Zeit weite Gebiete räumen müssen, in denen sie bis dahin heimisch gewesen waren — nicht nur in fremden Erdteilen. Auch unsere Ahnen haben vor Jahrtausenden zu ihrem Verschwinden beigetragen, als sie begannen, den Nordelefanten, das Mammut, zu erlegen.
Geschichte
des
Elefantengeschlechtcs
Von Jahr zu Jahr enthüllt sich die Geschichte dieses Tiergeschlechtes immer klarer vor unseren Augen; denn die grauen Riesen haben gewaltige, harte Knochen, die an günstiger Lagerstätte selbst lange Zeitspannen unversehrt überdauern können. Die gewichtigen Knochen müssen jedem auffallen, der auf sie stößt, wenn in einer Sand- oder Kiesgrube Material für Bauten gewonnen wird, wenn Straßen angelegt, Hügel durchstochen. Fundamente gegraben oder Höhlen durchforscht werden. Manchmal treten die Skelettreste zu Tage, wenn ein schnell fließender Fluß seinen Lauf ändert und seine Wasser bis dahin unberührte Schichten unterspülen oder aufwühlen. Knochen von Elefanten und ihren Verwandten, die man an solchen Fundstätten entdeckte, stammen aus Ablagerunigen aller jüngeren Perioden der Erdgeschichte, nicht allein aus der Jetztzeit, dem Alluvium, und der Eiszeit, dem Diluvium, das 12 000 bis 600 000 Jahre zurückliegt; man findet die Reste der Rüsseltiere in großer Zahl selbst in Schichten, die aus dem Tertiär stammen, das etwa 60 Millionen Jahre zurückreicht. Sie fehlen zwar der ältesten Epoche dieser Tertiärperiode, dem Palaeozän, aber schon aus Ablagerungen des Eozän und Oligozän, die darauf folgton, ist ein merkwürdiges Tier bekannt geworden, das dem Elefanten verwandt ist: das Moeritherium Ägyptens. Aus vielen 3
Kennzeichen weiß man, daß es bereits ein Riisseltier war, obwohl es noch gar. keinen Rüssel besaß; es wurde so groß wie der heute noch lebende Tapir, hatte wie dieser etwa Schweinsgestalt, lebte wie der Tapir an den sumpfigen Ufern der Gewässer, suchte gern das nasse Element auf und nährte sich von dem reichen Pflanzenwuch( dieser Region. Es besaß vier Schneidezähne, die als kurze Hauer, als Waffen, ausgebildet waren. In den folgenden Erdperioden entfaltete sieb sehr rasch ein unerhörter Reichtum an Rüsseltieren, die unseren heutigen Elefanten noch näher kamen: es waren vor allem die Gomphotherien und Dinotherien, die in »ahlreichen Arten die Urlandschaften bevölkerten; sie alle entwickelten sich aus Geschöpfen, die dem ägyptischen Moeritherium ähnlich sahen und wie dieses Tier des Nillandes lebten. Im Laufe der Geschichte wuchsen diese Rüsseltiere immer gewaltiger, immer massiger auf. Der Rumpf wurde tonnenförmig, die Ohren wurden großer, die Beine gestalteten sich zu wuchtigen Säulen, der zunächst kleine Rüssel verwandelte sich in ein Greiforgan. Besonders aufschlußreich ist dabei, an den zahlreichen Funden zu verfolgen, wie das Gebiß mehr und mehr sein Aussehen veränderte. Je weiter diese Tiere im Ablauf der Jahrtausende in der Entwicklung fortschritten, desto charakteristischer wurde die Fortbildung der Schneidezähne zu eindrucksvollen Waffen. Bei den Dinotherien wurden zwei Schneidezähne des Unterkiefers zu riesigen Hauern, die nach unten und hinten schwangen. Das Palaeomastodon, die älteste Form der Gomphotherien, die man kennt, hatte sogai vier kräftige Hauer und einen winzigen Rüssel. Die späteren und weit größeren Vertreter dieser Gruppe, die bis über drei Meter Höhe erreichten, streckten entweder zwei Schneidezähne des Oberkiefers oder zwei des Unterkiefers und zwei des Oberkiefers als Stoßzähne vor. Besonders seltsame Arten wie Phiomia, Platybelodon trugen die zwei Schneidezähne des mächtig verlängerten Unterkiefers als große Schaufeln vor sich her, mit denen sie große Mengen von Wasserpflanzen ästen, wobei ihnen wohl der Rüssel als Ziipf- und Schöpf Werkzeug zu Hilfe kam. Diese „Schaufelzähner" sind in Nordamerika, in Turkestan und in der Mongolei gefunden worden. Die Rüssel dieser Tiere waren nichts anderes als die weit verlängerten Nasen und Oberlippen. Und merkwürdig: Je länger die Stoßzähne wurden, desto länger mußte der Rüssel werden, damit sein Besitzer trotz der hindernden Waffen ans Futter gelangen konnte, das der Rüssel als Greiforgan ans Maul heranbrachte. Da« X
Mahlzahn eines Mastodons und eines Mammuts
Skelett des amerikan. Mastodons
Moeritherium aus dem Ägypterland hatte noch keinen Rüssel, die frühesten Gomphothcrien trugen nur ein kurzes, die Sdiaufelträger ein ziemlich breites und längeres, die mit Stoßzähnen bewaffneten ein entsprechend mäditiges Greiforgan. So war die Nasenspitze weit vor den Kopf verlegt, und mit der Rüsselspilze die Nasenöffmung. Das kuriose Gebilde des Rüssels besteht aus kräftigen Muskeln und Sehnen, die vorn am Schädel ansetzen. Er ist von unerhörter Beweglichkeit und dient nicht nur zum Greifen und wie ein riesiger Gummiknüppel als Waffe: Der Elefant benutzt ihn auch als Sauger; wenn sein Träger trinken will, steckt er die Rüsselspitze ins Wasser, zieht den Rüssel voll Flüssigkeit, sdiließt seine Spitze, führt sie ins Maul und bläst das Wasser in den Rachen hinein. Der Rüssel hilft auch bei der Hautpflege; der Elefant hebt mit dem Greifer Sand auf, um sich damit zu bewerfen, oder saugt Wasser auf, um sieh abzuspritzen. Steht der 5
Koloß aber in hohem Pllanzenwucbs. so kann er den Hiisscl emporrecken und vier, ja fünf Meter über dem Boden am Luftzug prüfen, ob er den Geruch eines Feindes herheiträgt. Von allen Verwandten sahen die echten Mastodons den Elefanten von heute im Körperbau und in der Bildung der Stoßzähne am ähnlichsten. Man kann sieh von bliesen Rüsseltieren eine besonders gute Vorstellung machen; Mastodons sind in großer Zahl in den USA, wo die letzten von ihnen vermutlieh noch das Ende der Eiszeit erlebt haben, gefunden und im Hau ihres Skelettes und \ u ß e r u genau rekonstruiert worden. Die ersten Vertreter dieser Gruppe reichen jedoch — weit über die Eiszeit hinaus — Millionen .fahre zurück. Die ältesten Formen, die wir wirklich als Elefanten bezeichnen dürfen, waren die Stegodons aus dem Zeitalter des indischen Pliozäns, der jüngsten Epoche vor Beginn der erdigeschichtlichcn Neuzeit. Ihre Schädel sind steiler, der Unterkiefer ist so lang wie bei den Mastodons, der Hals ist kürzer. Wir kennen einige Arten aus indischen Fundstellen auch aus dem Beginn der Eiszeit; es ist verblüffend, wie ähnlich sie bereits dem indischen Elefanten von hente sehen. Rüsselträger, die dem afrikanischen Elefanten unserer Zeit ähneln, wurden aus dem Diluvium Afrikas. Europas und Asiens bekannt. Reste dieser Tiere wurden auch auf den Mittelmecrinseln entdeckt; hier lebten in der Eiszeit besonders kleine Arten; auf der Insel Malta gab es sogar einen Elefantenzwerg, der nur 1,4Meter groß wurde, und der trotz,dem den gewichtigen Namen ..Elefant" zu tragen berechtigt ist.
Die Mammute Von einer der großartigsten Gestalten aus der Familie der Elefanten erfuhr Europa um das Jahr 1665, als der Holländer Nikolaus Witgen aus der Zarenstadt Moskau in seine niederländische Heimat zurückkehrte. Witgen war Bürgermeister in \msterdam und war von seinen Mitbürgern als Gesandter nach Rußland geschickt worden. Er berichtete von seltsamen Riesentieren, die in den nördlichen Zonen Sibiriens plötzlich zum Vorsehein gekommen seien, gigantischen Wesen, die den Elefanten glichen, aber über und über langhaarig verhüllt waren. Das war die erste Kunde von den Mammuten, echten Elefanten der Vorzeit. Ob seine Gewährsmänner die Tiere lebend gesehen hatten, wußte Nikolaus Witgen nicht zu sagen. (Wir wissen heute,
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daß das nicht der Fall war; denn das Mammut ist ausgestorben, als die Eiszeit zu Ende ging.) Erst im Jahre 1799 erreichte ein solches Ungetüm die russische Hauptstadt; eigentlich waren es nur klägliche Reste, die der Gelehrte Adams am Unterlauf der Lena auf einer Sandbank entdeckt hatte. Dieses Mammut, eine« der größten, von denen man je erfahren hat, war sieben Jahre vorher an einer vom Strom unterspülten Uferstelle zum Vorschein gekommen, und die Hochfluten hatte die Tierleiche bis auf die Sandbank befördert. Adams konnte nur noch das Gerippe mit geringen Resten der Haut und des Knorpels nach Petersburg verfrachten. Durch eine Abbildung des Skelettes in den „Ossements fossiles" des berühmten Naturforschers Cuvier wurde der Fund weitesten Kreisen bekannt. Cuvier gab ihm den Namen „Fossiler Elefant, Mammut der Russen". Durch Expeditionen, die in späterer Zeit die .nordsibirischen Küsten absuchten und jeder Spur nachgingen, wurde dann bekannt, durch welch merkwürdige Laune der Natur die toten Tiere erhalten geblieben sind. Dort in den Nordregionen hatte vor Jahrtausenden die Wanderung großer Mammutherden ein Ende gefunden, hier fanden viele den Tod. Ihre Kadaver lagen auf dem gefrorenen Boden, und die Flüsse schwemmten Sand über sie; aber auch diese Sandschichten gefroren, so daß zuletzt riesige Massen Erde die Leichen überdeckten. Selbst in den kurzen Polarsommern reichte die Wärme nicht aus, bis zu den toten Mammuten vorzudringen. Wie in einem Eiskeller lagen sie in der Tiefe. Aber eines Tages schiwemimten Hochfluten irgendwo eine der Schichten aus, Uferhänge stürzten herab, und einer d e r toten Riesen trat nach Zehntausenden von Jahren wieder zum Vorschein. Über zwanzig Mammute sind, meist wohlerhalten, im ewig gefrorenen Boden Sibiriens zu Tage, getreten oder von Zoologen in der tiefen Gefrornis entdeckt und freigelegt worden. Manche dieser Tiere waren von der Kühle der eisigen Tiefe so gut konserviert, daß die Sibiriaken das Fleisch von ihnen aßen; Raubtiere und Hunde fraßen es mit bestem Appetit. Besonders willkommen waren Fleisch und Speck den Polarfüchsen, die sich in Massen über die herausgespülten Kadaver hermachten. Bei manchen Mammuten war der Mageninhalt so frisch, daß sich selbst die Pflanzen, die er enthielt, bestimmen ließen. Es waren junge Triebe verschiedener Nadelhölzer, und von Birken und Wreiden, Reste zahlreicher Steppenpflanzen, von denen Thymian und Hahnenfuß besonders reichlich vertreten waren. 7
Das Mammut, das gegen Ende der Eiszeit von der Erde verschwunden ist, war in einer kälte- und einer wärmeliebenden Art, den Nord- und Südmammuten, auch in unseren Breiten vertreten; Mammutknochenfunde sind deshalb auch in Mitteleuropa nicht selten. Im Diluvium, der Eiszeit, gab es nicht allein sehr kalte Perioden, in denen große Gebiete Europas, Asiens und Nordamerikas voin Gletschern und Schnee-Eisdecken überzogen wurden; zwischen diese Kältevorstöße waren immer wieder Wärmeperioden eingeschaltet, in denen sich Eis und Schnee weit nach Norden zurückzogen. Mindestens vier solcher Kältevorstöße sind überall vom Norden der Erdkugel her bekannt geworden, ihnen folgten stets Wärmezeiten. So gab es ein Mammut (Mammutus primigenius), das dem Leben in größter Kälte angepaßt und mit langem, bräunlichem Wollhaar bedeckt war und einen gewaltigen Fettbuckel als Vorratsbeihälter für schlechte Zeiten besaß. Es wurde etwa drei Meter groß. Dieses Mammut ist uns nicht nur aus den sibirischen Funden, sondern auch aus einer ganzen Reihe von Abbildungen bekannt, die während der letzten Kälteperiode von Jägervölkern der Steinzeit in den Höhlen Frankreichs und Spaniens auf Knochen, Steine und Felsen geritzt oder gemalt worden sind; sie geben das Tier entweder „naturalistisch" — mit größter Genauigkeit — oder in eigenartiger Stilisierung wieder. In den wärmeren Zwischeneiszeiten aber fanden sich andere Mammute bei uns ein, die man als Südmammute bezeichnet. Einem gemäßigteren Klima war besonders das Archidiscodon-Mammut angepaßt, ein besonders großes, stattliches Tier. Ausgangs der Eiszeit lebte eine Form dieser Gruppe auch in den USA, das Kaisermammut, das über 4 Meter hoch aufwuchs. Eine andere nahe verwandte Art bewohnte zu Beiginn der Eiszeit die Landstriche Frankreichs; sie wurde über 3,70 Meter hoch. Die frühesten Funde aus dieser Gruppe stammen jedoch aus Südafrika. Die Skelettreste, die dort entdeckt wurden, lassen erkennen, daß dieses afrikanische Mammut nur IV2 Meter groß war, und daß es ausgangs des Tertiär gelebt haben muß. Man darf deshalb vermuten, daß die Südmammute wohl hier in Südafrika entstanden und im Laufe der Eiszeit nach Europa, Asien und endlich nach Nordamerika gewandert sind. Zwischen den Nord- und Südmammuten vermittelte eine dritte Gruppe (Parelaphus). Auch sie stellte besonders eindrucksvolle, große Tiere. In Europa • war es das TrogontheriiMammut, das in der frühen Eiszeit weit verbreitet war und 4V2 Meter hoch wurde, in Amerika waren es mehrere Arten, die zwischen drei und vier Meter Größe erreichten. 8
Wie ungeheuer häufig die Mammute in manchen Epochen gewesen sein müssen, davon zeugen nicht nur die zahllosen Skelette, von deren Auffindung von Zeit zu Zeit die Zeitungen berichten — davon zeugt vor allem die große Zahl von Stoßzähnen, die allein in Sibirien gesammelt wurden. In der Zeit von 1860 bis 1900 exportierte man aus Sibirien alljährlich rund 50 000 Kilogramm Mammutelfenbein. 1873 kamen allein in London über 1140 Stoßzähne von dort auf den Markt. In den Jahren 1882 und 1884
Drei eiszeitliche Darstellungen des Mammuts auf Höhlenfelsen wurden nur auf den nordsibirischen Liakhov-Inseln 2500 große Stoßzähne aufgelesen. Und diese Mammutzähne waren so gut erhalten, daß sie sofort verarbeitet werden konnten und eine drückende Konkurrenz für das Elfenhein wurden, das damals in den afrikanischen und asiatischen Jagdrevieren erbeutet wurde*. Aber auch die Eiszeitmenschen hatten das Elfenbein schon genutzt; man fand in Predmost in Mähren an einer Stelle 25 000 Gegenstände, die aus Mammutelfenbein hergestellt waren, und man errechnete, daß an dieser Stelle rund 900 Mammute ihr Lehen gelassen haben müssen. Es ist erstaunlich, daß die Eiszeitmenschen mit ihren primitiven Steinwerkzeugen der Riesentiere überhaupt Herr geworden sind. Lange Zeit rätselte man über diese Tatsache hin und her, bis vor Jahren bei Krems an der Donau eine altsteinzeitliche Kulturscbicht aufgedeckt wurde, in der man auch Mammutreste fand; die Gerippe gehörten zu etwa zwanzig der eiszeitlichen Elefanten. Die Ausgrabungen von Krems gaben endlich Antwort auf die Frage, auf welche Weise der Mensch der Altsteinzeit die Mammute erbeutet hatte. Damals bedeckte eine weite Lößsteppe die Umgebung des Fundplatzes. Die Donau hatte ihr Tal tief in diese Steppe eingeschnitten, ein schmaler Wildwechsel führte über einen Steilhang von der Steppe hinab ins Tal, zum Fluß, zur begehrten Tränke. An diesem Wildwechsel haben die Steinzeitjäger Fall9
gruben ausgehoben. Die Jägerschar trieb das Wild von der Steppe herab zum Hang und jagte es in die Fallgruben. Die Knochenreste verraten, daß nicht nur Mammutriesen, sondern auch Höhlenlöwen, Wollhaarnashörner, Wildpferde, Auerochsen und Steppenwisente 'bei diesen Treibjagden in die tödlichen Fallgruben gejagt und hier mit [Steinen erschlagen worden sind. Es waren Festtage für die Menschenhorde, wenn ein Mammut der Jagdlist erlag: denn es gab auf Tage und auf Wochen hinaus Nahrung für die Sippe, Elfenbein für Schmuck und Gerät, Wolle für die Kleidung. Fett für die Küche. ü b e r 20 000 Jahre sind seitdem ins Land gegangen, aber genau so, wie es jene Menschen der Altsteinzeitkultur taten, trieb man noch bis in die jüngste Zeit Elefanten in Afrika und Indien in Fallgruben und erschlug die wehrlos gewordenen dort mit Feiebrocken.
Wovon lebten die Mammutherden ? Wovon ernährten sich diese Großtiere, besonders jene wollhaarigen Riesen, die wie die Nordmammuts unter den ungünstigsten Verhältnissen in der Nähe von Gletschern und Firneisfeldern hausten? Für den Menschen des gemäßigten Klimas ist es kaum verständlich, daß so große Herden der Riesentiere in diesen unwirtlich erscheinenden Gegenden leben konnten. Von den beiden heute noch lebenden Elefantenarten weiß man. daß sie mit besonderer Vorliebe Zweige, Aste, selbst junge Bäume als Nahrung au sich nahmen. Das Holz der gekappten Bäume braucht nicht einmal frisch, das Gezweig nicht belaubt zu sein; im Zoo vergreifen sich die indischen und afrikanischen Kolosse sugar an den Reiserbesen, die von den Wärtern in den Elcfantenhäusern vergessen worden sind. Die Mammute haben zweifellos vom Baumbestand der kalten Zonen gelebt. In der Steppe fanden sie günstige Äsungsplätze in den Flußtälern, die von Büschen und Bäumen bestanden waren. In den Wäldern ästen sie das Unterholz und die Zweige, soweit sie an die Wipfel heranreichten, hier stand ihnen ein unerschöpflicher Nahrungsvorrat zur Verfügung. Seihst in der Tundrazone, in der sumpfigen Steppe der Arktis, fand sich genügend niedriger Baumwuchs, gab es reichlich Zweig'birken und Weiden, sich daran gütlich zu tun. Noch heute bieten uns die Hirsche ein Beispiel dafür, wie sich in diesen entlegenen Landstrichen leben läßt. Die größte Hirschart, der Elch mit zehn und mehr Zentnern Gewicht. 10
Mammut in der Falle (Eiszeitliche Zeichnung aus der Höhle von Font-de-Gaume)
Höhlenzeichnung von Fallgruben zur Erlegung von Großwild
lebt in den Waldungen des hohen Nordens, und auch er nährt sich vor allem von Zweigen und Rinden, die ihm selbst im Winter zur Verfügung stehen, wenn Gräser und Kräuter unter tiefen Schneemassen vergraben liegen. Wo heute Elefanten außerhalb der Wälder in der Steppe leben, sind sie nicht anders als die Mammute und Elche an das Vorkommen von Baumwuchs gebunden. Sie scheinen baumarme und wüstenartiige Steppen zu meiden oder kommen hier nur in geringer Anzahl vor, und auch nur an Plätzen, die wenigstens etwas Baumwuchs aufweisen. Es ist bezeichnend, daß der afrikanische Elefant, wo er in baumarme Gebiete vordringt, wie in Somalilamd, verkümmert und zwerghaft wird. Um die spröde und harte Nahrung zu zerkleinern und für die Verdauung aufzusdiließen, bedarf es i e s o n d e r e r Bearbeitung. Der Elefant reißt mit dem Rüssel die Äste ab, splittert sie notfalls mit den Stoßzähnen vom Baum herunter und zerkleinert sie, indem er mit dem Fuß daratiftritt und sie mit dem Rüssel in Stücke bricht. Die mundgerechte Nahrung führt er mit dein Rüssel zum Maul und zerschrotet sie darin mit seinen gewaltigen Backenzähnen. Diese Zähne aber sind Werkzeuge, die eine nähere Betrachtung lohnen. In jeder Hälfte des Ober- und Unterkiefers steht nur ein II
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Backenzahn für die Nahrungszerkleinerung zur Verfügung. Aber es sind ungewöhnlich große, kräftige Zähne, und sie sind an ihrer O.berfläche durch zahllose Schniel/bänder gehärtet. Mit diesen Schmelz'bändern wird das Holz mühelos zerrieben. Ist ein Backenzahn von der harten Nahrung abgenutzt und heruntergekaut, so schiebt sich von hinten her der nächste aus dem Knochen unter dein Fleisch hervor, drückt seinen Vorgänger nach vorne weg, wirft ihn hinaus und tritt nun in Aktion. Das wiederholt sich, bis der letzte der sechs Backenzähne, über die der Elefant in jeder Kieferhälfte verfügt, die Arbeit aufgenommen hat; wenn auch der letzte abgenutzt ist, hat der Elefant die Lebensgrenze erreicht. Beim afrikanischen Elefanten beginnt der erste Backenzahn schon nach drei Monaten seine Tätigkeit, der zweite mit zwei, der dritte mit fünf, der vierte mit zehn, der fünfte mit zwanzig, der sechstt mit dreißig Jahren. Dieser letzte Backenzahn ist ein besonders imposantes Gebilde, denn er mißt mehr als 35 Zentimeter Länge. Dreißig bis vierzig Jahre muß er vorhalten. Die Berichte, die von Elefanten erzählen, die Hunderte von Jahren alt geworden sind, entsprechen schon aus diesem Grunde nicht den Tatsachen; ein Elefant kann wegen seiner Backenzähne nicht älter als sechzig bis siebzig Jahre werden, ein Alter, das etwa dein des Menschen entspricht. Die Mammute waren von der Natur besonders begünstigt; sie besaßen Backenzähne, die durch eine größere Zahl Schmelzleisten gegen allzuschneile Abnutzung gesichert wurden. Mammute waren demnach noch „spezialisierter", noch mehr der Nahrung ihres Lebensraumes angepaßt als die heuligen Elefantenkolosse. Und auch diese Spezialisierung hat ihre Geschichte. Das Moeritherium hatte noch nicht den Zahnwechsel gekannt, bei diesem VorElcfanten waren alle Backenzähne noch gleichzeitig in Funktion. Erst bei den Gomphotherienarten, die größer, elefantenähnlicher waren als die ursprünglichen Formen, begann sich ein ähnlicher Wechsel der Backenzähne auszubilden, wie bei den Elefanten der Eiszeit und heute. Einige hatten nur noch 2 bis 3 Backenzähne in jeder Kieferhälfte in Benutzung und wechselten sie, wenn sie abgekaut waren. Dann bildete sich der heutige Zustand heraus. Die Rüsseltiere stellten sich also im Laufe ihrer Entwicklung langsam auf die härtere Holznahrung um. Moeritherium lebte noch von weichen Pflanzen, die Gouiphotherien paßten sich in Jahrhunderttausenden einer zäheren Zweignahrung an, die Mastodons aber werden bereits Baumfresser gewesen sein wie die Mammuts. 12
Elefant wird von seinem Wärter manikürt
Elefanten sind gut zu Fuß Von jeher waren die Rüsseltiere große Wanderer. So verbreitete sich der südafrikanische Lrvater des Südmaminuts von der Südspitze des schwarzen Kontinents über Europa, Asien und Nordamerika. Die ersten Gomphotherien der Gattung Trilophodon entdeckte man in Ägypten, auch sie zogen über uralte, verschwundene Landbrückcn bis hinüber nach Nordamerika. Die frühesten Dinotherien fand man in Ostafrika and Indien, aber auch sie haben weite Wanderwege zurü<jtgelegt und erreichten eines Tages Europa. Von diesen Rekordwanderern der grauen Vorzeit haben die lebenden Elefanten die Kraft und den Trieb zur Bewältigung großer Entfernungen geerbt, In den Steppen Ostafrikas legen sie nicht selten Tag um Tag 60, 80 und mehr Kilometer zurück, um zu den spärlichen Wasserstellen zu kommen und ihren Durst zu stillen. Man traf Elefanten auf dem höchsten Berg Afrikas, dem Kilimandscharo, hoch über der Baumgrenze, dicht unter dem ewigen Schnee. Sie sind also nicht nur ausdauernde Wanderer, sondern auch tüchtige Bergsteiger, und es ist kein Wunder, daß die Teilnehmer einer Expedition Reste des Gomphotherium Cordillieriou selbst hoch oben in den Anden ausgraben konnten. Die so unbeholfen wirkenden Säulenbeine der Rüsseltiere sind als Gehwerkzeuge geradezu vorbestimmt. Der Elefant stellt nicht wie ein Pferd oder Rind auf den Spitzen der Zehen. Der Fuß ruht vielmehr auf einer ovalen Sohlenplatte, die an ihrem Vorderrand die Hufe, die Nägel der Zehen, trägt. Über dieser Sohlenplatte liegt ein dickes Sohlenpolster aus elastischem Gewebe, das den Zwischenraum zwischen den Zehen ausfüllt, und auf diesem Polster ruht das gesamte Gewicht des Riesentieres. Federnd fängt dieser Stoßdämpfer die kolossale Last ab und ermöglicht es dem Giganten, behende und fast geräuschlos dahinzuschreiten. Immer wieder hört man von Augenzeugen, wie unglaublich eindrucksvoll es ist, wenn sich die Elefanten im dichten Piianzenwuchs unhörbar davonstehlen. Nur bei plötzlichem Schreck stürzen sie von dannen und brechen lärmend alles Störende nieder, das sich ihnen in den Weg stellt. Davonstürmende Elefanten laufen keine Gefahr, vom Gestrüpp und Buschwerk verletzt zu werden, das sie mit Schädel und Rüssel durchstoßen. Die Haut ist so fest und dick, daß weder Lianen, noch Luftwurzeln, noch Astwerk ihr etwas anhaben können. Elefanten sind eben „Dickhäuter". An der beliebten Trophäe des Tropenjägers, der die Fußhaut des Elefanten als Papierkorb in II
»einem Arbeitszimmer stehen hat, kann man am besten feststellen, wie hart tind dick Elefantenleder ist. Trotzdem braucht die Elefantenhaut viel Pflege, wenn die Tiere nicht mehr in der Wildnis leben. Da sie im Tiergartengehege nicht vom streifenden Geäst der Steppe und des Waldes strapaziert wird, wind die Haut leicht zu dick, iborkig und rissig. Mit einer Bürste aus Stahl streicht der Wärter von Zeit zu Zeit vorsichtig die Auswüchse herunter; a'ber es ist iminer eine sehr mühsame Schönheitsund Gesundheitspflege, an d e r weder Mensch noch Tier Freude haben kann. Wenn der Elefantenwärter nicht achtsam ist und zu tief geht, kommt es zu Blutungen; denn feine Blutgefäße sitzen selbst in den äußersten Schichten der Lederhaut, um sie zu ernähren.
Elefanten
von heute
Im Tertiär und in der Eiszeit war die Sippe der Rüsseltiere unendlich artenreich. Sie waren überall auf der Welt verbreitet und fehlten nur in Australien. Nur wenig ist von jener unendlichen Mannigfaltigkeit übrig gehliehen. Das ist um so verwunderlicher, weil diese gewaltigen Tiere außer den jagenden Menschen kaum Feinde gehabt haben, die ihnen gefährlich werden konnten. Und doch wird im Verlauf der Eiszeit die Zahl der Rüsseltierarten immer geringer, eine Art nach der anderen stirbt aus. Welchem Unheil die meisten erlagen, ist wnhelkannt. Doch ist kaum daran zu zweifeln, daß das Schicksal verschiedener Formen, wie die der Mammute und einiger anderer, von den Jägervölkern der Vergletscherumgeepoche hesiegelt worden ist. Von aller Vielfalt der Elefantensippe sind zwei Arten übrig gehlieben: der afrikanische und der indische Elefant. Beide sind leicht voneinander zu unterscheiden: Der Afrikaner hat große Ohren, der Inder verhältnismäßig kleinere, der Afrikaner zeigt zwei Fortsätze an der Rüsselspitze, mit denen er die Nahrung ergreift, der Inder besitzt nur ein solches Greifgebilde. Auch die härtenden Schmelzleisten in den Backenzähnen sind bei beiden Arten verschieden zahlreich. Der indische Elefant ist ein Waldtier. Wuchtig, das mächtige Haupt wie einen Keil vorrammend, durchbricht er das Gehölz. Die Säulen seiner Beine erscheinen kürzer als die des Afrikaners, sein Körper mehr tonnenförmig. Er lebt meist in kleineren Trupps und Herden. Die Bullen, die nur wenig über drei Meter aufragen, tragen gute Stoßzähne, die Kühe, die zweieinhalb Meter Höhe erreichen, müssen sich ohne diese Zahnwaffen durchs Leben schlagen.
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Der indische Elefant ist einst über ganz Südasien, von Borneo und Java bis Malaya und Indochina, von Siam bis Kleinasien, verbreitet gewesen. Auch in Syrien und im Zweislromland lebte er. Heute beschränkt sich sein Gebiet auf Vorderindien bis hinab nach Borneo, Sumatra und Indochina. Der afrikanische Elefant bewohnte noch in geschichtlicher Zeit ganz Afrika mit Ausnahme der reinen Wüstengebiete. Seit langem aber ist er aus Nordafrika und aus der Südafrikanischen Union verschwunden. In seinen Rückzugsgebieten lebt er zwar in Steppen und Wäldern, doch sagt ihm wohl die licht mit Bäumen bestandene Savanne am meisten zu. Im offenen Gelände schließt er sich gern zu großen Herden zusammen, die mehr als hundert Tiere umfassen können, im Urwald dagegen sind seine Trupps nur klein. Die Bullen tragen beachtliche Stoßzähne, aber auch die Kühe besitzen meist Waffen, die ihren indischen Schwestern versagt sind. Die männlichen Tiere können sehr groß werden; der höchste bisher gemessene Elefant erreichte 3,69 Meter; man sagt aber, daß einzelne sehr alte Bullen bis vier Meter hoch werden können. Der afrikanische wie der indische Bulle sind gewichtige Kolosse: sie mögen bis 120 und 130 Zentner schwer werden, Kühe überschreiten kaum 70 Zentner.
Amerikanische Mastodonherde der Eiszeit
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Beide Elefantenarten haben eine Reihe verschiedener geographischer Rassen ausgebildet, die ihre besonderen Kennzeichen tragen. Manche Wissenschaftler unterscheiden beim Afrikaner den größeren Steppen- und den kleineren Urwaldelefanten; die größten Vertreter •dieser Art hausen in dem Lebensraum, der ihren mächtigen Körpern die reichlichste Nahrung bietet, der (baumbestandenen Savanne. Dort wo der Baumwuchs schwindet und die Savanne zur Wüstensteppe wird, verkümmern die Elefanten, wie es in Mauretanien und in Somaliland der Fall ist; in den schwachen Herden Mauretaniens findet man Tiere, die nicht höher als 2,40 Meter werden. Noch kleiner scheinen die Elefanten in Somaliland zu sein; Jäger und Forschungsreisende berichten, daß viele Tiere in diesen Savannen nur noch Zwergelefanten seien. Auch im Urwald, in den riesigen Forsten an der Westküste Afrikas, in Kamerun, in Französisch Guinea, am belgischen Kongo und seinen Nebenflüssen leben Elefanten, die je nach ihrer Herkunft höchstens 3 Meter groß werden, meist aber beträchtlich kleiner sind und oft kaum über 2 Meter Höhe hinauswachsen. Diese westafrikanischen Waldtiere scheinen sich auch noch durch andere Merkwürdigkeiten von jenen d e r Steppe abzuheben; nämlich durch die Zahl der Zehennägel. Der afrikanische Steppenelefant besitzt vorn vrer,
(Nach einem Wandgemälde im Naturhistorischen Museum in New-York) 17
hinten drei Nägel Der Waldelefant Afrikas soll die gleiche Anzahl Nägel aufweisen wie der Inder, der am Vorderfuß fünf, am Hinterfuß vier Nägel trägt, aher dieses Merkmal scheint nicht immer zu gellten, es gibt offenbar auch Abweichungen von dieser Regel. In der Wissenschaft vom Elefanten ist eben manches noch auf Vermutungen angewiesen. Die Giganten der Wälder und Steppen haben bisher noch ihre letzten Geheimnisse nicht preisgegeben. So soll es nach neueren Forschungen in Spanisch-Guinea Zwischcnformen zwischen den großen Steppen- und den kleinen Waldelefanten geben, so daß selbst in der Rassenfrage noch Rätsel zu lösen sind. Alle Afrikaner alber sind schlanker, hochbeiniger als die Inder, sie machen einen geradezu eleganten Eindruck und imponieren besonders durch das schöne Elfenhein, das sie tragen. Ein alter afrikanischer Bulle ist mit seinen mächtigen Waffen eine wahrhaft großartige Erscheinungen.
Die
Stoßzähne
Die Stoßzähne sind besonders ausgebildete Schneidezähne. Während sie von ihrem Träger an der Spitze abgenutzt werden, wachsen sie dauernd vom Grunde her nach. Im Kampfe sind sie unheimliche Stoßwaffen, in friedlichen Zeiten kraftige Werkzeuge, mächtige Hebel, um Äste abzubrechen, Holz zu zerknicken und in Stücke zu zerkleinern. Vor allem beim Afrikaner erreichen die Zähne oft die unwahrscheinlichste Länge und Mächtigkeit. Wenn es dem Jäger geglückt ist, einen Elefanten zu erlegen, schlägt er mit dem Beil die Zahnhöhle auf und heibelt den ganzen Zahn heraus, nicht nur den Teil, der aus der Körperhaut hervorragt; ein gutes und nicht minder wertvolles Stück des Stoßzahnes sitzt nämlich unter der Oberfläche eingebaut in den Kieferknochen. Wahre Rekordstücke konnten die Händler aus afrikanischer Beute auf den Elfenbeinmarkt bringen. Ein Bulle aus Kenya lieferte Zähne, die 3,48 und 3,54 Meter lang waren; sie wogen 133 Kilo. Ein anderer besaß Waffen, die etwas kürzer, aber um so kräftiger waren, mehr als drei Zentner Elfenbein wurden aus ihnen gewonnen. Den Rekord aber schlug ein Afrikaner mit Stoßzähnen von vier Zentner Gewicht. Die indischen Elefanten sind dagegen weit weniger wuchtig ausgerüstet. Welch gewaltige Körperkräfte muß ein Tier besitzen, das Stoßzähne von Zentnergewichten ständig vor sich hertragen kann! Die Elefanten verwenden die Stoßzähne fast nur im Kampf 18
gegen ihresgleichen, wenn die Bullen im Ringen um brunftige Kühe die Konkurrenten aus dem Feld schlagen müssen; denn weder der Afrikaner noch der Inder haben in ihrer Heimat Feinde, die dem erwachsenen Tier gefährlich werden könnten. Selbst die großen Rauhtiere sind viel zu klein und körperleicht, um sich mit den Giganten zu messen. Man muß bedenken, daß ein starker Löwe, ein mächtiger Bengaltiger selten mehr als 4 Zentner Gewicht erreichen. Nur zuweilen kommt es zum Abwehrkampf, wenn die Jungen gefährdet sind. Dann erweisen sich vor allem die Elefantenkühe als unerschrockene Draufgänger. Der einzig bedrohliche Feind ist den Grautieren nur im Menschen erstanden; aber wehe dem Jäger, den ein angeschossener Elefant einholt, dem Wanderer, der einer Kuh mit sehr jungem Kalb zu nahe kommt! Dann rollt der Elefant den Rüssel auf, um seine empfindliche Spitze zu schützen, stürzt auf den Feind los, rennt ihn um, durchbohrt ihn mit dem Stoßzahn oder zertrampelt ihn mit den wuchtigen Beinen.
Kleine Feinde und Freunde Aber es wäre ein Irrtum zu glauben, daß die Elefautenherden gänzlich ungestört durch die Tropen der Alten Welt schweifen könnten, wenn nur der böse Mensch nicht wäre. Die winzig kleinen Quälgeister, die ihnen zusetzen, zählen nach Legionen; Zecken und andere Blutsauger setzen sich auf der Haut fest und saufen sich voll, Blutegel sind nicht minder quälende Schmarotzer. Vergebens versucht das heimgesuchte Tier die Peiniger loszuwerden, indem es seinen Körper an Busch und Baum entlangstreicht, immer neue Schwärme fallen über ihn her. Doch ist auch der Elefant in der Steppe nicht ganz ohne Schutz gegen diese lästigen Feinde. Die Natur hat dem Elefanten die Kuhreiher zu Hilfe geschickt, kleine, rahmgelb gefärbte Verwandte unseres großen igrauen Fischreihers, die sich von allerlei Kleingetier ernähren. Immer sind sie bei den Elefanten zu finden, setzen sich auf ihren Rücken und suchen die Plagegeister ab. Die Kuihreiher erfiillen gleichzeitig noch eine andere wichtige Aufgabe. Von ihrer hohen Warte aus übersehen sie die Umgebung weit besser als ihr Träger; ehe der Elefant eine Gefahr wittert, haben die Schädlinigsvertilger die Gegner bereits erspäht. Plötzlich fliegt der Schwärm der Kuhreiher hoch; für den Elefanten ist das ein Alarmzeichen höchster Stufe. Die Herde kann sich zur Abwehr stellen oder, sofern es empfehlenswerter ist, sich lautlos oder lärmend davonmachen. Den Reihern gesellen sich
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mitunter kleine wenig auffällig gefärbte Stare zu, die Madenhacker, die eifrig mithelfen, die Großtiere von den hlutsaugenden Insekten zu befreien.
In der Heimat der Riesen Da steht vor uns in der weiten afrikanischen Savanne zwischen den Schirmakazien eine Elefantenherde unter strahlend blauem Tropenhimmel: Mütter mit kleinen und großen Kindern, jüngere und ältere Bullen. Die Herde rastet im Schatten der Bäume, döst vor sich hin und verdaut. Dumpf kollernd tönen die Darmgeräusche zu uns herüber, sie sind weithin hörbar. Ein Bulle tritt aus dem Baumschatten hervor, sucht eine kahle Bodenstelle auf, scharrt mit dem Fuß etwas Erde los, greift mit der Rüsselspitze eine Portion Sand nach der andern und bewirft sich damit den Rücken und die Flanken. Dann kehrt er an seinen Baum zurück und beginnt, seine Haut an der Rinde zu scheuern und zu reiben. Stamm und Wipfel erschüttern, als führe ein Sturmwind darüber. Drüben im Sonnenlicht spielen die Elefantenkinder um ihre Mütter. Die winzigen Kerle jagen einander, werfen sich zu Boden, krabbeln übereinander und wälzen sich — nicht anders als ausgelassene Buben auf der Spielwiese. Plötzlich dreiit einer der Jungelefanten ab und kehrt zur Mutter zurück, um zu trinken. Er sucht erst die eine, dann die andere Zitze, die vorn an der Brust sitzen, und prall voll Milch sind. Er wirft den Rüssel hinten über, hebt den Kopf, legt das Maulchen an und saugt die köstliche Nahrung. Nebenan tut sich ein Altelefant gütlich am Gezweig einer Akazie; mit dem Rüssel bricht er die Äste herunter, wirft sie vor sich nieder, tritt mit dem Fuß darauf und knackt mit dem Rüssel bequeme Stücke ab. Blätter, Rinde, Zweige stopft er ins Maul. ,So verbringen die Elefanten die Stunde der Mittagshitze; in den kühleren Nachmittagsslunden werden sie gemeinsam äsend umherwandern und nachts zur Tränke ziehen. Sie wissen sich auch zu helfen, wenn in der Trockenzeit in Flüssen und Bächen das nasse Element einmal versiegt. Mit den Vorderfüßen und den Rüsseln scharren und bohren sie im sandigen Bett, bis das Grundwasser hervorsickert. Sie wühlen Gruben auf, die mehr als einen Meter tief sein können und das Wasser bequem darbieten. Haben sie Gelegenheit dazu, so nehmen sie gern ein Bad. Sie steigen in den Fluß, bis sie fast völlig darin verschwinden, legen sich auf die Seite, strampeln und spritzen, aalen sich in dem kühlenden Naß und ziehen zufrieden wieder in die Savanne hinaus. 20
Ganz anders leben ihre Verwandten in den Wäldern Indiens. Hier in der Enge der grünen Reviere ist die Sicht nicht so weit und frei wie in der afrikanischen Ebene. Selten fällt ein praller Sonnenstrahl durch die Laubkronen der Baumriesen. Der Mensch, der sich einen Weg durch das dichte Unterholz bahnen will, um die Herde aufzuspüren, zieht es vor, auf einem dressierten Elefanten zu reiten, der sich sicher und fast geräuschlos seinen Weg bahnt. Vorsichtig treibt der Elefantenwärter, der Mahaut, das Reittier igegen den Wind durch den Forst. Vom Tragsattel aus hat man guten Ausblick, aber meist bemerkt man die grauen Kolosse erst auf kürzeste Entfernung. Dann ist höchste Vorsicht geboten. Schon hört man das Knacken und Zerren der äsenden Tiere, sieht die heftig bewegten Äste. Die wilden Elefanten dulden ohne weiteres die Annäherung des Reittieres, solange sie den Menschen nicht wittern. Aber im dichten Wald schlägt der Wind leicht um, plötzlich spürt der Mensch einen leichten Luftzug im Nacken, der von ihm zum Wild hinweht. Schon fahren die Rüssel hoch und prüfen den fremden Geruch, der zu ihnen treibt Dann gellen schrille Trompetenstöße durch den Wald, die Herde stürzt in jähem Aufbruch davon, und es dauert oft viele Tage, bis man sie in der Unendlichkeit der Waldungen wiederfindet.
Elefanten als Jagdwild Die Elefanten sind nicht nur begehrtes Jagdwild des Weißen Mannes, auch die Eingeborenen der Tropen stellen ihnen von jeher nach. Berühmt ist die Jagdkunst der Zwerginenschen Westund Zentralafrikas. Unihörbar schlüpft der kleine Mann durch das Pflanzengewirr, in dem ihm kein Weißer und auch kein Neger zu folgen vermag. Die Jäger sind fast nackt — die Kleider würden sie behindern. Sie suchen und finden die Fährten, die sich wuchtig und tief im weichen Untergrund markieren. Von Zeit zu Zeit stoßen sie auf mächtige Kotballen und prüfen ihre Wärme, um das Alter der Fährte zu erfahren. Wenn sie ganz warm und darum noch ganz frisch sind, heißt es vorsichtig sein und sich langsam und mühsam durch Lianen und Schlingpflanzen hindurch anzuschleichen, denn das Wild ist erst auf wenige Schritte Entfernung auszumachen. Unendlich vorsichtig kriechen die Zwergmenschen an den riesigen Gegner heran, legen die Giftpfeile an und lassen sie von der Sehne schwirren. Das Geschoß braucht kein lebenswichtiges Organ zu treffen, das Gift wirkt immer tödlich. Der geräuschlose Pfeil hat den Elefanten unruhig gemacht. Er 2)
sucht ihn abzuschütteln, während er von dannen zieht und der kleine Mann ihm Stunden und Stunden folgt, bis das Gift seine Wirkung getan hat und der Koloß dröhnend zusammenbricht. Frohlockend kehrt der Jäger zu den Stammesgenossen zurück und holt sie herbei. Ein großartiges Jagdfest beginnt. Größte Mengen von Fleisch werden auf der Stelle verzehrt. Das Zuviel verkaufen die Jäger an die umwohnenden Neger, um von ihnen AckerbauProdukte und Früchte einzutauschen, die ihnen fehlen; denn sie sind nur Jäger. Die Steppenvölker des Sudans verfolgten in früheren Jahrhunderten den Elefanten zu Pferde. Auf schnellem Koß stürmten sie der Herde nach, ritten an die fliehenden Tiere heran, warfen die Speere, stießen die Lanzen in die Tierkörper hinein, bis das \\ ild gestreckt war. Ganz anders wieder verlief die Jagd der Kriegervölker Südafrikas. Wenn die Zulus zur Jagd auszogen, schwärmten Hunderte von Jägern aus, in der Hand den Wurfspieß, den Assegai, im Gürtel das scharfe Schwert. Sie kreisten die Elefantenherde ein und stürmten wagemutig auf die Ungetüme los. Es galt nicht allein den Speer treffsicher zu schleudern; die tollkühnsten Krieger mußten hinter die Beute springen, um mit dem Schwert die Sehnen des Hinterfußes zu durchhauen. Der Elefant war bewegungsunfähig und erlag schnell seinen Verfolgern. Aber manch kühner Jäger büßte bei solchen Unternehmen mit dem Leben.
* Die Elefantenjagd durch den Weißen .Mann mag weniger gefahrvoll erscheinen, aber auch sie erfordert eine sichere Hand und viel Mut. Das Ziel, das der Schütze treffen muß, ist sehr klein; das Geschoß muß in das Gehirn oder das Herz gelangen, um die Beute sicher an den Platz zu bannen. Ist der Elefant aber mir verwundet, so ist die Nachsuche sehr gefährlich. Der Elefant, der eine Strecke weit geflohen ist, geht lauernd in Deckung, nachdem er einen Wiedergang gemacht hat. Er steht dann fast unsichtbar in der Nähe seiner Fluchtfährte und erspäht den Jäger meist eher, als dieser ihn, und kann ihn überraschend angreifen. Oft aber gehen Elefanten gleich beim ersten Schuß ihren Gegner an und trampeln ihn zu Tode, wenn nicht im letzten Augenblick von den Jagdgefährten entschlossene Hilfe kommt. Afrika-Jäger berichten, daß auch die Elefanten gegenseitige Hilfeleistung kennen, wenn ein Artgenosse verwundet ist. Mehrere Tiere umdrängen den angeschossenen Bruder und schieben ihn mit größter Geschwindigkeit davon. Auf diese Weise verlor ein bekannter englischer Elefantenjäger einen Klefantenbullen, den er
auf schwerste verletzt hatte. Er erzählt, wie vier Kühe den Bullen zwischen .-.i<-li nahmen und ihn so schnell vom Schauplatz der Jagd verbrachten, dal! ihn der .liiger trotz tagelanger Bemühungen nicht wiederfand. Eine solche „Story 1- mag nach Jägerlatein klingen, aber sie ist so oft bekundet, daß man sie glauben darf. Es muß einer der gefahrvollsten Augenblicke im Jägerleben sein, einem bösartigen Elefanten, einem „rogue", entgegenzutreten, wie sie häufig in Indien dem Menschen begegnen. Es sind meist Bullen, alte Tiere, die sich von der Herde getrennt haben, Einzelgänger, die schlecht gelaunt umherziehen. Sie verwüsten Pflanzungen, die mit Mühe angelegt worden sind, zerstören Hütten und Häuser, blockieren Wege, verfolgen Menschen und bringen sie um. An die Spur der Übeltäter heften sich die tollsten Gerüchte, Schreekenskunden durcheilen das Land, niemand wagt sich mehr allein aus den Dörfern. Man gibt diesen heimtückischen Wegelagerern Namen, in denen die Ängste der Menschen zum Ausdruck gebracht werden. Ein bösartiger Bulle, der eine ganze Landschaft in Nordrhodesien terrorisierte, hieß Sheitani, der Teufel. In Indien nannte man einen solchen Gesellen Peer Bux, den Schrecken von Hunsur; er hatte mehrere Eingeborene und einige englische Jäger auf dem Gewissen, die ausgezogen waren, ihn zu erlegen. Zwei Offiziere folgten ihm einmal auf einem Jagdelefanten; der Bulle griff sie mit schrillem Trompeten an. Der Jagdelefant stürzte in panischem Schrecken davon, streifte die Jäger an Ästen ab, und Peer Bux zertrampelte sie. Andere Einzelgänger sind „scherzhafter" veranlagt, gehen nur zu ihrem Vergnügen in die Eingeborenendörfer, zerstören dort einige Hütten, verjagen die Menschen und ziehen sich zurück, bevor die Männer die Waffen ergreifen können.
Elfenbein Es ist das „Elefantenhem" das Elfenbein —, um derentwillen Unmengen vor allem afrikanischer Elefanten in den letzten Jahren erlegt worden sind. Zunächst haben nur Eingeborene diesen wertvollen Rohstoff geschätzt; sie schnitzten Kunst- und Gebrauchsgegenstände daraus. Als aber das Elfenbein auch in Europa in Mode kam, begann die Elefantenjagd im großen zum Geschäft zu werden. Um 1880 versicherten die Elfenbeinhändler, daß in jedem Jahre 60 bis 70 000 Elefanten wegen ihrer Stoßzähne getötet worden seien. In den zwanzig Jahren von 1889 bis 1909 wurden allein au« dem Belgischen Kongo siebeneinhalb Millionen Kilogramm Elfenhein auf die Märkte von London und Liverpool gebracht und dort 2:;
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verkauft. Aus den französischen Kolonien hat man in einem einzigen Jahre 170 000 Kilogramm Elfenbein verschifft. Vom Ende des ersten Weltkrieges bis 1928 kamen alljährlich rund 500 000 Kilogramm Elfenbein aus dem Kongo. Zunächst wurden die alten Bullen mit starken Stoßzähnen abgeschossen, darum waren zu Beginn der großen Elfenbeinimporte Stoßzähne mit 60 bis 70Kilo Gewicht nicht selten. Aber bald sank das Durchschnittsgewicht eines Zahnes auf 30 Kilogramm; 1890 betrug es noch 10, 1910 8, 1920 6 Kilogramm. Es gab damals kaum noch ältere Elefanten; sie wurden abgeschossen, sobald ihre Stoßzähne ein nennenswertes Gewicht erlangt hatten. So schwanden die Elefantenbestände schnell dahin. Um die Rüsselträger vor der völligen Vernichtung zu retten, sahen sich die Kolonialmächte gezwungen, energische Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Man schränkte den Abschuß ein und schuf seit dem ersten Weltkrieg eine Reihe von Nationalparks, in denen die Elefanten geschützt leben konnten. Berühmt geworden sind der KruegerNationalpark in der Südafrikanischen Union, der Albert-Nationalpark im Belgischen Kongo, d e r Wildschutzpark in der Seremgetisteppe in Tanganjika, die beiden großen Schutzgebiete in der Kenya-Provinz und endlich das Schutzgebiet am französischen Ufer des Tschadsees. Heute zählt man über zweiundvierzig Naturschutzparks von größerer Bedeutung. Sie haben ihren Zweck weitgehend erreicht, die Zahl der Wildtiere -hat beträchtlich zugenommen, es gibt heute schon wieder weit mehr Elefanten als vor zwanzig Jahren: in ganz Afrika mehr als 300 000 Stück. Den früheren Reichtum wieder herzustellen, scheint aber unmöglich zu sein, weil auch in Afrika immer neue Gebiete der menschlichen Bewirtschaftung erschlossen werden; in der Nähe ausgedehnter und wertvoller Pflanzungen und dicht besiedelter Gebiete können keine Elefanten gediildet werden, sie würden zu großen Schaden anrichten und den Arbeitern und Siedlern gefährlich werden. Auch in Asien schien das Schicksal der Elefanten aufs höchste bedroht, wenn nicht vor allem England und Holland wirksame Schutzvorschriften erlassen hätten. Aber noch weiß man nicht, wie viele Elefanten in Südostasien die Wirren des letzten Krieges und der kämpferischen Eolgezeit überstanden haben und wie weit es gelingen wird, auch dort die Zukunft der großen Rüsselträger zu sichern. Voraussetzung ist, daß alle jene Völker, die in den letzten Jahren ihre Freiheit gewannen oder die sie in Zukunft gewinnen werden, gewillt sind, die Natur ihrer Heimat zu bewahren und den Großlieren Zufluchtsstätten zu bieten. Zurzeit ergibt sich ein widerspruchsvolles Bild: in manchen Ge21
bieten werden -die Elefanten vom Personal der Jagd- und Naturschutzbehörden streng geschützt umd bewacht, einige hundert Kilometer entfernt aber müssen sie von den gleichen Dienststellen rücksichtslos abgeschossen werden, weil sie dort zu schädlich geworden sind; denn die Zahl der Tiere hat vielerorts so zugenommen, daß sie in Kulturlandschaften einbrechen, wo man sie töten muß.
Panzer des Altertums Seit Jahrtausenden sind Elefanten nicht allein Jagdbeute, sondern auch Arbeitshelfer des Menschen. Die Kunst, Elefanten zu fangen und sie als Arbeitstiere abzurichten, ist wahrscheinlich zuerst in Indien entwickelt worden. Die Könige Alt-Indiens kamen auch zum ersten Male auf den Gedanken, die mächtigen Tiere als Kriegsmaschinen zu verwenden. Von Indien her wurden um 400 v. Chr. gezähmte Tiere auch nach Babylon gebracht, um Kriegsdienst za leisten. Als Alexander der Große von Makedonien auf seinem Feldzug nach Vorderasien zur Schlacht gegen den Perserkönig Darius antrat, sah er sich als erster Europäer jenen Kriegselefanten gegenüber, die dem Großkönig von seinen indischen Verbündeten zugeführt worden waren. Nach der siegreichen Schlacht und nach dem Zug gegen Ägypten und Turkestan trat dem Makedonenkönig eine Panzerherde von 130 Elefanten entgegen, die König Porös wider ihn ausgesandt hatte. Die unerschrockenen Makedonier hielten auch hier dem Angriff der Elefanten stand und erbeuteten über achtzig Tiere, die sie später nach Europa verbrachten. Auch die Nachfolger Alexanders haben Elefanten in ihren Heeren verwandt. Die Ptolomäer, die in Ägypten residierten, wählten dazu afrikanische Elefanten aus, die sie zähmen ließen. Zeitweise gehörten 500 dieser Ungetüme zur Streitmacht der Ptolomäer. Als dann König Pyrrhus von Epirus um das J a h r 275 v. Chr. nach Italien übersetzte, um den Krieg gegen die Römer zu beginnen, kämpften Kriegselefanten erstmals auch in Europa. Afrikanische Elefanten setzten in ihrem Kampf mit Rom die Karthager ein. Sie hatten ihre Kenntnis der Elefantendressur wahrscheinlich von Indien übernommen. In Karthago gab es Ställe für 300 Elefanten, die in Mauretanien gefangen worden waren, wo sie heute ausgestorben sind. Mit hundert Elefanten der kleinen mauretanischen Rasse gwannen die Karthager im Jahre 256 v. Chr. die Schlacht bei Tunis gegen den Konsul Attilius Regulus. Auch die berühmten Feldherrn Karthagos, Hanno, Hasdrubal und Hannibal, führten auf allen Heerzügen die grauen Unigetüme mit sich. Sie stellten die Kolosse vor der Front 25
ihrer Truppen auf, trieben sie zum ersten Angriff vor u n d , versuchten, mit ihnen die Reihen des Gegners zu durchbrechen, um ihn völlig zu verwirren. Dann erst erfolgte d e r Angriff der Fußtruppen. In der Schlacht trugen die Elefanten geschützte Plattformen, aus deren Deckung Schützen ihre Speere und Pfeile über die Reihen der Feinde niedergehen ließen. Doch hatten die Römer die erste Überraschung bald überwunden. Tollkühne Legionäre eilten den herankommenden Tieren entgegen, wichen ihnen aus, folgten den stur Voranstürmenden und jagten ihnen einen Hagel von Geschossen in den Leib. Andere bedrängten und belästigten sie mit Brandfackeln und zwangen sie zum Halt oder zur Flucht. Der römische Feldherr Scipio siegte mit dieser Abwehrtaktik im Jahre 202 v. Chr. über Hannibal ibei Zama; durch Wurfgeschosse und Feuerbrände erschreckt, kehrten die Elefanten des Karthagers sich gegen die eigene Front und brachten in panischer Angst die Schlachtreihen der Karthager in völlige Verwirrung. Die Römer sahen in der Folge mehr als einmal afrikanische und indische Elefanten als Kriegsbeute in die Hauptstadt ihres Imperiums einziehen. Alle besiegelten sie ihr Schicksal bei den Zirkusspielen der Weltstadt. Bei einem dieser Spiele gingen auch die 140 Afrikaner zugrunde, die Konsul Metellus im Jahre 109 v. Chr. dem König Jugurtha von Numidien im Kampfe abgejagt hatte. Axich in Indien waren seit den Zeiten des Königs Porös gezähmte Elefanten im Kampf weiter verwandt worden. Doch blieben sie auch hier als Kriegswaffe immer sehr unsichere Gesellen. Als der Mongolenkönig Tamerlan 1398 den Kaiser 'Mahmud Nassier von Indien angriff, konnte er ihn vernichtend schlagen und Indien unterwerfen, obwohl Mahmud Hunderte von Elefanten eingesetzt hatte. Tamerlan hatte vor seinem Heer eine große Büffelherde in die Schlacht treiben lassen, an deren Hörner Fackeln gebunden waren. Als Mahmuds Elefanten zum Angriff antraten, steckten die Mongolen die Fackeln in Brand, die entsetzten Tiere stürmten auf die Elefanten los und rissen sie und das gegnerische Heer mit sich in die Flucht.
Arbeitselefanten Wenn sich die Elefanten im Kriege mitunter nicht bewährten, so waren sie doch von altersher emsige Arbeiter, vor allem in Indien, wo sie auch heute noch in den unendlichen Waldungen Vorder- und Hinterindiens hei der Gewinnung wertvoller Nutzhölzer als Lasttiere mitwirken. Die Stämme werden im Urwald geschlagen, nur die •IG
Elefanten können sie durch das (lichte Unterholz his zum nächsten Fahrweg oder Feldbahngleis schleppen. Die weltbekannte Teakholz(iompauic von Burma unterhielt in ihrem Abschleppdienst bis zum letzten Krieg 1500 Elefanten, die nur zum Abtransport des hochbezahlten Teakholzes aus Burmas Forsten benutzt wurden. Während der Kriegshandlungen war diese Elefantenherde durch iden Einfall der Japaner, die von Slam nach Oberburma vordrangen, aufs äußerste gefährdet. Man trieb einen Großteil der Herde durch die \üllig unerforschten Urwälder des Grenzgebietes nach Indien hinüber. Die Inder nahmen die Arbeitselefanten in getreue Obhut, um sie nach (lein Abrücken der Japaner wieder den Besitzern zuzuführen. Nur wenige indische Elefanten, die gezähmt gehalten werden, sind in Gefangenschaft geboren; sie werden als Jungtiere in den Urwäldern gejagt und mühsam zur Arbeltsleistung erzogen. Selten gelingt es den indischen Herdenbesitzern, Nachwuchs zu züchten. Nur jene berühmte Elefantenherde der Burma-Teakholzkompanie macht eine \usnahine. Die Weibchen der Arbeitskolonne bringen soviele Junge zur Welt, daß der riesige Bestand sich erhalten kann. Immer ist es ein großes Ereignis, wenn die Fänger unterwegs sind, um Ersatz für ausgefallene Arbeitstiere zu beschaffen. Mitten im Wald ist eine Khcdda, eine Umzäunung aus Pfosten, errichtet, die mit Bohlen verbunden sind. Ein großes Eingangstor führt in die Khcdda. trichterförmig erstrecken sich von dort nach links und rechts Absperrwände in den Wald. Wenn die Vorbereitungen getroffen und mehrmals geprüft worden sind, drückt eine Treiberkette vorsichtig und geschickt von weither die Wildelefanten auf die Absperrwände zu und schließlich durch das Tor in die Khedda hinein. Mahauts, Elefantenwärter, reiten auf ausgewählt großen und kräftigen Tieren, die sie eigens für diesen Zweck abgerichtet haben, zwischen die Wildlinge; andere Mahauts folgen zu Fuß, machen sich an einen Wildelefanten heran und fesseln ihn mit unglaublicher Geschwindigkeit an zwei zahme Tiere. Der Wildling kann nun nicht mehr entweichen. Vorsichtig wird der Gefangene zwischen den Begleittieren aus der Khedda herausgebracht und draußen mit dem Fuß an einen starken Baum gebunden. Über hundert Elefanten können an einem einzigen Fangtag auf einmal in die Hände der Menschen geraten. Jeder Frischfang erhält einen erfahrenen Mahaut als Lehrer zugeteilt. Er übernimmt die Zähmung und Abrichtung. Der Beruf des Mahauts ist in Indien altangesehen und hoch geschätzt, er vererbt sieh vom Vater auf den Sohn, und immer wieder finden sich Anwärter, denen die Gefahren dieses Berufes nichts ausmachen.
Auch die Kenntnis der zahlreichen Fertigkeiten und Kunstgriffe, die zur Dressur nötig sind, werden von Generation zu Generation weitergegeben. Tm Laufe eines halben Jahres lernt der Wildling, was er zu tun hat. Er führt die Befehle und Kommandos aus, fügt
Indische Elefanten sind geschickte Arbeiter
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1930 eine »weite Station in Gangalana Bodio gegründet, während die Station in Api wieder einging. An beiden Plätzen standen nie mehr als 70 bis 80 abgerichtete Elefanten gleichzeitig im Dienst der Menschen. Sie gehörten zu der kleinwüchsigen Kasse des Waldelefanten und waren an den fast senkrecht abwärts weisenden Stoßzähnen leicht zu erkennen. Die Elefanten König Leopolds sind auf andere Weise gefangen worden als die indischen. In der Trockenzeit zogen Eangkommandos in den Wald. Die Fänger, die von Arbeitselefanlen begleitet wurden. Hinstellten eine Elefantenherde und stürzten sich mit lautem Geschrei und Lärmschüssen auf das Wild, das sinnlos zu fliehen begann. Nur die überrumpelten Jungen blieben hilflos zurück. Schnell legte man ihnen Schlingen um ein Bein und fesselte sie an den nächsten Baum. Dann holte man die Arbeitselefanten herbei. band die Wildlinge mit ihnen zusammen und konnte sie ohne Widerstand wegführen. Es wurden nur Jungtiere eingefangen, die zwischen 1,4 und 1,7 Meter groß waren. Viele dieser Frischfänge gingen zugrunde, bevor es gelang, sie an den Menschen zu gewöhnen. Waren die Elefanten aber einmal eingearbeitet, so erwiesen sie sich als sehr arbeitswillig. Sie sind heute für manche Tätigkeit besser geeignet als die modernen Zugmaschinen: denn sie werden mit den zahlreichen, harten und hohen Termitenhaufen leichter fertig als die Traktoren. Doch zeigt die geringe Zahl der afrikanischen Arbeitselefanten, daß die Möglichkeiten zu ihrer Nutzung begrenzt sind.
Elefanten im Zoo Seit die Tierparks an die Stelle der früheren Königlichen Menagerien getreten sind, bemühen sich die Tiergärtner, zur Belehrung der Bevölkerung Elefanten zur Schau zu stellen. Alljährlich wird deshalb eine Zahl afrikanischer und indischer Elefanten nach Europa importiert, um die Bestände in den Zoos aufzufüllen, in denen Elefanten die beliebtesten Schaustücke sind. Früher gab man den Indern den Vorzug, heute beginnt der Afrikaner häufiger zu werden. Er ist zwar schwerer zu halten als der Inder, denn er wünscht Äste und Zweige als Nahrung und leidet als großer Läufer mehr unter der Haltung auf engem Raum. Aber seitdem in Ostafrika jumge Elefanten mit dem Auto in der Steppe gefangen und schnell nach Europa und Amerika geschafft werden und die Transportdauer dadurch sehr kurz geworden ist, wird auch der Afrikaner mehr und mehr Gast bei uns. 30
Die Zucht indischer Elefanten isl öfters im Zoo gelungen. Eine Elefantengeburt ist eines der größten Ereignisse im Tiergärtnerlehen: Wenn es nach langem Warten — die Tragzeit dauert über 20 Monate — glücklich soweit ist, drängen sich Reporter und Photographen um den jungen Erdenbürger. Er ist auch wiriklich eine Sehenswürdigkeit: fast einen Meter hoch, über einen Zentner schwer, mit spärlichen, langen Haaren, einem winzigen Rüssel und langen Beinen. Bisher gelang es nur einmal, auch den afrikanischen Elefanten im Zoo zu züchten, und zwar im Tierpark München-Hellabrunn. Da die Futtermengen, die ein Elefant bei uns frißt, beträchtlich sind — er erhält am Tage über einen Zentner Heu, Brot, Futterrüben, Hafer, Kleie — ist er kein billiger Pflegling, aber er belohnt alle Mühe und alle Unkosten durch seine Gelehrigkeit und die unbeschreibliche und unbezahlbare Freude, die er durch seine Kunststücke den Besuchern macht. Mit unendlicher, liebevoller Ausdauer, unter tausendfacher Wiederholung werden sie den Tieren beigebracht. Immer und immer wieder wird rekapituliert. Nur langsam wird fortgeschritten, bis das Ziel erreicht ist. Dann aber sitzt das Gelernte eisenfest und wird so leicht nicht wieder vergessen. Der Elefant geht auf Befehl auf «einen Platz, legt sich, setzt sich auf eine Tonne, hebt sich auf die Hinterbeine, bläst mißtönend Trompete, dreht den Leierkasten, und alles das scheint ihm selber den größten Spaß zu machen. Manche lernen sogar Kopfstehen oder auf einem Bein balancieren. Man muß dabei sehr darauf achten, daß sich die furchtsamen Riesen nicht erschrecken. Bricht einmal eine morsche Tonne unter einem Elefanten zusammen, kriegt man ihn nur schwer wieder auf eine andere herauf. Die Tiere haben ein gutes Gedächtnis —- nicht nur für solche Unfälle, sondern auch für Personen, die sie gereizt und geärgert haben. Solch ein Mensch tut gut, sich vor ihnen in acht zu nehmen. Da ist Vorsicht sehr am Platze! Im übrigen ist es bei Elefanten wie bei uns Menschen: es gibt zuverlässige und unzuverlässige, Angsthasen und Mutige, Anständige und Hinterlistige. Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky L u x - L e s e b o g e n 171 ( N a t u r k u n d e ) - H e f t p r e i s 2 5 P f g. Natur- und kulturkundliche Hefte — Bestellungen (vierteljähr]. 6 Hefte DM 1.50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, Murnau, München, Innsbruck, Ölten — Druck: Buchdruckerei Mühlberger, Augsburg ,il
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Der Osterwunsch
F I C H T E L &
SACHS
A G
S C H W E I N F U R T