KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
GEORG STEINBACHER
V E R L A G S E...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
GEORG STEINBACHER
V E R L A G S E B A S T I A N LUX MURNAU • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K • ÖLTEN
I
m Zoo mit den Tieren auf Du und Du zu stehen, dazu gehört viel mehr, als man auch nur zu ahnen vermag, wenn man durch einen Tiergarten spaziert. Denn damit, daß man Tiere hinter Gitter oder Gräben setzt, ist es nicht allein getan. Sie müssen aus der Fremde geholt werden, sie benötigen Unterkunft, Futter und Pflege. Unendlich viel Arbeit und Mühe, unendlich viel Verwaltungsdinge, vor allem aber unendlich viel Tierliebe und Hingabe ans Werk gehören dazu, damit jenes schöne Bild entsteht, das immer aufs neue jeden Zoobesucher fesselt, wenn er das Tor des Tiergartens durchschritten hat: gepflegte Tiere aus aller Herren Ländern in gepflegten Anlagen. Und deshalb soll in diesem Lesebogen, der dem Leben im Zoo gewidmet ist, sowohl von den Tieren die Rede sein, die hier gehegt werden, wie von den Menschen) — von jenen Menschen, die sich tagaus tagein um die Tiere mühen, die ihrer Obhut anvertraut sind, von all jenen meist Unbe-, kannten, die mit ihrer Köpfe und Hände Arbeit dafür sorgen, daß die Begegnung mit dem Tier für den Zoobesucher ein bleibendes Erlebnis wird. Wer einmal in den Zauberbann dieses innigen Zusammenlebens mit Tieren aller Art und aller Zonen geraten ist, wie es sich hinter den Kulissen des Zoos abspielt, den läßt es nie mehr los. Täglich lernt er Neues von den Geschöpfen hinter den Gittern und Schutzgräben, und täglich empfindet er aufs neue das Glück, mit Tieren auf Du und Du stehen zu können.
Jagdreisen in Irüherer Zeit Tmmer wieder erhalten wir Zoodirektoren Briefe, in denen vor allem junge Menschen voll Abenteuerlust und Unternehmungsgeist bitten, wir möchten sie auf eine Tierfangexpedition schicken oder mitnehmen. Denn viele unserer Besucher glauben, daß die Zoologischen Gärten ihren Tierbedarf decken, indem sie solche Reisen in ferne Länder ausrüsten, dort Tiere fangen und dann in großen Transporten nach Europa bringen. Das ist nie der Fall gewesen und wird es auch nie sein. Selbst als nach dem ersten Weltkrieg in den deutschen Zoos zahllose Gehege leer standen und nach der Festigung der Mark auch wieder die Mittel vorhanden waren, sie zu füllen, war es nicht notwendig, daß die Zoos solche Tierfangexpeditionen selber organisierten. In den Fällen, in denen es doch geschehen ist, war wohl die Werbung für den betreffenden Garten ausschlaggebend; denn solche Expeditionen im Schwarzen Erdteil sind durchaus auf die Hilfe dort ansässiger, weißer Tierfänger angewiesen, zudem sind die Tiere, die man zu erhalten wünscht, auch von den drüben wohnhaften Tierhändlern zu kaufen. Die Zeiten der Tierfangexpeditionen sind längst vorbei. Als um die Jahrhundertwende die Tierhandelsfirma Hagenbeck aufblühte und ein Großteil des Tierhandels der ganzen Welt durch diese deutsche Firma ging, als der königliche Kaufmann Carl Hagenbeck die Tierparks und Zirkusse überall auf der Erde mit Tieren versorgte, da war er in der Lage, Reisende in die verschiedensten Gebiete zu entsenden mit dem Auftrag, dort bestimmte Tiere zu beschaffen, die er in den Handel zu bringen wünschte. So besuchten Hagenbecksche Reisende das Amurgebiet, um sibirische Tiger, den Altai, um sibirische Steinböcke, Ceylon, um Elefanten, Australien, um Känguruhs zu fangen. Man fand sie in Ost- und Westafrika, in Südamerika, überall auf der ganzen Welt, wo es etwas Interessantes zu holen gab. Damals lagen noch in vielen Ländern Urwald und Wildnis, Steppe und Busch direkt vor den Toren der Hafenstädte. Keine hundert Kilometer von Chabarowsk entfernt korinte man Tiger fangen, und direkt von der afrikanischen Küste aus begann die Safari — die Jagdreise — mit Boys und Trägern. Man brauchte keine weiten Anmarschwege, um zu Flecken unberührter 3
Natur voll reichsten Tierlebens zu gelangen. Interessante und seltene Tiere gab es schon zu kaufen, wenn man nur die Küste des fernen Erdteils betrat. Und überall siedelten sich Farmer und Pflanzer in bis dahin unberührter Natur an; rings um ihren Besitz herum gab es noch reiche Tierbestände, immer wieder erhielten sie wertvolles Getier durch Zufall, auf der Jagd oder durch Eingeborene. Der Tierhandel konnte damals tatsächlich aus dem Vollen schöpfen. Fast auf jedem Schiff gab es den einen oder anderen Seemann, der dort, wo sein Fahrzeug anlegte, an Land ging und billig irgendwelche Tiere aufkaufte, um sie als nette Unterhaltung während der Reise und als lohnenden Nebenverdienst bei der Ankunft in der Heimat mitzunehmen. In jener Zeit wimmelte es in den Hafenstädten von kleinen zoologischen Handlungen, denen das seefahrende Volk seine Mitbringsel anbot. Man konnte selbst seltenste Tiere auf diese Art erwerben. Damals war es auch noch möglich, als Tierhändler neue Tiere zu entdecken, die zuvor der Wissenschaft unbekannt waren. An die Seite der Firma Hagenbeck traten in jenen friedvollen Jahren wirtschaftlicher Blüte andere deutsche Tierhändler, deren Namen Weltruf gewonnen haben, besonders die Firma Ruhe, die ihr Haus in Alfeld an der Leine hat. Der erste Weltkrieg brachte den ersten schweren Rückschlag. Aber nach dem Friedensschluß gingen die deutschen Tierhändler unverzüglich wieder ans Werk. Es dauerte nur kurze Zeit, dann zogen die alten und neue Reisenden wieder hinaus in alle Welt. Langsam jedoch begann das ganze Tiergeschäft sich von Grund auf zu ändern, überall drängte das Kulturland die unberührte Natur zurück. Die Wege von der Küste bis zu den tierreichen Gebieten des Inlandes in den Tropen wurden immer länger; der Tierreichtum schwand dahin. Immer mehr Länder jenseits der Meere, immer mehr Kolonialverwaltungen gingen dazu über, Naturschutzparks einzurichten, in denen der Fang von Tieren jeder Art verboten ist, und die Geschöpfe außerhalb dieser Schutzgebiete durch strenge Schongesetze zu hegen. Die Länder aber, in denen es Zoologische Gärten gab, erschwerten gleichzeitig die Einfuhr in steigendem Maße. Tierärztliche und polizeiliche Vor4
. Südafrikanisdie Nyala-Antilope Schriften, Bestimmungen über den Zahlungsverkehr mit Devisen ließen den Tierhandel von Jahr zu Jahr schwieriger werden. Heute haben die Vereinigten Staaten die Ausfuhr einheimischer Tiere grundsätzlich untersagt. Australien, der Hauptlieferant der Beuteltiere und zahlloser farbenfreudiger Vögel, läßt nur noch Tiere unter ganz bestimmten Bedingungen heraus, viele Arten nur dann, wenn sie für Zoologische Gärten bestimmt sind. Obwohl es im Kongogebiet viele Tausende von Okapis gibt, die gar nicht schwer zu fangen und leicht einzugewöhnen sind, behält sich die belgische Kolonialregierung die Verfügung über jedes einzelne Okapi vor. So ist es heute weniger schwer, Tiere draußen zu fangen, als sie aus ihrer Heimat zu exportieren und nach Europa oder den USA zu importieren. Der Tierhändler muß geradezu souverän die Unzahl der Ein- und Ausfuhrbestimmungen in den verschiedensten Staaten beherrschen — das ist eine Wissenschaft für sich geworden. Trotzdem sind die Tiergärten nicht ohne „Nachschub". 5
Tierhändler
unterwegs
In den Tropen haben sich vielerorts Tierhändler niedergelassen, die an Ort und Stelle in guter Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden den Tierfang betreiben. So gründete nach dem ersten Weltkrieg der Deutsche Christoph Schulz auf einer Farm in der Nähe von Arusha in Britisch-Ostafrika eine Station, auf der er alle jene zahlreichen und interessanten Steppentiere eingewöhnte, die er mit Hilfe von Eingeborenen und Buren und mit Genehmigung der Jagdbehörden in weitem Umkreis fangen ließ. Christoph Schulz erbeutete junge Elefanten und Nashörner, Zebras und Antilopen, Giraffen und Nilpferde, Affen und vieles andere mehr. Für Giraffen entwickelte er eine neue Fangmethode: Berittene Buren trieben das flüchtige Giraffenrudel im Galopp vor sich her, trennten die Jungtiere, welche die gewünschte Größe besaßen, von den Herdengenossen, streiften ihnen eine an einem Stock angebrachte Schlinge über den Kopf und hielten sie so fest, bis ein Lastauto mit Transportkisten herankam, in denen die Beute verfrachtet wurde. Sie kam dann auf die Farm und wurde dort zusammen mit ihren Schicksalsgefährten eingewöhnt. Zwischen den beiden Weltkriegen hat Schulz die Zoologischen Gärten der ganzen Welt direkt oder über den Tierhandel mit seinen Steppentieren versorgt. Er verlor seine Farm im letzten Krieg. • In Britisch-Ostafrika sind zwei andere Unternehmen an seine Stelle getreten, die sich noch weiter modernisiert haben; sie fan- gen heute Giraffen, ja sogar junge Elefanten, indem sie die Jagd nicht vom Pferd, sondern vom Lastauto aus betreiben. Voraussetzung ist natürlich, daß die Steppe, in der das gesuchte Wild steht, eben ist und schnell befahren werden kann. Mit der neuen Jagdart ist es heute möglich, junge Elefanten zu beschaffen, ohne daß man ihre Mütter abschießt. Das Elefantenrudel wird möglichst von den Lastautos überrascht und mit lautem Gehupe und Gelärm in die Flucht gejagt, bei der die Jungtiere schnell zurückbleiben. Man fährt eilig an sie heran, steckt die verdutzt und ratlos dastehenden kleinen Kerle in die Transportkisten und empfiehlt sich schleunigst, bevor die Mütter zurückkommen und ihre Kleinen nachdrücklichst in Schutz nehmen können. Die jungen afrikani6
sehen Elefanten, die heute im Zoologischen Garten in Basel von vielen Tierfreunden aufgesucht werden, kamen auf diese Weise in die Hand des Menschen. Der zweite Weltkrieg fügte dem europäischen Tierhandel noch schwereren Schaden zu als der erste, überall rissen die jahrzehntelang gepflegten Verbindungen ab. Indien, Pakistan und Indonesien, aus denen viele unserer Pfleglinge stammten, wie indische Elefanten und Panzernashörner, Orang-Utans und Gaure, wurden selbständig und frei. Der Wunsch wurde wach, Tierfang und Tierhandel in eigene Hand zu nehmen und sich vom weißen Mann, möglichst unabhängig zu machen. Erst langsam kommt deshalb der Handel mit diesen Staaten wieder in Fluß. Während früher Jahr für Jahr Orang-Utans aus den holländischen Besitzungen in ausreichender Zahl in die europäischen Zoos kamen, sind in den letzten Jahren erst einige wenige importiert worden. Aber trotz;dem rührt sich auch der deutsche Tierhandel wieder. Die Art und Weise, wie die 'Tiere für unsere Zoos beschafft werden, ist also weit nüchterner geworden', als es sich all djie Bittsteller denken, die auf eine Tierfangexpedition gehen möchten. Das Tierhandelshaus, das in geschäftlichen Verbindungen mit den vielen Zoologischen Gärten und auch den Zirkusunternehmungen steht, weiß genau, welche Tiere gesucht werden und zu verkaufen sind. Es steht in Beziehungen zu den Tierhändlern in aller Welt und zu den Zoologischen Gärten, die Tiere abzugeben haben. Es nimmt Verbindung zu all den Menschen auf, die in noch tierreichen Gebieten wohnen und haupt- oder nebenberuflich Tiere beschaffen können. Es kauft sie ihnen ab und organisiert den Transport. Auch Reisende fahren wieder hinaus, die jene Tierhändler und -fänger in fernen Gegenden aufsuchen oder Tiere, die in fremden Ländern gekauft worden sind, abholen und nach Europa geleiten. Die Zoologischen Gärten haben also heute die Möglichkeit, ihre Bestände zu ergänzen, indem sie das nötige Material entweder direkt von Tierhändlern in Afrika, Südamerika, Australien oder I n dien kaufen, oder indem sie sich dazu der Hilfe der großen Tierhandlungen bedienen. Im allgemeinen wird der Kauf über Tierhandlungen bevorzugt; denn sie sammeln die Bestellungen vieler Kunden und können so größere Transporte auf den Weg bringen, 7
die billiger sind; sie erledigen zudem alle nötigen Einfuhr- und Kaufgeschäfte und bringen die importierten Tiere dann in ihrer Quarantänestation — der medizinischen Untersuchungsstation — unter, bis alle tierärztlichen Vorschriften erfüllt sind. Dort kann der Zoodirektor auswählen, was er braucht, und hat die Gewißheit, gesunde und einwandfreie Tiere zu erhalten, die schon eingewöhnt sind. Auch das mit jedem Transport stets verbundene Risiko trägt das Tierhandelshaus, und ebenso erledigt es reibungslos die Überführung der gekauften Tiere zum Zoo, denn es hat eine reiche Erfahrung in der Verfrachtung selbst schwierigster Pfleglinge. Man erfährt bei jeder Neuerwerbung, wie sie bisher gefüttert und gepflegt worden ist, welche Eigenschaft sie hat. Darum fährt der Zoodirektor meist besser, wenn er Tiere von den großen Handelsfirmen bezieht, als wenn er sie selbst direkt importiert. Und so ist es kein Wunder, daß gerade unsere beiden größten Tierhandelsfirmen Ruhe und Hagenbeck auch heute wieder, genau wie früher, in erster Linie die deutschen Zoos mit Material versorgen. Sie setzen sich auch in dem schweren Konkurrenzkampf mit den zahllosen ausländischen Tierfirmen wieder durch, die in den Kriegs -und Nachkriegsjahren entstanden sind, als den einheimischen Tierhändlern die Hände gebunden waren. Doch hat sich der Schwerpunkt des Tierhandels in den letzten Jahren von Deutschland, ja von Europa überhaupt nach den USA verlagert. Während vor allem vor dem ersten Weltkrieg fast alle Tiere aus den Tropen zunächst nach Europa gingen und auch nach dem Kriege immer noch die Mehrzahl der Transporte zunächst in einen europäischen Hafen kam, wird heute der Hauptteil des Geschäftes nach den USA geleitet. Denn jede größere Stadt dort besitzt jetzt einen schönen und reichhaltigen Zoo, der von der Gemeindeverwaltung unterhalten wird. Die reichen amerikanischen Zoos sind in der Lage, viel höhere Preise für Tiere zu zahlen, als es die Gärten im verarmten Europa tun können.
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Was kosten die Zooüere? Wie in jedem Handelsgeschäft, so spielen auch im Tierhandel die Preise eine gewichtige Rolle. Auch hier bestimmt Angebot und Nachfrage weitgehend den Preis. Giraffen.kosten heute 8000.— bis 10 000 DM das Stück; aber früher, als man noch nicht die modernen Fangmethoden hatte und das Risiko des Transports wesentlich höher war, mußte man Giraffen viel teurer bezahlen. Mit den meisten Tieren ist es allerdings umgekehrt: Für drei indische Elefanten habe ich 1938 8000.— Mark bezahlt — das war selbst für damalige Verhältnisse billig. Heute kostet einer 10 0QO.— bis 20 000.— Mark! Aus Afrika importierte Löwen kann man heute für etwa 3000.— bis 4000.— Mark bekommen, ein Zebra für 2500.— Mark; sie sind heute doppelt so teuer wie früher. Dagegen sind Lamas, Wasserbüffel und viele andere Tiere, die jetzt regelmäßig in den Zoos gezüchtet werden, billiger geworden: Früher kostete ein Lama 800.— Mark, jetzt kann man es für 500.— Mark haben. Auch die Politik spielt in den Tierhandel und seine Preise hinein. Tiere, die von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs kommen, sind heute knapp und deshalb teuer: Derselbe Kranich, der früher 60.— Mark kostete, ist heute nicht unter 400.— Mark zu haben, und aus dem gleichen Grunde stieg der Preis eines Kamels von 1000.— auf 3000.— Mark. Besondere Kostbarkeiten haben natürlich ihre Sonderpreise: Ein Panzernashorn aus Assam — in Deutschland besitzt nur Hagenibecks Tierpark in Stellingen einen solchen Urweltriesen — brachte kürzlich in USA 10000 Dollar, und für ein Paar der lange für fast ausgestorben gehaltenen weißen Nashörner, wie sie der Antwerpener Zoo zeigt, verlangt die Jagdaufsichtsbehörde in BritischOstafrika 100000 Mark — Preise, die nur von den reichen ausländischen Zoos gezahlt werden können.
Neue
Handelsmethoden
In den letzten Jahrzehnten hat sich eine völlig neue Gruppe von Tierhändlern herausgebildet. So fängt zum Beispiel einer dieser Händler, der besondere Kenntnisse in der Haltung schwierig zu 9
pflegender Tiere hat, etwa in Südamerika seltene, bunte und farbenprächtige Vogelarten oder läßt sie durch Eingeborene fangen; er gewöhnt sie ein, stellt einen Transport zusammen und bringt ihn zunächst nach den Vereinigten Staaten. Hat er seine Tiere dort abgesetzt, kehrt er zu seiner Station zurück und bringt den nächsten Transport nach Südafrika, verkauft einen Teil der Tiere an die dortigen Zoologischen Gärten und private Tierliebhaber. Vom Erlös erwirbt er eine Anzahl afrikanischer Tiere und fährt nun weiter nach Australien, um auch dort die Zoologischen Gärten zu versehen. Hier kauft er dann Känguruhs und andere Beuteltiere, australische Sittiche und Frachtfinken auf und fährt nun entweder nach den USA oder über Indonesien nach Europa. Auf der Reise erwirbt er wiederum von Händlern, die er unterwegs aufsucht, Tiere, mit denen er seinen Transport ergänzt. Manche dieser Tierhändler sind fast das ganze Jahr unterwegs. Sie führen ein sehr interessantes, aber aufregendes und anstrengendes Leben, denn das ständige Reisen, das Hin und Her zwischen den im Klima so verschiedenen Landschaften setzt nicht nur den Pfleglingen, sondern auch den Menschen zu. Auch Seeleute bringen noch Tiere von der Reise in ihre Heimat mit, die sie unterwegs erworben haben, leider jedoch längst nicht mehr in dem Maße wie früher. So denkt jeder Tiergärtner, jeder Zoodirektor mit einer gewissen Wehmut an die schönen Zeiten zurück, in denen Deutschland das Zentrum des Tierhandels war. Wie interessant waren die Tage, wenn man in Hamburg von einem der kleinen Tierhändler zum anderen ging und bei jedem etwas Interessantes und Neues entdeckte. Der eine hatte einen Schimpansen im Schlafzimmer, der andere einen Beutelteufel im Keller, der dritte herrliche Aras und bunte Amazonen — überall fand man etwas, das man gebrauchen konnte. Voll Freude aber sehen wir auch die Anzeichen wiedererwachender, steigender Tätigkeit bei unseren großen Tierhandelshäusern. Hoffen wir, daß uns Jahre schönen Friedens beschieden sind, damit wir wieder die Ankunft großer Transporte erleben können, die Tiere aus aller Welt in unsere Gärten bringen!
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Tiere aul Reisen T \ 7 i e werden Tiere überhaupt verschickt V — Das geschieht mit allen Verkehrsmitteln: mit Auto, Eisenbahn, Flugzeug und Schiff. Selbst im Personenwagen sind schon Affen, junge Bären und manches andere Tier expediert worden. Carl Hagenbeck erzählt die aufregende Geschichte, wie er im Jahre 1864 einen Ameisenbären sogar mit der Droschke beförderte. Früher waren Schiff und Eisenbahn die gebräuchlichsten Mittel, dann kam immer mehr das Auto zu Bedeutung, und heute beginnt das Flugzeug in den Vordergrund zu treten. Es wird selbst über die Ozeane hinweg zum Konkurrenten der Schiffe, seitdem die großen Luftfrachter auch sehr schwere Lasten laden können, seitdem sie heizbar sind und dank ihrer hohen Geschwindigkeit den Reiseweg von Wochen und Monaten auf Tage und Stunden zusammenschrumpfen lassen. Das Hauptrisiko beim Tierversand wird immer durch die Dauer der Reise bedingt und durch die Schwierigkeit, die Tiere unterwegs in ihren Behältern füttern und warten zu müssen. Beim Schifftransport werden die größeren Tiere meist als Deckladung an Bord gestellt. Bei schweren Stürmen sind sie dort auf kleineren Schiffen durch den Seegang gefährdet und zudem jedem Witterungsumschlag ausgesetzt. Säugetiere und Vögel kommen für die Reise möglichst einzeln, jedes Tier für sich, in einen Transportkäfig. Für Großtiere verwendet man meist Kisten, die gerade so geräumig sind, daß die Tiere darin stehen und liegen, sich aber nicht drehen können: sie könnten sich dabei mit den Hörnern, dem Geweih oder den Füßen verklemmen und Schaden nehmen. Dauert die Fahrt lange, so erhält die Kiste an ihrer Stirnseite eine Futterklappe, durch die den Insassen die Nahrung gereicht wird, und auf der Rückseite eine weitere Klappe, durch die der Kot entfernt wird. Sobald das Tier in der Kiste ist, wird der Schieber, der sie verschließt, zugemacht und gesichert, damit er festsitzt. So bleibt es dann während der ganzen Reise. Große Vögel tut man in Kisten oder Körbe, die oben mit Sacktuch überspannt sind. Wenn die Vögel aufzufliegen versuchen und gegen die weiche Decke stoßen, können sie sich nicht verletzen. Kleinvögel setzt man in Transportbehälter, die wie win-
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zige Käfige aussehen; für kurze Entfernungen kann man sie auch in Pappschachteln stecken. Reptilien und Amphibien werden in Kisten verpackt; Arten, die Feuchtigkeit lieben, werden in feuchtes Moos gebettet. Fische versendet man in Blechkannen. Wenn wir früher große Transporte von der Adria holten, wurde ein Güterwagen gemietet und für diesen Zweck eingerichtet. Wandbretter wurden eingebaut, um die Fischkannen darauf zu stellen, eine Durchlüftungseinrichtung geschaffen und manch andere Vorkehrung getroffen. Dann lief der Wagen bis ans Mittelmeer, nahm dort die zuvor gefangenen Fische auf und kehrte zurück. Es gab hier ein großes Risiko: die Heizung. Solange der Wagen von einer Dampflokomotive gezogen wurde, konnte er von ihr aus geheizt werden; aber auf den elektrisierten Alpenstrecken war das damals noch nicht möglich. Im Gebirge wird es aber auch im Sommer nachts recht kalt, und so bestand immer die Gefahr, daß die Behälter zu stark auskühlten und die Tiere krank wurden. Die Amerikaner machen es sich leichter. Sie mieten in New York einen schweren viermotorigen Transporter und richten ihn zum Fischversand ein. Innerhalb 24 Flugstunden erreichen sie einen Landeplatz mitten im südamerikanischen Urwald, füllen dort ihre Transportgefäße und sind nach einem weiteren Tag mit Zehntausenden von Zierfischen wieder an Ort und Stelle. Fast ohne Verluste bringen sie die bunten, oft sehr empfindlichen Geschöpfe aus ihrem heimischen Tropengewässer bis in die Wasserbecken und Glasbehälter der Liebhaber.
Schwierige Transporte Das Beschaffen der Kisten vom richtigen Format ist stets ein Kapitel für sich. Man kann nicht die für jede Art und jedes Alter passende Größe auf Lager haben. In Vorkriegszeiten besaß jeder Zoo einen wohlgefüllten Kistenschuppen, der unter der besonderen Obhut des Oberwärters stand. Da waren die verschiedensten Größen beieinander; aber was man gerade brauchte, fand man auch damals eigentlich nie. Und wenn der Transport glück* lieh abgegangen war, dann war es stets eine schwierige Aufgabe,
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Der K.ölner Schimpanse Peter beim Mittagsmahl die Kisten wieder zurückzubekommen. Denn oft wanderten die Tiere zunächst durch mehrere Hände, bis sie am endgültigen Platz waren — und mit ihnen die Kisten. Besonders teuer sind Raubtierkisten. Sie werden aus Hartholz angefertigt und zum Schutz gegen das Durchbeißen mit Blech ausgeschlagen. Bärenkisten müssen am stabilsten gebaut werden. Hat man glücklich den passenden Behälter für das Tier gefunden oder ihn neu anfertigen lassen, dann prüft man ihn vor dem Einpacken eingehend, ob er auch völlig in Ordnung ist und ob dais Tier sich in ihm nicht beschädigen kann. Dann wird eingepackt. Aber das ist wieder ein Vorgang, der viel Verständnis erfordert, denn die Tiere scheuen meistens den ihnen fremden Behälter. Großtiere wie Rinder oder Antilopen sperrt man meist in einen Stall, stellt die Kiste vor die Tür ins Außengehege, öffnet die Tür und jagt das Tier auf dem altgewohnten Weg hinaus ins Freie, der jetzt durch die Kiste versperrt ist. Meist läßt sich das Tier t ä u 13
sehen und läuft in den Behälter hinein, der schleunigst verschlossen wird; die Reise kann losgehen. Das klingt sehr einfach. Oft aber erfordert es wochenlange Arbeit, wenn das Tier widerspenstig ist. Hornträaer müssen dann an einem Strick, der über ihre Kopfwaffen gestreift wird, in die Kiste hineingezogen werden. Das ist aber ein schweres Stück Arbeit, wenn es sich etwa um einen W i sent von über 15 Zentner Gewicht handelt. Kleinere Tiere machen es dem Zoomann leichter; man fängt sie mit der Hand oder mit einem Käscher, dem Fangnetz. Wenn es sich um gefährliche und wertvolle Tiere handelt, fahren, besonders auf längeren Reisen, ein oder mehrere Begleiter mit. Ist der Transport groß genug, wird ein ganzer Waggon gemietet. Es hat besonderen Reiz, dann mit den Tieren zu reisen. Sobald der Zug fährt, beruhigen sich die Tiere, und man macht es sich gemütlich und bequem. Bei Aufenthalten aber heißt es, sofort die Beine in die Hand nehmen, Wasser beschaffen, tränken, füttern. Das Trinkbedürfnis ist im Sommer besonders groß; bei starker Hitze muß man sehr aufpassen, daß es in den Kisten nicht zu heiß wird und die Tiere darunter leiden. Jteisen mit Tieren sind immer reich an Zwischenfällen. Einmal holte unser Tierarzt einen Waggon abessinischer Tiere äug Marseille ab. Er war mit ihm mehrere Tage unterwegs. Kurz nach der Abfahrt mußte er feststellen, daß eine Kiste mit Sumpfluchsen durch das Rütteln des Zuges zu nahe an eine Kiste mit indischen Streifengänsen gerückt war. Die Raubtiere langten mit ihren Armen in die Gänsekiste hinüber und veranstalteten dort mit Krallen und Zähnen ein rechtes Blutbad. Als der Doktor versuchte, die Kisten umzurücken, fiel ein Behälter mit einem Stinktier herab und zerbrach. Der Stänker hatte keinen Schaden genommen, aber nun wanderte er im Kistengewirr des Waggons umher und war nicht einzufangen, drohte aber ständig, mit einer einzigen Entladung seiner Stinkdrüse den Aufenthalt für einen Menschen unmöglich zu machen. Der arme Doktor mußte einen wahren Eiertanz uml seinen kleinen Gegner herum veranstalten, um ihn ja nicht zu reizen, und er war heilfroh, als er endlich am Ziel der Reise ankamJ Besonders interessant waren die Fahrten nach Hamburg zu den. dortigen Tierhändlern, um Vögel abzuholen. Früher war der Im14
port solcher Pfleglinge eine Domäne der altbekannten Firma Fockelmann. Wenn man sich ihrem Hause näherte, tönte einem schon auf Hunderte von Metern ein unbeschreibliches Vogelgezwitscher entgegen. Manchmal bevölkerten zwanzig- oder dreißigtausend afrikanische Prachtfinken die Flugkäfige: dazu kamen unendlich viele andere, farbenprächtige Gestalten, wie Tukane und Nashornvögel, Tangaren und Bartvögel, Loris und Papageien, Fruchttauben und Paradiesvögel. Jeden Vogel, den ich kaufen wollte, ließ ich herausfangen, nahm ihn in die Hand und untersuchte ihn genau, bevor er verpackt wurde. Die Transportkäfige wurden zum Schutz gegen Zug in Packpapier eingeschlagen und waren von Paketen nicht zu unterscheiden. Ich nahm sie meist als Handgepäck mit. Kaum rollte der Zug im Hamburger Dammtorbahnhof an, regten sich auch schon die Vögel oben im Gepäcknetz und ließen erst schüchtern, dann lauter ihre Stimmen hören. Da war es sehr amüsant, das Benehmen der Mitreisenden zu studieren. Zuerst schauten sie sich geradezu verlegen um und versuchten verstohlen, die Quelle dieser Geräusche zu erkunden, sahen unter die Sitze, aus dem Fenster und schließlich ins Gepäcknetz. Erst wenn ich einen kurzen Aufklärungsvortrag über Inhalt und Ziel der Pakete gehalten hatte, waren alle Beteiligten zufrieden und hörten gern das Gezwitscher an. Stets ist es ein großes Ereignis für alle Tiergärtner, wenn ein, umfangreicher Transport aus fremden Erdteilen in einem Hafen» eintrifft. Wie ein Bienenschwarm um den Honig, so sammeln sich die Interessenten an Bord des Schiffes, sobald es festgemacht hat. Man trifft Kollegen aus allen Ländern Europas. Schon von weitem leuchtet uns das helle Holz der Tierkisten auf dem Deck entgegen. Junge Giraffen stecken Kopf und Hals aus ihrem Verschlag, Elefantenkinder strecken ihre Rüsselchen aus der Futterklappe hervor, Paviane bellen, Papageien lärmen. In unsere Gespräche tönte das Lachen der Zebras, das Grunzen von Büffeln, das Schreien von Schimpansen. Schon an Bord begann das Aussuchen und Aushandeln der Tiere. Das war um so schwieriger, als die Konkurrenz dabeistand und aufmerksam zuhörte. Sobald der geschäftliche Teil beendet war, der Hafentierarzt nochmal den Transport begutachtet und seiner Pflicht genügt hatte, wurden die Kisten so! 15
Abessinisdier Löwe mit seinen Juügeu schnell wie möglich von Bord genommen. Dann konnte die letzte Etappe der Reise beginnen. Oft hatte die Meerfahrt lange Zeit — sechs bis acht Wochen, oder noch länger — gedauert, eine schwere Zeit für die Tiere, die sich nur wenig bewegen konnten. Aber nun reisten sie ihrer zukünftigen Heimat entgegen. Hier mußten sie nochmal eine bestimmte Zeit — etwa zwei Wochen — zur Untersuchung in einem gesonderten Stall abstehen; dann erst kamen sie den Besuchern zu Gesicht.
Geplagte Zooleute Heute stehen wir Zooleute an der Schwelle einer neuen Epoche. Schon jetzt können wir mit dem Flugzeug besonders wertvolle Tiere in weit kürzerer Frist als früher befördern. Wir brauchen nur noch mit Stunden zu rechnen, wo wiir es früher nach Tagen taten. Es wäre schön, wenn man alle Tiere so schnell reisen lassen 16
könnte, aber dem steht heute noch manches im Weg. Die Luftfracht ist sehr teuer; nur solche Tiere können mit den Unkosten einer Luftreise belastet werden, deren Preis sehr hoch ist, ebenso jene Kleintiere, die in großer Zahl auf engem Raum untergebracht werden können. Vögel mit langen Hälsen und Beinen aber, wie Kraniche oder Flamingos, die geradezu Sperrgut darstellen, nehmen zu viel Raum weg. Deshalb herrschen im Tiertransport Schiff und Eisenbahn wegen der niedrigen Tarife heute noch vor, obwohl die Dauer des Transports die Gefahr für Gesundheit und Leben der Tiere sehr erhöht. Zwar sind die Entfernungen zusammengeschrumpft, aber trotzdem türmen sich oft unüberwindliche Schranken zwischen den einzelnen Staaten auf. Seit den dreißiger Jahren macht die Beschaffung der Devisen für den Ankauf immer wieder größte Schwierigkeiten; sie erfordert mitunter einen langen Papierkrieg. Sind aber alle finanziellen Formalitäten glücklich erledigt, dann kommen die tierärztlichen und polizeilichen Vorschriften an die Reihe. Paar-
Junge abessinisdie Löwen 17
hufer, wie Rinder oder Tiere, die mit ihnen nahe verwandt sind, dürfen aus vielen Gegenden der Erde überhaupt nicht, aus anderen nur dann eingeführt werden, wenn sie im Einfuhrhafen eine lange Untersuchungszeit unter strengem Abschluß durchstehen, damit die gefürchtete Rinderpest nicht eingeschleppt wird. Vor Jahren wurde diese Seuche mit ostafrikanischen Tieren in den Zoologischen Garten von Rom übertragen; alle Paarhufer mußten getötet werden. In einen Schweizer Garten wurde die Maul- und Klaueneeuche eingeschleppt. Nach den strengen Veterinärbestimmungen des Kantons wurden auch hier alle Paarhufer ausgemerzt. Besonders erschwert ist die Einfuhr von Papageien, wegen der Psittakose, der Papageienkrankheit, von der sie befallen sein können, ohne daß man es ihnen anmerkt. Diese Krankheit tritt zwar nur selten auf, und es sind bisher in Deutschland nur verhältnismäßig wenig Menschen von ihr befallen worden. Trotzdem wurden sehr strenge gesetzliche Bestimmungen erlassen, die auch heute noch bestehen und befolgt werden müssen, obwohl längst nachgewiesen worden ist, daß wohl alle Vögel von der „Papageienkrankheit" befallen werden können, also nicht nur Papageien, sondern auch die verschiedenen Arten des Hausgeflügels. Als jene gesetzlichen Bestimmungen geschaffen wurden, hatte gerade der Wellensittich seinen Siegeszug als beliebtester Stubenvogel durch ganz Deutschland angetreten. Alljährlich wurden Millionen von Wellensittichen bei uns gezüchtet und zu niedrigstem Preis in den Handel gebracht. Man darf wohl schätzen, daß damals beinahe jeder vierte oder fünfte Haushalt einen Wellensittich beherbergte. Dann aber kamen die Berichte über die „gefährliche Papageienkrankheit". Schlagartig schafften unzählige Mensehen ihren vorher so geschätzten Hausgenossen ab, viele wurden einfach freigelassen und kamen draußen um, denn der Wellensittich kann sich bei uns in Freiheit nicht halten. Damals stellten sich täglich ein oder mehrere dieser schönen Vögel in den Zoos an den Sittichkäfigen ein und versuchten, durch das Gitter zum Futternapf zu gelangen. Seitdem muß jeder Züchter und Händler seine Papageien beringen und über sie Buch führen, damit die Herkunft aller Vögel einwandfrei nachgewiesen werden kann. Die Einjfuhr der Krummschnäbel ist aber so erschwert, daß sie auf legalem Wege kaum 18
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noch möglich ist. Dennoch gelangen Jahr für Jahr Tausende von Papageien in das Inland. Das Risiko des Schmuggels erhöht den Preis derart, daß Papageien in Deutschland das drei- bis vierfache1 von dem kosten, was man für sie etwa in Holland bezahlen muß. Viele europäische Länder haben in der Zwischenzeit die strengen Einfuhrverbote für Papageien wieder aufgehoben oder zum mindesten gelockert; die Bundesrepublik aber hält strikt an ihnen fest. Gottlob werden heute bereits wieder viele Papageien, besonders Sittiche, in Deutschland gezüchtet, so daß Aussicht besteht, d a ß sich jedenfalls für diese Arten ein annehmbarer Preis bilden wird und die Tierfreunde wieder Gelegenheit haben, sich diese so anziehenden Vögel zu beschaffen. Bis dahin aber wird noch manch schöner Papagei in der Hosentasche eines Matrosen, im Doppelboden einer Kiste, im Autokoflfer oder unter Obhut eines bewährten Kaffeeschmugglers den Weg über die Grenze finden. Der arme Zoodirektor aber m u ß sich durch den Wirrwarr der Bestimmungen hindurchfinden, die für jedes Land anders geartet sind. So hat ein Land zum Beispiel die Bestimmung erlassen, daß alle Hühnervögel, die eingeführt werden, gegen Hühnerpest geimpft sein müssen. Der geplagte Tierhändler, der seine Vögel, etwa Fasanen, nach der Einfuhr auf die verschiedenen Zoos verteilen will, muß also immer berücksichtigen, in welchem Land der Zoo liegt, damit er sich bei dem Versand nicht strafbar macht! Es gehört wirklich ein großer Teil Idealismus dazu, unter den heutigen Bedingungen Tiere überhaupt auf die Reise zu schicken.
Der Zoo als Wirischaltsunternehmen TTunderttausende gehen alljährlich in den Zoo, aber all diese Besucher wissen von den vielen Schwierigkeiten nichts, die allein schon mit der Beschaffung der Tiere verbunden sind. Einige Stunden lang erfreuen sie sich an den gutgepflegten, vertrauten Tieren in den sauberen Tierhäusern und Gehegen, an den Blumenbeeten und Grünanlagen und erholen sich hier von Alltag und Berufsarbeit. Sie ahnen nicht, was alles dazu gehört, um die lebenden Insassen bis nach Europa zu bringen. Sie wissen auch nicht, was 19
alles dazu gehört, um sie zu warten, zu ernähren, die Baulichkeiten zu planen, zu errichten und instandzuhalten. Sie wissen nicht, wie hoch die Geldmittel sein müssen, die hierfür aufzubringen sind und woher sie beschafft werden, wie die Tiergärten organisiert sind und wem sie gehören. Die Mehrzahl unserer Zoos und Tiergärten befindet sich heute im Besitz jener Städte, in deren Bereich sie liegen, und sie werden auch direkt oder indirekt -von ihnen betrieben. Manche Städte aber haben den Betrieb des ihnen gehörigen Zoos einem anerkannten Fachmann übertragen. Andere Gärten sind das Eigentum von Aktiengesellschaften, deren Aktionäre jedoch keine Dividende erhalten, sondern statt dessen freien Eintritt haben. Hagenbecks Tierpark in Hamburg-Stellingen, heute der größte in Deutschland, ist von jeher itn Besitz dieser altbekannten Familie. Manche kleinere Gärten werden von Vereinen unterhalten, die sich diese Aufgabe gestellt haben. Genau so verschiedenartig wie die Organisationsfortn sind Ausdehnung und Gestalt der deutschen Tiergärten. Das Gelände des einen Zoos ist noch keine zehn Hektar groß, während andere Tiergärten vierzig bis fünfzig Hektar umfassen. Mancherorts liegen die Tierhäuser und Gehege eng zusammengedrängt, umgeben vom Häusermeer der Großstadt, während sich anderswo der Zoo am Rande der Ortschaft befindet und seine Gehege weitläufig und harmonisch in Parks mit schönen Baumbeständen eingegliedert sind. Je ausgedehnter ein Garten ist, desto besser vermag man die Insassen auf weiten Freiflächen unterzubringen, desto natürlicher kann das Ganze gestaltet werden. In großen Freianlagen kann man gesellige Tiere in größeren Herden und Gruppen halten und so den Besuchern besonders schöne Gelegenheit zur Beobachtung des Familienlebens bieten. Es hat sich gezeigt, daß die Zoobesucher solche Anlagen besonders reizvoll finden, und deswegen legt auch heute jeder Garten Wert darauf, möglichst viele solche weitläufigen Gehege zu haben. Dadurch hat sich das Bild unserer Gärten in den letzten Jahren sehr gewandelt: Während man früher möglichst viele verschiedene Tierarten in einzelnen Tieren oder in Paaren ausstellte und so dem Besucher einen recht vollständigen Überblick vermittelte, ist heute die Zahl der Arten im Tierbestand 20
Unauffällige Sdiutzgräben trennen Besucherwege und TiejgeJanoe im allgemeinen beträchtlich gesunken; dafür werden aber die Tiere selbst, soweit sie gesellig sind, in Herden gehalten, wie es ja auch ihrer Natur mehr entspricht. Die großen Gehege geben ihnen zudem Gelegenheit, sich auszulaufen und auszuspringen, die Tiere sind gesünder und lohnen das durch zahlreiche Nachzuchten. So ist es heute möglieh, die Nachfrage nach Tieren in großem Umfang 'durch Nachzucht aus den Gärten selbst zu befriedigen. Die Einfuhren aus fremden Ländern sind dadurch sehr zurückgegangen. Noch nach dem ersten Weltkrieg war es eine kleine Sensation,' wenn 'der Berliner Zoo sich rühmen konnte, regelmäßig Zebraa zu züchten, heute aber sieht man junge Zebras in vielen Gärten. Mantelpaviane wurden früher alljährlich in großer Zahl eingeführt. In den weiten Paviangehegen, die sich heute fast in jedem größeren Zoo finden, werden nun so viel Jungtiere geboren, daß die Einfuhr keine Rolle mehr spielt. Die Tierbestände der Zoos sind nicht nach einem Schema aufgebaut. Wohl bemüht man sich, überall die wichtigsten Arten zu 21
zeigen, doch legte besonders früher jeder Garten Wert darauf, seine eigene Note zu wahren. So hatte der Zoo Berlin die größte Artenzahl, Leipzig eine weltberühmte Löwenzucht, München die kopfreichsten Herden, Frankfurt viele seltene Kleintiere. Berlin besaß die bedeutendste Tiersammlung der Welt: abgesehen von den Insassen des Aquariums fanden sich hier 1300 Arten von Säugetieren und Vögeln. Frankfurt verzeichnete 500 Arten Säuger und Vögel in 1300 Exemplaren. Der letzte Krieg hat allerdings viel von diesem Reichtum genommen. Die Geländebeschaffenheit ist in jedem Zoo anders geartet. Der Berliner Garten liegt im Schatten herrlicher alter Eichen, Hellabrunn bei München schmiegt sich tief in das Isartal ein, der Zoo Halle bedeckt eine Bergkuppe, jener in Wuppertal umfaßt einen steilen Talkessel, der Nürnberger Garten ist prachtvoll an einem Höhenzug gelegen. Manche Gärten verfügen über prächtige alte Baumbestände wie Frankfurt und Köln; auf Viehkoppeln wurden Stellingen und Augsburg angelegt, der Tiergarten in Bremerhaven am hohen Weserdeich. Der Personalbestand wechselt je nach der räumlichen Größe und der Menge der vorhandenen Tiere. Berlin besaß früher allein siebzig Tierwärter, zwanzig Handwerker, vierzig Gärtner, während der Sommersaison insgesamt über 200 Betriebsangehörige, München etwa sechzig, Frankfurt fünfzig, unter denen die Tierwärter naturgemäß besonders zahlreich sind. Der Jahresetat mancher Gärten erreichte eine beachtliche Höhe. So verbrauchte Berlin vor dem Krieg etwa 1,5 Millionen, Frankfurt 300000 Mark. In Berlin wurden etwa 300000 Mark allein für die Fütterung der Tiere und 40000 bis 60000 Mark für Neuerwerbungen, in Frankfurt 90000 Mark für Futter und 30000 Mark für Tierkäufe ausgeworfen. Die Geldmittel werden in erster Linie durch die Einnahmen aus dem Besuch aufgebracht. Weitere Quellen bilden die Pachten der Gaststätten und der Verkauf überzähliger Tiere, vor allem aus eigener Nachzucht. Die meisten Gärten aber erhalten beträchtliche Zuschüsse durch die Stadt, in der sie sich befinden. Die Größe der Stadt, die einen Zoo besitzt, und die Bevölker rungsdichte der näheren und weiteren Umgebung, aus der sich die 22
Besucher zusammensetzen, ist für die Wirtschaftlichkeit jedes Gartens ausschlaggebend. Im allgemeinen muß eine Stadt wohl rund 200000 Einwohner haben, wenn ein Zoo Existenzmöglichkeit finden soll. Für die Stärke des Besuches ist allerdings noch vieles andere wesentlich. So sind die Verkehrsverbindungen sehr wichtig. Ältere Gärten sind völlig von der Stadt umwachsen worden; sie sind daher von allen Stadtteilen aus leicht zu erreichen). Aber solche Gärten haben fast keine Ausdehnungsmöglichkeit mehr.
Der Direktor und seine Gehillen Die Verwaltung der Gärten ist im allgemeinen gleichartig. Der Berliner Mammutzoo wurde von zwei Direktoren geleitet, von denen einer Tierfachmann, der andere Kaufmann war. In den kleineren Gärten ist meist nur ein verantwortlicher Leiter vorhanden. In der Regel werden solche Männer auf diesen Posten berufen, die eine gründliche Ausbildung in einem anerkannten Zoo genossen haben. Denn es liegt auf der Hand, daß gerade für eine erfolgreiche Tierpflege die praktische Erfahrung im Zoobetrieb grundlegende Voraussetzung ist. Ein wissenschaftliches Studium der Zoologie oder der Tiermedizin ist zwar durchaus wünschenswert, aber es vermittelt gerade diejenigen Kenntnisse nicht, die der Tiergärtner in der Praxis braucht. Leider waren immer nur wenige Gärten geldlich in der Lage, Assistentenstellen einzurichten. Infolgedessen war manchmal ein spürbarer Mangel an geeignetem Nachwuchs an Zoodirektoren festzustellen. Die Tierwärter dagegen stammen aus allen Berufen, sie haben sich aus den verschiedensten Motiven um Arbeit im Zoo beworben. In vielen Gärten werden sie zunächst als Hilfswärter auf Probe eingestellt, arbeiten nacheinander in allen Revieren und werden unter Aufsicht des Direktors von den erfahrenen Kollegen in die Praxis der Tierpflege eingeführt. Das Lernen allein macht es aber nicht. In diesem Beruf kommt es vielmehr vor allem auf die Liebe zum Tier und auf ein besonderes Einfühlungsvermögen an, auf scharfe Beobachtungsgabe und überdurchschnittlichen Arbeitseifer. Das aber sind Gaben, die der Anwärter mitbringen |muß, man kann sie ihm nicht anerziehen. Neuerdings nehmen manche 23
Gärten Jugendliche als Lehrlinge an. Sie können nach einer vorgeschriebenen Lerntätigkeit die Gehilfenprüfung bei der Industrieund Handelskammer ablegen. Jeder Zoo ist in verschiedene Reviere eingeteilt. Für jedes Revier ist ein Wärter verantwortlich, dem männliche oder weibliche Hilfskräfte zugeteilt sein können. Ein besonders wichtiges Revier ist der Wirtschaftshof, der gewöhnlich dem Inspektor untersteht. Hier werden die meisten Futtermittel gelagert und täglich verausgabt. In einer Küche werden diejenigen Speisen, die für die Tiere gekocht werden müssen, zubereitet. Der Aufbewahrungsraum für Fleisch ist oft im Raubtierhaus untergebracht, denn hier werden die größten Portionen verbraucht. Die Futtermengen, die im Laufe eines Jahres konsumiert werden, sind in den größeren Gärten beachtlich. Sie können zehntausende Zentner Heu, tausende Zentner Hafer, Hunderte von Zentnern Fleisch und Fisch betragen. All das verwaltet der Inspektor. Er kauft ein und teilt die Tagesrationen zu, er sorgt dafür, daß das Futter richtig verwan,dt wird und den Tieren zugutekommt, für die es bestimmt ist. Für diesen Posten sind deshalb nur solche Menschen geeignet, die viel Sachkenntnis besitzen, gut wirtschaften können, den Überblick über den Markt behalten und vor allem grundehrlich sind. Sie müssen gewandte Geschäftsleute sein und stets auf dem Sprung stehen, um gerade solche Waren aufzukaufen, die unansehnlich geworden und deshalb für den menschlichen Gebrauch nicht mehr zu verkaufen sind, wohl aber als Futtermittel noch gut verwandt und billig erworben werden können. Der Oberwärter beaufsichtigt die eigentliche .tierpflegerische Arbeit, die Säuberung der Gehege, die Behandlung kranker Tiere; er unterstützt den Tierarzt bei seiner Tätigkeit, lernt neue Hilfslkräfte an, leitet das Einfangen, Auspacken und Umsetzen von Tieren. Er ist meist im Dienst ergraut, kennt sämtliche Reviere und hat einen guten Blick für den Gesundheitszustand der Pfleglinge. Er muß all die unzähligen Kniffe beherrschen, mit deren Hilfe man Wildlinge an das Futter bringt, Neuankömmlingen die Eingewöhnung erleichtert, Tiere zur Behandlung herausgreift, scheue Pfleglinge zahm macht, die Bewohner eines Geheges in das benachbarte umdirigiert und vieles andere mehr. Er muß ebenso 24
Geburtshilfe leisten wie einander fremde Tiere zusammenbringen können — kurz: er muß die ganze Praxis beherrschen. Direktor, Inspektor und Oberwärter müssen sich aufs beste ergänzen, wenn der Betrieb reibungslos ablaufen soll. In großen Zoologischen Gärten tritt zu diesem Mitarbeiterstab eine ganze Anzahl weiterer Personen; zum Beispiel ein bis zwei Assistenten, ein Tierarzt, ein Baumeister, ein Garteninspektor, eine Tierphotographin. Die Assistenten nehmen dem Direktor die Last der weniger bedeutungsvollen Aufgaben ab. Der Tierarzt ist besonders wichtig. Nun genießen Tierärzte eine Ausbildung, die sich auf die bei uns häufigen Haustiere beschränkt. Sie müssen sich im Zoo also erst mühsam einarbeiten; selbst große Wissenschaftler kennen den Körperbau seltener Tierarten nicht, von ihren Krankheiten ganz zu schweigen, und sogar Universitätsinstitute lassen uns hier im Stich. Dazu treten die unzähligen Schwierigkeiten bei der Behandlung von Pfleglingen, die gar nicht bösartig zu sein brauchen, sich aber vom Arzt nicht wehtun lassen wollen, auch wenn es ihr Vorteil ist. Es ist zwar eine Kleinigkeit, einem Pferd die Hufe zu beschneiden; bei einem Zebra aber ist es ein Kunststück, denn es läßt sich nicht gutwillig anfassen oder sich ein Halfter anlegen, es beißt und schlägt. Wenn man ihm aber Gewalt antut, regt es sich so auf, daß sein Leben gefährdet ist! Wenn einer Katze eine Kralle einwächst, so kostet es den Tierarzt geringe Mühe, den Schaden zu beheben; bei einem Löwen aber ist es ein Vorgang, der für Mensch und Tier gefährlich werden kann. Die wichtigste Aufgabe des Zootierarztes besteht darin, vorbeugende Maßnahmen zu erdenken und auszuführen, um vor allem seuchenhafte Krankheiten fernzuhalten. Man darf nicht vergessen, daß die Zusammenballung vieler Tiere auf kleinem Raum stets eine solche Gefahr mit sich bringt; Epidemien können gerade im Zoo schnell um sich greifen. Der Ankauf neuer Tiere bietet zudem immer wieder Ansteckungsquellen. Deshalb ist sorgfältige Überwachung des Tierbestandes notwendig, sollen Katastrophen verhütet, Krankheiten schnell erkannt und wirksam bekämpft werden. Besonders schwer ist es für jeden Zoo, den richtigen Mann für seine Neubauten zu finden. Ein Architekt vermag wohl stets schöne 25
und zweckmäßige Behausungen für Menschen zu errichten; sich aber den vielfältigen Bedürfnissen verschiedenster Tiere anzupassen erfordert ein besonderes Einfühlungsvermögen. Während im allgemeinen der Architekt bestrebt ist, das von ihm entworfene Bauwerk selbst wirken zu lassen, soll im Zoo stets das Tier die Hauptsache sein, nicht das Gebäude. Seine Bewohner sind ja die Hauptsache, sie sollen sich präsentieren, gut zu sehen sein und in möglichst gesunden Verhältnissen leben. Zudem sollen die Baulichkeiten so beschaffen sein, daß die Wärter in ihnen gut arbeiten können. Auch die Helfer des Baumeisters, die Handwerker, müssen es verstehen, sich den Bedürfnissen der Tiere anzupassen. Alles Material muß stark und fest genug sein, um die Beanspruchung durch die Zooinsassen auszuhalten. Und der Handwerker muß sich bei seiner Arbeit so bewegen, daß er die Tiere nicht erschreckt und stört; er muß wissen, wie ein Tier sich verhält, wenn er plötzlich an einem ungewohnten Ort auftaucht und hier zu hämmern oder zu meißeln beginnt. Auch das klingt einfach, aber man m u ß es einmal erlebt haben, wie Antilopen oder Zebras in Entsetzen gegen Gitter und Zäune stürmen, weil ein Dachdecker nichtsahnend oben auf dem Sims ihrer Behausung erschien. Bei jedem Neubau, bei jeder Reparatur aber hängt die letzte Entscheidung vom Leiter des Zoologischen Gartens als der fachlichen Autorität ab. Er muß angeben können, wie stark etwa eine Transportkiste für Elefanten oder eine solche für Zwergmäuse sein m u ß , er muß sagen, wie kräftig das Drahtgeflecht für ein Gnugehege oder wie breit ein Absperrgraben für Tiger sein muß. Die Tiere dürfen nie ausbrechen können, aber die Behälter und die Gehege für sie müssen auch möglichst billig gebaut werden, um übermäßige Kosten zu ersparen. Selbst der Nachtwächter im Zoo widmet den Hauptteil seines Dienstes den Tieren. Natürlich hat er das Eindringen Unbefugter zu verhindern; vor allem aber muß er sein Augenmerk auf unsere Pfleglinge richten und darauf achten, ob irgend etwas Ungewöhnliches geschieht, Tiere aufgeregt brüllen, unruhig sind oder stampfen. Jeder auffälligen Erscheinung geht er sofort nach und macht notfalls Meldung an Direktor und Oberwärter. Meist wohnt ja ein 26
Teil der Belegschaft im Betrieb oder in seiner Umgebung, damit immer genügend Menschen zur Hand sind. Direktor und Oberwä'rter hausen wohl stets im Garten; sie haben kaum ein Privatleben, denn ihr ganzes Dasein gilt den Tieren. Mit dem Zoopersonal vom Direktor bis zum Nachtwächter ist es aber noch nicht getan. Zu ihnen tritt die Schar der Gärtner, Kassierer und Kontrolleure, die alle mithelfen, das Gedeihen des Gartens zu sichern. Erst ihrer aller Zusammenarbeit schafft jene schöne Ganzheit „Zoo", von der die Besucher so wenig ahnen. Die Arbeit im Zoo beginnt frühzeitig, zwischen 7 und 7^£ Uhr, denn die Tiere wollen morgens gefüttert und getränkt werden, um satt aus den Stallungen in die Freigehege zu gehen, sobald die ersten Besucher erscheinen. Im Sommer dauert der Dienst bis nachmittags 6 oder 61/2 Uhr, im Winter bis zum Dunkelwerden. Oft muß ein Wärter aber auch nachts über in seinem Revier sein, wenn etwa ein Tier krank ist oder ein schwierige Geburt bevorsteht. Bei Dienstbeginn pflegt der Direktor des Gartens durch den gesamten Betrieb zu gehen. Jeder Wärter berichtet, was sich ereignet hat, ob ein Tier erkrankt ist, ob Zugänge oder Abgänge zu verzeichnen sind und ob Reparaturen an Bauten oder Gehegen ausgeführt werden müssen. Die Patienten werden besichtigt und die nötigen Behandlungsmaßnahmen getroffen. Die Handwerker erhalten ihre Tagesaufgabe zugewiesen. Auch im Laufe des Tages sieht der Direktor immer wieder im Garten nach dem Rechten, aber auch die Arbeit im Büro nimmt viel von seiner Zeit in Anspruch. Die Vorgänge in der Verwaltung müssen erledigt, Nachrichten an die Presse und den Rundfunk gegeben, die Werbung für den Tiergarten veranlaßt, die Beziehungen zu den Behörden aufrechterhalten werden. Tiere werden erworben und verkauft, Neubauten werden entworfen, Anlagen geplant. Und deshalb muß ein Zoodirektor alles in einer Person sein: Tiergärtner, Kaufmann, Verwaltungsbeamter, Werbefachmann, Journalist und Bau- und Gartensachverständiger. Er muß sich dauernd umstellen, sich anpassen, sich in neue Wissensgebiete einarbeiten. So vergeht der Arbeitstag eines Zoodirektors in buntem Wechsel: Er schaut immer wieder nach den Tieren, den Wärtern, den Besuchern, zwischendurch muß er die Post beantworten, Besuche empfangen, mit Ge27
schäftsfreunden verhandeln. Da will jemand wissen, wie alt ein Elefant wird, warum der Kanarienvogel nicht singt oder wie der Name eines Säugetiers mit fünf Buchstaben im Kreuzworträtsel lautet. Immer wieder klingelt das Telefon. Zeitungen wünschen das Neueste zu erfahren, Lieferanten wollen geschäftlich verhandeln, Bauarbeiten müssen beaufsichtigt werden. So verrinnt der Tag viel schneller, als er soll. Und ähnlich abwechslungsreich verstreicht die Arbeitszeit der Tierwärter, denn bei ihren Pfleglingen kommt es immer anders, als man meint. Sie werden krank, sterben, bekommen Kinder, werden zahm oder bös — stets ist etwas mit ihnen los. Aber gerade diese Vielgestaltigkeit macht die Tätigkeit im Zoo interessant und zieht die Menschen in ihren Bann.
Vom Lehensrecht der Tiergärten TX7as gibt uns eigentlich das Recht, viele oft seltene Tiere einzufangen, sie in unsere Obhut zu nehmen und im Zoologischen Garten zur Schau zu stellen? Wozu gibt es solche Einrichtungen, welche Aufgabe haben sie in der heutigen Zeit zu erfüllen? Seit Jahrtausenden hat der Mensch Wildtieren die Freiheit genommen. Eine Anzahl verschiedener Arten wurde zu Haustieren, ohne die der Aufstieg der menschlichen Kultur undenkbar gewesen wäre. Ohne sie könnten wir uns weder bekleiden noch ernähren: unsere Landwirtschaft würde zusammenbrechen, Handel und Verkehr würden schwere Schäden erleiden. Niemand wird daher über das Recht streiten wollen, Haustiere zu halten, solange diese Mitgeschöpfe zweckmäßig gehalten und mit Sorgfalt gepflegt werden oder ihre Behandlung keinen Anlaß zu Beanstandungen gibt. Viele unserer Zootiere sind seit langem auf dem besten Weg, Zoohaustiere zu werden. Die überwiegende Mehrzahl kennt die Freiheit gar nicht mehr, sondern ist im Tierpark geboren und groß geworden. Manche Arten werden seit vielen Generationen in Gefangenschaft gezüchtet, sie brauchen nicht mehr aus ihrer Heimat hergeholt zu werden, falls es nicht notwendig ist, den Zoobeständen frisches Blut zuzuführen. Andere Arten sind in der Freiheit überhaupt ausgestorben und leben ausschließlich im Tierpark, wie Wisent, Steppenwildpferd 28
Schönheits- und Gesundheitspflege beim Elefanten und Davidshirsch. Für sie war die Überführung in die Gefangenschaft die Rettung vor der Vernichtung. Die Zahl solcher Tiere wird in Zukunft rasch zunehmen, denn die letzten Zufluchtsstätten der Großtiere werden durch die immer weiter fortschreitende Besiedlung unserer Erde ständig mehr eingeengt. Die Naturschutzgebiete und Nationalparks, die wie Inseln im Meer der von der menschlichen Wirtschaft umgeformten Landschaft liegen, sind nicht zahlreich und ausgedehnt genug, um allen Tierarten ein Asyl zu gewähren. Darum, werden die Zoologischen Gärten zukünftig die Aufgabe haben, eine ganze Anzahl interessanter Großtiere vor der endgültigen Ausrottung zu bewahren. Mancher Tierfreund meint freilich, es sei grausam, ein Lebewesen der Freiheit zu berauben. Nun, Tiere schweifen in der Wildnis meist nicht frei und ungebunden umher, wie man es glauben möchte. Bei den meisten Arten hält jedes Einzeltier, jede Herde 29
in der Freiheit einen bestimmten Raum, ein Revier inne. Das ist das Heim, aus dem jeder Eindringling vertrieben wird. Ein Wolf zum Beispiel kann gar nicht planlos durch die Urwälder Kanadas streifen, er würde immer aufs neue die Heimstätten fremder Wolfsrudel durchqueren, verfolgt, abgebissen oder sogar zerrissen werden. So hat fast jedes Tier auch in der Freiheit einen oft recht engen Wohnraum, der manchmal gar nicht viel größer ist als ein geräumiges Gehege. Es ist auch ein Fehlurteil, zu glauben, ein gefangenes Tier trauere der verlorenen Freiheit nach, wie wir Menschen das tun. Wenn wir hinter Gittern oder hinter dem Stacheldraht sitzen, malen wir uns aus, wie schön es wäre, frei zu sein. Den Tieren fehlt dieses Vorstellungsvermügen. Sie sind zudem viel abhängiger vom Augenblick als wir. Sie sind leichter zufrieden, wenn sie ausreichend zu essen, zu trinken, zu spielen und zu lieben haben, wenn sie einen passenden Schlafplatz und genügend Raum besitzen, um sich Bewegung zu machen. Ein guter Maßstab für das Wohlbefinden vieler Tiere in der Gefangenschaft ist es, wenn sie sich regelmäßig fortpflanzen. Bei der überwiegenden Mehrzahl unserer Tiergartenpfleglinge ist dies der Fall. Solange also die Insassen der Zoos mit der nötigen Sachkenntnis gepflegt und in ausreichend großen Gehegen gehalten werden, dürfte sich wenig gegen den Entzug der Freiheit einwenden lassen. Die eigentlichen Aufgaben der Zoologischen Gärten haben sich im Verlauf ihrer Geschichte gewandelt. Die Mehrzahl von ihnen ist in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entstanden. Damals herrschte ein außerordentliches Interesse an der Tier- und Pflanzenwelt; das drückte sich in der besonders hohen Zahl von Menschen aus, die Naturalien, wie Schmetterlinge und Käfer, Vogeleier und Schneckenschalen sammelten. Zudem beschäftigte der Kampf um die von Darwin begründete Entwicklungslehre alle Gemüter. Der Zoologische Garten bot das lebende Anschauungsmaterial für den Streit der Meinungen. Heute ist die Entwicklungslehre fest begründet und zum Bestandteil der Allgemeinbildung geworden, die zoologischen Kenntnisse aber haben außerordentlich und erschreckend abgenommen. Die Jugend vor allem hat sich technischen Dingen zugewandt. Inzwi30
sehen aber sind die Städte gewaltig angewachsen, ihre Einwohner haben die Verbindung zur Natur weitgehend verloren. Viele wissen kaum noch, wie die gewöhnlichen Haustiere aussehen. Der Zoo ruft deshalb ihr Interesse an den Mitgeschöpfen wach, er gibt ihnen Gelegenheit, sie beobachten, kennen und lieben zu lernen. Gleichzeitig bietet er Millionen die Möglichkeit, sich von der schweren Arbeit des Alltags im Grün der Parks, in beschaulicher Ruhe, bei anregender Beschäftigung mit den Tieren zu erholen, er macht also den Menschen das Leben schöner und reicher. Und das ist eine Aufgabe, deren Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen ist. Wenn die Tierparks diese hohe Aufgabe erfüllen, dienen sie besonders den minderbemittelten Schichten, der arbeitenden Bevölkerung, die nicht das Geld für kostspielige Ausflüge und Erholungsreisen aufbringen kann. Ein Besuch im Zoologischen Garten regt die Phantasie an, er weitet den Blick und führt aus der Enge der Heimat in die Weite ferner Welten. Die Gärten bieten aber nicht allein Erholung und Entspannung, sie wecken nicht nur das Interesse an den Tieren, sie geben auch jedem, der es wünscht, Gelegenheit, sich belehren zu lassen. So läßt sich die heutige Aufgabe der Zoologischen Gärten in wenigen Worten zusammenfassen: die Allgemeinheit soll Gelegenheit haben, im Umgang mit Tieren Erholung und Erbauung zu suchen, neue Kraft für die Arbeit zu schöpfen; die Menschen sollen an ihren Mitgeschöpfen interessiert werden. Allen, denen es nicht vergönnt ist, durch kostspielige Reisen den Gesichtskreis zu erweitern, soll die Möglichkeit gegeben werden, sich etwas vom Reichtum der Welt zu eigen zu machen.
Unischlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Testbilder: Zoologiseher Garten Merlin, Bildverlag P. Nagel, Augsburger Tiergarten.
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K. Sehreck,
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