Ursula Nickel Ansgar Brambrink (Hrsg.) Allgemein- und Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
Ursula Nickel · Ansgar Brambrink (Hrsg.)
Allgemein- und Regionalanästhesie in der Traumachirurgie Mit 66 Abbildungen und 47 Tabellen
13
Dr. Ursula Nickel
Priv.-Doz. Dr. Ansgar Brambrink, MD, PhD
Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz E-mail:
[email protected]
Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Visiting Associate Professor Oregon Health & Science University Department of Anesthesiology and Perioperative Medicine Mail Code: UHS-2 3181 SW Sam Jackson Park Road Portland, Oregon 97239-3098, USA E-mail:
[email protected]
ISBN 3-540-21480-1 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in The Netherlands Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literarturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Ulrike Hartmann Projektmanagement: Gisela Schmitt Copy-Editing: Dr. Sirka Nitschmann, Stuttgart Design: deblik Berlin SPIN 1092 6086 Satz: medionet AG Druck: Krips, Meppel Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Die Traumachirurgie bietet dem Anästhesisten, wie kaum ein anderes operatives Gebiet, vielfältige Möglichkeiten die ganze Bandbreite der Anästhesietechniken zu praktizieren. Dies macht die tägliche Arbeit einerseits sehr abwechslungsreich, andererseits erschwert es aber gerade jüngeren Kollegen die Auswahl des adäquaten Narkoseverfahrens. Die tägliche Erfahrung dieser Problematik inspirierte die Herausgeber zunächst ein kliniksinternes, unmittelbar praxisorientiertes Manual als »Kittelreferenz« zu entwickeln. Auf dieser Basis entstand jetzt ein wesentlich detallierteres, umfangreicheres und zusätzlich bebildertes Fachbuch. Ein wesentliches Ziel des Buches ist es, eine praxisorientierte Hilfestellung bei der Planung des bestmöglichen Anästhesieverfahrens für den individuellen Patienten zu geben. Im Sinne einer patientenorientierten Medizin sollen dabei neben Vorerkrankungen und aktuellen Begleitumständen auch die individuellen Wünsche des Patienten berücksichtigt werden. Darüber hinaus spielen jedoch auch die operativen Abläufe des geplanten Eingriffs sowie institutionelle Möglichkeiten der Anästhesie eine ganz wesentliche Rolle. Aus diesem Grund wurde den operativen Aspekten und Vorgehensweisen ein eigenes Kapitel gewidmet, das entsprechende Informationen zu den häufigsten Operationen in der Traumachirurgie vermittelt. Ein weiteres Ziel ist die Betonung des großen Stellenwerts von Regionalanästhesieverfahren, insbesondere der vielfältigen Möglichkeiten der peripheren Leitungsanästhesie in der Traumachirurgie. Diese werden vielerorts aus unserer Sicht immer noch zu selten berücksichtigt. Die Darstellung von Regionalanästhesieverfahren bildet daher einen Schwerpunkt des Buches. Aus didaktischen Gründen haben wir uns auf die für traumachirurgische Operationen wesentlichen Techniken beschränkt und jeweils die aus unserer Sicht einfachste und sicherste Vorgehensweise beschrieben. Dem ungewöhnlich breiten Patientenspektrum, das Kinder und sehr alte Menschen, aber auch lebensgefährlich verletzte Patienten einschließt, wurde durch entsprechende Kapitel Rechnung getragen, ebenso dem für die postoperative Phase so wichtigen individuell ausgerichteten Schmerzmanagement. Dieses Buch ersetzt kein Lehrbuch der Anästhesiologie. Es baut auf vorhandene Grundlagen auf und soll die tägliche Arbeit des Anästhesisten – von der Prämedikation bis zur Entlassung aus dem Aufwachraum – erleichtern. Unser Dank gebührt Frau Ulrike Hartmann, Senior Editor des Springer Medizin Verlages, die uns jederzeit mit fachlicher Kompetenz und Ansporn zur Seite stand und so wesentlich zum Gelingen des Werkes beitrug. Herrn PD Dr. med. von Issendorff, Klinik für Unfallchirurgie der Universitätsklinik Mainz, gilt unser Dank für die Durchsicht und Korrektur der operativen Aspekte von Kapitel 2 und Frau Dr. med. Christina Müller, Klinik für Anästhesiologie der Universitätsklinik Mainz, für ihre unermüdliche Bereitschaft zur Durchsicht der Manuskripte und ihre wertvollen Hinweise zur Korrektur. Mainz, im Oktober 2004 Ursula Nickel Ansgar Brambrink
VII
Autorenverzeichnis Brambrink, Ansgar, Priv.-Doz. Dr. Visiting Associate Professor Oregon Health & Science University Department of Anesthesiology and Perioperative Medicine Mail Code: UHS-2 3181 SW Sam Jackson Park Road Portland, Oregon 97239-3098 USA Luckhaupt-Koch, Kornelia, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Nickel, Ursula, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Richter, Bärbel, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Scherhag, Anton, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Thierbach, Andreas, Dr. Klinik für Anästhesiologie Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz
IX
Inhaltsverzeichnis I
3.4 3.5 3.6
Anästhesiologisches Management in der Traumachirurgie
Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 1.1 Differenzialindikation verschiedener Anästhesieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Präoperative Vorbereitung . . . . . . . . . . . 1.4 Kommunikation mit dem Patienten . . 1.5 Ambulante Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lagerungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . Protektion gegen Wärmeverlust . . . . . . Typische Komplikationen in der traumachirurgischen Anästhesie . . . . .
1
Typische Eingriffe in der Traumachirurgie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel, A. Brambrink 2.1 Eingriffe bei Verletzungen der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Eingriffe bei Verletzungen des Beckens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Eingriffe bei Verletzungen der Schulter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Eingriffe bei Verletzungen des Oberarms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Eingriffe bei Verletzungen des Unterarms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Eingriffe bei Verletzungen der Hand . . 2.7 Eingriffe bei Verletzungen der Hüfte . . 2.8 Eingriffe bei Verletzungen des Oberschenkels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Eingriffe bei Verletzungen des Kniegelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10 Eingriffe bei Verletzungen des Unterschenkels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 3.2 3.3
Intraoperatives Management in der Traumachirurgie . . . . . . . . . . . . . A. Brambrink Flüssigkeits- und Volumentherapie . . . Transfusionstherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdblutsparende Maßnahmen. . . . .
54
3 II 4 5 5 5 6 9
2
3
49 53
11
4
Besonderheiten der Allgemeinanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . A. Brambrink Differenzialindikation verschiedener Narkoseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monitoring, Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherung der Atemwege . . . . . . . . . . . . Auswahl der Medikamente . . . . . . . . . . .
4.1 4.2 4.3 4.4 III
13 14 14 16 17 18 19 20 22 23 25
35 37 41 46
Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie
59
60 63 65 65
Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Auswirkungen auf physiologische Regelmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie . . . . . U. Nickel 5.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Blutgerinnung und rückenmarknahe Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Antikoagulanzien und rückenmarknahe Regionalanästhesie. . . . . . . . . . . . . 5.4 Auswahl der Lokalanästhetika . . . . . . . . 5.5 Überprüfung der Anästhesiewirkung . 5.6 Konzepte der intraoperativen Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Erkennen und Management von Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Dokumentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Bewertung der rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren. . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 72 75
77 78 79 81 86 87 87 92 92 96
X
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Inhaltsverzeichnis
6
Spinalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 U. Nickel 6.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6.2 Kanülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6.3 Technik der Spinalanästhesie. . . . . . . . . 99 6.4 Management häufiger Probleme bei der Anlage der Spinalanästhesie. . . . . . 103 6.5 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . 104 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7
Kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 7.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Technik der CSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
15
Lumbale Epiduralanästhesie . . . . . . . . U. Nickel 8.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Technik der lumbalen Epiduralanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Management häufiger Probleme bei der Anlage der Epiduralanästhesie . . . 8.5 Testdosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
9
11 12 13 14
17 18 19 20
Kombinierte Spinalepiduralanästhesie (CSE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 9.1 Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Technik der CSE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSE . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Besonderheiten der CSE. . . . . . . . . . . . . . 9.6 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
106 106 106 108 108 110 111
IV 10
Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien. . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 10.1 Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien . . . . . . 10.2 Blutgerinnung und periphere Leitungsanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Kanülen und Katheter für die periphere Leitungsanästhesie . . . . . . . . 10.4 Auswahl der Lokalanästhetika . . . . . . . . 10.5 Prinzip der elektrischen Nervenstimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Ultraschall und periphere Leitungsanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Überprüfung der Anästhesiewirkung . 10.8 Konzepte der intraoperativen Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.10 Erkennen und Management allgemeiner Komplikationen bei peripheren Leitungsanästhesien . . . . . 10.11 Dokumentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113 113
V
114 116 117 118 119
121
123 123 123 126 127 127 128
Periphere Leitungsanästhesie
11
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5
12
131
133 134 134 135 137 138 138 139 139
139 141 142
Periphere Leitungsanästhesie bei Eingriffen an der oberen Extremität Blockade des Plexus brachialis . . . . . . A. Brambrink Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen. Interskalenäre Blockade des Plexus brachialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertikal infraklavikuläre Blockade des Plexus brachialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axilläre Blockade des Plexus brachialis Bewertung der unterschiedlichen Verfahren zur Blockade des Plexus brachialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145 147 149 151 157 162
167
Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A. Brambrink Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . 171
XI
Inhaltsverzeichnis
12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.8 13
13.1 13.2 13.3 13.4 14
14.1 14.2 14.3 14.4
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . Nervenstimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. musculocutaneus: Blockadetechnik am proximalen Oberarm . . . . . N. radialis: Blockadetechnik am Ellbogen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. medianus: Blockadetechnik am Ellbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. ulnaris: Blockadetechnik am Ellbogen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Handgelenkblockade . . . . . . . . . . . . . . . A. Brambrink Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik der Handgelenkblockade . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Leitungsanästhesien am Finger (Oberst-Block) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Brambrink Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Spezielle Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik des Oberst-Block . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
Intravenöse Regionalanästhesie (IVRA), Bier-Block . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel 15.1 Indikationen und Kontraindikationen. 15.2 Kanülen und Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Technik der intravenösen Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Management häufiger Probleme . . . . . 15.5 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172 172 172
VI
16
Bewertung der unterschiedlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 U. Nickel, A. Scherhag
17
Psoaskompartmentblockade . . . . . . . . A. Scherhag Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . Blockadetechnik (nach Chayen) . . . . . . Management häufiger Probleme bei der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
195
Ischiadikusblockade . . . . . . . . . . . . . . . . A. Scherhag, B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . Proximale Ischiadikusblockade . . . . . . . Distale Ischiadikusblockade (Poplitealblockade) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203
Inguinale Blockade des N. femoralis B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen. Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . Blockadetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Management häufiger Probleme bei der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
215
Obturatoriusblockade . . . . . . . . . . . . . . B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen. Kanülen, Katheter, Sets. . . . . . . . . . . . . . . Blockadetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
221
173 174 176 177 178 179 180 180 180 181 184
183
17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 18
18.1 18.2 18.3
184 184 184 184 184
15
185 186 186 187 188 188 188
Periphere Leitungsanästhesie bei Eingriffen an der unteren Extremität
19
19.1 19.2 19.3 19.4 19.5 20
20.1 20.2 20.3 20.4
196 196 198 198 201 201
204 204 205 209
216 216 217 217 219 219
222 222 222 222 224
1 2 3 4 5 6 7 8
XII
Inhaltsverzeichnis
21
Saphenusblockade . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen. Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blockadetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . .
225
Fußblock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Richter Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . 22.1 Indikationen und Kontraindikationen. 22.2 Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Blockadetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4 Spezifische Komplikationen . . . . . . . . . . Literatur zur peripheren Leitungsanästhesie der unteren Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
21.1 21.2 21.3 21.4 22
VII
9
226 226 226 226 227
230 231 231 231 232
235
13
Polytrauma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Thierbach 23.1 Schockraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Management des polytraumatisierten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3 Innerklinische Erstversorgung . . . . . . . . 23.4 Besonderheiten bei speziellen Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
24
249
10 11 12
15 16 17 18 19 20
Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U. Nickel, K. Luckhaupt-Koch 24.1 Typische Verletzungsmuster bestimmter Altersgruppen . . . . . . . . . . . 24.2 Vorbereitung des Kindes . . . . . . . . . . . . . 24.3 Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4 Allgemeinanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5 Regionalanästhesie bei Kindern . . . . . . 24.6 Postoperative Schmerztherapie . . . . . . 24.7 Spezielle Problemstellungen . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 25.1
Besonderheiten bei der Vorbereitung des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 25.3 Spezielle Problemstellungen . . . . . . . . . 269 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 VIII Postoperative anästhesiologische Versorgung 26
Postoperative Schmerztherapie . . . . . U. Nickel 26.1 Konzepte der postoperativen Schmerztherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.2 Analgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3 Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
27
299
278 281 291 297
232
Besondere Versorgungssituationen
23
25.2
236 238 239
Aufwachraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Richter 27.1 Apparative und personelle Ausstattung des Aufwachraums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2 Übergabe und Überwachung . . . . . . . . 27.3 Entlassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.4 Management typischer Komplikationen im Aufwachraum . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
300 300 301 302 303
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 246 248
250 251 252 254 255 260 261 264
Geriatrische Patienten . . . . . . . . . . . . . . 267 U. Nickel, K. Luckhaupt-Koch Typische Verletzungsmuster des geriatrischen Patienten . . . . . . . . . . . . . . 268
I Anästhesiologisches Management in der Traumachirurgie 1
Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung
–3
2
Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
3
Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
– 11 – 35
1 Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung U. Nickel
1.1
Differenzialindikation verschiedener Anästhesieverfahren – 4
1.2
Aufklärung
1.3
Präoperative Vorbereitung
1.4
Kommunikation mit dem Patienten
1.5
Ambulante Patienten
Literatur
–9
–5
–6
–5 –5
4
1
Kapitel 1 · Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung
)) Die Anästhesie in der Traumachirurgie wird charakterisiert durch: Notfalleingriffe – nicht nüchterne Patienten – Multimorbidität – kindliche und geriatrische Patienten – Regionalanästhesie – Polytrauma
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
1.1
Differenzialindikation verschiedener Anästhesieverfahren
! Die Auswahl des Anästhesieverfahrens sollte individuell erfolgen.
Die Traumachirurgie ist die Domäne der Regionalanästhesie. Grundsätzlich sind natürlich alle operativen Eingriffe in Allgemeinanästhesie möglich; bei einer Vielzahl von traumatologischen Operationen bieten jedoch Regionalanästhesieverfahren – ob rückenmarknah oder peripher – eine Reihe von Vorteilen, die bei der Anästhesieplanung berücksichtigt werden sollten. Bei Patienten ohne besonderes gesundheitliches Risiko und Eingriffen ohne Notwendigkeit für eine postoperative Schmerztherapie mit einem Katheterverfahren kann in der Regel den Wünschen des Patienten entsprochen werden. Bestehen narkoserelevante Vorerkrankungen, wie z. B. ein schweres Asthma bronchiale oder kardiale Erkrankungen, muss eine sorgfältige NutzenRisiko-Abwägung erfolgen. Hier stellen rückenmarknahe Verfahren oder – wenn möglich – periphere Leitungsanästhesien eine brauchbare Alternative dar. Die Auswahl des geeigneten Narkoseverfahrens hängt somit zum einen vom Gesundheitszustand des Patienten, zum anderen aber auch von den in einer Klinik routinemäßig durchgeführten Verfahren ab. Grundsätzlich herrscht Uneinigkeit darüber, ob rückenmarknahe Regionalanästhesieverfahren dem Patienten tatsächlich Vorteile bringen. Übersichten und Metaanalysen der letzten Jahre konnten z. B. keine deutliche Überlegenheit der Spinal- oder Epiduralanästhesie bei Patienten mit frakturbedingten Hüftoperationen nachweisen. Rückenmarknahe Verfahren reduzierten bei die-
sen Operationen zwar die kurzfristige Mortalität und die Häufigkeit thromboembolischer Ereignisse, im Gegensatz dazu wurden aber hypotensive Phasen und zerebrovaskuläre Ereignisse teilweise häufiger beobachtet. Daher kann man z. Zt. nur von marginalen Vorteilen der rückenmarknahen Regionalanästhesie im Vergleich zur Allgemeinanästhesie bei diesen Eingriffen ausgehen. Etwas anders sieht es aus, wenn die Regionalanästhesie als Katheterverfahren (Epiduralkatheter oder kontinuierliche periphere Leitungsanästhesie) durchgeführt wird und zur postoperativen Schmerztherapie genutzt werden soll. Eine suffiziente postoperative Schmerztherapie führt zur Stressreduktion, was sich v. a. bei kardialen Risikopatienten positiv auswirkt. Die Förderung der Mobilisation wirkt thrombembolischen Komplikationen entgegen. Es gibt Belege dafür, dass z. B. in der Kniechirurgie und -endoprothetik die postoperative Katheterregionalanästhesie der Schmerztherapie mittels einer intravenösen Opioid-PCA überlegen ist. Periphere Leitungsanästhesien sind, wenn möglich, rückenmarknahen Techniken vorzuziehen, da sie mit einem geringeren Risiko schwerwiegender Komplikationen behaftet sind. So wurden, wenn auch sehr selten, selbst bei jungen und gesunden Patienten bei Spinalanästhesien plötzliche Herzkreislaufstillstände mit häufig erfolgloser kardiopulmonaler Reanimation beschrieben. Schwerwiegende neurologische Komplikationen treten bei rückenmarknahen Regionalanästhesien selten, aber häufiger als bei peripheren Leitungsanästhesien auf. Die Entscheidung für ein Anästhesieverfahren sollte nicht standardisiert erfolgen (z. B. Kniearthroskopie → Spinalanästhesie), sondern sich individuell an der Situation des Patienten (Elektiveingriff oder Notfall, nüchtern oder nicht nüchtern), den anästhesierelevanten Vorerkrankungen (z. B. Asthma bronchiale, Z. n. Myokardinfarkt etc.), dem Ausmaß des geplanten Eingriffs (großer Volumenumsatz, sehr lange Operationsdauer), der geplanten postoperativen Schmerztherapie und natürlich auch an den Wünschen des Patienten orientieren.
5
1.4 · Kommunikation mit dem Patienten
1.2
Aufklärung
Bei Elektiveingriffen muss die Aufklärung mindestens am Vortag des Eingriffs erfolgen. In Notfallsituationen kann diese, in Abhängigkeit von der Dringlichkeit, auch bis unmittelbar vor der Operation durchgeführt werden. Die in Frage kommenden Anästhesieverfahren werden dem Patienten dargestellt und erklärt, Vor- und Nachteile werden erläutert und es wird auf typische Risiken und Komplikationsmöglichkeiten hingewiesen. Die Aufklärung umfasst auch zusätzliche anästhesiologische Maßnahmen wie die Bluttransfusion, invasives Monitoring sowie eine mögliche postoperative Intensivtherapie. Bei Nichteinwilligungsfähigkeit, etwa bei einer Altersdemenz, bei bewusstseinsgetrübten oder sedierten Patienten, muss die Einwilligung durch einen gesetzlich bestimmten Betreuer (Gesundheitsfürsorge) erfolgen. Die Betreuungsurkunde ist in der Regel beim zuständigen Amtsgericht innerhalb eines Tages zu erhalten. In absoluten Notfallsituationen, z. B. bei einem Polytrauma, ist eine Anästhesie auch ohne Einwilligung möglich.
1
cker, auch am Morgen des Operationstages einnehmen. Ist eine rückenmarknahe Regionalanästhesie geplant, sollten der Station konkrete Anweisungen über ein evtl. erforderliches Aussetzen der Thromboembolieprophylaxe gegeben werden. Bei sehr umfangreichen Eingriffen oder gravierenden Vorerkrankungen muss vorab über die Notwendigkeit einer postoperativen Intensivbehandlung entschieden werden. Werden größere Blutverluste erwartet, so sind die erforderlichen Blutprodukte zeitgerecht anzufordern. Am Vorabend der Operation wird bei Elektiveingriffen in der Regel ein Benzodiazepin zur Anxiolyse und zur Verbesserung des Nachtschlafes verabreicht. Am Operationstag wird zeitgerecht ebenfalls ein Benzodiazepin zur Anxiolyse und leichten Sedierung gegeben. Bei geriatrischen, leber- oder niereninsuffizienten Patienten ist eine Dosisreduktion erforderlich. Bestehen präoperativ Bewusstseinsstörungen oder ist der Patient schläfrig, ist eine medikamentöse Prämedikation nicht indiziert.
Checkliste präoperative Vorbereitung 1.3
5 Erforderliche Laborwerte vorhanden? 5 Weitere Untersuchungen nötig (z. B. Rö-
Präoperative Vorbereitung
Thorax, internistisches Konsil, LUFU)?
Im Hinblick auf die Multimorbidität der häufig in der Traumachirurgie behandelten alten Patienten ist eine gute präoperative Vorbereitung wichtig, um das Risiko der Narkose zu minimieren (7 Kap. 25). Im Rahmen der Prämedikationsvisite verschafft sich der Anästhesist ein Bild vom Gesundheitszustand des Patienten. Anhand der Krankenakte und der vorliegenden Befunde, dem Anästhesiefragebogen und der anästhesiebezogenen klinischen Untersuchung ist eine Risikoabschätzung möglich. Es muss festgelegt werden, ob eine Notwendigkeit für zusätzliche präoperative Labor- oder sonstige Untersuchungen oder für die Einleitung einer medikamentösen Behandlung einer aktuellen Gesundheitsstörung besteht. Anschließend wird ein geeignetes Anästhesieverfahren für den Patienten ausgewählt. Patienten, die unter einer Dauermedikation stehen, müssen einige Medikamente, z. B. β-Blo-
5 Medikamentöse Einstellung aktueller Ge-
sundheitsstörungen nötig? 5 Dauermedikation? 5 Aussetzen der Thromboembolieprophyla-
xe bei Regionalanästhesie nötig? 5 Volumenstatus? Flüssigkeitssubstitution 5 5 5 5
1.4
präoperativ erforderlich? Geeignete Prämedikation verordnen! Ggf. Vorbefunde anfordern. Ggf. Intensivbett anfordern. Ggf. Blutprodukte anfordern.
Kommunikation mit dem Patienten
! Die Kommunikation des Anästhesisten mit dem Patienten beginnt mit der Prämedikation und endet mit der postoperativen Visite.
6
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 1 · Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung
Viele Patienten erleben gerade präoperativ erheblichen Stress aus Angst vor der Narkose. Häufige Ängste sind etwa »nicht aus der Narkose aufzuwachen« oder »während der Operation Schmerzen zu spüren«. Der Kontrollverlust über die Funktionen des eigenen Körpers wird als beängstigend erlebt. Gerade Notfallsituationen sind hier als problematisch anzusehen. Eine adäquate Kommunikation mit dem Patienten kann ganz wesentlich zur perioperativen Stress- und Angstreduktion beitragen. Es ist essenziell die Aufklärung dem Informationsbedürfnis des Patienten anzupassen. Hierbei sollte nicht nur auf die Komplikationsmöglichkeiten der Anästhesie eingegangen, sondern auch das geplante Vorgehen während der Narkose/-einleitung erklärt werden. Die Informationsvermittlung muss in einer für den Patienten verständlichen Weise erfolgen. Es ist sinnvoll, Ängste offen anzusprechen und durch adäquate Informationen zu mindern. Bei der Auswahl des Anästhesieverfahrens sollten dem Patienten zur Entscheidungsfindung Vor- und Nachteile erläutert werden. Ein Patient, der z. B. eine Regionalanästhesie ablehnt, sollte niemals dazu »überredet« werden; vielmehr ist es sinnvoll zu eruieren, ob die Ablehnung auf einer schlechten Erfahrung oder einer falschen Vorstellung über den Ablauf beruht (z. B. »während des Eingriffs wach zu sein«). Durch entsprechende Informationen (z. B. der Möglichkeit der intraoperativen Sedierung) kann der Patient möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gelangen. Hilfreich während der Narkoseeinleitung ist die Erläuterung der gerade durchgeführten Maßnahmen. Insbesondere bei Regionalanästhesieverfahren, die meist außerhalb des Sichtfeldes des Patienten angelegt werden, kann dadurch die Kooperation verbessert werden. Bei Vollnarkosen können zum einen die Maske während der Präoxygenierung, zum anderen die eintretende Wirkung der Hypnotika und Opioide Ängste verursachen. Indem man auf den Patienten eingeht (z. B. »ist es unangenehm, dass die Maske so dicht sitzt?«) bzw. ihm erklärt, was er gleich fühlen wird (Schwindel, Verschwommensehen, etc.) wird die Situation weniger bedrohlich erlebt.
! Gerade weil der Anästhesist den Großteil der Zeit mit nicht zur Kommunikation fähigen Patienten verbringt, sollte er in der verbleibenden Zeit den Kontakt zum Patienten optimal gestalten.
Ambulante Patienten
1.5
Zunehmend werden kleinere Eingriffe an den Extremitäten oder Metallentfernungen auch in Kliniken ambulant durchgeführt. Die anästhesiologischen Erfordernisse müssen an diese Gegebenheiten angepasst werden. Nicht jeder Patient eignet sich für eine ambulante operative Versorgung, eine geeignete Patientenselektion ist daher wichtig. In der Regel können Patienten der ASA-Risikogruppen I und II, Patienten der ASA-Risikogruppe III nur bei stabiler chronischer Erkrankung (z. B. gut eingestellter Hypertonus, Diabetes mellitus) ambulant anästhesiert werden. Der Eingriff sollte mit einem minimalen Risiko von Nachblutungen oder postoperativ auftretenden respiratorischen Komplikationen verbunden sein. Extreme Altersgruppen eignen sich nicht für die ambulante Anästhesie. In der folgenden Übersicht sind Kontraindikationen für die ambulante Durchführung einer Narkose dargestellt.
Kontraindikationen für die ambulante Anästhesie 5 Patienten der ASA-Risikogruppe III bei in-
5 5 5 5 5 5 5 5
stabiler chronischer Erkrankung und der ASA-Risikogruppe IV Säuglinge in den ersten 3 Lebensmonaten Ehemalige Frühgeborene im ersten Lebensjahr Vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen Vorbestehende pulmonale Erkrankungen Adipositas per magna Muskuläre Erkrankungen Familiäre MH-Disposition Vorbeschriebene schwierige Intubation
1.5 · Ambulante Patienten
7
1
Schon bei der Prämedikation sollten die Patienten auf die Besonderheiten der ambulanten Anästhesie hingewiesen werden. Dies kann in Form eines Merkblattes geschehen (. Abb. 1.1). Das Abholen nach dem Eingriff sowie die Betreuung durch einen Angehörigen in den ersten Stunden zu Hause muss gewährleistet sein. Der Eingriff selbst sollte zeitlich so geplant werden, dass der Patient nach entsprechender Überwachungszeit von einem Anästhesisten beurteilt und entlassen werden kann. Die Entlassungskriterien sollten klar definiert sein und dokumentiert werden (. Abb. 1.2).
. Abb. 1.1. Merkblatt Anästhesie bei ambulanten Patienten (Merkblatt der Klinik für Anästhesiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
8
Kapitel 1 · Allgemeine Aspekte zur Anästhesieplanung
. Abb. 1.2. Dokumentationsbogen für die Entlassung nach einem ambulanten Eingriff (Dokumentationsbogen der Klinik für Anästhesiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Entlassungskriterien bei ambulanter Anästhesie
5 Unauffällige Wundverhältnisse 5 Häusliche Betreuung über 24 h gewähr-
5 Frühestens 4 Stunden nach Narkoseende 5 Vollständige Rückkehr des Bewusstseins,
leistet Zusätzlich bei rückenmarknaher Anästhesie
volle Orientierung
5 Vollständige Rückkehr der Sensibilität und
5 Respiratorisch und kardiozirkulatorisch
Motorik
über mindestens 60 min stabil 5 Keine Übelkeit, kein Erbrechen 5 Tolerieren von Flüssigkeit ohne Erbrechen 5 Subjektiv ausreichende Schmerzlin-
derung, Verordnung einer geeigneten Schmerztherapie für zu Hause
6
5 Spontanmiktion
Der Patient erhält Anweisungen über Verhaltensmaßnahmen, sonstige relevante Maßnahmen sowie die postoperative Schmerztherapie für zu Hause. Die Übermittlung einer Kontaktrufnum-
Literatur
mer für den Fall des Auftretens von Komplikationen ist obligat.
Literatur Allen HW, Liu SS, Ware PD, Nairn CS, Owens BD (1998) Peripheral nerve blocks improve analgesia after total knee replacement surgery. Anesth Analg 87: 93–97 Beland B, Prien T, van Aken H (2000) Differenzialindikation zentraler und peripherer Leitungsanästhesien. Anästhesist 49: 494–504 Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin für ambulantes Operieren bzw. Tageschirurgie (1998) Anästhesiologie & Intensivmedizin 39: 201–206 Parker MJ, Handoll HH, Griffiths R (2001) Anaesthesia for hip fracture surgery in adults. Cochrane Database Syst Rev 4: CD 000521 O’Hara DA, Duff A, Berlin JA et al. (2000) The effect of anesthetic technique on postoperative outcomes in hip fracture repair. Anesthesiology 92: 947–957 Rodgers A, Walker N, Schug S et al. (2000) Reduction of postoperative mortality and morbidity with epidural or spinal anaesthesia. Results from overview of randomised trials. Br Med J 321: 1493 Singelyn FJ, Deyaert M, Joris D, Pendeville E, Gouverneur JM (1998) Effects of intravenous patient-controlled analgesia with morphine, continuous epidural analgesia, and continuous three-in-one block on postoperative pain and knee rehabilitation after unilateral total knee arthroplasty. Anesth Analg 87: 88–92 Urwin SC, Parker MJ, Griffiths R (2000) General versus regional anaesthesia for hip fracture surgery: a meta-analysis of randomized trials. Br J Anaesth 84: 450–455
9
1
2 Typische Eingriffe in der Traumachirurgie U. Nickel, A. Brambrink
2.1
Eingriffe bei Verletzungen der Wirbelsäule
– 13
2.1.1
Wirbelsäulenfraktur – 13
2.2
Eingriffe bei Verletzungen des Beckens
2.2.1
Beckenringfraktur, Azetabulumfraktur, Symphysensprengung,
– 14
Sakrumfraktur – 14
2.3
Eingriffe bei Verletzungen der Schulter
–14
2.3.1
Klavikulafraktur – 14
2.3.2
Schultereckgelenksprengung – 15
2.3.3
Impingementsyndrom – 15
2.3.4
Rotatorenmanschettenruptur –15
2.3.5
Schulterluxation – 15
2.4
Eingriffe bei Verletzungen des Oberarms
2.4.1
Proximale Humerusfraktur
2.4.2
Humerusschaftfraktur – 16
2.4.3
Suprakondyläre Humerusfraktur
2.5
Eingriffe bei Verletzungen des Unterarms
2.5.1
Olekranonfraktur – 17
2.5.2
Unterarmschaftfraktur – 18
2.5.3
Distale Radiusfraktur
2.6
Eingriffe bei Verletzungen der Hand
2.6.1
Frakturen, Luxationen, Band- und Sehnenverletzungen
2.6.2
CTS (Karpaltunnelsyndrom)
– 16
– 16 – 17
– 17
– 18
– 18
– 18 – 18
2.7
Eingriffe bei Verletzungen der Hüfte
2.7.1
Coxarthrose – 19
2.7.2
Hüftprothesenlockerung – 19
2.8
Eingriffe bei Verletzungen des Oberschenkels
2.8.1
Mediale Schenkelhalsfraktur, per- und intertrochantäre Fraktur, subtrochantäre Fraktur
– 19
– 20
2.8.2
Femurschaftfraktur – 21
2.8.3
Distale Femurfraktur
2.9
Eingriffe bei Verletzungen des Kniegelenks
2.9.1
Patellafraktur – 22
2.9.2
Kreuzbandruptur – 22
2.9.3
Meniskusverletzung, Knorpelverletzung
2.9.4
Patellaluxation – 23
2.9.5
Gonarthrose – 23
2.10
Eingriffe bei Verletzungen des Unterschenkels
2.10.1
Tibiakopffraktur – 23
2.10.2
Tibiaschaftfraktur – 24
2.10.3
Pilon-tibiale-Fraktur – 24
2.10.4
Sprunggelenkfraktur – 24
2.10.5
Kalkaneusfraktur – 24
2.10.6
Mittel- und Vorfußfraktur
Literatur
– 25
– 20
– 22
– 24
– 22
– 23
– 23
13
2.1 · Eingriffe bei Verletzungen der Wirbelsäule
)) Eine Reihe von Eingriffen, die im Bereich der Traumachirurgie besonders häufig sind, werden im Folgenden unter Berücksichtigung sowohl operativer als auch anästhesiologischer Aspekte ausführlicher dargestellt. Die osteosynthetische Versorgung von Frakturen kann sehr vielgestaltig sein und hängt zum einen von der Lokalisation (gelenknah oder -fern, Schaftfraktur), der Art der Fraktur (Zwei- oder Mehrfragment-, Trümmerfraktur), von der Weichteilbeteiligung (offene oder geschlossene Fraktur), zum anderen auch von klinikspezifischen operativen Vorgehensweisen ab (. Tabelle 2.1). Es kann deshalb an dieser Stelle nur eine Auswahl gegeben werden.
2.1
Eingriffe bei Verletzungen der Wirbelsäule
Spondylodese mit Auffüllung des Defektes durch einen Knochenspan aus dem Beckenkamm und Osteosynthese der benachbarten Wirbelkörper. Obere BWS (BWK 3–6)
Anterolaterale Thorakotomie; Ausräumung des betroffenen Wirbelkörpers und des Bandscheibengewebes, Einsetzen eines Knochenspans aus dem Beckenkamm; Stabilisierung mit einer Osteosynthese. Untere BWS/LWS
Eingriff von dorsal; Aufrichtung des Wirbelkörpers mittels Fixateur interne; ggf. zusätzlich von ventral Ausräumung des betroffenen Wirbelkörpers und Wirbelkörperersatz sowie segmentübergreifende Stabilisierung; ggf. partielle Laminektomie.
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
2.1.1 Wirbelsäulenfraktur
Bei (V. a.) HWS-Fraktur/Instabilität → fiberoptische Intubation!
Operative Aspekte
Bei Thorakotomie →Ein-LungenBeatmung (Doppellumentubus)
Frakturen der Wirbelsäule treten häufig bei unfallbedingt polytraumatisierten Patienten auf. Eine typische Unfallursache ist aber auch ein Sprung oder ein Sturz aus großer Höhe. Bei jedem bewusstlosen Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma muss die Halswirbelsäule (HWS) radiologisch abgeklärt und eine Fraktur ausgeschlossen werden. Eine notfallmäßige operative Versorgung von Frakturen der Wirbelsäule ist immer dann erforderlich, wenn ein (in)komplettes Querschnittssyndrom besteht, radikuläre Ausfälle, eine Kompression des Rückenmarks oder eine Luxation vorliegen. Instabile Frakturen mit oder ohne neurologische Ausfälle stellen ebenfalls meist Operationsindikationen dar.
Lagerung
Distale HWS
Operation von ventral; Ausräumung der Bandscheibe, bei Fraktur zusätzlich Ausräumung des verletzten Wirbelkörpers; anschließend interkorporale
HWS/BWS: Rückenlage; ggf. Seitenlage bei Thorakotomie Untere BWS/LWS: Bauchlage
Zugänge
2 venöse Zugänge, bei Polytrauma ggf. ZVK
Monitoring
Blasenkatheter (wegen möglicher Blasenlähmung), Magensonde, spez. Monitoring nicht grundsätzlich er-forderlich, arterielle Kanüle bei Ein-Lungen-Beatmung Zu Besonderheiten bei Polytraumatisierten: 7 Kap. 23
Blutprodukte
2–4 EK
POAnalgesie
Ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
Eingriff In Abhängigkeit von der Lokalisation der Schädigung werden folgende Eingriffe durchgeführt:
2
Bei OP von ventral sowie bei Polytrauma in Abhängigkeit von Be gleitverletzungen ggf. größerer Bedarf, ggf. FFP
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, EK: Erythrozytenkonzentrat, FFP: Fresh Frozen Plasma, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie, ZVK: zentraler Venenkatheter.
14
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Aufgrund der drohenden Querschnittssymptomatik sollte die Umlagerung sehr vorsichtig und in Anwesenheit eines Chirurgen durchgeführt werden. Sind neurologische Ausfälle vorhanden, werden hochdosiert Kortikoide, falls nicht schon vom Notarzt begonnen, zur Ödemprophylaxe nach folgendem Schema gegeben: Methylprednisolon (Urbason) 30 mg/kgKG initial, anschließend 5,4 mg/ kgKG/h über 23 Stunden. Bei Rückenmarktraumata kann die neuronale Kontrolle der Kreislaufregulation beeinträchtigt sein, was zu einer Abnahme des venösen Rückstroms, des Herzzeitvolumens und der Kontraktilität des Myokards führt. Auch ohne begleitende Hypovolämie können beträchtliche Blutdruckabfälle die Folge sein.
2.2
Anästhesiologische Aspekte
2.2.1 Beckenringfraktur,
Operative Aspekte Verletzungen im Bereich des Beckens können, in Abhängigkeit ihres Ausmaßes, Bagatelltraumata sein, aber auch eine unmittelbare Lebensgefahr darstellen. Beckenringfrakturen sind häufig mit Begleitverletzungen wie Rupturen der unteren Harnwege, Einrissen des Rektums, Läsionen des Plexus lumbosacralis und der Beckengefäße assoziiert. Offene, komplexe oder dislozierte Beckenfrakturen sowie begleitende Gefäßverletzungen stellen Notfallindikationen dar.
ITN, bei Notfalleingriff →RSI
Lagerung
Rücken-, Seiten-oder Bauchlage, je nach Lokalisation (Symphysenruptur→ Rückenlage, Azetabulumfraktur→ Zugang von ventral oder dorsal, Rücken-, Seiten- oder Bauchlage, Sakrumfraktur→ Bauchlage)
Zugänge
2 großlumige venöse Zugänge, bei Polytrauma ggf. ZVK
Monitoring
Blasenkatheter, Magensonde, spez. Monitoring nicht grundsätzlich erforderlich Bei Polytrauma oder Mehrfachverletzung arterielle Blutdruckmessung
Eingriffe bei Verletzungen des Beckens
Azetabulumfraktur, Symphysensprengung, Sakrumfraktur
Anästhesieverfahren
Blutprodukte
4 EK Bei Polytrauma größerer Bedarf, ggf. Einsatz eines Cellsavers (in Rücksprache mit Operateur)
POAnalgesie
ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, EK: Erythrozytenkonzentrat, FFP: Fresh Frozen Plasma, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie, ZVK: zentraler Venenkatheter.
Beckenfrakturen können mit erheblichen, lebensbedrohlichen Blutverlusten einhergehen. Bis zu 3 Litern Blut können in das Weichteilgewebe eindringen und bereits präoperativ eine hämodynamische Instabilität verursachen. Zu den Primärmaßnahmen zählt die Stabilisierung der Kreislauffunktion mittels großzügiger Volumenzufuhr; meist ist die Substitution mit Blutprodukten erforderlich.
Eingriff In Abhängigkeit von der Lokalisation Plattenoder Schraubenosteosynthese; als vorübergehende Erstmaßnahme evtl. Anlage eines Fixateur externe, bei massiver Blutung bereits im Schockraum Anlage einer Beckenzwinge möglich.
2.3
Eingriffe bei Verletzungen der Schulter
2.3.1 Klavikulafraktur
Operative Aspekte Klavikulafrakturen stellen häufige Verletzungen dar und entstehen durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung, meist im mittleren Drittel. Als
15
2.3 · Eingriffe bei Verletzungen der Schulter
2
Begleitverletzungen können eine Schädigung des Armplexus, der A. subclavia oder der Pleura auftreten. Eine operative Behandlung wird bei offenen Frakturen, drohender Perforation der Haut bei dislozierten Verletzungen oder begleitenden Verletzungen der Nerven oder Gefäße durchgeführt.
2.3.4 Rotatorenmanschettenruptur
Eingriff
Eingriff
Offene Reposition; Stabilisierung der Fraktur mittels einer Plattenosteosynthese.
Refixation der abgerissenen Sehnen durch Bandnaht, häufig simultane Akromioplastik.
2.3.2 Schultereckgelenksprengung
2.3.5 Schulterluxation
Operative Aspekte Die Rotatorenmanschettenruptur beruht meist auf degenerativen Veränderungen, kann aber auch traumatisch durch Sturz oder Schulterluxation entstehen.
Operative Aspekte
Operative Aspekte
Die Schultereckgelenksprengung bezeichnet die unvollständige oder vollständige Zerreißung von Kapsel und Bändern. Die Klassifikation erfolgt nach Tossy (I–III). Erst bei vollständiger Zerreißung der Bänder (Tossy-III-Verletzung) ist in der Regel eine Operationsindikation gegeben.
Schulterluxationen können durch ein Trauma verursacht werden oder habituell auftreten. Meist stellen sie keine Operationsindikationen dar, sondern werden in Analgosedierung reponiert. Bei schwieriger Reposition ist eine Vollnarkose mit Relaxierung zur Verminderung des Muskelzuges der Schulter- und Oberarmmuskulatur erforderlich.
Eingriff Naht der verletzten Bänder; Stabilisierung des Schultereckgelenks mittels einer Hakenplatte oder ggf. einer Zuggurtungsosteosynthese.
2.3.3 Impingementsyndrom
Operative Aspekte Das Impingementsyndrom bezeichnet eine Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenks durch chronische Überbelastung. Degenerative Veränderungen der Supraspinatussehne sind die Folge. Der Gleitraum für die Sehnen der Rotatorenmanschette zwischen Oberarmkopf und Schulterdach ist eingeengt.
Eingriff Subakromiale Dekompression der Supraspinatussehne, ggf. arthroskopische Operation oder offene Akromioplastik; Durchtrennung des Ligamentum subacromiale, gleichzeitig Schulterarthroskopie.
Eingriff Geschlossene Schulterreposition, ggf. spätere Bankart-OP; bei der Reposition Gefahr der Zerrung des N. axillaris mit resultierender Lähmung.
Anästhesiologische Aspekte bei Eingriffen an der Schulter Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
Lagerung
»beach-chair« (halbsitzende Position)
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Meist jüngere Patienten, kein spezielles Monitoring
Blutprodukte
Keine
POAnalgesie
Bei Impingement-Syndrom und Rotatorenmanschettenruptur oft starke Schmerzen → interskalenärer Katheter, i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie
16
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Eingriffe an der Schulter werden in »beachchair«-Lagerung (halbsitzende Position) durchgeführt (7 Kap. 3.4). Hier drohen v. a. bei hypovolämischen Patienten Blutdruckabfälle. Es empfiehlt sich frühzeitig ausreichend Volumen zu substituieren. Der Kopf wird meist in einer Schale gelagert; auf eine Sicherung der Position des Kopfes, z. B. durch Fixierung mit einer Binde, ist zu achten, da der Kopf während des Eingriffs schwer zugänglich ist und durch Zugmanöver des Operateurs aus der Schale rutschen kann. Auch die Augen sollten geschützt werden.
2.4
Eingriffe bei Verletzungen des Oberarms
2.4.1 Proximale Humerusfraktur
Operative Aspekte Proximale Humerusfrakturen sind sehr häufige Frakturen in höherem Lebensalter, v. a. bei begleitender Osteoporose. Meist entstehen sie im Rahmen eines Sturzes auf den Arm. Nichtdislozierte und eingestauchte Frakturen können konservativ behandelt werden.
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
Lagerung
»beach-chair« (halbsitzende Position), Arm frei beweglich gelagert
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
Ggf. 2 EK, normalerweise kein großer Blutverlust
POAnalgesie
Interskalenäre Plexusblockade/-katheter; bei Implantation einer Hemiprothese wegen der potenziellen Luxationsgefahr weniger sinnvoll, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Wie auch bei Eingriffen an der Schulter sind die Besonderheiten der Lagerung (halbsitzende Position) zu berücksichtigen (7 Kap. 3.4). Bei den meist älteren Patienten muss besonders auf Begleiterkrankungen geachtet werden. Bei Implantation einer zementierten Prothese kann eine Palakos-Reaktion (7 Kap. 3.6) auftreten.
Eingriff
13 14 15 16
In Abhängigkeit vom Frakturtyp werden folgende Verfahren durchgeführt.
2.4.2 Humerusschaftfraktur
2- und 3-Fragment-Frakturen. Nach Reposition
Die Humerusschaftfraktur tritt etwas seltener als die proximale Humerusfraktur auf und entsteht meist durch einen Sturz auf den Arm. Bisweilen ist sie aufgrund der anatomischen Nachbarschaft von einer Läsion des N. radialis begleitet (v. a. bei Frakturen in Schaftmitte). Bei offenen Frakturen kann auch eine Begleitverletzung der A. brachialis vorliegen. Als pathologische Fraktur kann sie bei ossären Metastasen z. B. eines Mammakarzinoms auftreten. Sofortige Operationsindikationen bestehen bei offenen Frakturen, Läsionen des N. radialis mit neurologischen Ausfällen und u. U. bei gelenknahen Frakturen. Geschlossene Oberarmschaftfrakturen ohne begleitende Nervenläsion werden ebenfalls meist operativ versorgt.
Operative Aspekte der Fraktur osteosynthetische Versorgung mittels Kleeblattplatten- und Schraubenosteosynthese; ggf. Osteosynthese mit einem Spezialnagel (proximaler Humerusnagel [PHN]).
18
4-Fragment-Frakturen mit Unmöglichkeit der Reposition oder Frakturen im Collum anatomicum mit kompletter Dislokation (Gefahr der Humeruskopfnekrose). Implantation einer Humeruskopf-
19
prothese; hierzu Auffräsung des Markraumes des Humerus, zementiertes Einsetzen der Prothese.
17
20
17
2.5 · Eingriffe bei Verletzungen des Unterarms
Eingriff Stabilisierung der Schaftfraktur i.d.R. mittels eines Nagels, der von proximal oder distal über die Frakturstelle in das andere Fragment eingebracht wird; geschlossene Reposition; bei unaufgebohrtem Humerusnagel (UHN) keine Markraumaufbohrung; abschließend proximale und distale Verriegelung des Nagels mittels Schrauben; bei Lagerung und Repositionsmanöver iatrogene Schädigung des N. radialis durch Überdehnung oder Interposition möglich.
anschließend Refixation des Olekranon mit einer Zuggurtung.
Anästhesiologische Aspekte
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
Lagerung
»beach-chair«-Lagerung, Schulter überhängend (wegen Durchleuchtung)
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
In Abhängigkeit von Laborwerten, kein großer Blutverlust
POAnalgesie
Ggf. interskalenäre Plexusblockade/-katheter ! Cave: Beurteilung der Funktion des N. radialis erschwert
2
Anästhesieverfahren
ITN, bei Notfalleingriff → RSI
Lagerung
Bauchlage
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Magensonde, invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
In Abhängigkeit von Laborwerten
POAnalgesie
Ggf. interskalenäre Plexusblockade/-katheter
ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Die Besonderheiten der Bauchlagerung sind zu beachten (Legen einer Magensonde, ggf. Rachentamponade, Beatmung in Bauchlage) (7 Kap. 3.4).
2.5
Eingriffe bei Verletzungen des Unterarms
2.5.1 Olekranonfraktur ITN: Intubationsnarkose, RSI: Rapid Sequence Induction, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Es gelten die gleichen Hinweise zur Lagerung wie in 7 Kap. 3.4. beschrieben.
Operative Aspekte Die Olekranonfraktur entsteht durch Sturz auf das gebeugte Ellbogengelenk. Sie stellt immer eine Operationsindikation dar.
Eingriff 2.4.3 Suprakondyläre Humerusfraktur
Operative Aspekte Fast alle distalen Humerusfrakturen sind disloziert (Muskelzug) und müssen operativ versorgt werden, meist besteht eine Gelenkbeteiligung.
Eingriff Eingriff in Bauchlage und Blutsperre; Darstellung des N. ulnaris, evtl. Verlagerung des Nerven; Osteotomie des Olekranon, Stabilisierung der Fraktur mittels Platten-und Schraubenosteosynthese;
Eingriff in Blutsperre; Entfernung der mitverletzten Bursa olecrani, Eröffnung der Gelenkkapsel, Darstellung des N. ulnaris; offene Reposition der Frakturfragmente, Kirschnerdrahtosteosynthese; Anlage eines Zuggurtungsdrahtes durch einen Bohrkanal und achterförmige Kreuzung desselben.
18
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Eingriffe bei Verletzungen der Hand
1
2.5.2 Unterarmschaftfraktur
2.6
Operative Aspekte
2
2.6.1 Frakturen, Luxationen, Band-
Unterarmschaftfrakturen entstehen durch direkte oder indirekte Gewalt. Isolierte Frakturen des Radiusschaftes sind selten, isolierte Frakturen des Ulnaschaftes häufiger anzutreffen (Parrierfraktur). Meist sind beide Unterarmknochen zusammen frakturiert. Sonderformen sind die Monteggia-Fraktur (Kombination von Ulnaschaftfraktur und Radiusköpfchenluxation) und die GaleazziFraktur (Kombination von Radiusschaftfraktur und Ulnaköpfchenluxation). Unterarmschaftfrakturen werden, von sehr seltenen Ausnahmen abgesehen, immer operativ versorgt.
3 4 5 6 7
Eingriff
8 9 10 11 12 13 14 15
17 18 19 20
Operative Aspekte Verletzungen an der Hand werden häufig konservativ behandelt. Eine operative Versorgung erfolgt bei Luxation, Gelenkfrakturen, höhergradig offenen Frakturen, komplexen Verletzungen, Sehnenverletzungen und speziellen Indikationen.
Eingriff In Abhängigkeit vom Verletzungstyp Stabilisierung mittels Kirschnerdraht-, Platten- oder Schraubenosteosynthese bzw. Band- oder Sehnennaht in Blutsperre.
Eingriff in Blutsperre; offene Reposition der Frakturfragmente; Stabilisierung mit einer Plattenund Schraubenosteosynthese oder geschlossene Reposition und Stabilisierung mit Verriegelungsnägeln.
2.6.2 CTS (Karpaltunnelsyndrom)
2.5.3 Distale Radiusfraktur
Das CTS bezeichnet die Schädigung des N. medianus im verengten Karpaltunnel durch Verdickung des Retinaculum flexorum. Es kommt zu sensiblen und motorischen Ausfällen des N. medianus mit v. a. nächtlichen Schmerzen.
Operative Aspekte Die distale Radiusfraktur ist eine der häufigsten Frakturen und ist meist durch einen Sturz auf die Hand bedingt. Die Operationsindikation ist abhängig vom Ausmaß der Dislokation und der Art der Fraktur. Die meisten distalen Radiusfrakturen werden konservativ (durch Reposition und Gips) behandelt.
Eingriff
16
und Sehnenverletzungen
Eingriff in Blutsperre; offene Reposition; volarseitig Anlage einer Plattenosteosynthese, Fixierung der Platte mittels Schrauben. Bei begleitenden Weichteilverletzungen und Trümmerfrakturen häufig Anlage eines Fixateur externe; hierbei Reposition und Stabilisierung der Fraktur von außen; Ausheilung der Fraktur mit Fixateur externe; Abnahme des Fixateurs nach 5– 6 Wochen.
Operative Aspekte
Eingriff Offene oder endoskopische Spaltung des Retinaculum flexorum.
Anästhesiologische Aspekte bei Eingriffen an Hand und Unterarm Anästhesieverfahren
Proximale Frakturen, Schaftfraktur, distale Radiusfraktur → VIB, ggf. ITN Eingriffe an der Hand → axilläre Plexusblockade, ggf. ITN Kurze Eingriffe an der Hand → IVRA, ggf. axilläre Plexusblockade, ggf. ITN CTS → IVRA, ggf. axilläre Plexusblockade
Lagerung
Rückenlage, Auslagerung des betroffenen Armes auf einem Handtisch
Zugänge
1 venöser Zugang
19
2.7 · Eingriffe bei Verletzungen der Hüfte
Monitoring
Kein spezielles Monitoring
Blutprodukte
Keine
POAnalgesie
Keine
ITN: Intubationsnarkose, VIB: vertikal infraklavikuläre Plexusblockade, IVRA: intravenöse Regionalanästhesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie
Eingriffe an Unterarm und Hand werden in der Regel in Oberarmblutsperre oder -leere durchgeführt. Bei Intubationsnarkosen stellt diese kein Problem dar. Bei Plexusblockaden (v. a. beim axillären Zugang) ist jedoch der Tourniquetbereich nicht hinreichend anästhesiert und es treten nach einiger Zeit oft erhebliche Schmerzen auf (Tourniquet-Schmerz), die eine zusätzliche (Analgo)sedierung erforderlich machen können.
2.7
Eingriffe bei Verletzungen der Hüfte
2.7.1 Coxarthrose
Operative Aspekte Wenngleich eine Coxarthrose nicht primär durch ein akutes Trauma verursacht wird, wird sie dennoch häufig in der Traumachirurgie operativ versorgt. Eine Coxarthrose entsteht u. a. durch rheumatische Erkrankungen, Fehlstellung des Schenkelhalses, Hüftdysplasie, posttraumatische Veränderungen oder bei Adipositas.
Eingriff Coxarthrose-TEP: bei Patienten <65 Jahren Implantation einer zementfreien Totalendoprothese (TEP), bei Patienten zwischen 65 und 75 Jahren Implantation einer Hybridprothese; bei Patienten >75 Jahren zementierte TEP. Zur Operationstechnik 7 Kap. 2.8.1.
2
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
SPA, CSE (in Abhängigkeit von geplanter OP-Dauer und postoperativer Schmerztherapie), ggf. ITN
Lagerung
Rückenlage
Zugänge
2 venöse Zugänge
Monitoring
Blasenkatheter, in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen ggf. arterielle Blutdruckmessung
Blutprodukte
4 EK, ggf. Eigenblut
POAnalgesie
Epiduralkatheter, ggf. Psoaskompartmentkatheter, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Das Patientengut besteht meist aus älteren Patienten mit internistischen Vorerkrankungen. Die TEP bei Coxarthrose ist ein Elektiveingriff, daher ist eine gute präoperative Vorbereitung erforderlich. Bei sonst gesunden Patienten ist die Eigenblutspende möglich (7 Kap. 3.3).
2.7.2 Hüftprothesenlockerung
Operative Aspekte Nach Implantationen von Gelenkprothesen kann eine Lockerung des Implantates auftreten. Diese kann aseptisch oder septisch bedingt sein. Das operative Vorgehen richtet sich nach der Ursache der Lockerung.
Eingriff Bei aseptischer Lockerung Ausbau der Prothese und Implantation einer stielverlängerten Prothese, ggf. neue Prothesenpfanne evtl. mit Abstützschale. Bei septischer Lockerung vollständige Entfernung aller Implantate und avitalen Teile (Girdlestone-Hüfte) und Einlage von Septopalketten und antibiotisch wirksamen Schwämmen; bei persistierender Entzündung regelmäßige Revisionen (Spülungen).
20
1
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Anästhesiologische Aspekte
2 3
Anästhesieverfahren
ITN, ggf. CSE, bei Revisionen (Spülung) SPA möglich
Lagerung
Rückenlage
Zugänge
2 großlumige venöse Zugänge
Monitoring
Blasenkatheter, invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
4 EK, ggf. Einsatz eines Cell-Savers bei Prothesenwechsel (nicht bei septischer Hüfte)
POAnalgesie
i.v.-PCA mit Opioiden, ggf. Epiduralkatheter, ggf. Psoaskompartmentkatheter
4 5 6 7 8
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
oder innerhalb von 12–36 Stunden nach dem Unfall erfolgen. Selten treten mediale Schenkelhalsfrakturen bei Kindern und Jugendlichen auf. Bei ihnen ist wegen der Gefahr der Hüftkopfnekrose eine Notfallindikation gegeben. Die per- oder intertrochantäre Fraktur ist eine Fraktur des alten Menschen (Patientenkollektiv ca. 10 Jahre älter als bei Schenkelhalsfraktur). Die subtrochantäre Fraktur tritt zum einen bei alten Patienten nach Sturz, zum anderen bei jüngeren Patienten nach starker Krafteinwirkung, z. B. im Rahmen eines Polytraumas, auf. Der Zeitpunkt der Operation sowie die Wahl des Operationsverfahrens sind abhängig vom Frakturtyp, der Vitalität des Hüftgelenkkopfes, den Begleiterkrankungen oder Verletzungen sowie dem Alter und der Mobilität des Patienten vor dem Trauma.
Eingriff Es handelt sich meist um ältere Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen. Ein Prothesenwechsel ist mit größerem Blutverlust verbunden. Eine ausreichende Menge an Blutkonserven sollte bereitstehen. Regionalanästhesieverfahren bieten sich bei Prothesenwechseln weniger an, da die lange Lagerung auf dem OP-Tisch für die Patienten unkomfortabel und stressinduzierend ist.
2.8
Eingriffe bei Verletzungen des Oberschenkels
2.8.1 Mediale Schenkelhalsfraktur,
per- und intertrochantäre Fraktur, subtrochantäre Fraktur Operative Aspekte Die Schenkelhalsfraktur ist eine sehr häufige Verletzung, die bevorzugt im höheren Lebensalter auftritt. Die Ursache ist meist ein Sturz bei vorbestehender Osteoporose; Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Nach der Lokalisation werden diese Frakturen in mediale (95% der Frakturen) und laterale (sehr selten) Schenkelhalsfrakturen eingeteilt. Die Operation sollte je nach geplantem Operationsverfahren als Notoperation
Mediale Schenkelhalsfraktur
Bei Patienten unter 65 Jahren kopferhaltende Operation (Osteosynthese), bei Patienten zwischen 65 und 80 Jahren HEP (Hemi-) oder TEP (Totalendoprothese). Osteosynthese. Reposition der Fraktur auf dem
Extensionstisch, Osteosynthese der Fraktur durch 3 Schrauben; Notfalleingriff wegen Erhaltung der Vitalität des Hüftkopfes. Hüftprothese. Nach Freilegung des Hüftgelenks
Inzision der Gelenkkapsel und Resektion des verletzten Hüftkopfes; Fräsung des Pfannenlagers, zusätzliche Anlage von Verankerungslöchern zum Eindringen des Knochenzementes (Palakos); Einführung einer Kunststoffpfanne; nach Vorbereitung des Schaftlagers Einbringen des Knochenzementes und des Prothesenschaftes; Probereposition mit einem Probekopf; anschließend Einsetzen des definitiven Implantates und endgültige Reposition. Hemiendoprothese (HEP). Hier entfällt die Präparation und Implantation der Hüftgelenkpfanne; Verwendung eines Duokopfes oder großen Keramikkopfes als Hüftkopfersatz.
21
2.8 · Eingriffe bei Verletzungen des Oberschenkels
Laterale Schenkelhalsfraktur Dynamische Hüftschraube (DHS). Reposition der
Fraktur auf dem Extensionstisch; Aufbohren des Schenkelhalses und Eindrehen einer speziellen Schraube, anschließend Aufsetzen einer entsprechenden Platte auf die Schraube und Fixierung am Femurschaft. Per-/intertrochantäre Fraktur
DHS, ggf. zusätzlich Trochanterabstützplatte. Subtrochantäre Fraktur Proximaler Femurnagel (PFN), DHS. Einbringen des PFN von proximal nach distal in den Femur, dabei geschlossene Reposition der Fraktur; Einbringen von Schenkelhalsschrauben und distale Verriegelung des Nagels.
Anästhesiologische Aspekte Anästhesieverfahren
SPA, CSE (in Abhängigkeit von geplanter Operationsdauer und postoperativer Schmerztherapie), ggf. ITN
Lagerung
Rückenlage, ggf. Extensionstisch (bei DHS und PFN)
Zugänge
2 venöse Zugänge
Monitoring
Blasenkatheter, invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
4 EK
POAnalgesie
Epiduralkatheter, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden, ggf. Psoaskompartmentkatheter
2
Bei zementierten Gelenkprothesen ist auf eine mögliche Palakos-Reaktion hinzuweisen (7 Kap. 3.6). Die Hemi- und Totalendoprothesenimplantation sowie die Femurnagelung sind zum Teil mit größeren Blutverlusten verbunden (Aufbohren des Markraums, großes Weichteiltrauma). Es ist aber nicht nur auf den intraoperativen, sondern auch auf den oft erheblichen postoperativen Blutverlust (Redon-Drainagen) zu achten, um frühzeitig eine Substitutionstherapie zu beginnen. Die DHS ist mit eher geringen Blutverlusten verbunden. Bei der Reposition im Rahmen von Prothesenimplantationen ist eine gute Muskelrelaxierung gewünscht. Bei aufgebohrter Technik besteht aufgrund der hohen Markraumdrücke die Gefahr der Thrombembolie bzw. Fettembolie.
2.8.2 Femurschaftfraktur
Operative Aspekte Die Femurschaftfraktur ist bei normaler Knochenqualität Folge eines hochenergetischen Traumas (Verkehrs- oder Sportunfall). Geringere Traumata sind nur bei Osteoporose oder Knochenmetastasen ursächlich. Eine operative Versorgung ist immer indiziert. Bei polytraumatisierten Patienten oder einem Weichteiltrauma kann vorübergehend ein Fixateur externe angelegt werden.
Eingriff
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Das Patientengut bei diesen Eingriffen besteht meist aus alten Patienten mit multiplen Vorerkrankungen. Regionalanästhesieverfahren sind, wenn möglich, zu bevorzugen. Die Anästhesieplanung für eine Osteosynthese bei Schenkelhalsfraktur, bei der DHS und Femurnagelung (PFN) muss auch die bei diesen Operationen zeitaufwändige Lagerung auf dem Extensionstisch berücksichtigen (ca. 30 min).
In der Regel Marknagelung (UFN = unaufgebohrter Femurnagel) oder aufgebohrte Technik von antegrad; Plattenosteosynthesen bei Kontraindikationen (Gefäßbeteiligung, höhergradig offene Frakturen, ausgeprägte Beteiligung der Kondylen oder des intertrochantären Bereiches); Lagerung auf dem Extensionstisch; bei aufgebohrter Technik Aufbohrung des Femur von proximal Einführung des Marknagels; danach proximale und distale Verriegelung des Nagels mittels Schrauben; aufgebohrte Technik kontraindiziert bei Patienten mit Volumenmangelschock und pulmonalen Komplikationen. Bei unaufgebohrter Technik Eröffnung des Markraums mit speziellem Instrument und Einstoßung des Nagels mit einem Hammer; Vorschieben über die zuvor reponierte Fraktur; auch hier proximale und distale Verriegelung.
22
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
2.9
2.8.3 Distale Femurfraktur
Die Patellafraktur ist die Folge eines direkten Traumas in Knieflexion. Operiert werden dislozierte Frakturen. Offene Frakturen stellen eine dringliche Operationsindikation dar, da das Kniegelenk eröffnet ist.
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
2.9.1 Patellafraktur
Operative Aspekte
Operative Aspekte Distale Femurfrakturen sind trans- oder suprakondyläre Frakturen, die auf direkte Gewalteinwirkung (Armaturenbrettverletzung bei Aufprallunfall) oder ein indirektes Trauma zurückzuführen sind. Alle Frakturen stellen Operationsindikationen dar.
Eingriff
8
Eingriffe bei Verletzungen des Kniegelenks
Retrograde Nagelung indiziert bei distalen Femurfrakturen, v. a. mit Kondylenbeteiligung: z. B. distaler Femurnagel (DFN); hierbei Eröffnung des Kniegelenks.
Bei extraartikulären Frakturen Nagelung, bei Gelenkbeteiligung Platten- und Schraubenosteosynthese (Kondylenplatte, dynamische Kondylenschraube (DCS) oder Kondylenabstützplatte), bei hochgradigem Weichteilschaden Anlage eines Fixateur externe. Nach offener Reposition der Fraktur Einbringen von Platte bzw. Schrauben und Stabilisierung der Fraktur; bei transkondylären Frakturen Eröffnung des Kniegelenks.
Anästhesiologische Aspekte bei Femurfrakturen Anästhesieverfahren
SPA, CSE (in Abhängigkeit von geplanter Operationsdauer und postoperativer Schmerztherapie), ggf. ITN
Lagerung
Rückenlage, ggf. Extensionstisch
Zugänge
1–2 venöse Zugänge
Monitoring
Blasenkatheter, invasives Monitoring in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen
Blutprodukte
2-4 EK
POAnalgesie
Ggf. Epiduralkatheter, Psoaskompartment-/Femoraliskatheter, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Eingriff Eingriff in Blutsperre; nach Darstellung der Fraktur offene Reposition mit der Zange und Durchführen zweier Kirschnerdrähte durch die Patella, verbunden mit einer Zuggurtung; bei Mehrfragmentfrakturen ggf. zusätzliche Verschraubung erforderlich.
2.9.2 Kreuzbandruptur
Operative Aspekte Die (vordere oder hintere) Kreuzbandruptur entsteht durch eine schwere Distorsion des Kniegelenks. Die häufigere vordere Kreuzbandruptur sollte bei aktiven Patienten <50 Jahre 5–6 Wochen nach Trauma, bei zusätzlicher Meniskusruptur innerhalb von 2 Wochen operiert werden. Die hintere Kreuzbandruptur stellt bei jungen, aktiven Patienten mit erheblicher primärer Instabilität eine Operationsindikation dar. Zusätzliche Rupturen des medialen oder lateralen Seitenbandes sind möglich.
Eingriff Vordere Kreuzbandplastik offen oder arthroskopisch möglich; nach Eröffnung des Kniegelenks Ersatz des defekten Kreuzbandes durch einen Teil des Ligamentum patellae oder der Sehne des M. semitendinosus und Fixation des Transplantats an Tibiakopf und Femurkondylen.
23
2.10 · Eingriffe bei Verletzungen des Unterschenkels
2.9.3 Meniskusverletzung,
Knorpelverletzung Operative Aspekte Eingriff
Blutprodukte
Keine, bei Knie-TEP 2 EK
POAnalgesie
Vordere Kreuzbandplastik → ggf. Epiduralkatheter/Psoaskompartment-oder Femoraliskatheter (Notwendigkeit abhängig von OP-Technik), ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
Meniskus- und Knorpelverletzungen werden heute überwiegend arthroskopisch operiert. Lagerung des betroffenen Knies freihängend in einer Kniebank; nach diagnostischer Arthroskopie je nach Befund z. B. partielle Meniskusresektion, Naht des Meniskus oder Entfernung von Knorpelfragmenten.
Arthroskopische Eingriffe → intraartikuläre Lokalanästhetikainjektion (z. B. 20 ml Ropivacain 0,75%) durch den Operateur bewirkt gute postoperative Schmerztherapie, RedonDrainagen nach Injektion ca. 30 Minuten geschlossen lassen
2.9.4 Patellaluxation
Knie-TEP: Psoaskompartment- oder Femoraliskatheter, ggf. in Kombination mit Ischiadikuskatheter, ggf. Epiduralkatheter, ggf. i.v.-PCA mit Opioiden
Operative Aspekte Eingriff Arthroskopischer Eingriff wie bei Meniskusverletzungen: mediale Raffung und »Lateral-release«-Operation.
2
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinalepiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, i.v.-PCA: intravenöse patientenkontrollierte Analgesie, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
2.9.5 Gonarthrose 2.10
Operative Aspekte Eine Gonarthrose beruht meist auf degenerativen Ursachen, kann aber auch posttraumatisch auftreten. Es wird ein Kniegelenkersatz (Knie-TEP) durchgeführt.
Eingriff Ersatz der femuralen und tibialen Gelenkfläche durch entsprechende Prothesen, meist zementiert.
Anästhesiologische Aspekte bei Eingriffen am Kniegelenk Anästhesieverfahren
SPA, CSE (in Abhängigkeit von geplanter Operationsdauer und postoperativer Schmerztherapie), ggf. Psoaskompartment- oder Femoralis- (und Ischiadikus)block, ggf. ITN
Lagerung
Rückenlage
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Kein spezielles Monitoring, außer bei Knie-TEP meist jüngere Patienten 6
Eingriffe bei Verletzungen des Unterschenkels
2.10.1 Tibiakopffraktur
Operative Aspekte Tibiakopffrakturen entstehen häufig durch Stauchungstraumata, auf begleitende Kniebinnenverletzungen ist zu achten. Bei komplexen Frakturen sind zusätzliche Läsionen des N. peronaeus und ein Kompartmentsyndrom möglich. Bei Gelenkbeteiligung besteht immer eine Operationsindikation.
Eingriff Eingriff in Blutsperre; nach Darstellung der Fraktur offene Reposition und Stabilisierung mit einer Plattenosteosynthese, häufig zusammen mit einer Spongiosaplastik (Entnahme aus dem Beckenkamm); bei zusätzlichen Kniebinnenverletzungen Versorgung wie unter 7 Abschn. 2.9.2 und 2.9.3 dargestellt.
24
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
1
2.10.2 Tibiaschaftfraktur
Operative Aspekte
Operative Aspekte
2
Tibiaschaftfrakturen sind häufige Frakturen (v. a. Sport- und Verkehrsunfälle). Bei direkter Gewalteinwirkung sind sie oft mit schweren Weichteilschäden verbunden. Wegen der schlechten Weichteildeckung des Unterschenkels sollte eine operative Versorgung notfallmäßig innerhalb der ersten 6 Stunden nach dem Trauma erfolgen.
Die Einteilung der Sprunggelenkfrakturen erfolgt nach Weber (A, B, C) in Abhängigkeit von der Höhe der Fibulafraktur. Operationsindikationen sind bei Weber-B-Fraktur nur bei Begleitverletzung oder Dislokation, immer jedoch bei Weber-C-Fraktur gegeben. Die Maisonneuve-Fraktur ist eine Sonderform der Weber-C-Fraktur. Bei zu starker initialer Schwellung erfolgt die operative Versorgung erst nach Abschwellen des Gelenks.
3 4 5 6 7 8 9 10
Eingriff Bei Frakturen mit schwerem Weichteilschaden in der Regel primär Anlage eines Fixateur externe, definitive osteosynthetische Versorgung mittels Nagelung im Intervall. Lagerung auf der Kniebank; nach Eröffnung des Markraums Einbringen des Nagels (gebohrte oder ungebohrte Technik) von proximal in die Tibia, dabei möglichst geschlossene Reposition der Fraktur; abschließend proximale und distale Verriegelung des Nagels; evtl. Stabilisierung einer begleitenden Fibulafraktur mittels Plattenosteosynthese.
11 12
2.10.3 Pilon-tibiale-Fraktur
13
Bei Frakturen des distalen Tibiaendes besteht eine hohe Rate an begleitenden Weichteilschäden. Oft liegt eine ausgeprägte Schwellung bis hin zum Kompartmentsyndrom vor. Wegen der schlechten Weichteildeckung im Bereich des Unterschenkels erfolgt meist ein zweizeitiges operatives Vorgehen.
Operative Aspekte
14 15 16 17 18 19 20
2.10.4 Sprunggelenkfraktur
Eingriff Eingriff in Blutsperre; nach Darstellung der Fraktur offene Reposition und Stabilisierung mittels einer Platten- und Schraubenosteosynthese, Bandnaht.
2.10.5 Kalkaneusfraktur
Operative Aspekte Kalkaneusfrakturen sind Stauchungsverletzungen. Sie werden häufig beim Sturz oder Sprung aus großer Höhe, dann auch im Zusammenhang mit Wirbelsäulenverletzungen, beobachtet. Eine ausgeprägte Schwellung ist die Regel, deshalb wird die operative Versorgung erst nach dem Abschwellen der Extremität durchgeführt.
Eingriff Operation in Gegenseitenlage und Blutsperre; nach provisorischer Fixation der Fragmente mit Kirschner-Drähten und Reposition Stabilisierung mit einer Plattenosteosynthese.
Eingriff Bei zweizeitigem Vorgehen Anlage eines Fixateur externe zur Ruhigstellung und Repositionssicherung; definitive Versorgung evtl. in Blutsperre als Plattenosteosynthese der Tibia und Fibula.
2.10.6 Mittel- und Vorfußfraktur
Operative Aspekte Eingriff Eingriff in Blutsperre; Stabilisierung der Fraktur mittels K-Draht-, Platten- oder Schraubenosteosynthese.
25
Literatur
Anästhesiologische Aspekte bei Eingriffen am Unterschenkel Anästhesieverfahren
SPA, CSE, Femoralis- und Ischiadikusblockade, ggf. ITN Bei Operation am distalen Unterschenkel/Fuß ggf. distale Ischiadikusblockade (wenn keine Oberschenkelblutsperre)
Lagerung
Rückenlage
Zugänge
1 venöser Zugang
Monitoring
Kein spezielles Monitoring
Blutprodukte
Bei Tibiafrakturen ggf. 2 EK (in Abhängigkeit von Laborwerten)
POAnalgesie
Bei ausgedehnten Frakturen oder Amputationen Ischiadikuskatheter, ggf. Epiduralkatheter Bei Eingriffen am distalen Unterschenkel/Fuß distaler Ischiadikuskatheter ausreichend
ITN: Intubationsnarkose, SPA: Spinalanästhesie, CSE: kombinierte Spinal-Epiduralanästhesie, EK: Erythrozytenkonzentrat, PO-Analgesie: spezielle postoperative Schmerztherapie.
Literatur Friedl W (1997) Traumatologie: sehen, verstehen, nachvollziehen. Thieme, Stuttgart New York Trentz O, Heim U, Baltensweiler J (1995) Checkliste Traumatologie, 4. Auflage. Thieme, Stuttgart New York
2
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
26
. Tabelle 2.1. Übersicht über die operativen und anästhesiologischen Aspekte typischer Verletzungen Operation
Blutsperre
Lagerung
Mögliche Anästhesieverfahren
EK/CS
Spezielle postoperative Analgesie
Bemerkungen
2–4
i.v.-PCA
Ventrale Fusion, Wirbelkörperersatz: 6 EK
2–6, ggf. CS
i.v.-PCA
Wirbelsäule/Becken BWS-, LWS-Fraktur
Fixateur interne
Bauchlage
ME Fixateur interne
Bauchlage
Beckenringfraktur Azetabulumfraktur, Symphysensprengung, Sakrumfraktur, Fraktur Os pubis/ilium
Platten-/Schraubenosteosynthese
Rücken-/ Seiten- oder Bauchlage
Ileosakralfugensprengung
Fixateur externe Beckenring
Rückenlage
Schraubenosteosynthese
Bauchlage
ME Becken
Abhängig von Lokalisation
Klavikulafraktur
Plattenosteosynthese
»beach chair«
Schultereckgelenksprengung
Hakenplatte, Bandnaht
»beach chair«
ME Klavikula
»beach chair«
Allgemeinanästhesie (VN)
Ggf. i.v.-PCA
Klavikula
VN
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Diagnose
Diagnose
Operation
Blutsperre
Lagerung
Mögliche Anästhesieverfahren
EK/CS
Spezielle postoperative Analgesie
Bemerkungen
Tabelle 2.1
. Tabelle 2.1. (Fortsetzung)
Schulter Subakromiale Dekompression, ggf. Akromioplastik
»beach chair«
Rotatorenmanschettenruptur
Refixation Sehnen, Akromioplastik
»beach chair«
Schulterluxation
Schulterreposition
»beach chair«
Analgosedierung, ggf. VN
Arthroskopische Schulter-OP
»beach chair«
VN
Proximale Humerusfraktur
Platten-/Schraubenosteosynthese, ggf. Hemiprothese
»beach chair«
Humerusschaftfraktur
Nagelung (UHN = unaufgebohrter Humerusnagel)
»beach chair«/ Rückenlage
Platten-/Schraubenosteosynthese
»beach chair«
ME Humerus
»beach chair«
Impingementsyndrom
Interskalenärer Katheter, i.v.-PCA VN Interskalenärer Katheter, i. v.-PCA Häufig Relaxierung nötig → ITN Lokalanästhetika intraartikulär durch Operateur
Oberarm Interskalenärer Katheter, i. v.-PCA
ISB bei Hemiprothese ungünstig, Luxationsgefahr
Ggf. interskalenärer Katheter
Bei antegrader Nagelung »beach chair«, bei retrograder Nagelung Rückenlage
VN
Ggf. interskalenärer Katheter
27
Distale Humerusfraktur
Ggf. 2
Ellbogengelenk Zuggurtungsosteosynthese
X
Bauchlage
2
Olecranonfraktur
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
28
. Tabelle 2.1. (Fortsetzung) Operation
Blutsperre
Lagerung
Ellbogengelenkluxation
Naht eines Kollateralbandes
X
Rückenlage
Bursitis olecrani
Bursektomie
Bauchlage
Ellbogeneinsteifung
Arthrolyse, Ellbogengelenkmobilisierung
Rückenlage
Mögliche Anästhesieverfahren
Spezielle postoperative Analgesie
VIB, VN VIB-Katheter
Unterarm Radiusköpfchenfraktur
Osteosynthese, ggf. Radiusköpfchenprothese
X
Rückenoder Bauchlage
VIB, VN
Radiusschaftfraktur
Platten-/Schraubenosteosynthese
X
Rückenlage
VIB, VN
Ulnaschaftfraktur
Platten-/Schraubenosteosynthese
X
Rückenlage
Ax. Plexus (VIB), VN
Unterarmfraktur (Radius/ Ulna)
Platten-/Schraubenosteosynthese
X
Rückenlage
VIB, VN
Monteggia-/GaleazziFraktur
Platten-/Schraubenosteosynthese
X
Rückenlage
Ax. Plexus (VIB), VN
Offene Unterarmfrakturen
Fixateur externe
X
Rückenlage
VIB (ax. Plexus), VN
ME proximaler Unterarm
X
Rückenlage
VIB, VN
ME distaler Unterarm
X
Rückenlage
Ax. Plexus (VIB), VN
Spaltung retinaculum flexorum
X
Handtisch
IVRA, ax. Plexus, VN
Handgelenk CTS
EK/CS
Bemerkungen
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Diagnose
EK/CS
Spezielle postoperative Analgesie
Bemerkungen
Diagnose
Operation
Blutsperre
Lagerung
Handwurzelpseudarthrose
Arthrodese, ggf. Spongiosaplastik
X
Handtisch
Handwurzelfraktur
Schraubenosteosynthese, Spongiosaplastik
X
Handtisch
Ax. Plexus, VN
Bei Spongiosaentnahme ax. Plexus + SPA oder ITN
Gefäß-/Nervenverletzung
Nervennaht
X
Handtisch
VN
Häufig ITN günstiger bei mikroskopischer OP, bei Nervenverletzung Stimulation nicht möglich
Sehnenverletzung
Sehnennaht
X
Handtisch
Ax. Plexus, VN
Schnellender Finger
Ringbandspaltung
X
Handtisch
IVRA, ax. Plexus, VN
M. Dupuytren
Fasziektomie, evtl. partiell
X
Handtisch
Ax. Plexus, VN, ggf. IVRA
Ganglion
Extirpation
X
Handtisch
IVRA, ax. Plexus, VN
Metacarpalefrakturen
Miniplatten-/Spickdrahtosteosynthese
X
Handtisch
Fingerfrakturen
Miniplattenosteosynthese
X
Handtisch
ME Hand
X
Handtisch
Mögliche Anästhesieverfahren
Tabelle 2.1
. Tabelle 2.1. (Fortsetzung)
Bei Spongiosaentnahme ax. Plexus + SPA oder ITN
Bei nur einem Strahl auch IVRA möglich, ggf. mit Handblock
29
Sonderfall: Bennett-, Rolando-, Wintersteinfraktur Ax. Plexus, VN
2
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
30
. Tabelle 2.1. (Fortsetzung) Operation
Blutsperre
Lagerung
Mögliche Anästhesieverfahren
EK/CS
Spezielle postoperative Analgesie
Hüfte/Oberschenkel Mediale Schenkelhalsfraktur
HEP, TEP (Hemi-/ Totalendoprothese)
Rückenlage
Schraubenosteosynthese
Extensionstisch
Laterale Schenkelhalsfraktur
DHS (dynamische Hüftschraube)
Extensionstisch
SPA, VN
2
Coxarthrose
TEP
Rückenlage
SPA, CSE, VN
4
Prothesenlockerung
Prothesenausbau
Rückenlage
SPA, VN
4
TEP-Wechsel
Rückenlage
VN, CSE
6, ggf. CS
Per-/intertrochantäre Femurfraktur
DHS, ggf. Trochanterabstützplatte
Extensionstisch
SPA, CSE, VN
4
Periprothetische Femurfraktur
Plattenosteosynthese, Verbundosteosynthese
Rückenlage
CSE (SPA) , VN
4
Subtrochantäre Femurfraktur
PFN (proximaler Femurnagel), ggf. Kondylenplatte
Extensionstisch
Femurschaftfraktur
UFN (unaufgebohrter Femurnagel), ggf. Plattenosteosynthese
Extensionstisch
Distale Femurfraktur
Osteosynthese Platte/Nagel/Schrauben
Rückenlage
4 SPA, CSE, VN
4
U. a. abhängig vom Anästhesieverfahren: Epidural-, Psoaskompartmentkatheter, i.v.-PCA
4
SPA, CSE, VN
4
2–4
U. a. abhängig vom Anästhesieverfahren: Epidural-, Psoaskompartment- oder Femoraliskatheter, i. v.-PCA
Bemerkungen
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Diagnose
Diagnose
Operation
Blutsperre
Oberschenkelamputation
Lagerung
Mögliche Anästhesieverfahren
Rückenlage
CSE, Psoaskompartment-/ Ischiadikusblockade, VN
EK/CS
Spezielle postoperative Analgesie
Bemerkungen
Epidural-, Psoaskompartment- oder Femoraliskatheter, i.v.-PCA
Epiduralkatheter ggf. einen Tag präoperativ anlegen
Tabelle 2.1
. Tabelle 2.1. (Fortsetzung)
ITN (nur im Ausnahmefall) ME Oberschenkel
Rückenlage
SPA, VN
Kniebank
SPA, Psoaskompartment- oder Femoralis-/und Ischiadikusblockade,
Knie/Unterschenkel Arthroskopie
Außen-/Innenbandruptur
Bandnaht
X
Rückenlage
Patellafraktur
Zuggurtungsosteosynthese
X
Rückenlage
Patellaluxation
Med. Raffung, lat. Release (offen, endoskopisch)
X
Rückenlage, Kniebank
VN
Vorderer Kreuzbandriss
Kreuzbandplastik
X
Kniebank
SPA, CSE,
Gonarthrose
Knie-TEP
X
Rückenlage
X
Psoaskompartment- oder Femoralis-/und Ischiadikusblockade,
Intraartikuläre Injektion von Lokalanästhetika durch Operateur
2
U. a. abhängig vom Anästhesieverfahren: Epidural-, Psoaskompartment- oder Femoraliskatheter, ggf. + Ischiadikuskateter, i.v.-PCA
31
Degenerative Knieveränderungen, Knorpelläsion, Meniskusverletzung
VN
2
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
32
. Tabelle 2.1. (Fortsetzung) Operation
Blutsperre
Lagerung
Mögliche Anästhesieverfahren
Tibiakopffraktur
Platten-/ Schraubenosteosynthese
X
Rückenlage
SPA, CSE, Psoaskompartment- oder Femoralis-/und Ischiadikusblockade, VN
Tibiaschaftfraktur
UTN (unaufgebohrter Tibianagel)
X
Rückenlage
Pilon-tibiale-Fraktur
Plattenosteosynthese
X
Rückenlage
Femoralis- und Ischiadikusblockade,
Achillessehnenruptur
Achillessehnennaht
X
Bauchlage
SPA, CSE,
Wundinfekt
Wundrevision Unterschenkel
Rückenlage
Kompartmentsyndrom
Faszienspaltung
Rückenlage
VN
SPA, VN
Sprunggelenk Weber-B-/-C-Fraktur
Platten-/Schraubenosteosynthese
X
Rückenlage
Außenbandruptur
Bandnaht
X
Rückenlage
Kalkaneusfraktur
Plattenosteosynthese
X
Gegenseitenlage
ME Unterschenkel
X
Femoralis- und Ischiadikusblockade, SPA, CSE, VN
EK/CS
Spezielle postoperative Analgesie
U. a. abhängig vom Anästhesieverfahren: Epiduralkatheter, ggf. Ischiadikuskatheter, ggf. i.v.-PCA
Ggf. Ischiadikuskatheter, i.v.-PCA
Bemerkungen
Kapitel 2 · Typische Eingriffe in der Traumachirurgie
Diagnose
Diagnose
Operation
Blutsperre
Lagerung
Mögliche Anästhesieverfahren
Mittelfuß-/Vorfußfraktur
K-Draht-, Plattenoder Schraubenosteosynthese
X
Rückenlage
Wundinfekte
Wundrevisionen
X
Rückenlage
Distale Ischiadikusblockade (DIB), Femoralis- und Ischiadikusblockade, SPA, VN
EK/CS
Spezielle postoperative Analgesie
Bemerkungen
Tabelle 2.1
. Tabelle 2.1. (Fortsetzung)
Fuß
Amputation
Rückenlage
Ggf. DIB-Katheter
DIB nur bei Eingriffen ohne Blutsperre oder mit Unterschenkelblutsperre möglich, sonst besser proximaler Ischiadikusblock
Abkürzungen: SPA = Spinalanästhesie, VN = Allgemeinanästhesie (Vollnarkose), CSE = kombinierte Spinal-Epiduralanästhesie, ME = Metallentfernung, med. = medial, lat. = lateral, CS = Cell-Saver, ax. Plexus = axilläre Plexusblockade, VIB = vertikal infraklavikuläre Blockade, DIB = distale Ischiadikusblockade EK: bezeichnet den möglichen Bedarf an Erythrozytenkonzentraten und orientiert sich an den in der Unfallchirurgischen Klinik der Universitätsklinik Mainz üblichen Gegebenheiten. Er bezieht sich auf Patienten ohne auffällige Laborparameter und Grunderkrankungen. Bei Patienten mit Anämie, Gerinnungsstörungen, schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Polytrauma, etc. muss darüber hinaus individuell über den erforderlichen Bedarf entschieden werden. Monitoring: Arterielle Druckmessung, ZVK mit ZVD-Messung in Abhängigkeit von den Vorerkrankungen des Patienten. Intensivtherapie: in Abhängigkeit von den Vorerkrankungen des Patienten. Spezielle postoperative Analgesie: wenn keine Angaben, dann systemische Analgesie in der Regel ausreichend; die Angaben stellen sinnvolle Alternativen zur systemischen Schmerztherapie dar. Bei Leitungsanästhesien empfiehlt sich die kontinuierliche Therapie über einen Katheter.
33
2
3 Intraoperatives Management in der Traumachirurgie A. Brambrink
3.1
Flüssigkeits- und Volumentherapie
– 37
3.1.1
Allgemeine Grundlagen
3.1.2
Praktisches Vorgehen
3.2
Transfusionstherapie
3.2.1
Indikationsstellung – 41
3.2.2
Praktisches Vorgehen
3.2.3
Risiken – 43
3.2.4
Zeugen Jehovas
3.3
Fremdblutsparende Maßnahmen
3.3.1
Aufrechterhaltung einer adäquaten Körperkerntemperatur
3.3.2
Normovoläme Hämodilution
3.3.3
Eigenblutspende – 47
3.3.4
Transfusionen von bekanntem Spender
3.3.5
Intraoperative Blutaufbereitung (»Cell Saver«)
3.4
Lagerungstechniken
3.4.1
Ergonomie im Operationssaal
3.4.2
Rückenlagerung – 49
3.4.3
Bauchlagerung – 50
3.4.4
Beach-chair-Lagerung – 51
3.4.5
Seitenlagerung – 52
– 37 – 39
– 41 – 42
– 46
– 46
– 46
– 49 – 49
– 47 – 48
– 46
3.5
Protektion gegen Wärmeverlust
– 53
3.6
Typische Komplikationen in der traumachirurgischen Anästhesie
– 54
3.6.1
Fettemboliesyndrom – 54
3.6.2
Zementimplantationssyndrom (»Palakosreaktion«)
3.6.3
Tiefe Beinvenenthrombose
3.6.4
Massiver intraoperativer Blutverlust
– 56 – 56
– 55
3.1 · Flüssigkeits- und Volumentherapie
3
3.1.1 Allgemeine Grundlagen
)) Die anästhesiologische Versorgung des unfallchirurgischen Patienten stellt insbesondere durch die große Vielfalt an Patienten (unterschiedliches Lebensalter), betroffenen Arealen (Peripherie/ Körperstamm), Komplikationsrisiken (Hand-, Becken-, Wirbelsäulenchirurgie), Lagerungstechniken (Rücken-, Bauch-, Seitenlagerung, etc.) sowie anästhesiologischen Techniken (Regional-, Allgemeinanästhesie, Kombinationsverfahren) und Interventionsmöglichkeiten (Blutsperre, Transfusionstherapie, blutsparende Maßnahmen, etc.) große Ansprüche an das Wissen, die manuellen Fähigkeiten und die Flexibilität des verantwortlichen Anästhesisten. Die folgenden Ausführungen sollen eine Hilfestellung für das intraoperative Management der betroffenen Patienten bieten. Die Darstellung ist in mehrere Abschnitte gegliedert, in denen die wichtigsten Aspekte näher erläutert werden.
3.1
37
Flüssigkeits- und Volumentherapie
Bei den meisten unfallchirurgischen Operationen ist eine individuelle perioperative Infusionstherapie notwendig.
Möglichkeiten zur Einschätzung des Ist-Zustands
3 Säulen der Beurteilung des Flüssigkeitsstatus des Patienten 5 Klinische Untersuchung 5 Laborparameter 5 Invasive hämodynamische Messverfahren
Dabei bleibt die Bestimmung der für das intraoperative Management wesentlichen Variable, dem intravasalen Volumen, letztendlich dem invasiven Monitoring vorbehalten, während die anderen Dimensionen nur indirekte, jedoch wichtige Hinweise liefern. Klinische Hinweise sind sicher am verlässlichsten, wenn sie bei einem bis zu dem Zeitpunkt unbeeinflussten Patienten erhoben werden. Ein Flüssigkeitsdefizit, und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hypovolämie, lässt sich anhand des Hautturgors, der Schleimhautfeuchte, der relativen Fülle der peripheren Pulse, sowie Herzfrequenz und Blutdruck abschätzen. Bei entsprechender Überwachung ist sicher auch die stündliche Urinproduktion von hoher Aussagekraft.
! Das Ziel ist dabei die Aufrechterhaltung eines adäquaten intravasalen Füllungsvolumens.
Die korrekte Einschätzung des Ist-Zustands und die ständige therapeutische Regulation in Richtung auf den Soll-Zustand durch Substitution von Flüssigkeit, Elektrolyten und unter Umständen auch Blutprodukten ist eine zentrale Aufgabe des Anästhesisten. Ein Missmanagement bei der Flüssigkeits- und Volumentherapie kann schwerwiegende Auswirkungen auf die postoperative Morbidität und das Langzeitergebnis haben.
! Intraoperativ sind hämodynamische Zeichen dagegen weniger verlässlich, da sie stark durch die verabreichten Medikamente, maschinelle Beatmung etc. beeinflusst sein können. Allerdings steht das Ausmaß der Blutdruckreaktion nach Narkoseeinleitung und Beginn der Überdruckbeatmung in vielen Fällen in direktem Zusammenhang zum Füllungszustand des Intravasalraums.
Eher selten trifft der Anästhesist in der Traumachirurgie auf hypervoläme Patienten. Klinische Hinweise auf einen Flüssigkeitsüberschuss ergeben sich bei sonst gesunden Patienten aufgrund peripherer Ödeme, verstärkter Urinproduktion, fleinblasiger Rasselgeräusche über der Lunge sowie – im schlimmsten Fall – aufgrund von Atem-
38
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
beschwerden (Giemen), Zyanose und rötlichschaumigem Brochialsekret. Laborparameter können nur indirekt helfen, das intravasale Volumen und den Flüssigkeitsstatus des Patienten einzuschätzen. Wichtiger noch als der absolute Wert der entsprechenden Parameter sind Veränderungen im Verlauf. Allerdings muss sich der Kliniker jederzeit über die Beeinflussbarkeit der Laborwerte durch die vielen perioperativen Interventionen bewusst sein und dies in seine Interpretation einbeziehen. Es ist im Wesentlichen der Flüssigkeitsmangel, der unter Umständen durch geeignete Tests demaskiert wird (Anstieg des Hämoglobingehalts bzw. des Hämatokritwerts, des Serumnatriums sowie eine zunehmende metabolische Azidose). Sind Urinanalysen verfügbar, sind erhöhtes spezifisches Gewicht und erhöhte Osmolarität sowie niedriges Urinnatrium hinweisend. Ein Flüssigkeitsüberschuss kann mittels Röntgenaufnahmen des Thorax gezeigt werden (Gefäßfüllungsstatus, interstitielles Ödem etc.). Die präzisesten Aufschlüsse über den aktuellen Volumenstatus eines Patienten ergeben sich durch ein geeignetes invasives Monitoring. ! Indiziert ist eine solche Überwachung bei chirurgischen Eingriffen mit potenziell hohem Flüssigkeits- bzw. Blutumsatz (z. B. Hüftprothesenwechsel, ausgedehnten Operationen an Becken und Wirbelsäule, Versorgung von polytraumatisierten Patienten) sowie bei kardial gefährdeten Patienten.
Der Messung des zentralen Venendrucks kommt dabei eine wesentliche Rolle zu, allerdings müssen die Messwerte stets angesichts der aktuellen klinischen Situation (Lagerung, Beatmungsparameter, etc.) sowie der Vorgeschichte des Patienten interpretiert werden. ! Ein ZVD <5 mmHg weist in der Regel auf eine Hypovolämie, ein ZVD >12 mmHg auf eine relative Hypervolämie hin.
Wichtig sind jedoch auch hier serielle Messungen, unter Umständen auch vor und nach Gabe von definierten Flüssigkeitsmengen (kein bzw. nur ge-
ringer Anstieg des zentralen Venendrucks weist auf weiteren Flüssigkeitsbedarf hin, während bei einem größeren Anstieg, z. B. >5 mmHg, Vorsicht geboten ist). Bei Patienten mit bekannten Rechtsherzproblemen muss im Einzelfall für große unfallchirugische Eingriffe die Platzierung eines Pulmonaliskatheters erwogen werden (WedgeDruck <8 mmHg: relative Hypovolämie; ZVD >18 mmHg: relative Hypervolämie). Allerdings erfordert die Beurteilung der mittels Pulmonaliskatheter generierten Messwerte ebenso die Beurteilung aller möglichen Einflussfaktoren sowie entsprechende klinische Erfahrung, ohne die eine rationale Umsetzung der Ergebnisse in therapeutische Interventionen nicht möglich ist. So sind z. B. bei Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion weit höhere Wedge-Drücke bereits hinweisend auf weiteren Flüssigkeitsbedarf und bei entsprechenden Funktionsstörungen der Herzklappen (z. B. Mitralis-, bzw. Aortenstenose) sind die Messwerte möglicherweise wenig verlässlich. Wenn verfügbar können auch andere Methoden, wie z. B. die transösophageale Echokardiographie eingesetzt. Solche Techniken verlangen jedoch ein spezielles Instrumentarium sowie reichhaltige klinische Erfahrung in der Beurteilung, sodass sie im Prinzip nur in größeren Anästhesieabteilungen und nur von Spezialisten sinnvoll eingesetzt werden können.
Möglichkeiten zur therapeutischen Regulation Zur perioperativen Therapie stehen kristalloide sowie kolloidale Lösungen zur Verfügung. Bei der Behandlung unfallchirurgischer Patienten werden je nach Bedarf häufig beide Substanzklassen parallel eingesetzt. Empfohlen wird vielerorts eine Kombinationstherapie, wenn die benötigte Infusionsmenge beim Erwachsenen 3–4 Liter überschreitet. Das differenzielle Indikationsspektrum der unterschiedlichen Lösungen variiert dagegen signifikant zwischen Klinikern, letztlich auch in enger Assoziation mit der jeweiligen Schule, der sie sich verbunden fühlen. Kristalloide sind wässrige Lösungen, denen unterschiedliche Mengen an Elektrolyten sowie u. U. Glukose bzw. Laktat beigemischt sind. Für die traumachirurgische Routine werden Vollelektro-
3.1 · Flüssigkeits- und Volumentherapie
lytlösungen empfohlen, während andere Zubereitungen, wie z. B. 5%-ige Glukoselösungen, 0,9%ige bzw. 7,5%-ige NaCl-Lösungen, speziellen Indikationen vorbehalten sind. Kolloide sind wässrige Lösungen (typischerweise in 0,9% NaCl), die Substanzen mit hohem Molekulargewicht (40.000–450.000) enthalten, wie z. B. langkettige Zucker (Dextran, Hydroxyäthylstärke), Gelatine oder Eiweiße (Plasmaproteine z. B. in 5 bzw. 25%-iger Lösung). Der wichtigste Unterschied in Bezug auf eine Flüssigkeits- und Volumentherapie ist ihre jeweilige Verweildauer im intravasalen Kompartiment. Aufgrund der großen Mobilität von Salzen und Wasser äquilibrieren sich kristalloide Lösungen rasch nach Infusion mit dem Extrazellulärraum (intravasale Halbwertzeit 20–30 min). Ihre unmittelbare Wirkung auf den Füllungszustand des Intravasalraums ist daher kurz. Im Gegensatz dazu bleiben die großen Moleküle der kolloidalen Lösungen über einen sehr viel längeren Zeitraum im Intravasalraum (intravasale Halbwertzeit 3–6 h) mit der Konsequenz einer entsprechend längeren Volumenwirkung. Entsprechend halten Befürworter einer großzügigen Kolloidgabe deren Einsatz speziell zur Wiederherstellung eines adäquaten Intravasal- und Herzzeitvolumens für vorteilhaft. Gegner dieses Ansatzes erachten die Gabe von kristalloiden Lösungen in ausreichender Menge für ebenso gut geeignet und verweisen v. a. auf zusätzliche Gefahren, z. B. durch Molekülablagerung in Geweben mit beeinträchtigter Kapillarpermeabilität und nachfolgendem Ödem, oder durch negative Effekte auf die Blutgerinnung bzw. allergische/anaphylaktische Reaktionen bestimmter Substanzen (Gelatine, Dextran). ! Für die Praxis in der traumachirurgischen Anästhesie gilt sicher, dass bei einem ausgeprägten intravasalen Volumenbedarf die Gabe von kolloidalen Lösungen rascher zu einer Normalisierung führt.
Auch bei plötzlichem und ausgeprägtem Blutverlust kann durch eine solche Maßnahme die Zeit bis zur Bereitstellung von Blut- bzw. Plasmakonserven überbrückt werden. Von einigen Klinikern werden diese Substanzen auch zur kontrollierten
39
3
Hämodilution eingesetzt, um bei stabilen Perfusionsverhältnissen den Gesamtverlust an Sauerstoffträgern einzuschränken. Andererseits gilt sicher auch für Patienten in der traumachirugischen Anästhesie grundsätzlich, dass zu Beginn der anästhesiologischen Maßnahmen das intravasale Defizit proportional zum extrazellulären Flüssigkeitsmangel ist. Der initiale Einsatz von kristalloiden Lösungen stellt daher eine für beide Kompartimente sinnvolle, weil kausale, Therapie dar. Insgesamt müssen jedoch etwa 3- bis 4-mal mehr kristalloide Lösungen appliziert werden um den einer kolloidalen Infusion vergleichbaren intravasalen Effekt zu erzielen. Es ist bekannt, dass bei ausgedehnter kristalloider Infusionstherapie relativ ausgeprägte generalisierte Gewebeödeme mit entsprechenden Folgen (Gasaustauschstörungen, Perfusionsstörungen, Wundheilungsstörungen, Funktionsstörungen des Magen-Darm-Trakts) entstehen können. Befürworter argumentieren, dass eine solche Entgleisung im Gegensatz zu den Folgen einer relativen Überinfusion mit kolloidalen Lösungen relativ einfach durch den Einsatz von Diuretika zu korrigieren ist.
3.1.2 Praktisches Vorgehen
Eine suffiziente perioperative Flüssigkeitstherapie muss selbstverständlich neben den akuten Flüssigkeitsverschiebungen – nicht Blutverlust – durch den chirurgischen Eingriff auch präoperative Defizite, nicht sichtbare Verluste sowie den normalen Flüssigkeitsbedarf einbeziehen. Dabei gelten für unfallchirurgische Patienten die gleichen Regeln wie in anderen Spezialgebieten der Anästhesie (. Tabelle 3.1). Grundsätzlich ist jedoch anzumerken, dass rein chirurgisch verursachte Flüssigkeitsverluste bei vielen traumachirurgischen Operationen im Schnitt geringer ausfallen als beispielsweise bei Eingriffen in der Bauchchirurgie. Flüssigkeitsverluste durch operative Einwirkung sind im Prinzip in Relation zum Wundgebiet, dem Grad der Gewebetraumatisierung und der Dauer der Operation abzuschätzen (Verdunstung, Flüssigkeitssequestrierung, Ödembildung; beachte z. B. die ausgedehnte Wundfläche, Trau-
40
1 2 3 4 5
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
. Tabelle 3.1. Anhaltswerte zur Kalkulierung der perioperativen Flüssigkeitstherapie Erhaltungsdosis (gewichtsorientiert) Für die ersten 10 kgKG
4 ml/ kgKG/h
Für jedes kg von 11–20 kgKG
2 ml/ kgKG/h
Für jedes kg über 20 kg KG
1 ml/ kgKG/h
! Präoperative Defizite sollten prinzipiell – falls keine Kontraindikationen bestehen – mit Vollelektrolytlösungen ersetzt werden.
Präoperatives Defizit (gewichtsorientiert)
6 7 8 9 10 11
Erhaltungsdosis × Nüchternzeit
ml × h
(ideal vor Narkoseeinleitung)
Chirurgische Flüssigkeitsverluste (nicht Blutverlust; je nach Gewebetrauma) Gering (z. B. Hand-OP, Kniearthoskopie)
1–2 ml/ kgKG/h
Mittel (z. B. OP an großen Röhrenknochen, Wirbelsäule [kleine Wundfläche])
2–4 ml/ kgKG/h
Groß (z. B. OP am Becken, Wirbelsäule mit großer Wundfläche)
4–8 ml/ kgKG/h
12 13 14 15 16 17 18 19 20
gen (Vermeidung von Gewebshypoxie) sollte in solchen Fällen auch die Indikation zur Substitution von Blutprodukten großzügig gestellt werden.
matisierung der unterschiedlichen Gewebe sowie die Länge des Eingriffs bei Hüftendoprothetik im Vergleich zu handchirurgischen Eingriffen). Weiterhin sind in diesem Zusammenhang großflächige Verbrennungen oder Wiederholungseingriffe bei Wund- bzw. Implantatinfektion zu erwähnen. Diese Flüssigkeitsverschiebungen können weder rückgängig gemacht werden, noch kann ihnen durch eine Flüssigkeitsrestriktion entgegengewirkt werden. Die entsprechenden Verluste zu Ungunsten von Extra- (inklusive Intraval-) und Intrazellulärraum können nur durch eine angemessene Flüssigkeitstherapie kompensiert werden, sonst kommt es zwangsläufig zu Zirkulationsstörungen (Blutdruckabfall). Resultiert eine Versorgungsstörung in betroffenen Arealen (Ischämie), kann ein Circulus vitiosus getriggert werden, in dem die resultierende zelluläre Funktionsstörung einen weiteren Flüssigkeitsaustritt nach sich zieht. Aus ähnlichen Erwägun-
Während bei jungen gesunden Patienten (z. B. bei Kniearthroskopie) von einer guten Kompensationsfähigkeit ausgegangen werden kann, sollte bei älteren Patienten (z. B. nach Schenkelhalsfraktur) unbedingt genügend Zeit für den präoperativen Defizitersatz eingeplant werden (z. B. bereits in der Wartezone bzw. auf der Station mit Infusionstherapie beginnen). Die gilt insbesondere, wenn eine rückenmarknahe Regionalanästhesie geplant ist, und das Risiko für einen Blutdruckeinbruch im Rahmen der Sympathikolyse reduziert werden soll. Bei älteren Menschen kann grundsätzlich von einem relativ ausgeprägteren Flüssigkeitsdefizit ausgegangen werden, die präoperative Substitution sollte jedoch dennoch schonend und entsprechend der Vorerkrankungen erfolgen. Am unproblematischsten sind in diesem Zusammenhang kindliche Patienten, da sie normalerweise für ihren Perfusionsdruck deutlich weniger auf den Sympathikotonus angewiesen sind und in der Regel kein ausgeprägtes Flüssigkeitsdefizit aufweisen. Bei traumachirugischen Patienten können zusätzliche trauma- bzw. infektionsbedingte Flüssigkeitsverschiebungen zu erheblichen präoperativen intravaskulären Defiziten führen, die häufig initial übersehen werden und sich erst nach Einleitung der Narkose bzw. Etablierung einer Regionalanästhesie demaskieren. Die Erhaltungstherapie könnte theoretisch mit hypotonen Infusionslösungen bestritten werden (z. B. 5%-ige Glukoselösungen) da es sich um einen Ersatz von überwiegend Wasser- und weniger von Elektrolytverlusten handelt (Urinproduktion, Magendarmsekretion, Transpiration über Haut und Atmungssystem, Cave: febrile Patienten benötigen mehr Flüssigkeit). Dennoch werden bei Erwachsenen und Kindern, außer bei Säuglingen, eher aus praktischen Erwägungen, in der Regel auch für diese Indikation Vollelektrolytlösungen verwendet.
41
3.2 · Transfusionstherapie
3.2
Transfusionstherapie
Der mögliche intraoperative Blutverlust in der Traumachirugie variiert von minimal (z. B. bei Eingriffen in Blutleere, Handchirugie, etc.), mäßig (z. B. Eingriffe an langen Röhrenknochen), ausgeprägt (Eingriffe an Hüfte, Becken, Wirbelsäule) bis hin zu maximal bei der Versorgung von polytraumatisierten Patienten. Die oben skizzierten Methoden und Berechnungen der Flüssigkeitstherapie setzen stets voraus, dass perioperative Blutverluste separat ersetzt werden, entweder, wie oben beschrieben, mittels 3- bis 4-facher Menge einer Vollelektrolytlösung oder einfacher Menge einer kolloidalen Substanz. Ziel ist die Erhaltung einer Normovolämie. Limitiert ist ein solches Vorgehen durch die zunehmende Gefährdung des Patienten durch die sich nach und nach entwickelnde Anämie. So muss z. B. das Herzzeitvolumen proportional zum Verlust an O2-Trägern gesteigert werden, um eine adäquate O2-Versorgung in der Peripherie sicherzustellen und es resultiert eine zunehmende Verdünnung von Gerinnungsfaktoren und Thombozyten.
3
bestimmungen. Diese setzen neben der institutionellen Infrastuktur (z. B. Analysegerät in räumlicher Nähe) in der Regel auch die Anlage eines arteriellen bzw. zentralvenösen Zugangs voraus, damit verlässliche Blutabnahmen häufig und für den Patienten schonend durchgeführt werden können. Basierend auf präoperativen Laborwerten kann allerdings auch der Blutverlust als Anhaltspunkt zur Indikationsstellung dienen. ! Bei Patienten mit präoperativ normalem Hämatokrit sollte, abhängig von Vorgeschichte und operativem Eingriff, eine Bluttransfusion diskutiert werden, wenn der Blutverlust 10–20% des geschätzten Blutvolumens übersteigt (. Tabelle 3.2).
Besteht Einigkeit über den Hämoglobin-Grenzwert zur Transfusionsindikation, kann der maximal tolerierbare perioperative Blutverlust, d. h. die Transfusionsgrenze auch individuell berechnet werden.
Berechnungsverfahren zur individuellen Bestimmung der Transfusionsgrenze 5 Präoperatives Blutvolumen abschätzen
3.2.1 Indikationsstellung
(. Tabelle 3.2) 5 Blutvolumen × präoperativer Hämatokrit =
! Während bei sonst gesunden Patienten von vielen Klinikern ein Hämoglobingehalt von 7– 8 g/100 ml Blut (Hämatokrit 21–24%) als Grenzwert zur Transfusionsindikation betrachtet wird, wird dieser für ältere Patienten oder solche mit wesentlichen kardiopulmonalen Vorerkrankungen eher bei 10 g/100 ml Blut (Hämatokrit 30%) gesehen.
Die Entscheidung über die geeignete Strategie muss jedoch in jedem Einzelfall vor dem Hintergrund der Krankengeschichte, des vermutlichen weiteren Verlaufs des Eingriffs und der postoperativen Phase (noch weiterer größerer Blutverlust zu erwarten, etc.) sowie der geplanten postoperativen Therapie in Absprache mit dem Operateur getroffen werden. Voraussetzung für ein derartiges Vorgehen ist die zeitnahe intraoperative Verfügbarkeit von seriellen Hämoglobin- bzw. Hämatokrit-
präoperatives Volumen an Erythrozyten 5 Blutvolumen × Grenzhämatokrit (z. B. 30%)
= Grenzvolumen an Erythrozyten 5 Präoperatives Volumen an Erythrozy-
ten – Grenzvolumen an Erythrozyten × 3 = erlaubter maximaler Blutverlust bis zur Transfusionsindikation (= individuelle Transfusionsgrenze)
. Tabelle 3.2. Abhängigkeit des zirkulierenden Blutvolumens von Alter und Gewicht (Durchschnittswerte) Erwachsene Frauen
65 ml/kgKG
Erwachsene Männer
75 ml/kgKG
Säuglinge
80 ml/kgKG
Neugeborene
85 ml/kgKG
42
1
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
Beispiel. Männlicher Patient, 90 kgKG; bekannte
7
koronare Herzerkrankung; präoperativer Hämatokrit 40%; perioperativ soll der Hämatokrit bei wenigstens 30% gehalten werden. Frage: wo liegt die individuelle Transfusionsgrenze, d. h der erlaubte Blutverlust: 1. Präoperatives Blutvolumen (geschätzt): 75 ml/ kgKG × 90 kgKG = 6750 ml 2. Präoperatives Volumen an Erythrozyten: 6750 ml×40% = 2700 ml 3. Akzeptierbares Grenzvolumen an Erythrozyten: 6750 ml × 30% = 2025 ml 4. 2700 ml–2025 ml = 675 ml (= erlaubter Volumenverlust an Erythrozyten) × 3 = 2025 ml (= maximaler Blutverlust bis zur Transfusionsindikation)
8
Schlussfolgerung: eine Transfusion von Erythro-
2 3 4 5 6
9
zytenkonzentraten sollte bei diesem Patienten erwogen werden, wenn der intraoperative Blutverlust 2000 ml übersteigt.
10 3.2.2 Praktisches Vorgehen
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Ist die Indikation zur Transfusion von Erythrozyten gestellt, sollte von diesem Zeitpunkt an die gleiche Menge Blut ersetzt werden, die pro Zeiteinheit verloren geht.
Zwei Faustregeln zur Planung und Erfolgsbewertung von Erythrozytentransfusionen
! Erythrozytenkonzentrate (Hämatokrit je nach Aufbereitung ca. 70%) sind kein Volumenersatz.
Werden mehr als 4–6 Erythrozytenkonzentrate notwendig, sollte die parallele Substitution von anderen Blutkomponenten (Plasmapräparationen, wie z. B. Fresh Frozen Plasma; FFP) erwogen werden. Eine weitere Verdünnungstherapie mit kristalloiden bzw. kolloiden Lösungen wäre in dieser Situation in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv bzw. gefährlich (Medikamentenbindung, onkotischer Druck, Blutgerinnung). Neben dem reinen Volumenersatz wird an einem bestimmten Punkt eine Substitution von gerinnungsaktiven Elementen notwendig, um eine kritische Zunahme der Blutungsneigung zu verhindern. Mit der Gabe von FFP werden bereits Gerinnungsfaktoren substituiert. Von großer Bedeutung zur Aufrechterhaltung einer akzeptablen Gerinnungsfunktion ist allerdings die rechtzeitige Gabe von Thrombozytenkonzentraten. In seltenen Fällen werden auch Spezialpräparationen, wie z. B. Kryopräzipitate notwendig. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die regelmäßige Kontrolle und geeignete Substitution von Kalzium, da es von Zitrat (gerinnungshemmender Zusatz zu Erythrozytenkonzentraten) gebunden wird. Wird die Volumensubstitution im Prinzip durch Blutprodukte (FFP) realisiert, zielt die begleitende Flüssigkeitstherapie von nun an nur noch auf die Erhaltungsdosis, falls noch nicht geschehen Ersatz des präoperativen Defizits sowie auf den reinen chirurgischen Flüssigkeitsverlust.
5 Ein Erythrozytenkonzentrat (ca. 300 ml)
hebt den Hämoglobinwert eines Erwachsenen um etwa 1 g/100 ml Blut (Hämatokritwert um ca. 3%) 5 Nach Transfusion von 10 ml/kg Erythrozytenkonzentrat steigt der Hämoglobingehalt etwa um 3 g/100 ml Blut (Hämatokritwert um ca. 10%)
Werden nur Erythrozyten ersetzt, muss weiterhin ein Volumenäquivalent zur Erhaltung eines ausreichenden Blutvolumens infundiert werden.
Einige Faustregeln zur Planung und Erfolgsbewertung von Transfusionen anderer Blutkomponenten Fresh Frozen Plasma (FFP) 5 Indikation für FFP in der traumachirurgi-
schen Anästhesie: ausgeprägter Blutverlust, Massentransfusion (>6, definitiv bei >10 Erythrozytenkonzentraten [beim Erwachsenen]), klinisch zunehmende Blutungsneigung, Defizit an Gerinnungsfak6 toren (Labor).
43
3.2 · Transfusionstherapie
5 Ein FFP-Konzentrat (ca. 300 ml, ABO-Kom-
patibilität wünschenswert) erhöht bei Erwachsenen die einzelnen Gerinnungsfaktoren um jeweils 2–3%. Therapeutisches Ziel ist die Konzentration an Gerinnungsfaktoren auf etwa 30% des Normwerts zu stabilisieren. 5 FFP wird initial in einer Dosis von etwa 10–15 ml/kgKG appliziert.
3
. Tabelle 3.3. Empfehlungen für die präoperative Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten für typische traumachirugische Eingriffe (7 Kap 2) Typische Operation
Präoperativ bereitstellen
Schulter Totalendoprothese (Schulter-TEP)
2 EK
Oberarm
Thrombozytenkonzentrat (TK) 5 Indikation für TK in der traumachirurgi-
schen Anästhesie: Thrombozytopenie, üblicherweise durch Verdünnung nach ausgedehnter Infusions- bzw. Transfusionstherapie oder vorbestehender Gerinnungsstörung (Grenzwert etwa bei Thrombozytenzahlen von <50.000 × 109/l). In Einzelfällen auch prophylaktische Gabe bei Patienten mit präoperativer Thrombozytopenie. 5 Ein TK (ca. 100 ml, ABO-Kompatibilität wünschenswert), verlängert Lebensdauer, verhindert Rh-Sensibilisierung [Erythrozytenverunreinigung], vermeidet Hämolyse durch Anti-A bzw. Anti-B) erhöht die Thrombozytenzahl um etwa 5.000– 10.000 × 109/l (weniger bei Patienten mit zurückliegenden Thrombozytentranfusionen; oft Bildung von Antikörper). Therapeutisches Ziel ist die Anhebung der Thrombozytenzahl auf 100.000 × 109/l
Für einen reibungslosen intraoperativen Ablauf empfiehlt es sich für bestimmte Operationen Blutkonserven bereitstellen zu lassen. In . Tabelle 3.3 sind entsprechende Empfehlungen für typische traumachirugische Eingriffe zusammengestellt; klinikspezifische Unterschiede, z. B. in Bezug auf Logistik, Patientenauswahl und chirurgische Technik, können eine andere Bereitstellungspraxis sinnvoll machen.
Humeruskopfprothese
2 EK
Becken Osteosynthese klein (z. B. Acetabulum)
4 EK
Osteosynthese groß (z. B. komplexe Fraktur)
6 EK
Wirbelsäule Osteosynthese
2–4 EK
Hüfte Totalendoprothese (Hüft-TEP), TEP-Wechsel
4 EK
Schenkelhals Hemiprothese (HEP)
4 EK
Dynamische Hüftschraube, -platte
2 EK
Oberschenkel Femurschaftfraktur (z. B. Femurnagel)
4 EK
Knie Totalendoprothese (Knie-TEP)
2 EK
3.2.3 Risiken
Die Transfusionssicherheit für den Patienten ist im Wesentlichen von der zugrundeliegenden Infrastuktur abhängig: individuelle Bereitstellung durch eine Blutbank mit höchsten Standards (bekannte Spender, multiple Infektionskontrollen, ABO-Tests, Antikörper-Screening, Kreuzprobe), gewissenhafte Identifizierung des Blutprodukts
44
1 2 3 4 5
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
und des Patienten durch den Anwender, zusätzliche Verifizierung des ABO-Ergebnisses als Bedside-Test, geeignete Transfusionssysteme, Blutwärmer, Dokumentation, Asservierung von leeren Blutkontainern für den Fall eines Transfusionszwischenfalls, regelmäßige Qualitätskontrolle. Einen Sonderfall stellen Patienten dar, die zu verbluten drohen (z. B. im Rahmen eines Polytraumas). In kritischer Abwägung des hohen Transfusionsrisikos kann hier unmittelbar nach Blutgruppentestung (ca. 3–5 min) ABO-kompa-
tibles Blut transfundiert werden. Parallel werden mit Aliquots der Konserven in der Blutbank (soweit Kreuzblut vom Patienten verfügbar ist) reguläre Kreuzproben durchgeführt (ca. 45 min) und die Konserven nachträglich »freigegeben«. Wenn Bluttransfusionen ohne jede Zeitverzögerung, also auch ohne Blutgruppentestung indiziert sind (Polytrauma, Schockraum), sollte Rhnegatives Blut der Blutgruppe 0 verabreicht werden. Mögliche Komplikationen bei Bluttransfusionen sind in . Tabelle 3.4 zusammengefasst.
6 7
. Tabelle 3.4 Mögliche Komplikationen, deren häufigste Ursachen und Angaben zur Inzidenz im Zusammenhang mit Transfusionen
8
Reaktion
Häufige Ursache
Inzidenz
Akute Hämolyse
ABO (Rh)-Verwechselung, Inkompatibilität
1:6.000
10
Verzögerte Reaktionen
Andere Antikörper (non-D-, Kell-, Duffy-, Kidd-)
1:2.500–1:1.500
11
Immunologische Reaktionen Fieberreaktionen
Leukozyten, Thrombozyten
1–3%
12
Urtikaria, Erythem, Juckreiz
Transfundierte Plasmaproteine
1%
Anaphylaxie
IgA an Patient mit Anti-IgA
1:150.000
13
Nichtkardiales Lungenödem (Transfusion-related acute lung injury; [TRALI])
Transfundierte anti-HLA-Antikörper; Leukoagglutinine beim Patienten
<1:10.000
Graft-versus-Host-Reaktion
Angriff auf Empfängergewebe durch transfundierte Leukozyten
Sehr selten (immundefiziente Patienten)
Posttransfusionspurpura
Thrombozytopenie durch Antikörper gegen fremde und eigene Thrombozyten
Sehr selten
Immunsuppression
Vermehrtes Auftreten von schweren Infektionen? Tumorrezidiv, -wachstum? Slow-virus-Aktivierung? Abstoßungsreaktion nach Transplantation reduziert?
Ungeklärt (einzelne Berichte)
75% ohne Ikterus 50% Chronifizierung 5–10% entwickeln Leberzirrose
1:150–1:5000
Hämolytische Reaktionen
9
14 15 16 17 18 19
Infektionsrisiko Hepatitis
20
45
3.2 · Transfusionstherapie
3
. Tabelle 3.4 (Fortsetzung) Reaktion
Häufige Ursache
Inzidenz
AIDS
HIV-1-, HIV-2-Virus
Trotz Testung: 1:200.000– 1:1.000.000
6–8 Wochen Inkubationszeit bis Antikörpernachweis Andere Viren
Zytomegalie-Virus Eppstein-Barr-Virus Human-lymphothrophic Virus (HLTV-1, HLTV-2) Parvoviren
Selten, klinische Manifestation v. a. bei immunsupprimierten Patienten; signifikante Anzahl asymptomatischer Virusträger
Parasiten
Z. B. Malaria, Toxoplasma gondii (Toxoplasmose), Trypanosoma cruzi (Chargas-Krankheit), Trypanosoma gambiense (Schlafkrankheit)
Sehr selten; durch bekannte Spender unwahrscheinlich
Bakterien
Unspezifische Erreger: z. B. Staphylokokken, Yersinien (enterocolitica), Campylobacter jejuni/coli Spezifische Erreger: z. B. Enteritis-Salmonellen; Treponema pallidum (Syphillis); Brucellose-Erreger; Rickettsia rickettsii (Zeckenbissfieber); Rickettsia provazekii (Fleckfieber); Yersinia pestis (Pest)
Sehr selten; Kühlung und rasche Gabe (innerhalb 4 h) reduziert das Risiko für signifikante Kontamination
Blutungsneigung
Verdünnungsthrombozytopenie Verdünnung von Gerinnungsfaktoren
Recht häufig Seltener
Hypokalziämie
Zitrat bindet Kalzium; Zitrat wird in der Leber metabolisiert (beeinträchtigt bei Leberfunktionsstörung und Hypothermie)
Klinische Symptome ab etwa 1 EK/5–10 min (insgesamt selten); subklinisch sehr häufig
Hypothermie
Transfusion von kalten Blutprodukten
Kann meist vermieden werden bei Einsatz von Blutwärmern
Azidose/Alkalose
Erythrozytenkonzentrate sind azidotisch (Zitrat, CO2, Laktat); Leber transformiert diese zu Bikarbonat
Azidose selten während Transfusionen, vermehrt bei schlechten Perfusionsverhältnissen; nach Transfusionen häufig metabolische Alkalose
Hyperkaliämie
Kaliumkonzentration in Blutkonserven steigt über die Zeit an (ca. 4 mEq/EK; Cave: ältere Konserven); hohe Transfusionsrate (> 100ml/min); assoziiert mit metabolischer Alkalose
Eher selten; serielle Elektrolytkontrollen (via Blutgasanalyse)
Komplikation bei Massentransfusion
46
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
3.2.4 Zeugen Jehovas
Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft lehnen Bluttransfusionen grundsätzlich ab und berufen sich dabei auf Grundsätze, die sie aus der Bibel ableiten. Ihre Ablehnung beruht dagegen nicht auf Furcht vor Nebenwirkungen oder Infektionsrisiken. Aus dieser apodiktischen Haltung kann leicht ein grundsätzlicher ethischer Konflikt zwischen Patient und behandelndem Anästhesisten resultieren. Es ist ratsam, in jeder Einrichtung ein spezielles Vorgehen für die perioperative Behandlung von Zeugen Jehovas festzulegen. Eine Möglichkeit ist z. B. eine Gruppe von Fachärzten zu identifizieren, die bereit ist, entsprechende Patienten mit allen Konsequenzen zu betreuen und diese dann mit der perioperativen Behandlung zu betrauen. Zeugen Jehovas lehnen grundsätzlich alle Blutprodukte ab, d. h. Erythrozytenkonzentrate genau so wie Plasmapräparationen (z. B. FFP) und Thrombozytenkonzentrate. Verwandte Lösungen, wie z. B. Albumine, Immunglobuline oder einzelne Gerinnungsfaktoren, stellen offensichtlich eine Grauzone dar, bezüglich der eine individuelle Entscheidung des Betroffenen in der Religionsgemeinschaft akzeptiert ist. Zeugen Jehovas haben keine Probleme mit Infusionslösungen, die keine Blutprodukte enthalten, wie z. B. kristalloide oder kolloide Lösungen aller Art. Aber auch der Einsatz blutsparender Verfahren ist in dieser Patientengruppe nicht unproblematisch. Nach Überzeugung von Zeugen Jehovas darf Blut, das den Körper verlassen hat, nicht reinfundiert werden. Demnach kommen normovoläme Hämodilution, Eigenblutspende oder eine intraoperative Blutaufbereitung in typischer Technik (präoperative Abnahme, Lagerung, perioperative Transfusion) ebenfalls nicht in Frage. Einzelne Patienten akzeptieren abgewandelte Verfahren, solange eine Kontinuität zwischen ihrem Gefäßsystem und dem Blut bestehen bleibt. So könnte z. B. unmittelbar präoperativ entsprechend Blut in dafür vorgesehene Transfusionsbeutel abgenommen werden, die weiterhin unmittelbar mit dem Infusionssystem verbunden bleiben. Nach adäquatem Volumenersatz mittels kristalloiden und ggf. kolloiden Infusionslösungen kann das Blut dann nach Bedarf transfundiert werden. Ähnliche
Konstruktionen sind für eine intraoperative Blutaufbereitung denkbar. Müssen sich Zeugen Jehovas mit kardiovaskulären Vorerkrankungen einer traumachirurgischen Operation unterziehen, sollte unbedingt ein zusätzliches Monitoring erwogen werden (z. B. arterielle Blutdruckmessung, Zentralvenenkatheter, kontinuierliche ST-Streckenanalyse [myokardiale Ischämie]; in seltenen Einzelfällen [zusätzliche Herzklappenproblematik, fixierte pulmonale Hypertonie etc.] Pulmonaliskatheter). Bei einem Hämoglobinwert von <5 g% besteht auch bei einem sonst Gesunden eine lebensbedohliche Anämie. Ein solcher Zustand ist nicht selten mit einer Verdünnungskoagulopathie vergesellschaftet, wodurch es im Verlauf zu einer generalisierten Blutungsneigung kommen kann. Ein Circulus vitiosus ist die Folge.
3.3
Fremdblutsparende Maßnahmen
3.3.1 Aufrechterhaltung einer adäquaten
Körperkerntemperatur Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Reduktion des perioperativen Blutverlustes ist die Aufrechterhaltung einer physiologischen Körperkerntemperatur. Detaillierte Ausführungen finden sich im 7 Abschn. 3.5 »Protektion gegen Wärmeverlust«.
3.3.2 Normovoläme Hämodilution ! Dieses Verfahren basiert auf der theoretischen Annahme, dass der Gesamtverlust an Erythrozyten bei einer chirurgischen Intervention geringer ist, wenn die Konzentration von roten Blutzellen im Plasma des Patienten niedriger ist.
In der Regel wird dem Patienten unmittelbar vor der Operation nach und nach Blut abgenommen und durch kristalloide bzw. kolloide Lösungen entsprechend ersetzt, bis bei erhaltener Normovolämie der Hämatokrit auf Werte um etwa 25% reduziert ist. Das Vollblut des Patienten wird in eigens dafür konzipierten Blutcontainern (steril, Antikoagulanzien) bei Raumtemperatur aufbe-
47
3.3 · Fremdblutsparende Maßnahmen
wahrt und kann im Verlauf der nächsten 6 h entsprechend des perioperativen Blutverlustes reinfundiert werden. Die Lagerung bei Raumtemperatur erhält die Thrombozyten funktionsfähig, limitiert jedoch gleichzeitig das Zeitfenster zur Reinfusion. Durch Infusion von adäquaten Mengen an Ersatzlösungen mit dem Ziel der Normovolämie bleibt das Herzzeitvolumen und damit die periphere Perfusion des Patienten von den Blutabnahmen unbeeinflusst. Das Verfahren ist logistisch aufwendig und nicht frei von Risiken (Verwechslung der Blutkonserven, Kontamination, allergische Reaktion) und ist letztlich nur für sonst weitgehend gesunde Patienten ohne kardiovaskuläre Probleme geeignet. Es wird in den meisten Institutionen nicht angeboten, wenn gleich es in einigen sehr spezialisierten Zentren (z. B. orthopädische Fachkliniken) regelmäßig angewendet wird.
3.3.3 Eigenblutspende
In vielen Einrichtungen besteht prinzipiell die Möglichkeit für Patienten vor langfristig geplanten Eingriffen mit voraussichtlich größerem Blutverlust Eigenblut zu spenden, und sich dieses bei der späteren Operation retransfundieren zu lassen. Eine Eigenblutspende reduziert zwar das Risiko spezifischer Infektionen (z. B. HIV, Hepatitis C), birgt jedoch andere Probleme und erscheint sicherer als sie tatsächlich ist. Grundsätzlich hängt die Entscheidung über eine derartige Prozedur von den logistischen Gegebenheiten (z. B. langfristige Planung der Operation, Erfahrung in Management und Lagerung von autologen Blutkonserven [Blutbank]) sowie von der Konstitution des Patienten ab. Bei sonst gesunden Patienten können über einen Zeitraum von etwa 4 Wochen etwa 3–4 Eigenblutspenden sicher durchgeführt werden. ! In der Regel wird ein Hämoglobinwert von wenigstens 11 g/dl (Hk von ca. 33%) als Untergrenze für eine Eigenblutspende gefordert.
3
Nach einer Blutspende sind etwa 3–4 Tage nötig, um das Plasmavolumen vollständig zu ersetzten. Durch zusätzliche Gabe von Eisenpräparaten und Erythropoetin kann die Neubildung von roten Blutkörperchen unterstützt werden, die bis zum 100%igen Ausgleich etwa 7–10 Tage in Anspruch nimmt. Autologe Transfusionen erfordern eine enge Abstimmung zwischen Anästhesisten, Chirurgen und, falls vorhanden, den Experten der zuständigen Blutbank. Die Transfusion von Eigenblut ist mit einer ganzen Reihe von Risiken behaftet, die auch für Fremdbluttransfusionen gelten. Immer wieder werden Verwechslungen mit Konserven anderer Patienten bzw. Spendern, (z. B. in Blutbank, OP), falsche Beschriftungen, Kontamination oder Lagerungsschäden beschrieben, die zu mehr oder weniger schwerwiegenden immunologischen Komplikationen beim Empfänger führen. Für die Indikation zur Transfusion von Eigenblut gelten daher die gleichen Regeln wie bei der Gabe von Fremdblut. Dagegen wurden frühere Befürchtungen bezüglich Eigenblutspenden bei Patienten mit Tumorerkrankungen nicht bestätigt und gelten heute in den oben beschriebenen Grenzen als sicher. Auch für autologe Bluttransfusionen gilt, dass diese Praxis speziellen Zentren vorbehalten bleibt. Insgesamt werden heute weniger Eigenblutkonserven verabreicht als bei Einführung des Konzepts ursprünglich angenommen wurde.
3.3.4 Transfusionen von
bekanntem Spender Manche Patienten möchten Bluttransfusionen von bekannten bzw. verwandten Personen der gleichen Blutgruppe erhalten. Auch hierbei ist die Annahme, dass dadurch das grundsätzliche Risiko von Bluttransfusionen ausgeschaltet werden kann. Dies konnte durch Studien jedoch nicht belegt werden. Daher unterliegen Transfusionen von dem Empfänger bekannten Spendern denselben Sicherheitsprozeduren wie die von unbekannten Spendern. Wenn die Infrastruktur überhaupt zur Verfügung steht (eher selten), müssen entsprechende Blutspenden einige Tage vor dem geplanten Eingriff vorgenommen werden um genü-
48
1 2
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
gend Zeit für entsprechende Tests zu haben. Sind die Konserven als unproblematisch erklärt, bestehen wiederum die oben genannten Risiken in Bezug auf Verwechslung, Kontamination bzw. Lagerungs- bzw. Transportschäden.
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
3.3.5 Intraoperative Blutaufbereitung
(»Cell Saver«) Ist bei einem traumachirurgischen Eingriff mit einem ausgeprägten Blutverlust zu rechnen (>20% Blutvolumen, z. B. bei Hüft-TEP, Hüft-TEP-Wechsel, Acetabulum-OP, Wirbelsäulen-OP, Polytrauma mit Mehrfachfrakturen bzw. abdominellen Verletzungen) kann eine Aufbereitung des intraoperativen Blutverlusts mittels geeigneter Systeme (Cell Saver 3 Plus; HAEMONETICS GmbH, München) erwogen werden. ! Als grundsätzliche Kontraindikationen gelten: Septikämie, Infektion im Operationsgebiet und Tumorerkrankungen, obwohl Befürchtungen vor einer septischen Aussaat des Tumors durch Reinfusion vermutlich unbegründet sind.
Unabhängig vom verwendeten System verläuft der Vorgang nach folgendem Prinzip: Das steril aus dem Operationsgebiet abgesaugte Blut wird zusammen mit einem Antikoagulanz (normalerweise Heparin) in einem Reservoir aufgefangen. ! Cave Desinfizierende Spüllösungen, wie z. B. Lavasept, dürfen niemals in dasselbe Reservoir gelangen; es muss stets mit einem zweiten Sauger abgesaugt werden.
Eine Aufbereitung des so aufgefangenen Blutes lohnt sich erst bei Mengen von >800–1000 ml (abzüglich Beimengungen wie z. B. Spülfüssigkeit; teurer apparativer Aufwand, Schlauchsysteme etc.). Vor Reinfusion wird das aufgefangene Blut gewaschen und zentrifugiert (durch Schwester oder andere Assistenzkraft), um Zelltrümmer, Gewebereste und das Antikoagulanz zu entfernen und schließlich in einen speziellen Transfusionsbeutel gepumpt, der Bestandteil des Systems ist.
Das Blutendprodukt aus in Kochsalzlösung suspendierten roten Blutzellen des Patienten (autologes Erythrozytenkonzentrat, AEK) sollte eine Hb-Konzentration von etwa 15–16 g% (HK ca. 45– 50%) haben (nach eigenen Beobachtungen liegt der Hb-Wert eines frischen AEK aus dem Cell Saver 3 Plus jedoch nur etwa bei 10–12 g%; jedes Gerät verfügt über eine unterschiedliche Konzentrationsleistung). Vor der Blutaufbereitung muss vom verantwortlichen Anästhesisten sichergestellt werden, dass der Transfusionsbeutel für das zu gewinnende autologe Erythrozytenkonzentrat (AEK) eindeutig für den betreffenden Patienten gekennzeichnet ist (Patientenaufkleber, wenigstens jedoch Name, Vorname sowie Geburtsdatum des Patienten). Nach Aufbereitung kann das AEK direkt transfundiert werden (geschlossenes System). Wurde der AEK-Beutel einmal vom System dekonnektiert, müssen vor der Transfusion des AEKs erst die typischen Sicherheitsprozeduren bei Blutprodukten durchlaufen werden (AB0Bedside-Test zur Bestimmung der Blutgruppe von Patient und Konserve); verantwortlich ist der transfundierende Arzt. Das AEK sollte nicht als Druckinfusion verabreicht werden, da es leicht zu Schlauchdiskonektionen am Transfusionsbeutel kommen kann. Aufgrund des Infektionsrisikos gilt grundsätzlich »Eigenblut vor Fremdblut«, d. h. wenn die Indikation zur Transfusion besteht, sollte zunächst das gesammelte Operationsblut aufbereitet werden; in einem solchen Fall ist genug Blut im Reservoir, sodass sich eine Aufbereitung auch unter ökonomischem Gesichtspunkten lohnt. Ist ein komplettes Schlauchsystem installiert, sollte das bis gegen Ende des Eingriffs gesammelte Blut aufbereitet werden. Das resultierende AEK kann anschließend z. B. im Aufwachraum transfundiert werden (AB0-Test, s. oben). Die in letzter Zeit zunehmend propagierten Methoden der Reinfusion von nichtzentrifugiertem Blut, sei es aus dem OP-Sauger oder den Redondrainagen, ist nach wie vor umstritten. Einige Experten sehen mit der zur Zeit verfügbaren Technologie eine mögliche Gefährdung des Patienten durch potenziell hämolytisch wirksame Bestandteile sowie durch Triggerung der Gerin-
49
3.4 · Lagerungstechniken
nungs- und Komplementkaskade durch reinfundierte Zelltrümmer. Geeignete klinische Untersuchungen werden helfen, den Stellenwert derartiger Konzepte zu bestimmen.
3
Traumachirurgische Eingriffe können fast alle Regionen des Körpers betreffen. Es kommen dabei eine Vielzahl von Lagerungstechniken zum Einsatz, die eine entsprechende Planung auf Seiten des Anästhesisten erfordern (. Tabelle 3.5).
nem speziellen Operationstisch gelagert werden (z. B. Extensionstisch), oder es müssen geeignete Erweiterungen angebracht werden (z. B. Handtisch). Das Narkosegerät sollte im Prinzip immer auf der Gegenseite der zu operierenden Extremität/ Region platziert werden (ggf. vorab ausreichend Schlauchverlängerungen bereit legen), sodass auf der betroffenen Seite genügend operativer Freiraum bleibt. Wenn immer möglich, sollte der Narkosearbeitsplatz dabei nahe am Kopf des Patienten etabliert werden (ggf. direkte Absprache mit dem Operateur).
3.4.1 Ergonomie im Operationssaal
3.4.2 Rückenlagerung
Bei der täglichen Anästhesieplanung sollte initial auch über die Positionierung des Narkosearbeitsplatzes (Narkosegerät) im Operationssaal entschieden werden. Viele Eingriffe sind technisch aufwendig und erfordern entsprechend viel Platz. Häufig werden mehrere Instrumentiertische, Röntgengeräte (z. B. C-Bogen mit entsprechenden Bildschirmen) und andere Ausrüstungsgegenstände benötigt. Für manche Eingriffe muss der Patient darüber hinaus auf ei-
Ein Großteil der traumachirurgischen Operationen wird in Rückenlagerung durchgeführt (z. B. die meisten Extremitäteneingriffe, allerdings mit einigen Ausnahmen, wie z. B. Operationen am Kalkaneus und der Achillessehne). Bei dieser Lagerung wird die Hauptverantwortung für die Position von Arm und Kopf auf Seiten der Anästhesie angesiedelt, wenn gleich grundsätzlich der Chirurg wie auch der Anästhesist gemeinsam die Lagerung des Patienten verantworten (gegensei-
3.4
Lagerungstechniken
. Tabelle 3.5. Typische Lagerungstechniken und ihre Indikationen bei traumachirurgischen Eingriffen Lagerungstyp Rückenlagerung
In der Traumachirurgie indiziert Standardlagerung: z. B. bei 5 Extremitäteneingriffen 5 Handchirurgie
Bauchlagerung
Wirbelsäulen-OP (z. B. Fixateur interne [USS]) Os-sacrum-OP (z. B. Sacrumverschraubung) Acetabulum-OP (z. B. Beckenfraktur; ggf. auch in Seitenlagerung) Olekranon-OP (z. B. Ellenbogenosteosynthese; je nach Frakturverlauf ggf. auch in Rücken- bzw. Seitenlage) Achillessehnen-OP (z. B. Bandnaht) Rücken-OP (z. B. plastische OP)
Beach-chair-Lagerung
Oberarmosteosynthese (z. B. Humeruskopf, -schaft, Klavikula) Schulterprothese Schulterarthroskopie Rotatorenmanschettennaht
Seitenlagerung
Kalkaneusosteosynthese Plastische OP (z. B. am lateralen Torso)
50
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
tige Hinweispflicht). Nicht selten wird der Patient nach Narkoseeinleitung »nachpositioniert«, und z. B. bei Eingriffen an der unteren Extremität eine kurze Strecke auf dem OP-Tisch fußwärts gezogen. Dabei ist wichtig, dass der Anästhesist die Kontrolle hat, d. h. er gibt letztlich das Kommando und sichert die vitalen Zugänge (Endotrachealtubus, Kanülen und Katheter). Für einige Eingriffe gelten spezielle Besonderheiten, die jedoch von Einrichtung zu Einrichtung variieren können. So wird z. B. bei Oberschenkelhalsfrakturen oder Hüftendoprothesen der ipsilaterale Arm vielfach nach oben in eine Schlaufe gelagert, um dem Chirurgenteam genügend Bewegungsraum nach kranial zu gewähren (Cave: Arm gut polstern; Zugänge mit Verlängerung; arterielle Kanüle wenn möglich nicht am hochgelagerten Arm). Bei der Lagerung auf dem Extensionstisch (z. B. Schenkelhalsfraktur, Osteosynthese mit »dynamischer Hüftschraube«) werden die Beine des Patienten in spezielle Extensionshalterungen am OP-Tisch eingespannt. Diese unbequeme Lagerung stellt für viele Patienten ein großes Problem dar, wenn der Eingriff in Regionalanästhesie durchgeführt wird. Es empfiehlt sich daher den Zeitraum mit einer angemessenen Sedierung (z. B. Midazolam, Propofolinfusion) zu überbrücken. Im Einzelfall kann auch ein Übergang zur Allgemeinanästhesie mit entsprechender Atemwegssicherung (LMA oder Endotrachealtubus) indiziert sein.
14 15 16 17 18 19 20
3.4.3 Bauchlagerung
Einige traumachirurgische Operationen (z. B. an Wirbelsäule, Becken, Achillessehne) erfordern eine Bauchlagerung. Die Bauchlage in Allgemeinanästhesie birgt klar definierbare Risiken mit potenziell schwerwiegenden Folgen für den Patienten (Umlagerung: Verlust des Atemwegs; Verlust von intravenösem bzw. intraarteriellem Zugang; Torsion von HWS, Schulter, Extremitäten; Sturz vom Operationstisch; Bauchlage: Zug-, Druckschäden an peripheren Nerven sowie an verschiedenen Organen, z. B. an Augen, Brust, Abdomen, Genitalien, Extremitäten; Gasaustauschprobleme, z. B. wegen signifikanter Änderungen der Ventila-
tions-, Perfusionsverhältnisse, insbesondere bei entsprechenden Vorerkrankungen bzw. Intensivpatienten). Die Umlagerung des Patienten in die Bauchlage sollte daher unbedingt gut vorbereitet, in kontrollierter Weise durchgeführt und abschließend überprüft und abgesichert werden.
Durchführung einer Bauchlagerung 5 Vorbereitung:
Wenn möglich sollte der endotracheale Tubus auf die Gegenseite der zu operierenden Region geklebt werden, damit dieser in Bauchlagerung im oberen Mundwinkel liegt; der Patienten sollte eine (orale) Magensonde sowie ggf. eine Rachentamponade erhalten; die Augenlider werden mit geeignetem Pflaster gesichert und die EKG-Elektroden bereits auf den Rücken geklebt. 5 Umlagerung: Die Anzahl der zur Drehung des Patienten nötigen Personen hängt vom Patientengewicht ab (in der Regel 4–6); unmittelbar vor der Drehung sollte die Narkose vertieft und der Patient ggf. relaxiert werden (Cave: sind perioperativ ein EMG-Monitoring oder ein Aufwachversuch geplant, z. B. bei Wirbelsäulenoperationen, sollten keine länger wirksamen Substanzen verabreicht werden); Infusionen, Katheter etc. sollten gesichert werden (ggf. kurzfristig abstöpseln); beide Arme des Patienten werden an den Rumpf anlegt; die EKG-Kabel werden am besten ebenfalls entfernt, während die Pulsoxymetrie bis kurz vor Umlagerung belassen wird; wenn alle bereit sind (Drehrichtung absprechen!) wird der Endotrachealtubus vom Beatmungssystem dekonnektiert und der Patient wird rasch umgelagert. Wegen des hohen Risikos für den Patienten sollten grundsätzlich der Operateur und der verantwortliche Anästhesist bei der Prozedur anwesend sein (beide ver-
6
antworten die Umlagerung gemeinsam!); die Drehung des Patienten sollte, wenn möglich, über den Tubus erfolgen, d. h. liegt der Tubus im rechten Mundwinkel wird nach rechts gedreht; wenn möglich sollte nicht über die zu operierende Körperseite gedreht werden; der Anästhesist sichert bei der Drehung den Kopf des Patienten: dieser muss jederzeit achsengerecht unter leichtem Zug gehalten werden und der Endotrachealtubus wird fixiert; der Anästhesist gibt bei der Umlagerung das Kommando. 5 Nach Umlagerung: Der Anästhesist stellt zunächst sicher, dass der Patient unmittelbar wieder regelgerecht beatmet werden kann (Kapnometrie, -graphie, Beatmungsdrücke, Auskultation, seitengleiche Belüftung). Erst dann wird die Patientlagerung optimiert: der Kopf sollte unbedingt in einer Ebene mit dem Thorax liegen; dazu wird der Kopf in eine Kopfschale oder auf einem Kopfring gelagert und es wird sichergestellt, dass Augen und Nase sowie die entsprechenden Zugänge (z. B. Endotrachealtubus) frei zu liegen kommen (Cave: Druckstellen durch Tubus and Mund und Nase, Abknicken der Zugänge); Thorax und Beine werden unterpolstert; der Druck auf Kehlkopf, Abdomen, Genitalien und Kniegelenk sollte durch geeignete Maßnahmen minimiert werden, die Arme sollten nach vorne gelagert werden (Schultergelenk physiologisch, Ellbogengelenk 90°, ca. 15° bodenwärts gekippt durch Unterpolsterung); abschließend sollte der verantwortliche Anästhesist erneut eine Auskultation durchführen und den Vorgang dokumentieren.
Wiederholt wurde über dauerhaften Sehverlust nach Bauchlagerung berichtet. Obwohl die genaue Ätiologie dieser dramatischen Komplikation nicht genau geklärt ist, scheint vieles darauf hin zu deu-
3
51
3.4 · Lagerungstechniken
ten, dass es sich primär um die Folgen einer regionalen Ischämie handelt. Die Ischämie resultiert vermutlich aus einem multifaktoriellen Geschehen, bei dem Erhöhung des intraokulären Drucks, Reduktion des systemischen Blutdrucks, perioperative Anämie sowie die Operationsdauer eine Rolle spielen. Der Anästhesist sollte also nicht nur auf eine ausreichende Abpolsterung des Auges gegen Druck von außen achten, sondern stets auch die potenziell negativen Konsequenzen der leicht abschüssigen Position des Kopfes auf den venösen Abfluss des Auges (Gefäßerweiterung, Ödembildung) sowie eines demgegenüber inadäquaten Perfusionsdrucks bzw. einer kritisch herabgesetzten O2-Transportkapazität bedenken und zeitnah therapeutisch intervenieren. Ziel ist eine ausreichende Blutversorgung zum gegenüber O2-Mangel sehr empfindlichen N. opticus sicherzustellen.
3.4.4 Beach-chair-Lagerung
Der Patient wird hierbei wie in einem Strandstuhl sitzend gelagert (Oberkörperhochlagerung, halbsitzende Position), um einen möglichst freien Zugang zu Schulter und Oberarm zu erhalten. In traumachirurgischen Abteilungen mit einem hohen Anteil an schulterassoziierten Operationen gehört die Beach-chair-Lagerung zur täglichen Routine. Ebenso wie bei der Bauchlagerung sollte die Prozedur nach einem bestimmten Schema erfolgen. Einige lagerungsspezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit sollten stets beachtet werden.
Durchführung einer Beach-chairLagerung 5 Vorbereitung:
Vor der tatsächlichen Lagerung wird der Kopf des Patienten in einer am Operationstisch angeschraubten Kopfschale bzw. in eine unter den Kopf geschobenen Schaumstoffkopfschale gelagert (der Patient muss dazu in der Regel kranialwärts gezogen werden).
6
52
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
5 Umlagerung:
Mit Hilfe der Tischsteuerung wird der Patient anschließend vorsichtig aufgerichtet (Operateur ist anwesend; jederzeit auf Arm- und Kopflagerung achten). Der Patient wird dann nach lateral gezogen, bis die zu operierende Schulter bzw. der entsprechende Oberarm frei beweglich sind. Besondere Sorgfalt sollte dabei auf die Lagerungsstabilität des Patienten auf dem OP-Tisch sowie auf eine Begrenzung der Achsendeviation von Kopf und Rumpf gerichtet werden; die endgültige Positionierung wird von Anästhesist und Operateur gemeinsam festgelegt. 5 Nach Umlagerung: Ist die eigentliche Lagerung abgeschlossen, werden die Lungen nochmals auskultiert und eine seitengleiche Beatmung sichergestellt; die Augen werden geeignet abgepolstert (z. B. mittels Watte, speziellen Augenschutzbrillen) und der Kopf wird abschließend in der Kopfschale fixiert (z. B. mittels elastischer Binde bzw. speziellen Vorrichtungen an der Kopfschale); nach steriler Abdeckung des Operationsgebiets sollte der Anästhesist sicherstellen, dass er stets Zugang zum Kopf des Patienten behält und diesen jederzeit sehen kann; von Fall zu Fall kann es notwendig werden, den Patienten während der Operation erneut zu bewegen (typischerweise Zug nach ipsilateral), um den chirurgischen Zugang zu optimieren, wobei der Kopf aus seiner Fixierung rutschen kann. 5 Unbedingt zu beachten: Bei der Beach-chair-Lagerung ist grundsätzlich eine Luftembolie durch Eröffnen von Gefäßen im Operationsgebiet (oberhalb des Herzniveaus) möglich. Darüber hinaus kann durch Einschwemmen von Spülflüssigkeit (z. B. bei Schulterarthroskopie) eine Kreislaufdysregulation, ähnlich wie beim TUR-Syndrom ausgelöst werden. Ob ein Zentralvenenkatheter so
6
wie eine perioperative Dopplersonographie nötig sind, muss in jedem Einzelfall entschieden werden. Die meisten Zentren sind diesbezüglich jedoch sehr zurückhaltend. Bei Risikopatienten kann auch die Anlage eines arteriellen Zugangs hilfreich sein. Besteht der Verdacht auf eine Luftembolie, sollte das Operationsgebiet umgehend mit warmer Kochsalzlösung geflutet werden.
3.4.5 Seitenlagerung
Für einige unfallchirurgische Eingriffe muss der Patient auf die Seite gelagert werden, um das Operationsgebiet möglichst gut zu exponieren (z. B. Kalkaneusosteosynthese, plastische Operationen am lateralen Torso bzw. an den Außen- oder Innenseiten der Extremitäten). Auch hier sollten einige grundsätzliche Aspekte beachtet werden.
Durchführung der Seitenlagerung 5 Vor und während der Umlagerung:
Initial sollte daran gedacht werden, die i. v.-Kanüle gut zu fixieren; ggf. vor Umlagerung die Narkose adäquat vertiefen und den Patient ggf. relaxieren, um ein Husten gegen den Endotrachealtubus zu verhindern. 5 Nach der Umlagerung: Der Patient sollte unmittelbar nach der Drehung auskultiert werden, um eine adäquate und seitengleiche Belüftung sicherzustellen. Der Kopf kann gut in einem Kopfring (Gel) bzw. einer Kopfschale (Schaumstoff) gelagert werden; die Arme sollten möglichst physiologisch positioniert werden; das untenliegende Schultergelenk kann ein wenig nach vorne gezogen werden (auf i. v.Kanüle achten), etwas kaudal der Axilla sollte eine »Schulterrolle« (z. B. kleine Gel-
6
53
3.5 · Protektion gegen Wärmeverlust
3.5 rolle) unter die untenliegende Flanke des Patienten geschoben werden, um mehr Freiraum für das Schultergelenk zu gewinnen und die Gefäßnervenbündel der untenliegenden Extremität zu entlasten; der oben liegende Arm wird in eine am OPTisch angebrachte Armschale gelegt; beide Arme, Ellbogen und Handgelenke müssen gut polstert und fixiert werden; spezielle Rücken- und Bauchabstützung werden vom OP-Personal seitlich am OP-Tisch angebracht, in manchen Einrichtungen werden auch spezielle evakuierbare Styropor-Matratzen (ähnlich einer Vakkummatratze) zur Fixierung des Torsos bei Seitenlagerung verwendet; die Beine werden leicht angewinkelt und mit Kissen abgepolstert, um Druckstellen zu verhindern (speziell zwischen den Beinen).
3
Protektion gegen Wärmeverlust
Traumachirurgische Operationen erfordern nicht selten die Exposition eines relativ großen Anteils der Körperoberfläche. Darüber hinaus erfordern eine ganze Reihe von Eingriffen längere Operationszeiten. Zusätzlich besteht bei den Operateuren eine (verständliche) Tendenz die Raumtemperatur niedrig zu wählen. Werden keine adäquaten Maßnahmen ergriffen, droht ein ausgeprägter Wärmeverlust des Patienten mit unter Umständen dramatischen Folgen.
Mögliche Folgen einer perioperativen Hypothermie Perioperativ 5 Blutungsneigung durch Thrombozyten-
funktionsstörung 5 Veränderte Pharmakokinetik von Medika-
menten (verzögerter Metabolismus)
Noch einige grundsätzliche Regeln zur Patientenlagerung 5 Bei jeder Lagerung sollte stets auf eine aus-
reichende Polsterung geachtet werden (keine Kompromisse, z. B. aus Zeitgründen); in Zweifelsfällen oder bei langen Operationszeiten kann auch eine intraoperative Umlagerung erwogen werden; so können z. B. Extremitäten in eine andere Stellung gebracht werden, um das Risiko von Plexus- bzw. Nervenschädigungen zu reduzieren. 5 Der Anästhesist sollte während des Eingriffs die regelgerechte Lagerung des Patienten regelmäßig überprüfen und – falls nötig – in Absprache mit dem Operateur korrigieren. 5 In Deutschland ist der Anästhesist ausschließlich für die Lagerung der Extremität verantwortlich, an der eine i. v.- oder i.a.-Kanüle platziert wurde; der Operateur verantwortet die übrige Lagerung zur Operation; dennoch gilt stets eine gemeinsame Sorgfaltspflicht. 5 Bei Problemen sollte der Anästhesist den Operateur sofort informieren; die Lagerung einschließlich möglicher Probleme und Komplikationen muss adäquat dokumentiert werden.
5 Herzrhythmusstörungen 5 Zunahme des peripheren Gefäßwider-
stands 5 Linksverschiebung der Sauerstoffbin-
dungskurve 5 Nierenfunktionsstörung
Postoperativ 5 Zittern (»Shivering«, zunehmender O2-
Verbrauch, Ischämiegefahr) 5 Bewusstseinsstörungen 5 Exazerbation der katabolen Stoffwech-
sellage 5 Wundheilungsstörung
Dabei ist der Wärmeverlust bei Allgemeinanästhesien größer, da er über den gesamten Körper erfolgt, bei Regionalanästhesien dagegen nur über die betroffenen Körperareale. Eine anästhesiebedingte periphere Vasodilatation ist bei beiden Techniken für den Verlust von – unbehandelt – etwa 2°C während der ersten Stunde verantwortlich (Umverteilung von dem wärmeren Körperkern zur kühleren Körperperipherie; gleicher Mechanismus bei beiden Anästhesietechniken). Im
54
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
Folgenden kommt es dann – ebenfalls ohne aktive Maßnahmen – zu einer weiteren Absenkung der Körperkerntemperatur um etwa 1°C im Verlauf von ca. 3 Stunden (Wärmeabstrahlung an die Umgebung; bei Allgemeinanästhesie: zentrale Wirkung der Anästhetika → Aufhebung der hypothalamischen Temperaturregulation; bei Regionalanästhesie: fehlende Temperaturinformation aus anästhesierten Arealen). Anschließend halten sich Wärmeverlust an die Umgebung und stoffwechselbedingte Wärmeproduktion in etwa die Waage. Die Ausprägung der beschriebenen Veränderungen ist allerdings stark beeinflusst von der exponierten Körperoberfläche sowie der Umgebungstemperatur. Das beste Verfahren zur Bestimmung der Körperkerntemperatur stellt offensichtlich die ösophageale Messung dar (kaudales Ösophagusdrittel). Entsprechende Temperatursonden sind z. B. in Kombination mit einem ösophagealen Stethoskop lieferbar. Ähnlich gut messen nasopharyngeale Sonden, Blasenthermometer (im Blasenkather) oder intravasale Thermistoren, z. B. im Pulmonaliskatheter. Weniger zuverlässige Messorte sind das Rektum (bei Änderungen langsame Äquilibrierung), der Gehörgang (relative Isolation durch Zerumen, Verletzungsgefahr) oder Axilla, Leiste bzw. andere Hautareale (stets abhängig von der regionalen Perfusion). In vielen Einrichtungen werden Patienten in Allgemeinanästhesie temperaturüberwacht, wenn die Narkosedauer 30 Minuten überschreitet. Wie in anderen Bereichen ist es auch in der traumachirurgischen Anästhesie von ausgesprochener Bedeutung, dem absehbaren Wärmeverlust aktiv entgegenzuwirken. Durch längerfristige aktive Wärmung vor Narkoseeinleitung kann der initiale Temperaturverlust entsprechend reduziert werden. Es gelingt den Temperaturgradienten zwischen Körperkern und -peripherie zu reduzieren. Der weitere perioperative Wärmeverlust kann mit den bekannten Maßnahmen eingeschränkt werden: 5 Wärmematten auf dem Operationstisch, 5 Abdeckung des Patienten mit Warmluftgebläsesystemen (z. B. »Bear Hugger«), 5 gewärmte Infusionslösungen (insbesondere bei kalten Bluttransfusionen), 5 Anwärmen der Beatmungsgase und
5 Erhöhung der Umgebungstemperatur (OP-
Saaltemperatur). Beim Einsatz von Warmluftgebläsesystemen muss beachtet werden, dass auch ihr Effekt letztlich flächenabhängig ist. Es sollte daher eine möglichst große Abdeckung des Patienten angestrebt werden, was allerdings bei einer ganzen Reihe von Eingriffen durch die großflächige operative Exposition limitiert wird. Im Einzelfall können z. B. 2 unabhängige Warmluftdecken verwendet werden, um die verbleibenden Körperregionen optimal abzudecken. Aktive Wärmemethoden dürfen allerdings grundsätzlich nur an ausreichend perfundierten Körperregionen eingesetzt werden. Eine Extremität mit Blutsperre darf niemals gewärmt werden, da Verbrennungen drohen (kein Wärmeabtransport durch Zirkulationsstillstand). Alternativ müssen dann passive Maßnahmen ergriffen werden, wie beispielsweise OP-Tücher bzw. Baumwolldecken, wenn gleich ihre wärmeerhaltenden Effekte limitiert sind.
3.6
Typische Komplikationen in der traumachirurgischen Anästhesie
Eine nicht unwesentliche Zahl von Patienten, die sich operativen Eingriffen in der Traumachirurgie unterziehen müssen, sind älteren Lebensalters und haben zum Teil signifikante systemische Grunderkrankungen (z. B. KHK, Herzinsuffizienz, ausgedehntes Lungenemphysem, Nieren- bzw. Leberinsuffizienz), die für eine Vielzahl von perioperativen Komplikationen verantwortlich sein können. Eine entsprechende Darstellung würde den Rahmen dieses Abschnitts sprengen und es wird daher auf einschlägige Fachliteratur verwiesen. Traumachirurgische Operationen bergen allerdings einige spezifische intraoperative Komplikationen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen.
3.6.1 Fettemboliesyndrom
Bei Frakturen der langen Röhrenknochen (z. B. Schenkelhalsfraktur) oder des Beckens können nicht unwesentliche Mengen an Fettpartikeln aus
55
3.6 · Typische Komplikationen in der traumachirurgischen Anästhesie
dem Knochenmark freigesetzt werden. Geraten diese Partikel in die ebenfalls eröffneten Knochenmarksvenen, werden sie in Richtung Lungenstrombahn abtransportiert. Andere Theorien vermuten eine De-novo-Bildung von Fettpartikeln im Rahmen des Postaggressionsstoffwechsels. Unabhängig von der möglichen Ätiologie kommt es in der Lungenendstrombahn offensichtlich zu einer Reaktion der Fettpartikel mit dem Gefäßendothel bzw. der Alveolarmembran, bei der gefäßaktive Substanzen freigesetzt werden, und in deren Verlauf sich eine akute Gasaustauschstörung bis hin zum Lungenversagen entwickeln kann. Auch in anderen Organen lassen sich Fettpartikel und vergleichbare Gefäßreaktionen beobachten, die u. U. auch dort zu Störungen von Organfunktionen führen können (Gehirn, Nieren, Retina, Haut, Leber, Pankreas). Es wird vermutet, dass es bei den meisten Röhrenknochenfrakturen zu subklinisch verlaufenden Fetteinschwemmungen kommt. Bei ausgeprägter Einschwemmung von Fett in die Lungenvenen kann ein sog. Fettemboliesyndrom ausgelöst werden (geschätzte Letalität 10–20%). Klassische Symptomatik 1–3 Tage nach Fraktur: 5 Atemnot, 5 Bewusstseinsstörungen, 5 Petechien, v. a. am Thorax und den oberen Extremitäten. Eine intraoperative Manifestation der Symptomatik wird häufig initial über eine Gasaustauschstörung (endtidale CO2-Messung, Blutgasanalyse) oder plötzliche EKG-Änderungen (ST-Segment, Rhythmusstörungen) bemerkt. Therapeutisch bleibt nicht viel mehr als eine symptomatische Therapie, die auf eine Verbesserung der Gasaustauschstörung zielt (PEEP, Anheben des FiO2, postoperative Nachbeatmung). Bei neurologischen Manifestationen (Hirnödem) wird von manchen Autoren eine hochdosierte Steroidtherapie empfohlen.
3
3.6.2 Zementimplantationssyndrom
(»Palakosreaktion«) Bei Operationen, die eine Zementierung von Implantaten, z. B. in Hüftknochen oder Kniegelenk implizieren, kommt es häufig zu Nebenwirkungen der Anwendung von sog. Knochenzement. Es handelt sich dabei um Methymetacrylat, das als Zweikomponentenkleber unmittelbar vor Einsetzen des jeweiligen Implantats angemischt wird. Nach Einbringen in die präparierten Knochenareale polymerisiert das Material. Bei dieser exogenen Reaktion dehnt es sich aus, presst sich dabei in winzige Knochenöffnungen und stellt schließlich eine ausgesprochen feste Verbindung zwischen biologischer und technischer Struktur her. Durch das Eindringen von polymerisierendem Knochenzement können feinste Fettpartikel, Knochenreste und Bestandteile des Knochenmarks sowie Luft in die venöse Strombahn gelangen und entsprechende embolische Geschehen verursachen. Die Einschwemmung von Geweberesten kann das Gerinnungssystem aktivieren (Thrombozytenaggregation, Mikrothrombenbildung) und so ebenfalls die Lungenperfusion empfindlich stören. Durch letzteres und u. U. in Folge der gleichzeitigen Freisetzung von vasoaktiven Substanzen kann eine signifikante kardiovaskuläre Instabilität resultieren. Nicht selten kommt es in der Folge zu arterieller Hypoxämie (intrapulmonale Shuntzunahme), Reduktion des arteriellen Mitteldrucks bis hin zur arteriellen Hypotension (in der Regel durch pulmonale Vasokonstriktion und Reduktion des Herzzeitvolumens) und Herzrhythmusstörungen. Eingeschwemmte Reste des Methymetacrylats können darüber hinaus eine systemische Gefäßweitstellung verursachen. Besonders ausgeprägt ist diese Symptomatik beim Einsatz von Hüftendoprothesen in den Femurschaft. Bei kardialen Risikopatienten empfiehlt sich daher eine invasive Blutdrucküberwachung (arterielle Kanüle), in seltenen Fällen u. U. sogar ein Pulmonaliskatheter, um die symptomatische Therapie besser steuern zu können. Letztendlich bleiben dem Anästhesisten in dieser Situation nicht viel mehr Möglichkeiten, als ausreichend hohe O2-Konzentrationen anzubieten, zu-
56
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 3 · Intraoperatives Management in der Traumachirurgie
vor auf eine adäquate Flüssigkeitstherapie zu achten und bei Bedarf vorsichtig Katecholamine (z. B. Effortil i. v.) zu verabreichen, um den systemischen Blutdruck zu stabilisieren. Bei Hochrisikopatienten wird u. U. eine differenzierte, pulmonaliskathetergesteuerte Therapie nötig. Auf operativer Seite können Entlastungsbohrungen in den Knochenschaft sowie Hochdrucklavage (Entfernung von Gewebetrümmern) vor Zementeinsatz die Ausprägung der Symptomatik möglicherweise mildern.
3.6.3 Tiefe Beinvenenthrombose
Ein signifikantes thromboembolisches Geschehen (Lungenembolie) nach traumachirurgischen Operationen stellt eine wichtige und gefürchtete postoperative Komplikation dar; ursächlich sind meistens tiefe Beinvenenthrombosen, gelegentlich auch Beckenvenenthrombosen. Prädestiniert sind Patienten nach bestimmten operativen Eingriffen, insbesondere solche am Becken und an der unteren Extremität (z. B. TEP an Hüfte und Knie), aber auch patientenspezifische Faktoren sind zu beachten (höheres Lebensalter, weibliches Geschlecht, zurückliegende Thrombosen, Varikosis). In den meisten Institutionen erhalten daher alle Risikopatienten perioperativ eine niedrig dosierte Antikoagulanzientherapie, meistens mit fraktionierten Heparinpräparaten. Gleichzeitig wird eine frühest mögliche Mobilisation entsprechender Patienten propagiert. Ähnlich der positiven Effekte in Bezug auf den perioperativen Blutverlust scheint die Verwendung von Regionalanästhesieverfahren auch das Risiko für eine tiefe Beinvenenthrombose und konsekutiven Embolien nach traumachirurgischen Eingriffen zu reduzieren. Auch hier werden als ursächlich günstige Einflüsse auf den Blutfluss im dann relativ weitgestellten Gefäßsystem der unteren Extremität vermutet.
3.6.4 Massiver intraoperativer Blutverlust
Bei einigen traumachirugischen Eingriffen muss mit einem ausgedehnten intraoperativen Blutver-
lust gerechnet werden (Eingriffe an Hüfte, Becken und Wirbelsäule). Aber auch bei anderen Operationen (z. B. in der Nähe von großen Gefäßen; solche mit ausgedehntem Knochenmarkstrauma) kann ein massiver Verlust nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Ein tatsächliches Problem mit der Notwendigkeit zur differenzierten Transfusionstherapie (>30% des Blutvolumens) ergibt sich jedoch nur in Einzelfällen. Das Ausmaß des Blutverlusts ist sicher im Wesentlichen abhängig vom operativen Geschick der Chirurgen und der Komplexität des Eingriffs, der Operationstechnik, der Operationsdauer aber auch von der Qualität verschiedener Maßnahmen, die primär in anästhesiologischer Verantwortung liegen, wie z. B. aktive Wärmeerhaltung, Balanzierung des Kalziumhaushalts, bestimmte blutsparende Techniken (z. B. intraoperative Blutaufbereitung, Eigenblutspende, etc.) sowie einer Transfusionsstrategie, die auch dem möglicherweise notwendigen Ersatz von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten Rechnung trägt. Der Einsatz von Regionalanästhesieverfahren hat möglicherweise auch einen reduzierenden Einfluss auf den perioperativen Blutverlust, z. B. bei Hüftgelenkeingriffen. Einige klinische Studien konnten bei vergleichbarem arteriellen Mitteldruck einen signifikanten Vorteil gegenüber alleiniger Allgemeinanästhesie nachweisen. Die Ursachen für diesen Effekt sind bis heute ungeklärt. Es wird allerdings vermutet, dass die spezifischen vasodilatatorischen Effekte der Regionalanästhesie auf Venen und Arterien und eine konsekutive Umverteilung des Blutflusses eine wesentliche Rolle spielen. Andere Interventionen (Inhibition der fibrinolytischen Aktivität, kontrollierte Hypotension) werden immer wieder zur Blutungskontrolle propagiert, sind jedoch umstritten in Bezug auf ihr Risiko-Nutzen-Profil. Detaillierte Ausführungen zu diesem Themenkomplex finden sich in den 7 Abschn. 3.2 »Transfusionstherapie« und 3.3 »Fremdblutsparende Maßnahmen«.
II Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie 4
Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
– 59
59
4.1 ·
Besonderheiten der Allgemeinanästhesie A. Brambrink
4.1
Differenzialindikation verschiedener Narkoseverfahren – 60
4.1.1
Regional- versus Allgemeinanästhesie
4.1.2
Indikationen für eine Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie
– 62
4.2
Monitoring, Zugänge
– 63
4.3
Sicherung der Atemwege
4.4
Auswahl der Medikamente
– 65 – 65
– 61
4
60
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 4 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
)) Kaum ein anderes Teilgebiet der Anästhesie bietet so viel Abwechslung in der klinischen Routine wie das der Traumachirurgie. Was auf den ersten Blick eher trocken und langweilig wirkt – Narkosen für Knochenchirurgie – bietet für viele erfahrene Praktiker ein ausgesprochen angenehmes und vielseitiges Tätigkeitsgebiet, dem manche über viele Jahre ihres Berufslebens als Anästhesisten eng verbunden bleiben. Patienten jedes Alters können zu traumachirurgischen Operationen anstehen. Dementsprechend vielfältig können die Begleitprobleme sein. Knochenchirurgische Eingriffe können praktisch jeden Körperteil betreffen, wenngleich bei Kopfverletzungen traditionellerweise Neuro- bzw. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen tätig werden. Die Eingriffe können die verschiedenen Körperhöhlen, z. B. bei der Wirbelsäulenchirurgie, oder periphere Regionen betreffen, wie z. B. in der Handchirurgie. Sie können mit ausgeprägtem Blut- und Volumenverlust (Eingriffe an Becken, Hüfte, Wirbelsäule) einhergehen oder in Blutleere erfolgen (Hand-, Knieoperationen). Daher benötigt der verantwortliche Narkosearzt ausgesprochen breite theoretische anästhesiologische Kenntnisse, umfangreiche klinische Erfahrung und eines großes manuelles Geschick, will er eben nicht nur Allgemeinanästhesie sondern, wenn immer möglich, auch regionalanästhesiologische Verfahren anwenden, sei es für den unmittelbaren perioperativen Zeitraum oder vordringlich zur postoperativen Analgesie. Er sollte eine Vielzahl an Lagerungstechniken beherrschen sowie die gesamte Bandbreite der Flüssigkeits- und Volumentherapie einschließlich Transfusionspraxis und blutsparender Maßnahmen in seinem Repertoir haben.
rynxmaske verabreichen, sowie die vitale Stabilisierung und zugleich Narkoseführung während einer komplizierten Wirbelsäulenrekonstruktion mit Eröffnung eines Hemithorax und Einlungenbeatmung bei einem polytraumatisierten Patienten managen können. Gerade wegen dieser enormen Vielfalt fällt es schwer, wenige Einzelaspekte als »Besonderheiten der Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie« herauszugreifen. Andererseits kann und soll dieses Kapitel kein Ersatz für entsprechend ausführliche Abschnitte zum Thema »Allgemeinanästhesie« in allgemeinen Anästhesielehrbüchern darstellen. ! Als Essenz zur Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie bleibt letztlich nur festzustellen: Es gibt keine Besonderheiten.
Im Folgenden werden einige Aspekte der Allgemeinanästhesie für traumachirugische Patienten aus der »Vogelperspektive« beleuchtet, und einige wesentliche Fragen jeweils orientierend beantwortet. Falls nicht weiter ausgeführt, sei für spezifische Details der angesprochenen Konzepte, Materialien und Techniken sowie bezüglich der erwähnten Medikamente (z. B. Pharmakokinetik und -dynamik, Kontraindikationen, Nebenwirkungen, Dosierung bei verschiedenen Begleiterkrankungen) auf die bekannten Textbücher der Anästhesiologie verwiesen.
4.1
Differenzialindikation verschiedener Narkoseverfahren
Grundsätzlich sollte immer das Narkoseverfahren gewählt werden, welches für den Patienten das geringste Risiko birgt nach dem Prinzip: ! So viel wie nötig, so wenig wie möglich!
Der Anästhesist muss in der Traumachirugie sowohl den älteren Patienten für eine Mittelfußknochenoperation mit einer peripheren Nervenblockade am Bein versorgen, beim Kleinkind mit einer Radiusfraktur zur geschlossenen Reposition eine Rapid-Sequence-Induction (RSI) erfolgreich bewältigen, einen jungen Patienten zur 10-minütigen Metallentfernung eine Kurznarkose mit La-
Vor weiteren Überlegungen zur Differenzialindikation unterschiedlicher Allgemeinanästhesieverfahren sollte bei unfallchirurgischen Patienten stets geprüft werden, ob der jeweilige Eingriff auch in Regionalanästhesie durchführbar wäre. Bei einer ganzen Reihe von Operationen, insbesondere bei Risikopatienten, legt eine genaue Nutzen-Ri-
61
4.1 · Differenzialindikation verschiedener Narkoseverfahren
siko-Abwägung den Einsatz eines solchen Verfahrens zur Betäubung nahe. In diesen Fällen sollte – abhängig von den logistischen Bedingungen und vor dem Hintergrund der Präferenzen des Operateurs – dem Patienten ein regionales Betäubungsverfahren angeboten werden.
Vor- und Nachteile der Allgemeinanästhesie gegenüber Regionalanästhesieverfahren Vorteile 5 Kein Risiko für die speziellen Komplikatio-
5 5 5
5
nen der rückenmarknahen Regionalanästhesie (z. B. epidurales Hämatom, epiduraler Abszess) Immer möglich, auch bei Patienten unter Antikoagulanzientherapie Kein Risiko für »unvollständige« Anästhesie U. U. stabilerer Narkoseverlauf, z. B. bei kardiovaskulären Risikopatienten, Operationen mit hohem Blutverlust Keine schwierigen oder schmerzhaften Lagerungsmaßnahmen zur Etablierung der Betäubung
Nachteile 5 In Bezug auf zahlreiche physiologische Re-
5 5 5
5
gelmechanismen das invasivere Verfahren (z. B. Atmung, Metabolismus, Temperaturkontrolle) Spezifische Allgemeinanästhesierisiken, wie z. B. Aspiration, Heiserkeit, PONV Keine postoperative Analgesie Postoperative Schmerztherapie nur systemisch möglich (z. B. i. v.-Dipidolor, i. v.PCA; dagegen ermöglicht die Kombination einer Allgemeinanästhesie mit einem geeigneten Regionalanästhesieverfahren postoperativ eine regionale Schmerzbehandlung, insbesondere wenn diese in Kathetertechnik durchgeführt wird Längere Nüchternperiode nach dem Eingriff notwendig
4
4.1.1 Regional- versus
Allgemeinanästhesie Selbstverständlich favorisiert nicht jeder Operateur regionale Narkosetechniken. Vielfach stehen Bedenken in Bezug auf den logistischen Ablauf im Vordergrund, wie z. B. Wechselzeiten zwischen den Eingriffen seien länger, der Patient sei intraoperativ wach, es bestehe mehr Interaktionsbedarf, Ausdehnung und Qualität der chirurgischen Anästhesie und Muskelrelaxation seien unsicher. Diesbezüglich kann dem Operateur eine Beurteilung des Anästhesieniveaus vor Hautschnitt und in den meisten Fällen eine intraoperative Sedierung des Patienten zugesichert werden. Andererseits werden auf Seiten der Operateure oft die Möglichkeiten der perioperativen Regionalanästhesie für eine hervorragende postoperative Analgesie, schnellere Mobilisierbarkeit und höhere Patientenzufriedenheit übersehen. Von großer Bedeutung für die Akzeptanz dieser Technik bei den chirurgischen Kollegen sind aber auch Wissen und Beurteilungsfähigkeit der ausgeprägten Vorteile der Regionalanästhesieverfahren aufgrund deren geringerer Invasivität, z. B. durch Erhalt der Spontanatmung, Vermeiden einer ausgeprägten Kreislaufdepression durch starkwirksame Narkotika sowie bessere postoperative Lungenfunktion, insbesondere bei Risikopatienten. Wenig bekannt sind auch die durch zahlreiche Studien belegten Möglichkeiten zur Reduktion des intraoperativen Blutverlusts sowie zur Risikominderung für postoperative Venenthrombosen und Lungenembolien durch rückenmarknahe Regionalanästhesietechniken. Werden dem Patienten perioperativ Antikoagulanzien verabreicht, können dennoch im Einzelfall periphere Leitungsblockaden zur chirurgischen Anästhesie zum Einsatz kommen, falls diese für den Eingriff geeignet erscheinen. Um dem Patienten jedoch überhaupt eine Wahl ermöglichen zu können, ist eine kontinuierliche und systematische Überzeugungsarbeit des Anästhesisten gegenüber dem chirurgischen Team gefordert: dies impliziert zuallererst eine Ablaufqualität auf höchst möglichem Niveau in jedem Einzelfall sowie ein aktives und professionelles Management von unvollständigem Regional-
62
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 4 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
anästhesieerfolg und Komplikationen vor Beginn des chirurgischen Eingriffs (Qualität überzeugt am besten). Nahezu vergleichbar wichtig sind jedoch grundsätzliche Absprachen über die jeweilige Vorgehensweise und die Entwicklung von institutionsspezifischen Standards, die möglichst schriftlich fixiert werden sollten (z. B. in Form von entsprechenden Manuals). Darüber hinaus helfen regelmäßige Kommunikation sowie gemeinsame retrospektive Fallbesprechungen von Chirurgen und Anästhesisten beim Aufbau eines Arbeitsverhältnisses, das von gegenseitigem Respekt für die jeweilige ärztliche Tätigkeit geprägt ist. In allererster Linie wird der Patient von derartigen Bemühungen profitieren, jedoch werden durch die bessere Vorhersehbarkeit die Arbeitsabläufe vereinfacht und die Patientenversorgung wird besser planbar. Auf diese Weise und durch die damit verbundene Konfliktreduktion steigt darüber hinaus auch die Arbeitszufriedenheit. Aber auch nicht jeder grundsätzlich geeignete Patient ist bereit einen operativen Eingriff in Regionalanästhesie durchführen zu lassen. Häufig resultiert die Ablehnung des Patienten aus der Angst etwas »mitzubekommen«. Bei den meisten Patienten ist eine zusätzliche Sedierung möglich und sollte einen festen Bestandteil der gemeinsamen Anästhesieplanung darstellen. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Bereitschaft des Patienten Regionalanästhesieverfahren als Anästhesiemanagement zu akzeptieren ist die grundsätzliche Akzeptanz des Vorgehens durch den Operateur und das übrige chirurgische Team. Die Interaktion zwischen Patient, Operateur, Krankenschwestern bzw. -pflegern und Physiotherapeuten hat erfahrungsgemäß großen Einfluss auf die Wünsche und Vorstellungen des Patienten. Nicht übersehen werden sollte auch der große Einfluss von »Mund-zu-Mund-Propaganda« zwischen den Patienten auf der Station bzw. außerhalb des Krankenhauses. Viele gut verlaufende Regionalanästhesien mit postoperativ zufriedenen Patienten helfen die Bereitschaft zukünftiger Patienten zu verbessern. Dagegen kann bereits ein schlecht verlaufenes Anästhesieverfahren das Vertrauen von Patienten und Operateuren nachhaltig belasten.
Auch hier liegt es wesentlich in der Hand des Anästhesisten durch entsprechendes Geschick diese Konstellation erfolgreich zu beeinflussen (z. B. adäquate und uneingeschränkte Nachbetreuung der Patienten gemeinsam mit dem Chirurgen, ausreichende Kommunikation).
4.1.2 Indikationen für eine
Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie Operative Eingriffe im Bereich der Traumachirurgie, bei denen wegen absoluter oder relativer Kontraindikationen eine Regionalanästhesie nicht möglich ist, das Operationsgebiet nicht mit Regionalanästhesieverfahren erreicht werden kann, oder aufgrund der geplanten Operationsdauer bzw. -ausdehnung oder sehr aufwendiger operativ-technischer Verfahren eine Regionalanästhesie ausscheidet, werden in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Gleiches gilt für Eingriffe, bei denen eine bereits durchgeführte Regionalanästhesie keine ausreichende chirurgische Anästhesie ergeben hat, d. h. vollständige Versager ebenso wie Teilversager, wenn entsprechende Nachinjektionen keinen Erfolg hatten. Es sollte – auch aus oben genannten Gründen – stets vor Beginn des chirurgischen Eingriffs eine entsprechende Entscheidung getroffen und die Allgemeinanästhesie eingeleitet werden. In seltenen Fällen kann es intraoperativ notwendig werden, eine Allgemeinanästhesie einzuleiten. So ist es immer möglich, dass der operative Eingriff unvorgesehen länger dauert und die Wirkdauer der Regionalanästhetika nicht ausreichend ist (Kathetertechniken haben daher große Vorteile und sollten in Zweifelsfällen erwogen werden). Darüber hinaus können auch andere unvorhersehbare Ereignisse einen Übergang zur Allgemeinanästhesie nahe legen, wie z. B. zunehmende Rückenschmerzen durch langes Liegen auf dem Operationstisch, Kreislaufprobleme bei ausgedehntem Blutverlust oder vergleichbaren kritischen Verschlechterungen des Patientenstatus.
63
4.2 · Monitoring, Zugänge
Typische Indikationen für eine Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie
4
den sowie – wenn indiziert – unter Gabe von Muskelrelaxanzien).
5 Schwerkranker Patient (invasives Monito-
ring notwendig)
4.2
Monitoring, Zugänge
5 Kritischer bzw. lebensbedrohlicher Zu-
stand des Patienten 5 Lebensgefährliche Verletzung 5 Kontraindikation für die Anlage einer peri-
pheren Blockade
Absolut Ablehnung durch Patienten Infektion an der Punktionsstelle Bekannte Lokalanästhetikaallergie Das Operationsgebiet kann nicht erreicht werden 5 Dauer und Art des Eingriffs ungeeignet 5 Insuffiziente Regionalanästhesie 5 5 5 5
Relativ 5 Gerinnungsstörungen (abhängig von Lo-
kalisation) 5 Vorbestehende Nervenschäden (nach ge-
nauer Dokumentation Regionalanästhesie möglich)
Ist die Entscheidung zur Allgemeinanästhesie für einen traumachirurgischen Eingriff getroffen worden, kann für die weitere Planung grundsätzlich auf alle Narkosetechniken zurückgegriffen werden. Die Festlegung erfolgt dann vor dem Hintergrund der geplanten Operationsdauer entsprechend der Bedürfnisse der Patienten. So kann z. B. bei kurzen peripheren Eingriffen eine reine intravenöse Technik gewählt werden (z. B. Propofol, Alfentanil/Remifentanil, ggf. über Perfusor; je nach Atemwegsmanagement (Larynxmaske/Endotrachealtubus) und operativen Bedürfnissen mit oder ohne Muskelrelaxanzien. Bei längeren und v. a. invasiveren Operationen empfiehlt sich eher die sog. balanzierte Anästhesietechnik (nach i. v.-Einleitung und Muskelrelaxazion zur endotrachealen Intubation erfolgt die Narkoseaufrechterhaltung mittels einem volatilen Anästhetikum und adäquaten Mengen an Opioi-
Bei traumachirurgischen Eingriffen ergibt sich die Entscheidung über das notwendige Monitoring weniger aus der Narkosetechnik als vielmehr aus den Bedürfnissen des Patienten und dem geplanten Eingriff. Neben den derzeit als Standardüberwachung bei Vollnarkosen angesehenen Einheiten (EKG, nichtinvasive Blutdruckmessung, periphere O2Sättigung, inspiratorische O2-Konzentration, endtidale CO2-Spannung, Beatmungsfrequenz und drücke sowie Narkosegaskonzentration) werden in vielen Abteilungen bei längeren Narkosezeiten (>30 min) auch regelmäßig die Temperatur sowie elektrophysiologische Parameter (EEG, BIS, SEF [speziell bei TIVA]) überwacht. Selbstverständlich erfolgt eine kontinuierliche Überwachung der Flüssigkeitsbilanz (Infusionen von Flüssigkeit und ggf. Blutprodukten, Blutverlust, Urinproduktion). Eine Katheterisierung der Blase erfolgt stets in Abhängigkeit vom vermuteten Effekt des operativen Eingriffs auf die Flüssigkeitsbilanz (erwarteter Blutverlust) sowie der geplanten Operationsdauer (>2 h). Werden Muskelrelaxanzien appliziert sollte ein intermittierendes neuromuskuläres Monitoring (z. B. TOF am N. ulnaris, N. facialis) durchgeführt werden. Bei traumachirurgischen Routineeingriffen reicht in vielen Fällen ein einzelner peripherer intravenöser Zugang zur Einleitung und Weiterführung der Narkose aus. Ist ein größerer Blutverlust nicht ausgeschlossen oder wird aus operationstechnischen Gründen der Zugang zu den Armen erschwert, sollte unbedingt nach Einleitung und vor Beginn des operativen Eingriffs ein zweiter, möglichst großlumiger intravenöser Zugang geschaffen werden. Bei Anlagerung eines oder beider Arme sollte unbedingt auf eine ausreichende Verlängerung der Infusionsleitung sowie auf einwandfreie Funktionsfähigkeit geachtet werden, bevor mit der Abdeckung des Patienten begonnen wird.
64
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 4 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
Müssen sich Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko, pulmonalen Vorerkrankungen oder anderen schwerwiegenden Begleitstörungen der Homöostase (in der Regel Patienten der Risikogruppen III und höher nach der bekannten ASA-Klassifizierung) einem Eingriff in Vollnarkose unterziehen, ist es ratsam die Anlage einer arteriellen Kanüle zu erwägen. Neben der kontinuierlichen und invasiven Blutdruckmessung erlaubt dieser zusätzliche Zugang regelmäßige Blutentnahmen zur Überwachung der Blutgase und des metabolischen Status ohne wiederholte Punktionen. Die individuelle Narkosesteuerung wird auf diese Weise wesentlich vereinfacht. Gleiches gilt für Eingriffe mit einem voraussehbar großen Blutverlust (Becken-, Hüft- und Wirbelsäulenoperationen), da so auch die notwendigen Parameter zur Indikationsstellung und Steuerung einer individuell abgestimmten Transfusionstherapie (Hämoglobinkonzentration, Hämatokrit, Thrombozytenzahl, Fibrinogen, Gerinnungswerte, etc.) durch wiederholte Blutabnahmen überwacht werden können. Je nach Indikationsstellung erfolgt die Anlage der arteriellen Kanüle vor Einleitung (schwere kardiovaskuläre Begleiterkrankung des Patienten) oder erst in Narkose (z. B. intraoperative Blutdrucküberwachung, wiederholte Blutabnahmen). Bei Hochrisikopatienten (z. B. grenzkompensierter Herzinsuffizienz, Patienten mit klinisch wirksamen Vitien) sowie bei Operationen mit vermutlich ausgesprochen großem intraoperativen Flüssigkeits- und Blutumsatz (v. a. komplexe Beckenoperationen) kann auch die Anlage eines zentralen Venenkatheters indiziert sein, um den zentralen Venendruck zu überwachen. Darüber hinaus gibt es sicher noch eine Reihe weiterer operationaler Gründe für die Anlage eines Zentralvenenkatheters bei traumachirurgischen Patienten (z. B. langfristige i. v.-Antibiotikatherapie, postoperative Intensivtherapie). In jedem Einzelfall sollte jedoch eine sorgfältige Risiko-NutzenAbwägung erfolgen und die endgültige Indikation mit den weiterversorgenden Kollegen abgestimmt werden. Wegen der Gefahr einer intraoperativen Luftembolie sehen einige Autoren bei ausgedehnten Schultereingriffen in Beach-chair-Position ei-
nen Zentralvenenkatheter in Verbindung mit einer präkordialen Ultraschallsonde für indiziert. Diese Indikation bleibt jedoch sicher Einzelfällen vorbehalten, bei denen auch auf Seiten des Patienten ein entsprechend großes kardiovaskuläres Begleitrisiko besteht, das die Risiken der Zentralvenenkatheterisierung aufwiegt. In seltenen Einzelfällen kann auch die Anlage eines Pulmonalarterienkatheters bei traumachirurgischen Eingriffen indiziert sein, um die Narkosesteuerung bei schwerkranken Patienten (z. B. floride Sepsis, fixierte pulmonale Hypertonie) zu erleichtern. Die Gründe für eine solche Überwachung ergeben sich ausschließlich aus der speziellen Konstellation der Begleiterkrankungen des Patienten und nicht primär durch den geplanten traumachirurgischen Eingriff. Dieser stellt höchstens einen zusätzlichen Risikofaktor für den Patienten dar, der für die Indikationsstellung entsprechend mitbewertet werden muss. Bei bestimmten Wirbelsäulenoperationen (z. B. Stabilisierung und Fusion [Fixateur interne] einer thorakalen Wirbelsäulenfraktur) werden von einigen Operateuren intraoperativ somatosensorisch-evozierte Potentiale (SSEP) abgeleitet, um die Funktionsfähigkeit der Leitungsbahnen (leider nur der sensiblen) im Rückenmark zu überwachen. Diese Maßnahme erfordert ein differenziertes und dieser Überwachungstechnik angepasstes anästhesiologisches Vorgehen: möglichst keine Benzodiazipine, volatile Anästhetika nicht über 1 MAC, kombiniert mit adäquaten Dosen an Opioiden und ggf. Lachgas; die Komplementierung mit Muskelrelaxanzien beeinflusst die Qualität der SSEP nicht, wird aber von vielen Operateuren nicht gewünscht, um eine direkte Schädigung der motorischen Bahnen durch plötzliches Auslösen motorischer Reaktionen distal des Operationsgebiets zu bemerken (Cave: unzuverlässige Methode). Wesentlich sensitiver für eine Überprüfung der motorischen Funktion des Rückenmarks sind zusätzliche peripher abgeleitete Elektromyogramme (EMG). Soll eine derartige Überwachungstechnik angewendet werden, muss die Wirkung von Muskelrelaxanzien abgeklungen sein. Einige Operateure verlassen sich auf einen intraoperativen Wachheitstest, nachdem die Imp-
65
4.4 · Auswahl der Medikamente
lantate an den entsprechenden Wirbelsäulensegmenten fixiert sind. Dabei müssen die volatilen Anästhetika frühzeitig abgestellt werden (gleiches gilt bei Verwendung von Propofol); Opioide (Ausnahme: Remifentanil) und Muskelrelaxanzien werden – falls notwendig – antagonisiert. Der noch intubierte und typischerweise auf dem Bauch liegende Patient wird zunächst gebeten seine Finger zu bewegen, um seine Kooperationsfähigkeit zu belegen; erst dann wird in gleicher Weise die motorische Funktion an der unteren Extremität überprüft. Unmittelbar anschließend wird mittels eines geeigneten intravenösen Narkotikums (z. B. Propofol) ein adäquates Anästhesieniveau wiederhergestellt. Unmittelbar nach Beendigung des operativen Eingriffs und Erwachen des Patienten sollte die Prozedur wiederholt werden, um die Funktionsfähigkeit des Rückenmarks nochmals zu bestätigen. Selbstverständlich erfordern alle Überwachungsmaßnahmen bei geplanten Eingriffen, insbesondere aber invasive Techniken, wie z. B. die Anlage einer arteriellen Kanüle oder eines Zentralvenenkatheters, eine detaillierte Aufklärung über den Sinn des Verfahrens und dessen Risiken sowie eine schriftliche Einwilligung. Gleiches gilt für den intraoperativen Aufwachtest.
4.3
Sicherung der Atemwege
Bei traumachirurgischen Eingriffen gibt es nur sehr wenige prozedurenspezifische Erfordernisse für die Auswahl der Methode zur Atemwegssicherung. Prinzipiell kann eine Allgemeinanästhesie bei vielen Eingriffen mit oder ohne endotracheale Intubation erfolgen. Wesentlich erscheinen dabei die geplante Operationsdauer und das Operationsgebiet. Bei kurzen Eingriffen in Rückenlage ist eine Larynxmaske (z. B. LMA classic, ProSeal-LMA) bzw. alternative Methoden zur Atemwegssicherung (z. B. Larynxtubus) ausreichend, falls nicht kontraindiziert (z. B. bei ösophagealem Reflux, Zwerchfellhernie). Dies gilt darüber hinaus natürlich ausschließlich für Wahleingriffe bei Patienten, die länger als 12 h nüchtern sind, d. h. nicht für Notfalleingriffe.
4
Ultrakurze Eingriffe, z. B. Schraubenmobilisierung, kurze Weichteilspülung, kleine Verbandswechsel können im Einzelfall auch ausschließlich in Maskennarkose durchgeführt werden. Eine Schulterreposition, obwohl in der Regel ebenfalls eine kurze operative Prozedur, betrifft dagegen fast immer nicht nüchterne Patienten (Notfallindikation) und ist daher sicher nicht für eine Maskenkurznarkose geeignet (immer RSI). Bei längeren Eingriffen in Allgemeinanästhesie und bei Operationen, die nicht in Rückenlage durchgeführt werden können (Seitenlage, Bauchlage), garantiert nur eine endotracheale Intubation eine adäquate Atemwegssicherung. Bei Eingriffen in Bauchlage sollte zusätzlich eine doppellumige orale Magensonde gelegt werden um den Magen kontinuierlich drainieren zu können. In seltenen Fällen wird sogar die Platzierung eines Doppellumentubus bzw. eines Bronchusblockers in der traumachirurgischen Anästhesie notwendig. Eine solche apparative aufwendige Atemwegssicherung wird manchmal zur Durchführung einer Einlungenbeatmung bei transthorakaler Wirbelsäulenchirurgie notwendig. Bei der Versorgung eines polytraumatisierten Patienten kann im Einzelfall die Platzierung eines Bronchusblockers notwendig werden, falls endobronchiale Blutungen oder ein größeres alveoläres Leck in den Pleuralspalt eine adäquate Oxygenierung unmöglich machen. Die Technik der Platzierung sowie die Bestätigung der regelrechten Lage (direkte Laryngoskopie, endtidales Kohlendioxyd, bilaterale Atemgeräusche, symmetrische Thoraxexkursionen), die regelrechte Fixierung sowie das Management eines schwierigen Atemweges (erwartet: fiberoptische Intubation; unerwartet: z. B. IntubationsLMA, Combitubus, Bougie, chirurgische Atemwegssicherung) einschließlich der entsprechenden Atemwegalgorithmen sei auf entsprechende Anästhesietextbücher bzw. Spezialliteratur verwiesen.
4.4
Auswahl der Medikamente
Für jeden Patienten muss die Zusammenstellung der Medikamente zur Allgemeinanästhesie indivi-
66
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 4 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie
duell an seinen Zustand angepasst und dem Ausmaß des Eingriffs angemessen sein. Dabei werden, wie bereits oben ausführlich erläutert, grundsätzlich zwischen langen und u. U. invasiven und kurzen, zumeist peripheren operativen Eingriffen unterschieden. Erstere werden typischerweise in balancierter Technik (alternativ als vollständig intravenöse
Anästhesie [TIVA]) und mit endotrachealer Intubation, letztere als intravenöse Kurznarkose, oftmals mittels LMA zur Atemwegssicherung durchgeführt. Die 7 Tabellen 4.1. und 4.2. fassen jeweils Vorschläge zur Medikamentenauswahl und Dosierung zusammen.
. Tabelle 4.1. Vorschlag zur Medikamentenauswahl und Dosierung für eine balancierte Anästhesie mit endotrachealer Intubation Anästhesiephase
Medikation
Prämedikation
Oxazepam 10 mg oder Midazolam 7,5 mg p.o.
Prophylaxen
Tri-Natrium-Citrat 20 ml p.o. (zur Aspirationsprophylaxe; Standard)
8
Ggf. Fenistil 8 mg /Tagamet 400 mg i. v. (bei allergischer Diathese) Ggf. Odansedron 4 mg i. v., ggf. zusätzlich 10 mg Methylprednisolon i. v. (bei Risiko für PONV)
9 Narkoseeinleitung
10
Fentanyl 0,15–0,3 mg i. v. (3µg/kgKG) (ist eine Präcurarisierung gewünscht: Atracurium 5 mg bzw. Rocuronium 5 mg i. v.)
11
Thiopental 4–6 mg/kgKG bzw. Propofol 2 mg/kgKG i. v. Atracurium 0,5 mg/kg KG bzw. Rocuronium 0,6–0,8 mg/kgKG (bei kurzen Eingriffen: Mivacurium 0,2 mg/kgKG) i. v.
12 Endotracheale Intubation
13 14 15 16 17 18 19 20
Narkoseaufrechterhaltung
Isoflurane 1–1,5 MAC in Sauerstoff/Air; ggf. Lachgas statt Air
Intraoperative Relaxierung
Weiter mit Atracurium 0,1 mg/kg KG bzw. Rocuronium 0,1 mg/kg KG i. v. (s. o.)
Narkoseausleitung
Vor Extubation Schwellung der oberen Luftwege ausschließen (insbesondere nach Bauchlage)
Postoperative Schmerztherapie
Siehe 7 Kap. 26
67
4.4 · Auswahl der Medikamente
4
. Tabelle 4.2. Vorschlag zur Medikamentenauswahl und Dosierung für eine intravenöse Kurznarkose mit Larynxmaske (LMA) Anästhesiephase
Medikation
Einleitung
Remifentanil 0,5–1,0 µg i. v.a alternativ: Alfentanil 10–20 µg i. v. Propofol 2 mg/kgKG i. v.
Platzierung der Larynxmaske Aufrechterhaltung
Propofol 5–6 (10) mg/kgKG/h i. v. (Perfusor) später reduzieren auf 4–5 mg/kgKG/h alternativ: z. B. Sevoflurane 1–1,5 MAC Remifentanila 0,1–1,0 µg/kgKG/min (ggf. 0,5 µg/kgKG als Bolus)a alternativ: Alfentanil 0,5–1,0 µg/kgKG/min (ggf. 7–15 µg/kgKG als Bolus)
a
Narkoseausleitung
Propofol frühzeitig beenden (5–10 min vor Operationsende) Remifentanil bis zur letzten Hautnaht (Anschließend unbedingt Perfusorschlauchsystem entfernen, um eine akzidentelle Infusion von Restmengen zu vermeiden)
Postoperative Schmerztherapie
Siehe 7 Kap. 26
Bei geriatrischen Patienten (>65 Jahre) sollte die Remifentanildosis aufgrund veränderter Pharmakokinetik bzw. -dynamik um ca. 30– 50% reduziert werden.
III Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie 5
Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie – 75
6
Spinalanästhesie
7
Kontinuierliche Spinalanästhesie
8
Lumbale Epiduralanästhesie
9
Kombinierte Spinalepiduralanästhesie
– 97 – 105
– 111 – 121
70
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
)) Rückenmarknahe Regionalanästhesien sind zentrale Nervenblockaden. Die Injektion eines Lokalanästhetikums in den Subarachnoidalraum (Spinalanästhesie) bzw. Epiduralraum (Epiduralanästhesie) oder gleichzeitig in Subarachnoidal- und Epiduralraum (kombinierte Spinal-Epidural-Anästhesie) führt zu einer temporären Unterbrechung der Erregungsleitung in den Nervenwurzeln. Es resultiert eine reversible sensorische, sympathische und motorische Blockade, die klinisch durch Analgesie bzw. Anästhesie, Vasodilatation und Muskelrelaxation gekennzeichnet ist. Rückenmarknahe Verfahren können sowohl einzeitig (»single-shot«) zur Anästhesie bei Operationen als auch als kontinuierliche Techniken (Katheterverfahren) in der postoperativen Schmerztherapie eingesetzt werden. Sie zeichnen sich durch eine hohe Erfolgsquote aus.
Anatomische Grundlagen Wirbelsäule Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbeln (7 zervikale, 12 thorakale, 5 lumbale, 5 sakrale und 4 kokzygeale).
12 13 14
Die Wirbelsäule weist typische Krümmungen auf, die einen Einfluss auf die Ausbreitung spinal applizierter Lokalanästhetika haben. In Rückenlage finden sich die höchsten Punkte bei C5 und L3, die tiefsten bei Th5 und S2.
Bänder Der Bandapparat gewährleistet Stabilität und Beweglichkeit der Wirbelsäule. Bei einer rückenmarknahen Regionalanästhesie werden einige dieser Bänder perforiert (. Abb. III.1): 1. Lig. supraspinale (verbindet die Spitzen der Dornfortsätze), 2. Lig. interspinale (verbindet die Dornfortsätze in ihrer ganzen Länge miteinander), 3. Lig. flavum (Auskleidung der dorsalen und lateralen Seite des Wirbelkanals). Verknöcherungen der Bänder, die die Punktion erschweren können, sind v. a. bei älteren Patienten nicht selten. Das Lig. flavum besteht, im Gegensatz zu den anderen Bändern, hauptsächlich aus elastischen Fasern. Diese derbe Struktur führt bei der Einführung einer Kanüle zu einem typischen Widerstand. Nach Penetration des Ligamentes wird ein deutlicher Widerstandsverlust spürbar, was man sich bei der »Loss-of-resistance«-Technik (»Widerstandsverlusttechnik«) zu Nutze macht.
Orientierungshilfen 5 Vertebra prominens (7. Halswirbel): C7 5 Interscapularlinie (Verbindungslinie des
Unterrandes der Scapulae): Th7 5 Beckenkammlinie: L4/5
15 16 17 18 19 20
Der Wirbel besteht aus einem Körper und einem Bogen, einem Dornfortsatz (Processus spinosus) und zwei Querfortsätzen (Processus transversi) sowie jeweils zwei oberen und unteren Gelenkfortsätzen. Zwischen den Wirbelkörpern liegen die Bandscheiben. Bei lumbalen Wirbeln steht der Proccessus spinosus fast horizontal, was die Punktion erleichtert. Die sitzende, leicht nach vorne gebeugte Position (»Katzenbuckel«) führt zu einer weiteren Aufklappung der Dornfortsätze in diesem Bereich. Die Verbindungslinie der Dornfortsätze ist in der Regel zu tasten und stellt die sog. Mittellinie dar.
. Abb. III.1. Bandapparat der Wirbelsäule. Die Bänder werden in der Reihenfolge Lig. supraspinale → Lig. interspinale → Lig. flavum perforiert.
III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
III
71
Die Distanz Haut – Lig. flavum beträgt bei individuell großer Variationsbreite etwa 4–5 cm.
Epiduralraum Der Epiduralraum reicht vom Foramen magnum bis zum Hiatus sacralis und umgibt die Rückenmarkhüllen von außen. Seine dorsale Begrenzung ist das Lig. flavum. Er enthält neben Fett, Bindegewebe sowie Blut- und Lymphgefäßen auch die Spinalnervenwurzeln (. Abb. III.2). Es besteht ein negativer Druck im Epiduralraum (thorakal stärker ausgeprägt als lumbal), der bei der Punktion mit der Technik des »hängenden Tropfens« genutzt wird.
Spinalkanal Der Spinalkanal enthält das von (von außen nach innen) Dura mater, Arachnoidea und Pia mater umgebene Rückenmark (. Abb. III.3). Dura und Arachnoidea sind eng miteinander verbunden, reichen bis auf Höhe von S2 und werden bei der Spinalanästhesie in der Regel immer gemeinsam durchstochen. Der Subduralraum ist ein feiner Spalt zwischen Dura und Arachnoidea. Sehr selten gelangt bei der Spinalanästhesie versehentlich Lokalanästhetikum in den Subduralraum. Die Pia mater umkleidet das Rückenmark und Gehirn; der Raum zwischen Pia mater und Arachnoidea ist der mit Liquor gefüllte, die Spinalnervenwurzeln enthaltende Subarachnoidalraum. Das Rückenmark stellt die Verlängerung der Medulla oblongata dar und reicht nach kaudal bis zum Conus medullaris. Dieser reicht beim Erwachsenen in der Regel bis zum Segment L1/2, gelegentlich auch bis L2/3. ! Cave Eine spinale Punktion darf keinesfalls höher als L2/3 und sollte am besten unterhalb von L3 durchgeführt werden, um einer akzidentellen Verletzung des Rückenmarks vorzubeugen.
Ep Ep
. Abb. III.2. Der Epiduralraum. Ansicht von seitlich vorn. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
. Abb. III.3. Das Rückenmark und seine Hüllen. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
Liquor Die Nervenfasern des Conus terminalis, die Cauda equina, erstrecken sich noch tiefer bis zum Os sacrum. Diese weichen bei einer Berührung durch die Punktionskanüle zurück; die Verletzungsgefahr ist gering.
Bei der Spinalanästhesie wird das injizierte Lokalanästhetikum mit dem Liquor verdünnt, bevor die Wirkung im zentralen Nervensystem stattfindet. Das Liquorvolumen unterliegt einer großen interindividuellen Variabilität und hat, ebenso wie die Dichte, Einfluss auf die Ausbreitung des Lo-
72
1 2 3 4 5
III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
kalanästhetikums. Zuverlässige Prädiktoren hinsichtlich der individuellen Liquormenge existieren nicht.
Liquor cerebrospinalis 5 Gesamtmenge: 120–150 ml (2 ml/kgKG) 5 Liquormenge lumbosakral: 8–81 ml (gro-
ße Variabilität) 5 Aussehen: klar, farblos 5 Liquordruck lumbal: 7–17 cm H2O in Sei-
tenlage, sitzend >20 cm H2O
6 7 8 9
5 pH-Wert: 7,4–7,6 5 Spezifisches Gewicht: 1000 g/cm2 bei 37°C 5 Elektrolyte: Na+ 140–150 mmol/l, Cl– 120–
Blutversorgung Die arterielle Versorgung des Rückenmarks wird durch die paarig angelegten Aa. spinales posteriores und posterolaterales sowie die unpaarige A. spinalis anterior sichergestellt. Die A. spinalis anterior versorgt die vorderen 2/3 des Rückenmarks und wird im zervikalen und thorakalen Bereich durch die A. vertebralis, im thorakolumbalen Bereich durch die A. radicularis magna (Adamkiewicz) gespeist. Der venöse Abfluss erfolgt über Venenplexus. Da diese nicht über Venenklappen verfügen, übertragen sich Druckschwankungen im Epiduralraum, Thorax und Liquor leicht und beeinflussen den Füllungszustand der venösen Gefäße.
130 mmol/l 5 Glukose: 50–80 mg/dl 5 Gesamteiweiß: 15–45 mg/dl 5 Neusynthese: etwa 500 ml/Tag im Plexus
choroideus
10
Auswirkungen auf physiologische Regelmechanismen Neben der neuralen Blockade mit Anästhesie im entsprechenden Innervationsgebiet hat die rückenmarknahe Regionalanästhesie auch systemische Wirkungen, die im Wesentlichen von der Ausdehnung der Blockade abhängig sind.
Spinalnerven
11 12 13 14 15
Die Spinalnervenwurzeln sind die Wirkorte der Spinalanästhesie. Eine große interindividuelle Variabilität in deren Größe und Anatomie erklärt die unterschiedlichen Ausprägungen der Spinalanästhesie. Es gibt 31 Spinalnervenpaare, die über je eine hintere und vordere Wurzel mit dem Rückenmark kommunizieren. ! Afferente Impulse wie Schmerz, Temperatur, Berührung und Lagesinn werden über die – dickere – Hinterwurzel (Radix posterior) geleitet.
16
18 19 20
! Die kardiovaskulären Wirkungen sind variabel und abhängig vom Ausmaß der Sympathikusblockade. Sie sind bei der Epiduralanästhesie durch das langsamere Einsetzen der Wirkung initial geringer ausgeprägt als bei der Spinalanästhesie.
Der Sympathikus tritt auf Höhe von Th1 bis L2 aus. ! Durch die Blockade präganglionärer sympathi-
! Efferente Impulse (motorische Funktion) werden
17
Kardiovaskuläre Wirkungen
über die – dünnere – Vorderwurzel (Radix anterior) geleitet.
Nach dem Austritt aus dem Subarachnoidalraum kreuzen die noch von Dura und Arachnoidea umkleideten Spinalnervenwurzeln den Epiduralraum. Die Bildung der gemischten Hauptstämme der Spinalnerven erfolgt im Foramen intervertebrale.
scher Nervenfasern resultiert eine Abnahme des peripheren Widerstandes durch arterielle und v. a. venöse Vasodilatation sowie eine Abnahme von Vor- und Nachlast mit konsekutiver Hypotension.
Bei starker Ausprägung kann auch das Herzzeitvolumen vermindert sein. Gesunde Patienten reagieren bei einer Ausdehnung der Blockade bis maximal Th5 mit einer kompensatorischen Vasokonstriktion oberhalb dieses Niveaus, die hauptsäch-
73
III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
lich durch nicht blockierte sympathische Vasokonstriktorfasern von Th1–Th4 vermittelt wird. Zusätzlich kommt es zu einer gesteigerten Katecholaminfreisetzung. Unblockierte kardiale sympathische Fasern bewirken eine Steigerung der myokardialen Kontraktilität und der Herzfrequenz. Erstreckt sich die Blockade auch auf höhere Segmente (Th1–Th4), spricht man von einer totalen Sympathikusblockade (Th1–L2). Hinzu kommen die Blockade der segmentären Herzreflexe, der Efferenzen aus dem Vasomotorenzentrum zu den Nn. accelerantes (sympathische Herznerven aus Th1–Th4), die Blockade vasokonstriktorischer Sympathikusfasern in Kopf, Hals, oberen Extremitäten sowie des N. splanchnicus (Th5–L1) mit Ausschaltung der Katecholaminsekretion. Die vorher beschriebenen reflektorischen Kompensationsreaktionen sind in diesem Fall vollständig ausgeschaltet. Bei der Epiduralanästhesie können zusätzlich durch dem Lokalanästhetikum zugesetzte Vasopressoren Kreislaufreaktionen hervorgerufen werden.
III
Hypotension Die Inzidenz einer Hypotension nach Spinalanästhesie wird in der Literatur mit 33% angegeben. Bei normovolämischen Patienten werden gelegentlich leichte Blutdruckabfälle beobachtet, die durch die Abnahme des peripheren Widerstandes und des venösen Rückstroms durch die Sympathikusblockade erklärbar sind, und denen durch die genannten Kompensationsmechanismen entgegengesteuert wird. Eine schwere Hypotension droht besonders hypovolämischen Patienten durch die Abnahme der Herzleistung aufgrund der reduzierten Vorlast. Bei schwerer Hypovolämie ist eine Spinalanästhesie deshalb kontraindiziert. ! Cave Risikofaktoren für das Auftreten einer Hypotension sind: Anästhesieausbreitung höher als Th5, Alter >40 Jahre, systolischer Ausgangsblutdruck <120 mmHg und Punktionshöhe oberhalb L3/4.
Atmung ! Bei maximaler Ausbreitung einer rückenmark-
Herzzeitvolumen Unter Normovolämie mit auf Herzhöhe gelagerten Beinen verändert sich das Herzzeitvolumen (HZV) nicht. Bei Anti-Trendelenburg-Lagerung resultiert eine Abnahme des venösen Rückstroms (Vorlast) und eine mitunter gravierende Abnahme des HZV.
Herzfrequenz Bradykardien werden nach Spinalanästhesien in mehr als 10% der Fälle beobachtet. Sie werden zum Teil durch eine Reaktion rechtsatrialer Druckrezeptoren auf den gesunkenen venösen Rückfluss (Bainbridge-Reflex), zum Teil durch die Blockade der Nn. accelerantes verursacht. ! Als Risikofaktoren für das Auftreten einer Bradykardie gelten eine Ausgangsherzfrequenz <60/min, Zugehörigkeit zur Risikogruppe ASA I, Therapie mit β-Blockern, ein verlängertes PR-Intervall im EKG sowie ein Anästhesieniveau höher als Th5.
nahen Regionalanästhesie bis Th10 wird die Atmung nicht beeinträchtigt.
Bei höherer Ausdehnung kommt es jedoch zu einer Beeinträchtigung der exspiratorischen Atemhilfsmuskulatur (Bauchmuskulatur). Die Inspiration, also die Funktion des Zwerchfells und der inspiratorischen Atemhilfsmuskeln, bleibt dagegen unbeeinträchtigt. Ein Atemstillstand durch eine Blockade des N. phrenicus (C3–C5) ist auch bei hochthorakaler Ausbreitung unwahrscheinlich. Bei vollständiger Blockade aller thorakalen Spinalnerven vermindert sich die Vitalkapazität um 20%, das expiratorische Reservevolumen wird erheblich reduziert. Durch die erschwerte forcierte Exspiration (Husten, Expektoration) kommt es v. a. bei pulmonalen Risikopatienten (z. B. mit COPD), bei Atemwegsobstruktion und verstärkter bronchialer Sekretion zu Atemproblemen. Der pulmonale Gasaustausch wird nur gering beeinflusst.
Urogenitaltrakt Die Blase wird sympathisch von Th12–L2, parasympathisch von S2–S4 innerviert. Eine langan-
74
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
III · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
haltende Blockade der parasympathischen Fasern bewirkt eine Ausschaltung des Harndrangs und eine Blasenatonie. Der Harnblasensphinkter wird nicht relaxiert. Da die autonomen Fasern von S2– S4 als letzte ihre Funktion zurück erlangen, sind postoperative Miktionsstörungen möglich. Störungen der autonomen Regulation der Niere und Abnahme des renalen Blutflusses können durch hypotensive Phasen entstehen. Bei einer hohen Spinalanästhesie vermindert sich die glomeruläre Filtrationsrate um 5–10%, was bei normovolämischen, normotensiven Patienten klinisch keine Rolle spielt.
Gastrointestinaltrakt Bei einer Blockade von Th5–L1 ist die sympathische Innervation durch den N. splanchnicus ausgeschaltet. Durch Überwiegen der parasympathischen Innervation nimmt die Peristaltik zu, der Darm ist kontrahiert. Aufgrund der erhöhten Magenmotilität können Übelkeit und Erbrechen auftreten.
5
75
5.1 · Rückenmarknahe Regionalanästhesie in der Traumachirurgie
Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie U. Nickel
5.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
5.1.1
Indikationen – 77
5.1.2
Kontraindikationen – 77
5.2
Blutgerinnung und rückenmarknahe Regionalanästhesie – 78
5.3
Antikoagulanzien und rückenmarknahe Regionalanästhesie – 79
5.4
Auswahl der Lokalanästhetika
5.4.1
Bupivacain – 81
5.4.2
Ropivacain – 84
5.4.3
Levobupivacain – 84
5.4.4
Prilocain – 84
5.4.5
Lidocain und Mepivacain
5.4.6
Zusätze zu Lokalanästhetika
5.5
Überprüfung der Anästhesiewirkung
5.6
Konzepte der intraoperativen Analgosedierung
– 77
– 81
– 84 – 85
– 86 – 87
76
Kapitel 5 · Besonderheiten der Allgemeinanästhesie in der Traumachirurgie
1
5.7
Erkennen und Management von Komplikationen
5.7.1
Frühkomplikationen – 87
2
5.7.2
Spätkomplikationen – 89
3
5.8
Dokumentation
5.9
Bewertung der rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren – 92
5.9.1
Vergleich rückenmarknaher Regionalanästhesieverfahren
4 5 6
untereinander – 92
7
5.9.2
8
Literatur
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
– 92
Zentrale versus periphere Leitungsanästhesie
– 96
– 93
– 87
77
5.1 · Spezielle Indikationen und Kontraindukationen
5.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
5
schmerzhaft, extreme Stresssituation) meist eine Allgemeinanästhesie indiziert.
5.1.1 Indikationen 5.1.2 Kontraindikationen
Rückenmarknahe Regionalanästhesieverfahren sind für eine Vielzahl von operativen Eingriffen an der unteren Körperhälfte ab Dermatom Th10 geeignet. In der Traumachirurgie werden sie häufig bei Eingriffen an der Hüfte (z. B. TEP, HEP, DHS), Amputationen, Osteosynthesen bei Frakturen sowie Weichteileingriffen an der unteren Extremität (z. B. Wundrevisionen, Hauttransplantationen) eingesetzt. Sie bieten sich v. a. bei älteren Patienten mit chronischen respiratorischen und einigen Formen kardiovaskulärer Erkrankungen an, bei denen eine Allgemeinanästhesie mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. Bei den in der Traumachirurgie häufig nicht nüchternen Patienten tragen sie zur Reduktion des mit einer Vollnarkose verbundenen Aspirationsrisikos bei. Bei Eingriffen mit erwartetem hohem Blutverlust (z. B. TEP-Wechsel) ist jedoch aufgrund der eingeschränkten Kompensationsmechanismen durch die Sympathikusblockade und wegen der Belastung für den Patienten eher einer Allgemeinanästhesie der Vorzug zu geben. Die Auswahl des geeigneten Verfahrens ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Hierzu zählen u. a. die voraussichtliche OP-Dauer, die Planung der postoperativen Schmerztherapie und die Dringlichkeit des Eingriffs. Bei einer OP-Dauer von mehr als 2 Stunden ist z. B. eine Spinalanästhesie wenig sinnvoll, hier sollten kontinuierliche Verfahren (z. B. CSE, EDA) eingesetzt werden. Das gleiche gilt für eine geplante postoperative Katheterepiduralanalgesie. Bei Soforteingriffen muss ein Verfahren mit geringem technischem Aufwand, hoher Erfolgsrate und kurzer Anschlagzeit gewählt werden. Von den rückenmarknahen Anästhesieverfahren bietet sich hier nur die Spinalanästhesie an. Jedoch ist in vielen Fällen, die einer sofortigen Intervention bedürfen, aufgrund der Gesamtsituation des Patienten (u. U. Kreislaufinstabilität, Lagerungsmanöver aufgrund der Verletzung sehr
Absolute Kontraindikationen Kontraindikationen stellen u. a. die Spinalanästhesie ablehnende oder unkooperative Patienten dar. Viele Patienten haben grundsätzlich Vorbehalte gegenüber einer rückenmarknahen Regionalanästhesie. Hilfreich ist in diesen Fällen eine ausführliche Aufklärung und Informationsvermittlung über das geplante Verfahren sowie seine Vorteile und Risiken in der speziellen Situation. Sollte der Patient dennoch eine Allgemeinanästhesie wünschen, so muss seine Entscheidung akzeptiert werden. ! Bei unkooperativen Patienten sollte aufgrund potenzieller Verletzungen neuraler Strukturen durch unkontrollierte Bewegungen oder schlechte Lagerung während der Punktion keine rückenmarknahe Regionalanästhesie durchgeführt werden.
Lokale Infektionen und Hämatome im Bereich der Punktionsstelle gelten wegen der Gefahr der
Keimverschleppung ebenfalls als absolute Kontraindikationen. Eine Bakteriämie wird im Gegensatz dazu im Allgemeinen nicht als absolute Kontraindikation für rückenmarknahe Single-shotBlockaden angesehen. Besondere Vorsicht ist bei Störungen der Blutgerinnung (hepatische Insuffizienz, Mangel an Gerinnungsfaktoren) geboten. Hier ist in Abhängigkeit von den Gerinnungsparametern (Quick, PTT, Thrombozyten) zu entscheiden, ob eine rückenmarknahe Regionalanästhesie durchführbar ist. Bei gleichzeitiger Gabe von gerinnungshemmenden Substanzen (z. B. Marcumar) oder bei therapeutischer Heparinisierung sind rückenmarknahe Techniken nicht möglich; bei Low-dose-Gabe von fraktionierten oder unfraktionierten Heparinen sind bestimmte therapiefreie Intervalle einzuhalten (7 Kap. 5.3). Bei der Einnahme von Acetylsalicylsäure muss z. B. ein therapiefreies Intervall von 3 Tagen eingehalten werden. Die prä-
78
1 2
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
operative Gabe von NSAID stellt per se keine Kontraindikation dar. Unkorrigierte Hypovolämie und Schock sind aufgrund der Sympathikusblockade als Kontraindikationen anzusehen.
3
Akute Erkrankungen des Gehirns und des Rückenmarks (z. B. Erhöhung des intrakraniellen
4
Druckes, Tumor, intrakranielle Blutung) beinhalten das Risiko einer Einklemmung. Aber auch andere neurologische Erkrankungen, wie z. B. eine Syringomyelie oder ein akutes Querschnittssyndrom, schließen ein rückenmarknahes Anästhesieverfahren aus.
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kontraindikationen der Spinalanästhesie Absolut 5 Ablehnender/unkooperativer Patient 5 Lokale Infektion/Hämatom im Bereich der 5 5 5 5
Punktionsstelle Sepsis Störungen der Blutgerinnung Hypovolämie/Schock Akute Erkrankungen des Gehirns/Rückenmarks
Relativ
Relative Kontraindikationen Bestimmte Eingriffe werden in teils unbequemen oder unphysiologischen Lagerungen durchgeführt, die bei längerer Operationsdauer für den Patienten belastend sein können (z. B. extreme Kopftieflage, Bauchlage). In diesen Fällen muss der Patient vorher darüber informiert und eine individuelle Entscheidung getroffen werden, da eine Veränderung des Anästhesieverfahrens z. B. bei einer Bauchlagerung nach Beginn der Operation nicht mehr möglich ist. Anatomische Faktoren, wie z. B. schwere Deformitäten im Bereich der Wirbelsäule, können die Punktion erheblich erschweren oder gar unmöglich machen. Bei stabilen chronischen zentralen neurologischen Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose) kann durchaus im Einzelfall eine rückenmarknahe Regionalanästhesie erwogen werden. Auch bei vorbestehenden neurologischen Läsionen im Bereich der unteren Extremitäten ist dies möglich. Hier sollte in jedem Fall eine exakte Dokumentation der Ist-Situation erfolgen (neurologisches Konsil); der Patient muss über eine mögliche Verschlimmerung der Symptomatik explizit aufgeklärt werden. Chronische Rücken- oder Kopfschmerzen bzw. ein postspinaler Kopfschmerz in der Anamnese stellen keine Kontraindikationen dar; im Einzelfall wird eine restriktive Indikationsstellung empfohlen.
Extreme Lagerungen Antikoagulanzientherapie Bakteriämie Schwierige anatomische Verhältnisse (z. B. Deformität der Wirbelsäule) 5 Stabile chronische zentrale neurologische Erkrankungen 5 Vorbestehende neurologische Läsionen im Bereich der unteren Extremität 5 5 5 5
5.2
Blutgerinnung und rückenmarknahe Regionalanästhesie
Die am meisten gefürchtete – wenn auch sehr seltene – Komplikation rückenmarknaher Regionalanästhesien ist das Auftreten eines epiduralen oder spinalen Hämatoms mit nachfolgender neurologischer Schädigung. Wenngleich auch die Entstehung eines solchen Hämatoms häufiger spontan als durch eine rückenmarknahe Regionalanästhesie bedingt ist, ist eine intakte Blutgerinnung eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung der Regionalanästhesie. Bei gesunden Patienten der ASA-Risikogruppen I und II ohne anamnestische oder klinische Hinweise auf eine Gerinnungsstörung und ohne Antikoagulanzienbehandlung kann auf Gerinnungswerte verzichtet werden.
5.3 · Antikoagulanzien und rückenmarknahe Regionalanästhesie
Anamnestische Hinweise auf ein erhöhtes Blutungsrisiko 5 Blutgerinnungsstörung bekannt (beim Pa-
tienten selbst oder in der Familie) 5 Abnorme Hämatombildung 5 Häufiges Nasenbluten 5 Lange Blutungszeit bei Schnittverletzun-
gen 5 Lebererkrankung 5 Dialysepflichtige Niereninsuffizienz 5 Therapie (aktuell oder in der Vergangen-
heit) mit gerinnungshemmenden Substanzen
Klinische Hinweise auf ein erhöhtes Blutungsrisiko 5 Spider naevi 5 Petechien 5 Ungewöhnliche Hämatome
79
5
enten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen häufig unter einer Dauermedikation mit einem Thrombozytenaggregationshemmer. Bei sorgfältiger Erfassung der gerinnungshemmenden Medikation und Einhaltung entsprechender Zeitintervalle zwischen letzter Gabe des Medikamentes und der Punktion oder Katheterentfernung kann das Risiko schwerwiegender Blutungskomplikationen deutlich reduziert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin gibt in ihren 2003 überarbeiteten Leitlinien Empfehlungen für substanzabhängig einzuhaltende Zeitintervalle (. Tabelle 5.1). Diese Empfehlungen beruhen aufgrund der geringen Inzidenz spinaler bzw. epiduraler Hämatome nicht auf prospektiven randomisierten Studien, sondern auf Expertenmeinungen und Fallberichten und leiten sich aus der Pharmakokinetik der entsprechenden Substanzen ab. ! Diese Richtlinien gelten gleichermaßen für die
Bei Patienten mit Hinweisen auf eine Gerinnungsstörung bzw. Antikoagulanzienbehandlung und ab Risikogruppe ASA III ist ein vollständiger Gerinnungsstatus erforderlich (7 Kap. 5.3).
Erforderliche Blutgerinnungswerte bei rückenmarknaher Regionalanästhesie 5 5 5 5
5.3
Quick >50% aPTT <40 s Thrombozyten >80.000–100.000/ml Fakultativ: Blutungszeit <10min
Antikoagulanzien und rückenmarknahe Regionalanästhesie
Die perioperative Gabe gerinnungshemmender Substanzen erhöht das Risiko für das Entstehen eines spinalen oder epiduralen Hämatoms. Dies ist gerade in der Traumachirurgie von besonderer Bedeutung, da hier viele Patienten eine Thromboembolieprophylaxe, oft auch in höherer Dosierung, erhalten. Zudem stehen gerade ältere Pati-
Punktion bzw. das Einführen und Entfernen eines Katheters.
Werden Patienten mit einer Kombination verschiedener Substanzen (z. B. Heparin und Thrombozytenaggregationshemmern) behandelt, muss mit einem erhöhten Blutungsrisiko gerechnet werden. Eine spinale oder epidurale Punktion darf nur in Ausnahmefällen nach sorgfältigster Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen werden. ! Bei Elektiveingriffen gilt grundsätzlich: Thrombozytenaggregationshemmer wie Acetylsalicylsäure mindestens 3 Tage, Ticlopidin 10 Tage und Clopidogrel 7 Tage präoperativ absetzen!
Wurde Acetylsalicylsäure innerhalb der letzten 3 Tage eingenommen (Notfallsituation), sollte eine rückenmarknahe Regionalanästhesie nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durchgeführt werden und das Verfahren mit dem geringstmöglichen Trauma (Single-shot-Spinalanästhesie) gewählt werden. Auch die häufig zur Schmerztherapie eingesetzten NSAID beeinflussen die Blutgerinnung über eine – im Gegensatz zur Acetylsalicylsäure – reversible Hemmung der Thrombozytenfunk-
80
1
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
. Tabelle 5.1. Rückenmarknahe Anästhesie und Thromboembolieprophylaxe
2
Vor Punktion/ Katheterentfernung
Nach Punktion/ Katheterentfernung
Laborkontrolle
3
Unfraktionierte Heparine (low dose)
4h
1h
Thrombozyten bei Therapie >5 Tagen
4
Unfraktionierte Heparine (high dose)
4h
1h
aPTT, (ACT), Thrombozyten
5
Niedermolekulare Heparine (low dose)
10–12 h
2–4 h
Thrombozyten bei Therapie >5 Tagen
6
Niedermolekulare Heparine (high dose)
24 h
2–4 h
Thrombozyten bei Therapie >5 Tagen
20–22 h
2–4 h
7
Fondaparinuxa Kumarine
INR <1,4
Nach Katheterentfernung
8
Hirudine (Lepirudin, Desirudin)
8–10 h
2–4 h
Melagatran
8–10 h
2–4 h
Acetylsalicylsäure
>2 Tage
Nach Katheterentfernung
Clopidogrel
>7 Tage
Nach Katheterentfernung
Ticlopidin
>10 Tage
Nach Katheterentfernung
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Empfohlene Zeitintervalle vor und nach rückenmarknaher Punktion bzw. Katheterentfernung. Überarbeitete Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin; (Mod. nach Gogarten W et al. [2003] Anästhesiologie & Intensivmedizin 44: 218–230). a bei normaler Nierenfunktion, bei eingeschränkter Nierenfunktion (Creatininclearance <50 ml/min) 36–42 h.
tion; mit einer Normalisierung der Thrombozytenfunktion ist nach 1–3 Tagen zu rechnen. Die alleinige Gabe von NSAID ist keine Kontraindikation für ein rückenmarknahes Verfahren, die Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern stellt jedoch eine relative Kontraindikation dar. Fondaparinux (Arixtra) ist eine neue Substanz, ein synthetisches Pentasaccharid, welches aufgrund seiner in Studien belegten Überlegenheit in der Thromboembolieprophylaxe bei Knie- und Hüftendoprothesen zunehmend in der Traumachirurgie eingesetzt wird. Die Substanz wird erstmalig 6 Stunden postoperativ verabreicht, ein großer Vorteil für die Durchführung einer rückenmarknahen Regionalanästhesie. Die Sicherheit rückenmarknaher Regionalanästhesien unter laufender Therapie mit Fondaparinux sowie bei kontinuierlichen Verfahren ist der-
zeit noch Gegenstand klinischer Untersuchungen und kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Bis zum Vorliegen entsprechender Ergebnisse sollte hier eher Zurückhaltung geübt werden. . Tabelle 5.2 gibt eine Übersicht über Wirkstoffe und Handelsnamen gebräuchlicher gerinnungshemmender Medikamente.
Laborkontrollen Bei längerfristiger Anwendung (mehr als 5 Tage) von unfraktionierten oder niedermolekularen Heparinen wird zum Ausschluss einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) die Bestimmung der Thrombozytenzahl empfohlen. Bei der Low-dose-Gabe von unfraktionierten Heparinen sind keine weiteren Kontrollen erforderlich, bei therapeutischer Dosierung ist die Heparingabe mindestens 4 Stunden vor Punktion/Katheterentfernung zu unterbrechen. Die anschließende
81
5.4 · Auswahl der Lokalanästhetika
. Tabelle 5.2. Auswahl von Handelsnamen gerinnungshemmender Substanzen Generikum
5
ring dieses Wertes ist aber nicht grundsätzlich erforderlich.
Handelsname
5.4
Auswahl der Lokalanästhetika
Unfraktionierte Heparine Heparin-Calcium oder -Natrium
z. B. Calciparin, Heparin-Natrium Braun, Thrombophob, Liquemin
Niedermolekulare Heparine Dalteparin
Fragmin P/Fragmin P forte
Nadroparin
Fraxiparin
Enoxaparin
Clexane
Certoparin
Mono-Embolex
Thrombozytenaggregationshemmer Acetylsalicylsäure
z. B. ASS ratiopharm, Aspirin protect, Godamed, HerzASSratiopharm, Thomapyrin
Ticlopidin
z. B. Desitic lopidin, Ticlopidin AZU, Ticlopidin Hexal, Tyklid
Clopidogrel
Iscover, Plavix
Cumarinderivate Phenprocoumon
Marcumar, Falithrom, Phenprogamme, marcuphen von ct
Andere Antikoagulanzien Fondaparinux
Arixtra
Lepirudin
Refludan
Desirudin
Revasc
Abciximab
Reopro
Eptifibatid
Inteligrin
Tirofiban
Aggrastat
Kontrolle der aPTT und/oder ACT sollte Normwerte ergeben. Niedermolekulare Heparine beeinflussen weder aPTT noch ACT wesentlich, sodass die Gerinnungssituation nicht anhand dieser Parameter beurteilt werden kann. Die Anti-Xa-Aktivität weist eine höhere Aussagekraft auf, ein Monito-
Nicht alle Lokalanästhetika sind gleichermaßen für alle Regionalanästhesieverfahren geeignet bzw. zugelassen. . Tabelle 5.3 gibt eine Übersicht über die in Deutschland gebräuchlichen AmidLokalanästhetika und Hinweise für deren klinische Anwendung. 5.4.1 Bupivacain
Bupivacain (Bucain, Carbostesin) gehört zur Gruppe der Amid-Lokalanästhetika. Die Substanz zeichnet sich durch einen eher langsamen Wirkungseintritt bei langer Wirkdauer aus. Bupivacain ist in Deutschland das Standardlokalanästhetikum zur Spinalanästhesie. Hierzu wird es in einer Konzentration von 0,5% als isobare oder hyperbare Lösung eingesetzt. Bis vor einigen Jahren wurde auch zur Epiduralanästhesie vorwiegend Bupivacain eingesetzt. Die erforderlichen Konzentrationen hierfür betragen 0,5% für die Anästhesie, 0,06–0,125% für die postoperative Schmerztherapie (kontinuierliche Katheteranalgesie). Der Zusatz von Opioiden führt zu einer verbesserten analgetischen Qualität. Mit Bupivacain erreicht man konzentrationsabhängig eine gute sensorische sowie motorische Blockadequalität. Die ausgeprägte motorische Blockade ist vorteilhaft im Rahmen der Anästhesie der unteren Extremität, beim Einsatz in der postoperativen Schmerztherapie kann sich diese jedoch ungünstig auf die Mobilisation auswirken. Da die Substanz eine erhebliche Kardiotoxizität aufweist und nach versehentlicher intravasaler Injektion von Bupivacain Herzstillstände beschrieben wurden, wurden in den letzten Jahren neue Substanzen entwickelt, die ein günstigeres Risikoprofil aufweisen. Bei der Spinalanästhesie spielt die Kardiotoxizität eine untergeordnete Rolle, da nur geringe Lokalanästhetikadosen zum Einsatz kommen. Tran-
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
82
. Tabelle 5.3. Charakteristika klinisch relevanter Amid-Lokalanästhetika
Lidocain (Xylocain)
Mepivacain (Meaverin, Scandicain)
Prilocain (Xylonest)
Bupivacain (Bupivacain, Carbostesin)
pKa-Wert
7,7–7,9
7,6
7,7–7,9
8,1
Wirkung
PEB
58–75%
66–78%
55%
92–96%
Beginn
Dauer
Rasch
Mittellang
Rasch
Rasch
Langsam
Mittellang
Mittellang
Lang
Elim.HWZ
96 min
1,9 h
1,5 h
1,5–5 h
Abbau
V. a. hepatisch
Hepatisch
Leber, Niere
V. a. hepatisch
Grenzdosis ohne/mit Adrenalin (Einzeldosis)
Klinische Anwendung
200/500 mg
Oberflächenanästhesie Infiltration IVRA EDA SPA (nicht mehr empfohlen) periphere RA
1% 0,25–0,5% 2% max. 2%
Infiltration IVRA SPA EDA Periphere RA
1% 0,5% 2% 2% (1–)2%
Infiltration IVRA EDA SpA Periphere RA
1% 0,5% 2% 2% (0,5–) 1 (–2)%
Infiltration EDA SPA (auch hyperbar) Periphere RA Epidural (Katheter)
0,25% 0,5% 0,5%
15–20 ml 2–4 ml
0,5% 0,06% 0,125% 0,125–0,25%
10–40 ml 10–25 ml/h 10–15 ml/h 5–15 ml/h
300/500 mg
600 mg (8,5 mg/kgKG)
150 mg (2 mg/kgKG), kontinuierlich: 0,4 mg/kgKG/h
Dosierungsempfehlung
Konzentration
Peripher kontinuierlich
Volumen
40 ml
0,5–2%
40 ml 10–15 ml 10–15 (–30) ml
40 ml 10–30 ml 30–40 ml
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
Substanz
Substanz
Ropivacain (Naropin)
Levobupivacain (Chirocain)
pKa-Wert
8,1
k.A.
Wirkung
PEB
90–94%
>97%
Beginn
Dauer
Rasch
Lang
<15 min
Lang
Elim.HWZ
5–7 h
1,8 h
Abbau
V. a. hepatisch
Hepatisch
Grenzdosis ohne/mit Adrenalin (Einzeldosis)
Klinische Anwendung
Bis 250 mg (keine genauen Angaben)
Infiltration EDA
0,2–0,75% 0,75 (–1)%
Periphere RA Peripher kontinuierlich Epidural kontinuierlich SPA: nicht zugelassen
0,75 % 0,2% 0,2%
15–20 (–25) ml 10–30 ml 5–15 ml/h 6–10 ml/h
Infiltration EDA Periphere RA Epidural kontinuierlich SPA: nicht zugelassen
0,25% 0,5–0,75% 0,5% 0,125–0,25%
10–20 ml 1–40 ml 5–15 ml/h
150 mg (p.o.-Analgesie: 25 mg/h)
Dosierungsempfehlung
Konzentration
Volumen
5.4 · Auswahl der LokalanästhetikaAuswahl der Lokalanästhetika
. Tabelle 5.3. (Fortsetzung)
PEB = Plasma–Eiweiß-Bindung; Elim.-HWZ = Eliminations-Halbwertszeit; k.A. = keine Angabe; RA = Regionalanästhesie
83
5
84
1 2
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
siente neurologische Symptome nach Spinalanästhesien mit Bupivacain wurden bisher nicht beschrieben.
3
5.4.2 Ropivacain
4
Ropivacain, im Gegensatz zu Bupivacain ein reines S(–)-Enantiomer, ist seit 1996 im Handel. Die Substanz weist einen hohen pKa-Wert sowie eine niedrige Lipidlöslichkeit auf. Schmerzleitende Nervenfasern (Aδ- und C-Fasern) werden stärker blockiert als motorische Nervenfasern (AβFasern). Im Vergleich zu Bupivacain ist Ropivacain hinsichtlich einiger Eigenschaften überlegen. Zum einen führt die Substanz zu einer ausgeprägteren Differenzialblockade, zum anderen zeichnet sie sich durch eine geringere Kardio- und Neurotoxizität in äquipotenter Dosierung aus. Vor allem bei hohen Dosen zeigt sich eine verminderte Blockade der kardialen Erregungsausbreitung. Zur lumbalen Epiduralanästhesie scheinen für eine vergleichbare sensorische und motorische Blockade höhere Konzentrationen (0,75–1%) als bei Bupivacain erforderlich zu sein. Mit steigender Konzentration wird, ähnlich wie auch bei anderen Lokalanästhetika, bei epiduraler Anwendung die Anschlagzeit reduziert und die motorische Blockade verbessert. Zur kontinuierlichen Epiduralanalgesie ist Ropivacain in Konzentrationen von 0,2% hinsichtlich seiner analgetischen Effektivität mit äquivalenten Dosen von Bupivacain vergleichbar, bietet bei niedrigen Konzentrationen jedoch den Vorteil der schwächer ausgeprägten motorischen Blockade. Durch die Zugabe von Opioiden kann die analgetische Qualität verbessert werden. Zur Spinalanästhesie wurde Ropivacain bisher v. a. in Studien zur Sicherheitsanalyse (bei versehentlicher intrathekaler Applikation im Rahmen der Epiduralanästhesie) eingesetzt; es ist derzeit zur spinalen Anwendung nicht zugelassen.
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
5.4.3 Levobupivacain
Levobupivacain (Chirocain) ist das S(–)-Enantiomer des razemischen Bupivacain. Die Entwicklung dieser Substanz basiert auf der Annahme, dass die Kardiotoxizität von Bupivacain enantioselektiv ist. Die bisher vorliegenden Studien zeigen eine mit Bupivacain vergleichbare anästhetische Potenz und ein ähnliches klinisches Profil (Differenzialblockade) bei gleichzeitig im Tierversuch nachgewiesener reduzierter Kardio- und ZNS-Toxizität. Studien zur Epiduralanästhesie zeigen bei Verwendung gleicher Konzentrationen (0,5 und 0,75%) von Levobupivacain und Bupivacain eine vergleichbare Anschlagzeit und Anästhesieausbreitung bei tendenziell längerer Dauer der sensorischen Blockade bei Levobupivacain. Die motorische Blockade ist bei beiden Substanzen kürzer als die sensorische. Bei kontinuierlicher epiduraler Gabe zur postoperativen Schmerztherapie hat Levobupivacain in Konzentrationen von 0,125–0,25% eine gute analgetische Effektivität. Die Zugabe von Opioiden und Clonidin verbessert die Analgesiequalität. Levobupivacain ist seit kurzer Zeit auch in Deutschland im Handel.
5.4.4 Prilocain
Prilocain (Xylonest) ist seit 2002 als 2%ige Lösung in Deutschland zur Spinalanästhesie zugelassen. Die klinischen Erfahrungen hierzu sind noch begrenzt. Die Wirkdauer beträgt ca. 2 Stunden. Prilocain wird aufgrund seiner niedrigen Toxizität bevorzugt bei peripheren Leitungsanästhesien eingesetzt (7 Kap. 10.4).
5.4.5 Lidocain und Mepivacain
Lidocain (Xylocain) und Mepivacain (Meaverin, Scandicain) gehören zu den mittellang wirkenden Amid-Lokalanästhetika. Sie spielen heute bei rückenmarknahen Regionalanästhesien nur noch eine untergeordnete Rolle.
85
5.4 ·Auswahl der LokalanästhetikaAuswahl der Lokalanästhetika
Bei Verwendung dieser Substanzen zur Spinalanästhesie wurden gehäuft transiente neurologische Symptome (TNS) beschrieben, die Ausdruck von Wurzelirritationen durch das Lokalanästhetikum sind. Lidocain wird aus diesem Grund zur Spinalanästhesie nicht mehr empfohlen. Konzentrationen von >2% sollten grundsätzlich nicht verwendet werden.
5
Vergleich zur systemischen Gabe, geringerer Inzidenz an Nebenwirkungen. Die bedrohlichste Nebenwirkung der epiduralen Opioidapplikation ist die Atemdepression, die, in Abhängigkeit von der Lipophilie des verwendeten Opioids, auch verzögert auftreten kann. Weitere unerwünschte Wirkungen sind Blutdruckabfall, Bradykardie, Juckreiz und Harnretention. Das Monitoring der Atmung wird bei epiduraler Opioidapplikation empfohlen.
5.4.6 Zusätze zu Lokalanästhetika ! Cave
Glukose Durch Zusatz von Glukose zu Lokalanästhetika wird deren spezifisches Gewicht erhöht und die Lösung hyperbar. Die Ausbreitung einer Spinalanästhesie mit hyperbaren Lösungen ist besser steuerbar. Bupivacain ist als fertig zubereitete hyperbare Lösung im Handel.
Bei kontinuierlicher epiduraler Opioidapplikation ist die gleichzeitige Gabe von systemischen Opioiden wegen der Gefahr der Atemdepression untersagt.
Am häufigsten werden in Deutschland Fentanyl und Sufentanil zur epiduralen Gabe eingesetzt.
Vasokonstriktoren
Clonidin
Der Zusatz von Vasokonstriktoren ist v. a. bei kurz- und mittellang wirkenden Lokalanästhetika von Bedeutung. Die Resorption des Lokalanästhetikums wird hierdurch vermindert, die Wirkdauer verlängert. Meist wird Adrenalin in einer Konzentration von 1:200.000 eingesetzt. Bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sollte ganz auf Vasokonstriktorenzusätze verzichtet werden. Bei Epiduralanästhesien werden adrenalinhaltige Lösungen als Testdosis eingesetzt. Darüber hinaus sollten diese Zusätze bei rückenmarknahen Verfahren aufgrund potenzieller lokaler Effekte (Beeinflussung der Rückenmarkdurchblutung) nicht zum Einsatz kommen.
Clonidin (Catapresan) ist ein α2-Rezeptoragonist mit analgetischem Effekt. Über verschiedene Mechanismen verlängert und intensiviert Clonidin in Kombination mit Lokalanästhetika die sensorische und motorische Blockade bei Spinal- und Epidural- sowie peripheren Leitungsanästhesien. Auch eine kontinuierliche epidurale Gabe ist möglich. Typische systemische Nebenwirkungen von Clonidin, wie z. B. Hypotension, Bradykardie und Sedierung, zeigen sich auch nach rückenmarknaher Gabe und bei peripheren Leitungsanästhesien. Bei starker Sedierung kann auch eine Abnahme der O2-Sättigung auftreten, schwere Atemdepressionen wurden nicht beschrieben. Die rückenmarknahe Applikation von Clonidin in Kombination mit einem Lokalanästhetikum kann die Sympathikolyse verstärken, in klinischen Studien zeigte sich jedoch selten eine ausgeprägte Zunahme des Blutdruckabfalls oder der Bradykardie. Eine Sedierung tritt, dosisabhängig, bevorzugt nach Bolusinjektionen auf. Aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen wird eine Überwachung der Herzkreislauffunktion für mindestens 2 Stunden nach Bolusgabe, der pulsoxymetrischen O2-Sättigung nach Gabe hoher Dosen empfohlen.
Opioide Rückenmarknah verabreichte Opioide und Lokalanästhetika haben synergistische analgetische Effekte. Bei epiduraler Gabe werden durch die Kombination der Substanzgruppen die erforderliche Dosis des Lokalanästhetikums und dessen unerwünschte Wirkungen reduziert. Rückenmarknahe Opioide führen, im Gegensatz zu den Lokalanästhetika, nicht zu einer motorischen Blockade. Dies ist insbesondere für die Anwendung in der postoperativen Schmerztherapie vorteilhaft. Die analgetische Potenz der Opioide ist hoch bei, im
86
1 2 3 4 5 6 7 8
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
Die Dosierungsbreite für die epidurale Gabe in den Untersuchungen ist variabel, eine Einzeldosis von 75–150 µg Clonidin epidural reicht aus, um die beschriebenen Effekte zu erreichen. Eine Zulassung für die genannten Indikationsgebiete besitzt Clonidin nicht.
5.5
Überprüfung der Anästhesiewirkung
Nach der Fixierung des Lokalanästhetikums müssen Ausbreitung und Qualität der Blockade beurteilt werden. Es werden sowohl sensorische als auch motorische Funktionen seitengetrennt geprüft und dokumentiert. Die sympathische Blockade zeigt sich zuerst durch Erwärmung der unteren Extremitäten, kann jedoch nicht objektiviert werden. Die segmentale sensible Ausdehnung der Blockade wird mittels Pinprick bestimmt. Hierbei
wird die Ausschaltung von A-δ-Fasern mittels eines Nadelreizes geprüft (Spitz-Stumpf-Differenzierung). Mamillenhöhe entspricht etwa dem Niveau Th4, das Xiphoid Th6, der Nabel Th10 und das Tuberculum pubicum L1 (. Abb. 5.1). Die Austestung sollte von distal nach proximal erfolgen, da eine Zunahme der Sensibilität vom Patienten meist besser angegeben werden kann als eine Abnahme. Die motorische Blockade wird nach dem Bromage-Schema beurteilt (. Tabelle 5.4). ! Die sympathische Blockade liegt üblicherweise 2–4 Segmente oberhalb der sensiblen, die motorische Blockade 2 Segmente darunter.
Für traumachirurgische Eingriffe ist ein sensibles Niveau von Th10 ausreichend.
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 5.1. Segmentale Innervation der Haut.
87
5.7 · Erkennen und Management von Komplikationen
. Tabelle 5.4. Einteilung der motorischen Blockade nach Bromage
5.6
Grad
Beschreibung
0
Keine motorische Blockade
1
Unfähigkeit im Hüftgelenk zu beugen
2
Unfähigkeit im Hüft- und Kniegelenk zu beugen
3
Beine und Füße können nicht mehr bewegt werden / komplette Paralyse
Patienten Ketamin oder Opioide (Piritramid) eingesetzt. Zur Anwendung von Remifentanil als Supplementierung einer Regionalanästhesie gibt es aktuell noch wenige Untersuchungen. Es deutet sich jedoch eine Überlegenheit im Vergleich zu Propofol an. ! Bei intraoperativen Schmerzäußerungen des Patienten sollte man zunächst die Schmerzursache eruieren. Sind die Schmerzen stärker und durch eine unvollständige Blockade im Operationsgebiet bedingt, sollte umgehend auf eine Allgemeinanästhesie übergegangen werden.
Konzepte der intraoperativen Analgosedierung
Viele Patienten lehnen eine Regionalanästhesie ab, weil sie die Operation nicht wach miterleben möchten. Eine Sedierung kann den Patientenkomfort erhöhen oder auch schon die Anlage der Regionalanästhesie erleichtern. Gerade bei kardialen und pulmonalen Risikopatienten ist diese Maßnahme zur Stressreduktion empfehlenswert. Die Möglichkeit der Sedierung sollte mit dem Patienten bereits bei der Prämedikation besprochen werden. Leichte, während der Operation auftretende Schmerzen können z. T. durch die zusätzliche Gabe von Analgetika beherrscht werden. Häufig sind sie durch eine unvollständige Blockade im Operationsbereich, Abklingen der Regionalanästhesie gegen Operationsende, aber auch durch eine längerdauernde unbequeme Lagerung (z. B. Rückenschmerzen) oder die Blutsperre in unvollständig anästhesiertem Gebiet bedingt. Die Konzepte zur intraoperativen (Analgo-) sedierung sind vielfältig. Sowohl die bolusweise Applikation von Analgetika oder Sedativa als auch die kontinuierliche Infusion eines Sedativums sind denkbar. Am häufigsten werden zur Sedierung Benzodiazepine (Midazolam) eingesetzt. Zumeist ist eine einmalige Gabe zu Operationsbeginn ausreichend. Bei längerdauernden Eingriffen bietet sich Propofol als niedrig dosierte kontinuierliche Infusion an. Zur Analgesie werden in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand und den Vorerkrankungen des
5
Möglichkeiten der intraoperativen Analgosedierung 5 Midazolam (Dormicum) fraktioniert je
1 mg als Bolus 5 Propofol (Disoprivan) 1,5–4,5 mg/kgKG/h,
ggf. Bolus von 10–20 mg 5 Ketamin (Ketanest) 10 mg als Bolus, ggf.
Repetition (bis max. 1 mg/kgKG), in Kombination mit Midazolam 5 Piritramid (Dipidolor) 3 mg als Bolus, ggf. Repetition 5 Ggf. Remifentanil (Ultiva) 0,05(–0,1) µg/ kgKG/min
5.7
Erkennen und Management von Komplikationen
Rückenmarknahe Regionalanästhesien können mit einer Reihe von Komplikationen vergesellschaftet sein. Gefürchtet sind v. a. neurologische Komplikationen, die, wenn nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, gravierende bleibende Schäden hinterlassen können.
5.7.1 Frühkomplikationen
Vasovagale Reaktion Vasovagale Reaktionen treten bevorzugt beim Anlegen von Spinal- aber auch bei Epiduralanäs-
88
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
thesien auf. Sie sind harmloser Natur. In der Regel reicht die Flachlagerung und Sauerstoffgabe als Therapie aus.
Blutdruckabfall Hypotonien nach Spinal- oder Epiduralanästhesien werden relativ häufig beobachtet. Sie sind bedingt durch die Sympathikusblockade und abhängig vom Volumenstatus des Patienten und der Ausbreitung der Anästhesie. Bei Spinalanästhesien tritt eine Hypotonie früher und stärker ausgeprägt als bei Epiduralanästhesien auf. Therapiemaßnahmen sind eine ausreichende Volumensubstitution, die Gabe von Sauerstoff und ggf. auch von Vasopressoren (z. B. Akrinor, Effortil).
Herzstillstand
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
In seltenen Fällen wurden auch plötzliche Herzstillstände bei sonst herzgesunden und hämodynamisch stabilen Patienten im Rahmen einer Spinalanästhesie berichtet. In der Regel wird eine dem Herzstillstand vorausgehende Bradykardie beobachtet. Als Ursache vermutet man ein reflektorisches Geschehen im Sinne des Bezold-JarischReflexes. Die Inzidenz wird in der aktuellen Literatur zwischen 1,8/10.000 und 6,4/10.000 Spinalanästhesien angegeben, höher als bei allen anderen Regionalanästhesieformen. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Spinalanästhesie stehende Faktoren, die in den Fallberichten mit einem fatalen Ausgang des Herzstillstandes einhergingen wie z. B. fortgeschrittenes Lebensalter, ASARisikogruppe, das Intervall zwischen Lokalanästhetikainjektion und dem Ereignis, Art des chirugischen Eingriffs und intraoperativer Blutverlust. Im Falle einer Bradykardie sollte umgehend Atropin verabreicht werden, bei Asystolie sind die Maßnahmen der erweiterten kardiopulmonalen Reanimation indiziert.
Übelkeit und Erbrechen Übelkeit und Erbrechen während einer rückenmarknahen Regionalanästhesie werden durch ein Überwiegen der Parasympathikuswirkung erklärt. Es empfiehlt sich die Gabe von Sauerstoff und ggf. von Antiemetika.
Harnretention Durch die Blockade sakraler Fasern können Blasenentleerungsstörungen auftreten. Bei länger dauernden Eingriffen (>2 Stunden) und geplanter postoperativer Analgesie über den Epiduralkatheter ist die Anlage eines Blasenkatheters ratsam. Unter Umständen kann eine Einmalkatheterisierung erforderlich werden.
Hohe/totale Spinalanästhesie Die exzessive Ausbreitung des Lokalanästhetikums z. B. durch eine fälschlich hohe Dosierung oder eine falsche Lagerung nach der Injektion kann zu einer hohen oder »totalen Spinalanästhesie« mit Atemstillstand und Hypotension führen. Ein sensorisches Niveau höher als Th2 deutet sich aufgrund der Beeinträchtigung der abdominellen und Interkostalmuskulatur zumeist als Dyspnoe an. Die Ausbreitung der Anästhesie auf die zervikalen Segmente (C3–C5) führt zu einer Zwerchfelllähmung. Bei weiter kranialer Ausbreitung spricht man von einer »totalen Spinalanästhesie«. Durch eine Ischämie des Hirnstammes aufgrund der ausgeprägten Hypotension resultiert eine zentrale Atemlähmung.
Symptome der hohen/totalen Spinalanästhesie 5 5 5 5 5 5
Agitation Übelkeit und Erbrechen Hypotension Angst Atemnot bis hin zum Atemstillstand Bewusstlosigkeit
Die Therapie besteht in der Sicherung der Atemwege durch sofortige Intubation und kontrollierte Beatmung bis zum Abklingen der Blockade sowie Wiederherstellung eines ausreichenden arteriellen Blutdruckes durch adäquate Lagerung, Gabe von Flüssigkeit (Ringer-Lösung, ggf. Kolloide) und Vasopressoren.
89
5.7 · Erkennen und Management von Komplikationen
5
5.7.2 Spätkomplikationen 5 Lageabhängigkeit (Auftreten in vertika-
Als Spätkomplikationen werden die Komplikationen bezeichnet, die nicht im Verlauf der eigentlichen Anästhesie auftreten. Hierzu zählen auch die neurologischen Komplikationen. Die Inzidenz persistierender schwerwiegender neurologischer Komplikationen nach rückenmarknaher Regionalanästhesie ist glücklicherweise gering und wird in der Literatur mit <1‰ angegeben. Wenngleich ein großer Teil der leichteren neurologischen Störungen sich innerhalb von Tagen bis Wochen zurückbildet, ist der Schaden für das Individuum, welches einen irreversiblen neurologischen Schaden erleidet, immens. Nicht jede neurologische Symptomatik, die im Rahmen einer rückenmarknahen Regionalanästhesie auftritt, muss jedoch in kausalem Zusammenhang mit der Anästhesie stehen. So können z. B. epidurale Hämatome oder Ischämien des Rückenmarks auch spontan auftreten.
Postpunktioneller Kopfschmerz (PDPH) Der postpunktionelle Kopfschmerz gehört zu den häufigsten Komplikationen nach einer Spinalanästhesie. Die Inzidenz variiert und wird in der Literatur zwischen <1% und 40% angegeben. Wesentlich seltener tritt er nach Epiduralanästhesien und hier nur bei akzidenteller Durapunktion auf. Für den postpunktionellen Kopfschmerz wird der Verlust von Liquor durch das Punktionsloch in der Dura mater verantwortlich gemacht. Aber auch die Dehnung schmerzsensibler intrakranieller Strukturen wie Gefäße, Meningen, Tentorium und Falx bei vertikaler Körperhaltung sowie eine zerebrale Vasodilatation und Behinderung des intrakraniellen venösen Abflusses scheinen bei der Genese eine Rolle zu spielen.
Symptomatik des postpunktionellen Kopfschmerzes 5 Auftreten 24–48 Stunden nach der Punk-
tion 5 Dumpf-ziehender Schmerzcharakter 5 Schmerzlokalisation meist occipital oder
frontal, auch holokraniell
6
ler Position) 5 Provozierbarkeit durch Lagewechsel 5 Potenzielle Begleitsymptome: Rücken-/
Nackenschmerzen, Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Schwindel, Sehstörungen und Tinnitus
Die Symptomatik hält in der Regel wenige Tage an und ist selbstlimitierend. Folgende Einflussfaktoren werden heute diskutiert: Alter. Jüngere Patienten sind häufiger betroffen,
was auf altersabhängige anatomische Gegebenheiten zurückgeführt wird (Abnahme des Flüssigkeitsverlustes aus dem Epiduralraum über die Foramina intervertebralia durch fibrotischen Umbau im Alter, verminderte Elastizität der Dura mater). Punktionsnadel. Nadeldurchmesser und Nadelschliff sind von entscheidender Bedeutung: ab einem Nadeldurchmesser von >24G steigt die Kopfschmerzinzidenz erheblich. Herkömmliche Punktionskanülen mit scharfem Schliff und distaler, schräger Öffnung (Quincke-Typ) führen signifikant häufiger zu Symptomen als Kanülen mit atraumatischer Spitze (z. B. Whitacre-/Sprotte-Nadel). Bei sehr dünnen Kanülen (ab einem Durchmesser von 27G) scheint dieser Einfluss nicht mehr bedeutsam zu sein. Sonstige Faktoren. Durch die Ausrichtung des
Nadelschliffes in Längsrichtung zu den Durafasern kann die Häufigkeit des postpunktionellen Kopfschmerzes reduziert werden. Die Dauer der postoperativen Immobilisation hat, entgegen früherer Meinungen, keine Bedeutung für die Entstehung der Symptomatik. Multiple spinale Punktionen erhöhen das Risiko. Die Therapie des postpunktionellen Kopfschmerzes ist primär symptomatisch. Ganz wesentlich ist die Aufklärung des Patienten über die Genese und die Harmlosigkeit der Symptome. Schon ein beruhigendes Gespräch kann sich positiv auswirken. Die symptomatischen Maßnahmen bestehen in Bettruhe, regelmäßiger Ga-
90
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
be von Nichtopioidanalgetika (NSAID, Metamizol, Paracetamol). Die Wirksamkeit der früher häufig empfohlenen Hydratation ist nicht bewiesen. Die Datenlage zu anderen eingesetzten Substanzen (Theophyllin, Sumatriptan, ACTH, Koffein) ist unzureichend. Bei starken, anhaltenden und konservativ nicht beherrschbaren Schmerzen kann ein epiduraler Blutpatch durchgeführt werden. Es werden dabei im Bereich der Punktionsstelle ca. 10 ml steril autolog entnommenes Blut in den Epiduralraum injiziert und das Duraleck damit »verklebt«. Größere Volumina sind nicht hinreichend untersucht. Die Erfolgsrate ist sehr hoch (ca. 90%), allerdings ist das Verfahren mit den gleichen Risiken wie eine rückenmarknahe Regionalanästhesie behaftet.
kannt. Meist werden sie im Zusammenhang mit Epiduralanästhesien/-kathetern beschrieben. Sie sind jedoch extrem selten und können auch spontan entstehen. Ursachen können eine nicht hinreichend sterile Technik, die Ausbreitung von Erregern von einem in der Nähe der Punktionsstelle befindlichen infizierten Gewebeareal sowie, in seltenen Fällen, auch eine hämatogene Streuung bei Bakteriämie sein.
Transiente neurologische Symptome (TNS)
Das Zeitintervall zwischen Beginn der Symptome und der Diagnosestellung ist entscheidend für die Prognose. Eine Verzögerung in der Diagnosestellung kann zu bleibenden neurologischen Schäden führen. Die Symptomatik kann sehr variabel sein. Ein epiduraler Abszess muss bei folgenden Symptomen in Erwägung gezogen und radiologisch ausgeschlossen werden.
Als transiente neurologische Symptome bezeichnet man innerhalb von 24 Stunden nach Abklingen einer unkomplizierten Spinalanästhesie auftretende dumpfe Rückenschmerzen mittlerer Intensität mit Ausstrahlung in die Oberschenkel und Waden, die in der Regel 1–3 Tage anhalten. Motorische Ausfälle können nicht nachgewiesen werden; auch neurophysiologisch ergibt sich kein pathologischer Befund. Die Ätiologie dieses Erscheinungsbildes ist unklar, scheint aber mit dem verwendeten Lokalanästhetikum in Verbindung zu stehen. So wurden TNS nach Gebrauch aller gängigen Lokalanästhetika beschrieben, traten jedoch signifikant häufiger bei Lidocain als bei Bupivacain, Prilocain und Ropivacain auf. Auch nach Verwendung von Mepivacain wurden gehäuft Fälle beschrieben. Die Dichte des Lokalanästhetikums sowie der Zeitpunkt der Mobilisierung scheinen die Inzidenz nicht zu beeinflussen, der Einfluss der Konzentration des Lokalanästhetikums kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Die TNS sind als harmlos einzustufen und klingen folgenlos nach einigen Tagen ab. Zur Behandlung eignen sich Nichtopioidanalgetika.
Epiduraler Abszess Die genaue Inzidenz epiduraler Abszesse nach rückenmarknaher Regionalanästhesie ist nicht be-
! Gefährdet sind v. a. Patienten, deren Immunsystem durch chronische Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Nierenversagen, Tumore), Alkoholabusus und Kachexie oder eine medikamentöse Therapie (z. B. mit Steroiden, Immunsuppressiva) geschwächt ist.
Symptomatik bei epiduralem Abszess 5 Rückenschmerz 5 Fieber 5 Lokale Infektion / Rötung der Katheterein-
stichstelle 5 Variable neurologische Symptome (Sensi-
bilitätsstörungen, motorische Schwäche, Blasenfunktionsstörung) 5 Hyperreflexie, später Hyporeflexie 5 Leukozytose
Neurologische Defizite müssen in der Frühphase nicht vorhanden sein! Jedes Neuauftreten neurologischer Defizite nach Beendigung der Anästhesie oder Entfernen eines Epiduralkatheters bzw. eine Zunahme des neurologischen Defizits während einer laufenden Katheterepiduralanalgesie muss an einen Abszess denken lassen.
91
5.7 · Erkennen und Management von Komplikationen
! Die Symptome können auch noch lange nach Entfernen eines Epiduralkatheters auftreten.
Bei Verdacht auf einen epiduralen Abszess muss eine sofortige Diagnostik, am besten mittels MRT, erfolgen. Bei noch liegendem Epiduralkatheter wird dieser umgehend entfernt und die Katheterspitze mikrobiologisch untersucht. Die Therapie besteht in systemischer Antibiose und, bei Kompressionserscheinungen des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln, in der sofortigen operativen Dekompression.
Arachnoiditis Die Inzidenz der Arachnoiditis nach rückenmarknaher Regionalanästhesie wird mit 1:10.000 bis 1:25.000 angegeben. Sie kann einige Wochen bis Monate nach einer Spinal- oder Epiduralanästhesie auftreten. Die Ätiologie der Arachnoiditis ist unklar, als ursächlich angesehen werden u. a. akzidentelle intrathekale Injektionen von Lokalanästhetika mit Vasokonstriktorenzusatz, Konservierungsstoffe, Antiseptika oder auch traumatische Punktionen (hämolysiertes Blut), die eine entzündliche Reaktion durch Proliferation von Fibroblasten in den Meningen induzieren. Die Symptomatik tritt bereits während oder kurz nach der Injektion auf.
5
Vor allem der thorakale Bereich des Rückenmarks ist ischämiegefährdet. Phasen arterieller Hypotonie können eine spinale Ischämie provozieren, Vasokonstriktorenzusätze zu Lokalanästhetika können die Situation aggravieren. Die Symptome sind charakteristisch.
Symptomatik des spinalen Infarktes 5 5 5 5
Schlaffe Lähmung Verlust der Muskeleigenreflexe Positive Pyramidenbahnzeichen Dissoziierte Sensibilitätsstörung unterhalb des betroffenen Segments
Die Diagnose wird mittels MRT gestellt. Die Prognose des spinalen Infarktes ist ungünstig. Als Prävention dient die Aufrechterhaltung eines ausreichenden Perfusionsdruckes.
Aseptische Meningitis Die aseptische Meningitis zählt zu den eher harmlosen neurologischen Komplikationen. Sie zeichnet sich durch einen frühen Beginn innerhalb 24 Stunden nach der Punktion aus. Symptome sind Fieber, Nackensteifigkeit und Lichtscheu. Nach symptomatischer Behandlung klingen sie in der Regel nach einigen Tagen ab.
Symptomatik bei Arachnoiditis
Spinales/epidurales Hämatom
5 Starke Rückenschmerzen 5 Zunehmendes motorisches und sensori-
Die Inzidenz spinaler oder epiduraler Hämatome ist sehr gering, jedoch traten in den 1990er Jahren nach Einführung der niedermolekularen Heparine in den USA mehrere Fälle nach rückenmarknahen Regionalanästhesien auf. Unabhängig davon ist auch ein spontanes Auftreten möglich. Als Einflussfaktoren für die Entstehung werden zum einen der Einsatz gerinnungshemmender Medikamente, zum anderen traumatische Punktionsversuche und Katheterdislokationen diskutiert. Begleiterkrankungen wie eine Leberzirrhose oder ein chronischer Alkoholabusus können das Risiko erhöhen. Relevant sein kann auch ein hoher intraoperativer Blutverlust.
sches Defizit 5 Verlust der Blasen- und Mastdarmkon-
trolle
Das MRT zeigt entzündliche Veränderungen. Die Therapie ist umstritten und wird zunächst symptomatisch durchgeführt, eine operative Entlastung erfolgt bei spinaler Kompression.
Spinaler Infarkt Der vordere Anteil des Rückenmarks wird nur durch eine unpaarig angelegte Spinalarterie versorgt. Diese wird im thorakolumbalen Bereich aus der A. radicularis magna (Adamkiewicz) gespeist.
92
1 2 3
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
! Spinale/Epidurale Hämatome können nicht nur bei der Anlage einer rückenmarknahen Regionalanästhesie, sondern auch beim Entfernen eines Epiduralkatheters entstehen.
Die Symptomatik (in variabler Ausprägung) ähnelt der anderer neurologischer Komplikationen.
Eine exakte Dokumentation ist v. a. im Hinblick auf mögliche Komplikationen wichtig. Folgende Punkte sollten auf dem Narkoseprotokoll dokumentiert werden.
4 5 6
Dokumentation bei rückenmarknaher Regionalanästhesie
Symptomatik bei spinalem/ epiduralem Hämatom
5 Position bei Punktion (Sitzen, Seiten-
5 Sensorisches und/oder motorisches Defizit 5 Rückenschmerz 5 Blasen- und Mastdarmfunktionsstörung
5 5 5 5
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Eine laufende Katheterepiduralanalgesie kann die Symptome zunächst verschleiern. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Lokalanästhetika mit geringer Beeinträchtigung der Motorik von Vorteil.
5 5 5
! Cave
5
Jede ungewöhnlich lange anhaltende Blockade, zunehmende oder erneute Störung der Sensibilität und/oder Motorik nach rückenmarknaher Regionalanästhesie bzw. während/nach einer Katheterepiduralanalgesie ist auf ein epidurales/ spinales Hämatom verdächtig und erfordert die sofortige Abklärung mittels MRT.
Die Therapie besteht in der schnellstmöglichen operativen Entlastung zur Minimierung von bleibenden Schäden. Zur Prävention gilt bei Patienten unter Antikoagulanzienbehandlung die Beachtung der in . Tabelle 5.1, 7 Kap. 5.2 aufgeführten Intervalle zwischen Medikamentengabe und Punktion bzw. Katheterentfernung.
5 5
Cauda-equina-Syndrom
18
Das Cauda-equina-Syndrom wurde v. a. nach kontinuierlichen Spinalanästhesien beschrieben und wird in 7 Kap. 7.5 (CSA) ausführlicher dargestellt.
19
Symptomatik bei Cauda-equina-Syndrom
20
5 Rückenschmerz 5 Blasen- und Mastdarmstörung 5 Reithosenanästhesie
lage) Punktionshöhe (Segment) Zugang (median, lateral, Taylor-Zugang) Anzahl der Punktionen Komplikationen bei der Punktion (z. B. Parästhesien, Schmerzen) Fehlpunktionen Kanülentyp und -durchmesser Sensorische und motorische Ausbreitung (und Rückbildung) der Blockade Beschaffenheit des Liquors (klar, trüb, blutig?) Bei Epiduralanästhesie: Tiefe des Epiduralraums/Testdosis Bei Katheterverfahren: Durchmesser des Katheters, Einführtiefe des Katheters auf Hautniveau, Länge des Katheters im Verteilungsraum, Untertunnelung ja/nein, Fixierung mit Pflaster oder Naht
. Abb. 5.2 gibt ein Beispiel für die Dokumentation rückenmarknaher Regionalanästhesien auf dem Narkoseprotokoll.
5.9
17
Dokumentation
5.8
Bewertung der rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren
5.9.1 Vergleich rückenmarknaher
Regionalanästhesieverfahren untereinander Unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile der einzelnen rückenmarknahen Anästhesieverfahren ist als abschließende Bewertung folgendes festzuhalten.
RA-Methode: Punktionsort
Lagerung bei RA Kopftieflage
regionale Zusatzverfahren: median
lateral
Sitzen
Zahl Punktionen: Einstichtiefe/Hautniveau: Kathertertiefe im Verteilungsraum:
Bemerkungen
Blutaspiration Päresthesie Injektionsschmerz
Liqour Liegen Sekunden akzidentell
Kanüle/-stärke
stimulierter Nerv
cm cm
5
93
5.9 · Bewertung der rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren
mA
RA-Effekt vor OP-Beginn 0 (keine Wirkung) 1 (Analgesie) 2 (Anästhesie)
klar blutig msec
Katheter/-stärke
entlassen von
RA-Erfolg während OP verlegt nach PACU A (suffiziert) Normalstation B (zusätzliche Analgesie) Wachstation C (Verfahrensänderung) Intensivstation
. Abb. 5.2. Dokumentation bei rückenmarknaher Regionalanästhesie (Narkoseprotokoll der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Mainz)
Die Spinalanästhesie stellt unter Beachtung der Kontraindikationen ein geeignetes Anästhesieverfahren für sämtliche operativen Eingriffe der unteren Extremität einschließlich der Hüfte dar. Das Verfahren ist leicht zu erlernen und, trotz der möglichen Komplikationen, bei korrekter Durchführung und adäquater Patientenführung als sicher anzusehen. Vor allem in der Notfallversorgung von älteren multimorbiden und/ oder nicht nüchternen Patienten hat die Spinalanästhesie einen hohen Stellenwert. Die lumbale Epiduralanästhesie ist in Bezug auf die technische Durchführung ein anspruchvolleres Verfahren. Durch genauere Kenntnisse und verbessertes Material ist die Methode jedoch in den letzten Jahren wesentlich sicherer geworden. Von besonderem Vorteil ist die Verwendung eines Katheters, sodass die Anästhesie bei längeren operativen Eingriffen jederzeit ausgedehnt werden kann. Zusätzlich kann der Katheter für die postoperative Schmerztherapie genutzt werden. Für traumachirurgische Eingriffe an der unteren Extremität sind jedoch die, im Vergleich zur Spinalanästhesie, sehr verzögerte oder gelegentlich fehlende Blockade der sakralen Segmente sowie die geringer ausgeprägte Muskelrelaxation von Nachteil. Außerdem muss eine längere Vorbereitungszeit einkalkuliert werden. In der Traumachirurgie stellt die lumbale Epiduralanästhesie meist ein Reserveverfahren dar. Die kombinierte Spinalepiduralanästhesie (CSE) hingegen wird häufig praktiziert. Sie vereint die Vorteile der Spinalanästhesie (schnelle Anschlagzeit, suffiziente Muskelrelaxation, zuverlässige Blockade der sakralen Segmente) mit
denen der Epiduralanästhesie (Kathetertechnik, Möglichkeit der Nachinjektion, Möglichkeit zur postoperativen Schmerztherapie). Gleichwohl summieren sich die Risiken der beiden Techniken. Die Durchführung ist zudem zeitaufwändiger und technisch anspruchsvoller, die Versagerrate ist höher. Die kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA) stellt eine Alternative sowohl zur Single-shot-Spinalanästhesie als auch zur CSE dar. Sie bedarf jedoch aufgrund des höheren Komplikationsrisikos (intrathekale Lage eines Mikrokatheters) einer speziellen Indikationsstellung. So ist sie durch die bessere Steuerbarkeit und die geringeren hämodynamischen Auswirkungen für kardiopulmonal gefährdete Patienten geeignet. Die technische Durchführung ist schwieriger als die des Single-shot-Verfahrens, jedoch einfacher als die der CSE. In Einzelfällen kann der Spinalkatheter eine praktikable Alternative darstellen. . Tabelle 5.5 gibt einen Überblick über die Vor- und Nachteile der verschiedenen rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren untereinander.
5.9.2 Zentrale versus periphere
Leitungsanästhesie Für viele Eingriffe im Bereich der unteren Extremität sind zentrale und periphere Regionalanästhesieverfahren gleichermaßen geeignet. Im Hinblick auf die Sicherheit des Patienten sind die peripheren jedoch den rückenmarknahen Regionalanästhesien vorzuziehen. Schwerwiegende neuro-
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
94
. Tabelle 5.5. Bewertung der rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren Epiduralanästhesie
CSE
CSA
Im Vergleich zur Spinalanästhesie 5 Bessere Steuerbarkeit 5 Geringere hämodynamische Aus-
5 Vergleichbare Anschlagzeit 5 Keine zeitliche Limitierung
(Katheterverfahren)
wirkungen 5 Niedrigere Komplikationsrate 5 Geringere Inzidenz an PDPH 5 Unbegrenzte Anästhesiedauer
5 Schwierigere Technik, aufwändige-
res Verfahren 5 Bessere Steuerbarkeit 5 Keine zeitliche Limitierung 5 Geringere hämodynamische Aus-
wirkungen 5 Höheres Risiko neurologischer
Komplikationen Im Vergleich zur Epiduralanästhesie 5 Einfachere Technik, geringere Ver5 5
5 5 5 5 5
sagerquote Schnellere Anschlagzeit, geringerer Zeitaufwand Zuverlässigere Anästhesiequalität (v. a. sakrale Segmente, bessere Muskelrelaxation) Geringeres Toxizitätsrisiko (geringe Menge Lokalanästhetikum) Geringeres Infektionsrisiko Schlecht steuerbar, zeitlich begrenzte Anästhesiedauer Ausgeprägtere hämodynamische Auswirkungen Höhere Inzidenz an PDPH
5 Schwierigere Technik (SPA und 5 5 5 5 5 5
EDA) Geringerer Zeitaufwand durch schnelle Anschlagzeit Ausgeprägtere hämodynamische Auswirkungen Bessere Muskelrelaxation (durch SPA) Zuverlässigere Anästhesiequalität (v. a. sakrale Segmente) Geringere Gesamtdosis an Lokalanästhetika Erhöhte Inzidenz an PDPH
5 Keine postoperative Schmerzthera-
pie über Katheter möglich 5 Nur minimale Dosis an Lokalanäs5 5 5 5 5
thetika erforderlich Geringeres Toxizitätsrisiko Einfachere Punktion Höhere Erfolgsrate Kürzere Anschlagzeit Bessere hämodynamische Stabilität
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
Spinalanästhesie
Spinalanästhesie
Epiduralanästhesie
CSE
CSA
Im Vergleich zur CSE 5 Zeitliche Limitierung 5 Keine postoperative Schmerzthe-
rapie 5 Einfachere Technik 5 Kein Risiko katheterassoziierter
Komplikationen
5 Längere Anschlagzeit 5 Schlechtere Anästhesiequalität v. a.
5 Einfachere Technik 5 Minimale Lokalanästhetikadosis
sakraler Segmente 5 Schlechtere Muskelrelaxation 5 Höhere Lokalanästhetikadosis nö-
tig Im Vergleich zur CSA
5 Zeitliche Limitierung 5 Schlechtere Steuerbarkeit 5 Stärkere hämodynamische
Auswirkungen 5 Höhere Lokalanästhetikadosis
5 Schwierigere Technik/Punktion,
geringere Erfolgsquote 5 Längere Anschlagzeit 5 Geringeres Risiko neurologischer Komplikationen 5 Postoperative Schmerztherapie möglich
5 Schwierigere Technik (2 Verfahren) 5 Postoperative Schmerztherapie
möglich
5.9 · Bewergung der rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren
. Tabelle 5.5. (Fortsetzung)
95
5
96
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 5 · Allgemeine Aspekte der rückenmarknahen Regionalanästhesie
logische Komplikationen mit bleibenden Schäden für den Patienten sind hier praktisch nicht zu befürchten. Die hämodynamischen Auswirkungen sind gering, was v. a. bei kardiovaskulären Risikopatienten von Vorteil ist. Ein Nachteil im Vergleich zur Spinalanästhesie sind die hohen Lokalanästhetikadosen mit der Gefahr toxischer Reaktionen bei akzidenteller intravasaler Injektion.
Vor- und Nachteile der peripheren Leitungsanästhesie im Vergleich zu rückenmarknahen Verfahren Vorteile 5 Geringeres Risiko schwerwiegender neu-
rologischer Komplikationen
8 9 10
5 Geringere kardiovaskuläre Nebenwirkun-
5 5 5
11
5
gen → besonders für Hochrisikopatienten geeignet Geringes Risiko infektiöser Komplikationen Postoperative Schmerztherapie über Katheter möglich In der Körperperipherie ggf. auch bei Gerinnungsstörungen einsetzbar Kein Blasenkatheter bei Kathetertechnik erforderlich Mobilität des Patienten bleibt erhalten-
12
5
13
Nachteile
14
5 Meist schwierigere Technik 5 Lange Anschlagzeit (im Vergleich zu SPA,
CSE)
15
5 Höhere Versagerrate 5 Höheres Risiko einer Lokalanästhetikain-
16
5 Höheres Risiko neurologischer Komplika-
toxikation tionen
17 18 19 20
Periphere Leitungsanästhesien sind sichere und effektive Verfahren zur Anästhesie und postoperativen Analgesie der oberen und unteren Extremitäten. Aufgrund der geringeren Inzidenz schwerwiegender Komplikationen sind sie im Bereich der unteren Extremitäten den rückenmarknahen Verfahren, wenn immer möglich, vorzuziehen.
Literatur Aldrete JA (2003) Neurologic deficits and arachnoiditis following neuroaxial anesthesia. Acta Anaesthesiol Scand 47: 3–12 Auroy Y, Benhamou D, Bargues L et al. (2002) Major complications of regional anesthesia in France. The SOS Regional Hotline Service. Anesthesiology 97: 1274–1280 Becker J, Theiss D, Lanz E, Erdmann K (1979) Dichte von Liquor und Lokalanästhetika. Anästhesist 28: 81–83 Beland B, Prien T, van Aken H (2000) Differenzialindikation zentraler und peripherer Leitungsanästhesien. Anästhesist 49: 495–504 Beland B, Prien T, van Aken H (1997) Rückenmarknahe Regionalanästhesie bei Bakteriämie. Anästhesist 46: 536–547 Bridenbaugh PO, Kennedy WF (1980) Spinal subarachnoid blockade. In: Covino MJ, Bridenbaugh PO (eds.) Neural blockade in clinical anesthesia and management of pain. Lippincott, Philadelphia Breivik H (1998) Neurological complications in association with spinal and epidural analgesia. Acta Anaesthesiol Scand 42: 609–613 Camu F, Breivik H, Hagelberg A (1995) A double-blind, placebo controlled study of the safety and efficacy of remifentanil used as an adjunct sedative in patients receiving regional anaesthesia. Anesthesiology 83: A847 Conelly NR, Parker RK, Rahimi A, Gibson CS (2000) Sumatriptan in patients with postdural puncture headache. Headache 40: 316–319 Dahlgren N, Törnebrandt K (1995) Neurological complications after anaesthesia. A follow-up of 18000 spinal and epidural anaesthetics performed over three years. Acta Anaesthesiol Scand 39: 872–880 Dullenkopf A, Borgeat A (2003) Lokalanästhetika.Unterschiede und Gemeinsamkeiten der »-caine«. Anästhesist 52: 329–340 Eberhardt LH, Morin AM, Kranke P, Geldner G, Wulf H (2002) Transiente neurologische Symptome nach Spinalanästhesie. Eine quantitative sytematische Übersicht (Metaanalyse) randomisierter kontrollierter Studien. Anästhesist 51: 539–546 Eisenach JC, De Kock M, Klimscha W (1996) Alpha sub 2-adrenergic agonists for regional anesthesia. A clinical review of clonidine (1984-1995). Anesthesiology 85: 655–674 Flaatten H, Felthaus J, Kuwelker M, Wisborg T (2000) Postural post-dural puncture headache. A prospective randomised study and a meta-analysis comparing two different 0,4mm O.D. (27g) spinal needles. Acta Anaesthesiol Scand 44: 643–647
6 Spinalanästhesie U. Nickel
6.1
Spezielle Indikation und Kontraindikationen
6.1.1
Indikationen
6.1.2
Kontraindikationen
6.2
Kanülen
6.3
Technik der Spinalanästhesie
6.3.1
Lagerung – 99
6.3.2
Leitstrukturen – 100
6.3.3
Zugangswege – 100
6.3.4
Punktion und Injektion (medianer Zugang)
6.3.5
Lagerung nach Injektion
6.3.6
Faktoren mit Einfluss auf die Ausbreitung
6.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der Spinalanästhesie – 103
6.4.1
Schwierige Punktion
6.4.2
Blutiger Liquor
6.4.3
Parästhesien – 103
6.4.4
Unvollständige Spinalanästhesie
– 104
6.5
Spezifische Komplikationen
– 104
Literatur
– 104
– 98
– 98 – 98
– 98 – 99
– 101
– 102
– 103
– 103
– 103
98
1
Kapitel 6 · Spinalanästhesie
)) Bei der Spinalanästhesie wird ein Lokalanästhetikum in den lumbalen Subarachnoidalraum injiziert, das seine Wirkung im Bereich der Spinalnervenwurzeln entfaltet. Wie bei allen zentralen Blockaden kommt es zu einer reversiblen sensorischen, sympathischen und motorischen Blockade. Das Ausmaß der Blockade ist abhängig von der Verteilung des Lokalanästhetikums im Liquor und der Aufnahme durch die Spinalnervenwurzeln. Im Gegensatz zur Epiduralanästhesie ist bei der Spinalanästhesie nur eine geringe Menge des Lokalanästhetikums für die Blockade erforderlich.
2 3 4 5 6 7 6.1
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
6.1.1 Indikationen
Die allgemeinen Indikationen rückenmarknaher Regionalanästhesien wurden bereits in 7 Kap. 5 ausführlich beschrieben. Grundsätzlich können fast alle traumachirurgischen Eingriffe an der unteren Extremität in Spinalanästhesie durchgeführt werden, wobei die OP-Dauer einen limitierenden Faktor darstellt. Die maximale Wirkdauer der Spinalanästhesie bei Verwendung von Bupivacain liegt im Bereich von 2–3 h. Beträgt die voraussichtliche OP-Dauer mehr als 2 h, sollte auf kontinuierliche rückenmarknahe Verfahren ausgewichen werden (CSE, EDA). Zeitaufwändige Lagerungsmaßnahmen, z. B. die Lagerung auf dem Extensionstisch, müssen in die Planung miteinbezogen werden. In der Traumatologie werden folgende Eingriffe häufig in Spinalanästhesie durchgeführt: 5 Operationen an der Hüfte und am Oberschenkel (z. B. TEP, HEP, DHS), 5 Amputationen, 5 kleinere Osteosynthesen und Metallentfernungen sowie 5 Weichteileingriffe an der unteren Extremität (z. B. Wundrevisionen, Hauttransplantationen). Bei Eingriffen mit erwartetem hohem Blutverlust ist eine Allgemeinanästhesie in der Regel günsti-
ger, da die kardiovaskulären Kompensationsmechanismen durch die Sympathikusblockade eingeschränkt sind. Bei spezifischen kardiovaskulären Vorerkrankungen (z. B. Aortenstenose) ist die Indikation sorgfältig zu stellen. Neben der durch die Sympathikusblockade hervorgerufene Vasodilatation erfolgt oberhalb der Blockade eine Vasokonstriktion mit konsekutiver Steigerung der Herzfrequenz und des Schlagvolumens. Diese Effekte können bei einigen Patientengruppen von Vorteil sein (verminderte Herzarbeit, reduzierte Nachlast; günstig z. B. bei kongestiver Kardiomyopathie), bei Patienten mit schwerer Aortenstenose oder konstriktiver Perikarditis kann ein reduzierter Perfusionsdruck jedoch zur kardialen Dekompensation führen. In diesen Fällen sollten Nutzen und Risiko gut gegeneinander abgewogen werden. Eine restriktive Indikationsstellung sollte bei Patienten unter 30 Jahren erfolgen, da in dieser Altersgruppe das Risiko für einen postspinalen Kopfschmerz (PDPH) erhöht ist. Das gleiche gilt für Patienten mit PDPH sowie chronischen Kopf-oder Rückenschmerzen in der Anamnese. Bei Verwendung dünnlumiger (27G) Pencil-point-Kanülen kann das PDPH-Risiko jedoch minimiert werden.
6.1.2 Kontraindikationen
Es gelten die allgemeinen Kontraindikationen für rückenmarknahe Regionalanästhesien (7 Kap. 5.1). Darüber hinaus gehende, für die Spinalanästhesie spezifische, Kontraindikationen existieren nicht. Punktionsbedingte Kontraindikationen können sich im Verlauf der Durchführung der Spinalanästhesie ergeben. Nach mehreren erfolglosen Punktionen durch mehr als einen erfahrenen Anästhesisten, bei fehlendem freien Liquorfluss oder blutigem Liquor sollten weitere Punktionsversuche unterbleiben.
6.2
Kanülen
Verschiedene Arten von Spinalkanülen stehen zur Verfügung (. Abb. 6.1). Man unterscheidet zwischen Punktionskanülen mit atraumatischer,
99
6.3 · Technik der Spinalanästhesie
6
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Spinalkanüle mit/ohne Führungskanüle, z. B.:
5 Mepivacain 1%
5 Regionalanästhesie-Basisset:
(Hautinfiltration) 2 ml 5 Bupivacain 0,5% isobar oder hyperbar
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (2 ml, 5 ml) 5 Lösung zur Hautdesinfektion
− Atraucan 26G–88 mm (Fa. Braun, Melsungen) − Pajunk Sprotte 27G–90 mm (Pajunk GmbH, Geisingen) − Reganesth Pencil Point 27G–90 mm (Reganesth Medizintechnik, Villingen) − Pencan 27G–88 mm (Pencil point, Fa. Braun, Melsungen) − Ggf. überlange Spinalkanüle z. B. Spinocan 22G–120 mm (Fa. Braun, Melsungen)
konischer Spitze (»Pencil point«) und Öffnung am seitlichen Ende sowie Kanülen mit scharfem Schliff und distaler, schräger Öffnung (QuinckeSchliff). Kanülenschliff und -durchmesser beeinflussen die Inzidenz postpunktioneller Kopfschmerzen. Punktionskanülen mit scharfem Schliff und großem Durchmesser führen signifikant häufiger zu Kopfschmerzen. Pencil-pointKanülen (Sprotte- oder Whitacre-Kanüle) sind stumpf, bei der Punktion werden die Durafasern lediglich auseinandergedrängt, während sie bei Kanülen mit Quincke-Schliff durchschnitten wer-
den. Die Öffnung dieser Kanülen sollte zur Seite gerichtet sein, um die Dura in Längsrichtung zu passieren. Der Kanülendurchmesser sollte 25–27G betragen. Bei älteren Patienten mit stark verknöcherter Wirbelsäule und Ligamenten ist gelegentlich eine dicklumigere (22G) Kanüle ohne Führungskanüle hilfreich, bei extrem adipösen Patienten muss aufgrund der größeren Distanz zum Subarachnoidalraum u. U. auf eine überlange Kanüle zurückgegriffen werden. In nachfolgender Tabelle ist das für die Spinalanästhesie benötigte Material aufgeführt.
6.3
Technik der Spinalanästhesie
6.3.1 Lagerung
. Abb. 6.1a,b. Spinalkanülen. a Ansicht der Spitze einer Pencil-Point-Kanüle: Die Spitze ist abgerundet, die Öffnung befindet sich am seitlichen Ende. b Ansicht der Spitze einer Kanüle mit Quincke-Schliff: Die Spitze ist scharf, die Öffnung endständig. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
Die Spinalanästhesie kann am sitzenden Patienten, in Seitenlage oder, in seltenen Fällen, auch in Bauchlage angelegt werden. Bei nicht sedierten Patienten ist die Identifikation der Mittellinie und der für die Punktion erforderlichen Winkel beim sitzenden Patienten am einfachsten. Dies gilt insbesondere für adipöse Patienten. Nachteilig bei dieser Position sind die häufiger auftretenden initialen Blutdruckabfälle. Der Patient wird hierzu an die Seite des OPTisches gesetzt, die Beine hängen über die gegenüberliegende Kante des Tisches. Er wird aufgefordert, die Lendenwirbelsäule maximal zu beugen (»Katzenbuckel«) und das Kinn auf die Brust zu nehmen. Ein Helfer ist erforderlich, der den Patienten von vorne stützt (. Abb. 6.3). Zur Punktion in Seitenlage wird der Patient mit dem gesamten Körper an die hintere Kan-
100
Kapitel 6 · Spinalanästhesie
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
. Abb. 6.2. Leitstrukturen zur Identifikation der Punktionsstelle bei der Spinalanästhesie. Die Verbindungslinie zwischen beiden Cristae iliacae schneidet die Wirbelsäule auf Höhe des Dornfortsatzes des 4. Lendenwirbels oder des Zwischenwirbelraumes L4/5. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
te des OP-Tisches gebracht, sowohl die Beine im Hüft- und Kniegelenk als auch die Lendenwirbelsäule werden maximal gebeugt, damit die Dornfortsätze weit auseinanderweichen. Die Verbindungslinien der Schultern und Beckenkämme müssen vertikal verlaufen. Die Seitenlagerung ist für den Patienten bequemer als die sitzende Position und bietet sich vor allem bei sedierten Patienten und Patienten mit Kollapsneigung sowie bei der einseitigen Spinalanästhesie an. Die Punktion in Bauchlage wird bei der selten praktizierten hypobaren Technik, z. B. bei Operationen im Analbereich und der Wirbelsäule, angewandt und spielt in der Traumachirurgie keine Rolle.
18 19 20
. Abb. 6.3. Sitzende Lagerung des Patienten zur Spinalanästhesie. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
on erfolgt deutlich unterhalb des Conus medullaris, um eine Verletzung des Rückenmarks zu verhindern. Zur Identifizierung des 4. Lendenwirbelkörpers wird eine gedachte Verbindungslinie zwischen den beiden Cristae iliacae gezogen. Der Schnittpunkt mit der Wirbelsäule liegt in Höhe des 4. Lendenwirbels (bei 50% der Patienten) oder des Zwischenwirbelraums L4/5 (. Abb. 6.2).
6.3.3 Zugangswege
Medianer Zugang Der Zugang von der Mittellinie aus ist der Standardzugang (7 Abb. 6.4) und für die Punktion in der Regel am einfachsten.
6.3.2 Leitstrukturen
Paramedianer Zugang
Bei den meisten Erwachsenen reicht das Rückenmark bis zum Zwischenwirbelraum L1/2. Der übliche Punktionsort für die Spinalanästhesie liegt auf Höhe L3/4 oder L4/5, seltener L2/3. Die Punkti-
In schwierigen Fällen kann der paramediane Zugang gewählt werden (. Abb. 6.4). Er ist vorteilhaft bei älteren Patienten mit verknöchertem Lig. supraspinale und interspinale, engem oder verknöchertem Interspinalraum oder großen
101
6.3 · Technik der Spinalanästhesie
6
. Abb. 6.4a,b. Zugangswege zum Spinalkanal: a medianer und b paramedianer Zugang. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
Processus spinosi. Beim paramedianen Zugang muss lediglich ein Band (Lig. flavum) passiert werden. Die Punktion erfolgt ohne Führungskanüle ca. 1–1,5 cm lateral der Mittellinie am kaudalen Ende des Processus spinosus. Die Kanüle wird in einem Winkel von ca. 15° nach kranial und medial eingeführt. Nach ca. 4–6 cm erreicht man den Subarachnoidalraum. Das weitere Vorgehen entspricht demjenigen beim medianen Zugang. Bei Knochenkontakt wird die Nadel zurückgezogen und die Richtung nach kranial oder kaudal korrigiert.
Lumbosakraler Zugang (Taylor) Der lumbosakrale Taylor-Zugang stellt eine Sonderform des paramedianen Zugangs dar (. Abb. 6.5). Die Punktion erfolgt ohne Führungskanüle im Segment L5/S1. Die Kanüle wird 1 cm medial und kaudal der Spina iliaca posterior superior im 55°-Winkel nach medial und kranial vorgeschoben. Das weitere Vorgehen entspricht demjenigen beim medianen Zugang.
. Abb. 6.5. Zugangswege zum Spinalkanal: Taylor-Zugang. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
6.3.4 Punktion und Injektion
(medianer Zugang) 5 Identifikation des entsprechenden Zwischen-
wirbelraums, Hautdesinfektion und steriles Abdecken.
102
1
5 Hautquaddel und Infiltration des Stichkanals
2
5
3
5
4
5
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 6 · Spinalanästhesie
5
mit 1–2 ml Lokalanästhetikum (z. B. Mepivacain) im Bereich der geplanten Punktionsstelle. Einführen der Führungskanüle in das derbe Bindegewebe des Lig. interspinale. Einführen der Spinalkanüle durch die Führungskanüle. Langsames Vorschieben der Spinalkanüle in der Interspinalebene senkrecht zur Haut mit der Öffnung der Nadelspitze zur Seite in leicht kranialer Richtung (ca. 10°). Zwei Widerstände sind zu überwinden, die allerdings nur bei Verwendung dicklumiger Kanülen deutlich spürbar sind: Perforation des Lig. flavum (ab einer Einstichtiefe von 3 cm, meist bei 4–5 cm) und der Dura-Arachnoidea (weitere 0,5–1 cm tiefer), häufig als »Klick« zu spüren. Entfernung des Mandrins aus der Spinalkanüle und Überprüfung des Liquorflusses. Bei fehlendem Liquorfluss vorsichtige Aspiration mit einer kleinen Spritze und/oder Drehung der Kanüle in allen Ebenen bzw. langsames weiteres Vorschieben mit Mandrin.
! Bestätigung der korrekten Lage durch freien, klaren Liquorfluss bzw. -aspiration.
Dosierungsvorschlag 5 Die Dosis ist abhängig von der gewünsch-
ten Anästhesieausbreitung. Für ein Anästhesieniveau von Th10 (ausreichend für Eingriffe ab der Hüfte) benötigt man 2– 3 ml Bupivacain 0,5% isobar bzw. 2–2,5 ml Bupivacain 0,5% hyperbar. 5 Die Wirkung setzt nach wenigen Minuten ein, die chirurgische Anästhesie hält ca. 2– 3 Stunden an.
6.3.5 Lagerung nach Injektion
Isobare Technik Bei der am häufigsten durchgeführten isobaren Technik spielt die Lagerung hinsichtlich der Anästhesieausbreitung keine wesentliche Rolle. Der Patient wird nach Injektion langsam in eine bequeme Position in Rückenlage gebracht. Zu beachten ist jedoch, dass sich isobares Bupivacain leicht hypobar verhält, sodass man den Patienten nicht zu lange sitzen lassen sollte, um einer zu starken kranialen Ausbreitung vorzubeugen.
5 Bei freiem und klarem Liquorfluss sachtes
Vorschieben der Kanüle um einen weiteren Millimeter um sicherzustellen, dass die gesamte Öffnung der Spinalkanüle im Subarachnoidalraum liegt. 5 Langsame Injektion des Lokalanästhetikums (bei isobarer Technik 1 ml/4 s, bei hyperbarer Technik 1 ml/10 s). Während der Injektion sollten die Führungs- und Spinalkanüle mit einer Hand gegeneinander und gegen den Rücken fixiert werden, um eine Dislokation während der Injektion zu vermeiden. 5 Nach Ende der Injektion erneute Aspiration und Reinjektion einer kleinen Menge Liquor zur Überprüfung der korrekten Kanülenlage.
Hyperbare Technik Bei der hyperbaren Technik wird der Patient zunächst in Rückenlage, anschließend, entsprechend der gewünschten Anästhesieausbreitung, für 30 bis maximal 60 s in Kopftieflage (10–15°) gebracht, abschließend wird der Oberkörper gering nach oben gekippt.
Einseitige Spinalanästhesie Bei der einseitigen Spinalanästhesie macht man sich den Einfluss der Lagerung auf die Ausbreitung bei Verwendung eines hyperbaren Lokalanästhetikums zu Nutze. Der Patient wird für 10– 15 min (entsprechend der Fixierungszeit des Lokalanästhetikums) auf der zu anästhesierenden Seite gelagert. Ein Vorteil der einseitigen Spinalanästhesie ist die geringere Ausprägung der Sympathikusblockade und das seltenere Auftreten von Miktionsstörungen.
6.4 · Management häufiger Probleme bei der Anlage der Spinalanästhesie
Spinalanästhesie in Bauchlage Zur Anwendung der Spinalanästhesie für in Bauchlage durchgeführte Eingriffe gibt es kontroverse Meinungen. Grundsätzlich problematisch ist die zusätzliche Gefährdung des Patienten durch unerwünschtes Aufsteigen der sensomotorischen Blockade nach Umlagerung in Bauchlage mit kardiozirkulatorischen und evtl. respiratorischen Komplikationen. Eine Sicherung der Atemwege bzw. Intubation und Beatmung ist in dieser Situation extrem schwierig oder gar nicht möglich. Ein weiterer Nachteil ist, dass bei ungeplant langer OP-Dauer oder vorzeitigem Nachlassen der Blockade keine Allgemeinanästhesie eingeleitet werden kann. Aus Sicherheitsgründen sollte in Bauchlage grundsätzlich keine zusätzliche (Analgo-)sedierung durchgeführt werden. Bei jungen und gesunden Patienten ohne gravierende Vorerkrankungen ist eine Spinalanästhesie in Bauchlage denkbar, aber gerade in dieser Patientengruppe kann bei vergleichbarem Risiko problemlos eine Allgemeinanästhesie durchgeführt werden.
6.3.6 Faktoren mit Einfluss
6.4
103
6
Management häufiger Probleme bei der Anlage der Spinalanästhesie
6.4.1 Schwierige Punktion
Bei adipösen oder nicht optimal gelagerten Patienten kann die Punktion deutlich erschwert sein. Häufig hat man nach der Passage des Lig. flavum Knochenkontakt. Hierbei trifft die Kanüle auf den Oberrand der Lamina des oberen oder unteren Wirbels bzw. Dornfortsatzes. Folgende Maßnahmen werden in diesem Fall empfohlen: 5 Überprüfung der Lagerung des Patienten und ggf. Optimierung (stärkere Flexion der Wirbelsäule). 5 Überprüfung, ob die Punktion in der Mittellinie erfolgt ist. 5 Zurückziehen der Spinalkanüle bis in das Subkutangewebe und erneutes steileres Vorschieben. 5 Ggf. neue Punktion in einem anderen Zwischenwirbelraum. 5 Ggf. Ausweichen auf den paramedianen Zugang.
6.4.2 Blutiger Liquor
auf die Ausbreitung Die Ausbreitung der Spinalanästhesie nach einer bestimmten Lokalanästhetikadosis ist nicht genau vorhersehbar. Patientenspezifika (Alter, Größe, Gewicht, Liquorvolumen), die angewandte Injektionstechnik (Injektionshöhe, Barbotage, Injektionsgeschwindigkeit) sowie Dosis, Volumen und Barizität des verwendeten Lokalanästhetikums können die Ausdehnung beeinflussen. Bei Verwendung eines hyperbaren Lokalanästhetikums kann die Ausbreitung der Anästhesie durch Lagerung innerhalb von 5–10 min bis zur endgültigen Fixierung des Lokalanästhetikums beeinflusst werden. Oberkörperftieflagerung vergrößert, Oberkörperhochlagerung reduziert die Ausbreitung.
Ist der Liquor nur blutig tingiert und wird bei weiterer Aspiration klar, so kann das Lokalanästhetikum injiziert werden. Bleibt der Liquor bei weiterer Aspiration blutig, so muss von der Verletzung eines Blutgefäßes im Epidural- oder Subarachnoidalraum ausgegangen werden, und es darf keinesfalls injiziert werden. Eventuell auftretende neurologische Symptome könnten durch eine Spinalanästhesie überdeckt werden.
6.4.3 Parästhesien
Das Auftreten von Parästhesien in einer Extremität deutet auf die Irritation einer Nervenwurzel im Epidural- bzw. Subarachnoidalraum durch die Nadelspitze hin. Ursache dafür kann eine zu laterale Nadelposition sein. Das Lokalanästhetikum darf in diesem Fall nicht injiziert werden, da neurologische Schäden resultieren könnten. Die Kanüle
104
1
Kapitel 6 · Spinalanästhesie
sollte zurückgezogen und ihre Position in Bezug auf die Mittellinie hin korrigiert werden.
2 6.4.4 Unvollständige Spinalanästhesie
3 4 5 6 7 8 9 10 11
Ist die Ausbreitung der Spinalanästhesie 10– 15 min nach der Injektion völlig unzureichend (keine oder nur extrem gering ausgeprägte sensomotorische Blockade), so kann davon ausgegangen werden, dass das Lokalanästhetikum nicht in den Spinalraum gelangt ist. Eine erneute Punktion in einem anderen Segment kann erwogen werden. Diese Entscheidung sollte jedoch nur von einem erfahrenen Facharzt getroffen werden. Eine sichere Alternative ist die Durchführung einer Allgemeinanästhesie. Ist die Blockade lediglich in bestimmten Arealen nicht vollständig, kann in Einzelfällen eine zusätzliche Analgosedierung (7 Kap. 5.6) ausreichend sein.
6.5
Spezifische Komplikationen
15
Die möglichen Komplikationen rückenmarknaher Regionalanästhesie umfassen ein weites Spektrum und können gleichermaßen bei allen Verfahren auftreten. In 7 Kap. 5.7 wurden sie bereits ausführlich dargestellt. Darüber hinaus gehende, für die Spinalanästhesie spezifische, Komplikationen sind nicht bekannt. Zu den bei Spinalanästhesien häufiger beobachteten Komplikationen zählen postpunktionelle Kopfschmerzen, Harnverhalt, Blutdruckabfall und Bradykardien.
16
! Schwerwiegende und dauerhafte Schäden nach
12 13 14
Spinalanästhesien sind selten.
17 18 19 20
Literatur Auroy Y, Benhamou D, Bargues L et al. (2002) Major complications of regional anesthesia in France. The SOS Regional Anesthesia Hotline Service. Anesthesiology 97: 1274–1280 Auroy Y, Narchi P, Messiah A, Litt L, Rouvier B, Samii K (1997) Serious complications related to regional anesthesia. Results of a prospective survey in France. Anesthesiology 87: 479–486
Bridenbaugh PO, Kennedy WF (1980) Spinal subarachnoid blockade: In: Covino MJ, Bridenbaugh PO (eds.) Neural blockade in clinical anesthesia and management of pain. Lippincott, Philadelphia De Filho GR, Gomes HP, da Fonseca MH, Hoffmann JC, Pederneiras S, Garcia JH (2002) Predictors of successful neuraxial blockade: a prospective study. Eur J Anaesthesiol 19: 447–451 Eberhardt LH, Morin AM, Kranke P, Geldner G, Wulf H (2002) Transiente neurologische Symptome nach Spinalanästhesie. Eine quantitative systematische Übersicht (Metaanalyse) randomisierter kontrollierter Studien. Anästhesist 51: 539–546 Flender H-J., Knipprath R, Opitz A (1994) Epidural blood patch for the treatment of postspinal headache. Anästhesist, Abstract Vol. 43: 355–358 Frank A, Schuster M, Biscoping J (2002) Der Einfluss der Lagerungsdauer auf die Qualität der Hemi-Spinalanästhesie. AINS 37: 659–664 Hafer J, Rupp D, Wollbrück M, Engel J, Hempelmann G (1997) Die Bedeutung von Nadeltyp und Immobilisation für den postspinalen Kopfschmerz: Anaesthesist 46: 860–866 Holst D, Möllmann M, Karmann S, Wendt M (1997) Kreislaufverhalten unter Spinalanästhesie. Kathetertechnik versus Single-dose-Verfahren. Anaesthesist 46: 38–42 Hyderally H (2002) Complications of spinal anesthesia. The Mount Sinai Journal of Medicine 69: 55–56 Kane RE (1981) Neurologic deficits following epidural or spinal anesthesia. Anesth Analg 60: 150–161 Liu SS, McDonald SB (2001) Current issues in spinal anesthesia. Anesthesiology 94: 888–906 Möllmann M, Lanz E (2003) Spinalanästhesie. In: Niesel HC, van Aken H (Hrsg.) Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, Regionale Schmerztherapie, 2. überarbeitete Auflage. Thieme, Stuttgart, pp 161–195 Riegler FX (1998) Spinal Anesthesia. In: Longnecker DE, Tinker JH, Morgan GE (eds.): Principles and Practice of Anesthesiology, 2 nd edn. Mosby, St. Louis, pp 1363–1391 Schwabe K, Hopf HB (2001) Persistent back pain after spinal anaesthesia in the non-obstetric setting: incidence and predisposing factors. Br J Anaesth 86: 535–539 Schwarz U, Schwan C, Strumpf M, Witscher K, Zenz M (1999) Postpunktioneller Kopfschmerz: Diagnose, Prophylaxe, Therapie: Schmerz 13: 332–340 Videira RLR, Ruiz-Neto PP, Neto MB (2002) Post spinal meningitis and asepsis. Acta Anaesthesiol Scand 46: 639–646 Zaric D, Christiansen C, Pace NL, Punjasawadwong Y (2003) Transient neurologic symptoms (TNS) following spinal anaesthesia with lidocaine versus other local anaesthetics. Cochrane Database Syst Rev 2: CD003006
7 Kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA) U. Nickel
7.1 7.1.2
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen Indikationen – 106 Kontraindikationen – 106
7.2
Kanülen, Katheter, Sets
7.3
Technik der CSA
7.3.1
Lagerung – 106
7.3.2
Leitstrukturen – 106
7.3.3
Zugangswege – 106
7.3.4
Punktion und Injektion
7.3.5
Lagerung nach Injektion
7.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSA – 108
7.4.1
Katheter nicht vorschiebbar
7.4.2
Beeinflussung der Katheterlaufrichtung
7.4.3
Keine Liquoraspiration nach Lagerung des Patienten oder im
7.1.1
weiteren Verlauf
– 106
– 106
– 106
– 107 – 108
– 108 – 108
– 108
7.4.4
Keine ausreichende Anästhesieausbreitung
7.5
Spezifische Komplikationen
7.5.1
Verknoten, Zerbrechen oder Zerreißen des Mikrokatheters
7.5.2
Dehnung einer Nervenwurzel durch Vorschieben oder Entfernen des Katheters
– 108
– 109
7.5.3
Postpunktioneller Kopfschmerz (PDPH)
7.5.4
Cauda-equina-Syndrom – 109
Literatur – 110
– 108
– 109
– 109
106
1
Bei der kontinuierlichen Spinalanästhesie wird ein Katheter in den Spinalraum eingeführt, über den intermittierend ein Lokalanästhetikum appliziert werden kann. Der Vorteil der kontinuierlichen Technik im Vergleich zur Single-shot-Spinalanästhesie besteht im Bedarf nur kleinster Dosen von Lokalanästhetika. Die Anästhesieausbreitung ist gut steuerbar, die hämodynamische Beeinträchtigung gering. Zudem besteht eine ausgezeichnete Muskelrelaxation und eine zeitlich nicht begrenzte Blockade bei jedoch erhöhtem Risikopotenzial.
3 4 5 6
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
zumal risikoärmere praktikable Alternativen zur Verfügung stehen.
))
2
7
Kapitel 7 · Kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA)
7.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
7.1.2 Kontraindikationen
Die Kontraindikationen entsprechen denen in 7 Kap. 5.1 genannten. Spezifische Kontraindikationen bestehen nicht.
7.2
Kanülen, Katheter, Sets
Für die Durchführung einer CSA gibt es spezielle Sets, die in der Regel eine Kanüle zur Punktion des Spinalraums sowie einen dünnlumigen Katheter enthalten. Das erforderliche Material ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
7.1.1 Indikationen
Die kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA) stellt kein Routineverfahren dar. Wenngleich auch die meisten Eingriffe an der unteren Extremität grundsätzlich in einer CSA durchgeführt werden können, sollte aufgrund des höheren Risikos für Komplikationen eine gezielte Indikationsstellung erfolgen. Eine spezielle Indikation für das Verfahren besteht v. a. bei älteren Patienten mit erhöhtem kardiopulmonalem Risiko, bei denen ein rückenmarknahes Verfahren indiziert ist, man aber die bisweilen ausgeprägten hämodynamischen Auswirkungen der Single-shot-Spinalanästhesie fürchtet und/oder die voraussichtliche OP-Dauer 2 Stunden überschreitet. Hier bietet die bessere Steuerbarkeit der CSA eindeutige Vorteile. Zudem stellt die CSA gerade bei älteren Patienten mit oft schwierigen anatomischen Verhältnissen eine praktikable Alternative zur Epiduralanästhesie bzw. kontinuierlichen Spinalepiduralanästhesie dar, da die Technik einfacher ist und mit einer höheren Erfolgsquote einhergeht. Prinzipiell besteht auch bei der kontinuierlichen Spinalanästhesie die Möglichkeit den Spinalkatheter zur postoperativen Analgesie zu nutzen. Dies ist jedoch eine Methode, die extrem risikobehaftet sowie an bestimmte Überwachungsmodalitäten gebunden ist, und nicht zur routinemäßigen Anwendung empfohlen werden kann,
7.3
Technik der CSA
7.3.1 Lagerung
Die CSA wird am sitzenden Patienten oder in Seitenlage angelegt. Einzelheiten zur Lagerung sind 7 Kap. 6.3.1 zu entnehmen.
7.3.2 Leitstrukturen
Der übliche Punktionsort liegt auf Höhe L3/4 oder L4/5, seltener L2/3. Die Punktion erfolgt deutlich unterhalb des Conus medullaris, um eine Verletzung des Rückenmarks zu verhindern. Zur Identifizierung des 4. Lendenwirbelkörpers wird eine gedachte Verbindungslinie zwischen den beiden Cristae iliacae gezogen. Der Schnittpunkt mit der Lendenwirbelsäule ist in Höhe des 4. Lendenwirbelkörpers (bei 50% der Patienten) oder des Zwischenwirbelraums L4/5.
7.3.3 Zugangswege
Zur Anlage eines Spinalkatheters wird in der Regel der mediane Zugang gewählt (7 Kap. 6, . Abb. 6.4).
107
7.3 · Technik der CSA
Kanülen, Katheter
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Kathetersystem, z. B. Spinocath
5 Mepivacain 1%
5 Regionalanästhesie-Basisset:
(Hautinfiltration) 2 ml 5 Bupivacain 0,5% isobar
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (1 ml, 2 ml, 10 ml) 5 Lösung zur Hautdesinfektion 5 NaCl 0,9% 10ml
(Fa. Braun, Melsungen) mit: − Spinalkanüle 29G − Spinalkatheter 24G − Tuohy-Kanüle 18G − Bakterienfilter
7.3.4 Punktion und Injektion 5 Identifikation des entsprechenden Zwischen-
5
5 5
5 5
wirbelraums, Hautdesinfektion und steriles Abdecken. Hautquaddel und Infiltration des Stichkanals mit 1–2 ml des Lokalanästhetikums (z. B. Mepivacain 1%) im Bereich der geplanten Punktionsstelle. Einführen der Tuohy-Kanüle in das Lig. supraspinale. Weiteres Vorgehen nach der »Loss-of-resistance«-Technik: − Entfernen des Mandrins und Aufsetzen einer mit Kochsalz gefüllten 10-ml-Spritze. − Beim weiteren Vorschieben der Kanüle wird die führende Hand am Rücken zur Vermeidung ruckartiger Bewegungen abgestützt, mit dem Daumen der anderen Hand wird wiederholt ein leichter Druck auf den Spritzenkolben ausgeübt. − Ein erhöhter elastischer Widerstand wird beim Überwinden des Lig. flavum spürbar. − Beim Eintritt in den Epiduralraum tritt ein plötzlicher Widerstandsverlust am Spritzenkolben auf. Vorschieben des Spinalkatheters über die Tuohy-Kanüle in den Spinalraum (einige mm). Entfernung der integrierten Spinalkanüle und des Zugdrahtes.
! Bestätigung der korrekten Lage durch freien, klaren Liquorfluss bzw. -aspiration.
5 Vorschieben des Spinalkatheters max. 3 cm
weit in Spinalraum (Gefahr der Schleifenbildung).
7
5 Erneute, sehr langsame Liquoraspiration
durch den Katheter mit einer 1-ml-Spritze. Dies kann wegen des geringen Durchmessers des Katheters bis zu einer Minute dauern. 5 Injektion des Lokalanästhetikums (Bupivacain 0,5% isobar) in 0,5-ml-Schritten fraktioniert alle 5 min bis zum gewünschten Anästhesieniveau (Injektionsgeschwindigkeit 1 ml/min). 5 Vor jeder Nachinjektion erneute Liquoraspiration. 5 Adäquate Fixierung.
Dosierungsvorschlag 5 Initial (1–)2 ml Bupivacain 0,5% isobar 5 Nachinjektionen von Bupivacain 0,5% iso-
bar in Schritten von 0,5(–1) ml
Die Initialdosis wird bei der CSA niedriger gewählt als bei einer einzeitigen Spinalanästhesie, da man eine zu hohe Anästhesieausbreitung vermeiden will und jederzeit titrierend bis zum gewünschten Anästhesieniveau nachinjizieren kann (je gefährdeter der Patient, desto geringer die Initialdosis). Nach Gabe der Initialdosis wird bis zum gewünschten Niveau in 0,5- bis 1-ml-Schritten nachinjiziert. Weitere Nachinjektionen sollten frühestens nach 5 min. erfolgen. Entsprechend der Wirkdauer des verwendeten Lokalanästhetikums (meistens Bupivacain 0,5% isobar) werden im weiteren Verlauf kleine Dosen (z. B. 1 ml) nachgegeben.
108
1 2 3 4 5 6
Kapitel 7 · Kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA)
7.3.5 Lagerung nach Injektion
Die CSA wird mit isobarem Lokalanästhetikum durchgeführt. Der Patient wird in Rückenlage gebracht, spezielle Lagerungsmaßnahmen sind nicht erforderlich.
7.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSA
Zu den allgemeinen Problemen bei der Anlage einer rückenmarknahen Regionalanästhesie wird auf 7 Kap. 6.5 verwiesen.
7 7.4.1 Katheter nicht vorschiebbar
8 9 10 11 12 13 14
Die häufigste Ursache hierfür ist eine zu weit vorgeschobene Spinalkanüle, wodurch die Katheterspitze an die gegenüberliegende Wand stößt und ein Heraustreten des Katheters unmöglich macht. Durch leichtes Zurückziehen der Spinalkanüle zusammen mit dem Katheter um einige Millimeter kann das Problem meist behoben werden.
7.4.3 Keine Liquoraspiration nach
Lagerung des Patienten oder im weiteren Verlauf In diesem Fall ist der Katheter entweder abgeknickt, disloziert oder okkludiert. Ohne positive Liquoraspiration darf keine weitere Injektion von Lokalanästhetika erfolgen, ggf. muss der Katheter entfernt und auf eine Allgemeinanästhesie übergegangen werden.
7.4.4 Keine ausreichende
Anästhesieausbreitung Ist die Anästhesieausbreitung unzureichend, können Nachinjektionen des Lokalanästhetikums in kleinen Schritten in dem für die spinale Anwendung empfohlenen Dosisbereich vorgenommen werden. Keine Gabe von erhöhten Dosen (Cave: Cauda-equina-Syndrom)! Ggf. muss eine Allgemeinanästhesie eingeleitet werden.
Spezielle Probleme bei der Verwendung von Mikrokathetern
! Niemals darf der Katheter durch die liegende
5 Schwieriges Vorschieben in den Spinal-
Spinalkanüle zurückgezogen werden (Gefahr des Abschneidens eines Fragmentes)!
5 Aspiration von Liquor trotz regelrechter
kanal. Katheterlage nicht immer möglich.
Manchmal hilft auch vorsichtiges Drehen der Spinalkanüle und anschließend ein erneuter Versuch den Katheter vorzuschieben.
5 Bei Verwendung von sehr dünnen Kathe-
tern mit Stahlspitze kann diese beim Einführen verkrümmen. Die Begradigung ist dann unmöglich, sodass die Punktionsnadel nicht ohne Katheter zurückgezogen werden kann. Man muss Kanüle und Katheter zusammen zurückziehen und in einem anderen Segment erneut punktieren.
15 16 17 18 19 20
7.4.2 Beeinflussung der
Katheterlaufrichtung Die Laufrichtung des Spinalkatheters nach kranial oder kaudal ist abhängig von dem verwendeten Nadeltyp und dem Schliff der Punktionsnadel. Die kraniale Katheterposition ist grundsätzlich günstiger. Der Spinalkatheter sollte maximal 3 cm im Spinalraum liegen, da der Katheter bei weiterem Vorschieben (>4 cm) nach kaudal umschlagen oder eine Schleifenbildung auftreten kann.
7.5
Spezifische Komplikationen
Für die kontinuierliche Spinalanästhesie gelten alle bei rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren möglichen Komplikationen (7 Kap. 5.7).
109
7.5 · Spezifische Komplikationen
Bedingt durch die technischen Besonderheiten des Verfahrens und der Kathetertechnik erfordern einige spezifische Komplikationsmöglichkeiten besondere Beachtung.
7
7.5.3 Postpunktioneller Kopfschmerz
(PDPH)
Besondere Vorsicht ist beim Abbrechen eines Katheters mit einer Metallspitze geboten. Es könnten sich metallhaltige Fragmente im Liquor befinden, die den Patienten bei Durchführung eines MRT gefährden können.
Aufgrund des Duradefektes, der durch früher verwendete großlumige Tuohy-Kanülen und Katheter verursacht wurde, wurden postpunktionelle Kopfschmerzen häufig beobachtet. Mit der Entwicklung der Mikrokatheter ging die Häufigkeit deutlich zurück, ist aber höher als bei der einzeitigen Spinalanästhesie mit atraumatischen, dünnlumigen Kanülen. Auch hier besteht eine Abhängigkeit nicht nur von der Größe der Punktionsnadel und des Katheters, sondern auch vom Alter des Patienten.
7.5.2 Dehnung einer Nervenwurzel
7.5.4 Cauda-equina-Syndrom
7.5.1 Verknoten, Zerbrechen oder
Zerreißen des Mikrokatheters
durch Vorschieben oder Entfernen des Katheters ! Das Cauda-equina-Syndrom umfasst die Sympto-
Diese äußert sich klinisch in Parästhesien, die sich in der Regel nach Lagekorrektur des Katheters zurückbilden.
me Rückenschmerz, Reithosenanästhesie, Stuhlinkontinenz und Blasenentleerungsstörungen.
In der Literatur wurden im Zusammenhang mit der Durchführung einer kontinuierlichen Spinalanästhesie 12 Fälle eines Cauda-equina-Syndroms
. Abb. 7.1. Katheterset für die CSA. (Mit freundlicher Genehmigung der Firma Braun, Melsungen)
110
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 7 · Kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA)
beschrieben. Bis auf eine Ausnahme traten alle Fälle nach Verwendung von 28G-Mikrokathetern auf, in allen Fällen wurden hochkonzentrierte hyperbare Lokalanästhetika verwendet (z. B. Lidocain 5% hyperbar). Häufig waren aufgrund unzureichender Anästhesieausbreitung größere Mengen an Lokalanästhetika erforderlich. Als Ursache vermutet man einen toxischen Nervenschaden durch die wiederholte Injektion der hochosmolaren Lokalanästhetikalösung. Durch inhomogene Verteilung des Lokalanästhetikums kann es zur Akkumulation im Sakralbereich und regionaler Überdosierung kommen. Dieses Risiko scheint bei der Verwendung von Mikrokathetern erhöht zu sein. Die Verwendung von spinalen Mikrokathetern wurde in diesem Zusammenhang in einigen Ländern (darunter die USA) verboten. Bei vorsichtigem Handling des Katheters, Einschränkung der Konzentration und der Dosis des Lokalanästhetikums und ausschließlicher Verwendung von isobaren Lokalanästhetika sind nach aktuellen Untersuchungen keine weiteren Fälle eines Cauda-equina-Syndroms beschrieben worden.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Literatur De Andres J, Bellver J, Bolinches R (1994) Comparison of continuous spinal anaesthesia using a 32-gauge catheter with anaesthesia using a single-dose 24-gauge atraumatic needle in young patients. Br J Anaesth 73: 747–750 Denny NM, Selander DE (1998) Continuous spinal anaesthesia. Br J Anaesth 81: 590–597 Holst D, Möllmann M, Karmann S, Wendt M (1997) Kreislaufverhalten unter Spinalanästhesie. Kathetertechnik versus Single-dose-Verfahren. Anästhesist 46: 38–42 Horlocker TT, McGregor DG, Matsushige DK, Chantigian RC, Schroeder DR, Besse JA (1997) Neurologic complications of 603 consecutive continuous spinal anesthetics using macrocatheter and microcatheter techniques. Perioperative Outcome Group. Anesth Analg 84: 1063–1070 Ilias WK, Klimscha W, Skrbensky G, Weinstabl R, Widhalm A (1998) Continuous microspinal anaesthesia: another perspective on mechanism inducing cauda equina syndrome. Anaesthesia 53: 618–623 Lambert DH, Hurley RJ (1991) Cauda equina syndrome and continuous spinal anesthesia. Anesthesia and Analgesia 72: 817–819 Mahisekar UL, Winnie AP, Vasireddy AR, Mastres RW (1991) Continuous spinal anesthesia and post dural puncture headache: a retrospective study. Reg Anesth 16: 107–111
Möllmann M, Holst D, Lübbesmeyer H, Lawin P (1993) Continuous spinal anesthesia: Mechanical and technical problems of catheter placement. Reg Anesth 18: 469–472 Möllmann, M (1997) Die kontinuierliche Spinalanästhesie. Anästhesist 46: 616–621 Möllmann M, Holst D, Enk D et al. (1992) Spinaloskopie zur Darstellung von Problemen bei der Anwendung der kontinuierlichenSpinalanästhesie. Anästhesist 41: 544–547 Rigler ML, Drasner K, Krejcie TC et al. (1991) Cauda-EquinaSyndrome after continuous spinal anaesthesia. Anesth Analg 72: 275–281 Standl T, Eckert S, Straub U (1995) Einfluss der Punktionsnadel auf die subarachnoidale Katheterposition bei kontinuierlicher Spinalanästhesie. Anästhesist 44: 826–830
8 Lumbale Epiduralanästhesie U. Nickel
8.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
8.1.1
Indikationen
8.1.2
Kontraindikationen
8.2
Kanülen, Katheter, Sets
8.3
Technik der lumbalen Epiduralanästhesie
8.3.1
Lagerung – 114
8.3.2
Leitstrukturen
8.3.3
Zugangswege – 114
8.3.4
Single-shot oder Kathetertechnik
8.3.5
Punktion und Injektion
8.3.6
Lagerung nach Injektion
8.3.7
Faktoren mit Einfluss auf die Ausbreitung
8.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der Epiduralanästhesie – 116
8.4.1
Schwierige Punktion
8.4.2
Parästhesien – 116
8.4.3
Blutaspiration – 116
8.4.4
Unvollständige Epiduralanästhesie
8.4.5
Einseitige Epiduralanästhesie
8.4.6
Katheter nicht vorschiebbar
8.5
Testdosis
8.5.1
Risiko der intrathekalen und intravasalen
– 113 – 113
– 113
– 114 – 114
– 114 – 115 – 115
– 116
– 116
– 117 – 117
– 117
Lokalanästhetikainjektion – 117 8.5.2
– 114
Testdosis mit einem Lokalanästhetikum
– 118
– 113
8.6
Spezifische Komplikationen
8.6.1
Akzidentelle Duraperforation
8.6.2
Akzidentelle intrathekale Injektion
8.6.3
Hohe Spinalanästhesie
8.6.4
Intravasale Katheterlage/Injektion
Literatur
– 119
– 118 – 118 – 119
– 119 – 119
113
8.2 · Kanülen, Katheter, Sets
ziert ist. Eine weitere Indikation ist die postoperative Schmerztherapie mittels Katheter.
)) Die Injektion eines Lokalanästhetikums in den lumbalen Epiduralraum führt zu einer segmentalen reversiblen sensiblen, motorischen und sympathischen Blockade. Charakteristisch ist, dass die verschiedenen Nervenfasertypen unterschiedlich schnell (zeitlich dissoziiert) blockiert werden. Die Blockade der Nervenfasern findet in folgender Reihenfolge statt: präganglionärer Sympathikus → Temperatur und Schmerz → Berührung und Druck→ Motorik. Daneben ist auch eine qualitative Differenzierung vorhanden. In Abhängigkeit von der Entfernung zum Injektionsort nimmt die Konzentration des Lokalanästhetikums ab. Demzufolge ist das Niveau der sympathischen Blockade am höchsten, das der motorischen Blockade am tiefsten. Im Vergleich zur Spinalanästhesie sind größere Volumina des Lokalanästhetikums erforderlich. Die längere Zeitdauer, die für die Diffusion des Lokalanästhetikums zum Zielort erforderlich ist, führt zu einer verlängerten Anschlagzeit von bis zu 30 Minuten.
8.1
8
! Für Soforteingriffe ist die Epiduralanästhesie nicht geeignet.
8.1.2 Kontraindikationen
Spezifische Kontraindikationen für die lumbale Epiduralanästhesie gibt es nicht. Es gelten die in 7 Kap. 5.1 ausführlich erläuterten Kontraindikationen.
8.2
Kanülen, Katheter, Sets
Zur Punktion des Epiduralraums werden dicklumige (meist 18G) Tuohy-Kanülen verwendet (. Abb. 8.1). Diese erleichtern die Identifikation
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
8.1.1 Indikationen
Für die Epiduralanästhesie gelten grundsätzlich die in 7 Kap. 5.1 angeführten Indikationen. Einschränkungen ergeben sich zum einen aus der langen Anschlagzeit, zum anderen aus der im Vergleich zur Spinalanästhesie geringer ausgeprägten motorischen Blockade. Da im operativen Alltag der Traumachirurgie schnelle Wechselzeiten und eine gute motorische Blockade gewünscht sind, wird meist anderen Verfahren wie der Spinalanästhesie oder der kombinierten Spinalepiduralanästhesie der Vorzug gegeben. Bei Patienten unter 25–30 Jahren, bei denen eine erhöhte Inzidenz postspinaler Kopfschmerzen besteht oder Patienten mit postspinalem Kopfschmerz in der Anamnese stellt die Epiduralanästhesie eine gute Alternative zur Spinalanästhesie dar, wenn ein rückenmarknahes Verfahren indi-
. Abb. 8.1a,b. Kanüle für die Epiduralanästhesie: a Tuohy-Kanüle mit Markierungen, b Detailansicht der Spitze. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
114
1 2 3 4
Kapitel 8 · Lumbale Epiduralanästhesie
Kanülen, Katheter
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Tuohy-Kanüle
5 Mepivacain 1% (Hautin-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
18G, 8 cm (bei extremer Adipositas: Tuohy-Kanüle 18G, 15 cm) 5 Epiduralkatheter, z. B. Perifix-Katheter (Fa. Braun, Melsungen) Durchmesser 0,45×0,85 mm mit 3 seitlichen Öffnungen, L=1000 mm
filtration) 2 ml 5 Testdosis: z. B. Lidocain 1% mit Adrenalin 1:200.000 (3–4 ml) 5 Bupivacain 0,5% isobar, alternativ: Ropivacain 1%
– Sterile Kompressen – Abdecktuch – Aufziehkanülen – Subkutankanüle – Spritzen (2 ml, 5 ml, 2×10 ml) 5 10 ml NaCl 0,9% 5 Lösung zur Hautdesinfektion
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
des Epiduralraums bei der »Loss-of-resistance«Technik. Die Spitze der Tuohy-Kanüle ist gebogen, die Öffnung befindet sich am seitlichen Kanülenende. Auf der Kanüle sind Markierungen im Abstand von 1 cm angebracht, mit denen man die Distanz von der Haut zum Epiduralraum ermitteln kann. Die entsprechenden Katheter sind ebenfalls markiert und werden im Set zusammen mit der Kanüle angeboten. In nachfolgender Tabelle ist das für die Durchführung einer lumbalen Epiduralanästhesie benötigte Material zusammengestellt.
8.3
Technik der lumbalen Epiduralanästhesie
8.3.2 Leitstrukturen
Der Punktionsort für die lumbale Epiduralanästhesie liegt auf Höhe L3/4 oder L4/5, seltener L2/3. Der Schnittpunkt einer Linie zwischen den beiden Cristae iliacae mit der Lendenwirbelsäule trifft den 4. Lendenwirbelkörper oder den Zwischenwirbelraum L4/5 (7 Kap. 6.3, . Abb. 6.2).
8.3.3 Zugangswege
Der Zugang zum lumbalen Epiduralraum wird in der Regel von der Mittellinie aus gewählt. Bei schwieriger Punktion durch verknöcherte Ligamente kann alternativ der paramediane Zugang gewählt werden (7 Kap. 6.3).
8.3.1 Lagerung
Die Punktion kann in sitzender Position oder in Seitenlage erfolgen. Die sitzende Position ist für die Identifikation der Mittellinie und der für die Punktion erforderlichen Winkel am einfachsten. Der Patient wird auf dem OP-Tisch aufgesetzt oder an die Seite des OP-Tisches mit über die gegenüberliegende Kante hängenden Beinen platziert. Er wird zur maximalen Flexion der LWS aufgefordert (»Katzenbuckel«) und sollte das Kinn auf die Brust nehmen. Ein Helfer ist erforderlich, der den Patienten von vorne stützt. Die Anlage der Epiduralanästhesie in Seitenlage erfolgt analog dem in 7 Kap. 6.3 beschriebenen Vorgehen bei der Spinalanästhesie.
8.3.4 Single-shot oder Kathetertechnik
Die Epiduralanästhesie kann als Single-shot-Injektion durch die Tuohy-Kanüle oder als Katheterverfahren durchgeführt werden. Aufgrund der langen Anschlagzeit der Epiduralanästhesie im Vergleich zur Spinalanästhesie verliert die Single-shot-Technik zunehmend an Bedeutung. Durch die Kathetertechnik ist zum einen eine zeitlich unbegrenzte Blockade, zum anderen die Nutzung des Katheters zur postoperativen Schmerztherapie möglich.
8.3.5 Punktion und Injektion 5 Identifikation des entsprechenden Zwischen-
wirbelraums, sorgfältige Desinfektion und steriles Abdecken.
115
8.3 · Technik der lumbalen Epiduralanästhesie
8
5 Hautquaddel und Infiltration des Stichkanals
5 Nach korrekter Katheterpositionierung Aspi-
mit 1–2 ml Lokalanästhetikum im Bereich der geplanten Punktionsstelle. 5 Einführen der Tuohy-Kanüle (Öffnung nach kranial) bis zum Lig. supraspinale. 5 Entfernen des Mandrins und Aufsetzen einer mit Kochsalz gefüllten 10-ml-Spritze. 5 Beim weiteren Vorschieben Abstützung der führenden Hand am Rücken des Patienten (Vermeidung ruckartiger Bewegungen).
rationskontrolle (kein Liquor!) und Gabe einer Testdosis mit Adrenalin zum Ausschluss einer intravasalen oder intrathekalen Lage (7 Kap. 8.5). 5 Bei negativer Testdosis: fraktionierte Injektion des Lokalanästhetikums in 5-ml-Schritten bis zum gewünschten Anästhesieniveau. 5 Fixierung des Katheters und steriler Verband; bei geplanter postoperativer Schmerztherapie über den Epiduralkatheter empfiehlt es sich diesen anzunähen.
5 »Loss-of-resistance«-Technik:
Ausübung eines (leichten) kontinuierlichen Druckes auf den Spitzenkolben durch die führende Hand; erhöhter elastischer Widerstand beim Erreichen des Lig. flavum; plötzlicher Widerstandsverlust beim Eintritt der Kanülenspitze in den Epiduralraum; plötzlich leichte Injektion von mehreren ml Kochsalz möglich. 5 Der Epiduralraum befindet sich üblicherweise in 4–8 cm Tiefe. 5 Alternativ zur »Loss-of-resistance«-Technik:
Dosierungsvorschlag 5 Altersabhängig werden initial zwischen
0,7 ml (alte Patienten) und 1,5 ml (junge Patienten) Bupivacain 0,5% oder Ropivacain 0,75–1% pro zu blockierendem Segment benötigt (nach Bromage). Die Testdosis ist inbegriffen.
Technik des »hängenden Tropfens«:
Nach Erreichen des Lig. interspinale Entfernung des Mandrins aus der Tuohy-Kanüle, es wird etwas Kochsalz in das Kanülenende gegeben, sodass am Ende ein »hängender Tropfen« entsteht. Durch den negativen Druck im Epiduralraum während der Inspiration wird dieser Tropfen bei Erreichen des Epiduralraums angesaugt.
Nachinjektionen erfolgen je nach Wirkdauer des Lokalanästhetikums. Bei Verwendung von Bupivacain sollte eine Nachinjektion mit der Hälfte der Initialdosis etwa nach einer Stunde erfolgen. Wurde der Patient in der Zwischenzeit umgelagert, muss vor der Injektion erneut eine Testdosis appliziert werden.
5 Single-shot-Technik:
Injektion der Testdosis; bei negativer Testdosis fraktionierte Injektion des Lokalanästhetikums in 5-ml-Schritten bis zum gewünschten Anästhesieniveau. 5 Kathetertechnik:
Vorschieben eines Katheters 3–4 cm nach kranial über die Tuohy-Kanüle, anschließend Zurückziehen der Tuohy-Kanüle. Filter am Katheterende aufschrauben. 5 Bei Auftreten von Parästhesien oder plötzlich einschießenden Schmerzen in Gesäß oder Bein (Nervenwurzelkontakt) Kathetervorschub unterbrechen (in der Regel sofortige Rückbildung der Beschwerden); bei Fortbestehen der Beschwerden sofortige gemeinsame Entfernung von Katheter und Tuohy-Kanüle, danach ggf. erneute Punktion.
8.3.6 Lagerung nach Injektion
Nach Fixierung des Katheters wird der Patient in Rückenlage gebracht. Die fraktionierten Injektionen bei der Kathetertechnik erfolgen bereits in dieser Position.
8.3.7 Faktoren mit Einfluss
auf die Ausbreitung Die Ausbreitung der Epiduralanästhesie ist nicht genau vorhersehbar und wird durch verschiedene Faktoren moduliert. Sowohl anatomische (z. B. fibröse Septen im Epiduralraum) als auch technische Aspekte (Injektionsgeschwindigkeit) können
116
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Kapitel 8 · Lumbale Epiduralanästhesie
die Ausbreitung der Blockade beeinflussen. Die Lagerung nach der Injektion spielt, im Gegensatz zur Spinalanästhesie, nur eine untergeordnete Rolle. Relevant sind Größe, Gewicht und v. a. das Alter des Patienten sowie bestimmte Vorerkrankungen wie Arteriosklerose oder Diabetes mellitus. Mit zunehmendem Alter bzw. Adipositas oder bestimmten Erkrankungen muss die Dosis reduziert werden.
8.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der Epiduralanästhesie
17
Das Auftreten von Parästhesien oder Schmerzen im Gesäß oder einer Extremität deutet auf die Irritation einer Nervenwurzel im Epiduralraum durch die Nadel- oder Katheterspitze hin. Dies kann bei zu lateraler Nadel-/Katheterposition der Fall sein. Eine Injektion des Lokalanästhetikums oder weitere Einführung des Katheters darf nicht erfolgen, da neurologische Schäden resultieren könnten. Bei spontanem Sistieren der Beschwerden kann versucht werden, den Katheter un-
20
Die Tuohy-Kanüle selbst darf bei eingeführtem Katheter niemals gedreht werden. Der Katheter darf nie durch die liegende Tuohy-Kanüle zurückgezogen werden (Gefahr der Katheterabscherung!).
8.4.3 Blutaspiration
Bei adipösen und nicht optimal gelagerten Patienten kann die Punktion deutlich erschwert sein. Im Vergleich zur Spinalanästhesie ist die Punktion mit der dicklumigeren Tuohy-Kanüle gerade bei älteren Patienten häufig noch problematischer. Bei Knochenkontakt der Kanüle werden folgende Maßnahmen empfohlen: 5 Überprüfung der Lagerung des Patienten und ggf. Optimierung (stärkere Flexion der Wirbelsäule). 5 Überprüfung, ob die Punktion in der Mittellinie erfolgt ist. 5 Zurückziehen der Tuohy-Kanüle bis in das Subkutangewebe und erneutes Vorschieben mit kranialer Ausrichtung. 5 Ggf. erneute Punktion in einem anderen Zwischenwirbelraum. 5 Ggf. Punktion über den paramedianen Zugang.
8.4.2 Parästhesien
19
! Cave
8.4.1 Schwierige Punktion
16
18
ter leichter Drehung erneut vorzuschieben. Bleiben die Beschwerden bestehen oder treten sie erneut auf, müssen Tuohy-Kanüle und Katheter zusammen komplett zurückgezogen werden und es muss erneut punktiert werden.
Fließt bereits während der Punktion des gefäßreichen Epiduralraumes Blut aus der Tuohy-Kanüle oder ist Blut zu aspirieren, muss die Punktion abgebrochen und in einem anderen Segment erneut punktiert werden. Ist durch den Katheter Blut zu aspirieren, kann zunächst versucht werden, den Katheter etwa 1 cm zurückzuziehen und erneut zu aspirieren. Tritt nur leicht blutig tingierte Flüssigkeit aus dem Katheter aus, kann nach Spülung mit einer geringen Menge physiologischer NaCl-Lösung ein erneuter Aspirationsversuch durchgeführt werden. Eine negative Aspiration durch den Katheter schließt jedoch eine intravasale Fehllage aufgrund des dünnen Lumens nicht sicher aus. Deshalb muss die folgende Injektion des Lokalanästhetikums auf jeden Fall in kleinen Schritten unter ständiger Beobachtung des Patienten und verbalem Kontakt erfolgen.
8.4.4 Unvollständige Epiduralanästhesie
Eine unvollständige Blockade tritt bei der Epiduralanästhesie häufiger als bei der Spinalanästhesie auf. Ist die Ausbreitung der Epiduralanästhesie 30 min nach der Injektion völlig unzureichend (keine oder nur extrem gering ausgeprägte sensomotorische Blockade), kann man zunächst über den liegenden Katheter (ggf. nach Lagekorrektur) eine Nachinjektion vornehmen.
117
8.5 · Testdosis
Führt diese Maßnahme nicht zum gewünschten Erfolg, muss auf eine Spinalanästhesie (sofern die Operation damit möglich ist) oder eine Allgemeinanästhesie ausgewichen werden.
8.5
8
Testdosis
8.5.1 Risiko der intrathekalen und
intravasalen Lokalanästhetikainjektion
! Eine erneute Epiduralanästhesie – etwa in einem anderen Segment – ist aufgrund der verwendeten hohen Lokalanästhetikamenge nicht erlaubt.
8.4.5 Einseitige Epiduralanästhesie
Gelegentlich finden sich im dorsomedianen Bereich des lumbalen Epiduralraumes bindegewebige Septen, die dazu führen können, dass sich das Lokalanästhetikum vorwiegend auf einer Seite ausbreitet und es zu einer vorwiegend oder komplett einseitigen Blockade kommt. Ist die Blockade auf der zu operierenden Seite lokalisiert, sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Besteht die Blockade auf der kontralateralen Seite, kann man zunächst nach geringfügigem Zurückziehen des Katheters eine Nachinjektion vornehmen. Bei Erfolglosigkeit der Nachinjektion muss auch hier eine andere Anästhesieform gewählt werden.
8.4.6 Katheter nicht vorschiebbar
Ist der Katheter nach eindeutiger Identifikation des Epiduralraumes nicht vorschiebbar, so kann z. B. ein Anstoßen an die Wand des Epiduralraums die Ursache sein. Vorsichtiges Drehen des Katheters kann unter Umständen Abhilfe schaffen. Niemals darf jedoch der Katheter durch die liegende Kanüle zurückgezogen werden. Lässt sich der Katheter weiterhin nicht vorschieben, so müssen Katheter und Kanüle zusammen entfernt werden und eine erneute Punktion stattfinden.
Mit der Injektion eines relativ großen Lokalanästhetikavolumens in den Epiduralraum sind einige potenzielle Risiken verbunden. Die subdurale Injektion ist eine seltene und weniger schwerwiegende Komplikation, bei der ein hohes sensorisches und motorisches Anästhesieniveau mit allerdings langsamerer Ausbreitung als bei der spinalen Injektion erreicht wird. Eine akzidentelle Duraperforation mit u. U. versehentlicher intrathekaler Injektion des Lokalanästhetikums hat eine Inzidenz von 1–10% und kann sowohl bei der Punktion als auch im Verlauf (durch Kathetermigration) auftreten. Wird sie nicht erkannt und das Lokalanästhetikum injiziert, resultiert eine »totale Spinalanästhesie«. Die versehentliche intravasale Injektion des Lokalanästhetikums stellt die schwerwiegendste Komplikation dar. Sie ist bei der Epiduralanästhesie wahrscheinlicher als bei der Spinalanästhesie. Die Inzidenz wird in der Literatur mit 0,2–11% angegeben. Nach einer intravasalen Injektion (initial oder im Verlauf) kommt es schnell zu toxischen Konzentrationen des Lokalanästhetikums, die klinisch zu Krampfanfällen, Atemstillstand, und – v. a. bei der Verwendung von Bupivacain – bis hin zum Herzstillstand und Tod führen können. Geeignete und zuverlässige Testmethoden sollen zum frühzeitigen Erkennen einer intrathekalen oder intravasalen Fehllage und dem Vermeiden schwerwiegender Komplikationen beitragen. Sorgfältige Aspiration vor jeder Injektion ist ein erster Schritt; jedoch kann bei fehlender Aspiration von Blut oder Liquor nicht sicher von einer korrekten Katheterlage ausgegangen werden, da eine Aspiration z. B. durch dünnlumige Katheter erschwert sein oder die Öffnung des Katheters an der Gefäßwand anliegen kann. Die Injektion einer größeren Menge eines Lokalanästhetikums sollte daher immer fraktioniert erfolgen; klinische Zeichen einer Intoxikation können so evident werden, bevor die Krampfschwelle überschritten wird. Diese Methode al-
118
1
Kapitel 8 · Lumbale Epiduralanästhesie
leine hat sich jedoch in großangelegten Untersuchungen nicht als zuverlässig erwiesen.
2 8.5.2 Testdosis mit einem
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Lokalanästhetikum Die Injektion einer Menge von 3 ml eines Lokalanästhetikums (z. B. Lidocain 1%) wird allgemein als Standardtest zum Ausschluss einer intrathekalen Lage empfohlen. Sensorische Ausfälle im sakralen Bereich treten nach Injektion von 3 ml einer hyperbaren Lösung bereits nach wenigen Minuten auf. Generell wird die Ausbildung einer Spinalanästhesie 3–5 min nach Injektion der Testdosis als Hinweis auf eine intrathekale Injektion gewertet. Die Verwendung von isobarem Bupivacain als Testdosis wird aufgrund der variablen Ausbreitung und dem verzögerten Wirkungseintritt nicht empfohlen. Zum Ausschluss einer intravasalen Lage ist die oben genannte Dosis nicht geeignet. Zentralnervöse Symptome machen sich meist erst bei höheren Dosen bemerkbar. Der Zusatz von Adrenalin (1:200.000) zur Testdosis führt innerhalb 1 min zu einem Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz. Der Anstieg des systolischen Blutdruckes um 15 mmHg sowie der Herzfrequenz um 20/min wird als Indikator einer intravasalen Injektion angesehen. ! Eine Einschränkung ergibt sich bei Patienten unter β-Blocker-Therapie. Bei ihnen ist der Herzfrequenzanstieg begrenzt, der Anstieg des systolischen Blutdruckes innerhalb von 2 min wird als verlässlicher Indikator angesehen. Bei älteren Patienten kann generell die Antwort auf eine β-adrenerge Stimulation reduziert sein, daher ist hier bei der Interpretation der Testdosis Vorsicht geboten.
! Bei kardialen Risikopatienten sollte der erhöhte myokardiale O2-Verbrauch durch Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz beachtet werden, der zu Herzrhythmusstörungen sowie myokardialen Ischämien führen kann.
Kein Test alleine kann eine Fehlinjektion des Lokalanästhetikums sicher vorhersagen; zur Verbesserung der Sicherheit einer epiduralen Injektion trägt die Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen wie Aspiration, fraktionierte Injektion und Testdosis bei.
8.6
Spezifische Komplikationen
Alle in 7 Kap. 5.7 ausführlich dargestellten Komplikationsmöglichkeiten können auch bei der Epiduralanästhesie auftreten. Darüber hinaus gehende spezifische Komplikationen sind nachfolgend aufgeführt.
8.6.1 Akzidentelle Duraperforation
Eine versehentliche Perforation der Dura kann sowohl bei der Punktion mit der Tuohy-Kanüle als auch durch Vorschieben oder Lageveränderungen des Katheters auftreten. Aufgrund der Dicke der Tuohy-Kanüle entsteht ein großer Duradefekt, verbunden mit einer hohen Inzidenz an postspinalen Kopfschmerzen. Wird die Duraperforation erkannt, ist die Tuohy-Kanüle (ggf. zusammen mit dem Katheter) unmittelbar zu entfernen. Eine erneute Punktion in einem anderen, höheren Segment ist denkbar. Es ist jedoch nicht sicher auszuschließen, dass dennoch eine gewisse Menge des Lokalanästhetikums durch das vorhandene Duraleck nach intrathekal gelangt. Deshalb ist eine intensive Beobachtung des Patienten in dieser Situation obligat. Im Einzelfall muss entschieden werden, ob eine Spinalanästhesie für die Operation ausreichend ist und eine spinale Dosis des Lokalanästhetikums injiziert werden kann. Danach wird die Kanüle/der Katheter entfernt. Wird die versehentliche Duraperforation nicht oder zu spät erkannt, resultiert eine potenziell weitaus schwerwiegendere Komplikation, die akzidentelle intrathekale Injektion.
119
Literatur
8
8.6.2 Akzidentelle intrathekale Injektion
Literatur
Wurde die Testdosis in den Spinalraum injiziert, muss die Ausbreitung der Anästhesie genau überwacht werden; bei Auftreten von kardiozirkulatorischen bzw. respiratorischen Komplikationen sind die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.
Abraham RA, Harris AP, Maxwell LG, Kaplow S (1986) The efficacy of 1,5% lidocaine with 7,5% dextrose and epinephrine as an epidural test dose for obstetrics. Anesthesiology 64: 116–119 Auroy Y, Benhamou D, Bargues L et al. (2002) Major complications of regional anesthesia in France. The SOS Regional Anesthesia Hotline Service. Anesthesiology 97: 1274– 1280 Bromage PR (1978) Epidural analgesia. Saunders, Philadelphia Dahlgren N, Törnebrandt K (1995) Neurological complications after anaesthesia. A follow-up of 18000 spinal and epidural anaesthetics performed over three years. Acta Anaesthesiol Scand 39: 872–880 Faccenda KA, Finucane BT (2001) Complications of regional anaesthesia. Incidence and prevention. Drug Saf 24: 413–442 Gaiser RR (1998) Epidural Anesthesia. In: Longnecker DE, Tinker JH, Morgan GE (eds.) Principles and Practice of Anesthesiology, 2nd edn. Mosby, St. Louis, pp 1392–1407 Guinard JP, Mulroy MF, Carpenter RL, Knopes KD (1990) Test doses: optimal epinephrine content with and without acute betaadrenergic blockade. Anesthesiology 73: 386– 392 Moore DC, Batra MS (1981) The components of an effective test dose prior to epidural block. Anesthesiology 55: 693–696 Mulroy MF, Norris M, Liu SS (1997) Safety steps for epidural injecton of local anesthetics: review of the literature and recommendations. Anesthesia Analgesia 85: 1346–1356 Prince GD, Shetty GR, Miles M (1989) Safety and efficacy of a low volume extradural test dose of bupivacaine in labour. Br J Anaesth 62: 503–508 Stonham J, Moss P (1983) The optimal test dose for epidural anesthesia. Anesthesiology 58: 389–390 Vandermeulen E, Gogarten W, Van Aken H (1997) Risiken und Komplikationsmöglichkeiten der Periduralanästhesie. Anästhesist 46: S179–S186 Waurick R, van Aken H (2003) Epiduralanästhesie. In: Niesel HC, van Aken H (Hrsg.) Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, Regionale Schmerztherapie, 2. überarbeitete Auflage. Thieme, Stuttgart, S. 198–233
8.6.3 Hohe Spinalanästhesie
Von einer hohen Spinalanästhesie wird bei einer Ausbreitung des Anästhesieniveaus oberhalb von Th4 gesprochen. Sie entsteht durch versehentliche Injektion von größeren Anteilen oder der gesamten Lokalanästhetikadosis in den Spinalraum. Bezieht die Blockade den aus dem Dermatom C7 entspringenden N. phrenicus mit ein, so ist bei Beeinträchtigung der Atmung die Einleitung einer Narkose und Intubation bis zum Abklingen der Wirkung des Lokalanästhetikums erforderlich.
8.6.4 Intravasale Katheterlage/Injektion
Bei akzidenteller intravasaler Injektion einer größeren Menge des Lokalanästhetikums kommt es zu einer Lokalanästhetikaintoxikation, die zentralnervöse (Krampfanfälle) bis hin zu lebensbedrohlichen kardiovaskulären Reaktionen hervorruft (7 Kap. 10.10). Initialsymptome können metallischer Geschmack, periorales Taubheitsgefühl, Müdigkeit und verwaschene Sprache sein. Die Therapie besteht bei zentralnervösen Komplikationen in adäquater Oxygenierung, der Gabe von Benzodiazepinen, ggf. auch dem Einsatz von Barbituraten bis hin zur Allgemeinanästhesie. Bei Auftreten kardiotoxischer Komplikationen erfolgt die Unterstützung des Kreislaufs, der Ausgleich von Elektrolyten und des Säure-BasenHaushalts nach Blutgasanalyse, ggf. der kardiopulmonalen Reanimation und Gabe von Katecholaminen.
9 Kombinierte Spinalepiduralanästhesie (CSE) U. Nickel
9.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
9.1.1
Indikationen – 123
9.1.2
Kontraindikationen – 123
9.2
Kanülen, Katheter, Sets
9.3
Technik der CSE
9.3.1
Lagerung – 123
9.3.2
Leitstrukturen
9.3.3
Zugangswege – 124
9.3.4
Technik – 124
9.3.5
Punktion und Injektion
9.3.6
Lagerung nach Injektion
9.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSE – 126
9.4.1
Spinalanästhesie nicht möglich
9.4.2
Epiduralanästhesie nicht möglich
9.5
Besonderheiten der CSE
9.5.1
Epidurale Nachinjektion
9.5.2
Testdosis – 127
9.6
Spezifische Komplikationen
9.6.1
Versehentliche intrathekale Lage des Epiduralkatheters
9.6.2
Komplikationen durch Kontakt der Spinalkanüle
– 123
– 123
– 123
– 123
– 125 – 126
– 126 – 127
– 127
– 127
mit dem Epiduralkatheter – 128
– 127 – 127
9.6.3
Postspinaler Kopfschmerz (PDPH)
9.6.4
Neurologische Komplikationen
Literatur
– 128
– 128
– 128
123
9.3 · Technik der CSE
9.2
)) Die Kombination von Spinal- und Epiduralanästhesie vereint die Vorzüge einer schnellen und intensiven zentralen Blockade mit der Möglichkeit der Nachinjektion und der postoperativen Analgesie.
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
Kanülen, Katheter, Sets
Die CSE wird mittels spezieller Kombinationen von Kanüle und Katheter durchgeführt (Einzelheiten 7 Kap. 9.3.4). Generell wird das in nachfolgender Tabelle aufgeführte Material benötigt.
9.3 9.1
9
Technik der CSE
9.3.1 Lagerung
9.1.1 Indikationen
Ebenso wie die anderen rückenmarknahen Techniken ist die CSE grundsätzlich bei allen Eingriffen im Bereich der unteren Extremitäten möglich (7 Kap. 5.1). Aufgrund der aufwändigeren Technik sollte jedoch eine gezielte Indikationsstellung erfolgen. Indiziert ist die CSE durch die Möglichkeit der Nachinjektion bei Eingriffen von mehr als 2 Stunden Operationsdauer. Sie bietet, im Vergleich zur alleinigen Epiduralanästhesie, den Vorteil des raschen Wirkungseintritts. Postoperativ kann der Epiduralkatheter belassen und zur Schmerztherapie genutzt werden.
Die Punktion kann in sitzender Position oder in Seitenlage erfolgen. Die sitzende Position ist für die Identifikation der Mittellinie und der für die Punktion erforderlichen Winkel am einfachsten. Der Patient wird auf dem OP-Tisch aufgesetzt oder an die Seite des OP-Tisches mit über die gegenüberliegende Kante hängenden Beinen platziert. Er wird zur maximalen Flexion der LWS aufgefordert (»Katzenbuckel«) und sollte das Kinn auf die Brust nehmen. Ein Helfer ist erforderlich, der den Patienten von vorne stützt. Die Anlage der Epiduralanästhesie in Seitenlage erfolgt analog dem in 7 Kap. 6.3 beschriebenen Vorgehen bei der Spinalanästhesie.
9.1.2 Kontraindikationen
9.3.2 Leitstrukturen
Die Kontraindikationen entsprechen denen anderer rückenmarknaher Verfahren (7 Kap. 5.1). Darüber hinausgehende spezifische Kontraindikationen existieren für die CSE nicht.
Der Punktionsort für die CSE liegt auf Höhe L3/4 oder L4/5, seltener L2/3. Der Schnittpunkt einer Linie zwischen den beiden Cristae iliacae mit der Lendenwirbelsäule trifft den 4. Lendenwirbelkörper oder den Zwischenwirbelraum L4/5 (7 Kap. 6, . Abb. 6.2).
Kanülen, Katheter
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 CSE-Set z. B. Epi Star CSE Maxi-
5 Mepivacain 1% (Hautin-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
Set (Fa. Rüsch) mit: – Tuohy-Kanüle 18G – Standardspinalkanüle 26G (45×127 mm) – Epiduralkatheter (L=900 mm) – Zubehör (Flachfilter, Adapter) 5 alternativ z. B. Espocan Katheterset (Fa. Braun, Melsungen)
filtration) 2 ml 5 Testdosis: z .B. Lido-
cain 1% mit Adrenalin 1:200.000 (3–4 ml) 5 Bupivacain 0,5% isobar, alternativ für epidurale Injektion: Ropivacain 1%
– Sterile Kompressen – Abdecktuch – Aufziehkanüle – Subkutankanüle – Spritzen (2 ml, 2×5 ml, 2×10 ml) 5 NaCl 0,9% 10 ml 5 Lösung zur Hautdesinfektion
124
1 2 3 4 5 6
9.3.3 Zugangswege
Der Zugang zum lumbalen Epiduralraum wird in der Regel von der Mittellinie aus gewählt. Grundsätzlich ist eine Punktion auch vom paramedianen Zugang aus möglich; dies sollte von der jeweiligen Technik (»Needle-through-needle« oder Punktion in 2 unterschiedlichen Segmenten) abhängig gemacht werden.
9.3.4 Technik ! Verschiedene Techniken der CSE werden beschrieben: die Ein-Segment-Technik, »Single-segment«-Technik (SST), als »Needle-through-needle«-Technik durchgeführt und die Zwei-SegmentTechnik, »Double-segment«-Technik (DST).
7 8 9 10 11 12 13 14
Kapitel 9 · Kombinierte Spinalepiduralanästhesie
Es gibt bisher keinen Konsens darüber, welche der Techniken die günstigere ist, da beide Vor- und Nachteile aufweisen. Ursprünglich wurde die CSE als Zwei-Segment-Technik eingeführt: der Epiduralkatheter wird hierbei in einem Segment vorgeschoben, und, nach vorheriger Applikation einer epiduralen Testdosis, die Spinalanästhesie in einem tieferen Segment durchgeführt. Diese Technik ist etwas aufwändiger, gilt jedoch als sicherer und geht mit einer höheren Erfolgsquote einher als die Ein-Segment-Technik. Bei der Ein-Segment-Technik erfolgen spinale und epidurale Punktion in einem Segment. Hierzu
wurden spezielle CSE-Sets mit modifizierter Tuohy-Kanüle entwickelt, die in verschiedenen Ausführungen angeboten werden. Die Spinalkanüle wird durch die Tuohy-Kanüle eingeführt (»Needlethrough-needle«-Technik). Die meisten Tuohy-Kanülen haben an ihrem zentralen Ende in der Achse der Kanüle eine zusätzliche Öffnung (»back eye«), durch die die Spinalkanüle austritt (. Abb. 9.1). Die Spinalkanüle benutzt die gleiche Führung wie der Epiduralkatheter. In diesem Fall wird aufgrund der möglichen Beschädigung des Epiduralkatheters durch die Spinalkanüle die Spinalanästhesie zuerst durchgeführt, erst anschließend wird der Katheter platziert. Nachteil hierbei ist, dass die epidurale Testdosis keine Aussagekraft hinsichtlich einer möglichen intrathekalen Lage des Katheters hat und sogar das Risiko einer hohen Spinalanästhesie beinhaltet. Zudem kann auch bei korrekter Katheterlage nach bereits erfolgter Durapunktion nicht selten Liquor aspiriert werden. Viele der heute eingesetzten Sets haben in der Tuohy-Kanüle eine spezielle Führungsrille oder einen Führungsschlauch für die Spinalkanüle. Dies ermöglicht, dass der Epiduralkatheter zunächst gefahrlos eingeführt werden kann, und die Spinalanästhesie erst nach negativer Testdosis durchgeführt wird. Nachteile der »Needlethrough-needle«-Technik sind eine höhere Versagerquote sowie nicht selten technische Schwierigkeiten aufgrund der zu kurzen Spinalkanüle. Im Folgenden wird die weit verbreitete »Needle-through-needle«-Technik (. Abb. 9.2) mit ei-
15 16 17 18 19 20
a
b
. Abb. 9.1a,b. Tuohy-Kanüle mit sog. »back eye« zum Austritt der Spinalkanüle
125
9.3 · Technik der CSE
Epiduralkatheter
Spinalkanüle
Epiduralraum
9
. Abb. 9.2. Durchführung der CSE: Schematische Darstellung der epiduralen und spinalen Punktion bei der »Needlethrough-needle-Technik« (Sagittalschnitt). Der Epiduralkatheter wird zunächst in den Epiduralraum eingeführt, nach negativer Testdosis wird über das sog. »back eye« die Spinalkanüle platziert
. Abb. 9.3. CSE-Set zur »Needle-through-needle-Technik« (EpiStar, Fa. Rüsch)
ner in die Tuohy-Kanüle integrierten Führungsrille für die Spinalkanüle (z. B. EpiStar CSE Maxi Set, Fa. Rüsch; . Abb. 9.3) dargestellt.
9.3.5 Punktion und Injektion 5 Identifikation des entsprechenden Zwischen-
wirbelraums, sorgfältige Desinfektion und steriles Abdecken. 5 Hautquaddel und Infiltration des Stichkanals mit 1–2 ml Lokalanästhetikum. 5 Einführen der speziellen Tuohy-Kanüle mit der Öffnung nach kranial bis zum Lig. supra-
spinale. Bei kranialer Ausrichtung der Tuohy-Kanüle besteht die größtmögliche Distanz zwischen Epiduralkatheter und dem Ort der Durapunktion. 5 Entfernen des Mandrins und Aufsetzen einer mit Kochsalz gefüllten 10-ml-Spritze. 5 Beim weiteren Vorschieben wird die führende Hand am Rücken abgestützt (Vermeidung ruckartiger Bewegungen). 5 »Loss-of-resistance«-Technik:
Die führende Hand übt einen (leichten) kontinuierlichen Druck auf den Spritzenkolben aus. Das Lig. flavum stellt in der Regel einen erhöhten elastischen Widerstand dar. Beim
126
1 2 5
3
5
4 5
5 5
6 7 8 9
5
10 11 12 13 14 15
5
5 5 5 5
Kapitel 9 · Kombinierte Spinalepiduralanästhesie
Eintritt der Kanülenspitze in den Epiduralraum kommt es zu einem plötzlichen Widerstandsverlust, es lassen sich leicht mehrere ml Kochsalz injizieren. Der Epiduralraum befindet sich üblicherweise in 4–8 cm Tiefe. Das Aufsuchen des Epiduralraums ist auch mit der Technik des »hängenden Tropfens« möglich (7 Kap. 8.3). Vorschieben des Epiduralkatheters 3–4 cm nach kranial über die Tuohy-Kanüle hinaus. Beim Auftreten von Parästhesien oder plötzlich einschießender Schmerzen in Gesäß oder Bein (Nervenwurzelkontakt) Kathetervorschub unterbrechen (in der Regel sofortige Rückbildung der Beschwerden). Bei Fortbestehen der Beschwerden Katheter und TuohyKanüle sofort zusammen entfernen, danach ggf. erneute Punktion. Nach korrekter Katheterpositionierung Aspirationskontrolle (kein Liquor!) und Gabe einer Testdosis mit Adrenalin zum Ausschluss einer intravasalen oder intrathekalen Lage (7 Kap. 8.5). Bei negativer Testdosis: Vorschieben der Spinalkanüle durch den speziell dafür vorgesehenen parallelen Kanal der Tuohy-Kanüle. Nach Aspiration von Liquor Injektion der spinalen Dosis des Lokalanästhetikums. Entfernen der Spinalkanüle. Entfernen der Tuohy-Kanüle. Fixierung des Epiduralkatheters und steriler Verband; bei geplanter postoperativer Schmerztherapie über den Epiduralkatheter empfiehlt sich eine Annaht.
16 Dosierungsvorschlag: Spinale Dosis
17
5 In der Regel werden 2 ml Bupivacain 0,5%
isobar spinal appliziert.
18 19 20
Bei unzureichender Ausdehnung der Blockade kann nach der Fixierungszeit des Lokalanästhetikums epidural nachinjiziert werden.
Dosierungsvorschlag: Epidurale Nachinjektion 5 Die erforderliche epidurale Dosis von Bu-
pivacain 0,5% isobar beträgt zwischen 1,5 und 2 ml pro unblockiertem Segment.
Nachinjektionen erfolgen je nach Wirkdauer des Lokalanästhetikums. Nach vorheriger Austestung des Anästhesieniveaus kann bei initial ausreichender Blockadehöhe etwa nach einer Stunde mit der fraktionierten Nachinjektion über den Epiduralkatheter begonnen werden. Wurde der Patient in der Zwischenzeit umgelagert, sollte vor der Injektion eine erneute Testdosis appliziert werden.
9.3.6 Lagerung nach Injektion
Nach Fixierung des Katheters wird der Patient in Rückenlage gebracht.
9.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der CSE
Zu allgemeinen Schwierigkeiten bei der Anlage von Spinal- bzw. Epiduralanästhesien wird auf die 7 Kap. 6 (Spinalanästhesie) und 8 (Epiduralanästhesie) verwiesen. Zusätzlich können spezifische Probleme bei der CSE auftreten.
9.4.1 Spinalanästhesie nicht möglich
Bei der »Needle-through-needle«-Technik ist es in ca. 5–10% der Fälle nicht möglich nach Einführen des Epiduralkatheters die Spinalanästhesie durch die liegende Tuohy-Kanüle durchzuführen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Spinalkanüle nicht lang genug ist, und selbst bei maximaler Einführtiefe die Dura nicht erreicht. Da der Abstand von der Spitze der Tuohy-Kanüle bis zur Hinterwand des Duraschlauches mehr als 10 mm betragen kann, ist eine extra lange Spinalkanüle erforderlich. Diese ist in den kommerziellen CSESets enthalten.
127
9.6 · Spezifische Komplikationen
Das Handling dieser sehr langen und dünnen Spinalkanülen ist schwierig. Eine Abweichung der Spinalkanüle von der Sagittalebene nach Austritt aus der Tuohy-Kanüle ist denkbar, sodass die Nadelspitze den Durasack lateral passiert. Ist die korrekte Identifikation des Spinalraums bei Einführung der Spinalkanüle durch die Tuohy-Nadel nicht möglich, so empfiehlt es sich auf eine Zwei-Segment-Technik überzugehen und in einem tieferen Segment mit einer herkömmlichen Spinalkanüle erneut zu punktieren.
9
meneffekt). Aber auch der Abfluss von Lokalanästhetikum durch das Duraleck und Veränderungen des epiduralen Druckes spielen möglicherweise eine – wenn auch untergeordnete – Rolle. Die genannten Faktoren sind v. a. vor der endgültigen Fixierung des spinal applizierten Lokalanästhetikums relevant.
9.5.2 Testdosis ! Sorgfältige Aspiration; stets nur kleine Bolusdosen über den Epiduralkatheter geben.
9.4.2 Epiduralanästhesie nicht möglich
Die Versagerquote der Epiduralanästhesie im Rahmen einer CSE unterscheidet sich wahrscheinlich kaum von der einer Epiduralanästhesie alleine. Sollte die Einführung des Epiduralkatheters nicht möglich sein und ist eine alleinige Spinalanästhesie für die Dauer der Operation nicht ausreichend, so muss eine Allgemeinanästhesie durchgeführt werden.
9.5
Besonderheiten der CSE
Erfolgt die Spinalanästhesie vor der Einführung des Epiduralkatheters, ist die epidurale Testdosis nur bedingt aussagekräftig. Im Gegenteil, es kann durch eine zusätzliche (unter Umständen versehentlich subarachnoidale) Dosis von 3–4 ml des Lokalanästhetikums zu einer unvorhergesehen hohen Ausbreitung der Spinalanästhesie kommen. Eine sorgfältige Aspiration ist vor jeder Injektion wichtig. Alle Dosen über den Katheter sollten immer nur als kleine Boli verabreicht werden. Wird der Epiduralkatheter zuerst plaziert, hat die Testdosis ihre übliche Aussagekraft.
! Die CSE ist ein Multikompartmentblock. Epidurale Injektionen können die Ausbreitung der Spinalanästhesie beeinflussen.
9.5.1 Epidurale Nachinjektion ! Epidurale Nachinjektionen von Lokalanästhetika nach Gabe der spinalen Dosis führen bei der CSE zu einer schnellen und ausgeprägten Ausdehnung der spinalen Blockade. Eine langsame und fraktionierte Injektion kleiner Einzeldosen ist daher ratsam.
Mögliche Ursachen für die rasche Ausdehnung der Blockade durch eine epidurale Nachinjektion sind in erster Linie der Volumeneffekt und der Effekt des Lokalanästhetikums selbst. Aus der Zunahme des epiduralen Volumens resultiert eine Durakompression mit konsekutiver kranialer Ausbreitung des Liquors und des Lokalanästhetikums (Volu-
9.6
Spezifische Komplikationen
Alle in 7 Kap. 5.7 aufgeführten Komplikationsmöglichkeiten können auch bei der CSE auftreten. Schwere Komplikationen im Rahmen einer CSE sind selten. Durch das Verfahren bedingte spezifische Komplikationen sind nachfolgend aufgeführt.
9.6.1 Versehentliche intrathekale Lage
des Epiduralkatheters Eine akzidentelle Duraperforation kann sowohl bei der Punktion mit der Tuohy-Kanüle als auch beim Vorschieben des Katheters erfolgen. Auch eine Kathetermigration in den Subarachnoidalraum z. B. durch das Duraleck im weiteren Verlauf ist denkbar. Es gibt jedoch keine Hinweise dafür, dass diese Komplikation häufiger als bei einer herkömmlichen Epiduralanästhesie auftritt.
128
1 2 3
Kapitel 9 · Kombinierte Spinalepiduralanästhesie
Das Risiko einer intrathekalen Kathetermigration kann durch eine größtmögliche Distanz zwischen der Stelle der Durapunktion und dem Austritt des Epiduralkatheters (z. B. Verwendung einer Tuohy-Kanüle mit sog. »back eye«) vermindert werden.
4
9.6.2 Komplikationen durch Kontakt
5
der Spinalkanüle mit dem Epiduralkatheter
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Wird die Spinalkanüle nach Einführen des Epiduralkatheters vorgeschoben, so ist ein Kontakt bzw. eine Perforation des Katheters möglich. Das Risiko ist u. a. vom Typ der Spinalkanüle (Schliff) und der Laufrichtung des Katheters (kranial oder kaudal), abhängig.
9.6.3 Postspinaler Kopfschmerz (PDPH)
Das Risiko eines postspinalen Kopfschmerzes ist im Vergleich zu anderen rückenmarknahen Techniken nicht erhöht.
9.6.4 Neurologische Komplikationen
Die Inzidenz für das Auftreten von Parästhesien während der Durapunktion kann aufgrund der verwendeten langen Spinalkanülen etwas erhöht sein. Das Risiko schwerwiegender neurologischer Komplikationen ist im Vergleich zu den anderen rückenmarknahen Anästhesieverfahren jedoch nicht erhöht.
17
Literatur
18
Casati A, d’Ambrosio A, de Negri P, Fanelli G, Tagaviello V, Tarantino F (1998) A clinical comparison between needle-through-needle and double-segment techniques for combined spinal/epidural anesthesia. Reg Anesth 23: 390–394 Cook TM (2000) Combined spinal-epidural techniques. Anaesthesia 55: 42–64 Collis RE, Baxandall ML, Srikantharajah ID, Edge D, Kadim MY, Morgan BM (1994) Combined spinal epidural (CSE) anal-
19 20
gesia: Technique, management, and outcome of 300 mothers. Intern J Obst Anesth 3: 75–81 Felsby S, Juelsgaard P (1995) Combined spinal and epidural anesthesia. Anesth Analg 80: 821–826 Holmström B, Laugaland K, Rawal N, Hallberg S (1993) Combined spinal epidural block versus spinal and epidural block for orthopaedic surgery. Can J Anaesth 40: 601– 606 Joshi GP, McCarroll SM (1994) Evaluation of combined spinalepidural anesthesia using two different techniques. Reg Anesth 3: 169–174 Leeda M, Stiernstra R, Arbous S et al. (2002) The epidural »Top Up«. Predictors of increase of sensory blockade. Anesthesiology 96: 1310–1314 Puolakka R, Pizkänen MT, Rosenberg PH (2001) Comparison of technical and block characteristics of different combined spinal and epidural anesthetic techniques. Reg Anesth Pain Med 26: 17–23 Rawal N, van Zundert A, Holmström B, Crowhurst JA (1997) Combined spinal-epidural technique. Reg Anesth 22: 406–423 Rosenberg PH (1998) Novel technology: needles, microcatheters and combined techniques. Reg Anesth Pain Med 23: 363–369 Stienstra R, Dahan A, Alhadi BZR, van Kleef JW, Burm AGL (1996) Mechanism of action of an epidural top-up in combined spinal epidural anesthesia. Anesth Analg 83: 382–386 Stiernstra R, Dilrosum-Alhadi BZR, Dahan A, van Kleef JW, Veering B, Burm AGL (1999) The epidural »top-up« in combined spinal-epidural anesthesia: the effect of volume versus dose. Reg Anesth Pain Med 88: 810–814 Wildsmith JAW (1998) Problems with combined spinal and epidural anesthesia. Reg Anesth Pain Med 23: 388–389 Wilhelm S, Standl T (1997) CSA vs. CSE bei Patienten in der Unfallchirurgie. Anästhesist 46: 938–942
IV Periphere Leitungsanästhesie 10
Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
– 131
10 Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien U. Nickel
10.1
Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien – 133
10.1.1
Absolute Kontraindikationen
10.1.2
Relative Kontraindikationen
10.2
Blutgerinnung und periphere Leitungsanästhesie
10.3
Kanülen und Katheter für die periphere Leitungsanästhesie – 134
10.4
Auswahl der Lokalanästhetika
10.4.1
Mepivacain und Lidocain
10.4.2
Prilocain
10.4.3
Bupivacain
– 136
10.4.4
Ropivacain
– 136
10.4.5
Levobupivacain
10.4.6
Mischung von Lokalanästhetika
10.4.7
Zusätze zu Lokalanästhetika
10.5
Prinzip der elektrischen Nervenstimulation
10.6
Ultraschall und periphere Leitungsanästhesie
10.7
Überprüfung der Anästhesiewirkung
10.8
Konzepte der intraoperativen Analgosedierung
– 133 – 133
– 134
– 135
– 136
– 135
– 136 – 136
– 137
– 137 – 138
– 138 – 139
10.9
Monitoring
– 139
10.10
Erkennen und Management allgemeiner Komplikationen bei peripheren Leitungsanästhesien – 139
10.10.1 Lokalanästhetikaintoxikation 10.10.2 Nervenschäden 10.10.3 Infektion
10.11
– 141
Dokumentation
Literatur
– 142
– 140
– 141
– 139
133
10.1 · Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien
)) Durch Injektion eines Lokalanästhetikums in die Nähe eines peripheren Nerven, eines Nervenstammes oder eines Nervengeflechts (Plexus) entsteht eine dem Versorgungsgebiet des jeweiligen Nerven oder Nervengeflechts entsprechende umschriebene Blockade. In Abhängigkeit der Eigenschaften des Nerven (gemischter Nerv, rein sensibler Nerv) führt dies zu einer sensiblen und/oder sympathischen bzw. motorischen Blockade. Die Erfolgsquote dieser Verfahren liegt unter der rückenmarknaher Verfahren und ist im Wesentlichen von anatomischen Kenntnissen und manuellem Geschick abhängig. Periphere Leitungsanästhesien können sowohl in Verbindung mit einer Allgemeinanästhesie als auch als alleinige Anästhesieverfahren eingesetzt werden. Im Vergleich zur rückenmarknahen Regionalanästhesie sind sie mit einer geringeren Komplikationsrate behaftet und bieten, als Kathetertechnik durchgeführt, gleichermaßen die Möglichkeit einer effizienten postoperativen Analgesie. Nachteilig sind die aufwändige Technik, der größere Zeitaufwand für die Anlage und die Latenz bis zur chirurgischen Toleranz sowie die höhere Versagerrate, die bisweilen zum Wechsel des Anästhesieverfahrens führt.
10.1
Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien
Es existiert eine Reihe von allgemeinen Kontraindikationen für periphere Leitungsanästhesien, die für alle Blockadetechniken gleichermaßen gültig sind. Sie werden nachfolgend ausführlich dargestellt. Spezifische Kontraindikationen einzelner Verfahren werden in den jeweiligen Kapiteln erwähnt.
10.1.1 Absolute Kontraindikationen
10
oder Hämatome im Bereich der Punktionsstelle sowie für eine generalisierte Sepsis. Peripher lokalisierte Infektionen einer Extremität, die außerhalb des Punktionsgebietes liegen, sind nicht als Kontraindikationen anzusehen. Bei Bakteriämien sind Single-shot-Blockaden möglich, aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos sind Katheterverfahren nicht indiziert. Bei Störungen der Blutgerinnung oder Antikoagulanzientherapie sind Blockaden in Regionen, in denen keine Kompression von Blutgefäßen durchgeführt werden kann (Kopf-, Hals- und Rumpfbereich, z. B. Psoaskompartment-, Vertikal Infraklavikuläre Blockade), nicht durchzuführen. Blockaden in peripheren Bereichen (z. B. axilläre Plexusblockade, distale Ischiadikusblockade, Fuß- oder Handblock) können unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durchgeführt werden (z. B. Fußblock bei einem dialysepflichtigen Diabetiker mit Fußgangrän). Bei bekannter Allergie gegen Lokalanästhetika ist eine periphere Leitungsanästhesie kontraindiziert.
10.1.2 Relative Kontraindikationen
Stabile neurologische Erkrankungen oder neurologische Defizite stellen per se keine Kontraindikation für eine periphere Leitungsanästhesie dar. Aus forensischen Gründen sollte jedoch vorher eine Beurteilung und Dokumentation des neurologischen Status erfolgen und der Patient auf mögliche Nervenschäden hingewiesen werden. Schwierige anatomische Verhältnisse, z. B. ausgeprägte Adipositas, können die Lokalisation der Leitstrukturen und die Punktion erheblich erschweren. In diesen Fällen ist von einer Leitungsanästhesie abzuraten.
Allgemeine Kontraindikationen peripherer Leitungsanästhesien Absolut 5 Ablehnende oder unkooperative Patien-
Ablehnende oder unkooperative Patienten stellen, wie auch bei rückenmarknahen Techniken, absolute Kontraindikationen für periphere Leitungsanästhesien dar. Das gleiche gilt für Infektionen
ten 5 Infektionen oder Hämatome im Bereich
der Punktionsstelle
6
134
1 2 3 4 5
Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
5 Störungen der Blutgerinnung/Antikoagu-
lanzientherapie (absolute Kontraindikation bei Blockaden im Kopf-/Hals-Bereich oder am Rumpf) 5 Allergie gegen Lokalanästhetika
Relativ 5 Neurologische Erkrankung/Nervenschä-
den 5 Schwierige anatomische Verhältnisse
Bei Patienten mit manifester Gerinnungsstörung müssen die Blutgerinnung untersucht und Grenzwerte beachtet werden.
Erforderliche Blutgerinnungswerte bei peripheren Leitungsanästhesien (in Anlehnung an Tryba, 1989) 5 Quick >45% 5 aPTT <45 s 5 Thrombozyten >50.000/ml
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
10.2
Blutgerinnung und periphere Leitungsanästhesie
Auch bei peripheren Leitungsanästhesien ist eine intakte Blutgerinnung von Bedeutung, wenngleich die möglichen Komplikationen weniger schwerwiegend als bei rückenmarknahen Regionalanästhesien sind. Hier ist zwischen Blockaden in Gebieten, in denen keine direkte Kompression von Gefäßen möglich ist und Blockaden in peripher gelegenen Gebieten mit guter Kompressionsmöglichkeit zu differenzieren. ! Für Blockaden im Hals-, Kopf- und Rumpfbereich (z. B. infra-, supraklavikuläre und interskalenäre Plexusblockade sowie die Psoaskompartmentblockade gelten hinsichtlich des Gerinnungsstatus und der Komedikation mit gerinnungshemmenden Substanzen die gleichen Kriterien wie für rückenmarknahe Regionalanästhesien (7 Kap. 5).
Bei Blockaden in peripheren Gebieten (z. B. axilläre Plexusblockade, distale Ischiadikus-, Femoralisblockade, Fußblock) ist bei fehlenden anamnestischen und klinischen Hinweisen auf eine Gerinnungsstörung (7 Kap. 5.1) kein Gerinnungsscreening erforderlich. Auch die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern oder eine low-doseHeparinisierung stellen keine Kontraindikationen dar, sofern keine klinischen Hinweise auf eine manifeste Gerinnungsstörung vorliegen.
10.3
Kanülen und Katheter für die periphere Leitungsanästhesie
Für die Punktion unter kontinuierlicher Nervenstimulation stehen spezielle Stimulationskanülen zur Verfügung, die am Schaft isoliert und an der Spitze leitfähig sind (. Abb. 10.1). Hinsichtlich des Schliffes gibt es verschiedene Varianten. Stumpfe Kanülen mit 45°-Schliff eignen sich v. a. bei Techniken, bei denen eine Faszienhülle penetriert wird (»Faszienklick« bei Widerstandsverlust), wie z. B. bei der axillären Plexusblockade. Spitzere Kanülen (15°/30°-Schliff) sind besser durch größere Gewebeschichten einzuführen (z. B. bei der dorsalen Ischiadikusblockade), bergen aber ein erhöhtes Traumatisierungsrisiko für den Nerven. In Abhängigkeit von der Tiefe des zu blockierenden Nerven werden Stimulationskanülen unterschiedlicher Länge verwendet. Zum Teil besitzen die Kanülen eine Zuspritzmöglichkeit. Das Lokalanästhetikum kann bei korrekter Kanülenlage direkt injiziert werden, was den Vorteil einer zusätzlichen Kontrolle der Kanülenlage bietet, da während der Injektion die Stimulation fortgesetzt werden kann. Nach Injektion weniger Milliliter des Lokalanästhetikums sollte die Reizantwort sistieren und auch nach Erhöhung der Stimulationsstromstärke nicht wieder auftreten. Bei Kanülen ohne Zuspritzmöglichkeit muss der Mandrin aus der Kanüle entfernt und eine Injektionsleitung angeschlossen werden.
135
10.4 · Auswahl der Lokalanästhetika
a
10
b
. Abb. 10.1a,b. Kanülen für die periphere Leitungsanästhesie: a Übersicht: links immobile Nadel/rechts Kanüle ohne Zuspritzmöglichkeit; b detaillierte Darstellung der Nadelspitze: links Kanüle mit scharfem/rechts mit stumpfen Schliff
10.4
Auswahl der Lokalanästhetika
Die in 7 Kap. 5 aufgeführte . Tabelle 5.3 gibt eine ausführliche Übersicht über alle in Deutschland gebräuchlichen Amid-Lokalanästhetika. Im Folgenden wird auf spezielle Aspekte der bei peripheren Leitungsanästhesien eingesetzten Lokalanästhetika eingegangen.
10.4.1 Mepivacain und Lidocain
. Abb. 10.2. Stimulierbarer Katheter für die periphere Leitungsanästhesie
Auch für Kathetertechniken werden verschiedene Systeme angeboten. Der Katheter wird nach erfolgreicher Stimulation des Nerven durch eine Führungshülse vorgeschoben. Bei Verwendung von nichtstimulierbaren Kathetern ist eine spätere Verifizierung der Lage nicht mehr möglich. Beim Einsatz stimulierbarer Katheter (. Abb. 10.2) kann nach Positionierung des Katheters und Entfernung der Kanüle durch erneute Nervenstimulation die Lage kontrolliert und ggf. korrigiert werden.
Mepivacain (Meaverin, Scandicain) und Lidocain (Xylocain) zählen zu den mittellang wirkenden Amid-Lokalanästhetika. Sie haben eine kurze Anschlagzeit, jedoch verbunden mit einer kürzeren Wirkdauer als Prilocain, Bupivacain und Ropivacain. Aus diesem Grund werden diese Substanzen zunehmend von den heute gängigeren länger wirkenden Lokalanästhetika abgelöst und häufig nicht mehr routinemäßig eingesetzt.
10.4.2 Prilocain
Prilocain (Xylonest) unterscheidet sich von den anderen Amid-Lokalanästhetika durch sein großes Verteilungsvolumen, den damit verbundenen geringeren Plasmakonzentrationen und seiner geringeren Toxizität. Diese Eigenschaft ist gerade bei peripheren Leitungsanästhesien relevant, da
136
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
hohe Lokalanästhetikadosen eingesetzt werden. Prilocain wird deshalb gerade hier bevorzugt eingesetzt. Bei der intravenösen Regionalanästhesie ist Prilocain das Lokalanästhetikum der Wahl. Die Wirkdauer von Prilocain als mittellang wirkendes Lokalanästhetikum übersteigt die von Lidocain und Mepivacain, ist jedoch kürzer als die von Bupivacain und Ropivacain. Zur Verlängerung der Wirkung werden bei der peripheren Leitungsanästhesie gerne Kombinationen mit langwirkenden Lokalanästhetika verwendet. Die Tendenz geht heute dahin die Dosierung von Prilocain etwas großzügiger zu handhaben. Eine klinisch sichtbare Methämoglobinämie tritt bei Dosen von 8–10 mg/kgKG auf. In der Literatur werden klinisch relevante Zeichen ab einem Methämoglobingehalt von >20% beschrieben, die in der Regel bei noch höheren Dosierungen (>900 mg) auftreten. Bei gesunden Patienten ist die Methämoglobinämie selten klinisch relevant. Vorsicht ist bei Patienten mit kardialer bzw. pulmonaler Beeinträchtigung oder Anämie geboten. Hier sind die Dosierungen von Prilocain zu reduzieren.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
10.4.3 Bupivacain
Bupivacain (Bucain, Carbostesin) wird aufgrund seiner langen Wirkdauer häufig bei peripheren Single-shot-Leitungsanästhesien eingesetzt. Bupivacain führt zu einer guten sensorischen und motorischen Blockade und wird in Konzentrationen von 0,5% verwendet. Bei peripheren Leitungsanästhesien ist die Kardiotoxizität von Bupivacain aufgrund der hohen Dosierungen besonders zu beachten. Um sich den Vorteil der langen Wirkungsdauer zunutze zu machen, werden oft Kombinationen mit Prilocain verwendet.
10.4.4 Ropivacain
Ropivacain (Naropin) ist wegen der im Vergleich zu Bupivacain geringeren Kardio- und Neurotoxizität gerade bei peripheren Leitungsanästhesien interessant. Ähnlich wie auch bei rückenmarknaher Anwendung ist die Anästhesiequali-
tät von Ropivacain auch bei peripheren Leitungsanästhesien mit der von Bupivacain vergleichbar. Die Anschlagzeit bei Verwendung der 0,5%igen Lösung ist ähnlich. Es werden Konzentrationen von 0,5–0,75% eingesetzt, wobei unklar ist, ob die 0,75%ige Lösung der 0,5%igen tatsächlich überlegen ist. Zu beachten ist die leicht vasokonstriktorische Wirkung von Ropivacain, die nur bei niedrigen Konzentrationen nachzuweisen ist. Injektionen in Endstromgebiete sollten deshalb nicht erfolgen.
10.4.5 Levobupivacain
Auch Levobupivacain (Chirocain) 0,5% eignet sich aufgrund seiner im Vergleich zu Bupivacain geringeren Kardiotoxizität bei ebenfalls langer Wirkdauer gut zur peripheren Leitungsanästhesie. Die Wirkdauer übersteigt deutlich die der epiduralen Anwendung. Motorische und sensorische Blockade halten ähnlich lange an. Dies im Gegensatz zur epiduralen Applikation, bei der die motorische Blockadedauer kürzer als die sensorische ist. Der Einsatz von Levobupivacain zur IVRA ist nicht erlaubt. Da Levobupivacain erst seit kurzem in Deutschland im Handel ist, sind die klinischen Erfahrungen mit dieser Substanz derzeit noch begrenzt.
10.4.6 Mischung von Lokalanästhetika
Kombinationen verschiedener Lokalanästhetika werden in der klinischen Praxis häufig eingesetzt, unterliegen jedoch einer kontroversen Beurteilung. Durch Kombination eines Lokalanästhetikums mit kurzer Anschlagzeit (und mittellanger Wirkdauer) mit einem Lokalanästhetikum mit langer Wirkdauer (und langer Anschlagzeit), zumeist Prilocain mit Bupivacain oder Ropivacain, verspricht man sich optimale Wirkbedingungen und, durch Dosisreduktion der Einzelsubstanzen, eine geringere Toxizität. Eindeutig ist die durch die Kombination der Substanzen erreichte Wirkverlängerung. Dies ist v. a. bei Single-shot-Blockaden ein klarer Vorteil. Bei Kathetertechniken ist
137
10.5 · Prinzip der elektrischen Nervenstimulation
eine Kombination nicht nötig, da die Wirkdauer durch Nachinjektionen oder eine kontinuierliche Infusion beliebig verlängert werden kann.
10
den, sodass dieser weder bei Single-shot-Blockaden noch bei kontinuierlichen Verfahren derzeit routinemäßig empfohlen werden kann.
! Cave Zu beachten ist jedoch, dass Kombinationen von Lokalanästhetika nicht weniger toxisch als die Monosubstanzen sind; im Gegenteil: sie addieren sich in ihrer Systemtoxizität.
Hinzu kommen noch nicht hinreichend erforschte pharmakokinetische Interaktionen, die z. B. durch die Veränderung des pH-Wertes durch Mischung der Substanzen entstehen können.
10.5
Prinzip der elektrischen Nervenstimulation
Die elektrische Nervenstimulation ist heute Standard bei der Lokalisation von Nerven im Rahmen peripherer Leitungsanästhesien. Sie gewährleistet einen guten Blockadeerfolg bei gleichzeitiger Reduktion von Komplikationen. Für diesen Zweck wurden spezielle Nervenstimulatoren entwickelt (. Abb. 10.3), die mit speziellen Stimulationskanülen zusammen verwendet werden.
10.4.7 Zusätze zu Lokalanästhetika ! Die einstellbaren Parameter sind Impulsbreite
Clonidin
[ms], Stromstärke [mA] und Impulsfrequenz [Hz].
Der Zusatz von Clonidin zu kurz- und mittellang wirkenden Lokalanästhetika verkürzt die Anschlagzeit, verbessert die sensorische Blockade und verlängert die Wirkdauer peripherer Nervenblockaden nach einmaliger Bolusgabe schon in niedrigen Dosen (30–90 µg). Die minimale Dosis zur Verlängerung der Anästhesie wird in der Literatur mit 0,5 µg/kgKG angegeben. Dosisabhängig können typische α2-agonistische Nebenwirkungen wie Hypotension und Sedierung auftreten. Auch eine Abnahme der pulsoxymetrisch gemessenen O2-Sättigung kann beobachtet werden. Eine Überwachung von Atmung und Kreislauf ist daher beim Einsatz höherer Dosen anzuraten.
Vasokonstriktoren Der Zusatz von Vasokonstriktoren (z. B. Adrenalin) zu mittellang wirkenden Lokalanästhetika wie Mepivacain und Lidocain führt zu einer Verlängerung der Blockade. Für Prilocain, Bupivacain und v. a. Ropivacain ist dies nicht relevant, ebenso wenig für kontinuierliche Techniken. Mögliche systemische Nebenwirkungen wie Tachykardie oder Blutdrucksteigerung sind zu beachten.
Opioide Bisher konnte kein eindeutig positiver Effekt eines Opioidzusatzes zu Lokalanästhetika bei peripheren Leitungsanästhesien nachgewiesen wer-
. Abb. 10.3. Nervenstimulator Stimuplex HNS 11 (Fa. B. Braun, Melsungen)
138
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
Bei der Einstellung spielt die Impulsbreite eine wesentliche Rolle. Zur Reizung eines motorischen Nerven sind in der Regel (bei Patienten ohne neurologische Vorschädigung) Impulsbreiten <0,15 ms ausreichend. Bei Impulsbreiten >0,15 ms werden auch sensible Aδ- und C-Fasern gereizt, was die Stimulation für den Patienten unangenehm und schmerzhaft machen kann. Als adäquate Reizantwort ist die Kontraktion des jeweiligen Kennmuskels zu werten. Zwischen der Stärke der Kontraktion und der Distanz zwischen Nadelspitze und Nerv besteht eine Korrelation. Kommt es nur bei hoher Impulsbreite oder hoher Stromstärke zu einer Muskelkontraktion, so ist die Kanülenspitze noch weit vom Nerven entfernt. Eine Injektion ist nicht sinnvoll. Die Distanz ist v. a. bei Nerven, die in einer Faszienhülle (z. B. bei der Femoralisblockade oder der axillären Plexusblockade) liegen, relevant. Der Plexus kann bei hohen Stromstärken oder hohen Impulsbreiten sogar durch diese Fazienhülle gereizt werden. Werden jedoch Impulsbreite und Stromstärke zu niedrig gewählt, besteht das Risiko einer Nervenverletzung. Die Impulsfrequenz wird in der Regel mit 2 Hz eingestellt. Durch die höhere Frequenz ist eine bessere Lokalisation möglich. Bei verletzten Extremitäten kann die Impulsfrequenz ggf. auf 1 Hz reduziert werden, was die Stimulation für den Patienten weniger unangenehm macht. Die Stromstärke zu Beginn der Stimulation beträgt 0,8–1 mA. Mit zunehmender Annäherung an den Nerven wird die Stromstärke bei gleichbleibender Impulsbreite schrittweise bis auf 0,3 mA reduziert. Unter dieser Stromstärke sollte noch eine Reizantwort vorhanden sein (Injektionsstromstärke). Nimmt die Reizantwort unter der Reduktion zu stark ab oder verschwindet sie, muss die Position der Kanüle korrigiert werden. Ist bei einer Stromstärke von 0,3 mA eine ausreichende Reizantwort vorhanden, erfolgt eine weitere Reduktion zur Bestimmung der Schwellenstromstärke. Diese sollte nicht unter 0,1–0,2 mA liegen, andernfalls muss die Kanüle etwas zurückgezogen werden. Anschließend kann das Lokalanästhetikum bei weiterhin adäquater Reizantwort nach Erhöhung auf 0,3 mA injiziert werden.
Elektrische Nervenstimulation 5 Impulsbreite: motorische Nerven 0,1 ms,
sensible Nerven 0,3 ms (bei Patienten mit Polyneuropathie bis zu 1,0 ms) 5 Impulsfrequenz: 2 Hz 5 Stromstärke: Beginn mit 0,8–1 mA, schrittweise Reduktion auf 0,3 mA 5 Injektionsstromstärke: 0,3 mA
10.6
Ultraschall und periphere Leitungsanästhesie
Bei schwierigen anatomischen Verhältnissen (z. B. ausgeprägter Adipositas) kann die Lokalisierung der Leitstrukturen erheblich erschwert sein. Ist eine Palpation der gesuchten Arterie nicht möglich, so kann man mit Hilfe eines Ultraschallgerätes die Gefäß-Nerven-Scheide darstellen und die Lokalisation des Nervs erleichtern. Eine ultraschallgesteuerte Punktion und Nervenlokalisation ist ebenfalls möglich, aber aufgrund des erheblichen Aufwandes noch nicht für den Routinebetrieb geeignet.
10.7
Überprüfung der Anästhesiewirkung
Nach Ablauf der Anschlagzeit des Lokalanästhetikums müssen Ausbreitung und Effizienz der Blockade beurteilt werden. In Abhängigkeit vom verwendeten Lokalanästhetikum kann die Zeit bis zur vollständigen Anästhesie 30–45 min betragen. Erstes Zeichen einer erfolgreichen Blockade ist eine Wärmeempfindung in der betroffenen Extremität, die durch Sympathikolyse hervorgerufen wird. Im weiteren Verlauf stellen sich dann ein zunehmendes Taubheitsgefühl sowie (bei gemischten Nerven) eine motorische Blockade ein. Die sensible Ausdehnung der Blockade wird mittels »Pinprick« bestimmt. Hierbei wird die Ausschaltung von Aδ-Fasen mittels eines Nadelreizes geprüft (Spitz-Stumpf-Differenzierung). Die endgültige Beurteilung der Anästhesiequalität sollte nicht zu früh vorgenommen werden, da sonst
139
10.10 · Erkennen und Management allgemeiner Komplikationen …
möglicherweise die Wirkung noch nicht voll entfaltet ist.
10.8
Konzepte der intraoperativen Analgosedierung
10
rationsgebiet beruhen, sollte umgehend auf eine Allgemeinanästhesie übergegangen werden.
Möglichkeiten der Analgosedierung 5 Midazolam (Dormicum) 1-mg-weise als
Wie bei der rückenmarknahen Regionalanästhesie kann auch bei peripheren Leitungsblockaden eine Sedierung den Komfort des Patienten während der Operation erhöhen und/oder den Stress bei der Anlage der Blockade reduzieren. Von klinischer Relevanz ist diese Maßnahme zum einen beim Risikopatienten, zum anderen erleichtert sie die Anlage einer Blockade bei Kindern. Bei Verwendung eines Nervenstimulators ist die Anlage der Leitungsanästhesie auch unter Sedierung möglich. Intraoperativ kann eine (Analgo-)sedierung beim Auftreten von Schmerzen erforderlich werden. Diese können durch eine nicht ganz zufriedenstellende Blockadequalität, durch einen Tourniquet in nicht vollständig anästhesiertem Gebiet oder durch Abklingen der Leitungsanästhesie gegen Operationsende bedingt sein. Viele Patienten wünschen jedoch generell eine leichte Sedierung während des Eingriffs. Analgetika oder Sedativa können sowohl bolusweise als auch als kontinuierliche Infusion appliziert werden. Zur Sedierung werden am häufigsten Benzodiazepine (Midazolam) eingesetzt. Eine einmalige Gabe zu Operationsbeginn ist oft ausreichend. Bei längerdauernden Eingriffen bietet sich Propofol, niedrig dosiert, als kontinuierliche Infusion an. Zur Analgesie werden in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand und den Vorerkrankungen des Patienten Ketamin oder Opioide (Piritramid) eingesetzt. Zur Anwendung von Remifentanil zur Supplementierung einer Regionalanästhesie liegen aktuell noch nicht viele Untersuchungen vor. Es deutet sich jedoch eine Überlegenheit im Vergleich zu Propofol an.
Bolus 5 Propofol (Disoprivan) 1,5–4,5 mg/kgKG/h,
ggf. Bolus von 10–20 mg 5 Ketamin (Ketanest) 10 mg als Bolus, ggf.
Repetition (bis max. 1 mg/kgKG), in Kombination mit Midazolam 5 Piritramid (Dipidolor) 3 mg als Bolus, ggf. Repetition 5 ggf. Remifentanil (Ultiva) 0,05(–0,1) µg/ kgKG/min
10.9
Monitoring
Die Überwachung des Patienten beginnt vor der Anlage der peripheren Leitungsanästhesie und wird bis zur Entlassung aus dem Aufwachraum fortgesetzt. Sie beinhaltet das Monitoring des Herz- und Kreislaufsystems mittels EKG und noninvasiver Blutdruckmessung sowie die kontinuierliche Pulsoxymetrie, die Überwachung der Atmung und des Bewusstseins. Ein invasives Monitoring ist nur bei besonders gefährdeten Patienten mit gravierenden Vorerkrankungen indiziert. ! Ein venöser Zugang ist bei jeder Art von Regionalanästhesie obligat.
10.10 Erkennen und Management
allgemeiner Komplikationen bei peripheren Leitungsanästhesien 10.10.1 Lokalanästhetikaintoxikation
! Bei intraoperativen Schmerzäußerungen des Patienten sollte man als Erstes die Schmerzursache eruieren. Treten stärkere Schmerzen auf, die auf einer unvollständigen Blockade im Ope-
Die systemisch-toxische Wirkung der Lokalanästhetika bei akzidenteller intravasaler Injektion oder Überdosierung gehört zu den schwerwie-
140
Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
4
gendsten Komplikationen peripherer Leitungsanästhesien. Nach der Einführung von Bupivacain traten einige Todesfälle auf, die zu einer Sensibilisierung für dieses Thema geführt haben. Lokalanästhetika üben ihre systemischen Wirkungen am zentralen Nervensystem (ZNS) und am Herzen aus. Das ZNS reagiert empfindlicher als das Herz, d. h. die Symptome am Herzen treten erst später bzw. nach höheren Dosen auf.
5
Zentralnervöse Komplikationen
1 2 3
6 7 8
Die zentralnervösen Symptome sind variabel und vielgestaltig und abhängig von der Dosis des injizierten Lokalanästhetikums und der Injektionsgeschwindigkeit. Erste Zeichen einer Lokalanästhetikaintoxikation können ein periorales Taubheitsgefühl und metallischer Geschmack sein, weitere Symptome können sich innerhalb kürzester Zeit entwickeln.
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Zeichen der Lokalanästhetikaintoxikation am Herzen 5 5 5 5 5 5 5
Reduktion der Kontraktilität Verlängerung des PR-Intervalls Verbreiterung des QRS-Komplexes AV-Blockierung Reentryphänomene Kammertachykardie, Kammerflimmern Herzkreislaufstillstand
Die Therapie besteht im sofortigen Abbruch der Injektion und der Gabe von Sauerstoff. Bei Zeichen eines Krampfanfalls werden Benzodiazepine oder Barbiturate verabreicht, bei einem Herzkreislaufstillstand wird sofort mit der erweiterten kardiopulmonalen Reanimation begonnen. Der Patient wird intubiert und beatmet. Hypoxie, Azidose und Hyperkaliämie sind unbedingt zu vermeiden.
Zeichen der Lokalanästhetikaintoxikation am zentralen Nervensystem 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Periorales Taubheitsgefühl Metallischer Geschmack Verwirrtheit Verwaschene Sprache Akustische und visuelle Störungen Zittern Wirre Sprache Bewusstlosigkeit Grand-mal-Anfälle Koma Atemstillstand
Prävention der Lokalanästhetikaintoxikation 5 Sorgfältige Aspiration vor jeder Injektion
eines Lokalanästhetikums. 5 Langsame und schrittweise Injektion (eini-
ge Minuten nach jeder Spritze abwarten). 5 Ständiger Sprechkontakt zum Patienten
während der Injektion zum Erkennen von Frühsymptomen. 5 Keine starke Sedierung während der Anlage der Blockade.
Kardiovaskuläre Komplikationen Am Herzen führen Lokalanästhetika zur Beeinträchtigung der Erregungsleitung und der Kontraktilität. Bupivacain beeinflusst beide Faktoren stärker als Lidocain und Ropivacain.
10.10.2 Nervenschäden
Die Inzidenz schwerwiegender bzw. anhaltender Nervenschäden nach peripheren Leitungsanästhesien ist gering (<1‰). Die Verwendung eines Nervenstimulators schützt nicht vor direkter Traumatisierung eines Nerven mit der Kanüle, hilft aber das Risiko zu reduzieren. Bei Parästhesien während der Lokalisation eines Nerven sollte die Kanüle umgehend zurückgezogen
141
10.11 · Dokumentation
10
10.11 Dokumentation
und keinesfalls ein Lokalanästhetikum injiziert werden.
Eine exakte Dokumentation ist v. a. im Hinblick auf mögliche Komplikationen wichtig. Folgende Punkte sollten auf dem Narkoseprotokoll dokumentiert werden.
10.10.3 Infektion ! Infektionen nach peripherer Leitungsanästhesie sind selten; bei Katheterverfahren werden sie häufiger als bei Single-shot-Blockaden beobachtet.
Dokumentation bei peripherer Leitungsanästhesie 5 5 5 5
Meist äußern sie sich als oberflächliche, lokale Infektionen im Bereich der Einstichstelle. ! Cave Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, malignen Erkrankungen, Therapie mit Steroiden oder Immunsuppressiva, Niereninsuffizienz, Alkoholabusus oder Störung der Abwehrfunktion sind am ehesten gefährdet.
5 5 5 5 5 5
Bei bestehenden Infektionen im Bereich der Punktionsstelle sollte keine Leitungsanästhesie durchgeführt werden, eine Infektion im Versorgungsgebiet des Nerven stellt hingegen keine Kontraindikation dar. Bei kontinuierlichen Verfahren dienen regelmäßige Inspektionen der Kathetereintrittsstelle einer frühzeitigen Erkennung von lokalen Veränderungen. Bei Rötung oder Schwellung in diesem Gebiet muss der Katheter umgehend entfernt und die Katheterspitze zur mikrobiologischen Untersuchung eingesandt werden.
RA-Methode: Punktionsort
Lagerung bei RA Kopftieflage
5
. Abb. 10.4 gibt ein Beispiel für die übersichtli-
che Dokumentation peripherer Leitungsanästhesien auf einem Narkoseprotokoll.
regionale Zusatzverfahren: median
lateral
Sitzen
Bemerkungen
Blutaspiration Päresthesie Injektionsschmerz
Liqour Liegen Sekunden akzidentell
Kanüle/-stärke Zahl Punktionen: Einstichtiefe/Hautniveau: Kathertertiefe im Verteilungsraum:
Lagerung des Patienten bei der Punktion Punktionsort Anzahl der Punktionen Komplikationen bei der Punktion (z. B. Parästhesien, Schmerzen) Kanülentyp, -durchmesser, -länge Verwendung eines Nervenstimulators Reizstromstärke und Impulsbreite bei Injektion Blockadeerfolg vor Operationsbeginn Blockadeerfolg während der Operation Auslösung von Parästhesien? Luftaspiration? Bei Katheterverfahren: Durchmesser des Katheters, Einführtiefe bei Hautniveau, Länge im Verteilungsraum
stimulierter Nerv
cm cm
mA
RA-Effekt vor OP-Beginn 0 (keine Wirkung) 1 (Analgesie) 2 (Anästhesie)
klar blutig msec
Katheter/-stärke
entlassen von
RA-Erfolg während OP verlegt nach PACU A (suffiziert) Normalstation B (zusätzliche Analgesie) Wachstation C (Verfahrensänderung) Intensivstation
. Abb. 10.4. Beispiel für die Dokumentation peripherer Nervenblockaden (Narkoseprotokoll der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Mainz)
142
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 10 · Allgemeine Aspekte peripherer Leitungsanästhesien
Literatur Auboyer C (1998) Risk of infection and locoregional anesthesia. Ann Fr Anesth Reanim 17: 1257–1260 Auroy Y, Benhamou D, Bargues L et al. (2002) Major complications of regional anesthesia in France. The SOS Regional Anesthesia Hotline Service. Anesthesiology 97: 1274– 1280 Bernard JM, Macaire P (1997) Dose-range effects of clonidine added to lidocaine for brachial plexus block. Anesthesiology 87: 277–284 Camu F, Breivik H, Hagelberg A et al. (1995) A double-blind, placebo controlled study of the safety and efficacy of remifentanil used as an adjunct sedative in patients receiving regional anaesthesia. Anesthesiology 83: A847 Cuvillon P, Ripart J, Lalourcey L et al. (2001) The continuous femoral nerve block catheter for postoperative analgesia: bacterial colonization, infectious rate and adverse effects. Anesth Analg 93: 1045–1049 Dullenkopf A, Borgeat A (2003) Lokalanästhetika. Unterschiede und Gemeinsamkeiten der »-caine«. Anästhesist 52: 329–340 Eisenach JC, de Kock M, Klimscha W (1996) Alpha sub 2-adrenergic agonists for regional anesthesia. A clinical review of clonidine (1984-1995). Anesthesiology 85: 655–674 Faccenda KA, Finucane BT (2001) Complications of regional anaesthesia: Incidence and prevention. Drug Saf 24: 413–442 Foster RH, Markham A (2000) Levobupivacaine: a review of its pharmacology and use as a local anaesthetic. Drugs 59: 551–579 Graf BM, Martin E (2001) Periphere Nervenblockaden. Eine Übersicht über neue Entwicklungen einer alten Technik. Anästhesist 50: 312–322 Hjelm M, Holmdahl MH (1996) Clinical chemistry of prilocaine and clinical evaluation of Methemoglobinaemia induced by this agent. Acta Anaesthesiol Scand 16: S161–S170 Hickey R, Blanchard J, Hoffmann J, Sjovall R, Ramamurthy S (1990) Plasma concentrations of ropivacaine given with or without epinephrine for brachial plexus block. Can J Anaesth 37: 878–882 Kapral S, Marhofer P, Grau T (2002) Ultraschall in der Regionalanästhesie. Teil I: Technische Entwicklungen und Grundlagen. Anästhesist 51: 931–937 Lund PC, Cwick JC (1965) Citanest – a clinical and laboratory study. Anesth Analg 44: 712–721 Marhofer P, Oismüller C, Faryniak B, Sitzwohl C, Mayer N, Kapral S (2000) Three-in-one blocks with ropivacaine: evaluation of sensory onset time and quality of sensory block. Anesth Analg 90: 125–128 McClellan KJ, Faulds D (2000) Ropivacaine: an update of its use in regional anaesthesia. Drugs 60: 1065–1093 McClure JH (1996) Ropivacaine. Br J Anaesth 76: 300–307 Mehrkens HH (2000) Periphere Regionalanästhesie. Tutorium im Rehabilitationskrankenhaus Ulm, 2. erweiterte Auflage
Neuburger M, Rotzinger M, Kaiser H (2001) Elektrische Nervenstimulation in Abhängigkeit von der benutzten Impulsbreite. Eine quantitative Untersuchung zur Annäherung der Nadelspitze an den Nerven. Anästhesist 50: 181–186 Niesel HC, Kaiser H (1991) Grenzdosis für Lokalanästhetika. Empfehlungen nach toxikologischen und pharmakokinetischen Daten. Reg Anesth 14: 79–82 Picard P, Tramer M, McQuay H, Moore R (1997) Analgesic efficacy of peripheral opioids (all except intra-articular): a qualitative systematic review of randomized controlled trials. Pain 72: 309–318 Schnorr Ch, Menges T, Hempelmann G (1990) Lokalanästhetikamischungen bei verschiedenen Verfahren der Regionalanästhesie. AINS 25: 193–197 Sia S, Lepri A (1999) Clonidine administered as an axillary block does not affect postoperative pain when given as the sole analgesic. Anesth Analg 88: 1109–1112 Singelyn F, Gouverneur JM, Robert A (1996) A minimum dose of clonidine added to mepivacaine prolongs the duration of anesthesia and analgesia after axillary brachial plexus block. Anesth Analg 83: 1046–1050 Tryba M (1989) Hämostaseologische Vorraussetzungen zur Durchführung von Regionalanästhesien. Regionalanästhesie 12: 127–131 Tryba M (1989) Pharmakologie und Toxikologie der Lokalanästhetika – klinische Bedeutung. Sonderdruck aus: Regionalanästhesie. 3. neubearbeitete Auflage. Gustav Fischer, Stuttgart Voges O, Hofmockel R, Benad G (1997) Comparison of dose relations of prilocaine and bupivacaine for axillary plexus anesthesia. Anaesthesiol Reanim 22: 63–68 Whiteside JB, Wildsmith JAW (2001) Developments in local anaesthetic drugs. Br J Anaesth 87: 27–35 Zink W, Graf BM (2003) Toxikologie der Lokalanästhetika. Anästhesist 52: 1102–1123
V Periphere Leitungsanästhesie bei Eingriffen an der oberen Extremität 11
Blockade des Plexus brachialis
– 145
12
Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen
13
Handgelenkblockade
14
Leitungsanästhesien am Finger (Oberst-Block)
15
Intravenöse Regionalanästhesie (IVRA), Bier-Block
– 169
– 179 – 183 – 185
11 Blockade des Plexus brachialis A. Brambrink
Anatomische Grundlagen 11.1 11.1.1 11.1.2
11.2
– 147
Indikationen und Kontraindikationen Indikationen – 149 Kontraindikationen – 150
– 149
11.2.4
Interskalenäre Blockade des Plexus brachialis Indikationen – 151 Kontraindikationen – 152 Kanülen, Katheter, Sets – 153 Zugangswege – 153
11.2.5
Punktionstechnik bei der interskalenären Plexusanästhesie
11.2.6 11.2.7
– 156 Spezifische Komplikationen – 156
11.2.8
Empfehlungen für ambulante Patienten
11.3
11.3.4
Vertikal infraklavikuläre Blockade des Plexus brachialis – 157 Indikationen – 158 Kontraindikationen – 158 Kanülen, Katheter, Sets – 159 Zugangswege – 159
11.3.5
Punktionstechnik bei vertikal infraklavikulärer Blockade
11.2.1 11.2.2 11.2.3
11.3.1 11.3.2 11.3.3
– 151
Typische Begleitsymptome
des Plexus brachialis
– 157
– 159 – 161
11.3.6
Spezifische Komplikationen
11.3.7
Empfehlungen für ambulante Patienten
– 162
– 153
11.4
11.4.4
Axilläre Blockade des Plexus brachialis Indikationen – 162 Kontraindikationen – 163 Kanülen, Katheter, Sets – 164 Zugangswege – 164
11.4.5
Punktionstechnik bei axillärer Plexus-brachialis-Blockade – 164
11.4.6
Spezifische Komplikationen – 167
11.4.7
Empfehlungen für ambulante Patienten
11.5
Bewertung der unterschiedlichen Verfahren zur Blockade des Plexus brachialis – 167
11.4.1 11.4.2 11.4.3
– 162
– 167
147
)) Durch Injektion einer relativ großen Menge (30– 50 ml) eines Lokalanästhetikums in die gemeinsame Faszie des Plexus brachialis und seiner terminalen Nervenstränge (N. radialis, N. medianus, N. ulnaris) kann die Erregungsleitung in die obere Extremität einschließlich der Schulter unterbrochen werden. Die resultierende reversible chirurgische Anästhesie erlaubt, abhängig vom verwendeten Lokalanästhetikum, operative Eingriffe über einen Zeitraum von mehreren Stunden. Neben der profunden sensorischen Blockade resultiert typischerweise auch eine ausgeprägte motorische und sympathische Blockade, die als Muskelrelaxation und Vasodilatation erkennbar wird. Das Ausmaß der Blockade und die regionale Verteilung (C5–Th1) ist abhängig von der Ausbreitung des Lokalanästhetikums innerhalb der Faszie, und damit zentral vom Punktionsort (z. B. interskalenär vs. axillär) sowie dem verwendeten Injektionsvolumen.
Anatomische Grundlagen Für den klinisch tätigen Anästhesisten wirkt die anatomische Organisation des Plexus brachialis auf den ersten Blick kompliziert und wenig eingängig. Die scheinbare Notwendigkeit, Ursprung, Verlauf und Endergebnis von zervikaler Nervenwurzel bis hin zum peripheren Nerven der oberen Extremität nachzuvollziehen und jederzeit vor dem geistigen Auge präsent zu haben, nährt das grundsätzliche Gefühl der Unsicherheit des Klinikers und hemmt eher die Anwendung der verschiedenen Blockadetechniken dieses Nervengebiets. Aus unserer Sicht sind für den Anästhesisten nur wenige Fakten zur Anatomie wirklich essenziell. Vielmehr sollte er sich auf den Erwerb einer soliden Kenntnis zur funktionellen Zuordnung der 4 peripheren Nerven der oberen Extremität konzentrieren. Die anatomische Grundstruktur des Plexus brachialis ist im Prinzip einfach: die den Arm versorgenden Nerven entspringen aus den ventralen Abgängen des Halsmarks von C5–Th1 (. Abb. 11.1). Auf ihrem Weg nach distal ver-
11
binden sich unterschiedliche Anteile zunächst zu Trunci (in Höhe der Skalenuslücke), dann zu Faszikeln (lateral der ersten Rippe und unter der Klavikula) um schließlich die 4 Armnerven zu bilden (bei Wiederaustritt kaudal-lateral der Klavikula bzw. am lateralen Rand des M. pectoralis minor). In der Axilla liegen die 3 Hauptnerven N. radialis, N. medianus und N. ulnaris in unmittelbarer Nähe der A. axillaris und sind daher dort relativ einfach zu lokalisieren. Der vierte Nerv, der N. musculocutaneus, liegt etwas kranial dieser GefäßNerven-Scheide tief im Muskel des M. coracobrachialis vor dem Humerusknochen. Der Plexus brachialis ist von einer Faszienscheide umhüllt, die aus der Prävertebral- bzw. der Skalenusfaszie entspringt und in den Oberarm hineinzieht. Diese bildet das anatomische Korrelat für eine mehr oder weniger gleichmäßige Blockade dieser Nervenstruktur durch eine einzelne Injektion, wobei das Ausmaß des klinischen Effekts auf die Nervenwurzeln C5–Th1 in bestimmten Grenzen auch vom Injektionsort abhängt (. Abb. 11.2). Der Plexus brachialis wird oft mit einer Sanduhr verglichen: Die Nervenäste treten breit gefächert aus dem Halsmark aus, liegen im Bereich der Klavikula eng beieinander (Sanduhrtaille), um sich schließlich weiter distal wieder aufzufächern. Eine Nervenblockade im Bereich des Halses betäubt sicher die Schulter, jedoch ergeben sich im Bereich des Armes häufig Lücken, v. a. im Versorgungsgebiet des N. ulnaris an Unterarm und Hand, da die kaudalen Segmente des Plexus brachialis nicht sicher erreicht werden. Eine Blockade im Bereich der Klavikula (Sanduhrtaille) erreicht den gesamten Arm, während bei der weiter distal gelegenen axillären Blockade der N. musculocutaneus sehr häufig und der N. radialis manchmal ausgespart bleiben. Wichtig ist eine genaue Vorstellung von der funktionellen Zuordnung zwischen peripherem Nerv und Muskel- bzw. Hautinnervation (. Abb. 11.3). Letztendlich sind auch diese Beziehungen recht übersichtlich: Der N. radialis versorgt die gesamte dorsale Muskulatur der oberen Extremität unterhalb der Schulter (»Strecker«). Der N. musculocutaneous versorgt die Beuger des Oberarms und ist ein rein sensibler Nerv für
148
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
. Abb. 11.1. Schematische Darstellung des Plexus
1
brachialisN. ulnaris. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 11.2a,b. Plexus brachialis: a Anatomie, b Topographie der Blockadetechniken. (Mit freundl. Genehmigung aus: Refresher Course Nr. 26 [2000] Springer, Berlin Heidelberg New York)
den Unterarm (radialseitig). Die beiden anderen Nerven, N. medianus und N. ulnaris haben keinen Einflussbereich im Oberarm. Sie versorgen die gesamte ventrale Muskulatur in Unterarm
und Hand (»Beuger«) sowie die assoziierten sensiblen Dominanzgebiete. Während der N. medianus überwiegend den Unterarm innerviert, ist die Hand eher vom N. ulnaris dominiert.
149
11.1 · Indikationen und Kontraindikationen
. Abb. 11.3. Sensible Versorgungsgebiete und Area propria an der oberen Extremität. (Mod. nach Niesel, HC [1994] Regionalanästhesie, Lokalanästhesie, Regionale Schmerztherapie. Thieme, Stuttgart New York)
ständige Kontrolle der Nadelspitze in Bezug auf die A. vertebralis kann das Risiko für Gefäßverletzungen mit u. U. schwerwiegenden Folgen (regionale Hirnischämie) reduziert werden. Auf seinem Weg in den Thorax zieht der N. phrenicus kaudal auf der ventralen Fläche des vorderen Skalenusmuskels. Bei zervikaler Blockade des Plexus brachialis (interskalenär, supraklavikulär) wird der ipsilaterale N. phrenicus daher praktisch immer betäubt, selten dagegen bei infraklavikulärem Zugang. Es resultiert eine einseitige Zwerchfelllähmung mit -hochstand, die typischerweise ohne klinische Symptomatik bleibt. Allerdings kann dies bei Patienten mit eingeschränkter pulmonaler Reserve unter Umständen zur Dyspnoe und entsprechenden perioperativen Problemen führen. Darüber hinaus ist gerade bei diesen Patienten die klinische Differenzialdiagnose, z. B. zum Pneumothorax, dann besonders erschwert.
11.1
Mit 4 einfachen Tests können die 4 peripheren Nerven des Arms getrennt getestet werden.
11
Indikationen und Kontraindikationen
11.1.1 Indikationen Nervenfunktionstest 5 Blockade N. radialis: keine Streckung im
Ellbogengelenk 5 Blockade N. musculocutaneus: keine Beugung im Ellbogengelenk 5 Blockade N. medianus: Zeigefinger taub 5 Blockade N. ulnaris: Kleinfinger taub
Zwei weitere anatomische Strukturen im Bereich des Plexus brachialis verlangen aufmerksame Beachtung: Bei einer Nervenblockade in Wirbelsäulennähe, z. B. bei der klassischen interskalenären Plexusblockade nach Winnie, sollte dem Kliniker ständig die unmittelbare Nähe zur A. vertebralis bewusst sein. Die beiden Aa. vertebrales verlaufen auf ihrem Weg zum Gehirn in einer Mulde des Processus transversus unmittelbar ventral und medial der Austrittsstellen der zervikalen Nervenwurzeln. Ab HWK 6 sind sie zusätzlich von einem Knochenbogen umgeben. Nur durch eine
Viele chirurgische Eingriffe an der oberen Extremität können unter Einsatz einer Leitungsanästhesie des Plexus brachialis oder seiner terminalen Nervenstränge (N. radialis, N. medianus, N. ulnaris) durchgeführt werden (. Tabelle 11.1). Bei ausgedehnten Schulteroperationen (z. B. Akromioplastik, Rotatorenmaschettennaht) wird die interskalenäre Blockade intraoperativ mit einer Allgemeinanästhesie kombiniert und dient in erster Linie der postoperativen Analgesie sowie der Reduktion des intraoperativen Anästhetikabedarfs. Sollen Schultereingriffe dennoch in reiner Leitungsanästhesie vorgenommen werden (z. B. bei »Kleeblattplatte«), können zusätzlich weitere Nerven blockiert werden. Der vordere Schulterbereich ist zusätzlich über den oberflächlichen Halsplexus (C1–C4) innerviert, sodass z. B. eine Infiltration der entsprechenden Nervenaustrittsstellen am Hinterrand des ipsilateralen M. sternocleidomastoideus zur Supplementierung geeignet wäre.
150
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
. Tabelle 11.1. Vorschlag zur Differenzialindikation der Leitungsanästhesie an der oberen Extremität Ziel
Günstiges Verfahren
Supplementierung
Schulter Oberarm
Interskalenäre Blockade
Allgemeinanästhesie
Vertikal infraklavikuläre Blockade
Ggf. intraoperative Sedierung
axilläre Blockadea
Ggf. intraoperative Sedierung
i.v.-Regionalanästhesie OA-Blutsperre mit Spezialmanschette
Ggf. intraoperative Sedierung
Distaler Oberarm Ellenbogen Proximaler Unterarm (+ Oberarmblutsperre) Distaler Unterarm Handwurzel Handflächeb Fingerb (Operationsdauer >30 min) Handflächeb Fingerb (OP-Dauer <30 min)
a dabei wird die OA-Blutsperre in der Regel gut toleriert, ggf. Supplementierung durch Sedierung oder präoperative Blockade des
N. musculocutaneus am Oberarm. b ein isolierter Handblock ist in der Regel nicht möglich, weil fast immer intraoperativ eine Blutsperre notwendig ist.
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Für chirurgische Interventionen am distalen Oberarm, Ellenbogen oder radialseitig am Unterarm bietet sich die vertikal-infraklavikuläre Blockade (VIB) an. Darüber hinaus eignet sich die VIB auch für Eingriffe an den übrigen Anteilen des Unterarmes und der Hand, hier insbesondere bei absehbar länger dauernden Operationen. Die axilläre Plexus brachialis-Blockade stellt zugleich den am weitesten distal gelegenen Zugang zur gemeinsamen Faszie dar. Geeignet ist diese, zugleich risikoärmste, Plexusblockade allerdings nur für Interventionen an Unterarm (insbesondere ulnarseitig) und Hand. Ist der operative Eingriff in »Blutleere« geplant und erfordert daher die Anlage einer Blutsperre (Tourniquet), so ist bei axillärem Zugang oft eine separate Blockade des N. musculocutaneous notwendig (verlässt die gemeinsame Faszie des Plexus brachialis bereits unterhalb der Klavikula). Für eine vollständige Blockade dieses Bereichs wird von einigen Autoren zusätzlich eine zirkuläre Infiltration am Oberarm empfohlen, um eine sensorische Weiterleitung über die Nn. cutanaeous antebrachii medialis (C8–Th1) und intercostobrachialis (Th2) auszuschalten (Hautinnervation der me-
dialen und posterioren Aspekte des proximalen Oberarms).
11.1.2 Kontraindikationen
Neben den allgemeinen Kontraindikationen einer peripheren Leitungsanästhesie (7 Kap. 10.1) gelten darüber hinaus einige spezifisch für die Blockade des Plexus brachialis, die je nach Punktionsort variieren.
Fremdkörper Spezielle Kontraindikationen für eine Plexus-brachialis-Blockade stellen selbstverständlich Fremdkörper im Punktionsgebiet dar (z. B. ein ventrikuloatrialer/-peritonealer Shunt bei interskalenärer Blockade, Schrittmacher oder Port-Katheter bei VIB).
Lungenfunktionsstörungen Stets sollte vor einer interskalenären Blockade die Lungenfunktion des Patienten eingeschätzt werden, da grenzwertig kompensierte Störungen leicht durch eine zusätzlich ipsilaterale Blo-
151
11.2 · Interskalenäre Blockade des Plexus brachialis
ckade des N. phrenicus dekompensieren können. Auch eine vorbestehende kontralaterale Parese des N. phrenicus kann durch den gleichen Mechanismus in eine respiratorische Insuffizienz münden. In ähnlicher Weise kann eine kontralaterale Recurrensparese zur vollständigen Stimmbandlähmung führen und signifikante Atemstörungen induzieren.
Schwierige anatomische Verhältnisse im Punktionsgebiet
Synopsis In jedem Einzelfall müssen dann Vor- und Nachteile einer Plexusanästhesie abgewogen werden, wobei immer auch die individuelle Erfahrung des verantwortlichen Anästhesisten einen wesentlichen Einfluss auf die Anästhesieplanung haben wird. Eine sorgfältige und auf die speziellen Verhältnisse abgestimmte Aufklärung des Patienten ermöglicht schließlich eine Festlegung des Prozedere. Die speziellen Kontraindikationen für die Anästhesie des Plexus brachialis sind im Folgenden noch einmal zusammengefasst. Absolute Kontraindikationen 5 Lokale Infektionen, Hämatome im Punkti-
onsbereich 5 Fremdkörper im Punktionsgebiet (z. B.
5 5 5
5
Relative Kontraindikationen 5 Schwierige anatomische Verhältnisse, wie
z. B. Adipositas per magna 5 Disloziert verheilte Klavikulafraktur, etc.
(insbesondere bei VIB)
11.2
Als relative Kontraindikationen können sicher schwierige anatomische Verhältnisse gelten, wie z. B. Adipositas per magna oder eine disloziert verheilte Klavikulafraktur (beim VIB).
ventrikuloatrialer Shunt, Schrittmacher, Port-Katheter bei IscB, VIB) Kontralaterale Phrenicusparese (bei IscB, VIB) Kontralaterale Recurrensparese (bei IscB) Grenzwertig kompensierte Lungenfunktionsstörung (IscB, VIB)Ausgeprägtes Lungenemphysem (hohe Pleurakuppel; insbesondere bei VIB; bei IscB mit Zugang nach Winnie) Shuntarm (VIB, axillärer Plexus)
6
11
Interskalenäre Blockade des Plexus brachialis
Bei der interskalenären Blockade wird am Hals (auf Höhe der Skalenuslücke) ein Lokalanästhetikum in die gemeinsame Faszie des Plexus brachialis injiziert mit dem Ziel einer segmentalen reversiblen sensiblen, motorischen und sympathischen Blockade der oberen Extremität einschließlich der Schulter.
11.2.1 Indikationen
Für Patienten, die sich operativen Eingriffen an Schulter oder proximalem Oberarm unterziehen müssen, stellt die Interskalenusblockade des Plexus brachialis (IscB) eine wichtige Behandlungsoption dar (. Abb. 11.4). Meist wird der IscB mit einer Allgemeinanästhesie kombiniert, kann aber in seltenen Fällen, z. B. bei Hochrisikopatienten, auch als ausschließliches Anästhesieverfahren erwogen werden. In diesen Fällen kann ein IscB auch für eine Schulterreposition indiziert sein. Eine besondere Bedeutung gewinnt der IscB in der postoperativen Schmerztherapie. Auf konventionellem Wege ist bei »großen« Schultereingriffen nur mit hohen Dosen an Opioiden eine ausreichende Schmerzkontrolle zu erzielen, deren Einsatz durchaus risikobehaftet ist. In diesen Fällen kann ein IscB mittels Kathetertechnik eine hervorragende Alternative darstellen. Bei bestimmten Patienten ist die interskalenäre Blockade mittels Katheter auch für eine krankengymnastische Behandlung von großem Nutzen. Bei richtiger Indikationsstellung repräsentiert die IscB eine Technik mit einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Patienten und erscheint als ein wich-
152
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
. Abb. 11.4. Hintere Skalenuslücke: Topographie. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
tiger Bestandteil des anästhesiologischen Repertoirs in der Schulterchirurgie.
Absolute Kontraindikationen 5 Lokale Infektionen im Punktionsbereich 5 Fremdkörper im Punktionsgebiet
11.2.2 Kontraindikationen
Ist sichergestellt, dass keine allgemeinen Kontraindikationen für die Anlage einer peripheren Leitungsanästhesie bestehen (7 Kap. 10.1), müssen stets die spezifischen Kontraindikationen des beabsichtigten Verfahrens beachtet werden. Für den IscB resultieren diese aus möglichen Fremdkörpern im Punktionsbereich, vorbestehender kontralateraler Nervenfunktionsstörung sowie bekannter Lungenfunktionsstörung. Schwierige anatomische Verhältnisse gelten stets nur als relative Kontraindikationen und müssen sorgfältig mit dem möglichen Nutzen für den Patienten und der praktischen Erfahrung des verantwortlichen Anästhesisten abgewogen werden. Die Kontraindikationen des IscB sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt.
(z. B. ventrikuloatrialer Shunt) 5 Kontralaterale Phrenikusparese 5 Kontralaterale Rekurrensparese 5 Grenzwertig kompensierte Lungenfunkti-
onsstörung
Relative Kontraindikation 5 Schwierige anatomische Verhältnisse
(z. B. Adipositas per magna)
Dem Patient sollte das Vorgehen bei der Prämedikationsvisite sorgfältig erklärt werden, um die Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft bei der späteren Anlage der Blockade zu fördern. Dabei ist es unerlässlich, den Patienten über die Vorund Nachteile, die möglichen Begleitsymptome sowie die potenziellen Risiken der Methode aufzuklären. Bei der Auswahl der Technik sollte – wenn immer möglich – der Zugang nach Meier gewählt werden, da das Nutzen-Risiko-Profil hier am günstigsten ausfällt.
153
11.2 · Interskalenäre Blockade des Plexus brachialis
11.2.3 Kanülen, Katheter, Sets
Grundsätzlich sollte eine periphere Leitungsanästhesie – so auch die Blockade des Plexus brachialis – wenn immer möglich unter Verwendung eines Nervenstimulators durchgeführt werden. Daher empfehlen wir den Einsatz von stimulierbaren Kanülen (7 Kap.11.3). Bei der Dosierung des Lokalanästhetikums müssen stets die entsprechenden Höchstdosen beachtet werden. Zur Vermeidung von gefährlichen Begleitreaktionen durch Lokalanästhetikaüberdosierungen muss im Einzelfall das Volumen bzw. die Konzentration der verwendeten Substanzen angepasst werden. Nachfolgende Tabelle fasst das für eine interskalenäre Blockade des Plexus brachialis notwendige Material zusammen (7 Kap. 10.3).
11.2.4 Zugangswege
Drei verschiedene Zugangswege werden derzeit beschrieben: 1. Die klassische Technik nach Winnie (Erstbeschreibung 1970) sucht die hintere Skalenuslücke in Höhe des Cricoids (HWK 6) auf, um den Plexus brachialis zu blockieren. 2. Die modifizierte Technik nach Meier (1996) beschreibt einen 2 cm weiter kranial positionierten und eher flacheren Zugang in die Skalenuslücke. 3. Der posteriore Zugang nach Pippa (1990, erstmals 1912 durch Kappis beschrieben) erfolgt
11
von dorsal ebenfalls in Höhe des Cricoids in sagittaler Stichrichtung, um ebenfalls in der Skalenuslücke den Plexus brachialis zu erreichen. Der modifizierte Zugang nach Meier (der sog. »anteriore Zugang« zum Plexus brachialis) eignet sich besser, um einen Katheter für eine längerfristige Schmerztherapie einzubringen. Darüber hinaus scheint durch das insgesamt flachere Vorgehen das Risiko für eine Punktion der A. vertebralis bzw. der Dura mater deutlich geringer zu sein. Der Zugang nach Pippa ist aufgrund der eher komplexen anatomischen Zusammenhänge nur als sicher in den Händen des speziell erfahrenen und häufigen Anwenders einzuschätzen. Er spielt daher nur eine untergeordnete Rolle für die klinische Praxis, insbesondere in großen Abteilungen mit Ausbildungsverpflichtung. Im Folgenden wird aufgrund des günstigen Risiko-Nutzen-Profils nur der modifizierte Zugang nach Meier im Detail beschrieben (. Abb. 11.5); für die beiden anderen Techniken sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.
11.2.5 Punktionstechnik bei der inter-
skalenären Plexusanästhesie (modifizierter, »anteriorer« Zugang nach Meier) Lagerung Die Anlage einer interskalenären Plexusanästhesie erfolgt in Rückenlage (kein Kopfkissen), wobei der zu blockierende Arm bequem am Körper
Stimulationskanüle
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Single shot: Stimulierbare atrau-
5 Mepivacain 1%
5 Regionalanästhesie-Basisset:
matische Kanüle mit Zu-spritzmöglichkeit (z. B. Stimuplex D 25G, 50 mm, 15°-Schliff (Fa. Braun, Melsungen) 5 Kathetertechnik: Contiplex Katheterset (Fa. Braun, Melsungen) oder Stimulong Plus Katheterset (Pajunk GmbH, Geisingen) mit stimulierbarem 20G-Katheter
(Hautinfiltration) 2 ml 5 30–50 ml Lokalanästhetikum
5 5 5 5 5
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (2 × 2 ml, 5 ml, 3–5 × 10 ml) Lösung für Hautdesinfektion Nervenstimulator Maßband Nichtabwaschbarer Stift Bakterienfilter bei Kathetertechnik
154
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
1 2 3 4 5 6 7
. Abb. 11.5. Anteriore interskalenäre Blockade. (Mit freundl. Genehmigung aus: Refresher Course Nr. 26 [2000] Springer, Berlin Heidelberg New York)
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 11.6. Interskalenäre Blockade (Technik nach G. Meier). (Mit freundl. Genehmigung von Dr. D. Craß aus: Rossaint/ Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
Punktion und Injektion anliegen sollte. Der Kopf des Patienten wird leicht zur Gegenseite gedreht.
5 Bestimmung und Markierung der Punktions-
stelle. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
Leitstrukturen Ähnlich der klassischen Technik orientiert sich der Anwender beim modifizierten (anterioren) Zugang nach Meier am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus. Die zweite wichtige Struktur ist die Incisura thyreoidea (ca. 2 cm oberhalb des Ringknorpels). Der Kreuzungspunkt der Verlängerung dieser Line nach lateral mit dem Hinterrand des M. sternocleidomastoideus (durch kurzes Anheben des Kopfes in Rückenlage kann diese Struktur beim Patient in der Regel leicht identifiziert werden) bildet den Einstichpunkt in die Skalenuslücke (Cave: V. jugularis externa kreuzt nahe dieses Punkts; Einstichpunkt ggf. geringfügig modifizieren). Die Nadelführung erfolgt prinzipiell nach lateral im Verlauf der Skalenuslücke. Der imaginäre Zielpunkt ist die Basis der Skalenuslücke an der Grenze zwischen mittlerem und lateralem Drittel der Klavikula (entspricht auch dem Punktionsort für den VIB; an selber Stelle oberhalb der Klavikula kreuzt die A. subclavia, die getastet bzw. mittels Ultraschall identifiziert und äußerlich markiert werden kann; . Abb. 11.6). In Bezug auf die Hautoberfläche ergibt sich so eine Stichrichtung von etwa 30° nach kaudal und 15° nach dorsal.
tionsgebietes. 5 Oberfächliche Lokalanästhesie der Punkti-
onsstelle. ! Nur geringe Mengen des Lokalanästhetikums (1,0 ml) verwenden; durch ausgedehnte Infiltration in der Tiefe kann die Stimulationsantwort herabgesetzt werden.
5 Penetration der Haut unter leicht drehenden
Bewegungen der Kanüle. 5 Vorschieben der Punktionskanüle in beschrie-
bener Weise, etwa 30° kaudal, 15° dorsal, jedoch im Prinzip nach lateral auf den klavikulären Zielpunkt hin orientiert. 5 Falls Kontakt mit dem Processus transversus eines Halswirbelkörpers (typischerweise des 6. HWK): Kanüle zurückziehen und weiter nach lateral vorschieben. 5 Kontakt zum Plexus brachialis beim normalgewichtigen Patienten nach ca. 2–4 cm (±1 cm; Truncus superior bzw. Anteile des Fasciculus lateralis). 5 Alle Manipulationen grundsätzlich unter Kontrolle mit dem Nervenstimulator (initial: 0,8 mA, 2 Hz, 0,1 ms).
155
11.2 · I nterskalenäre Blockade des Plexus brachialis
11
! Reizantwort: Muskelkontraktionen der M. deltoideus, M. biceps brachii; alternativ: M. trizeps, hier später einsetzende Analgesie.
5 Stromreduktion bis auf 0,3 mA, um eine aus-
reichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven zu gewährleisten; ggf. Kanüle weiter vorschieben, zurückziehen, winkelverschieben. ! Optimale Reizantwort: stabile Kontraktion des M. deltoideus bzw. des M. biceps brachii bei 0,3 mA, 0,1 ms.
5 Bestimmung der Schwellenstromstärke durch
5
5
5
5
weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. Injektion einer Testdosis von 5 ml zum Ausschluss einer intrathekalen oder intravasalen Lage. Bei korrekter Kanülenlage der Kanüle sistiert die motorische Antwort unmittelbar nach Applikation und ist auch nach Erhöhung der Stromstärke auf 1,0 mA nicht mehr nachweisbar. Fraktionierte und langsame Injektion des Lokalanästhetikums unter wiederholter Aspirationskontrolle (5-ml-Schritte, 1 min warten; unter kontinuierlicher Nervenstimulation [1,0 mA, 0,3 ms] zur möglichst frühzeitigen Identifizierung einer akzidentellen intravasalen Injektion); manche Autoren empfehlen die Applikation von externem Druck am Klavikularrand, um ein möglichst proximales Ausbreiten des Lokalanästhetikums und damit eine möglichst rasche und vollständige Blockade des Plexus brachialis zu erzielen. Vollständige Plexusblockade nach ca. 15–20 min zu erwarten.
Dosierungsvorschlag 5 40 ml Lokalanästhetikum, z. B. Prilocain
1% 30 ml + Ropivacain 0,75% bzw. Bupivacain 0,5% 10 ml
Viele Kliniker tendieren heute dazu eher höhere Dosen von Prilocain einzusetzen. Wird Prilocain bei Patienten mit einem Körpergewicht von <60 kg, einer kardiopulmonalem Erkrankung oder Anämie eingesetzt, sollte die Dosierung reduziert werden. Hier kann zur Wahrung des erforderlichen Volumens z. B. eine geringer konzentrierte Lösung (z. B. Prilocain 0,75%) verwendet werden. Grundsätzlich sollte unmittelbar vor Verabreichung das Lokalanästhetikum durch die Stimulationsnadel aspiriert werden, um eine akzidentelle intravasale Fehllage der Nadelspitze zu erkennen. Nach Verabreichung der ersten 5 ml des Lokalanästhetikums sollte etwa 1 min gewartet werden (eine Kreislaufzeit, »Testdosis«) Die weitere Injektion sollte stets unter ständiger Nervenstimmulation erfolgen (1,0 mA, 0,3 ms). Beide Maßnahmen dienen der weiteren Reduktion des Risikos für eine akzidentelle intravasale Applikation des Lokalanästhetikums.
Besonderheiten bei Kathetertechnik Das Einbringen eines Katheters über den vorbeschriebenen Zugang erlaubt eine längerfristige und in vielen Fällen suffiziente postoperative Schmerztherapie oder z. B. die schonende Mobilisation eines zuvor immobilen Schultergelenks. Über denselben Katheter kann selbstverständlich initial die Plexusanästhesie für einen operativen Eingriff erfolgen. Eine sichere Lagekontrolle der Katheterspitze gelingt bei Verwendung eines stimulierbaren Katheters. Dieser wird unter Elektrostimulation etwa 4 cm über die Kanülenspitze vorgeschoben. Bei den neueren Kathetermodellen (z. B. 20G Stimulong Plus Katheter, Pajunk GmbH, Geisingen) ist sogar im späteren Verlauf der Schmerztherapie eine Lagekontrolle des Katheters möglich. Bei vorhandener bzw. nach wiedergekehrter Motorik kann dann, ebenfalls unter Verwendung eines
156
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
Nervenstimulators, die Lage der Katheterspitze identifiziert und ggf. korrigiert werden. Die Injektion von Lokalanästhetika in einen Katheter erfolgt unter den gleichen Kautelen wie bei der Single-shot-Technik (negative Aspiration, Testdosis, sofortiges Sistieren der Reizantwort). Zusätzlich sollte stets ein Bakterienfilter verwendet werden. Für eine zuverlässige Kontrolle der Kathetereintrittsstelle haben sich transparente sterile Pflaster bewährt. Vorbehaltlich einer Anpassung an Physiologie, Begleiterkrankungen und Beschwerdesymptomatik beim individuellen Patienten kann folgende Dosierungsempfehlung für eine Katheteranalgesie des Plexus brachialis gegeben werden. Dosierungsvorschlag
8 9 10
5 Ropivacain 0,2–0,375%, kontinuierlich 5–
15 ml/h, max. 37,5 mg/h (günstig zur postoperativen Schmerztherapie) 5 Alternativ: 10–20 ml Bolus Ropivacain 0,2– 0,375% etwa alle 6 h (geeignet z. B. für intermittierende Physiotherapie)
11 12 13 14
17 18 19 20
11.2.7 Spezifische Komplikationen
Die Anlage eines IscB kann in eine ganze Reihe von spezifischen Komplikationen münden: 5 Pneumothorax, 5 Punktion der A. vertebralis, 5 Punktion des Epidural- bzw. Subarachnoidalraums, 5 ipsilaterale Phrenikusblockade, 5 Hypotension bzw. Bradykardie, 5 Gelenkluxation nach Schulter-TEP.
Pneumothorax Lagerung nach Injektion Nach der Injektion kann der Patient beliebig gelagert werden, eine engmaschige Überwachung der Vitalparameter über die nächsten 20 min ist jedoch unabdingbar, um Begleitsymptome bzw. Komplikationen möglichst frühzeitig erkennen und sofort behandeln zu können.
Das Risiko einen Pneumothorax zu verursachen ist v. a. beim klassischen Zugang nach Winnie erhöht. Bei vielen Patienten reicht die Pleurakuppel über die erste Rippe hinaus, sodass insbesondere bei ausgeprägt medialer Stichrichtung eine erhöhte Gefahr besteht diese zu punktieren. Viele Kliniker bevorzugen daher heute den anterioren Zugang nach Meier.
11.2.6 Typische Begleitsymptome
Verletzung der A. vertebralis
15 16
en des Sympathikus nach Applikation des Lokalanästhetikums. Das Horner-Syndrom tritt beim klassischen Zugang nach Winnie weit häufiger auf (ca. 60–75%) als beim anterioren Zugang nach Meier (ca. 15%). Auch die Hörstörungen werden entsprechend erklärt und sind zu 100% reversibel. Die sehr häufig zu beobachtende Heiserkeit wird mit einer Blockade des ipsilateralen N. recurrens erklärt, jedoch sehen manche Autoren eine Vasodilatation im Rahmen der schon beschriebenen zervikalen Sympathikusblockade als ursächlich an.
Mögliche Begleitsymptome des IscB 5 Ipsilaterales Horner-Syndrom 5 Hörverlust 5 Heiserkeit
Die Phänomene sind vorübergehender Natur und vollständig reversibel. Allen gemeinsam ist eine durch die anatomische Nähe zum Plexus brachialis verursachte Blockade thorakozervikaler Gangli-
Beschrieben wurde auch eine Punktion der A. vertebralis, insbesondere im Zusammenhang mit dem klassischen Zugang nach Winnie. Dessen u. a. mediale Stichrichtung kann eine entsprechende Fehlplatzierung verursachen, die beim Zugang nach Meier (anterior) praktisch ausgeschlossen ist. Neben der Verletzung der A. vertebralis und dem Risiko eines anschließenden Schlaganfalls durch Thrombenablösung aus dem verletzen Gefäßbett, bedarf es intraarteriell nur weniger Milliliter des Lokalanästhetikums, um einen Krampfanfall zu verursachen.
157
11.3 · Vertikal intraklavikuläre Blockade des Plexus brachialis
Punktion des Epidural-, Subarachnoidalraums Ähnliches gilt für die ebenfalls mögliche Punktion des Epidural- bzw. Subarachnoidalraums. Auch hier ist der Patient, insbesondere beim Zugang nach Winnie und relativ kaudaler Stichrichtung, gefährdet. Beim Zugang nach Meier ist auch diese Komplikation praktisch ausgeschlossen. Auch hier genügen wenige Milliliter des Lokalanästhetikums, um bei unbemerkter rückenmarknaher Punktion eine hohe Spinal- bzw. Epiduralanästhesie zu verursachen, sodass der Patient beatmet werden muss.
Parese des N. phrenicus Wesentlich häufiger kommt es dagegen zu einer ipsilateralen Parese des N. phrenicus (je nach Untersuchung 3–100%). Der Nerv verläuft auf dem medialen Skalenusmuskel und abhängig von Konzentration und Menge des Lokalanästhetikums, kommt es regelmäßig zu einer direkten Blockade dieser Struktur. Positiv zu bemerken ist, dass die Phrenikusblockade wesentlich kürzer anhält als der Analgesieeffekt und bei Lungengesunden klinisch vollständig inapparent bleibt. Allerdings sind bei Patienten mit vorbestehender pulmonaler Beeinträchtigung im Einzelfall klinisch relevante Ventilationsstörungen möglich.
11
11.2.8 Empfehlungen für ambulante
Patienten Ambulante Patienten sollten darüber informiert werden, dass einer Single-shot-Anästhesie des Plexus brachialis eine bis zu 24-stündige Analgesie des Areals folgen kann, wobei das Zeitintervall bis zur Rückkehr der Sensibilität stark von Patient zu Patient schwanken kann (6–24 h). Dies ist einerseits wichtig, um rechtzeitig eine suffiziente systemische Analgesie zu initiieren, andererseits um Schädigungen der Extremität, z. B. durch falsche Lagerung oder thermische Belastung, zu vermeiden. Die vollständige Sensibilität ist erst Stunden nach Auftreten des ersten subjektiven Gefühls bzw. von Schmerzempfinden wiederhergestellt.
11.3
Vertikal infraklavikuläre Blockade des Plexus brachialis
! Der vertikale infraklavikuläre Zugang erlaubt die Blockade des Plexus brachialis an einer Stelle, wo die Nervenfasern sehr eng beieinander liegen. Daher ist die Anschlagszeit der Betäubung sehr kurz und es resultiert eine ausgeprägte Anästhesie der oberen Extremität distal des Schultergelenks.
Hypotension, Bradykardie Eine Hypotension bzw. Bradykardie wurde wiederholt nach IscB beschrieben. Offensichtlich kann es etwa 60 min nach Anlage, insbesondere in sitzender Position, zu einem solchen Ereignis kommen, welches mit dem sog. Bezold-JarischReflex in Verbindung gebracht wird. Diese Phase des operativen Eingriffs verlangt daher besondere Aufmerksamkeit.
Luxation von Schultergelenkprothesen Abschließend sei noch angemerkt, dass es bei ausgeprägter motorischer Blockade unter Katheteranalgesie nach Schulter-TEP zur Luxation der Gelenkprothese kommen kann. Nach entsprechenden Operationen sollte die Analgesie vorsichtig zum gewünschten Effekt titriert werden.
In Bezug auf sein Risikoprofil ist der infraklavikuläre insgesamt sicherer als der interskalenäre Zugang; allerdings kann keine Anästhesie der Schulter erreicht werden. In Bezug auf die Anästhesieausbreitung an Arm und Hand ist er dagegen sowohl der interskalenären Blockade (häufig N.-ulnaris-Aussparung) als auch der axillären Blockade (häufig Nn.-radialis- und -musculocutaneus-Aussparung) überlegen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil gegenüber letzterem ergibt sich dadurch, dass keine Abduktion und Rotation des Armes zur Anlage notwendig ist, was bei manchen Patienten, z. B. nach Frakturen, Weichteilverletzungen oder Kontrakturen, sehr schmerzhaft bzw. ohne systemische Analgesie unmöglich sein kann.
158
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
11.3.1 Indikationen
11.3.2 Kontraindikationen
Die infraklavikuläre Blockade stellt somit ein hervorragendes Anästhesieverfahren für operative Eingriffe im Bereich des distalen Oberarms, des Ellbogens, des Unterarms sowie bei Interventionen an der Hand dar. Der infraklavikuläre Zugangsweg ermöglicht auch das Einbringen eines Katheters für eine längerdauernde Blockade, z. B. für die postoperative Analgesie, aber auch für spezifische Mobilisationsmaßnahmen bzw. zur Sympatikolyse im Versorgungsgebiet.
Stets muss sichergestellt sein, dass keine allgemeinen Kontraindikationen für die Anlage einer peripheren Leitungsanästhesie bestehen (7 Kap. 10.1). Eine absolute Kontraindikation gegen eine infraklavikuläre Blockade besteht, wenn ein Fremdkörper im Punktionsbereich liegt (typisch: Schrittmachermodul, i.v.-Port), eine kontralaterale Phrenikusparese oder eine grenzwertig kompensierte Lungenfunktionsstörung vorliegen. Andere Umstände, z. B. komplexere anatomische Verhältnisse, die mit Schwierigkeiten bei Punktion und Lokalisation bzw. einer Risikoerhöhung für Komplikationen assoziiert sein können, erfordern eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung.
Single shot 5 Ideal bei Unterarmeingriffen, z. B. distale
Radiusfraktur, Ulnafraktur 5 Humerusfraktur (bei Marknagelung von
8 9 10
distalem Zugang) 5 Weichteileingriff am distalen Oberarm 5 Ellbogenfraktur 5 Weichteileingriff am Ellbogen (z. B. Bursa-
revision) 5 Eingriff an Hand und Fingern (Blut-
leere >1 h)
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Absolute Kontraindikationen 5 Fremdkörper im Punktionsgebiet (z. B.
Schrittmachermodul, Katheterport) 5 Kontralaterale Phrenikusparese 5 Grenzwertig kompensierte Lungenfunk-
tionsstörung (Risiko der Phrenikusblockade)
Kathetertechnik
Relative Kontraindikationen
5 Physiotherapeutische Behandlung an dis-
5 Schwierige anatomische Verhältnisse (dis-
talem Oberarm, Unterarm, Hand 5 Sympathikolyse an distalem Oberarm, Unterarm, Hand
loziert verheilte Klavikulafraktur, ausgeprägte Thoraxdeformität, langjähriges Asthma bronchiale, ausgeprägtes Lungenemphysem, asthenischer Habitus, Adipositas per magna) 5 Shuntarm (auf höchste Sterilität achten)
Wenn gleich die Inzidenz deutlich niedriger zu sein scheint als bei der interskalenären Blockade, so ist es doch bei bestimmten Konstellationen auch über den infraklavikulären Zugang möglich, vorübergehend eine ipsilaterale Phrenikusparese zu induzieren oder Pleura bzw. Lunge zu verletzen. Daher empfiehlt sich eine eher restriktive Indikationsstellung bei Patienten mit bekanntem Asthma bronchiale sowie ausgeprägtem Lungenemphysem und asthenischem Habitus (hochstehende 1. Rippe, breiterer Interkostalspalt, relativ hochstehende Lungen).
Unerlässlich ist – wie bei allen Nervenblockaden – die sorgfältige Information des Patienten (Angstreduktion, Kooperation, etc.). Die vertikale infraklavikuläre Blockade (VIB) nach Kilka eignet sich aus unserer Sicht am Besten für die klinische Routine in der traumachirurgischen Anästhesie. Diese Technik wird nachfolgend detailliert beschrieben. Für andere infraklavikuläre Zugangswege (z. B. nach Raj u. Sims) wird auf die einschlägige Literatur verwiesen.
159
11.3 · Vertikal intraklavikuläre Blockade des Plexus brachialis
11
11.3.3 Kanülen, Katheter, Sets
Grundsätzlich ist die Verwendung eines Nervenstimulators bei der Anlage einer peripheren Nervenblockade angeraten. Dies gilt ganz besonders für das Vorgehen bei der VIB, bei der unbedingt geeignete stimulierbare Kanülen entsprechender Dimension eingesetzt werden sollten. Die Auswahl an Lokalanästhetika kann institutionell variieren. Das für eine VIB notwendige Material ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
11.3.4 Zugangswege
Zwei infraklavikuläre Zugangswege werden derzeit beschrieben: 5 das Vorgehen nach Raj u. Sims (1977): Punktion an der tiefsten Stelle zwischen M. pectoralis, Processus coracoideus und Klavikula; Nadelführung flach (weg von der Pleura), in Richtung auf die Axilla (A. axillaris); 5 das Verfahren nach Kilka u. Mehrkens (1995): vertikale infraklavikuläre Blockade (VIB).
11.3.5 Punktionstechnik bei vertikal
infra-klavikulärer Blockade des Plexus brachialis (VIB; nach Kilka u. Mehrkens) Lagerung Zur Anlage des VIB liegt der Patient in bequemer Rückenlage und die Hand der zu blockierenden
. Abb. 11.7. Vertikal infraklavikuläre Blockade. (Mit freundl. Genehmigung aus: Refresher Course Nr. 26 [2000] Springer, Berlin Heidelberg New York)
Extremität liegt entspannt auf dem Bauch (distale Muskelkontraktionen so optimal sichtbar). Der punktierende Arzt steht typischerweise am Kopfende.
Leitstrukturen Der Punktionsort liegt unmittelbar kaudal der Klavikula auf der Mitte der Strecke zwischen der Mitte der Fossa jugularis und Ende des ventralen Akromionfortsatzes. Dabei ist die exakte Lokalisation des lateralen Punktes (ventraler Fortsatz des Akromions) essenziell (. Abb. 11.7). Hier einige Tipps: der Verlauf der Klavikula führt lateral zum Akromioklavikulargelenk (der Akromionfortsatz findet sich davon etwas ventral und lateral); der Verlauf der Crista scapulae führt
Stimulationskanüle
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Single shot: Stimulierbare atrauma-
5 Mepivacain 1% (Haut-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
tische Kanüle mit Zuspritzmöglichkeit (z. B. Stimuplex D 25G, 50 mm, 15°-Schliff (Fa. Braun, Melsungen) 5 Kathetertechnik: Contiplex Katheterset (Fa. Braun, Melsungen) oder Plexilong A Katheterset (Pajunk GmbH, Geisingen) mit stimulierbarem 20G-Katheter; wird über die Kanülenspitze vorgeschoben
infiltration) 2 ml 5 40–50 ml Lokalanästhetikum
− − − − − 5 5 5 5 5
Sterile Kompressen Abdecktuch Aufziehkanüle Subkutankanüle Spritzen (2 × 2 ml, 5 ml, 3–5 × 10 ml) Lösung der Hautdesinfektion Nervenstimulator Maßband Nichtabwaschbarer Stift Bakterienfilter bei Kathetertechnik
160
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
lateral zum Akromion (der Akromionfortsatz findet sich davon etwas ventral); ein wichtiger Differenzialtest zur Identifizierung des Akromionfortsatzes: beim Bewegen des Arms im Schultergelenk unter Palpation des bis dahin identifizierten lateralen Leitpunkts bewegt sich die richtige Struktur (Akromionfortsatz) nicht mit. Die Punktion erfolgt streng senkrecht zur Unterlage (der Patient liegt in Neutralposition) in knappem Abstand zur Klavikula und unter Vermeidung von Knochenkontakt, der typischerweise sehr schmerzhaft ist.
5
5
! Beim VIB gilt grundsätzlich: Sind die Landmarken nicht sicher auszumachen, sollte unbedingt ein anderes Anästhesieverfahren gewählt werden.
5
Punktion und Injektion 5 Bestimmung und Markierung der Punktions-
stelle. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
tionsgebietes.
5
5 Streng oberfächliche Lokalanästhesie der
11 12 13 14 15 16 17
Punktionsstelle. 5 ! Nur geringe Mengen des Lokalanästhetikums (1,0 ml) verwenden; durch ausgedehnte Infiltration in der Tiefe kann die Stimulationsantwort herabgesetzt werden.
5 Penetration der Haut unter leicht drehenden
Bewegungen der Kanüle. 5 Vorschieben der Punktionskanüle streng senkrecht zur Unterlage. 5 Alle Manipulationen grundsätzlich unter Kontrolle mit dem Nervenstimulator (initial: 0,8 mA, 2 Hz, 0,1 ms). 5 Der Plexus brachialis wird in 3–5 cm Tiefe erreicht
! Beim VIB unbedingt beachten: 5 Nicht von streng vertikaler (= sagittaler)
Stichrichtung abweichen! 5 Nicht tiefer als 5 cm punktieren bei durch-
schnittlicher Körpergröße! 5 Nicht zu weit medial, nie mit medialer Stich-
richtung punktieren!
Dosierungsvorschlag
18
! Reizantwort: Muskelkontraktionen der Finger:
19
Extensoren oder Flexoren von D I bis D III (N. radialis bzw. N. medianus).
20
traktionen des M. biceps brachii [Fasciculus lateralis] nicht ausreichend). Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. Testdosis (d. h. ca. 1 min. Pause – eine Kreislaufzeit – nach der ersten Teildosis von 5 ml zum Ausschluss einer intravasalen Injektion). Bei korrekter Kanülenlage sistiert die motorische Antwort unmittelbar nach Applikation und ist auch nach Erhöhung der Stromstärke auf 1,0 mA nicht mehr nachweisbar. Das Lokalanästhetikum wird nun fraktioniert (5-ml-Schritte, 1 min warten) und unter kontinuierlicher Nervenstimulation (1,0 mA, 0,3 ms) verabreicht, um eine akzidentelle intravasale Injektion möglichst frühzeitig zu erkennen. Vollständige Plexusblockade nach 5–15 min. zu erwarten; kein Unterschied zwischen motorischer und sensibler Anästhesieausbreitung. Wird keine Stimulationsantwort erreicht: Punktionsort zunächst 0,5–1,0 cm nach lateral verschieben, unter kritischer Risikoabwägung ggf. 0,5–1,0 cm nach medial (Cave: Pleuraverletzungen)
5 40–50 ml Lokalanästhetikum, z. B. Prilo-
cain 1% 30–40 ml + Ropivacain 0,75% bzw. Bupivacain 0,5% 10 ml
5 Zunehmende Stromreduktion bis auf 0,3 mA,
um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven zu dokumentieren (Kon-
Viele Kliniker tendieren heute dazu eher höhere Dosen von Prilocain einzusetzen. Wird Prilo-
161
11.3 · Vertikal intraklavikuläre Blockade des Plexus brachialis
cain bei Patienten mit einem Körpergewicht von <60 kg, einer kardiopulmonalem Erkrankung oder Anämie eingesetzt, sollte die Dosierung reduziert werden (Reduktion der Lokalanästhesiekonzentration, z. B. Prilocain 0,75%).
Besonderheiten bei Kathetertechnik Auch der VIB-Zugang erlaubt das Einbringen eines Katheters zur postoperativen Schmerztherapie bzw. zur schonenden Mobilisation der oberen Extremität, wenn gleich der interskalenäre Zugang in anteriorer Technik nach Meier bzw. der axilläre Zugang für eine Kathetertechnik anatomisch (weil flacher) besser geeignet erscheinen. Durch die senkrechte Punktionsrichtung beim VIB bleibt die Richtung praktisch unbeeinflussbar. Der Katheter gleitet aber dennoch spontan nach peripher, offensichtlich dem dorsalen Gefälle nach axillär folgend. Selbstverständlich kann auch hier die Plexusanästhesie während des operativen Eingriffs bereits über den liegenden Katheter erfolgen. Eine sichere Lagekontrolle der Katheterspitze gelingt bei Verwendung eines stimulierbaren Katheters. Dieser wird unter Elektrostimulation etwa 3–4 cm über die Kanülenspitze vorgeschoben. Bei den neueren Kathetermodellen (z. B. Contiplex D 18G×5,5 cm [Fa. Braun, Melsungen] oder Plexilong A 19,5G mit Katheter [Pajunk GmbH, Geisingen]) ist sogar im späteren Verlauf der Schmerztherapie eine Lagekontrolle des Katheters möglich. Bei vorhandener bzw. nach wiedergekehrter Motorik kann dann, ebenfalls unter Verwendung eines Nervenstimulators, die Lage der Katheterspitze identifiziert und ggf. korrigiert werden. Die Injektion von Lokalanästhetika über einen Katheter erfolgt unter den gleichen Kautelen wie bei der Single-shot-Technik (negative Aspiration, Testdosis, sofortiges Sistieren der Reizantwort). Zusätzlich sollte stets ein Bakterienfilter verwendet werden. Es hat sich bewährt transparente sterile Pflaster zur Infektionskontrolle zu verwenden. Vorbehaltlich einer Anpassung an Physiologie, Begleiterkrankungen und Beschwerdesymptomatik beim individuellen Patienten kann folgende Dosierungsempfehlung für eine Katheteranalgesie des Plexus brachialis gegeben werden:
11
Dosierungsvorschlag 5 Ropivacain 0,2–0,375%, 5–15 ml/h, max.
37,5 ml/h (kontinuierliche postoperative Schmerztherapie) 5 Alternativ: Bolus 20 ml Ropivacain 0,2– 0,375% etwa alle 6 h (auch gut geeignet für intermittierende Physiotherapie)
Lagerung nach Injektion Nach der Injektion kann der Patient beliebig gelagert werden. Eine engmaschige Überwachung der Vitalparameter über die nächsten 20 min ist jedoch unabdingbar, um Begleitsymptome bzw. Komplikationen möglichst frühzeitig erkennen und ggf. sofort behandeln zu können.
11.3.6 Spezifische Komplikationen
Typische Komplikationen sind: 5 Hornersyndrom (ispilateral, vorübergehend und harmlos), 5 Phrenikusblockade (ipsilateral, vorübergehend), 5 Pneumothorax, 5 Gefäßverletzungen (V. cephalica; A. und V. subclavia).
Hornersyndrom Bei Blockade des Plexus brachialis über den infraklavikulären Zugang kann – ähnlich wie bei der intraskalenären Blockade – gelegentlich (1– 7%) ein ipsilaterales Horner-Syndrom beobachtet werden. Dieses harmlose Begleitsymptom ist vorübergehender Natur, vollständig reversibel und ebenso wie beim weiter proximal gelegenen interskalenären Zugang durch eine transiente Blockade thorakozervikaler Ganglien des Sympatikus bedingt.
Phrenikusblockade Es kann auch hier eine ipsilaterale Phrenikusblockade resultieren, die beim Lungengesunden typischerweise klinisch inapparent bleibt (über die tatsächliche Inzidenz liegen bisher keine gesicherten
162
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
Axilläre Blockade des Plexus brachialis
11.4
4
Informationen vor). Patienten mit vorbestehender pulmonaler Beeinträchtigung können allerdings unter Umständen durch eine einseitige Zwerchfellparese dekompensieren und bedürfen supportiver Therapie. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang sind auch die differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung gegenüber einem Pneumothorax, der entsprechend rasch und invasiv behandelt werden muss.
5
Pneumothorax
Der axilläre Zugang erreicht den Plexus brachialis weit distal. Am Rand des M. pectoralis liegen die Nervenfasern als voluminöse terminale Nervenstränge vor, die zusammen mit A. und V. axillaris in einer gemeinsamen Gefäßnervenscheide liegen. Einige den Arm versorgende Anteile des Plexus brachialis haben an dieser Stelle die gemeinsame Faszie jedoch bereits verlassen: am wichtigsten der N. musculocutaneus, der auf dieser Höhe innerhalb des M. coracobrachialis verläuft, darüber hinaus die Nn. cutaneus brachii medialis und intercostobrachialis sowie typischerweise der N. cutaneus antebrachii medialis und der N. axillaris. Für bestimmte Indikationen, z. B. zur Verbesserung der Tourniquettoleranz müssen diese daher separat blockiert werden. Ein spezifisches Problem der axillären Blockade des Plexus brachialis stellen offensichtlich bei einigen Patienten bestehende Fasziensepten dar, die eine gleichmäßige Ausbreitung des Lokalanästhetikums verhindern können und zu einer »fleckigen« und damit möglicherweise unzureichenden Ausprägung der Anästhesie führen. Aufgrund der vergleichsweise weit auseinander liegenden Nervenfasern ist die Anschlagszeit länger als beim VIB, gleichzeitig ist das Komplikationsrisiko extrem niedrig, vorausgesetzt, dass keine versehentliche intravasale Applikation des Lokalanästhetikums erfolgt. Die relativ einfache Technik bildet in Verbindung mit dem ausgesprochen niedrigen Komplikationsrisiko die Basis für die nach wie vor bedeutende Rolle, die diesem Zugangsweg – trotz bekannter Probleme – bei der Leitungsanästhesie der oberen Extremität derzeit zukommt.
1 2 3
6 7 8 9 10 11
Das Pneumothoraxrisiko im Zusammenhang mit einem VIB wird mit 0,2–0,7% angegeben. Insbesondere asthenische weibliche Patienten haben ein erhöhtes Risiko. Biometrische Untersuchungen (MRT) zeigten jedoch, dass bei strikter Beachtung der vertikalen Punktionstechnik sowie einer maximalen Punktionstiefe von 3 cm auch bei diesen Patienten eine Pleuraverletzung praktisch ausgeschlossen werden kann.
Gefäßverletzungen Aufgrund der anatomischen Nähe könnte es beim beschriebenen infraklavikulären Vorgehen auch zur akzidentellen Punktion der V. cephalica sowie der A. subclavia kommen.
12 13 14 15 16 17 18 19 20
11.3.7 Empfehlungen für
ambulante Patienten Patienten mit VIB nach ambulanter Chirurgie sollten – vergleichbar zu den Empfehlungen nach interskalenärer Blockade – über die Möglichkeit informiert werden, dass die Anästhesie (Gefühllosigkeit) der oberen Extremität bis zu 24 Stunden anhalten kann (individuelle Schwankungen 6–24 h). So ergibt sich ein Anhalt für den Beginn einer suffizienten systemischen Analgesie (typischerweise NSAID, Opioide p.o.) und für die Dauer von Vorsichtsmaßnahmen, um Schädigungen der betäubten Extremität zu vermeiden.
! Die Injektion einer geeigneten Menge Lokalanästhetika in die axilläre Gefäßnervenscheide stellt ein leicht zu erlernendes, relativ risikoarmes und wirkungsvolles Regionalanästhesieverfahren für operative Eingriffe am distalen Unterarm, der Hand und den Fingern dar.
163
11.4 · Axilläre Blockade des Plexus brachialis
11
11.4.1 Indikationen
11.4.2 Kontraindikationen
Die axilläre Blockade des Plexus brachialis ist für viele chirurgische Eingriffe an distalem Unterarm, Hand und Fingern gut geeignet. In Bezug auf Hand und Finger bietet die axilläre Blockade, insbesondere bei absehbar länger dauernden Interventionen, Vorteile gegenüber anderen, weniger invasiven Techniken, wie z. B. der i.v.-Regionalanästhesie, da u. a. eine bessere Tourniquettoleranz erreicht wird. Sehr gut kann über diesen Zugang auch ein Katheter platziert werden, um eine kontinuierliche bzw. intermittierende Analgesie während der postoperativen Phase bzw. für physiotherapeutische Behandlungen zu gewährleisten oder eine Sympathikolyse im Versorgungsgebiet zu erreichen. Andere Autoren empfehlen diesen Zugang auch für weiter proximale Eingriffe, z. B. am Ellbogen und am distalen Unterarm. Bedingt durch die häufigen Lücken im radialen Versorgungsbereich und der nicht immer zuverlässigen Blockade des N. musculocutaneus empfiehlt sich für chirurgische Interventionen in diesen Arealen eher der infraklavikuläre Plexuszugang. Bei suffizienter Anästhesie im Operationsbereich kann die axilläre Plexusblockade als alleiniges Anästhesieverfahren, oder – wenn eine mentale Abschirmung vom Patienten gewünscht wird – zusammen mit einer zusätzlichen patientenadaptierten intraoperativen Sedierungsstrategie eingesetzt werden. Die folgende Übersicht fasst die Indikationen für die axilläre Plexusblockade zusammen.
Absolute Kontraindikationen gegen die axilläre Plexusblockade bestehen nicht. Bei Patienten mit zurückliegenden Operationen in der Axilla, z. B. nach radikaler Mastektomie und axillärer Lymphknotenausräumung bei Mammakarzinom sollte auf ein anderes Verfahren ausgewichen werden, da eine kalkulierbare Blockade des Operationsgebiets nicht sicher gewährleistet werden kann. Ebenfalls als problematisch wird eine axilläre Blockade bei Patienten mit ipsilateralem Dialyse-Shunt gesehen, da Gefäßverletzungen oder Infektionen durch die Punktion weitreichende Folgen haben können. Sicher stellen diese Situationen nur relative Kontraindikationen dar, dennoch kann relativ einfach auf ein anderes Anästhesieverfahren ausgewichen werden. Stets muss sichergestellt sein, dass keine allgemeinen Kontraindikationen für die Anlage einer peripheren Leitungsanästhesie bestehen und der Patient umfassend über Nutzen und Risiken des Verfahrens informiert wurde und seine Zustimmung gegeben hat (7 Kap. 10). Die speziellen Kontraindikationen für die axilläre Plexusblockade sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt.
Single shot 5 Eingriffe an Unterarm, Hand und Fingern
(z. B. Osteosynthese bei Radiusfraktur, Handfraktur, Weichteileingriffe) 5 Längere Eingriffe an Hohlhand, Mittelhand, Fingern (>1 h Blutsperre)
Kathetertechnik 5 Postoperative Schmerztherapie im Versor-
gungsgebiet 5 Physiotherapeutische Behandlung an Un-
terarm und Hand 5 Sympathikolyse an Unterarm, Hand
Absolute Kontraindikationen 5 Keine speziellen
Relative Kontraindikationen 5 Schwierige anatomische Verhältnisse (z. B.
bei zurückliegender Operation in der Axilla, Adipositas per magna) 5 Shuntarm (unbedingt auf höchste Sterilität achten)
Eine sichere und zugleich hervorragende für die klinische Routine geeignete Technik unter Verwendung eines Nervenstimulators wird nachfolgend detailliert beschrieben. Andere Vorgehensweisen (z. B. transarterieller Zugang) sind in der Literatur an anderer Stelle ausführlich dargestellt.
164
1 2 3 4 5 6
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
11.4.3 Kanülen, Katheter, Sets
Entsprechend der obigen Empfehlung (Verwendung eines Nervenstimulators) werden stimulierbare Kanülen geeigneter Dimension verwendet (7 Kap. 10.3). Viele Autoren empfehlen die Platzierung einer Verweilkanüle in die Gefäßnervenscheide, um bei insuffizienter (»fleckiger«) Anästhesie oder bei Eingriffen mit unerwartet langer Dauer wiederholt Lokalanästhetika nachdosieren zu können. Das für eine axilläre Plexusblockade notwendige Material ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
7 11.4.4 Zugangswege
8 9 10 11 12
Im Prinzip wird – unabhängig von der Punktionstechnik – nur ein Zugangsweg für die axilläre Plexusblockade beschrieben, der sich an möglichst proximaler Stelle in der Axilla an der A. axillaris orientiert.
11.4.5 Punktionstechnik bei axillärer
Plexus-brachialis-Blockade
13
Lagerung
14
Auch bei der axillären Plexusblockade sollte der Patient bequem auf dem Rücken liegen. Zur Exposition der Axilla wird der Arm der zu blockierenden Seite im Schultergelenk 90° abduziert, au-
15 16 17 18 19 20
ßenrotiert und im Ellbogengelenk 90° gebeugt (. Abb. 11.8). Dadurch kommt die Hand in Höhe des Kopfes in Supinationsstellung zu liegen. Dies kann bei Verletzungen oder Kontrakturen im Einzelfall sehr schmerzhaft oder sogar unmöglich sein. In solchen Fällen sollte unbedingt entweder zuvor eine angemessene systemische Schmerzmedikation erfolgen (z. B. i.v.-Opioide), oder es muss auf ein anderes Anästhesieverfahren ausgewichen werden (z. B. VIB oder Allgemeinanästhesie).
Leitstrukturen Nach geeigneter Lagerung wird die Gefäßnervenscheide so proximal wie möglich an der medialen Begrenzung der Axilla (lateraler Rand des M. pectoralis) anhand der Palpation der A. axillaris aufgesucht. Die Nervenscheide des Plexus brachialis reicht bis knapp zur distalen Begrenzung der Axilla, sodass auch eine etwas weiter distal gelegene Punktionsstelle akzeptabel ist (. Abb. 11.9). In dieser Position liegt der N. medianus vor der A. axillaris, der N. radialis lateral hinter der A. axillaris, der N. ulnaris medial hinter der A. axillaris. Punktiert wird unmittelbar oberhalb der A. axillaris in der Lücke zwischen dem Gefäß und dem M. coracobrachialis. Der N. musculocutaneus liegt dagegen nicht mehr in der gemeinsamen Nervenscheide sondern im M. coracobrachialis. Daher muss dieser ggf. separat blockiert werden (z. B. wenn intraoperativ eine Blutsperre eingesetzt werden soll). Der beste Zugang zum N. musculocutaneus liegt vom beschriebenen Punktionsort für die axilläre Plexusblockade etwa 2 cm nach distal und 2 cm lateral
Stimulationskanüle
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Single shot: Stimulierbare atrauma-
5 Mepivacain 1% (Haut-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
tische Kanüle mit Zuspritzmöglichkeit (z. B. Pajunk-Nadel (18G, immobil, 51 mm, 45°-Schliff); bzw. ohne Zuspritzmöglichkeit (z. B. RegAnesth 18G) 5 Kathetertechnik: Contiplex Katheterset (Fa. Braun, Melsungen) oder Plexilong A Katheterset (Pajunk GmbH, Geisingen) mit stimulierbarem 20GKatheter; wird über die Kanülenspitze vorgeschoben
infiltration) 2 ml 5 40–50 ml Lokalanästhetikum
− − − − − 5 5 5 5 5
Sterile Kompressen Abdecktuch Aufziehkanüle Subkutankanüle Spritzen (2 × 2 ml, 5 ml, 3–5 × 10 ml) Lösung zur Hautdesinfektion Nervenstimulator Maßband Nichtabwaschbarer Stift Bakterienfilter bei Kathetertechnik
165
11.4 · Axilläre Blockade des Plexus brachialis
11
. Abb. 11.8. Axilläre Plexusblockade. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
tionsgebietes. 5 Streng oberflächliche Lokalanästhesie der
Punktionsstelle. ! Nur geringe Mengen des Lokalanästhetikums (0,5 ml) verwenden; durch ausgedehnte Infiltration in der Tiefe kann die Stimulationsantwort herabgesetzt werden.
5 Die Haut wird inzidiert (größerkalibrige Ka-
nüle, Blutzuckerstylet) 5 Die relativ stumpfe Punktionskanüle (45°-
. Abb. 11.9. Gefäß-Nerven-Scheide; Querschnitt auf Höhe der Punktion bei axillärer Plexus-brachialis-Blockade. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
der A. axillaris in etwa 3 cm Tiefe im entsprechenden Muskelbauch (ca. 5 ml Lokalanästhetikum).
Punktion und Injektion 5 Bestimmung und Markierung der Punktions-
stelle.
Schliff) wird in etwa 30° Neigung, ggf. unter leicht drehender Bewegungen, parallel und oberhalb der A. axillaris nach proximal vorgeschoben. 5 Alle Manipulationen grundsätzlich unter Kontrolle mit dem Nervenstimulator (initial: 0,8 mA, 2 Hz, 0,1 ms) 5 Nach dem charakteristischen »Klick«-Phänomen (Perforation der Gefäßnervenscheide, in ca. 1–2 cm Tiefe) zeigen sich bereits Muskelkontraktionen der Kennmuskeln (Reduzieren der Stromstärke). Die Kanüle wird jetzt abgesenkt und unter Erhaltung einer zuverlässigen Stimulationsantwort weiter nach proximal vorgeschoben. Verschwinden die Muskel-
166
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
kontraktionen, wird die Kanüle zurückgezogen und erneut vorsichtig in engem Kontakt zum Nervenbündel vorgeschoben.
1 2
! Reizantwort: Muskelkontraktionen der Finger:
3
Extensoren oder Flexoren von DI bis DIII (N. radialis bzw. N. medianus); Fingerspreizen und Ulnarabduktion im Handgelenk deutet auf überwiegende N.-ulnaris-Stimulation.
4 5
5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei
6 7
5
8 9 10
5
11 12 13
5
14 15 16 17
5
18 19 20
5
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. Testdosis (d. h. ca. 1 min Pause – 1 Kreislaufzeit – nach der ersten Teildosis von 5 ml zum Ausschluss einer intravasalen Injektion). Bei korrekter Kanülenlage sistiert die motorische Antwort (bei Verwendung einer Stimulationskanüle mit Zuspritzmöglichkeit) unmittelbar nach Applikation. Das Lokalanästhetikum wird anschließend fraktioniert (5-ml-Schritte, 1 min warten) und in Abhängigkeit von der verwendeten Kanüle, unter kontinuierlicher Nervenstimulation (1,0 mA, 0,3 ms) verabreicht, um eine akzidentelle intravasale Injektion möglichst frühzeitig zu erkennen. Beim Einsatz einer Kanüle ohne Zuspritzmöglichkeit kann diese zusätzliche Kontrolle nicht vorgenommen werden. Für die axilläre Plexusblockade wird empfohlen bei der Applikation des Lokalanästhetikums die Gefäßnervenscheide nach distal hin zu komprimieren um eine möglichst proximale Ausbreitung zu erzielen (ggf. durch eine Assistenzperson). Vollständige Plexusblockade nach 20–40 min zu erwarten; kein Unterschied zwischen motorischer und sensibler Anästhesieausbreitung
Dosierungsvorschlag 5 40–50 ml Lokalanästhetikum, z. B. Prilo-
cain 1% 30–40 ml + Ropivacain 0,75% bzw. Bupivacain 0,5% 10 ml
Viele Kliniker tendieren heute dazu eher höhere Dosen von Prilocain einzusetzen. Wird Prilocain bei Patienten mit einem Körpergewicht von <60 kg, einer kardiopulmonalem Erkrankung oder Anämie (relevante Beeinträchtigung durch Methämoglobinbildung möglich) eingesetzt, sollte die Dosis reduziert werden. Bemerkt werden sollte an dieser Stelle, dass die Nn. cutaneus brachii medialis, intercostobrachialis, N. cutaneus antebrachii medialis sowie der N. axillaris zusätzlich durch einen subkutanen Feldblock von medial nach lateral (über der Gefäßnervenscheide beginnend bis etwa zur M.-deltoideus-Prominenz, ca. 5 ml Lokalanästhetikum) betäubt werden müssen, um eine längerfristige und vollständige Tourniquettoleranz zu garantieren (Gesamthöchstdosis beachten).
Besonderheiten bei Kathetertechnik Der axilläre Zugang eignet sich aufgrund des flachen Punktionswinkels hervorragend für die Einlage eines Katheters zur längerfristigen Schmerzbehandlung (postoperativ, schonende Mobilisation). Perioperativ kann der Katheter für die Plexusanästhesie verwendet werden. Empfohlen wird die Verwendung eines stimulierbaren Katheters (z. B. Contiplex D 18G × 5,5 cm [Fa. Braun, Melsungen]; oder: Plexilong A 19,5G mit Katheter [Pajunk GmbH, Geisingen]), der unter Elektrostimulation etwa 5 cm über die Kanülenspitze vorgeschoben wird (sichere Lagekontrolle, nach Rückkehr der Motorik auch im späteren Verlauf der Therapie möglich). Die Injektion von Lokalanästhetika in einen Katheter erfolgt unter den gleichen Kautelen wie bei der Single-shot-Technik (negative Aspiration, Testdosis, sofortiges Sistieren der Reizantwort). Zur Reduktion des Infektionsrisikos sollte ein Bakterienfilter verwendet werden und die Einstichstelle mit einem transparenten sterilen Pflaster versorgt werden.
11.6 · Bewertung der unterschiedlichen Verfahren zur Blockade des Plexus brachialis
Dosierungsvorschlag 5 Ropivacain 0,2–0,375%, 5–15 ml/h, max.
37,5 ml/h (günstig für eine kontinuierliche Schmerztherapie) 5 Alternativ: Bolus 20 ml Ropivacain 0,2– 0,375% etwa alle 6 h (auch geeignet z. B. für intermittierende Physiotherapie)
Lagerung nach Injektion Nach der Injektion empfiehlt es sich, den zu blockierenden Arm möglichst eng an den Körperstamm anzulegen, u. U. unter Verwendung eines zusätzlichen Lakens. Hintergrund ist auch hier eine möglichst proximale Verteilung des Lokalanästhetikums zu fördern. Der Patient sollte über die nächsten 20 Minuten engmaschig in Bezug auf die Vitalparameter überwacht werden, um Begleitsymptome bzw. Komplikationen möglichst frühzeitig erkennen und sofort ggf. behandeln zu können.
167
11
ner suffizienten systemischen Schmerztherapie (typischerweise NSAID oder vergleichbare Substanzen, u. U. kombiniert mit Opioiden) informiert werden.
11.5
Bewertung der unterschiedlichen Verfahren zur Blockade des Plexus brachialis
Die Vor- und Nachteile einer Single-shot-Plexusbrachialis-Blockade gegenüber einer Allgemeinanästhesie sind in folgender Übersicht dargestellt. Vorteile Bei ausschließlicher Regionalanästhesie 5 Keine typischen Risiken der Vollnarkose,
wie z. B. Aspiration 5 Deutlich kürzere Aufwachraumzeiten 5 Optimale postoperative Analgesie
Bei Kombination mit Allgemeinanästhesie 5 Reduktion des Narkosemittelbedarfs
11.4.6 Spezifische Komplikationen
(z. B. intravenöse Narkose mit Propofol) 5 In der Regel keine intraoperative Muskel-
Durch die anatomische Nähe zu großen Blutgefäßen besteht ein grundsätzliches Risiko für eine intravasale Injektion. Durch die beschriebene Technik (z. B. Testdosis, fraktionierte Applikation, kontinuierliche Nervenstimulation) sollte diese Gefahr jedoch minimiert sein. Darüber hinaus sind für die axilläre Plexusblockade keine spezifischen Komplikationen bekannt. Insbesondere besteht bei der axillären Plexusblockade kein Risiko für eine ipsilaterale Phrenikusblockade oder einen Pneumothorax.
11.4.7 Empfehlungen für ambulante
relaxation notwendig 5 Reduktion des Opioidbedarfs (intra- und
postoperativ) 5 Optimale postoperative Analgesie
Nachteile 5 Risiko der spezifischen Komplikationen
der Punktion (mit und ohne Katheter) 5 Zusätzlicher Kostenfaktor (bei Kombinati-
on mit Allgemeinanästhesie) 5 Zusätzlicher Zeitbedarf bei der Einleitung
(wird in der Regel allerdings aufgewogen durch schnelleres Erwachen aus der Narkose und kürzere AWR-Zeiten)
Patienten Bei ambulanten Patienten nach axillärer Plexusblockade sollte – vergleichbar zu den Empfehlungen nach IscB und VIB – über die voraussichtliche Dauer der Betäubung (Analgesie, Gefühllosigkeit) und den rechtzeitigen Beginn ei-
Mittels eines Katheters kann die Blockade des Plexus brachialis auch über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden. Auf diese Weise gelingt häufig eine ausgezeichnete postoperative Schmerztherapie, die oft ohne weitere systemi-
168
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 11 · Blockade des Plexus brachialis
sche Medikation auskommt. Auch bei bestimmten physiotherapeutischen Verfahren kann ein Patient wesentlich von einem Katheter zur Plexusblockade profitieren, indem vor jeder Behandlung eine angemessene Anästhesie des betreffenden Bereichs (z. B. Schulter- oder Ellbogengelenk) etabliert wird. Schließlich kann durch eine kontinuierliche Plexusblockade auch eine vollständige Sympathikolyse der oberen Extremität erzielt werden, wie sie z. B. bei Patienten mit Morbus Sudeck unter Umständen gewünscht wird. Vor- und Nachteile einer Plexus-brachialisBlockade mittels Kathetertechnik gegenüber einer durch den Patienten kontrollierten Analgesie mittels intravenösen Opioiden (i.v.-PCA) sind in der Übersicht zusammengefasst.
Vorteile VIB vs. axilläre Plexusblockade 5 Keine verfahrensbedingte »Anästhesie-
lücke« (N. radialis, N. musculocutaneus) 5 Sehr schnelle Anschlagzeit 5 Keine Probleme mit der Oberarmblut-
Sperre (Nn. cutaneus brachii medialis, cutaneus antebrachii medialis, und axillaris werden stets miterfasst) 5 Eindeutig definierte Leitpunkte und eindeutig festgelegte Stichrichtung 5 Komfortable Lagerung des Patienten (insbesondere bei Frakturen, Kontrakturen, Polyarthritis etc.) 5 Höhere Erfolgsquote
Nachteile VIB vs. axilläre Plexusblockade
8
Vorteile
9
5 Frühzeitige Mobilisation durch Physio-
10 11 12
5 Regionale Schmerztherapie ohne Opioid-
nebenwirkungen therapie 5 Unter Plexuskatheteranalgesie ist die Lun-
genfunktion postoperativ besser als unter i.v.-PCA
Nachteile 5 Bei langer Liegedauer Infektion möglich
13 14 15 16 17 18 19 20
Das Nutzen-Risiko-Profil für den interskalenären Zugang zum Plexus brachialis ist im entsprechenden Unterkapitel ausführlich dargestellt worden. Für Eingriffe an der Schulter bestehen tatsächlich keine Alternativen, wenn eine Regionalanästhesie gewünscht wird. Im Gegensatz dazu bestehen bei der Bewertung der Verfahren zur Leitungsanästhesie distal der Schulter manchmal Schwierigkeiten. Die Übersicht stellt nochmals die Vor- und Nachteile von VIB und axillärer Plexusblockade gegenüber.
5 Pneumothoraxrisiko 5 Ipsilateral Horner-Syndrom und Phreni-
kusparese möglich (bei Patienten mit respiratorischen Problemen – wenn operativ möglich – eher axilläre Blockade; u. U. sogar Allgemeinanästhesie erwägen) 5 Gelegentlich anatomische Orientierungsprobleme (Adipositas per magna, Schulterdeformitäten) → dann ebenfalls eher axillärer Zugang
12 Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen A. Brambrink
Anatomische Grundlagen
– 171
12.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
– 172
12.1.1
Indikationen – 172
12.1.2
Kontraindikationen – 172
12.2
Kanülen, Katheter, Sets
12.3
Nervenstimulation
12.4
N. musculocutaneus: Blockadetechnik am proximalen Oberarm – 173
12.4.1
Lagerung – 173
12.4.2
Leitstrukturen
12.4.3
Punktion und Injektion
12.4.4
Lagerung nach Injektion
12.4.5
Anmerkung: Midhumeral Brachial Plexus Block nach Dupré
12.5
N. radialis: Blockadetechnik am Ellbogen
12.5.1
Lagerung – 174
12.5.2
Leitstrukturen
12.5.3
Punktion und Injektion
12.5.4
Lagerung nach Injektion
12.6
N. medianus: Blockadetechnik am Ellbogen
12.6.1
Lagerung – 176
– 172
– 172
– 173 – 173 – 174
– 174
– 174 – 175 – 176
– 176
– 174
12.6.2
Leitstrukturen – 176
12.6.3
Punktion und Injektion
12.6.4
Lagerung nach Injektion
12.7
N. ulnaris: Blockadetechnik am Ellbogen
2.7.1
Lagerung – 177
12.7.2
Leitstrukturen – 177
12.7.3
Punktion und Injektion
12.7.4
Lagerung nach Injektion
12.8
Spezifische Komplikationen
– 177 – 177
– 178 – 178
– 178
– 177
171
Anatomische Grundlagen
12
gelenk sowie die 3 lateralen Finger (D I, II, III) dorsalseitig sensibel (. Abb. 12.1).
N. musculocutaneus Der N. musculocutaneus verlässt als erster peripherer Nerv den Plexus brachialis (oberhalb der Insertion vom M. pectoralis minor). Er senkt sich durch den M. coracobrachialis in die Tiefe und verläuft dann ventral vom Humerus zwischen M. bizeps und M. brachialis. Letzterer wird von ihm motorisch innerviert. In seiner Endstrecke ist er ein rein sensibler Nerv (N. cutaneus antebrachii lateralis), der den lateralen Unterarm versorgt.
N. radialis Der N. radialis (stammt aus den hinteren Anteilen des Plexus brachialis) liegt bereits auf Höhe der Axilla relativ weiter dorsal bzw. posterior (hinter der A. axillaris, innerviert den M. trizeps) im Vergleich zu den Nn. medianus und ulnaris. Von dort aus zieht er weiter nach dorsal-lateral und ganz dicht an den Humerus heran, umrundet diesen dorsal, um dann lateral in der Ellenbeuge über dem lateralen Epicondylus zu verlaufen. An dieser Stelle teilt er sich in den oberflächlichen und tiefen Ast (Rr. superficialis und profundi nervus radialis). Der tiefe Ast bleibt nahe am Radiusknochen und innerviert die hinteren Streckmuskeln am Unterarm. Der oberflächliche Ast verläuft dagegen unterhalb des Hautniveaus gemeinsam mit der A. radialis und versorgt radialseitig das Hand-
. Abb. 12.1. Anästhesieausbreitung bei Blockade des N. radialis. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
N. medianus Der N. medianus (aus den lateralen und medialen Anteilen des Plexus brachialis) verläuft stets medial der A. brachialis bis hinunter zur Ellenbeuge, wo er über dem medialen Epicondylus, medial der Insertionsstelle der Bizepssehne sowie medial der A. brachialis vorbeizieht. Unmittelbar distal davon beginnt er motorische Äste an die Beugemuskulatur von Handgelenk und Fingern abzugeben. Dabei verläuft er auf der Membrana interossea zum Handgelenk, und ist dort unmittelbar unter der Sehne der M. palmaris longus zu finden. Der N. medianus versorgt die medialen Aspekte der Ventralseite des Handgelenks sowie die gesamte Ventralseite von D I, II, III und die daumenzugewandte Seite von D IV. Schließlich werden die Dorsalseiten der Fingerendglieder von D I, II, III und IV (halb) sensibel innerviert (. Abb. 12.2).
N. ulnaris Der N. ulnaris (aus dem medialen Anteil exus brachialis) verläuft ebenfalls mit und stets medial der großen Armarterie (A. axillaris bzw. A. brachialis). Im distalen Oberarm zieht er noch weiter dorsomedial, um hinter dem medialen Epicondylus durch den Sulcus ulnaris zu ziehen (streng genommen liegt er nur bei gebeugtem Ellbogengelenk wirklich im Sulcus ulnaris). Weiter nach dis-
. Abb. 12.2. Anästhesieausbreitung bei Blockade des N. medianus. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
172
Kapitel 12 · Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen
telbare Optimierung der Plexusblockade erreicht werden, und eine systemische Applikation zentralwirksamer Analgetika bzw. ein Übergang auf eine Allgemeinanästhesie können vermieden werden.
1 2 3
12.1.2 Kontraindikationen
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 12.3. Anästhesieausbreitung bei Blockade des N. ulnaris. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
tal verläuft er ulnarseitig zwischen den Mm. flexor digitus profundus und flexor carpi ulnaris zum Handgelenk, wo er lateral der Insertion der Sehne von M. carpi ulnaris, aber medial von der A. ulnaris identifiziert werden kann. Der N. ulnaris innerviert beugeseitig 1½ Finger (½ D IV und D V) und streckseitig proximal 2½ Finger (½ D III, IV, V) sowie die sich proximal anschließenden Aspekte der Hand bis hoch zum Handgelenk (. Abb. 12.3).
12.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
12.1.1 Indikationen
Die isolierte bzw. kombinierte Blockade (z. B. »mid humeral approach« nach Dupré) der peripheren Armnerven kann für kurzdauernde chirurgische Eingriffe an Hand oder Fingern indiziert sein, die ohne Blutsperre durchgeführt werden. Dies sind typischerweise Weichteiloperationen, z. B. zur Wundversorgung. Ein sicher ebenso wichtiges Einsatzfeld für derartige Nervenblockaden stellt die unvollständige Plexusanästhesie dar, insbesondere nach axillärer Blockadetechnik, aber auch nach VIB oder interskalenärem Zugang (hier insbesondere der N. ulnaris). Auf diese Weise kann in der Mehrzahl der Fälle mit relativ geringem Aufwand eine unmit-
Es bestehen keine speziellen Kontraindikationen für eine periphere Plexusblockade. Grundsätzlich müssen auch hier die allgemeinen Kontraindikationen gegen periphere Nervenblockaden beachtet werden (7 Kap. 10.1). ! Cave An dieser Stelle wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einer Nachblockade wegen unvollständiger Plexusanästhesie im Prinzip ein erhöhtes Risiko für eine Nervenverletzung besteht.
Bedingt durch die weiter proximal vorgenommene Plexusblockade ist in dieser Situation nicht sicher gewährleistet, dass der entsprechende Nerv in üblicher Weise auf Nervenstimulation bzw. die Injektion von Lokalanästhetika reagiert. Hier müssen in jedem Einzelfall Risiko und Nutzen sorgfältig abgewogen werden.
12.2
Kanülen, Katheter, Sets
Nachfolgende Tabelle fasst die für eine Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen notwendigen Materialien zusammen. ! Bei der Nachblockade einzelner Nerven muss stets die Gesamthöchstdosis der Lokalanästhetika für den individuellen Patienten beachtet werden.
12.3
Nervenstimulation
Grundsätzlich wird die Verwendung eines Nervenstimulators bei der Anlage peripherer Nervenblockaden empfohlen. Dies gilt jedoch insbesondere für die Ergänzung einer unvollständigen
173
12.4 · N. musculocutaneus: Blockadetechnik am proximalen Oberarm
Stimulationskanüle
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Stimulierbare atrauma-
5 Mepivacain
5 Regionalanästhesie-Basisset:
tische Kanüle mit Zuspritzmöglichkeit (z. B. Stimuplex D 25G-50 mm, 15°-Schliff (Fa. Braun, Melsungen)
1% (Hautinfiltration) 2 ml 5 Periphere Nervenblockade: (z. B. Prilocain 1%, Mepivacain 1%, Ropivacain 0,75%) − im Oberarmbereich: 10 ml pro Nerv − im Ellbogenbereich: (3)–5 ml pro Nerv
Anästhesie des Plexus brachialis durch eine weiter distal gelegene Blockade. Hier sollte in jedem Fall ein Nervenstimulator eingesetzt werden (Parästhesien als Warnsignal einer intraneuralen Kanülenlage können möglicherweise nicht ausgelöst werden, s. oben). Kann keine charakteristische Stimulationsantwort erreicht werden, wird dringend empfohlen die Injektion von zusätzlichem Lokalanästhetikum zu unterlassen, und auf eine andere Technik (z. B. zusätzliche Analgetika bzw. Übergang zur Allgemeinanästhesie) umzusteigen.
− − − − 5 5 5 5
12
Sterile Kompressen Abdecktuch Aufziehkanülen Subkutankanülen
− Spritzen (2×2 ml, 5 ml, 3–5×10 ml) Lösung zur Hautdesinfektion Nervenstimulator Maßband Nichtabwaschbarer Stift
5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
tionsgebietes. 5 Streng oberflächliche Lokalanästhesie der
Punktionsstelle. ! Nur geringe Menge des Lokalanästhetikums (1 ml) verwenden; durch ausgedehnte Infiltration in der Tiefe kann die Stimulationsantwort herabgesetzt werden.
5 Der M. bizeps wird etwas angehoben und nach
12.4.1 Lagerung
lateral verschoben um den M. coracobrachialis zu exponieren. Die Punktionskanüle wird dann senkrecht zur Hautebene und oberhalb der A. axillaris hinter das Gefäß in den Muskelbauch etwa 3 cm tief vorgeschoben. 5 Ein Nervenstimulator kann verwendet werden (initial: 0,8 mA, 2 Hz, 0,1 ms).
Wie zur axillären Plexusblockade (7 Kap. 11.4).
! Reizantwort: Muskelkontraktionen des M. bra-
12.4
N. musculocutaneus: Blockadetechnik am proximalen Oberarm
chialis (Beugung im Ellbogengelenk).
5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei 12.4.2 Leitstrukturen
Am distalen Rand der Axilla liegt der N. musculocutaneus innerhalb des M. coracobrachialis. Vom Punktionsort für die axilläre Plexusblockade liegt der N. musculocutaneus etwa 2 cm distal und 2 cm lateral der Arterie (d. h. volar) in etwa 3 cm Tiefe.
12.4.3 Punktion und Injektion 5 Bestimmung und Markierung des Punktions-
ortes.
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. 5 Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. 5 Nach Aspiration werden 5 ml des Lokalanästhetikums appliziert.
174
1
Kapitel 12 · Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen
5 Schnelle Anschlagzeit: vollständige Nerven-
blockade typischerweise nach 5–10 min.
2 12.4.4 Lagerung nach Injektion
3 4 5 6 7
In der Regel wird die Blockade des N. musculocutaneus zusammen mit einer axillären Plexusblockade durchgeführt. In diesen Fällen wird der zu blockierende Arm eng an den Körperstamm angelegt. Bei einer singulären N.-musculocutaneusBlockade kann der Arm bequem – je nach Vorliebe des Patienten – gelagert werden.
12.4.5 Anmerkung: Midhumeral Brachial
Eingriffe distal des Ellbogens), wenngleich die Anschlagszeit von einigen Autoren länger angegeben wird. Auch ist die Verwendung einer Oberarmblutsperre gewöhnlich nicht möglich. 5 Häufig wird dieser Zugangsweg für die Nachblockade einzelner Nerven bei insuffizienter Plexusanästhesie empfohlen.
12.5
N. radialis: Blockadetechnik am Ellbogen
Von der Ellbogenfalte aus können der N. radialis und der N. musculocutaneus über einen gemeinsamen Zugang mit einer Nadel betäubt werden. Das Vorgehen wird nachfolgend erläutert.
Plexus Block nach Dupré
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
An dieser Stelle soll der midhumeral brachial plexus block nach Dupré erwähnt werden. Am Über-
12.5.1 Lagerung
gang vom proximalen zum mittleren Drittel des Oberarms können die 4 peripheren Nerven des Armes (Nn. musculocutaneus, radialis, medianus, ulnaris) unter Zuhilfenahme eines Nervenstimulators aufgesucht und betäubt werden (. Abb. 12.4). 5 Der Patient liegt dabei in Rückenlage mit 80° abduziertem, gestrecktem und nach außen rotiertem Arm. 5 An oben genannter Stelle wird die A. brachialis aufgesucht, und eine 22 G, 5 cm Stimulationskanüle wird 30° flach im Gefäßverlauf nach proximal (unmittelbarer oberhalb und vor dem Gefäß; N. medianus), senkrecht zur Unterlage nach medial (vor dem Gefäß; N. ulnaris), senkrecht zur Hautoberfläche (in Richtung auf die Unterkante des Humerus; N. radialis), bzw. horizontal zur Unterlage unter den Bizepsmuskel (in Richtung auf die Oberkante des Humerus; N. musculocutaneus) vorgeschoben bis eine entsprechende motorische Reizantwort erfolgt. 5 An jeden Nerv werden unter entsprechenden Kautelen (Aspiration, etc.) 10 ml Lokalanästhetika appliziert. 5 Dieses Vorgehen kann im Prinzip als Alternative zur axillären Plexusblockade gesehen werden (Weichteileingriffe am distalen Oberam, Ellbogen und weiter distal sowie knöcherne
Der Patient liegt in Rückenlage, der Arm ist abduziert, außenrotiert und der Unterarm supiniert. Das Ellbogengelenk ist gestreckt. Bei einer Nachblockade aufgrund insuffizienter Plexusanästhesie liegt der Patient häufig bereits auf dem OPTisch und die zu betäubende Extremität ist auf dem »Armtisch« ausgelagert.
12.5.2 Leitstrukturen
Zur Orientierung dienen das laterale Ende der Ellbogenfalte und der Epicondylus lateralis des Humerus. Der N. radialis kann am Ellbogen am besten auf der Höhe der Ellbogenfalte in einer Lücke erreicht werden, die ca. 1–2 cm lateral der Bizepssehne und unmittelbar medial des M. brachioradialis getastet werden kann (. Abb. 12.5). Durch manuellen Druck können an dieser Stelle auch Parästhesien im Versorgungsbereich der N. radialis ausgelöst werden. Der sensible Endast des N. musculocutaneus, der N. cutaneus antebrachii lateralis, liegt etwas lateral von dieser Stelle auf der Muskelfaszie des M. brachioradialis im subkutanen Gewebe.
175
12.5 · N. radialis: Blockadetechnik am Ellbogen
12
. Abb. 12.4. Querschnitt des proximalen Oberarms; axilläre Plexusblockade: Technik nach Dupré. Stichrichtung für die einzelnen Nerven angedeutet: A N. ulnaris, B N. medianus, C N. radialis, D N. musculocutaneus. (Mod. nach Niesel, HC [1994] Regionalanästhesie, Lokalanästhesie, Regionale Schmerztherapie. Thieme, Stuttgart New York)
12.5.3 Punktion und Injektion 5 Bestimmung und Markierung des Punktions-
ortes. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
tionsgebietes. ! Streng oberfächliche Lokalanästhesie der Punktionsstelle (0,5 ml Lokalanästhetikum); durch ausgedehnte Infiltration in der Tiefe kann die Stimulationsantwort bei dem oberflächlichen Nerven herabgesetzt werden. . Abb. 12.5. Blockade des N. radialis im Ellenbeugenbereich. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. D. Craß aus: Rossaint/ Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
5 Punktion etwa 1–2 cm lateral der Bizepsseh-
ne; die Kanüle in einem Winkel von etwa 15° nach proximal und lateral zur Hautoberfläche in Richtung auf den Epicondylus lateralis humeri vorschieben.
176
1
Kapitel 12 · Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen
5 Bei »Plexussupplementierung« immer Ner-
venstimulator: initial 0,8 mA, 2 Hz, 0,1 ms; üblicherweise in ca. 0,5–1 cm Reizantwort (ohne Nervenstimulator: Parästhesien auslösen, vor Injektion intraneurale Kanülenlage ausschließen).
2 3
12.5.4 Lagerung nach Injektion
4
! Reizantwort: Muskelkontraktionen der Extenso-
5
5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei
ren am Handgelenk.
6 7
5
8 9 10
5
11
5
12 13 5
14 15 16 17 18 19 20
schließend wird die Nadel ins subkutane Gewebe zurückgezogen und weitere 5 ml Lokalanästhetikum werden fächerförmig infiltriert (N. musculocutaneus).
5
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. Nach Aspiration werden 5 ml des Lokalanästhetikums appliziert (N. radialis). Die Nadel wird jetzt ins Subkutangewebe zurückgezogen und fächerförmig werden weitere 5 ml des Lokalanästhetikums infiltriert (N. musculocutaneus). Anmerkung: eine zu tiefe Infiltration ist häufig Grund für einen insuffizienten Block dieses Nervs. Schnelle Anschlagzeit: vollständige Nervenblockade typischerweise nach wenigen Minuten. Stets Höchstdosis beachten (insbesondere bei Ergänzung einer insuffizienten Plexusanästhesie).
Bei peripherer Nervenblockade ohne Zusammenhang mit einer Plexusanästhesie kann auch ohne Nervenstimulator vorgegangen werden (wenngleich das Vorgehen mit Nervenstimulator stets vorzuziehen ist): hierbei wird die Nadel bis auf den Epicondylus lateralis vorgeschoben bis Knochenkontakt erreicht ist. Die Nadel wird jetzt langsam zurückgezogen und 5 ml Lokalanästhetikum werden infiltriert (N. radialis). Werden Parästhesien auf dem Weg ausgelöst, muss die Nadel wenige Millimeter zurückgezogen werden, um eine intraneurale Injektion auszuschließen. An-
Nach der Injektion kann der Arm beliebig gelagert werden.
12.6
N. medianus: Blockadetechnik am Ellbogen
12.6.1 Lagerung
Wie bei der Blockade des N. radialis im Ellbogenbereich (s. oben).
12.6.2 Leitstrukturen
Als Leitstrukturen dienen die Ellbogenfalte, die Sehne des M. bizeps brachii (medialer Anteil), sowie die A. brachialis (. Abb. 12.6). Der N. medianus wird 1 cm medial (ulnar) der A. brachialis in etwa 1 cm Tiefe (0,5–2 cm) erreicht.
. Abb. 12.6. Blockade des N. medianus im Ellenbeugenbereich. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. D. Craß aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
177
12.7 · N. ulnaris: Blockadetechnik am Ellbogen
12
12.6.3 Punktion und Injektion
12.6.4 Lagerung nach Injektion
5 Bestimmung und Markierung des Punktions-
Nach der Injektion kann der Arm beliebig gelagert werden.
ortes. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punktionsgebietes.
12.7 ! Streng oberfächliche Lokalanästhesie der Punktionsstelle (0,5 ml Lokalanästhetikum); durch ausgedehnte Infiltration in der Tiefe kann die Stimulationsantwort herabgesetzt werden.
5 Punktion 1 cm medial der A. brachialis auf Hö-
he der Ellbogenfalte, etwa 15° zur Hautoberfläche in proximaler Richtung parallel zum Gefäß auf den Epicondylus medialis humeri zu. 5 Bei »Plexussupplementierung« immer Nervenstimulator: initial 0,8 mA, 2 Hz, 0,1 ms; üblicherweise bereits in ca. 0,5–1 cm Reizantwort (ohne Nervenstimulator: Parästhesien auslösen, vor Injektion intraneurale Kanülenlage ausschließen). ! Reizantwort: Muskelkontraktion der Flexoren am Handgelenk.
N. ulnaris: Blockadetechnik am Ellbogen
12.7.1 Lagerung
Der Patient liegt in Rückenlage der Arm ist abduziert, das Ellbogengelenk ist 30° gebeugt, der Unterarm und die Hand sind supiniert.
12.7.2 Leitstrukturen
Zur Orientierung dienen die Dorsalseite des Epicondylus medialis humeri, das Olekranon sowie der Sulcus ulnaris. Der N. ulnaris kann nur bei gebeugtem Ellbogen tatsächlich im Sulcus ulnaris erreicht werden (. Abb. 12.7). Die Einstichstichstelle liegt etwa 1 cm proximal davon; der N. ulnaris liegt hier sehr oberflächlich (ca. 0,5 cm tief).
5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei
5
5 5 5
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. Nach Aspiration werden 5 ml des Lokalanästhetikums fächerförmig infiltriert. Schnelle Anschlagzeit: vollständige Nervenblockade nach wenigen Minuten. Stets Höchstdosis beachten (insbesondere bei Ergänzung einer insuffizienten Plexusanästhesie).
. Abb. 12.7. Blockade des N. ulnaris im Ellbogenbereich. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. D. Craß aus: Rossaint/ Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
178
1 2 3 4
12.7.3 Punktion und Injektion
12.8
5 Bestimmung und Markierung des Punktions-
Keine Blockade peripherer Nerven an der oberen Extremität ist mit spezifischen Komplikationen assoziiert. Neben den allgemeinen Komplikationen bei peripherer Leitungsanästhesie (7 Kap. 10.10) soll an dieser Stelle nochmals auf das erhöhte Risiko für Nervenverletzungen hingewiesen werden, wenn in Zusammenhang mit einer insuffizienten proximalen Plexusanästhesie kein Nervenstimulator zur Identifikation des jeweiligen Nerven verwendet wird (Parästhesien als charakteristische Warnsignale können fehlen).
ortes. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punktionsgebietes. ! Streng oberfächliche Lokalanästhesie der Punktionsstelle (0,5 ml Lokalanästhetikum); durch ausgedehnte Infiltration in der Tiefe kann die Stimulationsantwort herabgesetzt werden.
5 6 7 8 9 10
Kapitel 12 · Leitungsanästhesie an Oberarm und Ellbogen
5 Punktion etwa 1 cm proximal des Sulcus ul-
naris in etwa 45° Neigung zum Hautniveau in Richtung des Nervenverlaufs. 5 Bei »Plexussupplementierung« immer Nervenstimulator: initial 0,8 mA, 2 Hz, 0,1 ms; Reizantwort in etwa 0,5–1 cm Tiefe (ohne Nervenstimulator: Parästhesien auslösen, vor Injektion intraneurale Kanülenlage ausschließen). ! Reizantwort: Spreizen der Finger. 5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei
11 12
5
13 14 15 5
16 5
17 18 19 20
5
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. Nach Aspiration werden 5 ml des Lokalanästhetikums fächerförmig infiltriert. Schnelle Anschlagzeit: vollständige Nervenblockade typischerweise nach wenigen Minuten. Stets Höchstdosis beachten (insbesondere bei Ergänzung einer insuffizienten Plexusanästhesie).
12.7.4 Lagerung nach Injektion
Nach der Injektion kann der Arm beliebig gelagert werden.
Spezifische Komplikationen
13 Handgelenkblockade A. Brambrink
Anatomische Grundlagen
– 180
13.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
13.1.1
Indikationen – 180
13.1.2
Kontraindikationen – 180
13.2
Zubehör
13.3
Technik der Handgelenkblockade
13.3.1
N. radialis
13.3.2
N. medianus
13.3.3
N. ulnaris
13.4
Spezifische Komplikationen
– 180
– 181 – 181
– 181
– 182
– 181
– 180
180
1
Kapitel 13 · Handgelenkblockade
Anatomische Grundlagen
N. radialis
2
4
Der oberflächliche Ast des Nervs (Ramus superficialis N. radialis) verläuft am Handgelenk im subkutanen Gewebe lateral (radial) der A. radialis. Ihm obliegt die sensible Versorgung der radialseitigen Handgelenkareale sowie der Dorsalseite der 3 lateralen Finger (D I, II, III).
5
N. medianus
3
6 7 8 9 10 11 12
Am Handgelenk verläuft der N. medianus unmittelbar unterhalb bzw. neben der Sehne des M. palmaris longus. Er ist hier ebenfalls ein rein sensibler Nerv und versorgt die medialen Anteile der Ventralseite des Handgelenks sowie die Ventralseite und den gesamten distalen Aspekt von D I, II, III sowie die mediale Hälfte von D IV.
N. ulnaris Dieser Nerv kann am Handgelenk lateral der Sehne von M. carpi ulnaris und medial der A. ulnaris identifiziert werden. Der N. ulnaris innerviert mit seinen sensiblen Ästen beugeseitig 1½ Finger (½ D IV und D V) und streckseitig proximal 2½ Finger (½ D III, IV, V) sowie die proximal anschließenden Anteile von Hand und Handgelenk.
13
15 16
13.1.2 Kontraindikationen
Es bestehen keine speziellen Kontraindikationen für die Handgelenkblockade. Ungeeignet sind diese jedoch, wenn vom Operateur eine motorische Blockade gewünscht wird.
13.2 13.1
14
Blutsperre indiziert sein, wie z. B. Weichteiloperationen oder zur Wundversorgung. Für Operationen an Knochen, Sehnen und Nerven ist dagegen typischerweise eine Blutsperre erforderlich. Geeignete Eingriffe sind in der klinischen Routine jedoch Ausnahmefälle und, da die intravenöse Regionalanästhesie (IVRA) in den meisten Fällen eine ebenso risikoarme wie effektive Methode darstellt, wird der Handblock nur wenigen Einzelfällen vorbehalten sein. Allerdings können – wie bei allen peripheren Blockadetechniken – unter Umständen Patienten mit speziellen kardialen und pulmonalen Risiken von einem solchen minimal-invasiven anästhesiologischen Vorgehen profitieren (geringe Mengen Lokalanästhetikum, praktisch kein Risiko für toxische Nebenwirkungen). Auch für den ambulanten Operationsbereich erscheint dieses Vorgehen im Einzelfall geeignet.
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
13.1.1 Indikationen
Die isolierte bzw. kombinierte Nervenblockade am Handgelenk kann für kurzdauernde chirurgische Eingriffe an Hand oder Fingern ohne
Zubehör
Für die Handgelenkblockade wird nur wenig Material benötigt. Ein Nervenstimulator kann nicht eingesetzt werden, da es sich ausnahmslos um sensible Äste der jeweiligen Nerven handelt. Nachfolgende Tabelle fasst die aus unserer Sicht empfehlenswerten Materialien zusammen.
17 18 19 20
Kanüle
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 25G-Kanüle
5 Mepivacain 1% (Hautinfiltration) 1 ml 5 Zur Nervenblockade:
5 Lösung zur Hautdesinfektion 5 Sterile Kompressen 5 5-ml-Spritzen
− N. radialis: 10 ml − N. medialis: 3–5 ml − N. ulnaris: 3–5 ml (z. B. Prilocain 1%, Mepivacain 1%, Ropivacain 0,75%)
181
13.3 · Technik der Handgelenkblockade
13.3
13
Technik der Handgelenkblockade
13.3.1 N. radialis
Der Arm des Patienten wird gestreckt, außenrotiert und leicht supiniert gelagert. Die Haut wird desinfiziert und an beschriebener Stelle wird bei Bedarf eine dermale Quaddel zur oberflächlichen Lokalanästhesie gesetzt. Etwa 3–4 cm proximal der Handgelenkfurche werden, beginnend von radialseitig auf der Höhe des Stylus radii bis etwa zur Mitte des dorsalen Unterarms 10 ml Lokalanästhetikum als subkutaner Ringwall appliziert (. Abb. 13.1).
a
13.3.2 N. medianus
Für die Blockade dieses Nervens liegt der Arm bequem gestreckt, außenrotiert und mit vollständig supiniertem Unterarm. Wird der Patient jetzt aufgefordert sein Handgelenk gegen einen Widerstand zu flektieren, kann die Sehne des M. palmaris longus in der Regel einfach identifiziert werden. Weitere Leitstruktur ist die lateral davon liegende recht prominente Sehne des M. flexor carpi radialis. Nach Hautdesinfektion und ggf. oberflächlicher (!) Lokalanästhesie erfolgt die Punktion etwa 2–3 cm proximal der beugeseitigen Handgelenkfurche zwischen diesen beiden Strukturen und der N. medianus wird mittels Auslösen von Parästhesien im Versorgungsgebiet identifiziert. Nach geringgradigem Zurückziehen der Kanüle werden 3–5 ml Lokalanästhetikum injiziert (. Abb. 13.2).
b . Abb. 13.1a,b. Blockade des N. radialis im Handgelenkbereich. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. D. Craß aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
13.3.3 N. ulnaris
Die Lagerung des Armes erfolgt wie zur Blockade des N. medianus (s. oben). Bei einigen Patienten kann am Handgelenk ein Puls über der A. ulnaris getastet werden. Weitere Leitstruktur ist die Sehne des M. flexor carpi ulnaris. Nach Desinfektion und Lokalanästhesie wird die Punktionskanüle etwa 2–3 cm proximal der beugeseitigen Handgelenkfurche zwischen diesen beiden Strukturen (medial der Arterie, lateral der Sehne) ca. 0,5–1 cm
. Abb. 13.2. Blockade des N. medianus im Handgelenkbereich. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. D. Craß aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
182
Kapitel 13 · Handgelenkblockade
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
. Abb. 13.3. Blockade des N. ulnaris im Handgelenkbereich. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. D. Craß aus: Rossaint/ Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
vorgeschoben bis Parästhesien ausgelöst werden. Die Nadel wird nun etwas zurückgezogen und es werden 3–5 ml eines Lokalanästhetikums appliziert (. Abb. 13.3). Die Anschlagzeit beträgt typischerweise jeweils nicht länger als 10 Minuten, sodass nach relativ kurzer Zeit bereits mit dem operativen Eingriff begonnen werden kann.
12 13 14 15 16 17 18 19 20
13.4
Spezifische Komplikationen
Für den »Handblock«, die kombinierte Blockade der 3 peripheren Nerven der Hand sind keine speziellen Komplikationen bekannt. Die beiden Nervenblockaden in Arteriennähe (Nn. radialis, ulnaris) bergen natürlich das Risiko einer akzidentellen intraarteriellen Injektion von Lokalanästhetika. Aufgrund der geringen Mengen ist eine gefährliche systemische Akkumulation nahezu ausgeschlossen. Sollten einer oder mehrere dieser Leitungsanästhesien zur Ergänzung einer insuffizienten Plexusblockade versucht werden, so muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass Nervenverletzungen bei diesem Vorgehen grundsätzlich wahrscheinlicher sind, da zur Identifikation kein Nervenstimulator eingesetzt werden kann und Parästhesien als charakteristische Warnsignale fehlen können (7 Kap. 12).
14 Leitungsanästhesien am Finger (Oberst-Block) A. Brambrink
Anatomische Grundlagen
– 184
14.1
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
14.1.1
Indikationen – 184
14.1.2
Kontraindikationen – 184
14.2
Zubehör
14.3
Technik des Oberst-Block
14.4
Spezifische Komplikationen
– 184 – 184 – 184
– 184
184
1 2 3 4
Kapitel 14 · Leitungsanästhesie am Finger (Oberst-Block)
Anatomische Grundlagen Die sensible Versorgung jedes Fingers mündet in jeweils 4 feine Äste, die ihn an den 4 Ecken der Fingerbasis zum entsprechenden Hauptnerv hin verlassen. Diese anatomische Regelmäßigkeit erlaubt eine technisch sehr einfache Anästhesie des einzelnen Fingers durch Injektion eines Lokalanästhetikums an der entsprechenden Fingerbasis.
5 14.1
6 7 8 9 10 11 12 13
Spezielle Indikationen und Kontraindikationen
14.1.1 Indikationen
Die isolierte Nervenblockade am Finger (OberstBlock) wird sehr häufig durch den Operateur selbst für kleine chirurgische Eingriffe an einem Finger eingesetzt. Im Prinzip kann diese Blockadetechnik auch zur Supplementierung einer weiter proximal gesetzten, jedoch insuffizienten Leitungsanästhesie indiziert sein. So kann diese z. B. auch bei Eingriffen am Finger intraoperativ appliziert werden. Bei Ergänzung einer weiter proximalen aber insuffizienten Blockade ergeben sich die gleichen Vorbehalte in Bezug auf mögliche Nervenverletzungen wie bereits für die übrigen peripheren Techniken am Arm erläutert (7 Kap. 12, 13).
14
14.1.2 Kontraindikationen
15
Für den Oberst-Block bestehen keine speziellen Kontraindikationen.
16 14.2
17 18 19 20
Zubehör
Für die Leitungsanästhesie am Finger wird nur wenig Material benötigt. Ein Nervenstimulator
kann auch hier nicht eingesetzt werden (sensible Äste). Nachfolgende Tabelle fasst die benötigten Materialien zusammen.
14.3
Technik des Oberst-Block
Für den Fingerblock wird der Arm des Patienten gestreckt, außenrotiert und leicht supiniert gelagert. Der betreffende Finger wird locker gestreckt. Die Haut wird desinfiziert und an beschriebener Stelle werden bei Bedarf 2 kleine dermale Quaddeln zur oberflächlichen Lokalanästhesie gesetzt. Medial und lateral des zu blockierenden Fingers werden jeweils 2–3 ml Lokalanästhetikum möglichst nah an das Periost der Fingerknochens appliziert. ! Cave Beim Oberst-Block darf dem Lokalanästhetikum auf keinen Fall ein Vasokonstriktor (z. B. Epinephrin) zugesetzt werden, um die Durchblutung des Fingers nicht zu gefährden. Die Anschlagszeit beträgt nur wenige Minuten.
14.4
Spezifische Komplikationen
Es sind keine speziellen Komplikationen der Oberst-Leitungsanästhesie bekannt. Durch das im Verhältnis zum Fingerumfang reichliche Injektionsvolumen können in Einzelfällen umschriebene Nervenschädigungen resultieren. In Bezug auf eine Ergänzung einer weiter proximal gelegenen insuffizienten Leitungsanästhesie muss auch hier darauf hingewiesen werden, dass Nervenverletzungen bei diesem Vorgehen grundsätzlich wahrscheinlicher sind, da Parästhesien als charakteristische Warnsignale eine intraneuralen Injektion fehlen können (7 Kap. 12, 13).
Kanüle
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Z. B. 23- bis
5 Mepivacain 1% (Hautinfiltration) 1 ml 5 Zur Nervenblockade: 2-mal 2–3 ml
5 Lösung zur Hautdesinfektion 5 Sterile Kompressen 5 5-ml-Spritzen
25-G-Kanüle
(rechts/links; z. B. Prilocain 1%, Mepivacain 1%, Ropivacain 0,75%
15 Intravenöse Regionalanästhesie (IVRA), Bier-Block U. Nickel
15.1
Indikationen und Kontraindikationen
15.1.1
Indikationen
15.1.2
Kontraindikationen
15.2
Kanülen und Zubehör
15.3
Technik der intravenösen Regionalanästhesie
15.3.1
Lagerung – 187
15.3.2
Punktion und Injektion
15.3.3
Zusätze zu Lokalanästhetika
15.4
Management häufiger Probleme
15.4.1
Tourniquet-Schmerz – 188
15.5
Spezifische Komplikationen
15.5.1
Lokalanästhetikaintoxikation – 188
Literatur
– 188
– 186
– 186 – 186
– 186
– 187 – 187
– 188
– 188
– 187
186
1 2 3 4 5 6 7 8
Kapitel 15 · Intravenöse Regionalanästhesie (IVRA), Bier-Block
15.1.2 Kontraindikationen
)) Die intravenöse Regionalanästhesie (IVRA) stellt eine Sonderform der peripheren Regionalanästhesie dar. Durch die Injektion eines Lokalanästhetikums in die Vene einer blutleeren Extremität werden Anästhesie und motorische Blockade hervorgerufen. Die Wirkung findet direkt an den peripheren Nervenendigungen statt. Vorteile der IVRA sind die schnelle und effektive Anästhesie mit einem Wirkungseintritt bereits nach 5–10 Minuten sowie die einfache Technik mit hohen Erfolgsraten. Aufgrund schneller postoperativer Erholungszeiten und geringer Inzidenz an Nebenwirkungen eignet sich diese Methode auch besonders bei ambulanten Eingriffen. Nachteile ergeben sich aus dem sofortigen Ende der Analgesie nach Ablassen der Staumanschette und dem oft beobachteten Tourniquet-Schmerz.
15.2
9 10
15.1
Indikationen und Kontraindikationen
11
15.1.1 Indikationen
12
Die intravenöse Regionalanästhesie ist für kurzdauernde Eingriffe (<60 min) an Unterarm und Hand geeignet (z. B. Karpaltunnelspaltung, Fasziektomie eines Strahls bei M. Dupuytren, Ringbandspaltung). Grundsätzlich kann die IVRA auch bei Eingriffen am Unterschenkel und Fuß eingesetzt werden; jedoch sind hierzu größere Lokalanästhetikamengen und höhere Drücke zur Aufrechterhaltung der Blutleere erforderlich, sodass sie im Bereich der unteren Extremität in der Praxis selten angewandt wird.
13 14 15 16
Absolute Kontraindikationen für die IVRA existieren nicht. Aufgrund des Risikos der Lokalanästhetikaintoxikation bei versehentlicher oder zu früher Öffnung der Staumanschette sollte diese Methode bei Patienten mit Herzerkrankungen oder Epilepsie zurückhaltend eingesetzt werden. Das gleiche gilt für Patienten mit ausgeprägtem oder nicht gut eingestelltem Hypertonus, da bei hohen Blutdrücken keine suffiziente Blutleere angelegt werden kann bzw. bei intraoperativ ansteigendem Blutdruck eine venöse Stauung auftritt. Bei anatomischen Besonderheiten (z. B. dicke, kurze Oberarme), die das Anlegen der Staumanschette erschweren, sollte ebenfalls auf diese Methode verzichtet werden.
Kanülen und Zubehör
Für die IVRA benötigt man eine spezielle Doppelcuffmanschette (. Abb. 15.1) zur Aufrechterhaltung der Blutleere. Spezielle Kanülen sind nicht erforderlich. Eine intravenöse Verweilkanüle ist ausreichend. Das erforderliche Zubehör ist in folgender Tabelle zusammengestellt.
17 . Abb. 15.1. Doppelcuffmanschette
18 19 20
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Verweilkanüle 20G
5 Prilocain 0,5%
5 Esmarch-Binde 5 Doppelcuffmanschette 5 2×20-ml-Spritzen
− Arm: 40 ml − Bein: 60 ml
187
15.3 · Technik der intravenösen Regionalanästhesie
15.3
Technik der intravenösen Regionalanästhesie
15
steigen und das Lokalanästhetikum in die Blutbahn übertreten.
15.3.1 Lagerung
5 Nach ca. 10 min Aufpumpen des distalen Cuffs
Der Patient liegt auf dem Rücken, der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert.
5 Bei korrekt aufgepumpter distaler Manschet-
der Manschette.
15.3.2 Punktion und Injektion
te Ablassen des Druckes aus der proximalen Manschette. 5 Fortlaufende Kontrolle der Manschette. 5 Die Manschette bleibt während der Dauer der Operation geschlossen.
! Grundvoraussetzung für die Durchführung einer intravenösen Regionalanästhesie ist, dass der Anästhesist mit der Technik und dem Umgang mit der Doppelcuffmanschette vertraut ist. Komplikationen oder Versager treten meist durch technische Fehler bei der Durchführung auf.
! Die Manschette darf frühestens 20 min nach der Injektion geöffnet werden.
Dosierungsvorschlag 5 Als Lokalanästhetikum der Wahl wird heu-
5 Anlegen eines venösen Zugangs am kontrala5 5
5
5
5
5 5 5
teralen Arm. Messen des Blutdruckes (ggf. Antihypertensiva, Sedierung). Anlegen eines zweiten, möglichst peripher (Handrücken) gelegenen venösen Zugangs an der betroffenen Extremität. Anlage einer zuvor auf Funktionsfähigkeit überprüften speziellen Doppelcuffmanschette am Oberarm, die während des gesamten Eingriffs gut zugänglich sein muss. Hochhalten des Armes; Erzeugung einer Blutleere durch Auswickeln der Extremität mit einer Esmarch-Binde von distal nach proximal. Anlegen einer Blutsperre mit 280–300 mmHg (in Abhängigkeit vom systolischen Blutdruck; empfohlen wird eine Blutsperre, die ca. 100 mmHg über dem systolischen Blutdruck liegt). Zunächst Aufpumpen des proximalen Cuffs der Manschette. Überprüfung der Korrektheit der Blutsperre, Entfernen der Staubinde. Nach Aspiration zur Kontrolle der Blutleere langsame Injektion des Lokalanästhetikums über 60–90 s über den venösen Zugang.
! Cave Bei zu hoher Injektionsgeschwindigkeit kann der Injektionsdruck den Manschettendruck über-
te aufgrund seiner geringen Toxizität Prilocain in einer Konzentration von 0,5% eingesetzt. Das erforderliche Volumen für die IVRA am Arm beträgt 40 ml. Eine signifikante Methämoglobinämie tritt bei Einsatz dieser Dosis in der Regel nicht auf.
! Cave Bupivacain darf aufgrund seiner hohen Toxizität nicht zur IVRA eingesetzt werden.
15.3.3 Zusätze zu Lokalanästhetika
Zur Verbesserung der Blockade, der Linderung des Tourniquet-Schmerzes und der Verlängerung der postoperativen Analgesie wurden dem Lokalanästhetikum in verschiedenen klinischen Untersuchungen unterschiedliche Substanzen zugesetzt. Weder der Zusatz von Opioiden noch von Bikarbonat oder Ketamin zeigte hier eindeutige Vorteile. Einzig die Zugabe von Clonidin (1[–2] µg/kgKG) scheint die postoperative Analgesie und die Tourniquet-Toleranz zu verlängern. Allerdings müssen hierbei die typischen Nebenwirkungen der Substanz wie Blutdruckabfall und Sedierung mit daraus resultierender Notwendig-
188
1
Kapitel 15 · Intravenöse Regionalanästhesie (IVRA), Bier-Block
keit einer längeren postoperativen Überwachung des Patienten in Kauf genommen werden.
2 15.4
3 4 5 6 7 8 9 10
Management häufiger Probleme
15.4.1 Tourniquet-Schmerz
Häufig klagen die Patienten nach einer gewissen Zeit über starke Tourniquet-Schmerzen. Diese können nur bedingt durch Verwendung einer Doppelcuffmanschette reduziert werden. Hierzu wird zunächst der proximale, nach 5–10 min der distale Cuff (im bereits anästhesierten Gebiet) aufgepumpt. Diese Maßnahme ist alleine aber oft nicht ausreichend. Einzelne Untersuchungen zeigen, dass durch Priming mit Lidocain 1 mg/kgKG i.v. vor der Durchführung der intravenösen Regionalanästhesie der Tourniquet-Schmerz gelindert werden kann. In anderen Untersuchungen wird der Zusatz von Clonidin favorisiert. Wird die intravenöse Regionalanästhesie ohne diese Zusätze durchgeführt, kann eine zusätzliche (Analgo-)sedierung Abhilfe schaffen.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
15.5
Spezifische Komplikationen
15.5.1 Lokalanästhetikaintoxikation
Die Hauptgefahr bei der intravenösen Regionalanästhesie besteht in der Lokalanästhetikaintoxikation (7 Kap. 10.10). Bei zu frühem Ablassen der Staumanschette gelangt das Lokalanästhetikum in großer Menge in den Kreislauf und ruft hier systemische Wirkungen hervor. Einige Autoren bevorzugen ein intermittierendes Ablassen des Manschettendruckes, um die maximalen Plasmakonzentrationen zu reduzieren. Signifikante Unterschiede im Vergleich zum kompletten Ablassen des Manschettendruckes konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Zudem kann durch wiederholtes Öffnen und Schließen der Manschette eine vom Operateur nicht gewünschte venöse Stauung im Operationsgebiet auftreten, sodass diese Maßnahme grundsätzlich nicht empfohlen werden kann.
Literatur Arthur JM, Heavner JE, Mian T, Rosenberg PH (1992) Fentanyl and lidocaine versus lidocaine for Bier block. Reg Anesth 17: 223–227 Bader AM, Concepcion M, Hurley RJ, Arthur GR (1988) Comparison of lidocaine and prilocaine for intravenous regional anesthesia. Anesthesiology 69: 409–412 Brill S, Middleton W, Brill G, Fisher A (2004) Bier’s block: 100 years and still going strong! Acta Anaesthesiol Scand 48: 117–122 Brown EM, McGriff JT, Malinowski RW (1989) Intravenous regional anaesthia (Bier Block): review of 20 years’ experience. Can J Anaesth 36: 307–310 Chan VWS, Peng P, Kaszas Z et al. (2001) A comparative study of general anesthesia, intravenous regional anesthesia, and axillary block for outpatient hand surgery: clinical outcome and cost analysis. Anesth Analg 93: 1181–1184 Choyce A, Peng P (2002) A systematic review of adjuncts for intravenous regional anesthesia for surgical procedures. Can J Anaesth 49: 32–45 Estebe JP, Gentili ME, Langlois G, Mouilleron P, Bernard F, Ecoffey C (2003) Lidocaine priming reduces tourniquet pain during intravenous regional anesthesia: A preliminary study. Reg Anesth Pain Med 28: 120–123 Gentili M, Bernard JM, Bonnet F (1999) Adding clonidine to lidocaine for intravenous regional anesthesia prevents tourniquet pain. Anesth Analg 88: 1327–1330 Grice SC, Morell RC, Balestrieri FR, Stump DA, Howard G (1986) Intravenous regional anesthesia: evaluation and prevention of leakage under the tourniquet. Anesthesiology 65: 316–320 Henderson CL, Warriner CB, McEwen JA, Merrick PM (1997) A North American survey of intravenous regional anesthesia. Anesth Analg 85: 858–863 Kleinschmidt S, Stöckl W, Wilhelm W, Larsen R (1997) The addition of clonidine to prilocaine for intravenous regional anaesthesia. Eur J Anaesth 14: 40–46 Lurie SD, Reuben SS, Gibson CS, DeLuca PA, Maciolek JA (2000) Effect of clonidine on upper extremity tourniquet pain in healthy volunteers. Reg Anesth Pain Med 25: 502–505 Reuben SS, Steinberg RB, Klatt JL, Klatt ML (1999) Intravenous regional anesthesia using lidocaine and clonidine. Anesthesiology 91: 654–658
VI Periphere Leitungsanästhesie bei Eingriffen an der unteren Extremität 16
Bewertung der unterschiedlichen Verfahren
17
Psoaskompartmentblockade
18
Ischiadikusblockade
19
Inguinale Blockade des N. femoralis
20
Obturatoriusblockade
21
Saphenusblockade
22
Fußblock
– 229
– 195
– 203
– 221
– 225
– 215
– 191
190
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
VI · Periphere Leitungsanästhesie bei Eingriffen an der unteren Extremität
)) Eine Innervierung der unteren Extremität über eine einzelne Hauptnervenversorgung, ähnlich den anatomischen Verhältnissen an der oberen Extremität, existiert leider nicht. Für die Versorgung des Beines sind die Nn. femoralis, obturatorius und cutaneus femoris lateralis aus dem Plexus lumbalis sowie der N. ischiadicus aus dem Plexus sacralis zuständig. In Abhängigkeit vom Operationsgebiet können einzelne Nervenstämme blockiert bzw. 2 Verfahren kombiniert werden. Für eine komplette Anästhesie des gesamten Beines ist sowohl eine Blockade des Plexus lumbalis als auch des N. ischiadicus erforderlich. Die Blockade großer Plexen und Nervenstämme, sowie der Zugang zu einzelnen Nerven wird nachfolgend detailliert dargestellt. Besteht der Wunsch oder die medizinische Notwendigkeit einer kompletten, sicheren und technisch einfachen Blockade der gesamten unteren Extremität mit geringen Lokalanästhetikadosen, muss auf ein rückenmarknahes Verfahren zurückgegriffen werden.
Die periphere Leitungsanästhesie der unteren Extremität bietet, im Gegensatz zu einer rückenmarknahen Regionalanästhesie, den Vorteil einer planbar einseitigen Blockade. Eine geringere Inzidenz postoperativer Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, kürzere postoperative Überwachungszeiten und ein reduzierter Analgetikabedarf ist gerade bei ambulanten Patienten vorteilhaft. Bei Hochrisikopatienten stellt sie das Verfahren der Wahl, bei schwierigen Intubationsverhältnissen oder erhöhtem Aspirationsrisiko eine brauchbare Alternative zur Allgemeinanästhesie dar. Auch entfallen die typischen schwerwiegenden, allerdings sehr seltenen Komplikationen einer rückenmarknahen Regionalanästhesie, wie z. B. spinale Abszesse oder Hämatome mit bleibenden neurologischen Störungen bis hin zur Paraplegie. Blockaden von Nervenstämmen der unteren Extremität ermöglichen zum einen operative Eingriffe an Ober-, Unterschenkel und Fuß, bieten sich aber auch (mit oder ohne Kombination mit einer Allgemeinanästhesie) zur postoperati-
ven Schmerztherapie an. Durch die Möglichkeit zur Einführung eines Katheters und anschließender kontinuierlicher Lokalanästhetikaapplikation kann die Wirkdauer der Blockade ausgedehnt werden. Gerade bei länger in situ verbleibenden Kathetern sind im Falle einer Infektion schwere zentrale neurologische Störungen weitgehend ausgeschlossen. Neben der Analgesie ergibt sich auch insbesondere die Möglichkeit zur verbesserten postoperativen Mobilisation sowie zur Prophylaxe eines Postamputationssyndroms. Im Gegensatz zur postoperativen Schmerztherapie über einen Epiduralkatheter kann auf eine engmaschige Kontrolle der Blasenfunktion oder die Anlage eines Blasenkatheters verzichtet werden.
16 Bewertung der unterschiedlichen Verfahren U. Nickel, A. Scherhag
192
Kapitel 16 · Bewertung der unterschiedlichen Verfahren
12
Bei der Vielzahl an Möglichkeiten zur peripheren Leitungsanästhesie an der unteren Extremität und den unterschiedlichen Techniken fällt eine differenzierte Indikationsstellung zunächst schwer und erfordert zum einen eine genaue Vorstellung über Ablauf und Besonderheiten des operativen Eingriffs (z. B. spezielle Lagerung oder Notwendigkeit einer Blutsperre; 7 Kap. 2), zum anderen sind genaue Kenntnisse hinsichtlich des Ausbreitungsgebietes der einzelnen Blockaden notwendig. Periphere Leitungsanästhesien stellen grundsätzlich komplikationsarme Anästhesieverfahren dar und bieten die Möglichkeit der postoperativen Analgesie. Sie sind jedoch, u. a. in Abhängigkeit vom Trainingsstand des Anästhesisten, mit einer höheren Versagerquote als z. B. rückenmarknahe Techniken behaftet. Mit der Psoaskompartmentblockade ist eine relativ zuverlässige Blockade des Plexus lumbalis möglich. Besser als mit der »3-in-1-Blockade« werden die »Problemnerven« N. cutaneus femoris lateralis und N. obturatorius miterfasst. Eingriffe am Knie und Oberschenkel sind grundsätzlich möglich, jedoch kann bei hohem Abgang des N. cutaneus femoris lateralis aus dem Plexus eine Anästhesielücke im Bereich des lateralen Oberschenkels entstehen.
Eingriffe ab dem distalen Oberschenkel sind mit der Kombination von Femoralis- und Ischiadikusblockade sicher durchzuführen. Das NutzenRisiko-Verhältnis ist günstig zu bewerten. Klarer Nachteil der Femoralisblockade ist, dass der N. cutaneus femoris lateralis und v. a. der N. obturatorius oft schlecht zu erfassen sind, und ein Anästhesiedefizit im Versorgungsgebiet dieser Nerven resultieren kann. Hieraus ergibt sich auch eine Einschränkung bei Operationen am Kniegelenk. Während die Femoralisblockade für arthroskopische Eingriffe ausreichend ist, sollte bei ausgedehnten Knieoperationen (z. B. Endoprothetik oder Kreuzbandplastik) besser eine Psoaskompartmentblockade oder ein rückenmarknahes Verfahren durchgeführt werden. Für die proximale Ischiadikusblockade gibt es verschiedene Zugangswege. Der posteriore Zugang (nach Chayen) ist leicht erlernbar und führt in der Regel zu einer zuverlässigen Blockade des Unterschenkels sowie des dorsalen Oberschenkels. Der Nachteil dieses Zugangs liegt in der erforderlichen Umlagerung des Patienten zur Punktion, was bei frisch verletzten Patienten, v. a. bei Begleitverletzungen von Becken bzw. Wirbelsäule, nicht möglich ist. In solchen Situationen bietet sich der, technisch schwierigere, anteriore Zugang an.
13
! Zu beachten ist auch, dass das Risiko der Psoas-
! Die distale Ischiadikusblockade in Höhe des
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
14 15 16 17 18 19 20
kompartmentblockade ähnlich dem rückenmarknaher Techniken zu werten ist. Die Anforderungen an den Gerinnungsstatus des Patienten sind identisch.
Soll die Blockade nur zur postoperativen Analgesie genutzt werden, muss man sorgfältig abwägen, ob nicht eine inguinale Femoralisblockade den gleichen Zweck bei deutlich geringerem Risiko erfüllt. So ergibt z. B. nach Endoprothetik des Kniegelenks die Studienlage keinen klaren Vorteil der Psoaskompartment- im Vergleich zur Femoralisblockade. ! Die inguinale Femoralisblockade ist deutlich komplikationsärmer, technisch wesentlich einfacher durchzuführen und leichter zu erlernen.
Kniegelenks ist ein sicheres, einfaches und komplikationsarmes Verfahren für Eingriffe am lateralen Unterschenkel und Fuß.
Als Katheterverfahren können alle 3 Zugangswege zur postoperativen Analgesie genutzt werden. ! Die Ischiadikusblockade muss zur Anästhesie, außer bei Operationen an Sprunggelenk und Fuß (ohne Blutsperre), mit einer Blockade des N. femoralis kombiniert werden.
Eine Übersicht über die Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren gibt . Tabelle 16.1, zum Vergleich mit rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren (7 Kap. 5.9.2).
193
Kapitel 16 · Bewertung der unterschiedlichen Verfahren
16
. Tabelle 16.1. Vergleich peripherer Nervenblockaden der unteren Extremität und deren Differenzialindikation Blockadeform
Vorteile
Nachteile
Indikation
Psoaskompartmentblockade
5 Ausgedehnter analgeti-
5 Risiko vergleichbar
5 Zur Anästhesie bei Eingriffen am
scher Bereich 5 Relativ zuverlässige Blockade des N. cutaneus femoris lateralis 5 Katheteranlage zur postoperativen Analgesie möglich
mit rückenmarknaher RA → NutzenRisiko-Abwägung! 5 Technisch aufwändig 5 Schwere Komplikationen mit zentralnervösen Symptomen möglich 5 Absolute Kontraindikation: Gerinnungsstörung
gesamten Bein (einschließlich Endoprothetik) in Kombination mit Ischiadikusblockade 5 Zur postoperativen Analgesie, Mobilisation nach Eingriffen an der Hüfte, Oberschenkel und Knie, einschließlich Endoprothetik 5 Als Monoverfahren zur Anästhesie bei Eingriffen am ventralen und lateralen Oberschenkel (z. B. Wundrevision, Hauttransplantation)
Inguinale Femoralisblockade
5 Ausgedehnter analgeti-
5 Blockade des
5 Zur Anästhesie bei Eingriffen
Proximale Ischiadikusblockade
5 Zuverlässige Blockade 5 Postoperative Analgesie
Distale Ischiadikusblockade
5 5 5 5
scher Bereich 5 Effektiv zur Katheteranalgesie bei einer Vielzahl von Eingriffen 5 Hohe Erfolgsrate
über Katheter möglich 5 Posteriorer Zugang: technisch einfacher als anteriorer Zugang
Einfache Technik Zuverlässige Blockade Katheterverfahren möglich Als Monoverfahren mit niedrigeren Lokalanästhetikadosen als bei Kombinationsblockade möglich 5 Niedrige Versagerquote 5 Erhaltene Mobilität des Beines
N. cutaneus femoris lateralis und N. obturatorius unzuverlässig → ausgedehnte Eingriffe am Knie schwierig
ab distalem Oberschenkel in Kombination mit Ischiadikusblockade 5 Zur Anästhesie als Monoverfahren bei Eingriffen im Versorgungsgebiet 5 Zur Analgesie bei Schenkelhalsfrakturen z. B. zur Lagerung, Diagnostik 5 Zur postoperativen Analgesie bei Eingriffen am Oberschenkel und Knie
5 Dorsaler Zugang:
5 In Kombination mit Femoralis-/
u. U. schwierige/ schmerzhafte (Seiten)lagerung zur Anlage (bei zusätzlichen Verletzungen an Becken/Wirbelsäule nicht möglich) 5 Zur Anästhesie des Beines Kombination mit Femoralis-/ Psoaskompartmentblockade
Psoaskompartmentblockade zur Anästhesie bei Eingriffen an Ober- und Unterschenkel 5 Als Monoverfahren zur Anästhesie bei Eingriffen am lateralen Unterschenkel ohne Blutsperre 5 Zur postoperativen Analgesie in Kombination mit Femoralisblockade bei Eingriffen am Knie, Unterschenkel
5 Keine Analgesie des
5 Eingriffe am distalen Unter-
Innenknöchels
schenkel (Sprunggelenk/Fuß) außer Unterschenkelinnenseite ohne Blutsperre; als Monoverfahren z. B. bei Nekrosenabtragung, Zehenamputation, Metakarpalefraktur, Metallentfernung Fuß und Sprunggelenk 5 Mit Blutsperre: Kombination mit Femoralisblockade
194
1 2
Kapitel 16 · Bewertung der unterschiedlichen Verfahren
. Tabelle 16.1. (Fortsetzung) Blockadeform Fußblock
3
Vorteile 5 Komplikationsarm 5 Keine wesentlichen 5
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
5 5 5
Nebenwirkungen Geeignet für Hochrisikopatienten Gerinnungsstörungen relative Kontraindikation Niedrige Lokalanästhetikadosen Technisch einfach
Nachteile 5 Mehrere Punktionen
notwendig 5 Keine Katheteranlage möglich 5 Keine Blutsperre möglich
Indikation 5 Eingriffe an Fuß und
Zehen ohne Blutsperre, z. B. Amputationen
17 Psoaskompartmentblockade A. Scherhag
Anatomische Grundlagen
– 196
17.1
Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen – 196
17.1.1
Indikationen und Differenzialindikation
17.1.2
Kontraindikationen – 198
17.2
Kanülen, Katheter, Sets
17.3
Blockadetechnik (nach Chayen)
17.3.1
Lagerung – 198
17.3.2
Leitstrukturen – 198
17.3.3
Punktion und Injektion
17.3.4
Lagerung nach Injektion
17.3.5
Vorgehen bei Kathetertechnik
17.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage
17.4.1
Schwierigkeiten bei der Kathetertechnik
17.4.2
Inkomplette Anästhesie
17.5
Spezifische Komplikationen
17.5.1
Lokalanästhetikaintoxikation – 201
17.5.2
Verfahrensspezifische Komplikationen
– 196
– 198 – 198
– 199 – 200 – 201
– 201
– 201
– 201 – 201
– 201
196
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 17 · Psoaskompartmentblockade
Anatomische Grundlagen Die Psoaskompartmentblockade ermöglicht einen hohen dorsalen Zugang zum Plexus lumbalis (L1–L4 und bei 50% der Patienten Anteile von Th12). Sowohl dieser, als auch Teile des Plexus sacralis (L4–S4) werden blockiert. Der Plexus lumbalis verläuft nach Austritt der Spinalnerven aus den Foramina intervertebralia in einer Faszienloge, die ventral vom M. psoas major, dorsal vom M. quadratus lumborum und medial von den Wirbelkörpern gebildet wird (. Abb. 17.1). Die Nn. iliohypogastricus und ilioinguinalis verlassen den Plexus zuerst, anschließend die Nn. genitofemoralis und cutaneus femoris lateralis. Der N. cutaneus femoris lateralis (rein sensibel) zieht über den M. iliacus medial der Spina iliaca anterior superior, der N. femoralis ventral des M. psoas unter dem Leistenband hindurch und der N. obturatorius verläuft durch den Canalis obturatorius zur Oberschenkelinnenseite.
Ziel für die Blockade des Beines ist die Blockade folgender Nerven N. genitofemoralis (L1–L2) 5 Sensible Versorgung:
Genitaler Ast: Skrotum bzw. Labien, benachbarte Areale der Innenseite des Oberschenkels Femoraler Ast: Haut in Nähe des Hiatus saphenus 5 Motorische Versorgung: M. cremaster, Tunica dartos
N. cutaneus femoris lateralis (L2–L3) 5 Sensible Versorgung → Lateralseite des
Oberschenkels
N. obturatorius (L2–L4) 5 Sensible Versorgung → Haut der Innen-
seite des Oberschenkels (variabel) und des Kniegelenks 5 Motorische Versorgung → Adduktoren
N. femoralis (L1–L4) 5 Sensible Versorgung → Vorderseite des
Oberschenkels
11
5 Motorische Versorgung → Kniebeuger,
12
Teile des N. ischiadicus (L4–S3)
Hüftstrecker
13
Im Gegensatz zum »3-in-1-Block« werden bei der Psoaskompartmentblockade die »Problemnerven« N. obturatorius und N. cutaneus femoris lateralis zuverlässiger ausgeschaltet. Die sensible Versorgung der unteren Extremität zeigt . Abb. 17.2.
14 15 16
17.1
17
17.1.1 Indikationen und
18
Differenzialindikation
19 20
Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen
. Abb. 17.1. Darstellung des Verlaufs des Plexus lumbalis nach Abgang der Nn. iliohypogastricus, ilioinguinalis und genitofemoralis.
Mit einer Psoaskompartmentblockade alleine kann man oberflächliche Eingriffe an der Vorderseite des Oberschenkels, wie z. B. Wundversorgungen oder Hauttransplantationen durchführen. In Kombination mit einer proximalen Blockade des
17.1 · Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen
197
17
. Abb. 17.2a,b. Sensible Versorgung der unteren Extremität a Haut und b Knochen. Darstellung von ventral und dorsal. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/ Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
a
b
198
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 17 · Psoaskompartmentblockade
N. ischiadicus können Operationen an der gesamten unteren Extremität distal des Schenkelhalses, auch mit Anlage einer Oberschenkelblutsperre, durchgeführt werden. Im Einzelfall kann aber selbst hier die Blutsperre zu Beschwerden beim Patienten führen. In Abhängigkeit von der Dauer der Operation oder der Notwendigkeit einer postoperativen Analgesie ist sowohl eine einzeitige Blockade, als auch ein kontinuierliches Verfahren mit Einlage eines Katheters möglich. Die Kathetertechnik ist bei Operationen mit starken und anhaltenden postoperativen Schmerzen (z. B. Kniegelenkendoprothetik, offene Kreuzbandplastik) und zur krankengymnastischen Mobilisation indiziert.
17.2
Kanülen, Katheter, Sets
Für die Durchführung einer Psoaskompartmentblockade ist das in nachfolgender Tabelle aufgeführte Zubehör erforderlich. Nähere Informationen zu den verwendeten Kanülen sind auch 7 Kap. 10.3 zu entnehmen. Die Kanüle mit Pencil-Point-Spitze besitzt als Besonderheit eine seitliche Öffnung. Damit kann nach annähernd senkrechter Punktion der Nervenloge ein Katheter im 90°-Winkel zur Stichrichtung der Kanüle und damit parallel zum Nervenverlauf eingeführt werden.
17.3
Blockadetechnik (nach Chayen)
! Für eine nahezu komplette Anästhesie der un-
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
teren Extremität (z. B. auch zum Anlegen einer Blutsperre) ist zusätzlich eine Blockade des N. ischiadicus erforderlich.
17.1.2 Kontraindikationen
Zu den allgemeinen Kontraindikationen für Regionalanästhesieverfahren siehe die ausführlichen Erläuterungen im 7 Kap. 10.1. Spezifische Kontraindikationen für die Psoaskompartmentblockade existieren nicht. Bei schwierigen anatomischen Verhältnissen (z. B. bei Adipositas per magna oder ausgeprägter Kyphoskoliose), langen Operationszeiten und schwieriger oder schmerzhafter Lagerung sollte im Sinne des Patientenkomforts über ein alternatives Anästhesieverfahren nachgedacht werden.
17.3.1 Lagerung
Die Punktion ist im Sitzen möglich, analog zur Lagerung für eine rückenmarknahe Regionalanästhesie, wird aber in der Regel in Seitenlage mit dem zu blockierenden Bein oben durchgeführt. Die Beine werden dabei angezogen und der Rücken kyphosiert (. Abb. 17.3).
17.3.2 Leitstrukturen
Der Schnittpunkt einer Linie in Höhe des Beckenkamms mit den Dornfortsätzen wird ermittelt. Diese trifft in der Regel den Dornfortsatz des 4. Lendenwirbelkörpers. Von diesem Punkt weicht man auf der Interspinallinie 3 cm nach kaudal und
Kanülen, Katheter
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Stimulierbare atraumatische
5 Mepivacain 1% (Haut-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
Kanüle mit Zuspritzmöglichkeit, z. B. Stimuplex D 22G–120 mm (Fa. Braun, Melsungen) 5 Kathetertechnik: z. B. Contiplex D Katheterset (Fa. Braun, Melsungen) oder Stimulong Plus Katheterset (Pajunk GmbH, Geisingen) mit stimulierbarem Katheter
infiltration) 5 40–50 ml Lokalanästhetikum
5 5 5 5 5 5
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (2 × 2 ml, 5 ml, 3–5 × 10 ml) NaCl 0,9% 10 ml Lösung zur Hautdesinfektion Nervenstimulator Maßband Nicht abwaschbarer Stift Bakterienfilter bei Kathetertechnik
199
17.3 · Blockadetechnik (nach Chayen)
5 cm nach lateral (zur blockierenden Seite hin) ab. Die so ermittelte Punktionsstelle liegt in unmittelbarer Nähe des medialen Randes der Crista iliaca (. Abb. 17.3). An dieser vorbei wird die Kanüle senkrecht in die Tiefe vorgeschoben.
! Reizantwort: Kontraktion des M. quadriceps femoris (»tanzende« Patella) bei einer Reizstromstärke von 0,3 mA.
5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei
17.3.3 Punktion und Injektion 5 5 Bestimmung und Markieren der Punktions-
stelle. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
tionsgebietes. 5 Lokalanästhesie der Punktionsstelle und des
Stichkanals. 5 Haut mit leicht drehenden Bewegungen der
5 5
5 5
Kanüle ohne vorherige Stichinzision überwinden. Vorschieben der Punktionskanüle in streng sagittaler Richtung (. Abb. 17.4). Falls Kontakt mit dem Processus transversus des 5. Lendenwirbelkörpers: Zurückziehen der Kanüle und leicht kranialwärts erneut vorschieben. Übliche Tiefe der Nervenloge bei einem normalgewichtigen Patienten: 8–9 cm (±2,5 cm). Alle Manipulationen grundsätzlich unter Kontrolle mit dem Nervenstimulator (7 Kap. 10: Stromstärke 0,8 mA, Frequenz 2 Hz und Impulsdauer 0,1 msec).
17
5
5
5
5
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. Injektion einer Testdosis von 3 ml zum Ausschluss einer intrathekalen oder intravasalen Lage. Bei korrekter Lage der Kanüle sollte die motorische Antwort schon nach wenigen ml des Lokalanästhetikums sistieren und auch nach Erhöhung der Stromstärke auf 1,0 mA nicht wieder auftreten. Fraktionierte und langsame Injektion des Lokalanästhetikums unter wiederholter Aspirationskontrolle. Steriler Verband.
Eine Punktion nach der »Loss-of-Resistance«Technik ohne Kontrolle mittels eines Nervensti-
. Abb. 17.3. Lagerung des Patienten und Leitstrukturen der Psoaskompartmentblockade. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
200
Kapitel 17 · Psoaskompartmentblockade
. Abb. 17.4. Anatomischer Querschnitt mit Stichrichtung. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
mulators sollte aus Sicherheitserwägungen nicht durchgeführt werden. Falls diese Technik zusätzlich zur Nervenstimulation angewandt wird, muss, bedingt durch die Injektion von Kochsalzlösung, mit einer Abschwächung der motorischen Stimulationsantwort gerechnet werden. Dies erschwert die Interpretation der Nervenstimulation unnötigerweise. Von einigen Autoren wird als zusätzlicher Test vorgeschlagen, die Kanüle nach erfolgreicher Stimulation weiter vorzuschieben. Der dabei spürbare erhöhte Widerstand, bedingt durch den M. psoas, und das Sistieren der Muskelkontraktionen soll einen zusätzlichen Hinweis auf die regelrechte Kanülenlage ergeben. Dieses Verfahren birgt die erhöhte Gefahr einer Nervenverletzung, da trotz einer durch den Nervenstimulator ermittelten korrekten und nervennahen Lage die Kanüle weiter vorgeschoben wird.
16 Dosierungsvorschlag
17 18 19 20
Die Wirkdauer beträgt bei Verwendung von Prilocain ca. 4 h, bei der Kombination mit Bupivacain oder Ropivacain ca. 6–8 h.
Kathetertechnik 5 Ropivacain 0,2% 5–15 ml/h, max.
37,5 mg/h
! Cave Bei der Kombination mit einer Ischiadikusblockade muss die Höchstdosis der Lokalanästhetika beachtet werden.
Viele Kliniker tendieren heute dazu eher höhere Dosen von Prilocain einzusetzen. Im Einzelfall, z. B. bei Patienten mit niedrigem Körpergewicht oder kardiopulmonaler Erkrankung (relevante Beeinträchtigung durch Methämoglobinämie möglich) muss die Dosis allerdings reduziert werden.
Single-shot 17.3.4 Lagerung nach Injektion
5 40–50 ml Lokalanästhetikum, z. B. Prilo-
cain 1% 40 ml und Bupivacain 0,5% oder Ropivacain 0,75% 10 ml. Die Kombination mit einem langwirkenden Lokalanästhetikum ist v. a. bei Single-shot-Blockaden, weniger bei Katheterverfahren, sinnvoll.
6
Nach der Injektion verbleibt der Patient für etwa 10 min in Seitenlage, um eine möglichst zentrale Ausbreitung des Lokalanästhetikums zu gewährleisten.
201
17.5 · Spezifische Komplikationen
17.3.5 Vorgehen bei Kathetertechnik
Um eine sichere Lagekontrolle nicht nur der Kanüle, sondern auch des Katheters zu gewährleisten, sollte durch eine stimulierbare Kanüle (z. B. 19,5G Pencil-Point-Unipolarkanüle von 12 cm Länge mit seitlicher Öffnung) ein ebenfalls stimulierbarer Katheter vorgeschoben werden. Dieser wird unter Kontrolle mittels Elektrostimulation ca. 5 cm tief in die Faszienloge eingeführt. Bei einem neueren Kathetermodell (20G Stimulong Plus Katheter, Pajunk GmbH, Geisingen) verbleibt die Metallseele auch während der Medikamentenapplikation im Katheter. Falls später Zweifel an der korrekten Lage des Katheters auftreten, kann man nach Unterbrechung der Lokalanästhetikazufuhr und Wiedereinsetzen der Motorik die Lage des Katheters per Nervenstimulator überprüfen und ggf. eine Lagekorrektur durchführen. Auch die Injektion über einen Katheter erfolgt erst nach negativer Aspiration und Testdosis des Lokalanästhetikums. Es wird immer ein Bakterienfilter konnektiert. Die Einstichstelle wird mit einem transparenten sterilen Pflaster verbunden. Zur kontinuierlichen Medikamentenapplikation über eine Infusionspumpe eignet sich z. B. Naropin 0,2% in einer Dosis von 5–15 ml/h.
17.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage der Blockade
17
ner inkompletten Anästhesie an der Außenseite des Oberschenkels kommen. In diesem Fall kann ein Tourniquet-Schmerz auftreten. Um diese kranialen Segmente des Plexus lumbalis noch besser zu erreichen empfehlen einige Autoren eine Orientierung am Dornfortsatz des 3. anstatt des üblichen 4. Lendenwirbelkörpers. Allerdings ist diese Technik mit der Gefahr subkapsulärer Nierenhämatome behaftet.
17.5
Spezifische Komplikationen
17.5.1 Lokalanästhetikaintoxikation
Die Gefahr einer Lokalanästhetikaintoxikation mit zentralnervösen oder kardialen Symptomen ist insbesondere bei einer Kombination mit einer Blockade des N. ischiadicus größer als bei Einzelblockaden, da große Volumina der Lokalanästhetika benötigt werden. Die Problematik der Lokalanästhetikaintoxikation ist in 7 Kap. 10.10 ausführlich dargestellt.
17.5.2 Verfahrensspezifische
Komplikationen Neben den anderen typischen Komplikationsmöglichkeiten einer jeden peripheren Leitungsanästhesie (7 Kap. 10.10), wie Nervenschädigung und Hämatombildung oder Infektionen, können auch verfahrensspezifische Probleme auftreten.
17.4.1 Schwierigkeiten bei der
Kathetertechnik Ein leichter Wiederstand beim Einführung des Katheters ist am Übergang von der Kanüle zur Faszienloge möglich. Falls sich dieser nicht durch leichten Druck oder Drehen des Katheters überwinden lässt, kann durch eine vorherige Injektion von NaCl-Lösung die Faszienloge geweitet werden.
Subarachnoidale oder epidurale Injektion Bei zu weit medialer Punktion kann eine subarachnoidale oder epidurale Injektion erfolgen. Im Extremfall resultiert daraus eine totale Spinalanästhesie. Zu beachten ist, dass eine negative Aspiration eine intrathekale Fehllage nicht zu 100% ausschließt. Häufiger ist allerdings eine variable, ggf. sogar beidseitige, Ausbreitung der Blockade, wahrscheinlich bedingt durch Diffusion des Lokalanästhetikums über das Perineurium.
17.4.2 Inkomplette Anästhesie
Bei sehr hohem Abgang des N. cutaneus femoris lateralis aus dem Plexus lumbalis kann es zu ei-
Weitere Komplikationsmöglichkeiten beinhalten Blasenfunktionsstörungen sowie Beschwerden in der paravertebralen Muskulatur.
202
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 17 · Psoaskompartmentblockade
! Cave Bei Punktionstiefen über 11 cm sind intraabdominelle Verletzungen mit Punktion von Aorta oder V. cava möglich.
Durch eine Hämatombildung im Bereich des M. psoas kann es zu anhaltenden neurologischen Problemen im Versorgungsgebiet des Plexus lumbalis und sacralis kommen. In Folge einer hohen Punktion bei L3 wurden auch Nierenverletzungen mit subkapsulärem Hämatom beschrieben.
18 Ischiadikusblockade A. Scherhag, B. Richter
Anatomische Grundlagen
– 204
18.1
Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen – 204
18.1.1
Indikationen und Differenzialindikation
18.1.2
Kontraindikationen
18.2
Proximale Ischiadikusblockade
18.2.1
Kanülen, Katheter, Sets
18.2.2
Blockadetechnik: transglutealer Zugang (nach Labat)
18.2.3
Blockadetechnik: anteriorer Zugang (modifizierte Technik nach Meier)
– 204
– 205
– 205
– 205 – 205
– 208 – 209
18.2.4
Spezifische Komplikationen
18.3
Distale Ischiadikusblockade (Poplitealblockade)
18.3.1
Indikationen und Kontraindikationen
18.3.2
Kanülen, Katheter, Sets
18.3.3
Blockadetechnik
18.3.4
Spezifische Komplikationen
– 210
– 211 – 213
– 210
– 209
204
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 18 · Ischiadikusblockade
Anatomische Grundlagen Der N. ischiadicus ist mit bis zu 2 cm Durchmesser der größte das Bein versorgende Nerv. Er verlässt den Plexus lumbosacralis in seinem distalen Bereich (L5–S1) durch das Foramen ischiadicum majus und das Foramen infrapiriforme am Unterrand des M. piriformis. In ca. 20% der Fälle zieht der Nerv durch diesen Muskel. Weiter nach distal zieht der Nerv zwischen Tuber ischiadicum und Trochanter major unter dem M. gluteus maximus hindurch. Bis zur Kniekehle verläuft er auf dem M. adductor magnus, bedeckt von den Beugemuskeln. Auf seinem Weg dorthin spaltet er sich in den N. peronaeus und den N. tibialis auf. Der N. ischiadicus kann an unterschiedlichen Stellen in seinem Verlauf blockiert werden. Der
8
anatomische Verlauf ist in . Abb. 18.1 wiedergegeben, die sensiblen Versorgungsgebiete des N. ischiadicus sind in . Abb. 17.2 (7 Kap. 17) dargestellt.
Versorgungsgebiete des N. ischiadicus und seiner Äste Motorische Versorgung 5 N. tibialis:
Oberschenkel- und Unterschenkelbeuger (außer Caput brevis M. biceps femoris) 5 N. peronaeus: Mm. peronaei, Unterschenkel- und Fußstrecker, Caput brevis M. biceps femoris
Sensible Versorgung 5 N. tibialis + N. peronaeus:
Haut des Unterschenkels und des Fußes
9 10 11
18.1
12
Indikationen, Differenzialindikation und Kontraindikationen
18.1.1 Indikationen und
Differenzialindikation
13
Mit einer Blockade des N. ischiadicus alleine kann man oberflächliche Eingriffe in seinem Versorgungsgebiet am dorsalen Oberschenkel, dorsolateralen Unterschenkel und am gesamten Fuß mit Ausnahme des Innenknöchels durchführen. In Kombination mit einer Psoaskompartment- oder Femoralisblockade lassen sich fast alle Eingriffe im Bereich des Beines ab dem distalen Oberschenkel durchführen (7 Kap. 17 und 19). Auch zur Sympathikolyse oder Schmerztherapie ist das Verfahren geeignet. Obwohl je nach Art und Dosis des Lokalanästhetikums sehr lange Blockadezeiten möglich sind, sollte man im Sinne des Patientenkomforts dies für eine langanhaltende postoperative Schmerzfreiheit nutzen und nicht primär für sehr lange Operationszeiten.
14 15 16 17 18 19 20 . Abb. 18.1. Verlauf des N. ischiadicus
205
18.2 · Proximale Ischiadikusblockade
! Cave Die Anlage einer Oberschenkelblutsperre ist bei alleiniger Blockade des N. ischiadicus nicht möglich. Hierzu ist eine zusätzliche Blockade des N. femoralis erforderlich.
Die proximale dorsale Ischiadikusblockade imponiert durch ihre vergleichsweise einfache Technik und zuverlässige Blockade. Vorteil des technisch anspruchsvolleren anterioren Zugangs ist, dass der Patient in Rückenlage verbleiben kann. Er ist dann indiziert, wenn schmerzhafte oder schwierige Lagerungsmanöver, z. B. bei Frakturen oder ausgeprägter Adipositas, vermieden werden sollen. Die distale Ischiadikusblockade im Bereich der Kniekehle ist für Eingriffe am distalen lateralen Unterschenkel geeignet, die ohne oder mit einer Unterschenkelblutsperre durchgeführt werden können.
18
distale Ischiadikusblockade (DIB) stellt eigentlich eine Blockade der nahe beieinander verlaufenden Nerven N. tibialis und N. peronaeus communis dar und wird in 7 Kap. 18.3 besprochen.
18.2.1 Kanülen, Katheter, Sets
Das für eine proximale Ischiadikusblockade benötigte Material ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt. Einzelheiten zu den Kanülen sind 7 Kap. 10.3 zu entnehmen.
18.2.2 Blockadetechnik: transglutealer
Zugang (nach Labat) Lagerung
18.1.2 Kontraindikationen
Neben den allgemeinen Kontraindikationen einer Regionalanästhesie (7 Kap. 10.1) gibt es keine für die Blockade des N ischiadicus spezifischen Kontraindikationen.
18.2
Proximale Ischiadikusblockade
Es gibt verschiedene Techniken und Zugangswege für die proximale Blockade des N. ischiadicus. In der Praxis bewährt haben sich die klassische dorsale, transgluteale Technik (nach Labat) und der anteriore Zugang (modifiziert nach Meier). Die
Der Patient wird in Seitenlage mit dem zu blockierenden Bein nach oben gelagert. Das Bein wird im Hüftgelenk 30–40° und im Kniegelenk 70–90° gebeugt. Das unten liegende Bein bleibt gestreckt (. Abb.18.2a).
Leitstrukturen Als Leitstrukturen dienen der Trochanter major und die Spina iliaca posterior superior. Von der Mitte einer Verbindungslinie zwischen beiden wird eine senkrechte Linie 5 cm nach medial und distal gezogen. Dies ergibt die Punktionsstelle (. Abb. 18.2). Zur Kontrolle kann man die Linie vom Trochanter major über die Punktionsstelle in gerader Richtung verlängern und sollte dabei auf den Hiatus sacralis treffen.
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Stimulierbare atraumatische Kanüle
5 Mepivacain 1% (Haut-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
mit Zuspritzmöglichkeit, z. B. Stimuplex D 22G-120 mm (Fa. Braun, Melsungen) 5 Kathetertechnik: z. B. Contiplex D Katheterset (Fa. Braun, Melsungen) oder Stimulong Plus Katheterset (Pajunk GmbH, Geisingen) mit stimulierbarem Katheter
infiltration) 5 30–40 ml Lokalanästhetikum
5 5 5 5
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (2×2 ml, 5ml, 4×10 ml) NaCl 0,9% 10 ml Lösung zur Hautdesinfektion Nervenstimulator Bakterienfilter bei Kathetertechnik
206
1 2 3 4
Kapitel 18 · Ischiadikusblockade
Als weitere Orientierung dient das Oberflächenrelief der Gesäßmuskulatur. Am Übergang des M. gluteus maximus von seinem muskulösen zum sehnigen Anteil kann selbst bei adipösen Patienten eine bogenförmige Einsenkung gefunden werden, in deren Tiefe der N. ischiadicus verläuft. In der Regel stimmt der anatomisch gefundene mit dem gemessenen Punkt überein.
Punktion und Injektion
5
5 Bestimmung und Markieren der Punktions-
6
5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
5 Primär Kontraktion des M. gluteus maximus
durch direkte Stimulation. 5 Anschließend Kontraktionen von Gesäß und
Oberschenkel durch Stimulation der Mm. biceps femoris, semimembranosus und semitendinosus. ! Reizantwort: Plantarflexion und Supination des Fußes durch Stimulation des N. tibialis oder Dorsalflexion und Pronation des Fußes durch Stimulation des N. peronaeus.
stelle.
7
5 5
8 9 10
5 5
11
tionsgebietes. Infiltrationsanästhesie der Punktionsstelle und des Stichkanals. Überwindung der Haut mit leicht drehenden Bewegungen der Kanüle ohne vorherige Stichinzision. Vorschieben der Punktionskanüle senkrecht zur Hautoberfläche. Alle Manipulationen erfolgen grundsätzlich unter Kontrolle mit dem Nervenstimulator (7 Kap. 10): initiale Stromstärke 0,8 mA, Frequenz 2 Hz, Impulsdauer 0,1 msec.
5 Punktionstiefe ca. 6–8 cm, bei adipösen Pati-
enten auch tiefer. 5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. 5 Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungs-
12 13 14 15 16 17 18 19 20
a
b
. Abb. 18.2a,b. Proximale Ischiadikusblockade (transglutealer Zugang nach Labat): a Lagerung und b Identifikation des Punktionsortes mit Leitstrukturen. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. D. Craß aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
207
18.2 · Proximale Ischiadikusblockade
gefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. 5 Fraktionierte Injektion der Wirkdosis unter wiederholter Aspirationskontrolle. 5 Bei korrekter Kanülenlage sollte die motorische Antwort sistieren und auch nach Erhöhung der Stromstärke auf 1,0 mA nicht wieder auftreten. 5 Steriler Verband. ! Eine Punktion ohne Nervenstimulator, deren Erfolgskontrolle im Auslösen von Parästhesien besteht, sollte heutzutage nicht mehr durchgeführt werden.
Einige Autoren bevorzugen eine getrennte Stimulation des N. tibialis und des N. peronaeus und injizieren jeweils 50% der Wirkdosis. Man erreicht dadurch eine qualitativ bessere und früher einsetzende Blockade. Allerdings besteht bei der zweiten Punktion die Gefahr einer primär unerkannten Nervenläsion eines teilanästhesierten Nervenstammes.
Dosierungsvorschlag Single-shot 5 30–40 ml Lokalanästhetikum, z. B. Prilo-
cain 1% 30 ml + Ropivacain 0,75% 10 ml oder Bupivacain 0,5%. 5 Die Kombination mit einem langwirkenden Lokalanästhetikum ist v. a. bei Singleshot-Blockaden, weniger bei Katheterverfahren, sinnvoll. 5 Die Wirkdauer beträgt bei Verwendung von Prilocain ca. 4 h, bei der Kombination mit Bupivacain oder Ropivacain ca. 6–8 h.
Kathetertechnik 5 Ropivacain 0,2% 5–15 ml/h, max.
37,5 mg/h.
18
! Cave Bei der Kombination mit einer Femoralisblockade muss die Höchstdosis der Lokalanästhetika beachtet werden.
Viele Kliniker tendieren heute dazu eher höhere Dosen von Prilocain einzusetzen. Im Einzelfall, z. B. bei Patienten mit niedrigem Körpergewicht oder kardiopulmonaler Erkrankung bzw. Anämie (relevante Beeinträchtigung durch Methämoglobinämie möglich) muss die Dosis reduziert werden.
Vorgehen bei Kathetertechnik Nach Auffinden des Nervenstammes wird ein (am besten stimulierbarer) 20G-Katheter durch die seitliche Öffnung der Kanüle ca. 4–5 cm tief eingeführt, fixiert und mit einem Bakterienfilter versehen. Die Kathetereintrittsstelle wird steril verbunden.
Management häufiger Probleme bei der Anlage Knochenkontakt Falls ohne Stimulationsergebnis in einer Punktionstiefe von 8–10 cm Knochen erreicht wird, muss die Stichrichtung leicht korrigiert werden. Wegen der Länge der Kanüle darf dies nur mit einer geringen Winkelabweichung geschehen. Die Kanüle muss hierzu ausreichend weit bis subkutan zurückgezogen werden, um eine Lageänderung zu erreichen.
Nervenkontakt Die Dicke des N. ischiadicus von etwa 2 cm bedingt eine erhöhte Gefahr einer intraneuralen Lage der Kanülenspitze. Einige allgemeine Vosichtsmaßnahmen können die Gefahr einer intraneuralen Injektion mit starken Schmerzen und bleibenden Nervenschädigungen minimieren. Zum einen ist eine positive Nervenstimulation mit Stromstärken unter 0,2–0,3 mA nicht notwendig und, wegen der daraus folgenden extremen Nähe der Kanüle zum Nerven, auch nicht erwünscht. Liegt die Schwellenstromstärke unter 0,1–0,2 mA muss die Kanüle um einige Millimeter zurückgezogen werden. Des Weiteren muss die Injektion des Lokalanästhetikums ohne grö-
208
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 18 · Ischiadikusblockade
ßeren Widerstand und schmerzfrei möglich sein. Ist dies nicht der Fall, muss die Injektion sofort unterbrochen und die Kanüle etwas zurückgezogen werden. Nach einer Testdosis von 2–3 ml sollte die Reizantwort auf die Nervenstimulation sistieren. Geschieht dies nicht, muss auch bei negativem Aspirationstest eine intravasale Injektion in Erwägung gezogen werden. Auf entsprechende neurologische Frühsymptome ist dann verstärkt zu achten.
18.2.3 Blockadetechnik: anteriorer Zugang
(modifizierte Technik nach Meier) Lagerung
8 9 10 11 12 13 14 15
Der Patient wird in Rückenlage gebracht. Das zu blockierende Bein sollte in Neutralstellung liegen.
. Abb. 18.3. Identifikation des Punktionsortes und Leitstrukturen für den anterioren Zugang zum N. ischiadicus (nach Meier). (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/ Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
Leitstrukturen Zur Orientierung markiert man die Spina iliaca anterior superior und die Mitte der Symphyse. Die Verbindungslinie zwischen beiden wird gedrittelt. An der Stelle des Übergangs vom medialen zum mittleren Drittel zeichnet man eine Senkrechte nach kaudal. Eine weitere, dazu parallele, Linie wird vom Trochanter major aus nach mediokaudal über den Oberschenkel gezogen. Der Schnittpunkt dieser Linie mit der Senkrechten ergibt den Punktionsort (. Abb. 18.3). Der anatomische Querschnitt durch den Oberschenkel ist in . Abb. 18.4 dargestellt.
. Abb. 18.4. Anatomischer Querschnitt durch den Oberschenkel.
Punktion und Injektion
16 17 18 19 20
5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
5 Vorschieben der Punktionskanüle in einem
tionsgebietes. 5 Lokalanästhesie der Punktionsstelle. 5 Tasten der Muskelloge zwischen M. rectus femoris und M. sartorius durch Ausüben eines vertikalen Drucks auf den Femur mit Ringund Zeigefinger (zur Verdrängung der Gefäße nach medial und Reduktion der Gefahr einer Gefäßpunktion). 5 Überwindung der Haut mit leicht drehenden Bewegungen der Kanüle ohne vorherige Stichinzision.
Winkel von 75–85° nach kranial, dorsal und lateral. 5 Alle Manipulationen erfolgen grundsätzlich unter Kontrolle mit dem Nervenstimulator (7 Kap. 10.5): Stromstärke 0,8 mA, Frequenz 2 Hz, Impulsdauer 0,1 msec). 5 Nach wenigen cm werden in der Regel Äste des N. femoralis erreicht. 5 Korrektur der Kanülenspitze (nach lateral) und weiteres Vorschieben bis zur gewünschten Reizantwort.
209
18.3 · Distale Ischiadikusblockade (Poplitealblockade)
! Reizantwort: Dorsalflexion und Pronation des Fußes durch Stimulation des N. peroneus oder Plantarflexion und Supination des Fußes durch Stimulation des N. tibialis.
5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei
5
5
5
5 5
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle etwas zurückgezogen werden. Nach negativem Aspirationstest Injektion einer Testdosis von 3 ml des Lokalanästhetikums. Bei korrekter Kanülenlage sollte die motorische Antwort sistieren und auch nach Erhöhung der Stromstärke auf 1,0 mA nicht wieder auftreten. Fraktionierte Injektion der Wirkdosis unter wiederholter Aspiration. Steriler Verband.
Dosierung Die Lokalanästhetika-Dosierung erfolgt wie beim transglutealen Zugangsweg (7 Kap. 18.2.2).
Vorgehen bei Kathetertechnik Nach Injektion der Wirkdosis wird ein (am besten stimulierbarer) 20G-Katheter durch die seitliche Öffnung der Kanüle ca. 4–5 cm tief eingeführt, fixiert und mit einem Bakterienfilter versehen. Die Kathetereintrittsstelle wird steril verbunden.
18
Verfahrensspezifische Komplikationen Neben den anderen typischen Komplikationsmöglichkeiten peripherer Leitungsanästhesien (7 Kap. 10.10), können beim posterioren Zugang auch verfahrensspezifische Probleme auftreten. Dazu zählen perineale Hyp- bzw. Anästhesie mit Harnretention durch Blockade des N. gluteus inferior und des N. pudendus. Außerdem kann es zur akzidentiellen Punktion der A. glutea superior kommen. Für den anterioren Zugang sind außer einer versehentlichen Gefäßpunktion keine spezifischen Komplikationen bekannt.
18.3
Distale Ischiadikusblockade (Poplitealblockade) B. Richter
Die distale Ischiadikusblockade bezeichnet die Blockade des N. tibialis und N. peronaeus communis über einen Zugang im Bereich der Kniekehle. Bis zum distalen Oberschenkel verlaufen sie miteinander in einer Bindegewebsscheide und können dort gemeinsam blockiert werden. Diese Blockade zeichnet sich durch eine sehr hohe Effektivität bei technisch einfacher Anlage aus. Anatomie. Unterhalb der Kniekehle teilt sich der N. ischiadicus in den N. tibialis (tiefere, mediale Lage) und den N. peronaeus communis (laterale, oberflächliche Lage) auf. Die Anatomie der Kniekehle zeigt . Abb. 18.5. Die Aufteilungshöhe unterliegt großen individuellen Schwankungen, sie kann 0–15,5 cm oberhalb der Kniergelenkbeugefurche liegen.
18.2.4 Spezifische Komplikationen
Lokalanästhetikaintoxikation Die Gefahr einer Lokalanästhetikaintoxikation mit zentralnervösen oder kardialen Symptomen ist insbesondere bei einer Kombination mit einer Blockade des Plexus lumbalis oder N. femoralis größer als bei Einzelblockaden, da größere Mengen an Lokalanästhetika benötigt werden. Die Thematik der Lokalanästhetikaintoxikation wird in 7 Kap. 10.10 ausführlich dargestellt.
Versorgungsgebiete des N. ischiadicus am Unterschenkel Motorische Innervation 5 N. peronaeus:
Ventrale Unterschenkelmuskulatur (Mm. peronei longus und brevis, M. tibialis
6
210
Kapitel 18 · Ischiadikusblockade
. Abb. 18.5. Anatomische Beziehungen der Poplitealregion. (Mit freundl. Genehmigung aus: Rossaint/Werner/Zwissler [2004] Die Anästhesiologie. Springer, Berlin Heidelberg New York)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
anterior), Zehenstrecker (Mm. extensores digitorum longus und brevis, Mm. extensores hallucis longus und brevis) 5 N. tibialis: Dorsale Unterschenkelmuskulatur, Fuß und Zehenbeuger
Sensible Innervation 5 N. peronaeus:
Fußrücken, medialer Fußrand, Zehenzwischenräume 5 N. tibialis: Lateraler Rand des Unterschenkels, des Fußes und der kleinen Zehe, Fußsohle, Ferse 5 Hoher Anteil sympathischer Fasern
16 17 18
18.3.1 Indikationen und
Kontraindikationen
ermöglicht die schmerzfreie Anlage einer Unterschenkelblutsperre. Sinnvoller ist die Kombination mit einer Femoralisblockade; diese ermöglicht sämtliche Operationen am distalen Unterschenkel und Fuß auch mit Oberschenkelblutsperre. Bei Schmerzsyndromen am Sprunggelenk oder Fuß kann die distale Ischiadikusblockade für diagnostische und therapeutische Eingriffe eingesetzt werden. Weitere Indikationen sind die postoperative Schmerztherapie und die Sympathikolyse der Gefäße des Unterschenkels bzw. des Fußes.
Kontraindikationen Für die distale Ischiadikusblockade gelten die allgemeinen Kontraindikationen zur Regionalanästhesie 7 (Kap. 10.2). Als Kontraindikation gelten auch kontralaterale Paresen des N. tibialis und des N. peronaeus communis. Besteht ein neurologisches Defizit des zu blockierenden Beines ist nach genauer Befunddokumentation die Anlage einer distalen Ischiadikusblockade möglich.
Indikationen
19 20
Die distale Ischiadikusblockade eignet sich als alleiniges Anästhesieverfahren für operative Eingriffe am lateralen Unterschenkel und am Fuß ohne Blutsperre. Die Kombination mit einer Blockade des N. saphenus unterhalb des Kniegelenks
18.3.2 Kanülen, Katheter, Sets
Das erforderliche Material ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
211
18.3 · Distale Ischiadikusblockade (Poplitealblockade)
18
Punktion und Injektion
18.3.3 Blockadetechnik
5 Bestimmen und Markierung der Punktions-
Es werden verschiedene Blockadetechniken beschrieben. Ein weit verbreiteter Zugangsweg ist der posteriore Zugang nach Rorie.
stelle. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
tionsgebietes. 5 Infiltrationsanästhesie der Haut und des Stich-
Lagerung
kanals.
Die Punktion erfolgt, wenn möglich, in Bauchlage des Patienten. Unter den Fuß wird eine Rolle gelegt, damit eine leichte Beugung im Kniegelenk erreicht wird. Eine Punktion in Seitenlage mit dem zu anästhesierenden Bein oben ist ebenfalls möglich. Das obere Bein ist locker gestreckt und liegt auf dem im Kniegelenk gebeugten unteren Bein. Zwischen die Beine wird ein Lagerungskissen gelegt. Auch in Seitenlage bei gebeugtem Hüftund Kniegelenk kann die distale Ischiadikusblockade angelegt werden.
5 Punktion unmittelbar medial der Sehne des
M. biceps femoris, mit einem Stichwinkel von 30–45° zur Haut nach kranial und etwas medial. 5 Aufsuchen des N ischiadicus mittels Nervenstimulation, beginnend mit Reizstromstärke 0,8 mA, Frequenz 2 Hz, Impulsdauer 0,1 msec. 5 Reizantwort des N. ischiadicus bzw. seiner Endäste nach 4–6 cm. ! Reizantwort: Plantarflexion des Fußes (N. tibialis), Dorsalflexion des Fußes (N. peronaeus).
Leitstrukturen Der Punktionsort des posterioren Zugangswegs nach Rorie liegt lateral der A. poplitea an der kranialen Spitze eines gleichseitigen Dreiecks oberhalb der Kniegelenksbeugefalte (. Abb. 18.6). Das Dreieck entspricht den oberen Grenzen der Fossa poplitea. Lateral ist die Ansatzsehne des M. biceps femoris zu tasten, medial befinden sich die Sehnen der Mm. semimembranosus und semitendinosus. Der N. peronaeus communis und der N. tibialis liegen lateral der A. poplitea. Die A. poplitea ist in ihrem Verlauf häufig schwer zu tasten. Mit Hilfe der Dopplersonografie kann das Aufsuchen der Punktionsstelle erleichtert werden.
5 Reduktion des Reizstromes bis auf 0,3 mA bei
erhaltener Reizantwort erforderlich, um eine ausreichende Nähe der Punktionskanüle zum Nerven sicherzustellen. 5 Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. 5 Fraktionierte Injektion der Wirkdosis des Lokalanästhetikums unter wiederholter Aspirationskontrolle.
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Stimulierbare atraumatische Kanüle
5 Mepivacain 1% zur
5 Regionalanästhesie-Basisset:
mit Zuspritzmöglichkeit z. B. Stimuplex D 25G-55 mm (Fa.Braun, Melsungen) 5 Kathetertechnik: z. B. Contiplex D Katheterset (Fa. Braun, Melsungen) oder Stimulong Plus Katheterset (Pajunk GmbH, Geisingen) mit stimulierbarem Katheter
Hautinfiltration 5 30–40 ml Lokalanästhetikum
5 5 5 5
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (2×2 ml, 5ml, 4×10 ml) NaCl 0,9% 10 ml Lösung zur Hautdesinfektion Nervenstimulator Bakterienfilter bei Kathetertechnik
212
Kapitel 18 · Ischiadikusblockade
. Abb. 18.6. Ermittlung des Punktionsortes für die distale Ischiadikusblockade in der Kniekehle. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
5 Bei korrekter Lage der Kanüle sollte die mo-
torische Antwort schon nach wenigen ml des Lokalanästhetikums sistieren und auch nach Erhöhung der Stromstärke auf 1,0 mA nicht wieder auftreten. 5 Steriler Verband.
14 15
17 18 19 20
5 Ropivacain 0,2% 5–15 ml/h, max.
37,5 mg/h
! Cave Dosierungsvorschlag
Bei der Kombination mit einer Femoralisblockade muss die Höchstdosis der Lokalanästhetika beachtet werden.
Single-shot
16
Kathetertechnik
5 30–40 ml Lokalanästhetikum, z.B. Prilocain
1% 30 ml und Ropivacain 0,75% 10 ml oder 40 ml Prilocain 1% oder Mepivacain 1%. 5 Die Kombination mit einem langwirkenden Lokalanästhetikum ist v. a. bei Single-shotBlockaden – weniger bei Katheterverfahren – sinnvoll. 5 Die Wirkdauer bei Verwendung von Prilocain beträgt ca. 4 h, bei der Kombination mit Bupivacain oder Ropivacain ca. 6–8 h.
Viele Kliniker tendieren heute dazu eher höhere Dosen von Prilocain einzusetzen. Im Einzelfall, z. B. bei Patienten mit niedrigem Körpergewicht oder kardiopulmonaler Erkrankung (relevante Beeinträchtigung durch Methämoglobinämie möglich) muss die Dosis allerdings reduziert werden.
6
Das Vorgehen bei der Insertion des Katheters entspricht der bei der kontinuierlichen proximalen
Vorgehen bei Kathetertechnik
18.3 · Distale Ischiadikusblockade (Poplitealblockade)
Ischiadikusblockade (7 Kap. 18.2) beschriebenen Technik. Nach Aufsuchen des N. ischiadicus mittels Nervenstimulation wird nach Applikation einer Bolusdosis des Lokalanästhetikums der Katheter ca. 4 cm kranialwärts vorgeschoben.
18.3.4 Spezifische Komplikationen
Akzidentelle Gefäßpunktionen der A. poplitea können in seltenen Fällen auftreten.
213
18
19 Inguinale Blockade des N. femoralis B. Richter
Anatomische Grundlagen
– 216
19.1
Indikationen und Kontraindikationen
– 216
19.1.1
Indikationen – 216
19.1.2
Kontraindikationen – 217
19.2
Kanülen, Katheter, Sets
19.3
Blockadetechnik
19.3.1
Lagerung – 217
19.3.2
Leitstrukturen
19.3.3
Punktion und Injektion
19.3.4
Lagerung nach Injektion
19.3.5
Vorgehen bei Kathetertechnik
19.4
Management häufiger Probleme bei der Anlage
19.5
Spezifische Komplikationen
– 217
– 217
– 218 – 218 – 219 – 219
– 219
– 219
216
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Kapitel 19 · Inguinale Blockade des N. femoralis
)) Motorische Innervation des N. femoralis Anfang der 1970er wurde von Alon Winnie die Methode der paravaskulären, inguinalen Blockade des Plexus lumbalis beschrieben. Winnie ging von einer gemeinsamen Faszie des N. femoralis, N. cutaneus femoris lateralis und N. obturatorius aus und beschrieb seine Technik als kaudalen Zugang zum Plexus lumbalis. Die gängige Bezeichnung wurde hierfür »3-in-1«-Block. Mittlerweile ist bekannt, dass das Lokalanästhetikum sich nur in einem umschriebenen Bereich ausbreitet. Mittels MRT konnte eine laterale, kaudale und leichte mediale Ausbreitung des Lokalanästhetikums nachgewiesen werden, jedoch gibt es keinen Nachweis einer kranialen Ausbreitung mit Blockade des lumbalen Plexus. Der N. femoralis wird zuverlässig und direkt mit diesem Zugang erreicht, häufig kann auch der N. cutaneus femoris lateralis blockiert werden. Fragwürdig ist, ob der N. obturatorius überhaupt über diesen Zugangsweg erreicht werden kann. Hinzu kommen die Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen, die zudem sehr variable Versorgungsareale des N. cutaneus femoris lateralis und des N. obturatorius beschreiben. Die Bezeichnung »1,5-in-1«-Block ist daher eher zutreffend.
! Die sensible Versorgung des Oberschenkels erfolgt hauptsächlich durch Äste des N. femoralis.
14
Anatomische Grundlagen
15
Der N. femoralis ist Bestandteil des Plexus lumbosacralis (Th12–S4) Die ventralen Wurzeln von L1– L4 bilden den N. femoralis. Er verläuft nach seinem Austritt durch die Foramina intervertebralia in der Rinne zwischen M. psoas major und M. iliacus zur Lacuna musculorum und weiter zum Oberschenkel (. Abb. 19.1). Der N. femoralis versorgt sensibel die Vorderseite des Oberschenkels, die mediale Seite des Unterschenkels und den dorsolateralen Bereich des Periosts des Oberschenkelknochens (. Abb. 17.2). Seine motorischen Anteile innervieren den M. quadrizeps femoris, den M. sartorius sowie den M. pectineus. Der Anteil sympathischer Fasern ist gering.
16 17 18 19 20
5 M. quadrizeps femoris 5 M. sartorius 5 M. pectineus
Sensible Innervation des N. femoralis 5 Vorderseite des Oberschenkels 5 Mediale Seite des Unterschenkels 5 Dorsolateraler Bereich des Periosts des
Oberschenkelknochens
19.1
Indikationen und Kontraindikationen
19.1.1 Indikationen
Die isolierte Blockade des N. femoralis kann als Anästhesieverfahren bei operativen Eingriffen (z. B. Wundversorgung und Hauttransplantationen) im Bereich des distalen ventralen Oberschenkels und der Unterschenkelinnenseite angewandt werden. Wird die inguinale Blockade des N. femoralis mit einer Blockade des N. ischiadicus kombiniert, sind operative Eingriffe am Unterschenkel und Fuß (Osteosynthesen und Weichteileingriffe), und eingeschränkt auch im Bereich des Kniegelenks (z. B. Arthroskopien), mit oder ohne Blutsperre möglich. Diese Kombination kann auch dann angewandt werden, wenn Kontraindikationen gegenüber rückenmarknahen Anästhesieverfahren vorliegen. Oberschenkelfrakturen können mit diesem Anästhesieverfahren nicht versorgt werden. Wird eine Blutsperre benötigt, so ist darauf zu achten, dass sie möglichst distal am Oberschenkel angelegt wird. Hervorragend geeignet ist die Femoralisblockade zur prä- und postoperativen Schmerztherapie. Präoperativ eignet sich dieses Verfahren besonders bei Patienten mit Schenkelhalsfrakturen zur schmerzlosen Lagerung des Patienten, z.B. während der Diagnostik oder zur Anlage einer rückenmarknahen Anästhesie. Nach operativen Eingriffen am Knie gewährt die Blockade des N. femoralis eine suffiziente Schmerztherapie. Die
217
19.3 · Blockadetechnik
beste Schmerzlinderung und der höchste Patientenkomfort werden erreicht, wenn die postoperative Schmerztherapie als kontinuierliches Katheterverfahren erfolgt.
19.2
19
Kanülen, Katheter, Sets
Das erforderliche Material für die Femoralisblockade ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
19.1.2 Kontraindikationen 19.3
Für die Femoralisblockade gelten neben den im 7 Kap. 10.2 beschriebenen allgemeinen Kontraindikationen zur Regionalanästhesie einige spezifische Kontraindikationen. Diese beziehen sich vorwiegend auf Besonderheiten des Punktionsgebietes. Keine Punktionsversuche sollten erfolgen, wenn im Bereich der Leiste eine Lymphadenitis oder Lymphome vorliegen. Auch bei Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und peripherem Bypass der A. femoralis sollte aufgrund der Gefahr einer akzidentellen Bypasspunktion auf eine Femoralisblockade verzichtet werden. Schwierige anatomische Verhältnisse, durch frühere Traumata und chirurgische Eingriffe bedingt, können ebenfalls die Blockade erschweren und zu Komplikationen führen. Bei sehr lang andauernden Eingriffen fällt es den Patienten mitunter schwer, ruhig liegen zu bleiben. Das Risiko einer zusätzlichen Sedierung, die sehr hohe Dosierungen erfordern kann, ist gegenüber dem einer Allgemeinanästhesie abzuwägen. Als Kontraindikation gilt auch eine kontralaterale Parese des N. femoralis. Besteht ein neurologisches Defizit des zu blockierenden Beines, ist nach genauer Befunddokumentation die Anlage einer Femoralisblockade möglich.
Blockadetechnik
Die ursprünglich von Winnie beschriebene Blockadetechnik wurde in der Zwischenzeit mehrfach modifiziert. Die Techniken unterscheiden sich im wesentlichen durch den Abstand der Punktionsstelle zum Leistenband und der A. femoralis sowie dem Stichwinkel der Kanüle. Bei der N.-femoralis-Blockade nach Labat liegt die Punktionsstelle direkt unterhalb des Leistenbandes und unmittelbar lateral der A. femoralis, während bei der hier beschriebenen Technik nach Winnie u. Rosenblatt weiter distal (2–3 cm unterhalb des Leistenbandes) punktiert wird. Die Blockade des Fasciailiaca-Kompartments nach Dalens kommt v. a. bei Kindern zum Einsatz (7 Kap. 24).
19.3.1 Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das zu blockierende Bein ist abduziert und leicht außenrotiert. Zur besseren Darstellung der Leistenregion kann es vorteilhaft sein, ein kleines Lagerungskissen unter die entsprechende Gesäßseite zu legen.
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Stimulierbare atraumatische Kanüle
5 Mepivacain 1% zur Haut-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
infiltration 5 40–50 ml Lokalanästhetikum
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (2 ml, 5 ml, 10 ml) 5 Lösung zur Hautdesinfektion 5 Nervenstimulator 5 10 ml NaCl 0,9%
mit Zuspritzmöglichkeit (z. B. Stimuplex D 25G-55 mm; Fa. Braun, Melsungen) 5 Kathetertechnik: z. B. Contiplex D Ka-
theterset (Fa. Braun, Melsungen) oder Stimulong Plus Katheterset (Pajunk GmbH, Geisingen) mit stimulierbarem Katheter
218
1
Kapitel 19 · Inguinale Blockade des N. femoralis
19.3.2 Leitstrukturen
4
Die Punktionsstelle liegt ca. 2–3 cm unterhalb des Leistenbandes und ca. 1,5 cm lateral der A. femoralis (. Abb. 19.1). Der Verlauf des Leistenbandes entspricht der Verbindungslinie zwischen der Spina iliaca superior und dem Tuberculum pubicum. Von medial nach lateral folgt auf die Vene die Arterie und zuletzt der Nerv:
5
! IVAN: Innen, Vene, Arterie, Nerv.
2 3
5 Kraniale Stichrichtung 30°, deutlicher Wider-
standsverlust (»Doppel-Klick«) bei Durchtritt durch Fascia lata und Fascia iliaca. 5 N. femoralis in 3–4 cm Tiefe. 5 Aufsuchen des N. femoralis mittels Nervenstimulation, beginnend mit Reizstromstärke 0,8 mA, Frequenz 2 Hz, Impulsdauer 0,1 msec. ! Reizantwort: Muskelkontraktionen des M. quadrizeps femoris, »tanzende Patella«.
5 Reduktion der Reizstromstärke. Bei einer
6
19.3.3 Punktion und Injektion 5
7
5 Bestimmung und Markierung der Punktions-
8
5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
9
5 Streng oberflächliche Hautinfiltration.
stelle.
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
tionsgebietes. 5
! Cave Nur geringe Mengen des Lokalanästhetikums (0,5 ml) verwenden, da der Nerv oberflächlich liegt und eine Stimulationsantwort durch eine ausgedehnte Hautinfiltration deutlich herabgesetzt werden kann.
5
5 5 Tasten der A. femoralis in ihrem Verlauf, Zeige-
und Ringfinger liegen auf der Arterie, Punktion an der Spitze des Mittelfingers.
5
Stromstärke von 0,3 mA sollte noch eine ausreichende Reizantwort vorhanden sein. Bestimmung der Schwellenstromstärke durch weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle etwas zurückgezogen werden. Fraktionierte Injektion der Wirkdosis des Lokalanästhetikums unter wiederholter Aspirationskontrolle. Bei korrekter Lage der Kanüle sollte die motorische Antwort schon nach wenigen ml des Lokalanästhetikums sistieren und auch nach Erhöhung der Stromstärke auf 1,0 mA nicht wieder auftreten. Während der Injektion Kompression unterhalb der Punktionsstelle (Begünstigung der kranialen Ausbreitung des Lokalanästhetikums). Steriler Verband. . Abb. 19.1a,b. N. femoralis: a Verlauf, b Leitstrukturen der inguinalen Femoralisblockade (perivaskuläre Blockade). (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
219
19.5 · Spezifische Komplikationen
Dosierungsvorschlag Single-shot 5 40(–50) ml Lokalanästhetikum, z. B. Prilo-
cain 1% 30 ml und Ropivacain 0,75 % oder Bupivacain 0,5% 10 ml. 5 alternativ Prilocain 1% oder Mepivacain 1% 40 ml. 5 Die Kombination mit einem langwirkenden Lokalanästhetikum ist v. a. bei Singleshot-Blockaden, weniger bei Katheterverfahren, sinnvoll. Die Wirkdauer beträgt bei Verwendung von Prilocain ca. 4 h, bei der Kombination mit Bupivacain oder Ropivacain 6–8 h.
Kathetertechnik
19
des N. femoralis über den inguinalen, paravasalen Zugangsweg. Nach Identifikation der korrekten Lage durch Nervenstimulation wird die Initialdosis (30–40 ml Lokalanästhetikum) über die Zuspritzmöglichkeit der Kanüle injiziert. Das anschließende Vorschieben des Katheters über die Verweilkanüle wird dadurch erleichtert. Die Verweilkanüle wird dann vorsichtig über den liegenden Katheter zurückgezogen und entfernt. Der Katheter sollte bei ca. 10 cm Hautniveau liegen. Ein Bakterienfilter wird angeschlossen, der Katheter fixiert und steril verbunden. Empfehlenswert ist die Verwendung von durchsichtigem Verbandsmaterial, das die tägliche Kontrolle der Einstichstelle erleichtert.
19.4
5 Ropivacain 0,2% 5 – 15 ml/h, max.
Management häufiger Probleme bei der Anlage
37,5 mg/h
! Cave Bei der Kombination mit einer Ischiadikusblockade muss die Höchstdosis der Lokalanästhetika beachtet werden.
Viele Kliniker tendieren heute dazu eher höhere Dosen von Prilocain einzusetzen. Im Einzelfall, z. B. bei Patienten mit niedrigem Körpergewicht oder kardiopulmonaler Erkrankung bzw. Anämie (relevante Beeinträchtigung durch Methämoglobinämie möglich) muss die Dosis allerdings reduziert werden.
Es ist möglich, dass man durch direkte Stimulation des M. sartorius Muskelkontraktionen hervorruft, die den Eindruck einer korrekten Lage der Punktionsnadel erwecken und das Lokalanästhetikum injiziert. Der N. femoralis wird dadurch nicht erreicht. Für eine suffiziente Blockade ist die »tanzende Patella« (Reizantwort des M. quadrizeps) unbedingt erforderlich. Die unzureichende oder fehlende Blockade des N. obturatorius kann Schmerzen an der medialen Knieseite bedingen. Der N. obturatorius kann dann isoliert blockiert werden (Cave: Lokalanästhetikahöchstdosen!).
19.5 19.3.4 Lagerung nach Injektion
Wenn es das Verletzungsmuster des Beines zulässt, sollte das Bein nach der Injektion für 5– 10 min aufgestellt werden.
19.3.5 Vorgehen bei Kathetertechnik
In den 1980er Jahren entwickelte Rosenblatt eine Kathetertechnik für die kontinuierliche Blockade
Spezifische Komplikationen
Außer den in 7 Kap. 10.10 genannten Komplikationsmöglichkeiten besteht bei der Anlage der Femoralisblockade in der Leistenregion die Gefahr von Gefäßverletzungen der A. und V. femoralis. Nervenschäden durch intraneurale Injektionen müssen unbedingt vermieden werden. Treten bei der Punktion Parästhesien des N. femoralis auf, sollte die Punktionskanüle unter weiterer Nervenstimulation etwas zurückgezogen werden.
20 Obturatoriusblockade B. Richter
Anatomische Grundlagen
– 222
20.1
Indikationen und Kontraindikationen
20.1.1
Indikationen – 222
20.1.2
Kontraindikationen – 222
20.2
Kanülen, Katheter, Sets
20.3
Blockadetechnik
20.3.1
Lagerung und Leitstrukturen
20.3.2
Punktion und Injektion
20.4
Spezifische Komplikationen
– 222
– 222 – 223
– 223
– 224
– 222
222
1 2 3 4 5 6 7
Kapitel 20 · Obturatoriusblockade
Anatomische Grundlagen Der N. obturatorius hat seinen Ursprung im Plexus lumbalis L2–L4. Er verläuft an der Innenseite des kleinen Beckens, unterhalb der Linea terminalis nach vorn, gemeinsam mit der A. und V. obturatoria durch den Canalis obturatorius zu den Adduktoren und verzweigt sich in einen Ramus anterior (superficialis) und einen Ramus posterior (profundus . Abb. 20.1).
Innervation N. obturatorius Innervation Ramus anterior 5 Vordere Adduktoren, Hüftgelenk, Haut der
Oberschenkelinnenseite (sehr variabel)
8 9
Innervation Ramus posterior 5 Tiefe Adduktoren, oft auch dorsales Knie-
gelenk
10 11 12 13 14 15 16
20.1
Indikationen und Kontraindikationen
19 20
tomische Verhältnisse durch Verletzungen und frühere chirurgische Eingriffe, ebenso eine kontralaterale Parese des N. obturatorius. Besteht ein neurologisches Defizit des zu blockierenden Beines, ist nach genauer Befunddokumentation die Anlage einer Obturatoriusblockade möglich.
20.1.1 Indikationen
Die Blockade des N. obturatorius kann in der Traumachirurgie bei inkompletter Blockade des Plexus lumbalis indiziert sein. Die alleinige Blockade des N. obturatorius hat hier keine Bedeutung. In der Schmerztherapie ist die Obturatoriusblockade für diagnostische und therapeutische Eingriffe bei Schmerzsyndromen des Hüftgelenks geeignet, ebenso bei Adduktorenspasmen.
17 18
. Abb. 20.1. Verlauf des N. obturatorius
20.1.2 Kontraindikationen
Für die Blockade des N. obturatorius gelten die allgemeinen Kontraindikationen zur Regionalanästhesie (7 Kap. 10.1). Spezifische Kontraindikationen sind Entzündungen im Bereich der Leiste (Lymphadenitis) und inguinale Lymphome sowie schwierige ana-
20.2
Kanülen, Katheter, Sets
Das benötigte Material für die Obturatoriusblockade ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
20.3
Blockadetechnik
Es werden 2 Zugangswege zur Blockade des N. obturatorius beschrieben. Die hier vorgestellte Variante, bei der die Punktion neben der Sehne des M. adductor longus erfolgt, ist dem klassischen Zugangsweg vorzuziehen. Der klassische Zugangsweg entlang des Schambeines erfordert zum einen einen für den Patienten unangenehmen Knochenkontakt zum Auffinden des Foramen obturatorius, zum anderen besteht die Gefahr der Verletzung von Blase, Rektum und Vagina.
223
20.3 · Blockadetechnik
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Atraumatische stimulierbare
5 Mepivacain 1% zur Haut-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
22G-Kanüle 80 mm Länge (z. B. Stimu-plex D, Fa. Braun Melsungen)
infiltration 5 10–15 ml Lokalanästhetikum
− − − −
20
Sterile Kompressen Abdecktuch Aufziehkanüle Subkutankanüle
− Spritzen (2 ml, 5 ml, 10 ml) 5 Lösung zur Hautdesinfektion 5 Nervenstimulator 5 10 ml NaCl 0,9%
. Abb. 20.2. Leitstrukturen für die Obturatoriusblockade: Ansatz des M. adductor longus, A. femoralis, Leistenband
20.3.1 Lagerung und Leitstrukturen
5 Infiltrationsanästhesie der Punktionsstelle. 5 Punktion neben dem Sehnenansatz, im Win-
Der Patient liegt auf dem Rücken, das zu anästhesierende Bein ist abduziert. Die Punktionsstelle für die Blockade des N. obturatorius liegt bei abduziertem Bein unmittelbar neben dem pro-
kel von 45° (Richtung Spina iliaca anterior superior) und etwas nach dorsal abweichend. 5 Stichrichtung auf die A. femoralis zu. 5 N. obturatorius in 3–8 cm Tiefe. 5 Aufsuchen des N. obturatorius mittels Nervenstimulation, beginnend mit Reizstromstärke 0,8 mA, Frequenz 2 Hz, Impulsdauer 0,1 msec.
ximalen Sehnenansatz des M. adductor longus (. Abb. 20.2). Die Punktionsnadel wird im Win-
kel von 45° zur Haut in Richtung der A femoralis vorgeschoben.
! Reizantwort: Muskelkontraktionen der Ober20.3.2 Punktion und Injektion
schenkeladduktoren
5 Bestimmung und Markierung der Punktions-
5 Bei einer Reizstromstärke von 0,3 mA sollte
stelle. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punktionsgebietes.
noch eine ausreichende Reizantwort vorhanden sein.
224
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Kapitel 20 · Obturatoriusblockade
5 Bestimmung der Schwellenstromstärke durch
weitere Reduktion der Stromstärke bis zum Verschwinden der Reizantwort. Diese sollte über 0,1–0,2 mA liegen. Liegt sie darunter, muss die Kanüle wegen der zu großen Nähe zum Nerven und damit zu hoher Verletzungsgefahr und der Möglichkeit der intraneuralen Injektion etwas zurückgezogen werden. 5 Fraktionierte Injektion des Lokalanästhetikums unter wiederholter Aspirationskontrolle. 5 Bei korrekter Lage der Kanüle sollte die motorische Antwort schon nach wenigen ml des Lokalanästhetikums sistieren und auch nach Erhöhung der Stromstärke auf 1,0 mA nicht wieder auftreten. 5 Steriler Verband.
Dosierungsvorschlag Single shot 5 10–15 ml Prilocain 1% oder Ropivacain
0,75% oder Mepivacain 1%
Das Einführen eines Katheters ist möglich. Die Technik entspricht der bei der kontinuierlichen Femoralisblockade. Der Katheter wird 3–4 cm nach kranial vorgeschoben.
Spezifische Komplikationen
14
20.4
15
Akzidentelle Gefäßpunktionen der A. und V. femoralis können auftreten. Bei dem klassischen Zugangsweg besteht die Gefahr der Verletzung von Blase, Rektum und Vagina.
16 17 18 19 20
21 Saphenusblockade B. Richter
Anatomische Grundlagen
– 226
21.1
Indikationen und Kontraindikationen
21.1.1
Indikationen – 226
21.1.2
Kontraindikationen – 226
21.2
Zubehör
21.3
Blockadetechnik
21.3.1
Lagerung und Leitstrukturen
21.3.2
Punktion und Injektion
21.4
Spezifische Komplikationen
– 226 – 226 – 226
– 226
– 227
– 226
226
21 2 3
Kapitel 21 · Saphenusblockade
Anatomische Grundlagen
21.2
Der N. saphenus ist der sensible Endast des N. femoralis. Er verläuft lateral der A. femoralis, zieht durch die Lamina vastoadductoria und dann abwärts mit der V. saphena magna zum medialen Fußrand.
Das erforderliche Material ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
4 5
che des Unterschenkels, des medialen Knöchels und evtl. des medialen Fußrandes bis zum großen Zeh
6 7 8
21.1
9
21.1.1 Indikationen
11 12
Blockadetechnik
21.3.1 Lagerung und Leitstrukturen Innervationsgebiet des N. saphenus (rein sensibel) 5 Haut an der vorderen und medialen Flä-
10
21.3
Zubehör
Indikationen und Kontraindikationen
Der Patient liegt auf dem Rücken, das Bein ist leicht außenrotiert. Die Punktionsstelle für die Blockade des N. saphenus liegt medial der Tuberositas tibiae. Die Punktion erfolgt in Richtung auf das Caput mediale des M. gastrocnemius (. Abb. 21.1).
21.3.2 Punktion und Injektion ! Die Blockade des N. saphenus ist eine Infiltrationsanästhesie.
Die Blockade des N. saphenus ist bei Eingriffen am medialen Unterschenkel und am Fuß oder als Ergänzung zur distalen Ischiadikusblockade indiziert, wenn eine Unterschenkelblutsperre angelegt werden soll. Zuverlässiger und günstiger ist in den meisten Fällen jedoch die inguinale Femoralisblockade.
5 Bestimmung und Markierung der Punktions-
stelle. 5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
tionsgebietes. 5 Punktion mit Stichrichtung auf das Caput
14
21.1.2 Kontraindikationen
mediale des M. gastrocnemius, 5 cm Hautwall subkutan mit 5–10 ml Lokalanästhetikum. 5 Wiederholte Aspirationskontrolle zum Ausschluss einer intravasalen Injektion (V. saphena magna).
15
Für die Saphenusblockade gelten die allgemeinen Kontraindikationen zur Regionalanästhesie (7 Kap. 10). Spezifische Kontraindikationen gibt es für dieses Anästhesieverfahren nicht.
Eine Nervenstimulation ist nicht erforderlich, da der N. saphenus ein rein sensibler Nerv ist. Das Auslösen von Parästhesien sollte vermieden werden, bleibende Nervenschädigungen können die Folge sein.
13
16 17 18 19 20
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Kanüle zur Infiltration
5 Mepivacain 1% zur Hautinfiltration 5 5–10 ml Lokalanästhetikum
5 Regionalanästhesie-Basisset:
(24G, 6 cm)
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (2 ml, 10 ml) 5 Lösung zur Hautdesinfektion
21.4 · Spezifische Komplikationen
227
21
. Abb. 21.1. Leitstrukturen für die Saphenusblockade: Tuberositas tibiae, Caput mediale des M. gastrocnemius, mediales Tibiaplateau
Dosierungsvorschlag Single-shot 5 5–10 ml Prilocain 1% oder Ropivacain
0,75% oder Mepivacain 1%
21.4
Spezifische Komplikationen
Auch für die Saphenusblockade gelten die in 7 Kap. 10.10 aufgeführten allgemeinen Komplikationsmöglichkeiten peripherer Leitungsanästhesien. Spezifische Komplikationen existieren nicht.
22 Fußblock B. Richter
Anatomische Grundlagen
– 230
22.1
Indikationen und Kontraindikationen
22.1.1
Indikationen – 231
22.1.2
Kontraindikationen – 231
22.2
Zubehör
22.3
Blockadetechnik
22.3.1
Lagerung – 231
22.3.2
Punktion und Injektion
22.4
Spezifische Komplikationen
– 231 – 231 – 231
– 232
Literatur zur peripheren Leitungsanästhesie der unteren Extremität – 232
– 231
230
1 22 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Kapitel 22 · Fußblock
)) Der Fußblock umfasst die Infiltrationsanästhesie der 5 den Fuß versorgenden Nerven auf Höhe des Sprunggelenks. Die Nn. peronaeus superficialis, suralis, peronaeus profundus und tibialis posterior sind Äste des N. ischiadicus, der N. saphenus ist der sensible Endast des N. femoralis.
reicht, bei nur gering erhöhtem Risikopotenzial. Diese Kombination bietet dem Operateur auch die Möglichkeit eine Blutsperre anzulegen. Aufgrund dieser ebenfalls komplikationsarmen Alternative wird der alleinige Fußblock nur in Einzelfällen durchgeführt.
Anatomische Grundlagen In Einzelfällen stellt der Fußblock bei Eingriffen an Fuß und Zehen eine Alternative zur rückenmarknahen Anästhesie und anderen Leitungsanästhesien des Beines dar. Nachteile des Fußblocks sind, dass mehrere Injektionen vorgenommen werden müssen und keine Blutsperre angelegt werden kann. Vorteile sind die hohe Erfolgsrate und die Möglichkeit einer komplikationsarmen Anästhesie bei Hochrisikopatienten. So kann der Fußblock auch bei Patienten unter therapeutischer Antikoagulation oder bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz nach entsprechender Nutzen-Risiko-Abwägung durchgeführt werden. Eine bessere Patientenakzeptanz wird allerdings bei der Kombination von distaler Ischiadikus- und Saphenus- oder Femoralisblockade er-
Die Nerven liegen im Bereich des Fußgelenks zum Teil subkutan, zum Teil subfaszial. Die Anatomie der Fußregion sowie die sensiblen Versorgungsgebiete der Nerven sind in . Abb. 22.1 und 22.2 dargestellt.
Subkutan liegende Nerven 5 N. suralis (rein sensibel) 5 N. saphenus 5 N. peronaeus superficialis
Subfaszial liegende Nerven 5 N. peronaeus profundus 5 N. tibialis posterior
12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 22.1a,b. Verlauf der Nerven in der Fußregion. a Punktionsort für die Blockade des N. tibialis posterior und N. suralis; b Punktionsort für die Blockade der Nn. peronaeus superficialis, peronaeus profundus und saphenus. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
231
22.3 · Blockadetechnik
22
. Abb. 22.2. Sensible Innervation des Fußes. (Mit freundl. Genehmigung aus: Larsen [2004] Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer, Berlin Heidelberg New York)
22.1
Indikationen und Kontraindikationen
22.2
Zubehör
Das erforderliche Material für den Fußblock ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
22.1.1 Indikationen
Der Fußblock kann für kurzdauernde operative Eingriffe am Fuß sowie zur Vervollständigung einer im Bereich des Fußes inkompletten Leitungsanästhesie eingesetzt werden. Seine Anwendung ist besonders bei Patienten mit schweren kardialen und pulmonalen Vorerkrankungen sowie bei Dialysepatienten zu erwägen. Der schnelle Wirkungseintritt und die geringe Komplikationsrate machen den Fußblock auch zu einem geeigneten Verfahren für ambulante Operationen.
22.3
Blockadetechnik
22.3.1 Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken, der Unterschenkel entsprechend des zu betäubenden Nerven leicht nach innen oder außen rotiert.
22.3.2 Punktion und Injektion 22.1.2 Kontraindikationen
5 Bestimmung und Markierung der Punktions-
Für den Fußblock gelten die in 7 Kap. 10 beschriebenen allgemeinen Kontraindikationen. Spezifische Kontraindikationen gibt es nicht.
5 Desinfektion und steriles Abdecken des Punk-
stellen. tionsgebietes. 5 N. saphenus, N. peronaeus superficialis, N. suralis:
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Kanüle zur Infiltration (24G, 4–6 cm) 5 Ggf. atraumatische stimulierbare
5 3–5 ml Lokalanästhetikum
5 Regionalanästhesie-Basisset:
25G-Kanüle 55 mm Länge (z. B. Stimuplex D, Fa. Braun Melsungen)
je Nerv
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (2 ml, 10 ml) 5 Lösung zur Hautdesinfektion 5 Ggf. Nervenstimulator
232
1 22
Kapitel 22 · Fußblock
5 Subkutaner Ringwall ca. 2 cm oberhalb des In-
nen- und Außenknöchels. 5 N. peronaeus profundus: 5 Einstichstelle zwischen A. dorsalis pedis und
4
der Sehne des M. extensor hallucis longus, unter- oder oberhalb des Retinaculums. Stichrichtung senkrecht zur Haut, medial und lateral der Arterie. Injektion des Lokalanästhetikums unter Aspirationskontrolle!
5
5 N. tibialis posterior: 5 Einstichstelle hinter dem Malleolus medialis,
6
lateral der A. tibialis posterior. Punktion senkrecht zur Haut bis zur Hinterkante der Tibia. Injektion des Lokalanästhetikums unter Aspirationskontrolle!
3
7 8 9 10 11
Für die subkutan liegenden Nerven mit ihren vorwiegend sensiblen Anteilen ist eine Nervenstimulation nicht sinnvoll. Das Auslösen von Parästhesien sollte vermieden werden, bleibende Nervenschädigungen können die Folge sein. Der N. tibialis posterior kann unter Nervenstimulation aufgesucht werden. Als Reizantwort wird eine Plantarflexion des Fußes erwartet. Dosierungsvorschlag
12
5 Je Nerv 3–5 ml Prilocain 1% oder Ropi-
vacain 0,75% oder Mepivacain 1%
13 14 22.4
15 16 17 18 19 20
Spezifische Komplikationen
Spezifische Komplikationen des Fußblocks sind nicht bekannt.
Literatur zur peripheren Leitungsanästhesie der unteren Extremität Beland B, Prien T, van Aken H (2000) Differentialindikation zentraler und peripherer Leitungsanästhesien. Anaesthesist 49: 495–504 Büttner J, Meier G (1999) Kontinuierliche periphere Techniken zur Regionalanästhesie und Schmerztherapie-Obere und untere Extremität. Uni-Med, Bremen Cousins MJ, Bridenbaugh PO (1998) Neural blockade. Lippincott-Raven, Philadelphia
Elmas C, Atanasoff PG (1993) Combined inguinal paravascular (3-in1) and sciatic nerve blocks for lower limb surgery. Regional Anesthesia 18: 88–92 Fanelli G, Casati A, Garancini P, Torri G (1999) Nerve stimulator and multiple injection technique of upper and lower limb blockade: failure rate, patient acceptance, and neurologic complications. Anesth Analg 88: 847–852 Graf BM, Martin E (2001) Periphere Nervenblockaden. Anaesthesist 50: 312–322 Jankovic D (2000) Regionalblockaden in Klinik und Praxis. Blackwell, Berlin Lang SA, Yip RW, Chang PC, Gerard MA (1993) The femoral 3in-1-block revisited. J Clin Anesth 5: 292–296 Larsen B (2000) Periphere Nervenblockaden der unteren Extremität. In: Refresher Course Aktuelles Wissen für Anästhesisten Nr 26. Springer. Heidelberg Berlin New York Marhofer P, Nasel C, Sitzwohl C, Kapral S (2000) Magnetic resonance imaging of the distribution of local anesthetic during the three in one block. Anesth Analg 90: 119–124 Mehrkens HH (2000) Periphere Regionalanästhesie. Tutorium im Rehabilitationskrankenhaus Ulm, 2. erweiterte Auflage. Rorie DK, Byer DE, Nelson DO (1980) Assessment of block of the sciatic nerve in the popliteal fossa. Anesth Analg 59: 371–376 Rosenblatt RM (1980) Continuous femoral anesthesia for lower extremity surgery. Anesth Analg 59: 631–632 Wagner F, Mißler B (1997) Kombinierter Ischiadikus/3-in1Block. Anaesthesist 46: 195–200 Singelyn FJ, Gouverneur JM, Gribomont BF (1991) Popliteal sciatic nerve block aided by a nerve stimulator: a reliable technique for foot and ankle surgery. Regional Anesthesia 16: 278–281 Wagner F, Mißler B (1997) Kombinierter Ischiadikus/3-in-1Block. Prilocain 500 mg vs. 650 mg. Anästhesist 46: 195– 200 Winnie AP, Ramamurthy S, Durrani Z (1973) Inguinal paravascular technique of lumbar plexus anesthesia: the “3 in 1” block. Anesth Analg 52: 989–994
VII Besondere Versorgungssituationen 23
Polytrauma
– 235
24
Kinder
25
Geriatrische Patienten
– 249 – 267
23 Polytrauma A. Thierbach
23.1
Schockraum
23.1.1
Einrichtung des Schockraums
23.1.2
Schockraumkoordination – 237
23.2
Management des polytraumatisierten Patienten – 238
23.2.1
Definitionen und Schweregrade
23.2.2
Epidemiologie und Ätiologie
23.2.3
Pathophysiologie des Polytraumas
23.3
Innerklinische Erstversorgung – 239
23.3.1
Organisatorischer Ablauf
23.3.2
Maßnahmen in der Akutphase
23.4
Besonderheiten bei speziellen Verletzungen – 246
23.4.1
Schädel-Hirn-Trauma – 246
23.4.2
Rückenmarktrauma – 246
23.4.3
Thoraxtrauma – 246
23.4.4
Abdominaltrauma – 248
Literatur
– 248
– 236 – 236
– 238
– 238 – 239
– 240 – 241
236
1 22 23 4 5 6 7 8 9
Kapitel 23 · Polytrauma
23.1
)) Das Polytrauma stellt eine Mehrfachverletzung verschiedener Körperregionen oder Organsysteme dar, die entweder einzeln oder in ihrer Kombination vital bedrohlich sind. Die Prognose kann durch eine adäquate und effektive Versorgung entscheidend beeinflusst werden. Die Versorgung dieser schwerverletzten Patienten stellt eine interdisziplinäre Aufgabe mehrerer Fachdisziplinen dar. Anästhesisten sind dabei präklinisch als Notärzte und in der klinischen Versorgung in zentralen Funktionen (Schockraummanagement, Stabilisierung der Vitalfunktionen, Anästhesie, Intensivtherapie) eingebunden.
Schockraum
23.1.1 Einrichtung des Schockraums
Der Schockraum stellt ein Bindeglied zwischen der präklinischen und der klinischen Versorgung schwertraumatisierter Patienten dar. Die personellen und apparativ-technischen Möglichkeiten dieser interdisziplinär besetzten Einheit übertreffen die des Notarztdienstes deutlich. Ihre Ausstattung muss alle Ausrüstungsgegenstände und technischen Geräte beinhalten, die für die Versorgung der Patienten während der Akutphase erforderlichen werden können (. Tabelle 23.1).
. Tabelle 23.1. Typische Ausstattung des Schockraums Venenverweilkanülen Notfallmedikamente Infusionen Einmalartikel für Injektion, Infusion Großlumige zentrale Venenkatheter Arterielle und pulmonalarterielle Katheter Blasenkatheter mit Temperatursonde
Mobiler Anästhesiewagen (komplette Aus-rüstung zur Versorgung instabiler Patienten)
5 5 5 5 5 5 5
Management der Atemwege
5 Flexibles Intubationsfiberskop, ggf. starres Intubationsfiberskop 5 Supralaryngeale Hilfsmittel (EasyTube, Fastrach) 5 Koniotomie-Set
13
Beatmungsgerät, Absaugeinheit
5 Mobiler Intensivventilator oder Narkosebeatmungsgerät 5 Transportbeatmungsgerät
14
Mobiler Monitor, Defibrillator (ggf. integriert)
5 5 5 5 5 5 5
Kreislauftherapie
5 Schnellinfusionssysteme 5 Spritzenpumpen
Erweiterte Diagnostik
5 Röntgengerät 5 Sonographiegerät
Verbandmittel etc.
5 Schienen 5 HWS-Stützkragen 5 Wundversorgung
Not-OP-Sets (nach lokalen Erfordernissen, z. B.)
5 Erstversorgung von Wunden 5 Thorakotomie 5 Beckenfraktur (mit Beckenzwinge)
10 11 12
15 16 17 18 19 20
EKG Kapnometrie NiBP Min. 2 invasive Drücke Pulsoximetrie Temperatur Ggf. Beatmungsparameter
237
23.1 · Schockraum
23.1.2 Schockraumkoordination
Die erfolgreiche Behandlung eines polytraumatisierten Patienten lässt sich nur mit einem Team, bestehend aus erfahrenen Ärzten, Pflegekräften, medizinisch-technisch-radiologischen Assistenten (MTRA) und supportivem Personal, umsetzen. Dabei ist eine individuelle Qualifikation und Erfahrung bei der Versorgung speziell dieser besonderen Patienten zu fordern. Eine persönliche Erfahrung von 50 Patienten pro Jahr, die zumindest für die Teamleiter gefordert wird, kann allerdings auch in großen Traumazentren nicht immer gewährleistet werden. Aus den unmittelbar erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen ergibt sich die personelle Zusammensetzung des Traumateams. Das sog. Kerntraumateam besteht aus einem Facharzt für Anästhesiologie, einem Facharzt für Unfallchirurgie, jeweils einem Assistenzarzt dieser beiden Fachdisziplinen, mindestens einer Anästhesiepflegekraft, 2 unfallchirurgischen bzw. OPPflegekräften, einem Radiologen und mindestens einer MTRA, sowie weiteren Kräften wie z. B. Blutholer, Laborassistenz oder Schreibkraft. Die Leitung dieses Teams muss im Vorfeld klar geregelt und allen Mitarbeitern bekannt sein. Bewährt hat sich hierbei neben einer vertrauensvollen und engen Zusammenarbeit eine klare Aufgabenteilung zwischen dem anästhesiologischen Facharzt und dem unfallchirurgischen Facharzt (Leitender Traumatologe), die die Einhaltung eines verbindlichen Behandlungsalgorithmus in ihrem Bereich überwachen. Die typischen Zuständigkeiten des Anästhesiepersonals liegen in der akuten Versorgung des Patienten, v. a. der Sicherstellung und Erhaltung vitaler Funktionen (. Tabelle 23.2). Die Akutphase wird zur leichteren Unterscheidung unterschiedlicher diagnostischer und therapeutischer Prioritäten in die 4 weiteren Phasen »Alpha«, »Bravo«, »Charlie« und »Delta« unterteilt. Der anästhesiologische Facharzt hat in der Regel während der Phasen Alpha und Bravo (erste Stabilisierung des Patienten) die Teamleitung, wegen der zusätzlichen administrativen Funktion wird er auch als »Schockraumkoordinator« bezeichnet.
23
Das Personal der Unfallchirurgie ist generell für die Diagnostik und Therapie der spezifischen Verletzungen verantwortlich. Demzufolge hat der unfallchirurgische Facharzt typischerweise während der Phasen Charlie und Delta die Leitung des Traumateams inne. Zu seinen Aufgaben und denen seines Personals zählen die Überwachung von Lagerungsmaßnahmen, alle Maßnahmen zur notfallmäßigen Blutstillung, die Stabilisierung instabiler Frakturen, die Festlegung der Reihenfolgen und Art weiterer diagnostischer Maßnahmen, sofern diese nicht im Behandlungsalgorithmus bereits vorgegeben sind. Außerdem obliegen dem leitenden Traumatologen die Erstellung des Aufnahmebefundes, die Festlegung des operativen Konzepts sowie die Überwachung des unfallchirurgischen Personals. Die Fachdisziplinen, die das Kerntraumateam besetzen, sind primär auch für die Erarbeitung eines Behandlungsalgorithmus verantwortlich. In das erweiterte Traumateam werden in einem Haus der maximalen Versorgungsstufe alle
. Tabelle 23.2. Typischen Zuständigkeiten des Anästhesiepersonals im Rahmen der Akutphase Aufgaben am Patienten
5 Management der Atemwege 5 Oxygenierung und Beat-
mung 5 Management des Kreislaufs 5 Venöse Zugänge zum Kreis-
lauf 5 Monitoring 5 Anästhesie (ggf. Analgesie
und Sedierung) 5 Aufrechterhaltung der
Körpertemperatur Administrative Aufgaben
5 Koordination der Abläufe
mit der Rettungsleitstelle 5 Protokollierung der Anäs-
thesie 5 Koordination der Versorgung
mit Blutprodukten 5 Organisation des Patien-
tentransports im Krankenhaus 5 Organisation intensivmedizinischer Kapazitäten 5 Überwachung des Anästhesiepersonals
238
1 22 23 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 23 · Polytrauma
weiteren für die adäquate Versorgung des Patienten notwendigen Fachdisziplinen eingebunden. Hierzu zählen v. a. die Neurochirurgie, die Allgemeinchirurgie, die Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, die Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, die Augenheilkunde sowie die Gynäkologie oder die Urologie. Bei allen auftretenden Problemen ist sinnvoll, eine zeitnahe Besprechung abzuhalten, die vom Schockraumkoordinator und dem leitenden Traumatologen moderiert wird, und alle unmittelbar beteiligten Personen einbindet.
23.2
Management des polytraumatisierten Patienten
23.2.1 Definitionen und Schweregrade
Bei der Definition eines Polytraumas wird häufig zwischen einer anatomischen und einer physiologischen Definition unterschieden. Nach der anatomischen Definition, die auch in den sog. Utstein-Empfehlungen zur einheitlichen Dokumentation Verwendung findet und die Anzahl und Lokalisation der Verletzungen beinhaltet, besteht ein Polytrauma bei einem Patienten, der an 5 einer Körperhöhle und zwei langen Röhrenknochen oder dem Becken oder an 5 zwei Körperhöhlen (Kopf, Thorax oder Abdomen) 5 verletzt ist. In der Praxis hat sich jedoch die physiologische Definition durchgesetzt, die sich auf den Schweregrad der Verletzungen bezieht.
ermöglichen sollen. Darüber hinaus werden sie auch als Maßstab für qualitative Aussagen zur Therapie genutzt. In der Praxis finden jedoch nur bestimmte Scores regelmäßig Anwendung. Eine Übersicht über die gebräuchlichsten Scores gibt . Tabelle 23.3.
23.2.2 Epidemiologie und Ätiologie
Schwere Verletzungen nehmen unter den Todesursachen in den Industrienationen nach kardiovaskulären und konsumierenden Erkrankungen den dritten Rang ein und sind für mehr als 10% aller Todesfälle weltweit verantwortlich. Polytraumata in Zusammenhang mit Verkehrsunfällen stellen die Hauptursache für Tod und Invalidität unter jungen Menschen in Europa dar. Jährlich sterben hier 40.000–50.000 Menschen, weitere 150.000 überleben diese Verletzungen mit schweren Folgeschäden (. Tabelle 23.4).
. Tabelle 23.3. Gebräuchliche Scoring-Systeme für polytraumatisierte Patienten Bezeichnung
Besonderheiten Einfach, für Präklinik geeignet Weit verbreitet Erfasst nur Bewusstsein Von Therapiemaßnahmen abhängig 5 Bei Kindern zu modifizieren
GlasgowComa-Scale (GCS)
5 5 5 5
Injury Severity Score (ISS)
5 Weit verbreitet, aber kom-
pliziert 5 Nur in der Klinik anwendbar 5 Therapieunabhängig, rein
anatomisch
! Danach gilt ein Patient dann als polytraumatisiert, wenn bei ihm mehrere Verletzungen vorliegen, die einzeln oder in ihrer Summe eine vitale Bedrohung bedingen.
Einen Anhalt für die Schwere der Verletzungen geben Klassifikationen, sog. Scores, die sowohl einen Vergleich bestimmter Patientengruppen untereinander als auch eine prognostische Aussage
Revised Trauma Score (RTS)
5 Einfach, für Präklinik bedingt
geeignet 5 Weit verbreitet 5 Von Therapiemaßnahmen
abhängig TRISS (ISS und RTS)
5 Sinnvolle Kombination aus
2 Scores 5 Gute prognostische Aus-
sagekraft
239
23.3 · Innerklinische Erstversorgung
23
Zwischen 25 und 40% der Patienten stehen bei der Traumatisierung unter Alkoholeinfluss.
. Tabelle 23.5. Typische Verletzungsmuster beim Polytrauma
! Für junge Erwachsene, insbesondere Männer,
Körperregion
Durchschnittliche Häufigkeit (%)
Schädel-Hirn
50–70
Extremitäten
50–70
Thorax
25–50
Becken
15–25
Abdomen
15–40
Wirbelsäule
5–10
stellen Polytraumata sogar die häufigste Todesursache dar, so sind rund 75% der Patienten jünger als 40 Jahre.
Die Letalität infolge eines Polytraumas beträgt zwischen 30 und 35%, konnte allerdings im Verlaufe der letzten 25 Jahre bei vergleichbaren Verletzungsmustern um nahezu 50% gesenkt werden. Von den versterbenden Patienten erreichen mehr als 60% nicht das Krankenhaus, meist bedingt durch Verletzungen der großen Gefäße, des Herzens oder infolge von schweren Atemstörungen.
Das Risiko zu sterben, ist in zeitlicher Nähe zum Unfall am größten und nimmt mit zunehmender Zeitdauer ab (M. Kirschner, 1938).
Grundsätzlich dominieren in Mitteleuropa stumpfe Verletzungen das Verletzungsmuster. Penetrierende Schuss- und Stichverletzungen sind vergleichsweise selten. Bei der Verteilung der Verletzungen auf die Körperregionen stellen Kopfverletzungen mit 40– 50% die Haupttodesursache dar, schwere Blutungen verursachen 30–40% und ein späteres Multiorganversagen 5–10% der Letalität. Häufig sind auch die Extremitäten und der Thorax betroffen. Verletzungen des Beckens, des . Tabelle 23.4. Ursachen und Häufigkeit von Polytraumata in Mitteleuropa Verkehrsunfälle (80%)
Fahrzeuginsassen Fußgänger Zweiradfahrer
Arbeits-, Freizeit- und häusliche Unfälle (14%)
Sturz aus >3 m Höhe Verschüttung Explosion
Gewaltdelikte (2%)
Schussverletzungen Stichverletzungen
Sonstige (4%)
Abdomen oder der Wirbelsäule treten vergleichsweise selten auf (. Tabelle 23.5).
23.2.3 Pathophysiologie des Polytraumas
Die Todesursachen derjenigen Patienten, die im Krankenhaus versterben, beinhalten v. a. nicht beherrschbare Blutungen, schwerste Schädel-HirnVerletzungen und im weiteren Verlauf ein Multiorganversagen. ! Neben den direkten traumatischen Organläsionen sind polytraumatisierte Patienten besonders durch Blutverlust, Hypoxämie, Traumatisierung von Geweben und Folgen der Reperfusion ischämischer Gewebe bedroht.
Die hohe Letalität kann durch eine schnellstmögliche und suffiziente notärztliche Versorgung sowie hochqualifizierte Behandlungszentren für polytraumatisierte Patienten positiv beeinflusst werden.
23.3
Innerklinische Erstversorgung
Während der klinischen Behandlung eines polytraumatisierten Patienten lassen sich die sog. Akut- oder Frühphase von der Spätphase unterscheiden. Die Spätphase betrifft die Intensivtherapie, die in diesem Kapitel nicht behandelt werden kann.
240
1 22 23 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 23 · Polytrauma
Die Ziele während der klinischen Versorgungsabschnitte lassen sich chronologisch in die Erhaltung des Lebens, der Organfunktion und der Lebensqualität einteilen. Eine Übersicht über typische Maßnahmen während der Akutphase, die sowohl die präklinische als auch erste klinischer Versorgung abdeckt, gibt . Tabelle 23.6. Die Teile Alpha und Bravo der Akutphase beinhalten die qualifizierte notärztliche Versorgung, werden aber bei der Klinikaufnahme nochmals durchlaufen, um auf eine evtl. Verschlechterung vitaler Funktionen sofort reagieren zu können oder die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Eine optimierte Versorgung in der Akutphase beinhaltet sowohl organisatorische, technischbauliche als auch medizinische Aspekte. Der Patient ist in dieser Phase v. a. durch 5 Störungen der Atmung und des Gasaustauschs, 5 Volumenmangelzuständen mit hypodynamem Schock sowie 5 Hypothermie gefährdet. Zusätzlich sind spezifische Komplikationen, die aus Verletzungen einzelner Organsysteme resultieren, zu beachten. Hierzu zählen z. B. der erhöhte Hirndruck nach einem schweren Schädel-HirnTrauma oder der Spannungspneumothorax.
. Tabelle 23.6. Übersicht über die Maßnahmen während der Phasen Alpha, Bravo, Charlie und Delta Alpha (1. min)
Lebensrettende Sofortmaßnahmen (A-B-C) 5 Atemwege freimachen und sichern 5 Beatmung und Oxygenierung 5 Kreislauftherapie, Kompression sichtbarer Blutungen
Bravo (5 min)
Dringliche Sofortmaßnahmen 5 Intubation indiziert? 5 (Peripher) venöse Zugänge 5 Volumentherapie 5 Monitoring 5 Immobilisation der HWS 5 Entkleidung
Charlie (30 min)
Dringliche obligate Maßnahmen 5 Komplette klinische Untersuchung 5 Röntgendiagnostik 5 Blasenkatheter 5 Labordiagnostik 5 Computertomographie
Delta (3 h)
Komplettierung von Diagnostik und Therapie 5 Erweiterte Röntgendiagnostik 5 Weitere Spezialuntersuchungen 5 Erste operative Versorgung 5 Beginn der Intensivtherapie
Anmeldung des Patienten 23.3.1 Organisatorischer Ablauf
Der gesamte Ablauf der Versorgung in der Akutphase sollte sich so weit wie möglich an vorgegebenen Therapieschemata, festgelegt in klar strukturierten Lösungswegen, sog. Algorithmen, orientieren. Zur praktischen Umsetzung von wissenschaftlich anerkannten Standards haben sich Checklisten bewährt, die die Einhaltung der Behandlungsabläufe erleichtern. Dadurch sollen komplexe Behandlungskonzepte in eine übersichtliche, logisch aufgebaute und systematische Abfolge einzelner Maßnahmen gebracht und Zusammenhänge allen Anwendern verständlich gemacht werden.
Die Anmeldung eines Patienten erfolgt in der Regel über eine Rettungsleitstelle unmittelbar an einen verantwortlichen Arzt. Dieses Gespräch dient zum einen der Klärung diagnostischer und therapeutischer Kapazitäten der aufnehmenden Klink, aber auch der Übermittlung von essenziellen und weiteren Informationen über den Patienten. Dabei werden medizinische Angaben zum Patienten, zu den für die Akutphase erforderlichen Fachdisziplinen sowie logistische Daten übermittelt (. Tabelle 23.7). Essenzielle Informationen sind für die unmittelbare Vorbereitung unabdingbar und müssen in jedem Falle korrekt weitergeleitet werden. Weitere Informationen dienen häufig logistischen Vorbereitungen, sind aber bei großer Zeitnot verzicht-
241
23.3 · Innerklinische Erstversorgung
. Tabelle 23.7. Anmeldung eines polytraumatisierten Patienten: Essenzielle und weitere Informationen Relevanz
Information
Essenziell
Benötigte Fachdisziplinen, z. B. 5 Kerntraumateam 5 Erweitertes Traumateam Sofortiger Bedarf an Blutprodukten Voraussichtliche Ankunftszeit
Weitere Informationen
Patientendaten 5 Alter 5 Geschlecht 5 Name/ID-Nummer Ursache der Verletzung Status 5 Bewusstsein 5 Atmung 5 Kreislauf
23
matisierung mit den Konsequenzen (z. B. Frontalaufprall auf Pkw, Patient eingeklemmt, Rettung mit technischem Gerät), den initialen Zustand des Patienten (Haupt-, ggf. Nebendiagnosen, ggf. Scores), die getroffenen therapeutischen Maßnahmen (v .a. Atemwege und Kreislauf) sowie ggf. Komplikationen oder Besonderheiten. ! Die Verantwortung für die weitere Diagnostik und Therapie geht nach dieser Übergabe auf das Trauma-Team bzw. seinen Leiter über.
Im Anschluss an die Umlagerung des Patienten auf eine mobile Transporteinheit, dem Beginn des Monitorings der Vitalfunktionen, erfolgt die Übergabe aller schriftlichen Befunde und Dokumente.
23.3.2 Maßnahmen in der Akutphase
Hauptdiagnosen
bar und können im Rahmen der Übergabe des Patienten eingeholt oder nachgereicht werden.
Übergabe in der Klinik Die Übergabe des Patienten vom Notarzt und seinem Team zum sog. Schockraum- oder TraumaTeam sollte primär mündlich in Form einer strukturierten Mitteilung erfolgen. Nach einer Begrüßung und gegenseitigen Vorstellung der verantwortlichen Ärzte (in der Regel Notarzt, Anästhesist, Unfallchirurg) wird mit einem kurzen Satz der Zustand des Patienten (stabil oder instabil) dargestellt. Ist der Patient stabil, werden alle weiteren Maßnahmen erst im Anschluss an den kurzen mündlichen Berichts des Notarztes vorgenommen. Dieser Ablauf hat den Vorteil, dass alle Teammitglieder mit dem gleichen Informationsstand am Patienten arbeiten und überhastete, potenziell schädliche Manipulationen (z. B. hastige Umlagerungsmaßnahmen stabiler Patienten mit Verdacht auf Wirbelsäulentraumata) unterbleiben. Der kurze mündliche Bericht beinhaltet den Zustand des Patienten vor dem Trauma (z. B. Autofahrer, angeschnallt), den Mechanismus der Trau-
Die Ziele einer suffizienten Therapie in den ersten Stunden der Behandlung orientieren sich an den pathophysiologischen Problemen des Patienten. Neben der Normalisierung des O2-Angebots und -Bedarfs (Sicherung der Atemwege, adäquate Beatmung und Oxygenierung, Anästhesie oder suffiziente Analgosedierung) muss schnellstmöglich die Reperfusion mangelperfundierter Gebiete sichergestellt werden.
Primary Survey Das »primary survey« ist eine rasche klinische Untersuchung mit dem Ziel, Störungen der Vitalfunktionen zu erkennen. Dabei werden Bewusstsein, Atmung sowie Kreislauf überprüft und anschließend bei Bedarf Maßnahmen zur Behebung von Störungen getroffen.
242
1 22 23 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 23 · Polytrauma
Sicherung der Atemwege und Beatmung 5 Zyanose 5 Stridor 5 Glasgow-Coma-Scale ≤8: z. B. Schweres
Ziel: Vermeidung einer Hypoxie, Normoventilation 5 5 5 5 5 5 5
SHT oder Bewusstlosigkeit
Intubation FiO2 1,0; nach BGA-Kontrolle ggf. 0,5 oder O2 6–10 l/min. über Maske pSaO2 > 90%, paO2 >60 mmHg TV 8–10 ml/kgKG, f = 10/min paCO2 ca. 40 mmHg PEEP 5–10 cmH2O (von Kreislauf und Oxygenierung abhängig)
Die Atemwege und der Gasaustausch polytraumatisierter Patienten sind durch vielfältige Mechanismen direkt oder indirekt beeinträchtigt. Dadurch entwickelt sich regelmäßig eine schwere respiratorische Insuffizienz, die wiederum eine Hypoxämie verursacht und damit zur weiteren Schädigung der Organe beiträgt. Einen auslösenden Mechanismen stellt die Aspiration (z. B. infolge Bewusstseinsstörung, Blutungen in die oberen Atemwege, Alkoholeinfluss) dar, die sich bei bis zu 30% aller polytraumatisierten Patienten im Verlauf nachweisen lässt. Häufig findet sich auch eine insuffiziente Spontanatmung durch zentrale (z. B. infolge Schädel-Hirn-Trauma, Medikamentengabe) und periphere (z. B. durch direktes oder indirektes Trauma der Atemwege, Thoraxtrauma) Störungen. Alle diese Mechanismen bedingen oder verstärken eine evtl. bestehende Hypoxie, die gemeinsam mit einer durch den Schock bedingten Perfusionsstörung zusätzliche Schäden, v. a. am Gehirn, verursachen kann. Die Indikation zur Intubation bei polytraumatisierten Patienten muss deshalb großzügig gestellt werden.
Indikationen zur Intubation eines polytraumatisierten Patienten 5 Reanimation oder Apnoe 5 Respiratorische Insuffizienz: O2-Sättigung
<90% trotz suffizienter Oxygenierung 5 Dyspnoe
6
5 Instabiler Thorax, abnorme Atembewe-
gungen 5 Schwere Verletzungen im Gesicht, Hals
oder Thorax 5 Notwendigkeit einer Anästhesie, hoch do-
sierte Analgetikaapplikation 5 Manifester Schockzustand
Nach einer schweren Traumatisierung muss jedoch immer mit direkten oder indirekten Auswirkungen auf die Atemwege gerechnet werden. Frakturen des Gesichtsschädels, eine immobilisierte Halswirbelsäule oder Blutungen in den oberen Respirationstrakt können die Sicht auf den Larynx bei der direkten Laryngoskopie massiv behindern. Wegen des erhöhten Risikos bei der Sicherung der Atemwege bei diesen Patienten ist sowohl ein Vorgehen anhand eines Algorithmus zur Sicherung der Atemwege als auch die Bevorratung von alternativen Hilfsmitteln erforderlich. Falls die endotracheale Intubation in bis zu 3 Versuchen nicht gelingt, kann die Oxygenierung und Ventilation des Patienten auch mit supralaryngealen Hilfsmitteln, wie z. B. dem EasyTube, gesichert werden. Diese Hilfsmittel können auch ohne direkte Laryngoskopie platziert werden und bieten einen besseren Schutz vor Aspiration als die Beatmung über eine Maske. Erst wenn auch diese Maßnahme fehlschlagen sollte, ist eine chirurgische Sicherung der Atemwege durch eine Koniotomie erforderlich. Die Beatmung polytraumatisierter Erwachsener erfolgt initial immer mit 100% Sauerstoff, einem positiv-endexpiratorischem Druck (PEEP) um 5 mbar sowie mit an Gewicht und Größe des Patienten angepassten Frequenzen und Tidalvolumina. Ein niedriger Spitzendruck bzw. die Beatmung im »pressure controlled ventilation« (PCV)-Modus verringern das Risiko eines Spannungspneumothorax, der sich in Folge einer Beatmung mit positiven Drucken nach einem Thoraxtrauma entwickeln kann.
23.3 · Innerklinische Erstversorgung
Ein weiteres Problem der Beatmung mit positiven Drucken, insbesondere in der Kombination mit PEEP, stellt die direkte Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen dar. Dieser Mechanismus kann das ohnehin reduzierte Herzzeitvolumen weiter erniedrigen und auch den arteriellen Blutdruck und die Perfusion der Gewebe vermindern. Eine adäquate Infusions- und Transfusionsbehandlung kann diese Effekte ausgleichen. Die Beurteilung einer adäquaten Ventilation mit Hilfe der Kapnometrie ist bei polytraumatisierten Patienten, insbesondere bei denjenigen mit einem Thoraxtrauma oder einer Aspiration, schwierig. Deswegen sollte so rasch wie möglich nach Beginn der Beamtung eine arterielle Blutgasanalyse vorgenommen werden, um sowohl Ventilation als auch Oxygenierung überprüfen zu können.
Stabilisierung des Kreislaufs
Ziel: Ausreichende Perfusion lebenswichtiger Organe 5 Mindestens 2 großlumige periphere Ve-
nenzugänge 5 MAP 60–80 mmHg; bei SHT min.
90 mmHg 5 Kristalloide und kolloidale Lösungen 5 Blutprodukte (EK, FFP) frühzeitig 5 Gabe von Katecholaminen nur als
ultima ratio
Regelmäßig zeigen polytraumatisierte Patienten das Bild eines hämorrhagischen Schocks, einer Sonderform des hypovolämischen Schocks. Das Ausmaß des Blutverlustes wird bei stumpfen Traumata wegen der meist geringen Blutungen nach außen in der Regel unterschätzt. Für geschlossene Frakturen gibt es Anhaltspunkte, um den Blutverlust näherungsweise abzuschätzen: Humerus bis 800 ml, Tibia bis 1000 ml, Femur bis 2000 ml und Becken bis 5000 ml. Die suffiziente und frühzeitige Volumenzufuhr kann Störungen der Makro- und Mikrozirkulation entgegenwirken oder sie sogar ganz verhindern. Primäres therapeutisches Ziel ist deswegen die Wiederherstellung einer ausreichenden
243
23
Perfusion der Organe, v. a. des Herzens und des Gehirns. Einen wichtigen Hinweis auf eine suffiziente Volumenzufuhr gibt der Anstieg des mittleren arteriellen Drucks (MAP) bei einem gleichzeitigen Abfall der Herzfrequenz. Zwei bis drei großlumige periphere Venenverweilkanülen erlauben die intravenöse Zufuhr von >1 l/min Flüssigkeit. Sollte die Punktion peripherer Venen mit entsprechend dimensionierten Venenverweilkanülen (14 und 16 G) nicht möglich sein, ist die Anlage eines großlumigen zentralvenösen Katheters mit einer Flussrate von 250 bis über 400 ml in der Minute (z. B. Sheldon-Katheter) in die V. jugularis interna oder V. subclavia indiziert. Schlägt auch dies fehlt, wird eine Venae sectio, in der Regel an der V. saphena magna, durchgeführt. Über Druckinfusionssysteme kann die Flussrate noch weiter gesteigert werden, jedoch ist hierbei auf die nicht unerhebliche Gefahr der iatrogenen Hypothermie zu achten, wenn die Lösungen und Blutprodukte nicht entsprechend erwärmt werden. Zu den wichtigsten Komponenten der Therapie eines Volumenmangelschocks infolge massiven Blutverlusts zählen neben Kristalloiden und kolloidalen Volumenersatzmitteln v. a. Erythrozytenkonzentrate (EK) als O2-Träger und Fresh Frozen Plasma (FFP). Nach den aktuellen Empfehlungen liegt die Transfusionsschwelle bei polytraumatisierten Patienten bei einem Hämoglobin-Wert zwischen 8 und 10 g/dl. Diese Schwelle richtet sich jedoch weniger nach Laborparametern als nach dem klinischen Zustand des Patienten. Bei hämodynamisch instabilen Patienten sollten bereits im Schockraum sowohl EK als auch FFP bereitgestellt werden, bevor der Patient dort eintrifft. Bei Männern können in einer solchen Situation EK der Blutgruppe O Rh positiv, bei Frauen bis zum Alter von ca. 40 Jahren hingegen ausschließlich EK der Blutgruppe O Rh negativ transfundiert werden. Schnellstmöglich müssen sich jedoch eine Bestimmung der Blutgruppe, eine Kreuzprobe anschließen, um die Transfusion kompatibler Blutprodukte vornehmen zu können. Spätestens während der Phase Delta, in der die erste operative Versorgung des Patienten durch-
244
1 22 23 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Kapitel 23 · Polytrauma
geführt wird, sollte ein Cell-Saver zur Aufbereitung und Retransfusion von autologem Blut eingesetzt werden. Bei Patienten mit ausgeprägten Schockzuständen kann es im Rahmen der Akutphase erforderlich werden, Katecholamine zu applizieren, wenn
15
Blutdrucks erreicht werden kann. Die Messung der Widerstände im großen und kleinen Kreislauf ist zur gezielten Steuerung der Katecholamine und zur Auswahl der geeigneten Substanz (Adrenalin, Dopamin oder Noradrenalin) erforderlich.
Analgesie, Sedierung, Narkose
Wärmeerhaltung
trotz suffizienter Therapie mit Volumenersatzmitteln und Blutprodukten keine Stabilisierung des
Ziel: Suffiziente Analgesie und Ventilation 5 Nur i.v. Applikation 5 Alternative Analgetika, Repetitionsdosen
− − − −
Fentanyl, je 0,1–0,15 mg Piritramid, je 3–5 mg Ketamin, je 0,5 mg/kgKG S-Ketamin, je 0,25 mg/kgKG
5 Intravenöse Anästhesie mit Opioiden oder
Ketamin und Benzodiazepinen − Fentanyl, je 2–5 µg/kgKG oder − Ketamin, je 1–2 mg/kgKG (auch S-Ketamin 0,5–1,0 mg/kgKG) und − Midazolam, je 0,05–0,1 mg/kgKG
18 19 20
Die Hypothermie stellt ein typisches Problem in der Akutphase dar, sie verursacht u. a. Störungen der Blutgerinnung sowie eine Suppression des Immunsystems. Sowohl eine Hypothermie als auch Störungen der Blutgerinnung werden durch die Flüssigkeits- und Volumentherapie noch verstärkt. ! Als Faustregel gilt, dass die Körpertemperatur mit jedem Liter 20°-warmer Infusionslösung um 0,3°C absinkt.
Unabhängig von den teilweise eingeschränkten Möglichkeiten, den Patienten adäquat zu erwärmen, ist eine kontinuierliche Kontrolle der Körperkerntemperatur erforderlich.
− Etomidate 0,2–0,3 mg/kgKG 5 Narkoseunterhaltung mit alternierenden
Repetitionsdosen des Opioids bzw. Ketamins/Benzodiazepins
16 17
ven vegetativen Reaktionen führen und sowohl den O2-Bedarf als auch den Hirndruck erhöhen.
Eine Aktivierung des Sympathikus führt aber auch zu einer Vasokonstriktion und Steigerung der Inotropie, die besonders im Schock einen sinnvollen Mechanismus darstellt. Fällt dieser Effekt durch eine adäquate Analgesie weg, so muss der ggf. resultierende Blutdruckabfall mit der Applikation von Volumenersatzmitteln, notfalls auch mit Katecholaminen, abgefangen werden.
5 Dann Narkoseeinleitung
14
! Die Reaktion auf Schmerzen kann u. a. zu massi-
Potente Opioide sind bei polytraumatisierten Patienten generell zur Analgesie oder Anästhesie indiziert. Sie dienen sowohl der Reduktion von schwersten Schmerzen, lassen damit erst Manipulationen am Patienten zu, und führen zu einer Normalisierung der Sympathikusaktivierung. Dieser Effekt ist jedoch in der Regel nur im Rahmen einer Allgemeinanästhesie zu erzielen.
Monitoring Essenzielle Überwachungsmaßnahmen polytraumatisierter Patienten beinhalten sowohl klinische als auch apparative Untersuchungen durch qualifiziertes medizinisches Personal. Zu den klinischen Untersuchungen zählen v. a. die Auskultation und die Perkussion des Thorax. Besonderer Wert muss auf die Erfassung von seitendifferenten Befunden gelegt werden, die Hinweise auf endobronchiale Tubusfehllagen oder Thoraxtraumata geben. Die Minimalstandards der apparativen Verfahren beinhalten die nichtinvasive Blutdruckmessung, die Pulsoximetrie, die Elektrokardiographie und die Messung der Körpertemperatur. Bei intubierten Patienten müssen diese Methoden
245
23.3 · Innerklinische Erstversorgung
um die üblichen Beatmungsparameter (Drucke, Volumina, inspiratorische Sauerstoffkonzentration) ergänzt werden. Zur Lagekontrolle des Endotrachealtubus bietet sich die Kapnometrie, ergänzt durch klinische Untersuchungen, an. Ein sog. »esophageal detector device« ist besonders für Patienten im HerzKreislausstillstand geeignet. Eine komplette Labordiagnostik ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt angezeigt, um Störungen rechtzeitig therapieren zu können und einen »Ausgangswert« bei Aufnahme des Patienten zu erhalten.
Labordiagnostik bei Aufnahme im Schockraum 5 BGA, Elektrolyte, Hb, Hkt, BZ direkt über
Blutgasanalysator 5 Blutgruppe und Kreuzprobe 5 Blutbild (Hb, Hkt, Thrombozyten) 5 Elektrolyte (Natrium, Kalium, Kalzium,
Chlorid) 5 Enzymchemie (Kreatinkinase, CRP, GOT, 5 5 5 5
Laktat, Troponin-T) Gerinnung (Quick/INR, APTT, Fibrinogen) Glukose Nierenfunktion (Kreatinin, Harnstoff-N) Toxikologie-Screening bei Bedarf
Moderne Blutgasanalysatoren bieten den großen Vorteil, innerhalb von wenigen Minuten umfangreiche Daten zu liefern. Mit einer arteriellen Blutgasanalyse können der Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck, »base excess«, Hämoglobin, Hämatokrit, Serumnatrium und -kalium sowie der Blutzucker bestimmt werden. Bei instabilen Patienten muss das kardiozirkulatorische Monitoring um die Messung des invasiven Blutdrucks (iBP) erweitert werden. Eine arterielle Kanülierung bietet außerdem den Vorteil, ohne weitere Punktionen regelmäßig arterielle Blutgasanalysen abnehmen zu können. Zusätzlich ist bei instabilen Patienten auch ein mehrlumiger zentraler Venenkatheter erforderlich. Außerdem muss ein Blasenkatheter mit integrierter Temperatursonde eingeführt werden.
23
Werden bei einem polytraumatisierten Patienten Katecholamine erforderlich, ist auch die Platzierung eines Pulmonalarterienkatheters sinnvoll, um das Herzzeitvolumen, den pulmonalarteriellen Verschlussdruck und die Widerstände im großen und kleinen Kreislauf bestimmen zu können. Alle invasiven Monitoringverfahren dürfen jedoch nicht dazu führen, dass die essenzielle Diagnostik oder unmittelbar erforderliche Operationen verzögert werden.
Apparative Diagnostik Nach Abschluss der Phase Bravo erfolgt in der Phase Charly das sog. »secondary survey« als kraniokaudaler Check durch einen Unfallchirurgen. Hierbei werden systematisch die verschiedenen Körperregionen vom Kopf, über Hals, Thorax, Abdomen, Becken, Wirbelsäule sowie obere und untere Extremitäten untersucht. Anschließend bzw. parallel dazu werden bei jedem Patienten, bei dem der Verdacht auf eine schwere Traumatisierung besteht, generell die folgenden Untersuchungen durchgeführt: 5 Röntgen der Halswirbelsäule lateral einschließlich des 7. Halswirbelkörpers, 5 Röntgen a.p. des Thorax, nach Möglichkeit in Expiration, 5 Röntgen a.p. des Beckens, 5 Sonographie des Abdomens. Zusätzliche apparative Untersuchungen beinhalten eine Computertomographie (CT; kraniales CT ohne Kontrastmittel, CT-Thorax und CT-Abdomen mit Kontrastmittel), ggf. weitere Nativröntgenuntersuchungen oder – bei speziellen Fragestellungen – eine Angiographie.
Operative Versorgung In der Phase Delta erfolgt die erste operative Versorgung der Verletzungen. Dabei werden alle begonnenen Maßnahmen der Überwachung und Therapie übergangslos fortgesetzt. Liegt bei einem Patienten eine kardiovaskuläre Instabilität vor, die konservativ nicht behandelt werden kann, müssen lebensrettende operative Maßnahmen so rasch wie möglich, ggf. unter Übergehung vorheriger Versorgungsphasen, begonnen werden.
1 22 23 4 5 6 7
246
Kapitel 23 · Polytrauma
23.4
Besonderheiten bei speziellen Verletzungen
23.4.1 Schädel-Hirn-Trauma
Ziel: Vermeidung sekundärer Schäden 5 5 5 5 5 5
Endotracheale Intubation FiO2 1,0 Normoventilation, kontrolliert durch BGA Pressen und Husten vermeiden MAP nicht <90 mmHg Schnellstmöglich CCT
19
! Auf keinen Fall dürfen dem Patienten mit SHT
10 11 12 13 14 15 16 17
20
Ziel: Vermeidung sekundärer Schäden 5 Ruhigstellung durch HWS-Stützkragen 5 Primäre Diagnostik auf Vakuummatratze 5 Perfusionsstörungen vermeiden, MAP
nicht <90 mmHg
18
9
23.4.2 Rückenmarktrauma
5 Methylprednisolon-Schema
Die wichtigsten Aufgaben bei Patienten, die im Rahmen eines Polytraumas eine Schädel-Hirn-Verletzung (SHT) erlitten haben, bestehen in der Vermeidung sekundärer Hirnschäden, wie sie durch Hypoxämie und Hypotension verursacht werden. Die endotracheale Intubation dient beim Patienten mit SHT nicht nur zur Vermeidung von Aspiration und zur Optimierung der Oxygenierung, die anschließende kontrollierte Beatmung soll auch eine Hypoventilation vermeiden. Um ein Pressen oder Husten des Patienten, z. B. im Rahmen von Lagerungsmaßnahmen, sicher zu vermeiden, ist häufig eine Muskelrelaxierung erforderlich. Weiterhin muss die zerebrale Perfusion des Patienten aufrechterhalten oder, bei Bedarf, optimiert werden. Der zerebrale Perfusionsdruck berechnet sich aus der Differenz zwischen mittlerem arteriellen Blutdruck und dem Hirndruck (CPP = MAP–ICP). Daraus folgt, dass die Anhebung es MAP bei gleich bleibendem ICP genutzt werden kann, um den CPP zu verbessern. Der MAP kann mit einer Kombination von kolloidalen und kristalloiden Lösungen oder Katecholaminen, v. a. Noradrenalin oder Vasopressin, angehoben werden. Ein MAP nicht <90 mmHg ist anzustreben, solange keine ICP-Messung vorhanden ist.
8
Unmittelbar im Anschluss an die Phasen Alpha und Bravo muss ein CCT durchgeführt werden, um morphologische Schäden zu erkennen und die weitere Therapie festzulegen.
hypotone oder glukosehaltige Infusionslösungen appliziert werden, da diese zu einem Hirnödem führen und die Schädigung der Zellen verstärken können.
Die Ruhigstellung der Wirbelsäule, z. B. durch einen HWS-Stützkragen oder die Lagerung auf einer Vakuummatratze stellt einen präklinischen Therapiestandard dar. Eine Umlagerung von der Vakuummatratze oder die Entfernung des HWSStützkragens sollte erst nach dem radiologischen Ausschluss kritischer Frakturen oder Luxationen erfolgen. Die allgemeinen therapeutischen Maßnahmen nach Verletzungen des Rückenmarks unterscheiden sich nicht von denen nach einem SHT. Auch bei Verletzungen des Rückenmarks ist auf einen ausreichenden Perfusionsdruck zu achten. Bei neurologischen Störungen wird eine hochdosierte Therapie mit Methylprednisolon empfohlen. Diese besteht aus einem Bolus von 30 mg/ kgKG, gefolgt von einer kontinuierlichen Applikation von 5,4 mg/kgKG/h über 23 h.
23.4.3 Thoraxtrauma
Ziel: Rasche klinische Diagnostik und Therapie 5 Rö-Thorax a.p., CT-Thorax mit KM 5 Spannungspneumothorax: Sofortige Anla-
ge einer Drainage
Nach einer Verletzung des knöchernen Brustkorbs oder der darin lokalisierten Organe sind Patienten durch verschiedenste pathophysiologische Probleme gefährdet. Der Spannungspneumothorax, die Perikardtamponade und der massive Hämatothorax stellen die 3 pathophysiologischen Prinzipien dar, die zu einer akuten Lebensbedrohung führen.
23
247
23.4 · Besonderheiten bei speziellen Verletzungen
. Tabelle 23.8. Klinische Zeichen des Spannungspneumothorax (SPTx), der Perikardtamponade (PT) und des Hämatothorax (HTx) SPTx
PT
HTx
»Atemnot«
Ja
Ja
Ja
Hypotension
Ja
Ja
Ja
Spannungspneumothorax
Herzstillstand möglich
Ja
Ja
Ja
Der Spannungspneumothorax entwickelt sich häufig erst in Folge einer Intubation des Patienten und Beatmung mit positiven Drucken. Bereits beim begründeten Verdacht muss eine sofortige Entlastung vorgenommen werden. Die Punktion des Pleuraspalts mit großlumigen Venenverweilkanülen hat sich hierbei lediglich als initiale Notfallmaßnahme bewährt, sie muss wegen der Gefahr der Okklusion und Luxation der Kanüle unmittelbar durch eine Thoraxdrainage ersetzt werden.
Obere Einflussstauung
Ja
Ja
Herznahe Wunde am Thorax
Ja
Ja
Ja
Periphere Wunde am Thorax
Ja
Ja
Ja
Atemgeräusch leise oder fehlend
Ja
Deviation der Trachea
Ja
Hämatothorax Ein massiver Hämatothorax resultiert meist aus penetrierenden oder stumpfen Verletzungen, bei denen das Herz oder große Blutgefäße wie Aorta, Interkostalarterien oder Pulmonalgefäße betroffen sind. Mit Ausnahme des hämorrhagischen Schocks sind die klinischen Zeichen eher unspezifisch. Erst bei einer massiven Blutung in die Thoraxhöhle sind die Atemgeräusche abgeschwächt und die Perkussion gedämpft. Analog zum stumpfen Abdominaltrauma mit Verletzung stark blutender Strukturen bedürfen diese Patienten eines schnellstmöglichen operativen Eingriffs. Wegen der Gefahr einer starken Blutung mit Exsanguination muss eine Thoraxdrainage bei diesen Patienten ggf. bis zur operativen Eröffnung und Blutstillung abgeklemmt werden, sofern ein Spannungspneumothorax ausgeschlossen ist.
Perikardtamponade Eine Perikardtamponade tritt überwiegend in Folge einer Stichverletzung des Herzens auf; 80– 90% der Stichverletzungen mit Beteiligung des Herzens haben eine Tamponade zur Folge. Im Ge-
Ja
gensatz dazu verursachen Schussverletzungen mit Herzbeteiligung lediglich zu rund 20% eine Perikardtamponade, bei stumpfen Thoraxverletzungen tritt sie noch deutlich seltener auf. ! Die rasche und sichere Diagnose einer Perikardtamponade kann mittels Echokardiographie gestellt werden.
Die klinischen Unterschiede zwischen einem Spannungspneumothorax, einem Hämatothorax und einer Perikardtamponade werden in . Tabelle 23.8 zusammengefasst. Herzrhythmusstörungen nach einer Traumatisierung des Thorax sind häufig der erste Hinweis auf eine contusio cordis, die sich enzymatisch nachweisen lässt. Die Therapie erfolgt symptomatisch, zur Steuerung von Katecholaminen hat sich auch hier ein Pulmonalarterienkatheter bewährt.
248
1 22
Kapitel 23 · Polytrauma
23.4.4 Abdominaltrauma
Ziel: Rasche chirurgische Therapie 5 Sonographie Abdomen, ggf. CT-Abdo-
23 4 5 6 7 8 9 10
men mit KM 5 Bei Kreislaufinstabilität schnellstmögliche
chirurgische Exploration
Die Ruptur eines inneren Organs im Rahmen eines stumpfen Abdominaltraumas ist die häufigste Ursache für einen präklinisch therapierefraktären Schockzustand. Sowohl die Diagnostik (abdominelle Sonographie, CT-Abdomen mit KM) als auch die Therapie (chirurgische Exploration) kann nur in einer Klinik erfolgen. Wird bei einem Patienten mit Hilfe der Sonographie freie Flüssigkeit im Abdomen gefunden und lässt sich der Kreislauf durch die Gabe von kolloidalen Volumenersatzmitteln und Blutprodukten nicht stabilisieren, muss eine schnellstmögliche Laparotomie vorgenommen werden.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Literatur Recommendations for Uniform Reporting of Data Following Major Trauma - The Utstein Style - (1999) Bardenheuer M, Obertacke U, Waydhas C et al. (2000) Epidemiologie des Schwerverletzten. Unfallchirurg 103: 355–363 Bouillon B, Krämer M, Paffrath T et al. (1994) Qualitätssicherung in der Versorgung Schwerstverletzter: wie können Scoresysteme helfen? Unfallchirurg 97: 191–198 Dick W (2000) Einheitliche Dokumentation bei Traumatisierten. Notfall Rettungsmed 3: 131–132 Dick WF, Baskett P (2000) Empfehlungen zur einheitlichen Dokumentation nach schwerem Trauma – Der Utstein Style. Notfall Rettungsmed 3: 133–146 Jaeger K, Ruschulte H, Heine J et al. (1998) Schockraum-Management beim polytraumatisierten Patienten. Rettungsdienst 21: 30–33 Kreimeier U, Lackner CK, Ruppert M et al. (2003) Neue Strategien in der Volumenersatztherapie beim Polytrauma. Notfall Rettungsmed 6: 77–88 Mauritz W (1999) Der polytraumatisierte Patient. Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther AINS 34: 254–255 Nast-Kolb D, Ruchholtz S, Oestern HJ et al. (2000) Das Traumaregister der Arbeitsgemeinschaft Polytrauma der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Notfall Rettungsmed 3: 147–150
Nerlich M, Maghsudi M (1997) Polytrauma-Management. Notfall Rettungsmed 1: 45–54 Oestern HJ (1999) Versorgung Polytraumatisierter im internationalen Vergleich. Unfallchirurg 102: 80–91 Oestern HJ, Kabus K (1994) Vergleich verschiedener Traumascoresysteme. Unfallchirurg 97: 177–184 Ruchholtz S (2000) Das Traumaregister der DGU als Grundlage des interklinischen Qualitätsmanagements in der Schwerverletztenversorgung. Unfallchirurg 103: 30–37 Ruchholtz S, Waydhas C, Aufmkolk M et al. (2001) Interdisziplinäres Qualitätsmanagement in der Behandlung von schwerverletzen Patienten. Unfallchirurg 104: 927–937 Stürmer KM (2001) Polytrauma. Leitlinie für die Unfallchirurgische Diagnostik und Therapie. Unfallchirurg 104: 902– 912 Thierbach AR, Lipp MDW (1999) Airway Management in Trauma Patients. Anesth Clin North Am 17: 63–82 Thierbach A, Maybauer M, Piepho T et al. (2003) Monitoring in der Notfallmedizin. Notfall Rettungsmed 6: 206–218 Ziegenfuß T (1998) Polytrauma - Präklinische Erstversorgung und Schockraummanagement. Anaesthesist 47: 415–431
24 Kinder U. Nickel, K. Luckhaupt-Koch
24.1
Typische Verletzungsmuster bestimmter Altersgruppen – 250
24.2
Vorbereitung des Kindes
24.2.1
Allgemeine Maßnahmen
24.2.2
Maßnahmen zur Schmerzbekämpfung
24.2.3
Prämedikation – 252
24.2.4
Vorbereitung im Einleitungsraum/OP
24.3
Analgosedierung
24.3.1
Voraussetzungen – 252
24.3.2
Durchführung – 253
24.4
Allgemeinanästhesie
24.4.1
Präoperative Nüchternheit
24.4.2
Durchführung – 254
24.5
Regionalanästhesie bei Kindern
24.5.1
Allgemeine Aspekte
24.5.2
Periphere Leitungsanästhesie
24.5.3
Zentrale Nervenblockaden
24.6
Postoperative Schmerztherapie
24.7
Spezielle Problemstellungen
24.7.1
Kindliches Polytrauma
24.7.2
Verbrennung, Verbrühung
Literatur
– 264
– 251
– 251 – 251 – 252
– 252
– 254 – 254
– 255
– 255 – 255
– 259
– 261 – 263
– 260
– 261
1 22 3 24 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
250
Kapitel 24 · Kinder
24.1
Typische Verletzungsmuster bestimmter Altersgruppen
Kinder haben generell ein hohes Unfallrisiko. Die typischen Verletzungsmuster bei Kindern variieren in Abhängigkeit von der jeweiligen Lebensphase. Eine aktuelle epidemiologische Untersuchung aus Kanada mit mehr als 90.000 Kindern bis zu 10 Jahren kommt zu interessanten Ergebnissen, die sich größtenteils auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen. Die Daten zeigen, dass sich in dieser Altersgruppe die meisten Unfälle im häuslichen Umfeld ereignen. Mehr als 50% dieser Unfälle resultieren aus Stürzen aus dem Bett oder beim Laufen. Die Ursachen sind meist kindliche Unachtsamkeit, Ablenkung, Übermut und das fehlende Bewusstsein für drohende Gefahren. Als Einflussfaktoren werden zum einen das Geschlecht (Jungen haben im Vergleich zu Mädchen ein 10% höheres Verletzungsrisiko), zum anderen das soziale Umfeld genannt. Die Inzidenz für Verletzungen ist im 2. Lebensjahr am höchsten, nimmt im Vorschulalter ab, um danach erneut stetig anzusteigen. Altersspezifisch stehen bestimmte Verletzungsmuster im Vordergrund. So haben z. B. Verbrennungen oder Verbrühungen ihren Gipfel in der Altersgruppe von 1–2 Jahren, wenn die Kinder beginnen zu krabbeln, zu laufen und ihre Umwelt zu erkunden. Heiße Wasserkocher werden an der Schnur nach unten oder Tassen mit heißen Getränken vom Tisch gezogen. Im Schulalter dominieren Verstauchungen und Frakturen, die mit zunehmendem Alter häufiger auftreten. 18% der in der genannten Studie untersuchten Kinder erlitten bis zum Alter von 10 Jahren eine Fraktur. Häufig werden Ober- und Unterarmfrakturen, daneben aber auch Frakturen des Ober- und Unterschenkels beobachtet. Die Ergebnisse der Studie bilden sich auch im Patientengut einer deutschen kindertraumachirurgischen Abteilung ab. Schwerwiegende Verletzungen sind eher selten anzutreffen und sind, wenn sie auftreten, meist durch Verkehrsunfälle bedingt. Nach der deutschen Verkehrsunfallstatistik wurden im Jahr 2003 40.000 Kinder unter 15 Jah-
ren im Straßenverkehr verletzt, mehr als 300 davon tödlich. Säuglinge und Kleinkinder sind seltener und meist als Mitinsassen eines verunfallten PKW betroffen. Ältere Kinder sind durch Unachtsamkeit oder Fehleinschätzung von Situationen bei aktiver Teilnahme am Straßenverkehr (z. B. als Fußgänger oder Radfahrer) gefährdet.
Kindesmisshandlung Verletzungen bei Kindern können auch durch Misshandlung entstehen. Wenngleich die Diagnosestellung einer körperlichen Misshandlung nicht in das Aufgabengebiet des Anästhesisten fällt, kann das Erkennen potenzieller Hinweisfaktoren chirurgischen oder pädiatrischen Kollegen wichtige Informationen liefern. ! Die Diagnose Kindesmisshandlung wird viel zu häufig nicht gestellt.
Die Inzidenz körperlicher Misshandlung bei Kindern ist definitionsabhängig. Ca. 1.000–1.500 Fälle pro Jahr kommen zur Anzeige, darüber hinaus gibt es eine vermutlich hohe, aber nicht genau bekannte Dunkelziffer. Hinweise auf eine körperliche Misshandlung können sich einerseits durch das Verletzungsmuster selbst, andererseits durch das Verhalten des Kindes bzw. der Eltern/Betreuungspersonen ergeben. ! Verdächtig sind Verletzungen, Hämatome oder Frakturen in unterschiedlichen Heilungsstadien, zufällig entdeckte Frakturen sowie Verletzungen ohne adäquates Trauma.
Hauptrisikofaktor für misshandlungsbedingte Frakturen ist das Alter. 55–70 % dieser Frakturen finden sich bei Kindern <1 Jahr, 80% bei Kindern <18 Monaten, einem Alter, bei dem Frakturen nicht zu den alterstypischen Verletzungen zählen. Betroffen sind hier v. a. die langen Röhrenknochen. Auch Rippenfrakturen werden häufiger im Rahmen von Misshandlungen beobachtet und meist als Zufallsbefund diagnostiziert. Außer bei Verkehrsunfällen sind Rippenfrakturen bei Kindern extrem selten. Die häufigste Todesursache bei Kindesmisshandlungen sind Kopfverletzungen. Auch hier
251
24.2 · Vorbereitung des Kindes
wird das Alter – unter anderem – als Risikofaktor angesehen. Das sog. »shaken baby syndrome«, das v. a. während des »Hauptschreialters« von Säuglingen (6 Wochen bis 4 Monate) vorkommt, ist klinisch durch subdurale Hämatome und retinale Blutungen gekennzeichnet und wird durch gewaltsames Schütteln des Säuglings verursacht. Misshandelte Kinder zeigen oft Verhaltensauffälligkeiten. So können extreme Ängstlichkeit, das klaglose Erdulden schmerzhafter Prozeduren, extreme Überanpassung oder eine sog. »frozen watchfulness« (eisige Wachsamkeit), aber auch Aggressivität und destruktives Verhalten des Kindes beobachtet werden. Die Eltern oder Betreuungspersonen fallen oft durch unklare oder widersprüchliche anamnestische Angaben zum Unfallhergang auf. ! Bei unklarem Unfallhergang, verzögerter Einlieferung, unterschiedlichen Angaben verschiedener Personen zum Unfallgeschehen oder auffälligem Verhalten des Kindes an Kindesmisshandlung denken.
24.2
Vorbereitung des Kindes
Zentrale Aspekte bei der Vorbereitung eines verletzten Kindes auf Operation und Narkose sind ein die Ausnahmesituation berücksichtigender Umgang mit Patient und Familie, die Anpassung der Umgebung an die kindlichen Bedürfnisse (z. B. verfügbare Spielzeuge, Bilderbücher, etc.) und die Sicherstellung einer ausreichenden analgetischen Versorgung. Vor allem kleine Kinder sind im Rahmen der Notfallversorgung von Verletzungen häufig analgetisch unterversorgt.
24.2.1 Allgemeine Maßnahmen
Insbesondere nach schweren Unfällen befindet sich oft die gesamte Familie des Kindes in einem Ausnahmezustand. Nicht selten sind bei Eltern durch – direkte oder indirekte – Beteiligung am Unfallhergang Schuldgefühle vorhanden, die primär unverständliche Reaktionen von Kindern und Eltern zur Folge haben können. Zuwendung,
24
Verständnis sowie eine verständliche Informationsübermittlung über die geplante Narkose bilden eine wichtige Grundlage für das Vertrauensverhältnis zwischen Anästhesist, Kind und Sorgeberechtigten.
24.2.2 Maßnahmen zur
Schmerzbekämpfung Die initiale Behandlung der Schmerzen besteht zum einen in der Ruhigstellung der Verletzung, z. B. auf einer Schiene, oder der regionalen Kühlung bei einer Verbrennung, zum anderen in der Gabe von Analgetika. Es sollten Medikamente mit hoher analgetischer Potenz, schnellem Wirkungseintritt und -maximum sowie mittellanger Wirkdauer eingesetzt werden. Das ideale Analgetikum, das diese Vorzüge bietet und zudem keine unerwünschten Wirkungen wie z. B. Atemdepression oder Übelkeit und Erbrechen aufweist, gibt es leider nicht. In der klinischen Praxis werden bei leichten bis mittelstarken Schmerzen in erster Linie Nichtopioidanalgetika (z. B. Paracetamol, Ibuprofen) verabreicht. Aufgrund der prinzipiell zuverlässigeren Resorption und des schnelleren Wirkungseintritts ist die orale Verabreichungsform in Form einer Tablette oder als Saft der Gabe eines Suppositoriums vorzuziehen. In Notfallsituationen ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die gastrointestinale Motilität vermindert und dadurch die Resorption verändert sein kann. Das Nüchternheitsgebot wird durch die orale Gabe eines Analgetikums nicht durchbrochen. Ist ein intravenöser Zugang vorhanden, bietet sich bei Kindern >1 Jahr auch die intravenöse Gabe von Paracetamol (Perfalgan) an. Erfordert die Schwere der Verletzung stärkere Analgetika, werden Opioide (z. B. Piritramid 0,025–0,1 mg/kgKG) intravenös verabreicht. Nach der Gabe von Opioiden müssen die Kinder aufgrund der Gefahr der Atemdepression für mindestens 30 min kontinuierlich überwacht werden.
252
1 22 3 24 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 24 · Kinder
24.2.3 Prämedikation
Eine medikamentöse Prämedikation vor der Anästhesie ist in Notfallsituationen nicht unbedingt erforderlich. Aus organisatorischen Gründen ist eine langfristige Vorbereitung oft nicht möglich. Eine intravenöse Prämedikation mit Midazolam kann in der OP-Schleuse vorgenommen werden, um die Trennung von den Begleitpersonen zu erleichtern. Die Dosis von 1 mg Midazolam als Bolus ist, außer bei Säuglingen (0,5 mg Midazolam) für die gesamte Kindheitsperiode geeignet, da die Benzodiazepinrezeptoren mit zunehmender Reife eine erhöhte Empfindlichkeit aufweisen. Die Anwesenheit der Eltern bis zum Einschlafen des Kindes kann, wenn organisatorisch machbar, ganz wesentlich zur Stressreduktion des Kindes beitragen. Abhängig gemacht werden sollte dies jedoch auch vom Verhalten der Eltern. Wirken die Eltern emotional überfordert, kann das Verhalten des Kindes durch deren Reaktionsweise auch ungünstig beeinflusst werden. Zur Anlage eines venösen Zugangs ist es sinnvoll, dem Kind schon auf der Station/in der Ambulanz EMLA-Pflaster (»eutectic mixture of local anesthetics«) auf die zur Venenpunktion prädisponierten Stellen (z. B. Handrücken) aufzukleben. Dies sollte mindestens 1 h vor der Punktion erfolgen.
Saales, Wärmestrahler, Wärmematte). Dies gilt v. a. für kleine Kinder sowie Patienten mit Verbrennungen oder Mehrfachverletzte, die im Rahmen langer Transporte und der Diagnostik leicht auskühlen. Diese allgemeinen Maßnahmen gelten für Regionalanästhesien und Analgosedierungen gleichermaßen wie für eine Allgemeinanästhesie. In jedem Fall ist ein vollständiges und einsatzfähiges Narkoseequipment bereitzuhalten.
24.3
Analgosedierung
Für einige Eingriffe in der Kindertraumachirurgie ist nicht zwingend eine Allgemeinanästhesie erforderlich. Kleinere Eingriffe wie z. B. Wundversorgungen, Verbandswechsel bei Verbrennungen/Verbrühungen oder die geschlossene Reposition von Frakturen können z. T. auch in Analgosedierung durchgeführt werden. Der Vorteil der Analgosedierung liegt sowohl im Umgehen der Intubation als auch der rascheren Erholungsphase nach dem Eingriff. In Abhängigkeit von der erforderlichen Dosis der Medikamente sind die Übergänge von einer Analgosedierung zur Narkose jedoch fließend. Die Schutzreflexe können beeinträchtigt sein; es muss jederzeit eine Sicherung der Atemwege möglich sein und eine Allgemeinanästhesie durchgeführt werden können.
24.2.4 Vorbereitung im
Einleitungsraum/OP 24.3.1 Voraussetzungen
Das Standardmonitoring besteht aus EKG, nichtinvasiver Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie; bei kleinen Kindern wird zusätzlich ein präkordiales Stethoskop aufgeklebt. Vor der Narkoseeinleitung werden zur Neutralisierung der Magensäure in Abhängigkeit vom Alter des Kindes 10(–20) ml Trinatriumcitrat oral verabreicht. Kleinere Kinder lehnen diese Maßnahme häufig ab und sollten auch nicht dazu gezwungen werden. Das Kind wird bis zum Bauchnabel entkleidet, damit die Atmung besser beurteilt werden kann. Ein Wärmeschutz ist erforderlich, um einer Auskühlung vorzubeugen (z. B. Aufheizen des OP-
Die Indikation für eine Analgosedierung muss mit dem Chirurgen abgesprochen werden. So kann eine Analgosedierung nur bei bestimmen Eingriffen durchgeführt werden. Eine weitere Vorbedingung ist die Kooperationsbereitschaft des kindlichen Patienten. Kinder, die ruhig und gefasst, am Geschehen interessiert und zugänglich für Informationen sind, eignen sich gut für eine Analgosedierung. Bei sehr aufgeregten und ängstlichen Kindern empfiehlt es sich, die Indikation zur Allgemeinanästhesie großzügig zu stellen.
253
24.3 · Analgosedierung
Voraussetzungen für eine Analgosedierung 5 5 5 5 5 5 5 5
5 5 5 5
Gute Kommunikation mit dem Chirurgen Kooperativer Patient Stabile Vitalfunktionen Bewusstseinsklarheit Nüchternheit Kurze Eingriffszeit (10–15 min) Geringes, nicht lang anhaltend schmerzhaftes chirurgisches Trauma Eingriff nicht von vegetativen Reflexen (z. B. Vagusreiz → Gefahr des Laryngospasmus) oder starken peripheren Stimuli (plötzliche starke Schmerzen) begleitet Keine spezielle Lagerung (z. B. Kopftieflage, Bauchlage, Fixierung) Keine akute Beeinträchtigung der Atemwege vorhanden Keine anatomischen Auffälligkeiten im Bereich der Atemwege Bedarsfweises Unterbrechen des Eingriffs bei anästhesiologischem Handlungsbedarf (z. B. Sicherung der Atemwege) sollte möglich sein
24
Das gleiche gilt auch für Kombinationen mit Propofol oder Piritramid.
Remifentanil und Propofol Remifentanil als ultrakurzwirksames Opioid eignet sich aufgrund seiner guten Steuerbarkeit gut zur Analgosedierung. Die klinischen Erfahrungen mit der Substanz bei Kindern sind jedoch noch begrenzt. Bradykardien wurden meist nur bei kombinierter Gabe von Propofol und Remifentanil beobachtet. Nach Bolusinjektionen können Thoraxrigidität und eine Hypotension auftreten. Die Dosierung entspricht – bezogen auf das Körpergewicht – der des Erwachsenen. Zu beachten ist, dass bei Neugeborenen und Säuglingen das Verteilungsvolumen und die Clearance größer als bei älteren Kindern sind. Die Halbwertszeit unterscheidet sich bei den verschiedenen Altersgruppen nicht. Die postoperative Schmerztherapie sollte wegen des abrupten Wirkverlusts nach Infusionende frühzeitig begonnen werden. Remifentanil wird meist in Kombination mit Propofol eingesetzt. Der Übergang zur Narkose (TIVA) ist fließend. Bei zu hoher Dosierung der einzelnen Komponenten kann nicht mehr von einer ausreichenden Funktion der Schutzreflexe ausgegangen werden; eine Sicherung der Atemwege ist dann erforderlich.
24.3.2 Durchführung
Midazolam und Ketamin Die beliebteste Form der Analgosedierung in der Kinderanästhesie ist die Kombination von Midazolam und Ketamin. Aufgrund der psychomimetischen Nebenwirkungen von Ketamin wird es gern mit Midazolam kombiniert. Bei repetitiver Gabe von Ketamin kommt es zur Kumulation; die Aufwachphase kann dadurch verzögert sein. Die ketaminbedingte Hypersalivation kann durch die zusätzliche Gabe von Atropin vermieden werden. Alternativ zu Midazolam kann auch Propofol, alternativ zu Ketamin auch Piritramid eingesetzt werden. ! Cave Bei der Kombination von Ketamin mit Benzodiazepinen besteht die Gefahr der Atemdepression.
Dosierungsvorschläge zur Analgosedierung bei Kindern 5 Midazolam (Dormicum) 0,05–0,1 mg/
5 5 5 5
kgKG i.v., ggf. 0,05 mg/kgKG als Repetitionsdosis nach 30 min Ketamin (Ketanest; Racemat) 0,25–0,5 mg/ kgKG i.v., ggf. Repetition nach 10–15 min S-Ketamin: 50% der Dosis des Racemats Remifentanil (Ultiva) 0,05–0,1 µg/kgKG/ min Propofol (Disoprivan) 2–6 mg/kgKG/h (nach Wirkung), ggf. Bolus 0,5–1 mg/kgKG
! Grundsätzlich gilt: Analgetika und Sedativa nach Wirkung titrieren. So wenig wie möglich – so viel wie nötig!
254
1 22 3 24
Kapitel 24 · Kinder
Postoperativ ist die gleiche Überwachung wie bei Patienten nach einer Allgemeinanästhesie erforderlich, die Erholungsphase ist jedoch in der Regel kürzer. Nach einer Analgosedierung müssen die Kinder noch 12–24 h unter Aufsicht bleiben, da ihre Aktivitäten durch mangelnde Koordination und Beeinträchtigung des Gleichgewichts eingeschränkt sein können.
! Grundsätzlich kann empfohlen werden in Not-
5
24.4
6
Der Großteil der in der Traumachirurgie behandelten Kinder hat in der Regel außer der aktuellen Verletzung keine wesentlichen Vorerkrankungen. Eine spezielle medizinische Vorbereitung ist daher in den meisten Fällen nicht erforderlich. Behutsamer Umgang mit dem Kind, wenn möglich Gabe einer geeigneten Prämedikation und das rechtzeitige Aufkleben eines EMLA-Pflasters, sind zur Vorbereitung ausreichend.
7 8 9
Als Anhaltspunkt kann gelten: Je länger die Nahrungskarenz, je länger das Intervall zwischen letzter Nahrungsaufnahme und dem Trauma und je geringer das Trauma, desto geringer der Mageninhalt. Zu bedenken ist auch, dass nicht nur die Menge des Mageninhaltes, sondern auch seine Zusammensetzung von Bedeutung ist.
Allgemeinanästhesie
fallsituationen die Narkoseeinleitung immer als »rapid sequence induction« (RSI) durchzuführen. Eine Maskeneinleitung sollte bei Notfalleingriffen und nicht nüchternen Patienten unterbleiben.
24.4.2 Durchführung
Die Narkoseeinleitung wird bei nicht nüchternen Kindern mit stabilem Kreislauf mit folgenden Medikamenten durchgeführt:
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
24.4.1 Präoperative Nüchternheit
Narkoseeinleitung bei stabilem Kreislauf (RSI)
Eine Vielzahl der kindlichen Traumata stellt keine Notfallindikation dar. So kann z. B. bei einer geschlossenen Unterarmfraktur ohne neurologische Ausfälle eine präoperative Nahrungskarenz eingehalten werden. Eine Notfallindikation ist bei Polytrauma, schwerer Verbrennung/Verbrühung sowie bei dislozierten Frakturen, die zur Beeinträchtigung der Durchblutung oder zu neurologischen Ausfällen führen, ebenso bei offenen Frakturen gegeben. Diese Verletzungen müssen baldmöglichst operativ versorgt werden. Die Entscheidung über eine Notfallindikation obliegt dem Chirurgen und sollte auf dem Narkoseprotokoll dokumentiert werden. Die Richtlinien zur präoperativen Nahrungskarenz verlieren nach einem Trauma ihre Gültigkeit, da die Magen-Darm-Motilität durch die sympathoadrenerge Reaktion verändert werden kann.
5 Thiopental 5–10 mg/kgKG 5 Alfentanil (bei kurzen Eingriffen)
! Ein »sicheres« Zeitintervall zwischen letzter Nahrungsaufnahme und Anästhesie existiert nicht.
10–20 µg/kgKG oder 5 Fentanyl (bei längeren Eingriffen) 2–3 µg/kgKG oder 5 Sufentanil 0,2 µg/kgKG 5 Succinylcholin 2 mg/kgKG (bei Kindern >8 Jahren Vorgabe einer geringen Dosis (1/10 der Initialdosis) eines nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans (z. B. Mivacurium, Atracurium, Rocuronium) oder 5 Rocuronium 0,6(–0,9 bei RSI) mg/kgKG
Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgt wie gewohnt mit Inhalationsanästhetika wie Isofluran oder Sevofluran (2–3 Vol%). Sevofluran bietet den Vorteil der geringen Atemwegsreizung und des raschen Erwachens. Repetitionsdosen eines Opioids können bei Bedarf zusätzlich gegeben werden. Bei
255
24.5 · Regionalanästhesie bei Kindern
kreislaufinstabilen Kindern sollten kardiodepressive Medikamente wie Thiopental vermieden und die Narkoseeinleitung wie folgt modifiziert werden:
Narkoseeinleitung bei instabilem Kreislauf 5 Midazolam 0,05–0,2 mg/kgKG 5 Ketamin 1–2 mg/kgKG 5 Relaxanziengabe wie bei stabilem Kreislauf
24
Kinder mögen keine Nadeln und Injektionen. Aus diesem Grund werden Regionalanästhesien bei Kindern häufig in Sedierung bzw. in Narkose angelegt. Grundsätzlich werden niedrige Komplikationsraten beschrieben, periphere Blockaden zeichnen sich durch ein noch geringeres Risiko als zentrale Nervenblockaden (z. B. Kaudalanästhesie) aus. Jedoch ist die Anlage einer peripheren Nervenblockade in Narkose nicht gänzlich ohne Gefahren. ! Wird die Blockade in Sedierung oder Narkose
Zur Aufrechterhaltung der Narkose sollte bei kreislaufinstabilen Kindern auf Inhalationsanästhetika verzichtet werden. Es bietet sich die repetitive Gabe von Opioiden (Fentanyl 1–2 µg/kgKG oder Sufentanil) und Midazolam (0,05–0,1 mg/ kgKG) an. Postoperativ müssen diese Kindern auf eine Intensivstation verlegt werden. Bei elektiven Eingriffen mit überschaubarer Operationsdauer (z. B. Metallentfernung) ist nicht unbedingt eine Intubation erforderlich. Hier kann zur Atemwegssicherung eine Larynxmaske verwendet werden. Zur Narkoseeinleitung wird hierzu Propofol in einer Dosis von 2–3 mg/kgKG in Kombination mit einem Opioid (z. B. Alfentanil 10–20 µg/kgKG) eingesetzt. Die Aufrechterhaltung erfolgt entweder als TIVA mit kontinuierlicher Gabe von Propofol oder mit einem Inhalationsanästhetikum (z. B. Sevofluran) sowie der Gabe von Opioiden.
angelegt, werden bei versehentlicher intravasaler Injektion des Lokalanästhetikums Frühsymptome einer Lokalanästhetikaintoxikation, die gerade bei kleinen Kindern ohnehin schwer zu erkennen sind, maskiert. Parästhesien oder ein Injektionsschmerz bei akzidenteller intraneuraler Injektion können nicht angegeben werden. Um Nervenverletzungen vorzubeugen sollte stets ein Nervenstimulator verwendet werden.
Die häufigsten in der Traumachirurgie bei Kindern eingesetzten Regionalanästhesieverfahren (Nervenblockaden der oberen und unteren Extremität sowie die Kaudalanästhesie) werden nachfolgend näher erläutert.
24.5.2 Periphere Leitungsanästhesie
Voraussetzungen 24.5
Regionalanästhesie bei Kindern
24.5.1 Allgemeine Aspekte
Regionalanästhesieverfahren bei Kindern gewinnen zunehmend an Bedeutung. Im Gegensatz zum Erwachsenen werden sie bei Kindern jedoch seltener als Monoverfahren zur Anästhesie, sondern v. a. zur postoperativen Schmerztherapie genutzt. Sinnvoller als die Single-shot-Gabe von Lokalanästhetika sind Katheterverfahren. Bei größeren, kooperativen Kindern und Jugendlichen sind einige Eingriffe jedoch durchaus auch in peripherer Regionalanästhesie evtl. mit begleitender Sedierung möglich.
Die erfolgreiche Durchführung einer Regionalanästhesie bei Kindern ist, wenn sie nicht in Allgemeinanästhesie angelegt wird, ganz wesentlich vom Kind selbst abhängig. Als Voraussetzungen sollten die folgenden Kriterien erfüllt sein.
Allgemeine Voraussetzungen für eine periphere Leitungsanästhesie beim wachen Kind 5 Kooperativität des Kindes 5 Keine zu starke Aufregung 5 Zeit (zur Anlage der Blockade und Latenz
bis zur chirurgischen Toleranz)
256
1 22 3 24 5 6 7
Kapitel 24 · Kinder
Eine begleitende Sedierung zur Anlage einer Blockade kann mit Midazolam, Propofol oder Ketamin vorgenommen werden. Die Medikamente sollten so titriert werden, dass das Kind die Manipulationen toleriert, aber noch ansprechbar ist (»conscious sedation«).
9 10 11 12 13 14
Richtlinie – z. B. Bupivacain 0,25% oder Ropivacain 0,375% bei Kombination mit einer Allgemeinanästhesie – z. B. Mischung von Prilocain 1% und Bupivacain 0,5% oder Ropivacain 0,75% bei alleiniger Regionalanästhesie
! Cave Bei unruhigen Kindern ist die Gefahr des Auftretens von Komplikationen durch plötzliche, abrupte Bewegungen erhöht.
Das erforderliche Material für periphere Leitungsanästhesien bei Kindern ist in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.
Dosierung der Lokalanästhetika
8
5 0,75 ml/kgKG Lokalanästhetikum als
Pharmakokinetische und -dynamische Besonderheiten der Lokalanästhetika bei Kindern betreffen v. a. die Neonatal- und Säuglingsperiode. Zur Dosierung der Lokalanästhetika bei peripheren Leitungsanästhesien im Kindesalter allgemein existieren keine konkreten Empfehlungen. Die folgende Dosierung kann als Richtlinie für die meisten großen Leitungsanästhesien gelten.
Dosierungsvorschlag für periphere Leitungsanästhesien bei Kindern Mod. nach Jöhr M (2003) In: Niesel HC, van Aken H (Hrsg) Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, Regionale Schmerztherapie, 2. Auflage, Thieme, Stuttgart New York
Andere Autoren empfehlen unterschiedliche Volumina für Blockaden der oberen und unteren Extremität, z. B. 0,3–0,5 ml/kgKG Lokalanästhetikum für die obere und 0,5–1 ml/kgKG Lokalanästhetikum für die untere Extremität, wobei die Maximalvolumina der Anästhesie des lumbalen Plexus vorbehalten sind. Bei Kindern unter 5–8 Jahren werden oft geringere Konzentrationen empfohlen (z. B. Bupivacain 0,25% oder Ropivacain 0,2%, bei älteren Kindern und Jugendlichen ohne zusätzliche Allgemeinanästhesie Bupivacain 0,5%). Prilocain wird in Konzentrationen von 0,75–1% eingesetzt. Bei der Verwendung von Prilocain ist an eine mögliche Methämoglobinbildung zu denken. Diese kann insbesondere bei ganz kleinen Kindern klinisch bedeutsam werden. ! Cave
6
15
Die empfohlene Maximaldosis der Lokalanästhetika (7 Tabelle 24.1) ist unbedingt einzuhalten. Bei der Mischung zweier Lokalanästhetika addiert sich die Toxizität der einzelnen Substanzen.
16 17 18 19 20
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Single-shot: Stimuplex A (Fa. Braun,
5 Mepivacain 1% (Hautinfilt-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
Melsungen) 22–24G, 25–55 mm, 30°-Schliff oder stumpfe Kanüle mit 45°-Schliff 5 Katheterverfahren: Immobile isolierte Nadel mit kurzem Schliff, z. B. Contiplex-D-Set (Fa. Braun, Melsungen)
ration) 5 zur Blockade z. B. Prilocain 0,75%, Bupivacain 0,25–0,5% oder Ropivacain 0,2–0,5%
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen 5 Lösung zur Hautdesinfektion 5 Nervenstimulator 5 Lagerungshilfen (Polster)
24.5 · Regionalanästhesie bei Kindern
. Tabelle 24.1. Empfohlene Höchstdosierungen für Lokalanästhetika bei Kindern. (Mod. nach [Reich A, in Niesel HC, van Aken H (Hrsg.): Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, Regionale Schmerztherapie, 2. Auflage. Thieme, Stuttgart, 2003]) Substanz
Einzeldosis
Lidocain
7–10 mg/kgKG
Bupivacain
2–3 mg/kgKG
Ropivacain
2–3 mg/kgKG
Periphere Leitungsanästhesie der oberen Extremität Der gebräuchlichste Zugang zum Plexus brachialis bei Kindern ist der axilläre Zugang. Supraklavikuläre und infraklavikuläre Techniken (z. B. VIB) werden in der Literatur zur routinemäßigen Anwendung bei Kindern nicht empfohlen, da aufgrund der anatomischen Nähe der Pleura zum Punktionsort ein hohes Pneumothoraxrisiko besteht und Daten hinsichtlich der anatomischen Beziehungen der Strukturen bei Kindern fehlen. Sie sollten dem in der Regionalanästhesie bei Kindern Erfahrenen vorbehalten bleiben. Eine Alternative bei Eingriffen an der Schulter stellt die paraskalenäre Plexusblockade nach Dalens dar.
Axilläre Plexusblockade Die axilläre Plexusblockade ist bei Kindern bei operativen Eingriffen an Hand und Unterarm indiziert. Die technische Durchführung entspricht grundsätzlich der beim Erwachsenen (7 Kap. 11.4). Das Kind liegt in Rückenlage. Der Arm wird im 90°-Winkel abduziert, im Ellbogengelenk um 90° gebeugt. Die A. axillaris dient als Leitstruktur. Die Stimulationskanüle sollte kurzgeschliffen sein. Gut geeignet für alle Altersgruppen ist z. B. eine 23G-Kanüle von 4–5 cm Länge. Diese wird oberhalb der Arterie hoch in der Axilla im 45°Winkel mit Richtung auf die Mitte der Klavikula eingeführt. Beim Durchstechen der Faszie wird ein deutlicher »Klick« spürbar. Im Gegensatz zum Erwachsenen liegt die Gefäß-Nerven-Scheide sehr
257
24
oberflächlich. Nach Durchstechen der Faszie sollte eine motorische Reizantwort auf die Nervenstimulation auszulösen sein. Die Injektion erfolgt schrittweise nach sorgfältiger Aspiration analog zur Vorgehensweise beim Erwachsenen. Die Arterie wird manuell gegen den Humeruskopf gedrückt, um die kraniale Ausbreitung des Lokalanästhetikums zu fördern. Dieser Effekt kann durch die Adduktion des Armes nach der Injektion noch verstärkt werden. In 40–50% der Fälle wird der N. musculocutaneus mit der Blockade nicht erreicht. Eine inkomplette Blockade der radialen Seite des Unterarms und der Hand ist die Folge. Um eine vollständige Blockade zu erreichen, wird die Kanüle über die gleiche Punktionsstelle wie zuvor in den Bauch des M. coracobrachialis eingeführt. Eine Kontraktion des M. biceps stellt die adäquate Reizantwort dar. Die Injektion des Lokalanästhetikums erfolgt fraktioniert unter sorgfältiger Aspiration. Typische Komplikationen stellen, neben der Lokalanästhetikaintoxikation, die Hämatombildung oder die Nervenläsion dar. Nachteile der axillären Plexusblockade sind die oft schmerzhafte Lagerung z. B. bei Frakturen sowie die inkomplette sensomotorische Blockade v. a. des N. musculocutaneus.
Periphere Leitungsanästhesie der unteren Extremität Im Bereich der unteren Extremität bietet die Blockade des lumbalen Plexus oder die Blockade des N. femoralis eine gute postoperative Analgesie bei Eingriffen an Femur und Knie. Werden Femoralis- und Ischiadikusblockade kombiniert, können sämtliche Eingriffe im Bereich der unteren Extremität ab Oberschenkelmitte vorgenommen werden. Diese Kombinationen werden bei Kindern jedoch selten durchgeführt, da mit der Kaudalanästhesie eine technisch einfache, sichere und komplikationsarme Alternative zur Verfügung steht. Die distale Ischiadikusblockade eignet sich gut zur Schmerztherapie oder für Eingriffe am distalen Unterschenkel und Fuß und ist auch bei Kindern leicht durchzuführen.
258
1
Kapitel 24 · Kinder
Femoralisblockade
12
Die Femoralisblockade ist zur Schmerztherapie nach Eingriffen am Oberschenkel, z. B. der Versorgung von Oberschenkelfrakturen, indiziert. Eine frühzeitige Anlage der Blockade, möglichst schon vor schmerzhaften diagnostischen und Lagerungsmaßnahmen, gewährleistet eine weitgehende Schmerzfreiheit bis in die postoperative Periode. Eingriffe am ventralen Oberschenkel (z. B. Spalthautentnahme) können mit einer Femoralisblockade durchgeführt werden. Sie stellt ferner eine Alternative zur zentralen Blockade dar, wenn diese z. B. aufgrund problematischer Lagerung nicht möglich ist. Die technische Durchführung der Femoralisblockade entspricht dem Vorgehen beim Erwachsenen (7 Kap. 19.3). Das Kind wird in Rückenlage mit leicht außenrotiertem Fuß gelagert. Die A. femoralis und das Leistenband dienen als Leitstrukturen (. Abb. 24.1). Die Punktionsstelle liegt etwa 0,5–1 cm lateral der Arterie und 0,5–1 cm kaudal des Leistenbandes. Unter sterilen Kautelen wird die Stimulationskanüle leicht nach kranial gerichtet eingeführt, bis die gewünschte Reizantwort (»tanzende Patella«) ausgelöst werden kann. Die Injektion des Lokalanästhetikums erfolgt fraktioniert unter wiederholter sorgfältiger Aspiration.
13
Fascia-iliaca-Kompartment-Blockade
22 3 24 5 6 7 8 9 10 11
14 15 16 17 18 19 20
Ein alternativer Zugang zum lumbalen Plexus, mit dem mehrere Nerven gleichzeitig ausgeschal-
tet werden können, ist die Fascia-iliaca-Kompartment-Blockade. Im Gegensatz zum sog. »3-in-1Block« erfolgt neben der Blockade des N. femoralis eine zuverlässigere Blockade des N. cutaneus femoris lateralis (in 90%) sowie des N. obturatorius (in 75%). Die Indikationen entsprechen denen der Femoralisblockade. Als Leitstrukturen dienen wieder A. femoralis und das Leistenband. Das Leistenband wird in 3 gleichgroße Teile unterteilt, die Punktionsstelle liegt am Übergang zwischen medialem und lateralem Drittel, etwa 2–3 cm lateral der A. femoralis und unmittelbar (0,5–1 cm) unterhalb des Leistenbandes (. Abb. 24.1). Die Kanüle wird senkrecht zur Hautoberfläche eingeführt und, unter leichtem Druck auf eine aufgesetzte Spritze, vorgeschoben. Ein Widerstandsverlust (»Faszienklick«) ist 2-mal spürbar: zunächst beim Passieren der Fascia lata, dann beim Passieren der Fascia iliaca. Nach Erreichen dieses Kompartiments wird nach sorgfältiger Aspiration das Lokalanästhetikum fraktioniert injiziert. Bei der Injektion verhindert ein fester Druck mit dem Finger distal der Kanüle eine periphere Ausbreitung des Lokalanästhetikums. Die Hauptgefahr der Femoralis- und Fasciailiaca-Kompartment-Blockade liegt in der akzidentellen Gefäßpunktion. Tritt eine Punktion der A. femoralis auf, sollte zur Vermeidung der Entstehung eines Hämatoms das Gefäß mindestens 5 min komprimiert werden.
. Abb. 24.1. Leitstrukturen der Femoralis- und Fascia-iliaca-Kompartment-Blockade beim Kind
259
24.5 · Regionalanästhesie bei Kindern
Ischiadikusblockade Proximale Ischiadikusblockaden werden bei Kindern eher selten durchgeführt. Es gibt verschiedene Zugangswege (posterior, anterior und lateral), von denen der posteriore Zugang technisch einfacher und zuverlässiger ist. Gut geeignet auch für Kinder ist die distale Ischiadikusblockade im Bereich des Kniegelenks, mit der Eingriffe am lateralen Unterschenkel oder Fuß möglich sind. Das Kind wird hierzu in Bauch- oder Seitenlage mit dem zu blockierenden Bein nach oben gelagert. Leitstrukturen sind die Kniegelenkbeugefalte und die Mittellinie. Die Stimulationskanüle wird im 45°-Winkel lateral der Mittellinie mit kranialer Ausrichtung eingeführt. Die Distanz des Punktionsortes zur Beugefalte ist abhängig vom Gewicht und beträgt 1 cm pro 10 kgKG des Kindes. Eine Stimulation des N. peronaeus oder des N. tibialis zeigt die korrekte Kanülenlage an, die bereits nach 13 mm erreicht sein kann.
24.5.3 Zentrale Nervenblockaden
Zu allgemeinen Aspekten, Indikationen und Kontraindikationen rückenmarknaher Regionalanästhesien 7 Kap. 5.1.
24
Für die Kaudalanästhesie wird das in nachfolgender Tabelle zusammengestellte Material benötigt. Das Kind wird in Seitenlage mit angezogenen Beinen gelagert (. Abb. 24.2). Als Leitstrukturen dienen die prominenten Cornua sacralia. Unmittelbar darunter kann mit dem Finger die sacrococcygeale Membran getastet werden, die die Punktionsstelle darstellt (. Abb. 24.3). Unter sterilen Kautelen wird die Punktionsnadel in einem Winkel von ca. 45–60° durch die Membran eingeführt; bei Durchstechen der Membran spürt man einen typischen Widerstandsverlust (»Klick«). Die Nadel wird umgehend abgesenkt und flach noch 1–2 mm weiter im Wirbelkanal nach kranial vorgeschoben, um eine versehentliche subarachnoidale Punktion zu vermeiden. Nach Aspirationskontrolle (kein Blut, kein Liquor!) wird zunächst 1 ml NaCl 0,9% injiziert, um eine subkutane Lage auszuschließen. Bei korrekter Nadelposition sollte das Kochsalz leicht ohne Widerstand zu injizieren sein. Bei Widerstand oder Schwellung der Haut im Bereich der Punktionsstelle ist der Versuch abzubrechen und erneut zu punktieren. Anschließend folgt die Gabe der Testdosis (0,1 ml/kgKG z. B. Lidocain 1% mit Adrenalin 1:200.000). Bei negativer Testdosis wird das restliche Lokalanästhetikum in kleinen Schritten appliziert. Die Wirkung tritt nach etwa 10–20 min ein.
Kaudalanästhesie Die Kaudalanästhesie ist eine Sonderform der lumbalen Epiduralanästhesie und die am häufigsten durchgeführte zentrale Nervenblockade bei Kindern bis zu einem Alter von etwa 6 Jahren. Sie kann problemlos in Narkose angelegt werden. In der Traumachirurgie eignet sie sich in Kombination mit einer Allgemeinanästhesie für die postoperative Schmerztherapie nach Eingriffen an der unteren Extremität.
Dosierungsvorschlag 5 Bupivacain 0,25% 0,5–1 ml/kgKG je nach
gewünschtem Analgesieniveau . Tabelle 24.2 alternativ: 5 Ropivacain 0,2% (zugelassen ab 1 Jahr für die Single-shot-Kaudalanästhesie)
Kanülen
Lokalanästhetika
Sonstiges Zubehör
5 Kaudalkanüle für Kinder,
5 Bupivacain 0,125–0,25%, alter-
5 Regionalanästhesie-Basisset:
nativ Ropivacain 0,2% 5 Testdosis mit Adrenalin 1:200.000 (z. B. Lidocain1%)
− Sterile Kompressen − Abdecktuch − Aufziehkanüle − Subkutankanüle − Spritzen (1 ml, 2 ml, 1–2×10 ml) 5 Lösung zur Hautdesinfektion
z. B. Epican Paed caudal (Fa. Braun, Melsungen): 22G, 35 mm Länge, 32°-Schliff, mit Stahlmandrin
260
Kapitel 24 · Kinder
. Abb. 24.2. Lagerung zur Kaudalanästhesie beim Kind
1 22 3 24 5 6 7 8
. Abb. 24.3. Leitstrukturen der Kaudalanästhesie beim Kind: die distale Markierung zeigt die Cornua sacralia
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Früher wurde meist Bupivacain in Konzentrationen von 0,125–0,25% eingesetzt. Aufgrund der geringeren Kardiotoxizität eignet sich v. a. auch Ropivacain gut für den Einsatz bei Kindern. In einer Konzentration von 0,2% zeigt sich, bei gleichzeitig geringer ausgeprägter motorischer Blockade, eine mit Bupivacain 0,25% vergleichbare Analgesiequalität und -dauer. Die Wirkdauer beträgt ca. 4–6 h. Ist eine längerfristige postoperative Analgesie erforderlich, kann auch ein kaudaler Epiduralkatheter gelegt werden.
24.6
Postoperative Schmerztherapie
! Die postoperative Schmerztherapie sollte vor der Narkose beginnen.
In der Regel werden bei leichten bis mittelstarken Schmerzen Nichtopioidanalgetika eingesetzt. Aufgrund seiner antiinflammatorischen Wirkung hat sich Diclofenac bei traumatologischen Eingriffen besonders bewährt. Bereits vor der Narkose-
261
24.7 · Spezielle Problemstellungen
. Tabelle 24.2. Dosierungsschema für die Kaudalanästhesie. (Mod. nach Armitage, 1985)
. Tabelle 24.3. Dosierung von Talvosilen Talvosilen
Dosis (ml/kg)
Erreichtes Dermatom
0,5
L1
0,75
Th12
1
Th10
1,25
Th6–Th8
einleitung in Form von Suppositorien gegeben, sichert es eine adäquate Wirkung in der unmittelbar postoperativen Phase. Eine ebenfalls wirksame Alternative stellt Paracetamol dar. Aufgrund der variablen Absorption der Suppositorien bei Kindern und der langen Latenzzeit bis zum Erreichen maximaler Wirkspiegel ist besonders auf eine frühzeitige Verabreichung (am besten schon auf der Station) zu achten. Bei Kindern >1 Jahr kann alternativ die intravenöse Verabreichungsform von Paracetamol (Perfalgan) gegeben werden. Maximale Wirkspiegel der Substanz werden innerhalb einer Stunde erreicht, eine Schmerzlinderung tritt bereits nach 5–10 min ein. Perfalgan sollte bereits intraoperativ gegeben werden. Metamizol spielt in der Traumachirurgie eine eher untergeordnete Rolle. Bei stärkeren Schmerzen bietet sich der Einsatz von Opioiden, entweder als Mischung von Paracetamol und Codein (Talvosilen, Dosierung . Tabelle 24.3) oder alternativ mit Piritramid an. Eine einfache Maßnahme, die den Analgetikabedarf reduziert, ist die Wundrandinfiltration mit Lokalanästhetika (z. B. Mepivacain 1%) durch den Operateur vor Wundverschluss. Diese kann den Wundschmerz mindern, hat jedoch keinen Effekt auf den Periostschmerz. Wird perioperativ eine Regionalanästhesie durchgeführt, kann diese bei größeren Eingriffen ggf. postoperativ als Katheterverfahren fortgesetzt werden. Dies empfiehlt sich v. a. bei einer ausgedehnten osteosynthetischen Versorgung. Nach Single-shot-Regionalanästhesien muss auf die frühzeitige prophylaktische Gabe eines Analgetikums geachtet werden, damit das Kind auch
24
Paracetamol + Codein
Suppositorien für Kleinkinder (1–6 J)
250 mg
5 mg
Suppositorien für Schulkinder (>6 J)
500 mg
10 mg
Suppositorien für Erwachsene
1000 mg
20 mg
Saft (5 ml)
200 mg
5 mg
Tabletten
500 mg
20 mg
in der Phase der Rückbildung der Regionalanästhesie ausreichend analgetisch abgedeckt ist. Bei stärker traumatisierten Kindern mit multiplen Verletzungen ist, wenn die logistischen Voraussetzungen gegeben sind, ab einem Alter von 5–6 Jahren auch eine patientenkontrollierte Analgesie mit Opioiden (meist Piritramid) möglich. Die PCA kann im Kindesalter alternativ durch die Eltern als »parent-controlled-analgesia« (PCA) oder durch das Pflegepersonal als »nurse-controlled-analgesia« (NCA) bedient werden. Die Effektivität der Analgesie und mögliche Nebenwirkungen werden durch einen anästhesiologischen Schmerzdienst bei regelmäßigen Visiten kontrolliert. Allgemeine Aspekte der postoperativen Schtherapie, Dosierungsrichtlinien, pharmakokinetische Daten der einzelnen Analgetika sowie Vorschläge für die Programmierung einer PCA-Pumpe sind in 7 Kap. 26 (Postoperative Schmerztherapie) ausführlich dargestellt.
24.7
Spezielle Problemstellungen
24.7.1 Kindliches Polytrauma
Die Ursachen für kindliche Polytraumata sind in Abhängigkeit vom Alter unterschiedlich. Verkehrsunfälle, Stürze oder auch Misshandlung können zu Mehrfachverletzungen führen. Nicht selten liegt ein stumpfes Trauma mit begleitender Schädel-Hirn-Verletzung vor.
262
1 22 3 24
Kapitel 24 · Kinder
! Bei Säuglingen kann eine kreislaufwirksame Blutung auch durch eine Schädelverletzung bedingt sein (z. B. auch beim »shaken baby syndrome«). Aufgrund der offenen Schädelnähte sind ausgedehnte Blutungen in den Kopf möglich.
Das Vorgehen orientiert sich an den Richtlinien des Erwachsenen (7 Kap. 23). Im Vordergrund steht die Sicherung der Vitalfunktionen.
5 6 7 8
Management des polytraumatisierten Kindes 5 Sicherung der Atemwege 5 Kreislaufstabilisierung (entsprechend der
altersabhängigen Normwerte) 5 Analgosedierung/Narkose 5 Rasche Notfalldiagnostik 5 Festlegung der weiteren Therapie
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Potenzielle Probleme bei polytraumatisierten Kindern sind Erbrechen mit Aspirationsgefahr bei nichtintubierten Kindern, Begleitverletzungen der Halswirbelsäule, Volumenmangelschock, Lungenkontusion oder Herzbeteiligung, Hirndrucksymptomatik und Unterkühlung. ! Bis zum radiologischen Ausschluss muss bei einem Schädel-Hirn- oder Polytrauma immer von einer möglichen Begleitverletzung der Halswirbelsäule ausgegangen werden. Die Intubation muss unter Stabilisierung der Halswirbelsäule vorgenommen werden. Wenn möglich, sollte die Intubation fiberoptisch durchgeführt werden.
Polytraumatisierte Kinder kommen meist schon in Narkose in den Schockraum oder OP. Ist präklinisch noch keine Narkose eingeleitet worden, so erfolgen Einleitung und Durchführung wie in 7 Kap. 24.4 beschrieben.
Monitoring
19 20
Überwachung der Diurese ist bei polytraumatisierten Patienten obligat. In Abhängigkeit vom Verletzungsmuster muss beim Legen des Katheters jedoch an Begleitverletzungen der ableitenden Harnwege gedacht werden. Zur Volumensubstitution sollten mindestens 2 großlumige Zugänge vorhanden sein. Ist in der Peripherie kein Zugang möglich (z. B. wegen Zentralisierung) ist die intraossäre Punktion mit einer Spezialkanüle möglich. Über einen intraossären Zugang können große Mengen von Flüssigkeit infundiert werden. Diese Maßnahme stellt v. a. eine Option in der präklinischen Versorgung dar. In der Klinik sollte in dieser Situation versucht werden einen zentralvenösen Katheter anzulegen.
Zusätzlich zum Standardmonitoring empfiehlt sich eine kontinuierliche arterielle Blutdruckmessung. Hierdurch sind auch Blutentnahmen für Laborbestimmungen einfach durchführbar. Die Anlage eines Blasenkatheters (ggf. suprapubisch) zur
Besonderheiten bei kindlichem Schädel-Hirn-Trauma Grundsätzliche Aspekte der Narkose bei SchädelHirn-Trauma sind in 7 Kap. 23 dargestellt. Sie gelten gleichermaßen für Kinder. ! Altersentsprechend hochnormaler Blutdruck – mäßige Hyperventilation!
Bei Vorliegen eines Schädel-Hirn-Traumas ist die Aufrechterhaltung eines adäquaten (hoch)normalen Blutdruckes für die Aufrechterhaltung der zerebralen Perfusion essenziell. ! Bei Kindern liegt die kritische Grenze des zerebralen Perfusionsdruckes (CPP) bei etwa 50 mmHg (Säuglinge: 40 mmHg, Kleinkinder: 50 mmHg, Schulkinder: 60 mmHg).
Eine ausreichende Volumengabe mit Kristalloiden, ggf. Kolloiden und, je nach Blutverlust, die Substitution mit Erythrozytenkonzentrat zählen zu den primären Maßnahmen. Kann damit kein adäquater Blutdruck aufgebaut werden, müssen zusätzlich Katecholamine (in erster Linie Arterenol) eingesetzt werden. Bei der Beatmung sollte auf Normoventilation geachtet werden, bei Verdacht auf erhöhten Hirndruck empfiehlt sich eine mäßige Hyperventilation (paCO2 zwischen 32 und 35 mmHg günstig). Bei stärkerer Hyperventilation besteht die Gefahr der
263
24.7 · Spezielle Problemstellungen
zerebralen Ischämie durch zerebrale Vasokonstriktion. Für die Narkoseführung eignet sich eine Kombination von Opioiden mit Benzodiazepinen oder einem Inhalationsanästhetikum wie z. B. Isoflurane in Konzentrationen <1 MAC.
18 9
24.7.2 Verbrennung, Verbrühung
Etwa 3000 Kinder pro Jahr erleiden thermische Verletzungen, die bleibende und einschränkende Narben hinterlassen. Verbrühungen kommen eher im Kleinkindes- und Vorschulalter vor. Sie entstehen meist im Rahmen von Haushaltsunfällen z. B. durch Herunterziehen von Wasserkochern an der Schnur oder Herabziehen von Gefäßen mit heißen Getränken und betreffen häufig Kopf, Rumpf und obere Extremitäten. Verbrennungen werden eher im Schulalter und bei Jugendlichen beobachtet (z. B. Wohnungsbrand, Umgang mit brennbaren Flüssigkeiten, Experimentieren). Als Begleitverletzung muss an ein Inhalationstrauma gedacht werden. Das Ausmaß der thermischen Verletzung ist abhängig vom Anteil der betroffenen Körperoberfläche. Ein grafisches Schema zur Beurteilung des Ausmaßes der Verbrennung/Verbrühung bei Kindern zeigt . Abb. 24.5.
Faustformeln für das Schädigungsausmaß (nach Mücke u. Beushausen, 2001)
24
18 18 1
9 14
14
. Abb. 24.5. Schema zur Beurteilung des Ausmaßes einer Verbrennung/Verbrühung beim Kind. (Mit freundl. Genehmigung aus: Gorgaß et al. [2005] Rettungsassistent und Rettungssanitäter. Springer, Berlin Heidelberg New York)
ganschäden, aber auch schon bei mehr als 5% kann ein hypovolämischer Schock auftreten.
Bei großflächigen Verbrennungen wird initial die Wunde gereinigt und ggf. eine Dermabrasio durchgeführt. Der weitere Verlauf ist durch wiederholte operative Eingriffe (Nekrosenabtragungen) und häufige Verbandswechsel z. T. in Narkose charakterisiert. Den Abschluss der chirurgischen Behandlung bildet die Hauttransplantation, die bei größeren Defekten in mehreren Schritten erfolgt.
Vorschulalter 5 Kopf und Arme = 1/3 KOF (Körperoberflä-
Initiale Versorgung
che), Rumpf = 1/3 KOF, 2 Beine = 1/3 KOF
Altersunabhängig 5 Größe der Handfläche des Kindes ent-
spricht etwa 1% seiner Körperoberfläche
! Zentrale Aspekte der initialen Versorgung eines Kindes mit schwerer Verbrennung sind stets Analgesie, Flüssigkeitssubstitution und Erwärmung.
5 Grad-I-Verletzungen zählen bei der Beur-
teilung der Verletzungsschwere nicht
! Verbrennungen oder Verbrühungen von mehr als 15–20% der Körperoberfläche zählen zu den schweren Brandverletzungen mit drohenden Or-
Bei Eintreffen eines wachen Kindes im OP kann, in Abhängigkeit von der zuvor erfolgten Analgesie und Sedierung, Midazolam zur Beruhigung des Kindes in üblicher Dosis gegeben werden. Additiv eignet sich Ketamin gut zur Schmerzlinderung. Die Narkoseeinleitung erfolgt immer als
264
1 22 3 24 5 6 7 8 9
Kapitel 24 · Kinder
»rapid sequence induction« wie in 7 Kap. 24.4 beschrieben. ! Cave Succinylcholin darf aufgrund der Gefahr der Kaliumfreisetzung nur in den ersten Stunden nach einem Verbrennungstrauma verwendet werden.
Als Alternative zu Succinylcholin kann Rocuronium eingesetzt werden. Bei Kindern mit Verbrennungen im Bereich der Extremitäten erleichtert die Anlage eines zentralvenösen Katheters wiederholte Blutentnahmen und die Gabe von Medikamenten, ein Blasenkatheter die exakte Flüssigkeitsbilanzierung. Zu berücksichtigen ist auch, dass aufgrund präklinischer regionaler Kühlungsmaßnahmen und langer Transporte meist eine Hypothermie besteht, die ein Temperaturmonitoring sowie eine aktive Erwärmung des Patienten erforderlich macht.
10 11 12 13 14
Formel für das zu infundierende Volumen (Vollelektrolytlösung) 5 Verbrannte Körperoberfläche (%) ×
4(–6) ml × kgKG 5 1.–8. Stunde: 50% 5 9.–16. Stunde: 25% 5 17.–24. Stunde: 25% der Gesamtmenge
16
Postoperativ werden Kinder mit ausgeprägtem Verbrennungstrauma und/oder schwerer Hypothermie nicht unmittelbar extubiert, sondern sediert und beatmet auf die Intensivstation verlegt.
17
Weiterführende Versorgung
15
18 19 20
Im weiteren Verlauf eines Verbrennungstraumas sind wiederholte Verbandswechsel und Nekrosenabtragungen erforderlich. Die Verbandswechsel können in der Regel in Analgosedierung durchgeführt werden, für die Nekrosenabtragung ist eine Allgemeinanästhesie erforderlich. Bei Nekrosenabtragungen kann es, in Abhängigkeit von der Größe des betroffenen Areals, zu erheblichen
Blutverlusten kommen, die eine Erythrozytensubstitution notwendig machen. Den Abschluss der chirurgischen Behandlung stellt die Hauttransplantation dar. Aus einem gesunden Areal (z. B. Oberschenkel, Kopf) wird Haut entnommen und die verletzten Stellen damit gedeckt. Auch bei diesen Eingriffen ist mit Blutverlusten zu rechnen. »Verbrennungskinder« müssen während ihres längeren Krankenhausaufenthaltes wiederholt schmerzhafte Prozeduren ertragen. Ganz besonders bei ihnen ist auf eine suffiziente analgetische Versorgung sowohl auf der Station als auch in der perioperativen Phase zu achten, um einer möglichen Chronifizierung von Schmerzen vorzubeugen.
Literatur Alexander J, Manno M (2003) Underuse of analgesics in very young pediatric patients with isolated painful injuries. Ann Emerg Med 41: 617–622 Armitage EN (1985) Regional anaesthesia in paediatrics. Clin Anaesthesiol 3: 353 Berde C (2004) Local anesthetics in infants and children: an update. Pediatric Anesthesia 14: 387–393 Bösenberg AT (1995) Lower limb nerve blocks in children using unsheated needles and a nerve stimulator. Anaesthesia 50: 206–210 Bösenberg A (2004) Pediatric regional anesthesia update. Pediatric Anesthesia 14: 398–402 Bösenberg AT, Ivani G (1998) Regional anaesthesia – children are different. Paediatric Anaesthesia 8: 447–450 Mücke KH, Beushausen T (2001) Verbrühung und Verbrennung im Kindesalter: Notfall und Rettungsmedizin 4: 184–188 Brambrink A (2002) Praxis der Kinderanästhesie. Abbott, Wiesbaden Bricker SRW, McLuckie A, Nightingale DA (1989) Gastric aspirates after trauma in children. Anaesthesia 44: 721–724 Chu RS, Browne GJ, Cheng NG, Lam LT (2003) Femoral nerve block for femoral shaft fractures in a pediatric emergency department. Can it be done better? Eur J Emerg Med 10: 258–263 Da Conceicao MJ, Coelho L, Khalil M (1999) Ropivacaine compared with bupivacaine 0,25% by the caudal route. Paediatric Anaesthesia 9: 229–233 Dalens B, Tanguy A, Vanneuville G (1990) Sciatic nerve blocks in children: comparison of the posterior, anterior, and lateral approaches in 180 pediatric patients. Anesth Analg 70: 131–137
Literatur
Dalens B, Vanneuville G, Tanguy A (1989) Comparison of the fascia iliaca compartment block with the 3-in-1-block in children. Anesth Analg 69: 705–713 Giaufre E, Dalens B, Gombert A (1996) Epidemiology and morbidity of regional anesthesia in children: a one-year prospective survey of the French-language society of pediatric anesthesiologists. Anesth Analg 83: 904–912 Gunter JB (2002) Benefit and risks of local anesthetics in infants and children. Paediatr Drugs 4: 649–672 Kessler P, Alemdag Y, Hill M, Dietz S, Vettermann J (1996) Intravenöse Sedierung von spontanatmenden Säuglingen und Kleinkindern während der Magnetresonanztomographie. Ein Vergleich zwischen Propofol und Methohexital. Anästhesist 45: 1158–1166 Koinig H, Krenn CG, Glaser C et al. (1998) Blockade of the sciatic nerve in the popliteal fossa: a system for standardization in children. Anesth Analg 87: 1256–1258 Ivani G, Mereto N, Lampugnani E et al. (1998) Ropivacaine in paediatric surgery: preliminary results. Paediatric Anaesthesia 8: 127–129 Levati A, Colombo N, Arosio EM (1996) Propofol anaesthesia in spontaneously breathing paediatric patients during magnetic resonance imaging. Acta Anaesthesiol Scand 40: 561–565 Luz G, Innerhofer P, Häussler B, Oswald E, Salner E, Sparr H (2000) Comparison of ropivacaine 0,1% and 0,2% with bupivacaine 0,2% for single-shot caudal anaesthesia in children. Paediatric Anaesthesia 10: 499–504 McFarlan CS, Anderson BJ, Short TG (1999) The use of Propofol infusions in paediatric anaesthesia:a practical guide. Paediatric Anaesthesia 9: 209–216 Petrack EM, Christopher NC, Kriwinsky J (1997) Pain management in the emergency department: patterns of analgesic utilization. Pediatrics 99: 711–714 Reich A (2003) Regionalanästhesie im Kindesalter: Zentrale Blockaden. In: Niesel HC, van Aken H (Hrsg.) Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, Regionale Schmerztherapie. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart Ross AK, Davis PJ, Dear GL et al. (2001) Pharmacokinetics of Remifentanil in anesthetized pediatric patients undergoing elective surgery or diagnostic procedures. Anesth Analg 93: 1393–1401 Ross AK, Eck JB, Tobias JD (2000) Pediatric regional anesthesia: beyond the caudal. Anesth Analg 91: 16–26 Schäfer MK (2002) Die Weiterversorgung des kindlichen Schädel-Hirn-Traumas aus der Sicht des Anästhesisten. Notfall und Rettungsmedizin 5: 349–352 Semsroth M, Gabriel A, Sauberer A, Wuppinger G (1994) Regionalanästhesiologische Verfahren im Konzept der Kinderanästhesie. Anästhesist 43: 55–72 Schrock CR, Jones MB (2003) The dose of caudal epidural analgesia and duration of postoperative analgesia. Paediatric Anaesthesia 13: 403–408 Spady DW, Saunders DL, Schopflocher DP, Svenson LW (2004) Patterns of injury in children: a population-based approach. Pediatrics 113: 522–529
265
24
Splinter WM, Schreiner MS (1999): Preoperative fasting in children. Anesth Analg 89: 80–89 Thies KC, Hanekop GG, Kettler D (2000) Regionalanästhesie im Kindesalter: Anästhesiologie und Intensivmedizin 41: 148–161 Tobias JD (2001) Brachial plexus anaesthesia in children. Paediatric Anaesthesia 11: 265–275 Tobias JD (2001) Caudal epidural block: a review of test dosing and recognition of systemic injection in children. Anesth Analg 93: 1156–1161 Tobias JD (2003) Regional anaesthesia of the lower extremity in infants and children. Paediatric Anaesthesia 13: 152–163 Warner MA, Kunkel SE, Offord KO, Atchinson SR, Dawson B (1987) The effects of age, epinephrine, and operative site on duration of caudal analgesia in pediatric patients. Anesth Analg 66: 995–998 www.destatis.de Angaben des Statistischen Bundesamtes Deutschland www.kindesmisshandlung.de Aus Hermann B (1998) Medizinische Diagnostik bei körperlicher Kindesmisshandlung, unveröffentl. Skript, Kinderklinik des Klinikums Kassel, 2. Aufl Yaster M, Maxwell LG (1989) Pediatric regional anesthesia. Anesthesiology 70: 324–338
25 Geriatrische Patienten U. Nickel, K. Luckhaupt-Koch
25.1
Typische Verletzungsmuster des geriatrischen Patienten – 268
25.2
Besonderheiten bei der Vorbereitung des Patienten
25.2.1
Anamnese – 268
25.2.2
Einwilligungsfähigkeit, Betreuung
25.2.3
Medikamentöse Prämedikation
25.3
Spezielle Problemstellungen
25.3.1
Internistische Vorerkrankungen – Dringlichkeit des Eingriffs
25.3.2
Altersdemenz – 270
25.3.3
Vollnarkose versus Regionalanästhesie
25.3.4
Postoperative Intensivtherapie: ja – nein
25.3.5
Schmerztherapie – 272
Literatur
– 273
– 268
– 268
– 269
– 269
– 271 – 271
– 269
268
1 22 3 24
Kapitel 25 · Geriatrische Patienten
)) Geriatrische Patienten haben eine erhöhte perioperative Mortalität. Trotz stetig abnehmender Mortalitätsraten ist bei geriatrischen Patienten besonders auf Risikofaktoren zu achten, die zu perioperativen Komplikationen führen können und ein individuell adaptiertes anästhesiologisches Management durchzuführen.
25 25.1
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Typische Verletzungsmuster des geriatrischen Patienten
Geriatrische Patienten sind besonders durch Verletzungen gefährdet. Zum einen können internistische Erkrankungen wie z. B. unerkannte Herzrhythmusstörungen oder hypotone Blutdruckphasen und Synkopen zu Stürzen führen, zum anderen erhöhen Gleichgewichtsstörungen sowie eine zunehmende Unsicherheit in den Bewegungsabläufen das Verletzungsrisiko. Hinzu kommen eine nachlassende Stabilität der Knochenstruktur oder Osteoporose, die schon bei geringfügigen Traumata zur Fraktur des Knochens führen können. Typische Verletzungen des alten Patienten sind die Schenkelhalsfraktur sowie die pertrochantäre Femurfraktur. Ebenfalls häufig beobachtet werden Humerus- und Radiusfrakturen. Im Zusammenhang mit bereits implantierten Endoprothesen können, v. a. bei Hüftgelenkprothesen, periprothetische Frakturen auftreten. Kompliziert werden diese Verletzungen oft durch Wundheilungsstörungen oder Infekte aufgrund begleitender Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes mellitus). Hierdurch bedingt sind nicht selten wiederholte operative Eingriffe nötig.
25.2
Besonderheiten bei der Vorbereitung des Patienten
25.2.1 Anamnese
19 20
Mit einer ausführlichen Anamnese (ggf. Fremdanamnese) kann man sich einen ersten Eindruck vom Gesundheitszustand des Patienten verschaffen. Ältere Patienten sind jedoch nicht immer
hinreichend über ihre Erkrankungen informiert, kennen häufig keine exakten Diagnosen. Bei diesen Patienten ist es wichtig durch gezieltes Fragen nach Symptomen und körperlicher Belastbarkeit sowie durch eine sorgfältige körperliche Untersuchung nach auf den ersten Blick nicht offensichtlichen Erkrankungen zu fahnden. Die Medikamentenanamnese oder die häufig von den Patienten mitgeführte Liste ihrer aktuellen Medikation können daher hilfreich sein, ebenso wie Arztbriefe z. B. von vorausgegangenen Krankenhausaufenthalten oder Untersuchungen. Bei Patienten mit kognitiver Einschränkung gestaltet sich die Informationsgewinnung meist sehr schwierig. Sind keine betreuenden Angehörigen verfügbar, muss man sich mit den häufig spärlichen Informationen der z. B. in den Pflegeheimen geführten Akten begnügen. Wertvolle Hinweise kann der Unfallhergang liefern. Patienten, die im Rahmen normaler körperlicher Aktivitäten (z. B. beim Einkaufen) stürzen, scheinen zumindest im Alltag kompensiert. Wurde ein Sturz durch eine Synkope oder einen Schwindelanfall verursacht, kann sich dahinter eine relevante Erkrankung verbergen. Typische Begleiterkrankungen, die zu Stürzen führen können, sind eine Verminderung der zerebralen Durchblutung, z. B. durch mangelnde Flüssigkeitsaufnahme oder Arteriosklerose, eine Herzinsuffizienz, Kreislaufdysregulationen, Herzrhythmusstörungen oder degenerative neurologische Veränderungen.
25.2.2 Einwilligungsfähigkeit, Betreuung
Bei Wahleingriffen muss der Patient nach vorheriger Aufklärung in die Anästhesie einwilligen. Kann er aufgrund einer Bewusstseinsstörung, einer Demenz oder hirnorganischer Veränderungen die Tragweite dieser Entscheidung nicht erfassen, muss eine Betreuung für ihn eingerichtet werden (7 Kap. 1.2). Oft erfüllen Angehörige diese Funktion, die ihnen vom Amtsgericht bescheinigt werden muss (Gesundheitsfürsorge). Mit Vorlage dieser Urkunde sind die Betreuer unterschriftsberechtigt und müssen über die Narkose und ihre möglichen Komplikationen aufgeklärt
269
25.3 · Spezielle Problemstellungen
werden. Der Name des Betreuers und die Urkundennummer sind auf der Narkoseeinwilligung zu vermerken. In Fällen, bei denen absehbar wiederholte operative Eingriffe stattfinden werden (z. B. bei Wund- oder Protheseninfekten) empfiehlt sich die Einholung einer Dauereinwilligung.
25
Häufige anästhesierelevante Störungen bei geriatrischen Patienten 5 Volumenmangel (Exsikkose) durch ver-
minderte Flüssigkeitsaufnahme 5 Unzureichend therapierte Herz-Kreislauf-
Erkrankungen
25.2.3 Medikamentöse Prämedikation
Die medikamentöse Prämedikation des alten Menschen ist vom Bewusstseinszustand und der Vormedikation abhängig. Viele ältere Menschen werden dauerhaft oder intermittierend wegen Schlafstörungen oder Unruhezuständen mit Sedativa, Antidepressiva oder Neuroleptika behandelt. Bei diesen Patienten empfiehlt es sich die übliche Medikation beizubehalten. Gleiches gilt für Patienten, die regelmäßig Benzodiazepine – auch in niedriger Dosis – einnehmen, da diese Patienten durch Entzugssymptome gefährdet sind. Alte Menschen ohne eine solche Vorbehandlung reagieren hingegen empfindlicher auf Sedativa als jüngere, da im Alter die Metabolisierung in der Leber, die Eiweißbindung im Plasma, die Rezeptorempfindlichkeit der Zellen und die Ausscheidung über die Niere verändert sind. Bei diesen Patienten ist im Falle einer Benzodiazepinmedikation eine Dosisreduktion erforderlich. ! Cave Patienten mit Bewusstseinsstörungen sollten präoperativ keine Benzodiazepine erhalten.
5 Chronische Lungenerkrankungen 5 Nierenfunktionsstörungen 5 Bewusstseinsstörungen
Bei stabilen, ausreichend kompensierten bzw. medikamentös gut eingestellten Erkrankungen wird man in der Regel auf eine aufwändige Diagnostik verzichten. So hat z. B. eine kompensierte Herzinsuffizienz zwar Auswirkungen auf das anästhesiologische Vorgehen (Vermeidung kardiodepressiver Medikamente, Überwachung der Diurese, ggf. Gabe von Diuretika), eine Narkose ist aber beim Vorliegen eines EKGs und ggf. eines RöntgenThorax-Befundes möglich. Eine Reihe von Symptomen muss jedoch, sofern keine absolute Notfallindikation gestellt wird, vor dem Eingriff abgeklärt und ggf. therapiert werden. Dies bezieht sich z. B. auf eine Tachyarrhythmia absoluta, die unbehandelt zu einer akuten kardialen Dekompensation führen kann.
Präoperativ abklärungs-/bzw. therapiebedürftige Symptome 5 Herzgeräusch, Verdacht auf Vitium (insbe-
sondere Aortenklappenstenose) 5 Dyspnoe (Verdacht auf dekompensierte
25.3
Spezielle Problemstellungen
Linksherzinsuffizienz, Lungenödem) 5 Retrosternale Schmerzen (Verdacht auf
25.3.1 Internistische Vorerkrankungen –
Dringlichkeit des Eingriffs Eine gute präoperative Vorbereitung des Patienten kann perioperative Komplikationen mindern. In Fällen mit dringlicher oder Notfallindikation ist jedoch eine ausführliche Diagnostik und Therapie von Begleiterkrankungen oft nicht möglich. Eine Reihe von Gesundheitsstörungen sind für die sichere Betreuung des Patienten in der perioperativen Phase von besonderer Bedeutung.
KHK) 5 Bradykarde oder tachykarde Herzrhyth-
musstörungen (z. B. Tachyarrhythmia absoluta) 5 Anämie (Hb <10 mg/dl) 5 Elektrolytstörungen (z. B. Hypokaliämie) 5 Neu aufgetretene neurologische Defizite
An den hinzugezogenen Internisten wird v. a. die Frage nach der präoperativen Verbesserungsfä-
270
1 22 3 24 25
Kapitel 25 · Geriatrische Patienten
higkeit der Grunderkrankung gerichtet. Dennoch wird es häufig schwierig sein den Zustand des Patienten in wenigen Stunden bis Tagen zu optimieren. Die Einleitung einer Therapie bei einer akuten Dekompensation (z. B. diuretische Therapie bei Linksherzinsuffizienz) kann das Narkoserisiko des Patienten reduzieren. Von großer Bedeutung für die Narkoseplanung ist zumindest aber die Kenntnis der Diagnose. Je nach Krankheitsbild können ein erweitertes Monitoring und/oder eine postoperative Intensivtherapie geplant werden.
Allgemeines anästhesiologisches Management geriatrischer Patienten 5 Auswahl eines für den Patienten geeigne-
ten Narkoseverfahrens 5 Vermeidung stark kardiodepressiv wirken-
der Medikamente 5 Ggf. invasives Monitoring (kontinuierliche
5
6 7 8
Bei der Anästhesieplanung im Vordergrund stehende Aspekte
5
5 Vermeidung der Aktivierung des sympa-
5 5
5
9
5
10
5
11 12
5
13 14 15 16 17 18 19 20
5
thoadrenergen Systems durch Stress Vermeidung hypotoner Blutdruckphasen (Gefahr verminderter zerebraler und kardialer Durchblutung) Vermeidung von Tachykardien (Gefahr von kardialen Ischämien bei KHK) Angepasste Volumentherapie (Cave: Volumenüberladung bei dekompensierter Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz; bei Hypovolämie und Dehydratation zerebrale Funktionseinschränkung möglich) Chronische Schmerzen des Bewegungsapparates (z. B. Rückenschmerzen) → lange unbequeme Lagerung bei Regionalanästhesie stressinduzierend Sicherstellung der pulmonalen Funktion (Cave: Beatmung bei schwerer pulmonaler Erkrankung).
Um dies zu gewährleisten, müssen das Narkoseverfahren und das intraoperative Management an die Vorerkrankungen des Patienten angepasst werden.
arterielle Blutdruckmessung, ZVD-Messung, in sehr seltenen Fällen Anlage eines Pulmonalarterienkatheters) Blasenkatheter zur Überwachung der Diurese bei größeren Eingriffen Angepasste Flüssigkeits- und Volumenersatztherapie Adäquate postoperative Überwachung Suffiziente analgetische Behandlung
25.3.2 Altersdemenz
Ca. 10% aller Menschen über 65 Jahre und sogar 40% aller Menschen über 90 Jahre leiden an einer Altersdemenz. Der Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit manifestiert sich in der Beeinträchtigung der Aufnahme und Verarbeitung neuer gedanklicher Inhalte. Urteilsfähigkeit, Antriebsverlust, eine fehlende Orientierung bis hin zur Zerstörung der Persönlichkeit sind die Folge. Für diese Patienten bedeutet die Aufnahme in ein Krankenhaus ein Herausreißen aus ihrer gewohnten Umgebung. Demente Patienten können diese Situation nur schwer bewältigen. Ihre Reaktion darauf zeigt sich u. U. in depressivem, passivem Verhalten, aber auch Aggressivität und Enthemmung werden beobachtet. Erschwerend kann eine Einschränkung der Sinneswahrnehmung (Hören, Sehen) hinzukommen. In diesem Kontext sind die mangelnde Einwilligungsfähigkeit sowie der prä- und postoperative Umgang mit dem Patienten von Bedeutung. Sind Angehörige verfügbar, so sollte eine vertraute Person den Patienten bis in den OP begleiten. Postoperativ sind eine kognitive Beeinträchtigung und unkooperatives bis hin zu aggressivem Verhalten keine Seltenheit. Hier ist besonders dar-
271
25.3 · Spezielle Problemstellungen
auf zu achten, nicht artikulierte Schmerzen als Ursache des Verhaltens auszuschließen oder ggf. zu behandeln.
25.3.3 Vollnarkose versus
Regionalanästhesie ! Die Auswahl des Narkoseverfahrens sollte individuell erfolgen und an den Vorerkrankungen des Patienten und den Erfordernissen der Operation orientiert sein.
Die Frage, ob bei geriatrischen Patienten eine Regionalanästhesie oder eine Allgemeinanästhesie günstiger ist, ist schwer zu beantworten. Grundsätzlich sollte das für den jeweiligen Patienten mit den geringsten Risiken behaftete Anästhesieverfahren ausgewählt werden. Dies kann im Einzelfall eine Regionalanästhesie, aber durchaus auch eine Allgemeinanästhesie sein. Bei frakturbedingten Hüftoperationen zeigen die bisherigen Studien derzeit langfristig nur marginale Vorteile der rückenmarknahen Regionalanästhesie (7 Kap. 1.1). Zudem können altersbedingte anatomische Veränderungen (z. B. Verknöcherung der Bandstrukturen) den Zugang zum Epidural- oder Spinalraum erschweren und schon die Anlage einer rückenmarknahen Regionalanästhesie sehr schwierig und schmerzhaft gestalten. Periphere Leitungsanästhesien sind aufgrund der geringen hämodynamischen Beeinträchtigung und des insgesamt niedrigen Komplikationsrisikos, wenn möglich, zu bevorzugen. Insbesondere kontinuierliche Verfahren, die auch postoperativ genutzt werden, können zur Reduktion perioperativer Komplikationen beitragen. Zu bedenken ist bei jeder Regionalanästhesie, dass lange unbequeme Lagerungen auf dem OPTisch von alten Patienten, die häufig an chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates leiden, oft schlecht toleriert werden und den perioperativen Stress erhöhen können. Nicht selten treten in dieser Situation Erregungszustände auf, die durch eine Sedierung nicht immer zu beherrschen sind. Paradoxe Reaktionen auf Sedativa sind möglich, zugleich können aber auch z. B. durch eine zu star-
25
ke Sedierung bedingte Hypoxämien Verwirrungszustände hervorrufen. Entgegen früherer Annahmen scheint die Wiederherstellung der kognitiven Leistungsfähigkeit nicht vom Narkoseverfahren abhängig zu sein. Auch auf das langfristige funktionelle Ergebnis nach Hüftfrakturen hat die Art der Anästhesie keinen Einfluss. Führt man eine Allgemeinanästhesie durch, ist zu beachten, dass aufgrund anatomischer Besonderheiten bei alten Patienten die Beatmung und Intubation erschwert sein können. Einzelne, lockere Zähne können bei der Intubation beschädigt werden, der Sitz der Beatmungsmaske wird durch schlaffe Gesichtszüge erschwert, die Reklination des Kopfes kann durch verminderte Beweglichkeit von Kopf und Hals eingeschränkt sein. In Abhängigkeit von der Auswahl der Medikamente ist die Allgemeinanästhesie jedoch gut steuerbar; gerade bei kritisch kranken Patienten kann das Management intraoperativ auftretender Komplikationen bei einer Allgemeinanästhesie erleichtert sein. Eine Übersicht über Vor- und Nachteile der verschiedenen Anästhesieverfahren bei geriatrischen Patienten gibt . Tabelle 25.1.
25.3.4 Postoperative Intensivtherapie:
ja – nein Ein häufiges Diskussionsthema ist die postoperative Intensivtherapie bei alten, multimorbiden Patienten. Bei kritisch Kranken (z. B. mit dekompensierter Herzinsuffizienz, pulmonaler Insuffizienz oder schweren Herzrhythmusstörungen), die ohne adäquate präoperative Vorbereitung notfallmäßig operiert werden müssen, oder bei denen intraoperativ Komplikationen auftreten, ist dies zur Sicherstellung der Vitalfunktionen fraglos erforderlich. Schwierig ist die Entscheidung in Grenzfällen. Die Patienten bedürfen häufig nicht unbedingt einer Intensivtherapie, sondern lediglich einer intensiven postoperativen Überwachung bzw. Pflege, bei der z. B. auf starke Blutverluste geachtet wird, die Herz-Kreislauf-Funktionen sowie die Diurese engmaschig überwacht werden oder eine intensive Lungenpflege/Atemtherapie durchge-
272
1
Kapitel 25 · Geriatrische Patienten
. Tabelle 25.1. Vor- und Nachteile verschiedener Anästhesietechniken bei geriatrischen Patienten
22 3
Vorteile
Allgemeinanästhesie
Rückenmarknahe Regionalanästhesie
Periphere Leitungsanästhesie
5 Gute Steuerbarkeit 5 Invasives Monitoring
5 Keine Beatmung erforderlich 5 Selten schwerwiegende Kom-
5 Wenig invasiv 5 Niedrige Kompli-
erleichtert
24
5 Anästhesiologisches
Management bei Auftreten schwerwiegender Komplikationen erleichtert
25
plikationen 5 Postoperativ zunächst Schmerz-
freiheit
erforderlich
5 Möglichkeit der postoperativen
sche Beeinträchtigung 5 Postoperativ zunächst
Schmerzfreiheit 5 Möglichkeit der post-
operativen Katheteranalgesie 5 Schnellere postoperative Mobilisation
7 Nachteile
5 Maskenbeatmung und
9 5
10 5
11 12
5
13
5
14
5 Keine hämodynami-
Katheteranalgesie
6
8
kationsrate 5 Keine Beatmung
Intubation können erschwert sein (veränderte Anatomie) Postoperativ gelegentlich Verwirrungszustände Bei pulmonaler Beeinträchtigung ggf. Nachbeatmung erforderlich Systemische postoperative Analgesie erforderlich Aspirationsrisiko bei nicht nüchternen Patienten erhöht
5 Häufig ausgeprägte Blutdruck-
5 5 5 5 5
5
5
abfälle durch Sympathikusblockade Gelegentlich starke Übelkeit bei Hypotonie/Bradykardie Cave: intraoperative Hypoxämie durch Sedierung Technisch oft schwierig Bei großen Volumenumsätzen eher ungünstig Wegen Einnahme gerinnungshemmender Medikamente (z. B. ASS) oft nicht möglich Bei längeren Operationen wegen unbequemer Lagerung weniger geeignet Spinalanästhesie schlecht steuerbar; CSE, Spinalkatheter technisch schwieriger
5 Bei längeren Operatio-
nen wegen unbequemer Lagerung weniger geeignet 5 Gewisse Versagerquote, ggf. Wechsel des Anästhesieverfahrens notwendig
15 16 17 18 19 20
führt wird. Auf Normalstationen ist dies aus personellen Gründen oft nicht gewährleistet. Das Vorgehen in diesen Fällen ist abhängig von den logistischen Gegebenheiten der jeweiligen Klinik. Ist eine »Intermediate Care Unit« oder ein »Wachzimmer« mit einer besseren personellen Ausstattung und Monitorüberwachung vorhanden, können dort kardiorespiratorisch/-zirkulatorisch gefährdete Patienten weiterbehandelt werden. Voraussetzung für die Verlegung auf eine Normalstation ist die kardiorespiratorische Stabilität des Patienten. Ist die Verlegung auf eine Normal-
station die einzige Option neben der Intensivstation, kann dies in Einzelfällen eine intensive und ausgedehnte Weiterbehandlung des Patienten im Aufwachraum bedingen, bis eine Verlegung vertretbar ist.
25.3.5 Schmerztherapie
Bei geriatrischen Patienten ist eine suffiziente Schmerztherapie grundlegende Voraussetzung für einen komplikationsarmen postoperativen Verlauf. Die Adaptationsvorgänge im Rahmen des
273
Literatur
Postaggressionsstoffwechsels stellen eine große Herausforderung an das Herz-Kreislauf-System und die beteiligten Organe dar. Anhaltende starke Schmerzen erhöhen den perioperativen Stress, führen zur Sympathikusaktivierung und sollten unbedingt vermieden werden. ! Zahlreiche Untersuchungen demonstrieren, dass – entgegen häufiger Annahmen – die Schmerzempfindung des Menschen im Alter nicht abnimmt und dass mehr als 50% der über 60-jährigen täglich und praktisch jeder der über 65-jährigen zumindest zeitweise Schmerzen hat.
Die Schmerzen alter Menschen werden oft nicht erkannt, da insbesondere verwirrte oder demente Patienten sie nicht adäquat artikulieren können; eine differenzierte Schmerzangabe ist ihnen oft nicht möglich. Bei diesen Patienten ist besonders auf vegetative Begleitreaktionen starker Schmerzen, wie z. B. Blutdruckerhöhung und Tachykardie, auf Herzrhythmusstörungen, Unruhe oder Stenokardien zu achten. Patienten, die unabhängig vom aktuellen Trauma an chronischen Schmerzen leiden, nehmen möglicherweise bereits präoperativ dauerhaft Analgetika ein. Nicht selten sind Opioide Bestandteil einer solchen Dauermedikation. Diese Dauermedikation ist in die Planung der perioperativen Schmerztherapie miteinzubeziehen, da sonst Entzugssymptome drohen können. Prinzipiell orientiert sich die Schmerztherapie des älteren Patienten an den allgemeinen Grundsätzen der postoperativen Analgesie (7 Kap. 26).
Beim perioperativen Analgetikaeinsatz bei alten Patienten zu beachten 5 Pharmakokinetische Besonderheiten der
Medikamente 5 Komedikation/Wechselwirkungen 5 Berücksichtigung einer Dauertherapie
Werden diese Aspekte in den therapeutischen Prozess miteinbezogen, kann der Krankheitsverlauf geriatrischer Patienten positiv beeinflusst werden.
25
Literatur Bekker AY, Berklayd P, Osborn I, Bloom M, Yarmush J, Turndorf H (2000) The recovery of cognitive function after Remifentanil-nitrous oxide anesthesia is faster than after an isoflurane-nitrous oxide Fentanyl combination in elderly patients. Anesth Analg 91: 117–122 Dahn J, Oster M, Moltner A (1999) Anästhesie bei geriatrischen Patienten. Die Bedeutung physiologischer Variablen für die kognitive Leistungsfähigkeit geriatrischer Patienten nach Regional- und Allgemeinanästhesie. Anästhesist 48: 379–386 Fredman B, Zohar E, Philipov A, Olsfanger D, Shalev M, Jedeikin R (1998) The induction, maintenance and recovery characteristics of spinal versus general anesthesia in elderly patients. J Clin Anesth 10: 623–630 Gilbert TB, Hawkes WG, Hebel JR (2000) Spinal anesthesia versus general anesthesia for hip fracture repair: a longitudinal observation of 741 elderly patients during 2-year follow-up. Am J Orthop 29: 25–35 Koval KJ, Aharonoff GB, Rosenberg AD, Bernstein RL, Zuckermann JD (1998) Functional outcome of general versus regional anesthesia. Clin Orthop 348: 37–41 Leung JM, Dzankic C (2001) Relative importance of preoperative health status versus intraoperative factors in predicting postoperative adverse outcomes in geriatric surgical patients. J Am Geriatr Soc 49: 1080–1085 Liu LL; Wiener-Kronish JP (2003) Perioperative anesthesia issues in the elderly. Crit Care Clin 19: 641–656 Munoz HR, Dagnino JA, Rufs JA, Bugedo GJ (1992) Benzodiazepine premedication causes hypoxemia during spinal anesthesia in geriatric patients. Reg Anesth 17: 139–142 O’Hara DA, Duff A, Berlin JA et al. (2000) The effect of anesthetic technique on postoperative outcomes in hip fracture repair. Anesthesiology 92: 947–957 Parker MJ, Handoll HH, Griffiths R (2001) Anaesthesia for hip fracture surgery in adults. Cochrane Database Syst Rev 4: CD 000521 Rodgers A, Walker N, Schug S et al. (2000) Reduction of postoperative mortality and morbidity with epidural or spinal anaesthesia. BMJ 321: 1493 Roy RC (2000) Choosing general versus regional anesthesia for the elderly. Anesthesiol Clin North Am 18: 91–194 Sandner-Kiesling A, List WF (2003) Anästhesierelevante physiologische und pharmakologische Veränderungen im Alter. Anaesthesiol Reanim 28: 60–68 Schmerz im Alter (1999) Herausgegeben von den Mitgliedern des »Interdisziplinären Arbeitskreises Schmerz im Alter«. Lukon Verlagsgesellschaft, Puchheim
275
26.1 ·
Postoperative anästhesiologische Versorgung 26
Postoperative Schmerztherapie
27
Aufwachraum
– 299
– 277
VIII 26
26 Postoperative Schmerztherapie U. Nickel
26.1
Allgemeine Aspekte der postoperativen Schmerztherapie – 278
26.1.1
Konzepte der postoperativen Schmerztherapie
26.2
Analgetika
26.2.1
Nichtopioidanalgetika, antipyretisch wirkende Analgetika
26.2.2
Opioidanalgetika – 289
26.3
Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie – 291
26.3.1
Patientenkontrollierte Analgesie mit intravenösen
– 281
Opioiden (i.v.-PCA)
– 291
26.3.2
Kontinuierliche Regionalanästhesieverfahren
26.3.3
Differenzialindikation – 294
Literatur
– 297
– 278
– 292
– 281
1 22
278
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
26.1
Allgemeine Aspekte der postoperativen Schmerztherapie
26.1.1 Konzepte der postoperativen
Schmerztherapie
3 24 25 26 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Starke postoperative Schmerzen können die Stressantwort des Körpers verstärken. Eine schmerzbedingte Aktivierung des sympathischen Nervensystems kann zu einer Belastung des Herzkreislaufsystems führen, eine schmerzbedingte Behinderung der Atmung begünstigt respiratorische Störungen. Die Mobilisation ist bei unzureichend behandelten Schmerzen erschwert, die Rehabilitationsphase verlängert. Eine suffiziente Schmerztherapie ist daher in der postoperativen Phase von zentraler Bedeutung.
Verfahren in der Verantwortung des Anästhesisten liegen. Überwachung und Weiterbehandlung erfolgen in diesem Fall durch einen anästhesiologischen Akutschmerzdienst. Nach Abschluss der Akuttherapie wird ein weiterführendes Analgetikakonzept empfohlen.
Möglichkeiten der postoperativen Schmerztherapie 5 Systemische Analgetikatherapie (Opioide,
Nichtopioidanalgetika) rektal, i.v., p.o. 5 Intravenöse Opioidanalgesie mittels PCA 5 Regionalanästhesieverfahren (kontinuier-
lich und/oder patientenkontrolliert): z. B. Epiduralkatheter, Armplexuskatheter, Femoraliskatheter etc.
! Die Planung der postoperativen Schmerztherapie beginnt bereits in der präoperativen Phase.
Kontinuierliche Regionalanästhesieverfahren müssen schon bei der Prämedikation in Betracht gezogen und mit dem Patienten besprochen werden. Das perioperative Analgetikaregime sollte so geplant werden, dass bereits nach Aufwachen aus einer Allgemeinanästhesie eine ausreichende Wirksamkeit systemischer Analgetika gewährleistet ist. Während der Überwachung im Aufwachraum kann die analgetische Behandlung weiter ausgedehnt werden. Eines der Entlassungskriterien aus dem Aufwachraum auf die Normalstation ist – unter anderen – die weitgehende Schmerzfreiheit. Es empfiehlt sich darüber hinaus ein analgetisches Regime für die Weiterbehandlung auf der Station vorzuschlagen. Nach Single-shot-Regionalanästhesien sollte zum Zeitpunkt des Nachlassens der Wirkung der Lokalanästhetika bereits eine ausreichende Plasmakonzentration systemischer Analgetika vorhanden sein. Bei ausgedehnteren Eingriffen bieten sich entweder kontinuierliche oder patientenkontrollierte Regionalanästhesieverfahren wie z. B. die Epiduralanästhesie oder die patientenkontrollierte Verabreichung (PCA) von intravenösen Opioiden mittels einer programmierbaren Pumpe an. Wegen möglicher schwerwiegender Komplikationen sollte die Betreuung dieser
Balancierte Analgesie Das Konzept der balancierten Analgesie oder multimodalen Schmerztherapie beruht auf der Kombination verschiedener Analgetika mit unterschiedlichem Wirkspektrum, ggf. auch in Ergänzung zu Regionalanästhesieverfahren, zur Optimierung der postoperativen Schmerztherapie bei reduziertem Nebenwirkungsprofil.
Präventive Analgesie Das Konzept der »präemptiven« Analgesie beruht auf der Vorstellung die Entwicklung einer sekundären Hyperalgesie, die durch Gewebetraumatisierung hervorgerufen wird, durch prophylaktische Gabe von Analgetika zu verhindern. Die Gabe von Analgetika vor dem auslösenden Reiz soll die Ausbildung der sekundären Hyperalgesie und damit die spinale Sensibilisierung verhindern. Tierexperimentell ist dies nachgewiesen, die klinischen Ergebnisse hierzu sind bisher nicht überzeugend. Heute spricht man daher eher von einer »präventiven« Analgesie.
Schmerzmessung Die Grundlage jeder analgetischen Therapie ist die Beurteilung der Schmerzintensität. Als subjektive Wahrnehmung ist Schmerz nicht mit objektiven Kriterien messbar. Zur Erfassung der Schmerzintensität bedient man sich verbaler oder numeri-
279
26.1 · Konzepte der postoperativen Schmerztherapie
26
Analgetisches Regime . Tabelle. 26.1. KUSS-Skala (Kindliche Unbehagensund Schmerz-Skala; [Büttner 1990]) Beobachtung
Bewertung
Punkte
Weinen
Gar nicht Stöhnen, Jammern, Wimmern Schreien
0 1 2
Gesichtsausdruck
Entspannt, lächelnd Mund verzerrt Mund und Auge grimassieren
0 1 2
Rumpfhaltung
Neutral Unstet Aufbäumen, Krümmen
0 1 2
Beinhaltung
Neutral Strampelnd, tretend An den Körpergezogen
0 1 2
Motorische Unruhe
Nicht vorhanden Mäßig Ruhelos
0 1 2
. Abb. 26.1. Smiley-Analog-Skala. (Mod. nach [Pothmann 1988])
scher Schätzskalen (z. B. die Numerische Ratingskala (NRS) oder die Visuelle Analogskala (VAS) von 0–10 bzw. 0–100. Werte von >3 (30) in Ruhe bzw. >5–6 (50–60) bei Bewegung sind behandlungsbedürftig. Anhand der Skalen kann im Verlauf auch die Effizienz der Schmerztherapie beurteilt werden. Für Kinder von 0–5 Jahren ist die KUSS-Skala (Kindliche Unbehagens- und Schmerzskala; . Tabelle 26.1) validiert. Bei älteren Kindern kommt auch die Smiley-Analog-Skala zum Einsatz (. Abb. 26.1).
Die Etablierung eines standardisierten, prozedurenspezifischen analgetischen Regimes, an die Gegebenheiten der jeweiligen Klinik angepasst, ist wünschenswert. In Abhängigkeit von der Art der Anästhesie und dem Umfang des Eingriffs empfiehlt sich nach traumachirurgischen Eingriffen eine differenzierte Basisanalgesie (. Tabelle 26.2). Kontinuierliche Regionalanästhesieverfahren (rückenmarknah oder peripher) bieten bei größeren Eingriffen (z. B. Knie-TEP, große Osteosynthesen) eindeutig den besten Patientenkomfort. Da sie an bestimmte organisatorische Voraussetzungen geknüpft sind, sind sie leider nicht an allen Kliniken routinemäßig einsetzbar. Als Alternative steht bei starken postoperativen Schmerzen eine patientenkontrollierte Analgesie mit einem intravenös verabreichten Opioid zur Verfügung. Die Indikationen für Regionalanästhesieverfahren sowie für den Einsatz einer PCA-Pumpe mit Opioiden sollten klar definiert werden. Bei kleineren Eingriffen mit leichten bis mäßigen postoperativen Schmerzen reicht in der Regel die Gabe von Nichtopioid- bzw. Opioidanalgetika. Bei Durchführung einer systemischen Analgesie ist auf eine möglichst frühzeitige Applikation der Analgetika zu achten. ! Wird das Basisanalgetikum nach einer Allgemeinanästhesie erst im Aufwachraum gegeben, ist dies zu spät.
Bei Eingriffen, die in Allgemeinanästhesie durchgeführt werden, wird üblicherweise zunächst ein Nichtopioidanalgetikum verabreicht. NSAID sollten hierzu rektal nach der Narkoseeinleitung gegeben werden. Alternativ oder bei Kontraindikationen gegen NSAID bietet sich auch Paracetamol i.v. (Perfalgan), intraoperativ verabreicht, an. Im Aufwachraum können bei zusätzlichem Bedarf Opioide (Piritramid) dazu titriert werden. Wird ein Eingriff in Single-shot-Regionalanästhesie durchgeführt, ist der Patient im Aufwachraum zunächst noch schmerzfrei. Stärkere Schmerzen treten erst nach dem Nachlassen der Regionalanästhesie nach einigen Stunden auf der Station auf. Erhält der Patient erst dann ein Analgetikum
280
•
atooRotat Schulter-O Schult er-OP P s (z.B (z.B.. Rot kart rt-sche hett tten enna naht ht,, Ban Banka renma re nmannsc OP)) OP
•
Knie Kn ie-T -TEP EP
•
dpla last stik ik Kreu Kr euzb zban andp
•
turr Acet Ac etabulumf abulumfra fraaktu
•
usgede dehn hntter Polytraum Polytr aumaa mit mit ausge tzun ungg Weichteilverle Weichteilver letz
•
tient nten en opio op ioid idgewo gewohnte hnte Patie
•
nthese se ausgedeh ausged ehnt ntee Osteos Osteosyynthe rlet etzu zung ng u/oo Wei u/ chte teil ilve verl Weich
ung g: PCA-Basiseinstellung PCA-Basiseinstell Piritram Piritramid mid (Dip (Dipid idolor olor® ®) 60mg ad 30mll NaC 30m NaCll 0.9 % 0.9%
IN IN DER U f indi lldikati hi onen i POSTOPERATIVE POSTOPERATIV E AinNALGESIE : kation en NSAIDs NSAIDs: Kontrain Kontra OP in Regionalanästhesie emei eina nan näE sthesi sthe siee DER OPANALGESI Allgem Allg ren n ge Katheterverfa Katheterver fah hre gepl plan antt Ë si sieh ehee dor dortt
kleine Eingriff Eingriffe fe in: sanä nästhesi sthesiee / SPA / per. Le SPA Leit itung ungsa IVRA:: IVRA
kleine Eingriff Eingriffe fe (ME, undrevision, n, Ha Hautt uttrran ansp splant.) lant.) : Wundrevisio •
ac** 1-2 1-2 mg/kgK Diclofen Dicl ofenac mg/kgKG G eitun tungg nach na ch Ei Einl nlei
•
3mggim AW AWR R ggf. ggf. Piritramid 3m weis we isee bis bis ma max. x. 15 mg
ËDiclofenac 11-2m 2mg/ g/kg /kgKG KG,, ode oderr 0000 mg mg rek rekta tall im Paracetamol 100 Perfalgan® n® AWR, AW R, ggf. Perfalga
VN:: groß gro ße Eingriff Eingriffe fe in VN
PDK, PD K, CS CSE: E:
•
Ëbe beii Sch merzenn Bup ivac acai ainn Schmerze Bupiv Lido doca cain in 0.225% 5 (-1 0. 0) ml ml,, ggf. ggf. Li (-10) er-idur ural al vo vorr Kathe Kathetter 1% ep epid nung ng entf en tfer fernu lofenac/ c/Pa Paracetam racetamool Diclofena Ë so sons nstt Dic
groß gro ße Eingriffe Eingriffe in: periph ripher erer er SPA / pe SPA thesie ie:: Leitungsan Leitun gsanäästhes
Diclofen Dicl ofenac ac** 1-2 1-2 mg/kgK mg/kgKG G tungg nach na ch Ei Einl nlei eitun +
•
3mgg-wei Piritram Piritramid mid 3m -weise se bi biss max max.. AWR R 15 mg im AW
•
ggf. Perfalgan Perfalgan® ® 1 g al alss Kurz Ku rzin infu fusion sion
•
zoll 100 10000 mg mg als als ggf. Me Metami tamizo infu fusion sion Kurz Ku rzin
•
Initial In itialbo bolu luss: 3 mg
•
Bolu Bo luss 1,5 1,5 mg
•
n. errze zeit: it: 10 Mi Min. Sperr Sp
ac 11-22 mg/ Ë Di Dicl clofen ofenac mg/kg kgKG KG od oder er rekta tall im im cetamo tamoll 100 10000 mg mg rek Para Pa race gann® AWR, AW R, ggf. Pe Perf rfal falga
•
ldos osis is:: 30 30 mg mg 4h-M 4h -Maxim aximaald
PDK, CS CSE: E:
dika katio tionn gegen gegen * bei Kont ntrain raindi bei Ko
Patientenn bei ält bei lteren eren Patiente Dosisreduktion Dosisreduktio on
•
recoxibb Dicl Di clofen ofenac ac Ë Paracetamol, Pa Parecoxi
opioidgewohn p te g Patienten: •
fusi sion on Hintergr ergrun undi dinnfu PCA PC A mit mit Hint individuell ell)) (Dosis (Dos is individu
Nive veau au ⊇ schmerzfre frei und und Ni Pat. schmerzf % TH12 Ë Bu Bupi piva vaca cain in 0. 0.25 25%
he kontinuierlic konti nuierliche Regionalanästhesi g e Schul hulte ter, r, Hand Hand:: • Arm, Arm, Sc Arth Ar thro roly lyse se,, Mob Mobil ilisa isatio ation e-R Rezi divvKnie• Knie Knie-T -TEP EP,, Kni ezidi Knie ie-M obili lisati sation on Eingriffe, Eingriff fe, Kn -Mobi • Am Amputa putatio tione nenn • TE TEPP-We Wechse chsell • ausgede ausgedehn hnte te ehandl ndlun ungg Frakturb Fr akturbeha
b: kation on Pareco Parecoxi xib: Kontra Ko ntrain indi dikati • • •
•
lergie ie Sulfonam Sulfon amid idal allerg alleerg all rgisch ischee Rea Reakt aktion zinsu nsuff ffiz fizie ienz nz schwer schw eree Her Herzi GI-Blu akti ak tive ve Ulcera Ulcera,, GI -Blutun tung, g, rkrank rankun ungg entz en tzüünd ndl. l. Darme Darmerk ienz nz schwer schw eree Leb erinsuffizzie Leberinsuffi
kont.. periphere kont p Leitungsa g näst sthesi hesiee •
Bupiva Bupi vaca cain in 0, 0,125 125% % ode oderr Ropi Ro piva vaca cain in 0, 0,2% 2% 5 – 15 ml/h
kation on Me Meta tami mizol: zol: Kontra Ko ntrain indi dikati • • • •
Porphyri Porphy riee Granulo Gr anulozzyt ytop open enie ie ie (Pyr (P yraz azol ol-) -) Al Alle lerg rgie G6-P G6 -Pho hospha sphatat-De Dehy hydr drog ogen enaasemangell semange
he kontinuierlic konti nuierliche Epi p duralanalgesi g e undd Niv Nivea eauu Ë be beii Sch merzenn un Schmerze unte un terr Th Th12:
genn Meta tami mizo zoll erw erwääge oder od er Me
thet eter er-dural ral vo vorr Ka Kath 5 ml ml epi epidu ac nung ng,, ggf. ggf. Diclofen Diclofenac entf en tfer fernu •
absolut: absolu t: rung ng • Bl Blut utbil tbildun dungs gssstöru • ak akut utee Ulzer Ulzeraa rgie ie • Al Alle lerg relati rela tiv: v: on.Ulzera Ulzera • chr chron. riee • Porp Porphy hyri • As Asthma thma ienz nz • Ni Nieren ereninsuff insuffiz fizie • An Anal alge getika tika--In Into tolera leranz nz • Bl Blut utun tungs gsne neigun igungg ulan anzi zien enth ther erap apie ie • An Antiko tikoag agul • Volu Volumenmange menmangell
eauu ⊇ TH12 erzenn und Nivvea und Ni Schmerze Schm Bupi piva vaca cain in 0. 0.25 25% % Ë sofort Bu
b (D itia iall 40 mg Pareco Pare coxi xib (Dyn ynas asta tatt®) 40 mg in init us Bolus alss Bol al
wdh. h. ggf. 5 (-1 0) ml ml,, ggf. ggf. wd (-10) rerr doca cain in 1% (ras (rasch cheere Lido Li Wirkungse Wi rkungseint intri rittt)
zinf nfus fusion, <5 <500 Perfal Perf falga gan n® 1 g al alss Kur Kurzi kg:: 15 kg 15 mg/k mg/kgK gKG G
on Kontrain Kontra indi dikati kation Paracetamo Paraceta mol: l: • • • •
erschääde denn schweree Leb schwer Lebersch Alko Al koho hola labu busu suss dratati atation on Dehy De hydr chron. chr on. Ma Mang ngel elern ernäähr hrung rung
sgabe von 5 (-1 (-10) Bolusgabe Bolu 0) ml Bupi Bu piva vaca cain in 0, 0,25 25% %; doca cain in 1% alte al tern rnat ativ iv Li Lido endd Perfu Perfuso sorr mit mit Ë an ansc schl hlie ießßen vaca cain in 0, 0,125 125 % ode oderr Bupi Bu piva ml/hh Naropinn 0,2 Naropi 0,2 % aabb 10 ml/
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
PCA PC A
1
22
3
24
25
26
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
. Tabelle 26.2. Postoperative Basisanalgesie in der Traumachirurgie
281
26.2 · Analgetika
(z. B. Diclofenac), erleidet er bis zu dessen Wirkungseintritt oft starke Schmerzen. Viel sinnvoller ist es, schon postoperativ vor der Entlassung des Patienten auf die Station ein Nichtopioid (z. B. Diclofenac oder Paracetamol rektal) bei noch bestehender Schmerzfreiheit zu applizieren, damit bei der Rückbildung der Anästhesie schon ein entsprechender Wirkspiegel der Substanz aufgebaut ist. Im Rahmen der Weiterbehandlung auf der Station sollte das analgetische Konzept aus einer fest verordneten Basismedikation, kombiniert mit einer adäquaten Bedarfsmedikation, bestehen.
26.2
Analgetika
Eine differenzierte postoperative Schmerztherapie erfordert Kenntnisse des Wirkungs- und Nebenwirkungsprofils sowie der pharmakologischen Kenndaten der einzelnen Analgetika.
26.2.1 Nichtopioidanalgetika, antipyretisch
wirkende Analgetika Entsprechend ihrer chemischen Struktur und ihres Wirkspektrums werden die Nichtopioidanalgetika in verschiedene Gruppen unterteilt (. Tabelle 26.3). Die Gruppe der sauren Analgetika weist neben einer analgetischen und antipyretischen Wirkung in höheren Dosen auch eine ausgeprägte antiphlogistische Wirkung auf. Nichtsaure Analgetika hingegen haben einen analgetischen und antipyretischen, jedoch keinen nennenswerten antiphlogistischen Effekt. Indikationen für Nichtopioidanalgetika sind leichte bis mäßig starke postoperative Schmerzen. Bei stärkeren postoperativen Schmerzen werden sie als Basisanalgetika, oft in Kombination mit Opioiden eingesetzt. Durch ihren opioidsparenden Effekt werden potenzielle Nebenwirkungen der Opioide reduziert.
Saure antipyretische Analgetika (NSAID) NSAID (»non-steroidal antiinflammatory drugs«) sind in der Behandlung postoperativer Schmerzen etabliert und besitzen insbesondere bei Knochen-
26
. Tabelle 26.3. Einteilung der Nichtopioidanalgetika Saure Nichtopioidanalgetika (NSAID)
Salicylate (Acetylsalicylsäure) 2-Aryl-Propionsäuren (z. B. Ibuprofen, Naproxen) Arylessigsäuren (Diclofenac) Oxicame (z. B. Piroxicam) Heteroarylessigsäuren (z. B. Indomethacin)
Selektive COX-2Hemmer
Rofecoxib, Celecoxib, Parecoxib, Valdecoxib
Nichtsaure Nichtopioidanalgetika
Anilin-Derivate (Paracetamol) Pyrazolinonderivate (z. B. Metamizol)
Sonstige Analgetika
Flupirtin
schmerzen eine hohe Effektivität. Aufgrund ihrer antiphlogistischen Komponente sind sie v. a. auch bei Schmerzen entzündlicher Genese indiziert. Ihr Einsatz wird durch die potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen und den daraus resultierenden Kontraindikationen limitiert. ! Der wesentliche Wirkmechanismus der sauren antipyretischen Analgetika ist die periphere Prostaglandinsynthesehemmung durch reversible (NSAID) oder irreversible (ASS) Hemmung der Cyclooxygenase. Daneben scheinen sie auch eine zentral vermittelte Wirkung zu haben.
Die physiologische Bedeutung der Cyclooxygenase ist in . Abb. 26.2 (Arachidonsäurezyklus) dargestellt. Die Nebenwirkungen resultieren im Wesentlichen aus der Hemmung der physiologischen Wirkungen der Cyclooxygenase-1.
282
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
1 22 3 24 25 26 7 8 9
. Abb. 26.2. Arachidonsäurezyklus. (Mod. nach [Haas]): Der Arachidonsäurezyklus spielt eine Schlüsselrolle in der Zellphysiologie. Verantwortlich für die Bildung von Prostaglandinen, die zu einer Sensibilisierung von Nozizeptoren in der Peripherie führen, sind 2 Isoenzyme: die Cyclooxygenase 1 und 2 (Cox-1 und Cox-2). Die Cox-1 ist physiologischerweise in fast allen Zellen des Körpers vorhanden und hat im wesentlichen Schutzfunktionen. So fördert sie die Durchblutung von Nieren und Magen und reduziert die gastrale Säuresekretion. Thromboxan ist verantwortlich für die Plättchenaggregation. Die Cox-2 ist nur in wenigen Geweben (z. B. Lungen, Nieren, Nervengewebe) physiologischerweise vorhanden und wird bei Eintritt eines Gewebeschaden in entzündungsrelevanten Zellen induziert. Hier führt sie zur überschießenden Produktion von Prostaglandinen (Prostaglandin E2), die Entzündungsreaktion und Schmerz vermitteln. Die Prostaglandine selbst wirken nicht algetisch, sondern sensibilisieren Nozizeptoren, damit andere Mediatorstoffe verstärkt wirksam werden können.
10 11 12 13 14
Nebenwirkungen der NSAID 5 Magendarmtrakt: Übelkeit, Magenschmer-
zen, Ulzera, Blutungen 5 Störungen der Nierenfunktion 5 Pseudoallergische Reaktionen (Heu-
schnupfen, Bronchospasmus, Schock) 5 Hemmung der Thrombozytenaggregation 5 Blutbildveränderungen 5 Anaphylaktoide Reaktionen
15 16 17 18 19 20
Durch Hemmung der Regulationsfunktion der Prostaglandine in der Magenschleimhaut können Erosionen, Ulzerationen bis hin zu schwerwiegenden gastrointestinalen Blutungen entstehen. Bei längerfristiger Anwendung wird daher die Gabe eines Magenschutzpräparates (z. B. Ranitidin, Pantoprazol) zur Ulkusprophylaxe empfohlen. Die Prostaglandinsynthesehemmung führt auch zur Hemmung der für die Thrombozytenaggregation verantwortlichen Thromboxane. Nach Gabe von Acetylsalicylsäure ist diese Hemmung irreversibel. Die Thrombozytenaggregation normalisiert sich erst wieder mit der Neubildung
von Thrombozyten nach etwa 4–5 Tagen. Bei den NSAID ist dieses Problem aufgrund der reversiblen Hemmfunktion weniger ausgeprägt. Ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht jedoch bei Patienten, die als Komedikation andere gerinnungshemmende Medikamente erhalten. Im Bereich der Niere kann durch Aufhebung der Regulationsfunktion der Prostaglandine eine Wasser- und Elektrolytretention auftreten. Selten kommt es zu schweren Nierenschäden bis hin zum akuten Nierenversagen. Eine kurzfristige Anwendung (<5 Tage) bei Patienten <75 Jahren erhöht nicht die Inzidenz für ein akutes Nierenversagen oder gastrointestinale Blutungen. ! Cave Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit vorbestehenden Nierenfunktionsstörungen, schwerer Herzinsuffizienz oder Hypovolämie geboten. Eine Hypovolämie kann das Auftreten einer Nierenfunktionsstörung begünstigen.
Durch Hemmung des Cyclooxygenaseweges wird die bronchodilatatorische Wirkung des Prostaglandin E2 gehemmt. Über den Lipooxygenase-
26
283
26.2 · Analgetika
weg werden vermehrt z. T. bronchokonstriktorisch wirkende Leukotriene gebildet (. Abb. 26.2) Hierdurch kann ein sog. pseudoallergisches Asthma ausgelöst werden. Aus den genannten Nebenwirkungen ergeben sich folgende Kontraindikationen.
Kontraindikationen der NSAID 5 Ulzera, gastrointestinale Blutung, ent-
zündliche Darmerkrankung Volumenmangel, Schock Asthma bronchiale Niereninsuffizienz Blutgerinnungsstörung Blutbildungsstörungen Antikoagulanzientherapie, Blutungsneigung 5 Porphyrie 5 Allergie gegen NSAID 5 5 5 5 5 5
Diclofenac (z. B. Voltaren) 5 Erwachsene
− − − −
Einzeldosis: 50–100 mg oral oder rektal Maximale Tagesdosis: 150 mg Applikationsintervall: 8 h Retardierte Zubereitungen (z. B. Voltaren resinat) 2×75 mg 5 Kinder − Einzeldosis: 1 mg/kgKG − Applikationsintervall: 8 h − Maximale Tagesdosis: 2–3 mg/kgKG − Diclofenac 12,5 mg ist in Deutschland für Kinder nicht mehr zugelassen (kann über die Auslandsapotheke bezogen werden), Diclofenac 25 mg ist ab 6 Jahren, Diclofenac 50 mg ab 15 Jahren zugelassen.
Ibuprofen 5 Erwachsene
− Einzeldosis: 200–800 mg − Applikationsintervall: 6–8 h − Maximale Tagesdosis: 2400 mg
Die einzelnen Substanzen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer analgetischen Potenz und der pharmakologischen Kenndaten (. Tabelle 26.4). Für die postoperative Schmerztherapie sind aufgrund ihrer kurzen Halbwertszeit v. a. Diclofenac und Ibuprofen relevant. Ibuprofen ist besser verträglich und wirkt in Dosen bis 1200 mg analgetisch, in höheren Dosen auch antiphlogistisch. Diclofenac hat eine höhere, v. a. eine höhere antiphlogistische Potenz.
6
. Tabelle 26.4. Pharmakologische Kenndaten von Diclofenac und Ibuprofen Substanz
t1/2
Diclofenac
1–2 h
1–16 h (sehr variabela) Im Mittel 2–3 h
Ibuprofen
1,8– 3,5 h
1–2 h
tmax/oral
tmax/
PEB
Bioverfügbarkeit
Metabolisierung
Elimination
30 min
99%
ca. 50%
Hepatisch
70% renal 30% fäkal
2,5 h
99%
100%
Hepatisch
90% renal, auch biliär
rektal
a säurefeste Tabletten oder ähnliche galenische Zubereitungen. t1/2 Plasmaeliminationshalbwertszeit; tmax Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmakonzentrationen nach oraler/rektaler Gabe; PEB Plasmaeiweißbindung.
284
1 22 3 24
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
Ibuprofen 5 Kinder
− − − −
Einzeldosis: 10 mg/kgKG Applikationsintervall: 6–8 h Maximale Tagesdosis: 40 mg/kgKG Ibuprofen 200 mg ist in Deutschland zugelassen ab 6 Jahren − Für kleinere Kinder orale Zubereitungsform als Saft verfügbar
25 26 7 8 9 10 11 12 13
Selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer (Coxibe, COX-2-Hemmer) ! Aktueller Stand bei Drucklegung: Der COX-2Hemmer Rofecoxib (Vioxx) wurde aufgrund von Ergebnissen einer neuen Studie vom Markt genommen. Nach langfristiger, mehr als 18-monatiger, Einnahme von Rofecoxib zeigte sich ein erhöhtes relatives Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Die selektiven COX-2-Hemmer sind als relativ neue Substanzgruppe seit einigen Jahren in Deutschland eingeführt. Zugelassen sind die Substanzen derzeit zur Behandlung der Arthrose, der chronischen Polyarthritis und primären Dysmenorrhoe. Eine Zulassung für die Behandlung akuter postoperativer Schmerzen besteht nur für Parecoxib (Dynastat).
enten ungeeignet. Hinzu kommt das aktuell diskutierte erhöhte Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Wenngleich dieses aktuell nur für Rofecoxib nachgewiesen wurde, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, ob es sich um einen substanzspezifischen Effekt handelt oder ob auch andere COX-2-Hemmer mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden sind. Eine Überlegenheit der COX-2-Hemmer im direkten Vergleich zu NSAID hinsichtlich schwerwiegender gastrointestinaler Komplikationen zeigte sich v. a. in Kurzzeitstudien. Gastrointestinale Nebenwirkungen sind jedoch v. a. bei der Langzeittherapie mit NSAID oder Begleitmedikation mit potenziell magenschädigenden Substanzen wie z. B. Kortikoiden oder ASS relevant. Bei Komedikation mit ASS können auch unter COX-2-Hemmern gastrointestinale Komplikationen auftreten. Ein positiver Aspekt der COX-2Hemmer ist die fehlende Beeinflussung der Gerinnung (keine Hemmung der Thromboxan-Synthese).
Nebenwirkungen der COX-2-Hemmer 5 Störungen der Nierenfunktion 5 Ödembildung, Flüssigkeitsretention 5 Kardiovaskuläres System: Herzinsuffizienz,
Hypertonie, thromboembolische Ereignisse 5 Allergische Reaktionen (Heuschnupfen,
Bronchospasmus, Schock)
14 15 16 17 18 19 20
! Die Gruppe der COX-2-Hemmer hat eine hohe Spezifität für die Hemmung der Cyclooxygenase 2. Sie nehmen einen günstigen Einfluss auf den prostaglandinvermittelten Schmerz und die Entzündungsreaktion, ohne die physiologischen, v. a. COX-1-vermittelten, Wirkungen klinisch relevant zu beeinflussen.
In Bezug auf ihr renales, kardiovaskuläres und z. T. auch gastrointestinales Nebenwirkungsprofil haben die COX-2-Hemmer die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Renale Komplikationen können gleichsam wie bei herkömmlichen NSAID auftreten. Unerwünschte kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie Herzinsuffizienz und Hypertonie durch Flüssigkeitsretention machen diese Substanzen gerade für ältere oder multimorbide Pati-
5 Magendarmtrakt: Diarrhö, Übelkeit, Re-
flux, Ulzera, Blutungen 5 Selten (Valdecoxib): anaphylaktische Re-
aktionen, Angioödeme, Erythema multiforme, Stevens-Johnson-Syndrom, exfoliative Dermatitis, toxische epidermale Nekrolyse
Der generelle Ersatz der NSAID durch selektive COX-2-Hemmer ist daher nicht gerechtfertigt. Im postoperativen Bereich stellen sie eine Alternative zu den herkömmlichen NSAID dar, wenn eine Ulkusanamnese besteht oder keine Beeinträchtigung der Gerinnung (Thrombozytenfunktion) erwünscht ist. Grundsätzlich sollte unter Beachtung der Risiken und Kontraindi-
285
26.2 · Analgetika
kationen immer eine gewissenhafte Indikationsstellung erfolgen.
den ist aber bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen oder Neigung zur Flüssigkeitsretention Vorsicht geboten. − Dosisreduktion bei älteren Patienten (>65 Jahre) oder Patienten <50 kgKG sowie bei mäßiger Leberfunktionsstörung oder Vorbehandlung mit Fluconazol: Initialdosis: 20 mg, maximale Tagesdosis: 40 mg − Vorsichtiger Behandlungsbeginn bei dehydrierten Patienten! 5 Nicht für Kinder zugelassen!
Kontraindikationen der COX-2-Hemmer 5 Überempfindlichkeit gegenüber Sulfon-
amiden 5 Aktive Ulzera, gastrointestinale Blutung, 5 5 5 5 5 5 5
entzündliche Darmerkrankungen Schwere Herzinsuffizienz oder Hypertonus Ischämische Herzerkrankungen Schwere Leber- oder Nierenerkrankung Hochgradiger Volumenmangel, Schock Allergische Reaktionen nach NSAID, ASS Asthma (NSAID-induziert) Schwangerschaft und Stillzeit
Parecoxib Als einziges derzeit verfügbares parenteral verabreichbares Coxib wird Parecoxib (Dynastat) zur Kurzzeitbehandlung postoperativer Schmerzen eingesetzt. Parecoxib ist das parenteral applizierbare Prodrug von Valdecoxib. Parecoxib wirkt stark analgetisch und antiphlogistisch. Die pharmakologischen Kenndaten sind in . Tabelle 26.5 aufgeführt.
26
Im Rahmen der Anwendung von Valdecoxib wurden schwerwiegende Hautreaktionen beobachtet; Patienten mit bekannter Sulfonamidallergie haben hierfür ein erhöhtes Risiko. Als oral applizierbare Substanzen sind Celecoxib, Valdecoxib und Etoricoxib (Arcoxia) im Handel (. Tabelle 26.6). Etoricoxib ist ein neuer COX2-Hemmer mit der bisher höchsten COX-2-Spezifität.
Celecoxib (Celebrex) 5 Erwachsene ab 18 Jahren
− Einzeldosis: 100–200 mg − Maximale Tagesdosis: 400 mg − Applikationsintervall: 12 h 5 Nicht für Kinder zugelassen!
Parecoxib (Dynastat) 5 Erwachsene ab 18 Jahren
− Initialdosis: 40 mg (Bolusgabe), Repetitionsdosen: 20–40 mg − Applikationsintervall: 6–12 h − Maximale Tagesdosis: 80 mg − Bei leichten bis mäßigen Nierenfunktionsstörungen ist keine Dosisanpassung erforderlich, aus Sicherheitsgrün-
Valdecoxib (Bextra) 5 Erwachsene ab 18 Jahren
− Einzeldosis: 10(–20) mg − Maximale Tagesdosis: 20 mg − Applikationsintervall: 24 h 5 Nicht für Kinder zugelassen!
6
. Tabelle 26.5. Pharmakologische Kenndaten von Parecoxib Substanz
t1/2
tmax/i.v.
PEB
Metabolisierung
Elimination
Parecoxib
8h
30 min
98%
hepatisch (u. a. Cytochrom P 450, Glukuronidierung)
70% renal
t1/2 Plasmaeliminationshalbwertszeit; tmax/i. v. Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmakonzentrationen nach intravenöser Gabe; PEB Plasmaeiweißbindung.
286
1 22 3 24 25 26 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
. Tabelle 26.6. Pharmakologische Kenndaten von Rofecoxib, Celecoxib und Valdecoxib Substanz
t1/2
tmax/oral
PEB
Bioverfügbarkeit
Metabolisierung
Elimination
Rofecoxib
ca. 17 h
2–3(–9) h
ca. 85%
93%
Hepatisch
Renal 72%, fäkal 14%
Celecoxib
11 h
2–4 h
ca. 97%
70%
Hepatisch
Renal 27%, fäkal 58%
Valdecoxib
8–11 h
3h
ca. 98%
83%
Hepatisch
Vorwiegend renal
t1/2 Plasmaeliminationshalbwertszeit; tmax/oral Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmakonzentrationen nach oraler Gabe; PEB Plasmaeiweißbindung.
! Beim Einsatz sowohl von COX-2-Hemmern als
! Paracetamol hat einen zentralen Wirkmechanis-
auch von herkömmlichen NSAID ist unbedingt auf eine ausreichende Hydrierung der Patienten und ggf. Ausgleich von Volumendefiziten zu achten.
mus. Hierbei scheinen die Hemmung der durch NMDA und Substanz P induzierten Hyperalgesie auf spinaler Ebene eine Rolle zu spielen. Die postulierte Hemmung der zentralen Prostaglandinsynthese wird kontrovers diskutiert. Eine periphere Cyclooxygenasehemmung findet nicht statt. Daher wirkt Paracetamol auch nicht antiphlogistisch.
Nichtsaure Nichtopioidanalgetika Paracetamol Paracetamol ist ebenfalls als Bestandteil in der postoperativen Schmerztherapie etabliert und wird gerne bei Kindern eingesetzt. ! Paracetamol ist weniger potent als die NSAID. Die zusätzliche Gabe von NSAID führt zur Wirkungsverstärkung.
Als Monotherapeutikum wird es eher bei leichten Schmerzen eingesetzt. In therapeutischen Dosen zeichnet sich Paracetamol durch ein günstiges Nebenwirkungsprofil (keine Nebenwirkungen am Magendarmtrakt, keine Thrombozytenaggregationsstörung) aus.
Zur postoperativen Schmerztherapie wird Paracetamol meist rektal verabreicht. Die Absorption nach rektaler Gabe ist verzögert, sehr variabel und von verschiedenen Faktoren (z. B. Größe und galenischer Zubereitungsform der Suppositorien, Rektuminhalt, rektalem pH-Wert und Temperatur, Einführtiefe, Kolonblutfluss) abhängig (pharmakologische Daten von Paracetamol: . Tabelle 26.7). Paracetamol ist in üblichen Dosen gut verträglich. Zu beachten ist jedoch das Risiko der Hepatotoxizität, welches bei Vorliegen bestimmter Faktoren erhöht ist und insbesondere bei Kindern der Beachtung eines individuellen Risikoprofils bedarf.
. Tabelle 26.7. Pharmakologische Kenndaten von Paracetamol
18
Substanz
t1/2
tmax/oral
tmax/rektal
PEB
Bioverfügbarkeit
Metabolisierung
Elimination
19
Paracetamol
2–3 h
0,6 h
3–4 h (Erw.) 1,3–4,8 h (Kinder)
5–50%
70–100%
Hepatisch
Renal
20
t1/2 Plasmaeliminationshalbwertszeit; tmax Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmakonzentrationen nach oraler/rektaler Gabe; PEB Plasmaeiweißbindung.
26
287
26.2 · Analgetika
Risikofaktoren der Hepatotoxizität bei therapeutischer Anwendung von Paracetamol bei Kindern. Mod. nach [Kearns et al. 1998]. 5 Anhaltende Gabe von hohen Dosen (z. B. >90 mg/kgKG/Tag) an ein krankes Kind (mit z. B. rezidivieren dem/r Erbrechen/Diarrhö, geringer Nahrungsaufnahme), ≤ 2 Jahren für die Dauer von mehr als einem Tag 5 Weitere Risikofaktoren − Begleitmedikation mit enzyminduzierenden Medikamenten − Vorbestehende Lebererkrankung − Komedikation mit anderen frei verkäuflichen Paracetamol enthaltenden Produkten (z. B. Grippepräparate)
Aber auch bei Erwachsenen können bei vorgeschädigter Leber, chronischem Alkoholabusus, chronischer Mangelernährung und Dehydratation oder Einnahme von enzyminduzierenden Medikamenten schon therapeutische Dosen zum Leberschaden führen.
− Applikationsintervall: (4–)6(–8) h − Maximale Tagesdosis: 90 mg/kgKG für maximal 72 h 5 Kinder <6 Monate − Initialdosis: 20 mg/kgKG − Repetitionsdosis: 15 mg/kgKG − Applikationsintervall: 8 h − Maximale Tagesdosis: 60 mg/kgKG für maximal 48 h
Paracetamol i.v. (Perfalgan)
Paracetamol steht seit 2002 auch in Deutschland in einer intravenösen Verabreichungsform zur Verfügung, die sich gut zur postoperativen Analgesie eignet. Ein Vorteil im Vergleich zur rektalen Verabreichung ist der schnellere Wirkungseintritt; die maximale Wirkung ist nach einer Stunde erreicht. Im Vergleich zur oralen ist die intravenöse Gabe analgetisch effektiver. Perfalgan sollte als Kurzinfusion schon kurz vor Operationsende verabreicht werden. Pharmakologische Kenndaten s. . Tabelle 26.8.
Paracetamol i.v. (Perfalgan) 5 Erwachsene
Paracetamol (z. B. ben-u-ron) 5 Erwachsene
− Einzeldosis: 1 g − Maximale Tagesdosis: 4 g − Applikationsintervall 6 h 5 Kinder >6 Monate − Initialdosis rektal: 40 mg/kgKG; oral: 20 mg/kgKG, Repetitionsdosis: 15 mg/ kgKG
6
− 1 g als Kurzinfusion − Maximale Tagesdosis: 4 g − Applikationsintervall: >4 h (bei Niereninsuffizienz: 6 h) 5 Kinder und Jugendliche (zugelassen ab 1 Jahr) − Einzeldosis: 15 mg/kgKG als Kurzinfusion − Maximale Tagesdosis: 60 mg/kgKG − Applikationsintervall: 4–6 h
. Tabelle 26.8. Pharmakologische Kenndaten von Perfalgan Substanz
t1/2
tmax/i.v.
PEB
Metabolisierung
Elimination
Paracetamol i.v. (Perfalgan)
2–3 h
Innerhalb einer Stunde
Gering
Hepatisch
Renal
t1/2 Plasmaeliminationshalbwertszeit; tmax/i. v. Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmakonzentrationen nach intravenöser Gabe; PEB Plasmaeiweißbindung.
288
1
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
Metamizol
24
Metamizol hat von den antipyretisch wirkenden Analgetika die höchste analgetische Potenz. Zur Behandlung akuter Schmerzen in der postoperativen Phase wird Metamizol üblicherweise als Kurzinfusion verabreicht. Bei unzureichender Analgesie durch andere Therapieverfahren, wie z. B. Regionalanästhesieverfahren bietet sich auch die kontinuierliche Gabe über Perfusor an.
25
! Metamizol hat einen zentral vermittelten anal-
22 3
26 7 8 9 10 11 12
Extrem selten (1:106 Anwendungen) kann eine Agranulozytose auftreten. Im Vergleich dazu ist das Risiko unter Anwendung von Acetylsalicylsäure bzw. NSAID eine tödliche gastrointestinale Komplikation zu erleiden um einiges höher. Zu den Kontraindikationen zählen Porphyrie, Pyrazolallergie, Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel und Granulozytopenie. Pharmakologische Kenndaten von Metamizol: . Tabelle 26.9.
Metamizol (Novalgin)
getischen Wirkmechanismus, bei dem v. a. die Aktivierung deszendierender schmerzhemmender Systeme eine Rolle spielt. Auch eine zentrale Hemmung der Prostaglandinsynthese wird diskutiert.
5 Erwachsene
intravenös: − 1 g als Kurzinfusion − Maximale Tagesdosis: 5 g − Kontinuierliche Gabe (5 g ad 50 ml NaCl 0,9%): 2 ml/h oral/rektal: − Einzeldosis: 500–1000 mg − Applikationsintervall: 4–6 h 5 Kinder − Einzeldosis: 10 mg/kgKG (als Kurzinfusion) − Applikationsintervall: 4 h − Kontinuierliche Gabe: 30–75 mg/kgKG/ Tag
Aufgrund der fehlenden Wirkung auf die periphere Prostaglandinsynthese werden durch Metamizol weder gastrointestinale Nebenwirkungen verursacht noch die Thrombozytenaggregation beeinflusst. Eine zentrale Nebenwirkung von Metamizol sind die nach schneller intravenöser Bolusgabe beobachteten Blutdruckabfälle und Schockzustände aufgrund der relaxierenden Wirkung des Medikamentes auch auf die glatte Gefäßmuskulatur. ! Cave
13 14
Aus diesem Grund sollte Metamizol nie als intravenöser Bolus, sondern nur als Kurzinfusion über 15–30 min bzw. über Perfusor verabreicht werden.
Flupirtin Flupirtin ist ein zentral wirkendes Analgetikum, das keine Ähnlichkeit mit den bisher genannten Nichtopioiden bzw. den Opioiden aufweist.
15 16 . Tabelle 26.9. Pharmakologische Kenndaten von Metamizol
17 18 19 20
Substanz
t1/2
tmax/oral
tmax/rektal
tmax/i.v.
PEB
Bioverfügbarkeit
Metabolisierung
Elimination
Metamizol
14 min. (i.v), 2,7 h (oral)
1,1– 1,5 h
2,4 h
0,09 h
58%
90%
Hepatisch
Vorwiegend renal
t1/2 Plasmaeliminationshalbwertszeit; tmax Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmakonzentrationen nach oraler, rektaler, intravenöser Gabe; PEB Plasmaeiweißbindung.
26
289
26.2 · Analgetika
. Tabelle 26.10. Pharmakologische Kenndaten von Flupirtin Substanz
t1/2
tmax/oral
PEB
Bioverfügbarkeit
Metabolisierung
Elimination
Flupirtin
7 h (10 ha)
1,5–2,5h
ca. 84%
90% oral, 70% rektal
Hepatisch
69% renal, Rest biliär, fäkal
a Summe aus Muttersubstanz und aktivem Metaboliten. t1/2 Plasmaeliminationshalbwertszeit; tmax/oral Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmakonzentrationen nach oraler Gabe; PEB Plasmaeiweißbindung.
! Der Wirkmechanismus von Flupirtin ist nicht vollständig geklärt. Man vermutet eine Aktivierung des deszendierenden schmerzhemmenden Systems. Flupirtin weist zudem muskelrelaxierende Eigenschaften auf.
Die typischen Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Schwindel, Unruhe, Bewegungsstörungen, Übelkeit, Obstipation oder Diarrhoe, selten Schwitzen und Mundtrockenheit. Transaminasenerhöhungen werden vor allem bei längerdauernder Therapie beobachtet. Die Therapiedauer sollte daher maximal 4 Wochen betragen; danach sind regelmäßige Kontrollen der Transaminasen erforderlich. Pharmakologische Daten: . Tabelle 26.10.
Flupirtin (Katadolon) 5 Erwachsene
− Einzeldosis (rektal): 100–300 mg − Maximale Tagesdosis: 600 mg oral, 900 mg rektal − Applikationsintervall: 8 h 5 Kinder ab 6 Jahren − Einzeldosis rektal: 75 mg − Maximale Tagesdosis: 300 mg
! Opioide entfalten ihre Wirkung über Bindung an einen oder mehrere spezifische Rezeptoren (µ, δ, κ). Je nach Wirkung am Rezeptor (intrinsische Aktivität) werden sie in Agonisten, Partialagonisten, gemischte Agonisten/Antagonisten oder reine Antagonisten unterteilt.
! Morphin, Pethidin, Fentanyl, Piritramid sowie Tramadol zählen zu den Agonisten und reagieren v. a. mit dem µ-Rezeptor. Die Bindung an die Rezeptoren führt zur Hemmung der synaptischen Übertragung nozizeptiver Reize sowie zur Beeinträchtigung der Freisetzung exzitatorischer Aminosäuren aus Nervenendigungen.
Neben der einzig gewünschten Wirkung, der Analgesie, wird durch die Bindung an die Opioidrezeptoren eine Reihe von unerwünschten Wirkungen ausgelöst.
Nebenwirkungen der Opioide 5 Sedierung, Anxiolyse, Euphorie, Dysphorie 5 Atemdepression 5 Emesis, Antidiurese, Miosis, Obstipation,
Bronchokonstriktion 5 Effekte auf die glatte Muskulatur, Vasodi-
latation 5 Toleranzentwicklung
26.2.2 Opioidanalgetika
In der postoperativen Schmerztherapie spielen aufgrund der Potenz und besseren Verträglichkeit v. a. die stark wirksamen Opioide, und hier v. a. die µ-Rezeptoragonisten eine große Rolle (pharmakologische Daten: . Tabelle 26.11).
Die am meisten gefürchtete Nebenwirkung beim Einsatz von Opioiden ist die Atemdepression, aber grundsätzlich gilt:
290
1 22 3 24 25 26
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
. Tabelle 26.11. Pharmakologische Kenndaten von Tramadol, Piritramid und Morphin Substanz
t1/2
tmax/i.v.
PEB
Piritramid
4– 10 h
20 min. (s.c. 30 min.)
88%
Morphin
1,7– 4,5 h
20 min.
20– 35%
Tramadol
6h
20 min.
<5%
äquianalgetische Dosis
Metabolisierung
Elimination
15 mg
Hepatisch
Fäkal, 4% renal
30%
10 mg
Hepatisch
80% renal, 10% fäkal, biliär
70%
100mg
Hepatisch
90% renal
Bioverfügbarkeit
t1/2 Plasmaeliminationshalbwertszeit; tmax/i. v. Zeit bis zum Erreichen maximaler Plasmakonzentrationen nach intravenöser Gabe; PEB Plasmaeiweißbindung.
7 ! So lange im Rahmen der Gabe von Opioiden
8 9 10 11
noch Schmerzen bestehen, ist die Gefahr einer Atemdepression gering.
Weitere unerwünschte Wirkungen in der postoperativen Phase sind Übelkeit, Erbrechen und Sedierung. Übelkeit und Erbrechen treten nach Gabe von Piritramid relativ häufig, jedoch seltener als bei der Applikation von Morphin auf.
12
! Absolut kontraindiziert sind Opioide bei aku-
13
Bei eingeschränkter Lungenfunktion (Asthma, Lungenemphysem) ist aufgrund der möglichen Atemdepression und der Histaminfreisetzung Vorsicht geboten. Schlafapnoe und extreme Adipositas stellen ebenfalls besondere Risikofaktoren für eine Atemdepression dar. Bei einer Colitis ulcerosa kann wegen der spasmogenen Wirkung auf das Kolon die Perforationsgefahr erhöht sein. Bei diesen Risikopatienten sollte bei zu erwartenden starken postoperativen Schmerzen ein kontinuierliches Regionalanästhesieverfahren geplant werden.
14 15 16 17 18
ten hepatischen Porphyrien.
Tramadol
19 20
tive System. Tramadol ist als einziges der schwach wirksamen Opioide parenteral verabreichbar. Tramadol wird in der unmittelbar postoperativen Phase aufgrund seiner geringeren analgetischen Potenz selten routinemäßig eingesetzt. Im Vergleich zu den stark wirksamen Opioiden ist das Risiko einer Atemdepression geringer bei jedoch höherer Rate an Übelkeit und Erbrechen. Durch die Applikation als Kurzinfusion oder über Perfusor kann diese im Vergleich zur Bolusgabe gesenkt werden.
Tramadol ist ein schwach wirksames Opioid. Seine Potenz im Vergleich zu Morphin beträgt etwa 1/10. Neben der µ-und κ-Rezeptor-agonistischen Wirkung besteht eine Wirkung auf das deszendierende noradrenerge und serotoninerge antinozizep-
Tramadol (Tramal) 5 Erwachsene
− Einzeldosis (i.v.): 0,5–2 mg/kgKG (= 50– 100 mg) − Maximale Tagesdosis: 600 mg − Applikationsintervall: 4–6 h − Kontinuierliche Gabe: (500 mg ad 50 ml NaCl 0,9%): Initialdosis: 1,5 mg/kgKG für 15 min Erhaltungsdosis: 20 mg/h Vorher: Paspertin 10 mg i.v. Dosisreduktion bei Patienten mit reduziertem AZ (10–15 mg/h) 5 Kinder − Einzeldosis (i.v.): 0,5–1 mg/kgKG − Maximale Tagesdosis (i.v.): 6 mg/kgKG − Applikationsintervall: 4–6 h − Kontinuierliche Gabe: 0,25 mg/kgKG/h
291
26.3 · Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie
Piritramid In Deutschland wird in der postoperativen Schmerztherapie Piritramid bevorzugt eingesetzt. Pethidin ist aufgrund der begleitenden Kreislaufdepression und Morphin aufgrund der Histaminfreisetzung, die zu Blutdruckabfällen führen kann, in der postoperativen Phase etwas weniger günstig. Beide Substanzen gehen mit einem im Vergleich zu Piritramid erhöhten Risiko einer Atemdepression einher. Im Vergleich zu Morphin ist Piritramid etwas schwächer analgetisch wirksam (0,7:1), wirkt aber stärker sedierend bei geringer Rate an Übelkeit und Erbrechen. Piritramid wird titrierend nach Wirkung (bis 15 mg) verabreicht. Auf der Station bietet sich die subkutane Gabe an. Bei Patienten mit hohem Bedarf im Aufwachraum empfiehlt sich die Applikation über eine PCA-Pumpe.
Piritramid (Dipidolor) 5 Erwachsene
− Intravenös: 0,1–0,3 mg/kgKG (Titration in 3-mg-Schritten bis 15 mg) − Subkutan: 7,5–15 mg − Applikationsintervall: 4–6 h 5 Kinder − Bolus: 0,025 mg/kgKG − Maximal 0,1 mg/kgKG
26.3
26
Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie
26.3.1 Patientenkontrollierte Analgesie mit
intravenösen Opioiden (i.v.-PCA) Das Prinzip der i.v.-PCA beruht auf bedarfsweisen intermittierenden intravenösen Bolusgaben eines Opioids (zumeist Piritramid) mittels eines mikroprozessorgesteuerten und programmierbaren Gerätes durch den Patienten selbst. Im Aufwachraum werden initiale Bolusdosen bis zum Eintritt einer deutlichen Schmerzlinderung verabreicht, danach wird der Patient aufgefordert, sich bei Bedarf selbst Boli mittels Knopfdruck zu verabreichen. Die PCA-Pumpe wird so programmiert, dass sich der Patient nur geringe Einzeldosen applizieren kann. Zur Begrenzung der Gesamtdosis und zur Verhinderung von möglichen Nebenwirkungen werden ein Sperrintervall sowie eine 4-Stunden-Maximaldosis eingestellt. Niedrige Boli und kurze Sperrintervalle sind hinsichtlich der Nebenwirkungen günstiger als höhere Boli. Bei diesem Vorgehen werden opioidbedingte Zwischenfälle nur selten beobachtet. Eine kontinuierliche Hintergrundinfusion erhöht die Rate an Komplikationen und ist nur in Einzelfällen, z. B. bei chronischer Opioidtherapie, indiziert. ! Für Patienten mit respiratorischer Insuffizienz
! Bei Kindern ist nach der letzten Bolusgabe eines Opioids eine Überwachung im Aufwachraum für mindestens 30 min zu gewährleisten.
Morphin Bei Einsatz von Morphin gelten die folgenden Dosierungsempfehlungen.
oder nicht behandelter Hypovolämie ist die i.v.-PCA mit Opioiden nicht geeignet.
! Die Überwachung von Vigilanz und Vitalfunktionen ist in regelmäßigen Abständen erforderlich. Eine kontinuierliche Überwachung von EKG und SaO2 ist nicht erforderlich. Die Effektivität der Therapie sowie mögliche Nebenwirkungen müssen überprüft werden und die Therapie ggf. angepasst werden.
Morphin (MSI) 5 Erwachsene
− Einzeldosis (i.v./subkutan): 5–10 mg − Applikationsintervall: 4–6 h 5 Kinder − Einzeldosis (i.v.): 0,05–0,1 mg/kgKG − Applikationsintervall: 4–6 h
Auch bei älteren Kindern (ab ca. 5–6 Jahren) kann bei entsprechenden Voraussetzungen eine intravenöse Opioidanalgesie mittels PCA-Pumpe durchgeführt werden. In den . Tabellen 26.12 und 26.13 wird eine Empfehlung für die Basiseinstellung einer Opioid-PCA bei Kindern und Erwachsenen gegeben.
292
1
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
. Tabelle 26.12. Basiseinstellung einer i.v.-PCA beim Erwachsenen
22 3 24 25 26 7
Piritramid
Morphin
Bolus
1–2 mg (1,5 mg)
1–2 mg
Sperrzeit
10 min
10 min
4-h-Maximaldosis
30 mg
25 mg
Konzentration
2 mg/ml
2 mg/ml
Bei älteren Patienten ggf. Dosisreduktion.
. Tabelle 26.13. Basiseinstellung einer i.v.-PCA mit Piritramid bei Kindern Piritramid
8 9 10 11 12
Bolus
0,02 mg/kgKG
Sperrzeit
10 min
4-h-Maximaldosis
0,5 mg/kgKG
Konzentration
1 mg/ml
Die Schmerztherapie mittels einer i.v.-PCA ist an bestimmte organisatorische Voraussetzungen geknüpft und sollte der anästhesiologischen Verantwortung unterliegen.
13 26.3.2 Kontinuierliche Regionalanästhesie-
14 15 16 17 18
verfahren Regionalanästhesieverfahren zählen zu den effektivsten Techniken in der postoperativen Schmerztherapie. Der Vorteil der in Regionalanästhesie durchgeführten Operationen liegt in der Schmerzfreiheit in der frühen postoperativen Phase. Bei Katheterverfahren kann die Analgesie über mehrere Tage fortgeführt werden ohne die Nebenwirkungen systemischer Analgetika in Kauf nehmen zu müssen.
19
Rückenmarknahe Verfahren (Epiduralanalgesie)
20
Über einen im lumbalen Epiduralraum liegenden Katheter werden entweder intermittierend – oder besser mittels kontinuierlicher Infusion – Lokal-
anästhetika, ggf. mit Opioidzusatz, appliziert. Die Epiduralanalgesie kann auch mittels eines patientenkontrollierten Verfahrens (PCEA) durchgeführt werden. Die Epiduralanalgesie ist bei Eingriffen mit starken postoperativen Schmerzen, wie z. B. in der Endoprothetik von Hüft- und Kniegelenk, der intravenösen PCA mit Opioiden überlegen. Sie bietet den Vorteil einer exzellenten Analgesie bei gleichzeitiger Reduktion verschiedener postoperativer Komplikationen: die pulmonale Funktion wird verbessert, kardiovaskuläre Risiken und das Thromboserisiko werden vermindert. Als mögliche Komplikationen unter kontinuierlicher Epiduralanalgesie treten nicht selten, v. a. bei Patienten mit Volumenmangel, behandlungsbedürftige Hypotensionen auf. Ebenso können durch die Wirkung der Lokalanästhetika sensorische und motorische Funktionen beeinträchtigt sein. Die motorische Blockade ist grundsätzlich wegen der erschwerten Mobilisation nicht erwünscht. Sie kann durch Verwendung niedriger Lokalanästhetikakonzentrationen vermindert werden. Auch der Ersatz von Bupivacain durch Ropivacain oder Lidocain kann die motorische Blockade reduzieren. Die Zugabe eines Opioids zum Lokalanästhetikum verbessert die Analgesie ohne die Herzkreislauffunktion oder die Motorik negativ zu beeinflussen. Sowohl Morphin, als auch Fentanyl oder Sufentanil werden zu diesem Zweck eingesetzt. In der Regel wird bei Eingriffen an der unteren Extremität kein Opioidzusatz gewählt. Die Höchstdosen der Substanzen bei kontinuierlicher epiduraler Anwendung sind . Tabelle 26.14 zu entnehmen. ! Cave Eine Epiduralanalgesie sollte niemals mit einer systemischen Gabe von stark wirksamen Opioiden kombiniert werden, da dadurch die Gefahr einer Atemdepression erhöht wird.
Es besteht ein Infektionsrisiko; daher sollte die Liegedauer des Katheters auf maximal 5 Tage beschränkt sein.
293
26.3 · Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie
. Tabelle 26.14. Höchstdosen der Lokalanästhetika und Opioide bei kontinuierlicher epiduraler Infusion Substanz
Höchstdosis
Bupivacain 0,125%
0,4 mg/kgKG/h = 22 ml Bupivacain 0,125%/h bei 70 kgKG
Lidocain 0,5%
1 mg/kgKG/h = 14 ml Lidocain 0,5% bei 70 kgKG
Ropivacain 0,2%
Bis 25 ml/h
Fentanyl (1–2 µg/ml)
25–50 µg/h (0,4–0,7 µg/ kgKG/h)
Sufentanil (1 µg/ml)
10–20 µg/h (0,1–0,3 µg/ kgKG/h)
! Ganz zentral ist die regelmäßige Überprüfung von Motorik und Sensibilität um etwaige neurologische Komplikationen wie z. B. ein epidurales Hämatom schnellstmöglichst zu erfassen und der Diagnostik und Therapie zuzuführen.
Erforderliche Überwachung bei Epiduralanalgesie 5 Vitalfunktionen (Herz, Kreislauf, Atmung,
5 5 5 5 5
Vigilanz) Bei Opioidzusatz zusätzlich Pulsoxymetrie aufgrund des Risikos der Atemdepression Schmerzintensität Motorik und Sensibilität (Bromage, Analgesieniveau) Blasen- und Mastdarmfunktion Begleitsymptome, Hinweise für Toxizität Nach Bolusinjektion ist eine 30-minütige Überwachung von Kreislauf, Vigilanz, Motorik und des Analgesieniveaus erforderlich
Die Epiduralanalgesie kann entweder kontinuierlich oder mittels Bolusgaben erfolgen. Ist z. B. bei Gelenkmobilisationen eine Schmerzfreiheit v. a. während der krankengymnastischen Beübung erforderlich, ist eine vorherige Bolusgabe ausreichend. Bei kontinuierlicher Gabe sind aufgrund
26
der niedrigeren Konzentration des Lokalanästhetikums die Risiken möglicher Beeinträchtigungen und Komplikationen (Herz, Kreislauf, Motorik, Toxizität) geringer.
Kontinuierliche periphere Leitungsanästhesie Im Vergleich zur Epiduralanalgesie bietet die kontinuierliche Leitungsanästhesie (z. B. Psoaskompartment-, Femoralis-, interskalenärer, axillärer Plexuskatheter) einige Vorteile. Schwerwiegende neurologische Komplikationen werden extrem selten beobachtet, die Ausbreitung ist vorhersehbar, aufgrund der einseitigen Wirkung bleibt die Mobilität des Patienten erhalten. Es besteht keine Gefahr der Atemdepression und, da die sympathikolytische Wirkung auf eine Extremität beschränkt bleibt, auch keine wesentliche Kreislaufwirkung. Besonders geeignet sind periphere Kathetertechniken bei Eingriffen an der Schulter (interskalenärer Katheter), die erfahrungsgemäß mit einer hohen Schmerzintensität verbunden sind, ebenso bei Eingriffen an Hüfte und Knie. Besonders bei der Knieendoprothetik werden Psoaskompartment- oder Femoraliskatheter aufgrund des mobilitätsfördernden Einflusses bei geringem Komplikationsrisiko sehr günstig beurteilt. Zur kontinuierlichen Applikation kommen die langwirkenden Lokalanästhetika Bupivacain und Ropivacain zum Einsatz (Dosierung: . Tabellen 26.15 und 26.16). Die Betreuung kontinuierlicher peripherer Leitungsanästhesien sollte ebenfalls durch den Anästhesisten erfolgen. Regelmäßige Visiten zur Überprüfung der Katheterlage, der Analgesie und möglicher Komplikationen sind erforderlich.
294
1 22
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
. Tabelle 26.15. Dosierungsempfehlungen für die kontinuierliche postoperative Leitungsanästhesie. (Mod. nach [Mehrkens]) Verfahren
Intermittierende Bolusgaben
Kontinuierliche Gabe
Plexus-brachialis-Katheter (axillär, VIB, interskalenär)
Ropivacain 0,2(–0,375)%: 20 ml 8–12 stdl. alternativ: Bupivacain 0,125–0,25%
Ropivacain 0,2(–0,375)%: 5–15 ml/h alternativ: Bupivacain 0,125–0,25%
Femoralis-, Ischiadikus-, Psoaskompartmentkatheter
Ropivacain 0,2(–0,375)%: 20 ml 4–6 stdl. alternativ: Bupivacain 0,125–0,25%
Ropivacain 0,2(–0,375)%: 5–15 ml/h alternativ: Bupivacain 0,125–0,25%
3 24 25 26 7 8 9 10
. Tabelle 26.16. Höchstdosen der Lokalanästhetika bei kontinuierlicher Leitungsanästhesie
11
Substanz
Höchstdosis
Bupivacain
30 mg/h
Ropivacain
37,5 mg/h
12
26.3.3 Differenzialindikation
Der Einsatz der verschiedenen Verfahren zur postoperativen Analgesie differiert von Klinik zu Klinik und ist u. a. von den vorhandenen organisatorischen Strukturen abhängig (Wachzimmer, Vorhandensein eines Akut-Schmerz-Dienstes). Die Indikationen für die verschiedenen Verfahren sind . Tabellen 26.17 und der folgenden Übersicht zu entnehmen.
Indikationen für eine i.v.-PCA mit Opioiden 5 5 5 5 5 5 5 5 5
a
Gelenkmobilisationena Gelenkersatza (Knie-TEP, TEP-Wechsel Hüfte) Kreuzbandplastika Acetabulumfraktur Schulteroperationena Amputationa Polytrauma Opioidgewohnte Patienten Ausgedehnte Osteosynthesen und/oder Weichteilverletzungena
wenn keine Regionalanästhesie möglich
Die Dokumentation der Schmerztherapie sowie der überwachten Parameter erfolgt auf speziellen Bögen (. Abb. 26.3).
13 14
. Tabelle 26.17. Mögliche Indikationen für eine kontinuierliche Regionalanästhesie
15 16
Operation
Analgesieverfahren
Operation an Ellbogen, Hand: Arthrolyse, Mobilisierung
Armplexuskatheter (axillär, VIB)
Schulteroperation/-mobilisierung
Interskalenärer Katheter
17
Knie-TEP
Epidural-, Femoralis-, (Psoaskompartment)katheter, ggf. Kombination mit Ischiadikuskatheter
18
Amputation
Epidural-, Femoralis-/Ischiadikus-, Armplexuskatheter
Knie-Rezidiveingriffe, Kniegelenkmobilisation
Epidural-, Femoralis-, (Psoaskompartment)katheter, ggf. Kombination mit Ischiadikuskatheter
TEP-Wechsel
Epidural-, Psoaskompartmentkatheter
Größere Osteosynthesen der unteren Extremität
Epidural-, Femoralis-, Ischiadikuskatheter (je nach Lokalisation)
19 20
26.3 · Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie
295
26
. Abb. 26.3a. Dokumentation spezieller Analgesieverfahren wie i.v.-PCA oder kontinuierliche Regionalanästhesien. a Ärztliche Anordnung der Schmerztherapie (Akutschmerzbogen der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Mainz)
1 22 3 24 25 26 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
296
Kapitel 26 · Postoperative Schmerztherapie
. Abb. 26.3b. Dokumentation spezieller Analgesieverfahren wie i.v.-PCA oder kontinuierliche Regionalanästhesien. b Dokumentation der Überwachung (Akutschmerzbogen der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Mainz)
Literatur
Literatur Allens HW, Liu SS, Ware PD, Nairn CS, Owens BD (1998) Peripheral nerve blocks improve analgesia after total knee replacement surgery. Anesth Analg 87: 93–97 Arbeitskreis Akutschmerz der DGSS (2001) Empfehlungen zur Akutschmerztherapie. Manual für Kliniken. Deutscher Schmerzverlag, Köln Beck DH, Schenk MR, Hagemann K, Doepfmer UR, Kox WJ (2000) The pharmacokinetics and analgesic efficacy of larger dose rectal acetaminophen (40 mg/kg) in adults: a double-blinded, randomized study. Anesth Analg 90: 431–436 Brodner G, Pogatzki E, van Aken H (1997) Ein modernes Konzept zur postoperativen Schmerztherapie.Anästhesist 46: S124–S131 Brune K, Beck WS (1993) Nichtopioidanalgetika. In: Zenz M, Jurna I (Hrsg.) Lehrbuch der Schmerztherapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart Büttner J, Meier G (1999) Kontinuierliche periphere Techniken zur Regionalanästhesie und Schmerztherapie – obere und untere Extremität. Uni-Med, Bremen Büttner W, Breitkopf L, Miele B (1990) Erste Ergebnisse der Zuverlässigkeit und Gültigkeit einer deutschsprachigen Skala zur quantitativen Erfassung des postoperativen Schmerzes beim Kleinkind. Anästhesist 39: 593–602 Büttner W (1998) Die Erfassung des postoperativen Schmerzes beim Kleinkind. Arcis, München Cook P, Stevens J, Gaudron C (2003) Comparing the effects of femoral nerve block versus femoral and sciatic nerve block on pain and opiate consumption after total knee arthroplasty. J Arthroplasty 18: 583–586 Chelly JE, Greger J, Gebhard R et al. (2001) Continuous femoral blocks improve recovery and outcome of patients undergoing total knee arthroplasty. J Arthroplasty 16: 436– 445 Choi PT, Bhandari M, Scott J, Douketis J (2003) Epidural analgesia for pain relief following hip or knee replacement. Cochrane Database Syst Rev 3: CD003071 Dahl V, Raeder JC (2000) Non-opioid postoperative analgesia. Acta Anaesthesiol Scand 44: 1191–1203 Haas DA (2002) An update on analgesics for the management of acute postoperative dental pain. J Can Dent Assoc 68: 476–482 Hinz B, Brune K (2002) Pharmakologie: Analgetika. In: Beck H, Martin E, Motsch J, Schulte am Esch J (Hrsg.) Schmerztherapie AINS, Band 4. Thieme, Stuttgart Huber H, Sittl (Hrsg.) Postoperative Schmerztherapie: Grundlagen und medikamentöse Therapiekonzepte. Merck KgaA Pharma Deutschland, Darmstadt Kearns GL, Leeder JS, Wassermann GS (1998) Acetaminophen overdose with therapeutic intent. J Pediatr 132: 5–8 Jage J (1997) Schmerz nach Operationen: Ein Leitfaden zur Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
297
26
Jage J, Hartje H (1997) Postoperative Schmerztherapie Teil I. Anästhesist 46: 65–77 Jage J, Hartje H (1997) Postoperative Schmerztherapie Teil II. Anästhesist 46: 161–173 Mantzke US, Brambrink AM (2002) Paracetamol im Kindesalter. Aktueller Wissensstand und Hinweise für einen rationalen Einsatz zur postoperativen Analgesie. Anästhesist 51: 735–746 Schmidt H, Geisslinger G (2001) Selektive Cyclooxygenase-2Hemmer. Pharmakologie und Kenntnisstand nach Markteinführung. Schmerz 15: 207–219 Romsing J, Moiniche S, Dahl JB (2002) Rectal and parenteral paracetamol, and paracetamol in combination with NSAID for postoperative analgesia. Br J Anaesth 88: 215– 226 Scholz J, Steinfath M, Koch C, Rundshagen I (1997) Pharmakologische Grundlagen der postoperativen Schmerztherapie. Epidurale Opioidapplikation. Anästhesist 46: S154– S158 Singelyn FJ, Deyaert M, Joris D, Pendeville E, Gouverneur JM (1998) Effects of intravenous patient-controlled analgesia with morphine, continuous epidural analgesia, and continuous three-in-one block on postoperative pain and knee rehabilitation after unilateral total knee arthroplasty. Anesth Analg 87: 88–92 Wiesner G, Gruber M, Wild K, Hoerauf K, Taeger K (1999) Protein binding of piritramide: influence of various protein concentrations and the postoperative acute phase response. Eur J Clin Pharmacol 54: 843–845
27 Aufwachraum B. Richter
27.1
Apparative und personelle Ausstattung des Aufwachraums – 300
27.2
Übergabe und Überwachung
27.3
Entlassung
27.3.1
Entlassungskriterien – 301
27.3.2
Übergabe – 302
27.4
Management typischer Komplikationen im Aufwachraum – 302
Literatur
– 303
– 300
– 301
1 22 3 24 25 6 27 8 9
300
Kapitel 27 · Aufwachraum
27.1
Apparative und personelle Ausstattung des Aufwachraums
Postoperativ ist eine kontinuierliche und den Bedürfnissen des Patienten angepasste Überwachung erforderlich, bis alle Vitalfunktionen (Oxygenierung, Herzkreislauffunktion, Bewusstseinslage und Temperatur) vollständig wiederhergestellt sind. Die Verantwortung für das Wohlergehen des Patienten in der Phase nach Ende der Operation trägt der betreuende Anästhesist. Die postoperative Überwachung erfolgt in entsprechend ausgestatteten Aufwachräumen (AWR; . Abb. 27.1). Die personellen und apparativen Anforderungen sind durch Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und des Bundes Deutscher Anästhesisten (BDA) festgelegt. Ein postoperativer Überwachungsplatz bietet die folgenden Monitoringmöglichkeiten:
Monitoring im AWR 5 EKG 5 Nichtinvasive und invasive Blutdruckmes-
sung 5 O2-Sättigung 5 Temperaturmessung
Zusätzlich müssen im Aufwachraum ein Beatmungsbeutel, Gesichtsmasken, ein Beatmungsgerät, Kapnometrie und Defibrillator vorhanden sein. Es ist wünschenswert, dass für die Betreuung eines Patienten eine Anästhesiefachpflegekraft zur Verfügung steht. Nur bei Patienten mit stabilen Vitalparametern kann eine Pflegekraft die Betreuung weiterer Patienten übernehmen. Im Fall auftretender Komplikationen muss immer gewährleistet sein, dass eine weitere Pflegekraft und ein Anästhesist hinzugezogen werden können.
10 27.2
11
Die Übergabe des Anästhesisten an das weiterbetreuende Pflegepersonal beinhaltet: 5 Persönliche Daten des Patienten, 5 Art der Anästhesie, 5 anästhesiologische Besonderheiten, 5 relevante Vorerkrankungen, wichtige präoperative Faktoren (z. B. Verhaltensauffälligkeiten), 5 Art der Operation, Name des Operateurs, 5 intraoperative Besonderheiten, spezielle Anordnungen des Operateurs (z. B. zur Lagerung oder Öffnung noch geschlossener Redondrainagen), möglicher zu erwartender Blutverlust über Redondrainagen oder große Wundflächen, 5 schriftlich festgehaltene Anordnungen zu Überwachungsmodalitäten, O2-Gabe, Infusions- und Schmerztherapie, ggf. weitere medikamentöse Therapie.
12 13 14 15 16 17 18 19 20
Übergabe und Überwachung
. Abb. 27.1. Beispiel für einen Überwachungsplatz im Aufwachraum
Die Vitalparameter und die Schmerzintensität werden in 5- bis 10-minütigen Intervallen, der Blutverlust über die Wunddrainagen und ggf. die
301
27.3 · Entlassung
27
. Abb. 27.2. Aufwachraumprotokoll der Klinik für Anästhesiologie der Johannes-GutenbergUniversität Mainz
Diurese in halbstündlichen Intervallen auf entsprechenden Aufwachraumprotokollen dokumentiert. Therapeutische Anordnungen und deren Durchführung werden ebenfalls auf diesen Protokollen vermerkt (. Abb. 27.2).
27.3
Entlassung
27.3.1 Entlassungskriterien
Die Entlassung des Patienten auf die chirurgische Normalstation erfolgt, wenn die Vitalparameter stabil sind und der Patient weitestgehend schmerzfrei ist. Der Patient muss wach und kooperativ, die Oxygenierung und die Kreislaufpara-
302
Kapitel 27 · Aufwachraum
24
meter normwertig, bzw. den präoperativen Werten entsprechend sein. Die angegebene Schmerzstärke sollte auf der numerischen Rating-Skala (NRS) von 0–100 Werte zwischen 20 und 30 in Ruhe nicht übersteigen. Die weitere Schmerztherapie wird durch die Kollegen der chirurgischen Klinik oder durch die Betreuung durch einen Akutschmerzdienst der Anästhesiologie gewährleistet (7 Kap. 26).
25
! Die Entlassung des Patienten aus der anästhesi-
1 22 3
6 27 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
ologischen Obhut erfolgt durch einen erfahrenen Anästhesisten (Facharztstandard), der sich anhand des klinischen Zustandes des Patienten und der Dokumentation des operativen und postoperativen Verlaufes von der Stabilität des Wohlergehens des Patienten überzeugt hat.
Die Dauer der postoperativen Überwachung im Aufwachraum richtet sich nach dem Narkoseverfahren und dem Zustand des Patienten. Patienten nach peripheren Leitungsanästhesien können in der Regel nach einer kurzen Überwachungsphase von 10–20 min bei stabilen Vitalparametern auf die Normalstation entlassen werden. Bei rückenmarknahen Anästhesieverfahren ist eine Verlegung erst nach Absinken des Anästhesieniveaus (um ≥2 Segmente) unter Th10 möglich. Nach einer Allgemeinanästhesie mit Gabe von Muskelrelaxanzien und Opioiden ist eine längere Überwachung erforderlich, mindestens 20–30 min bei Patienten ohne relevante Vorerkrankungen und Einsatz kurzwirksamer Substanzen. Bei den meisten Patienten ist jedoch eine Aufwachraumzeit von mindestens 40–60 min notwendig. Bei der Betreuung von Kindern im Aufwachraum wirkt sich die Anwesenheit eines Elternteils sehr positiv auf das Aufwachverhalten der kleinen Patienten aus. ! Bei Kindern sollten die Vitalparameter wegen der Gefahr der Atemdepression mindestens 30 min nach der letzten Opioidgabe überwacht werden.
27.3.2 Übergabe bei Entlassung
Die Übergabe des Patienten aus der anästhesiologischen in die stationäre Überwachung erfolgt von dem im Aufwachraum tätigen Anästhesiefachpersonal an examiniertes Krankenpflegepersonal der Station. Die Übergabe beinhaltet die mündliche Weitergabe operativer und postoperativer Besonderheiten, anästhesiologisch relevanter Vorkommnisse (z. B. passagere Störungen der Vitalparameter, Verlauf von Regionalanästhesien etc.) sowie die Übergabe der schriftlichen Dokumentation des Narkoseverlaufs und der postoperativen Überwachung im AWR. Bei rückenmarknahen Anästhesieverfahren ist darauf hinzuweisen, dass auf Spontanmiktion und eine Rückbildung des Anästhesieniveaus zu achten ist.
27.4
Management typischer Komplikationen im Aufwachraum
Häufig auftretende Komplikationen bei Patienten nach unfallchirurgischen Eingriffen sind starke postoperative Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Kreislaufstörungen z. B. aufgrund eines hohen Blutverlustes sowie Shivering nach langen Operationen. Eine Vielzahl der Komplikationen können durch ein vorrausschauendes intraoperatives Management vermieden bzw. in ihrer Schwere gemindert werden. Komplikationen, die einer postoperativen intensivmedizinischen Therapie bedürfen, sind selten. Die kontinuierliche Überwachung im Aufwachraum durch anästhesiologisches Fachpersonal und das schnelle therapeutische Eingreifen bieten Sicherheit für das Wohlergehen des Patienten und vermeiden eine erhöhte postoperative Morbidität. Bei größeren postoperativen Blutverlusten können die unfallchirurgischen Kollegen schnell hinzugezogen werden und evtl. notwendige chirurgische Interventionen zügig erfolgen. ! Kontinuierliche Überwachung – schnelles therapeutisches Handeln!
Literatur
. Tabelle 27.1 bietet einen Überblick der häu-
figsten postoperativen Komplikationen, die nach traumachirurgischen Eingriffen auftreten können, deren Ursachen und das entsprechende Management. . Tabelle 27.2 listet häufig im AWR eingesetzte Medikamente auf. Für das Management seltener Zwischenfälle (maligne Hyperthermie, Stoffwechselentgleisungen etc.) wird auf die allgemeinanästhesiologische Fachliteratur verwiesen.
Literatur AWMF online – Leitlinie Anästhesiologie: Leitlinie zur postoperativen Überwachung. www.awmf-leitlinien.de Kluger MT, Bullock MFM (2002) Recovery room incidents: a review of 419 reports from the Anaesthetic Incident Monitoring Study (AIMS). Anaesthesia 57: 1060–1066 Peskett MJ (1999) Clinical indicators and other complications in the recovery room or postanaesthetic care unit. Anaesthesia 54: 1143–1149 Ponhold H, Vincenzi MN (1998) Incidence of bradycardia during recovery from spinal anaesthesia: influence of patient position. Brit J Anaesth 81: 723–726 Schüttler J, Biermann E (2003) Der Narkosezwischenfall. Georg Thieme, Stuttgart New York
303
27
304
1 22 3
Kapitel 27 · Aufwachraum
. Tabelle 27.1. Übersicht typischer postoperativer Komplikationen Komplikation
Mögliche Symptome
Mögliche Ursachen (Differenzialdiagnostik)
Optionen für das Management im AWR
Hypoxie
5 Geringe Atem-
5 Störung des Atemantriebes
5 O2-Gabe (Nasensonde,
5 5
24
5 5
25 6
frequenz Lippenzyanose Abfall der peripheren O2-Sättigung Stridor Pathologischer Auskultationsbefund
5
27 5
8 9
5
10
5
(Medikamentenüberhang, zerebrale Ischämie, Hyperkapnie) Störung der Atemmechanik (Verlegung der Atemwege, Schwellung der Glottis nach ITN, Laryngo-, Bronchospasmus, Muskelschwäche infolge eines Relaxanzienüberhanges, zu hohe Ausbreitung einer rückenmarknahen Regionalanästhesie) Störung des Gasaustausches (Aspiration, Lungenödem, »negative pressure pulmonary edema« [NPPE], Lungenembolie) Verschlechterung vorbestehender pulmonaler Erkrankungen Nach VIB
11 12
Anämie/ Hypovolämie
5 Blässe 5 Hypotonie 5 Tachykardie
13 14 15 16 17 18 19 20
Herz-Kreislauf-Komplikationen
Hypotonie
Gesichtsmaske) 5 Atemstimulation,
Esmarch-Handgriff 5 Erkennen und Beseitigung der
zugrundeliegenden Störung − Ggf. Antagonisierung bei Medikamentenüberhang (Medikamente s. unten) − Ggf. nichtinvasive Beatmungsformen (nasale CPAP-Maske, GesichtsCPAP-Maske) − Ggf. Reintubation und kontrollierte Beatmung − Ggf. Beginn medikamentöser Therapie (Bronchodilatation: inhalativ, i. v., antiödematöse Therapie) − Bei Verdacht auf Spannungspneumothorax: sofortige Punktion des Pleuraraumes, Anlage einer Thoraxsaugdrainage 5 Ggf. intensivmedizinische Betreuung 5 Ggf. weitere Diagnostik (BGA, Röntgen Thorax, CT)
5 Intraoperativer Blutverlust 5 Sichtbar: postoperativer Blut-
5 Rücksprache mit Operateur: chirurgi-
verlust über Drainagen 5 Nicht sofort sichtbar: Blutungen ins Wundgebiet, ggf. Schwellung und Hämatom 5 Gerinnungsstörungen
5 Kreislaufstabilisierung: Volumensubsti-
5 Noch vorhandener vasodila-
5 Trendelenburglagerung (Cave bei
5 5 5
5 5 5
tierender Anästhetikaeffekt Volumendefizit Anämie Sympathikolyse bei rückenmarknahen Narkoseverfahren Kardiale Dekompensation Septischer Schock (selten) Anaphylaktischer Schock, verzögerte Einschwemmreaktionen nach Palakosapplikation, Fettembolie (selten)
sche Intervention erforderlich? tution, Transfusion von Blutprodukten 5 Hämoglobinbestimmung 5 Ggf. Kontrolle der Gerinnungspara-
meter (Quick, PTT, TZ, ATIII, Fibrin, Thrombozyten)
rückenmarknahen Narkoseverfahren und kardialer Dekompensation) 5 Kreislaufstabilisierung: Volumensubstitution, Transfusion von Blutprodukten 5 Ggf. medikamentöse Therapie: (z. B. Etilefrin 1 mg-weise, Medikamente s. unten) 5 Bei Verdacht auf kardiale Dekompensation »Herzlagerung« (Oberkörperhochlage)
305
27.3 · Entlassung
27
. Tabelle 27.1. (Fortsetzung) Komplikation
Mögliche Symptome
Mögliche Ursachen (Differenzialdiagnostik)
Optionen für das Management im AWR
Hypertonie
5 Schmerz 5 Entgleisung einer vorbeste-
5 Analgetische Therapie (7 Kap. 26) 5 Antihypertensive Therapie (Medika-
henden arteriellen Hypertonie 5 Hyoxämie/Hyperkapnie
5 O2-Gabe
Rhythmusstörungen, z. B. Bradykardie, Tachykardie, Arrhythmie
5 Elektrolytstörungen, 5 5
5 5
Akutes Koronarsyndrom
pH-Verschiebungen Hypoxämie/ Hyperkapnie Anästhesieniveau >Th4 bei rückenmarknahen Narkoseverfahren Toxische Lokalanästhetikawirkungen Koronare Herzkrankheit
5 Angina pectoris 5 Herzinfarkt
mente s. unten)
5 O2-Gabe 5 Blutgasanalyse zur Bestimmung der
Kalium- und Kalziumkonzentrationen 5 Ggf. langsamer Elektrolytausgleich –
nur bei schweren Elektrolytverschiebungen unter engmaschiger Kontrolle!
5 O2-Gabe 5 Vasodilatanzien unter engmaschiger
Blutdruckkontrolle 5 Ggf. kontinuierliche arterielle Blut-
druckmessung 5 12-Kanal-EKG 5 Laborchemische Infarktdiagnostik
(Troponin T) 5 Weitere intensivmedizinische
internistische Therapie Übelkeit/ Erbrechen
5 Übelkeit 5 Erbrechen
5 Hypotonie 5 Hypoxämie 5 Medikamente: Opioide,
5 Therapie der Ursache 5 Antiemetische Therapie s. unten
Antibiotika 5 Psychische Faktoren 5 Schmerzen
Shivering
Neurologische Störungen
5 Zittern 5 Hypothermie
5 Intraoperatives Auskühlen
5 Vigilanzminderung 5 Durchgangs-
5 Metabolische Störungen: Hy-
des Patienten 5 Störung der Temperaturregulation 5 Anticholinerge Therapie
syndrom 5 Neurologisches Defizit 5
5 5 5
poxie und Hyperkapnie, Hypo-/Hyperglykämie, Azidose, Alkalose, Hyponatriämie, Hypermagnesiämie Endokrinologische Störungen: Hypothyreose, Nebenniereninsuffizienz, alkoholische Enzephalopathie Passagere zerebrale Minderperfusion Ischämischer Insult Hämorrhagischer Insult
5 5 5 5
O2-Gabe Wärmezufuhr z. B. Warm Touch Angewärmte Infusionslösungen Ggf. Clonidin
5 Neurologischer Status (Vergleich mit
präoperativem Befund) 5 O2-Gabe, Kreislaufkontrolle bzw. -sta-
5 5 5 5
bilisierung (Blutdruckwerte im oberen Normbereich anstreben, mittlerer arterieller Druck >100 mmHg) BGA zur Diagnose metabolischer Störungen Anamnestische Hinweise auf endokrinologische Erkrankung beachten Ggf. neurologisches Konsil Ggf. kraniale Computertomografie
306
1 22 3
Kapitel 27 · Aufwachraum
. Tabelle 27.1. (Fortsetzung) Komplikation
Mögliche Symptome
Mögliche Ursachen (Differenzialdiagnostik)
Optionen für das Management im AWR
Harnverhalt
5 Fehlende Spontan-
5 Neurogene Blasenentlee-
5 Dauerkatheteranlage oder Einmal-
5
24
5 5 5
25 6 27 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Methämoglobinämie
miktion Starke Bauchschmerzen Tastbare Blase Tachykardie Unruhe des Patienten
Lippenzyanose
rungsstörung nach rückenmarknahen Anästhesieverfahren
katheterisierung 5 Weitere Kontrolle der Blasenfunktion 5 Diagnostische Abklärung bei fort-
bestehendem Harnverhalt und evtl. noch weiteren neurologischen Störungen (Cave Cauda-equina-Syndrom, 7 Kap. 7) 5 Ggf. anxiolytische Medikation 5 Hemmung der Reduktion
von Methämoglobin (MetHb) zu Hämoglobin im Eythrozyten durch o-Toluidin (Abbauprodukt des Lokalanästhestikums Prilocain (Xylonest) und von Sulfonamiden) 5 Methämoglobinbildung ist von der Dosierung des Prilocains abhängig 5 Dosierungen über 600 mg für einen erwachsenen Patienten vermeiden (Cave kombinierte periphere Leitungsanästhesien) 5 Verzögertes Auftreten einer Methämoglobinämie möglich
5 O2-Gabe 5 Met-Hb-Bestimmung mittels Blutgas-
analyse (Normwert <1%, klinische Symptome >11%, lebensbedrohlich >70%) Selten indiziert: 5 Intravenöse Gabe von Methylenblau 2% bzw. Cave bei i.v.-Gabe von Toluidinblau bei Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel (5–20% der Südeuropäer und Afrikaner leiden an einem angeborenen Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel). Die Gabe von Methylenblau würde bei diesen Patienten zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes führen.
307
27.3 · Entlassung
27
. Tabelle 27.2. Dosierungen gebräuchlicher Medikamente im AWR Medikament
Indikation
Dosierung (Erwachsene)
Dosierung (Kinder)
Granisetron (Kevatril)
Antiemetische Therapie
1–3 mg i.v.
Odansetron (Navoban)
Antiemetische Therapie
4–8 mg i.v.
0,05–0,1 mg/kgKG i.v.
Metoclopramid (Paspertin)
Antiemetische Therapie
10 mg i.v.
0,15-0,25 mg/kgKG i.v., max. Tagesdosis 10 mg
Propofol (Disoprivan)
Antiemetische Therapie
10–20 mg i.v.
0,25–0,5 mg/kgKG i.v.
Dexamethason (Fortecortin)
Antiemetische Therapie
8 mg i.v.
Allergische Reaktionen
8–120 mg i.v. nach Schwere der Symptomatik
0,5–1 mg/kgKG i.v.
Bronchospastik Fenoterol (Berotec)
Bronchospastik
Initial 2 Hub
Theophyllin (Euphyllin)
Bronchospastik
Initial 5 mg/kgKG i.v, dann kontinuierlich 0,5–0,7 mg/ kg/h i.v.
6 mg/kgKG i.v. über 30 min, dann 1 mg/kg/h i.v.
Pyridostigmin (Mestinon)
Muskelrelaxanzienüberhang
1–5 mg i.v. titrierend nach Wirkung + Atropin 0,5 mg
0,05 mg/kgKG i.v.+ Atropin 0,02 mg/kgKG
Naloxon (Narcanti)
Opiatüberhang
0,04–0,4 mg i.v. titrierend nach Wirkung
0,001–0,01 mg/kgKG i.v.
Furosemid (Lasix)
Diuretische Therapie
2–40 mg i.v.
0,5 mg/kgKG i.v.
Hypervolämie Lungenödem, NPPE Clonidin (Catapresan)
Hypertonie
Initial 30–45 µg i.v.
Shivering Urapidil (Ebrantil)
Hypertonie
Initial 10–20 mg i.v., ggf. wiederholte Gabe
Nitrolingual-Spray
Akutes Koronarsyndrom
2 Hub
Glyceroltrinitrat-Perfusor
Akutes Koronarsyndrom
Perfusor: 50 mg/50 ml Initial 1–2 µg/kg/min i.v.
Etilefrin (Effortil)
Hypotonie
Initial 1–2 mg i.v.
Theodrenalin/Cafedrin (Akrinor)
Hypotonie
Initial 1–2 ml einer mit NaCl 0,9% 2:10-verdünnten Lösung i.v.
308
1 22 3 24 25 6 27 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 27 · Aufwachraum
. Tabelle 27.2. (Fortsetzung) Medikament
Indikation
Dosierung (Erwachsene)
Dosierung (Kinder)
Atropin
Bradykardie
0,5–1 mg i.v.
0,01–0,02 mg/kgKG i.v.
Expafusin
Hypovolämie
500–1500 ml (20 ml/kgKG)
Voluven
Hypovolämie
500–1500 ml (20 ml/kgKG)
Methylenblau 2%
Methämoglobinämie
1–3 mg/kgKG i.v., evt. 1bis 2-mal wiederholen
Toluidinblau
Methämoglobinämie
Toluidinblau 2–4 mg/ kgKG i.v.
1 mg/kgKG i.v.
309
A–D
Stichwortverzeichnis A A. femoralis 218 A. poplitea 210 A. radicularis magna (Adamkiewicz) 72 A. spinalis anterior 72 A. subclavia 154 A. vertebralis 149, 156 Abdominaltrauma 248 Acetylsalicylsäure 77 − bei rückenmarknaher RA 77, 79 Akromionfortsatz 160 Akutschmerzdienst 278 Alfentanil, bei Kindern 254 Algorithmus 242 Allgemeinanästhesie 62ff. − Indikationen 62 − Medikamentenauswahl 66 Altersdemenz s. auch Demenz 270 ambulante Anästhesie 6 − Entlassungskriterien 8 − Kontraindikationen 6 − Merkblatt 7 Analgesie, postoperativ − s. Schmerztherapie, postoperative 277 Analgetika 251, 281ff. − bei Kindern 251 Analgosedierung 87, 139, 252 − Kinder 252 Anamnese 268 Anästhesiequalität 138 Aortenstenose 98 Arachidonsäurezyklus 281 Arachnoidea 71 Arachnoiditis 91 aseptische Meningitis 91 Atemdepression 85, 251 Atemwegssicherung 65 − Doppellumentubus 65 − fiberoptische Intubation 65 − Intubation 65 − Larynxmaske 65 − Larynxtubus 65 Atracurium, s. Tabelle 4.1/4.2 66 Atropin 308 Aufwachraum 299ff − Entlassungskriterien 301 − Kinder 302 − Komplikationen 302, 304 − Monitoring 300
− nach Allgemeinanästhesie 302 − nach peripheren Leitungsanästhesien 302 Augenschutz, s. auch Bauchlage 52 axilläre Plexusblockade 166 − bei Kindern 257 − Kathetertechnik 166 − Material 164
B β-Blocker 5, 73 Bainbridge-Reflex 73 Bakteriämie 77 balancierte Analgesie 278 Bankart-OP 15 Bauchlagerung 50 − Augen 50, 51 Beach-chair-Lagerung 16, 51 Beckenfraktur 14 Beckenzwinge 14 Benzodiazepine 87 − Analgosedierung 87 Bewusstseinsstörungen 269 Bezold-Jarisch-Reflex 88, 157 Blasenkatheter 262 Blockade des Plexus brachialis 145, 147 Blutgerinnung 77, 78 − bei periph. Leitungsanästhesie 134 − bei rückenmarknaher RA 78 Blutgerinnungsstörung 79 Blutgerinnungswerte 79 Bluttransfusion, s. auch Transfusion 41 Blutvolumen 41 Bromage-Schema 86 Bupivacain 82 − bei Kindern 256, 259 − bei Leitungsanästhesien 136 − bei rückenmarknaher RA 81 − Blockadequalität 81 − Dosierungsempfehlungen 294 − Epiduralanästhesie 115 − Höchstdosen bei kontinuierlicher Leitungsanästhesie 294 − Kardiotoxizität 81, 136 Bupivacain 0,5% − bei CSA 107 − bei SPA 102
C Cauda-equina-Syndrom 92, 109 Cauda equina 71 Celecoxib 285 Cell Saver 48 Clonidin 85, 137, 307 − bei IVRA 187 − bei peripherer Leitungsanästhesie 85 − bei Spinal- und Epiduralanästhesie 85 Clopidogrel 80 Contusio cordis 247 Conus medullaris 71 Cornua sacralia 259 COX-2-Hemmer 284 CSA − Bupivacain 107 − Cauda-equina-Syndrom 109 − Kathetersystem 107 − Lokalanästhetika 107 − Material 106 − Mikrokatheter 108, 110 − postspinaler Kopfschmerz 109 CSE − back eye 124 − Ein-Segment-Technik 124 − epidurale Nachinjektion 126 − epidurale Nachinjektionen 127 − epidurale Testdosis 127 − Katheterset 123 − Loss-of-resistance-Technik 125 − Material 123 − Needle-through-needle-Technik 124 − spinale Dosis 126 − Technik des hängenden Tropfens 126 − Zwei-Segment-Technik 124 CS (Cell-Saver) s. Tabelle 2.1 33 Cyclooxygenase 281
D 3-in-1-Block 216 Dauereinwilligung 269 Demenz 268 Dexamethason 307 Diclofenac bei Kindern 260, 283
310
1 22 3 24 25 6 27 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Stichwortverzeichnis
Differenzialindikation 4, 60 − Allgemeinanästhesieverfahren 60 − Leitungsanästhesie an der oberen Extremität 150 − Nervenblockade der unteren Extremität 193 − rückenmarknahe Regionalanästhesie 93 − Verfahren zur postoperativen Analgesie 294 distale Ischiadikusblockade, bei Kindern 259 Doppelcuffmanschette 186, 187 Doppellumentubus 65 Dosierungsschema 261 Dura mater 71 Dynamische Hüftschraube (DHS) 21
E Eigenblutspende 47 Einlungenbeatmung 65 − Doppellumentubus 65 EMLA-Pflaster 252 Epiduralanalgesie 292 − Überwachung 293 Epiduralanästhesie − Ausbreitung 115 − Bupivacain 115 − Intoxikation 119 − intrathekale Fehllage 117 − intravasale Fehllage 117 − Kathetertechnik 115 − Komplikationen 117, 118 − Lokalanästhetikaintoxikation 119 − Loss-of-resistance-Technik 115 − Material 114 − Opioidzusatz 292 − PCEA 292 − Ropivacain 115 − Single-shot-Technik 115 − Technik des hängenden Tropfens 115 − Testdosis 114, 117 − Tuohy-Kanüle 113 epiduraler Abszess 90 epidurales Hämatom 78 Epiduralraum 115 Esmarch-Binde 187 Etilefrin 307 Etoricoxib 285 Expafusin 308 Extensionstisch 21, 50
F Fascia-iliaca-Kompartment-Blockade, bei Kindern 258 Faszienklick 134, 258 Femoralisblockade − bei Kindern 258 − Kathetertechnik 219 − Material 217 Fenoterol 307 Fentanyl, s. Tabelle 4.1/4.2 66 − bei Kindern 254 − epidural 85 Fettembolie 304 Fettemboliesyndrom 54 Fixateur externe 18 Flupirtin 288 Flüssigkeitstherapie 37 − Kalkulierung 40 Fondaparinux (Arixtra) 80 Foramen intervertebrale 72 Furosemid 307 Fußblock 229
G Galeazzi-Fraktur 18 geriatische Patienten 267ff. − Anästhesieplanung 270 − anästhesierelevante Störungen 269 − anästhesiologisches Management 270 − Anästhesietechniken, Vor- u. Nachteile 272 − anatomische Besonderheiten 271 − Intensivtherapie 271 − Regionalanästhesie 271 − Schmerztherapie 272 − Vollnarkose 271 Gerinnungsfaktoren 43 Gesundheitsfürsorge 268 Girdlestone-Hüfte 19 Glasgow-Coma-Scale (GCS) 238 Glyceroltrinitrat 307 Granisetron 307
H Hämatokrit 41 Hämatothorax 247 Hämodilution 46
Hämoglobin 41 Hämoglobinwert 46 hämorrhagischer Schock 243 Handblock 182 Handgelenkblockade 179 Hemiendoprothese (HEP) 20 Heparine, niedermolekulare 80 Hirnödem 246 Hirudine 80 Horner-Syndrom 156, 161 Hüftkopfnekrose 20 Hüftprothese 20 Hüftprothesenlockerung 19 Humeruskopfprothese 16 Hybridprothese 19 Hypothermie, s. auch Wärmeverlust 53 ff. − bei Polytrauma 244
I i.v.-PCA 291 Ibuprofen 283 − bei Kindern 284 Impulsbreite 138 Impulsfrequenz 138 Infektion, bei peripherer Leitungsanästhesie 141 Inhalationstrauma 263 Injektionsstromstärke 138 Injury Severity Score (ISS) 238 INR 80 interskalenäre Blockade 151 interskalenäre Plexusblockade − Kathetertechnik 155 − Material 153 − Technik nach Meier 153 − Technik nach Winnie 153 − Zugang nach Pippa 153 intraoperativer Aufwachtest 65 intraossäre Punktion 262 Intravasalraum 37 − intravasales Füllungsvolumen 37 intravenöse Regionalanästhesie 185 invasives Monitoring (s. auch Monitoring) 38 − Indikationen 38 − Pulmonaliskatheter 38 − zentraler Venendruck 38 Ischiadikusblockade 203 − anteriorer Zugang 208 − distaler Zugang 209, 211 − Kathetertechnik 207 − proximaler Zugang 205 − transglutealer Zugang 205 − Zubehör 205 Isoflurane 66
311
Stichwortverzeichnis
K Kaudalanästhesie 259 Kerntraumateam 237 Ketamin 87 − Analgosedierung 87 − bei Kindern 255 − Dosierung bei Kindern 253 Kinder 249 − Analgosedierung 252 − axilläre Plexusblockade 257 − distale Ischiadikusblockade 259 − Fascia-iliaca-KompartmentBlockade 258 − Femoralisblockade 258 − Ketamin 253 − Larynxmaske 255 − Midazolam 253 − Narkoseeinleitung 254 − präoperative Nahrungskarenz 254 − Propofol 253 − Regionalanästhesie 255 ff. − Remifentanil 253 Kindesmisshandlung 250 Klavikulafraktur 14 Knie-TEP 23 Kolloide 39 Kombinierte Spinalepiduralanästhesie (CSE) 121 Kompartmentsyndrom 24 Koniotomie 242 Kontinuierliche Leitungsanästhesie, Dosierungsempfehlungen 294 Kontinuierliche Regionalanästhesie, Indikationen 294 Kontinuierliche Spinalanästhesie (CSA) 105 ff. Kristalloide 38
L Lagerungstechniken 49 ff. Laminektomie 13 Larynxmaske 65 Larynxtubus 65 Levobupivacain 83 − bei Leitungsanästhesien 136 − bei rückenmarknaher RA 84 Lidocain 82 − bei rückenmarknaher RA 84 Lig. flavum 70, 71, 102 Lig. interspinale 70 Lig. supraspinale 70 Liquor cerebrospinalis 72
Lokalanästhetika 188 − bei axillärer Plexusblockade, Dosierung 166 − bei distaler Ischiadikusblockade, Dosierung 212 − bei Femoralisblockade, Dosierung 219 − bei interskalenärer Blockade, Dosierung 155 − bei Ischiadikusblockade, Dosierung 207 − bei kontinuierlicher epiduraler Infusion, Höchstdosen 293 − bei kontinuierlicher Leitungsanästhesie, Höchstdosen 294 − bei peripherer Leitungsanästhesie, Auswahl 135 − bei Psoaskompartmentblockade, Dosierung 200 − bei VIB, Dosierung 160 − Clonidinzusatz 85 − Dosierungsschema 261 − hyperbare 102 − Intoxikation 117 − isobare 102 − Kindesalter 256 − Kombinationen 136 − Lokalanästhetikaintoxikation 139 − Maximaldosis 256 − Opioidzusatz 85, 137 − Zusatz von Clonidin 137 − Zusatz von Glukose 85 − Zusatz von Vasokonstriktoren 85, 137 Lokalanästhetikaintoxikation 117, 201 − bei Kindern 255 − Epiduralanästhesie 119 − Prävention 140 − Symptome 140 − Therapie 140 Loss-of-resistance-Technik s. auch Widerstandsverlusttechnik 70, 115 − CSE 125 Luftembolie 64 Lumbale Epiduralanästhesie 111 Lungenembolie 56
M M. adductor 223 M. biceps brachii 155 M. coracobrachialis 164 M. deltoideus 155 M. pectineus 216 M. pectoralis 164 M. quadriceps femoris 199, 216
D–N
M. sartorius 216 M. trizeps 155 Mm. peronaei 204 Maisonneuve-Fraktur 24 Marknagelung 21 Maskennarkose 65 Maximaldosis, Lokalanästhetika 256 medikamentöse Prämedikation 269 Melagatran 80 Mepivacain 82 Mepivacain und Lidocain, bei Leitungsanästhesien 135 Metamizol, bei Kindern 288 Methämoglobinämie 136, 306 Methylenblau 308 Methylprednisolon 246 Methymetacrylat 55 Metoclopramid 307 Midazolam 66, 87 − Analgosedierung 87 − bei Kindern 252, 253 midhumeral brachial plexus block nach Dupré 174 Mivacurium, s. Tabelle 4.1/4.2 66 Monitoring − bei Allgemeinanästhesie 63 − bei Regionalanästhesie 139 − Elektromyogramm (EMG) 64 − invasive Blutdruckmessung 64 − neuromuskuläres Monitoring 63 − Pulmonalarterienkatheter 64 − somatosensorisch-evozierte Potentiale (SSEP) 64 − zentraler Venenkatheter 64 Monteggia-Fraktur 18 Morphin 291 motorische Blockade 87 Multikompartmentblock 127
N N. axillaris 162 N. cutaneus antebrachii lateralis 171 N. cutaneus antebrachii medialis 150, 162 N. cutaneus brachii medialis 162 N. cutaneus femoris lateralis 196, 258 N. femoralis 196, 216, 258 − Blockade 215 N. genitofemoralis 196 N. intercostobrachialis 150 N. ischiadicus 204 N. medianus 148, 164, 171, 180 − Blockadetechnik 174 N. musculocutaneus 148, 164, 171 − axilläre Plexusblockade 162
312
1 22 3 24 25 6 27 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Stichwortverzeichnis
− Blockadetechnik 173 N. obturatorius 196, 222, 258 N. peronaeus 204, 209, 259 N. peronaeus profundus 230 N. peronaeus superficialis 230 N. phrenicus 73, 149 − Parese 157 N. radialis 148, 164, 171, 180 − Blockadetechnik 174 N. saphenus 226, 230 N. splanchnicus 73, 74 N. suralis 230 − Blockadetechnik 177 N. tibialis 204, 210, 259 N. tibialis posterior 230 N. ulnaris 148, 164, 171, 180 Nn. accelerantes 73 Nachblockade 172 Nahrungskarenz 254 Naloxon 307 Nekrosenabtragungen 263 Nervenschäden, bei peripherer Leitungsanästhesie 140 Nervenstimulation 137 − Stimulationskanülen 137 Nichteinwilligungsfähigkeit 5 NSAID 281
O Oberst-Block 183 Obturatoriusblockade 221 Odansetron 66, 307 Opioide 85, 289 − Atemdepression 289 − Höchstdosen bei kontinuierlicher epiduraler Infusion 293 − Rezeptoren 289 Oxazepam 66
P Palakos 304 Palakosreaktion 55 Paracetamol 286 − bei Kindern 261, 287 − Hepatotoxizität 286 − intravenöse Verabreichungsform 287 Parecoxib 285 Patientenkontrollierte Opioidanalgesie (PCA) − Basiseinstellung 292 − bei Kindern 261 − Indikationen 294
PCA (patientenkontrollierte Opioidanalgesie) s. dort PEEP 243 Perikardtamponade 247 Pharmakologie − Celecoxib 286 − Diclofenac 283 − Flupirtin 289 − Ibuprofen 283 − Metamizol 288 − Morphin 290 − Paracetamol 286 − Parecoxib 285 − Piritramid 290 − Rofecoxib 286 − Tramadol 290 − Valdecoxib 286 Phrenikusblockade 161 Pia mater 71 Pinprick 86, 138 Piritramid 87, 291 − Analgosedierung 87 − bei Kindern 291 Plexus brachialis 147 − Anatomie 147 − Blockade 145 − sensible Versorgungsgebiete 149 Plexus lumbalis 196 Plexus lumbosacralis 216 Plexus sacralis 196 Pneumothorax 156, 161 Polytrauma 235 − Akutphase 240 − Analgesie, Sedierung, Narkose 244 − Anmeldung 241 − bei Kindern 261 − Labordiagnostik 245 − Monitoring 244 − Primary Survey 241 − secondary survey 245 − Transfusionsschwelle 243 Poplitealblockade 209 postpunktioneller Kopfschmerz 89, 109 − epiduraler Blutpatch 90 postspinaler Kopfschmerz (PDPH) 98 präkordiales Stethoskop 252 Prämedikation, medikamentöse 5, 66 − Dosisreduktion 5 Prämedikationsvisite 5 präventive Analgesie 278 Prilocain 187 − bei Kindern 256 − bei Leitungsanästhesien 135 − bei rückenmarknaher RA 84 − zur IVRA 187 − Methämoglobinämie 136 primary survey 241
Propofol 67, 87, 307 − s. Tabelle 4.1/4.2 66 − Analgosedierung 87 − Dosierung bei Kindern 253 Prostaglandinsynthesehemmung 282 proximaler Femurnagel 21 proximaler Humerusnagel 16 Psoaskompartmentblockade 195 − Kathetertechnik 201 − Zubehör 198 Pyridostigmin 307
R Reizantwort 138 Remifentanil 67, 87 − Analgosedierung 87 − Dosierung bei Kindern 253 Retinaculum flexorum 18 Revised Trauma Score (RTS) 238 Rocuronium, s. Tabelle 4.1/4.2 66 − bei Kindern 254 Rofecoxib 284 Ropivacain 83 − bei Kindern 256, 259 − bei Leitungsanästhesien 136 − bei rückenmarknaher RA 84 − Dosierungsempfehlungen 294 − Epiduralanästhesie 115 RSI 65 rückenmarknahe Regionalanästhesie, Testdosis 118 Rückenmarktrauma 14, 246
S S-Ketamin, Dosierung bei Kindern 253 Saphenusblockade 225 Schädel-Hirn-Trauma 246 − bei Kindern 262 Schenkelhalsfraktur 20 Schmerzmessung − numerische Ratingskala (NRS) 279 − postoperative 278 − visuelle Analogskala 279 Schmerzmessung, bei Kindern − KUSS-Skala 279 − Smiley-Analog-Skala 279 Schmerztherapie − analgetisches Regime 279 − bei geriatischen Patienten 272 Schmerztherapie, postoperative 277 − bei Kindern 260 − Dokumentation 294
− kontinuierliche Regionalanästhesieverfahren 279, 292 − patientenkontrollierte Analgesie 279, 291 − Planung 278 Schockraum 236 − erweitertes Traumateam 237 − Kerntraumateam 237 Schockraumkoordinator 237 Schwellenstromstärke 138 Scoring-Systeme − Glasgow-Coma-Scale (GCS) 238 − Injury Severity Score (ISS) 238 − polytraumatisierte Patienten 238 − Revised Trauma Score (RTS) 238 − TRISS (ISS und RTS) 238 secondary survey 245 Seitenlagerung 52 Sevofluran 67 − bei Kindern 254 shaken baby syndrome 251 Skalenuslücke 153, 154 Spannungspneumothorax 242, 247 spezielle postoperative Analgesie 26 Spinalanästhesie 97ff. − Anästhesieausbreitung 102 − Ausbreitung 103 − Bupivacain 102 − einseitige 100 − hyperbare Technik 102 − hypobare Technik 100 − Injektionstechnik 103 − in Bauchlage 103 − isobare Technik 102 − Material 99 − Punktionskanülen 99 spinaler Infarkt 91 spinales/epidurales Hämatom 91 Spinalnervenwurzeln 71, 72 Spondylodese 13 Stimulationskanülen 134 Stromstärke 138 Subarachnoidalraum 98 subdurale Injektion 117 Subduralraum 71 subkutaner Feldblock 166 Succinylcholin, bei Kindern 254 Sufentanil − bei Kindern 254 − epidural 85 Sympathikusblockade 72 − totale 73
N–Z
313
Stichwortverzeichnis
T Talvosilen 261 Technik des hängenden Tropfens 71 − CSE 126 − Epiduralanästhesie 115 Temperaturregulation 54 Temperatursonden 54 Testdosis, epidural 114 Theodrenalin/Cafedrin 307 Theophyllin 307 thermische Verletzungen 263 Thiopental, s. Tabelle 4.1/4.2 66 − bei Kindern 254 Thoraxtrauma 246 Thromboembolieprophylaxe 79 Thrombozytenaggregationshemmer, bei rückenmarknaher RA 79 Ticlopidin 80 Toluidinblau 308 Totalendoprothese (TEP) 19 totale Sympathikusblockade 73, 88 Tourniquet-Schmerzen 188 Tourniquettoleranz 166 Tramadol 290 − Kinder 290 Transfusion − autologe Erythrozytenkonzentrat (AEK) 48 − Erythrozytenkonzentrat 33, 42 − Faustregeln 42 − Fresh Frozen Plasma 42 − Hämatokrit 41 − Hämoglobingehalt 41 − Komplikationen 44 − Massentransfusion 45 − Thrombozytenkonzentrat 43 − Transfusionsgrenze 41 − traumachirugische Eingriffe 33, 43 − Zeugen Jehovas 46 Transfusionsgrenze 41 transiente neurologische Symptome 81, 85, 90 TRISS (ISS und RTS) 238 Tuohy-Kanüle 113
U Urapidil 307 Utstein-Empfehlungen 238
V Valdecoxib 285 Vasokonstriktoren 85 Vasopressoren 88 Verbrennung, Verbrühung 263 Verkehrsunfallstatistik 250 Verletzungsmuster 250, 268 − geriatrische Patienten 268 − Kinder 250 − Polytrauma 239 vertikale infraklavikuläre Blockade 157 − Kathetertechnik 161 − Material 159 Volumentherapie 37 Voluven 308
W Wärmeverlust, s. auch Hypothermie 53 ff. Warmluftgebläsesystem 54 Wedge-Druck 38 Widerstandsverlusttechnik, s. auch lossof-resistance-Technik 70 Wirbelsäulenfraktur 13 − Kortikoide 14 − Querschnittssymptomatik 14 Wundrandinfiltration 261
Z zentraler Venendruck 38 zerebraler Perfusionsdruck − bei Kindern 262
246