WISSENSCHAF1'LICHE UNTERSUCHUNGEN ZUM NEUEN TESTAMENT HERAUSGEGEBEN VON D.Dr. JOACHIM JEREMIAS UND D.OTTO MICHEL
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Die Widersprüme zwismen den Evangelien Ihre po]emisme und apologetisme Behandlung in der Alten Kirche his zu Augustin von
Helmut Merkel
1971 J.C.B. MOHR (PAUL SIEBECK) TüBINGEN
© Helmut Merkel
J. C. !:'Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1971 • Alle Rechte vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung dei Verlags ißt ca auch nicht
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daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen Printed in Germany Offsetdruck: Gutmann & Co., Heilbronn Einband: Großbuchbinderei Heinr. Koch, Tübingen ISBN '3 16 132821 3 (Broach.) ISBN 3 16 132821 1 (Leinen)
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Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersmester 1970/71 von der Theologischen Fakultät der FriedrichAlexander- Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Sie ~;ird hier nur geringfügig ver,ändert vorgelegt, da die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und mancherlei anderweitige Verpflichtungen des Verfassers größere Eingriffe nicht erlaubten. Ein Register der wichtigsten behand~~ten Bibelstellen wurde hinzugefügt. Weiterführendes hoffe ich bald an anderer Stelle vorlegen zu können. Mein herzlicher Dank gilt meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor D. Walther v. Loewenich, der diese Arbeit angeregt und ihr Entstehen mit steter sachlicher und persönlicher Anteilnahme begleitet hat. Herrn Professor Dr. Karlmann Beyschlag danke ich für die Übernahme des Korreferates und wertvolle Hinweise. Herrn Professor Dr. Martin Hengel, dessen Assistent ich seit 3 Jahren·bin, darf ich für vielfachen Rat danken. Er hat meine Arbeit auch an die Herren Herausgeber empfohlen, denen ich für die bereitwillige Annahme ehrerbietig danke. Ich widme diese Arbeit meiner Mutter und dem Gedächtnis meiner Großmutter. Beide haben nach dem frühen Tod meines Vaters an der Ost front meinen Lebensweg mit aufopferungsvoller Treue begleitet. Erlangen, Juni 1971 Helmut
Merk~l
I n h alt s ver z e ich n i s § 1 Einleitung
1. Die Fragestellunß § 2
§
3
§ 4
§ 5
2. Zur Geschichte der Forschung Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der außerkirchlichen Polemik 1. Das Material 2. Celsus 3. Porphyrius 4. Hierokles 5. Julian 6. Manichäer 7. Zusammenfassung Die Widersprüche zwischen den Evangelien als innerkirchliches Problem 1. Anfechtung für die Gläubigen 2. Die Aloger 3. Der Osterfeststreit 4. Gnostische Polemik Die frühen dogmatischen Lösungsversuche 1. Vor der Bildung des Kanons 2. Irenäus 3. Kanon Muratori 4. Clemens Alexandrinus i 5. Tatian Exkurs: Zum Problem des Diatessaron-Einflusses auf die neutestamentliche Textüberlieferung. Origenes' Lösung der Widersprüche zwischen den Evangelien 1. Urteile über Origenes als Ausleger 2. Die Schriftauffassung des Origenes 3. Einfache Harmonisierungen 4. Assimilation und Dissimilation ähnlicher Berichte . 5. Redaktionsgeschichtliche Betrachtungsweise
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§ 6
§
7
§ 8
§ 9
§ 10
6. Allegorese als ultima ratio J12 121 7. Ergebnis Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der frühen patristischen Quaestionenliteratur 122 1. Zu den nichtchristlichen literarischen Vorbildern 122 2. Julius Africanus über die Widersprüche zwischen den Genealogien 125 3. Eusebs Zetemata130 Exkurs: Weitere Äußerungen Eusebs 1% 4. Die pseudoaugustinischen Quaestiones Veteris et Novi Testamenti i50 Die Behandlung der Widersprüche zwischen den Evangelien bei den Antiochenern 160 1. Die antiochenische Schule 160 2. Theodor von Heraklea 163 3. Apollinaris von Laodicea 166 4. Epiphanius 171 5. Theodor von Mopsuestia 181 6. Johannes Chrysostomus .191 7. Zusammenfassung 199 Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der Exegese der latein. Väter vor Augustin 201 1. Die Anfänge der lat. exeget. Literatur 201 2. Ambrosius 205 3. Hieronymus 210 4. Zusammenfassung 216 Augustins Schrift De consensu evangelistarum 218 1. Zu Augustins Schriftauffassung 218 2. Die Gegner in De consensu evangelistarum 224 3. Augustins Grundsätze bei der Harmonisierung 227 4. Beispiele für Augustins Harmonistik 235 5. Augustin und die harmonistische Tradition 250 Erwägungen zum problemgeschichtlichen Ertrag der Untersuchung 262 Literaturverzeichnis 270 Register 292
§ 1:
Einleitung
1. Die Fragestellung Das Problem der Pluralität der kanonischen Evangelien kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. a) Es ist ein kanonsgeschichtliches Problem: Wann und warum wird die bis in die zweite Hälfte des zweiten Jahr~1Underts hinein anscheinend recht fruchtbare Pro-· duktion von Evangelienschriften gebremst und eine Auswahl aus dem Vorhandenen als endgültig verbindlich gesetzt? Die Antwort darauf ist längst gefunden: Aus einer IIdreifachen Abwehr ist der kirchliche Kanon des Neuen Testaments entstanden ll 1), nämlich als Abwehr gegen die Kenonsbildung Marcions, gegen die Vielzahl der gnostischen Evangelien und gegen die schwärmerische Geistlehre der Montanisten •. Neuerdings hat H.,v. Campenhausen in kritischer Weiterführung der bisherigen kanonsgeschichtlichen Forschungen gezeigt, daß die IIBeschränkung auf vier !kanonische ' Evangelien ••• als Resultat einer allmählichen, zunächst wohl begrenzten Entwicklung begriffen werden [muß] , die sich in der Abwehr des markionitischen Evangeliums und sonstiger
1) W.v.Loewenich, Die Geschichte der Kirche, 1938, S. 62 ( - Taschenbuchausgabe I, 1964, S. 52).
- 2 ketzerischer Evangelien verbreitet und schließlich durchgesetzt hat ll 2). Irenäus ist der erste katholische Theologe, der sich entschieden auf das IINeue Testament ll beruft und bei dem die Vier Evangelien unbezweifelbare kanonische Geltung besitzen 3). b) über die "Pluralität der Evangelien als theologisches Problem im Altertum" hat O. Cullmann 4) zusammenfassend gehandelt. Er zeigt, daß gegenüber der "doppelte [ n] Tendenz zur Vielheit und zu~ Reduktion" 5) die -theologische Lösung in der Erkenntnis gesehen wurde, es handle sich bei den kanonisierten Evangelien lI um verschiedene Glaubenszeugnisse von dem einen Evangelium" 6). c) Gerade diese theologische Lösung aber führt zu der Frage, wie sich die Kirchenväter 7) mit den konkreten Verschiedenheiten und Widersprüchen der Evangelien abgefunden haben. Diese auslegungsgeschichtliche Frage soll in unserer Arbeit behandelt werden. Damit soll nicht nur ein Beitrag zur .Geschichte der Evangelienexegese geleistet, sondern auch das Verständnis der Kirchenväter als Exegeten vertieft werden. Selbstverständlich können wir keine lückenlose Sammlung aller
2) H.v.Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel,
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1968,"
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204.
Ibid. S. 213 ff. ~) ThZ 1, 1945, S. 23-42 = o. CUllmann, Vorträge und Aufsätze, 1966, S. 548-565. 5l Vorträge und Aufsätze S. 552. Ibid. S. 565. Wir verwenden diese Sammelbezeichnung für die altkirchlichen Lehrer im folgenden" stets im undogmatischen Sinn; vgl. H.v.Campenhausen, Griechische Kirchenväter, 1955~,
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- 3 Einzelstellen bieten, sondern nur die wichtigen und charakteristischen Harmonisierungen auswerten. Aus dem Gesagten wird deutlich, daß wir eine anspruchslose historische Untersuchung vorlegen. Nun ist schon behauptet worden, es sei nichts gewonnen, wenn man die auf die Behebung der \'Jidersprüche zwischen den Evangelien gerichteten Bemühungen der Kirchenväter im Detail untersuchte 7 a ). Demgegenüber wird die Arbeit als ganze zu erweisen haben, daß die Lösungsversuche der Kirchenväter zu einem Problem, das erst seit gut 100 Jahren mit der ZweiQuellen-Theorie grundsätzliCh gelöst ist und durch die seit zwei Jahrzehnten betriebene redaktionsgeschichtliche Arbeit mancherlei weiterführende Impulse erhalten hat, durchaus des Interesses wert sind. Dabei wird sich zeigen, daß da und dort nicht nur auch vom heutigen Stand~unkt aus "richtig" gefragt wurde, sondern sogar einzelne Ergebnisse exegetische Gültigkeit beanspruchen können. Entscheidend für unsere Beurteilung wird jedoch die Frage nach dem Problembewußtsein der altkirchlichen Exegeten bzw. der außerkirchlichen Polemiker sein; denn nicht so sehr die konkreten Ergebnisse sind es, die uns bei unserer Begegnung mit der Auslegungsgeschichte bereichenn, als vielmehr die Beobachtung der Haltung, die frühere Generationen angesichts gewisser auch uns gegebener Probleme eingenommen haben; die Form und Energie ihres Fragens kann uns vorbildlich werden, ohne daß wir die Antworten unbesehen übernehmen müßten. Einen speziellen theologischen Anspruch erhebt unsere
7a) F. M. Wiles, Tbe Spiritual Gospel, 1960, S. 14.
-4 Untersuchung schließlich im Hinblick auf das von G. Ebeling aufgestellte Programm der "Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift" 8). P. Stuhlmacher hat jüngst das Ausbleiben der Durchführung dieses Programms moniert 9) und die Bedeutung desselben für die gegenwärtige Interpretationsaufgabe stark herausgestellt: "Die sich heute klar zeigenden Aporien einer sich von der Tradition emanzipierenden theologischen Exegese, welc'he Text und Gegenwart u'nmittelbar aufeinander beziehen zu können meint, hätten u.U. verr~ngert werden können, wenn die Exegese rechtzeitig von der Kirchengeschichte zur Reflexion auf die sie ermöglichende Tradition und damit zugleich die geschichtliche Bedingtheit aller exegetischen Urteile gezwungen worden wäre" 10). Unsere Arbeit soll ein Baustein zur Durchführung dieses für die Gegenwart wichtigen Programms sein 11), obgleich sie sich weitest~ehend darauf beschränkt, einen Fragenkreis abzuhandeln, der in den ersten fünf Jahrhunderten der Kirchengeschichte sowohl in der außerkirchlichen Polemik als auch in innerkirchlichen Streitigkeiten und nicht zuletzt als Anfechtung für die Gläubigen eine nicht unerhebliche Bedeutung hatte. Da wir also dem konkreten exegetischen Vollzug angesichts gewisser widersprüchlich überlieferter Texte
8) Erstmals erschienen in SgV 189, 1947; wieder abgedruckt in: G.Ebeling, .Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen, 1964 S. 9-27. 9) P.Stuhlmacher, "Das Ende des Gesetzes". Ober Ursprung und Ansatz der paulinischen Theologie, in: ZThK 67, 1970, S. 15, Anm.2 10) Ibid. 11) Weitere Aspekte, die den Nutzen auslegungsgeschichtlicher Arbeit erhellen, bei L. Vischer./ D. Lerch, Die Auslegungsgeschichte als notwendige theologische Auf~abe, in: Studia Patristica I (edd. K. Aland / F.L. Cross), 1957, S. 414-419, und in dem Sammelband La Bible et les P~res, hrsg. v. A. Benoit und P. Prigent, 'Paris 1971.
- 5 nachgehen 12), nicht aber eine Geschichte der Evangelienharmonien 13) bieten wollen, haben wir gelegentliche nai76 Harmonisierungen, die sich bei allen Vätern und auch in den apokryphen Evangelien 14) finden, nicht berücksichtigt. Dagegen haben wir. die grundsätzlichen Äußerungen zum Problem des consensus evangelistarum besprochen, da sich in·ihnen bereits die Richtung der späteren exegetischen Arbeit anzeigt. Ebenso glaubten wir dem Diatessaron Tatians unsere Aufmerksamkeit zuwenden zu solle.n, da Tatian bewußt die, vier Evangelien 15) zusammenfügt und sich die Grundsätze seiner Harmonistik wenigstens teilweise an seinem Werk ablesen lassen. Daß wir Augustins Schrift Da consensu evangelistarum als Schlußpunkt unserer Untersuchung ausgewählt haben, läßt sich damit begründen, daß Augustin die erste Gesamtdarstellung des Problems gegeben hat und daß seine Lösungen für Jahrhunderte Gültigkeit besessen haben 16): Denker vom Range eines Hrabanus Maurus, Thomas von Aquin, Cornelius Jansen schreiben Augustin aus, und - nach einer ansprechenden Vermutung von K. Beyschlag 17) - noch Lessing setzt sich in dieser Frage mit Augustin auseinander. 12) Diese Fragestellung unterscheidet uns von der Untersuchung R.M. Gra~ts, The Earliest Lives of Jesus, 1961, die teilweise zu den §§ 2-5 unserer Arbeit parallel läuft. Leider wurde uns dieses Buch erst nach Abschluß des Manuskriptes bekannt, so daß wir hier nur noch darauf verweisen können. 13) Dazu Ch. Pesch, Über Evangelienharmonien, ZKTh 10 (1886), S. 225-244; 454-480. 14) Vgl. W.Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apokryphen, 1909 (unv. Nachdruck 1967),passim. 15) H.v.Campenhausen, a.Anm. 2 a.O., S. 202, Anm. 113, urteilt zurückhaltender: Tatians Abhängigkeit vom Vierevangelienkanon sei "wohl wahrscheinlich, aber nicht völlig sicher". 16) S. H.J.Vogels, St. Augustins Schrift De consensu evangelistarum, 1908, S. 130 ff. 17) Insel-Lessing III, S. 659.
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2. Zur Geschichte der Forschung Man wird zwar heute nicht mehr mit K. Holl klagen können: IIDie Geschichte der Auslegung gehört bei uns zu den allervernachlässigtsten GebietenIl 18), gibt es doch seit einigen Jahren sogar eine Reihe; die- speziell "Beiträge zur Geschichte der Biblischen Exegese" bringt. Aber eine Untersuchung zu unserem Fragenkreis fehlt Doch. Die großen Kanonsgeschichten von Th. v. Zahn 1 9 ), J.Leipoldt 20) und H. v. Campenhausen 2l ) befassen sich vornehmlich mit den grundsätzlichen Äußerungen der Kirchenväter und bringen nur gelegentlich Beispiele für die exegetische Behandlung von konkreten Widersprüchen zwischen den Evangelien •. Einiges Material, das die Stellungnahme der Kirchenväter zum Spezialproblem "Johannes und die Synoptiker" beleuchtet, hat F. Overbeck in seiner posthum erschienenen Forschungsgeschichte zum Vierten Evangelium zusammengetragen 22); neuerdings hat auch F.M. Wiles 23) einige Hinweise dazu gegeben. ~ine ausführliche Darstellung hat die Auseinandersetzung des Irenäus mit den Alogern durch A. Bludau 24) erfahren. Das sechsbändige Werk von H. Smith, Ante-Nicene Exegesis of the GospelS, 1925~929, stellt einen materialreichen
18) K.Holl, Gesammelte Aufsätze I, 19487 , s. 544. 19) Geschichte des Neutestamentlichen Kanons, I, 1888, 11 1892. Der neutestamentliche Kanon, I 1907, 11 1908. 20~ 21 S. Anm. 2. 22 F.Overbeck, Das Johannesevangelium. Studien zur Kritik seiner Erforschung. Aus dem Nachlaß herausgegeben von C.A. Bernoulli, 1911. 23) The Spiritual Gospel, 1960. 24) Die ersten Gegner der Johannesschriften, 1925.
- 7 Steinbruch dar; allerdings werden die Texte nur in übersetzung bzw. Paraphrase geboten, so daß ein Rückgang zu den Quellen stets erforderlich bleibt. Auch die Monographien zur Schriftauslegung der einzelnen Väter, die jeweils am Ort vermerkt sind, haben unser Problem meist nur beiläufig gestreift; im einzelnen werden wir diese Darstellungen ergänzen oder berichtigen können. Einzig die harmonistischen Anschauungen Augustins sind in der mehr als 60 Jahre alten Dissertation von H.J. Vogels ausführlich dargestellt worden 25~ Mancherlei Hinweise auf die heidnische Polemik finden sich in dem materialreichen Werk von P. de Labriolle 26) und auch bei J. Geffcken 27). Damit sind die haupt sächlichsten Werke genannt, denen wir Anregung und weiterführende Hilfe verdanken. Selbstverständlich haben wir uns darum bemÜht, in den einzelnen Paragraphen die wissenschaftliche Diskussion auf breiterer Basis aufzunehmen, ohne jedoch den für eine patristisChe Erstlingsarbeit wohl vermessenen Anspruch auf VOllständigkeit in der Literaturbenützung erheben zu wollen.
25) S. Anm. 16. 26) La R~actione~aiennee Etude sur la2Pol~mique antichr~ tienne du I au VI si~cle, 1950 • 27) Der Ausgang des griechisch-römischen Heidentums, 1920.
- 8 § 2: Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der
außer-
kirchlichen Polemik 1. Das Material, das wir in diesem Abschnitt vorlegen können, ist aus einem doppelten Grunde dürftig. Einmal hat die heidnische Welt sich lange nicht literarisch mit dem Phänomen Christentum auseinandergesetzt. Die Klage Tertullians "tanto abest, ut nostris litteris annuant homines, ad quas nemo venit nisi iam Christianus"l) ist bezeichnend für das Winkeldasein des christlichen Schrifttums. Daher behauptete E. Norden wohl zu Recht, "daß Heiden nur dann die Evangelien (und die Briefe) gelesen haben, wenn sie sie, wie Celsus, Hierokles, Porphyrios und Julian, widerlegen wOllten,,2). Damit,hat Norden schon die Namen derer genannt, mit deren Polemik gegen die Widersprüche in den Evangel-ien wir uns im folgenden zunächst befassen müssen; in dreihundert Jahren haben anscheinend nicht mehr als vier gebildete-Heiden die Evangelien einer kritischen Durchleubhtung für wert gehalten. Wenn wir diesen Satz so vorsichtig formulieren, so hängt das mit dem nun gleich anzuführenden zweiten Grunde für die Dürftigkeit unseres Materials zusammen, nämlich der späteren christlichen Taktik~ die Schriften der Gegner möglichst gründlich zu vernichten 3 ). Daher ~ besitzen wir keinerlei Originaldokumente jener Polemiker mehr, sondern sind darauf angewiesen, die Angriffe aus
1) Tertullian, test. an. 1,4 (ed. R.Willems, CChr Series Latina I, 1954, S. l7~. 5 2 ) Antike Kunstprosa II, 1958 , S. 518. 3 ) S. C.J.Neumann, Juliani imperatoris librorum contra Christianos quae supersunt, 1880, S. 8 f.; zu dem besonders erbitterten Vorgehen gegen Porphyrius vgl. A.v. Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen", 1916, S. 5.
- 9 den Widerlegungen - soweit diese die Jahrhunderte überdauert haben - zu rekonstruieren; es mag also manches vollständig verlorengegangen sein, und das Erhaltene besteht aus mehr oder weniger zufälligen Bruchstücken. 2. Der ~\~6~~ \6yo~ des Celsus 4 ), um das Jahr 178 p.Chr. verfaßt, läßt sich großenteils aus der ca. 70 Jahre später geschriebenen Widerlegung des Origenes '~Q~a Kt\aou" rekonstruieren 5). Die Polemik des Celsus erfolgt vom Standpunkt des mittleren Platonismus aus 5a ) und wird mit dem Hochmut ~.es Gebildeten gegenüber den sozial und bildungsmäßig tiefen stehenden Christen vorgetragen 6 ). Gleichwohl enthebt dies den Bestreiter nicht der Pflicht der Information .über seinen Gegner; Celsus kannte die vier Evangelien 7 ) und auch jüdische Jesustradi4) Die ältemForschung faßt zusammen Eh. Merlan, Art. Celsus, RAC II, 1954, Sp. 954-956; weiterführend C. Andresen, Logos und Nomos. Die Polemik des Celsus wider das Christentum, 1955; die jüngste Darstellung der philosophischen Kritik am Christentum bei ~.Gigon, Die antike Kultur und das Christentum, 1969 • S. 104 ff., geht besonders auf Celsus ein. 5) Textrekonstruktion von R.Bader, Der~\~8~~ A6yo~ des Kelsos, 1940; Korrekturen und Ergän"zungen dazu bei C. Andresen, a.Anm. 4 a.O., S. 9 ff. . 5a) C.Andresen, a.Anm. 4 a.O., S. 297 ff. 6) Vgl. Origenes, c.Cels. III 55 (Bader S.96):opW~EV o~ xat xa~a ~a~ toCa~ otxCa~ EP~OUPYou~ xat axu~o~6~ous ~at xvacpEr~ xat b.n:a~"SEu~a~01),.. ~E xat b.ypo~xonhou~ ... vgl. auch Origenes, c.Ceis. I 27; III 44 ff; C.Andresen, a.Anm. 4 a.O., S.167 ff. " 7) Während W.Völker, Das Bild vom nichtgnostischen Christentum bei Celsus, 1928, S. 81 ff., für sicher erweisbar nur die Kenntnis des Mt hält, nehmen Eh.Merlan (a. Anm. 4 a.O., Sp. 958) und L.Rougier, Celse le conflit de la civilisation antique et du christianisme primitif, 1925, S. 234, die Kenntnis aller vier Evangelien an, ohne dies näher zu beghünden; nach P. de Labriolle, La ~~action pa'ienne, 195~, S. 125, soll Celsus mit Mt, Lk: und Joh bekannt gewesen sein. Unsere Entscheidung stützt sich auf folgende Überlegungen: a) Die Bekanntschaft mit Mt ist ganz evident; vgl. nur c.Cels. I 34.40.58, wo auf Mt 2,1 ff Bezug genommen wird, und c.Cels. II 55 zu Mt 27,51. b) c.Cels. I 70 ist ein eindeutiges Zitat von Lk 22,15; C.Andresen (a.Anm. 4 a.O., S.89) verweist darauf, daß c.Cels. I 58 die Kenntnis von Lk 3,1 voraussetz~.
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- 10 tionen 8 ). Gründlichkeit und Grundsätzlichkeit machen die große Wirkung seines Angrifres aus 9 ). Die religionsphilosophische Kritik des Celsus am Leben Jesu muß hier nicht im einzelnen dargestellt'werden lO ). Von seinem weltanschaulichen Standpunkt aus konnte er mit den Evangeli.n naDürlich nicht viel anfangen: Das Göttliche / kann sich schlechterdings nicht in einem so schlichten Menschen wie Jesus manirestiert haben, der sogar ein schmachvolles Leiden u~d Sterben erdulden mußte. Die Züge Jesu, die normales Menschenmaß übersteigen, sind erdichtet und erlogen, z.B. sein Vorherwissen ll ), oder
c) Für die Benützung des Joh hat P. de Lab~iolle (a.a.O., S. 125, Anm. 4) ins Feld gerührt c.Cels. I 41.66; 11 36.37; wir ergänzen dazu: die deutlichen Anspielungen in c.Cels. I 70 aur Joh 4,6 r. und in I 67 aur Joh 10,23 r. d) Die Bekanntschart mit Mk läßt sich naturgemäß schwer erweisen, da sich sein Storr weitgehend bei Mt wiederrindet;aber in c.Cels. V 52 werden mit doch wohl Mt 28,2 und Mk 16,5 gegen Lk 24,4 und Joh 20,12 gestellt, so daß hier wenigstens eine Anspielung auf Mk gesehen werden darr. Vgl. M.Lods, Etude sur les sources juives da la ~ol~mi 8) que de Celse contre les chr~tiens, in: RHPhR 21 (1941), S. 1-33, und E.Bammel, Origen contra Celsum I 41 and the Jew1sh Tradition, in: JThSt XIX (1968), S. 211-213. "Le Logos Aleth~s ••• orrre la premi~re enqu~te appro9) fondie dont le, christianisme att ~t~ l'objet, du cßt~ paien, et les pol~mistes 'ult~rieurs s'~n inspireront sans y ajouter grand chose", P. de Labriolle, a.a.O., S. 112. 10) Vgl. W.Völker, Die Kritik des Celsus am Leben Jesu ' und die Korrekturen der Gnostiker, in: Th BI 5 (1926), Sp. 35-39. • ' 11) C.Cels. 11 13 gYXcx.Agt'[ sc. der Jude des Celsus] of; -ror~ ~e~-rcx.r~ w~ nAcx.acx.~lvoL~, ~-rL nav-rcx. -ra au~~av-rcx. cx.u-r~ tKgrVO~ npO~OgL xcx.t npOgLp~XgL (Bader S. 60). I
- 11 es handelt sich um billige Gauklerstücke, so bei seinen angeblichen Wundern 12). Erscheinen die Evangelien so in einem recht schlechten Licht, dann ist ein Eingehen auf Einzelprobleme der Evangelienschriften nicht notwendig. An einer Stelle jedoch scheint das Problem der Pluralität der Evangelien angesprochen zu werden. Der IIJude des Celsus ll wirft den Jüngern Jesu generell vor, sie hätten allerlei Erfindungen über Jesus gemacht, ohne jedoch ihre lügnerischen Erfindungen geschickt verbergen zu können 13). Damit in Zusammenhang steht als weiterer Vorwurf:
~E~a ~aü~&
~Lva~ ~wv ~La~Eu6v~wv ~~atv ~~ EK ~le~~ ~Kov~a~ E\~ ~O E~E a~&vaL au~ot~ ~E~axap~~~ELV EK ~~~ ~pw~~~ ypa~~~ ~O EuayylALov ~p~x~
Kat ~E~pax~ Kat ~oAAaxij Kat ~E~a~A&~~ELV, tv ~XOLEV , . '\ .L • e 14 ) • E~~YXOU~ apvELa a~ Der Jude behauptet also, die Christen würden IIdas Evangelium ll immer wieder umformen und umprägen, um so kr~tischen Einwänden entgehen-zu können. Dabei kann er entweder an die Abänderungen in der handschriftlichen überlieferung oder an die Mehrzahl der im kirchlichen Gebrauch stehenden Evangelien oder schließlich an die Vielzahl der gnostischen Evangelien gedacht haben. Jede dieser Möglichkeiten hat Verfechter gefunden 15). Es erscheint uns jedoch unwahrscheinlich, daß Celsus mit dem ~E~axapn~~ELv.und ~E~a~An~~ELv nur an einzelne Textvarianten gedacht haben sollte 16). W. Völker möchte den Text daher, wie schon Origenes, ,
~po,
~ou~
Vgl. I 28; I 6-8. 12j 13 II 26 (Bader S. 69). 14- II 27 (Bader S. 69). 15) Vgl. W. Völker, a.Anm. 7 a.O., S. 90~ 16) Ebenso H. Chadwick, Origen: Contra Celsum, 1965, Anm. 2.
s. 90,
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auf "die Umformungen, die 'das Evangelium' in gnostisChen Kreisen erfahren hat", beziehen17 ). Doch dürfte er dabei einem apologetischen Ablenkungsmanöver des Origenes zum Opfer gefallen sein17a ), der natürlich nicht zugeben'kann, daß die Verschiedenheiten der kanonischen Evangelien ein betrügerisches ~ETaxapa~TELv seien, und daher den Vorwurf an die Haeretiker abschiebt; ähnlich verhält sich Origenes auch bei seiner Auslegung des Lukasprologs, wo er das" ltOAAO'l. gnExECp~aav" sofort gegen die Gnostiker gesagt sein läßt und betont, daß es sich selbstverständlich nicht auf Mt, Mk oder Joh beziehe. Damit bleibt die an sich naheliegende Erklärung übrig, daß der Jude des Celsus gegen die drei oder vier in den Gemeinden anerkannten Evangelien polemisiere, die er ja auch kannte; mit dem ltOAAax~ wird er dann noch auf weitere, in späterer Zeit als apokryph erklärte Evangelien verweisen. Die gegen die Pluralität der Evangelien vorgebrachte Kritik erweist sich als außerordentlich scharfsichtig; denn in der Tat war das Ungenügen an den früheren Darstellung,fJ'Il Jesu mindestens ein Movens für die immerwährende Neuproduktion von Evangelienschriften. Schon ein Vergleich zwischen Mt und Hk zeigt, wie sehr der Spätere bemüht war, anstößige Züge bei seinem Vorgänger zu m~lderD oder zu streichen 18 )-tv'lxoL 1tpO~ ~ou~ gAtyXOU~ apvEtaea~ Und W. Völker hat hervorgehoben, daß die Korrekturen 17) S. Anm. 15; von H.Chadwick, a.a.O., als möglich erwogen. 17a) Auch H.v.Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel, 1968,S. 191, Anm. 64, sagt, Origenes wolle die Anklage auf Marcion, Valent in u.a. "ablenken". 18) So läßt Mt die bei Hk berichteten Gefühlsre~ngen Jesu weg (s. Mt 8,1-4 // Mk 1 1 40-45; Mt 12,9-14 // Hk 3,1-6; Mt 19,16-22 1/ Mk 10~'17-~2); Mt ändert ferner in der Nazarethperikope die Anstößige Bezeichnung "Sohn der Maria" und führt das Ausbleiben von Wundern auf Jesu Willen zurück (Mt 13,53-58 // Mk 6,1-6); Mt streicht Mk 3,21 ersatzlos. W·eiteres s. E""Klostermann, Das Matthäusevangelium (HNT 4), 1927~. S. 20 f.
- 13 des Joh an der Passionstradition "mit der Kritik, bzw. den Verbesse'rungevorschlägen des Celsus genau überein[stimmerJ ,,19). Für das Jesusbild der Gnostiker gilt dies natürlich dann erst recht: "Auch sie stimmen in ihren Korrekturen mit den Verbesserungsvorschlägen des Celsus überein, d.h. sie lassen sich von den gleichen Vorausset zungen leiten wie dieser Philosoph ••• ,,20). . Eine detaillierte Kritik der Evangelien scheint Celsus nicht vorgelegt zu haben. Immerhin stellt er die wider-/ ~üchlichen Angaben über die Engelerscheinungen bei der Auferstehung zusammen 21 ) •. Die mehr beiläufige Art der Beantwortung dieses Problems, die Origenes gibt, läßt annehmen, daß auf derartigen Einzelfragen kein Gewicht lag.
3. Erst etwa 100 Jahre später bediente sich der Neuplatoniker Porphyrius 22 ) in seiner Polemik einer minuziösen Einzeluntersuchung des NeuenTestaments. Er stellte das Christentum nicht nur von seinem philosophischen Standpunkt aus in Frage, sondern seine Kritik war auch die 19) A.Anm. 10 a.O., Sp. 36. 20) Ibid. Dem Nachweis dieser Übereinstimmung dient der ganze Aufsatz Völkers. Es ist natürlich, daß Celsus sein kritisches Augenmerk vornehmlich auf die .Synoptiker gerichtet hat. 21) V 56:~~aaTo~ 6t TO~TWV vDv nopo6ELUV~VOL 6UVOTbv xat yE-
YEVn~tvov uai 6n~WTLu6v TLVO~ ElvaL Tpono~oyCa~~ .. o~ Tflc na~o60n~ tOTl npayuoTECOC b~~~ ~a~~ov T~v ..• k~nYDTLX~V. -
22) Über Porphyrius zusammenfassend mit zahlreichen Literaturangaben A.B. Hulen, Porphyry's Work against the Christians: An Interpretation, 1933; J.Geffcken Der Ausgang des griec~isch-römischen Heidentums! 1920, S. 56 ff.; P.de Labr1011e, a.Anm. 7 a.O., S. 2~3 ff; A.v. Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen", 15 Büche_r, Zeugnisse, Fragmente u. Referate, 191Q; ders. J Kritik des NT von einem grieche Philosophen des 3.Jhdts. 1 1911.
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eines "schar:tsinnige[n] Philologe[n] ,,23); eine seiner bedeutsamsten Erkenntnisse war beispielsweise die zeitgeschichtliche Deutung des Buches Daniel au:t Antiochus l~ Epiphanes 2 ,1l) .Porphyrius'15 Bücher ')-fO:-ra XPI,(J-rI,CXVWV ,. "unstreitig das um:tangreichste und gelehrteste Werk, welches im Altertum gegen das Christentum ver:taßt worden ist,,24), sind samt den christlichen Gegens-chri:tten 24a ) gründlich vernichtet worden; aber A.v.Harnack 25 ) hat nach dem Vorgang anderer endgültig erwiesen, daß der um 400 schreibende Apologet Makarius Magnes sich gegen ein Exzerpt aus Porphyrius wendet, und hat daraus 52 Fragmente rekonstruiert; mit weiteren Fragmenten aus Hieronymus und anderen Vätern ergeben sich 97 Fragmente des porphyrianischen Werkes 26 ). über den Aufbau des Ganzen haben wir keine gesicherten Vorstellungen26~. Es ist aber wahrscheinlich, "daß Porphyrius gleich im ersten Buch - aus guten Gründen - die Glaubwürdigkeit der Apostel und Evangelisten geprüft hat,,27). Dabei sind seiner scharfen Beobachtung
23) J.Geffcken, a.a.O., s. 95. 23a)A.v.Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen" (s.Anm. 22), Frg. 43, s. 67 ff. 24) A.v.Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen" (s.Anm. 22), s. 3. 24a) Darüber Harnack, Porphyrius, "Gegen die Christen", S.6 f. 25) Kritik des NT von einem grieche Philosophen ••• 26) Die Harnacksche Rekonstruktion hat allgemeine Anerkennung gefunden; vg1. das Urteil von P.de Labrio1le, a • .AnBm. 22 a.O., S. 251: "Dans 1 l ensemb1e, 1e r~per toire de Harnack r~pond aux plus s~v~res exigences de 1a critique". 26a)A.Anm. 24 a.O., S. 11. 27) Ibid. S. 10.
- 15 natürlich auch Widersprüche in den Evangelien nicht entgangen. Im Frg 1528 )stellt Porphyrius die These auf: fOU~_EUnYYEALcr~n~ k~EupE~n~ OUX tcr~opn~ ~mv nEpt ~ov ~crouv YEYEv~a8nL ~pa~EWV lEtvUL] und begründet sie mit der Feststellung: fxna~o~ yap nu~wv ou cru~~vov &AA'E~EPO~WVOV ~&.A Lcr~n ~av AOYOV ltEP t ~oü n&.eou~ Eypn<j>Ev. Dies wird erhärtet durch Verweis auf die bekannten UnterSChiede, die sowohl zwischen den Synoptikern selbst und auch zu Joh bestehen; dabei zeigt Porphyrius sogar Kenntnis verschiedener Textfo~en, da er Hk 15,34 nicht nur in der ~anonischen, sondern auch in der abweichenden Fassung des "westlichen Textes" zitiert 29 ). Vor allem die verschiedenen Angaben über Jesu letztes Wort legen ihm die Annähme nahe, nicht nur einer, sondern mehrere hätten gelitten: gX ~nu~~~ ~fi<; EWAOU tO'top Cn<; xn t EHnq><.Ovou w<; oux Eva<; O:AAa nOAA~V nEnove6~wv gcr~L AnßELV ~bv A6yov ••• ~nvgpov w~ acru~~wvo,nü~~ ~UeonoLCn ~ nOAAou~ cr~nupou~tvou, g~~CVgL ~ bucrenva~oüv~a xat ~o cra~6<; 'tor<; napoücrL ~oü naeou<; naptxov't'cr., dies aber berechtigt ihn zu einer noch weitergehenden Folgerung: gt b6 xa't'a &A~eELav ~ov ~p6nov ~oü eava~ou gtnELv ~~ 6uva~EvoL O~~OL nnv~&.nacrLv gppcr.<j>~b~crnv, xat ngpt ~~v AOLn~v OUb6V kaa~~vLcrav. Die Episod •. ··Joh 19,33 f., die von der Öffnung der Seite Jesu handelt, wird im Frg l6 30 )ebenfalls unter diesem Vorzeichen gesehen, hat sie doch nur Johannes erzählt, aber keiner der anderen Evangelisten: bLO xat au't'o~ Eau't'~ ~ouAE~aL ~ap~upgLV AtyWV' xat b Ewpaxw~ ~E~ap~up~xE, xat ltA~eL\I~ cxu~oü ko't'l.v ~ ~ap~vp(cx· l)nEp bOXEL ~OL 't'av't'\. xtn~ov ~VYX&.VEI.V 't'O ~~~cx· ~, yap aA~eI.V~ ~ ~ap~vpCcx ~oü nEpt o~ ~ ~ap't'upCa ~~ U~Ea'tw'ta~j Bein Mißtrauen gegen die johanneische Uberlieferung zeigt sich auch im Frg 69 31 ), wo er das
fvn ~~
28) Ibid. S.50; vgl. Harnack, Kritik des NT (s.Anm.22), S. 22 f.; Zitat bei Makarius Magnes II 12. 29) A.v.Harnack wollte diese Lesart sogar als ursprünglich ansehen; vgl. seine Studien zUr Geschichte des Neuen Testaments und der Alten KircheI, 1931, s. 98 ff. 30) Harnack, S. 51. 31) Ibid. S. 88 f.
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"tierische lind absurde" Wort vom Essen des Fleisches und Trinken des Blutes Jesu (Joh 6,53) bespricht; er schüttet seine tiefe Abscheu vor solcher Anweisung zum Kanniba'lismus aus und beschließt seine Kritik mit der überlegung ~6EV bOXEr ~o~ ~D~E Mapxov ~D~E Aouxäv ~D~'au~ov ~oü~o YEypa~~ xlva~ Ma~6arov, ~~E box~~aaav~a~ oux aa~ErOV ~o ~~~a aAA~ ~lvov xat a~bov xat ~~~ h~lpou ~w~~ a~~x~a~tvov. ' Das Sckweigen der Synoptiker wird also als Argument gegen die Echtheit des Wortes gewertet. Ähnlich urteilt er auch bei seiner Kritik der Geschichte von dem gerasenischen Besessenen (Frg 49 32 die er insgesamt als Ü6AO~ Ka~~ALK6~ abtut; er stellt zudem fest, daß nur Markus von 2000 Schweinen spricht, in die die Dämonen gefah~en seien, und hält dies für eine zusätzliche Fabelei des Mk: Mapxo~ bE Kat ap~6~ov U~lP~E~POV oux wxv~aEv ~wv xoCpwv. Gerade die hohe Zahl aber weise darauf hin, daß die Geschichte erdichtet sein müsse: ~W~ gV ~oubaC~ Y~ ~oaoü~o ~A~eO~ ~6~E xoCpwv gVl~E~O ~wv ~aA~a~a ~UKaPWV xat ~~aou~lvwv ~or~ ~oubaCo~~ ßoaK~~&.~wV llvw6EV, ~W~ bE xat 7t&.v~E~ 0'1. Xorpo.~ gXErVO~ auvE~vCy~aav, AC~V~~ ou eaAaaa~~ ßa6ECa~ L~apxoua~~. Man wird zwar hier einen gewissen Selbstwiderspruch erkennen können - die große Zahl von Schweinen soll von Mk erdichtet sein, sie soll aber die Ungeschichtlichkeit der Erzählung begründen -, aber doch zugestehen, daß richtig gesehen wurde, wie gerade diese Einzelheit ein burleskes Element in die Geschichte bringt, weshalb Mt sie ja gestrichen haben dürfte. Wenn wir diese sehr eingehende Detailuntersuchung des Porphyrius bedenken, die sich auch etwa in seiner Kritik der fälschlicherweise Jesaja zugeschriebenen Zitate
»,
32) Ibid. S. 76 f.
- 17 Mk 1,3 f. 33 ) und Mt 13,35 34 ) zeigt, wird es durchaus wahrsCheinlich, daß sich auch eine Kritik der matthäischen und lukanis~hen Vorgeschichten bei ihm fand, wenngleich Harnack zu Frg 12 aus Epiphanius bemerkte, der Text könne "dem Porphyrius des stils wegen nicht mit Sicherheit zugeschrieben werden,,35). Der Kritiker wendet sich hier gegen die Vereinbarkeit der Geburtsgeschichten aus chronologischen Überlegungen heraus. Er nimmt an, daß die Magier nach Mt 2 am Tage der Geburt Jesu in Beth1ehem eingetroffen seien und daß in derselben Nacht die Weisung zur Flucht nach Ägypten ergangen sei; dann ist es unmöglich, die im lukanischen Bericht nach 8 Tagen erfolgte Beschneidung Jesu und - nach Lev 12,2 f~ - den 33-tägigen Jerusalemaufenthalt mit den Begegnungen mit Simeon und Hanna vor der Flucht unterzubringen. Nun ist zwar die Voraussetzung EV ~au~~ vu~~t ~ YEYEvv~~aL nDpE~~~~e~ EL~ Atyun~()v nach dem matthäischen Text nicht notwendig, aber auch nicht unmöglich; daher wird man die Kritik nicht ohne weiteres abtun können. Wie diese Beispiele zeigen, hat Porphyrius die Evangelien mit Akribie durchforscht und dabei Widersprüche und Differenzen festgestellt, die der Erklärung bedurften. Er hat übrigens auch Widersprüche innerhalb einzelner Schriften entdeckt, die er natürlich auch polemisch ausmünzt; so moniert er in Frg 61 36 ), daß Jesus Mt 26,11 z~r
33) 34) 35) 36)
Frg 9, Harnack, S. 48 f. Frg 10, Harnack S. 49. Harnack S. 49. Harnack S. 84.
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Rechtfertigung der Salbung gesagt habe n~ou~ n~wxou~ yap mxv'ton; ~xe;~e; ~e;a' ~o:u~wv J ~~g 6g ou ru:lv~o~e; ~xe;n!1 t während er doch anderwärts (Mt 28,20) erklärte: ~ao~o:~ ~e;a't~~v ~w~ ~"~ auv'te;~e;Co:c ~oU o:\wvo~.
Ähnlich wird in Frg 62 37 ) das Wort Mt 10,28 ~~ ~oß~a"'te; 'toue ~~oK~e;'vov'to:~ ~O a~~o: gegen Jesu Bitte um Verschonung vor dem Leiden in Gethsemane ausgespielt. Dieser Fragenkreis, der noch einmal die gründliche Beobachtung des Porphyrius zeigt, gehört aber nicht direkt zu unserem Thema 38 ).'
4. Offensichtlich in der Gefolgschaft des Porphyrius steht der bithynische Stattkalter Hierokles 39), der um das Jahr 310 eine "Philalethes" betitelte Schrift gegen das Christentum erscheinen ließ 40}. Natü~lich ist auch dieses Werk nicht erhalten; ein Referat bei Laktanz 41 )und die erhaltene Gegenschrift Eusebs 42 ) ermöglichen uns eine gewisse Vorstellung von seinem CharSkter. Wie Euseb zeigt, war ein Vergleich Jesu mit Apollonius von Tyana das Hauptthema seines Angriffs, ein Vergleich, der sehr zuun-. gunsten Jesu ausfiel. Nur kurz berichtet Laktanz, daß
37) Harnack S. 84. 38) Interessanterweise enthält der "Themenkatalog" in Pseudoclem. Rec 111 75 auch das Thema "de verbis domini, quae sibi videntur esse contraria, sed non sunt, et quae sit horum absolutio". Die darauf bezüglichen Ausführungen finden sich Rec 11, 20-37. Über sein curriculum vitae s. RE VIII, Sp. 1477. Die Abhängigkeit des Hierokles von Porphyrius betonen A.v.Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen", S. 5; 29; J. Geffcken, a.Anm. 22 a.O., S. 76 und P. de Labriolle, a.Anm. 7 a.O., S. 310. 41) Div. Inst. V 2,12. 42) Eusebii Pamphili contra Hieroclem et Marcellum libri, ed. Th. Gaisford, 1853.
- 19 Hierokles auch Widersprüche in den Evangelien aufgespürt habe: composuit libellos duos ••• in quibus ita falsitatem Scripturae sacrae arguere conatus est tanquam sibi esset tota contraria. Nam quaedam capita quae repugnare sibi videbantur exposuit, adeo multa, adeo intima enumerans, ut aliquando exeadem disciplina fuisse videatur. Die Vermutung des Laktanz, Hierokles' Vertrautheit mit der Schrift müsse auf eine frühere Zugehörigkeit zur Kirche zurückgehen, ist wohl falsch, da er nur Porphyrius ausgeschrieben haben dürfte - der tatsächlich der Kirche einmal nahestand43 ) -; welche Stellen er im einzelnen angriff, ist nicht feststellbar. Immerhin ist die Feststellung wichtig, daß die Polemik sich offenbar in größerem Umfang mit den Widersprüchen in den Evangelien befaßte.
5. Auch der römische Kaiser JUlian 44 ), von Zeitgenossen als restitutor libertatis et Romanae religionis gefeiert 45 ), hat ~die Probleme des "vierfältigen Evangeliums" bei seiner BekämpfWlg des Christentums nicht über-
A.v.Harnack, Porphyrius "Gegen die Christen", S.4. Neueste Gesamtdarstellung: J.Leipoldt, Der römische Kaiser Julian in der Religionsgeschichte, 1964; ferner J.Geffcken, a.Anm.22 a.O.,S. 115 ff.; J. Bidez, Julian der Abtrünnige, 19404 ; P.de Labriolle, a.Anm. 7 a .. O., S. 369 ff. 45) So in einer Dankinschrift: restitutori libertatis et Romanae religionis (Dessau Nr. 752), zitiert bei J.Leipoldt, a.a.O., S. 19.
- 20 sehen. Da er christlich erzogen worden war46 ), kannte er die Heilige Schrift natürlich gut, und nach seiner Bekehrung zum Neuplatonismus lernte er die Kritik des Porphyrius kennen, die er sehr wahrscheinlich aufgenommen hat 47 ). Auch Julians Streitschrift "gegen die Galiläer ll ist nicht erhalten, aber die ersten zehn Bücher der Widerlegung durch Cyrill von Alexandrien, die sich mit dem ersten der 3 Bücher Julians befassen, liefern Material zur Rekonstruktion, ebenso Zitate bei andereri Vätern und in Katenen48 ). Während im ersten Buch die grundsätzliche philosophische Kritik an den geschichtlichen Religionen erfolgt, als deren schlechteste das Christentum dargestellt wird, hat er die Einzelkritik im zweiten Buch vorgetragen, von dem nur 16 Fragmente erhalten sind; drei befassen sich mit Widersprüchen in den.Evangelien. Frg. 1 weist auf die Verschiedenheit der Stammbäume Jesu hin: Julian fragt, warum Matth den Joseph einen Sohn Jakobs und Lk ihn einen >Sohn Elis nennt 49 ). Wahrscheinlich hat Julian ~e Genealogien noch weiterer Kri-tik unterzogen, da er bereits im ersten Buch 50 ) auf 46) Dazu ausführlich J.Bidez, a.Anm. 44 a.O., S. 34 ff; J.Geffcken, a.Anm. 22 _a.O., S. 115; J.Le~poldt, a.Anm. 44 a~O., S.4f. 47) Harnack, Porphyrius IIGegen die Chrieten ll , S.32: "Julian berührt sich in seiner Schrift gegen die Christen an vielen Stellen so stark mit Porphyriue, daß er von ihm (den er nie nennt) schwerlich unabhängig ist; ob aber die Abhängigkeit eine direkte war oder eine bereits vermittelte, läßt sich nicht entscheiden". Ähnlich J.Geffcken, a.Anm. 22 a.O., S. 135; J.Leipmldt, a.Anm. 44 a.O., S.9. 48) Ausgabe von C.J.Neumann, Juliani imperatoris librorum contra Christianos quae supersunt, Leipzig 1880; ders~ Kaiser Julians Bücher gegen die Christen. Nach ihrer Wiederherstellung übersetzt t 1880. 49) Neumann S. 234 (Ubers. S.49). 50) Neumann S. 211 f. (Übers. S.35).
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dieses Problem hinweist: Er will zeigen, daß die Weissagung Gen 49,10 ("nicht soll es fehlen an einem Herrscher aus Juda noch einem Führer aus seinen Lenden") sich nicht auf Jesus bezieht, der doch vom heiligen Geist gezeugt sein soll. Allerdings, so wendet er selbst ein, wird ja Joseph auf Juda zurückgeführt; doch nicht einmal diese Erfindung sei geschickt ausgeführt, da ja die Stammbäume bei Mt und Lk miteinander in Widerspruch stünden. Dies solle im zweiten Buch noch genau untersucht werden. Frg. 1 erfüllt in seiner Knappheit diese Versprechen natürlich nicht; man wird eine eingehendere Untersuchung der Stammbäume anzunehmen haben. Frg.7 51 ) wird der Gebetskampf Jesu in Gethsemane als Jesu unwürdig dargestellt; vor allem wird beanstandet, daß Jesus, der doch ein Gott war, sich von einem Engel habe stärken lassen. Freilich wirft Julian sofort ein, daß ja nur Lk die Begebenheit mit dem Engel erzählt habe, und diese schwache Bezeugung spreche gegen ihre Historizität; nicht einmal die Jünger, die Jesus mitgenommen hatte, hätten darüber etwas sagen können, da sie ja eingeschlafen waren; dementsprechend habe auch der Augenzeuge Joh nichts davon geschrieben. Diese ganz modern anmutende Überlegung berührt sich in der Haltung mit Porphyrius, der auch Sondergutstücke von vorneherein verdächtigt hatte. Widersprüche in den Ostergeschichten greift Frg.8 aUf 52 ): erstens moniert Julian die chronologische Differenz zwischen Mt und Mk, sodann die unterschiedliche Angabe,
51) Neumann S. 235 (Übers. s. 50). 52) Neumann S. 236 (Übers. S. 50).
- 22 daß die Frauen nach Mt einen Engel, nach Hk aber einen Jüngling im Grabe gesehen hätten, und drittens die widersprüchlichen Angaben über das Verhalten der Frauen, die nach Mt die Auferstehung verkündeten, nach Mk aber geschwiegen hätten. Daß es sich bei dem ersten und dritten Punkt um tatsächliche Widersprüche zwischen Mt und Hk handelt, wird man nicht leugnen können.Die Aufmerksamkeit Julians hat jedoch sich nicht nur auf solche Widersprüche in den Angaben von Fakten gerichtet; ein Abschnitt aus dem ersten Buch 53 ) zeigt, daß er auch dogmatische Unterschiede gespürt hat. Er stellt fest, daß weder Paulus noch Mt und Lk noch Mk es gewagt hätten, Jesus als Gott zu bezeichnen; erst das späte JohannesevangeliUm habe dies getan. Und eben dies - die Verehrung des Menschen Jesus von Nazareth als Gott - war das Hauptskandalon für seinen philosophischen Glauben.Daß die johanneische Christologie sich graduell von der synoptischen unterscheidet, war zwar manchen Kirchenvätern durchaus nicht unbekannt 54 ), aber sie überdeckten das Problem mit Hilfe der Ergänzungshypothese, die die Not gewissermaßen zur Tugend werden ließ; Julian hat hier wohl schärfer gesehen, daß eine Entwicklung vorliegt, die von einem "philosophischen Aufklärer" als anstößig empfunden werden konnte. Freilich wird der heutige Exeget fragen, ob Julian nicht die ChristOlogie des PIs und sogar der Synoptiker unterschätzt· hat; es sei nur an das bekannte Wort W. Wredes erinnert: "Man betrachte Markus durch ein starkes Vergrößerungsglas, und man hat eine Schriftstellerei, wie sie Johannes zeigt" 55). Anhangsweise sei vermerkt, daß Julian - wie schon Por53~ Neumann S.
223. 54 Darüber wird in § 4 gehandelt werden. 55 ,W.Wr~de, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien, 1963 , S. 145.
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phyrius - auch auf innere Widersprüche zwischen Worten Jesu im selben Evangelium geachtet hat, wie Frg 10 56 ) zeigt. Julian hat darin die gesetzestreuen Logien Mt 5, 17.19 mit den Äußerungen Jesu im Sabbatkonflikt Mt 12,8 und im Streitgespräch über Rein und Unrein Mt 15,11 konfrontiert, die doch zeigten, daß Jesus selbst das al ttestamentliche Gesetz gebrochen habe •.Man kann nur bewundern, wie klar der Heide dieses Problem erkannt hat, das die ~heologen teilweise bis h~ute nicht sehen wollen. Da man anderen Seiten seiner Polemik sehr wohl erfolgreiche Antikritik entgegensetzen kann und auch schon entgegengesetzt hat 57 ), sollte hier doch der Scharfblick seiner Polemik gegen den dissensus evangelistarum hervorgehoben werden 58 ). 6. Im Anschluß an die heidnische Polemik wollen wir uns noch mit der manichäischen Evangelienkritik befassen. Diese Lokalisierung bedarf einer kurzen Begründung; denn es ist bekannt, "daß der Manichäismus mit gewissen -gnostischen Ausprägungen des Christentums' zusammengehört ,,59) , ja daß der Manichäismus "sich als das wahre Christentum ausgab,,60). Trotz dieser bewußten Anknüpfung an das Christentum unterscheidet sich der Manichäismus von anderen christlichen Strömungen dadurch, "daß er keinecx.tpc;(J'I,C;
56) A.a.O., S. 51. 57) P.de Labriol1e, a.Anm.7 a.O., ~. 423 ff. 58) Dabei soll die Frage nach der Originalität dieser Po~ lemik ausgeklammert bleiben; hat Julian die Probleme auch nicht als erster gesehen, so hat er sich doch eine richtige Sicht zu eigen gemacht. Vgl. dazu P.de Labriolle, a.Anm. 7 a.O., S. 421. . 59) A.Böhlig, Christliche Wurzeln im Manichäismus, in: Mysterion und Wahrheit. Gesammelte Beiträge zur spätantiken Religionsgeschichte, 1968, S. 205. 60) G.Widengren, Mani und der Manichäismus, 1961, S. 123.Neben dieser neuesten Gesamtdarstellung sind noch bedeutsam: POlotsky, Art. Manichäismus, in: RE Suppl.VI, Sp. 240-271; H.C. Puech, Le manich~isme - Son fondateur, sa doctrine,1949.
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ist und auch nlcht sein will, sondern eine eigene Religion mit eigenem Namen,,6l).Wir würden also das Selbstverständnis der Manichäer nicht ernst nehmen und uns auch einer Verkürzung des historischen Tatbestandes schuldig machen - das Christentum ist ja nur eine Wurzel des Manichäismus -, wenn wir die Manichäer als christliche Sekte einreihen würden; ihr Platz ist außerhalb der Kirche. Mani hat an mehrere Religionen Anschluß gesucht, indem er "beanspruchte, das wirklich Gute und Wesentliche an ihnen in sich aufgenommen zu haben,,62). Ja, alle Religionsstiftungen gehen auf denNoü~ ,also auf den Gott des Lichtreichs, den "Vater der Größe", zurück 63 ). Damit ergibt sich natürlich für Mani die Notwendigkeit, sich von seinen Vorgängern, nämlich Christentum, Parsismus und Buddhismus, abzugrenzen und positiv darzulegen,warum er noch als Offenbarer auftreten mußte. Mani tut das mit dem höchst interessanten Hinweis darauf, daß seine Vorgänger selbst nichts geschrieben hätten, während er authentische Lehre hinterlasse. Er führt aus: Jesus habe im Lande des Westens gepredigt, "nach seinem Tode haben sie (sc. die Jünger) geschrieben ••• seine Parabeln ••• und die Zeichen seiner Wunder ••• sie schrieben ein Buch ••• " 64-). Trotz des fragmentarischen Textzustandes ist der Gedankengang klar: Erst nach Jesu Tod ist seine Lehre aufgezeichnet worden in einem Buch; vielleicht kannte Mani nur das (oder ein) Diatessaron65 ).
A.Böhlig, a.Anm. 59 a.O. 61] 62 Polotsky, a.Anm. 60 a.O., Sp. 256. 63 Ibid. Sp. 256. 64) Kephalaia (ed. Polotsky / Böhlig, 194-0), S. 7, Z.18 ff.; der zitierte Text Z.23 ff. lautet :lVlNNCW~ o.YC2EI. •• / ••• NE~nA.po.BOAo. YE ••• 1"Ml'viEINE MRN~nIIPE ••• 0. YC2 EI Oy.xWME •••
65) So C.Schmidt, Neue Originalquellen des Manichäismus aus Ägypten, 1933, S. 19; vgl. A.Böhlig, Neue Kephalaia des Mani, in: Mysterion und Wahrheit (s.Anm. 59), S.26l, Anm. 3, der weitere Evidenz für die Benützung des Diatessaron beibringt.
- 25 Ähnlich schreibt er über Zarathustra: "[nicht hat] Zarathustra Bücher geschrieben, sondern seine Jünger nach seinem Tode erinnerten sich und schrieben· ••• ,,66). Und in demselben Sinn heißt es von Buddha: "Aber nur dies ist es, daß [er] nicht geschrieben hat seine Weisheit [in] Bücher, Seine Jünger, welche nach ihm kamen, sind es, die [sich erinnerten] an das Etwas von Weisheit, das sie von Buddha gehört' hatten, und [schrieben es in] Schrif~ ten,,67). Der hierauf folgende Text ist leider heillos verderbt; aber einzelne erhaltene Wörter ("in die Irre gehen", "verfälschen", "vermischen,,)68) zeigen, in welchem Sinne die vorhergehenden Äußerungen ausgewertet wurden: Die substantiell richtige Lehre eines Jesus, Zarathustra und Buddha ist in ihrer überlieferten Form deswegen insuffizient, weil sie von Unbefähigten aufgezeichnet wurde und dadurch, irrtümlich oder absichtlich, verändert wurde. DaSselbe sagt Mani auch in einem der noch nicht edierten Abschnitte der Kephalaia, dessen Übersetzung C. Schmidt 69 ) schon mitgeteilt hat: "Meine Religion ist überlegen in der Weisheit und'" in den [ Mysterien] , die ich euch in ihr geoffenbart habe. Diese Weisheit habe ich geoffenbart und sie geschrieben in die heiligen Bücher, in dem großen Evangelium und in den andern Schriften, damit man sie nicht verändere nach mir. Wie ich sie in die Bücher geschrieben habe, so auch habe ich befohlen, daß man sie
66) Ke:ghalaia, S. 7, Z. 31 f.: [ •• ~ Z6.P6.~HC C6.2 XtuME 6.AA6. NE[ ~ J/[MJI,6HTHC ET6.YEI Iv. ]l"W-:W~ 6.YFTIlVJEYE 6.YC2EI .•• 67) Kephalaia, S.8, Z.4 ff.: 6.AA6. TIEI I'i'METE TIE XE MnE~C2EI TEYCO[ ~I6. 6.AW]lvlE I\EYM6.6IFrrrC E'1'6.YEI MNN! C]wy :NET6.YF/[TIlv;EYE] M:l1A6.YE l'~COYI6. BT6.YC6.Tlv:·~Y NTN BOY~~6.C ßY/[C6.2Y 6.r]p6.YH 68) Z. l4:K6.TI1IA[EY]E; Z. l5:IvlOYXT ; Z. l2:PTIA6.NlI. 69) A.Anm. 65 a.O., S. 17 (aus Kap. 154 der Kephalaia).
- 26 abmale. Denn alle die Apostel, meine Brüder, die vor mir gekommen sind, nicht haben sie ihre Weisheit geschrieben, wie ich sie geschrieben habe, noch haben sie abgemalt ihre Weisheit in das Abbild, wie ich sie abgemalt habe". Mani wollte also eine Buchreligion begründen und sah darin einen wesentlichen Unterschied . zu den anderen ihm bekannten Stiftern von Hochreligionen '. die solches Wollen nicht besaßen. Man kann annehmen, daß Mani seine These von der-Verfälschung der Lehren ander~r Religionsstifter irgendwie belegt hat, aber die bekannten Quellen sagen darüber nichts aus., Wenn wir das eigentümliche "Buchbewußtsein" Manis so ausführlich dargestellt haben, so deswegen, weil es in einem späteren Zusammenhang noch wichtig sein wird. Immerhin hatten Manis Jünger einen Anreiz, die- Jesusüberlieferung kritisch zu sichten69a ) und aus derselben die Texte zu eliminieren, die nicht zur manichäischen Dogmatik paßten. Ein Beispiel solcher Au~einander setzung mit dem NT liefert uns der l'1anichäer Faustus. Augustin, in dessen Biographie der Manichäismus und speziell Faustus eine bedeutsame Rolle spielten 70 ), hat
69a) Man vgl. die Darstellung der vor 350 entstandenen Acta Archelai, Mani habe den Christen Widersprüche in den Evangelien vorgehalten: Deinde coepit dicere plurima ex lege, multa etiam de evangelio et apostolo Faulo, quae sibi viderentur esse contraria (ed. Beeson, GCS 16, c. 44, p. 65,10 f.). Ein Beispiel dafür, wie man sich konkret Widersprüche gegenseitig vorwarf, in c. 17 (p. 28,10 ff.). Vgl. noch Acta Arch. c. 50 (über die Verwerfung der Geburtsgeschichten) und c. 40 (über die Ablehnung von Mt 5,17). 70) Vgl. W.v. Loewenich, Augustin - Leben und Werk, 1965, S. 33 ff.
"
- 27 in seiner Schrift contra Faustum auf Angriffe dieses nicht ungeschickten Polemikers 71 ) geantwortet, und dabei spielt auch das Problem der Widersprüche in den Evangelien eine Rolle. Kritik an den Evangelien wird für Faustus - wie schon bei Mani - deshalb notwendig, weil die Evangelien nicht von Jesus selbst und auch nicht von seinen Aposteln geschrieben wurden, sondern von Unbekannten in späterer Zeit, die sich teils die Namen von Aposteln, teils von Apostelschülern zulegten, um eher Glauben zu finden. Quo magis mihi videntur iniuria gravi adfecisse discipulos Christi, quia quae dissona idem et repugnantia sibi scriberent, ea ref'errent ad ipsos et secundum eos haec scribere se profiterentur evangelia, quae tantis sint referta erroribus, tantis contrarietatibus narrationum ·simul ac sententiarum, ~t nec sibi prorsus nec inter se conveniant. Angesichts dieser völligen Uneinheitlichkeit wird die Kritik geradezu zur Pflicht: quid ergo aliud est calumniari bonos et Christi discipulorum concordem ·coetum in crimen devocare discordiae? Also wird man das Nützliche aus diesen Schriften zwar annehmen, d.h. quae et fidem nostram aedificent.et Christi domini atque eius patris omnipotentis dei propagent gloriam, das übrige aber verwerfen72 ). Für die Behauptung der nichtapostolischen Herkunft der Evangelien waren offensichtlich die Widersprüche das beste und häufigst genannte Beweismittel: unde ostenditis (so fragt Augustin) scripturas illas non ab apostolis ministratas? respondetis: quia multa
71) Zu Faustus vgl. A.Bruckner, Faustus von Mileve. Ein Beitrag zur Geschichte des abendländischen Manichäismus, 1901; wahrscheinlich überschätzt Bruckner ·seinen Helden etwas, wenn er ihn "zu den scharfsichtigsten und begabtesten Männern seiner Zeit" stellt (S.75), aber angesichts der negativen Urteile, die im Gefolge Augustins über Faustus meistens gefällt wurden, kann diese Übers-chätzung einen notwendigen Ausgleich bewirken. 72) Contra Faustum XXXI~ 2 (ed. J.Zycha, CSEL XXV, 1891, S. 761 f.).
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sunt in eis et inter se et sibi contraria 73 ). Sein Prinzip kritischer Auswahl aus dem NT sieht Faustus übrigens in Analogie zum großkirchlichen Verhalten gegenüber dem AT: die Prophezeiungen und die zivilgesetzlichen Vorschriften werden übernommen, Beschneidungs-, Opfer-, Sabbatgebote werden übergangen74 ). Wie wird diese geradezu die Ergebnisse moderner Einleitungswissenschaft vorwegnehmende Kritik im einzelnen begründet? Augustin hat drei Beispiele zitiert, die wir kurz darstellen. Schon zu Beginn der Schrift werden die Genealogien abgelehnt, die der doketischen Christologie der Manichäer natürlich ein großer Anstoß waren. Nicht nur die'Tatsache ist Faustus bedeutsam, daß Mk, der ja sein Werk als einziger "Evange1ium n nennt, ebenso wie Joh keine Genealogie hat 75 ), sondern auch die Verschiedenheit der überlieferten/Stammbäume: ••• offensus duorum maxime evange1istarum dissensione, qui genea10gian eius scribunt, Lucae et Matthaei, haesi incertus, quemnam potissimum sequerer. Heftigen Widerspruch muß Faustus natürlich auch gegen Mt 5,17 erheben, wird doch dieses Wort der manichäischen Verwerfung des AT entgegengehalten. Wer hat aber, so fragt Faustus, dieses Wort bezeugt? Doch nur Matthäus, der zur Zeit der Bergpredigt noch gar kein Jünger Jesu war, während Johannes, der damals schon unter den Jüngern war, diesen Ausspruch in seinem Evangelium nicht bringt: " ••• testis idoneus tacet, loqtiitur autem minus idoneus ••• ". Aber selbst der Jünger Matthäus hat Mt 5,17 nicht geschrieben, sondern ein anderer hat das Evangelium unter seinem Namen verfaßtj das zeigt die Berufungsgeschichte (9,9 fJ, in der von Matthäus wie
73j C. Faust. XXXII, 16 (S.775j. 74 C. Faust. XXXII, 7 (S.766 • 75 C. Faust. II, 1 (S. 253 f ••
- 29 von einem Dritten gesprochen wird! Außerdem - und dies ist eine höchst wertvolle Erkenntnis des Faustus setzt ja die abwehrende Fassung des Wortes "nolite putare quia veni solvere legem" voraus, daß Jesu Verhalten jedenfalls die Annahme nahegelegt zu haben scheint, er löse das Gesetz auf. agedum ergo, si ei et Judaei dixissent, quid porro autem tu tale agis, unde hoc suspicari possimus? an quia circumcisionem derides, sabbatum violas, sacrificia respuis, confundis cibos? hoc ergo e~t: nolite putare?7 6 ) Man wird nicht umhinkönnen zuzugeben, daß hier der Finger auf einen echten inneren Widerspruch gelegt worden ist, trotz aller Apologetik, die bis heute um einen Ausgleich bemüht ist. In großer Ausführlichkeit wird schließlich die Echtheit von Mt 8,11 bestritten, jenes Wortes, das den ~ei den verheißt, sie würden mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tische liegen dürfe.n. Der dogmatische Anstoß des Manichäers ist klar: kann es etwas Qedeuten,mit den Patriarchen zusammen im Himmelreich zu sein, die doch einen so verwerflichen Lebenswandel geführt haben? Mag Gott sie in seiner unbegreiflichen Güte ins Himmelreich aufnehmen - ihre Hervorhebung in diesem Spruch ist ganz unverdient. Aber die Überlieferung dieses Wortes läßt an seiner Echtheit zweifeln: utrum et hoc a Christo dictum sit, dubios etiam nos et incertoB scribentium ipsa varietas facit. Denn obwo~l Mt und Lk die Geschichte vom Hauptmann zu Kapernaum be~ichten, hat doch nur Mt das anstößige Logion einge-fügt. Nun könnte man freilich sagen - dies ist anscheinend geschehen -, Lk habe das von Mt berichtete Wort nicht noch einmal bringen wollen, es also bewußt aus-
76) C. Faust. XVII, 1 (S.483).
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gelassen; aber dem hält Faustus entgegen, daß Lk dann ja überhaupt die ganze Geschichte nicht hätte erzählen müssen. Nun hat aber Lk die jüdischen Ältesten als Vermittler zwischen dem Hauptmann und Jesus eingeschaltet und dabei die Verdienste des Hauptmanns um die Juden besonders hervorgehoben; er hätte also sicher das judenfreundliche Wort Mt 8,11 nicht ausgelassen, wenn er eB in diesem Zusammenhang für richtig gehalten hätte. So aber bringt er es an anderer Stelle, nämlich bei den Worten über das Eingehen durch die enge Pforte (Lk 13, 24 ff.). Teile dieser Rede hat auch Mt ( ?,22 f.), aber diesmal ohne das Wort von den Patriarchen. Die·se Uberlieferungslage läßt für den Spruch Mt 8,11 nur Gen Schluß zu: quia ubinam dictum sit certo constare non possit, nihil prohibeat etiam non credere, quia sit dictum?7). Diese Kritik zeigt eine beachtliche Bibelkenntnis und auch Einsicht in den literarischen Charakter der Evangelien; freilich ist der SChluß, den er daraus zieht, übereilt. Das ist eine natürliche Folge dessen, daß der dogmatische Anstoß eben den Ausgangspunkt der Kritik darstellt.
Im Anschluß an die Behandlung von Mt 8,11 faßt Faustus nochmals seine Grundsätze zusammen, die an sich modern klingen, aber durch die dogmatische Festgelegtheit ihrer Anwendung nicht zu wirklich historischen Urteilen führen: Nec immerito nos ad huiusmodi scripturas, tam inconsonantes et varias, numquam sane sine iudicio ac ratione aures adferimus; sed contemplantes omnia et cum aliis alia conferentes perpendimus, utrum eorum quidque a Christo dici potuerit necesse. multa enim
77) C. Faust. XXXIII, 2 (S.786-788).
- 31 a maioribus vestris eloquiis domini nostri inserta verba sunt, quae nomine signata ipsius cum eius fide non congruant, praesertim quia,ut iam saepe probatum a nobis est, nec ab ipso haec sunt nec ab eius apostolis scripta, sed multo post eorum adsumptionem a nescio quibus et ipsis inter se non concordantibus Semiiudaeis per famas opinionesque conperta sunt ••• 7 8 ).
7. Im Vorstehenden hat sich gezeigt, daß die Kirche von einer Reihe scharfsinniger und eindringender Polemiker auf das Problem der Widersprüche' in den Evangelien angesprochen wurde. Die Intention der Angriffe war da- ' bei ebenso verschieden wie deren Intensität. Gleichwohl war eine Stellungnahme gefordert, die nicht nur in der These von der "Einheit in der Vielfalt" bestehen konnte, sondern die den konkreten Einzelproblemen Rechnung trug. Doch hat nicht nur die außerkirchliche Polemik die der Kirche von Origenes her vererbte "Entscheidung über die grundsätzliche Einheit und Einheitlichkeit, die Inspiration und Unfehlbarkeit des Kanons und seine vollkommene Suffizienz als Norm der kirchlichen Lehre und Verkündigung,,79) in Frage gestellt, sondern auch innerkirchlich sind die Widersprüche in den Evangelien je und dann zum Problem geworden. Nicht nur Haeretiker haben sich ihrer bedient, um ihre eigenen Auffassungen zu stützen, selbst einfache Gläubige sind auf sie aufmerksam und dadurch an ihrer Heiligen Schrift irre geworden. Dies soll im folgenden Paragraphen dargestellt w8rden. 78) C. Faust. XXXIII, 3 (S.788). 79) H.v.Campenhausen, a.Anm. 17a a.O., S. 374.
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§ 3: Die Widersprüche zwischen den Evangelien als inner-
kirchliches Problem 1. Anfechtung für die Gläubigen Solange die Evangelien im Sinne von Lk 1, 1-~ als Versuche, das Leben Jesu zu beschreiben, galten, mußte man sich zwar über ihr gegenseitiges Verhältnis Gedanken machen - schon Papias hat das getan -,.aber man konnte an Einzelheiten unbefangen Kritik üben oder sogar eine nicht akzeptabel erscheinende Darstellung übergehen. Das wurde anders in dem Augenblick, da die Kirche einen verbindlichen Vierevange1ienkanon schuf. Soweit Unterschiede in den vier Darstellungen vorhanden waren, konnte man sich mit der Formel vom Eucx.yyEAI.OVrE1:p alloPCPOv behelfen, aber Widersprüche durfte es in diesen grundsätzlich gleichberechtigten Darstellungen nicht geben. Es ist nun anerkennend festzustellen, daß auch die Gemeinden durchaus das Problem der Widersprüche erkannt und ernstgenommen haben. Schon Origenes schreibt, daß viele Qhristen durch die Widersprüche in den Stammbäumen Jesu außerordentlich verwirrt würden 1 ); ja info1ge der Widersprüche zwischen Johannes und den Synoptikern gäben viele sogar ihren Glauben an die Evangelien aUf 2 ), oder es bestehe die Gefahr, daß man die Vierheit aufgibt und sich nur an ein Evangelium k1ammert 3 ). So kennt Origenes christliche Kreise, die die Gottheit Jesu im Matthäusevange1ium nicht angemessen ausgedrückt finden und ihm wohl Johannes vorziehen~). Andere wiederum beruhigen sich mit der Annahme,
1~~
Luk Hom XXVIII.(ed. Rauer, GaS Origenes IX, S. 172). Joh Oomm X, 3,10 (ed. Preuschen, GOS IV, S. 172). Ibid. X,3, 14 (S.173). 4) Matth Oomm XII, 6 (ed. Klostermann, GOS X, S.77); dazu A.v. Harnack, Der kirchengeschichtliche Ertrag der exegetischen Arbeiten des Origenes, II, S. 22.
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die Evangelisten hätten sich eben nicht immer genau erinnert 5 ). Daß sich fromme Christen durch Widersprüche in den Evangelien beunruhigt fühlten, zeigen auch die Briefe des Hieronymus an Marcella 6 ), Hebydia 7 ) und Algasia 8 ), die auf diesbezügliche Anfragen eingehen. Ambrosius hat in seinem Lukaskommentar, der teilweise auf Predigten zurückgeht, sich sicher nicht ohne Anlaß so häufig mit synoptischen Vergleichen befaßt 9 ), und Johannes Chrysostomus erklärt in seiner ersten Matthäushomilie, die Lösung von Widersprüchen sei eines seiner Hauptziele in dieser Predigtreihe lo ); auch dies zwei Beweise für das lebendige Interesse der Gemeinden am Problem des consensus evangelistarum. Schließlich zeigt Augustin in vielen PredigtenlI), daß die Behandlung des Problems nicht nur gelehrte Spielerei, sondern für die Gemeinde wichtige Belehrung war, und H.J. Vogels hat mit Recht betont, daß "nicht der Gelehrte, sondern der Seelsorger" Augustin,die umfassende Untersuchung De consensu evangelistarum ge~chrieben ha,t 12 ). Augustin selbst schreibt, daß Angriffe auf das "heilige Viergespann" des Herrn seine Schrift veranlaßt; manche würden durch diese Angriffe noch vom Glauben abgehalten, Gläubige würden verwirrt, andere Brüder aber wollten salva fide sich 5~ Vgl. Harnack, a.a.O., S. 28 • .
6 7 8 9 10) 11)
Hieronymus ep. 59,4. Hieronymus ep. 120. Hieron~us ep. 121. Siehe ~ 8. Hom. I 2. H.J. Vogels, st. Augustins Schrift De consensu evangelistarum, 1908, S.5)A. 1 verweist auf Serm. 35; 47; 51; 71; 82; 133; 145; 149; 235; 240; 243; 244; 245; 2464 12) H.J. Vogels, a.a.O~, S. 5.
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Belehrung und apologetische Handreichung geben lassen (de cons. ev. I 7,10). Ein weiteres Beispiel für die Beunruhigung der Gemeinde durch die außerkirchliche Polemik gegen die Widersprüche ist Augustins Brief an Deogratias (ep. 102). 2. Die Aloger Daß die Widersprüche in den Evangelien nicht nur ein Informationsbedürfnis der Gemeinden geweckt haben, sondern zu größeren innerkirchlichen Diskussionen Stoff gaben, zeigt der Fall jener "radikal synoptischen Partei,,13), die Epiphanius 14 ) mit dem Schimpfnamen "Aloger" belegt hat, da sie das Logosevangelium ablehnten. Nun hat Euseb 15 ) überliefert, daß z.zt. des Bischofs Zephyrin ein römischer Presbyter namens Gaius im Zusammenhang mit seiner Bekämpfung der Montanisten auch das Vierte Evangelium und die Apokalypse verworfen habe; beide Schriften seien auf den Erzketzer Kerinth zurückzuführen. E. SChwartz16 ) hat wahrscheinlich gemacht, daß die aus Epiphanius rekonstruierbaren Angriffe der "Aloger" im Grunde auf die verlorene Widerlegungsschrift Hippolyts gegen Gaius zurückgehen; d.h. wir hören bei Epiphanius mittelbar den Angriff jenes Presbyters Gaius 17 ). Das-
J. Leipoldt, Der neutestamentliche Kanon 1,1907, S.146. Epiphanius, Panarion. Haer. 51,3 (ed. K.Holl, GCS 31, 1922, S. 250). H.e. 111, 28,2 und VIJ 20,3.· Ober den Tod der Söhne Zebedaei l in: Gesammelte Schriften Bd. 5, 1963 (S.48-l23), S. ~O ff. W. Bauer, Rechtgl~ubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, 1964 , S. 209 f.,und H.v. Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel, 1968, S. 278 f., schließen sich dieser These Schwartzens an, während Bludau, Die ersten Gegner der JOhannesschriften, 1925, s. 220 ff., Gaius und die !leger trennt. - Übrigens
- 35 selbe Bild zeigt übrigens auch ein syrisch erhaltenes Fragme.nt aus dem Apok'alypse - Kommentar Hippolyts 18). Wie begründen nun Gaius und sein Kreis 19 ) die Ablehnung des Johannesevangeliums? Man geht aus vom Vergleich zwischen Johannes und den Synogtikern:~axoua~ y~p ••• ~~~ ou au~ ~vEt ~a au~oO ( !wavvou) ~CßA~a ~ot, AO~~ot, &~oa't6Ao~,. ,Und zwar weist Gaius darauf hin, daß nach dem joh. Prolog sogleich das Täuferzeugnis, die Jüngerwahl und das Wunder zu Kana berichtet würden, während bei den Synoptikern der vierzigtägige Wüsten aufenthalt mit der Versuchung der Berufungsgeschichte vorangeht 20). überhaupt fehlen bei Joh die "Vorgeschichten", die Flucht nach Ägypten und die Rückkehr nach Nazareth 2l ). Daraus ziehen die "Alog~r" den Schluß:'to 6g EuayytALoV 'to Et, ~vo~a ~w~vvou ••• •••
Eu6E~a .. 21a). Eine weitere chronologische Unstimmigkeit wird vermerkt:o ~w~vv~, t~~ 6uo naaxa LOV aw~~pa ~E~O"~ xtva~ EV ngp~66w Ev~auLwv 6uo, ot 6g &~AOL guayygA~aLat n.pt • 22) • Es werden also nur die beiden ~VO, n~axa 6L~yoOvLaL
kompliziert E.Schwartz (a.a.O., S.105 f.) die Lage unnötigerweise dadurch, daß er schon in den~ be,i Irenäus, adv. haer. III, 11,9 bekämpften Johannesgegnern Gaius sehen will; abe,r die Polemik ist doch zu konturenlos ? als daß diese Annahme naheliegend wäre; daher ersche1nt uns die apodiktische Aussage v. Campenhausens (a.a.8., S. 278, A. 164) berechtigt: "Irenäus hat Gaius noch nicht gekannt ••• n. 18) übersetzt bei P. de Labriolle, Les Sources de l'Histoire du Montanisme, 1913, S. LXXIII; vgl. A. Bludau, a.a.O., S. 68 ff. 19) Es scheint mir sehr wahrscheinlich, daß Gaius Anhänger gefunden hat, die dann Epiphanius als Aloger bezeichnet, für unwahrscheinlich halte ich die von W. Bauer, a.a.O., S. 210, erwogene Möglichkeit,. daß Gaius sich "die Ansichten jener Leute (sc. der Aloger) weitgehend zu eigen gemacht" haben könnte. 20) Epiph. haer. 51 4, 6-10 (Holl, S. 252). 21) Ibid. 51,17,11 ~HOll, S. 274 f.), ebenso 51,18 (Holl S. 275 f.). 21a) Ibid. 511.18,1 (Holl S. 275). 22) Ibid. 5l,~2,1 (Holl S. 283).
- 36 Passaieste Joh 2,13 if. und 11,55 if. gezählt, wobei das in 6,4 fi. als "nahe" bezeichnete Passa übergangen wird; bezog man diese Ankündigung auf 11,551 23) Richtig beobachtet ist jedenfalls, daß der "Rahmen der Geschichte Jesu" bei Joh weiter gespannt ist als bei den Synoptikern. Auch die Besonderheit einer parallelen Wirksamkeit Jesu und des Täufers, die Joh 3,24 ausdrücklich feststellt, scheinen sie gegen Joh geltend gemacht zu haben: K~V ~E Tlp AtYWOLV ~~L 0 ~gV Ma~6ato~ Kat M&pKO~ Kat AOUKä~ ot EvaYYEALcr~at240L~y~oav~0 nEpt ~oü Ow~~po~ ~~L ~8~a ~O ßan~Lo~a av· ~XeT) e;'", 't'~v ~PT)~OV Kat E:nOCT)OEV h~tpa~ 't'EooapcXKoV'ta nELpa. .. ~6~EVO~ Kat ~E't'a 'tOV nEl.paO~Ov aKovoa~ ~~1. twaVVT)C; oopE066T) E:A6WV )(a't'~Kl1oEV Et~ Kacpa.pvaou~ 't'~V napa6aAaoOLOV, b OE twdvvl1~ ~EvoE't'aL ~~ EtnWv nEpt 't'ou'twv ••• 24a) Die Widerlegung des Epiphanius betont dagegen die von Joh gebotene Ergänzung des synoptischen Berichts durch die täuferzeitiiche Aktivität Jesu. Man wird die Kritik des Gaius nicht besser würdigen können als mit den Worten E •. Schwartzens,der sag\e, hier rede "ein scharfsinniger, nüchterner Mann, der mit seiner Kritik der Kirche einen Dienst erweisen will" 25). Wenn man auch sagen muß, daß ihn Epiphanius nicht im mindesten widerlegt hat, wird man doch die errore hominum providentia Dei erfolgte Beibehaltung des 4. Evangeliums nicht widerrufen wollen; denn 23) E. SChwartz, a.Anm. 16 a.O., S.92, bemerkt dazu: "Die Aloger zählen also nur die ausdrÜcklich erwähnten Paschafeste Joh 2,13 ff. und 11,55 ff., das der Passion; das dazwischenl~egende 6,4 ff. ist von Jesus nicht gefeiert. Da jene beiden den Anfang und das Ende seiner Wirksamkeit bezeichnen, kommen gerade zwei Jahre heraus". 24) Mit_Recht bemerkt hiezu E. Schwartz, a.Anm. 16 a.O., S. 92: "Johannes ist also kein Evangelist".24a) Haer. 51,21,15 (Holl S. 281). 25) A.Anm. 16 a.O., S. 93.
- 37 um eine Entfernung des Joh aus dem sich bildenden oder besser: aus dem neu gebildeten Kanon ging es ja bei dies~r Kritik 26 ). Aber dieser sachliche Widerspruch gegen Gaius und seinen Kreis setzt unser heutiges Verständnis des Joh voraus, das damals weder er noch seine Gegner haben konnten; für die damalige Zeit war die Leistung des Gaius sicher größer als die seiner Gegner 27 ). 3. Der Osterfeststreit In der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts gab es verschiedentlich Streitigkeiten zwischen Rom.und Kleinasien über die Feier des Osterfestes 28 ). Während die Kleinasiaten ein Passafest am l~. Nisan, also am gleichen Tag wie die Juden, feierten, hatte sich in Rom die
26) Epiph., ~aer 51"
18 6 (Ho,ll ~.275) :A.(XOUOI. oE;
1 HOTa !wavv~v EuaYYE~LOV oOLo8ETOV
Etval.
•••
Ta
E.Schwartz~ a.Anm. 16 a.O., S. 9l,Anm.2, K. Holl (Anmerkung z.st.) und A. Bludau, a.Anm. 17 a.O., S. 8p,haben im Anschluß an Jülicher sichergestellt, daß ao~a8ETC~ ~nkanonisch~heißt.
27) Mit Recht bemerkt E. Schwartz, a.Anm. 16 a.O., S.89, über die Aloger: "Auch Epiphanius weiß wie schon Irenäus keine Irrlehre anzugeben, um derentwillen die beiden Bücher nicht anerkannt wurden: erst er selbst hat den Namen, der für seine eigene Rohheit und Borniertheit erheblich charakteristischer ist als für seine Gegner, erfunden um jene unter die Ketzer einreihen zu können". Ähnlich schon Th. Zahn, Geschichte des Neutestamentlichen Kanons I, 1888, S. 2~7 f. 28) Die ganze Darstellung dieses Fragenkreises ist nicht unsere Aufgabe; wir stützen uns vor allem auf die neueste umfassende Monographie von W. Huber, Passa und Ostern. Untersuchungen zur Osterfeier der alten Kirche, 1969, dazu ferner auf J.Blank, Meliton von Sardes. Vom Passa. Die älteste christliche Osterpredigt, 1963; B. Lohse, Das Passafest der Quartadecimaner, 1953; K.Holl, Ein Bruchstück aus einem bisher unbekannten Brief des Epiphanius l in: Gesammelte Aufsätze 11, unv. Nachdruck 196~ der Ausgabe 1928, S. 20~-22~.
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Osterfeier am Sonntag durchgesetzt. Die Kleinasiaten, nach dem Datum ihrer Passafeier Quartadecimaner 29 ) genannt, hatten sicherlich "diese Form nicht selbstständig entwickelt, sondern sie durch die ums Jahr 70 dorthin übersiedelnden Mitglieder der Urgemeinde überkommen. Denn nur in der Urgemeinde konnte der Grundsatz entstehen, für den Kleinasien später so leidenschaftlich kämpfte, daß man Ostern mit den Juden feiern mÜßte,,3 0 ) . Darüber besteht in der Forschung Einmütigkeit 31 ), nicht aber über den ursprünglichen Charakter des quartadecimanischen Passa: Während Lohse die Parusieerwartung und das stellvertretende Fasten für die Juden als Hauptinbalt desselben ansieht 32 ), hat Huber gezeigt 33 ), daß auch das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Jesu schon von Anfang an zum kleinasiatischen Fest gehört hat. Daher verficht Huber die These,"daß die Quartodecimaner sich derselben Tradition anschließen, der wir auch im Johannesevangelium begegnen,~34), d.h. der Tradition,die ~esu Tod auf den 14. Nisan legt, im Gegensatz zu den Synoptikern, die das Abendmahl am 14. Nisan stattfinden lassen. Freilich betont Huber mit'Recht, daß der Anschluß der Quartadecimaner an die joh. Chronologie nicht bedeute, daß "sie diese Passionschronologie exegetisch aus dem
29) Zwar hat W.Huber, a.Anm. 28 a.O., S. 5,Anm. 35, nachgewiesen, daß die häufigere und ältere Übersetzung von LEaaapEaxaLoExaLrTE~ 'quartodecimani'lautet, aber die sprachlich korrekte Form Ist dennoch die von LOhse, a.Anm. 28 a.O., S.9, Anm.l, bevorzugte' quartadecimani', die wir im folgenden beibehalten. So oder so ist ein Durcheinander in den Zitaten nicht zu vermeiden: ältere Autoren (und neuerdings Huber) schreiben Quartodecimaner, neuere Quartadecimaner. 30) K.Holl, a.Anm. 28 a.O.,-S. 214. 31) S. B.Lohse, a.Anm. 28 a.O., S. 101 ff.; W.Huber, a.Anm. 28 a.O., S. 51. 32) B.Lohse, a.Anm. 28 a.O., S. 118 ff. 33) W.Huber, .a.Anm. 28 a.O., S. 16 ff. 34) Ibid. S. 21.
- 39 johannesevangelium erhoben und nach dem exegetischen Tatbestand den Festinhalt ihrer Passafeier-bestimmt" hätten 35 ); " ••• bestimmend für ihr Beharren auf der dort vertretenen Passionschronologie war nicht eine exegetische Feststellung, sondern die liturgische und typologische Tradition" 36 ). Allerdings hat die unterschiedliche Chronologie doch in der späteren Diskussion eine Rolle gespielt. Ein.erstes Ze~g nfs bietet Apollinaris von Hierapolis in seiner Schrift über das Passa, aus der leider nur kurze Fragmente erhalten sind37 ). Der für uns wichtige Text lautet: Eta~ ~oCvuv ot bL'&yvo~av ~~~OvEL~oDaL nEpt ~o6~wv, auyyvwa~bv npay~a nEnove6~E" ~yvoLa yap ou Ka~~yop'av avabtXE~a~, a~~a bLbax~, npoabE!~aL' Kat ~tyouaLv ~~L ~~ -~b'~b np6~a~ov ~E~a ~~v ~ae~~~v ~<paYEv b KUPLO", ~~ bE ~Ey&.~t;l ~~tP'f ~üiv Cxl';;u~wv av~o~ ~~eEV, Kat b~~yoDv~a~ Ma~ea!ov oü~w ~tYELV w~ vEvo~KaaLv' ~eEV Cxau~
Ibid. S. 22. Ibid. Erhalten im Chronicon paschale I, ed. L.Dindorf, 1832, S. 13 f.; abgedruckt bei MPG 5, Sp. 1297 ff. So auch W.Huber, a.Anm. 28 a.O., S. 38 f.; B. LOhse, a.Anm. 28 a.O., S. 93, hält, wie die ältere Forschung, Apollinaris für einen Gegner der Quartadecimaner; vgl. auch S. 123 f.
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Denn die Annahme, daß Jesus als das wahre Passalamm nicht am 14. Nisan, dem vom Gesetz vorgeschriebenen Datum, getötet worden sei, wäre in der Tat aau~~wvo~ vo~~ ,so aber, unter Zugrundelegung der johanneischen Chronologie, ergibt sich der 14. Nisan als .0 aA~8LvoV .oü xupCou"naaxa, ~ 8uaCa ~ ~EyaA~ ,wie es im zweiten Fragment des Apollinaria heißt 39 ). Leider ist nun die Begründung des Apollina~iB nicht erhalten, warum es zwischen Mt und Joh keinen Widerspruch gibt; man hat den Eindruck, daß Apollinaris einen solchen Widerspruch einfach nicht zugeben will, da es seiner - J der angegriffenen - Partei natürlich nützlicher ist, wenn sie sich auf das einstimmige Zeugnis aller vier Evangelien berufen kann. Verwunderlich ist freilich, daß auch ein Clemens Alexandrinus den Unterschied zwischen synoptischer und johanneischer Passionschronologie nicht gesehen hat. In einer ebenfalls nicht vollständig erhaltenen Schrift über das Passa äußert er: Tor~ ~EV o~v napEA~Au86aLv ~LEaL .0 8u6~EVOV npo~ J:ouoaCwv ~a8 LEV Eop.ac:wv 0 XUPLO~ naaxa" EnEt b{~pul;EV aino~ ~v .0 n&axa, u ~~VO~ .oü 8EOÜ, w~ npoßa.ov Enl a~ay~v ayo~E vo~, au.Cxa EoCoal;E ~EV .OU~ ~a8~.a~ LOÜ .unou .0 ~uaLnpLOV L~ LY~ EV ~ xat nuv8avov.aL au.oü. noü etAEL~ ELoL~aaw~~v aOL .0 naaxa ~aYErV; .auL~ o~v .~ ~~Epa xaL 0 aYLaa~o~ .~v aC:u~wv xat ~ npoE.oL~aaCa .T)~ EOp.T)~EyCVE.O. Ö8EV 0 ~wavv~<;; EV .auL~ .~ ~~tp~ E\x6.~<;; w~ tv npoE.oL~aC:o~tvou<;; ~o~ anovC~aa8aL LOU<;; nooa~ npo~ .oü xupCou .OU<;; ~a8~.a<;; ,avaypa~EL" nlnov8Ev OE .~ EnLoua~ 0 a~.~p ~~wv, aULO<;; ~v .0 naaxa, xaAALEp~6Et<;; tno ~ouoaCwv . . . . lXOAou8~<;; ~pa .~ LO~ ÖLE xat ~na8Ev, ~W8EV au.ov OL apXLEPEr~ Hat OL ypa~~a.Er<;; .wI TILAa.wI npoaayay6v.E~ oux EtaT)A60v Et~ .0 nraL.~pLoV, tva ~~ ~Lav8waLv, aAA'axwAu8w<;; ~antpa~ .0 naaxa ~aywa~ . •au.~ .wv ~~E pwv L~ aHPLßEC~ Hal aL ypa~al näcrQL au~~wvoüaL xal .a 40 ) EuayytALa auvwoa. I
39) Chronicon paschale I, S. 14 (ed. Dindorf).
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- 41 Clemens vertritt also - ohne selbst Quartadecimaner zu sein - die Richtigkeit der johanneischen ChronolQgie und versteht es, zum Erweis der Widerspruchslosigkeit der ~vangelien die Berichte ineinander zu ~lechten. Die harmonistischen BemÜhungen des Clemens erhalten dadurch besonderes Interesse, daß seine Schri~t über das Passa polemisch gegen eine Abhandlung des Melito von Sardes gerichtet war 41), der sich o~~ensichtlich ~ür ~ie synoptische Chronologie ausgesprochen hatte 42). Unbefangene Exegese hätte an diesem bestimmt nicht zentralen Punkt schon frühzeitig einem gewissen Pluralismus in der Kirche Raum verschaffenkönnenj aber soweit das exegetische Problem überhaupt ins Spiel gebracht wurde, hat man es vertuscht~ Daher ist es nicht verwunderlich, daß Euseb in seiner Schrift über das Passafest 43) berichtet, man habe in Nicaea 44) denjenigen, die sich für ihre Vorstellungen auf Mt 26,17 ff. beriefen, einfach entgegnet: ~oü~o napaYYEÄ~a oux ~a~~v, crÄÄ'ta~opCa Rp&y~a~o, au~ ~EßT)x6~0, xa'tO:. 'tov 'toü aW~T)p LOU RaeOU, xcnp6v.·· ~~EPOV ol ka~~v ~O RaÄa~av Rpä~~v O~T)YEtaea~, xat ~'tEPOV ~O VO~OeE'tEtv xa!. 'tot, ~E~a. ~aü~a 1tCX.paYYEÄCa, xCl'taÄ~~lt&.vE~v45)
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Chronicon paschale I, S. 14 f. Euseb, h.e. IV 26,3. 42 So auch B. LOhse, a.Anm. 28 a.O. , S. 123 f.; w. Huber, a.Anm. 28 a.O., S. 41. MPG 24, 693-706. Die "Osterentscheidung von Nicaea" behandelt ausführlich W. Huber, a.Anm. 28 a.O., S. 61 ff. 45) MPG 24, Sp. 704.
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- 4-2 4-. Gnostische Polemik Auch die christlichen Gnostiker, die altkirchlichen Haereti,scheinen in der Diskussion gelegentlich die Widersprüche zwischen den Evangelien gegen die großkirchliche Theologie ausgespielt zu haben. Jedenfalls behauptet dies 1renäus: Cum enim ex Scripturis arguuntur (sc. haeretici), in accusationem convertuntur ipsarum Scripturarum, quasi non recte habeant, neque sint ex auctoritate, et quia varie sint dicta, et quia non possit ex his inveniri veritas ab his qui nesciant traditionem. Non enim per literas traditam illam, sed per vivam vocem ••• 46). Hieraus geht freilich hervor, daß die varie dicta nur als Argument zur Abwertung der "Schrift" verwendet werden, ohne daß sie für den Gnostiker selbst ein ernsthaftes Problem dai'stellen. Ihm gibt ja die "viva vox,,4-7) den richtigen Schlüssel zur Deutung der Schriften. Da es in der Gnosis aber nur eine allegorisch ausgelegte Schrift gibt, kommt der Gnostiker über die Widersprüche sehr leicht hin·weg4-7a). Wie wenig sich die Schriftauslegung der Gnostiker um die Widersprüche etwa zwischen Joh und den Synoptikern gekümm~rt hat, zeigen die erhaltenen Fragmente ihrer Joh-Ausle-8 ). . . . Weg zur gung 4 • Daneben haben d1e Gnost1ker e1nen zwe1ten Aneignung der Schriften beschritten, den der Textkorrektur. "Die Vorwürfe der Schriftfälschung (TW,paAAao"E I. v, napaxapaooE I. ~ P~OI.OUPYErV, Ol.a~eECpEI.V, E~aLpErV, a~VC~EI.V, ironisch kerKa~'E~ox~v
xa~o,eoüv, anox6n~ELv, napax6n~El.v, nEPLx6n~ELv, ~E~a~l.etvaL, npoa~LetvaL,interpolare, adulterare, violare, corrodere, dissecare, auferre, delere, emendare, eradere, subvertere, extinguere u.ä.) werden gegen alle Ketzer erhoben und von
46) Adv. haer. 111,2,1 (Ha. 11, S. 7).47) Vgl. H.Karpp, Viva vox, in: MUllus, Festschrift Th. Klauser, 1964, S. 190-198. 47a) Vgl. N.Brox, Offenbarung, Gnosis und gnostischer Mythos bei Irenäus von Lyon, 1966, S. 56 ff. . 48) S.W.v.Loewenich, Das Johannes-Verständnis im zweiten Jahrhundert, 1932, S. 60-115.
- 43 diesen den Katholiken zurüqkgegeben~9). Schließlich hat sich das Interesse der Gnostiker auch auf die blühende eigene Evangelienproduktion konzentriert, wovon wir uns heute durch ~ie Nag Hammadi-Funde eine anschauliche Vorstellung machen können. Diese Literatur stillte die Bedürfnisse des Gnostikers besser als alle kirchlichen Schriften und ersparte ihm alle inter~ pretatmrischen Umwege. So ist es nicht verWUnderliCh, daß wir aus gnostischen ~eisen nicht mehr über das Problem der Widersprüche zwischen den Evangelien hören; für ihre nicht primär an den kirchlichen Schriften orientierte Frömmigkeit und Theologie stellte sich hier kein ernsthaftes Problem.
49) E.v.Dobschütz, Eberhard Nestle's Einführung in das Griechische Neue Testament, 1923 4 , S. 12.
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§ 4: Die frühen dogmatischen Lösungsversuche
1. Vor der Bildung des Kanons Wahrscheinlich ist das Vorhandensein verschiedenartiger Jesusüberlieferungen von Anfang an als Problem empfunden worden, und O.Cullmann hat richtig betont, es sei "die Entstehung der meisten Evangelien eine Folge davon, daß das Problem der Pluralität empfunden wurde, und jedes_ Evangelium stellte letzten Endes einen Lösungsversuch dieses Problems dar"l). In der Tat "kann man das Matthäusund Lukas-Evangelium bereits als Evangelienharmonien be~ zeichnen,,2), genauer als "Diadyoin,,3), sofern man die Zweiquellentheorie akzeptiert. In diesem Zusammenhang wäre natürlich das Verhältnis des Johannes zu den Synop~ tikern zu untersuchen 4 ); wenn man auch die von F.Overbeck5 ) so schroff vertretene Verdrängungstheorie, die ähnlich H. Windisch 6 ) verfochten hat, nicht wird akzeptieren können 7 ), so zeigen doch Stellen wie 3,24 und 19,17, daß Joh die synoptische Darstellung korrigieren wollte, und für Joh gilt sicher in verstärktem Maße, was allgemein für die Evangelien gilt, daß nämlich "jeder Evangelist die für das Heil entscheidenden Tatsachen des Lebens Jesu besser
1) O.Cullmann, Die Pluralität der Evangelien als theologisches Problem im Altertum, in: 'Vorträge und Aufsätze 1925-1962, herausg. v. K.Fröhlich,1966, S. 552. 2) Ibid. S. 554. So schon A.v.Harnack, Einige Bemerkungen zur Geschichte der ~tstehung des NT, in: Reden und Aufsätze 11, 19062 , S.240 und H.Lietzmann, a.Anm. 58 a. 0., S.62. 3) o. Cullmann, a.a.O., S. 555. 4 ) Dazu die umfassende Studie von J.Blinzler, Johannes und die Synoptiker, 1965. 5) Das Johannesevangelium. Studien'zur Kritik seiner Erforschung. Aus dem Nachlaß herausgeg. von C.A. Bernoul1i, 1911. 6 ) Johannes und die Synoptiker, 1926. 7 ) Vg1. dazu Blinzler, a.Anm. 4 a.O., S.61 ff.
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verkündigen wollte als seine Vorgänger,,8). Damit ist "das Vorhandensein von Widersprüchen notwendig gegeben, aber das bereitete zunächst noch nicht solche Schwierigkeiten wie in späteren Zeiten, da "in der ersten Zeit der Gedanke eines Kanons und einer kanonischen Verwertung dieser Schriften den Verfassern noch fernlag,,9). Diese Hypothesen finden eine gewisse Stütze in den Bemerkungen des Bischofs Papias von Hierapolis über die Evangelien. Sein verlorengegangenes WerkAoyCwv ~up~aHwv E~~y~0E~s 10) dürfte noch im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts entstanden seinlI). Die viel umstrittenen Fragen der Papiasforschung nach den Gewährsmännern und dem Wert für die neutestamentliche Einleitungswissen-
8) O.Cullmann, a.Anm. 1 a.O., S.552. 9) Ibid. 10) Fragmente bei Funk-Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter, 2. Aufl. mit einem Nachtrag von W.Schneemelcher, 1956, S.133 ff. 11) Die Datierung ist recht umstritten; E.Gutwenger, Papias, eine chronologische Studie, in: ZKTh 69. (1947), 385 ff., setzt 3hn auf ca. 90 an, E.Bamme1, Art. Papias, in: RGG , V, 8p. 47 f., auf ca. 130/140, H. Conzelmann, Geschichte des Urchristentums, 1969, ~~ 17, auf 150, W.G. Kümmel, Einleitung in das NT., 1964 /, s. 24 in das erste Viertel des 2. Jhdts, AltanerStuiber, Patrologie, 19667, S. 52 auf ca. 130. Die von apologetischem Interesse geleitete Frühdatierung Gutwengers hat nirgends Zustimmung gefunden;· die oben entfalteten Gesichtspunkte lassen es geraten erscheinen, die Spätdatierungen zu verwerfen; auch H.v. Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel, 1968, 8.154, datiert ihn "in die zwanziger oder dreißiger Jahre des zweiten Jahrhunderts".
- 46 schaft müssen wir hier hicht naChgehen12 ); auch nicht seinem Chiliasmus 13 ). Uns genügt es, des Papias eigene Stellung zu den Evangelien kennen zulernen, wozu das Fragment 11 aus Euseb 14 ) dienen soll. Papias äußert sich zunächst - unter Berufung au! den KpEaß1J-rEPO<; über das Mk-evg: Mapxo<; IlEV E:PIlTJVEUL~<; :"IELpOU YEv6IlEVO<;, ~aa ~IlVTJIl6vEuaEv, bXpLßm<; ~YDailiEv, oL IlEVLOL L&~EL, L& &n~ LOU xupCou ~ \EX8EVLO ~ npax8EvLa·0~LE y&p ~HOUOEV LOO HUptOU O~LE nOPTJHo\06SnaEv, &LL~) ÜOLEPOV ÖE, w<; ~~nv, nELP~, ~<; np~<; L&<; XPECa<; ~nOLErLO L&<; öLÖaaHa\Ca<;, &\\'oLx ~a~Ep a6vLa~Lv LmV HUpLOHmV nOL06Il EVO <; \oyCwv, ~aLE oLb~v ~IlOCLEV Mapuo<;, O~LW<; ~vLa ypawa<; w<; &nEIlVTJ~6vEuaEv· €V~<; y&p ~noL~aaLo np6voLav, LOU IlT)Ö~V ~v ~xouaEv napa\L~ErV ~ ~E6oaaeaC LL EV aLTor<;. Anerkennung und Kritik zugleich wird hier dem Mk zuteil: Selbst kein Gefolgsmann des irdischen Jesus, ist Mk doch als Dolmetscher15 ) des Petrus höchsten Vertrauens wert;
12) Neuerdings geht man wohl etwas zu voreilig über diese Angaben hinweg, indem man Papias - im Anschluß an Euseb - Schwachsinn l;>escheinigt (so jüngst H.Conzelmann, a.Anm. 11 a.O.); dabei übersieht man, daß E. Schwartz, Der Tod der Söhne Zebedaei, in: Gesammelte Schriften V, 1963, S.53; 63; 70; auf den guten Stil des Papias und seine rhetorischen Kunstmittel hingewiesen hatte, was zwar nicht ohne weiteres die historische Glaubwürdigkeit aller seiner Angaben verbürgt, aber doch nicht zu der genannten Diagnose paßt. - Zu den auf Papias' Angabe basierenden Versuchen, einen aramäischen Ur-Mt zu sichern, vergI. K. Stendahl, The SchoQl of st. Matthew and its Use of the Old Testament, 19672f S. 152 ff.; dort weitere Literatur, ebenso in den Elnleitungen zum N.T. 13) Vgl. K.Beyschlag, Herkunft und Eigenart der Papiasfragmente, in: Studia Patristica IV, 1961, S.268-280. 14) Funk-Bihlmeyer, S.134 ff., Euseb h.e. 111 39. 15) Vgl. E.Stauffer, Der Methurgeman des Petrus, in: Neutestamentliche Aufsätze, Festschrift für J.Schmid J 1963, S.283 ff.; W.C. van Unnik, Zur Papias-Notiz über Markus, in: ZNW 54 (1963), S.276 f.
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zwar ist die Reihenfolge seines Berichtes nicht ganz in Ordnung, aber das ist gerade auf seine getreue "Sekretärstätigkeit" zurückzuführen, die nur die unsystematische Lehrweise des Petrus widerspiegelt. Die interessanteste Frage ist natürlich, woran Papias seine Kritik an der des Mk-evg. ausrichtet. Explizit spricht Papias nur noch vom Mt-evg., das aber gerade im Aufriß des Lebens Jesu weitestgehend mit Mk übereinstimmt. Daher legt sich die von E.Schwartz 16 ) a:sführlich begründete und beispielsweise von J.Leipoldt 17 ) und Jülicher-Fascher18 ) akzeptierte These nahe, d~ß Papias das Joh-evg. als "Maßstab" genommen habe; dies erklärt in der Tat den Einwand gegen die ~6~L~ des Mk_evg. 19 ). . Gegen diese These hat sich W.Bauer 20 ) gewandt. Er nimmt an, daß Papias in jenen Äußerungen Mk gegen Kritik von Haeretikern in Schutz nehme: Papias gibt die äußere Gestalt des Evangeliums preis, um die apostolische Herkunft umso'fester zu behaupten. "Einwänden der Gegner,
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A.Anm. 12 a.O., 8.77 ff. 17 Der neutestamentliche KanoA I, 1907, 8.146. 18 Einleitung in das NT, 1931 l , S. 283. 19) J .l"1unck, Das Matthäusevangelium bei Papias, in: Neotestamentica et Patristica (Freundesgabe O.Cullmann) 1962, 8.249-260, nimmt an, daß Papias' Äußerungen über Mk "einen Vergleich mit einem andern, nicht ausdrücklich genannten Evangelium voraussetzen", aber seine Vermutung, "daß dies Evangelium Luk. ist" (S.251) leuchtet nicht ein, da auch Lk sich grundsätzlich an die markinische T6E,L~ hält. 20) Rech~gläubigkeit .. und.Ketzerei im ältesten Christentum, 1964 , S.187 f. Ahnllch auch H.v.Campenhausen a.Anm. 11 a.O., 8.157, Anm. 120.
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welche ihre Beanstandungen von der Form auf den Inhalt ausdehnen wollen, kann man auf diesem Wege siegreich begegnen • ••• Ist nun aber die Kritik an Markus und Matthäus in der Auseinandersetzung mit Häretikern und den von ihnen empfohlenen Evangelienschriften begründet, da~ brauchen wir für ihre Erklärung nicht mehr die Annahme, Papias habe die beiden synoptischen Evangelien an dem vierten als dem Normalevangelium gemessen und wäre dadurch auf ihre Unzulänglichkeit aufmerksam gewOrden,,2l). Bauers Annahme, Papias sei mit unserer Äußerung über Mk als Anwalt der Rechtgläubigkeit gegenüber der Ketzerei aufgetreten, führte freilich - konsequent zb Ende gedacht zu einer ganz unwahrscheinlichen Situation: Die Haeretiker konnten die äußere Form des Mk nur angreifen, wenn sie etwas Besseres zu bieten hatten; dann hätte Papias, indem er ihre Kritik an der markinischen ~a~Ls als berechtigt anerkannte, die abweichende Überlieferung der Haeretiker für richtig erklärt. Ein solch gewagtes Spiel mit dem Feuer sollte man dem Bischof von Hierapolis nicht zutrauen. Papias scheint also die Unterschiede zwischen der Chronologie des Job und der des Mk erkannt zu haben 21a ) und er-
21) A.a.O., S.188. 21a) J.Kürzinger, Das Papiaszeugnis und die Erstgestalt des Matthäusevangeliums, in: BZ N.F. 4 (1960), S. 19-38, hat die These aufgestellt, "daß sich Papias mit seiner betonten Rechtfertigung des Mk gegen die Kritik und Geringschätzung wendet, die aus dem stilistischen und formkritischen Anspruch seiner rhetorisch äußerst empfindlichen Umwelt kam". (S.25). Stünde dieser Vorwurf hinter der Verteidigung des Papias, dann würde des Papias Antwort ins Leere stoßen; denn daß ein kunstlos gestalteter Bericht zuverlässig sein kann, hätten ja die Gegner nicht bestritten. Papias' Darlegung istu.E. nur verständlich, wenn man annimmt, daß die Zuverlässigkeit des Mk unter Hinweis auf die anderwärts richtiger erhaltene T6~Ls bestritten worden is~. Außerdem ist mit W.G.
- 49 .... greift unverhohlen für Joh Partei 22 ). Er kann dies tun, ohne deswegen die Glaubwürdigkeit des Mk insgesamt preiszugeben; noch haftet den Evangelienschriften nicht der. Charakter der Unfehlbarkeit an, noch sind sie nicht inspirierte und damit der vergleichenden Kritik entnommene Dokumente. Dazu paßt, daß Papias eine schon eine Generation später in kirchlichen Kreisen nicht mehr vorstellbare Hochschätzung der mündlichen Tradition, derswoa ~wv~ ,vertritt 23 ).
Kümmel, a.Anm. 11 s.O., .8.25, einzuwenden: "daß 't'&.l;l.c; die 'literarische Kunstform' bezeichnen solle ••• , ist angesichts des Hinweises auf Worte und Taten Jesu äußerst unwahrscheinlich". Auch Kürzingers These über das Matthäusevangelium ist nicht überzeugend: die AbfassungEv ~ßpaCö~ Öl.aAEx't'w meine "eine der jüdischen Darstellungsweise entsprechende, eine nach jüdischer Weise geordnete Komposition" (a.a.O., 8.34); auch hier ist zu fragen, ob eine solche Auskunft die von Kürzinger vermuteten Gegner mit hellenistisch-rhetorischem Bildungsideal vom Wert des Mt überzeugt hätte. 22) W.Bauer, s.a.O., 8.189, betont selbst, es sei unvorstellbar, daß Fapias das Johevg. nicht gekannt haben sollte. Wenn er aus der Tatsache, daß Euseb keine Äußerung des Papias über Joh zitiere, eine Geringschätzung des vierten Evangelisten durch Papias ableitet, ist das argument um e silentio wohl überstrapaziert. Immerhin ist zu bedenken, "daß Euseb uns ••• auch das günstige Urteil des Papias über die Johannesapokalypse unterschlagen hat", wie W.Bauer, a.a.O., 8.187 Anm. 3, feststellt; Euseb könnte das Papiasurteil über Joh ja auch deswegen nicht zitiert haben, weil es ihm nichts Neues bot. Bauers Bedenken, Papias könnte den apostolischen Ursprung des vierten Evangeliums bezweifelt haben sind grundlos, denn das Frg XIII (FunkBihlmeyer 8.139) sagt dies deutlich; dazu E.8chwartz, a.Anm. 12 a.O.~ 8. 78 f. 23) Euseb h.e. 3,3~,4; dazu E.8chwartz, A.Anm. 12 a.O., 8.59 ff. und H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., 8. 154 ff.
- 50 Die Unbefangenheit, mit der Papias gewisse Mängel der Evangelien zugeben kann, zeigt~sich an seiner Äußerung über Mt:Wa~earo~ ~~v o~v ~~paCb' ~La~tH~~ ~~ ~6YLa auvE~a~a~o, ~p~~vEuaEv b'au~a, w~ ~v buva~o~ ~xaa~o~~
24). Dieser Satz hat bis in .die neueste Zeit der neutestamentlichen Einleitungswissenschaft immer wieder Anlaß zu Hypothesen gegeben, die wir hier nicht bedenken müssen 25 ). Für uns ist wichtig zu sehen, daß auch Mt mit einer gewissen Kritik bedacht wird, die wieder nicht,den Verfasser trifft, sondern d~esmal die Übersetzer seiner Schrift. Wenn wir mit Jülicher-Fascher die "unvorsichtige Folgerung ll aus unserem Text vermei~en wollen, daß Papias wirklich verschiedene übersetzungen eines hebräischen oder aramäischen "Urmatthäus" gekannt habe, so legt sich die Annahme 'nahe, er habe "aus den Klagen andrer Leute über die großen Abweichungen zwischen dem, was die Christen als Evangelium verbreiten, derartiges erschlossenIl 26 ). Ohne Kenntnis dieser Erklärung, die Jülicher-Fascher unserem Text gaben, hat sich kürzlich auch J.Munck in diesem Sinne geäußert: Er betrachtet die Papiasnotiz über Mt "als eine Möglichkeit,. für die Abweichungen der Evangelien voneinander trotz ihres gemeinsamen Ausgangspunktes, der 'Worte des Herrn', und trotz ihrer glaubwürdigen Tradition eine Erklärung zu finden Il27 ). Man wird sagen mUssen, daß diese Hypothese jedenfalls einleuch~ender ist als die mancherlei auf' Papias basierenden quellenkritischen Hypothesen zur Entdeckung des "Urmatthäus ll , die in der Tat IIpapias und seinen Lehrern eine Gelehrsamkeit [ZUSChreiben] , die kein kirchlicher Verfasser zu jenem frühen Zeitpunkt besass Il28 ).
24-) A.Anm. l4.a.0.
25) 26) 27) 28)
Vgl. dazu W.G. Kümmel, a.Anm. 11 a.O., S. 70 f. Jülicher-Fascher, a.Anm. 19 a.O., S.283. A.Anm. 19 a.O., S.255 f. Ibid., S. 256.
- 51 Ist man zur Zeit des Papias auch schon genötigt, kritisch nach alter verbürgter Jesustradition zu fragen, die man auch in den (später kanonisierten) Evangelien findet, so hat man doch den Blick für Widersprüche noch nicht getrübt und besitzt auch noch die Freiheit zur Kritik an Einzelheiten. Sobald die Vorstellung des Kanons in den Blick kam, mgßte dies anders werden.
2. Irenäus Ein Umschwupg in der grundsätzlichen Beurteilung der Evangelien wird zuerst bei Irenäus sichtbar. "Er bezeichnet den Übergang aus der alten Zeit des Uberlieferungsglaubens in die neue Zeit der bewußten kanonischen Normierung -. in die Richtung auf die spätere Orthodoxie mit ihrem fest gefügten Kanon eines Alten und eines Neuen Testaments,,29). Darin liegt die in unserem Zusammenhang grundlegende Bedeutung seines Um 180/185 entstandenen Hauptwerkes adversus haereses 30 ), in dem er die "dogmatische Lösung" des Vierevangelienkanons begründet, die im Grunde genommen kirchlicherseits bis in unsere Zeit nachwirkt. Für uns ist das 3. Buch von Adversus haereses von Interesse; in ihm .will Irenäus den Schriftbeweis für seine Bekämpfung der Gnosis darlegen 31 ). Und schon im ersten Kapitel desselben wird die Klimaänderung gegenüber Papias deutlich; hier sagt Irenäus, daß die Boten des Evangeliums zwar zunächst ihre Botschaft mündlich ausrichteten (praeconaverunt), postea vero per Dei voluntatem in
29) H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., S.213. 30) Vgl. Altaner-Stuiber, a.Anm. 11 a.O., S. 111 f. 31) Praefatio zu Buch 111 (ed. Harvey, Bd. 11 S.l): In hoc antem tertio libro ex Scripturis inferemus ostensiones •••
- 52 soriPturis nobis tradiderunt Evangelium 32). Die viva vox ist also keine mögliche Quelle für die Offenbarung mehr, das verbum manuscriptum ist die notwendige und hinreichende Dokumentation des Heilswissens. Damit ist Irenäus lider erste bewußte Schrifttheologe der Kirche" 33). Freilich muß man sofort bedenken, daß. eben diese Ablehnung der mündlichen Traditionen durch den antignostischen Kampf bedingt ist: Gum enim ex Scripturis arguuntur, in accusationem conv'..:rtuntur ipsarum Scripturarum, quasi non recte habeant, neque sint ex auctoritate, et quia varie eint dictae, et quia non possit ex his inveniri veritas ab his qui nesciant traditionem. Non enim per literas traditam illam, sed per vivam vocem ••• 11 34 ). Soweit es Tradition von Wert überhaupt gibt, kann man sie nur in der Kirche finden; denn die Apostel haben in ihr, wie ein Reicher in seiper Schatzkammer, alles, was zur Wahrheit gehört, reichlichst zusammengetragen 35). Die vier Evangelien nehmen unter den Zeugnissen der Apostel den hervorragenden Platz ein. Ire~äus kennt wohl 111, 1,1 (Ha. 11, S. 2). 3 H.v.Gampenhausen, Griechische Kirchenväter, 1961 , S. 29. 34 Adv. haer. 111, 2,1 (Ha. S.7). Weiteres zur Vorstellung der Predigt viva voce s. H.Karpp, Viva vox, in: Mullus, Festschrift Th.Klauser, 1964, S. 190-198, und K.Beyschlag, GIemens Romanus und der Frühkatholizismus, 1966, S. 93 Anm. 1 und S. 170, Anm. 3. 35) Vgl. adv. haer. 111, 4,1 (Ha. S.15 f.); zum Problem der Tradition s. A.Benoit, Ecriture et Tradition chez Saint Irtnlbe, in: RHPhR 40 ~1960), S. 32-43. Er betont S.36 f. mit Recht: IIIren~e ne s' int~resse au probleme de la Tradition que par rapport a sa d~monstration par I' Ecriture. La Tradition n' est qu'un tb~me seeondaire". "De plus, on peut dire qu'Ir~n&e ne s'int'resse &'la Tradition qua parce que les hbrbtiques ont d'abord avanc' cette notion. De lui-m~me, il ne s'y serait pas arr~t&, mais il y est forcb par les besoins de la pOlbmique. Gette doctrine a donc pour lui une orientation apologbtique et pol~mique tr~s nette" (S. 37). Anders N.Brox; Offenbarung Gnosis und gnostischer Mythus bei Irenäus von Lyon, 1966, S. 111.
32~ 33
- 53 Papias 36 ) oder die schon bei Papias verarbeiteten Traditionen über die Verfasser der Evangelien 37 ), die aber. jetzt in ein chronologisches Verhältnis gebracht werden 37a ) b ~Ev b~ MaT8at'oe;;; EV TOre;;; t!.;ßpaCoLC;;; T~ tbC'} bLaAbn~ a.U "t"lö v , xat ypcx
36) 80 schon Fr.Loofs, Theophilus von Antiochien Adversus Marcionem und die anderen theologischen Quellen bei Irenäus, 1930, 8.325 ff.; J.Kürzinger, Irenäus und sein Zeugnis zur 8prache des Matthäusevangeliums, NT8t 10 (1963/64), 8.108-115; auch H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., 8.229, Anm. 243, urteilt: "Die Abhängigkeit von Papias bleibt das Wahrscheinlichste ••• ". 37) Es sei hier an die wichtigen methodologischen Erwägungen K.Beyschlags, a.Anm. 34 a.O., 8.351, erinnert, der zwischen Analogie und Genealogie zu unterscheiden mahnt. 37a)80 H.v.Campenhausen~ a.Anm. 11 a.O., 8.228 f. 38) Adv. haer. 111 1,2 ~Ha. 8. 3 f.). 39) Adv. haer. 111 11,11 (Ha. 8. 46).
1 - 54 die Vierzahl der Evangelien gottgewollt sei, brauchen wir nicht einzugehen40 ). Nur die Zuteilung der vier Tiere aus Apoc. 4,7 an die vier Evan~elisten verdient in unserem Zusammenhang BeaChtung41 ). Das erste Tier, das einem Löwen gleich ist, ~~ ~~npaK~ov ~L~oD Knt ~YE~OV~K~V Hat ßaa~~~K~V xapnK~~pC~OV, symbolisiert das JOhannesevangelium, das die herrliche Geburt Jesu aus dem Vater berichtet; das zweite Tier, das einem Stier gleicht, inv tEPOUPY~K~V Kat tEpa~~~nv ~a(~v E~~arVOv ,steht für Lukas, dessen Evangelium priesterlichen Charakter trägt, wie schon der Beginn desselben (Zacharias beim Opfer) und auch die Schlachtung des gemästeten Kalbes bei der Heimkehr des jüngeren Sohnes zeigen; das dritte Tier, das menschenähnlich ist, T~V KaTu äv8pwnov aL~oD napnuöCav ~avEpw~nTn 6Layp&~ov ,bezeichnet Matthäus, der die menschliche Geburt Jesu verkündet und einavepwn6~op~ov ELaYY~~LoV geschrieben habe; der Adler schließliCh, T~V TOU nVEu~a ~O~ Ent ~~v EKK~~aCav E~~nTa~~vou 60aLv an~~vCr,ov, symbolisiert Markus, der sein Evangelium mit dem prophetischen Geist beginnt (nämlich dem Jesajazitat); 6LU ~oDTn 6~ Kat a6vTO~OV Kat n~paTP~Xouanv ~~v KaTnyYE~Cav nEnoC~TaL· nDo~~TLKO~ yap 0 xapaKT~p nUToü. Diese Zuordnung der Evangelisten, die in anderer Form später wei~_verbreitet wurde 42 ), stellt nun für Irenäus nicht nur "eine höchst ernsthafte und nötige Verteidigung des ausschließlichen aechts, das der Vierevangelienkanon behalten oder gewinnen soll" dar43 ), sondern sie
O.Cullmann, a.Anm. 1 a.O., 8.562 f. 40~ Vgl. 41 Adv. haer. 111, 11,11 (Ha. 11, S. 47 ff.). 42 Beste Materialsammlung immer noch bei Tb •. Zahn, Forschungen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons 11, 8. 257 ff. 43) H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., 8. 234.
- 55 ermöglicht gleichzeitig eine gewisse Differenzierung zwischen den Evangelien: die verschiedenen Aspekte des göttlichen Logos spiegeln sich in den vier Evangelien: onoCa o~v ~ npayllan:Ca 'toO.ytoo 'toO 6e:oO, 'tol.aun} >v ~ IlOPCP~· >v IlOPCP~, 'tOl.oO'to~ ><'tDP 'toO Euayye:ACOU. Te:'tpallopcpa yap 'ta ~Wa, 'te:'tpaIlOPCPoV ><e:v ~Iltv 'te:'tp41J.0pCPov 'tb EuayylALov, kVL 6& nVEUlJ.a'tL ouve:x6~e:vov 46). . Mit J. Leipoldt 47)sehen wir hier eine Andeutung des Irenäus im Hinblick darauf, daß "eine Mehrzahl von Evangelien, die noch dazu von einander erheblich verschieden sind, doch ihre Schwierigkeiten mit sich bringt". In ähnlichem Sinn möchten wir auch eine weitere Äußerung des Bischofs von Lyon verstehen: Et Apostoli autem discipuli veritatis exsistentes, extra omne mendacium sunt: non enim co~unicat mendacium veritati, sicut non communicant tenebrae luci, sed praesentia alterius excludit alterum 47 a ). Die antihaeretische Fronto
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44) Adv. haer. 111, 11,11 (Ha. 11, S. 50). 45) So zeigt Irenäus schon Ansätze zur. Erkenntnis der Sonderstellung des JOhannesevangeliums, wie W.v.Loewenich, Das Johannesverständnis im zweiten Jahrhundert, 1932, S. 117, feEtsteIlt: "Wenn auch das Wort vom 'pneumatischen Evangelium' noch nicht fällt, so wird es doch als die Eigenart de~ 4. Ev. bezei~hnet, das ~YEIlOVL>
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stellung führt zu der zugespitzten Alternative: .endacium oder veritas; die Möglichkeit des Irrtums, ungenauer Erinnerung oder gar beabsichtigter Widersprüche und Korrekturen ist überhaupt nicht mehr im Blickfeld. Selbst den auffälligsten Differenzpunkt zwischen Joh und den Synoptikern, nämlich die Chronologie des Lebens Jesu, hat er nicht bemerkt, wie seine Auseinandersetzung mit den Valentinianern zeigt 48 ): Gegen deren aus Jes 61,2 gefol~ gerte. Annahme einer einjährigen Wirksamkeit Jesu beruft sich Irenäus auf die Evangelien, denen zufolge J,esus dreimal das Passa gefeiert habe, mithin seine Wirksamkeit nicht nur ein Jahr gedauert haben könne. Das dogmatische Postulat vom einen Geist, der die vier Evangelien zusammenhalte, ist also nicht durch Einzelexegese erprobt oder in Frage gestellt worden. Ohne Zweifel hat sich Irenäus große Verdienste erworben; wie W.v. Loewenich nachgewiesen hat, ist er es, "dem die Kirche in erster Linie zu danken hat, daß ihr das Joh-Ev erhalten geblieben ist,.49), und ähnlich wird über .seinen Einsatz zu Gunsten der Vierzahl der Evangelien zu urteilen sein; freilich hat seine antihaeretische Frontstellung andere Probleme nicht zum Austrag kommen lassen. Spätere Generationen, die bei Irenäus' prinzipieller Lösung blieben, mußten sich damit auseinandersetzen. 3. Der Kanon Muratori Noch einen Schritt weiter in der dogmatischen Lösung des Problems der Pluralität der Evangelien geht der unbekannte
48) Adv. haer. Ir 22,1 (Ha. I S.326); dazu W.v.Loewenich, a.Anm. 45 a.O., S.124 f. 49) A.Anm. 45 a.O., S.14l.
-.57 Verfasser des Muratorischen KanOnsfragmentes 50 ), einer Abhandlung, IIwelche den Kanon zum eigentlichen Thema hat und es unternimmt, seine Zusammensetzung an jedem einzelnen seiner Glieder zu begründen,,5 1 ). Der Text des Fragments ist in einem miserablen Latein erhalten, das wahrscheinlich auf ein griechisches Original zurückgeht 52 ). Hatte A.Harnack früher nie Anschauung vertre~ ten, das Muratorianum vertrete Prinzipien der Kanonisierung, die II wenn nicht die ältesten, so doch älter sind als die des Irenäus und Tertullian,,53), so daß wir hier die Prinzipien finden, die die Bildung des Kanons veranlaßt haben 54 ) , so hat dagegen schon F.Overbeck 55 ) alles
50) Text mit ausführlichem Kommentar bei Th.Zahn, Geschichte des neutestamentlichen Kanons 11, 1892, S. 1-143; deutsche Übersetzung von W.Schneemelcher in Henneck~-Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen I, 1959 5 , S. 19 f. - Dle Annahme der Verfasserschaft Hippolyts, die u.a. Zahn vertreten hat, ist bes. durch A.v. Harnack, Über den Verfasser und den literarischen Charakter des Muratorischen Fragments~ in: ZNW 24(1925), S.1-16, bestritten worden; dagegen äUHerte sich schon O.Bardenhewer, Patrologie, 1910'?, S.193; H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., S.284 meldet lIerhebliche Bedenken ll an; nur W.G.Kümmel, Notwendigkeit und Grenze des neutestamentlichen Kanons, in: Heilsgeschehen und Geschichte, 1965, S.239 A.34, befürwortet neuerdings die Zuweisung an Hippolyt. 51) F.Overbeck, Zur Geschichte des Kanons, 1880, S.95. 52) So W.Schneemelcher, a.Anm. 50 a.O., S.1.3; mit Entschiedenheit H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., 8.284 mit Anm. 199; ebenso schon Th. Zahn, a.Anm. 50 a.O., S.128 f.; unentschieden ist G.Strecker, Art. Huratorisches Fragment, in: RGG3. Bd. IV, Sp. 1191; für latein. Original A.v.Harnack, a.Anm. 50 a.O., S. 1 ff. und A.A.T.Ehrhardt, The Gospels in the Muratorian Fragment, in: Ostkirchliche Studien 2 (1953), S.121-138, hier S.121. 53) A.Harnack, Das muratorische Fragment und die Entstehung einer Sammlung apostolisch-katholischer Schriften, in: ZKG 111 (1879), S.358 ff; Zitat S.382. 54) Ibid. S. 404. 55) A.Anm. 51 a.O., S.71 ff. Harnack hat übrigens geäußert, daß IIdie Einwürfe Overbecks" auf ihn IInicht ohne Eindruck geblieben 11 seien (Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 1909 4 , S.379, Anm.2).
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Nötige gesagt. Insbesondere dürfte der in einer Anmerkung versteckte Hinweis Overbecks auf die Begründung des Fragmentes für die Sieben zahl der paulinischenGemeinden nachirenäischen'Ursprung sicherstellen 56 ). Da der Anfang des Textes verloren ist, kann man mit H.v. Campenhausen übrigens "nicht sicher ausschließen", daB dort auch eine Begründung der Vierzahl der Evangelien gegebell wurde 57 ) • Allgemein wird das Muratorianum um das Jahr 200 datiert 58 ), seine abendrändische Herkunft dürfte feststehen 59 ). Wenn Harnack in unserem Fragment ein "förmliches Constitutum de libris recipiendis ••• , allen Kirchen zur Nachahmung,,60) sah, so mag das zu weit ~ehen61), aber I1.v.Campenhausen dürfte den Anspruch des Textes doch zu sehr herunterspielen, wenn er nun in ganz entgegenges~tztem Sinne meint, es handle sich "uni die private Arbeit eines betont katholisch- kirchlich denkenden Theo10e:en 62 )j mit vl.G.Kümmel _wird man es doch "ein autorita-
56) A.Anm. 51 a.O., S. 108, Anm. 1. 57) A • A:1 m• 11 a. 0., ~ • 292 , Anm • 229 • 58) So z.~. 0.8ardenhewer, a.Anm. 50 a.O.; Altaner 8tuiber, Fatrn10gie, 1966'1, 8.94-; G.8trecker, a.Anm. 52 a.O.; H.v.Campenhausen, a.Anm.lla.O., 8.283; W.G. Kümmel, a.Anm. 11 a.O., S.361; H.Lietzmann, Wie wurden die Bücher des NT heilige Schrift, in: Kleine Schriften 11, 1958, S.52, schreibt: "vielleicht noch erheblich vor 200, jedenfalls nicht später". 59) H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., S.283 mit Anm. 192; so schon Th.Zahn, a.Anm. 50 a.O., S.134. 60) A.Anm. 50 a.O., S.7. Ebenso auch A.A.T.Ehrhardt, a. Anm. 52 a.O. 61) Kritik an Harnacks These übte schon H.Koch, Zu A.v. Harnacks Beweis für den amtlichen römischen Ursprung des Muratorischen Fragments, in: ZNW,25 (1926), S. 154-160. 62) A.Anm. 11 a.O., S.284.
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tives Verzeichnis der in der kath. Kirche 'aufgenommenen' und öffentlich zu lesenden Schriften,,63) nennen müssen. Für unsere Fragestellung ist es natürlich sehr bedauerlich, daß der Anfang des Textes mit den Äußerungen über Mt und Mk fehlt. Der erste Satz des erhaltenen Textes, der nach allgemeiner ~sicht den Abschluß der Ausführungen über Mk darstellt, hat schon zu Kontroversen Anlaß gegeben. Es heißt da: quibus tarnen interfuit et ita )osuit. Dies wollten etwa E.Schwartz 64 ) A.A.T.Ehrhardt 65 und auch H.v.Campenha~sen65a) auf die Anwesenheit des Mk bei den Lehrvorträgen des Petrus beziehen, während sich Th.Zahn 66 ), J .Lei~~ldt67) und H.Lietzmann 68 ) für die Ergänzung (aliJ quibus tarnen interfuit entscheiden, womit sie dem Mk eine begrenzte Augenzeugenschaft zugesprochen sehen; diese Anschauung wird wohl mit der späteren Behauptung, Mk wie Lk hätten zu den 70 bzw •. 72 Jüngern gezählt, in Verbindung gebracht werden müssen 69 ). Die Tendenz dürfte schon im Muratorianum klar darauf hinausgehen, das Ansehen des Mk zu stärken. 63) A.Anm. 11 a.O., S.36l; Auch A. Wikenhauser, Einleitung in das Neue Testament, 1956~, S.2e, nennt es ein "autoritatives Schriftstück". 64) A.Anm. 12 a.O., S.82. 65) A.Anm. 52 a.O., S.122: qu~bus tamen interfuit et ita posui t = öÜ'a. Eil VllllOVEUOEV a.liP t, I3we; ~ypa.<\>EV -I? 65a)A.Anm. 11 a.O., S.296 Anm. 246. 66) A.Anm. 50 a.O., S.18. 67) A.Anm. 17 a.O., S.15l. 68) A.Anm. 58 a.O., S.53 Anm.2. 69) Th.Zahn, a.Anm. 50 a.O., S.19, lehnt dies ab, aber hierfür ist wohl sein apologetisches Interesse maßgebend, die Aussage von der Augenzeugenschaft des Mk nicht mit. der Behauptung von seiner Zugehörigkeit zum Siebzigerkreis in Verbindung zu bringen, die nach seinem eigenen Zugeständnis "doch erst in späterer Zeit auftaucht und mit aller älteren und besseren Tradition unverträglich ist". -.Die von Zahn und Leipoldt, a.a.O., vermutete Beziehling des [ali 1 quibus interfuit auf Mk 14,51 ist natürlich zusätzlicb möglich.
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Auch bei den Darlegungen über Lk, den Gefährten des Paulus, wird die Frage nach den Beziehungen zum irdischen Jesus gestellt: er kannte, wie auch sein Le~ rer Paulus 70 ), Jesus nicht, und schrieb daher prout asequi potuit (Z. 7). Das eigentliche Interesse des Muratarianums aber liegt zweifellos beim Vierten Evangelium, dem es 26 Zeilen widmet, während Lk in 7 Zeilen abgehandelt wurde •. Schon Th.Zahn hat bemerkt, daß der Verfasser über Joh "im Ton des Apologeten" spreche 71 ). Nicht nur wird Joh als Au.genzeuge vorgestellt, was durch Zitation von 1. Joh 1,3.4. besonders unterstrichen wird 71a ), sondern sein Evange'lium soll als "das eigentliche, vom Apostelkollegium revidierte" erscheinen 72 ), da es auf Aufforderung der Mitjünger geschrieben und von ihnen durchgesehen worden sei: (Z.lO) (11) (12) (13) (14) (15) (16)
cohortantibus condescipolis et ep s suis dixit conie~unate rnihi odie triduo et quid cuique fuerit revelatum alterutrum nobis ennarrernus eadern nocte reye laturn andreae ex apostolis ut recognis centibus cunctis iohannis suo nornine cuncta discriberet.
70) So verstehen wir gegen E.Schwartz die Wendung in Z. 6 f: d [ominl um tarnen nec ipse vidit in carne; vgl. J.Leipoldt~ a.Anm. 17 a.O., S.151 Anm.2. 71) A.Anm. 50 a.O., S.136. 71a)Der Verf. des Fragments folgert aus 1.Joh 1,1.3 f.: sic enim non sOlum visorem se et auditorem, sed et scriptorem omnium mirabilium domini per ordinem profitetur (Z. 32 ff.). Sollte diese Betonung des ordo eine 'der bei Papias gefundenen ähnliche Kritik an der La;L~ des Mk (bzw. der Synoptiker) zu Gunsten des Joh erschließen lassen? 72) H.Lietzmann, a.Anm. 58 a.O., S.55.
- 61 Damit aber ist implizit jeder Vorwurf von Widersprüchen in den Evangelien zurückgewiesen: Johannes hat,ja auf Gottes Geheiß hin im Apostelkreis die Feder geführt. Und auch 'explizit wird zum Problem der Unterschiede Stellung genommen: (16) (17) (18) (19) (20) (21) (22) (23)
et ideo licit varia sin culis evangeliorum libris principia doceantur nihil tarnen differt creden tium fidei cum uno ac principali spu de clarata sint in omnibus omnia de nativi tate de passione de resurrectione de conversatione cum decipulis suis ac de gemino eius adventu •••
Die principia Evangeliorum, also die Anfänge 73 ), sind zwar verschieden - schon Irenäus hatte darauf geachtet 74 )-, aber für den Glauben der Gläubigen bedeutet das nichts, denn durch den einen führenden Geist ist in jedem Evangelienbuch das ganze Evangelium enthalten. Der hier zu Hilfe gerufene unus ac principalis spiritus erinnert natürlich sehr an das ?\ TnICiJl:rr des Irenäus, stellt aber im Muratorianum ein noch schwerer als bei Irenäus zu akzeptierendes Postulat dar, da im Sinne einer Bekenntnisformel gleich noch angeführt wird, daß in allen Evange-
73) Schon Th.Zahn hat ausführlich dargelegt, "daß unter den principia, worin sie von einander verschieden sind, nicht Principien im Sinne der theologischen Spekulation, auch nicht 'Grundlehren' im Sinne des Origenes oder Lehrstücke zu verstehen sind ••• , sondern Anfänge ll • (a.Anm. 50 a.O., S.42); s.auch J.Leipoldt, a.Anm. 17- a.O., S.152, und H.v.Campenhausen a.Anm. 11 a.O., S.291 und Anm. 226. 74) Adv. haer. 111 11,7 und 9. (Ha. 11, S. 40 ff.).
- 62 lien Geburt (!), Leiden~ Auferstehung, Verkehr mit den Jüngern (!) und Belehrung über die ·zweifache Ankunft gleichermaßen bekannt gemacht würden~ was ja doch ganz offensichtlich nicht der Fall ist 75 • Noch mehr kann das dogmatische Urteil den Blick nicht trüben; das so kräftig überspielte Problem wird sich allerdings einmal kräftig zu Wort melden. 4. GIemens Alexandrinus Eine bedeutsame und - im Rahmen der dogmatischen Lösung weiterführende Losung hat GIemens Alexandrinus ausgegeben. Einerseits hat seine "Neigung ••• , jenseits der Grenzen der kirchlich anerkannten Offenbarung und ihrer Urkunden Stimmen der Wahrheit zu suchen und zu finden,,76), kein strenges Bewußtsein hinsichtlich des Kanons gefördert 76a ), und alle Hochschätzung der Bibe1 77 ) hat der 75) Th.Zahn, a.Anm. 50 a.O., S. 40 f., möchte dem Verfasser zutrauen, er habe Differenzen in den Evangelien anerkannt, habe aber "den einzelnen Evv., welche ihre auffälligen Differenzen haben, die Gesamtheit der Evv. gegenübergestellt"; das ist nach unserer Auffassung nur t·eilweise richtig. Trotz der Unterschiede in der Darstellung der Anfänge enthält jedes Evangelium alle Hauptstücke - das ist der klare Sinn des Textes. Wenn Zahn meint, "daß nur ein völlig Gedankenloser hätte behaupten können, in 2. und 4. Ev. sei eine vollständige Darlegung z.B. de nativitate domini enthalten", so stellt er damit eine falsche Alternative: Was hat nicht die allegorische Auslegung alles im 2. und 4. Evg. gefunden, ohne daß man ihr "Gedankenlosigkeit" hätte vorwerfen können. Die Vers-chiedenheiten der Anfänge sind deswegen dogmatisch unwesentlich, weil eben doch alles in jedem Evangelium enthalten ist. 76) Th.Zahn, Geschichte des neutestamentlichen Kanons I, 1888, S.172. Vgl. dazu die Feststellung H.v.Gampenhausens, a.Anm. 11 a.O., S. 342: "Die nichtchristlichen Zitate sind in Klemens· Schriften zahlreicher als alle biblischen Zitate zusammengenommen". 76a) Nach H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., S.342 hat Clemens "einen bis zu einem gewissen Grade immer noch offenen Kanon". 77) Vgl. C.Mond~sert, Cl~ment d'Alexandrie, Introduction d l'~tude de sa pens~e religieuse d part ir de l'Ecriture, 1954, S.8l ff.
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"Beherrschung der Schrift gedanken durch seine Philosophiell 78 ) nicht steuern können. Das zeigen seine beiden hermeneutischen Grundsätze, daß erstens das NT allegorisch aus~e legt werden müsse - während die vororigenistische Theologie davon ausgegangen ist, IIdaß das Neue Testament ein klares und eindeutiges Zeugnis enthalte, das zum wahren Giauben genügtlI, war er lider erste kirchliche Theologe, der diesen Grundsatz im Anschluß an die gnostischen Vorstellungen verläßt und die allegorische Methode dementsprechend auch auf das Neue Testament und zumal die Jesusworte überträgt ll78a ) -, und daß zweitens eine IIErgänzungsbedürftigkei t ll der Schrift IIdurch geistli,che Unterweisungen und eine gep.eime Überlieferung ll bestehe 79 ). Andererseits hat Glemens lIin der Polemik sich immer und immer wieder auf die Schrift als die höchste und entscheidende, als die eigentlich maßgebende Quelle aller Erkenntnis" berufen 79a ) und damit mindestens in Abgrenzun~ gegen die Haeretiker eine positive Stellung zum Kanon eingenommen. Ihnen gegenüber betont er auch, es habe II nur eine einzige Lehre aller Apostel gegeben, ebenso aber auch nur eine einzige Überlieferung Il80 ). Und daher kann er auch im Hinblick auf ein nichtbiblisches Zitqt sagen: nprn~ov ~~v o~v
kv ~ot~ napabEbo~lvOL~ ~~tv ~t~~apaLv ~b ~~~~v &~~. kv ~~ Ka~' , . /. ALyun~ ou~ • 1e napabLba~Eva Eua,yt~La . stehen also im Rang höher als außerkanonische SChriften 82 ). ELaYYE~CoL' aLK ~xa~Ev ~. • C 81) D ,.
78) H.Kutter, GIemens Alex~drinus und das Neue Testament, 1897, S.15. 78a) H.v.Gampenhausen, a.Anm. 11 a.O., S. 350. 79) Ibid. S. 354. 79a) Ibid. S~ 353. 80) Strom. VII 108,1 81) Strom 111, 13,93. 82) Vgl. H.Kutter, a.Anm. 78 a.O., S. 56 f. Für Glemens
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Aber die These von der "einzigen Lehre der Apostel" und der "einzigen Uberlieferung" steht doch mit der Pluralität der Evangelien in einer gewissen Spannung. Gelegentlich wird diese Spannung durch eine etwas unscharfe Verwendung des Begriffes Evangelien gemildert, wenn nämlich ~O EuaY\E~LoV als zusammenfassende Bezeichnung der Vier Evangelien auftritt 82a ). Eine ~rund sätzliche Stellungnahme hat GIemens in seinen - leider verlorenen - Hypotyposen abgegeben; darüber referiert Euseb 83 ) folgendes: a?)81.C; O'EV ~orC; au~orC; 0 K~~~T)C; ßI.ßACOI.C; nEpl ~~C; ~a~Ewc; ~wv EUaYYE~CwV napaooaLv ~wv aVE~a8Ev KpEaßu~EpwV ~E8EL~al., ~oU~ov ~xöuaav ~ov ~ponov. npoYEypa~8al. ~~EYEV ~wv EuaYYE~CwV ~a nEpI.EXOV~a ~aC; YEvEa~oY Ca<;" ~O OE ~O',~a Map~ov ~au~T)v EaXT)~EVal. ~~v ot~ovo~ Cav. ~oü ITE~POU oT)~oaC~ EV ~~~ ~~pu~av~oC; ~ov ~oyov ~at nVEU~a~1. ~O EuaYYE~LoV E~El.nOV~oC;J ~OUC; napov~aC;, ,no~AoUc; ~v~aC;J napa~a~Eaal. ~ov Map~ov, ~C; ~v a~oAou8~aav~a au~w
noppw8EV EtpT)~Eva·
~at
~E~VT)~EVOV ~wv ~EX8EV~WV,
nOI.~aav~a
oE J
~O
avaypa~aL ~~
EuayyE~I.OV ~E~aOOÜVal.
charakteristisch ist freilich - worauf schon H.Lietzmann, a.Anm. 58 a.O., S. 71, hingewiesen hat -, daß der Hinweis auf die kirchliche Nichtanerkennung der Quelle den Fall nicht alleine entscheidet, sondern daß sich GIemens mit dem Zitat "auseinandersetzt, genau wie es heutzutage auch ein Gelehrter machen würde". 82a) Vgl. E.Molland, The Gonception of the Gospel in the Alexandrian Theology, 1938, S.14~ Molland zeigt, daß EuaYYE~LoV bei GIemens in dreifachem Sinne verwendet wird: 1) als Buchtitel, 2) "the four canonical Gospels considered as a unity" 3) "in the sense of 'Ghristianity' or even stressed as 'the true Ghristianity'" (a.a.O., S.14 f. 83) H.e. VI 14, 5-7 (ad. E.Schwartz, S.235).
- 65 "tot,
be:O~tvOL«;
av'toü· b'lte:p E:ltLyv6v'ta 't'ov nt't'pOv ltpo't'pe:lt't'L)(as, ~~'te: XWAÜaaL ~~'te: ltpo't'pt~aeaL. Tov. ~tV't'OL ~wavv~v faxa't'ov, auvl.b6v'ta ~'t'1. 'ta. aw~a'tl.xa. E:V 'tot«; e:Uayye:ACOL«; be:b~Aw'tal., ltpo'tpaltlv'ta UltO 't~v yvwpC~wv, ltve:u~a~1. ee:o~op~elv'ta ltvgu~a'tl.xbv ltOI.~aaL gVayylAI.OV. 'toaaü'ta b KA~~~«;. Wenn wir die Tradition der von Olemens zitierten Presbyter84 ) mit Papias und dem Muratorianum vergleichen, so wird die Verwandtschaft der Anschauungen sofort deutlich. Ebenso die Tatsache, daß die TracU:tion über Mk "farbenreicher" geworden ist 85 ). Petrus selbst erfährt von dem Plan, wenngleich er keine Approbation desselben vornimmt 86 )} nach einer parallelen Angabe, die Euseb an anderer Stelle 8 ? bringt, hat Petrus sogar freudig seine Anerkennung ausgesprochen, als ihm der heilige Geist das Unternehmen seines Gefolgsmannes kundtat. Wenn aber die Autorität des Hk-evangeliums derart gestärkt wird - von irgendwelchen Irrtümern des Mk kann natürlich nicht mehr die Rede sein -, muß sein und der anderen Evangelien Verhältnis zum Vierten Evangelium neu bedacht werden. Hier hat nun Clemens zwei recht geschickte Erwägungen gebracht: (1) Die Evangelien, die Genealogien Jesu enthalten, sind zuerst geschrieben; d.h. das Fehlen der Genealogien bei Mk und Joh ist nicht beunruhigend, da beide die Kenntnis des Mt und Lk voraussetzen. 84-) Aus dem Referat Eusebs wird nicht hinreichend klar, wie
weit Clemens die Presbyter zitiert und wo er selbst spricht. Wir wollen daher den Text nur als Zeugnis für Clemens' Anschauungen nehmen, mag er sie auch teilweise übernommen haben. . 85) E.Schwartz, a.Anm. 12 a.O., s. 72. 86) Bei Papias, im antimarcionitischen Markusprolog (Text beie Huck-Lietzmann, Synopse der drei ersten Evangelien, 1950 , S. VIII) und bei Tertullian, adv. Marc. IV 5 hat Mk sein Evangelium nach Petri Tod geschrieben; bei Hieronymus schließlich hat Petrus dem Mk diktiert (Text bei RuckLietzmann, S. X)l Clemens nimmt also eine MittelsteIlung ein. H.e. 11 15,2 (Schwartz, S. 5?).
- 66 (2) Die Gemeinsamkeiten der Synoptiker und ihr wesenhafter Unterschied zu Joh konnte einem so gebildeten und feinsinnigen Manne wie Clemens nicht entgehen; dies faßt er zusammen in der Aussage, Joh habe ein pneumatisches Evangelium schreiben wollen, womit er die mehr auf Fakten ausgerichteten Synoptiker ergänzen wollte. Wenn auch das Wort "ergänzen" noch nicht fällt, so steht doch diese Vorstellung deutlich hinter den Äußerungen des A16xandriners 88 ). Gegenüber der reichlich gekünstelten Differenzierung zwischen den .Evangelien, die Irenäus gegeben hatte, bedeutet die Äußerung des Clemens unbedingt einen Fortschritt, denn sie erkennt Zusammengehöriges und faßt den Unterschied zwischen Joh und den Synoptikern tiefer. Freilich ist auch sie mehr ein dogmatisches Postulat, das dem Tatbestand im einzelnen nicht immer gerecht wird: der veränderte Rahmen der Geschichte Jesu bei Joh gehört ja wohl zu den aWllo::r I,XcX und umgekehrt enthalten doch auch die Synoptiker manches, das zu den nVEUlla~l,J{a gezählt werden möchte.
,
Daß die schöne Formel des Clemens in der Tat den konkreten Fragen gegenüber nicht ausreicht, kann an der oben 89 ) zitierten Äußerung über die angeblich übereinstimmende Passionschronologie deutlich werden; ebensowenig hat sich Clemens um einen Ausgleich zwischen der einjährigen Wirksamkeit Jesu nach den Synoptikern und der Dreijahreschrono~ logie bei Joh gekümmert. Für ihn stand eben fest, daß der Herr gesandt war, nur ein Jahr zu predigen (EV l,O' i)''l;OV \-lOVOV ); dies wird nicht nur aus Jes 61,2 und Lk 4,19 bewiesen, sondern aueh aus den 360 Glöckchen am Ephod des Hohenpri~sters
88) Vgl. E.Schwartz, a.Anm. 12 a.O., S. 111. Seit Origenes, Joh Comm X 3f., wird die Ergänzungshypothese gerne verwendet; vgl. Euseb, h.e. 111, 24, 7.13; Epiphanius, pan 51; Augustin, de cons. ev. IV 11-20. 89) S. § 3.3.
-.67 tind aus den Maßen der Arche NOah, deren Höhe 30 Ellen betrug; das aber ist die Zahl der Lebensjanre Jesu (Lk 3,23) also muß sein 30. Lebensjahr sein Lehrjahr gewesen sein89a~. Daß Clemens auch den Unterschieden zwischen den Synoptikern nicht auf die Spur kam, mag eine kurze BetrachtUDg seiner Auslegung von Mk 10, 17-31 zeigen, die er in der Schrift TC~ 0 a~~6~EvO~ nAouoLo~ gegeben hat. Clemens zitiert den vollständigen Text der Perikope nach Hk und betont dies auch: TaO~a ~6V EV ~~ Ka~a MapKov EUaYYEAC~ ytypan~aL· Kat EV ~or~ !AAOL~ OE näOLV ~or~ avw~oAoy~~tvoL' bACyOV ~6V tow~ ~Kaa~axoü ~WV ~~~a~wv EvaAAaaaEL, nav~a oe ~~v au~~v ~~~ yvw~~~ au~~vCav EnLoECKvu~aL 90). Dabei hat doch Mt die erste Antwort Jesu ~C ~€ ayaeov Aty EL~; ganz deutlich in ihrem Sinn verändert zu ~ C ~€ EPW~~~ nEpt ~oü aya800; Dazu muß bemerkt werden, daß Clemens den Hk-text recht frei zitiert, indem er nicht nur kleine Umstellungen vornimmt, sondern auch leicht mit der Mtfassung harmonisiert 9l ). Wenn wir die clementinische Formel auch als Fortschritt in unserer Frage buchen können, so· zeigt sich doch, daß sie den konkreten Problemen n~cht gewachsen. ist; hier bedarf es der eindringenden Einzeluntersuchung, die.dann Clemens' Nachfolger in der Leitung der Katechetenschule von Alexandrien leisten sollte.
89a) S. Strom. I, c.XXI,1.45,3 (ed. O.Stählin,GCS 15, p. 90); v, c.VI, 37,4 (p. 351); VI, c.XI, 87,2 p. 475). , . 90) Ed. o. Stählin, 1908, S. 7. 91) In V. 19 läßt Clemens mit Mt~~ aRo~~Ep~aV' aus, währender in der 2~ Antwort Jesu V. 21 mit Mt einfügt Ei 8lAEL~ ~lAELO~ ELvaL ,und V. 23a fügt er in die allgemeine Aussage Jesu e~n ~ou~ nERoL86~a~ ERt ~~~a OLV ,ganz im Sinne des Mt, der RAouaLo~ ergänzt.Auf die Bedeutung dieser Stelle· für die Schriftbehand-lung des Clemens hat schon H. Kutter, a.Anm. 78 a.O., S. 39 f., hingewiesen.
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5. Tatian Eine besondere Ausprägung der Auffassung von der Widerspruchslosigkeit der EvanF,elien stellt das Diatesseron Tatians dar, jene wahrscheinlich erste Evangelienharmonie 92 ), die Texte aller vier Evangelien zu einem "Leben Jesu" zusammengestellL hat. Indem wir die Arbeit Tatians im Rahmen der GeschichLe unseres Problems sehen, grenzen wir uns gegen [vJ. EI ze ab, der das Noti v zur Abfassung des Diatessaron in der Theologie Tatians begründet sehen wollte; es sei Tatian darauf angekommen, "die Wahrheit des Christentums durch seine Einheit zu erweisen"93), darum "wäre eine Vielzahl von Evangelien für ihn von v~rnherein ein Einwand gegen die Richtigkeit seiner Bemühung. Darum muß er im Zuge seiner Grundkon-
92) Die von Hieronymus, ep. 121,6, überlieferte Nachricht von einer Evangelienharmonie des Theophilus v. Antioohien ist zu unsicher, als daß man daraus irgendwelche Schlüsse ziehen könnte. - E.Lippelt, Quae fuerintJustini Martyris ano~v~~ovEu~a~a quaque ratione cum forma evange1iorum Syro-Latina cohaeserint, 1901, hat die These von einer bei Justin benützten Harmonie aufgestellt. Zunächst hat ihm C. Peters, Das Diatessaron Tatians, 1939, S. l6f., scharf widersprochen, aber neuerdings haben H.Köster, Synoptische Überlieferung bei den apostolischen Vätern, 1957, S. 86 ff., und H. Chadwick, Ear1y Christian Thought and the Classical Tradition, 1966, S. 125, diese ~hese wieder bejaht. Aber A. Bellinzonl, The Sayings of Jesus in the Writings of Justin Martyr, 1966, S. 141 f., hat wahrscheinlich gemacht, daß Justin keine vollständige Harmonie vorlag, sondern wohl nur eine Sammlung von Herrenwortenj dem schließt sich auchH.v. Campenhausen, a.Anm. 11 a.O~, S.204, Anm. 129, an. - Möglicherweise hat Tatian die "Synopse" des Ammonius von Alexandrien benützt; dies ist die These von D.Ploij, A Primitive Text of the Diatessaron, 19231 S. 12 f. Nur wissen wir über das Werk des Ammonius zu wenlg um ein festes Urteil fällen zu können. 93) M. E1ze, Tatian und seine ~heologie, 1960, S. 126.
- 69 zeption ein überein.stimmendes , einheitliches Evangelienbuch herstellen".9~) Wäre es Tatian nur um eine Theologumenon gegangen, dann hätte er sich mit einer Formel begnügen können, wie sie etwa Irenäus geprägt hatte. Im Rahmen unserer Arbeit können natürlich die "unendlich komplizierten Probleme der Diatessaron - Forschung,,95) nicht in ihrem gan~en Umfanß aufgerollt werden; Ort, Zeit und Sprache der Abfassung sind ebenso umstritten wie die Fragendes ursprünglichen Umfangs und Wortlautes des Diatessaron 96 ). Wir wollen hier aber nur die Harmonistik Tatians an einigen charakteristischen Beispielen darstellen. Freilich müssen wir uns auch um dieses bescheidenen Zieles willen auf kritische Arbeit an den Texten einlassen. Die Rekonstruktion des Diatessaron muß ja auf Grund einer Vielzahl von Sekundär - und Tertiärzeugen erfolgen, deren· wichtigste kurz genannt seien: 1. Der Diatessaronkommentar Ephraems, der z.T~ syrisch und ganz in armenischer Übersetzung erhalten ist (EC)97). 2. Eine. arabische Fassung des Diatessaron (Dar )98). 9~) Ibid. 95) H.v.Campenhausen, a.Anm. 11 a.O., S.205, Anm. 13~. 96) Einen umfassenden Forschungsbericht für die Vorkriegszeit bietet C.Peters, Das Diatessaron Tatians, 1939i einen kurzen Überblick über die neue re Diskussion b~e tet W.G.Kümmel, a.Anm. 11 a.O., S.387 f. 97) S.Ephrem, Commentaire de l'Evangile Concordant, Texte syriaque (Ms. Chester-Beatty 709), herausg. v.L. Leloir, 1962; S.Ephrem,- Commentaire de l'Evangile Concordant, Version Arm~nienne, herausg. v.L.Leloir (CSCO 137/1~5), 1953/5~. - Die Abkürzungen sind die von L.Leloir gebrauchten. 98) Jüngste Ausgabe von A.S.Narmaroji, Diatessaron de Tatien, 1935; diese Ausgabe ist stark kritisiert worden von A.Baumstark in einer Rezension im OrChr 3. Serie, 11. Bd, 1936, S.235-2~~; auch die von E.Preuschen und A.Pott (Tatians Diatessaron aus dem Arabischen übersetzt, 1926) besorgte übersetzung ist nach der Rezension von P.Kahle in OLZ XXXI, 1928; Sp. 973-9761 nicht zuverlässig, so daß sich stets ein Rückgriff au die Übersetzung von H.W.Hogg (in: Ante Nicene Christian Library. Additional Volume. Edited by A.Menzies, 1897, S.35-138) empfiehlt.
- 70 3. Eine mittelpersische Übersetzung (DP)99). 4. Eine lateinische Harmonie im Codex Fuldensis (Dlat)lOO). 5. Mittelniederländische Fassungen (DN)lOl), unter denen besonders das Lütticher Diatessaron Beachtung findet (Dne )102). 6. Eine mittelenglische Harmonie (PH)103). Weitere althochdeutsche, ober- und mitteldeutsche Harmonien sowie zwei altitalienische Fassungen Dtos, Dven ) seien noch erwähnt l04 ). Wenn es um die Wiederherstellung des ursprüng-
99) G. Messina, Diatessaron Persiano, 1951. 100) Codex Fuldensis, herausg. v.E.Ranke, 1868. - Weitere latein. Harmonien bespricht H.J. Vogels, Beiträge zur Geschichte des Diatessaron im Abendland, 1919. 101) J.Bergsma, De Levens van Jezus in het Middelnederlandsch, 1898. 102) The Li~ge Diatessaron, herausg. von D.Plooij, C.A. Philips, A.H.A.Bakkers, 1929-1938. 103) The Pepysian Gospel Harmony, herausg. v.M.Goates,1922. 104) Im Hinblick auf die begrenzte Zahl der von uns herangezogenen Zeugen ist eine grundsätzliche Überlegung über den Wert derselben angebracht. Gemeinhin werden die Zeugen in zwei Gruppen geteilt: Die "östliche" Gruppe umfaßt u.a. EC, Dar, DP, Durafragment; zur "westlichen" Gruppe gehören Dlat , Dne , Dtos, nven , PH (vgl. B.M. Metzger a.Anm. 133 a.O., s. 97 ff.; ~.Leloir, Le Diatessaron de Tatien, in: L'orient syrien 1, 1956, S.2l0 f.) Über diese grobmaschige Einteilung hinaus bestehen keine direkten Abhängigkeiten zwischen den genannten Zeugen. Selbst die durch vielfache überarbeitung gekennzeichneten Formen sind für unseren Zweck interessant, lehren sie uns doch die Tendenzen der Bearbeiter deutlicher erkennen. Immer gilt die metbodologische Forderung von C. Peters, "daß jeder Textzeuge - und mag er auch aufs Ganze gesehen noch so degeneriert erscheinen - so lange seinen selbständigen Wert -hat und in jedem Falle gehört zu werden verdient, als seine direkte Herkunft und restlose Abhängigkeit von einem anderen, bekannten Textzeugen nicht zweifelsfrei erwiesen ist I,' (Die Bedeutung der al ti talienischen Evangelienharmonien im venezianischen und toskanischen Dialekt, in: Roman. Forschungen 56, 1942, S. 184).
- 71 lichen Wortlauts des Diatessaron geht, müssen natürlich alle erreichbaren Zeugen befragt werden, für unsere Frage nach der Harmonistik genügt wohl die Heranziehung der erstgenannten sechs Zeugen. Die Hauptschwierigkeit bei der Rekonstruktion des Diatessaron beruht darin, daß ständig an demselben weitergearbeitet wurde. 80 enthält der Codex Fuldensis heute größtenteils einen Vulgatatext, aber die ursprüngliche Textgrundlage war altlateinisch l05 ); die arabische Fassung geht auf eine syrische Vorlage mit Peschittatext zurück, die jedoch ihrerseits ursprün~lich den altsyrischen Evangelientext enthalten hatte l06 • Diese textliche Überarbeitung brachte natürlich auch Eingriffe in die 8truktur der Harmonie mit sich: zu einem Bericht zusammengeschweißte Parallelberichte wurden wieder getrennt,'Ausgelassenes wurde ergänzt, das bei Tatian verwendete apokryphe. MateriallO?) wurde ausgeschieden. Beim Vergleich der Versionen wird man also stets beachten müssen, daß eine Tendenz zur "Enttatianisierung" bestand.
105) Vgl. H.J.Vogels, a. Anm. 100 a.O., 8. 7 ff. 106) Vgl. E.8ellin, Der Text des von A.Oiasca herausgegebenen arabischen Diatessaron, Forschungen zur Geschichte des neutest. Kanons IV, 1891, 8.225-246. 107) 8chon von ~h. Zahn, Das Diatessaron Tatians, Forschungen zur Geschichte des neutest. Kanons I, 1888, 8. 241 f. festgestellt; A.Baumstark, Die syrische Übersetzung des Titus von Bostra und das "Diatessaron", in: BibI XVI, (1935) 8.257-299, bes. 8.288 ff., wollte naChweisen, daß das Hebräerevangelium als "fünfte Quelle" dem Diate-ssaron zugrundegelegen habe; auf interessante Beziehungen des Diatessaron zum Thomasevangelium weist G.Quispel hin: L'Evangile selon Thomas et le Diatessaron, in: Vig Ohr XIII (1959) 8.87-117. G. Messina, Lezioni apocrife nel Diatessaron persiano! in: BibI 30,1949, 8.10-27, wollte als "Fünfte Quelle" des Diatessaron das Protevangelium Jacobi erweisen; gegen diese (und die Baumstarksehe) Hypothese wendet L. Le10ir, a.Anm. 104 a.a.O, 8. 318 ein " ••• jusqu'ici la valeur de cette hypoth~se ne d~passe pas celle d'une conjecture faiblement appuy~e"; Bedenken gegen Baumstark meldete auch schon A.Vööbus, a.Anm.110 a.O., 8. 21, an.
... 72 Unsere Untersuchung soll mit einer Betrachtung des griechischen Fragments von Dura - Europosl08) beginnen. Zwar halten wir dafür, daß dieser Text nicht die Originalfassung darstellt l09 ), sondern Übersetzung einer syrischen Vorlage ist llO ), aber er ist doch der älteste Zeuge für das Diatessaron. Der Text gibt die an die Kreuzigung anschließende - Nennung der Zeugen und die Vorstellung des Joseph von Arimathia: Mt ..27,56 Ze;ße;b ]aCou Hk 15,40 Kat EaA~~~ Lk 23,49 blc x[at] o.t yuvo.txe;~ [~wv au]vo.xoAoua~a&v~wv o.Lu~]~
Lk Mt Mk Mt Lk
23,54 27,57 15,42 27,57 23,50
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~~~ ro.A~Ao.Ca~ ·bpQao.~ ~bv
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~~~ [!ouoaC ]a~ Mt27,57 ~vo~a !w[a~~] Lk 23,50 aLy]aeo~ oC[xa~o~] Joh 19,38 WV ~ae~u~~ L~o]ü ~ xa[~axExpu~]~gVO~ bk o~a ~o~ ~6ßov ~wv [!ouoo.Cw]v. Mt 27,57 xat au~o~ Lk 23,52 b npoaEblXE~O [~~v] ß[aa~AECav] ~oU au. Lk 23,51 a o~~o~ oux [~v auyxa.~a~]~el~EV[O]' ~~ ß[ouA~.
108) Herausgegeben von C.H.Kraeling, A.Greek Fragment of Tatian's Diatessaron from Dura, Theol. Diss. Heidelberg 1935~ veröffentlicht in Studies and Documents III (1935). 109) Die alte These A.Harnacks, Tatian's Diatessaron und Marcion' s Commentar zum Evangelium bei Ephraem Syrus, in: ZKG IV (1881) 494 f., daß Tatian das DiatessaroD griechisch abgefaBt habe, ist nach dem Dura-Fund bes. von C.H.Kraeling, a.Anm. 108 a.O., S.15 f. t M.-J.Lagrange,
- 73 Dieser Ausschnitt läßt das Vorgehen Tatians schon recht deutlich werden: Er fügt die Aussagen der vier Evangelien wie Mosaiksteine zu einem Bilde zusammen. B.M. Metzger meinte sogar, die Arbeitsweise Tatians so charakterisieren zu können: "Wahrscheinlich arbeitete er mit vier besonderen Handschriften, je einer zu jedem Evangelium und indem er . Wendu~gen miteinander verkn~pfte bald aus de~, bald aus _ jenem Evangelium, strich er sie sicher in der Handschrift, aus der er abschrieb, durch" 111). Wäre Tatian so mechanisch vorgegangen, dann hätte er wohl die Bezeichnungen de.s Josept als c:uOX~J.1WV (l'-1k 15,43) und ltAOUOLOt; (Mt 27,57) nicht ausgelassen. Außerdem hat Tatian die in Lk 23,43 als Zeugen genannten Jüngerinnen Jesu 0uvat'xc:t; aL ouvaxoAou60üaaL au'ttf ) zu Frauen der Jünger gemacht (at yuvat'xe:, 'twv ouvaxoAou6T)oa.v'tLIJV au'ttf) - wohl nicht eine der II vö lligen Absonderlichkeiten" des Fragments, wie Baumstark urteilte 112),
110)
111) 112)
Deux nouveaux textes relatifs a l'Evangile, RB 44 (1935), s. 324, L.Cerfaux, Un fragment du Diatessaron g~ec, in: E.Tb LXIII (1936), s. 98-100, und H.-J. Voge~s, Handbuch der Textkritik des Neuen Testaments, 195~~, S. 112, erneuert worden. Von A.Baurnstark, Das griechische "Diatessaron" -Fragment von Dura - Europos, in: Or Chr, 3. Serie, 10. Bd. (1935) S. 244-252, nachge\'/iesen; ihm stimmen zu C. Peters, a.Anrn. 96 a.O., S. 109; A.Vööbus, Early Versions of the New Testament. Manuscrip~ Studies, 1954 , S. 5; P.Kahle, The Cairo Geniza, 1959 , S. 295; vorsichtig L.Leloir, Doctrines et M~thodes de S.Ephrem d'apr~s son commentaire de l'Evangile Concordant, 1961, S. 8. So scheint sich uie Zahnsche These von der syrischen Abfassung des Diatessaron (a.Anm. 107 a.O., 8. 18 ff.) doch zu bewähren. Die ältere Diskussion über diese Frage ist bibliographiert bei Kraeling, a.Anm. 108 a.O., 8. 15, Anm. 1. und 2. B.M. Metzger, Der Text des Neuen Testaments, 1966, 8.91 A.Anm. 110 a.O., 8. 247.
- 74 sondern ein Versuch des Enkratiten Tatian, Jesus aus der verdächtigen Gesellschaft von unverheirateten Frauen zu befreienl13 )_, hat sich also nicht unbedingt an den
113) D.Plooij, A Fragment of Tatian's Diatessaron in Greek, in: ET XLVI (1935), 8.476, hat darauf hingewiesen, daß der Colbertinus in Lk 23,49 liest flet mulieres eorum quae secutae erant illum a Galilaea", undda$ diese Lesart zweifellos den Text des 'Dura-Fragments voraussetzt, wobei freilich ein Korrektor durch die "Verbesserung" der vorauszusetzenden maskulinischen Formen (mulieres eorum, qui secuti erant ••• ) -in die femininen schon eine Angle"ichung an die Vulgata durchgeführt haben muß, wie das versehentlich stehengebliebene "eorum" beweist~ Wenn man a,ls syrische Vorlage von Lk 23,49 voraussetzt nashe ~ilen dtatenCammeh, wird die Variante nur durch den Einschub eines Dalat erreicht: nashe d' ailen d'aten. Ob es sich hier aber nur um "the frequent use of a redundant dalat" handelt, wie Plooij annimmt(und ihm beipflichtend A.Merk, .Ein griechisches Bruchstück des Diatessaron Tatians, in: BibI XVII (1936), 8.237), ist uns fraglich, denn auch sonst lassen sich Textänderungen Tatians aus enkratitischem Interesse nachweisen (vgl. L.Leloir~ Le Diatessaron de Tatien, in: L'orient syrien I (1~56), 8.314-316). Lagrange, a.Anm. 109 a.O., 8.325, hat recht: Tatian "a parl~ainsi parce gu' Encratite. 11 a dfl- trouver mauvais que ces femmes se soient mises ~ la suite du 8auveur et selon la force du terme cruvaxoAou8tw en gualitfl de disciples". Beweisen können wir diese Behauptung durch die Beobachtung, daß Tatian Lk 8,1-3 gestrichen hat, also den Text, der exp~izit von den Frauen in der Gefolgschaft spricht. Der Befund ist folgender: (a) Der Codex Fuldensis und das Lütticher Diatessa~on lassen Lk 8, 1-3 aus. (b) Ephraem kommentiertLk 8, 1-3 nicht, er zitiert diesen Text nur im Zusammenhang seines Kommentars zu Mt 12,43, so daß dieser Text wohl aus Ephraems , unbezweifelbarer Kenntnis der "getrennten" Evangelien stammt (diese Kenntnis hat schon Th.Zahn, a.Anm. 107 a.O., 8.56-59, bewiesen, ebenso F.C. Burkitt, Evangelion da - Hepharreshe 11 (1904), 8.186 ff., und neuerdings L.Leloir, a.Anm. 110 a.O., 8.21 f. und ders. 1 Le T~moignage d' Ephrem sur 1e Diatessaron, 196c, 8.72 f.). (c) Dieser signifikante Text hat sich natürlich in die Versionen hineingedrängt. 8chon das Lütticher
- 75 Evangelientext gebunden gefühlt, wie auch die Änderung der blassen lukanischen Wendung opwoal.. -raü-ra zu bpGSou.. -rov o-raupw8Ev-r0' und der Ersatz des Verbum simplex in Mt 27,57 durch das Kompositum n;pooTjA8Ev zeigen. Es empfiehlt sich also nicht, das Vorgehen Tatians in der von Metzger beschriebenen Weise anzunehmen. Ein Vergleich des Dura - Fragments mit den späteren Fassungen des Diatessaron zeigt l14 ), daß die oben beschriebenen Tendenzen tatsächlich wirksam waren, daß nämlich der Wortlaut der Harmonie an die kirchlich rezipierten Textformen (Vulgata, Peschitta) angeglichen und die von Tatian ausgelassenen Textbestandteile nachgetragen wurden. Daher hat A.Baumstark die Regel formuliert, IIdaß diejenige Textfassung irgendeiner Stelle als die ursprüngliche zu gelten habe, die in einem Aufbau aus möglichst kleinen Elementen am meisten sich mit dem Stil des DuraFragmentes berührt, ihr gegenüber dagegen glatter Anschluß
Diatessaron bietet Lk 8, 1-3 als Appendix, die Handschriften von Stuttgart und Den Haag enthalten die Perikope bereits im Text (s. die Ausgabe von D.Plooij, C.A. Phillips etc. a.Anm. 102: a.O., 8.166). Das arabische Diatessaron enthält Lk 8, . 1-3 als Zwischenstück zwischen Mt 12, 47-50 und Mt 13,1 ff // Lk -8,5 ff;im persischen Diatessaron dagegen schließt Lk 8, 1-3 an die Ehescheidungsdiskussion Mk 10, 1-11 + Mt 19, 10-12 an und leitet zum Gleichniskapitel über. Auch diese Verschiedenheit der Stellung von Lk 8, 1-3 in den Versionen ist ein Indiz dafür, daß die Perikope erst sekundär eingeschoben wurde. Lk 8, 1-3 dürfte also im Diatessaron gefehlt haben, und dieses Fehlen interpretiert die Textänderung in Lk 23,49 aufs beste. 114) S.Kraeling, a.Anm. 108 a.O., S. 12 f.
- 76 an ein mehr oder weniger umfangreiches Textstück eines einzelnen kanonischen Evangeliums als Ergebnis jüngerer Bearbeitung zu bewerten sei,,115). Diese Regel soll uns als heuristisches Prinzip dienen; s·ie wird sich beim Einzelvergleich zu bewähren haben. Die Harmonistik Tatians soll zunächst bei den "Vorg~. 11» schichte." der Großevangelien untersucht werden • Hier legt sich eine Harmonisierung natürlich besonders nahe, und sie bietet keine großen Schwierigkeiten, da sich die Erzählungen nicht überschneiden. Ohne Zweifel begann das Diatessaron mit Joh 1, 1-5; denn die Voranstellung von Mk 1,1 ist nur in DP bezeugt, während Lk 1,1-4 sich dadurch als nicht zum ursprünglichen Bestand gehörig erweist, daß dieser Text in Dlat und nP an verschiedenen Stellen auftaucht l15b ), aber in Dar, Dne , PH, EG Dtos, Dven fehlt. Wenn DP und PH gleich Joh 1,1-14 bzw. 1,1-18 bringen, ist dies ein Vorgriff, der die kunstvolle Verteilung des Prologs verkennt. Auf Joh 1,1-5 folgte übereinstimmend bezeugt - Lkl,5-80. Nur PH zerschlägt diesen großen Kmplex und fügt nach Lk 1,56a die "Ankündigung an Joseph" Ht 1,18-21.24 ein. Im Sinne der angeführ-
115) A.Baumstark, Die Himmelgartener Bruchstücke eines niederdeutschen "Diatessaron" - Textes des 13. Jahrhunderts in: Or Ohr, 3. Serie, 11. Bd., S.88. l15a) Vgl. Dar 1,1 - 111,36; Dlat I - XII; Dne 1 - 20; PH § 1 ff.; nP I 1 - 13; EO I - IV; Dven I - XI; Dtos 1-12. lat ist Lk 1, 1-4 als eröffnender Text vorl15b) Auch im D angestellt .worden, aber das Oapitularium, das wiederholt Hinweise auf die Fassung der Harmon1e vor der Angleichung an den Vulgatatext bietet, erweist die Zufügung als sekundär. (vg1. Th.Zahn, a.Anm. 107 a.O., S.300).
- 77 ten Baumstarksehen Regel könnte man diese feinere Aufteilung für ursprünglich halten, wenn nicht das überwältigende Zeugnis der übrigen Zeugen (einschließlich Dtos und Dven ) dagegen spräche. Die Geburt Jesu wird dann nach·Bt 1,18-25 und Lk 2,1-39 geschildert, es folgen die Magier, Kindermord und Flucht nach Ägypten gemäß Mt 2, 1-23. Auch hier bietet allein Pa eine andere Auf teilung, gegen welche das übereinstimmende Zeugnis aller anderen Zeugen den Vorrang beanspruchen kann. Schließlich muß noch die Frage bedacht werden, ob Tatian die Stammbäume Jesu übernommen hat. Bekanntlich hat ja schon Theodoret von Cyrus das Fehlen der Genealogien in den ihm bekannten Exemplaren des Diatessaron beanstandet l16 ) Auf Grund dieses Zeugnisses und des Fehlens der Genealogien bei Ephraem hatte A. Harnack mit Entschiedenheit dafür plädiert, daß die Genealogien von Tatian ausgelassen worden sein müßten, und er glaubte an Hand des Ephraemsehen Kommentars nachweisen zu können, daß - entsprechend den Angaben Theodorets - auch die anderen Texte gestrichen worden seien, die die davidische Abkunft Jesu bezeugen l17 ). A. Pott urteilte auf Grund der wahrscheinlichen Auslassung der Stammbäume in der arabischen Fassung ebenso l18 ). Dagegen sprach sich D.Plooij ebenso entschieden für das Vorhandensein der Genealogien im ursprünglichen Diatessaron aus, da bei Aphrahat und im Codex Beza Cantabrigiensis eine die matthäi sehen und lukanischen Angaben harmonisierende Genealogie zu finden sei, die auf Tatian z~rückgehen müss~19~
116j 117 118 119)
MPG 83, S.372 A. A.Harnack, a.Anm. 109 a.O., S.478 ff. A.Anm. 98 a.O., S.58 f~ A.Anm. 102 a.O., S.17 f.
- 78 L. Leloir hat nun gegen Harnack darauf aufmerksam gemacht, daß Ephraem auch Texte zitiert, die die davidisehe Abstammung Jesu voraussetzen. Daher erwägt Leloir, 'die Angabe Theodorets für falsch zu halten, oder aber es müßte als zweite Möglichkeit geltend gemacht werden, "Theodoret aurait dit vrai, mais l'oeuvre de Tatien, sur ce point de l'ascendance davidique et des g~n~alogies, aurait ~t~ tr~s tOt r~vis~e. L'hypoth~se, jusqu' ici du moins, est malheureusement inv~rifiable ••• Llon Si expliquerait ainsi pourquoi, dans l'oeuvre d lEphr!eml , de nombreuses et clairesaffirmations de l'ascendance davidique du Christ s'accompagnent cependant de quelques omissions ~t;angesIl120). Angesichts dieser Unentschiedenheit möc~ten wir zweierlei bemerken: (a) Die Verquickung der Frage nach den Genealogien mit der Frage nach der sonstigen Bezeugung der Davidssohnschaft ist nicht zu rechtfertigen. Immerhin kennt auch das Mk-Evg. das Theologumenon von Jesus dem Davidssohn 121 ), ohne eine Spur der Genealogien zu bringen. (b) Ob sich die von Leloir zögernd erwogene Hypothese einer späteren Einfügung der Genealogien v~rifizieren läßt, muß also allein auf Grund der Versionen untersucht werden. Welches ist der Befund? (1) Ephraem kommentiert die Genealogien nicht. (2) Im Dar enthält das Manuskript A nur die matthäisehe Genealogie, während Manuskript B beide Genealogien in einem Anhang bringt 122 ). Dies erklärt sich am unge zwungensten s'o, daß die Vorlage ~rsprünglich keine
116) 117) 118) 119) 120) 121) 122)
MPG 83, S.372 A A.Harnack, a.Anm. 109 a.O., S.478 ff. A.Anm. 98 a.O., S. 58 f. A.Anm. 102 a.O., S. 17 f. A.Anm. 113 a.O., (Le T~moignage ••• ), S.88. Vgl. Mk 10,47; 12,35 ff. S.Leloir, a.Anm. 113 a.O., S.86
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Genealogie enthält, während im Laufe der Überlieferung diesem Mangel auf verschiedene Weise und in verschiedenem Umfang aufgeholfen wurde'. Dlat enthält vor der Geburtsgeschichte die vollständige matthäische Genealogie, die von Abraham zu Jesus führt, und dazu werden die bei Lk überschießenden Angaben (von Abraham bis Adam) als Nachtrag hinzugefügt. Diese ungeschlckte Kompliation ist deutlich als sekundäre Auffüllung zu erkennen. Ähnliches gilt für das Lütticher Diatessaron, das die matthäische Genealogie ganz anführt, aber nur summarisch auf den lukan. Stammbaum mit seiner umgekehrten Gliederfolge verweist. DP enthält beide Genealogien, und zwar beide vollständig, nur sind sie nach den Geburtsgeschichten eingefügt. Hier finden wir zuerst die lukanische und dann die matthäi sehe Genealogie. Während Mskr. A von Dar also ebenso wie Dlat nach Mt ergänzt wurden, zeigt sich in DP eine an Lk orientierte Auffüllung. Dtos bietet in unmittelbarer Aufeinanderfolge die matthäisehe und dann die lukanische Genealogie~ und zwar vor den Geburtsgeschichten. Dven dagegen bringt nur den matthäisehen Stammbaum, ebenfalls vor den Geburtsgeschichten. Deutlich zeigen sich hier zwei Stufen des Auffüllungsprozesses. PH ist der Tendenz zur Auffüllung entgangen.
Das Auftauchen der GenealGgien in den Versionen in verschiedenen Kontexten und in verschiedenem Umfang erklärt sich also am besten durch die Annahme, die Genealogien seien kein ursprünglicher Bestandteil des Diatessaron gewesen. Als zweites Beispiel sollen die Berufungsgeschichten
- 80 besprochen werden 122a ). Eindeutig folgt auf die Versuchung Jesu die Berufung der. ersten Jünger nach Joh 1, 35 ff. Dar, PH, DP, Dven und EC bezeugen im Anschluß daran die Hochzeit von Kana. Dieser beachtlichen Bezeugung steht die Tatsache zur Seite, daß Dlat und Dtos die Perikope in recht ungeschickter Anordnun~ bringen. Aus zwei Gründen folgen wir diesen zeugen 123 : (a) Es legte sich doch sehr nahe, die Bochz~it zu Kana auf die Jüngerberufung folgen zu lassen, zumal Joh 2,1 einen präzisen zeitlichen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen angibt. Spätere Auslassung ist also nicht so verständlich wie spätere Einfügung. (b) Ein unscheinbarer, aber wichtiger Hinweis für die Richtigkeit unserer Annahme ist darin gegeben, daß im Dlat und Dne in den Schluß des lukanischen Fischfangwunders (Lk 5,1-11) der Versteil Joh2,11c ("und seine Jünger glaubten an ihn") eingearbeitet ist. Es widerspräche aller festzustellenden Enttatianisierung, wenn man dieses Einsprengsel für eine späte ÄnderunG hielte; vielmehr ist es gerade' Tatians Eigenart, derartige Mosaike zu bilden. Wenn er aber die Jünger erst auf den reichen Fischfang hin zum Glauben kommen läßt, dann kann er das Kanawunder nicht vorher berichtet haben. '
122a) Mt 4,18-22: Dar V 44-48; Dlat XVIIII; Dne 29; PH § 17; ven D XXI; Dtos 19. Nt 9,9: Dar VI 46; Dlat XX; Dne 31; PH § 20; DP I 22; Dven XXII; Dtos 57; Mk 2,14: Dar VII 9; DP I 27; EC V 17; Lk 5, 1-11: Dar V 49 - VI 4; lat ne D XVIIII; D 30; PH § 15; DP I 25; EC V 18; Dven XXIII; Dtos 19; Lk 5, 27-32: Dar VII 25-30; Dlat LVII; ne D 70; Joh 1,35 ff: Dar V 4-20; Dlat XVI; Dne 25-27; PH §' 9; DP I 22; EC IV 18 f.; Dven XVI; Dtos 16 f. 123) Anders J.Hontheim, Die Abfolge der evangelischen Perikopen im Diatessaron Tatians, in: THQ 90 (1908), S.235; L.Leloir, a.Anm. 113 a.O., Le T~moignage ••• , S.111, entscheidet sich nicht.
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Nach der Jüngerberufung läßt Tatian Jesus nach Galiläa zurückkehren, offensichtlich ohne die Jünger. Und zwar nimmt er hier den Lk-Rahmen auf, der ja Jesu Wirken mit der Antrittspredigt in Nazareth beginnen läßt (Lk 4,14 ff). Höchst interessant ist nun, daß nach' Dar, Dlat , Dne und Dtos gegen Lk diese Antrittspredigt erfolgreich endet, indem nur bis Lk 4,21 (22?) berichtet wird123a ). Diese_ Änderung muß auf Tatian selbst zurückgehen; denn es ist undenkbar, daß Spätere hier so geteilt haben sollten, während sie sonst nach Kräften die Texte in ihre ursprüngliche Gestalt bringen. Interessant ist, daß Dven und PH auch die lukanische Antrittspredigt relativ früh bringen, aber vollständig, d.h. mit dem negativen Ausl24 gang! So möchten wir noch entschiedener als Leloir ) ne lat die Fassung in Dar D D für ursprünglich halten. Auch hier entscheiden wir uns wieder gegen Ephraem, den ältesten Zeugen; daher sei an dies~r Stelle ausdrücklich vermerkt, daß Ephraems Zeugnis nicht überschätzt werden darf. Selbst Leloir, der Ephraem hoch ein~chätzt, hat dazu bemerkt: "Entre la r~daction du Diatessaron par Tatien et son utilisation par-Ephrem, deux si~cles se sont ~coul~s; et les influences corruptrices ont largement jdu~ ••• 11 12 5). Ein Rekonstruktionsversuch muß also ar 123a)D V 33-41 (Lk 4,14-22); nlat XVIII (Lk 4, 14-21); ure 28 (Lk 4,14-21); Dtos 18 (Lk 4,16-21). 124) A.Anm. 113 a.O., Le T~moignage ••• , 8.158. 125) Ibid. S. 232. - An einem instruktiven Beispiel hat A. Baumstark nachgewiesen, daß der Ephraem vorliegende Text schon durch die Einzelevangelien beeinflußt war (Zur Geschichte des Tatiantextes vor Aphrem, in: Or Ohr 3. Serie, Bd. VIII (1933), S. 1-12). In diesem Zusammenhang möchten wir auch ausdrücklich Bedenken anmelden gegen die folgende These Leloirs: "Sid'ailleurs, Ephrem ne cite pas tout l'evangile de Tatien, au moins Tatien a-t-il dit tout ce qu'il en cite; d'aucun t~moin post~rieur ~ Ephrem on ne peut dire chose semblable" (a.Anm. 104a a.0.,"S.213; mit
- 82 u.E. eklektisch verfahren. Auf die Antrittspredigt folgt ein Summarium der Botschaft Jesu (Mk 1,14 f + Mt 4,17) und darauf, dem Mkfaden folgend, die Berufung der 4 ersten Jünger (Mt 4,18-22; Mk 1, 16~20), wie Dar Dlat Dne übereinstimmend bezeugen. ,Petrus und Andreas werden also, nach einem "Vorspiel" in der Täuferzeit, ein zweites Mal berufen. Darauf folgt der reiche Fischfang nach Lk 5,1-11, wobei Petrus nun zum dritten Mal berufen wird. Man möchte wohl gerne eine dieser Erzählungen loswerden, um Tatian nicht diese Plerophorie zutrauen'zu müssen; allein die Texte sind durch ihre völlig gleiche Akoluthie in Dar. Dlat , Dne als ursprünglich gesichert, Lk 5,1-11 zusätzlich noch durch die sicher tatianische Verbindung mit Joh 2,11c. Ein kleines Problem stellt schließlich nochMk 2,14 parr. dar. Nach Mk und Lk wird ein Zöllner Levi berufen, während er in Mt 9,9 Matthäus genannt wird. Dar übernimmt diese drei Berichte: nämlich als Berufung des Matthäus, (Mt 9,9) des Jakobus, Sohn des Alphaeus, und des Levi (Lk 5,27). Der zunächst befremdlich erscheinende Jakobus taucht nun auch in EC und einer Reihe von Handschriften auf 126 ). einem sinnstörenden Druckfehler wiederholt in L.Leloir, Le Diatessaron de Tatien et son commentaire par Ephrem, ,in: Recherches Bibliques VI, 1962, S.249). Warum sollten sich die auch von Leloir zugestandenen, vor Ephraem wirksamen influences corruptrices nicht auch auf den Umfang des Ephraem vorliegenden Tatiantextes ausgewirkt haben? Und: da Ephraem die "getrennten Evangelien" kennt, ist bei einzelnen Zitaten wohl nicht auszuschließen, daß sie aus dieser Kenntnis stammen, ohne daß er sie aus dem Diatessaron genommen haben muß. Derartige methodologische KlarsteIlungen dürften nicht überflüssig sein. 126) Vgl. dazu Leloir, Le T~moignage (a.Anm. 113 a.O.), S. 116.
- 83 Offensichtlich hat man ihn aus dem Apostelkatalog Mk 3,18 an die Stelle des sonst bei Mk nicht mehr genannten Levi gesetzt, und diese Lesart verdient zweifellos das Prädikat IICertainement tatianique Il127 ): Die Änderung ist zu bewußt, als daß sie zufällig im Laufe der Überlieferung entstanden sein könnte, und sie eignete sich sehr gut, um die Aufnahme des Mk-berichts in das Diatessaron zu ermöglichen. Damit konnte nämlich der Mt.bericht ohne die v~elfach - bis in unsere Zeit 128 ) - angenommene Identität von Levi und Matthäus, die etwa auch Dne und PR bieten129 ), gebracht werden, und zugleich dem Lk Rechnung getragen werden, nach dem ja Levi der Gastgeber des "Zöllnergastmahls" war 130 ). Es ist wahrscheinlich, daß die Anordnung dieser drei Perikopen in Dar nicht ursprünglich ist. Zunächst wird sich Mt 9,9 sinnvoll an die drei ersten Belat rufungsgeschichten anschließen, wie wir es in D und ne D auch finden. Die Berufung des Jakobus (nach Mk 2,14) wird darauf gefolgt sein, aber da sie in Angleichung an die kanonischen Evangelien, die keine Berufung des Jakobus kennen, überall gestrichen wurde, läßt sich über den ursprünglichen Ort nichts ausmachen. Die Berufung, des Levi ist im lukanischen Kontext überliefert, also sicher als letzte; auch hier ist genaueres"kaum feststellbar.
127) Ibid. 128) Vgl.R.Pesch, Levi-Matthäus (Mc 2,14 / Mt 9,9. 10,3), ein Beitrag zur Lösung eines alten Problems, in: ZNvl 59 (1968), 40-56; er bietet eine überzeu~ende redaktionsgeschichtliche Begründung_für die Änderung in Mt 9 9. 129) Vgl. ]jl~ Kap. LXX; PH § 20. 130) Gegen J. Hontheim, a.Anm. 123 a.O., S. 225: "Die drei Erzählunc;en der Evane;elisten gehen evident auf dieselbe Person und auf dieselbe Berufung ••• Ich kann mich nicht entschließen zu glauben, daß schon Tatian diese Identität verkannt habell. Damit wird ~['atian doch wohl zu viel modernes exegetisches Denken zugetraut, außerdem hat Rontheim verkannt, daß die Lesart IIJakobus ll in Mk 2,14 tatianisch ist und den Schlüssel zur Beurteilung liefert.
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Wenn unsere These annehmbar erscheint 131 ), ergibt sich das bemerkenswerte Ergebnis, daß Tatian in einem gewissen Sinne "dublettenscheu" gewesen ist, daß er aber die Dubletten nach Möglichkeit dissimiliert hat und in das Diatessaron aufnahm. Interessant für die Behandlung von Dubletten sind ferner die Erzählungen von der Heilung des besessenen Geraseners (Mk 5,1-20 parr.) und von der Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46-52). In beiden Fällen hat Mt gekürzt und zur Steigerung des Wunders je zwei Patienten eingeführt. In beiden .Fällen ist der Überlieferungsbefund sehr unübersichtlich. Die Geschichte vom Besessenen findet sich in zwei Fassungen132 ): die eine kennt nur einen Gehei'l ten (Dar, DP ), ven ' an d ere ~. (D lat , Dne , " PI)"' d le , D , Dtos) • W"h a ren d nun Dar hauptsächlich mit Worten des f'1k und Lk erzählt, bietet DP ein Mosaik aus fvlt, fVik, Lk und auch die Namensepisode Mk 5,9 f. Die Fassungen, die ,von 2 Geheilten berichten, gehen alle von Mt 8,28 aus und flechten dann Lk 8,27 ein ("einer von ihnen ••• "), wobei sie die Namensepisode auch übernehmen, abgesehen vorn Dven , das die Heilung der Zwei nach Mt 8,28-34 berichtet und daran Hk 5,18-20 anschließt. In dieser Gruppe ist Dven sicher auszuschließen, da die reine Wiedergabe nach Mt dem Mosaik der anderen gegenüber sekundär ist (Baumstarksehe Regel!). Die einfache, aber geniale Idee, nach der in der "Zweierfassung" die beiden Versionen des Mt und Hk ineinandergearbeitet sind, könnte nun von vornenerein als tatianisch gelten, wenn nicht Augustin, wie später ~ezeigt werden wird, dieselbe Lösung
131) Leloir, Le T~moignage ••• (Anm. 113), 8.116 f., äußert sich leider nicht über dieses verwickelte Probl~m. 132) S. Dar XI, 39-52; Dlat LIII; Dne - 67; PE § 19; DP 11 60; EC XVI 1.6~ Dven XLVIII; Dtos 54.
- 85 vorgeschlagen hätte und diejenigen Diatessaronzeugen, welche diese Harmonisierung bieten, alle dem westlichen Zweig der Diatessaronüberlieferung angehörten. Daher mü.ssen wir noch fragen, ob sich nicht umgekehrt die IIEinerfassungen ll als sekundäre Bearbeitungen erkennen lassen. In' der Tat ist aUffällig, daß Dar in seiner aus Mk + Lk zusammengesetzten Fassung dennoch zwei kleine Einsprengsel aus Mt (Vv. 28b und 3la) enthält; das verweist uns darauf, daß hier eine Enttatianisierung stattgefunden haben dürfte; ähnlich liegen die Dinge ja bei Dven , nur daß dort die Enttatianisierung in Richtung auf Herstellung der Mt - Fassung viel radikaler durchgeführt wurde. 80 wäre für die Einerfassung nur DP als Zeuge übrig; aber gegenüber der Menge der anderen Zeugen, die auch bisher sich stets als dem DP überlegen erwiesen, dürfte der Perser kein entscheidendes Gewicht besitzen133 ) In derselben Weise hat Tatian wohl auch die Blindenheilung bei Jericho harmonisiert 134 ). Der synoptische Tatbestand ist hier noch komplizierter als bei den Gerasenern: Mk berichtet von der Heilung des blinden Bartimaeus durch Jesus beim Wegzug aus Jericho, Mt spricht von zwei namenlosen Blinden; Lk läßt den Bartimaeus beim Einzug nach Jericho geheilt werden. Hier sind die Vertreter der Einer-
133) Damit nicht der Verdacht entstehe, wir würden DP aus Opportunitätsgründen entwerten, sei auf das Urteil von H.J.Voge1s, a.Anm. 109 a.O., 8.115 verwiesen: 11 ••• bei Tatpers handelt es sich um ein junges Gebilde ••• , und sowohl der \oJortlaut wie die Komposi- . tlon steht weit vom ursprünglichen Tatian ab ••• 11. Vg1. auch B.M. Metzger, Tatian's Diatessaron and a Persian Harmony of the Gospels, in: Chapters in the History of New Testament Textual Criticism, 1963, 8.97-120. 134) 8. Dar 31,25 ff.; Dlat CXVI; Dne 157; PH § 76; 78; DP 111 33; EC xv, 22; Dven 107; Dtos 116.
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fassung EC, Dar, Dven , DP j während die Zweierfassung in Dlat und Dtos vertreten istj dabei berichtet PR schon vor dem Ein7,up; in Jericho die Heilung eines nalllenlOGen Blinuen, dlJmit delll I/ukas in etwa Rechnung tragend, und nach dem Weggang aus Jericho zwei Blinde sehend werden läßt, deren einer IIBartholomew ll gewesen sei. Diese natlirlich sekund~re Verdoppelung zeigt schon eine Tendenz an, nämlich dem Lk-rahmen entsprechen z~ wollen. Deutlich ist dies auch in Dven , dort schließt die Blindenheilung an einen lukanischen Kontext an, ist in rein lukanischer Textform wiedergegeben und findet - einzig in der von uns herangezogenen Überlieferung - auf dem Weg nach Jericho statt. Nun geht in Dar unserer ~erikope auch ein großes Stück rein lukanischen Textes voraus Lk 13, 22~30; 19, 1-10); dadurch könnte bedingt sein, daß die Blindenheilung weitgehendst nach Mk/Lk erzählt wird, wobei von der Benutzung des Mt nur noch eine Spur geblieben ist, nämlich Mt 20,34a, auch dies wieder ein Hinweis darauf, daß Mt ursprünglich mit in die Geschichte verwoben worden war. DP geht wieder eigene Wege, aber sein Text enthält Bestandteile aus Mt, Mk und Lk, so daß man seine Entstehung aus der Zweierform gut verstehen könnte. Es ergibt sich damit, daß Tatian dem Mt-rahmen gefolgt ist und die matthäisehe Verdoppelung mit Mk/Lk in der Weise harmonisiert hat, daß er einen der beiden namenlosen Blinden mit Bartimaeus identifiziert. Alle vier Evangelien berichten davon, daß eine Frau Jesus gesalbt habe. Die Differenzen im Hinblick auf Ort und Zeit der Handlung, die Person der Handelnden und die begleitenden Gespräche, sind bekannt. Die Hauptfrage ist hier die, ob Tatian die lukanische Salbung, die ja in einem ganz anderen Rahmen steht, mit der synoptisch - johanneischen Passionssalbung zusammengebracht hat. EC und
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Dar und Dven bieten nun die Lukas~asaung geSondert135 ); in der westlichen Uber1ie~erung dagegen ~indet sich eine "Diatessaron"-Fassung, nämlich in nlat , nne, DP, Dtos und PHI36 ). Nun hat Burkitt schon darau~ hingewiesen, "that the identi..fication of the' sinner' with Mary Magdalene and Mary the sister of Martha is the officia1 tradition o~ Rome, as attes'ted by the service ~or Ju1y 22,,137). Dies könnte natürlich die westliche Uper1ie~erung verdächtig machen. Allein hat Ephraem auch die Harmonisierung der 1ukanischen mit de~ Passionsfassung gekannt, worauf D. Plooij138) hinwies, so daß die Entflechtung derselben durchaus sekundär sein kann. Ein starker Hinweis ven in dieser Richtung ist die Tatsache, daß D sogar drei 139 Salbungen bringt ), also auch der johanneischen Fassung wieder zu ihrem Recht verholfen hat. Nach Tatian dürfte somit nur eine Salbung stattgefunden haben, die im Anschluß an die Auferweckung des Lazarus (Job 11,1-56) sechs Tage vor dem Passa von Maria, der Schwester des Lazarus (daß sie eine "Sünderin" war, unterschlägt Tatian) im Haus eines Pharisäers vorgenommen wurde. Die eigentliche Erzählung ist dabei nur nach Mt, Mk und Joh gestaltet, Lk kommt erst durch den Dialog ~it Simon am Ende der Geschichte zu Wortl~O). Interessant ist, wie 135) S. EC x, 8-9; Dar 1~,4-5 -15,11. nven cxxxv. 136) Dlat CXXXVIII; Dne 186; DP 111 36; PH§ 81,; Dtos 138 f. 137) F.C.Burkitt, Tatian's Diatessaron and the Dutch Harmonies, in: JThSt xxv (1924-), S. 116, Anm.l. 138) A Further Study of the Li~ge Diatessaron, 1925, 8.24-. 139) Dven CXXXV = Lk 7,36 ff; CXLI = Joh 12, 1 ff; CLVII l'1t 26, 6-13. 14-0) DP hat freilich auch in die Erzählung einige Lk-Bestandteile hineingeflochten; doch ist dies eher das, was man "erwartet", daher dürfte DP wieder sekundär sein. Außerdem ist es völlig unwahrscheinlich, daß etwaige ursprüngliche Lk-Bestandteile in allen Fassungen gleichermaßen ausgemerzt worden sein sollten, ohne die geringste Spur zu hinterlassen.
- 88 Tatian die Reaktion auf die Salbung darstellt. Nach Mk über die Verschwendung verärgert, nach Mt sind ';l.VE<; ot ~ae~,;aC ,nach Joh ist es Judas. Tatian identifiziert nun die ';l.VE<; mit den ~ae~,;o.C ,aber er bringt gesondert das Votum des Judas. So hat er die Dublette Mt/Mk ~ermieden, aber die durch einen Namen gedeckte Johannesdublette übernommen. Ähnlich kühn ist Tatians Harmonisierung der Tempelreinigungsberichte 14l ). Bildet diese Geschichte bei Joh den Auftakt der Wirksamkeit Jesu, so stellen sie die Synoptiker an den Anfang der Passionswoche; dazu bietet Joh die farbigere Erzählung und eine zusätzliche theologische Betrachtung. Abgesehen von Dven .und PH finden wir in allen unseren Versionen eine "Diatessaron"-Fassung mit Bestandteilen aus Mt, Mk, Lk und Joh. Da sich nun schon wiederholt gezeigt hat, daß PH und Dven am gründlichsten enttatianisiert sind, wird man ihr Zeugnis nicht als ausschlaggebend für die 'Annahme zweier Tempelreinigungsberichte ansehen können. Für die Harmonisi~rung ist charakteristisch, daß. alle Details über den Tierhandel aus Joh 2,14 und die Geißel aus Joh 2,15 aufgenommen wurden, und daß Jesu Begründung für sein Handeln aus dem synoptischen Schri~tzitat und dem jOhanneischen Wort besteht (Mk 11,17 bc + Joh 2,16); insofern ist die Behandlung dieses Textes ein Musterbeispiel für den häufig geübten additiven Ausgleich der Evangelien. Schwierig ist dagegen die'Bestimmlilllg des Standortes der Tempelreinigung, und gerade hier liegt ja der offenkundigste Widerspruch zwischen Joh und den Synoptikern. Nun ist de~tlich, daß keine Version die Diatessaronfassung am johanneischen Standort bringt, sondern in mehr oder weniger großer Nähe zur Passion. Ganz synoptischen ~ahmen finden wir in Dlat , D~os, DP: Jesus kommt von Jericho, wo er Zachäus bekehrt hat, 141) Dar 32,1-11; Dlat CXVIII; Dne 159; PH § 11; 82; DP 111 37; EC XV 23; Dven XVIII. CXIII; Dtos 118.
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er heilt die (den) Blinden, hält seinen Einzug in Jerusalem und reinigt den Tempel. Demgegenüber stellt sich die Akoluthie der Stücke in Dar und Dne anders dar. Zwar gehen die Zachäus- und Bartimaeus-Geschichten der Tempelreinigung voran, aber der triumphale Einzug findet erst später statt, so daß die Tempelreinigung aus ihrer unmittelbaren Verknüpfung mit der Passionswoche gelöst ist und bei einem früheren Besuch Jerusalems stattfindet. Diese eigenwillige Harmonisiernng, die im westlichen und östlichen Überlieferungszweig ihre Spur hinterlassen hat, ist sicher tatianisch142 ). Diese Kompromißlösung 143 ) ist außerordentlich kühn und zeigt eine große Freiheit in der Benützung der Quellen. Schließlich soll noch ein Blick auf die Darstellung der Ereignisse des Ostermorgens geworfen werden 144 ). ~ngesichts der so stark divergierenden Angaben über Reihenfolge urid Modalitäten der Erscheinungen war eine Harmonisierung dringend notwendig. Allerdings dürften deswegen die einzelnen Fassungen auch mancherlei "Verbesserungen" erlitten haben, so daß wir die ursprüngliche Anordnung nur ganz grob rekonstruieren können. Deutlich ist, daß Tatian die johanneische Protophanie vor Maria Magdalena
142) J.Hontheim, a.Anm. 123 a.O., S.241, hat dies nicht erkannt, sondern hat Dar unrecht gegeben. 143) Oder sollte Tatian die ursprüngliche Joh-Folge wiedergeben, wie E.Bammel, Ex illa itaque die consilium fecerunt ••• , in: The Trial of Jesus. Cambridge Studies in honour of C.F.D.Moule (ed. E.Bammel), 1970, S. 17 f., meint? . 144) S. Dar 52,45 ff; Dlat CLXXIII; Dne 234.
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in den synoptischen Rahmen einbaut. Zuerst kommen mehrere Frauen, um Jesus zu salben, werden (nach Mt 28,4 ff.) zunächst von einem Engel vor dem Grab empfangen, entdecken das leere Grab, in welchem (nach Lk 24, 4-7) zwei Männer das Geschehen deuten; darauf eilen die Frauen weg, während Maria Magdalena zurückbleibt und den Herrn sieht (Joh 20, 11. 13-17). Danach erscheint der Herr auch den a~deren Frauen, die immer noch unterwegs sind (Mt 28,9 f.) Hier hat Tatian hauptsächlich dadurch die Widersprüche ausgeglichen, daß er parallele Darstellungen desselben Vorgangs in hintereinander ablaufende Vorgänge verwandelt hat. Wir brechen die für den Rahmen unserer Arbeit vielleicht schon zu ausführlich geratene Einzeluntersuchung ab und versuchen, Tatians Harmonisierung der Widersprüche in den Evangelien kurz zusammenzufassen. Dabei sind wir uns im klaren darüber, daß unsere Untersuchung erst ein Ansatz zur Rekonstruktion des Diatessaron ist 145 ), der unter der Beschränkung sowohl der herangezogenen Zeugen als auch der untersuchten TextsteIlen leidet. Mit Th. Zahn können wir hervorheben, daß Tatian "keine abergläubische Stellung zu seinen Quellen einnimmt. Dadurch ist er vor vielen Torheiten bewahrt geblieben, welche die Harmonistik späterer Zeit zum Gespött gemacht haben" 146 ) •
145) Es sei angemerkt, daß uns das Werk von Ortiz. de Urbina, Vetus Evangelium Syrorum, et inde excerptum Diatessaron Tatiani, 1967, nicht zugänglich gemacht werden konnte; es wurde uns nur durch die Besprechung von R.Murray, Reconstructing the Diatessaron, in: The Heythrop Journal 10, 1969, S.43~49, bekannt. Nach den Ausführungen des Rezensenten scheint das Problem des Diatessaronodurch die neue Veröffentlichung nicht endgültig gelöst zu sein. 146) Th. Zahn, a. Anm. 107 a. 0., S. 260.
- 91 Konkret bedeutet dies, daß er differierende Einzelzüge in den Berichten desselben Ereignisses in einen Bericht zusammenzuflechten bemüht ist, daß er auf verschiedene Stellung derselben Erzählung im Rahmen der einzelnen Evangelisten keine Rücksicht nimmt, daß er Parallelberichte nur dann als Wiedergabe zweier Geschehnisse ansieht, wenn sie durch differierende Namen gedeckt sind. Tatian hat mit einem Geniestreich das Problem der Widersprüche in den Evangelien gemeistert. Im Raume der Großkirche hatte man sich freilich schon zu sehr auf die Vier zahl der Evangelien festgelegt als daß man ihm hätte folgen können. Daher blieben die Widersprüche noch lange Zeit ein "Stachel im Fleisch"" der viel Schmerz bereitete. Exkurs: Zum Problem des Diatessaron-Einflusses auf die Überlieferung des neutestamentlichen Textes. "Historically the Diatessaron played a very significant . role, not only in a local area, but in world-wide Christianity. Tracing the vestiges of the Diatessaron from Armenia to Abyssinia, and from persia to the British Is1es, we gain a grandiose view of the expansion of this document. ,This testifies of its marvellous power of attraction. By observing its influence in these distant regions in the Orient and in the Occident, one can obtain some idea cf the extent of its significance". Besser als mit diesen Worten von A. Vööbus 147 ) kann man die weitreichende Bedeutung des Diatessaron nicht zusammenfassen, und man wird kaum Widerspruch mit dieser Feststellung finden. Umstritten ist dagegen die Frage, ob das Diatessaron auch die Überlieferung des neutestamentlichen Textes beeinflußt habe. Bekanntlich finden sich in den Evangelien, besonders 147) A.Anm. 110 a.O., S.22 f.
- 92 natürlich in den Synoptikern, zahlreiche Angleichungen parall~ler Texte, die großenteils in der Konformierung des Wortlauts, teilweise aber auch in der Ergänzung einzelner Wendungen oder sogar Sätze aus dem Parallelbericht bestehen. Schon Hieronymus 148 ) mußte diese Erscheinung beklagen: IIMaguus siquidem hic in nostris codicibus error inolevit, dum quod in eadem re alius evangelista plus dixit, in alio, quia minus putaverint, addiderunt; vel dum eumdem sensum alius aliter expressit, ille, qui unum e quattour primum legerat, ad eius exemplum ceterors quoque aestimaverit emendandos. Unde accidit ut apud nos mixta sint omnia, et in Marco plura Lucae atque Matthaei, rursum in Matthaeo Joannis et Marci, e°t; in ceteris reliquorum quae aliis propria sunt inveniantur". Über den Umfang solcher Konformation informieren spezielle Untersuchungen etwa über die Harmonistik des Caesarea-Textes 149 ), der altgeorgischen Evangelienübersetzung150 ) und besonders des westlichen Textes, also der Altlateiner15l ) und A1tsyrer152 ). H.v.Soden hat nun energisch die These vertreten, daß das Diatessaron IIdie einzige Quelle für alle irgend bedeutsameren Abwandlungen des Evv-Textes ll sei l53 ), und H.J.Vogels
148) Ep. ad Damasum. 149) E.F.Hills, Harmonizations in the Caesarean Textof Mark, in: JBL LXVI, 1947, S. 135-152. 150) J.Molitor, Zur Harmonistik des altgeorgischen Evangelientextes, in: BZ N.F.l, 1957, 8.289-296. 151) H.J. Vogels, Die Harmonistik im Evangelientext des Codex Cantabrigiensis, 1910; zustim~end C.Peters, a.Anm. 96 a.O., S. 105 ff.; 147 ff.; mit ausführlicher Beschreibung der Diskussion; neuerdings A.Vööbus, a.Anm. 110 a.O., S.44. 152) H.J.Voge1s, Die alt syrischen Evangelien in ihrem Verhältnis zu Tatians Diatessaron, 1911; auch hier hat A.Vööbus, a.Anm. 110 a.O., S.77 f., Vogels zugestimmt. 153) Die Schriften des Nt ••• I 2, 1907, 1633; dazu vgl. man die Liste von IITatian"-Varianten S. 1634-1639.
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hat diese These mit neuer Begründung übernommen154 ). Er nimmt sogar an, daß die erste lateinische Evangelienübersetz,ung ein~ Harmonie gewesen sei 155). Eine wesentliche Voraus'setzung für diese Hypothese ist natürlich die Ausschaltung zufälliger Harmonisierung, weswegen Vogels von lIein,em ganz staunenswerten Maß von Treue und Sorgfalt 11 in der handschriftlichen Überlieferung spricht 156 ). Ist dieses Urteil nun zwar sicher übertrieben156a ), so wird es doch andererseits auch nicht angehen, wenn B.M~Metzger die harmonisierenden Varianten unter der Überschrift IIUn_ beabsichtigte Änderungen ll verhandelt 157 ); dazu ist ihre Zahl vor allem im westlichen Text zu groß. E.v.Dobschütz, der Altmeister der Textkritik, hat die Konformation daher schon mit Recht zu den IIbewußten Textänderungen" gerechnet 158 ). Aber er hat auch schon gegen v.Soden (und damit auch gegen Vogels) den entscheidenden Einwand vorgebracht: "Erst müßte der Text von Tatians Diatessaron feststehen, ehe man so damit für die Kritik des Textes operieren kann" 159). Eine Reihe außerordentlich interessanter übereinstimmungen zwischen dem westlichen Text und (möglichen) Diatessaronlesarten legt es aber nahe, Vogels' These, "daß die weitaus. überwiegende Mehrzahl der harmonistischen Lesarten auf die Einwirkung dieser Harmonie zurückgeht ,,160) , ernsthaft zu p;üfen161 ). 154) Zusammenfassend: a.Anm. 109 a.O., S. 147 ff. 155) H.J. Vogels, a.Anm. 100 a.O. ,156) A.Anm. 109 a.O.,· S.148. 156a)Vgl. etwa E.C. Colwell, Scribal Habits in Early Papyri: A Study in the 60rruption of the Text, in: The Bible in Modern Scholarship, ed.J.Ph. Hyatt, London 1966, S. 370-389. 157) A.Anm. 111 a.O., S.195. 158) E.v.Dobschütz, Eberhard Nestle's Einführung in das GriechischeNeue Testament, 19234, S.7. 159) Ibid. S.15. 160) A.Anm. 109 a.O., S.175. 161) Jüngst hat sich zustimmend geäußert H~Zimmermann, Neutestamentliche Methodenlehre, 1968 , S.47.
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5: Origenes' Lösung der Widersprüche zwischen den Evangelien
1. Urteile über Origenes als Ausleger "Es hat nie einen Theologen in der Kirche gegeben, der so ausschließlich Exeget der Bibel gewesen ist und sein wollte, wie Origenes". Mit diesem 8atze hat A.v. Harnackl ) die Mitte des origenistischen Denkens wohl zutreffend beschrieben; die Qualität der von Origenes so fleißig getriebenen Exegese ist freilich in der Forschung meist recht gering geachtet word~n2). Als Beleg ,seien nur die jüngsten Äußerungen H.v.Campenhausens zitiert, der Origenes vorwirft, die Worte der Bibel seien zwar "stets der Ausgangspunkt, aber kaum jemals die wahre Quelle seiner scheinbar exegetischen Erkenntnisse,,3). Der Grund dafür liege "in der Annahme eines mehrfachen 8chriftsinnes und in der daraus resultierenden fast schrankenlosen Herrschaft der allegorischen Methode,,4). In der Tat wird man hier eine unübersteigbare Grenze des Origens zu sehen haben, die auch neuere Rettungsversuche 5 ) nicht wirklich überwinden können. Gleichwohl wird vielleicht v. Campenhausen dem vielschichtigen Tatbestand nicht ganz. gerecht, wenn er ausführt, daß sich Origenes auch über das Problem der Widersprüche in den Evangelien mit Hilfe der Allegorese recht leicht hinwegsetze: "Die Häretiker finden nur deshalb vermeintliche Anstöße und Widersprüche
1) Der kirchengeschichtliche Ertrag der exegetischen Arbeiten des Origens, Teil 11, 1919, 8.4 Anm. 3. 2) Vgl. die abfälligen Urteile die H. deLubac, Geist aus der Geschichte, 1968, 8.23-26, zitiert: da ist von "Uberspanntheiten" , "kindischen 8p~elereien", "Verirrungen der Einbildungskraft" u.ä. die Rede. 3) Die Entstehung der christlichen Bibel, 1968, 8. 360 Anm. 252. 4) A.a.O., 8.361. 5) Etwa H.de LUbac, dessen Anliegen eine "voll begründete 'organische Allegorie'" ist (a.Anm. 2 a.O., 8.472).
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in der SChrift, weil sie die rechte Art der Auslegung verfehlt haben. So enthalten z.B. alle Abweichungen zwischen den ~angelien, bis in die kleinen Varianten des Textes hinein, richtig ausgelegt, keinen Widerspruch, sondern erweisen sich vielmehr als sinnvoll. Was einmal eine Verlegenheit und Not bedeutet hatte, ist zur beglückenden Quelle höherer Erkenntnis gewOrden,,6). Es wird im folgenden zu prüfen sein, wie Origenes das Problem der Widersprüche sieht und wie er den cons'ensus evangelistarum herstellt. Dieser Fragenkreishat bisher nur unz~reichende Beachtung gefunden. Schon E.R.Redepenning und fast 100 Jahre nach ihm E.Molland haben dieses Thema sehr kurz behandelt und dabei vornehmlich der prinzipiellen, aber durchaus nicht charakteristischen Äußerung in Joh Comm X 4 gedacht; beide kommen daher zu Ergebnissen, die dem von H.v.Campenhausen 'sehr ähnlich sind6a ). J. Dani~lou hat das Problem nur mit einem einzigen Satz gestreift 6b ). Einen richtigen Ansatz hat S. Läuchli 7 ), der auf das grundsätzliche Interesse des Origenes an der Historizität der evangelischen Geschichte hinweist, ohne allerdings das Material in seiner Fülle auszubreiten und die durchaus differenzierten Lösungsversuche näher zu beleuchten. Dies soll im folgenden geschehen; dabei werden sich für die Beurteilung der exegetischen Arbeit des Origenes höchst aufschlußreiche Ergebnisse zeigen.
A.Anm. 3 a.O., S.362 f. . E.R.Redepenning, Origenes L,. 1841, S.291 ff.; E.Molland, The Conception of the .Gospel in the Alexandrian Theology, 1938, S.137 f. J.Dani~lou, Orig~ne, 1948, S.142. S.Läuchli, Die Frage nach der Objektivität der Exegese des Origenes, in: Th Z 10, 1954, S.175-197, spez. S.176 ff.
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2. Die Schriftauffassung des Origenes Zuerst soll die Schriftauffassung des Origenes skizziert werden, die ja den Hintergrund.für seine Auslegung bildet. Zwar kennt Origenes noch keinen ganz abgeschlossenen Kanon 7a ), aber er setzt die Vierzahl der kanonischen Evangelien als selbstverständlich voraus, sie sind di~ vier Elemente, aus denen der x6a~o~ ~~~ ExxA~aCa~ gebaut ist 7b ). Zwar haben viele, so führt er in seiner 1. Homilie über das Lukasevangelium aus, Evangelien zu schreiben versucht, aber nicht alle sind rezipiert worden. Wenn Lukas (1,1) schreibt, viele hätten versucht, einen Bericht zu geben, latentem habet accusationem eorum, qui absque gratia Spiritus sancti ad scribenda evangelia prosiluerunt. Völlig unproblematisch aber dekretiert er: Matthaeus quippe-et Marcus et Johannes et Lucas non sunt conati scribere, sed Spiritu sancto pleni scripserunt evangelia 8 ). Die vielen Evangelien, deren er eine Reihe aufzählt, sind vielmehr charakteristisch für die Häresie: Ecclesia quatuor habet evangelia, haeresis plurima 8a ). Einziger und hinreichender Grund für die Anerkennung bzw. Verwerfung ist die Tatsache der kirchlichen Rezeption: Sed in his omnibus nihil aliud probamus, nisi quod ecclesia,
7a) H.v.Campenhausen, a.Anm. 3 a.O., S.369 ff. 7b) Joh Comm 1,4 (ed. Preuschen, GCS Origenes Werke IV, S.7 - Im folgenden wird nach Möglichkeit stets nach den Ausgaben der-GCS zitiert. . 8) Lk Horn I, ed. Rauer, GCS Origenes Werke IX, S.4. Im folgenden wird stets nach den Ausgaben der GCS zitiert. 8a) A.a.O., S. 4 f.
- 97 id est quatuor tantum evangelia recipienda9 ). Diese vier Evangelien sind grund~ätzlich gleichwertige Zeugen des Einen Evangeliums: ~O ~A~6w~ o~a ~Eaa&pwv ~v Ea~~v EunyytA~oV 9 a ). Das schließt nicht aus, daß dem Vierten Evangelium gelegentlich ein besonderer Rang zugesprochen wird: Es ist die ~napx~ ~wv EuaYYEACwV, ~ov yEvEnAoyou~EVOV ELROV xnt &RO ~oO aYEv~aAOY~u «P16~Ev~ •.• OUOEt~ yap EXECVWV [ ~~v EuaYYEA~a~~vJ a~p&~w, b E
avvoxa, ou avvTp~R~tov OVOE b~ClxoR~tov, ~REP REno~~xao~v ot T~V Ev6~~~a TOV EV ~an~, TClL' ypn
s.
- 98 Verbalinspiration, im Prinzip kaum weniger 'streng als seine jüdischen Zeitgenossen, mit denen er auch in Beziehung steht .. ll ). Herkunft und Funktion der origenistisehen Inspirationslehre sind schon öfters untersucht wor' ' t b egnugen .. k"ormen, auf elne ' d en lla) ,so d a ßWlr uns d aml in unserem Zusammenhang bedeutsame Folgerung aus der Inspirationslehre hinzuweisen, nämlich die Irrtumslosigkeit der Schrift 12 ). Mit dieser dogmatischen Forderung stehen natürlich die mancherlei Verqchiedenheiten und Widersprüche zwischen den Evangelien in Konflikt; es wird a~o gerade durch diese weitgehende Dogmatisierung der Unfehlbarkeit der Schrift die exegetische Aufgabe unumgänglich gestellt. Und o.rigenes hat sie als erster in Angriff genommen. 3. Einfache Harmonisierungan Werm man nun die Einzelexegese betrachtet, könnte man fast glauben, o.rigenes habe Alands Synopsis Quattuor Evangeliorum vor sich gehabt, so gründliCh zieht er jeweils die Parallelberichte zum Vergleich heran. Solcher Vergleich dient häufig der ,Verdeutlichung und Auffüllung einer Version durch die anderen, etwa wenn die matthäische Äußerung, Jesus habe in Nazareth kein Wunder getan, aus Markus erläutert wird, er habe dort kein Wunder tun können12: wenn in Mt 27,30. von dem aus Joh. 19,23 f bekannten unge11) H~v.Campenhausen, a.Anm. 3 a.o.., S.365. lla) Neuerdings von R.P.C. Hanson, Allegory and Event. A Study of the Sources and Significance of O,rigen's Interpretation of Scripture, 1959, und,R.Gögler, Zur Theologie des biblischen Wortes bei o.rigenes, 1963~ 12) Joh Comm VI,34 (IV, a.143), ~~6EVb~ a~a~~o~tvou EuaYYE~La~oü • Weitere Beispiele bei R.P.C.Hanson, a.Anm. 11 a.o.., S.193 ff.; R"Gögler, a.Anm. 11 a.o.., S.295 ff. l2a) Mt Comm X 19 (Klostermann, X, S.26l).
- 99 nähten Leibrock Jesu die Rede ist13 ), wenn die Dreisprachigkeit des Titulus am Kreuz nach Joh. 19,20 zu Mt 27,37 erwähnt wird14 ), oder wenn der wortlose laute Schrei, mit dem Jesus nach Mt 27,50 stirbt, mit dem lukanischen "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist" (23,46) gleichgesetzt wird15 ). _ Gelegentlieb seiner Harmonisierung der Berichte über die Taufe Jesu versucht Origenes sogar einmal zu begründen, warum die Bestandteile eines Geschehens aus mehreren Berichten zusammengeholt werden müßten: Daß der Täufer Jesus von der Taufe habe abhalten wollen, sage außer Mt keiner der anderen Evangelisten, tvcx. fJ.1) 'tcx.lrtoAoywc1I.v 15a ). Im allgemeinen erspart sich unser Kirchenvater aber derartige Verlegenheitsauskünfte. Interessanter als diese leicht zu vermehrenden Belege 16 ) für unbefangene Harmonisierung sind jene Fälle, in denen ein Blick auf die Synopse der Korrektur haeretischer Auslegungen dient. So führt Origenes zur ~ukanischen Version der Geschichte vom reichen Jüngling (Lk 18,18 - 23) gegen die Marcioniten, ot 't~v V6fJ.OV &~~6'tPLOV EtVcx.C ~cx.crL 'toU XPLcr'tOU , an, Jesus habe nach Markus den Jüngling wegen seiner Aussage, die Gebote gehalten zu haben, lieb gewonnen (Mk 10,21); oux äv OE Ent 't~ 'toU aAAo'tpCOU nA~pwcrEL .. r ' 17) • 'tov REpL" 'tcx.u't~, Rcx.pp~crLcx.s0fJ.EVOV Hatte Herakleon die in Joh 2,12 berichtete Ortsveränderung ,
1.
~y~n~aE
13~ Mt Comm ser. 125 -(XI, S.261). 14 A.a.O., 130 (XI, S.267). 15 A.B.O., 134 (XI, S.274). 15a)Joh Comm VI, 50 (IV, S.159 f.). 16) Vgl. etwa MtComm ser. 103 (XI, S.224); 108 (S.226 f); Lk Comm,frg XVII (Rauer, IX, S.241); frg XXXI (S.247); Mt Comm XI 12 (X, S.53); frg 292 (XII/I, S.130; 17) Lk Comm frg LXXVIII (IX, 8.271).
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,
Jesu nach Kapernaum allegorisch ausgelegt, indem er _ Kapernaum als Sigel für 'TaO'Ta 'Tel. ~axa'Ta 'ToD K6aj.1ou, 'T<x0'T<X 'Tel. uALKa g\, & Ka'T~AegV auffaßte, so verweist Origenes dagegen auf Matthäus, Markus und Lukas, die Kapernaum als geographisch fixierbaren Ort der Wirksamkeit Jesu kennen 18). Auch zur Unterstützung einer textkritischen Konjektur kann der synoptische Vergleich helfen, so in der matthäisehen Fassung der Geschichte-vom reichen Jüngling 19). Dort ist nämlich den Geboten, die Jesus dem Jüngling nennt, auch das Liebesgebot angefügt (Mt 19,19). Wi~ könnte aber Jesus dem Jüngling, der alle von J~sus genannten Gebote gehalten zu haben behauptet, sagen: ~v ao~ ua'Tgpgt ,wenn sich dieses Bekenntnis auch auf das nach Rm 13,9 als Zusammenfassung aller Gebote zu verstehende Liebesgebot bezöge? 'TtAgLO, av g\~ b ~A~p~a<x, ~Kat~ 'T~V ~ya~~agL~ 'TOV ~A~aCov aOU &, kau'Tov €V'TOA~v20). Dies ist der exegetische Anstoß, den die Nennung des Liebesgebotes an dieser Stelle birgt; daher vermutet Origenes, daß es von einem ungenauen Abschreiber eingefügt worden sei. Er fährt fort: auvayopgvag" OE 'T? tmo~O~agL 'ToU ~pOa'TgeEtae<XL €v'TaOea 'Tb &ya~~ag", 'Tbv ~A~aCov aou &, kau'Tbv h 'TWV bj.1oCwV ~pa 'T~ M&pK~ Kat 'T~ AOUK~ ~KegaL', ~v ouot'TgpO, ~pOa'TtegLKE 'Tat, Ka'Ta 'TOV 'T6~ov Lno 'T00 t~O'oO MpaA~
19 20 21
A.a.O., XV, 13 A.a.O., XV, 14
X, S. 385). X, S. 385 f.).
.
- 101 ihm, naheliegen~er22 Ö1: L. no~~~ Yf:'YOVE.V ~. 1:üiv O:v.1: LYpa(pwv fH(X.CPO pa ). El.ne Mogll.chkeJ. t, ohne dl.e textkritische Konjektur auszukommen, bietet sich Origenes durch Heranziehung der Wiedergabe dieser Perikope im' apokryphen Hebräerevangelium. Dort wird dem Reichen verbotenus vorgeworfen, er habe das Liebesgebot nicht erfüllt; wenn das Liebesgebot in Mt 19, 19b also urspünglich genannt wurde, so könnte damit derselbe Vorwurf in milder Form impliziert sein 23 ). Der Exeget Origenes weiß also den synoptischen Vergleich sehr wohl als Hilfsmittel anzuwenden. Aber auch alle Differenzen, die sich in Parallelberichten finden, notiert Origenes mit großer Akribie. Das beginnt bei der Feststellung kleiner Zusätze und Abweichungen 24 ), führt zur Untersuchung der hand~reiflichen Unterschiede, etwa bei den 8tammbäumen Jesu 25 ), bei den 8albungsgeschichten 26 ), beim petrusbekenntnis 27 ), und endet bei der schwierigen Frage nach der Vereinbarkeit der synoptischen und johanneischen Chronologie 28 ). Wie behandelt er diese Unterschiede?
22) Ibid. (8.387). Vgl. B.M. Metzger, E,xplicit References in the Works of Origen to Variant Readings in New Testament Manuscripts, in: B.M. Metzger, Historical and Literary 8tudies, 1968, 8.88-103; auf den oben verhandelten Fall geht Metz~er nicht ein. 23) Ibid. (8.390); ~~E~a xat a~Law~ kAEy~aL POUAOUEVQ, 24) Vgl. Mt Comrn ser. ,6 (XI, S.68); 51 (XI, 8.11~,1~,); 59 (XI, S.137 f); 111 (XI, 8.232); Mt Cornm XI 3 (X,8. 38). ' 25) Lk Horn XXVIII (IX, 8.172 ff.) •. 26) Mt Comm ser. 77 (XI, 8.178 ff.). 27) Mt Cornm XII 15 (X, 8.105). 28) Joh Comm X 1 ff (IV, 8.171 ff.).
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4. Assimilation und Dissimilation ähnlicher Berichte Der erste häufig beschrittene Weg bei der Behandlung der Widersprüche ist der des hietoriaierenden Ausgleichs. Das bedeutet: Origenes sucht entweder zu zeigen, daß die Verschiedenheiten nur scheinbare sind, die Berichte mithin - auf der historischen Ebenel - durchaus übereinstimmen, oder er weist nach, daß die verschiedenen Berichte ähnliche, aber nicht dieselben Begebenheiten meinen. Besonders stark ins Auge fallen widersprüchliche Zahlenangaben, wie die unterschiedliche Datierung der Verklärung Jesu: nach Mt/Mk findet sie 6 Tage nach dem Petrusbekennt-' nis statt, nach Lk 8 Tage. Da es sich ganz eindeutig um dieselben Ereignisse handelt, muß die Differenz behoben werden, und das geht sehr leicht: ocrov Ent ~~ p~~~. >EytvOV~o wcrEt ~j.ltpCXI. bx~w "', 0 Aouxäc;, j.lE~PEt' xcxt ~cx6~~v ~~v hj.ltpcxv, [ ••• ] EV ~ yCVE~CX~J Mäpxoc;, OE j.lE~PEt' ~ac;, j.ltcrcxc;, j.lovcxc;" xcxt OUX ~cr~1. OI.CX~wvCCX npoc;, ~O P~LOV ..• 29). Keine so leichte Rechnung läßt sich im Falle der gerasenischen Besessenenheilung anstellen: nach Mt 8,28 handelte es sich um zwei Kranke, nach Mk 5,2 // Lk 8,27 nur um einen. Natürlich muß in einem solchen Fall die größere Zahl als Grundlage genommen werden, es müssen zwei gewesen sein. Und da kommt dem Origenes die starke Kürzung des Mk-Berichts durch Mt sehr zu Hilfe: Mt bringt ja den Namen des Dämons AEY ~wv nicht 1 crxl<jJcxL. j.l~nO~E_ ~wv 060 ~ülv_ ncxpa ~~, Ma~eo:CCf Elc;, ~v 0 ~ov AEYEülva. ~xwvJ nEpt 01) LOV AOYOV Eno~~crcxv~o Cf LE Mäpxoc;, xcxt ,0 Aouxär;, J tcrLOPOÜV~Ec;, La XCXL' ednov j.lovov o~a ~O Enl.cr~j.lOLEPOV EIvcxL. xcxt nAECova. nEpt a.U~ov YEyovtvCX L • Matthäus erzählt die Heilung der beiden "in einem Aufwasch"
29),Lk Comm frg XXI (IX, 8.242). - Hier ist eirie'Harmonisierung tatsächlich möglich; vgl. K.L. 8chmidt, Der Rahmen ,der Geschichte Jesu, 1919, 8.223 f: Mk benütze die jüdische, Lk die römische Wochenzählung.
- 103 (YEVLXW~ ), während die beiden anderen den Fall des vom Dämon Legion Besessenen gesondert berichten, da Mt ihn verschweigt 30). Ein ähnliches Problem bietet die Heilung des blinden ~ar timaios (Mk 10,46 ff II Mt 20,29 ff II Lk 18,35 ff): Mt streicht den Namen, verdoppelt aber die Patienten; kompliziert wird die Lage aber dadurch, daß Lk die Heilung des namenlosen Blinden beim Einzug in Jericho geschehen läßt, während sie nach Mt und Mk beim Weggang von Jericho geschieht. Wer nach dem rein historischen Geschehen fragt und keinen Widerspruch der Evangelisten annehmen will, muß den 3 Berichten verschiedene Heilungen zugrunde legen 31) Dies Yolgt aus der Inspiration der Schrift und deren notwendiger Irrtumslosigkeit: E~nEp yap axpLpw~ nLa~Euo~EV avnYEypa~enL auv€pyoüv~o~ xnt ~oü &yCou nVEu~n~o~ Ta EunyylALn, xnt ~~ Ea~A~anv EV ~~ ano~v~~oVEUE~V 0\ ypa~nv~E~ nu~a, O~AOV Ö~~, En€t ~~ ouvn~ov EV ~~~ xnt ~~ ~u~~ EnLO~~C~ aA~eE~ Elv~~ ouo ~U~AOU~ ~EeEp~nEüae~~ xat ~v~, k~lpa ~lv ~~~ En~o~~C~ OEO~AW~~~ Lno ~oü Ma~e~Cou . k~lp~ OE Lno ~oü M~pxou, ~o~ OE x~t äAA~ uno ~oü Aoux~, w~ ~~ EnLa~~aav~L Ex ~~~ npo~ ~ou~ AOLnou~ o~~~opä~ Ea~~ xat ~oü~o ~E6app~x6~w~ ano~~vaaea~32 • Dagegen sei es nicht verwunderlich, daß sich ,nach einer erfolgreichen Heilung an derselben Stelle wieder ein Hilfesuchender mit denselben Worten an Jesus gewandt habe. Aus diesen Ausführungen wird nicht deutlich,' warum Origenes nicht wenigstens den Mt- und Mk- Bericht in ähnlicher Weise wie bei den gerasenischen Besessenen harmonisiert; der Hauptgrund liegt wohl darin, daß er mehr an der al1egori-
30) Mt Comm frg 164 (XII/1, S. 81). 31) 0 ..• ~fj ta~opCa ~~A~ nap~a~a~Evo~ xat ~~ ßouA6~EVO~ O~~~wvEtv ~ou~ EUaYYEALa~a~ EpEr OUX n~~ YEyovtva~ ~b xa~& ~ov Mn~eatov xat ~ov M5pxov, aAA& ~~v\ ~tv EnLory~Ca ~~ EV tEPLXW YEyovtva~ ~a xa~& ~ou~ avaßAl~~v~a~ ouo iu~Xou~, g~Epa OE ~& x~~a ~ov ~v~ .•• X~\ ~AA~ ~a xa~& LOV Aouxav(M~ Comm XVI 12, Kloatermann X, S. 510). 32) A.a.O., S. 510.
- 104 schen Auslegung dieses Textes interessiert ist: 0 ~~v~o~ yc ~AWV ~ou~wv ~~TWV ~aeu~~pav OL~Y~OLV ~~OcL Ö~~ ~v xat ~o atno npa:y~a o~a~opo~<; ~t~caL napCo~a~a~. 33) Immerhin aber wird die rein historische Betrachtungsweise nicht verdrängt, obwohl ein überspitztes Inspirationsverständnis nicht zugeben kann, daß auch eine historische Begebenheit mit gewissen Unterschieden in der Formulierung erzählt werden kann. Schwieriger liegen die Dinge bei den zwei Fassungen des Vaterunsers, über die Origenes in seiner Schrift ncpt 'cuxij<; handelt. Während die allgemeine Meinung annimmt, Mt und Lk böten. dasselbe Gebet, sieht sich Origenes durch die Unterschiede im Wortlaut und auch die gänzlich verschiedenen Situationsangaben zur Annahme verschiedener Gebete mit einzelnen gemeinsamen Elementen gezwungen 33a ). Die lukanische Kurzfassung wurde einem Belehrung erheischenden Jünger gegeben, die matthäische Langfassung der Menge, die ja eindringlicher belehrt werden mUßte 34 ) Ein weiterer Fall, der zu einer Dissimilation der teilweise gleichlautenden Berichte führt, lie~t in den Salbungsgeschichten vor. Origenes zitiert 34a die zu seiner Zeit offensichtlich verbreitete Meinung, die vier Evangelisten würden in den Erzählungen über 'die Salbung Jesu durch eine Frau (Mt 26,6 - 13 // Mk 14,3 - 9 // Lk 7,36 50 // Joh 12,1 - 8) ein und dasselbe Geschehen darstellen, und fügt eine Reihe wörtlicher Übereinstimmungen in diesen Berichten an. Dazu kommt, daß die Synoptiker in der Lokalisierung des Geschehens übereinstimmen ("in Bethania in domo Simonis leprosi"), wobei Lk allerdings den Pharisäer Simon nicht "aussätzig" nennt, während Joh die Szene zwar in Bethanien, aber offenbar im Hause der Geschwister 33) A.a.O., S. 511. Peri euches XVIII 2 f. (ed. Koetschau, 11, S.340 f.). 34) Ibid. XXX, 1 (11, S.393). 34a) Mt Comm ser. 77 (XI, 8.178). 33~)
- 105 Martha, Maria und Lazarus spielen läßt. "multa ergo similitudo et cognatio guaedam videtur de muliere apud quattuor evangelistas 35 ). Dennoch stellt Origenes die Annahme, es habe nur eine Salbung stattgefunden, in Frage. Die bei Mt/Mk berichtete Salbung des Hauptes Jesu kann doch nicht mit der Salbung der Füße Jesu, wie sie Lk und Joh beschreiben, identisch sein. Wieder tritt eine sehr enge Inspirationsvorstellung zutage: non est ••• p08sibile, ut de eadem muliere exponentes evangelistae, cum essent "consummati in eodem intellectu et in eodem spiritu et in eadem sententia"[l.Kor 1,10], qui fuerant ministraturi salutem ecclesiarum, contraria sibi dixissent 36 ). Aber die Dissimilation der Ergänzungen muß noch weitergetrieben werden: Auch die salbende Frau bei Lk kann nicht identisch mit derjenigen sein, von der Joh spricht; denn Lk nennt die Frau "in civitate peccatrix", eine Bezeichnung, die doch auf Maria, die Jesus nach Joh 11,5 "liebte"und die nach Lk 10,42 "das bessere Teil erwählt" hatte, keinesfalls anwendbar ist. Außerdem netzt die peccatrix bei Lk ~ie Füße Jesu mit ihren Tränen, während Maria bei Joh nicht weint. Ergo berichten die eng übereinstimmenden Evangelisten Mt und Mk von einer ersten SaLbung, Lk von einer zweiten und Joh von einer dritten. Die erste und dritte Salbung sind zwar gleichermaßen in Bethanien geschehen, aber in verschiedenen Häusern und an verschiedenen Zeitpunkten. Origenes befaßt sich sogleich mit einem möglichen Einwand gegen seine Annahme von drei Salbungen: quomodo in persona unius mulieris semel a Christo increpati discipuli (quasi male indignantes de facto mulieris) non,se emendaverunt, ut ne super alteram mulierem similiter facientem indignarentur?37).
3 5)A.a.0., S. 179. 3 6 ) Ibid. 37) A.a.O., S. 181.
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Dies läßt sich leicht entkräften, da bei Mt/Mk die Jünger aus einer an sich positiven Einstel.1ung heraus murren, während im johanneischen ~ericht der diebische Judas seine Unzufriedenheit äußert; bei Lk werden keinerlei Bedenken vorgebracht. Auch von diesem Befund her legt sich die Annahme mehrerer Salbungen nahe, wie Origenes nochmals kräftig unterstreicht: ex his ergo et aliis, quae et ipse poteris observare, certum est, quoniam aut sibi contraria dicunt evangelistae, ut quidam eorum etiam mentiantur, aut (si hoc impium est credere) necesse est dicere non de eadem muliere omnes conscripsisse evangelistas~ sed aut de tribus aut de quattuor. Allerdings relativiert Origenes diese seine historischen Bemühungen durch einen selbstformulierten Einwand: dicet autem aliquis paulo audacior: forsitan secundum historiam unaquaedam mulier fuit, quae tale aliquid fecit, posse autem et alteram et (si vis) tertiam, tamen principaliter evangelistarum propositum fuit respiciens ad ~ysteria, et non satis curaverunt ut secundum veritatem historiae enarrarent, sed ut rerum mysteria quae ex historia nascebantur exponerent 38 2 Setzte man in diesem in der Tat für seine Zeit kühnen Satze statt mysteria etwa Kerygma, so hätte man eine ganz moderne Auffassung. Freilich verfolgt Origenes diesen Gedanken nicht weiter, aondern legt nochmals seine Auffassung dar, es lägen den evangelischen Berichten drei historische Ereignisse zugrunde 39 ). Und eine ausführliche Allegorese zeigt dann, daß die verschiedenen Salbungen Jesu durchaus sinnvoll waren: forsitan ergo per differentias istarum mulierum differentiae fidelium demonstrantur. Die Allegorese dient also hier keineswegs zum Einebnen der Unterschiede, sondern sie nährt sich gleichsam von diesen. Hat Origenes 38) Ibid. 39) A.a.O., S.18l f.
- 107 schon in der oben zitierten beiläufigen "kühneren" Anmerkung ein freieres Verständnis des consensus evangelistarum ßezeigt, so auch in den beiden folgenden Fällen, in denen er die Lösung offen läßt. Es handelt sich einmal um die Frage, ob Jesus sein Kreuz selbst nach Golgatha getragen habe, wie Joh berichtet, oder ob es von Simon Cyrenaeus getragen worden sei, wie die Synoptiker behaupten. quaeres autem si secundum texturn utrumque est factum et non dissonant sibi evangelistae ab invicem, ·et quid eorum prius est factum 40). Grundsätzlich lassen sich diese Berichte also vereinigen, aber die Frage bleibt, ob Jesus anfangs das Kreuz habe selbst tragen müssen und man erst später Simon dazu gezwungen habe, oder ob man zunächst Simon und darnach Jesus das Kreuz habe tragen lassen. Darauf gibt Origenes keine Antwort, sondern er überläßt es dem Leser, die Frage zu lösen: et qui potest discutere, quaerat discut~ens in utroque, ut inveniatutrum finem portandae crucis accepit, aut magis Cyrenaeus Simon ••• 41). Natürlich folgt auch hier wieder eine allegoris~he Auslegung42 ), bei der allerdings die Reihenfolge des Kreuztragens völlig unbeachtet bleibt. Ein zweites Beispiel, bei dem die Harmonisierung zwar als möglich gezeigt, aber nicht ganz durchgeführt wird, sind die Berichte über die Schächer am Kreuz. Nach Mt und Mk schmähen die beiden Mitgekreuzigten Jesus, nach Lk nur der eine. Hier hat Origenes zwei Lösungen auf Lager: Entweder war es so, daß anfangs beide Schächer Jesus schmähten, der zweite aber unter dem Eindruck der Wunder, die von Jesus berichtet wurden, und der ungewöhnlichen Naturer~ignisse zur Zeit der Kreuzigung sich bekehrt habe; dann würden Mt/Mk die erste, Lk aber die zweite Phase beschreiben. 40) Mt Comm ser. 126 (XI, S.263). 41) A.a.O., S.264. 42) A.a.O., S.264 f.
- 108 Oder aber es gab insgesamt vier Schächer: aut ne forte, sicut et illic [in einer nicht erhaltenen Ausführung des Joh.-Kommentars] diximus, alii sunt hi duo latrones, ex quibus unus blasphemat eum alius autem increpat blasphemantem, et alii fuerunt illi duo latrones, qui ambo blasphemaverunt 43). Ein ähnliches multiplikatives Verfahren wendet Origenes übrigens auch gegen die Beobachtung des Celsus an, die Berichte der Evangelisten über die Engel am Grabe Jesu würden nicht übereinstimmen: während Mt 28,2 und Mk 16,5 von einem Engel die Rede ist, sprechen Lk 24,4 und Joh 20,12 von zwei Engeln. Origenes summiert die beiden Gruppen: 0\ ~EV y~p ävaypa$aV~E' fva ~ov &vaxuACaav~a ~ov ACeOV <O ~oü ~VT)~ECOU ~oü~6v, epaal.v Etval.~ ot 6~ ~ob, 660 ~ob, kltLa~&v~a, kv kae~~1. äa~pa1t~06a9 ~at, YEvo~tvaL, kltt ~O ~V~~Etov yuvaL~tv ~ ~ov, eEWpT)etv~a, ~v6ov kv AEUXOt, KaeE~o~tvou, 44). Es zeigt sich gerade an den Fällen, in denen zwei Lösungsmöglichkeiten nebeneinandergestellt werden, daß Origenes nicht so sehr an den Lösungen als an der prinzipiellen Lösbarkeit der Widersprüche ~nteressiert ist. Das,liegt daran, daß ihm die historische Ebene .nicht genügt, sondern nur als Sprungbrett dient, um auf die höheren Ebenen des tieferen Schriftsinnes zu gelangen, auf denen er dann gerne verweilt. Aber es wäre doch nicht richtig, Origenes ein völliges Absehen von der historischen Frage vorzuwerfen. Natürlich war ihm, der Theologie als kirchliche Wissenschaf~ verstand45 ), die hermeneutische Frage wichtiger; damit war zu seiner Zeit der Primat der Allegorese notwendigerweise gegeben. Insofern ist es doch beachtlich, wie sehr sich Origenes trotzdem um das wörtliche Verständnis der Evangelien bemüht hat. 43~ Mt Comm ser. 133 (XI, S. 271).
44 45
C.Cels. V 56 (11, S. 59). Vgl. seine Äußerung Mt Comm ser.46 (Klostermann XI, S. 94): sed nos illis (sc. den Apokryphen) credere non debemus nec exire a prima et ecclesiastica traditione nec aliter credere nisi quemadmodum per successionem ecclesiae dei tradiderunt nobis. Ähnl. de princ.I, praef. 2 (V, S. 8).
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5. Redaktionsgeschichtliche Betrachtungsweise Schon bei der Behandlung der Salbungsgeschichten war uns eine beinahe modern klingende Formulierung begegnet, nämlich, daß.es den Evangelisten nicht so sehr um die veritas historiae, sondern um die mysteria, quae ex historia nascebantur, gegangen sei. Es sollen nun zwei weitere Texte besprochen werden, in denen Origenes ebenfalls nahezu neuzeitlich denkt. An1äß1ich der Auslegung der Gethsemaneperikope bei Matthäus stellt er fest, daß auch Mk und Lk diese Erzählung bringen, nicht aber Joh, der ansonsten die PassIon ganz wie die anderen Evange1isteri berichtet. Diese Streichung der Gethsemanegeschichte sieht Origenes in eins mit dem Fehlen der Versuchungsgeschichte bei Joh. Beide Auslassungen sind in der theologischen Intention des Joh begründet: causam autem hanc arbitror esse, quoniam hi quidem [sc. die Synoptiker] magis secundum humanam eius naturam exponunt de eo quam secundum divinam, Johannes autem magis secundumdivinam quam secundum humanam (propterea quia secundum humanam temptabatur naturam, divinitas autem intemptabilis erat). ideo tres quidem evangelistae exposuerunt temptatum, Johannes antem secundum quo.d coeperat: "in principio erat verbum, et verbum erat apud deum, et deus erat verbum", nescit deum verbum posse temptari. sie et hic tres quidem isti rettulerunt Jesum postulasse a patre, ut transir.et calix ab eo, quoniam et proprium hominis erat (quantum ad infirmitatem pertinet carnis) velle evadere passionem, Johannes autem propositum habens exponere Jesum deum verbum, sciens quia ipse est vita et resurrectio, nescit deum inpassibilem refugere passionem46 ) Daß sich Versuchungsgeschichte und der Gebetskampf Jesu in Gethsemane nur bei den Synoptikern, nicht aber bei Joh
46) Mt Comm ser" 92 (XI, S. 210).
•
- 110 finden, wird also "redaz:tionsgeschichtlich,,46a) erklärt: beide Perikopen passen nicht zur theologischen Konzeption des Joh, welcher, um mit E.K.äsemann zu reden, "Jesu Erdenleben nur als Folie des durch die Menschenwelt schreitenden Gottessohnes benutzt und als Raum des Einbruches himmlischer Herrlichkeit beschreibt,,47). Wenn "Johannes alle Berichte übergeht, die offenbar der Apologetik am Ende des 1. Jahrhunderts Anstoß bereiteten,,48), so sicher deswegen, weil er den eEO~ A6yo~ darstellen wollte. An anderer Stelle erklärt Origenes das Fehlen der .Genealogie Jesu bei Johannes: Joannes enim, quia a Deo exordium fecerat, dicens: > In principio erat Verbum (nec pbterat divinae generationis ordinem texere, sed tantummodo, quod ex Deo et cum Deo esset, expresserat, adiecit: >Et verbum caro factum est< 49). Natürlich werden wir heute eher sagen, daß die Frage nach dem Stammbaum Jesu völlig außerhalb des Gesichtskreises des Evangelisten gelegen sein dürfte, aber es bleibt jedenfalls bemerkenswert, daß Origenes auch diesen Unterschied des Joh zu den Synoptikern "redaktionsgeschichtlich" zu erklären versucht. Schließlich versucht Origenes auch die von fast allen altkirchlichen Auslegern schwer empfundene crux der unterschiedlichen Stammbäume bei Mt und Lk auf redaktions~eschichtlichem Wege zu lösen. Er stellt die bekannten Differenzen heraus, die in der Abfolge und in der Verschiedenheit der Namen bestehen. Entscheidend für Origenes ist nun die Stellung der Stammbäume in der jeweiligen Schrift: Matth bringt ihn am Anfang seines Evangeliums, während Lk ihn nach der Taufe Jesu einschiebt. Die von Abraham an absteigende Genealogie des Mt steht also 46a) Die Redaktionsgeschichte stellt "die Frage nach den die Gestaltung jeder einzelnen Ev.schrift beherrschenden theologischen und literarischen Voraussetzungen und Tendenzen" (Feine - Behm - Kümmel:, Einleitung in das NT, 19641 3, S.23); die Bezeichnung für diese die Formgeschichte teils weiterführende, teils ablösende Betrachtungsweise wurde von W.Marxsen, Der Evangelist Markus, Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums, 1959 2 ,S.11, geprägt.
- 111 da, wo vom Abstieg Jesu in die Erdenwelt die Rede ist; qui enim facit eum de caelestibus descendentem, et mulieres non quaslibet, sed peccatrices et, quas scriptura reprehenderat, introducit ••• quia enim Dominus noster atque Salvator ad hoc venerat, ut hominum peccata susciperet, et eum, qui non fecerat peccatum, pro nobis peccatum fecit Deus [2. Kor 5, 21} , propterea descendens in mundum assumpsit peccatorum hominum vitiosorumque personam et nasci voluit de stirpe Salomonis, cujus peccata conscripta sunt, et Roboam, cujus delicta referuntur, et ceterorum, e quibus multi fecerunt:> ma1um in conspectu Domini< 50) • Matth will also mit dem Stammbaum die Geburt des Sünderheilands veranschaulichen. Lukas dagegen beschreibt mit seinem Stammbaum den in der Taufe wiedergeborenen Jesus, der natürlich nichts mehr mit Sündern gemein hat: quando enim baptizatus est et mysterium secundae generationis assumpsit, ut tu quoque priorem nativitatem destruas et in secunda regeneratione nascaris, tunc dicitur incepisse ••• 51 ).Mag uns auch die Lösung als solche naiv erscheinen, so ist doch bemerkenswert, daß Origenes die Unterschiede durch verschiedenartige Intention der Evangelisten zu erklären versucht und nicht auf irgendwelche Künsteleien verfällt, um nachzuweisen, daß die beiden Stammbäume doch irgendwie historisch zu nehmen seien 52 ).
47) E.Käsemann, Jesu letzter Wille nach Johannes 17,1966, S.29. 48) H.Windisch, ThStKr 106 (1934/35), S.410. 49) Lk Hom XXIX (Rauer IX, S.181). 50) Lk Hom XXVIII (a.a.O., S.173 f.). 51) A.a.O., S.175 52) Darüber unten.
- 112 6. Allegorese als ultima ratio Hat schon die redaktionsgeschichtliche Betracht,ungsweise die Frage nach dem, wie es eigentlich gewesen sei, hinter sich gelassen, indem sie Verschiedenheiten der historischen Darstellung aus unterschiedlicher theologischer Aussageabsicht erklärt, so gibt es schließlich noch Äußerungen, in denen Origenes die Historizität gewisser Berichte expressis verbia bestreitet, da sie zu verschieden überliefert seien. Es handelt sich einmal um das Problem der unterschiedlichen Chronologie bei Joh und den Synoptikern~ das Origenes im Zusammenhang mit Joh 2,12 bespricht 53J • Er stellt dem ausführlich die Texte Mt 4,11 - 15.17, Hk 1,13 - 15121 und Lk 4,13 - 16 gegenüber, verweist auf die großen Anfechtungen, die diese widersprüchlichen Angaben hervorgerufen hätten und fährt dann fort: ~Eyl~waav yap ~~rv ot RapaOEx6~EVO~ ~~ ~taaapa Evayyt~~a. Kat ~~v ooxoOaav o~a~vCav 0\6~EVO~ ~~ ~UEaea~ o~a ~~~ ävaywy~,. RPO' ~at, RPOE~p~~lva~, ~~tv kna~op~aEa~v ~~v ~EaaEp&xov~a TOO RELpaa~oO ~~EP~V ovoa~w, xwpav IXE~V Rapa ~~ ~wavv~ •••• 54). Origenes rechnet dann die johanneische Chronol~gie genau nach und findet die bekannten Widersprüche, besonders auch die in Joh 3,24 vorausgesetzte gleichzeitige Wirksamkeit Jesu und des Täufers; und eine weitere Durchsicht der Evangelien REpt T~, Ka~a ~~v ta~opCav äau~~v'a, fördert so viele andere Schwierigkeiten zutage, daß man ent~eder überhaupt nicht mehr an die Zuverlässigkeit der Evangelien glaubt oder sich nur noch an ein einziges 53) Joh Comm X 1 ff (Preuschen, IV, S. 171 ff.). - Zur Interpretation dieses Textes vgl. H.Dembowski, Das Johannesverständnis des Origenes, 1952, Textband S.5lff. 54) A.a.O., S. 172.
- 113 Evangelium hält oder eben die Ärt seines Verständnisses ändert:Jtpoal.l~gvot; 'tel. 'tlaaapa ~tVCl" kp~t -t'OAl1ek, u"'twv OUX EV 'tot~ aw~a't .. xott; xapax't~pol.v 55). Er begründet dies mit einem Beispiel: Wenn Tier verschiedene Leute im Geist eine Gottesschau haben, so sehen sie verschiede~e Heilstaten, die an verschiedenen Orten verschiedenen Menschen zuteil werden; notwendigerweisewerden also ihre Berichte von diesen Schauungen in Einzelheiten differieren, obwohl sie Wahrheit über Gott und seine Wohltaten gegenüber bestimmten Menschen ent~alten. Schwierigkeiten wird nur der empfinden, der an diese Berichte mit falschen Erwartungen herangeht: 06~gl. 'toCvuv 't~ ta'topCav gtvaL vo~C~OV'tL 't~v 'tou'twv ypay~v, ~ 01.& g\K6vot; ta'topl.x~t; ltp6aeOL't'&V na.paa'tfjaal. 't& ltpay~a'ta, xat 'tov egOV vltoÄa~ßavov'tL Ka'ta ltgpLypa~~v g~~a .. ~v 't6~, ~~ ouva~gvov kv 't~ au't~ ltAgCOVa~ ~au'toO k~ltol.fjaal. ~v'taaCat; ltAgCOal.V kv ltAgCOaLV 't6ltOLt; Kat ltAECOVa ä~a AlYELV, nouva'tov EtvaL nA~eEUELV on, ultEel~~v 'tlaaapa, ••• 56). Der Historiker würde nur dann keine Widersprüche in den Berichten finden, wenn die vier Berichterstatter "weisen wären, d.h. doch wohl, wenn sie in ihren Berichten die nötige Abstraktion vollzögen, um das geistig Geschaute als solches erkennbar w.erden zu lassen. Genauso verhält es sich, so meint Origenes, mit den Evangelisten, die eben keine abstrahierenden~o~o' waren, sondern zur Darstellung von Jesu wunderbarer und unbegreiflicher Macht Taten und Worte beschrieben haben. Das bedeutet sogar: ~ae' ~ltOU Kat ltpoO'u~vav'twv ['t~v EUaYYEALa't~v] 't~ ypa~~ ~g't& Al~EW' &altEpEt atae~'tov 'to xaeap~t; vo~'t~t; aU'tot, 'tE't~vw~t Daher haben die Evangelisten um ihres ~ua'tl.xo, ax6lto~ov 57). willen gelegentlich Orts- und Zeitangaben, ja auch einzelne Aussprüche verändert;ltpotxEI.'to yap au'tott; ~ltOU ~&V EVE55~ A.a.O., S.
173. 56 A.a.O., S. 174. 57 A.a.O., S. 175.
- 114 -
XWPEL aA~eEUELV nVEU~aLLXW~ xat aw~aLLxw~, önou OE ~~ EVEOtXELO a~~oLtpw~, npoxpCVELV La nVEu~aLLxav LOÜ aw~aL~ XOÜ, aw~o~EVOU nOAAaxL~ LOÜ aA~eOÜ~ nVEu~aLLxoD EV LW aw~aLLxw, w~ ~V LL~ ELnOL, WEUOEL 58). Das Beispiel, das Origenes für diese höchst kühne Theorie anfügt, ist nun freilich alles andere als überzeugend: Er verweist nämlich auf Gen 27,19, wo sich Jakob den Segen seines Vaters dadurch erschleicht, daß er sich als Esau ausgibt; diese glatte Lüge bedeutet nach Origenes ein aA~eEUELV XaLa La nVEu~aLLxov, da .ja Esau sein Erstgeburtrecht schon verloren hatte 59 ). Auf Jesus angewandt, bedeutet dies: Keil 0 l:T)aoü~ 'toCvuv nOAA.&' E,O';L,V 'tate; ETL. LVOCa.L<;, ~v En:LVOLWV I
,
I
ELXO~ LOU~ EUaYYEALaLa~ oLa~6pou~ EvvoCa~ Aa~ß&vovLa~, €ae'
(5LE xat aU~~EpO~EVOU~ aAA~AO L<; nEp( 'f'''vwv aVaYEypacpE,Vru. 'ta EuaYYEALa'otov aA~eE~ ELnEtv La w~ npa8 L~V AE~LV 6 aVLLxEC~Eva nEpt 'toU xupCou ~~WV ). Im Hinblick auf seine Bestimmungen ist Jesus vieles; solche Bestimmungen sind: Anfang, Weg, Wahrheit, Leben usw. Die Evangelisten aber haben von diesen Bestimmungen verschiedene Aspekte herausgegriffen und daher unter möglicherweise differierendem Ausdruck doch dasselbe sagen wollen. So ist es wahr, wenn man - scheinbar widersprüchlich - sagt, er sei Sohn Davids, und gleichzeitig sei er nicht Sohn Davids; denn die erste Aussage bezieht sich. auf seine somatische Existenz, die zweite aber auf seine göttliche Kraft, die ihn nämlich als 80hn Gottes ausweist. "Ebenso ist der Widerspruch zwischen den Bezeichnungen OOÜAO~ und uto~ zu lösen; auch die Aussagen über Jesu 000
58) Ibid. 59) Ibid. - Gerade das von Origenes selbst angeführte Beispiel zeigt, daß R.GÖgler, a.Anm. lla a.O., 8.297, die Aussage verharmlost, wenn er hier nur "die weise und weittragende Erkenntnis, daß das Material des Ausdrucks, daß Beschreibungen, kosmologische, biologis~he, historische Angaben falsch sein können", ausgesprochen sieht. 60) A.a.O., X 5, 8.175. - Zur Übersetzung der Termini
- 115 Menschsein und seine Gottheit ergänzen sich bei solcher Betrachtungsweise, anstatt einander zu widersprechen. ~aO~a ol ~OL nav~a Etp~~aL ~a, ~~~Lvo~lva, oLa~vCa, ~~v EuaYYEACwV napao~~aaL 6lAOV~L 009 ~~, nVEu~a~LK~' ~KOOX~' 61). Ähnliche Gegensätze stellt Origenes zwischen dem sarkischen und dem pneumatischen Paulus heraus 62), aber auch bezüglich der Jünger Jesu €O~CV ~L' Ka~a ~O p~~ov oLa~vCa. Der Petrus, der nach Joh 1,41 f. von seinem Eruder Andreas gefunden wird und dann von Jesus hört: II~U wirst Kephas genannt werden", ist seiner Bestimmung ( ~nCvoLa ) nach ein anderer als der, der nach Matth 4,18 f. zusammen mit seinem Bruder von Jesus gesehen und zum "Menschenfischer" berufen wird. Begründet wird diese unterschiedliche Darstellung recht unklar:~xpExEv yap ~~ 6EOAOYLKW~EPOV &xayylAAov~L XEpt ~oO YEvo~lvou oapKo, A6you Hat ~~v ylvEOLV OLO:. ~oü~o ~~ ttvaypacpav~L ••• ~~OE ~ov xapa ~~ 6aAaa0t;l Eup~~lvov Hat €HEt6EV HaAo~~EVOV E~XEtv, &AAa ~OV EUPLOH6~EVOV Lxo ~oü &OEA~OO ••• 63). Ebenso ist über die Angaben Joh '3,22 und 4,1, zu urteilen, denen
61j 62 63
€XCVOLa und ~vvol.a : R.Gögler, Origenes, Das Evangelium nach Johannes, 1959, übersetzt beide Ausdrücke mit IIAspekt"; G.W.H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, 1961, gibt s.v. btCvol.a die Erläuterung: "thought, conceptioD 1. in distinguishing various aspects of Christ's redemptive activity"; s.v. lvvol.a gibt er als Obersetzungsmöglichkeiten an "sense or meaning of a word, phras~, or passagell. Wir nehmen den Vorschlag von R.C.P. Hanson, a.Anm. lla a.O., S. 274, auf, der~xCvol.al. mit IIdifferent significances ll und ~vvoLaL mit "different aspects" wiedergibt. Diese Differenzierung wird durch die im Text vorgeschlagene Deutung der Stelle gerechtfertigt. A.a.O., X 6, S. 176. A.a.O., X 7, S. 177. A.a.O., X 8, S. 177 f.- 6EOAOY LHwn;pov ist eine von Preuschen im Apparat z.St. genannte Konjektur von Brooke statt des überlieferten ~w 6EW AOYLKW~EPOV axayyEAAov~L ; sie leuchtet eher ein als die von Preuschen vorfSeschlagene Atethese von 6EW • Vgl.- dazu Joh Comm frg 1 (IV, S. 483 f.), wo Joh 2x als6EoA6yo, bezeichnet wird.
- 116 zufolgeJesus durch seine Jünger getauft habe, wohingegen die "Drei" überhaupt nichts.von.einer Tauf tätigkeit Jesu sagen; auch die Unterschiede im Rahmen der Geschichte Jesu werden jetzt unwesentlich. Origenes schließt diese Untersuchung mit einer beinahe hymnischen Frage: ~Cs 0' OYTW S ao~os Hal knl ToaoüTov LHavo s Ws navTa TOV l~aoüv ana TWV TEaaapwv EUaYYEALaTwv ~aeEtv, Hat ~HaaTov toc~ . xwpf)aa L vof)aa L, Hat naaa s atnoü TO:s HaB' ~Ha.aTov T6nov \OEtV EnL6~~Ca~ Hat A6you, Hat ~pya;64) Hier ist in der Tat jene von v.Campenhausen anvisierte Gefahr da, daß einer willkürlichen Allegorese nun alle Widersprüche zur Quelle tiefsinniger Erkenntnisse würden. Man muß aber sehen - und insofern glauben wir das eingangs zitierte UrteiT v.Campenhausens modifizieren zu müssen -, daß diese Theorie erst angesichts von auf der Ebene histor~scher Betrachtungsweise wirklich unlösbaren Schwierigkeiten entwickelt wird und jedenfalls nicht die gängige oder gar alleinige Lösung darstellt. Und immerhin werden die. Widersprüche als Widersprüche HaTO: Ta p~T6v "in beachtenswerter und für seine Zeit einfach bewunderungswürdiger Schärfe" herausgearbeitet 64a ), wenn sie auch in einer ideellen höheren Einheit zusammengefaßt werden. Ja, man wird Origenes sogar darin noch recht geben, daß man die Änderungen der Evangelisten an ihren Vorlagen als bewußte, von einer theologischen Aussageabsicht bestimmte Neuinterpretationen ansehen muß. Der "Fehler" des Origenes liegt dann darin, daß er - der selbstverständlich den Charakter dieser Interpretationen nicht in unserem Sinne bestimmt hat - die theologischen Aussageabsichten der Evangelisten additiv zusammenfassen zu können glaubte, während wir, nicht durch eine Inspirationslehre gehemmt, hier differenzieren. Vielleicht erscheint es von vorne-
64) Ibid., S.178. 64a) H.Dembowski, a.Anm. 53 a.O., Anmerkungsband S.35.
- 117 herein als illegitim, Origenes an unserer heutigen Exegese zu messen, aber dieser Vergleich sollte nur zeigen, daß der Ansatz des Origenes durchaus in die richtige Richtung gezeigt hat 65 ). Der Sinn der Theorie von den verschiedenen EnCvoL~~ ist gut an der Behandlung der Erzählungen von der Tempelreinigung zu sehen, wenn auch im engeren Kontext der darauf bezüglichen Ausführungen diese Theorie nicht ,mehr erwähnt wird. Zunächst stellt Origenes die unterschiedliche Rahmung klar heraus 66 ): bei den Synoptikern spielen sich Einzugsgeschichte und Tempelreinigun~an ein und demselben Passafest ab, bei Joh dagegen sind diese beiden Ereignisse auf zwei zeitlich auseinanderliegende Jerusalembesuche Jesu verteilt; es handelt sich also bei Joh und den Synoptikern nicht, wie' viele glauben, um denselben Bericht. Angesichts dieser Differenz sieht sich Origenes nicht zu einer historischen Harmonisierung imstande: EYW ~EV o~v unoA~~ßavw &{)uv~~ov Elv~L ~or~ ~~{)EV nEp~ ~ij~ ta~opC~~ EV ~OU~OL~ EK{)EXO~tVOL~ n~p~a~fiQ~L , {) OKoua~v {) L~~WV C ' . , 6'/ ) ~~V ~v au~~wvov un~PXELv. Und nun folgt eine ausführliche Allegorese der johanneischen Fassung der Tempelreinigung, in der Tempel = EXXA~ aCa gesetzt wird: Jesus reinigt seine Kirche von gewinnsüchtigen Leuten, die es zu allen Zeiten darinnen gibt 68 :
65) H.de Lubac, a.A. 2 a.O., S.238 ff, geht entschieden zu
weit in seiner Anerkennung der orlgenistischen Exegese: "Es wäre jedoch nicht unmöglich, daß er (sc. Origenes) auf seine Art über die Kompositions- und Red~ktions methoden der Evangelisten Ansichten äußert, die tiefer blicken als manche modernen Kritiker. Wenn er bei den Evangelisten eine geschmeidige Art der geschichtlichen Erzählung verbunden mit einer Tiefendeutung der geschilderten Realität erblickte, die sie dem Volk zu künden beauftragt waren, so liegt seine Meinung hicht fern von der der besten modernen, Exegeten, mögen sie gläubig sein oder nicht ll • Joh Comm X, 20 ff (IV,S. 191 ff.). 66j 67 A.a.O., 22 (S.19~). 68 A.a.O., 23 (S.19~ f.).
- 118 Aber eine zweite Deutung tritt neben diese erste: ot~aL O~ ~~L xat a~~e:tov ne:noL~xtvaL au~ov OLa ~~v e:LP~ ~tvwv ßaeu~e:pov, wa~e:-au~ßoAoV ~~ä~ VOe:LV ye:yovtvaL ~aü~a ~O~ ~~~t~L ~tAAe:LV ~~v ne:pt ~o Le:pov kXe:LVO Aa~pe:Cav. 69) Der Evangeli~t hat sich zur Ausgestaltung der Erzählung. die diese geistigen Wahrheiten ausdrücken sollte, einer z.zt. Jesu üblichen 8itte, nämlich des Verkaufs von Opfertieren im äußeren Tempelvorhof bedient und zugleich einen stattgehabten Vorfall dazu verwendet, dessen "historischer Kern" aber nicht im einzelnen rekonstruiert wird; vielmehr ergeben sich für den, der genauernachforschen will (~ ~tAe;L ~fj<; b:xpL~e;a~Epa<; kse;~aa~w~, Schwierigkeiten, da der "historische Jesus", ein schlichter Zimmermannssohn, sicher nicht alleine gegen die vielen Händler ankommen konnte. Wichtig ist, daß Origenes den Vorfall so wie ihn Joh schildert, zwar für unhistorisch hält, aber eben doch einen historischen Kern annimmt: o L6ne:p ~0 uno ~(jjv k~nopwv xa~a ~ou<; ~üiv j:ouoa'~xüiv gop~üiv Xpovou~ YLVO~EVW kxp~aa~o 0 e;uayye;ALa~~<; !<; 0) oI~aL, xat ye:ye:v~~tv~ auYXp~aa~e:vo~ npay~a~L. 7 Und seibst für die ihn unwahrscheinlich dünkende johanneische Fassung sieht er immerhin eine ErklärungsmöglichI
.
'
69) A.a.O., 24 (8.196). 70) A.a.O., 25, (8.197). H.P.C. Hanson, a.Anm. lla a.O., 8.267, übersieht die zweite Hälfte dieses Satzes und behauptet daher, Origenes b.ekunde hier "his entire disbelief in the historical reality of t~e Cleansing of the Temple by Jesus and his Entry intoJerusalem as de~cribed by all four Evangelistsn. H.de Lubac (a.Anm. 2 a.O., 8.241) verweist auf Joh Comm X 30 und XIII 56; diese Abschnitte würden die Zweifel an der Historizität beheben. Für X 30 trifft dies aber nicht zu, und XIII 56 ist zunächst nur eine biblizistische Feststellung, die alleine genommen nichts besagt; auch de Lubac ist die Wendung unseres Textes y~ye;v~~~vw auYXp~aa~e:vo<; npay~a~Lentgangen. •
- 119 keit: ~,~ bE x~~~~uy~ ~~~ npo~ ~~Ü~~ anoAoyC~~ X~~~AECnE~~L ~
Während also nach Joh der Vorfall zur Darstellung dieser beiden ~nCvoLaL ~ Jesus reinigt die Kirche und kündigt das Aufhören des gesetzlichen Opferdienstes an - dient, hat Mt eine andere Abzweckung: In seiner Fassung ist Jesus das Wort Gottes, das in die Jerusalem genannte 8eele einzieht, wobei die Eselin und ihr Füllen das Alte und Neue Testament darstellen, die Tempelreini~g bedeutet also hier die Reinigung der Einzelseelen73 • Dabei ergibt sich zwischen lukanischer und matthäischer Fassung wieder ein kleiner Unterschied: ~n'O'~T)O'ov bE kn\'~EAw~ Et buv~~ov
w~
~a~ bL~~WVC~~
~p6nov,
~6pou~
~a~ ~E kvaAA~ya~ bL~AuEaB~L n~pa
~xaa~ou
~wv
~wv ~ov
EU~yYEALa~wv
YEYP~~~~vwv ~~~
x~t
av~ywy~~
b\'aypa~ov~o~ bL~
A6yoVEVEPYE'~~ EV bL~~6po\'~ ~BEqL ~uxwv OU .. , .. " , '\. ~ t . 'I. ' 74 ) ~~ ~u~~ ~AA~ ~Lva napaXhlJO'La EnL~E~ovO'a~. In unserem Zusammenhang ist darauf nicht weiter einzugehen; es ist wohl deutlich, wie durch allerdings völlig willkürliche Allegorese die Verschiedenheiten de~ Berichte zur Herausstellung verschiedener ~nCvoL~LJesu,verven detwerden. Eine gewisse Gegenprobe für diese unsere Auffassung liefert.die Behandlung der T,empelreinigung im Mt - Kommentar 75 ). Auch dort ist die allegorische Ausdeutung - und zwar auf die Reinigung der Kirche von Mißständen76 )! - die
71l 72 73 74l 75 76
~oU
Ibid. A.a.O., 8.198. A.a.O., 26 ff. (8.198 ff.). A.a.O., 31 (8.205). Mt Comm XVI 20 ff. (X, 8.543 ff.). Origenes gibt hier eine in der Tat lIerschütternde, gewaltige Darlegung" recht korrupter kirchlicher Verhält-
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Hauptsache; aber die historische Begebenheit wird eindeutig als Grundlage genommen: xut EXßEßA~XELW aW~UL~XW~ an'kxECvOU [~. LOÜ otxou L~~ npoaEux~~], 0 xul au~ßoAU nOL~au~ L~V LOCWV nVEu~ULLX~V 'npa~EWV aWL~p ~~~v; die lateinische übersetzung ergänzt das durch die Formulierung "et tunc fecit visibiliter, quod semper invisibiliter agit,,77). Das was Jesus immer unsichtbar an seiner Kirche tut, ist also an seinen irdischen Taten vorabgebildet. Die Deutung dessen, was Jesus aw~uL~x~~ ,visibiliter getan hat, läßt die EnCvoLuL des Heilands erkennen 78 ). Im Hinbiick auf unsere Fragestellung ergibt sich
nisse seiner Zeit (vgl. A.v.Harna9k, a.Anm. 1 a.O., S.136 f.); wahrscheinlich veranlaßte ihn diese aktuelle Frontstellung, die früher im Joh Comm vorgetragene Deutung auf die Reinigung der Einzelseele aufzugeben. 77) A.a.O., S.54-5. ~ 78) Hanson (a.Anm. lla a.0. 1 S.274-) brin 9t einen Text aus MtComm ser. 100 (XI, S.~19) mit der EnCvo~uL -Theorie in Verbindung. Dort heißt es, der Judaskuß sei notwendig gewesen als Erkennungszeichen propter transformationes eius, "which no doubt means, 'on account of his epinoiai'''. Dies müssen wir, wenn unsere oben gegebene Erklärung richtig ist, ablehnen. Die EnCvo~uL haben mit der irdischen Erscheinung Jesu nichts zu tun; EnCvoLu ist das, was die Evangelisten einer Handlung des irdischen Jesus entnehmen. - Origenes verweist übrigens an der genannten Stelle beim Stichwort "transformationes" auf die Verklärung (S.218), wo ja eine wirkliche Veränderung der äußeren Erscheinung Jesu vor sich geht. Wenn es etwa in LkHom 111 (IX, S.22) heißt: M~ y&p otou ~LL n&v~E~ ol ~AEnovLE~ XpLaLbv ~ßAEnov. , ~~AEnov Xp~aLoü a~~u, xp~aLbv OE, xu8 ~ xp~aL6~ EaL~v, oux ~~AEnov. ~~AEnELo OE unb ~6vwv LWV a~Cwv ßAEnE~v Lb I+E'(EeO~ UlJLOÜ ,so geht es hier nicht um ver. schiedene äußere Erscheinungen Jesu. , Selbstverständlich sah Pilatus während des Prozesses den Angeklagten Jesus von Nazareth; aber er sah ihn nicht xae'& XpLaL6~ EaL~v, d.h. die EnCvoLu blieb ihm verborgen, ohne daß eine transformatio stattgefunden hätte. Auch Hansons Hinweis auf MtComm XII 24-, wo über die zwei EnCvo~aL des Kreuzes Jesu gehandelt wird, stützt seine Auffassung nicht: denn Origenes erkennt, wie oben ausgeführt wurde, durchaus sowohl dem synoptischen Bericht, wonach Simon von Kyrene das Kreuz getragen hat, als auch dem johanneischen, demzufolge Jesus selbst sein Kreuz habe tragen müssen, Historizität zu.
- 121 somi t aus der bt C\JO LCX!. -Theorie: Wo die Evangelisten scheinhar Widersprüchliches berichten, geht es ihnen um die Hervorhebung der Bedeutsamkeit Jesu, zu deren Unterstreichung sie gewisse Details an den historeischen Gegebenheiten abändern kBnnen~ da eine Handlung oft sehr umfassend die Bedeutsamkeit Jesu abbildet, greifen die verschiedenen Evangelisten gelegentlich verschiedene Aspekte dieser einen Handlung auf und bieten daher inkongruente Berichte.
7. Ergebnis Origenes hat das Problem der Widersprüche klar erkannt und sich in seinem relativ frühen JOhanneskommentar, den Lukashomilien und dem späten Matthäuskommentar damit auseinandergesetzt. Während er sich oft zu sehr von dem Bemühen, die vBllige Irrtumslosigkeit der Evangelisten nachzuweisen, bestimmen läßt, hat er in anderen Fällen den richtigen Ansatz, die Evangelien als kerygmatische Schriften mit verschiedenen theologischen Anliegen zu sehen und Differenzen in der Darstellung von daher zu begründen. Freilich wird dieser Ansatz in der Theorie von den EnCvoLuL überzogen, indem sämtliche Widersprüche nun als unbedingt theologisch aussagekräftig allegorisiert werden. Allerdings ist diese Allegorese nicht zur Behebung der Unterschiede gedacht, sondern soll die Intention des Evangelisten erheben; erst bei Ambrosius wird .die Allegorese bei grundsätzlichem Verzicht auf historische Betrachtungsweise zur Beseitigung der Widersprüche führen. Soweit Origenes eine Transparenz der historischen Berichte für den ErhBhten und sein Handeln annimmt, weist er auf die neue.re Matthäusforschung voraus. 79 ) So wird man dem Urteil W.v.Loewenichs beipflichten müssen: "Ori,enes ist einer der grBßten Schriftgelehrten aller Zeiten 11 80 • 79) Vgl. G.Bornkamm, Die Sturmstillung im Matthäusevangelium, in: Bornkamm / Barth / Held'2Uberlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium, 1960 ,S. 48-53. 80) Die Geschichte der Kirche, 1938, S. 74 (= Taschenbuchausg. I, 1964, S. 61). -
- 122 § 6: Die Anfänge der patristischen Quaestionenliteratur
1. Zu den nichtchristlichen literarischen Vorbildern Origenes hat in seinen Kommentaren die Behandlung der Widersprüche zwischen den Evangelien in einer'vorbildlichen Weise in Angriff genommen und damit für spätere Kommentatoren ein verpflichtendes Erbe hinterlassen. Neben den Kommentaren aber entwickelte sich eine zweite Gattung, die zur Aufnahme derartiger Probleme geeignet war, nämlich die Quaestionenliteratur l ). Es handelt sich hierbei um eine Gattung, die eine Reihe von thematisch mehr oder minder eng zueinandergehörigen Abhandlungen zusammenfaßt; das einigende Band um diese "Essay"-Sammlung besteht darin, daß jeweils auf ein in Frageform vorgetragenes Problem geantwortet wird. Derartige Werke trugen im Titel die Benennungen npoßA~~a~a, s~~~~a~a xat AuaEL~, anopCaL xat AuaEL~J quaestiones et responsiones. Besonders geeignet war dieses literarische Genos natürlich zur Erklärung von Einzelproblemen in Texten 2 ). So haben schon die Sophisten die Homererklärung in Form von npoßA~~a.~a xat AuaEL~ vorgetragen 3). Der Peripatos hat eine Reihe solcher Schriften hervorgebracht:
1) Einen guten Überblick gibt die Artikelfolge von G.Bardy, La litt~rature patristique des "Quaestiones et Responsiones" sur l'Ecriture sainte, in: RB 41, 1932 S.2l0236; 341-369; 515-537; 42, 1933, S.14-30; 2ll-~29; 328352; zusammenfassende Darstellung mit Literaturhinweisen: H.Dörrie / H. Dörries, Art. Erotapokriseis, in: RAC VI, 1966, Sp. 342-370. 2) Die Zetemata, die von der Sacherklärung, von philosophischen oder naturkundlichen Problemen ausgehen, können hier außer Acht bleiben; dazu Dörrie, a.Anm. 1 a.O., Sp~ 344 ff. 2 . 3) Vgl. F.A.Wolf, Prolegomena ad Homerum, I, 1872 , S.lOl f., dazu und zum folgenden s. auch Christ / Schmid I Stäglin, Geschichte der griechischen Litteratur, I, 1912 , S.8l f.
- 123 Aristoteles selbst schrieb ~nop~~a~a b~~p~xa 4), 6 5 ebenso seine Schüler Herakleides Pontikos ), Dikaiarch ), Demetrios von Phaleron 7 ), Chamaileon8 ) und Praxiphanes 9 ). In dieser Literatur spielt die Lösung von Widersprüchen im Homer eine wichtige Rolle, würden doch irgendwelche Ungereimtheiten einem autoritativen Schriftencorpus, wie es die als Schulbuch verwendeten homerischen Epen darstellten, Abbruch tun. Die Gattung der Quaestiones hatte eine reiche Nachgeschichte: "Die gesamte antike Einzelerklärung zu Homer ist, bis herab auf Porphyrios e~npLxa ~~~~~a~a in diese Form gekleidet; die rRa~w\J ~xo. ~~~~~cna des Plutarch 'übertragen diese Form auf die Platonerklärung"lo). Auch Plotin hat beispielsweise seine Traktate nach diesem Schema aufgebaut, daß er von einer Aporie seinen Ausgang nimmt, mag es sich dabei um eine philosophische Schulfrage, ein·physikalisches Problem oder um eine unklare Stelle bei Plato oder Aristoteles handeln ll ). Für die Bibelerklärung hat sich als erster Philo der Quaestionenform bedient, Er hat auf diese Weise den Pentateuch vollständig kommentiert; erhalten sind aber nur seine
4 ) Vgl. poet. 25; dieses Kapitel enthält "wohl die Quint-
essenz aus des Aristoteles Jugendschrift anop~~a~a o~~pLxa "(Christ / Stählin / Schmid, a.Anm.3 a.O., S.8l). 2 5 ) Dazu F.Wehrli, Die Schule des Aristoteles, VII, 1969 , frg. 171-175. Vgl. F.Wehrli, a.Anm. 5 a.O., I, 1967 2 frg. 90-93. Vgl. F.Wehrli, a.Anm. -5 a.O., 'IV, 1968~, frg. 190-193. Vgl. F.Wehrli, a.Anm. 5 a.O., IX, 1969 3 , frg. 14-22. 1 Ibid .. frg. 20 f. 10) H. Dörrie J a.Anm. 1 a.O., Sp. 343. 11) Vgl. E.Br~hier, The Philos,ophy of Plotinus, 1958, S,.27f.
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- 124 Quaestiones et solutiones in Genesin ~d in Exodum 12 ). Wenn in diesen Schriften die Erklärung von Widersprüchen keine Rolle spielt, so liegt das natürlichdaran, daß für Philo der Literalsinn nicht der wesentliche ist, aber auch daran, daß den Quaestiones als Text die Septuaginta zu Grunde liegt, in der die Übersetzer schon mancherlei Widersprüche stillschweigend ausgeglichen haben13 ). Die Frage spielt schließlich au~h bei den Rabbinen eine große Rolle. Wie l).Daube gezeigt hat, kennen die Rabbinen vier Arten von Fragen, der der Entfaltung halachischer oder haggadischer Themendienen14 ). Die Haggada-Frage ~eht dabei auf Widersprüche in der Schrift aus; ihre Lösung wird durch ein differenzierendes Verfahren gesucht: "Both passages ••• are upheld, each being assigned its proper field of application,,15). Nur beiläufig sei darauf hingewiesen, daß die Lösung von Widersprüchen in halachischen Fragen durch die dreizehnte der Regeln Rabbi Ismaels erfolgt, die besagt, man müsse eine dritte
12) Vgl. W.Schürer, Geschichte dea jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, III, 1909 , S. 644-648. 13) Zwei Beispiele für diese harmonistische Tendenz der LXX: Nach der jahwistischen Kain und Abel-Erzählung wird Kain dazu verurteilt 1/~~~:-?J~1) (Gen 4,12), nach der Nomadenquelle aber baut Kaln dle erste Stadt (Gen 4,17; zum Quellenproblem s.Sellin - Fohrer, Einleitung in das AT, 19651 S. 173 ff.) LXX beheben diesen Widerspruch, indem sie ')1 YJ mit C1'ttvwv xat 'tpt~wv übersetzen. ~ T Nach dem Jahwisten begann die Jahweverehrung zur Zeit des Seth (Gen 4,26b - i71 i1~ D !,':1 ~f"P: ~ ~lJ:);-J ~~); aber nach dem Elohisten wird der Name Jahwes erst dem Mose offenbart (Ex 3,14); LXX korrigieren daher Gen 4,26b: o~'to~ ~n~C1Ev En~xaAErC18aL 'to ~vo~a xupCou 'toü 8EOÜ. 14) D. Daube, Four Types of Question, in: JThSt N.S.2, 1951, S.45-48. 15) A.a.O., S.48.
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- 125 Schriftstelle hinzuziehen, die dann den Ausschlag zu Gunsten der einen oder der anderen Stelle- gebe 16 ). Wie wir gesehen haben, hat schon Origenes im Rahmen _seiner Kommentare gelegentlich eine aTI:opCcx. oder ein l;;~"Cl)\lcx. formuliert, um es dann aufzulösen; doch ist dies nur die Vorstufe zu der eigentlichen Quaestionenliteratur, die nur noch Einzelproblemen nachgeht, unter denen die Widersprüche zwischen den Evangelien natürlich eine bedeutende Rolle spielen. 2. Julius Africanus über die Widersprüche zwischen den Genealogien Sextus JuliuS Africanus, ein Zeitgenosse und Freund des Origenes, hat sich in einem umfangreichen Brief an einen uns unbekannten Aristides mit der Aporie befaßt, die im Widerspruch zwischen den Stammbäumen Jesu bei Mt und Lk besteht 17 ). Man wird diese Abhandlung zu den Vorformen der Quaestionenliteratur rechnen können. Der Brief ist nicht vollständig erhalten; Euseb hat ihn in seiner Kirchengeschichte zitiert ~d in seinen Quaestiones ad Stephanum, da"zu kommen Zitate in der Lukaskatene des Niketas von Herakleia. Wir folgen der das ganze Handschriftenmaterial verarbeitenden und ausführlich begründeten Rekonstruktion des Texte"s durch W. Reichardt, der auch mancherlei gute Beiträge zum Verständnis geliefert hat 18 ) • 16) Dazu H.L.Strack, Einleitung in Talmud und Midras, 1921 5 , S. 100; W.Bacher, Die exegetische Terminologie der ~üdischen Traditionsliteratur, 1. Teil, 1899, S.86 f. (s.v. ~'7::». 17) Zu den wenigen Fakten, die von Julius Africanus bekannt sind, und den weiteren, nur fragmentarisch erhaltenen Werk,n desselben vgl. Altaner / Stuiber, Patrologie, 1966 , S. 209 f. 18) W. Reichardt, Die Briefe des Sextus Julius Africanus an Aristides und Origenes, 1909.
- 126 Interessant ist nun als erstes, daß Africanus mit einem polemischen Teil beginnt, in welchem er sich mit einer seiner Meinung nach falschen Harmonisierung der Genealogien auseinandersetzt. Es geht ihm also nicht wie Origenes und fast allen Evangelienerklärern nach ihm um Beruhigung verstörter Gemüter, sondern um Korrektur einer unsachgemäßen Auffassung. Es gab nämlich 'Leute, die behaupteten, die verschiedene xaLapC8~~a~~ und die En:qJ.~l;Ca des Priesterlichen und Königlichen in den Genealogien habe ihren guten Grund darin, daß sie das priestierl,iche und königliche Amt Christi erweisen sOllte 19 ). Diese Annahme, daß die Stammbäume zum Zweck der Christologie konstruiert worden seien, lehnt Africanus aufs schärfste ab: Eine ~ ool;ot,oyoD'aa 1t"'Aa\JT) 20) benützen die Gegner zur Deckung ihres eigenen Unverstandes; E~E~a~\JLo-o~\J oL EL~YYE"'A~aLat aU\J~aLa\JLE~ oLx , .. ' e -, ...... '" ,~~1tQ~\JO\J 21) • a/~~ E~a\J, a,\/~ ~~xa(o~E\Jo\J Aber Africanus begnügt sich nicht mit moralischer Entrüstung über diese den Evangelisten unterstellte pia fraus, er zeigt auch auf, daß der Erklärungsversuch jener Leute völlig entbehrlich und in sich nicht schlüssig ist. Entbehrlich zum Erweis der Doppelwürde Christi ist die Heranziehung der Stammbäume deswegen, weil ja "Patriarchen und Propheterl" das ewige Priesteramt und überirdische Königtum Christi längst verkündet haben, der Glaube daran bedarf also des xaL&"'Aoyo~ L~\J ~UA@\J und der ~r~L~ LW\J Cx.\Jaynan:Lw\J YE\JW\J nicht 22 ). Der also gegründete Glaube kann daher auch auf die eEoaE~ECa~ a~Lxpo"'AoyCa verzichten, die in der (an sich auch von Africanus nicht als unmöglich erachteten) Anwendung einer E\JaA.A.ay~ LW\J O\JO~&LO)\J; besteht 23 ), "indem man, ausgehend von der jüngern Elisabeth, 19) 20) 21) 22) 23)
Text nach W.Reichardt, a.a.O., S.53, 4-19. Ibid. S. 53,8. Ibid. s. 55, 1-5. Ibid. S. 53, 20-54,16. Ibid. S. 54, 16-55,1.
- 127 der OUYYEV~~ der Maria, zeigt, die beiden Stämme, der königliche und der priesterliche, sind miteinander in der ältest~n Zeit durch Ehen verbunden,,24). Aber der vermeintliche Beweis der Doppelwürde erweist sich bei genauer Prüfung auch als nicht sChlüssig, denn die Stammbäume führen ja beide hinauf zu David, geben also nur das königliche Geschlecht an 25 ). Mag der im lukanischen Stammbaum genannte Nathan ein Prophet gewesen sein Africanus oder schon die gegnerische Partei identifiziert fälschlicberweise den Propheten aus 2. Sam 7,2 ff mit dem in 2. Sam 5,14 und 1. Chron 3,5; 14,4 genannten Sohn Davids -, so waren doch auch Salomo und beider Vater, David, Propheten; aber dies bedeutet noch lange nicht, daß damit irgendein priesterliches Amt verbunden war:
EX nOAAWV oe ~UAWV EYEvovTo rrpo~~TaL, tEPEL s OE OUOEVE s TWV owoExa ~UAWV) ~OVOL OE AEütTaL .26) Also geben beide Stammbäume nur das köriigliche Geschlecht an, die Fälschung ist daher vergeblich. Man wird sagen müssen, daß Africanus mit dieser Kritik an der Theorie seiner uns unbekannten Gegner 27 ) das Richtige getroffen hat. Von der von ihm befürworteten Lösung kann man das freilich nicht behaupten, wiewohl sie sich in der Alten Kirche großer Beliebtheit erfreute. Africanus gibt nämlich unter Berufung auf Verwandte des Herrn ( oEonoouvo3~) 24) 25) 26) 27)
W.Reichardt, a.a.O., S. 35. Text bei Reichardt, a.a.O., S. 55, 1-57, 27. Ibid. S. 55, 25-30. Die Auffassung, daß die beiden Stammbäume die königliche bzw. priesterliche Würde Jesu belegten, können wir zuerst bei Gregor v.Nazianz naChweisen, vgl.Reichardt a.a.O., S.22, Anm. 2; im Westen findet sie sich dann bei Hilarius v.Poitiers~Ambrosius und Augustin. 28) Diese oEonoouvoL sollen erzählt haben, Herodes d.Gr. habe alle offiziellen Genealogien verbrennen lassen, um seine eigene dunkle Herkunft zu verschleiern, aber die Familie Jesu habe ihr privates Stammbuch noch erhalten und voll Stolz verbreitet. Was sie über Herodes im einzelnen,erzählen, ist verworrren (er sei Sohn eines tEpoOOUAO~ bzw. tEPEUC; gewesen, sei von Idumäern geraubt
- 128 an, die beiden Stammbäume stimmten dann überein, wenn man die jüdische Einrichtung der Leviratsehe in Betracht zöge 29 ). ~a ovo~a~a ~wv ygVWV EV tapa~A hpL8~gt~0 ~ ~UagL ~. v6~~, d.h. ein in der Genealogie aufgeführter Mann kann entweder der natürliche oder der gesetzmäßige Vater des Nachkommen sein. Die Linien David-Salomo-Joseph und David-NathanJoseph nennen also nur deswegen gelegentlich verschiedene Namen, weil in der einen die vermeintlichen, in der anderen die wirklichen Väter genannt werden; sie stehen also in einer vielfältig verflochtenen Beziehung (1to",u1t",6xw~ ) zu-' einande:r. Africanus verdeutlicht diesen Gedankengang an den drei letzten Gliedern 30 ). Nach Mt lautet die Reihe Matthan-JakobJoseph, nach Lk aber Melchi-Eli-Joseph 30a ). Diese Differenz erklärt sich folgendermaßen: Matthan und Melchi heirateten nacheinander dieselbe Frau; aus der Ehe mit Matthan sei
und erzogen worden), die Behauptung von der Vernichtungsaktion ist nicht nachprüfbar. Man wird also dieser "Quelle" vorsichtig gegenüberstehen müssen. über die oga1tOaUVOL berichtet übrigens auch Euseb, h.e. I I I 20; 32,2; nach Hegesipp; schon zur Zeit Domitians hättensie sich demnach als Davididen ausgegeben. Wie auch immer es um den historischen Hintergrund stehen mag, läßt sich doch für die Genealogien daraus nichts gewinnen. 29) Text bei Reichardt, S. 58, 7 ff.- Bemerkenswert ist übrigens die Begründung, die Africanus für die Leviratsehe annimmt: Ö~L yap ouoEnw au~ot~ (sc. TOt~ touoaCoL~) OEOO~O E"'1tt~ ava~aagw~ aa~~~, T~V ~tAAouaav EltOyyg",Cav avaa~aag L E~ ~VOÜVTO 8VllTij .Dies erinnert an die gnostischßn Thesen vq,n 2,. Tim 2,18, j,nsbEfsQndere in )A~t~ Eauli et Theclae 14: OTL ~oll YEYOVgV lsc.ll avda~aaL~ g~ ol~ EXO~gV ~EXVOL'; dazu Di~elius / Conzelmann,.Die Pastoralbriefe, HNT 13, 1966 , S. 85 f. 30) Reichardt, S. 59, 1-60, 14. 30a) Unbegreiflicherweise unterschlägt Africanus dabei zwei Glieder des lukanischen Stammbaumes, Levi und Matthat.
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Jakob, aus der mit Melchi sei Eli hervorgegangen; mithin seien Jakob und Eli Halbbrüder. Als nun Eli kinderlos starb, habe sein Bruder Jakob nach dem Gesetz für ihn den Joseph gezeugt. Leiblicher Vater Josephs sei also Jakob, sein Großvater folglich Matthan; aber nach dem Gesetz sei Eli der Vater Josephs, und damit Melchi dessen gesetzmäßiger Großvater. So einfach löst sich der Widerspruch zwischen den Genealogien: Mt hat di~ leiblichen Vorfahren Josephs, Lk die gesetzmäßigen aufgeführt! Und erfreulicherweise haben die Evangelisten auch selbst auf diesen Sachverhalt hingewiesen: Mt schreibt ja ständig "X l:ytvvT)oe; 'tov Y", während Lk
31) Anders urteilte der Katholik G.Bardy: "La solution ~tait ing~nieuse: la meilleure preuve en travers~ les si~cles" (a.Anm. la.O.,S.
est qu'elle a
228); ähnlich positiv äußerte sich schon W.Reichardt, a.Anm. 18 a.O.,
S. 2f.
32) Ibid. S. 62, 6 f.
33) Text bei W.Reichardt, a.a.O., S. 78 ff.
- 130 3. Die Quaestionen Eusebs Nach Origenes hat sich als einziger vornicänischer Kirchenvater nur noch Euseb von Caesarea einläßlich mit den Differenzen zwischen den Evangelien befaßt 34 ). Er hat als erster zwei Schriften unter dem Titel nEpt ~wv EV EuaYYEACa~~ ~~~~~a~wv xat AuaEwv veröffentlicht 35 ), davon ist eine EXAOY~ EV auv~6~~ erhalten 36 ), außerdem umfangreiche Fragmente in syrischer Ubersetzung 37 ). Abgesehen von einigen Bemerkungen bei G. Bardy38) gibt es keine Studien' zu diesen Schriften; gleichwohl wird öfters 34) H.Smith,. Ante-nicene Exegesi.s of the Gospels, I, 1925, S.60, weist darauf hin, daß der Origenesschüler Dionysius von Alexandria in einem Brief über die verschiedenen Zeitangaben der Osterberichte gehandelt habe; der Inhalt dieser Untersuchung ist bei Smith, a.a.O., VI, 1929, S. 105 ff., wiedergegeben. 35) Hieronymus, de vir.ill. 81 und Mt Comm I,16 zitiert sie zwar mit dem Titel nEpt 6~a~wvCa~ EuaYYEACwV , aber Euseb selbst verwendet wiederholt den obengenannten Titel, wenn er auf dieses Werk zu sprechen kommt. Vgl. die Stellen bei E. Schwartz, Art. Eusebios von Caesarea, in: RE VI? Sp. 1388; Schwartz folgert aus diesen Stellen "daß E. dle Z~~~~a~a xat AuaE~~ als ein Parergon ' geschrieben hat, während er an der Demonstratio evangelica arbeitete und nachdem die Kirchengeschichte im ersten Entwurf fertig geworden war" •. 36) Veröffentlicht von A.Mai; wir zitieren nach dem Abdruck seiner Ausgabe 'bei MPG 22, Sp. 879-1006. E.Schwartz, a. Anm. 35 a.O., Sp.1387, hat diese Ausgabe als "recht ~achlässig" getadelt, aber es gibt noch keine bessere. 37) Veröffentlicht von G.Beyer, Die evangelischen Fragen und Lösungen des Eusebius in jakobitischer Überlieferung und deren nestorianische FBrallelen, 1~: Or Ohr N.S. 12~14, 1925, S. 30-70; 3. S.l, 192'l, S.80-97; 284-292. 38) A.Anm. 1 ~.O., S.229 ff.
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lobend darauf hingewiesen. So rühmen Altaner / Stuiber den exegetischen Arbeiten des Euseb nach, sie böten trotz ihrer Origenesnachfolge "beachtliche textkritische und historisch-positive Leistungen,,39). J.Quasten sagt speziell von den Quaestionen: "The entire work represEmts an i,mportant contribution to biblical criticism,,40). H.Lietzmann hatte etwas zurückhaltender geurteilt: "Hier beginnt die mit allen Mitteln des SCharfsinns und der Gelehrsamkeit sämtliche Widersprüche beseitigende Harmonistik, die im vierten Jahrhundert mit einem gewissen Recht Triumphe erlebte, auf die sie im neunzehnten besser getan hätte, freiwillig zu verzichten,,4l).'Wir wollen die Harmonistik Eusebs nun im Detail betrachten, um ein begründetes Urteil über seine Auslegekunst zu finden. Das erste Werk ist einem gewissen Stephanus gewidmet, der offenbar Fragen an Euseb gerichtet hatte 42 ), und behandelt 16 Fragen aus den Vorgeschichten des Mt und Lk. Schon die erste Antwort 43 ), die noch keinen Widerspruch zu lösen hat, zeigt gut das Vorgehen Eusebs; daher soll kurz darauf eingegangen werden. Es handelt sich um das Problem, warum die Evangelisten den Stammbaum Josephs und nicht den der Maria anführen, da doch Jesus der Sohn Mariens ist. Euseb gibt darauf eine dreifach gestaffelte Antwort. a) Die Evangelisten mußten' zu ihrer Zeit das Wunder der Jungfrauengeburt verbergen, hätte es doch bei den Ungläubigen der Maria nur Schande (und die Todesstrafe) gebracht. Altaner / Stuiber, a.Anm. 17 a.O., S. 222. 39j J.Quasten, Patrology, 111, 1960, S.337. 40 3 4i H.Lietzmann, Geschichte der Alten Kirche, 111, 1961 , S.159. 42) Vgl. MPG 22, Sp. 891 C :T.O 6di-rt:pov -rwv uno O'oü npo-rcx8EV-rWV ; 895 D:"t'b -rp C-rov -rwv ·n;po-rcx8tv-rwv. 43) MPG 22, Sp. 879 ff.
1 - i32 b) Diese "Akkomodation" der Evangelisten~) gibt aber zugleich die Wahrheit wieder. Denn wenn Joseph Davidide war, muß seine Frau Davididin gewesen sein, erlaubte doch das Gesetz nur Heiraten im eigenen Stamm45 ). Über die bei Lk berichtete Verwandtschaft Mariens mit Elisabeth, der Priesterfrau, hilft sich Euseb etwas unredlich hinweg: näv ... "t"a l:ouoaCwv ~8~oc; EvaC; ~v ytvouc;, at "t"E cpuA.at 1tcXo<XI. cü,.\~A.wV OUYYEVEt'C;. 46) Außerdem besteht zwischen der Mutter des Erlösers und der Mutter seines Vorläufers eine O~01.0"t"po1t'a4?). c) Auf diese wenigstens dem Anspruch nach "historischen" Lösungen folgt dann noch eine theologische Argumentation, die von Eph 5,23 und Gen 2,24 ausgeht: Wenn die Genealogie für den Mann stimmt, dann stimmt sie auch für die Frau, deren Haupt der Mann ist. Man muß anerkennen, daß Euseb in der Tat große Gelehrsamkeit aufbietet, aber seine Argumente sind nicht alle von gleichem Wert. Charakteristisch für ihn ist, daß er - wie schon sein Vorbild Origenes - ruhig mehrere Lösungen nebeneinander gelten lassen kann,und daß er sowohl auf der historischen als auch auf der theologischen Ebene argumentiert. Die Fragen 2 und 3 befassen sich mit Widersprüchen zwischen den Genealogien. Frage 2 handelt davon, daß der matthäi'sche Stammbaum yon Abraham zu Christus führt, während der lukanische von Jesus aus rückwärts geht, und zwar nicht nur bis Abraham, sondern bis Adam und sogar bis zu Gott 48 ).
44) Natürlich fällt der Ausdruck "Akkomodation" bei Euseb
45)
46) 47) 48)
noch nicht, aber es steht genau diese in der Aufklärung so wichtige Theorie hinter seiner Überlegung. Nach Num 36,6 galt das Gesetz allerdings nur für Erbtöchter. MPG 22, Sp. 889 A. Ibid. Sp. 889 C. Ibid. Sp. 891 C ff.
133 Euseb bezeichnet die Lösung dieser Aporie als leicht: Beide Evangelisten gehen denselben Weg, nur in verschiedener Richtung: an Hand zahlreicher Beispiele aus dem AT zeigt er überdies, daß in jüdischer Tradition sowohl aufwärts- als auch abwärtssteig~nde Stammbäume üblich waren. Der unterschiedliche Einsatzpunkt der evangelischen Genealogienwird redaktionsgeschichtlich aus der unterschiedlichen Intention der Evangelisten erklärt: tK&~EpO'
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EV xpLa~9 Ka~LYYEvEaCa~ ~ua~~PLov avaßLßusEL 49). Dieser letzte Gedanke wird auch bei Frage 3 noch wichtig, in der es um die Verschiedenheit der Namen geht, die in beiden Genealogiengenannt werden 50 ). Ein erster Weg zur Losung dieser widersprüchlichen Angaben tut sich Euseb auf, wenn er die von Lukas gebrauchte Wendung w~ EVO~CSE~O bedenkt. Diese zeigt nämlich an, daß Lk nur eine Meinung berichten will, während Mt Fakten berichtet. Zur Erklärung dieses Sachverhalts stellt Euseb folgende überlegung an: Während die Juden im einzelnen verschiedene Auffassungen vom Messias hatten, waren sie sich doch darüber einig, daß er von David abstammen müsse. Die einen glaubten nun, er müsse aus der königlichen Linie hervorgehen, also seinen Stammbaum von David über Salomo führen, während andere ihn nicht aus der königlichen Linie erwarteten, da ja viele nachdavidische Herrscher recht unerfreuliche Gestalten gewesen seien. Indem Lk den Stammbaum Christi
49) Ibid. Sp. 893 C. 50) Ibid. Sp. 893 D.
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von David über den Propheten Nathan führt, greift er diese Meinung auf, gibt aber zu erkennen, daß er die matthäische Genealogie für die historisch richtige hält 51 ) Nach der Meinung Eusebs hat also Lk eine pia fra~s begangen, um die Anhänger jener anderen Messianologie zufriedenzustellen - ein kühner Gedankel Euseb ist natürlich nicht auf den Gedanken gekommen, jene aus dem lukanischen Stammbaum erschlossenen Anhänger eines "Messias ben Nathan" auch in der jüdischen Lite;atur nac~zuweisen, und das zeigt seine Grenze als Historiker doch mehr als deutlich an. Neben diese Lösungsmöglichkeit stellt Euseb einen !AAO, ~aev~ xat än6pp~To~ A6yo~ 52), der wohl vonOrigenes' oben dargestellter Exegese inspiriert ist. Demnac~ habe Mt die ~vaapxo, y€v€of, e~zählen wollen, während Lk die Genesis aus Gott habe beschreiben wollen, die jedermann öLa AOUTPOÜ avay€vv~o€W~ zuteil werden kann. Dies geht daraus hervor, daß er ~~ aVTov kXE'V~ xaLp6v überschreitet und knt T~V avaytvv~aLv T~V öLa AOUTPOO napayCvETaL ~3), d.h. Euseb legt Wert auf die verschiedenartige Einordnung der Stammbäume bei Mt undLk 54), wobei das AOUTp6v durc~ die bei Lk der Genealogie vorhergehende Tauf~ Jesu symbolisiert ist. Und dieser Gedanke an die Wiede~ geburt habe Lk auch dazu veranlaßt, die bei Mt genannten Sünder (Salomo, Thamar etc.) zu vermeiden, k~€LÖ~n€p 0 ~pa T9 e€~ ävaY€YEvv~~lvo~ äAA6TPLO, xaeCaTaTaL T~' kvaapx~u y~vta€w~ xat T~V xaTa aapxa &~apTWAmV
Ibid. Sp. 896.
52 51~ Ibid. Sp.i 896 c. 53 54
Ibid. Sp. 897 A. Das ausführlichere Exzerpt dieses Textes in der Niketaskatene zeigt klar, daß dies gemeint ist; vgl. MPG 22, Sp. 961 B-D.
- 135 na'ttpwv, utoc; o:'lwepaI.VOIlEVOC;' aEOO K<xt MV't"WV 't"löv K<X't"a 8EOV O:.VEXI.A~n'twC; ~EPI.WKO't"WV. 55) Dieser Gedanke wird recht gekünstelt veranschaulicht, und schließlich resümiert Euseb seine Allegorese mit den Worten: o OE EV 8E~ O:.V<XYEYEVV~IlEVOC;, E'ttpouc; n<X't"tp<xc; ~OUC; K<X't"a 8EOV EnLyp<x~aIlEvoC;, ouo'<xu'tOUC; O:.A~eWC; EaX~KwC;, O:.AA'WC; EVOIlC~E'tO ol.n 't~v 't~V hewv OlloLo'tponC<xv, ~VEl.aI.V EXt 'tov aA~e~ xa't"tp<x, IlE'tn nav'tac; XP~Il<XTCa<xc; YLOC; 'toO aEOO. 56) Auf diese Darlegung läßt Euseb den Brief des Africanus folgen, der die dritte Lösung des Problems bietet; leider hat uns der ~itomator nicht verraten, wie Euseb darüber urteilte 57 ; stärker noch als in den anderen Fällen müßte er doch empfunden haben, daß dieser Vorschlag seine eigenen Harmonisierungsversuche ausschließt,. Doch hat er wohl den Widerspruch zwischen den Lösungen vor Freude über die mögliche Lösung der Widersprüche nicht bemerkt. Nur die 16. Frage beschäftigt sich noch mit einem Widerspruch: Wieso läßt Mt die heilige Familie von Bethlehem direkt nach Ägypten reisen, w~rend sie bei Lk zuerst nach Jerusalem und dann nach Nazareth zieht? 58) Die Lösung dieses Widerspruchs findet Euseb in der Annahme, daß Lk die auf die Geburt unmittelbar folgenden Ereignisse erzähle, während Mtxnp<xxwp~a<xc; OE 't~ Aoux~ Ta ELP~lltV<X andere und später liegende Ereignisse erzähle. Da die heilige Familie ja nur acht Tage in Bethlehem geblieben sei, könnten innerhalb dieser kurzen 'Zeit die Magoi unmöglich schon eingetroffen sein; vielmehr zeigt die Tatsache, daß Herodes die Ermordung aller zweijährigen Knaben anordnet, daß die Geburt Jesu zwei Jahre vor dem EinIbid. Sp. 897 A. 55j 56 Ibid. Sp. 897 D. 57 Die syrische überlieferung bietet nur eine blasse übergangsfloskel: Wiederum eine andere Erklärung hinsichtlich derer, die zweifeln ••• ( \l.t·.k) ~ Jb J:JLo ~.,t..IJ, ~C1 ); s. G.Beyer, Or Ohr. 'tf.S. 12-14, 1925, S. 64 '(vgl. Anm. 37). 58) MPG 22, Sp. 933 A. Q.$D
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treffen der Magoi erfolgt war. Aber warum trafen die Weisen dann Jesus und seine Eltern in Bethlehem an? Auch dies weiß die kombinatorische Phantasie Eusebs zu erklären: Zum Gedächtnis an das Wunder der Geburt ist die heilige Familie natürlich öfters nach Bethlehem gepilgert 59 )! Diese Deutung sieht Euseb in einer Einzelheit aus den Geburtsgeschichten bestätigt. Nach Lk hat die Geburt infolge der Überfüllung der Stadt in einem Stall stattgefunden, während bei Mt nicht gesagt wird, daß die Weisen das Kind in einer Krippe gefunden hätten; also war es damals in einem Haus. Das zeigt eben, daß das Zusammentreffen mit den Weisen nach B~endigung der Zensusaktion stattgefunden haben muß, als es wieder Raum in den Herbergen gab 60 ). ' Widersprüche zwischen den Ostererzählungen behandelt das zweite Quaestionenwerk, das Euseb auf Veranlassung eines uns unbekannten Marinus verfaßt hat 61 ). Im Vorwort betont Euseb, daß er sich nur mit der Harmonisierung der Vorgeschichten und der Osterberichte abge~eben, während er das Dazwischenliegende übergangen habe 62 • Die erste Frage des Marinus galt dem Zeitpunkt der Auferstehung Jesu: Bei Mt scheine der Herr O~E ~aßß&~wv auferweckt worden zu sein, bei Mk aber npwt ~~ ~L& ~wv to:ßßaTwv 63) • ' I
Hier schlägt Euseb eine OL~~~ AUOLC; vor: (1) Der betreffen de Abschnitt bei Mk ist möglicherweise unecht:
59~ Ibid. Sp. 933 D-935 A.
60 61 62 63)
Ibid. Sp. 935 AlB. Ibid. Sp. 937 A. Ibid.: ~a ~toa napEA8wv. Ibiä. Sp. 937 A - 939 B.
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~a ••• &KPLß~ ~~V ~v~Lypa~wv ~O ~tAO~ R€pLypa,eL ~~~ Ka~a ~OV MapKOV ta~opCa~ EV ~ot~ A6YOL~ ~oO b,etv~o~
~e;avCaxov ~aic;; yvvaLl;1. ••• , d.h. in "fast allen Handschri.ften" hat Euseb den kurzen Mk-schluß gelesen 64). Mit diesem Hinweis könnte das Problem schon behoben sein, aber Euseb kennt ängstliche Gemüter, die auch nicht den kleinsten Teil der Schrift fahren lassen wollen und daher den Widerspruch einfach hinnehmen. Damit will er es freilich nicht bewendet sein lassen, und daher nimmt er (2) einen Kunstgriff zur Hilfe: Er setzt eine Interpunktion in den markinischen Text, so daß aus dem Satz ttvaa~a~ oe Rpw1. ~~ j.l.Lq ~oO Eaßßa~ov jetzt wird ~vaa~a~ ot. Rpwt ~~ ~lLq ~liSv Eaßßa~wv ••• Der erste "Satz" sagt somit nur aus, daß Jesus auferstand, die Zeitangabe bezieht sich dann aUf den Termin der Erscheinung Jesu vor Maria Magdalena, und wunderbarerweise paßt diese Datierung zu dem johanneischen Bericht 65). Auch für das vierte Jahrhundert wird man diese Harmonisierung wohl als üblen Trick bezeichnen müssen. Die zweite Frage führt die chronologischen Probleme weiter: Wieso hat sich Maria Magdalena nach Joh am Tag nach dem Sabbat weinend am Grab aufgehalten, während sie nach Mt schon b~E Eaßßa~wv die Auferstehung gesehen hatte? 66) Unproblematisch wäre die matthäi sehe Zeitangabe, wenn man unter 04>E Eaßßa~wv nicht den Abend nach dem Sabbat verstehen müßte~ sondern ~O ßpaou xat b~g ~D~ VUK~O~ ~D~ ~e~a ~O Eaßßa~ov; so interpretiert Mt dies ja auch durch die hinzugefügten Worte ~~ ERL~waxova~ e;t~ ~Cav Eaßßa~ov. An der Schwierigkeit ist nur der übersetzer des hebräischen Mt schuld, der die mißverständliche Wendung 64~ Ibid. Sp. 937 B. 65 Ibid. Sp. 939 AlB. 66 Ibid. Sp. 939 c.
- 138 b~~ Eaßßa~wv gebrauchte. In Wirklichkeit aber meint Mt ebenso wie Joh den frühen sonntagmorgen67 ). Die überein-stimmung zwischen Mt und Joh soll auch daraus hervorgehen, daß Mt b~ Eaßß&:rwv und ni-cht bcpl; EaßßeX't'ou sage, da auch Joh ~~ ~L<1 't'wv Eaßßa~wv schreibe 68 ). Ein weiterer Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung ist sodann die -x~xpa't'~xuta EV ~at~ ExxA~oCaL~ 't'oü eEOÜ Ouv~6ELa , der gemäß das Fasten nicht in der Nacht vom Samstag zum Sonntag, sondern erst am Sonntag gebrochen wird69 ). Außerdem kann sich Eusebnicht vorstellen, daß die großen Wunder am Grab des Herrn am Abend hätten stattfinden können, ohne daß die ganze Stadt dieselben bemerkt hätt~, und auch die Beschuldigung des Leichenraubes soll nicht möglich gewesen sein, wenn die Auferstehung am Abend stattgefunden hätte 70 ). Kurz, die Evangelisten müssen zusammenstimmen und tun es auch. Freilich ist Euseb genötigt, eine gewisse Differenzierung zwischen Mt und Joh vorzunehmen. Joh soll den Anfang des Ostergeschehens beschreiben, da sich bei ihm Maria Magdalena weinend am Grab Jesu einfindet und noch'nichts von der Auf'erstehung weiß. Mt dagegen muß von einem späteren Zeitpunkt sprechen, als Maria Magdalena zusammen mit der "anderen Magdalena" ein drittes Mal ans Grab kommt,wobei sie jetzt nicht mehr weint, da sie ja vorher-schon die Engel und den Auferstandenen selbst gesehen hat 71 ). Lk und Mk schreiben von "mehreren Frauen", aber _auch bei deren Besuch am Grab war Maria Magdalena dabei:ov Xap anEo't'eX't'EL 't'oü ~6nou· nap~v b~xat napl~e;ve;v xa't'anEltA~y~lv~ ~E;V 't'eX 't'e:6e;a~lva, lto6oüoa b~ ltpO~ ~ot~ ltPW~OL~ xat bEU't'lpwv xat 't'PLWV 6EO~VELWV xa~a~Lo6~vaL 72 ). Magdalena hat also alle von den vier Evangelisten
67) -Ibid. 68~ Ibid. 69 Ibid. 70 Ibicl. 71 Ibid. 72 Ibid.
Sp. Sp. Sp. Sp. Sp. Sp.
941 941 941 941 944 944
AlB.
B. D. DI 943 A. B.
c.
- 139 berichteten Erscheinungen gesehen; OLO xat nap~ LOt~ fiäa~v k~V~~OVEUe~' O~LW OE xat 0 ~Ev xa~po~ 0 aULo~ ~v 0 uno LOÜ twavvou xat LOÜ MaL8aCou napLaLa~Evo~· LOÜ o'auLo~ xaLpoü oLa~opa o~aaL~~aLa nap'
ExaaL~
LEL~pn~tva73).
Nun paßt natürlich Mt 28,2 nicht zu dieser Theorie, wonach Maria Magdalena und die andere Maria den Engel beim Wegwälzen des Steines beobachtet hätten. Denn bei dem zweiten Besuch der Maria Magdalena nach JOh, der ja noch vor dem bei Mt Berichteten lag, hat sie schon mit zwei Jüngern das Grab betreten! oLonEp (;'CnoL~ etv LOV r.apa L
73) Ibid. 74~ Ibid. 75 Ibid. 76 Ibid.
Sp. Sp. Sp. Sp.
943 D. 945 A. 945 c / 947 A. 948 A.
- 140 -
~ yap ouo Xo:.t 1"O'U1"o:.<; &.n:o ~Lä<; n:OAEW<; ~ XWIl1l<; 1"1;<; Mo:.yoo:.A1lV~<; bp~äaeo:.L ~Y1lT~OV· ~ kn:t ~Lä<; o:.~1"mV n:poaxEtaeaL 1"0 1"~<; McxYOexArjvi)C; k'll:WVUIlOV, &1tex~ 1"OÜ ypo:.
Die dritte Frage lautete: Wieso hat Maria Magdalena nach Mt die Füße Jesu berührt, während ihr nach Joh das "Noli me tangere" zugerufen wird? Im Grunde genommen ist diese Frage des Marinus natürlich mit der zuletzt entwickelten Hypothese schon gelöst; doch geht Euseb das Problem zunächst unter Voraussetzung der Identität der johanneischen und matthäischen Magdalena an. Und das bereitet ihm keinerlei Schwierigkeiten: At~oIlEV ~1"L h exLii) nOAA&xL<; kn:t 1"OV exL1"bv an:~v1"o:. 1"6n:ov, kn:ELO~ EIAKEv cxL1"~v ~ ~Hn:An~L<; 1"OÜ n:pay~ex1"o<; xext ~ En:t 1"~ YEYOV01"L xapa 79). Zum Erweis führt Euseb einfach die Ostergeschichten an, wobei er jetzt deren spezifische Züge hervorhebt, die die These vom Nacheinander der Ereignisse stützen können 80 ). Aber er verweist auch darauf, daß die Zweifel völlig behoben werden, wenn man jene Unters,cl1eidung der beiden Marien akzeptiert 81 ).
, 78 77~ Ibid. Sp.
Ibid. Sp. 948 B.
79
94~ C/D.
Ibid. sp. 949 A. 80) Ibid. Sp. 949 B I 951 B. 81) Ibid. Sp. 951 B I C.
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Die vierte und letzte Frage des Marinus befaßt sich mit der unterschiedlichen Darstellung der Engel am Grabe Jesu: Wie reimt es sich zusammen, daß die zwei Marien bei Mt einen Engel vor dem Grab sitzen sahen, Maria Magdalena bei Joh aber zwei Engel im Grab sitzen gesehen h~be, während bei Lk zwei Männer den Frauen entgegengetreten seien und bei Mk schließlich die drei Frauen einen Jüngling rechts vom Grabe sitzen sahen? Auch hierauf antwortet Euseb wieder mit der Annahme, die Osterberichte würden zeitlich verschiedene Geschehnisse wiedergeben, wobei Mt die erste Stelle einnehmen müsse. Aus der Tatsache, daß Mt und Joh Engelerscheinungen erzählen, während in den ~erichten des Mk und Lk nur ein "Jüngling" bzw. "Männer in glänzenden Kleidern" auftreten, schließt Euseb eine rangmäßige Unterordnung dieser Evangelisten: ~ot, KpEC~~oa~v
Ka~tALnov
Ma~8aC~
ELnEtv·
au~ol
Kat ~a
~w&vv~
6Eu~Epa
~&
KPEC~~ova
Etn6v~EJ'
Kat avanA~poüv~E~ ~a EKECVOL~ aEa~y~~tva.82 Und darauf führt er nochmals ausführlich die einzelnen Ereignisse des Ostermorgens in der von ihm erschlossenen Reihenfolge Mt - Joh - Lk - Mk an 83 ); man meint geradezu, er wolle sie dem Marinus durch ständige Wiederholung UIDso glaubhafter machen. Zum Abschluß handelt Euseb schließlich noch über die Frage, wie man denn die Vorhersage Christi, er werde nach drei Tagen auferstehen, mit den Gegebenheiten der Osterberichte in Einklang bringen könne. Dreierlei Möglichkeiten gibt es dazu: (1) Die einen rechnen vom Verrat des Judas ab. (2) Andere teilen den Rüsttag in zwei Tage auf, da es ja zur Todesstunde Jesu Nacht geworden sei und darauf wieder Tag.
82) Ibid. Sp. 953 A. 83) Ibid. Sp. 953 B / 950 C.
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(3) Wieder andere rechn3n den Rüstag mit der darauf-
fol,genden Nacht als ersten, den Sa1;>bat und die folgende Nacht als zweiten und den "angebrochenen" Sonntag als vollen dritten Tag B4). Euseb selbst meint, man könne zwar so rechnen, aber er hält 'es im Grunde für Überflüssig: Wird ein Gläubiger seinen Schuldner der Lüge zeihen, wenn er die Schuld vor dem vereinbarten Termin begleicht, oder wird er ihn nicht deswegen noch für viel wahrhaftiger halten? Auf das Verhältnis von Auferstehungsweissagung und Erfüllung angewandt, heißt das: st aärL'ov ~ s! 1tEV ~ aVEO''t'll, 1tA€WV ~ ouva~L~, xat ~yxAll~a oux ~XEL. 5)Hier verzichtet Euseb sogar auf eine Harmonisierung - der Widerspruch dient letztlich ad maiorem Christi gloriam.
In den Katenen sind noch einige weitere Auszüge aus den Quaestiones ad Stephanum erhalten, deren wichtigste kurz angeführt werden sollen. Ein Widerspruch zwischen Joh und Lk wird im Hinblick auf die Darstellung der Reaktion der Jünger auf die Botschaft der Frauen festgestellt: Nach Joh gingen die Jünger zum Grab und glaubten, während sie nach Lk die Worte der Frauen als Geschwätz erachteten und ihnen nicht glaubten 85a ). Die Lösung liegt nach Euseb in der Tatsache, daß nach Joh' ja nur Petrus und Johannes informiert wurden; diese beiden hielten die Nachricht vor den anderen geheim und überzeugten sich durch eine Autopsie. Die anderen Jünger aber, die dies nicht taten, glaubten der Maria natürlich auch nicht! Joh 20,19 ff. zeigt, daß die Jünger erst bei der Erscheinung des Auferstandenen zum Glauben kamen. Eine zweite Lösung s~ehtEuseb in der Annahme, die Jünger hätten ~en Frauen, die nach Lk die Nachricht von der Aufer84] Ibid. Sp. 955 eiD. 85 Ibid. Sp. 957 A. 85a Ibid. Sp. 987 f.
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stehung brachten, nicht geglaubt, wo pI aber der Maria, die nach Joh den Raub des Leichnams Jesu, also nicht die Auferstehung, meldete. Sodann erhebt sich die Frage, warum nach Joh zwei Jünger, nach Lk aber nur einer zum Grab geeilt sei 85b ). Darauf antwortet Euseb: Petrus, der sich schon früher durch besonderen Eifer hervorgetan hatte, eilte auf die Nachricht vom Raub des Leichnams Jesu sogleich mit Johannes zum. Grab; aber er kehrte noch.einmal allein dorthin zurück und wurde dann auch einer Erscheinung des Herrn gewürdigt, wie Lk 24,34 und 1. Kor 15,5 bezeugen. Auch hier versteht es Euseb, die konkurrierenden Überlieferungen in ein schönes Nacheinander zu bringen. Eine ähnlich auffächernde Betrachtungsweise löst auch das Problem, warum nach Lk die Frauen .die Salben erst nach dem Sabbat bereiteten, während sie nach Lk dies schon am Rüsttag selbst taten. Es handelt sich, so meint Euseb, bei den beiden Evangel~en um verschiedene Frauen. Dies geht schon aus der Tatsache hervor, daß sie bei Mk anonym bleiben, währendLk ihre Namen nennt; außerdem wird es durch den verschiedenen Fortgang beider Berichte bewiesen86 ). Ein weiterer Widerspruch liegt in den bei Joh und Lk zu lesenden Berichten über die Erscheinungen des Auferstan-. denen vor den elf Jüngern: Bei Joh spricht und handelt Jesus anders als bei Lk! Euseb zeigt zunächst, daß Lk und Joh tatsächlich von derselben Erscheinung berichten. Da. nun Lk schon erwähnt, daß die Jünger Jesus zunächst für ein Gespenst ~ehalten hätten,
85b) Ibid~ Sp. 989 ff. 86) Ibid. Sp. 997.
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übergeht Joh diese Einzelheit. Daß Jesus seine Wundmale gezeigt habe, berichten beide Evangelisten übereinstimmend. Nur bei Lk findet sich der Wunsch Jesunach etwas Eßbarem, der die zweifelnden Jünger von der Realität der Erscheinung Jesu überzeugen soll. Diese Episode übergeht Joh, und zwar mit guten Grund: ~~~ aE~vo~tpa~ KaI. OELo~tpa~ npa~EL~ ~E KaI. OLoaaKa~Ca~ ~oü Ew~~po~ ~~wv bLa ~oü twavvou ~O nVEÜ~ ~O clYLOV anE~vTw6vEuaE, ~a 6.~ a.VapwnLv~~Epa oLa ~üiv ~oLn{i1v alJvtypa~)EV, 8 o~ KaI. VÜV nEnOCT)KEV' Taü~a ~wv
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01.0:
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napCa'tT)
Auf diese Weise verschachtelt Euseb die beiden Erzählungen ineinander~_da Lk das berichte, was Joh verschweigt und um"gekehrt 86a • Dabei hat Euseb den Charakter der johanneischen Darstel~ung gut beobachtet. Ein Widerspruch scheint auch zwischen der bei Mt und ~~ gegebenen Weisung des Engels, die Jünger sollten den Auferstandenen in Galiläa sehen, und den nach Lk und Joh tatsächlich in Jerusalem erfolgten Erscheinungen zu bestehen. Hier hat Euseb wieder zwei Lösungen zur Hand: a) Man kann annehmen, daß der Heiland den noch ungläubigen Jüngern, die sich in J.erusalem versteckt hielten, zur Heilung ihrer Verzagtheit erschien, während er erst in Galiläa ganz öffentlich seine Gottheit zeigte und 40 Tage lang die Jünger unterwies •. Dies soll aus Act 1,3 f. hervorgehen, wo freilich gerade nicht von Galiläa die 86a) Ibid. Sp. 1000 f.; Zitat: Sp. 1001 AlB.
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Rede ist. Denselben Unterschied zwischen "privaten" Erscheinungen in Jerusalem und den "verbindlichen" Manifestationen in Galiläa macht später auch der Ambrosiaster. b)
Man kann sich aber auch der in Lk 10,1 erwähnten 70 Jünger erinnern und annehmen, daß das Gebot, nach Galiläa zu gehen, ihnen - also nicht dem Elferkreis gegolten habe. So konnte Jesus ruhig den Elfen in Jerusalem erscheinen. Allerdings hält Euseb die erste. Lösung für die CXIle: Cvwv Ha t a:\1lee:O'H~pa 8~b).
Erwähnung verdient noch die Lösung der widersprüchlichen Angaben des Zeitpunktes der Kreuzigung Jesu. Nach Mt,Mk und Lk wurde Jesus ja zur dritten Stunde gekreuzigt, nach Joh dagegen sprach Pilatus zur sechsten Stunde das Urteil. In diesem Fall greift Euseb nicht ungeschickt wieder zur Konjekturalkritik; er möchte die unterschiedlichen Zeitangaben auf einen Abschreibfehler zurückführen • ••• TOU Il~V yap Y&IlIlCX OTOLXe:COU T~V TpCT1lV mpcxv 01lIlCXCVOVTO" TOU o~ EnLO~llou T~V~HT1lV, Hat no:\:\~v EIl~tpe:LCXV EXOVTWV npa~ a:\:\~:\ou, TOUTWV TWV XCXPCXHT~PWV, HCXTU n:\aV1lV Ta yallllCX OTOLXe:!OV Ta T~~ TpCT1l~ wpa~ On:\WTLHOV e:t~ T~V TOÜ EnLO~llou Ile:TCXXWP~OO:L a1lllcxOCcxV, ToD ,T~~ ~HT1l~ mpa, 61l:\WTLHOÜ [~1loCv]. 87
c;
In der Tat könnte man sich die Verschreibung eines r zu . vorstellen; hier mutet uns Euseb nicht mehr zu als mancher moderne Kritiker; allein ~ie Überlieferung bietet nicht deD geringsten Anhaltspunkt für diese Hypothese. Gegenüber der spekulativen Lösung, die Ambrosiaster dieser Frage gibt, ist Eusebs Vorschlag freilich recht "vernünftig". 86b) Ibid. Sp. 1001 f. 87) Ibid. Sp. 1009; Zitat: Sp. 1009 B.
- 146 Es ist nicht ganz leicht,. die harmonistische Arbeit Eusebs zu würdigen. In den eingangs zitierten positiven Urteilen sind Teilaspekte durchaus richtig erkannt; man hat den,Eindruck, daß Euseb mit Gründlichkeit und Gelehrsamkeit zu Werke ging. Vor allem ist natürlich positiv zu bewerten, daß er die Evangelien als geschichtliche Berichte ernst nimmt und ihre Übereinstimmung daher weitgehend auf der historischen Ebene sucht; hier hat Euseb ein wichtiges Erbe der Arbeit des Origenes bewahrt und weitergeführt. Aber im einzelnen wirken seine Harmonisierungen doch recht gekünstelt uIid verkrampft.ln dem einen Fall, in dem er sich begründet eines textkritischen Argumentes bedient, nämlich bei Mk 16,9 ff., hält er dasselbe doch nicht für entscheidend, obwohl er keine wirklich bessere Lösung bieten kann. Seine psychologisierende Konstruktionsfreudigkeit ist ein magerer Ersatz für eine wirklich dem Text gerecht werdende Auslegung. Für den "Hausgebrauch" war freilich diese Apologetik gut zu gebrauchen: ~mbrosiuB und Hieronymus haben die Zetemata Eusebs ausgeSchrieben 87a ), und in der syrischen Kirche haben sie eine reiche Nachgeschichte gehabt 87b ). Vor dem kritischen Auge eines Porphyrius oder Julian hätte Euseb sicher keine Gnade gefunden. Exkurs: Weitere Äußerungen Eusebs über den consensus evangelistarum. Während Euseb in seinen Z~~~~a~a xat AUOEL~ bemüht war, konkrete Widersprüche zu beheben, hat er in seiner Kirchengeschichte wiederholt grundsätzliche Äußerungen über das Verhältnis der Evangelisten gebracht. Seine Zitate aus Papias und aus den Hypotyposen des Clemens Alexandrinus sind oben schon besprochen worden; es dürfte sich empfehlen, die
87a) Vgl~ § 8. 87b) Vgl. G.Beyer, a.Anm. 37 a.O.
- 147 Untersuchung einer weiteren Tradition88 ) hier anzufügen. Euseb stellt fest, daß von den Aposteln und Herrenjüngern nur zwei ~wv ~oü HUPCOU 6La~pL~wv uno~v~~a~a verfaßt hätten, und auch die wären nur gezwungenermaßen daran gegangen89 ); das eigentliche Anliegen der Apostel war nicht das ~oyoypa~crv , sondern die Predigt 90 ). Der Anlaß zur Niederschrift war für Mt, daß er vor seinen Übergang von der Juden - zur Heidenm~ssion das Evangelium seinen Volksgenossen in der Muttersprache hinterlassen wollte. Mk und Lk veröffentlichten danach ihre SChriften9l ) Johannes aber hat sein Evangelium erst geschrieben, als die Drei schon bekannt waren; er hat sie ausdrücklich angenommen und ihren Wahrheitsgehalt bestätigt, allerdings auch einen Mangel festgestellt:
88) E.Schwartz, Über den Tod der Söhne Zebedaei. Ein Beitrag zur Geschichte des Johannesevangeliums, in: Gesammelte Schriften V, 1963, S. 111 ~., hat betont, daß hier eine Tradition vorliege'; und zwar möchte er diese Tradition als Polemik gegen die Verwerfung des 4. Evangeliums durch Gaius verstehen. "Die Vermutun~ läßt sich kaum abweisen, daß Euseb seine Ausführungen (3,24) im wesentlichen aus GIemens Hypotyposen entlehnt hat ••• " folgert er S. 112. Hierin folgen wir ihm nicht; denn es ist unwahrscheinlich, daß sich Gleme~s so ins Einzelne gehend mit dem chronologischen Unterschied zwischen Johannes und,den Synoptikern befaßt haben sollte; seine Formel von Joh als dem pneumatischen Evangelium statuiert ~och einen viel grundsätzlicheren Unterschied zwischen Joh und den Synoptikern als die hier vorgeschlagene Lösung, Joh habe nur die täuferzeitliche Wirksamkeit Jesu nachgetra~en. 89) H.e. 111 24,5 (ed. Schwartz S. 101 f.). 90) H.e. 111, 24,3 (Schwartz S.lOl); weiteres zum Verhältnis mündliche Predigt - apostolische Schriften be~ K. Beyschlag, GIemens Romanus und der Frühkatholizismus, 1966, S.170, A. 1. 91) Fü~ Mk verweist Euseb auf das vorher Gesagte, also auf GIemens; für Lk bietet er nur eine Paraphrase des Prologs, wobei er die Paulusschülerschaft betont. Die Quelle von 111,24 scheint s,ich demnach nur für die "apostolischen~Evangelien interessiert zu haben.
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~6v~v
EV npw~oL' xat xa~' apx~v ~oü x~puy~a~o, uno ~oü XpLa~oü nEnpay~lvwv OLt1y~aLv 92) • OE
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Und zwar erzählen die Synoptiker nur die ~aten, die Jesus nach der Gefangennahme des Täufers vollbrachte, wie aus Mt 4,12, Hk 1,14 und Lk 3 19 f. hervorgeht 92a ). Daher habe man Joh aUfgefOrdert 93 ), die übergangene Periode nachzuliefern, und das habe er auch getan. Daß Joh die Synoptiker ergänzen wolle, geht ja aus Joh 2,11 und 3,23 f deutlich hervor: An der erstgenannten Stelle betont Joh, daß es sich um die b.px~ -rwv aT)~E Cwv handle, während er an der zweiten hervorhebt, daß Joh zu diesem Zeitpunkt noch nicht ins Gefängnis geworfen gewesen sei 94 ). Wer auf diesen Unterschied achtet, der kann also keine Widersprüche
•
92) H.e. 111, 24,7 (Schw. 8.102). 92a) Nach dem von E.Klostermann als Nr. 69 aufgenommenen Katenenfragment aus der I"iatthäuserklärung des Origenes (GOS OrigenesXII/3, S.43) zu Mt 4,12 hat auch schon der große Alexandriner die These von der bei Joh berichteten täuferzeitlichen Wirksamkeit Jesu vertreten. Da Origenes ih dem früher verfaßten Johanneskommentar den chronologischen Widerspruch zwischen Joh und den Synoptikern aber nur mit Hilfe der Allegorese lösen konnte (vel. oben S. 112 f.), müßte man hier eine Entwicklung im Denken des Origenes annehmen. Nun wird dieses Frae;ment aber auch unter den Namen Johannes und Theodor überliefert, so daß seine Zuweisung an Origenes nicht ganz sicher ist. Klostermann hat ja in der Vorbemerkung zu der genannten Ausgabe schon generell darauf hingewiesen, "daß die Mittel der Kritik noch nicht ausreichen l um den ••• Stoff mit endgültiger Entscheidung auch äuHerlich in die Gruppen 'Echt', 'Unecht' und 'Zweifelhaft' zu sondernIl (a.a.O., S. VII f.). 93) Das r'loti v, daß Joh sein Evangelium erst auf das Drängen von Hörern hin geschrieben habe, ist uns schon bei Clemens begegnet; es war in der Alten Kirche sehr beliebt; vgl. Th. Zahn, Geschichte des neutestamentlichen Kanons 11, 1892, S. 37, Anm. 1. 94) Ibid. 11 f. (Schw. S.102 f.).
- 149 zwischen Joh und den Synoptikern mehr finden 95 ). Da Mt und Lk die fleischliche Abstammung des Seilands scho~ dargestellt haben 96 ), hat Joh darüber geschwiegen und mit der E.lt:oAoyCa sein Evangelium eröffnet, ein Thema, das ihm vom Hl. Geist als dem Fähigerem aufgespart worden war 97 ). Mit dieser Erwägung kommt nun doch noch eine besondere Qualifikation des Joh ins Spiel; aber die Ergänzung, die Joh gegenüber den Synoptikern bietet, ist jetzt nicht mehr ausschließlich Überbietung, wie es des Clemens Formel vom "pneumatischen Evangelium" zum Ausdruck gebracht hatte. Auf jeden Fall ist in dieser Tradition, die Euseb unverbunden neben die anderen stellt, richtig erkannt, daß Joh eine täuferzeitliche Wirksamkeit Jesu ansetzt; natürlich ist damit das Problem der Widersprüche zwischen Joh und den Synoptikern nicht gelöst, sondern ein zusätzlicher Widerspruch aufgedec~t. Doch wird man diese exegetische Einsicht im vierten Jahrhundert noch nicht erwarten dürfen. Ein konkretes Problem wird im ersten Buch der Kirchengeschichte gestreift: die Dauer der Wirksamkeit Jesu98 ). Euseb ist der Meinung, Jesus habe nicht ganz v'ier Jahre gelehrt, und er belegt das aus Lk 3,2 und Josephus. Freili~h kann man beid~ Texte nicht so verbinden, wie Euseb das möchte, aber immerhin wird dadurch die johanneische Chronologie gestützt, wie Euseb anderwärts betont 99 ). . 95) Ibid. 13 (Schw. S. 103). 96) Auf die Widersprüche zwischen den Stammbäumen ist Euseb auch in der Kirchengeschichte eingegangen; er begnügt sich hier mit der Lösung des Africanus. Vgl. h.e. 1,7 (Schw. S.19 ff.). 97) H.e. 111, 24,13 (Schw. S.102). 98) H.e. 1,10,2-6 (Schw. S.28 f.). Einen Überblick über die Geschichte dieses bis in unser Jahrhundert viel verhandelten Problems gibt K.L.Schmidt, Der Rahmen der Geschichte Jesu, 1919 S. 1 ff. 99) Demonstr. evang. VIII, 2 led.Heikel, GCS 23~S.387).
- 150 -
Ansonsten scheint sich Euseb mit den Widersprüchen nicht m~hr herumgequält zu haben; im Grunde waren sie wohl kein Problem für ihn. Boweit er sich damit auseinanetersetzte, wurde das Problem an ihn herangetragen, sei es durch die
Fragen des Stephanus und des Marinus oder durch die Aussagen seiner Quellenschriften.
4. Die pseudoaugustinischen Quaestiones Veteris et Novi Testamenti Das nächste erhaltene 101) Quaestionenwerk, das in den Zeitraum vor Augustins De consensu evangelistarum datiert werden kann, sind die unter Augustins Namen verbreiteten ~uaestiones Veteris et Novi Testamenti 102). A. Souter hat den Nachweis erbracht, daß diese Sammlung den Ambrosiaster 100) Auf die eusebianischen Kanones müssen wir in unserem Zusammenhang nicht eingehen. Zwar hat noch B.M. Metzger, Der Text des Neuen Testaments, 1966, S. 24, dieses Werk als "Synopse oder Harmonie" bezeichnet, aber ein n&herer Vergleich der von Euseb angegebenen Paralleltexte" zeigt, daß Euseb nicht in allen Fällen, in denen er zwei oder drei Berichte "synoptisch" nebeneinander gestellt hat, dieselben für Berichte üper dasselbe Ereignis gehalten haben dürfte. H.K.Mc Arthur kommt daher in seinem Aufsatz The Eusebian Sections ' and Canons, in: CB~ 27(1965), S. 250-256, zu dem Ergebnis: "There is ••• convincing evidence that Eusebius did not limit his system to the identifying of alternative versions of the same incident in the various Gospels. He linked together passages which could not conceivably be identicalbut whichexpressed some common concept or activity ••• His system represented a primitive form of Harginal References" (a.a.O., S. 254). 101) Uber die Quaestionen des Acacius von Caesarea und Euseb von Emesa, die fast nur dem Titel nach bekannt sind, vgl. G.Bardy, a.Anm. 1 a.O., S. 341 ff. 102) Herausgegeben von A.Souter, CSEL 50, 1908.
- 151 zum Verfas~er hat l03 ); bis heute ist es allerdings nicht gelungen, diese Chiffre aufzulösen und einen konkreten Namen dafür zu setzen. G. IVio"rin, der sich im Laufe von 30 Jahren, für fünf Vorschläge zur Identifikation des Abrosiaster eingesetzt hat, hat bei der Darlegung seines. fünften Vorschlags l04 ) selbst die Befürchtung geäußert, dieses Problem sei einer jener Fälle "Oll la critique pourrait. fort bien se trouver accul~e dans une impasse sans issue,,105). Das Werk selbst ist in zwei Fassungen erhalten, deren eine 127 Fragen bzw. Abhandlungen umfaßt, während, die andere 150 Kapitel zählt. Souter hat gezeigt,_ daß beide Rezensionen vom Verfasser selbst stammen, der in der "zweiten AuflageIl seiner Schrift einiges emendiert und manches ergänzt, dafür aber eine Anzahl entbehrlicher kleiner Abschnitte weggelassen hat l06 ). Nach dem Vorgang anderer hat neuerdings P. Courcelle die den Antworten zu Grunde liegenden Fragen untersucht und die ansprechende These vertreten, daß dieselben teilweise wohl auf des Porphyrius Schrift KaTa Xp~oT~avwv zurückgehen 107)
103) A. Souter, A Study of Ambrosiaster, 19051 S.23-157. 104) G. Morin, La critique dans une impasse: g propos du cas de I' Ambrosiaster, in: Rev B~n 40, 1928, S. 251255; dort resumiert er S. 252 seine vorhergehenden Arbeiten. AltanerjStuiber, a.Anm. 17 a.O., S.390, nennen nur vier Vorschläge Morins, was wohl auf einem Versehen beruht. 105) A.a.O., S.255. 106) A. Souter,a.Anm. 102 a.O., S. XI f.C. Fiartini, Ambrosiaster - De auctore , operibus, theologia, 1944, möchte zeigen, daß in beidenFassungen frühere und spätere Ausgaben einzelner Traktate enthalten sind, und folgert daraus: Quaestionum collectorem non ipsum fuisse Auctorem Quaestionum, sed quendam posteriorem (a.ß.O., S.21). Für unseren Zusammenhang ist dies nicht wesentlich. - P.Courcelle, a.Anm. 107 a.O., S.133, Anm.2, und AltanerjStuiber, a.Anm. 17 a.O., S.370, geben übrigens die These Hartinis unrichtig wieder. 107) P.Courcelle, Critiques ex~g~tiques et argUments anti-
- 152 -
Schließlich sei noch zum Abschluß der,Einleitungsfragen zu unseren Quaestionen die Datierung gegeben; das Werk gehört in die Zeit des Papstes Damasus (366-384), wie aus einer Anzahl von Anspielungen deutlich wird; mit guten Gründen schlägt Souter die Jahre 370 - 374 als Abfassungszeit der Erstfassung vor 108) • Unter den Fragen befinden 'sich natürlich mehrere, die Widersprüche in der Hl.Schrift aufgreifen, einige untersuchen speziell Widersprüche zwischen den Evangelien; auf diese letzteren wird sich unser Interesse konzentrieren. Zunächst jedoch sollen zwei Fragen aus der Erstfassungl09 ) kurz vorgestellt werden, da sie die Voraussetzungen der konkreten Lösungen etwas erhellen. Quaestio 111 lautet: Our facta et dicta Domini quattuor voluminibus et a quattuor scriptoribus sunt in scripturam digesta?llO) Hatte Irenä~s die Vierzahl der Evangelien mit den vier Himmelsrichtungen begründet, Origenes mit der Vierzahl der Elemente, so bringt der Ambrosiaster eine neue Variante dieser "theologia naturalis ll • Das Jahr hat vier Jahreszeiten, also muß das "angenehme Jahr des Herrn ll , von dem die Evangelien künden, in vierfacher Weise dargestellt werden. DieSe vier Darstellungen bedürfen einander, simul autem plenitudine perfecta sunt. Ja, sogar das Problem der Widersprüche wird durch diese Allegorie im Prinzip gelöst: et si qua videntur in verbis contraria, sensu tarnen non discrepant per interpretationem aptam causae, sicut tempora, cum videantur utique diversa nomine, aere et cursu siderum, in effectu tarnen eorum quae gignuntur non discrepant lll ). Es chr~tiens rapport~s par Ambrosiaster, in: Vig Ohr 13, 1959, S.133-169. 108) Vgl. A.Souter, a.Anm. 102 a .0. , S. XX f. 109) In der Ausgabe von Souter als Appendix abgedruckt (S.430 ff.). 110~ Ed. Souter, App. N.T. 111 (S.430). 111 Ibid.
Zu 107)
- 153 ist ein Scheinproblem, das durch eine interpretatio apta causae gelöst wird! Hinsichtlich des ordo Evangelistarum, über den Quaestio IV handelt l12 ), bietet Ambrosiaster ke~ne grundsätzlich neue Theorie, w~nngleich er auch da eigenständig ist. Die von ihm angenommene Reihenfolge Mt - Lk - Mk - Joh findet sich sonst nur noch in einem griechischen Kanonsverzeichnis, das um 400 datiertwird l13 ). Daß Mt die Reihe anführt, wird damit begründet, daß er ab ipsa promiasione sumpsit initium, id est ab Abraham l14 ). Lukas ist der zweite, quia incarnationem hanc quo modo facta est narrat l15 ). Mk wird als dritter genannt, weil er bezeugt, daß das Evangelium, welches Christus gepredigt hat, ,im Gesetz verheißen sei, wobei an Mk 1,2 f. zu denken ist l16 ). Joh schließlich kommt als vierter, quia hunc, qtii promissus est Abrahae incarnandus et a Luca quem ad modum incarnatus est dictum, est et a Marco evangelium eius iuxta Esaiae prophetiam praedicatum ostensum est, aperta voce ostendit deum ••• 117) Ambrosiaster greift also die alte, aus Irenäus und dem Muratorianum bekannte Frage nach den principia evangeliorum auf und verwendet sie eigenständig zur Bestimmung der Reihenfolge, was freilich nicht ohne Künsteleien möglich ~st. Die Sonderstellung des Joh wird klar in seiner entwickelteren Christologie gesehen; er bietet die Zusammenfassung und Überhöhung dessen, was die Synoptiker dargestellt haben. Der Sache nach 'entspricht das der Auffassung des Clemens von Joh als dem pneumatischen Evangelium.
112) Ibid. S. 430 f. 113) Vgl. E.v.Dobschütz, Eberhard Nestle'a Einführung in das Griechische Neue Testament, 1923 , S.9. 114) Ed. Souter, App. N.T. IV (S.430). 115) Ibid. 8.431. 116) Ibid. 117) Ibid.
1 - 154 -
I
I An sieben Einzelproblemen zeigt Ambrosiaster, wie sich die ~cheinbaren Widersprüche beheben lassen •. Die alte crux interpretum der Genealogien blieb auch unserem Autor nicht erspart; Qu. LVI handelt darüber l18 ): Hatte Joseph zwei Väter, oder ist sein Vater unbekannt? Ambrosiaster geht von der Tatsache aus, daß Jakob der Vater Josephs gewesen sei. Dies wird mit dem Satz: "ordo enim a David per Solomonem tramitem suum tenens recto cursu pervenit ad JaCOb~ cuius filius est Josef", nicht eigentlich begründet l19 ; erst die Auffassung vom lukanischen Stammbaum macht deutlich, wie Ambrosiaster zu seiner Theorie kommt: Er liest nämlich Lk 3,23: et ipse Jesus erat incipiens fere annorum triginta, filius sicut putabatur Josef, qui fuit Heli, in der Weise, daß er das qui fuit Heli zurückbezieht auf Jesus, nicht auf Josef! Lk sagte also aus, daß Jesus für einen Sohn Josephs gehalten worden sei, während er ein Sohn Helis.~ar120). Damit ist der angebliche Widerspruch in den Genealogien behoben: Joseph gehört gar nicht in die lukanische Genealogie hinein, seiner wird nur in Parenthese Erwähnung getan. Nun hat sich Ambrosiaster aber durch dies~ Lösung einen neuen Widerspruch eingehandelt: Wie kann Jesus hier als Sohn Josephs, dort aber. als Sohn Helis bezeichnet werden? Heli und Joseph stammen vom ·gleichen Stamm, sind also Brüder; daraus folgt: ipsa ••• ratione, qua Josef filius dicitur salvator, ipsa est et Heli filius et ceterorum omnium, qui de eadem tribu sunt 121 ). In dieser uneigentlichen Weise kann Lk Jesus auch einen Sohn Adams nennen, aber Lk führt ja den Stammbaum auf göttliches Geheiß hin über Adam hinaus und zeigt damit den eigentlichen Sachver-
118) 119) 120) 121)
Ibid. Ibid. Ibid. Ibid.
S. S. S. S.
101 ff. 101 102. 101.
- 155 haI t: sup·er Adam autem iungi t Christum patri deo, ut qui horum, id est ab Adam usque ad Josef et Heli, filius dicebatur, ante istos omnes dei verus filius intellegeretur ••• 122). War es für die Kirchenväter schon immer ein Problem gewesen, wie sich die Genealogien zu dem Glaubenssatz der Parthenogenese verhielten, so hat Ambrosiaster nun auch diese Frage entschärft, indem er den lukanischen, Stammbaum in der beschriebenen uneigentlichen Weise interpretierte; nach seiner Meinung will keiner der beiden Stammbäume etwas über Jesu' Abstammung sagen. Dje dogmatische Auffassung hat hier auf scheinbar rein exegetischem Wege die Geschichtlichkeit aufgelöst. Deswegen kann Ambrosiaster die ihm bekannte Theorie des Africanus mit den ziemlich ba~schen Worten abweisen: hoc nec probabile est ~t ad nullam rem proficit 123 ). Demjenigen, welcher in der Schrift vornehmlich ein Quellenbuch für dogmatische Aussagen sieht, nützt natürlich eine Erklärung nichts, die in den Evangelien primär historische Berichte sieht. Qu. LVIII befaßt sich mit dem Widerspruch zwischen Joh 1, 31 ff. und Mt 3,14: Während hier der Täufer vor der Taufe Jesu sagt, er kenne den Chr~stus nicht, habe er sich dort vor Jesus erniedrigt, müsse ihn also gekannt haben 124 ). Natürlich muß Johannes der Täufer seinen Herrn, der ihn schon im Mutterleib erleuchtet hatte (Lk l,41!), gekannt haben, das ist für Ambrosiaster klar. Die Äußerung Joh 1,31 erklärt sich daraus, daß der Täufer nur nicht gewußt habe, ob Jesus auch den Geist, der den Vätern verheißen war, bringen würde; das wurde ihm durch göttliche Instruktion klargemacht (Joh 1,33). Auch hier geht die Argumentation wieder von einer in beiden zur Debatte stehenden Texten nicht enthaltenen Prämisse aus; von eigentlich exegetischer Bemühung um den Text kann nicht die Rede sein. 122) Ibid. S. 103. 123) Ibid. S. 102. 124) Ibid. S. 104 f.
~
156 -
Nach Lk 16,16 hat Jesus die Geltung des Gesetzes bis zu Johannes limitiert, aber nach Mt 5,17 hat er sich als Erfüller des Gesetzes bezeichnet; um diesen Widerspruch geht es in Qu. LA~III125). Ambrosiaster gibt die Lösung in einer umfangreichen dogmatischen Darlegung. Christus hat das Gesetz erfüllt, indem er alles tat, was über ihn geschrieben steht; da die Prophetie nunmehr erfüllt ist, hat sie ihren Dienst getan. Anders steht es mit den eigentlich gesetzlichen Teilen des AT; hier kann nur in einem doppelten Sinn vom "Ende des Gesetzes" gesprochen werden. Das Zeremonialgesetz, das nur wegen d.er Herzenshärtigkeit der Juden gegeben war, ist tatsächlich abgeschafft. Ansonsten gilt das Gesetz weiter, nur ist die sententia legis, quae reos tenebat peccatores, aufgehoben, es sei denn, einer kehre wieder zum "alten Menschen" um126 ). Ein "tertius usus legis" wird a],s unbedingt notwendig erachtet, freilich genügt er nicht zur Vollk~mmenheit; dazu hat Christus einen superior sensus des Gesetzes gezeigt und auch insofern das Gesetz erfüllt 127 ). Während das Gesetz nur Gerechtigkeit lehrte, hat Ohristus die Menschen gerechter gemacht (Mt 5,201) und somit das Gesetz erfüllt 128 ). Hier ist eine Synthese zwischen beiden zur Diskussion stehenden Stellen geschaffen worden, die weitgehend paulinische Formeln zu Hilfe nimmt. Für die Besonderheit der matthäisehen Gesetzesauffassung hat Ambrosiaster kein Verständnis gezeigt. Eine andersgeartete Lösung findet der Widerspruch zwischen dem Zeugnis des Täufers für Jesus nach Joh 1,32 und der 125) 126) 127) 128)
Ibid. Ibid. Ibid. Ibid.
S. 118 ff. S. 119. S. 120 f. S. ~21.
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zweifelnden Haltung gegenüber Jesus nach Nt 11,3, der in der Qu. LV der längeren Fassung verhandelt wird129 ) Der dogmatische Obersatz lautet hier: Qui Johannem putant dubi tasse, detrahunt sal vatori. Denn hätte ·der Täufer wirklich an Jesus gezweifelt, dann hätte sich Jesus getäuscht, der ihn doch seliggepriesen und höher als die Propheten geschätzt hat. Um, aber die Anfrage des Täufers motivieren zu können, greift Ambrosiaster nun doch einmal zu einer psychologisierenden Konstruktion: Der Täufer, der sein Ende nahen sah, habe seine schwankenden Jünger dadurch stärken wollen, daß er sie von Jesus selbst das hören ließ, was er ihnen schon immer gesagt hatte. Die Anfrage ist also nichts als eine pia fraus des Täufers 130 ). Auch hier hat dogmatische Voreingenommenheit die naheliegende Lösung verkennen lassen" daß nämlich die Seligpreisung desjenigen; welcher sich nicht:an Christus ärgere, sozusagen warnend geäußert sei. Und warum sollte der Täufer, selbst wenn er mehr als ein Prophet'· ist, nicht irren können? An die Stelle lebendiger Menschen mit ihrem Widerspruch setzt AIDbrosiaster Ikonen auf Goldgrund. QU. LXIX der Erstfassung statuiert einen Widerspruch zwischen der Forderung Jesu, seine Jünger müßten alles verlassen (Lk 14,33) und der Tatsache, daß von Joseph von Arimathia und anderen Jüngern berichtet wird, sie seien .. d gewesen 131) • vermogen Dieses Problem wird wieder mit Hilfe des Paulus gelöst, der ja in 1. Kor 7,29 ff. zum "Haben, als hätte man nicht" auffordert. qui ergo sic habet, quasi non habeat, reliquisse videtur. Also ist die Forderung Jesu nach Ambrosiasters Auffassung nur uneigentlich gemeint; die genannten wohlhabenden Jünger haben natürlich ihren Reichtum im paulinischen Sinn besessen und daher der Forderung Jesu doch
129) Ibid. S. 448 ff. 130) Ibid. S. 449. 131) Ibid. S. 463.
- 158 Genüge getan. Sehr kurz erledigt unser Autor den tn Qu. LXXXI aufgegriffenen Widerspruch zwischen der von Jesus, selbst und dem Engel am Grabe gegebenen Vorhersage, der Auferstandene werde den Jüngern in Galiläa erscheinen, und den Berichten, nach denen die Frauen und die Jünger den Auferstande?en ab~r in Jerusalem gesehen hätten132 ). Dagegen behauptet Ambrosiaster, die Erscheinungen in Jerusalem seien nur particulatim ad recreandos animos discipulorum erfolgt, während di~ kirchenrechtlich bedeutsame Erscheinung des Herrn vor allen Jüngern in Galiläa stattgefunden habe. Diese Verlegenheitsauskunft kann sich höchstens auf Joh 21,1 ff. (nicht 20,1 ff., wie Souter im Apparat z.st. angibt) berufen, obgleich auch dort nur sieben Jünger genannt werden. Oder sollte Ambrosiaster die 1. Kor 15,7 genannte Erscheinung vor "allen Jüngern" in Galiläa lokalisieren, ohne dafür auch nur den geringsten Anhalt in der ·trberlieferung zu haben? Ein letzter Widerspruch, den der Gegner aufdecken möchte, besteht daF-in, daß nach f'1t, Lk und Joh Jesus zur sechsten Stunde ans Kreuz geschlagen worden sei, während Mk die dritte Stunde angibt 133 ). Darauf antwortet Ambrosiaster: Wenn drei Evangelisten übereinstimmen, aber ~& etwas anderes sagt, hat das seinen Grund darin, daß ~~ etwas Wichtiges nachtragen wollte, was die anderen übergangen haben. Nun muß man bedenken, daß der Heiland von den Juden gekreuzigt wurde, da ihn Pilatus erst auf deren Drohung hin (Joh 19,12) ausgeliefert hat. Nun haben nach Mt 27,~3 die Juden zur dritten Stunde ihr "Kreuzige" gerufen; damit haben sie den Heiland aber de iure schon getötet: omnis enim, qui addicitur,
132) Ibid. S. 475. 133) Ibid. S. 114 f.
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ex eo iam mortuus conputatur, quo sententiam excipit134 ). Mk hat also im eigentlichen Sinne recht, und er hat den (scheinbaren) Widerspruch zu den drei anderen Evangelisten nur deswegen auf sich genommen, ut doceret tertia hora coeptum esse, quod sexta hora impletum est, non legibus, sed persistente malivolentia JudaeOrum 135 ). Man kann auf diese ausgeklügelte Theorie unserem Autor nur mit der Frage antworten: Wenn Mk das gemeint hätte, warum hat er es nicht gesagt? Dem klaren Wortlaut nach steht bei ihm eben etwas
ande~es.
G. Bardy hat die exegetische Methode des Ambrosiaster folgendermaßen charakterisiert: "L ' auteur ne s' embarrasse pas de subtilit~s; il ne s' arr~te pas ~ discuter des minuties: il parle comme ayant autorit~; il tranche les questions d ' une mani~re d~cisive ••• On sent ici le juriste, form~ aux m~thodes du droit, qui dit ce qui est et ne laisse place ~ aucune discussion" 136 ). Dieser'Beschreibung ist nur hinzuzufügen, daß durch dieses apodiktische Vorgehen, das fast immer von bestimmten, im Text nicht begründeten Prämissen aus deduziert, die Geschichtlichkeit des
1~
und seiner Berichte völlig aus dem Auge verloren
ist. Wenn auch die naiven
Harmonis~erungen
Eusebs mit
mancherlei Unzulänglichkeiten behaftet waren, so gingen sie doch noch vom richtigen Ansatz aus, die neutestamentlichen Erzählungen auf der historischen Ebene ausgleichen zu wollen; Ambrosiaster denkt nur noch auf der Ebene der Doktrin.
134) Ibid. S. 133. 135) Ibid. 136) G.Bardy, a.Anm. 1. a.O., S.35~ f.
- 160 §
7: Die Behandlung der Widersprüche zwischen den Evangelien bei den Antiochenern
i. Die antiochenische Schule Clemens Alexandrinus und Origenes haben die kirchliche Schriftauslegung begründet und durch die Anwendung der Allegorese ihren Schülern einen Weg gewiesen, den ßa8u~Epos voüs der Schrift als Grundlage für ihre spekulativ - philosophischen Gedanken zu benützen. Freilich war die eigentliche exegetische Aufgabe In dieser Denkweise nicht mehr vorrangig; es ist wohl kein Zufall, daß Altaner / Stuiber in dem Kapitel über "Alexandriner und Freunde des Origenes" als exegetische .Arbeiten nur die beiden Briefe des Julius Africanus, eine Metaphrase zum Kohelet aus der F.eder des Gregorios Thaumaturgos und die Hypotyposen des Theo~ gnostos anführenI). Auch im vierten Jahrhundert befassen sich die Alexandriner nicht intensiv mit der Exegese des NT; für diese Zeit stellt Bardenhewer fest: "Am f.leißigsten 'NUrden die didaktischen und poetischen Bücher des Alten Testaments bearbeitet t vor allem das Psalmenbuch,,2). Vorherrschend blieb die allegorische Auslegung. Im Gegensatz dazu entstand in Antiochien eine Schule, die sich durch eine nüchterne Auslegung des biblischen Wortes auszeichnete 3 ). Als Begründer dieser Richtung gilt Lukian, der im Jahre 312 das Martyrium erlitt. Seine Hauptleistung bestand in der Revision des Textes der griechischen Bibe1 4 ); auf ihr basiert der spätere Reichs1 ) Altane; / Stuiber, Patrologie, 19667 , S. 209 ff. 2 ) O.Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, 111, 1912, S. 18. 3) Vgl. dazu Ph.Hergenröther, Die antiochenische Schule und ihre Bedeutung auf exegetischem Gebiete, 1866; A. Harnack, Art.Antiochenische Schule, in: PRE I, S.592595; L.PirotJ. L'oeuvre ex~g~tique da Th~odore de Mopsueste, 1~13, S. 1-41. 4) Zu den damit zusammenhängenden Fragen vgl. B.M.Metzger,
- 161 -
text. A. Harnack hat mit Recht darauf hingewiesen, daß ja auch Origenes sich um den Septuaginta text bemüht hatte, so daß sich Lukian hier durchaus mit Origenes berührt; erst allmählich tritt "ein entschiedener Gegensatz hervor gegen die dogmatisch - allegorische Bibelbehandlung., welche durch den mächtigen Einfluß des Origenes in der Kirche aufkam und durch die dogmatische Spekulation wesentlich gefördert wurde Il5 ). Es ist wohl kein Zufall, daß aus dieser Schule ein Arius, Apollinaris und Nestorius hervorgingen. Die Glanzzeit der Exegetenschule, wie die Antiochener auch genannt wurden, begann mit Diodor von Tarsus, der u.a. der Lehrer des Theodor von Mopsuestia und des Johannes Chrysostomus war. Ed. SChweizer hat die Vorzüge der Exegese Diodors folgendermaßen charakterisiert: "Prinzipiell weiß Diodor, daß nur der Text Richtschnur sein darf, und nicht ~arin begründete Vermutungen unzulässig sind. Wohltuend ist die diodorische Kürze. Gegner entwaffnet er durch unwidersprechliche Tatsachen, besonders durch Parallel stellen. Allego~ische Spielereien fehlen. Origenes erklärte, nicht alle Stellen hätten einen Literalsinn, jede aber einen geistigen; Diodor bereitet schon die umgekehrte Formulierung des Theodor vor: lange nicht alle Stellen sind allegorisch, jede aber mindestens auch wörtlich auszulegen,,6). Die Ablehnung der Allegorese hat übrigens nicht zu einer theologlschen Verwerfung des AT geführt; man hat vielmeh~ unter dem ~tichwort e~wrCa eine t!pologische Betrachtung vorgenommen 7 ).
The Lucianic Recension _of the· Greek Bible, in: Chapters in the History of New Testament Textual Criticism, 1963, S.l - 41. A.Harnack, a.Anm. 3 a.O., S. 593. E.Schweizer, Diodor von Tarsus als Exeget, in: ZNW 40, 1941, S. 59. .. , Vgl. dazu H.Kihn, Über d~UJr l,O und (Y,,"A.TlY::-:/=Co: nach den verlorenen herme~eutischen Schriften der Ant~ochener, in: ThQ 63, 1880, S. 531-582; P.Ternant, La ~t:UJrCcx . d' Antioche dans le cadre des sens de l' Ecr1ture, 1n: BibI 34, 1953, S. 133-15&; 354-383; 456-486.
- 162 Diese kurzen Bemerkungen sollen zur Vorstell~ng der antiochen1schen Schule genügen; es sei nur noch ausdrücklich.darauf hingewiesen, daß die Rede von einer antiochenischen "Schule" nicht im strengen Sinn des Wortes verstanden werden soll: "Von antiochenischer Schule reden wir nicht in dem Sinne einer kontinuierlicheri Lehranstalt, welche durch Succession der Lehrenden zu einem anstaltlichen Mittelpunkte und Träger einer Bildungsrichtung wird, wie dies von der alexandrinischen Katechetenschule in ihrer Blütezeit gilt, sondern in dem Sinne, wie wir auch nach deren Zurücktreten von alexandrinischer Schule reden, also zur Bezeichnung einer durch den wissenschaftlichen Einfluß hervorragender Lehrer im Leben der Kirche sich geltend machenden besonderen theologischen Richtung, deren bedeutendster Mittelpunkt, deren heimatlicher Boden im großen und ganzen der syrische Osten des Reichs, genauer die hellenistisch - syrische Kirche ist,,8). Da es hier also um die Gemeinsamkeit in der exegetischen Grundhaltung geht, können wir auch Epiphanius zu den Antiochenern rechnen. - Im folgenden sollen die Vertreter der antiochenischen Richtung, soweit sie sich in den erhaltenen Texten mit den. Widersprüchen zwischen den Evangelien befaßt haben, dargestellt werden. Es muß noch darauf hingewiesen werden, daH die historische Exegese natürlich auch Eingang bei den alexandrinischen Theologen fand: "Die theologische Situation, wie sie seit dem Auftreten des Arianismus sich gestaltet hatte, erzwang geradezu bei den Orthodoxen einen wenigstens relativen Verzicht auf Allegorie und das Eingehen auf eine rationelle Exegese,,9). Insbesondere haben sich hier auch 8) A.Harnack, a.Anm. 3 a.O., S. 592. 9 ) K.Ho·ll, Amphilochius von Ikonium in seinem Verhältnis zu den grossen Kappadoziern, 1904, S. 255.
- 163 die Kappadozier verdient gemacht, wie K.Holl herausgestellt hat lO ). Zu den in der Diskussion mit den Haeretikern entscheidenden Problemen haben die Widersprüche zwischen den Evangelien allerdings nicht gehört ll ), so daß wir dazu keine einläßlichen Stellungnahmen finden. Erst Cyrill von Alexandrien hat in seinem Mt - Kommentar einige Äußerungen zu unserem Problem abgegeben; doch fällt die Abfassung dieses Kommentars.nicht mehr in unsere Periode 12 ). 2. Theodor von Heraklea Der erste Antiochener, von dem sich Beiträge zu unserem Thema erhalten haben, ist Theodor von Heraklea, der etwa von 335-355 Bischof war 13 ). Hieronymus schreibt über ihn: "Theodorus, Heracliae Thraciarum episcopus, elegantis apertique sermonis et magis historicae intelli-. gentiae; edidit sub Constantio principe commentarios in Mattheum et in Johannem et in apostolum et in psalterium,,14~ Die Fragmente ~us beiden Evangelienkommentaren sind von J.Reuss gesammelt worden 15 )j Reuss hat Theodor charakteri-
10) Ibid. S.256 ff.
11) Vgl. T.C.Pollard, The Exegesis of Scripture and the Arian Controversy,in: BJRL 41, 1959, S. 414-429. 12) Di'e Fragmente des Mt-Kommentars Cyrills sind abgedruckt bei J.Reuss, Matthäus-Kommentare aus der griechischen Kirche, 1957, S. 153-269; ~ur Datierung s. ibid. S. XXXIX. 13) Über Theodor vgl. Hergenröther,a.Anm. 3 a.O., S.14 f.; O.Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, 111, 1912, S. 265; J.Quasten, Patrology, und Altaner / Stuiber führen ihn nicht an. 14) Hieronymus, de vir. ill. XC (ed. Bernoulli, 1895,. S.46). 1-5) J.Reuss, Matthäus-Kommentare aus der griechischen Kirche, 1957, S. 55-95; ders., .Johannes-Kommentare aus der g-riechischen Kirche, 1966, S. 69-176 (im folgenden abgekürzt zitiert: MtK bzw. JohK).
- 164 -
siert "als einen gewandten, nüchternen Exegeten, der den Grundsätzen der antiochenischen Schule huldigt, der in allem den wirklichen Sinn des Schriftwortes in m6g1ichst klarer Weise vorlegen will"16). Reuss hat auch schon kurz darauf hingewiesen, daß Theodor gelegentlich Johannes und die Synoptiker vergleicht 17 ); dem soll nun im einzelnen nachgegangen werden. Im Matthäuskommentar finden wir an drei Stellen die markinischen Parallelen berücksichtigt. Zu Mt 12,31 f~ dem Wort von der "Sünde wider den Heiligen Geist", vergleicht Theodbr die Parallelstelle Mk 3,30, die er als "Verdeutlichung" ansieht 18 ). Daß das Speisungswunder Mt 14, 13-21 nicht verstanden wurde, hat Mk 6,52 deutlich gemacht 19 ). Schließlich stellt Theodor auch den Unterschied in der Wiedergabe des Logions IVlt 19,29 // Mk 10,30 fest; während bei Mt hundertfache Belohnung an himmlischen Güterh verheißen wird, verspr~cht Jesus nach Mk vielfache Erstattung in diesem Aeon 21 ). Theodor harmonisiert dies, indem er der Mk-Fassun~ folgende Auslev,ung gibt: AEKTlov naA~v nEpi T~V nVEu~aT~Kwv xapLa~&Twv nOAU Ta knCYE~a napaTpEx6vTWV, &nEp EL~tv appaßwvl b T~VEb T~V ~EAA6vTWV &ya6~v •.•
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J.Reuss, MtK,S.XXVIII. J.Reuss, JOhK,S.XXII f. J.~eus~, MtK, Frg 86 (8.81): 0 ÖE MäpKO~ aa~~vC~EL TOV AOYOV •.• Ibid. Frg 94 (8.83): TOÜTO k~avlpwa~ MäpKO~ 20 Ibid. Frg 107 (8.87). . 21 Theodor verwechselt die Maßangsben: bei Mt steht. nOAi\anAaaCov~ während bei Mk ~KaTO\ITanAaaCova steht. Allerdings ist der Mt-Text nicht einmütig überliefert: ~ c p:. IN e Ä.. ~ u.s. lesen auch hier btaTOvTanAaa Cova} bei Mk dagegen ist einmütig bmTovTanAaaCova überliefert.
17 18
19l
- 165 Bei diesem Verständnis ist die Differenz zwischen Mt zwar behoben, aber es geht gegen den klaren Wortlaut bei Mk. Im Zusammenhang mit seiner Erklärung der johanneischen Salbungsgeschichte stellt Theodor fest, daß nach Joh 12,6 Judas gegen die Verschwendung der Frau gemurrt hat, während nach Mt 26,8 f. alle Jünger unwillig waren22 ). Darauf, antwortet Theodor, Ö~~ xat naV~E~ ~at ot~o~ [E~ e€y~av~oJ) UAA'ot AOLnot OU ~~ au~~ ~pOaLp€aEL. Theodor identifiziert also die matthäische und johanneische Salbung trotz der verschiedenen Datierung. Solange traditionsgeschichtliche Überlegungen unbekannt waren, konnte eine solche Harmonisierung durchaus angehen. Zur Kürze der johanneischen Darstellung des Einzuges Jesu in Jerusalem (Joh 12,13-15) bemerkt Theodor 23 ), dieselbe sei nicht befremdlich, da sie von Joh beabsichtigt sei ~~ EnC,wv yap ~an;apaAEAEl,flfltva ~or~ CXAAOI,C; ELnEtv npoH€flEVOC; EnL~€flVE~aL,~ ~ry u~OAOUec~ ~oü A6you e~ uvay~~C; CL~YEt'~aL ~oü 1tEPl. Aasapou. Theodor bedient sich hier also der ErgänzungshlP9these in ihrer schlichtesten Fassung. Joh will hauptsächlich das berichten, was die anderen ausgelassen haben. Ein letztes Fragment aus dem Joh-Kommentar Theodors, das in unserem Zusammenhang wichtig ist!? befaßt sich mit den verschiedenen Engeln sm leeren Grab 4). Nach Joh- 20, 11 ff. sieht Maria Magdalena ja zwei Engel, während sie nach Mk 16,5; Mt 28,5 n~ einen Engel gesehen haben soll. Theodor löst diesen Widerspruch ganz im Sinne der einen der VO~ Euset erwogenen Möglichkeiten: EL CE äAAOC; EuaYYEALa~~C; A€YEL) Ö~L EIs ~v 0 äYYEAO~) oucEv S~ ~cu~ou.~yap MapCa oux äna~, UAAa ~at nOAAa~l,C; ~AeEV ELC; ~O~ ~a~ov)nO~E flEV auv CXAAQ LC;) Ö~E Et CE TOV ~va äYYEAOV) TCO~E6s naA LV fl6v~, ön; und~
22) J.Reuss, JohK, Frg 177 (S.lll). 23) Ibid. Frg 183 (S.112). 24) Ibid. Frg 403 (S.168 ).
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eIbE TO~' b60 xat ol ~~v E~aYYEÄLaT~v T& np@Ta E{nov, ol bg Ta bE6TEpa, nÄnv ÖTL navTE, auvCXL,voüaLv, Ö'tL ~~e~acxv EV kae~aEaL AEUXCXr, ol 5YYEAOL 't~V ~v&a'taaLv E~aYYEALs6~EVOL. Diese Harmonisierung, die von der Voraussetzung ausgeht bLO: ~iÄoaToPyCav ~Vl~ELVE KEpt Tbv T&,OV [sc. ~ Mo,ybaA~v~ ], ist zwar nicht so ausgeführt wie bei Euseb 2 5), aber im Prinzip gleich. Nach diesen - mehr oder minder zufällig erhaltenen - Kostproben wird man dem oben zitierten Urteil von Reuss über Theodor durchaus zustimmen können: In Theodor tritt uns ein nüchterner, sachlicher Exeget entgegen, der freilich keine originellen Gesichtspunkte ins Spiel bringt. ;. Apollinaris von Laodicea Auch von Apollinaris von Laodicea, der nach Hieronymus "in sanqtas scri)turas innumerabilia, ••• volumina" geschrieben hat 26 , sind nur - allerdings in gröBerer Zahl - Fragmente erhalten. Obwohl nun Apollinaris in unserem Jahrhundert zwei vorzügliche Monographien gewidmet wurden, hat seine Schriftauslegung doch noch wenig Beachtung ge~unden. H. Lietzmann hat sich im ersten Band seines Werkes "die aufgabe gestellt, die kirchenpolitische geschichte des Apollinarismus quellenmässig zu zeichnen und für alle weiteren untersuchungen der dogma~ischen tractate eine philologische grundlage zu schaffen"; der zweite Band, "der vornehmlich für die exegetischen fragmente~ bestimmt sein sollte, ist nie erschienen 27). Die Arbeit von E. Mühlenberg hat sich 25 26
27
j Hieronymus, S. oben S. 1;8 de
f. vir. ill. CIV (ed. Bernoulli, S. 50). H. Lietzmann, Apollinaris von Laodicea und seine Schule, I, 1904, S. VIII.
- 167 dagegen das Ziel gesetzt zu zeigen, "inwieweit die alexandrinische Christologie eine Herausforderung und tlberbietung der klassischen Philosophie ist,,28). O.Bardenhewer nennt Apollinaris einen Il moralisierenden Exegeten ••• , welcher vor allem darauf ausgeht, einen strauß religios - sittlicher Anregungen zu winden. Im übrigen hat er eine historische Erklärung angestrebt und von der Allegorese nur sehr sparsam Gebrauch gemacht Il29 ). J.Quasten begnügt sich damit, das negative Urteil des Hieronymus über die Kommentare des Apollinaris zu zitieren 30 ). AltanerjStuiber gedenken des Exegeten nur mit der Mitteilung, er folge Ilden Grundsätzen der antiochenischen Schule Il3l ). Dagegen hat J.Reuss in seiner Ausgabe der Katenenfragmente Apollinaris besser gewürdigt: IlInhaltlich gehört die Exegesf' des Apollinaris zum Natthäus-Evangelium zum wertvollsten, was wir aus der älteren Zeit der griechischen Kirche besitzen • ••• Apollinaris besaß harmonistisches und textkritisches Interesse, er vertritt eine n~chterne, historische Erklärung und ist somit ein Vertreter der antiochenischen Schule. Immer wieder versucht er, den genauen Gedanken des ersten Evan~ gelisten in seiner ganzen Tiefe zu erfassen und herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck vergleicht er immer wieder den Wortlaut des Matthäus mit den beiden anderen Synoptikern
28j 29
E.Mühlenberg, Apollinaris von Laodicea, 1969, S.5. O.Bardenhewer, a.Anm. 2 a.O.) 8.287 f. 30 J.Quasten, Patrology, 111, 1~60, 8.378. 31) Altanerj8tuiber, a.Anm. 1 0.0., 8.313.- Zum Römerbriefkomrnentar des Apollinaris wird 8.314 festgestellt: IIGleich fern liegen ihm die Wortuntersuchungen der Antiochener wie die Allegorese der AlexandrinerII.
- 168 und mit JOhannes,,3 2 ). Ebenso würdigt Reuss Apollinaris auch "als einen sehr gewandten und gründlichen Exegeten des 4. Evangeliums,,33). Wir werden uns nun den Texten, auf die Reuss sein Urteil gründet, im einzelnen zu -widmen haben. Den Widerspruch zwischen den Genealog~en löst Apollinaris mit Hilfe der Theorie von der Leviratsehe 34 ). Zur Seligpreisung der nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden Mt 5,6 stellt er fest, daß Lk hier ~ur von "Hungernden" spricht. Dazu erklärt er: vüv OE 0 Mcx:iecx.i:'o<; OLOpC~EL ~ou<; EXOV~cx.<; xat bLa ~OV ~OÜ xO'.~OÜ no8ov ~wv xO'.~a aapxO'. notwv anExo~tvOu<;. Apollinaris hält also die Wendung "nach der Gerechtigkeit" für eine legitime Interpretation des Wortes durch Mt 35 ). Während nach r'it 10,9 und Lk 9,3 j 10,4 den Jüngern bei der Aussendung die Nitnahme von Sandalen und eines Wanderstabes verboten wird, erlaubt Jesus nach Mk 6,8 f. den Gebrauch beider Gegenstände. Zur Lösung dieses Widerspruchs bedient sich Apollinaris einer textkrtischen Erwägung; er stellt nämlich fest, daß die Überlieferung des Mk Textes nicht einheitlich ist, und daß in einigen Handschriften des fvlk das Verbot ebenso wie bei Mt und Lk zu finden ist. Ob sich Apollinaris auch noch Gedanken darüber gemacht hat, wie die varia lectio entstanden sein könnte, geht aus dem kurzen Fragment nicht hervor 36 ). Zur Geschichte von der Kindersegnung Mt 19, 14 f. stellt er fest, daß Mk in seiner Fassung ein begründendes Wort zusätzlich bringt, das aber bei Mt 18,4 und Lk 18,16 f. ebenfalls zu finden sei 37 ).
32~ J.Reuss, MtK (s.Anm. 15), S.XXIV. 33 J.Reuss, JohK, S. xx. 34 Frg 1 (Reuss, MtK, S.l). 35 Frg 11 (Reuss, S.4). 36 - Frg 46 (Reuss, S.13 f.). 37) Frg 96 (Reuss, S.3l f.).
- 169 Wenn Lk(18,2~in der Parallelstelle zu Mt 19~28 f. im Katalog der zu verlassenden Besitztümer auch die Ehefrau anführt, so tut er das nach des Apollinaris Meinung XaTa ToVTIaüAov;auch in diesem Fall wird also ungescheut eine redaktionelle Arbeit des Evange~isten angenommen 38 ). In der Chronologie gibt Apollinaris Joh den Vorzug; dies zeigt eine Bemerkung zur Tempelreinigung deutlich: hEpt TWV Xpovwv ou navu TOr~ TPLOtv EuaYYEALoTar~ k~tA~OEV kv Tij 6L~y~OEL T~~ &vo6ou E\~ T~V tEpouoaA~~: b y&p lwavv~~'&xp~ßtaTEPov TOÜTO npo~aTop~aa, ~v T~ npwT~ avo6~ TaüTa nEnpäX8aC ~~aLv xal kv TP'T~ naoxa TO n&oo~ tOTopEr.TOÜ o~v taTop~oaL ~~ npäy~a ~6vov ~~EA3a~v aUTOr, ·xat Ta, 6La~6pou~ &v66ou, ~Cav nEnoL~xaaLv 9 • Apollinaris hat also nur eine Tempelreinigung angenommen und dafür die alte Kritik an derTa~L, der Synoptiker aufgegriffen. Auch in der Datierung des Abendmahls folgt Apollinaris der johanneischen Darstellung, um den Tod Jesu als das wahre Passa auffassen zu können. Dazu muß er die synoptischen Berichte natürlich umdeuten; nicht ungeschickt bedient er sich dabei hauptsächlich des Wortes Lk 22.15: Jesus sagt zu seinen Jüngern nicht, er werde das Passa nicht mehr mit ihnen feiern - diese Ausdrucksweise würde voraussetzen, daß er es dieses Mal noch mit ihnen feiert -, sondern er werde es nicht feiern, bis er in der ßaoLAECa TOÜ 8EOÜsei; d.h. Jesus hat es auch diesmal nicht gefeiert 40 )! Dasselbe Problem kommt auch im Johanneskommentar zur Sprache; dort gleicht Apollinaris die Synoptiker an Joh
38) Frg 100 (Reuss, S.33). 39~ Frg 106 (Reuss, S.36). 40) Frg 130 (Reuss, S.44 f.).
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hauptsächlich durch die Erklärung an, Ö:rL npw:r~v :rwv asu~wv :r~v npc :rwv a~u~wv ~QAOÜaLV [sc. ot :rPELsl, :roO:r'~a:r~v :r~v :rpLaxa~6Ex&:r~V xat ÖL~ npo~:roL~&aen ~Ev xa:r' au:rou s sv :rau:rT) :ro naaxa uno :rwv ~()'.e~:rwv, :rc OE oEtnvov oux ~v ~ :roO IT~0xa ßpwaL s ••. 41) Wenn wir auch die Harmonisierun~ in diesem Fall als recht unbefriedigend empfinden, müssen wir doch anerkennen, daß Apollinaris das Problem gesehen und den entscheidenden Texten seine Aufmerksamkeit zugewandt hat. Auch den Unterschied, daß Judas nach den 8ynoptikern am Abendmahl teilgenommen hat, nach Joh aber vorher ging, sieht Apollinaris und dekretiert gegen den klaren Wortlaut: ~:r~ npoE~~AeEV to~oa~, tw&vv~~ sO~AwaEv· ou yap ~v so~~a:ro :r~~ aw:r~p'ou xo~vwv'a~ :runov ~ :r~s
xPLa:rox:rOvra~ tn~p~:r~~ ••• 42) Eine_ Lösung wird man das nicht nennen können. Aus dem Johanneskommentar verdient noch ein Fragment Beachtung, in dem Apollinaris über das Fehlen der Gethsemaneperikope bei Joh handelt: npoaEx:r~ov :rcv twavv~v nap~6v:ra :r~v ta:ropCav :r~v ITEpt :r~~ &o~~ovCa~ xat Aun~~ ~OÜ xupCou, ~v ou napaAEAoCnaaLv ol !AAO~. &AA~ ~nEp ~~~v, STIt :r~v :r~~ eE6:r~:ro~ O~Awa~v ~&AAOV ~ :rou:rou p~nE~ ypa~~ ~:rE :r~s avepwn6:r~:ro~ txavw~ npoEyvwa~~v~s, A~YE~ OE :ra ~sv aVep~nLva ~äAAOV S~ sn~opo~~s, aa~~a:rEpov qE :ra :r~~ eE6:r~:ro~ :rEX~~P ~a :rfk avo Ca~ '" ~vExa:> • 43)
41) Fr~ 135 (Reuss, Joh:K, 8.55 f.; Zitat 8.56); vgl. auch MtK Frg 131 (Reuss, MtK, 8.45). 42) MtK Frg 133 (Reuss, 8.46). 43) JohK Frg 132 (Reuss, 8.53).
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Diese redaktions geschichtliche Erklärung berührt sich so stark mit der von Origenes 44 ) gegebenen, daß man wohl eine Abhängigkeit des Apollinaris annehmen muß; da wir ja schon gesehen haben, daß Apollinaris auch die Theorie des Julius Africanus übernommen hat, ist es nicht befremdlich, daß· er hier eine der wirklich guten Beobachtungen des Origenes übernimmt. Abschließend können wir sagen, daß das positive Urteil über Apollinaris als "Exegeten, das J.Reuss gefällt hat, berechtigt ist. Apollinaris hat die Widersprüche klar erkannt und sich um eine sachgemäße, von den Texten ausgehende Lösung bemüht. Dabei hat er sich einzelner früher gegebener Lösungen bedient, die er nicht ungeschickt ausge~ählt hat. Gegenüber. Origenes hat er noch öfter die Freiheit besessen, die redaktionelle Tätigkeit der Evangelisten für Unterschiede verantwortlich zumachen; die darin zu erkennende Überwindung einer allzu starren Inspirationsvorstellung ist neben dem Verzicht auf die Allegorese ein unbedingter Fortschritt. 4. Epiphanius Wenn wir Epiphanius, den IIbornierten Ketzerfeind Il45 ), in diesem Zusammenhang zu Wort kommen lassen, so bedarf das einer kurzen Begründung. In einem theologischen Zusammenhang mit den Antiochenern steht Epiphanius nicht; er ist vielmehr "ein typischer Vertreter einer kirchlich-theologischen Richtung, die im 4. Jh., d.h. in der nachkonstantinischen Reichskirche, das kirchliche Leben und Denken vielleicht stärker bestimmt hat als die großen theologischen Denker ••• Diese Richtung ist gekennzeichnet durch einen
44) S. oben S. 109 f. 3 45) H.v.Campenhausen, Griechische Kirchenväter, 1955 , S. 147.
- 172 starken asketischen Zug • ••• Zum anderen werden in diesen Kreisen dogmatische Fragen nicht theologisch durchdacht und weitergeführt, sondern sie gelten als gelöst; ein massiver Traditionalismus wird hier maßgebend, der sich mit dem ebenfalls vorhandenen Biblizismus nur deshalb verträgt, weil die Exegese grundsätzlich von der vor~egebenen dogmatischen Entscheidung bestimmt ist,,46J. Als Verfechter eines biblizistischen Traditionalismus mußte Epiphanius natürlich ein Gegner des Origenes und seiner Allegorese werden 47 ). Sein hermeneutisches Prinzip hat Epiphanius .einmal so ausgedrückt: ... ~av~a ~a eEra p~~a~a oux UAA~yopCa~ OEr~aL w~ ~XEL ouva~EW~J eEWpCa~ OE OEr~a~ xat atoe~OEW~ Et~ ~o EtOEVQL Exao~~~ unoeEOEW~ ~~V ouva~LV. OEr OE xat napao60EL xExpijoBaL· OU yap nav~a uno ~ij~ eECa~ ypa~ij~ buva~a~ Aa~pavE0eaL 48). Aus diesem Satze soll besonders hervorgehoben werden, daß Epiphanius das Stichwort der Antiochener" eEWpCa 11 positiv aufgenommen hat. Auch seine durchweg. historische Lösung der Widersprüche zwischen Joh und den Synoptikern entspricht der antiochenischen Tradition. Epiphanius mußte eine kräftige Medizin aus seinem Arzneimittelkasten holen, um den Bazillus der Kritik zu töten, den die Aloger mit ihren Angriffen gegen das Vierte Evangelium verbreiteten 49 ). Wir haben schon dargestellt, daß sie hauptsächlich den chronologischen Widerspruch zwischen
46) W.Schneemelcher, Art. Epiphanius von Salamis, in: RAG V, Sp. 909; vgl. auch AltanerjStuiher, a.Anm. 1 a.O., S. 315 f. 47) Vgl. z.B. seine Ausführungen in anc. 53 ff. (ed. Hell, GCS, Epiphanius I, S.61 ff.). 48) Pan. 61,6,3 ff. (Holl 11,S. 386). 49) Vgl. die ausführliche Darstellung bei A.Bludau, Die ersten Gegner der Johannesschriften, 1925, S~87 ff.
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den drei ersten und dem vierten Evangelium aufs Korn genommen hatten 50 ). Schon die bloße Annahme eines Widerspruchs zwischen den inspirierten Evangelien, so antwortet ihnen Epiphanius, beruht auf mangelhafter Einsicht: GLx otbaoLV ot &Rapaxo~o68~~CL r~L kK&O~~ SLOYYS~LO~ry u~~s~t~~~aL
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c'Y Cou ~ ~HOAou6 Co Kat ~ btbo0l-40A Co: 51) Und "da die Aloger den Anfang des Vierten Evangeliums kritisiert hatten, verweist Epiphanius darauf, daß ja auch die "Drei" nicht mit derselben Ql-4or,OUlJ Co beginnen. In dem polemischen Zusammenhang ist dies natürlich eine recht geschickte Wendung, daß Epiphanius auf mögliche Widersprüche zwischen den anderen Evangelisten hinweist, um die aus den Widersprüchen genährte Kritik an Joh zu relativieren. Darüber hinaus bemüht sich Epiphanius zu zeigen, daß die scheinbaren Widersprüche in Wirklichkeit einer bestimmten theologischen Aussage dienstbar sind. So hat der frühere Zöllner Mt sein Evangelium in besonderer Weise als Botschaft von der Vergebung der Sünden dargeboten, da er selbst ja diese Vergebung so reichlich empfangen hatte 52 ). Dieser Gedankengang wird ergänzt durch einen Vergleich der Vorgeschichten bei Mt und Lk, wobei ein gewisses D~fizit bei Mt festgestellt wird, der die beiden Annuntiationes nicht berichtet, ebenso nicht die Geburt des Täufers. Soll man 50) S. § 3.2 (S.34 ff.). 51) Pan. 51,4;11 (Holl II, S.252). 52) Pan. 51,5,1 f. (Holl II, S.253).
- 174 aber deswegen einen der beiden der Unwahrhaftigkeit zeihen? ouXt E~aa~~ E~tpLaEv 0 6EO s , 'eva OL LEaaapE s EuaYYEALaLat O~ECAOVLEs ~~pü~aL EüpwaLv ~~aaLos ~C EpyaawvLaI. xo.t LO: ~Ev G\J~~WVWr; }lat 'CauJ s xT)PUE;WaLv, 'eva oECt,waLv ÖLL EH L~~ aUL~~ nT)Y~s ~p~T)V~aL, La OE E~aaL~ napaAEL~ etvLa äAAO~ oLT)y~a~LaL, ~s ~Aa.~E napo: LOÜ nVE{,~aLos ~tpos L~S avaAoyCa s ; 53) Neben diese Ergänzungshypothese, die das Pneuma für die gesamte Disposition der Evangelien verantwortlich macht, stellt 'Epiphanius aber noch eine zweite, antihaeretische Hypothese. Die im Mt zu findende Genealogie Jesu habe nämlich mancherlei Haeretikern wie Kerinth und Ebion eine . Handhabe gegeben, Christus als (bLAO~ ~vepwnos zu betrachten 54 ). Daher hat Mk, der Gefolgsmann des Petrus, sein Evangelium auf Geheiß des Geistes erst bei der Erzählung vom dreißigjährigen Jesus begonnen und die ex.VW8EV HCXLaywy~ des göttlichen Logos nur implizit dargestellt. Allerdings hat auch dies wieder die böswilligen Haeretiker auf den Plan gerufen: können sie aus Mk die Psilanthropie auch nicht mehr belegen, so doch eine adoptianische Christologie 55 )! 80 mußte der hl. Geist nochmals eingreifen und den hl. Lukas, der ebenso wie Mk jetzt dadurch näher an die Ereignisse gerückt wird, daß er dem Kreis der 72 Jünger angehört haben sOll56), zur Abfassung eines Evangeliums anstoßen 57 ). Lk hat noch weiter als Mt ausgeholt und eine Reihe bisher übergangener Geschichten aufgezeichnet. 8eine antihaeretische Haltung hat Lk übrigens selbst im Prolog angekündigt, indem er sich gegen die vielen, die ein Evangelium zu schreiben versucht hätten, wendet derselben Auslegung des Prologs sind wir schon bei Origenes begegnet. 57a} 53) 54) 55) 56)
Ibid. 51,6,2 (8.254). Ibid. 51,6,6 ff. (8.255). Ibid. 51,6,10 ff. (8.256). Für Mk vgl. Pan.5l,6,11 (8.256), für Lk vgl. 51,11,6 (8.263). 57) Ibid. 51,7,1 ff. (8.256 f.). 5?a) S. oben S. 96.
- 175 Aber - jetzt kommen griechische Philosophen wie Porphyrius, Celsus und Philosabatios und fangen das Nachrechnen an, ob denn etwa die neugewonnenen Informationen über die Ereignisse bei der Geburt sich mit dem aus Mt Bekannten chronologisch vereinbaren lassen! Dabei lösen sich alle Probleme, wenn man nur erkennt, daß der herodianische Kindermord, wie aus Mt 2,16 zu entnehmen ist, erst zwei Jahre nach der Geburt Jesu stattfand, als nämlich die heilige Familie I-lV~I-lT)C; EVEX(X. wieder nach Beth-. lehem gepilgert war. Diese Lösung übernimmt Epiphanius in ihrem ganzen Umfang von Euseb 58 ). Für die Chronologie ergibt sich damit: Jesus wurde im 33. Jahr des Herodes geboren, im 35. Jahr kamen die Magoi, in seinem 37. Amtsjahr stirbt Herodes; auf ihn folgt Archelaos, der neun Jahre regiert. Daraufhin kehrt Joseph aus Ägypten zurück. Wer dies nicht einsieht, hat einen verdunkelten Verstand 59 )! Die Erzählung vom zwölf jährigen Jesus im Tempel hat auch antihaeretische Tendenz, zeigt sie doch, daß Jesus nicht als vollkommen erwachsener Mensch in die Welt kam, wie etwa Kerinth und Ebion annehmen. Lk beschreibt daher auch die Vorgeschichte so genau, um jenen Irrtum auszuschließen. Wenn Lk die Genealogie über Abraham bis zu Adam und schließlich zu Gott selbst hinausführt, so soll damit sowohl gegen die psilanthropische Haeresie die Gottessohnschaft als auch gegen die Gnostiker das wahre I'-lenschsein bekräftigt werden. Aber auch dieses ganz klare Zeugnis hat die Haeretiker nicht verstummen lassen 60 ). Daher zwang der hl. Geist endlich den neunzigjährigen Johannes, ~er sich aus Demut lange geweigert hatte, ein Evangelium zum völligen Erweis' der Göttlichkeit Jesu zu schreiben. Über die irdische Existenz Jesu mußte sich Joh 58) S. oben S. 135 f. 59) Ibid. 51,8,1-10,3 (S.258-261). 60) Ibid. 51,10,4 - 11,7 (S.261-263).
- 176 also nicht mehr verbreiten. Gewiß bekennt er die Fleischwerdung des Logos, aber er legt allen Nachdruck darauf, zu zeigen, daß es sich um den ewigen Logos handelt, der mit Jesus ins Dasein getreten ist 61 ). In größter Ausführlichkeit bemüht sich Epiphaniussodann um den Nachweis der Vereinbarkeit des Joh mit den Synoptikern. A.Bludau hat die weitschweifigen und nicht immer klaren Darlegungen unseres Kirchenvaters genau nachgezeichnet 62 ), und K.Holl hat in den reichen Annotationen in seiner Ausgabe alle wichtigen Berührungen des Epiphanius mit Vorgängern und Zeitgenossen festgehalten, so daß wir uns darauf beschränken können, die wichtigsten Gesichtspunkte hervorzuheben. Die zwei Fixpunkte, an denen Epiphanius seine Konstruktion aufhängt, sind der 8. Noyember, der als Tauf tag Jesu angese·hen wird 63 ), und der 6. Januar~ der als Geburtstag Jesu6~), Tag der Ankunft der Magoi 65 und Tag des Weinwunders zu Kana 66 ) gilt. Diese Daten hat Epiphanius aus der liturgischen Tradition seiner Kirche übernommen 67 ). Da nun nach Lk 3,23 Jesus bei seiner Taufe als apx6~EvOs Elvo~ ~s kTmV Tp~&uüvTa beschrieben_ wird, fand dieselbe kurz vor seinem 30. Geburtstag statt 68 ). Darauf habe sich Jesus ~O Tage in der Wüste der Versuchung
61) Ibid. 51,12,1 - 8 (8.263-265). 62) A.Anm. ~5 ?O., 8.97 ff. 63) Pan. 51,16,1 (Holl 11, 8.270). 6~) I~id. 51,16,1 (8.270) und 51,22,3 (8.284). 65) Ibid. 51,9,13 (8.261). 66) Ibid. 51,16,18 (8.272). 67) 8. K.Holl, Der Ursprung des Epiphanienfestes, in: Gesammelte Aufsätze 11, 1928, 8.128, und die Anmerkungen in der Ausgabe 8.270 ff. 68) Pan •. 51,16,2 (8.271).
- 177 ausgesetzt und sei dann für 2 Wochen und 2 Tage nach Galiläa gegangen 69 ) (an anderer Stelle 70 ) müssen es 2 Wochen und 3 Tage gewesen sein, damit die Rechnung aufgeht). Darauf folgt der Tag, an dem Jesus abermals zu Johannes dem Täufer kommt und dieser ihn jetzt nach Joh 1,29 als "Lamm Gottes" bezeichnet 71 ). Auf diese Weise hat Epiphanius die synoptische Tauferzählung in den joh.Rahmen eingepaßt. Am nächsten Tag, dem 18. nach der Versuchung, weist der Täufer zwei seiner Jünger auf Jesus hin, die daraufhin Jesus -nachfolgen (Joh 1,35 ff.)7 2 ). Am folgenden Tag erfolgte die Berufung des Philippus und Nathanael (Joh 1,43)73). Am dritten Tag, nachdem Jesus zum Täufer gekommen war, fand dann die Hochzeit in Kana statt 74 ). Damit kommen wir gen au auf den 6. Januar: 8. November + 40 Tage (Wüstenaufenthalt) + 16 Tage (Nazareth) + 2 Tage (Berufung der beiden Brüderpaare) + 1 Tag (Berufung des Philippus und Nathanael). Noch gründlicher hätte die Ergänzungshypothese nicht durchgeführt werden k~nnen75). Nach diesem ersten Wunder zog Jesus zwischen Nazareth und Kapernaum umher und tat Wunder, schließlich hielt er die Predigt in Nazareth (Lk 4,16 ff.)7 6 ). Erst nach der Gefangennahme des Täufers aber erfolgte die endgültige Berufung der Jünger, wie sie die Synoptiker be-
Ibid. 5l~16,3 (S.27l). Ibid. 51,30,4 (S.302). Ibid. 51,16,4 (S.27l). Ibid. Ibid. 51~16,6 (ß.27l). Ibid. 51,16,7 (S.27l f.). Hier interpretiert Epiphanius Joh 2,1 natürlich nicht im Sinne des Evangelisten, der die Hochzeit 3 Tage nach der letzten Jüngerberufung ansetzt. 75) Dieselben Überlegungen finden sich auch in Pan.5l,13, 7 - 10 (S.266 f.); 51,17, 2-7 (S.273 f.)j 20,1 (S.277)j 21,1 - 4 (S.278 f.)j 30,4 - 9 (S.302 f.); man sieht schon aus der Häufigkeit, wieviel dem Epiphanius daran gelegen war! 76) Pan. 51,17,8 (S~274). 69) 70) 71) 72) 73) 74)
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richten 77). Mit dieser Unterscheidung zwischen vorläufiger und endgültiger Berufung kann Epiphanius die stark differierenden Berichte ganz geschickt unter einen Hut bringen. Die törichten Gegner des Vierten Evangeliums haben nun auch die Behauptung ins Feld geführt, daß die Synoptiker nur von einem Passafeste Jesu wüßten, während Joh Jesus zwei Passafeste feiern lasse. Dagegen behauptet Epiphanius, alle (I) Evangelien wüßten sogar von drei Passafesten während der \~irksamkei t Jesu: zwei davon fallen in die Lehrtätigkeit, am dritten hat er gelitten. Zum Beweis dieser These führt Epiphanius eine recht komplizierte chronologische Berechnung vor, die mancherlei Fehler enthält 78 ); schon Petavius hat über diese Darlegung geurteilt: IIHac Epiphanii oratione nullum Sphingis aenigma perplexius esse puto ll 79). Der Leser wird mit einer solchen Fülle von Namen und Daten überschüttet, daß er dem Epiphanius gerne das Ergebnis abnimmt: Der Herr hat etwa 2 1/4 Jahre öffentlich gewirkt,. Nun weiß natürlich auch Epiphanius, daß der Prophet vom EVLav~o~ ~EK~~' KVPCOU geHproehen hat. Aber das führt ihn nicht wie etwa Clemens Alexandrinus uO ) zu der Annahme einer nur einjähriGen \Virksamkeit Jesu. Vielmehr sieht Epiphanius das erste Jahr,der \";irksamkeit Jesu, das vor allem in Joh 1-5, 15 beschrie~0n wird, als kVLav~o~ 6EK~6~ an, weil Jesus in diesem Zeitraum noch keinen öffentlichen \Jiderspruch gefunden habe; erst ab Joh 5,16 beginnen die Verfolgungen durch die Juden, die das zweite Jahr bestimmen: Ibid. 51,17,9 (5. 274). Pan. 51,22,1 ff. (S. 233 fi.); zu den Fehlern vgl. die An~erkungen von Holl und die Darstellung von A.Bludau, ~.Anm. 45 a.O., 8. 106 f. Zitiert nach Bludau, a.Anm. 45 a.O., S. 106. ci. oben S. 66 f.
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, "\"\ ,~ • ~ ß. ~, J _ 81) ~a~apEL~aL, anna nav~E~ nIJ~W~ nxouov au~ou Einen Beweis für die Behauptung, auch die Synoptiker '"
verträten die zweijährige Wirksamkeit Jesu, möchte Epiphanius aus Lk 6,1 entnehmen, aber auch diese Ausführungen sind recht aenigmatisch82 ). Aus den Berechnungen über den Todestag Jesu soll noch auf die Auslegung von Mt 26,2 ("Ihr wisset, daß in zweien Tagen Ostern ist ••• ") hingewiesen werden. Epiphanius deutet dieses Wort dahin um, daß das Osterfest erst in zwei Tagen gefeiert werden sollte, während die Juden ihr Passa um zwei Tage vord.atieren. Der Abschnitt, in dem unser Kirchenvater die Richtigkeit dieser Auslegung durch chronologische Rechnereien beweisen will~ "enthält ungewöhnliche Schwierigkeiten", wie K.Hol1 83 resignierend angemerkt hat. In diesen verwirrten Ausführungen 84 ) erreicht die antihaeretische Pseudogelehrsamkeit des Epiphanius einen Höhepunkt. Aber Epiphanius erreicht, was er erreichen will: Sowohl die synoptische als auch die johanneische Passionschronologie haben recht! Jesus hat nach der offiziellen Chronologie ein Passamahl gegessen lLDd dami t das Gesetz lI erfilll t 11 8 5), aber da ja das Passa eie;entlich zwei Tage später sein- sollte, hat auch Joh recht, der Jesus als wahres Passalamm darstellt. Da aber Epiphanius diese letzte Folgerung nicht ausspricht, ist sie bisher auch nicht erkannt worden; aber sie scheint uns
81) Pan. 51,25,1 (S.294); vgl. Pan.20,2~5 (Holl I, 8.229), 51,21,29 (S.283) und 51,27,4 (8.298;. 82) Pan. 51,31 (8.304 f.). 83) Anmerkung zu Pan.5l,26,1 (S.295). 84) Pan. 51,26,2 ff. (S.295 ff.). 85) Ibid. 51,27,3 (S.298).
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die naheliegende Erklärung für die eigenartige Datumsverschiebung zu sein. Wir fassen kurz die Eigenart der von Epiphanius gebotenen Apologetik zusammen: (1) Die Vierzahl der Evangelien ist antihaeretisch bedingt; der hl. Geist mußte seine jeweiligen FehlleistunGen durch ein neues Evangelium korrigieren. (2) Joh wird in traditioneller Weise die Ergänzung und Überbietung der Synoptiker zugeschrieben.
(3) Neu ist, daß Epiphanius die Übereinstimmung der Evangelien bis auf den Tag genau errechnet, wobei er Daten des Festkalenders seiner Kirche zu Grunde legt. (4) Trotz der überwältigenden Fülle von Daten, die er herbeigeschl€ppt hat, hat Epiphanius nicht eigentlich einen neuen Gesichtspunkt ins Spiel gebracht 86 ), geschweige denn, daß man eine seiner Lösungen sachgemäß nennen könnte.
(5) Mit seinem großen Gegner Origenes hat Epiphanius eines gemein: die überzeug\lng, daß es tatsächliche Widersprüche _ in -dem inspirierten Buch nicht-geben dürfe. Doch hat das enge Inspirationsverständnis bei beiden verschiedenartige Auswirkungen gezeugt: Origenes hat die Widersprüche in einem für sein System fruchtbaren Sinne mißverstanden, während Epiphanius in kleinlichep Rechnereien befangen bleibt.
86) Dieser Vorwurf würde unseren Kirchenvater allerdings nicht treffen können, hat er doch im Vorwort des Werkes die ~L~o~aeCa zu seinem Ideal erklärt (Proömium I, 2,4, Holl I, S.170).
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5. Theodor von Mopsuestia O.F. Fritzsche, der vor 125 Jahren die erste wissenschaftliche Darstellung Theodors von Mopsuestia geschrieben hat, . bezeichnete Theodor als denjenigen, "qui theologiam Antiochenam ad eam quam nacta est perfectionem evexit" 87). Interessant ist, die Entwicklung des katholischen Urteils über diesen vom fünften allgemeinen Konzil 553 verurteilten Theologen zu beobachten. Lange Zeit wird Theodor auf Grund seiner Heterodoxie abgelehnt, wobei freilich sein Scharf·sinn und seine Gelehrsamkeit doch eine gewisse Anerkennung finden. So schrieb H. Kihn: "Theodor war reich begabt, wissbegierig, allseitig gebildet, aber kein tiefer Denker ••• Er war einer jener unbändigen Geister, welche der eigenen Einsicht und Autorität unbedingt vertrauen, die Leistungen der Vorzeit missachten und für ihre persönlichen Ansichten und Aufstellungen eingenommen, die historische Entwicklung unterschätzen, welche die Glaubenswissenschaft der Gegenwart ••• mit tausend Fäden an die Vergangenheit .. ft" 88) • k nup L. Pirot faßte sein Urteil in dem lapidaren Satz zusammen: "Ubi bene, nemo melius; ubi male, nemo peius" 89). o. Bardenhewer rügte d~n "fast an Rationalismus streifenden Subjektivismus und Kritizismus" Theodors 90 ), ohne seiner positiven Leistung gerecht zu werden. Einen Wandel dieser zwiespältigen Beurteilung Theodors sucht nun R. Devreesse 91 herbeizuführen.Er will die Verurteilung von. 553 als Irrtum entlarven, hat damit aber nicht ungeteilte Zustimmung gefunden 92 ). Altaner / Stuiber 87) O.F.Fritzsche, De Theodori Mopsuesteni vita et scriptis commentatio historica theologica, 1836, zitiert nach dem Abdruck bei MPG 66, Sp. 9-78; Zitat Sp. 9/10. 88) H.Kihn, Theodor von Mopsuestia und Junilius Africanus als Exegeten, 1880, S. 44. Ähnlich schon Ph.Hergenröther, a.Anm. 3 a.O., S. 21. A.Anm. 3 a.O., S. VI. 90 A.Anm. 13 a.O., S. 312. 91 R.Devreesse, Essai sur Theodore de Mopsueste, 1948. 92 Vgl. J.Quasten, Patrology III, 1960, S. 414 f., mit weiteren Literaturangaben.
89~
- 182 jedoch haben sich mit Devreesse davon überzeugt, daß Theodor "in der Christologie im wesentlichen orthodox lehrte" 93~ und können nun endlich auch seine "mit einem in der al~en Kirche ganz ungewöhnlichen kritischen Scharfsinn" vorgenommene exegetische Arbeit unbefangen würdigen 9 4 ). U. Wickert hat jedoch mit Recht auf die Unsachgemäßheit solcher Urteile hingewiesen. "Reserve gegenüber dem von der Kirche verurteilten oder Wohlwollen gegenüber dem vermeint-, lieh doch ziemlich orthodoxen Theologen lassen den Bischof nicht dazu kommen, das zu sein, was er selbst wirklich ist" 95). Wir werden daher bei unserer Betrachtung seiner Evangelienexegese alle~n die exegetische Leistung Theodors am Prüfstein der vJidersprüche zwischen den Evangelien erproben. Angesichts der sonstigen beachtlichen exegetischen Leistungen Theodors - er hat beispielsweise als einziger Exeget der Alten Kirche den Charakter des Hohen Liedes erkannt und die Psalmen richtig auf Ereignisse in verschiedenen Epochen der Geschichte Israels bezogen - sehen wir dieser Untersuchung mit großen Erwartungen entgeg~n.
Als Quellen stehen uns zur Verfügung: Fragmente der Mt- und Joh- Erklärung 96) und eine syrische übersetzung der vollständigen Job- Erklärung 97), die nach den Untersuchungen von K. Scbäferdiek als insgesamt zuverlässig angesehen werden kann 98). In der älteren Literatur wird die Evangelienauslegung
93j 94
A.Anm. 1 a.O., S. 320. Ibid. S. 319. 95 U.Wickert, Studien zu den Pauluskommentaren Theodors von Mopsuestia als Beitrag zum Verständnis der antiocheniscben Theologie, 1962, S. 3. . . 96) Die Mt-Fragmente sind abgedruckt bei J.Reuss, MtK, S.96 ff.; die Joh-Fragmente bei R.Devreesse, a.Anm. 92 a.O., S. 305 ff. 97) Tbeodori Mopsuesteni Commentarius in Evangelium Johannis Aposto1i, ed. J.-M. Voste, CSCO 115, 1940; -, interpretatus est J.-M. Vost~, CSCO 116, 1940. 98) K.Schäferdiek,Das Johannesverständnis des Theodor von Mopsuestia, mschr. Diss. Bo~n 1958, I Text, II Anmerkungen, hier I, S. 20 ff.
- 183 Theodors nicht weiter berücksichtigt; noch R. Devreesse beschränkt sich auf die Ausweruung der alttestamentlichen Kommentare. Die schon erwähnte Untersuchung von U. Wickert stellt eine umfassende theologiegeschichtliche Würdigung Theodors auf Grund der Paulusauslegung dar. Unseren Fragenkreis berühren die Arbeiten von K. Schä~erdiek 99), R.A. Greer 100) und F.M. Wiles 101). Schon im Prolog der Joh-Erklärung 102) legt Theodor die Grundsätze seiner Auffassung des Verhältnis~es der vier Evangelien in präziser Weise dar. Die"Gläubigen in Kleinasien hätten Johannes die drei zuerst entstandenen Evangelien zur Prüfung vorgelegt, da er ja von Anfang an mit dem Herrn zusammen war, noch vor Mt. Der Apostel habe nun zwar den Wahrheitsgehalt dieser Schriften bestätigt, jedoch das Fehlen einiger Fakten aus dem Leben Jesu, insbesondere der haupt sächlichsten Wunder, vor allem aber das fast völlige Fehlen des Lehrgehaltes moniert: g~~a~ ••• ~paxta ~~v a~TOr, Kapa\~\~r~ea~, -
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Auf diese einigermaßen vernichtende Kritik hin Bei Johannes gebeten worden, das notwendigste Lehrmaterial und die ausgelassenen Erzählungen nachzuliefern, was er auch tat. Um des Lehrgehaltes willen beginnt Joh mit den o6y~aTa T~, e~6T~TO" bringt aber auch die Einzelheiten aus dem Leben Jesu, beginnend beim Täufer. Joh bemüht sich, die Ereignisse in chronologischer Ordnung darzubieten; von dem, was die anderen schon gebracht hatten, ließ er nur das weg, was entbehrlich war. Und diese Genauigkeit gilt auch für die folgenden Ab99) 100) 101) 102)
A.Anm. 99 a.O., I, S. 70 f. Theodore of Mopsueste, Exegete and Theologian, 1961. The Spiritual Gospel, 1960, S. 16 ff. Vgl. G (= grieche Fragmente nach Devreesse, a.Anm. 92 a.O.), S. 305,1 - 307,4; T (= syrischer Text nach Voste, a.Anm~ 98 a.O.), S. 5,18-11,19; U (= latein. Uber~etz~ng vonT durch Voste, a.Anm. 98 a.O.), S. 2,31-7,8. D~e S~g len sind die von K.Schäferdiek gebrauchten; wir zitieren nach Seite und Zeile der Ausgaben. G 305, 22-306,2; T 7,10-12; U 3,35-38.
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schnitte: Joh allein bringt das erste Wunder Jesu. Vom lehrhaften Stoff, den die anderen schon gebracht haben, wiederholt er nichts, ebensowenig die Wunderberichte der anderen, es sei denn, er verfolge damit eine besondere Absicht, wie beim Speisungswunder, das Joh wiederholen mußte, da er eine besondere Lehrunterweisung daran knüpfte. Aus dem AngefÜhrten wird deutlich, daß Theodor den Hl. Geist nicht für Abfassung oder Gestaltung des Vierten Evangeliums verantwortlich macht. Johannes hat aus seiner besseren Erinnerung oder seiner tieferen theologischen Einsicht heraus die Synoptiker korrigiert oder ergänzt. Von einer Inspiration der Evangelisten ist, anders als bei Davi~ oder den Propheten 104), nie die Rede. Theodor hat also die altbekannte Ergän2ungshypothese ganz entschlossen zu Ungunsten der, Synoptiker auch in historicis angewendet: Nur Joh hat die richtige Chronologie, selbstverständlich ist er in dogmaticis der verläßlichere Führer. Ähnliches schien uns schon bei Apollinaris der Fall zu sein. Die mühseligen Rechenkunststücke eines Epiphanius werd~n damit überflüssig. Man wird sagen müssen, daß Theodor das - eigentlich nicht recht erklärliche - Interesse des Joh an chronologischen Angaben durchaus richtig wahrgenommen hat, ebenso das weitgehende Desinteresse der Synoptiker am "Rahmen der Geschichte Jesu"; verständlicherweise vertraute er sich also Joh als Gewährsmann an. Dieser Einsicht folgt Theodor auch weiterhin. Die Hochzeit zu Kana fand am dritten Tag nach der Taufe statt; dann aber,kann die Versuchung nicht gleich anschließend an die Taufe stattgefunden haben, wie Mt berichtet: 1°5)
104) Vgl. R. Devreesse, a.Anm. 91 a.O., S. 70 f.; 79 ff. 105) T 55,18-56,2; Ü 39, 1-13.
- 185 IIDenh nicht um die Reihenfolge jener[Ereignisse] hat sich Hatthäus gekümmert, sondern die Ereignisse selbst hat er nur b~schriebenlll06). Wie befreiend wirkt dies nach den gezwungenen Versu~hen des Epiphanius, die verschiedenen Berichte so ineinander zu verschachteln, daß sie einander bis auf den Tag genau ergänzten. Auch die Bedeutung von Joh 3,23 entgeht unserem Kirchenvater nicht; er vergleicht wieder~I\lt 4,12//Nk 1,141/Lk 4,14 und stellt fest, daß Joh 2/3 die bei den Synoptikern übergangene Wirksamkeit Jesu vor der Gefangennahme des Täufers berichtet wird l07 ). Ein Problem dabei ist allerdings die Tempelreinigung, die ja von den Synoptikern so ganz anders eingeordnet wird. Hier entscheidet sich Theodor nicht: IIDieses - glauben wir - wurde entweder zwei Mal getan (auch dies ist wahrscheinlich), oder - weil es nur einmal geschehen ist -. besorgte er sich (und) gefiel[es]ihm,es zu berichten in der Erzählung in der Reihenfolge; die anderen aber haben nur 108 ) (sie) die Erzählung berichtet 11
106) T 55, 30-56,2:
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! (NB. Wir haben die Estrangelaschrift der Edition in die geläufigere Sertoschrift übertragen. Selbstverständlich war uns die Übersetzung von Vost~ eine Hilfe, aber wir haben alle Texte aus dem Syrischen übersetzt und uns auch bemüht, das eigentümliche Sprachkolorit zu erha1tenJ, 107) G 323, 13-19; T 75, 20-76,1; Ü 53, 11-21. 108) T 76,2 ffo; Ü 53,22 ffe; Zitat T 76, 8-11; Ü 53, 28-31: ~.~~/ ~I t:}...il:-. "/1 ~Pca..0 viJ th
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Bei der Einzelexegese wird aber doch klar, daß Theodor der Annahme nur einer Tempelreinigung zugeneigt ist. Joh hat diese Erz~hlung wiederholt, obwohl sie schon von den Dreien berichtet wurde, weil er einiges zusätzlich berichten wollte, nämlich den Einwand der Pharisäer, den Hinweis auf die Auferstehung und das Jüngerunverständnis l09 ). Noch freimütiger äußert sich Theodor anläßlich der vielfach gerügten Widersprüche in den OstergeschichllO ten ). Er stellt fest: Die Hauptdaten stimmen bei allen vier Evangelisten überein; sie geben denselben Tag an und sie berichten, daß Frauen, die den Leichnam Jesu ehren wollten, als erste ans Grab gekommen sind - was soll man da noch über Kleinigkeiten streiten? Ganz im Gegenteil! "Denn, wenn sie hätten täuschen wollen, (dann) hätten sie den gleichen Gedanken in allen ihren Aussagen zugerichtet. Und nichts hinderte jene, die lügen wollten, daß sie sich hin zu einem versammelten und die größte EiniGkeit in ihren Erzählungen be-
wahrten"l~l).
Dies ist ein außerordentlich gewandter apologetischer. Schachzug, daß Theodor die Widersprüche im Kleinen nun sogar als Beweis für die Wahrheit der Hauptsache ansieht. Die Tatsache, daß sich gelegentlich widersprüchliche Angaben in nebensächlichen Punkten finden, ist schließlich auch darin begründet, daß ja nur Nt und Johmit dem Herrn selbst zusammen waren, nicht aber
109j T 63, 4-23; Ü 44, 23-4512. 110 U 244, 13-245,7" T 340,~5- 342,1. 111 T341,13- 17; n- 244,27-31: 0001
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Noch au~~ühr1iclier ist dieser Gedanke wiederhOIt~n T 351, 30-353,2; U 252, 15-32.
- 187 Mk und LkI Dies ist zwar nicht neu, neu ist jedoch die Konsequenz, mit der Theodor diese Theorie durchhält. So erklärt er die widersprüchlichen Angaben über die Todesstunde Jesu, mit denen sich Euseb und Ambrosiaster sch~n beschäftigt hatten l12 ), damit, daß ~& selbst kein Augenzeuge gewesen sei, sondern die Ereignisse nur von Petrus oder einem anderen Apostel (1) erfahren habe, und schließlich motiviert er derartige Abweichungen durchaus richtig auch psychologisch; es kommt eben immer wieder vor, daß verschiedene Meinungen über Einzelheiten und über den Zeitpunkt eines Ereignisses auch unter Augenzeugen aUftreten l13 ). Umgekehrt bevorzugt Theodor den markinischen Bericht von der Verleugnung, da Mk ja infolge seiner engen Beziehung zuPetrus, der Hauptperson dieses Ereignisses, hier einen genaueren Bericht geben konnte als die anderen Evangelisten l14 ).- Ähnlich argumentiert Theodor im Hinblick auf die Passionsgeschichte: Da fast alle Jünger geflohen waren, ist es kein Wunder, daß die Angaben über die nächtlichen Ereignisse so stark differieren l15 ). Joh ist natürlich die große Ausnahme, daher ist er der Zuverlässigste.
112) S. oben S. 142 und 158 f. 113) T 333,27 - 334,4; V 239 3-9; G 411, 21 - 25; vgl. auch T 343,24 - 344,1; fi 246, 20-25. 114) T 265, 2-7; Ü 189,10-13; G 385, 21-24. 115) ~ 3 2 8,29-329,10; U 235,24-33; vgl. T 341~24-26; U 245, 2-3.
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Theodor ist der erste altkirchliche Exeget, der Widersprüche zwischen den Evangelien für möglich hält und sie nicht mit tiefsinnigen überlegungen wegerklären muß. Der Grund liegt wohl darin, daß er die Evangelien einfach als Berichte ansieht, ohne sie durch die formale Autorität des hl. Geistes zu stützen. Daher lconnte Theodor auch versuchen} nach "einer exegetisch dem Evangelium selbst abzugewinnendenCharakterisierung, einer dieser Schrift eigenen inneren Ausrichtung" zu fragen l16 ). Nach Schäferdiek sieht Theodor diese besondere Ausrichtung des Vierten Evangeliums in der Absicht, die Juden wegen ihres Unglaubens an den. Herrn anzuklagen l17 ). Trotz seiner ergänzenden Funktion ist das Vierte Evangelium etwas Eigenes, Neues,.Besonderes; es unterliegt nicht dem uniformierenden Zwang des hl. Geistes. Die eben skizzierte erstaunlich freie Auffassung hat Theodor natürlich nicht daran gehindert, in einzelnen Fällen in teilweise traditioneller Weise zu harmonisieren. Der jOhanneische Bericht von der Salbung ergänzt den matthäisehen durch die Nennung der l'vIaria, des Judas und die Angabe, daß nicht nur das Haupt, sondern auch die Füße Jesu gesalbt worden seien l18 ). Den Einzug in Jerusalem hat Mt schon ausführlich berichtet, darum begnügt sich Joh mit einem kurzen Refer~t. Die ~&sL~ der Ereignisse erforderte es, daß Joh überhaupt davon sprach l19 ). 116) K.SchäferdieK; Theodor von Mopsuestia als Exeget des vierten Evangeliums, in: Studia Patristica X, 1970, S.244. 117) Ibid. 118) T 236,8-30; Ü 168, 7-28; G 370, 1-21. 119) ~ 237~18 - 238,6; Ü 169,9-26; G 371, 17-25.
- 189 Im Bericht von der Gefangennahme Jesu übergeht Joh die Heilung des Nalchus 120 ). Wenn Joh berichtet, Jesus habe sein Kreuz selbst getragen, während nach den Synoptilcern Simon von Kyrene das Kreuz Jesu habe tragen müssen, so ist beides richtig. Zunächst mußte Jesus das Kreuz selbst tragen, erst unterwegs wurde es dem Simon aufgeladen 121 ). Die. 122) vorgesc hloagene HarmonlSle.. se schon von Orlgenes rung begründet Theodor recht geschickt mit Lk 23,26: "Während sie ihn wegführten, ergriffen sie Simon von Kyrene ••• ". Auch die auf den ersten Blick als widersprüchlich erscheinenden Osterberichte lassen sich durchaus harmonisieren. In eingehender Untersuchung zeigt Theodor, daß alle vier Evangelisten denselben Zeitpunkt für die Auferstehu~g angeben. Im übrigen hat Joh die Ereignisse in der richtigen Reihenfolge gebracht. Nur an einem Punkt ergänzt Theodor die johanneische Darstellung. Die Drei berichten, daß zuerst mehrere Frauen zum Grabe geeilt seien, während Joh nur Maria Nagda1ena erwähnt; dies läßt sich durch die Annahme erklären, daß Joh eben nur Naria nennt, weil sie für den Fortgang der Erzählung bedeutsam war, die anderen Frauen, die mit ihr waren, hingegen nicht. Diese Hervorhebung der besonderen Anhänglichkeit Marias gehört mit zu dem Skopus der johanneischen Darstellung, sie ist gleichsam das Gegenbild zu den wegen ihres Unglaubens getadelten Juden 123 ). Wir fassen die Eigenart der Betrachtungsweise Theodors kurz zusammen.
120) 121) 122) 123)
T 325,10-30; Ü 233,4-20; G 408,22-27. T 335,9 - 336,1; Ü 240, 7-27. . S. oben S. 107. T 340,25 ff.; Ü 244, 11 ff.; G 413 f.
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1) Theodor betrachtet dle Evangelien konsequent als ~no~v~~ovE6~~~a
~~v
&noa~6\wv;
die Wahrheit der Evangelien liegt-daher nicht in irgendeiner Inspiration begründet, sondern nur in dem Berichteten selbst. Dieser Gesichtspunkt ist in der Literatur, soweit wir sehen, noch nicht zur Geltung gebracht worden. 2) Die Unzulänglichkeit der menschlichen Beobachtungsgabe oder des Gedächtnisses bringt naturgemäß je und dann Widersprüche in Orts- und Zeitangaben mit sich. Unter diesen Umständen ist eine Harmonisierung überflüssig; man muß sich eben dem durch seine Nähe zu den Ereignissen verläßlichsten Zeugen an?ch1ießen. Die Widersprüche in Nebensachen bekräftigen nur um. so mehr die Wahrheit der übereinstimmend berichteten Hauptsache. 3) Nach allem, was wir in unserem problemgeschichtlichen Zusammenhang bisher gesehen haben, ist diese Auffassung Theodors geradezu revolutionär zu nennen. Von unserem heutigen Standpunkt aus müssen wir freilich fragen, ob Theodor nicht den kerygmatischen Charakter der Evangelien, die ja nicht nur - und nicht einmal in erster Linie - Geschichtsdarstellung sein wollen, zu gering veranschlagt hat. Wenn im Laufe der Tradition oder durch redaktionelle Eingriffe Umbildungen des Stoffes erfolgten, so stand dahinter zumeist eine theologische Absicht. Insofern hat Origenes, der Ahnherr der Alexandriner, gegen Theodor, den bedeutendsten Antiochener, doch recht behalten, wie unzureichend seine auf der Inspirationslehre beruhende Begründung dieses Phänomens und die Auswer-
- 191 . elnze . 1 nen seln ." magen 124-) • t ung 1m 6. Johannes Chrysostomus Im Gegensatz zu seinem Freund und Schulgenossen Theodor stand Johannes Chrysostomus niemals auch nur im leisesten Verdacht der Heterodoxie und daher hat auch seine Schriftauslegung stets 'wohlwollende Beachtung gefunden. Schon Ph. Hergenröther schrieb ihm das Verdienst zu, "die antiochenische Schule von der Gefahr, die ihr durch Theodor's Verirrungen drohte, befreit, ihre Richtung geläutert und so, zugleich mit Theodoret, sie auf ihren höchsten Glanzpunkt erhoben zu haben,,125). Bardenhewer rühmt seine Verbindung von Verstand und Gemüt: "Vielleicht hat kein Zweiter den heiligen Text so gründlich und besonnen, ••• so nüchtern und trocken auszulegen und doch zugleich so tief und allseitig, so zart und feinsinnig fruchtbar zu machen gewußt für alle Z\"Jeige des religiösen Lebens,,126). Auch Al taner/3tuiber versagen ihm ihre Ai:"lerkenn.ung nicht: "Kein Kirchenvater hat den heiligen Text so gründlich un.d zugleich so praktisch erklärt wie er, und auch heute noch liest man sein.e Homilien nicht nur mit Frucht u~d Genuß, sondern, vorn exegetischen Standpunkt aus gesehen, auch oft mit voller Zustimmung, was
124-) Gegensätzlich urteilt R.A.Greer (a • .Anm. 101 a.O., 3.116); "Although 'I'heodore ••• takes ar.. attitude toward'the composition of the Gospels that hardly accords with the modern. 'document' theories, the spirit of his approach to the problem is one that 5eems r:lUch saner than that of rnuch of the i:e\'l Testament criticisD with which our generation is afflicted". Dieses Urteil dürfte doch wohl auf einer unzureichenden Kenntnis der form- und traditionsgeschichtlichen Probleme beruhen. 125) A.Apm. 3 a.O., S.4-2. 126) A.Anm. 2 a.O., 3.356.
- 192 man von den Predigten der andern Väter, AUßUstinus eingeschlossen, nicht immer sagen kann,,127). Ob man des Chrysostomus Homilien "mit Frucht und Ge".rinn 11. noch lesen könne, ob seine Auslegung den biblischen Text II zart und feinsinnig fruchtbar zu machenIl verstanden habe, kann natürlich nicht allgemein gültig entschieden werden; ob Chrysostomus aber wirklich einen Fortschritt gegenüber Theodor von Nopsuestia bedeutet und ob seine Exegese heute noch Beachtung verdient 128 ), kann und soll im beschränkten Rahmen unseres Themas geprüft werden. Wir können uns dabei in der Darbietung des f.laterials beschränken, da in neuerer Zeit eine spezielle Untersuchung über die Harmonistik des Johannes Chrysostomus veröffentlicht wurde, welche die erste Hälfte der MtHomilien verarbeitet hat, deren Autor, J.D. Quinn, bei Chrysostomus vorbildlich findet eine II combination of discretion and reverence as well as the solid foundation in Tradition for an exegetical approach based on the literary form of the documents he handles,,129). Über das Schriftverständnis unseres Kirchenvaters hat H.Eising 130 ) neuerdings gehandelt; darüber hinaus
127) A.Anm. 1 a:O., S.324. 128) In diesem Sinn äußert sich auch H.v.Campenhausen, a.Anm. 45 a.O., S. 140. 129) J.D.Quinn, Saint John Chrysostom on the History in the Synoptics, in:CBQ 24, 1962, S. 140-147; Zitat S. 147. 130) SChriftgebrauch und Schriftverständnis in den f1atthäus-Homilien des Johannes Chrysostomus) in: Or Chr 4. Serie 12. Bd., 1964, S. 84-l06.
- 193 bleibt die außerordentlich materialreiche alte Arbeit von S.Haidacher13l ) immer noch grundlegend. Wenngleich wir nun b~i Chrysostomus,auf eine Reihe von Aussagen stoßen, die wir schon bei Theodor von Mopsuestia ~ennengelernt haben - ob _es sich um gemeinsame Schultradition oder um Übernahme aus dem Gedankengut des Freundes handelt, ist für uns nicht wesentlich -, stehen alle diese Äußerungen bei Chrysostomus unter einem Vorzeichen, dessen Fehlen uns bei Theodor so wesentlich erschien, nämlich dem Vorzeichen einer streng gefaßten Inspirationslehre. Insonderheit von Johannes sa~t er sie klar aus: ~, o~v oLKt~~ ~oO &~~~w" oLb~ ~oU ULOO ZEßEbaCou, a~~a ~oO ~a ß&e~ ~oO eEOÜ Etbo~o" ~oü ITvE~~a~o, ~~yw, ~a~~~v avaKpouo~~vou ~~v ~~pav,
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A 132) av Etn~ ••• Dem entspricht, daß Chrysostomus seiner Wiedergabe der alten Theorie, -Johannes habe sein Evangelium nach Kenntnisnahme der Synoptiker geschrieben, ausdrücklich hinzu-
~nEp
~ügt ~oü Xp~a~oO KLv~aav~o,
aL~ov
~oLn6v133).
Selbstverständlich gilt dies nicht nur für Joh; Chrysostomus führt aus, daß alle ApQstel vom Geist Gottes erfüllt gewesen seien und fährt dann fort: a
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er 'im Geiste Gottes redend' oder 'der Geist Gottes in ihm redend' gedacht wird. 2. Genauer bestimmt, ist bei Abfassung der hl. Schrift der Hensch nicht Gott nebengeordnet, sondern untergeordnet und zwar als von Gott gebrauchtes \verkzeug. Diese Unterordnung ist eine solche, daß der menschliche Einfluß im Verhältnis zum göttlichen nahezu verschwindetll135~ Dieser Ausgangspunkt muß im Auge behalten werden, wenn nun dargestellt wird, wie Chrysostomus die von Theodor her bekannten apologetischen Darlegungen über die Widersprüche bringt 136 ). Zunächst stellt das übereinstimmende Zeugnis der 4 Evangelien einen mächtigen Beweis für die Wahrheit des Evangeliums dar. Aber auch die Widersprüche - Zeit- und Ortsangaben sowie den Wortlaut betreffend - beweisen, daß keine betrügerische Verabredung zwischen den Evangelisten stattgefunden hat; denn in den Hauptaussagen stimmen sie 'aufs beste überein : ~TL 0 eEO~ äv8pwno~ EytvETO, ~TL eau~aLa EnoC~aEV, OLL EaLaupwe~1 ÖLL ELa~~1 ÖLL avtaL~1 ÖLL &V~~eEV, ÖLL ~t~~EL KpCVELV, ÖLL ~bWKE aWL~pLwbEL~ EVLO~&~, ÖLL oLK EVaVLCov L~ TIa~aL~ v6~ov ELaDvEYKEV, ÖLL yt6~, ÖLL MOVOYEVD~, .,OLL yv~aLo~, , ... , , C - T I ' ••• 137) .' OLL L~~ aUL~~ ~Ua a~ L~ aLpL Im übrigen ergänzen die Evangelien einander aufs Schönste, denn jedes von ihnen_muß ja80ndergut besitzen, um eine Existenzberechtigung zu haben. Auch Auslassungen bedeuten keinen Widerspruch: Der eine wollte sich eben kürzer fassen, der andere ausführlich erzählen138 ).
135) A.Anm. 131 a.O., 8.9. 136) In allen genannten Darstellungen ist diese Tatsache nicht bedacht, daß Chrysostomus hier weitgehend unselbständig ist. 137) Mt Hom I (MPG 57, Sp. 16 f.). 138) Mt Hom XXVII (ibid. Sp. 343).
- 195 Was Chrysostomus nur zugibt, sind Verschiedenheiten, die jedoch keinen kontradiktorischen Widerspruch beinhalten: xat yap ~~Ep6v Ecr~L oLa~6pw~ ELnEtv, xat ~axo~tvou~ ELTIEtV. 139) Ein Beweis für diese grundsätzliche Einheit ist ja schließlich die weite Verbreitung und allgemeine Anerkennung des christlichen Glaubens: nw~ EnLcr~Eue~ ~a 6La~ovoüv~a; nw~ Expa~~crE; nw~ Evav~Ca AEYOV~E~ E8au~aZ:ov~o, EnLcr~Euov~O_, a.VEX~PU~~ov~o , L 14-0) Ud.' . ht ~~~ OLXOU~~V~~; n W18 nlC anders zu erwarten, verweist unser Kirchenvater auch auf die helfende Kraft des Geistes, der stets ein richtiges Verständnis dieser Fragen ermöglichte: 8ECa yap 6uva~L~ ~v ~ nav~a EnLoücr~ xat xa~opeoücra , _ 141). . . mx pa nacr LV. Daß \vir die Gesamtauffassung des Chrysostomus mit Recht von seiner Inspirationslehre her verstehen, zeigt ein Blick auf die konkreten Probleme und ihre Lösungen 142 ). In der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle kommt Chrysostomus nämlich zu dem ErBebnis: Sowohl der eine als auch der andere hat recht. Die Jüngerberufung hat zweimal stattgefunden, wie aus den verschiedenartißen Berichten hervorgeht. Die erste Berufung hat Joh erzählt; nach der Gefangennahme des Täufers hatte Jesus die Jünger entlassen und sich selbst auch zurückgezogen, später aber ~olt er die Jünger wieder zu sich. Diese Darlegung ist eine recht vereinfachte Wiedergabe dessen, was Epiphanius s~hon vermutet hatte 143 ). nav~axou
139) 140) 141) 142)
Ibid. eSpe 18). Ibid. Ibid. Die Texte sind großenteils bei S.Haidacher, a.Anm.131 a.O., S.57 ff., und bei J.D.Quinn, a.Anm. 129 a.O., S. 143 ff., angegeben. 143) Mt Horn XIV (~PG 57, Sp. 218 f.); zu Epiphanius s.oben S.177 f.
- 196 Die Fastenfrage (Mk 2,18-20) wurde zweimal gestellt, sowohl von den Pharisäern (Lk) als auch von den Johannesjüngern143a ). Wenn der Hochpriester, während dessen Wirksamkeit David die Schaubrote aß, bei Mk Abiathar, bei Mt aber Abimelech genannt wird, so folgt daraus, daß er zwei Namen trug144 ). Nach Mt 18,1 fragen die Jünger Jesus, wer der Größte sei, nach Mk 9,33 streiten sie darüber untereinander; sie werden also dieses und jenes getan haben145 ). Die Frage nach den bzw. dem Besessenen von Gadara löst Chrysostomus ganz wie Origenes: Es waren natürlich zwei Patienten, Lk hat aber nur den schwierigen Fall erzählt 146 ). Bei seiner Exegese der Blindenheilung Mt 20,29 ff., wo sich ja ein analoges Problem stellt, geht der Kirchenvater gar nicht darauf ein 147 ). Nach Mt 22,35 kam der Gesetzeslehrer zu Jesus in versucherischer Absicht, nach Mk 12,34 wurde'ihm aber hohes Lob zuteil; auch hier sieht Chrysostomus keinen Widerspruch, we~n man annimmt, daß jener zwar zunächst Jesus versuchen wollte, aber dann doch von Jesu Antwort getroffen war148 ). Selbstverständlich hat Jesus den Tempel zweimal gereinigt: das zeigen die verschiedenen Zeitangaben ebenso wie auch die nur bei Joh berichtete Ze-ichenforderung149 ) • Auch die Angaben über den Hahnenschrei bekommt unser Kirchenvater zusammen: Der Hahn pflege nämlich in einem Zuge drei- oder viermal zu krähen. Mt spricht also vom ganzen Vorgang.des Hahnenschreies, Mk sozusagen vom zweiten "Einsatz"150 ).
Mt Hom XXX (ibid. Sp. 366). l43~ Mt Hom XXXIX (ibid. Sp. 435). 144 145 Mt Hom LVIII (MPG 58, Sp. 568). 146 Mt Hom XXVIII (MPG 57, Sp. 352); zu Origenes vgl. oben S. 102. 147) Mt Hom LXVI (MPG 58, Sp. 625 f.). 148) Mt Hom LXXI (ibid. Sp. 662). 149) Mt Hom LXVII (ibid. Sp. 631 f.); vgl. Joh Hom XXIII (MPG 59, Sp. 139 f.). 150) Mt Hom LXXXV (ibid. Sp. 758).
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In anderer Weise wird Chrysostomus mit den Genealogien fertig: Lk schrieb nach Mt, also will er durch seine -Abweichungen uns etwas anderes sagen I51 ). Damit ist zwar behauptet, daß kein Widerspruch vorliege, aber dem Problem ist nicht standgehalten, wieso ein Mensch zwei Ahnentafeln mit beträchtlichen Differenzen haben kann 152 ). Die lukanische Genealogi~ scheint also unter der Hand ihrer historischen Bedeutung entkleidet und als theologische Darstellung verstanden worden zu sein; freilich sagt Chrysostomus nichts Näheres über seine Vorstellungen. Einen Ansatz zu einer differenzierten Betrachtungsweise kann man in der Behandlung der beiden Fassungen des "Hauptmanns zu Kapernaum" sehen153 ). Die Annahme, es handle sich um zwei verschiedene Ereignisse, verwirft Chrysostomus. Er folgert aus der lukanischen Darstellung, daß die Juden den Hauptmann zunächst abgehalten. hätten, selbst zu Jesus zu gehen und sich als Vermittler eingeschaltet hätten; als Jesus dann nahe herbeigekommen war, h~be der Hauptmann Knechte ausgesandt, die motivieren sollten, warum er nicht selbst gekommen war. Wenn Mt behauptet, der Hauptmann habe dies persönlich gesagt, so macht das überhaupt nichts aus; entscheidend ist vielmehr, daß beide Evangelisten den großen Eifer des Mannes schildern. Es sei aber wahrscheinlich, daß der Hauptmann, nachdem er seine Knechte gesandt hatte, auch noch selbst seine Unwürdigkeit erklärt habe154)~ 151) Mt Hom IV (MPG 57, Sp. 40). 152) J.D.Quinn, a.Anm. 129 a.O., S, 144, paraphrasiert die Meinung des Chrysostomus wohl richtig mit dem Satze: "The truth he (sc. Luke) intended to teach takes no hurt from such apparent discordance, which goes no deeper than the literary dress employed for its telling". Damit hätte sich Chrysostomus aber schon in bedenkliche Nähe zu den Alexandrinern begeben. 153) Mt Hom XXVI (MPG 57, Sp. 533 ff.). 154) Ibid. Sp. 355 f. _ Joh 4,46 ff. betrachtet er dagegen als nicht identisch mit der synoptischen Erzählung (Joh Hom XXXV, MPG 59, Sp. 200 f.).
•• 198 Letztlich läuft also die Untersuchung docn wieder auf die Additionsmethode hinaus l55 ). Dasselbe Bild ergibt sich aus den Johanneshomilien; der Vollständigkeit halber seien daraus einige Beispiele angeführt. Wenn Mt 4,19 Petrus dem Ruf in die Nachfolge so schnell und unbedenklich folgt, so deswegen, weil er gemäß Joh 1,40 schon über Jesus unterrichtet war156 ). Die Aufforderung Joh 1,39 steht nicht im Widerspruch zu Lk 9,58; denn das Gleichniswort will nicht sagen, daß Jesus nie in einem Haus gewohnt habe, sondern daß er kein eigenes Besitztum hatte. Auch zwischen Joh 3,22 und 4,2 gibt Chrysostomus keinen Widerspruch zu, er behauptet einfach, daß Joh auch in 3,22 von der Tauf tätigkeit der Jünger spreche. Jesus selbst durfte ja damals nicht taufen, da seine Taufe eine Taufe mit hl. Geist sein sollte; der Geist aber war damals noch nicht gegeben157 ). Mit Recht unterscheidet unser Kirchenvater die Heilung des Lahmen aus Joh 5,1 ff. von der bei Mt 9,1 ff. berichteten I58 ), während er ebenso richtig das Speisungswunder Joh 6,1 ff. mit dem synoptischen Wunder identifiziert159 ). Nach Mt (1) und Lk ~a1bten sündige Frauen den Herrn; mit ihnen darf die Schwester des Lazarus nicht verwechselt werden, die nach Joh den Herrn gesalbt hat 160 ). Scheint Chrysostomus hier an drei Salbungen zu denken, so begeht er allerdings etwas später die Inkonsequenz, die johanneische
155) J.D. Quinn, a.Anm. 129 a.O., S. 145, überinterpretiert diesen Text wohl, wenn er d1e eigentliche Meinung des ChrysostomUs darin erblickt, Lk habe hier die Erzählung "interpretiert ll ; vgl. Quinn's Urteil (S. 147), Chrysostomus kenne eine Lösung der Widersprüche, "which conceives t~eße discrepancies as belonging to the -literary rathe~ than the historical order". Dies gilt allerhöchstens ansatzweise. ,j-oh Hom XVIII (MPG 59, Sp. 117). 156~ 157 Joh Hom XXIX (ibid. Sp.- 167). 158 Joh Hom XXXVII (ibid. Sp. 207 :f.). 159 Joh Hom XLII (ibid. Sp. 240). 160) Joh Hom LXII (ibid. Sp. 342).
- 199 Salbung mit der matthäisehen zu parallelisieren161 ). Chrysostomus stellt fest, daß Joh den Gethsemanebericht nicht bringt, aber er sieht dahinter nicht wie Origenes eine christologische Absicht, sondern nur eine unterschiedliche Darstellungsweise, da Joh die menschlichen Affekte Jesu schon in 11,33.35 gezeigt habe 162 ). In der Exegese ist Chrysostomus seinen Schulgrundsätzen
somit nur beschränkt treu geblieben; der mutige Ansatz Theodors von Mopsuestia ist bei ihm ins Kirchliche umgebogen. De"facto gibt es keine Widersprüche in der inspirierten Schrift, sondern nur Verschiedenheiten in der Darstellung. Die exegetische Leistung des "Goldmundes" dürfte daher nicht allzu hoch zu veranschlagen .sein.
7. Zusammenfassung Die antiochenische Tradition hat uns eln breites Spektrum von Lösungsversuchen gezeigt. Gemeinsam ist "diesen Auslegern eigentlich nur der Ausgangspunkt, daß die Evangelien als historische Berichte verstanden werden und ein Ausgleich von Widersprüchen - sofern sie zugegeben werden auf der historischen Ebene stattfinden "muß. Ansonsten aber herrscht Mannigfaltigkeit: Neben dem "Rechtsaußen" E'piphanius, der die Übereinstimmung der Evangelien bis auf den Tag genau erweisen will, steht Chrysostomus auf einer mittleren Linie - er hält geringfügige Widersprüche zwar nicht für unmöglich," begnügt sich aber mit einer recht naiven Addition der widersprüchlichen Berichte -, und als "Linksaußen" läßt sich Theodor von Mopsuestia ansehen, der theoretisch und praktisch mit kleinen Widersprüchen rechnet und daher den harmonistischen Bemühungen recht gleichgültig gegenübersteht. Zweifellos hat die Auffas-
161) Joh Horn LXV (ibid. Sp. 363). 162) Joh Horn LXIII (ibid. Sp. 350).
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sung der Antiochener gegenüber der etwas verkrampften Inspirat~onsvorstellung des Origenes etwas Befreiendes. Man wird aber nicht sagen können, daß der Alexandriner von den Antiochenern überholt worden sei, denn er hat ihnen nicht nur einzelne Lösungen an die Hand gegeben, worauf wir je und dann hinweisen konnten, sondern er hat ja auch schon das Prinzip der "historischen 11 Lösung der Widersprüche aufgestellt und weitgehend verfolgt, wie wir im § 5 dieser Arbeit zu zeigen versuchten. Nur hat Origenes Grenzen der historischen Lösungsmöglichkeiten erkannt und anerkannt. Seine ultima ratio, nun eine allegorische Deutung einsetzen zu lassen, wird man zwar als verfehlt ansehen müssen, aber dem hinter solcher Allegorese stehenden Gedanken, daß die Evangelisten (bzw. ihre Tradition) durch die Veränderung der historischen Angaben eine theologisc?e Aus;age machen wollten, wird man heute im Lichte der redaktionsgeschichtlichen Forschung wieder als richtig anerkennen können.
- 201 § 8: Die Widersprüche zwischen den Evangelien in der
Exegese der lateinischen Väter vor Augustin 1. Die Anfänge der lateinischen exegetischen Literatur Wenn wir uns nun der abendländischen Theologie zuwenden, kommen wir in ein andersgeartetes geistiges Klima. Auf eine - notwendigermaßen vereinfachende -,Formel gebracht, könnte man den Unterschied mit W.v.Loewenich so formulieren: "Die praktischen und juristil;lchen Neigungen ragen im Westen hervor gegenüber den theoretischen und mystischen des Ostens. Die griechischen Theologen waren Philosophen oder Philologen, die abendländischen Rhetoren und Juristen"l). Dem entspricht es, daß die Entfaltung des Dogmas ausschließlich im Osten vorangetrieben wurde. Erst im .arianisc~en Streit wurde der Westen aktiv, und'im Zusammenhang damit "sind abendländische Christen dazu geführt worden, sich zwei grosse Erscheinungen der morgenländischen Kirche näher zu betrachten, die wissenschaftliche (origenistische) Theologie und das Mönchthum,,2). Durch die Schriften eines Hilarius, Marius Victorinus, Ambrosius und Hieronymus wurde die ~exegetisch speculative Wissenschaft der Griechen ••• in das Abendland importirt,,3). Insbesondere Hilarius und Ambrosius haben - immer noch nach Harnack - "im Abendland die -Dürftigkeit' einer buchstäbelnden und in der praktischen Anwendung planlosen Exegese überwunden,,4). Diese kurzen Bemerkungen sollen den Rahmen für das folgende abstecken. Sie erklären in etwa die Tatsache, daß die lateinische Kirche erst 100 Jahre nach der griechischen eine exegetische Literatur hervorgebracht hat. 1 ) W.v.Loewenich, Die Geschichte der Kirche, I, 1964. S.~3. 2 ) A.v.Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, 111, 1910 , S.26. 3) Ibid. 4 ) Ibid. S. 31.
- 202 Gewiß spielte die Bibel schon bei Tertullian, dem ersten lateinischen Kirchenvater,eine große Rolle, und K. Holl hat dessen Leistung ~uf dem Hintergrund seiner Zeit mit dem Lob bedacht, "daß die Hormen der richtigen Exegese von niemand so klar ausgesprochen worden sind wie von Tertullian,,5); allerdings mußte Holl dieses Lob wieder einschränken durch die Feststellung, daß " ••• Tertullian selbst seine Grundsätze oft genug mißachtet" und daß er "von ihnen meist nur da Gebrauch macht, wo es für seine Meinung vorteilhaft ist,,6). Daß ein Hann vom Temperament Tertullians gar einen Kommentar hätte schreiben können, ist unvorstellbar. Als erster Lateiner schrieb Victorin von Pettau (304) die aber stark von Origenes abhängig gewesen 7 sein müssen ). Sein Mt-Kommentar ist, wie alle ~eine ~ alttestamentlichen Kommentare, verloren; erhalten ist nur seine Erklärung der Apokalypse. Kommentare~
Es paßt gut zu der oben gegebenen Charakteristik des lateinischen Christentums, daß die älteste den Evangelien gewidmete lateinische Schrift das Lehrgedicht des spanischen Presbyters Juvencus 8 ) ist: keine Untersuchung, die Probleme stellt, sondern eine "brauchbare" Darstellung des Lebens Jesu, die in Konkurrenz zu den heid-
5) K.Holl, Tertullian als Schriftsteller, in: gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte 111, 1928, S. 5. 6) Ibid. 7) Vgl. O.Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, 11, 19142 , S. 657 ff.; Altaner/Stuiber, Patrologie, 1~667, S. 182 f. 8) Ed. J.Huemer, CSEL XXIV, 1891; über Juvencus s. , O.Bardenhewer, Geschichte ••• , 111, 1912, S. 429 ff.; neue re Lit. verzeichnen Altaner/Stuiber, a.a.O., S.405. Das Werk dürfte um 330 entstanden sein.
- 203 nischen Epen treten sOllte 9 ). Juvencus folgt in der Hauptsache dem Mt-evg.; daher sollte die Bezeichnung "Evangelienharmonie" auf dieses Werk besser nicht angewandt werden. Um einen Eindruck von der Arbeitsweise des Dichters zu vermitteln, sei der Aufbau der beiden ersten Bücher angegeben: I, 1-132 ~ Lk 1,5-80 133-143 ~ Mt 1,18-25 144-223 " Lk 2,1-38 Nt 2,1-23 224-277 1\ Lk 2,.40-5 2 278-306 307-320 ~ Lk 3,1-6 321-363 ~ Mt 3,4-17 1\ Nk 1,12 f. 364 f ~ Mt 4,1-10 366-408 409-770 ~ Mt 4,12-8,15 11 Ht 8,16-9,9 11, 1-98 99-346 ~. Joh 1,43-4,54 347-547 4 Mt 9,10-11,14 548-636 a. Mt 11,25-12,37 637-691 ~ Joh 5,19-47 692-892 A Mt 12,38-13,36a .~
Schon die ziemlich grobe Aneinanderfügung von umfangreichen Blöcken dürfte zeigen, daß Juvencus nicht ein eigentlich harmonistisches Interesse besitzt, und die stets dem jeweiligen Evangelisten folgende Textform weist auch darauf hin. In dem oben angegebenen Bereich finden sich nur zweimal echte Harmonisierungen: in 11 58 fügt der Dichter in den Mt-Text den Namen des Dämons Legion ein (vgl. Mk 5,9), und die Taufstimme wird in I 362 f. nach Lk 3,22 D wiedergegeben. Dagegen harmonisiert Juvencus 9) Vgl. die praefatio (ed. Huemer, p. 1 f.).
-204 etwa die Vorgeschichten nicht: in I ?23 kehren die Eltern Jesu in ihre patria, also doch wohl nach Nazareth zurück, während die Magi in.224 ff. nacnBethlehem kommen und dort das Kind finderi. In der Wiedergabe der matth. Fassung vom besessenen Gadarener tritt übrigens wie bei Mk nur ein Besessener auf. Diese Beobachtungen genügen wohl zu zeigen, daß Juvencus nur bedingt in die Geschichte unseres Problems gehört. Auch der erste erhaltene Evangelienkommentar in lateinischer Sprache, die Mt - erklärung des Hilarius von Poitiers lO ), ist für unsere Fragestellung unergiebig. Hilarius geht in seiner allegorischen Auslegung nur ein einziges Mal auf eine Parallelstelle ein, nämlich beim Stammbaum Jesull ). Die verschiedenen Stammbäume deuten die Doppelwürde Jesu als.König und Priester an; im übrigen deutet Hilarius die Theorie von der Leviratsehe an. Man wird Hilarius jedes Problembewußtsein hinsichtlich der Pluralität der Evangelien absprechen müssen, ,da er zwar die gestorum veritas betont festhalten will 12 ), aber sich nicht um eine Sicherung dieser durch die Widersprüche zwischen den Evangelien bedrohten veritas bemüht. Auf die Quaestionen des Ambrosiaster müssen wir nicht mehr eingehen, da wir sie aus formalen Gründen schon in § 6,4 behandelt haben. Die dort gegebene Charakteristik paßt gut zu den ·in diesem Abschnitt herausgestellten Eigenarten lateinischer Exegese.
10) MPL 9, Sp. 917 ff.; vgl. O.Bardenhewer, a.Anm. 8 a.O., S.365 ff.; AltanerjStuiber, a.Anm. 7 a.O., S.36l ff. 11) MPL 9, Sp. 919 f. 12) Ibid. Sp. 924; vgl. Sp. 956.
- 205 Erst mit Ambrosius und Hieronymus wird die reiche exegetische Tradition des griechischen Ost~ns wirkli~h fruchtbar gemacht und damit auch das Problembewußtsein für die Widersprüche geweckt. 2. Ambrosius Ambrosius von Mailand war zweifellos eine kirchengeschichtlich bedeutende Persönlichkeit, und er hat auch durch seine unermüdliche Predigt - und Seelsorgetätigkeit einen großen Einfluß ausgeübt, wie insbesondere das Beispiel Augustins beweist 13 ). Um seine Wirkung zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß "die allegorische Auslegung, die Ambrosius in gutgläubigahnungsloser l'-lißachtung jedes historischen Sinnes übt, ••• für das Abendland damals etwas Neues" war14 ). Die Rolle des Ambrosius war die eines Vermittlers; sachlich hat er nicht viel Neues "gebracht. Diese Tatsache ist zu bekannt, als daß sie eines Beweises bedürfte; es mag genügen, einige Sätze Th. Zahns zu zitieren: "Als Schriftsteller ist Ambrosius außerordentlich schwach und von den griechischen und lateinischen Büchern, durch deren rasche Lectüre er den Mangel theologischer Vorbildung zu ergänzen suchte, zeigt er sich in einem Maße abhängig, welches ihm wenig Ehre macht. Das gilt insbesondere von dem aus Predigten entstandenen Commentar über das Lucasevangelium. Gleich zum Prolog des Lucas übersetzt er in der That streckenweise die erste Homilie des' Origenes. -Wievieles er besonders im 3. Buch, in dem langen Excurs über die Genealogien, worauf er lib. IV.1 ••• als ein selbstverfertigtes 'non absurdum opus' zurückblickt aus Eusebius entlehnt hat, hat A. Mai 13) Umfassende Biographie des Ambrosius: F.H.Dudden, The Life and Times of st. Ambrose, 2 Bde, Oxford 1935. 14) H.v.Campenhausen, Lateinische Kirchenväter, 1960,S.82.
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veranschaulicht,,15). Damit sind wir schon medias in res gelangt, nämlich zur Lukaserklärung des Ambrosius, seiner einzigen neutestamentlichen Arbeit 16 ). Es handelt sich um Predigten, die durch einige gelehrte Abhandlungen erweitert und wahrscheinlich im Jahr 389 herausgegeben worden sind17 ). Daß sich in diesem Kommentar "lebhaftes Interesse für Fragen der Evangelienharmonistik" bekundet 18 ), ist schon immer aufgefallen und angesichts der Quellen (Origenes, Euseb) auch nicht verwunderlich. Wir wollen die harmonistischen Bemühungen des Ambrosius auf dem Hintergrund seiner Schriftauffassung19 ) kurz darstellen, ohne jedoch den nur übernommenen Lösungen größere Aufmerksamkeit zu widmen. O.Bardenhewer hat schon festgestellt, daß Ambrosius nirgends "klare und feste hermeneutische Grundsätze" entwickelt habe; denn: " ••• mit der Vorlage wechselt auch die Hermeneutik,,20). Daher hat Ambrosius auch nirgends eine grundsätzliche Besinnung über die Lösung der Widersprüche gegeben.
15) Th.Zahn, Der Evangeliencommentar des Theophilus von Antiochien, FGNK II, ,1883, S. 114 f. - Die These Zahns, daß Ambrosius auch vom Evangelienkommentar des Theophilus abhängig sei, ist natürlich damit erledigt, daß jener "Kommentar" als Kompilation älterer Erklärung erkannt wurde, die frühestens um die Mitte des 5. Jhdts hergestellt worden sein dürfte (vg1. '0. Bardenh wer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, I,1913 2, S. 312ff. ). 16) Neueste Ausgabe der Expositio Evange1ii secundum Lucam von M.Adriaen, 0 Ohr Ser.Lat XIV, 1957. 17) Vgl. O.Bardenhewer, a.Anm. 8 a.O., S. 519 f.; A1taner/ Stuiber, a.Anm. 7 a.O., S.381. 18) O.Bardenhewer, a.Anm~ 8 a.O., S.519. 19) Dazu die Studie von J.Huhn, Bewertung und Gebrauch der Heiligen Schrift durch den Kirchenvater Ambrosius, in: HJ 77 (1958) ~.Altaner zum 70 •. Geburtstag gewidmet] , S.387-396. 20) A.Anm. 8 a.O., S.527.
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Natürlich ist die Schrift durch und durch Gotteswort, nicht Menschenwort~ Alibi Christus, alibi pater, alibi spiritus loquitur patris. Non dis~ordant ista, sed congruunt. Quod unus loquitur tres loquuntur, quia vox una est :brini tatis 21 ). Daher ist es, kein Wunder, daß in den Evangelien alle Weisheit der Welt enthalten ist, die sapientia naturalis, moralis, rationalis 22 ). Die vier Evangelien tragen dabei verschiedene Akzente, ohne doch grundsätzlich verschieden zu sein, wie schon die Tiersymbole zeigen, die entweder auf die Evangelisten oder aber auf Jesus zu deuten sind: Ortum hominis alius dascripsit uberius, mores quoque hominis praeceptis uberioribus erudivit; alius a potentiae coepit expressione divinae, qued ex rege rex, fortis ex forte, verus ex vero vivida mortem virtute contempserit, tertius sacrificium sacerdotale praemisit et ipsam vituli immolationem stilo quodam pleniore diffudit; quartus copiosius ceteris divinae miracula resurrectionis expressit. Unus igitur omnia et unus in omnibus, sicut lectum est, non dissimilis in singulis, sed verus in cunctis 23 ). Neben dieser allegorischen Begründung der Einheit und Verschiedenheit der kanonischen Evangelien steht dann im engsten Anschluß an Origenes die Verwerfung der Apokryphsn 24 ). Sie sind nur Versuche, während die kirchlich rezipierten Evangelien divino spiritu ubertatem dictorum rerumque omnium ministrante sine ullo molimine coepta complerunt 25 ).
21) Exp Luc X, 13 (C Chr Lat XIV, S.349). 22) Ibid. prol. 3 f. (S.2 f~). 23) Ibid. 8 (S.6); vgl. beispielsweise auch X 129 f., wo er Mt und Mk als diejenigen charakterisiert qui humana atque moralia uberius prosecuti sunt (S.382~, während er Joh denjenigen nennt, qui plenius divina penetravit mysteria (S.383). All dies ist weder neu noch unbedingt richtig. 24) Ibid. prol. 1 ff. (S.6 ff.). 25) Ibid. 3 (S. 7 f.).
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Ein neues - und anscheinend originelles - Bild für die Verschiedenheit der Evangelien bietet schließlich die Verlosung der Kleider Jesu: Intuere nunc Christi vestimenta divisa. Ubi illa quaeram? Quaere in Matthaeo, invenies penes ipsum solum clamydem coccineam, penes Johannem vestem purpuream, penes Marcum purpuram tantum, penes Lucam vestem albam; hac enim sola pro sua fuit portione contentus 26 ). Diese Kleidungsstücke werden als die qualitates virtutum interpretiert: alius enim de regno sublimius scripsit, alius de hominis institutione diffusius. Lucas nitorem sibi sacerdotalis vestis e1egit, Marcus verborum textum non desideravit 27 ). Die vestimenta, also gesta vel gratia, wurden somit verteilt, während die tunica = fides ungeteilt blieb und somit allen gemeinsam ist. Der Sinn und Zweck all dieser mit ermüdender Ausführlichkeit vorgetragenen Allegorien ist der, die wunderbare Einheit in der Vielfalt der gottgewirkten Schrift zu demonstrieren. Es verwundert daher nicht, wenn Ambrosius zu Beginn des dritten Buches des Lk-Kommentars erklärt: De generationibus dicturi, quarum nonnullam videmus in evangelio secundum Matthaeum vel in hoc, cuius interpretationem habemus in manibus, esse distantiam,quoniam non est credibile adversantia sibi sanctos viros potuisse dicere, de gestis ~raesertim domini salutaris quanto studio possumus non dixisse eos discrepantia demonstremus 28 ). Dieser Beweis erfolgt in so engem Anschluß an Eusebs Quaestiones ad Stephanum, daß wir nicht darauf eingehen müssen 29 ). In
26) 27) 28) 29)
Ibid. X, 117 (S.378 f.). Ibid. X, 118 (S.379). Ibid. III, 1 (S.76). Vgl. die Nachweise in der Ausgabe von Adriaen.
- 209 gleicher Weise schließt sich Ambrosius bei der Behandlung der Ostergeschichten an Eusebs Quaestiones ad Marinum an, so daß wir diese Lösungen übergehen können 30 ). In beiden Problemkreisen, den Genealogien und Ostererzählungen, hat sich Ambrosius im Gefolge Eusebs einer historischen Lösung der Widersprüche bedient. In zahlreichen anderen Fällen jedoch hat er die Widersprüche mit Hilfe der Allegorese beseitigt, und dieser Weg war zweife~los der ihm angemessene. 80 erklärt Ambrosius zu dem gerasenischen Besessenen, der bei Mt verdoppelt ist: Etquidem licet discordet numerus, tamen concordat mysterium, denn sowohl der eine als auch die zwei Besessenen sind Typen des. Heidenvolkes 31 ). Dieselbe Erk·lärung findet das analoge Problem der ·Blindenheilung vor Jericho: in libro secundum Matthaeum duo inducuntur, hic unus; ibi egredienti Hiericho, hic adpropinquanti. 8ed nulla distantia; nam cum in hoc uno typus populi gentilis sit, qui sacramento dominico recepit amissi luminis claritatem, nihil interest utrum in uno medicinam an in duobus accipiat, quoniam ex eham et Japhet Noe filiis originemducens in duobus caecis duos generis sui praetendebat auctores 32 ). Auch die unterschiedliche Datierung der Verklärung bei Mt/ Mk und Lk wird allegorisch aüsgewertet. Wenn nach Lk die Verklärung nach 8 Tagen stattfand, so deutet dies auf die Auferstehung hin, die ja am achten Wochentag stattfand. Wenn l\1t und l\1k schreiben, die Verklärung habe nach sechs Tagen stattgefunden, so deuten sie damit ebenfalls auf die Auferstehung hin: ••• malumus sex dies per symbolum intellegere, quod sex diebus mundi opera sunt creata, ut per tempus opera, per opera mundum intellegamus. Et ideo mundi temporibus inpletis resurrectio futura 30) Vgl. ExpLuc X, 147 ff,. (8.387 ff.). und die dort gegebenen Nachweise. 31) Ibid. VI, 44 (8.189). 32) Ibid. VIII, 80 (8.329).
- 210 monstratur
33)
Diese Beispiele zeigen, daß die gelegentlich gegen Origenes erhobenen Vorwürfe 34 ) eher auf Ambrosius zutreffen, der nun tatsächlich vom .Berichtscharakter der Evangelien völlig absieht 35 ) und aus den kleinsten Abweichungen tiefsinnige Wahrheiten ableitet. Ein ausdrückliches Problembewußtsein kann man bei der verschwommenen Denkweise des Allegorikers nicht erwarten, und so oft er auch Parallelberichte heranzieht 36 ), kommt er doch nie zu einer klar~n und eindeutigen Aussage über den historischen Hintergrund. Aus dem reichen Erbe des Origenes hat Ambrosius das schlechtere Teil erwählt.
3. Hieronymus "Hieronymus - Ausleger der Bibel" lautet der Titel der neuesten Biographie 37 ) des gelehrten und streitbaren Heiligen, und damit ist zweifellos ein entscheidender ZUß aus seinem Wirken hervorgehoben: Seine Bibelübersetzung wurde bis in unsere Tage normativ, und seine Kommentare haben dem Abendland die exegetischen Arbeiten der Griechen in weiterem Umfang erschlossen 38 ). . Wie schon bei Ambrosius dürfen wir auch bei Hieronymus keine selbständigen und neuen Lösungen erwarten. Er hat selbst, auf Angriffe seines früheren Freundes Rufin antwortend, seine Auffassung von der Aufgabe eines Kommentators folgendermaßen umschrieben: Ego ••• in Commentariis
Ibid. VII, 7 (S.2l7). 33j oben S. 94 f. 3435 S.Vgl. Ep Luc 11 42 (S.50).
Vgl. z.B. V, 84 f. (S.162f.)j VI, 11 ff. (S.178 ff.)j X, 78 ff. (S.368 ff.). 37) Verfaßt von J.Steinmann, Köln 1961. 38) Vgl. P.Courcelle, Les lettres grecques en Occident, 1948 2 , S.78 ff. 36
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ad Ephesios sic Origenem et Didymum et Apollinarium secutus sum (qui certe contraria inter se habent dogmata), ut fidei me,ae non ami tterem veri tatern. Commentarii quid operis habent? Alterius dicta edisserunt, quae obscure scripta sunt, plano sermone manifestant, multorum sententias replicant, et dicunt: Hunc locum quidam sic edisserunt, alii sic interpretantur; ille sensum suum et ,intelligentiam his testimoniis, et hac nituntur ra~ione firmare: ut prudens lector, cum diversas explicationes legerit, et multorum vel probanda, vel improbanda didicerit, judicet quid verius sit: et quasi bonus trapezita, adulterinae monetae pecuniam reprobet 39 ). Wenn er die Autoren dabei ohne Namensnennung zitiert, so ist das ein Ausdruck seiner verecundia: non debui eos carpere, quos imitabar ex parte, et ,quorum in Latinam linguam sententias transferebam 40 ). Trotz dieses Eingeständnisses wird man in einigen Fällen ihm den Vorwurf nicht ersparen kön-' nen, er habe '''seine Unselbständigkeit stark verschleiert,,41) Insbesondere flir den Mt-Kommentar hat Zahn42 ) mit der gewohnten gründlichen Quellenkenntnis e;ezeigt, "daß die llignerische Darstellung von d~m Verhältnisse seiner Arbeit zu denjenigen seiner Vorgänger, welche er in der Vorrede seines Buches gegeben hat, der auf Täuschung des Lesers berechneten Art, wie er im Verlauf des Commentars den Or eigenes] bald abschreibt, bald kritisirt, aber niemals mit Namen nennt, moralisch ebenblirtig" sei 43 ). Selbstverständlich ist Hieronymus von der Inspiration der Schrift überzeugt 44 ), wenn er sie auch nicht in der strengsten Fassung vorträgt, sondern einräumt, "daß in einzel!
39) 40) 41) 42) 43) 44)
Apol. adv. libr. Rufini I 16 (MPL 23, Sp. 428). Ibid. I 24 (Sp. 436). H.v.Campenhausen, a.Anm. 14 a.O., S. 136. A.A. 15 a.O., S. 275 ff. Ibid. S. 280. Vgl. L.Schade, Die Inspirationslehre des heiligen Hieronymus, B St 15,4/5, 1910.
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nen Fällen die Tätigkeit des Hagiographen keine mechanische Schreibarbeit war, sondern daß auch seine geistigen Fähigkeiten im DiBnst der Sache standen n45 ). Es ergibt sich nach L.Schade, "daß Hieronymus die Verbalinspiration verwirft und sich mit der Realinspiration begnügt Il46 ). Schade hat ferner gezeigt, "daß wir bei Hieronymus in seiner Stellung zum Schriftsinn einen grundsätzlichen Frontwechsel konstatieren müssen. Zuerst ist er ausschweifender Allegorist unter gänzlicher Mißachtung des Literalsinnes. Allmählich berücksichtigt er diesen als etwas Nebensächliches, kommt aber einer gerechten Würdigung immer näher, und in seinem letzten Werke wird er der allegorischen Deutung vorgezogen" 47 ). Der im Jahr 398 verfaßte Mt-Kommentar, dem unsere Aufmerksamkeit ~ilt, bietet vornehmlich die Erklärung des Literalsinnes, obschon gelegentlich spiritualis intelligentiae flores hineingewoben sind48 ). Auch für dieses Werk gilt die kritische Feststellung H.v.Campenhausens: "Die grundlegende Frage, was die Inspiration der Schrift angesichts der kritischen philologischen Erkenntnisse tatsächlich bedeute, ob diese Vorstellung wörtlich' oder mehr sachlich zu begreifen, sei, wird nicht wirklich gestellt oder beantwortet. Hieronymus begnügt sich mit allgemeinen Bekenntnissen zur Widerspruchslosigkeit und Unfehlbarkeit der SChrift; eine eigene, biblische Hermeneutik vermag er nicht zu entfalten" 49 ). Dem entspricht, daß Hieronymus nie grundsätzlich und nie ausführlictl auf synoptische Differenzen eingeht 50 ).
45) A.a.O., S.17. 46) Ibid. S.133. Ebenso z.B. Altaner/Stuiber, a.Anm. 7 a.O., S.402. 47) Ibid. S.119. 48) NPL 26, prol. eSpe 21). 49) A.Anm. 14 a.O., S.137 f. 50) Die Stellen sind kurz angeführt bei G.Grützmacher, Hieronymus. Eine biographische Studie zur Alten Kirchengeschichte, 11, 8.255 ff.
- 213 In der Mehrzahl der Fälle bietet Hieronymus einfache additive Harmonisierungen, die wir großenteils schon aus Origenes kennen. Das alte Problem Matthäus/Levi (Mt 9,9 par.) findet in · Doppe 1 namens selne . L"osung 51) ; d er ln . d er Arma hm e elnes den Apostelkatal~gen als Judas Jakobi bzw~ Thaddaeus oder Lebbaeus aufgeführte Jünger (Lk 6,15 I Mt 10,4 mit var. lect.) soll gar alle drei Namen getragen haben 52 ). Die unterschiedliche Datierung der Verklärung wird durch die bekannte Überlegung gelöst, Nt und Mk würden nur die 6 Tage zwischen den Ereignissen zählen, während Lk auch die Randtagemitzählte 53 ). Simo~ von Kyrene hat das Kreuz Jesu erst·unterwegs aufgeladen bekommen, so daß Joh mit Recht sagt, Jesus habe sein Kreuz selbst getragen 54 ). Wenn Mt schreibt, beide Schächer hätten Jesus geschmäht, Lk aber nur einen nennt, so liegt hier eine crUVExOOX~ vor: natürlich haben zunächst beide Schächer Jesus verhöhnt. Aber auf Grund der Wunder hat sich der eine bekehrt', wovon Lk allein berichtet 55 ). Die Vereinbarkeit der Ostergeschichten behauptet Hieronymus nur allgemein: Quod diversa tempora istarum mulierum in Evangeliis describuntur, non mendacii'signum est, _ut impii objiciunt, sed sedulae visitationis officium, dum crebro abeunt ac reccurrunt, et non patiuntur a sepulcro Domini diu abesse vel 10ngius 56 ). Offensichtlich hat unser Kirchenvater die Lösung Eusebs im Sinn. In seinem
51) MPL 26, Sp. 57 Bio. 52) Ibid. Sp. 63 o. 53) Ibid. Sp. 125 D I 126 A; dazu vgl. Tractatus in Marci Evg. (ed. G.Morin, Anecdota Maredsolana 111/2) S.346, wo Hieronymus diese Lösung alternativ mit der auch schon von Origenes gebotenen Allegorie anführt, Zur Echtheit dieser Homilien vgl. AltanerlStuiber, a.Anm.7 a.O., S.400 - Zu Origenes s.Oben S.102. 54) ~~L 26, Sp. 217 AlB; zu Origenes s. S. 107. 55) Ibid. Sp. 219 O/D; zu Origenes s.S.107. 56) Ibid. Sp. 224 o.
- 214- Brief an Hedybia, die u.a. auch um Rat hinsichtlich der differierenden Ostergeschichten gebeten hatte, schreibt Hieronymus die eusebianischen Lösungen dann ausführlich ab 57 ); die Abhängigkeit ist also unbestreitbar. Zur Harmonisierung der Stammbäume beruft sich Hieronymus ebenfalls auf Euseb und dessen Gewährsmann Julius Africanus 58 ). Die Beurteilung der Salbungsgeschichten folgt dem Origenes nur teilweise: Die matthäische Salbung des Hauptes Jesu wird zwar von der lukanischen Salbung der Füße unterschieden, aber doch ,mit der johanneischen gleichgesetzt~ während Origenes ja drei Salbungen angenommen hatte 59 • Hieronymus ist daher genötigt, das Problem zu tösen, warum Nt alle Jünger murren läßt, Joh aber nur den diebischen Judas. Dafür weiß er zwei Möglichkeiten: entweder nimmt man wieder eine Synekdoche an, d.h. Joh hat Judas als pars pro toto genannt, oder man nimmt an, daß alle Jünger aus ehrenhaften, Judas aber aus unehrlichen Gründen gemurrt hätten 60 ). Hier hat Origenes differenzierter geurteilt, aber Hieronymus kommt unserer heutigen Auffassung näher. Auch ,bei der Tempelreinigung folgt Hieronymus seinem großen Lehrmeister Origenes nicht: er identifiziert den synoptischen und johanneischen Bericht ohne die geringsten Skrupel. In evangelio secundum Johannem legimus hanc ipsam hist,oriam, et ibi manifestius dici tur quo tempore hoc factum est 61 ). Der Unterschied, daß Jesus bei Mk von
57) Ep. 120 (ed. Hilberg, eSEL 55, S. 4-81 ff.). 58) MPL 26, Sp. 23 e/24- A. 59) MPL 26, Sp. 199 A; vgl. auch Tractatus in Marci Evg. (a.Anm. 53 a.O., S.360 f. Zu Origenes s. S.104- f. 60) Ibid. Sp. 199 B. 61) Tractatus in Marci Evg. (s.Anm. 53), S.360 f. - In . der Mt-Erklärung wird der Joh-Fassung nur einmal belläufig gedacht (MPL 26, Sp. 155 B).
- 215 einer spelunca latronum spricht, bei Joh aber von einer domus negotiationis, wird mit der apodiktischen Aussage behoben: Ubicumque latrones sunt, ibi domus negotiatio62 ). Wenn man sich erinnert, wie problematisch Origenes gerade diese Erzählung empfunden hatte 63 ), sieht man, wie wenig stark doch das Problembewußtsein des Hieronymus entwickelt war. Zweimal handelt Hieronymus über den Widerspruch, der in dem Zeugnis des Täufers für Jesus nach Joh 1 und in der zweifelnden Täuferanfrage nach Mt 11 par. zu liegen scheint. Im Mt-Kommentar erklärt er dazu: ••• Joannes interficiendus ab Herode, discipulos suos mittit ad Christum, ut per hanc occasionem videntes signa atque virtutes, crederent in eum, et magistro interrogante, sibi discerent 64 ) • . Ein zweites Mal nimmt Hieronymus zu diesem Problem Stellung in seinem Brief an Algasia, die den großen Gelehrten u.a. auch um Aufschluß darüber angegangen hatte. Hieronymus verweist in seiner Antwort auf die "ausführliche" Behandlung dieser Frage in seinem Kommentar und gibt dann eine abweichende Erklärung: quod autem dicit: tu es, qui venturus es, an alium expectamus? hunc quoque sensum habere potest: scio, quod ipse sis, qui tollere venisti peccata mundi, sed, quia ad inferos descensurus sum, etiam hoc interrogo, utrum et illuc ipse descendas an impium sit hoc de filio dei credere aliumque missurus sis. ·hoc autem scire desidero, ut, qui te in terris hominibus nuptiavi, etiam in inferis nuntiem, si forte venturus es 65 ).
nis
62) 63) 64) 65)
Ibid. S. 364. Vgl. oben S. 117 f. MPL 26, Sp. 71 C. Ep. 121 (ed. Hilberg, CSEL 56, S.5).
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Während die erste Lösung, die dem Täufer eine pia fraus zu Gunsten seiner Jüngßr unterstellt, ganz zweifellos an Ambrosia~ter gemahnt 66 ), ist die zweite Lösung, die ein echtes Informationsbedürfnis des Täufers nicht aber prinzipielle Zweifel- voraussetzt, offensichtlich ein eigener Einfall des Hieronymus, wenn auch' nicht gerade ein dem Text angemessener. Es sei noch darauf hingewiesen, daß Hieronymus nicht nur bei der Datierung der Tempelreinigung Joh den Vorzug gibt, sondern ihn generell als den in chronologicis oesser Informierten ansieht. Er bejaht die seit Euseb greifbare Auffassung von der täuferzeitlichen Wirksamkeit Jesu 67 ) und legt Jes 61,2 nicht mehr auf die einjährige Wirksamkeit Jesu aus, sondern erklärt in seinem Jes - Kommentar: Annum ••• acceptabilem, et diem re tributionis, omne praedicationis ejus quo in carne versatus est, tempus intellige 68 ). An anderer Stelie desselben Werkes legt er positiv seinen chronologischen Ansatz dar: Scriptum est in Evangelio secundum Joannem, per tria Pascha Dominum venisse in Jerusalem, quae duos annos efficiunt 69 ). Dies entspricht der Berechnung Eusebs. 4. Zusammenfassung Es ist eine beachtenswerte Tatsache, daß die beiden bedeutendsten lateinischen Exegeten vor Augustin ihre Lösung der Widersprüche zwischen den Evangelien weitgehend an Origenes orientieren, wobei sie jedoch verschiedene
66) S. oben S. 157. 67) De vir. ill. IX (ed. Bernoulli, 1895, S.13); zu Euseb s. oben S. 14e f. 68) MPL 24, Sp. 600. 69) Ibid. Sp. 330.
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Aspekte des Alexandriners vereinseitigen. Bei Ambrosius finden wir vornehmlich die Allegorese, die bei Origenes stets neben der historischen Betrachungsweise Anwendung gefunden hatte. Ambrosius verliert daher die Einmaligkeit des 'Ohristusgeschehens aus dem Auge. Die Aussage "nec discordant evangelistarum sent.entiae, quando concordat mysterium,,7 0 ) enthüllt seine geschichtsferne Betrachtungsweise wohl deutlich. Hieronymus dagegen greift die historischen Lösungen des Origenes auf, ohne jedoch die Vielschicht!gkeit ,der Pro~ blemstellungen und Lösungsvers~che seines Vorgängers wahrzunehmen. Für ihn stellt das additive Verfahren schnell die schönste Harmonie zwischen den inspirierten Büchern her, die Möglichkeit irrtümlicher Angaben wird nie - nicht einmal bei den gelegentlichen fehlerhaften Zuweisungen von Zitaten 7l )! - eingerä~mt, geschweige denn, daß er hinter widersprüchlichen Angaben verschiedene theologische Aussageabsichten annähme. Das eigenartige Ineinandergehen von Je-sustradition und Kerygma haben also Hieronymus und Ambrosius ebensowenig erkannt wie Ambrosiaster. Ihr Fehler war, daß sie die Probleme zu einlinig lösen wollten.
70) Expos. in Luc X, 107 (ed. Adriaen, 8.376). 71) Vgl. ~WL 26, 8p. 213 BIO zu Mt 27;9; Tract. in Marci Evg. (a.Anm. 53 a.O.) 8. 320 zu Hk 1,2 f.
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§
9: Augustins Schrift De consensu evangelistarum
1. Zu Augustins Schriftauffassung
~
Daß Augustin nach den vielfältigen und manchmal recht zufällig anmutenden Lösungen der Widersprüche zwischen den Evangelien die erste umfassende Behandlung dieses Problems vorgelegt hat, ist angesichts seiner großen systematische·n Kraft nicht verwunderlich; ja man wird sagen können, daß die Abfassung der vier Bücher De consensu evangelistarum für Augustin' nicht nur eine äußere, sondern ebenso eine innere Notwendigkeit war. Zum Erweis dieser These muß zunächst die Schriftauffassung Augustins skizziert werdenI), die den Hintergrund für sein harmonistisches Bemühen bildet. Dabei sollen vor al'lem die zeitlich vor unserer Schrift liegenden Äußerungen Augustins bedacht werden; die aus De consensu evangelistarum zu erhebende Inspirationslehre ist schon von TI.J. Vogels 2 ) eingehend dargestellt worden, auf dessen Untersuchung zur Harmonistik Augustins schon hier hingewiesen werden soll, da sie nicht nur die einzige in unserem Jahrhundert verfaßte Arbeit zu diesem Thema ist, sondern auch ~achlich immer noch großen Wert besitzt. Um der von C. Andresen 3 ) erhobenen Forderung: "Jede Augustininterpretation wird die Bezogenheit augustinischer
1) Dazu liegen mehrere Arbeiten vor; wir verweisen vor allem auf die neueste, zusammenfassende Darstellung von G.Strauß, Schriftgebrauch, SchriftauslegUng und Schriftbeweis bei Augustin, Tübingen 1959. 2) st. Augustins Schrift De consensu Evangelistarum, unter vornehmlicher Berücksichtigung ihrer harmonistisehen Anschauung~n, 1908, S. 64 ff. 3) Vorwort zu: "Zum Augustin-Gespräch der Gegenwart", herausg. von C.Andresen, Darmstadt 1962, S. 10.
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Gedanken auf die Zeitsituation nicht aus dem Auge verlieren dürfen", zu genügen, müssen wir einige wohlbekannte Fakten aus der Biographie Augustins in Erinnerung bringen. Eine erste bewußte Begegnung mit der Schrift suchte der unter dem Eindruck der Hortensiuslektüre stehende neunzehnjährige Augustin; aber er wandte sich enttäuscht von dieser unkultivierten Art Literatur ab: visa est mihi indigna, quam Tullianae dignitati conpararem4 ). "Augustin, später einer der größten Schriftausleger aller Zeiten, ist bei seinem ersten energischen Versuch einer Begegnung mit der Bibel gescheitert ,,5). I'licht nur Augustin hat solchen Anstoß am stilistischen ä~EXVOV der Schrift genommen; mit diesem Problem haben sich schon viele Väter vor ihm befaßt. Noch im 4. Buch von De doctrina christiana wird sich Augustin um den Nachweis bemühen, daß die Schrift durchaus klassische Redefiguren verwende, aber dieser Nachweis hat nach dem Urteil von E. Norden "keine innere BerechtigunE, sondern ist dem Bedürfnis entsprungen, den heiligen Urkunden auch das zu geben, was er selbst und mit ihm alle Gebildeten so gerne in ihnen finden wol'lten: Vollendung auch in der äußeren Form,,6). Doch zunächst glaubte August in , bei den rvIanichäern die Wahrhei t finden zu können. Auch die IVIanichäer beschäftigten sich mit der Schrift, freilich in einer kritischen Art und Weise 7 ). Hier wurde Augustin mit dem Problem der Widersprüche zwischen den Evangelien konfrontiert 8 ). Der
4) Conf. 111 5,9 (ed. P.Knöll, CSEL 33, 1896, S.50). 5) W.v.Loewenich, Augustin, Leben und Werk, 1965, S.33. 6} E.Norden, Die Antike Kunstprosa, 11, 1958~, S.528; über die Bemühungen der Väter vor Augustin vgl. S. 516 ff. 7) S. oben S. 23 ff. 8) Vgl. dazu P. Courcelle, Recherehes sur les Confessions de Saint Augustin, Paris 1968 2 , S. 61 ff.
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rationale Zug im Denken der Nanichäer, die behaupteten se ••• nullum premere ad fidem nisi prius discussa et enodata veritate, imponierte Augustin zunächst, ohne daß er jedoch alle seine denkerischen Probleme gelöst sehen konnte 9 ). Erst die Begegnung mit dem christlichen Neuplatonismus in Mailandlo ) förderte seine geistige Entwicklung; zugleich zauberte die Allegorese des Ambrosius alle Anstöße an der Schrift' hinweglI): So kommt es unter dem Eindruck der libri Platonicorum zu einer abermaligen Beschäftigung mit der Schrift: Itaque avidissime arripui venerabilem stilum spiritus tui et prae ceteris apostolum Paulum, et perierunt illae quaestiones, in quibus mihi aliquando visus est adversari sibi et non congruere testimoniis legis et prophetarum textus sermonis eius, et apparuit mihi una facies eloquiorum castorum ••• et coepi et inveni quidquid illae verum legE ram, hac cum commendatione gratiae tuae dici ••• 12). Zu diesem Zeitpunkt hatte Augustin dem manichäischen Rationalismus schon abgesagt und die Notwendigkeit des Autoritätsglaubens zu erkennen begonnen: ••• persuasisti mihi non qui crederent libris tuis, quos tanta in omnibus fere gentibus auctoritate fundasti, sed qui non crederent esse culpandos nec audiendos esse, si qui forte mihi dicerent: "unde scis illos libros unius veri et veracissimi dei spiritu esse humane generi ministratos?~ id ipsum enim maxime credendum erat, quoniam nulla pugnacitas calumniosarum quaestionum per tam multa quae legeram inter se confligentium philosophorum extorquere mihi potuit, ut aliquando non crederem te esse quidquid esses, quod ego nescirem aut administrationem rerum humanarum ad te pertinere13~
9) Vgl. P.Courcelle, a.Anm. 8 a.O., S. 72 ff.- Das Zitat aus de ut. cred. 12 (ed. J.Zycha, CSEL 25, 1891, S.2). 10) Ibid. S. 93 ff. 11) Vgl. Conf. VI 4,6 (Knöll S.119). 12) Conf. VII 21,27 (Knöll S.167). 13) Conf. VI 5,7 (Knöll S. 120 f.).
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Die hl. Schrift wäre nur ein Buch neben den vielen einander widersprechenden Büchern der Philosophen, wenn sie nicht von irgendwoher eine besondere Empfehlung bekäme. Im Falle Au~ustins erweist sich die Schrift als göttlich durch ihre Doereinstimmung mit seinem in wechselnder Intensität festgehaltenen religiösen Minimalbestandl~), daneben aber spielt der consensus gentium eine Rolle. Augustin er~änzt diese überlegungen durch die Feststellung: ••• cum essemus infirmi ad inveniendam liquida ratione veritatem et ob hoc nobis opus esset auctoritate sanctarum litterarum, iam credere coeperam nullo modo te fuisse tributurum tarn excellentem illi scripturae per omnes iam terras auctoritatem, nisi et per ipsam tibi credi et per ipsam te quaeri voluisses 15 ). Zweierlei kommt also noch zur Bekräftigung der Schriftautorität: Einmal fordert die menschliche Unzulänglichkeit einen klaren Weg der Wahrheitsfindung, und z~m anderen muß sich die - von vorneherein ~eglaubte! - Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe schließlich durch die Gewährung eines solchen Wee;es erweisen - Gott hätte ja sonst ein riesiges 'r'äuschungsmanöver inszeniert! Dies ist die Basis, von der aus Augustin später gegen die f'.1anichäer argumentieren konnte. Wir verweisen nur kurz auf die Gedankenführung in der Schrift Contra epistulam Manichaei quam vocant fundamenti. Gegenüber der Berufung auf die Schrift von Seiten der Hanichäer bestreitet hier Augustin "ganz prinzipiell die fvIöglichkeit, die Schrift als NOrm zur Begründung einer Autorität heranzuziehen. Denn die Schrift ist keine absolute Größe, die für jedes Denken von vornehereinnormgebend ist. Sie wird vielmehr nur von einem solchen Denken als Autorität anerkannt, das schon in bestimmter Richtung beeinflußt ist, d.h. nur von einem Denken, dem die gläubige Existenzbestimmung zugrundeliegt l~)
Sed id credebam aliquand.o robustius, aliquando exilius (Conf VI 5,8; Knöll S. 121). 15) Coilf VI 5,8 (Knöll S. 121).
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Nachdem Augustin auf solche Weise den Gedanken nahegelegt hat, daß eine religiöse Norm wie die Schrift ohne Anerkennung einer außerhalb ihrer selbst liegenden Größe keine Gültigkeit haben kann, erscheint es als durchaus folgerichtig, daß Augustin dann fortfährt: ego vero evangelio non crederem 'clesiae commoveret auctoritas"
ec~
nisi me catholicae
i 6).
Mit Recht hat D. Pir-
son betont, daß diese Stelle nicht antworten wolle "auf die Alternativfrage ob Schriftautorität oder Kirchenautorität das Wesentlichere sei"; denn in der Tat "sind beide [sc. Autoritäten] in verschiedenen Funktionen an den Gesamtaufriß von Augustins religiösem Geschichtsbild gebunden" 17 ). Gleichwohl kommt Augustin mit der zitierten Äußerung "in die gefährliche Nähe eines bloßen Autoritätsglaubens Il18 ). Wenn die Autorität der Schrift so eng mit derjenigen der Kirche verknüpft ist, ist natürlich umgekehrt auch die Glaubensforderung der Kirche bedroht, wenn sich an der von ihr empfohlenen Schrift irgendwelche Mängel zeigen: titubabit ••• fides, si divinarum scripturarum vaccillat
auctoritas 19 ). Damit wird eine gesteigerte Bibelgläublg-
keit für Augustin notwendig. Dies hat natürlich positive und negative Folgen. Die positivste Folge der
Bibelgläubigke~tAugustins
ist
seine Bemühung um eine ordentliche Exegese, die sich aller Hilfsmittel bedient, die ihm als einem "1 e ttrfl de la d~ca-
16) D.Pirson, Der Glaubensbegriff bei Augustin, mschr. Diss. Erlangen
1953,
17) Ibid. S. 100.
S.
99.
18) W.v.Loewenich, a.Anm. 5 a.O., S. ~l; zur Beurteilung und Kritik der Auseinandersetzung Augustins mit dem Manichäismus vgl. S. 88 f. 19) De doctr. chr. I 37,~1 (ed. J.Nartin, CChr Ser. Lat. 32, 1962, S.30).
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dence" zur Verfügung stehen 20 ). Deshalb - um wenigstens ein Beispiel anzuführen - widerspricht Augustin dem Hieronymus so heftig, der in dem Streit zwischen Petrus und Paulus in Antiochien nur ein Scheingefecht hatte sehen wollen: adrnisso ••• semel in tantum auctoritatis fastigium offieioso aliquo mendacio, nulla illorurn particula rernanebit, quae non, ut cuique videbitur vel ad mores difficilis vel ad fidem incredibilis, eadem perniciosissima regula ad mentientis auctoris consilium officiumque referatur 21 ). In seinem Eifer, die Wahrhaftigkeit auch der kleinsten Schriftstelle zu verteidigen,geht Augustin bis zur Selbstverleugnung: ego ••• fateor ,••• solis eis scripturarum libris, qui iam canonici appellantur, didici hunc timorem honoremque deferre ut nullum eorum auctorem scribendo errasse aliquid firmissime credam ac, si quid in eis offendero litteris, quod videatur contrarium veritati, nihil aliud quam ve.l mendosum esse codicem vel interpretern non adsecutum esse, quöd dictum est, vel me minime intellexisse non ambigarn 22 ). Wir brechen die Darstellung hier ab, denn es hat sich das für unseren Zweck Erforderliche bereits ergeben: Augustins eigener Weg zum Glauben hat in ihm eine ~ußerordentlich enge Vorstellung von der Wahrhaftigkeit und Irrtumslooigkeit der Schrift entstehen lassen. Die Kirche bürgt für die ganze Schrift, und mit der Wahrheit der ganzen Schrift
20) Vgl. H.-J. fvlarrou, Saint Augustin et la fin de la culture antique, Paris 1958~, S. ~69 ff. 21) Ep 28,3 (ed. Goldbacher, eSEL 3~/1, 1895, S.108). Vgl. F. Overbeck, Über die Auffassung des Streits des Paulus mit Petrus in Antiochien (Gal. 2,11 ff.) bei den Kirchenvätern (Basel 1877), 2. unv. Aufl. Darmstadt 1968. 22) Ep. 82, 1,3 (ed. Goldbacher, eSEL 3~, 1898, S. 3~~).
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steht oder fällt die Kirche. Der Exeget hat alles daran zu setzen, diese Wahrh~it immer heller erstrahlen zu lassen. 2. Die Gegner in "De consensu evangelistarum" Bei der eben kurz umrissenen Schriftauffassung mußten die Widersprüche zwischen den Evangelien Augustins Aufmerksamkeit erregen; dies war ein Problem, das die Wahrhaftigkeit der Evangelien in Frage stellen konnte. Nicht umsonst ist Augustin sogar in seinen. Predigten immer wieder darauf zu sprechen gekommen, wie wir schon erwähnt haben 23 ). Selbstverständlich handelt es sich nicht um Widersprüche - kein Gläubiger wird so etwas annehmen; riovi fidem eorum sic esse certarn de veritate Evangelistarum, ut expositione mea non indigeant, so sagt er in diesem Zusammenhang einmal von seinen Hörern 24 ). Qui novit quomodo ista defendat, doctior est,non fidelior 25 ). Der Nachweis des consensus evangelistarum ist also eine FrQge der Gelehrsamkeit. Ob Augustin diese Frage von sich aus angegangen hätte,. ist müßig zu fragen, da sich zu dem sicher vorhandenen inneren Antrieb die Nötigung von außen gesellte. Augustin weiß, daß gewisse Gegner dem Evangelium diese vermeintlichen Widersprüche vorwerfen und damit eine nicht geringe Verwirrung stiften 26 ). Er formuliert als Ziel seiner Arbeit: ••• hoc opere demonstrare suscepimus errorem vel temeritatem eorum, qui contra evangelii quattuor libros, quos evangelistae quattuor singulos conscripserunt, satis argutas criminationes se proferre arbitrantur. quod ut fiat, quam non sibi adversentur idem scriptores quattuor, ostendendum est. hoc enim solent quasi
23) 24) 25) 26)
S. oben S. 33. Sermo CCXL (MPL 38, Sp. 1131). Ibid. De cons. ev. I 7,10 (ed. Weihrich, CSEL 43, 1904, S. 10f.).
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palmare suae vanitatis obicere, quod ipsi evangelistae inter se ipsos dissentiant 27 ). . . Augustin nennt seine Gegner nicht mit Hamen, auch in den Retractationes 28 ) nicht. In der älteren Literatur 29 ) dachte man an die Manichäer, da ja die Abfassung der Schrift um 399/4-00 anzusetzen ist, also in die Zeit der Auseinandersetzung mit dieser Richtung fällt 30 ). H.-J. Vogels hat dagegen auf Grund einer ausführlichen, den Großteil des ersten Buches ausmachenden Polemik gegen Leute, die Christus nur als weisen I'lenschen anerkennen, gefolgert, "die Gegner, gegen welche das Werk De consensu sich in erster Linie wendet", seien Porphyrianer 31 ). Nun kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Auseinandersetzung, die Augustin im ersten Buch unserer Schrift führt, sich gegen neuplatonische Kritik am Christentum richtet 32 ). \Vir haben auch schon Kritik des Porphyrius an Widersprüchen zwischen den Evangelien kennengelernt 33 ). Aber daß die neuplatonische Kritik die Widersprüche so sehr in den Vordergrund gerückt hätte, daß Augustin diesen Punkt "quasi palmare ••• vanitatis" nennen kann, läßt sich doch wohl nicht sagen. Außerdem hat Augustin die Schrift des Porphyrius auch nach dem Urteil von Vogels ·"sehr wahrscheinlich nicht gekannt,,34-). 27) De cons. ev~ I 7,10 (W. S. 11). 28) Vgl. Retr. 11 4-2 (ed. Knöll, CS~ 36, 1902, S. 14-9 ff.). 29) So schon die I'lauriner in der Admoni tio zur Ausgabe von De consensu ev. (111/2, Paris 1680, S.l); ebenso C. Douais, St. Augustin et la Bible, in: RB 111, 1894-, S. 123 f. 30) Diese Datierung, schon von den Maurinern vorgeschlagen (s. vor. Anrn.), hat sich als richtig durchgesetzt; vgl. \veihrich in der Praefatio seiner Anm. 26 genannten Ausgabe, S. VI, und Altaner/Stuiber, Patrologie, 19667 , S. 4-31. 31) A.Anm. 2 a.O., S. 10; ebenso W.v.Loewenich, a.Anm. 5 a.O., S. 167. 32) Vgl. P. Courcelle, Propos antichr~tiens rapport~s par saint Augustin, in: Recherehes Augustiniennes I, Paris 1958, S.14-9-186; er faßt sein Urteil zusammen in dem Satz: "Je croirais ais~ment que ••• Porphyre est la source directe ou indirecte." (S.186). Dies bezieht sich aber auf die 'in De cons. ev. I verhandelten Fragen!
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Dagegen haben schon Mani selbst und auch Augustins Zeitgenosse Faustus die Widersprüche zwischen den Evangelien in scharfer Weise zum Ausgangspunkt ihrer Kritik am kirchlichen Christentum genommen. Schon in seiner Schrift Contra Faustum mußte Augustin wiederholt auf diesen Vorwurf eingehen, also in einer zwischen 397 und 400 verfaßten SChrift 35 ). Die Annahme erscheint uns naheliegend, in De consensu evangelistarum einen Nachhall jener schon teil~eise geführten Kontroverse mit den Nanichäern zu sehen. Sicherlich hat das gelehrte Interesse Augustins ebenso wie die immer wieder intra muros ecclesiae auftauchenden Fragen unsere Schrift mitverursacht. Warum hat Augustin dann jene umfangreiche Auseinandersetzung mit neuplatonischer Kritik e~ngefügt? ES ist dies ein Zug, der an vielen Werken Augustins zu beobachten ist, daß nämlich die Gedankenführung nicht immer streng dem vorgenommenen ,Thema entspricht. Hierauf hat H.-J. Narrou aufmerksam gemacht, der mit Recht feststellt: " ••• toute la suite du livre I er constitue un vaste excursus sans rapport ~troit avec le reste du livre ••• ,,36). Narrou hat . den losen Gedankengang schön nachp;ezeichnet: "Saint Augustin commence par discuter l' objection: pourquoi J~sus n'a-t-il pas ~crit lui - m~me un livre; de l~ il passe ~ l'examen des apocryphes qui lui sont faussement attribu~es, repousse l' .accusation de magie ~mise contre lui, et en vient ains peu ~. peu ~ l' opinion des paiens sur le Christ" 37 ). Dabei ist der Ausgangspunkt des Exkurs&s, nämlich die Fra~e. warum Jesus selbst nichts geschrieben habe, durchaus ein
33) 34) 35) 36) 37)
S. oben S. 14 ff. A.Anm. 2 a.O., S. 10, Anm.2. Altanerjstuiber, a.Anm. 30 a.O., S. 427. A.Anm. 20 a.O., S. 61. Ibid., S. 61, Anm. 4.
- 227 Punkt, den di~ Manichäer zur Sprache gebracht hatten!38) Auch das zweite Problem, nämlich angeblich von Jesus selbst stammende Schriften, paßt noch in die Diskussion mi t den r'lanichäern 39 ). 30 nimmt also der Exkurs von Fragen seinen Ausgang, die zu der. ursprüng\ich geplanten Auseinandersetzung mit den fvianichäern gehören. Durch diese Beobachtung glauben wir die These I-iarrous vom Exkurscharakter des Abschnittes I 7,11 - 34,52 unserer Schrift aufs nachdrücklichste stützen zu können. De consensu evangelistarum soll also die Wahrheit der Evangelien gegen die An-griffe der Nanichäer herausstellen und schwankend gewordene Christen zum Glauben an die Evangelien zurückführen. 3. Augustins Grundsätze bei der Harmonisierung Es hätte für den Schüler des Ambrosius nahegelegen, die Schwierigkeiten mit Hilfe der Allegorese hinwegzudeuten. Augustin hat ja der Allegorese stets große Bedeutung zugemessen; im zweiten Buch von De doctrina christiana hat er - nicht nur die Nöglichkeit, sondern "von dem besonderen Charakter der Hl. Schrift her gesehen die Notwendigkeit zu umfangreicher allegorischer Interpretation nach dem Prinzip: 'vom Sensiblen zum IntelligiblenIl betont 40 ). In seinen ~-Iomi lien geht Augustin auch weitgehend der allegorischen Auslegung nach. Wenn sich Augustin in De consensu grundsätzlich zu einer Betrachtung secundum historiam entschlossen hat, so hat dies gute Gründe. Einmal ist die Litteralexegese ein Erfordernis für einen antiken grammaticus; dies hat H.J. ~arrou
38) S. oben S. 26. 39) S. Contra Faustum XXVIII, 4 (ed. Zycha, CSEL XXV, S.741). 40) G. Strauß a.Anm. 1 a.O., S. 88. - Zum Verhältnis Litteralexegese - Allegorese vgl. Strauß S. 126 ff.
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gezeigt 41 ). Doch spielt die Historie auch theologisch eine bedeutsame Rolle; dies betont Augustin selbst in den ersten Sätzen unserer Schrift: Inter omnes divinas auctoritates, quae sanctis litteris continentur, evangelium merito excellit. quod enim lex et prophetae praenuntiaverunt~ hoc redditum adque conpletum in evangelio demonstratur42 • Schon diese - übrigens streng antimanichäische theologische Prämisse macht eine vom Wortsinn ausgehende Harmonisierung notwendig. Die Tatsache - als solche wird die kirchliche überlieferUng sogleich hingestellt - daß zwei der Evangelisten Apostel waren, sichert die Glaubwürdigkeit ihrer Evangelien unbedingt 43 ). Aber die göttliche Vorsehung hat durch den hl. Geist auch zwei Apostelschülern die auctoritas scribendi evangelium verschafft. Alle übrigen aber, die versuchten oder wagten, ein Evangelium zu schreiben, haben keinen Glauben bei der Kirche gefunden, da sie ihren Schriften Elemente beifügten, quae catnolica adque apostolica regula fidei et sana doctrina condemnat 44 ). Das dogmatische Urteil der Kirche ist also entscheidend. Die Vier zahl der Evangelien wird ähnlich wie bei Irenäus mit der Zahl der Himmelsrichtungen begründet, in die sich die Kirche ausbreiten sollte. Die zwei Augenzeugen Mt und Joh. flankieren gleichsam als Beschützer die beiden anderen, die zwar den Herrn nicht gesehen hatten, sed tarnen Christum in illis loquentern secuti erant 45 ). All diese längst_ bekannten Anschauungen trägt Augustin mit der größten Selbstverständlichkeit vor, ohne sich auch nur
41) A.Anm. 20 a.O., S. 422 ff. 42) De cons. ev. I 1,1 (W. S.l). 43) Ibid. I 1,1 (W. S. 1 f.). Ibid. I 1,2 (W. S.2f; Zitat S.3). Ibid. I 2,3 (W. S.3).
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- 229 im Geringsten darum zu bemühen, den Texten selbst eine Bestätigung dafür abzugewinnen. In dieser durch Augenzeugenschaft und Inspiration nach jeder Richtung gesicherten Atmosphäre wirkt es fast etwas überraschend, daß Augustin die Neinung äußert, die Evangelisten hätten die Werke ihrer Vorgänger eingesehen: ••• sicut unicuique inspiratum est non superfluam cooperationem sui laboris adiunxit 46 ). Eine gegenseitige Kenntnis der Evangelisten hatte ja schon Origenes gelegentlich angenommen 47 ), ohne daraus große Konsequenzen zu ziehen. Bei Augustin scheint diese gegenseitige Kenntnis die verschiedenartige theologische Akzentuierung erklären.zu sollen. Da Nt die königliche Würde Jesu und seine irdischen Taten und Worte vornehmlich beschrieb, hat Lk mehr seine priesterliche Würde hervorgehoben. I'ik aber ist nur eine Art Kurzfassung des l"it; Augustin stellt ausdrücklich fest: cum solo quippe Johanne nihil dixit, solus ipse perpauca, cum solo Luca perpauciora, cum Hat·thaeo vero plurima et multa paene totidem adque ipsis verbis sive cum solo sive cum ceteris consonante4-8). Diese genaUe Angabe macht der Bibelkenntnis Augustins alle Ehrelf.9). aber sie hilft nichts zur Bestimmung der Eigenart des Mk. Han würde ,die Absicht Augustins natürlich verkennen, wenn man ihn auf Grund der Äußerung: "Narcus eum [sc. Eatthaeum] subsecutus tamquam pedisequus et breviator eius videtur,,5 0 ) als 46) 47) 48) 49)
Ibid. I 2,4 (W.' S.4). S. oben S. 99. Ibid. I 2,4 (S.4). Th. Zahn hatte (Einleitung in das I~T, 11, 1899, S.19.5) aus dieser genauen Angabe geschlossen, Augustin habe die eusebianischen Kanones gekannt: "Wenn er ••• von Er sagt: cum solo Johanne nihil di~:i t, so beruht .dies nicht auf Studien, sondern einfach darauf, daß Eusebius in den Kanones V-IX alle möglichen Kombinationen zweier Evv, nur nicht "Hr - Jo" berücksichtigt hat". Zahn hatte damit beweisen wollen, daß Augustin in unserer Schrift die Vulgata benützt habe. Dem hat H.-J. Vogels (a.Anm.2 a.O., S.19 ff.) mit guten Gründen widersprochen; doch ist damit die Frage nach der Benützung der Kanones nicht zu entscheiden. Dies kann nur ein Vergleich der bei Euseb bzw. Augustin als parallel angesehenen Texte leisten; A.Penna hat ihn vorgenommen und das Ergebnis lautet: Augustin hat die Kanones Eusebs nicht gekannt (11 "De consensu evan--
- 230 Vorläu~er unserer literarkritischen.Anschauungen betrachten würde, denn die Evangelien sind ,ja alle inspiriert: quidquid.enim ille [sc. Christus] de suis ~actis et dictis nos legere voluit, hoc scribendum illis [sc. evangelistis] tamquam suis manibus ~mperavit51). Augustin hat sich nicht um einen Ausgleich beider Vorstellungen bemüht - genug, daß sie beide eeinem~polo getischen UnternehIrien dienen konnten. Eine -' allerdings höchst fragwürdige - Begründung für die Existenz des il'lk trägt Augustin noch nach: Nt, der die königliche Würde Jesu beschreibt, hat Nk neben sich quia regum est non esse sine comitum obsequio. unde ille, qui regiam personam Christi narrandam susceperat, habuit sibi tamquam comitem adiunctum 52 ). Auch die Charakteristik des Joh wird in traditionellen v/endungen gegeben: er wollte vor allem die Gottheit des Herrn durch sein Evangelium aufweisen. itaque longe a tribus istis superius fertur, ita ut hos videas quodammodo in terra cum Christo homine conversari, illum autem transcendisse nebulam, qua tegitur omnis terra, et pervenisse ad liquidum caelum, unde acie mentis acutissima adque firmissima videret in principio verbum deum aput deum ••• 53). Diese von dichterischernSchwung er~üllte Beschreibung des nVEu~a1:I.XOV EllaYYEAl;oV ist wohl von Ambrosius inspiriert 54 ) ; sachlich bietet sie nichts Überraschendes. Das Gefühl für den besonderen theologischen Aussagegehalt des Viertert Evangeliums blieb immer erhalten. Augustin legt diesen
gelistarum" ed i "Canoni eusebiani", in: Bib136 (1955, 1 - 19). A.Anm. 48 a.O. Ibid~ I 35,54 (W. S.60 f.). Ibid. I 3,6 (W. S.6). Ibid. I 4,7 (W. S. 6 'f.). H.-J. Vogels, a.Anm. 2 a.O., S. 54.
s.
50) 51) 52) 53) 54)
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Sachverhalt noch weiter dar, indem er die Synoptiker als Anleitung für die vita activa bezeichnet, während J~h der vita contemplativa habe dienen wollen 55 ). Die_se Charakteristik paßt schließlich in wunderbarer Weise zu den vier Tieren aus der Apokalypse, die Augustin unter Ablehnung der aus Irenäus bekannten 'zuordnung56 ) in einer ihm eigentümlichen Weise den Evangelisten als Symbole zuweist 57 ). Der Leser, der Augustin bis hierher gefolgt ist, weiß natürlich schon, daß das Problem der Wide~sprüche ein Scheinproblem ist. Trotzdem legt Augustin den consensus evangelistarum in einer ermüdend ausführlichen Einzeluntersuchung, die immerhin fast 340 Druckseiten umfaßt, dar. Dabei geht er so vor, daß er zunächst das Mt-evangelium bis hin zum Abendmahlsbericht mit den jeweiligen Parallelberichten konfrontiert und die Vereinbarkeit zeigt (Buch 11); vom AbeIidmahlsbericht an ändert er seine Methode, indem er gleich eine Harmonie der Passionsund Ostergeschehnisse liefert und von Fall zu Fall auf Widersprüche zu sprechen kommt (BUch 111); schließlich' verhandelt er die angeblichen Widersprüche zwischen Mk und Lk bzw. Joh, vergleicht dann noch Lk und Joh und endet mit einem Panegyrikus auf Joh. (Buch IV). Auch in diesen Teilen finden wir gelegentlich grundsätzliche Äußerungen, die wir kurz zusammenstellen wollen; im folgenden Abschnitt soll dann an ausgewählten Beispielen geprüft werden, in wieweit Augustin seinen Grundsätzen gefolgt ist.
55) Ibid. I 5,8 (S. 7 ff.). _. 56) Matthäus=Mensch, Löwe=Markus, Adler - Johannes. 57) Ibid. I 6,9 (S.9),: Matthtii.us = Löwe, Markus = Hensch, Lukas = ~~ier, Johannes = Adler.
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Augustin spricht-als undiskutierbare Voraussetzung aus: omnem ••• falsitatem abesse ab evangelistis decet, non solum eam, quae mentiendo promitur, sed etiam eam, quae obliviscendo ••• 58 ). Was er zugeben kann, sind höchstens Verschiedenheiten in Ausdruck oder in der Darstellungsweise: ••• evangelistarum locutiones varias, sed non contrarias ••• 59); an anderer Stelle sagt er: tres igitur isti eandem rem ita narraverunt, sicut etiam unus homo ter posset cum aliquanta varietate, nulla tamen adversitate 60 ). Augustin kann den Verschiedenheiten sogar einen positiven Sinn abgewinnen: ••• quae diversitas locutionum ad hoc etiam utilis est, ne uno modo dictum minus intellegatur et aliter, quam se res.habet, interpretetur61 ). Ja, er geht so weit., daß er den Unterschieden die Aufgabe zuweist, ein falsches Glaubensverständnis abzuwehren: ••• ne putemus quasi consecratis sonis ita muniri veritatem tamquam deus nobis quemadmodum ipsam rem, sic verba, quae propter illam sunt dicenda, commendet, cum potius ita res, quae discenda est, sermonibus, per quos discenda est, praeferatur ••• 62). Diese Abwehr einer falschen Buchstabengläubigkeit kommt freilich etwas überraschen~, und Augustin macht· von dieser überlegung auch keinen wei~ teren Gebrauch. Konkret bedeutet dies: der ordo verborum ist unerheblich, ebenso die Auslassung oder H~nzufügung einzelner Züge. Das Auftreten solcher Verschiedenheiten begründet Augustin mit der verschiedenen Erinnerung an die jeweiligen
58) II 12,29 ~w. S. 129~. 59) II 28,67 w. S. 171 • 60) III 4,13 w. S.283 • 61) II 14,31 (W. S. 132). 62) II 66,128 (W.S. 231).
- 233 Vorgänge: ut enimquisque meminerat et ut cui~e cordi erat vel brevius vel prolixius eandem tamen explicare aententiam ita eos explicasse ma~ifestum est 63 ). Hier rechnet Augustin also damit, daß alle Evangelisten Augenzeugen waren, was er im 1. Buch nicht angenommen hatte. Zudem aber paßt diese "natürliche" Erklärung nicht zu der Inspirationsvorstellung, die wir schon entfaltet haben. Diese letztere Schwierigkeit sieht Augustin auch, ohne ihr jedoch begegnen zu können. Er gibt vielmehr die recht krause Antwort" daß die Verschiedenheiten in den Erinnerungen der Apostel als Rechtfertigung dafür dienen sollten, wenn sich in der Erinnerun~ von Menschen . auch gelegentlich Unterschiede fänden 64 ). Diese offenkundige Verlegenheits auskunft hat Augustin selbst wohl nicht zufriedengestellt, denn er greift später das Pro~ ·blem des Verhältnisses von Inspiration und Erinnerung noch einmal auf. Hier führt er zur Erklärung der unterschiedlichen Anordnung der Berichte an,quod unusquisque evangelistarum eo se ordine credidit debuisse narrare, quo voluisset deus ea ipsa quae narrabat eius recordationi suggerere in eis dumtaxat rebus, quarum ordo, sive ille sive ille sit, nihil minuit auctoritati veritatique evangelicae 65 ). Wenn man also glaubte, daß Augustin durch seinen Rekurs auf die Erinnerung der Evangelisten doch einen gewichtigen menschlichen Faktor bei der Entstehung der Schrift angenommen hätte, wird man hier enttäuscht: auch die Erinnerung der Apostel wird von Gott gelenkt 66 ).
.
. 63) II 12,27 (W. S. 127). 64) II 12,28 (W. S. 128): ••• ut pluribuB eandem rem forte narrantibus nullo modo quisquam eorum de mendacio recte arguatur, si ab altero ita discrepaverit, ut possit etiam evangelistarum exemplo praecedente defendi. cum enim fas non sit evangelistarum aliquem mentitum fuisse vel existimare vel dicere, sie apparebit nec eum fuisse mentitum, cui recordanti tale aliquid acciderit, quale illis accidisse monstratur. 65) II 21,51 (W. S. 153). 66) H. Sasse, Sacra Scriptura, in: Festschrift F. Dornseiff, 1953, S. 267, meint, Augustin stelle sich unter dem "s'uggerere" einen Vorgang vor, der "die menschliche Mitwirkung nicht völlig ausschließt". Ja, er behauptet
- 234 Damit wird letztlich Gott die Verantwortung für die Unterschiede aufgebürdet 66a ). Das ist für Augustins Denken zwar konsequent, läßt aber den nach einer einsehbaren Begründung fragenden Ileser ratlos. Und Augustin gibt auch unumwunden zu, daß er hier keine Antwort bereit hat:Cur autern spiritus sanctus dividens propria unicuique prout vult et ideo mentes qUoque sanctorum propter libros in tanto auctoritatis culmine conlocandos in recolendo quae scriberent sine dubio gubernans et regens alium sic, alium vero sic narrationem suam.ordinare permiserit, quisquis pia diligentia quaesierit, divinitus adiutus poterit invenire. hoc tamen non est huius operis munus, quod nunc suscepimus ••• 67). Damit sind mögliche Ansätze zu einer
sogar: "A:ugustin sah, daß es in der Heiligen Schrift so etwas wie die menschliche Individualität der biblischen Autoren gibt" (ibid.). Wir glauben umgekehrt, daß Augustin mit dem Vorgang der suggestio die menschliche Individualität einschränken möchte. 66a) Die providentia Dei muß sogar dafür herhalten, daß Mt (27,9) ein Sacharjazitat fälschlicherweise dem Jeremia zuschreibt I Augustinliebäugelt zwar etwas mit der Möglichkejt, den Fehler durch textkritische Erwägungen zu beseitigen, entscheidet sich aber doch korrekt für die lectio ardua (111 7,29; W. S. 304 f.). Aber dann fährt er fort: Quid ergo intellegendum est, nisi hoc actum esse secretiore consilio providentiae dei, qua mentes evangelistarum sunt gubernatae? ••• cur autem ita constituerit dominus, prima illa causa utilissima debet facillime cogitari etiam Sic esse insinuatum ita omnes sanctos prophetas uno spiritu locutos mirabili inter se consensione constare ••• 111 7,30; W. S. 305). Man ist geneigt zu fragen, woraus sich wohl kein theologisches Kapital schlagen läßt. 67) 11 21,52 (W. S. 153).
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redaktionsgeschichtlichen Betrachtungsweise 68 ) natürlich ausgeschaltet. Man muß abschließend sagen, daß es Augustin nicht gelungen ist, einen Ausgleich zwischen seiner engen 1nspirationsvorstellung und den faktischen Widersprüchen zu finden, wenngleich er unter demDruc~ des exegetischen Befundes verschiedene Ansätze zu einer sachlich begründeten Lösung macht. Man kann das Ergebnis dieser mißglückten Versuche unseres Kirchenvaters mit der pointierten Feststellung von H.-J. Vogels zusammenfassen: , "Der hl. Augustinus kennt nur einen einzigen harmonistischen Grundsatz: es kann in den Evangelien keinen Widerspruchgeben n69 ). 4. Beispiele für Augustins Harmonistik Bei der Analyse der konkreten Lösungsversuche Augustins zeigt sich uns dasselbe Bild wie bei seinen grundsätzlichen Äußerungen: gelegentlich finden wir recht großzügige Lösungen, denen aber in anderen, analogen Fällen sehr engherzige Harmonisierungen gegenüberstehen. Ein erster, schon genannter Harmonisierungsgrundsatz lautet: quod ••• alius alium verborum ordinem tenet, non est utique contrarium, neque illud contrarium est, si alius dicit quod alius praetermittit 70 ). Diese These dient zunächst zur Harmonisierung der Berichte über den Täufer; sie erlaubt ihm, den kurzen Mk-Bericht mit dem aus Q aufgefüllten Mt bzw. Lk in Übereinstimmung 68) Eine redaktionsgeschichtliche Erklärung der Differen-
zen könnte aus der im ersten Buch angenommenen gegenseitigen Kenntnis der Evangelisten folgen (s. oben s .. 229); auch die schon oben zitierte Aussage aus 11 12,27 könnte' diese Betrachtungsweise nahelegen ( •••. ut cui~le cordi erat ••• ), ebenso die Stelle 11 5,16 (W. s. 98 f.): ••• cognoscendum est ••• sie unumquemque evangelistam contexere narrationem suam, ut tamquam nihil praetermittentis series digesta videatur; tacitis enim quae non vult (1) dicere sie ea quae vult dicere illis quae dicebat adiungit ••• Doch handelt es sich hier nur um gelegentliche Äußerungen, die Augustin nicht weiter auswertet.
69) A.Anm. 2 a.O., s. 94. 70) 11 12,27 (W. s. 127).
- 236 zu bringen, und auch für die lukanische Standespredigt wird damit Platz gemacht. Man kann natürlich nicht erwarten, daß Augustin sich darüber Gedanken macht, warum gerade Lk sich an die Standespredigt "erinnert,,7 l ), also wird man Augustin den c·onsensus .evangelistarum aufs Ganze gesehen zugestehen können. Zwei Einzelheiten jedoch, die Augustin genauerer Betrachtung würdigt, zeigen eine gewaltsamere Art der Harmonisierung. Es handelt sich einmal um das Jesajazitat vom Rufer in der Wüste, das die Synoptiker auf den Täufer anwenden, während Joh dieses Zitat als Äußerung des Täufers über sich selbst bringt. Da nun Mt das Prophetenwort direkt an den Bußruf des Täufers anschließt (hic est enim qui dictus est per Esaia~), legt Augustin die Annahme nahe, daß auch hier das Zitat als vom Täufer selbst gesprochen zu verstehen sei. Er verweist darauf, daß es nicht ungewöhnlich sei, daß der Täufer hier von sich in der dritten Person spreche, da ja der Evangelist Mt bei der Erzählung seiner Berufung (9,9) ebenso von sich selbst in der dritten Person spreche, wie Joh im Epilog seines Evangeliums (21,24); außerdem habe der Herr selbst auch des öfteren s~ch den "Sohn des Menschen" oder den Sohn Gottes genannt. potuit ergo et Johannes baptista, cum dixisset: agite paenitentiam ••• , de se ipso adiungere quae sequuntur: hic est enim qui dictus est per Esaiam prophetam ••• 7 2 ). Damit ist die 71) Nach H.Conzelmann, Die Mitte der Zeit, 19645 , S.93,"transponiert" die Standespredigt" "den eschatologischen Bußruf in zeitlose ethische Mahnung". "Durch die Einfügung dieses Stückes schafft ••• Lukas ein Schema der Predigt, das auch an anderen Stellen zu beobachten ist und genau seinen Anschauungen entspricht ••• " (ibid.). 72) 11 12,25 (W. S. 123 f.; Zitat S. 124).
- 237 Darstellung des Vierten Evangeliums in Mt hineingetragen.Der zweite Differenzpunkt, um dessen Behebung Augustin sich etwas gewaltsam bemüht, ist die verschiedene Wiedergabe des Sandalenwortes bei Mt (cuius non sum dignus calciamenta portare) bzw: Mk/Lk/Joh ( ••• corrigiam calciamenti solvere). Die an sich nur leichte Verschiebung des Bildes hat Augustin zu ,der Annahme bewogen, der Täufer müsse beides gesagt haben, sive aliud alio tempore sive contextim73 ). Allerdings ist diese engherzige Auffassuns., die beide Fassungen einfach addiert, nicht das letzte Wort Augustins. Er ge~teht zu, daß ja beide Fassungen des Sandalenwortes möglicherweise nur die Niedrigkeit des Täufers zum Ausdruck bringen wollen, so daß die Abweichung im Wortlaut nicht entscheidend ist. Daraus leitet er die "Merkregel" ab: non esse mendacium, cum quisque etiam dicens aliquid aliud quQdetiam ille non dixit, de quo aliquid narrat, voluntatem tamen eius hanc explicat, quam etiam ille qui eius verba commemorat. ita enim salubriter discimus nihil aliud esse quaerendum quam quid velit qui 10quitur74 ). ' Unter diesem Gesichtspunkt sieht Augustin z.B. auch die verschiedene Wiedergabe der göttlichen Stimme bei der Taufe Jesu an75 ), ebenso den unterschiedlich formulierten Hil"feruf der Jünger im Seesturm76 ). Allerdings lockt ihn im letztgenannten Fall schon wieder die Additionsmethode: ••• et hoc fieri potuit, ut pluribus eum simul excitantibus omnia haec, aliud ab alio, dicerentur77 ).
73j 74 75 76 77)
11 12,29 (W. S. 130). Ibid.; vgl. auch 11 46,97 (S.205). 11 13,31 (W. S. 132). 11 24,55 (W. S. 157 f.). Ibid. (W. S. 158).
- 238 Daraus ist ersichtlich, daß Augustin seiner freieren Anschauung wohl selbst nicht ganz traut; H.-J. Vogels 78 ) hat auf eine Reihe weiterer Fälle verwiesen, in denen Augustin ebenfalls den Grundsatz, daß es nur auf den Sinn der Aussage ankomme, nicht auf den Wortlaut, außer Acht läßt. In einem Fall wendet Augustin diesen Grundsatz dagegen ausgesprochen willkürlich an, nämlich bei der Bitte des Jairus·um Heilung seiner Tochter. Bei Mt (9,18) lautet diese Bitte: Domine, filia mea modo defuncta est, sed veni, impone manum tuam super eam et vivet; Hk (5,23) läßt dagegen den Hauptmann sagen: Quoniam filia mea in extremis est, veni, impone manum ••• ; auch nach Lk 8,42 . ist die Tochter noch nicht gestorben, als der Vater Jesus um Hilfe bittet. Zu diesem Widerspruch erklärt Augustin: ••• considerandum est ••• et"intellegendum brevitatis causa Nattheum hoc potius dicere voluisse rogatum esse dominum, ut faceret quod eum fecisse manifestum est, ut scilicet mortuam suscitaret; adtendit enim non verba patris de filia'sua, sed, quod est potissimum, voluntatem, et talia verba posuit, qualis voluntas erat, ita enim desperaverat, ut potius eam vellet revivescere, non credens vivam posse inveniri quam morientem reliquerat. duo itaque (sc. Mk et Lk) posuerunt, quid dixerit Jahirus, Mattheus autem, quid voluerit adque cogitaverit. Augustin gibt "eine Erklärung, die also zur Voraussetzung hat, daß der Synagogenvorsteher etwas anderes wollte und dacht~, als was er sagte,,!79) Zu ausführlicher Behandlung gibt die Speisung der 5000 (Mt 14, 15-21) Anlaß. Augustin erkennt nicht nur die synoptischen Parallelen, sondern sieht auch das johanneische Speisungswunder als Bericht über dieses Ereignis an. Denn es spielt keine Rolle, daß Joh die Brotart genau benennt, was die Synoptiker nicht tun, während die Drei die genaue Zahl der Gespeisten anführen, was Joh 78) A.Anm. 2 a.O., S. 100 f. 79) Ibid. S. 105.
.I,
- 239 unterlassen hat: et omnino iam certum esse debet et regulariter teneri in talibus quaestionibus neminem moveri oportere, cum ab alio dicitur quod ab alio praetermittitur80). Schwieriger wird der Ausgleich zwischen den Darstellungen zur Einleitung des Wunders: Nach den Synoptikern bitten die Jünger Jesus, die Menge zu entlassen, damit sie sich Essen verschaffen könnte, und Jesus fordert die Jünger auf, sie sollten ihnen zu essen geben; nach Joh dagegen geht die Initiative von Jesus aus, der Philippus auffordert, er solle der Menge zu essen geben. Da nun die Antwort der Jünger bei den Synoptikepn der Antwort des Philippus ähnelt, kann Augustin wieder addieren: Zuerst habe~ die Jünger sich an Jesus gewandt, daraufhin hat Jesus den Philippus angesprochen, die Antwort des Philippus hat Mk als Antwort der Jünger wiedergegeben:volens intellegi hoc ex ore ceterorum Philippum respond±sse. Ebenso verhält es sich mit dem Vorschlag des Andreas: quod autem Andreas a~ut Johannem de quinque panibus et duobus piscibus suggessit, hoc ceteri pluralem numerum pro singulari ponentes ex discipulorum persona rettulerunt. et Lucas quidem responsionem Philippi et responsionem Andreae in unam sententiam constrinxit 81 ). Augustin kann hier so unbefangen von der redaktionellen Arbeit der Evangelisten sprechen, da sie ja keinerlei sachliche Änderung des Berichtes bedeutet. Der entscheidende Unterschied zu unserer redaktionsgeschichtlichen Fragestellung beruht darin, daß Augustin nie nach dem Grund der Änderungen fragt, sondern davon ausgeht, daß die verschiedenen Fassungen genau dasselbe aussagen wollten. Eine unscheinbare Einzelheit der Speisungsgeschichte findet Augustins besonderes Interesse und hilft ihm zu einer öfters anzuwendenden Regel, nämlich die unterschiedliche Angabe der Lagerordnung. Nach Mk (6,40) soll sich die 80)_,1146,96 (W. S. 203). 81) Ibid. (W. S. 204 f.).
- 240 Menge in Gruppen zu je 50 und je 100 Mann lagern, während Lk (9,14) nur von Fünfzigergruppen spricht; Lk hat also die Weisung Jesu nur teilweise, Mk aber vollständig wiedergegeben. quod hic ideo non movet, quia unus partem dixit, alter totum. qui enim etiam de centenis rettulit, hoc rettulit quod ille praetermisit; nihil itaque contrarium este verum tamen si alius de quinquagenis tantum commemoraret, alius tantum de centenis, valde videretur esse contrarium; nec facile dinosceretur utrumque dictum esse, unum autem ab altero, alterum ab altero esse commemoratum; et tamen adtentius consideratum inveniri debuisse quis non fateatur? hoc ideo dixi, quia existunt saepe aliqUa eiusmodi, quae parum intendentibus et temere iudicantibus contraria videantur et non sint 82 ). Aus diesem Einzelfall leitet Augustin also die Berechtigung für seine häufige A~di tion der unterschiedlichen Angaben ab; er spricht gelegentlich sogar von einer "regula de quinquagenis". Diese Regel f·indet Anwendung bei der Untersuchung der Vorbereitungen zum Einzug in Jerusalem, wo nach Mt 21,2 Jesus eine Eselin und ein Füllen bestellt, während die übrigen Evangelien nur von einem Füllen sprechen: immo etiam recordanda est ·illa regula, qtiam de quinquagenis et centenis discumbentibus, cum quinque panibus ·turbae pascerentur, supra insinuavimus. qua insinuata non deberet hoc iam permovere lectorem, nec si Mattheus ita de pullo tacuisset, quemadmodum illi de asina tacuerunt, ut maxime contrarium putaretur, quod unus asinam dixit, alii pullum asinae ••• ubi ergo utrumque factum potest intellegi, nulla repugnantia est, nec si alius aliud et aliud alius commemoret, quanto minus, ut alius unum, alius utrumque 83 ). Dieselbe Regel erlaubt Augustin auch die Identifiz~erung der drei Passionssalbungen (Mt 26,6-13; Mk 14, 3-9; Joh 12, 1-8): quod ergo Mattheus et Marcus caput domini un82) 11 46,98 (W. S. 205 f.). 83) 11 56,126 (W. S. 229).
- 241 guento i110 perfusum dicunt, Johannes autem pedes, regu1a illa ostenditur non esse contrarium, quam demonstravimus, cum de quinque panibus pasceret turbas ... quo exemplo ••• sicut illic admonui, etiam ubi singula evangelistae commemorant, utrumque factum intellegere. proinde et hic non solum caput, sed et pedes domini accipiamus perfudisse mulierem84 ). Zweierlei ist an dieser Harmonisierung noch interessant: Erstens die Tatsache, daß Augustin die lukanische Salbung ihrem Kontext entsprechend zwar von derPassionssalbung abhebt, aber doch auch von Maria vorgenommen sein läßt, wobei er sich auf Joh 11,2 beruft (Maria autem erat, quae unxit dominum unguento ••• ). Natürlich ist Joh 11,2 als Verweis auf Joh l2,lff. gemeint, und die Beziehung dieses Satzes auf eine im Vierten Evangelium überhaupt nicht erwähnte Geschichte erscheint uns höchst willkürlich; von den Voraussetzungen Augustins aus ist freilich nichts dagegen zu sagen. Zum zweiten ist die Identifizierung der matthäischen markinischen Salbung mit der jOhanneischen auch deswegen bemerkenswert, weil beide verschieden datiert werden: bei Joh findet sie 6 Tage, bei Mk/Mt 2 Tage vor dem Passa statt'. Augustin folgt der johanneischen Datierung und erklärt: ••• qui ita moventur non intellegunt Mattheum et Marcum illud quod in Bethania de unguento factum erat recapitu1ando posuisse non post illam de biduo praedicationem suam, sed ante iam factum, cum adhuc sex dies essent ad pascha. non enim quisquam eorum, cum dixisset post biduum futurum pascha,'sic adiunxit de illo facto in Bethania, ut diceret· ll post haec cum esset Bethaniae ll , sed Mattheus quidem: cum autem esset, inquit, Jesus in Bethania. Marcus autem: cum esset Be~ha niae, quod utique intellegitur etantequam illa dicerentur quae ante biduum paschae dicta sunt 85 ). Augustin hat zwar richtig erkannt, daß die Einleitungsformel der ursprünglich ja selbständigen - Erzählung bei Mk/Mt
84) Ir 79,155 (w. B. 262). 85) 11 78, 153 (W.S. 257).
- 242 keine zeitliche FixierUng gibt, wie dies bei allen Apophthegmata der Fall ~st, aber die Ev~ngelisten wollten natürlich durch den Kontext sehr wohl den Zeitpunkt angeben; also ist hier der consensus evangelistarum keinesfalls zuzugestehen. Trotzdem wird man es als eine positiv zu bewertende Leistung Augustins anzusehen haben, daß er -·wie schon Hieronymus 86 ) - mit zwei Salbungen ausgekommen ist, während ja Origenes drei Salbungen angenommen hatte 87 ). Augustin hat seine Inspirationsvorstellung im Einzelfall also nicht so engherzig durchgefochten wie etwa Origenes. Oberhaupt ist Augustin in chronologicis nicht eng88 ). Anläßlich der Heilung der SChwiegermutter des Petrus, die bei Mt in einem ganz anderen Rahmen steht als bei Mk, hat er die schon angeführte Überlegung gebracht, daß der hl. Geist die recordatio der Evangelisten eben verschieden gelenkt habe. Daran knüpft Augustin die folgende Erwägung an: quapropter ubi ordo temporum non apparet~i nihil nostra interesse debet, quem narrandi ordinem 'qUilibet eorum tenue· ~it, ubi autem apparet, si quid moverit, quod sibi aut alteri repugnare videatur, utique considerandum et enodandum est 89J • Ein solcher Fall, in dem die Auflösung des·Widerspruchs leicht durchführbar ist, ist die Frage nach der Datierung der Verklärung. Augustin löst sie wie schon Origenes und Hieronymus 90 ) durch die Uberlegung, Mt und Mk hätten nur
~~)~ 88 89 90
S. oben S. 214. S. oben S. 105 f. Dazu vgl. Vogels, a.Anm. 2 a.O., S. 117 ff. 11 21,52 (W. S. 153). . 11 56,113 (W. S. 219). Zu Origenes s. oben S. 102; zu Hiernnymus s. dessen Tractatus in Marci Evang. (ed. G. Morin, S. 348) zu Mk 9,2 und Comm. in Evang. sec. Matth. (MPL 26, Sp. 125 f.) zu Mt 17,1.
- 243 die 6 dazwischenliegenden Tage gezählt, während in ,den 8 Tagen des Lk der Ausgangstag und der Tag der Verklärung selbst mit einberechnet seien. Dagegen erscheint es Augustin unwesentlich, daß Lk die Predigt Jesu in Nazareth schon gleich nach der Versuchung berichtet (4,16 ff.): praeoccupavit hunc locum. Daß es sich um dieselbe Begebenheit wie in Mk 6, 1-6 handelt, geht aus der Aufforderung der Nazarener hervor, Jesus solle auch in seiner Vaterstadt so große Wunder wie in Kapernaum YOllbringen, obwohl Lk vorher ja noch gar keine Wunder Jesu berichtet hatl 91 ) Quid ergo evidentius quam ho~eum (sc. Lucam) scientem praeoccupasse narr~ndum, cum utique iam magna ab illo in Capharnaum facta fuisse et ipse noverit et ipse commemoret quae se nondum narrasse utique scit. neque enim tantum ab eius baptismo progressus est, ut oblitus putetur se aliquid commemorasse de his quae in Capharnaum gesta Iuerant 92 ). Dagegen spricht Augustin der verschiedenen Rahmung der synoptischen und johanneischen Erzählungen von der Tempelreinigung so entscheidendes Gewicht zu, daß er zwei Vorgänge annimmt 93 ). Auch in der Beurteilung anderer Uberlieferungsstücke räumt Augustin der Anordnung gelegentlich groBe Bedeutung ein, so im Fall der Worte Mk 10,42 f // Mt 20,28 I., die bei Lk (22, 24-27) in ein~m ganz anderen Zusammenhang stehen; das führt Augustin zu der' Folgerung: ordo ipse indicat iterum esse eandem sententiam a domino dictam. Bei den zwei Fassungen des Gleichnisses vom "großen Abendmahl" (Mt 22,1-14 / Lk 14,16 ff.),ist es letztlich auch die verschiedene Rahmung, die Augustin
eW.
91) II 42,90 S. 193). 92) Ibid. (W. S. 195). 93) II 67,129 (W. S. 231 f.), auch IV 10,12 (W.S.407 f.).
- 244 -
hier zwei eigenständige Gleichnisse sehen läßt: parabolam istam de invitatis ad nuptias solus Mattheus narrat. simile quiddam etiam Lucas commemorat: sed non est hoc, sicut et ordo ipse indicat, quamvis et illud nonnullam similitudinem gerat 94 ). Es liegt also in der Willkür des Exegeten begründet, ob er an einer Stelle die Chronologie akzeptiert oder nicht. Eine Harmonisierung versucht Augustin bei den Angaben der Stunde der Kreuzigung; seine Lösung erinnert stark an den Ambrosiaster 95 ). . Natürlich hat die römische Soldateska den Herrn zur sechsten Stunde gekreuzigt, aber die Juden haben das "Kreuzige!" zur dritten Stunde gerufen; Mk will durch seine Angabe zeigen magis fuis ge domininecatricem linguam Judaeorum quam militum manus 96 ). In dieser Frage zeigt sich Augustin geradezu starrsinnig: Quisquis autem dixe-. rit non fuisse horam tertiam, cum hoc Judaei primitus clamaverunt, insanissime se ostendit inimicum evangelii ••• unde, inquit, probas horam tertiam fuisse? respondeo: quia credo evangelistis. quibus et tu si credis, ostende, quemadmodum et hora sexta et hora tertia potuerit dominus crucifigi ••• 97). Warum Augustin gerade bei dieser Zeitangabe nicht die Möglichkeit einer Ungenauigkeit zugeben kann, ist nicht ohne weiteres deutlich; er kämpft jedenfalls seitenlang um die Frage, warum Mk die zeitangabe so mißverständlich bringt, um damit zu enden, daB Mk eben auf göttliches Geheiß so und nicht anders geschrieben habe 98 ), und daß Mk seinen Hinweis auf den eigentlichen Zeitpunkt der Kreuzigung sogar sehr geschickt bringe, damit niemand die Schuld der Juden auf die Römer abschieben könne 99 ). Insgesamt umfaßt die Untersuchung
94~ 95 96~ 97 98) 99)
11 70,139 (W.- S. S •. oben S. 158. 111 13,42 ~W. S. 111 13,43 w. S. 111 13,48 ~w. S. 111 13,49 w. S.
243). 327~.
327 • 333 f.). 335).
- 245 dieses Problems mehr als 12 Druckseiten! Die Buchstabengläubigkeit könnte keine krassere Form annehmen.Da wir nich~ sämtliche Harmonisierungsversuche Augustins wiedergeben können - das wäre nicht nur ermüdend, sondern brächte auch keine wesentlichen neuen Einsichten -, greifen wir noch einige Lösungen heraus, die sich auf früher schon behandelte Widersprüche beziehen. Natürlich hat Augustin die Genealogien eingehend untersucht lOO ). Er nennt nicht nur die These von der durch die Stammbäume begründeten priesterlichen bzw. königlichen Würde Jesu und andere apologetische Erwägungen über die Bedeutung der Stammbäume, die uns hier nicht interessieren, sondern er hat auch eine Theorie zu der "historischen" Harmonisierung der Genealogien: Mt führt die Genealogie des leiblichen Vaters Josephs an, während Lk die Genealogie seines Adoptivvaters darbietet lOl ). Augustin hat diese Theseaus den römischen Verhältnissen abgeleitet, während Africanus seine auf dieselbe Harmonisierung hinauslaufende Theorie von der Leviratsehe aus den jüdisch - palästinischen Verhältnissen übernommen hatte. Interessanterweise hat Augustin die in unserer Schrift verschwiegene Theorie des Africanus in oden schon 399 edierten Quaestiones evangeliorum ablehnend erwähnt; nachdem er mit der Schrift des Africanus selbst bekannt wurde, hat er sie allerdings voll akzeptiert. Augustin wird also zur Zeit der Abfassung der Quaestiones und von De consensu die Erklärung des Africanus nur aus zweiter Hand gekannt haben, möglicherweise aus dem LkKommentar des Ambrosius oder dem Mt-Kommentar des Hieronymus l02 ). 100l 11 1,2 - 4,13 (W. S. 82 - 94). 101 11 3,5 (W. S. 84 f.). 102 Vgl. Quaest. ev. Ir 5 (MPL 35, 1334 f.); Retr. 11 33,2 (Knöll S. 139 f.), 11 38,3 (Knöll S. 145) und 11 42,3 (KnöllS. 150 f.); dazu B. Altaner, Augustinus und Julius Africanus, in: Kleine patristische Schriften (ed. G.Glockmann),1967, S. 216 - 223, bes. S. 217 f.
- 246 Ähnlich wie für die Passions- und Ostergeschichte hat Augustin auch für die Vorgeschichten eine ausdrückliche Harmonie hergestellt; die Folge der Ereignisse war seiner Meinung nach l03 ): fo.1t 1,18a Lk 1, 5 - 56 Mt 1, l8b - 25a Lk 1, 57 - 80 Lk 2, 1 - 21 Mt 2, lb - l3a Lk 2, 22 - 39a Mt 2, l3b - 23 Lk 2, 40 - 52. Natürlich kennt und akzeptiert unser Kirchenvater auch die Ergänzungshypothese, der zufolge Joh die täuferzeitliche Wirksamkeit beschreibe: die Synoptiker haben den ersten galiläischen Aufenthalt Jesu nach der Taufe ausgelassen lO4 ). Mit genaueren Berechnungen in der Art des Epiphanius gibt sich Augustin aber nicht ab. Die Frage nach der Zahl der bei Gerasa geheilten Besessenen beantwortet Augustin wie schon Origenes und Jo"hannes Chrysostomusl0 5 ) natürlich so, daß er die größere Zahl als das Ganze ansieht, von dem Hk und Lk nur einen Teil genannt habe. Die Begründung erinnert an Origenes: ••• intellegasunum eorum fuisse personae alicuius clarioris et famosioris, quem regio illa maxime dolebat et pro cuius salute plurimum satagebat. hoc volentes significare duo evangelistae solum commemorandum iudicaverunt, de ~o facti huius fama latius praeclariusque fraglaverat l06 • Eine gleiche rührende Geschichte konstruiert Augustin für die Blindenheilung bei Jericho; er verweist ausdrücklich auf den Parallelfall von Gerasa. Auch dort spricht Mk nur von einem Patienten, während Mt zwei nennt; nam duorum
103) 104) 105) 106)
II II S. II
5,17 (W. s. 99 ff.). 18,42 (W. S. 141 f.). oben S. 102 f.; 197. 24,56 (W. S. 158). ~
- 24-7 etiam caecorum, quos modo interposuit, unum fuisse notissimum et in illa civitate famosissimum ex hoc etiam,satis apparet, quod et nomen eius et patris eius Marcus commemoravit ••• procul dubio itaque Bartimeus iste Timei filius ex aliqua magna felicitate,deiectus notissimae et famosissimae miseriae fuit, quod non solum caecus, verum etiam mendicus sedebat. hinc est ergo quod ipsum solum voluit commemorare Marcus ••• 107) Die lukanische Parallele dagegen hält Augustin für ein neues Wunder, da sich die matthäisch - markinische Heilung beim Wegzug von Jericho ereignet habe, während Lk ausdrücklich schreibt, diese Heilung habe sich beim Einzug in Jericho ereignet. Augustin sieht sogar die facti similitudo, aber die Glaubwürdigkeit des Rahmens verlangt eine Unterscheidung der beiden Ereignisse l08 ). Immerhin hatte Origenes die Buchstabengläubigkeit noch weiter getrieben und in diesem Fall sogar drei verschiedene Wundertaten an 4- Blinden angenommenl l09 ) Wie schon Origenes, Theodor v. Mopsuestia und Hieronymus llO ) harmonisiert Augustin Mt 27,32 und Joh 19,17 , durch die Annahme, Jesus habe zunächst sein Kreuz selbst get'ragen, und erst unterwegs habe man es Simon von Kyrene aufgelegt lll ). Im Anschluß daran seien drei weitere Harmonisierungen aufgeführt, die Augustin mit Hieronymus gemeinsam hat: Beide Kirchenväter lösen das alte Problem Matthäus - Levi (Mt 9,9 par.) durch die Annahme eines Doppelnamens l12 );
11 -65,125 (W. S. 227 f.). 11 65, 126(W. S. 228). S. oben S. 103. Zu Origenes s. oben S. 107; zu Theodor v. Mopsuestia s. oben S. 190; zu Hieronymus s. dessen Comm. 'in Evg. Matth. (MPL 26, Sp. 217 AlB) zu Mt 27,32. 111) 111 10,37 (W. S.. 322). 112) 11 26,59 (W. S. 162); zu Hieronymus s. oben S. 213. 107) 108) 109) 110)
- 248 beide glauben, daß der bei Lk (6,15) genannte Jünger JUdas Jakobi, der bei Mt (10,14) Thaddeus und in einem Teil der handschriftlichen Tradition Lebbaeus heißt, m6g1icherweise diese drei (1) Namen getragen habe l13 ). Die Tatsache, daß nach Ht und Hk beide Schächer den Herrn geschmäht haben, nach Lk aber nur der eine von ihnen, 16sen beide durch die Auskunft, Mt und Mk hätten hier den Tropus der Synekdoche angewandt, d.h. denPluralstatt des Singulars gesetzt l14 ). Nur an zwei Stellen ist uns aufgefallen, daß Augustin die Allegorese zur Hilfe ruft, um Widersprüche in der Logienüberlieferung auszugleichen. Es handelt sich einmal um die Weisung bei der Aussendung, die Jünger dürften keinen Stab nehmen und sollten barfuß gehen, wie sie Mt (10,9 f.) und Lk (9,3) aus Q überliefern, während Mk (6,8 f.) eine gemilderte Fassung bringt, die die Mitnahme eines Stabes und von Sandalen erlaubt. Schon Vogels hat diese Stelle aufgegriffen und bemerkt, es liege "nichts näher, als hier den Grundsatz anzuwenden, daß es bei der Wiedergabe der Worte nicht auf die Worte, sondern auf den Sinn" ankomme, der "in beiden Fällen offenbar der nämliche" sei, nämlich die Jüngei von allem Überflüssigen freizuhalten l15 ). Doch macht sich an dieser Stelle wieder Augustins Buchstabengläubigkeit geltend: beides hat Jesus gesagt. quod ita solvitur, ut intellegamussub alia significatione dictam virgam, quae secundurn Marcum ferenda est, et sub alia . . illarn, quae secundum Mattheum et Lucam non est ferenda •• ~16~ Ausführlich untersucht er dann Fälle, in denen Worte sowohl im eigentlichen als auch im metaphorischen Sinne
113) 114) 115) 116)
11 30,70 (W. S. 175); zu Hieronymus s. oben S. 213. 111 16,53 (W. S. 175); zu Hieronymus s. oben S. 213. A.Anrn. 2 a.O., S. 100. 11 30,71 (W. S. 175).
- 249 gebraucht werden; auch von der Rute bzw. den Sandalen ist in diesem doppelten Sinn die Rede. Ähnlich erklärt er den Unterschied zwischen Mt 24,20 // Mk 13,18 und Lk 21, 34 - 36: Nach Mk/Mt sollen die Jünger darum bitten, daß die eschatologische Flucht nicht im Winter noch am Sabbat erfolgen möge; diese Bitte findet sich in der apokalyptischen Rede des Lk zwar n~cht, sed tarnen dixit aliquid solus, quo mihi videatur hanc ipsam, quae ab istis obscure posita est, inlustrasse sententiam. ait enim: attendite autem vobis, ne forte graventur corda vestra in crapula et ebrietate et curis huius vitae, et superveniat in vos repentina dies illa ••• haec intellegitur fuga, quam Mattheus cornmemorat, quae non debet fieri hieme vel sabbato ad hiemem autem pertinent curae huius vitae, quas Lucas aperte posuit, ad sabbatum verum crapula et ebrietas ••• 117). Allerdings scheint Augustin über diese Erklärung selbst nicht ganz glücklich gewesen zu sein, denn er beschwichtigt den Leser mit der recht allgemeinen Behauptung: aut si aliquid aliud in illis secundum Mattheum et Marcurn verbis intellegendum est, aliquid aliud etiarn Lucas dixerit, dum tarnen nulla repugnantiae quaestio moveatur. neque enim nunc evangelia exponenda suscepimus, sed a falsitatis vel fallaciae calumniis defendenda l18 ). Die Analyse der konkreten Harmonisierungsversuche Augustins ergibt im Grunde ein gleiches Bild, _wie wir es schon bei den grundsätzlichen ÄußerurLgen über das Verhältnis der Evangelien zueinander gewonnen haben. Augustin macht richtige Ansätze, aen literarischen Charakter der Berichte ernstzunehmen:
eW.
117) 11 77,151 S. 255). 118) Ibid. S. 256).
eW.
- 250 Er erkennt den sekundären Charakter des Rahmens, rech-
dem gestaltenden Einfluß der Redaktion und sieht 6fters auch die Gle~chartigkeit von Texten, die nicht ohne weiteres als Paralleltexte zu erkennen sind. Daneben aber finden sich unn6tige Additionen yon Textstücken, die traditionsgeschichtlich auf dieselbe Grundfassung zurückzuführen sind, und schließlich klebt er nicht selten an irgendwelchen untergeordneten Details, zu deren Harmonisierung er die unm6glichsten Theorien entfaltet, um nur nicht den geringsten Widerspruch stehenlassen zu müssen. Han sieht oft nicht ein, warum er an einer Stelle großzügig Unterschiede der verschiede~en recapitulatio zuschreibt, während er in einem analogen Fall die Gleichartigkeit der Texte auf Biegen und Brechen nachzuweis.en bemüht ist. So bleibt der Eindruck einer gewissen Unausgeglichenheit und Willkürlichkeit bei den L6sungen. Dieser Tatbestand und die Fälle, in .denen Augustin die endgültige L6sung eines Problems offen läßt, oder in denen er zwei verschiedene Harmonisierungsm6g1ichkeiten anbietet, lassen den Schluß zu, Augustin habe die L6sungen geboten, "wie der Augenblick sie eingab,,119). net~mit
5. Augustin und die harmonistische Tradition Wenn wir die Eigenart der augustinischen Schrift De consensu evangelistarum würdigen WOllen, müssen wir Augustins Leistung auch mit seinen Vorgängern vergleichen. Im vorigen Al>schnitt hatten wir ja schon wiederholt auf einzelne Gemeinsamkeiten Augustins mit früheren Exegeten hingewiesen. Hat Augustin diese seine Vorgänger gekannt oder handelt es sich um zufällige Berührungen? Mit Recht hat B. Altaner einmal bemerkt: "Die Feststellung, daß bei zwei Autoren dieselben oder sehr nahe
119) H.-J. Vogels, a.Anm. 2 a.O., S. 110, Anm. 1.
- 251 verwandte Gedankengänge vorliegen, gibt noch lange nicht das Recht, ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden zu behaupten Il120 ). Aber H.-J. Vogels hat schon darauf hingewiesen, daß Augustin gelegentlich andere Lösungen abweist, also in irgendeiner Weise von den Ergebnissen anderer Kenntnis hatte 12l ). Die Bekanntschaft mit den Arbeiten der Griechen ist nach Vogels' Meinung auszuschließen, da Augustin zur Zeit der Abfassung unsere;r Schrift des Griechischen noch nicht mächtig gewesen sei. B. A1taner hat in einer Reihe gründlichster quellenkritischer Untersuchungen 122 ) dieses Ergebnis bestätigt; er stellt fest, "daß Augustinus das griechisch - kirchliche Schrifttum grundsätzlich nur dann zu Rate zog und für seine Zwecke verwendete, wenn ihm lateinische übersetzungen zur Verfügung standen" 123 ). Auch P. Cource11e 124 ) hat dies ähnlich ausgesprochen: "Augustin a donc eu 1es plus grandes difficult~s t se mettre au courant de 1a 1itt~rature ecc1~ siastique grecque: en 405, i1 est encore extr~mement ignorant de cette litt~rature ••• ,, 12 5). Für unsere
120) B. Altaner, Augustinus und Epiphanius von Salamis, in: Kleine patristische Schriften, S. 296. 121) H.-J. Vogels, a.Anm. 2 a.O., S. 49. 122) Augustinusund Origenes, in: Kl. patrist. Schriften, S. 224 - 252; Augustinus und Eusebios von Kaisareia, ibid., S. 253 - 259; Augustinus und Epiphanius v. Salamis, ibid., S. 286 - 296; Augustinus und Johannes Chrysostomus, ibid., S. 302 - 311. 123) B. Altaner, Augustinus und die griechische Patristik, in: K1. patrist. Schriften, S. 321. 2 124) Les Lettres Grecques en Occident, 1948 , S. 183 ff. 125) A.a.O., S. 193 f.
- 252 Schrift konnte Augustin also sicher nicht auf griechische-Quellen zurückgreifen. An Übersetzungen konnte Augustin nach den Aufstellungen Altaners 126 ) nur die um 390 von Hieronymus übersetzten Lk-Homilien des Origenes benützen. Doch ist gerade in diesem Werk das harmonistische Interesse gering, eine, Tatsache, die möglicherweise auf die Kürzung des Übersetzers zurückgeht 127 ). Ausführlich befaßt sich Origenes mit der Harmonisierung der Stammbäume, aber die Lösung Augustins findet sich bei ihm nicht, während umgekehrt bei Augustin höchstens Anklänge an Origenes zu finden sind128 ). Auch fällt auf, daß Augustin keinerlei Bezug nimmt auf die redaktionsgeschichtlichen Erklärungen des Origenes zum Fehlen der Versuchungsgeschichte und der Gethsemaneperikope bei JOh 129 ). Da die Entstehungszeit der anonymen Übersetzung des Mt Kommentars des Orlgenes nicht feststellbar ist 130 ), kann über eine Bekanntschaft Augustins mit derselben trotz einiger Berührungen, die wir oben angezeigt h~ben, vorläufig nicht entschieden werden. Jedenfalls können wir Vogels nicht rechtgeben, der unter Berufung auf E. Preuschen meint, "daß zwischen der IJJethode des Origenes und_jener des Augustinus eine unüberbrückbare Kluft" liege 13l ). Wie wir in § 5 zu zeigen versucht haben, kennt Origenes auch eine historische Harmonisierung in der Art Augustins. Daher hätte Augustin von Origenes nicht nur "e inzelne Gedanken" allgemeiner Art 126) Vgl. die Anm. 122 angeführten Arbeiten. 127) über die Eigenart der übersetzung hat E.Rauer im . Vorwort der Ausgabe (p. XI) einiges geäußert; er weist u.a. auf Kürzungen hin. 128) Vgl. de cons. ev. 11 4,11 f. (W. S. 92 ff.). 129) Zu Origenes vgl. oben S. 109; Augustin konstatiert lediglich das Fehlen beider Perikopen im Joh-evg. (de cons. ev. 11 16,33 W. 8. 134; 111 4,12 W. 8.283). 130) Vgl. das Vorwort der Ausgabe. 131) A.Anm. 2 a.O., S. 53.
- 253 übernehmen können, was Vogels zugesteht, sondern auch ~ine Reihe von Harmonisierungen. Da die Kirchengeschichte Eusebs erst 402/403 übersetzt wurde, kann Augustin sie noch nicht in unserer Schrift be~utzt haben 132 ); die Quaestionen hat er sicher auch nicht gekannt, wie die ganz unterschiedlichen Lösungen beider beweisen l }3). Die Mt-Homilien des Johannes Chrysostomus wurden erst 419/21 übersetzt, scheiden als Quelle für De consensu also ebenfalls aus 134 ). Es bleibt noch zu prüfen, ob die lateinischen Vorgänger Augustins als Quelleli für De consensu anzusehen sind. Die Berührung mit den Quaestionen des Ambrosiaster, die wir im vorigen Abschnitt aufgezeigt haben, ist in der Literatur noch nicht vermerkt worden; daher ist die Frage nach einer Bekanntschaft Augustins mit dieser Sammlung noch nicht erwogen worden. Da wir aber sonst keine Beziehungen zu den Quaestionen feststellen konnten, glauben wir diesen Einzelfall nicht überbewerten zu dürfen. Schon H.-J. Vogels hat eine Reihe von Parallelen zwischen De consensu und dem Lk-Kommentar des Ambrosius aufgewiesen, die eine Bekanntschaft Augustins mit diesem Werk zeigen 135 ). P. Rollero hat dafür neuerdings weitere Evidenz erbracht 136 ). Allerdings hat bereits 132) B.Altaner, Augustinus und Eusebios von Kaesareia (a.Anm. 122 a.O.), S. 253. 133) Ibid., S. 258; so schon- Vogels, a.Anm. 2 a.O., S. 57 f. 134) B.Altaner, Augustinus und Johannes Chrysostomus (a.Anm. 122 a.O.~, S. 311. 135) A.Anm. 2 a;O., s. 54 ff. 136) R. Rollero, La "Expositio evangelii secundum Lucan" di Ambrogio come fonte della esegesi agostiniana, Turin 1958, S. 67 ff.
- 254 -
Vogels zutreffend herausgestellt, daß Ambrosius vornehmlich mit Allegorese beschäftigt ,war, so daß die einzelnen Lösungen seines Kommentars "für Augustin als Vorarbeit nicht in BetrachtHkamen 137). Die Grundanschauungen über Inspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift berühren sich natürlich; durch Ambrosius hat Augustinhier letztlich origenistisches Gedankengut vermittelt bekommen, nur hat Augustin die Harmonisierung Itad litteram" selbst dazu ,erdenken müssen. Mehr als die Anregung zu diesem Unternehmen hat Ambrosius nicht gegeben. "Den um Ostern 398 verfaßten Kommentar des Hieronymus zu Matthäus ••• hat Augustin bei Abfassung der Schrift De consensu nicht gekannt" 13 8 ). Diesem apodiktischen Urteil von H.-J. Vogels steht die mehr beiläufig ausgesprochene Ansicht B. Altaners gegenüber, Augustin könne die aus den Quaestiones evangelicae ersichtliche Kenntnis der Theorie des Julius Africanus "wohl aus Ambrosius, In Lucam 111 115 oder vielleicht aus dem 398 verfaßten Matthäuskommentar des Hieronymus geschöpft haben" 139). Beiden Thesen, der schroffen Jerneinung der Bekanntschaft Augustin~ mit dem hieronymianischen Kommentar und der vorsichtigen Bejahung derselben, fehlt eine umfassendere Begründung. Wie steht es damit? Zunächst muß festgestellt werden, daß der Annahme einer Bekanntschaft Augustins mit jenem Werk weder die Chronologie noch das, Sprachenproblem im Wege stehen. 137~ A.Anm. 2 a.O., S.
138 139
56.
A.Anm. 2 a.O., S. 58 A.l. A.Anm. 102 a.O., S. 218.
- 255 Aber es dürfte sogar von vornehereiri als wahrscheinlich anzusehen sein, daß Augustin den Komment~r des Hieronymus, den er als Gelehrten schätzte und mit dem er in Korrespondenz stand I40 ), eingesehen hat. Ein positives Indiz dafür bilden die sechs gemeinsamen Harmonisierungen, auf die wir im vorigen Abschnitt hingewiesen haben. Gewiß handelt es sich dabei nicht um be·sonders auffällige Lösungen - daher werten wir diese Gemeinsamke~ten nur als Indiz I -, aber diese Lösungen könnten überhaupt die Anregung für die in De consensu geübte Art der Harmonisierung "ad litteram" gewesen sein, die Augustin in dem ihm sonst bekannten Schrifttum so nicht hatte finden können. Gerade von dieser Überlegung her möchten wir die Bekanntschaft Augustins mit dem Mt-Kommentar des Hieronymus für sehr-wahrscheinlich halten. Die Stelle De cons. ev. 11 29,69 S. 172. f.) dÜrfte unsere These wesentlich stützen. Augustin handelt hier über die Heilung zweier Blinder nach Mt 9, 27 - 31. Er erkennt, daß hier Sondergut des Mt vorliegt, und warnt ausdrücklich davor, diese Erzählung mit der Blindenheilung Mk 10,46 ff.1 Lk 18,35 ff. gleichzustellen: illi enim duo caeci, de quibus et alii narrant, non sunt isti, s~d tamen simile factum est, ita ut, si ipse Mattheus non etiam illius facti meminisset, posset putari hoc quod nunc narrat dictum fuisse etiam ab aliis duobus. quod commendare memoriae diligenter debemus esse quaedam facta similia, quod probatur, cum idem ipse evangelista utrumque commemorat, ut, si quando talia singula aput singulos.invenerimus adque in eis contrarium quod solvi non possit, occurrat nobis non hoc esse factum, sed aliud simile vel similiter factum. Genau diese abgelehnte Gleichsetzung von Mt 9 und Lk 18 aber legt
eW.
140) Der Briefwechsel zwischen Augustin und Hieronymus ist bequem zugänglich in der Ausgabe von J. Schmid, Florilegium Patristicum 22, 1930.
- 256 Hieronymus in seinem Mt-Kommentar n~heJ14l) Da uns eine derartige Annahme bei keinem anderen Kirchenvater.begegnet ist, drängt sich die Folgerung auf, Augustin habe diese Ausführungen polemisch gegen Hieronymus gerichtet. So spricht manches für und nichts gegen die Annahme, daß Augustin den Mt-Kommentar des Hieronymus bei Abfassung von De consensu gekannt habe. Mit allem Vorbehalt dürfen wir zwei abschließende Erwägungen an diese These knüpfen. 1) Die Annahme, Augustinhabe den hieronymianischen Kommentar als "Quelle" benützt, besagt selbstverständlich nicht, daß Augustins De consensu nur ein unselbständiger Aufguß fremder Ideen sei. Vielmehr tritt hier die von B. Altaner festgestellte Eigenart Augustins, daß er "literarische Anregungen fast immer im Schmelztiegel seines reichen Geistes mit großer Selbständigkeit und Freiheit auszugestalten und umzuformen pflegte,,142), besonders gut hervor. Mehr als einige Anstöße und Anregungen zur Harmonisierung ad litteram konnte Hieronymus in der Tat nicht geben. Daneben wird man nic~ausschließen können, daß auch die mündliche Tradition die eine oder andere Lösung vermittelt hat. Auf die Bedeutung der mündlichen Tradition hat schon M. Comeau in ihrer Untersuchung der Johannesauslegung Augustins 143 ) hingewiesen. Sie war zu dem Ergebnis gekommen, daß man schriftliche Quellen nicht aufweisen könne, obwohl Augustins Erklärungen sich vielfach auch anderwärts finden. Daraus schloß sie: "Toutefois, si l'on ne peut eiter avec pr~cision les sources de l'ex~g~se johannique d'Augustin, il ne faut par ailleurs reconna1tre qu' il tenait d' une
l4l~ MPL 26, Sp. 61.
142 143
A.Anm. 122 a.O., (Augustinus und Origenes), S. 244. M. Comeau, Saint Augustin ex~g~te du quatri~me Evangile, 19303.
- 257 tradition eccl~siastique d~j~ longue un legs consid~ rable"l44). "Augustin puise ~ ce tr~sor commun; il ne pr~tend point emprunter teIle ou teIle id~e d tel ou tel docteur, mais ce qu' il pr~tend, c'est un bien anonyme, ' propri~t~ de toute I' Eglise. LI enseignement de ses pr~d~ cesseurs ne lui vient point directement, par le canal de leurs livres, mais indirectement par la trans~ission orale, par la pr~dication,,145). Gleiches werden wir auch für die Harmonistik Augustins in Anschlag bringen müssen. Welche einzelnen Bausteine Augustin auch immer überkommen haben mag, sein eigentliches Verdienst ist und bleibt der Versuch, daraus ein Gebäude zu errichten, das vor dem scharfen Wind jeglicher Kritik Schutz bieten sollte. 2) Über Hieronymus hat letztlich Origenes die Harmonistik Augustins beeinflußt. Wir hatten ja selbst bei den Antiochenern immer wieder Parallelen zu Origenes gesehen; so ist es nicht allzu überraschend, den' großen Alexandriner auch hier im Hintergrund zu erkennen. Bedeutungsvoll ist freilich die TatsOache, daß von der "multiplicity of approaches", der wir bei Origenes begegnet waren, sich vornehmlich die schlichteste Art der Harmonisierung, die Assimilation der Berichte durch Addition der differierenden Einzelzüge, vererbt hat. Dabei ergab sich zwar in manchen Fällen (Salbung, Blindenheilung) eine größere- Nüchternheit in der Anerkennung von Paralleltexten, aber die Ansätze zu einem subtilen Textvergleich und zu einer wirklichen Auswertung der Unterschiede in den evangelischen Darstellungen gingen verloren. Hätte die nüchternere Betrachtungsweise eine Aufweichung der strengen Inspirationsvorstellung mit sich bringen können, so hat gerade das Festhalten an der Inspirationslehre, die Augustin durch Ambrosius vermittelt wurde, den Verzicht auf redaktionstheologische Erwägungen gefordert. 144) A.a.O., S. 36. 145) Ibid. S. 37.
- 258 Wenn man an den weitreichenden Einfluß Augustins und auch gerade unserer Schrift denkt -wir haben in der Einleitung schon kurz darauf hingewiesen 146) -, kann man wohl mit H. Sasse beklagen, "daß die Christenheit unter der Autorität des größten der Kirchenväter eine Theorie durch die Jahrhunderte zu schleppen hatte, die die nur mühsam verchristlichte Gestalt ~iner heidnischen Lehre von inspirierten Schriften ist" 147). Man wird aber auch nicht verschweigen dürfen, daß unter dem Einfluß Augustins die Harmonistik in maßvollen Bahnen gelaufen ist; im Grunde bedeutet sein Programm doch einen teilweisen Verzicht auf die Frage, wie es eigentlich gewesen sei. In der wissenschaftlichen, Theologie des Mittelalters hat sich dies auch durchgehalten, während auf dem Sektor der Erbauungsliteratur etwa die zahllosen Afterübersetzungen und Bearbeitungen Tatians das Bedürfnis nach eine~ vita Christi stillen mußten. Dem Nürnberger Lutheraner Andreas Osiander kommt das Verdien~t zu, das erste wissenschaftlich begründete IlLeben Jesu" vorgelegt und damit bewußt mit der augustinischen Tradition gebrochen zu haben 148). Mit einem Blick auf dieses Werk dürfen wir unsere Untersuchung der harmonistischen Tradition schließen. Osiander geht - konsequenter als Augustin - von einer eindeutig gefaßten Vorstellung derVerbalinspiration aus, die bewirkt habe, ut Evangelistae verbum nullum ac ne literam quidem ullam, nisi certissima historiae veritate invitante, ac spiritu sancto approbante, libris suis inseruerint. Itaque quamvis prima facie tam in rebus ipsis quam in ordine rerum alicubi discrepare viderentur, nunquam tamen dubitari, quin sub talia specie perturbatae dissensionis, 146~ S. oben S. 6.
147 148
A.Anm. 66 a.O. Harmoniae Evangelicae libri IV ••• , Basel 1537. Angefügt: Annotationum in Harmoniam Evangelicam liber unus, in quo quum ordinis in eodcm opere observati ratio idoneis argumentis redditur, tum vero difficilia quaedam loca a nemine satis commode enarrata, yv~aCw~ explicantur.
- 259 ordipatissimus et perfectissimus lateret omnium rerum consensus ••• 1 4 9). Nach einer kurzen Betrachtung der unzureichenden Unternehmungen des Ammonius Alexandrinus und des Euseb kommt Osiander zu einer scharfen Ablehnung .Augustins: Post hos seguutus est Aurelius Augustinus, vir in divinis scripturis exercitatissirnus, et infatigabili diligentia insignis, gui quatuor libris de Consensu Evangelistarum conscriptis, idem conatus est efficere: verurn adeo non est assequutus quod voluit, ut magnas etiam in ea re tenebras (dicam libere) posteritati offuderit150)~ Dieses Urteil wird vollends verstän~lich, wenn wir Osianders eigenes Programm hören: Contexui enim ex guatuor evangelistis unicam, perpetuam, sibique aptissime undiquaque cohaerentem historiam, ea diligentia atque industria, primum, ut nullius verbum ullum omiserim, de meo autern, nihil omnino, praeter quasdam particulas coniunctivas, easque paucissimas addiderim ••• Postrerno, ut nullius ordinem inverterim, sed unumquenque eodem guo ipse scripsit ordine (excepto uno tantum Matthaei loco) inseruerim: ita tarnen ut nihilominus ubi revera eadem scribunt, concurrant, sibique ubique adamussim consentiant. Id quod duplici ratione consequutus sum: Una quod cicatrices ubi· a singulis aliquid consulto est omissum et quasi exectum, diligenter investigatas, aliorum verbis cornmode inserendis, iterum diduxi: Altera, guod ea quae superiorum seculorum theologi satis imperite confuderant, et pro iisdem accep.erant, iterum distinxi, eaque diversa esse idoneis argumentis edocui 151 ). Im Grunde ist dies zwar genau das Programm, das Augustin für die Vorgeschichten und die Passions- und Osterberichte auch angewandt hatte, dessen Undurchführb~rkeit für die Hauptstrecke des Lebens Jesu Augustin aber deutlich erkannt und ausgesprochen,hatte.
149) A.a.O., fol. 2 vers / 3 reet. 150) Ibid. fol. 3 reet. 151) Ibid. fol. 4 reet.
- 260 -
Als Paradigma für die Textbehandlung Osianders wäh.len wir ~ie Geschichte von dem / den Hesessenen von Gerasa / Gadara aus, da er sich in den ausführlichen Annotationes auch mit Augustin auseinandersetzt I52 ). Osiander stellt zunächst die. Nt, Mk und Lk gemeinsamen Züge gut zusammen, verweist auf den gleichen engeren Kontext (vorausgehende Sturmstillung), aber er betont die unterschiedliche Stellung im Gesamtrahmen bei Mt bzw. Mk/Lk, woraus schon hervorgehe, daß ~'lt ein Ereignis des ersten Jahres der Wirksamkeit Jesu, MkjLk aber ein Ereignis des zweiten Jahres schildern wollten. Dies veranlaßt ihn,auch die übrigen Differenzen ernstzunehmen • ••• hic unius tanturn navis mentio fit, illic vero plurium. Hic discip~li lenius, illic autem severius obiurgantur; hic post ~aiec turn in fines Gergesenorum, - illic autem in regionem Gadarenorum venisse dicuntur. Hic duo daemonia.ci obviam facti, illic unus tamen occurrit; hi duo usque adeo saevi fuerunt, ut nemo per viam quam infestabant transire auderet, ille unicus tantum seipsum nudasse, et lapidibus concidisse fertur ••• All diese Beobachtungen führen zu dem Schluß, daß zwei Sturmstillungen mit anschließenden Heilungen anzunehmen seien, obwohl noch niemand di~se Annahme vertreten habe. Augustins Lösung l53 ) lehnt Osiander ausdrücklich ab, indem er auf offene Fragen verweist, die ~ich bei der Annahme ere;eben, es hä,tten l'-1k/Lk nur von dem einen~ DaInh"aften Patienten berichtet: Nam cum alter sederet vestitus, et sanae mentis, ad pedes Jesu, qtiid interea faciebat alter, si duo fuerunt? Si faciebat idem, cur non potius de duobus loquuntur, quam de uno? Sin aliud agebat, expediebat diversa exempla proponi. Similiter cum unus vellet Jesum sequi, nec perrnitteretur, quid turn prae se ferebat alter? ••• In der Tat kann man diese und ähnliche Fragen stellen, wenn man 15'2) Annotationes zu I 39.
153) Wir betonen :lochmals, daß schon Origenes diese Harmonisierung vortrug; ihr Auftauchen bei Augustin wird auf mündliche Vermittlung zurückgehen.
- 261 sich auf Augustins Konstruktion einläßt. Daher gr~ift Osiander zur Dissimilation der Berichte, zumal eben auch die geographischen Angaben differieren. Mangelnde Konsequenz wird man Osiander nicht vorwerf.en können. Dissimilation ist natürlich sein hauptsächliches Verfahren, wobei die verschiedene Rahmung meist der entscheidende Anstoß ist. So hat Jesus vor und nach seinem Besuch in Jericho 4 Blinde geheilt I54 ), er ist dreimal gesalbt worden 155 ) und hat dreimal die Händler aus dem Tempel vertrieben I56 ). Osiander hat. die inneren Spannungen und Unausgeglichenheitenin Augustins Deconsensu zwar richtig bemerkt, aber er hat die Nüchternheit Augustins seine~ überspannten Verbalinspiration geopfert. Dabei hat Osiander aber auf jede kerygmatische Aussageabsicht der Evangelisten verzichtet, so daß er natürlich überhaupt keine Begründung für die Vierzahl der Evangelien mehr hat. - es sieht beinahe so aus, als hätte der Hl. Geist die Vita Jesu nur deshalb auf vier Schriften verteilt, um die Gelehrsamkeit 'späterer Theologen zu provozieren! Augustin dagegen hat die kerygmatieche Dimension in den Evangeli~n wenigstens grundsätzlich noch gesehen, wenngleich er sie zur Erklärung der "Widersprüche" zu wenig oder sogar - beispielsweise im Fall der Angaben der Kreuzigungsstunde - falsch angewandt hat. So wird man Osianders Versuch, über die Position Augustins hinauszugelangen, als einen Rückschritt betrachten müssen. Aber die mißglückten Bemühungen um den consensus evangelistarum haben letztlich sachgemäßerer Erkenntnis zum Durchbruch verholfen.
154) V~l. 111 32; 34. 155) Vgl. 11 9 (Lk)i 111 35 (Joh); IV 7 (MtjMk). 156) Vgl. I 21 (Joh); IV 37 (Mt); IV 40 (Mk).
- 262 -
§ 10: Erwägungen zum problemgeschichtlichen Ertrag der Untersuchung Wir stehen am Ende eines langen Weges durch teilweise wenig bekanntes Gelände. Dies hat uns gelegentlich dazu geführt, die unzureichenden Ausführungen unserer Handbücher über einzelne exegetische -Schriften oder auch über die exegetische Leistung einzelner Kirchenväter zu ergänzen. Doch ~ollen diese Dinge, obschon sie ein nicht unwichtiger Ertrag unserer umfangreichen Quellenstudien sind, hier nicht noch einmal ausgebreitet werden. Wir wollen vielmehr versuchen, dep Ertrag unserer Untersuchung für die Geschichte des Problems der Pluralität der Evangelien zusammenzufassen und zu präzisieren. Ausgangspunkt unserer Überlegung im folgenden sind die heute weithin anerkannten Tatsachen, daß die Urchristenheit "die Evangelien nicht primär als Berichte verfaßte und ihr eigenes Kerygma das Bild des historischen Jesus geradezu überlagert und verdeckt" 1)._ Die Weitergabe der Jesustradition, zunächst in.der mündlichen Predigt, später in schriftlicher Form, erfolgte unter ständiger Interpretation derselben. Die Evangelisten sind also zunächst Funktionäre ihrer Gemeinde, deren Traditionsgut sie aufnehmen, sie sind aber zugleich bewußt gestaltende Theologen. Ir- der Tat spiegelt der Traditionsprozeß "die sehr verschiedenen Auffassungen noch nicht gesamtkirchlich ver~undener Gemeinden", und dokumentisrt "durchaus unorganisch und unharmonisch manni3fache Interessen und Widersprüchliches" 2). Schon bei Papias, dem ersten Theologen, der sich zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Pluralität der Evangelien 1) E. Käsemann, Das Problem des historisc~en Jesus, in: Exegetische Versuche und Besinnungen I 1965 , S. 191. 2) E. Käsemann, Das Neue Testament als Kanon der Kirche,
1970,
S.
379. -
- 263 genötigt sieht, tritt freilich eine verQängnisvolle perspektivische Verkürzung dieses Sachverhaltes auf: Er schränkt die Traditionskette für das Mk-evg. auf zwei Glieder ein, so daß zwar gewisse Mängel dadurch erklärt werden, daß ja nicht der Augenzeuge selbst für die Niederschrift verantwortlich zeichnet, aber zugleich die substantielle Richtigkeit behauptet werden kann, da nur ein Zwischenglied vorhanden ist. Allerdings hat Papias infolge seiner Bevorzugung der mündlichen überlieferung keine grundsätzliche Beurteilung der "Schriftwerdung" der Tradition vorgelegt; bei ihm "sinkt" ::"etztlich "alles wieder in den Strom der ungeordneten, sei es schriftlichen, sei es mündlichen Überlieferung zurück, die trotz der behaupteten Sichtung höchstens durch das theologische Urteil ein wenig begrenzt wird, sonst aber praktisch unkontrollierbar, ungeschützt und uferlos weiter strömt" 3). W0nn dann eine Generation später Justin die Evangelien als lxIto~ VT)~OVgV~cx'tcx 'twv o.1tOC1't6AWV bezeichnet4), so hängt das wohl nicht nur "mit dem apologetischen Charakter seiner Schriften zusammen, in denen solch ein 'gebildeter' Hinweis auf die 'Quellen' passend erschien" 5), sondern es steht sicher auch eine theologische Notwendigkeit dahinter, nämlich die Absicherung des Weissagungsbeweises. Nicht irgendwelche trüben Quellen belegen die Erfüllung des AT, sondern die authentischen Berichte von Augen- und Ohrenzeugen! 3) H.v.Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel,
1968, S. 159.
~
4) Die Stellen sind schon von Th.Zahn, Geschichte des Neutestamentlichen Kanons I, 1888, S. 471 ff., gesammelt und
besprochen worden; bezeichnenderweise hielt Zahn diesen Namen für "trefflich gewählt und sehr geeignet, dem literarisch gebildeten Heiden eine richtige Vorstellung vom Wesen der Evangelien zu geben" (a.a.O., S. 471). 5) Ibid. S. 216.
- 264 Die Berufung auf "Apostelmemoiren" wurde freilich bald zur stumpfen Waffe; denn den neu produzierten Evangelien konnte sehr leicht der Anspruch auf Augenzeugenschaft beigelegt werden. Es galt also die in Wahrheit apostolische Tradition beinhaltenden Schriften herauszufinden und ein für allemal als Norm zu setzen. Daher mußte sich Irenäus, bei dem wir den Prozeß der Kanonsbildung zum ersten Mal deutlich sehen, um den Nachweis bemühen, "daß diese fundamentalen Urkunden echt und nach ihren Entstehungsdaten weit älter sind als alle nachträglichen Erfindungen der Irrlehrer" 6); darüber hinaus aber sicherte er die Vierzahl der Evangelien durch die bekann~ te fatale Beweisführung mit Hilfe der Vierzahl der Himmelsrichtungen, wodurch ein neues Moment in die Debatte kam, nämlich die Behauptung, "daß bei 4er Zusammenstellung der Evangelien rein menschlich - historische Umstände nicht in Betracht kämen" 7). Damit ist es Irenäus "gelungen, die vier überkommenen Evangelien so zusammenzuschließen, daß sie als gottgewolltes geschichtliches Dokument des einen Evangeliums unwidersprechlich, endgültig und exklusiv gehört werden müssen" 8). De facto ist damit das "Skandalon der . menschlichen Offenbarungsvermittlung"" umgangen worden 9). Durch diese "Vorgeschichte" waren für die Exegeten der folgenden Zeit natürlich die Weichen gestellt. Irenäus konnte es sich noch leisten, das Unerklärbare der Zuständigkeit Got~es zuzuweisen und sich mit den klaren Stellen zufriedenzugeben 10). Aber schon für Origenes war dies ni~ht mehr 6 ) H.v.Campenhausen, a.Anm. 3 a.O., S. 229. 7 ) O.Cullmann, Die Pluralität der Evangelien als theologisches Problem im Altertum, in: Vorträge und Aufsätze, 1966, S. 563. 8) H.v.Campenhausen, a.Anm. 3 a.O., S. 234. 9) Vgl. O.Cullmann,a.Anm. 8 a.O. - H.v.Campenhausen, a.Anm. 3 a.O., S. 234, möchte Irenäus diesen Vorwurf ersparen. 10) Irenäus, adv. haer. 11, 41,4 (Ha. I, S. 352 f.).
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möglich. Denn wenn es tatsächlich eine so wunderbare Weise der Offenbarungsvermittlung durch die Schrift gibt, dann wäre es ja ein nicht zu entschuldigendes Versäumnis, wollte man diese Quelle nicht ausschöpfen! Gerade die KanoniEierung forderte zur Exegese auf und damit auch zur Kenntnisnahme von S~hwierigkeiten, die bisher übergangen werden konnten. Origenes will noch den Berichtscharakter der Apostelschriften ernstnehmenj darum muß er sich um die Harmonisierung der Widersprüche bemühen. Er erkennt aber gleichzeitig die G~en zen der Harmonisierbarkeit und kommt auch von daher zu einer starken Betonung des kerygmatischen Momentes der Evangelien, das im übrigen .chon durch die von Philo übernommene Inspirationslehre gefordert wurde. Man kann wohl sagen, daß Origenes einer sachgemäßen Auswertung der Widersprüche nahegekommen ist, wenngleich er die Unterschiede öfters durch Assimilation der Berichte harmonisiert oder durch Dissimilation der Berichte verleugnet. Die Inspirationsvorstellung hinderte ihn natürlich daran, irgendeine historische Entwicklung im Christuszeugnis der Evangelien anzunehmen - diese Schranke konnte er ebensowenig überwinden wie irdendeiner seiner Nachfolger. Ansätze zu einer derartigen Betrachtungsweise haben wir nur in der Polemik eines Porphyrius oder Julian gesehen, die freilich von ihren Denkvoraussetzungen her auch nicht zu einer konsequent historischen Kritik der christlichen Überlieferung kommen konnten. Zweifellos gelangt die Behandlung der Widersprüche bei Origenes zu einem Höhepunkt, den kein Kirchenvater nach ihm erreicht hat. Bei den eigentlichen Schülern des Origenes hat sich die rein allegorische Auslegung so sehr durchgesetzt, daß das historische Moment in den Evangelien kaum mehr Beachtung fand; daher haben sie zu unserem Problem nichts beigetragen. Der Historiker Euseb ist die große Ausnahme, aber er beschränkt sich auf die Harmonisierung und sieht daher keine theologi~chen Motivationen hinter den unterschiedlichen Dar-
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stellungen mehr. Die Anti9chener dagegen sehen die Evangelien vornehmlich als historische Berichte an und harmonisieren die Wi~ersprüche; dabei kommen sie prinzipiell nicht über die schon von Origenes gegebenen Methoden hinaus, ja sie scheinen sogar einzelne Lösungen von ihm übernommen zu haben. Eine Sonderstellung nimmt Theodor v. Mopsuestia ein. Er kann uabefangen Widersprüche in Einzelheiten zugeben, da er die Evangelien konsequent ohne Zuhilfenahme der Inspirationslehre als Apostelmemoiren bzw. Niederschriften von Dritten versteht. Da~it ist wieder der Verzicht auf eine theologische Differenzierung zwischen der. Evangelisten gegeben - nur Gedächtnisschwäche ist schuld an den Widersprüchen. Immerhin hat Theodor die Widersprüche doch auch positiv auszuwerten versucht, indem er sie als Zeugnis für die grunc.sätzli.che Glaubwürdigkeit der Evangelisten hinstellt. Damit ist er freilich von· dem wahren Sachverhalt ebenso weit entfernt wie sein fundamentalistischer Zeitgenosse Epiphanius. Trotz seiner unkonventionellen Einsichten ist Theodor im Grunde noch zu stark von den kirchlichen Voraussetzungen aus an die Evangelien herangegangen (Mt und Joh als AugenzeugenI); seine Kritik war nicht radikal genug. Bei den Lateinern finden wir nur mehr oder weniger stark verarbeitetes griechisches Erbgut. Ambrosius hat - abgesehen von den Problemen der Vorgeschichten und der Passions- und Ostergeschehnisse - im Anschluß an Origenes einem Panallegorismus gehuldigt, der jegliches historisches Element in den Evangelien verleugnet. Hieronymus dagegen hat historisierende und allegorisierende Harmonisierungen aufgenommen, wie sie sich ihm gerade darboten; vor einer grundsätzlichen E~tscheidung hat er sich gedrückt. In seinem Mt-Kommentar, der wahrschl.:inlich Augustin vorlag, als'.er die Schrift De consensu evangelistarum ver-
- 267 faßte, hat er vornehmlich aus Origenes geschöpfte additive Harmonisierungen geboten. Augustin steht am Ende einer langen Traditionskette. Er hat die Auffassungvon der Widerspruch~losigkeit und Unfehlbarkeit der Schrift überkommen und die Heilsamkeit dieser Auffassung an sich selbst erlebt. Er steht zudem noch in der Auseinandersetzung mit der manichäischen Kritik, von deren Bazillus er selbst so lange infiziert gewesen war. So ist es verständlich, daß Augustin voll zu den konservativen Prämissen der Tradition steht; nur so wird er angefochtene Seelen retten können. Auf dieser Grundlage hat Augustin ein durch Nüchternheit ausgezeichnetes harmonistisches Gebäude errichtet. Er hat Paralleltexte weithin als solche erkannt, hat nur selten künstliche Dissimilierungen vorgenommen und dem Rahmen mit Recht meist keine zu große Bedeutung beigemessen. Allerdings hat gelegentlich seine überspannte Inspirationsvorstellung die sinnvollen Ansätze in Vergessenheit geraten lassen, so daß seine Arbeit nicht einheitlich konzipiert erscheint. Auf der Negativseite steht insbesondere die Feststellung, daß-Augustin nur schwache Versuche macht, den "Widersprüchen" einen positiven Sinn abzugewinnen. Die Aporie der altkirchlichen Evangelienauslegung beruht, so scheint uns, in der Verkennung des Charakters der Evangelien als kerygmatischer Geschichtsdarstellung. Entweder wurde der historische Aspekt überbetont, dann kam es_angesichts der Widersprüche zu kleinlicher Apolo~etik oder zu einseitiger Bevorzugung eines Evangelisten (meist des JOhannes), oder aber der Wert wurde nur in der kerygmatischen Aussage gesucht, dann kam es zu schrankenloser Allegorese. Diese Fehleinschätzungen haben sich - mutatis mutandis - bis heute wiederholt. Eine adäquate Betrachtungsweise der Evangelien
- 268 ist freilich noch nicht gefunden, wie P. Stuhlmacher ll) nachdrücklich festgestellt hat: IlDie uns allen geläufige historisch - kritische Methode ermangelt offenbar des Kriteriums und der Kategorien, um eine wesenhaft kerygmatische Geschichtsüberlieferung aufzunehmen und zu würdigen ll • Damit ergibt sich, daß wir letztlich VOr derselben Aporie stehen wie die Kirchenväter. Das Problem der IlWidersprüche ll stellt sich uns in veränderter Weise. Mindestens seit Lessings IlDuplik" 12) ist uns eine Harmonisierung versagt 13). Wir wissen, daß die Unterschiede zwischen d~n Synoptikern größtenteils auf bewußte redaktionelle Tätigkeit zurückgehen und somit ein Teil der Neuinterpretation des Jesusgeschehens durch den jeweiligen Evangelisten sind. Si~ zeigen uns die vielleicht notwendigermaßen - unterschiedlichen Antworten auf den Ruf Jesu an. Damit aber werden wir auf die unausweichliche Frage nach der ipsissima vox Jesu gewiesen. Denn: IIDas entscheidende ist der RUf, nicht die Antwort. Das vielfältige Glaubenszeugnis der Urgemeinde, des Paulus, des Johannes, des Hebräerbriefes ist zu' messen an der Verkündigung Jesu" 14). Bei dieser Rückfrage kommt den "Widersprü;chen ll gelegentlich eine diakritische Funktion zu; denn sie können ein Indiz dafür sein, daß die Gemeinde "ihr überkommenes Gut als zu kühn gemildert oder umgebogen hat", mithin weisen sie auf Traditionen"die wir mit großer Sicherheit für jesuanisch 11) Kritische .Marginalien zum gegenwärtigen Stand der Frage nach Jesus, in: Fides et communicatio (Fschr. M.Doerne), 1970, S. 344'12) -Insel-Lessing III (herausg. v.-K.Beyschlag), 1967, S.319 ff. 13) Es ist befremdlich, daß noch vor kurzem in einer wissenschaftlichen Zeitschrift eine Ilvernünftige Harmonisierung, wie wir sie bei den Vätern finden 11 befürwortet 'werden .konnte (J.Knackstedt, Die beiden Brotvermehrungen im Evangelium, in: NTSt~, 1963/64, S. 321, Anm.3). 14) J.Jeremias, Der gegenwärtige Stand der Debatte um das Problem des historischen Jesus, in: H.Ristow / K.Matthiae L Hrsg.], Der h~storische Jesus und der kerygmatische Christus, 1961 , S. 25.
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halten dürfen 15). Damit s1nd Fragen und Probleme angerührt, die uns heute nicht weniger Schwierigkeiten bereiten als den Kirchenvätern der consensus evangelistarum. Nach dem Scheitern der Harmonisierungsversuche ist es uns verwehrt, Zuflucht bei irgendeiner formalen Autorität zu suchen; der Blick auf die altkirchliche exegetische Arbeit kann unser Problembewußtsein schärfen und uns zu unvoreingenommener, nüchterner Arbeit mahnen.
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15) E. Käsemann, a.Anm. 1 a.O., S. 205.
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270-
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- 271 !~~!~~~
De consensu Evangelistarum, in: Sancti Aurelii Augustini Hipponensis Episcopi Operum Tomus Tertius. Post LovaniEmsium Theologorum Recensionem castigatus denuo ad manuscriptos codices ••• necnon ad editiones antiquiores et castigatores. Opera et studio Monachorum Or4inis S. Benedicti e Congregatione S. Mauri. Pars Secunda ••• Paris 1680, S. 1 ff. De consensu Evangelistarum, ed. F. Weihrich, CSEL 43, 1904. De doctrina christiana, ed. J. Martin, CChr Ser. Lat. 32,
1962. Epistulae, ed. Al. Goldbacher, 4 Bde, CSEL 34; 44; 57; 58;
1895 - 1911. Contra epistulam quam vocant fundamenti, ad. J. Zycha, CSEL 25, 1891, S. 193 - 248. Contra Faustum, ed. J. Zycha, CSEL 25, 1891, S. 251 - 797. Retractationum libri 11, rec. P. Knöll, CSEL 36, 19~2. Sermon~m cl&sses quatuor, MPL 38. De utilitate credendi, ed. J. Zycha, CSEL 25, 1891, S.
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1940. Q!~!~~!_!!~!~~~~~~~!
Stromata Buch I-VI, ed. O. Stählin, GCS 15, 1939 2 • Quis dives-salvetur, ed. o. Stählin, Leipzig 1908. ·~!E~~!!!~!
Panarion haereticorum, ad. K. HolI,' GCS 25, 1915, S. 151 ff.; 31, 1922; 37, 1933. Ancoratus, ed. K. Holl, GOS 25, 1915, S. 1 - 149.
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Anmerkung: Die Abkürzungen entsprechen den in RGG 3ver-' wendeten; davon abweichend verwenden wir das Sigel PRE für die Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 3. Aufl. 1896 ff., und das Sigel RE für Pauly I-Wissowa 1 Kroll, Real-Encyclopädie der klassischen Altertumswissenschaft, 1894 ff.
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Register Matthäus 20f.; 28; 77; 110f.; 1,1-16 125ff.; 131ff.; 154; 197; 208; 214; 245 2, 1ff. 17; 135f.; 175; 246 3,14 155 4,18-22 82; 115 5,17 23; 28; 156 5,19 23 7,22f. 30 29; 197 8,5-1 3 8,28-34 84; 102; 196; 209; 246; 28; 82; 213; 236; 9,9 247 9,18 238 168; 248 10,9 18 10,28 11,3 157 12,8 23 17 13,35 14,15-21 238ff. 15,11 23 17,1 102; 209; 213; 242f. 18,1 196 19,16ff. 100 19,28f. 164; 169 20,29-34 85f.; 103f.; 209; 246f. 21,12f. 88f. 22,35 196 24,20 249 26,2 179 26,6-13 17f.; 86ff.; 104ff.; 165; 198f.; 214;240ff.
- 293 -
26, 17:f:f. 27,23 27,32 27,37 27,4427,50 28,1:f:f •
41 158 '107;' 247 99 107:f; 213 99 21:f.; 89:f.; 108; 136ft.; 165
Markus 1,3:f. 1,16-20 5,1-20 5,23 6,1-6 6,8:f. 9,2 9,33 10,17-31 10,46-52 11,15-1 9 12,34 13,18 14,3-9 14,66:f:f. 45,21 ' 15,25 15,32 15,34 16, 1:f:f._
17; 236 82; 16; 84', 102; 246 238 243 168; 248 102; 209; 213; 242f; 196 67; 99; 164 85:f .; 103:f. 88:f. ; 169; 196; 214:f. 196 249 86:f:r. ; 104:f:f. ; 240:f:f. ; 187 107; 189; 213 158:f.; 187; 244107 15 21:f.; 89:f.; 108; 136:f:f.; 165; 189
Lukas
1,1-4 2,1:f:f. 3,23:f:f.
32; 76; 96 17; 135:f.; 175; 246 20:f.; 28; 77; 110:f.; 125:f:f.; 131:f:f.;154; 197; 208; 214; 245
- 294 4, 14f. 4,16ff. 5,1-11 7,1-10 7,36-50 8,1-3 8,26-39 8,42 9,3 9,28 10,4 13,24ff. 14,33 16,16 18,18-23 18,29 18,35-43 19,45-48 21,34-36 22,15 22,39ff. 23,26 23,39-43 23,46 24,1ff.
81; 112 177; 243 82 197 104ff.; 198f.; 214 74 84; 102; 196; 209; 246 238 168; 248 102; 209; 213; 242f. 168 30 157 156 99 169 85f.; 103f.; 209; 247 88f.; 117ff. 249 169 21 107; 189 107f.; 213; 248 99 89f.; 108; 136ff.
Johannes 1,19-51 2,12 2,13ff. 3,22 3,23f. 4, 1f. 6, 1ff. 6,53 11,55ff. 12,1-8
35;155; 176ff.;195; 198; 215 99 36; 88f.; 169; 185f.; 196; 214 115; /198 36; 112; 148 ; 185 115; 198 36; 198; 238ff. 16 36 86ff.; 104ff.; 165; 198f~; 214; 240ff.
- 295 19,14 19,17 19,20 19,33f. 20,1ff.
158f. ; 187; 244 107f. ; 189; 213; 247 99 15 89f. ; 108; 165; 189.