Die Schranke
hinter Soradan
Kurt Brand Mit einer gewaltsamen Landung auf dem Planeten Cut-out hat Ren Dhark ungewollt...
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Die Schranke
hinter Soradan
Kurt Brand Mit einer gewaltsamen Landung auf dem Planeten Cut-out hat Ren Dhark ungewollt die Sicherung für ein planetarisches Ab wehrsystem der Mysterious herausspringen lassen. An 182 Or ten der Galaxis beziehen riesige Anlagen Energien von ihrer Sonne. Doppelkugelraumer der schwarzen Weißen, die dieses Phänomen ergründen wollen, werden im Feuer der Abwehrbatte rien zerstrahlt. Dro Cimc, der schwarze Weiße, der sich an Bord der POINT OF befindet, befürchtet einen Vernichtungsangriff der Telschen Flotte auf Terra. Der Commander will das um jeden Preis verhin dern und verlangt von Dro Cimc die Koordinaten seines Heimat planeten, um mit dem Vank der Tels zu verhandeln. Dro Cimc gibt nach, gleichzeitig warnt er aber vor der Uneinsichtigkeit des Re chengehirns Kluis, das die endgültigen Entscheidungen trifft. Als die POINT OF auf Cromar, der Heimatwelt der schwarzen Weißen, landet, scheinen sich die Befürchtungen Dro Cimc' zu bewahrheiten. Ren Dhark und seine Leute werden vom Kluis zum Tode verurteilt. Doch den Terranern gelingt es, sich zu be freien und den Kluis in ihre Hand zu bekommen, so daß sie die schwarzen Weißen zu Verhandlungen zwingen können, nach dem auch die Terranische Flotte über Cromar steht. Dr. Marcuse in der 68 Kilometer durchmessenden Mysterious- Station Erron-1 übersah eine Kleinigkeit. Der Suprasensor übersah sie nicht. Er warf »Rot« aus und streikte. Dr. Alpho Marcuse, einunddreißig Jahre alt und Frauenfeind, schaltete den Suprasensor aus und verließ seinen Ar beitsraum. Es war Zeit, das Mittagessen einzunehmen. Die Arbeit lief ihm nicht
davon. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde er sie nie beenden können. Ron wedda wi terra! Er war der zwanzigste Sprachforscher, der auf diesen Satz in unbekannter Sprache angesetzt worden war, und er hatte in einem Anfall von krankhaftem Leichtsinn behauptet, die Bedeutung dieses Satzes herausfinden zu können. Wie leichtsinnig das seiner zeit gewesen war, hatte Dr. Marcuse
längst erkannt. Die Messe war ziemlich leer, als er an seinem Schwebetisch Platz nahm und bei der Automatik seine Mahlzeit bestellte. Unmerklich stutzte er. Die Ar beit, die er gerade verlassen hatte, fiel ihm wieder ein. Wie konnte ich nur die sen simplen Fehler machen? fragte er sich in Gedanken, und als ihm klar wur de, was er tat, befand er sich schon wie der auf dem Deck, unterwegs zu seinem Arbeitszimmer. Vergessen war sein Mittagessen, und von Appetit konnte er nichts mehr feststellen. Er schaltete das Leuchtschild Nicht stören! ein, als er sich wieder an seine Arbeit machte. Das leichte Summen des Suprasensors war nach wenigen Augen blicken nicht mehr zu hören. Hin und wieder knisterte eine Folie. Ab und zu tat Dr. Alpho Marcuse einen Zug aus seiner dicken Zigarre. Er sah kein einzi ges Mal zum Chrono hin und hatte je des Gefühl dafür verloren. Stunden über Stunden an dem einen, so schweren Problem zu sitzen und mit ihm zu rin gen. Ron wedda di terra! Ein paar weitere Sätze in dieser un bekannten Sprache waren abgehört wor den, ebenso geheimnisvoll und ebenso unentzifferbar, doch hätte es sie nicht gegeben, dann wäre es sinnlos gewesen, auch nur einen Versuch zu machen, um herauszufinden, was Ron wedde wi ter ra ins Terranische übersetzt hieß. Marcuse vertiefte sich wieder in die Unterlagen, die der Commander erar beitet und zur Verfügung gestellt hatte. Nach wie vor war Ren Dhark der einzi ge Mensch, der die Sprache der Myste rious beherrschte, aber auch er glaubte nicht mehr daran, daß die Rätselsprü che, die von der Station Erron-1 mit größter Sendeleistung abgestrahlt wor
den waren, jemals übersetzt werden konnten. Trotz dieser pessimistischen Ansicht hatte Dhark eine kleine Gram matik der Mysterious-Sprache zusam mengestellt, damit die Sprachforscher nicht völlig hilflos waren. Marcuse griff zum Stift und begann zu schreiben. Nach einem bestimmten Schema veränderte er den Rätselsatz. Ein Mathematiker hätte schnell ent deckt, daß hier der Vorkra-Satz ange wandt wurde, der in der Theorie über den Hyperfunk eine maßgebende Rolle spielte. Dreimal überprüfte Marcuse sei ne Aufstellung, dann erst gab er sie an den Suprasensor ab. Viel versprach er sich von diesem Experiment nicht, aber er wollte auch diesen Weg gehen, um sich später nicht sagen zu müssen: Das hättest du auch probieren sollen. Der Suprasensor, mit dem kärgli chen Wissen aus Ren Dharks Unterla gen über die Sprache der Mysterious programmiert, zeigte ununterbrochen grün, so daß Marcuse ständig aufmerk samer wurde und schließlich an Hand des Chronos kontrollierte, wie lange sich das Rechengehirn schon mit der gestellten Aufgabe befaßte. Grün blieb auch, als das Aggregat die Aufgabe gelöst hatte. Aus dem Schlitz wurde die Folie gestoßen, die Dr. Alpho Marcuse voller Spannung an sich nahm. GRÖSSTE GEFAHR ALLE SO FORT ZURÜCKKOMMEN Dem Mann mit dem graumelierten Haar schwindelte. Die Folie in seiner Hand zitterte. Unwillkürlich griff Mar cuse nach seiner kalt gewordenen Zigar re und kaute darauf herum. GRÖSSTE GEFAHR ALLE SO FORT ZURÜCKKOMMEN Aber unter dem Satz stand noch ein Wort für sich allein: Code.
»Ich verstehe immer weniger«, mur melte Marcuse und schüttelte den Kopf. »Wenn Ron wedda wi terra ein Code ist, den jeder Mysterious kannte, wieso hat man dann dieses Wissen nicht dem Checkmaster der POINT OF mitgege ben?« Immer stärker wurden Dr. Marcuses Zweifel an der Richtigkeit der Lösung, aber er hatte ja noch andere Rätselsatze wie: Terrun woger terra! Und Terra wo wire terra! Fünf Sätze insgesamt. Einen nach dem anderen veränderte er mit Hil fe des Vorkra- Satzes und gab dann die gesamte Aufstellung an den Suprasen sor. Der mußte sich durch die Lösung der ersten Aufgabe eingespielt haben, denn er benötigte jetzt nur noch ein Drittel der Zeit. LEBENSGEFAHR FÜR ALLE ÜBERALL RÜCKFLUG SOFORT ANTRE TEN LEBENSGEFAHR ALLE UN TERNEHMEN ABBRECHEN RÜCK FLUG. Und Terra to! bedeutete: AUCH WIR SCHWEBEN IN LEBENSGE FAHR. Dr. Alpho Marcuse war glücklich, allein zu sein. Er mußte mit diesem Schock erst einmal fertig werden. Da hatte er nun den Beweis in der Hand, daß die Mysterious nicht mehr existierten. Nun ahnte die Menschheit wenigstens, was die Geheimnisvollen vor rund lausend Jahren veranlaßt hatte, alles stehen und liegen zu lassen und zu verschwinden. »Lebensgefahr für alle überall?« murmelte der Wissenschaftler und muß te automatisch an die schweren Störun gen des galaktischen Magnetfeldes den ken, das die Nogk aus der Milchstraße in den Leerraum vertrieben hatte. Wa ren die Mysterious auch so anfällig ge genüber den elektromagnetischen
Schwankungen? Und vor allem: Hatte es vor rund tausend Jahren schon ein mal ähnliche Verhältnisse zwischen den Sternen gegeben? Plötzlich wurde sich Marcuse be wußt, daß er seine sensationelle Entde ckung sofort der Erde mitzuteilen hatte. »Die werden Augen machen«, mur melte er, als er über das Deck zur FunkZ ging. * Über vier Relaisstationen und drei Raumschiffe kam Dr. Alpho Marcuses Nachricht nach Cent Field. Ren Dhark, der sich schon drei Wo chen lang auf Terra aufhielt und sich und seinen Männern Gelegenheit gab, sich von den Strapazen auf Cromar zu erholen, wurde die Nachricht über Vi pho mitgeteilt. Aber in diesem Fall war der Commander nicht sofort erreichbar gewesen. Man hatte lange nach ihm su chen müssen, bis endlich jemand wußte, daß er sich im Sozialministerium, Ab teilung Futurologie, aufhielt. Ren Dhark empfand diesen Anruf als Störung, denn er unterhielt sich ge rade mit einer Futurologin, die er vor Wochen einmal in einem Raumer, der von Europa nach Alamo Gordo flog, flüchtig kennengelernt hatte. Joan Gipsy war überrascht gewesen, daß der Com mander sich ihrer noch erinnerte, ohne zu ahnen, daß Dhark ihr Gesicht nicht vergessen hatte. »Ja«, sagte er, als er sich vor das Vipho stellte und nicht ahnen konnte, welche Nachricht auf ihn zukam.Die beiden Herren, die ihn durch das Minis terium geführt hatten, waren abwartend ein paar Schritte zurückgetreten, wäh rend Joan Gipsy immer noch mit leich
ter Verlegenheitsröte hinter ihrem Schreibtisch saß und nicht begreifen konnte, daß sich der Commander so lan ge mit ihr unterhalten hatte. Dann kam die Meldung durch. Ren Dhark wechselte die Farbe. Wieder glaubte er jenen Satz zu hö ren, mit dem ein nun gelöstes Rätsel be gonnen hatte: Ron wedda wi terra! »Commander, wir haben, als die Nach richt einlief, sofort das von Dr. Marcuse benutzte Verfahren angewandt und be kamen seine Resultate bestätigt.« Ron wedda wi terra - Größte Gefahr für alle, sofort zurückkommen! Terra to - Auch wir schweben in Lebensgefahr! »Danke«, sagte Ren Dhark, und sei ne Stimme war nicht wiederzuerkennen. Mit seinen Gedanken befand er sich nicht mehr im Sozialministerium. Er glaubte wieder auf Erron-3 im Archiv zu sein, in dem er und Dan Riker Ment caps zu sich genommen hatten - Ment caps, die ihnen ungeheures Wissen der Mysterious vermittelt hatten. Ob sie da mals schon ahnten, daß sie nie mehr wiederkehren würden? Ron wedda wi terra! Und sie Nar ren hatten geglaubt, ein unbekanntes Volk in den Tiefen der Galaxis hätte die Erde gerufen, nur weil das Codewort zufällig terra gewesen war. Alle Hypothesen über die Unitall säule mit dem galaktischen Emblem in Erron-1 waren damit zusammengebro chen. In dieser Säule befand sich ein au tomatisch arbeitendes Gerät, das diesen alarmierenden Ruf mit maximaler Sen deleistung ausstrahlte, um sich dann nach einer gewissen Zeit wieder abzu schalten. Die Giants in Erron-1, die in zwischen deaktiviert in großen Räumen gestapelt lagen, hatten nicht das ge ringste damit zu tun gehabt - bis viel
leicht auf den Zufall, diesen Alarmruf zum ersten Mal nach tausend Jahren wieder ungewollt ausgelöst zu haben. Die Mysterious existierten nicht mehr! Sie mußten plötzlich einer unge heuren Gefahr gegenübergestanden ha ben, der sie selbst mit ihrer Supertech nik nicht mehr Herr werden konnten. Auch wir schweben in Lebensge fahr! - Das konnte doch nur bedeuten, daß auch auf der Heimatwelt die Gefahr genauso groß war wie zwischen den fernsten Sternen. Doch welche Gefahr hatte es gege ben, die doch den Menschen auf der Erde vor rund tausend Jahren nicht das geringste angetan hatte? Ein neues Rätsel, kaum daß ein altes gelöst worden war. Er unterbrach die Verbindung. Der Commander drehte sich um und sah tief in Joan Gipsys Augen. Darin fand er Mitleid, das ihm galt. Ein Mensch be dauerte ihn. Ein Mensch erlebte seine Enttäuschung mit. »Vorbei!« sagte er und schnippte mit Daumen und Ringfinger. »Den Mysterious werden wir nie begegnen. Entschuldigen Sie mich bitte.« Er machte auf der Stelle kehrt und verließ den Arbeitsraum, in dem er sich so lange aufgehalten hatte. An der Tür blieb er noch einmal stehen und sagte nur noch: »Auf Wiedersehen.« Hat er dich damit gemeint, fragte sich Joan Gipsy, und hätte dann gern über sich selber und die dummen Gedanken gelacht, wenn sie allein gewesen wäre, doch dann mußte sie wieder an Commander Dhark denken, dem durch eine einzige Meldung eine große Hoffnung zerstört worden war. *
Zwei Stunden später landete auf Cent Field die GSAL, das Flaggschiff der Tel. Zehn To-Raumer hatten das Schiff der Schwarzen Weißen an der Plutobahn empfangen und dann mit ho her Fahrt zur Erde begleitet. Die TF hat te einen großen Bahnhof veranstaltet. Ren Dhark und die Regierung begrüß ten Wer Dro Cimc, der mit vier Vankko Terra offiziell besuchte. Die GSAL war ein Gigant von achthundert Metern Höhe, doch die Tel halten, als die Be grüßung und die beiden kurzen Anspra chen zu Ende waren, nur noch Augen für die rotschimmernden Ringraumer, die das Licht der Sonne so herrlich wi derspiegelten. »Die schönsten Schiffe zwischen den Sternen!« gab Vankko Sagla unum wunden zu. Er war stolz darauf, daß er die terranische Sprache fast akzentfrei beherrschte. Unter vier Augen mit Ren Dhark wurde Dro Cimc zum »Verräter«. »Der Spionageauftrag, mit dem wir nach Ter ra gekommen sind, ist ziemlich umfang reich«, eröffnete er Ren Dhark, der ihm lachend ins Wort fiel und trocken er klärte: »Noch umfangreicher als der Auf trag, den unsere Experten auf Cromar haben?« Der Schwarze Weiße stimmte in Dharks Lachen ein. Die Fronten waren nun klar abgesteckt. »Ein Geheimnis gebe ich freiwillig preis, Cimc, Die Mysterious existieren nicht mehr. Bitte, hier ist der Beweis«, und er legte ihm die Folie mit den vier Rätselsätzen und der Übersetzung vor. »Wir haben also in Zukunft nicht damit zu rechnen, daß die Geheimnisvollen ei nes Tages wieder auftauchen und uns von einem halben Hundert Planeten
verjagen, die sie einst in Besitz hatten.« »Mit anderen Worten: Es gilt immer noch, die Heimatwelt der untergegange nen Mysterious zu finden?!« »Ja, falls die nicht auch vernichtet worden ist. Mit dieser Möglichkeit müs sen wir rechnen.« Einer der neu entwickelten Roboter schwebte in den Raum und servierte duftenden Mokka, ein Getränk, das Dro Cimc mit Begeisterung zu sich nahm. Die mächtige Maschine handhabte das Porzellan so vorsichtig, als sei sie nur darauf programmiert worden, mit zer brechlichen Gegenständen umzugehen. »Cimc, an Ihre Roboter, die Ihnen so ähnlich sind, habe ich mich sofort gewöhnt; bei unseren Maschinen fällt mir das etwas schwerer. Doch in diesem Zusammenhang fällt mir ein Erlebnis mit Ihren Robotern ein, das ich auf ei nem Planeten hatte, auf dem nicht um geschaltete Robonen hausten.« Fragend blickte ihn der Tel an. »Ro boter auf einer Welt, die von uns nicht besetzt war?« »Nicht einen Tel gab es darauf. Nur ein paar von Ihren Robotern...« »Crekker!« stieß Dro Cimc über sei ne Lippen. »Dann können sie nur von Crekkern zurückgelassen worden sein!« »Waren diese Paramonstren nicht auf jeden Roboter angewiesen, Cimc?« Der Tel zuckte mit den Schultern. »Wir wissen es nicht. Wir alle wiegten uns in der Gewißheit, auch den Letzten ver nichtet zu haben, doch daß unsere Ro boter die Terraner unterstützten und die nicht umgeschalteten Robonen be kämpften, muß an der Programmierung gelegen haben...« »Auch wenn diese Roboter den Auftrag hatten, eine uns unbekannte Technik, die wir immer noch studieren,
zu bewachen?« Cimcs Gesicht war immer nach denklicher geworden. Plötzlich lachte er wie erlöst auf. »Dhark, es hört sich un glaubwürdig an, aber dem Telin-Imperi um sind einmal ein paar tausend Robo ter mit drei kleinen Raumschiffen durchgegangen. Sie alle gehörten zu ei ner Serie, die wir die Verrückten ge nannt haben, weil man sie einfach nicht sauber programmieren konnte. Diesem Typ sind Sie begegnet. Selbst unsere Experten waren nicht in der Lage, robo tische Maßstäbe an ihr Verhalten anzu legen. Es gibt heute noch Robotiker, die bedauern, daß die Entwicklung der Ver rückten auf Befehl des Vank abgebro chen werden mußte.« Der Schirm des Standviphos leuch tete auf, und Chris Shantons Gesicht war zu erkennen. Der Dicke war so rücksichtslos, zu ignorieren, daß der Commander Besuch hatte. »Dhark, ich stelle hiermit den An trag, als technischer Chef der Ast-Sta tionen abgesetzt zu werden. Es ist doch eine Farce, mir diesen Posten zu geben, obwohl ich die meiste Zeit auf der POINT OF und in deren Schwie rigkeiten stecke. Es gibt ein paar tüch tige Männer, die ich gern auf meinem Posten sähe.« Das war der leidige Kleinkram, mit dem Ren Dhark sich nie gern abgegeben hatte. In diesem Fall konnte er dem Di cken nicht einmal unrecht geben, denn seine Behauptung stimmte doch; um es aber dem Zweizentnermann nicht zu leicht zu machen, sagte er mit gut ge spieltem Ernst: »Reichen Sie Ihren An trag auf Formblatt 34 b2 in sechsfacher Ausfertigung ein, Shanton.« Der Dicke, der andere so gern auf den Arm nahm, runzelte die Stirn und orgelte: »Auf Formblatt 34 b2? Dhark,
was ist das schon wieder für ein neuer bürokratischer Blödsinn? Und warum bloß sechsfach? Warum nicht gleich ein Dutzend?« Ren Dhark ließ den Dicken zappeln. »Ich kann Ihnen nichts anderes sagen, Shanton. Reichen Sie Ihr Gesuch heute noch bei der Zentral-Regis ein, und es wird auch heute noch bearbeitet. Ma chen wir Schluß, denn ich habe Be such.« Er schaltete den Bildschirm aus und hatte den Vorfall kurz darauf schon vergessen. Die 16-Uhr-Meldungen wurden ihm hereingegeben. Flüchtig überflog er die Nachrichten, doch dann stutzte er. »Cimc, man hat schon wieder auf einem Planeten einen Goldenen Men schen entdeckt. Gibt es in der Geschich te Ihres Imperiums tatsächlich keinen Hinweis darauf?« »Nein, wir sind nie auf etwas Derar tiges gestoßen.« Der Schirm des Standviphos flamm te wieder auf. Chris Shantons schmun zelndes Gesicht lachte in den Raum hi nein. »Dhark, Sie haben mich elegant auflaufen lassen. Ich habe das Gelächter aus der Zentral-Regis noch in den Ohren, als ich nach Formblatt 34 b2 in sechsfacher Ausfertigung fragte. Bei passender Gelegenheit tue ich Ihnen auch so einen Gefallen.« Immer wieder wunderte sich der Tel, wie herzlich der Kontakt zwischen dem Commander und seinen engsten Mitarbeitern war, doch er hatte bisher nicht ein einziges Mal erlebt, daß sie die Grenzen überschritten. Bei aller Form losigkeit wurde Dhark auch von seinem besten Freund Riker als Commander respektiert. Ren Dhark stellte Dro Cimc eine wichtige Frage: »Ist dem Vank zu trauen?«
Ausweichend erwiderte der Tel: »Wenn ich Terraner wäre, würde ich mißtrauisch bleiben. Der Vank könnte nämlich das Abkommen mit Terra dazu benutzen, um mit allen verfügbar ge wordenen Schilfen nach weiteren Wel ten der Mysterious zu suchen, um Terra technisch den Rang abzulaufen. Das könnte bedeuten, daß Telin bei erfolg reicher Suche sehr stark werden würde und dann mit einer anderen Rasse leicht fertig würde.« Zum drittenmal in dieser kurzen Zeit leuchtete der Bildschirm des Viphos auf. Der Stab der TF verlangte den Commander zu sprechen. »Die A-014 hat das Vario an Bord. Ein durch die Störungen verstümmelter Funkspruch ist eben von dem S-Kreuzer eingelaufen.« Dro Cimc schüttelte ununterbrochen den Kopf. Er konnte diese Meldung nicht glauben, denn das Vario gab es nur im Telin-Imperium und wurde nur in verzweifelten Einsätzen benutzt, weil es so unheimlich gefährlich in seinen Folgen war und sogar Planeten aufhei zen konnte, bis deren Lufthüllen ver brannten. »Wo hat der S-Kreuzer operiert?« »Commander ...«, unterbrach ihn der Major im Stab, »gerade ist eine wei tere Meldung über die A-014 eingelau fen. Die B-353 meldet, daß die A-014 auf einem telschen Planeten Perta ge landet sei, dort einen Kewir Dfasl und einen Vankko aufgenommen hätten, um Stunden später nach dem erneuten Start festzustellen, das Vario an Bord zu ha ben.« »Danke, das genügt mir!« sagte Dhark kurz, der wie Cimc plötzlich die Zusammenhänge erfaßt hatte. »Was nun, Dhark?« fragte der Wer ratlos.
»Nicht viel. Ich beneide Bulton jetzt nicht, der dem S-Kreuzer Landeverbot auf Terra geben muß. Das bedeutet das Todesurteil für die gesamte Mannschaft. Großer Himmel, Cimc, wer von euch Tels ist auf die wahnsinnige Idee ge kommen, dieses erbarmungslose Teu felszeug zu entwickeln?« »Der Kluis! Derselbe Kluis, den Sie vor seiner Zerstörung geschützt haben.« In dieser Anspielung schwang ein Vor wurf mit. »Dhark, Sie haben immer noch nicht erfaßt, daß der Kluis den Tels nur Unglück bringt. Sie haben den Vank doch in den Verhandlungen ken nengelernt. Haben Sie ein einziges Mal gesehen, daß er Entscheidungen traf, ohne vorher mit diesem verdammten Gehirn beraten zu haben?« »Kluis ist das Herz Cromars!« hielt ihm der Commander entgegen. »Wollen Sie aber Milliarden Tels ins Chaos stür zen?« Die anders geartete Mentalität der Tels kam in Cimc' Antwort zum Vor schein. »Besser ein paar Milliarden Tels im Chaos, als daß das Telin-Imperium langsam zerbricht! Und ein Kluis, der die Entwicklung eines Vario anordnen kann, ist ein verbrecherisches Aggregat, das vernichtet werden muß!« Ren Dhark glich einem Menschen, der abwesend war. Der Tel verstummte und sah ihn fragend an. Und dann hörte er den Commander sagen: »Für die A 014 muß es eine andere Lösung geben. Ich kann die Leute nicht im Stich las sen.« »Dhark!« Dro Cimc rief ihn an. »Vor dem Vario gibt es keine Ret tung ...« Von der Tür her klang es auf: »Doch! Es muß eine geben. Wir haben uns davon befreien können, und die an deren müssen sich auch von ihm lösen
können. Aber von wem sprecht ihr eigentlich?« Dan Riker stand in der Tür, der unbemerkt einen Teil ihres Gespräches mitgehört haben mußte. Dhark gab ihm in wenigen Sätzen Auskunft. Riker fluchte, doch dann flog triumphierendes Lachen über sein Ge sicht: »Wir können vorerst einmal für die Mannschaft der A-014 einen Auf schub herausholen. Das Schiff soll ei nen unbewohnten Sauerstoffplaneten anfliegen und sich von dort aus melden. Uns bleibt dann die schwierige Aufgabe vorbehalten, sie tatsächlich vom Vario zu befreien. Ren, laß mich mal ans Vi pho heran.« Die Hyperfunk-Station von Cent Field erhielt seine Order, danach drehte er sich zu den beiden Männern um und sagte: »Ich komme von Monty Bell. Über drei Stunden habe ich mit ihm und einer Reihe Experten zusammengeses sen. Man glaubt, die Quelle zu kennen, aus der die Störungen des galaktischen Magnetfeldes stammen.« Dhark winkte ab. »Was bringt es uns ein? Nichts. Denn niemand kann kosmische Verhältnisse verändern, kei ne Intelligenz. Gegen die Kraft, die eine Milchstraße entwickelt, sind wir doch ein Nichts, dennoch ist deine Nachricht von Interesse, mein Lieber. Sollte Bo well einen Bericht erstellt haben, dann möchte ich ihn gern heute abend lesen.« Doch dazu sollte es nicht kommen. Von einem Planeten, den ein For schungsraumer Soradan getauft hatte, war ein To-Funkspruch gekommen. Man hatte dort ebenfalls einen Golde nen Menschen entdeckt, aber in einer Umgebung, die zum erstenmal Hin-wei se auf die Mysterious liefern sollte. Dan Riker stürmte in Dharks Ar beitszimmer, als auch er die Nachricht erhalten hatte, die POINT OF würde
wieder startklar gemacht. Ruhig sprach er mit seinem Freund; noch ruhiger gab ihm Dhark Antwort. »Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Mysterious noch leben!« »Und deswegen willst du die Besat zung der A-014 im Stich lassen?« hielt ihm der Freund vor. Ren Dhark schmunzelte. »Damit kommst du bei mir nicht durch. Die A 014 wird nicht im Stich gelassen, auch wenn wir zehn oder zwanzig unbe wohnte Sauerstoffplaneten mit diesem Teufelszeug zerstören müssen, weil die Besatzung von einem Stern zum andern flüchten muß. Aber weder du, noch ich, noch jemand anders kennt im Augen blick eine Methode, um das Vario zu vernichten. Also benötigen wir Zeit, Freiwillige und Unterlagen über das Vario, und die hat uns der Vank auszu händigen. Ich glaube, er hört auch nicht gern, daß ihm bei Weigerung, die Un terlagen herauszugeben, das Vario nach Cromar oder anderen bewohnten Plane ten des Telin-Imperiums eingeschleppt werden könnte ...« »Das würdest du doch niemals tun!« stieß Riker verstört aus. »Aber dem Vank damit drohen, wenn er die wissenschaftlichen Unterla gen über diesen Höllenstoff nicht sofort übergibt! Dieses Mal bin ich froh, daß der Vank mich nicht gut kennt, sonst würde meine Drohung verpuffen. Was ich dir noch sagen wollte: »Die POINT OF startet um 22.34 Uhr Normzeit. Ziel: Soradan, dieser Goldene Mensch. Wenn er wirklich anders aussieht als alle bisher entdeckten, dann möchte ich ihn mir unbedingt anschauen.« *
Die FO VII unter Major Cass Lefter stand auf einer Piste, die drei Meter hoch zugeweht war, aber als der For schungsraumer darauf landete und AGrav abschaltete, hatten die im Laufe der Zeit angewehten Erdmassen dem Druck der Ausleger zu weichen. Die Landeteller sanken ein und kamen erst dann nicht weiter, als sie auf Metall tra fen. In diesem Augenblick lief ein hell klingender Ton durch das gesamte Schiff, und Major Lefter horchte auf. »Was war das?« fragte er über die Verständigung. Die Antwort erhielt er von der Massenortung. Die FO VII hat te auf einer Metallfläche von dreiund zwanzig Quadratkilometern Ausdeh nung aufgesetzt. »Einwandfrei Unitall, Major!« be hauptete der Leutnant hinter den Ortun gen. In diesem Augenblick hatte Major Cass Lefter gestutzt und sich Zeit gelas sen, die ersten Expeditionen auszuschi cken, denn die Abenteuer des Comman ders Dhark auf einem Planeten, der den Namen Cut-out erhalten hatte, waren auch ihm bekannt. Und nun, drei Tage nach der Lan dung, warteten alle im Schiff auf die POINT OF, die vor drei Stunden ihre letzte Transition angekündigt hatte. Pünktlich auf die Minute tauchte sie als winziger Punkt am gelben Himmel auf, wurde schnell größer und landete wenig später dicht neben dem For schungsschiff. Major Lefter begab sich mit sechs Experten an Bord des Rin graumers. Sie führten sämtliche Unter lagen über die bisher von ihnen durch geführten Erkundungen mit, um dem Commander ein anschauliches Bild ver mitteln zu können. Doch Dhark winkte ab. »Das möch te ich mir lieber an Ort und Stelle anse hen. Geben Sie uns einen verantwortli
chen Offizier mit. Meine Expedition stelle ich selbst zusammen. Sind beson dere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, Lefter?« Der Major wiegte den Kopf. »Wir haben, als wir den Goldenen Menschen fanden, alles auf ihn angesetzt. Zu etwas anderem blieb uns keine Zeit. Die Luft aufklärung zeigte uns nur eine Welt, de ren Flora und Fauna unberührt ist. Die wenigen Großtiere, auf die wir trafen, hatten keine Scheu vor uns, griffen aber auch nicht an. Bis auf die starke Abküh lung in den Nächten, deren Ursachen wir noch nicht klären konnten, scheint Soradan keine besonderen Merkmale zu besitzen.« Ren Dhark bedankte sich. Major Lefter befahl Leutnant Imre Erkel an Bord. Der junge Erkel war nicht nur Of fizier der TF, sondern auch noch Bioni ker, aber dieses Können würde bei der Expedition, die der Commander mit sei nen Flash durchführen wollte, kaum eine Rolle spielen. Die Wissenschaftler der POINT OF sollten auf Schwebeplatten nachkom men, wenn sie die Aufforderung dazu erhielten. Kein Mensch machte Dhark den Vorschlag, mit dem Ringraumer bis dicht an den Goldenen Menschen he ranzufliegen. Den meisten steckten die Erlebnisse auf dem Planeten Cut-out noch in den Gliedern. Auf jener Sauer stoffwelt hatten sie diesen Fehler began gen und fast nicht mehr die Möglichkeit gehabt, wieder zu starten. Da sie auch noch die FO VII im Rü cken hatten, hielt Dhark es nicht für nö tig, seinen Freund Riker aufzufordern, an Bord der POINT OF zu bleiben. Dro Cimc, der von Vankko Sagia die Er laubnis bekommen hatte, den Expediti onsflug mitzumachen, hielt sich an Bord auf, wie ebenso nach langer Zeit wieder einmal Janos Szardak. Von den
Cyborgs nahm Dhark nur Alsop und Carrell mit; die anderen blieben als Ein satzreserve zurück. »Du gehst heute aber vorsichtig zu Werke«, sagte ihm Dan Riker, weil er sich über seinen Freund wunderte. Dhark, der gerade seine Ausrüstung noch einmal kontrollierte, sah kurz auf, schmunzelte und sagte etwas von einem gebrannten Kind, das das Feuer scheut. Draußen war heller Tag. Soradan drehte sich in 20 Stunden und 45 Minu ten Normzeit einmal um seine Achse. Da seine Schwerkraft nur 0,79 Gravos betrug, belasteten körperliche Anstren gungen die Männer kaum. Er war der dritte von sieben Planeten des Systems und der einzige normale unter ihnen. Die anderen sechs hatten teilweise mehr als Jupitergröße und waren entweder glühende Kugeln, die von der Sonne aufgeheizt wurden, oder tiefgefrorene Eiswelten. Soradans Durchmesser war um 1.100 Kilometer geringer als der Terras, doch seine mittlere Temperatur glich bis auf ein Zehntel Grad derjeni gen der Erde. Zwei gewaltige Ozeane trennten vier Kontinente, die paarweise durch schmale Landzungen mit hohen Gebirgen darauf verbunden waren. Auf fallend groß waren die vereisten Pol kappen, und dieses Kältereservoir mochte vielleicht die Ursache dafür sein, warum es nachts auf dieser Sauer stoffwelt so kalt wurde. Um 9.44 Uhr Normzeit, was 7.11 Uhr Ortszeit entsprach, flogen sechs Flash aus. Ihr Ziel war die Plastik des Goldenen Menschen, der auf der Land brücke zum südlichen Kontinent stand. Die Entfernung betrug 334 Kilometer, für einen Blitz keine große Strecke. Das Wissen, daß sowohl die POINT OF als auch die FO VII startbereit waren, beru higte die Männer. Die Überprüfung hat te ergeben, daß es auf Soradan kein
energetisches Feld gab, das die Schiffe am Start hindern konnte. Am Rand eines Mittelgebirges, das sich bis zur Landzunge hinzog, flogen die Flash vorbei. Imre Erkel, der diese Strecke schon ein paarmal absolviert hatte, saß in Dharks Blitz und gab dem Commander den Kurs an. Als der brei te, mäandernde Fluß auftauchte, der wie früher der Amazonas rechts und links von Urwald umschlossen war, ging die 002 auf scharfen Südkurs. Hinter Dhark fluchte der junge Leutnant leise vor sich hin und rieb sich seine schmerzenden Nackenwirbel. Die Bildprojektion über seinem Kopf und dessen unnatürliche Haltung hatten ihm diese Beschwerden verschafft. Der Commander fragte ihn nach dem Grund seiner Unzufriedenheit, und Imre Erkel machte aus seinem Herzen keine Mör dergrube. »Die Bildprojektion über dem Kopf anzubringen ist idiotisch ...« »Aber dann nicht mehr, wenn man ein drittes Auge auf dem Kopf hat!« warf Dhark ein, der seinen jungen Offi zier gut verstehen konnte, denn in der ersten Zeit, als sie die Flash benutzten, war es ihnen nicht anders ergangen. Das Land unter ihnen war von fremdartiger, paradiesischer Schönheit. An der rechten Seite die kaum tausend Meter hohen Berge, teils kahl, teils von unbekannter Flora bewachsen. Sie lie ßen weile Blicke in breite und liebliche Täler zu. Vor ihnen und auf der linken Seite dehnte sich hügeliges Land aus, das von vielen Flüssen durchzogen war. Plötzlich kniff Dhark die Augen zusam men und musterte eine grüne Wolken bank auf seiner Bildprojektion, der sie sich schnell näherten und deren Aus dehnung ebenso schnell wuchs. »Erkel, was sind das für Wolken?«
fragte er. Der wurde erst jetzt darauf aufmerk sam, weil er dem Boden seine Aufmerk samkeit geschenkt hatte: »Oh!« stieß er aus. »Grün bedeutet Regen, aber Regen in Form von Wolkenbrüchen.« »Die bin ich von Hope her noch ge wohnt, vom Kontinent Deluge«, erwi derte Dhark gelassen und schaltete dann wieder den Funk ein, der bisher nur auf Empfang gestanden hatte. Kurz fragte er zu den anderen fünf Flash durch, aber von denen gab es ebenso wenig etwas Neues zu melden wie von der POINT OF, in der als verantwortliche Offiziere Fallula und Bebir zurückgeblieben wa ren. Erkels Prophezeiungen erfüllten sich schnell, kaum daß die Flash die grüne Wolkenwand erreicht halten. Es goß in Strömen; die Blitze schal teten auf Infrarot um, und die Bildpro jektion war wieder einwandfrei. Ein wildes Gebirge tauchte auf, dessen Gip fel über fünftausend Meter reichten. »Commander, wir sind in rund fünf Minuten da. Bitte gehen Sie mit der Ge schwindigkeit herunter.« Mach l wurde unterschritten; un merklich bremste Dhark noch weiter ab. Die in Keilformation folgenden anderen Blitze richteten sich genau nach ihm, denn man hatte darauf verzichtet, die Gedankensteuerung zu benutzen. »Commander, bis auf hundert Meter heruntergehen!« Imre Erkel fühlte sich in seiner Rolle als Scout recht wohl. Seine Stimme hatte Befehlston, und Ren Dhark, der es mochte, wenn man vor ihm nicht in Ehrfurcht erstarrte, schmunzelte. »Gleich kommt links ein auffallend breites Seitental. In das müssen wir hi nein. Höhe nicht über dreihundert Me ter!«
Die Flash schwenkten ab. Ein Tal, das mehr als zehn Kilometer breit war, rechts und links jedoch von zwei Ketten Fünftausender umrahmt wurde, zeigte sich ihnen in seiner grandiosen Wild heit. Auffallend waren die gigantischen Felsbrocken, die überall herumlagen, als ob einmal hier Riesen die Steine aus den Wänden gerissen hatten, um sie in die Tiefe zu schleudern. Die fremdartige Flora unter ihnen konnte dieses wilde Bild kaum mildern. »Noch etwa zehn bis elf Kilometer, Commander!« Dhark richtete sich genau nach Er kels Angaben. Dieser Leutnant gefiel ihm, und er spielte mit dem Gedanken, ihn zu sich auf die POINT OF zu holen. Da hatten sie die grünen Wolken mit ihren Wassermassen hinter sich ge lassen. Vor ihnen lag alles im hellen Sonnenschein, und vor ihnen schimmer te eine riesige Plastik im Goldton. Auto matisch schaltete nun die Bildprojektion von Infrarot auf normal. Doch Ren Dhark achtete nicht darauf. Er sah nur den Goldenen Menschen! Er sah den Goldenen Sklaven! Eine metallene Statue, mehr als zweihundert Meier hoch, auf nacktem Fels stehend, und abermals eine Statue, deren Gesicht nicht modelliert war. Da ran hatte man sich schon gewöhnt, aber der Anblick dieser Figur war unge wöhnlich. Diese Plastik griff nicht mit ausgestreckten Armen nach den Ster nen. Die Arme der Plastik lagen auf dem Rücken, und sie waren gefesselt. Auch die stolze Haltung der übrigen Golde nen Menschen war hier nicht zu finden. Vor ihnen stand die Wiedergabe ei nes humanoiden Wesens, das wie ein Sklave moralisch und seelisch gebro chen war.
Aus den anderen Flash kamen die ersten Bemerkungen. »Nein«, sagte Riker leicht erregt, »nein, das ist kein schöner Anblick! Da sind mir die anderen Ausgaben des Gol denen Menschen doch lieber!« Ren Dhark konnte nicht antworten. Bis auf tausend Meter waren sie heran, und er mußte einen Landeplatz für seine Flash suchen. Weich setzten sie auf ih ren jeweils sechs spinnbeindünnen Aus legern auf. Dann standen zwölf Men schen im Freien und legten den Kopf in den Nacken, um zu der Plastik hochzu blicken, die mit ihren Füßen auf blan kem Fels stand. »Scheußlich«, sagte Janos Szardak. »Wer macht die C-14-Analyse?« fragte Ren Dhark. Schon beim ersten Anblick der Plastik hatte sich ein bestimmter Verdacht in ihm geregt, und nun wollte er wissen, ob dieser Verdacht begründet war oder nicht. Wortlos trat Arc Doorn dicht an die Figur heran und setzte den handlichen C-14-Analysator an, ein Gerät aus terra nischer Produktion, mit dem genaue Al tersbestimmungen durchgeführt werden konnten. Im Laufe der letzten hundert Jahre war es so verfeinert worden, daß man bis auf ein Jahr genau feststellen konnte, wie alt bestimmtes Material war, solange es die dreifache Halbwert zeit des instabilen C-14-Kems nicht überschritten hatte. War das der Fall, dann mußte auf ein Gerät der Mysterio us zurückgegriffen werden, dessen Handhabung aber sehr kompliziert war. Ren Dhark legte die Hand gegen das Material, aus dem der Goldene Mensch hergestellt war. Die Oberfläche war unwahrscheinlich glatt, fühlte sich wie Samt an und beruhigend kühl. Der Sibirier richtete sich auf, ließ das Gerät aber an seinem Platz. »1.23l
Jahre alt! Kein Jahr mehr und keines weniger!« sagte der wortkarge Mann und deutete, um seinen Worten Gewicht zu verleihen, auf den C- 14-Analysator. Fassungslos starrte ihn Dhark an. Er hatte fest geglaubt, diese Plastik müsse jünger sein, viel jünger als alle anderen, die sie kannten. Er hätte in diesem ge fesselten Goldenen Menschen gern die von den Mysterious endlich besiegten Grakos gesehen! Und nun war diese Fi gur älter als alle anderen! Die Männer unterhielten sich. Dhark kniete vor dem Aggregat für Al tersbestimmung. Die wildesten Vermu tungen wurden angestellt. Jeder sah in der gefesselten Darstellung etwas ande res. Nur Doorn beteiligte sich nicht an dem Disput, und auch der Tel schwieg. Langsam richtete sich Ren Dhark wieder auf. Doorn hat recht, dachte er, denn diese Figur ist eintausendzweihun derteinunddreißig Jahre alt. Er mußte mit dieser Talsache erst einmal fertig werden, und als er zu den anderen trat, sprach er Leutnant Imre Erkel an. »Zeigen Sie uns nun die Stätten, die Hinweise auf die Mysterious liefern, Er kel!« Die zweite Überraschung folgte der ersten auf dem Fuß. »Commander, wir befinden uns an Ort und Stelle.« Er drehte sich einmal um die eigene Achse und beschrieb mit der Hand einen Kreis. Nach einer kur zen Pause fügte er hinzu: »Zwischen und hinter den haushohen Trümmern, und auch darunter, aber was da liegt, ist zerstört!« »Wo denn, zum Kuckuck?« stieß Ren Dhark aus, der kaum noch seine Ungeduld zügeln konnte, denn Major Cass Lefter hatte in seinen Andeutun gen von einmaligen Hinweisen gespro chen.
Imre Erkel ließ sich auch von der Erregung des Commanders nicht aus der Ruhe bringen: »Ich führe Sie. Wol len Sie mir bitte folgen?« Das taten alle nur zu gern. Es ging einen kurzen, aber steilen Hang hinab. Der Schotter machte das Gehen be schwerlich, doch die geringe Schwer kraft von Soradan verhinderte trotz der umfangreichen Ausrüstung, die jeder Mann mit sich führte, schmerzhafte Stürze. Sie näherten sich dem ersten haus hohen Brocken, dessen Seiten von Wind und Wetter zerrissen waren, aber weder rechts noch links von ihm war ir gend etwas Bemerkenswertes zu sehen. Wie ein geschulter Fremdenführer, der sich am Ende der Führung seines Trinkgeldes sicher ist, ging Leutnant Imre Erkel voran und verschwand hinter der nächsten Ecke des Gesteinsriesen. Ren Dhark stieß ihn beinahe um. »Hier, Commander!« Der Leutnant deu tete auf Schriftsymbole, wie man sie auf der POINT OF auch sehen konnte. »Das... das habe ich nicht... das hat te ich nicht erwartet!« stieß Ren Dhark aus und betrachtete die Schriftzeichen der Mysterious, die offenbar mit einem nadelfein eingestellten Strahler eine Nachricht in die glattgeschliffene Fels wand gebrannt hatten. »Kannst du das entziffern, Ren?« fragte Riker, der seiner Neugier freien Lauf ließ. Der Commander nickte, aber etwas schnürte ihm die Kehle zu. Dieser Text war mehr als nur bri sant. Die Mysterious schrieben von un ten nach oben und begannen mit ihren Ausführungen rechts unten, so wie die Japaner auf Terra, doch Ren Dhark hat te den Inhalt der Inschrift rasch erfaßt.
»Und was steht da nun, Ren?« Dan Riker sprach für alle, auch für Arc Doorn und Dro Cimc, den Tel. Mit fast tonloser Stimme übersetzte Dhark: »Wir sind die Einsamsten, wir sind die Verdammten, für die es keine Rückkehr mehr gibt. Die Falle hat sich hinter uns geschlossen, aber die Fallen steller werden dennoch blindlings in ihre Vernichtung jagen, und wenn wir auch verzweifelt sind, so sind wir noch lange nicht mutlos. Es tut gut, sich zu rächen, und wir haben uns schon ge rächt, auch wenn unsere Rache erst viel später wirksam werden wird. - So weit die Übersetzung!« Ren Dhark sah seine Begleiter der Reihe nach an. Alle schwiegen. Der seltsame, verschlüsselte Text hatte jeden tief beeindruckt. Wir sind die Einsamsten, wir sind die Verdammten! Das klang verzweifelt, hoffnungs los. Doch welche Falle konnte sich hin ter den Mysterious, die vor 1.231 Jah ren auf Soradan gewesen waren, ge schlossen haben? Wer konnte damals noch mächtiger als die Geheimnisvollen gewesen sein? Die Grakos? Es tut gut, sich zu rächen, und wir haben uns schon gerächt, auch wenn unsere Rache erst viel später wirksam werden wird! Ren Dhark mußte den Text noch einmal übersetzen. Jetzt erst kam Dan Riker auf die Idee, die Übersetzung auch als Tonaufzeichnung festzuhalten. Eine Ablichtung der Schriftsymbole war nicht erforderlich, weil das, wie Imre Erkel erklärte, von den Männeun der FO VII schon erledigt worden sei. »Bitte weiter!« sagte der Fremden führer.
Zielbewußt ging er auf den nächsten Block zu. Man erwartete, abermals Schriftzeichen zu finden, die nur der Commander lesen konnte. »Großer Himmel«, stieß Janos Szar dak aus, als er einen Blick auf die wie derum glatte Wand warf, »das ist ja eine Formel!« Die meisten aus der alten Garde und alle anderen, die auf S-Kreuzern Dienst verrichteten, hatten in Lehrgängen die Zahlzeichen der Mysterious lernen müs sen. Fragend wurde Dhark von allen Sei ten angesehen. Warum sagte er nichts? War auch er nicht in der Lage, diese Formel zu er klären? War sie auch ihm zu kompli ziert? Denn sie bestand aus mehr als hundert Gruppen und wies unbekannte mathematische Schlüsselzeichen auf. Dan Riker versuchte sie mit seinem Wissen von Erron-3 zu entschlüsseln, aber er gab den Versuch nach wenigen Augenblicken auf. Dhark wischte sich wie ein Schlaf wandler, der gerade erwacht ist, über die Stirn. »Das ist die Formel des Uni talls!« Chris Shanton, zu dessen Füßen Jimmy lag und sich sonnte, lachte. »Warum sollten die Mysterious ausge rechnet hier die Unitallformel einge schmolzen haben?« Mit einem gequälten Lächeln stellte Dhark seine Gegenfrage: »Shanton, wa rum ist Rom erbaut worden?« Verblüfft, aber euch wortlos ge worden, sah ihn der Dicke an. »Ja, wa rum? Dhark, entschuldigen Sie meine Bemerkung, aber die Überraschung war einfach zu groß. Die Unitallformel? Wirklich? Und mit ihrer Hilfe wären wir in der Lage, Unitall herzustellen?«
»Ja, wenn wir das Aso-Kary-Ver fahren beherrschen!« und gleichzeitig deutete er auf die vorletzte Reihe. »Die se Gruppe hat mit der Formel nichts zu tun; diese Symbole sprechen nur von ei nem Aso-Kary-Verfahren. »Typisch Mysterious!« knurrte je mand, der sie nicht leiden konnte, und dieser Jemand war Arc Doorn. »Weiter, meine Herren!« Imre Erkel gab ihnen keine Zeit, sich mit dieser Überraschung zu beschäftigen. Er bog nach rechts ab, beachtete die herumlie genden Steinklötze nicht mehr, sondern ging auf eine Felsnase zu, die gleich ei nem Kamelhöcker zum Sitzen einlud, nur daß dieser Höcker mehr als hundert Meter lang und über fünfzig Meter hoch war. Sie sahen es alle zur selben Zeit: Ein Tor in der Felswand! Ein Tor aus Unitall! Es schimmerte blauviolett in der Sonne. »Das haben wir nicht öffnen kön nen. Wir haben alles mögliche versucht, aber vergebens«, erklärte Erkel, bevor sie es erreicht hatten. Ren Dhark drehte sich nach dem Si birier um, und der wußte, was er zu tun hatte. Auf ihm ruhten jetzt die Hoffnun gen aller. Doorn mit seinem phänome nalen Können sollte es wieder einmal schaffen, den versteckt angebrachten Öffnungsmechanismus zu finden. Das Tor hatte die Unirisse eines gleichmäßigen Fünfecks. »Das ist neu!« sagte der Sibirier. »Für uns neu!« schränkte er ein. »Für die lieben Ge heimnisvollen vielleicht der letzte Mo deschrei vor rund 1.230 Jahren.« Die fünfeckige Unitalltür und der gewachsene graue Fels bildeten eine Ebene. Rechts von dem Verschluß war metertief der Fels ausgehöhlt worden. Die Männer aus der FO VII hatten mit
Blastern versucht, neben der Tür in den dahinterliegenden Raum durchzustoßen, waren aber kurz darauf auf Unitall ge stoßen und hatten darum ihr Vorhaben wieder aufgegeben. Ren Dhark achtete nicht auf Doorns Bemühungen. Mit seinen Gedanken war er bei Ron wedda wie terra und der hier auf diesem Planeten in den Fels ge schriebenen Nachricht: Wir sind die Einsamsten! Aber zwischen den beiden Botschaften lagen doch rund zweihun dertfünfzig Jahre. Demnach konnte die eine mit der anderen in keinem kausalen Zusammenhang stehen. »Leutnant Erkel!« Der junge Mann drehte sich zu seinem Commander um und sah ihn erwartungsvoll an. »Haben Sie noch weitere Überra schungen für uns?« »Ja, Commander, wir...« Der hatte sich schon an Riker ge wandt: »Dan, die Experten sollen nach kommen. Ruf das Schiff an.« Der schaltete sein Spezialvipho auf Sendung und rief die POINT OF. We nig später bestätigte Fallula, daß die Wissenschaftler, geführt von einem Of fizier der FO VII, auf Schwebeplattfor men unterwegs seien. Im gleichen Moment erhob sich Arc Doorn aus der Hocke und sagte: »So einfach. Direkt primitiv...«, und er trat zur linken Seite. »Erkel, Ihre Strahl bohrmänner haben Glück gehabt, daß sie es nicht auf dieser Seite versucht ha ben. Ich schätze, dann hätten sie den ge samten Kamelrücken in die Luft gejagt. Dabei ist hier schon genug durch die Luft geflogen.« Dhark war bei der letzten Bemer kung des Sibiriers hellhörig geworden. »Was meinen Sie damit, Doorn?« »Diese Felsbrocken, die überall he
rumliegen. Jemand scheint den Myste rious das Dach zum Einsturz gebracht zu haben.« Von allen Seiten wurde der unter setzte Mann angegrinst. Doorn hatte mit dieser Behauptung weit danebengegriffen, denn die Felsblöcke, die herumlagen, reichten bei weitem nicht aus, um zusammengesetzt das Tal als Felsdach zu überspannen. »Öffnen Sie das Tor, Doorn!« Dhark ging auf dessen Bemerkung nicht mehr ein. Auch für ihn war sie nicht mehr als eine Hypothese, die keinen Wert besaß. »Bitte!« sagte Doorn, schaltete an einer Stelle, die niemand außer ihm als Schalter erkannt hätte, und trat zurück. Man wartete. Doorn auch. Man sah ihn an. Doorn behielt die Ruhe. Aber nach drei Minuten änderte sich das. »Zum Teufel!« knurrte er und woll te wieder auf das fünfeckige Unitalltor zugehen, als es lautlos senkrecht im Bo den verschwand. »Deckung!« brüllte Ren Dhark, der es in der dunklen Tiefe eines Ganges grell aufleuchten sah. Er riß Dan Riker und Dro Cimc, die rechts und links ne ben ihm standen, mit sich zu Boden. Aber daß sie den Boden erreichten, merkte er nicht mehr. Denn als er auf schlug, war er schon besinnungslos. * Walt Brugg in der Funk-Z der POINT OF unterhielt sich mit seinem Kollegen in der FO VII. Er wollte so viel wie möglich über diesen Planeten Soradan erfahren. »Wir sind überhaupt nicht weit he
rumgekommen, weil dieser Goldene Mensch unsere Experten regelrecht fest genagelt hat, und als dann die Wissen schaftler Spuren der Mysterious ent deckten, war auch der letzte wie aus dem Häuschen.« Sie sahen sich über die großen Bild schirme und vertrieben sich mit der Un terhaltung die Zeit, denn in beiden Schiffen bestand nach wie vor höchste Alarmbereitschaft. Jeder Raumer konnte von einer Sekunde zur anderen starten. Daß im ersten Teil des Startmanövers die herausgefahrenen Rampen eingezo gen werden mußten, spielte keine große Rolle. »Und sonst ist kein einziger Vor stoß ins Unbekannte gemacht worden?« wollte Brugg wissen. »Nein, denn unsere...« Walt Brugg mußte kommentarlos abschalten, denn Leon Bebir verlangte eine Verbindung mit Dhark. Brugg rief durch. Keine Antwort. Nur die Experten, die mit ihren Schwe beplatten unterwegs waren und den Ruf aufgefangen halten, meldeten sich. »Raus aus der Phase!« knurrte der Funkoffizier, und sogleich war von den Wissenschaftlern nichts mehr zu hören. »Brugg, wo bleibt die Verbin dung?« fragte Behir ungeduldig aus der Zentrale. »Ja, wo bleibt sie, Bebir? Ich habe keine Ahnung. Elis, schalte doch mal die Echokontrolle ein. Moment, Bebir!« Dieser Ton war nur auf der POINT OF möglich, und selbst der Commander akzeptierte ihn. Elis Yogan setzte die Echokontrolle ein. Er war mit seiner Messung schnell fertig. »Alle Sender der Gruppe Dhark sind klar!« Briggs Fluch war nicht besonders
fein. Er versuchte es noch einmal und schaltete gleichzeitig die Sendeleistung höher, obwohl er wußte, daß so etwas bei dieser lächerlich kleinen Distanz völlig überflüssig war. Keine Antwort! Aus der Gruppe Dhark meldete sich kein Mensch. »Hol's der Teufel, da stimmt schon wieder mal was nicht!« knurrte er und unterrichtete dann den Zweiten Offizier des Flaggschiffs. »Danke!« schnarrte Bebir und schaltete zu den Flashdepots durch, wo die Piloten Sitzwache hatten. »Wonzeff, Doraner, Warren! Einsatzziel: Goldener Mensch. Dhark und seine Männer mel den sich nicht auf Funkanruf. Bleiben Sie alle drei ununterbrochen mit uns in Verbindung. Ab mit euch!« Drei Flash, die 011, 013 und 014 jagten durch die Unitallwand des Rin graumers, ohne Spuren zu hinterlassen, und schalteten kaum einen Kilometer vom Schiff entfernt den Sle auf Maxi mum. Die Koordinaten des Goldenen Menschen waren bekannt, dennoch hielten sie sich lieber an die Karte, die die Kartographen der FO VII erarbeitet hatten. Daher kam es, daß sie die Wis senschaftler auf den viel langsamer flie genden Schwebeplattformen erst auf halber Strecke überholten. Von der POINT OF kam durch: »Immer noch keine Verbindung mit dem Commander. Das deutet auf eine unbekannte Gefahr hin. Aufpassen!« »Wir sind feuerbereit!« meldete Rul Warren, der das Kommando über den kleinen Pulk übernommen hatte, zum Schiff zurück. »Wir können sofort aus allen Antennen feuern.« Sie bogen in das Tal ein, als Won zeff große Augen machte. Er hatte einen Blick auf seine Energieortung gewor fen.
»Strahlungsausbruch vor uns!« rief er seinen beiden Kollegen über Funk zu. In der Funk-Z und in der Komman dozentrale hörte man mit. »Der Commander hat ein Talent, stets mit der Nase vorn zu sein«, be merkte Glenn Morris und schüttelte den Kopf. »Wo Dhark ist, ist auch immer was los.« Die drei Flashpiloten hatten keine Zeit, sich zu unterhalten. Den Kopf weit im Nacken, starrten sie zur Bildprojekti on hoch. Doch der Darstellung dieser Projek tion wollten sie nicht glauben! Der Gol dene Mensch brannte! Er stand von oben bis unten in Flammen! In blauen, gelben und roten Flammen, die steil in den Himmel stiegen! Und der Goldene Mensch wurde von ihren Ortungen als Quelle des Ener gieausbruchs angemessen. »Wie hoch?« fragte Warren kurz über Funk. »Noch nicht letal, aber nicht mehr weit davon. Verdammt noch mal, wie sollen wir alle auf einmal rausschaf fen, und... o Gott, die Eierköpfe! Sie dürfen nicht einfliegen. Sie müssen lan den und unsere Nachricht abwarten. Doraner, jagen Sie den Spruch an die Experten raus, aber auf der Frequenz der POINT OF, damit sie...« »Mitgehört, Wonzeff. Nachricht an uns hat sich erledigt. Soll das Schiff kommen?« Wenn der Commander nicht aus drücklich befohlen hätte, die POINT OF dürfe unter keinen Umständen folgen, dann wäre es Wonzeff ein leichtes ge wesen, den Ringraumer anzufordern. So jedoch zögerte er und meinte: »Erst wollen wir uns den Fall aus der Nähe ansehen. Ende.«
Sie jagten in Kiellinie auf den bren nenden Goldenen Menschen zu. Über tausend Meter hoch loderten die farbi gen Flammenbahnen, die nichts anderes als reine Energie waren. Und in diesem Energiestrom stand die rätselhafte Plas tik. Nein, sie stand nicht! Sie bewegte sich! Sie schmolz! Sie brach ganz langsam, aber deut lich erkennbar in sich zusammen. Sie wurde kleiner und verlor ihr charakteristisches Aussehen. »Ich werd' verrückt...« stammelte Rul Warren, der doch seit der Rückkehr von Hope nach Terra so viel gesehen und erlebt hatte. Aber daß er einmal eine brennende Riesenplastik sehen würde, die in ihrem eigenen Energie ausbruch zerschmolz, hätte er sich nicht träumen lassen. »Was ist los?« Bebirs Stimme aus dem Leitstand kam über Funk zu ihnen in die Flash. »Noch nichts von Bedeu tung, nur daß der Goldene Mensch schmilzt. Ende!« sagte Doraner nicht gerade freundlich. »r-Strahlungswert steigt nicht an. Bleibt vor der letalen Grenze. Hm... wie ist denn das möglich?« Doraner erhielt von Wonzeff eine scharfe Antwort. »Sei froh, daß es so ist und nicht anders, sonst könnten wir den Commander zu seinem Staatsbegräbnis fliegen.« Die nervenzerreißende Spannung fraß auch bei ihnen Kräfte. »Suche aufnehmen!« befahl Dora ner, und die drei Flash trennten sich. Es war selbstverständlich, daß der Blitz mit der Nummer 014 die weitesten Kreise um die energiespeiende Statue zog, während die 011 dicht um die Plastik herumflog.
»Ich hab‘ sie in der Projektion! Fol gen!« rief Warren mehr als laut über Funk, fuhr an seinem Flash die spinn beindünnen Ausleger aus und nahm auch schon Kurs auf die Männer, die bewegungslos am Boden lagen. Gleichzeitig mit ihm landeten die beiden anderen Blitze. Drei Mann stie ßen ihren Einstieg auf und sprangen zu Boden. Dann taten sie keinen Schritt mehr, weil sie nicht mehr dazu fähig waren. Ein paar Schritte vor den am Boden liegenden Männern, von denen keiner seinen Raumhelm geschlossen hatte, gab es eine fünfeckige Bildprojektion, und in diesem Fünfeck zeigte sich das zerfurchte Gesicht eines Mannes, das je der Terraner auf Terra kannte. Es war zum ersten Mal in der großen Transmit terantenne im Industriedom des Höhlen systems auf Deluge beobachtet worden. Aber dieses zerfurchte Männerge sicht, das so sehr an einen Mann von der Erde erinnerte, war tot... Es hatte keine Augen! Anstelle der Augen saßen zwei glü hende Pole, und diese Pole strahlten Bahnen ab, die gegen den Goldenen Menschen prallten. Pjetr Wonzeff war der einzige, der sein Aufnahmegerät hochriß und dieses Bild festhielt. »Sogar die Cyborgs sind bewußt los!« rief Rul Warren über Helmfunk. »Zurück!« bellte Wonzeff, als er be merkte, daß Mike Doraner sich der Bildprojektion in der fünfeckigen Öff nung nähern wollte. »Kein Risiko ein gehen. Ich...« Er handelte instinktiv, riß seinen schweren Blaster hoch und schoß in dieses tote Gesicht, dessen Au gen zu Abstrahlpolen geworden waren. Der Blasterschuß ging hindurch. Ir
gendwo in der Tiefe traf er, und dort gab es eine leichte Explosion, die im gleichen Moment das zerfurchte Gesicht in der Öffnung verschwinden ließ. Auf der Stelle wirbelte Wonzeff he rum, doch was er zu sehen hoffte, war nicht eingetreten. Nach wie vor brannte der Goldene Mensch, der immer mehr in sich zusam menfiel. Bis zu den Hüften war sein Material noch stabil, aber was sich da rüber befand, floß langsam nach innen und bewies damit, daß diese Plastik nicht massiv gewesen sein konnte. »r-Strahlung läßt nach!« Rul War ren gab es durch. Die drei Flashpiloten hatten sich von ihrer Verwirrung erholt und überlegten, was zu tun war. »Bei allen Anti-r injizieren!« schlug Doraner vor und lief schon zu einem Flash. Anti-r war ein Mittel gegen leichte Strahlungsschäden, aber ob es in diesem Fall ausreichen würde, war fraglich, und dazu war keiner der drei Piloten medizi nisch ausgebildet. Doch schaden konnte es auf keinen Fall. Doraner kam mit zwei Injektions pistolen, und Wonzeff half ihm bei der Verabreichung. »Möchte wissen, warum die Cyborgs nicht auf ihr Zweites Sys tem geschaltet hatten?« knurrte er, als er Carrell und Alsop Anti-r verabreichte. Warren stand wieder mit der POINT OF in Verbindung. »Wir benötigen so fort zwei Ärzte, die mit stärkstem Strah lenserum versehen sind. Flash-Einsatz erforderlich, Bebir! Sollen auf Gedan kensteuerung schalten. Mein Blitz über nimmt. Ende!« Auch das gab es innerhalb der TF nur einmal, daß einfache Flashpiloten dem stellvertretenden Kommandanten Befehle erteilen konnten.
»Schicke sie los. Fliegen in fünf Mi nuten raus!« Bebir gab die Nachricht persönlich durch. Die drei Männer bekamen eine Atempause. Sie begriffen immer noch nicht, wieso Dhark und seine Männer hier bewußtlos lagen, denn sie hatten sich nicht im Bereich der beiden Strah len befunden, die von den Abstrahlpo len des zerfurchten Gesichts ausgegan gen waren. Rul Warren kramte in seinem ErsteHilfe-Vorrat herum und kam mit einem Arsenal Injektionspistolen heran. Wonzeff und Doraner streikten. »Die Ärzte müssen bald eintreffen, und ich habe keine Lust, mir von denen eine Zigarre einzuhandeln, nur weil wir übereifrig gewesen sind. Ich...« Ihre Außenmikrophone übertrugen ein gräßliches Geräusch, das ihnen furchtbar in den Ohren klang. Hinter ihnen barst der Rest des Gol denen Menschen! Von den Hüften aus riß der Torso über beiden Beinen auseinander und gab trotz der züngelnden Energieflam men das Innere für kurze Zeit frei! Drei Männer bannten es mit ihren Aufnahmegeräten. Jeder auf der Erde sollte eines Tages, wenn die Aufnahmen freigegeben wurden, sehen, daß der Goldene Mensch in seinem Inneren eine ungeheuer komplizierte technische Ap paratur barg. »Das ist doch keine MysteriousTechnik!« murmelte Mike Doraner, der sich auf einigen Spezialgebieten darin ausgebildet hatte. Er erhielt keine Antwort, denn die beiden Flash mit den Medizinern an Bord rasten heran und setzten zur Lan dung an. Doch sie kamen nicht allein! Bebir
hatte auch die Roboter zum Einsatz ge bracht, und die phantastischen Kon struktionen vom Planet Tower bewiesen wieder einmal, wie schnell sie fliegen konnten. Zehn Robs stürzten sich aus der Höhe, bremsten dicht über dem Boden ab und blieben in der Schwebe. Maitskill und Hanfstik untersuchten Ren Dhark und Dan Riker. Sie sahen sich fragend und auch etwas ratlos an. Was ist mit ihnen passiert? hieß der Blick. Die Bewußtlosen befanden sich weder in einem paralysierten Zustand, noch waren sie ohnmächtig. Dazu hatte ihr Körper unverständlicherweise kaum r- Strahlung aufgenommen. Wie die Ro boter standen die Flashpiloten herum und schauten zu. Das Fauchen und Zi schen der energetischen Strahlbahnen, die den Goldenen Menschen vernichte ten, nahm keiner mehr war. Wichtiger als diese Plastik waren die Männer am Boden. Die Viphos sprachen an. Bebir frag te durch. Es dauerte ihm zu lange, bis er Bericht erhielt. Maitskill faßte sich kurz. »Wir un tersuchen noch und melden uns, wenn wir selbst klar sehen. Ende.« Damit hat te sich der Zweite der POINT OF zu friedenzugeben. Kartek und Dressler, die die beiden Mediziner herangezogen hatten, gingen langsam auf die fünfeckige Öffnung zu. Die anderen achteten nicht auf sie. Als Mike Doraner mit ihnen spre chen wollte, konnte er sie nirgendwo se hen. »Kartek! Dressler!« brüllte er mit Stentorstimme und lauschte auf Ant wort. Nur das Prasseln und Zischen um den schmelzenden Goldenen Menschen herum war zu hören. Er benutzte sein Vipho und rief die beiden Männer über die Phase. Keine
Antwort. Die übrigen Piloten wurden auf merksam. Rul Warren ging auf den nächsten Rob zu und fragte ihn, ob er gesehen hatte, wohin die beiden Männer gegangen seien. »Durch das fünfeckige Tor!« ant wortete die Konstruktion mit klarer Stimme und bewegte sich dabei um kei nen Millimeter. Hier und dort wurde geflucht. »Die sen Leichtsinn hätte ich ihnen nicht zu getraut«, stellte Pjetr Wonzeff verärgert fest. »Im schlimmsten Fall können wir sie suchen...« »Warum wir?« unterbrach ihn Dora ner. »Setzen wir doch zwei Roboter ein. Wozu sind denn diese Blechkameraden da?« Wonzeff lachte verlegen. »Ich muß mich erst noch daran gewöhnen, daß es sie gibt. Okay, das ist ein guter Vor schlag.« Die Roboter trugen auf ihrer metal lenen Verkleidung ein individuelles Re gistrierungs-Kennzeichen, aber die we nigsten Menschen, die mit den Maschi nen zu tun hatten, sprachen die Buch staben- und Zahlenkombination voll ständig aus. »Drei zwo sieben C und Vier null acht C! Sucht die beiden Männer, die durch das fünfeckige Tor gegangen sind, und bringt sie schnellstens wieder zurück.« Zwei Robs wiederholten gleichzei tig den Wortlaut der Order, dann schwebten sie auf ihren Prallfeldern auf das Tor in der Felswand zu, um Augen blicke später im Dunkel der Höhle zu verschwinden. »Bin gespannt, wie lange die brau chen«, sagte Warren, als Hanfstik seine Diagnose gestellt hatte und zu seinem
Kollegen meinte: »Magarytonie!« Für die Piloten ein Wort aus einer unbekannten Sprache; ein bekannter Begriff für Maitskill, aber der zweifelte die Diagnose seines Kollegen an. »Demnach müßten alle alles sehen, hören und fühlen, und sollten dennoch zu keinerlei Reaktion in der Lage sein? Nicht einen einzigen Reflex zeigen?« Er deutete auf drei Geräte, die er an Dan Riker angeschlossen hatte. Die meisten Anzeigeskalen standen im Nullbereich. »Die müßten wenigstens ausschlagen, Hanfstik.« »Nicht, wenn der Thekus-Faktor im Spiel ist. Und das ist hier der Fall.« Die Flashpiloten wunderten sich, daß man die bewußtlosen Männer nicht so schnell wie möglich in die MedoStation der POINT OF brachte, wo man sie doch viel besser behandeln konnte als hier im Freien. »Ich versuche es mit der Heat-The rapie«, sagte Hanfstik und kniete wieder neben Ren Dhark. »Na, ob die hilft?« zweifelte Maits kill, der dann aufmerksam dem Tun sei nes Kollegen zusah. Der schaltete ein Gerät mit vielen Stellknöpfen hoch, kontrollierte sorgfältig jede einzelne Anzeige, nahm hier und da noch Nach einstellungen vor und ließ dann seine Hand auf die breite Haupttaste fallen. Durch Dharks Körper ging konvul sivisches Zucken. Einmal bäumte er sich auf, aber weder seine erstarrten Ge sichtszüge veränderten sich, noch zeig ten seine Augen Reflexe. »Es hat doch keinen Sinn, Maits kill.« »Verdammt noch mal«, sagte da Ren Dhark, der sich ruckartig aufgerich tet hatte und sich umsah. Er schien nicht zu wissen, wo er sich befand.
Dann blickte er an sich herunter und sah die vielen Kabelanschlüsse an seinem halb entblößten Körper. »Maitskill, Sie...?« Langsam ge wann er sein Erinnerungsvermögen zu rück. Endlich schien er zu begreifen, warum seine Begleiter besinnungslos am Boden lagen. »Wie lange liegeil wir schon hier?« fragte er. Seine Stimme klang nicht besonders fest. »Über eine Stunde, Dhark. Können Sie uns sagen, was passiert ist?« Der Commander grübelte. »Nein, das kann ich nicht. Ich sah nur, wie es in der dunklen Tiefe des Ganges grell auf leuchtete. Mehr weiß ich nicht.« »Danke...« Die beiden Mediziner hatten es eilig, nun auch die anderen Männer wieder zu Bewußtsein zu brin gen. Maitskill löste die Kontakte von Ren Dhark und wandte sich dann Manu Tschobe zu, während Hanfstik sich mit gemischten Gefühlen mit Dro Cimc be schäftigte. Hatte die terranische Medi zin inzwischen auch vom Telin-Imperi um alle Unterlagen über den biologi schen Aufbau der Tel erhallen, wie man ebenso den Schwarzen Weißen sämtli che Informationen über die Menschen geliefert halte, so war doch noch vieles fremd und bedurfte intensiver Studien, bis man die Zusammenhänge erkannte. Und in diesem Fall wußte Hanfstik nicht zu sagen, ob die Heat-Therapie bei Cimc die gleiche Wirkung hatte wie bei einem Terraner. Aber was blieb ihm anderes übrig als es zu versuchen? Ren Dhark, der langsam seine Kräf te wieder zurückgewann, dachte noch nicht daran, sich zu erheben, aber er ließ sich von Wonzeff Bericht erstatten. »Wonzeff, war es das gleiche Ge sicht, wie wir es erstmalig im Transmit terbogen im Industriedom gesehen ha
ben, nur daß dieses Gesicht statt Augen Abstrahlpole besaß?« vergewisserte er sich. »Ja, und das da scheint das Resultat der beiden Strahlbahnen zu sein, Dhark. Drehen Sie sich einmal um!« Vom Goldenen Menschen war nicht mehr viel übrig. Knapp dreißig Meter hoch ragte der Torso, der in sich zerris sen war, aber nun nichts mehr von der Apparatur zeigte, die sich in seinem In nern verborgen hatte. Das Zischen und Prasseln hatte in der Zwischenzeit an Stärke verloren, der Zerstörungsprozeß jedoch war dadurch nicht langsamer ge worden. »Und zu allem Überfluß sind Dress ler und Kartek verschwunden. Sie ha ben auf eigene Faust das fünfeckige Tor durchschritten. Zwei Roboter sind un terwegs, um sie zu suchen. Das Beunru higende ist, daß sie schon lange fort sind.« In Ren Dhark kam wieder der Com mander zum Vorschein, der Mann, der nicht so leicht etwas übersah. »Warum haben Sie sie nicht über Vipho angerufen und Bericht verlangt, Wonzeff?« Der holte das sofort nach, aber die Roboter antworteten nicht. Sie schwie gen ebenso, wie sich Kartek und Dress ler in Schweigen hüllten. Mit Hilfe von Warren und Doraner erhob sich Dhark. Er war nicht mehr der einzige aus seiner Gruppe, der wieder bei Bewußtsein war. Auch bei Dro Cimc hatte die Heat-Therapie Erfolg ge habt, und der Tel saß verwundert auf dem Boden und blickte sich ebenso rat los um, wie es der Commander getan hatte, als er aus dem geschockten Zu stand geweckt worden war. Nur in einem Punkt war Hanfstiks Diagnose falsch gewesen. Keiner der
Bewußtlosen hatte etwas gehört, gese hen oder gefühlt, nachdem ihnen diese Sache zugestoßen war. Maitskill unterrichtete über Vipho den Zweiten Offizier des Flaggschiffes. Leon Bebirs Seufzer der Erleichterung war laut und deutlich zu hören. »Können die Wissenschaftler ihre Fahrt fortsetzen?« fragte er an. Da mischte sich Dhark ein. »Ja, Bebir, set zen Sie unsere Experten in Marsch.« Er verstummte, denn über die Phase kam Stimmengewirr. In der POINT OF herrschte Aufregung. Eine Reihe Män ner sprachen wild durcheinander. »Dhark!« Leon Bebirs Stimme zit terte. »Wir bekommen mit den Experten keine Funkverbindung mehr. Grappa ist auch nicht mehr in der Lage, sie mit ei ner Ortung zu erfassen ...« »Sind Ihnen die Koordinaten der Stelle bekannt, wo sie Warteposition bezogen haben, Bebir?« Der Zweite gab sie seinem Com mander sofort durch. »Danke, Bebir, ich kontrolliere mit den Flash-Piloten den Fall und melde mich so früh wie möglich.« Maitskill, der überrascht den Kopf gehoben hatte und Dhark verblüfft an sah, wunderte sich über die so rasch zu rückgekehrte Entschlußkraft des Com manders. »Sie sind noch zu schwach, Dhark. Sie übernehmen sich wieder...« Da stand der nächste aus der vorher bewußtlosen Gruppe auf – Dan Riker. Der Tel richtete sich ebenfalls auf. »Ich verstehe nicht, warum wir nicht gleich ein paar Roboter mitgenommen haben!?« Für den Schwarzen Weißen war der Einsatz der Maschinenwesen eine selbstverständliche Angelegenheit, denn
er war mit Robotern groß geworden; an ders die Terraner. Die neu entwickelten Konstruktionen waren — im Gegensatz zu den Robotern der Tel – aus zwei Gründen nicht einmal im Ansatz men schenähnlich: Zum einen sollten sie ih ren Maschinencharakter nicht verlieren, zum anderen war der konusförmige Grundentwurf des terranischen Roboter einfach vielseitiger. Die ersten TVÜbertragungen, die den Menschen auf Terra zeigen sollten, daß die Konstruk tionen äußerst praktische Vielzweckge räte waren, hatten oft Mißtrauen ausge löst. Ren Dhark war ohne Roboter auf gewachsen; auch er mußte erst ein Ver hältnis zu den Maschinen und ihren phantastischen Möglichkeiten finden, und darum erwiderte er auf Dro Cimcs Vorschlag: »Man sollte sich niemals zu sehr auf Maschinen verlassen.« Den erstaunten Blick des Schwar zen Weißen sah er nicht mehr, weil er Doraner und Warren einsetzte, während Pjetr Wonzeff zurückbleiben sollte, um der Gruppe zur Verfügung zu stehen, die von Manu Tschobe übernommen worden war. Sie hatte die Aufgabe, die Höhle hinter dem fünfeckigen Tor zu untersuchen, vor allem aber Kartek und Dressler zu finden. Eine polternde und orgelnde Stim me übertönte alles. Chris Shanton tobte. Er kniete neben seinem Jimmy, der auf der Seite lag und sich nicht rührte. »Wer hat den Köter ausgeschaltet? Welcher Idiot hat ihm diese drei Kurz schlüsse verpaßt?« Er hatte seinem ro botischen Spielzeug die Bauchdecke ge öffnet und blickte mit immer größer werdendem Zorn auf die Zerstörungen im Inneren, die durch die Kurzschlüsse hervorgerufen worden waren. »Lassen Sie sich nicht aufhalten«, sagte ihm Dhark leichthin, der sich über diesen Fall keine Gedanken machte.
Aber sein Freund Dan war bestürzt und er legte ihm schwer die Hand auf die Schulter. »Ren, niemand von uns konnte an Jimmy manipulieren! Wer hat ihn abge schaltet? Das grelle Licht in der Höhle, das du gesehen hast? Wenn das stimmt, sollten wir uns noch auf einige Überra schungen gefaßt machen, und darum schlage ich vor, daß wir hier bleiben, während von der POINT OF oder der FO VII ein Kommando in Marsch ge setzt wird, das Nachschau nach den Ex perten hält.« Dhark zögerte einen Augenblick und ließ sich Rikers Worte durch den Kopf gehen und stimmte dann impulsiv seinem Vorschlag zu. »Okay, Dan. Rufe Bebir an, dersofort alles veranlassen soll. Dieser Zwischenfall mit Jimmy und das Verschwinden der beiden Flash-Piloten ist Menetekel genug. Manchmal ist es zum Verzweifeln, wenn von allen Seiten alles Mögliche und Unmögliche gleichzeitig auf einen hereinstürzt.« Er verstummte, weil Leut nant Imre Erkel neben ihn getreten war. »Commander«, sagte er – als Offi zier der TF war er es nicht anders ge wohnt, als jeden Mann mit seinem Dienstgrad anzureden. Daß die Männer des Flaggschiffes den Commander der Planeten einfach mit Namen anspra chen, war für ihn jedesmal wieder etwas Ungeheuerliches. »Ich möchte Ihnen, bevor Sie die Höhle betreten, noch et was zeigen. Es ist kaum hundert Meter entfernt. Hinter dem Kamelrücken. Darf ich Sie führen?« Er durfte. Riker, Cimc, Doorn und Tschobe schlossen sich ihnen an. Ein kurzes Stück gingen sie über einen zä hen, knöchelhohen Moosteppich, der wieder von Geröll abgelöst wurde. Sie kletterten einen steilen Hang hinauf, er reichten ein kleines Plateau, das hinter
dem ersten Höcker des Kamelrückens lag, und Imre Erkel hatte gerade gesagt: »Noch eine Minute, und wir sind da«, als etwas Ungeheuerliches passierte. * Auf acht Schwebeplatten waren die Experten der POINT OF mit einem Scout der FO VII unterwegs. Sie hatten fast die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als sie von dahinrasenden Flash über holt wurden. Dr. Lapo Canutim, ein Mittelafrika ner, der Chef dieser Gruppe war, sah ih nen ahnungsvoll nach. »Ich befürchte, daß wir nicht weit kommen«, sagte er zu seinem Kollegen Barras, während sie in guter Fahrt in dreihundert Metern Höhe über den un bekannten Planeten Soradan flogen. »Der zweite Einsatz von Flash war nicht vorgesehen...« Kurz darauf hörten sie über Vipho mit, was in der Nähe des Goldenen Menschen geschehen war. Deshalb überraschte es niemanden, als der Be fehl von der POINT OF kam, sofort zu landen und neue Order abzuwarten. Die Schwebeplatten steuerten eine freie Fläche in dem wuchernden Dschungel an, der sich unter ihnen aus breitete. In beinahe allen Farben leuch tete es zu ihnen herauf, und immer wie der sahen auch die Experten, die sonst für die blühende Natur nicht viel übrig hatten, in die Tiefe, um das Farbwunder verzückt zu betrachten. Es war ein einziges Geflecht, das so dicht war, daß man stellenweise die Bo denformationen nicht mehr erkennen konnte. Nur die vielen Bäche und Flüs se rissen den Farbteppich immer wieder auf, und das glitzernde Wasser, in dem
sich das Licht der Sonne widerspiegelte, erhielt durch das Bunt einen schier unbeschreiblichen Kontrast. Soradan war aus dreihundert Me tern Höhe mit dem Garten Eden zu ver gleichen, und niemand der Experten be dauerte es, daß die Reise zum Goldenen Menschen unterbrochen wurde. Manche freuten sich, diese Flora näher kennen zulernen. Das kleine Plateau war an der Nord seite von einer senkrecht aufragenden Wand flankiert, über die sich zwei Was serfälle ergossen und den in der Sonne aufblitzenden Wasserstaub nach allen Seiten versprühten. Die drei anderen Seiten wurden von einem Blütenmeer umgrenzt, das die flachen Hänge völlig überwuchert hatte. Abseits vom Wasserstaub setzten die acht Schwebeplatten auf, und ein undzwanzig Wissenschaftler vertraten sich nicht nur die Beine, sie atmeten auch die würzige, duftende Luft ein, die durch die beiden Wasserfälle noch ei nen Schuß Kühle hinzubekommen hat te. Die M-Raumanzüge waren trotz ih res geringen Gewichts lästig, und auch der letzte Mann hatte seinen Klarsicht helm über den Kopf gestreift. In kleinen Gruppen standen die Männer zusammen und betrachteten diese fremde, farben prächtige Flora. Rot dominierte, aber auch blaue Blüten, gelbe, schwarze und violettschimmernde Blumenkelche wa ren zu sehen. Diese Flora hatte tropi schen Charakter und hätte auf Terra in die Zeit der riesigen Farne hineinge paßt. Immer wieder hielt man den Atem an, wenn man Blumen betrachtete, die acht bis zehn Meter hoch waren. Besonders eine Art übertrumpfte alle anderen: Ihre Blüte glich einer ins Rie sengroße veränderten Ziertulpe, die in den letzten Jahren in Europa gezüchtet
worden war und zu den teuersten Kost barkeiten gehörte, weil der Kelchrand einem kunstvoll gefertigten Fransenvor hang glich, und oft waren die auslaufen den Spitzen dieser Fransen so dünn, daß ihnen gegenüber ein menschliches Haar dick erschien. Hier sahen sie von dieser terrani schen Tulpe den Gigantus! Lapo Canutim hielt sich plötzlich an Barras' Arm fest. Mit dem anderen deu tete er in die linke Schneise, in die gut zweihundert Meter weit hineinzusehen war. »Da! Ein Tier!« Ein Tier, mehr als drei Meter lang und einen Meter hoch, mit dem Rumpf eines Tigers und dem Kopf eines Papa geis, stand witternd da und spähte zu den beiden Männern am Rand des Pla teaus herüber. Ein blutroter Kamm stand breit und hoch auf seinem Kopf und endete erst hinter dem vorderen Drittel. Fünf Augen hatte das Tier im Halb kreis über seinem leicht gekrümmten gelblichen Hornschnabel stehen - Au gen so groß wie eine Männerfaust. Die sechs Läufe, die starke Krallen trugen, aber nur bis zum unteren Gelenk be haart waren, glichen Paketen aus Stahl federn. Besonders die Hinterhand war auffallend muskulös und verriet, daß diese Bestie auf Soradan mit seiner ge ringen Schwerkraft unwahrscheinlich weite Sprünge machen konnte. Das ge fleckte Fell schillerte in kräftigem Grün und Blau, aber auch rote Flecken waren zu sehen, die sich jedoch wie bei einem Chamäleon ununterbrochen farblich veränderten. Unmerklich hatten sowohl Canutim wie Barras zu ihren Blastern gegriffen, aber dann war Canutim etwas zu hastig in seiner Bewegung gewesen, oder die Waffe hatte das Sonnenlicht reflektiert
die Bestie duckte sich und war dann mit einem Satz seitwärts zwischen den gigantischen Blumen verschwunden. Erleichtert steckten die beiden Wis senschaftler ihre Waffen wieder ein. Kurz darauf wurden die ersten Anträge gestellt, sich diese Flora noch näher an zusehen. Canutim wie Barras machten ihre Kollegen auf die Gefahren auf merksam und berichteten von der Tiger bestie mit dem Papageienkopf, doch die meisten lachten nur und einige klopften mit der flachen Hand gegen ihren Blas ter. Canutim gab nach, doch er verlang te, daß die Viphoverbindung nicht un terbrochen werden durfte. »Denn schließlich können wir in jedem Augen blick den Befehl zum Weiterflug erhal ten, und ich möchte nicht, daß Dhark auf uns warten muß. « Neun Männer schritten die schwa che Böschung hinunter und gingen auf die rechte Schneise zu, Barras und Ca nutim sahen ihnen nach, wie sie lang sam vorwärtsgingen und hier und dort stehen blieben, um die hohen Blumen gewächse zu betrachten, oder kleinere abzupflücken, was nicht immer ganz leicht war, denn manchmal waren zwei Paar Hände dazu nötig, um die starken Stengel zu brechen. Ein paar Mann, die inzwischen ge nug Blumen gesehen hatten, waren zu den Schwebeplatten zurückgegangen und hatten es sich zwischen den Gerä ten wieder bequem gemacht. Ahnungslos griff Mirapi nach sei nem tragbaren Ortungsgerät und setzte es auf seinen Schoß. Kaum war sein Blick auf die Instrumente gefallen, als er vor Überraschung einen Pfiff über die Lippen brachte. Er stieß seinen Nebenmann an und deutete auf die Instrumente.
»Was ist das denn? Das sieht ja nach Abschirmung aus!?« stieß der an dere hervor. »Dann sind wir ja einer Meinung.« Mirapi hatte noch nicht begriffen, daß Abschirmung jeder Art in dieser tropi schen Wildnis etwas Unwahrscheinli ches war. Doch der andere war aufge sprungen und rief lautstark nach Lapo Canutim. Der vierzigjährige, beleibte Mann mit ausgeprägten 0-Beinen, kam laufend heran. »Sehen Sie sich das an, Canutim! « Der warf nur einen Blick auf das Gerät mit seinen Anzeigern, als er an ordnete: »Sofort die POINT OF anrufen und um Startgenehmigung bitten. Lie ber wollen wir doch in dreihundert Me tern Höhe auf den Weiterflug warten. Na, was ist denn schon wieder?« Unge duld schwang in seiner Stimme mit. Lahm sagte der Mann, der die POINT OF anrufen sollte: »Ich bekom me keine Verbindung mit dem Schiff.« Barsch fuhr Canutim auf: »Das gibt's doch nicht! « schaltete sein eige nes Vipho auf Maximum und rief das Flaggschiff. Das Rauschen der Statik durfte er sich anhören. Von dem Ringraumer kam kein Pieps durch! Die Abschirmung war vollkommen! »Zum Teufel, warum habe ich neun Mann die Erlaubnis gegeben, sich zu entfernen. Hallo, Gruppe Shaker, sofort zurückkommen. Bestätigung! « Die Statik rauschte ganz hübsch. Die neun Mann starke Gruppe meldete sich nicht. Lapo Canutim brach der Schweiß aus. »Alarm!« schrie er. »Höchste Alarmbereitschaft ...!« Aber schrie da nicht noch jemand? Jemand, der sich weit vom Plateau ent
fernt hatte? Klang es nicht wie Hilfe? Lapo Canutim hatte sich herumge rissen, um zu lauschen. Das Stimmen gewirr, das er durch seinen Alarm aus gelöst hatte, ließ es nicht zu. Hochrot vor Erregung brüllte er: »Ruhe, ver dammt noch mal! Hören Sie denn nicht ...?« Nichts mehr war zu hören! Leicht ging der Wind durch die ho hen Blüten, und unverändert klang das Rauschen der beiden Wasserfälle. Mirapi hatte nichts gehört, aber sein Kollege und Canutim schworen darauf, einen Hilfeschrei vernommen zu haben. »Vier Freiwillige, die bereit sind, die Gruppe Shaker zu suchen und sofort zurückzubeordern.« Acht meldeten sich freiwillig. Canu tim bestimmte die kräftigsten Männer. »Box, Sie übernehmen das Einsatzkom mando. Also: Nichts riskieren! Sich nir gendwo aufhalten und wenn es noch so interessant ist. So schnell wie möglich die Gruppe Shaker suchen, und dann mit ihr zurück! Um allen unsere Lage ganz deutlich zu machen: Wir liegen unter einer Abschirmung, die uns weder Kontakt mit der POINT OF erlaubt, noch zu Shaker und den anderen acht Männern. Sie sind also vollkommen auf sich alleingestellt, wenn Sie das Plateau verlassen haben. Noch was?« Sie zogen los, liefen den Hang hi nunter und rannten in die Schneise hi nein. Box sprach dabei ununterbrochen in sein Vipho. Nur Zahlen. Ebenso ver hielt sich Canutim mit seinem Vipho. »Aus!« sagte dieser nach knapp ei ner halben Minute. »Aus!« stieß Box aus, als er Canu tims Stimme nicht mehr hören konnte, und informierte dann seine Begleiter.
Sie waren stehengeblieben. Das hatten sie trotz Information durch Canutim nicht erwartet. Wenigstens so schnell nicht. »Wir müssen versuchen, die an deren durch Rufen aufzutreiben. Bei drei schreien wir Hallo!« Und das Count-down begann, doch auf ihr Hallo erfolgte kein Echo. »Weiter!« Vier Mann setzten sich in Bewe gung. Am Rande des Plateaus rief ein Experte Lapo Canutim zu: »Sie sind um eine Ecke gebogen. Ich kann sie nicht mehr sehen.« Canutim nickte und wischte sich den Schweiß ab. Hoffentlich kommen die bald mit Shakers Gruppe zurück, wünschte er sich. * Shaker glaubte sich im Paradies, und seinen Begleitern erging es nicht anders. Dieses Blumenmeer war unbe schreiblich. Der Duft, der sie umgab, war wohlriechender als das beste Par füm auf Terra. Die Schneise hatte einen scharfen Knick gemacht, und von der kleinen Hochfläche, auf der ihre acht Schweber gelandet waren, war nichts mehr zu sehen. Sie dachten auch kaum daran. Sie wollten endlich eine von die sen gigantischen Tulpenblüten sehen, die mit ihrem knallenden Rot wie Scheinwerfer aus der Farbenpracht ge leuchtet hatten. Niemand kam auf den Gedanken, über Vipho mit Canutium zu sprechen. Sie waren doch erst ein paar hundert Meter vom Landeplatz entfernt, und die drei bis vier Meter breite Schneise ließ sie schnell vorwärts kommen. Die Blumen, die man mit vereinten Kräften abgebrochen hatte,
waren zurückgelassen worden. Auf dem Rückweg sollte man sie einsammeln, sich aber jetzt nicht damit belasten. Von Tieren war weit und breit nichts zu sehen, und die Männer wur den immer sorgloser. Auch Shaker, der baumlange Mann, hatte seinen Blaster eingesteckt. Unmerklich wurde die Schneise schmaler. Eigentlich unverständlich, daß es sie überhaupt gab, denn der Bo den sah unter ihren Füßen nicht anders aus als rechts und links zwischen den manchmal bis zu zwanzig Zentimeter dicken Stengeln. Dann war die Schneise zu Ende, aber sie kamen so schnell wie bisher vorwärts. Man schlängelte sich zwischen den Stengeln hindurch und sorgte nur dafür, daß man in Sichtweite der anderen blieb. Plötzlich leuchtete es vor ihnen in knallendem Rot auf. Gleich an sieben Stellen. Sie hatten die gigantischen Tulpen Soradans erreicht. Und sie erkannten, daß sie sich vom Plateau aus verschätzt hatten, als sie glaubten, diese Pflanzen seien acht bis zehn Meter hoch. Sie hatten durchschnittlich eine Höhe von vierzehn Metern, und der im Wind leicht hin und her schwankende Blumenkelch besaß einen Durchmesser von gut drei Metern, bei einer Tiefe, die die Männer auf vier Meter schätzten. Shaker hielt seinen Nebenmann zu rück. Sie blieben stehen. »Eigenartig, diese Wurzeln«, sagte Massuda, der Botaniker. »Es ist schwer, sich vorzustellen, Wurzeln einer Pflanze zu sehen. Wurzeln, die sich auf dem Boden befinden und nicht in den Boden hineinwachsen. Hm! Das muß ich mir
genauer ansehen.« Mit ihm setzten sich auch die ande ren in Bewegung. Ihr Interesse war nicht so groß wie das des Botanikers, aber sie gaben ihm Zeit, das Phänomen zu untersuchen. Massuda, ein Japaner, kniete vor ei ner Wurzel und versuchte seinen Dau mennagel hineinzudrücken, doch das Material gab nicht nach. Es war so hart wie Ebenholz. Er versuchte es mit dem Messer. Die Klinge rutschte an der dunkel braunen, schenkeldicken Wurzel ab. Leise fluchte der Botaniker, der viel von seiner asiatischen stoischen Ruhe verlo ren hatte, denn Wurzelmaterial, das er mit seinem Spezialmesser nicht anritzen konnte, hatte er noch nie erlebt. Die Klinge schnappte wieder ein, er drehte den Griff und setzte den kleinen Bohrer an. Der winzige Motor im Griff heulte in seinem hohen Tourenbereich. Der Bohrer schrie wie ein Stück Kreide auf glatter Tafel, aber es gelang ihm auch nicht, in die Wurzel einzudringen. Massuda machte in ununterbrochen schneller Folge seine Augen zu und wieder auf. Sein Verstand kam nicht mehr mit. Wurzelholz, das seinem DiaBohrer widerstand, gab es nicht! Da versuchte er es mit der GJC-Säu re, die nur vor dem Unitall und Tofirit aufgab, sonst jedes Metall zerfraß, doch gegenüber Gestein war es eine harmlose Flüssigkeit. Drei Tropfen ließ Massuda aus dem Porzellangefäß auf die Wurzeloberflä che fallen. Mit der linken Hand stützte er sich auf dem Boden ab. Da glaubte er eine Bewegung gesehen zu haben, aber er ließ sich nicht stören. Doch als sich im nächsten Moment etwas mit brutaler Kraft um sein Handgelenk klammerte, schrie er vor Schmerzen gellend auf.
Und seine Schmerzen paarten sich mit Entsetzen und Grauen, als er sah, wie ein Wurzeltrieb der gigantischen Tulpe sein Handgelenk umschlang. Im letzten Moment seiner Besinnung hörte Massuda das Krachen und Splittern seiner Knochen. Von der immer enger werdenden Einschnürung merkte er nichts mehr, auch nicht davon, daß seine linke Hand vom Arm regelrecht abgequetscht wurde. Roter Lebenssaft sprang im Rhythmus seines Pulses aus den zerfetzten Adern. Die anderen hatten Massudas gel lenden Aufschrei gehört und auf der Stelle kehrt gemacht, um ihm zur Hilfe zu kommen. Niemand achtete auf die Blütenkel che. Niemand sah, wie die knallroten Blumen auf baumdicken Stengeln he rabschnellten und die zur Hilfe eilenden Menschen verfolgten. Shaker war der letzte in seiner Gruppe. Er war am weitesten von Mas suda entfernt gewesen. Shaker kam nicht mehr dazu, einen Schrei auszusto ßen, um die anderen zu warnen! Eine knallrote Blüte hatte sich über ihn gestülpt und sich in dieser Bewe gung gleichzeitig geschlossen. Luft! dachte Shaker entsetzt und versuchte an seine Waffe zu kommen, aber die Einschnürung von allen Seiten gab ihm nicht einmal mehr die Mög lichkeit einen Finger zu bewegen. Luft! schrien seine Lungen, und er hörte es in den Ohren rauschen! Daß er mitsamt der menschenfres senden Blüte wieder in die Höhe schnellte, konnte er nicht feststellen, Panik bemächtigte sich seiner. Jene Pa nik, die auch den mutigsten Menschen lähmen kann. Ich werde erdrückt! Ich werde er drückt!
Er hatte nicht einmal mehr Platz zum Atmen! Sein Brustkorb wurde ein geschnürt. Eine klebrige, aber unheim lich starke, elastische Masse drückte auf sein Gesicht, verschloß ihm Mund und Nase und versuchte ihm die Augen in den Kopf zu treiben. Vier andere Blüten bekamen ihre Beute zu fassen und konnten sie ver schlingen und in die Höhe schleudern. Doch den fünften Mann verfehlte ein Pflanzenungeheuer nur deshalb, weil Wim Markos über eine Wurzel stolperte und stürzte. Seine Augen weiteten sich vor Ent setzen, als er dicht neben sich die knall rote Riesentulpe sah und für einen Au genblick in das klebrige Innere blicken konnte. Automatisch handelten seine Hände, als sie die Blaster hochrissen. Automatisch drückte sein Zeigefinger den Kontakt, und vernichtende Energie strahlen zerschnitten die herrlich leuch tende Riesenblüte in mehrere Stücke. Unbeschreiblicher Gestank drohte Wim Markos die Sinne zu nehmen. Er sah gelblichen Qualm auf sich zukrie chen, und das brachte ihn schnell wieder auf die Beine. Gefahr durch Blumen! schoß es ihm durch den Kopf, und dann hörte er sich schreien! Aber wo war Shaker? Wo waren noch drei andere? Er schrie ihre Namen. Er schoß im mer noch aus beiden Blastern und zer sägte den baumstarken Stengel des Pflanzenungeheuers! »Sie kommen! Sie kommen auf uns zu! Sie laufen uns nach ...« Wer war hier verrückt geworden? War Bed Begtsen übergeschnappt? Er war normal! Die Riesentulpen konnten laufen! Die Ungeheuer liefen mit ihrem ver
fluchten Wurzelwerk, das sich nicht in den Boden geschoben hatte! »Blaster raus!« William war zu nervös. Er schoß daneben. Er traf mit seinem Energie strahl eine andere Pflanze, nicht weni ger groß als die Tulpe, aber mit einem Strauß voll weißer, hutgroßer Blüten! Soradans Flora war ein einziges Un geheuer! Der vom Blasterstrahl zerfetzte Stengel spie Teer aus, aber Teer, der ko chendheiß war, und Narber, der keine zwei Meter entfernt stand und eine Tul pe fällte, wurde vom kochendheißen Teer getroffen. Er ließ seine Waffe fal len und versuchte mit beiden Händen sich die schwarze, heiße Masse aus dem Gesicht zu wischen. Kaum berührte er sie, als sie zu brennen begann. Das Schicksal war Narber gnädig. Er hatte nicht lange zu leiden. Er starb schnell, aber er war schon längst tot, als die in seinen Raumanzug hineingelaufene schwarze Pflanzenmas se immer noch brannte. Aus acht Metern Höhe fiel Shaker aus einer geschlossenen Tulpenblüte, die Begtsen gerade mit einem Blaster schuß abgeschnitten hatte. So schrecklich das Schicksal mit Narber verfahren war, so viel Glück hat te Shaker. Der bewußtlose Mann wurde in zwei Metern Höhe von drei tellerförmi gen Blüten aufgefangen. Die federnden Stengel fingen die Wucht seines Falles fast vollständig ab, sie bogen sich lang sam zur Seite und ließen Shaker fast be hutsam zu Boden gleiten. Eiskalte Wut beherrschte die Män ner, die gegen die Pflanzenungeheuer auf Soradan kämpften, die mit ihren rie
sigen Blüten nicht nur Menschen ver schlangen, sondern sich mit ihrem teuf lischen Wurzelwerk sogar noch bewe gen konnten. »Unkraut! Höllisches Unkraut!« tobte Wim Markos und säbelte mit sei nen beiden Blasterwaffen radikal alles, was ihm in den Weg kam, nieder. Nur die Pflanze, die schwarzen, kochendhei ßen Teer gleich einer Fontäne ausge spien hatte, verschonte er. Aber nicht aus Gutmütigkeit. Drei der vier verschwundenen Män ner waren wieder zum Vorschein ge kommen. Alle drei lagen bewußtlos am Boden. Wo war der vierte? Es gab doch kei ne Riesentulpen in der Nähe mehr? Markos Augen wurden unnatürlich groß. Die Sprache drohte ihm zu versa gen. Sprachlos starrte er in die Höhe. Aus der Höhe wurde Zandcord he runtergebracht. »Sterne und Boliden! Seht euch das an! Seht euch das an!« schrie er endlich, um die anderen aufmerksam zu machen. Zandcord, gut achtzig Kilo schwer, klebte an einem Blütenstempel wie eine Fliege am Leim. Und die Blüte, zu der der Stempel gehörte, hatte ihre Blätter weit nach außen gestreckt, so daß eine Kreisfläche entstand, und durch die ein zelnen Blütenblätter konnte man den bewußtlosen Zandcord sehen, als ob dieser Teil der Pflanze aus reinstem Plastikglas sei. Bed Begtsen pflügte erst noch ein mal den Boden in ihrer nächsten Nähe um, bevor er einen Blick nach oben warf. Er wollte nicht Massudas Schick sal erleiden, dessen Leichnam er durch Blasterfeuer aus der tödlichen Um schlingung einer Wurzel befreit hatte. Begtsen erlebte den letzten Teil des
Aktes mit. Zandcord wurde sanft auf den Bo den gelegt. Der klebrige Stempel der Blüte löste sich von ihm. Die einzelnen Blütenblätter falteten sich wieder zu sammen und verloren ihr transparentes Aussehen. Langsam richtete sich die Blume wieder auf, als Wim Markos ei nen gellenden Schrei ausstieß. Die Samariter-Blume hatte sie mit ihrem barmherzigen Tun in eine Falle gelockt! Sie waren umzingelt! Blumen, die sich gleich den Riesen tulpen bewegen konnten, aber nicht hö her als vier Meter reichten, beschossen sie mit Gas! Blumen, die in fünf und sechs Trie ben aus ihrer Wurzel gewachsen waren, und jeder Trieb trug auf einem armdi cken Stengel einen kürbisgroßen grauen Körper, der aus winzigen Öffnungen nun ein blaues Gas auf die Männer ab strahlte! Blumen überall! Blumen, die ge räuschlos herangekommen waren! Blu men, die aus allen Richtungen kamen! Das Paradies auf Soradan schien mit einem Schlag lebendig geworden zu sein. Im Aufschrei hatte sich Wim Mar kos seinen Klarsichthelm über den Kopf gerissen. »Macht sie fertig! Macht das Gemü se fertig!« brüllte er über Helmfunk und wunderte sich, warum er von den ande ren nichts hörte. Es blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken! Die vier bewußtlosen Männer muß ten vor diesem Pflanzengas geschützt werden. Er rannte von einem zum an deren, riß ihnen den Klarsichthelm über den Kopf und richtete sich schnaufend auf, als ihn ein heftiger Schlag ins
Kreuz zu Boden warf. Gewitzt durch die trüben Erfahrun gen schleuderte er sich herum, riß dabei seinen zweiten Blaster aus dem Futteral und schoß, kaum, daß er den Arm einer Liane erkannte, der sich gleich einer an griffslustigen Klapperschlange aufge richtet hatte, um sich auf ihn zu stürzen. Die Sicht war schlecht. Das Pflan zengas wurde zu einem grauen Nebel, der immer dichter wurde. Eine Waffe einstecken, kaum daß er die Liane zersägt hatte. Umschalten auf Infrarot! Wim Markos fluchte schauerlich! Infrarot kam durch die Suppe nicht durch! Die Sicht war noch schlechter als unter normalen Bedingungen. Und im Helmfunk immer noch kein Wort zu hören! Wo waren die anderen? Lebten sie noch? Aber das Pflanzenzeug schien durch die Nebelbrühe nicht behindert zu sein. Es sah oder fühlte so gut sie bisher. Wim Markos ging in die Hocke. Warum? Das hätte er nicht beantworten können. Aber die Sicht aus der Hocke war besser als in mehr als anderthalb Metern Höhe. Waagerecht konnte er nun we nigstens ein paar Schritte weit sehen, und das war besser, als sich die Augen in dieser Nebelsuppe auszustarren. Da glaubte er, über Soradan würde ein Erdbeben laufen. Auf dem Planten Bog war es seinerzeit nicht viel anders gewesen. Aber Soradan bebte nicht. Der Bo den spaltete sich! Soradans Pflanzen griffen nun aus der Tiefe her die Terra ner an! Bed Begtsen hatte es auch bemerkt. Im Gegensatz zu Markos hockte er
nicht, sondern lag halb aufgerichtet auf dem Bauch, beide Blaster strahlklar. Ein Stoß gegen seine Magengrube trieb ihm die Luft aus den Lungen und das Wasser in die Augen. Dabei wurde er nach links geschleudert. Ein Tentakel brach aus dem Boden! Der Tentakelkopf dreimal so groß wie ein Fußball! Hellblau! Und der leuchtete! Und der spritzte! Kein Gas, aber eine widerlich wäßrige und schleimige Masse. In der Hölle kann es bestimmt nicht schlimmer sein, dachte Bed Begtsen voller Ekel und schob die ersten zwei Dutzend Tentakelköpfe zusammen. Aber was half das? Zu Hunderten brachen sie aus dem Boden! Und der wäßrige Schleim mach te den Nebel noch fetter, noch dichter, und auch noch schwerer. Er sank plötz lich schnell zu Boden. Und in diesem Moment war es mit jeder Sicht vorbei. Infrarot, das sonst immer half, ver sagte. Filter einschalten, dachte Begtsen, und ein paar Sekunden danach machten seine Kameraden unabhängig von ihm den gleichen Versuch. Filter halfen nicht. Die Suppe war ein Teufelsgemisch, dem gegenüber die Technik der Mysterious versagte! Aber das hellblaue Leuchten der Tentakelköpfe schien durch! Die Männer, die verzweifelt um ihr Leben kämpften, fluchten wie noch nie in ihrem Leben. Von der akademischen Tünche war nichts mehr übriggeblieben. Soradan hatte sie zu Landsknechten werden lassen, die von einem tücki schen Feind umzingelt worden waren. Besorgt warf Wim Markos einen
Blick auf die Kapazitätsanzeige seiner beiden Blaster. Er mußte sparsamer im Energieverbrauch sein. Seine beiden Waffen hatten nur noch dreißig und achtundzwanzig Prozent Vorrat. In die sem Moment dachte er an die Strahl waffen der bewußtlosen Männer, und er beschloß allen Tentakelköpfen zum Trotz, die noch aus dem Boden schos sen, sich diese Waffen zu holen. Denn ohne Blaster konnten sie diesen teufli schen Pflanzen gegenüber sofort ihr Testament machen. Doch er bewegte sich nicht von der Stelle, weil ein Blasterstrahl dicht an ihm vorbeigezischt war. Wer ist denn dieser Idiot gewesen, dachte er, als die Nebelsuppe an seiner rechten Seite dünner wurde. Verwun dert riß er sich herum, und sein Erstau nen wurde noch größer, als er drei, vier und nun fünf Energiebahnen sah, die eine breite Schneise in die tobende, teuflische Pflanzenwelt Soradans brann te. Entlastung war eingetroffen. Box und drei andere Männer hatten diese höllische Blumenfront von hinten her aufgerollt und waren radikal mit diesem gefährlichen Zeug umgesprungen. Im Helmfunk begann es zu knattern und zu rauschen. Zerfetzte Laute kamen durch, und das Prasseln war kaum noch zu ertragen, so stark waren die unerklär lichen Störungen geworden. »Diese Pest!« hörte Begtsen auf einmal und erkannte Box an der Stim me. »Diese verdammten Pflanzen haben sogar unseren Funk lahmgelegt und ... Großer Himmel! « Box' Schrei gellte al len in den Ohren. Shakers Männer kannten dieses Schauspiel schon: ein zerfetzter Pflanzenstengel, der gleich ei ner Fontäne kochenden Teer verspritzte. Aber er hatte auch sein Gutes, denn er
verdünnte plötzlich die immer schwä cher gewordene Nebelsuppe, und Sora dans Sonne kam langsam wieder durch. Überall brannte, kochte und qualm te es. Die Blaster führten ihr Vernich tungswerk konsequent durch. »Und wenn das Zeug hundertmal laufen kann, dieses eine Mal soll es ler nen, daß wir mit uns nicht spaßen las sen!« tobte Wim Markos und säbelte dicht über dem Boden wieder ein Dut zend Tentakelköpfe ab. Die Pflanzen hatten die Energiever stärkung der Fremden bemerkt, und be stimmte Arten versuchten sich so schnell wie es ihnen möglich war aus der Gefahrenzone zu bringen. Doch jetzt lag der Vorteil bei den Männern. Sie stießen nach und ließen ihre schwe ren Strahlwaffen zischen und die hoch energetischen Finger wie Sensen arbei ten, die auch mit schenkeldicken Sten geln spielend leicht fertig wurden. Stellenweise kochte die Erde, aber niemand achtete darauf. Die Blicke gin gen immer wieder in die Runde, weil man einen neuen Pflanzenangriff be fürchtete. Dann endlich konnten die Männer glauben, vorläufig in Sicherheit zu sein, doch niemand wagte den Klarsichthelm zu öffnen. »Zum Plateau zurück!« ordnete Box an, der den anderen sagte, wieso sie ihnen nachgegangen waren. »Stop!« widersprach Begtsen. »Erst müssen wir unsere Männer wieder fit machen, und ob Shaker durchkommt ...? « Den Rest des Satzes sprach er nicht aus. Vier Mann sicherten die niederge brannte Lichtung, und ab und zu zischte ein Blasterstrahl zu den hohen bunten Blumen hinüber, und drei, vier der un heimlichen Pflanzen brachen prasselnd
und rauschend zu Boden. Die Tentakelköpfe waren nicht mehr zu sehen. Nach dem wütenden Strahlfeuer hatten sie sich wieder in den Boden zurückgezogen. Lauerten sie auf den Augenblick, in dem sie wieder angreifen konnten? Wim Markos machte sich Gedanken über die absolute Abschirmung. Sie mußte durch die Pflanzen ausgelöst worden sein, aber bedeutete das nicht gleichzeitig, daß diese eigenartige Lebensform auch intelligent war? Box drängte zur Eile, weil er eine bestürzende Entdeckung gemacht hatte. Die Kapazitätsanzeige der meisten Blaster stand unter zwanzig Prozent. Sie waren zu verschwenderisch mit der ge speicherten Energie umgegangen, und ihre Reserven waren nicht mehr groß genug, einen zweiten Angriff der Blu men zurückzuschlagen. »Wir müssen zurück!« Box hatte keine Geduld mehr, und er bückte sich, um den toten Massuda über seine Schulter zu legen. Begtsen trug den an deren Leichnam. Das war das Zeichen zum Rückzug. Die Männer, die ihre be sinnungslosen Kameraden trugen, gin gen in der Mitte und wurden an beiden Seiten von den anderen flankiert, die ihre Strahlwaffen schußbereit hielten, aber Soradans Flora schien eingesehen zu haben, daß sie gegen diese Energiewaffen nicht ankam. Doch in einem Punkt, wenn die Vermutung stimmte, waren sie hartnäckig, denn nach wie vor war es nicht möglich, über Funk mit der Schwebeplattengruppe auf dem Plateau zu sprechen. Langsam kamen die Männer auf der Schneise vorwärts, und jeder atmete erleichtert auf, als der Knick erreicht wurde und man nun die kleine Hochfläche sehen konnte.
Fünf Mann kamen ihnen entgegen gelaufen und starrten entsetzt auf die beiden Toten. Aber auf ihre Fragen er hielten sie keine Antwort, denn die er schöpften Männer wollten so schnell wie möglich wieder bei ihren Schwebe platten sein. Lapo Canutim hörte sich ihren Be richt an. Einmal unterbrach er: »Die Pflanzen sollen verantwortlich für die totale Funkabschirmung sein?« Seine Frage war voller Zweifel. Wim Markos blieb bei seiner Be hauptung. »Unheimlich«, brachte Canutim hervor und schüttelte den Kopf. »Das ist so unfaßbar, daß ich keine Minute län ger hier bleiben möchte. Sind Massuda und Narber schon begraben?« Die letzten Erdbrocken fielen in das Loch, das ihr Grab geworden war. »Aufsitzen!« rief Lapo Canutim über die kleine Fläche und wartete dann, bis der letzte Mann Platz genom men hatte. Auf sein Zeichen hin hoben die acht Schwebeplatten ab und stiegen senkrecht in die Höhe. Kaum war die Hundertmeter-Grenze überschritten, als der Funk wieder da war. Alle Augenpaare starrten in die Tie fe. Unter ihnen lag ein Höllenparadies, und die wunderbaren Farben mit ihrem kräftigen Leuchten jagten den Männern, die doch einiges gewohnt waren, einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Bed Begtsen rief Canutim zu: »Ich habe unser Schiff im Empfang. Bebir verlangt, daß wir das Unternehmen ab brechen und so schnell wie möglich zu rückkommen sollen. Wenn ich seine Andeutungen richtig verstanden habe, dann muß dem Commander etwas pas siert sein.« Von allen Platten her wurde Begt
sen angestarrt. Der Commander war verunglückt? »Fragen Sie doch zurück, Begtsen, was dem Commander geschehen ist«, forderte ihn Lapo Canutim auf. »Unmöglich. Die Funk-Z hat mich angeschnauzt, ich möchte mich gefäl ligst aus der Frequenz scheren.« Dann war der Fall Dhark ja noch schlimmer als befürchtet?! »Kurs POINT OF! Höchstfahrt!« kommandierte Lapo Canutim, und acht Schwebeplatten nahmen Geschwin digkeit auf. Unter ihnen lag ein Paradies in ei ner atemberaubenden Farbenpracht. Ein Paradies, das zwei Männern das Leben gekostet hatte, und ob Shaker ohne Kopfoperation davonkommen würde, mußten die Ärzte der Medo-Station ent scheiden, denn nach wie vor war sein Zustand bedenklich. Wohl schlug der Puls wieder kräftiger, auch der Atem war regelmäßig, aber er hatte sein Be wußtsein immer noch nicht wiederer langt. * Imre Erkel stieß seine Arme zum Himmel, und über seine Lippen kam unartikuliertes Stöhnen. Dhark, Tscho be, Cimc, Riker und Doorn sahen die zurückgelassenen Männer, die Flash und die Roboter! Der Kamelrücken war nicht mehr vorhanden! Der kleine Bergzug war ver schwunden! Lautlos! Von einem Moment zum anderen! So wie Schatten verschwanden. Die machten dabei auch keinen Lärm. Aber der Felszug war doch kein Schatten ge wesen!
Niemand sprach. Jeder starrte in das liefe, große Loch, das sie dunkel an starrte. Aber alle schluckten, und auch der Tel hatte den Schweiß auf der Stirn stehen. »Ein Bergzug, der verschwindet?« Ren Dhark konnte es immer noch nicht fassen, und doch war es Realität. Es gab den Kamelrucken nicht mehr, und mit ihm war auch das verschwunden, was Imre Erkel ihnen hatte zeigen wollen. »Der Goldene Mensch kaputt! Jim my ausgeschaltet! Und jetzt das!« quälte sich Arc Doorn ab. Am liebsten hätte er hemmungslos geflucht und die Myste rious beschimpft. Er mochte sie immer weniger, weil ihm die Geheimnisvollen einfach tu geheimnisvoll waren! »Und mit dem Bergzug sind Dress ler und Kartek verschwunden!« Dharks Stimme klang viel schärfer als er es be absichtigt hatte. Auch er mußte seine Erregung erst einmal abklingen lassen. Neben ihm rief Riker über sein Vi pho die POINT OF. Dort verstand man ihn nicht, weil die Frequenz von Stö rungen überlagert wurde. »Dhark ist mit einem Kamelrücken verschwunden?« fragte Glenn Morris zurück und ließ Falluta und Bebir in der Kommandozentrale mithören. So kam es, daß die Wissenschaftler, die mit acht Schwebeplattformen unterwegs waren, eine völlig falsche Information aus der POINT OF erhielten. Dan Riker schaltete sein Gerät aus, weil auch er kaum ein Wort verstehen konnte. Dabei warf er einen Blick zum Himmel und suchte sich die Augen nach einer Wolke aus. »Mag der Teufel wissen, woher nur diese Störungen kommen...« Rechts polterten mehrere Steine in die Tiefe. Die Felswand, die aussah, als ob man sie mit einem scharfen Messer
durchschnitten hätte, verlor ihr loses Gestein. Ren Dhark achtete nicht da rauf. Wie hypnotisiert blickte er in das riesige Loch, das von einem Augenblick zum anderen in erschreckender Lautlo sigkeit entstanden war. Dafür gab es nur eine Erklärung. Man hatte einen Materiesender ein gesetzt und mit seiner unvorstellbaren Leistung den Kamelrücken mit der ge samten Anlage verschwinden lassen, um ihn in Nullzeit an einer anderen Stelle in der Galaxis wieder existent werden zu lassen. Ein Materiesender, der in sei nem Leistungsvermögen die Apparatur auf Planet l im Zwitt-System um ein Vielfaches übertraf. Er dachte an die beiden Flashpilo len, weniger an die beiden Roboter, die nun auch verloren waren. Roboter wa ren zu ersetzen; Menschen nicht. »Wir müssen den Materiesender fin den.« Seine Worte zwangen die anderen, ihn anzusehen. »Materiesender?« sagte Dro Cimc voller Zweifel. »Gibt es so etwas über haupt? Im Telin-Imperium arbeitet man seit ein paar hundert Jahren daran — er folglos.« An Dharks Stelle erwiderte der Sibi rier: »Die Mysterious hatten Materie sender entwickelt.« Aber er sagte nicht, wo die Terraner auf ein Gerät dieser Art gestoßen waren. »Und damit kann man einfach...?« »Nein, Cimc!« Dhark hatte den Tel verstanden und war ihm ins Wort gefal len. »So einfach geht es auch wieder nicht. Nur das, was im Bereich des Sen ders liegt, kann versetzt werden.« Wie der blickte er zu den letzten Resten des vergehenden Goldenen Menschen hinü ber. Von der gewaltigen Plastik war
nicht mehr viel übrig. Die Fußfesseln schmolzen, und die wunderbar model lierten nackten Füße begannen, ihre Form zu verlieren. Mit ruckartiger Be wegung nahm Dhark sein Vipho hoch und rief Chris Shanton an. »Ist Jimmy wieder okay, Shanton?« »Fast!« orgelte dessen tiefe Baß stimme. »Warum?« Die Frage ärgerte Dhark, denn es gehörte eine ungewöhnliche Portion Kaltschnäuzigkeit dazu, nach diesem elementaren Ereignis ein stupides Wa rum in die Welt zu setzen. »Weil Jimmy feststellen soll, wo sich der Materiesender befindet! Ihr Warum war deplaciert, Shanton!« »Im Goldenen Menschen, Dhark! Genauer: unter seinem Standort. Aber der Materiesender war einmal. Er schmilzt auch und...« Man konnte es sehen. Dort, wo die gewaltige Plastik gestanden hatte, wo die Füße der gigantischen Statue Kon takt mit dem Felsen gehabt hatten, brach der Boden auf, und unter don nerndem Krachen stürzte der zu einem Klumpen geschmolzene Goldene Mensch zusammen mit Gesteinstrüm mem in die Tiefe. Gleichzeitig drangen krachende Explosionen ins Freie, und ein einziges Mal schoß eine weiße, grel le Stichflamme in den Himmel von So radan. Die r-Strahlung stieg schlagartig an, um aber kurz darauf wieder auf die normalen Werte zurückzufallen. In dem Tal mit den vielen Trüm merstücken gab es zwei gewaltige Lö cher. Die Blicke aller pendelten zwi schen diesen beiden Stellen hin und her. Niemand sah zum Himmel empor. Nie mand sah die unfaßbare Erscheinung. Aber in der POINT OF kontrollierten Falluta und Bebir die Bildkugel, die eine detaillierte Darstellung der näheren
und ferneren Umgebung des Schiffes lieferte, und sahen das Phänomen. »Bebir, das Emblem! Die stilisierte Galaxis-Spirale!« stieß Falluta aus und war aus seinem Pilotensitz aufgesprun gen. Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf den dritten Bildschirm. In der Kommandozentrale der POINT OF rissen sich die Offiziere he rum und sahen diese im Goldton schim mernde Spirale, die am wolkenlosen Himmel rotierte. Ganz langsam. Ihre Rotation verlangsamte sich immer mehr. Und dabei wurde das Emblem langsam auch blasser. Kein Laut war im Leitstand zu hö ren. Die Männer hatten den Atem ange halten – Männer, die schon so viel er lebt hatten und dennoch immer wieder von neuen Dingen überrascht wurden. Was hatte das zu bedeuten? Falluta mußte sich fast Gewalt an tun, um sich nach Yell umzudrehen. »Was sagen unsere Ortungen?« »Nach den beiden starken, aber un heimlich kurzen Energieausbrüchen kaum etwas. Ich messe nur eine schwa che Strahlung im Standortbereich von Dhark an.« Hastig beugte sich der Erste Offizier des Flaggschiffes zu den Sprechrillen der Bordverständigung vor. »Funk-Z, ich muß eine saubere Verbindung zu Dhark haben. Sofort!« Sekunden später: »Verbindung steht. Sie können sprechen, Falluta.« Dhark meldete sich. »Commander, haben Sie auch das Emblem am Himmel beobachten kön nen?« Falluta hörte nur ein knappes, hartes Was, dann lautes Atmen und schließlich die Stimme des Sibiriers, der bissig sag te:
»Das sieht den Mysterious mal wie der ähnlich!« Kurz darauf war das Em blem am Himmel so blaß geworden, daß man es nicht mehr erkennen konnte. »Wir kommen zurück«, meldete Dhark. »Ist bei der POINT OF alles in Ordnung?« »Hier noch. Aber bei den Wissenschaftlern hat es einen Zwischenfall gegeben. Zwei Experten sind von Riesenblumen ermordet worden, und die Männer dieser Gruppe behaupten allen Ernstes, die Flora von Soradan hätte es darauf angelegt gehabt, sie zu vernichten. Auch die totale Funkabschirmung soll ein Eingriff der Pflanzen gewesen sein.« »Hmmm!« Dharks Blick wanderte wieder zwischen den beiden Löchern im Boden hin und her. Ihn wunderten Fallutas Nachrichten nicht mehr. »Es hat keinen Sinn mehr, noch länger hier zu bleiben. Was es hier noch zu sehen gibt, können wir uns ebensogut vom Schiff aus ansehen. Falluta, lassen Sie alle Unterlagen, die die FO VII über Soradan besitzt, zurechtlegen. Bis gleich.« Deprimiert verließen die Männer diesen Platz, an dem einmal Mysterious gehaust hatten – Mysterious, die vor 1.231 Jahren in eine Falle geraten wa ren, aus der es für sie kein Entkommen mehr gegeben hatte. Dennoch mußten sie einen Weg gefunden haben, sich an ihrem Gegner zu rächen. Eindeutig ging es aus dem Satz ihrer Nachricht hervor, die sie in den Felsen geschmolzen hat ten: Aber die Fallensteller werden den noch blindlings in ihre Vernichtung ja gen. Bis zum Einflug in die POINT OF sprach Ren Dhark kein Wort. Was hatte das zerfurchte Gesicht
des alten Mannes zu bedeuten gehabt? Und warum war er nicht in der Lage, jene Sätze zu entziffern, die ihnen im Industriedom das zerfurchte Gesicht, das im Transmitterbogen aufgetaucht war, zugerufen hatte? Auch jene Worte konnte er nicht übersetzen, die sie damals auf Hope empfangen hatten, als Arc Doorn Expe rimente mit dem siebeneckigen, winzi gen Gigantsender machte. Wer war der Alte? Etwa auch ein Symbol wie die stili sierte Wiedergabe einer Galaxis- Spira le? * Ren Dhark hielt sich allein in seiner Kabine auf und sichtete das Material, das ihm die FO VII geliefert hatte. Die Wissenschaftler des Forschungsraumers hatten gute Arbeit geleistet, dennoch konnte sich der Commander nicht rich tig darüber freuen, denn die Katastro phe, die vor 1.231 Jahren über die Ge heimnisvollen auf Soradan hereingebro chen war, bedrückte ihn. Rund 230 Jahre, bevor die Myste rious schlagartig von all ihren Welten verschwanden, hatten sie eine Niederla ge hinnehmen müssen. Deutete dieses Ereignis nicht darauf hin, daß sie 230 Jahre später in einem unvorstellbaren Krieg alle vernichtet worden waren? Ron wedda wi terra! Er konnte diesen ersten Satz einer Dauersendung, die von Erron l ausge gangen war, nicht vergessen. Größte Gefahr, alle sofort zurück kommen! Und der zweite Satz: Lebensgefahr für alle überall! Für alle überall!
So etwas gab es doch nicht. Einer der hundert Millionen Sauerstoffplane ten der Milchstraße hätte doch zum Versteck werden können, denn überall konnte der erbarmungslose Gegner doch nicht sein! Ren Dhark stutzte und legte unbe wußt die Folie aus der Hand. Mußte der Gegner der Mysterious ein Lebewesen sein, eine Intelligenz? Konnte die Le bensgefahr nicht auch galaktisches For mat haben, vielleicht in der Art, wie die Störungen des elektromagnetischen Fel des der Milchstraße, die für die meisten Rassen lebensgefährlich waren? Ren Dhark stellte plötzlich fest, daß er sich in Spekulationen verlor. Kein einziger Hinweis war vorhanden, der er klärte oder andeutete, mit welcher Ge fahr die Mysterious plötzlich konfron tiert worden waren. Er nahm die Folie wieder in die Hand und las den Text, den er fast gleichzeitig übersetzte. Dann betrachtete er die Aufnahme. Schriftzei chen der Mysterious, die in eine Uni tallplatte geschmolzen worden waren. Und diese Platte hatte halb unter einem der hohen Felsblöcke gelegen, der erst geschmolzen werden mußte, damit man sie auch tatsächlich erreichen konnte. »... und die Schranke hinter Sora dan wird sie vernichten!« sagte Dhark noch einmal halblaut und wiederholte damit den letzten Satz der Mitteilung, aus der unversöhnlicher Haß sprach. »Die Schranke hinter Soradan... hmm!« Etwas begriff er nicht. Warum hatten die Mysterious nicht ihren Mate riesender benutzt, um damit der Falle zu entkommen, in die andere sie hatten stürzen lassen? Durften sie diesen Stütz punkt nicht verlassen? Warum nicht? Hatte es vielleicht mit dem gefesselten Goldenen Menschen zu tun? Und weshalb war nach 1.231 Jahren
dieser Materiesender aktiviert worden? Hatten Dressler und Kartek im Kamel rücken etwas entdeckt, was kein frem des Auge sehen sollte? Ren Dhark schüttelte den Kopf, schob die Folien zusammen, schaltete das Aufnahmegerät ab und sagte den schon ungeduldig wartenden Experten, daß ihnen die Unterlagen zwecks Aus wertung zur Verfügung stünden. Ohne seine Übersetzungen wären sie hilflos gewesen. Doch kaum hatte er abge schaltet, als er eine Verbindung mit Ma jor Cass Lefter verlangte. Der Kommandant der FO VII mel dete sich aus dem Triebwerksraum sei nes 200-Meter-Kugelraumers. »Da bin ich überfragt, Commander. Erlauben Sie, daß ich mich erkundige.« Dhark hörte, wie er mit einem Mann aus seinem Fotolabor sprach. »Nein, Major. Einen 3D-Film und vier Aufnah men haben wir zurückbehalten, weil sie nichts taugen. Strahlungseinfall, der von den Gittern nicht absorbiert wurde...« Major Lefter unterbrach den Tech niker. »Packen Sie die mißratenen Sa chen sofort zusammen. In fünf Minuten will Commander Dhark sie in seiner Kabine in Empfang nehmen. Ende!« »Danke«, sagte Dhark dem Major und schaltete ab. Ein Sergeant trat ein, nahm Folien und Aufnahmegerät in Empfang und verschwand wieder. Kurz darauf betrat ein Bote von der FO VII die Kabine. Dhark legte den Film ein und ließ die Projektion laufen. Verschwommene Aufnahmen. Sie waren tatsächlich alle mißlungen. Strah lungseinfall hatte sie verdorben. So gut wie nichts war zu erkennen. Die vier Fotos waren nicht besser. Dhark schlug im Protokoll nach und las: Film Nummer 29, Aufnahmen von
Block 134, Wahrscheinlich Koordina ten. Position: In acht Metern Höhe un ter dem ersten Höcker des Kamelrü ckens. Die vier Aufnahmen gehörten zu demselben Komplex. Dhark nahm den Film heraus, griff nach den mißratenen Aufnahmen und war zum Film-Labor unterwegs. »Sehen Sie sich das an!« sagte er den beiden Spezialisten. »Kann man da raus noch etwas machen?« Der Commander der Planeten be fand sich auf der POINT OF und nicht auf irgendeinem anderen Schiff der TF; darum erhielt er auch keine Antwort, weil die beiden Männer den Film in ei nen Apparat gespannt hatten, der alle möglichen Aufgaben zu erfüllen hatte, aber kein Projektor war. Auf einer kleinen, schwach von in nen her beleuchtelen Scheibe, die kon kav gewölbt war, tauchten Primärfarben auf, die ununterbrochen ihre Positionen wechselten. Daneben lief ein kompli ziertes Zählwerk, das achtzehn Kolon nen besaß, die untereinanderstanden. Dhark kannte dieses Prüfgerät nicht, weil Filmen nicht zu seinen Hobbys ge hörte. Plötzlich sah ihn einer der Fototech niker an. »Der Film ist nicht durch Strahlung verdorben worden... ich mei ne die Schicht. Die Schicht wäre okay und alle Aufnahmen bestens, wenn die Struktur des Trägermaterials nicht ver ändert worden wäre. Man hat sich das ungefähr so vorzustellen: Auf einem Quadratzentimeter hat sich das Träger material an circa hundert Stellen unge wöhnlich stark zusammengezogen, aber an ebenso vielen anderen Stellen wie derum ungewöhnlich ausgedehnt. Dabei ist die lichtempfindliche Schicht zu ei ner Warze geworden. Daß unter diesen
Umständen kein klares Bild entsteht, ist klar.« Ren Dhark interessierte weniger die technische Seite; er wollte wissen, ob der Fehler noch zu beheben war. »Im ganzen Film, Dhark?« Es klang, als ob der Commander verlangt hätte, sie sollten ein Wunder schaffen. »Das dauert Tage, fünf, sechs...« »Und einzelne Bilder des Films?« Er ging von der Vermutung aus, daß man nur von den Koordinaten auf dem Steinbrocken Nummer 134 Aufnahmen gemacht hatte und der Kamelrücken nicht auch noch auf den Film gebannt worden war. »In einer Stunde könnten wir Ihnen zehn bis zwanzig gute Aufnahmen lie fern.« »Gut. Ich warte darauf. Schaffen Sie klare Abzüge von diesen vier Fotos und aus dem Film fünfzehn Bilder von ver schiedenen Stellen. Sie finden mich in meiner Kabine.« Sein nächster Weg führte ihn zur Medo-Station. Maitskill strahlte ihn an, als er ihm gegenübertrat. »Shaker und alle anderen sind wieder wohlauf. Besonders Shaker hat Glück gehabt, denn bei der ersten Untersuchung glaubten wir, ihm neue Augen einsetzen zu müssen, aber dann konnten wir ihm mit einem Mittel hel fen, das man sonst nur bei Blutergüssen an den Extremitäten benutzt. Wenn Hanfstik nicht auf die Idee gekommen wäre, es damit zu versuchen, würde Shaker mit fremden Augen weiterle ben.« Es hörte sich so alltäglich an, und es wa längst nichts Besonderes mehr, Menschen neue Gliedmaßen und Orga ne zu geben man tauschte auch beschä digte oder kranke Gehirne aus, aber ei genartigerweise hatte die Medizin im mer wieder mit größten Komplikationen
zu rechnen, wenn einem Menschen neue Augen eingesetzt wurden, und bis zum Tag hatte die Forschung die Ursa che dieser stürmischer Abwehrreaktio nen des menschliche Körpers noch nicht Einhalt gebieten können. Nachdenklich ging Ren Dhark zu rück und warf einen Blick in den Leit stand. »Lage unverändert!« meldete ihm Falluta. Dan Riker saß im Ko- Sitz und unterhielt sich mit Dro Cimc, der auf der Konsole Platz genommen hatte und die Arme verschränkt vor seiner Brust hielt. »Gut, daß du kommst, Ren«, rief sein Freund ihm zu. »Wir haben ver sucht, die Richtung zu erfassen, in der der Materiesender den Kamelrücken fortgeschafft hat. Ohne den Checkmas ter hätten wir schnell aufgegeben, aber der behauptet nun, daß wir den Kamel rücken in diesem Sektor zu suchen hät ten. Entfernung von Soradan 2.056 Lichtjahre. Und das hier sind die Koor dinaten.« Er hatte von den Flash-Piloten Kartek und Dressler gesprochen. »Was sagt die Astronomie, Dan?« fragte Dhark, ohne sich die Koordinaten anzusehen. »Auch die Astronomie der FO VII kennt diesen Bereich nicht. Unbekannte Region. Hattest du etwas anderes erwar tet?« Dhark ging auf Rikers Frage nicht ein. »Ich bin in der Funk-Z!« Damit verließ er die Zentrale. Entgeistert sah ihm Dan Riker nach. »Cimc, verstehen Sie das? Läßt uns ein fach stehen?! Geht gar nicht auf das ein, was ich ihm gesagt habe! Moment, das habe ich schnell!« Er sprang auf und verließ ebenfalls den Leitstand. Der Blick des Schwarzen Weißen kreuzte sich mit dem des Ersten Offi
ziers. »Manchmal seid ihr weißen Affen in eurer Handlungsweise schwer zu ver stehen.« Es gefiel keinem Mann in der Zentrale, ein weißer Affe zu sein, und niemand hatte es gern, daß der Tel die sen Ausdruck auch nur im Scherz be nutzte. Darum polterte Falluta: »Die Ethik der Tel wird uns bis zum Jüngsten Tag genauso fremd bleiben, Cimc! Wir vergeben zum Beispiel keine Orden, die dem Träger das Recht verlei hen, drei Menschen ungestraft zu er morden! Wir setzen auch keine Men schen als Versuchskaninchen ein. Ganz Terra stünde auf, wenn bekannt würde, daß Mediziner Menschen zu Versuchen mißbraucht hätten und diese Menschen dabei gestorben wären.« Wer Dro Cimc ließ sich nicht pro vozieren. »Falluta, Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Auch Sie müßten wissen, daß ich in den Terranern die ehrlichen Freunde der Tel sehe, aber es muß mir doch erlaubt sein, mich hin und wieder über euch zu wundern. Und eben habe ich mich über Dhark gewun dert. Man ist auch seinem Freund ge genüber höflich, und das war Dhark vorhin keineswegs.« Der gleichen Ansicht war auch Dan Riker. Er stampfte in die Funk-Z und wollte seinem Freund ein paar passende Worte sagen, als er im nächsten Mo ment seinem Vorsatz untreu wurde. Ren Dhark verlangte gerade von Elis Yogan, mit größter Sendeleistung in Rot 246:55,00 nach Kartek und Dressler zu rufen. In Rot 246:55,00 sollte der Materie sender den Kamelrücken wieder remate rialisiert haben! »Hoffentlich machen uns die Stö rungen des elektromagnetischen Feldes der Galaxis keinen Strich durch die Rechnung«, sagte Yogan, »denn in der
letzten halben Stunde sind die Werte wieder einmal sprunghaft hochge schnellt.« »Versuchen Sie es, Yogan, und wenn wir nur einen Blip auffangen, der den Verdacht aufkommen läßt, Kartek oder Dressler könnten ihn mit ihrem Vi pho abgestrahlt haben, bin ich schon zufrieden.« Der Versuch mißlang. Die Störun gen des galaktischen Magnetfeldes reichten einmal mehr in den Hyperspace hinein und unterbanden damit einen einwandfreien Funkverkehr. Der Wirr warr an Amplituden auf den Oszillos war so groß, daß selbst der zur Hilfe ge zogene Checkmaster damit nicht mehr fertig wurde. Er warf rot aus und streikte. Die Schleuse zur Funk-Z sprang auf, und einer der beiden Fotospezialis ten sagte: »Hier sind Sie!« Dabei strahl te er über das ganze Gesicht und über reichte Dhark zwanzig noch vom Thermbad warme Abzüge. »Was ist das?« fragte Dan seinen Freund und mußte wieder einmal erle ben, keine Antwort zu erhalten. »Großer Himmel...«, flüsterte Ren Dhark. Hastig schob er die Hand in die Tasche und holte die Folie hervor, die ihm Riker in der Kommandozentrale gegeben hatte. Rot 246:54,87! Das war deutlich auf einem der Abzüge zu lesen, wenn man die Werte der Mysterious auf das terranische Koordinatensystem umrech nete. Und auf der Folie, die er von Riker bekommen hatte, stand: Rot 246:55,00. Eine Differenz von 0,13 Bogensekun den! »Unheimlich...« »Was denn? Was ist unheimlich?«
Riker verstand die Zusammenhänge nicht. Er hatte ja auch keine Ahnung, daß die Wissenschaftler auf der FO VII einen mißlungenen Film und vier unkla re Aufnahmen zurückbehalten hatten. »Unheimlich ist, daß die Mysterious die Koordinaten, auf die ihr Materiesen der eingestellt gewesen war, in eine Steinwand geschmolzen haben. Wer verrät schon, auf welchen Bereich ein wichtiges Gerät eingestellt ist?« Dan verstand ihn immer noch nicht. »Laß mal sehen!« Er zog ihm Folie und Abzug aus den Fingern. »Donnerwetter! Das meinst du...« »Und die Falle, die die Geheimnis vollen den anderen nachträglich gestellt haben, nachdem sie selbst hoffnungslos in der Klemme steckten. Dan, überleg mal! Vor 1.231 Jahren wurden Myste rious auf diesem Planeten in eine Falle gelockt. Nach allem, was wir im Tal ge sehen haben, konnten oder durften sie diese Welt trotz Materiesender nicht mehr verlassen. Aber dann schreibt man doch nicht auf eine Felswand, in welche Richtung der Sender arbeitet. Die Mys terious mußten sich doch klar sein...« Er sprach nicht mehr weiter, und sein Schweigen war so unerwartet, daß ihn auch der letzte Mann in der Punk-Z verwundert anblickte. Ren Dhark griff mit beiden Händen nach Rikers Arm und hielt sich daran fest. »Du, Dan... wenn nun nach 1.231 Jahren Kartek und Dressler in die Falle gestolpert sind, die die Geheimnisvollen damals für andere aufgestellt hatten?« Um ein Haar hätte Dan zu seinem Freund gesagt: Ren, du bist verrückt! Doch dann warnte ihn eine innere Stim me ziemlich kräftig, das nicht zu tun. Es war ja auch gar nicht so verrückt, was Dhark da behauptete.
Da war einmal der Bildabzug und dann die Folie mit den Koordinaten! So viel Zufall gab es nicht! Ein Zufall, der nur eine Differenz von 0,13 Bogense kunden hatte! Es tut gut, sich zu rächen, und wir haben uns schon gerächt, auch wenn unsere Rache erst viel später wirksam wird! Dan Riker erinnerte sich dieses Sat zes und seufzte: »Mahlzeit!« Ren Dhark aber sagte: »Wir starten!« Jedem Mann in der Funk-Z war klar, daß die Suche nach Kartek und Dressler begonnen hatte. Der Commander hatte eine Spur ge funden! Der Commander hatte aber auch entdeckt, daß es wahrscheinlich gefährlich sein würde, dieser Spur nach zugehen. Aber waren nicht die meisten Spu ren, die sie verfolgt hatten, voller Ge fahren gewesen? * Hinter ihnen blieb Soradan zurück. Langsam wurde die Sonne kleiner. Der Funkkontakt mit der FO VII war gut. Auf kleine Distanzen machten sich die Störungen des galaktischen Magnetfel des kaum bemerkbar. Kurs: Rot 246:54,871 Distanz: 2.056 Lichtjahre. Aber die Sprungkoordinaten waren auf eine Ent fernung von 2.054 Lichtjahren berech net worden. Commander Dhark dachte nicht daran, mit offenen Augen in eine Falle zu rasen. Er konnte den Siche rungsplaneten Cut-out nicht vergessen. Auf beiden Schiffen lief die X-Zeit. In dreißig Sekunden mußte die Transiti on erfolgen. Der Besatzung der POINT
OF machte ein Sprung nichts aus, aber die Männer des Forschungsraumers hat ten unter diesen nicht zu beherrschen den Angstzuständen im Sprungmoment immer wieder zu leiden. Die POINT OF baute ihre beiden Intervalle, die Transitionsbremse, ab. Im Schiff war jenes undefinierbare Pfei fen wieder zu hören – das charakteristi sche Zeichen, daß der Ringraumer kurz vor einer Transition stand. Dann ver schwand die Bildkugel über der langge streckten Instrumentenkonsole. Warum? Wer konnte darauf eine Antwort geben? Kein Mensch. Der Checkmaster zeigte mit allen Kontrollen Grün. X-Zeit! Sprung! »Alarm!« schrie Ren Dhark über die Verständigung, und auch er sackte zu sammen, denn die Gravowerte waren ganz kurz hochgeschnellt. Die POINT OF krachte in allen Verstrebungen. Die Andruckausgleicher heulten in schauer lichstem Diskant. Das Schiff schoß aus allen verfügbaren Antennen. Der Checkmaster hatte den Ringraumer übernommen und sämtliche Steuer schalter blockiert. Was war denn überhaupt los? Der Weltraum hatte sich verändert! Es gab keine Sterne mehr! Titanische Kräfte versuchten, die POINT OF fest zuhalten! Grappa und Yell hinter den Ortun gen rührten sich nicht. Sie hatten nichts mehr zu tun. In der Funk-Z verzweifel ten die Offiziere. Die FO VII hatte mit ihnen zusammen transitiert und meldete sich dennoch nicht! Im Triebwerksraum sahen sich Miles Congollon und Arc Doorn aus weit aufgerissenen Augen fragend an. Sie konnten Daumen drehen. Ihre Arbeit hatte der
Checkmaster ebenfalls übernommen. Das gewaltige Triebwerk des Flaggschiffes brüllte wie ein Ungeheuer der Vorzeit. Sämtliche M-Konverter waren hochgefahren worden. In den beiden Waffensteuerungen rangen Bud Clifton und Jean Rochard die Hände. Ihr Ziel war von einem Au genblick zum anderen verschwunden: Eine leuchtende Fläche, oder war es eine Kugel gewesen? Darauf hatten sie aus allen Antennen geschossen, aber die Strahlen hatten keine Wirkung gezeigt, und nun war das Ziel verschwunden. Was war mit der verdammten Bild kugel los? Das gleiche fragte sich auch Ren Dhark, und er versuchte über die Ge dankensteuerung, Kontakt zum Check master zu erhalten. Nicht stören! Nicht stören! Hörte er in seinem Kopf. Großer Himmel, konnte auch der Checkmaster in seiner Arbeit gestört werden? Ein Stoß ging durch die POINT OF, und die Schwerkraft schnellte wieder hoch. Männer brachen in die Knie, andere stürzten zu Boden. Die Schwerkraft der POINT OF war auf l g eingestellt, und jetzt war sie nicht mehr stabil. Wo waren die Sterne geblieben? Es mußte sie geben. Die Bildkugel versag te, das Auge des Ringraumers. Da wurden Ren Dhark und Dan Ri ker an der Schulter gepackt. Dro Cimc stand zwischen ihren Steuersesseln, und der Tel brüllte ihnen zu: »Wir haben es mit einem negativen Raumgefüge zu tun!« Die Offiziere starrten den Tel an, als ob sie an seinem Verstand zweifelten, nicht aber Dhark und Riker. Sie spielten ihr Wissen aus, das sie im Archiv von
Erron-3 durch Einnahme von Mentcaps erhallen hatten. »Ein negatives Raumgefüge?« mur melte Ren Dhark und versuchte, das Brüllen und Toben im Schiff, das alle Schallisolierungen durchschlug, nicht mehr zu hören. Es fiel ihm schwer, sich so etwas vorzustellen; genauso schwer war es, sich ein anderes Raum-Zeit-Kontinuum zu erklären. Miles Congollon störte ihn in sei nem Grübeln. »Ich kann für unser Triebwerk nicht mehr garantieren...« »Congollon, was heißt das?« fragte Dhark mit Schärfe in der Stimme. »Es müßte eigentlich schon explo diert sein, wenn wir unser Triebwerk inund auswendig kennen würden, aber nicht einmal Doorn kennt zehn Prozent der Anlage. Kurz gesagt: Der Check master hat eine uns bisher unbekannte Schallung vorgenommen, nach der die POINT OF längst wie ein Atomofen brennen müßte...« »Und? Brennt das Schiff, Congol lon?« »Nein, bis jetzt noch...« »Dann stören Sie nicht. Ende!« Im Stillen gab Dro Cimc dem Com mander recht. Miles Congollons Mel dung war in dieser Lage überflüssig ge wesen. Riker beugte sich zu Dhark herüber. »Nach G-Derugal müßten wir durch kommen.« Abermals benutzte er einen Ausdruck, den außer ihm nur der Com mander verstand. Heftig schüttelte Dhark den Kopf. »Damit schafft es der Checkmaster nie, Dan. Zur Hölle, was ist denn ein negati ves Raumgefüge? Doch nichts Natürli
ches...« »Aber vielleicht die Falle, die unse re lieben Mysterious auf Soradan aufge stellt haben.« Erschreckt blickte Dhark seinen Freund an. »Wenn das stimmt, dann ist die FO VII verloren. Ist dir das klar?« Die Bildkugel zeigte immer noch nichts. Die Ortungen lagen still. In der Funk-Z bemühte man sich vergeblich, Verbindung mit dem Forschungsraumer zu bekommen. Glenn Morris fluchte wie ein Raumtramp. Was ging im Schiff vor? Wie hoch waren die Belastungen der wichtigsten Aggregate? Niemand konnte es sagen, denn überall waren die Instrumente zur Untä tigkeit verdammt. »Kein Blip geht raus! Kein einziger!« tobte Walt Brugg in hilfloser Ohnmacht. »Warum denn nicht?« Seine Frage blieb im Raum hängen. Man zuckte nicht einmal mit den Schul tern. Stand das Schiff im freien Fall? Raste es mit Überlicht durch dieses ne gative Raumgefüge? Existierte es noch in der Form, wie die Menschen es kann ten? In der Zentrale wurde der Check master von allen Seiten angestarrt. Sei ne Kontrollen leuchteten grün, aber die ses Grün konnte nicht mehr beruhigen. Die Aggregate, Transformer, Spulbänke und Andruckausgleicher heulten und brüllten; die Schwerkraft im Schiff war wieder konstant, alles andere jedoch nicht normal. Noch einmal versuchte Dhark über die Gedankensteuerung, Kontakt zum Bordgehim zu erhalten. Nicht stören! Nicht stören! Es war zum Verzweifeln!
Die Ratlosigkeit machte sich auch bei Dhark bemerkbar, während Dan Ri ker unheimlich ruhig wirkte. Vergebens versuchte der Commander, die Steuer schalter in andere Positionen zu brin gen. Sie saßen fest! Sie waren blockiert. Der Checkmaster hatte das Kommando über die POINT OF übernommen. Da zitterte das Schiff. Es bebte, als ob es hin und her geschüttelt würde. Oben auf der Gallerie mußten sich die beiden Offiziere festhalten, um Ihren Stand nicht zu verlieren. Die Kontrollen des Checkmasters leuchteten grün! Als ob sie die Men schen verhöhnten. Dhark warf einen Blick auf das Chrono! Null Uhr! Das Chrono stand. Zum ersten Mal, seit Menschen den Ringraumer der Mysterious flogen! Die Schleuse flog auf. Miles Congollon, Chefingenieur der POINT OF, raste mit seinem Team in die Kommandozentrale. Auch Arc Doorn sah nicht gut aus. Der Schweiß rann über sein Gesicht. »Gleich fliegt der Kahn auseinan der! Wir haben aufgegeben, weil wir nicht von ultraharter Strahlung gebraten werden wollten...« »Trotz Raumanzug?« fragte Dhark scharf, der diese Flucht aus dem Trieb werksraum einfach nicht begreifen konnte. Miles Congollon streifte seinen Klarsichthelm zurück, beugte sich zum Commander herunter und zeigte ihm die Werte an seinem r-Messer. »Genügt das?« Dhark nickte nur. Congollons rMesser war nicht mehr Lage gewesen,
die Strahlungswerte im Triebwerksraum genau zu messen. Sie überstiegen den Meßbereich des Gerätes! Der Commander beugte sich zu den Sprechrillen vor. »An alle! Gefahr für das Schiff. Wir müssen damit rechnen, daß die POINT OF explodiert!« Was sollte er noch mehr sagen? Anordnen, alle Schleusen zu schließen? Das hatte auch keinen Sinn, falls die Unitallzelle unter atoma ren Gewalten ausbrannte. Es hatte nicht einmal Sinn, einen Raumanzug zu tra gen. Das schob ihr Ende nur hinaus, aber er konnte sie nicht mehr retten. Ein Schrei gellte durch die Zentrale: »Aus! Aus! Alles vorbei...« War der Mann wahnsinnig gewor den? Yell hinter den Ortungen hatte ge schrien. Er deutete auf den Checkmas ter! Der hatte abgeschaltet und zeigte nicht einmal rot. Das Schiff war ohne Führung! Im negativen Raumgefüge! Das mußte das Ende sein – das Ende hinter Soradan! Das an der Schranke, die die Mysterious vor 1.231 Jahren errichtet hatten, um ihre Gegner zu vernichten! Aber konnte es eine Schranke ge ben, die eine Stärke von mehr als fünf Lichtjahren hatte? Sie waren doch gut fünf Lichtjahre vor dem eigentlichen Ziel aus dem Hyperspace wieder ins Einstein- Universum zurückgekommen! Auf der Galerie schrien die beiden Offiziere auf. Haben wir denn plötzlich Hysteriker an Bord, fragte sich Ren Dhark bestürzt, riß sich mit seinem Schwenksessel he rum, blickte zur Galerie hinauf und traute seinen Augen nicht mehr. Im gleichen Moment nahm er die gedankli
che Bemerkung über Hysteriker wieder zurück. Zwischen den beiden Offizieren auf der Galerie standen Dressler und Kartek – die vermißten Flashpiloten, die mit dem Kamelrücken auf Soradan vor ih ren Augen verschwunden waren. Hinter ihnen tauchten die beiden Roboter auf, die man losgeschickt hatte, diese Männer in der unterirdischen An lage zu suchen. Sie mußten sich schräg halten, um den Transmitter benutzen zu können. Er war für Wesen in dieser Größenordnung nicht geschaffen. Einer in der Zentrale bewunderte alle anderen - jemand, der sich festhielt und erkannt hatte, daß Terraner aus ei nem anderen Holz geschnitzt waren als Tels! Dro Cimc, als Wer der Tel-Flotte an Überraschungen gewöhnt, vermochte diese weißen Affen nicht zu verstehen, wie sie sich innerhalb von Sekunden von ihrem Schock erholten. »Was haben Sie gesagt. Dressler?« rief Dhark durch das Lärmen der Aggre gate. »Wir befinden uns in einer extre men Schwerkraftzone? Woher wollen Sie das denn wissen?« Dressler hastete von der Galerie he runter. »Wir wissen es, Dhark. Wir ha ben die Rückkehr der POINT OF und der FO VII ins Normaluniversum beob achtet. Die beiden Schiffe stecken ge nau in dem Bereich, den die Mysterious vor 1.231 Jahren als Falle hergerichtet haben, und beide Schiffe rasen mit im mer größerer Geschwindigkeit auf das Schwerkraftzentrum zu!« Also kein negatives Raumgefüge? Warum konnten sie dann keine Sterne sehen? Etwas an Dresslers Angaben war nicht richtig. »Großer Himmel, Dhark,
unsere Angaben stimmen. Glauben Sie uns! Glauben Sie, wir hätten unseren si cheren Platz nur verlassen, um wieder auf der POINT OF zu sein? Wir wollten Sie warnen. Können Sie sich vorstellen, daß Sie erst mit Ihrem Sprung in diesen Sektor den Schwerkraftbereich aktiviert haben? Oh, diese verdammten Myste rious, sie müssen ihren Gegner sehr gut gekannt haben. Ich glaube, die waren nicht viel anders als wir Terraner. Da rum sind Sie ja auch auf deren Trick mit den Koordinaten hereingefallen, die sie an der Felswand hinterlassen hatten.« Der Mann wurde allen unheimlich. Woher hatte Dressler sein Wissen bezo gen? Etwas, das er gar nicht wissen konnte? »Dhark...« Der Flashpilot ließ den Commander nicht zu Wort kommen, »warum schalten Sie nicht alle verfüg bare Energie auf A-Grav? Das ist doch der einzige Weg, aus diesem Dilemma herauszukommen und...« Dhark wurde rot vor Zorn. Dieser Flashpilot nahm sich zu viel heraus. Und sein Vorschlag, A-Grav einzuset zen, war kindisch, wenn nicht einmal der Checkmaster mit der Lage fertig ge worden war. Unmißverständlich sagte er das dem Mann. »Der Checkmaster ist damit fertig geworden, aber nicht in der Form, wie Sie es von ihm gewöhnt sind. Der Checkmaster hat uns, Kartek und mich, unterrichtet! Ja, unterrichtet! Er hat uns auch die Transmitterfrequenz der POINT OF mitgeteilt, sonst wären wir gar nicht hier. Commander, Sie sollen A-Grav einsetzen und die KalloteSchaltung vornehmen ...« Kallote-Schaltung?! Eine Notschaltung, die dann benutzt werden sollte, wenn die Steuerschalter am Instrumentenpult blockiert waren!
Kallote-Schaltung – diesen Begriff hatten Dhark und Riker zum ersten Mal im Archiv auf Erron-3 gehört, als sie die entsprechende Mentcap geschluckt hatten. Kallote-Schaltung – um sie einzu setzen, mußte Dhark aufs unterste Deck. Und Dressler war weder Phantast noch Wichtigtuer! Er hatte mit dem Ausdruck KalloteSchaltung bewiesen, daß er vom Check master unterrichtet worden war. Auch sein übriges Wissen stammte vom Bord gehirn! Aber warum hatte es diesen Weg benutzt und Dhark nicht direkt unter richtet? Das fragte sich der Commander, als er über das Hauptdeck zum nächsten AGravschacht lief. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er Deck l erreicht hat te. Er achtete nicht darauf, daß ihm eini ge Männer erstaunt nachblickten. »T... drei-drei-acht-sechs-null-vierFF!« FF mußte er ganz kurz hinter einander wählen, sonst ging die schwere Tür nicht auf. Lautlos schwang sie zu rück. Mit einem Satz stand Ren Dhark an der Notsteuerung, einer winzigen Wiedergabe des Instrumentenpultes in der Zentrale. Nur neun der wichtigsten Instrumente gab es hier, und auch nur die Hälfte der Steuerschalter. Er ließ sich in den Sessel fallen, leg te seine Fingerkuppen auf die Schalter, schloß die Augen und konzentrierte sich. Kallote-Schaltung? Er kannte sie, und er zögerte keinen Moment, als er sich über seine Aufgabe klargeworden war. Dreizehn Schalter kippten in andere Positionen. Sieben der neun Instrumen te erwachten zum Leben.
Das Heulen und Brüllen in der POINT OF veränderte sich nicht. »Hof fentlich...« flüsterte Dhark und wischte über sein Gesicht. Er blieb sitzen. Er wollte sich erst überzeugen, ob er mit der KalloteSchaltung wirklich sein Schiff aus dem Schwerkraftbereich herausreißen konn te. »Großer Himmel, die FO VII!« Sie konnten doch den Forschungsraumer nicht im Stich lassen, aber wie sollte der Ringraumer das Kugelschiff aus diesem Gravitationszentrum retten? Von die sem Notpult aus war er nicht in der Lage, eines der beiden Intervalle zu er stellen. Das war nur in der Zentrale möglich! Eine Explosion dröhnte durch das Flaggschiff! Über Dhark flammte eine Kontrolle auf. Er las die Schriftzeichen der Mysterious und wurde blaß. MKonverter 7 war explodiert, aber dank seiner Unitallverkleidung nicht ausei nandergeflogen! Noch nicht! Da brüllte Rikers Stimme über die Bordverständigung. »Sieben ist hochge gangen! Und Doorn ist übergeschnappt! Er ist mit Robotern unterwegs, um den Konverter über Bord zu werfen. Dein lieber Freund bedrohte uns plötzlich mit dem Blaster, als wir versuchen wollten, ihn zurückzuhalten.« Und Arc Doorn hätte notfalls tat sächlich Gebrauch von der Waffe ge macht, weil er überzeugt war, keine an dere Wahl zu haben. Konverter 7 drohte durch die ato mare Glut in seinem Innern zu einer winzigen, aber tödlichen Sonne zu wer den, und mußte deshalb von Bord. Al lein hätte Doorn das nie geschafft. Die ses Problem war nur mit Robotern zu lösen, wenn – er seine Arbeit getan hat te.
Er befahl die Metallkolosse zum Standort von Konverter 7. Er selbst ras te in den Triebwerksraum und kümmer te sich einen Kehricht darum, daß der von ultraharter Strahlung verseucht war. Doorn benötigte Werkzeuge der Mysterious, mit denen er einem Kon verter zu Leibe gehen konnte. Er riß das Fach auf, griff zu der schweren Plastik tasche und wuchtete sie über seine Schulter. Was kümmerte ihn, daß jedes Teil im Triebwerksraum heiß war. Er vertraute seinem M-Anzug, der mit die ser Strahlenmenge einfach fertig werden mußte. Und dann stand er keuchend vor Konverter 7, der so aussah, als würde er normal arbeiten. Renn-Schneider ansetzen. Der stammte vom Planeten Dockyard, aus der unterseeischen Reparaturabteilung. Diese Abteilung war für terranische Ex perten eine Sensation gewesen, denn bisher hatte man sich dem trügerischen Glauben hingegeben, innerhalb der Mysterious-Technik kämen Pannen nicht vor. Roda-Drill und Sabelschere! Letzte sah ganz und gar nicht nach einer Sche re aus. Arc Doorn arbeitete wie ein Galee rensklave und kümmerte sich nicht um die bewegungslos ausharrenden Robo ter, die auf seine Befehle warteten. Die Arbeit, die er gerade verrichtete, mußte er allein tun. Dabei konnte ihm niemand helfen. Er war nicht daran interessiert, daß ihm einige Millionen Volt um die Ohren flogen und ihn gegen die nächste Wand schleuderten. Erste Lösung! Das Adhesive Broan gab der Gewalt der Sabelschere nach, aber noch sechs andere Kleber waren zu trennen. Kleber, die Unitall mit Unitall zu ei
ner untrennbaren Einheit verbanden. Dagegen waren die terranischen Adhe sives keinen Cent wert. Kurz warf er einen Blick auf sein Chrono. Das stand?! Er hatte keine Zeit, sich darüber Ge danken zu machen. Auf den Knien kroch er zur anderen Seite des kugelför migen Konverters, hinter dessen Uni tallverkleidung atomare Höllengluten wüteten, die mit der Zeit auch das Kunstmetall der Mysterious vernichten würden. Arc Doorn versuchte gar nicht da ran zu denken, nur als ihm Gedanken über seine Frau in Alamo Gordo und sein Kind kamen, wurde ihm heiß und er verfluchte seine Einsatzbereitschaft. Doch kurz darauf war auch das verges sen und mit beinahe unmenschlicher Energie konzentrierte sich Arc Doorn auf seine Arbeit. Noch einen Kleber lösen, dann die Verschachtelungen trennen und dabei aufpassen, daß ihm viele Millionen Volt und unwahrscheinlich hohe Ampere werte keinen Strich durch die Arbeit machten. Der Schweiß rann in seine Augen, aber er achtete nicht darauf. »Verdammter...« Den Fluch hätte er sich sparen können. Er hatte M-Konverter 7 von seiner Unitallauflage getrennt! Jetzt mußten nur noch die Verschachtelungen heraus genommen werden, dann konnten die Roboter die Höllenbombe unter den Arm nehmen und zur nächsten Schleuse tragen, um sie ins All zu schleudern. Der Sibirier richtete sich auf und gab den Robs den Befehl, den kugelför migen Energieerzeuger vorsichtig anzu lieben. Die schweren Konstruktionen verteilten sich um den Konverter, fuh ren ihre Greifarme aus der Verkleidung
und legten ihre Greifer gegen die Run dung. »Noch nicht! Zum Anheben gebe ich den Befehl extra!« Der Länge nach lag er wieder auf dem Boden und beob achtete den Haarriß zwischen Konverter und Boden. »Anheben! Millimeter um Millime ter!« Doorn verließ sich ganz auf die Maschinen und sah, wie der Energieer zeuger langsam angehoben wurde. Drei Millimeter Abstand! Fünf Mil limeter. »Stop!« Der Abstand zum Boden blieb mit fünf Millimetern konstant. Doorn drehte sich auf die Seite und zog die schwere Werkzeugtasche heran. Den Schachtel-Fänger heraus - eine Sonde, die halb selbständig arbeitete und nur Kommandoimpulse benötigte, um Verschachtelungen auszubauen. Die Roboter rührten sich nicht mehr. Der kugelförmige Konverter be fand sich mit seiner Auflagefläche fünf Millimeter über dem Unitallboden. Der größte Teil des Schachtel-Fängers war unter dem Energieerzeuger verschwun den. Doorn hielt den etwas klobigen Griff in der Hand und gab mit seinen Fingerkuppen über kleine Schalter die Impulse. Innerlich war er eiskalt. Er war überzeugt, daß er den Konverter ohne Zwischenfall vom Versorgungsnetz der P01NT OF trennen würde. Eine bessere Hilfe als seine Roboter konnte er sich nicht vorstellen. Vierte Verschachtelung gelöst. Nun die fünfte und sechste in einem Arbeits gang. Viel konnte nicht mehr passieren. Da hörte Doorn es in seinem Klarsich thelin summen. r-Alarm für ihn! Über die restlichen Verschachtelungen kam Ultrastrahlung
durch. Er mußte sich beeilen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, von der Strahlung gebraten zu werden. Seine Hand, die den Griff des Werkzeuges hielt, wurde nicht unruhig. Sicher wie bisher gaben seine Fingerspitzen über die Schalter die Befehle. Noch drei Verschachtelungen! Ver dammtes Summen! Dachte er und rich tete den Strahl seines Scheinwerfers nach links. »Doorn, melden!« klang es in sei nem Helmfunk auf. Der Commander wollte ihn spre chen, nur hatte er keine Zeit, ihm zu antworten. Erst einmal hatte er die letzte Verschachtelung auszubauen. »Doorn...!« Ungeduld schwang in Dharks Stimme mit. Der Sibirier richtete den Lichtstrahl etwas weiter nach links. Vorsichtig führte er den Schachtel-Fänger in die gleiche Richtung. Im nächsten Augen blick atmete er erleichtert auf. Der Konverter war von der Energie versorgung des Schiffes getrennt. Nun konnten die Robs ihn haben. Anheben und ab mit ihm zur Schleuse 2. Seinen Befehl mußte auch Dhark hören, und der konnte ihm entnehmen, daß Doorn nun vielleicht Zeit fand, sich mit ihm zu unterhalten. Die Metallkonstruktionen hoben den Kugelkörper in einem Arbeitsgang einen Meter hoch, die Robothände grif fen um die Kante der Auflage, und dann stürmten vier Roboter mit dem gefährli chen Aggregat in Richtung Schleuse 2 davon. Doorn mußte sich beeilen, wenn er sie nicht aus den Augen verlieren wollte. Am Agrav holte er sie ein. Über Helmfunk setzte er sich mit der Schleu
se in Verbindung. »Macht 2 auf! Ich komme mit vier Robotern und dem heißen Konverter, der rausgeworfen werden muß.« Die Antwort der Schleusenwache ließ ihn zusammenzucken. »Schleuse läßt sich nicht öffnen. Ist von der Kommandozentrale aus blo ckiert und...« Er hatte sich schnell wieder gefan gen und zischte ins Mikrophon: »Mein lieber Freund, ich bin ein Gemüts mensch, aber nicht im Moment. Wenn Sie mit Ihren Kollegen nicht sofort die Handbedienung nutzen, dann setze ich Sie gleich auf meinen heißen Konverter. Klar?« In der Kommandozentrale hörte man mit. Dan Riker hatte längst verges sen, daß sie von Doorn mit einem Blas ter bedroht worden waren. Unbewußt nickte Riker und stimmte in Gedanken der Drohung des Sibiriers zu, denn die ser Energieerzeuger mußte so schnell wie möglich von Bord. Der Sibirier lief seinen Robotern voraus, die ihm mit dem Aggregat schwebend folgten und sich seiner Ge schwindigkeit angepaßt hatten. Schleuse 2 wurde manuell geöffnet. Vier Männer betätigten den Mechanis mus und sahen nicht, daß Doorn mit seinen Robotern vor der Energiesperre wartete. Eine Sirene begann zu heulen, und die Energiesperre verfärbte sich. Der Si birier hetzte zu der kleinen Instrumen tentafel und warf einen Blick darauf. Irrsinnig hohe Schwerkraftwerte wüteten von außen gegen die energeti sche Sperre und versuchten, sie zum Zusammenbruch zu bringen. Doorn kaute auf seiner Unterlippe herum, denn mit dieser Schwierigkeit
hatte er nicht gerechnet. Wenn er gleich die Sperre abbaute, damit die Roboter in die Schleuse konnten, dann brachen tödlich wirkende Gravitationswerte ins Schiff ein und rissen auch den stärksten Menschen zu Boden, um ihn nie wieder aufstehen zu lassen. »Dhark... Riker, ich brauche noch einen Roboter, aber der muß binnen ei ner Minute hier sein. Ende!« rief er in sein Helmmikrophon und wartete die Antwort nicht ab. Nur eine Metallkonstruktion konnte sein Vorhaben realisieren, den Konver ter ins All zu schleudern — ein Rob, der von ihm präzise Befehle erhalten hatte. »Hier Doorn, an alle im Bereich der Schleuse 2! Im Umkreis von vierzig Metern sämtliche Kabinen räumen! Schwerkrafteinbruch möglich!« Über das Deck kam in rasendem Flug ein Ro boter heran und bremste dicht vor Doorn ab. »Hör zu, P-34...« und dann erfolg ten seine Anweisungen. Schleuse 2 war inzwischen so weit geöffnet worden, daß man den Konverter hinauswerfen konnte. »Genügt!« rief Doorn in seiner wortkargen Art der Schleusenwache zu. »Absetzen!« Er machte es ihnen vor und legte selbst fünfzig Meter Distanz zwi schen sich und die Schleuse. Gegenüber einem Schwerkrafteinbruch war diese Entfernung ein Nichts, aber optisch gab sie selbst Doorn ein Gefühl der Sicher heit. Er hatte es vorgezogen, sich der Länge nach auf den Boden zu legen, und aus dieser Position beobachtete er P-34. Der Roboter handelte genau nach seiner Order. Er baute hinter sich und um die Schleuse herum eine zweite Energiesperre auf. Drei Kontrollen
nahm er vor, um festzustellen, ob diese neue Sperre ebenso stark war wie die andere. Der entscheidende Augenblick nah te. Die Sperre vor der Schleuse ver schwand. Fünf Roboter und ein Kon verter befanden sich nun ungeschützt in einem Feld extremer Schwerkraft, die aus dem Raum in diesen Teil des Schif fes eingebrochen war. Die automatisch arbeitende Gravitationsregulierung der POINT OF war so hyperempfindlich, daß sie für den Bruchteil einer Sekunde auf diesen Einbruch im Bereich der Schleuse 2 reagierte und gegenzusteuem versuchte. Doch dann mußte sie die neuen Sperren erkannt haben, denn im nächsten Moment war das Schrillen der hochfahrenden Gravitationsregelung nicht mehr zu hören. Den Robs vom Planeten Tower machte die Schwerkraft nicht zu schaf fen. Sie knickten nicht einmal in den Knien ein. Vier stapften mit dem Kon verter nun zur Schleuse, ließen den ku gelförmigen Körper einmal hin- und herschwingen und schleuderten ihn dann nach draußen, ins Nichts, das im mer noch keine Sterne zeigte. »Ist raus!« stieß Doorn über seine Lippen. »Das Ding sind wir los!« Und im Schiff hörte die gesamte Besatzung, wie laut und tief er atmete. Ein paar Minuten später, nachdem die Roboter die Schleuse geschlossen hatten und die alte Sperre wieder stand, hob der Sibirier seine Vorsichtsmaßnah men auf. »Gratuliere, Doorn!« meldete sich Dan Riker aus der Zentrale. »Nicht nötig«, wehrte der Sibirier ab, »ich hatte ja auch keine Lust, gebra ten zu werden. Hallo, Dhark, Sie woll ten mich sprechen?« »Erledigt, aber kommen Sie zu mir.
Ich halte mich auch auf Deck l auf, in Raum T-0045.« Doorn stutzte, denn alle Räume mit dem Buchstaben T waren für jeden Mann gesperrt, aber dann erinnerte er sich, daß sich in T- 0045 eine der vier Notsteuerungen des Schiffes befand. »Komme, Dhark!« Von einem Roboter ließ er sich zur anderen Seite der Rumpfzelle fliegen. Das war bequemer als zu laufen, und es ging auch schneller. Zum ersten Mal machte der Sibirier die Beobachtung, daß die Benutzung von Robs eine aus gezeichnete Sache war, und er beschloß, ihr Können in Zukunft viel öfter als bis her zu nutzen. Die Tür zu T-0045 war nur ange lehnt. Doorn zog sie auf und trat ein. Der Commander drehte sich nicht nach ihm um, aber er wußte, wer hereinge kommen war. »Kennen Sie dieses Instrument, Doorn?« Er deutete darauf. »Nein... doch! Das habe ich auf Pla net l gesehen, aber...« Sein Gesichtsaus druck war eine einzige Frage. »Aber was soll das Ding hier?« »Welchen Zweck hat es denn, Doorn?« Dharks Ungeduld war allzu verständlich, denn trotz der KalloteSchaltung hatte sich die Lage des Schif fes nicht verändert. »Progressive Steuerung der TrobarFunktionen...« »Aber wir haben doch gar keinen Materiesender an Bord!« warf Dhark ein, der die Erklärung des Sibiriers für ausgemachten Unsinn hielt. »Wissen wir das ganz genau?« Doorn war nicht aus der Ruhe zu brin gen und hatte im nächsten Augenblick den Einwand des Commanders schon wieder vergessen. »Was haben Sie denn
da geschaltet? Diese Serie kenne ich nicht und... nanu!« Nach diesem Ausruf sagte er nichts mehr. »Was haben Sie denn jetzt schon wieder, Doorn? Manchmal können Sie Ihren Mitmenschen auf die Nerven ge hen.« »Nicht schlimm, wenn es sich aus zahlt. Und ich glaube, hier zahlt sich et was aus. Dhark, diese Anlage ist keine Notsteuerung. Wir haben es uns bloß eingeredet, oder hat sich etwas verän dert, nachdem Sie hier Ihre Schaltung vorgenommen haben?« »Leider nicht. Wir stecken immer noch in dieser Schwerkraftsperre...« »Und die kann man doch beseitigen. Lassen Sie mich mal heran!« »Doorn...!« Er hätte ebensogut sa gen können: Noch ein Wort, und ich zerreiße Sie! Dem sturen Sibirier mach te das nichts aus. »Sie können es nicht wissen, wenn Sie nicht die gleichen Mentcaps ge schluckt haben, die Sie mir damals von Erron-3 mitbrachten. Nun machen Sie schon endlich Platz!« Ein untersetzter Mann mit einer Bo xernase gab dem Commander der Pla neten Befehle, und der gehorchte. Doorns Hinweis auf sein Mentcap-Wis sen war ihm so wichtig geworden, daß er aufstand. »Manchmal komme ich doch nicht daran vorbei, die Mysterious zu bewun dern, besonders wenn ich mir vor Au gen halte, was für ein Schiff sie mit der POINT OF gebaut haben.« Ein unwahr scheinlicher langer Satz für den mund faulen Mann, der die Kallote- Schaltung auf Null setzte und nun die Steuerschal ter in andere Positionen brachte. Die In strumente zeigten völlig andere Werte an, alle neun, und fast im gleichen Mo ment erschien die Bildkugel über der
Konsole. Die kleine Bildkugel, die das Ster nenmeer der Milchstraße zeigte und in ein paar Kilometern Entfernung die FO VII, deren Scheinwerfer eingeschaltet waren. Die Schwerkraftzone existierte nicht mehr. Sie war von der POINT OF aus abgeschaltet worden! Vor Begeisterung schlug Dhark dem Mann im Steuersitz auf die Schul ter, aber der wehrte jeden Dank aber mals ab. »Sie hätten es selbst getan, wenn Sie meine Mentcaps geschluckt hätten, nur möchte ich gern erfahren, von welcher Stelle aus dieser Gravitati onsbereich entwickelt wurde. Weit kann die Quelle doch nicht entfernt sein und...« Er sah zu Ren Dhark auf, der seinen Klarsichthelm wieder zurückge klappt hatte. »Aber mit einem Materie sender ist so ziemlich alles möglich, und bei ihm spielen Distanzen kaum eine Rolle. Demnach müßte ich mit dem Impuls, den ich schaltete und der von der POINT OF abgestrahlt wurde, ir gendwo einen Materiesender ausge schaltet haben. Es muß sich einfach um ein Aggregat dieser Art gehandelt ha ben, sonst hätte doch das Kontrollin strument für die progressive Steuerung der Trobar-Funktionen hier gar keinen Sinn!« Arc Doorn hatte wieder einmal ei nen Beweis seines unerklärlichen Kön nens geliefert, Zugang zu einer Technik zu finden, die ihm von der Logik her unverständlich hätte sein und bleiben müssen. Wortlos reichte ihm Dhark eine Zi garette. Beide rauchten. In der Bordver ständigung blieb es still. Ein gutes Zei chen. Der Lärm im Schiff war mit Doorns Schaltung verstummt. Im Rin graumer herrschten wieder die gewohn
ten Verhältnisse. »Warum hat dann der Checkmaster diese Schaltung nicht vorgenommen?« Doorn kam mit einer Gegenfrage: »Wa rum befindet sich diese Steueranlage nicht in der Kommandozentrale, Dhark? Ich vermute, daß man diese Anlage hier nachträglich einbaute, nur für den Fall, daß auch dieses Schiff in die Gravitati onszone geriet. Bestimmt war jeder Mysterious-Offizier über sie unterrich tet; nur wir nicht, weil wir eben keine Mysterious sind.« Nachdenklich sah Ren Dhark den Mann an. Wie viel hatten sie alle schon seinem unerklärlichen Können zu ver danken gehabt, und wie wenig hatte sich Arc Doorn, der doch auf dem Ko lonistenraumer GALAXIS keine beson ders wichtige Funktion besaß, im Laufe der letzten Jahre verändert. Er war der wortkarge Mann geblieben, der manch mal unheimlich aktiv werden konnte und dem es nichts ausmachte, sich über Befehle und Bestimmungen hinwegzu setzen. Wer in der POINT OF fand schon den Mut, die gesamte Besatzung der Kommandozentrale mit seinem Blaster zu bedrohen, um sein Vorhaben durchzuführen? »Kommen Sie, Arc«, sagte der Commander, »im Leitstand wird man uns schon ungeduldig erwarten.« * Der Vank des Telin-Imperiums hat te über die Fernsehstrecke, die nicht mehr abgebaut worden war, alle Unter lagen über das Vario nach Terra ge schickt. Der verseuchte S-Kreuzer A-014 lag auf dem unbewohnten Sauerstoff planeten, Pi-33-478, knapp zehntausend Lichtjahre vom Sol-System entfernt,
und die Mannschaft wartete auf ein Wunder. In der wissenschaftlichen For schungsabteilung unter Alamo Gordo war man sich nach Studium der Unter lagen schnell klar, daß den Männern der A-014 nicht zu helfen war, denn mit ter ranischen Mitteln konnte das Vario nicht bekämpft werden. Der Choleriker Bulton, Marschall der TF, explodierte, als er diesen negati ven Bescheid auf seinem Schreibtisch liegen hatte. »Wir können doch die Männer nicht einfach im Stich lassen und ihnen fun ken: Seht zu, daß ihr anständig sterbt! Bell, was sich Ihre Eierköpfe erlauben, ist eine Schweinerei! Jawohl, eine aus gemachte Schweinerei! Ich möchte wis sen, wozu Ihr Institut jedes Jahr die Milliarden Dollar erhält? Um unsere Leute kaltschnäuzig vor die Hunde ge hen zu lassen?« »Bulton ...« Bulton explodierte ein zweites Mal und sagte dem Leiter des Forschungsin stitutes, Professor Monty Bell, weitere Unfreundlichkeiten. Er nahm kein Blatt vor den Mund, und er unternahm nicht einmal den Versuch, sich etwas gewählt auszudrücken. Der rauhe Landsknecht war bei Bulton durchgebrochen - jener junge, abenteuerlustige Mann, der sich zu einer Zeit der Raumfahrt verschrie ben hatte, als intergalaktische Flüge mit einem unwahrscheinlich hohen Risiko verbunden gewesen waren. »Bulton ...« »Marschall bin ich, Professor!« brüllte der Marschall in Richtung seines Standviphos und ließ seine Faust auf den Schreibtisch krachen. »Heizen Sie Ihren Eierköpfen ein. Treten Sie sie meinetwegen irgendwohin, aber bringen Sie die Bande auf Schwung, denn es
geht um hundertvierundachtzig Men schenleben, die auf Pi-33-478 sitzen und an ein Wunder glauben. Ende, ver dammt noch mal!« Er wischte sich den Schweiß ab. Professor Monty Bell auch. So war er seit vielen Jahren nicht angeschnauzt worden, und das schlimmste daran: Bulton hatte recht! Es war tatsächlich eine bodenlose Schweinerei, die Unterlagen über das Vario zu studieren und dann kalt schnäuzig zu erklären: Wir können nicht helfen. Einunddreißig leitende Wissen schaftler mit ihren Assistenten-Teams erlebten keine vergnügliche Stunde, nachdem Monty Bell sie zusammenge rufen hatte. Nur brüllte er nicht. Er sprach leise, und das war noch schlimmer als wenn er gebrüllt hätte. Seine Sätze waren scharf wie die schärfsten Klingen, und seine Vorwürfe hatten die Wirkung von Hammerschlä gen. »... mehr hatte ich Ihnen nicht zu sa gen. Guten Tag, meine Herren!« Wortlos verließen mehr als hundert Experten den Saal. Ob sie es schaffen? fragte sich Bell, als er allein war und auf die Kopie des Berichtes starrte, die Marschall Bulton in Harnisch gebracht hatte. Der Kontrollstand unter der Rando kuppel war normal besetzt. An der halb kreisförmigen Instrumentenwand flammten im ununterbrochenen Kom men und Gehen Kontrollen auf, die fast farbloses Licht abstrahlten. Sie schienen in ihren Funktionen etwas Sinnloses darzustellen, und waren dennoch die letzte Kontrolle. Knapp zehntausend Lichtjahre vom Sol-System entfernt lag unter einer Ra
nokuppel diese Zentrale – weit zum Ende des anderen Spiralarmes hin, fast im Grenzbereich, wo das Halo beginnt. Eine S-Sonne beschien elf Planeten, die einen starken Lichtwechsel hatte und auffallende Absorptionslinien des Zirkons. Dieses System wäre nicht au ßergewöhnlich gewesen, wenn es nicht drei Zwillingsplaneten aufzuweisen ge habt hätte, von denen jedes Paar einen gemeinsamen Schwerpunkt besaß. Alle drei Zwillinge bewegten sich dazu noch um einen gemeinsamen Mittelpunkt, und sie umliefen ihre S-Sonne in der gleichen Zeit. Die Männer der FO VI hatten dieses System nicht nur entdeckt, sie waren auch auf einem der Zwillingsplaneten zwangsgelandet worden, und sie alle waren auf diesem Sauerstoffplaneten umgekommen, ohne zu ahnen, daß sie mit ihrem Erscheinen den Start einer gi gantischen Robotflotte mit Kurs auf Terra auslösen würden. Das alles lag in der Vergangenheit. Die Robotflotte war längst wieder aus dem Sonnen-System verschwunden, hatte aber ein paar tausend Ringraumer zurückgelassen, und nur noch wenige Menschen dachten an diese aufregende Zeit, als Terra im Würgegriff der un heimlichen Unitallschiffe lag. Im Kontrollstand unter der Rano kuppel beobachteten fünf Roboter, die fest mit dem Boden verbunden waren, aus ihrem Linsensystem die Anzeige der Instrumente. Sie glichen Zylindern, die weder Arme noch Beine besaßen, den noch waren sie die Kommandanten der unterirdischen Station. Der mittlere war fast doppelt so groß wie die anderen vier, und auch breiter und schwerer. Seine Linsenkon struktion war auf eine ovale, von innen heraus gelblich leuchtende Scheibe ge
richtet, die ein sich im Rhythmus bewe gendes Gittermuster zeigte. Die Felder der einzelnen Dreiecke, Vierecke und Fünfecke waren mit den verschiedens ten Farben ausgefüllt, die sich ebenfalls ständig änderten. Auch das verstärkte den Eindruck, vor einem sinnlosen Wirrwarr zu stehen, doch der große Ro boter las die Aussage des Rasters, wie Terraner ein Buch lasen. Fünf Roboter, die seit vielen Jahr hunderten Kommandanten dieser Stati on unter der Ranokuppel waren; fünf Roboter, die ihrem Programm gemäß handelten. Fünf Roboter, die weder Mü digkeit noch Ungeduld kannten, deren Existenz darin seine Berechtigung fand, für ihre Herren zu wachen und zu schal ten. Doch sie waren nicht nur die Kom mandanten dieser Station und der plane tarischen Forts auf ihren Planeten, sie waren auch die Herren über aber Tau sende Ringraumer, die sich in den un terirdischen Depots auf den drei Zwil lingen befanden. Vor gar nicht langer Zeit hatten sie ein System angeflogen, das einen blau en Planeten besaß, der von seinen Be wohnern Terra genannt wurde. Eine Störung hatte den Einsatz der Schiffe plötzlich fraglich werden lassen, und auf Befehl des großen Robotkomman danten unter der Ranokuppel war die Flotte wieder zum Ausgangspunkt zu rückgekehrt, ohne ihr Vernichtungs werk zu vollenden. Im Nord-Bereich der Ovalscheibe tauchte mitten im blauen Fünfeck ein grell leuchtender Punkt auf, der eine kleine Lichtkugel absetzte, die sich in immer kleiner werdenden Spiralbahnen in den West-Bereich absetzte. Mit der Entfernung wuchs die Geschwindigkeit der Lichtkugel und überquerte nachei nander die verschiedenen farbigen Fel
der. Doch als sie den Rand eines Drei ecks berührte, das grün war, wechselte diese Farbe in ein blasses Rot über. Das Aussehen des großen Robotzy linders blieb unverändert, doch in sei nem Innern hatten sich einige tausend Impuls-Kreise geschlossen, und über viele Phasen liefen die Impulse zu be stimmten Knotenpunkten, wo sie von Rhin-Relais in die richtigen Bahnen ge lenkt wurden. Zur gleichen Zeit schob sich auf dem ersten der drei Zwillingsplaneten eine gewaltige, chromblitzende Kuge lantenne aus einer Bergspitze. Nach al len Seiten stürzten Pflanzen mit der dünnen Erdschicht in die Tiefe. Immer höher wuchs die gewaltige Antenne, de ren Durchmesser über hundert Meter betrug, und die als Kugel auf einem Schaft saß, der dreizehn Meter durch maß. Diese Anlage war empfangsbereit. Sie lauschte in die Tiefe der Milchstra ße hinein. Unter der Ranokuppel standen fünf Roboter in ihrer Zentrale und warteten ab, was nach dem ersten Impuls, den ihre Anlage vor kurzem aufgefangen hatte, kommen würde. * Hatten sie nun endgültig die Schranke hinter Soradan überwunden? Die beiden Flashpiloten waren davon überzeugt. Ihre Berichte leiteten ein Un ternehmen ein, von dem niemand ahnte, was es den Terranem bringen würde. Ren Dhark verzichtete darauf, den Transmitter zu benutzen, um den Plane ten zu erreichen, auf den Dressler und Kartek mitsamt dem Kamelrücken ver setzt worden waren.
»Im Kamelrücken befindet sich eine Grabanlage der Mysterious!« hatten bei de behauptet und auf die Roboter ver wiesen, die ausgeschickt worden waren, um sie zurückzuholen. Doch dazu war es dann nicht mehr gekommen, weil der Materiesender sie versetzt hatte. Beide Schiffe gingen auf Transiti onskurs. Die POINT OF und die FO VII sprangen gleichzeitig. Ein Sonnenungeheuer starrte in den Leitstand des Flaggschiffes, als es wie der im Einstein-Universum remateriali siert halte. Gegenüber diesem Stern war Beteigeuze klein. Achtunddreißig Planeten besaß das System, von denen die ersten zehn nicht beachtet wurden, denn sie glühten. Als Sauerstoffwelten kamen nur Nummer elf bis siebzehn in Frage. In der astronomischen und astro physikalischen Abteilung herrschte Hochbetrieb. Alle Ortungen waren be setzt und arbeiteten mit maximaler Leis tung. Etwas, das schon zur Routine ge worden war. Dennoch lag dieser Fall anders, denn die Flashpiloten hatten von einem hochindustrialisierten Plane ten gesprochen, der von den Mysterious verlassen worden war. Bisher war man noch nicht auf Wel ten dieser Art gestoßen, und selbst W-4 im System Ika-35 mit seiner Ruinen stadt konnte nicht zu dieser Spezies ge rechnet werden. »Stadt grenzt an Stadt, und überall glaubt man, die Bewohner müßten jeden Moment aus ihren Häusern kom men!« »Dhark!« Lionel sprach über die Verständigung. »Nummer 15 und 16 sind Sauerstoffwelten. Beide könnten in Frage kommen. Gravowerte bei 16 nur 0,78 und bei dem anderen 1,01 g. Mitt lere Temperatur bei achtzehn Grad Cel
sius.« Die drei Offiziere am Checkmaster forderten die Kursdaten an. Keine zehn Sekunden später hatte Dhark sie schon vorliegen. Begleitet von der FO VII ras te der Ringraumer auf den Planeten mit der Nummer siebzehn zu, drang in einer Umlaufbahn in die dichteren Luft schichten vor und begann, ihn zu um kreisen. Bald stand fest, daß der siebzehnte Planet nicht die Welt war, auf der sich die beiden Piloten aufgehalten hatten. Die Schiffe nahmen wieder Fahrt auf, stießen in den Raum hinein und jagten dem anderen Umläufer zu. Der For schungsraumer blieb hinter ihnen zu rück, denn ihm war es mit seinen AsOnentriebwerken nicht möglich, über lichtschnell zu fliegen. Und weil Ren Dhark nicht wußte, ob jemand in die sem System Strukturerschütterungen anmessen konnte, halte er untersagt, zu transistieren. In knapp drei Stunden Normzeit legte die POINT OF 161 Millionen Ki lometer zurück und ging dann erneut in einen Orbit. Sie wartete auf die FO VII, weil man nur gemeinsam auf diesem verlassenen Planeten landen wollte. Tele arbeitete mit maximaler Leis tung im Infrarotbereich, denn über dem Planeten lag eine fast geschlossene Wolkendecke, die seine Oberfläche ver hüllte. In der Bildkugel tauchte eine unbe kannten Welt auf, die nur zum Teil im Tageslicht lag. Aber dieser Ausschnitt genügte, um die Aussagen der beiden Piloten zu bestätigen. Eine Stadt grenzte an die andere, doch diese unbekannten Städte hatten keine Ähnlichkeit mit terranischen. Alle waren aufgelockert, die einzelnen Blocks wurden durch große Parks ge
trennt. Die Bauten waren gewaltige Ringpyramiden, die sich stark nach oben verjüngten und breite Ringterras sen besaßen. Grappa maß die Bauten und kam auf erstaunliche Resultate: im Durch schnitt über zweitausend Meter hoch, bei einem Radius der Grundfläche von drei bis vier Kilometern. Jedes Bauwerk mußte demnach in der Lage gewesen sein, über eine Million Bewohner auf zunehmen – und von diesen Ringbauten gab es Tausende! Über Funk meldete die FO VII ihre Ankunft. Die POINT OF stoppte in 13.400 Kilometern Höhe und gab einen Peilstrahl ab. Aus der Tiefe des Alls tauchte der Kugelraumer auf und blieb in knapp einem Kilometer Entfernung neben der POINT OF stehen. Mit gefechtsklaren Antennen schos sen die beiden Schiffe in die Tiefe und steuerten die Stadt an, die um eine weit in den Kontinent führende Meeresbucht gebaut worden war. Kartek und Dress ler, die sich im Leitstand aufhielten, konnten nicht sagen, wo auf dem Plane ten sie sich aufgehalten hatten. Die Energieortung half auch nicht weiter, denn schon beim Anflug aus dem Raum hatte Grappa gemeldet, daß er unzählige Energiequellen anmessen würde. In der Funk-Z murmelte Walt Brugg bestürzt: »Das hat uns gerade noch ge fehlt!« Er rief über die Bordverständi gung zur Kommandozentrale: »Dhark, wir liegen in Fremd-Funkortung!« »Funkortung? Warum strahlen Sie nicht unser Erkennungszeichen ab? Be nutzen Sie die Symbole der Mysterious, Brugg!« Ob der Commander jetzt wirklich glaubt, Mysterious würden uns einen großen Bahnhof bereiten? Fragte sich Brugg in Gedanken, während seine lin
ke Hand schaltete, um das Erkennungs zeichen der POINT OF in den Symbo len der Geheimnisvollen abzustrahlen. »Dhark, jetzt sind wir von drei Stel len erfaßt und... es klingt wie ein Mär chen: Ein starker Hyperfunk-Impuls ist in den Raum gegangen!« Die Fallgeschwindigkeit der beiden Schiff war geringer geworden. Vorsich tig tasteten sie sich tiefer, und der Checkmaster wie der Suprasensor in der FO VII hatten den Auftrag, sofort das Schiff zu übernehmen und in den Raum zu bringen, wenn sie angegriffen wer den sollten. Die Spannung stieg. Der letzte Mann hatte seinen Klarsichthelm ge schlossen. In den beiden Waffensteue rungen wurde kein Wort gesprochen. Alle Antennen, bis auf die wenigen, die für den Funk freigehalten werden muß ten, waren klar. Die gleichen Verhält nisse herrschten in der FO VII. In weniger als achttausend Metern Höhe stießen die Schiffe durch die dich te Wolkendecke. Nun war Infrarot nicht mehr erforderlich, und die Bilderfas sung schaltete auf tele-normal zurück. Die Menschen in den Schiffen sa hen die riesige Stadt mit ihren giganti schen Ringpyramiden zu beiden Seiten der breiten Meeresbucht unter sich lie gen – eine Stadt, in der es von Intelli genzen wimmeln mußte. »Dhark!« Bruggs Ruf aus der FunkZ. »Wir empfangen Antwort, aber... ich schalte durch!« Es knackte im Lautspre cher, und dann waren Worte in einer unbekannten Sprache zu hören. Jeder im Leitstand sah den Com mander an. Hörten sie die Sprache der Geheimnisvollen? »Man hat uns Landegenehmigung erteilt!« sagte Ren Dhark in die Stille hinein. »Aber wo ist 76/89? Dort sollen
wir landen.« Er beugte sich etwas zu den Sprech rillen vor. »Brugg, schalten Sie die Bordverständigung auf den Sender, ich muß einige Fragen stellen.« Was er dann fragte, verstand kein Mensch. Unheimlich war es, daß man ihm antwortete. »Peilstrahl! Großer Himmel, der könnte mit seiner Leistung ja bis ans an dere Ende der Galaxis reichen!« stieß Tino Grappa aus. »Den habe ich angefordert. Grappa, wir suchen einen Landeplatz mit der Bezeichnung 76/89. Zeigen Sie, was Sie können!« Ein paar hundert Meter hinter der POINT OF befand sich die FO VII auf gleicher Höhe. Die Besatzung des Leit standes hatte über Funk mitgehört, was in der POINT OF vor sich ging, und selbst dem letzten Offizier im For schungsraumer war es etwas unheimlich gewesen, den Commander fließend in der Sprache der Mysterious reden zu hören. Grappa fuhr von seinem Sitz auf, als habe er sich in einen Reißnagel gesetzt. »Dhark, 76/89 ist das flache Dach einer Ringpyramide! Moment, die Ortsangabe kommt!« Dhark blickte nach links auf die In strumentenkonsole und las die Werte ab, die Grappa mit seiner Ortung erfaßt und erstellt hatte. Das zweithöchste Bauwerk der Stadt sollte der Landeplatz für POINT OF und FO VII werden. Die Fläche war groß genug, um noch zwanzig Raumer aufzunehmen. »Verstanden«, sagte Major Leiter in der FO VII und blieb mit seinem Kugel raumer zurück. Er sollte erst landen, wenn das Flaggschiff sicher und unbe
lästigt aufgesetzt hatte. Dann stand der Ringraumer auf sei nen neunzig Teleskopbeinen in 2.855 Metern Höhe über der Stadt auf dem flachen Dach einer Ringpyramide. Kur ze Zeit später setzte die FO Vll ein paar hundert Meter entfernt auf. Major Lef ter sollte eine ziemlich plumpe Landung durchführen, weil Dhark die Festigkeit der Dachfläche einem Test unterziehen wollte. Nicht einmal eine winzige Erschüt terung war zu spüren, als Lefter seine harte Landung vollzog, so daß sich die Teleskopstützen seines Schiffes bis an die Grenze ihres Leistungsbereiches durchdrückten. »Wir können sogar auf A-Grav ver zichten!« sagte Dhark, als er seinen Pi lotensitz verließ und die Kommandoge walt über sein Schiff an Falluta abtrat. »Dhark!« Wieder kam Bruggs Stim me über die Verständigung. »Soeben ist ein zweiter Hyperimpuls abgestrahlt worden. Der Sender hat fast die Leis tung von Planet 1!« »Haben Sie ihn gespeichert?« »Na türlich! « »Ich komme rüber!« Dan Riker und Dro Cimc begleiteten ihn. Brugg ließ die Speicherung ablau fen. Die Männer beobachteten auf dem Oszillo die Blips. »Kode!« »Vollautomatisch arbeitender Sen der!« fügte Brugg hinzu. »Ja, auch die Antworten auf meine Frage wurden von einem Automaten ge geben. Brugg, versuchen Sie festzustel len, in welche Richtung der Spruch ab gestrahlt wurde. Vielleicht war er für Erron-1 bestimmt. Nur fraglich, ob man ihn bei diesen Störungen des Magnetfeldes empfangen hat.« »Bei der Sendeleistung, Dhark? Da
mit kommt der Spruch auch noch am anderen Ende der Milchstraße klar aus dem Empfang.« Der Commander verließ mit seiner Begleitung die Funk-Z wieder. Auf dem Hauptdeck besprach er mit seinem Freund den Einsatz. »Auf jeden Mann einen Roboter. Die werden getrennt losgeschickt. Wir fliegen mit Flash in die Stadt. Die bei den Cyborgs Carrell und Alsop kom men mit, ebenso Dressler und Kartek. Auf die anderen Flashpiloten möchte ich dieses Mal verzichten und sie lieber in der Einsatzreserve wissen. Regelst du diese Angelegenheit? Apropos, Dan, was war mit dem Chrono des Leitstan des los? Hast du den Zeitmesser wieder in Gang bringen lassen?« Riker lachte trocken auf. »Nicht ei nen Finger haben wir gerührt. Als der Gravilationsspuk vorüber war, schaltete der Checkmaster und korrigierte sogar noch die Einstellung.« »Der Checkmaster? Der Checkmas ter stellte unser Chrono neu ein?« Aus leicht zusammengekniffenen Augen schaute Dhark seinen Freund mißtrau isch an. »Unser lieber, unheimlicher Check master. Ich glaube, daß wir ihn und sei ne Fähigkeiten auch in hundert Jahren noch nicht richtig kennen. Könnte man doch nur einmal die Unitallverkleidung abnehmen und reinsehen. Okay, ich un terrichte die Männer für den Einsatz. Doorn auch?« »Unter allen Umständen, Dan!« Etwas später flogen fünf Flash aus, und über die Schleuse 3 schwebten zehn Roboter zur Kante der Ringfläche hinüber – ein Bild, an das sich die Män ner im Flaggschiff wie in der FO VII immer noch nicht gewöhnt hatten. Mit schwach arbeitendem Sle warte
ten die Blitze auf das Erscheinen der Roboter in Höhe der obersten Ringeta ge. Die Bildprojektion war so geschal tet, daß sie in die Tiefe blicken konnten. Erst von dieser Position aus erkannten sie, welch ein gewaltiges Bauwerk sie vor sich hatten. Die Ringterrassen, die sich geschlossen um die Konstruktion zogen, waren alle gleich breit und leer. Wie jede Etage eine andere Farbe der Außenfront besaß, so war auch jeder Terrassenbelag in unterschiedlichem Farbton gehalten, ohne daß das Bau werk einem klatschbunten Chamäleon glich. Riker flog den Flash, der sich mit dem Blitz des Commanders auf gleicher Höhe hielt. »Unsere Robs kommen, Ren.« Die tonnenschweren Metallriesen vom Planeten Tower rasten heran und stoppten dicht neben den plumpen Blit zen, denen ein Nichteingeweihter nie mals ansehen konnte, daß es raumtüch tige Fahrzeuge waren, die über eine er staunliche Feuerkraft verfügten. Die Blitze senkten ihre stumpfe Nase und flogen die breite Straße in der Tiefe an, die an einem weitflächigen Park, der mit hohen Bäumen bestanden war, scheinbar endete. Auch diese Straße war leer. Hinter ihnen blieb der gewaltige Bau zurück. Die Roboter hatten ihre Geschwindigkeit der der Flash ange paßt. »Keine Fenster? Keine Türen?« Dro Cimcs Stimme war über den Funk zu hören. »Nirgendwo Fenster?« Den anderen war das auch aufgefal len, aber sie hatten es längst aufgege ben, sich über Produkte der Mysterious den Kopf zu zerbrechen. Nacheinander setzten die Flash auf,
und die zehn Männer stiegen aus. »Wir haben auf das Zweite System geschaltet!« sagte Mark Carrell, als er Dharks fragenden Blick bemerkte. »Eine Panne wie auf Soradan wird uns nicht mehr passieren.« »Hoffentlich«, erwiderte der Com mander, der diesen Fehler der beiden Cyborgs nicht vergessen hatte. Die Roboter standen unbeweglich wie Denkmäler hinter ihnen und warte ten auf Anordnungen. Dreihundert Me ter entfernt lag die unterste Ringterrasse des wuchtigen, himmelstürmenden Bau werks. Der salzige Duft des nahen Mee res wurde vom leichten Wind herange tragen. Es war angenehm, sich im Frei en aufzuhalten. Erstaunlich war, daß der graue Straßenbelag weder Staub noch Schmutz aufwies. »Achtung, an Gruppe Dhark! Eine Maschine unbekannter Konstruktion nä hert sich aus Süden. Es wird empfohlen, wieder in die Flash zu steigen!« Falluta warnte sie aus der POINT OF. »Platz nehmen, meine Herren!« Ren Dhark war nicht bereit, ein unnützes Ri siko einzugehen. Die Einstiege der Flash schlossen sich. Die Männer mußten wieder die Köpfe weit in den Nacken legen, um die Bildprojektion zu sehen. Die Funkver bindung zum Flaggschiff stand. »Distanz noch einen Kilometer. Biegt jetzt um die Ringpyramide. In we nigen Sekunden müßten Sie die Kon struktion sehen können...« Dann sahen sie, wie sich ein graues Ungetüm um die Rundung des Bauwer kes schob. Nein, es schwebte, und es nahm Kurs auf die fünf Blitze. Das Ding hatte keine beschreibbare Form, denn es war weder eine Kugel
noch ein Zylinder noch eine andere geo metrische Figur. Räder oder Teleskop stützen waren an den gebogenen Flä chen nicht zu sehen, ein Linsensystem auch nicht. Über zwanzig Meter lang, bei einem Durchmesser von acht Metern an der breitesten Stelle, ragten drei Halbkup peln über acht Meter Höhe hinaus. Vor den Flash setzte das Monstrum knir schend auf. Ausweiskontrolle! verstand Ren Dhark als einziger. Ihm war nicht nach Lachen zumute; im Gegenteil, jetzt wurde es ernst, denn wie sollte er einer robotisch gesteuerten Maschine klarmachen, daß sie weder Ausweise besaßen noch Mysterious wa ren? »Kartek, haben Sie das auch erlebt?« fragte er hastig über Funk. »Nein, was will das Ding denn?« Verblüfft schwiegen die Männer, als Dhark ihnen Auskunft gab. Ausweiskontrolle! Verstand der Commander zum zweiten Mal, und we nige Sekunden später hörte er den Ro bot sagen: Letzte Aufforderung zur Aus weiskontrolle! Meldung an die Über prüfung ist abgesetzt! Dhark mußte handeln, wenn er kei ne Katastrophe heraufbeschwören woll te, und bevor er seinen Flash verließ, in formierte er die anderen über sein Vor haben. »Ich muß es tun, denn außer mir be herrscht keiner die Sprache der Myste rious, und allzu groß kann die Gefahr nicht werden, denn als Schutz habe ich zehn Roboter.« Er stieß den Ausstieg auf und sprang zu Boden. Beide Hände auf den Kolben seiner superschweren Blaster, ging er auf das Maschinenmonstrum zu
und blieb in drei Metern Entfernung vor der leicht eingebeulten Nase stehen. »Ich heiße Ren Dhark und bin ein Fremder, der keine Ausweise besitzt!« Das Robotungeheuer antwortete nicht, dafür meldete sich die Funk-Z über sein Vipho. »Commander, das Ding hat schon wieder Funkkontakt mit einer Stelle in der Stadt aufgenommen und erhält gera de eine Antwort, die nur aus Zahlen be steht. Wir...« Glenn Morris in der FunkZ schnappte nach Luft. »Commander, wir brechen durch! Wir werden in das Bauwerk gerissen! Wir stürzen...« Abrupt brach die Funkverbindung mit der POINT OF ab. Von der FO VII war auch nichts mehr zu hören. Das Robotungeheuer bewegte sich plötzlich auf ihn zu. Sie und alle Anderen sind verhaftet! Ich werde Sie geschlossen abführen! verstand der Commander. Das war der Augenblick, in dem Ren Dhark seine zehn Roboter auf das Maschinenunge heuer ansetzte. ENDE