Dan Roberts
Die Fehde der Freunde Apache Cochise Band Nr. 6
Prolog Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunde...
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Dan Roberts
Die Fehde der Freunde Apache Cochise Band Nr. 6
Prolog Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre Jagdgründe eingedrungen waren. Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen, widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge, Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten. Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm. Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im Westen und der Gran Desierto im Süden. Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht, blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler, Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube, ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die Geschichte überliefert hat.
1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge. Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen. Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen Apachenangriffen ausgesetzt. Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb: »Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs. Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen: Cochise. Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben werden kann. Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die Ehre zu geben. Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt werden. Ihr Martin Kelter Verlag
*** Die weite Senke lag im letzten schwachen Schimmer der Abendsonne. Im Osten begrenzte der fast 5000 Fuß hohe Gray Peak, wie ihn die Bleichgesichter nannten, und im Westen die Gila-Mountains den Ort. Wie Blut schimmerte das Sonnenlicht auf dem kahlen Granitgipfel wider. Zwischen den dicht wuchernden Büschen stand plötzlich eine Gestalt. Die bronzefarbene Haut, das schwarze, schulterlange Haar und die dunklen Augen bewiesen, daß es sich um einen der einstigen Herren dieses Landes handelte. Lange stand der Apache fast reglos und beobachtete die Senke und die Berge. Ein Katzenfrett sprang geschmeidig vom herausragenden Ast einer Palmlilie auf den Boden. Lautlos landete das kleine Tier im Sand und huschte davon. Die Sonne war nur noch als schwacher rötlicher Streifen im Westen am Horizont zu erkennen, als der Apache den Ruf des Rennkuckucks ausstieß. Sekunden später erwiderte ein anderer Späher den Ruf zweimal. Aus weiter Ferne drang kurz der Gesang einer Wüstenspottdrossel zu dem Krieger herüber. Er war zufrieden. Der Platz schien sicher zu sein. Langsam wandte sich der Apache um. »Du kannst beginnen«, sagte er halblaut. »Gib die Zeichen, Tareta. Schlag das Fell der heiligen Trommel, die aus der gelben Haut der Männer aus dem Süden besteht. Unsere Feinde sollen erzittern, wenn sie es hören. Sie sollen sich vor Angst verkriechen und auf ihren Tod warten. Schlag die Trommel, Tareta!« Zwischen den Sträuchern hockte ein noch junger Krieger. Er hob die Hände, und als das dumpfe Pochen erklang, funkelten die Augen des Apachen vor Vergnügen. Er wußte, daß diese Laute weit zu hören waren. Den Weißen
und Olivhäutigen, die das Land der Stämme raubten, mußte es nun kalt über den Rücken kriechen. Aber diesmal riefen die Signale nicht zu Kampf und Raub auf. Diesmal rief der Führer der Mimbrenjos die anderen Häuptlinge. Victorio, wie ihn die Weißhäutigen nannten, rief zur Beratung. Der Mimbrenjo war ein angesehener Führer seines Stammes. Die anderen Häuptlinge achteten sein Wort und befolgten es. Natürlich war er dem berühmten Cochise unterlegen. Vielleicht stemmte sich Victorio deshalb immer mit all seiner Schläue und List gegen den Chief der Chiricahuas. Und es gab viele, die lieber auf den Mimbrenjo hörten als auf Cochise. Denn dieses Land war seit Generationen ihr Land. Der Weiße Mann, die Mexikaner – sie alle drangen in das karge Gebiet ein, das den Stämmen der Apachen genügend Nahrung bot. Santana, der Anführer der Tontos, stand auf Victorios Seite. Auch er war der Meinung, daß die Eindringlinge mit Tod, Brand und Vertreibung hinweggefegt werden müßten. Diese Männer begriffen einfach nicht, daß Chochise den gleichen Kampf wie sie ausfocht. Aber er sah weiter als über das letzte Wickiup des Tageslagers. Cochise wußte um die Macht der Weißen, hatte sie in einer bitteren Niederlage am eigenen Leib erfahren und begriffen, daß die Apachen aller Stämme nur durch Frieden überleben konnten. Der Schrei einer Zwergeule klang auf. Victorio erwiderte den Ruf. Wenig später bog Santana um eine Sandwelle. Lautlos wie ein Schatten glitt der Tonto heran. »Ich bin früher gekommen«, sagte er, »weil ich mit dir sprechen muß, Bruder.« Victorio kauerte sich nieder und machte eine einladende Handbewegung. Mit der Linken tastete der Häuptling nach dem Lederbeutel, der die Utensilien für die feierliche Rauchzeremonie enthielt. Aber Santana brauchte er nicht mit solchen Dingen zu überzeugen oder einzustimmen. Der Tonto stand auf seiner Seite.
»Nana und Loco kommen bald«, mahnte Victorio. »Wenn du sprechen willst, Bruder, sprich jetzt.« »In den Bergen lebt ein weißer Mann mit seiner Frau und einem Knaben, der dunkles Haar trägt«, begann Santana. »Dieses Land gehört uns, seit undenklichen Zeiten. Es ist ein heiliger Platz des Stammes, aber die Weißen haben Bäume gefällt, ein Haus errichtet und graben die Erde mit einem gebogenen Eisen um, vor das ein Pferd gespannt ist.« Santana schwieg, als suchte er nach den richtigen Worten. Victorio lächelte, und sein Gesicht sah in der Dämmerung wie eine grausame Fratze aus. »Willst du sie töten, Bruder?« fragte der Mimbrenjo. »Willst du ihre Skalps nehmen und deinen jungen Kriegern zeigen, wie ein Apache kämpft?« Santana lachte leise, bevor er antwortete: »Vielleicht. Sie leben auf heiligem Boden. Aber der Knabe mit dem schwarzen Haar zählt erst drei Sommer. Er kann ein guter Apache werden.« »So hole ihn dir«, riet Victorio. »Unser Kampf wird lange dauern, sehr lange. Viele unserer besten Krieger müssen ihr Leben lassen, das sage ich voraus. Doch in den Ewigen Jagdgründen leben sie danach ohne Sorgen, ohne Bleichgesichter und nur von der Jagd.« Was der Mimbrenjo sagte, war klar genug. Trotzdem verspürte Santana ein Unbehagen, das er sich nicht erklären konnte. Er wußte, daß die Weißen sehr hart zurückschlugen. Und ihm war auch bekannt, daß Cochise mit dem Postmeister Thomas Jeffords immer wieder versuchte, für Frieden zu sorgen. Aber Santana war überzeugt, daß sich durch friedliche Verhandlungen ihr ureigenstes Land nicht zurückgewinnen ließ. »Wir müssen Nana und Loco überreden«, sagte er. »Die beiden sind unsicher. Sie können sich nicht entscheiden, und wir brauchen sie.« Nana und Loco, zwei der bedeutendsten Unterhäuptlinge der
Mimbrenjos, schwankten in der Beurteilung der Lage. Es leuchtete ihnen ein, was Cochise sagte. Aber sie waren Mimbrenjos, keine Chiricahuas. Und Victorio war anderer Meinung. »Biete ihnen die heilige Pfeife an«, riet Victorio schlau. »Sie fühlen sich geehrt, wenn du um sie wirbst, sie erhebst und als große Anführer achtest. Um so leichter bringen wir sie auf unsere Seite.« Ein fragender Ruf schnitt durch die abendliche Stille. Die Trommel verstummte. Der junge Krieger stand auf und lief im Wolfstrab den beiden Unterhäuptlingen entgegen. Nana und Loco traten zu Victorio und Santana. Umständlich erhoben sich die beiden, und der Anführer der Tontos begrüßte die Unterhäuptlinge wie Gleichgestellte. »Bruder«, sagte Santana zu Victorio, »ich bitte dich um die heilige Pfeife. Ich möchte mit meinen beiden Freunden und dir zu Ehren des Großen Geistes Tabak rauchen. Wir alle sollten eins werden, wir alle sollten gemeinsam handeln. Und das möchte ich besiegeln.« Gemessen öffnete Victorio den Beutel, nahm die Pfeife und den Tabak heraus und berührte mit scheinbarer Ehrfurcht die Federn, die das Rohr zierten. Wie gebannt beobachteten Nana und Loco den Chief der Tontos, der den Kopf des heiligen Kalumets mit Tabak stopfte, mit zwei Steinen nach alter Sitte Funken schlug, Zunder aufglimmen ließ und endlich das Kraut entzündete. Die beiden Unterhäuptlinge fühlten sich wirklich geehrt und rauchten, stießen die Wolken in alle vier Himmelsrichtungen, zu den Sternen hinauf und zum Erdboden hinab. Endlich war der Zeremonie Genüge getan. »Brüder«, begann Victorio, »die Zeit ist nahe, in der unsere Stämme ausziehen und die weißen Landräuber vertreiben. Kein Stein, kein Balken ihrer Häuser soll auf dem anderen bleiben. Jede Spur von ihnen wird getilgt und mit Feuer hinweggefegt.
Kein rollendes Wickiup darf mehr unser Land durchqueren.« Der Chief holte Luft. Im schwachen Schein des Mondes beobachtete er die Gesichter der Unterhäuptlinge. Sie wirkten unentschlossen. »Cochise«, fuhr Victorio fort, »erzählt uns vom Frieden, vom Ende des Kampfes. Aber auch er wird einsehen, daß die Bleichgesichter unersättlich sind. Was bleibt uns schließlich? Was bleibt unseren Söhnen, wenn sie erwachsen sind und Krieger werden sollen? Die Reservation. Uns gehört das Land, uns Apachen.« Santana löste den Anführer der Mimbrenjos ab. »Cochises Niederlage am Paß macht uns allen zu schaffen. Sein Plan ist gescheitert. Viele unserer Krieger reiten auf dem weißen Mustang in den Ebenen der Ewigen Jagdgründe. Wir bekommen schlechte Nahrung, die unsere Krieger schwach und die Söhne krank macht. Sind wir denn alte Weiber? Nein. Wir sind Krieger, und wir kämpfen um unser Land. Wir nehmen die Skalps der Weißhäutigen, töten sie und lassen ihre Körper von den Geiern fressen. Ich folge mit meinem Stamm Victorio, denn nur der Kampf kann uns retten.« Beeindruckt murmelten die beiden Unterhäuptlinge zustimmende Worte. Ihnen gefiel Cochises abwartendes Verhalten auch nicht. Es bedurfte nicht mehr viel, um sie zu überzeugen. Seit Tagen, Wochen schon, waren sie ständig dem Drängen Victorios ausgesetzt, und der oberste Anführer der Mimbrenjos forderte Krieg. »Cochise ist ein weiser Mann«, sagte der Chief. »Er denkt sicher sehr weit, bis in die ferne Zukunft. Aber er vergißt, daß wir heute unterdrückt werden, daß die Weißen uns heute das Land nehmen, auf dem Cochise morgen leben will.« Es dauerte nicht lange. Nana und Loco ließen sich überzeugen. Victorio beherrschte sich ausgezeichnet, aber in seinem Innern triumphierte er. Denn diese beiden Männer brauchte er, wenn er ein anerkannter Führer der Stämme werden
wollte, wenn er seine Macht einsetzen konnte, um die Krieger auf den Pfad des Todes zu schicken. Die beiden Unterhäuptlinge standen auf, breiteten die Arme aus und wandten sich nach Osten. Nana stimmte einen monotonen Singsang an. »Oh, Großer Geist, Sonnenlicht verbrennt das Antlitz unserer Feinde, dörrt ihre Leiber aus und läßt sie schrumpfen…« Der Gesang war aus dem Augenblick geboren. Victorio wechselte mit Santana einen schnellen Blick. Die beiden Unterhäuptlinge waren ihnen sicher. Cochises Einfluß sollte in den nächsten Tagen und Wochen immer mehr schwinden. Seine Versuche, mit den Weißen Frieden zu halten, waren zum Scheitern verurteilt. Denn die Mimbrenjos und Tontos gingen auf den Kriegspfad. * Viel weiter südlich, im San Simon Valley, horchte Sandy Willard in die Nacht. Von ferne her vernahm er das Wummern der Trommeln, aber er wußte die Töne nicht zu deuten. Willard stand unter dem Vordach des kleinen Hauses, das er selbst erbaut hatte. Die Baumstämme waren roh behauen und lagen auf einem Fundament aus passenden Natursteinen. Das Farmhaus war stabil genug, um Stürmen zu trotzen, die Wände so stark, daß höchstens eine Kanonenkugel sie hätte durchschlagen können. Trotzdem verspürte Sandy Furcht und Unruhe in sich. In den letzten Tagen und Wochen hatte er zahllose Kriegerhorden beobachtet. Die Apachen saßen zusammengesunken in den Sätteln ihrer struppigen Mustangs und zogen nach Norden oder Süden. Bisher hatten die Willards keine Schwierigkeiten mit den Rothäuten gehabt. Aber Sandy ahnte, daß diese Zeit vorbei war. Leichte Schritte klangen hinter dem Farmer auf. Judith trat
neben ihn und fragte leise: »Was bedeutet das Trommeln? Reiten sie wieder?« »Ich weiß es nicht, Darling«, antwortete Sandy und legte seiner Frau einen Arm um die Schultern. »Ich habe Angst«, murmelte Judith nach ein paar Sekunden, »furchtbare Angst. Ich weiß genau, daß die Apachen eines Tages kommen. Sandy, laß uns von hier weggehen. Es gibt doch genügend freies Land, um neu anzufangen. Laß uns irgendwohin ziehen, wo unser Leben nicht in Gefahr ist.« Willard holte tief Luft. Mehr als einmal hatte er schon mit seiner Frau darüber gesprochen. Es ging nicht darum, daß sie eine Menge des kargen Bodens urbar gemacht hatten, daß sie mit Spaten und Hacke Kanäle vom San Simon River bis zu den Feldern gezogen hatten. Nein, es ging um mehr. Denn Sandy hatte einen großen Plan. Er wollte in diesem Tal Schafe züchten. Aber dazu mußte ein dauerhafter Friede mit den Apachen geschlossen sein. »Warten wir noch ab«, sagte Sandy schließlich. »In ein paar Wochen geht die Saat auf, und die möchte ich nicht einfach im Stich lassen.« Was nutzt uns das, wenn wir alle tot sind, dachte Judith. Denkt er denn gar nicht an Rick? Sie schüttelte sich bei dem Gedanken daran, daß der Kleine den Apachen in die Hände fallen konnte. Aber es hatte wenig Sinn, mit Sandy darüber zu sprechen. Er beharrte starrköpfig auf seiner Meinung, daß dieses San Simon Valley freies Land und von jedem in Besitz genommen werden durfte. »Die Kavallerie wird uns schützen und helfen«, versuchte Sandy seine Frau zu beruhigen. Aber die Kavallerie war weit. Alle Schwadronen besaßen weit weniger Reiter, als die Sollstärke betrug. Und die Kommandanten der Forts und Vorposten waren hoffnungslos überfordert. Es gelang ihnen nicht, die Raubzüge der Apachen einzudämmen.
Die Willards betraten ihr Haus und schlossen sorgfältig die Tür, die aus starken Brettern bestand. Sandy legte den schweren Sicherungsbalken in die Halterungen und ging einigermaßen beruhigt zu Bett. Rick, der gerade drei Jahre alte Sohn, gab prustende Geräusche von sich. Er lag in einer alten Holzkiste, die einmal Werkzeug enthalten hatte. Judith drängte sich eng an ihren Mann, als sie unter die Decke geschlüpft war. Und Sandy schwor sich, am nächsten Vormittag endlich die Schlagläden für die beiden mit Ölpapier verklebten Fenster fertigzustellen. Er ahnte nicht, daß es nie dazu kommen sollte. Irgendwann in der Nacht schreckte Sandy auf und lauschte. Der Klang der Trommeln war verstummt. Erleichtert ließ sich der Farmer zurücksinken und schloß die Augen. Er schlief unruhig, von wilden Träumen geplagt. Immer wieder sah er bronzefarbene Gestalten, die ausdruckslos zusahen, wie Judith verzweifelt einem Apachenkrieger zu entkommen versuchte. Im Morgengrauen passierte es. Ein gellender Schrei ließ die beiden Menschen hochfahren. So schrie nur ein Mensch in Todesnot. Entschlossen sprang Sandy aus dem Bett, lief zum Fenster an der Frontseite und nahm die Winchester mit. Behutsam schob er den einzigen Flügel des Fensters auf und spähte hinaus. In der grauen Dämmerung erkannte er einen leichten Zweispänner, der knapp 200 Pferdelängen entfernt stand. Ein längliches Bündel, aus dessen oberem Teil Pfeilschäfte ragten, lag neben dem linken Vorderrad. »Was ist, Sandy?« fragte Judith mit ängstlich vibrierender Stimme vom Bett her. Aber der Mann antwortete nicht. Er hatte die Lippen zu dünnen, blutleeren Strichen zusammengepreßt. So sehr er sich
auch abmühte, er entdeckte keinen einzigen Indianer. Sie schienen sich in der Dämmerung verkrochen zu haben, paßten sich den Lichtverhältnissen an, den Bodenwellen und den Sträuchern. Langsam schob Sandy den Lauf des Gewehres über die Fensterbrüstung. Er war entschlossen, das Leben seiner Familie zu verteidigen. Denn dies hier war sein Land. Er hatte es urbar und fruchtbar gemacht. Eine schwache, kaum wahrnehmbare Bewegung ließ Sandy aufmerken. Genau zwischen den beiden Zugpferden des Wagens bewegte sich eine Gestalt. Vorsichtig arbeitete sich der Mann zwischen den Leinen und Riemen durch, bis er sich unmittelbar an den Vorderbeinen der Tiere aufrichtete. Und dann rannte er los. Kleine Staubwolken stoben unter seinen Stiefelsohlen auf. Ungefähr 30 Yards schaffte der Mann, ehe eine schattengleiche Gestalt hinter einem dicht wuchernden Strauch emporschnellte. Sandy feuerte sofort. Obwohl er den Indianer getroffen hatte, ließ der noch den Pfeil von der Bogensehne schnellen. Aber die aus Eisen kalt gehämmerte Spitze bohrte sich weit neben dem Flüchtenden in den Sand. In weiten Zickzacksprüngen gewann der Mann immer mehr Raum. Ein kehliger Ruf durchbrach die Stille des Morgens. Plötzlich hämmerten Pferdehufe überlaut. Hinter der dicht bewachsenen Bodenwelle, die den kleinen Kanal verdeckte, preschte ein weißer Mustang hervor. Der Krieger auf dem Rücken des Pferdes trieb das Tier zu immer höherer Leistung an. Plötzlich schwang der Apache die Rechte hoch. In den ersten Strahlen der Sonne, die über den Horizont kroch, glänzte die Metallschneide eines Kriegsbeils. Der flüchtende Mann lief schneller, aber er hatte keine
Chance, dem Krieger zu entkommen. Sandy zielte sorgfältig. Er krümmte den Finger, doch in diesem Moment federte ein halbnackter Körper genau unter dem Fenster hoch. Zwei kräftige Hände packten den Lauf der Winchester. Willard war viel zu erschrocken und verblüfft, als daß er die Waffe hätte halten können. Der Schuß krachte, aber die Winchester diente dem Krieger nun als Keule. Er wirbelte sie herum. Der Kolben streifte den Fensterrahmen und traf Sandys Kinn. Er war sofort bewußtlos. Judith sprang aus dem Bett. Ihr war es egal, daß der Apache ihr dünnes Nachtgewand sah, ihre Haut. Sie hatte nur eines im Sinn: Rick! Mit dem Fuß trat die junge Frau die Kiste mit dem kleinen Jungen in die Ecke des Raumes. Und dann schnellte sie sich wie eine Raubkatze vor. Mit beiden Händen packte sie den Revolver, der neben der Tür an einem Nagel hing. Der Krieger stieß ein paar kehlige Worte aus, die Judith nicht verstand. Aber sie sah, wie er die Winchester herumwirbelte und den Unterhebel bewegte. Er wollte eine neue Patrone in die Kammer gleiten lassen, wollte diese weiße Tigerkatze töten, denn sie war gefährlich. Judith richtete die Mündung des Colts auf die breite Brust des Apachen und drückte ab. Lautlos fiel der Krieger nach hinten. Mit dumpfen Schlägen gruben sich Pfeile in das Bettzeug des Lagers. Irgend etwas prallte gegen die Tür. Verzweifelt hämmerten Fäuste auf Bretter, und jemand rief: »Um Himmels willen, laßt mich rein!« Sie lief zum Fenster. Die Angreifer hatten die Sonne im Rücken. Ein Indianer richtete sich zwischen den Büschen auf. Die junge Frau feuerte sofort. Der Krieger warf beide Arme
hoch und brach zusammen. Erst als die Hufe des weißen Mustangs wieder dröhnten, bemerkte Judith, daß der Apache mit dem Kriegsbeil sein Pferd gezügelt hatte. Dann ließ er das Tier wieder laufen. Und vor der Tür lag der Fremde! Judith konnte den Angreifer nicht erkennen. Sie rannte nach vorn, hob den schweren Sicherungsbalken hoch und ließ ihn einfach fallen. Als sie die Tür öffnen wollte, durchschnitt ein sausendes Geräusch die Luft. Ein dumpfer Schlag, dem ein Seufzer folgte. Danach entfernte sich der Reiter, denn die Hufschläge wurden leiser und verklangen nach Minuten. Erschöpfung befiel die junge Frau. Sie ließ die Rechte mit dem schweren Revolver sinken und zuckte zusammen, als Rick auf einmal hinter ihr wimmerte. Bevor Judith zu ihrem Sohn ging, sich um ihn kümmerte, öffnete sie die Haustür. Ein Fremder fiel halb in den großen Raum. Sein Gesicht war blutüberströmt und kaum zu erkennen. Die wenigen Flecken Haut, die Judith sah, wirkten oliv-gelblich. Das fettige schwarze Haar hing zu beiden Seiten des Kopfes herab. Und die metallene Kriegskeule lag auf dem Oberkörper des Toten. Judith grub die Zähne in ihre Unterlippe, daß es schmerzte. Sie mußte all ihre Kraft aufwenden, um nicht loszuschreien, aber es gelang ihr. Der Kleine! Judith drehte sich um. Rick lag noch in seiner großen Kiste, aber seine dunklen Augen schauten angstvoll auf den schrecklich aussehenden Fremden. Wußte der Junge doch, daß es schlimm war, wenn Blut floß, daß seine Ma oder sein Dad ihn immer sofort verbanden. Sandy stöhnte und kam unsicher auf die Beine, taumelte zwei Schritte bis zum Fenster und starrte hinaus. »Sie sind weg«, sagte Judith hart, »aber sie haben einen Toten hiergelassen, einen Mexikaner. Kümmere du dich darum. Ich
muß Rick beruhigen.« Die junge Frau ließ den Revolver einfach fallen, als sie zu ihrem Sohn ging. Sie achtete auch nicht auf das, was ihr Mann machte. Sie hatte nur den Kleinen im Sinn. Es schienen Stunden vergangen zu sein, als Sandy schließlich wieder ins Haus kam und verbittert sagte: »Wir müssen weg, Judith. Am besten sofort.« Ernst blickte sie ihn mit ihren dunklen Augen an. Sie erwähnte nicht, daß sie schon am vergangenen Abend davon gesprochen hatte, aber er spürte ihren stillen Vorwurf. »Drei tote Apachen«, sagte Sandy stirnrunzelnd, »und zwei Mexikaner. Der rote Hundesohn mit dem Pferd ist entkommen. Er holt die anderen. Verstehst du? In ein paar Stunden wimmelt es hier von blutrünstigen Apachen. Es ist vorbei, aus – für immer.« Grimm schwang in der Stimme des Farmers mit. Er hatte die Schultern etwas hochgezogen, als wollte er einen unsichtbaren Gegner mit den Fäusten angreifen, aber gegen eine Horde Apachenkrieger kam er nicht an. All die schönen Pläne hatten ein jähes Ende gefunden. Die Willards mußten weg, weiterziehen und irgendwo neu anfangen. Aber vorher, das schwor sich Sandy, sollten die Rothäute noch bezahlen. Ehe er nach Norden zog, um erneut ein Stück Land irgendwo zu roden, fruchtbar zu machen, sollten sie bluten für das, was sie ihm angetan, daß sie seine Existenz vernichtet hatten. Eine Stunde später war der Ranchwagen mit den kargen Besitztümern der kleinen Familie beladen. Rick krähte vor Vergnügen, als das Deichselpferd anzog, und die eisenbereiften Holzräder durch den Sand mahlten. Um den Wagen der beiden toten Mexikaner kümmerte sich Sandy nicht. Sollte die Ladung doch Beute der Apachen werden, die bald hier erschienen.
»Wohin fahren wir?« wollte Judith nach einer Weile wissen. »Zuerst zum Paß«, erwiderte Sandy. »Ich will Jeffords erzählen, was passierte. Dieser verdammte Apachenfreund soll erfahren, daß es sinnlos ist, mit den roten Hundesöhnen um Frieden zu ringen.« »Und dann, später?« fragte Judith. »Ich finde schon was, um uns fürs erste über Wasser zu halten«, versprach ihr Mann. »Wir ziehen erst dann weiter, wenn die Fahrt sicher ist. Jetzt hat es keinen Sinn. Die Apachen würden uns überfallen und niedermachen. Du hast ja selbst erlebt, wie sehr sie sich an ihre Worte halten.« * Willard wußte nicht, daß Cochise sein Wort hielt. Kein einziger seiner Chiricahuas ritt in der Nacht nach Süden. Keiner seiner Krieger legte Feuer an die Häuser der Weißen, brachte sie um und beraubte sie. Aber für die Menschen jener Zeit waren Apachen eben Apachen. Die Menschen, die in den Süden der Union drängten, Land suchten, sahen nur Indianer. Zwischen den einzelnen Stämmen machten sie keinen Unterschied. Rote Männer überfielen einsame Ranches, Farmen und Vorposten der Army. Es waren Apachen, natürlich, aber welchem Stamm sie angehörten, kümmerte niemanden. Und die Vergeltung der Weißen traf sie alle, Schuldige wie Unschuldige. Der Tonto-Krieger beobachtete aus seiner Deckung, wie die Bleichgesichter den kleinen Wagen beluden und davonfuhren. Wut glitzerte in den schwarzen Augen des Apachen, denn er und seine Freunde hatten ihr Ziel nicht erreicht. Santana hatte befohlen, die Bleichgesichter zu töten, ihre Skalps zu nehmen und das Kind zum Stamm in die Reservation zu bringen. Statt dessen hatte nur einer der jungen Krieger überlebt.
Der Apache wartete geduldig, bis das rollende Wickiup verschwunden war. Aus Vorsicht gab der Krieger noch einige Zeit zu. Warten gehörte zu den Tugenden der Apachen. Sie lagen stundenlang in der Wüste unter einer Lederdecke, die mit Staub, Sand und kleinem Gestein bedeckt war. Aber wenn die Beute in Sicht kam, verwandelten sich die scheinbaren Bodenwellen in wilde Teufel. Der Krieger bog die Zweige des Strauches zur Seite, hinter dem er sich verborgen hatte, und trat vor. Ein Zungenschnalzen rief den weißen Mustang herbei. Geschmeidig sprang der Indianer auf den Rücken des Pferdes. Das Tier ging an und fiel nach einigen Schritten in Trab. Mißtrauisch umkreiste der Krieger das verlassene Farmhaus. Er neigte dazu, die Weißen mit den Augen eines indianischen Kämpfers zu sehen. Ein Apache hätte in einem solchen Fall eine List versucht, um Eindringlinge doch noch zu töten. Der Krieger ritt näher an das Haus heran. Plötzlich gab er dem Mustang die Zügel frei. Das Pferd stürmte genau auf die Tür zu. Dicht vor der dunkel gähnenden Öffnung riß der Indianer am Seil aus Schweifhaar, und das Pferd bog ab. Die Erschütterung der Hufe sollte eventuelle verborgene Klapperschlangen aufscheuchen. Denn dies war der erste Gedanke gewesen, den der junge Tonto gehabt hatte. Aber kein giftiges Reptil schlängelte sich aus dem Haus. Der Krieger begriff nicht, daß die Bleichgesichter einfach aufgegeben hatten. Für ihn roch das alles zu sehr nach einer Falle, wie er sie selbst gestellt hätte. Schließlich lenkte er seinen Mustang zum Planwagen der Gelbgesichter, die tot waren. Aus dem geflochtenen Ledergürtel, der die Hose hielt, zog der Krieger ein Messer mit langer Klinge. Drei, vier Schnitte zerfetzten die Plane. Überrascht und erfreut zugleich starrte der Apache auf die eckigen Blechkannen, die einen Teil der Ladefläche einnahmen. In diesen Kanistern war das stinkende Zeug, mit dem die
Bleichgesichter gläserne Gefäße füllten. Die Weißen hantierten eine Weile mit dem Glas, entzündeten Feuer, und dann wurde es für lange Zeit hell. Dieses Brennöl war die Lösung aller Probleme. Der Krieger hob zwei Kannen herab, ritt zum Farmhaus und öffnete die Verschlüsse. Mit aller Kraft warf er die Kannen in das Innere des Hauses. Nun brauchte er nur noch diese winzigen Hölzer, die nach einem scharfen, reißenden Geräusch aufflammten. Der Tonto sprang vom Pferd und lief zu dem toten Mexikaner, dessen Oberkörper im Raum lag. Mit beiden Händen packte der Apache die Beine des Leichnams und zerrte ihn ins Freie. Der Indianer grunzte, als er sein Kampfbeil sah und griff zu. Die blutige Schneide wischte er am Hemd ab. Anschließend durchsuchte er schnell und geschickt die Taschen des Mannes. Zuerst fand er einen Rohlederbeutel, in dem es metallisch klirrte. Als der Krieger den Verschluß öffnete, funkelte Gold in der Sonne. Zufrieden schob sich der Apache den Beutel in den Hosenbund. Die Weißen waren verrückt nach Gold und geprägtem Metall. Mit diesem kleinen Schatz konnte Santana eine Menge Munition kaufen. Munition oder Schnaps, der wie der Atem eines Pumas stank und die Krieger stark und furchtlos machte. Endlich fand der Indianer Schwefelhölzer. Er riß eines an, hielt die Flamme an die anderen und warf das auflodernde Bündel genau in den Eingang des Farmhauses. Ein Feuerball explodierte im Raum. Die Flamme fauchte aus der Türöffnung, streifte die Kleidung des toten Mexikaners und setzte sie in Brand. Der Krieger sprang zurück, landete mit einem Satz auf dem Rücken seines weißen Mustangs und stieß einen schrillen Schrei aus. Das Pferd sprang aus dem Stand beinahe anderthalb Längen weit und fiel sofort in Galopp. Hinter dem Apachen fraßen sich die Flammen durch das
ausgetrocknete Holz des Farmhauses. Nach Minuten schon stürzte das Dach ein. Glimmende Holzstücke wirbelten hoch, Rauch verdunkelte das Licht der Morgensonne, und der Gestank des brennenden Kerosins überdeckte alle anderen Gerüche. »Lauf, lauf«, rief der Apache seinem Pferd in die Ohren, »sie sollen nicht entkommen!« Der Krieger wußte, wo er Stammesgenossen finden konnte. Sie sollten ihm helfen, Santanas Befehl auszuführen. Außerdem stand noch der Wagen der Mexikaner vor dem Farmhaus. Er war weit genug entfernt, um von den Flammen nicht erfaßt zu werden. Die Beute war den Tontos willkommen. * In Doppelreihe ritten die Dragoner nach Westen. Die Soldaten waren ungewöhnlich schweigsam. Vielleicht lag es daran, daß Colonel Walman an der Spitze ritt. Es war ungewöhnlich, daß ein so hoher Offizier eine halbe Schwadron anführte. Der Oberst saß straff im Sattel. Er wirkte beinahe schon steif, als hätte er den Ladestock einer Muskete verschluckt. Die Texaner spotteten ganz offen über diese Art, im Sattel zu sitzen. Zwei Männer des Lone Star-Staates ritten hinter dem Colonel. Die beiden waren wegen ihrer Disziplinlosigkeit gefürchtet und berüchtigt. Sie verbrachten mindestens ein Viertel ihrer Zeit in der Arrestzelle. Aber Brad und Zack wurden auch beinahe jede Woche beim Morgenappell belobigt. Unruhig sahen die beiden sich an und grinsten. Schließlich hielten sie es nicht mehr aus. »Was machen wir mit ihm, wenn es soweit ist?« fragte Zack laut mit besorgt klingender Stimme. Brad schob sich das verknautschte Käppi aufs linke Ohr und zog den Tabaksbeutel unter der Uniformjacke hervor. Während er sich eine Zigarette drehte, antwortete er genauso deutlich: »Wir machen das schon, Old Boy. Wir feinen Jungs aus Texas
kennen uns aus.« Als die Zigarette brannte, starrten alle anderen den verrückten Texaner an. Die Soldaten wußten, daß nun wieder etwas ganz Besonderes kam. Zumindest ein böser Anpfiff wegen des unerlaubten Rauchens auf Patrouille. Aber sie täuschten sich. Noch reagierte der Colonel nicht. Er kannte die Dragoner genau. Er wußte auch, daß sie nach einem langen Ritt etwas brauchten, um Dampf abzulassen. Die Hitze war mörderisch. Sie setzte allen zu, und Wasser war knapp in diesem Teil des riesigen Landes, das sich Vereinigte Staaten nannte. »Nun«, fuhr Zack fort, »es gibt da ein Problem, Partner. Weißt du welches?« Fragend zog Brad die Brauen hoch und paffte vergnügt weiter. »Wenn er wirklich einen Ladestock verschluckt hat«, fragte Zack, »wie bekommen wir das Ding dann raus?« »Ach was«, antwortete Brad, »es ist kein Kugelstopfer, bestimmt nicht. Wenn gleich was aus seinem Schädel herausragt und der Hut darauf pendelt, ist es seine Wirbelsäule. Und das ist doch kein Problem für uns. So einen kleinen Schaden haben wir oft genug repariert.« »Sicher, stimmt«, sagte Zack, »wir schrauben das kluge Köpfchen ab, schieben das Rückgrat vorsichtig wieder runter und befestigen den Huthalter darauf. Nur darf er dann ein paar Tage nicht reiten.« »Das ist doch sowieso kein Reiten«, antwortete Brad verächtlich. »Als ich damals von Amarillo zur kanadischen Grenze hetzte, verschliß ich drei Dutzend bester Pferde. Aber mein Rücken war in Ordnung. Unser Colonel käme nicht einmal bis Kansas.« Jetzt ist es genug, dachte Walman. Er wandte den Kopf und sagte zu Sergeant O'Bannion, dem rothaarigen, vierschrötigen Iren: »Zur Abwechslung zehn Minuten Galopp, Sergeant. Die
Männer scheinen sich zu langweilen. Und sorgen Sie dafür, daß der Komiker dahinten aufhört, Rauchzeichen zu geben.« Der Ire wiederholte den Befehl und brüllte ihn den Dragonern zu. Die Reiter setzten sich in den Sätteln zurecht. Brad drückte den Stummel am Horn aus. »Ich wette, daß es in drei Minuten soweit ist«, ließ sich Zack noch hören, aber als er den drohenden Blick O'Bannions auffing, schwieg er. Denn seine große Klappe hatte Zack erst vor drei Tagen für 48 Stunden in die Zelle gebracht. Zugleich galoppierten die Pferde an. Das Hämmern der Hufe dröhnte weit über das Land. Walman überlegte sich, daß nun sämtliche Apachen in weitem Umkreis gewarnt waren. Aber seine Aufgabe bestand nicht darin, den Indianern nachzuspüren. Er sollte über den Apache-Paß nach Osten vorstoßen und dort eine Woche lang kreuz und quer das Land durchstreifen, um die Rothäute davon zu überzeugen, daß die Kavallerie ständig bereitstand. Bei General Howard waren etliche Beschwerden aus Mexiko eingegangen. Die Bürger der grenznahen Orte beklagten sich über Raubzüge der Apachen, über die ständige Angst und Not, in der die Menschen dort lebten. Walman sank etwas im Sattel zusammen. Flüchtig dachte er an die beiden Texaner in der Schwadron. Die vorlauten Kerle wunderten sich bestimmt, denn die Haltung des Colonels glich der ihren. Aber es war nun mal Vorschrift in der Kavallerie, daß ein Soldat, gleichgültig ob er Offizier war oder nicht, straff auf dem Pferderücken zu sitzen hatte. Der Oberst verdrängte diese Gedanken. Wichtig waren die Indianer. Sie und die weißen Siedler, die in das Territorium strömten. Die einstigen Herren dieses weiten, trockenen Landes gaben sich nicht geschlagen. Sie kämpften gegen die Eindringlinge mit
List, Härte und Grausamkeit. Cochise war der größte Führer der Apachen aller Stämme. Die meisten Häuptlinge hörten auf ihn. Doch vor kurzem hatte der Big Chief eine vernichtende Niederlage erlitten. Seitdem schienen ein paar Unterstämme von Cochises Leitlinie abzuschwenken. Er wollte den Frieden mit den Weißen, denn er sah wohl, daß die Zeit der roten Menschen vorbei war. Er wollte so viele seiner Rasse retten, daß die Apachen als Ganzes nicht untergingen oder vernichtet wurden. Aber nach der Niederlage gegen die besser ausgebildeten und ausgerüsteten weißen Soldaten fielen Häuptlinge anderer Stämme von Cochise ab. Walman ahnte irgendwie, daß die halbwegs friedlichen Zeiten vorbei waren. Und darum ging es bei diesem Ritt der halben Schwadron: den Apachen zu beweisen, daß die Pferdesoldaten überall auftauchen konnten. Der Oberst ahnte, daß dies die falsche Methode war. Aber der General hatte es so befohlen. Oliver O. Howard war der Befehlshaber der gesamten Truppen im Südwest-Territorium. Der einarmige Offizier besaß eine Menge Erfahrung, doch gegen die Listen der Apachen kam er nicht an. Zudem hatte er zu wenig Soldaten, um das weite Land ständig überwachen zu lassen. Walman stand sich gut mit Howard. Der General hörte auf den schlanken Oberst. Ja, in den letzten Monaten war Walman so etwas wie ein Berater des Kommandeurs geworden. Doch bei diesem Auftrag hatte der Colonel auf Granit gebissen. Howard gab nicht nach. Seiner Meinung nach mußten die Apachen deutlich erkennen, daß die Blaujacken immer da waren. Der Colonel galt als Indianerfreund. Das brachte ihm Haß unter den Offizierskollegen ein. Denn wie General Sherman es einmal gesagt hatte, so dachten die meisten Menschen in diesem
Land, und nicht nur die Soldaten. »Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.« So lautete der Ausspruch des General Sherman. Kaum jemand unterschied bei den Menschen der roten Rasse, daß es auch bei ihnen Schufte und Bösewichte gab, genau wie bei den Weißen. Oft genug war es schon vorgekommen, daß sich weiße Siedler an irgendwelchen Apachen gerächt hatten, weil sie nachts zuvor überfallen worden waren. Aber die Rache hatte fast immer die Falschen getroffen. Denn die Täter hatten auf ihren schnellen Pferden bereits Dutzende von Meilen zwischen sich und ihre Opfer gebracht. Aber diese Vorfälle rührten immer wieder den brodelnden Brei auf, der aus Siedlern, Farmern, Militär, Scouts, Schmugglern und Apachen bestand. Prüfend musterte Walman die Gegend ringsum. Hügel zogen sich durch das ganze Tal bis zu den Chiricahua Mountains. Dort lag das Ziel der halben Schwadron, das Tagesziel. Denn inmitten dieser Berge lag die Postkutschenstation der Butterfield Line. Auf der Paßhöhe hatte Thomas Jeffords, der Postmeister, die Gebäude errichtet. Sie waren vor kurzem von Victorios Mimbrenjo-Kriegern niedergebrannt worden. Die Quellen, die auf der Paßhöhe sprudelten, waren wichtig. Sie gewährleisteten die sichere Versorgung des weiten Landes mit Transportmitteln. Die Army betrachtete diese Quellen als Stützpunkt. Hier konnten die Reiter und Pferde rasten, sich erholen und nach relativ kurzer Zeit wieder ihre Aufgabe wahrnehmen. Walman stöhnte innerlich. Nach einer dreistündigen Rast am Apache-Paß wollte der die Soldaten weiter nach Osten führen. Dort lag das Gebiet, das von Victorio und Santana mehr oder weniger beherrscht wurde. Die Mimbrenjos und Tontos lebten überwiegend in der nördlich gelegenen Reservation San Carlos. Aber immer wieder brachen Kriegergruppen aus und überzogen
das Land mit Mord, Raub und Brand. Und drei Stunden Rast waren wirklich nicht genug, um den ausgemergelten Männern und Pferden ausreichend neue Kraft zu geben. Nach knapp 20 Minuten hob der Oberst den rechten Arm steil in die Höhe. Dies war das Zeichen, den Galopp abzubrechen. Das Tacken der Hufe wurde leiser. Aus der gewaltigen Staubwolke hinter den Reitern drangen saftige Flüche. Walman lächelte. Er hatte die beste Position gehabt: an der Spitze der halben Schwadron. Der hochgewachsene Offizier saß wieder steif im Sattel. Mit einem Ohr horchte der Colonel auf die Gespräche seiner Dragoner. Natürlich drangen die Stimmen der Texaner wieder mal durch. Aber dieses Mal ließ sich Walman nicht von den Spötteleien der beiden rauhbeinigen Kerle ablenken. Er schaute sich um, musterte genau jede Bodenwelle, jede Senke und jedes Buschwerk. Der Colonel war schon zu lange Soldat an der Indianergrenze. Er spürte, er witterte, daß Unheil in der Luft lag. Nichts wies darauf hin, wenigstens nicht so, daß es jeder sehen konnte. Aber Walman hatte in den letzten Jahren so etwas wie ein Gespür, einen sechsten Sinn für Verdruß entwickelt. Und dieses Gefühl sagte ihm, daß Gefahr bestand. Vielleicht drohte diese Gefahr nicht den Soldaten, aber sie war vorhanden. »Im Trab, Sergeant«, befahl der Offizier, »direkt auf den Paß zu!« Der rothaarige Ire gab die Anweisung weiter. Dabei übersah er absichtlich, daß einige Soldaten die Wasserflaschen gelöst und aufgeschraubt hatten. Die Dragoner setzten die Canteens an die Lippen und tranken. O'Bannion schluckte. Sein Mund war trocken, voller Staub, doch der Sergeant beherrschte sich. Ja, auf der Paßhöhe gab es Wasser, ausreichend sogar für eine halbe Armee. Aber noch
hatte der Colonel keinen Befehl gegeben, daß die Männer trinken durften. Der rothaarige Ire war zwar kein Mann, der jeden Befehl eines Vorgesetzten als gut und richtig ansah, aber er wollte auch den Dragonern kein schlechtes Beispiel geben. O'Bannion diente bereits seit mehr als 20 Jahren bei der Kavallerie. Der Ire hatte eine Menge Offiziere und Soldaten kommen und gehen sehen. Die meisten überlebte er, denn er kannte sich überall aus, beherrschte eine ganze Menge Tricks, und wußte, worauf es in einer gefährlichen Situation ankam: einen winzigen Moment schneller als alle anderen zu sein! Diese Erkenntnis und die lange Erfahrung machten aus O'Bannion einen Soldaten, der zum Kern, sozusagen zum Salz der Uniformierten gehörte. Darum ließ er sein Pferd schneller gehen, schloß zum Colonel auf und fragte leise: »Sie spüren es auch, Sir, nicht wahr?« Der Colonel blickte erstaunt zur Seite. Das kantige Gesicht des rothaarigen Iren wirkte noch unbeweglicher als sonst. »Es liegt Verdruß in der Luft«, fuhr der Sergeant fort. »Ich will Ihnen keinen Rat geben, das steht mir nicht zu, aber ich denke, wir sollten unsere Formation umstellen.« Natürlich, dachte Walman, der Mann hat recht. Die Dragoner reiten zu dicht nebeneinander. Ein massiver Angriff einer Kriegerrotte hätte den Colonel die Hälfte seiner Soldaten gekostet. »Ausschwärmen!« befahl der Colonel nun. O'Bannion nickte zufrieden. Genau das hatte er hören wollen. Walman schien für ein paar Minuten völlig geistesabwesend gewesen zu sein. Darum, und nur darum hatte sich der Ire gemeldet. Er hing nämlich an den Kameraden, betrachtete sich als verantwortlich für sie und betrank sich jedesmal, wenn einer der ihm unterstellten Männer starb. Der Colonel beobachtete das Manöver, das die Dragoner vorbildlich ausführten.
In breiter Linie, vier Längen zwischen den einzelnen Pferden, trabten die Blauröcke auf die Chiricahua Mountains zu. Je näher Walman den Bergen kam, desto unruhiger wurde er. Er blickte sich zu O'Bannion um. Der Ire schien ebenfalls besorgt zu sein. Immer wieder wandte er den Kopf, musterte das Land, jede auch noch so winzige Einzelheit, und hätte beinahe einen Rotluchs erschossen, der urplötzlich hinter einer mannshohen Palmlilie hervorsauste. Ungeschoren erreichten die Soldaten den Fuß der Berge. Die beiden Texaner waren schweigsam geworden. Sie sahen sich um. Ihre Lippen wirkten wie dünne Striche im Schatten der Käppischilder. »Okay, gehen wir den Paß an«, sagte Walman. Der Sergeant gab diesen Befehl weiter und kleidete ihn in militärische Worte. Nach und nach formierten sich die Reiter wieder zur Doppelreihe. Und als die ersten Pferde die Straße zum Paß erreichten, drängten sie ihre Tiere dicht an die Felswände. Aber nichts geschah. Und doch spürten alle, daß sie einer heißen Zeit entgegenritten. Nach einer Weile erreichten die vordersten Pferde den Gipfel der Paßstraße. »Verdammt, ich habe es geahnt!« entfuhr es Walman. Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Station. Zwei Reiter jagten gerade davon, zur anderen Seite, nach Osten. Beide duckten sich tief über die Hälse ihrer Pferde, um es den Tieren leichter zu machen. Auf dem Dach der Schmiede stand ein Mann, der eine Winchester in der Rechten hielt. Er blickte nach Osten, in das San Simon Valley. »Schneller, los!« rief der Colonel, denn er hatte das Gefühl, eingreifen zu müssen. Die beiden Reiter schonten ihre Tiere nicht. An ihrem Ziel lag der Verdruß, den Walman und O'Bannion gewittert hatten.
* Schon beim Frühstück, also kurz nach Sonnenaufgang, hatte Burt ziemlich mißmutig aus der Wäsche geschaut. »Haben dich die Flöhe heute nacht gebissen?« wollte Norbert von seinem Freund wissen. »Oder warum ziehst du ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter?« Burt Kellys Miene wurde noch verdrossener. Er kaute auf seiner Unterlippe herum und sagte schließlich: »Was kann man von einem Kerl wie dir auch anderes erwarten als dummes Geschwätz. Den ganzen Tag beschäftigst du dich mit den Gäulen. Die sind müde und sauer, wenn sie hier zu uns kommen. Sie brauchen Wasser, Futter, müssen gestriegelt werden und so weiter. Und die verdammten Ziegenböcke haben stundenlang nichts anderes als Staub, Felsen und ab und zu mal 'nen Kaktus gesehen. Sie sind richtig stumpfsinnig geworden.« »Wer, die Kakteen?« fragte Walker grinsend. Kellys Gesicht glich mit einemmal einer überreifen Tomate. Er stand kurz vor der Explosion. Burt haßte es nämlich wie die Pest, in seinen tiefschürfenden Gedankengängen unterbrochen zu werden. Aber diesmal nahm er sich zusammen. Er wollte den Morgen nicht mit Gebrüll beginnen. »Natürlich nicht. Die Gäule, du Narr«, sagte er würdevoll. »Aber es ist kein Wunder, daß du nicht begreifst. Das ist ein Zeichen, mein Freund, ein deutliches Zeichen.« »Wieso?« erkundigte sich ihr Boß, der aus seiner Schlafkammer trat und auf die Tränkerinne zuging. »Nun, wenn ein Kerl, mag er auch alt und erfahren sein«, begann Burt, »immer nur mit dummen, stupiden Geschöpfen zu tun hat, wird er nach ganz kurzer Zeit genauso wie sie. Unser Norbert hier ist das beste Beispiel. Sieh ihn dir an, Boß. Seine Unterlippe wirkt dick und hängt durch. Die Zähne wirken wie die eines Gaules. Und dazu kommt noch die Sache mit dem
Kaffee. Er denkt sicher, er müßte einem der Gäule Wasser geben, wenn er Kaffee kocht. Und dann bekommen wir 'ne bräunlich gefärbte Suppe, mit der man sich nicht mal die letzten Haare waschen kann.« Scheinbar entsetzt fuhr sich Burt durch die spärlichen Reste seines Haarschopfes. Aus den Augenwinkeln blickte Kelly zu Walker hinüber, dessen Gesicht Verblüffung ausdrückte. »Was hat das alles damit zu tun«, fragte Norbert, »daß du wie drei Tage Regenwetter aussiehst? Nicht, daß mir Regen ungelegen käme, aber bei so einem Gesichtsausdruck, wie du ihn hast, verschwinden selbst die finstersten Wolken wieder.« »Er ist eben ein Narr«, verkündete Burt laut. »Spürst du denn nicht, daß dieser Tag ein verdammter Scheißtag ist? Daß er uns einen ganzen Haufen Ärger einbringen wird? Merkst du so was nicht? Ich frage mich wahrhaftig, wie du so alt geworden bist. Denn du hast keinen Funken Gespür in dir, Pferdestriegler Norbert Walker, Kaffeeverderber und komischer Vogel.« Der Pferdehelfer grinste breit und machte sich an der Kaffeekanne zu schaffen. »Sicher spüre ich das«, antwortete er, »aber ich lasse mir doch nicht meine gute Laune dadurch verderben.« Die zwei warfen sich einige Liebenswürdigkeiten an die Köpfe. Thomas Jeffords hörte belustigt zu, wie sich seine Helfer stritten. Beide waren ihr Gewicht in Gold wert, denn sie waren erfahrene Pioniere, die schon eine Menge mitgemacht hatten und fast alles kannten, was einem Menschen zustoßen konnte. Aber wenn sie in Streit gerieten, war das besser als jede Theatervorstellung in einer der großen Städte des Ostens. »Wie ist das mit dem Kaffee?« fragte Thomas. Walker knallte eine Blechtasse, deren Emailleschicht an zahllosen Stellen geplatzt war, vor Jeffords auf die Tischplatte und schenkte aus der zerbeulten Kanne ein. Ein lieblicher Duft zog durch den Gastraum der Station. Nachdem Kelly und
Walker getrunken hatten, war Burts Theorie widerlegt. Zumindest an diesem Morgen gab es richtigen Kaffee, keine braungefärbte Brühe. Nach dem Frühstück fragte Walker: »Hast du heute was Besonderes vor, Thomas?« Der Stationsleiter nickte, spülte den letzten Rest Eier und Speck mit einem gewaltigen Schluck Kaffee runter und antwortete: »Ich will mich mal umsehen, Jungs. In den letzten Tagen habe ich den Überblick verloren.« Kelly blickte den Postmeister düster an. »Ich frage mich, wie du ohne Skalp aussiehst«, sagte Burt. »Denn du kommst bestimmt nicht mit deinen Haaren zurück. Es wimmelt in der Umgebung doch nur so von Apachen.« »Eben, das ist es ja«, sagte Jeffords. »Ich möchte wissen, wie viele Krieger unterwegs sind, welchen Stämmen sie angehören und so weiter. Immerhin bin ich für die Sicherheit unserer Kutschen verantwortlich.« »Dein Freund Cochise scheint sich nicht mehr darum zu kümmern«, bemerkte Walker. »Er lehnt die Verantwortung ab«, sagte Thomas. »Die anderen Stämme mißachten seine Friedensbemühungen. Aber, verdammt noch mal, irgendein Chief muß doch endlich für Frieden sorgen. Und Cochise ist der richtige Mann dafür.« Burt Kelly und Norbert Walker verstanden den hilflosen Zorn, denn der Postmeister war mit dem obersten Führer der Apachen in Streit geraten. Victorio, der Häuptling der Mimbrenjos, hatte die Station am Paß niederbrennen lassen. Seine Krieger überfielen immer wieder die schwerfälligen Concord-Kutschen, raubten sie aus und machten die Passagiere nieder. Jeffords hatte sich bei Cochise beschwert, aber der Chief hatte die Verantwortung dafür abgelehnt. Zwar war es dem Postmeister bisher gelungen, einen friedensähnlichen Zustand zu schaffen, aber immer wieder attackierten die Krieger anderer Stämme weiße Siedler. Cochise hingegen beschränkte sich
darauf, die Mexikaner zu überfallen und auszuplündern. Doch auf die Dauer war diese Situation unhaltbar. »Wir haben drei Eisen zu richten«, verkündete Kelly. »Die Pferde stehen im Stall. Also los, Walker, fangen wir an.« Jeffords nickte den beiden zu, als sie hinausgingen. Der Postmeister räumte den Frühstückstisch ab. Auch Jeffords spürte, daß etwas in der Luft lag. Darum nahm er sich sein Fernglas und kletterte aufs Dach der Schmiede, als er die wichtigsten Dinge erledigt hatte. Sorgfältig suchte Thomas die Paßstraße ab, das Tal, das im Osten lag und vom San Simon River durchzogen wurde, aber er fand nichts. Erst nach fast einer halben Stunde entdeckte Thomas eine Staubwolke weit im Nordosten. Mehr als zwei Dutzend Pferde mußten dort galoppieren, denn eine solche Staubwolke konnte nur von einer großen Mannschaft aufgewirbelt werden. Jeffords fluchte lautlos. Er wußte, daß dort Indianer durch das Tal jagten. So viele Weiße lebten nicht im Valley. Aber was trieben die Apachen vor sich her? »Sie halten auf den Paß zu«, murmelte Thomas. Er schwenkte das Glas in einer geraden Linie von der Reitergruppe auf die Straße – und hielt den Atem an. Ein Wagen mit einem Deichselpferd davor schien auf der Flucht zu sein. Undeutlich erkannte Jeffords zwei Personen auf dem Kutschbock des schwankenden Gefährts. Der Postmeister rutschte zum Rand des Stalldaches und brüllte: »Burt, Norbert, sattelt zwei Pferde! Es wird heiß. Burt, du bleibst hier!« Das Klingen der Hämmer verstummte. Als Jeffords vom Dach sprang, führten seine beiden Helfer schon zwei Pferde ins Freie. Ohne ein Wort zu sagen, packte Thomas mit an. Wenige Minuten später waren die Tiere gesattelt. Der Postmeister holte seine Sharps aus der Station, und
Walker kam mit seiner Winchester zurück. Die Revolver trugen die beiden Männer in Halftern an den Oberschenkeln. »Paßt auf, daß ihr eure Haare behaltet!« rief Kelly hinter seinen Freunden her. Er machte sich große Sorgen um die beiden. Burt holte sich ebenfalls seine Winchester und kletterte auf das Stalldach. Er sah nur zwei Staubwolken: eine kleinere, die genau auf den Paß zuhielt, und eine riesige, die der ersten folgte. * Jeffords trieb sein Pferd an. In den Biegungen mußte es alle Kraft aufwenden, um nicht mit der Hinterhand abzurutschen. Thomas wußte, daß es um Minuten ging. Er konnte sein Pferd nicht schonen, wenn er den Flüchtenden helfen wollte. Die Indianer holten immer mehr auf. Der Abstand zwischen dem Wagen und den Apachen betrug höchstens noch eine Viertelmeile. Flüche klangen hinter dem Postmeister auf. Norbert Walker fühlte sich bei diesem rasenden Ritt überhaupt nicht wohl. Endlich erreichten die beiden das Ende der Straße. Weit griffen die Tiere aus. Mit mächtigen Sprüngen jagten sie auf den Wagen zu. Warum schießen die nicht? dachte Jeffords. Zwei Erwachsene hockten auf dem Kutschbock, aber keiner von ihnen machte Anstalten, die Verfolger unter Feuer zu nehmen. Sicher, die Apachen waren noch zu weit entfernt. Aber vielleicht wurden sie vorsichtiger, wenn die Weißen schossen. Eine halbe Minute später wußte Thomas Bescheid. Ja, es waren zwei Erwachsene, ein Mann und eine Frau. Aber die Frau umklammerte mit beiden Armen ein Kind, das sie an ihren Oberkörper drückte. Und der Mann hatte alle Hände voll damit zu tun, das schwere Wagenpferd zu leiten. »Los, auseinander!« schrie Jeffords. »Wir nehmen die
Indianer von zwei Seiten unter Feuer.« Walker verstand sofort. Er riß am Zügel. Der Braune galoppierte nach rechts, durchbrach ein paar Büsche und jagte knapp an einem kugelförmigen Kaktus vorbei, dessen lange Stacheln böse Verletzungen hervorriefen. Die Mexikaner nannten dieses kugelförmige, halbhohe Gewächs sinnigerweise »Schwiegermuttersitz«. Jeffords lenkte sein Tier nach links. Es wurde langsamer, als seine Hufe in fußtiefem Sand versanken. Thomas hielt auf einen Felsblock zu, der sich mehr als mannshoch über das Land erhob. Von der Oberfläche des Brockens aus hatte der Postmeister freies Schußfeld. Jeffords parierte sein Pferd, richtete sich in den Steigbügeln auf und schob die Sharps auf den Klotz, bevor Thomas selbst geschickt in den Sattel stieg und sich auf die ebene Fläche rutschen ließ. Die Indianer hatten den Abstand zu ihrer Beute auf 100 Yards verringert. Es war höchste Zeit. Jeffords zog die Sharps an die Schulter, stellte das Klappvisier auf und feuerte. Der dumpfe Klang des schweren Büffelgewehres rollte wie Kanonendonner über die Ebene. Der vorderste Reiter, ein Apache auf einem weißen Mustang, zielte mit dem Bogen. Das Geschoß der Sharps fegte den Indianer aus dem Sattel. Der Pfeil schnellte von der Sehne, beschrieb einen hohen Bogen und bohrte sich irgendwo seitlich des Wagens in den Staub. Jeffords betätigte den Blockverschluß und hebelte die Hülse aus dem Lager, bevor er eine neue Patrone einlegte. Die Sharps war das beste Gewehr für große Entfernungen und massive Ziele. Aber im Moment schalt sich Thomas einen Narren. Er hätte besser eine Winchester mitgenommen. Die höhere Feuergeschwindigkeit wirkte wie ein Bleihagel. Nun schoß auch Norbert Walker. Aber die Apachen gaben nicht auf. Sie wollten ihre Beute
erwischen. Die Reiter stießen schrille Schreie aus, als sie an den Zügeln rissen. Der Pferdepulk brach auseinander. Strahlenförmig jagten die Krieger voneinander weg, bildeten einen weiten Halbkreis und stießen an beiden Seiten des Wagens weit vor. In wenigen Sekunden konnten die Rothäute den Kreis schließen, und dann war es um die Flüchtenden geschehen. Jeffords fluchte laut und voller Wut. Sie brauchten Hilfe, wenn sie es schaffen wollten. Hoffentlich paßte Burt oben bei der Station auf, zog die richtigen Schlußfolgerungen und schwang sich auf ein Pferd und kam ihnen nachgeritten. Aus einer guten Deckung heraus konnte er mit einer Winchester das Blatt wenden. Aber Kelly dachte nicht daran, seinem Boß und Walker zu folgen. Denn der zweite Posthelfer hatte Hufschlag gehört. Die Pferde kamen von der anderen Seite die Paßstraße herauf. Burt glaubte seinen Augen nicht trauen zu können, als er die blauen Uniformen sah. Wer sagt's denn, dachte er, wenn's brenzlig wird, kommt die Kavallerie. Wenigstens einmal sind die Blaujacken da, wenn man sie wirklich braucht. Burt hob die Winchester und feuerte dreimal in die Luft. Nachdem die Schüsse verhallt waren, hämmerten die Hufe der Pferde schneller über den Felsenweg. »Walman!« entfuhr es Burt, als er den hochgewachsenen Colonel im Sattel erkannte. Sekunden später verhielt der Oberst sein Pferd neben dem Stall. »Los, runter mit euch«, rief Kelly, »Jeffords und Walker stecken in der Klemme! Ein Wagen mit Weißen wird von mindestens dreißig Indianern verfolgt!« Walman zögerte keine Sekunde. Er wußte, daß die Pferde eine Pause brauchten. Aber er wußte auch, daß nicht die Zeit war, sich zu erholen.
»Angriff!« befahl der Oberst und stieß den rechten Arm steil in die Luft. »Trompeter, wenn wir die halbe Strecke hinter uns haben, blasen Sie zur Attacke!« Der Colonel setzte die Sporen ein. Sein Pferd ging an, fiel in Trab und jagte schließlich im Galopp über den Sattel des Passes auf die Straße nach Osten zu. Die halbe Schwadron folgte dem Oberst. Kelly blickte wieder zur anderen Seite. Die Krieger hatten es geschafft. In weitem Kreis umritten sie ihre Beute. Immer noch hieb der Weiße auf das Wagenpferd ein. Aber die Apachen zogen den Kreis enger. Pfeile flogen, bohrten sich in die Ladung, schlugen in die Bordbretter ein, und eine kurze Kriegslanze stak plötzlich genau zwischen den beiden Personen auf dem Bock im Fußbrett. Da ließ der Kutscher die Zügel los und legte ein Gewehr an. Viermal kam er zum Schuß. Zwei Pferde brachen zusammen und schrammten in großen Staubwolken über den Boden. Die Krieger sprangen geschickt wie Katzen herunter. Freunde hetzten heran, und Sekunden später waren die beiden pferdelosen Apachen in Sicherheit. Sie saßen hinter ihren Stammesbrüdern auf deren Tieren. Die Trompete schmetterte das Angriffsignal der Kavallerie. Die Soldaten schwärmten aus. In breiter Linie hielten die Blauröcke auf den Wagen zu. Die Endpunkte dieser Linie schoben sich weiter vor, genau wie vorher bei den Apachen. Das U war gebildet. Die Indianer wichen aus, zogen die Pferde herum und strebten nach allen Richtungen auseinander. Zwei Soldaten brachen aus der Linie aus. Sie preschten zurück. Kelly sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als er das sah. Was hatten die beiden Kerle nur? Angst? Aber das war es nicht. Die zwei Texaner hatten zugleich gesehen, daß vier Krieger von den Pferden gesprungen waren. Die Apachen verbargen sich zwischen einigen Sträuchern. Auf jeden Fall waren sie mitten in die Büsche gesprungen. Und zwar
genau dort, wo der Wagen in wenigen Sekunden vorbeirollen mußte. Brad und Zack hielten ihre Revolver in den Fäusten. Sie brauchten sich nicht zu verständigen. Sie wußten, wie sie vorgehen mußten. Sie nahmen die Büsche von zwei Seiten an. Verdammt, wo blieben die Rothäute? Sie konnten sich doch nicht von den Hufen zertrampeln lassen. Da, sie schnellten hoch. Die bronzefarbenen Oberkörper bogen sich, als die Indianer weit ausholten. Vier flirrende Blitze schwirrten durch das Sonnenlicht. Die Dolche wirbelten auf Brad und Zack zu. Die Texaner beugten sich weit seitlich aus den Sätteln, wurden deshalb nicht getroffen. Und dann feuerten die Männer aus dem Lone Star-Staat. Zwei Krieger warfen die Arme hoch und sanken zurück ins Gestrüpp. Die beiden anderen hielten ihre Kampfbeile in den Händen. Brad und Zack rissen an den Zügeln. Mit grellem Wiehern brachen die Pferde nach rechts aus. Der Wagen war nur noch zwei oder drei Längen entfernt. Eine Winchester peitschte scharf. Unmittelbar darauf wummerte Jeffords Sharps. Die Krieger kamen nicht mehr dazu, ihre Tomahawks zu werfen. »Sieht so aus, als wäre uns jemand zuvorgekommen«, rief Brad seinem Freund zu. »Kann schon sein«, entgegnete Zack, »aber wir sind ja nicht nachtragend, oder?« Sie grinsten sich an, ehe sie zur Schwadron zurückritten. Jeffords sprang von seinem Felsblock und saß auf. Aus den Augenwinkeln sah er, daß auch Walker herankam. Die Weißen auf dem Kutschbock wirkten wie erstarrt. Sie blickten mit glänzenden Augen erschöpft ihre Retter an. Lediglich das Kind wand sich in den Armen seiner Mutter und wimmerte leise. »Kommen Sie«, sagte Thomas. »Sie haben es geschafft. Sie
sind jetzt in Sicherheit.« Der Mann schien aus seiner Starre zu erwachen. Er sagte zornig: »Diese Scheißrothäute. Warum jagt man sie nicht endlich zum Teufel? Beinahe wären wir drei gestorben. Und warum? Wegen nichts, gar nichts. Wir haben friedlich unser Land bestellt. Aber für die stinkenden Apachen genügt das schon.« »Reden Sie keinen Unsinn«, fauchte Jeffords. »Ich verstehe, daß Sie fertig sind, aber jetzt ist es vorbei. Sie sollten sich beruhigen. Kommen Sie mit zur Station auf dem Paß.« Walker sagte kein Wort. Der knorrige Helfer leitete sein Pferd zur Rückseite des Wagens, während Jeffords vorausritt. Das ausgelaugte Zugtier stemmte sich noch einmal ins Geschirr und zerrte mit letzter Kraft den Wagen zur Paßhöhe hinauf. * Burt Kelly sah, daß der Angriff der Apachen abgeschlagen wurde und sprang vom Stalldach runter. Der Posthelfer kümmerte sich nicht mehr um den Kampf. Nun galt es, die Geretteten zu versorgen. Umsichtig stellte Burt Wasser auf die Eisenplatte des Kochherdes, löffelte Kaffeemehl in die Kanne und stellte vorsorglich eine Flasche Whisky bereit. Für den Fall, daß die Leute weder Schnaps noch Kaffee mochten, braute Kelly eine Kanne Kräutertee. »Was noch?« fragte der knorrige Mann sich selbst und zwirbelte die Enden seines hellen Schnurrbartes. Er schnitt Brot ab, stellte ein Stück kalten Braten zurecht und nahm den Topf mit Schmalz vom Wandbrett. Mehr gab es nicht in der Station, denn die Kutsche kam erst gegen Mittag. Und dann bereiteten die drei Männer frische Mahlzeiten zu, falls einer der Passagiere etwas bestellte. Die Eisenreifen der Wagenräder knirschten draußen über
Sand und Felsen. Kelly ging zur Tür und schaute hinaus. »Hol's der Teufel, ein kleines Kind«, murmelte der Helfer. »Woher soll ich jetzt Milch nehmen?« Jeffords und Walker sprangen von den Pferden. Norbert brachte die Tiere zum Stall und sattelte sie ab. Burt lief zum Wagen. »Madam, geben Sie mir den Jungen«, sagte der Helfer. Die Frau schien sich erst zurechtfinden zu müssen. Sicher hatte sie noch nicht richtig begriffen, daß sie gerettet war. Zögernd überließ sie Burt den kleinen Jungen, dessen Gesicht vor Angst verzerrt war. Schwerfällig kletterte die Frau herab. Ihr Mann spreizte die verkrampften Finger, ließ die Zügel einfach fallen. Das Wagenpferd stand mit gesenktem Kopf in den Seilen. Seine Flanken zitterten unaufhörlich. Schaum troff von den Lippen des Pferdes. Es war fertig. »Norbert!« rief Burt. »Spann doch den Gaul hier auch aus und versorge ihn, okay? Er ist am Ende. Wenn du ihn nicht versorgst, kommt es nicht mehr auf die Beine.« Walker wandte sich um und setzte zu einer bösen Bemerkung an, die damit zu tun hatte, daß Burt Befehle gab und mit den Händen in den Hosentaschen zusah, wie die anderen arbeiteten. Aber dann sah er das Kind auf Kellys Armen und schwieg. Statt dessen kam er heran, löste die Leinen und Riemen des Deichselpferdes. Schließlich kletterte der Mann vom Kutschbock. Er wischte sich mit der Hand über das schmutzige Gesicht und schüttelte den Kopf. In den Staub, der seine Stirn bedeckte, hatte der Schweiß Bahnen hinterlassen, so daß der Mann wie ein Indianer in Kriegsbemalung wirkte. »Herr im Himmel, wir haben es wahrhaftig geschafft«, stieß er hervor. »Es war verdammt knapp. Beinahe hätten uns die Rothäute erwischt.«
»Kommen Sie erst mal rein«, sagte Burt und ging zur Tür. Die Frau entdeckte den Wassertrog. Sie wusch sich Gesicht und Hände und seufzte erleichtert auf. Ihr Mann wusch sich ebenfalls. Der Kleine auf Burts Arm verdrehte den Kopf, um seine Eltern sehen zu können. Sein Gesicht war vom Weinen verschwollen, und die Augen waren vom feinen Staub entzündet. Jeffords wartete, bis die Familie im Gastraum der Station saß, erst dann trat er ein. Zufrieden nickte Thomas, als er den gedeckten Tisch sah. Auf Burt war eben Verlaß. Er wußte genau, was er zu tun hatte. »Ich frage mich nur«, sagte Jeffords unvermittelt, »woher du auf einmal die Kavallerie hattest, Burt. Versteckst du hier oben irgendwo 'ne Schwadron für den Notfall?« Kelly grinste, daß sich sein Schnurrbart verzog und antwortete: »Das ist mein Geheimnis, Boß. Aber im Vertrauen gesagt, diesmal war es reiner Zufall, daß die Blaujacken rechtzeitig erschienen. Walman führte die Truppe, daher brauchte ich nur ein wenig Worte zu machen. Er befahl sofort den Angriff.« Verwundert dachte Jeffords darüber nach, was der Colonel wohl mit einer halben Schwadron hier wollte. Fort Buchanan war stark unterbesetzt. Der General hatte doch nicht so viele Männer, um eine halbe Schwadron auf einen Spazierritt zu schicken. Kelly hantierte mit kaltem Wasser, in das er einen Blechtopf tauchte und dessen Inhalt er immer wieder umrührte. Neugierig sah das Kind zu. »Einen Moment noch, mein Kleiner«, sagte Burt, »Milch haben wir hier nicht. Aber dafür habe ich dir einen feinen Kräutertee gekocht. Er muß nur abkühlen, dann bekommst du zu trinken.« Die Frau lächelte dankbar. Sie aß eine Scheibe Brot und trank einen Becher Kaffee. Ihr Mann schenkte sich einen Schuß
Whisky in den Kaffee, bevor er trank. »Wir verdanken Ihnen unser Leben«, sagte die Frau leise. »Ich weiß nicht, wie wir das wiedergutmachen können. Wir stehen in Ihrer Schuld, für alle Zeit.« Jeffords winkte ab. »Madam, wir taten nur unsere Pflicht. Wir können doch nicht zusehen, wie jemand überfallen wird.« Hufschlag drang durch das offene Fenster in den Gastraum. Burt drehte sich halb um und blickte hinaus. »Walman und seine Soldaten«, sagte der Helfer nur und prüfte den Tee. Er war kalt genug. Gierig trank das Kind, bis es kaum noch Atem bekam. »Das ging ja gerade noch mal gut«, sagte der Colonel, als er eintrat. Er nahm den Hut ab und warf ihn auf einen Stuhl. »Ja, Sie kamen zur rechten Zeit«, bestätigte Jeffords. »Hoffentlich klappt das immer so in Zukunft.« Der Offizier verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Das war reiner Zufall, Jeffords«, sagte er. »Der General befahl, daß ich mit einer halben Schwadron ein paar Tage lang östlich des Passes aufkreuzen sollte. Die Apachen müssen sehen, daß wir bereit sind. Das war General Howards Gedanke.« »Das macht sie nur noch vorsichtiger und listiger«, sagte Burt. »Auf die Art haltet ihr sie nicht ruhig.« Der Gerettete schob seinen Stuhl vom Tisch weg und zog einen Beutel Durham-Tabak aus der Tasche. Reihum bot er ihn an. Inzwischen war auch Norbert Walker hereingekommen. Sie nahmen von dem Tabak und dem Papier. Allen war klar, daß der Mann wenigstens auf diese Art seine Dankesschuld abtragen wollte. Als die Zigaretten brannten, sagte der Fremde mit dem sandfarbenen Haar: »Ich heiße Sandy Willard. Das da sind meine Frau Judith und unser Sohn Rick. Wir hatten eine Farm im Norden des San Simon-Tals. Heute morgen kamen die Apachen…«
Nach knapp fünf Minuten war alles gesagt. »Ich weiß nicht, was das alles sollte«, schloß Willard. »Wir haben keinem Menschen was getan, seit wir dort leben. Die Rothäute griffen einfach an. Wenn diese Mexikaner mit ihrem Wagen nicht dazwischengekommen wären, hätten uns die Indianer überwältigt.« Jeffords dachte nach. Die Krieger, die er gerade gesehen hatte, waren Tontos gewesen. Das bewies, daß ihr Häuptling Santana zumindest die Raubzüge seiner Leute duldete, wenn er sie nicht sogar befahl. »Was sagt denn Ihr Freund Cochise dazu?« wollte Sandy Willard wissen. Seine hellblauen Augen sahen Jeffords durchbohrend an. »Es waren Tontos, die Sie überfielen«, sagte Jeffords gelassen. »Sie hören nicht immer auf Cochise. Santana ist ihr Chief. Er macht gemeinsame Sache mit Victorio. Und der ist Cochises großer Gegenspieler. Der Mimbrenjo-Häuptling glaubt nicht daran, daß die Apachen Frieden mit den Weißen halten sollten. Wie es aussieht, wächst die Macht der beiden östlich des Passes.« »Und das bedeutet«, sagte Colonel Walman, »daß sehr unruhige Zeiten auf uns zukommen.« »Warum macht ihr die roten Halunken nicht endlich fertig?« fragte Willard bitter. »Die Regierung hat das Territorium zur Besiedlung freigegeben. Aber was finden wir: aufsässige Rothäute, die alles abschlachten, was ihnen über den Weg läuft. Sie sind ja wie tollwütige Wölfe, diese verdammten Apachen.« Willard blickte die Männer herausfordernd an, die ihn anstarrten. »Ja«, sagte er noch mal, »bringt sie um, rottet sie aus, dann ist Ruhe im Südwesten.« Von draußen drangen zwei Stimmen durch das offene Fenster herein. »Siehst du, ein richtiger Schwachkopf«, sagte jemand in
typisch texanischem Tonfall. »Na ja, die Sonne hat ihm sicher das Gehirn ausgedörrt, Zack«, sagte ein anderer. »Aber lassen wir den armen Irren doch. Reden wir von unserem Colonel.« »Du hast recht, Brad«, sagte Zack, »er tut nur so, was? Ich glaube, wir können sicher sein, daß er keinen Ladestock verschluckt hat. Denn eben ritt er wie ein normaler Mensch den Angriff.« »Gott sei Dank. Stell dir mal vor, wir bekämen einen anderen Boß. Mit diesem Walman kann man's schon aushalten.« Verwundert blickte Jeffords den Colonel an. Dessen Gesicht wirkte plötzlich so, als hätte er Zahnschmerzen. »Die zwei unmöglichsten Kerle in der ganzen Kavallerie«, behauptete der Oberst. »Sie sind vollkommen disziplinlos. Anscheinend waren sie schon zu lange aus der Arrestzelle, sonst würden sie nicht wieder solche Sprüche klopfen.« Der Colonel stand auf und ging zur Tür. »Stafford und Miller!« rief er, und die beiden Kavalleristen meldeten sich sofort. »Ich merke Sie für die nächste Belobigung vor«, sagte der Oberst. »Sie haben in einer draufgängerischen Einzelaktion das Leben der Familie gerettet.« »Danke, Sir«, riefen die beiden wie aus einem Mund. »Aber«, wandte Zack ein, »könnten Sie diese Belobigung nicht gegen die nächste Anklage aufrechnen?« »Ja, das ist 'ne Idee«, rief Brad begeistert. »Wenn wieder so ein Militärkopf was an uns auszusetzen hat, wenn uns wieder einer in die Zelle stecken will, streichen Sie einfach die Belobigung und alles ist glatt.« Walman holte tief Luft. »Jungs, die Kavallerie ist kein Store, in dem ihr was tauschen könnt. So geht das nicht.« »Pech, verdammtes«, fluchte Zack. Brad schwieg. Die zwei Soldaten trollten sich zu den Pferden. Walman kam in den Gastraum zurück, setzte sich wieder und
blickte Willard an. »Nun zu Ihnen, Mister«, sagte der Oberst. »Ich denke, Sie sind noch etwas durcheinander, denn sonst würden Sie nicht zum offenen Mord aufrufen.« »Was heißt hier Mord?« fuhr Willard auf. »Die verdammten Apachen ziehen sengend und mordend durch das Land, Colonel. So sieht das doch aus. Sie verdrehen die Tatsachen.« Jeffords wollte etwas sagen, aber der Colonel schüttelte den Kopf. Sie beide waren Freunde der Indianer und halfen, wo sie nur konnten. Am liebsten wäre es ihnen gewesen, wenn eine großzügige Regelung getroffen worden wäre, die den Apachen und den Weißen Vorteile gebracht hätte. »Sie vergessen eines«, sagte der Colonel, »wir drangen in dieses Land ein. Es gehörte den Apachen, und sie kämpfen um ihre Heimat.« Willard machte eine verächtliche Geste. »Dann darf die Regierung das Land nicht freigeben«, sagte er zornig. »Und was soll das: ihnen gehörte das Land? Ja, aber jetzt sind wir da. Der Schwache muß dem Starken weichen, Colonel. So war es immer, und so wird es auch weiterhin sein. Sie sind wohl auch ein Indianerfreund, he? Von Jeffords hier habe ich das schon gehört. Aber es nützt wohl nichts, denn die Krieger sind immer noch unterwegs.« Da ließ sich der Postmeister nicht mehr halten. »Ja, ich bin ein Indianerfreund«, bekannte er freimütig. »Und ich habe es bis heute nicht bereut. Wenn Sie, Mr. Sandy Willard, zu mir gekommen wären, bevor Sie sich im San Simon Valley niederließen, hätten wir einen Ort gefunden, der sicher war. Es gibt dort ein paar heilige Stätten der Apachen. Und wie Sie ihr Land schildern, haben Sie genauso einen Platz in Besitz genommen. Aber ihr Siedler marschiert einfach stur vorwärts. Und wenn es schiefgeht, schiebt ihr die Schuld anderen zu.« Willard atmete pfeifend aus.
»Das Land ist freigegeben«, sagte er starrköpfig, »alles andere ist mir egal. Auch, daß uns Tontos überfielen. Cochise ist der oberste Boß dieser roten Horden. Soll er doch dafür sorgen, daß sie sich anständig benehmen. Sie kennen ihn doch gut, Jeffords, sind doch sein Freund. Warum reiten Sie nicht hin und reden ihm ins Gewissen, falls er überhaupt eins hat?« Walman schüttelte den Kopf und sagte: »Sie begreifen es nicht, Cochise ist zwar der oberste Führer der Stämme, aber die anderen Häuptlinge halten sich nicht an alles, was er sagt. Er ist kein Präsident wie unserer. Sie könnten ihn eher als Berater oder Staatsmann für die anderen bezeichnen. Die Chiricahuas halten Frieden mit uns.« »Etwas anderes«, sagte Jeffords. »Was haben Sie jetzt vor? Wollen Sie zurück und neu anfangen?« Sandy Willard winkte ab und antwortete: »Nein, auf keinen Fall. Es sei denn, die Kavallerie schützt uns. Wir sind am Ende. Ich brauche Arbeit, und ich finde schon was. Wenn wir ein paar Dollars gespart haben, ziehen wir weiter. Irgendwo gibt es sicher ein Stück Land, auf dem wir in Frieden leben können.« Der Postmeister nickte. »Ich mache Ihnen ein Angebot«, sagte er. »Sie fahren für mich als Begleiter mit den Kutschen. Einverstanden?« In Willards blauen Augen funkelte etwas auf, das Jeffords nicht deuten konnte. »Ja, gerne«, sagte der ehemalige Farmer. »Vielleicht habe ich Gelegenheit, es den roten Hunden heimzuzahlen.« »Moment mal!« warf Jeffords ein, »sobald die Kutschen angegriffen werden, sollen Sie sich wehren, das ist klar. Aber der Teufel holt Sie, wenn Sie auf jede Rothaut schießen, die Sie nur sehen. Haben wir uns verstanden?« »Ja, sicher, Boß, okay. Wann fange ich an? Wo bleibt meine Frau mit dem Jungen?« »Die können hier wohnen. Wir haben Platz genug. Wenn Ihre Frau sich nützlich machen will, kann sie für das Essen sorgen
und saubermachen. Sie fangen morgen mittag an, auf der Kutsche, die nach Tucson fährt.« Die Willards waren zufrieden. Sie schöpften wieder Hoffnung. Ihre Zukunft sah nicht mehr so trübe aus, Colonel Walman kümmerte sich um seine Soldaten, ließ die Wasserbehälter auffüllen, die Pferde versorgen und inspizierte persönlich jedes einzelne Tier. Alles war in Ordnung. Die zähen Pferde der Kavallerie erholten sich ziemlich schnell. Nach knapp vier Stunden gab der Oberst den Befehl zum Aufsitzen. »Wir sehen uns, wenn ich zurückkomme«, sagte er und reichte Jeffords die Hand. »Passen Sie auf den Farmer auf. Er gehört zu den Kerlen, die in jedem Indianer einen Feind sehen und ihn am liebsten abknallen würden. Hoffentlich bekommen Sie keinen Ärger mit dem Mann.« »Ich werd's überstehen«, sagte der Postmeister und wünschte dem Oberst Glück. Ein schwacher Wind fächelte von Osten gegen den Paß. Die Soldaten bekamen Marscherleichterung. Walker, Kelly, Jeffords und die Willards blickten den Uniformierten nach, als ihre Pferde im Schritt dem San Simon Valley zustrebten. Die Mittagskutsche ließ lange auf sich warten. Und als sie endlich bei der Station eintraf, waren Pferde, Passagiere und die Kutscher erschöpft. Mimbrenjos hatten den Wagen angegriffen. Es steckten noch zwei Dutzend Pfeile im Holz des Kastens. Mehr als 15 Kugellöcher wiesen die Türen auf. Die Glasscheiben waren zersplittert. Thomas Jeffords war besorgt. Die Situation wuchs ihnen über den Kopf. Er wagte nicht mehr zu schätzen, wie viele Krieger überhaupt unterwegs waren und welchen Stämmen sie angehörten.
* Der Apache lag getarnt in einer sandigen Bodenwelle. Schon vor langer Zeit hatte er die Pferde gehört, das Knarren des Sattelzeugs und ab und zu ein Wort in der Sprache der Weißen. Aber der Mimbrenjo war zu klug, sich sehen zu lassen. Denn aus den Geräuschen schloß er, daß eine Menge Bleichgesicher unterwegs waren. Für ein paar Sekunden dachte der Krieger voller Bewunderung an Victorio, den Häuptling der Mimbrenjos. Der erbarmungslose Weißenhasser wandte eine Taktik an, die allen Kriegern Beute und Ruhm einbrachte. Tagsüber waren die Späher unterwegs. Sie lagen an allen wichtigen Punkten und beobachteten. Ihre Nachrichten gaben sie einer Reitergruppe weiter, die ihrerseits alle Neuigkeiten nach Norden brachte. Und erst wenn der Häuptling genug wußte, gab er den Befehl zu einer größeren Aktion. Zuschlagen und wieder verschwinden, das war die Taktik der Apachen. Und die San Carlos Reservation bildete ihre Basis. Hier lebten sie als friedliche Ackerbauern und mühten sich redlich, dem kargen Boden Früchte abzugewinnen. Niemand, am wenigsten die Regierungsbeamten, ahnten, daß immer wieder Hunderte von Kriegern sich nachts auf der Straße des Todes bewegten, bis weit nach Mexiko hineinzogen und dort Beute machten. Mehr als einmal brachten die Mimbrenjos und Tontos kleine Rinderherden aus dem Nachbarstaat mit. Auf verschlungenen Pfaden, unsichtbar während des Tages, unsichtbar in der Nacht, trieben die Krieger die Herden in die Reservation oder zu ihren Verwandten in den Bergen. Denn auch die Krieger Cochises kauften ihren Vettern Rinder ab. Und im Reservat brauchten die Kinder und Squaws Fleisch, denn die Rationen der Regierung reichten bei weitem nicht aus. Der junge Krieger lag reglos. Der Sand, den er über sich
geworfen hatte, rieselte nicht. Der Mann wirkte wie eine kleine Erhöhung im welligen Land. Dann kamen die Weißen. Es waren Blaujacken. Sechzig Pferdesoldaten zählte der Mimbrenjo. Er wartete, bis sie eine halbe Meile entfernt waren, bevor er aufstand und zu seinem Pony trottete. Diese Nachricht würde Victorio interessieren. Seit vier Tagen ritten die Soldaten schon kreuz und quer durch das Land. Ihr Ziel war nicht zu erkennen. Aber der Chief schien mehr zu wissen oder zu ahnen. Das gedrungene Pferd des Apachen setzte sich in Bewegung, als der Krieger aufgesessen war. Es war merkwürdig, aber die Hufe des Indianerpferdes wirbelten viel weniger Sand auf als die Tiere der weißen Soldaten. In nur einer halben Meile Entfernung beschrieb der Apache einen Bogen, vergewisserte sich, daß die Kavallerie die Richtung beibehielt, und ritt dann nach Norden. Am frühen Nachmittag erreichte er die Reiter des Stammes in einer dicht bewachsenen Ausbuchtung des San Simon River. Das knarrende Quaken eines Frosches war zu hören. Sofort gab der einzelne Reiter auf die gleiche Art Antwort. Die Büsche teilten sich, wurden von unsichtbaren Händen zurückgezogen und gaben den Weg frei. Schnell berichtete der Späher von den Pferdesoldaten. »Bleib auf deinem Posten«, sagte der Anführer der »Nachrichtengruppe«. »Wenn wir losziehen, nehmen wir dich mit. Du bringst gute Nachricht. Victorio wird heute nacht noch den Befehl geben. Wir reiten, töten und bringen Skalps und Beute in unsere Wickiups zurück.« Der Späher legte sich flach hin und trank aus dem Fluß, bevor er sich wieder in den Sattel schwang. »Wantala«, sagte der Führer, »reite voraus! Melde Victorio, was Gantokeeh sah. Wir folgen dir, sobald die anderen Späher berichten.«
Der Anführer war einer von Victorios Vertrauten. Er wußte in groben Zügen, was der Häuptling vorhatte. Am Abend hatten sämtliche Späher berichtet. Die Marschrichtung der Pferdesoldaten war klar: Nordosten, weiter weg vom Reservat. Das konnte den Mimbrenjos nur recht sein. Es war schon dunkel, als er den Hufschlag vernahm. Nur die schwarzen Augen glänzten im Widerschein des Feuers. »Sie reiten nach Nordosten«, meldete der Anführer der Späher. »Der Weg ist frei, Victorio. Wann brechen wir auf?« Der Häuptling hob den Kopf. Das schwarze Haar hing zu beiden Seiten herab. Victorio wirkte entschlossen und wild im Spiel der lodernden Flammen. »Jetzt, Are-wank«, verkündete der Chief laut, »wir brechen jetzt auf. Und wir bringen Tod und Verderben über die Weißund Gelbhäutigen. Sie müssen sterben. Sie kamen und nahmen unser Land. Sie laufen umher und töten jeden Apachen, gleichgültig, ob er drei oder sechzig Winter zählt, gleichgültig, ob er ein Krieger oder eine Squaw ist. Wir vernichten die Eindringlinge, und wir sind schlauer als Cochise. Wir kämpfen wie die Schlangen: wenn unser Biß erfolgt ist, ziehen wir uns zurück. Ja, heute nacht reiten wir.« Victorio erhob sich. Immer mehr Krieger versammelten sich um das Feuer. Ein halbes Dutzend gehörte zu Santana und seinen Tontos. »Reitet zu meinem Bruder«, befahl der Chief, »sagt ihm, daß wir heute nacht noch aufbrechen. Er soll seine Boten nach Süden schicken. Unsere Vettern dort sollen uns helfen.« Nana und Loco kamen heran. Sie waren inzwischen voller Begeisterung. Dies war das Leben eines Apachen. Der Kampf gegen die Weißen durfte nicht erlahmen. Und Beute und Ruhm gab es zur Genüge. »Die Aravaipas, die Nednis und die Yaquis, sie alle sollen ihre tapfersten Krieger entsenden«, rief Victorio. »Ich verspreche allen Beute und Skalps. Denn ich habe beschlossen, die Stadt
Colonia Marelas niederzubrennen.« Mehr sagte der Häuptling nicht. Mehr war auch nicht nötig, denn alle kannten diese Ansiedlung im Süden, um die sie mehr als einmal einen weiten Bogen geschlagen hatten. Damals waren die Krieger der Mimbrenjos allein gewesen. An der Stadt hätten sie sich die Zähne ausgebissen. Aber diesmal, da die anderen Stämme mitzogen, war dies genau die richtige Beute. Alles stand bereit. Ausrüstung und Proviant brachten die Alten, die Squaws und Kinder zu den Pferden. Die Waffen waren überprüft. Jeder Krieger besaß einen vollen Köcher Pfeile, den Kurzbogen mit Ersatzsehnen und die Steinschleuder, deren Geschosse tödlich wirkten. Dazu besaßen die meisten noch Feuerwaffen unterschiedlichster Art. Sie stammten aus Beutezügen. Manchmal war es allerdings schwierig, neue Munition zu beschaffen. Doch die Apachen waren erfinderisch, wenn es darum ging, Nachschub zu besorgen. Kaum eine halbe Stunde war verstrichen, als der Zug der Krieger sich in Bewegung setzte. Nur ein sehr aufmerksamer Beobachter konnte die Gestalten erkennen, die ab und zu schattenhaft vor dem Mondlicht zu sehen waren. Zwei Dutzend Pferde trugen doppelte Ausrüstung. Sie war für die Späher bestimmt, die an dem Kreuzzug teilnehmen sollten. Rund 20 Halbwüchsige betätigten sich als Wächter. Es war für die jungen Krieger eine große Ehre und eine Bewährungsprobe zugleich. Loco übernahm im Reservat Victorios Vertretung. Nana leitete die Mimbrenjos und Santana seine Tontos. Die anderen Häuptlinge, Eskaminzin von den Aravaipas und die Chiefs der Nednis und Yaquis, befahlen ihren Gruppen. Aber Victorio behielt die Oberleitung. Auf sein Kommando hin griffen die Krieger an, legten Feuer oder zogen sich zurück. In weitem Bogen ritten die Apachen durch das Tal des San
Simon Creek. Die Blauröcke lagerten weit weg im Nordosten. Nur etwa sechs Meilen vom Apache-Paß entfernt zogen die Indianer nach Süden. Niemand sah die mehr als 130 Reiter, niemand hörte sie. Erst im Morgengrauen wies Victorio seinen Männern eine neue Richtung. Nun ritten sie durch die bewaldeten Ausläufer der Pedregosa Mountains und fanden so Deckung genug. Die genügsamen Pferde rupften hier und dort Blätter und Waldkräuter ab. Der weiche, federnde Boden schluckte die Hufgeräusche. Im Schritt gingen die Pferde bis zu den letzten Felsbarrieren. Dort wucherten nur noch halbhohe Büsche. Jenseits der Ausläufer begann wieder der Sand, der wüstenartige Landstreifen, der scheinbar ohne jede Deckung war, für einen Apachen aber doch ausreichte, sich und ein Pferd zu verbergen. Victorio ließ rasten. Die Krieger tranken etwas Wasser aus den mitgeführten Lederbeuteln und kauten Trockenfleisch und ausgelassenes Fett, das mit Kräutern und Beeren vermischt war. Erst als die Abenddämmerung herabsank, die Berge in rötlichen Schein tauchte und alle Schatten verlängerte, gab Victorio das Zeichen zum Aufbruch. Und wieder waren die Apachen unterwegs. Ungesehen überquerten sie die Grenze nach Mexiko. Wenig später loderten in der Ferne Feuer auf. Victorio zählte die Flammenbündel und nickte zufrieden, als er auf acht Brennstellen kam. Dies war die vereinbarte Zahl. Loderten mehr oder weniger Feuer zum Himmel, so hielten sich die Stämme im Norden Mexikos nicht an die Vereinbarung. Aber auch die Apachen hier brannten vor unterdrückter Rache. Sie wollten den Eroberern all ihre Untaten heimzahlen, ihr Land wieder in Besitz nehmen und Beute machen, Ruhm ernten. Nach einer Stunde stießen die Späher Victorios auf Nednis
und Yaquis, die ihnen den Weg zeigten. In einem großen Hochtal erwarteten die Häuptlinge dieser Stämme die Vettern aus dem Norden. Nana, Chato und Santana gingen voraus zu den Feuern. Es ziemte sich nicht, zu einem Freund ins Lager zu reiten. Die drei Häuptlinge kündigten Victorios Ankunft an. Bis dicht an die Grenze des Lagers ritt der Chief der Mimbrenjos. Er wirkte hart und selbstbewußt, als er aus dem Sattel rutschte und zu Fuß zu den Feuern ging. Einen Moment wartete der wild und verwegen wirkende Victorio. »So sprich, Bruder«, sagte Eskaminzin. »Du hast uns gerufen, und dein Ruf war wie das Tropfen des Regens in unseren Ohren. Denn deine Nachricht erfreut unsere Herzen. Wir sind bereit, dir zu folgen, Victorio, wenn du uns nur zu Ruhm und Beute führst. Rache den Bleichgesichtern!« Die Sitte verlangte, daß sich der Chief der Mimbrenjos nun bedankte. Und ganz gewiß erwarteten dies auch die drei anderen Stämme. Aber Victorio überraschte sie. Er begann mit einer Rede, mit der sie nicht gerechnet hatten. Insgeheim wußten sie ja alle schon, was die Vettern aus dem Norden vorhatten, aber sie warteten darauf, daß die ganze Sache besprochen wurde. »Brüder«, rief Victorio, »es ist an der Zeit, sich gegen die weiß- und gelbhäutigen Ratten zur Wehr zu setzen. Sie nahmen unser Land und nehmen es noch. Überall, wo sie gutes Wasser finden, lassen sie sich nieder. Wenn wir auf die Jagd gehen, weil unsere Alten, Frauen und Kinder Felle und Nahrung brauchen, so jagen sie uns, die Eroberer, die kein Recht haben, auch nur einen Fuß in dieses Land zu setzen.« Beifällig murmelten die versammelten Krieger. Sie spürten ihr Blut schneller wallen, und kochten innerlich vor Wut. Denn hatten sie nicht alle schon erfahren, was es hieß, ein Apache zu sein? Victorio fühlte, daß die Gunst der Stunde auf seiner Seite war.
»Reiten wir!« rief er. »Machen wir Colonia Marelos dem Erdboden gleich. Beute gibt es für uns alle genug. Und Weiße und Mexikaner töten wir, so daß wir Packpferde brauchen, um ihre Skalps heimzubringen.« Die Krieger brüllten begeistert. Victorio hatte sie an der richtigen Stelle gepackt. Die Flammen loderten heller auf, wuchsen höher in die Nacht, die vom Halbmond nur ungenügend erleuchtet wurde. Der Chief der Mimbrenjos wirkte hinter den lodernden Feuerzungen wie ein Dämon. »Laßt uns reiten, die weiße Pest vernichten und all das mitnehmen, das uns nutzt, und all das verbrennen, das den Apachen schadet. Wir brauchen keine Häuser, in denen ein regloser Leib verehrt wird, der an zwei Balken hängt. Aber wir brauchen das Silber und Gold, das die Männer in den dunklen Umhängen horten, aus uns herausgepreßt haben. Wir brauchen es, um uns gute Nahrung zu kaufen, damit Frauen und Kinder nicht an den Krankheiten der Weißen sterben oder schwach werden. Laßt uns nehmen, Brüder, was sie aus unserem Land gemacht haben. Cochise spricht von Frieden. Aber wo ist sein Frieden? Wer straft die Weißen, die unsere Brüder töten, nur weil sie gerade dort lebten, wo sie lebten? Wer vermag noch dem sinnlosen Töten der Weißen Einhalt zu gebieten? Wir, Brüder, nur wir, sage ich. Und wir wollen schlau wie die Schlange sein, unsere Giftzähne in das Fleisch der Bleichgesichter und der Gelbhäutigen schlagen und wieder verschwinden. So wie die Schlange verschwindet, wenn sie angegriffen hat. Aber jetzt, heute oder morgen, setzen wir das Zeichen: wir vernichten eine ganze Stadt der Schurken, die unser Land stahlen.« Zufrieden nahm Victorio wahr, daß selbst die Häuptlinge der verbündeten Stämme seiner Rede Beifall spendeten. Denn so sicher, wie er tat, war der Chief der Mimbrenjos seiner Sache nicht gewesen. Aber nun fühlte er die Macht. Nun
wußte er ein ganzes Heer hinter sich und daß die Krieger ihm vertrauten. Er mußte einfach siegen, die Stadt überrennen, die Häuser mit Feuer vernichten und Beute an Gold, Silber, Tieren und Skalps machen. Denn versagte Victorio, konnte er zu seinen Lebzeiten kein großer Führer der Apachen mehr werden. Aber er war gewillt, seinen Plan zum Erfolg zu führen. Denn er hoffte, daß der Brand, den er legte, alle, wirklich alle Stämme aufscheuchte und auch Cochise dazu brachte, mit aller Kraft gegen die verhaßten Eindringlinge vorzugehen. »Wir reiten im Morgengrauen«, sagte Victorio. »Sobald die Sonne voll über dem Horizont steht, greifen wir an.« * An diesem Tag war Sandy Willard als Begleiter auf einer der Nebenstrecken der Butterfield Overland Mail unterwegs. Er hatte so ein merkwürdiges Gefühl, als er sich auf den Bock schwang und sah sorgfältig alle Waffen nach. Es waren eine Menge. Es sah so aus, als wollte Sandy in den Krieg ziehen. Außer der doppelläufigen Greenerflinte führte er noch eine Winchester und einen Colt mit. Eine weitere Flinte und eine Winchester steckte auf der Fahrerseite in speziell angefertigten Halterungen. »Erwartest du Verdruß?« fragte der Fahrer Jim Knowles und musterte seinen Begleiter aus kleinen, listig und verschlagen wirkenden Augen. »Kann schon sein«, antwortete Sandy. »Ich habe so ein verdammt komisches Gefühl in der Magengegend.« Eigentlich war der graubärtige Knowles nur Begleiter. Aber da ein Kutscher ausfiel, lenkte er das Sechsergespann vor der schweren Concord. Im Wagenkasten saßen vier Passagiere. Drei Männer und eine Frau fuhren von Las Cruces, New Mexico, nach Tucson, Arizona. Sie gehörten alle vier der gleichen Gilde
an, zu den Kartenhaien und Beutelschneidern im guten Anzug. Diese Typen wurden von Gerüchten angelockt, wie die Motten vom Licht. Aber das war nicht die Sorge der Butterfield-Gesellschaft. Sollten doch die Sheriffs und Marshals sehen, wie sie mit dem Gesindel fertig wurden. Die Kutscher und Begleiter waren im übrigen froh, wenn sie Passagiere beförderten, die im Umgang mit Waffen geübt waren. Denn das verbesserte die Chancen bei einem Angriff der Apachen erheblich. Der Wagen rollte an. Der Kasten schaukelte leicht, als die Gespannpferde festen Untergrund erreichten. Die junge Frau kreischte leicht und kicherte, als der Ruck sie auf den Schoß des neben ihr sitzenden Mannes warf. Aber der Kerl in Schwarz war erfahren genug, um sich nicht austricksen zu lassen. Er packte zu, und nun klang der Schrei des Girls echt. Der Gambler zog am Handgelenk des Mädchens. Als ihre Finger zum Vorschein kamen, entdeckten die beiden anderen Mitreisenden die Brieftasche des Kartenhaies. »Hahaha, ein alter Trick«, rief der rotgesichtige Mann auf der Bank gegenüber. »Wenn er geklappt hätte, Girly, stündest du jetzt schon auf meiner Lohnliste.« Willard schaute durch das kleine Fenster in den Wagen. Kopfschüttelnd beobachtete er das Geschehen und rief: »Hört auf, ihr Spinner! Kann sein, daß wir jeden Colt brauchen, wenn die verdammten Rothäute angreifen. Ihr könnt euch in Tucson an die Gurgeln gehen.« Der Gambler lächelte, ließ das Handgelenk des Mädchens los und steckte die Brieftasche wieder weg. »Der Begleiter hat recht«, sagte der elegante Mann in Schwarz nachdrücklich. »Ich habe gehört, daß die Apachen wieder auf dem Kriegspfad sind. Sparen wir unsere Kräfte.« Die anderen nickten nur. Stunde um Stunde zogen die Gespannpferde die Kutsche
voran. Noch gab es keine Pause und kein Wasser für die Tiere. Die beiden Männer auf dem Bock hatten einmal aus ihren Canteens getrunken. Gegen Mittag, als die Sonne beinahe ihren höchsten Stand erreicht hatte, blickte Sandy Willard nach Süden. »Verdammt«, stieß er hervor, »sieh mal, Jim.« Knowles spuckte aus und sagte mürrisch, als er die dunklen, kreisenden Punkte erkannte: »Geier, und 'ne mächtig dreckige Arbeit wartet dort auf uns, Partner.« Einer der Passagiere hatte diese Worte gehört. Er lehnte sich weit aus dem Wagenschlag, musterte die kreisenden Vögel und rief: »Sie wollen doch wohl nicht dahin fahren?« »Natürlich, was denn sonst«, antwortete Jim. »Die Biester sind nur eine Viertelmeile von dem Punkt entfernt, an dem eine südliche Nebenlinie in unseren Trail mündet. Und ich wette meinen Hut, daß die Kutsche aus dem Süden überfallen wurde.« »Eben deshalb sollten Sie nicht dorthin fahren«, sagte der Passagier. »Denn ich wette, daß dies eine verdammte Falle ist.« »Abwarten, Mann«, warf Sandy ein. »Wir sehen es früh genug. Und Sie können doch wohl einen Colt abfeuern, oder?« Fluchend zog sich der Passagier in den Wagen zurück und berichtete den anderen von seiner Vermutung. Leicht grinsend, mit schiefgelegtem Kopf, horchte Jim auf die Geräusche, die aus dem Wageninneren drangen. Er hörte das Schnarren von Revolvertrommeln. Die Fahrgäste überprüften ihre Colts. Wenig später erreichten die Pferde die Abzweigung. Sie gehorchten dem Druck der Zügel und zogen den Wagen auf den schmaleren, zerfurchten Weg, der nach Süden führte. Ein halbes Dutzend der häßlichen Aasfresser flog heiser krächzend auf. Sie kreisten in Mannshöhe, bevor sie sich weiter entfernten. Aber sie zogen nicht davon, sondern warteten. Sandy Willard merkte, wie sein Mund trocken wurde. Hinter einer Sanddüne tauchte der halb verbrannte Wagenkasten einer
Stagecoach auf. Die Pferde lagen tot im Geschirr. Hier war nichts mehr für die Butterfield Line zu retten. Willard hatte Mühe, den Kopf über seinem Magen zu behalten, als er die skalpierten Menschen sah. Einen Mann hatten die Apachen bis zum Hals in den Sand eingegraben. Die Augen des Toten starrten blicklos nach Süden. Auch ihm hatte man den Skalp genommen. »Okay«, sagte Jim rauh, »begraben wir die armen Teufel. Verdammte rote Brut.« »Langsam, immer vorsichtig«, wehrte Sandy ab. »Erst will ich mich vergewissern, daß ich allein bin.« Knowles lachte. »Du bist wirklich verrückt, Partner. Du findest niemals einen Apachen, selbst dann nicht, wenn du direkt vor ihm stehst oder ihm auf die Finger trittst. Wenn du ihn aber siehst, bist du schon so gut wie tot.« Willard wollte antworten, daß er diese verdammten Kerl schon gesehen hatte, nämlich, als sie seine Farm überfielen, doch Jim winkte ab. »Das war ein offener Angriff auf dich«, sagte Knowles, als hätte er Sandys Gedanken erraten. »Aber hier spielen die roten Krieger Versteck mit uns. Nach meiner Erfahrung können sich hinter diesem kleinen Hügel mindestens fünf oder sechs Apachen verbergen.« Jim deutete mit der Linken auf eine Erhebung, die mit einigen dürren Büschen bewachsen waren, deren Blätter welk herabhingen. Und als der Fahrer die Hand wieder zurückzog, riß er die Schrotflinte aus der Halterung, brachte die mächtige Kanone in Anschlag und drückte zweimal ab. Die beiden Schüsse krachten ohrenbetäubend. Links, zwischen vom Wind aufgeworfenen Sandwellen, bäumten sich drei Gestalten auf. Sofort zog der Fahrer den Colt und schoß noch einmal. Alle drei Krieger lagen reglos.
»Hoffentlich habe ich sie richtig erwischt«, sagte Knowles wütend. »Und hoffen wir, daß nicht noch mehr dieser roten Halunken hier auf neue Beute warten. Das sieht ihnen ähnlich, eine Kutsche ausrauben, alles liegenlassen und selbst so lange warten, bis ein paar neugierige Pinsel näher kommen.« Ächzend kletterte Jim vom Kutschbock, nahm eine Schaufel aus der Halterung unter dem Sitzbrett und ging langsam zu den Toten hinüber. »Paß nur gut auf«, rief Knowles, »ich möchte meinen Skalp nämlich noch ein paar Jahre behalten.« Zuerst durchsuchte er die Taschen der skalpierten Männer. Kutscher und Begleiter hatte Jim gut gekannt. Die sechs anderen Toten mußten Passagiere sein. Außer ein paar Papieren fand Jim nichts. Jedes Stückchen, das den Angreifern interessant erschienen war, hatten sie mitgenommen. Knowles schaufelte eine große Fläche frei. Es genügte nicht, Sand über die Leichname zu häufen. Die Wüstentiere hätten die Körper freigeschafft. Einen Moment hatte Sandy nicht aufgepaßt. Als er den rotbraunen Körper emporschnellen sah, war es fast schon zu spät, denn der Krieger richtete einen Schwarzpulvercolt von geradezu riesigen Ausmaßen auf Jim. Mit einem schnellen Schuß aus der Winchester erwischte Willard den Apachen. Aber dann spuckte die Wüste die roten Kämpfer förmlich aus. Überall sprangen Indianer auf. Die Kutsche war umzingelt. »Wartet mit dem Schießen«, brüllte Jim Knowles. »Jede Kugel muß genau sitzen. Wir haben nur 'ne Chance, wenn wir genügend Rothäute zum Großen Manitu schicken.« Er warf die Schaufel weg und rannte im Zickzack zum Wagen zurück. Sandy jagte Kugel um Kugel aus der Winchester, legte einen
Sperrgürtel aus heißem Blei zwischen Jim und die Angreifer. Die Colts aus dem Wagenkasten wummerten. Ein vernichtender Kugelhagel schlug den Apachen entgegen. Einige Krieger stürzten und blieben liegen. Die anderen stießen schrille Wutschreie aus, als ihr Angriff abgeschlagen wurde, und zogen sich etwas zurück. »Vorsicht! Schnell aufladen!« rief Jim. »Sie versuchen es noch mal!« So war es auch. Aber diesmal rannten die Indianer im Pulk auf die Kutsche zu, benutzten den ausgebrannten Wagenkasten der anderen Stagecoach als Deckung und feuerten aus allen Rohren. Das Mädchen im Kasten stieß einen schrillen Schrei aus und rief: »Die Kugel hat mein Kleid zerfetzt!« »Ein prächtiger Anblick«, bemerkte einer der anderen Passagiere, »aber zum falschen Zeitpunkt.« »Diese Spinner«, stöhnte Jim und drückte ab, als die ersten Apachen über die Deckung sprangen. Abermals schlugen die Fahrgäste und die beiden Männer der Butterfield den Angriff ab. Dann hatten die Krieger endgültig genug. Sie liefen geduckt davon und verschwanden zwischen den Sanddünen. »Mann, das war aber knapp«, seufzte Jim Knowles. »Ein Glück für uns, daß so viele junge Kerle dabei waren. Mit erfahrenen Kriegern hätten wir mehr Ärger gehabt.« »Mir reicht es auch so«, beschwerte sich das Girl. »Jemand verwundet?« erkundigte sich Sandy, nachdem er vom Kutschbock gesprungen war. Erst in diesem Moment ging ihm auf, welches Glück er gehabt hatte. Auf dem Fahrersitz war Willard geradezu eine einladende Zielscheibe gewesen. Einer der Passagiere ließ sich einen Streifschuß am Oberarm verbinden. Das Mädchen holte Nadel und Faden aus seinem geblümten Beutel und sagte: »Wenn die Gentlemen jetzt
unseren Fahrern helfen, die Toten zu begraben, kann ich mich wieder menschenwürdig herrichten.« »Schade«, entgegnete der rotgesichtige Mann. »Aber wenn Sie in Tucson 'nen Job brauchen, kommen Sie ruhig zu mir. Ich heiße Dan Snowden und übernehme das Liberty Palace. Schöne Girls brauche ich immer.« »Danke, Mr. Snowden«, sagte sie nur. Als alle Männer zupackten, ging das Begräbnis schnell vonstatten, obwohl nur zwei Schaufeln vorhanden waren. »Hoffentlich habt ihr es dort, wo ihr seid, besser«, sagte Jim Knowles und spuckte aus, als er die Schaufel schulterte. Wenige Minuten später rollte die Kutsche wieder an. Es war ein Kunststück, das Sechsergespann auf dem schmalen, sandigen Weg zu wenden. Aber Jim schaffte es und pfiff vergnügt, als sie wieder den Haupttrail erreichten. Es ging zügig voran, und in spätestens zwei Stunden lag die Steigung des Apache-Passes vor ihnen. »Wohin sind die Kerle getürmt?« fragte Sandy Willard und lud die Waffen auf. »Nach Norden, denke ich«, antwortete Jim. »Dort reiten sie ins Reservat und spielen die braven Jungs. Wenn der Regierungskommissar kommt, schwören sie alle, daß keiner von ihnen auch nur eine Minute das Reservat verlassen hat. Aber warum sollte schon jemand dort fragen? Wegen acht toter Weißer? Pah, das nehmen die von der Regierung doch nicht so tragisch.« In der Kutsche schwiegen die Passagiere. Der Kampf hatte sie für kurze Zeit zu einer Einheit werden lassen. Aber nun hing jeder seinen Gedanken nach. Denn alle waren von der gleichen Sorte. Und vielleicht wurden sie in Tucson zu Gegnern. Es war nie gut, einem Fremden zu viel von sich zu verraten. Endlich tauchten die Felsen der Chiricahua Mountains auf. Die Paßstraße lag frei und offen vor den Reisenden. »Hoaahh, jetzt zieht, ihr lahmen Böcke!«, brüllte Jim. »Es gilt,
ihr Mißgeburten. Das ist die letzte Meile. Legt euch gefälligst in die Seile!« In wenigen Minuten hatten sie es geschafft. In der Station dort oben waren sie alle sicher. * Victorio war sich darüber im klaren, daß er in kleinem Maßstab genau das wiederholte, was Cochise mißlungen war: einen großen Kampf gegen die Feinde der Apachen, eine Schlacht. Aber der Jefe der Mimbrenjos war zuversichtlich. Mit den verbündeten Stämmen mußte es gelingen, die kleine Stadt zu überrennen. Über die Folgen machte sich Victorio wenig Gedanken. Er wußte, wie die Mexikaner und Weißen reagierten. Es lag dann einzig und allein an der Schlauheit und List der Krieger, sich nicht erwischen zu lassen. Aber welches Bleichgesicht war einem Apachen in der Wüste schon ebenbürtig? Alle Krieger standen bereit, als der erste graue Streifen des Morgens im Osten über den Horizont stieg. Zwei Yaquis führten Packpferde heran. Die hölzernen, gegabelten Sättel trugen eine Unzahl von Lederbeuteln. Als der Jefe des Stammes den ersten Ledersack öffnete, stieg ein durchdringender Geruch auf. Tizwin! Der Schnaps, den die Apachen aus den Wüstenpflanzen brauten. Immer mehr Hände griffen nach den Beuteln. Jeder dritte oder vierte Krieger hielt eine gute Portion des Stoffes in den Händen, der ihn kampfstark und furchtlos machte. Aber jeder mußte mit seinen Nachbarn teilen. Victorios Gesicht sah zornig aus. Er beherrschte sich mit aller Kraft. Damit hatte er nicht gerechnet, und davon hatte er nichts
gewußt. Doch nun war keine Zeit mehr, ein Palaver zu beginnen. Die Überraschung der mexikanischen Stämme der Apachen war gelungen. Die Jefes blickten erwartungsvoll auf Victorio. »Reitet, Krieger!« rief der Mimbrenjo und saß auf. »Reitet und kämpft! Zeigt den Gelbhäutigen, wie ein Apache Rache nimmt!« Schrille Schreie antworteten dem Anführer der Truppe, die mehr als 400 Köpfe zählte. Victorio schickte die Spähergruppen aus. Die Pferde galoppierten an. Im Schritt folgte die Hauptstreitmacht, begleitet vom Geruch des Tizwin. Es gluckerte, und die Krieger stießen auf. Die Sonne, die schnell höher stieg, tat ihre Wirkung. Besorgt beobachteten Victorio und seine Freunde die Folgen des Alkohols. Aber die Jefes der verbündeten Stämme hatten gut gerechnet. Jeder Krieger bekam gerade so viel Tizwin, daß er das Stadium milder Trunkenheit erreichte. Die Indianer fühlten sich stark, unüberwindlich, und das stachelte ihren Kampfgeist bis zum äußersten an. Eine Stunde später verkündeten schrille Schreie, daß die ersten Späher zurückkehrten. Die Männer ließen ihre Ponys im Galopp heranjagen. Triumphierend schwenkten die Krieger Skalps an den Spitzen der kurzen Kriegslanzen. Die Hauptstreitmacht drängte schneller vorwärts. Der Anführer der Späher trieb sein Pferd zu Victorio. »Fünf Schwarzhaarige mit einem Wagen trafen wir«, berichtete der Mann. »Sie starben schon vor Angst, als sie uns sahen. Hier sind ihre Skalps.« »Wohin fuhr das rollende Wickiup?« wollte der Chief wissen. »In Richtung Winter.« Ein Dutzend Späher waren noch unterwegs, stellte Victorio fest, als er die Männer zählte. Die anderen sollten einen Ring um
die kleine Ansiedlung ziehen und beobachten. Traf die Hauptstreitmacht ein, so konnte der Jefe sofort handeln. Entweder waren andere Reiter schon weit genug entfernt, oder aber sie lagen im Bereich der Krieger, die sie gnadenlos verfolgen und töten würden. Dumpfer Gesang klang hinter dem Jefe auf, ein Kampflied, das in diesem Moment von einigen Kriegern erfunden wurde. Im monotonen Rhythmus schwollen die Worte an und verebbten. Victorio verspürte Ungeduld. Er mußte sein Heer zu einem überwältigenden Sieg führen, wollte er neben Cochise bestehen. Der oberste Führer aller Stämme besaß noch immer zuviel Macht und Einfluß. Es war nur gut, daß er sich im Moment zurückhielt. Nach der Niederlage am Paß gegen die gut ausgerüsteten Soldaten schien Cochises Einfluß auf die anderen Gruppen etwas geschwunden zu sein. Denn gegen den Willen des großen Jefe, der die Streitmacht Chiricahuas hinter sich hatte, konnte Victorio einen solchen Kriegszug nicht durchführen. Die zweite Reihe seiner Späher war erreicht. Vor einem einzeln aufragenden Orgelpfeifenkaktus rieselte der Sand zur Seite. Ein Apache schob sich unter einer alten, stinkenden Decke hervor, die wie ein Dach gewirkt hatte. Den Sand hatte der Krieger geschickt auf der Decke verteilt. Das Versteck war perfekt. »Nichts, Jefe«, sagte der Späher, »die Stadt liegt ruhig. Vor einer Stunde verließ eine Kutsche mit Ochsen davor die letzten Häuser. Eine Familie zog davon. Sollen wir sie verfolgen?« Victorio winkte ab. »Laß sie. Sollen sie sich retten und den Großen Geist preisen, der sie mit dem Leben davonkommen ließ.« Erwartungsvoll ritten die Chiefs der anderen Stämme näher
heran. Sie alle blickten auf den Mimbrenjo, den sie für diesen Kriegszug als ihren Führer respektierten. »Wir greifen an!« befahl Victorio. »Die Krieger sollen von allen vier Seiten der Jahreszeiten über die Stadt hereinbrechen, ihre Brandpfeile abschießen und sich wieder zurückziehen. Die Hälfte unserer Männer bildet einen Kreis und zieht ihn immer enger um die festen Häuser. Was noch nicht brennt, wird mit Feuerpfeilen entflammt. Die Kreisreiter ziehen sich immer enger zusammen. Ihre Aufgabe ist es, alle Flüchtenden niederzumachen. Die Skalps gehören den Kriegern. Die anderen dringen in die Stadt ein. Treibt die gelbhäutigen Hunde zusammen, tötet sie. Laßt sie zusehen, wie wir mit ihren Freunden umgehen werden. Denn dies ist die Stunde der Rache, die Stunde der Apachen.« Überwältigt von so viel Zorn und Kampfeswut, starrten die befreundeten Chiefs und Unterhäuptlinge Victorio an. Sein Gesicht drückte wilde Entschlossenheit aus. Jeder spürte die Wut, die in dem Anführer der mächtigen Truppe loderte. »Reitet! Wir greifen an!« rief der Mimbrenjo und deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Adobehäuser. Die anderen Jefes trieben die Ponys zu ihren Kriegern. Es bedurfte nicht vieler Worte. Die Apachen waren vom Tizwin und von der Sonne so angeheizt worden, daß sie regelrecht nach Kampf und Blut gierten. Victorio verhielt seinen Schecken auf einem kleinen Hügel und beobachtete den Angriff. Er lief so ab, wie ihn der Führer der vereinigten Stämme befohlen hatte. Minuten später brannten die Strohdächer der meisten Häuser lichterloh. Wabernde Hitzeschleier wogten zum stahlblauen, wolkenlosen Himmel empor. Knisternd zerplatzten die Bündel ausgedörrter Getreidehalme, mit denen die Adobehäuser gedeckt waren. Ein paar Glasscheiben zersprangen peitschend wie Gewehrschüsse in der Hitze. Die Stoßkeile aus vier Angriffsgruppen schwenkten ab, zogen
sich zurück und formierten sich weit entfernt von der brennenden Town erneut. Ein Strom von Menschen ergriff die Flucht. Sie waren mit allen möglichen Dingen beladen. Drei alte Frauen schleppten ein Waschfaß, aus dem noch der Dampf aufstieg. Aber als die Krieger heranjagten, mit wohlgezielten Pfeilschüssen die wehrlosen Menschen töteten, als der Bottich zu Boden fiel, rutschte ein frisch geschlachtetes Schwein heraus, das wohl gerade gebrüht werden sollte. Der Ring der Krieger zog den Kreis um die Ansiedlung immer enger. Schrille Schreie zerrten an den Nerven der Belagerten. Einige von ihnen versteckten sich in den Kellern unter ihren Häusern. Diejenigen, die über eine Art von falschem Mut verfügten, ergriffen die Waffen und stellten sich der Gefahr. Sie kämpften bis zur letzten Kugel, wurden einfach überrannt. Jeder Apache warf ein Zeichen auf den Toten, denn später wollten die Krieger die Skalps nehmen, um so ihren Ruhm im Lager zu verkünden. Gellende Angstschreie der Frauen und Kinder schrillten immer wieder auf. »Jetzt holen wir uns die weißen Frauen!« brüllten die grausamen Krieger der Yaquis und galoppierten in geschlossener Formation auf Colonia Marelas zu. Wie ein Blut und Tod verbreitendes Ungewitter brachen die Apachen aus den Sierras Mexikos in die brennende Stadt ein. Pfeile schwirrten von den Sehnen. Männer brachen zusammen, schützten mit ihren tödlich getroffenen Körpern ihre Kinder, begruben sie unter sich und starben mit dem Gedanken: ich habe alles getan, was ich konnte. Eine Unzahl von Kindern überlebte auf diese Weise ungeschoren. Aber ihnen allen war der Haß gegen die Apachen von diesem Moment an ins tiefste Innere eingebrannt. Die Yaquis erwiesen sich wahrhaftig als die härtesten, grausamsten Krieger der vereinigten Stämme unter Victorio.
Sie machten jedes Lebewesen, gleichgültig ob Mensch oder Tier, nieder und verschonten nur die hellhäutigen Frauen. Mexikanerinnen, deren Haut von der Sonne, von der Arbeit im Freien gebräunt war, starben genauso wie ihre Männer. Dem tödlichen Ring aus Indianern, die in engem Kreis die Town immer wieder umrundeten, entkamen nur wenige Menschen. Und diejenigen, die es schafften, trugen nichts als ihre Kleidung auf dem Leib. Die Zeit nach dem überraschenden Angriff hatte nicht ausgereicht, die wenigen Wertsachen unter zerlumpten Hemden zu verstauen. Allmählich wurde es still in der Ansiedlung. Nur die Hufschläge der Indianerponys hämmerten laut zwischen den Adobegebäuden. Die Beute mußte eingebracht werden. Die Krieger schwärmten aus, holten alle wertvollen Dinge aus den Häusern und warfen sie auf den freien Platz vor der Kirche. Der Stapel wuchs und wuchs, während die Krieger immer wieder ausbrachen, um die Skalps zu nehmen. Das grausame Geschäft dauerte eine Stunde. Anschließend begann das Teilen, und das war der Moment, den Santana, Loco und Nana am meisten fürchteten. Aber Victorio hatte seinen Mimbrenjos lange vor dem Kampf die entsprechenden Befehle gegeben. Die Krieger waren klug vorgegangen. Sie verbargen in ihren Gürteln nur gemünztes Gold und Silber und kleine Gegenstände, die bei den Weißen im Tausch höchsten Gegenwert erzielten. Um die übrige Beute konnten sich die anderen streiten. Als sich die Yaquis, die mehr als zwei Dutzend Mexikanerinnen davontrieben, die Aravaipas und Nednis bedient hatten, lag noch ein ansehnlicher Haufen auf der Plaza. Waffen, Schmuckstücke, eiserne Töpfe, Pfannen und Kleidung warteten auf die Mimbrenjos und Tontos, die längst ein Vielfaches dieses Wertes an Gold und Silber bei sich trugen.
»Sieh, Bruder«, sagte der Jefe der wilden Yaquis, »dies alles soll dein sein. Deine Krieger haben gekämpft wie Apachen. Und sie sollen nicht nur Skalps und Ruhm zu ihren Jacales zurückbringen. Wir reiten, denn die hellhäutigen Frauen jammern und sind eine Last auf dem Weg in die Berge. Sie sollen so schnell wie möglich in die Jacales der tapfersten Krieger einziehen und starken Söhnen das Leben schenken.« Victorio war zufrieden. Denn ein Teil seines Planes sah vor, daß sich die Stämme nach dem Überfall trennten und auf geheimen Pfaden der Sicherheit ihrer eigenen Heimat zustrebten. Es dauerte keine 20 Minuten, bis die ersten Gruppen davonjagten. Lediglich die Mimbrenjos und Tontos blieben diszipliniert, obwohl es ihnen schwerfiel. Aber die Chiefs hatten die Krieger auf diese Taktik eingeschworen. »Nehmt, was von Wert ist«, befahl Victorio, »aber laßt alles liegen, was unsere Flucht behindert. Wir müssen schnell und unbeschwert sein, wenn wir entkommen wollen.« Der Mimbrenjo machte eine kurze Pause, betrachtete die zufriedenen Gesichter der Krieger und fuhr fort: »Wir töten alle Weißen, denen wir auf unserem Rückweg begegnen. Und wir reiten nicht direkt nach Norden. Das bringt Jeffords, Cochise und auch die Pferdesoldaten auf unsere Spur. Wir schlagen einen weiten Bogen, und zwei Tagesritte vor der Ostgrenze des Reservates lassen wir alles ungeschoren. Niemand darf ahnen, daß wir es waren, die angriffen, die das Land der Apachen mit Mord und Tod überzogen. Denn nur so werden wir siegen: wenn wir wie die Schlange zupacken und wieder verschwinden.« Das Wort des großen Häuptlings war Befehl. Auf dem Rückzug hinterließen die Indianer blutige Spuren. Sie überfielen Postkutschen, Farmer, Rancher, einsame Trapper und Goldschürfer. Länger als zwei Wochen dauerte der Heimritt der Mimbrenjos und Tontos in die Geborgenheit der San Carlos Reservation.
Niemand ahnte, daß ausgerechnet Victorio es gewesen war, der Colonia Marelas beinahe dem Erdboden gleichgemacht hatte. Denn die jungen Krieger, die Halbwüchsigen der Mimbrenjos, sorgten während Victorios Abwesenheit für so viel Unruhe und Überfälle, daß sie wie die Raubzüge erfahrener Krieger wirkten. Und genau das war Victorios Absicht gewesen. Als er wieder im San Carlos Reservat eintraf, standen die ersten Mexikaner auf der Höhe des Apache-Passes, um sich bitter bei Thomas Jeffords zu beklagen. * Der Postmeister der Butterfield-Linie war ganz und gar nicht mit der Entwicklung zufrieden. Judith Willard fügte sich in das Team der Männer ein, als wäre sie schon immer dabeigewesen. Burt Kelly und Norbert Walker überboten sich darin, der jungen Frau Holz zu hacken, ihr schwere Arbeit abzunehmen und den Kleinen zu beschäftigen. Rick fühlte sich wohl auf der Paßhöhe, wohler als im San Simon Valley. Denn dort war er allein und hatte nur Dad und Mamy zum Spielen gehabt. Hier gab es wesentlich mehr Pferde, eine wunderbare Schmiede, den großen Stall und Burt und Norbert. Sandy Willard war selten bei seiner Frau. Er nahm so viele Fahrten an, daß er fast ständig auf einer Kutsche als Begleiter saß. Der ehemalige Farmer wollte so schnell wie möglich das Geld für die Weiterreise zusammenbekommen. Mindestens jede zweite Tour brachte die Fahrer der Butterfield in Schwierigkeiten. Aber all die alten, erfahrenen Kutscher waren der Meinung, daß sie es mit jungen Kriegern zu tun hatten, die die Wagen angriffen. Thomas stand vor der Station und sah zu, wie Sam Jackson die Bremse löste. Die Peitsche knallte über den Pferderücken, und die Tiere gingen an.
Grüßend senkte Jackson den Stiel seiner langen Peitsche, als er am Postmeister vorbeirollte. »Ich hoffe, ihr kommt ungeschoren nach Tucson«, sagte Jeffords, als der Wagen ein paar Längen entfernt war. »Du bist mit deinen Wünschen ziemlich unverschämt geworden, Boß«, sagte Norbert Walker, der aus der Schmiede kam. Bitter lächelte Thomas, als er den Freund so reden hörte. Aber er hatte recht. Ein solcher Wunsch war schon ziemlich hoch gegriffen. Denn in letzter Zeit griffen die Apachen alles an, was sich auch nur zu bewegen wagte. »He, Leute, ein Dutzend Reiter halten auf den Paß zu!« rief Burt Kelly von seinem Hochsitz in den Felsen herab. Die Männer am Paß waren dazu übergegangen, An- und Abfahrten der Kutschen zu beobachten und das Land unter Kontrolle zu halten. Zumindest in unmittelbarer Nähe des Passes ließen sich die Indianer nicht mehr zu Überfällen hinreißen. Aber dieser Erfolg hatte einen Beigeschmack von Bitterkeit, wenn die Männer der Butterfield daran dachten, daß die Apachen nun in sicherer Entfernung die Passagiere und Fahrer töteten und nach getaner Arbeit wieder in der Unwegsamkeit des Landes verschwanden. »Indianer?« fragte Jeffords. »Sieht nicht so aus«, gab Burt zurück. Judith seufzte erleichtert. Seit dem Überfall auf ihre Farm bekam die junge Frau Todesangst, wenn sie nur daran dachte, daß sich Apachen bis zum Paß wagen könnten. »Scheinen Mexikaner zu sein, Boß«, rief Kelly nach einigen Minuten. »Was soll das bedeuten?« fragte Jeffords. »Das wirst du in spätestens einer Stunde erfahren«, knurrte Walker und ging in die Schmiede zurück. »Der Anführer ist herausgeputzt wie ein Zirkusgeneral«,
meldete Burt kurze Zeit darauf. »Es sind genau vierzehn Reiter. Aber nur ein Zirkusclown ist dabei. Mann, hat der 'nen Hut auf. Die Federn hängen ihm bis auf die Schultern runter.« Jeffords fiel ein, daß die Offiziere der mexikanischen Miliz derartige Hüte zu ihrer Paradeuniform trugen. »Alles Mexikaner?« fragte er deshalb. »Nein, auch vier Weiße sind dabei«, meldete Kelly. Der Postmeister befahl: »Okay. Stellt Wein, Whisky, Kaffee und alles, was wir bieten können, bereit! Das sieht mir nach einem offiziellen Besuch aus.« Judith Willard hantierte flink und geschickt im Gastraum. Innerhalb kurzer Zeit hatte sie den Tisch gedeckt. Thomas blickte durchs Fenster und war zufrieden. Diese junge Frau machte ihre Arbeit tadellos. Jeffords dachte, daß Judith besser in ein gut geführtes Speisehaus paßte als in die Wildnis, auf eine Farm. Norbert Walker kam aus der Schmiede. Zwischen den Hammerschlägen hatte der knorrige Posthelfer ein paar Wortfetzen aufgefangen. »Federn, Burt?« fragte er. »Ja, 'ne ganze Menge, und bunt wie Lulus Kostüm im Arizona Palace in Tucson.« »Vielleicht ist es nur ein Papagei«, frotzelte Walker. »Dir traue ich schon zu, daß du 'nen Papagei nicht von 'ner bunten Uniform unterscheiden kannst.« Burt stemmte sich zwischen den Felsen hoch, so daß sein Oberkörper zu sehen war. Eine Flut von Verwünschungen prasselte auf Norbert Walker herab, der Kellys Ausbruch gelassen hinnahm. Als Walker Jeffords gerunzelte Stirn sah, sagte er: »Boß, Burt hat sich heute noch gar nicht aufgeregt. Besser, er dreht jetzt durch als später. Stell dir vor, diese Abordnung hockt hier herum, schlürft unseren Kaffee, unseren Whisky, und dann bekommt Burt seinen Rappel.«
Kelly schnellte ganz aus seinem Felsensitz heraus, rutschte mit dem Hosenboden über die abschüssige, von Wind und Wasser geglättete Rinne. Inmitten einer Wolke aus Staub und mürbem Gestein landete der Posthelfer neben dem umzäunten Weideplatz für die Pferde. Mit langen Schritten kam Burt auf Jeffords und Walker zu. Das Gesicht des Beobachters hatte die Farbe einer überreifen Tomate. Er öffnete den Mund, gestikulierte mit den Händen, knallte den Kolben der Winchester gegen den Corralpfosten und brachte schließlich nur heraus: »Sie sind gleich da!« »Irgendwas hat ihm die Sprache verschlagen«, sagte Norbert gelassen. »Vielleicht hat er wirklich 'nen Papagei gesehen und hielt ihn für einen Mexikaner. Kein Wunder, ein unerfahrener Mann verwechselt leicht so einen bunten Vogel mit einem Greaser im Sonntagsanzug.« Undeutbares Geblubber drang über Kellys Lippen. Er wandte den Kopf. Auf einmal hob Burt die Rechte mit dem Glas, deutete auf etwas und brachte ein »Gaahh« heraus. »Unsere Gäste«, stellte Jeffords fest, nachdem er sich umgedreht hatte. Die 14 Reiter verhielten ihre Tiere auf dem freien Platz vor dem spitzgiebeligen Haus der Station. Der Anführer trug wahrhaftig einen Federhelm und die Uniform der Mexikanischen Miliz. Steif salutierte der Mann und sagte: »Ich bin Juan Manuel Rodrigo Alvarez del Banega Duraho Ramirez Escobar.« Walker drehte sich um. Der »Papagei« sollte das Grinsen nicht sehen, das sich der knorrige Mann nicht verkneifen konnte. »Großer Moses«, flüsterte Kelly, der die Sprache wiedergefunden hatte, »warum zählt er sämtliche Vorfahren auf? So lange sind die Burschen ja nun auch noch nicht in Mexiko.«
Jeffords war der theatralischen Situation gewachsen. Er blieb ernst, verbeugte sich leicht und sagte schlicht: »Thomas Jeffords, Postmeister der Butterfield Overland Stage Line in Arizona und Stationsleiter am Apache-Paß.« »Oh, Mann«, murmelte Walker, »wenn das ein Mexikaner hört, denkt er auch an sämtliche Vorfahren unseres Bosses.« »Willkommen«, fuhr Thomas fort, »ich ließ einen kleinen Imbiß vorbereiten, Senores. Sitzen Sie ab. Sie sind Gäste der Butterfield Line, und auch meine persönlichen.« Der Bursche mit dem gefiederten Hut zögerte. »Sir«, sagte er steif, »vielleicht schwindet Ihre Gastfreundschaft, wenn Sie den Grund unseres Besuches erfahren.« »Der Gast ist heilig«, antwortete Jeffords mit unbewegter Miene. »Aber wenn Sie erst reden wollen, bitte.« »Wir kommen aus der Provinz Sonora«, begann der Mexikaner. »Ich bin der Kommandierende der Miliz. Die Kleinstadt Colonia Marelas wurde von aufständischen Apachen niedergebrannt. Kaum ein Einwohner überlebte das Massaker. Tausende von Pesos in gemünztem und ungemünztem Gold und Silber schleppten die roten Hunde davon.« »Wo war denn die Miliz, als der Überfall stattfand?« fragte Walker seinen Freund Burt. »Die wenigen Überlebenden sagten aus, daß die Hauptstreitmacht der Indianer aus Tontound Mimbrenjoapachen bestand«, fuhr der Kommandeur der Miliz fort. »Wir wissen, daß Sie mit dem obersten Jefe der Rothäute freundschaftlich verbunden sind. Wir kamen hierher, um uns zu beschweren, Senor Jeffords. Sie reden vom Frieden. Sie sprachen davon, daß es leicht sei, mit den Apachen zu leben. Aber Hunderte Frauen, Kinder und Männer sind jetzt tot. Ist das der Frieden, den Sie meinten?« Thomas Jeffords verspürte eine Gänsehaut. Eine unsichtbare Faust schien nach seinem Herzen, nach seinem Gehirn zu
greifen und beide Organe gewaltsam zusammenzupressen. Was war geschehen? »Sitzen Sie ab, Sie sind meine Gäste«, wiederholte der Postmeister mit brüchig klingender Stimme. Jetzt, nachdem der Mexikaner seine Anklage losgeworden war, nahm er das Angebot an. Die wenigen Weißen, die den Trupp begleiteten, wirkten ängstlich und verstört. Jeffords fragte sich, was diese Männer bei der Abordnung zu suchen hatten. Er sollte es bald erfahren. Der uniformierte Mexikaner trat als erster in den Gastraum der Station und begrüßte Judith Willard mit formvollendeter Grandezza. Während des Essens sprach niemand von dem Massaker der Apachenstämme in Sonora. Aber als der Whisky in den Gläsern schimmerte, als der Anführer der Mexikaner einen langen pechschwarzen Zigarillo anbrannte und eine duftende Rauchwolke ausstieß, wurden die Amerikaner in seiner Begleitung unruhig. Ihnen entging völlig der Sinn der Mexikaner für ein Gastmahl. Sie begriffen nicht, daß das Leben verschiedene Dinge für einen Menschen bereithielt. »Bitte, Senores«, sagte der Mexikaner und nickte seinen amerikanischen Begleitern zu. »Mr. Jeffords«, begann ein untersetzter Mann, dessen graue Augen Wut und Trauer ausdrückten, »meine Schwester ist tot. Meine Frau ebenfalls. Unsere Tochter lebt in Tucson in einem Pensionat. Das allein hält mich aufrecht. Die Apachen – es waren mindestens zweihundert – überfielen unsere Ranch nahe der Grenze. Die anderen Gentlemen hier haben das gleiche zu berichten. Die verdammten Rothäute fielen wie ein Heuschreckenschwarm über uns her. Ich habe anschließend unsere Nachbarn gesucht. Sie sind alle tot, skalpiert, grauenhaft zugerichtet. Ich frage Sie: was werden Sie dagegen unternehmen? Sie sind doch Cochises Freund. Er ist der Chief aller Stämme. Was passiert in Arizona?«
Jeffords blickte zu Judith. Sie hielt die Faust vor den Mund gepreßt, als wollte sie gewaltsam einen Schrei zurückhalten. Der Postmeister erklärte den 14 Männern, daß Cochise zwar der oberste Führer der Stämme war, daß aber die einzelnen Jefes nur dann auf ihn hörten, wenn sie es für sinnvoll hielten. Der aufgeputzte Mexikaner stand auf, als draußen Räder knarrten. Die Kutsche von Westen traf ein. »Wir sind auf dem Weg zu Generalissimo Howard«, sagte Escobar. »Er ist der Kommandant aller Truppen der Union. Wir verlangen von ihm, daß die Kavallerie dem Treiben der Apachen Einhalt gebietet. Wir folgten der Spur des Todes, die den Rückmarsch der Krieger kennzeichnet. Darum kamen wir von Osten. Wir bitten Sie nochmals, Senor Jeffords, tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht.« Der Postmeister versprach es. Aber er wußte, daß dieses Wort von ihm eben nur ein Wort war, mehr nicht. Denn Cochise hatte mit alldem nichts zu schaffen. Er lebte friedlich in seiner Bergfestung, in der Apacheria, und dachte über seine schwere Niederlage nach. Die zehn Mexikaner und vier Weißen ritten davon. Fünf Männer betraten den Gastraum. Die Passagiere der Stagecoach hatten genug Staub geschluckt. Sie gierten nach Wasser, Kaffee und Essen. »He, Darling, hast du fünf Minuten Zeit für mich?« rief Sandy Willard draußen. Judith zögerte, blickte Jeffords an, der ihr zunickte. Thomas wußte, daß die beiden in den letzten Tagen nicht viel voneinander gehabt hatten. Die junge Frau lief hinaus, umarmte ihren Mann und küßte ihn leidenschaftlich. * Als die Kutsche fertig war, neue Pferde in den Geschirren
standen, die Passagiere ihren Durst gestillt hatten und umständlich wieder einstiegen, kam die Stagecoach aus der Gegenrichtung an. Jim Knowles war der Begleiter neben dem Fahrer auf dem Bock. Der graubärtige Oldtimer grinste verschlagen, als er Willard sah, der sich gerade auf den Sitz schwingen wollte. Aber die Nachrichten der anderen Männer waren vielleicht wichtig für die Weiterfahrt. Knowles zog Sandy zur Seite. »Paß auf«, sagte der Graubart, »egal, was du hörst, es war ganz anders. Wir haben nämlich einen jungen Apachenkrieger geschnappt. Eigentlich war der Kerl noch ein Kind, aber giftig wie eine Klapperschlange. Er wurde erst friedlich, als ich anfangen wollte, ihn zu skalpieren. Aber dann prahlte er. Bald hätten wir verdammten Weißen ausgespielt, sagte er. Die Krieger seien mit einer Unmenge Gold und Silber aus Mexiko ins San Carlos Reservat zurückgekehrt.« Argwöhnisch starrte Knowles den Kutschenfahrer an, der sich ihm näherte. Aber der Mann ging ins Stationsgebäude. »Was hat das alles mit mir zu tun?« wollte Sandy wissen. »Mann, sei doch kein Narr«, entgegnete Jim. »Die Rothäute haben Gold und Silber. Die sind doch verrückt nach Whisky. Wir nehmen uns zwei Packtiere, beladen sie mit Fusel und reiten ins Reservat. Wenn wir den billigsten Indianerschnaps kaufen, zahlen wir für die Bottle achtzig Cent. Wir bekommen leicht acht oder zehn Dollar von den roten Brüdern.« Knowles wartete auf Willards Reaktion. Sandy begriff sofort. Das war die große, die einmalige Chance für ihn und seine Familie. Auf diese Art konnte er leicht 200 oder mehr Dollars machen. Das garantierte die Weiterreise in ein besseres, friedlicheres Land. Außerdem tat er ein gutes Werk, wenn er den Apachen ihre Beute abnahm. »Bring mir jeden Dollar, den du hast«, flüsterte Knowles.
»Schnell, gleich geht es weiter! Nimm dir ein paar Tage frei. Wir treffen uns am Bryce Peak, an der Südseite, okay? Ich sorge für alles.« Und ob Sandy Willard einverstanden war. Er lief in die Station, holte aus dem Zimmer, das er mit seiner Frau bewohnte, die gesamte Barschaft und gab die Dollars dem alten Jim. Aber dann blieb kaum noch Zeit. Die Kutschen mußten weiter, denn der Fahrplan sollte eingehalten werden. »In vier Tagen«, raunte Knowles noch. »Ich schmeiße in Tucson die Brocken hin. Jetzt machen wir das große Geld, Partner.« Die beiden Kutschen rollten an. Zugleich erreichten sie die Straßen, die nach Osten und Westen führten. Wenig später erinnerte nur noch das Geschrei der Fahrer und das Knarren der Räder daran, daß vor wenigen Minuten zwei Fahrzeuge der Butterfield Line hier haltgemacht hatten. Während der nächsten Tage brachten Reiter immer wieder Kunde von Überfällen auf einsam gelegene Ranches und Farmen. Ein alter Goldsucher trieb auf seinem Muli ein dürres, ausgemergeltes Pferd vor sich her, das zwei tote Männer trug. Arizona brannte. Die Apachen schlugen zu und verschwanden wieder. Kein Mensch wußte zu sagen, welchem Stamm die Marodeure angehörten, woher sie kamen und wo sie blieben. Vier Tage später bat Sandy Willard um Urlaub. Seine Frau stand verwundert dabei, als ihr Mann mit Jeffords redete. »Okay, Mr. Willard«, sagte der Postmeister, »das kommt nur etwas plötzlich. Darf ich wissen, was Sie vorhaben?« Sandy lächelte zuversichtlich, als er antwortete: »Nun, es ist eine Chance für mich, für uns, meine ich. Wenn's klappt, können Judith, Rick und ich in ein paar Tagen schon weiterziehen.« »Was passiert, wenn es nicht klappt?« fragte Jeffords. Willards Lächeln gefror. »Dann bin ich sicherlich tot«, murmelte er. »Sandy!« Judith war entsetzt. »Was hast du vor? Laß es sein.
Wir kommen doch gut aus und können sogar noch Geld zur Seite legen. In einigen Monaten sind wir soweit.« Aber ihr Mann schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein«, sagte er, »es ist egal, ob ich jeden Tag meine Haut zu Markte trage und ein paar lausige Bucks dafür bekomme, oder ob ich einmal versuche, mein Glück zu machen. Setze ich auf diese Karte, Judith, geht eben alles schneller: entweder klappt es, oder ich sterbe. Es bleibt sich gleich, verstehst du? So oder so erwischen mich die verdammten Apachen eines Tages.« Jeffords schwieg. Es war nicht seine Sache, dem Mann einen unsinnigen Gedanken auszureden. Aber wenn Thomas von Willards Plan gewußt hätte, wäre er sicher mit aller Gewalt dagegen vorgegangen. Denn Whisky in Apachenkehlen das konnte nur Blut und Tod bedeuten. Judith ließ die flehend erhobenen Arme sinken. Etwas Fremdes ging von ihrem Mann aus. Sie stellte fest, daß plötzlich eine andere Seite seines Charakters zutage kam, die sie bisher nicht gekannt oder bemerkt hatte. Schweigend verfolgten sie und Jeffords, wie Sandy seine Waffen überprüfte und das schwere Ackerpferd sattelte, das sein Eigentum war. »Good bye!« rief Willard und winkte kurz mit der Rechten. Jeffords beobachtete Judiths ungläubiges Gesicht. Ihr Atem ging schnell und stoßweise. »Er kommt nicht zurück«, sagte sie kaum hörbar. »Er reitet in seinen Tod.« Abrupt drehte sich die junge Frau um und ging in ihr Zimmer, wo ihr kleiner Junge Rick in seiner alten, ausgepolsterten Werkzeugkiste schlief. * Die Strecke vom Apache-Paß bis zum Bryce Peak betrug gut 60
Meilen. Das schwerfällige Tier war ausgeruht. In der Station hatte es Körnerfutter bekommen und so viel Kraft gesammelt, daß es unermüdlich ausschritt. Sandy war auf der Hut. Ständig beobachtete er die Umgebung. Jeder nur kopfgroße Stein konnte einem Apachen als Deckung dienen. Aber das Land war wie ausgestorben. Nicht mal ein Tier entdeckte Willard auf seinem Ritt nach Norden. Am späten Nachmittag erreichte Sandy die Ausläufer des Waldes, der sich vom Berg bis in die Ebene erstreckte. Ein Adler zog weit oben am Himmel seine Kreise. Und kurze Zeit darauf trieb der alte Jim Knowles sein Pferd aus einem dicht wuchernden Gebüsch heraus. »He, Sandy«, rief der Alte, »komm hierher. Die beiden Packtiere stehen sicher.« Willard änderte die Richtung seines schweren Pferdes. Krachend brachen die Zweige, als das massige Tier, das bisher nur vor Pflug und Wagen gegangen war, durch das Unterholz brach. Staunend musterte Sandy die großen Packlasten auf den beiden Reservepferden. Mindestens 100 Flaschen Whisky trugen die Gäule. »Das ist unser Schatz«, sagte Knowles kichernd. »Sandy, wir machen das Geschäft unseres Lebens.« Willard fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. 100 Flaschen zu je acht Dollar. Wenn alles gutging, zu zehn Bucks. Das war ein runder Tausender. Und mit seinem Anteil von 500 Greenbucks konnte Sandy wirklich weiterziehen und irgendwo eine neue Chance suchen. »Okay, wunderbar«, sagte er mit mühsam gezügelter Erregung, »aber wo finden wir die Indianer? Wie kommen wir mit ihnen zu dem Handel. Sie ziehen uns vorher die Haut ab, kassieren den Whisky und besaufen sich.« Knowles winkte gelassen ab. »Hier nicht, Partner. Wir sind nach einer Meile im Reservat. Die Rothäute hüten sich, hier
einen Weißen umzubringen. Es sei denn, sie sind stockbetrunken.« »Das sind sie nach einer Stunde«, brummte Sandy. »Was passiert dann, Mr. Jim Knowles?« »Dann wollen sie noch mehr«, behauptete der Graubart. »Und ist dieser Moment erst mal erreicht, schlagen wir die Kerle prächtig übers Ohr. Verlaß dich ganz auf mich, Partner. Ich habe in Texas den Comanchen ein paar hundert Gallonen Schnaps verkauft. Haben die Kerle erst mal an der Pumaspucke geschnuppert, geben sie alles dafür her. Die Apachen sind nicht anders. Darauf verwette ich meinen Kopf. Komm, reiten wir los. Wir werden sicher schon beobachtet. Die Burschen fragen sich jetzt neugierig, was wir wollen. Sie sollen es bald erfahren.« Als die Sonne im Westen versank und die Landschaft in einen merkwürdig fahlen Schein tauchte, erschien plötzlich ein Indianer. Er ritt auf seinem Pony um einen Felsenhügel herum und hielt genau auf die zwei Weißen zu. »Laß mich reden«, sagte der Alte und setzte sich im Sattel zurecht. Der Apache zügelte sein Pferd drei Längen vor den beiden Weißen. »How«, grüßte Knowles und streckte beide Hände, mit den Flächen nach vorne, vor. »Wir kommen in Frieden und wollen mit den tapferen Kriegern Handel treiben.« Der rote Mann grinste belustigt und fragte: »Was haben die Bleichgesichter schon, das ein Krieger braucht? Die Apachen besitzen alles, was sie wollen, denn dies ist unser Land. Und wir nehmen uns, was wir wollen.« »Die Krieger machten Beute, wir hörten es«, bestätigte Jim listig. »Aber trinken die Krieger jetzt Tizwin? Haben sie das Feuerwasser der Weißen, das die Herzen stark macht?« Ein merklicher Ruck durchfuhr den Apachen. Feuerwasser! Diese weißen Händler brachten den Atem des Pumas ins
Reservat, in dem jeglicher Alkohol verboten war. »Wartet hier«, befahl er, zupfte am Zügel aus Pferdehaar, und willig folgte sein Mustang der Bewegung. Sandy beobachtete den Apachen genau, der die Ecke des Felsens erreichte und auf einmal nicht mehr zu sehen war. Es grenzt an Zauberei, dachte Willard. Aber die Kerle halten uns Weiße wirklich zum Narren. Für Sekunden flammte Besorgnis in ihm auf, aber der Gewinn, der dabei heraussprang, verdrängte schnell dieses Gefühl. Ein Dutzend Krieger hielt auf die beiden Weißen zu. Aus allen Richtungen trabten die Ponys heran. Innerhalb weniger Sekunden waren Jim und Sandy von Apachen umringt. »Gebt uns das Feuerwasser«, verlangte ein gedrungen wirkender Typ, der wohl der Anführer dieser Gruppe war. »Was bekommen wir von euch?« wollte Knowles wissen. »Der Whisky ist teuer, und wir gehen ein großes Risiko ein, wenn wir euch damit beliefern. Denn der Soldatenhäuptling hat es verboten.« Der untersetzte Apache machte eine herrisch wirkende Handbewegung. Plötzlich hielten die Krieger Tuch- und Fellbündel in den Händen, in denen es klimperte. Die Weißen saßen ab, feilschten mit den Rothäuten um den Wert einer Flasche Whisky. Sie einigten sich auf genau zehn Dollar. Ein Berg von Münzen wuchs vor Jim und Sandy auf. Die Krieger nahmen ein Packpferd und führten es davon. »He, und der Gaul?« flüsterte Sandy. »Halt um Gottes willen deinen Mund«, zischelte Jim. »Wir dürfen die Kerle nicht verärgern.« Wie aus dem Nichts tauchten immer mehr Apachen bei den Weißen auf. Es dauerte nicht lange, bis die Krieger angetrunken waren. Sie tanzten, formierten sich zu einem Kreis und
stimmten ein Singsang an, das auf die zwei Whiskyverkäufer wild und furchterregend wirkte. Ein Indianer brachte eine Trommel, ein anderer eine Rassel, ein mit kleinen Steinen gefüllter Schildkrötenpanzer, und ein dritter Apache kam mit einer Fiedel heran. Das ausgehöhlte Holz war etwa einen halben Yard lang und leicht gebogen. An der breiteren Seite stak ein Zapfen in diesem Klangkörper, von dem zwei Hirschsehnen zum anderen Ende führten. Mit einem kurzen Bogen, dessen Sehne aus Pferdehaar bestand, vollführte der Indianer sägende Bewegungen. In das monotone Pochen der Trommel mischten sich die Geräusche der Rassel und der ungewohnte Klang der Apachenfiedel. Die Krieger tanzten um die kleine Kapelle herum. Immer wieder hoben sie Flaschen an die Lippen und tranken. Es dauerte nicht lange, bis die ersten leeren Glasgefäße auf Steinen aufgestellt wurden. Mit den Kriegskeulen warfen die betrunkenen Indianer auf ihre Ziele. Sie freuten sich wie Kinder, wenn sie eine Flasche trafen und die Splitter umhersausten. Mehr als 80 Indianer gerieten in Ekstase. »Es wird Zeit«, murmelte Jim Knowles, der die Krieger aus zusammengekniffenen Lidern musterte. Die ersten Flammen loderten auf. Wie gespenstische Schatten umzuckten die Leiber der Rothäute die flackernden Lichtreflexe. »Pack das Geld unauffällig ein«, wies Jim seinen Partner an. »Wir verschwinden, ohne uns zu verabschieden. Die Kerle sind mir zu wild.« Sandy schaufelte den Berg Münzen, der aus Mexikanischen Pesos und Dollars bestand, in einen Leinenbeutel. Daß ein paar Hände voll Sand mit den letzten Geldstücken in dem Sack landete, störte Willard nicht. Hauptsache war für ihn, daß er die Beute in den Händen hielt.
Hier packte er mit beiden Fäusten den neuen Anfang, die Grundlage für ein neues Leben in einer anderen Region. Nun kam es nur noch darauf an, sich ungeschoren zu verdrücken. Langsam zogen sich die beiden Männer zu ihren Pferden zurück. Die grasten einige Yards weiter hinter ihnen. »Feuerwasser ist wie der Atem des Pumas!« brüllte ein Apache und breitete die Arme aus. In der linken Hand hielt er eine Flasche, setzte sie an die Lippen, wollte trinken, aber kein Tropfen befand sich mehr in dem Glas. Mit einer unbeherrschten Bewegung warf der Krieger die Flasche auf den Boden. Sie zersplitterte an einem Stein. »He, Bleichgesichter, Händler, ich will mehr von diesem brennenden Wasser! Ich will stark wie zehn Pumas sein, damit ich euch morgen die Skalps nehmen kann!« rief der Apache lallend. »Weg von hier!« zischte Knowles seinem Kumpel zu. »Nichts wie weg, sonst wird's brenzlig für uns.« Aber es war zu spät. Zwei Dutzend anderer Krieger stellten ebenfalls fest, daß sie keinen Tropfen mehr besaßen und liefen torkelnd auf die weißen Halunken zu. Sandy zog den Colt, spannte den Hahn und hob die Rechte mit der Waffe. Jim Knowles Gesicht schimmerte unnatürlich bleich im Schein des Mondes. »Mann, nicht schießen«, sagte der Oldtimer scharf, »die zerlegen uns mit bloßen Händen.« »Feuerwasser!« schrien die Krieger, die einen Kreis um die Weißen geschlossen hatten. »Hört zu!« rief Knowles. »Wir haben nichts mehr, das seht ihr doch. Okay, wir machten ein Geschäft miteinander. Aber nun ist Schluß. Wir können uns schließlich keinen Whisky aus den Rippen laufen lassen. Wir reiten jetzt. In zwei Tagen sind wir wieder hier und bringen vier Packlasten Feuerwasser mit. Doch
wenn ihr uns nicht ziehen laßt, bekommt ihr überhaupt nichts mehr. Das begreift ihr doch.« »Feuerwasser«, murrten die Apachen und zogen den Kreis enger. Die Trommel pochte immer noch. Monoton drang das scharfe Rasseln der Steine im Schildkrötenpanzer durch die Nacht. Mit schrillem Mißklang rissen die Saiten der Fiedel. »Verdammt, wir haben nichts mehr!« rief Jim so laut er konnte, aber die Apachen waren zu betrunken, um seine Worte zu begreifen. Die Indianer erkannten nur, daß ihnen die beiden Bleichgesichter den Schnaps verweigerten. Immer enger zogen die Rothäute den Kreis. Sie hatten sich den zwei Männern bis auf Armeslänge genähert. »Ihr nahmt unser Gold, unser Silber«, sagte ein Krieger. »Ihr gebt uns kein brennendes Wasser mehr. So nehmt jetzt dies!« Dolchklingen blitzten im Feuerschein auf Sandy Willard stellte verwundert fest, daß das Sterben ganz leicht war. Es tat kaum weh. Und als die Schmerzwelle sein Gehirn erreichte, war er schon tot. Jims Rechte umkrampfte den Griff des Revolvers. So starb der Oldtimer, der in Texas 100 Gallonen Whisky an die Comanchen verkauft hatte. Die ganze Nacht tanzten die Krieger zu dumpfen Trommelschlägen. Erst gegen Morgen wurden sie halbwegs nüchtern. Aber der Schnaps der Weißen, die reglos neben dem Tanzplatz lagen, hatte die Gier der Indianer noch verstärkt. Diejenigen, die wieder einen halbwegs klaren Kopf hatten, berieten sich am heruntergebrannten Feuer. »Ein Bleichgesicht lebt am Rande des Reservates«, sagte der untersetzte Krieger, der in der Nacht den Mord an den zwei Weißen ausgelöst hatte. »Seine Rinder weiden auf unserem Land, das der Vater der Pferdesoldaten für ewige Zeiten den Apachen zugeteilt hat.«
Das genügte schon. »Töten wir ihn!« drang es aus vielen Kehlen. Und wenige Minuten später lagen nur jene Krieger schlafend in der Morgensonne, die vergangene Nacht zuviel Schnaps getrunken hatten. Nach einem wilden Ritt von einer Stunde erreichten die Apachen die Ranch. Sie lag tatsächlich gegen jedes Gesetz auf dem Gebiet des Reservates. Der Besitzer hatte einen breiten Grünstreifen, der mit gutem Gras bewachsen war, einfach zu seinem Eigentum erklärt. Die Rinder tränkte der Mann, der eine Frau, einen halbwüchsigen Sohn und eine kleine Tochter hatte, im Eagle River, der hier die Grenze des Revervats bildete. Es dauerte nicht lange. Eine Viertelstunde nach dem Eintreffen der Apachen lebte kein Weißer mehr auf der Ranch. Flammen schlugen aus dem Holzhaus hoch gen Himmel. Die Rauchschwaden stiegen in einer mächtigen Säule auf und zerfaserten erst in großer Höhe im Wind. Die Krieger erbeuteten einige Flaschen Schnaps und setzten ihre Sauferei auf dem Rückweg fort. Ein paar Nachbarn rafften all ihren Mut zusammen, ritten zur brennenden Ranch und begruben die Toten. Anschließend galoppierten zwei Männer nach Südosten, zum Apache-Paß, auf dessen anderer Seite Fort Buchanan lag. Die Männer wollten General Howard sprechen. Denn es war an der Zeit, daß die Überfälle und Raubzüge der Apachen aufhörten, die Kavallerie ihnen irgendwie Einhalt gebot. * Der einarmige Bürgerkriegsgeneral war der Oberkommandierende aller Truppen des Südwest-Territoriums. Er saß hinter dem Schreibtisch in Fort Buchanan und hörte den zwei breitschultrigen Ranchern zu, die östlich der San Carlos Reservation ihre Ländereien besaßen.
»Sir, so geht das nicht weiter«, sagte Doolin. »Ich habe sechstausend Rinder auf dem Huf. Bisher bin ich nur ungeschoren geblieben, weil neun Cowboys auf meiner Lohnliste stehen. Die Apachen besitzen einen Heidenrespekt vor Winchestergewehren. Aber Rinken, seine Frau und die beiden Kinder sind tot.« Howards martialisches Aussehen täuschte die Rancher über die wahren Tatsachen hinweg: noch immer war Fort Buchanan stark unterbesetzt. Keine Schwadron besaß Sollstärke. Lediglich Offiziere gab es genug. Denn nach dem Sezessionskrieg bestand ein Überangebot an fähigen Truppenführern, die nun nicht mehr gebraucht wurden. »Sie müssen für Ruhe und Ordnung sorgen, General«, forderte der andere Rancher, der sich Dick Everett nannte. »Es ist die Pflicht der Army, die Siedler und Farmer zu schützen. Wenn es so weitergeht, zünden Ihnen die Roten eines Nachts Ihr schönes Fort über dem Kopf an.« »Und was schlagen Sie vor?« fragte Colonel White, der dem Stab des einarmigen Generals angehörte. Doolin holte tief Luft und antwortete: »Entweder sperren Sie jeden Apachen ins Reservat ein und ziehen eine Postenkette um das gesamte San Carlos-Gebiet, oder Sie bringen die Kerle dazu, endlich mit ihren Kleinkriegen aufzuhören.« Howard lächelte schmal. Das ließ sich von einem Zivilisten so einfach sagen. Aber woher sollte der Kommandeur die Truppen nehmen? Wäre das Fort voll besetzt gewesen, hätten Tag und Nacht Patrouillen das ganze Land durchstreifen und für Ruhe sorgen können. Aber so… »Gentlemen, Sie haben vollkommen recht«, sagte Howard schließlich. »So kann es nicht weitergehen. Ich lasse mir etwas einfallen. Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, daß es klappt und für alle Zeiten hier an der Indianergrenze die Kämpfe aufhören.«
In seiner Stimme schwang eine Sicherheit mit, die ihnen gar nicht bewußt wurde. Doch die Rancher schienen zufrieden zu sein. Sie verabschiedeten sich und verließen die Kommandantur. »Großartig, Sir«, sagte Colonel White beeindruckt. »Wenn Sie mir jetzt noch verraten, was Sie sich einfallen lassen…« Howard lächelte bitter. »Holen Sie Walman«, bat er. »Gemeinsam müssen wir doch zu einem Ergebnis kommen.« White gab der Ordonnanz einen Befehl, und der Mann lief los. Colonel Walman war wenige Minuten später zur Stelle. In der Zwischenzeit hatte der General mit seinem einzigen Arm eine große Karte des Südwestterritoriums auf dem großen Tisch ausgebreitet. Als die beiden hohen Offiziere näher traten, schlug Howard mit der Faust auf das Kartenblatt und sagte erregt: »Sehen Sie sich das an. Sie kennen das Gebiet. Wie können wir mit unseren wenigen Dragonern für Ruhe und Frieden sorgen? Vorschläge, meine Herren. Ich erwarte, daß Sie sich äußern.« Walman musterte White, der sich über den Schnurrbart strich. Der hochgewachsene Offizier schien eine Idee zu haben. Manchmal war er ein wenig zynisch seinen Untergebenen gegenüber, aber er hatte als Soldat seine Verdienste. »Nun, Sir«, begann White, »was halten Sie davon, daß wir uns zurückziehen? Sämtliche Einheiten meine ich. Wir ersparen uns eine Menge Ärger und lassen die Siedler ihren Kampf allein ausfechten.« Howard stöhnte und erwiderte: »Ersparen Sie uns Ihren Zynismus, White. Haben Sie sonst noch was zu sagen?« Walman holte Luft. »Können Sie bei Sherman denn nicht durchsetzen, daß wir mehr Truppen bekommen, Sir? In Sollstärke muß es uns doch gelingen, die Apachen wenigstens in bestimmten Regionen zu halten.« Howard winkte ab, als er erwiderte: »Sinnlos, Walman. Der
Chef kann auch nicht gegen die Minister an. Das ist es ja gerade: einerseits gibt die Regierung das Gebiet hier frei, andererseits fehlen uns die notwendigsten Mittel, das Land zu befrieden.« »Dann sehe ich nur einen Weg«, sagte Walman. Er wies nach Südwesten. Dort lagen die Dragoon Mountains. Hoch in den Bergen, in einem unzugänglichen Tal, lebte Cochise mit seinen Chiricahuas. Der fast schon legendäre Oberhäuptling aller Stämme war ihre letzte Chance. Howard nickte und sagte: »Das habe ich befürchtet. Es ist wirklich der letzte Ausweg. Hoffen wir auf Erfolg. Bereiten Sie alles vor, Walman. White übernimmt das Kommando im Fort. Sie und Haggerty reiten mit.« »Ohne Begleitung, ohne Dragoner?« fragte White ungläubig. »Ja, wir wollen keinen neuen Krieg anfangen, Colonel«, antwortete der General. »Zuerst suchen wir Thomas Jeffords auf. Er kennt Cochise am besten. Wir brauchen den Postmeister. Wenn seine Freundschaft auch nur einen Cent wert ist, kommen wir wenigstens mit heiler Haut wieder davon.« Walman grüßte kurz und ging nach draußen. »Nehmen Sie zumindest zwei Abteilungen mit, Sir«, drängte White. »Die Männer brauchen ja nicht in Cochises Gebiet zu reiten. Aber vielleicht benötigen Sie Kuriere.« Howard überlegte. »Einverstanden«, sagte er schließlich. »Veranlassen Sie das.« Auch Colonel White verließ das Office des Generals. Auf dem Appellplatz wurde es lebendig. Howard lächelte, als er White fragen hörte: »Wo sind die beiden verrückten Texaner? Sie sollen den General begleiten.« Der Einarmige hatte die Texaner wegen Beleidigung eines Vorgesetzten zu zwei Tagen Arrest verurteilen müssen. Diese Mordskerle waren beinahe eine Viertelschwadron wert. Mindestens einmal jede Woche belobigte der General sie vor der gesamten Besatzung des Fortes. Doch ebensooft mußte er sie einsperren lassen, weil sie wieder
etwas ausgefressen hatten. »Holt sie raus, los!« befahl White. »Sie können den Rest ihrer Strafe später absitzen.« Es klopfte an der Tür. General Howard wandte sich um und forderte zum Eintreten auf. John Haggerty, der Chiefscout, glitt mit geschmeidigen Schritten ins Office. Der Fährtensucher trug wegen seiner Verdienste den Titel eines Lieutenants und das zu Recht. Denn er gehörte zu jenen Männern, die es immer wieder schafften, Streitigkeiten auszuräumen und die Apachen friedlich zu halten. Aber im Moment war auch er überfordert. Er strich, sich über das gewellte braune Haar, das ihm bis in den Nacken wuchs. »General, ich denke, Sie haben die einzige Möglichkeit ergriffen, die uns bleibt«, sagte Haggerty. »Mit etwas Glück ringen wir Cochise ein Versprechen ab, das uns Zeit gibt.« Howard setzte zu einer Antwort an, aber von draußen klang plötzlich Whites Gebrüll herein. »Was soll das heißen, die beiden weigern sich, die Arrestzelle zu verlassen?« schrie der Colonel voller Wut. »Sergeant O'Bannion, wenn diese Starrköpfe nicht in fünf Minuten vor mir stehen, stecke ich Sie zu den Kerlen in die Zelle. Unteroffiziere, die nicht mal einen einfachen Befehl ausführen können, werden nach Verbüßung ihrer Strafe in die Küche abkommandiert. Verstanden?« »Sir«, rief O'Bannion, in der Hoffnung, daß ihn der General hörte, »die Texaner berufen sich auf das Militärstrafrecht. Es ist verboten, rechtskräftig verurteilte Soldaten in den Einsatz zu schicken. Es sei denn, es liegt ein Notfall vor. Und sie behaupten, Sir, mit Verlaub, wenn der General spazierenreiten will, ist das kein Notfall.« John Haggerty trat ans Fenster und blickte hinaus. »White steht kurz vorm Platzen, Sir«, berichtete der Scout. »Sie sollten eingreifen, bevor was passiert.«
»Die Texaner haben recht«, entgegnete der General. »Ich hatte es im Moment vergessen. Aber ich möchte wissen, wer den Burschen das Militärstrafrecht erläutert hat. In Ordnung, ich begnadige sie.« Howard schrieb ein paar Worte auf einen Zettel und rief die Ordonnanz. Es dauerte nicht lange, bis die Texaner feixend über den Platz marschierten und vorschriftsmäßig bei Colonel White Meldung machten. Der Oberst verkniff sich jeden Kommentar über die Geschichte. »Sie sind zu einem Sondereinsatz abkommandiert«, sagte er nur. »Rüsten Sie sich vollständig aus. Sergeant O'Bannion führt die Abteilung. Wegtreten!« Brad und Zack salutierten, drehten sich um und schlenderten davon. »Siehst du, Zack«, sagte Brad, »auf Howie ist Verlaß. Ich wette, wir haben ein paar feine Tage vor uns.« »Ja, wirklich nett von ihm, an uns zu denken«, frotzelte Zack. »Ist ja richtig menschlich, uns zu 'nem feinen Spazierritt einzuladen. Allmählich wurde es in der Zelle langweilig.« Das gab White den Rest. Schnaubend ging er zum General zurück. Eine Stunde später verließ der Oberkommandierende des Südwestterritoriums Fort Buchanan. An seiner linken Seite ritt John Haggerty, dessen Wildlederkleidung seltsam fremd neben den blauen Uniformen anmutete. Rechts ritt Colonel Walman, und diesen dreien folgten die beiden Abteilungen. Am frühen Nachmittag erreichte der Trupp den Apache-Paß. Als sie vor dem wiederaufgebauten Stationsgebäude standen und absaßen, trat der Postmeister heraus. Er begrüßte Howard und führte ihn in den Gastraum. Judith Willards Augen waren rot, ihr Gesicht vom Weinen verschwollen. Sie wußte schon, daß ihr Mann nicht mehr lebte.
Sobald die Linien sicher waren, wollte sie mit Rick nach Tucson fahren, um sich dort eine Arbeit zu suchen. Kaffee dampfte in der Blechkanne. Walker und Kelly sahen dem General erwartungsvoll entgegen. Howard setzte sich und sagte: »Mr. Jeffords, ich brauche Ihre Hilfe. Das Land blutet, Menschen sterben täglich entsetzliche Tode. Ich habe keine andere Wahl, ich muß zu Cochise.« Jeffords hob die Brauen. Er versprach sich nichts von diesem Vorhaben. Howard war zwar sehr geschickt, wenn es um Verhandlungen ging, doch der Chief der Chiricahuas hatte sich fast völlig zurückgezogen. Das sagte Thomas auch und schloß: »Sir, wir riskieren nur unsere Skalps. Und das für einen mehr als zweifelhaften Erfolg.« »Ich habe keine andere Wahl«, sagte der General. »Mehr Soldaten bekomme ich nicht. Mexikanische Banditen machen die Grenze unsicher. Weiße Abenteurer plündern und morden. Dazu kommen zahllose Apachenbanden, die jede Nacht Schrecken verbreiten. Jeffords, ich beschwöre Sie: führen Sie mich zu Cochise. Er hat Einfluß auf die anderen Stämme. Er soll, er muß dafür sorgen, daß diese Kämpfe endlich aufhören.« Howard trank seinen Kaffee. Jeffords war klar, daß der General nicht so leicht aufgeben würde. Er hatte eine Aufgabe, sicher, aber Cochise saß in seiner Apacheria und haderte mit sich und der Welt. »Kommen Sie, Haggerty«, sagte der Postmeister und winkte dem Scout. John verließ mit Jeffords den Gastraum. Die beiden Männer gingen zum Corral, lehnten die Unterarme auf die oberste Stange und tauschten ihre Ansichten aus. »Ja, Cochise hat eine Menge Einfluß verloren«, sagte Haggerty. »Aber eben deshalb ist ihm daran gelegen, den anderen Häuptlingen zu zeigen, daß er der Jefe ist.« »Vergessen Sie nicht den Streit, den ich mit ihm habe«, sagte
Thomas. »Er lehnte die Verantwortung für die Überfälle auf meine Kutschen ab. Dabei hat er doch wirklich Einfluß auf die anderen Stämme. Doch er will damit nichts zu schaffen haben.« »Ich sehe das anders«, sagte der Scout. »Jetzt, nach diesem großen Kriegszug in Mexiko, droht Cochise durch Victorio große Konkurrenz. Die muß er niederdrücken. Es gibt eine Chance für uns, denke ich.« Sie unterhielten sich noch eine Weile, und schließlich stimmte Thomas Jeffords dem Plan des Generals zu. »Wir sollten sofort reiten«, sagte der Postmeister, »dann schaffen wir es noch bis zum Abend. Verhandeln können wir nicht mehr. Aber dafür ist morgen noch genug Zeit.« * Die Männer ritten schweigend nach Südwesten. Erst nach langer Zeit sagte Jeffords zu Howard: »Ihre einzige Chance liegt in dem Zwist zwischen den Chiricahuas und Mimbrenjos. Mangas Coloradas war der große Anführer dieses Stammes. Als er starb, übernahm Cochise die Macht. Darin sehe ich auch einen Grund für Victorios Feindschaft. Aber fordern Sie um Himmels willen nichts, General, bitten Sie.« Howard nickte. Nach einem langen Ritt erreichten die Männer die Dragoon Mountains. Jeffords hielt sein Pferd 20 Yards vor den anderen an. Immer höher türmten sich die Felsen zu beiden Seiten des Trails auf. Große Platten ragten wie Dächer weit über den Weg. Dort oben lauerten Krieger, das wußte Jeffords genau, aber er kümmerte sich nicht darum. Erst als sie den eigentlichen Zugang zu dem Tal in den Bergen erreichten, zügelte er seinen Fuchswallach. »General, Sie, Haggerty und ich reiten jetzt weiter. Der Colonel und die Soldaten müssen hierbleiben. Ich habe Cochise
versprochen, niemals eine Gruppe Soldaten in sein Reich zu führen.« Howard gab die entsprechenden Anweisungen. Die Texaner warteten keine weiteren Befehle ab. Sie kletterten auf zwei Klippen und beobachteten die Umgebung. Aber sie entdeckten nicht einen einzigen Krieger. Jeffords blieb zwei Pferdelängen vor seinen beiden Begleitern. Hier in den Bergen dämmerte es schon. Die Schatten verzerrten die bizarren Felsformationen zu merkwürdigen Gebilden. Nach zehn Minuten ritten sie über Grasboden. Es roch nach Wasser, und das war der Grund dafür, warum Cochise dieses sechs Meilen lange Tal als Zuflucht ausgesucht hatte. Es gab nur diesen einen Zugang, aber dafür Wasser und Gras. Ein Dutzend Krieger konnte die Apacheria monatelang gegen eine ganze Armee verteidigen. Howard musterte beeindruckt die Felswände, die riesigen Gesteinsblöcke, die der Kavallerie jedes Durchkommen unmöglich machen würden. »Cochise ist ein guter Stratege«, sagte der General. Sie ereichten das eigentliche Tal. »Warum werden wir nicht aufgehalten?« fragte Howard. »Fühlt sich der Jefe so sicher?« »Und ob«, antwortete Haggerty. »Wir werden beobachtet, seit wir auf die Dragoons zuritten. Da bin ich ganz sicher. Und jetzt sind schon Boten zu den anderen Häuptlingen unterwegs. Wenn Sie morgen mit den Verhandlungen beginnen, General, stehen Sie nicht nur Cochise, sondern auch den anderen Jefes gegenüber.« Minuten später kamen hinter einem Felsen zwei Indianer hervorgeprescht. Sie setzten sich an die Spitze der Dreiergruppe und führten sie zu einer Hütte, die etwas abseits stand. Jeffords erkannte Naiche, Cochises Sohn, der fast so groß wie
sein Vater war. Naiche wies auf die Jacales und sagte: »Der Gast ist uns heilig. Morgen wird Cochise euch anhören.« »Ist das alles?« fragte Howard ungläubig, als er absaß. »Ja, das ist alles«, antwortete Jeffords. »Wir müssen uns und die Tiere selbst versorgen. Schließlich sind wir keine Freunde, Sir.« Die Nacht verlief ungestört. Ab und zu erwachten die Weißen. Sie glaubten, Pferde gehört zu haben. Aber im Lager der Chiricahuas blieb alles ruhig. Am anderen Morgen erschien Naiche wieder vor dem Wickiup. Er führte die Männer zu Cochise. Howard musterte den riesenhaften Indianerjefe, der mehr als sechs Fuß aufragte. Der Häuptling war muskulös, von beeindruckender Statur, die Respekt verlangte. Das Gesicht des Chiefs wirkte unbewegt, als er die Weißen begrüßte. »Wir sind gekommen«, begann Howard, »weil wir eine Bitte an den großen Führer der tapferen Chiricahuas haben.« Cochise deutete auf den Boden vor dem Jacale. Seine Besucher setzten sich, und auch der Häuptling ließ sich nieder. Aus den Augenwinkeln sah Howard, daß Victorio und dessen Unterhäuptlinge Nana, Loco und Chato in der Hütte Platz nahmen. Santana, der Jefe der Tontos, gesellte sich zu ihnen. Unruhe ging von diesen Chiefs aus. Sie fürchteten wohl, daß der Soldatenvater Cochise irgendwelche Versprechungen abrang, die ihre Freiheiten begrenzten. »So sprich«, forderte der Häuptling den Offizier auf, und vollführte eine kurze Handbewegung. Howard holte tief Luft. Hier bot sich die einzige Chance, das Morden zu beenden. »Jefe, die Krieger der Apachen töten meine Landsleute. Sie rauben, legen Feuer und bringen Unruhe in dieses Land. Ich bin gekommen, dich zu bitten, deinen Einfluß geltend zu machen.
Du bist der große Führer. Du kannst die anderen Stämme davon überzeugen, daß ein Kampf gegen uns sinnlos ist. Wir wollen kein Blutvergießen, Cochise. Wir wollen in Frieden hier leben.« Der General schwieg, um die Wirkung seiner Worte zu registrieren. Aber dem Gesicht mit der scharfrückigen Nase und den dunklen Augen war keine Gefühlsregung anzumerken. »Ja, ihr kamt in dieses Land, das unser Land ist«, sagte Cochise. »Ihr habt Jacales aus Stein und Holz gebaut, als sollten sie viele hundert Sommer und Winter halten. Warum? Was sucht ihr hier? Es ist unser Land, Howard. Immer wieder töten Bleichgesichter Apachen. Nicht nur Krieger, nein, auch Frauen und Kinder fallen den Weißen zum Opfer. Was sagt euer Großer Geist dazu?« Howard seufzte. Es wurde schwieriger, als erwartet. »Ich verstehe die Apachen«, antwortete er. »Aber brennen nicht auch die Krieger Häuser nieder, in denen Frauen und Kinder leben? Töten die Krieger nicht auch Männer, die nie einen Indianer auch nur ein Haar krümmten?« Cochise schwieg eine Weile. Dann entgegnete er: »Dieses Land ist unser Land. Ihr Weißen wollt uns einsperren, zu Sklaven machen, die den Boden umgraben, um Mais zu pflanzen. Das ist nicht das Leben eines Apachen. Was sagst du, Howard, wenn morgen ein Mächtiger kommt, dich hinter einen Zaun sperrt und verlangt, daß du dort Eidechsen züchten sollst?« Auf diese Weise ging das Gespräch hin und her. Cochise war nicht bereit, auch nur in einem Punkt nachzugeben. Auch Howard beharrte darauf, daß die Indianer ihre Überfälle einstellen müßten. »Denn, wenn das Land brennt, Cochise«, sagte der General, »werden die Apachen völlig vernichtet.« Er ahnte den Einwand des großen Häuptlings und fuhr fort: »Dabei ist es vollkommen gleichgültig, was uns dies für Opfer kostet.« Haggerty sah sich um. Die Stimmung unter den anwesenden
Jefes war nicht gut. Naiche saß bei ihnen und hörte genauso gespannt zu wie die anderen. In einiger Entfernung hantierte Cochises Frau. Sein kleiner Sohn Nachise spielte mit einer Schleuder. Der etwa achtjährige Knabe erreichte schon beachtliche Weiten mit der Rohhautschleuder, die einen Stein bis über 100 Yards durch die Luft beförderte. Das ist es, dachte John Haggerty, die Kinder sind bereits so gut, wie ein durchschnittlicher Weißer im Kampf. Wenn Howard keinen Friedensvertrag erreicht, dann ist wirklich jeder Weiße Freiwild für die Apachen. »Zuerst kamen die Männer in Eisenrüstungen«, sagte der Chief. »Sie raubten und plünderten. Sie suchten Gold. Wir kämpften gegen sie, wie wir noch heute gegen ihre Nachfahren kämpfen. Jetzt kommen die Bleichgesichter wie Heuschrecken im Sommer über unser Land. Sag, Howard, sollen wir uns selbst töten? Sollen wir die Achtung vor uns selbst verlieren, einfach aufgeben und sagen: bitte, weißer Mann, hier ist das Land. Nimm es doch, wir wissen nichts damit anzufangen?« Howard wußte, daß er sich in der schwächeren Position befand, denn Cochise hatte recht. Seit Jahrhunderten gehörte dieses Land den Apachen. Aber die Weißen drängten ungestüm in jeden Winkel des Kontinents. Die Lebensweise der Indianer stand vor einer tragischen Umwandlung. Die Menschen der roten Rasse waren in der Minderzahl. Es gab nur drei Möglichkeiten für sie: sie mußten weichen, sterben oder sich anpassen. Howard war überzeugt davon, daß auch Cochise das wußte. Aber der Jefe wollte den Stämmen die Heimat erhalten, ihre Sitten und Gebräuche sichern. Und in diesem rauhen, kargen Gebiet benötigten die Apachen jeden Fußbreit Boden, um zu überleben. Sie mußten jeden Weißen vertreiben, weil der die natürlichen Reserven des
Landes vernichtete. Haggerty blickte wieder zum Kochfeuer hinüber: Tla-ina, Cochises Schwester, half seiner Frau. »Sanfter Wind« hieß das in Haggertys Sprache. Er bemerkte, daß sie ihn immer wieder ansah, wenn sie glaubte, er bemerkte es nicht. Tla-ina war hübsch. Sie hatte nicht das mongolische Aussehen der anderen Apachen, sondern das einer faszinierenden Exotin. »Es ist sinnlos, weiter darüber zu reden«, sagte Cochise und stand auf. »Nichts ist sinnlos auf dieser Welt«, konterte der General. »Wenn du erlaubst, bleiben wir noch und denken über deine Worte nach.« Mit einer herrischen Geste stimmte Cochise zu. Er war ganz der würdevolle Jefe, der große Häuptling, als er sich in sein Jacale zurückzog. Am Nachmittag verhandelten die beiden erneut miteinander – wiederum ergebnislos. »Jeffords«, sagte Howard am Abend verzweifelt, »ich komme nicht weiter. Was mache ich falsch?« »Nichts, General«, antwortete der Postmeister. »Es dauert lange, bis zwei vollkommen entgegengesetzte Meinungen übereinstimmen. Wenn das überhaupt möglich ist.« Der Postmeister sattelte sein Pferd. Naiche eilte herbei und fragte: »Willst du uns verlassen?« »Nein, ich reite zum Ausgang der Apacheria. Dort lagern die Begleiter des Generals. Ich will ihnen sagen, daß wir heute noch nicht zurückkehren. Sie sollen einen Boten zum Fort schicken, damit auch die anderen Pferdesoldaten nicht unruhig werden. Wir wollen jeden Kampf vermeiden, Naiche.« »Ich begleite dich, Thomas Jeffords«, sagte Naiche. »Ich möchte hier auch keinen Kampf. Aber die Krieger und andere Häuptlinge sind unruhig. Sie fühlen, daß mein Vater nachgeben wird. Er sagt manchmal, daß unser Volk dem Untergang
geweiht ist, seit der erste weiße Mann den Boden dieses Landes betreten hat.« Wenig später erreichten die beiden so ungleichen Männer die Soldaten. »Sieh mal, der Postmeister«, sagte der Texaner Brad. »Ob er 'nen Brief vom großen Chief hat?« »Bestimmt«, erwiderte Zack. »Der Boß steckt uns wieder in die Zelle.« »O nein, so was macht Howie nicht«, fuhr Brad auf, »begnadigt ist begnadigt.« O'Bannion knurrte: »Ihr habt heute schon genug dummes Zeug geredet. Das reicht für einen ganzen Monat Bau. Und hört endlich auf, den General Howie zu nennen, verdammt noch mal!« Haggerty saß ab und hockte sich mit Naiche zu Colonel Walman ans Feuer. »Wie sieht's aus?« fragte der Oberst. »Schlecht, aber nicht aussichtslos«, antwortete Jeffords. »Wir werden wahrscheinlich ein paar Tage brauchen. Ich komme jeden Abend, um zu berichten. Schicken Sie einen Mann zum Fort, damit White nicht eine Schwadron in Marsch setzt.« »Ich verstehe, Cochise«, sagte Walman. »Seine Art zu leben ist vorbei. Wir Weißen drängen immer weiter vor. Eines Tages stoßen wir auf einen Gegner, der stärker ist als wir. Dann ergeht es uns genau wie jetzt den Rothäuten.« »Hoffentlich nicht«, sagte Jeffords und erhob sich. »Wir müssen zurück, Colonel. Drücken Sie uns die Daumen, daß wir etwas erreichen. Es ist bitter nötig.« Naiche führte die Pferde heran und saß auf. Die beiden Männer ritten auf den dunkel gähnenden Schlund des einzigen Zugangs der Apacheria zu. *
Der nächste Tag brachte nicht viel Veränderung in den Standpunkten der beiden Anführer. Lediglich nach dem Mittagessen wurde Cochise konkret. »Das Reservat«, begann er, »ist den Apachen für alle Zeiten zugesichert. Ich vernahm, daß weit auf den Winter zu ähnliche Gefängnisse für Indianer anderer Stämme geschaffen wurden. Ich hörte, wie die Weißen ihr Wort hielten, Howard.« Der General fluchte innerlich, obwohl ihm so etwas fernlag, denn er war ein gläubiger Mensch. »Die Weißen drängen in das Reservat«, fuhr Cochise fort, »die Indianer wehrten sich, töteten die Eindringlinge, die gegen ihr eigenes Gesetz verstießen. Und dann kamen die Pferdesoldaten, brachten die Indianer um und vertrieben sie aus dem Land, das für ewige Zeiten ihnen gehören sollte. Howard, willst du mit den Apachen das gleiche machen?« Howard straffte sich im Sitzen. »Nein«, antwortete er hart, »das will ich nicht, und das werde ich nicht. Wenn Weiße im Gebiet der San Carlos Reservation leben, so müssen sie dort weg. Das verspreche ich, Cochise. Ich gebe sofort die entsprechenden Befehle, sobald ich in Fort Buchanen bin. Von Fort Apache aus werden diese Befehle ausgeführt.« Cochise war zufrieden. Er hatte einen kleinen Sieg errungen. Aber er fragte sich, was das Wort eines Weißen wert war. »Aber ich lasse genausogut alle Krieger verfolgen«, sagte Howard bedächtig, »die Weiße außerhalb des Reservates verfolgen und töten.« »Du hast nicht genug Soldaten, Howard«, warf der Jefe lächelnd ein. Der General spürte, daß die Zurückhaltung allmählich zerbröckelte. Aber für diesen Tag brach Cochise die Gespräche ab. Er gestattete den Besuchern, sich in der Apacheria umzusehen. Denn er wollte ihnen vor Augen führen, daß seine Bergfestung
uneinnehmbar war. Ständig begleiteten Naiche und einige Krieger die Fremden. Thomas Jeffords war bedrückt. Cochise ließ nicht erkennen, daß er an der Fortsetzung ihrer Freundschaft interessiert war. Und das nagte sehr an dem Postmeister. »Lassen Sie ihm Zeit«, riet John Haggerty, der Scout, der den großen Jefe verehrte. »Dieser üble Streit zwischen euch ist noch nicht ausgestanden. Es war falsch, Jeffords, Cochise für die Überfälle der Tontos und Mimbrenjos verantwortlich zu machen. Der richtige Weg ist der, den Howard jetzt beschreitet. Aber auch für Sie und Ihre Sorgen kommt der Zeitpunkt. Ich bin ganz sicher.« Während der Nacht hörten die Weißen die erregten Stimmen der anderen Häuptlinge. Die merkten, daß ihr großer Anführer bereit war, nachzugeben. Und das stimmte sie zornig. Denn ging es nicht um den Kampf aller Apachen, um ihr Land? General Howard benötigte weitere acht Tage, um sich mit Cochise zu einigen. Es war schwer gewesen, den Chief zu Versprechungen zu bewegen. Und jede Forderung Howards beantwortete Cochise mit einer Gegenforderung. Aber am Ende der insgesamt elf Tage dauernden Verhandlungen atmete der General auf. Er hatte versprechen müssen, daß Weiße, die Apachen ermordeten, des Landes verwiesen wurden. Er hatte versprechen müssen, daß die Siedler die Flüsse und Creeks nicht umleiteten und ein Dutzend anderer Dinge mehr. Aber es war Howard gelungen, dem obersten Anführer aller Stämme die Zusage abzuringen, ein halbes Jahr Frieden zu halten. »Ich spreche zu meinen Brüdern«, rief Cochise und stand auf. Er breitete die Arme aus. Die hellen Hirschlederhosen schimmerten im Schein der Nachmittagssonne. Naiche trat hinter seinen Vater und beobachtete Santana,
Loco, Chato, Nana und vor allem Victorio, dessen Miene wutverzerrt war. »Brüder«, rief Cochise, »Ihr habt gehört, was der weiße Häuptling sagte. Die Wasser werden fließen, und das Land der Apachen bleibt uns erhalten. Wir ziehen nach der Sitte unserer Väter durch unser Gebiet und jagen wie seit Urzeiten. Laßt die Bleichgesichter in Frieden. Seht ihr, daß sie Dinge tun, die nicht nach dem Willen des Großen Geistes sind, so meldet diese euren Jefes. Der Soldatenvater befiehlt, daß alle Verstöße gegen unsere Vereinbarung geahndet werden. Es ist mein Wille, daß die Stämme Frieden halten – Frieden für mindestens sechs Mondzeiten.« Victorios finsterem Gesicht war schon anzusehen, daß er sich auf keinen Fall wortgetreu an diese Versprechen zu halten gedachte. Der Jefe der Mimbrenjos war nicht mit Cochises Entscheidung einverstanden. Aber noch jemand hatte an der Vereinbarung etwas auszusetzen: Thomas Jeffords. Der Postmeister stemmte sich hoch, blickte in Cochises schwarze Augen und sagte: »Wir waren Freunde, Häuptling, und ich möchte, daß es so bleibt. Du hast gut und richtig gehandelt in den letzten Tagen. Ich bin froh, daß zwischen unseren beiden Völkern jetzt Friede herrscht. Aber ich vermisse etwas.« Erwartungsvoll sah der berühmte Häuptling den Weißen an. »Du garantierst nicht die Sicherheit der rollenden Jacales, für die ich verantwortlich bin, mein Freund«, fuhr der Postmeister fort. »Mit deinem Einverständnis habe ich die Strecken erweitert. Die Kutschen bringen wichtige Dinge in das ganze Land. Aber sie sind nicht geschützt. Ich bitte dich, deinen Einfluß auch hier geltend zu machen. Denn sonst sehe ich kein Ende der Scharmützel zwischen Apachen und Weißen.« Cochises eben noch freundliches Gesicht verdüsterte sich.
»Ich erwarte von dir, daß du die Sicherheit der Kutschen garantierst«, forderte Jeffords. Der Jefe hob den rechten Arm und machte eine heftige Abwärtsbewegung. Die senkrecht gestellte Hand schien die Luft zu durchschneiden. Jeder wußte, was dies bedeutete: die Sache ist erledigt. Der Jefe hatte entschieden und gesprochen. Jedes weitere Wort war überflüssig. Aber Jeffords ließ nicht locker. »Ich war vor einiger Zeit schon einmal bei dir, Häuptling«, sagte er. »Krieger der anderen Stämme plünderten die Kutschen aus, metzelten die Reisenden nieder und legten Feuer an die Wagen. Du bist der oberste Jefe. Damit muß Schluß sein!« »Schweig!« rief Cochise mit dröhnender Stimme. »Die Beratung ist vorbei. Was du zu sagen hast, ist Wind, der sich in der Nacht verliert.« »Ich kann nicht schweigen«, entgegnete Jeffords fast genauso laut. »Ich bin für die Sicherheit der Transporte verantwortlich.« »Verdammt«, flüsterte Haggerty dem General zu, »er soll aufhören. Er gefährdet alles und bringt uns in Teufels Küche.« Krieger liefen heran. Sie hielten ihre Bogen schußbereit. Naiche winkte die Chiricahuas zurück. Dies war eine Sache zwischen seinem Vater und dem Weißen. »Es sind deine Transporte, nicht meine, nicht die der Apachen«, sagte der Chief und ballte seine Hände. »Aber dein Wort genügt, um sie zu schützen.« »Mein Wort dafür bekommst du nicht, weißer Mann.« Nicht Freund, dachte Haggerty voller Besorgnis, statt dessen sagt er weißer Mann zu Jeffords. In seinem Zorn registrierte Thomas diese letzte Warnung nicht. »Du bist kein Jefe«, sagte er hitzig, »sondern eine Squaw. Warum nenne ich dich Freund? Weil ich dein Freund sein will, und weil man von einem Freund auch einen Dienst erwarten
kann. Aber den verweigerst du mir. Soll die Station wieder brennen? Sollen wieder Menschen sterben, obwohl du gerade Frieden versprachst?« Cochise sprang geschmeidig und mit einem mächtigen Satz vor. Seine Rechte umklammerte den Griff des Dolches, den er am Gürtel der Hirschlederhose trug. Die schwarzen Augen des Häuptlings funkelten vor Wut. Dieser weiße Hund will mein Freund sein und beleidigte den großen Führer der Apachen im gleichen Atemzug. »Ich bin Cochise«, stieß er hervor. »Ich bin dir keine Rechenschaft über meine Entscheidungen schuldig. Sollen deine Wagen doch brennen, mich interessiert das nicht.« »Du forderst zum Kampf, zum Krieg auf!« fauchte Jeffords. »Da, sieh hinter dich, dort stehen sie und warten darauf. Santana und Victorio sind es, die sich nicht an deine Worte halten.« »Dieser Narr«, stöhnte John Haggerty, »er riskiert unser Leben.« »Sagst du, daß Cochise sein Wort nicht hält?« Sprungbereit, etwas geduckt, wie ein Puma kurz vor dem Angriff, stand der große Apache kaum zwei Yards vor Jeffords. »Wenn du nicht die Sicherheit meiner Kutschen garantierst, ja«, antwortete der Postmeister mutig. »Dann brichst du dein Wort, das du vor Minuten erst gabst.« Thomas Jeffords handelte aus seiner Sorge um die ihm anvertrauten Passagiere, Kutscher und Wertsachen heraus. Sein Auftrag war es, den regelmäßigen Postdienst im Südwesten zu organisieren. Und wie es nun aussah, bekam er keinen Frieden auf seinen zahlreichen Strecken. Aber er hatte Cochise die schlimmste Beleidigung zugefügt, die es für einen Indianer gab: wortbrüchig zu sein. In diesen wenigen Sekunden wurde die Freundschaft zwischen den beiden Männern, die so ungleich und sich doch so ähnlich waren, weggewischt wie durch eine Feuerzunge. Cochise spannte sich, sprang aus dem Stand vor und hielt
plötzlich den Dolch in der Rechten. Grell brach sich der Sonnenschein auf der blanken Klinge. Im letzten Moment warf sich der Scout John Haggerty zwischen die vom Zorn verblendeten Männer. John zuckte zusammen, als sich die Klinge in seinen Oberarm bohrte. Cochises Augen weiteten sich. Mit einem Ruck riß der Jefe das Messer wieder an sich. Lauernd blickte er über Haggertys Schulter, suchte Jeffords Blick, wollte geschmeidig an dem Mann in der Wildlederkleidung vorbei, aber der Scout trat erneut zwischen die beiden. »Auch das ist Freundschaft, Cochise«, sagte John Haggerty. Jeffords erwachte wie aus einer Erstarrung. Er sah das Blut, das aus dem Oberarm des Scouts tropfte und die Lederjacke dunkel färbte. Voller Entsetzen wurde dem Postmeister klar, was er angerichtet hatte. Langsam, mit kleinen Schritten, zog er sich zurück. General Howard brachte die Pferde. Cochise steckte das Messer in die Scheide, ohne Haggertys Blut abzuwischen. Abrupt drehte sich der hochgewachsene Häuptling um. Mit weit ausgreifenden Schritten ging er zu seinem Jacale und verschwand darin. Aus den Augenwinkeln heraus musterte Haggerty Tla-inas Gesicht, in deren Züge sich der Schreck eingegraben hatte. Bangte das Mädchen um ihn? »Nichts wie weg«, flüsterte der General und saß auf. Haggerty beherrschte sich meisterhaft. Er mißachtete das Brennen in seinem Arm, schwang sich normal in den Sattel und nahm die Zügel wie immer mit beiden Händen. Naiche gab den Chiricahuas einen Wink. Die Krieger verteilten sich, umstanden die befreundeten Häuptlinge und ihre Begleiter in einem Halbkreis und achteten darauf, daß die
Gesetze der Gastfreundschaft nicht gebrochen wurden. Jeffords blickte Victorio an. Im Gesicht des Mimbrenjos leuchtete offener Triumph. Das war ein Vorfall nach Victorios Geschmack. Die Freunde zerfleischten sich gegenseitig. Und die Apachen waren die lachenden Dritten. »Oh, verdammt«, stöhnte Thomas. »Manchmal glaube ich, daß dieser Streit nie aufhört.« »Kein Wort mehr darüber jetzt«, warnte Haggerty. »Wir müssen erst mal aus der Festung sein. Aber dann fängt der Ärger richtig an. Oder glauben Sie, daß uns die Tontos und Mimbrenjos nach diesem Vorfall friedlich ziehen lassen?« Jeffords antwortete nicht. Erst nach einer Weile raunte er: »General, wenn Sie heute Ihren Skalp verlieren, wissen Sie, wem Sie das zu verdanken haben.« »Unsinn. Wir schaffen es. Vergessen Sie nicht die beiden Abteilungen, die draußen warten.« Genau das fürchtete Thomas ja. Er schaute zur Seite, zu Haggerty. Auch der Scout war besorgt. Die Anwesenheit der Dragoner konnte das Pulverfaß zur Explosion bringen. Und in diesem Augenblick wären dann sämtliche Vereinbarungen hinfällig geworden. Endlich erreichten die drei Weißen den Ausgang der Apacheria. Zwischen den bizarren Felsen wand sich der schmale Weg hindurch, auf dem die Pferde nur hintereinander gehen konnten. General Howard ritt an der Spitze. »Ich lasse die Männer aufsitzen«, rief der General. Als Jeffords und Haggerty die anderen erreichten, fiel ihnen als erstes Colonel Walmans besorgte Miene auf. »Was ist passiert?« fragte der Oberst. Er sah die Wunde, den blutnassen Ärmel der Wildlederjacke und holte tief Luft.
»Weiter! Wir haben keine Zeit, den Stich zu verbinden«, sagte Haggerty ungeduldig. »Bitte, General, lassen Sie anreiten!« Brad und Zack warteten, bis alle an ihnen vorbei waren. Die Gesichter der beiden texanischen Spaßvögel wirkten mit einemmal grimmig und entschlossen. Sie waren dabei, sich eine weitere Belobigung zu verdienen. * Der Trupp erreichte halbwegs übersichtliches Gebiet. Vereinzelt krüppelig wuchernde Bäume spendeten neben hervorspringenden Felsen die einzigen Schatten. Wasser gab es hier kaum. Der Weg nach Fort Buchanan war weit und gefährlich. Zu den Fährnissen der Natur kam auch noch die Feindschaft der Apachen. Denn Jeffords, Howard und Haggerty waren sicher, daß ihnen Kriegergruppen folgten, um die Schmach des großen Jefe zu rächen. So war es auch. Nach kaum zwei Meilen scharfen Rittes klang rings um die beiden Abteilungen der Ruf der Wüstenspottdrossel auf. »Sie haben uns umzingelt«, stellte Howard fest. »Wir machen uns gefechtbereit.« Ein scharfes Schwirren durchschnitt die Luft. Zack und Brad parierten ihre Pferde, die verschreckt zur Seite sprangen. Zwei Pfeile bohrten sich harmlos in den Sand. »Links rechts?« fragte Zack seinen Freund. Brad nickte nur. Sie brauchten wirklich kaum Worte, um sich zu verständigen. Seit Jahren ritten sie nun schon zusammen. Gemeinsam waren sie in die Army eingetreten und standen jeden Sturm durch. Sie hielten die Spencer-Karabiner in den Fäusten. Zwei Schüsse krachten fast gleichzeitig. Zwei Apachenkrieger kugelten von einer sandigen Anhöhe herab und
blieben auf dem Trail reglos liegen. Howard fuhr im Sattel herum. Der General hatte einen scharfen Verweis auf der Zunge. Aber als er die Pfeile sah, die noch wippten, schwieg er. Die Texaner hatten richtig gehandelt. Es war Notwehr gewesen. »Tontos, Sir«, erklärte John Haggerty und band sich ein Halstuch um die Armwunde. »Ich wette, die Mimbrenjos sind schon an uns vorbei. Sie lauern uns irgendwo auf.« »Was hat Howie bloß bei diesem Riesenhäuptling angestellt?« fragte Zack laut. »Mann, die Burschen sind ja stocksauer auf uns.« »Ja, ist nichts mit Spazierritt«, antwortete Brad wortkarg. Jeffords richtete sich im Sattel auf und rief: »Der General hat gar nichts gemacht. Er hat es geschafft, ein halbes Jahr Frieden auszuhandeln. Ich war es, der einen Streit mit Cochise anfing. Wenn euch der Teufel holt, so habt ihr das mir zu verdanken.« Die Texaner sahen sich an. Sie waren beeindruckt. Dieser Postmann, dieser Briefträger, war ja doch ein ganzer Kerl. Er nahm auf sich, was er angestellt hatte, und das imponierte den harten Burschen jederzeit immer. »Keine Sorge, Mr. Kutschenputzer«, sagte Zack, »wir nehmen dem Teufel seinen Skalp, wenn er kommt. Sie können auch in Zukunft noch Ihre unbequemen Kutschen auf den Trail schicken.« »Hoffentlich«, murmelte Jeffords. Immer mehr Krieger tauchten auf den Hügelkuppen auf, galoppierten weit vor den Weißen quer über den Trail. Howard und seine Männer sahen sich umzingelt. Ab und zu öffnete sich einladend eine Lücke in dem weiten Ring aus berittenen Kriegern, die ihr schauerliches Kampfgeheul anstimmten. Aber der General war zu klug, um in eine solche Falle zu reiten. Immer enger zogen die Apachen den Ring um die Soldaten
und Zivilisten. »Wir müssen durch«, sagte Howard beherrscht. »Ich will, daß so wenig Blut wie möglich vergossen wird. Die Apachen sollen keinen Grund haben, uns den Anfang eines neuen Krieges anzulasten.« Jeffords spürte den versteckten Vorwurf, der in diesen Worten lag. »Reitet weiter«, sagte er dumpf, »ich bleibe hier. Wenn mein Weg hier zu Ende ist, nun gut.« »Übergeschnappt.« Und dieses Mal waren es nicht nur die zwei Texaner. Brad und Zack grinsten sich an. »Daß Haggerty okay ist, wußten wir ja«, sagte Brad. »Von Colonel Wally ahnten wir es«, fuhr Zack fort. »Aber daß Howie sich unserer Meinung anschließt«, vollendete Zack, »das ehrt uns doch.« Denn außer dem Scout hatten auch Colonel Walman und der General dieses Wort förmlich ausgespuckt, als Jeffords seine Idee preisgab. Haggerty sah den Oberst an. Walman zog ein Gesicht, als hätte er eine ganze Kanne Kerosin ausgetrunken. »Wally, sieh mal an«, murmelte der Scout und schaute ganz unschuldig den Colonel an. Walman wollte etwas sagen, öffnete den Mund, aber Haggerty kam ihm zuvor: »Keine Sorge, Sir, von mir erfährt es niemand.« Die Dragoner lachten laut. Mindestens 30 Männer hatten mitbekommen, welchen Spitznamen die beiden verrückten Texaner dem Oberst angehängt hatten. Brad und Zack hatten das ihre getan, um der Situation die Spannung zu nehmen. Selbst Howard lachte verhalten. Sein ansonsten schwarzer Bart wirkte durch den Staub wie gepudert und sein Mund beim Lachen wie ein dunkles Loch. Aber lange hielt das Gelächter nicht an. Denn die Apachen rückten immer näher heran.
Den beiden Abteilungen blieb nichts als die Flucht, wenn sie keinen tagelangen Kampf auf Leben und Tod beginnen wollten. Die Mimbrenjos und Tontos legten es darauf an, die Weißen zu reizen, sie zu unüberlegten Handlungen zu zwingen, aber General Howard hielt seine Männer eisern im Zaum. Sie duckten sich zwar, wenn Pfeilwolken heranschwirrten, aber sie erwiderten nicht einmal das Gewehrfeuer, das in unregelmäßigen Abständen aufflackerte und zwischen den Beinen der Pferde Sandfontänen hochwarf. »Schneller, wir sind zu langsam!« drängte Haggerty. »Wenn wir vor der Dämmerung am Schildkrötenrücken sind, haben wir es geschafft.« Die meisten Männer kannten den kahlen Felsbuckel, der sich in der Halbwüste wie der Rückenpanzer einer Schildkröte erhob. Es war eine uralte Sitte der Apachen, daß der Feind, der bei Sonnenuntergang diesen Punkt erreichte, eine Gnadenfrist von vier Stunden bekam. Und vom Schildkrötenfelsen aus erreichten die Reiter in drei Stunden scharfen Rittes Fort Buchanan. * General Howard, John Haggerty, Thomas Jeffords und die Kavalleristen schafften es. Doch die Tonto- und Mimbrenjoskrieger gaben nicht auf. Zum erstenmal mißachteten sie die alte Sitte. Die Soldaten zwangen ihre Pferde immer wieder in Galopp. Die erschöpften Tiere atmeten prustend und rasselnd. Schaum flockte ihnen von den Mäulern, aber sie mußten durchhalten. Jedem Mann war klar, daß er starb, wenn sein Pferd unterwegs zusammenbrach. Haggertys Wunde brannte wie Feuer. Wenn das Messer nicht sauber gewesen war, drohte dem Scout eine Blutvergiftung, die in diesen Zeiten fast immer tödlich endete.
Nach einer weiteren Stunde rief John dem General zu: »Sir, vom Fort können die Posten jetzt eine Leuchtkugel sehen.« »Walman, brennen Sie Rotlicht ab!« befahl Howard. Der Colonel nahm aus der Satteltasche eine Papphülse, die an eine Dynamitstange erinnerte. Nur ein langer Holzstab unterschied diese beiden Sprengkörper voneinander – äußerlich. Walman riß am Horn des schweren, unbequemen McClellan-Sattels ein Schwefelholz an und hielt die kleine Flamme an die Lunte. Mit der anderen Hand hielt der Oberst den Holzstab steil nach oben. Abgewandt wartete der Offizier, bis nach einem Zischen ein leiser Knall erfolgte, bevor er den Stab wegwarf. Am Himmel glühte eine blutrote Sonne auf, die das karge Land mit unnatürlicher Farbe erhellte. Angstschreie schrillten aus den Reihen der Krieger herüber. »Wartet ein paar Minuten«, empfahl Haggerty. Sie zügelten ihre Pferde, die dankbar diese kurze Ruhepause nutzten. Sie standen da mit hängenden Köpfen. Und dann klang in der Ferne das Schmettern eines Trompetensignals durch die einsetzende Dämmerung. In Fort Buchanan gaben die Posten Alarm. Die Schwadron ritt in wenigen Minuten aus, um Rettung zu bringen. Wie ein Spuk verschwanden die Krieger. »Geschafft«, sagte Howard nur und preßte seinem Falben die Hacken in die Flanken. Er war keineswegs sicher, daß Cochise nach diesem Zwischenfall zu seinem Wort stand. Nach einer Nacht im Fort, in der alle Männer wie erschöpft schliefen, war Howards erster Gedanke nach dem Erwachen: Patrouillen müssen raus. Ich muß wissen, wie die Lage ist. Eine Stunde später verließen die ersten Gruppen das Fort. Haggerty hatte Glück gehabt. Der Messerstich erwies sich zwar als schmerzhaft, aber harmlos. Jeffords kehrte in die Paßstation zurück.
In den nächsten Tagen blieb alles ruhig. Nirgendwo überfielen Apachen einsame Farmen und Ranches, selbst die Kutschen rollten unbehelligt durch das Territorium. Patrouille auf Patrouille jagte Howard hinaus, aber alle Meldungen besagten das gleiche: Cochise hält sein Wort. Offensichtlich sah er in seinem Streit mit Thomas Jeffords keinen Grund, das Kriegsbeil gegen die Weißen wieder auszugraben.
ENDE