H. G. Francis
Band 17
Die Rache der Orathonen Rex Corda hat seine Geschwister
Erde zu mißachten. Die beiden
Kim und...
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H. G. Francis
Band 17
Die Rache der Orathonen Rex Corda hat seine Geschwister
Erde zu mißachten. Die beiden
Kim und Velda im Sonnensystem
Parteien
Gamma Virginis gefunden. Unter
Kampf kann beginnen. Die Exo-
großen Schwierigkeiten konnte er
terristen
sie aus der Welt der Sirenen
haben ein anderes Motiv - und
befreien. Gleichzeitig konnte der
beide machen Rex Corda schwer
Präsident der Erde den Laktonen
zu schaffen. Jakton denkt gar
ein
schlagen.
nicht daran, den Kampf um die
ihm
Erfindung
Schnippchen
Laktons
Versuch,
geheimnisvolle
die
Entdeckung
warten
schon.
schlagen
aufzugeben.
Walter Die
zu.
Der
Beide
Becketts Orathonen
Walter Becketts zu entwenden,
kommen aus anderen Gründen.
schlug fehl. Jetzt kehrt Rex Corda
Für sie ist Terra zwar schwach,
zur Erde zurück. Er ist fest
aber nicht wertlos. Ca Rango
entschlossen, das Vermächtnis
führt das orathonische Komman-
Walter Becketts so schnell wie
do.
möglich zu bergen.
Vorübergehen an sich reißen.
Als die WALTER BECKETT, das
Doch Rex Corda kontert sofort
Flaggschiff
der
und gnadenlos. Aber vorerst läßt
Flotte,
Landung
zur
terranischen ansetzt,
Ca
Er
möchte
Rangos
die
Erde
Kampftaktik
im
den
erweist sich, daß weder Lakton
Gegenschlag Cordas wirkungslos
noch Orathon daran denken, die
erscheinen.
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präsident der Erde Kim Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . eigenwilliger Bruder des Präsidenten Nukleon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . telepathischer Hund, der Freund Kims Wabash . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . telepathischer Delphin Ca Rango . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . orathonischer Wirtschaftsexperte Cecil Flemming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ein Verräter an Terra
Die Druckwelle der Explosion schleuderte ihn gegen die Wand. Der CIA-Beamte Joseph Haller riß die Arme hoch, um sein Gesicht zu schützen. Umsonst! Ein heißer Stahlsplitter riß ihm die Schulter auf. Er rutschte an der Wand nach unten und knallte schwer auf den harten Plastikboden. Sein einziger Wunsch war, die Besinnung nicht zu verlieren. Er durfte nicht schlappmachen — jetzt noch nicht! Joseph Haller kämpfte sich mit letzter Energie auf den roten Alarmhebel zu, der an der weiß getünchten Wand dicht über seinem Kopf hervorragte. Er versuchte, seinen linken Arm zu heben. Die Schmerzwelle raste durch seinen Körper. Sekundenlang wurde es schwarz vor den Augen des CIA-Beamten. Nur das jahrelange Training hielt ihn noch aufrecht. Sein ganzes Wollen war von einem einzigen Wunsch beseelt: Er mußte sie warnen, ehe alles zu spät war. Die Verantwortung zwang ihn zum Durchhalten. Er dachte an die Worte Will Rimsons. Der geniale Wissenschaftler arbeitete an dem Vermächtnis Walter Becketts, jenes hervorragenden Geistes, der bei der Invasion der Orathonen und der Laktonen ums Leben gekommen war. Joseph Haller schluchzte, als er sah, daß er es nicht schaffte. Durch einen roten Nebel nahm er den Schatten wahr. Er sprang durch eine Staubwolke und war sofort wieder verschwunden. Das war für Joseph Haller Grund genug, um sich noch ein einziges Mal zusammenzureißen. Auf den Knien kroch er zur Explosionsstelle. Das schwere eiserne Sicherheitsschott fiel ächzend aus den Angeln. Betonbrocken und verschmolzene Plastikteile hingen zerfetzt neben dem massiven Tor.
Als er starb, trat der Schatten an ihn heran. Er drückte ihm den kleinen Zünder in die Hand, mit dem das Tor gesprengt worden war. * „Rex — der Mond!" brüllte Kim Corda und stieß seinen großen Bruder vergnügt in die Seite. Der Präsident der Erde lächelte. Er hatte seine Geschwister wiedergefunden. Er wollte jetzt nicht mehr daran denken, was alles dafür nötig gewesen war. Er warf einen kurzen Blick auf seine Schwester Velda, die neben ihm stand und schweigend auf den Mond und die dahinter im Dunkel des Alls schwebende Erde blickte. Normalerweise war Velda Corda äußerst schnippisch und selbstbewußt. Aber jetzt dachte sie nur noch daran, daß sie nach langer, langer Zeit zur Erde zurückkehrte. Sie schämte sich, weil plötzlich Tränen in ihre Augen traten. Aber dann sah sie das verständnisvolle Lächeln ihres Bruders und wußte, daß sie es nicht brauchte. Der Blick Rex Cordas glitt über die Laktonen, die hinter den Kontrollinstrumenten saßen. Obwohl er Herr der Erde und dieses Flaggschiffes war, konnte er auf die Hilfe der Laktonen nicht verzichten. Noch immer standen die Terraner hilflos vor der phantastischen Technik der Außerirdischen. Rex Corda schüttelte die sentimentalen Gedanken ab, die für Bruchteile von Sekunden in ihm wach wurden. Dafür hatte er jetzt keine Zeit mehr. Er kehrte zurück zur Erde, wußte aber, daß noch viele Aufgaben zu lösen waren. Rex Corda riß sich von dem faszinierenden Bild auf dem Holografen los und nahm die Geschwister am Arm. „Kommt jetzt", sagte er. „Die Landung schaffen die Laktonen allein." Zusammen mit seinen Geschwistern ging er in die für ihn reservierten
Räume zurück. Auf dem Wege dorthin begegneten ihnen die klobigen Roboter der AA-2Klasse, die mit wichtigen Reparaturen am Schiff beschäftigt waren. Befriedigt registrierte Rex Corda das hektische Treiben an Bord des Schiffes. Die Zusammenarbeit mit den Laktonen war immer reibungslos. Sie erreichten die Privatkabinen, und Rex Corda schickte Kim mit einem brüderlichen Rippenstoß hinaus. Er hatte sofort gesehen, daß das Kontrollicht seines Holografen flackerte. Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. Er warf einen kurzen Blick auf die Sicherungsanlagen, dann schaltete er das dreidimensionale Bild ein. Das Sekretariat des Terra-Präsidenten meldete sich. „Sir, ein Gespräch von Will Rimson." „Schalten Sie bitte um." Rex Corda zog die Brauen hoch. Der Verbindungsoffizier aus seinem Sekretariat verschwand, und dafür tauchte das verschmitzte Gesicht Will Rimsons auf. „Hallo, Sohn", lächelte Will Rimson, „du warst lange fort. Wenn du gelandet bist, wirst du mir erst einmal berichten müssen." Er war der einzige Terraner, der so mit dem Präsidenten der Erde sprechen konnte. „Kim und Velda sind bei mir", sagte Rex Corda. Will Rimson verzog kaum merklich die Mundwinkel. Aber das war genug für Rex Corda. Er wußte, daß Will Rimson sich ebenso über die Tatsache freute wie er selbst. „Das war nicht anders zu erwarten", sagte Will Rimson mit einem zufriedenen Ton in der Stimme. Corda schüttelte den Kopf. Dann wurde er wieder ernst. Er dachte nur kurz an die Schwierigkeiten, die ihm die Laktonen während der Expedition gemacht hatten. „Wir haben hart zu arbeiten. Hast du
alles vorbereitet?" „Diese Frage ist vollkommen überflüssig, Rex. Oder glaubst du etwa, daß wir in deiner Abwesenheit die Staatsgeschäfte im Stich gelassen haben, um im Westen nach Gold zu suchen?" „Habe ich das behauptet?" fragte Rex Corda. Er blickte seinen väterlichen Freund mit einem verstehenden Lächeln an. Er war überzeugt davon, daß die Laktonen ihm jetzt auch auf der Erde Schwierigkeiten machen würden. „Wir haben Besuch gehabt", sagte Will Rimson mit einem bedeutungsvollen Lächeln. Für Rex Corda sagten diese Worte genug. Er wußte, daß auch dieses Gespräch unter Umständen von laktonischen Agenten abgehört werden konnte. Seit seinem Start von der Erde hatte er ständig und überall mit einer Überwachung durch die Laktonen zu rechnen gehabt. Er hatte sich inzwischen daran gewöhnt. Er war vorsichtig geworden. Er mißtraute den Laktonen. „Sobald ich gelandet bin, komme ich zu dir. Wolltest du das damit sagen, Will?" „Wir verstehen uns ausgezeichnet, Rex." Will Rimson unterbrach die Verbindung. Aber der Präsident der Erde wußte genug. Die Laktonen hatten Vorbereitungen auf der Erde getroffen, um ihm das Vermächtnis Walter Becketts zu entreißen. Der Holograf erwachte wieder. Die Funkortungsstation meldete sich. „Alarmstufe gelb — Alarmstufe gelb! Orathonischer Diskus im Anflug auf die Erde! — Alarmstufe gelb!" * Tony Frankfurt hing traurig hinter dem Steuerhorn seines Sonnengleiters. Er passierte die Südflanke der mächti-
gen Gebäudekomplexe von Fort Zero. Zwei Stunden vorher war er in Ralleigh gewesen, um zum vierten Male die Prüfung zum Korporal der State Police abzulegen. Dreimal hatte er bereits Pech gehabt. Er wußte es und glaubte nicht daran, daß er es diesmal geschafft hatte. Es war einfach die Angst, die ihn immer wieder in Prüfungen überfiel. Er kannte die Fragen bereits auswendig. Er wußte genau, was sie von ihm verlangten. Aber jedesmal, wenn er vor der Prüfungskommission saß, verließen ihn die Nerven. Er verstand sich selbst nicht mehr. Er hatte es jetzt bereits viermal versucht — vielleicht auch jetzt mit einem negativen Ergebnis. Mißmutig steuerte er den Dienstgleiter auf den vorgeschriebenen Turn um Fort Zero. Er dachte an seine Frau. Melly würde ihm keine Vorwürfe machen. Das hatte sie nie getan. Aber der Blick aus ihren Augen verriet aufs neue ihre Enttäuschung. Die Abendsonne gleißte wie ein blutiges Fanal auf den Dächern von Fort Zero. Hier lagen die gesamten Goldreserven der Erde, und sie bildeten die Grundlage der Weltwährung. Die Goldbarren sicherten den Wert der neuen Terra-Franken. Tony Frankfurt legte den Sonnengleiter in eine steigende Linkskurve. Über dem elektronisch markierten Wendepunkt an der Nordkante des Sperrbezirkes bog er ab. Er konzentrierte sich ganz auf seine Aufgabe und vergaß für mehrere Minuten seine persönlichen Probleme. Im Grunde genommen war es vollkommen egal, ob er als einfacher Streifenbeamter oder als Korporal seinen Dienst tat. Es kam letztlich nur darauf an, die Goldreserven in Fort Zero zu sichern. Tony Frankfurt war intelligent genug, um seine Aufgabe zu kennen. Der
Aufstieg der Erde aus der Asche mußte gesichert werden. Er konnte seinen Teil dazu beitragen. Tony zuckte zusammen, als er den Lichtreflex über den Bäumen sah. Er kniff die Augen zusammen und starrte nach links. Der Atem stockte ihm. Seine Hände krallten sich um das Steuerhorn. Der Sonnengleiter machte einen Satz. Schlagartig waren alle Probleme vergessen. Ein Wirbelsturm fuhr in die Baumkronen. Dann reagierte Tony Frankfurt vollkommen automatisch. Der bewaffnete Dienstgleiter des Sicherheitskommandos von Fort Zero jagte auf den Lichtreflex los. Der Glutball der untergehenden Sonne blendete ihn. Und trotzdem sah Tony Frankfurt genug. Für Sekundenbruchteile sah er die schemenhaften Umrisse einer flachen Raumscheibe. „Orathonen?" Er mußte es wissen! Die Gefiederten hatten auf der Erde nichts mehr zu suchen. Tony Frankfurt spürte, wie sein Gaumen trocken wurde. Mit der linken Hand tastete er nach dem Funkgerät. Da wurde sein Sonnengleiter vom Sog des landenden Raumschiffes erfaßt. Tony Frankfurt mußte zwei Dinge gleichzeitig tun. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Scheibe. Irgend etwas stimmte mit dem Funkgerät nicht. Es meldete keine Bereitschaft. Dabei wußte Tony Frankfurt genau, daß er das Gerät und den gesamten Gleiter bei Dienstantritt überprüft hatte. Nervös hämmerte er auf der Taste. Seine Gedanken rasten. Jetzt zurückfliegen? Den anderen Bescheid sagen? „Nein!" knurrte Tony entschlossen. Der Gleiter raste über die Stelle hinweg, an der der Diskus zwischen den Bäumen verschwunden war. Unter sich sah Tony die orathonische Raumscheibe. Sie schwebte auf einem rotgelben Flammenpolster dicht über dem
Waldboden. Aber nicht einer der Bäume brannte. Dann sah er den weißlichen Nebel am Rande der Lichtung. So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen. Da prallte Tony gegen eine unsichtbare Wand. Sein Gesicht verzerrte sich. Er wehrte sich gegen das Fremde. Er erinnerte sich an seine Prüfung. Er wußte, was nach ihm griff: Diese Prüfungsfrage hatte er richtig beantwortet — er war in einem orathonischen Prallfeld gefangen. Die gegenläufigen Propeller des Sonnengleiters jaulten auf. Da löste sich die Abdeckplatte über dem Propeller. Sie sirrte wie ein Sägeblatt einer Kreissäge auf die Frontscheibe zu. Tony Frankfurt riß die Arme hoch. Das transparente Material zersplitterte. Die Abdeckplatte zerschnitt kreischend die Verstrebung. Tony Frankfurt reagierte um einen Sekundenbruchteil zu spät. * „Das hat uns gerade noch gefehlt", sagte Will Rimson ärgerlich. „In wenigen Minuten wird der Präsident hier sein, und dann passiert uns diese Panne ..." Der Sicherheitsoffizier in der streng geheimen Forschungsstation, siebzig Kilometer südwestlich von Salt Lake City, preßte die Lippen zusammen. „Wissen Sie bereits, was mit Haller geschehen ist?" fragte Will Rimson. „Er hatte den Zünder in der Hand, mit dem ,das Sicherheitstor gesprengt wurde." „Glaubet Sie, daß Haller ...?" „Nein, Doktor. Haller war einer meiner zuverlässigsten Beamten. Er war über jeden Zweifel erhaben." „Dann verstehe ich nicht, warum Sie und Ihre Leute dieses Labor nicht besser abschirmen konnten." Der oberste Sicherheitsbeamte des
geheimen Forschungslabors antwortete nicht. Er preßte die Lippen zusammen. Er verstand den Vorwurf Will Rimsons. Dazu konnte er nichts sagen. Aber er hatte seine eigenen Vermutungen. Unangenehme Vermutungen. Er war davon überzeugt, daß Laktonen im Spiel waren, Agenten, die ihm auf Grund ihrer Technik weit überlegen sein mußten. Vielleicht würde die Erde ihnen niemals gewachsen sein. Er blickte Will Rimson an, der als Wissenschaftler keinerlei Kampferfahrung besaß. Ein halbes Dutzend Techniker beseitigten die Trümmer des zersprengten Tores. Krankenwagen und zwei Ärzte aus der medizinischen Abteilung des geheimen Forschungslabors kümmerten sich um den Toten. In diesem Augenblick bogen vier schwerbewaffnete Sicherheitsbeamte um die Ecke des Ganges. Das war zuviel für Will Rimson. Er schwang sich auf dem Absatz herum und fauchte die völlig verdutzten Beamten an: „Ausgeschlafen, meine Herren?" Mit einer unwilligen Handbewegung zwang er die Beamten zur Seite. Er schlurfte an ihnen vorbei und stieg über die Trümmer des zerfetzten Tores. So ging es auf keinen Fall weiter! Rimson machte sich keine Illusionen. Er wußte genau, was hier gespielt wurde. Für ihn gab es nicht den geringsten Zweifel daran, daß die Laktonen ihre Hände im Spiel hatten. Er ahnte noch nicht, was mit diesem Sabotageakt bezweckt werden sollte. Dann blieb er plötzlich mitten im Gang stehen und schlug sich an die Stirn. Sofort drehte er sich wieder um und hastete zurück. Er rannte in den zentralen Computerraum. Bereits an der Tür prallte er mit der ersten Programmiererin zusammen. Er wollte an ihr vorbei. Doch dann sah er ihre weitaufgerissenen pechschwarzen Augen.
Sie rang nach Luft. Will Rimson bemerkte sofort, daß hier etwas nicht stimmte. Er blieb stehen und blickte die knapp dreißig Jahre alte Programmiererin an. Seine Reaktion kam sofort. Er hieb die Alarmtaste neben der Tür herunter. Die Sirene heulte in kurzen Jaultönen auf. „Nervengas im Computerraum!" sagte Katja Leskow keuchend. Unregelmäßige rote Flecken bildeten sich auf der blassen Haut unterhalb ihrer Jochbeine. Will Rimson packte die Programmiererin an den Schultern und schleifte sie aus dem Computerraum. Er ließ sie im Korridor auf den Boden gleiten und rannte zurück. Scharfe Kommandos gellten durch die Korridore. Dann hallten die Schritte des Alarmkommandos durch die Gänge. Will Rimson war bereits im Computerraum. Er spürte das leichte Kribbeln auf seiner Haut, konnte aber das Nervengas weder riechen noch schmecken. Dann sah er sie. Er duckte sich und sprang nach vorn. In den Pneumosesseln vor den großen Computerwänden hingen leblos die Techniker des inneren Sicherheitskreises. Rimsons Hände griffen ins Leere. Wo waren sie? Er spürte, daß seine Bewegungen etwas langsamer wurden. Das Karussell der Computerbänke setzte sich in Bewegung. Will Rimson strauchelte. Da sprang ein braun-schwarz geflecktes Wesen auf ihn zu, und scharfe Zähne schlugen sich in das Revers seines Jakketts. Er war nicht mehr in der Lage, es zu identifizieren ... * „Verfolgen!" befahl Rex Corda. Die
Verbindung zur Zentrale der „Walter Beckett" blieb während der Alarmstufe gelb automatisch eingeschaltet. Die Laktonen zwangen die „Walter Beckett" in eine neue Flugbahn. Das neue Flaggschiff der Erde kehrte aus dem System Gamma Virginis zurück. Der Hantelraumer hatte einmal den grünhäutigen Orathonen gehört. Jetzt war das größte und schnellste Schiff der Erde auf der Jagd nach eben diesen Orathonen. Völlig unerwartet war ein Diskusraumer dieser Rasse aus dem Nichts aufgetaucht. Rex Corda beorderte ein Sicherheitskommando für seine Geschwister zu den Privatkabinen. Er selbst kehrte auf die Kommandobrücke der „Walter Beckett" zurück. Er mußte in der Zentrale sein, falls eine Auseinandersetzung mit dem Diskusraumer der Orathonen bevorstand. Mit ungeheurer Geschwindigkeit stürzte der Hantelraumer auf die Ostküste der ehemaligen Vereinigten Staaten von Nordamerika zu. Es gab keine Nationalschranken mehr auf der Erde. Unter der Leitung von Rex Corda hatten sich die Völker der Erde nach der Invasion durch Laktonen und Orathonen in einem gemeinsamen Bündnis zusammengefunden. In erster Linie war der Zweck dieses Bündnisses die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Macht der Erde. Terra mußte gesunden. * Rex Corda war entschlossen, jeden Brückenkopf der Orathonen auf der Erde sofort zu zerschlagen. Bereits einmal hatten die Gefiederten mit ihren Transmittern wertvolle Minerale, Erzlager und andere Bodenschätze aus den Tiefen der Erde abgesaugt. Das durfte niemals wieder vorkommen! Die Männer an den Ortungsgeräten
wirkten fahrig und nervös. „Was ist passiert?" fragte Corda. „Wir haben den Diskus verloren, Sir." Corda stellte keine weiteren Fragen. Er wußte, daß die Laktonen Percip und Bekoval alles tun würden, um die Orathonen wiederzufinden. Auch Ga-Venga, der zwergenhafte Kynother, arbeitete mit im zentralen Leitstand der „Walter Beckett". Percip, der technische Kommandant der „Walter Beckett", schaltete die Andruckneutralisatoren innerhalb des gigantischen Hantelraumers ein. Nur so konnten die ungeheuren Andruckkräfte abgefangen werden. Außerhalb des Hantelraumers rauschte die ionisierte Luft vorbei. Deutlich erkannte Rex Corda den Komplex auf dem Holografen, der ihm als Fort Zero bei Ralleigh bekannt war. Als ehemaliger Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im amerikanischen Senat war ihm die Bedeutung Fort Zeros bekannt. Plötzlich durchzuckte ihn ein erschreckender Gedanke. In Fort Zero lagen die gesamten Goldreserven der Erde! Sekundenlang dachte er daran, was geschehen würde, wenn der Diskus der Orathonen auf Fort Zero abstürzte. Gebannt starrte er auf den Holografen. Die „Walter Beckett" begann mit dem Abbremsmanöver. Er lächelte zufrieden, als er daran dachte, daß keiner der grünhäutigen Orathonen wissen konnte, welchen Wert Fort Zero für Terra besaß. Er atmete erleichtert auf. Ungeheuer schnell vergingen die letzten Sekunden bis zur Landung. Die Kampfmaschine des Hantelraumers erwachte. Die Roboter eilten zu den Schleusen. Das Kopfschütteln Ga-Vengas zeigte Corda an, daß der Diskus immer noch nicht gefunden war. Rex Corda konnte es nicht verstehen. Er selbst hatte den Diskus in diesem Bereich verschwinden sehen. Mit kur-
zen Blicken verständigten sich Bekoval, Percip und Rex Corda. Der Präsident nickte und stimmte einer Landung in diesem Gebiet zu, obwohl die „Walter Beckett" ursprünglich zur NORADZentrale zurückkehren sollte. Dumpf platschten die zahlreichen Landeteller auf den weichen Boden. Die Antriebsaggregate verstummten. Erst jetzt achtete Rex Corda auf die automatisch in der Zentrale des Hantelraumers überwachten Frequenzen der staatlichen Dienststellen Terras. Es war nur eine winzige Kleinigkeit, die ihn stutzig machte. Er beugte sich vor und lauschte. „Gleiter BAC 3 bitte melden — Gleiter BAC 3 bitte melden. Hier spricht der Kommandant von Fort Zero. BAC 3, warum melden Sie sich nicht...?" Rex Corda beobachtete die zahlreichen Gleiter, die über Fort Zero aufstiegen und sich in südwestlicher Richtung entfernten. „Hier stimmt doch etwas nicht", sagte er leise. Der massige Kopf Bekovals ruckte herum. Der Laktone starrte den Präsidenten von Terra an, dann sagte er: „Glauben Sie jetzt, daß wir einen orathonischen Diskus geortet hatten?" „Ich habe noch nicht daran gezweifelt", antwortete Rex Corda. „Aber irgendwo muß er stecken. Normalerweise lösen sich Raumschiffe der Orathonen nicht ohne Grund in nichts auf." Klar und deutlich kam plötzlich die Stimme des Kommandanten von Fort Zero aus den Lautsprechern: „Hier spricht der Kommandant von Fort Zero. Ich rufe das Terra-Flaggschiff ,Walter Beckett'. Bitte melden Sie sich!" Rex Corda ging zur Sprechanlage. „Hier spricht der Präsident der Erde. Die »Walter Beckett' hat einen orathonischen Diskus verfolgt. Er verschwand in diesem Gebiet. Welche Beobachtun-
gen haben Sie gemacht?" Ein kurzes Räuspern kam aus dem Lautsprecher. Dann fragte der Kommandant von Fort Zero zurück: „Ein orathonischer Diskus? Das kann nicht sein, Sir." Rex Corda sah Bekoval fragend an. Der Laktone hob die Schultern. In diesem Augenblick meldete sich der Offizier von Fort Zero erneut: „Sir — wir vermissen den Bewachungsgleiter BAC 3. Sonst keine besonderen Vorkommnisse." Rex Corda lachte kurz auf. Jetzt war er sicher, daß hier etwas nicht stimmte. Er wandte sich an Bekoval. „Ich sehe mir die Sache einmal an." Percip und Ga-Venga nickten. Sie waren sofort bereit, den Präsidenten zu begleiten. Sie liefen zur Ausstiegsschleuse und trafen dort auf John Haick, den engsten Freund von Rex Corda. „Was ist los?" fragte John Haick. „Ich fürchte, wir haben wieder einmal in ein Wespennest gestochen", erklärte Rex Corda kurz. „Ich werde mir die Sache einmal ansehen." „Der Gleiter ist startbereit", sagte John Haick. Corda, Percip und Ga-Venga sprangen in das Fahrzeug. Als John Haick einsteigen wollte, wehrte Corda ab. „Du mußt an Bord der ,Walter Bekkett' bleiben, John. Nimm Verbindung mit Will Rimson auf und benachrichtige ihn, daß ich später komme." „Okay, Rex." Der Gravogleiter zischte aus der offenen Schleuse. Percip saß am Steuer und lenkte das orathonische Fahrzeug, das ebenfalls zu den Beutestücken der Erde gehörte. Die mächtigen Betonklötze von Fort Zero leuchteten im Glanz überstarker Kryptonscheinwerfer. Das letzte Rot der untergehenden Sonne überzog das Land. Dicht hinter dem Gleiter des Präsidenten spuckte der Hantelraumer mit
Kampfrobotern der AA-2-Klasse besetzte Gleiter aus. Sie stießen zu dem Schwärm der zahlreichen Sonnengleiter, die von Fort Zero aufgestiegen waren, um nach dem Gleiter BAC 3 zu sehen. Kaum zwei Minuten später landete Percip den Gleiter vor dem Staatsgebäude von Fort Zero. Rex Corda sprang aus dem Flugzeug und lief zusammen mit dem zwergenhaften Kynother GaVenga auf den hellerleuchteten Eingang zu. Rotglühende Warnlampen umspannten den Gebäudekomplex. GaVenga stimmte einen merkwürdigen Sing-Sang an. Rex Corda blickte zur Seite. Dann sagte der zwergenhafte Kynother: „Ihre Leute sind hübsch tapfer — hinter diesen dicken Mauern kann doch eigentlich nichts passieren..." Corda verstand den Seitenhieb, unterdrückte aber eine Antwort. Rex Corda stürmte in den Wachraum. Er blieb am Eingang stehen. Mit einem Blick überflog er die Situation. Das Innere des Staatsgebäudes glich einem Bienenstock. Ordonnanzen liefen hin und her, während der Kommandant des Forts in mehrere Telefone gleichzeitig sprach. Da erblickte er Rex Corda und sprang auf. Er nahm Haltung an und wollte salutieren. Rex Corda winkte ab. Trotzdem konnte der Kommandant seine Meldung anbringen: „Oberst Jefferson mit sechs Offizieren und achtundvierzig Wachsoldaten meldet als besonderes Vorkommnis den Totalverlust des Gleiters BAC 3." „Was ist passiert?" „Wir haben noch keine genauen Informationen, Sir. Vor zwanzig Sekunden erreichte mich erst diese Meldung." „Ist der Gleiter abgestürzt?" „Ja. Er liegt vollkommen zerstört in einem Fichtenwald südlich von hier." „Ist die Ursache bereits bekannt?"
„Nein, Sir." „Forschen Sie nach." In diesem Augenblick kam ein junger Ordonnanzoffizier mit einem breiten Grinsen in den Raum. Er bemerkte Rex Corda nicht und stürzte sofort auf den Obersten zu. Mit einer triumphierenden Geste reichte er dem Kommandanten eine Urkunde. Jefferson wehrte ab. Aber der Ordonnanzoffizier sprudelte hervor: „Tony hat es diesmal geschafft! Er hat die Prüfung bestanden. Hier ist seine Beförderungsurkunde ..." „Tony ist abgestürzt", sagte Oberst Jefferson mit brüchiger Stimme. Der junge Ordonnanzoffizier fuhr betroffen zurück. „Ausgerechnet Tony — jetzt, wo er es endlich geschafft hat?" stammelte er. * Mit einem zynischen Lächeln beobachtete der Orathone die vergeblichen Bemühungen der Terraner. Er wußte, daß sein Raumschiff unter dem Tarnfeld absolut sicher war. Die grüne Haut unter seinen Augen spannte sich. Die farbigen Punktmuster in seinen Lidern bewegten sich wellenförmig nach außen. Der Orathone strich sich mit der breiten fleischigen Hand über den Federschopf, der seinen Kopf bedeckte. Er wandte sich an den Robot, der hinter ihm stand. Der Roboter besaß die hohe Gestalt eines Laktonen. Er überragte seinen orathonischen Herrn um Kopfeslänge. Seine metallische Haut lag wie eine lebende Substanz eng um seinen Kopf. Der Orathone Ca Rango ließ ein kaltes böses Lachen hören. Er betrachtete seine Instrumente innerhalb des DiskusRaumers und stellte mit tiefer Befriedigung fest, daß es den Terranern offensichtlich nicht gelang, ihn unter dem Tarnfeld zu entdecken.
„Wir fangen an", sagte Ca Rango. Der Bronzeroboter stampfte auf die Kontrollen des Diskusraumers zu. Er nahm ein halbes Dutzend komplizierter Schaltungen vor und überprüfte anschließend die Meßergebnisse. Gleich darauf sagte er mit metallisch klingender Stimme: „Wir befinden uns direkt über einer Kaverne — wie geplant." In diesem Augenblick wußte Ca Rango, daß sein Sondereinsatz mit letzter Perfektion vorbereitet worden war. Die Tatsache, daß er sich über einem Hohlraum im Innern des Planeten Erde befand, begünstigte sein Vorhaben. Er wußte, daß sich unterhalb seines Landepunktes vor der Invasion gewaltige Erzlager befunden hatten. Diese Erzlager waren von seinen Vorgängern abgesaugt und über Transmitter ins All befördert worden. Die auf diese Art gewonnenen Reserven waren von den Orathonen zur Ergänzung ihrer eigenen Vorräte verwendet worden. Ca Rango wußte, daß die vierhundert Meter unter seinem Landeplatz entstandene Kaverne ein hervorragendes Versteck für alle weiteren Aktionen bildete. Für die Terraner war der Hohlraum im Innern ihres Planeten nur schwer erreichbar. Der Diskus befand sich direkt über einem Absaugschacht, den er vollkommen verdeckte. Nur neunzehn Kilometer von Fort Zero entfernt begannen Ca Rango und sein Assistent-Roboter die Pläne der orathonischen Flottenführung in die Tat umzusetzen. Mit einem kurzen Wink schickte Ca Rango den Assistent-Roboter zu einem grün schimmernden Behälter. Der Roboter öffnete die Verschlußklappe und trat einen Schritt zurück. Sofort quoll eine formlose, gallertartige Masse aus dem Behälter. Die Riesenamöbe versuchte, die Körperform des
laktonischen Offiziers nachzuahmen. Das Yps verfügte nicht über genügend Intelligenz, um die Kopie des Orathonen aufrechtzuerhalten. Ca Rango konzentrierte sich auf das Gallertwesen und gab ihm telepathische Befehle. Sekundenlang versuchte das Yps sich gegen diesen Befehl zu wehren. Dann hatte der Assistent-Roboter eine Luke im Boden des Diskusraumers geöffnet. Das Yps fügte sich. Es kroch auf die Öffnung zu, bewegte seine Tastarme nach draußen und befühlte das versenkte Glas unterhalb des Raumers. Dann ließ es sich mit einem saugenden Geräusch nach unten fallen. Es verschwand in einer dunklen Öffnung, die direkt unterhalb der Luke lag. Hier begann eine der Absaugröhren, durch die die Orathonen das Metall der Erzader gefördert hatten. Das Yps fiel die gesamte Strecke von vierhundert Metern in die Tiefe. Erst als es auf dem Boden der Kaverne aufschlug, erhielt Ca Rango einen kurzen telepathischen Impuls. Das Yps formte auf dem Grunde der Kaverne einen ein Meter hohen nachgiebigen Kelch. Ca Rango — durch den telepathischen Impuls informiert — gab seinem Assistent-Roboter den Befehl, ein Kompaktgerät zur Herstellung eines Antigravschachtes durch die Luke fallen zu lassen. Der Bronzeroboter reagierte sofort. Er schleppte das schwere Gerät zur Luke und stürzte es über den Rand. Pfeifend verschwand es in der Tiefe. Sekunden später klatschte es in den Trichter. Ca Rango empfing ein telepathisches Aufstöhnen des Yps. Er kümmerte sich nicht darum. Für ihn war das Yps nur ein Mittel zum Zweck. Er drehte sich um und schaltete den Holografen ein. Befriedigt stellte er fest, daß die Suchmannschaften das Tarnfeld noch immer nicht entdeckt hatten. Aber
etwas anderes war geschehen: Der abgestürzte Sonnengleiter des Terraners war inzwischen gefunden worden. Er beschäftigte die Suchmannschaften so sehr, daß sich Ca Rango wieder seiner eigentlichen Aufgabe widmen konnte. Noch ehe er sich umdrehte, stellte er fest, daß der Hantelraumer, der offensichtlich zu den Beutestücken der Terraner gehörte, sich langsam auf flammenden Feuersäulen erhob. Vorsichtshalber unterbrach Ca Rango die Arbeiten oberhalb der Kaverne. Er gab dem Assistent-Roboter einen kurzen Wink. Sämtliche Aggregate bis auf das Tarnfeld wurden ausgeschaltet. Unruhig verfolgte er den Kurs des Hantelraumers, der sich noch immer äußerst langsam direkt auf ihn zu bewegte. Sollten die Männer an Bord des Raumschiffes ihn bereits geortet haben? Er konnte es sich nicht vorstellen. Trotzdem mußte er vorsichtig sein. Seine Mission war wichtig. Er durfte sich jetzt keine Fehlschläge leisten. Schnell überprüfte er die Kontrollen des Tarnfeldes. Es arbeitete einwandfrei. Und trotzdem... der Hantelraumer war jetzt schräg über ihm. Wie zwei drohend geballte Fäuste hing das hantelförmige Raumschiff über ihm. * Eine warme feuchte Zunge wischte ihm die Benommenheit aus den Augen. Dann glitt die Zunge über jene Stelle seines Schädels, an der sich einmal sein Scheitel befunden hatte. Jetzt war der Kopf von Will Rimson längst kahl und nur von einem weißen Haarkranz umsäumt. Der Wissenschaftler lächelte, ohne die Augen zu öffnen. Ein unwilliges Knurren riß Will Rimson endgültig aus seinen Träumen. Er fuhr hoch und
starrte auf seinen Schäferhund. Nukleon wedelte mit seinem langen Schweif und ließ das linke Augenlid herabfallen. Rimsons Blick glitt über den Kopf von Nukleon hinweg und streifte ein braunes Hosenbein. Sein Blick kletterte nach oben, bis er von unten her das harte Kinn seines Sicherheitschefs erkannte. Über dem Kinn schwebte ein breites Grinsen. „Schon ausgeschlafen, Doc?" erkundigte sich der Sicherheitsoffizier mit liebenswürdiger Ironie. Will Rimson zerkaute eine Antwort zwischen den Zähnen. Ächzend richtete er sich auf. Der Sicherheitsoffizier packte ihn am Arm und half ihm. Nukleon tänzelte zufrieden knurrend um die beiden Männer herum. Der telepathisch begabte Hund verfolgte die Gedankengänge des Alten mit großem Vergnügen. Will Rimson lächelte ihm zu. „Was ist geschehen, Doc?" fragte der Sicherheitsbeamte. „Haben Sie jemanden gesehen?" Will Rimson schüttelte den Kopf. „Aber Sie müssen doch etwas bemerkt haben. Sie waren vor uns hier, und wir haben Schritte gehört. Schritte, die sich aus dem Computerraum entfernten." Will Rimson dachte nach. „Schatten", sagte er zögernd. Er war sich nicht darüber klar, ob er überhaupt etwas gesehen hatte. Es konnte auch Einbildung gewesen sein. Eine Halluzination, hervorgerufen durch die teuflische Wirkung der Nervengase. „Nervengas", murmelte Rimson. „Es war Nervengas. Aber von wem?" Er drehte sich zu Nukleon um. Der Sicherheitsoffizier wußte nicht, ob er oder der Schäferhund gefragt war. Will Rimson ging schwankend in die Knie. Er war noch immer etwas benommen. Dann kraulte er mit der rechten Hand das Genick seines Schäfer-
hundes. „Hör mal zu, Nukleon", flüsterte er. „Waren das Laktonen?" Nukleon reagierte nicht. „Menschen — so wie ich?" Wieder zeigte Nukleon keine Reaktion. Will Rimson hob die Schultern. Er richtete sich wieder auf. Dann spürte er plötzlich, wie Nukleon ihn mit der Nase ans Hosenbein stieß. Der Schäferhund lief ein paar Schritte den Gang hinauf, blieb dann stehen und blickte zurück. Spezialisten der Abwehr marschierten, geschützt durch die erbeuteten Raumanzüge, in den Computerraum. Nur wenige Sekunden später brachten sie die noch immer wie leblos wirkenden Techniker heraus, um dann selbst deren Funktion zu übernehmen. Der Ärztestab kümmerte sich um die noch immer Besinnungslosen. In diesem Augenblick verschwand Nukleon in einer Abzweigung des Ganges. Will Rimson warf dem Sicherheitsoffizier einen kurzen Blick zu. Dann folgte er seinem Hund. Nukleon gab Laut. Will Rimson bog um die Ecke. Dann sah er die erste Programmiererin. Katja Lesköw lehnte an der rohen Betonwand und rauchte mit zitternden Fingern eine Zigarette. Sie zog den Rauch so tief in die Lungen, daß sich ihr dünner Pulli spannte. „Was ist im Computerraum passiert?" rief Will Rimson. „Die ABC-Sonde . . .", stammelte Katja Lesköw. Will Rimson zog die Brauen zusammen. Er erinnerte sich, daß in allen Räumen des Forschungslabors Warnvorrichtungen für atomare, biologische und chemische Kampfstoffe angebracht waren. Diese Tatsache hatte er vollkommen vergessen. „Wann haben Sie es gemerkt?" fragte er.
„Ich war draußen", erklärte sie stokkend. „Als ich zurückkam, lagen die anderen bewegungslos in den Sesseln. Dann habe ich zwei Fremde gesehen. Sie waren sehr groß." „Laktonen?" forschte Will Rimson. Sie ließ ihre Zigarette fallen und trat sie aus. Eine steile Falte bildete sich auf ihrer Stirn. Ihre Augen verdunkelten sich. Dann holte sie tief Luft und sagte: „Ich, habe bereits überlegt. Aber ich weiß es nicht, wirklich nicht..." Will Rimson drehte sich abrupt um. Der Sicherheitsoffizier war ihm gefolgt. Das Gesicht des Wissenschaftlers war ungewöhnlich ernst und entschlossen. „Innerhalb der nächsten Stunden werden hier Experimente beginnen, die von größter Tragweite sind. Ich verlange mit aller Schärfe, daß Sie das Gebiet des Forschungslabors genauestens untersuchen und anschließend hermetisch abriegeln. Für die geringste Panne werde ich Sie persönlich zur Verantwortung ziehen." Der Sicherheitsoffizier fuhr zusammen. So hatte er den Alten noch nie erlebt. „Nukleon wird Sie begleiten", sagte Will Rimson. „Wenn es irgendeine Person hier gibt, die kein Recht hat, sich hier aufzuhalten — Nukleon wird sie finden." Der Schäferhund bellte kurz. Dann folgte er ohne besondere Anweisung von Will Rimson dem Sicherheitsoffizier. Will Rimson preßte die Lippen aufeinander. Dann gab er Katja Lesköw einen kurzen Befehl. Die erste Programmiererin folgte ihm. Rimson und das Mädchen passierten den fünffachen Sicherungsring rund um die Zentrallabors. Jetzt kam es darauf an, so schnell wie möglich die Vorbereitungen für die wichtigsten Untersuchungen abzuschließen, die jemals auf der Erde stattgefunden
hatten. Er wußte jetzt, daß Mächte im Dunkeln lauerten, die keinerlei Rücksicht nahmen. Für diese Mächte waren die Ergebnisse der Untersuchungen noch wichtiger als für die Erde. * Der Hantelraumer rauschte über den hervorragend getarnten Diskus hinweg. „Welch ein Glück", sagte der Bronzeroboter, „daß die mit unseren Aggregaten nicht so gut umgehen können wie wir, sonst hätten sie uns entdeckt." Ein eigentümliches Grinsen schwebte auf seinen metallischen Lippen. Sprachlos starrte Ca Rango seinen Assistenten an. Ein kühler Hauch von Furcht streifte ihn. Dieser Bronzeroboter entwickelte weitaus mehr Persönlichkeit, als er auf Grund seiner technischen Konzeption gedurft hätte. „Weitermachen!" Der Befehl des Ora-thonen war kalt. Der Roboter nahm die Arbeit wieder auf. Wie auf einem Fließband wanderten die blitzenden Maschinenteile aus dem Diskusraumer in die Tiefe. Das inzwischen errichtete Antigravitationsfeld innerhalb des Schachtes nahm die einzelnen Geräte auf und leitete sie sanft nach unten. Jetzt war auch das Yps in den Tiefen der Erde nicht mehr nötig. Über einen telepathischen Impuls befahl der Orathone der Riesenamöbe, die Umgebung des Kontaktplatzes zu sondieren. Dann verschwand auch Ca Rango mit einem beherzten Sprung in den Tiefen des Schachtes. Die Wände bestanden aus geschmolzenem Gestein. Die Riesenamöbe fing ihn auf. Der weiche Kelch wölbte sich zur Seite, dann spie er den Orathonen auf den Boden der Kaverne. Der starke Handscheinwerfer des Orathonen flammte auf.
Oben an der Oberfläche des Planeten verrichtete der Bronzeroboter die letzten Handgriffe. Er hatte den Diskusraumer inzwischen fast vollkommen auseinandergenommen. Die Einzelteile wanderten auf dem gleichen Weg wie alle anderen Geräte vorher in die Tiefe der Erde. Dann war nur noch das Tarngerät für das Schutzfeld übrig. Der Bronzeroboter packte das Gerät, ließ es in den Schacht gleiten und sprang selbst hinterher. Die weiße neblige Chemikalie, die bereits bei der Landung versprüht worden war, legte sich über den Landeplatz und verwischte die letzten Spuren. Als der Bronzeroboter die Kaverne erreichte, war Ca Rango bereits damit beschäftigt, die einzelnen Bauteile zusammenzufügen. Er hatte sich ein etwas erhöht liegendes Gelände ausgesucht, das mitten in der mehrere hundert Meter breiten Kaverne hervorragte. Starke Scheinwerfer erhellten die unterirdische Höhle. In fieberhafter Eile montierte der Bronzeroboter die Bauteile für den Transmitter zusammen. Die Zeit drängte. Endlich war es soweit. Ca Rango konnte den neu errichteten Transmitter innerhalb der Kaverne in Betrieb nehmen. Er überprüfte die letzten Kontrollen. Dann legte er den Haupthebel um. Farbige Lichtreflexe huschten über das blanke Metall. Der Transmitter nahm seine Funktion auf. Das große kreisrunde Transmitterfeld in der Mitte des Gerätes leuchtete wie ein flammendes Glutauge auf. Sekundenlang starrte Ca Rango auf das Tor zum All. Dann flimmerte das glühende Feld, während sich die Gestalt eines orathonischen Agenten rematerialisierte. Jetzt kam es auf jede Minute an. Die Helfer Ca Rangos mußten innerhalb
kürzester Zeit eingeschleust werden, da die Transmitterstation sonst von den Laktonen geortet werden konnte. In ununterbrochener Reihenfolge stürzten die orathonischen Agenten in die Kaverne. Ein derartiger Transport war nichts Neues für sie. Nur kurze Zeit später standen mehr als zwanzig Helfer bereit. Sie alle gehörten zu dem Sonderkommando, das von Ca Rango geführt wurde. Dann ergoß sich ein wahrer Strom verschiedenartiger Geräte aus dem Transmitter. Die Orathonen kamen nicht umsonst auf die Erde zurück. Sie planten ein orathonisches Wirtschaftsimperium auf der Erde. Diesmal galt ihr Kampf nicht der gleichwertigen laktonischen Flotte, es ging ihnen vielmehr darum, die weitaus unterlegene Erde wirtschaftlich zu unterwerfen. Die Orathonen wollten keinen offenen Kampf. Zu Ca Rangos Stab gehörten die fähigsten Wirtschaftsexperten seines Einflußbereichs. Mit ihrer Hilfe beabsichtigte Ca Rango ein gigantisches Geschäft — die Schätze von Fort Zero sollten es finanzieren. Zufrieden lächelnd ging Ca Rango zum Transmitter und schaltete ihn ab. Da kam aus den Tiefen der Kaverne ein dumpfes Grollen. Entsetzt wandten sich die Orathonen der Schmalseite der Kaverne zu. Sie starrten in die Dunkelheit, während der Bronzeroboter die Lichtfinger überstarker Scheinwerfer über die glatten, verschmolzenen Wände der Kaverne gleiten ließ. Dann hörten sie das unheimliche Gurgeln. In diesem Augenblick wußte Ca Rango, daß er sich eine falsche Kaverne gesucht hatte. Sie lag nur hundertfünfzig Kilometer von der Küste des Kontinents entfernt, auf dem sie gelandet waren. Er ahnte nicht, wie weit früher die Metallader gereicht hatte. Jetzt mußte er
mit dem Schlimmsten rechnen. Blitzschnell brüllte er den anderen Agenten kurze Befehle zu. Die Orathonen stürzten sich auf ihre Geräte. Sie schleppten sie auf den höchsten Punkt des Erdbuckels inmitten der Kaverne. Dann sahen sie im Licht der Scheinwerfer die brausend anrollende Flutwelle. Ca Rango bellte einen entscheidenden Befehl. Im gleichen Augenblick errichtete sich die flimmernde Energiewand vor der heran jagenden Flut. Zischend und brodelnd brach sich die Flutwelle an der Mauer aus reiner Energie. „Ca Rango!" brüllte einer der Techniker. „Sie werden diese Energiemauer orten. Das Risiko ist zu groß!" * Der Mutant drückte mit der rechten Hand gegen das Eichenholz. Splitternd gab die Tür nach. Ein großes ausgezacktes Loch entstand. Der Mutant griff hindurch und drückte von innen die Türklinke herunter. Dann sprang die Tür auf. Niemand konnte ihn jetzt noch daran hindern, das Haus zu betreten. Die übersteuerten Klänge der kleinen Nachtmusik wiesen ihm den Weg. Cecil Flemming, der Besitzer des Hauses, liebte es, Mozart mit voller Lautstärke über seine Stereoanlage abzuspielen. Das molekularverdichtete Körpergewebe des Mutanten straffte sich. Der Mutant bereitete sich auf den Kampf mit Cecil Flemming vor. Mit einer energischen Geste stieß er die Tür zum Musikzimmer auf. Dann sah er ihn. Der Börsenjobber, Cecil Flemming, lag mit ausgestreckten Füßen in einem breiten Ledersessel und dirigierte die kleine Nachtmusik mit schwungvollen Gesten. Der Mutant warf die Tür hinter sich
zu und war mit zwei kurzen schnellen Schritten an der Stereoanlage. Er unterbrach die kleine Nachtmusik und fragte in die plötzlich eintretende Stille hinein: „Wo ist er?" Cecil Flemming kam ächzend aus seinem Sessel hoch. Die Frettchenaugen hinter seiner randlosen Brille weiteten sich. „Wer?" fragte er mit tonloser Stimme. „Der Mutant. Die Londoner Sektion der Mutanten-Polizei hat Informationen erhalten, daß in diesem Hause ein Mutant gefangengehalten wird." „Das ist..." „... vollkommener Unsinn!" unterbrach eine scharfe, schneidende Stimme. Der Mutant wirbelte herum. Er starrte auf den Grünhäutigen, ohne weiter zu begreifen, daß der stämmige untersetzte Mann ein Orathone war. Der Featherhead war hinter einer beweglichen Bücherwand hervorgetreten. Die fleischigen Wangen Cecil Flemmings zuckten. Da gleißte ein schmaler tintenblauer Strahl aus der Schockwaffe in der Faust des Orathonen. Der Strahl aus dem Blau-Lighter hüllte den Körper des Mutanten ein. Er hatte das Gefühl, daß tausend Ameisen sich in seine Haut fraßen. Er taumelte auf Cecil Flemming zu. Dann brach er auf dem weißen Teppich zusammen. Der Orathone ließ bunte Farbmuster auf seinen Augenlidern entstehen und wandte sich an den Börsenjobber. Er deutete auf den paralysierten Mutanten. Dann fragte er scharf: „Wer ist das denn?" Cecil Flemming erklärte es ihm. „Was wird mit ihm?" fragte er anschließend. „Er wird alles vergessen", sagte der Orathone. „Sie können ihn unbesorgt fortschaffen lassen. Meine Freunde haben inzwischen den nordamerikani-
schen Kontinent erreicht. Die Aktion verläuft planmäßig. Wir werden in den nächsten Stunden bereits die ersten Goldtransporte von Fort Zero an Sie übergeben können. Sorgen Sie dafür, daß das Gold an der Londoner Börse verkauft wird." „Es ist alles vorbereitet." „Gut. Die Summe reicht aus, um die Schlüsselindustrien Terras aufzukaufen. Sie erhalten Ihre Stellung, wie wir es vereinbart hatten." Die Farbe kehrte in das Gesicht von Cecil Flemming zurück. Ein geisterhaftes Flackern leuchtete in seinen Augen. Jetzt hatte er erreicht, was er wollte. Die Zusammenarbeit mit dem einzelnen auf der Erde verbliebenen orathonischen Agenten hatte hervorragend funktioniert. Er drückte auf einen Klingelknopf und wartete, bis ein Butler eintrat. „Setz diesen Mann in den Hyde Park, ohne Spuren zu hinterlassen", befahl Cecil Flemming. Dann wandte er sich wieder an den Orathonen und ging gemeinsam mit ihm zu der drehbaren Bücherwand und verschwand in der dahinter entstehenden Öffnung. Zusammen stiegen sie in den Keller hinunter. Das Summen der Abschirmanlage erfüllte die Räume. Sie erreichten das geheime Versteck des orathonischen Agenten. Der Featherhead trat an die große Anlage heran und nahm Verbindung mit dem in Nordamerika gelandeten Sonderkommando auf. Auf diese Stunde hatte er lange warten müssen ... * Will Rimson blickte auf den Fernsehschirm und beobachtete die Landung des großen Hantelraumers, den Rex Corda auf dem Merkur gefunden hatte. Das von den Laktonen reparierte Schiff trug auf dem Verbindungsarm zwischen
den beiden zweihundert Meter durchmessenden Kugeln den Schriftzug „Walter Beckett". Will Rimson wartete, bis der Hantelraumer auf dem Salzsee nordwestlich der Forschungsstation gelandet war. Es war alles vorbereitet, um das Vermächtnis Walter Becketts, das noch immer in den Gehirnen der drei CordaGeschwister schlummerte, auszugraben. Wenige Minuten später traf der Konvoi der Sonnengleiter mit dem Präsidenten und seinen Geschwistern in der Station ein. Eine Gruppe von mehr als dreißig Sicherheitsbeamten begleitete den Präsidenten. Rex Corda und sein Anhang gelangten bis in die innere Zentrale des Labors. Will Rimson hielt sich nicht mit langen Vorreden auf. Er ging auf Rex Corda zu und schüttelte ihm kurz die Hand. „Willkommen", sagte er. „Du warst lange weg, Sohn." „Können wir gleich an die Arbeit gehen?" fragte Rex Corda. Will Rimson nickte. „Ich habe alles vorbereitet. Aber wir müssen damit rechnen, daß die Laktonen Schwierigkeiten machen." „Das ist klar", sagte Rex Corda. Sie gingen auf die vorbereiteten Zellen zu, während Rex Corda Will Rimson erklärte, welche Anstrengungen die Laktonen unternommen hatten, um der Erde die Entdeckung Walter Becketts zu entreißen. Will Rimson biß kurz die Lippen zusammen. Dann sagte er: „Bei uns werden sie es schwer haben. Ich habe alles Menschenmögliche getan, um diese Station gegen unerwünschte Zwischenfälle abzuschirmen." Rex Corda lachte kurz auf. „Du weißt genausogut wie ich, Will, daß den Laktonen einiges mehr möglich ist als uns Menschen."
„Sag mal, Onkel Will", meinte plötzlich Kim Corda, „warum stinkt das hier eigentlich so?" Will Rimson lachte. „Weil wir drei euch jetzt unter Hypnose nach den letzten Streichen befragen werden, die du unterwegs angestellt hast." „Soll das etwa heißen, daß Sie unsere Gedanken lesen werden?" fragte die neunzehnjährige Schwester von Rex Corda, während ein leichtes Erröten über ihre Wangen huschte. „So weit sind wir leider noch nicht", antwortete Rex Corda, und Will Rimson nickte. Der Wissenschaftler dirigierte die drei Corda-Geschwister in die vorbereiteten Räume. Drei Liegen standen direkt nebeneinander in der Mitte des saalartigen Raumes. Große Scheinwerfer hingen an den Decken. Weißlackierte kastenförmige Wagen auf kleinen Rollen standen bereit, die Stecker für die armdicken Kabel aufzunehmen. Rex Corda nickte seinen Geschwistern zu. Dann legte er sich als erster auf die mittlere Liege. Kim und Velda legten sich rechts und links daneben. Mit kleinen Pflastern wurden die Elektroden an den Köpfen der drei festgeklebt. Will Rimson schickte die Assistenten und Sicherheitsbeamten aus dem Raum. Sie postierten sich vor den Türen, um den Raum mit den drei Corda-Geschwistern hermetisch abzuriegeln. Mechanische Hypnosehilfsmittel senkten sich an langen Armen bis dicht vor die Augen der drei. Flackernde Muster wurden mechanisch erzeugt, während gleichzeitig die Aggregate im Hintergrund zu summen begannen. Tonbänder liefen an, um alles festzustellen, was die drei Corda-Geschwister in den nächsten Stunden sagen würden. Will Rimson begann das wissenschaftliche Gespräch mit den drei Hypnotisierten.
Zunächst fragte er Kim. Er wußte, daß das Vermächtnis Walter Becketts nur dann enthüllt werden konnte, wenn alle drei Corda-Geschwister zusammen waren, da jeder von ihnen nur Bruchteile dieses Vermächtnisses in seinem Unterbewußtsein verankert hatte. Von Stunde zu Stunde wurde deutlicher, mit welcher Genialität Walter Beckett die kurz vor seinem Tode gemachte Entdeckung im Unterbewußtsein der Corda-Geschwister untergebracht hatte. Jetzt erkannte Will Rimson, daß es den Laktonen bisher unmöglich gewesen war, Walter Becketts Vermächtnis zu entschleiern, da sie niemals alle drei Corda-Geschwister gleichzeitig befragen konnten. Aber die Laktonen standen vor der Tür. Monate hatten sie auf diese Stunden hingearbeitet. Dies waren die gefährlichsten Stunden. Niemals vorher war das Vermächtnis Walter Becketts so gefährdet wie in diesem Augenblick. * Die Orathonen in der Kaverne unterhalb von Fort Zero ließen die Energiewand zusammenbrechen. Das Wasser aus dem Durchbruch zum Atlantik hatte sich innerhalb der Kaverne verteilt. Eine kilometerlange, schmale Insel war inmitten der Kaverne entstanden. Auf dieser Insel konnten die Orathonen unter Ca Rango ungestört operieren. Mit Wärmedetektoren hatten sie die Lage des Golddepots exakt bestimmt. Die Roboter bauten Kombinationen zwischen Antigravitationsautomaten und Ultraschallkanonen kreisförmig unterhalb von Fort Zero auf. Dann gab Ca Rango das Zeichen zum Einschalten der Apparaturen. Die Ultraschallgeräte begannen mit der Zertrümmerung des Gesteins zwischen der Kaverne und den Depots von Fort Zero. Große Absaug-
vorrichtungen saugten den anfallenden Staub in die Tiefen der Kaverne ab. Gleichzeitig setzte Ca Rango mehrere Antigravitationsautomaten ein, um zu verhindern, daß in Fort Zero die Erschütterungen beim Einsatz der Ultraschallapparate meßbar wurden. Mit unheimlicher Geschwindigkeit fraß sich der Schacht nach oben. Genau eine Stunde später kamen die ersten Goldbarren innerhalb des sofort errichteten Antigravitationsfeldes nach unten. Ca Rango verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust und beobachtete mit tiefer Zufriedenheit den Fortgang der Arbeiten. Immer größere Goldberge stapelten sich vor dem Transmitter. In diesem Augenblick kräuselten sich die Wellen an der Seite der neu entstandenen Insel. Ein weißer Schatten huschte unter der Oberfläche entlang. Ca Rango griff nach seiner Waffe. Er blickte beunruhigt auf die Bewegungen im Wasser. Plötzlich platschte es direkt vor dem Orathonen auf. Das Geräusch pflanzte sich mit einem mehrfachen Nachhall innerhalb der Kaverne fort. Das Wasser teilte sich. Dann schoß ein meterlanger weißer Pfeil direkt an Ca Rango vorbei. Kaltes Wasser spritzte ihm ins Gesicht. Der Olivgrüne wich zurück. Für Bruchteile von Sekunden sah er in erschreckend intelligente Augen bei einem Wesen, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Mit einem großen Bogen schoß der weiße Delphin über die Goldbarren hinweg. Ca Rango benutzte seine Waffe einen Sekundenbruchteil zu spät. * „Sag mal, Onkel Will, wie lange müssen wir hier denn noch liegen?" „Du kannst aufstehen. Wir sind fertig. Ich werde die Ergebnisse jetzt in
den Computer geben." „Wie lange dauert das?" fragte Rex Corda und richtete sich auf. Seine Geschwister hatten sich bereits aufgesetzt, und Kim ließ seine Beine über den Rand der Liege baumeln. Rex Corda holte eine Zigarettenschachtel hervor und steckte sich eine Zigarette an. Will Rimson hob die Schultern. „Es kann Stunden dauern, Rex. Das Material ist außerordentlich umfangreich." Sie erhoben sich von den Liegen und lösten die Verbindungen zu den kastenförmigen Auswertungsgeräten. Will Rimson nahm die Tonbänder und ging zusammen mit Rex Corda zum Computerraum. „Ich habe Hunger", sagte Kim. „Gut", neckte Rex Corda, „Velda, geh bitte mit Kim zur Kantine." „Brauchst du mich heute noch?" fragte die Schwester von Rex Corda. „Nein, Velda." „Was haben wir eigentlich erzählt? Das würde mich brennend interessieren." Die Sicherheitsbeamten bildeten eine dichte Traube um die Corda-Geschwister und Will Rimson. „Was glaubst du, Velda, wen das noch interessieren würde?" meinte Rex Corda. Er lächelte Will Rimson zu. Kim maulte wieder. Er sagte: „Ach, wenn ich einen Laktonen sehe, dann haue ich den über den Haufen." Rex Corda lachte. Vier Sicherheitsbeamte begleiteten Kim und Velda, Die übrige Traube der schwer bewaffneten Männer quoll in den Computerraum. Will Rimson übergab die Tonbänder der Programmiererin Katja Leskow. Sie hielt die Bänder in den Händen, sah aber nur Rex Corda an. „Sie können anfangen", sagte Will Rimson. Die Programmiererin reagierte nicht.
Sie starrte auf den Präsidenten der Erde, den sie zum erstenmal in dieser Nähe sah. Der hochgewachsene breitschultrige Mann mit den faszinierenden Augen lächelte ihr zu. Der Präsident der Erde war ein Mutant . . . „Katja", sagte Will Rimson, kaum merklich schmunzelnd, „wir alle sind im Dienst." Das Blut schoß ihr bis zum Haaransatz. Sie fuhr herum und legte mit zitternden Fingern die Tonbänder ein. Sie ärgerte sich über sich selbst. Etwas Derartiges war ihr nie passiert. Hätte sie gewußt, daß Rex Corda auf Grund seiner emphatischen Begabung in der Lage war, ihre Gefühle wahrzunehmen, sie hätte fluchtartig den Raum verlassen. Katja Leskow beugte sich über die Kontrollkonsole, die wie die oberste Spitze eines Eisberges aus dem Boden aufragte, unter dem sich der mehrere hundert Meter lange Computer in einem Vakuum befand. In diesem Augenblick knallten ganze Batterien von Sicherungen durch, während gleichzeitig Alarmsirenen gellten und die Ausgänge des Forschungslabors automatisch verriegelt wurden. Aus dem inneren Sicherungskreis kamen Wachmannschaften angestürmt. Katja Leskow wurde zurückgeschleudert. Sie fuhr erschreckt zusammen, während Rex Corda sie auffing. Doch diese Tatsache kam ihr nicht mehr zum Bewußtsein. Es war etwas mit dem Computer geschehen, für den sie verantwortlich zeichnete! In diesem Augenblick vergaß sie, daß Rex Corda hinter ihr stand. Sie dachte nur noch an das Elektronengehirn. Sie liebte die gigantische Maschine mehr als alles andere auf der Welt. Im Jaulen der Sirenen blieb nur ein einziger ruhig. Will Rimson ging gelassen auf den Computer zu und schaltete die Sirenen aus.
„Keine Aufregung", sagte er. „Es ist eben das eingetroffen, womit ich gerechnet habe." „Laktonen?" fragte Rex Corda. Will Rimson nickte: „Jetzt wissen wir, was hier im Computerraum geschehen ist. Die Laktonen haben natürlich damit gerechnet, daß wir den Computer zur Auswertung des Komplexes benutzen würden. Sie haben einen Eingriff am Computer vorgenommen. Wahrscheinlich, um das Ergebnis der Auswertung zu stehlen..." Rex Corda preßte zornig die Lippen zusammen. Die Laktonen schreckten ja vor nichts zurück. Aber jetzt wußte er, wie er sich zu verhalten hatte. Seine Finger preßten sich um die Schultern von Katja Leskow, die immer noch verstört in seinen Armen lag. In diesem Augenblick drängte sich Kim zusammen mit Nukleon an den Wachmannschaften vorbei in den Raum. „Onkel Will!" rief er laut. „Onkel Will, hörst du nicht?" Rex Corda zog die Brauen zusammen. „Wir haben jetzt keine Zeit, Kim. Geh wieder zurück zu Velda." Nukleon trottete bis zu Rex Corda und legte sich dann direkt vor seinen Füßen hin. Er blickte Corda an und gähnte. Corda wurde stutzig. Seine emphatischen Sinne erfaßten das Gefühl satter Zufriedenheit, das von Nukleon ausging. Er blickte zu Kim hin. Sein Bruder strahlte über das ganze sommersprossige Gesicht. „Wir haben einen Laktonen entdeckt", grinste Kim. * Wabash, der weiße Delphin, legte die Flossen an und jagte mit kurzen schnellen Schlägen seines Schwanzes durch das dunkle Wasser der Kaverne.
Als er auf seine Artgenossen traf, stieß er mehrfach kurze Pfeiflaute aus. Er verständigte sich mit den anderen Delphinen. Er selbst hatte sofort erkannt, daß seinen Freunden, den Menschen, Gefahr drohte — Gefahr durch jene Lebewesen, die sich innerhalb der Kaverne befanden und dort Edelmetall in großen Mengen stapelten. Wabash war ausgesprochen intelligent. Er war außerdem telepathisch begabt. Wabash gab die Anordnung an andere Delphine, die Kaverne wieder zu verlassen. Gemeinsam schwammen sie in Richtung Osten. Sie befanden sich tief unterhalb der Ostküste Nordamerikas. Als die Wand der Kaverne einbrach, waren sie auf der Flutwelle bis ins Innere des amerikanischen Kontinents eingedrungen. Wabash hatte der Versuchung nicht widerstehen können, der Flut zu folgen. Der weiße Delphin erreichte die Stelle, an der das Wasser in die Kaverne eingedrungen war. Hastig flitzte er durch das Wasser und suchte nach dem Ausgang. Er war nicht vorhanden ... Wabash und die übrigen Delphine versuchten verzweifelt, wieder in den Atlantik zu kommen. Sie waren gefangen in jenem künstlichen See, der innerhalb der großen, viele Kilometer langen Höhle mehrere hundert Meter unter der Erdoberfläche entstanden war. Wabash war auf Grund seiner geistigen Fähigkeiten der Führer einer Schule von Delphinen, die vor der Invasion in einem Bassin des Marinemuseums von Los Angeles gefangen gewesen waren. Mehr als einmal hatte Wabash bewiesen, welch überragende Fähigkeiten er besaß. Seine großen schwarzen Augen trugen den Ausdruck humorvoller Gelassenheit. Wabash schnellte seinen glatten weißen Körper aus dem Wasser. Seine klu-
gen Augen versuchten, die Dunkelheit in der Kaverne zu durchdringen. Es gelang ihm nicht. Er stieß kurze, helle Schreie aus, um sich durch das Echo über seine Umgebung zu informieren. Der grünhäutige Fremde hatte auf ihn geschossen! Er machte sich keine Illusionen darüber, daß man ihn und die anderen Delphine sofort vernichten würde, wenn es nicht gelang, die Kaverne rechtzeitig zu verlassen. Die Delphine folgten Wabash, der den östlichen Teil der Kaverne absuchte. Es gab keinen Durchbruch zum Atlantik mehr. Die dünne Decke der Kaverne war unter dem Druck des Wassers zusammengebrochen, doch nachstürzendes Erdreich hatte dann die Öffnung hinter den Delphinen wieder verschlossen. Wabash zwang sich zur Ruhe. Er begann, sich zu konzentrieren. Er mußte den Kontakt mit Rex Corda suchen. Das war der einzige Mensch, mit dem ersieh telepathisch verständigen konnte. Er mußte ihn warnen. * Kim Corda hatte nicht den geringsten Respekt vor der Stellung seines Bruders. Er hatte die Vaterstelle an Velda und Kim angenommen. Jetzt blickte er ihn scharf an und sagte: „Wer hat den Laktonen gefunden?" „Nukleon. Er hat mich hingeführt." „Hier in diesen Labors?" fragte Rex. Kim nickte. Die unzähligen Sommersprossen um seine Augen wirkten wie hellbraune Ringe. Er kraulte den Schäferhund im Genick, während Nukleon ein zufriedenes Knurren hören ließ. Cordas Kopf ruckte zur Seite. „Wenn das stimmt, haben wir den Beweis", nickte er ernst. Will Rimson nickte. Wie auf ein Kommando hin stürmten sie auf die Wachen zu. Die Sicherheitsbeamten
hatten sofort begriffen, daß etwas geschehen mußte. Mit entsicherten Waffen rasten sie durch die Gänge. Nukleon wartete noch einen Moment, dann richtete er sich plötzlich auf, reckte sich und sprang nach vorn. Kim lief ebenfalls los. Er erreichte Rex Corda und lief an ihm vorbei. Voller Eifer versuchte er, als erster bei dem Laktonen zu sein. Er wollte seinen Triumph genießen. Aber der schnellste von allen war doch Nukleon. Der Schäferhund merkte jetzt, daß es auf ihn ankam. Rex Corda empfing die Gefühle des Hundes und versuchte, sie auszuwerten. Sie kamen an einen Pumpraum für das Heizungssystem innerhalb des Labors, als Kim den Arm hob und den Finger auf den Mund legte. Nukleon sprang immer wieder gegen die Tür. Ein kurzes hartes Bellen verriet Rex Corda, daß sie am Ziel waren. „Ich habe ihn eingeschlossen", strahlte Kim stolz. „Ist er da drin?" fragte Rex Corda verblüfft. Kim reckte sich etwas höher und nickte. Seine dunklen Augen blitzten voller Stolz. Er beachtete die zahlreichen Sicherheitsbeamten nicht. Er hatte nur Augen für seinen Bruder, der für ihn ein absolutes Idol war. „Er wollte sich verstecken. Nukleon hat ihn entdeckt. Ich habe einfach hinter ihm abgeschlossen, als er sich hier verkroch!" erklärte Kim Corda. Keuchend kam Will Rimson heran. „Was machst du für Sachen, Bengel?" schnaufte er ärgerlich. Der Wissenschaftler, der gleichzeitig als Vizepräsident der Vereinigten Staaten der Erde füngierte, blitzte die Sicherheitsbeamten mit mühsam beherrschtem Zorn an. „Es ist anscheinend noch nicht genug passiert, meine Herren!" fauchte er. „Was muß denn noch geschehen, bevor
Sie einem Jungen diese Gefahren ersparen?" „Ist es nicht gut, daß ich den Laktonen hier eingesperrt habe?" fragte Kim betroffen. Er zog sich ein klein wenig zurück, um nicht so im Mittelpunkt zu stehen. „Reden wir nicht mehr darüber", sagte Rex Corda. Er sah Will Rimson an. Ihre Blicke kreuzten sich. Beide wußten, wieviel Glück Kim gehabt hatte. Offensichtlich hatte der Laktone sich nicht so bedroht gefühlt, daß er Kim angegriffen hatte. Nukleon sprang wieder und wieder an der Tür hoch. „Öffnen!" befahl Corda. Die Sicherheitsbeamten drängten nun Corda, Rimson und den Jungen langsam zurück, während ein Agent den Schlüssel herumwarf. Nukleon ließ sich auf den harten Betonboden nieder und fing ausgiebig an zu gähnen. Die Tür flog auf. Nukleon gähnte wieder. Rex Corda schob die betroffen aussehenden Beamten auseinander und trat vor die offene Tür. Der Saboteur war verschwunden. Das aufgebrochene Gitter des Entlüftungsschachtes zeigte nur zu deutlich, welchen Weg er genommen hatte. Nukleon sprang plötzlich auf. Er fuhr auf der Stelle herum. Seine intelligenten Augen richteten sich eindringlich auf Rex Corda. Der Präsident, der sich wegdrehen wollte, blieb erstaunt stehen. Die mutierten Sonderpartien seines Gehirns erfaßten die ungeheure Erregung, die Nukleon befallen hatte. Und während die Sicherheitsbeamten sich über die Gänge verteilten, um den Laktonen doch noch aufzutreiben, ließ sich Rex Corda vor dem Schäferhund in die Hocke sinken. „Was ist geschehen, Nukleon?" fragte er drängend. Der Hund jaulte qualvoll. Seine
Schnauze zuckte. Rex Corda fühlte die heiße Welle der Verzweiflung, die in dem Hund raste. Er biß sich auf die Lippen und richtete sich langsam auf. Die qualvollen Blicke des Hundes bohrten sich in seine Sinne. „Er möchte uns etwas mitteilen", sagte Rimson. „Aber was?" Er sah Corda an. „Wenn er doch sprechen könnte!" sagte er mit einem eigenartigen Lächeln auf den Lippen. „Irgend etwas quält ihn." Rex Corda rieb sich die Schläfen. Irgend etwas erhob sich vor ihm. Er glaubte fast, es sehen zu können. Er schloß die Augen, horchte in sich hinein. Er vernahm einen Ruf. Er hallte in ihm wider — wie in einer großen Höhle. Nukleon knurrte heftig auf und sprang an den beiden Männern vorbei. Der Hund rannte zum Computerraum. Will Rimson packte Rex Corda am Arm. „Wo ist Kim?" fragte er. Corda erwachte wie aus einem tiefen Traum. Verwirrt sah er sich um. Sein Bruder war verschwunden. Auch von Nukleon war nichts mehr zu sehen. * Mit glänzenden Augen blickte Cecil Flemming auf den Goldberg, der mit jeder Sekunde größer wurde. Pausenlos kamen die Goldstapel auf Metallpaletten aus dem Transmitter, der im Keller von dem Orathonen aufgebaut worden war. Der Transmitter war über zwei Meter hoch. Er erhob sich an der Stirnseite des Kellers, der zum Haus Nr. 37 in der Seymor Street im Londoner Westen gehörte. Flemmings Villa in der Nähe des
ehemaligen Hyde Parks war großzügig und geräumig angelegt. Trotzdem aber schafften die Bediensteten von Flemming es nur mit großer Mühe, das Gold aus dem Keller auf die übrigen Räume zu verteilen. Flemming versuchte mehrmals, den Wert des einlaufenden Goldes zu schätzen. Es gelang ihm nicht. So schnell und so mühelos hatten sich noch niemals zuvor Goldbarren vermehrt. Der Transmitter wirkte wie eine Zaubermaschine, die nichts anderes tat, als pausenlos Gold zu produzieren. Die Erregung in Cecil Flemming war immer stärker geworden, während die Gier sein Gesicht formte. „Das sind ja Milliarden!" sagte Flemming mit belegter Stimme. Der Orathone neben dem Transmitter achtete nicht auf den Terraner. Er war voll und ganz damit beschäftigt, die ständig eintreffenden Sendungen aus der flammenden Empfängeröffnung des Transmitters zur Seite zu schaffen, um Platz für den nächsten Schub zu machen. „Sorgen Sie dafür, daß die Goldverkäufe anlaufen, Flemming!" sagte der Featherhead mit schneidender Stimme. „Wir haben jetzt keine Zeit zu verlieren." Der Engländer zuckte zusammen. „Es ist alles vorbereitet." „Warum stehen Sie dann hier noch herum? Sie wissen, daß wir einen Vertrag geschlossen haben. Muß ich Sie daran erinnern? Wir benötigen sofort große Mengen von Zahlungsmitteln, um die Industrie in die Hand zu bekommen, mit der wir die Erde beherrschen können!" „Keine Sorge! Es wird alles so funktionieren wie geplant. Auch ich habe meine Vorbereitungen getroffen. Glauben Sie, ich hätte sonst mein gesamtes Vermögen eingesetzt?" Seine Stimme war jetzt nicht minder scharf als die des grünhäutigen Fremden, der aus den
Tiefen der Galaxis stammte. Der Orathone lächelte kalt. Flemming schluckte. Er fühlte sich dem Featherhead grenzenlos unterlegen. In Londoner Finanzkreisen galt Flemming als Finanzgenie — aber der Orathone hatte ihm gezeigt, wie ungeschickt er tatsächlich war. Cecil Flemming stand dem Oratho-nen mit gehörigem Respekt gegenüber, seitdem er erkannt hatte, wie phänomenal die wirtschaftlichen Fähigkeiten der Gefiederten waren. Cecil Flemming drehte sich um und verließ den Kellerraum. Er hatte nur zwanzig Schritte zu gehen bis zu seinem Direktionsbüro in der von ihm geleiteten Bank. Als er sich hinter seinen riesigen Schreibtisch setzte, glaubte er, vor seinen Augen noch immer das Gold flimmern zu sehen. Er lächelte. Es war ein kaltes, grausames Lächeln. Cecil Flemming schickte sich an, den finanziellen Zusammenbruch der 35 größten und wichtigsten Industriegiganten der Erde einzuleiten. Jetzt hatte er die Mittel dazu in der Hand. Als Cecil Flemming die Gegensprechanlage einschaltete, tat er den ersten Schritt, der die Wirtschaft der Erde an den Abgrund heranführte. * Ca Rango, der Orathone, der den Goldraub von Fort Zero leitete, verfolgte den Verlauf der Aktion mit großer Zufriedenheit. Bis jetzt schien alles genau nach Plan zu laufen. Nur das Auftauchen des Delphins beunruhigte ihn. Er wußte mit diesem Lebewesen nichts anzufangen. Er beauftragte einen seiner zwanzig Helfer mit der Suche nach dem weißen Delphin. Nachdenklich fuhr er sich über die seidigen Federn in seinem Nacken. Das Gefieder, das seinen massigen
Kopf bedeckte, knisterte unter der Berührung. Ca Rango sah dem Offizier nach, der tiefer in die Kaverne eindrang, um den weißen Delphin zu suchen. Der Befehl war eindeutig gewesen. Der Offizier sollte den Delphin töten. Die Blicke des Orathonen Ca Rango glitten zu dem Antigravitationsfeld, das zwischen den Höckern in der Kaverne und den Depoträumen des Gold-Forts stand. In ununterbrochener Reihenfolge kamen die Goldbarren nach unten, sammelten sich kurz, vor dem Transmitter und verschwanden dann in dem glutenden Feld. Ca Rango ging langsam an das Feld heran, gab den Offizieren einen Wink, ließ den Goldstrom unterbrechen und trat an das Antigravitationsfeld. Die unsichtbare Kraft trug den Orathonen rasch nach oben. Die glatten Wände glitten an ihm vorbei. Ca Rango betrat die geräumigen Anlagen, in denen die Goldreserven der Erde ruhten. Hier arbeiteten Roboter und Orathonen in fieberhafter Eile an dem Abbau der langen Goldstapel. Ein frostiges Grinsen stahl sich auf die harten Lippen des Orathonen. Er verschränkte die Arme hinter dem Rükken und stampfte zu dem Yps hinüber, das vor der breiten Panzerstahltür hing. Die grüne Gallertmasse bildete einen wichtigen Pol bei den Sicherheitsmaßnahmen, die Ca Rango getroffen hatte, um die Besatzung des Forts Zero zu täuschen. Mit zahlreichen Pseudoarmen erfaßte das Yps alle elektrischen Leitungen des Sicherheitssystems an der Panzertür. So konnten die orathonischen Spezialisten alle Verbindungen wieder herstellen, die bei Beginn der Aktion unterbrochen worden waren. Ca Rango kehrte mit schnellen Schritten zu der Öffnung am Boden zurück, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß die Arbeiten mit zu-
verlässiger Präzision durchgeführt worden waren. Vor den Aufnahmeobjektiven der zahlreichen Kontrollkameras hingen Hologramme, die bei Beginn der Aktion aufgenommen worden waren. Sie zeigten das Innere der Depoträume aus genau der Sicht der Televisorobjektives. Daher sahen die Depoträume für die Kontrollorgane in den oberen Räumen ganz normal aus. Die Wachen sahen auf den Monitorschirmen nur die Hologramme. Diese absolut plastischen Darstellungen waren von den Orathonen so weit entwickelt, daß sie als Abbildungen nicht zu erkennen waren. Bevor Ca Rango sich wieder nach unten tragen ließ, sah er sich noch einmal um. Er konnte feststellen, daß das Yps gute Arbeit geleistet hatte. Die grüne Riesenamöbe folgte jetzt allen seinen Befehlen gehorsam. Die Orathonen bauten den letzten Goldstapel ab. Ca Rango wartete, bis die Barren in der Tiefe verschwunden waren. Das Yps löste sich von der Panzertür. Es kroch mit fließenden Bewegungen auf den Orathonen zu, schob dann einen Pseudoarm über die Öffnung zu seinen Füßen, zog es dann jedoch vor, durch den Betonboden zu verschwinden. Die Gallertmasse verschwand in dem Spezialboden. Das Yps versickerte wie eine dünne Flüssigkeit in einem porösen Material. Kurz nach Ca Rango kehrten alle Orathonen und Roboter in die Kaverne zurück. Jetzt stieg die Spezialapparatur in dem Schacht nach oben, mit der die Öffnung verschlossen werden sollte. Es dauerte nur etwa eine halbe Stunde, bis der Boden der Station wieder lückenlos war und ein langsam erstarrender Gesteinspfropf die Röhre füllte. Die gesamte Aktion hatte nur knapp eine Stunde gedauert. Ca Rango hatte so perfekt gearbeitet, daß die Plünderung von Fort Zero erst entdeckt werden
konnte, wenn eine der Wachen die Tresorräume betrat. * „Wo ist mein Bruder Kim?" forschte Rex Corda beunruhigt. Die Sicherheitsbeamten sahen sich betreten an. Einer von ihnen, ein dunkelhaariger Mann mit auffallend breiten Kinnladen, trat etwas vor. „Kim ist mit dem Hund nach draußen gegangen", sagte -er ruhig. „Es kann ihm nichts passiert sein!" „Ich erwarte, daß einer von Ihnen ihn nicht mehr aus den Augen läßt!" versetzte Corda energisch. „Muß ich erst darauf hinweisen, daß der Laktone sich immer noch frei bewegen kann?" Der Agent mit dem breiten Kinn nickte. Er drehte sich um und ging den Gang entlang. Rex Corda nahm den Wissenschaftler Will Rimson am Arm und führte ihn in den Computerraum. Hier standen weitere Sicherheitsbeamte, die die zurückgelassenen Tonbänder bewachten. Katja Leskow, die schwarzhaarige Chef-Programmiererin, lehnte an der Computerbank und wartete darauf, anfangen zu können. Jetzt gab ihr Will einen Befehl, Die junge Frau gab die Informationen, die Rimson aus dem Unterbewußtsein Rex Cordas und seiner Geschwister geholt hatte, in den Computer. „Wie lange wirst du brauchen, Will?" erkundigte sich Corda. Der alte Gelehrte hob die dichten Augenbrauen auf die Stirn hinauf und zuckte unsicher die Schultern. „Das kann niemand sagen, Rex. Ich hoffe, daß ich in einigen Tagen soweit bin, daß ich erste sichere Informationen geben kann", antwortete Rimson. Ein Staatssekretär trat an Rex Corda heran und überreichte ihm eine Nachricht. „Sie werden von NORAD verlangt,
Sir", sagte er so leise, daß Katja Leskow es nicht hören konnte. Rex Corda, der Präsident der Vereinigten Staaten der Erde, ging in die Ecke des Raumes, wo ein Videophon stand. Die Schaltautomatik der Forschungsstation verband ihn sofort mit seinem Regierungsleiter, der auf dem Parkgelände wartete. Auf dem Bildschirm des Videophons erschien das klare, intelligente Gesicht von J.K.S. Diamidow. Der schwarzhaarige Russe, der zu der fünfköpfigen Regierungskommission der Erde gehörte, zeigte sich ungewöhnlich ernst. Sonst trug der Vertreter der Asiatic Union ständig ein freundliches, gelassenes Lächeln auf den Lippen. Wenn der sympathische Russe ernst war, dann hatte er auch einen Grund dafür. „Mr. President", begann Diamidow gedehnt. „Leider muß ich Sie bitten, unverzüglich ins NORAD zu kommen. Es sind leider einige Vorfälle eingetreten, die Ihre Anwesenheit in der Regierungszentrale unbedingt notwendig machen." „Drücken Sie sich bitte deutlicher aus, Sir", bat Rex Corda. Er biß sich kurz auf die Unterlippe. Das war und blieb das einzige Zeichen seiner inneren Unruhe. „Ich bedaure, Sir, das ist mir leider unmöglich. Mr. Boyd Clifton, der Chef unseres Sicherheitsdienstes, hat ernste Bedenken. Er ist der Meinung, daß wir trotz aller Sicherheitsmaßnahmen nicht ausreichend gegen Abhörmaßnahmen gewisser Interessengruppen geschützt sind." Corda nickte. „Ich komme. Bereiten Sie alles vor." Will Rimson kam langsam zu ihm. Zwei Staatssekretäre, die dem Stab des Gelehrten angehörten, folgten ihm. „Ich glaube, du wirst mit mir zum NORAD kommen müssen, Will", sagte
Corda zu dem Mann, der als sein politischer Stellvertreter anzusehen war. Wenn Rex Corda sich nicht auf der Erde aufhielt, dann übernahm Will Rimson seine Aufgaben. Er füngierte dann als Vorsitzender der Kommission, die an der Spitze der Regierung der Erde stand. Diese Kommission leitete die Regierungsgeschäfte vom NORAD aus, solange noch keine vollwertige Regierungshauptstadt zur Verfügung stand. Als Nachfolgerin des NORAD war Den Haag im Gespräch. Der Zentralgefechtsstand des Nordamerikanischen Luftver-teidungskommandos würde dann wieder zur rein militärischen Organisation werden. Der Wissenschaftler blieb gelassen. Er legte seinen weißen Kittel ab, den er bis dahin getragen hatte, und übergab ihn einem der Staatssekretäre. „Der Computer benötigt mich jetzt nicht", sagte er ruhig. Der Agent mit dem breit ausladenden Kinn kam herein. „Sir", sprach er den Präsidenten an, als dieser ihn fragend ansah, „Ihr Bruder ist mit einem Sonnengleiter, den er sich selbst genommen hat, fortgeflogen. Der Schäferhund ist bei ihm." „Hat Kim sich gemeldet?" fragte nun Rimson. „Der Junge antwortete auf unsere Videophonfrage sofort. Er sagte, wir sollten uns keine Sorgen machen. Er habe die Absicht, bald zurückzukehren." „Sind Sie sicher, daß niemand bei ihm war?" fragte Rex Corda. „Ganz sicher, Sir." „Ich möchte trotzdem, daß ihm ein Mann zu seinem Schutz folgt. Wir gehen nicht das geringste Risiko ein", sagte Corda. „Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, solange Nukleon bei Kim ist", beruhigte Rimson den Präsidenten. „Kim kann eigentlich gar nichts passieren."
„Na schön", lächelte Corda. „Dennoch wird ihm ein Agent folgen. Kim darf einfach nicht allein sein. Das ist viel zu gefährlich. Ich möchte nicht, daß mein Bruder politischen Erpressern in die Hände fällt." Der Präsident verließ die Forschungsstation und begab sich zur „Walter Bekkett" zurück. Sein Regierungsgleiter war kaum in der Schleuse, als sich das Raumschiff schon erhob und Kurs auf NORAD nahm. Rex Corda wunderte sich, daß Diamidow kein Wort der Begrüßung für ihn gehabt hatte. Als er den Trakt der für ihn reservierten Räume betrat, fand er wahre Berge von Glückwunschtelegrammen vor, die aus allen Teilen der Erde auf der „Walter Beckett" eingetroffen waren. Die Nachricht von der Ankunft des Präsidenten Rex Corda war längst um den Erdball geeilt. Ununterbrochen liefen jetzt die Gespräche über die Holografen an Bord des gewaltigen Hantelraumers, als dieser die Rocky Mountains überquerte. Doch vorläufig erfuhr Rex Corda noch nichts von den Sorgen, die Diamidow quälten. Corda dachte an seine Geschwister Kim und Velda, die jetzt nicht mehr an Bord der „Walter Beckett" waren. * Kim Corda hatte sofort begriffen, was der Schäferhund Will Rimsons beabsichtigte, als er ihn auf die Parkfläche des Sonnengleiters führte. Die Neugier des vierzehnjährigen Jungen war geweckt. Geschickt entzog er sich der Bewachung der Sicherheitsbeamten, die den Befehl hatten, ihn nicht aus den Augen zu lassen. Kim Corda hatte nur deshalb Glück, weil die Agenten sich ganz auf die Jagd nach dem laktonischen Saboteur und auf die
Absicherung der Forschungsstation konzentrierten. Für die meisten von ihnen war außerdem der Anblick des Raumschiffes neu. Nur zu gern warfen sie immer wieder einen Blick auf den gigantischen Hantelraumer, der dicht bei der Station gelandet war. Die kräftige flammende Schrift auf dem Verbindungsstück zwischen den beiden Raumkugeln verkündete nur zu deutlich, daß dieses Schiff der Stolz der Erde war. Walter Beckett war ein genialer Forscher gewesen, der in allen Ländern der Erde ein bekannter und geachteter Mann gewesen war. Daß er starb, als die Laktonen auf der Erde landeten, hatte die Menschheit tief erschüttert. Um so begeisterter wurde der Vorschlag aufgegriffen, das Flaggschiff der entstehenden Raumschiffflotte der Erde mit dem Namen dieses Mannes auszuzeichnen. Kim Corda zögerte nur kurz, als Nukleon vor einem Sonnengleiter stehen blieb und versuchte, die Tür zu öffnen. Kim zog die Tür auf und ließ den Hund in den Gleiter springen. Bevor er selber einstieg, sah er sich vorsichtig um. Er schmunzelte vergnügt, als er bemerkte, daß er seine Bewacher getäuscht hatte. Einen Sonnengleiter zu fliegen ist so leicht, daß ein Junge wie Kim ihn mühelos bedienen konnte. Es war nicht das erste Mal, daß Kim allein flog. Er ließ den Gleiter schnell aufsteigen und lenkte ihn nach Süden. Über die Schulter sah er zurück. Einige Agenten stürzten zu den anderen Gleitern. Fast im gleichen Augenblick flammte das Videophon auf. Das harte Gesicht des Agenten entspannte sich sofort, als das sommersprossige Gesicht Kims in den Bereich der Aufnahmeoptik geriet. Kim lachte betont freundlich und blinzelte mit gut gespielter Verlegenheit in die Optik. Er wußte, wie verläßlich sein Verhalten wirkte.
„Oh, ich komme gleich wieder", sagte Kim. Er kratzte sich hinter dem Ohr. Machen Sie sich nur keine Sorgen. In spätestens einer Stunde bin ich wieder da. Nukleon ist bei mir." Der Agent nickte. „Mach keinen Unsinn, Kim. Wir haben Sorgen genug." Kim wehrte den Vorwurf protestierend ab. „Ich bleibe immer in der Nähe der Station", sagte er. „Ich wette, daß die Objekterfassung der Walter Beckett mich jederzeit erfassen kann. Kennen Sie Walter Beckett?" „Äh — nein", brummte der Agent, der sich beruhigte. Er schien nicht sehr davon überzeugt zu sein, daß Kim eine Gefahr drohen könnte. „Ich zeige Ihnen das Raumschiff mal", versprach Kim großzügig, während sich sein Gleiter mit steigender Geschwindigkeit von der Forschungsstation entfernte. Der Agent grinste und schaltete ab. Kim pustete sich erleichtert gegen die Nasenspitze und richtete seine Aufmerksamkeit ganz auf Nukleon. Der Hund des Wissenschaftlers Will Rimson war telepathisch begabt. Der Atomkrieg, der im Jahre 1972 über die Erde tobte, hatte seine Spuren nicht nur am Erbgut der Menschen hinterlassen. Es gab zahlreiche Tiere, die Mutationen unterworfen gewesen waren. Es gab viele Tiere, die äußerlich nicht so ansehnlich waren wie Nukleon. Bei dem Schäferhund hatte die Mutation allein das Gehirn erfaßt. Durch die Veränderung des Erbgutes gewann Nukleon einen erheblichen Intelligenzzuwachs, der ihn bereits weit über seine Artgenossen hinaushob. Darüber hinaus wurde sein Hirn empfindlich für geistige Schwingungen anderer Entitäten. Nukleon war ein Telepath. Er konnte erfassen und verstehen, was Kim dachte. Er konnte seine Gedanken jedoch nicht
projizieren. Und das war sein größtes Problem. Nukleon konnte sich nur sehr schwer verständlich machen. Jetzt hockte der Hund neben dem Vierzehnjährigen vor dem schlichten Steuerpult des Sonnengleiters und sah starr nach Südosten. Die Geschwindigkeit des Gleiters stieg ständig. Kims Hand lag ruhig auf dem Akzelerator, mit dem er die Beschleunigung regulierte. Der rote Pfeil stieg langsam bis auf die Spitzenmarke an. Der Gleiter erreichte eine Geschwindigkeit von achthundert Stundenkilometern. Die „Walter Beckett". das von den Sternen zurückgekehrte Flaggschiff der Erde, war längst unter dem Horizont verschwunden. Die Rocky Mountains blieben hinter Kim zurück. Der Sonnengleiter raste durch die helle Nacht. Der Mond überschwemmte das weite Land mit silbernem Licht. Immer wieder flackerte das Ruflicht an dem Videophon. Kim kaute auf den Lippen. Allmählich meldete sich das schlechte Gewissen. „Nukleon, wir sollten umkehren!" sagte der Junge zögernd zu dem Hund. Der Gleiter flog jetzt nach Osten. Nukleon hob den Kopf und sah Kim an. Kim legte seine Hand auf den Rükken des Hundes. „Ist es denn wirklich so wichtig, was du mir zu zeigen hast?" fragte Kim. Nukleon nickte. Er stieß ein leises zorniges Knurren aus. Da grinste Kim vergnügt. Er war jetzt wieder fest davon überzeugt, daß sich die Fahrt lohnte. Er malte sich bereits aus, was er seinem Bruder sagen würde, wenn das bevorstehende Abenteuer abgeschlossen war. Kim schaltete das Videophon an und justierte es auf den Nachrichtendienst der nordamerikanischen Televisionsgesellschaften. Wenig später konnte er es
genießen, daß die Nachrichten nur von der Expedition der „Walter Beckett" nach Gamma Viginis sprachen. Natürlich war die Rede mehr als einmal auch von ihm. Das waren die Teile der Nachrichten, die Kim besonders gefielen. Knapp zweieinhalb Stunden nach seinem Abflug von der Station bei Salt Lake City sprang Nukleon plötzlich auf. Der Hund bellte heftig und drehte sich auf der Stelle. Kim schaltete die Automatik sofort herunter. Der Sonnengleiter verzögerte stark. Der Junge orientierte sich anhand der Karte, die die Elektronik des Gleiters auf den Videophonschirm projizierte, als Kim umschaltete. „Jetzt bin ich aber wirklich mal gespannt, was wir hier in der Gegend von Raleigh sollen", murmelte Kim. Zweifelnd sah er Nukleon an. Der Schäferhund machte einen höchst zufriedenen Eindruck. Für einen Augenblick glaubte Kim, so etwas wie ein Grinsen bei Nukleon entdeckt zu haben. Auch als er genauer hinsah, meinte er es zu sehen. „Also landen wir", seufzte Kim. Er rieb sich die sommersprossige Nase, warf Nukleon noch einen skeptischen Blick zu und landete den Gleiter. Kim befand sich jetzt zwischen Raleigh und der Ostküste. Es war nicht weit bis zum geplünderten Fort Zero. * Unmittelbar nach der Landung des Hantelraumers fuhr Rex Corda zum NORAD. Hier empfing ihn die Regierungskommission, deren Vorsitzender Corda war. Der Südamerikaner Ramon Juvencio begrüßte Rex Corda als erster. Er machte es kurz, doch in seinen Worten klang die Freude über die Rückkehr Cordas zur Erde mit. Sir Walter Battensmith, der Vertreter Europas, be-
grüßte ihn mit einem festen Händedruck und einem knappen Lächeln. Und Even Tarleton Loebtar, der Südafrikaner, hielt die Hand Rex Cordas ein wenig länger fest. „Sie waren fast zu lange fort, Corda," sagte er. Er lächelte nicht. Seine Augen waren kalt wie Steine. „Die Erde kann es sich jetzt nicht mehr leisten, auf Männer wie Sie zu verzichten." Der Russe Jason Diamidow lachte dunkel. „Ich bin froh, daß Sie mir einen Teil der Verantwortung abnehmen", erklärte er. Er legte seine rechte Hand freundschaftlich auf Rex Cordas Arm. Der Präsident ging zu dem für ihn reservierten Platz. Er bat Will Rimson zu sich. Corda zündete sich eine Zigarette an. „Mr. Diamidow, bitte sagen Sie mir, weshalb Sie mich unter so geheimnisvollen Umständen hierhergerufen haben", begann Corda das Gespräch. Er war allein mit den vier Männern und Will Rimson. Diese sechs Männer bestimmten den Kurs der terranischen Politik. Rex Corda war Vorsitzender der Kommission und Präsident der Erde, aber der Kommission voll verantwortlich. Die Machtfülle Rex Cordas war keineswegs unbegrenzt. J.K.S. Diamidow setzte sich Corda gegenüber an den breiten Tisch. Vor dem Russen stapelten sich zahlreiche Akten. Diamidow war der Spezialist für Verteidigungsfragen und Sicherheitsprobleme der Erde. Wenn er Corda zu einer Konferenz rief, dann konnte das nur Gefahr für die Erde bedeuten. „Sir, wir sind in Schwierigkeiten", begann Diamidow, der jetzt unvermittelt wieder ernst wurde. Die Haut über seinen Wangen straffte sich. Diamidow strich sich kurz mit den Fingerspitzen über den dünnen Bart auf seiner Oberlippe. Er zögerte kurz, bevor er weitersprach. „Sir, Fort Zero ist restlos ausgeplündert worden."
Rex Corda spannte seine Hände fester um die Lehnen seines Sessels. „In Fort Zero bei Raleigh lagerten die gesamten Goldvorräte der Erde. Die terranische Währung basiert auf den Goldreserven des Forts." „Wie ist das passiert?" fragte Corda. Seine Stimme war ruhig. Sie klang fast unbeteiligt. „Wir sind uns noch nicht klar darüber, wie es gemacht wurde. Wir vermuten nur, daß es Laktonen waren. Sie haben uns mit ihrer Technik an die Wand gespielt. Es gibt eine Fernsehüberwachung im Fort. Sie ist durch Hologramme getäuscht worden. Es ist völlig ausgeschlossen, daß die Besatzung des Forts mit im Spiel ist. Sie hätte keine Möglichkeit gehabt, das Gold fortzuschaffen. Niemand, der nicht über eine überragende Technik verfügt, hätte diese Goldmengen so schnell wegbringen können." „In so kurzer Zeit?" fragte Corda. „Alle sechs Stunden findet eine Inspektion durch drei Beamte statt", warf Battensmith ein. Corda nickte sinnend. „Mit einem Transmitter könnte man es schaffen. Ich weiß nur noch nicht, ob die Laktonen einen Transmitter haben, der so klein ist, daß er unauffällig ins Fort gebracht werden kann! Was haben Sie bisher feststellen können?" Der Russe hob die Hände, um anzudeuten, daß er hilflos war. „Aus sicherer Quelle habe ich erfahren, daß in London ungewöhnlich große Mengen von Gold verkauft worden sind. Das Gold ist jedoch nicht an der Börse aufgetaucht, sondern ist über mehrere Banken weitergeleitet worden. Erst morgen wird ein Teil des Goldes wahrscheinlich auf der Börse angeboten werden." „Weshalb?" fragte Corda. Diamidow lächelte. „In London ist es jetzt Mitternacht,
Sir!" „Das hatte ich vergessen", schmunzelte Corda. „Weiter." „Aus anderer Quelle weiß ich, daß ungewöhnlich große Aktientransaktionen im Telefonverkehr vorgenommen worden sind, also auch außerhalb der Börse. Einige unserer größten Industrieunternehmen scheinen sich in Gefahr zu befinden. Mehrere bedeutende Wirtschaftsgrößen sind innerhalb der letzten Stunden nach London abgeflogen", erklärte der Russe. Von seiner sonstigen Gelassenheit war jetzt nur noch wenig zu merken. Rex Corda fiel auf, daß der Russe hastiger rauchte als sonst. Diamidow sprach auch schneller als sonst. „Sie sind sehr gut informiert", sagte Rex Corda ruhig. Diamidow lächelte fahrig. „Unsere Sicherheitsorgane haben sich ganz vorzüglich eingespielt. Wir sind dicht am Mann. Ich bin überzeugt, daß wir weitere Informationen erhalten werden, die uns weiterführen." „Wissen Sie schon, wo der Unruheherd in London zu finden ist?" „Leider nein, Mr. Corda." „Und was steckt hinter diesen Aktionen? Wenn es Laktonen sind, die uns diesen üblen Streich gespielt haben, welches Ziel verfolgen sie Ihrer Meinung nach?" forschte Corda. Er beobachtete die Gesichter der anderen Männer genau. Die mutierten Sonderpartien seines Gehirns erlaubten ihm, die Gefühle der für die Geschicke der Menschheit verantwortlichen Männer wahrzunehmen. Sie alle waren besorgt. Sir Battensmith war bestürzt. Er befand sich am Rande einer Panik. Da war jedoch auch noch Scham in ihm. Fühlte er so, weil er Europäer war? Befürchtete er, daß es Europäer waren, die ihre eigenen Pläne verfolgten? „Ich weiß nicht, was die Laktonen beabsichtigen", sagte Diamidow. Der
Sicherheitsexperte war wirklich ratlos. „Die Wirtschaft der gesamten Erde muß zusammenbrechen, wenn bekannt wird, daß das Gold verschwunden ist. Die Währung aller Länder stützt sich auf das Gold!" „Planen die Laktonen das Chaos?" fragte Corda. Dabei schien es so, als habe er gar nicht die anderen gemeint, als habe er sich selbst gefragt. Diamidow, der Sicherheitsexperte der Erde, lachte fatalistisch. „Mr. Corda, es ist undenkbar, daß die Laktonen das Gold gestohlen haben, um sich zu bereichern. Meiner Meinung nach hat das Gold nur auf der Erde diesen besonderen Wert. Die Währungen anderer Völker in der Galaxis sind wahrscheinlich ganz anders aufgebaut." „Dann gibt es zwei Möglichkeiten", unterbrach Rex Corda. „Die erste wäre, daß die Laktonen das wirtschaftliche Chaos auf der Erde herbeiführen wollen, um sich die Erde einzuverleiben. Das könnten sie mühelos einfacher haben. Die Erde wäre nicht in der Lage, bei einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Laktonen Widerstand zu leisten." Corda zündete sich noch eine Zigarette an. „Die Erde ist ein völlig unwichtiger kleiner Planet am Rande der Galaxis. Das mag uns schmerzen, aber es ist nun mal so. Glauben Sie bitte nicht, meine Herren, der Name Terra sei sehr vielen der Laktonen bekannt", versetzte Corda. Er merkte, daß seine Worte ernüchternd auf die Politiker wirkten. „Ich habe inzwischen von uns befreundeten Laktonen erfahren, daß Lakton im Augenblick noch über mehr als 3000 Sonnensysteme mit etwa 7 000 Planeten herrscht. Wir sind viel zu unwichtig für die Laktonen. Die Laktonen sind praktisch nur über uns gestolpert, weil die Front des galaktischen Krieges uns überrollte. Nur deshalb haben wir Kon-
takt mit diesem galaktischen Volk bekommen, und nicht, weil die Laktonen an diesem Raumsektor Interesse haben. Weshalb also sollten sich die Laktonen dann jetzt die Mühe machen, uns in ein wirtschaftliches Chaos zu führen?" Diamidows Augen verengten sich. Seine Lippen spannten sich. „Die andere Möglichkeit, Mr. Corda", drängte er. „Ich halte es für wahrscheinlich, daß Orathonen für den Raub des Goldes verantwortlich sind", erklärte Corda. Sir Battensmith lachte nervös auf. „Wie ich hörte, ist das orathonische Reich noch größer als das laktonische! Eben haben Sie uns erklärt, weshalb kein Laktone für diese Vorfälle verantwortlich sein kann. Wenn wir für die Laktonen so unbedeutend sind, so sollten wir es für die Orathonen erst recht sein!" „Durchaus nicht, Sir", lächelte Corda. Er versuchte, beruhigend auf den Engländer zu wirken. „Wir wissen inzwischen, daß die Orathonen Wissenschaftler sind. Die Laktonen haben uns gesagt, daß Orathon eine Oligarchie ist. Wie es heißt, herrscht die Familie der Agelons aufgrund ihres ungeheuren Reichtums über etwa 15 000 bewohnte Planeten. Moga Agelon, der diktatorische Herrscher der Orathonen, soll etwas mehr als 3600 Planeten in seinem Besitz haben und in einer weiteren größeren Zahl finanzielle Beteiligungen besitzen." Sir Battensmith unterbrach ihn erregt. „Sir — damit erklären Sie nur, daß ein Eingriff der Orathonen in unsere Wirtschaft noch unwahrscheinlicher ist", rief er. Rex Corda schüttelte lächelnd den Kopf. „Ganz im Gegenteil", erklärte er. „Ich wollte damit nur sagen, daß auch die Besatzungen der Kampfschiffe der Orathonen wirtschaftlich denkende In-
telligenzen sind. Orathonen denken militärisch, Sir Battensmith! Eben deshalb ist es durchaus möglich, daß der Kommandant irgendeines Kampfschiffes auf den Gedanken gekommen ist, die Erde in seinen wirtschaftlichen Besitz zu zwingen." Sir Battensmith sprang erregt auf. Das Blut schoß ihm ins Gesicht. „Mr. Corda, Sie schießen übers Ziel hinaus. Ich glaube nicht, daß uns in dieser ernsten Situation mit Scherzen gedient ist!" sagte er mit beißender Schärfe in der Stimme. Der Präsident blieb gelassen. „Wie, frage ich Sie, will ein Orathone es schaffen, was Sigam Agelon mit seiner gesamten Flotte nicht schaffte?" rief Battensmith. „Die Situation ist anders. Wir sind praktisch allein. Nur noch ein geringer Verband laktonischer Schiffe befindet sich im Terra-System. Die Laktonen würden uns verlassen, wenn mehrere Hantelraumer bei uns auftauchten. Ich sagte schon, Lakton ist nicht an der Erde interessiert. Die Orathonen brauchen also nur unser Gold zu entwenden, um unsere Währung zum Zusammenbruch zu bringen. Sie brauchen nur die wichtigsten Industrieunternehmen der Erde an sich zu reißen. Sie brauchen nur einige wenige ihrer technischen Geräte auf den terranischen Markt zu bringen, um jegliche Konkurrenz zu schlagen. Sie brauchen dann nicht einmal selbst aufzutreten. Innerhalb einiger Wochen wäre die terranische Wirtschaft in der Hand eines einzigen Orathonen. Er könnte uns dann zwingen, das zu tun, was er für richtig hält." „Warum sollte er das Gold stehlen?" warf Diamidow ein. „Wenn er sich in unsere Wirtschaft einschalten will, braucht er Geld", erklärte Corda. „Es paßt, meine Herren. Überlegen Sie es sich." „Und wie wollen Sie den Zusammen-
bruch jetzt noch verhindern, Corda?" fragte Battensmith. „Ich weiß es nicht. Ich muß zunächst zum Fort Zero. Vielleicht komme ich den Dieben auf die Spur", schloß Corda die Debatte. „Die Vorfälle von Fort Zero sind geheimzuhalten." Er zögerte kurz. Dann kräuselte ein Lächeln seine Lippen. Die klaren blauen Augen erfaßten jeden der Männer am Tisch. „Vielleicht ist das die Gelegenheit, endlich eine einheitliche Währung einzuführen", sagte er. „Es wird Zeit für den geplanten Terra-Franken." * Cecil Flemming lächelte böse. Der Mann, der als terranischer Verbindungsmann für die Orathonen diente, hängte seinen dicken Daumen in die Taschen seiner Weste und wälzte eine Zigarre mit den Lippen von einem Mundwinkel in den anderen: Der Bankier, der über glänzende Verbindungen zu den reichen Verwaltungsgebieten in Nord-Rhodesien verfügte, wartete gelassen auf die Ankunft des Orathonen Ca Rango. Der massige Orathone, mit dem Cecil Flemming bisher zusammengearbeitet hatte, stand nervös neben dem eingeschalteten Transmitter. Bis vor wenigen Sekunden war der Goldstrom geflossen. Jetzt war es geschafft. Plötzlich wirbelte es grell in dem Transmitterfeld auf. Die grünen Nebel verdichteten sich zu einem kantigen Kopf, der von dichten Federn bedeckt war. Die scharfen, brutalen Augen sahen Cecil Flemming mit tödlicher Kälte an, prüfend und polier Mißtrauen. Erst als Ca Rango den orathonischen Agenten neben dem Terraner entdeckte, stieg er ganz aus dem Transmitter. Er landete mit einem federnden Sprung vor dem fetten Bankier.
„Das war's", sagte er. Cecil Flemming nickte schmunzelnd. Er hatte sich in den letzten Monaten fieberhaft darum bemüht, die orathonische Sprache zu lernen. Er wußte, wie wichtig es war, von Dolmetschern unabhängig zu sein, wenn er mit den Featherheads Geschäfte machen wollte. Der Transmitter erlosch, doch einige blinkende Lampen zeigten an, daß ein Knopfdruck genügte, um ihn wieder zu. aktivieren. „Wie steht's?" fragte Ca Rango. Der Agent, der von Orathon zur Erde gekommen war, um sie an sich zu reißen, bemerkte voller Befriedigung, daß kein Gold mehr in dem Keller lag. Der Orathone, der seit Monaten im Hause Cecil Flemmings wie in einem Käfig lebte, lächelte kaum merklich. Er wußte jetzt, daß er gerettet war. Als einziger Featherhead war er auf der von Laktonen beherrschten Erde zurückgeblieben. Jetzt, da er wieder eine Verbindung zu den endlosen Tiefen der Galaxis hatte, registrierte er ohne Sentimentalität, daß die Zeit seiner Verbannung vorbei war. Er erkannte die für ihn günstige Wendung seines Schicksals — und tat sie als erledigt ab, kalt, gefühllos und berechnend. Es berührte ihn nicht mehr weiter. „Ich sehe kaum noch Schwierigkeiten, Ca Rango", berichtete er gelassen. Er deutete auf den fetten Terraner, der sie mit einer freundlichen Geste einlud, ihm in sein Büro zu folgen. Sie gingen hinter ihm her. „Die terranische Wirtschaft ist praktisch durch die Großbanken beherrscht. Unser fetter Freund hier ist selber Herr mehrerer Banken." Grinsend stieß er Cecil Flemming seinen Zeigefinger in die Rippen. Der fette Bankier schrie gepeinigt auf. Die Fingerkuppe war ihm wie ein Stahlgeschoß gegen die Rippen geknallt. Was für einen durch hohe Gravitation gehärteten Featherhead kaum mehr als
ein freundschaftlicher Stoß war, wirkte sich für den Bankier wie ein brutaler Boxhieb aus. Cecil Flemming preßte seine fleischigen Hände stöhnend gegen die Rippen und schleppte sich zu seinem Sessel. Er ließ sich fallen. Mit kalten Fischaugen starrte er den Orathonen an. Diesmal ließ er sich durch das flirrende Farbmuster in den grünen Augenlidern des Orathonen nicht beirren. „Machen Sie das nicht noch einmal!" preßte Flemming heftig zwischen den Lippen hervor. Er stieß seine Zigarre ärgerlich in den Aschenbecher. „Sonst lernen Sie mich von einer anderen Seite kennen, mein Freund!" In dem Bestreben, Ca Rango zu zeigen, wie sehr er den Bankier beherrschte, wollte der Orathone Flemming anfahren. Doch Ca Rango, der Hinterspieler des gefährlichen Wirtschaftskampfes gegen die Erde, legte ihm seine Hand hart auf den Arm. „Weiter!" befahl er kalt. „Berichten Sie!" Der Orathone schaltete sofort um. Er ließ sich in einen Sessel sinken. „Seit Jahren schon finanziert Flemming durch ein ausgeklügeltes System revolvierender kurzfristiger Kredite die langfristigen Investitionspläne der gesamten Schlüsselindustrie der wichtigsten Industrieländer", fuhr der Orathone sofort in seinem Bericht fort. „Das Prinzip ist klar. Solange ständig neue kurzfristige Kredite gewährt werden, sind auch sehr langfristige Projekte ausreichend finanziert. Wenn das Karussell der Kredite einmal scharf unterbrochen wird, dann können selbst die größten Unternehmen zum Zusammenbruch geführt werden. Unser guter Freund Flemming hat sich erlaubt, den für uns wichtigen Unternehmen die Daumenschrauben anzulegen. Die Unternehmen haben sich bereits zu einem Gespräch mit Flemming
gemeldet. Noch in dieser Nacht wird Flemming für uns die meisten dieser Unternehmen aufkaufen. Die finanziellen Mittel sind ausreichend. Solange man uns die Plünderung des Golddepots nicht nachweisen kann, ist unsere Aktion völlig legal. Die Gesetze der Erde schützen uns." Der Orathone lachte glucksend in sich hinein. In seinen unergründlichen Augen blitzte es belustigt auf. „Es gibt kein Gesetz, das uns daran hindern könnte, die Wirtschaft der Erde aufzukaufen!" fügte er seinen Ausführungen hinzu. „Warten wir ab, was Präsident Corda unternimmt", warf Cecil Flemming maliziös lächelnd ein. Er musterte den Orathonen mit kaltem Blick. Er hatte ihm den Boxhieb noch immer nicht verziehen. „Rex Corda ist heute mit der ’Walter Beckett' zur Erde zurückgekehrt. Corda wird bis zum letzten Augenblick kämpfen. Aber das wissen Sie ja, nicht wahr?" Cecil Flemming verzog boshaft die Lippen. „Es ist noch gar nicht so lange her, daß Corda Ihnen das bewiesen hat!" Cecil Flemming sah dem Orathonen in die Augen. Er erschauerte. Die Featherheads reagierten nicht auf seine Worte. Sie waren kalt wie Eis. * Der vierzehnjährige Kim Corda kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr. Seine kleinen Finger trommelten zögernd unter den Programmiertasten des Videophons gegen die Kunststoffverschalung. Dann jedoch tippte er hastig die Daten der Forschungsstation in der Nähe von Salt Lake City in die Tasten. Eine Zahlenkombination zu bekommen, war nicht schwer. Ein Knopfdruck genügte, um eine Zahlenreihe unter dem Videophon aufleuchten zu
lassen. Das war die Station. Auf dem aufleuchtenden Schirm erschien das freundlich lächelnde Gesicht eines jungen Mädchens. „Kim!" rief sie voller Überraschung, als sie das sommersprossige Gesicht des Jungen sah. „Um Himmels willen, wo steckst du? Wir suchen dich fieberhaft." Kim grinste vergnügt. „Ich finde es immer hübsch, wenn ich gesucht werde", kicherte er. Dann aber wurde er schnell ernst. „Ich habe einen sehr wichtigen Geheimauftrag", behauptete Kim mit bedeutsamer Miene. Er krauste die Stirn heftig, um die Bedeutung seines „Auftrages" zu betonen. „Es ist wirklich völlig unnötig, daß Sie mich suchen." Das Mädchen in der Videophon-Zentrale der Forschungsstation ahmte die gewichtige Miene verständnisvoll lächelnd nach. Sie wollte Kim so lange wie möglich am Apparat halten, damit die Agenten, die sich eingeschaltet hatten, ihn anpeilen konnten. Doch Kim schnippte grinsend mit den Fingern. Er kniff das rechte Auge zu, um dem Mädchen anzuzeigen, daß er mit ihm zufrieden war — und schaltete schnell ab. „Okay, Nukleon, das hätten wir", sagte er schnell. Er stieß die Tür des Gleiters auf und sprang zusammen mit dem Hund in die Nacht hinaus. Aus einer kleinen Tasche in der Innenseite des Gleiters nahm er eine starke Taschenlampe, die ihm den Weg leuchtete. Der Schäferhund trottete gemächlich über das abgeerntete Kornfeld, an dessen Rand Kim gelandet war. Der Junge folgte ihm langsam. Kim sah sich nicht weiter um. Es gab nicht viel zu sehen auf dem öden Stoppelfeld. Er ging hinter dem telepathisch begabten Hund her, der genau auf eine kleine Buschgruppe in der Mitte des Feldes zulief. Als Kim die Büsche erreichte, bemerkte er, daß dahinter ödes, verbranntes Land lag, das
einen großen flachen Trichter bildete. Nukleon lief genau auf das Zentrum des Trichters zu. Jetzt wurden die Schritte des Jungen zögernder. Er sah sich mehrmals um. Plötzlich war ihm, als habe er wispernde Stimmen gehört. Er blieb stehen. Unwillkürlich zog er den Kopf zwischen die Schultern. Etwas Kaltes kroch ihm in den Nacken. Nukleon verharrte auf dem Fleck. Er wandte den Kopf und sah Kim an. Seine Augen blitzten im hellen Mondlicht auf. Nukleon bellte leise. Kim pfiff laut und schrill. Er versuchte sich an einer Melodie, scheiterte aber kläglich. Er räusperte sich heftig und drehte sich dann langsam im Kreise herum. Der weiße Kegel seines Taschenlampenlichtes tanzte zitternd über die Stoppeln des Feldes und über den Boden des Trichters. Kim bückte sich. Der Boden sah eigenartig aus, wie von zerbröckeltem Glas überzogen. Irgend etwas unsagbar Heißes mußte auf den Boden Und eingewirkt wieder warhaben. da dieses unheimliche Wispern, das wie kalter Nebel über das Feld kroch. Wieder blieb Kim stehen. Er lauschte mit angespannten Sinnen. Unwillkürlich neigte er sich etwas vor. Jetzt hörte er es ganz deutlich. Es war eine Stimme. Sie war so leise, daß er sie nicht verstehen konnte. Aber sie war freundlich. Sie hatte Angst. Kim glaubte zu fühlen, wie die Last von seinen Schultern fiel. Er sah Nukleon an. Der Hund hockte vor ihm. Das Mondlicht reflektierte in seinen Augen. Nukleon knurrte. Langsam drehte er den Kopf und sah zum Zentrum des Trichters. Plötzlich begriff Kim. Irgend jemand war in Not. Es mußte ein Mutant sein, weil da diese Stimme gewesen war. Kim war sich plötzlich ganz sicher. Er glaubte nicht daran, daß
er die Stimme gehört hatte. Er hatte keine Geräusche gehört. Die Stimme war in ihm gewesen. Es war, als wäre sie ihm unter der Kopfhaut prickelnd entlanggekrochen. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Kim lachte hell auf. Er streichelte Nukleons Kopf. Jetzt begriff er alles. Nukleon, als Telepath, hatte die Notrufe des Mutanten schon lange gehört. Nur deshalb hatte er ihn, Kim, hierhergeführt. Kim sollte den Mutanten retten. Der Junge fühlte sich unsäglich erleichtert. Er stürzte nach vorn, rannte auf das Zentrum des Trichters zu. Nur dort konnte der Mutant sein. Er mußte sich beeilen. Der Mutant war in Not. Nukleon bellte laut und zornig. Er schnellte hinter dem Jungen her. Seine blitzenden Zähne schnappten nach dem Hosenbein Kims. Doch sie fuhren vorbei, sie packten den Stoff nicht. Jetzt hatte Kim das Zentrum erreicht. Das Licht aus seiner Taschenlampe fiel auf das schwarze gähnende Loch, das mehr als drei Meter Durchmesser hatte. Er warf sich erschreckt zurück. Doch auf dem glasigen Boden rutschten ihm die Füße weg. Kim schrie verzweifelt auf. Ein gellender Ruf hallte in ihm wider. Vor seinen Augen blitzten die hellen Augen Nukleons. Kim streckte die Hände nach dem Fell des Hundes aus. Die scharfen Zähne packten seinen Ärmel, doch der Stoff zerriß kreischend. Kim überschlug sich im Sturz und fiel in die schwarze Dunkelheit. Das tanzende weiße Licht seiner Taschenlampe, die er krampfhaft mit den Händen umspannte, stürzte ihm voraus. Das Licht huschte irrlichternd über gezackte, rissige Wände, die aus glasigem Gestein bestanden. Da plötzlich legte sich Kim ein breiter Bruch des Schachtes in den Weg. Der Junge prallte auf weiche schwarze
Erde. Er überschlug sich mehrmals, er rutschte über den Sandberg weiter und versuchte vergeblich, Halt zu finden. Er stürzte mit den Füßen voran in die Tiefe. Für einen winzigen Augenblick glaubte er, Nukleon in dem wirbelnden Licht der Taschenlampe zu erkennen. Es sah aus, als folge ihm der Hund überall hin. Doch dann war alles wieder dunkel. Es gelang Kim nicht, die Taschenlampe so zu halten, daß das Licht nach oben fiel. Kim hatte die größte Mühe, seinen Sturz stabil zu halten. Er konnte gerade noch verhindern, daß er sich überschlug. Das war alles. Schräg führte der Schacht in die Tiefe. Kim wußte nicht, wie lange er schon auf dem Bauch nach unten gerutscht war. Er konnte kaum noch denken. Unendlich viele Steine, die aus dem Sand herausragten, hieben ihm gegen die Beine und in den Bauch, rüttelten ihn hart und schmerzhaft durch. Immer wieder hieben seine Hände in den Sand. Immer wieder vergeblich. Er riß nur Steine los, die im Wege lagen. Sie polterten lawinenartig hinter ihm her, sie überholten ihn und trafen seine Schultern und seine Arme. Und dann plötzlich war alles vorbei. Kim fühlte einen harten Schlag. Sein Sturz war gestoppt. Langsamer rutschte er über eine sanftere Bahn weiter. Steine und Schutt rollten über ihn hinweg. Er stieß mit Armen und Beinen um sich, um nicht verschüttet zu werden. Es gelang ihm freizukommen. Da hörte er einen dumpfen Schrei vor sich. Seine Lampe war ausgegangen. Kim glaubte das Plätschern von Wasser zu hören. Er stöhnte. Wild schüttelte er seine Taschenlampe, um sie wieder zum Leuchten zu bringen. Seine Finger preßten sich gegen den verklemmten Schalter. Er hörte schwere patschende Schritte,
die genau auf ihn zukamen. Da flammte die Taschenlampe auf. Kim riß sie hoch und leuchtete nach vorn. Gellend schrie er auf. Direkt vor ihm, keinen halben Meter von ihm entfernt, sprang das quadratische verzerrte Gesicht eines grünhäutigen Featherheads aus der abgrundtiefen Dunkelheit. * Der Orathone Ca Rango strich sich über die dunklen Federn, die seinen breiten Kopf wie einen Helm bedeckten. „Nehmen Sie den Transmitter wieder in Betrieb. Ich glaube nicht, daß die Transmissionen geortet werden", versetzte er ruhig. „Schaffen Sie Roboter, zwei meiner Agenten und das — äh — Material hierher." Der orathonische Agent erhob sich, während Ca Rango im Sessel sitzen blieb. „Öffnen Sie die Tresorräume für uns, Flemming", befahl Ca Rango. „Was haben Sie vor?" „Wir werden Kopien von den Banknoten herstellen, die Sie in den Tresoren haben." Cecil Flemming erhob sich ächzend. „Das können Sie nicht machen! Sie können den Markt nicht mit Falschgeld überschwemmen", protestierte er. „Wir können ", lächelte Ca Rango. „Unsere Kopiergeräte arbeiten absolut einwandfrei. Die Kopien werden vom Original überhaupt nicht zu unterscheiden sein!" „Wieviel Banknoten wollen Sie fälschen?" „Kopieren, Flemming", verbesserte der Olivgrüne gelassen. „Nicht fälschen. Wir benötigen nicht sehr viel. Einige Millionen Dollar werden genügen ..."
Cecil Flemming staunte nur noch. Mit jeder verstreichenden Sekunde begriff er mehr, wie gründlich sich die Orathonen auf diese Aktion vorbereitet hatten. Sie wußten, was sie wissen mußten. Cecil Flemming ging mit dem Orathonen Ca Rango in die Tresorräume der Bank hinunter. Ca Rango ließ sich einige Banknoten zeigen. Er prüfte sie. „Sie sind genauso primitiv, wie ich vermutet habe", lächelte der Orathone. „Es ist wirklich einfach, diese Banknoten zu kopieren." Er sah an Flemming vorbei. Der Bankier drehte sich langsam um. Durch die offene Panzertür kamen drei weitere Orathonen herein. Hinter ihnen gingen hochgewachsene Gestalten, deren Haut wie Bronze schimmerte. Ihre Schritte klangen schwerer als die der Orathonen, die wie Zwerge wirkten. Die harten Lippen der Großen lächelten. Es war ein eigenartiges Lächeln, das Flemming einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Als er die Augen sah, erkannte er, daß es Roboter waren. Es waren nicht die ersten Bronzeroboter, die er sah. Nur hatte er sich eben für wenige Augenblicke getäuscht, weil die Beleuchtung das Metall der Roboter befremdend verfärbte. Jetzt sah Flemming auf den winzigen Spalt in den kalten Köpfen der Roboter, hinter dem sich die gefährlichen Projektoren der Strahlwaffen befanden. Einer der Roboter trug einen Kasten, der nicht größer war als ein normaler Reisekoffer. Er setzte ihn auf dem Boden ab und zog den Deckel hoch. Cecil Flemming erkannte ein kompliziertes Schaltbrett mit zahlreichen Kontrollskalen und Lichtanzeigen. Ca Rango kam vom offenen Tresor. Er reichte dem Roboter eine Zehntausend-Dollar-Note. Der Bronzene schob sie in einen Spalt.
Ca Rango stellte einige Fragen über das System der Banknoten, über die Numerierung und Kennzeichnung. Der Bankier antwortete wie im Traum. Er sah die Lampen aufblitzen, er sah die Kontrollen schwanken, er verfolgte die flammenden Lichtbahnen, die mit mathematischen Kurven über kleine Bildschirme huschten. Es klickte leise. Ein Strom von Banknoten ergoß sich aus dem Gerät. Ca Rango bückte sich. „Hier haben Sie das Original wieder", sagte er. Flemming beherrschte die Sprache des Orathonen ausreichend, um ihn zu verstehen. Er nahm die Note und prüfte sie eingehend. Ca Rango bückte sich wieder. „Oder ist es diese? Oder diese?" fragte er zynisch. Flemming sah sich außerstande zu sagen, welche Note das Original war. Die Noten trugen fortlaufende Nummern. Sie sahen zum Teil neu aus, zum Teil aber auch abgegriffen. „Sie können eine Inflation auslösen, wenn Sie wollen!" stammelte er. Ca Rango lächelte hintergründig. Die winzigen Federn, die bei ihm die Augenbrauen bildeten, wanderten spottend über die grünhäutige Stirn hinauf. „Wir könnten — aber wir wollen nicht", sagte er. „Kommen Sie! Wir gehen zu den Herren Unternehmern, um uns von ihnen die Wirtschaft dieser Erde schenken zu lassen!" Cecil Flemming schnürte sich die Brust zu. Tausendmal hatte er sich ausgemalt, was geschehen würde, wenn die lange geplante Aktion anlief. Mit dieser Entwicklung hatte er nicht gerechnet. Eiskalt hatte er geplant, aber die Ereignisse überrollten ihn. Die Orathonen dachten nicht daran, auf irgend etwas oder irgend jemanden Rücksicht zu nehmen. Mit wiegenden Schritten ging Ca Rango vor ihm her. Die Bewegungen
des Gefiederten glichen denen eines kraftvollen Tieres. Unter der geschmeidigen Kleidung zuckten die Muskelbälle des Orathonen. Cecil Flemming sah auf den Nacken des Grünhäutigen herab. Feiner Schweiß glitzerte auf den Muskelsträngen, die wie aus Panzerglas geformt waren. Sie verrieten ungeheure Kraft. Im Büro des Verräters blieb Ca Rango stehen. Er zeigte auf einen Holografen, der inzwischen von den anderen Orathonen aufgebaut worden war. Cecil Flemming trat an das Gerät heran. Er zündete sich eine Zigarre an und betrachtete das Bild. Der Holo-graf projizierte eine absolut dreidimensionale Darstellung des Raumes, in dem sich die erregten Unternehmer versammelt hatten. Flemming trat etwas zur Seite. Jetzt sah er die Personen ebenfalls mehr von der Seite. Der Holograf stellte keine Täuschung vor — die Darstellung war plastisch. „Ich werde beobachten, was geschieht! Gehen Sie!" befahl Ca Rango. Cecil Flemming nickte. Als er die qualmende Zigarre aus dem Mund nahm, zuckte ein teuflisches Grinsen über sein feistes Gesicht. Er sagte gar nichts, aber der Orathone wußte auch so, was Flemming dachte. Der Verräter watschelte schnaufend aus dem Raum. Als sich die Tür hinter ihm schloß, war er allein. Er brauchte nur über einen langen Flur zu gehen, um das Konferenzzimmer zu erreichen, in dem die wichtigsten Bosse der terranischen Wirtschaft und der Banken saßen. Die zahlreichen Diener Flemmings reichten Getränke. Die Speisen blieben unbeachtet. Als der Fette die Tür aufstieß, verstummten die Gespräche schlagartig. Alle Augen richteten sich auf ihn. Und Flemming genoß die kalten zornigen Blicke. Er formte mühelos ein Lächeln mit
seinen Lippen, während die kleinen Frettchenaugen Gesicht um Gesicht erfaßten. Überall der gleiche Blick. Flemming genoß es, bis in die Seele starren zu können. Er wußte, wie es in jedem von diesen Männern aussah. Er hüllte sich in eine dichte Qualmwolke aus seiner Zigarre, wischte den blauen Schleier lässig zur Seite und watete zufrieden über den knöcheltiefen Teppich zu dem Sessel hinüber, der am Kopfende der langen Tafel stand. Er setzte sich, doch die anderen blieben stehen. Der hochgewachsene, überaus dürre Amerikaner Frank Foundet, Herr der gigantischen Videophon-Corporation, trat einen Schritt vor. In seinem bleichen asketischen Gesicht zuckte kein Muskel. „Die Tatsache, daß Sie uns alle auf einmal zu dieser Konferenz haben rufen lassen, läßt darauf schließen, daß Sie Einzelprobleme nicht anerkennen. Erklären Sie bitte, was Sie veranlaßt hat, Ihren Kopf zu riskieren!" versetzte er mit schneidender Schärfe. „Ich habe nicht den Eindruck, daß ich meinen Kopf riskiere, wenn ich den Finanzhaushalt Ihres Unternehmens zusammenbrechen lasse. Ich weiß, daß Sie keine Chance haben, von anderen Banken Kredite zu erhalten." Flemming lächelte boshaft. Keine Bank der Erde konnte Kredite geben, wenn bekannt wurde, daß Fort Zero ausgeräumt worden war. Er hob abwehrend die Hand, als sich mehrere Stimmen auf einmal meldeten. „Ich habe keine Zeit, lange mit Ihnen zu verhandeln. Ich habe Ihnen nur mitzuteilen, daß die Aktienmajorität Ihrer Unternehmungen an meine Bank übergeht. Das ist alles!" Gelassen sah er in die bleichen verständnislosen Gesichter, in die starren Augen, in denen das Entsetzen aufflammte. Frank Foundet stieß einen wütenden Schrei aus. Seine Faust — die nur aus
Haut und Knochen zu bestehen schien — knallte auf den Tisch herab. „Ich hätte einen Psychiater schicken sollen", stöhnte er. „Die Reise hätte ich mir sparen können!" Plötzlich standen alle. Die ersten zornigen Schreie schwemmten zu Cecil Flemming heran. Irgend jemand hatte eine Pistole in der Hand. Da flogen die Türen an drei Seiten des Konferenzraumes auf. Die Pistole fiel aus der kraftlosen Hand, obwohl kein Schuß gefallen war. Frank Foundet stieß einen Schrei aus, der wie ein Schluchzen klang, als er die Orathonen und die Roboter sah, die in den Raum kamen. Die Gefiederten trugen schwere Strahlwaffen in den grünen Fäusten, Die Abstrahlfelder flammten drohend. Bei den Bronzerobotern hatte sich der Spalt an ihren Köpfen verbreitert. Deutlich waren die Drehkränze der Hitzeprojektoren zu erkennen. Niemand im Raum dachte jetzt noch an Gegenwehr. Frank Foundet drehte sich langsam zu Cecil Flemming um. Aus weiten Augen starrte er den fetten Verräter an. „Jetzt erst verstehe ich, was Sie tatsächlich wollen!" ächzte er fassungslos. „Flemming, wie konnten Sie das tun?" Cecil Flemming erhob sich zufrieden. Sein Blick wanderte über die geschlagenen Wirtschaftsbosse. Ein Bronzeroboter brachte einen langen schmalen Kasten und setzte ihn auf dem Tisch ab. Cecil Flemming würgte. Er war dem Kasten am nächsten. Er wußte, welche Funktion das Gerät hatte. Die dem Fetten zugewandte Seite des Gerätes war transparent. Durch das etwas milchige Material hindurch konnte Cecil Flemming semibiotische Conduktoren sehen. Die Steuergeräte, mit denen die Orathonen ihre Sklaven fesselten, bestanden zur Hälfte aus einem lebenden
Material. Es sah aus wie schwarze stachelige Seeigel. Es war nur geschmeidiger, beweglicher, nervöser. Der elektronische Teil befand sich im Innern dieser zuckenden Masse. Einer der Roboter kam um den Tisch herum. Er faßte Frank Foundet an der Schulter. Der Industrielle wollte sich wehren. Doch gegen die Titanenkräfte des Roboters war er hilflos wie ein Kind. Der Bronzene führte den Amerikaner an das Gerät mit den Semibioten. An der Vorderseite des Gerätes befand sich eine gewölbte Vertiefung. Der Roboter zwang Foundet auf einen Stuhl. Er drehte dem Amerikaner den Kopf zur Seite und drückte den Hinterkopf fest in die Vertiefung. Frank Foundet griff sich aufschreiend an den Kopf, doch dann versank sein Widerstand schlagartig. Er stand auf, ohne daß der Roboter ihn zwang. Er ging von Cecil Flemming weg zur anderen Seite des Raumes hinüber. Der Verräter bemerkte, daß Foundet eine kleine blutige Stelle am Hinterkopf hatte. Die Roboter führten den nächsten Industriellen heran. Ein Blick abgrundtiefen Hasses traf Flemming. Die Frettchenaugen ließen den Industriellen nicht frei. Die kalten, zynischen Blicke beobachteten die Augen des anderen. Sie bemerkten die unendliche Qual. Die Orathonen erstickten jeden Widerstand. Sobald sich bei irgendeinem Auflehnung zeigte, standen sie neben ihm. Sie töteten niemanden. Jeder einzelne dieser Männer war viel zu wertvoll für die Orathonen. Sie wollten und konnten sich keinen Ausfall leisten. Als alle Männer durch Semibioten in der Gewalt der Fremden aus der Tiefe der Galaxis waren, zündete Cecil Flemming sich eine weitere Zigarre an. „Das hätten wir geschafft", grinste er Ca Rango zu, der in diesem Augenblick
den Raum betrat. Der Orathone lächelte nicht. „Noch nicht ganz", sagte Ca Rango. „Ihre Bank wird bei Geschäftseröffnung diese Männer mit allen finanziellen Mitteln versorgen, die benötigt werden, um weitere Unternehmungen aufzukaufen. Ich hoffe, daß die Börsen lange genug geöffnet bleiben, damit die Kurse fallen können, wenn bekannt wird, daß die Goldbestände von Fort Zero verschwunden sind." „Ich bin überzeugt, daß wir es schaffen", erklärte Cecil Flemming. „Wenn Sie sich genügend für uns einsetzen, dann ja!" „Selbstverständlich werde ich das", beteuerte Flemming. „Wirklich?" lächelte der Orathone. Er gab den Robotern einen Wink. „Wissen Sie, Flemming, wir Orathonen gehen lieber ganz sicher!" Cecil Flemming schrie auf, nachdem er den Schock überwunden hatte. Als er endlich begriff, war es bereits zu spät. Orathonen waren kalte Rechner, ohne Gefühle, ohne Sentimentalitäten. Sie kannten keine Dankbarkeit. Sie verließen sich nicht darauf, daß der fette Mann mit den Frettchenaugen loyal blieb. Sie zwangen ihn zur Treue. Sie pflanzten ihm einen Semibioten ein, obwohl Cecil Flemming sich wehrte wie ein angeschossenes Tier. Ca Rango kannte keine Gnade. In dieser Hinsicht war er wie Cecil Flemming selbst. * Der Präsident der Erde, Rex Corda, lächelte leicht, als Oberst Jefferson, der Kommandant des geplünderten Depots Fort Zero, vor ihm salutierte. „Sir, es gibt keine Entschuldigung für das, was hier geschehen ist", begann Oberst Jefferson fest. Corda unterbrach
ihn. „Ich glaube, daß Sie es mit Laktonen oder mit Orathonen zu tun haben", sagte Corda. „Das ist Entschuldigung genug. Sollte sich jedoch herausstellen, daß es keine Außerirdischen waren, dann ..." Er sprach nicht aus, was dann geschehen würde. Er ging an der Seite des Offiziers in das Fort. Auf dem Parkgelände des Forts waren mehr als fünfzig Sonnengleiter gelandet. Damit waren der Präsident und die wichtigsten seiner Berater gekommen. Sie alle wurden überwacht von einer Schar geschulter, fähiger Abwehrbeamten, die unter der Leitung des ehemaligen CIAChefs Boyd Clifton standen. Clifton selber war nicht anwesend. Er war im NORAD geblieben, um in Zusammenarbeit mit dem Russen Diamidow die Gefahr aus dem Untergrund zu bekämpfen. Jefferson führte Corda in die Kellerräume des Forts. Er zeigte ihm, daß alle installierten Sicherungen noch einwandfrei waren. Er zeigte ihm die unverletzten Wände der Tresorräume. Rex Corda, der als Emphat über die Gefühlsspnäre des Offiziers wachen konnte, wußte, daß Jefferson die Wahrheit sagte. Das bewies Corda, daß die Besatzung des Forts nicht selbst den Raub durchgeführt hatte. Er ließ sich den Holografen zeigen, der immer noch vor dem Aufnahmeobjektiv der Fernsehüberwachung hing. „Ich glaube, Sie hatten keine Möglichkeit, den Raub zu verhindern", sagte Corda endlich. Oberst Jefferson atmete erleichtert auf. Rex Corda verschränkte die Arme hinter dem Rücken und ging mehrere Schritte auf und ab. Die Sicherheitsbeamten und die Berater sahen sich in den Räumen um. Will Rimson war nicht dabei. Er war in seiner Forschungsstation, um die Arbeit dort wie-
der aufzunehmen. Rex Corda hatte darauf gedrängt, daß das Vermächtnis Walter Becketts so bald wie möglich enträtselt wurde. Der Blick Cordas glitt über die Betonwände. Plötzlich blieb er stehen. Er dachte an das laktonische Fahrzeug, das in den ersten Tagen der Invasion in dem Lakton-Kreuzer „Varnal" zur Erde gekommen war. Er dachte an das Fahrzeug, das den Namen Terra-Jet erhalten hatte, weil es in der Lage war, durch feste Materie zu fliegen. Dieses düsengetriebene Fahrzeug war mit starken Hitzeprojektoren ausgerüstet, die jegliche Materie in Bruchteilen von Sekunden vergasten. Das Gas wurde eingesogen, verdichtet und wieder ausgestoßen. Der Terra-Jet wanderte dann wie in einer glühenden Gaswolke durch die Erde. Rex Corda und die Laktonen Bekoval und Percip hatten den Terra-Jet benutzt, um damit die orathonischen Super-Transmitter unterirdisch anzugreifen. Sie flogen die Super-Transmitter unterirdisch an, legten Atombomben und sprengten damit vier der fünf Super-Transmitter in die Luft. Dadurch war es ihnen gelungen, die Plünderung der Erde durch die Orathonen zu stoppen. Wenn die Orathonen jetzt ebenfalls einen Terra-Jet entwickelt hatten? Damit konnten sie Fort Zero von unten anfliegen. Aber konnten sie das Fort dann auch plündern? „Sie hätten den Boden wieder verschließen müssen", murmelte Rex Corda leise. „Wie bitte?" fragte Jefferson verwirrt. „Sir — ich ..." Corda sah auf. Er stieß Jefferson seinen Zeigefinger gegen die Brust. „Bei der Technik der Orathonen ist es wohl möglich, einen Boden wie diesen so gut zu versiegeln, daß praktisch keine Spur mehr zurückbleibt."
Oberst Jeffersons linkes Auge zuckte nervös. Er verstand nicht, was der Präsident sagen wollte. Jetzt drehte Rex Corda sich langsam im Kreise herum. Seine Blicke suchten den Boden systematisch ab. Es war still geworden im Raum. Alle Begleiter Cordas beobachteten ihn. Corda entdeckte den Fleck nach genau drei Minuten intensiver Suche. An einer Stelle wies der Beton eine Färbung auf, die ganz leicht von der allgemeinen Farbe abwich. Rex Corda ordnete sofort eine Untersuchung an. „Prüfen Sie den Boden genau. Stellen Sie fest, ob es unter uns eventuell Hohlräume gibt." Rex Corda war überzeugt, daß er die Spur gefunden hatte. Da hörte er plötzlich einen Schrei. Unwillkürlich fuhr er herum. Doch er sah nur verblüffte, fragende Gesichter. Wieder ein Schrei! Es war in ihm. Er griff sich an den Kopf und stöhnte gepeinigt. * Mit einem Schrei warf sich Kim Corda nach vorn. Der vierzehnjährige Junge schlug mit kleinen kraftlosen Fäusten in das olivgrüne Gesicht hinein, das ihm aus der Dunkelheit entgegengekommen war. Dies war der erste Orathone, den Kim in seinem Leben sah. Aber der Junge wußte genau, wie gefährlich die Orathonen waren. Er hatte genug über sie gehört. Als die Laktonen von der Erde vor den Orathonen flohen, entführten sie Kim und Velda Corda. Kim hatte die Erde verlassen, bevor die Orathonen sie erreichten. Jetzt erst war er zur Erde zurückgekehrt. Und als erster bekam er die unheimliche Kraft und die Kaltblütigkeit eines Orathonen zu spüren.
Seine Fäuste prallten wie von Eisen ab, als sie das massige Kinn des Gefiederten trafen. Der Orathone war nicht größer als Kim, doch seine Kraft war zehnmal größer. Eine Faust zuckte aus dem Dunkel hoch. Sie traf Kim vor die Brust. Mit einem erstickten Schrei flog der Junge nach hinten. Er fiel auf den Schuttberg, der durch den zerbröckelten Schacht nach unten gekommen war. Stöhnend wälzte er sich herum. Das Licht seiner Taschenlampe irrlichterte über die gezackten glasigen Gesteinswände der Kaverne. Kim hörte neben sich einen schweren Körper aufschlagen. Zornige fremde Laute drangen an sein Ohr. Kim wälzte sich herum, versuchte den Orathonen abzuschütteln und zu fliehen. Doch da krallte sich eine Granitfaust um seinen Fuß. Der Junge schrie gellend vor Schmerz auf. Da drängte sich Nukleon knurrend an ihm vorbei. Der Hund warf sich mit gefletschten Zähnen auf den Featherhead und biß zu. Der Griff lockerte sich. Kim konnte sich befreien. Erschauernd hörte er die schweren Schläge, die die Flanken Nukleons trafen. „Nukleon! Zurück!" schrie er. Es gelang ihm, den Hund und den Außerirdischen in den Strahl seiner Taschenlampe zu bekommen. Nukleon hatte sich fest in die Schulter des Orathonen verbissen. Die Kämpfer wälzten sich wütend über den Schutt. Doch jetzt gab Nukleon den Fremden plötzlich frei und sprang blitzschnell zurück. Er sah sich nach Kim um. „Komm hierher, Nukleon!" schrie der Junge. Der Hund schnellte herum. Doch da blitzte die Waffe in der Faust des Featherheads auf. Ein blauer Strahl zuckte durch die Dunkelheit. Er
knallte an den Kopf Nukleons. Der Hund brach so schnell zusammen, daß es aussah, als habe der Orathone ihm die Beine unter dem Leib weggezogen. Der Blau-Lighter lahmte Nukleon auf der Stelle. Kim stand fassungslos neben seinem Hund und starrte dem Orathonen entgegen. Seine Gedanken überschlugen sich. Er wußte nicht, was er tun sollte, wie er diesen Feind bekämpfen sollte. Er hatte keine Waffe. Sollte er die Taschenlampe wegschleudern? Dann war er mit dem Orathonen allein im Dunkel. Konnte er ihm noch entfliehen? Kim entschloß sich, einen Versuch zu machen. Er wußte, daß es seine letzte Chance war. Er hob die Lampe über den Kopf und schleuderte sie über den Featherhead hinweg. Die Lampe knallte gegen die glasige Wand der Kaverne und fiel auf den Boden. Sie erlosch nicht. Kim sah den Orathonen wie einen verzerrten Schatten auf sich zukommen. Er ließ sich auf den Boden sinken und schlich zur Seite weg, während der Featherhead gerade auf die Stelle zuging, an der Kim eben noch gestanden hatte. Hastig wischte der Junge sich den beißenden Schweiß von der Stirn. Irgendwo plätscherte Wasser in der Dunkelheit. In der Hand des Orathonen glomm ein dünnes Licht auf. Wippend tanzte es über die Geröllhalde. Kim kauerte sich hinter einen größeren Felsbrocken, wartete einige Atemzüge und schlich dann weiter von dem Orathonen weg, immer den Schuttberg hinab. Wieder hörte er das Wasser plätschern. Es hörte sich an, als ob eine große Hand gemächlich durch das Wasser streiche. Kim horchte atemlos. Das Licht kam näher. Der Orathone schien genau zu wissen, wo Kim war. Da rauschte das Wasser dicht neben
Kim laut auf. Und plötzlich schnarrte, zwitscherte und knackte es unerhört laut aus der Dunkelheit. Brüllend rollte das Echo aus der Kaverne zurück. Kim kauerte sich fest an den Felsen. Aus weiten Augen versuchte er, das Dunkel zu durchdringen. Es gelang ihm nicht. Ein meckerndes Gelächter kroch an den Wänden der Kaverne hoch, es steigerte sich immer mehr zu einem Zwitschern und Quieken und endete dann in einem harten, drohenden Knarren. Es klang, als ob eine schwere Eichentür in hölzernen Angeln hin und her schwang. Das Lichtpünktchen in der Hand des Gefiederten weitete sich spontan zu einem gleißenden Lichtkegel, der die gesamte Schutthalde und das Wasser in der Kaverne erhellte. Jetzt konnte Kim erkennen, daß er sich auf einer Erhöhung befand, die von allen Seiten von schwarzem Wasser umschlungen wurde. Die Kaverne war so breit, daß Kim das gegenüberliegende Ufer nicht erkennen konnte. Suchend glitt der Kegel des hellen Lichtes über die Wasseroberfläche. Kim verfolgte ihn mit ebenso großer Spannung wie der Orathone. Doch sie entdeckten nichts. Kim schob sich ein wenig weiter vor, um besser sehen zu können. Da löste sich ein Stein unter seinem Fuß. Er polterte ins Wasser. Kim konnte sich schnell genug zurückziehen, doch er rutschte aus und stürzte direkt in den Lichtfleck hinein, der sich vor dem Versteck erhellte. Kim hob den Kopf. Er starrte blinzelnd das grelle Licht, das auf ihn zukam. Er sprang auf und entdeckte einen schmalen Felssteg, der in das Wasser hineinlief. Deutlich konnte er erkennen, daß der Fels sich weiter hinten, dort, wo es immer dunkler wurde, höher aus dem Wasser erhob. Kim zögerte nicht länger. Er sprang den letzten Meter zum
Wasser hinunter und hetzte auf den Felsen hinauf, der sich als meterbreite Insel über die Wasseroberfläche erhob. Der Orathone stieß einen dumpfen Laut aus und lief hinterher. Kim wunderte sich darüber, daß er nicht schoß. War der Orathone sich so sicher? Kim sah über die Schulter hinweg. Das Licht hinter ihm wurde schwächer. Jetzt bemerkte Kim, daß der Orathone ganz dicht hinter ihm war. Das Licht verlor nicht deshalb an Intensität, weil Kim Boden gewann, sondern weil der Orathone Kim nicht den Fluchtweg beleuchten wollte. Plötzlich war wieder das Gackern und Knarren neben dem Jungen. Kim starrte auf das Wasser. Erschreckt entdeckte er den weißen Körper, der wie ein Blitz auf ihn zuraste. Er wollte zur Seite springen. Doch er schaffte es nicht ganz. Das Wasser teilte sich. Der weiße Delphin peitschte seine Schwanzflosse gegen das dunkle Wasser. Wie ein Pfeil schoß er aus dem Wasser. Die harte Schnauze zischte an Kim vorbei. Sie knallte dumpf gegen die Brust des Orathonen, der den Jungen fast erreicht hatte. Der Featherhead stieß einen gellenden Schrei aus. Er warf seinen BlauLighter hoch — und verlor ihn. Kim sah, daß der Orathone neben dem Steg ins Wasser fiel. Dann war alles dunkel. Kim sackte auf die Knie herab. Er lauschte. Nichts! Der Orathone war wie ein Stein in die Tiefe gesackt. Dicht neben Kim tauchte der Delphin auf. Er schnatterte frech und laut. „Hilf ihm!" stammelte Kim. „Du kannst ihn nicht ertrinken lassen." Kim erschrak, als der Delphin dröhnend knarrte. Und während er diese Laute ausstieß, meinte Kim die Worte zu hören: „Es ist zu spät."
* Rex Corda wußte sofort, daß es der Delphin Wabash war, der geschrien hatte. Der spontane Schmerz, der beim ersten Ruf durch seinen Kopf gerast war, versickerte rasch. Rex Corda versuchte, sich auf den telepathischen Kontakt zu konzentrieren. „Sir, kann ich etwas für Sie tun?" fragte der Oberst. Corda zuckte zusammen. Verwirrt sah er die Offiziere an. „Lassen Sie mich. Es ist alles in Ordnung. Nicht stören jetzt!" stieß er hastig und überstürzt hervor. Strenge Falten zerfurchten seine hohe Stirn. Corda versuchte, die telepathische Sphäre des Delphins wieder zu erfassen. Doch es gelang ihm nicht. Corda hatte das Gefühl, vor einem endlos tiefen Abgrund zu stehen. Er kämpfte mit einem Taumel, der ihn in die Tiefe schleudern wollte. Irgendwo tief unter ihm war etwas, aber er konnte nicht erfassen, was es war. Er atmete mehrfach tief durch. Mit einem unmerklichen Lächeln sah er den Oberst an. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzusehr angefahren, Oberst", versetzte Corda. „Es ging leider nicht anders." Er zögerte einige Augenblicke, wobei er sich genau überlegte, welche Schritte zu tun waren. Er überdachte in aller Eile, was geschehen war, seitdem sie auf die Erde zurückgekehrt waren. Als sie zur Landung ansetzten, geriet ein orathonischer Diskusraumer in die Ortung der „Walter Beckett". Der Diskus verschwand im Raum. Alle Suche blieb umsonst. „Jefferson, das Gebiet um dieses Fort ist nochmals genauestens nach dem Diskus zu durchsuchen!" „Sir, wir haben nichts entdeckt, was da ..."
Corda drehte sich um und ging zu der Stelle hinüber, an der der Beton des Bodens etwas anders aussah als an anderen Stellen. „Dann lassen Sie das gesamte Gebiet ausloten!" „Ausloten, Sir?" fragte Jefferson verständnislos. „Ich will wissen, ob massives Gestein unter uns ist oder nicht", erklärte Corda. Er verließ den Tresorraum und ging zusammen mit Jefferson in die oberen Räume. Ein Sergeant kam ihnen entgegen, um Corda zu melden, daß er vom NORAD verlangt wurde. Es war John Haick, sein Freund, der ihn sprechen wollte. Der junge Atomwissenschaftler strich sich mit jungenhafter Gebärde das weiche schwarze Haar aus der Stirn. „Hallo, Rex", begann John Haick leger. „Ich bin hier an Bord der ‚Walter Beckett'!" „Das dachte ich mir. Ich arbeite, und du machst dir einen faulen Tag", sagte Corda scherzend. Der Physiker grinste. Corda erkannte ein schlankes Mädchen in einem flammend roten Kleid, das hinter John Haick vorbeiging. Es trug ein halbvolles Glas in der Hand. „Faul?" stieß John Haick mit gespieltem Entsetzen hervor. Ein junges Mädchen in blauem Kleid setzte sich hinter John Haick in einen Sessel. Es trank aus ihrem Glas. „Feierst du eine Party?" fragte Corda, der jetzt merklich ernster wurde. „Party?" stöhnte der Atomwissenschaftler. „Rex, Bekoval, diese laktonische Stumpfnase, hat sich von den Sekretärinnen des Pressezentrums vom NORAD überreden lassen. Er hat 73 entzückende junge Damen zu einer Besichtigung der ,Walter Beckett' an Bord gelassen!" „John? Wo bleiben Sie denn?" kam eine vorwurfsvolle Stimme aus dem
Videophon. Eine schlanke Hand tauchte auf. Zierliche Finger zupften John am Ohrläppchen. „Müssen Sie denn immer am Videophon sitzen?" „Herr Präsident", stöhnte John Haick in gespieltem Entsetzen. „Ich möchte wirklich ..." Die schlanke Hand verschwand erschreckt aus dem Bild. John Haick seufzte erleichtert auf. „Rex, gibt es keine Möglichkeit, die ,Walter Beckett' einzusetzen? Eine Dame in meiner Nähe finde ich herrlich — 73 sind einfach zuviel!" rief John. ,,Rex, du kannst dir einfach nicht vorstellen, was hier vorgeht. Die Damen übernehmen langsam, aber sicher das Kommando. Kein Mann der Besatzung läßt noch vernünftig mit sich reden." „Nur du bist noch vernünftig, nicht wahr?" spottete Rex Corda. John Haick rieb sich schmunzelnd die Lippen. „Nun ja, Rex ...", murmelte er. Rex Corda wurde ernst. „Okay, John. Wir können uns wirklich keine Bordparty leisten. Wir haben beim Anflug auf die Erde festgestellt, daß es noch immer von Trümmerstükken im Terra-System wimmelt. Die Bergungsmannschaften sind sehr klein und schwach. Die ,Walter Beckett' wird sich also an der Bergung der Trümmer aus der Schlacht der Laktonen gegen die Orathonen beteiligen", beschloß Rex Corda. Heiße, rhythmische Musik kam plötzlich durch das Videophon. John Haick wurde blaß. „. . . finde es einfach himmlisch hier", plapperte eine helle Stimme. „Jonny, wo bleibst du denn?" Corda grinste. John Haick ließ seine Hand ergeben sinken. Corda sah, daß sein Freund einen kleinen Hebel herumwarf. Im gleichen Augenblick heulten die schrillen Alarmsirenen durch das Flaggschiff
der Erde. Rex Corda war davon überzeugt, daß die „Walter Beckett" in wenigen Minuten von den Damen des Pressezentrums befreit sein würde. Rex Corda hatte das Gerät kaum abgeschaltet, als sich die Forschungsstation von Will Rimson meldete. Der alte Wissenschaftler machte ein bedenkliches Gesicht. Er kratzte sich den kahlen Schädel. „Wir können den Laktonen nicht finden, Rex", sagte der Wissenschaftler, der an dem Vermächtnis Walter Bekketts arbeitete. „Der Agent ist spurlos verschwunden. Ich weiß nicht, ob es unter diesen Umständen ratsam ist weiterzuarbeiten. Wir haben jetzt keine Kontrolle mehr darüber, ob unser Kommunikationssystem angezapft wird oder nicht." Rex Corda überlegte kurz. „Kannst du schon etwas über die Sache sagen?" fragte er. Will Rimson hob abwehrend beide Hände. „Ich weiß nur, daß es sich um einen Kunststoff handeln wird", deutete er vorsichtig an. „Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. Aber ich glaube, daß sich der Aufwand lohnen wird." „Die Arbeit wird unterbrochen. Ich will ganz sicher sein, daß keine Panne passieren kann", befahl Corda. Er sah, daß Will Rimson erleichtert aufatmete. Er schaltete ab. Drei Minuten später meldete sich die „Walter Beckett", die in diesem Augenblick den Anziehungsbereich der Erde verließ. John Haick meldete sich aus seiner Kabine. Auf seiner Wange flammte der rote Abdruck weiblicher Lippen. „Die ,Walter Beckett' befindet sich im Anflug auf das Wrack des Diskusraumers", meldete er. „Du siehst etwas blaß aus, mein Freund", lächelte Corda. John Haick hob die Schultern.
„Gastgeber für solchen Besuch zu sein, ist eben sehr schwer. Wirklich sehr schwer!" seufzte er. „Man sieht's!" spottete Rex Corda. Er tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Wange. Unwillkürlich machte John Haick die Bewegung nach. Als er rote Farbe an seinen Fingerspitzen bemerkte, verzichtete er auf weitere Meldungen und schaltete hastig ab. * Kim Corda schloß die Augen. Er lauschte in sich hinein. Er wollte nicht glauben, daß diese Stimme in ihm gewesen war. Doch es konnte nicht anders gewesen sein. Etwas Feuchtes schob sich an seine Füße. Vorsichtig streckte Kim die Hand aus. Er fühlte die außerordentlich weiche Haut des Delphins, der seinen Kopf ganz dicht an ihn herangeschoben hatte. „Der Mann von den Sternen war nicht mehr zu retten, ich wollte ihn ja nicht töten, Kim", wisperte es in seinem Kopf. Der Junge fühlte die Freundlichkeit, die von diesem Delphin ausging. Er fühlte sich plötzlich geborgen. Die Dunkelheit schreckte ihn nicht mehr. Er stand langsam auf. „Warte auf mich!" bat er. Er tastete sich vorsichtig zu dem Schuttberg zurück. In einem Winkel entdeckte er den schwachen Schimmer der Taschenlampe, die er nach dem Orathonen geworfen hatte. Er nahm die Lampe auf und eilte zu Nukleon hin. Der Schäferhund lag flach zwischen den Steinen. Sein Atem ging ganz langsam. „Er ist nicht tot, Kim", wisperte es wieder. Kim tastete nach dem Herzen des telepathischen Hundes. Er fühlte, daß
noch Leben in Nukleon war. Er erhob sich und ging zum Wasser zurück. Etwas Weißes schoß heran. Wabash schnellte sich aus dem Wasser und sprang in hohem Bogen über den Felssteg hinweg. Er stieß einen schrillen Schrei aus. Dicht neben Kim tauchte er wieder auf. Er sah mit großen Augen in das helle Licht der Lampe. Schnatternd näherte er sich dem Jungen. Hinter dem weißen Delphin schnitten die Rückenflossen weiterer Delphine durch das schwarze Wasser. Kim zählte erregt. Es waren neunzehn. „Wir sind gefangen", flüsterte es in ihm. Er hockte sich hin und berührte den Delphin. „Ich werde euch helfen", versprach er laut. Erst in diesem Augenblick wurde er sich bewußt, in welcher Lage er sich befand. Betroffen brach er ab. Die Worte, die er noch hatte sagen wollen, kamen nicht über seine Lippen, Er sprang auf und leuchtete die Wände der Kaverne mit der Lampe ab. Doch er sah nicht viel. Nur ein Teil der Höhle war mit der Lampe zu erfassen. Hoch über ihm gähnte ein dunkler Schlund in der Decke. Durch ihn war er hereingekommen. Die Lage schien ihm aussichtslos. Er sah keine Möglichkeit, nach oben zu kommen. Das Schnattern des Delphins schreckte ihn aus seinen Gedanken. Diesmal verstand er nicht genau, was der Delphin ihm mitteilen wollte. Er spürte nur, daß er ihm helfen wollte. Es war seltsam. Plötzlich wußte Kim, daß dieser Delphin den Namen Wabash trug. Er wußte auch, daß sein Bruder Rex den Delphin kannte. Er wußte, daß eine Gefahr im Dunkel der Kaverne lauerte. Von irgendwoher sickerte die Information in ihn hinein. Plötzlich war es ihm völlig klar, daß dieser Delphin ihn hierher geführt hatte.
Er empfand es durchaus nicht als ungewöhnlich, daß Wabash anders war als die Delphine im Hintergrund der Kaverne. Er begriff, daß Wabash ein telepathisches Talent besaß, und er akzeptierte es überrascht, aber keineswegs erschreckt. Leise bellte Nukleon. Kim fuhr herum. Er leuchtete zu dem Hund hinüber. Auf unsicheren, einknikkenden Beinen schleppte sich Nukleon heran. Er leckte Kim die Hand, als er bei ihm war. Dann wandte er langsam den Kopf und starrte zu Wabash hinüber. Der Delphin streckte seinen großen weißen Kopf aus dem Wasser und ließ seine Kinnladen krachend zusammenfahren. Nukleon bellte freudig. Er taumelte bis ans Wasser heran. Seine Ohren spielten aufgeregt. Kim wußte nicht, was wirklich geschah. Er fühlte nur etwas von der eigenartigen Atmosphäre, die die beiden Wesen plötzlich umgab. Kim stieß einen schrillen Pfiff aus. Aufgeregt rieb er sich die sommersprossige Nase, als er begriff. Mit Nukleon und Wabash standen sich zwei Telepathen gegenüber, die sich mühelos miteinander verständigen konnten. Nukleon erholte sich jetzt schnell. Er lief vor dem Delphin hin und her, sah Kim an, bellte erregt und trabte dann tiefer in die Kaverne hinein. Auch Wabash schwamm jetzt in diese Richtung. Zögernd folgte Kim. Er wußte nicht, welche Absicht die beiden telepathisch begabten Freunde verfolgten. Als die Felszunge, die über das Wasser hinausragte, breiter und höher wurde, da hoffte Kim, Wabash werde sie in die Freiheit zurückführen. Er lief schneller. Doch dann wurde der Steg plötzlich wieder schmaler. Die Felsen wurden rauh und zerklüftet. Es wurde immer
schwerer für den Jungen, Wabash und Nukleon zu folgen. „Nukleon!" rief Kim verzweifelt. „So warte doch! Der Hund kehrte um. Er bellte kurz und wackelte ungeduldig mit dem Kopf. Wabash tauchte auf und schnatterte eifrig. Nukleon kehrte zu Kim zurück. Er sprang hoch. Die Pfoten prallten gegen die Brust des Jungen. Kim verlor das Gleichgewicht. Er stürzte ins Wasser. Das Licht erlosch. * Immer wieder versuchte Rex Corda, erneut Kontakt mit dem Delphin Wabash zu bekommen. Doch es glückte ihm nicht mehr. Gegen vier Uhr morgens meldete sich Jefferson wieder bei ihm. Bis jetzt hatte der Präsident fast ununterbrochen vor den Videophonen gesessen. Die Erde hatte ihn voll eingespannt. „Sir", meldete Oberst Jefferson. „Sir Walter Battensmith wird in wenigen Minuten hier eintreffen." „Es ist gut", nickte Corda. Er erhob sich. Jefferson konnte dem Präsidenten ansehen, daß er diese ganze Nacht gearbeitet hatte. Rex Corda sah keineswegs erschöpft und müde aus. Seine Augen verrieten, über welche Energie dieser Mann verfügte. „Sir, es liegen jetzt die Ergebnisse der geologischen Untersuchungen vor. Unter diesem Fort gibt es keine Hohlräume." Rex Corda zündete sich eine Zigarette an. Der Oberst lehnte die ihm angebotene Zigarette ab. „Massives Gestein bis in sechstausend Meter Tiefe?" fragte Corda. „Massives Gestein, Sir." „Hm!" „Sie glauben es nicht, Sir? Die Geräte beweisen es ganz eindeutig."
„Trotzdem", murmelte Corda. „Ich glaube nur noch sehr wenig, Jefferson. Die Außerirdischen haben uns in letzter Zeit soviel Technik geliefert, die wir nicht verstanden, daß ich praktisch alles für möglich halte. Ich halte es zum Beispiel auch für möglich, daß es doch Hohlräume unter diesem Fort gibt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Orathonen unsere Geräte täuschen können!" „Sind Sie ganz sicher, daß es Orathonen sind?" Corda nickte. Er sah auf Sir Walter Battensmith, der in diesem Augenblick hereinkam. Der hochgewachsene Engländer sah erschöpft und überarbeitet aus. „Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen?" fragte er, nachdem er Corda die Hand geschüttelt hatte. „Danke", lächelte der Präsident. „So gut wie selten zuvor." Battensmith errötete ärgerlich. „Ich habe mir keine Pause leisten können", knurrte er bissig. „Ich opfere meine Gesundheit, um die Wirtschaft der Erde zu retten." „Sie Ärmster", spottete Corda. „Wissen Sie inzwischen, was in Ihrem Heimatland wirklich vor sich geht?" Sir Walter Battensmith verkniff die Lippen. Er setzte sich auf einen Stuhl und schlug die Beine übereinander. „Wir konnten noch nichts ausrichten", sagte er. „Wir wissen noch immer nicht, was hinter den Goldverkäufen und den Aktientransaktionen steckt. Bis jetzt heißt es, der Verwaltungsbezirk Rhodesiens sei der Verkäufer des Goldes, aber ich kann nicht glauben, daß das wahr ist. Dieser Bezirk hätte es nicht nötig, außerhalb der Börsen zu verkaufen." Die Videophone meldeten sich. Sie unterbrachen das Gespräch. Ununterbrochen liefen Botschaften für Corda ein. Die Konferenz mit den Administra-
tionen der verschiedenen Länder der Erde ging im gleichen Tempo weiter wie bisher. Die Atempause war zu kurz gewesen. Sir Walter Battensmith fuhr unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Er begriff von Minute zu Minute deutlicher, daß der Präsident unmöglich geschlafen haben konnte. Corda spannte den Wirtschafts- und Finanzexperten Battensmith mit in die Konferenz ein. Die Unruhe hatte die ganze Erde erfaßt. Auch außerhalb Englands herrschte fieberhafte Aktivität an den Börsen. Zum erstenmal seit der Wiedereröffnung der Börsen nach der Schlacht der Außerirdischen im TerraSystem machte sich ein deutlicher Kursauftrieb bemerkbar. „Sir, mir wird allmählich übel", sagte Battensmith stöhnend. „Ein Wort von uns genügt, um die Erde ins Chaos zu führen. Wenn wir bekanntgeben, daß Fort Zero geplündert wurde, dann ist alles vorbei. Das Vertrauen auf die souveräne Zusammenarbeit der Notenbanken ist dann gebrochen. Was wollen Sie tun? Es ist jetzt sechs Uhr dreißig! In London haben die Börsen längst geöffnet. Bald werden auch unsere Börsen mit der Arbeit anfangen." Rex Corda sagte: „Ich habe in einer Stunde eine Konferenz mit dem Industriellen Frank Foundet. Sein wirtschaftlicher Einfluß ist so wichtig für Nordamerika, daß die Orathonen nicht an ihm vorbeigehen dürfen, wenn sie uns wirklich in die Hand bekommen wollen. Deshalb ist es wichtig, daß ich mit ihm spreche. Begleiten Sie mich!" Als Rex Corda die Nachrichtenzentrale von Fort Zero verlassen wollte, rief ihn einer der Nachrichtenoffiziere zurück, die ihn während der Nacht unterstützt hatten. „Sir, Professor Clifton möchte Sie sprechen." Corda wandte sich um. Niemand sah ihm an, welche Erregung plötzlich sie-
dendheiß in ihm aufstieg. „Kim", murmelte er. „Ich habe Kim völlig vergessen!" Er war mit drei schnellen Schritten am Videophon. „Clifton? Was gibt es?" fragte er hastig. „Sir — wir haben den Sonnengleiter gefunden, mit dem Ihr Bruder wegge flogen ist." „Wo ist er?" „Er steht in der Nähe von Fort Zero, Sir." Corda verengte verblüfft die Augen. „Wie bitte? Sagten Sie Fort Zero?" rief er überrascht. „Das hieße, daß er unmittelbar in meiner Nähe ist." Professor Boyd Clifton, der ehemalige Chef der amerikanischen CIA, nickte. Der unauffällige Mann mit den freundlichen braunen Augen beruhigte Corda mit leichtem Lächeln. „Ich glaube, daß Ihr Bruder abenteuerlichen Wandlungen nachgegangen ist, wie es Jungen in seinem Alter gern tun. Wir suchen weiter nach ihm." „Professor, ich sehe Ihnen an, daß Sie mir noch mehr sagen können, aber nicht wollen", drängte Corda mit scharfer Stimme. „Warum nicht?" Boyd Clifton verlor jetzt auch seine Ruhe nicht. „Sir, ich glaube, daß Sie ohnehin überlastet sind. Sie können sich jetzt nicht auch noch um die Suche nach Ihrem Bruder kümmern." Wieder lächelte der Mann mit den grauen Schläfen und dem schütteren braunen Haar. „Erzählen Sie!" befahl Corda hart. „In der Nähe des Landeplatzes befindet sich ein Schacht. Wir fürchten, daß Ihr Bruder hineingefallen ist." Rex Cordas Augen verengten sich, bis nur noch ganz schmale Schlitze blieben, aus denen es Clifton stahlblau anblitzte. „Sagen Sie das noch einmal, Clifton!" forderte der Präsident. „Erklären
Sie mir, was das für ein Schacht ist." Der Mann, der jetzt am Aufbau der UNITER, der Sammelorganisation für alle terranischen Abwehrdienste, arbeitete, war nicht aus seiner Gelassenheit zu bringen. „Wir vermuten, daß der Schacht etwa einhundert Meter tief ist. Er verläuft mit einer Neigung von etwa 25 bis 30 Prozent in die Tiefe. Wenn Ihr Bruder hineingefallen ist, dann ist ihm wahrscheinlich nichts passiert. Er kann vermutlich nur nicht wieder heraus. Wir werden ihn bergen." „Professor!" Corda sprach jetzt sehr leise, aber in seiner Stimme klang eine feste Entschlossenheit mit. „Professor, Sie wissen, was hier in Fort Zero passiert ist! Sie kennen auch meine Vermutung, wie das geschehen ist. Sie wissen, daß wir nach Höhlen unter dem Fort suchen. Weshalb rücken Sie nicht endlich mit der Sprache heraus?" Der Chef der Geheimdienste lächelte. Es war das für ihn typische bescheidene Lächeln. „Ich will Sie nicht bei Ihrer Arbeit stören, Sir. Ich muß Sie aber auch hinsichtlich Ihres Bruders beruhigen. Ja — ich bin ziemlich sicher, daß dieser Schacht zu einer Kaverne führt. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß hier ein orathonisches Raumschiff gestanden hat, das diesen Schacht geschmolzen hat. Aber solange noch keine eindeutigen Beweise vorliegen, daß diese Aktion der Orathonen von dieser Kaverne kam, kann ich nicht zulassen, daß wir uns allein auf diese Stelle konzentrieren. Wenn Ihr Bruder den Orathonen in die Hände gefallen ist, dann hole ich ihn heraus." „Das will ich Ihnen auch geraten haben, Professor", versetzte Corda grimmig. Rex Corda schaltete ab. Er stand auf und ging an dem wartenden Sir Walter vorbei.
„Wie können Sie zulassen, daß dieser ... dieser verkrachte Mathematikprofessor Ihnen das Heft aus der Hand nimmt?" protestierte der leicht erregbare Engländer. Corda führte den Wirtschaftsexperten zu seinem Regierungsgleiter. Die Sicherheitsorgane machten ihre Gleiter zum Start bereit, um den Präsidenten zu begleiten. Erst als das Spezialfahrzeug Rex Cordas aufstieg, antwortete Corda Sir Walter Battensmith. „Boyd Clifton ist alles andere als ein verkrachter Professor, Sir", erklärte er mit ruhiger, aber sehr bestimmter Stimme. „Die ehemalige CIA trat an diesen ungewöhnlich fähigen Mann heran, als er in Los Angeles noch als Mathematikprofessor tätig war. Die CIA hat nie einen besseren Chef gehabt als den Professor, Sir." Richmond war schnell erreicht. Die Gleiter des Sicherheitsdienstes leiteten Corda auf die richtige Bahn. Die schlichte Villa des Industriellen Frank Foundet stand am Stadtrand von Richmond in einem ausgedehnten Park. Die Gartenanlagen zeigten noch jetzt Spuren der Invasion. Ein Raumschiff war im Park gelandet und hatte gräßliche Narben geschmolzenen Erdreichs hinterlassen. Die jetzt zu einer glasigen Fläche erstarrte Glut schillerte wie ein rotes blutiges Auge im Licht der aufgehenden Sonne. Rex Corda ließ den Gleiter vor der Villa landen. Die Abwehragenten öffneten die Türen und geleiteten die beiden hohen Politiker zum Haus. Ein Neger im schlichten grauen Anzug stand unter der Tür. Er trug einen silbernen Helm über dem dunklen Haarteil. Corda bemerkte es sofort, weil ein Teil der künstlichen Haare verbrannt war. Die lidlosen Augen bemühten sich um einen freundlichen Blick. Der Neger war ein Mutant. Corda hatte bereits von ihm gehört. Es hieß, daß er ohne die
künstliche Schädeldecke nicht lebensfähig wäre. War dieser Neger ein Mutant? „Bitte, kommen Sie herein, Sir", bat er. Seine Stimme war sehr dunkel. Er führte Corda und Battensmith in einen einfach eingerichteten Salon. Gegenüber der Sesselgruppe leuchtete ein Bildschirm auf. Das Gesicht Frank Foundets zeichnete sich darauf ab. Er lächelte mit leeren Augen. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Corda?" Rex Corda beugte sich unmerklich vor. Hinter seiner hohen Stirn arbeitete es. Der große, athletische Mann zeigte seine Überraschung nicht. „Wo sind Sie, Mr. Foundet?" „Ich kann im Augenblick nicht kommen", wich der Industrielle aus. Corda sah auf den Neger, der neben der Tür stand. Der Mutant lächelte. Corda bemerkte die tiefe Trauer in den Augen des Dieners. Er kreuzte die Arme vor der Brust und drückte verstohlen auf den kleinen Knopf an seiner Armbanduhr, der das Signal auslöste. Es dauerte nur drei Sekunden, bis sich die Tür öffnete und vier Agenten den Raum betraten. „Ist das Haus umstellt?" fragte Corda. „Es ist alles klar, Sir." Corda erhob sich. Der Neger war aschgrau geworden. Er trat zwei Schritte vor, riß sich los, als die Agenten ihn festhalten wollten, und klammerte sich an den Arm Cordas. Er sagte nichts, aber seine Augen bettelten. Sir Walter Battensmith verfolgte das Geschehen verständnislos. Er öffnete den Mund immer wieder zu einem Protest, aber seine zuckenden Lippen entließen die Worte nicht. Zu schnell rollten die Ereignisse ab. Rex Corda drehte den Neger herum. „Zeig's mir!" befahl er. Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Das Gesicht Frank Foundets wirkte
alt und zerfallen. Das Videobild erlosch. Bevor Corda noch auf die Seitentür zugehen konnte, flog diese auf. Die dürre Gestalt des Industriellen taumelte durch die Tür. Frank Foundet trug eine Reeling-Gun in der Armbeuge. Die Mündung zeigte genau auf das Herz Rex Cordas, der zitternde Finger ließ den Abzughebel flattern. Alle Männer in dem Raum standen wie erstarrt. Jeder kannte die Gefährlichkeit dieser laktonischen Handfeuerwaffe mit dem charakteristischen langen Kolben und den länglichen Höckern auf dem Lauf. Die Spezialgeschosse dieser Waffe verließen den Lauf mit einem besonderen Taumeleffekt. Beim Aufschlag gaben die Geschosse spontan ihre gesamte Energie ab. Dabei wurden schockartige Vibrationen ausgelöst, die selbst sehr dichte Materie zu Staub zerblasen konnten. Es genügte, den kleinen Finger eines Menschen zu streifen, um den Menschen völlig zu zerreißen. Treffer mit dieser Waffe waren immer und unter allen Umständen tödlich. Der Abzugshebel der Reeling-Gun flatterte in peitschender Nervosität. Frank Foundet konnte seine Finger jetzt nicht mehr ruhig halten. * Kim Corda schlug wild um sich. Er begriff nicht, weshalb Nukleon ihn ins Wasser geworfen hatte. Die eiskalte Dunkelheit fing den Jungen ein. Da schob sich plötzlich ein ungemein geschmeidiger Körper an ihn heran. Unwillkürlich griff Kim zu. Er faßte etwas Weiches und packte fester zu. Im gleichen Augenblick begriff er, daß er die Rückenfinne des Delphins hielt. Er ließ sich mitreißen. Eine eigenartige beruhigende Atmosphäre ging von dem Delphin aus, der sich so bewegte, daß der Kopf des
Jungen nicht unter Wasser gezogen wurde. Kim verlor alle Angst. Er vertraute seinem neuen Freund vollkommen. Dicht neben sich hörte er Nukleon. Der Hund rannte neben ihnen her. Seine Pfoten platschten im Wasser. Das war für Kim ein Beweis dafür, daß da Wasser den Steg überspülte. Rätselhaft war ihm, wie Nukleon sich mit solcher Geschwindigkeit und solcher Sicherheit bewegen konnte, obwohl es in der Kaverne völlig dunkel war. So sehr Kim auch die Augen aufriß, er konnte keinen Lichtschimmer entdecken. Dann rauschte das Wasser plötzlich auf. Wabash schwamm viel langsamer als vorher. Kim hörte den Hund, wie er laut hechelnd neben ihnen schwamm. Das Wasser war hier so tief, daß Nukleon schwimmen mußte. Aber es schien Kim, als ob der Hund mit sehr großer Geschwindigkeit schwamm. Der Junge konnte sehr gut abschätzen, wie schnell sie waren, da er den Widerstand des Wassers spürte. Da glaubte er, etwas Helles gesehen zu haben. Er kniff die Augen zusammen und öffnete sie weit. Er war ganz sicher. Weit vor ihnen wurde es heller. Er hörte das Schnaufen anderer Delphine neben sich. Sie blieben immer auf der gleichen Höhe wie Wabash und er. Deutlich konnte Kim hören, wie sie den Atem durch das kleine Loch hinter ihrem Kopf ausstießen. Schleppten sie Nukleon mit sich, damit er mitkommen konnte? Es dauerte nur wenige Minuten, bis es so hell geworden war, daß Kim es hätte sehen können, wie die Delphine den telepathisch begabten Hund zwischen sich trugen. Aber jetzt hatte Kim kein Auge mehr für seine Freunde. Aus weiten Augen starrte er auf das Bild, das sich ihm in der Kaverne bot. Orathonen!
Jetzt hob sich der Felssteg wieder aus dem Wasser. Wabash setzte Kim vorsichtig ab. Kim merkte es kaum. Er beobachtete die Featherheads, die an dem rotflammenden Transmitter arbeiteten. Das Transportgerät erhob sich wie ein Kessel mit einem großen, glühenden Auge auf der Landzunge. Technisches Gerät verschwand in dem Feld, anderes fiel heraus. Grünhäutige Orathonen und große bronzene Gestalten arbeiteten an den Geräten und bauten kompliziert aussehende Maschinen daraus zusammen. Es war warm in der Kaverne. Kim fror nicht, obwohl das Wasser aus seinen Kleidern tropfte. Er wandte sich und sah die Delphine. Sie lagen dicht nebeneinander auf der Wasseroberfläche. Sie alle schienen nur auf den Befehl zu warten, der sie gegen die gefiederten Fremden führen sollte. „Das also wolltet ihr mir zeigen!" flüsterte Kim. Fieberhaft überlegte er, wie er seinen Bruder benachrichtigen könnte. Gab es überhaupt eine Möglichkeit? Er konnte doch nicht wieder nach oben kommen. Kim hörte einen schmatzenden Laut hinter sich. Sein Kopf ruckte in den Nacken. Etwas Grünes, Gallertartiges hing dicht über ihm von der Decke herab. Es sah aus wie eine zähflüssige Masse, die jeden Augenblick herabfallen mußte. Kim kannte die Gefährlichkeit eines Yps nicht. Er wartete zu lange, bis er versuchte, sich zu retten. Die grüne Gallertmasse der Riesenamöbe brach herab und platschte über den Jungen. Kims Schreie erstickten. Die eben noch weiche Masse schnürte sich wie ein Würgeeisen um seinen Hals. Kim stieß mit dem Arm nach dem Yps, doch seine Schläge fuhren ins Leere. Die Gallertmasse teilte sich einfach und ließ seine Fäuste durch die Öffnung fliegen. Kim versuchte, sie mit den
Fingerspitzen von seinem Gesicht zu reißen, doch das Yps wich ihm aus. Es preßte sich um seinen Hals und auf den Mund. Es drückte ihm die Nase zu. Kim fühlte, daß Nukleon ihn ansprang und versuchte, ihm zu helfen. Doch auch der Hund konnte nichts ausrichten. Kim verschwand völlig unter der Amöbe. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er fühlte noch, daß er auf hartes Gestein fiel. Dann verloren sich seine Gedanken im endlosen Nichts. Ca Rango, der Mann, der von Orathon gekommen war, um die Erde als wirtschaftliche Einheit an sich zu reißen, wußte, daß die Hauptarbeit für ihn getan war. Der Plan war exakt verwirklicht worden. Die Terraner hatten keine Möglichkeit mehr, den Verlust ihrer Schlüsselindustrien rückgängig zu machen. Die Aktion während der Nacht war abgeschlossen. Das war der schwierigste Teil des Unternehmens gewesen. Den Rest besorgten jetzt die Männer, die unter der Kontrolle der semibiotischen Conduktoren standen. Ca Rango schaltete den Transmitter ein und stieg in das flammende Energiefeld. Das Gerät schluckte den Featherhead, löste ihn spontan auf und schleuderte ihn als Energieimpuls zum Empfangstransmitter unterhalb des geplünderten Golddepots. Der Transmitter in der Kaverne rematerialisierte ihn und spie ihn aus. Ca Rango drehte die Schulter leicht nach vorn und gähnte. Gelangweilt sah er sich nach den Bronzerobotern um, die die Steuergeräte für die Kommunikationsgeräte überprüften. Mit dieser Anlage sollten die Verbindungen zu allen wichtigen Wirtschaftsknotenpunkten der Erde hergestellt werden. Plötzlich wirbelte einer der Roboter herum und rannte in das Dunkel der Kaverne hinein. Ca Rango zuckte zusammen. Er versuchte, dem Roboter mit
dem Blick zu folgen. Doch jetzt kam der Bronzene schon zurück. Er trug ein grünes, heftig pulsierendes Bündel auf seinen Armen. Im Hintergrund schnatterte eine helle und laute Stimme, und das Wasser rauschte. Der Roboter strahlte Befehlsimpulse an das Yps aus. Die Riesenamöbe gehorchte sofort. Sie floß ab. Beunruhigt sah Ca Rango auf den bleichen Knaben, der flach atmend vor ihm auf dem Boden lag. Der Orathone stellte keine Fragen. Er erfaßte sofort, welche Bedeutung die Anwesenheit des Jungen in der Kaverne haben konnte. Er sah sich suchend um — und vermißte den Orathonen, den er in die Kaverne geschickt hatte. „In den Transmitter mit ihm! Ich will wissen, woher er kommt und wer er ist!" befahl Ca Rango. Der Roboter nahm Kim auf. Allmählich kehrte das Blut in die Wangen des Jungen zurück. Das Yps schob sich wie eine Riesenqualle ins Wasser. Das außerirdische Wesen versank in der Flut. Der Roboter trug Kim zum Transmitter. Auf dem Wege dorthin strahlte er die Funkimpulse aus, die das Gerät vorprogrammierte. Als der Bronzene vor dem flammenden Rund stand, da brauchte er Kim nur noch in den Transmitter zu schieben. Kims Konturen verschwammen. Der Junge schien sich in Nebel aufzulösen. Ca Rango stieg ohne zu zögern hinterher. Für ihn wechselte die Szene schnell, als wäre nur das Licht an- und ausgeschaltet worden. Ein leichtes, nicht einmal unangenehmes Prickeln lief über seine Haut. Dann stand er inmitten der surrenden Anlage. An langen Steuerbänken saßen zahlreiche Roboter und Orathonen. Sie arbeiteten an den Geräten. Die Anzeigen der Kontrollen bewiesen Ca Rango, daß die von ihm erteilten strengen Befehle genau befolgt
wurden. Kim lag vor ihm auf dem Boden. Er begann sich zu regen. Seine Lippen zuckten. Die Lider seiner Augen flatterten. Einer der Roboter kam mit lautlosen Schritten heran und nahm Kim auf. „Gehirnwäsche!" befahl Ca Rango. Hätte Kim jetzt auf die Kontrollen der zahlreichen Geräte an den Wänden sehen können, dann hätte er begriffen, daß er nicht mehr auf der Erde war. * Rex Corda, der Emphat, wußte sofort, daß Frank Foundet innerhalb der nächsten Sekunden schießen würde. Der Industrielle konnte gar nicht anders. Rex Corda, der Kontakt mit der Emotionssphäre des Hageren hatte, fühlte das Fremde, das Mörderische, das von diesem Foundet ausging. Er kannte diese Emotionalschwingungen. Es war nicht das erste Mal, daß er einem Menschen gegenüberstand, der sich in der Gewalt eines semibiotischen Conduktors befand. „Das können Sie doch nicht tun, Foundet!" keuchte Sir Walter Battensmith fassungslos. „Sie wissen ja gar nicht, was Sie tun!" Ein gespenstisches Lächeln zitterte über die Lippen des Industriellen. Die Reeling-Gun in seinen Händen flatterte. Die großen Augen Rex Cordas bannten den Blick Foundets. Corda fühlte, wie sich jene geheimnisvollen Sonderpartien seines Gehirns, die sein Talent bargen, schmerzhaft bewegten. Foundet riß die Augen auf. Er starrte den Präsidenten wie benommen an. „Legen Sie die Waffe auf die Seite, Mr. Foundet", sagte Corda mit leiser, durchdringender Stimme. „Sie wollen das ja gar nicht." Frank Foundet klammerte seine linke Hand um den rechten Unterarm, mit dem er das Gewehr hielt. Die Hände
sahen jetzt aus wie zwei voneinander unabhängige Lebewesen, die miteinander kämpften. Die Bauchmuskeln Cordas spannten sich an, als er sah, wie Foundet dabei den Abzugshebel der tödlichen Waffe immer weiter durchzog. Jeden Augenblick mußte sich der Schuß lösen. Corda kämpfte verzweifelt mit dem Semibioten, den er in Frank Foundets Kopf wußte. Das Wesen wehrte sich zornig. Es versuchte Foundet, seinen Sklaven, zum Schuß auf Corda zu bringen. Doch jene rätselhafte Kraft, die von Corda ausging, stemmte sich ihm entgegen. In diesem Augenblick ließ sich einer der vier Agenten gedankenschnell zu Boden fallen. Gleichzeitig schleuderte er die anderen Agenten und den Neger zur Seite. In seiner Faust blitzte eine Schußwaffe auf. Frank Foundet schwenkte den Lauf der Reeling-Gun herum. Krachend löste sich der Schuß. Das Taumelgeschoß, das aussah wie zwei mit der Spitze gegeneinander versetzte Kegel, raste mit einer hellen Flammenzunge aus dem Höckerlauf. Es peitschte dicht über den Agenten hinweg und prallte gegen die Wand. Im nächsten Augenblick erzitterte das ganze Haus. Die Wand zerfiel innerhalb weniger Sekunden zu Staub und Mörtel. „Nicht schießen!" schrie Corda. Seine energische Stimme übertönte den Lärm der zusammenbrechenden Wand. Doch sie schien zu spät zu kommen. Die Waffe in der Hand des Agenten bellte auf. Frank Foundet stand jedoch nicht mehr am gleichen Fleck. Der harte Rückstoß der Reeling-Gun hatte ihn zurückgeworfen. Die Kugel des Agenten patschte dicht neben seinem Herzen in die Wand. Die Reeling-Gun entfiel den erschlaf-
fenden Händen des Industriellen. Corda sprang blitzschnell zu ihm hin und schleuderte die gefährliche Waffe mit einem Fußtritt zur Seite. Er bückte sich zu Frank Foundet. In seinem Hinterkopf bohrten trommelnde Schmerzen. Er brauchte sich nicht mehr auf den Semibioten zu konzentrieren. Seine Sondersinne arbeiteten jetzt instinktiv. Der Hinterkopf Frank Foundets brach auf. Die schwarze-zuckende Masse floh mit wirbelnden Kontaktarmen aus dem Kopf. Rex Corda trat zu. Knirschend zerging die teuflische Maschinerie der Orathonen, die halb aus lebender, halb aus toter Substanz bestand. Frank Foundet schlug die dürren Hände vor das Gesicht. „Ich konnte nicht anders, Sir", keuchte er kraftlos. „Ich wollte nicht schießen, aber es wollte mich zwingen." Corda reichte ihm die Hand und half ihm beim Aufstehen. „Machen Sie sich keine Sorgen, Foundet. Es ist nichts weiter geschehen." Jetzt bückte er sich nach der ReelingGun und nahm sie auf. „Wie kommt es, daß die Orathonen Sie mit einer laktonischen Waffe ausrüsteten?" fragte er. „Woher wissen Sie, daß es Orathonen sind, Sir?" „Ich vermute es nur." „Aber Sie haben recht", nickte Foundet. Dankbar nahm er das Glas Wasser entgegen, das ihm der Neger reichte. Er trank es in einem Zuge aus. „Die Waffe habe ich den Laktonen abgenommen. Sie gehört mir. Es war ein Geschäft." Er lächelte und bat Corda in ein anderes, nicht zerstörtes Zimmer. „Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mich von dem Semibioten befreit haben", sagte er. „Ich habe geglaubt, daß die Oratho-
nen inzwischen wüßten, daß sie mich mit Semibioten nicht bekämpfen können", versetzte Corda nachdenklich. Er fragte sich, warum die Orathonen sie dennoch eingesetzt hatten. „Ich weiß nicht, Sir, ob Sie darüber informiert sind, daß ich der Kontaktmann von Professor Clifton in England war", begann Foundet mit seinem Bericht. „Ich habe häufig dort zu tun. Seit langem arbeite ich für den Geheimdienst. In diesem Falle wäre es mir fast gelungen, das Vorhaben der Orathonen zu durchkreuzen. Fast — leider!" Er berichtete jetzt mit kurzen, prägnanten Worten, was in London im Hause des Bankiers Flemming vorgefallen war. Es war nicht sehr viel, weil er nicht viel wußte, aber es half Corda entscheidend weiter. Er erteilte den Agenten den Befehl, die Namen der beeinflußten Manager an Diamidow weiterzugeben. Der für alle Sicherheitsprobleme der Erde verantwortliche Russe sollte alle Manager in Schutzhaft nehmen, die im Hause Flemmings gewesen waren. Corda bediente sich der Kommunikationsmöglichkeiten, die die Villa des Industriellen bot, um weltweite Gegenaktionen gegen die Orathonen einzuleiten. Er empfahl der Weltbank, alle Börsen der Erde für einige Tage zu schließen. Der Industrielle Frank Foundet bot ihm einen seiner großen TransatlantikSonnengleiter an, mit denen England in etwa anderthalb Stunden erreicht werden konnte. Rex Corda nahm Verbindung mit Boyd Clifton, dem Sicherheitschef, auf und beorderte ihn nach Richmond. „Ich möchte Sie dabei haben, wenn wir das Nest in London ausheben!" sagte er. „Teilen Sie Ihrer Schwesterorganisation in England mit, daß wir kommen." Rex Corda gab Frank Foundet, dem
Industriellen, jetzt die Reeling-Gun zurück, die er immer noch in den Händen trug. „Verzeihung, Mr. Foundet, das hatte ich vergessen. Jetzt kann ich sie Ihnen ja wohl geben. Ich hoffe, Sie werden nicht noch einmal auf mich schießen wollen", lächelte Corda. * Cecil Flemming verfolgte die Ereignisse um ihn herum wie im Traum. Ein Schleier schien ihn von der Wirklichkeit zu trennen. Er folgte den Befehlen der Featherheads unmittelbar, doch es war ihm, als ob er nicht er selbst sei. Seine eigensüchtigen Pläne hatte er vergessen. Er half den Orathonen, alle Spuren zu beseitigen, die darauf hinwiesen, daß sie in diesem Haus gewesen waren. Die Bankgeschäfte liefen ungestört weiter. Cecil Flemming verstand es hervorragend, die Beamten vom Sicherheitsdienst, die Auskünfte über die Goldtransaktionen haben wollten, zu täuschen. Er konnte ihnen mit gefälschten Unterlagen nachweisen, daß er nicht an ihnen beteiligt gewesen war. Jetzt stand der fette Mann mit den Frettchenaugen im Keller und beobachtete die Gefiederten, die ihre Geräte in den Transmitter schoben. Cecil Flemming dachte nicht daran zu fragen, warum seine Herren diesen Stützpunkt räumten. Innerhalb von einer halben Stunde war der Keller geräumt. Alle Bronzeroboter waren durch den Transmitter verschwunden. Jetzt traten auch die Orathonen in das flammende Feld und verschwanden. Nur ein Featherhead blieb noch! Es war der Orathone, der seit den Tagen der Invasion im Hause Cecil Flemmings lebte. Jetzt kam der Orathone zu dem Bankier. Cecil Flemming rückte seine randlose Brille zurecht und blinzelte. In
den Augenlidern des Orathonen bewegten sich die farbigen Muster. „Sie bleiben allein zurück, Flemming", sagte der Orathone. Der Bankier verstand die Worte genau, obwohl der Featherhead orathonisch sprach. „Wenn Sie eine Gefahr bemerken, dann gehen Sie zum Transmitter. Sie drücken den roten Knopf. Der Transmitter wird sich einschalten. Dann drücken Sie diesen weißen Knopf und steigen durch das Transmissionsfeld. Der Transmitter wird Sie zu unserer Zentrale bringen. Nachrichten von uns erhalten Sie direkt durch den Transmitter." Der Orathone drehte sich um und stieg in das flirrende Energiefeld, das ihn verschluckte. Der Transmitter schaltete sich zwei Sekunden später ab. Hohl und schwarz gähnte Flemming der Schlund des Gerätes entgegen. Der Fette drehte sich um und kletterte ächzend die Stufen zu seiner Wohnung hinauf. Er ging in sein Büro. Die Bank schloß zur Mittagspause. Die Angestellten verließen das Gebäude. Cecil Flemming war allein mit dem Diener, der ihn bei seinen teuflischen Plänen unterstützt hatte. Auch der Diener stand jetzt in der Gewalt des Semibioten. Flemming trat an das hohe Fenster. Er zuckte zusammen, als er die Gleiter sah, die auf der anderen Straßenseite landeten. Gleich im ersten dieser Sonnengleiter saß einer jener Männer, die ihn über die Goldtransaktionen vernommen hatten. In diesem Augenblick wußte Flemming, daß der Geheimdienst den Weg des Goldes bis in sein Haus zurückverfolgen konnte. Er eilte schnaufend aus seinem Büro und flüchtete in die Schlafzimmer hinüber. Gerade in diesem Augenblick landeten zwei Gleiter in seinem Garten. Flemming eilte in die Bibliothek hinüber. Als er durch das Fenster auf den
Parkplatz sah, fiel ihm auf, daß mehrere zivil gekleidete Männer andere Männer, die zu ihren Gleitern wollten, zurückdrängten. Das sagte ihm genug. Er wußte, daß es vorbei war! Er mußte den Orathonen folgen! Cecil Flemming zerrte sich die beklemmende Krawatte herunter und warf sie achtlos auf den Boden, während er in den Keller zurückeilte. Wie ein geducktes Ungeheuer hockte der orathonische Transmitter auf dem Boden des Kellers. Gierig gähnte der schwarze Schlund. Cecil Flemming tat, wie ihm der Orathone geheißen. Er drückte erst den roten und dann den weißen Knopf. Doch der Effekt war nicht ganz so, wie Cecil Flemming es erwartet hatte. Das Transmitterfeld baute sich sofort auf. Doch als der Verräter den weißen Knopf drückte, schossen krachende Blitze aus dem Transmitter, Blitze, die mit verheerender Wucht alles vernichteten, was ihnen im Weg war. Cecil Flemming war ihnen im Wege. * Kim Corda erwachte mit bohrenden Kopfschmerzen. Seine Beinmuskeln begannen zu zucken. Kim fühlte, daß die Hacken immer wieder gegen harte Kanten schlugen. Er versuchte, die Muskeln zu beruhigen. Es gelang ihm erst sehr langsam. Er richtete sich auf und sah sich um. Er lag auf einer Metallplatte, die vor einer komplizierten Computerwand schwebte. Die zahlreichen Kontrollund Anzeigegeräte deuteten Kim an, daß er einen Computer vor sich hatte. Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Er war aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht, als die Orathonen ihn in das Dunkel geschoben hatten. Wenig später hatte sich etwas Spitzes in seinen Kopf
gebohrt. Hatten sie nicht Fragen gestellt? Er drehte sich um und ließ die Beine über die Kante des Metallbrettes baumeln. Eine Tür ging auf. Ein kleiner massiger Orathone kam herein. Die dunklen Federn lagen eng wie ein Helm am Kopf. Er winkte Kim. Der Junge biß sich auf die Lippen und ließ sich unwillig auf den Boden herabgleiten. Er bohrte die Hände in die Hosentaschen und stakste langsam auf den Gefiederten zu. Der Fremde kam ihm entgegen. Er packte Kims Arm und zerrte den Jungen mit sich aus dem Raum. Sie kamen in einen kleineren Raum, in dem zwölf grünhäutige Featherheads warteten. Kim sah auch zwei Bronzeroboter, die mit stoischer Miene an der Wand lehnten. Ein Orathone, dessen Federn stumpfgrau waren und der sehr alt aussah, beugte sich vor. Er hielt einen langen Plastikstreifen in den grünen Fingern. „Du bist der Bruder des Terra-Präsidenten Rex Corda", stellte der Orathone fest. Kim nickte zögernd. Er zog den Kopf ein wenig zwischen die Schultern und schielte nach den anderen Featherheads hinüber. Sie starrten alle auf ihn. Ihre Blicke waren kalt und abweisend. „Was geschieht in der Forschungsstation von Rimson?" fragte der Orathone mit den stumpfgrauen Federn. Kim hob die Achseln und blinzelte unsicher. „Ich habe keine Ahnung", maulte er. „Was wollen Sie eigentlich von mir? Ich ... ich hatte mich verlaufen und ... und ... da kam ich in die Höhle. Ich ..." Der Stumpfgraue unterbrach ihn. „Das interessiert uns nicht. Wir haben zahlreiche Andeutungen aus deinem Wissen entnehmen können, aber es ergibt noch keinen Sinn. Etwas fehlt
noch. Erzähle!" Kim sah auf den Boden und scharrte überlegend mit den Füßen. Er wußte nicht, was er machen sollte. Auf gar keinen Fall wollte er den Gefiederten noch mehr Informationen geben. „Sie haben ja da oben bei mir rumgebohrt", sagte er. Auf dem Tisch stand ein kleines Gerät, das seine Worte übersetzte. Das geschah so schnell, daß es dem Jungen kaum auffiel. „Mehr weiß ich nicht, mehr kann ich Ihnen nicht sagen." Der Graue erhob sich. „Dann werden wir uns selbst ein wenig dort umsehen", beschloß er. Kim hörte die Worte nicht. Er sah, daß die Tür ihm gegenüber für einen Augenblick unbewacht war. Der Roboter, der dort gestanden hatte, war zu dem Orathonen mit den stumpfgrauen Federn gegangen und reichte ihm etwas hin. Kim überlegte nicht lange. Er nahm die Hände aus den Hosentaschen, rannte blitzschnell an dem Orathonen vorbei, der ihn gebracht hatte, stieß die Tür auf und lief aus dem Raum. Er stieß einen kleinen Schrei aus, als er am Ende des Raumes, der sich vor ihm auftat, eine weitere Tür entdeckte. Diese Tür aber hatte einen transparenten Einsatz, durch den Kim eine wüstenartige Landschaft sehen konnte. Hinter sich hörte er die schnellen Schritte seiner Verfolger. Sie riefen etwas, aber er verstand es nicht, weil der elektronische Dolmetscher zu weit von ihm entfernt war. Kim rannte um kompliziert aussehende Maschinenblökke herum. Blinkende Instrumente zeigten an, daß die Maschinen arbeiteten. An der Tür war kein Griff, aber es gab eine graue Stelle in halber Höhe, dort, wo auch ein Orathone mühelos hingreifen konnte. Kim stieß die Hand gegen den Fleck. Die Tür wich zurück. Der Junge sprang in einen kleinen
Raum. Vor ihm erhob sich noch eine Tür aus volltransparentem Material. Auch hier war die graue Stelle. Kim preßte die Hand dagegen. Aber die Tür öffnete sich nicht! Gehetzt sah er über die Schulter zurück. Drei Roboter und der Orathone, der ihn zu dem Stumpfgrauen geführt hatte, kamen rasend schnell näher. Kim schlug die Tür hinter sich zu. Durch das glasartige Material konnte er die steppengleiche Landschaft sehen. Er stutzte. Die Vegetation hatte eine grau-rote Farbe. Er sah fast nur Flechten, die sich eng an den rötlichen Wüstenboden preßten. Doch Kim blieb keine Zeit für lange Überlegungen. Er suchte nach einer Sperre, die er aufheben mußte, um die Tür zu öffnen. Ungeheuer viel geschah in den Bruchteilen von Sekunden. Plötzlich entdeckte Kim es. Es war nur ein kleiner gelber Knopf, der genau über der Tür leuchtete. Die Tür war nicht hoch. Wenn er sich reckte, konnte er es schaffen. Kim reckte sich nicht. Wie eine Katze sprang er, um es schneller zu schaffen. Er mußte hier weg! Es klickte deutlich. Kims Hand zuckte zu dem grauen Fleck an der Tür. Doch die Hand erreichte ihn nicht mehr. Eine bronzene Roboterhand glitt über seinen Kopf hinweg zu dem gelben Knopf. Es klickte erneut. Gleichzeitig griff eine grüne Orathonenhand nach seinem Arm und hielt ihn fest. Der Griff war so hart, daß Kim vor Schmerz die Luft anhielt. „O Mann", keuchte Kim, „Sie brechen mir ja den Arm!" Der Orathone schleppte ihn brutal von der Tür weg. Erst als Kim nicht mehr weglaufen konnte, ließ er ihn los. Er lächelte nicht. Er sah auch nicht zornig aus. Er zeigte keine Erregung. Er sah gleichmütig und unbeteiligt aus.
Kalt und beherrscht. Auf seiner breiten Brust baumelte ein elektronischer Übersetzer. „Es ist besser, wenn du das nicht noch einmal versuchst", kam es aus dem Gerät. „Die Luft auf diesem Planeten ist so dünn, daß du schon nach ein paar Minuten erstickt wärst." Kim Corda drehte sich langsam um und sah durch die Tür hinaus. Er bemerkte ein zerbrechliches Tier, das auf dünnen Beinen an der Tür vorbeilief. Das Tier war so klein wie ein Rehkitz, aber es sah aus. als wenn es viel, viel leichter war. Erst jetzt erfaßte der Junge wirklich, daß er die Erde zum zweitenmal verlassen hatte. Zum zweitenmal unfreiwillig. „Wo bin ich?" fragte er. „Wie heißt dieser Planet?" Der Oralhone antwortete nicht. Die Roboter schwiegen. * Als Boyd Clifton, der Sicherheitschef, eintraf, kam der Videoruf aus London für Rex Corda. Der Präsident hielt sich noch immer im Kommunikationszentrum der Villa auf und videophonierte mit NORAD. Er unterbrach das Gespräch dann jedoch sofort. Der Videophonruf kam vom Sicherheitsbüro London. Ein rothaariger Engländer war am Apparat. Er grüßte betont höflich, als er sah, daß er mit dem Präsidenten selbst sprach. „Sir, es ist uns nicht gelungen, den Bankier Cecil Flemming zu verhaften. Als wir das Haus eingekesselt hatten, gab es plötzlich eine Explosion. Der größte Teil des Hauses wurde völlig zerstört. Nur der Abschnitt, in dem die Bankräume waren, steht noch. Der Rest ist praktisch vernichtet. Es steht kein Stein mehr auf dem anderen. Die Ex-
plosion muß in einem der Kellerräume stattgefunden haben. Die Zerstörungen sind so groß, daß nichts mehr geborgen werden konnte", berichtete der Engländer. „Sind Menschenleben zu beklagen?" fragte Corda. „Es kann nur Flemming selbst dabei umgekommen sein. Soweit wir wissen, war er als einziger im Haus." „Versuchen Sie, irgend etwas zu finden, was uns weiterhelfen könnte." Als Boyd Clifton, der Sicherheitschef, in den Raum kam, teilte Corda ihm mit, daß es keinen Sinn mehr hatte, nach England zu fliegen. „Ich werde jetzt mit Ihnen zusammen nach meinem Bruder suchen", erklärte Corda. Als Clifton einen Einwand erheben wollte, wischte Corda ihn mit einer einzigen Geste zur Seite. Als sie zu den Gleitern vor der Villa gingen, meldete sich einer der Sekretäre bei Corda und teilte ihm mit, daß es der „Walter Beckett" gelungen war, ein kleines laktonisches Beiboot zu bergen. Das Raumschiff sollte nur verhältnismäßig geringe Beschädigungen aufweisen. Corda nahm die Nachricht mit Erleichterung zur Kenntnis. Jedes Raumschiff, das geborgen werden konnte, war von unermeßlichem Wert für Terra. Auch wenn es sehr klein war. Es kam Corda keineswegs auf die Kampfkraft an, sondern auf Transportmittel. Wenig später stiegen die Gleiter auf. Mit hoher Geschwindigkeit gingen sie auf Kurs Fort Zero. Boyd Clifton und Sir Walter Battensmith waren im Sonnengleiter Rex Cordas. „Clifton", sagte Rex Corda. „Bitte, veranlassen Sie, daß überall auf der Erde nach Kavernen gesucht wird. Die Orathonen haben überall ihre Fabrikschiffe stehen gehabt. Es muß sehr viele dieser Kavernen geben. Wir können sie sehr gut gebrauchen. Vermutlich sind
sie wirtschaftlich sehr gut nutzbar." Clifton nickte und notierte sich den Befehl. „Ich verstehe nicht ganz", warf Battensmith ein. „Sir — Produktionsanlagen in den Kavernen sind praktisch unangreifbar", erklärte Corda. „Wir müssen immer mit einem Angriff von außen rechnen. Im Notfall bieten diese Kavernen hervorragende Unterkunftsmöglichkeiten für die Zivilbevölkerung." Sir Walter nickte. Er hatte verstanden. Eine halbe Stunde später setzte der Regierungsgleiter Cordas neben dem Sonnengleiter auf, mit dem Kim geflogen war. Als Corda ausstieg, war es wieder da. Vor seinen Augen flimmerte es plötzlich. Ein Ruf hallte durch seinen Kopf. „Wabash!" flüsterte Corda. Er konzentrierte sich auf den Delphin. Und jetzt bekam er den ersehnten Kontakt. „Die Fremden von den Sternen sind hier", wisperte es in ihm. „Es ist ein Tor da, das zu den Sternen führt." Ich danke dir, Wabash, dachte Corda. Ein freundlicher Gedanke wehte zu ihm herauf. Corda wußte, daß der Delphin unter ihm war. Er wußte auch, daß er die Zentrale gefunden hatte, von der aus die Orathonen ihre Aktion leiteten. Ich suche meinen Bruder, Wabash, riefen Cordas Gedanken, doch es kam keine Antwort mehr. Corda sah auf. Boyd Clifton und Sir Walter Battensmith standen vor ihm und musterten ihn mit besorgt gerunzelten Stirnen. Corda lächelte. In seinen blauen Augen blitzte es auf. „Machen Sie sich keine Sorgen! Ich hatte telepathischen Kontakt mit Wabash, dem Delphin! Er ist unter uns. Das bedeutet, daß es eine Kaverne unter uns gibt. Die Orathonen haben uns also getäuscht. Dann sind sie wirklich da unten. Der Delphin teilte es mir mit",
erklärte er. „Und — Kim?" fragte Clifton. Corda zuckte die Achseln. „Wabash antwortet nicht mehr." Er ging zu der Agentengruppe hinüber, die vor dem Trichter stand. Clifton und Sir Walter folgten ihm. Zahlreiche Sonnengleiter der Nachrichtenorganisationen parkten auf dem Feld. Uniformierte Beamte schirmten das Gebiet ab. Als Corda herankam, teilte sich die Gruppe der Agenten und gab den Blick auf den Schacht frei. Mehrere starke Kunststoffstricke liefen in das Loch. „Wie weit sind Sie?" „Einer unserer Leute ist gerade eben unten angekommen", berichtete ein Agent, der sich als Leutnant Clint vorstellte. „Er teilte uns gerade mit, daß es wirklich eine Kaverne dort unten gibt. Sie steht unter Wasser." „Clifton, wir steigen ebenfalls hinab. Wir benötigen vor allem Waffen und laktonische Kampfanzüge. Ich glaube, es wird genügen, wenn vierzig Mann nach unten gehen." Er wandte sich an den Leutnant. „Clint, sagen Sie Ihrem Kollegen dort unten, er soll auf uns warten." Clint gab den Befehl sofort an die Nachrichtenzentrale weiter. Boyd Clifton trat an Corda heran. „Sir, ich protestiere gegen Ihre Teilnahme. Es ist nicht notwendig, daß Sie hinuntergehen." „Professor — mein Bruder ist dort unten. Und ich hole ihn heraus." Clifton sah in das lächelnde Gesicht Rex Cordas. Er erkannte den eisernen Willen, der hinter den blauen, durchdringenden Augen stand. Er nickte. „Dann bestehe ich darauf, daß mehr als vierzig Mann in die Kaverne hinabgehen. Wir haben es mit einem gefährlichen und absolut überlegenen Gegner zu tun. Ich schlage vor, daß wir mit den vierzig Mann einen Stoßtrupp bilden. Uns sollen weitere hundert Mann
folgen, die uns unterstützen können." „Richten Sie das ein, Clifton", stimmte Corda zu. Einige Agenten schleppten die laktonischen Kampfanzüge herbei. Sie gehörten zu den Spezialitäten, die Boyd Clifton sich für den Einsatzgleiter reserviert hatte. Es handelte sich um außerordentlich widerstandsfähige Raumanzüge der Laktonen. Ein großer Teil von den der Erde zur Verfügung stehenden Anzügen war von den Laktonen geliefert worden. Mehr als die Hälfte waren jedoch Beutestücke, die die Terraner im Raum über der Erde geborgen hatten, wo die Schlacht zwischen Orathon und Lakton getobt hatte. Der Professor, der an der Spitze der Abwehrorganisation stand, konnte nur sechsunddreißig Raumanzüge aufbieten. Corda beschloß darauf, daß der Stoßtrupp aus ebenso vielen Männern bestehen sollte. Rex Corda ließ sich als erster an den Kunststoffseilen in den Schacht hinab. Die starke Halogenlampe an seinem Transparenthelm leuchtete den Schacht gut aus. Der Agent, der als erster hinabgegangen war, empfing Corda. Der Präsident begrüßte ihn mit einem knappen Händedruck. „Sehen Sie sich das an, Sir", sagte der Agent. Er wies auf das dunkle Wasser, das sie umgab. Corda hielt überrascht den Atem an, als er die Rückenfinnen von zahlreichen Delphinen entdeckte. „Es scheint hier von diesen Fischen zu wimmeln." „Freundchen, Delphine sind keine Fische", sagte Corda. „Lassen Sie nur Wabash nicht hören, was Sie da eben gesagt haben." Der Agent musterte ihn verdutzt. „Wabash?" Corda antwortete nicht. Er nickte nur und ging langsam zu dem Felssteg hinüber, der tiefer in die Kaverne führte.
Langsam schwammen die Delphine an seiner Seite. Sie zogen als geschlossene Schule am Steg entlang, tiefer in die Kaverne hinein. Corda faßte das als Hinweis auf. Er wäre am liebsten sofort losgegangen. Er mußte warten. Eine halbe Stunde verstrich, bis der Stoßtrupp zusammengestellt war. Niemand sprach. Corda hatte absolute Funkstille angeordnet. Er ging voran, obwohl Boyd Clifton protestiert hatte. In den Händen trug er eine schwere laktonische Reeling-Gun. Er wußte nicht mehr, woher diese Waffe ihren Namen bekommen hatte. Der laktonische Name war anders. Er kannte ihn nur ungefähr. Es war schwierig, ihn auszusprechen. Im Gürtel steckte noch ein laktonischer Strahler, eine kurze plumpe Waffe von hoher Vernichtungskraft. Die anderen trugen ebenfalls alle zwei Waffen, doch die wenigsten hatten eine Reeling-Gun. Terra hatte nur sehr wenige dieser Waffen bekommen können. Eine vereinbarte größere Waffenlieferung von den Laktonen stand noch aus. Die Delphine blieben neben ihnen. Nur Wabash tauchte nicht auf. Er ließ auch nichts von sich hören, er nahm keinen telepathischen Kontakt auf. Corda begann, sich Sorgen um den intelligenten Delphin zu machen, der ihm schon so oft geholfen hatte. * Ca Rango kehrte durch den Transmitter in die Kaverne zurück. Als erstes erfuhr er, daß Cecil Flemming tot war. Es berührte ihn nicht sonderlich. Er erteilte einem Bronzeroboter den Befehl, in die Forschungsstation Will Rimsons einzudringen, um herauszubekommen, wonach der Wissenschaftler suchte. Er informierte den Roboter darüber, daß das Problem von größter Wichtigkeit sein mußte, da sich sonst die Lakto-
nen nicht die Mühe machen würden, sich in die Station einzuschleichen. „Besorge dir die Kleidung eines Terraners. Du wirst dann nicht sehr auffallen, wenn du vorsichtig bist." Der Bronzeroboter war mit Antigravitationsmechanismen ausgestattet, die es ihm erlaubten, sich unabhängig von der Schwerkraft zu bewegen. Ein Impuls genügte, um die komplizierten Mechanismen in Bewegung zu setzen. Der Roboter hob federleicht vom Boden ab. Er legte den Kopf leicht in den Nacken, um sich besser orientieren zu können, und schwebte in den Schacht hinein, durch den Ca Rango kurz nach der Landung gekommen war. Sehr vorsichtig erhob sich der Roboter aus der Öffnung. Als er niemanden in der Nähe entdeckte, glitt er lautlos in den Schacht. Er verschwand unter den Bäumen. Er blieb so lange in Deckung, bis er ganz sicher war, daß er nicht entdeckt worden war. Dann schaltete er die Antigravitationsmechanismen hoch. Wie eine Rakete schoß er steil in den dunstigen Himmel hinauf. Hätte ihn jemand zufällig beobachtet, er hätte wohl kaum mehr als einen huschenden Schatten gesehen. In den Wolken fühlte der Roboter sich in Sicherheit. Er lenkte seinen Flug in nordwestlicher Richtung und veränderte die Kraftlinien seines Antigravs. Er konnte seine Geschwindigkeit weiter steigern. Seine empfindlichen Instrumente suchten ständig nach Ortungsimpulsen. Es kamen keine. Ca Rango empfing schon bald die kurze Bestätigung, daß der erste Aktionsabschnitt in seinem Plan funktioniert hatte. Er reagierte kaum auf die Bestätigung. Er hatte nichts anderes erwartet. Er rief einen der Orathonen zu sich. „Was haben Sie getan, um weitere Zwischenfälle zu vermeiden?" forschte
er mit scharfer Stimme. „Wir bereiten Ortungsgeräte vor, mit denen wir die Kaverne absichern wollen. Niemand wird unentdeckt so nahe herankommen können wie der Junge." Ca Rango sah auf seine Uhr. „Wir haben schon viel Zeit verloren. Die Terraner könnten uns auf die Spur kommen. Es ist wichtig, daß Sie sich beeilen!" betonte er. Einer der Roboter rief etwas. Er kam mit mehreren kugelförmigen Geräten herbei. Der Orathone lächelte erleichtert. „Wir sind schon soweit." „Bringen Sie auch Geräte ins Wasser. Ich möchte dagegen gesichert sein, daß die Terraner — mit Raumanzügen gesichert — uns unter Wasser angreifen." * Der Felssteg senkte sich herab und verschwand im Wasser. Die Delphine schwammen vor den Füßen Rex Cordas vorbei zur linken Seite hinüber. Corda zögerte nur ganz kurz, dann ging er weiter. Er vergewisserte sich, daß der Raumanzug geschlossen war. Der Fels fiel sehr schnell ab. Nach fünf Schritten reichte Corda das Wasser schon bis an die Brust. Er tastete sich vorsichtig weiter. Direkt neben ihm tauchten die Delphine auf. Sie begleiteten ihn rechts und links. Schweigend und hilfsbereit. Die intelligenten Tiere zeigten ihm den Weg. Rex Corda staunte. Der Einfluß Wabashs auf die anderen Delphine der Schule war überraschend groß. Ohne seine Anleitung hätten sie wahrscheinlich nicht geholfen. Der Steg fiel tiefer und tiefer ab. Corda tauchte ganz unter. Das Versorgungssystem des Raumanzuges beatmete ihn ausreichend. Das Licht erhellte das Wasser jedoch nur höchst unzureichend. Neben sich sah Corda die
eleganten, geschmeidigen Leiber der Delphine. Er blieb unwillkürlich stehen, als der weiße Delphin plötzlich vor ihm erschien. Er lächelte. Wabash sah ihn freundlich an. Die geschwungenen Lippen des Delphins gaben ihm ein freundliches Aussehen. Wabash schien ständig zu schmunzeln. Rex Corda glaubte einen ausgeprägten Ausdruck von Humor in dem Gesicht des Delphins zu sehen. Hallo, Wabash, dachte er. Hallo, Freund, kam es zurück. Es ist gut, daß du mit deinen Freunden zu mir kommst. Dein Bruder ist bei den Männern von den Sternen mit der grünen Haut. Das hättest du mir auch früher sagen können. Ein bißchen Spaß muß sein. War nicht ein Lachen in diesen Worten? Wabash peitschte das Wasser mit seinem kräftigen Schwanz. Blitzschnell schoß er an Corda vorbei. Ich werde die Fremden beobachten, rief er Corda telepathisch zu. Rex Corda watete weiter durch das Wasser. Die Raumanzüge waren so schwer, daß sie einen nur geringen Auftrieb hatten. Das Gehen unter Wasser war mühsam. Nicht lange, dann stieg der Fels wieder an. Die Männer konnten wenigstens den Kopf über Wasser erheben. Die Delphine blieben auch jetzt bei ihnen. Das Licht von den Helmen leuchtete die Kaverne gespenstisch aus. * Wabash schlich sich bis unmittelbar an die Fremden heran. Der intelligente Delphin erschrak immer wieder vor der absoluten Kälte, mit der die Fremden dachten. Er verstand nicht alles, was sie dachten, aber vieles. Er begriff sehr bald, daß die Grünhäutigen die Möglichkeit in ihre Überlegungen mit-
einberechneten. daß noch mehr Terraner hier auftauchten. Sie brachten blitzende Instrumente auf dem Steg und an der Decke der Kaverne an. Aus den Gedanken des Orathonen erfuhr Wabash, daß die Geräte auf sich bewegendes Metall sofort ansprachen. Der Delphin verstand auf der Stelle, was damit gemeint war. Er überlegte, was er seinem Freund sagen könnte. Er schwamm ganz am Rande der Kaverne im Wasser. Er streckte den weißen Kopf heraus. Da er sich im Dunkeln aufhielt, entdeckten die Roboter und die Orathonen ihn nicht. Überrascht beobachtete er die Gestalten, die keine Gedanken hatten. Sie sahen metallen aus. Wabash wußte ja nicht, was Roboter waren. Sonst hätte er diesen Gestalten nicht so viel Beachtung geschenkt. Die Roboter interessierten ihn vor allem deshalb, weil sie fliegen konnten, ohne sich zu bewegen. Das verblüffte ihn. Eine dieser Metallgestalten bekam von einem der Gefiederten den Befehl, die Kaverne abzusuchen. Er sollte auch nach dem Featherhead suchen, der in der Kaverne verschollen war. Wabash stieß den Atem lautlos aus, atmete tief ein und glitt unter dem Wasser schnell dahin. Er schwamm weiter von den Orathonen weg und wartete. Er lauschte auf die Gedanken seines Freundes, der sich rasch näherte. Er mußte etwas tun, um zu verhindern, daß der Metallene seinen Freund fand. Er legte sich auf die Lauer und wartete, bis der Roboter über den Felssteg kam. Der Steg war schmal, kaum zwei Meter breit. Wabash wartete ab, bis er noch etwas schmaler wurde. Dann zog er einen weiten Kreis unter Wasser, orientierte sich noch einmal kurz, wo der Bronzene war, und dann jagte er auf ihn zu. Der kräftige Schwanz wirbelte durch das Wasser. Der Delphin beschleunigte
rasend schnell. Kurz vor dem Steg schoß er wie ein Pfeil aus dem Wasser. Er flog über den Steg hinweg. Dicht an dem Roboter zischte der Delphin vorbei. Der Bronzene war nicht weitergegangen, wie Wabash erwartet hatte. Er hatte die energetische Ausstrahlung der sich nahenden Terraner geortet. Die empfindlichen Instrumente des Bronzenen sprachen auf den Energiefluß der kleinen Kraftquellen in den Raumanzügen der Terraner an. Dennoch hatte Wabash noch eine kleine Chance. Während der Waffendrehkranz des Roboters auf jaulte und der winzige Hitzeprojektor sich auf den weißen Delphin einstellte, peitschte die Schwanzflosse zur Seite. Der kräftige Schlag riß den Bronzenen von den Beinen und schleuderte ihn ins Wasser. Wabash befand sich bereits auf der Flucht, als der Roboter mit dumpfer Explosion verging. Die Druckwellen jedoch erreichten den Delphin. Sie waren so hart, daß er das Bewußtsei für einige Sekunden verlor. * Corda blieb stehen, als er die Druckwellen der Explosion fühlte. Fast gleichzeitig entdeckte er den Lichthauch in der Ferne. Er schaltete seinen Helmscheinwerfer aus. Die anderen Männer folgten sofort seinem Beispiel. Corda fühlte, daß die Delphine ganz plötzlich von seiner Seite verschwanden. Er griff nach hinten. Er fühlte den Raumanzug Boyd Cliftons. Er tippte ihm auf den Arm, um ihm zu zeigen, daß es soweit war. Er hoffte, daß die Waffen, die Clifton ihm gegeben hatte, wirklich so unempfindlich gegen Wasser waren, wie Clifton behauptet hatte. Er tastete sich weiter vor. Der Fels-
boden stieg jetzt rasch an. Nach dreißig Schritten hatte Corda das Wasser verlassen. Neben ihm rauschte und plätscherte es leise. Er schaltete seinen Scheinwerfer kurz an. Die Delphine waren wieder neben ihm. Auch Wabash war dabei. Aber die anderen Delphine stützten ihn und hoben sein Atemloch über die Wasseroberfläche hinaus. Wabash? Es dauerte lange, bis der Delphin antwortete. Er strahlte seine telepathische Sendung erst aus, als er sich unabhängig von den anderen bewegen konnte. Sie erwarten euch, verriet der Delphin. Seine Gedanken drängten sich in das Bewußtsein Rex Cordas. Der Präsident, dessen mutiertes Gehirn als einziges für die Sendung Wabashs empfindlich war, erfuhr sehr schnell, was der weiße Delphin beobachtet hatte. Er öffnete seinen Raumhelm und berichtete Boyd Clifton, was er erfahren hatte. Wabash schnellte sich aus dem Wasser. Ihr müßt mit uns kommen, sendete er. Corda verstand ihn zunächst nicht, doch dann begeisterte er sich schnell für den Vorschlag des Delphins. Ich muß den Weg freimachen, rief Wabash. Corda sah, wie der Delphin wendete und dann sehr schnell in Richtung des Lichtschimmers verschwand. Wabash glitt lautlos durch die Kaverne. Er verharrte kurz bei dem Roboter, der auf dem Grund lag. Sein Brustteil war aufgebrochen, als der Wassereinbruch die Explosion auslöste. Jetzt begriff der Delphin sofort, daß er nur eine Maschine vor sich hatte. Damit gewann er seine Selbstsicherheit wieder. Bald fiel der helle Schimmer der
starken Lampen ins Wasser. Wabash wagte nicht mehr, den Kopf über das Wasser hinauszuheben. Die Entdekkungsgefahr war zu groß. Er suchte das Gerät, das die Gefiederten ins Wasser gelegt hatten, um Corda den Unterwassergang unmöglich zu machen. Wabash fand das Ortungsgerät sehr bald. Es lag frei auf dem Grund. Vorsichtig stieß Wabash es an. Cordas besorgte Gedanken waren ihm noch in Erinnerung. Doch das Gerät reagierte nicht auf seine Berührung. Wabash nahm es vorsichtig ins Maul, hob es hoch und schwamm dicht an der abgrenzenden Wand der Kaverne entlang. Er glitt an der Station der Orathonen vorbei, tiefer in die Kaverne hinein. Er schwamm mehrere hundert Meter über die Station der Gefiederten hinaus und legte das kugelförmige Gerät dann in die Felsspalte. Er hoffte, daß es die Olivgrünen jetzt nicht mehr vor der Ankunft Cordas warnen konnte. Dann kehrte er zurück. Er fand die Männer wartend vor. Sie überprüften ihre Waffen, wie ihre Gedanken verrieten. Rex Corda und sechs andere Männer glitten sofort ins Wasser, als sie Wabash entdeckten. Corda griff nach der Rückenfinne des Delphins. Wabash tauchte bis dicht an den Grund heran. Dann steigerte er seine Geschwindigkeit. Rex Corda hatte Mühe, sich zu halten. Er hatte keine Zeit, sich nach den anderen umzudrehen. Es wäre auch zu dunkel gewesen. Er hätte sie nicht sehen können. Die sieben Männer erreichten die Insel der Orathonen in wenigen Minuten. Jetzt schwammen die Delphine sehr langsam. Sie schoben sich Meter für Meter lautlos an den Featherheads vorbei. Corda atmete auf, als das Wasser wieder dunkel wurde.
Die Delphine tauchten auf. Sie schleppten die Männer an das über das Wasser hinausragende Felsgestein heran. Corda kletterte hinauf. Er hielt den Lauf seiner Reeling-Gun nach unten, um das Wasser herauslaufen zu lassen. Die Orathonen befanden sich keine zweihundert Meter vor ihm. Hinter ihm befanden sich mehrere Ortungsgeräte. Wabash hatte beobachtet, daß auch auf dieser Seite welche angebracht wurden. Aber Corda befand sich nicht im Erfassungsbereich. Er hatte es gehofft, und er hatte recht behalten. Er schaltete sein Helmgerät ein und wartete. Unendlich langsam tropften die Sekunden dahin. Da kam ein Wispern aus den kleinen Lautsprechern neben seinen Ohren. „Clifton! Wir sind soweit!" „Corda! Angreifen!" Er schaltete jetzt nicht mehr ab. Er gab den anderen Männern einen Wink. Der Angriff begann. * Die Sichherheitsorgane der Forschungsstation, die südlich von Salt Lake City lag, hatten alle Räume peinlich genau durchsucht. Doch den Laktonen, der die Sabotageakte unternommen hatte, um das Vermächtnis Walter Bekketts an sich zu reißen, fanden sie nicht. Er war verschwunden, als habe ihn der Erdboden verschluckt. Will Rimson wagte es dennoch nicht, die Untersuchung der Ergebnisse fortzusetzen. Er wollte letzte Klarheit darüber haben, ob seine Arbeit von den Laktonen belauscht wurde oder nicht. Das war der Grund dafür, daß der von ihm so fieberhaft gesuchte Laktone zunächst aufgab. Er befand sich noch in der Forschungsstation Will Rimsons. Er hielt sich in einem Bezirk versteckt, den nie-
mand betreten durfte — in der großen Vakuumkammer, in der der Hauptteil des Computers lag. Es war ihm gelungen, zwei kleine Schleusen zu bauen, so daß er diesen Bezirk jederzeit verlassen und betreten konnte. Jetzt ging er zu der Schleuse am Ende der Vakuumkammer. Er zog es vor, sich für einige Zeit zurückzuziehen. Er hatte dennoch seine Vorkehrungen getroffen und einen Eingriff in den Computer vorgenommen. Er würde einen Rufimpuls ausstrahlen, falls Will Rimson seine Arbeit wieder aufnahm. Der Laktone prüfte besorgt seine geringen Sauerstoffvorräte. Er konnte ohnehin nicht mehr lange im Vakuum verbleiben. Er mußte seine Vorräte auffrischen. Seine Mission war gescheitert. Er stieg in die kleine Vakuumschleuse und pumpte sich voll Luft. Dann erst überprüfte er die elektronischen Anzeigen, die ihn im Falle einer nahenden Gefahr warnen sollten. Sie zeigten alle Blaulicht an. Keine Gefahr. Der Laktone stieß die Schleusentür auf. Es ging schwer, weil er sie mit felsigem Gestein tarnen mußte. Vorsichtig hob er den Kopf heraus. In der Ferne lag die Forschungsstation. Mehrere Gleiter stiegen in diesem Augenblick auf. Sie entfernten sich jedoch in anderer Richtung. Aufatmend stieg der Laktone aus der Schleuse. Er öffnete den Raumhelm. In diesem Augenblick entdeckte er den Bronzeroboter, der sich mit rasender Geschwindigkeit aus den Wolken herabstürzte. Auch der Roboter schien ihn bemerkt zu haben, denn er kam genau auf ihn zu. Blitzschnell riß der Laktone seinen Strahler hoch und feuerte. Der nadeldünne Glutstrahl zuckte gleißend hell zu dem Roboter hinauf. Doch die Energie zerplatzte am Schutzschirm des Ro-
boters. Der Laktone zerrte den MagnetSmash heraus, die Spezialwaffe Laktons gegen die Roboter Orathons. Die Waffe war bleistiftdünn und handlang. Als der Laktone den Abzugbügel durchriß, Schossen die winzigen Nadeln heraus. Sie durchschlugen den Schutzschirm des Roboters. Als die Nadeln auf das Metall prallten, versetzten sie dem Bronzenen harte Energieschocks. Blaue Flammenzungen krachten aus dem Kopf des Roboters, bevor dieser ganz auseinanderplatzte. Der Laktone wollte zur Seite springen, um nicht von dem abstürzenden Roboter erschlagen zu werden. Doch sein Fuß stieß gegen einen Stein. Er schaffte es nicht mehr. Die Trümmer schlugen dicht neben seinem Hals in die Schulter. Im Sturz sah der Laktone noch, daß sich mehrere Gleiter von der Forschungsstation her näherten. * Eine jaulende Sirene heulte auf. Die Orathonen stießen wütende Schreie aus. Einer von ihnen feuerte blind in das Dunkel hinein. Der Glutstrahl zischte röhrend über die angreifenden Männer hinweg. Die Bronzeroboter bewegten sich mit phantastischer Geschwindigkeit. Rex Corda sah, daß zwei von ihnen sich auf der gegenüberliegenden Seite in das Dunkel stürzten. An der Decke über den Orathonen flammten große Scheinwerfer auf. Sie rissen die angreifenden beiden Gruppen schlagartig in das Dunkel. Corda biß sich besorgt auf die Lippen. Der Angriff hätte nicht so früh entdeckt werden dürfen! Er sah, wie ein Bronzeroboter vorsprang. Der Waffendrehkranz an seinem Kopf blitzte auf. Rex Corda ließ sich
gedankenschnell fallen. Der Energiestoß brüllte flammend über ihn hinweg. Hinter Corda schrie einer der Männer auf. Rex Corda hob die Reeling-Gun auf, visierte den Roboter an und feuerte. Er jagte drei Feuerstöße in die Schutzschirme des Roboters. Er wußte, daß es unendlich schwer war, die Schutzfelder zu brechen. Er hatte Glück. Die Geschosse erzielten starke Vibrationen in den Schutzschirmen, die sich von Treffer zu Treffer steigerten. Der Bronzene ließ die Arme langsam sinken. Er taumelte. Corda feuerte weiter, als er den Effekt bemerkte. Der Schutzschirm flackerte sichtlich. Kleine blaue Funken sprühten um den metallenen Kopf des Roboters. Da plötzlich brach der Schutzschirm zusammen. Das nächste Taumelgeschoß prallte gegen die Brust des Bronzenen. Damit war es vorbei. Das Geschoß zerblies den Oberkörper des Roboters zu Staub. Corda sprang auf. Die anderen Männer stürmten hinter ihm auf die Orathonen zu. Drüben bei Boyd Clifton blitzten die Energiewaffen auf. Die Orathonen schrien. Jetzt entdeckte Rex Corda den Transmitter. Das Gerät war eingeschaltet. Zwei Bronzeroboter kamen kurz hintereinander aus dem Transmissionsfeld. „Zerstört den Transmitter!" rief Corda laut. Er selbst feuerte auf das Gerät, das den Orathonen den einzig möglichen Fluchtweg bot, doch die Geschosse aus der Reeling-Gun verfingen sich in den Schutzschirmen der Bronzeroboter. Sie hatten den Transmitter blitzschnell eingekreist. Ihre Schutzschirme verbanden sich zu einem undurchdringlichen Wall. Die Orathonen zogen sich zurück. Sie feuerten aus ihren Energiewaffen auf die Gruppe um Clifton Boyd.
Corda sah den felsigen Boden in der Dunkelheit aufglühen. Die Orathonen verzichteten darauf, die sich herankämpfenden Männer der zweiten Gruppe zu zerstrahlen. Sie feuerten in den Felsboden und ließen ihn glutflüssig aufbrodeln. Boyd Clifton mußte sich zurückziehen. Inzwischen kämpfte Rex Corda den Widerstand der Roboter nieder. Es gelang ihm in Zusammenarbeit mit den anderen Männern, zwei Roboter zu vernichten. Die Gegner standen sich jetzt in einem Abstand von wenigen Metern gegenüber. Jetzt verbot es sich von selbst, mit den Strahlerwaffen zu schießen. Die energetische Ausstrahlung mußte auf diesem Raum so groß sein, daß sich jeder Schütze selbst verbrennen würde. Die Orathonen warfen die Roboter zur Seite. Ihre harten Stimmen bellten scharfe Befehle. Rex Corda warf sich auf einen der Orathonen, der ihm am nächsten war, um ihn niederzuwerfen. Der Muskelkoloß fuhr blitzschnell herum. Eine grüne Faust krachte gegen das Kinn Cordas. Die Wand der Roboter öffnete sich. Die Bronzenen stürzten sich auf die angreifenden Agenten. Rex Corda taumelte benommen. Er konnte einem zweiten, vernichtenden Schlag gerade noch ausweichen. Doch er konnte nicht verhindern, daß der Orathone ihn hochriß. Dicht neben ihnen zerplatzte ein Roboter in dumpfer Explosion. Feine Splitterstücke ratschten Corda über den Nacken. Sein Raumhelm rüttelte in der Verankerung und flog unter der Wucht des Anpralls weg. Während er sich dem Orathonen entgegenwarf, um zu verhindern, daß er selber zu Boden geschleudert wurde, sah er, daß die Bronzenen die Agenten zurücktrieben. Doch in diesem Augenblick jagte es
pfeifend und schnatternd heran. Blitzende Delphinleiber schnellten sich aus dem Wasser. Corda sah, daß die Delphine den Landsteg in weitem Sprung überwanden, wobei sie versuchten, die Bronzenen ins Wasser zu werfen. Zwei Roboter konnten sie überrumpeln, die anderen wichen geschickt zurück. Aus den sirrenden Waffendrehsätzen im Kopf der Bronzenen schossen flammende Glutstrahlen. Zwei der Delphine starben mitten im Flug. Es gelang Rex Corda, den Orathonen am Handgelenk zu packen und ihn herumzureißen, doch dann stemmte der Gefiederte sich gegen den Schwung. Corda verlor das Gleichgewicht. Vor seinen Augen gähnte der flammende Schlund des Transmitters. Corda versuchte, den Sturz zu verhindern, er schaffte es nicht. Noch während er sich herumwarf, geriet er in den Transmitter. Ein hartes Prickeln überlief seinen Nacken. Corda versuchte, sich dem Sog zu entziehen. Auch das gelang ihm nicht. Schlagartig wurde es dunkel vor seinen Augen. Dann wechselte die Szene. Er war nicht mehr auf der Erde! * Eine dumpfe Explosion rollte durch die Kaverne. Boyd Clifton fühlte den Boden unter seinen Füßen erzittern. Zögernd blieb er stehen. „Clifton an Zentrale! Clifton an Zentrale!" rief er in das Mikrofon seines Sprechhelms, doch er erhielt keine Antwort. Die Energieausbrüche im Kampf mit den Orathonen überlagerten die Frequenzen mit zu starken Störfeldern. „Der Transmitter darf auf keinen Fall beschädigt werden!" brüllte Clifton in das Mikrofon. Sein Ruf kam an. Die anderen Agenten hatten verstanden. Nur wenige von ihnen hatten gesehen, daß
Corda in den Transmitter gefallen war. Aber sie schossen nicht mehr auf das Gerät. Die Orathonen drängten sie weiter und weiter zurück. Die Fremden begannen wieder mit den Strahlwaffen zu schießen. Die Temperaturen stiegen an. Die Angreifer konnten jetzt nur noch mit geschlossenen Raumanzügen operieren. Die Delphine hatten den Kampf aufgegeben. Es war zu gefährlich für sie geworden. Die Bronzeroboter reagierten so schnell, daß es kein Delphin mehr schaffte, den Felssteg zu überspringen. Da fegte es plötzlich heran. Boyd Clifton fuhr heftig herum, als er die aufflammenden Scheinwerfer bemerkte. Dutzende von Sonnengleitern rasten dicht über dem Wasser fliegend heran. Ihnen folgte eine mehrere Meter hohe Sturzwelle. Jetzt begriff Clifton, was die Explosion zu bedeuten hatte. Seine Männer hatten die verschüttete Kaverne aufgesprengt, um ihnen mit den schwerbewaffneten Gleitern zu Hilfe kommen zu können. Der Angriff der Orathonen stockte. Boyd Clifton stürmte auf den Transmitter zu. Seine Agenten begriffen, was er vorhatte. Sie folgten ihm. Auch von der anderen Seite näherten sich die Agenten wieder. Die Orathonen und die Roboter wurden zusammengetrieben. Ihr verbissenes Energiefeuer war jetzt nicht mehr wirksam genug. Plötzlich schnellte sich Wabash wieder über die Insel. Sein peitschender Schwanz fegte einen Orathonen ins Wasser. Da schäumte eine eiskalte Sturzwelle heran. Sie löschte die schwelende Felsglut und riß die kämpfenden Männer von den Beinen. Sie wirbelte die Bronzeroboter in die Tiefe der Kaverne hinein. Auch Boyd Clifton verlor den
Boden unter den Füßen. Inmitten der tobenden Gischt sah er das Transmittertor vor sich aufflammen. Er schrie auf. Seine Stimme hallte hohl in dem geschlossenen Raumhelm wider. Seine Hände krampften sich um den Rand des Transmitters, doch es riß ihn in das Feld hinein. Boyd Clifton war nicht der einzige, der in den Transmitter geschwemmt wurde. Die Flut folgte dem Sog des Transmissionsfeldes. Sie riß zahlreiche Agenten mit sich. In ihr vergingen auch die verbrannten Reste des im Strahlenfeuer tödlich verletzten Yps. * Rex Corda überwand die dumpfe Benommenheit, die ihn nach dem Fall in den Transmitter befallen hatte, sofort. Er warf sich herum, als er zwischen die Orathonen fiel, die sich bereit machten, durch die Transmitterverbindung bis zur Kaverne vorzustoßen. Sie kamen nicht dazu, ihren Freunden in der Kaverne zu helfen. Corda riß seinen Strahler aus dem Gürtel. Er wich geschickt dem harten Tritt eines Orathonen aus. Er feuerte, doch die Waffe stieß nur einen schwach glimmenden Strahl aus. Er schleuderte dem Orathonen die Waffe ins Gesicht, federte vom Boden hoch und riß einen Orathonen an sich. Der Orathone hatte stumpfgraue Federn. Auf seinen massigen Schultern blitzten auffällig viele Embleme. Es gelang ihm, den Stumpfgrauen wie einen Schild vor sich zu halten. Die Orathonen und die Bronzenen zögerten mit angeschlagenen Strahlwaffen. Da flog hinter ihnen die Tür auf. „Rex!" schrie Kim Corda. Der Präsident zuckte zusammen. Für einen Augenblick lockerte sich der Griff seiner Hände. Der Orathone schleuderte
ihn zurück. Noch während Corda fiel, zog der Orathone seinen Strahler. Rex Corda hatte keine Chance mehr! Doch in diesem Augenblick brüllte der Transmitter auf. Eine gischtende Flutwelle schoß peitschend aus dem runden Tor. Sie schwemmte den Orathonen zur Seite. Corda brachte sich hinter einem Sessel in Sicherheit. Das Wasser füllte den Raum innerhalb weniger Sekunden. Corda zog sich an der Front des Computers entlang. Er sah, daß sein kleiner Bruder verzweifelt mit einem Orathonen kämpfte. Corda krümmte sich zusammen. Er stemmte seine Füße gegen die Computerfront. Er fühlte die knallende Entladung innerhalb der hochempfindlichen Elektronik mehr, als er sie hörte. Er stieß sich ab. Es gelang ihm, sich über das brodelnde Wasser hinweg auf den Orathonen zu stürzen, der Kim zu ertränken drohte. Seine Faust schmetterte gegen den Kopf des Gefiederten. Jetzt tauchten überall neben ihm die Transparenthelme der Agenten auf, die zusammen mit ihm die Station der Orathonen in der Kaverne angegriffen hatten. Corda drückte Kim durch die Tür in den Nebenraum. „Komm, Rex, schnell!" keuchte der Junge. „Dort hinten geht es hinaus!" Corda schüttelte den Kopf. Er hob seinen Bruder mit aller Kraft hoch und warf ihn auf einen Maschinenblock hinauf, dessen oberste Kanten bis dicht unter die Decke reichten. Dort war Kim vorläufig in Sicherheit. Dann kehrte Corda gegen den Strom in den Transmitterraum zurück. Das war der Augenblick, in dem es hinter ihm eine krachende Explosion gab. Innerhalb weniger Sekunden fiel der Wasserspiegel um anderthalb Meter. Kim schrie. Corda erkannte auf einen Blick, daß es nichts mehr zu kämpfen gab. Die
Orathonen und die Bronzenen waren besiegt. Er zog sich wieder an der Computerwand entlang bis zum Transmitter hin. Seine Hand, stieß vor. Seine Finger drückten zwei kleine Knöpfe, die er zufällig erwischte, in die Fassung. Schlagartig erlosch das Transmitterfeld. Die Flut war gestoppt. Aber jetzt zerrte die Strömung in eine andere Richtung. Rex Corda hörte seinen Bruder schreien. Corda rang nach Luft. Er preßte seine Hand gegen die Brust. Die Luft wurde immer dünner. Feurige Ringe wirbelten vor seinen Augen. Er versuchte zu sprechen, aber er hatte keine Kraft mehr. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Die Beine knickten ein. Als Rex Corda zusammenbrach, da tauchten große, energische Gestalten in orangefarbenen Raumanzügen unter der Tür auf. „John Haick!" rief Boyd Clifton überrascht, während er Rex Corda hochzerrte. „Wo kommen Sie her?" John Haick antwortete nicht. Er eilte zu Rex Corda und hob ihn hoch. Mit dieser schweren Last auf den Armen stampfte er durch die Nebentür hinaus. Boyd Clifton folgte ihm verärgert. „He, Haick, sagen Sie mir doch endlich, wo wir hier sind!" „Auf dem Mars natürlich, Clifton", kam John Haicks Stimme zurück. „Sparen Sie sich Ihre Fragen für später auf. Rex Corda muß sofort zur ,Walter Beckett'." Rex Corda sah erholt aus. Man merkte ihm die überstandenen Strapazen nicht an, als er John Haick und Boyd Clifton in den für ihn reservierten Räumen in der „Walter Beckett" empfing. „Soeben ist eine Nachricht von der Erde eingetroffen", berichtete Rex Corda. „Die Kaverne befindet sich völlig in unserer Hand. Die Orathonen sind
besiegt worden." Das Ruflicht unter dem großen Holografen flackerte auf. Rex Corda stand auf und schaltete ihn ein. Einer seiner Sekretäre erschien im Bild. „Sir, Jakto Javan, der Schento, möchte Sie sprechen." „Verbinden Sie!" Rex Corda wartete. Jakto Javan war einer der höchsten Politiker des laktonischen Reiches. Er hielt sich noch immer im Terra-System auf, obwohl er die Orathonen in diesem Frontabschnitt schlagen konnte. Der massige Kopf mit der scharfen, leicht gebogenen Nase sprang ins Bild. „Corda, ich erwarte, daß Sie unverzüglich die auf dem Mars ausgehobene Stellung der Orathonen für uns freigeben!" erklärte er mit harter, zorniger Stimme. „Ich sehe keinen Grund dafür, Javan", antwortete Corda kühl. „Sie können nichts dort finden, was für Sie von
Interesse wäre. Wir werden mit allem, was wir haben, um diese Station kämpfen!" „Sie haben lächerlich wenig." „Das reichte aus, um die Orathonen von der Erde zu vertreiben. Das ist noch gar nicht einmal so lange her", gab Corda mit beißender Ironie zurück. Jakto Javan preßte die Lippen zusammen. Er war weitaus mächtiger als Rex Corda, aber es gab gewisse Vereinbarungen, die er nicht ohne weiteres übergehen konnte. Die Stellung auf dem Mars war nicht von so hohem Wert, daß er es auf eine Auseinandersetzung ankommen lassen wollte. „Sie sind nicht gerade bestrebt, die Freundschaft mit Lakton zu vertiefen, Corda", sagte der Schento. „Sie haben durchaus recht, Schento." „Sie sind für die Folgen verantwortlich!" „Sie haben abermals recht", nickte Corda.
ENDE
Raumfestung Schalmirane Band 13 Terra darf aufatmen! Rex Corda konnte die riesige Energieblase, die das Terra-System zu erdrücken drohte, in letzter Sekunde durchbrechen. Mit einem tollkühnen Einsatz konnte Rex Corda bis zu den mächtigen Energiestationen vordringen, die die Barriere speisten. Obwohl jede Station für sich eine schwerbewaffnete Festung ist, konnten sie zerstört werden. Ein erbitterter Kampf entbrennt zwischen den Resten der orathonischen Flotte und den Laktonen. Jetzt muß sich das Schicksal des Terra-Systems entscheiden. Nur wenn es gelingt, die Hantelraumer der „Featherheads" so schnell zu schlagen, daß jede Hilfe zu spät kommen muß, können die Laktonen einen Sieg erringen. Doch selbst dann müssen sie immer noch mit der Rückkehr des mächtigen Gegners ins Sonnensystem rechnen! Da tritt ein Ereignis ein, das die Nervosität der Laktonen auf den Siedepunkt treibt! Eine geheimnisvolle Macht ist plötzlich mitten im Terra-System aufgetaucht. Niemand hat gemerkt, woher sie kam. Niemand hat beobachtet, wie sie in das Sonnensystem geriet. Nur Rex Corda ahnt, welche Lösung das unheimliche Rätsel finden könnte. Er stellt sich zwischen die Fronten der erbittert kämpfenden Mächte - und gerät in den Bann der „Raumfestung Schalmirane". Gestrandet in der Hölle Band 14 Die Geschwister Rex Cordas wurden von den Laktonen entführt. Der geniale Wissenschaftler Walter Beckett hat eine Entdeckung gemacht, die so wichtig ist, daß er keine schriftlichen Unterlagen dafür herstellt. Walter Beckett erkannte die Gefahr, die mit dieser Entdeckung verbunden ist. Um sein Geheimnis zu sichern, pflanzte er es Rex Corda und seinen beiden Geschwistern Kim und Velda hypnotisch ein. Jedes der drei Geschwister erhielt nur einen Teil des Geheimnisses. Das war in den ersten Junitagen des Jahres 1992 - unmittelbar vor der Landung der Laktonen auf der Erde. Als die Fremden von den Sternen zur Erde kamen, starb Walter Beckett. Das Wissen schlief in den drei Gehirnen. Aber das blieb den Laktonen nicht verborgen. Sie entführten Kim und Velda Corda, so wie sie viele Tausende von der Erde entführten, weil sie sich nur auf diese Weise über die Erde informieren konnten. Seitdem sind Kim und Velda Corda verschollen. Immer wieder versuchten die Laktonen, Corda zur Preisgabe seines Anteils an dem Geheimnis zu zwingen. Doch sie scheiterten jedesmal. Jakto Javan, der Schento der Laktonen, ist entschlossen, die Entdeckung Walter Becketts endgültig für Lakton zu sichern. Deshalb entwirft er einen gefährlichen und riskanten Plan. Doch das Risiko liegt allein bei Rex Corda - denn er wird es sein, der zu der Expedition in die Tiefen der Galaxis aufbricht. Sein Raumschiff ist der auf Merkur erbeutete Hantelraumer. Er trägt den Namen WALTER BECKETT. Damit trägt das Unternehmen den Namen des Mannes, um dessen Vermächtnis es geht. Es führt Rex Corda auf einen Planeten, der der Hölle entsprungen zu sein scheint