KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
CHRISTIAN
HEFTE
MÜLLER
Die Briefmarke ...
81 downloads
332 Views
539KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
CHRISTIAN
HEFTE
MÜLLER
Die Briefmarke Merkwürdiges und Wissenswertes aus ihrer Geschichte
V E R L A G S E B A S T I A N LUX MURNAU • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K • OLTEN
Die erste Briefmarke und die markenlose Zeit Als Pettie Galt, der fünfzehnjährige Stift im Kaufmannsladen des Meisters Pickering in London-Westend, das Kontor betrat und, wie er es gewohnt war, die frisch eingelaufene Post vor Herrn Pickering niederlegte, brauchte dieser nur einen Blick daraufzuwerfen, um wie ein Orkan loszubrausen: „Du Lausebengel, du Taugenichts (Meister Pickering schimpfte dies alles selbstverständlich in Englisch), wer hat dich gewiesen, mit meiner Post deine Faxen zu machen? Hab' ich dich nicht gelehrt, daß fremderleuts Briefschaften dich genau soviel angehen wie meiner Frau frischgebackene Brezel? Nie wirst du ein redlicher Kaufmann werden, wie es dein Vater war, der alte James Galt, Gott hab' ihn selig!" Pettie duckte sich, und wirklich pfiff die ihm zugedachte Backpfeife dicht über seinem blonden Schopf hinweg ins Leere. Geschwind suchte er draußen hinter der Ladentheke Deckung. Inzwischen hatte Mister Pickering die Brille wiedergefunden, die er den ganzen Morgen schon gesucht hatte, und nun entdeckte er, daß das, was er auf den Briefen für aufgepapptes Heftpflaster gehalten hatte, winzige Klebebildchen waren, auf denen man die Königin abkonterfeit sah. War denn die Post närrisch geworden? ' In manchen Londoner Kaufmannshäusern gab es an jenem Tag das gleiche Geschimpfe und anschließend das gleiche Verwundern. Aber erst am anderen Morgen ergab sich des Rätsels Lösung, als Mister Pickering und die Londoner allesamt in der Zeitung vom 7. Mai 1840 folgendes lesen konnten: „Ungeheure Heiterkeit erregt neuerdings in der Stadt ein Stückchen Heftpflaster, ungefähr ein Zoll im Geviert, das dazu bestimmt ist, auf Briefe geklebt zu werden. Das Pflaster trägt das Bild Ihrer Majestät der Königin, oder wenigstens das, was man für ihr Bild halten könnte. 2
Das Gesicht hat aber viel zu gemeine und ordinäre Züge, als daß irgendeiner der ergebenen Untertanen, dem das Glück zuteil geworden ist, die anmutige Königin einmal gesehen zu haben, dieses Heftpflasterbild mit ihr verwechseln könnte. Aber ungeachtet der entstellten königlichen Gesichtszüge dürfte das Penny-Post-Heftpflaster doch in Mode kommen. Allerdings nicht so, wie die Post es hofft. Es wird das englische Wundpflaster verdrängen, das die Schönen auf ihr Gesicht zu legen pflegen, um Verletzungen der Haut darunter zu verbergen. Auf diese Weise könnten Frauen wie auch Männer das Bild ihrer Herrscherin im Gesicht, im Herzen und im Geldbeutel tragen." Das Briefpflaster, das die Londoner damals so sehr geärgert hat, war die später so berühmt gewordene Ein-Penny-Marke vom 6. Mai 1840, eines der schönsten Markenbilder, die je die Druckmaschine verlassen hat (s. Abb. 1, links). Nach der Medaille von Wyon hergestellt, die an den Einzug der jugendlichen Königin Viktoria am Lord-Majors-Tag 1837 in der englischen Hauptstadt erinnerte, zeigte es den nach links schauenden Kopf der achtzehnjährigen Herrscherin. Rowland Hill, Lehrer und englischer Postreformator, und der schottische Buchdrucker James Chalmers (die Graphierung besorgte Fr. Heath, den Druck die Londoner Firma Perkins Bacon & Co.) hatten ihre Einführung angeregt. Nicht nur die Londoner hatten für diese Neuerung ihrer Postverwaltung wenig Verständnis. Auch in anderen Ländern, wo man den Briefschreibern die neuen Wertmarken anbot, gab es manchen Widerstand. Bisher waren die Gebühren für Postsachen meist nicht vom Absender, sondern vom Empfänger gezahlt worden, da er ja wohl auch den Nutzen aus den Sendungen zog. Die Kaufleute meinten, die Vorauszahlung des Portos müßte den ganzen Briefverkehr hemmen. War es nicht zudem ein Mißtrauen gegenüber der Zahlungswilligkeit und -fähigkeit des Empfängers, wenn man das Porto selber bezahlte und nicht derjenige, der die Postsachen erhielt? Aber all diese Bedenken und vielerlei Bosheiten konnten den Siegeszug der Briefmarke durch die Welt nicht aufhalten. Sie war als Quittung für gezahlte Briefgebühren eingeführt worden, aber sie ist in den hundert Jahren ihrer Geschichte viel mehr geworden: Briefmarken wurden zum Bilderbuch der Geschichte, wurden Künderinnen großer Taten und Ereignisse, Werbemittel im Dienste des Staates und der Wirtschaft. Als Wohlfahrtsmarken helfen sie, wo menschliche Not umgeht. Hunderttausende von Arbeitskräften verdienen bei der Herstellung und Verbreitung der Marken ihr Brot. 3
H i l l , der d i e erste Briefmarke einführte, auf einer portugiesisch. Jubiläumsmarke — Rechts: Die wertvolle „Schwarze Einser" Bayerns.
A b b . 1. Links: Die erste Briefmarke der W e l t , d i e Ein-PennyM a r k e von 1840 — M i t t e : Sir Rowland
Wäre das bunte, aufklebbare Papierstückchen vor 107 Jahren nicht erfunden worden, so müßte es heute noch geschaffen werden. Erinnern wir uns an die Tage des Zusammenbruchs, als es keine Briefmarken I mehr gab und Vater und Mutter mit ihrem Brief den beschwerlichen I Weg zum entfernten Postamt gehen und dort lange anstehen mußten, bevor sie das Schreiben höchstpersönlich dem Manne hinter dem Schalter " in die Hände geben konnten. Noch schlimmer war es in der markenlosen Zeit vor 1840, die die Sammler die vorphiktelistische Zeit nennen.*) Da es Briefkästen noch nicht gab, mußte der Brief, für den man sich selber den Umschlag zuschnitt und versiegelte, zum Postamt gebradit, dort gewogen und taxiert werden. Da' gab es verwickelte Preistabellen. Einen Brief ins Ausland genau zu berechnen, das konnten selbst viele Postbeamte nicht. Es war ein Hexenkessel, mit Vorschriften angefüllt: Welcher Gewichtsstufe der Brief angehörte, welchen Kurs die Post lief, mit der er befördert wurde, ob er einen Teil des Weges zu Schiff zurücklegte, durch welche Staaten der Weg führte usw. Das Briefschreiben war eine teure Sache, und das Eintreffen eines Briefes war deshalb immer ein Familienereignis. War es bei den teuren Posttarifen zu verwundern, wenn Verwandte, Bekannte und Geschäftsfreunde untereinander berieten, wie sie durch verabredete Zeichen auf dem , Briefumschlag die Portokosten sparen könnten! Da ja der Empfänger *) P h i l a t e l i e , d. h. Freundschaft mit B r i e f m a r k e n , Briefmarkenkunde. In dem deutschen Fremdwort stecken d i e W ö r t e r philos „ F r e u n d " und ateles „ a b g a b e frei".
4
das Porto zahlte, sofern er den Brief annahm, war das gar nicht so schwer. Er sah sich den Umschlag an und verweigerte dann die Annahme. Denn aus dem Umschlag hatte z. B. Frau MacDonald gesehen, daß der Brief, den der Postbote ihr brachte, an „Mrs. MacDonwell" gerichtet war. So wußte sie, daß ihr nach London gereister Ehegatte „well", d. h. gut angekommen war. Umschläge dagegen, die an „Mrs. MacDonill" gerichtet waten, zeigten an, daß dem Gemahl der Londoner Nebel „ill", d. h. nicht gut bekam. Als der Schullehrer Hill, von dem wir berichteten, daß er die Briefmarke angeregt und eingeführt hat, einmal in Schottland weilte, war er Zeuge, wie auf einer kleinen Poststation das Hausmädchen einen Brief zurückwies, den ihr der in London als Gardesoldat dienende Bräutigam geschickt hatte. Sie habe kein Geld, sagte sie dem Postboten, der ihr den Brief vorlegte. Hill, der sehr gutmütig war, legte das Geld sofort aus. „Das hätten sie sich sparen können", sagte das Mädchen, „denn ich weiß längst, was mein Bräutigam mir zu sagen hat. Es geht ihm gut in London. Das ersehe ich aus einigen Zeichen auf dem Umschlag." — „Aber dann muß ja dein Bräutigam das Porto von drei Schillingen zahlen, denn der Brief geht an ihn zurück", meinte Hill. — „Da wird die Post lange suchen müssen. Solch einen Absender, wie er auf dem Brief steht, gibt es in ganz London nicht." Da Herr Hill ein guter Mathematiker war, konnte er sich leicht ausrechnen, was auf diese Weise der Post verlorenging. So schlug er allgemein die Vorauszahlung des Portos vor, und so kam er auch auf den Gedanken, als Quittung für diese Portovorauszahlung die Freimarke zu empfehlen. „Die Schwierigkeiten der Portoerhebung", so schrieb er in seinem Reformvorschlag an die königliche Postverwaltung, „könnten vermieden werden, wenn man ein Stückchen Papier benutzte, das gerade groß genug ist, den Stempel aufzunehmen und das auf der Rückseite mit Klebegummi bedeckt ist, so daß man es leicht anfeuchten und auf den Brief aufkleben kann." Hills Reformplan leuchtete den Männern der Postbehörde ein, und am 6. Mai 1840 erschienen die ersten Briefe mit den Pennymarken und dem Bild der Königin, die jenen Mister Pickering aus London-Westend und die Redakteure der Londoner Zeitung so sehr geärgert hatten. Nach einem Leben rastloser Arbeit und vieler Kämpfe erhielt Hill, der es vom Schullehrer zum Generalpostmeister gebracht hatte und durch eine Nationalspende von 20 000 Pfund ausgezeichnet worden war, eine Ehrenstätte in der Westminsterabtei, wo er neben den Königen Englands und den Größten seiner Dichter und Staatsmänner seine letzte Ruhestätte gefunden hat (s. Abb. 1 Mitte). 5
Die Briefmarke setzt sich durch Ganz leicht hatte es die Briefmarke nicht, sich durchzusetzen. Oh, das war ja ein ganz gefährlicher Krankheitsherd, den die Postverwaltung ihrem Publikum da aufzuzwingen suchte! Wurden nicht durch das Anfeuchten des Klebstoffes die schlimmsten Krankheiten von Land zu Land getragen! Und wie konnte man es einem anständigen Menschen zumuten, in der Öffentlichkeit des Postamtes die Zunge zu blecken, um die Markenrückseite zum Kleben zu bringen! Aber die Briefmarke war kräftiger als alle Widerstände und Einwände, und schon bald nach ihrer Erfindung gab es keinen Kulturstaat mehr, der sich nicht dieses praktischen Postgehijfen bedient hätte. Zwar konnten die Schweizer sich nicht entschließen, es als Rept\blikaner den monarchisch regierten Ländern gleichzutun und den Kopf ihres Staatsoberhauptes auf ihre Marken zu setzen. Sie kamen auf den Ausweg, überhaupt auf ein Bild zu verzichten, und so schenkte der Kanton Zürich den Sammlern in seinem „Schwarzen Vierer" und „Sechser" die ersten Ziffernmarken. Der zweite Schweizer Kanton Genf fand einen anderen Ausweg, er machte mit seinem Wappen bekannt, als er sich im Oktober 1843 zur Herausgabe seiner berühmten „Doppelgenf" entschloß. Dagegen vergaß das Kaiserreich Brasilien ganz, daß es eine Monarchie war, und hielt sich in den ersten beiden Jahrzehnten an Ziffernmuster, denen die Sammler die Bezeichnung: Ochsenaugen, Ziegen- und Katzenaugen gaben. Lind auch Bayern übersah seinen König, als es sich kurz nach der 48er Revolution zur Einführung der Briefmarke entschloß. Der Markcnbildner Franz Joseph Seitz hielt sich dabei an das Züricher Vorbild und verzichtete auf ein Bildnis. So verdanken wir ihm die schönen Ziffernmarken der Jahre 1849—1862, unter denen bei den Sammlern die „Schwarze Einser" besonders beliebt ist. Mit seinen Brüdern, dem „Blauen Dreier" und dem „Braunen Sechser", gehört die „Schwarze Einser" zu den ersten deutschen Marken überhaupt (s. Abb. 1, rechts;. Erst in langem Abstand folgten dem bayerischen Vorbild von 18 50 ab die übrigen deutschen Staaten.
Die rote und blaue Mauritius Fern im Indischen Ozean liegt die bergige Insel Mauritius, auf der um das Jahr 1847 Mister Gomm Gouverneur Ihrer Majestät, der englischen Königin war. Der Name dieses kleinen Inselreiches ist unter 6
den Markensammlern so berühmt geworden wie der Name des großen Diamanten Kohinoor unter den Edelsteinsammlern. Die Vergeßlichkeit eines Uhrmachers war schuld daran, daß der Inselname zu solchem Ruhm gekommen ist. Die Geschichte ist schnell erzählt. Frau Lady Gomm, die Gattin des Gouverneurs, die sich recht langweilte, kam eines Tages auf den Gedanken, die befreundeten Familien der Kolonie zu einem Kostümball einzuladen. Und da es auf der Insel eine Poststelle gab, wollte sie die Einladungen mit der Post herausgehen lassen. Nun hatte Lady Gomm gelesen, daß im englischen Mutterland seit sieben Jahren Postbriefe mit Marken verschickt würden. Das sollte für die Eingeladenen eine Überraschung werden. Da es aber keine Marken auf der Insel gab und der Versand eilte, gab der Postmeister dem einzigen Mann, der auf der Insel Marken herzustellen in der Lage war, dem Uhrmacher und Kupferstecher Barnard, den Auftrag: „Gravieren und drucken Sie sofort zwei Marken mit dem Bildnis der Königin, eine rote Ein-Penny- und eine blaue Zwei-Penny-Marke! Und merken Sie sich gut: Auf den Markenrand setzen Sie die Worte ,Poste paid', das beißt ,Post bezahlt'." Aber Herr Barnard hatte schlecht gehört oder ein schlechtes Gedächtnis, und als er sich an die Arbeit machte, kamen ihm doch Zweifel, wie das Sprüchlein geheißen habe. Eilends ging er zum Postamt zurück,,um sich beim Postmeister den Spruch wiederholen zu lassen. Aber der Gang war umsonst. Der Postmeister war inzwischen abgereist, und bis er wiederkam, so lange konnte unser LIhrmacher nicht warten. Sein Blick streifte das Schild über der Postmeisterei. Daß er das auch nicht gleich gesehen hatte! Da standen ja die gesuchten Worte in großen Buchstaben über dem Eingang: „Post office", und die glaubte er bei der Auftragserteilung gehört zu haben. Vergnügt inachte er sich gleich an die Arbeit. Wir wissen, daß sich der Herr LIhrmachermeister von Mauritius dennoch geirrt hatte. Ungewollt waren zwei Fehldrucke entstanden, die berühmten „Mauritius". 500 Stück waren von jedem Wert gedruckt worden, aber nur etwa zwei Dutzend sind bis heute wieder aufgetaucht. Zwei dieser Kostbarkeiten konnte der Besucher des Reichspostmuseums in Berlin bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges hinter dem Glas einer Mauerkassette bewundern. Lim den Preis von 62 250 Mark ging 1933 eine blaue Mauritius, die noch auf dem Originalbrief klebte, mit ihrer roten Schwester auf einer der berühmten PIumridge-Auktionen in London aus dem Nachlaß des holländischen Tabakgroßhändlers Manus an einen neuen Besitzer über. Die Originalplatte Barnards, mit der er seine Marken gedruckt hatte, erwarb der englische Händler Harmer für 7
70 000 Mark aus dem Nachlaß eines Kolonialbeamten. Von zwei Wächtern Tag und Nacht betreut, war sie auf der Internationalen Postwertzeichen-Ausstellung in Berlin im Jahre 1930 zu sehen. Zu Unrecht geistern in fast allen Sammlerköpfen die beiden „MauritiusPost-Office" als die seltensten Marken der Welt. Namentlich die Jugend läßt sich nicht von diesem Glauben abbringen. Wohl sind sie große Seltenheiten, und man kann sie als die volkstümlichsten Seltenheiten im Reiche der Briefmarken bezeichnen. Es gibt aber Marken, die noch seltener sind. In Südamerika liegt eine englische Kolonie, Lieferantin seltenen Holzes und des nicht minder begehrten Edelmetalls Gold: Britisch-Guiana, die es selbst einem Krösus unmöglich machen würde, alle ihre Marken vollzählig zu erwerben; denn von dem 18 56 ausgegebenen Ein-Cent-Wert in schwarzem Druck auf karminfarbenem Papier ist nur ein einziges achteckig beschnittenes Exemplar bekannt, das 1922 für den Preis von 7343 englischen Pfund aus dem Nachlaß des Markensonderlings Ferrari in den Besitz des Amerikaners Hind aus Utaca überging. Farben Fehldrucke wie die eben beschriebene Britisch-Guiana sind auch die seltensten Europamarken. Die schwedische Drei-Skilling-Marke aus dem Jahre 185 5 hätte nicht ihre gelbe Farbe erhalten dürfen, da ihr ein grünes Kleid zustand. Beim Druck der schwarzen Badenmarke von 1851, die teilweise auf blaugrünem, statt auf dem vorgeschriebenen rosa Papier gedruckt worden ist, scheint der Hersteller ebenfalls farbenblind gewesen zu sein. Ein zweimaliges Versehen, das diesen Seltenheiten einen Liebhaberwert von 90 000 bzw. 65 000 Mark einbrachte. Neben der Insel Mauritius beansprucht die amerikanische SandwichInselgruppe Hawaii für sich den Ruhm, die kostbarsten Marken herausgebracht zu haben. Die in der Regierungsdruckerei von Honolulu 1851 hergestellte Zifferausgabe diente in erster Linie den Missionaren für ihren Briefverkehr mit den Vereinigten Staaten. Von diesen ,MissionarStamps" ist im Laufe der Jahre kaum mehr als ein Dutzend bekannt geworden. Nur selten gelangt ein Stück auf den Markt.
Sammlerglück — auch ohne Raritäten Noch manches Interessante ließe sich über Markenkostbarkeiten, ihre Schicksale und Bewertung erzählen. Ich fürchte aber, es könnte dem Sammeleifer des Lesers mehr schaden als nützen. Zum ersten muß gerade der Sammler Goethes Mahnung beherzigen: „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister." Wir müssen einsehen lernen, daß nicht jeder Sammler eine „rote Sachsen-Dreier" oder ein „Basler Täubchen" beS
sitzen kann; denn es kann auch nicht jeder Gemäldeliebhaber einen echten Spitzweg oder Lenbach in seinem Wohnzimmer aufhängen. Zum andern betrügt sich der Sammler selbst am meisten, der das Sammlerglück nur in der Aufhäufung materieller Werte sucht und die Briefmarke nur liebt, weil sie ihm vielleicht einen mühelosen Gewinn verspricht. In der Frühzeit des Markensammelns wurde noch ohne Rücksicht auf Katalogwert jedes Stück gegen jedes Stück getauscht, und nur die Schönheit der Darstellung und der Farbe regte zum Sammeln an. Das war der gleiche Beweggrund, der auch heute Abertausende dem Zauber der kleinen bunten Bildchen verfallen läßt. Es sind immer die nämlichen Anziehungskräfte: Das Sammlerauge freut sich an der leuchtenden Farbenpracht der Albumseiten und ergötzt sich an der künstlerischen Gestaltung der einzelnen Markenbilder. Ein anderer hält Zwiesprache mit den Zeugen längst entschwundener Postkutschenpoesie, jener Zeit, da „fahl glänzte am Sperlingsrock Thurn- und Taxis' Wappenknopf". Dem nüchternen Spezialsammler sagt wiederum mehr die technische Beschaffenheit seiner Lieblinge zu, er interessiert sich für ihre Zahnungen, Wasserzeichen . und Druckarten, während der Kaufmann sich an den Wertsteigerungen dieses „Börsenpapiers des kleinen Mannes" erfreut. Den Jungsammler aber locken die reizvollen Beziehungen der Marke zur Erdkunde, zur Sprachwissenschaft, zur Wappen- und Münzkunde, zur Völkerund Handelskunde. Wie gesprächig (viel lebhafter noch als die Münze, ihr nächster Verwandter) erzählt uns die Briefmarke von großen Taten und Ereignissen der Weltgeschichte! Als getreues Spiegelbild der Zeitgeschichte hält die Briefmarke aber auch jene Ereignisse fest, die wir alle miterleben und die das Geschick kommender Jahrzehnte bestimmen. Anklagend wirkt auf den polnischen Marken das zerstörte Warschauer Schloß. Auf dem Berg Suribachi sind wir Zeugen der Hissung des Sternenbanners durch amerikanische Marinesoldaten nach der Einnahme der japanischen Insel Iwo Jima und erblicken auf der Philippinen-Gedenkmarke der Vereinigten Staaten aus großer Höhe die Insel Corregidor, den Schauplatz erbitterten Widerstandes philippinischer und amerikanischer Truppen gegen die Japaner. Der 7. Juli 1937 wird als der Tag des japanischen Überfalls auf China auf einer amerikanischen Marke festgehalten, die als erste auch fremde, chinesische Schriftzeichen sehen läßt. Durch die „Flaggenserie" wiederum ehren die Nordamerikaner die 13 während des zweiten Weltkrieges besetzten Staaten, die sich — wie die Randverzierung andeutet — einst wie Phönix wieder aus der Asche erheben werden. Mit den Worten „Toward United Nations" (Auf dem Wege zu den 9
Vereinten Nationen) legt die am 25. April 1945 anläßlich der Konferenz der Vereinten Nationen in San Francisco ausgegebene USAGedenkmarke ein Bekenntnis zu den Idealen dieser völkerverbindenden Gemeinschaft ab. Und wie der Markenkünstler Mouchon bereits 1900 und 1902 auf französischen Marken an die Menschenrechte (Droits de l'homme) erinnerte, verkünden die 1943 und 1945 erschienenen USASondermarken die „Vier Freiheiten der Menschen". „Freedom of speech and religion, from want and fear", das heißt: „Freiheit der Rede und der Religion, Freiheit von Not und Furcht."
A b b . 2: Die Rechte des Menschen w e r d e n auf französischen M a r k e n der Jahre 1900 und 1902 und auf USA-Marken der Jahre 1943 und 1945 verkündet. Die Schriftrolle auf der französischen M a r k e t r ä g t d i e W o r t e „Droits de l ' h o m m e " (Menschenrechte), der Erdball neben dem Bilde Roosevelts auf der USA-Marke d i e W o r t e : „Freedom of speech and r e l i g i o n , from w a n t a n d f e a r " (Freiheit der Rede und der R e l i g i o n , Freiheit von N o t und Furcht).
Noch einmal begegnen uns die „UNO" (die Vereinten Nationen) auf Sondermarken, die Österreich am 26. Juni 1946 zur Erinnerung an die ein Jahr vorher erfolgte Unterzeichnung der Grundgesetze (Charta) der Vereinten Nationen in San Francisco herausgab. Die Pariser Friedenskonferenz vom Juli 1946 lebt fort in französischen Gedenkmarken mit der Ansicht des Tagungslokals der Konferenz, des „Palais Luxembourg". China aber blieb es vorbehalten, die Welt 1946 mit einer „Atombomben-Marke" zu überraschen. Unauffällig und in anschaulicher Art vermittelt uns unser kleiner Lehrmeister, die nur wenige Quadratzentimeter große und schon wegen ihrer Winzigkeit leicht unterzubringende Postmarke, nützliche Kenntnisse und führt uns durch viele Länder und Zeiten. Wie auf Faustens Zaubermantel können wir mit Hilfe unserer kleinen Markenschätze in kurzer Zeit Ozeane und fernste Länder überfliegen, ohne nur die geringste Mühe auf uns zu nehmen; der Flug unserer Phantasie braucht auf keine 10
j
Grenzpfähle zu achten, ohne Paß und Devisen kann unser Geist sich in fernen Zonen tummeln.
Wie gründe ich eine Sammlung? Die Wege, wie du zu einer Sammlung kommst, sind ebenso mannigfaltig, wie jene Wege, die nach dem bekannten Sprichwort alle nach Rom führen. Jeder Sammler hat anders begonnen, und das ist gerade so reizvoll bei der Freundschaft mit Marken, daß man mit ihnen vielseitig bekannt werden kann. Ein Schotte zum Beispiel, der schnell und billig zu einem buntgewürfelten Markenbesitz für seinen Sohn kommen wollte, andererseits, da die Schatten ja sparsam sind, Geldausgaben für eines der üblichen billigen Markenpakete „aus den Missionen" scheute, wählte den Umweg über eine kleine Zeitungsanzeige. Er begab sich also an den Anzeigenschalter einer Londoner Zeitung, deren Leser bekanntlich in aller Welt zu Hause sind, und gab gegen ein paar Schillinge folgende Notiz auf: „Wer will mich haben? Reicher junger Mann will charaktervolles, wenn auch armes Mädchen heiraten. Angebote unter dem Kennwort ,20 000 Pfund' an die Anzeigenabteilung dieser Zeitung." ,
Und siehe da! So weit die englische Zunge reichte, wurde die Anzeige des sparsamen Schotten gelesen. Und es schrieben Mädchen aus Malta und von Hongkong, von den Ionischen Inseln und aus den Burenstaaten, vom Kap der Guten Hoffnung und aus Hinterindien, und alle Briefe trugen schöne Marken, rote und blaue in Dreieck- und in Rechteckform, mit Bildnissen der Königin und der königlichen Statthalter, mit Bildern von Bibern und Schnabeltieren, von Tempeln und von schneebedeckten Bergriesen. Der Schotte konnte die markenbeklebten Angebotbriefe körbeweise in seine Wohnung tragen lassen, und schließlich waren es 25 000 Marken, aus denen der Schottenvater für seinen Sohn die besten herauswählte. Als wir Älteren noch zur Schule gingen, damals um die Jahrhundertwende, und wir in der Lateinschule unter den Bänken einen lebhaften Tauschhandel mit Marken betrieben, da gab es ähnlich erfolgversprechende Einfälle, um „neue Ware hereinzubekommen". Ein bayerischer Dichter, der damals dabei war, erzählt uns in seinen Jugenderinnerungen folgendes darüber: „Als Buben haben wir alles gesammelt. Als ich noch auf die Lateinschule gegangen bin, in Rosenheim, war das Briefmarkensammeln so recht in Schwung. Wir haben freilich noch 11
nicht daran gedacht, daß man Marken auch kaufen kann; nur des Notars Perlmosers Otto hat hier und da von seinem Vater einen Katalog mitgebracht; und wir haben darin gelesen, daß der .Schwarze Einser' zwanzig Mark wert ist und die ,blaue Mauritius' fünfzigtausend Mark, und dann sind wir ganz besoffen gewesen vor Sehnsucht und Begeisterung und haben alle Papierkörbe und alle Speicher durchgestöbert, und an alle Tanten und Paten haben wir die schönsten Briefe geschrieben, daß sich die hätten wundern müssen über so viel Anhänglichkeit, wenn sie es nicht doch geahnt hätten, warum wir gar so zärtlich und aufmerksam gewesen sind. Denn in jedem Brief ist mindestens einmal der Satz gestanden: .Wenn Du zufällig Marken findest, vergiß nicht Deinen dankbaren Neffen!'" Schwer mochte es ihnen ja nicht fallen, den Tanten und Onkels jener Zeit, solch einen Wunsch zu erfüllen. Dünkt es uns nicht wie ein Märchen, daß noch vor wenigen Jahrzehnten Vater vmd Großvater wie richtige Freibeuter auszogen, um in verstaubten Archiven historischer Schlösser, hinter dicken Klostermauern, in alten Pfarrhäusern oder auf den geräumigen Speichern alteingesessener Handelshäuser nach vergrabenen Markenschätzen zu suchen. Wie schlug ihnen das Herz höher, wenn unter den längst vergessenen Briefschaften österreichische Merkure, Moldaus Ochsenköpfe, Donatellos marmorner Löwe auf toskanischen Soldi- oder Grazie-Marken, Pariser Drucke der ältesten Griechenlandausgaben mit großem Hermeskopf oder dreieckige „Kaps" in Holzschnittausführung zum Vorschein kamen.' — Ob es heute noch solche Glücksfälle gibt? Ja, auch unsere nüchterne Gegenwart bietet den Markenschatzgräbern manchmal eine Glücksgelegenheit. Es ist noch gar nicht so lange her, daß auf dem Boden eines Hauses in Mayfair, einem vornehmen Stadtteil Londons in der Nähe des Hydeparkes, ganze Bogen der ältesten Marken Ceylons und Queenslands, große Blocks der westaustralischen Schwäne und andere Schätze von hohem Sammelwert zum Vorschein kamen. Der junge Erbe eines alten Geschlechts hatte sie in seiner Knabenzeit gesammelt, dann waren sie während der Kadettenzeit in Vergessenheit geraten. Die Zwanzig-Pfund-Note aber, die der Knabe den Postmeistern geopfert hatte, trug in der Folgezeit gute Zinsen; denn bei der Versteigerung dieses berühmt gewordenen Mayrfair-Fundes ergab sich das nette Sümmchen von über 5000 Pfund. Und kennt ihr die Geschichte der berühmten Weltfirma Gibbons in London, in deren Panzerschränken die teuersten und seltensten Marken zum Verkauf bereitliegen? Diese Firma, die auch den bekanntesten 12
englischen Markenkatalog herausgibt, verdankt ihren Aufschwung einem gar seltsamen Zufall. Im südlichen Afrika, in Kapstadt, hatte man im Jahrel865 eine Ausstellung aufgebaut, und die vornehmen Damen der englischen Kolonie nutzten diesen Anlaß aus, um eine Wohltätigkeitslotterie durchzuführen. Sie wußten die Lose mit so viel Liebreiz und Freundlichkeit anzubieten, daß selbst zwei einfache Matrosen Zugriffen. Die beiden Seemänner befanden sich auf einer Reise von Indien zum englischen Mutterland und nannten nur noch wenige Schillinge ihren Besitz. Mit diesen Schillingen also kauften sie sich einige Lose. Aber statt der ersehnten Meerschaumpfeife und des erhofften Tabakbeutels bescherte ihnen das Lotteriepech einen Sack bis oben hin gefüllt mit Briefmarken. Enttäuscht nahmen die beiden den Sack mit auf ihr Schiff, versteckten ihn aber, da sie den Spott der Kameraden fürchteten, unter ihrer Lagerstatt. Beinahe wäre das Bündel vergessen worden und liegengeblieben, wenn die Matrosen nicht nach der Landung in Plymouth am Schaufenster eines Briefmarkengeschäftes vorbeigekommen wären. Das brachte sie auf den Gedanken, das lästige Gepäck dem Händler, einem Herrn namens Gibbons, zum Kauf anzubieten. Der Händler war nicht wenig erstaunt, als aus dem Sack ein Schatz bester Marken hervorquoll, eine fast unzählbare Menge der dreieckigen Kapmarken der Ausgabe in Holzschnitt. Man hat nie erfahren, wie sich das Geschäft für die beiden Matrosen gelohnt hat. Daß der Handel aber Herrn Gibbons sehr zustatten kam, weiß man. Denn kurze Zeit nachher schon konnte Herr Gibbons seinen Laden in die englische Hauptstadt verlegen — so reich war der Ertrag aus dem Markensack der beiden blauen Jungen.
Schatzgräber Nicht jeder von uns ist solch ein Glückspilz wie Herr Gibbons aus Plymouth. Wir wollen ja auch keinen Großhandel in Briefmarken aufmachen, wir fangen deshalb im kleinen an. Auf der Mansarde droben steht der alte Schubladenschrank mit vielerlei abgelegten Postsachen aus der ersten Zeit nach dem Kriege. Haben wir schon versucht, einen Blick in die Tiefen dieser Briefsachenablage zu werfen? Mit Genehmigung natürlich! Wie aus einer anderen Welt kommt uns das alles vor, und wir erleben schon beim ersten Durchstöbern die eigene jüngste Vergangenheit, als ob sie weit, weit zurückläge. Ist das alles einmal deutsche Wirklichkeit gewesen: Diese Marken aus den Besatzungszonen Ost- und Westdeutschlands, in deren Bunt- und Bilderhaftigkeit die Zerrissenheit unserer Heimat in der Nachkriegszeit sich deutlich dokumentiert. 13
Aber wir wollen die Marken, die sich uns auf den Karten und Briefschaften der Jahre 1944 bis 1948 darbieten, nicht mit allzu trüben Erinnerungen verbinden. Schauen wir sie uns philatelistisch an! Erschrecken wir nicht, wenn aus dunklen Gründen schwarze Löwen mit blutroter Zunge, kettensprengende Adler und balkentragende Bären uns furchterregend anstarren. Greifen wir ruhig zu und befreien sie aus ihrem Gefängnis! Es sind ja alte Bekannte! Über 30 Jahre lang hauste der schwarze Löwe als Sinnbild der sonnigen Rheinpfalz im rechten Oberfeld der bayerischen Wappenmarken. Hier hat er seinen langjährigen Gefährten verlassen und allein auf den 3- und 12-Pf-Marken der früheren französischen Zone Platz genommen. Auch der österreichische Adler, einst zweiköpfig als Sinnbild der beiden Reichshälften der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, ist wiedergekehrt. Der Zeichner Ranzoni hat den seit Gründung der österreichischen Republik (1919) einköpfigen Adler als Kettensprenger dargestellt und damit die Befreiung Österreichs angedeutet. Und selbst der Berliner Bär auf der Nachkriegsmarke, einst Begleiter des Kolonisators der Mark Brandenburg, Albrechts 1., nun Berlins Wappentier, ist für den Markenkundigen
A b b . 3: Wer Briefmarken recht zu lesen versteht, lernt daraus Zeitgeschichte. Die Nachkriegsnot offenbart d i e sparsam kleine Marke von Mecklenburg - Vorpommern, den W i l l e n zum A u f b a u der Ber-
liner Bär. — Rechts unten: Die M a r k e der früheren französischen Zone t r ä g t eine f r e m d sprachige Aufschrift und neben dem Wappen d i e Namenszeichen der Markenkünstler.
kein Unbekannter. Auf diesem Markenbild trägt er im Dienste des Wiederaufbaus Balken herbei und schwingt den Spaten zur Schuttaufräumung. Immer neue Marken wühlen wir hervor. Winzige Märkchen, nicht größer als Rabattmarken, aber in verschiedenartigsten Farben, finden sich auf alten Briefen aus Schwerin. Mecklenburg-Vorpommern ist als Herkunftsland auf ihnen angegeben. Thüringen steht auf anderen Marken, die entsprechend der Notzeit teilweise nur mit „Spargummi" versehen worden sind und als Bilder ein Posthorn, eine Gruppe Tannen und die Schillerbüste des großen Bildhauers Dannecker zeigen. Die buntscheckige Staatenkarte Deutschlands vor dem Bruderkrieg von 1866, als 17 Postverwaltungen neben- und gegeneinander arbeiteten und allein sieben fremde Auslandspostämter in der Hansestadt Hamburg tätig waren, wird wieder lebendig bei der Betrachtung der Briefe, die aus Dresden, Leipzig, Halle, Lindau und Brandenburg abgesandt wurden. Die Postverwaltungen der Nachkriegszeit sorgten eifrig dafür, daß unsere Albumseiten sich füllen. Haben wir als Schätzesucher Glück und machen die Augen auf, dann können wir vielleicht die seltene rote Zwölf-Pfennig-Marke entdecken, die im unteren Rahmen statt der Zierleiste die russische Inschrift „ Ü O U T A " (Potschta) enthält; sie wurde nur in einer Menge von 14 500 Stück verkauft, weil die Besatzungsbehörde noch am Ausgabetag, dem 23. Juni 1945, die Marke wieder'zurückzog. Mit ihrem fremdländischen Charakter erinnert diese Marke an die ersten Ausgaben des früheren deutschen Bundesstaates Hannover, die das englische Wappen als Sinnbild der einstigen engen Verbindung zwischen dem Königreich Hannover und dem Königreich Großbritannien zeigten. Daß auch die französische Zone kein einheitliches Gebilde war, beweisen die von der französischen Staatsdruckerei Boulevard Brune in Paris gedruckten vielfarbigen Wappenmarken. Die Hirschstangen der Herren von Württemberg, das gelb-rot-gelbe Wappenschild der Zähringer, die einen Flußlauf andeutende Schlangenlinie im grünen Feld, der schwarze Löwe und das Wappen Saarbrückens verraten uns, daß Württemberg, Baden, die Rheinprovinz, die Pfalz und das Saarland zu dieser Zone beigesteuert hatten. Mit ihrer Inschrift »Zone Francaise in französischer Sprache sind sie aber ebenso Zeugen ereignisvoller, schicksalsschwerer Jahre, wie jene in der Staatsdruckerei des Schatzamtes Washington bereits im Jahre 1943/44 gedruckten Freimarken mit der Inschrift „AM-Post". Diese „AM"-Marken hatte die 12. amerikanische Heeresgruppe des Generals Omar Nelson Bradley in dem von ihr besetzten Reichsgebiet um Aachen lange vor Kriegsende erstmals in Verkehr gesetzt. Wenn wir auf die Ober- und Unterränder dieser Marken acht15
A b b . 4: Links: M a r k e mit Plattennummer auf dem Bogenrand — Rechts: Die früheren Landschaftsmarken v o n Bosnien und H e r z e g o w i n a zählen zu d e n schönsten M a r k e n der W e l t .
geben, dann verrät uns auf den Bogenrändern der Aufdruck „Allied Military Postage Stamps-Germany . . . Pfennig" die Herkunft dieser Marken. Für den „Plattler", der etwas von den Druckplatten der Freimarkenberstellung versteht, gibt die Angabe der Plattennummern auf dem Bogenrand der „AM-Post"-Marken weitere Möglichkeiten zu sammlerischer Betätigung. Sie beginnen für den 3-Pfennig-Wert der „AM"Marken mit der Nummer 45 865 und laufen durch bis 45 873. Es wurden also acht Druckplatten für die Herstellung verwandt. Einzelne vielgebrauchte Werte, wie die zu 12 Pfennig, kommen in zweiter Auflage sogar mit einer weiteren Nummer vor. Plattennummern dienen der Kontrolle der Druckplatten und werden in diese Platten hineingraviert und auf den Bogenrändern mitgedruckt. Die „AM-Post"-Marken wurden von den Druckereien des amerikanischen Schatzamtes, vonHarrison & Sons in London und von der Braunschweiger Druckerei Georg Westermann hergestellt. Jede dieser Druckereien hat besondere Eigenheiten. So entdeckt der Kenner kleine Unterschiede in der Zeichnung, Verschiedenheiten in der Druckart und in der Dicke des Papiers, in der Farbe des Gummis und bei gewissen Werten auch Unterschiede in der Zähnung. Diese Verschiedenheiten beachten wir, wenn wir die Marken der englischen und amerikanischen Zone unterscheiden wollen. Gerade diese Marken, die wir noch vor wenigen Jahren selber benutzt haben, beweisen, daß auch die Sammler von Deutschlandmarken keine Langeweile zu spüren brauchen. Dem Schatzgräber im Papierkorb bieten Farbabweichungen, Farbenwechsel, Wasserzeichen, Riffelung und Bogenränder mancherlei An16
regungen. Wenn die Postgebühren erhöht werden, müssen die Farben der Werte für Auslandskarten und Briefe den Vorschriften des Weltpostvereins angepaßt werden. Sie sehen Grün für Drucksachen, Rot für Karten und Blau für Briefe vor. Da die Gebühren für Auslandspost bald nach dem Kriege um das Dreifache erhöht wurden, mußte der blaue 25-Pfennig-Wert seine. Farbe an die Marke zu 75 Pfennig abgeben, der rote Zwölfer verlor sein Rot an den neuen 45er und der Äuslandsdrucksachenwert zu 15 Pfennig — bis dahin bräunlich — leuchtete nunmehr in hellem Grün. Viel erzählen die Marken von Pfennigen und Kreuzern, von Gulden und Talern. Der roten Zehn-Pfennig-Marke entsprach lange die rote Ein-Penny-Marke Englands, dessen Währung bis in die Zeiten Karls des Großen zurückgeht. Das kleine „d", das wir auf englischen Marken als Abkürzung für Penny und Pence antreffen — es ist uns in der Form unserer Pfennig-Abkürzung „-$" vertraut —, entpuppt sich als der Denarius, die Hauptmünze der Franken, die in der jugoslawischen Hauptgeldmünze, dem Dinar, heute noch fortlebt. 500 Jahre lang rechneten die Merowinger und Franken 240 d (Denar) = 1 Pfund Silber, und heute noch entspricht das englische Pfund 240 d (pence). Als „Pfenninge" oder Pfennige begegnen wir dem über 1000 Jahre alten Denarius auf den einstigen Marken von Braunschweig, Preußen, Hannover und Sachsen, als Pinigi, Penni und Pengö auf den Wertzeichen von Polen, Finnland und Ungarn. Daß drei braunschweigische Pfennig 1U Gute Groschen und 4 Silberpfennig Vs Silbergroschen ausmachten, verraten uns alte Braunschweig;Marken mit dem Rößlein im Oval. Damit wären wir bei dem dicken Pfennig, dem Groschen, angelangt, der vor 1874 von den Marken Norddeutschlands verschwunden ist, in neuester Zeit aber in Österreich, Polen und Abessinien wieder als Geldbezeichnung eingeführt wurde.
Vom Aielier zum Schalter Aus dem Reich der Börsianer und Münzliebhaber wenden wir uns dem Reich der Technik zu; ohne sie wäre unsere Briefmarke nie zu dieser Stellung im Reiche des Verkehrs emporgestiegen. — Wie entsteht eigentlich unsere Briefmarke? Wenn eine neue Briefmarke geschaffen werden soll, wendet sich die Postbehörde entweder an einen bekannten Künstler, oder sie ruft zu einem Wettbewerb unter vielen Künstlern auf. Da laufen Hunderte, 17
ja oft Tausende von Entwürfen ein, große Bildentwürfe, die erst auf ihre Wirkung im kleinen Format geprüft werden müssen. So werden also die in die • engere Wahl gezogenen Bilder photographisch auf die Größe einer Briefmarke verkleinert. Gerade dieses kleine Format macht den Künstlern, die an große Bilder gewöhnt sind, mancherlei Schwierigkeiten, zumal auch noch die Beschriftung und die Ziffern auf dem engen Raum dieser kleinen Markenbildchen untergebracht werden müssen. Die Briefmarke soll nicht allein ein Kunstwerk sein, das täglich gefällt, es ist auch die Visitenkarte des betreffenden Landes, soll für dieses Land werben und muß darüber hinaus seinen Zweck erfüllen, also klar und deutlich und schnell zu überprüfen sein. Deshalb ist es nicht gleichgültig, wer den von Künstlerhand geschaffenen Entwurf auf die Druckplatte überträgt. Als 1906 die schöne Landschaftsserie für Bosnien-Herzegowina erschien, haben die zeichnerischen Entwürfe von Kolomar Moser, die meisterhaften Stiche von Professor F. Schirmböck und dann die vorbildliche Ausführung durch die Wiener Staatsdruckerei der Welt gezeigt, welche Höchstleistung auf dem Gebiet der Kleinkunst der Briefmarke erreicht werden kann (s. Abb. 4, rechts). Aber aller Fleiß der Künstler wäre vergebens, wenn nicht leistungsfähige Druckmaschinen ihre Werke auch bei höchsten Auflagen in jeder einzelnen Marke vollendet wiedergeben würden. Dem Markenliebhaber mag es wohl schwerfallen, im Anfang die verschiedenen Druckverfahren — in der Hauptsache handelt es sich um den Hoch-, Tief- und Flachdruck — zu unterscheiden. Daß sich aber die Kenntnis der Druckarten lohnt, beweisen die Preisunterschiede, die bei den gleichen Marken bestehen, je nach dem Druckverfahren, in dem sie hergestellt wurden. Als Beispiel diene die Madonna-Marke Bayerns von 1920 zu 2V2 Mark in Buch- und Steindruck, oder die Ungarnmarke von 1871 in Stein- und Tiefdruck.
Geschnitten — durchstochen — gezähnt Der Traum aller Sammler sind breitrandige, altdeutsche Marken, schön geschnittene, saubere Stücke, möglichst mit „Automobilrändern". So nennt man die breiten wohlgeratenen Schnittränder an den alten Marken. Allzu eng waren sie zusammengedruckt, die Thurn-und-TaxisMarken der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Damals mußten die Marken aus den großen Bogen herausgeschnitten werden wie früher 18
die Einzelmärkchen aus den Lebensmittelkarten. So ruhig konnte die Hand des Postbeamten gar nicht sein, daß nicht die Schere auf krumme Wege geraten wäre. Manche Jahre mußten sich die Markenverkäufer hinter den Schaltern mit der Schere plagen, bis der Irländer Henry Archer mit einer Durchlöcherungsmaschine beim englischen Schatzamt vorsprach. Das war im Jahre 1847. Als man sie ausprobierte, stellte sich heraus, daß die Erfindung doch nicht ausreichte. Henry Archer nahm seine Maschine wieder mit in seine Werkstatt, und einige Zeit später führte er den verbesserten Apparat den Herren des Schatzamtes vor. Aber sie erklärten, nun sei ihnen das Gerät zu teuer; denn Meister Henry wollte es nicht unter 600 Pfund hergeben. Das Schatzamt verzichtete also auf die Lochungsmaschine, sah sich aber zwei Jahre später gezwungen, den Erfinder nochmals um sein Angebot zu bitten. Inzwischen hatte sich das Gerät bei anderen Postverwaltungen aufs beste bewährt, und nun kostete es nicht mehr 600 Pfund, sondern 4000 Pfund, das sind 80 000 Mark, und für diesen Preis kauften die „klugen" Herren nun die Maschine. Es sind nun 100 Jahre vergangen, daß die Marken nicht mehr mit der Schere vom Bogen abgetrennt werden müssen. Nach und nach führten auch die Postverwaltungen des Festlandes die Erfindung von Henry Abb.5:Zahnungsschlussel ^ un(J gie b e w ä h r t e sjch a u s . ArAer gezeichnet. Das war nun an den Postschaltern ein ganz anderes Arbeiten, und die Postkunden bedankten sich. Auch auf manch anderen Einfall war man gekommen, um das Abtrennen der Marken zu vereinfachen. Auf einem holsteinischen Postamt sah man damals einen Postbeamten, der das Trennen der Marken mit Hilfe eines kleinen Rades besorgte, wie es die Schneider benutzen. Er erhielt dadurch eine ganz saubere Durchlochung. Später kamen die Postbeamten auf die Idee, mit metallenen Leisten quer über den Marken19
bogen Punkte, gerade oder sdilangenförmige Linien, Spitzen oder Striche einzustanzen, um das Abreißen zu erleichtern. Daß sogar die Nähmaschine die Zähnungsmaschine ersetzen mußte, verrät dem Sammler die Albanien-Ausgabe vom 14. Oktober 1913. Am häufigsten wurde damals der Liniendurchstich angewandt. Erfolgte er gleichzeitig mit dem Druck, so nahm er ebenfalls Farbe an (farbiger Durchstich). Wurden die Bogen erst nach dem Druck durchstochen, so war der Durchstich farblos. Beide Arten finden wir unter den Thurn-und-Taxis-Marken. Auch in jüngster Zeit wurde der Durchstich noch zuweilen angewandt, er findet sich z. B. noch bei den 1945 hergestellten Fünf-Pfennig-Freimarken für die Stadt Berlin. Es sind die Marken mit dem aufrechtstehenden, zungenfletschenden Berliner Bär. Im allgemeinen tragen die Freimarken heute die viel zuverlässigere Zähnung. Je nach der Anzahl der Zähne, die man auf zwei Zentimeter Markenrand zählt, unterscheidet man verschiedene Zähnungsgrade. Man legt den Markenrand an den Zähnungsschlüssel, wie er in der Abb. 5 dargestellt ist. Die Punkte rechts entsprechen dem Abstand der einzelnen Zähne voneinander, links ist angegeben, welchen Zähnungsgrad die betreffende Marke hat.
Die Briefmarke und ihre Geheimnisse Wie jede Dame besitzt auch unsere Freundin, die Briefmarke, ihre Geheimnisse. Aber nicht, um sich bei uns einzuschmeicheln; denn manche ihrer Geheimnisse, wie die unsere Geduld beanspruchenden Wasserzeichen, können recht tückisch sein. Aber die kleine Briefmarke muß sich ihrer Feinde erwehren, Feinde, die es auf die Taschen der Sammler und die Schädigung der Post abgesehen haben. Sie schützt sich mit Wasserzeichen, Seidenfäden, Lackstreifen, Waffeln, Kreide- und Gitteraufdrucken, Geheimzeichen, Schutzaufdrucken und -unterdrucken gegen Verfälschung. Bei einem Schiffsuntergang kam einmal ein von der Post und der Druckerei sorgsam gehütetes Geheimnis deutscher Briefmarken ans Licht der öffentlichkeit. In der Nacht zum 31. Januar 1892 scheiterte der Dampfer „Eider" des Norddeutschen Lloyd an den Klippen der englischen Insel Wight. Mit dem Schiff gingen im Schiffspostamt auch die Vorräte an deutschen Postwertzeichen unter. Ein Teil der Marken konnte später geborgen werden. Die Finder erlebten dabei Merkwürdiges: Das scharfe Salz des Meerwassers hatte die Marken durchtränkt und dabei einen bisher unbekannten Unterdruck hervorgezaubert. Damit
20
war ein Geheimnis der deutschen Post offenbar geworden. Da die Ausgabe 18 89 heute noch für wenig Geld zu kaufen ist, können wir uns leicht das Vergnügen machen, durch Behandlung mit Salmiakgeist den Schutzunterdruck erscheinen zu lassen. Schicksalverbunden mit dem Meer war auch ein weiteres Briefmarkengeheimnis. Diesmal war es eine Schutzmaßnahme, die der Seekrieg notwendig gemacht hatte. Während des ersten Weltkrieges waren die nach Britisch-Honduras gesandten englischen Georgs-Marken in Gefahr, durch deutsche Seestreitkräfte beschlagnahmt zu werden; sie wurden deshalb mit einem gestrichelten Schutzaufdruck (Moiree) versehen. Die so gekennzeichneten Bestände konnten also im Notfall durch eine einfache Anweisung außer Kurs gesetzt werden. So alt wie die Erfindung des Mainzers Johann Gensfleisch, genannt Gutenberg, ist auch das Wasserzeichen. Den Sammlern begegnet es auf den Marken in den vielfältigsten Formen: als Sonnen, Sterne, Blüten, Kränze, Anker, Ziffern, Kreuze, Schlangen, Waben, Rauten und dergleichen. Das Wasserzeichenmuster wird bei der Papierherstellung mit einer Walze in die noch weiche Papiermasse eingedrückt. Dadurch entstehen verdünnte, durchscheinende Stellen, die sichtbar werden, sobald man die Marke gegen das Licht oder im Halbdunkel etwas unter den Tisch hält. Kommt das Wasserzeichen nur schwer zum Vorschein, so können wir die Markenrückseite mit Wasser oder mit Benzin auf einer dunklen Unterlage anfeuchten. Seltener als das Wasserzeichen treffen wir die Waffel (Gauffrage) an. Sie ist ein aus kleinen Punkten bestehendes Gitterwerk, das den älteren Markenausgaben der Vereinigten Staaten und Perus eingeprägt wurde. In die kleinen punktförmigen Vertiefungen drang die Stempelfarbe ein. Damit sollte das Entfernen und Auswaschen des Entwertungsstempels verhütet werden. Dem gleichen Zweck dienten die Lackstreifen der Österreich-Marken von 1900 bis 1905 und das Kreidepapier, das für manche britischen Marken, für alte Portugalausgaben, die ÖsterreichJubiläumsmarken von 1908 bis 1910 und manche anderen Marken verwendet wurde. Die Nachahmung von Postwertzeichen wollte der englische Papierfabrikant John Dickinson durch das von ihm erfundene Seidenfadenpapier erschweren. Von Großbritannien übernahm es Bayern für seine Kreuzermarken, und weil ein Münzdirektor der Schweiz auf seiner Studienreise nach Paris, London und München die Leistungsfähigkeit der bayerischen Postverwaltung als Markenherstellerin schätzen gelernt hatte, ließ die Schweiz im Jahre 18 51 ihre Marken auf Seidenfaden-Papier 21
aus der München-Pasinger Papierfabrik herstellen. Mit Württemberg, Schleswig-Holstein und Preußen schließt die Reihe der Postverwaltungen, die sich des Seidenfadens als Schutzmaßnahme gegen Fälschungen bedienten. Wenig erfreulich für die Zunft der Markenfälscher waren auch die z. B. bei den englischen Victoriamarken vorkommenden Kontrollbuchstaben; denn die Nachahmung rentierte sich nur für eine größere Auflage. Kam nun auf einmal eine größere Zahl von nachgeahmten Marken mit der gleichen Buchstabenanordnung auf den Markt, so mußten diese Nachahmungen sofort auffallen, und die Postverwaltung konnte die Fälscher meist schnell fassen (s. Abb. 1, links). Um die Nachahmung immer mehr zu erschweren, arbeiteten Zeichner, Stecher und Drucker vielfach schon in das Markenbild winzige Geheimzeichen, wie Häkchen, Punkte, kleine Buchstaben, hinein. Soweit durch sie der Name des Künstlers angedeutet wird, sind sie die Vorläufer der Künstlerzeichen, wie man sie z.B. auf den französischen Marken und Marken der früheren französischen Zone lesen konnte. Auf diesen französischen Zonenmarken findet man die Namen der Zeichner und Stecher wie Louis, Piel, Cortet, Ouvre voll ausgeschrieben, während sich die Markenkünstler des vorigen Jahrhunderts mit Namensandeutungen begnügten (s. Abb. 3, rechts unten). Waren die Markenfälscher findig, so war es die Postverwaltung nicht minder. Immer neue Wege und Mittel wurden zum Schutze der Postwertzeichen gefunden. Österreich und die Schweiz verwendeten Faserpapier, Griechenland, Spanien und Schweden versahen die Rückseite der Marken mit Ziffern, fortlaufenden Nummern oder Posthörnern, andere Staaten, wie Bayern, Österreich, Preußen, Portugal, bevorzugten zeitweise den kostspieligen, schwer nachahmbaren ' Prägedruck, das russische Zarenreich sicherte sich durch Kreideaufdruck, Frankreich durch feinen Gitteraufdruck. Trotzdem ließen sich Fälschungen zum Schaden der Post nicht vermeiden, und manche dieser Fälschungen haben es sogar zu einer gewissen Berühmtheit gebracht, so die von einem ungetreuen Telegraphenbeamten lange Jahre im Postamt der Londoner Börse verwandte Fälschung der grünen Ein-Schilling-Marke von 1867, die Mailänder und Veroneser Fälschungen der Lombardei und die Chemnitzer Fälschung der Zehn-Pfennig-Germaniamarke von 1902. Daß es aber sogar „amtliche" Fälschungen von deutschen Marken gab, wurde erst nach Ende des ersten Weltkrieges bekannt. Es handelt sich dabei um die sogenannten Spionage-Fälschungen einer roten Germaniamarke zu zehn Pfennig und einer dunkelgrauen zu fünfzehn Pfennig, die im Dienst der unterirdischen Kriegführung standen. 22
Der Poststempel — der ältere Bruder der Freimarke Jede Briefmarke soll nur einmal ihre Reise unternehmen. Dann hat sie ihren Daseinszweck erfüllt und interessiert nur noch den Sammler. Damit sie nicht ein zweites Mal verwendet werden kann, wird die Marke entwertet. Man hat sie gelocht wie eine Fahrkarte, man hat sie eingerissen wie einen Straßenbahnfahrschein, mit einem Federstrich durchkreuzt oder einen Stempel aufgedrückt. Diese letztgenannte Entwertung durch den Poststempel ist es, was die Briefmarke dem Sammler erst so bemerkenswert macht. Gar zu gern vergißt aber der Markenliebhaber, daß der Poststempel nicht gleichzeitig mit der Marke geschaffen wurde, sondern eineinhalb Jahrhunderte älter ist. Ursprünglich diente der Poststempel dazu, die Herkunft eines Briefes anzuzeigen. So konnte der Postmann genau den zurückgelegten Weg erraten und die Gebühr festlegen, die früher ja durchweg nicht der Absender, sondern der Empfänger eines Briefes zu zahlen hatte. So sind diese Herkunftsstempel die Vorläufer für die Entwertungsstempel, die wir heute auf den Briefen finden. Um nun auch die Zeit feststellen zu können, die ein Brief auf seiner Reise vom Absender zum Empfänger gebraucht hatte, wurde später neben der Ortsangabe auch das Aufgabedatum handschriftlich vermerkt oder dazugestempelt. Dann wurden Orts- und Zeitstempel in einem einzigen Stempel vereinigt. Nach der Einführung der Briefmarke wurde der Stempel nicht zum „alten Eisen" gelegt, letzt diente er vielmehr dazu, die Marken zu entwerten und gegen ihre wiederholte Verwendung zu schützen. Da man in der Frühzeit der Briefmarke die Marken nicht immer mit dem Ortsstempel entwerten wollte, ließ die Post eigene Entwertungsstempel anfertigen, die aus einfachen Figuren, Kreisen, Balken, Sternen, Kreuzen u. a. bestanden und dem Markenfreund als „stumme Stempel" bekannt sind. Dann ging man weiter und gab jeder Postanstalt eine eigene Nummer und dementsprechend auch ihren Nummernstempel, mit dem sie nun die bei ihr aufgegebenen Postsachen entwerten konnte. Die Briefe erhielten aber auch weiterhin den Ortsstempel mit der Zeitangabe. Es war nun sehr lästig, bei jedem Brief zuerst den Entwertungsstempel und dann den Orts- und Zeitstempel in die Hand nehmen zu müssen. Das mußte doch viel einfacher gehen! So kam man in England und Amerika auf den Gedanken, die beiden Stempel an einem gemeinsamen Stiel festzumachen (Duplex- d. h. Doppelstempel). Mit einem einfachen Abdrücken und mit einer einzigen Handbewegung war die Entwertung 23
und die Orts- und Zeitangabe abgestempelt. Als nun der Briefe immer mehr wurden, entschlossen sich die Postämter, die beiden Stempelteile überhaupt zusammenfallen zu lassen, so wie es heute der Fall ist. Genau wie die Briefmarke im Laufe der Zeit über ihre ursprüngliche Aufgabe hinausgewachsen und aus einer schlichten Quittung für Gebühren die Künderin großer Taten und die Werberin für staatliche und wirtschaftliche Einrichtungen geworden ist, hat auch der Poststempel immer neue Aufgaben übernommen: Als Fest- und Gelegenheitsstempel kündet er heute von großen Ereignissen und wird von der Behörde und von der Wirtschaft gern als Werbemittel benutzt. Er lädt zu einer Exportschau ein, erinnert an die Gründung eines alten Klosters vor 1200 Jahren, und selbst große Sportereignisse finden sich im Poststempel angezeigt. Und da die Hände längst nicht mehr ausreichten, die täglichen Berge von Briefen und Karten schnell genug abzustempeln, übertrug man diese Arbeit einem Maschinenstempe], den der Büchsenmacher des Kaisers Napoleon III., ein Monsieur Salles, erfunden hatte.
A b b . 6: Aus der Entwicklung des Poststempels. Links: G e b ü h r e n stempel der alten Londoner Stadtpost von 1680, als es noch keine Briefmarken g a b . Die Postsendung w u r d e auf dem Postamt a b g e h o l t , der Stempel diente ais Quittung für d i e b e zahlte Gebühr. Der Stempel in der M i t t e ist ein Zeitstempel der gleichen Post. Rechts oben ein halbstummer Stempel aus der ersten Briefmarkenzeit, offener Mühlradstempel von Bayern; jede Postanstalt hatte eine bestimmte Nummer, an der man d i e Herkunft einer Sendung e r k e n nen konnte. — Rechts ein e n g lischer Duplexstetnpel.
24
Nun übernahm der Stempel oft auch die Stelle der Freimarke in Form des „Frankostempels". Als Stempel „Gebühr bezahlt" oder „taxe percue" (was dasselbe heißt), als Stempel ohne Umrandung, in Rechteckform und als ovaler Paketstempel mußte er oft einspringen, wenn an einem Postamt die Freimarken ausgegangen waren oder wenn überhaupt Freimarkennot herrschte, wie in der Inflationszeit und nach dem letzten Kriege im Jahre 1945. Große Handelshäuser und Zeitungsbetriebe, in denen bei ihren Massenauflieferungen das Markenaufkleben zu zeitraubend wäre, können durch die Post eigene Entwertungsmaschinen erhalten, mit denen sie ihre Postsendungen im voraus „freimachen". Selbstverständlich sind diese Entwertungsmaschinen so eingerichtet, daß die Post eine Kontrolle über die Zahl der durch die Maschine laufenden Postsachen behält.
Wie behandle ich meine Marken? Zeige mir dein Album, und ich sage dir, wer du bist! Ja, lieber Sammlerfreund, hier kommt es ans Tageslicht, ob du ordnungsliebend bist und Sinn für Schönheit und Sauberkeit hast. Marken wollen besonders gut behandelt sein. Wir Sammler von heute und morgen, die wir Zeuge waren, wie so viel unersetzliches Kulturgut zugrunde ging, wollen an unseren kleinen Kulturwerten, den Briefmarken, ein Beispiel für Sorgfalt und Verständnis geben. Bevor wir mit der Schere den Briefumschlägen und Karten die Marke entnehmen, suchen wir aus unserem Brief- und Kartenvorrat die Stücke heraus, die unbedingt als „Ganzstücke" erhalten Abb.7: So klebt manMarken e i n : Der Klebesatz A, B w i r d nur w e n i g angefeuchtet, C ist d i e Rückseite der M a r k e .
Rechts: W e n n Briefmarken f e h l t e n , half 1945 und 1946 der „ B e z a h l t " . Stempel.
25
bleiben müssen. Es sind Feldpostkarten, Festpostkarten mit eingedruckter Marke, Inflationsbriefe und -karten, Kolonialpoststücke, mit der Luftpost beförderte Korrespondenz, Briefe mit Stempeln aus der Zeit vor Einführung der Briefmarke, Schiffspost und ähnliche Sammelstücke von geschichtlicher Merkwürdigkeit. Was übrigbleibt, übergeben wir der Schere, schneiden aber die Marken so vorsichtig aus den Umschlägen heraus, daß kein Zahn dabei verletzt wird. Ein Schälchen Wasser wird den abgeschnittenen Marken guttun. Wir legen sie mit den Bildseiten nach oben in die Schale, aber nur so viel, wie gleichzeitig nebeneinander auf der Wasseroberfläche Platz haben. Vergessen wir nicht, farbige, leicht abfärbende Innenhüllen der Briefumschläge rechtzeitig vor dem Bad zu entfernen! Versäumen wir auch nicht, uns über die Wasserempfindlichkeit mancher Marken Gewißheit zu verschaffen! Nach dem Bade nehmen wir mit einer Greifzange (Pinzette) die sich leicht ablösenden Marken heraus und trocknen sie zwischen weißem Löschpapier. Dann pressen wir sie zwischen den weißen Seiten eines Buches, damit sie glatt werden. Das Einkleben geschieht mit Klebefalzen. Wir tupfen ganz wenig Wasser, einen etwa stecknadelgroßen Tropfen, auf beide Seiten des geknickten Falzes und befestigen den feuchten Falz an der Rückseite der Marke, so daß die schmale Seite oben ist (s. Abb. 7). Da jede Marke an der richtigen Stelle des Albums untergebracht sein will, heißt es bei der Einordnung genau bestimmen, aus welchem Land die Marke stammt — nicht jeder Hermeskopf ist griechischen Ursprungs — und in welchem Jahre sie ausgegeben wurde. Es gibt viele Marken, die uns ihr Geburtsland verschweigen: Merkure auf österreichischen Zeitungsmarken, Doppeladler auf Bosnienausgaben, Posthorn und Krone auf ungarischen Zeitungsmarken, Ziffern auf den sogenannten Ochsenaugen von Brasilien, Ziffern mit Barockrahmen der Dresdner Ausgaben u. a. Andere Marken enthalten Schriftzeichen, die wir nicht lesen können, russische, türkische, chinesische Schriften oder die wie Perlen an einer Schnur hängenden Buchstaben der indischen Götterschrift Devanagiri und die Schneckenhäusern gleichenden Zeichen der tamulischen Schrift Südindiens. Wieder andere Wertzeichen unterscheiden sich nur durch die Inschrift, während Bild und Farbe gleich sind. Auf den französischen Napoleonmarken z. B. steht der spitzbärtige Mann zunächst als Präsident Frankreichs auf der Marke, und sie trägt den Aufdruck „Republik"; dann, nach Napoleons Selbstbeförderung zum Kaiser, verwandelt sich die Aufschrift, und wir lesen nun „Empire", das heißt Kaiserreich. Oder 26
Sprachverbesserer haben kleine Unterschiede in die Marken hineingebracht, die wir beachten müssen. So nahm man bei deutschen Marken von 1875 an der Mehrzahl „Pfennige" Anstoß, und die Sprachsäuberer ruhten nicht, bis die deutsche Post ihnen die gleiche Ausgabe mit dem Aufdruck „Pfennig" schenkte. Dem aufmerksam prüfenden Auge dürfen bei der Einordnung auch kleine Zeichnungsunterschiede nicht entgehen. Da zeigte Rußland 18 89 der Welt durch kleine Blitzstrahlen in den Posthörnern seiner im übrigen unveränderten Marken an, daß es seine Telegraphenverwaltung mit der Post vereinigt hatte. Die Ringlein auf Finnlands Marken von 1891, die sonst genau so wie die Marken des russischen Zarenreiches aussahen, waren die einzige Erinnerung an die Zeit des finnischen Großfürstentums. Wenn wir uns alte kanadische Victoria-Marken ansehen, so entdecken wir, daß im Jahre 1898 die Ahornblätter in den unteren Ecken plötzlich verschwinden und an ihrer Stelle Zahlen auftauchen. Die Marken hatten bis dahin nur englische Bezeichnung getragen, und da die Kanadier sie nicht lesen konnten, hatten sie die Wertangabe in Ziffern gefordert. Schließlich müssen wir noch Unterschiede des Papiers, der Wasserzeichen, der Zähnung, der Farben und Druckarten beachten, um vor Kenneraugen bestehen zu können. Sammlerwerkzeuge, wie Lupe, Zähnungsschlüssel, Wasserzeichensucher, Kreideprüfer, Strahlenlampe, werden gute Dienste leisten. Daneben kann der gewissenhafte Sammler auch das geistige Rüstzeug nicht entbehren: Kataloge, Fachzeitschriften und Fachbücher. Tauschvereine werden dem Einzelsammler die Verwertung seiner Doppelstücke ermöglichen, er wird aus den Erfahrungen der Kameraden lernen und schließlich Gelegenheit haben, sich an Ausstellungen zu beteiligen. Hat eine Sammlung bereits ein beträchtliches Ausmaß erreicht, dann wird eine Fehlliste anzeigen, was noch beschafft werden muß. Der Markenfreund freut sich oft, wenn andere sich ärgern. So ärgerten sich Sprachkenner, weil auf einer türkischen Marke von 18 80 statt „1 Piaster" die Bezeichnung „1 Piastres" zu lesen war. Auch hier hat die Post später berichtigt. Oft begegnen uns auf den Marken aber auch rein zeichnerische Unmöglichkeiten. Die Dänen brachten eine Marke heraus, auf der eine Karavelle gezeigt wurde, deren Segelwerk so übergroß gezeichnet war, daß das Schiff von vornherein zum Kentern kommen mußte. Auch eine polnische Marke von 1925 zeigte solch ein Segelschiff, das nur eine Landratte entworfen haben konnte. Daß Seefahren den Bartwuchs fördert, beweist uns Columbus auf den beiden ersten Werten 27
der USA-Marken von 1892. Beim Anblick des neuentdeckten Erdteils ist der Kapitän der Santa-Maria noch glatt rasiert, bei der Landung kurze Zeit später trägt er schon einen Vollbart. Wenn ein Wikingerschiff auf der USA-Gedenkausgabe von 1925 mit der Flagge der Vereinigten Staaten das Meer befährt, so wissen selbst die jüngsten Leser, daß das wohl nicht ganz stimmen kann, und wenn auf den tschechischen Hradschinmarken die Sonne im Westen und wenn sie auf einem Bilde von Martinique im Süden aufgeht, so kann das auch nicht ganz richtig sein. Landwirte werden sich wundern, daß auf der dänischen Luftpostmarke von 1925 der Pflüger weiterarbeiten kann, obwohl ein Flugzeug seine Pferde scheu machte und die Stränge gerissen sind. Man staunt auch, daß die Pferde der deutschen Zwanzig-Mark-Ausgabe von 1921 mit diesen spitzen Beinen, wie sie ihnen der Zeichner angehängt hat, ihrer schweren Arbeit nachgehen können, und wie es die Säerin der alten französischen Marken verstanden haben mag, 40 Jahre unentwegt gegen den Wind zu säen (s. Abb. 8). Noch gibt es mehr der ungewollten Scherze: Linkshändige Bergleute und Schmiede mit falsch aufgekrempelten Hemdärmeln plagen sich auf deutschen Arbeitermarken von 1921. Ohne Telefonschnur bedient sich der kaufmännische Angestellte auf dem DreiPfennig-Wert von 1934 des Fernsprechers. Unmenschliches muten die Schweizer ihrem kleinen Teilknaben zu, der 30 Jahre lang eine übergroße Armbrust zu halten hatte (s. Abb. 9 links). König Christian von Dänemark aber war mit Recht ungehalten darüber, daß er auf den 1924 herausgekommenen Briefmarken seines Landes einmal den Scheitel rechts und einmal links tragen mußte. Solche Briefmarken fehler können auch eine ganz ernste Sache sein, so ernst, daß man sich darüber die Köpfe blutig schlägt. Da stritten sich in Südamerika vor Jahren zwei Länder um einen kleinen Landstrich, in dem Indianer wohnten und Erdölquellen vermutet wurden. Der Landstrich hieß Gran Chaco, und es war eigentlich nie ganz klar gewesen, wem dieses Land nun eigentlich gehörte. Beide Länder gaben Briefmarken mit der Karte ihres Staatsgebietes heraus, und auf beiden Karten hatten die Länder den Gran Chaco kurzerhand in ihre Grenzen einverleibt. Darüber kam es dann zu einem erbitterten Krieg. Mit Markenbildern hat schon manches Land versucht, Politik zu machen und Gebiete einzuheimsen, die fremdes Eigentum waren. So riß Argentinien im Markenbild das Chile gehörende Patagonien und die England gehörenden Falklandinseln an sich, die Dominikanische Republik vergrößerte sich 1900 in ihren Marken auf Kosten Haitis, und Irland wollte durch seine Ausgaben von 1922 in der Welt den Eindruck erwecken, als ob die ganze Insel zum Freistaat Eire gehöre. Friedlicher waren die Ab28
sichten Frankreichs, als es in seine Marken die emsige Säerin hereinnahm, von der wir schon gesprochen haben. Es wollte mit dieser Gestalt das Gegenbild "schaffen zu der gepanzerten, kriegerisch anmutenden „Germania" der deutschen Vorkriegsmarken (s. Abb. 8). Ein richtiges Markenbild zu entwerfen, ist nicht immer ganz einfach, besonders nicht in mehrsprachigen Ländern. In der Schweiz zum Beispiel leben Deutsch-Schweizer, französisch sprechende Schweizer und italienisch sprechende Schweizer. Der eine nennt sein Land Schweiz, der andere Suisse, der dritte Svizzera. Nun könnte man alle drei Namen auf der Marke unterbringen, aber dafür ist sie viel zu klein. So entschloß sich
A b b . 8: Frankreich stellte in der Zeit vor dem ersten W e l t k r i e g seine Säerin der gepanzerten G e r m a n i a g e g e n ü b e r . — Rechts: Hochpolitische M a r k e Irlands vom Jahre 1922.
die Schweizer Postbehörde zu dem neutralen Namen Helvetia. Wir finden ihn in keinem Atlas, man muß bis in die Zeiten der Römer zurückgehen, um ihm zu begegnen (s. Abb. 9). Belgien, in dem Flamen und Wallonen zusammenleben, mußte 1891 auf Verlangen der Flamen zu zweisprachigen Marken übergehen, während Jugoslawien den Interessen der Serben, Kroaten und Slowenen in lateinischer und kyrillischslawischer Schrift gerecht zu werden suchte. Südafrika aber half sich damit, daß es für die beiden Bevölkerungsteile je eine eigene Ausgabe in englischer und kapholländischer Sprache erscheinen ließ. Wohl in keinem Lande ' außer Bayern wäre es möglich gewesen, daß der auf Marken abgebildete Landesherr von einer Spottfigur durch Herausstrecken der Zunge „derbleckt" wird. Wenn wir die Girlanden im Rahmen der bayerischen Luitpold-Markwerte von 1911 genauer betrachten, erblicken wir in ihnen allerlei grinsende Masken — 29
lustige Allotri-Künstlereinfälle des unvergeßlichen Malers FriedrichAugust Kaulbach. Der glockenähnliche Abschluß oben wird zu einem Topfhelm über dem mopsartigen Gesicht eines Schutzmannes im linken Rahmen, im rechten Rahmen aber macht sich eine Maske, ähnlich dem Kopf eines Dienstmanns, durch ihr Zünglein bemerkbar (s. Abb. 9, unten).
Jugend und Briefmarken Als der große Markenfreund, der englische König Georg V., starb, setzte sich ein junger Mann, der 18jährige Markensammler H. J. Brown aus Torquay, hin und entwarf eine neue Briefmarke mit dem Kopfbild des neuen Königs Eduard VIII. Die Postverwaltung entschied sich nach vielen anderen Entwürfen für dieses Markenbild. Sieben Milliarden dieser Eduard-Marken verließen die Druckerei von Harrison & Sons und wurden an den Schaltern des britischen Weltreiches verkauft, ein Beweis dafür, wie glücklich die Idee des jungen Briefmarkenfreundes war. Daß die Briefmarke in einem besonders guten Freundschaftsverhältnis zur Jugend steht, dafür zeugt jede Rundfrage über die LieblingsbeschäftiA b b . 9 : Links: Die d r e i sprachige Schweiz nennt sich H e l v e t i a . Die M a r k e zeigt den Teilknaben mit der übergroßen Armbrust. — Rechts: Diese Englandmarke e n t w a r f ein 18jähriger M a r kensammler. - Unten: Scherze des großen Malers Kaulbach in einer Bayernmarke des Jahres 1911 (aus Sammlerpost München).
30
gung der Jugend. Das ist in der ganzen Welt so. In Amerika hat man 5000 Knaben und Mädchen befragt, und drei Viertel von ihnen gaben an, daß sie am liebsten Briefmarken sammeln, erst dann folgten in weitem Abstand der Modellbau und das Bücherlesen als Liebhabereien. Das Briefmarkensammeln ist belehrend, anregend und beruhigend. Es erzieht zur Ordnungsliebe und Sauberkeit und fördert den Schönheitsund Weltsinn. Heute ist die Briefmarkenforschung, die Philatelie, eine Wissenschaft geworden, die alle Arbeitsmittel des Wissenschaftlers zur Hilfe heranzieht: Physik und Chemie, Kunst und Technik. Denn die Philatelie ist Stufe um Stufe mit den Wissenschaften emporgestiegen und hat deren Entwicklung in allen Teilen begleitet. Allen damit verbundenen Problemen nachzusinnen und alle Gedanken niederzuschreiben, zu denen die kleine Briefmarke anregt, war auf den wenigen Seiten dieses Heftes nicht möglich; es sollte den Markenfreunden auch nur den Weg angeben, wie auch ohne besonderen Kostenaufwand ein beglückendes Sammeln begonnen werden kann.
Die A b b . auf d e r zweiten Umschlagseite zeigt in d e r ersten Reihe Fehldrucke (DFUTSCHES REICH, Kronenmarke mit kopfstehendem B i l d , Kolumbienmarke mit dem Aufdruck REPULICA statt REPUBLICA; in der zweiten Reihe Portomorken der Schweiz, Österreichs, der USA und N o r d b o r n e o s ; in der dritten Reihe Dienstmarken von J a m a i c a , C h i l e , I t a l i e n und W ü r t t e m b e r g ; i n . der vierten Reihe Verrechnungs- und Zahlmarken aus Erythrea, den USA, aus N i e d e r l ä n d i s c h - I n d i e n und d e n N i e d e r l a n d e n ; in der fünften Reihe z w e i M a r k e n ohne Länderbezeichnung (Süd- und Ost-Sachsen und Österreich), eine Zeitungsstempelmarke (Osterreich) und eine Kriegssteuermarke von d e n Bahamainseln.
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Lux-Lesebogen 11 (Geschichte) - H e f t p r e i s 2 5 P f Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM 1,50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt - Verlag Sebastian Lux, Murnau (Oberb.), Seidlpark - Druck: Greven & Bechtold, Köln - Printed in Germany
31
STETS IM
BILDE SEIN!
Heute kann es sich niemand mehr leisten, auf den Gebieten der Naturwissenschaft und der Technik nicht oder schlecht unterrichtet zu sein, weil Naturwissenschaft und Technik das Gesicht unseres "Weltbildes und den Ablauf unseres Alltags weitgehend bestimmen. Wer vorwärtskommen, wer etwas erreichen will, der muß sich der Fortschritte von Technik und Wissenschaft zu bedienen wissen! Und deshalb sollten auch Sie sich in allen Fragen der Naturwissenschaft und Technik zuverlässig und regelmäßig durch den ORION unterrichten lassen.
ORION illustrierte
die führende deutsche
Zeitschrift für
Natur
und
Technik
berichtet in einer Sprache, die jeder versteht: Von den Geheimnissen des Weltalls, seiner Sterne und Atome. Von den Grundlagen und den neuesten Leistungen der Technik • Von den Gesetzen der Physik und Chemie • Von der Harmonie im Bau der Kristalle. Vom Werden der Erde und ihrer Landschaften • Vom Zauber unserer Heimatnatur und ihrer Geschöpfe. Vom Lebenswunder in Pflanze und Tier • Vom gesunden und kranken Mensdien • Von der Schönheit fremder Länder und den Kulturen fremder Völker. Prächtige Ausstattung
•
Vielfarbige Illustrationen
Im Abonnement monatlich 1,60 DM, mit Buchbeilage 2,20 DM, zuzüglich Bestellgeld.
Durch alle Buchhandlungen zu beziehen. Jeder ORION-Abonnent ist ohne Mehrkosten Mitglied der ORION-VEREINIGUNG und genießt deren vielseitige Vergünstigungen. Probeheft kostenlos vom VERLAG SEBASTIAN LUX M U R N A U - M Ü N C H E N - I N N S B R U C K - ÖLTEN
D e r k l e i n e T a u s e n d k ü n s t l e r Tom klebt alles nur mit
D|9l||/Il/I\nfl
Peligom-Alleskleber, bekommst Du in Schreibwarenhandlungen