Jurgen Gerhards • Mike Steffen Schafer Die Herstellung einer offentlichen Hegemonie
Jurgen Gerhards Mike Steffen Scha...
90 downloads
1284 Views
10MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Jurgen Gerhards • Mike Steffen Schafer Die Herstellung einer offentlichen Hegemonie
Jurgen Gerhards Mike Steffen Schafer
Die Herstellung einer offentlichen Hegemonie Humangenomforschung in der deutsclien und der US-amerikanisclien Presse
'^^t
1;'^
4^ 'C^ ^^^ VS VERLAG FUR SOZIALWISSENSCHAFTEN
Bibliografische information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzelchnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im internet iiber abrufbar.
1. Auflage Marz 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag fur Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Frank Engelhardt Der VS Verlag fijr Sozialwissenschaften ist ein unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiJr vervielfaltigungen, Ubersetzungen. Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: KunkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-531-14964-4
Vorwort
Die hier vorgelegte Studie ist aus einem vom Bundesministerium fiir Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „Forschung zu den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekte der Molekularen Medizin" geforderten Projekt (Fdrdernummern 01 GP 0214 / 01 GP 0264) hervorgegangen. Bei der Durchfiihrung des Projekts haben uns mehrere Personen unterstiitzt. Christina May, Nicole Schulze, Linda Klemm und Jan Keilhauer haben als studentische Hilfskrafte die inhaltsanalytische Codierung der Artikel ubernommen und auch kleinere Analyseteile eigenverantwortlich realisiert. Sie haben mit ihrem grofien Engagement und mit ihrer Sorgfalt entscheidend zum Gelingen des Projektes beigetragen. Tobias Schlecht hat durch seine Programmierung einer Daten-Eingabemaske fiir eine unproblematische und zuverlassige Datencodierung gesorgt. Jochen Roose und Simone Rodder haben einzelne Kapitel der Studie kritisch kommentiert. Das Manuskript wurde von Kristin Haker, Nele Momber und David Glowsky sprachlich korrigiert und formatiert. Ihnen alien gilt unser herzlicher Dank. Berlin, Januar 2006
Inhaltsverzeichnis
1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2.
2.1 2.2
3. 3.1 3.2
Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellungen der Untersuchung Humangenomforschung als offentliches Thema Theoretische Konzeptionalisierung des Verhaltnisses von Offentlichkeit und Wissenschaft Fragestellungen der Untersuchung Untersuchung massenmedialer Diskurse im Landervergleich Erlauterung des Vorgehens
9 9 16 26 31 34
Vorstrukturierung der Diskurse: Die Entwicklung der Humangenomforschung und die offentlichen Debatten zu anderen biowissenschaftlichen Themen Die Entwicklung der Humangenomforschung in Deutschland und den USA Die Vorstrukturierung der Diskurse iiber Humangenomforschung
48
Methoden Inhaltsanalyse Qualitative Interviews
67 68 86
37 38
4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 5. 5.1 5.2
6.
Offentliche Hegemonie: Ergebnisse des Vergleichs zwischen Deutschland und den USA Struktur der Berichterstattung Standing: Akteure im Diskurs Zustimmung oder Ablehnung: Positionen der Akteure Framing: Die Deutung der Humangenomforschung Resiimee Medien- und landeriibergreifende Hegemonie Die Kommunikation liber Humangenomforschung im Internet Diskurse uber Humangenomforschung in Frankreich, Groi?britannien und Osterreich
93 93 110 123 133 151 155 155 169
Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Diskurscharakteristika Die Rolle der Journalisten im Mediendiskurs Das Agenda Building der extramedialen Akteure
183 185 194
7.1 7.2
Zusammenfassung der Ergebnisse im Horizont normativer Offentlichkeitstheorien Normative Modelle von wissenschaftlicher Offentlichkeit Bilanz
239 241 246
8.
Literaturverzeichnis
253
6.1 6.2 7.
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung der Untersuchung
1.1 Humangenomforschung als offentliches Thema Der Enthusiasmus, den das renommierte Wissenschaftsmagazin „Science" im Dezember 2000 an den Tag legte, war selbst flir den von der Zeitschrift jahrlich verkiindeten wissenschaftlichen „Durchbruch des Jahres" ungewohnlich. Es wies die Sequenzierung des menschlichen Erbguts nicht nur als das wichtigste Ereignis des Wissenschaftsjahres 2000 aus, sondern ging noch darliber hinaus: ^Science marks the production of this torrent of genome data as the Breakthrough of 2000; it might well be the breakthrough of the decade, perhaps even the century, for all its potential to alter our view of the world we live in." (Pennisi 2000: 2220)
Mit diesem Enthusiasmus stand „Science" jedoch nicht allein; das Magazin reihte sich nahtlos in die offentlichen Einschatzungen anderer Protagonisten innerhalb und aufierhalb der Wissenschaft ein. Bei der Presentation der noch unfertigen ,Arbeitsversion' der Genomsequenz einige Monate zuvor im Weifien Haus in Washington pries US-Prasident Bill Clinton die Verschriftung des Genoms als die „zweifellos wichtigste, wundervollste Karte, die je von Menschen erschaffen wurde" und erwies den Wissenschaftlern seine Anerkennung daflir, dass man nun die „Sprache, in der Gott das Leben erschuf" lesen konne. Der britische Ministerprasident Tony Blair, zugeschaltet per Satellit, schilderte die Sequenzierung des Genoms als einen „jener menschheitsgeschichtlich seltenen Durchbriiche, die die Menschheit eine Grenze iiberschreiten lassen und den
10
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
Beginn einer neuen Ara einlauten". Francis Collins, wissenschaftlicher Leiter des staatlich geforderten Human Genome Projects, bezeichnete die Sequenzierung als „Meilenstein einer nie da gewesenen Reise, der Reise in uns selbst", und sein KoUege J. Craig Venter, Prasident und „chief scientific officer" der Firma Celera Genomics und damit des grofien Konkurrenten des staatlichen Projekts, sah die Sequenz als „historischen Punkt in der 100.000-jahrigen Menschheitsgeschichte" (The White House 2000). Dieses einmiitige Lob wissenschaftlicher und politischer Akteure bezog sich auf eines der bedeutsamsten und aufwandigsten Wissenschaftsprojekte der vergangenen Jahrzehnte: auf die Sequenzierung des Humangenoms, d. h. des menschlichen Erbguts. Ziel der Humangenomforschung war es, das menschliche Genom, mithin die gesamte aus 3,2 Milliarden Basenpaaren bestehende menschliche DNS, die jeder Mensch in jeder Korperzelle in sich tragt, auf molekularer Ebene exakt zu beschreiben.i Da die im Genom gelagerten Informationen die Proteinbildung und somit die Entstehung und Entwicklung von Geweben und Organen mitbestimmen, versprach man sich von der Sequenzierung Erkenntnisse, die sowohl der biologischen Grundlagenforschung zugute kommen als auch in vornehmlich medizinische Anwendungen miinden soUten. Das hier vorgelegte Buch beschaftigt sich jedoch nicht mit der sequenzierenden Humangenomforschung als solcher, sondern stellt eine sozialwissenschaftliche Analyse der offentlichen Debatte iiber Humangenomforschung vor. Damit nehmen wir eine Position der Beobachtung ^ Die im Gentechnologiebericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften verwendete Definition der Genomforschung lautet: „Unter Genomforschung oder Genomik versteht man die Analyse von vollstandigen Genomen - einschliefilich der Zahl und Anordnung von Genen sowie deren Sequenz und Funktion/' (Hucho und Kochy 2003: 3) Wir werden uns hier erstens nur auf die Genomforschung an Menschen, mithin die Humangenomforschung beschranken. Zweitens werden wir uns mit der sequenzierenden Humangenomforschung beschaftigen, weniger mit der so genannten „funktionalen Genomik", die die Funktionen des Genoms resp. seiner Teile aufzuklaren versucht. Mehr Information iiber das Vorgehen und die technischen Grundlagen der Humangenomforschung finden sich bei Cook-Degan (1995: bes. 13ff) und Fischer (2002). Fiir eine verstandUche, umfassender angelegte Einfiihrung in molekularbiologische Grundlagen vgl. Winnacker (2002).
1.1 Humangenomforschung als offentliches Thema
11
zweiter Ordnung ein: Wahrend Biologen^ und Mediziner in Laboratorien mit der „Entschlusselung" des menschlichen Genoms beschaftigt sind, wurden und werden sie von der Offentlichkeit und insbesondere den Massenmedien beobachtet. Die zitierte Pressekonferenz im Weifien Haus etwa, die zur offentlichen Darstellung wissenschaftlicher Forschung initiiert wurde, ist Teil dieser Beobachtungsprozesse erster Ordnung. Unser Untersuchungsinteresse ist dem noch einmal iibergeordnet. Wir analysieren die offentliche Debatte liber Humangenomforschung (Beobachtung erster Ordnung) mit dem empirischen und theoretischen Instrumentarium der Offentlichkeitssoziologie (Beobachtung zweiter Ordnung). Wodurch zeichnet sich eine solche offentlichkeitssoziologische Perspektive nun aus und was kann man von ihr an Erkenntnissen erwarten? Wissenschaftliche Forschung findet nicht im gesellschaftsfreien Raum statt; die Entstehung und Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnissuche ist eingebettet in gesellschaftliche Rahmenbedingungen - den sprichwortlichen „Elfenbeinturm" in seiner reinen Form gibt es nicht. Das ist ein wissenschaftssoziologischer Allgemeinplatz, und die Beispiele daftir, dass soziale Einfliisse wissenschaftliche Erkenntnisproduktion (mit)formen, sind Legion. Aus einer eher makrosoziologischen Perspektive haben etwa Fleck und Kuhn gezeigt, dass sich wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt nicht allein aus der Logik kumulativer Wissensproduktion erklaren lasst, sondern von wissenschaftlichen Paradigmen abhangig ist, die wiederum sozial geformt sind (klassisch dazu: Fleck 1935/1980; Kuhn 1967). Mikrosoziologische Studien haben nachgewiesen, dass wissenschaftliche Erkenntnisproduktion im hohen MaCe durch Arbeitsablaufe in Laboratorien, Prozesse der Aushandlung von Interpretationen, soziale Hierarchien und organisatorische Routinen gepragt ist (klassisch hierzu: Latour und Woolgar 1979; Knorr-Cetina 1988; 1981). Neuere Arbeiten aus dem Bereich der Wissenschaftsforschung zeigen den Einfluss gesellschaftlicher und sozialer Rahmenbedingungen auf wissenschaftliche Forschungsverlaufe und auf die Ubersetzung von For2 Im folgenden sind mit Begriffen wie Biologe, Mediziner, Journalist usw. selbstverstandlich immer Biologinnen, Medizinerinnen, Journalistinnen usw. mit gemeint. Zur besseren Lesbarkeit nehmen wir die grammatisch einfachere Form.
12
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
schungsergebnissen in Technologien und in Technik (vgl. z.B. Edge 1995; Bijker et al. 1987). Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Wissenschaft haben sich in den letzten Jahrzehnten jedoch auf eine sehr spezifische Weise verandert. Peter Weingart hat diese Entwicklung mit Hilfe systemtheoretischer Begrifflichkeiten beschrieben. Weingart zufolge lasst sich die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte als ein Prozess mit zwei Auspragungen beschreiben: als Venuissenschaftlichung der Gesellschaft einerseits und als Vergesellschaftung der Wissenschaft andererseits (vgl. Weingart 2003; 2001). Die Beschreibung der Entwicklung als ein Prozess der Verwissenschaftlichung der Gesellschaft kniipft an Max Webers Rationalisierungskonzept an. Verwissenschaftlichung meint, dass alle Lebensund Handlungsbereiche mit wissenschaftlichem Wissen durchdrungen werden. Sowohl wirtschaftliches Handeln und politisches Entscheiden als auch Familienplanung, kiinstlerisches Handeln, Trainingsentscheidungen im Leistungssport usw. werden immer ofter und intensiver durch wissenschaftliches Expertenwissen begleitet und beeinflusst. Mit diesem Prozess geht eine Expansion des Wissenschaftssystems einher: „Das Wissenschaftssystem ist in alien Industrienationen allein in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts um rund eine GroCenordnung gewachsen, die Zahl der Wissenschaftler, die Zahl ihrer Veroffentlichungen, die Summe der aufgewendeten Mittel wahrscheinlich noch mehr" (Weingart 2001: 28). Spiegelbildlich und komplementar zur Verwissenschaftlichung der Gesellschaft findet eine Vergesellschaftung der Wissenschaft statt. Damit ist gemeint, dass die anderen Teilsysteme der Gesellschaft - vor allem die Politik, die Wirtschaft und die Offentlichkeit - auf das Wissenschaftssystem einwirken und zu einer Politisierung, Okonomisierung und Mediatisierung von Wissenschaft beitragen (Weingart 2002: 703). Die Folge dieser Entwicklung ist, dass die strukturellen Kopplungen zwischen dem Wissenschaftssystem und den anderen Teilsystemen zunehmen und sich intensivieren. Wissenschaftliches Wissen verleiht erstens politischem Handeln und politischen Entscheidungen Legitimitat und stellt Problemlosungswissen zur Verfiigung; im Gegenzug erhalt die Wissenschaft ma-
1.1 Humangenomforschung als offentliches Thema
13
terielle und immaterielle Ressourcen, rechtlich-strukturelle Absicherungen etc. (Weingart 2003: 89ff). Wissenschaftliches Wissen kann zweitens der Wirtschaft bei der Entwicklung okonomisch verwertbarer Produkte und bei der Steigerung ihrer Profitabilitat nutzen. Im Gegenzug werden zunehmend mehr wissenschaftliche Projekte von diesen Unternehmungen gefordert, die sich dabei allerdings auf die Forderung kurz- oder mittelfristig verwertbarer Forschung und nicht auf Grundlagenforschung konzentrieren (Weingart 2003: 103f; ftir die Biowissenschaften vgl. Hucho et al. 2005: 33). Drittens schliefilich befriedigt wissenschaftliches Wissen das offentliche und massenmediale Bediirfnis nach Neuem und Aktuellem; im Gegenzug dienen Massenmedien der Wissenschaft als moglicher Ort der offentlichen Legitimation (Weingart 2003:113ff; 2005). Der zuletzt genannte Aspekt ist fur unsere Fragestellung der entscheidende: Wir untersuchen das Verhaltnis von Wissenschaft und Offentlichkeit, genauer die Darstellung von Wissenschaft in der Offentlichkeit. Denn der Prozess einer Vergesellschaftung von Wissenschaft fiihrt auch dazu, dass wissenschaftliches Handeln, wissenschaftliche Befunde, teilweise sogar ganze wissenschaftliche Einrichtungen oder Disziplinen zunehmend begriindungspflichtig werden - sie miissen externe Legitimation einwerben (Weingart 2005). Einer der zentralen Orte, an denen die Legitimationserzeugung, aber potentiell auch die Delegitimierung ganzer Forschungszweige stattfindet - man denke z. B. an die Nuklearforschung, an die Stammzellforschung und das „therapeutische" bzw. reproduktive Klonen - ist die Offentlichkeit. Wenn Wissenschaft in der Offentlichkeit erfolgreich ist, wenn sie also die eigenen Vorhaben als wichtig und erfolgversprechend darstellen kann, dann wirkt dies auf die Wissenschaft selbst zuriick. Denn die Rahmenbedingungen von Forschungen werden durch gesetzliche Regelungen und den Ressourcenzufluss durch die Politik und die Wirtschaft definiert. In der Offentlichkeit als eher illegitim interpretierte Forschungsvorhaben haben es schwerer, die zur ihrer Realisierung notwendigen gesetzlichen Absicherungen sowie okonomischen und infrastrukturellen Ressourcen zu erlangen. Umgekehrt gilt: Forschungsrichtungen, denen es gelingt, ausgepragte und weit verbreitete offentliche Legitimitat zu erzeugen, werden eher prote-
14
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
giert und gefordert. Denn politische Entscheidungstrager, die die Grenzen von Forschung per Gesetzgebung definieren und iiber Forschungsforderung entscheiden, reagieren auf offentliche Debatten aus strukturellen Grlinden - weil sie durch Wahlen an den Biirgerwillen gekoppelt sind - responsiv. Der Legitimations- und der daraus resultierende Offentlichkeitsbedarf von Forschungen ist nun freilich fiir verschiedene Disziplinen und Forschungsthemen in unterschiedlichem MaC gegeben. Trotz der beschriebenen Prozesse der Vergesellschaftung von Wissenschaft gilt fiir das Gros an Forschungen sicherlich weiterhin ^business as usual": Das System prozessiert entlang der eigenen, wissenschaftsinternen Handlungsrationalitat und bleibt entsprechend weitgehend unberiihrt von externen Eingriffen und Irritationen. Der Offentlichkeitsbedarf von Forschungen scheint aber besonders dann hoch zu sein, wenn folgende drei Bedingungen - ohne Anspruch auf Vollstandigkeit - erfiillt sind. a. Wissenschaftliches Handeln und wissenschaftliche Institutionen sind, wie jedes andere Handeln und andere gesellschaftliche Institutionen auch, in hohem MaCe pfadabhangig. Sie basieren auf gegebenen Strukturen, die ihre kiinftigen Entwicklungsmoglichkeiten vorstrukturieren. Einmal etablierte Forschungsschwerpunkte, Schulen, Disziplinen und Paradigmen Ziehen Forschungen ahnlicher Richtung nach sich. Ihr expliziter Legitimationsbedarf ist dabei gering. Legitimation speist sich in diesen Fallen gewissermafien aus Tradition. Dies gilt gerade nicht fiir neue Facher, Paradigmen und Forschungsschwerpunkte. Diese miissen sich in Konkurrenz zu Altem und vermeintlich Bewahrtem durchsetzen (Pfadenhauer 2003). Der Rekurs auf gegebene Strukturen und Traditionen ist in diesen Fallen nicht moglich und der offentliche Begriindungsbedarf entsprechend hoch. b. Der offentliche Begriindungsbedarf ist aul3erdem dann besonders hoch, wenn es sich bei den neuen Forschungen um Grofiforschung, um „big science" (de Solla Price 1974) handelt. Mit diesem Begriff werden zeitlich, finanziell und organisatorisch aufwandige, haufig international strukturierte Forschungen beschrieben (Felt et al. 1995: 48ff). Die Etablierung von „big science"-Projekten macht haufig Prioritatsveranderungen
1.1 Humangenomforschung als offentliches Thema
15
und Ressourcenumverteilungen innerhalb von Disziplinen notwendig. Sie miissen sich also in Konkurrenz zu etablierten Forschungsthemen durchsetzen, was Verlierer und damit potentielle Gegner produziert. Dies wird nur dann akzeptiert, wenn man sehr gute Griinde flir die Ressourcenverlagerung anfiihren kann; der offentliche (und natiirlich auch der wissenschaftsinterne) Legitimationsbedarf ist entsprechend hoch. c. Schliefilich hangt der offentliche Legitimationsbedarf von Forschungen auch von den Gegenstanden und den Inhalten dieser Forschungen ab. Gerade bei Forschungsrichtungen, die den Menschen unmittelbar betreffen (konnten) oder Grundfragen menschlicher Existenz tangieren, ist der offentliche Legitimationsbedarf besonders hoch. Dies gilt fiir die neueren biowissenschaftlichen und biotechnologischen Forschungsthemen in besonders hohem Mafie. Vor allem die Entwicklung der modernen Biowissenschaften^ und der Biomedizin lasst vormals feste Grenzdefinitionen dessen, was die Natur des Menschen ausmacht, briichig werden. Der Mensch selbst wird in seiner biologischen Ausstattung zunehmend zu einer gestaltbaren und veranderbaren Grofie: „In der Gegenwart wird uniibersehbar, dass die Entsakralisierung der Natur vor der Natur des Menschen nicht Halt macht" (van den Daele 2003: 7; vgl. auch Strydom 1999). Ob das, was biowissenschaftlich gegenwartig und zukiinftig moglich ist, auch erlaubt sein soil, ist unbestimmt und damit legitimationsbediirftig. Die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnissuche werden in der Offentlichkeit neu justiert. Entsprechend weisen die Debatten iiber das Klonen, die Stammzellforschung, die Praimplantations3 Es gibt zur Beschreibung des molekularbiologisch fundierten Forschungs- und Anwendungsfeides eine Reihe von Begriffsvorschlagen, deren Konnotationen sich in Nuancen voneinander unterscheiden. Die bekanntesten Begriffe sind im Deutschen „Biotechnologie'' und „Gentechnik'', im Englischen ^biotechnology" und „genetics'' bzw. „genetic engineering''. Diese Begrifflichkeiten scheinen uns fiir unsere Zwecke ungeeignet. „Biotechnologie" verweist eher auf die Umsetzung biologischer oder biochemischer Erkenntnisse in technische oder technisch nutzbare Produkte. „Gentechnik" verweist auf Eingriffe in das Erbgut oder in biochemische Steuerungen. Das von uns thematisierte Grundlagenforschungsfeld Humangenomforschung lasst sich keinem der beiden Bereiche zuordnen, es generiert eher deren Wissensgrundlagen. Daher werden wir in der Folge den Terminus „Biowissenschaften" verwenden, da er umfassender angelegt ist und sich unproblematisch auch auf Grundlagenforschung beziehen lasst.
16
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
diagnostik etc. alle eine ahnliche Problemstellung auf: Wo liegen die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnissuche, wo also beginnt der tabuisierte Bereich des nicht Antastbaren, in den die Biowissenschaften nicht eindringen diirfen? Humangenomforschung erfiillt alle drei der formulierten Bedingungen. Es handelt sich um ein neues Forschungsfeld, das sich in Konkurrenz zu anderen Themen durchsetzen musste (fiir die USA vgl. Abels 1992; fiir Deutschland vgl. Schulze 2005). Es handelt sich um „big science", weil Humangenomforschung ein enorm ressourcenintensiver Forschungsbereich ist (vgl. Felt et al. 1995: 50f). Und schlieClich gehort das Thema in den Bereich der Biomedizin, ist Forschung am Menschen und damit eine potentiell umstrittene Forschung. Humangenomforschung gehort also zu den Themengebieten, deren offentlicher Legitimationsbedarf mutmafilich besonders hoch ist. Ob und in welchem Ausmafi eine solche offentliche Legitimation hergestellt wurde, ist die zentrale Fragestellung unserer Untersuchung. Bevor wir die damit verbundenen Forschungsfragen unserer Studie genauer spezifizieren, wollen wir das offentlichkeitssoziologische Beobachtungs- und Kategoriensystem, mit dem wir die offentlichen Debatten iiber Humangenomforschung analysieren, etwas umfanglicher explizieren, als dies in den einleitenden Satzen moglich war.
1.2 Theoretische Konzeptionalisierung des Verhaltnisses von Offentlichkeit und Wissenschaft Es gibt unterschiedliche Theorieangebote zur Konzeptionalisierung von Offentlichkeit. Mit den nachstehenden Ausfiihrungen folgen wir einer Modellvorstellung, die wir bereits an anderen Stellen genauer expliziert haben (vgl. Gerhards 1993a; 1994; 1997; 1998; Gerhards und Neidhardt 1991; Ferree et al. 2002a; 2002b; Neidhardt 1994). Wir beginnen unsere Darstellungen zunachst mit einer allgemeinen Strukturbeschreibung moderner Gesellschaften und verorten Offentlichkeit sowie das Verhalt-
1.2 Theoretische Konzeptionalisierung
17
nis von Offentlichkeit und Wissenschaft anschliefiend innerhalb dieses allgemeineren Rahmens: 1. Wir gehen davon aus, dass sich moderne Gesellschaften am besten als funktional differenzierte Gesellschaften beschreiben lassen. Unter funktionaler Differenzierung verstehen wir die Differenzierung einer Gesellschaft in ungleichartige Kommunikationszusammenhange, so genannte Teilsysteme. Niklas Luhmann unterscheidet in diesem Sinne unterschiedliche Teilsysteme der Gesellschaft - Okonomie, Politik, Wissenschaft, Kunst, Medizin, Massenmedien, Recht etc. - mit entsprechenden Binnendifferenzierungen.'* Die verschiedenen Teilsysteme der Gesellschaft unterscheiden sich durch unterschiedliche Sinnstrukturen, die als Orientierung der Kommunikationen innerhalb der Teilsysteme dienen.^ Innerhalb der Teilsysteme entwickeln sich spezifische Rollen, die die Handlungsrationalitat eines Systems zum Ausdruck bringen; diese hat Luhmann in friiheren Arbeiten als Leistungsrollen eines Systems bezeichnet (Luhmann und Schorr 1979: 29ff): Mediziner, Padagogen, Politiker, Juristen, Ktinstler, Sportier, Wissenschaftler oder Journalisten konnen also als Leistungsrollentrager innerhalb der jeweiligen Teilsysteme verstanden werden, die deren jeweilige systemische Handlungsrationalitat zum Ausdruck bringen und damit strukturell absichern. Fiir viele der Teilsysteme haben sich komplementar zu den Leistungsrollen spezifische Publikumsrollen entwickelt. Denn funktionale Differenzierung impliziert auch, dass die Menschen einer Gesellschaft nicht auf Teilsysteme aufgeteilt werden, sondern dass grundsatzlich alle an alien Teilsystemen partizipieren konnen, wenn sie die jeweilige Rationalitat zur Grundlage ihrer Sinnorientierung machen (vgl. Luhmann und Schorr 1979: 29ff; Luhmann
* Die Wissenschaften differenzieren sich z. B. in Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Sozialwissenschaften und dann weiter in die verschiedenen wissenschaftUchen Disziphnen, die Kunst z. B. in Musik, Theater, Literatur, Bildende Kunst. 5 Uwe Schimank (1988) hat versucht, der Systemtheorie eine interaktionistische Wende zu geben, indem er Gesellschaft und deren Teilsysteme als eine Konstruktion kommunizierender Akteure begreift. Schimank bezeichnet Teilsysteme entsprechend als Akteursfiktionen. Der Akzent der Bestimmung von Teilsystemen verlagert sich dann von einer Bestimmung durch eine Aufienperspektive auf eine Bestimmung durch eine Innenperspektive von Systemen.
18
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
1997: 618ff). Publikumsrollen ermoglichen die Inklusion der Gesamtbevolkerung in die Teilsysteme und definieren die Moglichkeiten der Partizipation der Bevolkerung an den verschiedenen Teilsystemen. So kann man u. a. liber die spezifischen Publikumsrollen Patient, Schiiler, Wahler, Arbeitnehmer, Klager oder Medienrezipient an den entsprechenden teilsystemischen Sinnprovinzen partizipieren (Luhmann 1997: 625).6 2. Wie ist nun Offentlichkeit innerhalb des systemtheoretischen Theoriegebaudes zu verortenT^ Wir unterscheiden zwischen einer gesellschaftlichen Offentlichkeit einerseits und einer teilsystemspezifischen Offentlichkeit andererseits. Zum einen lasst sich Offentlichkeit auf der Ebene der Teilsysteme lokalisieren. Die Vermittlung zwischen Leistungsund Publikumsrollen der jeweiligen Teilsysteme erfolgt haufig iiber teilsystemspezifische Offentlichkeiten. Die Kunstoffentlichkeit, z. B. in Form von Ausstellungen und Galerien, vermittelt zwischen Kiinstlern auf der einen Seite und dem kunstinteressierten Publikum andererseits. In der Offentlichkeit der Messe sprechen im Religionssystem Priester zu den Glaubigen. Fiir das Wissenschaftssystem iibernehmen vor allem die Fachzeitschriften die intermediare Funktion, indem sie wissenschaftliche Ergebnisse zwischen Autoren und einem Wissenschaftspublikum vermitteln. In diesem Sinne lassen sich also zunachst teilsystemspezifische Offentlichkeiten unterscheiden, die die Funktion der intrasystemischen Vermittlung zwischen Publikums- und Leistungsrollen iibernehmen. 3. Zum anderen kann man den Offentlichkeitsbegriff auch auf der Ebene der Gesellschaft lokalisieren. Offentlichkeit iibernimmt hier die
^ Eine Beschreibung der Inklusion der Bevolkerung iiber Publikumsrollen als Komplementarrollen zu den Leistungsrollen ist von Rudolf Stichweh (1988b) in einem sehr interessanten Aufsatz genauer expliziert worden. "^ Offentlichkeit hat in der Systemtheorie - trotz einiger friiher Arbeiten von Luhmann zu diesem Thema (Luhmann 1970; 1971) - erst recht spat Beachtung erfahren. Mittlerweile liegen jedoch verschiedene Vorschlage vor, die versuchen, Offentlichkeit innerhalb des systemtheoretischen Begriffsgebaudes zu lokalisieren (vgl. v.a. Blobaum 1994; Gerhards und Neidhardt 1991; Gerhards 1994; Gorke 1999; Kohring 1997; 2004; Luhmann 1995; Marcinkowski 1993; Riihl 1980; Stichweh 2002). Aus diesen lassen sich eine Reihe instruktiver Dimensionen und Differenzierungen iibernehmen.
1.2 Theoretische Konzeptionalisierung
19
Funktion der Informationsvermittlung zwischen dem, was in den Teilsystemen - Wirtschaft, Kunst, Wissenschaft etc. - passiert und dem Publikum der Burger einer Gesellschaft einerseits und den anderen Teilsystemen andererseits. Die Burger und die Akteure der anderen Teilsysteme erfahren von dem, was in den jeweiligen Teilsysteme passiert, durch die Beobachtung der Offentlichkeit. Wird also in den Massenmedien iiber eine wissenschaftliche Entdeckung oder iiber eine Ausstellungseroffnung berichtet, dann konnen sowohl die Burger einer Gesellschaft als auch die Experten der anderen Teilsysteme dadurch etwas iiber - in diesem Falle das Wissenschaftssystem oder das Kunstsystem erfahren. Gesellschaftliche Offentlichkeit ist dabei selbst ein ausdifferenziertes Teilsystem. Es beobachtet die anderen Teilsysteme, kommuniziert Informationen uber die anderen Teilsysteme und stellt diese Informationen wiederum alien Biirgern und alien anderen gesellschaftlichen Teilsystemen zur Verfiigung, kurz: Gesellschaftliche Offentlichkeit dient der Selbstbeobachtung der Gesellschaft (Luhmann 1995). Wie sind die Teilsysteme und die teilsystemspezifischen Offentlichkeiten mit der gesellschaftlichen Offentlichkeit verbunden? Die Massenmedien orientieren sich in erster Linie an den teilsystemspezifischen Offentlichkeiten. Sie beobachten also die Parlamentsdebatten des politischen Teilsystems, Ausstellungen und Urauffiihrungen der Kunstoffentlichkeit, die Gerichtsverhandlungen des juristischen Teilsystems, die Wettkampfe des Sports, die Fachzeitschriften und Kongresse des wissenschaftlichen Teilsystems usw. und berichten von Ereignissen, die entlang eigener, massenmedialer Selektivitatskriterien als relevant definiert werden. 4. Schauen wir uns die Binnenstruktur der gesellschaftlichen Offentlichkeit genauer an. Es liegt in der Logik der systemtheoretischen Begrifflichkeit, zu vermuten, dass fiir die gesellschaftliche Offentlichkeit ahnliche Strukturmerkmale gelten wie fiir die anderen Teilsysteme. Und in der Tat kann man auch hier von einer Differenzierung in Leistungs- und Publikumsrollen und einer spezifischen Sinnorientierung des Systems sprechen. Die Journalisten sind die LeistungsroUentrager und die Burger einer Gesellschaft bilden das Publikum einer gesellschaftlichen Offent-
20
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
lichkeit. Die Massenmedien bilden das organisatorische und infrastrukturelle Unterfutter von Offentlichkeit, sie ermoglichen eine enorme Ausdehnung des Publikums. Insofern sind die Massenmedien auch die wirkungsmachtigste Ebene von Offentlichkeit: Wir wissen aus einer Vielzahl an Studien, dass vor allem die Massenmedien die zentralen Institutionen der gesellschaftlichen Informationsvermittlung darstellen und dass die Burger von dieser Moglichkeit auch umfassend Gebrauch machen. Uber 80 % der Burger der Bundesrepublik informieren sich z. B. tagtaglich iiber Pohtik iiber mindestens eines der Medien Fernsehen, Rundfunk und Zeitung, viele nutzen sogar mehrere Medien taglich, um sich (iber Politik zu informieren (Berg und Kiefer 1996:183). Wie jedes andere System auch selektiert die gesellschaftliche Offentlichkeit und selektieren insbesondere die Massenmedien nach einer eigenen Sinnrationalitat. Sie bilden die Gesellschaft also nicht einfach ab, sondern sie konstruieren nach eigenen, massenmedialen Regeln ein spezifisches Bild der Gesellschaft. Massenmedien miissen angesichts ihrer begrenzten Verarbeitungs- und Prasentationskapazitaten auswahlen, was sie beobachten und welche ihrer Beobachtungen sie der Gesellschaft dann wieder zuriickspiegeln. Diese Selektions- und Prasentationsentscheidungen unterliegen typischerweise nicht den Sinnorientierungen anderer Teilsysteme. Die Besonderheit der Sinnorientierung der Massenmedien ergibt sich aus der Tatsache, dass das Publikum der Medien potentiell alle Mitglieder der Gesellschaft umfasst und grundsatzlich unabgeschlossen, well nicht an externe Zugangsbedingungen gekniipft ist (vgl. zum folgenden Gerhards und Neidhardt 1990). Jeder kann Zeitungen lesen, Fernsehen oder Radio horen. Offentliche Kommunikation ist Kommunikation mit Laien, genauer: Sie findet im Horizont von Laien statt. Dies hat Folgen. Als Laienkommunikation muss offentliche Kommunikation allgemein verstandlich und einfach strukturiert sein. Bedenkt man, dass die Teilnahmemotivation an Offentlichkeit nicht per se gegeben ist, dann gilt es zuerst einmal, Aufmerksamkeit fiir die kommunizierten Themen zu gewinnen. Wir haben an anderer Stelle entsprechend „Aufmerksamkeit vs. Nicht-Aufmerksamkeit" (Gerhards 1994: 89) als den Code des Offentlichkeitssystems vorgeschlagen. Codes sind sehr
1.2 Theoretische Konzeptionalisierung
21
allgemeine Sinnorientierungen; sie werden spezifiziert durch systemeigene Programme, etwa durch Berichterstattungsmuster und Darstellungsformen sowie Nachrichtenfaktoren (vgl. z.B. Schmidt und Weischenberg 1994; Staab 1990). Neuigkeiten, Skandale, Konflikte sind entsprechende Stimuli der Erzeugung von Aufmerksamkeit. 5. Nun sind nicht alle Ereignisse aller Teilsysteme von gleicher Bedeutung fiir die gesellschaftliche Offentlichkeit. Manche Teilsysteme geniefien mehr, andere weniger Aufmerksamkeit; manche Teiloffentlichkeiten sind bedeutsamer als andere. Wir wollen hier die beiden fiir uns zentralen Teilsysteme und deren spezifische Offentlichkeiten beleuchten: die des politischen und die des wirtschaftlichen Teilsystems. Das politische System etwa genieCt besondere Aufmerksamkeit, und dies hat mit der Sonderstellung des politischen Systems zu tun. Mit Politik bezeichnet man den Bereich einer Gesellschaft, der auf die Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen spezialisiert und auch mit der Macht ausgestattet ist, getroffene Entscheidungen durchzusetzen (vgl. fiir viele andere Luhmann 2000). Dem politischen System kommt im Vergleich zu den anderen Teilsystemen sowohl eine iibergeordnete Stellung als Problemadressat als auch als Problemlosungssystem zu (Gerhards und Neidhardt 1990). Das, was kollektiv verbindlich entschieden werden soil, ergibt sich aus den Externalitaten der anderen Systeme: Unternehmer fordern eine Senkung der Unternehmersteuer, Kiinstler die Verbesserung des Sozialversicherungssystems, Mediziner neue rechtliche Rahmenbedingungen, Kirchenvertreter ein Abtreibungsverbot und Wissenschaftler einen Ausbau der Forschungsforderung. Um der Sonderstellung als Problemadressat gerecht werden zu konnen, hat das politische System auch ein besonderes Zugriffsrecht auf alle anderen Systeme zur Durchsetzung kollektiv verbindlicher Entscheidungen innerhalb der territorialen Grenzen des politischen Systems. Die besondere Bedeutung des politischen Systems gilt auch, zumindest in westlich-demokratischen Landern, fiir die spezifische Teiloffentlichkeit dieses Systems, die politische Offentlichkeit. Dies hangt mit den Grundbedingungen demokratischer Gesellschaften zusammen: Als Demokratie wird eine spezifische Organisationsform
22
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
des politischen Systems bezeichnet, deren Kernmerkmal darin besteht, dass die Herstellung von kollektiv verbindlichen Entscheidungen an die Interessen und Willensbildungsprozesse der Bevolkerung gekoppelt ist. In westlich-industrialisierten Gesellschaften haben sich allein reprasentative Demokratien unterschiedlicher Verfasstheit durchgesetzt. Deren Grundprinzip besteht in der zeitlich befristeten Delegation von Herrschaftsmoglichkeiten auf gewahlte Reprasentanten. Die gewahlten Herrschaftstrager sind befugt, allgemein verbindliche Entscheidungen zu verabschieden und durchzusetzen, konnen aber zugleich bei der nachsten Wahl von den Herrschaftspositionen wieder entlassen werden, wenn die Wahler sich nicht hinreichend reprasentiert fiihlen. Damit die Wahler iiberhaupt eine Wahlentscheidung treffen und beim nachsten Mai revidieren konnen, miissen sie die Moglichkeit haben, sich liber die Reprasentanten, deren Konkurrenten sowie iiber deren Handlungen und Programme hinreichend zu informieren. Genau diese Funktion der Informationsvermittlung kommt der politischen Offentlichkeit zu. Die politischen Akteure versuchen daher mit grofJem Aufwand, ihre Themen, ihre Positionen zu Themen und ihre Argumente offentlich zu kommunizieren, um bei den potentiellen Wahlern Zustimmung zu erzeugen. Die Wahler wiederum beobachten die kommunikativen Angebote der Akteure des politischen Systems via politischer Offentlichkeit, um sich auf dieser Basis ihre Meinung bilden zu konnen. Sie und ihre Interessengruppen versuchen zugleich, ihre Themen und Positionen offentlich zu kommunizieren, um den politischen Entscheidungsprozess zu beeinflussen. Ahnlich wie dem politischen System also eine Sonderstellung innerhalb einer funktional differenzierten Gesellschaft zukommt, so kommt auch der politischen Offentlichkeit eine Sonderstellung zu. Dies mag mit ein Grund dafiir sein, dass die politische Offentlichkeit haufig mit der Offentlichkeit insgesamt gleichgesetzt wird. Als intermediares Kommunikationssystem vermittelt die politische Offentlichkeit Themen und Problemstellungen an das politische Entscheidungssystem; iiber die politische Offentlichkeit kommunizieren politische Entscheidungstrager mit der Gesellschaft. Auf der Basis der Beobachtung anderer Teilsysteme via
1.2 Theoretische Konzeptionalisierung
23
Offentlichkeit trifft das politische System Entscheidungen, die dann wiederum auf die Teilsysteme steuernd einwirken. 6. Das zweite, uns hier in besonderem MaGe interessierende Teilsystem ist das wissenschaftliche. Seine Aufgabe besteht in der systematischen Produktion von Wissen, das als wahres Wissen gilt (vgl. statt anderer Luhmann 1992). Das Wissenschaftssystem selbst weist eine nach Fachern gegliederte Binnenstrukturierung auf, mit jeweiligen Experten in den einzelnen Fachern. Die Publikumsrollen des Wissenschaftssystems werden nicht von Laien eingenommen, sondern von wissenschaftlichen Kollegen (Stichweh 1988a). Die Kommunikation innerhalb des Systems erfolgt iiber wissenschaftsinterne Offentlichkeiten, die wiederum entlang der Disziplinen gegliedert sind. Die jeweiligen Fachzeitschriften reprasentieren die wichtigsten Teiloffentlichkeiten des Wissenschaftssystems, iiber die sich die Wissenschaftler wechselseitig beobachten und aufeinander einwirken. Der gro6te Teil der wissenschaftlichen Kommunikation bleibt wissenschaftsinterne Kommunikation und wird nicht nach aufien getragen. Das Gros wissenschaftlicher Kommunikation ist also fiir andere gesellschaftliche Teilsysteme nicht oder kaum relevant. Mit anderen Worten: Das wissenschaftliche Teilsystem kann seiner Aufgabe - der Produktion als wahr ausgewiesenen Wissens - in weiten Bereichen nachgehen, ohne allzu eng an andere Systeme gekoppelt zu sein. Entsprechend wurde und wird die Wissenschaft von den Massenmedien deutlich weniger intensiv beobachtet als etwa die Politik. Allerdings haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die Kopplungen der Wissenschaft, v. a. an Politik, Wirtschaft und Offentlichkeit, mit den oben beschriebenen Vergesellschaftungs- und Verwissenschaftlichungsprozessen intensiviert (Weingart 2001; 2003). Damit einher geht eine Intensivierung des offentlichen Interesses an Wissenschaft, ein steigendes Bedlirfnis der Wissenschaft nach offentlicher Legitimation und eine wachsende massenmediale Thematisierung von Wissenschaft. Das Niveau der Mediatisierung von Wissenschaft gilt aber nicht fiir alle wissenschaftlichen Themen gleichermafien. Wir hatten in Kapitel 1.1 erlautert, unter welchen Bedingungen eine Mediatisierung von Wissenschaft wahrscheinlich ist: Wenn wissenschaftliche Themen neu, besonders res-
24
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
sourcenintensiv resp. extern folgenreich fiir die Burger sind, dann ist zu vermuten, dass die Systeme, die die Ressourcen zur Verfiigung stellen miissen und die Systeme, die von den Folgen betroffen sind, ein hohes Interesse daran haben, die offentliche Debatte iiber ein Thema mit zu bestimmen. 7. Geraten wissenschaftliche Themen in die offentliche Debatte bzw. werden diese Themen u. a. auch von Wissenschaftlern dorthin lanciert, dann kann das Riickwirkungen auf das Wissenschaftssystem und das jeweilige Forschungsthema haben und dies aus zwei strukturellen Griinden: Die politischen Entscheidungstrager, mithin die Leistungsrollen des politischen Systems, wirken auf zweierlei Weise auf das Wissenschaftssystem ein. Zum einen bestimmen sie per Gesetzgebung die Grenzen und die Moghchkeiten wissenschaftlichen Handelns, indem sie bestimmte Forschungen erlauben, andere verbieten. Beispielsweise lassen sich fiir den Umgang mit genetisch modifizierten Organismen in Deutschland, Grofibritannien und in den USA sehr unterschiedliche Rechtsgrundlagen aufzeigen, die sich auch in divergierenden Regulierungen niederschlagen (vgl. Epp 2001; Jasanoff 1995). Zum zweiten steuert die Politik durch die Bereitstellung von Ressourcen die Forschung und kann entsprechend bestimmte Forschungen fordern sowie andere vernachlassigen. Welche Gesetze Politiker zur Regelung von Wissenschaft erlassen und welche Forschungsprioritaten sie durch die Allokation von Ressourcen setzen, hangt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Die in der Offentlichkeit hergestellte offentliche Meinung zu diskutierten Themen bildet aber eine zentrale Einflussgrofie fiir die Entscheidungen des politischen Systems und dies wiederum aus zwei Griinden: Erstens sind offentliche Debatten bedeutsam, weil sie Einfluss auf die Biirger haben. Da wissenschaftliche Themen, und gerade Themen der Grundlagenforschung wie Humangenomforschung, von den Biirgern kaum unmittelbar wahrnehmbar sind (vgl. Schenk und Sonje 1998: 9ff), sind diese auf Informationen und Deutungen angewiesen, die sie von Anderen in offentlichen Debatten erfahren. Dabei kommt den medialen Diskursen eine besondere Bedeutung zu. Aus der Massenkommunikationsforschung wissen wir,
1.2 Theoretische Konzeptionalisierung
25
dass sich die Burger iiber das Geschehen in der Gesellschaft in erster Linie iiber die Massenmedien informieren. Zweitens beobachten die politischen Entscheidungstrager die anderen Teilsysteme und auch die Wissenschaft durch die Beobachtung der Offentlichkeit und ebenfalls v. a. der Massenmedien (Fuchs und Pfetsch 1996). Und da sie zugleich wissen, dass die Burger, von denen sie durch den Wahlmechanismus abhangig sind, ebenfalls die Offentlichkeit beobachten, erweisen sie sich aus strukturellen Griinden gegeniiber der offentlichen Meinung als responsiv. 8. Die beschriebene Topographie von Offentlichkeit und Wissenschaft mit ihren strukturellen Abhangigkeiten und Kopplungen macht plausibel, warum die Darstellung - in unserem Fall: von Wissenschaft in der Offentlichkeit ein umkampftes Gebiet ist. Unterschiedliche Akteure sind darum bemiiht, zu Wort zu kommen und mit ihren Argumenten ihre Positionen zu begriinden. Akteure - und das sind in erster Linie kollektive Akteure wie politische Parteien, Interessengruppen, Unternehmungen, Wirtschaftsverbande, Wissenschaftsorganisationen und zivilgesellschaftliche Gruppierungen - beteiligen sich am Diskurs, weil sie andere von ihren Themen und Meinungen iiberzeugen wollen: Sie versuchen, ihren Interessen entsprechende Mehrheitsmeinungen zu Themen herzustellen. Gelingt es Akteuren, in den offentlichen Diskursen zu Wort zu kommen und ihre Positionen und Deutungsmuster offentlich zu platzieren, so begiinstigt dies die Bildung einer ihnen nahestehenden offentlichen Mehrheitsmeinung und hegemonialer Deutungen von Themen. Auch fiir die Wissenschaft und die Aushandlung ihrer Legitimation ist die Offentlichkeit ein wichtiger, und zunehmend wichtiger werdender Ort (vgl. statt anderer Felt et al. 1995: 244ff; Weingart 2005). Seit den 1980er Jahren lasst sich eine entsprechende Zunahme der Offentlichkeitsorientierung von Wissenschaft beobachten. Zunachst richtete sich diese auf eine Verbesserung des Wissens der Burger iiber Wissenschaft, mithin auf eine Verbesserung ihrer „scientific literacy", mit Hilfe von „Public Understanding of Science^'-Aufklarungsprogrammen (Royal Society 1985; vgl. auch Bodmer 1986; Dierkes und von Grote 2000; Durant 1993; Durant et al. 1989; Gregory und Miller 1998; Miller 1983). Auch bei neue-
26
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
ren, dialogischen Formen der Wissenschaftsvermittlung wie Burger- oder Konsenskonferenzen (vgl. statt anderer Schicktanz und Naumann 2003; Tannert und Wiedemann 2004; Zimmer 2002) spielt diese Informationsund Bildungs-Motivation zwar nicht mehr die zentrale, aber sicherlich noch immer eine bedeutsame RoUe. In den vergangenen Jahren hat zudem eine Professionalisierung der Offentlichkeitsarbeit von Wissenschaft stattgefunden, zahlreiche wissenschaftliche Institutionen haben an die Offentlichkeit gerichtete Kommunikationskanale und damit verbunden auch professionalisierte Wissenschaftskommunikatoren etabliert (vgl. z.B. Felt et al. 1995: 259f). Diese konkurrieren dann haufig, vor allem bei biowissenschaftlichen Themen, mit wissenschaftlichen Gegenexperten, mit Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) und anderen Akteuren. In diesen Fallen findet eine Konkurrenz um massenmediale Aufmerksamkeit statt; nicht nur Wissenschaftler der betroffenen Disziplinen, sondern mitunter auch andere Akteure versuchen, ihre Vertreter und ihre Inhalte massenmedial zu platzieren, um sich offentlich zu legitimieren.
1.3 Fragestellungen der Untersuchung Auf der Basis der Erlauterungen des konzeptionellen Rahmens konnen wir nun unsere Fragestellungen genauer spezifizieren. Im Fokus unserer Untersuchung steht die Analyse offentlicher Meinungsbildungsprozesse am Beispiel der Humangenomforschung in einem Zweilandervergleich. Wir untersuchen also nicht die Riickwirkungen, die die offentliche Meinung auf die politischen Entscheidungsprozesse und andere Systeme hat, und auch nicht die Versuche der politischen Steuerung oder der wirtschaftlichen Beeinflussung von Humangenomforschung. Dass es solche Effekte wahrscheinlich gibt, haben wir erlautert, um die Bedeutsamkeit offentlicher Meinungsbildungsprozesse zu unterstreichen, ohne diese Effekte jedoch selbst zum Gegenstand empirischer Forschung machen zu woUen. Wir verfolgen in unserer Studie zwei Fragestellungen, die jeweils offentliche Meinungsbildungsprozesse in den Massenmedien in den Fokus riicken.
1.3 Fragestellungen der Untersuchung
27
1.3.1 Deskription des Erfolgs offentlicher Meinungsbildung
Weil die massenmediale Offentlichkeit eine wirkungsmachtige Arena darstellt, wollen Akteure sie mit ihren Kommunikationsbeitragen beeinflussen. Um zu bestimmen, in welchem Mafie Akteure erfolgreich auf den massenmedialen Diskurs Einfluss nehmen, unterscheiden wir drei Dimensionen medialen Erfolgs: a. Wir erfassen, in welchem Ausmafi es Akteuren gelingt, sich offentliches Gehor zu verschaffen, d. h. in der offentlichen Debatte tiberhaupt zu Wort zu kommen und zitiert zu werden. Sind ihre Bemiihungen, iiberhaupt und unabhangig von bestimmten Inhalten zu Wort zu kommen, erfolgreich, so bezeichnen wir diesen Erfolg als das „ Standing" eines Akteurs. Standing bezeichnet die Reprasentanz von Akteuren, die in den Massenmedien ihre Positionen und Deutungen aufiern diirfen, in Relation zu anderen Akteuren (Ferree et al. 2002b: 86ff). Bedenkt man die Selektivitaten massenmedialer Berichterstattung, so ist das Erreichen von Standing alles andere als selbstverstandlich. Von der Vielzahl an offentlichen Aufierungen, die Akteure tatigen, gelingt es nur einem sehr geringen Anteil, in die massenmediale Offentlichkeit vorzudringen. Da die massenmediale Offentlichkeit aber die wirkungsmachtigste Offentlichkeitsarena darstellt, ist das Erreichen von Standing in den Medien vor allem fiir diejenigen Akteure ein begehrtes Ziel, die an der offentlichen Meinungsbildung interessiert sind. Wir fragen also: Welche Akteuren kommen wie oft in den Medien zu Wort und welche Akteure erhalten diese Chance nicht? b. Bei Akteuren, denen es gelingt, sich in der offentlichen Debatte durchzusetzen und Standing zu erreichen, ist natlirlich von Interesse, mit welchen Inhalten sie zu Wort kommen. Mit Blick darauf bestimmen wir den Erfolg eines Akteurs in den Massenmedien zum einen durch die Position, die Akteure zur Humangenomforschung einnehmen. Akteure konnen Humangenomforschung begriifien oder ablehnen, eine ambivalente oder neutrale Position einnehmen. Wenn es ihnen gelingt, ihre Position zu einem Thema zur beherrschenden offentlichen Meinung zu diesem Thema zu machen, dann sprechen wir von einem Erfolg dieser Ak-
28
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
teure in der massenmedialen Offentlichkeit. Wir fragen also: Welche Akteure kommunizieren welche Positionen zum Thema Humangenomforschung, und welche Positionen zum Thema dominieren den Diskurs? c. Die dritte Dimension, mit der wir den Erfolg von Akteuren in offentlichen Debatten messen wollen, ist das so genannte „Framing" der Debatte. Akteure, die sich an der Debatte iiber Humangenomforschung beteiligen, benutzen Argumente und Deutungen zur Begriindung ihrer Positionen. Sie verkniipfen ihr Anliegen z. B. mit dem Versprechen, dass Humangenomforschung zu einer Verbesserung der Therapie von Krankheiten genutzt werden kann, oder aber sie sehen Humangenomforschung als Versuch an, in die anthropologischen Grundlagen des Menschen einzugreifen. Die Diskussionen iiber Humangenomforschung lassen sich als Definitionskampfe iiber zentrale Werte einer Gesellschaft interpretieren. Abhangig von den verwendeten Deutungsmustern erhalt ein Thema jeweils eine andere Bedeutung und, damit verbunden, eine andere Uberzeugungsqualitat. Erfolg in der offentlichen Meinungsbildung manifestiert sich entsprechend drittens in der Haufigkeit, mit der Akteure ihre Deutungsmuster zum Thema in der Offentlichkeit platzieren konnen. Wir fragen also: Welche Argumente und Deutungsmuster werden zur Interpretation der Humangenomforschung benutzt, welche haben eine hegemoniale Stellung inne und welche Akteure verwenden welche Deutungsmuster? Dementsprechend sind Standing, Positionierung und Framing in der Folge die zentralen Messgrofien fiir den Erfolg im Wettbewerb um massenmediale Reprasentanz. Sie werden daher unsere deskriptiven empirischen Analysen anleiten.
1.3.2 Erkldrung des Erfolgs djfentlicher Meinungsbildung
Im Mittelpunkt unserer Analyse steht die systematische Beschreibung offentlicher Meinungsbildungsprozesse im Landervergleich. Zusatzlich werden wir versuchen, die Standing-, Positionierungs- und FramingStruktur der Debatte und die moglicherweise auffindbaren Landerunter-
1.3 Fragestellungen der Untersuchung
29
schiede zu erklaren. Wir werden nicht in der Lage sein, eine Erklarung zu prasentieren, in der verschiedene Ursachenfaktoren in ihrem relationalen Einfluss auf die abhangigen Variablen bestimmt werden konnen. Die hier angebotene Erklarung fufit auf Plausibilitatsargumenten, die von uns nur zum Teil empirisch abgesichert werden konnen. Theoretisches Fundament werden dabei zwei unterschiedliche Modellvorstellungen sein, die sich in der Literatur zur Erklarung von Prozessen offentlicher Meinungsbildung finden lassen: a. Das Agenda Building-Modell ruckt die aufiermedialen Aktivitaten von Akteuren in den Fokus der Aufmerksamkeit. Das, was in der gesellschaftlichen Offentlichkeit erscheint, ist diesem Modell zufolge in erster Linie durch die Umwelt der Offentlichkeit in Form der anderen gesellschaftlichen Teilsysteme gepragt. Der Zugang zu den Massenmedien wird damit entscheidend durch das Angebot bestimmt, das Redaktionen insbesondere von externen Akteuren der anderen Teilsysteme erhalten (Cobb et al. 1976; Baerns 1985; Barth und Donsbach 1992). Fiir Journalisten ist es rational, sich auf das Angebot an AuCerungen zu beziehen, das sie durch Pressemitteilungen der kollektiven Akteure erhalten. Es erspart ihnen v. a. die Zeit und Miihe, die mit einer eigenen Recherche verbunden waren (Tuchman 1978). Wie umfanglich das Kommunikationsangebot verschiedener Akteure an die Massenmedien ist, wird wiederum bestimmt durch den Wert, den diese Akteure der Offentlichkeitsarbeit einraumen, und durch die Ressourcen, die sie dafiir aufwenden konnen. Akteure, die Offentlichkeitsarbeit nicht als wichtig erachten oder die aus ideologischen oder anderen Griinden eine Kooperation mit den Massenmedien verweigern, werden - ceteris paribus - ein geringeres Standing aufweisen und weniger Erfolge in ihrer Positionierung und ihrem Framing verbuchen konnen als Akteure, die viel in Offentlichkeitsarbeit investieren. Relevante Ressourcen in diesem Zusammenhang sind vornehmlich verfiigbare Finanzmittel, Personal und die Professionalitat der Offentlichkeitsarbeit. Aus diesen Uberlegungen kann man wiederum eine allgemeine Hypothese ableiten: Je umfangreicher die Ressourcen eines Akteurs fiir die Offentlichkeitsarbeit sind und je wichtiger ihm die
30
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
Offentlichkeitsarbeit ist, desto grofier wird sein Standing in der offentlichen Debatte sein. b. Die zweite Vorstellung kann man als medienkonstruktivistisches Modell bezeichnen. Das, was in der gesellschaftlichen Offentlichkeit erscheint, ist diesem Modell zufolge weniger durch die Aktivitaten der extramedialen Akteure bestimmt als vielmehr durch die Eigenleistungen des Offentlichkeitssystems selbst. Massenmedien grundsatzlich als Konstrukteure von Wirklichkeit zu begreifen, die die Wirklichkeit nach ihrer eigenen Logik erst schaffen, scheint das hegemoniale Paradigma der Massenkommunikationsforschung zu sein.^ Das, was als mediale offentliche Meinung fiir die Leser und Zuschauer sichtbar wird, wird als medial konstruierte offentliche Meinung interpretiert. Dieser Grundgedanke wird auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus formuliert, findet sich sowohl in empirisch orientierten Analysen (vgl. z. B. Schulz 1997) als auch in rein theoretischen Konzeptionalisierungsversuchen (vgl. z. B. Marcinkowski 1993) und hat gerade seit der autopoietischen Wende der Systemtheorie in den Sozialwissenschaften generell und in den Medienwissenschaften insbesondere eine enorme Konjunktur erfahren (vgl. v. a. die Beitrage in Merten et al. 1994). Geht man von der Pramisse aus, dass all das, was wir in der medialen Offentlichkeit sehen, horen und lesen, weniger Abbild einer extramedialen Realitat, sondern in erster Linie ein medial konstruiertes Bild ist, dann kommt den Journalisten als den Konstrukteuren der Medienrealitat eine besondere Funktion zu. Daher stehen Journalisten in ihrer Funktion als kommunikative Gatekeeper im Mittelpunkt des Forschungsinteresses in diesem Modell. In der Literatur wird mittlerweile angenommen, dass keines der beiden dargestellten Modelle alleine zutrifft, sondern dass bei alien offentlich verhandelten Themen beide Mechanismen, Agenda Building und
^ Klaus Merten (1993: 52f) teilt die Geschichte der Theoriebildung der Kommunikationsforschung in drei Phasen ein und geht davon aus, dass mit der tJbemahme des systemtheoretischen Konstruktivismus die dritte Phase eingeleitet wurde. Von den vielen kritischen Auseinandersetzungen mit einer derartigen konstruktivistisch-systemtheoretischen Fundierung der Massenmedienforschung sei hier nur auf den sehr guten Aufsatz von Hans Matthias Kepphnger (1993) verwiesen.
1.4 Untersuchung massenmedialer Diskurse im Landervergleich
31
Medienkonstruktivismus, eine Rolle spielen; manche Autoren sprechen fiir den Fall der politischen Kommunikation entsprechend von einem Interdependenz- bzw. „Symbiose"-Modell (Jarren und Donges 2002: 25ff; Sarcinelli 1994: 39). Als Heuristik soil diese Vorstellung auch in dieser Arbeit Anwendung finden. Dies folgt nicht nur aus der Ubertragung von Erkenntnissen der politischen Kommunikationsforschung auf die Kommunikation iiber Wissenschaft, sondern auch aus unserem Offentlichkeitsmodell: Gesellschaftliche Offentlichkeit hat eine Umwelt, die aus den anderen Teilsystemen der Gesellschaft und ihren Akteuren besteht, die ihre Positionen und ihre Argumente offentlich zu machen versuchen, und dies zunehmend professionalisierter und in Antizipation der massenmedialen Selektivitaten. Es finden sich also Agenda-Building-Versuche. Andererseits wirken Massenmedien immer und bei jedem Thema als Selektionsfilter; Journalisten fungieren als Gatekeeper, die den Zufluss an Kommunikationsangeboten sichten, nur einen Teil der Angebote weiterverarbeiten und publizieren und zugleich mit ihren eigenen Meinungen und Deutungen in das Geschehen eingreifen und die offentliche Meinung mitbestimmen. Beide Aspekte - extramediales Agenda Building und Medienkonstruktivismus - haben somit Einfluss auf den massenmedialen Output. Welcher der beiden Aspekte wie wichtig ist, und unter welchen Bedingungen der eine wichtiger ist als der andere, ist in der Kommunikationswissenschaft und Mediensoziologie nach wie vor nicht geklart (vgl. z. B. Pfetsch 1994). Wir werden versuchen, uns dieser Frage empirisch zu nahern.
1.4 Untersuchung massenmedialer Diskurse im Landervergleich Dabei werden wir uns nicht nur auf die Analyse eines nationalen Kontextes beschranken, sondern die Diskurse zweier Lander miteinander vergleichen. Dieses Vorgehen tragt dem gegenwartigen Stand der sozialwissenschaftlichen Forschung Rechnung. 1. Die Sozialwissenschaften sind bislang noch weitgehend dem verhaftet, was Anthony D. Smith (1983) schon vor mehr als 20 Jahren als
32
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
„methodologischen Nationalismus" bezeichnet hat. Gesellschaft wird in erster Linie als nationalstaatlich verfasste Gesellschaft verstanden, und entsprechend beschaftigen sich Sozialwissenschaftler dominant mit der Sozialstruktur, Kultur oder Offentlichkeit ihres eigenen Landes. Dem gemafi ist der Wissensstand der deutschen Soziologen iiber die deutsche Sozialstruktur, das deutsche Mediensystem oder etwa die Werteorientierung der Burger Deutschlands relativ gut. Instrumente der sozialstrukturellen Dauerbeobachtung (wie der Mikrozensus oder das Sozio-oekonomische Panel) sind relativ gut entwickelt, Standardpublikationen mit Grundlageninformationen mittlerweile gut etabliert. Landervergleichende Studien und Instrumente sind im Gegensatz dazu jedoch deutlich weniger etabliert. Auch wenn sich der Aufmerksamkeitsfokus der Soziologen in den letzten zehn bis 15 Jahren in Richtung einer komparativen Analyse verschoben hat, stecken die Entwicklungen doch immer noch in den Kinderschuhen. Landervergleichende Studien sind aber aus einem recht einfachen Grund instruktiv. Eine allein nationale Fixierung des Analysegegenstandes macht es nicht moglich, die Effekte der nationalstaatlichen Rahmenbedingungen auf die jeweilige abhangige Variable, hier also die massenmedialen Diskurse, zu untersuchen. Dazu ist eine komparative Perspektive notwendig. Denn nur im Vergleich wird die Besonderheit des Einzelfalls erkennbar und wird es moglich, Charakteristika nationaler Diskurse zu kontextualisieren, die Dominanz bestimmter Akteure und Deutungsmuster zu verstehen und eventuell als nationale Besonderheit zu interpretieren (Pfetsch und Esser 2003: 14). Ein deutsch-/US-amerikanischer Vergleich ist dabei besonders instruktiv, weil sich in einer anderen Studie (Ferree et al. 2002b) gezeigt hat, dass sich die diskursiven Gelegenheitsstrukturen Deutschlands und der USA und deren wissenschaftliche, politische und rechtliche Kulturen deutlich voneinander unterscheiden, was eine Dominanz von unterschiedlichen Akteuren in der offentlichen Arena und eine Hegemonie von unterschiedlichen Deutungsmustern in den beiden Landern zu erklaren hilft. 2. In der Literatur wird ein zweiter Grund diskutiert, warum die Uberwindung einer allein auf nationale Gesellschaften bezogenen For-
1.4 Untersuchung massenmedialer Diskurse im Landervergleich
33
schungsperspektive sinnvoll ist: Nationalstaatlich verfasste Gesellschaften haben sich in den letzten 20 Jahren zunehmend transnationalisiert und globalisiert (vgl. z.B. Beck 1997). Ein eindriickliches Beispiel fiir diese Entwicklung ist das Wirtschaftssystem; der Anteil an transnationalisierten Giiter- und Finanzstromen ist deutlich gestiegen. Aber auch politische Systeme - man denke an die Europaische Union - transnationalisieren Entscheidungskompetenzen und faktische Regulierungen (vgl. z.B. Gerhards und Rossel 1999; Held et al. 1999). Internationale Institutionen und Akteure gewinnen an Bedeutung und beeinflussen die Entwicklungen innerhalb der Nationalstaaten, so dass sich diese in manchen Bereichen in eine ahnliche Richtung entwickeln. Die Implikationen dieses Wandels fiir offentliche Debatten sind bislang umstritten. Einerseits kann man vermuten, dass es auch eine Transnationalisierung offentlicher Debatten gibt, insofern der Verlauf der Debatten, die Akteure, die zu Wort kommen und die Inhalte und Deutungen, die kommuniziert werden, in verschiedenen Landern ganz ahnlich sind. Andererseits ist denkbar, dass Themen aufgrund der vielfach noch national verankerten politischen Systeme eher nationalstaatlich gebrochen und landesspezifisch eingefarbt werden. Entsprechende theoretische Auseinandersetzungen iiber diese Fragen sind v. a. anhand der teils angenommenen, teils negierten Entstehung einer gemeinsamen europaischen Offentlichkeit gefiihrt worden (vgl. Eder 2000; Eder et al. 1998; Eder und Kantner 2000; Gerhards 1993b; 2000; 2002; Hagen 2004; Klein et al. 2003) - ein theoretischer Konsens liber die Entwicklungen ist dabei aber nicht erzielt worden. Komparative Studien sind in einer solchen Situation insofern von Interesse, als sie empirische Daten zur moglichen Transnationalisierung von offentlichen Debatten liefern konnen. Beim Thema Humangenomforschung kommt ein zusatzlicher Aspekt hinzu: Humangenomforschung ist nicht nur ein „big science"-Projekt, sondern hinter ihr stehen eine Reihe wissenschaftlicher „global player". Schliefilich ist ein Teil der Akteure international organisiert. Das Human Genome Project etwa integrierte Forschungsgruppen aus sechs Landern, die Internationale Human Genome Organization (HUGO) flankierte seine Arbeit. Internationa-
34
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
le Einfliisse auf die nationalen Diskurse sind also zu erwarten und in ihrem Gewicht nur durch ein komparatives Design zu evaluieren. In welchem MaCe dann nationale Besonderheiten die offentliche Debatte iiber Humangenomforschung bestimmen oder aber global agierende Akteure, ist eine offene, empirisch zu beantwortende Frage. Unser Projekt ist daher in seinem Analysefokus zwischen der transnationalen und der national-komparativen Ebene zu verorten: Es ist komparativ angelegt, vergleicht also zwei nationale Kontexte und untersucht zugleich landeriibergreifende Homogenisierungen der Diskurse. Der Vergleich zweier Lander erlaubt es uns, den oben genannten deskriptiven Forschungsfragen nach Standing, Positionierung und Framing eine vierte, dazu gewissermafien quer liegende Frage hinzuzufiigen: Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten lassen sich in den Diskursen Deutschlands und der USA hinsichtlich Standing, Positionierung und Framing finden, und wie kann man eventuelle Landerunterschiede erklaren? Dabei sollen Transnationalisierungstendenzen in den Diskursen, die Internationalisierung der Kommunikation und deren nationale Brechung besondere Aufmerksamkeit erhalten.
1.5 Erlauterung des Vorgehens Nachdem wir in diesem Kapitel den theoretischen Rahmen und die Fragestellungen unserer Untersuchung erlautert haben, werden wir in Kapitel 2 die Vorstrukturierung der Debatte iiber Humangenomforschung durch die historische Entwicklung dieser Forschung und durch die offentlichen Diskurse zu anderen biowissenschaftlichen Themen rekonstruieren. Denn die wissenschaftsimmanenten Entwicklungen der Humangenomforschung beeinflussen natiirlich die offentlichen Debatten iiber Humangenomforschung; gleiches gilt fiir offentliche Debatten zu ahnlichen Themengebieten. Entsprechend ist es fiir das Verstandnis der Debatte iiber Humangenomforschung wichtig, die Vorstrukturierung des Diskurses zu beriicksichtigen.
1.5 Erlauterung des Vorgehens
35
In Kapitel 3 werden wir das methodische Vorgehen unserer Untersuchung erlautern. Zur Beantwortung der ersten drei Forschungsfragen, die sich auf die deskriptive Rekonstruktion des deutschen und des USDiskurses iiber Humangenomforschung entlang der Dimensionen Standing, Positionierung und Framing richten, haben wir eine Inhaltsanalyse des massenmedialen Diskurses iiber Humangenomforschung in beiden Landern durchgefiihrt. Um zu priifen, ob die gefundenen Ergebnisse auch in anderen Landern und im Internet Bestand haben, haben wir zusatzlich eine Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung in drei weiteren Landern und im Internet durchgefiihrt. Der standardisierten, quantitativen Inhaltsanalyse war dabei ein qualitativer Analyseteil vorgeschaltet, in dem vor allem das Framing der Debatte exploriert wurde. Die Inhaltsanalyse wurde zudem erganzt durch eine Befragung der am Diskurs beteiligten Akteure. Mit Hilfe der Befragung soUten die Ressourcen und Praferenzen der Akteure rekonstruieren werden, die versucht haben, die Medienagenda zu beeinflussen. Diese Informationen konnen uns helfen, die gefunden Diskursmerkmale in den Dimensionen Standing, Positionierung und Framing zu erklaren. Die zentralen deskriptiven Befunde unserer Analysen werden wir in Kapitel 4 darstellen. In einem ersten Schritt werden wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den allgemeinen Strukturmerkmalen der Diskurse in Deutschland und den USA beschreiben, um in den dann folgenden Unterkapiteln zuerst die Standing-Struktur, anschliefiend die Bewertungen und dann das Framing der Debatte zu analysieren. Diese deskriptiven Analysen werden in Kapitel 5 erganzt, indem wir die aus dem deutsch-/US-amerikanischen Vergleich gewonnenen Befunde mit Ergebnissen einer Analyse der Debatte iiber Humangenomforschung im Internet einerseits und in den Massenmedien in Frankreich, Grofibritannien und Osterreich andererseits vergleichen. Wahrend die Deskription der offentlichen Debatten iiber Humangenomforschung im Mittelpunkt der Kapitel 4 und 5 steht, widmet sich das Kapitel 6 der Frage der Erklarung der Standing-, Positionierungs- und Framing-Struktur der Diskurse. Dazu greifen wir auf die beiden bereits erlauterten Modellvorstellungen zuriick. Wir werden in einem ersten
36
1. Gegenstand, konzeptioneller Rahmen und Fragestellung
Schritt die Rolle der Journalisten in der offentlichen Debatte iiber Humangenomforschung genauer analysieren. Die Befunde zeigen, dass die Journalisten als Sprecher in ihrem Kommunikationsverhalten nur in geringem Mafie von den extramedialen Akteuren abweichen. Dies interpretieren wir als Indiz dafiir, dass man die Strukturmerkmale der Debatte iiber Humangenomforschung am ehesten durch den Agenda BuildingAnsatz erklaren kann. Wir werden entsprechend im zweiten Schritt mit Riickgriff auf diesen Theorieansatz versuchen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des deutschen und des US-amerikanischen Diskurses iiber Humangenomforschung in den Dimensionen Standing, Positionierung und Framing zu erklaren. Abschliefiend werden wir unsere Befunde in Kapitel 7 in den Kontext normativer Theorien einer ,guten' Wissenschaftskommunikation stellen. Theorien, die sich mit der Rolle der Wissenschaft in der gesellschaftlichen Offentlichkeit beschaftigen, enthalten haufig normative Vorstellungen dariiber, wie die gesellschaftliche Kommunikation iiber Wissenschaft idealiter aussehen sollte. Man kann zwei Modelltypen von wissenschaftlicher Offentlichkeit unterscheiden, die historisch nacheinander entwickelt wurden. Die erste Modellvorstellung bezeichnen wir als die wissenschaftsdominierte Vorstellung von Offentlichkeit, die zweite Modellvorstellung als die gesellschaftlich kontextualisierte Vorstellung von Offentlichkeit. Diese beiden Modellvorstellungen werden wir erlautern, anschliefiend unsere empirischen Ergebnisse zusammenfassen und auf die beiden Modellvorstellungen beziehen.
2. Vorstrukturierung der Diskurse: Die Entwicklung der Humangenomforschung und die offentlichen Debatten zu anderen biowissenschaftlichen Themen
Wir untersuchen in unserer Studie die massenmediale Debatte iiber Humangenomforschung im Landervergleich. Diese Debatte hat einen realen Bezugspunkt: die Entwicklung der Humangenomforschung selbst. Offentliche Debatten sind keine reinen Konstruktionen von Wirklichkeit, sie nehmen Bezug auf etwas, was in einem anderen System, hier dem Wissenschaftssystem geschieht. Die dort stattfindende Entwicklung der Humangenomforschung beeinflusst natiirlich auch die Debatten iiber Humangenomforschung. Will man diese verstehen, muss man etwas iiber die Entwicklung der Humangenomforschung wissen. Daher ist das Kapitel 2.1 einer Erlauterung der Vorgeschichte der Humangenomforschung gewidmet. Offentliche Debatten zu Themen werden aber nicht nur durch Ereignisse in anderen Systemen, sondern auch durch andere offentliche Debatten vorstrukturiert. Jede offentliche Debatte zu einem Thema schliefit an Diskurse an, die zu ahnlichen Themen gefiihrt wurden. Akteure, die sich in der Vergangenheit zu ahnlich gelagerten Themen zu Wort gemeldet haben, werden sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auch zu dem neuen Thema in die Debatte einmischen; Deutungsmuster, die in friiheren Diskursen erfolgreich waren, werden wahrscheinlich auch zur Deutung des neuen Themas benutzt werden. Fiir das Verstandnis der Debatte iiber Humangenomforschung ist es entsprechend wichtig, die Vorstrukturierung des Diskurses durch andere Debatten zu beriicksichti-
38
2. Vorstrukturierung der Debatte
gen. Wir werden daher in Kapitel 2.2 den Stand der Forschung iiber offentliche Debatten zu anderen biowissenschaftlichen Themen rekapitulieren.
2.1 Die Entwicklung der Humangenomforschung in Deutschland und den USA Jeder Mensch tragt in jeder Zelle seines Korpers sein Erbgut - die Desoxyribonukleinsaure (DNS), einen zu einer Helix verwundenen Doppelstrang.i Dieser Doppelstrang besteht - um eine der weit verbreiteten linguistischen Metaphern in diesem Bereich zu verwenden - aus einer Reihung von 3,2 Milliarden Buchstaben: A(denin), C(ytosin), G(uanin) und T(hymin) sind die vier verschiedenen Nukleobasen, die sich auf beiden Seiten des Doppelstranges befinden und jeweils paarweise (jeweils Adenin mit Thymin, Cytosin mit Guanin) miteinander verbunden sind (vgl. z. B. Hilgartner 2003: 304). Bestimmte Abschnitte der DNS, sie werden als Gene bezeichnet, enthalten Grundinformationen zur Herstellung von Proteinen. Gene bilden wiederum eine wesentliche Grundlage der Entwicklung phanotypischer Eigenschaften von Lebewesen. Sie bestimmen mit, wie Menschen aussehen, moglicherweise auch, wie sie charakterlich pradisponiert sind, und wie hoch das Risiko einzelner Menschen ist, dass bei ihnen bestimmte, genetisch (mit)basierte Krankheiten zum Ausbruch kommen. Aus diesem Grund ist es wissenschaftlich und medizinisch interessant, die Struktur und die Arbeitsweise der DNS zu bestimmen. Entsprechend versteht man unter Genomforschung die beschreibende Analyse von voUstandigen Genomen (Hucho und Kochy 2003: 3); die sequenzie-
1 Gut verstandliche Einfiihrungen in die hier nur angerissenen molekularbiologischen Grundlagen liefern die Bande von Tom Strachan (1992), Ernst Peter Fischer (2002) und Ernst-Ludwig Winnacker (2002: 19ff). Fiir einen kurzen Abriss der Geschichte der Biowissenschaften, soweit sie fiir die Humangenomforschung relevant ist, sei die Schilderung im Gentechnologiebericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften empfohlen (Hucho et al. 2005: 21ff).
2.1 Die Entwicklung der Humangenomforschung in D und den USA
39
rende Humangenomforschung, die fiir uns hier im Mittelpunkt steht, zielt auf die korrekte Beschreibung der Abfolge der vier Basen in der menschlichen DNS. Fiir die sequenzierende Humangenomforschung lassen sich zwei aufeinander aufbauende Forschungsstrategien unterscheiden (vgl. Abels 1999: 57ff): Zunachst einmal ging es darum, das Genom auf unterschiedliche Weise zu kartieren, mithin wesentliche Eigenschaften und Referenzpunkte im Erbgut zu bestimmen. Daran schloss sich die eigentliche, systematische Sequenzierung an, bei der die korrekte Abfolge der Basen auf den DNS-Strangen bestimmt wurde. Durch mehrmaliges „Lesen" der zu diesem Zweck in kleinere Segmente aufgeteilten DNS wurde versucht, die Sequenz mit sehr geringer Fehlerquote und moglichst kleinen Leselticken aufzuklaren. Das Ergebnis war eine zu 99,99 % akkurate Sequenz von 99 % des menschlichen Erbguts; die iibrigen Telle der DNS sind mit heutigen Methoden nicht zuganglich (Hucho et al. 2005: 30; Schmutz et al. 2004). Damit wurde das anvisierte Forschungsziel, die Sequenzierung des menschlichen Genoms, als erreicht angesehen. Der darauf folgende Schritt, die funktionale Genomanalyse, bei der versucht wird, die Funktionen der durch die Sequenz beschriebenen Gene zu bestimmen, steht fiir uns nicht mehr im Fokus des Interesses. Dieser hier nur kurz skizzierte Entwicklungsprozess war langwierig, arbeits- und ressourcenaufwandig. Zum Zeitpunkt seiner Inangriffnahme gait das Projekt als hochst ambitioniert, zuvor war es lange fiir unmoglich gehalten worden (Abels 1999: 56). Die Geschichte der Humangenomforschung im engeren Sinne beginnt in den 1980ern in den USA, die in diesem Feld wie auch in anderen Bereichen der Biowissenschaften eine VorreiterroUe iibernahm.^ „Im engeren Sinne" deshalb, well die Forschung einerseits natiirlich auf andere, friihere Erfindungen und Entwicklungen angewiesen war, etwa die Moglichkeit der Rekombination von DNS (Olson 1993: 4338); andererseits, well die Idee der Sequenzie2 Eine sehr detaillierte Schilderung der friihen Entwicklungsjahre des Human Genome Projects inkl. einer ausfiihrlichen Chronologie der Ereignisse und einer umfassenden Bibliographie findet sich bei Cook-Degan (1995). Schilderungen der spateren Jahre der Humangenomforschung liefern Davies (2001) und Shreeve (2004).
40
2. Vorstrukturierung der Debatte
rung des menschlichen Genoms bereits in einem wissenschaftlichen Papier in den 1970ern erstmals erwahnt worden war (Abels 1999: 56). In grofierem Mafistab auf die Agenda gesetzt wurde die Idee einer Sequenzierung des gesamten menschlichen Erbgutes schlieClich durch gemeinsame Bemiihungen von Wissenschaftlern und Wissenschaftspolitikern. 1985 warben der Kanzler der University of California in Santa Cruz, Robert Sinsheimer, und der Medizin-Nobelpreistrager Renato Dulbecco unabhangig voneinander flir die Idee einer Totalsequenzierung des menschlichen Genoms (Cook-Deegan 1995: 79ff, 107ff; van Dijck 1995: 220ff). Im gleichen Jahr schlug Charles DeLisi, Direktor des Office of Health and Environmental Research des Department of Energy (DOE) der US-Administration vor, das DOE konne ein solches Vorhaben fordern und platzierte das Projekt damit auf der politischen Agenda (CookDeegan 1995: 92ff). Akteure aus der Wirtschaft spielten in der Phase des politischen Agenda Setting dabei zunachst keine Rolle (Abels 1991:14ff). In der Wissenschaft und der Politik losten diese Vorschlage zunachst kontroverse Diskussionen aus, Argumente pro und kontra Humangenomfoschung wurden ausgetauscht. Vor allem die hohen Kosten des Projekts wurden beanstandet. Zudem gab es Widerstande gegen die Implementierung von Grofiforschungsstrukturen in die traditionell eher in kleineren Einheiten organisierte biologische Forschung. Flir das Projekt ins Feld gefiihrt wurden sein erwarteter medizinischer Nutzen, der fiir den Fall einer Ablehnung des Projektes befiirchtete technologischwirtschaftliche Riickfall der USA im Vergleich zu anderen Staaten, v. a. zu Japan, und der erhoffte wirtschaftliche Zusatznutzen der Technologie. Hinzu kam, weniger als Argument denn als semantisch untersttitzende Analogie, der haufige Vergleich mit anderen erfolgreichen Grofiforschungsprojekten der USA wie dem Manhattan Project oder dem Apollo Project (vgl. Cook-Deegan 1995: bes. 117ff). Politikwissenschaftliche Netzwerkanalysen verdeutlichen, wie die anfangs kontroverse und - zumindest in der wissenschaftlichen und politischen Teiloffentlichkeit - recht offene Diskussion dann ziigig in wissenschaftliche und politische Gremien verwiesen wurde. Dort wurde das Thema von einem zunehmend abgeschlossenen, hochrangigen Experten-
2.1 Die Entwicklung der Humangenomforschung in D und den USA
41
netzwerk verhandelt, „mit wenigen Akteuren, die intensive, eingeschliffene Beziehungen zueinander hatten" und Humangenomforschung tendenziell eher befiirworteten (Abels 1991: 11) vgl. auch Abels 1992; 1996). Zu diesem Netzwerk gehorten prominente Wissenschaftler wie James Watson sowie die potentiellen politischen Forderer des Projektes, d. h. das DOE und die National Institutes of Health (NIH, vgl. dazu CookDeegan 1995: bes. 135ff, 161ff). Diesem Netzwerk gelang es zwischen 1986 und 1988, in Anhorungen und Diskussionen den Deutungs- und Spielraum des US-Kongresses, der in der Frage einer moglichen Forderung der Humangenomforschung das letzte Wort hatte, in strategischer Weise zu beeinflussen (Abels 1991: 11). So wurden mehrere Deutungsrahmen, die eine Forderung der Humangenomforschung nahe legten, erfolgreich etabliert. Beispielsweise wurde das Vorhaben von Anfang an als wissenschaftlich-technisch losbar apostrophiert; auch wurde seine Relevanz mit der Behauptung unterstrichen, dass viele Krankheiten genetische Ursachen batten und eine Forderung der Humangenomforschung spatere Therapien von Krankheiten begiinstigen wlirde (Abels 1999: 204f; vgl. auch Cook-Deegan 1995: 148ff; Hilgartner 2003: 307f). Zudem befiirworteten mehrere Expertengremien die Forschung, darunter das Health and Environmental Research Advisory Committee des DOE, das 1987 empfahl, ein auf 15 Jahre angelegtes Projekt mit einem Budget von jahrlich bis zu 200 Mio. Dollar aufzulegen. 1988 schloss sich auch das National Research Council dieser Empfehlung an (CookDeegan 1995: 354f). Der Erfolg blieb - trotz anhaltender, aber unorganisierter Gegenstimmen^ - nicht aus. 1988 bewilligte der US-Kongress die Forderung des Human Genome Project durch NIH und DOE; ein Teil der Fordersumme wurde fiir Forschungen zu ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen der Biowissenschaften abgezweigt. Im gleichen Jahr wurde auch die Dachorganisation Human Genome Organization (HUGO) gegriindet, die 3 Mehrere, allerdings nicht miteinander kooperierende Gegner innerhalb der scientific community versuchten z. B. 1990 noch einmal, das Projekt aufzuhalten, indem sie Briefe an Pohtiker schrieben und kritische Artikel in ^Science" veroffentUchten (Cook-Deegan 1995: 355ff; Hilgartner 2003: 304).
42
2. Vorstrukturierung der Debatte
die Internationale wissenschaftliche Koordination ermoglichen und auf Dauer stellen soUte (Cook-Deegan 1995: 205ff; Ten Eyck et al. 2001: 311). Schon die friihen US-amerikanischen Entwicklungen stiefien schnell auf internationale Resonanz (vgl. Balmer 1996: 535). Bereits 1987 meldeten sich auch in Europa Befiirworter eigener Genomprojekte zu Wort (Cook-Deegan 1995: 186ff). 1989 wurden in Grofibritannien und Japan eigene Programme zur Untersuchung des menschlichen Erbguts etabliert (Balmer 1996; Cook-Deegan 1995: 356). Im Gegensatz dazu begann die deutsche Entwicklung vergleichsweise spat. Die hiesigen Bedingungen waren fur ein solches Vorhaben auch wenig forderlich: Deutschland beteiligte sich bis in die 1990er hinein kaum an wissenschaftlichen Bemiihungen der Genomkartierung, der ersten, noch groberen Erfassung des menschlichen Genoms (Cook-Deegan 1995: 198). Generell war die Entwicklung der Biowissenschaften in Deutschland umstrittener als anderswo (vgl. Abels 1999: 136). Sowohl in der Offentlichkeit als auch in den politischen Parteien wurde Biowissenschaft skeptisch betrachtet (CookDeegan 1995: 199), auch im Lichte einer zu dieser Zeit gefiihrten ersten Debatte iiber die Verbindungen deutscher Wissenschaftler zu den eugenischen Programmen der Nationalsozialisten (vgl. dazu z. B. Miiller-Hill 1988; Weingart 1990; Weingart et al. 1992). Dementsprechend fielen in den 1980ern erste Vorschlage fiir ein deutsches Genomforschungsprogramm auf unfruchtbaren Boden (Haese und Wadzack 2002: 12). Die grofien offentlich finanzierten Forderungsinstitutionen waren an diesem Thema zunachst nicht interessiert; weder die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die wissenschaftliche, wissenschaftspolitische und finanzielle Vorbehalte gegen das Projekt hatte, noch das Bundesministerium fiir Forschung und Technologie, das dieses vermeintlich brisante Thema nicht in der Offentlichkeit vertreten wollte, waren zu einer Forderung bereit (Abels 1999: 136ff; Cook-Deegan 1995: 199; Schulze 2005: 77f).4
* Die DFG finanzierte allerdings zwischen 1985 und 1995 im Rahmen des Programms „Analyse des menschlichen Genoms mit molekularbiologischen Methoden" 46 wissenschaftliche Einzelprojekte mit einem Volumen von 25 Mio. DM (Schulze 2005: 76; vgl. auch CookDeegan 1995:199).
2.1 Die Entwicklung der Humangenomforschung in D und den USA
43
Auch Vorstofie auf europaischer Ebene waren in Deutschland zunachst nicht durchsetzungsfahig. Die Europaische Kommission versuchte bereits seit den 1980ern, ein eigenes, europaisches Genomprojekt zu entwickeln (Abels 1999: 206f; Cook-Deegan 1995: 201) und legte im Juli 1988 ein Programm unter dem Titel „Pradiktive Medizin" vor, das mit einem relativ kleinen Finanzvolumen von 15 Mio. ECU Forschungen am menschlichen Genom fordern sollte. Dieses Programm wurde aufgrund seiner vermeintlich eugenischen Tendenzen im Europaischen Parlament, in einigen Nationalstaaten und v. a. auch in Deutschland sehr kontrovers diskutiert, sowohl von politischen Akteuren wie den Griinen als auch von Vertretern von Frauen- und Behindertengruppen. Es musste in der vorgeschlagenen Form schliefilich von der Europaischen Kommission zuriickgezogen und u. a. um die Forderung von Studien zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der Biowissenschaften erganzt werden. 1989 wurde es unter dem Titel „Analyse des menschlichen Genoms" nochmals vorgelegt und 1990 mit dem urspriinglich veranschlagten Finanzvolumen verabschiedet (Abels 1999: 152ff; Cook-Deegan 1995: 202). Auf der Basis dieses und zweier weiterer Programme („Bioethical and Health Research") wurden in der Folge auch in Deutschland Forschungen am menschlichen Genom finanziert (Abels 1999: 190ff). Der Umfang dieser Initiativen war jedoch sehr beschrankt, und ein eigenes europaisches oder deutsches Humangenomprojekt wurde damit zunachst noch nicht geschaffen. Es waren dann v. a. externe Einfliisse, die ein konzertiertes deutsches Projekt auf den Weg brachten. Verantwortlich fiir die Wahrnehmung eines entsprechenden Handlungsbedarfs auch in Deutschland waren v. a. die internationalen und namentlich die US-amerikanischen Entwicklungen (Schulze 2005: 117ff). Vor deren Hintergrund initiierten deutsche Wissenschaftler, Wissenschaftspolitiker und Wirtschaftsvertreter ab 1988 erste Treffen, die schliefilich in der ersten Halfte der 1990er in eine Ad hoc-Kommission und ein Programmpapier der DFG miindeten, das wiederum im Bundesministerium fiir Forschung und Technologie positive Resonanz fand. Hierbei waren auch Vertreter der Wirtschaft beteiligt, die jedoch in der endgiiltigen Struktur des deutschen Vorhabens keine we-
44
2. Vorstrukturierung der Debatte
sentliche Rolle in der Forschung spielen sollten.^ Ein entsprechendes Forderkonzept wurde 1995 offentlich vorgestellt. Das Deutsche Humangenomprojekt (DHGP), gefordert vom Bundesministerium fiir Bildung und Forschung (BMBF) und der DFG, wurde implementiert (Abels 1999: 139; Schulze2005:79ff). Die Entstehungsphasen des US-amerikanischen und des deutschen Humangenomprogramms liegen also einige Jahre auseinander. Die mit ihrer Genese verbundenen Prozesse weisen jedoch eine Reihe von Ahnlichkeiten auf. In beiden Fallen waren es in erster Linie einige Wissenschaftler und politische Akteure, in aller Kegel die grofien und etablierten Institutionen der staatlichen Forschungsforderung, die die Notwendigkeit nationaler Humangenomforschung konstatierten und durchzusetzen versuchten. Bei der Implementierung der jeweiligen Projekte besetzten Wissenschaftler Schliisselpositionen und waren in der Lage, iiber strategisches Lobbying Widerstande in wissenschaftlichen und politischlegislativen Teiloffentlichkeiten abzubauen und die Wahrnehmung von Entscheidungstragern (mit) zu strukturieren. Bemerkenswert ist die geschlossene Netzwerkstruktur, die mit der Lancierung des neuen Forschungsthemas einher ging: Involviert waren Wissenschaftler und Wissenschaftspolitiker, aber kaum Akteure der Wirtschaft und in beiden Landern so gut wie keine Vertreter der Zivilgesellschaft. Nach der Implementierung der nationalen Projekte wurde in beiden Landern vornehmlich wissenschaftlich gearbeitet, an der Infrastruktur der Projekte in Deutschland und den USA anderte sich bis 1998 nichts Wesentliches mehr. Verschiedene Institutionen^ arbeiteten in einem ers-
5 Mehrere deutsche Biotechnologiefirmen, darunter Aventis, BASF, Bayer, Merck, Roche und Schering, finanzierten iiber den „Verein zur Forderung der Humangenomforschung" die Patentierungs- und Lizenzierungsagentur (PLA), die mit dem DHGP kooperierte (vgl. dazu Haese und Wadzack 2002; Kemper 2002; Schroder 2002). ^ In den USA nahmen teil: das Baylor College of Medicine in Houston, das Cold Spring Harbor Laboratory Genome Center bei New York, die Genome Therapeutics Corporation in Waltham, das Joint Genome Institute in Walnut Creek, das Stanford DNA Sequencing Center in Palo Alto, das University of Washington Genome Center in Seattle, das Washington University Genome Sequencing Center in St. Louis und das Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge. In Deutschland handelte es sich, ab 1995, um die Ge-
2.1 Die Entwicklung der Humangenomforschung in D und den USA
45
ten Schritt an der feineren Kartierung, d. h. an der Identifikation bestimmter „landmarks" im Genom (Strachan 1992: bes. lllff), im zweiten Schritt dann an der Sequenzierung der menschlichen DNS (Guyen und Collins 1995; Hilgartner 2003: 305; Olson 1993). Voraussetzung dafiir war die parallele, kontinuierliche Arbeit an Methoden und Technologie, da die notwendige Hochleistungssequenzierung bei Projektstart technisch noch nicht moglich war und das menschliche Erbgut die Grofie aller bis dato sequenzierten Genome um den Faktor 10.000 iiberstieg (Strachan 1992:143). Auf einen deutlichen Unterschied zwischen beiden Landern ist fiir diese Phase allerdings hinzuweisen: Die Zahl der involvierten Institutionen, der beteiligten Wissenschaftler und die Hohe der zur Verfligung gestellten Forschungsforderung lagen in den USA deutlich liber den entsprechenden deutschen Zahlen; zudem wurde in den USA wahrend dieser Phase die staatliche Forderung des Projektes kontinuierlich erhoht. Fiir das Deutsche Humangenomprojekt wurden zwischen 1996 und 2002 vom BMBF etwa 150 Mio. Euro ausgegeben^, hinzu kamen ca. acht Millionen Euro, die die DFG in Humangenomforschung investierte.^ Ganz andere Dimensionen erreichte die Forderung in den USA: Dort wurde zwischen 1996 und 2002 jahrlich mehr Geld fiir Humangenomforschung ausgegeben als in Deutschland iiber den gesamten Zeitraum hinweg; die
sellschaft fiir Biotechnologische Forschung in Braunschweig, das Institut fiir Molekulare Biotechnologie in Jena und das Max-Planck-Institut fiir Molekulare Genetik in Berlin. Neben diesen deutschen und US-Instituten waren auch Institutionen anderer Lander am Human Genome Project beteiligt: das britische Sanger Centre in Hinxton, das franzosische Genoscope in Evry, in Japan die Keio University in Tokyo und das Riken Genomic Sciences Center in Saitama sowie in China das Beijing Human Genome Center am Institute of Genetics der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking. 7 Diese Angaben haben wir auf Anfrage von Florian Frank erhalten, dem stellvertretenden Pressesprecher des BMBF (eMails vom 1.3. und vom 8.3.2004). ^ Diese Angaben haben wir auf Anfrage von Jutta Behnke aus der Gruppe Lebenswissenschaften 1 der DFG erhalten (eMail vom 14.3.2004).
46
2. Vorstrukturierung der Debatte
jahrlichen Fordermittel stiegen von 243,2 Mio. Dollar im Jahr 1996 auf 434,3 Mio. Dollar im Jahr 2002.9 Erst im Mai 1998 veranderte sich die Forschungslandschaft wieder entscheidend, als J. Craig Venter und die Firma Celera Genomics auf den Plan traten. Venter war seit 1984 Neurowissenschaftler bei den staatlich geforderten National Institutes of Health (NIH) in den USA gewesen, hatte schon dort mit automatischen DNS-Sequenziermaschinen gearbeitet und gait aufgrund mehrerer vielbeachteter Artikel in der renommierten Zeitschrift „Science" als einer der Experten dieses Feldes. 1992 verliefi er die NIH, griindete das bis dato weltgroCte Sequenzierinstitut TIGR (The Institute fiir Genomic Research) und begann eine Kooperation mit der Firma Human Genome Sciences (HGS). Diese finanzierte Venters TIGR und bekam dafiir ein sechsmonatiges Vorgriffsrecht auf seine Ergebnisse (Davies 2001: 54ff). TIGR war wissenschaftlich erfolgreich, was sich u. a. in hochrangigen Fachpublikationen und in der Sequenzierung des ersten kompletten Genoms eines Lebewesens, namlich dem des Bakteriums H. influenzae, manifestierte. Die Zusammenarbeit mit HGS gestaltete sich jedoch schwierig, im Wesentlichen aufgrund von Streitigkeiten iiber die von Venter geforderte schnelle Publikation bzw. das von der Firma forcierte Zuriickhalten der jeweiligen wissenschaftlicher Daten. Beide Seiten beendeten ihre Zusammenarbeit schliefilich (Davies 2001: 94ff; Shreeve 2004: 104ff). Venter griindete daraufhin, in Kooperation mit der Perkin Elmer (PE) Corporation, einem Hersteller von Laborgeraten und u. a. Sequenzierautomaten, eine neue Firma und firmierte als „chief scientific officer" dieses spater Celera Genomics genannten Unternehmens. Das explizite Ziel der Unternehmung, das 1998 in der „New York Times" veroffentlicht wurde, bestand in der Sequenzierung des menschlichen Genoms, allerdings mit einer anderen Sequenzierstrategie als das Human Genome Project und v. a. mit der ehrgeizigen Zielsetzung, das Projekt bis zum Jahr 2001, d. h. vier Jahre vor der angekiindigten Sequenz des offentlich geforderten Projekts abzuschliefien. Auch wenn der Ge^ Diese Angaben beruhen auf Informationen der Human Genome Project-Kommunikationsabteilung des US Department of Energy am Oak Ridge National Laboratory (Human Genome Project Information 2004).
2.1 Die Entwicklung der Humangenomforschung in D und den USA
47
schaftsplan des Unternehmens zunachst unklar blieb und Venter versprach, die Daten in regelmafiigen Abstanden offentlich zu machen, waren viele Vertreter der biowissenschaftlichen Forschungsgemeinschaft und gerade des Human Genome Projects misstrauisch. Man mutmafite. Venter wollte resp. miisste - aus okonomischen Zwangen heraus - die erstellten Genomdaten patentieren lassen und so den Zugang der scientific community zu diesen Daten und damit die moglichen Forschungsaktivitaten beschranken (Davies 2001:148ff; Shreeve 2004:13ff, 119f). Seit 1998 versuchten sich nun also ein internationales, offentlich gefordertes und ein privatwirtschaftlich finanziertes Forschungsteam an der Sequenzierung des menschlichen Genoms. Die Beziehung beider zueinander war anfangs noch nicht ganzlich klar, v. a. von Seiten der Politik gab es starke Impulse zugunsten einer Kooperation - es entwickelte sich jedoch schnell ein Konkurrenzverhaltnis. Beide Teams versuchten, Journalisten fiir ihre Perspektive und Argumente zu gewinnen, teils zu instrumentalisieren. Beide Teams kritisierten die Arbeit des Anderen offentlich, mitunter mit Argumenten, denen die wissenschaftliche Substanz fehlte. Und beide Teams verwandten enorme Mengen an Ressourcen und Arbeitskraft darauf, ihre Genomsequenz als erste prasentieren zu konnen (fiir eine detaillierte Beschreibung dieser Konkurrenzphase vgl. Shreeve 2004). Nach dieser mehrjahrigen Konkurrenzsituation wurde im Juni 2000 dann von beiden Teams eine „Arbeitsversion" der Genomsequenz prasentiert (The White House 2000). Im Februar 2001 wurden die Sequenzen in „Science" bzw. „Nature" publiziert (International Human Genome Consortium 2001a; 2001b; Venter et al. 2001). Im April 2003 wurde die Arbeit des Human Genome Projects fiir offiziell abgeschlossen erklart (International Human Genome Consortium 2003); Celera hatte die Arbeiten schon friiher eingestellt (Shreeve 2004: 367ff). Die menschliche Genomsequenz, in der Version des Human Genome Projects, ist heute in einer Internet-Datenbank verfiigbar und wird sukzessive durch Sequenzen tierischer und pflanzlicher „Modellorganismen" erganzt (vgl. Benson et al. 2004; Hubbard et al. 2002).
48
2. Vorstrukturierung der Debatte
Aus der Vorgeschichte der Humangenomforschung lassen sich zwei zentrale Charakteristika festhalten. Zum einen ist zu konstatieren, dass die Entwicklung der Humangenomforschung von einem relativ kleinen Zirkel von Akteuren vorangetrieben wurde. Die Idee einer Totalsequenzierung des menschlichen Erbguts entstand in der scientific community; in der Realisierung dieser Idee waren nur wenige Akteure resp. ein vergleichsweise geschlossenes Netzwerk von wissenschaftlichen und politischen Institutionen beteiligt. Zum anderen war in der Akteurskonstellation des Forschungsfeldes spatestens seit 1998 eine Kontroverse angelegt, namlich zwischen den konkurrierenden offentlich geforderten und privatwirtschaftlich unterstlitzten Forscherteams, die auch unterschiedliche methodische Ansatze verfolgten.
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse iiber Humangenomforschung Offentliche Diskurse lassen sich nicht nur aus der aktuellen Aktivitat unterschiedlicher Akteure und aus der momentanen Arbeit von Journalisten erklaren. Offentliche Debatten haben eine Vorgeschichte und werden durch diese vorstrukturiert. Anthony Giddens hat diese Vorstellung mit seiner Strukturierungsthese auf allgemeiner Ebene formuliert: Wenn Akteure handeln, dann treffen sie auf bereits existierende Strukturen, die aus friiheren Handlungen anderer Akteure, vielleicht sogar aus ihren eigenen friiheren Handlungen entstanden sind. Diese Strukturen wirken sich auf das Handeln von Akteuren aus - wobei dieses neuerliche Handeln natiirlich wieder Strukturen erzeugt oder modifiziert, auf die andere Akteure spater treffen werden. Durch eine Reihe dieser Strukturierungen entsteht eine historisch geformte Interaktionsstruktur, die zukiinftige Handlungen pragt, indem sie den Horizont der Moglichkeiten beschrankt (Giddens 1991; vgl. auch Gerhards 1993: 55ff). Auf unser Thema bezogen heifit dies: Akteure bilden ihre Positionen und Meinungen zu einem Thema nicht im luftleeren Raum aus, sondern (auch) basierend auf Erfahrungen mit und Meinungen zu anderen, ahnlichen Themen. Kollektive Akteure werden meist nicht erst fiir das konkre-
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
49
te Diskursthema gegriindet, sondern existieren oftmals bereits langer und konnen auf Infrastruktur, Ressourcen, Sympathisanten u. a. zurlickgreifen. Ahnliches gilt fiir die Argumente, die in der offentlichen Arena ausgetauscht werden. Diese werden nicht fiir das jeweilige Diskursthema komplett neu erfunden, sondern schliefien oft an Argumente frliherer, ahnlicher Diskurse an.^^ Auch Journalisten beurteilen die mogliche Resonanz von Themen nicht jedes Mai neu, sondern partiell durch Analogieschliisse von anderen, ahnlichen Themen." Die Vorstrukturierung von Diskursen erleichtert damit aufiermedialen und medialen Akteuren den kognitiven Umgang mit einem Thema, weil sie seine Einordnung in bekannte Kontexte ermoglicht. Die Vorstrukturierung hat noch einen zweiten Effekt. Sie kann den offentlichen Erfolg von Themen, Akteuren und Inhalten befordern oder auch hemmen. Sich erfolgreich in der Offentlichkeit resp. in den Massenmedien zu platzieren ist wahrscheinlicher, wenn Themen an Vertrautes anschlieCen, wenn Akteure bereits existent und offentlich bekannt, Argumente bereits vorgepragt und kulturell resonanzfahig sind (vgl. Gerhards 1993: 55ff). Das heifit nicht, dass Vorstrukturierungen den Verlauf von offentlichen Diskursen determinieren. Sie konnen aber giinstigere oder ungiinstigere Gelegenheitsstrukturen fiir bestimmte Themen, Akteure oder Inhalte schaffen. Die fiir unser Thema zentrale Frage lautet also: Welche Vorstrukturierungen des Diskurses existierten bereits, die einen Einfluss auf den Verlauf der deutschen und US-amerikanischen Diskurse iiber Humangenomforschung gehabt haben konnten? Fiir die Beantwortung dieser Frage liegt es nahe, sich die offentlichen resp. massenmedialen Debatten zu anderen, ahnlichen Themen anzusehen, die dem Diskurs iiber Humangenomforschung entweder zeitlich vorlagert waren oder zeitgleich mit ihm verliefen.
1° Eine ahnliche Konzeptionalisierung findet sich auch in der Diskurstheorie Michel Foucaults, wo von diskursiven „Archiven" gesprochen wird (vgl. statt anderer Foucault 1973). " Der Nachrichtenfaktor „Frequenz'' tragt dem Rechnung: Themen werden, ceteris paribus, dann haufiger in Massenmedien publiziert, wenn sie an bereits publizierte Themen anschlussfahig sind (vgl. z. B. Eilders 1996: 2).
50
2. Vorstrukturierung der Debatte
Sowohl in Deutschland als auch in den USA werden biowissenschaftliche Themen schon seit einigen Jahrzehnten in massenmedialen Offentlichkeiten diskutiert (vgl. statt anderer Nelkin 1995: v. a. 35ff, 58ff; Nisbet und Lewenstein 2002; Ruhrmann 1992). Es lassen sich eine Reihe von Trends, Akteurskonstellationen und inhaltlichen Charakteristika identifizieren, die als Vorstrukturierungen der Debatte iiber Humangenomforschung von Bedeutung waren. Diese Merkmale der Berichterstattung iiber andere, der Humangenomforschung verwandte Themen wollen wir im folgenden Kapitel beschreiben. Dabei werden wir die Vorstrukturierung der offentlichen Debatte iiber Humangenomforschung auf zwei Wegen rekonstruieren: zum einen auf der Basis einer kleinen eigenen Auswertung der massenmedialen Berichterstattung iiber verwandte Themen, zum anderen auf der Basis einer Zusammenfassung des sozialwissenschaftlichen Forschungsstandes. Dazu werden wir uns diejenigen Studien ansehen, die sich mit der Medienprasenz von Themen beschaftigt haben, die dem Bereich der Humanbiowissenschaften zuzuordnen sind. Forschungs- und Anwendungsfelder, die damit in den Blick geraten, sind etwa die Forschung an und mit embryonalen und adulten Stammzellen (vgl. dazu Hauskeller 2001; Wolfrum 2001), die Praimplantationsdiagnostik (vgl. z. B. Graumann 2001b) und die Klonierung (vgl. z. B. Callahan 1998). Auch wenn die Studien, iiber die wir berichten werden, nicht mit der von uns vorgeschlagenen Unterscheidung von Standing, Positionierung und Framing arbeiten, so kann man deren Ergebnisse doch zum Teil auf diese Dimensionierung beziehen. Wir fragen entsprechend: Auf welche Weise war die Debatte uber Humangenomforschung in den drei zentralen Dimensionen Standing, Positionierung und Framing durch massenmediale Diskurse zu verwandten Themen vorbereitet?
2.2.1 Die Vorstrukturierung des Diskurses in Deutschland In Deutschland findet sich eine - zumindest im europaischen Vergleich relativ lange Vorgeschichte offentlicher Debatten iiber Biowissenschaften
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
51
(vgl. Hampel et al. 2001:191). Dabei variierte allerdings die Intensitat der massenmedialen Auseinandersetzung mit diesem Themenfeld betrachtlich. Seit den 1970ern wird sporadisch iiber biowissenschaftliche Themen berichtet, seit der zweiten Halfte der 1980er Jahre nimmt das Themenfeld einen grofieren Stellenwert in der Berichterstattung ein (Hampel et al. 1998: 67) und um 2000 herum stieg die massenmediale Aufmerksamkeit fiir biowissenschaftliche Themen rapide an. Dies lasst sich, wenigstens fiir die vergangenen zehn Jahre, anhand einer einfachen Analyse der Berichterstattung der „Frankfurter Allgemeinen" verdeutlichen. Wir haben eine Frequenzanalyse der Artikel - iiber alle Ressorts und alle Wochentage hinweg - durchgefiihrt, in denen entweder die Schlagworte „Biotech'*"" bzw. „Gentech*" oder das Schlagwort „Genom*" vorkommen. Die Ergebnisse zeigen, dass iiber die 1990er Jahre hinweg die Menge der einschlagigen Artikel stetig ansteigt. Die Berichterstattung in der „Frankfurter Allgemeinen" verdoppelt sich zwischen 1992 und 1996 von 200 auf 400 Artikel pro Jahr, d. h. von durchschnittlich 0,7 Artikeln pro gedruckter Ausgabe^^ ^^f Q^ 1 5 Zwischen 1997 und 1999 stieg der Berichterstattungsumfang erneut an, von jahrlich 400 auf ca. 600 Artikel, d. h. also auf durchschnittlich zwei einschlagige Artikel pro gedruckter Ausgabe. Die Menge der zum Thema veroffentlichten Artikel erreichte dann 2001 ihren Hohepunkt; in diesem Jahr erschienen 1400 Artikel mit thematischem Bezug, durchschnittlich also mehr als vier pro Druckausgabe. Die Anzahl der publizierten Artikel fiel dann ab 2002 wieder ab. Humangenomforschung war, wie das Schaubild zeigt, eines der viel diskutierten Themen in dieser Hochphase der Berichterstattung. Da die Debatte iiber Humangenomforschung vor allem 2000 und 2001 stattfand, wie wir spater noch genauer zeigen werden, war sie das erste grofier diskutierte biowissenschaftliche Thema dieser Phase. Die Debatte iiber Humangenomforschung war also eingebettet in eine vorher kontinuierlich ansteigende Debatte iiber biowissenschaftliche Themen und hat diese Debatte dann selbst weiter befliigelt und intensiviert. ^2 Die „Frankfurter Allgemeine" erscheint montags bis samstags (zur Zeit der Analyse erschien die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung'' noch nicht). Damit erscheinen pro Jahr also etwa 300 Ausgaben der Zeitung.
52
2. Vorstrukturierung der Debatte
Schaubild 2.1: Berichterstattung iiber Biotechnologie und Genomforschung in Deutschland 1600 1400 1200 1000
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 ^'==^=^'=^' ^' ^' ^'' Schlagwort "Genoni'
Schlagwort ''BiotedVGentech''
Datenquelle: Internet-Archiv der ^^Frankfurter Allgemeinen" unter http://fazarchiv.faz.net /FAZ.ein, Zugriff am 20.06.2005. DargesteUt wird die Zahl der Artikel zu den Schlagworten „Genom*" einerseits und „BiotechVGentech*'' andererseits, die pro Jahr in der ^Frankfurter Allgemeinen" pubUziert wurden.
Eine einfache Frequenzanalyse sagt aber noch nichts iiber die Akteure und die Inhalte der Debatte aus. Wir wollen im Folgenden den zeitlichen Verlauf der Berichterstattung intensiver und detaillierter betrachten, indem wir auf andere sozialwissenschaftliche Studien zuriickgreifen, die sich mit der massenmedialen Verhandlung von Biowissenschaften generell, von Humanbiowissenschaften oder von einzelnen Forschungs- und Anwendungsfeldern beschaftigt haben. Dabei werden wir - in Anlehnung an eine von der Europaischen Union geforderte landervergleichende Studie (vgl. Bauer und Gaskell 2002; Durant 1992; Durant et al. 1998; Gaskell und Bauer 2001) - Phasen der Berichterstattung unterscheiden. Diese Phasen unterscheiden sich einerseits in der Intensitat der Debatte, andererseits aber auch in den fiir uns relevanten Dimensionen der Beschreibung massenmedialer Diskurse. Auch wenn die Autoren nicht mit den Termini Standing, Positionierung und Framing arbeiten, so lassen
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
53
sich einige der von ihnen berichteten Ergebnisse doch analog zu unseren Dimensionen interpretieren. Wir haben die Ergebnisse tabellarisch dargestellt, die folgenden Zusammenfassungen beziehen sich auf diese Tabellen (vgl. Tabelle 2.1). 1. Bis in die 1980er Jahre hinein war der offentliche Diskurs in Deutschland zunachst wenig ausgepragt; eine aufierhalb der Massenmedien unter Experten geflihrte Debatte iiber Biowissenschaften stiefi auf nur geringes massenmediales Interesse (vgl. Hampel et al. 1998: 67; Nawratil 1987; Radkau 1988: 340; Ruhrmann 1992; Ruhrmann et al. 1992). Aber schon fiir die quantitativ geringe massenmediale Berichterstattung dieser Phase finden sich in den vorliegenden Inhaltsanalysen Charakteristika, die sich auch in spateren Phasen wieder finden (Hampel et al. 1998: 67): Das Standing des massenmedialen Diskurses von 1973 bis 1985 wurde von Naturwissenschaftlern, v. a. von Biowissenschaftlern und Medizinern dominiert. In den in der Berichterstattung auffindbaren Positionierungen wurden Biowissenschaften eher befiirwortet: Sie galten als fortschrittlich, zentrale Pro-Argumente waren der Verweis auf das medizinische Potenzial und die innerwissenschaftliche Bedeutung als Grundlagenforschung.
2. Vorstrukturierung der Debatte
54 Tabelle 2.1:
Charakteristika der massenmedialen iiber Biotechnologie in Deutschland
ArtikelStanding menge (in %) Phase (in %) 8 68 1973Science 1984 Politics 13 Business 11
Positionierung: benefit vs. risk (in %) Benefit Both Risk Neither
"F9" Progress 25 Accountability 11 Economic 5 Pandora's Box Globalisation
Science Politics Business Media NGO
"IT Benefit IT
Science Politics Business NGO EU
IT Benefit
"55" 28 13 5
57~~' Science Business Politics NGO EU
"IF Benefit
"lo"
19851991
15~
19921996
20~
19971999
26 Both 13 Risk 7 Neither 5
18 Both 18 Neither 6 Risk 5
23 Both 12 Neither 7 Risk 5
Framing (in %)
Thema des Artikels (in %) 57 13 9 7 5
"45" Progress 37 Accountability 22 13 11 Ethical 7 8 Economic 5 Pandora's Box
Progress Accountability Globalisation Economic Ethical
Berichterstattung
IT 11 11 8 6
"42" Progress 21 31 Economic 20 Ethical 11 9 10 Accountability Nature/nurture 8
Medical 23 Basic Research 23 Regulation 9 Safety & Risks 9 Political 6 Economic 6 Medical 18 Basic Research 15 Safety & Risks 14 Regulation 13 12 Political 7 Economic Ethical 6 19 Medical 12 Regulation Basic Research 12 Political 11 Economic 10 7 Safety & Risks Biomedical 21 Genet Research 14 Agrifood 13 12 Economics Public opinion & policy 11 Genet identity 10 Regulation 6 Moral 6
Die hier verwendeten Angaben wurden aus Beitragen von Hampel et al. (1998: 75; 2001: 197) aus der EU-geforderten Studie „Biotechnology and the European Public'' entnommen. Einige der Angaben wurden fiir die Erstellung dieser Tabelle neu berechnet.
2. Erst ab Mitte der 1980er, u. a. im Zusammenhang mit der Geburt des ersten kiinstlich befruchteten Babys (vgl. Hampel et al. 2001:191), mit der Veroffentlichung der Abschlussberichte der Bundestags-Enquetekommis-
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
55
sion „Chancen und Risiken der Gentechnologie" (Catenhusen und Neumeister 1987) und der so genannten Benda-Kommission (Benda 1985) sowie mit der Diskussion und Umsetzung des deutschen Gentechnikund Embryonenschutzgesetzes zwischen 1988 und 1990 (vgl. Kepplinger et al. 1991: 149ff; Hampel et al. 2001: 191) veroffentlichten auch deutsche Medien zunehmend Artikel zum Themenfeld Biowissenschaften (Hampel et al. 1998: 67; Kepplinger 1991; Kepplinger und Mathes 1988; Ruhrmann 1992). Dabei blieb zwar die vorherrschende RoUe wissenschaftlicher Akteure in der Debatte weitgehend erhalten, sie wurden aber nun starker als zuvor durch Akteure der Politik, der Wirtschaft und auch von NGOs erganzt (Hampel et al. 1998: 67). Zugleich wurde die Debatte kontroverser (Ruhrmann 1992: 178ff; vgl. auch Kepplinger et al. 1991: 154ff), es wurden haufiger kritische Aspekte in die massenmediale Debatte eingefiihrt, v. a. Fragen nach der ethischen Vertretbarkeit der Biowissenschaften sowie der offentlichen Verantwortung und Regulierung der Biowissenschaften wurden aufgeworfen (Hampel et al. 1998: 67). Dennoch wurden die Biowissenschaften in der Berichterstattung weiterhin tendenziell befiirwortet, auch das Framing, dass es sich um ein progressives wissenschaftliches Feld handele, blieb weitgehend erhalten (Hampel et al. 1998: 67). 3. Zwischen 1992 und 1996 stieg der Umfang der Berichterstattung iiber Biowissenschaften weiter an (Hampel et al. 1998: 67). Wissenschaftler blieben die dominanten Akteure, aber nun beanspruchten auch Wirtschaftsvertreter einen grofieren Anteil des Standings fiir sich. Biowissenschaften wurden nach wie vor als progressiver Forschungs- und Anwendungsbereich gedeutet; der Verweis auf einen potentiellen medizinischen Nutzen, aber auch auf okonomische Verwertungsaussichten standen im Vordergrund. Diesen Nutzenorientierungen gegeniiber trat die Skepsis der spaten 1980er wieder etwas zuriick (Ruhrmann 1992: 178ff); auch die eher kritischen Akteure und Inhalte verloren etwas an Bedeutung, ohne jedoch wieder voUkommen aus der Debatte zu verschwinden (Hampel et al. 1998: 67f; Hampel et al. 2001:196; vgl. auch Gorke et al. 2000; Hampel und Renn 1998: 36ff; Kohring et al. 1999; Kohring und Matthes 2002:148f; Ruhrmann 1992: 178ff; Ruhrmann et al. 1997). Statt dessen fand eine Dif-
56
2. Vorstrukturierung der Debatte
ferenzierung statt: Wahrend in den ersten beiden Phasen meist liber Biowissenschaften generell geschrieben wurde (Kepplinger et al. 1991: 154ff), wurden nun spezifische Forschungs- und Anwendungsfelder unterschieden (vgl. Hampel et al. 1998: 67). Dabei wurde iiber die Verwendung von Biotechnologie im landwirtschaftlichen Bereich („grune Gentechnik") haufiger und eher negativ berichtet, wahrend die „rote Gentechnik", d. h. die medizinische und die Grundlagenforschung am Menschen, eher positiv dargestellt wurde (Hampel und Renn 1998: 35ff; vgl. ahnlich auch Merten 1999). 4. Auch zwischen 1997 und 1999 stieg der Umfang der Berichterstattung weiter an. Das Standing naturwissenschaftlicher Akteure sank in dieser Phase jedoch noch einmal deutlich; Reprasentanten der Wirtschaft gewannen demgegeniiber an Bedeutung. Es gab in dieser Phase zudem eine Renaissance ethischer Fragestellungen, etwa die im angloamerikanischen Raum als „nature vs. nurture" apostrophierte Debatte um die genetische bzw. soziale Determination des Menschen (Hampel et al. 2001:197f). Dariiber hinaus fallt auf, dass in dieser Phase zwei zentrale Ereignisse einen betrachtlichen Teil der Medienberichterstattung auf sich zogen. Das erste Ereignis war die erfolgreiche Klonierung des Schafs Dolly, welche eine Internationale Diskussion iiber das Klonen von Menschen ausloste (Einsiedel et al. 2002). Ein deutsches Spezifikum dieser Debatte war es, dass Biowissenschaften in grofierem Umfang Einzug in die Feuilletons von Leitmedien hielten, moglicherweise v. a. deshalb, weil das Embryonenschutzgesetz als ausreichende regulative Mafinahme gegen das Klonen von Menschen wahrgenommen wurde, daher kein politischer Handlungsdruck bestand und das Thema so insbesondere feuilletonistisch abgehandelt werden konnte (Hampel et al. 2001: 192ff; vgl. auch Graumann 2002: 17; Graumann 2003; Stollorz 2003). Ahnliches gilt fiir das zweite Ereignis, Sloterdijks Rede „Regeln fiir den Menschenpark" (Sloterdijk 1999), die eine Debatte um eine neue, biowissenschaftliche Eugenik und die Schaffung perfekter Menschen ausloste, welche ebenfalls in hohem Mafie in den Feuilletons der Leitmedien ausgetragen wurde (Hampel et al. 2001: 194; vgl. auch Graumann 2000; Graumann 2002: 20; 2003).
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
bl
5. Zwischen 2000 und 2001 ~ flir diese Phase liegen keine inhaltsanalytischen Erhebungen aus dem EU-geforderten Projekt von Durant et al. mehr vor - stieg die Berichterstattung liber Biowissenschaften schlieClich noch einmal drastisch an (Weingart et al. 2005; vgl. auch Graumann 2002: llf). Dieser deutliche Anstieg geht vor allem auf die extensive Berichterstattung liber drei zentrale Themen zurlick: Humangenomforschung (v. a. 2000 und 2001), Stammzellforschung und Praimplantationsdiagnostik (beide v. a. 2001, teils auch 2002, vgl. Graumann 2001a; 2001b). Das Thema Humangenomforschung sorgte dabei flir den „massenmedialen Take-Off" (Stollorz 2003: 348) biowissenschaftlicher Themen. Zugleich wurden Biowissenschaften in dieser Phase zunehmend kontroverser diskutiert. Zwar wurde das Standing auch in dieser Phase wohl noch von Wissenschaftlern, v. a. von Biowissenschaftlern und Medizinern bestimmt. Allerdings spielten Politiker wieder eine deutlich grofiere Rolle in der Berichterstattung, und im Kontext der „Lebensschutzdebatte" um Stammzellforschung und Praimplantationsdiagnostik meldeten sich nun auch theologische und philosophische Ethiker sowie Kirchen in grofierem Umfang als zuvor zu Wort (Graumann 2002: 16). Noch deutlicher wurde die Kontroverse auf der inhaltlichen Ebene, im Framing, in dem sich die Argumente stark ausdifferenzierten. Die Hauptargumentationslinie der Debatten war der Gegensatz von Krankheitsheilung einerseits und der Schutzwlirdigkeit menschlicher Embryonen andererseits; darliber hinaus wurden vielfaltige wirtschaftliche, rechtliche, ethische, soziale u. a. Argumente ausgetauscht (Graumann 2002: 24ff). Reslimieren wir die Ergebnisse: Die offentlichen Debatten liber Biowissenschaften in Deutschland zeigen einige Charakteristika, die die Debatte liber Humangenomforschung vorstrukturiert haben konnten. So lasst sich sowohl mit unserer eigenen Erhebung als auch anhand der Befunde anderer Studien zeigen, dass Biowissenschaften zunehmend zum massenmedialen Thema werden. Die entsprechende Berichterstattung steigt an, bis 1999 moderater, ab 2000 deutlich starker. Dies lasst sich als wachsende Sensibilisierung der deutschen Offentlichkeit fur das Themenfeld Biowissenschaften interpretieren. Parallel findet eine Differenzierung der Berichterstattung statt, die Biowissenschaften werden
58
2. Vorstrukturierung der Debatte
zunehmend weniger undifferenziert als ein Themengebiet betrachtet, sondern einzelne Forschungsfelder und Anwendungsbereiche werden unterschieden und differenziert beurteilt. Zugleich erweitert sich das Akteurs- und Argumentenspektrum, Standing und Framing werden vielfaltiger. Zwar wird die Berichterstattung in alien Phasen von Wissenschaftlern dominiert und werden Biowissenschaften v. a. aufgrund medizinischer und okonomischer Nutzenerwartungen bis 1999 eher positiv dargestellt. Allerdings findet sich liber die Phasen hinweg eine deutliche Zunahme kritischer Akteure und Argumente, die ihre Position im Diskurs zunehmend ausbauen. Wissenschaftliche Akteure, positive Bewertungen und Nutzenargumente verlieren im Zeitverlauf zwar nicht stetig, aber letztlich doch deutlich an Boden. In der Phase ab 2000 werden Themen wie Stammzellforschung und Praimplantationsdiagnostik dann hochkontrovers debattiert.
2.2.2 Die Vorstrukturierung des Diskurses in den USA Wahrend die USA in der Forderung und Entwicklung biowissenschaftlicher Forschung und Anwendungen weltweit die Fiihrungsposition einnehmen (vgl. z. B. Ernst & Young 2002), gilt dies nicht fiir den Umfang und die Auspragung offentlicher Debatten zum Thema. In den USA wurden Biowissenschaften, in alien Anwendungsbereichen, weniger umfanglich und weniger kontrovers diskutiert als in Europa. Nichtsdestotrotz hat es auch in den USA lebhafte Auseinandersetzungen iiber biowissenschaftliche Forschungs- und Anwendungsfelder gegeben (Ten Eyck et al. 2001: 307; vgl. auch Nelkin 1995: bes. 31ff).
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
59
Schaubild 2.2: Berichterstattung iiber Biotechnologie und Genomforschung in den USA 1200 1000
1990 1991 1992 1993 199i 1995 19% 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Schlagvvol: 'biotedVgenetic engf*"
SchlagvMXt "gencxif""
Datenquelle: Internet-Archiv der „Washington Post" unter http://pqasb.pqarchiver.com/ washingtonpost/search.html/?nav=left, Zugriff am 21.06.2005. Dargestellt wird die Zahl der Artikel zu den Schlagworten „genom*'' einerseits und „biotech* /genetic eng*" andererseits, die pro Jahr in der „ Washington Post" publiziert wurden.
Wir haben die Intensitat der Berichterstattung iiber Biowissenschaften und iiber Humangenomforschung in der „ Washington Post" fiir die vergangenen zehn Jahre erhoben. Die Verlaufskurve fiir die Berichterstattung in den USA (Schaubild 2.2) zeigt ein weniger deutliches Bild als die entsprechende Kurve fiir Deutschland. Zwischen 1990 und 1999 lasst sich kein stetiger oder klarer Anstieg in der massenmedialen Aufmerksamkeit fiir das Themenfeld Biowissenschaften diagnostizieren, die Menge der Artikel schwankt zwischen 400 und 600 pro Jahr. Der Verlauf ab 1999 ist dann allerdings im Wesentlichen identisch mit dem deutschen. Die Berichterstattung steigt rapide an und erreicht 2001 ihren Hohepunkt: In der „Washington Post" verdoppeln sich die Artikelzahlen zwischen 1999 und 2001 fast, sie steigen von ca. 600 auf 1100 pro Jahr und damit von knapp zwei auf gut drei Artikel pro gedruckter Ausgabe.^^ AnschlieCend
" Die „Washington Post" erscheint montags bis sonntags, und damit in etwa 350 gedruckten Ausgaben pro Jahr.
2. Vorstrukturierung der Debatte
60
klingt die Intensitat der Berichterstattung wieder ab. Der Verlauf der Berichterstattung iiber Humangenomforschung in den USA ahnelt der Berichterstattung in Deutschland, auch in den USA erreicht die Berichterstattung ihre Hochphase 2000 und 2001. Sehen wir uns die Berichterstattung in den USA etwas genauer an, indem wir auch hier auf existierende inhaltsanalytische Arbeiten zuriickgreifen. Toby Ten Eyck et al. unterscheiden - auf der Basis von mehreren Inhaltsanalysen von Qualitatszeitungen und -magazinen, die teilweise mit den europaischen Studien der Forschergruppe um Durant, Bauer und Gaskell abgeglichen waren (Ten Eyck 2005; Ten Eyck et al. 2001; Ten Eyck et al. 2004; Ten Eyck und Williment 2003) - mehrere Phasen der Berichterstattung. Tabelle 2.2:
Charakteristika der massenmedialen liber Biotechnologie in den USA
ArtikelStanding menge (in %) Phase (in %) 199265 Business 36 1996 Indep. Science 28 Politics 20 Media 9 19971999
35
Positionierung: benefit vs. risk (in %) Benefit 51 Both 26 Neither 16 7 Risk
Business 30 Benefit Indep. Both Science 25 Neither Politics 22 Risk Other 10 Media 8
41 28 24 7
Framing (in %)
Berichterstattung Thema des Artikels (in %)
Progress Economic Accountability Nature/nurture Ethical
49 28 6 6 5
Progress Economic Pandora's Box Runaway
63 13 7 5
Biomedical Genetic Identity Economic Agrifood Genetic research Regulation Biomedical Genetic Identity Agrifood Genetic research Economic Regulation Public opinion & policy
25 16 16 10 10 8 24 18 17 10 9 9 6
Die hier dargestellten Angaben wurden aus einem Beitrag von Ten Eyck et al. (2001) entnommen.
1. In der ersten Phase, die von 1971 bis 1991 veranschlagt wird, war die Berichterstattung zum Themenfeld Biowissenschaft recht gering. Im Mit-
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
61
telpunkt stand die Debatte um rekombinante DNS in den fruhen 1970ern, die Asilomar-Konferenz zur Sicherheit der Molekularbiologie (Altimore 1982; Goodell 1986; Nisbet und Lewenstein 2002:261; Nisbet et al. 2003; Ten Eyck et al. 2001: 307; Ten Eyck und Williment 2003: 134f) und die Invitro-Fertilisation (Nisbet und Lewenstein 2002). Der Umfang der Berichterstattung stieg in den folgenden Jahren etwas an, allerdings auf niedrigem Niveau (Ten Eyck et al. 2001: 311). Das Standing wurde in dieser Phase von Wissenschaftlern sowie - etwas schwacher - von USRegierungsvertretern bestimmt. Inhaltlich fanden sich vorwiegend positive Interpretationen der Biowissenschaften; vor allem der Fortschrittsrahmen und nachgeordnet auch der wirtschaftliche Deutungsrahmen dominierten das Framing. 2. In der Phase von 1992 bis 1996 stieg die Zahl der publizierten Artikel an. Es lassen sich mehrere Ereignisse ausmachen, auf die sich ein wesentlicher Teil der Berichterstattung konzentrierte: die Publikation des Buches „Jurassic Park" 1990, der 1993 der gleichnamige Film folgte, eine Auseinandersetzung liber einen Antrag der NIH auf die Patentierung von 2700 menschlichen DNS-Sequenz-Teilen, ein im Jahre 1992 erschienener OECD-Report zur Sicherheit der Biotechnologie, die Publikation des Buches „The Bell Curve" (Hernstein und Murray 1994), das sich mit der genetischen und sozialen Bestimmtheit der Menschen auseinander setzte und der Prozess gegen den Ex-Footballspieler und Schauspieler O.J. Simpson 1995, bei dem es auch um die Nutzung von DNS-Proben in Gerichtsverhandlungen ging (Ten Eyck et al. 2001: 312; Ten Eyck und Williment 2003: 134f; Yount 2000: 24). Eine Reihe von Charakteristika der Berichterstattung blieb dabei ~ im Vergleich zur voran gegangenen Phase - konstant. Noch immer dominierten Wissenschaftler und Regierungsvertreter das Standing, wenn auch weniger stark als zuvor (Kohring et al. 1999: 302f; Ten Eyck und Williment 2003:140). AuCerdem erlangten Wirtschaftsvertreter grofie Bedeutung (Ten Eyck et al. 2001: 312). Die Quellen der Berichterstattung waren iiberwiegend wissenschaftliche Publikationen (Kohring et al. 1999: 312ff). Noch immer iiberwogen positive, nicht kontroverse Positionen gegeniiber den Biowissenschaften in der Berichterstattung. Noch immer waren der Fort-
62
2. Vorstrukturierung der Debatte
schritts-Frame und medizinische Themen dominant (Kohring et al. 1999: 299ff; Ten Eyck et al. 2001: 312; Ten Eyck und Williment 2003: 140ff). Aber es lassen sich auch einige Unterschiede zur voran gegangenen Phase finden: In dieser Phase wurden mehr Bewertungen zu den Biowissenschaften geaufiert als je zuvor, die Meinungen zum Thema wurden einerseits polarisierter und der Diskurs andererseits kontroverser. Artikel iiber die - von Anfang an kritisch beurteilten - biowissenschaftlichen Anwendungen im Nahrungsmittelbereich nahmen zu (Kohring et al. 1999: 299f; Nisbet und Lewenstein 2001:5; Ten Eyck und Williment 2003:14ff). 3. Fiir die Phase von 1997 bis 1999 schliefilich lasst sich eine starkere Spezialisierung der Berichterstattung beobachten, die sich nunmehr zunehmend mit einzelnen, spezifischen biowissenschaftlichen Forschungsund Anwendungsfeldern beschaftigt. Am starksten heraus sticht hier erstens die kontroverse Auseinandersetzung um das Klonen von Menschen, die sich an der erfolgreichen Klonierung des Schafs Dolly entziindete (1997 bis 1998). Eine zweite, ebenfalls kontroverse Debatte fokussierte auf die Moglichkeiten und - angesichts des Todes eines behandelten Jugendlichen - v. a. auch die Risiken der Gentherapie. Eine dritte Debatte beschaftigte sich mit genetisch manipulierten Pflanzen und den damit moglicherweise verbundenen Gefahren. Trotz dieser kontroversen und lebhaften Debatten dominierten auch in dieser Phase der Berichterstattung insgesamt noch immer Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter in der Standing-Dimension; die Positionierungen gegeniiber den Biowissenschaften waren iiberwiegend positiv; Biowissenschaften wurden weiterhin in erster Linie als fortschrittliche Technologie interpretiert. Aber die Berichterstattung iiber Risiken stieg in dieser Phase deutlich an, und es zeigte sich, dass einzelne, spezifische Debatten kontroverser und biotechnologiekritischer als friihere Debatten geflihrt wurden (Nisbet und Lewenstein 2001:8; Ten Eyck et al. 2001: 312; Ten Eyck und Williment 2003:134f). 4. In den Jahren 2000 und 2001 - fiir die keine inhaltsanalytischen Ergebnisse aus den Projekten von Ten Eyck et al. mehr vorliegen - stieg die Zahl der publizierten Artikel zum Themenfeld Biowissenschaften schliefilich noch einmal deutlich an. Der Anstieg der Berichterstattung in
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
63
den USA lasst sich v. a. auf zwei Themen zuruckfiihren: auf die Humangenomforschung und die Stammzellforschung. Die Debatte um Stammzellforschung wurde v. a. im Sommer 2001 gefuhrt, als das Thema weit oben auf der politischen Agenda stand (Nisbet et al. 2003). Analog zur politischen Debatte wurde auch der massenmediale Diskurs hochst kontrovers gefuhrt; sowohl der potentielle Nutzen als auch mogliche Schaden durch Biowissenschaften wurden iibersteigert dargestellt („Genohype", vgl. Bubela und Caulfield 2004; Caulfield 2002; 2004; Fleising 2001; Holtzman und Marteau 2000). In der Standing-Dimension schien sich die Vorherrschaft von Wirtschaftsvertretern und Akteuren der Wissenschaft zu relativieren; politische Akteure, aber auch Vertreter von Kirchen und der Zivilgesellschaft - die das Thema iiber ihre Positionen zu Abtreibung fiir sich entdeckten - beteiligten sich am Diskurs. Positive Bewertungen wurden in starkerem Mafie als zuvor durch kritische Bewertungen erganzt. Der Fokus des Framing verschob sich von wissenschaftlichen Interpretations- und Verfahrensfragen starker auf ethische Aspekte und Fragen politischer Regulierung der Forschung (Nisbet et al. 2003; vgl. fiir einige Trends auch Center for Genetics and Society 2005). Die generellen Charakteristika der US-Berichterstattung iiber Biowissenschaften lassen sich folgenderma6en zusammenfassen: Wenn auch nicht so deutlich wie in Deutschland, so ist doch der „overall trend [...] a steady increase in coverage" (Ten Eyck et al. 2001: 311). In den ersten Phasen der Berichterstattung werden die Biowissenschaften eher positiv und progressiv dargestellt, bestimmende Akteure sind v. a. Wissenschaftler, anfangs auch Regierungsvertreter sowie Wirtschaftsvertreter (Nelkin 1995: 6ff; Nisbet und Lewenstein 2002; Ten Eyck et al. 2001: 312, 315; Ten Eyck und Williment 2003: 138f). AUerdings werden einzelne Themen wie griine Gentechnik oder genetisch manipulierte Nahrungsmittel von Anfang an kritisch betrachtet, wahrend medizinische Anwendungen eher positiv gesehen werden (Ten Eyck et al. 2001: 312; Ten Eyck und Williment 2003: 144). Die Berichterstattung wird iiber die Zeit kontroverser, es finden sich immer mehr ambivalente und kritische Positionen, Referenzen auf die Risiken der Biowissenschaften nehmen im Zeitverlauf zu. Einzelne Themen wie die Stammzellforschung werden ab
64
2. Vorstrukturierung der Debatte
2000 im hohen Ma6e problematisiert, so dass die Biowissenschaften zu dem in den USA wohl am intensivsten und kontroversesten diskutierten wissenschaftlichen Feld werden (Nelkin 1992: Xllff; 1995; Nisbet und Lewenstein 2002).
ll.?>
Resumee
Fiir beide Lander lasst sich feststellen, dass biowissenschaftliche Forschungsfelder und Anwendungsbereiche sowie Humangenomforschung zunehmend massenmediale Aufmerksamkeit auf sich Ziehen. Dabei dominieren besonders in den frtihen Phasen wissenschaftliche Akteure sowie affirmative Deutungen, letztere in Verbindung mit medizinischen und zunehmend auch wirtschaftlichen Nutzenerwartungen. Diese Charakteristika bestimmen in beiden Landern die Medienberichterstattung bis Ende der 1990er. Die Berichterstattung wird aber zunehmend um kritische Wortmeldungen erganzt. Wissenschaftsexterne Akteure gewinnen im Zeitverlauf an Bedeutung, ebenso die Erorterung ungewoUter sozialer Konsequenzen, ethischer und moralischer Fragen sowie der Notwendigkeit einer politischen Regulierung. Die Auseinandersetzungen um einige spezifische Forschungs- und Anwendungsfelder werden dabei kontrovers, teils hochkontrovers gefiihrt: Als dauerhaft umstritten erweist sich in beiden Landern die griine Gentechnik, ausgepragte Kontroversen finden sich zudem um das Klonen von Tieren und Menschen, um riskante Technologien wie die Gentherapie sowie um Stammzellforschung. Bei all dem wird deutlich, dass die Debatten in Deutschland insgesamt kritischer und kontroverser gefiihrt werden als in den USA (vgl. Kohring et al. 1999: 304) und dabei auch auf andere inhaltliche Punkte fokussieren. In Deutschland oftmals erwahnte kritische Argumente beziehen sich auf soziale und moralische Aspekte der Biowissenschaften, in den USA wird dagegen starker auf wissenschaftlich-medizinische Risiken verwiesen (Kohring et al. 1999: 305). Ein letzter Punkt ist erwahnenswert: Zwischen Deutschland und den USA besteht ein einseitiger Austausch. Wahrend sich besonders in den Friihphasen der Berichterstat-
2.2 Die Vorstrukturierung der Diskurse
65
tung viele US-amerikanische Berichterstattungsanlasse und Akteure auch in den deutschen Massenmedien fanden, blieb die US-Debatte auf den nationalen Kontext zentriert, Ereignisse in Europa oder Asien wurden nur selten aufgenommen (Kohring et al. 1999: 301f; Ten Eyck et al. 2001: 315). Der Grad der Transnationalisierung der Debatte war in Deutschland also hoher als in den USA. Sowohl die deutsche als auch die US-amerikanische Offentlichkeit waren also auf biowissenschaftliche Themen vorbereitet, als die Debatte iiber Humangenomforschung begann. Akteure, Positionierungen und Deutungen waren diskursiv verfiigbar. Die Hochphase der Debatte iiber Humangenomforschung im Jahr 2000 fallt zusammen mit dem deutlichen Anstieg der Berichterstattung iiber Biowissenschaften, beide Themenfelder riicken etwa zeitgleich ins Zentrum der nationalen Offentlichkeiten. Ob diese Vorstrukturierungen tatsachlich Einfluss auf die Diskurse iiber Humangenomforschung gehabt haben, und in welchen Dimensionen und in welchem Umfang dies geschah, sind empirische Fragen. Wir werden sie in unserer Studie zu beantworten versuchen. Das methodische Instrumentarium, das wir dafiir benutzt haben, wird im folgenden Kapitel vorgestellt.
3. Methoden
Die eingangs formulierten Forschungsfragen sollen mit einem methodischen Zweischritt beantwortet werden. Zur Beantwortung der ersten drei Fragen, die sich auf die deskriptive Rekonstruktion des deutschen und des US-Diskurses iiber Humangenomforschung entlang der Dimensionen Standing, Positionierung und Framing beziehen, haben wir eine Inhaltsanalyse der massenmedialen Diskurse iiber Humangenomforschung in beiden Landern durchgefiihrt. Um zu priifen, ob sich die gefundenen Ergebnisse auch in anderen Landern und in anderen Medien finden lassen, haben wir zusatzlich eine Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung in Frankreich, Grofibritannien und Osterreich sowie im Internet durchgefiihrt. Die Inhaltsanalyse war dabei in zwei Phasen aufgeteilt: Finer standardisierten, quantitativen Inhaltsanalyse war ein qualitativer Analyseteil vorgeschaltet, in dem vor allem das Framing der Debatte exploriert wurde; die explorative, qualitative Inhaltsanalyse bildet also die Grundlage fiir die Entwicklung des standardisierten Kategoriensystems der quantitativen Inhaltsanalyse, in der ein umfangreicher Textkorpus systematisch analysiert wurde. Die vierte Forschungsfrage schlieClich bezieht sich auf die Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Diskurs iiber Humangenomforschung in den untersuchten Landern. Sie richtet sich also auf die Produktionsstruktur der Diskurse, die aus Akteuren mit spezifischen Ressourcen, Praferenzen und Strategien sowie aus Beziehungen zwischen diesen Akteuren besteht. Ein adaquates Instrument zur Rekonstruktion dieser Produktionsstruktur ist die Befragung der am Thema interessierten und moglicherweise am Diskurs beteiligten Akteure. In beiden Landern wurden daher verschiedene Experten sowie massenmediale und
68
3. Methoden
extramediale Akteure zu ihrer Ressourcenausstattung, ihren Praferenzen und ihren Handlungen im Diskurs liber Humangenomforschung befragt. Die von uns verwendeten Methoden sollen im Folgenden ausfiihrlicher dargestellt werden. Schaubild 3.1: Methodische Instrumente und Datenquellen der Studie Inhaltsanalyse
Interviews
Ziel
Systematische Erfassung der Diskurse iiber Humangenomforschung (Standing, Positionierung. Framing).
Rekonstruktion der Praferenzen, Medienstrategien und Ressourcen von Akteuren zur Erklarung ihres massenmedialen (Miss)Erfolgs.
Daten
Inhaltsanalytische Erfassung der Berichterstattung von a) je zwei Qualitats-Tageszeitungen aus insgesamt fiinf Landern fiir den Zeitraum 1999-2001 und b) den 30 erstgenannten Internetseiten der drei grofiten Suchmaschinen Deutschlands und der USA.
Teilstandardisierte, leitfadengestiitzte Interviews mit jeweils ca. 25 Akteuren in Deutschland und den USA.
3.1 Inhaltsanalyse Die Inhahsanalyse dient v. a. der Beantwortung der ersten Forschungsfragen, mithin der Beschreibung der Diskurse iiber Humangenomforschung. Grundsatzlich lassen sich zwei inhaltsanalytische Verfahren unterscheiden, die unterschiedliche Starken und Schwachen aufweisen. Auf der einen Seite finden sich quantitative, standardisierte Inhaltsanalysen (vgl. Fruh 1998; Merten 1995; Wirth und Lauf 2001), d. h. Verfahren, deren Starke in der Produktion von generalisierbaren, oftmals statistisch abgesicherten Aussagen liegt, die dafiir aber starker von semantischen Details und hermeneutisch tiefer gehenden Analysen absehen miissen.
3.1 Inhaltsanalyse
69
Auf der anderen Seite finden sich qualitative Inhaltsanalysen (vgl. Mayring 1994; 2000), deren Starke in ihrem Detailreichtum und in ihrer Nahe zum analysierten Material besteht; dies geht allerdings tendenziell zu Lasten der Generalisierbarkeit der gewonnenen Befunde, weil die Anzahl der Artikel bzw. die Menge des Textmaterials, das analysiert wird, in aller Regel recht begrenzt ist. Sozialwissenschaftliche Analysen, die auf die Rekonstruktion von Deutungsmustern offentlicher Debatten abzielen, haben in der Vergangenheit vorwiegend mit qualitativen Inhaltsanalysen gearbeitet (vgl. z. B. de Vreese et al. 2001; Liiders und Meuser 1997; Luke 1987; O'Mahony und Skillington 1999). In den vergangenen Jahren hat es aber vermehrt Versuche gegeben, Deutungsmusteranalysen auch mit Hilfe quantitativer Inhaltsanalysen durchzufiihren, denen zum Teil qualitative Explorationen vorangehen (vgl. Ferree et al. 2002; Gerhards et al. 1998; Kohring und Matthes 2002; Matthes und Kohring 2004; O'Mahony und Schafer 2005). Wir folgen diesen Ansatzen und versuchen, in dem bislang eher qualitativ untersuchten, vermeintlich „weichen" Feld der Deutungsmusteranalyse mit einer quantitativen Inhaltsanalyse vorzugehen (vgl. dazu auch Gerhards 2003). Auf diese Weise ist es moglich, einen umfangreichen Korpus von massenmedialen Daten zu bearbeiten. Wir haben der quantitativen Inhaltsanalyse jedoch einen explorativen Teil vorgeschaltet. Wir werden zunachst die Datengrundlage und das Vorgehen dieses explorativen Teils der Inhaltsanalyse beschrieben. Anschliefiend werden wir die Stichprobe, das Instrumentarium und das Vorgehen der quantitativen Inhaltsanalyse erlautern.
3.1.1 Explorative Inhaltsanalyse Ziel dieses Teilschritts, der zur Vorbereitung der Deutungsmusteranalyse der quantitativen Inhaltsanalyse diente, war eine moglichst flachendeckende Erhebung aller Argumente und Deutungen, die im offentlichen (also nicht nur im massenmedialen) Diskurs iiber Humangenomforschung existieren. Zu diesem Zweck wurde ein breiter, heterogener
70
3. Methoden
Textkorpus erstellt. Dieser Korpus enthielt zum einen Medientexte, da Massenmedien, wie beschrieben, ein zentrales Offentlichkeitsforum darstellen. Es wurden Artikel aus unterschiedlichen deutschen („Suddeutsche Zeitung", ^Frankfurter Allgemeine", „Die Welt", „Der Spiegel", „Bild"), US-amerikanischen („New York Times", „Washington Post", „Time Magazine", „Newsweek"), britischen („The Times", „The Guardian") und irischen („Irish Independent", „Irish Times", „Irish Examiner", „Sunday Business Post") Printmedien ausgewahlt, um zu gewahrleisten, dass nicht nur die - moglicherweise spezifischen - Perspektiven Deutschlands und der USA, sondern auch andere Sichtweisen einbegriffen wurden. Zum anderen wurden extramediale Texte einbezogen, u. a. Positionspapiere, Stellungnahmen und Pressemitteilungen von wissenschaftlichen Institutionen wie dem US Human Genome Project, der internationalen Human Genome Organization, dem Deutschen Humangenomprojekt und der Deutschen Forschungsgemeinschaft; von politischen Parteien und Institutionen wie dem US Department of Energy und dem Bundesministerium fiir Bildung und Forschung; von Wirtschaftsvertretern wie Celera Genomics und dem Verein zur Forderung der Humangenomforschung sowie von zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Gene Watch, dem Center for Genetics and Society, dem Council for Responsible Genetics und dem Gen-ethischen Netzwerk. Hinzu kamen die Diskussionen in themenbezogenen Internetforen, etwa in mehreren Foren auf der Webseite des „Spiegel", bei der Konrad-Adenauer-Stiftung oder bei Tacheles.net, sowie Volltext-Transkripte von deutschen und US-amerikanischen Parlamentsdebatten.i Die bewusst sehr weit gehaltene Streuung dieser Texte soil gewahrleisten, dass die qualitative Inhaltsanalyse ein moglichst vollstandiges und detailliertes Bild des offentlichen Diskurses zeichnet, das u. U. auch Elemente erfasst, die in den quantitativ untersuchten Massenmedien dann nicht mehr erwahnt werden. Entsprechend differieren auch die in diesen Texten auffindbaren Aussagen, von denen hier nur einige Beispiele zitiert werden konnen: Das DHGP beschreibt seine Forschungen u. a. als Grundlage fiir die „Re^ Eine vollstandige Liste der erfassten Materialien findet sich im Internet unter http://userpage.fu-berlin.de/~gerhards/diskus.
3.1 Inhaltsanalyse
71
volutionierung der medizinischen Diagnostik und Therapie" (Pressemitteilung vom 26.06.2000); einzelne Vertreter beschreiben, wie Humangenomforschung die Biologie und Medizin revolutionieren und die Forschung auf eine ganzlich neue Basis stellen werde (Maurer und Lehrach 2000). Auch der „Bild"-Journalist Riidiger Winter argumentiert bspw., „das Verstehen der Genomfunktion konne neue Medikamente und korrektive Eingriffe ins Genom ermoglichen" (Winter 2000). Celera Genomics legt dar, dass man die „world's largest supercomputing facilities" ftir die Sequenzierungsarbeiten nutze (Celera Genomics 2000). Die Deutsche Bischofskonferenz konstatiert, die Humangenomforschung sei ein „Fortschritt, der berechtigtes Staunen weckt" (Die deutschen Bischofe 2001), wahrend die Diozesanversammlung des Bistums Limburg, die sich mit Fragen der biomedizinischen Entwicklung auseinander setzte, die Etablierung selektiven Denkens in der Gesellschaft befiirchtet: „Weil man bestimmte Krankheiten nicht bekampfen kann, wird vermeintlich Kranken das Recht auf Leben verwehrt" (Bistum Limburg, Pressemitteilung vom 17.05.2001). Entsprechend, so fordern US-amerikanische NGOs, solle die Forschung zu ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen der Humangenomforschung „ continue to give high priority to genetic discrimination (employment and in health insurance) and genetic privacy" (WAGICS - Ferre Institute und Center for Genetics Ethics and Women 1996). Im Online-Forum des „Spiegel" zum Thema „Gentechnik fiir alle Bereiche - langeres Leben inklusive" schreibt der Nutzer „Ramses", Humangenomforschung habe eine Entwicklung in Gang gebracht, die bei Huxleys „Schoner neuer Welt" enden werde, und in der Menschen nach MaC und kommerzieller Anforderung gefertigt wiirden (Eintrag vom 12.01.2001), wohingegen es der Humangenetikprofessor Jorg Schmidtke fiir „kollektiven Machbarkeitswahn" halt, die Gene des Menschen umfanglich beherrschen zu wollen (Schmidtke 2000). Die Palette der erfassten Aussagen iiber Humangenomforschung ist also sehr breit. Aus diesem heterogenen Material haben wir sukzessive eine systematische Zusammenstellung aller Deutungsmoglichkeiten zu Humangenomforschung entwickelt. Das gewahlte Vorgehen entspricht dabei der „zusammenfassenden Inhaltsanalyse", die Mayring beschreibt
72
3. Methoden
(1995: 211f). Die einzelnen Argumente wurden durch Reduktionsstrategien wie Auslassung, Generalisation, Konstruktion, Integration, Selektion und Biindelung (vgl. Mayring 1994: 52ff; 1995: 211f) zunachst zu sinnhomogenen Gruppen zusammengefasst. Zudem wurden diese sinnhomogenen Einheiten so formuliert, dass sie eine Aussage iiber Humangenomforschung oder deren Effekte darstellen, der man zustimmen oder die man ablehnen kann. Diese basalen Einheiten der Analyse, die aus Argumenten, aber auch aus Metaphern oder Analogien bestehen konnen, werden von uns als „Idee-Elemente" bezeichnet (vgl. dazu Converse 1964; Gerhards et al. 1998: 48; Gerhards 2003: 310ff). Idee-Elemente werden nicht formal-syntaktisch definiert, sondern als inhaltlich-semantisch voneinander unterscheidbare, moglichst trennscharfe Einheiten. Beispielsweise konnen die Sinneinheiten „genome research leads to the eradication of diseases" und „Heilung von Krebs" gemeinsam im IdeeElement „Humangenomforschung fiihrt zur Entwicklung oder Verbesserung von Therapien gegen Krankheiten" subsumiert werden. Weitere Beispiele fiir Idee-Elemente sind etwa „Die Kosten der Humangenomforschung sind (zu) hoch", „Die Sequenzierung des menschlichen Genoms ist eine historische und wissenschaftliche Errungenschaft" oder „Humangenomforschung begiinstigt Formen genetisch basierter Diskriminierung durch Versicherungen, Krankenversicherungen, Schulen, Arbeitgeber usw.". Die Idee-Elemente wurden dabei auf recht disaggregiertem Niveau formuliert, um fiir spatere Analysen verschiedene Moglichkeiten der Aggregation zu ermoglichen. Wir unterscheiden in der Analyse ungefahr 80 solcher Idee-Elemente.^ Diese Idee-Elemente wurden im weiteren Verlauf der qualitativen Analyse noch weiter abstrahiert. Ahnlich angelegte Idee-Elemente wurden zu thematischen Gruppen verdichtet. Dabei wurde auf disjunkte, sich wechselseitig ausschliefiende Zuordnungen geachtet: Jedes IdeeElement wurde genau einer Gruppe zugeordnet. AbschlieCend wurden die Idee-Elemente und thematischen Gruppen zusammen mit theoretischen Kategorien zu einem standardisierten inhaltsanalytischen Katego2 Eine vollstandige Liste der Idee-Elemente findet sich im Internet unter http://userpage.fuberhn.de/~gerhards/diskus.
3.1 Inhaltsanalyse
73
riensystem verdichtet, mit dem im zweiten Analyseschritt, der quantitativen Inhaltsanalyse, alle Artikel codiert wurden.
3.1.2 Quantitative Inhaltsanalyse Ziel der quantitativen Inhaltsanalyse ist die systematische Beschreibung der massenmedialen Diskurse liber Humangenomforschung in Deutschland und den USA. Als Datenbasis fiir diesen Analyseteil dient ein spezifischer Ausschnitt der massenmedialen Landschaft der untersuchten Lander. Die Analyse wurde auf Printmedien verengt, die fiir die Berichterstattung iiber Biowissenschaften von besonderer Relevanz sind, da sie einerseits intensiver und hintergriindiger iiber das Thema berichten und andererseits eine zentrale Arena von Expertenaufierungen sind (vgl. Graumann 2002; 2003; Merten 1999). Innerhalb der Presselandschaft haben wir uns wiederum auf Leitmedien konzentriert, also auf Medien, denen „Einfluss auf die Gesellschaft und auf andere Medien zugemessen wird" (Wilke 1999: 302). Diese Einflusszurechnung kann auf unterschiedlichen Charakteristika von Zeitungen fufien, auf ihrer Auflage, auf ihrer Responsivitat gegeniiber gesellschaftlichen Entwicklungen, auf ihrer Qualitat und auf ihrer Nutzung durch gesellschaftliche Eliten oder andere Journalisten (Wilke 1999: 302f). Innerhalb der unterschiedlichen Leitmedientypen wurden jeweils die beiden grofiten landesweiten Qualitatstageszeitungen als Analysegegenstand festgelegt. In Deutschland handelt es sich dabei um die „Siiddeutsche Zeitung" („SZ") und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" („FAZ"), in den USA um die „New York Times" und die „Washington Post".^ Fiir einige zusatzliche Analysen, in denen auch basale Charakteristika der Diskurse anderer Lander untersucht
3 Die Auflagen dieser Zeitungen lagen im Jahr 2000 bei: „Suddeutsche Zeitung'' 405.000, „FAZ" 391.000 (die Zahlen geben die Hohe der durchschnittlichen Verkaufszahlen fiir beide Zeitungen montags bis freitags im 3. Quartal 2000 an, vgl. Informationsgemeinschaft zur Verbreitung von Werbetragern 2000), „New York Times" 1.160.000, „Washington Post" 810.000 (diese Zahlen beziehen sich ebenfalls auf die montags bis freitags durchschnittlich verkaufte Auflage im Jahr 2000, vgl. ABC 2000).
74
3. Methoden
wurden, wurde die Datenbasis nach dem gleichen Schema festgelegt. Entsprechend wurden fiir Frankreich „Le Monde" und „Le Figaro", fiir Grofibritannien „The Times" und „The Guardian" und fiir Osterreich „Der Standard" und „Der Kurier" fiir die Analyse ausgewahlt. Die Qualitatszeitungen wurden zum einen ausgewahlt, well es sich dabei um Massenmedien handelt, die haufig von Journalisten anderer Medien rezipiert und von diesen als einflussreich fiir die eigene Arbeit angegeben werden (Reinemann 2003; Weischenberg 1995:190f), und well die von ihnen gesetzten Themen dementsprechend oftmals in andere Massenmedien diffundieren („ inter-media agenda setting", vgl. Gans 1979: 91; Noelle-Neumann und Mathes 1987; Reese und Danielian 1989). Zum anderen miissen massenmediale Diskussionen und Inhalte, um gesellschaftlich wirksam werden zu konnen, von politischen, wirtschaftlichen und anderen Entscheidungstragern wahrgenommen werden. Empirische Untersuchungen belegen, dass zumindest politische Entscheidungstrager in erster Linie die genannten Qualitatszeitungen rezipieren (Herzog et al. 1990; Wittkamper et al. 1992). Wir wollten moglichst die gesamte Berichterstattung zum Thema Humangenomforschung fiir den Zeitraum von 1999 bis 2001 erheben. Dieser Dreijahreszeitraum wurde erstens ausgewahlt, weil in ihn einige fiir die offentliche Wahrnehmung der Humangenomforschung wesentliche Ereignisse fallen: Der Untersuchungszeitraum umfasst den faktischen Einstieg der US-Firma Celera Genomics in die Sequenzierung des Humangenoms 1999, die Phase ihrer Konkurrenz mit dem Human Genome Project, die Prasentation und Veroffentlichung des Humangenoms durch beide Forschungsteams sowie die Auseinandersetzungen um die Verwertung und Anwendung des produzierten Wissens. Zweitens wurde dieser Untersuchungszeitraum auch ausgewahlt, weil sich zeigen lasst, dass in ihm, und parallel zu den beschriebenen Ereignissen, die offentliche Aufmerksamkeit fiir das Thema Humangenomforschung rapide anstieg und ihren Hohepunkt erreichte: Sieht man sich die Zahl der zum Thema Humangenomforschung in der „Frankfurter Allgemeinen Zei-
lb
3.1 Inhaltsanalyse
tung", der „Suddeutschen Zeitung" und der „Washington Post''^ veroffentlichten Artikel zwischen 1990 und 2004 an, dann wird deutlich, dass die mit Abstand meisten einschlagigen Texte in all diesen Zeitungen in den Jahren 2000 und 2001 erschienen (vgl. Schaubild 3.2). Da zu vermuten ist, dass in diesem Zeitraum auch die Bemiihungen unterschiedlicher Akteure, massenmediales Standing zu erreichen und ihre Positionen und Deutungen zu lancieren, ihren Hohepunkt erreichten, wurde dieser Zeitraum fiir die Analyse ausgewahlt. Schaubild 3.2: Berichterstattung iiber Humangenomforschung in deutschen und US-amerikanischen Zeitungen 250
r
f-\
200
/^
\
150
1
\\
100
^
\C
j
50 \
\
\
\
\
\
\
\
1
1
\
\
\
1
1
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 200J
"WAP-
•FAZ
SZ
Dargestellt wird die Zahl der Artikel, die zum Suchbegriff „Humangenom'' bzw. „Human Genome" pro Jahr publiziert wurden. ^ Die „New York Times" wurde fiir diese Analyse, die sich iiber einen grofieren Zeitraum erstreckt, nicht mit beriicksichtigt und nicht durchsucht, da die entsprechenden Internetbzw. CD-Rom-Archive der Zeitung nicht ohne Weiteres zuganglich sind.
76
3. Methoden
Wir haben mit Hilfe einer Schlagwortsuche in den CD-Rom- oder Internet-Archiven der Zeitungen recherchiert, welche Artikel zum Thema Humangenomforschung veroffentlicht wurden und diese Artikel als zu analysierende Stichprobe ausgewahlt. Die genannten Archive stellen die redaktionelle Berichterstattung der vier Massenmedien liber alle Erscheinungstage und alle Ressorts hinweg als Volltexte zur Verfiigung^, die nach bestimmten Schlagworten und Kombinationen von Schlagworten durchsucht werden konnen. Die Akquise der relevanten Zeitungsartikel wurde dabei iiber einen schrittweisen Auswahlprozess realisiert und validiert. Erstens wurden potentielle Suchbegriffe aus wissenschaftlichen Artikeln (u. a. aus „Sdence", „Nature" und dem „New Scientist"), aus den Verschlagwortungen von Tageszeitungen, aber auch aus themenbe5 Gesucht wurde in den Jahrgangs-CD-Roms der „Suddeutschen Zeitung", der ^Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der „New York Times" (die vom Archivierdienst „ProQuest'' veroffentlicht wird). Die Datenquelle fiir die „Washington Post" war der kostenpflichtige Internetdienst „Dow Jones Interactive". Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass es zwischen den einzelnen Archiven - allerdings minimale - Abweichungen in der Vollstandigkeit der Erfassung der redaktionellen Texte gibt. Die jahrlich erscheinenden CD-Roms der „Suddeutschen Zeitung" enthalten „alle redaktionellen Texte der Druckausgabe" (Angaben von Anne Blauth, Dokumentations- und Informationszentrum Miinchen, eMail vom 6.9.2002). Die CD-Roms der ^Frankfurter Allgemeinen Zeitung" umfassen „alle redaktionellen Texte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nebst Tabellen. Nicht enthalten sind die regionale Rhein-Main-Zeitung, die Sormtagszeitung, der Kursteil, Fotos, Fernsehprogramme und Wetternachrichten." (Angaben von Markus Boiler, Archiv der „Frankfurter Allgemeinen", eMail vom 5.9.2002). Die „New York Times" ist iiber ProQuest archiviert, dessen entsprechendes CD-Rom-Angebot „features access to the following types of articles: world and national news, regular columns, editorials and letters to the editor, local news, business and financial news, sports, reviews, arts and entertainment, travel, biographical stories, obituaries of famous people, NYT Book Review and Magazine, wire service stories, all supplements to the paper, regional coverage of Long Island, New Jersey, Connecticut and Westchester. The following items are excluded from coverage: brief death notices, classified ads, graphic charts, graphs, photographs, stock tables" (Angaben aus dem ProQuest Handbuch, zit. nach Katrin Hamburg, US General Consulate Leipzig, eMail vom 6.9.2002). Die „ Washington Post" ist iiber den Dow Jones Interactive-Service verfiigbar; dieser enthalt nach eigenen Angaben das "full text archive of the Washington Post in our service. This means that you will be able to search all sections of the paper. However, not all sources have full text coverage. There may be cases where we receive selected full text." (Dow Jones Interactive-Angaben, zit. nach Katrin Hamburg, US General Consulate Leipzig, eMail vom 6.9.2002).
3.1 Inhaltsanalyse
11
zogenen sozial- und sprachwissenschaftlichen Fachtexten (z. B. Hedgecoe 1999; Black 1954) gewonnen. Diese wurden - zweitens - hinsichtlich ihrer Validitat und Effektivitat verglichen: Finden sie also tatsachlich (nur) Artikel mit Bezug auf Humangenomforschung, und finden sie moglichst alle davon? Diese erste Liste von Schlagworten umfasste neben „Genom/Genome" auch „Genetik/Genetics", „DNS/DNA", „Gentechnik", „Gentechnologie", „Genetic Engineering", „Biotechnologie/Biotechnology", „Sequenz/Sequence", „Chromosom/Chromosome" etc. Ausgewahlt wurden mit „Genom/Genome", „Celera" und „Venter" schliefilich drei Kernschlagworte, die sich als valide und effektiv erwiesen, zudem die Hauptakteure der Humangenomforschung benennen und in beiden Sprachen praktisch bedeutungsgleich einsetzbar sind. Zusatzlich zu den Schlagworten wurden einige Synonyme fiir diese Schlagworte hinzugenommen, um eine Vollstandigkeit der Erhebung zu gewahrleisten: in den USA u. a. „map of life", „genetic map", „gene map", „book of life", in Deutschland u. a. „Buch des Lebens" oder „entschlussel* UND Erbgut". Anschliefiend wurden alle Artikel fiir die Analyse ausgewahlt, die diese Schlagworte enthielten, und somit also auch Artikel, die sich nicht ausschliefilich mit Humangenomforschung beschaftigten, sondern die die Forschung lediglich am Rande erwahnten.^ Schliefilich wurde drittens - die Stichprobe bereinigt. Dazu wurde die Auswahl der Artikel nochmals auf Vollstandigkeit gepriift. Fiir bestimmte Zeitraume wurden die Suchergebnisse aus den elektronischen Archiven mit den gedruckten Ausgaben der Zeitungen im Details verglichen. Insgesamt wurden neun komplette Wochen bzw. etwa bb Ausgaben der Zeitungen durchsucht.^
^ Es wurden also nicht nur diejenigen Artikel ausgewahlt, in denen Humangenomforschung das zentrale oder das einzige Thema ist, wie in einigen anderen Studien (z. B. Rodder 2005). Denn die mit dieser Reduktion einhergehende Annahme, Wissenschaftsberichterstattung bzw. die tatsachlich relevante und rezipientenwirksame Wissenschaftsberichterstattung sei nur die wissenschaftszen fr/erfe Berichterstattung, ist weder theoretisch noch empirisch haltbar (vgl. Kohring 1997). Schliefilich gehen bei einer solchen Auswahl eine Reihe relevanter Artikel verloren, in denen Deutungen zu Humangenomforschung geaufiert werden und die daher in eine Diskursanalyse einbezogen werden sollten. 7 Bei der „Suddeutschen Zeitung" handelte es sich um die Zeitraume 20. bis 25.09.1999, 26.06. bis 01.07.2000 und 15. bis 20.02.2001, bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" um
7S
3. Methoden
Dariiber hinaus wurde die Auswahl auch auf evtl. irrelevante Artikel gepriift, d. h. die ausgewahlten Artikel wurden durchgesehen und dabei wurden Artikel ausgeschlossen, die zwar die entsprechenden Schlagworte enthielten, sich aber nicht mit der Sequenzierung des menschlichen Genoms beschaftigen. Zusatzlich zur Printmedien-Stichprobe, auf deren Analyse das Hauptaugenmerk unserer Studie liegt, wurde eine zweite Stichprobe gezogen, die in einem kleineren Teil der Analysen zum Einsatz kam. Mit dieser wurde die Internet-Kommunikation liber Humangenomforschung erfasst. Denn das Internet stellt einen zunehmend relevanten Ort der Kommunikation liber unterschiedliche Themen, auch liber Wissenschaft, dar. Zum einen liegt dies an der zunehmenden Verfligbarkeit des Mediums. In Deutschland und starker noch in den USA ist die Ausstattung von Bliros und privaten Haushalten mit Internetzugangen in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen, gleiches lasst sich fur die Nutzungszahlen sagen (vgl. z. B. von Eimeren et al. 2004; Zittel 2003: 260). Auch die Nutzung des Internets, um Informationen liber wissenschaftliche Themen zu erhalten, hat sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet (Eurobarometer 2001: 13f). Zum anderen ist das Internet ein relevanter Analysegegenstand, da es - wie noch zu zeigen sein wird - einen vermeintlich besonders offenen, egalitaren Kommunikationsraum darstellt. Eine Vollerhebung, wie wir sie bei der Analyse der Printmedien angestrebt haben, war aber flir das Internet auf Grund der schieren Menge der dort verfligbaren Informationen nicht moglich. Die Menge der online verfligbaren Informationen musste dementsprechend reduziert werden. Allerdings liegen flir dieses Problem bereits Losungen vor, auf die wir zurlick greifen konnten. Denn das Problem der Orientierung im Internet und der Datenreduktion haben ja nicht nur Forscher bei der Stichprobenziehung flir ihre Analysen, sondern auch die Nutzer des Internet; und insofern scheint es plausibel, sich deren Such- und Orientierungsstrategien anzusehen und sich diese flir das Ziehen einer Stichprobe zu eigen die Zeitraume 12. bis 18.07.1999, 26.06. bis 1.07.2000 und 12. bis 18.02.2001, bei der ,,New York Times" um die Zeitraume 22. bis 30.06.2000 sowie 10. bis 16.02.2001 und bei der „Washington Post" um den Zeitraum 21. bis 28.06.2000.
3.1 Inhaltsanalyse
79
zu machen. SchlieClich ist fiir uns relevant zu rekonstruieren, „welche Angebote de facto eine breitere Offentlichkeit erreichen bzw. fiir den ,normalen' Nutzer den relevanten politischen Online-Diskurs zu einem ausgewahlten Thema bilden. Damit stellt sich die Frage, welche Akteure (und deren Informationen und Meinungen) zu einem bestimmten Thema fiir den ,Durchschnittsnutzer' sichtbar werden/' (Rucht et al. 2004:101). Die „Durchschnittsnutzer" benutzen zwei Zugange, iiber die sie sich online Informationen erschliefien. Zum einen folgen sie Links, die sie auf Internetseiten angeboten bekommen. Zum anderen erschliefien sie sich das Internet - v. a. ihnen weniger bekannte Bereiche desselben - mit Hilfe von Suchmaschinen. „Die Anzahl der Internetnutzer, die Webseiten im Internet besuchen, die sie vorher nicht kannten und dazu Suchmaschinen verwenden, variiert je nach Studie zwischen 70 und 80 Prozent. Zwischen 60 und 90 Prozent der Nutzer folgen nach unterschiedlichen Studien Links oder Empfehlungen auf Webseiten, um Informationen online zu finden." (Rucht et al. 2004: 101; vgl auch Alexander et al. 2001; Fittkau und Maafi 2000; Machill und Welp 2003). Da besonders bei wenig bekannten Themen Suchmaschinen den Einstieg in die Internet-Kommunikation darstellen, schien es uns sinnvoll zu sein, die inhaltsanalytisch zu codierende Stichprobe iiber Suchmaschinen zu erstellen. Analog zur Auswahl der auflagenstarksten nationalen Tageszeitungen der untersuchten Lander haben wir daher versucht, die drei meistgenutzten deutschen und US-amerikanischen Suchmaschinen zu identifizieren und zu analysieren. Die vorliegenden Studien zur Nutzung unterschiedlicher Suchmaschinen konvergieren in der Einschatzung, dass die Angebote von „Google" sowie von „Yahoo" in Deutschland und auch in den USA die beiden Spitzenplatze einnehmen (Machill und Welp 2003; vgl. auch lb Medien 2001; Rugles 2003). Entsprechend wurden diese beiden Suchmaschinen fiir die Analyse ausgewahlt. Zu den drittplatzierten Suchmaschinen finden sich in der Literatur unterschiedliche und zeitlich variierende Angaben. Fiir unsere Analysen ausgewahlt wurden mit „Fireball" in Deutschland und mit dem Angebot von „MSN/Microsoft" in den USA zwei Suchmaschinen, die sicherlich neben den beiden oben
^0
3. Methoden
genannten zu den am haufigsten genutzten Suchmaschinen in den zwei Landern gehoren. Diese Suchmaschinen geben eine grofie Menge an Suchergebnissen fiir fast jeden beliebigen Begriff aus. Allerdings hierarchisieren sie diese Suchergebnisse, und es ist plausibel zu vermuten, dass sich Nutzer tendenziell nach dieser Hierarchie richten, sich also nur die erstgenannten Seiten ihrer Ergebnisliste ansehen. Daher wurden bei jeder analysierten Suchmaschine jeweils die ersten 30 Suchergebnisse in die Stichprobe aufgenommen. Die Brutto-Stichprobe fiir die Inhaltsanalyse belauft sich also auf 180 Links zu verschiedenen Internetseiten, die jeweils angeklickt wurden. Diese Erhebung fand im April 2004 statt. Nicht alle der erfassten Webseiten waren datierbar; diejenigen Datumsangaben, die festgestellt werden konnten, lagen zwischen 2000 und 2003. Die Inhalte dieser Internetseiten wurden analog zu denen der Zeitungsartikel codiert. Auch hier wurden also Standing, Positionierung und Framing erhoben, erganzt allerdings durch einige internetspezifische Variablen, mit denen bspw. der Anbieter einer Seite erfasst wurde. Dabei wurden auch hier diejenigen Internetseiten ausgeschlossen, die zwar die Schlagworte enthielten, sich aber nicht mit der Forschung am menschlichen Genom beschaftigen und auch nicht darauf verwiesen. Einige Internetseiten konnten nicht codiert werden, weil sie nicht mehr auffindbar waren. Auf diese Weise reduzierte sich die tatsachlich codierte NettoStichprobe auf 67 Internetseiten in Deutschland und 11 in den USA. Die fiir die Inhaltsanalyse insgesamt relevante Stichprobe aus den verschiedenen Landern und Medien weist damit folgende Fallzahlen auf: Tabelle 3.1:
Artikel aus Printmedien Internetseiten
Ubersicht iiber die erhobenen Daten fiir die untersuchten Lander Deutschland
USA
Frankreich
Groflbritannien
Osterreich
Gesamt
1040
868
491
578
229
3206
67
17
-
-
-
144
3.1 Inhaltsanalyse
81
Dieses Datenmaterial wurde dann mit Hilfe eines standardisierten Kategoriensystems codiert. Das entsprechende Codebuch mit einer Beschreibung der codierten Variablen inklusive der detaillierten Codieranweisungen findet sich im Internet.^ An der Codierung, die insgesamt ca. sechs Monate in Anspruch nahm, war neben den Autoren ein Team von vier Studierenden der Universitat Leipzig beteiligt. Das Material wurde auf drei verschiedenen Ebenen codiert. Zum einen diente der Artikel selbst als Codiereinheit, zum zweiten die verschiedenen Sprecher innerhalb eines Artikels, zum dritten die innerhalb einer Aussage geaufierten Deutungen zu Humangenomforschung. Wir werden im Folgenden ausgewahlte Variablen genauer beschreiben, zunachst die Variablen, die auf der Artikelebene codiert wurden, dann die Variablen auf der Ebene von Akteuren und von Deutungen. Auf der Artikelebene wurden zum einen formale Merkmale der Texte codiert. Dazu gehoren Angaben liber das Datum und den Ort (Zeitung resp. Internetseite, Ressort, Seite) der Publikation sowie die Lange des Artikels. Mit der Variable „Genre" haben wir das Textgenre, die so genannte journalistische Darstellungsform (vgl. z. B. Reumann 2002) erhoben, die zwischen einer kurzen Meldung liber eine Reportage bis hin zu einem Leitartikel variieren kann. Hinzu kamen Informationen liber den „Anlass" des Artikels, sofern dieser erkennbar war. Dabei wurde zum einen der „Veranlasser" des Artikels codiert, mithin derjenige Akteur, dessen Handlung den Journalisten zum Verfassen eines Artikels motiviert hat. Zum anderen wurde auch codiert, ob dieser Anlass ein Ereignis war, das gezielt an die Offentlichkeit oder die Massenmedien gerichtet war oder nicht. Die Variable „Anlass" lasst Rlickschllisse auf die Anstrengungen von Akteuren zu, die versuchen, Einfluss auf die Debatte liber Humangenomforschung zu nehmen. Weiterhin wurde der „Stellenwert" des Themas Humangenomforschung im Artikel (Hauptthema, Nebenthema, nur erwahnt) und die Bewertung von Humangenomforschung in dem Artikel codiert: Unter welchem „Fokus" wird das Thema
' Die URL des Projektes lautet http://userpage.fu-berlin.de/~gerhards/diskus.
82
3. Methoden
diskutiert, und wie ist die „Bewertung" der Humangenomforschung im gesamten Artikel? Schliefilich haben auf der Artikelebene noch den „Verfasser" des jeweiligen Artikels codiert, mithin die Information, ob der Artikel von der Redaktion der Zeitung, von einer Nachrichtenagentur oder von einem externen Akteur verfasst wurde. Auch hier ist fur uns von Interesse, ob sich Unterschiede in der Autonomie der massenmedialen Offentlichkeit bzw. umgekehrt im Erfolg medienexternen Agenda Buildings in der Berichterstattung in Deutschland und den USA zeigen. Seit ca. 20 Jahren hat es sich in der systematischen Inhaltsanalyse von massenmedialen Texten durchgesetzt, die Artikelcodierung um eine Codierung auf der Ebene von Aussagen zu erweitern. Die BegriAndung ist einfach und plausibel: Innerhalb eines Zeitungsartikels kommen iiber indirekte oder direkte Zitate in der Kegel mehrere Akteure zu Wort, die mit ihren Aussagen Einfluss auf die offentliche Diskussion nehmen. Eine Codierung ausschlieClich auf der Artikelebene wird der Tatsache, dass sich innerhalb eines Artikels verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Aussagen verbergen, nicht gerecht. Auf der Aussagenebene wurden daher zunachst Charakteristika der zu Wort kommenden Akteure codiert. Diese Codierung bildet die Grundlage fiir die Beantwortung der ersten Forschungsfrage nach der Verteilung des Standing in den untersuchten Diskursen. Das Standing von Akteuren messen wir durch die Menge der Aussagen, die Sprecher im Vergleich zu anderen Sprechern zum Thema Humangenomforschung in den von uns analysierten Zeitungen platzieren konnten (vgl. Ferree et al. 2002; Gerhards und Lindgens 1995; Gerhards und Rucht 2000; Gerhards et al. 1998). Fiir jeden Artikel konnte eine nicht begrenzte Zahl von Akteuren codiert werden. Es sind grundsatzlich zwei verschiedene Arten von Aussagetragern bzw. Sprechern differenzierbar: auf der einen Seite extramediale Akteure wie z. B. Parteien, soziale Bewegungen und die Judikative, auf der anderen Seite Journalisten. Journalisten wurden nur dann als Aussagetrager codiert, wenn sie nicht als neutrale Vermittler („Chronisten") von Aussagen extramedialer Akteure, sondern als eigenstandige Sprecher auftraten. Als extramediale Akteure wurden Individu-
3.1 Inhaltsanalyse
83
en, Gruppen von Individuen oder Organisationen verstanden, die entweder wortlich (d. h. in Anfiihrungszeichen) oder in indirekter Rede (d. h. im Konjunktiv) im Artikel zum relevanten Thema, hier zu Humangenomforschung, zu Wort kamen. Der Akteur musste entweder durch die Nennung eines individuellen Namens, einer Organisation oder Institution identifizierbar sein. Fiir diese Akteure wurden mehrere Eigenschaften codiert - der Name, das Geschlecht und das Herkunftsland individueller Akteure sowie die Organisation, der sie angehoren. Fiir politische Akteure wurde zudem - falls angegeben - ihre Parteizugehorigkeit festgehalten. Wenn Akteure in Massenmedien zu Wort kommen, dann konnen sie ihr Standing zur Kommunikation unterschiedlicher Perspektiven und Inhalte nutzen. Wir haben zum einen fiir jeden Akteur erfasst, ob und wie er im gegebenen Artikel Humangenomforschung bewertet, ob er also eine positiv begriiCende, eine ablehnende oder eine ambivalente Position bezieht - oder ob er moglicherweise Humangenomforschung gegeniiber neutral bleibt. Wir haben zum zweiten erhoben, welche Idee-Elemente ein Akteur zur Deutung resp. zum Framing von Humangenomforschung benutzt. Das Framing-Konzept nimmt an, dass die offentliche Wahrnehmung der Realitat durch bestimmte „Frames", also Deutungsrahmen, bestimmt wird. Diese Deutungsrahmen geben vor, welche Aspekte des Gegenstandes wichtig und welche Perspektiven angemessen erscheinen (Benford und Snow 2000; Gamson 1992; Gamson und Modigliani 1989; Scheufele 1999; Snow und Benford 1992). Sie konnen auch nahe legen, ob Themen als Probleme zu definieren sind oder nicht, und welche Schuldigen und welche Losungen iiberhaupt in Frage kommen (Entman 1993; Gerhards 1992). Diesem Konzept folgend konnen offentliche Diskurse als Wettbewerb um ein dominantes Framing verstanden werden: Akteure versuchen, in fiir sie relevanten Feldern das Framing des Themas zu bestimmen, ihre Deutungen des Themas also moglichst hegemonial zu etablieren (vgl. dazu auch Ferree et al. 2002; Gerhards et al. 1998). Gelingt dies, dann sind damit Folgen verbunden: Wird Humangenomforschung etwa dominant als wissenschaftlicher Fortschritt mit positiven medizinischen
84
3. Methoden
Implikationen gedeutet, so liegt eine Unterstiitzung der Humangenomforschung nahe. Zwar sind innerhalb dieses Deutungsrahmens auch kritische Argumente nicht unmoglich - man konnte etwa fragen, ob die Versprechen der Humangenomforscher realistisch sind. Aber generell legt der wissenschaftlich-medizinische Deutungsrahmen eine eher positive Sicht der Humangenomforschung nahe, und eine Reihe von ganzlich anderen Blickwinkeln auf das Thema bleibt ausgeblendet. Die Situation ist eine andere, wenn Humangenomforschung bspw. dominant als menschlicher Eingriff in die gottliche Schopfung verstanden wird. Innerhalb dieses Frames fallt es deutUch schwerer, positive Argumente fiir die Humangenomforschung zu formulieren, wahrend es bedeutend einfacher ist, Vorbehalte zu artikulieren. Erfolg auf der Framing-Dimension messen wir durch die Menge an Deutungen, die Sprecher im Vergleich zu anderen Sprechern zum Thema Humangenomforschung platzieren konnten (vgl. Ferree et al. 2002; Gerhards und Lindgens 1995; Gerhards und Rucht 2000; Gerhards et al. 1998). Fiir jeden Sprecher konnte eine nicht begrenzte Zahl von IdeeElementen codiert werden. Die Codierung der von den Akteuren kommunizierten Deutungen stiitzte sich dabei auf die Matrix der Deutungen, die in der qualitativen Inhaltsanalyse gewonnen wurde. Codiert wurde fiir jeden Akteur, ob er eines oder mehrere der Idee-Elemente verwendet (also z. B. „Humangenomforschung ist (zu) teuer"). Wenn ein Sprecher ein Idee-Element verwendete, dann wurde zusatzlich codiert, ob er es in der formulierten Richtung verwendet (im Sinne von „Ja, Humangenomforschung ist tatsachlich zu teuer"), ob er es der formulierten Richtung entgegen verwendet („Nein, Humangenomforschung ist nicht zu teuer") oder ob er zwar iiber das Idee-Element redet, aber keine Position dazu erkennen lasst. Mit der Erhebung von Idee-Elementen wollen wir die interpretatorische Rahmung der Humangenomforschung durch seine Platzierung in unterschiedlichen Deutungsrahmen messen. Neben den codierten Inhalten ist auch das praktische Vorgehen bei der Codierung erlauterungsbediirftig. Das ausgewahlte Textmaterial wurde mit Hilfe einer Eingabemaske, die alle relevanten Variablen und Auspragungen der Dimensionen Standing, Positionierung und Framing
3.1 Inhaltsanalyse
85
enthielt, unmittelbar am PC codiert. Die Eingabemaske war mit „Microsoft Access" erstellt worden, die entsprechende Codierung konnte entweder liber Eingabefenster oder meniigesteuert erfolgen. Die numerischen Codes fiir die einzelnen Variablenauspragungen konnten also direkt iiber die Tastatur in entsprechende Fenster der Eingabemaske eingegeben werden. Es war aber auch moglich, meniigesteuert vorzugehen. Die Codierer klickten in diesen Fallen die jeweils relevante Auspragung in einem Drop-Down-Menii an, um einen Code auszuwahlen. Nach der Codierung einer Variable fiihrte das Programm den Codierer zur nachsten Variable. Im Hintergrund wurden dabei parallel zur Eingabe drei verschiedene Datenmatrizen angelegt, in denen einmal die Artikel, einmal die Akteure und einmal die Idee-Elemente als Falle vorkamen und die nach der Codierung unproblematisch in das Analyseprogramm „SPSS" exportiert werden konnten. Die Vorteile der Codierung mit Hilfe einer solchen Eingabemaske liegen auf der Hand. Durch die Vermeidung des traditionellen Codierbogens aus Papier erspart man sich den Arbeitsschritt der Ubertragung der Informationen in maschinenlesbare Form und reduziert somit mogliche Ubertragungsfehler. AuGerdem verkniipft das Programm die verschiedenen hierarchisierten Ebenen der Codierung automatisch und zuverlassig miteinander, indem es jeder Aussage und den verschiedenen Objektklassen von Aussagen die jeweilige Artikel- und Aussageidentifikationsnummer und alle damit verbundenen Zusatzvariablen zuweist. Trotz der durch die Eingabemaske realisierten Arbeitsentlastung und der damit gesenkten Fehleranfalligkeit der Codierung mussten die Arbeitsergebnisse des mehrkopfigen Codiererteams natiirlich auf ihre Zuverlassigkeit hin gepriift werden. Dazu haben wir v. a. in der Friihphase der Codierungen, Reliabilitatstests durchgefiihrt, sowohl im InterCoder-Vergleich (Codieren alle Codierer den gleichen Artikel in gleicher Weise?) als auch um einen Monat zeitversetzt im Intra-Coder-Vergleich (Codiert der gleiche Codierer den gleichen Artikel auch nach einem Monat noch so wie beim ersten Mai?). Die Reliabilitat der einzelnen Variablen (berechnet als Mittelwert der jeweils paarweisen Ubereinstimmungen zwischen zwei Codierern) bewegte sich zwischen 0,7 und 1,0 und liegt
86
3. Methoden
damit im zufrieden stellenden, meist sogar guten oder sehr guten Bereich sozialwissenschaftlicher Inhaltsanalysen (fiir entsprechende Referenzwerte vgl. Frlih 1998: 170). Eine Ausnahme bildete allerdings die Variable, mit der die Bewertung der Humangenomforschung in gesamten Artikein resp. durch einzelne Akteure codiert werden sollte. Die Reliabilitat dieser Variable lag anfangs unter 0,5 und konnte durch intensive Nachschulungen auf 0,63 (Akteursebene) bzw. 0,56 (Artikelebene) angehoben werden. Die Bewertung der Humangenomforschung auf der Ebene des gesamten Artikels blieb jedoch problematisch und wird deshalb in der Auswertung unserer Untersuchung auch keine wesentliche RoUe spielen. AbschlieiSend wurden die codierten Daten in „SPSS"-Datensatze iiberfiihrt und von Codierfehlern bereinigt.
3.2 Qualitative Interviews Der zweite Analyseschritt zielt auf die Erklarung der diskursiven Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den untersuchten Landern. Dazu haben wir Interviews mit den am Diskurs beteiligten Akteuren durchgefiihrt. Die Experten wurden miindlich, face-to-face, mit leitfadengestiitzten, mithin teilstandardisierten Einzelinterviews befragt (fiir einen Uberblick qualitativer Interview-Formen vgl. Hopf 2000; Lamnek 1995: 35ff; Meuser und Nagel 1991). Insgesamt wurden mehr als 50 Interviews mit deutschen und US-amerikanischen Akteuren gefiihrt, die zwischen 30 Minuten und drei Stunden dauerten und durchschnittlich etwa eine Stunde beanspruchten. Die Interviews orientierten sich in ihren Inhalten und in ihrem Verlauf an den Vorgaben eines Leitfadens; bestimmte Fragebereiche waren obligatorisch und wurden mit alien Interviewpartnern besprochen. Die gefiihrten Interviews lassen sich somit als Mischformen zwischen problemzentrierten und fokussierten Interviews verstehen (Hopf 2000: 353; Lamnek 1995: 74ff). Auf der Basis verschiedener Samplingstrategien (wesentliche Kriterien waren die Position von Individuen in Organisationen und der damit vermutlich verbundene Wissensumfang, vgl. dazu Miles und Huberman
3.2 Qualitative Interviews
87
1994: 27ff) wurden anschliefiend drei verschiedene Gruppen von Akteuren ausgemacht, die im Zeitraum von April bis November 2004 interviewt wurden: Erstens Experten zum Thema Biowissenschaften, zweitens im Diskurs aktive Akteure und drittens Journalisten einschlagiger Ressorts. Fiir diese drei Gruppen wurden jeweils eigene Interviewleitfaden erstellt. Die Interviews mit den Experten zielten darauf, deren Diskurswahrnehmung zu erfragen und mit den Ergebnissen unserer Inhaltsanalyse abzugleichen. Zu diesem Zweck wurden sechs Personen ausgewahlt, die wie Sigrid Graumann (vgl. Graumann 1999; 2000; 2001a; 2001b; 2002; 2003), Bruce Lewenstein (vgl. Lewenstein 1991; 1995a; 1995b; Lewenstein et al. 1998; Nisbet und Lewenstein 2001; 2002) und Sheila Jasanoff (vgl. Jasanoff 1995; 2000; Jasanoff et al. 1995) in der sozialwissenschaftlichen Analyse von offentlichen und massenmedialen Debatten iiber biowissenschaftliche Forschungs- und Anwendungsfelder ausgewiesen sind, die wie Gabriele Abels (vgl. Abels 1992, 1996, 1997, 1999; Barben und Abels 2000) und Robert Cook-Degan (vgl.Cook-Deegan 1995) mit der Entwicklung der internationalen Humangenomprojekte vertraut sind oder wie Boyce Rensberger (iber Expertise im Bereich des Wissenschaftsjournalismus verfiigen. Diese Akteure wurden nach ihren Wahrnehmungen des Diskurses iiber Humangenomforschung sowie nach ihrer Einschatzung der Aktivitaten von beteiligten Akteuren und Journalisten befragt. Zudem wurden mit ihnen Ergebnisse unserer Inhaltsanalyse und mogliche Interpretationen der Resultate besprochen. Neben den genannten Experten wurden etwa 35 Akteure aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen befragt, die im massenmedialen Diskurs iiber Humangenomforschung unseren Befunden nach eine RoUe gespielt haben bzw. bei denen wir vermuten, dass sie versucht haben, sich offentlich zum Thema Humangenomforschung zu positionieren. Schaubild 3.3 listet die interviewten Akteure komplett auf. Da wir davon ausgehen, dass die Ausstattung der Akteure mit Ressourcen und ihre Praferenzen wichtige Faktoren zur Erklarung ihres massenmedialen Erfolgs sind, haben wir diese Akteure nach ihren Standpunkten und Prafe-
_88
3. Methoden
renzen, ihren Medienressourcen und ihren Bemuhungen, die Medienagenda zu beeinflussen befragt. Allerdings kann die Aktivitat von gesellschaftlichen Akteuren nicht allein die Charakteristika massenmedialer Diskurse erklaren. Journalisten bilden die entscheidenden Gatekeeper zum Mediensystem. Daher wurden zusatzlich noch zehn Journalisten nach ihrer Arbeit zum Thema Humangenomforschung, nach Arbeits- und Selektionsroutinen sowie nach ihrer Wahrnehmung der Akteurs- und Argumentationslandschaft befragt. Auch die Ergebnisse dieser Interviews sollten dazu dienen, vorgefundene Charakteristika der massermedialen Debatten iiber Humangenomforschung zu erklaren. Alle Interviews wurden komplett transkribiert und in das Analyseprogramm „atlas.ti" uberfiihrt. Anschliefiend wurden die Transkripte mit einer Systematik von Codes verschliisselt, die sich einerseits am Leitfaden orientierte, andererseits aber auch die Moglichkeit offen hielt, neue Codes zu kreieren, wenn das Material dies nahe legte. Zunachst wurden die Aussagen der Interviewten nach einer vorher festgelegten Matrix kategorisiert, es wurden also Interviewteile codiert. Anschliefiend wurden die Aussagen zu Interpretationsaussagen verdichtet und mit Belegen sowie typischen Zitaten versehen. Wir haben dann versucht, die Aussagen der Akteure nach Akteursgruppen zu aggregieren, indem wir die Positionen, Kommunikationsaktivitaten und Ressourcen bei „der Wissenschaft", „der Politik" usw. zu bestimmen versucht haben. Dabei konnten in einer Reihe von Fallen allerdings keine einheitlichen Aussagen fiir die jeweilige Akteursgruppe getroffen werden, well diese intern zu heterogen waren; in diesen Fallen wurden unterschiedliche Organisationen voneinander unterschieden und nicht weiter zusammengefasst. Abschliefiend wurden die Ergebnisse der Inhaltsanalyse und der Interviews zusammengefiihrt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den massenmedialen Diskursen iiber Humangenomforschung in Deutschland und den USA empirisch beschreiben und erklaren zu konnen.
3.2 Qualitative Interviews
89
Schaubild 3.3: Liste der interviewten Personen u n d ihrer institutionellen Anbindung
Deutschland Dr. Gabriele Abels: Wissenschaftliche Assistentin am Institut fiir Wissenschaftsund Technikforschung der Universitat Bielefeld Dr. Hermann Barth: Vize-Prasident im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland Dr. Ursula Beykirch: Ansprechpartnerin fiir bioethische Fragen im Bereich Glaube und Bildung des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz Hans Casel: Leiter der Pressestelle des Bistums Trier Wolf-Michael Catenhusen: Staatssekretar im BMBF Hans-Josef Fell: Sprecher fiir Forschung und Technologie der Bundestagsfraktion von Bundnis 90/Die Griinen Erika Feyerabend: Vorstand des BioSkop - Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften und ihrer Technologien e.V. Dr. Sigrid Graumann: Mitglied der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin'' des Deutschen Bundestages; Mitarbeiterin am Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft Helmut Heiderich: Beauftragter fiir Biotechnologie und Gentechnik der Bundestagsfraktion von CDU/CSU Barbara Hobom: Journalistin im Wissenschaftsressort der „ Frankfurter AUgemeinen Zeitung'', zudem freie Journalistin Grit Kienzlen: Journalistin im Wissenschaftsressort des Deutschlandradio bzw. der ARD Klaus Koch: Journalist im Wissenschaftsressort der „Siiddeutschen Zeitung", zudem freier Journalist Prof Dr. Hans Lehrach: Mitglied des wissenschaftlichen Koordinierungskomitees des DHGP; Vorsitzender des Fachbeirates des Deutsches Ressourcenzentrums fiir Genomforschung; Mitglied der HUGO; Direktor des Max-PlanckInstitutes fiir molekulare Genetik, Berlin Prof. Dr. Jens Reich: Sprecher des wissenschaftlichen Koordinierungskomitees des DHGP; Mitglied des Nationalen Ethikrates; Leiter der AG Bioinformatik am Max-Delbriick-Centrum fiir Molekulare Medizin, Berlin Dr. Jiirgen Roemer-Mdhler: Ministerialrat im BMBF; Mitglied im Lenkungsausschuss von GABI (Genomanalyse im biologischen System Pflanze)
^0
3. M e t h o d e n
• Rene Rospel: Vorsitzender der Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages; Ansprechpartner fiir Biotechnologie der Bundestagsfraktion der SPD • Dr. Christina Schroder: Leiterin der Geschaftsstelle des Vereins zur Forderung der Humangenomforschung (zweimal interviewt) • Volker Stollorz: Journalist im Wissenschaftsressort der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung", zudem freier Journalist • Dr. Christoph Then: Gentechnik- und Patentierungsexperte von Greenpeace Deutschland • Dr. Jorg Wadzack: Leiter der Koordinierungsstelle des DHGP • Uta Wagenmann: Vorstandsmitglied des Gen-ethischen Netzwerks (GeN) • Silke Westermann: Mitarbeiterin des Gen-ethischen Netzwerks (GeN) • Prof. Holger Wormer: Journalist im Wissenschaftsressort der „Suddeutschen Zeitung"
USA • Robert Bennett: Verantwortlicher fur Media & Investors Relations bei der Celera Genomics Group • Rick Borchelt: Press secretary im Committee on Science, Space and Technology des US-Reprasentantenhauses; Special Assistant fiir Offentlichkeitsarbeit im Executive Office of The President; Director of communications im Office of Science des Department of Energy • Jen Brock: National Coordinator des Genetic Engineering Action Network (GEAN, schriftlich befragt) • Beth Burrows: Prasidentin und Direktorin der NGO The Edmonds Institute • Dr. Sujatha Byravan: Director of Communications des Council for Responsible Genetics • Robert Cook-Degan: Direktor des Center for Genome Ethics, Law, and Policy der Duke University • Marcy Darnovsky: Associate Executive Director des Center for Genetics and Society • Richard Doerflinger: Deputy Director im Secretariat for Pro-File Activities der United States Conference of Catholic Bishops • Justin Gillis: Journalist im Wirtschaftsressort der „Washington Post" • Prof. Dr. Kathy Hudson: Assistant Director, u. a. fiir Kommunikation und Offentlichkeitsarbeit, am National Human Genome Research Institute (schriftlich befragt)
3.2 Qualitative Interviews
91
• Prof. Dr. Sheila Jasanoff: Professor in fiir Science and Technology Studies, John F. Kennedy-School of Government, Harvard University Dr. Leon R. Kass: Chairman des President's Council on Bioethics (schriftlich) Prof. Dr. Bartha Maria Knoppers: Chairwoman des HUGO Ethics Committee; Mitglied des International Bioethics Committee der UNESCO; Beraterin der World Health Organization Prof. Dr. Bruce Lewenstein: Professor fiir Science Communication, Cornell University Rev. Dr. Eileen W. Lindner: General Secretary for Research and Planning und Leiterin der Task force on Human Genetics beim National Council of Churches Betty K. Mansfield: Leiterin des Human Genome Information Management am Oak Ridge National Laboratory des Department of Energy Dr. Thomas Murray: Griinder der ELSI-Arbeitsgruppe beim Center for Human Genome Research der National Institutes of Health; Prasident des BioethikInstituts Hastings Center Jerry Parrott: Vizeprasident fiir Corporate Communications bei Human Genome Sciences Wesley M. Patillo: Associated General Secretary for Communication beim National Council of Churches Dr. Ari Patrinos: Associate Director des Office of Biological and Environmental Research im Office of Science des Department of Energy Prof. Dr. Leena Peltonen-Palotie: HUGO-Ansprechpartnerin fiir Europa Andrew Pollack: Journalist im Wirtschaftsressort der „New York Times'' Dr. Mazin Qumsiyeh: Biotechnologieexperte der US Green Party Boyce Rensberger: Leiter des „Knights Fellowship"-Programms fiir Wissenschaftsjournalisten am M.I.T. in Cambridge Dr. David Schlessinger: Direktor des Washington University Genome Sequencing Center im US Human Genome Project; HUGO-Ansprechpartner fiir die USA Nicholas Wade: Journalist im Wissenschaftsressort der „New York Times" John Wages: Media coordinator der US Green Party im Bundesstaat Mississippi Rick Weiss: Journalist im Wissenschaftsressort der „Washington Post" Rev. Marcel A Welty: Mitarbeiter der Human Genetics Commission im National Council of Churches Cathy Yarbrough: Communications director am National Human Genome Research Institute
4. Offentliche Hegemonie: Ergebnisse des Vergleichs zwischen Deutschland und den USA
4.1 Struktur der Berichterstattung Die zentralen Dimensionen, in denen wir den massenmedialen Erfolg unterschiedlicher Akteure im Diskurs iiber Humangenomforschung messen - Standing, Positionierung und Framing - stellen relative Messungen dar. Mit ihnen kann man bestimmen, wie erfolgreich sich ein Akteur im Vergleich zu anderen Akteuren massenmedial platzieren kann, und wie oft es ihm im Vergleich zu diesen anderen Akteuren gelingt, seine Positionen und Deutungen in den untersuchten Leitmedien zu publizieren. Anhand dessen lasst sich iiberpriifen, ob etwa Vertreter der Wirtschaft und ihre Deutungen doppelt so haufig prasent sind wie Vertreter der Kirchen oder des politischen Systems. Mit relativen Mafien ist aber nichts iiber die absolute Groi?e des Diskurses gesagt. Es macht einen Unterschied, ob im untersuchten Zeitraum z. B. 50 Wirtschafts- und 25 Kirchenvertreter zu Wort kommen oder ob es 500 resp. 250 sind. Die Relation beider Gruppen zueinander ist die gleiche, die absoluten Grofien variieren jedoch sehr deutlich. Aus diesem Grund soil hier die absolute GroGe der beiden nationalen Diskurse erhoben werden. Dies ist zudem auch deshalb instruktiv, weil iiber die GroGe eines themenbezogenen Diskurses indiziert wird, wie wichtig das entsprechende Thema fiir die Massenmedien ist. Dies wiederum ist bedeutsam, da man aus der Agenda Setting-Forschung weiC, dass die massenmediale Bedeutungszuweisung fiir bestimmte Themen oftmals dazu fiihrt, dass diese Themen auch von den Rezipienten fiir wichtig gehalten werden, dass sich die Relevanzhierarchie der Medienagenda also auf die
94
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Rezipientenagenda iibertragt (vgl. z. B. Brosius 1994; Dearing und Rogers 1996; Rossler 1997). Neben der absoluten Grofie eines Diskurses ist der „ issue attention cycle" (Downs 1972) ein wichtiges Beschreibungsmerkmal von offentlichen Debatten. Wie ist die Berichterstattung zeitlich strukturiert? Gibt es Hochphasen der Debatte, und was veranlasst den Anstieg der Berichterstattung auf dem Weg dahin? Weiterhin ist von Bedeutung, wo der Diskurs redaktionell und damit auch inhaltlich angesiedelt ist. Es macht einen Unterschied fiir die Chancen unterschiedlicher Akteure und Inhalte, sich in den Medien zu platzieren, ob ein Diskurs z. B. im Wissenschaftsteil von Zeitungen oder im Feuilleton stattfindet. Schliefilich ist die stilistische Verortung von Diskursen von Interesse. Journalistische Textsorten - so genannte „Darstellungsformen" (vgl. z. B. Reumann 2002) pradisponieren Diskurse in bestimmter Weise fiir eher berichtende oder eher meinungsbetonte Auseinandersetzungen. Diese grundlegenden Charakteristika der massenmedialen Diskurse iiber Humangenomforschung sollen im Folgenden beschrieben werden. 1. Die Berichterstattung iiber Humangenomforschung ist sowohl in Deutschland als auch in den USA recht umfanglich. In den untersuchten deutschen Zeitungen finden sich im Untersuchungszeitraum, d. h. zwischen 1999 und 2001, insgesamt 1040 Artikel, in denen Humangenomforschung thematisiert wurde; in den US-amerikanischen Zeitungen sind es 868 Artikel. Mit anderen Worten: In beiden Landern wurde in den untersuchten Zeitungen iiber einen Dreijahreszeitraum im Durchschnitt etwa taglich ein Artikel zum Thema Humangenomforschung veroffentlicht. Zum einen bedeutet dies einen deutlichen Anstieg der Berichterstattung iiber Humangenomforschung im Vergleich zu fruheren Perioden. In friiheren Phasen, etwa Ende der 1980er, als sich das Humangenomprojekt in den USA etablierte, war das Thema Genomforschung resp. Genomanalyse in deutschen Medien kaum prasent (Ruhrmann et al. 1992; Nawratil 1987: 67ff.). Auch in den Folgejahren, bis etwa 1999, stieg die Berichterstattung nur sehr langsam an (vgl. Schaubild 3.2), Humangenomforschung war Mitte der 1990er noch ein Thema „in waiting" (Kitzinger und Reilly 1997: 322).
95
4.1 Struktur der Berichterstattung
Schaubild 4.1: Anzahl der Artikel zum Thema Humangenomforschung in den beiden untersuchten Landern
Deutschland
USA
Datenbasis: Schlagwortsuche in elektronischen Archiven der „Suddeutschen Zeitung", der ^Frankfurter Allgemeinen", der „New York Times" und der „Washington Post" fiir die Jahre 1999, 2000 und 2001. Die genaue Beschreibung der Erhebung findet sich in Kap. 3.
Zum anderen ist die Berichterstattung liber Humangenomforschung in dem von uns untersuchten Zeitraum auch im Vergleich zu anderen biowissenschaftHchen Themen vergleichsweise extensiv: Anhand der Daten eines themeniiberspannenden Projektes zur Berichterstattung iiber molekulare Medizin, in dem die deutsche Presse von 1982 bis 2005 untersucht wurde, lasst sich zeigen, dass Humangenomforschung eines der grofiten biotechnologischen Themen in der deutschen Presseberichterstattung liberhaupt war und bspw. die Kontroversen der 1990er Jahre um das geklonte Schaf Dolly oder die Thesen Peter Sloterdijks in seinen quantitativen AusmaCen deutlich iiberstieg (Weingart et al. 2005).
96
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Schaubild 4.2: Stellenwert des Themas Humangenomforschung in den untersuchten Artikeln
Deutschland
USA
IHGF ist Hauptthema ^ HGF ist Nebenthema Ei3 HGF wird nur erwahnt
Auffallig beim Blick auf die GroCe der beiden untersuchten nationalen Diskurse ist, dass der deutsche den US-amerikanischen Diskurs quantitativ iibersteigt (s. Schaubild 4.1). Trotzdem das Thema urspriinglich eher US-induziert war und die zentralen Ereignisse vornehmlich in den USA zu verorten sind, ist der offentliche Stellenwert des Themas in Deutschland also etwas hoher als in den USA. Dieser Befund wird zusatzlich dadurch erhartet, dass das Thema Humangenomforschung in den untersuchten deutschen Artikeln durchschnittlich mehr Platz einnimmt als in den US-amerikanischen. Unterscheidet man Artikel danach, ob Humangenomforschung in ihnen das einzige bzw. Hauptthema, ein Nebenthema Oder nur ein Randthema ist, dann zeigt sich, dass das Thema in Deutschland in nahezu der Halfte aller Artikel das einzige oder Hauptthema ist. In den USA dagegen liegen diese Zahlen etwas niedriger (s. Schaubild 4.2).
4.1 Struktur der Berichterstattung
97
Schaubild 4.3: Anzahl der Artikel zum Thema Humangenomforschung in den untersuchten deutschen und US-Qualitatszeitungen
FAZ
SZ
NYT
WAP
Datenbasis: Schlagwortsuche in elektronischen Archiven der „Suddeutschen Zeitung", der ^Frankfurter Allgemeinen'', der „New York Times'' und der ,,Washington Post" fiir die Jahre 1999, 2000 und 2001. Die genaue Beschreibung der Erhebung findet sich in Kap. 3.
Der Unterschied in der Intensitat der Berichterstattung geht weitgehend auf die umfangreiche Berichterstattung der „FAZ" zuriick. Das Blatt publizierte im Untersuchungszeitraum deutlich mehr einschlagige Artikel als andere Zeitungen; zudem spielte Humangenomforschung in den „FAZ"Artikeln eine durchschnittUch groGere RoUe als in alien anderen Zeitungen.^ Die „SZ" publizierte zwar nicht mehr Artikel als die beiden USPendants, aber daflir deutlich mehr Artikel, in denen Flumangenomforschung das einzige Thema oder das Hauptthema war. Das Thema Humangenomforschung nimmt in Deutschland insgesamt also einen etwas hoheren Stellenwert ein als in den USA, es war aber in beiden Landern von grofier massenmedialer Bedeutung. Die Moglichkeit fiir die Burger ^ Dieser hohe Stellenwert des Themas in der „FAZ" unterstiitzt einerseits Ergebnisse friiherer Studien zur Biotechnologieberichterstattung (Kepplinger et al. 1991: 112). Andererseits zeigt sich hier die besondere Rolle, die diese Zeitung beim Thema Humangenomforschung spielte, auch weil Fiumangenomforschung durch den Herausgeber Frank Schirrmacher einen hohen Stellenwert eingeraumt bekam und dadurch entsprechend forciert wurde (vgl. Interview mit Volker Stollorz, Wissenschaftsjournalist der ^Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung"; sowie Interview mit Barbara Hobom, Wissenschaftsjournalistin der „FAZ").
98
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
der beiden Gesellschaften, sich liber das Thema zu informieren, war also gegeben. 2. Die grofie Menge an Artikeln verteilt sich dabei jedoch in beiden Landern nicht gleichmaCig iiber den untersuchten Dreijahreszeitraum. Zum einen lasst sich fiir beide Lander ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Intensivierung der Berichterstattung iiber Humangenomforschung, d. h. ein Anstieg der Artikelzahlen feststellen. Schaubild 4.4: Anzahl der Artikel zum Thema Humangenomforschung in den untersuchten Zeitungen beider Lander im Zeitverlauf (pro Quartal)
l.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. l.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. l.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. 1999 1999 1999 1999 2000 2000 2000 2000 2001 2001 2001 2001 ""^""=^"=^=^"= Deutschland
USA
Diese Entwicklung begann in beiden Landern etwas unterschiedlich. In den USA intensivierte sich die Berichterstattung ab dem dritten Quartal 1999, ohne dass es ein konkretes Ereignis als Anlass daflir gab. In Deutschland dagegen stieg die massenmediale Aufmerksamkeit fur Humangenomforschung mit einem konkreten Ereignis (das in den USA weitgehend unbeachtet blieb) schneller und rapider an als in den USA: mit der Ankiindigung von Celera Genomics am 6. April 2000, man habe die Sequenzierung des Genoms einer Person fertiggestellt und werde in Kiirze das komplette Humangenom, basierend auf der sequenzierten DNS von fiinf Personen, vorstellen (Celera Genomics 2000). Innerhalb
4.1 Struktur der Berichterstattung
99
von wenigen Tagen nach dieser Erklarung wurde in Deutschland eine Vielzahl von Artikeln zum Thema publiziert (vgl. ahnlich O'Mahony und Schafer 2005: 107), wobei die „FAZ" in dieser friihen Phase deutlich starker iiber Humangenomforschung berichtete als die „SZ". Es gab also in beiden Landern unterschiedliche Startpunkte einer intensiveren Berichterstattung. Im weiteren Verlauf der Diskurse lassen sich jedoch fiir Deutschland und die USA zeitlich weitgehend synchrone Hochphasen ausgepragter Berichterstattung ausmachen. Das Thema wird nicht dauerhaft und kontinuierlich verfolgt, die massenmediale Aufmerksamkeit fiir Humangenomforschung schwankt erheblich. Die Diskurse in beiden Landern verlaufen sehr eventzentriert. Dieser Befund deckt sich mit anderen Studien zur Biotechnologieberichterstattung (Nisbet und Lewenstein 2001: 7f.; 2002: llf.) und auch mit Arbeiten, die generelle Charakteristika des Wissenschaftsjournalismus beschreiben. Dort wird darauf verwiesen - teils auch kritisiert -, dass Wissenschaftsberichterstattung oftmals kurzfristig Aufmerksamkeit auf Fakten und prasentierte Ergebnisse lenkt, ohne langerfristige Prozesse oder auch methodische und theoretische Grundlagen aufzuarbeiten (vgl. z. B. Nelkin 1995: 6ff.). Die konkreten Ereignisse, die zu einer Intensivierung der Debatte beigetragen haben, sind fiir Deutschland und die USA weitgehend identisch, die Diskurse beider Lander folgen also den gleichen, vornehmlich in den USA situierten Ereignissen (vgl. ahnlich auch O'Mahony und Schafer 2005; Rodder 2005): Zentrale Ereignisse der Berichterstattung waren die Veroffentlichung der „Arbeitsversion" des weitgehend sequenzierten Humangenoms durch das Human Genome Project und Celera Genomics am 26. Juli 2000 in Washington (vgl. z. B. Marshall 2000) sowie die getrennte Publikation der Genomsequenzen des Human Genome Projects in „Nature" am 15. Februar 2001 (International Human Genome Consortium 2001) und Celera Genomics' in „Science" einen Tag spater (Celera Genomics 2001). Um diese Ereignisse herum nahm die Berichterstattung deutlich zu, in Deutschland zudem auch rund um die
100
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
bereits beschriebene Ankiindigung Celera Genomics' vom 6. April 2000.^ Neben diesen zentralen Geschehnissen wirkten sich auch weitere, ebenfalls vornehmlich wissenschaftliche Ereignisse auf die zeitliche Verteilung der Berichterstattung aus: Der offensichtlich an Celera Genomics gerichtete Appell Bill Clintons und Tony Blairs, das Humangenom frei zuganglich zu publizieren und nicht zu patentieren (am 15. Marz 2000, vgl. Butler 2000), die Veroffentlichung des sequenzierten Genoms der Fruchtfliege Drosophila melanogaster unter Beteiligung von Celera Genomics am 24. Marz 2000 (Adams et al. 2000), die Entschliisselung des menschlichen Chromosoms 21 durch eine Arbeitsgruppe des Human Genome Projects mit deutscher Beteiligung am 8. Mai 2000 (Hattori et al. 2000) und der Besuch Craig Venters in Deutschland am 6. Oktober 2000. Die Koinzidenz dieser Ereignisse mit den Hochphasen der Berichterstattung lasst sich plausibel deuten: Die untersuchten Massenmedien haben iiber Humangenomforschung wohl v. a. dann berichtet, wenn wissenschaftliche Akteure bewusst oder unbewusst Ereignisse geschaffen haben, die berichtenswert waren. Offentlichkeit als das Beobachtungssystem der Gesellschaft reagierte vor allem auf den Input, den es aus dem Wissenschaftssystem erhalten hat. 3. Diese Vermutung lasst sich noch zusatzlich untermauern, wenn man sich ansieht, auf welche Anlasse die Berichterstattung zuriickgeht. Wir haben fiir jeden Artikel erhoben, welches Ereignis oder welche Handlung eines Akteurs den Journalisten dazu motiviert hat, den jeweiligen Artikel zu schreiben. Wie die folgende Tabelle ausweist, gehen die meisten identifizierbaren Berichterstattungsanlasse^ auf Aktivitaten wissenschaftlicher Akteure zuriick.
2 Uber diese Ankiindigung Celera Genomics' wurde in einigen Landern relativ ausfiihrlich berichtet, bspw. in Deutschland und Italien (vgl. z. B. Costa 2003: 8; O'Mahony und Schafer 2005: 107; Schafer 2001: 58f.). In anderen Landern, wie den USA und Grofibritannien (vgl. Rodder 2003; 2005), spielte dieses Ereignis dagegen kaum eine Rolle. 3 In den meisten Artikeln lasst sich kein Berichterstattungsanlass identifizieren. In 56,7 % der deutschen Artikel und 58,3 % der US-Artikel ist nicht klar erkennbar, warum der Artikel geschrieben wurde. Moglicherweise geht ein Teil dieser Artikel auf journalistische Eigeninitiative zuriick. Da dies allerdings nicht zu iiberpriifen ist, wurden fiir sie keine
4.1 Struktur der Berichterstattung Tabelle 4.1:
101
Veranlasser der Artikel zum Thema Humangenomforschung in den untersuchten Zeitungen beider Lander (in %) Deutschland
Bio- / Naturwissenschaftler Sozial- / Geisteswissenschaftler Wissenschaftsadministration Sonstige Wissenschaftler Wirtschaftsakteure Zentrum der Politik Peripherie der Politik: Zivilgesellschaft Sonstige Akteure N
38,2 3,4 5,0 6,6 13,0 21,3 6,6 3,2 437
USA
Gesamt
47,0 0,8 1,1 2,3 24,8 14,9 3,9 2,5 355
42,2 2,3 3,3 4,7 18,3 18,4 5,4 2,9 792
In Deutschland sind es 38,2 %, in den USA sogar 47,0 % der Artikel, die auf die Handlungen von Biowissenschaftlern und Naturwissenschaftlern zuriickgehen. Rechnet man auch noch die anderen Wissenschaften und die Wissenschaftsadministration hinzu, dann sind es in Deutschland 53,2 % und in den USA 52,2 % der Artikel, die von wissenschaftlichen Akteuren veranlasst werden. Thema und Timing der Berichterstattung werden also - dies entspricht auch anderen kommunikationswissenschaftlichen Studien (vgl. v. a. Baerns 1987; einschlagig zudem auch Baerns 1990; 2000) - wesentlich von der kommunikativen Aktivitat offentlichkeitsexterner Akteure, hier v. a. aus der Wissenschaft bestimmt. Weitere Akteure, die erfolgreich Ereignisse produziert haben, iiber die dann berichtet wurde, sind politische Akteure und Vertreter des Wirtschaftsystems. Dagegen liefern Vertreter der Zivilgesellschaft wie Kirchen, soziale Bewegungen, Patienten- oder Behindertenverbande nur sehr wenige Berichterstattungsanlasse. Dieser Befund lasst sich noch weiter differenzieren. Denn Akteure konnen schliefilich gewollt oder ungewollt, en passant oder strategisch Berichterstattungsanlasse codiert, und sie wurden fiir die Auswertung dieser Anlasse aus der Analyse entfernt.
102
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
geplant dazu Anlass geben, dass iiber sie berichtet wird. Grundsatzlich lassen sich zwei Typen von Berichterstattungsanlassen unterscheiden. Der Anlass kann erstens aus dem regularen Agieren extramedialer Akteure hervor gehen. In diesen Fallen gehen Akteure ihren gewohnten Tatigkeiten nach, Journalisten beobachten sie dabei und entscheiden sich dann fiir die Berichterstattung liber diese Tatigkeiten. Beispiele daftir sind wissenschaftliche Konferenzen oder Gerichtsverhandlungen, die auch ohne Massenmedien stattfinden wiirden, zum Prozessieren der jeweiligen Teilsysteme gehoren und nicht per se auf massenmediale oder offentliche Aufmerksamkeit abzielen. Davon lasst sich ein zweiter Typus von Berichterstattungsanlassen unterscheiden, der von extramedialen Akteuren inszeniert wird, um offentliche oder massenmediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Beispiele sind das Versenden von Pressemitteilungen, das Einberufen von Pressekonferenzen oder das Schaffen symboltrachtiger und medientauglicher Events, etwa die Einladung befreundeter Staatschefs im Wahlkampf. Diese Aktivitaten finden an der Nahtstelle zwischen den Teilsystemen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft etc. einerseits und dem Offentlichkeitssystem andererseits statt. Die hier erlauterte Unterscheidung zwischen zwei Arten von Veranlassung wird in der Forschung auch mit der begrifflichen Unterscheidung von „genuinen Ereignissen" und „Pseudoereignissen" diskutiert (vgl. z. B. Edelman 1988; Sarcinelli 1987). Pseudoereignisse werden nur zu dem Zweck inszeniert, dass iiber sie offentliche Kommunikation entsteht. Zu den genuinen Ereignissen werden jene gerechnet, die auch ohne die Existenz von Medien hatten stattfinden mlissen, weil sie im Hinblick auf andere Funktionsbereiche ihren Zweck erflillen. Mehrere Studien betonen, dass vor allem politische Akteure in immer grofierem Mafie „Politik als Ritual" (Edelman 1976) und „symbolische Politik" (Sarcinelli 1987) betreiben, dass sie offentlichkeits- und medientaugliche Ereignisse, eben Pseudoereignisse, erzeugen und fiir die Vermittlung dieser Ereignisse an Massenmedien auch zunehmend Kommunikationsexperten ausdifferenzieren und professionalisieren (vgl. z. B. Tenscher 1999). Ahnliche Differenzierungen und kommunikative Professionalisierungen finden sich in der Wirtschaft (vgl. z. B. Kunczik 1999), in zunehmendem Mafie auch in der
4.1 Struktur der Berichterstattung
103
Wissenschaft (Weingart 2001: 272ff.), und sie spielen auch fiir das erfolgreiche Agieren zahlreicher zivilgesellschaftlicher Akteure eine zunehmend wichtigere Rolle (flir das Beispiel Greenpeace vgl. Baringhorst 1998). Analytisch ist es nun durchaus instruktiv zu fragen, wie stark die beiden Typen von Berichterstattungsanlassen in einem konkreten Diskurs vertreten sind. Die Art der Veranlassung lasst sich als Indikator fiir die Offentlichkeitsaktivitat von extramedialen Akteuren interpretieren. Mit der erfolgreichen Inszenierung eines Ereignisses durch einen Akteur erhalt dieser einen Startvorsprung in der Konkurrenz um Standing, Positionierung und Framing: Wer seine Ereignisse massenmedial prasentieren kann, fiir den ist es einfacher, auch gleich noch sich selbst und seine Ansichten zu platzieren. Wir haben daher nicht nur den Veranlasser, sondern auch die Art des Anlasses codiert, der zur Berichterstattung gefiihrt hat.^ Dabei wurden genuine Ereignisse, die auch ohne Beachtung der Massenmedien und Offentlichkeit stattgefunden hatten, von Ereignissen unterschieden, die gezielt auf offentliche oder massenmediale Aufmerksamkeit gerichtet waren. Zudem wurden in der Codierung die auf die Offentlichkeit bezogenen Anlasse nochmals in zwei Kategorien feindifferenziert. Massenmediale Anlasse sind diejenigen, die allein fiir die Massenmedien inszeniert wurden (Pressemitteilung, Pressekonferenz etc.). Davon kann man offentlichkeitsorientierte Anlasse im engeren Sinne unterscheiden, die nicht fiir die Massenmedien initiiert werden, bei denen aber die massenmediale Berichterstattung ein mehr als willkommenes Nebenprodukt ist: Offentliche Veranstaltungen, offentliche Demonstrationen und Veroffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften gehoren zu dieser Rubrik.
4 Zusatzlich zu den Artikeln, in denen kein Berichterstattungsanlass deutlich war, wurden fiir die folgenden Auswertungen auch diejenigen Artikel ausgeschlossen, in denen zwar ein Berichterstattungsanlass existierte, aber nicht klar war, welcher Art dieser war, ob er also inszeniert war oder nicht.
104
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Tabelle 4.2:
Anlasse der Berichterstattung zum Thema Humangenomforschung in den untersuchten Zeitungen beider Lander (in %)
Anlass gezielt an Massenmedien gerichtet Anlass an breitere Offentlichkeit gerichtet Anlass aus Eigenlogik eines anderen Systems entstanden N
Deutschland
USA
Gesamt
29,0 44,3
47,0 27,9
37,2 36,9
26,7
25,1
26,0
341
283
624
Wie die Tabelle 4.2 ausweist, sind ca. 74 % der Anlasse, die zu Berichterstattung iiber Humangenomforschung gefiihrt haben, Pseudoereignisse im oben definierten Sinne, also gezielt fiir die Offentlichkeit oder die Massenmedien inszenierte Anlasse. Zwischen den beiden Landern gibt es diesbeziiglich so gut wie keine Unterschiede. Unterschiede zeigen sich, wenn man die Differenz zwischen massenmedialen Anlassen auf der einen Seite und Anlassen, die an eine breitere Offentlichkeit gerichtet sind, auf der anderen Seiten betrachtet. Wahrend in den USA knapp die Halfte aller Anlasse unmittelbar an die Medien gerichtet sind, liegt der Anteil in Deutschland bei knapp einem Drittel. Betrachten wir diese Verteilungen fiir die verschiedenen Akteure, die zu einer Veranlassung beigetragen haben, einmal getrennt.
4.1 Struktur der Berichterstattung
105
Schaubild 4.5: Verteilung der genuinen Ereignisse und der Pseudoereignisse auf unterschiedliche Akteure in Deutschland
Bio-/ Natwiss.
Soz-/ Geistesw.
Wiss-Admin.
Politik
Wirtschaft
Zivilges.
Andere
I fiir Medien inszeniert ^ fur Offentlichkeit inszeniert E^ nicht inszeniert
Schaubild 4.6: Verteilung der genuinen Ereignisse und der Pseudoereignisse auf unterschiedliche Akteure in den USA
Bio-/Natwiss.
Soz-/ Geistesw.
Wiss-Admin.
Politik
Wirtschaft
Zivilges.
Andere
H fiir Medien inszeniert ^ flir Offentlichkeit inszeniert £3 nicht inszeniert
106
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Wie die beiden Schaubilder ausweisen, inszenieren diejenigen Akteursgruppen, die haufig die Veranlasser von Artikel waren, im Vergleich zu den anderen Akteuren besonders haufig Ereignisse fiir die Massenmedien. Bio- und Naturwissenschaftler, Vertreter der Politik und der Wirtschaft also, die das Gros der identifizierbaren Anlasse in den Diskursen beider Lander verantworten, sind auch die Akteure, die einen hohen Anteil ihrer Anlasse gezielt fiir Massenmedien inszeniert haben. In Deutschland sind dies fiir die genannten Akteursgruppen zwischen 30 % und 40 %, in den USA sogar zwischen 40 % und 60 % der Anlasse. Umgekehrt lassen sich bei zivilgesellschaftlichen Akteuren oder auch Vertretern der Sozial- und Geisteswissenschaften, die der Berichterstattung ja ohnehin nur wenige Anlasse liefern, kaum Anlasse finden, die sie direkt fiir die Massenmedien inszeniert haben. 3. Abschliefiend wollen wir analysieren, wie der Diskurs iiber Humangenomforschung redaktionell verortet war und in welchen journalistischen Gattungen er ausgetragen wurde. Unterschiedliche Zeitungsressorts und journalistische Gattungen definieren Moglichkeiten und Restriktionen fiir bestimmte Akteure und Inhalte von Diskursen, denn nicht jeder Akteur oder Inhalt ist in jedem Zeitungsteil gleich gut platzierbar. a. Betrachtet man zuerst, in welchen Zeitungsteilen Humangenomforschung diskutiert wurde, dann wird deutlich, dass Humangenomforschung - ein wissenschaftliches Thema - nicht in erster Linie im Wissenschaftsteil der Zeitungen diskutiert wurde; dies gilt fiir beide Lander gleichermafien. Dariiber hinaus zeigen sich aber deutliche Landerunterschiede.
4.1 Struktur der Berichterstattung Tabelle 4.3:
107
Platzierung der Artikel zum Thema Humangenom forschung in den verschiedenen Zeitungsressorts (iin %)
Titelseite Nationale und Internationale Politik Feuilleton Wirtschaft Wissenschaft Meinung und Leserbriefe Lokales Sonstiges Magazin N
Deutschland
USA
Gesamt
3,3 10,6 34,4 14,8 16,3 5,1 7,4 6,9 1,3 1040
4,5 14,1 9,2 36,3 10,6 7,4 5,6 11,1 1,3 868
3,8 12,2 23,0 24,6 13,7 6,1 6,6 8,8 1,3 1908
In deutschen Zeitungen wird Humangenomforschung - wie zuvor schon die Debatten iiber Klonen oder Sloterdijks Thesen zum „Menschenpark" (s. Kapitel 3, vgl. auch Graumann 2002: 20f.) - v. a. im Feuilleton diskutiert. Mehr als ein Drittel aller Artikel findet sich dort, erst mit deutlichem Abstand folgen der Wissenschafts-, der Politik- und der Wirtschaftsteil.^ Die Verortung des Themas im Feuilleton ist insofern von Relevanz, well es den Horizont diskursiver Moglichkeiten erweitert. Mit der Verortung ins Feuilleton und in andere nicht-wissenschaftliche Zeitungsteile wird also eine grofiere Palette auch nicht-wissenschaftlicher Deutungen diskutierbar - und damit ist der Grundstein fiir einen kontroversen Diskurs gelegt, in dem nicht nur wissenschaftliche Experten unterschiedlicher Provenienz, sondern auch andere Argumente und Rationalitaten unterschiedlicher gesellschaftlicher Funktionssysteme aufeinander treffen konnen.
5 Auch bei Simone Rodders Analyse der deutschen und britischen Berichterstattung iiber Humangenomforschung ist der Wissenschaftsteil nicht der dominierende Zeitungsteil. Sie kommt allerdings - da sie nur Artikel ausgewahlt hat, in denen Humangenomforschung eine zentrale Rolle spielt - zu etwas anderen Ergebnissen als unsere Analyse (Rodder 2005: 53ff.).
108
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
In den USA wird das Thema Humangenomforschung v. a. im Wirtschaftsteil der Zeitungen behandelt. Der Politikteil folgt an zweiter Stelle, noch vor dem Wissenschaftsteil. Auch diese Konstellation begtinstigt ein spezifisches Akteurs- und Inhaltsset, insofern in den entsprechenden Zeitungsteilen v. a. Wirtschaftsvertreter und Diskussionen, die auf okonomische und finanzielle Verwertbarkeit fokussieren, starker als in anderen Zeitungsteilen die Chance haben, prasentiert zu werden. Ahnlich wie in Deutschland so ist auch in den USA der Horizont fiir eine breite Diskussion des Themas Humangenomforschung iiber den engen Wissenschaftsteil der Medien hinaus erweitert gewesen. Allerdings hat diese Erweiterung in den USA eine andere, eher okonomisch-politische Richtung erfahren. b. Die Struktur von Diskursen zu strittigen Themen wird auch durch die Textgattungen gepragt, in denen die Debatte stattfindet. Dies wollen wir anhand der im Diskurs verwendeten journalistischen Darstellungsformen untersuchen. Tabelle 4.4:
Stilistische Platzierung der Artikel zum Thema Humangenomforschung in den untersuchten Zeitungen beider Lander (in %)
Nachricht / Bericht Editorial / Leitartikel Kommentar / Glosse / Leserbrief Interview Reportage / Feature Service / Portrat / Glossar Rezension Sonstige N
Deutschland
USA
Gesamt
43,0 0,6 27,9 5,6 13,0 4,0 3,3 2,7 1040
5A,7 1,0 13,5 2,2 15,4 7,5 3,7 2,0 868
48,3 0,8 21,3 4,0 14,1 5,6 3,5 2,4 1908
Im Diskurs beider Lander dominieren tatsachenbetonte Textformen; in diese Kategorie haben wir - Reumann (2002) folgend - Nachrichten, Berichte. Interviews, Reportagen, und Serviceartikel subsumiert. Sie ma-
4.1 Struktur der Berichterstattung
109
chen liber die Halfte der Artikel aus. Zugleich unterscheiden sich die beiden Lander in dem Ausmafi, in dem tatsachenorientierte Gattungen dominieren. In Deutschland ist die Berichterstattung zu zwei Dritteln tatsachenbetont, zu knapp einem Drittel meinungsbetont; Meinung hat hier einen hoheren Stellenwert als in den USA. Auch die zwar tatsachenbetonte, aber doch personalisierte und der Meinung einer Person Raum gebende Form des Interviews kommt in Deutschland haufiger vor als in den USA. Jeder dritte deutsche Artikel gibt somit Akteuren die explizite Moglichkeit, ihre Meinung zu aufiern. In den USA ist die Berichterstattung dagegen deutlich tatsachenbetonter. 80 % aller Artikel fallen in diese Kategorie, wahrend meinungsbetonte Artikel nur etwa ein Fiinftel des US-Diskurses ausmachen. Meinungsaufierungen diirften es damit im USamerikanischen Diskurs schwerer haben als in Deutschland, sich offentliches Gehor zu verschaffen. Resiimieren wir die Befunde unserer Auswertungen auf der Artikelebene: Vor allem in Deutschland, aber auch in den USA lasst sich eine umfangreiche Berichterstattung iiber Humangenomforschung feststellen. Massenmediale Offentlichkeit als das zentrale Selbstbeobachtungssystem der Gesellschaft hat den Burgern und den Akteuren der anderen Teilsysteme die Moglichkeit gegeben, sich iiber das Thema Humangenomforschung umfanglich zu informieren. Die Berichterstattung war jedoch iiber die untersuchten drei Jahre nicht konstant gleich hoch. Der Anstieg der Artikelzahlen begann in beiden Landern zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in den USA eher langsam und kontinuierlich, in Deutschland dagegen eruptiv, verbunden mit einem konkreten Ereignis. Insgesamt konzentriert sich die Berichterstattung auf eine begrenzte Zahl von Ereignissen, liber die sehr intensiv berichtet wurde und findet daher v. a. im Jahr 2000 statt, in dem eine Reihe wissenschaftlicher Ereignisse lagen. Die Berichterstattungsanlasse kommen mehrheitlich aus der Wissenschaft sowie aus Politik und Wirtschaft. Akteure dieser Teilsysteme sind recht erfolgreich, Medienevents zu schaffen und diese in die Massenmedien zu lancieren. Sie verschaffen sich damit einen Startvorteil, wenn es darum geht, in den Dimensionen Standing, Positionierung und Framing die massenmediale Arena zu besetzen. Nichtsdestotrotz lassen sich auch
110
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
diskursive Raume fiir Kontroversen finden, die in der Berichterstattung angelegt sind: Viele Artikel erscheinen in nicht-wissenschaftlichen Zeitungsteilen und der Anteil meinungsbetonter Berichterstattung ist, v. a. in Deutschland, recht hoch.
4.2 Standing: Akteure im Diskurs Die massenmediale Plattform, auf der der Diskurs iiber Humangenomforschung stattfindet, wird also im Wesentlichen von Impulsen aus der Wissenschaft bestimmt. Auf dieser Plattform tauschen nun Akteure aus unterschiedlichen Teilsystemen themenbezogen Positionen und Argumente aus - Wissenschaftler unterschiedlicher Provenienz, Politiker, Wirtschaftsvertreter, Kirchenvertreter, Vertreter von Medien und andere. Im Folgenden werden wir zunachst die Akteurs-, d. h. also die „Standing"-Struktur des Diskurses in den Blick nehmen, anschliefiend werden wir die vorfindbaren Positionen der Akteure und die kommunizierten Inhalte, das „Framing", analysieren. Das Standing-Konzept kommt urspriinglich aus dem juristischen Kontext, und bezeichnet dort das Recht einer Person, sich in einem gegebenen Forum, etwa einem Gericht, zu Wort zu melden (Ferree et al. 2002: 86). Analog dazu soil das Konzept hier verwendet werden: Wir bestimmen das Standing eines Akteurs und damit seine Chance, die offentliche Meinung zu beeinflussen, durch die relative Haufigkeit, mit der er in den Massenmedien zum entsprechenden Thema - in unserem Fall also zu Humangenomforschung - zu Wort kommt. Ausschlaggebendes Kriterium fiir Standing ist somit, dass der Akteur die Chance hat, seine Position und seine Deutungen zum Thema massenmedial zu auCern. Standing ist nicht identisch mit der blofien Berichterstattung iiber einen Akteur oder mit dessen Erwahnung in der Berichterstattung - mit Fallen also, in denen Akteure zwar in den Massenmedien erscheinen, aber als Objekte behandelt werden, iiber die gesprochen wird, die selbst aber keine Chance haben, ihre eigenen Interpretationen zu einem Thema zu aufiern. Standing zu bekommen heifit statt dessen, massenmedial als Akteur auf-
4.2 Standing: Akteure im Diskurs
111
zutreten und nicht nur als Objekt der Berichterstattung behandelt zu werden (Ferree et al. 2002: 13). In der inhaltsanalytischen Codierung wurde all denjenigen Akteuren Standing zugeschrieben, die von Journalisten indirekt oder direkt zitiert wurden und deren Aufierungen sich auf Humangenomforschung beziehen. Journalisten der untersuchten Zeitungen, die ja selbst auch als Sprecher in jeweils ihrer eigenen Zeitung zu Wort kommen konnen, bleiben in der folgenden Analyse jedoch ausgeschlossen, ihnen ist ein separates Kapitel gewidmet (s. Kapitel 6.1). In die Analyse einbezogen bleiben allerdings externe Journalisten, d. h. journalistische Sprecher, die nicht zu den Redaktionen der analysierten Zeitungen gehoren, sondern von anderen Medien, Presseagenturen o. a. stammen. Dies gilt auch, wenn sich die untersuchten Zeitungen gegenseitig zitieren. Wenn also ein Journalist der „Frankfurter Allgemeinen" einen Kollegen der „Suddeutschen Zeitung" zitiert, dann handelt es sich bei diesem um einen externen Journalisten, dem in der „Frankfurter AUgemeinen" Standing eingeraumt wird. Fiir Akteure, die dieser Definition entsprachen, wurden zunachst auf weitgehend disaggregierter Ebene folgende Informationen codiert: ihr Name, ihre institutionelle Anbindung, ihr Geschlecht, ihr Herkunftsland etc. (s. Kapitel 3). Insgesamt wurden 1594 verschiedene Akteure^ identifiziert und codiert. In die Debatte iiber Humangenomforschung haben sich also eine grofie Anzahl von Akteuren eingemischt. Fiir die Datenauswertung wurde diese grofie Zahl an Akteuren in eine iibersichtlichere Zahl von Aggregatskategorien iiberfiihrt. In einem ersten Schritt wurden die
^ Generell kommen in beiden Landem relativ wenige Akteure zu Wort, wenn man die Menge der Artikel zum Thema bedenkt. Im Diskurs iiber Humangenomforschung in den USA sind es 1,6 Akteure pro Artikel, in Deutschland nur 1,5. Dies lasst sich allerdings nur schwer bewerten. Ideal ware an dieser Stelle ein Vergleich zu einem anderen Thema, um so auch auf die Intensitat der Debatte schliefien zu konnen. Leider liegen derartige Studien, die ja zusatzlich mit gleichen Sampling- und Coding-Strategien vorgehen miissten, nicht vor. Eine methodologisch ahnlich angelegte Studie zum Abtreibungsdiskurs etwa, in der sich ca. vier Akteure pro Artikel fanden, schloss u. a. kurze Artikel aus der Codierung aus und erhohte somit die Zahl der Akteure pro Artikel, indem sie sich von vornherein auf informations- und damit tendenziell auch akteursreichere Artikel beschrankte (Ferree et al. 2002: 47f, 53).
112
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
1594 verschiedenen individuellen Sprecher in 305 libergeordnete Akteursgruppen zusammengefasst. Verschiedene Sprecher des Bundesministeriums fiir Bildung und Forschung wurden zum Beispiel in die Kategorie „Politische Exekutive: Bundesforschungsministerium" zusammengefasst, verschiedene Sprecher der katholischen Kirche in die Kategorie „Katholische Kirche". In einem nachsten Schritt haben wir die Akteursgruppen den gesellschaftlichen Teilsystemen zugeordnet, in denen sie beheimatet sind. Parteien, Sprecher der politischen Exekutive, der Legislative etc. wurden dem poUtischen System zugeordnet; die verschiedenen Wissenschaftler und Wissenschaftsgruppen, aber auch die wissenschaftlichen Forderinstitutionen wie die DFG wurden dem Wissenschaftssystem zugeordnet; Pharmaunternehmen, Versicherungen, Borsenmakler usw. dem Wirtschaftssystem.^ Innerhalb dieser systemischen Aggregatskategorien haben wir dann, je nach konkretem Analyseinteresse, unterschiedlich fein differenzierte Subgruppen gebildet. Da die Literatur zu Wissenschaftskommunikation einen Trend zur offentlichen und massenmedialen Personalisierung der Wissenschaft diagnostiziert (vgl. Weingart 2001: 262ff.), die sich etwa am zunehmenden Auftreten prominenter „visible scientists" (Goodell 1977) zeigt, haben wir das Standing auch auf der Ebene von individuellen Sprechern analysiert. Wir analysieren die Standing-Struktur der Debatte iiber Humangenomforschung zum einen im Landervergleich. Die Befunde werden dabei den Ergebnissen anderer Studien gegeniiberstellt, in denen etwa festgestellt wurde, dass in Deutschland mehr staatliche Sprecher und Parteiakteure sowie mehr Vertreter der nationalen Kirchen zu Wort kommen, wahrend in den USA starker Vertreter der Zivilgesellschaft sowie individuelle Akteure Standing erhalten. (Ferree et al. 2002: 89ff.). Diese komparative Auswertungsperspektive wird zum anderen durch eine transnatio n a l Sicht erganzt. Wir analysieren die Herkunft der Akteure, die in den jeweiligen nationalen Diskursen zu Wort kommen. Sind es eher einheimische Akteure, in Deutschland also deutsche und in den USA US7 Einige weitere Unterscheidungen, die im Rahmen der Codierung geplant waren, etwa die Differenzierung der Akteure nach Geschlecht, erbrachten keine relevanten Befunde und werden daher im Folgenden nicht vorgestellt.
4.2 Standing: Akteure im Diskurs
113
Akteure, die Standing erhalten? Und wie stark ist der Austausch zwischen diesen nationalen Diskursen und der Austausch mit anderen Landern? Ein Gleichlauf verschiedener nationaler Diskurse, in denen dann gleiche Themen zum gleichen Zeitpunkt unter gleichen Perspektiven behandelt werden und die gleichen Akteure die Debatte beherrschen, lasst sich als ein Indikator fiir die Transnationalisierung der Debatte interpretieren. Sehen wir uns zunachst die Verteilung der Akteure auf verschiedene gesellschaftliche Teilsysteme an (Tabelle 4.5). 1. Die Ergebnisse weisen ein unerwartet deutliches Bild der Ubereinstimmung aus: Sowohl in Deutschland als auch in den USA dominieren wissenschaftliche Akteure den Diskurs in einem betrachtlichen Ausmafi. Dies ist iiberraschend. Dass Humangenomforschung ein wissenschaftliches Thema ist, mag eine Selbstverstandlichkeit sein. Dass die in einer massenmedialen Offentlichkeit geflihrte Debatte iiber Humangenomforschung ebenfalls und in solch klarer Weise von Wissenschaftlern dominiert wird, ist aber alles andere als selbstverstandlich, wenn man an die Debatten iiber andere wissenschaftliche Themen wie die Atomforschung (Entman und Rojecki 1993) oder die Stammzellforschung denkt (Nisbet et al. 2003). Im Fall der Humangenomforschung kommen mehr als die Halfte der Aussagen (56,1 % bzw. 54,5 %) von wissenschaftlichen Akteuren (zu ahnlichen Befunden fiir die USA vgl. Riechert 1995). Und das, obwohl die meisten Artikel im Politikteil, im Feuilleton oder im Wirtschaftsteil der Zeitungen erschienen sind. In beiden Landern ist es den Sprechern der Wissenschaft also gelungen, iiber die engere Rubrik der Wissenschaftsoffentlichkeit hinaus die gesellschaftliche Offentlichkeit zu besetzen.
114 Tabelle 4.5:
4. Offentliche H e g e m o n i e : D e u t s c h l a n d u n d USA i m 'Vergleich S t a n d i n g unterschiedlicher A k t e u r e in d e n u n t e r s u c h t e n Z e i t u n g e n beider Lander (in %)
Wissenschaftsakteure Bio- / Naturwissenschaftler Sozial- / Geisteswissenschaftler Wissenschaftsadministration Andere Wissenschaftler Wirtschaftsakteure Biotech-/Pharmaunternehmen Borsemakler / Fondsmanager Andere Wirtschaftsvertreter Zentrum der Politik Exekutive (Regierung, Ministerien) Legislative Judikative Parteien Andere Politiker Peripherie der Politik: Zivilgesellschaf t Kirche Soziale Bewegungen / NGOs Patienten / Behinderte / Wohlfahrtsverbande Kiinstler
Deutschland
USA
Gesamt
56,1 39,1 10,4 3,5
54,5 48,9
55,4 43,7
3,1 1,2 1,3 21,9 16,4 3,6
7,0 2,4 2,3 15,4 10,9
3,1 9,8 6,1 2,6 1,1 17,8 10,1 1,3 1,6 0,8 3,9 6,7 1,2 1,1 0,6 2,5
Andere Zivilgesellschaft Sonstige
1,4 4,2
Leser Andere Akteure
3,8 0,5
1,9 10,1 5,6 0,7 0,7 0,4 2,7 3,4 0,1 0,5 0,3 1,6 0,8 3,4 3,4 0,0
Exteme Joumalisten
5,4
6,8
N
849
745
3,1 1,4 14,2 8,0 1,0 1,2 0,6 3,3 5,1 0,7 0,8 0,4 2,1 1,1 3,8 3,6 0,3 6,1 1594
Dabei beteiligen sich an den Diskursen beider Lander eine Vielzahl unterschiedlicher wissenschaftlicher Akteure. In Deutschland sind es ca. 220, in den USA 200 verschiedene individuelle Wissenschaftler oder wissenschaftliche Institutionen, die sich zu Wort melden. Darunter sind je-
4.2 Standing: Akteure im Diskurs
115
doch die diversen Wissenschaftsbereiche und -disziplinen in einem sehr unterschiedlichen Mafie vertreten. In beiden Landern rekrutieren sich die zu Wort kommenden Wissenschaftler ganz iiberwiegend aus den Biound Naturwissenschaften (39,1 % des deutschen bzw. 48,9 % des USStandings). Davon geht ein grofier Teil des Standings an Humangenomforscher, die in Deutschland ein knappes Drittel aller Wissenschaftler ausmachen, in den USA sogar mehr als die Halfte. Die am haufigsten vertretenen Einzelakteure sind J. Craig Venter, der „chief scientific officer" von Celera Genomics, der im deutschen Diskurs 45mal auftritt und in den USA sogar 61mal. Damit kann er fiinf Prozent des gesamten deutschen und knapp neun Prozent des gesamten USStandings fiir sich personlich reklamieren;^ auch seine Firma ist - v. a. in den USA - in den Medien stark prasent. Venter ist damit ein eindrucksvolles Beispiel eines einzelnen „visible scientist". In der Literatur und auch in unseren Interviews mit Wissenschaftsjournalisten wird diese grofie Bedeutung Venters oftmals mit zwei Faktoren erklart: Erstens war er ein fiir Massenmedien ein hochgradig attraktiver Gesprachspartner, weil er klare, oft auch provokante Aussagen machte und sich dahingehend auch wenig von institutionellen Interessen - u. U. auch seiner eigenen Geldgeber - domestizieren liefi (vgl. z. B. Shreeve 2004: 244ff.). Zweitens entsprach die Akteurskonstellation, die mit der Konkurrenz des Human Genome Projects und Celera Genomics' entstanden war, gleich einer ganzen Reihe journalistischer Nachrichtenfaktoren. Es ging nicht nur um die Auseinandersetzung des privaten und des offentlichen Sektors, sondern auch um Venter als vormaligen NIH-Angestellten im Clinch mit seinem ehemaligen Arbeitgeber, um den „maverick scientist" mit dem alternativen methodischen Zugang, der vom wissenschaftlichen Establishment nicht gehort wurde und nun mit seiner eigenen Institution versuchte, erfolgreich zu sein.^
^ Zum Vergleich: Damit ist Venter als Person im deutschen Diskurs fast ebenso stark prasent wie alle zivilgesellschaftlichen Akteure zusammen, in den USA ist er allein sogar fast dreimal so stark prasent wie alle Akteure der Zivilgesellschaft (vgl. auch Schafer 2004: 4). ^ Dies schildert bspw. Barbara Hobom, Wissenschaftsjournalistin der „FAZ" (Interview, Zeilen 136-144, 322-328).
116
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Gefolgt wird Venter von Francis Collins, dem Leiter des USamerikanischen Human Genome Projects und damit einem seiner Hauptkonkurrenten im Wettbewerb um die schnellere Genomsequenzierung. Collins kommt elfmal im deutschen und 41mal im US-Diskurs zu Wort. Weitere stark prasente Individuen sind in Deutschland James D. Watson, der Nobelpreistrager fiir die Entdeckung der DNS-Doppelhelix und ehemalige Leiter des Genomforschungsbiiros an den National Institutes of Health (llmaiy^ und der President der Deutschen ForschungsGemeinschaft Ernst-Ludwig Winnacker (16mal), der Leiter der Foundation for Economic Trends und Biotechnologie-Kritiker Jeremy Rifkin (15mal), der Molekularbiologe am Institut fiir Molekulare Biotechnologie Jena und eine der fiihrenden Personen des Deutschen Humangenomprojekts Andre Rosenthal (14mal) sowie Jens Reich, Molekularbiologe am Max-Delbriick-Centrum Berlin (13mal). In den USA tritt auCer Venter und Collins v. a. Eric Lander in Erscheinung, ein Biologe, der im Rahmen des Human Genome Projects am Whitehead Research Institute in Boston tatig war (18mal). Die referierten Zahlen zur Standing-Struktur und v. a. zum Stellenwert von Natur- und Biowissenschaftlern sowie Humangenomforschern machen deutlich, dass eine Unterreprasentanz von Experten im Diskurs, wie sie von Naturwissenschaftlern oftmals kritisiert (vgl. Smart 2003: 27) und bei Kepplinger et al. (1991: 120f.) auch fiir Biotechnologiediskurse diagnostiziert wurde, hier nicht festzustellen ist. Vertreter aus der Wissenschaft und v. a. aus der unmittelbaren Fachwissenschaft dominieren das Standing in der Berichterstattung der gesellschaftlichen Offentlichkeit. Es ist ihnen gelungen, die Grenzen des eigenen Teilsystems zu iiberspringen und die Medienagenda zu bestimmen. Dieser Befund entspricht auch anderen Studien zu massenmedialen Diskursen iiber Humangenomforschung (O'Mahony und Schafer 2005; Rodder 2005; Smart 2003).
^0 Letzterer tritt besonders oft im Kontext eines Artikels auf, der am 26. September 2000 im Feuilleton der „FAZ'' unter dem Titel „Die Ethik des Genoms'' erschien. In diesem Artikel schreibt Watson u. a., „dass Menschen das Recht haben, dem Leben erbgeschadigter Foten ein Ende zu setzen" (Watson 2000) - woraufhin ihm die Befiirwortung der Selektion von Leben vorgeworfen wurde.
4.2 Standing: Akteure im Diskurs
117
Smart spricht fiir britische Zeitungen sogar von einer tibermafiigen Abhangigkeit der Berichterstattung von bio- und naturwissenschaftlichen Akteuren (Smart 2003: 24). Die Vertreter der sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen sind ebenso wie Vertreter der Wissenschaftsadministration weniger stark in der Debatte reprasentiert. Ihr Standing bleibt deutlich hinter dem der bio- und naturwissenschaftlichen Kollegen zuriick. Ein Landerunterschied zwischen dem deutschen und dem US-Diskurs ist dabei allerdings zu beachten: In Deutschland (10,4 %) kommen deutlich mehr Sozial- und Geisteswissenschaftler zu Wort als in den USA (3,1 %); dies hat Auswirkungen auf die Inhalte der Debatte, wie wir spater sehen werden. Einen dominierenden Akteur dieser Disziplinen, der das Gros des diesbezuglichen Standings auf sich konzentriert, gibt es nur in Deutschland mit Jeremy Rifkin, dem Leiter der „Foundation for Economic Trends" und Wirtschaftswissenschaftler, der 15mal zu Wort kommt. Uber Rifkin hinaus gibt es in Deutschland und in den USA eine groCe Zahl unterschiedlicher Akteure, die allerdings jeweils recht schwach reprasentiert sind. 2. Gefolgt werden die wissenschaftlichen Akteure von Vertretern des politischen Zentrums und von Vertretern der Wirtschaft. Vertreter des politischen Zentrums - ein von Habermas entlehnter Begriff (Habermas 1992: 399ff.) - sind fiir uns die Akteure der politischen Exekutive, Legislative und Judikative und der Parteien sowie andere Vertreter institutionalisierter Politik. Diese sind in Deutschland (17,8 %) deutlich starker prasent als in den USA (10,1 %). Dabei sind es in beiden Landern v. a. Akteure der Exekutive, d. h. Staatschefs und Regierungen, Ministerien und deren Vertreter, die zu Wort kommen. In beiden Landern erhalten die Vertreter der Exekutive mehr als die Halfte aller Nennungen der politischen Akteure. Die Berichterstattung ist dabei in hohem Mafie personalisiert. Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn etwa tritt 27mal als Akteur auf, gefolgt von US-Prasident Bill Clinton (22mal), dem britischen Premierminister Tony Blair (15mal), der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (lOmal), Bundeskanzler Gerhard Schroder (8mal) und Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretar im Bundesforschungsministerium (Smal). Diese sechs Personen machen fast zwei Drit-
118
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
tel aller Politikernennungen in Deutschland aus. Auch der US-Diskurs ist stark personalisiert: Bill Clinton ist der prominenteste Politiker (29mal), gefolgt von Tony Blair (llmal), dem ehemaligen US-Vizeprasidenten und Prasidentschaftskandidaten Al Gore (6mal) und dem Amtsnachfolger Clintons, George W. Bush (4mal). Diese vier Akteure allein machen zwei Drittel aller im US-Diskurs genannten Politiker aus. Abgesehen von der politischen Exekutive kommen andere politische Akteure kaum zu Wort. In beiden Landern ist die Legislative, also der deutsche Bundestag und Bundesrat resp. der US-amerikanische Senat und das Reprasentantenhaus nur marginal vertreten. Gleiches gilt fiir die Judikative - iiberraschend bei einem Diskurs, in dem auch Eigentums- und Patentierungsfragen ein Thema sein konnten. Diese schwache Reprasentanz politischer Kontrollorgane im Diskurs lasst bereits vermuten, dass der Grad der inhaltlichen Polarisierung eher gering ist. 3. Akteure aus der Wirtschaft sind in Deutschland (9,8 %) deutlich weniger prasent als in den USA (21,9 %). In beiden Landern dominieren dabei Biotechnologie- bzw. Pharmaunternehmen, sie machen jeweils mehr als die Halfte aller Wirtschaftsakteure aus, gefolgt von Fondsmanagern und Aktienexperten. Personalisiert ist der Diskurs v. a. in den USA. Wahrend in Deutschland kein Akteur hervor sticht, ist es in den USA William Haseltine (33 Nennungen, d. h. 4,6 % des gesamten US-Standings), der Chairman der Firma Human Genome Sciences, die auf der Basis von genetischen und genomischen Informationen Ansatzpunkte fiir Medikamente sucht. 4. Die Vormacht etablierter und v. a. wissenschaftlicher Akteure bedeutet umgekehrt, dass Akteure der politischen Peripherie, der Zivilgesellschaft also, in beiden Landern nur noch in geringem Mafie vertreten sein konnen. Nicht-Regierungs-Organisationen und soziale Bewegungen, Kirchen, Kiinstler und einzelne Burger, aber auch Patienten-, Behinderten- und Wohlfahrtsverbande sind im massenmedialen Diskurs iiber Humangenomforschung lediglich marginal reprasentiert. Die Diskurse sind in beiden Landern Diskurse etablierter gesellschaftlicher Akteure. Zugleich zeigen sich aber deutliche Landerunterschiede. In Deutschland erhalten Akteure der Zivilgesellschaft immerhin 6,7 % des Standings, in
4.2 Standing: Akteure im Diskurs
119^
den USA nur 3,4 %, auch dies ist mit Folgen fiir die Inhalte der Debatte verbunden. Tabelle 4.6:
Deutungsmonopolisten in den Artikeln zum Thema Humangenomforschung in den untersuchten Zeitungen beider Lander (in %)
Wissenschaft Bio- / Naturwissenschaftler Sozial- / Geisteswissenschaftler Wissenschaftsadministration Andere Wissenschaftler Wirtschaft Borsenmakler / Fondsmanager Andere Wirtschaftsvertreter Zentrum der Politik Exekutive (Regierung, Ministerien) Legislative Judikative Parteien Andere Politiker Peripherie der Politik: Zivilgesellschaft Kirche Soziale Bewegungen / NGOs Patienten / Behinderte / Wohlfahrtsverbande Kiinstler Andere Zivilgesellschaft Sonstige Leser Andere Akteure Externe Joumalisten N
Deutschland 48,1 26,8 13,8 3,3 4,2 7,9 5,0 2,1 0,8 14,2 7,1 1,7 1,7 0,8 2,9 10,9 1,3 0,0 0,4 7,1 2,1 10,5
USA 40,5 31,8 6,4 0,6 1,7 9,2 6,4 1,2 1,7 9,2 5,8 0,6 0,0 1,7 1,2 9,2 0,6 1,2 0,6 5,2 1,7 12,7
9,6 0,9
12,7
8,4
19,1 173
239
0,0
Gesamt 45,0 28,9 10,7 2,2 3,2 8,5 5,6 1,7 1,2 12,1 6,6 1,2 1,0 1,2 2,2 10,2 1,0 0,5 0,5 6,3 1,9 11,4 10,9 0,5 12,9 412
120
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
5. Ein ebenfalls geringes Standing erhalten in den untersuchten Zeitungen die Kollegen von anderen Medien. Externe Journalisten kommen etwa so oft zu Wort wie Vertreter der Zivilgesellschaft, sie spielen also in der Standing-Struktur der Diskurse nur eine kleine Rolle. Dabei kommen in Deutschland v. a. Journalisten auslandischer Medien zu Wort, die am starksten vertretene einzelne Medieninstitution im deutschen Diskurs ist die „Deutsche Presseagentur" (dpa), deren Vertreter immerhin achtmal zu Wort kommen. In den USA sind es v. a. Vertreter einheimischer Medien, die als Journalisten zu Wort kommen. Auch dort ist die grofite nationale Nachrichtenagentur, „Associated Press" (AP), die am starksten vertretene Einzelinstitution.Wir haben eine zusatzliche Auswertung der Standing-Struktur der Debatte durchgefiihrt, indem wir allein diejenigen Artikel ausgewertet haben, in denen nur ein Akteur iiberhaupt zu Wort kommt, dieser also innerhalb des Artikels eine Monopolstellung in der Deutung des Themas inne hat (vgl. zu diesen „Deutungsmonopolisten" Schafer 2001: 66ff.). Die Struktur der Befunde andert sich, wie die Tabelle 4.6 ausweist, aber nur wenig. Auch hier zeigt sich, dass Wissenschaftler in beiden Landern die haufigsten Deutungsmonopolisten sind. Gefolgt werden sie, sowohl in Deutschland als auch in den USA, von Akteuren der Politik und der Wirtschaft. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den etablierten und den gesellschaftlich eher peripheren zivilgesellschaftlichen Akteursgruppen hier nicht so groC wie beim Standing insgesamt: Vertreter der Zivilgesellschaft sind in der Lage, in beiden Landern einen nennenswerten Anteil der Artikel allein zu beherrschen. 6. Betrachten wir zum Schluss den Grad der Transnationalisierung der Debatte. Sind die Diskurse im Hinblick auf das Akteursensemble national geschlossen oder kommt es zu einer wechselseitigen Durchdringung? Fiir beide Lander gilt zunachst, dass die Mehrzahl der Sprecher aus dem jeweiligen Land kommt.
4.2 Standing: Akteure im Diskurs Tabelle 4.7:
121
Herkunft der Akteure in den untersuchten Zeitungen beider Lander (in %)
Akteur aus Deutschland Akteur aus USA Akteur aus anderem Land Supranationaler Akteur Herkunft unklar N
Deutschland 60,0 23,7 12,2 3,3 0,8 849
USA 0,5 89,7 6,6 3,1 0,1 745
Gesamt 32,2 54,5 9,6 3,2 0,5 1594
Wir haben es also in der Tat mit nationalen Offentlichkeiten und Diskursen zu tun. Das Niveau der nationalen Einhegung bzw. der Transnationalisierung ist aber in beiden Landern recht unterschiedlich. Wahrend die amerikanische Debatte mit etwa 90 % fast vollstandig USzentriert ist, sind es in Deutschland immerhin 40 % der Sprecher, die aus dem Ausland kommen, vornehmlich, zu etwa einem Viertel, aus den USA. Deutlich tiberreprasentiert sind dabei v. a. Akteure der am starksten im Diskurs reprasentierten Gruppen, mithin Vertreter der Wissenschaft, der Wirtschaft und des Zentrums der Politik. Besonders grofi ist der Anteil auslandischer Sprecher bei den Bio- und Naturwissenschaftlern, die in Deutschland zu Wort kommen. Sie stammen zu fast 50 % aus dem Ausland, v. a. aus den USA, seltener auch aus Drittlandern und von internationalen Verbanden. Auch die Reprasentanz auslandischer politischer Akteure im deutschen Diskurs ist vergleichsweise hoch; sie geht vornehmlich auf das Konto Bill Clintons und Tony Blairs, die in Deutschland recht oft zu Wort kommen (vgl. ahnlich Rodder 2003: 51). Ganz anders ist der US-Diskurs strukturiert. In ihm kommen fast ausnahmslos einheimische Akteure zu Wort, weniger als ein Zehntel des Standings geht an auslandische Akteure oder Vertreter supranationaler Organisationen wie der EU, der UNO oder der UNESCO. Das Ausmafi der Transnationalisierung der beiden Landerdiskurse ist also sehr unterschiedlich; allein in Deutschland gibt es Ansatze einer Transnationalisierung, die sich bei naherem Hinsehen aber als eine Amerikanisierung des
122
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Diskurses erweist. Doch auch fiir den deutschen Fall gilt, dass die meisten Akteure Einheimische sind. Fassen wir die Befunde der Standing-Analyse zusammen: Der Diskurs iiber Humangenomforschung wird in beiden Landern gleichermaCen von etablierten gesellschaftlichen Akteuren dominiert. Es sind vornehmlich Akteure des Wissenschaftssystems, genauer Bio- und Naturwissenschaftler, die Standing erhalten. Nachgeordnet folgen politische und Wirtschaftsakteure. Dass Wissenschaftler im Diskurs iiber Humangenomforschung eine derart starke Rolle spielen, war nach den gezeigten Vorstrukturierungen der Diskurse in beiden Landern nicht zu erwarten. SchlieClich ist der Anteil wissenschaftlicher Akteure an der Biotechnologieberichterstattung in Deutschland und den USA im Zeitverlauf deutlich zuriickgegangen. In Deutschland sank der Anteil wissenschaftlicher Akteure an der Berichterstattung relativ kontinuierlich von 68 % in der Phase von 1973 bis 1984 auf 35 % in der Phase 1997 bis 1999 (s. Kapitel 3; vgl. auch Hampel et al. 2001; Hampel et al. 1998). In den USA war die Entwicklung ahnlich. Fiir die USA liegen zwar weniger Zeitverlaufsdaten vor, der Vergleich der Phasen von 1992 bis 1996 und von 1997 bis 1999 zeigt aber ein Absinken des Standings von Wissenschaftlern auf einem bereits relativ niedrigen Niveau von 28 % auf 25 % (s. Kapitel 3; vgl. auch Kohring et al. 1999; Ten Eyck und Williment 2003). In beiden Landern konnten sich in der Biotechnologieberichterstattung oftmals auch andere, nicht-wissenschaftliche Akteure massenmedial positionieren. Im deutschen und auch im US-amerikanischen Diskurs iiber Humangenomforschung ist das jedoch nicht so. Hier dominieren etablierte Akteure, alien voran Bio- und Naturwissenschaftler. Ihnen ist es gelungen, die Grenzen des eigenen Teilsystems zu iiberspringen und die gesellschaftliche Offentlichkeit zu bestimmen. Die Dominanz dieser Akteure und die weitgehende Absenz zivilgesellschaftlicher Akteure ist ein erklarungsbediirftiger Befund, auf den wir in Kapitel 6 zuriickkommen werden. Trotz der ausgepragten Gemeinsamkeiten im Standing gibt es aber auch nennenswerte Unterschiede zwischen den Landern. Der wichtigste Unterschied ist die unterschiedliche Bedeutung von politischen Akteuren in Deutschland bzw. Wirtschaftsakteuren in den USA. Wahrend in den
4.3 Zustimmung oder Ablehnung: Positionen der Akteure
123
USA Wirtschaftsakteure und v. a. Biotech- und Pharmaunternehmen ein Viertel der Medienoffentlichkeit besetzen, trifft dies in Deutschland nur fiir 10 % der Falie zu. Umgekehrt sind Akteure aus dem Zentrum der Politik in Deutschland doppelt so oft vertreten wie in den USA. Gleiches gilt fiir Akteure aus der politischen Peripherie, die in Deutschland ebenfalls deutlich haufiger zu Wort kommen als in den USA. Die Debatte in den USA ist also eine von Wissenschafts- und Wirtschaftsakteuren vereinnahmte Debatte, die zusammen auf vier Fiinftel der Wortmeldungen kommen. Die deutsche Debatte wird zu einem ahnlich grofien Teil von Wissenschafts- und politischen Akteuren bestimmt. Die Landerunterschiede fallen aber insgesamt recht gering aus. Wahrend sich bei anderen Themen wie der Debatte iiber Abtreibung zeigen lasst, dass Diskurse in Deutschland und den USA durchaus sehr unterschiedlich verlaufen konnen (Ferree et al. 2002), lasst sich dies fiir das Thema Humangenomforschung nicht bestatigen. Auch darauf werden wir bei der Analyse der Ursachen zuriickkommen.
4.3 Zustimmung oder Ablehnung: Positionen der Akteure Standing ist eine notwendige Voraussetzung dafiir, dass Akteure ihre Inhalte in die Offentlichkeit lancieren konnen. Fiir welche Inhalte Akteure diese Medienprasenz dann nutzen, ist dabei aber noch offen. Wir werden zunachst die kommunizierten Positionen der Akteure und im Anschluss daran das Framing der Debatte analysieren. Die Positionen zu einem Thema, d. h. die in Artikeln und von Akteuren kommunizierten Bewertungen eines Themas, sind wichtige Parameter massenmedialer Diskurse, weil sie die Meinungen der Biirger und der Eliten und Entscheidungstrager beeinflussen konnen. Je nachdem, ob ein Thema massenmedial positiv oder negativ dargestellt wird, wird auch die Herausbildung positiver oder negativer Biirger- oder Elitenmeinungen begiinstigt. Die Forschungslage zu dieser so genannten „persuasion"-Hypothese ist allerdings nicht ganz eindeutig (vgl. Bonfadelli 1999; 2004; Schenk 2002: bes. 77ff.). Als gesichert kann gelten, dass die Ubertra-
124
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
gung von massenmedial prasentierten Bewertungen auf Publikumseinstellungen keineswegs automatisch oder mechanistisch geschieht. Die Medienwirkungsforschung zeigt, dass ein solcher Zusammenhang nicht in jedem Fall besteht und dass auch in den Fallen, wo es ihn tatsachlich gibt, simple Stimulus-Response-Modelle zur Beschreibung dieser Prozesse ungeeignet sind. Medienwirkung im Sinne einer Meinungsbeeinflussung ist ein komplexer, sozial und kognitiv mehrfach gebrochener Prozess, der nur unter bestimmten Bedingungen zur Geltung kommt. Dabei spielen u. a. Eigenschaften des Kommunikators, des verwendeten Massenmediums, der kommunizierten Inhalte und der jeweiligen Rezipienten eine Rolle (vgl. Schenk 2002: 77ff.). Fiir unsere Analyse massenmedialer Diskurse iiber Humangenomforschung sind v. a. zwei dieser Bedingungen von besonderer Relevanz. Erstens ist aus der Medienwirkungsforschung bekannt, dass Medieneinfliisse auf die Einstellungen und Meinungen von Rezipienten dann besonders stark sind, wenn diese mit dem jeweiligen Thema nicht vertraut sind. Konkreter: Wenn das Publikum wenig Vorwissen zu einem Thema hat und wenn das Thema nicht unmittelbar in die Lebenswelt des Publikums eingreift, es also entsprechend kein alltagsweltliches Korrektiv gibt, an dem die Burger die Medienberichterstattung messen und ggf. relativieren konnen (so genannte „non-obtrusive"-Themen, vgl. Bonfadelli 1999: 87ff.; Schenk 2002: 443f.), dann ist die Medienwirkung besonders hoch. Diese Bedingungen scheinen fiir die Humangenomforschung zu gelten, denn das Thema ist, wie andere biowissenschaftliche Themen auch (vgl. Schenk und Sonje 1998: 9) vergleichsweise lebensweltfern und die Burger wissen nicht sehr viel dariiber (vgl. z. B. Avins 2000; NoelleNeumann und Kocher 1997:1046ff.; 2002: 870ff.). Medien sind dariiber hinaus besonders dann wirkungsmachtig, wenn das Publikum einer monolithischen, einheitlichen Medienberichterstattung gegeniiber steht. Diese These liegt der Theorie der Schweigespirale (Noelle-Neumann 1980) zugrunde. Dort wird postuliert, dass iiber verschiedene Massenmedien verbreitete („kumulierte") und dabei inhaltlich homogene („konsonante") Bewertungen besonders machtig auf die Einstellungen des Publikums einwirken (vgl. Bonfadelli 1999: 146ff.;
4.3 Zustimmung oder Ablehnung: Positionen der Akteure
125
Schenk 2002: bes. 510ff.).^^ Ob diese Bedingung im Falle der Debatte uber Humangenomforschung erfiillt ist, ob sich also ein konsonanter, kumulativer Diskurs finden lasst, ist eine offene und empirisch zu klarende FraKernkategorie der folgenden Auswertungen sind die Bewertungen der Humangenomforschung, die die einzelnen zu Wort kommenden Akteure in ihren Aufierungen vornehmen.^^ Akteure konnen sich fiir oder gegen Humangenomforschung aussprechen, sie konnen zudem ambivalente Aussagen machen, in denen befiirwortende und kritische Elemente zu gleichen Teilen enthalten sind. Artikel, in denen eine solche befiirwortende, ambivalente oder kritische Position eingenommen wird, bilden die Datengrundlage der folgenden Analysen (Tabelle A.8)P Betrachtet man die Positionen der im Diskurs reprasentierten Akteure, dann ist erstens festzustellen, dass Humangenomforschung in beiden untersuchten Landern von den meisten Akteuren positiv bewertet wird. In Deutschland ist es ca. die Halfte aller Akteure, die Humangenomforschung positiv bewertet, in den USA sind es sogar knapp drei Viertel. Hinzu kommt, dass das Gros der verbleibenden Akteursaufierungen die " Diese Annahmen sind nicht unkritisiert geblieben, und ihre Giiltigkeit ist nach wie vor nicht abschliefiend geklart (vgl. dazu Schenk 2002: 534). Als Ausgangspunkt empirischer Forschung werden sie aber nach wie vor verwendet (vgl. z. B. Eilders et al. 2004). ^2 Die Variable wurde mit einer Fiinfer-Skala codiert, die von dem Wert 1 „eindeutig fiir Humangenomforschung" bis zum Wert 5 „eindeutig gegen Humangenomforschung" reicht und zusatzlich den Wert 0 fiir neutrale, nicht bewertende Aussagen vorsah. Die Codierung der Bewertung der Humangenomforschung durch einzelne Akteure war allerdings nicht einfach, die Variable hatte im Vergleich mit alien anderen Variablen anfangs den mit Abstand schlechtesten Reliabilitatswert. Erst durch gezielte, auf diese Variable bezogene Nachbesprechungen konnte eine Inter-Coder-Reliabilitat von 0,63 erreicht werden. Diese Werte wurden fiir die folgenden Auswertungen noch rechnerisch gesteigert, indem die codierte Fiinferskala fiir die Auswertungen in eine validere Dreierskala transformiert wurde. ^3 Damit wird ein Teil der Akteure bzw. ihrer Aussagen fiir diesen Analyseteil ausgeschlossen. Denn einige Akteure geben natiirlich auch Stellungnahmen ab, die Humangenomforschung gegeniiber neutral sind, in denen also keine Bewertungen enthalten sind. Diese Aussagen werden aus den folgenden Auswertungen ausgeschlossen. Es handelt sich dabei sowohl auf Artikel- als auch auf Akteursebene um fast die Halfte aller Artikel bzw. Akteure, die fiir diese Teilanalyse ausgeschlossen wurden.
126
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Forschung nicht etwa ablehnt, sondern ihr ambivalent gegeniiber steht, so dass nur eine Minderheit der Humangenomforschung tatsachlich ablehnend gegeniibersteht. In beiden Landern zeigt sich also eine deutliche Dominanz von Befiirwortern. Dies ist insofern ein iiberraschendes Ergebnis, als die Medienoffentlichkeit eigentlich eher eine kritische Offentlichkeit ist, in der (iblicherweise negative Aussagen iiberwiegen (vgl. z. B. Eilders et al. 2004). Der Befund entspricht aber den Ergebnissen von Rodder iiber die deutsche und britische Berichterstattung liber Humangenomforschung (Rodder 2005: 11) und von Smart, der in der britischen Berichterstattung iiber das Thema einen „bias toward the legitimacy of science" ausmachte (Smart 2003: 24, 46). Auch eine teilweise Ablehnung von Genetik und Biotechnologie, wie sie z. B. Kepplinger et al. Anfang der 1990er fiir die „Suddeutsche Zeitung" diagnostizierten (Kepplinger et al. 1991: 118f), lasst sich demnach nicht feststellen. Eher lassen sich die Ergebnisse mit Eurobarometer-Daten (Eurobarometer 1991; 1993; 1997; 2000; 2002) in Einklang bringen, die zeigen, dass gerade humanmedizinische Implikationen der modernen Biowissenschaften, die ja bei Humangenomforschung eine Rolle spielen, eher positiv bewertet werden. Tabelle 4.8:
Positiv Ambivalent Negativ N
Bewertung der Humangenomforschung in den untersuchten Zeitungen beider Lander (in %) Deutschland 49,6 30,9 19,5 508
USA 72,9 20,6 6,4 436
Gesamt 60,4 26,2 13,5 944
Trotz dieser Hegemonie der Befurworter in beiden Landern, zeigen sich auch Unterschiede zwischen den Landern. Akteure des deutschen Diskurses bewerten Humangenomforschung weniger positiv als die Akteure des US-Diskurses; der Anteil der negativen Bewertungen ist in Deutschland dreimal so hoch wie in den USA. Sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede in der Bewertung von Humangenomforschung sind dabei im Zeitvergleich weitgehend stabil. Uber die drei Jahre hin-
4.3 Zustimmung oder Ablehnung: Positionen der Akteure
127
weg lassen sich kaum Unterschiede feststellen. Lediglich im Jahr 2000, als der Diskurs in beiden Landern am ausgepragtesten war, finden sich in Deutschland und den USA jeweils relativ viele kritische Akteure, die aber nichtsdestoweniger in beiden Landern deutlich hinter den Befiirwortern der Forschung zuriick bleiben (diese Ergebnisse werden hier nicht im einzelnen ausgewiesen). Tabelle 4.9:
Positiv Ambivalent Negativ N
Bewertung der Humangenomforschung, differenziert nach den untersuchten Zeitungen (in %) SZ 50,5 29,8 19,7 188
¥AZ 49,1 31,6 19,4 320
NYT 68,4 25,2 6,4 234
WP 78,2 15,3 6,4 202
Auch ein Vergleich der vier verschiedenen Zeitungen zeigt wenige nennenswerte Unterschiede. Die beiden untersuchten deutschen Publikationen sind in ihrer Bewertungsstruktur nahezu identisch: Etwa die Halfte der Akteure befiirworten die Humangenomforschung, ein knappes Drittel steht ihr ambivalent gegenliber und ein Fiinftel der Akteure lehnt sie ab. Man hatte ein anderes Ergebnis erwarten konnen. Die Medienbiashypothese geht davon aus, dass die ideologische Ausrichtung der Medien ihre Selektivitaten mit bestimmt. Die Medien, so die Annahme, praferieren jene Akteure mit ihren Beitragen, die der eigenen „redaktionellen Linie" (vgl. z. B. Eilders 2001) am ehesten entsprechen und in diesem Sinne „opportune Zeugen" (Hagen 1992) fiir das Medium darstellen. Wahrend die „Suddeutsche Zeitung" im politischen Spektrum eher links der Mitte zu lokalisieren ist, ist die „Frankfurter Allgemeine" bekanntlich eher etwas rechts der Mitte zu verorten. Im Falle der Humangenomforschung zeigt sich nun aber, dass die ideologische Orientierung der Medien keinen Einfluss auf deren Selektivitat von Bewertungsaussagen hat. Das Thema selbst ist offensichtlich nicht eindeutig entlang der Linksrechts-Dimension kodiert gewesen, so dass die Medien es auch nicht analog zu ihren ideologischen Orientierungen behandelten.
128
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
In den USA sind die Zeitungsunterschiede etwas starker, aber auch dort dominieren die Ubereinstimmungen. Befiirworter tiberwiegen deutlich, der Rest der Aussagen bleibt ambivalent, Kritiker kommen kaum vor. Zwar findet sich daneben eine deutlich starkere Befiirwortung der Humangenomforschung in der „Washington Post". Aber auch in dieser Zeitung finden sich nicht mehr Kritiker der Forschung als in der „New York Times", der Anstieg der Befiirworter geht zulasten der ambivalenten Akteure. Sehr aufschlussreich ist es, sich die Bewertung von Humangenomforschung fiir die unterschiedlichen Akteursgruppen getrennt anzuschauen. Wir haben die Akteurskategorien, innerhalb derer die Streuung der eingenommenen Positionen recht grofi ist, weiter feindifferenziert. Dies gilt vor allem fiir die Wissenschaftsakteure, die wir in vier Subgruppen differenziert haben (Tabelle 4.10). In beiden Landern sind es zum einen die Wirtschaftsvertreter, die Akteure der Wissenschaftsadministration und die politischen Akteure (unter letzteren v. a. die Vertreter der Exekutive, die die Humangenomforschung im Rahmen des internationalen Human Genome Projects ja auch aktiv fdrderten), welche die Forschung iiberdurchschnittlich unterstiitzen. Dies gilt auch fiir die Bio- und Naturwissenschaftler. In Kontrast zu diesen Befiirwortern gibt es in beiden Landern Akteursgruppen, die der Humangenomforschung ambivalent oder eher ablehnend gegeniiber stehen. Zum einen handelt es sich dabei um eine Subgruppe der scientific community, namlich um die im Diskurs zu Wort kommenden Sozial- und Geisteswissenschaftler. Im deutschen Diskurs lehnt diese Akteursgruppe die Humangenomforschung mehrheitlich ab, und auch im US-Diskurs dominieren unter den Sozial- und Geisteswissenschaftlern die Gegner der Humangenomforschung. Zum anderen handelt es sich um die Vertreter der Zivilgesellschaft. In Deutschland lehnen soziale Bewegungen, Nicht-Regierungs-Organisationen, Kirchenvertreter und Vertreter von Patientenorganisationen und Behindertenverbanden Humangenomforschung mehrheitlich ab. In den USA stehen Vertreter der Zivilgesellschaft, die im nationalen Diskurs allerdings oh-
4.3 Zustimmung oder Ablehnung: Positionen der Akteure
129
nehin kaum reprasentiert sind, der Humangenomforschung nicht ablehnend, sondern eher ambivalent gegeniiber. Tabelle 4.10: Bewertung der Humangenomforschung, differenziert nach Akteuren (in %) Deutschland
Positiv Ambiv. Negativ N
Bio- u. Natwiss. 60,6 32,2 7,2 208
SozJ Geist. iviss. 13,3 35,6 51,1 45
Wiss.admin.
Politik
Wirtschaft
Zivilges.
Ext. Joum.
Andere
68,4 26,3 5,3 19
56,3 36,3 7,5 80
79,3 20,7 0,0 58
6,1 24,2 69,7 33
19,2 42,3 38,5 26
13,0 26,1 60,9 23
Bio- u. Natwiss. 75,1 22,1 2,8 213
SozJ Geist. Wiss. 23,5 35,3 41,2 17
V^iss.admin.
Politik
Wirt-
Zivilges.
Ext. Journ.
Andere
66,7 33,3 0,0 3
81,4 16,3 2,3 43
33,3 40,0 26,7 15
25,0 50,0 25,0 12
33,3 25,0 41,7 12
USA
Positiv Ambiv. Negativ N
schaft 87,8 10,4 1,7 115
Diese Analysen zeigen, dass Humangenomforschung durchaus ein umstrittenes Thema war, insofern es einer Koalition der Befiirworter gegeniiber durchaus kritische Gegenstimmen gab. Die Akteure, die die Gegenstimmen in die Debatte eingebracht haben, haben aber, wie wir im letzten Kapitel gesehen hatten, ein sehr schwaches Standing. Die asymmetrische Standing-Struktur wirkt sich unmittelbar auf die Verteilung der Bewertung des Themas Humangenomforschung aus und fiihrt in beiden Landern zu einer Hegemonie positiver Bewertungen von Humangenomforschung. Auch die Landerunterschiede in der Bewertung von Humangenomforschung lassen sich mit der Standing-Struktur in Verbindung bringen. Die starkere Reprasentanz von Wirtschaftsakteuren und (Bio- und Natur-)Wissenschaftlern in den US-Medien kann die positivere Darstellung von Humangenomforschung in den USA erklaren. Die starkere
130
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Reprasentanz von Akteuren der Zivilgesellschaft und auch von eher kritischen Sozial- und Geisteswissenschaftlern in Deutschland bewirkt die relativ schlechtere Bewertung von Humangenomforschung in der deutschen Debatte. Schauen wir uns zum Schluss noch den Einfluss der Transnationalisierung der Akteursstruktur auf die Bewertungsdimension an. Wir hatten im letzten Kapitel gesehen, dass die amerikanische Debatte national geschlossen bleibt, wahrend die deutsche Debatte in Ansatzen transnationalisiert, genauer: amerikanisiert verlauft. Tabelle 4.11: Bewertung der Humangenomforschung differenziert nach einheimischen und auslandischen Akteuren (in %) Deutschland
Positiv Ambivalent Negativ N
Heimische Akteure 44,7 36,3 19,0 311
US-Akteure
Andere Akteure
65,5 19,0 15,5 116
58,7 20,6 20,6 63
Heimische Akteure 74A 19,2 6,5 386
Deutsche Akteure 66,7 33,3 0,0 3
Andere Akteure
USA
Positiv Ambivalent Negativ N
68,6 28,6 2,9 35
Auslandische Akteure im deutschen Diskurs - dies sind vor allem USamerikanische Sprecher - bewerten Humangenomforschung positiver als die deutschen Akteure selbst. Fiir den US-Diskurs lasst sich eine analoge Aussage aufgrund der geringen Fallzahl (N=3) nicht treffen. Resiimieren wir die Befunde hinsichtlich der Positionierungs-Dimension: Humangenomforschung wird sowohl in Deutschland als auch in
4.3 Zustimmung oder Ablehnung: Positionen der Akteure
131
den USA von den meisten Akteuren befiirwortet. Die Hegemonie affirmativer Deutungen der Humangenomforschung gilt sowohl iiber den gesamten Untersuchungszeitraum als auch iiber die untersuchten Printmedien hinweg. Hinter diesen grundlegenden Parallelen zwischen deutschem und amerikanischem Diskurs treten die vorfindbaren Unterschiede etwas zuriick. Im deutschen Diskurs finden sich mehr kritische Stimmen als in den USA, aber auch dort (iberwiegen die Befiirworter der Humangenomforschung mit deutlichem Abstand. In den USA findet sich dagegen eine deutliche Dominanz befiirwortender Akteure bei gleichzeitig fast voUstandiger Absenz kritischer Stimmen. Sowohl die insgesamt positive Deutung von Humangenomforschung in beiden Landern als auch die leichten Landerunterschiede lassen sich auf die StandingStruktur zuriickfiihren. Die Starke der positiven Bewertung von Humangenomforschung ist aus unterschiedlichen Griinden (iberraschend. Zum einen, well massenmediale Offentlichkeiten iiblicherweise insofern kritische Offentlichkeiten sind, als sie negativen, kritischen Aussagen mehr Platz einraumen als positiven. In unseren theoretischen Ausftihrungen hatten wir argumentiert, dass sich die Besonderheit der Sinnorientierung der Massenmedien aus der Tatsache ergibt, dass das Publikum der Medien potentiell alle Mitglieder der Gesellschaft umfasst und grundsatzlich unabgeschlossen, well nicht an externe Zugangsbedingungen gekniipft ist. Offentliche Kommunikation ist Kommunikation mit und vor Laien. Als Laienkommunikation muss sie allgemein verstandlich und einfach strukturiert sein und erst einmal Aufmerksamkeit erzeugen. Dies geschieht haufig durch „Negativismus". ,Only bad news are good news' ist nicht umsonst einer der oft kolportierten journalistischen Leitsatze. Nicht umsonst verhelfen Nachrichtenfaktoren, die auf negative Aspekte, Dramatik, Konflikte oder Aggressionen verweisen, Ereignissen, die diese Aspekte aufweisen, zu massenmedialer Prasenz (vgl. z. B. Schulz 1997: 68ff.). Nicht umsonst nehmen Rezipienten derartige Meldungen bevorzugt auf (vgl. z. B. Eilders 1996). Dies trifft zwar auf die Wissenschaftsressorts von Zeitungen weniger stark zu, da sich dort haufiger als anderswo positive Deutungen des Gegenstands finden (vgl. dazu statt anderer Nelkin 1995) - aber das
132
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
Gros der hier untersuchten Berichterstattung iiber Humangenomforschung findet sich ja gar nicht, wie wir gesehen hatten, in den Wissenschaftsteilen der Zeitungen. Zum anderen sind die Befunde iiberraschend, weil auch die Vorstrukturierung der Diskurse einen kontroversen, Oder wenigstens einen kontroverseren Verlauf nahegelegt hatte. Besonders in den spateren Diskursphasen konnten sich in dem biotechnologischen Themenfeld deutlich mehr kritische Akteure und kontroversere Inhalte platzieren. Zieht man hier noch einmal die landervergleichende, iiber einen grofieren Zeitraum angelegte Studie von Durant, Gaskell et al. zu Biotechnologieberichterstattung als Vergleichsmafistab heran (Durant et al. 1998; Gaskell und Bauer 2001; vgl. auch Bauer und Gaskell 2002), dann stellt man fest, dass der Anteil der Artikel, die Biowissenschaften rein positiv darstellen, iiber die Zeit zwar nicht stetig, aber doch tendenziell gesunken ist: Wahrend in der Phase von 1973 bis 1984 59 % der Artikel nur iiber den Nutzen biowissenschaftlicher Forschung und Anwendung berichteten (Hampel et al. 1998: 75), waren es in der Phase von 1997 bis 1999 nur noch 40 % (Hampel et al. 2001: 197). In den USA sanken die entsprechenden Zahlen zwischen der Phase von 1992 bis 1996 und der Phase von 1997 bis 1999 von 51 % auf 41 % (Ten Eyck et al. 2001: 313).^'^ Und auch wenn wir iiber keine weiteren Zahlen verfiigen, ist anzunehmen, dass die positiven Darstellungen in beiden Landern ab 2000 noch einmal sanken, weil Themen wie die Forschung mit embryonalen Stammzellen oder die Praimplantationsdiagnostik sehr kontrovers diskutiert wurden (vgl. fiir Deutschland Graumann 2002; Graumann 2003; vgl. fur die USA Nisbet et al. 2003). Dass dies in den massenmedialen Diskursen iiber Humangenomforschung, wie gezeigt.
^4 Obwohl mit gleichen analytischen Kategorien arbeitend, kommen Nisbet und Lewenstein zu etwas anderen Befunden. In ihrer Studie, die den Zeitraum von 1970 bis 1999 umfasst, lasst sich gegen Ende der 1990er eine Zunahme von Artikeln zeigen, die iiber den Nutzen der Biowissenschaften berichten. Gleichzeitig werden aber in den Artikel auch mehr Risiken und mehr Kontroversen berichtet - fiir die Phase von 1995 bis 1999 wird der Nutzen dieser Wissenschaft in 80 % ailer Artikel erwahnt, Risiken in 64 % und Kontroversen in 67 % (Nisbet und Lewenstein 2002: 31). Es findet sich dort also moglicherweise eher eine Zunahme von ambivalenten oder polarisierten Artikeln.
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
133
nicht der Fall ist, ist angesichts dieser beiden Uberlegungen iiberraschend und ein weiterer Befund, der zu erklaren sein wird.
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung Akteure beziehen in massenmedialen Diskursen nicht nur Positionen zu einem Thema, sie interpretieren Themen auch auf eine spezifische Art und Weise. Dabei greifen sie auf Deutungsrahmen und Deutungsmuster zuriick. Diese geben vor, welche Aspekte eines Gegenstandes wichtig und welche Perspektiven auf diesen Gegenstand angemessen scheinen (vgl. Benford und Snow 2000; Gamson 1992; Gamson und Modigliani 1989; Snow et al. 1986; Snow und Benford 1988; 1992), ob Themen als Probleme zu definieren sind und welche Schuldigen und Losungen iiberhaupt in Frage kommen (vgl. Entman 1993; Gerhards 1992). Damit werden die Korridore des diskursiv Moglichen definiert und unter Umstanden entscheidend verengt oder erweitert. Die Medienwirkungsforschung zeigt, dass Deutungsmuster, die sich in der massenmedialen Berichterstattung finden lassen, die Wahrnehmung der Realitat durch die Rezipienten vorstrukturieren („framing"-Effekte) und auch die Kriterien fiir die Bewertung von Personen vorbestimmen konnen („priming"Effekte, vgl. Schenk 2002: 296ff.). Je nach Deutungsmuster werden also bestimmte Aspekte eines Gegenstandes oder von Personen besonders hervorgehoben, in den Hintergrund geriickt oder auch unkenntlich gemacht. Deutungsmuster sind nicht notwendigerweise an spezifische Positionen gebunden, also nicht zwangslaufig mit der Befiirwortung oder Gegnerschaft zu einem bestimmten Thema verkniipft; sie legen aber mitunter die eine Bewertung naher als die andere. Die Interpretation von Humangenomforschung als bedeutsamer wissenschaftlicher Fortschritt mit vorrangig nutzenbringenden medizinischen Implikationen legt vermutlich eher die Unterstiitzung der Humangenomforschung nahe als ihre Ablehnung. Zwar konnte man auch innerhalb dieses Deutungsmusters kritisch fragen, ob die Heilungsversprechen der Humangenomfor-
134
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
scher realistisch sind, aber generell liegt eine positive Sicht der Humangenomforschung wohl naher. Die Situation andert sich bspw., wenn darauf fokussiert wird, dass Humangenomforschung Ursprung von Diskriminierung sein konnte. Innerhalb dieses Deutungsmusters fallt es deutlich schwerer, unterstiitzende Argumente flir die Humangenomforschung zu formulieren, wahrend die Formulierung von Vorbehalten leichter fallt. Ziel unserer Framing-Analyse ist es, Deutungsmuster zu identifizieren und ihre diskursive Relevanz zu bestimmen. Wir haben untersucht, welche Deutungsmuster zur Interpretation der Humangenomforschung verwendet werden, wie oft und von wem sie verwendet werden und ob sich Landerunterschiede zeigen. In der Datenerhebung haben wir dabei insgesamt sechs inhaltliche Bereiche unterschieden, die sich z B. mit den institutionellen Voraussetzungen der Humangenomforschung, mit ihrer wissenschaftlichen Bedeutung oder mit Fragen der politischen Regulierung beschaftigen. Innerhalb dieser inhaltlichen Bereiche finden sich wiederum - und dies war die Ebene, auf der codiert wurde - insgesamt 85 verschiedene Idee-Elemente. Idee-Elemente sind idealtypische Formulierungen unterschiedlicher Argumente beziiglich Humangenomforschung, die mit einer qualitativen Analyse gewonnen wurden (s. Kapitel 3).i5
Insgesamt finden sich im deutschen und US-amerikanischen Diskurs 5197 Verwendungen dieser 85 Idee-Elemente.^^ Fiir die Datenauswertung haben wir diese verwendeten Idee-Elemente neu sortiert und zu Deutungsmustern aggregiert. Diese Deutungsmuster und deren Verwendung bilden die Grundlage der folgenden Auswertungen zum Framing der Diskurse iiber Humangenomforschung. Wir gehen erstens der Frage nach, woriiber im Diskurs iiber Humangenomforschung genau geredet wird, welche Deutungsmuster also 15 Hier sei noch einmal auf die vollstandige Liste der Idee-Elemente verwiesen, die sich im Internet unter http://userpage.fu-berlin.de/~gerhards/diskus findet. 1^ Codiert wurde dabei jeweils das Vorkommen eines Idee-Elements in der Aussage eines Akteurs. Ebenfalls vermerkt wurde, wie der Akteur dieses Idee-Element verwendet: Stimmt er ihm zu, lehnt er es ab oder ist er ihm gegeniiber neutral oder ambivalent eingestellt?
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
135
iiberhaupt vorkommen, und welche wie oft vorkommen (1). Dariiber hinaus werden wir zweitens untersuchen, mit welchen Deutungen Humangenomforschung iiblicherweise befiirwortet, und mit welchen die Forschung abgelehnt wird; diese Analyse verbindet also die FramingEbene mit den Positionen der Akteure (2). Drittens soil das Framing mit der Standing-Ebene verbunden werden; wir werden analysieren, welche Deutungsmuster typischerweise von welchen Akteuren verwendet werden (3). 1. Sehen wir uns also zuerst an, welche Deutungsmuster im Diskurs liber Humangenomforschung existieren. Wir haben die codierten 85 Idee-Elemente zu 14 Deutungsmustern aggregiert. Diese Deutungsmuster haben wir wiederum in vier Gruppen geordnet, die wir hier als Rahmen oder Deutungsrahmen bezeichnen.^^ Die Sortierung in Rahmen folgt dem Gedanken, dass sich Deutungsmuster - wie auch Akteure - nach den Rationalitaten gesellschaftlicher Funktionssysteme gruppieren lassen. Dazu ein Beispiel: Zu den Zentralaufgaben des politischen Systems gehort es, kollektiv verbindliche Entscheidungen zu treffen (vgl. Luhmann 2000). Das politische System hat eine Input-Seite und eine OutputSeite. Input in das politische System kommt in Form von Forderungen von den Biirgern und den Interessengruppen. Das politische System reagiert auf diesen Input und wirkt in Form von Beschltissen auf die Gesellschaft - z. B. auf die Wissenschaft - ein (Output). Wir haben dementsprechend die Deutungsmuster, die sich auf die Regulierung von Forschung (Output) und die gesellschaftliche Partizipation (Input) beziehen, als politische Deutungsrahmen zusammengefasst. Im folgenden wollen wir
^7 Es gibt in der Literatur unterschiedliche Typologien von Deutungsmustern, die z. T. auch auf Biotechnologie bezogen sind (vgl. Dahinden 2002; Durant et al. 1998: bes. 288; Kohring und Matthes 2002; O'Mahony und Schafer 2005; Strydom 1999). Die dort vorgeschlagenen Deutungsmuster liegen auf sehr unterschiedlichen Abstraktionsebenen (fiir ein sehr abstraktes Beispiel vgl. Strydom 1999; fiir ein recht konkretes Modell vgl. Kohring und Matthes 2002) und sind in unsere Auswertungen in unterschiedlichem Mafie eingegangen. Eines der Modelle komplett zu iibernehmen, kam jedoch nicht in Frage, da die von uns geplante qualitative Rekonstruktion der Deutungsmuster der Spezifika des Gegenstandes Rechnung tragen sollte und keines der vorhandenen Modelle dafiir in Ganze angemessen erschien.
136
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
die im Diskurs iiber Humangenomforschung existierenden Deutungsmuster und -rahmen vorstellen. Wissenschaftlich-medizinischer Deutungsrahmen: Den ersten Rahmen bezeichnen wir als wissenschaftlich-medizinischen Deutungsrahmen. Den darin enthaltenen Deutungen ist gemeinsam, dass sie sich mit den Bedingungen und Restriktionen wissenschaftlicher Arbeit beschaftigen und das Fortschreiten sowie die Ergebnisse dieser Arbeit teilsystemimmanent bewerten. Da dieser Rahmen einen wesentlichen inhaltlichen Teil der massenmedialen Diskurse iiber Hum.angenomforschung reprasentiert, lassen sich innerhalb dieses Rahmens vergleichsweise viele, namlich sechs Deutungsmuster unterscheiden: • Wissenschaftlicher Fortschritt durch Humangenomforschung: Dieses Deutungsmuster fasst alle Interpretationen zusammen, die Humangenomforschung als wissenschaftliche bzw. historische Errungenschaft interpretieren. Die Bedeutung der entwickelten Methoden, v. a. aber des sequenzierten Humangenoms fiir die Biologie - teils auch spezifisch fiir die deutsche resp. US-amerikanische Biologie und den nationalen Forschungsstandort - wird hier diskutiert. In diesem Zusammenhang werden oftmals hyperbolische Analogien und Metaphern verwendet, wird die Humangenomforschung als „Revolution" etc. bezeichnet und als ahnlich bedeutsam wie die Mondlandung oder die Erfindung des Rades dargestellt (vgl. ahnlich Durant et al. 1998: 288; Kohring und Matthes 2002:148ff.). •
Medizinischer Fortschritt durch Humangenomforschung: In diesem Deutungsmuster geht es um die Interpretation der Humangenomforschung aus medizinischer Sicht. Zum einen wird die Bedeutung der Forschung dadurch zu qualifizieren versucht, dass dariiber diskutiert wird, wie viele und welche Krankheiten in Ganze oder teilweise genetische Ursachen haben. Zum anderen werden in diesem Deutungsmuster - und das macht seinen Kern aus - aktuelle und v. a. prospektiv zu entwickelnde neue Moglichkeiten der Diagnose und Heilung von Krankheiten geschildert. Dies wird erganzt durch die Fokussierung auf die Langzeitfolgen dieser Entwicklungen sowohl
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
•
137
fiir den Einzelnen als auch ftir die Gesellschaft (vgl. ahnlich Kohring und Matthes 2002:148ff.). Forschungsfreiheit und -pflichten: Zu den normativen Grundlagen moderner Wissenschaft gehort die Forschungsfreiheit einerseits und die Verantwortung der Wissenschaft fiir die Ergebnisse andererseits. Auch in der Debatte iiber Humangenomforschung spielen diese Fragen eine Rolle. Wir haben alle Idee-Elemente, die diese Fragen behandeln, innerhalb dieses Deutungsrahmens platziert. Hier wird also z. B. die Zusicherung der Forschungsfreiheit und der freien Themenund Methodenwahl als eines unanfechtbaren wissenschaftlichen Grundrechts diskutiert. Dariiber hinaus geht es auch um die Frage, ob die Wissenschaft selbst auch die Verantwortung dafiir tragt, wie mit ihren Ergebnissen umgegangen wird, welche Anwendungen aus der Forschung resultieren und ob diese moglicherweise problematische Implikationen haben. In diesem Kontext wird zusatzlich die Frage gestellt, ob Wissenschaft dazu verpflichtet ist, zum Gemeinwohl beizutragen und wie sich dies wiederum zum Recht der Forschungsfreiheit verhalt.
•
Allgemeine Zugdnglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse: Zu den normativen Grundlagen moderner Wissenschaft gehort auch das Gebot des freien Zugangs zu den Ergebnissen von Wissenschaft. Robert Merton (1985) hatte dies in seinem viel zitierten Aufsatz iiber „Die normative Struktur der Wissenschaft" als „Kommunismus" bezeichnet. Die Frage der Zuganglichkeit von Erkenntnissen spielt auch in der Debatte iiber Humangenomforschung eine Rolle. Die zentrale Frage ist dabei, ob die Sequenz des menschlichen Genoms kostenlos und frei zuganglich fiir alle Nutzer im Internet publiziert werden soil, wie es das Internationale Human Genome Project vorschlug, oder ob die Sequenz auch in einem geschiitzten, nur gegen Lizenzgebiihren zuganglichen Raum publiziert werden konne, wie es den Vorschlagen der Firma Celera Genomics entsprach.
•
Forschungsforderung: In diesem Deutungsmuster wird die finanzielle und auch die infrastrukturelle Forderung von Wissenschaft im Allgemeinen und von Humangenomforschung im Besonderen disku-
138
•
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich tiert. Zusatzlich spielt hier auch die Verteilungsgerechtigkeit bei der Wissenschaftsforderung eine Rolle, d. h. die Bewertung der Konzentration von Fordergeldern auf „big science"-Projekte wie das Human Genome Project zum Nachteil kieinerer Forschungsvorhaben. Selbstregulierung der Wissenschaft: Die interne Regulierung und Steuerung der Wissenschaft wird hier thematisiert. Verbunden mit der Diagnose, dass angesichts der Entwicklungen der Biowissenschaft und besonders der Humangenomforschung eine sorgfaltige Begleitung und ggf. Regulierung der Wissenschaft notwendig wird, werden hier Verfahren wie „peer review", Ombudsmanner, Expertengremien, Kommissionen und dergleichen diskutiert.
Wirtschaftlicher Deutungsrahmen: Die zweite Gruppe von Deutungsmustern haben wir zu einem okonomischen Deutungsrahmen zusammengefasst. Hier wird auf die wirtschaftliche Bedeutung der Humangenomforschung Bezug genommen, also auf eine spezifische Verwertungsdimension (vgl. fiir einen ahnlichen Frame Durant et al. 1998: 288; Kohring und Matthes 2002:148ff.). • Betriebswirtschaftliche Effekte: Das erste hier subsumierte Deutungsmuster bezieht sich auf die wirtschaftlichen Folgen von Humangenomforschung fiir Unternehmungen. Fragen der Profitabilitat von Firmen und der Borsen- und Aktienentwicklungen werden hier diskutiert. • Volkswirtschaftliche Effekte: Das zweite Deutungsmuster nimmt die wirtschaftlichen Makro-Effekte in den Blick, die mit Humangenomforschung verbunden sein konnen. Dementsprechend geht es hier um die Starkung des nationalen Wirtschaftsstandorts, um die Konkurrenz der nationalen Wirtschaft mit anderen Okonomien, um die Griindung von Firmen, die Schaffung von Arbeitsplatzen oder um die Genese volks wirtschaftlichen Wachstums. Politischer Deutungsrahmen: In der dritten Gruppe sind politische Deutungsmuster vereint. Wie bereits erlautert, unterscheiden wir hier zwei Unterdimensionen; der Output- und der Input-Seite des politischen Sys-
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
139
terns entsprechen namlich eine Regulierungs- und eine Partizipationsdimension. • Politische Regulierung der Humangenomforschung: In diesem Deutungsmuster wird thematisiert, ob Humangenomforschung einer wissenschaftsexternen Regulierung durch Politik und Justiz bedarf, werden existierende gesetzliche Regelungen bewertet und wird diskutiert, ob eine Regulierung der Forschung grundsatzlich auf dem Weg einer politischen oder judikativen Regulierung realisiert werden soil (vgl. ahnlich Kohring und Matthes 2002:148ff.). • Gesellschaftliche Partizipation an der Regulierung: Im Mittelpunkt steht hier die Frage, ob und inwieweit Moglichkeiten der Partizipation an Entscheidungen iiber Biowissenschaften und Humangenomforschung sinnvoll und gegeben sind. In den Blick genommen werden Moglichkeiten dieser Partizipation, z. B. offentliche Debatten oder auch Plebiszite, sowie die Bewertung der Voraussetzungen dieser Partizipation. Ethisch-sozialer Deutungsrahmen: Die vierte Gruppe bilden ethische und soziale Deutungsmuster. Diese Gruppe von Deutungsmustern ahnelt inhaltlich den „ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen", der so genannten ELSIs, deren Erforschung sowohl in den USA als auch in Deutschland im Rahmen der Begleitforschung zu den Biowissenschaften gefordert wird (fur einen Uberblick vgl. z. B. Murray und Mehlman 2000). Hierbei lassen sich einerseits Deutungen unterscheiden, die sich in fundamentaler Weise mit forschungsimmanenten ethischen und sozialen Fragen beschaftigen. Andererseits finden sich hier auch Deutungsmuster, die sich nicht direkt auf die Forschung am menschlichen Genom, sondern auf die Folgen dieser Forschung und auf den Umgang mit den dort gewonnenen Erkenntnissen richten. •
Menschenbild: Dieses Deutungsmuster fokussiert auf die mit Humangenomforschung transportierten Menschenbilder. Im Zentrum steht die - im angloamerikanischen Raum auch unter dem Label „nature vs. nurture" diskutierte - Frage, ob und inwieweit Menschen und ihr Verhalten genetisch oder durch Umweltfaktoren bestimmt sind. Hier
140
•
•
•
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich finden sich auch Idee-Elemente, die sich auf die Frage beziehen, ob Menschen als Gottes Schopfung zu verstehen sind. Diskriminierung (genetisch, finanziell, strukturell): In diesem Deutungsmuster wird das Potential der Biowissenschaften und speziell der Humangenomforschung diskutiert, unterschiedliche Formen von Diskriminierung zu begrlinden. Dabei wird die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer genetischen Charakteristika durch Versicherungen, Arbeitgeber usw. thematisiert; befiirchtet wird in diesem Zusammenhang, dass Menschen mit erhohten genetischen Risiken fiir bestimmte Krankheiten nicht mehr oder nur zu ungiinstigeren Bedingungen versichert oder eingestellt werden. Zudem wird hier eine mogliche, eher indirekte Schlechterstellung von Patienten diskutiert, die aufgrund einer vergleichsweise teuren genetisch basierten Medizin u. U. kiinftig nicht mehr in vollem Mafie in der Lage sein konnten, sich eine angemessene medizinische Versorgung zu leisten. Eigentumsrechte und Patentierung: Fokussiert wird hier auf die Eigentums- und Verwendungsrechte an genetischen Informationen. Dies umfasst erstens die normative Frage, ob genetische Informationen generell eigentumsfahig sind, ob man sie also besitzen kann. Zweitens wird dariiber debattiert, wem die Eigentums- und Verwendungsrechte an genetischen Informationen zufallen - ob sie also dem Einzelnen gehoren, ob und unter welchen Umstanden Wissenschaftler oder andere Parteien ein Eigentum daran erwerben und wozu dieses Eigentum berechtigt. 1st die Patentierung von genetischen Informationen moglich, wie weit gehen individuelle Selbstbestimmungsrechte sowie das Recht des Einzelnen auf Nicht-Verwendung genetischer Informationen inkl. des „Rechts auf Nichtwissen" iiber eigene Krankheitsrisiken - diese Fragen werden hier diskutiert. Ethische und moralische Fragen allgemein: In diesem Deutungsmuster haben wir alle generellen, unspezifischen Verweise auf ethische und moralische Fragen als problematische Felder der Biowissenschaften und der Humangenomforschung zusammengefasst.
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
141
In diesen inhaltlichen Bahnen bewegen sich also die Diskurse iiber Humangenomforschung in beiden Landern. Allerdings werden in den verschiedenen nationalen Kontexten nicht alle Aspekte gleich haufig in den Blick genommen. Wie haufig die einzelnen Deutungsrahmen und Deutungsmuster verwendet werden, wollen wir uns im Folgenden anschauen. Tabelle 4.12: Framing der Humangenomforschung in den untersuchten Zeitungen in beiden Landern (in %)
Wissenschaftlich-medizinischer DeutungsWissenschaftlicher Fortschritt durch HGF Medizinischer Fortschritt durch HGF Forschungsfreiheit und -pflichten Zuganglichkeit wissenschaftl. Erkenntnisse Forschungsforderung Selbstregulierung der Wissenschaft Okonomischer Deutungsrahmen Betriebswirtschaftliche Effekte Volkswirtschaftliche Effekte Politischer Deutungsrahmen Politische Regulierung der HGF Gesellschaftliche Partizipation an Regulierung Ethisch-sozialer Deutungsrahmen Menschenbild Diskriminierung Eigentumsrechte und Patentierung Ethische und moralische Fragen allgemein N
Deutschland
USA
Gesamt
57,1
68,5
61,2
15,0 31,7
19,0 34,8
16,4 32,8
2,3 4,0 3,2
1,9 9,3 3,0 0,5 10,5 8,2 2,2 4,6 3,5
2,2 5,9
1,3 6,9 4,6 1,7 9,8 4,6 5,2 26,2 8,1 4,7
1,2 16,4 5,7
7,4
4,3 4,7
6,1 1681
1,6 928
3,1 1,0 8,2 5,9 1,8 7,9 4,2 3,8 22,7 7,3 4,6 6,5 4,5 2609
Wir konzentrieren uns in der Dateninterpretation zunachst auf die Gemeinsamkeiten beider Lander: Der Blick auf die Verteilung der Deutungsrahmen in den untersuchten Diskursen zeigt ein deutliches Un-
142
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
gleichgewicht, und dies sowohl in Deutschland als auch in den USA. In beiden Landern gibt es eine klare Dominanz wissenschaftlicher und medizinischer Deutungen. In Deutschland reprasentieren die diesem Rahmen zugeordneten Deutungsmuster deutlich mehr als die Halfte aller Idee-Elemente, in den USA sogar mehr als zwei Drittel. Hierfiir verantwortlich ist v. a. der Deutungsrahmen, der den moglichen medizinischen Fortschritt herausstellt, der durch Humangenomforschung erreicht werden kann, der also auf neue Diagnosemoglichkeiten, Therapiechancen und Langzeitfolgen verweist; er allein macht ca. ein Drittel aller IdeeElemente in beiden Landern aus (zu ahnlichen Befunden fiir die USA vgl. Tambor et al. 2002: 35). Ein weiterer gewichtiger Deutungsrahmen beschreibt nicht den medizinischen, sondern den originar wissenschaftlichen Fortschritt durch Humangenomforschung, in dem die wissenschaftshistorische Relevanz der Forschung betont und oft als „Durchbruch", „Meilenstein" oder „menschheitsgeschichtliches Ereignis" herausgestellt wird. An zweiter Stelle und mit deutlichem Abstand zur hegemonialen Stellung wissenschaftlicher Deutungen findet sich der ethisch-soziale Deutungsrahmen (26,2 % in Deutschland bzw. 16,4 % in den USA), in dem Humangenomforschung ethisch, moralisch und nach sozialen Gesichtspunkten interpretiert wird. Die Betonung des individuellen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, der Vorstofie zur Patentierung genetischer Daten entgegengestellt wird, ist innerhalb dieses Rahmens platziert, auCerdem die Diskussion liber die soziale Pragung des Menschen als Gegensatz zur genetischen Pragung. Hier werden auch unterschiedliche Formen genetisch basierter Diskriminierung bestimmter Personengruppen durch Versicherungen, Krankenkassen usw. verhandelt. Wirtschaftliche Deutungen der Humangenomforschung - hierbei spielt V. a. der betriebswirtschaftliche Deutungsrahmen eine Rolle, der sich auf die Bedeutung der Genomsequenzierung fiir Firmen und Kleinanleger bezieht - und politische Deutungen folgen wiederum mit einigem Abstand, sie werden in beiden Landern am wenigsten verwendet (vgl. mit ahnlichen Befunden fiir Deutschland, Irland bzw. Grofibritannien O'Mahony und Schafer 2005; Rodder 2005: 59ff., 84ff.; Smart 2003).
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
143^
Neben diesen deutsch-/US-amerikanischen Gemeinsamkeiten in der Dominanz bestimmter Deutungsrahmen lassen sich auch nennenswerte Unterschiede zwischen beiden Landern finden. Wissenschaftliche und medizinische Deutungsmuster sind im US-Diskurs in deutlich starkerem Mafie reprasentiert als in Deutschland. Gleiches gilt flir okonomische Deutungen, auch sie sind in den USA starker ausgepragt. In Deutschland dagegen werden einerseits politische Deutungen starker betont, und zwar sowohl Fragen der Regulierung der Humangenomforschung durch das Zentrum des politischen Systems als auch Deutungen, die die Partizipation von gesellschaftlichen Gruppierungen herausstellen. Andererseits werden in Deutschland auch ethische und moralische Deutungen starker verwendet als in den USA. 2. Wenn auch die Deutungsrahmen und -muster nicht zwangslaufig mit bestimmten Positionen verbunden sind, so legen sie doch - so unsere Vermutung - haufig eine bestimmte Position naher als eine andere. Ob dies auch empirisch der Fall ist, haben wir gepriift, in dem wir die Positionen, die Akteure in Aussagen beziehen, mit ihrem Framing kreuztabelliert haben. Die folgende Tabelle weist nur die vier Deutungsrahmen aus, nicht die verschiedenen Deutungsmuster, die sich innerhalb der Deutungsrahmen befinden. Tabelle 4.13: Framing der Humangenomforschung, differenziert nach der Bewertungsrichtung der codierten Aussagen (in %) Deutungsrahmen Wissenschaftlich-medizinisch Okonomisch Politisch Ethisch-sozial N
Unterstutzende Position 77,1 11,5 3,7 12,7 1789
Ambivalente Position 58,2 9,7 8,0 24,0 1529
Ablehnende Position 53,5 8,6 6,2 31,7 417
Die Tabelle enthalt zwei interessante Informationen. Zum einen zeigt sich, dass die Hegemonie bestimmter Deutungsrahmen fiir alle Aussagen gilt, egal ob diese sich positiv, ambivalent oder ablehnend zu Humange-
144
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
nomforschung aufiern. Die Reihenfolge der Wichtigkeit der vier verschiedenen Deutungsrahmen ist fiir alle drei Positionen gleich. Der wissenschaftlich-medizinische Deutungsrahmen ist sowohl fiir die Befiirworter als auch fiir die Gegner der dominante Bezugsrahmen der Interpretation des Themas. Dies lasst sich mit Michel Foucault als die Wirkung einer existierenden Diskursordnung interpretieren: Die Diskursordnung ist insofern eine Machtordnung, als sie sowohl die Gegner als auch die Befiirworter zwingt, vornehmlich innerhalb bestimmter Rahmen zu argumentieren. Zugleich zeigen sich aber Unterschiede in der Verwendung der vier Deutungsrahmen und zwar in der theoretisch erwarteten Richtung. Der wissenschaftlich-medizinische und der okonomische Deutungsrahmen werden in den Aussagen iiberdurchschnittlich haufig benutzt, die Humangenomforschung befiirworten, wahrend sich politische und ethischsoziale Deutungen iiberdurchschnittlich haufig in den Aussagen finden, die sich gegen Humangenomforschung aussprechen. Die Wirkungsmacht der Diskursordnungen zeigt sich auch im Landervergleich, wie die folgende Tabelle zeigt. Wir hatten gesehen, dass es landerspezifische Unterschiede in der Dominanz von Deutungsrahmen gibt. Wissenschaftlich-medizinische und okonomische Deutungen haben in den USA ein hoheres Gewicht, politische und vor allem ethisch-soziale Interpretationen sind in Deutschland bedeutsamer. Diese Dominanzverhaltnisse der jeweiligen nationalen Diskursordnungen zeigen sich auch, wenn man die Analyse nach den drei Positionen zur Humangenomforschung aufteilt (Tabelle 4.14). Die Dominanz gesellschaftsweit geltender Deutungsrahmen lasst sich sowohl fiir die Gegner als auch fiir die Befiirworter von Humangenomforschung zeigen. Sieht man sich z. B. die Aussagen an, die Humangenomforschung ablehnen, dann stellt man fiir Deutschland fest, dass sich hier wissenschaftlich-medizinische und ethisch-soziale Deutungen fast gleich haufig finden. Bei den Gegnern der Forschung im US-Diskurs dagegen liegt das Verhaltnis dieser Deutungen bei ca. 3:1 - sie nutzen deutlich haufiger wissenschaftlich-medizinische Deutungen und seltener die ethischen, moralischen und sozialen Deutungen. Auch die Gegner in
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
145
beiden Landern bleiben an die Dominanzverhaltnisse der Deutungsrahmen insgesamt gebunden. Tabelle 4.14: Framing der Humangenomforschung, differenziert nach der Bewertungsrichtung der codierten Aussagen, fiir beide Lander getrennt (in %) Deutschland
Deutungsrahmen Wissenschaftlich-medizinisch Okonomisch Politisch Ethisch-sozial N
Unterstiitzende Position 66,3 8,0 8,0 17,6 612
Ambivalente Position 53,9 7,6 12,6 25,9 460
Ablehnende Position
UnterstUtzende Position 77A 11,5 0,8 10,3 478
Ambivalente Position 50,0 9,9 9,2 30,9 152
Ablehnende Position
48,2 5,9 6,8 39,1 220
USA
Deutungsrahmen Wissenschaftiich-medizinisch Okonomisch Politisch Ethisch-sozial N
63,9 8,2 8,2 19,7 61
3. Im vorigen Kapitel haben wir bereits dargelegt, welche Akteursgruppen Humangenomforschung eher befiirworten, welche ihr eher kritisch gegeniiber stehen und welche eine ambivalente Haltung haben. Wir haben gesehen, dass Vertreter der Wirtschaft, der Bio- und Naturwissenschaften sowie der Politik in Deutschland und den USA zu den klaren Befiirwortern zahlen. Demgegeniiber nehmen die zu Wort kommenden Sozial- und Geisteswissenschaftler sowie die Vertreter der Zivilgesellschaft ablehnende, teils auch ambivalente Haltungen der Humangenom-
146
4. dffentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
forschung gegeniiber ein. Wir analysieren im Folgenden die akteursspezifische Verwendung von Deutungsrahmen.^^ Tabelle 4.15: Framing der Humangenomforschung, differenziert nach Akteursgruppen, fiir beide Lander getrennt (in %) Deutschland Bio-I
Soz.
VV/s.
Poli-
Wirt
Zivil
An-
Ext.
Ge-
Nat-
Gel
Ad-
tik
sch.
ges.
dere
Jour.
samt
wiss.
y^iss
min.
62,7
51,9
48,3
51,2
53,9
47,6
50,0
66,3
57,1
Okonomisch
3,3
2,4
12,3
3,0
23,6
5,9
1,4
Politisch
8,6
8,1
12,4
17,0
4,2
11,6
10,0
8,1 3,5
10,2
Ethisch-sozial
22,5
38,6
27,0
28,9
18,1
35,0
38,5
22,1
26,7
N
645
171
89
270
165
103
70
86
1583
Bio-/
Soz.
VV/s.
Poli-
Wirt
Zivil
An-
Ext.
Ge-
Nat-
Gei.
Ad-
tik
sch.
ges.
dere
Jour.
samt
62,6
59,3
69,5
Deutun^srahmen medizinisch
6,2
USA
Deutun^srahmen
wiss.
Vsliss
min.
WissenschaftL-
76,6
45,3
71,5
66,7
66,8
66,6
medizinisch Okonomisch
4,8
1,9
0,0
0,8
24,1
3,0
4,2
15,1
9,9
Politisch
4,2
7,6
14,3
9,0
3,0
16,7
7,0
4,4
14,3
45,2
14,3
23,6
27,3
16,7
18,6
16,2
376
53
7
123
2,5 6,5 199
33
24
86
841
Ethisch-sozial
N
Fiir beide Lander gilt, dass die generellen Charakteristika der Diskurse in verbliiffend hohem Mafie auch fiir die einzelnen Akteure zutreffen. AUe untersuchten Akteure interpretieren Humangenomforschung in den Massenmedien dominant wissenschaftlich und medizinisch. Erst an zweiter Stelle folgen bei den meisten Akteuren die ethischen, moralischen und sozialen Deutungen und danach dann okonomische und politische Deutungen. Eine Ausnahme bilden die Wirtschaftsvertreter, die im ^^ Auf Grund der geringen Fallzahlen sind manche Prozentsatzwerte nicht zu interpretieren, auch wenn sie hier ausgewiesen werden.
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
147
deutschen und im US-Diskurs zu Wort kommen - sie interpretieren Humangenomforschung, wie alle anderen Akteure auch, vornehmlich wissenschaftlich-medizinisch, in zweiter Linie jedoch wirtschaftlich und erst dann mit Hilfe der ethischen, moralischen und sozialen Deutungen. Mit anderen Worten: Die herrschende Diskursordnung strukturiert also auch das Framing der verschiedenen Akteure. Jenseits dieser Deutungscharakteristika finden sich dann allerdings auch Unterschiede zwischen den einzelnen Akteuren. Die Unterschiede korrespondieren mit den Systemrationalitaten der unterschiedlichen Akteure. Die Tabelle verdeutlicht, dass die Deutungsrahmen jeweils am starksten von denjenigen Akteuren verwendet werden, deren Systemrationalitat sie entsprechen: Wissenschaftliche Deutungen werden am starksten von Bio- und Naturwissenschaftlern verwendet. Politische Deutungen, auch wenn sie generell nur maCig stark ausgepragt sind, werden am haufigsten von Akteuren des politischen Zentrums verwendet. Wirtschaftliche Deutungen werden am starksten von Wirtschaftsvertretern verwendet. Ethisch-moralische und soziale Deutungen schlieClich werden von zwei Gruppen besonders genutzt: von der Zivilgesellschaft sowie von Sozial- bzw. Geisteswissenschaftlern. Diese Charakteristika treffen fiir beide Lander zu; deutsche und US-amerikanische Bio- und Naturwissenschaftler, deutsche und US-Politiker, deutsche und USWirtschaftsvertreter usw. deuten Humangenomforschung in recht ahnlicher Weise. Sehen wir uns zunachst die Akteure an, die eher zu den Befiirwortern der Humangenomforschung zahlen, und anschliefiend die Gegner. Zu den Befiirwortern der Forschung, die in beiden Landern quantitativ stark vertreten sind, zahlen folgende drei Akteursgruppen: • Bio- und Naturwissenschaftler: Diese Akteursgruppe ist, wie gesehen, in beiden Landern in sehr starkem Mafie vertreten. Sie besteht zu einem groCen Teil aus Humangenomforschern, v. a. in den USA, wo diese Wissenschaftlerfraktion mehr als die Halfte aller Akteure des Diskurses und damit mehr als zwei Drittel aller reprasentierten Wissenschaftler stellt. Bio- und Naturwissenschaftler sind in beiden Landern mit deutlicher Mehrheit Befiirworter der Humangenomfor-
148
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich schung. Wenn sie sich in den Diskursen zu Wort melden, dann thematisieren sie sowohl in Deutschland als auch in den USA v. a. Deutungen, die ihnen qua Profession inhaltlich nahe stehen und in denen sie entsprechende Expertise akkumuliert haben: Sie interpretieren die Forschung hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen und medizinischen Tragweite. Zusatzlich sind sie aber auch in die Debatte iiber das mit Humangenomforschung verbundene Menschenbild und die genetische versus soziale Determination des Menschen - mithin in die „nature vs. nurture"-Debatte - involviert. In den USA beteiligen sich Biound Naturwissenschaftler zudem auch an der Debatte iiber die Veroffentlichung oder kommerzielle Nutzbarmachung und Patentierung des Humangenoms.
•
•
Politische Akteure sind in Deutschland mittelstark im Diskurs reprasentiert, in den USA dagegen nur gering. In beiden Landern bestehen sie iiberwiegend aus Vertretern der politischen Exekutive, d. h. aus Regierungs- und Ministeriumsmitgliedern und -mitarbeitern. Der iiberwiegende Teil dieser politischen Akteure befiirwortet die Humangenomforschung. Zu den Deutungen, die sie verwenden, zahlen iiberproportional oft Deutungen, die Fragen der Regulierung von Wissenschaft und ihrer Anwendung o.a. betreffen: Es geht dabei um generelle Fragen der Regulierung der Humangenomforschung, aber auch um spezifische Aspekte wie die Sicherung informationeller Selbstbestimmung und die Zulassigkeit der Patentierung genetischer Informationen im Allgemeinen sowie der freien Publikation des Humangenoms im Konkreten. Vertreter der Wirtschaft finden sich im deutschen Diskurs relativ selten, im US-Diskurs dagegen haufiger reprasentiert. Es handelt sich dabei in der Regel um Angehorige von Biotechnologie- oder PharmaFirmen, die die Humangenomforschung mit klarer Mehrheit befiirworten. Sie deuten die Forschung dominant wirtschaftlich, mischen sich aber auch in den Diskursstrang ein, in dem es um die Patentierung genetischer Informationen geht und betonen iiberdurchschnittlich oft, V. a. in den USA, den moglichen medizinischen Nutzen der Humangenomforschung, der ja liber neue Pharmazeutika, kommer-
4.4 Framing: Die Deutung der Humangenomforschung
149
zielle genetische Diagnostik usw. auch wirtschaftlich nutzbar sein konnte. Diesen Befiirwortern stehen im Wesentlichen zwei Akteursgruppen gegeniiber, die allerdings deutlich weniger stark in den Diskursen vertreten sind: •
Sozial- und Geisteswissenschaftler sind in Deutschland nur mafiig, in den USA sogar nur marginal reprasentiert. Sie sind in beiden Landern mehrheitlich Gegner der Humangenomforschung, starker noch in Deutschland. Sie interpretieren Humangenomforschung v. a. mit ethischen, moralischen und sozialen Deutungen; dabei verwenden sie in beiden Landern die gesamte verfiigbare Palette der ELSIDeutungsmuster. Die in Deutschland zu Wort kommenden Sozialund Geisteswissenschaftler deuten Humangenomforschung dabei besonders oft mittels des abstrakten Deutungsrahmens, in dem das Menschenbild verhandelt wird. In den USA thematisieren die Sozialund Geisteswissenschaftler dagegen starker die sozialen Folgen der Humangenomforschung, mithin die ELSI-Deutungen, die als eher „manageable" gelten als die anderen (Smart 2003: 21): Sie verweisen etwa auf drohende, genetisch basierte Diskriminierung und auf die Problematik der Eigentumsrechte an genetischen Daten und der Patentierung selbiger; in diesem Zusammenhang verweisen sie auch oftmals auf Moglichkeiten und Notwendigkeiten politischer Regulierung, wahrend diese eher konkreten Implikationen bei ihren deutschen Kollegen eine weniger grofie Rolle spielen.
•
Ein etwas anderes Bild findet sich bei den Vertretern der Zivilgesellschaft, d. h. bei Reprasentanten von NGOs, sozialen Bewegungen, Kirchen, Patientenverbanden, Behindertenverbanden etc. Sie sind in Deutschland schwach prasent, in den USA sogar nur marginal. In Deutschland sind sie Gegner der Humangenomforschung, in den USA stehen sie der Forschung ambivalent gegeniiber. Inhaltlich nutzen sie in beiden Landern das ethisch-soziale Deutungsmuster, jedoch im Vergleich zu den Sozial- und Geisteswissenschaftlern in genau entgegengesetzter Weise. In Deutschland sind es die Vertreter
150
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich der Zivilgesellschaft, die eher die sozialen Deutungen der Humangenomforschung in den Blick nehmen und iiber Diskriminierung, Patentierung und Eigentumsfragen reden, wahrend von ihren USPendants eher die abstrakteren ethischen Deutungen verwendet werden. Entsprechend passt es ins Bild, dass in Deutschland v. a. Vertreter der Zivilgesellschaft (passend zu den von ihnen verwendeten sozialen, moglicherweise eher regulierbaren Deutungen) auch viele politische Deutungen verwenden. Allerdings geht es ihnen dabei weniger um die Regulierung der Forschung durch die Politik als vielmehr um gesellschaftliche Partizipation an diesen Regulierungsund Entscheidungsprozessen.
Fassen wir die deskriptiven Befunde zum Framing insgesamt zusammen: In beiden Landern lasst sich zunachst ein recht vielfaltiges Set von Deutungen finden, das von wissenschaftlichen iiber wirtschaftliche bis hin zu ethisch-philosophischen Fragestellungen reicht. Der Variationspool der Deutungsmoglichkeiten war also weit gespannt und hat durchaus die Gelegenheit fiir eine Kontroverse iiber Humangenomforschung eroffnet. Schaut man sich allerdings an, welche Deutungsmuster in welcher Haufigkeit aus diesem Pool selektiert wurden, dann sieht man eine klare Dominanz wissenschaftlich-medizinischer Deutungen, wahrend ethischsoziale, politische und wirtschaftliche Deutungen klar nachgeordnet sind. Dies korrespondiert einerseits mit dem Befund, dass Befiirworter der Humangenomforschung - genauer gesagt Bio- und Naturwissenschaftler, nachgeordnet auch Vertreter des politischen Zentrums und der Wirtschaft - die Diskurse in Deutschland und den USA dominieren: Denn sie nutzen wissenschaftliche und medizinische Deutungen ofter als andere Akteure. Es ist aber dennoch iiberraschend, dass die Diskurse in beiden Landern gleichermafien und v. a. mit derartiger Deutlichkeit von bestimmten Deutungsrahmen dominiert werden. Sieht man sich bspw. die Vorstrukturierung der Diskurse an, dann hatte man eine andere Verteilung der Deutungsrahmen erwarten konnen. In Deutschland etwa machen wissenschaftliche und medizinische Deutungen zwar auch in der Langzeituntersuchung von Hampel et al. in alien Phasen das Gros der
4.5 Resiimee
151
Deutungen^^ aus. Allerdings sank ihr Anteil von 46 % in der Phase von 1973 bis 1984 auf etwa 30 % fiir alle Phasen ab 1985. Zeitgleich sank der Anteil des dort identifizierten Frames „Progress" von 57 % auf 42 % (Hampel et al. 1998: 75; Hampel et al. 2001: 197). Ab 2000 ist zudem auch wenn dies bei Hampel et al. nicht mehr untersucht wurde - ein weiteres Absinken dieser Deutungsmuster zu vermuten, da in diesem Zeitraum ein Anstieg der Kontroversen iiber andere biowissenschaftliche Themen wie Stammzellforschung und PID zu verzeichnen war (vgl. Graumann 2002; 2003). In den USA sieht es etwas anders aus: Der Anteil wissenschaftlich-medizinischer Deutungen sank von 35 % in der Phase von 1992 bis 1996 zwar nur leicht auf 34 % zwischen 1997 und 1999, lag aber in beiden Zeitraumen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau (Ten Eycketal. 2001: 313).2o 4.5 Resiimee Zum Abschluss wollen wir die Befunde dieses deskriptiven Kapitels insgesamt bilanzieren: Unsere Analyse der deutschen und der USamerikanischen massenmedialen Diskurse iiber Humangenomforschung zeigt zunachst, dass das Thema in beiden Landern bedeutsam war. Es findet eine umfangreiche Beachtung in den untersuchten deutschen und US-Zeitungen. Massenmediale Offentlichkeit als das zentrale Selbstbeobachtungssystem der Gesellschaft hat den Biirgern und den Akteuren der anderen Teilsysteme also die Moglichkeit gegeben, sich iiber das Thema Humangenomforschung hinreichend zu informieren. Die Berichterstattung konzentrierte sich dabei auf bestimmte Zeitraume, die wie^^ Dort finden sich inhaltliche Beschreibungen der Diskurse unter den Begriffen „Themes" und ^Frames'". Wir beziehen uns hier auf die von Hampel et al. als ,,Themes'' bezeichneten Konstrukte, da diese inhaltlich naher an unseren Deutungsrahmen liegen. 20 Die Angaben zur Entwicklung des „Progress''-Frames sind zwiespaltig. Bei Nisbet und Lewenstein sinkt der Anteil dieses Frames, der in den 1980ern zeitweise bei iiber 80 % gelegen hatte, Ende der 1990er auf 39 %, wahrend der „Ethicar'-Frame in diesem Zeitraum mit 22 % mehr Deutungen denn je fiir sich beansprucht (Nisbet und Lewenstein 2002: 30). Bei Ten Eyck et al. dagegen steigt der Anteil des Frames zwischen Anfang und Ende der 1990er Jahre von 49 % auf 63 % (Ten Eyck et al. 2001: 313).
152
4. Offentliche Hegemonie: Deutschland und USA im Vergleich
derum im Wesentlichen durch von wissenschaftlichen Institutionen und von Wissenschaftlern geschaffene Ereignisse bestimmt wurden. Starker als alien anderen gesellschaftlichen Akteuren gelingt es den Vertretern des Wissenschaftssystems, den Massenmedien Anlasse fiir die Berichterstattung fiber Humangenomforschung zu liefern, mithin das Thema auf die Agenda der gesellschaftlichen Offentlichkeit zu setzen und zugleich das Timing der Berichterstattung mitzubestimmen; entsprechend haben diese Akteure einen Startvorteil gegeniiber den Reprasentanten des politischen Systems, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, wenn es darum geht, die massenmediale Arena mit Akteuren, Positionen und Deutungen zu besetzen. Dies verringert die Chancen fiir eine ausgepragte Kontroverse iiber Humangenomforschung, macht sie aber langst nicht unmoglich - u. a. auch deswegen, weil die Mehrheit der Artikel nicht im Wirtschaftsteil, sondern in nichtwissenschaftlichen Zeitungsteilen publiziert wurde, in denen natiirlich auch andere Akteure und deren Argumentationen zugelassen sind. Die deskriptiven Befunde zeigen jedoch ein klares Bild: In den drei Dimensionen, in denen wir massenmedialen Erfolg messen - Standing, Positionierung und Framing - haben wir eine offentliche Hegemonie bestimmter Akteure, ihrer Positionen und ihrer Deutungen festgestellt. • In der Standing-Dimension zeigt sich, dass die Diskurse in beiden Landern von etablierten gesellschaftlichen Akteuren dominiert werden. Den mit Abstand grofiten Teil des Standings erhalten Wissenschaftler, genauer gesagt Bio- und Naturwissenschaftler. Ihnen nachgeordnet, mit deutlichem Abstand, folgen politische und Wirtschaftsakteure. Akteure der Zivilgesellschaft resp. der politischen Peripherie sind nur marginal reprasentiert. Diese Charakteristika gelten fiir die USA und Deutschland gleichermafien. Es gibt jedoch auch, wenn auch untergeordnet, nennenswerte Unterschiede: Politische Akteure und auch Akteure der Zivilgesellschaft sowie Geistes- und Sozialwissenschaftler sind in Deutschland deutlich starker vertreten als in den USA. In den USA sind dagegen Wirtschaftsakteure starker reprasentiert.
4.5 Restimee
153
•
Auch was die im Diskurs vertretenen Positionen angeht, findet sich in beiden Landern ein weitgehend einheitliches Bild: Humangenomforschung wird von den meisten Akteuren deutlich befiirwortet. Zu den Befiirwortern zahlen in beiden Landern v. a. Vertreter der Wirtschaft, der Politik und der Bio- und Naturwissenschaften. Sozial- und Geisteswissenschaftler sowie Vertreter der Zivilgesellschaft sind eher Kritiker der Humangenomforschung. Allerdings ist die Befiirwortung im deutschen Diskurs etwas schwacher ausgepragt, zugleich finden sich dort mehr Kritiker als in den USA.
•
In der Framing-Dimension zeigt sich eine klare Dominanz wissenschaftlicher und medizinischer Deutungsrahmen - von Deutungsrahmen also, die vornehmlich von den Befiirwortern der Humangenomforschung - Vertretern der Bio- und Naturwissenschaft, des politischen Zentrums und der Wirtschaft - verwendet werden.
Diese Befunde sind, dies wurde an mehreren Stellen dargelegt, durchaus iiberraschend. Angesichts der eingangs explizierten Implikationen der Humangenomforschung ware zu erwarten gewesen, dass dieser Forschungsbereich in der Offentlichkeit kontroverser diskutiert worden ware. Eine kritische, oder zumindest kritischere, Auseinandersetzung hatten auch die Erfahrungen mit anderen Diskursen liber biowissenschaftliche Themen nahe gelegt. Zudem hatte man, nach den Erfahrungen mit Diskursen iiber andere Themen wie etwa Abtreibung (vgl. Ferree et al. 2002) erwarten konnen, dass sich die Diskurse der beiden untersuchten Lander deutlicher voneinander unterscheiden. Stattdessen finden wir nicht nur eine offentliche, sondern eine landeriibergreifende offentliche Hegemonie befurwortender Akteure, ihrer Positionen und Deutungen.
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
Der Befund einer landeriibergreifenden Hegemonie v. a. bio- und naturwissenschaftlicher Akteure, im Wesentlichen affirmativer Bewertungen und vorrangig medizinisch-naturwissenschaftlicher Deutungen der Humangenomforschung ist erklarungsbediirftig. Bevor wir versuchen wollen, die vorgefundenen Charakteristika fiir beide Lander zu erklaren, wollen wir die Giiltigkeit unserer Befunde noch einmal in anderen Kontexten auf den Prlifstein stellen. Denn die von uns gefundenen Merkmale des deutschen und des US-amerikanischen Diskurses konnten zum einen damit zusammenhangen, dass wir mit den Printmedien ein spezifisches Medium der gesellschaftlichen Offentlichkeit analysiert haben. Dies wirft die Frage auf, ob unsere Ergebnisse stabil bleiben, wenn wir die Debatte iiber Humangenomforschung in einem anderen Medium analysieren. In Kapitel 5.1 untersuchen wir deswegen die Debatte iiber Humangenomforschung im Internet. Zum anderen mogen die gefundenen Ergebnisse mit den beiden ausgewahlten Landern und deren besonderen nationalen Gegebenheiten zusammenhangen. Von einer transnationalen Hegemonie wird man nur dann sprechen konnen, wenn sich die Befunde auch in anderen Landern nachweisen lassen. Daher werden wir in Kapitel 5.2 die Debatte iiber Humangenomforschung in drei weiteren Landern analysieren.
5.1 Die Kommunikation iiber Humangenomforschung im Internet Massenmediale Diskurse unterliegen immer auch den spezifischen Restriktionen des jeweiligen Mediums, in dem sie stattfinden. Audiovisuelle Medien wie das Fernsehen sind beispielsweise auf Bilder von ihren
156
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
Berichterstattungsobjekten angewiesen, der Horfunk auf Tone. Themen, Akteure oder Inhalte, die beides nicht aufweisen konnen, werden es tendenziell schwerer haben, sich in diesen Massenmedien zu platzieren. Umgekehrt stellen die medienspezifischen Besonderheiten auch eine Chance fiir bestimmte Themen bzw. Akteure dar: Greenpeace liefert immer wieder illustrative Beispiele dafiir, wie es auch einer NichtRegierungs-Organisation gelingen kann, sich durch die Produktion fernsehgeeigneter Bilder in dieser Mediengattung zu platzieren (Baringhorst 1998). Je nach Mediengattung werden also bestimmte Themen und Ereignisse, aber auch Akteure und Inhalte begiinstigt und zugleich die Hiirden fiir andere hoher gelegt. Daraus folgt, dass die von uns diagnostizierte Hegemonie der Befiirworter von Humangenomforschung auch an der Auswahl der von uns untersuchten Medien liegen konnte. Denn wir haben erstens Printmedien untersucht, in denen textorientierter, moglicherweise auch rationaler und argumentativer berichtet wird als in anderen Medien. Zweitens handelt es sich um Leitmedien, die eher von Eliten gelesen werden und in denen sich entsprechend auch bestimmte Akteure einfacher prasentieren konnen als andere; hier finden sich also mutmafilich eher Eliten, Entscheidungstrager usw. Drittens haben wir Leitmedien untersucht, die in der Mitte des deutschen und des US-amerikanischen Spektrums redaktioneller Linien liegen (fiir Deutschland vgl. z. B. Eilders 2002; fiir die „New York Times" vgl. z. B. Puglisi 2004). Auch dies hat evtl. einen Effekt auf die Berichterstattung, schliefit es doch periphere Akteure vom linken oder rechten Rand des politischen Spektrums tendenziell eher aus - u. a. deshalb, weil sie den untersuchten Zeitungen eben nicht als „opportune Zeugen'' dienen konnen. Um der Vermutung eines mediumsspezifischen „Bias" in unserer Studie nachzugehen, haben wir die Analyse auf ein anderes Medium gesellschaftlicher Offentlichkeit ausgedehnt: auf das Internet. Denn dieses gilt als ein kommunikativer Raum, der grundsatzlich anders strukturiert ist als herkommliche Massenmedien, weil das Bereitstellen von Informationen auf einer Internetseite zwar nicht ganzlich kostenfrei, aber doch mit dramatisch geringeren Kosten verbunden ist als das Betreiben
5.1 Die Kommunikation liber Humangenomforschung im Internet
157
eines Fernseh- oder Horfunksenders oder auch das Publizieren eines Printmediums. Weiterhin gibt es im Internet kaum Restriktionen fiir den Umfang und die Art der Informationen, die bereitgestellt werden konnen. Im Vergleich zu anderen Medien lasst sich online eine nahezu unlimitierte Textmenge, ggf. auch in Kombination mit multimedialen Elementen prasentieren. Schliefilich fehlt im Internet die Auswahl und Bearbeitung der Inhalte durch professionalisierte Journalisten; ohne diesen Selektionsfilter konnen sich eine Vielzahl von Akteuren und Inhalten in diesem Medium prasentieren. Auf die eben skizzierte offene Struktur des Internets griinden sich eine ganze Reihe von Hoffnungen.^ Manche Autoren vermuten, das Internet sei aufgrund seiner offenen Struktur besser als andere Offentlichkeiten in der Lage, einen emanzipatorischen Diskurs zu befordern. Das Internet, so die Hoffnungen bzw. Diagnosen, ermogliche es auch ressourcenschwachen Akteuren, sich offentlich darzustellen. Damit bote das Internet im Vergleich zu den traditionellen Massenmedien auch iiblicherweise marginalisierten Akteuren, etwa aus der Zivilgesellschaft, sowie eher randstandigen Deutungen von Themen einen besseren Zugang zum Offentlichkeitssystem. (vgl. zusammenfassend zu dieser Diskussion Koopmans und Zimmermann 2003; Rucht et al. 2004) Gerade weil das Internet also haufig als eine alternative Offentlichkeit und als Gegenpol zu der tradierten massenmedialen Offentlichkeit konzipiert wird, haben wir unsere Untersuchung von Printmedien durch eine Analyse des Internets erganzt.^ Wir haben untersucht, ob sich im
^ Dass mit einem neu eingefiihrten Medium Hoffnungen auf eine Demokratisierung der Kommunikation verbunden werden, ist durchaus kein neues Phanomen. Ahnliches lasst sich bei der Einfiihrung einer ganzen Reihe von neuen Medien finden. Ein pragnantes Beispiel dafiir ist die Radiotheorie BertoU Brechts, der den Horfunk in den 1930ern als Instrument zur offentUchen Emanzipation der Arbeiterklasse nutzen woUte (vgl. Brecht 1932a; 1932b). 2 Es gibt noch weitere, jedoch nachgeordnete Griinde fiir die Auswahl des Internets. Erstens wurden in den anderen Medien, in Horfunk und Fernsehen also, nicht allzu viele einschlagige Beitrage iiber Humangenomforschung publiziert. Zweitens ist die Akquise und Analyse audiovisueller oder auditiver Medienbeitrage deutlich aufwandiger als die Analyse von Texten. Eine solche Analyse war von uns zusatzlich nicht zu leisten, das Internet als eher
158
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
Internet andere Akteure, Positionierungen und Deutungsmuster finden als in den untersuchten Printmedien. Datengrundlage waren diejenigen Internetseiten, die bei einer Schlagwortsuche zu Humangenomforschung in den jeweils drei meistgenutzten Internet-Suchmaschinen Deutschlands und der USA erscheinen. Ausgewertet wurden jeweils die 30 erstgenannten Internetseiten aller sechs Suchmaschinen, insgesamt also 180 Internetseiten, von denen nach der Datenbereinigung und dem Ausschluss nicht mehr auffindbarer Internetseiten noch 144 iibrig blieben (s. Kapitel 3).3 In der Darstellung unserer Befunde folgen wir dem gleichen Aufbau wie bei der Analyse der Printmedien: Wir werden also zunachst die strukturellen Grundcharakteristika erlautern (1) und dann die Dimensionen Standing (2), Positionierung (3) und Framing (4) analysieren, wenn auch mit einigen Modifikationen, die den Spezifika des Mediums Internet geschuldet sind. 1. Bei der Beschreibung der Strukturen der Berichterstattung in den Printmedien haben wir uns die Grofie, den zeitlichen Verlauf, die Anlasse und die redaktionelle und stilistische Verortung der nationalen Diskurse angesehen. Nur wenige dieser Dimensionen sind ftir die Beschreibung des Mediums Internet sinnvoll und moglich. Und umgekehrt gilt, dass es Dimensionen der Darstellung gibt, die nur fiir das Internet, nicht aber fiir Printmedien relevant sind. Ein Vergleich der Strukturmerkmale der Darstellung von Humangenomforschung im Internet und in den Printmedien ist entsprechend nur begrenzt moglich. Die Ergebnisse der StrukturDimension unserer Internetanalyse scheinen aber fiir sich genommen interessant genug zu sein, um auf eine Darstellung nicht ganz zu verzichten. Aussagen (iber die Grofie nationaler Diskurse lassen sich fur das Internet kaum treffen, wenigstens nicht auf der Basis unserer Stichprobe. Denn deutsche und US-amerikanische Suchmaschinen finden natiirlich textbasiertes Medium wurde daher auch aus forschungspragmatischen Griinden ausgewahlt. ^ Der Terminus „deutsche Seiten" bezieht sich hier und im folgenden immer auf die Ergebnisseiten deutscher Suchmaschinen; dort konnen natiirUch auch Seiten aus anderen Landern erscheinen.
5.1 Die Kommunikation liber Humangenomforschung im Internet
159
auch Seiten, die nicht originar aus diesen beiden Landern stammen. Somit darf auch die Tatsache, dass mit den US-Suchmaschinen deutlich mehr Seiten gefunden wurden - „Google" und „Yahoo" wiesen in den USA jeweils liber eine Million Treffer flir unseren Suchbegriff auf, in Deutschland dagegen nur ca. 1300 -, nicht liberbewertet werden. Auch Aussagen liber den zeitlichen Verlauf der Debatte sind flir das Internet nicht valide moglich. Denn etwa die Halfte der von uns gefundenen Seiten war nicht datierbar. Diejenigen, die ein Datum angaben, stammten aus den Jahren zwischen 2000 und 2003. Schliefilich konnen wir auch keine Aussagen liber die redaktionelle Verortung der gefundenen Seiten machen, weil es im Internet keine den Printmedien analoge Ressortverteilung gibt. Uber zwei strukturelle Dimensionen lassen sich aber zumindest annaherungsweise Aussagen treffen: liber die Berichterstattungsanlasse und liber die stilistische Verortung der Internet-Kommunikation. Lassen sich auf den untersuchten Internetseiten Anlasse fiir die Textgenese identifizieren^ so kommen diese mit grofier Mehrheit von Wissenschaftlern; in den USA ausschliefilich (allerdings bei extrem geringen Fallzahlen), in Deutschland zu liber der Halfte (53 %, s. Tabelle 5.1). In Deutschland sind aufierdem auch Vertreter der Politik (20 %), aus Wirtschaft und Medien (je 10 %) gelegentlich Veranlasser, wahrend zivilgesellschaftliche Akteure (7 %) nur einen kleinen Teil der Internetseiten resp. der darauf enthaltenen Texte veranlassen. Die Veranlasserstruktur des Internets entspricht damit in der Grobstruktur der der Printmedien.
'* Es ist allerdings festzuhalten, dass sich in Deutschland auf den meisten Internetseiten (55 %) und in den USA auf fast alien Internetseiten (96 %) keine Anlasse identifizieren lassen, die zum Verfassen der jeweiligen Texte angeregt haben. Diese wurden hier aus der Analyse ausgeschlossen.
160 Tabelle 5.1:
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie Anlasse der Berichterstattung iiber Humangenomforschung im Internet (in %)
Wissenschaft Politik Wirtschaft Zivilgesellschaft Sonstige externe Journalisten N
Anlasse aufdeutschen Seiten 53,3 20,0 10,0 6,7 0,0 10,0 30
Anlasse auf US-Seiten 100,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 3
Ein Vergleich der Textgattungen, die man im Internet findet, mit denen der Printmedien ist kaum moglich, da es im Internet Stilformen gibt, die in den Printmedien nicht existieren. Dabei handelt es sich um Servicetexte, hauptsachlich um Glossare, Erklarungen, vor allem aber um Linklisten sowie um Hinweise auf weiterfiihrende Informationen oder Kontakte. In der Internetkommunikation beider Lander nehmen diese Servicetexte den meisten Platz ein. Wahrend sie allerdings in Deutschland nur 36 % der Texte ausmachen und dort auch andere tatsachenbetonte sowie meinungsbetonte Texte eine relevante RoUe spielen, machen Servicetexte in den USA neun Zehntel aller Texte aus (s. Tabelle 5.2). Tabelle 5.2:
Textformen der Berichterstattung iiber Humangenomforschung im Internet (in %)
Service/Glossar etc. Andere tatsachenbetonte Texte Meinungsbetonte Texte Sonstige Texte N
Deutschland 35,8 29,9 17,9 16,4 67
USA 90,9 0,0 0,0 9,1 77
Im Unterschied zu den Printmedien ist es ein Spezifikum des Internets, dass man zwischen den Anbietern von Internetseiten einerseits und deren Autoren andererseits unterscheiden kann. Unter einem Anbieter ei-
5.1 Die Kommunikation iiber Humangenomforschung im Internet
161
ner Internetseite ist das Individuum oder die Institution zu verstehen, die den Ort der Publikation zur Verftigung stellt; tiblicherweise ist diese Person oder Institution auch diejenige, die in der Internetadresse, der URL, erwahnt wird. Bei der Internetseite www.fu-berlin.de etwa ist der Anbieter der Seite die Freie Universitat Berlin. Auf den Seiten dieser Anbieter konnen nun aber Texte unterschiedlicher Autoren prasentiert werden: Texte von Professoren, die ihre Forschungsergebnisse auf diese Weise veroffentlichen, Texte der Universitatsverwaltung, die Formulare zur Verftigung stellt, oder auch Texte von Studierenden, die sich auf diese Weise iiber Zimmer in Wohngemeinschaften u. a. informieren. In dieser Dimension gibt es nun Unterschiede zwischen traditionellen Massenmedien und dem Internet: Wahrend bei den Printmedien die Anbieter der jeweiligen Publikationen mit den entsprechenden Zeitungen gegeben sind und damit konstant bleiben, gibt es online ein Spektrum an unterschiedlichen Anbietern, die Internetseiten und entsprechende Inhalte zur Verftigung stellen. Auch die Autoren der jeweiligen Texte kommen im Internet aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und sind nicht, wie in Printmedien, fast ausschliefilich Journalisten. In der breit gefacherten Herausgeberschaft und in der Vielfalt der Autoren im Internet schlagt sich also nieder, dass die selektierende Gatekeeper-Macht von Journalisten online deutlich weniger ausgepragt ist. Tabelle 5.3:
Anbieter von Internetseiten zu Humangenomforschung (in %)
Anbieter deutscher Seiten Wissenschaft 31,3 Politik 7,5 Wirtschaft 4,5 Zivilgesellschaft 13,4 Sonstige 6,0 Externe 37,3 Journalisten 67 N
Anbieter von US-Seiten 62,3 18,2 3,9 1,3 1,3
Autoren deutscher Seiten 32,8 7,5 4,5 6,0 4,5
Autoren von US-Seiten 59,0 4,9 4,2 3,5 2,8
13,0
44,8
25,7
77
67
77
162
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
Sieht man sich die Anbieter und die Autoren der analysierten Seiten genauer an, dann zeigt sich in beiden Dimensionen ein ahnliches Bild: Etablierte gesellschaftliche Akteure sind deutlich iiberreprasentiert. Die meisten Seiten und die Mehrzahl der Texte stammen von Wissenschaftlern, genauer von Bio- und Naturwissenschaftlern (v. a. in den USA) sowie von Journalisten. Die mit dem Internet verbundenen Hoffnungen auf einen egalitareren Diskurs, der auch gesellschaftlich periphere Akteure mit einschlieCt, werden eher enttauscht. Es sind nicht die Internetseiten der sozialen Bewegungen, der Nicht-Regierungs-Organisationen und engagierter Privatbiirger, kurz: der Zivilgesellschaft, die bei der Internetsuche erscheinen, auch wenn zivilgesellschaftliche Anbieter, wenigstens in Deutschland, einen nicht unerheblichen Teil der relevanten Internetseiten bereit stellen bzw. geschrieben haben.^ Wir haben es also auf den untersuchten Internetseiten genauso wie in den untersuchten Printmedien mit Kommunikationen zu tun, die v. a. von Wissenschaftlern der fiir Humangenomforschung einschlagigen Fachdisziplinen angestoi?en und betrieben werden 2. Es gibt im Internet keine ahnlich rigiden Beschrankungen des redaktionell verfiigbaren Raums wie in anderen Massenmedien, und die Entscheidungen iiber die Reprasentanz einzelner Akteure sind weniger zentralisiert als in Zeitungsredaktionen. Fiir die Standing-Dimension kann man entsprechend annehmen, dass im Internet ein breiteres Akteursspektrum zu Wort kommt als in den Printmedien und dass die professionalisierten Akteure die Debatte im geringeren Mafie beherrschen.
5 Eine Studie von Dieter Rucht, Mundo Yang und Ann Zimmermann, bei der netzbasierte Kommunikation zuni Thema Genfood untersucht und mit den printmedialen Diskursen verglichen wurde, kommt zu ahnlichen Befunden (Rucht et al. 2004).
5.1 Die K o m m u n i k a t i o n (iber H u m a n g e n o m f o r s c h u n g im Internet Tabelle 5.4:
163
S t a n d i n g z u m T h e m a H u m a n g e n o m f o r s c h u n g im Internet in b e i d e n L a n d e r n (in %)
Wissenschaft Bio- / Naturwissenschaftler Sozial- / Geisteswissenschaftler Wissenschaftsadministration Andere Wissenschaftler Wirtschaft Biotech-/Pharmaunternehmen Borsenmakler / Fondsmanager Zentrum der Politik Exekutive Legislative Judikative Parteien Andere Politiker Peripherie der Politik: Zivilgesellschaft Kirche Soziale Bewegungen / NGOs Patienten / Behinderte / Wohlfahrtsverbande Kiinstler Andere Zivilgesellschaft Sonstige Leser Andere Akteure Exteme Joumalisten N
Deutschland 49,3 46,0 3,3 0,0 0,0 4,7 2,0 2,0 0,7 12,0 5,3 0,0 0,0 0,7 6,0 3,3 0,0 0,7 1,3 0,0 1,3 2,0 0,0 2,0 28,7 150
USA 79,2 70,1 0,0 8,0 1,1
Gesamt 60,4 54,9
2,3 2,3 0,0 0,0 3,4
3,8
2,1 3,0 0,4
1,1 0,0 0,0 0,0 2,3
2,1 1,3 0,4 8,8 3,8 0,0 0,0 0,4 4,6
4,6 0,0 0,0 0,0 0,0 4,6
3,7 0,0 0,4 0,8 0,0 2,5
14 0,0
1,7 0,0
1,1 9,2 87
1,7 21,5 240
Die Auswertung der Standing-Struktur zeigt allerdings ein Bild, das in seinen Grundziigen den analysierten Printmedien entspricht. Am haufigsten von alien Akteuren kommen Wissenschaftler zu Wort, sie machen in Deutschland etwa die Halfte, in den USA mehr als drei Viertel aller Akteure aus. Dabei handelt es sich in beiden Landern - ahnlich wie in
164
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
den Printmedien - v. a. um Humangenomforscher sowie um Bio- und Naturwissenschaftler. Erst mit deutlichem Abstand folgen externe Journalisten, noch einmal deutlich dahinter Politiker. Wirtschaftsvertreter und die Reprasentanten der Zivilgesellschaft bleiben in beiden Landern randstandig, Vertreter der Justiz oder der Kirchen waren auf den untersuchten Internetseiten nicht zu finden. Kurzum: Die Internetkommunikation wird von etablierten Akteuren, vornehmlich von der Wissenschaft bestimmt. In der Standing-Dimension werden die Hoffnungen auf eine andere, egalitarere Internetkommunikation also nicht erfiillt. 3. Die Positionierung der Akteure gegeniiber der Humangenomforschung stellt die zweite Analysedimension dar.^ Interpretiert man das Internet als alternativen, egalitareren Kommunikationsraum, dann kann man erwarten, dass es in dem Sinne ein Korrektiv zum affirmativen Humangenomforschungsdiskurs in den Leitmedien darstellt, als sich dort mehr kritische Stimmen und negativere Bewertungen finden miissten. Dem ist allerdings nicht so. Die Bewertungen, die in der Internetkommunikation geaufiert werden, sind, wie schon in den Printmedien, iiberwiegend positiv. Im Internet verstarkt sich der Trend zu positiven Bewertungen dabei sogar noch einmal: Der Anteil positiver Bewertungen der Humangenomforschung liegt in Deutschland bei deutlich mehr als der Halfte aller bewertenden Aussagen, und in den USA wird Humangenomforschung auf nahezu jeder untersuchten Internetseite positiv bewertet (wenn auch bei geringen Fallzahlen, Tabelle 53). Auch wenn die Fallzahl sehr gering ist, haben wir zusatzlich die akteursspezifischen Unterschiede in der Bewertung von Humangenomforschung ausgewertet (Ergebnisse werden nicht ausgewiesen). Dabei deutet sich fiir die Internetkommunikation eine Struktur an, die auch schon in der Printmedienanalyse sichtbar war: Die stark reprasentierten Biound Naturwissenschaftler befiirworten die Humangenomforschung iiberdurchschnittlich haufig, die reprasentierten Medienvertreter sind in ^ Bei der Auswertung dieser Dimension wurde, wie auch schon bei den Printmedien, ein grofier Teil der Artikel ausgeschlossen. Denn die Halfte der deutschen (48 %) und drei Viertel (71 %) der US-amerikanischen Internetseiten enthalten keine Bewertungen der Humangenomforschung.
5.1 Die Kommunikation liber Humangenomforschung im Internet
165
ihren Bewertungen eher ambivalent. Sozial- und Geisteswissenschaftler und Vertreter der Zivilgesellschaft sind die Akteure, die Humangenomforschung am kritischsten gegeniiber stehen. Tabelle 5.5:
Positiv Ambivalent Negativ N
Bewertung der Humangenomforschung im Internet in beiden Landern (in %) Deutschland 58,2 20,3 21,5 79
USA 96,0 4,0 0,0 25
Gesamt 67,3 16,3 16,3 104
4. Auch fiir die dritte Analysedimension, das Framing der Humangenomforschung, zeigt sich bei der Analyse der Internetkommunikation ein Bild, das von der Untersuchung der Printmedien bereits bekannt ist: Wissenschaftliche und medizinische Deutungen dominieren das Diskursfeld und dies noch deutlicher als in den Printmedien. Auch im Internet macht dabei das Deutungsmuster, das auf die medizinische Nutzung der Humangenomforschung verweist, den groGten Teil des Framings aus; dies gilt fiir beide Lander gleichermaf?en. An zweiter Stelle rangiert auch hier der ethisch-soziale Deutungsrahmen; dieser hat aber in der Internetkommunikation beider Lander noch weniger Bedeutung als in den Printmedien. Allerdings gibt es auch Deutungsmuster, die im Internet eine starkere Bedeutung haben als in den Printmedien. So finden innerhalb des wissenschaftlichen Deutungsrahmens einige Deutungsmuster mehr Raum, die printmedial kaum beachtet werden, beispielsweise die Diskussion, ob die allgemeine Zuganglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse gewahrleistet sein miisse. Und iiberraschend: Wahrend politische Deutungen in deutschen Printmedien einen hoheren Stellenwert hatten als wirtschaftliche, ist dies im Internet umgekehrt. Das gleiche findet sich mit anderen Vorzeichen auch fiir die USA: Dort sind printmedial wirtschaftliche Deutungen starker vertreten als politische, aber auf den US-Internetseiten kehrt sich dies um. Diese Unterschiede bewegen sich aber insgesamt auf
166
5. Medien- und landerubergreifende Hegemonie
einem quantitativ recht niedrigen Niveau. Festzuhalten ist: Die Ergebnisse der Internet-Analyse ahneln denen der Printmedien-Analyse in einem frappierenden Mafie. Auch in der Framing-Dimension werden die Hoffnungen auf einen egalitareren Diskurs also nicht erflillt. Tabelle 5.6:
Framing der Humangenomforschung im Internet in beiden Landern (in %)
Wissenschaftlich-medizinischerDeutungsrahmen Wissenschaftlicher Fortschritt durch HGF Medizinischer Fortschritt durch HGF Forschungsfreiheit und -pflichten Zuganglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse Forschungsforderung Selbstregulierung der Wissenschaft Okonomischer Deutungsrahmen Betriebswirtschaftliche Effekte Volkswirtschaftliche Effekte Politischer Deutungsrahmen Politische Regulierung der HGF Gesellschaftliche Partizipation an der Regulierung Ethisch-sozialer Deutungsrahmen Menschenbild
Deutschland USA Gesamt 71,4 71,6 71,1 19,7 24,1 10,9 30,7 33,2 29,4 0,5 1,6 1,2 12,7 16,6 10,8 3,9 1,6 3,1 4,0 8,3 1,8 8,4 4,1 7,0 4,0 4,5 3,1 3,0 3,9 1,0 10,4 17,6 6,9 12,4 4,5 7,1 5,2 3,3 2,4 13,2 7,3 11,1 0,0 2,8 4,2 2,4
Diskriminierung Eigentumsrechte und Patentierung
4,5
3,1 2,6
2,6 3,8
Ethische und moralische Fragen allgemein N
2,1 381
1,6 193
1,9 574
Sieht man sich nun noch die Nutzung der Deutungsmuster durch die einzelnen Akteure an (s. Tabelle 5.7, nicht alle Ergebnisse sind auf der Basis der geringen Fallzahl interpretierbar), dann stellt man auch hier fest, dass die wesentlichen Befunde der Printmedienanalyse sich wiederholen: Fiir fast alle Akteure in beiden Landern spielen wissenschaftliche und medizinische Deutungen die Hauptrolle. Die iibrigen Deutungsrahmen folgen erst mit deutlichem Abstand. Bio- und Naturwissenschaftler
5.1 Die Kommunikation iiber Humangenomforschung im Internet
167
nutzen in erster Linie wissenschaftlich-medizinische Interpretationen, V. a. in den USA beschaftigen sie sich zudem noch mit der politischen resp. innerwissenschaftlichen Regulierung der Humangenomforschung. Sozial- und Geisteswissenschaftler treten iiberhaupt nur in Deutschland auf; dort verwenden sie gleich oft wissenschaftlich-medizinische und ethisch-soziale Deutungen. Medienakteure nutzen v. a. wissenschaftlichmedizinische sowie nachgeordnet wirtschaftliche und ethisch-soziale Deutungen. Politische Akteure treten fast nur in Deutschland auf, dort reden sie vor allem iiber medizinisch-wissenschaftliche Fragen und Fragen volkswirtschaftlicher Verwertung. Wirtschaftliche Akteure treten in beiden Landern kaum auf. Zivilgesellschaftliche Akteure treten nur in Deutschland nennenswert auf. Sie thematisieren neben wissenschaftlichmedizinischen Punkten auch politisch-regulative Fragen. Unsere Analyse zeigt also insgesamt, dass die neue und vermeintlich alternativ-egalitare Offentlichkeit Internet, zumindest beim Thema Humangenomforschung, der mit ihr verbundenen Hoffnung nicht gerecht wird. Obwohl man aufgrund der offenen Struktur des Internet vermuten kann, dass die dortigen Kommunikationen egalitarer sind, dass der Zivilgesellschaft mehr Raum geboten wird und dass die Deutungsangebote heterogener und heterodoxer sind, finden wir im Internet ein ahnliches Bild wie in den Printmedien: Die Kommunikation strukturieren und bestreiten iiberwiegend wissenschaftliche, genauer gesagt bio- und naturwissenschaftliche Akteure. Die Positionierung dieser Akteure Humangenomforschung gegentiber ist iiberwiegend affirmativ, und die Deutungen sind vornehmlich wissenschaftlich-medizinischer Natur und beides sogar noch starker als in den Printmedien. Auch im Internet zeigen sich also Indizien fiir eine offentliche Hegemonie von Humangenomforschungs-Befiirwortern und affirmativen Deutungen.
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
168 TabelleSJ:
Framing der Humangenomforschung, differenziert nach Akteursgruppen, fiir beide Lander getrennt (in %)
Deutschland Deutun^srahmen Wissenschaftl.medizinisch Okonomisch Politisch Ethisch-sozial N
Bio- u. Soz. Wis. ?o\iiik Wiri- Zivil- Medien Andere Gesamt sch. ges. Nat. Gei. Adwiss. Wiss. min. 78,4
40,9
-
78,1
36,4
79,3
68,6
68,4
71,3
1,5 9,0 11,2 134
0,0 18,2 40,9
' '
22
0
12,2 4,9 4,9 41
63,6 0,0 0,0 11
3,4 10,3 6,9 29
14,0 0,8 16,5 121
0,0 21,1 10,5 19
8,5 6,9 13,3 377
USA Bio- u. Soz. Wis. Voliiik Wirt- Zivil- Medien Andere Gesamt sch. ges. Nat Gei. Adwiss. Wiss. min. Wissenschaftl.medizinisch Okonomisch Politisch Ethisch-sozial N
73,5
-
52,9 100,0
66,6
75,0
76,0
66,6
71,0
2,3 19,5 4,7 128
'
0,0 35,3 11,8 17
33,3 0,0 0,0 6
25,0 0,0 0,0 4
8,0 4,0 12,0 25
0,0 0,0 33,3 3
4,1 17,6 7,3 193
0
0,0 0,0 0,0 3
Die Tatsache, dass wir medieniibergreifend zum gleichen Befund kommen, macht es unwahrscheinlich, dass die beschriebenen DiskursCharakteristika auf Spezifika der analysierten Medien zuriick zu fiihren sind. Die offentliche Hegemonie der Befiirworter der Humangenomforschung scheint kein Artefakt unserer Medienauswahl zu sein, sondern ein durchgehendes Merkmal unterschiedlicher Offentlichkeitsforen sowohl in Deutschland als auch in den USA. Dafiir lasst sich noch ein weiteres Indiz anfiihren: Bei anderen Themengebieten, auch bei thematisch nahe liegenden Themen, unterscheiden sich die Diskurse in den von uns untersuchten Medien durchaus voneinander. So zeigen andere Studien, die die gleichen (Leit)Medien analysiert haben, teils kontroverse Auseinandersetzungen zu Themen wie Stammzellforschung, Praimplantati-
5.2 Diskurse liber Humangenomforschung in anderen Landern
169
onsdiagnostik usw. (vgl. fiir Deutschland Graumann 2002; 2003; fiir die USA Nelkin 1992: Xllff; 1995; Nisbet und Lewenstein 2002).
5.2 Diskurse xiber Humangenomforschung in Frankreich, Grofibritannien und Osterreich Wir wollen die Robustheit unserer Ergebnisse noch durch einen zweiten Vergleich uberpriifen. Die berichteten Befunde konnten auch mit den Spezifika der beiden ausgewahlten Lander, d. h. mit eventuell besonderen nationalen Gegebenheiten zusammenhangen. Schliefilich sind nicht alle Themen, Akteure und Inhalte gleich gut fiir alle nationalen Kontexte „kulturell resonanzfahig" (vgl. Gamson 1992). Dies gilt erstens fiir die gesellschaftlichen Akteure, die sich zu einem Thema zu Wort melden: Es hangt u. a. von der kulturellen Resonanz eines Themas in einem Land ab, welche und wie viele Akteure sich wie intensiv darum bemiihen, sich zu diesem Thema zu Wort zu melden und wie viele es von ihnen tatsachlich bis in die Massenmedien schaffen. Das Thema Abtreibung etwa aktivierte in Deutschland, wo es stark von staatlichen Akteuren und Parteien verhandelt wurde, ein anderes Akteursensemble als in den USA, wo zivilgesellschaftliche Akteure eine deutlich starkere Rolle spielten (Ferree et al. 2002: bes. 86ff). Dies gilt in ahnlicher Weise, zweitens, auch fiir die Inhalte der Kommunikation; denn welche Deutungsmuster gesellschaftlich anschlussfahig sind, variiert von Land zu Land. In Deutschland spielte in der Abtreibungsdebatte z. B. der Schutz ungeborenen Lebens eine starkere Rolle, wahrend in den USA eher die Selbstbestimmung der Frau im Mittelpunkt stand (Ferree et al. 2002:105ff). Dies gilt drittens auch fiir die journalistische Verarbeitung von Themen; auch Journalisten bilden mit ihren Selektionen und Prasentationsroutinen, mit denen sie u. a. Publikumspraferenzen nachzubilden versuchen, landerspezifische Resonanzstrukturen ab. Je nach der Passung eines Themas in nationale Resonanzstrukturen entfaltet sich der Diskurs liber dieses Thema also recht unterschiedlich. Vor diesem Hintergrund ist es denkbar, dass Standing, Positionierung und Framing in den Diskursen liber Humangenomforschung
170
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
zwar generell von Land zu Land variieren, nicht aber zwischen Deutschland und den USA. Von einer transnationalen Hegemonie wird man nur dann sprechen konnen, wenn sich unsere Befunde auch in anderen Landern nachweisen lassen. Dieser Vermutung kann man aber, gerade beim Thema Humangenomforschung, eine andere Hypothese entgegen stellen. Denn bei diesem Thema konnte die Varianz zwischen den Diskursen unterschiedlicher Lander schwacher sein als bei anderen Themen. Mit dem Human Genome Project und auch der Human Genome Organization existiert eine international Akteursstruktur, die zu ahnlichen Strukturmerkmalen von Diskursen in unterschiedlichen Landern fiihren kann (vgi. O'Mahony und Schafer 2005). Die Tatsache, dass sich der deutsche und der USamerikanische Diskurs in den von uns untersuchten Dimensionen ahneln, lasst sich als ein erstes Indiz fur diese These lesen. Ob die These dariiber hinaus erhartet werden kann, ist nur empirisch zu beantworten. Wir haben daher die Printmedien dreier weiterer Lander ausgewertet. Dabei wurden - analog zur Untersuchung des deutschen und des USDiskurses - jeweils zwei Leitmedien dieser Lander ausgewahlt und deren gesamte Berichterstattung iiber Humangenomforschung in die Untersuchung einbezogen: fiir Grofibritannien „The Guardian" und „The Times", fiir Frankreich „Le Monde" und „Le Figaro" und fiir Osterreich „Der Standard" und „Der Kurier". Entscheidend fiir die Auswahl der Lander war zum einen, dass zwei von ihnen (Frankreich und Grofibritannien) am internationalen Human Genome Project beteiligt waren. Diese Lander stellen somit instruktive Vergleichsfolien fiir die Diskurse in Deutschland und den USA dar, die ja ebenfalls im Human Genome Project mitarbeiteten. Zudem haben wir ein Land einbezogen, das nicht an der Sequenzierung des menschlichen Erbguts beteiligt war, namlich Osterreich. Wir werden in der Beschreibung unserer Ergebnisse den bereits bekannten Dimensionen folgen, zunachst also die grundlegenden Strukturen der britischen, franzosischen und osterreichischen Diskurse beschreiben (1) und uns dann dem Standing (2), der Positionierung (3) und dem Framing (3) in diesen Landern zuwenden.
5.2 Diskurse iiber Humangenomforschung in anderen Landern
171
1. Ein basales Charakteristikum von Diskursen ist ihr Umfang. Wahrend sich in Deutschland 1040 und in den USA 868 Artikel zum Thema Humangenomforschung finden lassen, sind es in den drei zusatzlich analysierten Landern deutlich weniger Artikel: In Grofibritannien publizierten die beiden untersuchten Zeitungen von 1999 bis 2001 578 einschlagige Artikel, in Frankreich finden sich 491 Artikel, in Osterreich lediglich 229. Zum einen wird damit deutlich, dass die massenmediale Aufmerksamkeit fiir das Thema Humangenomforschung in den untersuchten Landern sehr unterschiedlich ausgepragt ist, und dass ihre Starke auch mit der Beteiligung der jeweiligen Lander an der Humangenomforschung verbunden zu sein scheint: In den vier Landern - in Deutschland, den USA, Groiibritannien und Frankreich also - die eigene Humangenomprojekte haben, ist die offentliche Debatte deutlich starker als in Osterreich.^ Schaubild 5.1: Umfang der Berichterstattung iiber Humangenomforschung in den fiinf untersuchten Landern (Anzahl an Artikeln)
D
USA
GB
7 Ahnliches lasst sich auch iiber die Diskurse in Irland (O'Mahony und Schafer 2005; Schafer 2001) und Itahen (Costa 2003: 13) zeigen, also fiir ebenfalls an der Humangenomforschung nicht beteiUgte Lander. Auch die nationalen Diskurse dieser Lander fielen recht klein aus.
172
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
Allerdings korreliert die Grofie der nationalen Diskurse nicht simpel mit dem Umfang der jeweiligen nationalen Genomprojekte (vgl. auch Rodder 2005: 48f). Egal, ob man sich die Menge der in den jeweiligen Landern sequenzierten DNA, den Umfang der nationalen Fordermal?nahmen oder die Zahl der beteiligten Institutionen ansieht (vgl. u. a. Human Genome Project Information 2004): in jedem Fall stellen die USA das grofite einheimische Genomprojekt, gefolgt von Grofibritannien, Frankreich und Deutschland. Der Umfang der nationalen Diskurse liber Humangenomforschung entspricht dieser Reihenfolge allerdings nicht (Schaubild 5.2).8 Der zeitliche Verlauf der Berichterstattung in den drei zusatzlich untersuchten Landern ist nur zum Teil mit dem in Deutschland und den USA identisch. Die britische Berichterstattung ist diejenige, die der deutschen und der US-Berichterstattung am starksten ahnelt (vgl. Rodder 2005: 50ff; fiir weitere Studien zum britischen Diskurs vgl. Nerlich et al. 2002; Smart 2003). Sie weist zum einen die gleichen intensiven Phasen auf - die Berichterstattung konzentriert sich auf die Prasentation der „Arbeitsversion" der menschlichen Genomsequenz im Juni 2000 in Washington und auf die Publikation der Genomsequenzen des Human Genome Projects und Celera Genomics' in „Nature" resp. „Science'' im Februar 2001. Auch die quantitativen Relationen zwischen diesen intensiven Hochphasen der Berichterstattung und den dazwischen liegenden Zeitraumen ahneln dem deutschen und dem US-Diskurs. Allerdings kann man dies fiir die anderen beiden Lander nicht in identischer Weise feststellen. Einerseits konzentrieren sich zwar sowohl in Frankreich als auch in Osterreich die Hochphasen der Diskurse ebenfalls auf die beiden genannten zentralen Ereignisse. Andererseits ist aber die Konzentration auf diese Ereignisse bei weitem nicht so ausgepragt wie in der angloameri-
^ Eine relevante Variable zur Erklarung dieser Unterschiede mag die ^carrying capacity" der verschiedenen untersuchten Zeitungen sein. Die redaktionellen Teile der untersuchten Zeitungen konnen unterschiedlich grofi sein; dies hat einen Einfluss auf den Raum, der iiberhaupt fiir die Berichterstattung zur Verfiigung steht. Ob sich die Landerunterschiede in der Berichterstattung iiber Humangenomforschung u. a. auf diesen Faktor zuriickfiihren lassen, k5nnen wir leider nicht priifen.
5.2 Diskurse iiber Humangenomforschung in anderen Landern
173
kanischen Berichterstattung oder in Deutschland. Die Berichterstattung in Frankreich und Osterreich ist weniger episodisch als in Deutschland, den USA und Gro6britannien, sie weist weniger klar identifizierbare Gipfel auf. Schaubild 5.2: Zeitlicher Verlauf der Berichterstattung iiber Humangenomforschung in den fiinf untersuchten Landern (Anzahl an Artikel pro Quartal)
250 200
i\.
150 100
/
v/0^ ^^^^^^ ^ V
/^^i^
50
. . ^ ^>^2^
j ^ H
1
1
^
\
1
1
1
1
1
\
!
l.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. l.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. l.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. 1999 1999 1999 1999 2000 2000 2000 2000 2001 2001 2001 2001 D
•USA
GB
•P - . . .
Dafiir verantwortlich ist auch, dass in diesen beiden Landern Ereignisse massenmediale Aufmerksamkeit erhalten, die in anderen Landern weniger beachtet werden. Dies sind zum einen Ereignisse, die den jeweiligen nationalen Kontexten entstammen: In Frankreich wird u. a. im Juli 1999 ausfiihrlich iiber die Erhohung der nationalen Forderhaushalte fiir Lebenswissenschaften im AUgemeinen und Humangenomforschung im Besonderen berichtet; auch der Hinweis von Maurice Gassier vom Centre
174
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
de recherche medecine, sciences, sante et societe im November 2000 auf die ethischen Implikationen der Humangenomforschung erfahrt eine besondere Medienresonanz (vgl. z. B. Reverchon 2000). In Osterreich fokussiert die massenmediale Berichterstattung neben den genannten Grofiereignissen z. B. auch auf die Etablierung einer Bioethikkommission durch den osterreichischen Kanzler Wolfgang Schiissel, mit der eine grundsatzliche Diskussion iiber die kritischen Implikationen der Biowissenschaften angestofien werden sollte (vgl. z. B. Schonbauer 2001). Tabelle 5.8:
Veranlasser der Berichterstattung iiber Humangenomforschung in den fiinf untersuchten Landern (in %)
Wissenschaft Wirtschaft Zentrum der Politik Peripherie der Politik: Zivilgesellschaft Sonstige Externe Journalisten N
D 53,2 13,0 21,3
USA 51,2 24,8 14,9
GB 44,3 19,7 26,7
f 34,4 32,5 20,1
A 57,6 14,1 3,5
6,6
3,9
4,4
3,4
1,2
2,5 3,2 437
2,5 2,5 355
0,0 4,8 228
0,0 9,6 209
1,2 22,4 S5
Schauen wir uns die Struktur der Veranlassung der Berichterstattung im Landervergleich an: In alien Landern handelt es sich bei den Anlassen der Berichterstattung, insofern sie identifizierbar sind^ vornehmlich um wissenschaftliche resp. von wissenschaftlichen Akteuren stammende Ereignisse. Die am Human Genome Project beteiligten Lander weisen dabei ein ahnliches Profil auf: Von Wissenschaftlern, genauer von Biound Naturwissenschaftlern stammende Ereignisse machen das Gros der Anlasse aus, gefolgt von Ereignissen der Wirtschaft und Politik (fiir Grofibritannien vgl. ahnlich Kitzinger und Reilly 1997: 324; Smart 2003). Im Vergleich dazu spielen Ereignisse, die von Akteuren der Zivilgesellschaft stammen, nur eine geringe Rolle. In Osterreich, einem Land ohne ^ Die Mehrzahl der untersuchten Artikel haben keinen klar identifizierbaren Anlass. Sie wurden dementsprechend hier von der Analyse ausgeschlossen.
5.2 Diskurse iiber Humangenomforschung in anderen Landern
175
eigenem Humangenomprojekt, findet sich ein etwas anderes Profil: Die Berichterstattung wird zwar auch hier in sehr hohem Mafie von Wissenschaftlern, v. a. von Bio- und Naturwissenschaftlern angestofien. Daneben orientieren sich die osterreichischen Journalisten aber auch an Journalisten anderer Lander, sowie an Wirtschaftsvertretern. Dagegen spielen Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft in Osterreich - einem Land, in dem es ja auch keinen akuten Regulierungsbedarf beziiglich der Humangenomforschung gibt - kaum eine Rolle. 2. Wahrend die Auswertungen auf der Artikelebene einige Unterschiede zwischen den analysierten Landern zu Tage gefordert haben, gilt dies flir die fur uns zentrale Standing-Dimension in nur geringem Mafie (Tabelle 5.9). Vergleicht man Grofibritannien, Frankreich und Osterreich miteinander, aber auch diese Lander mit Deutschland und den USA, dann zeigt sich, grosso modo, ein ahnliches Bild.^° In alien untersuchten Landern dominieren Wissenschaftler den Diskurs, und zwar Bio- und Naturwissenschaftler (vgl. mit ahnlichen Befunden fiir Grofibritannien Rodder 2005: 64f). Gefolgt werden sie jeweils - wie in Deutschland - von politischen Akteuren, vornehmlich von Akteuren der politischen Exekutive. Erst danach kommen Wirtschaftsvertreter zum Zuge; dass Reprasentanten der Wirtschaft in den USA einen vergleichsweise hohen Stellenwert haben, bleibt eine Ausnahme. Es folgen Journalisten von anderen als den hier untersuchten Medien; diese kommen v. a. in Osterreich zu Wort. Vertreter der zivilgesellschaftlichen politischen Peripherie sind dagegen in alien ftinf untersuchten Landern nur marginal reprasentiert, am starksten noch in Deutschland und in Grofibritannien. Die Standing-Struktur in den zusatzlich analysierten Landern ahnelt also dem Ergebnis, das wir von Deutschland und den USA bereits kennen.
^0 Analog zur Analyse des deutschen und des US-amerikanischen Diskurses wurden hier nur die extramedialen Akteure einbezogen, denen Aussagen klar zuzuweisen waren.
176 Tabelle 5.9:
5. M e d i e n - u n d landeriibergreifende H e g e m o n i e Standing in d e r Berichterstattung liber H u m a n g e n o m forschung in d e n fiinf u n t e r s u c h t e n L a n d e r n (in %)
Wissenschaft Bio-/Naturwissenschaftler Sozial- und Geisteswissenschaft Wissenschaftsadministration Andere Wissenschaftler Wirtschaft Biotech-ZPharmaunternehmen Borsenmakler / Fondsmanager Andere Wirtschaftsvertreter Exekutive Legislative Judikative Parteien Andere Politiker Peripherie der Politik: Zivilgesellschaft Kirche Soziale Bewegungen / NGOs Patienten / Behinderte / Wohlfahrtsverbande Kiinstler andere Zivilgesellschaft Sonstige Leser Andere Akteure Externe Journalisten N
D 56,1 39,1
USA 54,5 48,9
GB 57,0 43,7
f 49,6 41,8
A 68,7 55,7
10,4 3,5
2,4 3,4
2,9
3,1 9,8
3,1 1,2 1,3 21,9
6,1 2,6
16,4 3,6
1,1 17,8 10,1 1,3 1,6 0,8 3,9
1,9 10,1 5,6 0,7 0,7 0,4 2,7
6,7 1,2
7,5
1,2 3,7
8,0 2,0 3,0
11,2
16,8
7,0
7,b 3,4 0,3 15,6 13,9 0,3 0,3 0,0
13,5 0,8 2,5 27,0 18,0
4,0 1,0 2,0 12,9
1,0
4,1 0,4 0,0 4,5
11,4 1,0 0,0 0,0 0,5
3,4
7,1
0,8
3,5
1,1
0,1 0,5
2,0 1,4
0,0 0,4
1,5 0,0
0,6
0,3
2,0
0,0
1,0
2,5
1,6 0,8
1,7 0,0
0,4 0,0
1,0 0,0
3,4 3,4
5,8
2,5
5,8
2,0
0,0 0,0
0,0
0,0 3,4 295
0,4
0,0
3,3 244
8,0 201
1,4 4,2 3,8 0,5 5,4 811
6,8 694
Unterhalb dieser Gemeinsamkeiten finden sich Unterschiede zwischen den Landern. In Grofibritannien etwa spielen politische Akteure sowohl aus dem politischen Zentrum als audi aus der politischen Peripherie eine
5.2 Diskurse iiber Humangenomforschung in anderen Landern
177
vergleichsweise starke Rolle. In Frankreich, einem politisch eher zentralisierten Land (vgl. z. B. Kriesi et al. 1992; Kitschelt 1986), spielt das politische Zentrum eine sehr starke Rolle, die politische Peripherie dagegen praktisch keine. In Osterreich, einem nicht an der Humangenomforschung beteiligten Land, ist die Dominanz der - hier v. a. auslandischen Bio- und Naturwissenschaftler sehr ausgepragt. Daneben konnen sich jedoch auch, dies ahnelt dem deutschen Diskurs, vergleichsweise viele Sozial- und Geisteswissenschaftler im Diskurs auCern. Ebenfalls relativ haufig kommen externe Journalisten zu Wort, vornehmlich der wissenschaftlichen Fachmagazine „Nature" und „Science". Reprasentanten der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft konnen in Osterreich kaum Standing fur sich verbuchen. 3. Diese Standing-Struktur, die gekennzeichnet ist durch eine Dominanz derjenigen Akteure, die Humangenomforschung selbst betreiben Oder ihr qua Profession nahe stehen, lasst vermuten, dass sich die Diskurse der untersuchten Lander zumindest nicht durch eine Fundamentalopposition auszeichnen werden. Die Ergebnisse der Analyse entsprechen dieser Vermutung: Die codierten Bewertungen der Humangenomforschung^i sind in alien untersuchten Landern mehrheitlich positiv, die Debatte erfolgt eher affirmativ; auch hierin ahneln die drei zusatzlich untersuchten Lander Deutschland und den USA (vgl. ahnlich fiir Grofibritannien Kitzinger und Reilly 1997: 324; Rodder 2005: 77f; fur die USA, Grofibritannien, Frankreich und Italien Costa 2003). Tabelle 5.10: Bewertung der Humangenomforschung in den fiinf untersuchten Landern (in %) Positiv Ambivalent Negativ N
D 49,6 30,9 19,5 508
USA 72,9 20,6 6,4 436
GB 63,4 25,1 11,5 183
f 76,2 17,8 5,9 101
A 58,3 20,4 21,3 108
" Auch hier wurden nur die Bewertungen in die Analyse einbezogen, die als positiv, negativ oder ambivalent zu codieren waren. Neutrale Aussagen von Akteuren wurden ausgeschlossen.
178
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
Dabei unterscheiden sich die Lander lediglich in der Intensitat der Zustimmung zu Humangenomforschung. Das eine Extrem bilden der franzosische und der US-Diskurs; dort befiirworten etwa drei Viertel der bewertenden Aussagen von Akteuren die Humangenomforschung, wahrend so gut wie keine Gegner der Forschung zu Wort kommen. Die andere Seite des Spektrums stellen der osterreichische und der deutsche Diskurs dar; in diesen Landern findet sich zwar ebenfalls eine mehrheitliche Zustimmung zu Humangenomforschung, aber auch eine vergleichsweise hohe Zahl an Kritikern. Letztere machen in beiden Landern etwa ein Fiinftel der Akteursaussagen aus. Der britische Diskurs ist zwischen diesen beiden Landergruppen angesiedelt. Dort finden sich ebenfalls weniger Befiirworter als in Frankreich und den USA, aber auch weniger Kritiker als in Osterreich oder in Deutschland. Entsprechend sind im britischen Diskurs haufig Akteure reprasentiert, die der Humangenomforschung gegeniiber eine ambivalente Haltung einnehmen. 4. Es ist den Akteuren grundsatzlich moglich, ihre vornehmlich affirmativen Positionen mit unterschiedlichen Interpretationen und Argumenten zu begriinden. Sie konnen z. B. auf den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, der mit Humangenomforschung verbunden sein kann, auf das medizinisch nutzbare Potenzial oder auch auf den moglichen wirtschaftlichen Mehrwert verweisen. Die Bandbreite der Argumentationen bildet sich in den nationalen Deutungsmustern auch durchaus ab. Frappierend ist jedoch, wie ahnlich der Umfang ist, den die jeweiligen Deutungsmuster in Deutschland, den USA, GroCbritannien, Frankreich und Osterreich einnehmen. In der Framing-Struktur der fiinf untersuchten Lander lassen sich nicht nur grundlegende Parallelen aufzeigen, sondern die Ahnlichkeiten reichen bis in die Details hinein.
179
5.2 D i s k u r s e liber H u m a n g e n o m f o r s c h u n g in a n d e r e n L a n d e r n Tabelle 5.11:
F r a m i n g in der Berichterstattung liber H u m a n g e n o m forschung in d e n flinf u n t e r s u c h t e n L a n d e r n (in %)
Wissenschaftlich-medizin. Deutungsrahmen Wissenschaftlicher Fortschritt durch HGF Medizinischer Fortschritt durch HGF Forschungsfreiheit und -pflichten Zuganglichkeit wissenschaftl. Erkenntnisse Forschungsforderung Selbstregulierung der Wissenschaft Okonomischer Deutungsrahmen BetriebswirtschaftUche Effekte Volkswirtschaftliche Effekte Politischer Deutungsrahmen PoHtische ReguHerung der HGF Gesellschaftl. Partizipation an der ReguHerung Ethisch-sozialer Deutungsrahmen Menschenbild Diskriminierung Eigentumsrechte und Patentierung Ethische und moralische Fragen allgemein N
D 57,1 15,0 31,7 2,3 4,0 3,2 1,3 6,9 4,6 1,7 9,8 4,6 5,2
USA 68,5 19,0 34,8
GB f 64,6 63,6 14,4 12,6 35,2 31,1
A 64,2 14,8 34,1
1,9 9,3 3,0 0,5 10,5 8,2 2,2
1,4 1,2 8,9 12,0 3,6 6,7 0,0 1,1 4,5 3,9 4,2 1,8
1,1 9,5 3,9 0,8 4,4 3,6 0,8 13,4
4,6 3,5
8,1 4,7 7,4
1,2 16,4 5,7 4,3 4,7
6,1 1681
1,6 928
26,2
0,3 6,4 2,2 4,2
2,1 7,4 4,7 2,6
24,6 25,3 9,1 4,1 4,7 5,0 6,9 14,1 3,9 2,1 361 341
6,1 7,3 17,9 7,3 3,1 3,9 3,6 358
In alien Landern sind die Deutungsmuster aus dem Rahmen Wissenschaft und Forschung die die Debatte bestimmenden Interpretationen. Dabei dominieren medizinische Deutungen, die den moglichen medizinischen Nutzen der Forschung herausstellen, auf neue Diagnosechancen, Therapiemoglichkeiten und Langzeitfolgen verweisen und die in alien Landern etwa ein Drittel des Diskurses ausmachen. Ebenfalls stark vertreten sind Deutungsmuster, die den wissenschaftlichen Fortschritt thematisieren, der mit Humangenomforschung verbunden ist. Sie machen in alien untersuchten Landern ca. ein Sechstel aller Idee-Elemente aus. Wissenschaftliche und medizinisch-therapeutische Deutungsrahmen dominieren also den Diskurs (vgl. ahnlich flir Grofibritannien auch Kitzinger und Reilly 1997; Smart 2003: 30ff; ahnlich flir die USA, Grofibritannien,
180
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
Frankreich und Italien Costa 2003). Mit deutlichem Abstand folgt an zweiter Stelle der ethisch-soziale Deutungsrahmen. In der Haufigkeit der Nutzung spezifischer Idee-Elemente innerhalb dieses Rahmens lassen sich durchaus nationale Besonderheiten identifizieren: Im franzosischen Diskurs wird ofter (iber Eigentumsrechte und Patentierung gesprochen, im deutschen, britischen und osterreichischen ofter liber die genetische oder soziale Bestimmtheit des Menschen. An dritter und vierter Stelle liegen der politische und der wirtschaftliche Deutungsrahmen, die allerdings in den verschiedenen Landern unterschiedlich stark betont werden: Politische Deutungsmuster spielen v. a. in Osterreich und Deutschland eine Rolle. Wirtschaftliche Deutungsmuster finden sich v. a. in den USA. Resiimieren wir die Ergebnisse der erganzenden Analyse, bei der neben Deutschland und den USA noch die Diskurse dreier weiterer Lander einbezogen wurden. Auch wenn es beztiglich einiger Merkmale Unterschiede zwischen den Landern gibt, so ist die Ubereinstimmung beziiglich der zentralen Variablen doch erstaunlich hoch. Die auffindbaren Unterschiede beziehen sich vor allem auf den Umfang der Berichterstattung und den zeitlichen Verlauf der Debatte. Ubereinstimmungen finden sich dann aber bereits beim Anlass der Berichterstattung. Die Berichterstattung wird in den fiinf untersuchten Landern vornehmlich durch Ereignisse aus der Wissenschaft angestofien. Die Standing-Struktur wird in alien Landern durchgangig von Wissenschaftlern, genauer von Bio- und Naturwissenschaftlern dominiert. Die Bewertung von Humangenomforschung ist iiberwiegend positiv, und die dominanten Deutungsmuster sind wissenschaftlich-medizinische. Zwar lassen sich fiir alle diese Diskurs-Charakteristika auch einige Landerunterschiede finden, aber diese sind eher subkutan. Wie viel die Burger in den untersuchten Landern also iiber Humangenomforschung erfahren, und auch wann sie es erfahren, variiert. Aber was sie erfahren und von wem sie etwas erfahren, ist recht ahnlich. Mit anderen Worten: Beim Thema Humangenomforschung finden wir neben der medieniibergreifenden auch eine landeriibergreifende offentliche Hegemonie wissenschaftlicher Akteure, affirmativer Bewertungen und wissenschaftlich-medizinischer Deutungen.
5.2 Diskurse iiber Humangenomforschung in anderen Landern
181
Dieser Befund deckt sich mit den wenigen, teils recht klein angelegten Studien, die sich mit massenmedialen Diskursen iiber Humangenomforschung in anderen Landern beschaftigt haben. So lasst sich auf der Grundlage einer quantitativen Inhaltsanalyse von Leit-Printmedien in Irland (O'Mahony und Schafer 2005; Schafer 2001; 2004) zeigen, dass der irische Diskurs zwar deutlich kleiner ist als etwa der deutsche, in beiden Landern aber ein ahnliches Set von Akteuren zu Wort kommt und ahnliche Deutungen prasentiert werden. Studien aus anderen europaischen Landern decken sich mit diesen Befunden. Davo und Alvarez-Dardet (2003) haben die Humangenetik-Berichterstattung der drei meistgelesenen nationalen Tageszeitungen Spaniens, d. h. von „ABC", „E1 Pais" und „E1 Mundo" untersucht. Trotzdem ihr Analyseinteresse eher sprachwissenschaftlich auf die Verwendung von Metaphern im Diskurs gerichtet ist, ist ihr Befund auch fur unsere Zwecke aufschlussreich: Die Autoren diagnostizieren aufgrund der ausgiebigen Nutzung von strategischen Metaphern (im Gegensatz zu teleologischen und Kriegs-Metaphern) einen technokratischen und letztlich affirmativen Bias im spanischen Diskurs liber Humangenomforschung. Costa (2003) kann auf der Basis einer quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse nationaler Leit-Printmedien u. a. aus Italien („Corriere della Sera", „La Repubblica") ebenfalls zeigen, das das Human Genome Project vor allem positiv gewiirdigt und in erster Linie auf medizinische Deutungen dieser Forschung verwiesen wird. Und ahnliches gilt auch fiir Bonneuil (2004), dessen Analyse der offentlichen Debatte iiber Pflanzengenomforschung in Frankreich zeigt, dass dort v. a. instrumentelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Deutungen den Diskurs beherrschten, wahrend zivilgesellschaftliche und kritische Deutungen kaum eine Rolle spielten. Schliefilich soil hier noch auf eine kanadische Studie verwiesen werden (Racine et al. 2006). Auf der Basis einer Inhaltsanalyse nationaler Presseberichterstattung zwischen 1992 und 2001 diagnostizieren die Autoren einen Anstieg der Berichterstattung bis 2001 und damit einhergehend einen zunehmend positiveren Grundton. Sie betonen zudem die groCe Rolle medizinischer Deutungen im kanadischen Diskurs, einen zunehmenden Fokus auf wirtschaftliche Verwertungsaussichten und ein Absinken ethischer Deutun-
182
5. Medien- und landeriibergreifende Hegemonie
gen im Zeitverlauf, kurzum: einen „hype" um die Forschung am menschlichen Genom und eine Steigerung der massenmedial sichtbaren Akzeptanz dieses Forschungsbereiches. Alle diese Studien decken sich in ihren Resultaten also mit den hier referierten Befunden. Sowohl in den Printmedien als auch im Internet, sowohl in Deutschland und den USA als auch in den anderen drei zusatzlichen analysierten Landern, und zudem auch in weiteren Studien findet sich eine offentliche Hegemonie bio- und naturwissenschaftlicher Akteure, affirmativer Positionen und vornehmlich wissenschaftlichmedizinischer Deutungen in den Diskursen iiber Humangenomforschung. Oder anders formuliert: Wir haben es mit einer medien- und landeriibergreifenden offentlichen Hegemonie zu tun.
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Diskurscharakteristika
Im Mittelpunkt unserer bisherigen Analysen stand die systematische Beschreibung der dffentlichen Diskurse iiber Humangenomforschung im Landervergleich. Uber diese Beschreibung hinaus woUen wir im Folgenden versuchen, die Standing-, Positionierungs- und Framing-Struktur der Diskurse zu erklaren. Wie wir in der Einleitung bereits betont haben, werden wir dabei nicht in der Lage sein, eine Erklarung im strikten Sinne der wissenschaftlichen Bedeutung des Wortes zu prasentieren, in der verschiedene Ursachenfaktoren in ihrem relationalen Einfluss auf die abhangigen Variablen moglichst exakt bestimmt werden. Die hier angebotene Erklarung fufit auf Plausibilitatsargumenten, die von uns nur zum Teil empirisch abgesichert werden konnen. Wir hatten in der Einleitung auf zwei Modellvorstellungen zur Erklarung offentlicher Meinungsbildungsprozesse verwiesen, die wir hier wieder aufgreifen woUen. Das Agenda Building-Modell riickt die aufiermedialen Aktivitaten von Akteuren in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die Prasenz von Akteuren und Inhalten in der gesellschaftlichen Offentlichkeit wird diesem Modell zufolge entscheidend durch das Angebot bestimmt, das Redaktionen von Akteuren anderer Teilsysteme erhalten. Das, was in den Massenmedien als dem zentralen Forum der gesellschaftlichen Offentlichkeit erscheint und damit auch gesellschaftsweit beobachtet werden kann, ist in erster Linie bestimmt durch die Aktivitaten von Akteuren anderer Systeme und durch deren gezielt an das Offentlichkeitssystem gerichteten Handlungen. Die Offentlichkeitsarbeit von Akteuren, die nattirlich in Antizipation der Selektionslogik des Mediensystems erfolgt, ist wiederum bestimmt durch den Wert, den Akteure der Offentlichkeitsarbeit einraumen, und durch die Ressourcen, die sie
184
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
dafiir aufwenden konnen. Aus dem Zusammenspiel von Praferenzen und Ressourcen resultiert gewissermafien die Durchschlagskraft ihrer Offentlichkeitsarbeit. In einem Diskurs wird die derart bestimmte Starke der Offentlichkeitsarbeit eines Akteurs gegen die Starke der Offentlichkeitsarbeit anderer Akteure gewichtet; die relative Durchschlagskraft eines Akteurs entscheidet dann iiber seinen Erfolg in den Medien. Akteure, die Offentlichkeitsarbeit nicht als wichtig erachten oder die aus ideologischen oder anderen Griinden eine Kooperation mit den Massenmedien vermeiden oder verweigern, werden - ceteris paribus - ein geringeres Standing erhalten und weniger Erfolge in ihrer Positionierung und ihrem Framing verbuchen konnen als Akteure, die sich um die Beeinflussung der Offentlichkeit bemiihen und Ressourcen in ihre Offentlichkeitsarbeit investieren. Die zweite Modellvorstellung zur Erklarung von Medienerfolg hatten wir als medienkonstruktivistisch bezeichnet. Diesem Erklarungsansatz zufolge wird die Ausgestaltung der gesellschaftlichen Offentlichkeit weniger durch die Aktivitaten der Akteure der anderen Teilsysteme bestimmt, sondern sie wird vielmehr als ein von Journalisten konstruiertes Bild einer Realitat verstanden. Nicht der Systemumwelt, sondern den Leistungsrollen des Systems selbst, den Journalisten, kommt in dieser Modellvorstellung eine entscheidende Rolle zu. Diese sind nicht nur als selektierende und strukturierende Vermittler eines Kommunikationsangebots konzipiert, das aus den anderen Systemen kommt, sondern als Akteure, die auch selbst mit eigenen Meinungsbekundungen und Deutungen in den Kommunikationsprozess eingreifen und die Eigenschaften der veroffentlichten Medienrealitat entscheidend mitbestimmen. Welche der beiden Modellvorstellungen erklarungskraftiger ist, wollen wir im Folgenden priifen. Wir werden in einem ersten Schritt die Rolle der Journalisten in der offentlichen Debatte iiber Humangenomforschung genauer analysieren. Die Befunde werden zeigen, dass die Journalisten als Sprecher in ihrem Kommunikationsverhalten im geringen Mafie von den extramedialen Akteuren abweichen. Wir interpretieren dies als Indiz dafiir, dass man die Charakteristika der Debatte iiber Humangenomforschung am ehesten durch den Agenda Building-Ansatz
6.1 Die Rolle der Journalisten im Mediendiskurs
185
erklaren kann. Entsprechend werden wir im zweiten Unterkapitel mit Riickgriff auf diesen Theorieansatz versuchen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des deutschen und des US-amerikanischen Diskurses iiber Humangenomforschung in den Dimensionen Standing, Positionierung und Framing zu erklaren.
6.1 Die Rolle der Journalisten im Mediendiskurs Wir haben bei der inhaltsanalytischen Codierung auf der Aussagenebene zwei Sprechergruppen unterschieden: Zum einen handelte es sich um extramediale Akteure wie Wissenschaftler, Nicht-Regierungs-Organisationen und Regierungsmitglieder, die von den Journalisten zitiert werden und die damit die Chance erhalten, ihre Positionen und Deutungen in den Massenmedien zu kommunizieren. Unsere Auswertungen haben sich bis jetzt allein auf diese Gruppe, auf die extramedialen Akteure, bezogen. Neben diesen kommen zum anderen aber auch die Journalisten selbst in ihren eigenen Massenmedien zu Wort. Die Frage ist nun, welche Rolle die Journalisten der untersuchten Zeitungen spielen, wenn man sie nicht nur als Gatekeeper fiir andere Akteure, sondern als eigenstandige Aussagetrager mit eigenen Positionen und Deutungen analysiert. Journalisten wurden von uns nur dann als Aussagetrager codiert, wenn sie nicht als neutrale Vermittler („Chronisten") von Aussagen extramedialer Akteure, sondern als eigenstandige Sprecher auftraten. Da wir fiir journalistische Aussagetrager auch deren Position und Deutung der Humangenomforschung erhoben haben, folgen wir im Aufbau erneut der Struktur der vorangegangenen Kapitel: Wir analysieren zuerst das Standing, dann die Positionen und abschliefiend das Framing der Journalisten. 1. Tabelle 6.1 zeigt uns die Haufigkeit des Auftretens von Journalisten als Sprecher im Vergleich zu den extramedialen Akteuren. Fast die Halfte aller Aussagen zum Thema Humangenomforschung lasst sich auf Journalisten der von uns untersuchten Zeitungen zurlickfiihren; dies gilt fiir beide Lander in einem ahnlichen Ausmafi. Auch zwischen den vier verschiedenen von uns analysierten Zeitungen zeigen sich keine deutli-
186
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
chen Unterschiede in der Haufigkeit, mit der Journalisten zu Wort kommen. Dieser hohe Anteil an journalistischen Aussagen ist zum einen ein methodisches Artefakt unserer Inhaltsanalyse: Wir sind in der Codierung von Aussagen so verfahren, dass wir extramediale Sprecher nur dann als Aussagetrager codiert haben, wenn diese in direkter oder indirekter Rede zitiert wurden. Wenn die Bezugnahme eines Journalisten auf Aui?erungen eines extramedialen Sprechers nur indirekt erfolgt, oder wenn Aussagen in einem codierten Artikel keinem der extramedialen Akteure klar zuzuordnen waren, dann wurde die entsprechende Aussage dem Journalisten als Aussagetrager zugeschrieben. Zweifelsfalle wurden also den Journalisten zugeordnet, was die Anzahl der journalistischen Aussagen etwas aufblaht. Zum anderen lasst sich der relativ hohe Anteil an journalistischen Aussagen vermutlich auch darauf zuriickfiihren, dass wir nationale Qualitatszeitungen analysiert haben. AUe vier dieser Zeitungen besitzen einen relativ umfangreichen Redakteurs- und Korrespondentenstab inklusive einer eigenen Wissenschaftsredaktion, sind also fiir journalistische Eigenproduktionen iiberdurchschnittlich gut ausgeriistet. Tabelle 6.1:
Standing von Journalisten im Vergleich zu extramedialen Akteuren, differenziert nach Landern und nach Zeitungen (in %)
Journalist der untersuchten Zeitungen Extramedialer Akteur N
D
USA
SZ ¥AZ l^YT YJV
Gesamt
46,3
M,l
47,8 45,2 45,5 49,1
46,7
53,7 1597
52,8 1424
52,2 54,8 54,5 50,9 672 925 750 674
53,3 3021
2. Journalisten haben eine doppelte Funktion. Zum einen sind sie Chronisten eines Geschehens, das in anderen Teilsystemen der Gesellschaft stattfindet. Sie informieren die Burger einer Gesellschaft iiber das Geschehen in eben jener Gesellschaft. Dies tun sie auf der Basis einer spezifischen Selektions- und Prasentationslogik, die der massenmedialen Systemrationalitat folgt, mithin dem Code „Aufmerksamkeit vs. NichtAufmerksamkeit". Sie prasentieren also extramediale Akteure und deren
6.1 Die RoUe der Journalisten im Mediendiskurs
187
Inhalte in den Massenmedien in ihrer RoUe als Gatekeeper. Zum anderen vertreten sie jedoch auch eigene Positionen und Meinungen zu Themen, die von den Meinungen der extramedialen Akteure abweichen konnen. Wir priifen im Folgenden, in welchem Mafie die Journalisten in ihren Bewertungen von denen der extramedialen Akteure abweichen. Eine solche Abweichung lasst sich als Indiz fiir eine eigenstandige Rolle der Journalisten bei der Konstruktion von Medienrealitat interpretieren, spricht also fiir das medienkonstruktivistische Modell. Zwei Theoreme plausibilisieren eine Abweichung journalistischer Bewertungen von denen der extramedialen Akteure: a. Extramediale Akteure, die sich in die Debatte zu dffentlich diskutierten Themen einmischen, haben in aller Regel ein eigenes Interesse an dem diskutierten Thema. Fiir den Fall der Humangenomforschung heifit das z. B., dass Wissenschaftler wie etwa Humangenomforscher versuchen, Forschungsgelder zu akquirieren; Pharmaunternehmen versprechen sich Erkenntnisse, die sie fiir neue Medikamente verwenden konnen; Kirchen haben moralische Interessen, fiir die sie kampfen. Diese Interessenslagen motivieren Akteure, Ressourcen zu mobilisieren, um sich und ihre Inhalte in den Massenmedien zu platzieren. Journalisten sind in aller Regel nicht an diese partikularen Interessen gebunden, ihnen kommen weder geforderte Projekte noch patentierte Medikamente zu Gute. Damit ist nicht gemeint, dass Journalisten nicht bei einigen Themen eigene Interessen haben und vertreten. Wenn es z. B. um Themen wie das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht geht oder um die Aushandlung der Grenzen des investigativen Journalismus, dann haben Journalisten qua Profession ein Interesse an diesen Themen, das sie wahrscheinlich auch massenmedial verfolgen werden. Aber bei einer Vielzahl von Themen, iiber die Journalisten berichten, haben sie diese professionellen Interessen nicht. Diese im Vergleich zu extramedialen Akteuren ausgepragtere Interessenungebundenheit von Journalisten macht Journalisten weniger anfallig fiir affirmative Positionen. Die normative Untermauerung dieser Interessenungebundenheit und ihr ideologisches Pendant sind die journalistischen Normen des anglo-amerikanisch gepragten und auch in Deutschland etablierten „Objektiven Journalismus" bzw. „news
188
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
journalism" (vgl. Schmidt und Weischenberg 1994): Der Journalist soil neutral bzw. ausgewogen berichten und als kritischer Beobachter des gesellschaftlichen Geschehens - bis hin zur „Vierten Gewalt" - fungieren (vgl. z. B. Stober 1992; fiir ein Beispiel aus der Praxis vgl. La Roche 1999). Tabelle 6.2:
Bewertung der Humangenomforschung durch Journalisten und extramediale Akteure, differenziert nach Landern (in %) Journalisten in Deutschland
Positiv Ambivalent Negativ N
36,8 48,6 14,5 296
Extramediale Journalisten Extramediale Akteure in in den USA Akteure in Deutschland den USA 49,6 55,0 72,9 30,6 40,1 20,6 6,4 19,5 4,8 508 289 436
Entsprechend kann man vermuten, dass die Haufigkeit von affirmativen Aussagen bei Journalisten geringer ist als bei extramedialen Akteuren. Die empirischen Befunde bestatigen die Hypothese im Kern. Es zeigt sich, dass in beiden untersuchten Landern die Journalisten der Humangenomforschung ofter ambivalent gegenuber stehen als die jeweiligen extramedialen Akteure des Landes.^ Dariiber hinaus zeigt sich aber auch, dass die deutschen und die US-amerikanischen Journalisten dem jeweiligen Bewertungsklima ihres Landes verhaftet bleiben: Humangenomforschung wird von den extramedialen Akteuren in den USA deutlich positiver bewertet als von den extramedialen Akteuren in Deutschland. Dies gilt auch fiir die Journalisten in den beiden Landern; die amerikanischen Journalisten bewerten Humangenomforschung deutlich positiver als ihre ^ Dieses Ergebnis wird durch den Befund untermauert, dass die Aussagen von Journalisten im Vergleich zu denen der extramedialen Akteure deutlich haufiger keinerlei Positionen enthalten. Von den Aussagen der deutschen Journalisten sind 59,9 % neutral gegenuber der Humangenomforschung, wahrend es bei den extramedialen Akteuren nur 39,7 % sind. In den USA ist das Verhaltnis 57,0 % zu 41,4 %. Die neutralen Aussagen wurden - analog zur Analyse der extramedialen Akteure in Kapitel 4 - aus der Analyse der Positionen der Journalisten ausgeschlossen.
6.1 Die Rolle der Journalisten im Mediendiskurs
189
deutschen KoUegen. Die Prozentsatzdifferenz in der positiven Bewertung zwischen extramedialen Akteuren und den Journalisten ist in beiden Landern fast gleich. Die Journalisten in beiden Landern machen sich die affirmative Haltung der gesellschaftlichen Akteure aber nur zum Teil zu eigen. Sie sind zwar einerseits eingebunden in das allgemeine landerspezifische Meinungsklima, beziehen andererseits aber auch eine rollenadaquate Position, indem sie weniger oft Bewertungen kommunizieren als die gesellschaftlichen Akteure, die meist an ihre Interessenslagen gebunden bleiben. b. Wir haben oben bereits auf die Medienbiashypothese Bezug genommen. Diese geht davon aus, dass die ideologische Ausrichtung der Medien ihre Positionen zu diskutierten Themen mit bestimmt, was sich auf zwei verschiedene Weisen manifestieren kann. Zum einen dadurch, dass die Medien denjenigen extramedialen Akteuren mehr Raum und damit Standing geben, die der eigenen „redaktionellen Linie" (vgl. z. B. Eilders 2001) am ehesten entsprechen. Wir haben diese Hypothese bereits gepriift und gezeigt, dass dem nicht so ist. Zum anderen kann sich die ideologische Orientierung einer Zeitung darin manifestieren, dass die Journalisten selbst als Sprecher Themen bewerten und dies in einer Weise, die der ideologischen Linie ihrer Zeitung entspricht. Es ist anzunehmen, dass die ideologischen Positionen der jeweiligen Zeitungen in den Aussagen der Journalisten wesentlich deutlicher zum Tragen kommt als in der Selektion der Sprecher, die sie zu Wort kommen lassen, weil sie bei den eigenen Aussagen im starkeren Mafie von der journalistischen Chronistenpflicht entlastet sind.^ Je nach ideologischer Position eines Massenmediums sind also unterschiedliche Bewertungen von diskutierten Themen zu erwarten. Wir vermuten, dass eine positive Einstellung zur Humangenomforschung eher mit rechts-konservativen Positionen einher geht, eine ablehnende Haltung eher mit einer links-liberalen Grundorientierung. Denn mit rechts-konservativen Vorstellungen sind im hoherem MaCe Vorstellungen des Fortschritts und der Glaube an die wissenschaft2 Ahnlich argumentieren Christine Eilders, Friedhelm Neidhardt und Barbara Pfetsch in ihrer Studie zu den „Stimmen der Medien'', in der sie die Kommentare von Printmedien analysiert haben (Eilders et al. 2004; Eilders und Liiter 1998).
190
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
lich-technische Entwicklung verbunden, mit links-liberalen Vorstellungen im hoheren Mafie Fragen der Informationsfreiheit und der Ethik.^ Nun ist die „Suddeutsche Zeitung" im politischen Spektrum eher links der Mitte zu lokalisieren, die „ Frankfurter Allgemeine" bekanntlich eher etwas rechts der Mitte zu verorten (Eilders 2001). Auch wenn politische und massenmediale Akteure in den USA nicht im gleichen Mafie auf der Links/Rechts-Achse zu platzieren sind wie ihre deutschen Pendants (vgl. dazu Fuchs und Klingemann 1990), so nimmt die „New York Times" doch eher eine etwas konservativere, die „ Washington Post" eine etwas liberalere Position ein. Entsprechend kann man erwarten, dass die „Suddeutsche Zeitung" etwas kritischer gegeniiber Humangenomforschung ist als die „Frankfurter Allgemeine", und dass die „New York Times" das Thema positiver bewertet als die „Washington Post". Tabelle 6.3:
Positiv Ambivalent Negativ N
Bewertung der Humangenomforschung durch die Journalisten der vier von uns untersuchten Zeitungen (in %) Suddeutsche 33,3 50,7 15,9 138
Frankfurter Allgemeine 39,9 46,8 13,3 158
New York Times 57A 41,3 1,3 155
Washington Post 52,2 38,8 9,0 134
Diese Erwartungen werden durch die Ergebnisse unserer Inhaltsanalyse nur in geringem MaCe bestatigt: Fiir die massenmediale Berichterstattung ^ Diese Vermutung wird durch Umfragedaten gestiitzt. Darin zeigt sich, dass Menschen, die sich selbst als eher „rechts" einstufen, Biotechnologie haufiger gutheifier\ als Menschen, die sich als eher ^links'' einschatzen (vgl. Eurobarometer 1991: 47; 1997: 36). Ein ahnlicher Zusammenhang lasst sich auch fiir die Einstellung von Menschen zu Wissenschaft und Technologie und zu Fortschritt im Allgemeinen zeigen (Inglehart 1997: 79). Dieser Zusammenhang muss aber nicht fiir alle Themen gleichermafien gelten. In der offentlichen Debatte iiber die Forschung an embryonalen Stammzellen finden sich auch im rechts-konservativen Lager Kritiker der Forschung, was wohl damit zusammenhangt, dass dieses Thema Fragen des Lebensschutzes tangiert (vgl. z. B. Diiwell und Graumann 2002).
6.1 Die Rolle der Journalisten im Mediendiskurs
191
liber Humangenomforschung zeigt sich, dass die ideologische Orientierung der Medien zwar einen Einfluss auf die Positionen der Journalisten hat, dieser ist aber nicht stark ausgepragt. Unserer theoretischen Erwartung gemaC bewerten die „Frankfurter Allgemeine" und die „New York Times" das Thema etwas positiver als die „Suddeutsche Zeitung" und die „Washington Post". Die ideologische Linie der jeweiligen Zeitungen kommt dabei in den Aussagen ihrer jeweiligen Journalisten deutlicher zum Tragen als in den Aussagen der Sprecher, die sie zu Wort kommen lassen. Ihrer meinungsbildenden Funktion kommen die Zeitungen also starker durch die Aussagen der Journalisten und nicht durch die Selektion bestimmter extramedialer Akteure nach. Doch auch bei den Aussagen der Journalisten sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Zeitungen recht gering. 3. Dies gilt auch fiir das Framing der Debatte. Vergleicht man die Haufigkeit, mit der bestimmte Deutungsmuster von extramedialen Akteuren und Journalisten genutzt werden, so zeigt sich eine sehr grofie Ubereinstimmung zwischen beiden Akteursgruppen. Die Rangfolge der Wichtigkeit der verschiedenen Deutungsrahmen ist fiir beide Gruppen gleich, auch wenn es kleinere Prozentsatzunterschiede gibt. Fiir beide Gruppen gilt, dass wissenschaftliche und medizinische Deutungen Jewells klar dominieren und Verweise auf einen moglichen medizinischen und wissenschaftlichen Fortschritt durch Humangenomforschung die wichtigsten Deutungsmuster innerhalb dieses Rahmens darstellen. An zweiter Stelle, und mit deutlichem Abstand zur hegemonialen Stellung wissenschaftlich-medizinischer Deutungen, findet sich der ethisch-soziale Deutungsrahmen. Bei den US-amerikanischen Journalisten finden sich gleichauf mit diesem Deutungsrahmen okonomische Deutungen, die sonst zusammen mit den politischen Deutungen an nachster Stelle folgen.
192 Tabelle 6.4:
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede Framing der Humangenomforschung durch Journalisten und extramediale Akteure, differenziert nach Landern D D USA USA Journa- Extra- Journa- Extralisten mediale listen mediale Akteure Akteure
Wissenschaftlich-medizinischer Deutungsrahmen Wissenschaftlicher Fortschritt durch HGF Medizinischer Fortschritt durch HGF Forschungsfreiheit und -pflichten Zuganglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse Forschungsforderung Selbstregulierung der Wissenschaft Okonomischer Deutungsrahmen Betriebswirtschaftliche Effekte Volkswirtschaftliche Effekte Politischer Deutungsrahmen Politische Regulierung der HGF Gesellschaftl. Partizipation an der Regulierung
62,9
57,1
67,1
68,5
15,9 36,4 1,6 3,8 4,5 0,8 11,4 9,3
15,0 31,7 2,3 4,0 3,2
14,3 42,1
19,0 34,8
1,8 6,2 2,2 0,5 15,7 14,5 1,2 2,5 1,9 0,6
1,9 9,3 3,0 0,5 10,5 8,2 2,2 4,6 3,5 1,2 16,4 5,7 4,3 4,7
1,9 5,4 2,5 2,8
1,3 6,9 4,6 1,7 9,8 4,6 5,2
Ethisch-sozialer Deutungsrahmen Menschenbild Diskriminierung Eigentumsrechte und Patentierung
20,3 5,8 3,3 6,6
26,2
Ethische und moralische Fragen allg. N
4,6 1334
6,1 1681
8,1 4,7 7,4
14,6 3,4 2,9 6,1 2,3 1251
1,6 928
Und ahnlich wie bei der Bewertung von Humangenomforschung zeigt sich auch im Framing, dass die Journalisten dem jeweiligen Deutungsklima ihres Landes verhaftet bleiben. Der wissenschaftlich-medizinische Deutungsrahmen und der okonomische Deutungsrahmen spielen in den USA eine starkere Rolle als in Deutschland, wahrend den ethischen, moralischen und sozialen Argumenten und den politischen Deutungen in Deutschland eine grofiere Bedeutung zukommt. Dies gilt sowohl flir die extramedialen Akteure beider Lander als auch fiir deren Journalisten.
6.1 Die RoUe der Journalisten im Mediendiskurs
193
Bilanzieren wir die Ergebnisse: Auch wenn der Anteil der journalistischen Aussagen in der medialen Berichterstattung iiber Humangenomforschung genau so hoch ist wie der der extramedialen Akteure, und Journalisten damit vergleichsweise haufig zu Wort kommen, unterscheiden sich die Aussagen der Journalisten doch nicht entscheidend von denen der extramedialen Akteure. Dies gilt in erster Linie fur das Framing der Debatte: Sowohl im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten als auch im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland deuten Journalisten das Thema ahnlich wie die systemexternen Akteure; die Unterschiede zwischen beiden Gruppen sind marginal. Dies gilt im etwas geringeren Mafie fiir die Bewertung von Humangenomforschung: Zwar bleiben auch hier die Journalisten dem nationalen Bewertungsklima verhaftet, insgesamt stehen sie dem Thema Humangenomforschung aber neutraler und weniger affirmativ gegeniiber als die systemexternen Akteure. Die Tatsache, dass sich die Journalisten ganz ahnlich wie die extramedialen Akteure verhalten, interpretieren wir als Indiz daftir, dass der Mediendiskurs iiber Humangenomforschung in erster Linie durch extramediale Parameter bestimmt und zu erklaren ist. Dem Agenda Building der extramedialen Akteure scheint eine entscheidende Funktion fiir die Erklarung der Diskurscharakteristika zuzukommen. Dies heifit natiirlich nicht, dass Journalisten als Gatekeeper und Konstrukteure der Medienrealitat keine Rolle fiir den massenmedialen Diskurs iiber Humangenomforschung gespielt haben. Deren Bedeutung hat aber in dem von uns untersuchten konkreten Fall gegeniiber der Bedeutung extramedialer Agenda Building-Aktivitaten zuriick gestanden. Diese Vermutung wird durch zwei andere Befunde gestarkt. Erstens sind dreiviertel aller Artikel iiber Humangenomforschung durch so genannte Pseudoereignisse veranlasst worden, Ereignisse also, die extramediale Akteure speziell fiir die Offentlichkeit oder gezielt fiir die Massenmedien hergestellt und auf die dann die Journalisten reagiert haben. Zweitens hat der Vergleich der Berichterstattung in den Printmedien in den USA und in Deutschland mit Printmedien in anderen Landern einerseits und dem Internet andererseits gezeigt, dass die Ubereinstimmungen zwischen den Medien und
194
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
den Landern doch erstaunlich hoch sind. Obwohl wir also die jeweiligen Medien variiert haben, ist die Varianz in den zentralen Dimensionen Standing, Positionierung und Framing nicht sehr hoch. Dies lasst darauf schliefien, dass eher die Aktivitat extramedialer Akteure, d. h. also das Agenda Building die entscheidendere Rolle fiir die Ausgestaltung der Diskurse gespielt hat.
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure Daher werden wir im Folgenden versuchen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Diskurse in erster Linie auf die Aktivitaten der Akteure der an das Offentlichkeitssystem angrenzenden Teilsysteme ursachlich zuriickzufiihren. Dazu werden wir uns erneut an der Dimensionierung Standing, Positionierung und Framing orientieren, zunachst also versuchen, die Befunde in der Standing-Dimension und anschliei?end in den Dimensionen Positionierung und Framing zu erklaren. Da der Erhalt von Standing in den Massenmedien eine notwendige Voraussetzung fiir die Kommunikation von Inhalten, d. h. von Bewertungs- und Deutungsaussagen ist, kommt der Erklarung des Standings eine besondere Rolle zu. Die Ausfiihrungen zur Erklarung des Standings werden entsprechend auch deutlich umfangreicher sein als die zu den Kommunikationsinhalten.
6.2.1 Die Erklarung der Standing-Struktur Es gibt zwei zentrale deskriptive Befunde, die wir erklaren miissen. Erstens hat sich gezeigt, dass der Diskurs iiber Humangenomforschung in den beiden von uns in erster Linie analysierten Landern von etablierten gesellschaftlichen Akteuren dominiert wird. Vornehmlich sind es Wissenschaftler, genauer Bio- und Naturwissenschaftler, die Standing erhalten, nachgeordnet folgen politische sowie Wirtschaftsakteure; Akteure der Zivilgesellschaft spielen in den Diskursen nur eine periphere Rolle.
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
195
Dies ist auch angesichts der Vorstrukturierung der Diskurse ein iiberraschendes Ergebnis: Zwar war der Anteil wissenschaftlicher Sprecher auch in anderen Biotechnologiedebatten relativ hoch, er lag jedoch deutlich unter dem Anteil, den wir in den Diskursen iiber Humangenomforschung festgestellt haben und war generell in beiden Landern im Sinken begriffen. Neben diesen Gemeinsamkeiten sind zweitens die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA erklarungsbediirftig. Beispielsweise gelingt es zivilgesellschaftlichen Akteuren und Geistes- und Sozialwissenschaftlern haufiger, sich in deutschen Massenmedien zu platzieren als in den USA, wahrend fiir Wirtschaftsakteure der umgekehrte Befund gilt. Wir woUen diese Befunde mit Hilfe der Agenda Building-Theorie erklaren, die von dem einfachen Theorem ausgeht, dass die Medienberichterstattung letztlich die unterschiedlichen Aktivitaten von extramedialen Akteuren wiederspiegelt, die versuchen, die massenmediale Agenda zu beeinflussen.4 Die Theorie thematisiert also gewissermai?en die Nahtstelle von unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilsystemen und dem Offentlichkeitssystem: Je aktiver Akteure der Teilsysteme bei ihren Versuchen sind, die offentliche Agenda zu besetzen, desto haufiger werden sie - ceteris paribus - offentlich auch reprasentiert sein. Dies gilt sowohl fiir ihre Reprasentanz als Akteure, d. h. fiir ihr Standing, als auch fiir die Platzierung ihrer Inhalte, d. h. fiir ihre Positionierung und ihr Framing. Dabei lassen sich zwei verschiedene Arten von Aktivitaten der Akteure unterscheiden, die sich massenmedial widerspiegeln konnen: zum einen Handlungen, die auf die Binnenrationalitat des jeweiligen Teilsystems ausgerichtet sind, zum anderen Handlungen, die die unmittelbare Beeinflussung des Offentlichkeitssystems zum Ziel haben, also auf der Nahtstelle zwischen Offentlichkeit und Teilsystem zu platzieren sind. Das Thema Humangenomforschung kann z. B. innerhalb des Wissenschaftssystems sehr bedeutsam sein und dies kann sich innersystemisch,
4 Das Modell ist urspriinglich zur Erklarung der Entstehung der politischen Agenda entwickelt worden (vgl. v. a. Cobb et al. 1976; Cobb und Elder 1983), wird aber mittlerweile auch dazu verwendet, die Charakteristika massenmedialer Berichterstattung zu erklaren (vgl. z. B. Berkovitz 1987; Protess et al. 1992; Reese 1991; Reese und Danielian 1989).
196
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
beispielsweise in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen zum Thema manifestieren. Davon lassen sich Aktivitaten von Wissenschaftlern unterscheiden, die versuchen, das Thema via Offentlichkeitsarbeit in der gesellschaftlichen Offentlichkeit zu platzieren. Diese Unterscheidung gilt auch flir andere Teilsysteme: Die auf Humangenomforschung bezogenen Aktivitaten der Wirtschaft konnen zum einen wirtschaftsimmanente Handlungen sein und sich in der Offentlichkeit des Wirtschaftssystems, beispielsweise in Fachzeitungen, oder auch im Kauf von Aktien einschlagiger Biotechnologiefirmen manifestieren. Sie konnen zum anderen aus Handlungen bestehen, die auf die Beeinflussung der gesellschaftlichen Offentlichkeit bezogen sind und sich etwa in Pressekonferenzen oder Pressemitteilungen niederschlagen. Wir gehen davon aus, dass von beiden Aktivitatsformen unabhangige Effekte auf die Medienagenda ausgehen konnen. Wir haben aus diesem Grund versucht, zum einen mittels eigens dafiir erstellter Indikatoren die Relevanz des Themas Humangenomforschung in den jeweiligen Teilsystemen zu rekonstruieren. Zum anderen haben wir mittels Interviews versucht, die Offentlichkeitsarbeit verschiedener Akteure zu rekonstruieren. Wir werden die Kausalkette unserer Erklarung also noch etwas weiter „nach hinten" verfolgen, indem wir der Frage nachgehen, wie man die unterschiedliche Offentlichkeitsarbeit der Akteure erklaren kann. Zu diesem Zweck greifen wir auf eine allgemeine Handlungstheorie zuriick: Handlungen von Akteuren im Allgemeinen und kommunikative Handlungen von Akteuren im Speziellen lassen sich mit Rekurs auf die Praferenzen dieser Akteure einerseits und deren Handlungsrestriktionen andererseits erklaren (vgl. fiir viele andere Esser 1996). Fiir die Erklarung massenmedialer Diskurse bedeutet dies, dass es eine relevante Frage ist, ob Akteure die Praferenz haben, sich an einer Debatte zu beteiligen. Denn andernfalls melden sie sich gar nicht erst zu Wort. Akteure miissen aber auch bestimmte Restriktionen iiberwinden - oder positiv formuliert: Ressourcen nutzen konnen -, sonst konnen sie sich alien Bemiihungen zum Trotz nicht massenmedial platzieren. Der Wunsch, Offentlichkeitsarbeit zu betreiben, ist eine notwendige Vorraussetzung fiir die Aktivierung von bestehenden Ressourcen. Hat ein Akteur z. B. nicht
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
197
die Praferenz, sich zu einem Thema zu aufiern, dann ist es unerheblich, liber welche Ressourcen er verfiigen kann, weil er diese nicht einsetzen wird. Auf der Basis dieses einfachen Modells lassen sich nun Hypothesen zur Erklarung der vorgefundenen diskursiven Charakteristika formulieren: Es lasst sich vermuten, dass sich Wissenschaftler, v. a. Bio- und Naturwissenschaftler, aber auch Wirtschaftsvertreter und Akteure des politischen Zentrums deswegen relativ erfolgreich in den Massenmedien platzieren konnten, weil sie erstens dazu animiert waren, sich zu diesem Thema zu aufiern, und weil sie zweitens eine im Vergleich zu ihren Wettbewerbern starkere Ressourcenausstattung einsetzen konnten. Fiir die schwach reprasentierten Akteure lassen sich die umgekehrten Zusammenhange vermuten: Moglicherweise war ihnen das Thema Humangenomforschung nicht wichtig genug, oder sie lehnten die Kommunikation mit Massenmedien aus anderen Griinden ab. In diesen beiden Fallen waren sie also nicht motiviert gewesen, sich zu Humangenomforschung massenmedial zu Wort zu melden. Oder aber sie waren motiviert, es mangelte ihnen aber an den entsprechenden Ressourcen, um sich ausreichend stark in die Debatte einzumischen und sich auf diese Weise massenmedial zu platzieren. Ob diese Hypothesen zutreffend sind, wollen wir im Folgenden priifen, indem wir fiir die verschiedenen Teilsysteme getrennt analysieren, in welchem Ma6e das Thema auf der systeminternen Agenda stand (a) und in welchem Mafie Akteure des jeweiligen Systems die Praferenz und die Ressourcen hatten, fiir ihr Anliegen die gesellschaftliche Offentlichkeit zu mobilisieren (b).
Wissenschaft a. Das Thema Humangenomforschung hatte innerhalb des Wissenschaftssystems eine groCe Bedeutung. Darauf deuten mehrere Titelgeschichten in den renommiertesten Wissenschaftsmagazinen „Science" und „Nature" (International Human Genome Consortium 2001a; 2001b; Venter et al. 2001) ebenso hin wie die Kiir der Humangenomforschung
198
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
zum wichtigsten wissenschaftlichen Ereignis des Jahres, evtl. gar des Jahrzehnts in „Science" (vgl. u. a. Pennisi 2000). Weiter untermauern lasst sich die innerwissenschaftliche Bedeutung von Humangenomforschung, wenn man die Gesamtmenge wissenschaftlicher Artikel analysiert, die auf Genomforschung verweisen. Die Zahl der Artikel zum Thema steigt ab 1998 kraftig an, sicherlich nicht zuletzt aufgrund der durch die Konkurrenzsituation bedingten Umstellung der offentlichen und der privaten Humangenomforschung auf hochleistungsfahige Sequenziermaschinen und des damit verbundenen Anstiegs generierter Daten^ (vgl. z. B. Davies 2001: 216ff.). Die Relevanz der Humangenomforschung flir die Wissenschaft lasst sich also nachweisen. Schaubild 6.1: Anzahl der Artikel zum Thema Genomforschung pro Jahr 7D00 6000 5000 4000 3000 2000 1000
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
Durchsucht wurden die VoUtexte aller in der wissenschaftlichen Datenbank PubMed Central / National Library of Medicine verfiigbaren Publikationen (http://www.ncbi.nlm.nih. gov, Zugriff am 21.7.2005). Der verwendete Suchbegriff war „Genome''.
b. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die Wissenschaftsakteure explizit darum bemiiht waren, das Thema in die gesellschaftliche Offentlich5 Auch fiir verschiedene Datenbanken mit genetischen Informationen lasst sich fiir die zweite Halfte der 1990er und v. a. fiir die Jahre ab 1999 ein exponentieller Anstieg ihres Umfangs zeigen (vgl. Hucho et al. 2005: 37ff.), der die wachsende innerwissenschaftliche Bedeutung der Humangenomforschung verdeutlicht.
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
199
keit zu lancieren, also den Wunsch hatten, liber das Thema offentlich zu kommunizieren und auch liber die Ressourcen verfligten, ihre Praferenzen zu realisieren. Ob und in welchem MaCe dies der Fall war, konnen wir auf der Basis von Interviewdaten rekonstruieren und werden in der Folge auch auf die jeweiligen relevanten Interviewpassagen verweisen.^ Es zeigt sich in der Tat, dass die befragten Fachwissenschaftler Humangenomforschung flir ein hochbedeutsames Thema hielten und eine ausgepragte Praferenz daflir hatten, liber das Thema in der Offentlichkeit und den Massenmedien zu kommunizieren. Flir die Vertreter des Deutschen Humangenomprojekts (DHGP), des US Human Genome Projects, der National Institutes of Health als dessen Hauptforderinstitution und des US Bliro der Human Genome Organization HUGO war die Sequenzierung des menschlichen Erbguts ein „Jahrhundertereignis" (Interview Wadzack, Zeilen 1412-1420), ein "phenomenal accomplishment" und „an incredible scientific milestone" (Int. Hudson 28-30). Schlie61ich diene Humangenomforschung dazu, die Biologie basal zu verstehen, systematischer und berechenbarer zu machen (Int. Lehrach 51-59, 118-133, Wadzack 100-127, 1445-1457, vgl. auch Wadzack und Schrogl 2001) und basale, auch generalisierbare Informationen liber „the stuff of all humans" zu generieren (Int. Knoppers 288-293). Dass man dies auch an die Offentlichkeit und gezielt an die Massenmedien kommunizieren sollte, war flir die Akteure klar. Denn nationale Forschung und auch ihr Ressourcenzufluss hange erheblich vom WohlwoUen der Gesellschaft ab (Int. Lehrach 537-551, Reich 545-563, 623-633); und gerade weil es bei der Humangenomforschung in Deutschland innerwissenschaftlichen und offentlichen „Gegenwind" gegeben habe, habe man diesen in eine „vernunftige Auseinandersetzung" umwandeln wollen (Int. Reich 545-563, 623-633, 648660). Ahnliche Argumente findet man in den USA (Int. Borchelt 150-154). Und auch bei Celera Genomics, dem privatwirtschaftlich finanzierten Wettbewerber des Human Genome Project, der eine Zwitterrolle als partiell wissenschaftlicher, partiell wirtschaftlicher Akteur spielte, findet sich eine ahnliche Sichtweise; jenseits der Konkurrenz zwischen beiden ^ Die Personen, die im Rahmen unseres Projektes interviewt haben, sind inkl. ihrer Funktionsbeschreibungen am Ende von Kapitel 3 tabellarisch aufgelistet.
200
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Seiten iiber unterschiedliche Sequenzier-Methoden und divergierende Vorstellungen iiber die Verwertung der generierten Daten teilten sie ein breites Fundament an gemeinsamen Pramissen (Int. Bennett 235-242, vgl. dazu auch O'Mahony und Schafer 2005: 113f.): Auch Celera Genomics hielt Humangenomforschung fiir eine hoch bedeutsame Forschungsentwicklung - besonders aufgrund ihrer wissenschaftlich-medizinischen Moglichkeiten und ihres wirtschaftlichen Potenzials (Int. Bennett 101-109, 119-120, 235-242). Eine weitere Farallele zum offentlich geforderten Projekt lag in der daraus resultierenden Praferenz, sich an der offentlichen Debatte zu beteiligen: Erstens wollte man sich als legitimer und ernstzunehmender Akteur in diesem Forschungsfeld darstellen (Int. Bennett 5258, 94). Zweitens versuchte die Firma, die Seriositat ihres Geschaftsmodells zu untermauern, die eigene wirtschaftliche Lage positiv darzustellen und die Moglichkeiten der medizinischen Anwendung der Humangenomforschung herauszustellen (Int. Bennett 67-69, 132-144, 235-242), um auf diese Weise potentielle Anleger, Investoren und Kunden zu gewinnen (Int. Bennett 132-144). Medien galten dabei als zentrale Multiplikatoren (Int. Bennett 213-216). Sowohl die deutschen als auch die US-Fachwissenschaftler waren also in einem hohen Mafie motiviert, ihre Positionen und Deutungen zu Humangenomforschung iiber die Massenmedien in die Offentlichkeit zu kommunizieren. Zur Realisierung ihrer Praferenzen konnten die Akteure beider Lander auf umfangliche infrastrukturelle, finanzielle und personelle Ressourcen zuriickgreifen. Fur die deutsche Fachwissenschaft war dabei das Deutsche Humangenomprojekt der zentrale Akteur. Dessen Koordinierungsstelle betrieb eine eigenstandige Offentlichkeitsarbeit; hinzu kam die Offentlichkeitsarbeit der anderen im DHGP finanzierten Institute in Berlin, Jena und Braunschweig (Int. Lehrach 644-654, Reich 545-563, Wadzack 880-898), mitunter auch Kooperationen mit den Pressestellen der Max-Planck-Gesellschaft und des Deutschen Krebsforschungszentrums (Int. Lehrach 644-654), Vertretern der Politik (Int. Lehrach 384-386, 390-408) und der Wirtschaft (Int. Wadzack 201-221). Die fiir Offentlichkeitsarbeit verfiigbaren finanziellen Ressourcen waren dabei „reichlich und iippig", man hatte „nie Probleme, irgendeine Aktivitat
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
201
nicht machen zu konnen, weil wir kein Geld hatten" (Int. Wadzack 17391744). Ein ahnliches Bild findet sich in den USA: Auch dort wurde durch die Kooperation unterschiedlicher Institutionen eine gro6e Menge an Ressourcen gebiindelt. Die verschiedenen im US Human Genome Project zusammengeschlossenen wissenschaftlichen Institute, teilweise auch deren Universitaten und andere Dachorganisationen, verfiigten in der Kegel iiber eigene Abteilungen fiir Offentlichkeitsarbeit (Int. Yarbrough 202-215, Borchelt 507-512, 598-605). NIH und DOE - die Geldgeber der Humangenomforschung in den USA - sowie das National Human Genome Research Institute (NHGRI) beteiligten sich ebenfalls an der Offentlichkeitsarbeit (Int. Borchelt 404-407, Yarbrough 155-162, 226-229). Zusatzlich arbeitete man auch international, v. a. mit dem britischen Human Genome Project zusammen (Int. Yarbrough 224-225). Alle diese Institutionen konnten auf betrachtliche finanzielle und personelle Ressourcen zugreifen (Int. Borchelt 561-565, Hudson 40-41). Neben der Btindelung von materiellen Ressourcen konnten die fachwissenschaftlichen Akteure auch die Prominenz einiger ihrer Vertreter in die Waagschale der Offentlichkeitsarbeit werfen. Denn in beiden Landern engagierten sich fiihrende und prominente Wissenschaftler wie Hans Lehrach, Andre Rosenthal und Jens Reich oder auch ihre USKollegen Francis Collins, Eric Lander und James Watson - personlich fiir eine Forderung der Humangenomforschung (Int. Reich 1-8, 10-15, 29-43, 757-762, Borchelt 518-522, Hudson 43-45). Weiterhin haben wir auf der Basis der gefiihrten Interviews den Eindruck gewonnen, dass die Offentlichkeitsarbeit der wissenschaftlichen Akteure einen hohen Grad an Professionalitat aufweist. Sowohl im DHGP als auch im US Human Genome Project wurde intern iiber Strategien der Medienarbeit gesprochen (Int. Reich 438-451, 570-606, 824-834, 909-921, Lehrach 276-281, 284-291, Wadzack 227-238, Hudson 36-40, Yarbrough 286-290): Die grundlegenden Linien der Kommunikation wurden festgelegt (Int. Reich 856-870), professionelle Offentlichkeitsarbeiter und Kommunikationstechniken wurden eingesetzt, die der effizienteren Vermittlung eigener Akteure und Inhalte dienen sollten: „be professio-
202
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
nal, play out the backs, explain the opposition, not criticising reporters, accusing them of bias, anything like that" (Int. Yarbrough 286-288). Andere Akteure verwendeten pointierte Analogien, um den Nutzen der Humangenomforschung im Vergleich zu anderen Bereichen deutlich zu machen, teils auch Ubertreibungen und eine bildhafte Sprache (Int. Lehrach 310-315, 655-663, Reich 806-817). Dabei wurde beispielsweise geplant, dass „die schonsten Ballettrockchen", d. h. die Akteure und Forschungsbereiche, die medientauglich und unproblematisch schienen, „vorne ins Schaufenster gestellt" wurden (Int. Reich 856: 870). Verstetigt wurde die Offentlichkeitsarbeit durch personliche Kontakte zu Wissenschaftsjournalisten v. a. der grofien Printmedien und der groi?en Wissenschaftsmagazine (Int. Lehrach 430-432, 608-637, Wadzack 666-683, 743770, Borchelt 531-546): „uber kontinuierliche Arbeit ist da ein sehr personalisiertes Netz entstanden, [...] auf das man immer wieder zugreifen kann" und auch zugegriffen hat (Int. Wadzack 771-774). Auch Celera Genomics verfiigte iiber nennenswerte infrastrukturelle, personelle und materielle Ressourcen fiir die Offentlichkeitsarbeit zum Thema Humangenomforschung. So kooperierte die Pressestelle von Celera Genomics mit der Pressestelle der PE Corporation und konnte fiir die Professionalisierung und Effizienzsteigerung der Offentlichkeitsarbeit zeitweise auch auf eine PR-Agentur zuriickgreifen, die als externer Dienstleister fiir die Mutterfirma zum Einsatz kam (Int. Bennett 38-41, 4546, Hudson 50-56, Yarbrough 662-668). Dariiber hinaus konnte Celera Genomics betrachtliche symbolische Ressourcen in die Waagschale werfen: „Chief scientific officer" J. Craig Venter war aufgrund seiner Historie und seiner Personlichkeit in hohem MaCe mediengeeignet, „the classic American entrepreneur" (Int. Lewenstein 35-41), der als „maverick scientist" aus den NIH ausgeschieden war und nun den Hauptkonkurrenten darstellte. Zudem kommunizierte er oftmals in pragnanten, teils provokanten und nicht immer mit der Celera Genomics-Pressestelle abgesprochenen Aussagen (Int. Bennett 38-41, 45-46, 150-158, Lehrach 473-490) alles Faktoren, die seinen Aussagen einen hohen Nachrichtenwert verliehen.
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
203
Auf dieser ressourcenstarken Basis, so lasst sich fiir beide Lander resiimieren, wurde von den Fachwissenschaftlern eine professionelle Offentlichkeitsarbeit betrieben. Diese manifestierte sich in einer Vielzahl von Aktivitaten. Ein grofier Teil der Kommunikation mit der breiteren Offentlichkeit lief in Deutschland liber das Internetangebot des DHGP; zusatzlich wurde die Offentlichkeit mit Broschiiren, einer eigenen Zeitschrift, einem PC-Spiel, mit Auftritten auf der Weltausstellung „Expo" und anderen Ausstellungen angesprochen. Fiir Journalisten wurden Pressemitteilungen herausgegeben und mehrere, auch hochrangig besetzte Pressekonferenzen veranstaltet; hinzu kamen spezielle Presseseminare zur Schulung von Journalisten (Int. Lehrach 157-164, 316-324, 373379, Wadzack 194-200, 211-221, 462-476, 478-507, 522-527, 552-566, 651665). Auch in den USA wurde ein wesentlicher Teil der Kommunikation der Fachwissenschaftler iiber die Internetseiten des Human Genome Project abgewickelt, daneben mit den „Human Genome News" eine eigene Zeitschrift von NIH und DOE herausgegeben. Es gab zahlreiche Pressemitteilungen und Pressekonferenzen bis hin zur Prasentation der „Arbeitsversionen" der Humangenomsequenz im Weifien Haus, einem hochgradig medientauglichen Event, an dem sich neben wissenschaftlichen Akteuren auch Bill Clinton und Tony Blair beteiligten (Int. Yarbrough 560-565, vgl. auch Hudson 43-44). Das Gros der umfanglichen Kommunikationsbemiihungen von Celera Genomics richtete sich direkt an die Massenmedien und war meist mit Auftritten von J. Craig Venter verkoppelt (Int. Bennett 176-182). Die fachwissenschaftlichen Akteure in Deutschland und den USA haben also eine intensive und professionalisierte Offentlichkeitsarbeit zum Thema Humangenomforschung betrieben; sie taten dies, well ihnen das Thema und dessen offentliche Lancierung sehr wichtig war und sie auch die entsprechenden Ressourcen mobilisieren konnten, um ihre Praferenzen in die Wirklichkeit umzusetzen. Auch wenn wir den Zusammenhang zwischen Praferenzen, Ressourcen und Offentlichkeitsarbeit einerseits und dem ausgepragten Standing dieser Akteure in alien untersuchten Landern und Medien andererseits nicht unmittelbar nachweisen
204
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
konnen, scheint uns die Annahme eines solchen Zusammenhangs doch in hohem Mafie plausibel zu sein. Im Vergleich zu den Bio- und Naturwissenschaftlern erhalten Sozialund Geisteswissenschaftler ein nur sehr geringes Standing, wie wir in Kapitel 4 gesehen hatten. Mit Ausnahme von Jeremy Rifkin, dem Leiter der Foundation for Economic Trends, gibt es auch keinen Einzelwissenschaftler, der in besonders hohem MaGe zu Wort gekommen ist (vgl. auch Int. Graumann 168-169, 306-309). Dies liegt vermutlich zum einen daran, dass nur wenige institutionalisierte biowissenschaftskritische Akteure in beiden Landern existieren, die sich aus sozial- und geisteswissenschaftlicher Perspektive mit Humangenomforschung beschaftigt haben (vgl. ahnlich Int. Abels 302). Die wenigen existierenden einschlagigen Institutionen wie das Deutsche Referenzzentrum fiir Ethik in den Biowissenschaften oder das Interfakultare Zentrum fur Ethik in den Wissenschaften sind recht spat gegriindet worden und verfolgen einen anderen, eher akademischen und weniger auf Offentlichkeitsarbeit gerichteten Arbeitsansatz. Zum anderen sind die wenigen existierenden Institutionen vergleichsweise dezentralisiert, es gibt keine durchschlagskraftige sozialoder geisteswissenschaftliche Infrastruktur in diesem Bereich. Auch die in beiden Landern zunehmend institutionalisierte akademische Bioethik ist nach wie vor iiber unterschiedliche Universitaten verstreut (Int. Jasanoff 16). So findet sich bei Humangenomforschung, im Gegensatz zur Stammzellforschung (vgl. Graumann 2002), keine aufeinander Bezug nehmende Debatte auch unter Teilnahme individueller sozial- und geisteswissenschaftlicher Experten. Zu Wort kommen v. a. vereinzelt Personen (vgl. auch Int. Graumann 97-118, Lewenstein 176-179). Das Feld der Sozial- und Geisteswissenschaft scheint also beim Thema Humangenomforschung weitgehend dispers zu sein.
Politisches System a. Wir hatten in unserer Standing-Analyse gesehen, dass die politischen Akteure, die in der massenmedialen Offentlichkeit zu Wort kommen.
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
205
mehrheitlich der Exekutive zuzuordnen sind. Die Legislative spielte in der Debatte kaum eine RoUe. Wir haben diese Unterscheidung aufgegriffen und versucht, die auf Humangenomforschung bezogenen Aktivitaten fiir beide Bereiche getrennt zu messen. Schaubild 6.2: Anzahl der themenbezogenen parlamentarischen Vorgange in Bundestag und Bundesrat
n
1983
\
r-" I
1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 Bundestag^-rat, "Genorri'
Durchsucht wurden die Volltexttranskripte von Vorgangen in Bundestag und Bundesrat anhand des Dokumentations- und Informationssystems fiir Parlamentarische Vorgange (http://dip.bundestag.de, Zugriff am 7.7.2005). Die Datenbank umfasst u. a. Gesetzgebungsvorgange, Fragestunden, Anfragen im Parlament usw. Der verwendete Suchbegriff war „Genom''.
Die auf Humangenomforschung bezogenen Aktivitaten der Legislative haben wir durch eine Frequenzanalyse einschlagiger Begriffe in den Transkripten der parlamentarischen Vorgange des deutschen Bundestages und des Bundesrates rekonstruiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die legislativen Akteure sich zwar seit den 1980ern immer wieder mit Humangenomforschung auseinander gesetzt haben, dass diese Aktivitat aber doch sehr gering ausfallt. In alien untersuchten Jahren beschaftigten sich weniger als zehn parlamentarische Vorgange mit dem Thema Humangenomforschung.
206
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Etwas anders sehen die Befunde flir die USA aus. Dort konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Legislative auf Humangenomforschung auf einen kleineren Zeitraum (1996 bis 2000), scheint aber zugleich einen groCeren Stellenwert einzunehmen als in Deutschland. Die absoluten Zahlen der Parlamentsvorgange in Deutschland und den USA lassen sich jedoch nicht gut miteinander vergleichen. Denn in den USA werden Parlamentsvorgange deutlich disaggregierter erhoben als in Deutschland. Traut man einer Experteneinschatzung zu dem Thema, dann gilt, dass auch die legislative Aufmerksamkeit flir das Thema in den USA nicht stark ausgepragt war (Ten Eyck et al. 2001: 308). Schaubild 6.3: Anzahl der themenbezogenen parlamentarischen Vorgange im US Kongress (Senat und Reprasentantenhaus)
-i~—1
1983
r—i
I
\
I
\
—\
1—~!
\—n
\
r
1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 US Congress, "Genome"
Durchsucht wurden die Volltexttranskripte von Kongressanhorungen anhand des US Federal News Service (http://www.fnsg.com, Zugriff am 20.7.2005). Der verwendete Suchbegriff war „ genome".
Die relativ geringe legislative Aufmerksamkeit flir Humangenomforschung in beiden Landern steht jedoch im Kontrast zur Wichtigkeit des
207
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
Themas fiir die jeweilige politische Exekutive. Dies gilt sowohl flir Deutschland als auch flir die USA. Das BMBF schrieb dem Deutschen Humangenomprojekt wenigstens ab Mitte der 1990er Jahre eine hohe Bedeutung zu und engagierte sich - gemeinsam mit der DFG^ - ab Mitte der 1990er als Forderer der Humangenomforschung (vgl. Abels 1999; Schulze 2005). Dabei blieben die Fordersummen flir die Humangenomforschung bis 1999 in etwa konstant, wurden ab 2000 erhoht und durch die Forderung flir das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN) erganzt, in dem ebenfalls einschlagige Projekte finanziert wurden. (vgl. Bundesministerium flir Bildung und Forschung 2000) Schaubild 6.4: Jahrliche Ausgaben des BMBF und der DFG flir die Forderung der Humangenomforschung (in Mio. €) 120 100
60 40 20
I- • • • -• 19%
1997
1998
1999
• BMBFDHGP
2000
2001
2002
2003
iBMBFNGFN ElDFG
Die dargestellten Fordersummen wurden rekonstruiert auf der Basis von Veroffentlichungen des BMBF (Bundesministerium fiir Bildung und Forschung 1998: 295; 2002) und der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2001: 18; 1998; 1999) sowie nach Auskiinften des BMBF (eMails von Florian Frank, stellvertretender Pressesprecher, am 1.3. und 8.3.2004) und der DFG (eMail von Jutta Behnke, Gruppe Lebenswissenschaften der DFG, am 14.3.2004). 7 Die Forderaktivitat der DFG war allerdings recht gering, eine „politische Floskel'', wie ein Interviewpartner beschrieb, denn das BMBF habe das DHGP zu ,,99,9 % finanziert, die DFG hat da nie wirklich Geld reingesteckt''.
208
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Schaubild 6.5: Jahrliche Ausgaben der National Institutes of Health und des US Department of Energy (DOE) fiir die Forderung der Humangenomforschung (in Mio. US $)
1988 1989 1990 19911992 1993 19941995 19% 199719981999 2000 2001 2002 2003 iDep. of Energy ^Nat. Inst, of Health Die dargestellten Fordersummen wurden rekonstruiert auf der Basis einer Veroffentlichung der Human Genome Project Information-Gruppe am Oak Ridge National Laboratory des DOE (Human Genome Project Information 2004).
In den USA waren es die NIH und das DOE, die dem US Human Genome Project Mittel in betrachtlicher Hohe zur Verfiigung stellten, die zudem noch liber den gesamten Projektzeitraum kontinuierlich stiegen (Human Genome Project Information 2004). Man findet also in beiden Landern ein ahnliches Bild: Einer Legislativen, die das Thema Humangenomforschung in ihren Debatten und Regulierungsbemiihungen wenig zur Kenntnis nimmt, steht eine aktive, die Forschung fordernde Exekutive gegeniiber, wobei die Forderung in beiden Landern sehr unterschiedlich dimensioniert war (Hucho und Kochy 2003: 61). Diese binnensystemische Asymmetrie zwischen Legislative und Exekutive korrespondiert mit dem Ergebnis unserer StandingAnalyse: Auch hier hatte sich gezeigt, dass die Exekutive in den Medien prasent war, nicht aber die Legislative.
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
209
b. Die Frage ist nun, ob und in welchem Mafie die Exekutive auch versucht hat, die Medienagenda zu bestimmen. Unserem Modell zufolge ist dabei zunachst zu klaren, inwieweit unterschiedliche politische Akteure iiberhaupt den Wunsch hatten, sich zum Thema Humangenomforschung zu Wort zu melden. Fur Deutschland lasst sich zeigen, dass sich das BMBF im Vergleich zu der Exekutive anderer Lander zwar relativ spat fiir das Thema Humangenomforschung engagiert hat, sich dann aber klar fiir eine Forderung der Humangenomforschung ausgesprochen hat. Spatestens ab Mitte der 1990er hat man diese Forschung fordern woUen und mit dem Jahr 2000 war Humangenomforschung zu einem zentralen Thema fiir das Ministerium geworden (Int. Catenhusen 43-68, 89-172, 662-669). Auch fiir die Bundesregierung war Humangenomforschung ein wichtiges Projekt, das sowohl die SPD als auch Biindnis 90/Die Grunen realisieren wollten (Int. Catenhusen 89-140, 173-190, 529569, Roemer-Mahler 178, Rospel 349-373). Entsprechend war es auch erklartes Ziel, sich offentlich zum Thema Humangenomforschung zu positionieren. V. a. das BMBF wollte „eine politische FiihrungsroUe der Debatte" iibernehmen (Int. Catenhusen 687-707), auch weil man durchaus gewartig war, dass positiv verlaufende offentliche Debatten fiir ein Thema wie Humangenomforschung „erleichternd" wirken konnen (Int. Catenhusen 43-68, 89-172, 662-669). Fiir andere politische Akteure gait dies nicht oder nur in deutlich geringerem Mafie. Die Legislative war mit Humangenomforschung wenig befasst, auch weil es schon Ende der 1980er und Anfang der 1990er einige grundlegende politische Diskussionen im deutschen Bundestag gegeben hatte, bei denen etwa die grundsatzliche Forderentscheidung fiir oder gegen diese Forschung gefallen war. In der Hochphase der massenmedialen Debatte zwischen 1999 und 2001 lief das Humangenomforschungsprogramm bereits, war legislativ akzeptiert und wurde nicht mehr diskutiert (Int. Rospel 284-316, 371386). Auch fiir die deutschen Parteien war Humangenomforschung kein wichtiges Thema. Die SPD befiirwortete es als ein erfolgreiches und wenig kontroverses wissenschaftliches Thema (Int. Rospel 43-49), grundlegende oder kritische Diskussionen dariiber gab es intern nicht mehr (Int.
210
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Rospel 258-283, 317-348, 203-215). Auch fiir Biindnis 90/Die Grunen war Humangenomforschung kein zentrales Thema; die in den 1990ern noch vorhandenen Kritiker an dieser Forschung waren verstummt (Int. Fell 141-249, 254-307, vgl. auch Schwagerl 2001). Man habe sich an den Erfolgen der Humangenomforschung erfreut und es als relativ konfliktfreies Feld der Grundlagenforschung wahrgenommen (Int. Fell 254-307), andere biowissenschaftliche Themen wie die Biopatentrichtlinie oder das Gentechnikgesetz schienen insgesamt wichtiger zu sein (Int. Fell 90-109, 555574). Innerhalb der CDU/CSU war Humangenomforschung zwar diskutiert worden, die Diskussionen verliefen aber ohne grofiere Kontroverse und besafien eine geringe politische Durchschlagskraft (Int. Heiderich 4855, 254-270, 469-485). Entsprechend haben sich die deutschen politischen Parteien nur selten zu Humangenomforschung geaufiert (Int. Fell 601607, Rospel 614-644). Eine ausgepragte Praferenz, das Thema Humangenomforschung zu einem offentlichen Thema zu machen, lasst sich in Deutschland also nur bei der politischen Exekutive feststellen. Zur Realisierung dieser Praferenz konnte die Exekutive - v. a. das BMBF - zum einen auf umfangreiche infrastrukturelle und materielle Ressourcen zugreifen. So kooperierte das BMBF mit Forschungsorganisationen wie dem DHGP und dem Nationalen Genomforschungsnetzwerk (NGFN), mit Unternehmern und forschenden Unternehmen - die Offentlichkeitsarbeit fand „in idealer Arbeitsteilung" statt (Int. Catenhusen 792-807, 766-778, 792-807, 916-933). Im BMBF habe es zudem fiir ein halbes bis ein dreiviertel Jahr eine „ganz Starke Konzentration auf das Thema" gegeben, bei dem Ressourcen gebiindelt und beispielsweise die Mitarbeiter der Pressestelle intensiv in Sachen Humangenomforschung unterwiesen wurden (Int. Catenhusen 909-915). Die ohnehin professionalisierte Offentlichkeitsarbeit des BMBF und der anderen beteiligten Institutionen wurde abgeglichen und „ruckgekoppelt" (Int. Catenhusen 580-599), es wurde versucht, „Kommunikation aus einem Guss" zu machen (Int. Catenhusen 909-915). Dariiber hinaus stand das Ministerium „in sehr direkter Weise in Kommunikation mit prominenten Wissenschaftsjournalisten und prominenten Wissenschaftsmagazinen" wie „Science" und „Nature" sowie auch mit Wissen-
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
211
schaftsjournalisten tiberregionaler Tageszeitungen und konnte diese Kontakte auch zur Effizienzsteigerung der eigenen Offentlichkeitsarbeit nutzen (Int. Catenhusen 890-911). Das Ergebnis dieser Praferenzen- und Ressourcenlage war eine intensive offentliche Kommunikation der Exekutive zum Thema Humangenomforschung. Neben politischen Strategiepapieren (vgl. z. B. Bundesministerium fiir Bildung und Forschung 2000) gab es v. a. eine „Fulle von Pressekontakten, Konferenzen" usw. (Int. Catenhusen 385-388, 580-599, 724-729, 844-851), wobei durch die „internationale Zuspitzung des Wettlaufs" Mitte 2000 die Medien schliefilich oftmals auch von sich aus nachfragten (Int. Catenhusen 662669). Fiir die politischen Akteure der USA zeigt sich ein in Teilen ahnliches Bild. Auch hier war Humangenomforschung im Wesentlichen ein Thema der Exekutive. Das Projekt war als „public identifiable big project" (Int. Borchelt 150-153) und „good news project" (Int. Patrinos 16-21, 327-337) besonders fiir eine Offentlichkeitskampagne geeignet. Demgegeniiber gab es in der Legislative, im Reprasentantenhaus oder im Senat, keine politisch motivierten Debatten iiber Humangenomforschung (Int. Borchelt 199), weil das Thema kein „partisan issue" war, das zwischen Demokraten und Republikanern umstritten gewesen ware; statt dessen herrschte in beiden Lagern ein „bi-partisan commitment to this project" vor (Int. Borchelt 326-328). Auch fiir mogliche politische Kritiker wie die US Green Party war Humangenomforschung kein zentrales Thema. Als weitgehend randstandige politische Kraft konzentrierte man sich dort auf aufierwissenschaftliche Themen und bezog zu Humangenomforschung keine Stellung (Int. Qumsiyeh 83-84, Wages 11-17, 55-58). Alle politischen Akteure der USA - auch die Exekutive - eint jedoch, dass sie sich nicht sehr in der Offentlichkeitsarbeit zum Thema Humangenomforschung engagiert haben. Aus dem Weifien Haus gab es nur wenige Veroffentlichungen zur Humangenomforschung; das Thema wurde lediglich in der Hochphase der massenmedialen Debatte einige Male thematisiert (Int. Borchelt 311-314, 651-659). Auch das DOE als zustandiges Ministerium kommunizierte nur wenig mit den Massenmedien iiber Humangenomforschung. Man hatte einen „bona fide educational
212
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
outreach" (Int. Patrinos 199) und wollte nicht die Massenmedien, sondern politische, juristische und wirtschaftliche Eliten sowie Kinder und Jugendliche erreichen (Int. Patrinos 177-186, 194-196, 200-204, vgl. auch Borchelt 498-499). Es habe durchaus Offentlichkeitsarbeit gegeben, „but it hasn't been public communication, it's been sort or a scientific debate that probably never made it much to the public" (Int. Borchelt 379-396, 400-407). Die Offentlichkeitsarbeit fiir Humangenomforschung wurde eher als Aufgabe fachwissenschaftlicher Akteure, d. h. der NIH und v. a. des US Human Genome Project gesehen (Int. Borchelt 404-407, Patrinos 66-68, 220-226, 492-510). Entsprechend wurden auch die durchaus betrachtlichen Ressourcen fiir Offentlichkeitsarbeit der politischen Exekutive - z. B. existierte im DOE die acht- bis zehnkopfige „Human Genome Project Information"-Gruppe mit einem jahrlichen KommunikationsBudget von ca. 1,3 Mio. Dollar (Int. Mansfield, fiir andere Bsp. vgl. Borchelt 457-478, Patrinos 290-296, 300-303, 323-325) - kaum fiir das Thema Humangenomforschung eingesetzt. Wir vermuten, dass dies dazu gefiihrt hat, dass das Standing der Exekutive in Deutschland, wo sich Praferenzen zur Kommunikation iiber Humangenomforschung und entsprechender Ressourceneinsatz kombinierten, hoher ist als in den USA.
Wirtschaft a. Die Bedeutung von Humangenomforschung fiir das Wirtschaftssystem haben wir durch mehrere Indikatoren zu messen versucht. Zum einen haben wir die Anzahl der Biotechnologieunternehmen im Lander- und Zeitvergleich rekonstruiert. Diese Mafizahl bezieht sich zwar nicht allein auf unmittelbar mit Humangenomforschung beschaftigte oder davon potentiell profitierende Unternehmungen, sie schliefit diese aber mit ein.
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
213
Schaubild 6.6: Anzahl „kleiner" Biotechnologieunternehmen in Deutschland und den USA im Vergleich 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200
1998
1999
2000 ===^'""""
2001
2002
2003
USA
Dargestellt wird die Anzahl von Biotechnologieunternehmen mit maximal 500 Beschaftigten (Datengrundlage: Ernst & Young 1999-2004, zit. nach Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie 2004).
Die Zahl der entsprechenden Unternehmen steigt in beiden Landern liber die Zeit an; zugleich zeigt sich, dass die Anzahl der amerikanischen Unternehmen die Anzahl der deutschen Unternehmen deutlich tibersteigt. Ein ahnlicher Unterschied ergibt sich, wenn man sich die Entwicklung der im Bereich der Biotechnologie angemeldeten Patente anschaut. In beiden Landern gibt es eine Zunahme der angemeldeten Patente, die Anzahl der amerikanischen Patente ist aber deutlich groCer als die der deutschen.
214
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Schaubild 6.7: Anzahl vergebener Patente im Bereich Biotechnologie und Gentechnik in Deutschland und den USA im Vergleich
1995
19%
1997 Deutschland
1998
1999
2000
USA
Datengrundlage: Deutsches Patentamt, zit. nach Hucho und Kochy 2003:159.
Auch die Forderung der Biowissenschaften durch wirtschaftliche Akteure weist ein ahnliches Strukturmuster auf. So investieren Biotechnologieund Pharma-Unternehmen in den USA deutlich mehr Fordermittel in die Forschung als deutsche Unternehmen (Hucho und Kochy 2003:173f.; vgl. allgemein dazu auch Ernst & Young 2000). Weiterhin manifestiert sich die wirtschaftliche Bedeutung der Biowissenschaften in der Borsenentwicklung. Um das Jahr 2000 herum platzierten sich sowohl in Deutschland als auch in den USA zahlreiche Biotechnologieunternehmen an den Borsen und erfreuten sich zunachst einer starken Nachfrage der Anleger. Sowohl der US-amerikanische Amex Biotech-Index als auch der deutsche Index Nemax, der eine Reihe von Biotechnologie-Werten enthielt, stiegen deutlich an, fielen aber spater wieder ab. Dass die Menge der borsennotierten Biotechnologieunternehmen in den USA hoher war und ist als in Deutschland, vermuten wir, konnen wir aber nicht nachweisen. SchlieClich haben wir auch die Entwicklung der Bedeutung des Themas Humangenomforschung in Wirtschaftszeitungen analysiert, indem wir die Haufigkeit der Thematisierung im „Handelsblatt" und im
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
215
„Wall Street Journal" rekonstruiert haben. Auch hier zeigt sich ein ahnliches Strukturmuster: eine Zunahme der Bedeutung des Themas, gepaart mit Bedeutungsunterschieden zwischen Deutschland und den USA. Schaubild 6.8: Berichterstattung von Wirtschaftsmedien iiber Genomforschung im Zeitverlauf (Anzahl von Artikeln)
1987
1989
1991
1993
1995
Wall Street Journal''''''''
1997
1999
2001
2003
='= Handelshlatt
Dargestellt wird die Zahl der Artikel im deutschen „Handelsblatt'' (Volltextsuche im Archiv unter http://www.handelsblatt.biz, Suchbegriff „Genom'', Zugriff am 26.6.2005) sowie im US-amerikanischen „ Wall Street Journal" (Volltextsuche im WSJ / Factiva Archive, Suchbegriff „Genome", Zugriff am 26.6.2005).
Insgesamt zeigen unsere Analysen, dass das Thema Humangenomforschung und das Themenfeld Biowissenschaften in beiden Landern an Bedeutung fiir das Wirtschaftssystems gewonnen hatte. Zugleich zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und den USA. In den USA spielen Biotechnologiefirmen eine grofiere Rolle als in Deutschland, sie produzieren mehr Output in Form von Patenten, zudem wird Biotechnologie in den Wirtschaftsmedien starker beachtet und in hoherem Mafie gefordert als in Deutschland. Dieses Ergebnis deckt sich mit den
216
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
beschriebenen Standing-Unterschieden von Wirtschaftsakteuren zwischen Deutschland und den USA. b. Wie verhalt es sich nun aber mit der Offentlichkeitsarbeit der Wirtschaftsakteure? Fiir die Vertreter der deutschen Wirtschaft war Humangenomforschung zu Beginn kein relevantes Thema. Uber das wirtschaftliche Potenzial der Sequenzierung des menschlichen Erbguts als Grundlagenforschungsfeld waren sich die Wirtschaftsakteure anfangs nicht im Klaren; dementsprechend waren sie auch nicht zu einer Forderung in einem wesentlichen Umfang bereit (vgl. dazu die Interviews mit Annemarie Poustka, Thomas von Riiden, Nikolaus Zacherl und Frank Laplace in Schulze 2005). Erst in einer spateren Phase der Humangenomforschung, in der massiv Daten iiber das menschliche Erbgut generiert wurden, entwickelten Biotechnologie- und PharmaFirmen ein Interesse daran, diese Daten auf ihre Verwertbarkeit hin zu priifen. LFber den Verein zur Forderung der Humangenomforschung^, dem Unternehmungen wie Aventis, Bayer, Roche oder Schering angehorten, finanzierten sie daher die Patent- und Lizenzagentur (PLA) im Verbund des DHCP. Diese Agentur bewertet „research results with regard to patentable content and takes care of the protection of patentable findings that may have commercial utility" (Kemper 2002:18). Doch auch wenn Humangenomforschung fiir die Akteure der Wirtschaft in Deutschland von eher geringer Relevanz war, war ihre Bewertung des Themas klar positiv (Int. Schroder I 235-244, 1089-1117; Schroder II 145155)Das Offentlichkeitsengagement war aber insgesamt recht gering, und zudem nicht auf die Medien, sondern auf andere Zielgruppen ausgerichtet. Der Verein zur Forderung der Humangenomforschung zielte z. B. erstens auf Wirtschaftsvertreter und Unternehmen, deren Arbeit man fordern wollte (Int. Schroder 11151-1163), und zweitens auf Jugendliche und entsprechende Multiplikatoren wie Lehrer, teils auch in Zusammenarbeit mit Akademien und Universitaten (Int. Schroder I 803-837; Schroder II 81-91). Dabei waren die Wirtschaftsvertreter durchaus in der Lage gewesen, sich gewichtig in den deutschen Diskurs einzumischen. ^ Der Verein wurde, nachdem er seine Aufgabe erfiillt hatte, Ende 2005 aufgelost (Forderverein Humangenomforschung und Biotechnologie 2005).
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
217
wenn man sich ihre Ressourcenausstattung anschaut: Die Mitgliedsunternehmen des Vereins zur Forderung der Humangenomforschung unterhielten Kooperationsbeziehungen mit dem Bundesverband der pharmazeutischen Industrie, der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie, der Gesellschaft fiir Chemische Technik und Biotechnologie DECHEMA und der Vereinigung Deutscher Biotechnologie-Unternehmen sowie zum DHGP und zum BMBF (Int. Schroder 1198, 249-260, 558-586, 611-626, 1323-1340, Schroder II 50-79). Auch finanziell und personell waren die Wirtschaftsvertreter recht gut ausgestattet. Der Forderverein selbst verfiigte (iber ein bis zwei Personalstellen und ein Budget fiir Offentlichkeitsarbeit in Hohe von 70.000 Euro jahrlich (Int. Schroder 112231249; Schroder II125-128, 237-246, 259-280, 290-293). Darliber hinaus gab es natiirlich in den beteiligten Unternehmen professionelle Pressearbeitskonzepte und entsprechende Expertise im Bereich der Offentlichkeitsarbeit (Int. Schroder 11164-1192). Fiir die Vertreter der US-amerikanischen Wirtschaft - zumindest fiir einige Akteure - lasst sich auf der Basis unserer Interviews ein etwas anderes Bild zeichnen. In den USA existierten und existieren mehr Unternehmen, die aus der Sequenz des menschlichen Erbguts direkten kommerziellen Nutzen zu ziehen versuchten (vgl. z. B. Davies 2001:161). Die pragnantesten Beispiele sind Celera Genomics - a!s teils wissenschaftlicher, teils wirtschaftlicher Akteur, dessen Kommunikationsverhalten ja bereits bei den Wissenschaftsakteuren beschrieben wurde sowie auch Human Genome Sciences (HGS), eine Firma, die sich auf kleinere Telle der Totalsequenz des menschlichen Genoms konzentriert und aus diesen Arzneien zu entwickeln versucht (Int. Parrott 51-57, 169176, 42-45, 186-191). Entsprechend interessierte sich HGS fiir die Humangenomforschung, deren Daten und wirtschaftliche Anwendung (Int. Parrott 17-18) und betrieb Offentlichkeitsarbeit mit einem klaren Ziel: Man wollte die Patentierung genetischer Informationen als grundsatzlich faire Geschaftsstrategie darstellen, Borsenanleger, Investoren und Analysten vom kommerziellen Nutzen dieser Moglichkeit iiberzeugen und das Potential genom-basierter Medikamente anpreisen (Int. Parrott 69-74, 8793, 107-125, 225-228, 324-331, 343-346, 390-391, 420-429, 546-548). Dabei
218
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
wurde gezielt versucht, Leit-Printmedien wie die „New York Times" und die „Washington Post" und Wirtschaftsmedien wie das „Wall Street Journal" als mogliche Multiplikatoren anzusprechen (Int. Parrott 362-386, 529-532). Zu diesem Zweck wurde die Offentlichkeitsarbeit der eigenen Pressestelle und v. a. das Medientalent von „chief executive officer" William Haseltine eingesetzt (Int. Parrott 486-491, 495-503, 505-520, 537-541). Auf diese Weise gelang es dem Unternehmen auch, Haseltine und damit sich selbst massenmedial zu platzieren. Wahrend in Deutschland das Interesse der Wirtschaftsakteure an Humangenomforschung und damit an einer entsprechenden Offentlichkeitsarbeit relativ gering ausgepragt war, stellt sich die Situation in den USA also anders dar. Wie die Beispiele Celera Genomics und Human Genome Sciences zeigen, sind diese Firmen unmittelbar von der Entwicklung der Humangenomforschung betroffen und daher starker am Thema und an Offentlichkeitsarbeit interessiert. Dies lasst sich plausibel mit unserem Befund in Verbindung bringen, dass Wirtschaftsakteure in den USA ein etwas ausgepragteres Standing haben als in Deutschland.
Zivilgesellschaft
a. Wir haben schliefilich auch versucht, die Aktivitaten innerhalb des zivilgesellschaftlichen Sektors zu messen, was sich als weit schwieriger erwies als die einfacher erschliefibaren, klarer umgrenzten Bereiche von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Wir haben zum einen versucht, die Starke der Aufmerksamkeit zivilgesellschaftlicher Teiloffentlichkeiten fiir das Thema Humangenomforschung zu bestimmen. Dazu wurde fiir Deutschland der „Gen-ethische Informationsdienst", die Zeitschrift des Gen-ethischen Netzwerks, ausgewertet. Leider sind diese Daten aber nur bis zum Jahr 2001 verfiigbar. Fiir die USA haben wir „Gene Watch" und den Newsletter des „Center for Genetics and Society" ausgewertet. Hier besteht das Problem, dass die Daten in dem einen Fall nur von 2001 bis 2004, im anderen nur fiir die Jahre 1999 bis 2004 verfiigbar sind. Die Phaseniibereinstimmung zwischen Deutschland und den USA bezieht sich
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
219
im Kern also nur auf die Jahre 1999 und 2000. Deshalb muss man die Ergebnisse mit Vorsicht interpretieren. Schaubild 6.9: Haufigkeit der Erwahnung von Humangenomforschung in den Medien verschiedener NGOs (Anzahl von Artikeln) 90
70 60 50 40
1985
1987
1989
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
'' Gen-ethischer Infonnationsdienst Center for Genetics & Society Gene Watch Dargestellt wird die Zahl der Artikel pro Jahr im deutschen „Gen-ethischen Informationsdienst" (hrsg. vom Gen-ethischen Netzwerk, Volltextsuche im CD-Rom-Archiv, Suchbegriff „Genom'', anschliefiend Ausschluss von Referenzen auf pflanzliche und tierische Genome) sowie in „Gene Watch'' (hrsg. vom Council of Responsible Genetics, Volltextsuche unter http://www.gene-watch.org, Suchbegriff „Genome'', Ausschluss von Referenzen auf tierische und pflanzliche Genome, Suche am 15.7.2005) und im Newsletter des Center fiir Genetics and Society (Volltextsuche unter http://www.genetics-and-society.org/newsletter, Suchbegriff „Genom'^", Ausschluss von Referenzen auf tierische und pflanzliche Genome, Suche am 15.7.2005) in den USA.
220
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Das Thema Humangenomforschung scheint fiir die deutschen zivilgesellschaftlichen Akteure eine grofiere Bedeutung gehabt zu haben als fiir ihre US-amerikanischen Pendants. Wahrend den USA iiblicherweise eine ausgepragtere und aktivere Zivilgesellschaft als Deutschland attestiert wird (vgl. z. B. Vorlander 1998) und sich dies auch in offentlichen Debatten zu anderen Themen niederschlagt (vgl. z. B. Ferree et al. 2002), lassen sich bei dem uns interessierenden Thema zunachst keine Indikatoren dafiir finden, dass die US-Zivilgesellschaft fiir das Thema Humangenomforschung in hoherem Mafie mobilisiert war als die deutsche Zivilgesellschaft. Das Gegenteil war wahrscheinlich der Fall. In eine ahnliche Richtung weist ein zweiter Indikator. Zivilgesellschaftliche Aktivitaten aufiern sich sehr haufig in Protestaktionen. Wir haben versucht, die Menge der auf Biotechnologie und Humangenomforschung bezogenen Proteste im Zeitraum 1987 bis 2004 zu rekonstruieren. Auch wenn das Protestniveau insgesamt sehr niedrig ist, ist die Menge der Proteste in Deutschland durchgehend hoher als in den USA (Schaubild 6.10). Auch wenn die Datengrundlage zur Messung der Aktivitaten zivilgesellschaftlicher Akteure zum Thema Humangenomforschung recht sparlich ist, deuten die Befunde doch darauf hin, dass das Aktivitatsniveau in Deutschland hoher war als in den USA. Auch dieses Ergebnis korrespondiert mit den gefundenen Standing-Unterschieden zwischen Deutschland und den USA, insofern es den Akteuren in Deutschland besser als den amerikanischen Akteuren gelungen ist, sich in den Medien zu platzieren. In beiden Landern ist das Standing der zivilgesellschaftlichen Akteure aber insgesamt sehr gering. b. Auch hier haben wir zudem Interviews mit Vertretern der Zivilgesellschaft gefiihrt, um deren Praferenzen und Restriktionen fiir Offentlichkeitsarbeit zum Thema Humangenomforschung zu bestimmen. Dabei ist festzustellen, dass fiir die meisten interviewten zivilgesellschaftlichen Akteure in Deutschland und den USA Humangenomforschung kein zentrales Thema war, und sie dementsprechend ihre teils betrachtlichen Ressourcen auch nicht fiir die Offentlichkeitsarbeit zu diesem Thema eingesetzt haben. Beispiele fiir solche Akteure in Deutschland sind
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
221
Greenpeace, der Verein Bioskop, die deutschen Behindertenverbande, die beiden grofien Kirchen sowie - als zwar nicht zivilgesellschaftliche, aber ebenfalls potentiell biowissenschaftskritische Organisationen - der Nationale Ethikrat und die Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages. Schaubild 6.10: Anzahl von Protesthandlungen in Verbindung mit Genomforschung und Biotechnologie in Qualitatszeitungen
1987
1989
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
FA^ Stichwort "Biotech/Gentech"
WP, Stichwort "Biotech/Gentech"
FAZ, Stichwort "Genom"
WP, Stichwort "Genome"
Dargestellt wird die Zahl der Artikel pro Jahr in der „VAZ" (Volltextsuche im OnlineArchiv unter http://fazarchiv.faz.net/FAZ.ein, Suchbegriffe „(biotech* ODER geneti*) UND protest*" sowie „Genom UND protest*", Suche am 20.7.2005) sowie in der ^Washington Post" (Volhextsuche im OnUne-Archiv unter http://pqasb.pqarchiver.com/washingtonpost/ search.html, Suchbegriffe „(biotech* OR geneti*) AND protest*" sowie „ Genome AND protest*", Suche am 20.7.2005).
Fiir Greenpeace war Humangenomforschung ein Randthema. Wenn die Organisation iiberhaupt biowissenschaftUche Themen behandeU, dann Uegt der Fokus auf Fragen des Zugangs zu genetischen Ressourcen, d. h. auf „Monopolanspruchen auf belebte Natur" (Then 130-136, 141, vgl. auch Greenpeace Deutschland 2004). Entsprechend Hegt der Schwer-
222
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
punkt der einschlagigen Arbeit bei „Agro-Gentechnik"; die Patentierung von Saatgut ist flir Greenpeace wichtiger als die Patentierung des Humangenoms, auch wenn letzteres evtl. offentlich mehr diskutiert wurde (Int. Then 160-170, 228-241). Dementsprechend ist Humangenomforschung auch kaum bearbeitet worden (Int. Then 228-241, 375-382), lediglich zu den damit verbundenen Patentierungsfragen gibt es - wenige kritische Aufierungen von Greenpeace (Int. Then 146-154, 212-227, 361364). Vor diesem Hintergrund bleiben auch die umfassenden Ressourcen der Organisation ungenutzt. Zwar hat Greenpeace Deutschland im Jahr 2000 etwa 12 Mio. DM fiir Kommunikation und zusatzliche 2,9 Mio. DM fiir Werbung ausgegeben (Greenpeace Deutschland 2000: 8) - aber Greenpeace hatte kein Interesse, diese Ressourcen zum Thema Humangenomforschung einzusetzen. Ahnliches gilt fiir Bioskop, das „Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften und ihrer Technologien". Der Hauptfokus der inhaltlichen Arbeit lag auf anderen biowissenschaftlichen Forschungs- und Anwendungsfeldern und eben nicht auf der Humangenomforschung (Int. Feyerabend 27). Die eigene Zeitschrift „Bioskop" - mit der eine Zielgruppe jenseits der Massenmedien angesprochen werden soil: Aktivisten, Wohlfahrtsverbande und Kirchen, Biomediziner, Hebammen, Arzte, Politiker, Betroffene (Int. Feyerabend 35-50, 86-95) - veroffentlichte im September 2000 zwar eine Titelgeschichte zur Sequenzierung des menschlichen Erbguts (Int. Feyerabend 163-169), aber ansonsten „lauft [das] immer so ein bisschen mit, aber nicht unbedingt an diesem Sequenzierungsprojekt" (Int. Feyerabend 171-172). Zudem verfiigt Bioskop iiber nur wenige Ressourcen; es gibt nur eine honorarfinanzierte Personalstelle, „viel Arbeit wird ehrenamtlich" erledigt, die Zeitschrift tragt sich gerade selbst (Int. Feyerabend 62-74). Es fehlt aufierdem eine feste Organisationsform (Int. Feyerabend 15-16) und damit ein konstanter Ansprechpartner fiir die Medien; Anfragen von Journalisten gibt es bei Bioskop aber generell nur selten (Int. Feyerabend 197-198, 268-278). In ahnlicher Weise lassen sich die deutschen Behindertenverbande beschreiben. Sie haben sich ebenfalls so gut wie nicht zum Thema Humangenomforschung geaufiert, sondern ihre Aufmerksamkeit auf andere
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
223
Themen fokussiert: „was bei uns hier die Behindertenbewegung gepragt hat, inhaltlich, war zunachst die Singerdebatte, die gesamte Sterbehilfeauseinandersetzung und dann Pranataldiagnostik, Praimplantationsdiagnostik, und erstaunlicherweise jetzt auch embryonale Stammzellforschung" (Int. Graumann 370-392). Entsprechend wurden die Ressourcen der Verbande fiir die Diskurse iiber Humangenomforschung nicht aktiviert. Auch fiir die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) war Humangenomforschung kein sonderhch relevantes Thema, weil man sie eher fiir Grundlagenforschung hielt und nicht an fundamentaler Wissenschaftskritik interessiert war. Man wolle v. a. Orientierungswissen zu ethischen Implikationen von Forschung zur Verfiigung stellen (Int. Barth 122-159, 160-175, 838-885, 1040-1070), aber solche habe es bei Humangenomforschung kaum gegeben (Int. Barth 176-216); lediglich Anwendungsaspekte wie informationelle Selbstbestimmung und genetische Diskriminierung seien diesbeziiglich gelegentlich von Relevanz gewesen (Int. Barth 331-357, 621-629, 369-396). Grundsatzlichere Fragen, etwa die des Menschenbildes, seien eher bei den Themen Klonen, Stammzellforschung oder Praimplantationsdiagnostik als bei Humangenomforschung bedeutsam gewesen (Int. Barth 448-546). Hinter diesen Themen trat Humangenomforschung in seiner Bedeutung zuriick (vgl. z. B. Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland 2002). Entsprechend sind auch die materiellen und immateriellen Ressourcen der EKD, die nicht unbetrachtlich sind und grundsatzlich vielfaltige Wege der Offentlichkeitsarbeit umfassen (Int. Barth 217-267, 280-335, 313-316, 495-503, 862-871, 9971013,1102-1113), nicht von Bedeutung gewesen. Ahnlich sieht es fiir die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) aus, den Zusammenschluss der Bischofe aller katholischen Diozesen Deutschlands. Fiir die DBK ist zwar Bioethik ein wichtiges Thema (Int. Beykirch 148-150), ihr zentraler Fokus liegt aber auf der Beschaftigung mit ungeborenem Leben, was v. a. bei der Praimplantationsdiagnostik, der Pranataldiagnostik und der Stammzellforschung relevant ist (Beykirch 200-228, 357-367, vgl. dazu auch Die deutschen Bischofe 2001). Humangenomforschung ist eher als unproblematisches Experten-Thema wahrgenommen
224
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
und daher nur ein Nebenthema der Organisation gewesen (Int. Beykirch 938-963, vgl. auch Casel 17-23). Damit wurden auch die vielfaltigen verfiigbaren Ressourcen - eigene Publikationen, das Internet, Gemeindearbeit, die gut ausgestattete Pressestelle sowie die Pressestellen der zugehorigen Diozesen und die verfiigbaren Medienkontakte (Int. Beykirch 3035, 53-55, 80-85, 656-678, 1281-1314, 1342-1366, 1439-1478, 1588-1611, 1682-1719,1742-1815,1832-1838) - nicht eingesetzt. Noch zwei weitere Organisationen sind als Beispiele fiir diesen Typus von Akteur zu erwahnen, der zwar liber Ressourcen verfiigt, aber kein starkes Interesse am Thema Humangenomforschung hat: der Nationale Ethikrat und die Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin". Beide Gremien konnen aufgrund der Heterogenitat ihrer Mitglieder, die aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilsystemen kommen, zwar nicht der Zivilgesellschaft zugeschlagen werden. Da beide Gremien sich aber mit den ethischen Implikationen der Wissenschaft und v. a. der Biowissenschaften beschaftigen, hatten sie eine kritische Stimme im Diskurs iiber Humangenomforschung sein konnen. Doch auch fiir sie gilt, was eben fiir Greenpeace und die beiden grofien deutschen Kirchenorganisationen geschildert wurde. Im Nationalen Ethikrat ist Humangenomforschung nicht diskutiert worden (Int. Reich 319-347). Wahrend der Hochphase der massenmedialen Diskurse beschaftigte sich der Ethikrat mit Stammzellforschung und der Klonierung von Lebewesen (Int. Reich 253-277). Erst deutlich spater wandte man sich allgemeineren Themen zu, die mittelbar auch fiir Humangenomforschung relevant sind, etwa dem Thema Biobanken und Fragen des Datenschutzes (Int. Reich 253-277). Auch die Enquete-Kommission hatte kein Interesse daran, sich massenmedial zum Thema Humangenomforschung zu auCern. Zwar spielte das Thema fiir die Kommission eine grofiere Rolle als fiir den Nationalen Ethikrat, da sich eine der drei internen Themengruppen mit dem Umgang mit genetischen Daten beschaftigte und diese Frage mittelbar auch Humangenomforschung tangiert (Int. Rospel 16: 52, 220: 257; Graumann 457-467, 477-478). Aber erstens richtete sich der Blick der Kommission dabei nicht direkt auf die Forschung, sondern nur auf ihre ethischen und
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
225
rechtlichen Implikationen (Int. Rospel 16-52, 73-92, 380-389). Zweitens war eine an Massenmedien gerichtete Offentlichkeitsarbeit kein eigentliches Ziel der Enquete-Kommission (Int. Rospel 477-515). Das geringe Standing der hier beschriebenen Organisationen in der Debatte iiber Humangenomforschung lasst sich also vermutlich damit erklaren, dass diese dem Thema Humangenomforschung wenig Bedeutung beigemessen haben, aus diesem Grunde auch nicht versucht haben, sich massenmedial zum Thema zu positionieren und dementsprechend auch ihre teils betrachtlichen Ressourcen nicht genutzt haben, um die Medienagenda zu beeinflussen. Auf der Basis unserer Interviews last sich noch ein zweiter Typus von zivilgesellschaftlichen Akteuren beschreiben. Fiir diese war Humangenomforschung zwar ein relevantes Thema, ihnen mangelte es aber an den notwendigen Ressourcen, um ihre Positionen erfolgreich in den Massenmedien platzieren zu konnen. Ein Beispiel fiir einen derartigen Akteur ist das Gen-ethische Netzwerk (GeN). Fiir dieses war Humangenomforschung ein „Dauerthema" und hatte v. a. in der Hochphase der offentlichen und massenmedialen Diskussion im Jahr 2000 einen „sehr starken Stellenwert", weil es einen „unglaublichen Hype" in den Medien gab (Int. Wagenmann 389-402, 1313-1314). Entsprechend war die Organisation gut aufgestellt und hatte eine elaborierte Position zur Humangenomforschung entwickelt (Wagenmann 1375-1393, 297-320, vgl. Genethisches Netzwerk 1995; 1998). Es wurde auch versucht, das Thema offentlich zu kommentieren, u. a. durch Artikel in der eigenen Zeitschrift „Gen-ethischer Informationsdienst" (z. B. Riewenherm 2002; von Schwerin 2002), durch selbst herausgegebene Broschiiren (vgl. z. B. Genethisches Netzwerk 1995; 1996; 1998), durch Vortrage und eine Anhorung beim EU-Parlament (Int. Wagenmann 626-644). Allerdings spielte dabei die an die Medien gerichtete Kommunikation nur eine nachgeordnete Rolle. Zum einen lag dies daran, dass das GeN nicht primar an der Kommunikation mit Massenmedien interessiert ist; denn ihre aus Verbanden, Multiplikatoren, Lehrern und Personen aus der Okologiebewegung etc. bestehende Zielgruppe, „diese kleine Offentlichkeit, die sehr informiert ist, die erreichen wir ohnehin mit unserer Zeitschrift" (Int.
226
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Wagenmann 566-598, 341-354, 917-938, 1284-1312, Westermann 17-20). Die geringe Offentlichkeitsarbeit ist aber auch auf den Mangel an Ressourcen zuriickzufiihren: Das Netzwerk verfligt nur iiber wenige finanzielle Mittel und wenig, teils ehrenamtliches Personal, das sowohl die inhaltliche Arbeit als auch die redaktionelle Betreuung des „Genethischen Informationsdiensts" iibernehmen muss (Int. Wagenmann 1684-1702, 1708-1713, Westermann 43-45, 65-66). Die Finanzierung iiber Mitgliederbeitrage und den Verkauf der eigenen Zeitschrift (Int. Wagenmann 111-135) lieC es nicht zu, eine Personalstelle flir Offentlichkeitsarbeit zu schaffen (Int. Westermann 45). Entsprechend habe man zwar „immer wieder" mal versucht, Themen, Akteure oder Inhalte in den Massenmedien zu platzieren, dies war aber relativ erfolglos (Int. Wagenmann 831-844). Innerhalb des zivilgesellschaftlichen Sektors in Deutschland lassen sich also zwei Typen von Organisationen finden: Einerseits solche Akteure, die an Humangenomforschung nicht oder wenig interessiert waren und entsprechend auch nicht die vorhandenen Ressourcen dafiir einsetzten, um die Medienagenda zu beeinflussen; andererseits solche Organisationen, fiir die Humangenomforschung zwar ein wichtiges Thema war, die aber iiber keine adaquaten Ressourcen verfiigten, um eine angemessene PR-Arbeit zu betreiben. Die Mehrzahl der in Deutschland interviewten Institutionen lasst sich dabei dem ersten Typus zuordnen. Die beiden Typen von zivilgesellschaftlichen Akteuren lassen sich in den USA wieder finden; und auch dort iiberwiegen diejenigen Organisationen, die kein sehr starkes Interesse an einer Kommunikation iiber Humangenomforschung hatten. Dazu gehoren etwa das Council for Responsible Genetics, das Edmonds Institute, das Genetic Engineering Action Network (GEAN), die US Conference of Catholic Bishops, das okumenische National Council of Churches sowie - als eher zivilgesellschaftsferner, aber potentiell kritischer Akteur - das President's Council for Bioethics. Fiir das Council for Responsible Genetics waren nur Teilaspekte der Humangenomforschung relevant; generell konzentriert sich das Council auf Fragen des Datenschutzes, genetische Diskriminierung, genetische
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
227
Tests, Gentherapie und Patentfragen (Int. Byravan 203-206). Humangenomforschung war im Lichte dieser Aspekte nur ein mafiig relevantes Thema (Int. Byravan 354-380). Dariiber hinaus ist das Council auch wenig an der Arbeit mit Massenmedien interessiert (Int. Byravan 311-316). Die Hauptaktivitat sei das Lobbying bei politischen Eliten (Int. Byravan 127-128, 249-255) sowie „education and advocacy" iiber Wege jenseits der Massenmedien, etwa die eigene Zeitschrift „Gene Watch", Vortrage und Bucher (Int. Byravan 124,138-144,151-153,166-170, 210-214, 232-244). Das Hauptinteresse des Edmonds Institute gilt v. a. der „maintenance, preservation and substance of biodiversity" (Int. Burrows 6-58, 9091, 361-362). Humangenomforschung war fiir das Edmonds Institute kein relevantes Arbeitsthema, die Organisation hat dazu auch keine spezifische Position entwickelt (Int. Burrows 117-125, 164-165). Selbst wenn es eine gegeben hatte, so hatte man angesichts des „very tiny budget" (Int. Burrows 267-275, 240-254) und des mangelnden Interesses an der Arbeit mit Massenmedien (Int. Burrows 556-564, 585-589) diese nicht an die Medien kommunizieren konnen. Auch fiir das Genetic Engineering Action Network (GEAN), das sich mit einer „myriad of issues surrounding biotechnology" beschaftigt, war Humangenomforschung nicht bedeutsam. Statt dessen habe agrikulturelle Biotechnologie im Vordergrund gestanden, Humangenomforschung dagegen sei fiir die Organisation weder von Interesse noch Gegenstand der Kommunikation gewesen (Int. Brock 3-14). Ahnlich lasst sich die US Conference of Catholic Bishops beschreiben. Die Organisation hat sich so gut wie nicht mit Humangenomforschung auseinander gesetzt, weil das Thema Fragen des Lebens- oder Embryonenschutzes nicht beriihrt hat (Int. Doerflinger 13-17). Beim Thema Stammzellforschung war die US Conference hingegen ein „major stakeholder", da dieses Thema mit den genannten Aspekten eng verkniipft war (Int. Doerflinger 16-17, 26-28). Auch fiir das National Council of Churches, ein okumenischer Dachverband von 32 protestantischen und orthodoxen Kirchen der USA, war Humangenomforschung kein wichtiges Thema. Es gab drangendere Fragen zu beantworten und entsprechend hatte man auch keine klare interne Position zu diesem Thema (Int. Welty 207-209, Lindner 508-213, Patillo
228
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
531-595). „That doesn't mean we haven't discussed it, but we have not made it a public issue" (Int. Lindner 508-213). Somit wurden auch die finanziellen und personellen Ressourcen, iiber die das Council durchaus verfiigen kann, nicht fiir das Thema Humangenomforschung eingesetzt (Int. Patillo 541-562). Schliefilich kann auch fiir die USA noch eine Organisation angefiihrt werden, die nicht der Zivilgesellschaft angehort, aber u. U. kritische Positionen in die Diskurse hatte einbringen konnen: das President's Council of Bioethics. Dieses, dem Nationalen Ethikrat ahnliche Council von Vertretern unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilsysteme, wurde erst gegen Ende der Hochphase der Debatte iiber Humangenomforschung gegriindet, hat sich aber nicht mit Humangenomforschung beschaftigt (Int. Kass). All diese Organisationen lassen sich dem gleichen Akteurstyp zurechnen. Wie in Deutschland, so gibt es aber auch in den USA ein anderes Beispiel, mithin eine zivilgesellschaftliche Organisation, die zwar halbwegs motiviert war, sich in den Medien zu platzieren, aber nicht iiber die entsprechenden Ressourcen verfiigte, dies auch durchzusetzen. Das Center for Genetics and Society bearbeitet zwar grundsatzlich eher Fragen reproduktiver genetischer Technologien (Klonen und Stammzellforschung) und damit ein Set von Themen, in dem Humangenomforschung nicht vorkommt. Allerdings zahlen zu den sekundaren Arbeitsfeldern dieser Organisation auch Fragen der Diskriminierung und des Datenschutzes, und damit war auch Humangenomforschung ein, wenn auch nicht zentrales, Thema fiir das Center (Int. Darnovsky 12-15, 112115, 127). Das Center scheiterte aber an mangelnden Ressourcen, da die Organisation besonders in ihren Anfangsjahren - die mit der Hochphase der massenmedialen Debatte iiber Humangenomforschung zusammen fielen - einen eklatanten Mangel in punkto Personal und Budget zu verzeichnen hatte (Int. Darnovsky 88, 211-214, 223-224). Aus diesem Grund hat es keine Kommunikation zum Thema gegeben (Int. Darnovsky 144150). Bilanzieren wir unsere Analysen. Fiir beide Lander gilt also, dass die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen ein geringes Interesse am
6.2 Das Agenda Building der extramedialen Akteure
229
Thema Humangenomforschung hatten und entsprechend auch nicht versucht haben, sich am massenmedialen Diskurs zu beteiligen. Fiir eine kleinere Gruppe von Akteuren gilt, dass sie zwar grundsatzlich an einer Beteiligung an der massenmedialen Debatte interessiert waren, aber nicht in der Lage waren, ausreichende Ressourcen fiir eine professionalisierte Offentlichkeitsarbeit zu mobilisieren. Damit waren die Vertreter der Zivilgesellschaft insgesamt in einer ungiinstigen kommunikativen Position, die noch durch zwei weitere Faktoren verstarkt wurde: Erstens ist das Feld zivilgesellschaftlicher Akteure mit Interesse fiir biowissenschaftliche Themen ohnehin recht klein; Kooperationen finden - wie fast alle befragten Organisationen anmerkten (Int. Feyerabend 104-111, 128-137; Then 568-590; Wagenmann 754-796; Darnovsky 28-31, 52-55, 43-44) - so gut wie nicht statt. Der Mangel an Interesse oder Ressourcen, den die einzelnen Organisationen vermelden, wurde also auch nicht dadurch ausgeglichen, dass sich Allianzen mehrerer Akteure bildeten. Ein zweites, damit verbundenes Problem ist die Heterogenitat der Stimmen zivilgesellschaftlicher Akteure: Aufgrund der mangelnden Kooperation und Koordination der Organisationen und ihrer doch recht unterschiedlichen Ausrichtung lasst sich keine „gemeinsame Stimme" dieser zivilgesellschaftlichen Akteure ausmachen, die dann auch hohere Chancen gehabt hatte, offentlich gehort zu werden. Die Verfasstheit der Zivilgesellschaft ist fiir die Struktur offentlicher Meinungsbildung zum Thema Humangenomforschung auch deswegen von besonderer Relevanz, weil die Gegenseite ganz anders aufgestellt war. Wissenschaftler, die politische Exekutive und zum Teil auch die Wirtschaftsakteure waren zur Teilnahme an den Diskursen iiber Humangenomforschung im hohen Mafie motiviert. Dabei konnten sie auch auf die entsprechenden, sowohl infrastrukturellen, finanziellen und personellen als auch symbolischen Ressourcen zuriickgreifen, um ihre Positionen offentlich zu kommunizieren. „The domains of science, politics and mass media converged at the culmination of the [Human Genome Project]." (Smart 2003: 26; vgl. auch O'Mahony und Schafer 2005). Dass diese Akteure sich, ihre Positionen und Deutungsrahmen massenmedial sehr erfolgreich platzieren konnten, liegt neben ihrer Ressourcenstarke
230
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
und professionalisierten Offentlichkeitsarbeit nicht zuletzt auch an ihrer transnationalen Organisationsstruktur und Kommunikationsarbeit. Mit dem internationalen Humangenomprojekt und unterschiedlichen, jeweils als Finanziers beteiligten politischen Exekutiven wurde ein transnationales Akteurs- und Deutungsangebot geschaffen, das fiir Massenmedien unterschiedlicher Lander fast unabweisbar war: Ressourcenstarke Akteure prasentierten ihre Forschungen als hochrelevant, koordinierten die Offentlichkeitsarbeit und medienattraktive Ereignisse weltweit und platzierten sich so erfolgreich auf der Medienagenda verschiedener Lander.
6.3 Die Erklarung der Bewertung von Humangenomforschung Auch im Hinblick auf die Bewertung von Humangenomforschung in der offentlichen Debatte gibt es zwei Befunde, die erklarungsbediirftig sind. Zum einen hat sich gezeigt, dass in beiden Landern die die Humangenomforschung befiirwortenden Aussagen das Feld dominieren. Zum anderen fallt das Niveau der affirmativen Bewertung in beiden Landern unterschiedlich aus: In Deutschland sind es ca. die Halfte aller Akteure, die Humangenomforschung positiv bewerten, in den USA sind es knapp drei Viertel. Der Schliissel zur Erklarung der Bewertungen von Humangenomforschung liegt in der Standing-Struktur. In den Medien zu Wort zu kommen ist eine notwendige Voraussetzung daflir, Bewertungsaussagen kommunizieren zu konnen. Zugleich haben die meisten Akteure gefestigte Positionen zu den Themen, iiber die sie kommunizieren; diese mitzuteilen und damit die offentliche Agenda mitzubestimmen, ist ja gerade ein Interesse der Akteure, das sie motiviert, sich an der Debatte zu beteiligen. Wir hatten gesehen, dass die unterschiedlichen Akteursgruppen Humangenomforschung auch unterschiedlich bewerten: Biowissenschaftler, Wirtschaftsakteure und politische Akteure aufiern sich so gut wie gar nicht negativ iiber Humangenomforschung; bei den Akteuren der Zivilgesellschaft und den Geistes- und Sozialwissenschaftlern iiberwiegen hingegen die negativen Bewertungen. Obwohl es also durchaus
6.4 Die Erklarung des Framings der Debatte
231
kritische Gegenstimmen gab, brachten diese im Aggregat wenig Gewicht auf die Waage. Dies ist vorrangig auf die Standing-Struktur zuriickzufuhren.9 Die Akteure, die sich kritisch zur Humangenomforschung geau6ert haben, haben - wie gezeigt - ein sehr schwaches Standing. Die asymmetrische Standing-Struktur wirkt sich unmittelbar auf die Verteilung der Bewertung des Themas Humangenomforschung aus und flihrt in beiden Landern zu einer Hegemonie positiver Bewertungen von Humangenomforschung. Auch die Landerunterschiede in der Bewertung von Humangenomforschung lassen sich mit der Standing-Struktur ursachhch in Verbindung bringen: Die starkere Reprasentanz von Wirtschaftsakteuren und Bio- und Naturwissenschaftlern in den US-Medien kann die positivere Darstellung von Humangenomforschung in den USA insgesamt erklaren, da diese Akteure sich fast ausschliefilich positiv zur Humangenomforschung aufiern. Die starkere Reprasentanz von Akteuren der Zivilgesellschaft und von Sozial- und Geisteswissenschaftlern in Deutschland bewirkt - da diese Akteure sich in erster Linie negativ zu Humangenomforschung aufiern - die relativ schlechtere Bewertung von Humangenomforschung in der deutschen Debatte.
6.4 Die Erklarung des Framings der Debatte fiber Humangenomforschung Auch beziiglich des Framings haben unsere deskriptiven Analysen einerseits Gemeinsamkeiten und andererseits Unterschiede zwischen Deutschland und den USA aufgezeigt; beides gilt es zu erklaren. In beiden Landern gibt es eine klare Dominanz wissenschaftlicher und medizinischer Deutungen. In Deutschland reprasentieren die diesem Rahmen zugeordneten Deutungsmuster deutlich mehr als die Halfte aller Idee-Elemente, ^ Dass zwischen dem Standing und der Bewertung ein enger Zusammenhang besteht, konnten wir auch in einer anderen, historisch angelegten Studie zeigen, in der wir die Positionen und die Deutungen zur Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in Deutschland analysiert haben (vgl. Gerhards und Rossel 1999).
232
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
in den USA sogar mehr als zwei Drittel. Medizinische Heilsversprechen und die Betonung von wissenschaftlichem Fortschritt sind die dominierenden Einzelinterpretationen. Erst mit deutlichem Abstand zur hegemonialen Stellung medizinisch-wissenschaftlicher Deutungen finden sich ethische, moralische und soziale, weiter nachgeordnet auch politische und okonomische Deutungsmuster. Neben diesen deutsch-/US-amerikanischen Gemeinsamkeiten in der Dominanz bestimmter Deutungsrahmen lassen sich auch nennenswerte Unterschiede zwischen beiden Landern finden. Wissenschaftliche und medizinische Deutungsrahmen sind im US-Diskurs in starkerem Mafie reprasentiert als in Deutschland. Gleiches gilt fiir okonomische Deutungen, auch sie sind in den USA starker ausgepragt. In Deutschland werden dagegen politische Deutungen und ethische, moralische und soziale Deutungen starker verwendet als in den USA. Will man die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Framing erklaren, so lassen sich zwei relevante Faktoren unterscheiden. 1. Auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Framing lassen sich zum Teil auf die Standing-Struktur zuriickfiihren. Wir hatten gesehen, dass der wissenschaftlich-medizinische und der okonomische Deutungsrahmen von denjenigen Akteuren (iberdurchschnittlich haufig benutzt wird, die Humangenomforschung befiirworten, wahrend sich eine ethisch-moralische und politische Deutung iiberdurchschnittlich haufig in den Aussagen findet, die sich gegen Humangenomforschung aussprechen. Da nun die Befiirworter in den USA starker in den Medien reprasentiert sind als in Deutschland, und umgekehrt gilt, dass die Kritiker von Humangenomforschung in Deutschland etwas starker in den Massenmedien aufscheinen als in den USA, beeinflusst dieser Unterschied im Standing auch das Framing und kann die dort gefundenen Landerunterschiede erklaren helfen. Die Landerunterschiede im Framing lassen sich also zum einen auf die Unterschiede in der Standing-Struktur beider Lander zuriickfiihren. 2. Die Bindung des Framing an die Standing-Struktur ist aber deutlich schwacher als die zwischen Standing und Bewertung. Unsere Analyse hat gezeigt, dass sowohl Befiirworter als auch Ambivalente und Kritiker der Humangenomforschung dominant den wissenschaftlich-medizi-
6.4 Die Erklarung des Framings der Debatte
233
nischen Deutungsrahmen verwenden und nicht - was ja auch denkbar gewesen ware - als forderpolitisches Thema, als Eingriff in Gottes Schopfung, als gesellschaftlich zu regulierende Grundlagenforschung etc. Der wissenschaftiich-medizinische Deutungsrahmen ist also offensichtlich in einer besonderen Weise kulturell resonanzfahig, und das ist es, was sowohl die Gegner als auch die Befiirworter der Humangenomforschung zwingt, dominant innerhalb dieses Deutungsrahmens zu argumentieren. Wir gehen davon aus, dass Akteure Themen in einer Weise zu interpretieren versuchen, die geeignet ist, das Publikum zu uberzeugen. Sie werden versuchen, Themen mit Werten in Verbindung zu bringen, die eine hohe Akzeptanz in einer Gesellschaft haben, die kulturell moglichst resonanzfahig sind. Umgekehrt formuliert: Die Kultur einer Gesellschaft stellt eine kulturelle Gelegenheitsstruktur (Gamson und Meyer 1996) fiir das Framing konkreter Themen zur Verfiigung. Zwei kulturelle Kernbestandteile der untersuchten Gesellschaften scheinen hier besonders relevant zu sein. 2.1 Wolfgang van den Daele hat mehrfach darauf hingewiesen, dass der moralische Konsens in modernen Gesellschaften knapp geworden ist, weil es nur noch wenige Bereiche gibt, die moralisch eindeutig verboten sind (van den Daele 2000; 2003). Fragen der Sexualmoral, Kindererziehung, Scheidung, Wehrdienstverweigerung oder Steuerhinterziehung z. B. sind im Vergleich zu friiheren historischen Phasen heute nicht mehr moralisch eindeutig zu beantworten. Die Gesellschaft ist moralisch pluralistisch zerfallen (van den Daele 2000: 25). Nach wie vor moralisch tabuisiert sind allein Eingriffe in die basalen Rechte des Individuums, in die Selbstbestimmung und Wiirde des Menschen. Diese Prinzipien sind zwar keine natiirlich gegebenen Elemente der kulturellen Verfassung von Gesellschaften, sondern erst im Prozess der Modernisierung entstanden. Sie sind heute aber von fast universeller Geltung, in Grundrechten und Gesetzesbiichern rechtlich kodifiziert und, wie John Meyer in seinen Arbeiten zur Weltgesellschaft zeigt, ein zentrales Element des kulturellen Skripts moderner Gesellschaften (vgl. Meyer et al. 1997). Themen, die mit diesem moralischen Kern in Verbindung gebracht oder als Verletzung
234
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
dieses Kerns interpretiert werden konnen, werden tendenziell leichter offentlich Gehor bekommen als Themen, fiir die dies nicht gilt. Wenn die Idee der Selbstbestimmung und Wiirde des Menschen ein Element der kulturell resonanzfahigen Gelegenheitsstruktur der untersuchten Gesellschaften darstellt, dann ist die Frage, in welchem MaCe Humangenomforschung mit diesem Wertekomplex verbindbar ist. Zwar bezieht sich Humangenomforschung auf das menschliche Erbgut und damit indirekt auf die conditio humana. Aber es handelt sich um Grundlagenforschung, um die deskriptive Sequenzierung des Humangenoms, die Rekonstruktion der menschlichen DNS und (noch) nicht um eine Anwendung der Ergebnisse der Humangenomforschung z. B. fiir eine Veranderung der genetischen Ausstattung des Menschen. Derartige Anwendungen, etwa neu zu entwickelnde Biotechnologien, die dann wiederum mit der Idee der Unversehrtheit und Selbstbestimmung des Menschen kollidieren konnten, standen im untersuchten Zeitraum nicht unmittelbar zur Debatte. Eine Verbindung zwischen Humangenomforschung und diesen zukiinftigen Nutzungsoptionen hatte also durch interpretatorische Strategien des „frame bridging" (vgl. Snow et al. 1986) hergestellt werden mlissen. Innerhalb des ethisch-moralisch-sozialen Deutungsrahmens finden sich auch genau diese Versuche. So befiirchten viele Akteure, dass Menschen auf Grund ihrer genetischen Merkmale, etwa weil sie ein erhohtes Krankheitsrisiko haben, von Arbeitgebern oder Versicherungen benachteiligt werden konnten (vgl. z. B. Int. Byravan 203-206, Catenhusen 820-825, Graumann 479-480, Rospel 93-123, 374-394, Wagenmann 2022-2034, Welty 122-123). Diese Deutung nimmt ebenso Bezug auf die Idee der Selbstbestimmung des Menschen wie die Befiirchtung, mit der Anwendung der Erkenntnisse der Humangenomforschung gehe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verloren. In diesen Fallen handelt es sich aber um Zukunftsszenarien, deren Realisierung ungewiss ist. Das versuchte „frame bridging" hatte hier also einen relativ hohen Interpretationsaufwand betreiben mlissen, um die hypothetischen Befiirchtungen mit realen Eingriffen in individuelle Selbstbestimmungsrechte verbinden zu konnen. Andere Forschungsfelder, etwa die Forschung an menschlichen Embryonen und embryonalen Stammzellen, die
6.4 Die Erklarung des Framings der Debatte
235
Klonierung oder Forschungen, die auf Eingriffe in menschliche Keimzellen abzielen, lassen sich deutlich leichter auf den Wertekomplex „Wurde und Selbstbestimmung des Menschen" beziehen. Entsprechend wurden diese Themen in Deutschland und den USA kontrovers diskutiert; in beiden Landern wurden auch regulative Hiirden aufgebaut. Bei Humangenomforschung war dies schwieriger, die faktischen und moglichen Gegner konnten das Thema nur iiber recht komplizierte Argumentationsschritte an diesen zentralen Wertekomplex moderner Gesellschaften anbinden. 2.2 Aber selbst bei Themengebieten, die sich gut mit der Frage der Selbstbestimmung und Wiirde des Menschen verbinden lassen, ist damit nicht garantiert, dass die daraus abgeleiteten Deutungen mehrheitsfahig werden. Dies hangt entscheidend davon ab, in welchem MaCe das Thema an andere kulturelle Muster einer Gesellschaft anschlussfahig ist. Ein zweiter wichtiger Bezugspunkt ist diesbeziiglich der Wert der Gesundheit bzw. der Vorbeugung und Heilung von Krankheiten. Gelingt es, ein Thema damit in Bezug zu setzen, dann ist seine kulturelle Resonanzfahigkeit vermutlich sehr grofi (vgl. z. B. van den Daele 2000). Man kann vielleicht dariiber diskutieren, ob es sich bei der Wertschatzung von Gesundheit und Lebensverlangerung um einen kulturellen Wert oder um eine anthropologische Konstante handelt. Aber sicherlich steht Gesundheit in der Werteprioritat der von uns untersuchten Gesellschaften ganz oben: „Gesundheit steht fiir die iiberwaltigende Mehrheit aller Menschen eindeutig an der Spitze der subjektiven Wertehierarchie. Sie hat transzendentale Bedeutung: Ohne Gesundheit ist alles Nichts." (van den Daele 2000: 27). Dies lasst sich durch Umfrageergebnisse erharten, die zeigen, dass sowohl in Deutschland als auch in den USA die „rote" Biotechnologie am Menschen - wie eben die Humangenomforschung - eine generell hohere Akzeptanz geniefit als „grune" Biotechnologie an Pflanzen (vgl. fiir die USA Gaskell et al. 2002; Miller 1991; Miller und Pardo 2000; Miller et al. 1997; Miller et al. 1999; National Science Board 2002; fiir Deutschland bzw. Europa Eurobarometer 1991; 1993; 1997; 1998; 2002; Hampel und Renn 1998; 1999; Hampel et al. 1997; Urban 1999; Urban und Pfen-
236
6. Erklarung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
ning 1999).^0 Und iiblicherweise werden diese Akzeptanzunterschiede auf die Verbindung zu medizinischen Anwendungen zuruckgefiihrt (vgl. z. B. Eurobarometer 2002: z. B. If.). Gelingt es also, ein Thema mit dem Versprechen auf die Vorbeugung oder Heilung bis dahin nicht therapierbarer Krankheiten und mit medizinischem Fortschritt in Verbindung zu bringen, dann ist eine hohe Resonanzfahigkeit wahrscheinlich. Wir hatten gesehen, dass dies den Akteuren im Falle der Humangenomforschung sehr gut gelungen ist. Der Deutungsrahmen, der mogliche diagnostische und therapeutische Folgen der Humangenomforschung thematisiert, ist der mit Abstand wichtigste Deutungsrahmen. Die zentrale Rolle und Durchschlagskraft dieser Anbindung an den Wertekomplex der Gesundheit zeigt sich v. a. bei Themen, bei denen es eine KoUision mit dem Wertekomplex „Selbstbestimmung und Wiirde des Menschen" gibt. Van den Daele geht davon aus, dass sich in diesen Fallen stets der Wert Gesundheit durchsetzt: „Von den Anfangen der Impfung und den ersten Operationen am Herzen und am Gehirn, iiber die Organtransplantation und kiinstliche Organe, bis hin zur Gentherapie gab es immer wieder Diskussionen dariiber, ob nicht nunmehr eine Grenze erreicht sei, an der auch medizinische Zwecke die weitere Technisierung des Menschen nicht mehr rechtfertigen konnten. Keine dieser Diskussionen hat die Technik gestoppt. Die moralischen Vorbehalte gegen die Technik gaben regelmaCig nach, wenn es darum geht, menschliches Leben zu erhalten oder das Leid einer Krankheit zu mildern" (van den Daele 2000: 25). Entsprechend ware zu vermuten, dass auch die Forschung an embryonalen Stammzellen spatestens dann erlaubt wird, wenn es gelingt, plausibel darzustellen, dass man auf diesem Wege z. B. transplantierbares Gewebe zur Therapie schwerer Krankheiten erzeugen kann. Im Fall der Humangenomforschung war die Konfliktlage zwischen den beiden Wertekomplexen „Gesundheit" einerseits und „Schutz der ^0 Dass die Bewertung der Biotechnologie als ganzer und auch roter Biotechnologie in Deutschland etwas kritischer ist als in den USA, korrespondiert dabei durchaus mit der vorgefundenen etwas kritischeren Haltung zu Humangenomforschung im deutschen Diskurs.
6.4 Die Erklarung des Framings der Debatte
237
menschlichen Wiirde und Selbstbestimmung" andererseits noch nicht einmal existent bzw. vom Thema her nur sehr schwach herstellbar. Entsprechend durchschlagskraftig war der Wertekomplex „Gesundheit", und entsprechend dominant war der medizinisch-wissenschaftliche Deutungsrahmen in den Diskursen. Es fehlte ein dem entgegen gesetzter Deutungsrahmen, der die Hegemonie der medizinischen Deutung hatte ausbalancieren konnen. Diese Ausgangskonstellation in der kulturellen Gelegenheitsstruktur, die wohl fiir alle der von uns analysierten Lander gilt, kann plausibel machen, warum der hegemonialen Deutung des Themas Humangenomforschung so wenig entgegenzusetzen war.
Zusammenf assung der Ergebnisse im Horizont normativerOffentlichkeitstheorien
Gesellschaftliche Offentlichkeit gilt als ein zentrales Element der institutionellen Grundausstattung moderner demokratischer Gesellschaften. Dass gesellschaftliche Problemlagen zu offentlich diskutierten Angelegenheiten werden konnen und auch sollen, ergibt sich aus der besonderen Stellung der Burger in diesen Gesellschaften. Sie sind der normativ legitimierte Souveran, der u. a. via gesellschaftlicher Offentlichkeit an der Gesellschaft partizipieren kann und soil. Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit sind die entsprechenden normativen Gebote, die die Chance sichern, Realitatsdeutungen und Problemdefinitionen sowie Optionen der Problembearbeitung zur offentlichen Diskussion zu stellen und beobachten zu konnen. Auch den Theorien von Offentlichkeit sind haufig normative Elemente zu eigen, die definieren, wie eine Offentlichkeit idealiter beschaffen sein soil, wer wie haufig zu Wort kommen soil, wie die Kommunikationspartner miteinander umgehen sollen und welche Anspriiche man an den Output von Offentlichkeit formulieren kann. Wir haben an anderer Stelle die Vielzahl der Varianten einer politischen Offentlichkeit auf zwei Modelle reduziert und eine liberale von einer deliberativen, diskursiven Vorstellung von Offentlichkeit unterschieden (Gerhards 1997). Diese beiden normativen Konzepte von Offentlichkeit unterscheiden sich erheblich in den Anspriichen, die sie an offentliche Kommunikationen stellen. Man kann die zentralen Unterschiede zwischen einem diskursiven und einem liberalen Modell von Offentlichkeit entlang von drei Fragen genauer bestimmen: a) Welche Akteure sollen in der offentlichen Diskussion sichtbar werden, b) wie soil kommuniziert werden und c) welche
240
7. Zusammenfassung der Ergebnisse
Effekte kann man von offentlichen Kommunikationen erwarten. Nach Ansicht einer liberal-reprasentativen Vorstellung von politischer Offentlichkeit besteht eine gute Offentlichkeit aus Kommunikationen v. a. der gewahlten Reprasentanten der Burger aus dem politischen System, die miteinander um die Zustimmung der Burger konkurrieren, indem sie unterschiedliche Entwiirfe einer guten Gesellschaft offerieren, und sich zugleich wechselseitig mit Respekt behandeln. Die Funktion von Offentlichkeit besteht hier darin, unterschiedliche Positionen transparent darzustellen. 1st diese Transparenz hergestellt, konnen die gewahlten Vertreter des politischen Systems liber Mehrheitsentscheide die kollektiv verbindlichen Entscheidungen liber die einzuschlagende Richtung der Gesellschaft festlegen. Danach soil die offentliche Debatte verstummen. Eine gute Offentlichkeit im Sinne des diskursiven Modells schliefit hingegen in starkerem Mafie die blirgernahen Gruppierungen der Zivilgesellschaft ein; die Auseinandersetzung wird auf der Basis von Argumenten (Diskurs) und im Dialog miteinander geflihrt. Dies ist die Voraussetzung daflir, dass es zu Deliberationsprozessen kommt, die vielleicht nicht zu einem vollstandigen Konsens, wohl aber zu einer inhaltlichen Annaherung der Kommunikationspartner flihren konnen. Auch den Theorien, die sich mit der Rolle der Wissenschaft in der gesellschaftlichen Offentlichkeit beschaftigen, sind normative Elemente zu eigen, die in den einschlagigen Modellvorstellungen mehr oder weniger explizit ausformuliert werden. Verfolgt man die Hauptentwicklungslinien unterschiedlicher Vorstellungen des Verhaltnisses von Offentlichkeit und Wissenschaft bis in die Gegenwart, und libersieht man flir die Zwecke einer Systematisierung und Stilisierung die vielen Variationen und Verastelungen, dann lassen sich auch hier zwei als Idealtypen beschreibbare Konzeptionen von wissenschaftlicher Offentlichkeit unterscheiden, die historisch nacheinander entwickelt wurden (vgl. flir einen guten iJberblick liber die Entwicklung Kohring 1997). Die erste Modellvorstellung bezeichnen wir als eine wissenschaftsdominierte Vorstellung von wissenschaftlicher Offentlichkeit, die zweite Modellvorstellung als gesellschaftlich kontextualisierte Vorstellung von wissenschaftlicher Offentlichkeit.
7.1 Normative Modelle von wissenschaftlicher Offentlichkeit
241
Wir werden in einem ersten Schritt kurz und federstrichartig die beiden Modellvorstellungen skizzieren und versuchen, die beiden Modelle auf die Dimensionen Standing, Positionierung und Framing zu beziehen. Wir werden in einem zweiten Schritt die Ergebnisse unserer empirischen Analyse zusammenfassen und diese mit den beiden Modellvorstellungen konfrontieren.
7.1 Normative Modelle von wissenschaftlicher Offentlichkeit 1. Das wissenschaftsdominierte Konzept geht von der Vorstellung aus, dass die gesellschaftliche Offentlichkeit Ereignisse und Geschehen des Wissenschaftssystems allein nach wissenschaftlichen Relevanzkriterien abbilden und an die Burger vermitteln soil. Werden Abweichungen von dieser Vorstellung in der Empirie festgestellt und als Defizite etikettiert, dann ist der Bezugspunkt der kritisierten Abweichung eine nicht wissenschaftsadaquate Darstellung wissenschaftlicher Themen in der Offentlichkeit. Diese Grundvorstellung ist in den Konzepten eines „Public Understanding of Science" seit den 1980er Jahren entwickelt worden. Zunachst wurden in GrolSbritannien, spater in zahlreichen weiteren Landern „Public Understanding of Sciences-Programme eingerichtet, die geeignete Wege und Strategien aufzeigen sollten, um Wissenschaft erfolgreich der Offentlichkeit zu vermitteln (vgl. z. B. Felt et al. 1995: 244, Gregory, 1998; Ziman 1991).i Ziel dieser Anstrengungen war es, das Bild der Wissenschaft in der Offentlichkeit zu verbessern und fiir Aufklarung und Legitimation zu sorgen. Den „Public Understanding of Science"-Programmen sind normative Annahmen iiber das richtige Verhaltnis von Wissenschaft und Offentlichkeit unterlegt. Dazu gehort die Vorstellung, dass wissenschaftliches Wissen hierarchisch hoher steht als andere Wissensformen; daraus wiederum resultiert die Annahme, dass jeder Burger, der iiber die Entste^ Eine Ubersicht iiber den erwarteten Nutzen eines elaborierten „ Public Understanding of Science'' fiir unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen - also nicht nur fur die Wissenschaft - liefern Gregory & Miller (1998: lOff.) sowie Felt (2000).
242
7. Zusammenfassung der Ergebnisse
hung und die Inhalte wissenschaftlichen Wissens ausreichend informiert ist, Wissenschaft unterstiitzen wird. Die Vermutung lautet also: Wenn man die „scientific literacy" der Burger steigert, mithin deren Wissensdefizite im Bereich der Wissenschaft behebt (in der Literatur wird dieses Modell daher auch als „deficit model" bezeichnet, vgl. Irwin und Wynne 1996), dann erhoht man die Zustimmung zur Wissenschaft; mehr Wissen iiber Wissenschaft bewirkt automatisch auch mehr Akzeptanz fiir Wissenschaft. Die Tatsache, dass bestimmte Wissenschaftsentwicklungen auf Ablehnung und Protest der Bevolkerung gestofien sind, wird entsprechend auf deren mangelndes Wissen zuriickgefiihrt: „The field of risk perception research, for example, was defined by the assumption that the public opposed technologies like nuclear power because they misunderstood the ,rear risks as known to science" (Wynne 1995: 363). Diesen „ Public Understanding of Science"-Konzepten liegt eine wissenschaftsdominierte Vorstellung von Offentlichkeit zugrunde. Das vermeintlich hierarchisch iibergeordnete wissenschaftliche Wissen soil iiber die Massenmedien in die Offentlichkeit vermittelt werden, und zwar so, dass es entweder nicht verandert, allein „transportiert", oder allenfalls kompetent „ubersetzt" wird (vgl. z. B. Felt et al. 1995: 249; MacDonald 1996; Nowotny 1993). Die Offentlichkeit soil uber alle Phasen der Entstehung wissenschaftlichen Wissens, iiber Inhalte, Methoden und Ergebnisse des „science in the making" (Shapin 1992; Wynne 1992: 42) informiert werden. Eine gesellschaftliche Kontroverse iiber oder Auseinandersetzung mit wissenschaftlichem Wissen in der Offentlichkeit ist nicht erwiinscht, „[s]elbst Kritik und KontroUe haben sich grundsatzlich erst einmal an wissenschaftlichen Kriterien auszurichten" (Kohring 1997: 83). Bezieht man die Vorstellungen des wissenschaftsdominierten Modells auf die Dimensionen und Indikatoren, die unseren empirischen Analysen zugrunde liegen, dann wiirden Vertreter dieser Modellvorstellung dann von einer gelungenen Darstellung von Humangenomforschung in den Medien sprechen, wenn folgende Bedingungen erfiillt sind: Die Biirger miissten ausfiihrlich iiber das Forschungsfeld informiert worden sein, man miisste also eine groCe Zahl an Beitragen in den Massenmedien finden. Die Berichterstattung sollte sich v. a. auf Ereignisse in
7.1 Normative Modelle von wissenschaftlicher Offentlichkeit
243
der Wissenschaft beziehen, die Anlasse sollten also aus der Wissenschaft kommen. Die wissenschaftlichen Akteure und v. a. die Fachwissenschaftler sollten die offentlichen und massenmedialen Diskurse in der Standing-Dimension beherrschen; dominieren Gegenexperten, Politiker oder zivilgesellschaftliche Akteure, dann ist dies kritikwiirdig. Gleiches gilt auch ftir eine zu dominante Rolle der Journalisten: Diese sollten in erster Linie die Rolle der Chronisten und nicht die der Konstrukteure oder Kritiker von Wirklichkeit iibernehmen. Im Hinblick auf die Bewertung von Wissenschaft wird eine informative und - da ohnehin nur aus wissenschaftlicher Sicht relevante und somit bereits wissenschaftsintern evaluierte Forschungs- und Anwendungsfelder prasentiert werden sollen eher positive Darstellung von Wissenschaft erwartet. Und in der Framing-Dimension sollten wissenschaftliche Deutungen iiberwiegen, wissenschaftsfremde Interpretationen hingegen nach Moglichkeit aufien vor bleiben. 2. Das wissenschaftsdominierte oder „ Public Understanding of Science"- Modell von Offentlichkeit ist nicht ohne Kritik geblieben (vgl. z. B. Gregory und Miller 1998; Irwin und Wynne 1996; Miller 2001; Wynne 1992; 1996; Year ley 2000). Diese extensive und profunde Kritik bezieht sich einerseits auf die vermeintlich interessensunabhangige Stellung von Wissenschaft in der Gesellschaft, andererseits auf eine andere Funktionsbestimmung von Offentlichkeit in der Gesellschaft. Der grundlegende Sonderstatus von wissenschaftlichem Wissen wird von mehreren Autoren in Abrede gestellt oder zumindest angezweifelt. Grundlage der Kritik am Sonderstatus wissenschaftlichen Wissens bilden wissenschaftssoziologische Studien, die die Produktion und Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen ursachlich auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bezogen haben. Damit, so die Argumentation, sei der epistemologische Sonderstatus von Wissenschaft entschleiert worden, wissenschaftliche Erkenntnisse bildeten eine Erkenntnisquelle neben anderen. Das Beharren auf dem Sonderstatus des dort generierten Wissens gerat gar unter Ideologieverdacht, einige Autoren „ kommen zu dem Schluss, dass die Diskriminierung nicht-wissenschaftlicher Rationalitatsformen in erster Linie dazu diene, den autoritaren Flihrungsanspruch der
244
7. Zusammenfassung der Ergebnisse
Wissenschaft als mafigeblicher Produzent gesellschaftlichen Orientierungswissens zu behaupten" (Kohring 1997:174). Deswegen benotige die Wissenschaft eine breite gesellschaftliche Legitimation. Welche Forschungsrichtungen entwickelt werden soUen, lasst sich dieser Vorstellung zufolge nicht allein nach wissenschaftlichen Kriterien entscheiden, sondern muss das Resultat eines offentlichen Aushandlungsprozesses sein, an dem eine Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren beteiligt sein konnen und sollen (Logan 1977, zit. in Kohring 1997: 177). Diese Grundvorstellung einer gesellschaftlich kontextualisierten wissenschaftlichen Offentlichkeit ist in dem „Public Engagement with Science and Technology"- und anderen, verwandten Modellen partizipatorischer Wissenschafts- und Technikbewertung zumindest ansatzweise entwickelt worden (vgl. z. B. Abels und Bora 2004; Joss 2003; Joss und Bellucci 2002; Kreibich 2004; Science 2003). Offentliche Kommunikation iiber Wissenschaft soil diesem Modell zufolge nicht vorrangig der Vermittlung wissenschaftlicher Aussagen dienen, sondern die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Technologie befordern. Dies kann zur Akzeptanz und Unterstiitzung, aber auch zur Ablehnung von Forschungen fiihren; die offentlich ausgehandelte Bewertung von Wissenschaft durch die Gesellschaft sollte letztlich auch durchaus auf die Wissenschaft riickwirken. Erfahrungen der Burger und nicht-wissenschaftlicher Akteure werden in diesem Modell als relevante Stellungnahmen neben wissenschaftlichen Aussagen akzeptiert. Damit wird der ijberlegenheitsanspruch wissenschaftlichen Wissens zwar nicht zwangslaufig ganzlich aufgegeben, aber doch in jedem Falle erheblich relativiert. Im Unterschied zu dem wissenschaftsdominierten Modell favorisiert das gesellschaftlich kontextualisierte Modell von Offentlichkeit auch andere Offentlichkeitsforen. Die Rolle von Massenmedien wird hier kaum noch explizit thematisiert, statt dessen sind im Kontext dieser Modellvorstellung in den vergangenen Jahren v. a. Verfahren der unmittelbaren Biirgerbeteiligung wie Biirgerkonferenzen, Workshops, Dialoge, Forumsveranstaltungen, offentliche Diskussionen usw. entwickelt worden (fiir deutsche Beispiele vgl. Beer et al. 2003; Schicktanz und Naumann 2003; Tannert und Wiedemann 2004).
7.1 Normative Modelle von wissenschaftlicher Offentlichkeit
245
Auch hier kann man versuchen, die Vorstellungen einer gesellschaftlich kontextualisierten wissenschaftlichen Offentlichkeit auf die Dimensionen und Indikatoren, die unseren empirischen Analysen zu Grunde liegen, zu beziehen. Vertreter dieser Modellvorstellung wiirden dann von einer gelungenen Darstellung von Humangenomforschung in den Medien sprechen, wenn folgende Bedingungen erflillt sind: Die Berichterstattung in den Medien sollte nicht nur durch wissenschaftliche Ereignisse veranlasst sein, denn auch andere gesellschaftliche Bereiche haben das legitime Recht, eine Debatte liber Humangenomforschung zu initiieren. Es ist nicht die Funktion von Offentlichkeit, sich zum Wirt der Wissenschaft zu machen, sondern die vielfaltigen Perspektiven der Gesellschaft - politische, wirtschaftliche, ethisch-moralische, wissenschaftliche usw. abzubilden, damit die Burger sich ihre Meinung auf der Basis heterogener Perspektiven bilden konnen. Entsprechend ist es durchaus legitim und auch erwiinscht, wenn sich eine Vielzahl von Akteuren aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen an der Debatte beteiligen, die Standing-Struktur also vielfaltig und auch die Bewertung und Deutung wissenschaftlicher Themen heterogen ist. Die beiden idealtypisch stilisierten Modellvorstellungen einer wissenschaftlichen Offentlichkeit lassen sich schematisch wie folgt zusammenfassen:
246 SchaubildJ.l:
Struktur
Standing
Positionen
Framing
7., Zusammenfassung der Ergebnisse Normative Modelle von offentlicher Wissenschaftskommunikation Wissenschaftsdominierte Offentlichkeit
Gesellschaftlichkontextualisierte wissenschaftliche Offentlichkeit
Offentliche Kommunikation iiber Wissenschaft soUte v. a. von der Wissenschaft initiiert werden. Sie soUte moglichst umfassend und ausfiihrlich sein. Wissenschaftler sollten die Hauptakteure sein, wenn es um die offentliche Diskussion wissenschaftlicher Themen geht. Journalisten haben v. a. Chronisten- oder Ubersetzerfunktion. Eine informative, positive Darstellung von Wissenschaft ist erwunscht.
Offentliche Kommunikation iiber Wissenschaft muss nicht unbedingt von der Wissenschaft initiiert werden; auch andere gesellschaftliche Bereiche haben Initiativrecht. Wissenschaftliche Akteure haben keine privilegierte Stellung in der Offentlichkeit; Akteure anderer gesellschaftlicher Bereiche und die Vertreter der Burger sollten ebenso zahlreich in der Offentlichkeit reprasentiert sein. Die Bewertung von wissenschaftlichen Themen ist offen; je nach Meinung der gesellschaftlichen Akteure sind positive oder negative Bewertungen gleich legitim. Wissenschaftliche Deutungen sind eine mogliche neben anderen Interpretationen. Unterschiedliche Perspektiven sind wiinschenswert und fordern den kritischen Umgang mit Wissenschaft.
Wissenschaftliche Interpretationen von wissenschaftlichen Themen sollten den Vorrang haben und die Debatte dominieren.
7.2 Bilanz Bilanziert man unsere empirischen Befunde, und bezieht man sie auf die beiden vorgestellten normativen Modelle einer wissenschaftlichen Offentlichkeit, dann wird schnell ersichtlich, dass die offentlichen Debatten iiber Humangenomforschung in Deutschland und auch in den USA in
7.2 Bilanz
247
einem recht starken Ausmafi den eher traditionellen Vorstellungen einer wissenschaftsdominierten Offentlichkeit entsprechen: 1. Das Thema Humangenomforschung erfahrt in beiden Landern eine umfangreiche Beachtung in den untersuchten Zeitungen. Massenmediale Offentlichkeit als das zentrale Selbstbeobachtungssystem der Gesellschaft hat den Biirgern and den Akteuren der anderen Teilsysteme die Moglichkeit gegeben, sich iiber das Thema Humangenomforschung umfassend zu informieren. Die Berichterstattung konzentriert sich dabei auf bestimmte Zeitraume, die im Wesentlichen durch von Wissenschaftlern geschaffene Ereignisse bestimmt wurde. Starker als alien anderen gesellschaftlichen Akteuren gelingt es den Vertretern des Wissenschaftssystems, den Massenmedien Anlasse fiir die Berichterstattung iiber Humangenomforschung zu liefern, mithin das Thema auf die MedienAgenda zu setzen und zugleich das Timing der Berichterstattung zu bestimmen. 2. In der Standing-Dimension zeigt sich, dass die Diskurse in beiden Landern von etablierten gesellschaftlichen Akteuren dominiert werden. Den mit Abstand grofiten Teil des Standings erhalten Wissenschaftler, genauer gesagt Bio- und Naturwissenschaftler, also die Fachvertreter. Ihnen nachgeordnet, mit deutlichem Abstand, folgen politische und Wirtschaftsakteure. Akteure der Zivilgesellschaft resp. der politischen Peripherie sind nur marginal reprasentiert. Diese Charakteristika gelten fiir die USA und Deutschland gleichermafien. Daneben gibt es jedoch auch Unterschiede: Politische Akteure und auch Akteure der Zivilgesellschaft sowie Geistes- und Sozialwissenschaftler sind in Deutschland deutlich starker vertreten als in den USA. In den USA sind dagegen Wirtschaftsakteure starker reprasentiert. 3. Auch was die im Diskurs vertretenen Positionen angeht, findet sich in beiden Landern ein weitgehend einheitliches Bild: Humangenomforschung wird von den meisten Akteuren befiirwortet. Zu den Befiirwortern zahlen in beiden Landern v. a. Vertreter der Wirtschaft, der Politik und der Bio- und Naturwissenschaften. Vertreter der Zivilgesellschaft sowie Sozial- und Geisteswissenschaftler sind eher Kritiker der Humangenomforschung. Allerdings ist die Befiirwortung im deutschen Diskurs
248
7. Zusammenfassung der Ergebnisse
etwas schwacher ausgepragt, zugleich finden sich dort mehr Kritiker als in den USA. 4. In der Framing-Dimension zeigt sich, dass der Variationspool der Deutungsmoglichkeiten durchaus recht umfangreich war, aber nicht in vollem Umfang genutzt wurde. Es gibt in beiden Landern eine klare Dominanz wissenschaftlich-medizinischer Deutungen, wahrend ethischsoziale, politische und wirtschaftliche Deutungen deutlich nachgeordnet sind. 5. Wir haben zusatzlich gepriift, ob unsere Ergebnisse stabil bleiben, wenn wir die Debatte uber Humangenomforschung in einem anderen Medium, namlich im Internet analysieren. Die Analysen zeigen, dass die neue und vermeintlich alternativ-egalitare Offentlichkeit Internet, zumindest beim Thema Humangenomforschung, den mit ihr verbundenen Hoffnungen nicht gerecht wird. Die Kommunikation strukturieren und bestreiten auch hier iiberwiegend wissenschaftliche, genauer bio- und naturwissenschaftliche Akteure. Die Positionierung dieser Akteure Humangenomforschung gegeniiber ist iiberwiegend affirmativ, und die Deutungen sind vornehmlich wissenschaftlich-medizinische - und beides sogar in noch starkerem Mafie als in den Printmedien. In eine ahnliche Richtung gehen die Ergebnisse einer erganzenden Analyse von Printmedien, bei der neben Deutschland und den USA noch die Diskurse in den Landern Frankreich, GroCbritannien und Osterreich einbezogen wurden. Auch wenn es beziiglich einiger Merkmale Unterschiede zwischen den Landern gibt, die sich v. a. auf den Umfang und den zeitlichen Verlauf der Debatte beziehen, so ist die Ubereinstimmung beziiglich der zentralen Variablen doch erstaunlich hoch. Ubereinstimmungen finden sich bereits beim Anlass der Berichterstattung; die Artikel werden vornehmlich durch Ereignisse aus der Wissenschaft angestofien. Die Standing-Struktur wird in alien Landern durchgangig von Wissenschaftlern dominiert. Die Bewertung von Humangenomforschung ist iiberwiegend positiv, und die dominanten Deutungsmuster sind wissenschaftlichmedizinischer Herkunft. Zwar lassen sich fiir alle diese DiskursCharakteristika auch einige Landerunterschiede finden, aber diese sind eher nachgeordneter Natur und betreffen v. a. die GroCe und den Zeit-
7.2 Bilanz
249
punkt der Debatte. Mit anderen Worten: Wie viel die Burger in den untersuchten Landern uber Humangenomforschung erfahren, und auch wann sie es erfahren, variiert. Aber was sie erfahren und von wem sie etwas erfahren, ist recht ahnlich. Beim Thema Humangenomforschung finden wir also eine medienund landeriibergreifende offentliche Hegemonie wissenschaftlicher Akteure, affirmativer Bewertungen und wissenschaftlich-medizinischer Deutungen. Dies entspricht ganz den normativen Vorstellungen des Modells einer wissenschaftsdominierten Offentlichkeit. Vertreter eines Modells, das wir als gesellschaftlich kontextualisierte Vorstellung von wissenschaftlicher Offentlichkeit bezeichnet haben, diirften die Ergebnisse eher beklagen. Eine kritische Bewertung des Themas diirfte aus Sicht dieses Modell in zu geringem Mafie stattgefunden haben, alternative Sichtweisen, die beispielsweise starker ethische, moralische und soziale Fragen in den Fokus riicken, sind zu kurz gekommen, eher kritische Akteure aus dem Bereich der Zivilgesellschaft haben ein nur marginales Standing und sind auf die Rolle von Zwischenrufern zurechtgestutzt. 6. Vor allem auf der Basis von Interviews mit den Akteuren, die an der Debatte iiber Humangenomforschung beteiligt waren, haben wir versucht, die beschriebenen Strukturmerkmale der Debatte zu erklaren. Dazu haben wir uns auf zwei Modellvorstellungen zur Erklarung offentlicher Meinungsbildungsprozesse bezogen. Das Agenda Building-Modell geht davon aus, dass die Prasenz von Akteuren und Inhalten in den Massenmedien entscheidend durch das Angebot bestimmt wird, das Redaktionen von Akteuren anderer Teilsysteme erhalten. Die Offentlichkeitsarbeit von Akteuren ist wiederum bestimmt durch den Wert, den Akteure der Offentlichkeitsarbeit einraumen und durch die Ressourcen, die sie dafiir aufwenden konnen. Die zweite Modellvorstellung zur Erklarung von Medienerfolg hatten wir als medienkonstruktivistisch bezeichnet. Dieser Erklarungsansatz betrachtet die mediale Offentlichkeit weniger als ein Abbild einer extramedialen Realitat, vielmehr als ein von Journalisten konstruiertes Bild einer Realitat. Zunachst konnten wir zeigen, dass die massenmediale Selektivitat zur Erklarung der Charakteristika der Diskurse vermutlich nur eine
250
7. Zusammenfassung der Ergebnisse
nachrangige Rolle spielt. Die Tatsache, dass sich die Journalisten ganz ahnlich wie die extramedialen Akteure verhalten, und einige weitere Befunde interpretieren wir als Indizien dafiir, dass der Mediendiskurs liber Humangenomforschung in erster Linie durch extramediale Parameter bestimmt und zu erklaren ist. Dabei zeigt sich, dass vor allem die Fachwissenschaftler, die politische Exekutive und die Wirtschaftsakteure an der Platzierung und Deutung des Themas Humangenomforschung in hohem Mafie interessiert waren und liber umfangliche Ressourcen verfligten, ihre Intention auch umzusetzen. Entsprechend waren sie in der Konkurrenz um massenmediale Reprasentanz im Vergleich zu anderen Akteuren beglinstigt. Dass diese Akteure sich selbst, ihre Positionen und ihre Deutungsrahmen aber massenmedial derartig erfolgreich platzieren konnten, liegt nicht nur an ihrer eigenen Durchschlagskraft, sondern auch an der Schwache der Gegenseite: Die zivilgesellschaftlichen Organisationen beider Lander hatten entweder kein Interesse am Thema Humangenomforschung und haben daher nicht versucht, sich am massenmedialen Diskurs zu beteiligen, oder sie waren zwar grundsatzlich an einer Beteiligung an der massenmedialen Debatte interessiert gewesen, jedoch aufgrund mangelnder Ressourcen nicht in der Lage, professionalisierte Offentlichkeitsarbeit zu betreiben und sich entsprechend zu platzieren. Das Ergebnis ist die von uns beschriebene deutliche Dominanz einer Koalition von Humangenomforschungs-Beflirwortern in den untersuchten Diskursen. Diese Standing-Hegemonie erklart sowohl die dominant affirmativen Bewertungen der Humangenomforschung in alien untersuchten Landern als auch dabei vorfindbare nationale Unterschiede. In alien Landern sind diejenigen Akteursgruppen, die Humangenomforschung tendenziell beflirworten, stark reprasentiert. Dagegen haben diejenigen Akteure, die sich eher kritisch zur Humangenomforschung auCern, nur ein schwaches Standing. Dies flihrt in beiden Landern zu einer Hegemonie positiver Bewertungen von Humangenomforschung. Variationen in der Standing-Struktur korrespondieren dabei mit Variationen in der offentlichen Bewertung der Humangenomforschung. Die Standing-Struktur leistet aber auch einen Beitrag zur Erklarung der Framing-Struktur
7.2 Bilanz
251^
der Debatte. Beispielsweise werden wissenschaftlich-medizinische und okonomische Deutungsrahmen von den Akteuren iiberdurchschnittlich haufig benutzt, die Humangenomforschung befiirworten, wahrend sich eine ethisch-soziale und politische Deutung iiberdurchschnittlich haufig in den Aussagen findet, die sich gegen Humangenomforschung aussprechen. Da nun die Befiirworter in den USA starker in den Medien reprasentiert sind als in Deutschland, und umgekehrt gilt, dass die Kritiker von Humangenomforschung in Deutschland etwas starker in den Medien aufscheinen als in den USA, beeinflusst dieser Unterschied im Standing auch das Framing und kann die dort gefundenen Landerunterschiede erklaren helfen. Dies ist jedoch zur Erklarung der Framing-Struktur nicht hinreichend. Denn alle Akteure, Befiirworter wie Kritiker, thematisieren Humangenomforschung V. a. aus einer wissenschaftlich-medizinischen Perspektive. Der medizinische Deutungsrahmen ist also offensichtlich in einer besonderen Weise kulturell resonanzfahig, was sowohl die Gegner als auch die Befiirworter der Humangenomforschung zwingt, dominant innerhalb dieses Deutungsrahmens zu argumentieren. Wir haben zu zeigen versucht, dass die Anbindung des Themas Humangenomforschung an zentrale Wertkomplexe moderner Gesellschaft hier von besonderer Bedeutung ist. Den Befiirwortern gelingt es, das Thema an die Werte Gesundheit, Lebensverlangerung und medizinischer Fortschritt anzubinden, wahrend es den Gegner nicht gelingt, das Thema mit einer ahnlich gewichtigen kritischen Wertevorstellung zu verbinden. Es ware zu priifen, wie die Struktur offentlicher Debatten in den Dimensionen Standing, Positionierung und Framing ausfallen wiirde, wenn ein debattiertes Thema sowohl bei Befiirwortern als auch bei Gegnern in seiner Deutung kulturell anschlussfahig ist. Wir vermuten, dass dies etwa in den Debatten iiber Stammzellforschung, Praimplantationsdiagnostik und auch Klonen der Fall ist und dass sich diese Debatten entsprechend anders ausgestalten als der hier beschriebene Diskurs iiber Humangenomforschung.
8. Literaturverzeichnis
ABC (2000): Audit Bureau of Circulations. Newspaper data. Unter: http://www.accessabc.com (Zugriff am 10.03.2001). Abels, Gabriele (1991): Die genetische Durchleuchtung des Menschen: Traum der Wissenschaft - Alptraum der Gesellschaft? Die Geschichte des US-amerikanischen Human Genome Project (HGP) 1985-1990 und die sozialen Folgen im Bereich der humangenetischen Beratung und pranatalen Diagnostik in der Bundesrepublik Deutschland. Unveroffentlichte Magisterarbeit, Philipps-Universitat Marburg. Abels, Gabriele (1992): Konstruktion grofier Forschung. Das Human Genome Project. In: Forum Wissenschaft 9.1-12. Abels, Gabriele (1996): Human Genome Projekt. In: WechselWirkung 17. 70. Abels, Gabriele (1997): Politische Verhandlungsprozesse iiber Humangenomforschung in der Europaischen Gemeinschaft: zur Gestaltungsmacht des Europaischen Parlaments. In: Renate Martinsen (Hrsg.): Biotechnologie und Politik. Baden-Baden: Nomos. 135-152. Abels, Gabriele (1999): Strategische Forschung in den Biowissenschaften. Der Politikprozess zum europaischen Humangenomprogramm. Berlin: edition sigma. Abels, Gabriele und Alfons Bora (2004): Demokratische Technikbewertung. Bielefeld: transcript. Adams, Mark D. et al. (2000): The Genome Sequence of Drosophila melanogaster. In: Science 287. 2185-2195. Alexander, Jan, Mike Powell und Marha A. Tate (2001): Evaluating Internet resources. Unter: http://med-libwww.bu.edu/library/introwww/tsld030.htm (Zugriff am 20.07.2005). Altimore, Michael (1982): The Social Construction of a Scientific Controversy: Comments on Press Coverage of the Recombinant DNA Debate. In: Science, Technology and Human Values 7. 24-31. Avins, Mimi (2000): Times Poll: Genome Map Success: Much Yet to Discover. In: Los Angeles Times, 7.8.2000.
254
8. Literaturverzeichnis
Baerns, Barbara (1985): Journalismus oder Offentlichkeitsarbeit? Zum Einfluss im Mediensystem. Koln: Verlag Wissenschaft und Politik. Baerns, Barbara (1987): Macht der Offentlichkeitsarbeit und Macht der Medien. In: Ulrich Sarcinelli (Hrsg.): Politikvermittlung. Bonn: Bundeszentrale fiir politische Bildung. 147-160. Baerns, Barbara (1990): Wissenschaftsjournalismus und Offentlichkeitsarbeit. Zur Informationsleistung der Pressedienste und Agenturen. In: Stephan RufiMohl (Hrsg.): Wissenschaftsjournalismus und Offentlichkeitsarbeit. Gerlingen: Bleicher. 37-54. Baerns, Barbara (2000): Zur Notation und Interpunktion latenter Beziehungen von Offentlichkeitsarbeit und Journalismus im Mediendiskurs. In: Thomas von Schell und Riidiger Seltz (Hrsg.): Inszenierungen zur Gentechnik. Konflikte, Kommunikation und Kommerz. Opladen: Westdeutscher Verlag. 234245. Balmer, Brian (1996): Managing Mapping in the Human Genome Project. In: Social Studies of Science 26. 531-573. Barben, Daniel und Gabriele Abels (Hrsg.) (2000): Biotechnologie - Globalisierung - Demokratie: Zur politischen Gestaltung transnationaler Technologieentwicklung. Berlin: edition sigma. Baringhorst, Sigrid (1998): Zur Mediatisierung des politischen Protests. Von der Institutionen- zur "Greenpeace-Demokratie"? In: Ulrich Sarcinelli (Hrsg.): Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft. Bonn: Bundeszentrale fiir politische Bildung. 326-342. Barth, Henrike und Wolfgang Donsbach (1992): Aktivitat und Passivitat von Journalisten gegeniiber Public Relations. Fallstudie am Beispiel von Pressekonferenzen zu Umweltthemen. In: Publizistik 37.151-165. Bauer, Martin und George Gaskell (Hrsg.) (2002): Biotechnology: The Making of a Global Controversy. New York: Cambridge University Press. Beck, Ulrich (1997): Was ist Globalisierung? Irrtiimer des Globalismus, Antworten auf Globalisierung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Beer, Wolfgang, Peter Markus und Katrin Platzer (Hrsg.) (2003): Was wissen wir vom Leben? Schwalbach: Wochenschau. Benda, Ernst (1985): In-Vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie. Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundesministeriums fiir Forschung und Technologie und des Bundesministeriums der Justiz. Miinchen: BMFT & BMJ.
8. Literaturverzeichnis
255
Benford, Robert D. und David A. Snow (2000): Framing Processes and Social Movements: An Overview and Assessment. In: Annual Review of Sociology 26. 611-639. Benson, Dennis A. et al. (2004): GenBank: Update. In: Nucleic Acids Research 2004. D23-26. Berg, Klaus und Marie Luise Kiefer (Hrsg.) (1996): Massenkommunikation V Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964-1995. Baden-Baden: Nomos. Berkovitz, Dan (1987): TV News Sources and News Channels: A Study in Agenda Building. In: Journalism Quarterly 1987. 508-513. Bijker, Wiebe E., Thomas P. Hughes und Trevor Pinch (Hrsg.) (1987): The Social Construction of Technological Systems. New Directions in the Sociology and History of Technology. Cambridge: MIT Press. Black, Max (1954): Die Metapher. In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 55-79. Blobaum, Bernd (1994): Journalismus als soziales System. Geschichte, Ausdifferenzierung und Verselbstandigung. Opladen: Westdeutscher Verlag. Bodmer, Walter (1986): The Public Understanding of Science. London: Royal Society. Bonfadelli, Heinz (1999): Medienwirkungsforschung, Bd. 1. Konstanz: UVK Medien. Bonfadelli, Heinz (2004): Medienwirkungsforschung, Bd. 2. Konstanz: UVK Medien. Bonneuil, Christophe (2004): The effect of the French public controversy on genetically modified organisms on research orientations. Berlin: Tagung "Shifting Boundaries between Science and Politics ", 25.6.2004. Brecht, Bertolt (1932a): Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede iiber die Funktion des Rundfunks. In: Bertolt Brecht (Hrsg.): Gesammelte Werke in 20 Banden, Bd. 18. Frankfurt: Suhrkamp. 127-134. Brecht, Bertolt (1932b): Radio - eine vorsintflutliche Erfindung? In: Bertolt Brecht (Hrsg.): Gesammelte Werke in 20 Banden, Bd. 18. Frankfurt: Suhrkamp. 119121. Brosius, Hans-Bernd (1994): Agenda-Setting nach einem Vierteljahrhundert Forschung: Methodischer und theoretischer Stillstand? In: Publizistik 39. 269288. Bubela, Tania M. und Timothy Caulfield (2004): Do the print media "hype" genetic research? A comparison of newspaper stories and peer-reviewed research papers. In: Canadian Medical Association Journal 170.1399-1407.
256
8. Literaturverzeichnis
Bundesministerium fiir Bildung und Forschung (1998): Faktenbericht 2002. Bonn: BMBF. Bundesministerium fur Bildung und Forschung (2000): Genomforschung in Deutschland. Stand und Perspektiven. Berlin: BMBF. Bundesministerium fiir Bildung und Forschung (2002): Finanzierung der Gesundheitsforschung. Unter: http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/ das_gf/Finanzen (Zugriff am 9.03.2004). Bursaux, Elisabeth (1999): L'Etat va consacrer 1,5 milliard de francs en quartre ans aux sciences du vivant. In: Le Monde, 9.7.1999. 32. Butler, Declan (2000): US/UK statement on genome data prompts debate on 'free access'. In: Nature 404. 324-325. Callahan, Daniel (1998): Cloning: Then and Now. In: Cambridge Quarterly of Healthcare Ethics 7.141-144. Catenhusen, Wolf-Michael und Hanna Neumeister (1987): Chancen und Risiken der Gentechnologie. Dokumentation des Berichts an den Deutschen Bundestag. Frankfurt a. M.: Campus. Caulfield, Timothy (2002): "Genohype" and the genetic revolution. In: The Edmonton Journal, 8.7.2002. Caulfield, Timothy (2004): Media Portrayal of Genetic Discoveries: What Does the Evidence Tell Us? Berlin: Tagung "Human Genome Meeting", 4.-7.4.2004. Celera Genomics (2000a): Celera Genomics Completes Sequencing Phase of the Genome from one Human Being: Company Begins Sequencing Mouse Genome (Pressemitteilung). Rockville: Celera Genomics. Celera Genomics (2000b): Scientists at Celera Genomics and Berkeley Drosophila Genome Project Publish Drosophila Genome. Whole Genome Shotgun Method Successful (Pressemitteilung). Rockville: Celera Genomics. Celera Genomics (2001): The sequence of the human genome. In: Science 291. 1304-1351. Center for Genetics and Society (2005): Media Coverage. Unter: http://www. genetics-and-society.org/analysis/media/index.html (Zugriff am 01.08.2005). Cobb, Roger, Jennie-Keith Ross und Marc Howard Ross (1976): Agenda Building as a Comparative Political Process. In: American Political Science Review 70. 126-138. Cobb, Roger W. und Charles D. Elder (1983): Participation in American Politics. The Dynamics of Agenda Building. Baltimore & London: John Hopkins University Press.
8. Literaturverzeichnis
257
Converse, Philip E. (1964): The Nature of Belief Systems in Mass Publics. In: David Apter (Hrsg.): Ideology and Discontent. New York: Free Press. 206261. Cook-Deegan, Robert (1995): The Gene Wars. Science, Politics and the Human Genome. New York & London: Norton. Costa, Tullia (2003): The Human Genome Project and the media. Case study: the relation between genetics and the media. In: JCOM 2.1-20. Dahinden, Urs (2002): Zwiespaltige Beurteilung von Gentechnologie durch die Bevolkerung - Eine Analyse von Argumentationsmustern mit Hilfe von Fokusgruppen. In: Heinz Bonfadelli und Urs Dahinden (Hrsg.): Gentechnologie in der offentlichen Kontroverse. Zurich: Seismo. 97-112. Davies, Kevin (2001): Cracking the Genome. Inside the Race to Unlock Human DNA. New York: Free Press. Davo, M. del Carmen und Carlos Alvarez-Dardet (2003): El genoma y sus metaforas. ^Detectives, heroes o profetas? In: Gaceta Sanitaria 17. 59-65. de SoUa Price, Derek J. (1974): Little Science, Big Science. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. de Vreese, Claes H., Jochen Peter und Holli A. Semetko (2001): Framing politics at the Launch of the Euro: A Cross-National Comparative Study of Frames in the News. In: Political Communication 18.107-122. Dearing, James W. und Everett M. Rogers (1996): Agenda Setting. Thousand Oaks: Sage. Deutsche Forschungsgemeinschaft (1998): Pressemeldung zum Jahresbericht 1998. Unter: http://www.dfg.de/aktuelles_presse/pressemitteilungen/2000 /presse_2000_32.html (Zugriff am 20.07.2005). Deutsche Forschungsgemeinschaft (1999): Pressemeldung zum Jahresbericht 1999. Unter: http://www.dfg.de/aktuelles_presse/pressemitteilungen/2000 /presse_2000_32.html (Zugriff am 20.07.2005). Deutsche Forschungsgemeinschaft (2001): Jahresbericht 2001. Bonn: DFG. Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (2004): Biotechnologie-Statistik. Unter: http://www.dib.org/default.asp?cmd=shd&rub=763&docnr=94273&lst dname=Branchendaten&shmode=notma&nd={2}&ond=2&snd=&shmode= (Zugriff am 18.07.2005). Die deutschen Bischofe (2001): Der Mensch: sein eigener Schopfer? Zu Fragen von Gentechnik und Biomedizin (Die deutschen Bischofe 69/2001). Bonn: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Dierkes, Meinolf und Claudia von Grote (2000): Between Understanding and Trust. Amsterdam: Harwood.
258
8. Literaturverzeichnis
Downs, Anthony (1972): Up and Down With Ecology - The "Issue-Attention Cycle". In: Public Interest 28. 38-50. Durant, John (Hrsg.) (1992): Biotechnology in public. London: Science Museum. Durant, John (1993): What is scientific literacy? In: John Durant und Jane Gregory (Hrsg.): Science and Culture in Europe. London: Science Museum. 129-138. Durant, John, Martin W. Bauer und George Gaskell (Hrsg.) (1998): Biotechnology in the Public Sphere. A European Sourcebook. London: Science Museum. Durant, John, Geoffrey A. Evans und Geoffrey P. Thomas (1989): The public understanding of science. In: Nature 340.11-14. Diiwell, Marcus und Sigrid Graumann (Hrsg.) (2002): Informationen und Aufklarung liber Chancen und Risiken der Humangenetik und neuer gen- und biotechnischer Verfahren, Durchfiihrung einer Recherche und eines Expertenworkshops. Koln: Bundeszentrale fur gesundheitliche Aufklarung. Edelman, Murray (1976): Politik als Ritual. Die symbolische Funktion staatlicher Institutionen und politischen Handelns. Frankfurt a. M. & New York: Campus. Edelman, Murray (1988): Die Erzeugung und Verwendung sozialer Probleme. In: Journal fiir Sozialforschung 28.175-191. Eder, Klaus (2000): Zur Transformation nationalstaatlicher Offentlichkeit in Europa. Von der Sprachgemeinschaft zur issuespezifischen Kommunikationsgemeinschaft. In: Berliner Journal fiir Soziologie 10.167-184. Eder, Klaus, Kai-Uwe Hellmann und Hans-Jorg Trenz (1998): Regieren in Europa jenseits offentlicher Legitimation? Eine Untersuchung zur Rolle von politischer Offentlichkeit in Europa. In: Beate Kohler-Koch (Hrsg.): Regieren in entgrenzten Raumen. Opladen: Westdeutscher Verlag. 321-344. Eder, Klaus und Cathleen Kantner (2000): Transnational Resonanzstrukturen in Europa. Eine Kritik der Rede vom Offentlichkeitsdefizit. In: Maurizio Bach (Hrsg.): Die Europaisierung nationaler Gesellschaften. Opladen: Westdeutscher Verlag. 306-331. Edge, David (1995): The Social Shaping of Technology. In: Nick Heap et al. (Hrsg.): Information, Technology and Society. London: Sage Eilders, Christiane (1996): The Role of News Factors in Media Use (WZB Discussion Paper FS III 96-104). Berlin: Wissenschaftszentrum. Eilders, Christiane (2001): Conflict and Consonance in Media Opinion: Political Positions of Five German Quality Newspapers (WZB Discussion Paper P 01702). Berlin: Wissenschaftszentrum.
8. Literaturverzeichnis
259
Eilders, Christiane (2002): Conflict and Consonance in Media Opinion: Political Positions of Five German Quality Newspapers. In: European Journal of Communication 17. 25-63. Eilders, Christiane und Albrecht Liiter (1998): Methodenbericht zum Projekt: Die Stimme der Medien im politischen Prozefi - Themen und Meinungen in Pressekommentaren (WZB Discussion Paper FS III 98-107). Berlin: Wissenschaftszentrum. Eilders, Christiane, Friedhelm Neidhardt und Barbara Pfetsch (2004): Die Stimme der Medien. Pressekommentare und politische Offentlichkeit in der Bundesrepublik. Wiesbaden: Verlag flir Sozialwissenschaften. Einsiedel, Edna et al. (2002): Brave new sheep - the clone named Dolly. In: Martin W. Bauer und George Gaskell (Hrsg.): Biotechnology: The Making of a Global Controversy. Cambridge: Cambridge University Press. 313-347. Entman, Robert M. (1993): Framing: Towards clarification of a fractured paradigm. In: Journal of Communication 43. 51-58. Entman, Robert M. und Andrew Rojecki (1993): Freezing out the public: Elite and media framing of the U.S. anti-nuclear movement. In: Political Communication 10.155-173. Epp, Astrid (2001): Overcoming the Organisational Deficit in Research on Regulation. The Conflict over GM Food in Germany and the United States. In: Zeitschrift fiir Rechtssoziologie 22. 207-225. Ernst & Young (2000): European Life Sciences 2000: Evolution. Stuttgart: Ernst & Young. Ernst & Young (2002): Beyond Borders. The Global Biotechnology Report 2002. London: Ernst & Young. Esser, Hartmut (1996): Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Frankfurt a. M. & New York: Campus. Eurobarometer (1991): Eurobarometer 35.1. Opinions of Europeans towards Biotechnology. Briissel: Commission of the European Communities. Eurobarometer (1993): Eurobarometer 39.1. Biotechnology and Genetic Engineering. Briissel: Commission of the European Communities. Eurobarometer (1997): Eurobarometer 46.1. The Europeans and Modern Biotechnology. Briissel: Commission of the European Communities. Eurobarometer (1998): Eurobarometer 49: Die offentliche Meinung in der Europaischen Union. Briissel: European Union. Eurobarometer (2000): Eurobarometer 52.1 - The Europeans and Biotechnology. Briissel: European Union.
260
8. Literaturverzeichnis
Eurobarometer (2001): Eurobarometer 55.2 - Europeans, Science and Technology. Briissel: European Union. Eurobarometer (2002): Eurobarometer 58.0 - Europeans and Biotechnology in 2002. Briissel: European Union. Felt, Ulrike (2000): Why Should the Public "Understand" Science? A Historical Perspective on Aspects of the Public Understanding of Science. In: Meinolf Dierkes und Claudia von Grote (Hrsg.): Between Understanding and Trust. Amsterdam: Harwood. 7-38. Felt, Ulrike, Helga Nowotny und Klaus Taschwer (1995): Wissenschaftsforschung. Eine Einfiihrung. Frankfurt a. M.: Campus. Ferree, Myra Marx et al. (2002a): Four models of the public sphere in modern democracies. In: Theory and Society 31. 289-324. Ferree, Myra Marx et al. (2002b): Shaping Abortion Discourse. Democracy and the Public Sphere in Germany and the United States. Cambridge: Cambridge University Press. Fischer, Ernst Peter (2002): Das Genom. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch. Fittkau und Maafi (2000): Ergebnisse fiir Teilnehmer der 10. W3B-Umfrage. Unter: http://www.w3b.de (Zugriff am 20.07.2005). Fleck, Ludwik (1935/1980): Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einfiihrung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Fleising, Usher (2001): In search of genohype: a content analysis of biotechnology company documents. In: New Genetics and Society 20. 239-254. Forderverein Humangenomforschung und Biotechnologie (2005): Mission Completed: Auflosung des Fordervereins Humangenomforschung und Biotechnologie e.V. zum 31.12.2005 (Pressemitteilung). Frankfurt a. M.: Forderverein Humangenomforschung und Biotechnologie. Foucault, Michel (1973): Archaologie des Wissens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Friih, Werner (1998): Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis. Konstanz: UVK Medien. Fuchs, Dieter und Hans-Dieter Klingemann (1990): The Left-Right Schema. In: M. Kent Jennings et al. (Hrsg.): Continuities in Political Action: A Longitudinal Study of Political Orientations in Three Western Democracies. Berlin & New York: de Gruyter. 203-234. Fuchs, Dieter und Barbara Pfetsch (1996): Die Beobachtung der offentlichen Meinung durch das Regierungssystem. In: Wolfgang van den Daele und Friedhelm Neidhardt (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung. Politische Funktionen offentlicher Meinungsbildung und diskursiver Verfahren. Berlin: edition sigma. 103-138.
8. Literaturverzeichnis
261
Gamson, William A. (1992): Talking Politics. New York: Cambridge University Press. Gamson, William A. und David S. Meyer (1996): Framing political opportunity. In: Doug McAdam, John D. McCarthy und Mayer N. Zald (Hrsg.): Comparative perspectives on social movements. Cambridge, Nev^ York & Melbourne: Cambridge University Press. 275-290. Gamson, William A. und Andre Modigliani (1989): Media Discourse and Public Opinion on Nuclear Power: A Constructionist Approach. In: American Journal of Sociology 95.1-37. Gans, Herbert J. (1979): Deciding what's news. New York: Vontage Books. Gaskell, George und Martin Bauer (Hrsg.) (2001): Biotechnology 1996-2000. The Years of Controversy. London: Science Museum. Gaskell, George, Paul Thompson und Nick AUum (2002): World Apart? Public Opinion in Europa and the USA. In: Martin W. Bauer und George Gaskell (Hrsg.): Biotechnology. The Making of a Global Controversy. New York: Cambridge University Press. 351-375. Gen-ethisches Netzwerk (1995): Genomanalyse und Gen-Tests. Berlin: Genethisches Netzwerk. Gen-ethisches Netzwerk (1996): Geld und Gene. Gewinne. Arbeitsplatze. Standortdebatte. Berlin: Gen-ethisches Netzwerk. Gen-ethisches Netzwerk (1998): Gentechnologie: Was ist das? Ein kritischer Uberblick. Berlin: Gen-ethisches Netzwerk. Gerhards, Jiirgen (1992): Dimensionen und Strategien offentlicher Diskurse. In: Journal fiir Sozialforschung 3. 307-316. Gerhards, Jiirgen (1993a): Neue Konfliktlinien in der Mobilisierung offentlicher Meinung: eine Fallstudie. Opladen: Westdeutscher Verlag. Gerhards, Jiirgen (1993b): Westeuropaische Integration und die Schwierigkeiten der Entstehung einer europaischen Offentlichkeit (WZB Discussion Paper FS III 93-101). Berlin: Wissenschaftszentrum. Gerhards, Jiirgen (1994): Politische Offentlichkeit. Ein system- und akteurstheoretischer Bestimmungsversuch. In: Friedhelm Neidhardt (Hrsg.): Offentlichkeit, offentliche Meinung, soziale Bewegungen. Opladen: Westdeutscher Verlag. 77-105. Gerhards, Jurgen (1997): Diskursive versus liberale Offentlichkeit. Eine empirische Auseinandersetzung mit Jiirgen Habermas. In: Kolner Zeitschrift fiir Soziologie und Sozialpsychologie 49.1-34.
262
8. Literaturverzeichnis
Gerhards, Jiirgen (1998): Offentlichkeit. In: Otfried Jarren, Ulrich Sarcinelli und Ulrich Saxer (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Opladen & Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. 268-274. Gerhards, Jiirgen (2000): Die Europaisierung von Okonomie und Politik und die Tragheit der Entstehung einer europaischen Offentlichkeit. In: Maurizio Bach (Hrsg.): Die Europaisierung nationaier Gesellschaften. Opladen: Westdeutscher Verlag. 277-305. Gerhards, Jiirgen (2002): Das Offentlichkeitsdefizit der EU im Horizont normativer Offentlichkeitstheorien. In: Hartmut Kaelble, Martin Kirsch und Alexander Schmidt-Gernig (Hrsg.): Transnational Offentlichkeiten und Identitaten im 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M. & New York: Campus. 135-158. Gerhards, Jiirgen (2003): Diskursanalyse als systematische Inhaltsanalyse. Die offentliche Debatte iiber Abtreibungen in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich. In: Andreas Hirseland et al. (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse, Bd. 2. Opladen: Leske + Budrich. 299-324. Gerhards, Jiirgen und Monika Lindgens (1995): Diskursanalyse im Zeit- und Landervergleich. Methodenbericht iiber eine systematische Inhaltsanalyse zur Erfassung des offentlichen Diskurses iiber Abtreibung in den USA und der Bundesrepublik in der Zeit von 1970 bis 1994 (WZB Discussion Paper FS II 95-105). Berlin: Wissenschaftszentrum. Gerhards, Jiirgen und Friedhelm Neidhardt (1990): Strukturen und Funktionen moderner Offentlichkeit. Fragestellungen und Ansatze (WZB Discussion Paper FS III 90-101). Berlin: Wissenschaftszentrum. Gerhards, Jiirgen und Friedhelm Neidhardt (1991): Strukturen und Funktionen moderner Offentlichkeit: Fragestellungen und Ansatze. In: Stefan MiillerDoohm und Klaus Neumann-Braun (Hrsg.): Offentlichkeit, Kultur, Massenkommunikation. Oldenbourg: BIS. 31-89. Gerhards, Jiirgen, Friedhelm Neidhardt und Dieter Rucht (1998): Zwischen Palaver und Diskurs. Strukturen offentlicher Meinungsbildung am Beispiel der deutschen Diskussion zur Abtreibung. Opladen: Westdeutscher Verlag. Gerhards, Jiirgen und Jorg Rossel (1999a): Interessen und Ideen im Konflikt um das Wahlrecht. Eine kultursoziologische Analyse der parlamentarischen Debatten iiber das Dreiklassenwahlrecht in Preul^en. Leipzig: Leipziger Universitatsverlag. Gerhards, Jiirgen und Jorg Rossel (1999b): Zur Transnationalisierung der Gesellschaft der Bundesrepublik. Entwicklungen, Ursachen und mogliche Folgen fiir die europaische Integration. In: Zeitschrift fiir Soziologie 28. 325-344.
8. Literaturverzeichnis
263
Gerhards, Jiirgen und Dieter Rucht (2000): Offentlichkeit, Akteure und Deutungsmuster: Die Debatte iiber Abtreibungen in Deutschland und den USA. In: Jiirgen Gerhards (Hrsg.): Die Vermessung kultureller Unterschiede. USA und Deutschland im Vergleich. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. 165-185. Giddens, Anthony (1991): Structuration Theory. Past, Present and Future. In: Christopher G.A. Bryant und David Jary (Hrsg.): Giddens' Theory of Structuration: A Critical Appreciation. London & New York: Routledge. 201-221. Goodell, Rae (1977): The Visible Scientists. Boston: Little, Brown and Co. Goodell, Rae (1986): How to Kill a Controversy: The Case of Recombinant DNA. In: Sharon M. Freedman, Sharon Dunwoody und Carol Rogers (Hrsg.): Scientists and Journalists. New York: Free Press Gorke, Alexander (1999): Risikojournalismus und Risikogesellschaft. Sondierung und Theorieentwurf. Opladen: Westdeutscher Verlag. Gorke, Alexander, Matthias Kohring und Georg Ruhrmann (2000): Gentechnologie in der Presse. Eine Internationale Langzeitanalyse von 1973-1996. In: Publizistik 45. 20-37. Graumann, Sigrid (1999): Germ-line gene "therapy": Public opinions with regard to eugenics. In: Elisabeth Hildt und Sigrid Graumann (Hrsg.): Genetics in Human Reproduction. Aldershot: Ashgate. 175-184. Graumann, Sigrid (2000): Experts on the philosophical reflection in public discourse - the German Sloterdijk debate as an example. In: Biomedical Ethics 5. 27-33. Graumann, Sigrid (Hrsg.) (2001a): Die Gen-Kontroverse. Grundpositionen. Freiburg, Basel & Wien: Herder. Graumann, Sigrid (2001b): Zur Problematik der Praimplantationsdiagnostik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 27.17-25. Graumann, Sigrid (2002): Situation der Medienberichterstattung zu den aktuellen Entwicklungen in der Biomedizin und ihren ethischen Fragen. Berlin: Institut Mensch Ethik und Wissenschaft / Max-Delbriick-Centrum fiir Molekulare Medizin. Graumann, Sigrid (2003): Die Rolle der Medien in der offentlichen Debatte zur Biomedizin. In: Silke Schicktanz, Christof Tannert und Peter M. Wiedemann (Hrsg.): Kulturelle Aspekte der Biomedizin. Bioethik, Religionen und Alltagsperspektiven. Frankfurt & New York: Campus. 212-243. Greenpeace Deutschland (2000): Greenpeace Jahresriickblick 2000. Hamburg: Greenpeace Deutschland.
264
8. Literaturverzeichnis
Greenpeace Deutschland (2004): Patente auf Leben. Unter: http:// www.greenpeace.org/deutschland/fakten/gentechnik/patente/index (Zugriff am 18.05.2004). Gregory, Jane und Steve Miller (1998): Science in Public. Communication, Culture, and Credibility. New York: Plenum Press. Guyen, Mark S. und Francis S. Collins (1995): How is the Human Genome Project doing, and what have we learned so far? In: Proceedings of the National Academy of Sciences 92.10841-10848. Habermas, Jiirgen (1992): Faktizitat und Geltung. Beitrage zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Haese, Angela und Jorg Wadzack (2002): The German Human Genome Project: a prototype in German life sciences. In: Deutsches Humangenomprojekt (Hrsg.): Progress Report 1999-2002. Berlin: DHGP. 12-15. Hagen, Lutz M. (1992): Die opportunen Zeugen. Konstruktionsmechanismen von Bias in der Zeitungsberichterstattung uber die Volkszahlungsdiskussion. In: Publizistik 37. 444-460. Hagen, Lutz M. (Hrsg.) (2004): Europaische Union und mediale Offentlichkeit: Theoretische Perspektiven und empirische Befunde zur Rolle der Medien im europaischen Einigungsprozess. Koln: Herbert von Halem. Hampel, Jiirgen et al. (1997): Einstellungen zur Gentechnik. Tabellenband zum Biotech-Survey des Forschungsverbunds "Chancen und Risiken der Gentechnik aus der Sicht der Offentlichkeit". Stuttgart: Akademie fiir Technikfolgenabschatzung in Baden-Wiirttemberg. Hampel, Jiirgen et al. (2001): Biotechnology boom and market failure: two sides of the German coin. In: George Gaskell und Martin W. Bauer (Hrsg.): Biotechnology 1996-2000. The Years of Controversy. London: Science Museum. 191203. Hampel, Jiirgen und Ortwin Renn (1998): Kurzfassung der Ergebnisse der Verbundprojekts "Chancen und Risiken der Gentechnik aus Sicht der Offentlichkeit". Stuttgart: Akademie fiir Technikfolgenabschatzung BadenWiirttemberg. Hampel, Jiirgen und Ortwin Renn (Hrsg.) (1999): Gentechnik in der Offentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie. Frankfurt a. M. & New York: Campus. Hampel, Jiirgen et al. (1998): Germany. In: John Durant, Martin W. Bauer und George Gaskell (Hrsg.): Biotechnology in the Public Sphere. A European Sourcebook. London: Science Museum. 63-76.
8. Literaturverzeichnis
265
Hattori, M et al. (2000): The DNA sequence of human chromosome 21. In: Nature 405. 311-319. Hauskeller, Christine (2001): Die Stammzellforschung - Sachstand und ethische Problemstellungen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 27. 7-15. Hedgecoe, Adam M. (1999): Transforming Genes: Metaphors on Information and Language in Modern Genetics. In: Science as Culture 8. 209-229. Held, David et al. (1999): Global transformations. Politics, Economics and Culture. Stanford: Stanford University Press. Henderson, Mark (2000): Pounds 110 million for genetic research. In: The Times, 23.11.2000.5. Hernstein, R.J. und Charles Murray (1994): The Bell Curve. Intelligence and Class Structure in American Life. New York: Free Press. Herzog, Dietrich et al. (1990): Abgeordnete und Burger. Opladen: Westdeutscher Verlag. Hilgartner, Stephen (2003): The Human Genome Project. In: Sheila Jasanoff et al. (Hrsg.): Handbook of Science and Technology Studies. Thousand Oaks, London & New Delhi: Sage. 302-315. Holtzman, Neil A. und Teresa M. Marteau (2000): Genotype or Genohype: Will Genetics Revolutionize Medicine? In: New England Journal of Medicine 343. 141-144. Hopf, Christel (2000): Qualitative Interviews - ein Uberblick. In: Uwe Flick, Ernst von Kardorff und Ines Steinke (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch. 349-360. Hubbard, T. et al. (2002): The Ensembl genome database project. In: Nucleic Acids Research 30. 38-41. Hucho, Ferdinand et al. (Hrsg.) (2005): Gentechnologiebericht. Analyse einer Hochtechnologie in Deutschland. Heidelberg & Berlin: Spektrum Akademischer Verlag. Hucho, Ferdinand und Kristian Kochy (Hrsg.) (2003): Materialien fiir einen Gentechnologiebericht. Grundlagenforschung. Medizinische Anwendung. Okonomische Bedeutung. Heidelberg & Berlin: Spektrum Akademischer Verlag. Human Genome Project Information (2004a): Facts About Genome Sequencing. Unter: http://www.ornl.gov/sci/techresources/Human_Genome/faq/seqfacts .shtml (Zugriff am 30.11.2005). Human Genome Project Information (2004b): Human Genome Project Budget. Unter: http://www.ornl.gov/sci/techresources/Human_Genome/project /budget.shtml (Zugriff am 05.12.2005).
266
8. Literaturverzeichnis
Informationsgemeinschaft zur Verbreitung von Werbetragern (2000): IVW-Praxis. Bonn: IVW. Inglehart, Ronald (1997): Modernization and Postmodernization. Cultural, Economic and Political Change in 43 Societies. Princeton: Princeton University Press. International Human Genome Consortium (2001a): Initial sequencing and analysis of the human genome. In: Nature 409. 813-964. International Human Genome Consortium (2001b): A physical map of the human genome. In: Nature 409. 934-941. International Human Genome Consortium (2003): Joint Proclamation by the Heads of Government of Six Countries Regarding the Completion of the Human Genome Sequence (Pressemitteilung vom 14.04.2003). Human Genome Project. Irwin, Alan und Brian Wynne (Hrsg.) (1996): Misunderstanding Science? The public reconstruction of science and technology. Cambridge: Cambridge University Press. Jarren, Otfried und Patrick Donges (2002): Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft, Bd. 1. Opladen: Westdeutscher Verlag. Jasanoff, Sheila (1995): Product, process, or programme: three cultures and the regulation of biotechnology. In: Martin W. Bauer (Hrsg.): Resistance to new technology. Nuclear power, information technology and biotechnology. London: Cambridge University Press. 311-331. Jasanoff, Sheila (2000): The "Science Wars" and American Politics. In: Meinolf Dierkes und Claudia von Grote (Hrsg.): Between Understanding and Trust. Amsterdam: Harwood. 39-60. Jasanoff, Sheila et al. (Hrsg.) (1995): Handbook of Science and Technology Studies. Thousand Oaks, London & New Delhi: Sage. Joss, Simon (2003): Zwischen Politikberatung und Offentlichkeitsdiskurs - Erfahrungen mit Biirgerkonferenzen in Europa. In: Silke Schicktanz und Jorg Neumann (Hrsg.): Burgerkonferenz: Streitfall Gendiagnostik. Opladen: Leske+Budrich. 15-35. Joss, Simon und Sergio Bellucci (Hrsg.) (2002): Participatory technology assessment - European perspectives. London: CSD. Kemper, Oliver (2002): The Patent- and Licensing Agency in the German Human Genome Project. In: Deutsches Humangenomprojekt (Hrsg.): Progress Report 1999-2002. Berlin: DHGP. 16-20. Kepplinger, Hans Mathias (1991): Aufklarung oder Irreflihrung? Die Darstellung von Technikfolgen in der Presse 1965-1986. In: J. Kriiger und Stephan RulS-
8. Literaturverzeichnis
267
Mohl (Hrsg.): Risikokommunikation. Technikakzeptanz, Medien und Kommunikationsrisiken. Berlin: edition sigma. 109-143. Kepplinger, Hans Mathias und Rainer Mathes (1988): Kiinstliche Horizonte: Die Darstellung von Technik in Zeitungen und Zeitschriften der Bundesrepublik Deutschland von 1965 bis 1986. In: Joachim Scharioth und Harald Uhl (Hrsg.): Medien und Technikakzeptanz. Miinchen: Oldenbourg. 111-152. Kepplinger, Hans-Mathias (1993): Erkenntnistheorie und Forschungspraxis des Konstruktivismus. In: Giinter Bentele und Manfred Riihl (Hrsg.): Theorien offentlicher Kommunikation. Munchen: Olschlager. 118-125. Kepplinger, Matthias, Simone Christine Ehmig und Christine Ahlheim (1991): Gentechnik im Widerstreit. Zum Verhaltnis von Wissenschaft und Journalismus. Frankfurt a. M. & New York: Campus. Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (2002): Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen. (EKD Texte 71). Hannover: Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland. Kitschelt, Herbert P. (1986): Political Opportunity Structures and Political Protest: Anti-Nuclear Movements in Four Democracies. In: British Journal of Political Science 16: 57-85. Kitzinger, Jenny und Jacquie Reilly (1997): The Rise and Fall of Risk Reporting. Media Coverage on Human Genetics Research, Talse Memory Syndrome' and 'Mad Cow Disease'. In: European Journal of Communication 12.319-350. Klein, Ansgar et al. (Hrsg.) (2003): Burgerschaft, Offentlichkeit und Demokratie in Europa. Opladen: Leske+Budrich. Knorr-Cetina, Karin (1981): Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Knorr-Cetina, Karin (1988): Das naturwissenschaftliche Labor als Ort der "Verdichtung" von Gesellschaft. In: Zeitschrift fiir Soziologie 17. 85-101. Kohring, Matthias (1997): Die Funktion des Wissenschaftsjournalismus. Ein systemtheoretischer Entwurf. Opladen: Westdeutscher Verlag. Kohring, Matthias (2004): Vertrauen in Journalismus. Theorie und Empirie. Konstanz: UVK Medien. Kohring, Matthias, Alexander Gorke und Georg Ruhrmann (1999): Das Bild der Gentechnik in den internationalen Medien - eine Inhaltsanalyse meinungsfuhrender Zeitschriften. In: Jiirgen Hampel und Ortwin Renn (Hrsg.): Gentechnik in der Offentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie. Frankfurt a. M. & New York: Campus. 292-316.
268
8. Literaturverzeichnis
Kohring, Matthias und Jorg Matthes (2002): The face(t)s of biotech in the nineties: how the German press framed modern biotechnology. In: Public Understanding of Science 11.143-154. Koopmans, Ruud und Ann Zimmermann (2003): Internet: A New Potential for European Political Communication? Berlin: Wissenschaftszentrum. Kreibich, Rolf (2004): Zur Organisation von Verantwortung im Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft. In: Christof Tannert und Peter M. Wiedemann (Hrsg.): Stammzellen im Diskurs. Miinchen: oekom. 56-66. Kriesi, Hanspeter et al. (1992): New social movements and political opportunities in Western Europe. In: European Journal of Political Research219-244. Kuhn, Thomas S. (1967): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Kunczik, Michael (1999): Offentlichkeitsarbeit. In: Jiirgen Wilke (Hrsg.): Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale fiir politische Bildung. 545-569. La Roche, Walther (1999): Einfiihrung in den praktischen Journalismus. Miinchen: List. Lamnek, Siegfried (1995): Qualitative Sozialforschung, Bd. 2. Weinheim: Beltz / Psychologie-Verlags-Union. Latour, Bruno und Steven Woolgar (1979): Laboratory Life. The Social Construction of Scientific Facts. Beverly Hills: Sage. lb Medien (2001): Die Nutzung von Suchmaschinen. Unter: http://www.epublishing.de/online/suchmaschinen/die_echten/suchmaschinenstatistik.html (Zugriff am 20.07.2005). Lewenstein, Bruce V. (Hrsg.) (1991): When Science Meets the Public. Washington: American Association for the Advancement of Science. Lewenstein, Bruce V. (1995a): From fax to facts: Communication in the cold fusion saga. In: Social Studies of Science 25.403-436. Lewenstein, Bruce V. (1995b): Science and the Media. In: Sheila Jasanoff et al. (Hrsg.): Handbook of Science and Technology Studies. Thousand Oaks, London & New Delhi: Sage. 343-360. Lewenstein, Bruce V., Tracy Allaman und Shobita Parthasarathy (1998): Historical Survey of Media Coverage of Biotechnology in the United States, 1970 to 1996. Baltimore: Tagung "AEJMC Annual Meeting", 8.8.1998. Liiders, Christian und Michael Meuser (1997): Deutungsmusteranalyse. In: Ronald Hitzler und Anne Honer (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Hermeneutik. Opladen: Leske + Budrich. 57-79.
8. Literaturverzeichnis
269
Luhmann, Niklas (1970): Offentliche Meinung. In: Politische Vierteljahresschrift 11.2-28. Luhmann, Niklas (1971): Offentliche Meinung. In: Niklas Luhmann (Hrsg.): Politische Planung. Opladen: Westdeutscher Verlag. 9-34. Luhmann, Niklas (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas (1995): Die Realitat der Massenmedien. Opladen: Westdeutscher Verlag. Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas (2000): Die Politik der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas und Karl Eberhard Schorr (Hrsg.) (1979): Reflexionsprobleme im Erziehungssystem. Stuttgart: Klett-Cotta. Luke, Timothy W. (1987): Chernobyl: The Packaging of Transnational Ecological Disaster. In: Critical Studies in Mass Communication 4. 351-375. MacDonald, Sharon (1996): Authorising Science: Public Understanding of Science in Museums. In: Alan Irwin und Brian Wynne (Hrsg.): Misunderstanding Science?. Cambridge: Cambridge University Press. 152-171. Machill, Marcel und Carsten Welp (2003): Wegweiser im Netz - Qualitat und Nutzung der Suchmaschinen. Giitersloh: Bertelsmann Stiftung. Marcinkowski, Frank (1993): Publizistik als autopoietisches System. Opladen: Westdeutscher Verlag. Marshall, Eliot (2000): Rival Genome Sequencers Celebrate a Milestone Together. In: Science 288. 2294-2295. Matthes, Jorg und Matthias Kohring (2004): Die empirische Erfassung von Medien-Frames. In: Medien & Kommunikationswissenschaft 52. 56-75. Maurer, Johannes und Hans Lehrach (2000): Der entschliisselte Mensch. In: Chemie Heute 1999/2000. Mayring, Philipp (1994): Qualitative Inhaltsanalyse. Weinheim: Deutscher Studienverlag. Mayring, Philipp (1995): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Uwe Flick et al. (Hrsg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz / PsychologieVerlags-Union. 209-213. Mayring, Philipp (2000): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Uwe Flick, Ernst von Kardoff und Ines Steinke (Hrsg.): Qualitative Forschung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 468-475.
270
8. Literaturverzeichnis
Merten, Klaus (1993): Kommentar zu Klaus Krippendorf. In: Giinter Bentele und Manfred Riihl (Hrsg.): Theorien offentlicher Kommunikation. Miinchen: Olschlager. 52-58. Merten, Klaus (1995): Inhaltsanalyse. Einfiihrung in Theorie, Methode und Praxis. Opladen: Westdeutscher Verlag. Merten, Klaus (1999): Die Berichterstattung iiber Gentechnik in Presse und Fernsehen - eine Inhaltsanalyse. In: Jiirgen Hampel und Ortwin Renn (Hrsg.): Gentechnik in der Offentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie. Frankfurt a. M. & New York: Campus. 317-339. Merten, Klaus, Siegfried J. Schmidt und Siegfried Weischenberg (Hrsg.) (1994): Die Wirklichkeit der Medien. Opladen: Westdeutscher Verlag. Merton, Robert K. (1985): Die normative Struktur der Wissenschaft. In: Robert K. Merton (Hrsg.): Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. 86-99. Meuser, Michael und Ulrike Nagel (1991): Expertlnneninterviews - vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. In: Detlef Garz und Klaus Kraimer (Hrsg.): Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analysen. Opladen: Westdeutscher Verlag. 71-93. Meyer, John, W. et al. (1997): World Society and the Nation State. In: American Journal of Sociology 103.144-181. Miles, Matthew B. und A. Michael Huberman (1994): Qualitative Data Analysis. An Expanded Sourcebook. Thousand Oaks, London & New Delhi: Sage. Miller, Jon D. (1983): Scientific literacy: A conceptual and empirical review. In: Daedalus 112. 29-48. Miller, Jon D. (1991): The public understanding of science and technology in the US: Report to the US National Science Foundation. DeKalb: National Opinion Research Centre & University of Chicago. Miller, Jon D., C. Midden und L. Kimmel (1999): Attitudes toward Biotechnology in Canada, the European Union, and the United States: Unveroffentlichtes Manuskript. Miller, Jon D., Rafael Pardo und F. Niwa (1997): Public Perceptions of Science and Technology: A Comparative Study of the European Union, the United States, Japan, and Canada. Chicago: Chicago Academy of Sciences. Miller, Jon D. und Rafael Pardo (2000): Civic Scientific Literacy and Attitude to Science and Technology: A Comparative Analysis of the European Union, the United States, Japan, and Canada. In: Meinolf Dierkes und Claudia von
8. Literaturverzeichnis
271
Grote (Hrsg.): Between Understanding and Trust. Amsterdam: Harwood. 81-130. Miller, Steve (2001): Public understanding of science at the crossroads. In: Public Understanding of Science 10.115-120. Miiller-Hill, Benno (1988): Murderous Science. New York: Oxford University Press. Murray, Thomas und Maxwell J. Mehlman (Hrsg.) (2000): Encyclopedia of Ethical, Legal and Policy Issues in Biotechnology. New York: Wiley & Sons. National Science Board (2002): Science and Engineering Indicators 2002. Arlington: National Science Foundation. Nawratil, Ute (1987): "Wenig Larm um viel". Die Berichterstattung iiber Reproduktionsmedizin und Genforschung. Vergleichende Inhaltsanalyse. Unveroffentlichte Magisterarbeit, Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen. Neidhardt, Friedhelm (1994): Offentlichkeit, offentliche Meinung, soziale Bewegungen. In: Friedhelm Neidhardt (Hrsg.): Offentlichkeit, offentliche Meinung, soziale Bewegungen. Opladen: Westdeutscher Verlag. 7-41. Nelkin, Dorothy (1992): Controversy. Politics of Technical Decisions. London: Sage. Nelkin, Dorothy (1995): Selling Science. How The Press Covers Science and Technology. New York: W.H. Freeman. Nerlich, Brigitte, Robert Dingwall und David D. Clarke (2002): The book of life: how the completion of the Human Genome Project was revealed to the public. In: Health 6. 445-469. Nisbet, Matthew C, D. Brossard und A. Kroepsch (2003): Framing Science: The Stem Cell Controversy in an Age of Press/Politics. In: Harvard International Journal of Press/Politics 8. 36-70. Nisbet, Matthew C. und Bruce V. Lewenstein (2001): A Comparison of U.S. Media Coverage of Biotechnology with Public Perceptions of Genetic Engineering 1995-1999. Genf: Tagung "International Public Communication of Science and Technology Conference", 1.-4.2.2001. Nisbet, Matthew C. und Bruce V. Lewenstein (2002): Biotechnology and the American Media. The Policy Process and the Elite Press, 1970 to 1999. In: Science Communication 23. 259-291. Noelle-Neumann, Elisabeth (1980): Die Schweigespirale. Offentliche Meinung unsere soziale Haut. Munchen: Piper. Noelle-Neumann, Elisabeth und Renate Kocher (Hrsg.) (1997): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1993-1997 (Band 10). Allensbach: Verlag fiir Demoskopie.
272
8. Literaturverzeichnis
Noelle-Neumann, Elisabeth und Renate Kocher (Hrsg.) (2002): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1998-2000 (Band 11). Allensbach: Verlag fiir Demoskopie. Noelle-Neumann, Elisabeth und Rainer Mathes (1987): The "Event as Event" and the "Event as News": The Significance of "Consonance" for Media Effects Research. In: European Journal of Communication 2. 391-414. Nowotny, Helga (1993): Socially distributed knowledge: five spaces for science to meet the public. In: Public Understanding of Science 2. 307-319. Olson, Maynard V. (1993): The human genome project. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 90. 4338-4344. O'Mahony, Patrick und Mike Steffen Schafer (2005): The 'Book of Life' in the Press. Comparing German and Irish Media Discourse on Human Genome Research. In: Social Studies of Science 35. 99-130. O'Mahony, Patrick und Tracy Skillington (1999): Constructing Difference: Discourse Coalitions on Biotechnology in the Press. In: Patrick O'Mahony (Hrsg.): Nature, Risk and Responsibility. Discourses of Biotechnology. London: MacMillan. 100-113. Pennisi, Elizabeth (2000): Breakthrough of the Year: Genomics Comes of Age. In: Science 290. 2220-2221. Pfadenhauer, Michaela (2003): Das Professionalisierungsprojekt der Humangenetik. In: Jutta Allmendiger (Hrsg.): Entstaatlichung und soziale Sicherheit. Opladen: Leske+Budrich. CD-Rom. Pfetsch, Barbara (1994): Themenkarrieren und politische Kommunikation. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 39-40.11-20. Pfetsch, Barbara und Frank Esser (2003): Politische Kommunikation im internationalen Vergleich: Neuorientierung in einer veranderten Welt. In: Frank Esser und Barbara Pfetsch (Hrsg.): Politische Kommunikation im internationalen Vergleich. Opladen: Westdeutscher Verlag. 9-31. Price, David (1999): Carrying Capacity Reconsidered. In: Population & Environment 21. 5-26. Protess, David L. et al. (1992): The Journalism of Outrage: Investigative Reporting and Agenda Building in America. New York: Guilford Press. Puglisi, Riccardo (2004): Being the New York Times: the Political Behaviour of a Newspaper. London: London School of Economics. Racine, Eric et al. (2006): Hyped biomedical science or uncritical reporting? Press coverage of genomics (1992-2001) in Quebec. In: Social Science & Medicine 2005. im Druck.
8. Literaturverzeichnis
273
Radkau, Joachim (1988): Hiroshima und Asilomar. Die Inszenierung des Diskurses iiber die Gentechnik vor dem Hintergrund der Kernenergie-Kontroverse. In: Geschichte und Gesellschaft 14. 329-363. Reese, Stephen D. (1991): Setting the Media's Agenda: A Power Balance Perspective. In: James A. Anderson (Hrsg.): Communication Yearbook 14. 309-340. Reese, Stephen D. und Lucig H. Danielian (1989): Intermedia Influence and the Drug Issue: Converging on Cocaine. In: Pamela J. Shoemaker (Hrsg.): Communication Campaigns about Drugs. 29-45. Reinemann, Carsten (2003): Medienmacher als Mediennutzer: Kommunikationsund Einflussstrukturen im politischen Journalismus der Gegenwart. Koln: Bohlau. Reumann, Kurt (2002): Journalistische Darstellungsformen. In: Elisabeth NoelleNeumann, Winfried Schulz und Jiirgen Willke (Hrsg.): Das Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation. Frankfurt a. M.: Fischer. 126-152. Reverchon, Antoine (2000): "La genomique suppose une negociation entre la logique industrielle et I'interet de la sante publique". In: Le Figaro, 7.11.2000. 3. Riechert, Bonnie P. (1995): Science, Society, and the Media: Associated Press Coverage of the Human Genome Project. Knoxville: Tagung "18th Annual Communications Research Symposium", 10.3.1995. Riewenherm, Sabine (2002): Im Netz der Genomforschung. In: Gen-ethischer Informationsdienst 2002. 7-8. Rodder, Simone (2003): Genomsequenz o(de)r genome sequence? Die Darstellung der Entschliisselung des menschlichen Erbguts in deutschen und britischen Medien. Unveroffentlichte Diplomarbeit, Johannes-Gutenberg-Universitat Mainz. Rodder, Simone (2005): Das Buch des Lebens in der Presse. Die Darstellung der Entschliisselung des menschlichen Erbguts in deutschen und britischen Medien. Miinchen: Reinhard Fischer. Rossler, Patrick (1997): Agenda Setting: Theoretische Annahmen und empirische Evidenzen einer Medienwirkungshypothese. Opladen: Westdeutscher Verlag. Royal Society (1985): The public understanding of science. London: Royal Society. Rucht, Dieter, Mundo Yang und Ann Zimmermann (2004): Die Besonderheiten netzbasierter politischer Kommunikation am Beispiel des GenfoodDiskurses. Gutachten im Auftrag des Deutschen Bundestages. Berlin: Wissenschaftszentrum.
274
8. Literaturverzeichnis
Rugles (2003): Weblog. Unter: http://www.rugles.com/weblog/archives /OOOOSO.html (Zugriff am 12.4.2004). Riihl, Manfred (1980): Journalismus und Gesellschaft. Bestandsaufnahme und Theorieentwurf. Mainz: von Hase & Koehler. Ruhrmann, Georg (1992): Genetic engineering in the press. A review of research and results of content analysis. In: John Durant (Hrsg.): Biotechnology in public. A review of recent research. London: Science Museum. 169-201. Ruhrmann, Georg (2004): Fernsehen und Molekulare Medizin - ein Forschungsprojekt. In: GenomXPress 2004.18-19. Ruhrmann, Georg, Matthias Kohring und Alexander Gorke (1997): Internationale Medienberichterstattung iiber Gentechnik. Eine Inhaltsanalyse meinungsfiihrender Zeitschriften (Arbeitspapier 03/1997). Duisburg: Rhein-RuhrInstitut fiir Sozialforschung und Politikberatung. Ruhrmann, Georg et al. (1992): Das Bild der "Biotechnischen Sicherheit" und der "Genomanalyse" in der deutschen Tagespresse (1988-1990). Bonn: Biiro fiir Technikfolgenabschatzung. Sarcinelli, Ulrich (1987): Symbolische Politik. Zur Bedeutung symbolischen Handelns in der Wahlkampfkommunikation der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Westdeutscher Verlag. Sarcinelli, Ulrich (1994): Mediale Politikdarstellung und politisches Handeln: analytische Anmerkungen zu einer notwendigerweise spannungsreichen Beziehung. In: Otfried Jarren (Hrsg.): Politische Kommunikation in Horfunk und Fernsehen. Opladen: Leske+Budrich. 35-50. Schafer, Mike Steffen (2001): Diskurse uber Humangenomforschung in Deutschland und Irland. Unveroffentlichte Magisterarbeit, Universitat Leipzig. Schafer, Mike Steffen (2004): Humangenomforschung in der Mediendebatte. In: Gen-ethischer Informationsdienst 20. 3-7. Schenk, Michael (2002): Medienwirkungsforschung. Tubingen: J.C.B. Mohr. Schenk, Michael und Deziderio Sonje (1998): Gentechnik und Journalisten. Miinchen: R. Fischer. Scheufele, Dietram A. (1999): Framing as a Theory of Media Effects. In: Journal of Communication 49.103-122. Schicktanz, Silke und Jorg Naumann (Hrsg.) (2003): Biirgerkonferenz: Streitfall Gendiagnostik. Opladen: Leske+Budrich. Schimank, Uwe (1988): Gesellschaftliche Teilsysteme als Akteurfiktionen. In: Kolner Zeitschrift fur Soziologie und Sozialpsychologie 40. 619-639. Schmidt, Siegfried J. und Siegfried Weischenberg (1994): Mediengattungen, Berichterstattungsmuster, Darstellungsformen. In: Klaus Merten, Siegfried J.
8. Literaturverzeichnis
275
Schmidt und Siegfried Weischenberg (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Opladen: Westdeutscher Verlag. 212-236. Schmidtke, Jorg (2000): Der Mensch hat 25000 Gene. In: Die Welt, 25.09.2000. Schmutz, Jeremy et al. (2004): Quality assessment of the human genome sequence. In: Nature 429. 365-368. Schonbauer, Roland (2001): 18 Kanzlerberater fiir den Weg in Biotech-Zeitalter. In: Der Standard, 2.7.2001. 3. Schroder, Christina (2002): Research is Service! Statement of goals of the 'Association for the Promotion of Human Genome Research'. In: Deutsches Humangenomprojekt (Hrsg.): Progress Report 1999-2002. Berlin: DHGP. 21-22. Schulz, Winfried (1997): Politische Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag. Schulze, Nicole (2005): Das Humangenomprojekt. Eine netzwerkanalytische Untersuchung des Entstehungsprozesses einer Policy unter Riickgriff auf den theoretischen Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus. Unveroffentlichte Magisterarbeit, Universitat Leipzig. Schwagerl, Christian (2001): Tonfalle. Das Ja im Nein: Die Griinen und die Gentechnik. In: Siiddeutsche Zeitung, 17.05.2001. 54. Science (2003): From PUS to PEST. In: Science 298. 49. Shapin, Steve (1992): Why the public ought to understand science-in-the-making. In: Public Understanding of Science 1. 27-30. Shreeve, James (2004): The Genome War: How Craig Venter Tried to Capture the Code of Life and Save the World. New York: Alfred A. Knopf. Sloterdijk, Peter (1999): Regeln fiir den Menschenpark. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Smart, A. (2003): Reporting the dawn of the post-genomic era: who wants to live forever? In: Sociology of Health and Illness 25. 24-49. Smith, Anthony D. (1983): Nationalism and Social Theory. In: British Journal of Sociology 34.19-38. Snow, David A. und Robert D. Benford (1988): Ideology, Frame Resonance, and Participant Mobilization. In: Bert Klandermans, Hanspeter Kriesi und Sidney Tarrow (Hrsg.): From Structure to Action: International Social Movement Research. Greenwich: Jai. 197-217. Snow, David A. und Robert D. Benford (1992): Master Frames and Cycles of Protest. In: Aldon D. Morris und Carol McClurg Mueller (Hrsg.): Frontiers in social movement theory. New Haven & London: Yale University Press. 133155.
276
8. Literaturverzeichnis
Snow, David A. et al. (1986): Frame Alignment Processes, Micromobilization, and movement participation. In: American Sociological Review 51. 464-481. Staab, Joachim F. (1990): Nachrichtenwert-Theorie. Formale Struktur und empirischer Gehalt. Freiburg & Miinchen: Alber. Stichweh, Rudolf (1988a): Differenzierung des Wissenschaftssystems. In: Renate Mayntz et al. (Hrsg.): Differenzierung und Verselbstandigung. Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme. Frankfurt a. M.: Campus. 45-115. Stichweh, Rudolf (1988b): Inklusion in Funktionssysteme der modernen Gesellschaft. In: Renate Mayntz et al. (Hrsg.): Differenzierung und Verselbstandigung. Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme. Frankfurt a. M.: Campus. 261-294. Stichweh, Rudolf (2002): Die Entstehung einer Weltoffentlichkeit. In: Hartmut Kaelble, Martin Kirsch und Alexander Schmidt-Gernig (Hrsg.): Transnation a l Offentlichkeiten und Identitaten im 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M. & New York: Campus. 57-66. Stober, Rolf (1992): Medien als vierte Gewalt - Zur Verantwortung der Massenmedien. In: Gerhard W. Wittkamper (Hrsg.): Medien und Politik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 27-37. Stollorz, Volker (2003): "Wohin Gen?" Die unverstandene Rolle der Massenmedien im bioethischen Diskurs. In: Thomas Macho et al. (Hrsg.): Der ImPerfekte Mensch. Wien: Bohlau. 340-353. Strachan, Tom (1992): Das menschliche Genom. Heidelberg, Berlin & Oxford: Spektrum. Strydom, Piet (1999): The Civilisation of the Gene: Biotechnological Risk Framed in the Responsibility Discourse. In: Patrick O'Mahony (Hrsg.): Nature, Risk and Responsibility. Discourses of Biotechnology. London: MacMillan. 21-36. Tambor, Ellen S. et al. (2002): Mapping the human genome: An assessment of media coverage and public reaction. In: Genetics in Medicine 4. 31-36. Tannert, Christof und Peter M. Wiedemann (Hrsg.) (2004): Stammzellen im Diskurs. Miinchen: oekom. Ten Eyck, Toby A. (2005): The media and public opinion on genetics and biotechnology: mirrors, windows, or walls? In: Public Understanding of Science 14. 305-316. Ten Eyck, Toby A., George Gaskell und Jonathan Jackson (2004): Seeds, food and trade wars: Public opinion and policy responses in the USA and Europe. In: Journal of Commercial Biotechnology 10. 258-267. Ten Eyck, Toby A., Paul Thompson und Susanna Hornig Priest (2001): Biotechnology in the United States of America: mad or moral science? In: George
8. Literaturverzeichnis
277
Gaskell und Martin W. Bauer (Hrsg.): Biotechnology 1996-2000. The Years of Controversy. London: Science Museum. 307-318. Ten Eyck, Toby A. und Melissa Williment (2003): The National Media and Things Genetic: Coverage in the New York Times (1971-2001) and the Washington Post (1977-2001). In: Science Communication 25.129-152. Tenscher, Jens (1999): Politikvermittlungsexperten. Die Schaltzentralen politischer Kommunikation. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 13. 7-16. The White House (2000): Remarks by the President, Prime Minister Tony Blair of England (via Satellite), Dr. Francis Collins, Director of the National Human Genome Research Institute, and Dr. Craig Venter, President and Chief Scientific Officer, Celera Genomics Corporation, on the Completion of the First Survey of the Entire Human Genome Project (Pressemitteilung vom 26.06.2000). Washington: The White House. Tuchman, Gaye (1978): Making News. A Study in the Construction of Reality. New York: Free Press. Urban, Dieter (1999): Wie stabil sind Einstellungen zur Gentechnik? Ergebnisse einer regionalen Panelstudie. In: Jiirgen Hampel und Ortwin Renn (Hrsg.): Gentechnik in der Offentlichkeit: Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie. Frankfurt a. M., New York: Campus. 56-97. Urban, Dieter und Uwe Pfenning (1999): Technikfurcht und Technikhoffnung. Die Struktur und Dynamik von Einstellungen zur Gentechnik - Ergebnisse einer Langsschnitt-Studie. Stuttgart: Grauer. van den Daele, Wolfgang (2000): Die Natiirlichkeit des Menschen als Kriterium und Schranke technischer Eingriffe. In: WechselWirkung 21. 24-31. van den Daele, Wolfgang (2003): Moderne Tabus? Das Verbot des Klonens von Menschen. In: WZB Mitteilungen 2003. 7-9. van Dijck, Jose (1995): Reading the Human Genome Narrative. In: Science as Culture 5. 217-247. Venter, James Craig et al. (2001): The sequence of the Human Genome. In: Science 291.1145-1434. von Eimeren, Birgit, Heinz Gerhard und Beate Frees (2004): Internetverbreitung in Deutschland: Potenzial vorerst ausgeschopft? In: Media Perspektiven 2004. 350-370. von Schwerin, Alexander (2002): Das Genom als Risikofaktor. In: Gen-ethischer Informationsdienst 2002. 3-6.
278
8. Literaturverzeichnis
Vorlander, Hans (1998): Politische Kultur. In: Willi Paul Adams und Peter Losche (Hrsg.): Landerbericht USA. Bonn: Bundeszentrale fur politische Bildung. 280-304. Wadzack, Jorg und Siegrid Schrogl (2001): Von der Entschliisselung des menschlichen Genoms zur molekularen Medizin - Das Deutsche Humangenomprojekt. In: Biospektrum 7. 253-254. WAGICS - Ferre Institute und Center for Genetics, Ethics and Women (1996): Impact of the HGI on Society: a women's studies approach. Amherst: WAGICS - Ferre Institute & Center for Genetics, Ethics and Women. Watson, James D. (2000): Die Ethik des Genoms. In: Frankfurter Allgemeine, 26.9.2000. 55. Weingart, Peter (1990): Race-Hygiene and Human Genetics - Political and Moral Lessons. In: Aant Elzinga (Hrsg.): In Science We Trust? Lund: Krieger. 335340. Weingart, Peter (2001): Die Stunde der Wahrheit? Zum Verhaltnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft. Weilerswist: Velbriick. Weingart, Peter (2002): The moment of truth for science. The consequences of the 'knowledge society' for society and science. In: EMBO reports 3. 703-706. Weingart, Peter (2003): Wissenschaftssoziologie. Bielefeld: transcript. Weingart, Peter (2005): Die Wissenschaft der Offentlichkeit. Essays zum Verhaltnis von Wissenschaft, Medien und Offentlichkeit. Weilerswist: Velbriick. Weingart, Peter, Jiirgen Kroll und Kurt Bayertz (1992): Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Weingart, Peter et al. (2005): Molekulare Medizin und Wertewandel. Bielefeld: Tagung "Forschung in den Schlagzeilen", 22.04.2005. Weischenberg, Siegfried (1995): Journalistik. Theorie und Praxis aktueller Medienkommunikation; Bd. 2. Opladen: Westdeutscher Verlag. Wilke, Jiirgen (1999): Leitmedien und Zielgruppenorgane. In: Jiirgen Wilke (Hrsg.): Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale fiir politische Bildung. 302-329. Winnacker, Ernst-Ludwig (2002): Das Genom. Moglichkeiten und Grenzen der Genforschung. Frankfurt a. M.: Eichborn. Winter, Riidiger (2000): Chromosom 21 - der wichtigste Baustein des Lebens. In: Bild, 24.7.2000. Wirth, Werner und Edmund Lauf (Hrsg.) (2001): Inhaltsanalyse. Koln: Herbert von Halem.
8. Literaturverzeichnis
279
Wittkamper, Gerhard W. et al. (1992): Pressewirkungen und aufienpolitische Entscheidungsprozesse - Methodologische Probleme der Analyse. In: Gerhard W. Wittkamper (Hrsg.): Medien und Politik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 150-168. Wolfrum, Riidiger (2001): Forschung an humanen Stammzellen: ethische und juristische Grenzen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 27. 3-6. Wynne, Brian (1992): Public understanding of science research: new horizons or hall of mirrors? In: Public Understanding of Science 1. 37-43. Wynne, Brian (1995): Public Understanding of Science. In: Sheila Jasanoff et al. (Hrsg.): Handbook of Science and Technology Studies. Thousand Oaks, London & New Delhi: Sage. 361-388. Wynne, Brian (1996): May the sheep safely graze? A reflexive view of the expertlay knowledge divide. In: Bronislaw Szerszynski, Scott Lash und Brian Wynne (Hrsg.): Risk, environment and modernity: towards a new ecology. London: Sage. 44-83. Yearley, Steven (2000): What Does Science mean in the "Public Understanding of Science". In: Meinolf Dierkes und Claudia von Grote (Hrsg.): Between Understanding and Trust. Amsterdam: Harwood. 217-236. Yount, Lisa (2000): Biotechnology and Genetic Engineering. New York: Facts On File. Ziman, John (1991): Public Understanding of Science. In: Science, Technology and Human Values 16. 99-105. Zimmer, Rene (2002): Begleitende Evaluation der Biirgerkonferenz "Streitfall Gendiagnostik". Karlsruhe: Fraunhofer-Institut fiir Systemtechnik und Innovationsforschung. Zittel, Thomas (2003): Vernetzte politische Kommunikation: Elektronische Demokratie als amerikanischer Sonderweg? In: Frank Esser und Barbara Pfetsch (Hrsg.): Politische Kommunikation im internationalen Vergleich. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. 259-280.